Digitized by the Internet Archive in 2009 with funding from Mertz Library, The New York Botanical Garden https://archive.org/details/schriftenderkn13kn SCHRIFTEN KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH - ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT ZU KÖNIGSBERG. LIBRARY NEY,' YORK BOTANfCAL GARDEN ERSTER JAHRGANG 180 0. HOAIGSKEKG, 1861. IN COMMISSION BEI GRÄFE IJNO UN ZER. : , v ^’ \W \ *V ' -fl i »• :.i> ’ 'TU Inhalt des ersten Jahrganges 1860. Historische Einleitung und Mitglieder -Verzeichniss ...... Pag. I — XVT Abhandlungen. Ueber die Bernstein- und Braunkohlenlager des Samlandes, von Professor G. Zaddach Beschreibung einiger Altpreussen- Schädel, von Professor von Wittich Einige Pelorien, von Professor R.Caspary Bulliarda aquatica OC., von demselben Ueber Sonnenrisse, von demselben Ueber ein angebliches in Neugranada, im Thale des Magdalenenstroms, aufgefuudenes grosses Lager von Bernstein, von Dr. Schiefferdecker . Anatomisch - physiologische Untersuchungen über den Athmungsprozess der Insekten, von H. Rathke Erster Nachtrag zum neuen Verzeichniss der Preussischen Käfer. Königsberg 1857. von Dr. Lentz Ueber einen auf der kurischen Nehrung bei Nidden gefundenen Knochen, von Stadt- rath Hensche Beschreibung des Knochens, von Dr. H. Hagen Pag. 77 77 77 1 45 59 66 92 95 99 139 147 156 Sitzungsbericht?. Caspary, über Beschädigung holziger Pflanzen durch den Frost . Rosenkranz, über Japan und die Japaner ...... Hagen, Uber die Seeschlange .... • Möller, über die Systeme der Ventilation bewohnter Gebäude .... Caspary, über einige Pflanzen -Bastarde ..•■••• Hagen, über die in historischer Zeit ausgestorbeuen Vögel . . . . Caspary, vergleichende Untersuchungen über drei kleine Mikroskope von Bdnöche in Berüu, Scbiek in Berlin und Nachet in Paris ..... von Wittich, über die durch poröse Scheidewände in Flüssigkeiten hervorgebrachten electrischen Ströme 77 77 >7 77 77 3 4 5 12 12 13 17 77 20 H. Hagen, über die Sinne der Gliederthiere, vorzüglich der Insekten C. F. M. Hagen, über Anilin-Farben ........ Schief ferdecker, über die Cocapflanze ....... Caspary, über die Stellung der Aeste und Blüthen und die Richtung der Blattstel- lung an Ast und Stamm bei der gelben Mummel Caspary, über die Cacleen Nordamerikas ....... Samuel, Uber die Organisation der Seelenthätigkeiten . Schi effer de cke r, über die Wirkung des Blitzes auf den Menschen und über die Häufigkeit des Todes durch Blitz ...... Möller, über die Hiilfsapparate an den Sinnesnerven . . . . . Zaddach, Gedächtnissrede auf H. Rathke ....... Pag. 21 11 21 22 11 11 23 23 24 11 11 y> 25 26 29 SCHRIFTEN KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH - ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT Z U KÖNIGSBERG. ERSTER JAHRGANG. ERSTE ABTHEILUNG. KÖNIGSBERG , 1860. IN COMMISSION BEI GRÄFE UND UN ZER. LIBRARY NEW YORK BOTANiCAL GARDEN llie physikalisch - ökonomische Gesellschaft in Königsberg ist einer der ältesten wissenschaftlichen Vereine der Provinz Preussen ; sie hat die hervorragendsten Männer der Stadt und der Provinz unter ihre Mitglieder gezählt und den Verhältnissen sich anpassend in verschiedener Weise ihren ursprünglichen Zweck , die Verbreitung nütz- licher Kenntnisse , zu verfolgen gesucht. Die Akten der Gesellschaft bewahren ziem- lich vollständig die Materialien zu einer Geschichte derselben , aus der wir in Folgendem nur eine kurze Skizze geben wollen. In einem Gespräch zu Mohrungen am 11. Februar 1789 zwischen dem Land- rath des Mohrungensclien Kreises Andreas Leonhard Köhn genannt v. Jaski auf Wittichwalde und dem Landschaftsdirektor Conrad Georg Reichsgrafen Fink v. Finken- stein auf Rossitten über die Verbesserung der Landwirthschaft und über die Förde- rung der Kultur in der Provinz, erkannten Beide die Nützlichkeit der Gründung einer ökonomischen Gesellschaft zur Hebung der Landeskultur, und v. Jaski übernahm es einen Plan für eine solche Gesellschaft zu entwerfen und sie zunächst für den Mohrungensclien Kreis einzurichten. Seinem Entwurf trat der Graf Fink v. Finken- stein bei, Unterzeichnete denselben am 22. März als erstes Mitglied dieser Gesell- schaft und ihm folgten alsbald die Gutsbesitzer von Brederlow auf Maldeuten, Oberst v. Katzler auf Gr. Münsterberg, Baron v. Hoverbeck auf Mitteldorf, Baron v. Korff auf Mosens, Generalmajor Freiherr v. Schoultz auf Carnitten, Major v. Hülsen auf Tergen und Baron v. Trach auf Lippau im Neidenburgsclien Kreise. V. Jaski liess nun den Entwurf mit einer Aufforderung zum Beitritt im Kreise zirkuliren und ver- anlasste den Burggrafen und Grafen zu Dohna Schlobitten, der sich zur Zeit in Berlin befand , die Königliche Genehmigung der Gesellschaft bei dem Staats - und Kabinets- minister Grafen v. Hertzberg und bei dem Kriegs- und Preussischen Departements- Minister Freiherrn v. Gaudi zu beantragen. Beide Minister schenkten diesem Dnter- nehmen in ihren Schreiben vom 9. und 10. August 1789 ihren Beifall, der Graf v. Hertzberg versprach die Königliche Bestätigung für die Gesellschaft zu besorgen und sagte in seinem Schreiben u. a. „ sie würde vornehmlich dazu dienen, dass von der Preussischen Landwirthschaft ein mehreres als bisher bekannt würde , und die ^preussischen Landwirthe sich auch ihre Gedanken mittheilen würden ; vielleicht würde olnit der Zeit eine allgemeine ökonomische Gesellschaft daraus wie in Schlesien, die cihren Sitz in Königsberg haben könnte.“ ri * C_j LU C II Hierauf brachte der Landrath v. Jaski, nachdem bereits zwei und vierzig Land- wirtlie ihren Beitritt, zur Gesellschaft erklärt hatten, die Sache am 2. September 1789 auf dem Kreistage in Mohrungen zum Vortrage und wurde von diesem beauftragt, die Gesellschaft nach seinem Entwurf zu constituiren und die Königliche Genehmigung dazu einzuholen. Diese Landesherrliche Bestätigung erfolgte unterm 22. Februar 1790 von Sr. Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm II. mit u. a. folgenden Worten: „Wir auch in Betracht des rühmlichen Zweck’s, welchen diese Gesellschaft in An- sehung der Verbesserung der Oekonomie und des Nahrungsstandes sich vorgesetzt hat, solchem Gesuch in Gnaden stattgegeben haben. Als genehmigen und confir- miren Wir hierdurch und Kraft dieses die vorgedachte gemeinnützige Gesellschaft, versichern dieselbe Unserer Gnade und höchsten Schutzes und verleihen ihr den Titul: „Ostpreussisch Molirungsche physikalisch - ökonomische Gesellschaft“ u. s. w. Trotzdem, dass nun alle Bedingungen zur Constituirung der Gesellschaft erfüllt zu sein schienen, hat dieselbe doch erst viel später stattgefunden. Der Landrath v. Jaski fungirte als Geschäftsführer und auf den Kreistagen zu Mohrungen wurden die Angelegenheiten der Gesellschaft berathen und verschiedene Beschlüsse gefasst. Zuvörderst wählte man den Staatsminister Grafen v. Hertzberg zum Ehrenmitgliede und Protektor, dann wurde ein Reglement festgesetzt. Nach diesem sollten jährlich zwei Sitzungen der Gesellschaft auf dem Landschaftshause zu Mohrungen in besonders dazu eingeräumten Zimmern und zur Zeit der Kreistage im Mai und September statt- finden; ferner sollte eine Bibliothek vorzugsweise landwirthschaftlicher Schriften, eine Naturaliensammlung und eine Sammlung von Modellen landwirthschaftlicher Geräthe angelegt werden. Jedes Mitglied sollte ein Eintrittsgeld von 2 Thlrn. , ausserdem einen jährlichen Beitrag von 2 Thlrn. zur Kasse und 4 Thlrn. zur Vermehrung der Bibliothek und der Sammlungen entrichten. Schliesslich sollten von den Mitgliedern Abhandlungen, Gutachten und Meinungsäusserungen über landwirtlischaftliche Gegen- stände eingeschickt und in den beiden jährlichen Generalversammlungen verlesen und besprochen werden. Zugleich wurde zum Bibliothekar und Aufseher der Naturalien- sammlungen, welche durch Geschenke des Generalmajor Freiherrn v. Schoultz und des Landrath v. Jaski begründet waren, der Landschafts -Canzellist Fritsch mit 12 Thlrn. jährlichem Gehalt und 3 Thlrn. zur Beschaffung von Schreibmaterialien bestallt und später vereidigt; zu Sekretairen wählte die Gesellschaft den Landschaftssyndikus Justizkom- missarius Schütz und den Bürgermeister Justizkommissarius Zander zu Mohrungen. Während dieses geschah, hatte der Kriegs- und Domainen - Kammer Assessor von Elditt in Königsberg ein ökonomisches Leseinstitut für Landwirthe des im Ost- » m preussischen Kammer - Departement ansässigen Adels mit vieler Theilnahme und ohne von der Moi ungensehen Gesellschaft Kenntniss zu haben, eingerichtet und im Jahre 1791 bereits eine Büchersammlung von über fünfhundert Bänden zusammengebracht. Er setzte sich mit dem Landrath v. Jaski in Verbindung und sie kamen überein, beide Gesellschaften zu einer zu vereinigen und sie nach den ursprünglichen Plänen in Mohrungen und in Königsberg zwar auf verschiedenen Wegen, aber doch nach einem Ziele: Verbesserung der Land wirthschaft, hinarbeiten zu lassen. Dazu entwarfen sic eine Commembrations - Akte, in welcher bestimmt wurde, «lass das Leseinstitut der Mohrungenschen Gesellschaft für immer einverleibt werde und unter besonderer von der Gesellschaft abhängiger Administration in Königsberg fortgeführt werden sollte. Im Gefolge dieser Vorgänge konnte nun endlich am 1. September 1791 die erste General- Versammlung der Gesellschaft auf dem Landschaftshause zu Mohrungen feier- lich abgehalten werden und der Landrath v. Jaski eröffnetc dieselbe mit einer llede- Er wurde zum Direktor erwählt und vier Kreiseingesessene und sieben andere Mit- glieder wurden ihn! zu Assessoren , als Vorstand, beigegeben, die Commembrations- Akte ward angenommen, das Königsberg’sche Leseinstitut mit der Mohrungenschen Gesellschaft vereinigt und die Leitung desselben dem Kamminer- Assessor v. Elditt und dem Stadtgerichts -Canzlei -Verwandten Johann Daniel Funk, Sekretair der Deutschen Ge- sellschaft in Königsberg, übertragen. Später nach dem am 21. November 1792 erfolgten Tode des Kriegs- und Domainenrath v. Elditt ging das Lese - Institut in Königsberg ein, und die Gesellschaft kaufte die ganze Bibliothek. Die Gesellschaft setzte nunmehr ihre Versammlungen und Verhandlungen bis ins 'Jahr 1799 in Moh- rungen fort, worüber die von 1792 bis 1800 in Königsberg im Druck erschienenen drei Hefte ., Akta der Königl. Ostpreuss. Mohrungschen physikalisch - ökonomischen Gesellschaft “ bei G. L. Hartung und Göbels & Unzer nähere Nachricht geben. Der Eifer indessen, der die Mitglieder von Anfang beseelt hatte, scheint mit den Jahren allmählig nachgelassen zu haben, die Zahlung der Beiträge ging nicht regel- mässig ein, und eine gewisse einseitige und einförmige Richtung mochte der Gesell- schaft nachtheilig zu werden drohen, sie verlegte daher schon im Jahre 1799 ihren Sitz von Mohrungen nach Königsberg. Am 4. Juli 1799 hatte de unter dem Vor- sitz des Landraths v. Jaski ihre erste General- Versammlung daselbst, nahm eine Anzahl neuer Mitglieder auf und beschloss auf den Vorschlag ihres jetzigen Protek- tors, des Etats- und Finanz - Ministers Freiherrn v. Schnitter, der nach dem Tode des Grafen v. Hertzberg erwählt war, durch Subscription in den Preussischen Regie- rungsbezirken neue Mitglieder zu gewinnen, was auch zur Folge hatte, dass bis zum IV folgenden Jahre zweihundert Thaler Eintrittsgelder zur Kasse vereinnahmt wurden und die jährlichen Einkünfte der Gesellschaft sich bis auf fast fünfhundert Thaler steigerten. »Sie kam in vierteljährigen Versammlungen zusammen, in welchen ökonomische und technische Gegenstände in Vorträgen behandelt und besprochen, landwirthschaftliche Geräthe und Modelle vorgezeigt und allgemein wissenswürdige Mittheilungen zur Kenntniss gebracht wurden. In dieser Weise setzte die Gesellschaft ihre Thätigkeit in den ersten Jahren regelmässig und in den darauf folgenden Kriegsjahren bis in's Jahr 1810 sparsamer und unterbrochener fort, bis sie um diese Zeit in fast gänzli- chen Stillstand gerieth. Die Theilnahme der auswärtigen Mitglieder hatte in den letzten für Preussen so bedrängten und verhängnissvollen Zeiten last ganz aufgehört ) nur wenige kamen noch zu den Versammlungen und die Geschäfte der Gesellschaft wurden hauptsächlich von dem Herzog von Holstein- Bek , dem Professor v. Baczko und dem Prediger Schlick geleitet. Aus dieser Zeit ist die Sitzung vom 29. März 1809 fast allein denkwürdig, sie erfreute sich des Besuchs des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und der Königlichen Prinzen Friedrich Wilhelm Ludwig und Friedrich Ludwig nebst ihren Begleitern v. Jagow und Delbrück. Der Herzog v. Holstein -Bek hielt einen Vortrag über den hohen Nutzen der Landwirtschaft und die Erfordernisse der landwirtschaftlichen Gesellschaften ; darauf wurde die Absicht ausgesprochen die durch die Zeitumstände unterbrochene Thätigkeit der Gesellscheaft zu erneuern, eine neue Constitution wurde vorgeschlagen und die sechsundzwanzig anwesenden Mitglieder nahmen sechszehn neue auf, unter diesen den Geheimen Staatsrath v. Schön. »Seit der hierauf folgen- den Sitzung am 4. April T810 war am 6. März 1812 noch eine vor eilf Anwesenden versucht worden, in welcher der Kunstgärtner »Senf einen Vortrag über die Veredlung des Obstes aus dem Kern hielt. Der gehemmte Verkehr und der gestörte Wohl- stand der Provinz als Folgen des unglücklichen Französischen Krieges hatten aber, wie auf alle Verhältnisse, so auch auf die Gesellschaft nachtheilig eingewirkt und die Zeit der eingetretenen Ruhe verlängerte sich durch den Heereszug Napoleons nach Russland und durch den Befreiungskrieg bis zum Ende des Jahres 1813. Die Mit- glieder in Königsberg waren indessen bemüht, die Gesellschaft von Neuem in Thätig- keit zu bringen, sie traten um die Weihnachtszeit 1813 zusammen und vereinbarten ein nach den Zeitverhältnissen verändertes und verbessertes »Statut, das 1814 gedruckt und an die Mitglieder vertheilt wurde. Nach diesem Statut stellte die Gesellschaft als ihre Aufgabe hin: Mittheilung alles Neuen und Wissenswürdigen im Gebiete der Natur- und Länderkunde, besonders in staatswirthschaftlicher , ökonomischer und tech- V nischcr Hinsicht, und Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, durchweiche die Kultur der vaterländischen Künste und Gewerbe befördert werden könnte. Die Gesell- schaft. sollte in sechs Klassen , eine naturhistorische , naturwissenschaftliche , staatswirth- schaftliche , mathematische , medizinische und historisch - statistische getheilt werden, jede Klasse sollte ihren besonderen Direktor haben, und diese sollten unter die Leitung eines gemeinschaftlichen Präsidenten des Hauptvereins gestellt werden. Es sollten in verschie- denen geeigneten Provinzialstädten Nebenvereine unter der Bezeichnung von Provin- zial-Zirkeln errichtet werden, welche ihre besonderen Kassen haben, die Hälfte der jährlichen Beiträge aber an die Haupt- Kasse in Königsberg zur Unterhaltung des Lokals, der Bibliothek n. s. w. abliefern sollten. Mit dem Anfänge des Jahres 1814 begann für die Gesellschaft ein neues Leben , und wenn sie auch die ausgedehnten Bestimmungen ihres neuen Statnt's nur zum Theil in Ausführung brachte, so ver- sammelte sie ihre Mitglieder, deren grösste Zahl dem Gelehrten-, dem gebildeten Beamten- und Gewerbsstande Königsbergs angehörte, von nun an in regelmässigen monatlichen Sitzungen, und ihre eifrigsten Glieder, die Professoren v. Baczko , Karl Gottfried Hagen und Wrede, Prorektor Falk , Pfarrer Wasianski , Schulkollege Mitzel , Kammerherr Grotthuss auf Podollen, Gärtner Senf, Nanke und Andere, hielten ab- wechselnd wissenschaftliche Vorträge , brachten nützliche Erfindungen zur gemeinsamen Kenntniss und bemühten sich für das Aufblühen der Gesellschaft die zweckmässig- sten Einrichtungen zu treffen. LTnter der Direktion des Professor Wrede erwählte die Gesellschaft in diesem Jahre den Geheimen Ratli Gervais zu ihrem Präsidenten und nahm eine ansehnliche Zahl neuer Mitglieder auf, unter diesen am 12. März den Professor Bessel. Sie zählte im Jahre 1815 zweiundvierzig in Königsberg woh- nende Mitglieder und ausser den bereits Genannten den Landhofmeistcr v. Auers- wald, Professor Burdach, Collegien - Rath Gaspari, Regierungs -Iiath Hagen, Gehei- men Archiv -Direktor Hennig, Professor Hüllmann, Oberforstmeister Jester, Direktor Möller, Regierungsrath Müller, Professor Remer, Professor Schweigger, Pfarrer Sommer, Regierungs -Rath Wutzke und Professor Unger. Am 9. Februar 1816 hielt Bessel in der Gesellschaft seine erste Vorlesung über die Beschaffenheit der Kometenbahnen , und in derselben Sitzung wurde an Stelle des im vorigen Jahr verstorbenen Staatsministers Freiherrn v. Schrötter der Landhofmeister v. Auerswald zum Protector erwählt. Den 24. Januar 1817 wurde Medizinalrath Hagen zum Präsidenten der Gesell- schaft gewählt und blieb durch Wiederwahl in diesem Amte bis zu seinem am 2. März 1829 eifolgten Tode. Den rastlos thätigen Bemühungen dieses ausgezeich- VI neten und verdienstvollen Mannes hat die Gesellschaft es zu danken, dass durch die lange Zeit seiner Amtsführung ihre Sitzungen in ununterbrochener Reihe fortdauer- ten, und eine grosse Zahl gelehrter, interessanter und gemeinnütziger Vorträge und Verhandlungen zur Kenntniss ihrer Mitglieder und durch den Abdruck in Zeitschrif- ten theilweise auch zur Kenntniss des grossen Publikums gekommen ist. In diesem Zeitraum wurden mit vielen Andern neu in die Gesellschaft aufgenommen, am 9. Januar 1818 Doktor v. Bär, den 17. März 1820 Professor Herbart, am 24. No- vember 1820 Professor Eisenhardt, am 9. Februar 1821 Bau - Condukteur Hagen, den 9. November 1821 Oberlehrer Bujack und Doktor Argeiander, am 10. Januar 1822 Professor Dulk, den 0. Februar 1824 Hauptmann v. Madeweis, den 28. Juli 1826 Professor Meyer, am 22. September 1826 Professor Dove und am 16. Fe- bruar 1827 Professor Neumann. Es dürften aus der erwähnten Zeit von grösseren Vorträgen als besonders bemerkenswert!! anzuführen sein aus den Sitzungen im Jahre 1817 Hagen: Geschichte des Auers, Wrede über Blitzröhren, Schweigger über Ko- rallen, im Jahre 1818 v. Bär über das Nashorn, am 17. März 1820 Bessel über den Halleyschen Kometen, am 9. November 1821 derselbe über Wahrscheinlich- keitsrechnung und am 20. August 1824 über den Nutzen der Astronomie für die Schifffahrt, am 19. Januar 1827 Meyer über die Bildung der Farrnkräuter, und am 16. März 1827 Dove über den innern Zusammenhang der meteorologischen Erscheinungen. Im Jahre 1822 kaufte die Gesellschaft die Bernsteinsammlung des verstorbenen Prorektors Falk für 200 Gulden und im Jahre 1825 die Haltersehe Bernsteinsamm- lung in Pillau für 150 Thlr., beide sind später vom Doktor Berendt in Danzig und seinen Mitarbeitern für die Beschreibung der organischen Reste der Vorwelt im Bernstein, sehr wesentlich benutzt worden. 1820 wurde für den verehrten Präsiden- ten ein besonderer Ehren -Sessel angeschafft, und in Anerkennung seiner Verdienste um die Gesellschaft ward zu der Feier seines akademischen Jubiläums am 28. Sep- tember 1825 sein Bildniss in der Sitzung am 23. September feierlich in dem Ver- sammlungssaale aufgehängt. In der Sitzung am 11. April 1828 präsidirte Hagen zum letzten Male in der Gesellschaft, und am 1. Oktober 1830 hielt Professor v. Bär dem Dahingeschiedenen eine Gedäehtnissrede und schilderte die grossen und vielseitigen Verdienste des geachteten Mannes um die Wissenschaft und um die Gesellschaft. Nach Hägens Tode erwählte die Gesellschaft den Professor v. Bär zu ihrem Präsidenten, welcher in diesem Amte bis zu seinem Abgänge nach Petersburg irn vn Jahre 1835 verblieb. In dieser Zeit trat wiederum eine Wendung in der Richtung und Thätigkeit der Gesellschaft ein. Seit die Gesellschaft ihren Sitz in Königsberg hatte und ihre bedeutendsten Mitglieder die Professoren und Doceuten der Univer- sität waren, während die praktischen Landwirthe mehr zurücktraten, hörte auch ihre Beziehung zur Landvvirthschaft alhnülig auf und die Vorträge behandelten rein natur- wissenschaftliche Gegenstände. Die Naturwissenschaften fingen damals an auch in weiteren Kreisen Interesse zu erregen und es begann das Bestreben jene Disziplinen durch populäre Form in Vorträgen und Schriften zum Gemeingut aller Gebildeten zu machen und die Erfahrungen der Wissenschaft praktisch zu verwerthen. In diesem Sinne beschloss die Versammlung damals auf Antrag des Professor Bessel, ihre Sitzungen fortan öffentlich zu halten. Da aber aus diesen öffentlichen Sitzungen selbstredend alle Diskussion und freie Unterhaltung ausgeschlossen war, so sollte die Gesellschaft nach jeder solchen Sitzung in einem öffentlichen Lokal sich zu einem gemeinschaftlichen Mahl vereinigen und dort sich in freier Unterhaltung ergehen. Die erste dieser von nun an in ununterbrochener Reihe fortlaufender öffentlicher Sitzungen eröffnete Bessel am 2. März 1832 mit seinem Vortrage über den Zustand der Astronomie im neunzehnten Jahrhundert, und die ausgezeichnetsten Mitglieder der Gesellschaft wetteiferten von jetzt au mit einander in wissenschaftlichen belehren- den Vorträgen und gemeinnützigen Mittheilungen. Die Gesellschaft war nun wieder auf einen Höhenpunkt ihres Wirkens gelangt, das gebildete Publikum nahm den lebendigsten Antheil an diesen Vorträgen, das sehr geräumige Sitzungslokal konnte die Zahl der Zuhörer nur selten fassen und in den zahlreich besuchten Abendunterhaltungen nach den Sitzungen wurde die wissenschaft- liche Unterhaltung in ungebundener heiterer Weise bis in die Nacht hinein fort- gesetzt; ein Jeder erfreute sich an diesem rechten Wirken der Gesellschaft. Von allen Seiten kamen Wünsche in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, und mit vielen Andern traten in dieser Zeit der Kommandirende General des Ersten Armee- Corps v. Natzmer, General -Lieutenant Prinz Friedrich von Hessen, die Professoren Jacobi, Moser, Gruse, Doktor Motherby , Professor v. Bohlen, Doktor v. Siebold, die Professoren Sachs, Rathke, Grube und andere ausgezeichnete Männer aus allen Ständen ein. — Die in der Gesellschaft gehaltenen Vorträge erschienen auch mei- stens im Drucke. Ein Unternehmen, welches v. Bär 1834 begann, sie in einem besondern W erke herauszugeben ‘) , gerieth zwar , als der Herausgeber im folgenden *) Vorträge ans dem Gebiete der NaturwieHeusebaJten und der Oekonomie, Königsberg 1834. Jahre Königsberg verliess, bald wieder ins Stocken, doch wurden in den folgenden Jahren bis 1843 die meisten Vorträge in den Preuss. Provinzialblättern mitgetheilt. Vom Jahre 1844 an wurden sie dann wieder von E. Meyer und Zaddacli gesammelt und unter dem Titel „Königsberger Naturwissenschaftliche Unterhaltungen“ ') herausgege- ben, während die Besselschen Vorträge, zum Theil schon früher in den Schumacher- schen Jahrbüchern abgedruckt, nach dem Tode des Verfassers von Schumacher in einem besondern Werke2) zusammengestellt wurden. Am 3. April 1833 starb der Protektor Landhofmeister v. Auerswald, und einen Monat später ward der Ober-Präsident der Provinz Preussen v. Schön in seine Stelle zum Protektor erwählt. Nach des Professors v. Bär Abgänge nach Petersburg wurde Regierungsrath Hagen, nach ihm Bessel und in den folgenden Jahren die Professo- ren Moser, Jacobi, Dulk, Rathke und Cruse bis in das Jahr 1843 Präsidenten der Gesellschaft, und in dem letztgenannten Jahr zählte dieselbe sieben Ehrenmitglieder, einhundert drei und fünfzig in Königsberg wohnende und fünf und achtzig auswärtige Mitglieder. Nach dem Tode des früheren Bibliothekars der Gesellschaft, Oberlehrers Bujack, im Jahre 1837, wurde die Verwaltung der Bibliothek dem Professor Meyer über- tragen. Dieselbe bestand aus mehreren hundert Bänden meistens veralteter land- wirthschaftlicher und technologischer Schriften und einer Anzahl werthvoller wissen- schaftlicher Reisebeschreibungen und Zeitschriften ; sie wurde durch einen kleinen jährlichen zur Anschaffung von Büchern ausgesetzten Fond unterhalten, Meyer war bis zu seinem Tode im Jahre 1858 für die Vermehrung der Bibliothek auf das ei- frigste besorgt. Nach Aussonderung der veralteten und werthlosen Bücher, welche zum Theil die Königliche Bibliothek übernahm, vermehrte er die Büchersammlung, durch bedeutende Geldbewilligungen unterstützt, nach einem bestimmten Plane. Er richtete einen Lesezirkel gegen besonderen Beitrag unter daran Theil nehmenden Mitgliedern ein, und seinen kenntnissreichen Bemühungen verdankt die Gesellschaft den Besitz einer ausgewählten Sammlung der vorzüglichsten naturwissenschaftlichen Zeitschriften und Reisewerke. Diese schöne durch zwölf Jahre währende Blüthezeit der Gesellschaft sollte aber nicht immer dauern, und es gelang den Bestrebungen einer Anzahl ihrer Glieder nicht , die gewohnt und beliebt gewordene Thätigkeit in der bisherigen W eise ferner- hin zu erhalten. Der Minister des Innern und der Polizei hatte unterm 25. Okto- l) 1. Baud. 1844—47, 2. Band 1848—52, 3. Bd. 1854—58. -) Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände. Hamburg 1848. IX bei- 1844 eiu Rescript erlassen, nach welchem alle öffentlichen Vorlesungen und Vorträge der polizeilichen Censur und Controlle unterworfen werden sollten. Das Königliche Polizei - Präsidium richtete darauf das Verlangen an die Gesellschaft» die geschriebenen Vorträge vor der öffentlichen Lesung zur Durchsicht zu erhalten und behielt sich vor, sie zu genehmigen und die Sitzungen amtlich zu über- wachen. Dies hatte zur Folge , dass die Mitglieder sich von den Vorlesungen gänz- lich zurückzogen und im Jahre 1845 keine öffentliche Sitzung gehalten werden konnte. Zwar wurde nach mehrfachen Verhandlungen der Polizei -Präsident durch den Herrn Oberpräsidenten Bötticher unterm 20. Juni 1845 angewiesen, die für die physikalisch - ökonomische und deutsche Gesellschaft angeordnete polizeiliche Controlle aufzuheben und den Vorlesungen der physikalischen Gesellschaft einstweilen kein Hinder- niss in den Weg zu legen; doch hatte die Thtitigkeit der Gesellschaft einen Stoss erhalten, der in den folgenden Jahren nur langsam und allmälig verschmerzt werden konnte. Um die aus der früheren Zeit herstammenden, später nicht vermehrten uud theils veralteten, theils sehr unvollständigen Sammlungen der Gesellschaft, die ihr überflüssig geworden waren, nutzbar zu machen, wurde nach dem Beschluss in der Dezembersitzung 1845 die Modellsammlung der hiesigen Gewerbeschule, aus der Naturaliensammlung die Conchylien und Petrefakten dem zoologischen Museum, einige versteinerte Hölzer dem botanischen Garten, einige fünfzig Stücke Mineralien dem Friedrichs -Collegium und ein Paar vorhandene Preussische Antiquitäten der Gesell- schaft Prussia zum Geschenk gemacht, und es behielt die Gesellschaft nur allein noch die Bernsteinsammlung. Auf den Antrag des Professor Meyer wurde beschlossen ein Bild des um die Gesellschaft nicht minder wie um die Wissenschaft so hoch verdienten, im Jahre I8’46 verstorbenen Geheimen Raths Bessel im Sitzungssäalc aufzuhängen, und geschah dies am 10. November 1848, nachdem der Direktor der Sternwarte Dr. Busch einen Vortrag über die Gründung der Königsberger Sternwarte t nd Bessels Wirken an derselben gehalten hatte. Im Jahre 1850 wurden dem Direktor der Gewerbeschule, Doktor Albrecht, der die gcognostische Beschaffenheit der Samländischen Ostseeküste und die Lagerung der Braunkohlen an derselben untersuchen und Bohrversuche anstellen wollte, fünf- zig Thaler aus der Kasse der Gesellschaft dazu bewilligt. Im Anfänge des Jahres 1852 hielt Professor Meyer einen Vortrag über die neuesten Entdeckungsreisen in Central- Afrika und über die so kühn und unerschrocken unternommene Erforschung, dieses Welttheils durch Doktor Barth , schilderte die *# X grossen Verlegenheiten, die diesem berühmten Reisenden durch das Ausbleiben der Geldmittel von Europa entstanden waren, und stellte den Antrag, die Gesellschaft möge dieses gefahrvolle Unternehmen nach ihren Kräften unterstützen. Die Gesell- schaft beschloss auch zur glücklichen Fortsetzung und Beendigung dieser Reise aus ihren Mitteln einen Beitrag herzugeben und stellte dazu dem Preussischen Gesandten in London Ritter Bunsen hundert Pfund Sterling zur Disposition. Das Geld wurde nicht abgeschickt, da das englische Gouvernement die Bestreitung der Kosten der Reise Barths und des nachgereisten Doktor Vogel inzwischen übernommen hatte und wurde auf den Antrag Carl Ritters und Bunsens dem Doktor Bleek eingehändigt, der ohne Mittel sich 1854 der Reise Barths anschliessen wollte, diesen Plan aber änderte und nach Port Natal ging. Derselbe erstattete im Jahre 1859 der Gesellschaft aus der Capstadt über seine im Dienste der englischen Colonial -Regierung unternommene Erforschung der südafrikanischen Sprachen Bericht und sandte ihr drei Ilefte seiner dortigen literarischen Arbeiten zum Geschenk. — Im Juli 1856 verlor die Gesell- schaft durch den Tod ihren seit dem Jahre 1833 ihr mit steter Theilnahme erge- benen Protektor , den Staatsminister v. Schön, und hat die Freude seit dieser Zeit den Wirklichen Geheimen Rath und Ober - Präsidenten Doktor Eichmann als Protektor an ihrer Spitze zu sehen. — Wiederholt war in der Gesellschaft der Wunsch zur Sprache gekommen, die Bodenverhältnisse unseres Landes genauer zu erforschen und kennen zu lernen, das relative Alter der Bernsteinablagerung zu bestimmen und die Braunkohlenlager in den Strandbergen des Samlandes zu untersuchen, auch die darin noch erhaltenen organischen Reste zu erforschen. Auf die erneuerte Anregung des Doktor Hagen bestimmte die Gesellschaft einhundert Thaler dazu und ersuchte den Professor Zaddach , diese Untersuchung in der Strandgegend von Rauschen zu übernehmen und den Anfang einer Sammlung organischer Reste der Vorzeit für die Gesellschaft damit zu verbinden. Professor Zaddach hat in dem darauf folgenden Sommer 1858 diese Aufgabe ausgeführt und überreichte der Gesellschaft eine aus den Rauschener Bergen zusammengebrachte interessante Sammlung von einhundert- fünfzig Stücken von Thon mit Blätterresten, fünfündachtzig Stücke mit Früchten, Saamen, Pflanzenschuppen und Knospen und eine Anzahl verschiedener fossiler Hölzer aus der Braunkohlenflora, nebst seinem ausführlichen Bericht. Die Gesell- schaft schickte einen Theil dieser Sammlung an Professor Heer in Zürich zur Be- nutzung bei seiner Arbeit über die Tertiärflora und zur speziellen Bestimmung, und setzte für den Sommer 1860 noch einmal die Summe von hundert Thalern zur Fortsetzung dieser Untersuchungen aus, welche wiederum Professor Zaddach auszuführen versprach. XI War, wie schon erwähnt, durch die polizeilichen Maassregeln des Jahres 1844 die Thätigkeit der Gesellschaft gehemmt worden , so geschah dies in noch höherem Grade durch die politischen Zustände der Jahre 1848 und 1849; auch wirkten in den spätem Jahren mannigfache andere Ursachen zusammen, das Zustandekommen der öffentlichen Vorträge, die in der Form, in der sie gewöhnlich gehalten wurden, einen bedeutenden Aufwand von Zeit erforderten, zu erschweren : Manche Mitglieder, die früher sehr thätig für die Gesellschaft gewesen waren, hatte der Tod ihr ent- rissen, öffentliche Vorträge, welche zu verschiedenen wohlthätigen Zwecken in Königs- berg mehrere Jahre hindurch gehalten wurden, nahmen die Kräfte anderer in Anspruch; noch andere betheiligten sich lebhaft bei einer andern Gesellschaft, die inzwischen in Königsberg entstanden war, schnell heranwuchs und der physikalischen Gesellschaft einen Theil ihrer ursprünglichen Bedeutung, eine Vermittlerin zwischen den wissenschaftlichen Forschungen und dem praktischen Leben zu sein, fortnahm. So musste diese denn, um ihrer Aufgabe zu genügen, sich wiederum, wie es schon mehrfach geschehen, den veränderten Verhältnissen anpassen. Die Richtung auf eine naturwissenschaftliche Erforschung der Provinz, die bereits in mehreren von der Gesellschaft unterstützten Unternehmungen hervorgetreten war und sich immer mehr Bahn gebrochen hatte, musste verfolgt werden. Am Schlüsse des Jahres 1858, nachdem im ganzen Jahre keine Sitzung stattgefunden hatte , wurde der Beschluss gefasst, neben den öffentlichen Vorträgen wiederum monatliche geschlossene Zusam- menkünfte der Mitglieder mit Vorträgen und freier Diskussion einzurichten. Diese Sitzungen haben regelmässig bis jetzt stattgefunden und sich als so belebend für die Thätigkeit der Gesellschaft erwiesen, dass bereits im März dieses Jahres beschlossen werden konnte, die Arbeiten der Mitglieder, vorzüglich solche, welche sich auf die vater- ländische Naturgeschichte beziehen, jährlich in einem Bande zu veröffentlichen. So hat sich die Gesellschaft wieder ihrer ursprünglichen Einrichtung, wie sie durch jene patriotisch gesinnten Männer vor 70 Jahren festgestellt wurde, mehr ge- nähert. Neben der Verbreitung allgemein nützlicher naturwissenschaftlicher Kennt- nisse hat sie wieder einen bestimmteren Wirkungskreis in der Erforschung der Natur- geschichte unserer Provinz gefunden. Wie damals so werden auch jetzt in der Provinz sich Männer finden, welche ihr Interesse für die Förderung der Kenntniss des Vaterlandes durch thätige Unterstützung der Gesellschaft an den Tag legen werden« Königsberg, im September 1860. Verzeichnis» der Mitglieder der Königl. physikalisch- ökonomischen Gesellschaft am 1. Juli 18U0. Protektor der Gesellschaft: Ilerr Dr. Eiclimann, Wirklicher Geheime Rath, Oberpräsident der Provinz Preusscn and Univer- sitäts-Curator, Excellenz. Vorstand: Dr. med. Sch ie ff erd eck er, Präsident, Professor Dr. Luther, Director. Professor Dr. Zaddach, Secretair. Professor Dr. Caspary Bibliothekar. Consul C. Andersch, Rendant. General - Consul B. Lorck, Cassen-Curator. Ehrenmitglieder: Herr von Auerswald, Staats -Minister, Excellenz, in Berlin. „ Barth, Dr., in Berlin. „ Bötticher, Dr., Wirklicher Geheime Rath und Chefpräsident der Oberrechnungs- Kammer, Excellenz, in Potsdam. „ Prinz Friedrich zu Hessen-Cassel, Durchlaucht, in Rumpenheim in Hessen. „ von Flottwell Dr., Staatsminister, Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Excellenz, in Potsdam. „ Ratlike, H., Dr, Professor, Geheime Medicinalrath , in Königsberg. „ von Werder, Generallieutenant, Commandireuder General des 1 sten Armee -Corps, Excellenz, in Königsberg. xm Ordentliche Mitglieder in Königsberg: AI brecht, Dr., Direct or der Gewerbe- Schule. Andersch, A., Stadtrath. Ballo, Kaufmann. Barth, Dr. med. Becker, Stadtgerichts - Director. Becker, Justizrath, v. Behr, Oberlehrer, v. Besser, Regierungsrath. Bien ko, Particulier. Bijorck, Bürgermeister. Böhm, Tischlermeister. Böhm, Oberamtmann. Bon, Buchhändler. Bornträger, Buchhändler und Stadtrath. Böttger, Dr., Oberlehrer. Brandt, C. F., Kaufmann. Bredschneider, Apotheker. Bredschneider, Kaufmann. Burdach, Dr., Professor. Burow, Dr., Geheime Sanitätsrath. Busolt, Gutsbesitzer. Caspar, jun. Kaufmann. Castell, Dr. , Oberlehrer. Cruse, W., Dr., Professor. Cruse, G., Dr. , Sanitätsrath. Cruse, Rechtsanwalt. Dieckmann, Regierungs - Schulrath. Dinter, Dr. med. Dressl er, Medicinal- Assessor Ehlert, R., Kaufmann. Elditt, Lehrer. Ellendt, Dr., Gymnasial -Direktor. Erdmann, Dr., Professor. Erfling, Ingenieur -Lieutenant, v. Ernest, Geheime Regierungsrath, v. Facius, Stadtrath. Falkson, Dr. med. Friedländer, Dr., Professor. Friedrich, Dr., Oberlehrer. Frölich, Dr. med. Funcke, Stadtrath. Funcke, A., Kaufmann. Gädecke, II., Kommerzienratli. Gä decke, Stadtrichter. G e b a u h r , Pianofort - Fabrikant. Gemnich, Dr. Giesebrecht, Dr., Professor. Glaser, Dr, Professor. Herr v. Gossler, Präsiden des K. Tribunals. „ Goullon, Stadt rath. „ Gräfe, Buchhändler. „ Graf, Dr. med. „ Gregor, Dr., Pfarrer. „ Haak, Stadtrath. „ Hagen, Gutsbesitzer. „ Hagen, E., Dr., Oberlehrer und Professor. „ Hagen, II., Dr. med. „ Hagen, Hofapotheker. „ Hanf, Garteninspektor. „ Hartung, H., Buchdruckereibesitzer. „ Ha y , Dr. med. , Privatdocent. „ Ilayn, Dr., Professor. „ Hensche, Stadtrath. „ Hensche, Dr. med. „ Hirsch, Dr., Professor. „ Hirsch, Dr. med. „ Hirsch, Dr. , Stadtrath. „ Hoffman n, Dr. , Oberlehrer. „ Hoffmann, A . , Dr. , Bibliothekar. „ Hoyer, Regierungsrath. „ Jachmann, Geheime Regierungsrath. „ Jacob, Kaufmann. „ Jacob, Rechtsanwalt. „ Jacobson, Dr., Professor. „ Jacobson, H., Dr. med. „ Jacobson, Jul., Dr. med., Privatdocent. „ Jacoby, Dr. med. „ Janert, Dr. med., Stadt-Physikus. „ Jester, Rechtsanwalt. „ Jungmann, Fabrikant. „ Kist, Tribunalsrath. „ Kleeberg, Dr. med. „ Kloht, Geheime Regierungsrath. „ Knobbe, Dr., Oberlehrer. „ Köhn von Jaski, Landrath a. D. „ Köhn von Jaski, Ilauptmann. „ König, Dr. , Professor. „ Ko sch, Dr. med. „ Krause, Dr. med. „ Krüger, Jul., Kaufmann. „ Kuhn, Landschaftsrath. „ Lange, Dr., Oberlehrer. „ Lehmann, Dr. med. „ Lehrs, Dr., Professor. „ Lentz, Dr., Oberlehrer. „ Leschinski, A., jun., Kaufmann. „ Lorck, L., Consul und Kaufmann. XIV Herr Lorck, Jul., Kaufmann und Vice-Consul. „ Mac-Lean, Bank -Direktor. „ Magnus, Justizrath. „ Magnus, Dr. ined. Mallison, Kaufmann. „ M a 1 m r o s , K aufmann . „ Maren ski, Justizrath. „ Meyer, Dr., Oberlehrer. Mielent.z, Apotheker. r Minden, Gutsbesitzer auf Ziegelhof. Möller, Dr., Professor und Medicinalrath. Möller, Dr., Oberlehrer und Professor. r Moser, Dr. , Professor. „ Münster, Dr. n M ü 1 1 r i eh , A. , Dr. , Lehrer. „ Naumann, Apotheker. „ Nessel mann, Dr. , Professor. „ Neumann, Dr. , Professor. „ Neu mann, Dr. med. , Privatdocent. „ Ohlert, Dr., Oberlehrer. „ Oppenheim, II. , Consul. „ Patze, Apotheker. „ Pensky, Kaufmann. „ Pfeiffer, I Iofrath . Pfeiffer, Geheime Regierungsrath. „ Puppel, Regierungs -Baurath. „ Reinhold, Kaufmann. „ Rekoss, Mechanikus. „ Reu sch, Dr. , Tribunalsrath. „ Richelot, Dr., Professor. „ Richelot, Tribunalsrath. „ Rosenhain, N. S. , Kaufmann. Rosenhain, Dr., Professor. ,, Rosenkranz, Dr., Professor. ,, Saal schütz, Dr., Professor. „ Samt er, Dr. med. „ Samuel, Dr. med. „ Samuelson, Dr. med. „ San io, Dr. , Professor. Saute r, Dr., Direktor der höheren Töch- terschule. ,, Schiefferdecker, Dr., Direktor der höhe- ren Bürgerschule zur Burg. „ Schifferdecker, Brauereibesitzer. „ Sehlem ü Her, Particulier. „ Schlüter, Apotheker. „ Schmidt, Dr., Direktor der höheren Bür- gerschule im Löbeniclit. „ Schräder, Dr., Schulrath. „ Schröter, Konnnerzienrath. Herr Schröter, Dr. med. „ Schubert, Dr., Professor und Geheim© Regierungsrath. „ Schulz, Oberlehrer. „ Schumann, Oberlehrer. „ v. Schweinitz, Obristlieutenant. „ Seng er, Stadtgerichtsrath und Universitäts- richter. „ Seyffert, Geheime Justizrath. „ Seyler, Stadtrath. „ Sieffert, Dr. , Professor. „ Simson, E., Dr. , Professor und T ribu- nalsrath. „ Simson, A., Dr., Professor. „ Skreczka, Dr., Gymnasial - Direktor. „ Slottko, O., jun. , Kaufmann. „ Sommer, Dr. , Professor. „ Sommerfeld, Dr. med.' „ Sotteck, Dr. med. „ Sperling, Oberbürgermeister. „ Spirgatis, Dr., Privatdocent. „ S t a d e 1 m a n n , Dr. med. „ Steinfurt, Mechanikus. „ v. Steinmetz, Excellenz, Generali ieutenant. „ S te 1 1 1 er, Justizrath. „ Stürz, Stadtrath. ,, Sydow, Feuermauerkehrermeister. „ Tamnau, Justizrath. „ Tischler, Bauinspektor. „ Toussaint, Dr. med., Stabsarzt. „ v. Treyden, Dr. , Medicinalrath. „ Unger, Dr. med. „ Voigdt, Dr., Prediger. „ Voigt, Kunsthändler. „ Wagner, Dr., Professor u. Medicinalrath. „ Weger, Dr. , Sanitätsrath. „ Weiler, H., Kaufmann. „ Wert her, Dr., Professor. „ Wessel. „ Wiede mann, Conservator des Königl. zoologischen Museums. „ Wien, Otto, Kaufmann. „ Wien, Fr., Kaufmann. „ v. Wittich, Dr. , Professor. „ Wohlgemuth, Dr. med. „ Zacharias, Dr. med. „ v. Zander, Dr., Kanzler und Tribunals- Chefpräsident, Excellenz. „ Zander, Kupferschmiedemeister. XV Auswärtige Mitglieder: Herr Argeiander, Dr., Professor in Bonn. v. Baer, Dr. , Professor, Staatsrath und Akademiker in St. Petersburg. „ Bayer, Generalmajor a. D. in Berlin. „ Bernhardi, Dr., Direktor der Irrenheil- anstalt zu Allenberg. „ Breitenbach, Rechtsanwalt in Danzig. „ Brischke, R. , erster Lehrer am Spend- und Waisenhause in Danzig. „ Brücke, Dr., Professor in Wien. „ Czermak, Dr., Professor in Krakau. „ v. Dankbahr, Generallieutenant in Brom- berg. Dannhauer, Generallieutenant in Frank- furt a. M. v. Dechen, Generalmajor a. D. in Cöln. zu Dohna-Lauk, Burggraf und Ober- Marschall, Excellenz, zu Lauk. Dohrn, C. A., Präsident des entomologi- schen Vereins in Stettin. D ouglas, Rittergutsbesitzer auf Louisenhof. Dove, Dr. , Professor und Akademiker in Berlin. v. Duisburg, Pfarrer in Steinbeck bei Königsberg. v. Duisburg, Candidat in Danzig, v. Duisburg, Dr., Sanitätsrath in Danzig. Dulk, A., Dr., in der Schweiz bei Vevay. Dur ege, Astronom in Amerika. Ebel, Dr., Lehrer in Würtemberg. Milne-Ed wards, Professor und Akade- miker in Paris. v. Eglo ff stein, Graf, Major auf Arklitten. Ehlert, Gutsbesitzer auf Lindenau bei Königsberg. v.Ernst, Major und Platzingenieur in Mainz. Esch rieht, Dr. , Professor in Koppenhagen. Eytelwein, Geheime Finanzrath in Berlin. Fearnley, Astronom in Ghristiania, Feldt, Dr., Professor in Braunsberg. Freundt, Partikulier in Elbing. Friderici, Dr., Direktor der höheren Bür- gerschule in Wehlau. Gieswald, Dr., Oberlehrer in Danzig. G 1 e d e, H auptmann, Gutsbesitzer auf Kaimen. Gold man n , Gutsbesitzer auf Alexwangen. Göppert, Dr., Professor und Geheime Medicinalrath in Breslau. Grube, Dr. , Professor und K. Russ. Staats- rath in Breslau. Herr Hagen, Geheime Ober-Baurath in Berlin. Hagen, A. Stadtrath in Berlin. Haidinger, Dr., K. K. Hofrath und Akademiker in Wien. Hartig, Dr., Professor und Forstrath in Braunschweig. Hartung, G., in Heidelberg, v. Heister, General a. D. in Naumburg. Helmholtz, Dr., Professor in Heidelberg. Henke, Staatsanwalt in Marienwerder. Herdin ck, Dr., Regierungs - Assessor in Potsdam. Hesse, Dr. , Professor in Heidelberg, v. Hindersin, Generalmajor in Breslau, v. d. Hofe, Dr., in Danzig. Hob mann, Oberlehrer in Tilsit, v. Horn, Premier -Lieutenant in Stettin, v. Hüllessen, Baron, Major a. D. auf Kuggen. Jachmann, Kommerzienrath in Berlin. Jacobi, Dr., Professor, Staatsrath, Aka- demiker in St, Petersburg. Jacobi, Dr. , Professor der Theologie in Halle. Jakström, Apotheker in Marienburg, v. Jan son, Oberstlieutenant a. D. in Brauns- berg. v. Kathen, Regierungs- und Forstrath in Potsdam. v. Keyserling, Graf, auf Rautenburg. Kirchhoff, Dr., Professor in Heidelberg, v. Kitzing, Appellationsgerichts-Präsident in Cöslin. Klatt, T. , Oekonom in Danzig, v. Klinggräff, Dr., Baron, auf Paleschke bei Marienwerder. Klinsmann, Dr. med. in Danzig. Klose, Regierungs -Medicinalrath a. D. in Dresden. v. Knoblauch, M. , auf Linkehnen. Knoblauch, Dr., Professor in Halle. Kölscher, Rittergutsbesitzer auf Maternhof. v. Korff, Baron in Berlin. Kowalewski, W. , Kaufmann in Danzig, v. K unheim, Kammerherr auf Juditten. Lepsius, Regierungsrath in Erfurt. Loew, Dr., Direktor der Realschule in Meseritz. Lous, Kammerherr auf Klaukendorf. Luckner, Graf auf Neuhausen bei Kö- nigsberg. XVI Herr Lüpschütz, Dr., Privatdocent in Bonn. Maresch, Oberst in Berlin. Menge, Oberlehrer in Danzig. Milewski, Kannnergerichtsrath in Berlin. Motberby, Dr. , Rittergutsbetitzer auf Ähren sberg. Müller, Geheimer Kriegsrath in Berlin. Müller, Ingenieurhaupt mann in Graudenz. Naumann, Bankdirektor in Danzig. Neumann, Appellationsgeric’.itsrath in In- sterburg. Nöggerath, Dr. , Professor und Geheime Oberbergrath in Bonn. Ohl en v. Adlerskron, Major und Platz- Ingenieur in Glogau. Oppenheim, A., Particulier in Berlin, v. Othegraven, Generalmajor in Neisse. Pancritius, Direktor in Thorn. Pawlowski, Major a. D., Rittergutsbesitzer auf Lapsau. Peters, Dr., Professor und Direktor der Sternwarte in Altona. Pfeffer, Stadtrath und Syndikus in Danzig. Pfeiffer, Amtmann auf Friedrichstein. Pfeil, Staatsanwalt in Glogau. Pföbus, Dr. , Professor in Giessen. Pin der, Oberpräsident a. D. zuWoinowitz bei Ratibor. Preussmann, Apotheker in Marienburg, v. Puttkammer, Generallieutenant in Stettin. v.Raumeij, Regierungsrath in Frankfurt a.O. Rjcliter, A., Rittergutsbesitzer auf Schreit- lacken. Riess, Dr. in Berlin. Ritt hausen, Dr., Professor in Waldau bei Königsberg. Herr v. San den, Baron, Rittergutsbesitzer auf Toussainen. „ Schlentlier, Domainen-Intendant in Tilsit. „ Schmidt, R., Dr. Direktor der höheren Töchterschule in Elbing. „ v. Schmiedeke, Direktor des Appellations- gerichts von Cöslin. „ Schn aase, Prediger in Danzig. „ Schultze, Oberlehrer in Danzig. „ Schweickart, Prem.-Lieutenant in Berlin. „ Selander, Dr., Professor in Upsala. „ de Selys-Longchamp, E., Baron, Aka- demiker in Brüssel. „ Settegast, Oekonomierath und Direktor der landwirthschaftlichen Akademie in Wal- dau bei Königsberg. „ Seydler, Fr., Conrector in Heiligenbeil. „ v. Siebold, Dr., Professor in München. „ Sluymer, Seminardirektor in Pr. Eylau. „ Stannius, Dr. , Professor in Rostock. „ Stieme r, Dr. med. in Heiligenbeil. „ v. Struve, Wirklicher Staatsrath und Di- rektor der Sternwarte in Pulkowa. „ Thiene mann, Dr. , Kreisphysikus in Sens- burg. „ Toop, Pfarrer in Cremitten bei Tapiau. „ v. Troschke, Generalmajor in Berlin. „ v. Twardowski, Generallieutenant in Frankfurt a. M. „ Uhrich, Bauinspektor in Coblenz. „ Wald, Pr., Regierungs -Medicinalrath in Potsdam. „ Wallach, Erster Direktor der Kgl. Ober- rechnungskammer in Potsdam. „ Warschauer, Banquier in Berlin. „ v. Werder, Hauptmann. „ v. Winterfeldt, Obrist. Ueber die Bernstein- und Braunkohlenlager des Samlandes. Erste Abhandlung. Von Professor Dr. G. /ad dar h. Obgleich der wunderbare Stoff, der in den Strandbergen Samlands verborgen liegt, der Bernstein, seit drei Jahrtausenden die Blicke der handeltreibenden Nationen auf unser Vaterland gelenkt hat, obschon seit vielen Jahren fortwährend Hunderte von Menschen damit beschäftigt sind, den kostbaren Schatz aus der Erde hervor- zuholen oder den Wellen des Meeres zu entreissen, so enthält die Naturgeschichte des Bernsteins noch immer viele bisher ungelöste Räthsel. Das ist freilich festgestellt, dass er das Harz von Bäumen ist, die in einer früheren Erdperiode wuchsen, aber welche Bäume es waren, die dieses Harz absonderten, wo sie standen und wie weit sie auf der Erde verbreitet waren, welcher geologischen Zeit sie angehörten und wie der Bernstein an diejenigen Orte gekommen, an denen man ihn jetzt findet, dies • sind Fragen, über die in neuester Zeit zwar viel verhandelt ist, die aber keineswegs endgültig entschieden sind, obgleich es nicht an Männern gefehlt hat, die weder Opfer an Geld noch Mühe gescheut haben , die Geschichte des Bernsteins aufzuklären. Ich übergehe die älteren Schriften über den Bernstein, da in ihnen diejenige Frage, die uns hier vorzüglich beschäftigen soll, in welcher Entwickelungsperiode der Erde der Bernstein entstanden ist, nach dem damaligen Stande der geologischen Wissen- schaften nicht entschieden werden konnte, aber auch in dem neuen grossen Werke von Dr. Berendt über die im Bernstein enthaltenen organischen Reste wurde diese Frage auf eine Weise beantwortet, welche die Wissenschaft keineswegs befriedigen konnte. Der Herausgeber dieses Werkes, der sich grosse und allgemein anerkannte Verdienste um die Naturgeschichte des Bernsteins erworben hat, stellte die Meinung auf, es müsse ehemals in der Ostsee nördlich vom Samlande eine Insel gelegen 1 2 haben, auf der die Bernsteinwülder wuchsen und untergingen, so dass von hier aus der Bernstein strahlenförmig durch die Wellen des Meeres verbreitet werden konnte. Berendt berücksichtigte hiebei nur die Richtungen, in denen nach stür- mischem Wetter der Bernstein von der Ostsee an die Küsten geworfen zu werden pflegt und das Vorkommen desselben im Schuttlande an verschiedenen Stellen unserer Provinz. Die Bemsteinlager des Samlandes kannte er zu wenig, und doch ist das Samland vielleicht der einzige Ort, an dem die geologischen Verhältnisse des Bern- steins studirt werden können, weil er sonst wohl kaum noch irgendwo im festen Gebirge und an primärer Lagerstätte aufgefunden ist. Ueber das Vorkommen des Bernsteins im Samlande waren schon früher sehr gediegene und schätzbare Mittheilungen vom Professor Sehweigger1) 1819 und vom Herrn Medicinalrath H a ge n2) 1824 gemacht worden, bald nach dem Erscheinen der ersten Abtheilung des Berendtschen Werkes aber veröffentlichte Herr Director L o e w ') einen Aufsatz, in dem er vorzüglich die Berendtsche Ansicht widerlegte, und 1847 machte Herr Dr. Thomas4) seine vieljährigen Beobachtungen über den Bau der Samländischen Küste bekannt. — Obwohl in allen diesen Schriften, wie mir scheint, der Unterschied nicht klar genug hervorgehoben ist, der zwischen dem Vorkommen des Bernsteins im Samlande und anderswo herrscht, so wurde von Herrn Dr. Thomas doch bestimmt nachgewiesen, dass Braunkohlen und tertiäre Gebirgs- schichten über und mit dem Bernstein vorkämen : überdies bot er durch die aus den Braunkohlen gesammelten Hölzer und die vortrefflich erhaltenen fossilen Föhren- zapfen, die früher nur in wenigen Exemplaren bekannt5) von ihm seit 1829 in Menge gesammelt wurden, die Mittel, diese Schichten näher zu bestimmen und mit andern Braunkohlenlagern zu vergleichen. Die Beschreibung dieser Fossilien wurde auch 1845 in dem Berendtschen Werke von Herrn Professor Göppert geliefert, und da auch die 44 Pflanzen, die mit diesen zugleich nach den Ueberresten beschrie- ben werden konnten , welche die Stücke der Berendtschen Sammlung beherbergtes, einer jetzt vollkommen untergegangenen Flora anzugehören schienen, so wurde die Ansicht allgemein angenommen, dass der Bernstein aus der mittleren Tertiärzeit, aus den sogenannten miocänen Schichten, herrühre. 1) In den Beobachtungen auf naturhistoriseben Reisen. Berlin 1819. 2) Geschichte der Bürnsteingräbereien in Ostpreussen , im 6 Bande der Beiträge zur Kunde Preussens. K-Öuig»^ berg 1824. 3) In dem Programm der Realschule zu Meseritz 1850. 4) Die Bemsteinformation des Samlands in d. N. Preuss. Prov. - Blättern 1847. Bd. m. p. 241. 5) Berendt erwähnt dreier in seiner Schrift „die Insecten im Bernstein “. Danzig 1830. S. 21. 3 Um so mehr musste es überraschen, als Herr Professor Göppert i. J. 1853 in einem Briefe an die Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin1) eine ganz andere Meinung aussprach. In Danzig war nämlich neben der Berendtschen Bern- steinsammlung allmälig noch eine andere entstanden, die jene an Zahl und Schönheit der Stücke zu übertreffen anfing, nämlich die Sammlung des Herrn Oberlehrer Menge. Die 570 Pflanzenreste einschliessenden Stücke dieser Sammlung hatten Herrn Profi Göppert Vorgelegen, und es war durch sie die Zahl der Bernsteinpflanzen von 44 auf 163 gestiegen. Viele, namentlich kryptogamische Pflanzen, welche früher nur der Klasse nach, zu der sie gehörten, erkannt werden konnten, Hessen sich jetzt genau nach Gattung und Art bestimmen, ja Herr Profi Göppert glaubte sogar die bedeutende Zahl von 31 Pflanzen nachweisen zu können, welche mit jetzt lebenden Pflanzen identisch wären. Wenn nun auch die Kryptogamen , deren sich 24 darunter befinden (nämlich 4 Schwämme, 6 Flechten, 1 Alge, 11 Jungermannien , 2 Moose) vielleicht, wie Heer meint, sich durch verschiedene geologische Perioden verbreitet haben mögen, wie sie sich auch dem Räume nach durch die verschiedenen Klimate weiter ausbreiten als die Phanerogamen, und daher hier weniger ins Gewicht fallen, so bleiben noch 7 Phanerogamen, die sich aus der Bernsteinflora bis jetzt erhalten haben sollen, nämlich 2 zu den .Cupressinecn gehörige Coniferen, 3 Ericineen, eine vollständig erhaltene Blüthe , die dem jetzt lebenden Verbascum thapsiforme angehören soll, und zwei Zweiglein mit zum Theil erhaltenen , quirlförmig dreigestellten Blättern, welche dem in Amerika einheimischen Sedum tematum so täuschend ähnlich sind, dass Göppert es für dieses erklärt, „da“, wie er sagt, „bei der Seltenheit dieser Blattstellung man allenfalls auch wohl selbst ohne Blüthe einen solchen Schluss machen kann“. Aus dieser Uebereinstimmung der Bernsteinpflanzen mit jetzt lebenden schliesst Herr Prof. Göppert, dass die ganze Bernsteinformation entweder zu den jüngsten Tertiärschichten, dem sogenannten Pliocän, oder was ihm aus andern Beobachtungen wahrscheinlich scheint, gar dem Diluvium angehöre, ja er fügt im Gegensätze zu den Untersuchungen des Herrn Dr. Thomas, die ihm nicht unbekannt sein konnten, da er mit diesem in Correspondenz stand, hinzu: „Nirgends in Deutschland hat man irgendwo in der Braunkohlenformation selbst Bernstein gefunden , wohl aber in dem darüber liegenden Diluvium, was oft damit verwechselt worden ist“. Gegen diese Ansicht sprachen zwar sogleich entschieden die Resultate, die aus der Bestimmung der im Bernstein eingeschlossenen Thiere gewonnen wurden und die *) Sitzungsberichte der Akadem. 1853. pag. 451. 1* 4 im Berendtschen Werke niedergelegt sind. Von den 422 Arten Crnstaceen, Spinnen und Insecten, welche dort beschrieben sind und von den 600 Bernsteindipteren, über welche Herr DirectorLoew vor zehn Jahren eine Uebersicht gegeben hat, sind nur sehr wenige, nämlich drei Arten, bei denen es bisher nicht möglich war, eine Verschiedenheit von jetzt lebenden Arten nachzuweisen. Diese sind zwei Myriopoden, welche mit den bei uns einheimischen Lithobius octops Mvtj. und Lithobius pleonops Mnq. übereinzustimmen scheinen , und eine Hemiptere , Bythoscopus homousius B. et G., von der Ger mar sagt, sie sei manchen Abänderungen unseres Bythoscopus ßavicollis oder bipustulatus so ähnlich, dass man sie kaum zu unterscheiden vermöge. In anderen Fällen, in denen eine solche Uebereinstimmung früher vermuthet war, zeigte eine wiederholte Untersuchung deutliche Unterschiede. So hatte z. B. Koch geglaubt, dass das im Bernstein befindliche Lepisma dvhivm identisch sei mit unserm Lepisma saccharinum, dem bekannten silberglänzenden Zuckergaste, Herr Oberlehrer Menge dagegen fand später fast in allen Theilen deutliche Unterschiede. Solche werden ohne Zweifel auch bei den oben genannten Arten sich nachweisen lassen, wenn mehrere und bessere Exemplare im Bernstein gefunden sind, und es ist daher sehr wahrscheinlich , dass wir in den Thieren , welche als Mumien im Bernstein begraben liegen, eine jetzt ganz ausgestorbene Schöpfung vor uns haben und dass Aehnliches auch mit den höheren Pflanzen der Fall sein wird. In der That ist denn auch bereits für einige der sieben Pflanzen, die Göppert mit lebenden für übereinstim- mend hielt, eine Abweichung nachgewiesen, so für die Verbascnm -Blüthe von Herrn Menge1) und für die beiden Coniferen von Herrn Prof. Heer2). Dennoch musste immerhin die Ansicht eines Mannes, der als einer der vorzüglichsten Kenner fossiler Pflanzen berühmt ist, von bedeutendem Gewichte sein und die höchste Beachtung verdienen. Inzwischen begann bald nach dem Erscheinen des Göppertschen Berichtes Herr Prof. Heer in Zürich sein grosses Werk über die Tertiärflora der Schweiz heraus- zugeben und berücksichtigte zur Vergleichung auch die übrigen aus den Tertiär- schichten anderer Länder bekannt gewordenen Pflanzen. Da er den Wunsch geäussert hatte, auch diejenigen Blattabdrücke kennen zu leinen, welche an der Samländischen Küste bei Rauschen in einer Lettenschicht sich finden, so beschloss auf den Vorschlag des liefen Dr. Hagen die physikalisch - ökonomische Gesellschaft eine Sammlung 'dieser Blattabdrücke zu veranstalten und Herrn Prof. Heer zur Untersuchung zu 1) Beitrag zur Bernsteinflora in den Schriften der nat. Gesellsch. zu Danzig. Bd. YI. Hft. 1. 2) Flora tertiana Hclvetiae. Bd. HI. S. 309. Amu. 5 übersenden. Ich wurde mit diesem Aufträge zuerst i. J. 1858 beehrt und nahm ihn mit dem Vorsatze an, bei dieser Gelegenheit mir auch über die geognostischen Ver- hältnisse der Samländischen Küste eine nähere Einsicht zu verschaffen. Die Beobach- tungen, die ich damals machte, wurden darauf in diesem Jahre, da die Gesellschaft mich mit Fortsetzung derselben beauftragt hat, wesentlich vervollständigt und erweitert, und da inzwischen auch die früher gesammelten Blattabdrücke von Herrn Prof. Heer untersucht sind und zur Bestimmung des Alters der Schicht, in der sie Vorkommen, einen sichern Anhaltspunkt gewähren, so erlaube ich mir meine Beobachtungen hier öffentlich mitzutheilen , in der Hoffnung, dass sie ein allgemeineres Interesse finden werden, doch muss ich sie vorerst auf einen kleinen Raum beschränken, nämlich auf die Uferstrecke, welche den beiden Dörfern Sassau und Rauschen angehört. Denjenigen, welche jährlich einige Tage oder Wochen hindurch in den schönen Gegenden des Samländischen Strandes Erholung und Vergnügen zu suchen pflegen, werden die Orte, die ich hier zu nennen habe, bekannt sein, für die Fremden aber, denen nicht sogleich eine Specialkarte des Samlandes zur Hand ist, glaube ich mit einigen Worten die Gegend näher beschreiben zu müssen. Samland hat die Gestalt eines Rechtecks, welches im Süden durch den untern Lauf des Pregels und das nördliche Ufer des frischen Haffes begrenzt, im Westen und Norden aber von der Ostsee bespült wird. Die nordwestliche Ecke bildet das Vorgebirge Brüsterort, von dem ein Leuchtthurm durch sein regelmässig zu- und abnehmendes Licht die Schiffer vor dem steinigen und gefährlichen Ufer warnt; fünf Meilen östlicher ist die Wurzel der Kurischen Nehrung, wo das Dorf Kranz oder Kranzkuhren liegt. Zwischen beiden Orten bildet das nördliche Ufer eine breite aber flache Bucht, die durch drei Vorsprünge desselben bei Warniken, Loppehnen und Wangen in vier, freilich sehr ungleich grosse Buchten gethoilt wird. Von Kranz zwei Meilen nach Westen hin ist das Ufer flach und sandig, aber schon vor Rantau erhebt es sich und wird von hier bis Brüsterort von steil ansteigenden Höhön gebildet, die sich 80 bis 120 Fuss hoch und zuweilen noch höher über den Spiegel der Ostsee erheben. Wenn die Herbststürme das Meer aufwühlen , so schlagen die Wogen an den Fuss dieser Berge und verursachen , indem sie unten den Sand fortreissen, das Nachstürzen der oberen Lagen, bei ruhiger See aber bleibt ein meistens ziemlich breiter Strand, der sich bis zum Fusse der Höhen um 12 bis 15 Fuss vom Meere aus erhebt. Noch mehr als die Meereswellen arbeiten die Tageswasser auf den all- mäligen Zusammensturz der Strandberge hin, und an sehr vielen Stellen haben sich grosse Partieen derselben gesenkt und verschoben, oder es bilden sich durch den 6 Einsturz, derselben tief einschneidende Schluchten. A.uf diesem Ufer liegen nun von Rantau bis Brüsterort in Entfernungen einer Achtel - oder Viertel -Meile von einander die Dörfer oder Güter Neukuhren, Wangen, Loppehnen, Sassau, Rauschen, Georgs- walde, Warniken, Grosskuhren, Kleinkuhren, das letztere am Fuss des Wachbuden- berges, eines vorzüglich hohen Punktes der Küste. Die übrigen Ortschaften liegen auf der Höhe , nur Rauschen in einem Thale , welches bei Sassau und Loppehnen an der See ausmündet und sieh von hier aus mit einer Biegung nach Westen hin über eine Meile weit in das Land erstreckt. Dies ganze Ufer ist reich an Bernstein, denn in der Tiefe des- Bodens liegt eine Sandschicht, welche denselben in grösster Menge enthält, und seit Jahrtausenden spült das Meer, wenn es aufgeregt ist, aus ihr die Bernsteinstücke heraus und wirft sie ans Ufer, wo die Menschen weder Sturm noch Kälte scheuen sie mit Netzen „zu schöpfen“. Wenn sie Seetang mit Braunkohlenstücken vermengt auf dem Meere heranschwimmen sehen, so sind sie ziemlich sicher zwischen den Holzstücken auch Bernstein zu finden. Die November- und Decemberstürme liefern die beste Ausbeute. Oft aber fallen auch, wo am Ufer grosse Geschiebe liegen, die grössten Stücke Bernsteins hinter diese nieder, deshalb fahrt man bei vollkommen ruhiger See, die einen Blick auf den Grund des Meeres gestattet, dorthin und holt den Bernstein mit Stangen und kleinen Netzen heraus, was man „Bernstein stechen“ nennt. Der reichlichste und sicherste Gewinn indessen ist da zu finden, wo man das ßernsteinlager selbst durch Abgraben des Bodens er- reichen kann, doch ist dies, wie wir sehen werden, nur an wenigen Orten möglich. Jetzt wird uns von diesem Ufer nur derjenige Theil näher beschäftigen, welcher zwischen Loppehnen und Georgswalde liegt und von diesem Gute durch die allen, welche den Strand bereisen, wegen ihrer malerischen Schönheit bekannte Gaussup- schlucht getrennt ist. Diese Uferstrecke ist 738 Ruthen lang und zwischen die beiden Dörfer Sassau und Rauschen in der Art getheilt, dass abwechselnd drei Stücke jedem derselben zugehören, ln der Mitte führt der Badeweg von Rauschen zum Strande hinab an dem sogenannten weissen Berge. Bei den Bewohnern haben aber noch verschiedene andere Höhen und Uebergänge besondere Namen, deren ich mich zur Bezeichnung der untersuchten Stellen bedienen werde. Oestlich vom Bade- wege liegt zunächst der Weiberberg an einer alten und einst in grossem Maasstabe ausgeführten Gräberei, dann folgt der alte Strand, ein Uebergang für die Fischer, dann ein eben solcher, die Seeschmalchen - Rinne genannt, endlich der Pulverberg, die höchste Erhebung dieser ganzen Uferstrecke; westlich vom Badewege liegen der rothe Sand, Pumpers Kaule, der Todtenberg und der Kadolling- Spring oder grosse •7 Spring, wie ich ihn nennen werde, eine Schlucht, die entweder einer alten Gräberei oder der Gewalt der Tageswasser ihren Ursprung verdankt. Auch der Weststrand Samlands ist nicht weniger reich an Bernstein und es werden Grabereien bei Rosenort, Dirschkeim, Hubenicken und Kra.ttepellen , ungefähr anderthalb Meilen südlich von Brüsterort , betrieben , doch sollen die Schichten , aus denen der Bernstein hier ge- wonnen wird, jüngeren Alters sein. Ich selbst kenne diese Gegenden nur ober- flächlich und muss ihre Untersuchung und Beschreibung einer spätem Zeit Vorbehalten. Untersucht man die Schichten , aus denen die steilen Uferhöhen am Sassaiuer und Rauschener Strande zusammengesetzt sind, an verschiedenen Stellen, so weit sie von Baumwuchs entblösst und dadurch zugänglich sind, so wird man, auch ohne sich auf eine genaue Vergleichung der einzelnen Sand- und Thonmassen einzulassen, eine gewisse Uebereinstimmung in dem Bau derselben sehr bald gewahr werden. Zuerst findet man am Fusse der Höhen, mit Ausnahme der westlichsten Partieen, einen grünen Sand , der in Rauschen wie in Loppehnen als sicheres Kennzeichen dafür gilt, dass unter ihm die Bernstein führende Erde vorhanden ist. Er erhebt sich in ver- schiedene Höhen über das Meeresniveau, so dass er am Pulverberge, der 192 Ru- then von der Loppehner Grenze entfernt ist, noch etwa 38' über dem Meere liegt, nach Westen zu aber immer mehr herabsinkt und am grossen Spring d. h. 206 Ru- then von der Georgswalder Grenze am Fusse der Berge nicht mehr sichtbar ist, sondern erst 2 Fuss tiefer, obwohl noch etwa 11 Fuss über dem Meere, zu finden ist. Ueber diesem Sande liegt eine Menge anderer Schichten verschiedener Farbe, aber zwischen ihnen zeichnen sich leicht zwei Thonschichten aus, die eben deshalb sehr gut als Führer in jenen dienen können. Die untere von diesen Lettenschichten, die von dem eben erwähnten grünen Sande nur durch eine Sandablagerung von etwa 16 Fuss Mächtigkeit getrennt ist, folgt dem grünen Sande in seiner Erhebung und bildet, da der Thon durch die herabströmenden Gewässer weniger leicht angegriffen wird als der Sand, überall kleine Vorsprünge und Terrassen. Eben so leicht in die Augen fällt in dem oberen Thcile des Berges eine andere Lettenschicht, die an ihrem oberen Rande mit einem breiten .Streifen braunen Sandes eingefasst ist. Beide Schichten finden sich überall vom Pulverberge bis zur Gaussupschlucht und gehören dem eigentlichen Braunkohlengebirge unserer Küste an, die zwischen ihnen liegenden Schichten sind aber im östlichen und westlichen Theile des Ufers verschieden. Am einfachsten ist die Bildung im östlichen Theile, vom Pulverberge bis zum Weiber- berge, wo eine einfache Ablagerung weissen Sandes, die Streifen von braunem Sande enthält, die beiden Thonschichten trennt , viel verwickelter ist die Schichtenbildung 8 in dem mittleren Theile des Ufers vom weissen Berge bis zum Todtenberge, denn hier findet sich unmittelbar unter der oberen Lettenschicht ein Braunkohlenlager von freilich nur geringer Mächtigkeit, und über der untern Lettenschicht , durch eine Lage Sandes von dieser getrennt, noch eine mittlere Thonablagerung, die zwar auch nur 3 bis 4 Fuss mächtig, aber deshalb von besonderem Interesse ist, weil sie gerade die vorhin erwähnten Blattabdrücke enthält. Noch weiter westlich , am grossen Spring, fehlt diese mittlere Lettenschicht wieder , dagegen haben sich die Braunkohlen stärker entwickelt und bilden stellenweise zwei Flöze, von denen das untere dann eine feste Braunkohle mit mannigfachen Holztheilen enthält, das obere aber mehr sandig ist und eine Menge Gyps einschliesst, der sich in zahlreichen kleinen Krystallen abge- setzt hat. Ueber allen diesen Schichten finden sich überall noch verschieden ge- färbte, meistens gelbe und röthliche Sande, unter denen sich häufig eine Ablagerung schon von weitem auszeiclmet, weil in ihr grobe Quarzkörner oder grössere Geschiebe, durch einen eisenhaltigen braunen Kitt verbunden , ein bald mehr bald weniger festes Conglomerat zusammensetzen, welches nahe unter dem oberen Rande des Abfalles eine senkrechte Wand von 5 bis 8 Fuss Höhe zu bilden pflegt. Diese Schicht und die darüber liegenden Sande werden daher dem Diluvium zuzurechnen sein. Vergleichen wir liiemit die Schichtenbildung, wie sie so vortrefflich die Bern- steingräbereien zeigen, die an der Grenze von Sassau und Loppehnen betrieben werden und in denen man durch einen einfachen Tagesbau, indem man die Ufer- höhen von oben herab abgräbt, die Bernsteinerde zu erreichen sucht! Im Sommer 1858 war eine solche Gräberei auf dem Loppehner Gebiete im Gange , gegenwärtig wird auch auf dem Sassauer Gebiete gegraben. Jene bot zufällig einen besonders grossartigen Anblick dar, weil das Ufer an der Stelle, wo sie angelegt worden, sehr hoch war, und sie selbst, an frühere Gräbereien sich anlegend, mit diesen einen weiten Halbkreis bildete. Auf den ersten Blick glaubt man hier eine ganz andere Schichtenbildung vor sich zu haben, als in Rauschen, bald jedoch findet man den grünen Sand, der dort die untersten Lagen bildet, auch hier wieder, aber in einer Höhe von 54 Fuss über dem Meere; auch hier wird er von demselben weissen Sande bedeckt wie dort, auf den dann unmittelbar eine Lettenschicht folgt, welche ihrer Lage wie ihrem Aussehen nach der obersten Lettenschicht von Rauschen entspricht und von denselben weissen und gelben Sauden überlagert wird. Alle diejenigen Schichten also, welche weiter westlich zwischen der obersten und der untersten Letten- schicht liegen, so wie diese selbst fehlen hier durchaus. Dagegen sieht man hier mehrere unter dem grünlichen Sande liegende Schichten, nämlich einen fast schwarz 9 gefärbten , gewöhnlich sehr nassen Sand , der deshalb von den Gräbern mit dem Namen Treibsand belegt wird, und ungefähr im Meeresniveau die sogenannte Bernsteinerde oder blaue Erde, das Ziel der Arbeit, welche mehr als hundert Menschen oft vier bis fünf Monate beschäftigt und doch einen reichen Gewinn liefert. Durch einen sehr günstigen Zufall lernte ich auch noch die tiefer liegenden Massen kennen. Der Unternehmer der Bernsteingräberei nämlich, Herr Kaufmann Davidsohn, hatte gerade vor zwei Jahren, als ich nach Loppehnen kam, in der Grube selbst eine Boh- rung veranstaltet. Er hatte von der mehrfach ausgesprochenen \ ermuthung gehört, dass unter der bekannten Schicht Bernsteinerde eine zweite liegen möchte, und gedachte, falls er sie erreichen könnte, auch diese abzubauen. Man hatte indessen nur einen grünen thonhaltigen Sand gefunden, der bis 18' l iefe keine andere Ver- änderung zeigte, als dass er allmälig feinkörniger und intensiver grün gefärbt wurde. Bei einer Tiefe von 18' hatte man leider mit Bohren aufgehört. Aus dieser Vergleichung der Schichtenfolge in Loppehnen und Rauschen ergiebt sich nun sogleich eine merkwürdige Thatsache. Sahen wir, dass an der östlichen Grenze des Sassauer Gebietes und in Loppehnen eine ganze Reihe von Schichten fehlt, die im westlichen Theile des Rauschener Strandes vorhanden ist, und dass dort- alle Schichten bis zur obern Grenze des weissen Sandes um etwa 40' höher liegen als hier, dass endlich die untere Lettenschicht, obgleich sie in Loppehnen fehlt, parallel den tieferen Schichten nach Osten ansteigt , so folgt, dass während und nach der Ablagerung des weissen Sandes mehrere Hebungen an der ( Istseite Statt ge- funden haben , so dass sich eine weite Mulde bildete , in der sich allmälig mehrere Schich- ten, nämlich zuerst zwei Thonlagen, die unterste und die mittlere Lettenschicht , dann Sandmassen und endlich Braunkohlen absetzten, bis sie ausgefüllt war; dann aber muss wieder das ganze Land unter Wasser gesetzt sein, so dass sich überall die obere Lettenschicht und die darüber liegenden Sandmassen ablagern konnten, bis endlich später eine Hebung der ganzen Gegend sie in ihre jetzige Stellung zum Meere brachte. In der Nähe der Grenze von Loppehnen und Sassau ist der östliche Rand dieser Mulde, der westliche liegt etwa anderthalb Meilen weiter nach Westen in der Gegend von Gross- und Kleinkuhren. Nach dieser allgemeinen Uebersicht über die Bodenverhältnisse müssen wir nun zur genaueren Untersuchung der einzelnen Schichten und ihres Zusammenhanges unter einander übergehen. Von besonderem Interesse erschien mir der grüne Sand, nicht allein seiner Farbe wegen, sondern auch weil er, wie ich vorhin sagte, ein sicheres Kennzeichen sein 10 soll , dass unter ihm die vielgesuchte Bernsteinerde zu finden ist. Untersucht man ihn mit der Loupe, so sieht man, dass er aus Quarzkörnchen verschiedener Grösse besteht, theils sehr kleinen, theils solchen, die 1 \ oder 2 Linien im Durchmesser haben. Die meisten derselben sind mit einem gelblichen Ueberzuge versehen, der auch zuweilen mehrere locker zusammenkittet. Dazwischen finden sich sehr sparsam einzelne Glimmerblättchen , zahlreich dagegen Körnchen von einem Minerale , welches man Grünsand oder Glaukonit nennt. Es ist von dunkelgrüner Farbe, lässt sich leicht zu einem hellgrünen Pulver zerdrücken und besteht aus knolligen oder wulst- förmigen Stückchen, in denen kleine Kügelchen zu Beeren oder Trauben zusammen- gesetzt sind. In den Grünsanden anderer Gegenden hat man häufig diese traubigen Stücke . als Steinkerne von vielkammerigen Infusorien , Foraminiferen oder Polytha- lamieen, erkannt, in unsern Grünsanden erscheinen sie nicht vielfach zusammengesetzt, sondern von verschiedener Form, so dass man nicht leicht zwei gleichgeformte Stücke sieht, und sie mehr das Ansehen knolliger oder nierenförmiger Mineralbildungen haben, als Ausfüllungsmassen regelmässig geformter Schalen ähnlich sind. Doch können bei der geringen Härte der Masse auch die einzelnen Körnchen früher mehr- fach zusammengesetzt gewesen und durch den Druck des umliegenden Sandes zer- trümmert worden sein. Die unteren Schichten des Grünsandes sind sehr häufig von Eisenoxydhydrat durchdrungen und nehmen dadurch mehr oder weniger eine gelbliche Farbe an, namentlich pflegen sich horizontale, mehrere Zoll dicke Lagen zu bilden, in denen der Sand durch Eisenoxydhydrat zu einer dunkelgelben oder braunen , oft sehr harten Masse, von den Gräbern Krant genannt, zusammengekittet ist. Einzelne Streifen dieser Art kommen in allen Theilen des Berges häufig vor, vorzüglich aber an den Grenzen der einzelnen Schichten. Als nun auch die darunter liegenden Sandschichten in ähnlicher Weise wie der grüne Sand untersucht wurden, war ich nicht wenig erstaunt, diese sämmtlich, also nicht allein die eigentliche Bernsteinerde, sondern auch den sogenannten schwarzen Treibsand und den durch Bohrung aufgedeckten, grüngefärbten Sand aus denselben Bestandtheilen zusammengesetzt zu finden, nämlich aus Quarz- und Glaukonitkörn- chen. Jene sind im Ganzen in den obersten Lagen am gröbsten, nach unten nimmt die Feinheit des Kornes und zugleich der Gehalt an feinen Glimmerblättchen zu, doch unterscheidet man auch an dem acht Fuss mächtigen Treibsande einen oberen gröberen und einen unteren feineren Sand. In dem letzteren sollen bereits dicht über der Bernsteinerde einzelne dünne Lagen oder Adern von Thon Vorkommen, 11 der Bernsteinerde selbst und wahrscheinlich noch mehr dem tiefer liegenden Sande ist Thon beigemengt. Die sogenannte Bernsteinerde ist, wenn sie frisch ausgegraben wird, fast schwarz, getrocknet hat sie eine grünlich - graue Farbe, während die darunter liegende Masse je tiefer, desto heller gefärbt ist. Die dunklere Farbe der Bernsteinerde so wie des darüber liegenden Treibsandes wird jedenfalls durch bei- gemengte Kohlentheile hervorgebracht. Am Grunde der Schicht soll sich wieder eine festere Thonlage finden, in der, wie die Gräber sagen, feste Kalkstücke Vor- kommen, doch habe ich noch keine Probe derselben zur Ansicht bekommen können. Einmal ist früher schon die Bernsteinerde chemisch untersucht worden durch den verstorbenen Medicinalrath Hagen, und Schweigger hat die Analyse in seinem Aufsatz über das Vorkommen des Bernsteins bekannt gemacht; da diese Erdschicht ein besonderesinteresse für uns hat, so hat auf meinen Wunsch mein Freund, Herr Oberlehrer von Behr, wiederum eine Analyse derselben vorgenommen, deren Resultat folgendes ist: Auf 100 Theile der Bernsteinerde fanden sich: Wasser 2,0 Kohle 2,42 Schwefelsaures Eisenoxydul . . . 0,72 Schwefelsäure Kalkerde 0,82 Eisenoxyd 8,48 Thonerde 4,43 Kalkerde 0,10 Bittererde 0,4 1 Schwefelsäure 1,10 Lösliche Kieselsäure 16,15 Quarz und Trümmer 62,00 99,23*) *) Die Analyse, welche Hagen 1819 gemacht hatte und Schweigger iu seinen Beobachtungen auf natur- historischen Reisen S. 125. mittheilte, gab folgendes Resultat: Schwefelsaures Eiseu — 0,8 Kieselerde .... 85 Thonerde .... 7 Eisenoxyd . . 5,75 Wasser .... 1,25 Verlust 1 100 Später hatte Hagen in den Beiträgen zur Kunde Preussens 1824 noch eine Analyse der Hubenicker Bemsteincrde geliefert, weil, wie er sagt, zu der eben angeführten ihm zu wenig Zeit gelassen worden war; indessen können wir diese 12 Durch die angeführte Uebereinstiinmung zwischen den wesentlichen Bestandteilen aller Schichten bis zum grünen Sande sind wir berechtigt, sie alle unter dem gemein- samen Namen einer Glaukonitformation oder Grünsandablagerung zusammenzufassen, die, so weit wir sie kennen, eine Mächtigkeit von etwa 74' hat, deren untere Grenze aber noch unbekannt ist. In dieser Ablagerung liegt nun der Bernstein, aber ziemlich genau beschränkt auf eine Schicht, die 4 bis 5 Fuss mächtig ist und von der oberen Grenze des Grünsandes etwa 50 bis 55 Fuss absteht. lieber derselben, im Treibsande, zuweilen sogar in den unteren Lagen des grünen Sandes, finden sich hie und da einzelne Stücke Bernstein, in der eigentlichen Bernsteinerde geben die drei obersten Viertel die grösste Ausbeute. Hier ist er ziemlich gleichinässig vertheilt und so reichlich vorhanden, dass eine Fläche von 50 bis 60 Quadratruthen mehrere tausend Pfund Bernstein liefert. Die Stücke, welche hier gefunden werden, sind von der verschie- densten Grösse und haben zwar nicht eine eigentliche Verwitterungskruste, aber sie hier nicht in Vergleich ziehen, da die Lager der Bemsteinerde am Weststrande einer ganz anderen Formation angehören sollen. Da die Resultate der neuen Analyse des Herrn von B e h r sich von der eben angeführten in manchen Stücken unterscheiden, so füge ich über den Gang derselben nach dem mir gütigst Mitgetheilten noch Folgendes hinzu: 1. 10 Gran lufttrockene Erde, im Rcagensgläschen bei massiger Hitze getrocknet, verloren 0,26 Gr. au Gewicht, daher der Wassergehalt 2,6 pCt. Beim Glühen im offenen Glasrohre ergab sich ein weiterer Gewichtsverlust von 2,8 pCt., wobei die organischen Bestandteile verbrannt und ein Theil der Schwefelsäure ausgetrieben wurden. 2. Andere 25 Gr. lufttrockene Erde wurden wiederholentlic.h mit Wasser ausgekocht. Der wässrige Auszug ent- hielt Eisenoxydul, Schwefelsäure und Spuren von Kalk. Das Eisen wurde als Oxyd gewogen und danach 0,34 pCt. Eisenoxydul berechnet. Die Schwefelsäure wurde als schwefelsaurer Baryt gewogen, woraus sich 0,86 pCt. Schwefel- säure ergaben. Da nun zur Neutralisation der 0,34 pCt. Eisenoxydul nur 0,38 pCt. Schwefelsäure gehören, so blieben noch 0,48 pCt. Schwefelsäure übrig, die an Kalk gebunden sein können, und dies müssen dann 0,34 pCt. Kalk sein. Hienach sind in der wässrigen Losung enthalten 0,72 pCt. schwefelsaures Eisenoxydul und 0,82 pCt. schwefelsaurer Kalk. 3. Andere 20 Gr. lufttrockene und mit Wasser ausgekochte Erde wurden mit kochender Salzsäure längere Zeit behandelt. Die Lösung enthielt Eisenoxyd 2,10 pCt. , Thonerde 1,2 pCt. , wenig Kalk und Schwefelsäure. Der Kalk wurde aus einem Th eile der Lösung als kohlensaurer Kalk gewogen, und danach für die ganze Lösung 0,10 pCt. berechnet, aus einem andern Theile der Lösung wurde die Schwefelsäure mit Baryt niedergeschlagen, und dies ergab für die ganze Lösung 1,10 pCt. Schwefelsäure. 4. Die mit Salzsäure ausgekochte Erde wurde noch mit Schwefelsäure längere Zeit ausgekocht, wobei sich eine intensive schwarze, von ausgeschiedener Kohle herrührende Färbung einstellte. Die Masse wurde mit Schwefel- säure vollständig bis zur Trockniss eingedampft und dann mit Salzsäure und Wasser aufgenommen. Die Lösung ent- hielt: Eisenoxyd 6,38 pCt. , Thonerde 3,23 pCt. und Magnesia 0,41 pCt. , welche als pyrophosphorsaure Magnesia gewogen wurde. 5. Der bei 4 gebliebene Rückstand wurde mit Kalilauge gekocht und filtrirt, das Filtrat mit Salzsäure gesättigt, bis zur Trockniss cingedampft und dann mit Salzsäure und Wasser aufgenommen. Die Lösung enthielt keine Erden mehr, sondern die mit den in JX° 4. bestimmten Basen verbundene Kieselsäure, die 16,15 pCt. betrug. Der in Kali unlöslich gebliebene Rückstand: Sand, unaufgeschlossene Mineralien und Kohle, wurde geglüht, wobei Kohle verbrannt wurde. Das Gewicht betrug dann 62 pCt. 13 erscheinen, wenn sie trocken sind , weisslich beschlagen, als ob sie durch Kalkwasser gezogen waren. Dieser TJeberzug verschwindet, wenn sie nass werden, lässt sich aber nur sehr schwer und allmälig abwaschen. Jedenfalls ist er dieselbe Masse, welche auch die Quarzkörnchen in mehreren dieser Schichten überzieht und zwar noch einer näheren Untersuchung bedarf, wahrscheinlich aber aus dem Staube der zertrümmerten Glaukonitkörner oder vielleicht auch aus Gyps entstanden ist. Diese regelmässige und massenhafte Ablagerung des Bernsteins — das ist be- sonders hervorzuheben, da es bisher nicht gehörig berücksichtigt worden ist — ist wohl zu unterscheiden von dem ganz zufälligen, vereinzelten und nesterweisen Vor- kommen desselben in dem Diluvium vieler Länder. Wenn mit liecht gesagt worden ist, dass er hier überall in secundärer Lagerstätte sich befinde d. h. von anderen Orten, in denen er bereits abgelagert war, hingeschwemmt sei, so muss man im Gegentheil annehmen, dass der Bernstein da, wo er sich massenhaft in einer mine- ralogisch bestimmt charakterisirten Gebirgsschicht findet, unmittelbar nach seinem Entstehen abgelagert sei: ja es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass hier die Fund- grube ist, aus der das gewaltige und weit ausgedehnte Diluvialmeer die Bernstein- massen aufgenommen hat, die es durch das ganze nördliche Deutschland bis südlich ans Riesengebirge führte und ablagerte. Wie weit die Grünsandformation und in ihr die Bcrnsteinablagerung sich erstreckt, ist zur Zeit noch wenig bekannt. Wir kennen die letztere nur an der Küste und zwar von Rantau, wo früher Bernstein gegraben wurde, von Wangen, Loppehnen und dem angrenzenden Sassauer Gebiete , hier senkt sie sich allmälig zu tief unter das Meer, um zum Abbau tauglich zu sein, mag an der westlichen Gränze von Rauschen etwa 40 bis 50 Fuss tief unter dem Meeresniveau liegen, erhebt sich dann wieder, kommt aber erst bei Kleinkuhren wieder bis zur Höhe desselben. An der Küste scheinen diese Schichten durchbrochen zu sein und mit ihren Schichten- köpfen frei in die See hineinzuragen, so dass die Wogen fortwährend den Bern- stein aus ihnen herauswaschen und an den Strand werfen; am Weststrande Samlands lassen sich zwar bernsteinführende Schichten bis Hubenicken und Craxtepellen hin verfolgen, doch bedürfen gerade die geognostischen Verhältnisse dieser Küste der genauesten und sorgfältigsten Untersuchung, da nach einer Beobachtung des Herrn Dr. Thomas und den früheren bergmännischen Arbeiten des Hauptmann von Tau- ben hei in hier eine mehrmalige Folge bernsteinführender Schichten sich finden soll, so dass schon die Lager von Rosenort und Dirschkeim nahe bei Brüsterort wahrscheinlich jüngeren Alters sind, als die vorhin erwähnte am Nordrande hin- 14 ziehende Schicht. Dass die ganze Grünsandablagerung des Samlandes eine Meeres- bildung ist, folgt aus den einzigen Petrefacten, die sich neben dem Bernstein inder- seiben finden. Es sind dies nämlich Haifischzähne und, obwohl sehr selten vorkommend, Wirbelkörper von Fischen. Mehrere dieser Zähne, theils von Herrn Dr. Thomas, theils von mir gesammelt, sandte ich, weil hier alles Material zur Vergleichung und Bestimmung derselben fehlt, an den berühmten Paläontologen Herrn H. von Mey er in Frankfurt a. M. , jedoch fand auch dieser die Bestimmung derselben nach den vorhandenen Beschreibungen so schwierig, «lass sie nur das negative Resultat lieferte, dass die Zähne denjenigen Species (Lamna cuspidata, denticulata und contortidens ), welche für die miocäne Molasse vieler Gegenden bezeichnend sind, nicht angehören. Einige schienen mit solchen Haifischzähnen übereinzustimmen, welche Agassi z in seinem Werke über die fossilen Fische als aus der Kreide stammende beschreibt, oder mit ähnlichen, die Gibbes in den eocaenen Schichten Amerikas gefunden hat. Die Bestimmung derselben muss also vorläufig ausgesetzt bleiben, bis sich eine Ge- legenheit findet, sie mit sicher bestimmten Exemplaren aus anderen Ländern unmit- telbar zu vergleichen. Merkwürdig aber ist das Fehlen aller übrigen Petrefacten in dieser Schicht, namentlich aller Muscheln, von denen doch mehrere Arten in jedem Wasser vorzukommen pflegen , mag dasselbe reines Meerwasser oder Brackwasser sein. Herr Dr. Thomas hat nur einmal den Abdruck eines Echiniten in der Bern- Steinerde gesehen und einmal eine in Schwefelkies verwandelte Eschara gefunden. Unwillkührlich drängt sich die Frage auf, ob wohl irgend ein Bestandtheil dieser Schicht zerstörend auf den kohlensauren Kalk der Muschel- und Seeigelschalen eingewirkt haben mag. Nach der altern Analyse der ßernsteinerde schien mir dies unwahrscheinlich, nachdem aber die neue Analyse des Hrn. von Belir auch schwefelsauren Kalk in der Bernsteinerde nachgewiesen hat, so scheint es eher mög- lich, dass Schwefelsäure die Zerstörung der kalkigen Fossilien bewirkt habe. Um so auffallender musste es daher sein, dass sich bei Kleinkuhren, eingehüllt in einen eisenschüssigen braunen Sand , zahlreiche Meerespetrefacten , austernähnliche Muscheln und Echiniten, sehr wohlerhalten finden. Es hat dies Petrefactenlager , in dem vor allen II err Dr. Thomas viel gesammelt hat, von jeher ganz besonders das Interesse der Naturforscher erregt, weil es das einzige seiner Art am ganzen Samländischen Strande zu sein scheint, und weil es bisher als eine lokale und ganz eigenthümliche Bildung betrachtet wurde. Es ist indessen, wie man sogleich sieht, wenn man die Schichtung an der Küste in ihrem Zusammenhänge verfolgt, die Masse , in der die Petrefacten liegen , nichts anderes als der untere Theil der Grünsandablagerung 15 unmittelbar über dem Treibsande , der, wie ich vorhin schon sagte, überall reich ist an sogenannten Krantstreifen d. h. an Lagen, in denen der Sand durch Eisenoxyd- hydrat zusammengekittet ist. Diese sind hier vorzüglich stark entwickelt und zu einer zusammenhängenden Masse verbunden. Vielleicht wurden die Schalen der Muscheln und Seeigel durch schnelle Umhüllung mit dem eisenschüssigen Sande , der ihnen sehr fest anhaftet, gegen die* Einflüsse geschützt, welche die übrigen Petre- facten ringsherum zerstörten. Sie gehören also einer Zeit an, die unmittelbar auf die massenhafte Ablagerung des Bernsteins folgte, und obschon es mir noch nicht velunofon ist, auch an anderen Orten in den Krantstreifen des Grünsandes dieselben Thiere aufzufinden, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass gelegentlich wenigstens einzelne auch in Sassau, Loppehnen oder Wangen sich finden werden. Es ist natürlich, dass durch diese genaue Bestimmung des Verhältnisses, in dem die Klein- kuhrener Petrefacten zum Bernstein stehen, die Bestimmung derselben von noch grösserem Werthe für die Wissenschaft wird, und ich freue mich daher, sagen zu können, dass bald eine nicht unbedeutende Zahl derselben von einem der besten Kenner tertiärer Conchylien untersucht und bestimmt sein wird ‘). Da das Mineral, dessen ich so oft erwähnt habe, der Glaukonit, keine unwich- tige Rolle in der Geognosie spielt, so ist es von mehreren Chemikern analysirt und in den meisten Fällen als ein wasserhaltiges Silikat von Eisenoxydul und Kali erkannt worden, bei dem der Gehalt von Kali zwischen 5 und 15 pCt. schwankt; in einigen Abänderungen soll das Kali aber auch ganz fehlen 1 2), und dies scheint bei unserm samländischen Glaukonit der Fall zu sein , da weder die ältere noch die neuere Ana- lyse der Bernsteinerde Kali darin nachweist. In grösster Menge ist das Mineral zu Hause in der Kreide und bildet hier Grünsandablagerungen von bedeutender Mächtigkeit: es finden sich diese aber auch in den untersten tertiären, den eoeänen Bildungen , wie namentlich im Pariser Becken und in England , und in den unteren mioeänen Schichten. So möchte denn auch vielleicht die Grünsandablagerung des Samlandes dafür sprechen, dass der darin enthaltene Bernstein wenigstens dem unteren Miocän, vielleicht sogar dem Eocän zuzurechnen sei, und die Ansicht 1) Jetzt bei der Correctur des Druckes erfahre ich durch eine gefällige Mittheilung des Herrn Prof. Heer, dass Herr Dr. Karl Mayer in Zürich die Bestimmung der ihm von liier aus zugesandten Kleinkuhrener Petrefacten beendigt hat und zu dem mir nicht unerwarteten Resultate gelangt ist, dass sie einer obereoeänen Bildung der Tertiär- formation, etwa entsprechend dem Gypsc vom Montmartre bei Paris, angehören. Eine nähere Mittheilung darüber wird daher im zweiten Bande dieser Schriften gegeben werden können. 2) Nach Naumanns Elementen der Mineralogie. Leipzig. 1859. 16 Beyrichs1) bestätigen, der die ganze nordostdeutse.be Rraunkohlenformation zu den- jenigen Schichten zählt, die unmittelbar auf die eocaene folgen und für die er eine besondere Abtheilung der oligocänen Bildungen annimmt. Welchem Theile des Tertiär- gebirges mm aber auch die Formation des Samlandes angehören mag, immerhin bleibt die regelmässige Ablagerung des Bernsteins inmitten derselben ein merkwürdiges Factum und giebt uns über jene, ich möchte nicht sagen Aufschlüsse, sondern eher neue Räthsel. Wir sehen daraus, dass, während in dein Meere, welches das mit den Bernstein erzeugenden Wäldern bedeckte Land bespülte, eine gleichmässige und ruhige Ablagerung des Grünsandes Statt fand, allmälig — vielleicht durch Bäche vom Lande her — Thon in dasselbe geführt wurde, dass dann von einer bestimmten Zeit ab mit diesem eine ungeheure Menge Bernstein hineingeschwemmt ward, und diese An- schwemmung so lange anhielt , bis der Boden des Meeres sich durch den fortdauern- den Absatz des Sandes um etwa 5' erhöht hatte. Es wäre interessant zu wissen, wie viel Zeit dazu ungefähr in einer geschützten Meeresbucht gehört. Wer mag sagen, ob es ein Strom war oder mächtige Regengüsse, die dem Boden des Waldes den angehäuften Bernstein entrissen? Plötzlich hörte diese Zufuhr fast auf, es folgten mit nur vereinzelten Stücken Bernsteins noch einige Zeit hindurch organische Theile, die jetzt in Kohle verwandelt die zunächst darüber abgesetzten Sandschichten dunkel färben, und dann dauerte lange Zeit hindurch die Ablagerung des Sandes ungestört fort, bis sie über dem Bernstein eine Mächtigkeit von etwa 50' erreicht hatte, ohne dass sich das Ereigniss wiederholt hätte , welches den Bernstein ins Meer führte. Es drängen sich dabei viele Fragen auf, die leichter aufzuwerfen, als zu beantworten sind, auch wäre es leicht, das gegebene Bild durch die Phantasie weiter auszumalen, indessen ist es mein Wunsch, dieser hier keinen Spielraum zu gewähren. Nur das kann ich daher noch anführen, dass keine Nothwendigkeit vorliegt anzunehmen, dass bei dieser Ablagerung des Bernsteins die Wälder untergingen , die ihn erzeugten; denn zwar finden sich mit dem Bernstein zusammen Holztheile, doch sind sie ver- hältnissmässig nur von geringer Zahl und Grösse, enthalten meistens selbst Bernstein und gleichen solchen halbverrotteten Ilolzstücken, die in jedem Walde zerstreut um- herzuliegen pflegen. Schon Schwei gg er bemerkt es und dass hat sich auch in neue- ster Zeit stets bestätigt, dass in diesem Lager am Nordstrande des Samlandes niemals ganze Baumstämme Vorkommen , diese sollen nach demselben Schriftsteller dagegen in den Gräbereien, die früher in liubenicken am Weststrande betrieben wurden, 1) Ueher den Zusammenhang der norddeutschen Tertiärbildungen, in den Abhandlungen der Königl Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1855. Berlin 1856. 17 häufiger gewesen sein; die dortigen Lager aber gehören , wie ich schon mehrmals sagte, wahrscheinlich einer spätem Zeit an. Es sei gestattet, um das Bild der ßernsteinzeit zu vervollständigen, noch einen Blick auf' die Pflanzen - und Thierwelt zu werfen , die in jener Zeit lebte. Zwar liefern uns die Einschlüsse des Bernsteins, so sorgfältig sie auch in neuerer Zeit gesammelt sind , immer nur ein sehr unvollständiges Bild der damaligen Flora und Fauna, weil ja nur kleine Thiere und Pflanzentheile uns aufbewahrt sind, die schnell von dem flüssigen Harze umgeben werden konnten, doch sind auch in diesen uns manche charakteristische Züge der damaligen Schöpfung überliefert. Es ist na- türlich, dass von den Pflanzen uns diejenigen Theile am häufigsten erhalten sind, die entweder zu bestimmten Jahreszeiten regelmässig abfielen, oder vom Winde leicht losgerissen und im Walde umhergetrieben werden konnten: einzelne Nadeln der Coniferen z. B. , Blüthenkätzchen, die nach dem Verblühen oder in der Reife der Früchte mit ihrer Spindel abbrachen, kleine Zweigstückchen, einzelne Blumen- oder Staubblätter, Knospenschuppen u. dgl. Ist es nun schon oft an sich schwierig, nach diesen Theilen die Pflanze, der sie einst angehörten, zu bestimmen, so liegt eine grössere Schwierigkeit noch darin herauszubringen, welche von den verschiedenen Theilen zu einer Art gehört haben, und nur unermüdliches Sammeln und fortwährende Vergleichung der aufgefundenen Einschlüsse kann hier endlich zu sicheren Resultaten führen. So weit wir nun die Bernsteinflora aus den Untersuchungen von Göppert und Menge kennen, so repräsentirt sie die Flora eines Waldes, der zwar gemischt war, in dem aber jedenfalls die Nadelhölzer bei weitem vorwalteten und einen uner- hörten Artenreich thum entwickelten. Der häufigste Baum dieses Waldes war ein Lebensbaum, früher Thuites Kleinianus von Göppert genannt, jetzt von ihm geradezu für identisch mit der in Amerika weit verbreiteten Thuja occidcntalis erklärt. Nach Menge kommen, wie Heer anführt, 10 Zweiglein dieser Thuja auf ein Blatt oder eine Blüthe eines Laubholzbaumes und 5 auf ein anderes Nadelholz. Ausser- dem unterscheidet Göppert von Nadelhölzern noch 6 andere Thujaarten, 4 VVid- dringtonien, 2 Arten von Libocedrites , 1 Callitris, 1 Cupressus, 3 Chamaecyparites , 2 Taxodium Arten und endlich nicht weniger als 3,0 Pinusarten , denen Menge noch eine dem Taxus ähnliche Pflanze angereiht hat. Wenn wir nun auch anhehmen können, dass von diesen 51 Coniferenarten ein Theil noch eingehen wird, da sie, zum Theil nach den Blättern, zum Theil nach den Blüthenkätzchen oder Holztheileu bestimmt, sich als zu einer und derselben Art gehörig zeigen werden, so wird doch immer ein Reichthum an Allen übrig bleiben, der sich jetzt nirgends, selbst nicht 3 18 in dem an Coniferen so reichen Amerika wiederfindet, und doch müssen jene Bern- steinconiferen , da die Einschlüsse sämmtlich aus Preussischem Bernsteine herrühren, einem sehr Adel beschränkteren Lande im nördlichen oder mittleren Europa angehürt haben. Zugleich mit ihnen wuchsen von Laubbäumen eine Birke , eine Erle , meh- rere Arten Eichen, 3 Weiden , vielleicht 2 Buchen und 1 Hainbuche, deren Bestim- mungen aber zum Theil noch sehr unsicher sind. Wenn diese letzteren Bäume und die zahlreichen Pinusarten auf ein gemässigtes Klima schliessen lassen, welches viel- leicht um wenige Grade wärmer war als unser jetziges, so kommen daneben auch Ueberreste von Sträuchen und Kräutern vor, die theils dem hohen Norden, theils weit südlicheren Ländern angehören , so dass die ganze Flora ein wunderbares Gemisch von Pflanzen verschiedener Himmelsstriche darbietet. Es gab nämlich einerseits damals eine Menge Haidekräuter, von denen freilich viele erst vorläufig (als Derma- topliyllites) bestimmt werden konnten , eines aber der jetzt auf den Lappländischen und Sibirischen Alpen, in Labrador und Unalaschka vorkommenden Andromeda hyp- noides L. , ein anderes der ebenfalls in Kamschatka und Sibirien einheimischen Andro- meda ericoides so ähnlich ist, dass Göppert sie mit beiden Arten für identisch hält. Auf der andern Seite kommen ausser den schon oben genannten, einem süd- licheren Klima angehörigen Nadelhölzern, nämlich Glyptoslrobus enropaeus, der dem in China bis zum 36° n. Br. lebenden Glyptostr. heterophyllus sehr nahe steht, dem Libocedrus salicomioides , der dem in Chili einheimischen Libocedrus chilensis nach Göppert identisch, nach Heer nur ähnlich sein soll, und den Widdring- tonien, die gegenwärtig am Cap zu Hause sind, auch Ephedra Johniana G. u. B. vor, welche unter den lebenden Arten der in Peru einheimischen Ephedra altissima am nächsten stehen soll, Acacia succini A. Br., Celastrus Fromherzi A. Br. und ein Kampferbaum Cinnamomum polymorpkum, von dem vor wenigen Jahren Herr Ober- lehrer Menge einen vortrefflich erhaltenen Blattabdruck und eine vollständige Blüthe im Bernstein entdeckt hat und dessen lebende Verwandte sich jetzt im Osten Asiens, in China und Japan, finden. — Merkwürdiger Weise sind von allen diesen Pflanzen nur 3 Arten aus der Tertiärflora anderer Länder bis jetzt bekannt, der Glvptostrobus , Libocedrus und der zuletzt erwähnte Kampferbaum. Herr Prof. Heer1) glaubt diese Eigenthümlichkeiten der Bernsteinflora dadurch erklären zu können, dass er annimmt, es liege uns in ihr die Tertiärflora Skandi- naviens vor. Aus anderen Untersuchungen nämlich wird es wahrscheinlich, dass Skan- 1) Tertiäre Flora der Schweiz. Bd. III. p. 309. 19 dinavien damals durch die Ostsee sich bis in Norddeutschland ausgedehnt habe , durch einen breiten Meeresarm aber von den Ländern Südeuropas getrennt gewesen sei. Dadurch soll sich die Verschiedenheit seiner Flora von der Pflanzenwelt des übrigen Europas erklären , selbst aber ein gebirgiges Land konnte es an den südlichen Ufern und auf den hohen nordischen Gebirgen sehr verschiedene Pflanzen beherbergen, deren Theile vom schützenden Bernstein umschlossen durch Bäche und Flüsse ins Meer geführt und hier niedergelegt wurden. Eine der wichtigsten Aufgaben bei diesen Untersuchungen ist es, diejenigen Bäume mit Sicherheit zu bestimmen, welche den Bernstein lieferten. Mit Recht hat man hiezu die Holzstücke1 benutzt, welche sich neben dem Bernstein finden und selbst denselben einschliessen. In dem Berendtschen Werke gab Herr Prof. G öp- pe rt von diesem Holze eine genaue und sorgfältige Anatomie und nannte den Baum, der unserer Abies excelsa sehr nahe steht, Pinites succinifer, in dem Berichte vom J. 1853 unterscheidet er aber bereits 9 Coniferenartcn, die erwiesener Massen Bernstein geliefert haben sollen, zu denen Herr Oberl. Menge noch das dem Taxus ähnliche Taac.oxylon electrochyton1 ) hinzugefügt hat. Uebrigens hängt die Frage nach den Bernstein erzeugenden Bäumen aufs genaueste mit der andern zusammen, ob der Bernstein mit seinen eigenthümlichen Eigenschaften, namentlich seiner Unlöslichkeit in Alkohol und Aether, ursprünglich erzeugt, oder aus einem gewöhnlichen, dem Terpentin ähnlichen Harze durch spätere chemische Einflüsse entstanden sei. Bcrendt und Thomas sind der ersteren Ansicht, Schweigger und in neuerer /eit Loew haben die letztere ausführlich vertheidigt, auch Göppert und Menge stimmen ihr bei, und sie scheint jetzt überhaupt ziemlich allgemein angenommen zu sein; ja man geht noch weiter und nimmt an, dass sämmtliche Pinusarten ihr Harz zur Bern- steinbildung lieferten. Schweigger und Loew haben auch wahrscheinlich zu machen gesucht, dass die im Boden enthaltene Schwefelsäure die Veränderung des Harzes in Bernstein bewirkt habe, während Göppert gefunden zu haben glaubt, dass Terpentin schon einigermassen die Eigenschaften des Bernsteins annehme , wenn er Jahre lang im Wasser liegt, in dem Holz und Pflanzentheile von Conifcren ein- geweicht sind. Doch es sei genug, diese Frage hier angedeutet zu haben; es ist nicht meine Absicht , lange bei ihr zu verweilen , da sie bereits vielfach besprochen ist, und die Chemie, so viel ich weiss, neue Thatsachen, welche die Sache erledigen *) Beitrag zur Bemsfceinflor* , in den Schriften der naturforschenden GeseiLgch&ft zu Danzig v. J. 1857. 3* 20 könnten, nicht anzuführen hat. Später werde ich allerdings einige geologische Ver- hältnisse auseinandersetzen, welche die neuere Meinung, dass der Bernstein ver- schiedenen Perioden oder wenigstens einer langem Periode der Erdbildung angehöre, unterstützen. So viel scheint ausgemacht, dass er als Harz von mehreren Coniferen herstamme, während der demselben so ähnliche Copal jetzt von Laubbäumen abgesondert ward. Aehnlich, wie mit der Flora, verhält es sich mit der Fauna, deren Reste uns im Bernstein erhalten sind. Es herrscht hier das eigentümliche Verhältniss, dass uns in ihm gerade solche Thiere aufbewahrt sind , die sonst nur selten als Ver- steinerungen Vorkommen, nämlich Gliederthiere, vorzüglich Spinnen und Insecten. Indessen sind in neuerer Zeit durch die Arbeiten Heers auch die Insecten bekannt geworden, deren Ueberreste sich in den Kalk- und Mergelgesteinen von Oeningen in der Schweiz und Radoboj in Croatien finden , und diese sind eben so verschieden von den Insecten des Bernsteins, wie die tertiären Pflanzen Süddeutschlands von den Pflanzen der Bernsteinzeit. Während im Bernstein eine Menge von Formen vor- kommt, die jetzt lebenden durchaus entsprechen, denselben Familien und Gattungen angehören und nur in einzelnen Merkmalen verschieden sind, finden sich daneben auch viele weit mehr abweichende Formen, und zwar theils solche, die gegenwärtig im südlichem Europa Vorkommen, theils andere, die jetzt nur aus entfernten Ländern bekannt sind, theils endlich auch solche, die ganz ausgestorbenen Formenreihen angehören. Ich will hier mit Uebergehung anderer Beispiele nur des zahlreichen Vorkommens der Termiten erwähnen, von denen es fünf verschiedene Arten im Bem- steinwalde gab, während jetzt nur wenige Arten von Süden her in Europa hinein- reichen und bei Wien wie im südlichen Frankreich ihre Nordgrenze haben. Einige andere Neuropteren und Hemipteren haben ihre nächsten Verwandten der jetzigen Schöpfung im östlichen Asien und in Amerika , ja die Gattung Nymphen, von der Herr Dr. Hagen eine Art beschrieben hat, gehört jetzt sogar auschliesslich Neu- holland an. Dass endlich die Bernsteinfauna auch reich ist an eigenthiimlichen Formen, die unter den lebenden nicht mehr Vorkommen, das beweist schon die grosse Zahl der neuen Gattungen , die bei Beschreibung der Bemsteininsecten aufgestellt werden musste. Die im Berendtschen Werke beschriebenen 422 Arten gehören 167 Gat- tungen an, von denen 38 neu sind, und unter den 94 Gattungen, unter welche Loew die 600 von ihm untersuchten Dipterenarten bringt, sind ebenfalls 26 neue 21 Gattungen1). Wenn nun auch manche derselben mehr zum Zwecke einer beque- meren Systematik aufgestellt sind, so sind darunter doch auch andere, welche den Typus einer gegenwärtig ausgestorbenen Familie oder Ordnung darstellen. Am be- kanntesten ist von solchen die merkwürdige Gattung Archaea unter den Spinnen geworden, die sich durch den stark von der Brust abgesetzten Kopf, eine ungewöh- liche Stellung der Augen und ungemein grosse Kiefer von den jetzt lebenden Arten unterscheidet, ehemals aber nicht so gar selten gewesen sein muss, da man bereits 6 Arten der Gattung kennt und die gewöhnlichste Art Archaea paradoxa in 1 1 Exem- plaren bekannt ist. Ferner gehören hieher die Gattung Pseudoperla aus der Ordnung der Orthopteren, deren ganze Entwickelungsgeschichte im Bernstein vorliegt, so wie das interessante Amphientomum paradoxum, welches nach dem Bau seiner Fühler, Füsse und Mundtheile den Neuropteren angehört, durch die schuppige Bekleidung der Vorderflügel aber an die Schmetterlinge erinnert und mithin ein ähnliches Ver- hältnis zeigt, wie es bei vielen Wirbelthieren früherer Erdperioden uns entgegentritt, dass sie nämlich die Charaktere mehrerer Familien oder Ordnungen jetzt lebender Thiere in sieh vereinigen , also eine Form darstellen , aus der sich in der spätem Entwickelung der Thierwelt zwei verschiedene Formen reihen gebildet haben. Kehren wir nach dieser Abschweifung aus der Bernsteinzeit zur Schilderung der Samländischen Küste zurück ! Auf dem grünen Sande liegt überall ein weisser Sand, der jenem insofern ähnlich ist, als auch er aus groben Quarzkömern verschiedener Grösse besteht. Die meisten von diesen sind weiss , einige gelblich , einzelne dunkel- blau gefärbt, und zwischen ihnen finden sich kleine schwarze Körnchen , die spröde , glänzend und krystallinisch sind. Die knolligen Glaukonitkörner fehlen, dagegen 1) In dem Berendtschen Werke „die im Bernstein enthaltenen organischen Reste“, sind beschrieben oder erwähnt: Crustacea 5 Arten in 3 Gattungen Myriopoda 33 „ „ n „ mit 1 neuen Gatt. Arachnida 205 „ „ 73 „ 29 „ „ Insecta Aptera 24 „ „ 9 4 „ „ „ Hcmiptera .... 60 „ „ 23 i „ „ „ Orthoptera 8 „ „ 4 „ 1 » „ „ Neuroptera .... 87 „ „ 44 » 2 „ „ im Ganzen 422 Arten in 167 Gattungen mit 38 neuen Gatt. In der Uebersicht über die Bernsteindipteren von Loew , im Programm der Realschule zu Meseritz 1850, sind erwähnt : Insecta Diptera 600 Arten in 94 Gattungen mit 26 neuen Gattungen. Im Ganzen sind also aus der Bernsteinzeit bekamt von Gliederthieren : 1022 Arten in 261 Gattungen, worunter 64 neue Gattungen. 22 kommen, und, wie es scheint, an den vom Pulverberge westlich gelegenen Stellen häufiger, sehr kleine Körnchen eines braunen Minerals vor, welches leicht zu einem grünlichbraunen Pulver zerdrückbar und ohne Zweifel eine dem Glaukonit ähn- liche Eisenmischung ist. An der Loppehner Grenze ist dieser Sand 24 Fuss mächtig, am Pulverberge aber und ebenso weiter westlich, wo die untere Lettenschicht auf ihm liegt, nur etwa 16 Fuss. Hier nimmt er auch schon in mehreren Fuss Ent- fernung von der Lettenschicht eine bräunliche, dann darüber eine dunkelbraune Farbe an, die durch beigemeugten Kohlenstaub hervorgebracht wird, unmittelbar unter den Letten aber ist er wieder weiss. Die Lettenschicht selbst steigt, wie wir schon ge- sehen haben, mit dem weissen und grünen Sande yon Westen nach Osten an, so dass sie zwischen dem Weiber- und Pulverberge um 4 bis 4| Fuss von der ober- sten Lettenschicht absteht: sie ist im Durchschnitt 8 bis 10 Fuss mächtig, wird jedoch nach Osten etwas schwächer. Die Stelle selbst, wo sie ausgeht, konnte nicht aufgedeckt werden, da vom Pulverberge an bis zur westlichen Grenze die Strand- berge theils mit Buschwerk bewachsen , theils durch zu grosse Massen von Lehm und Sand überschüttet sind; wahrscheinlich aber verschwindet sie bald hinter dem Pulver- berge, da Leute, welche etwa 80 oder 90 Ruthen davon entfernt einst nach Bern- stein gegraben haben, sich nur erinnern die obere Lettenschicht gefunden zu haben. Der Thon ist von blaugrauer Farbe, langsam getrocknet aber erscheint er heller, fast weissgrau: die darin enthaltenen, nicht ganz seltenen Holzstücke sind oft von Eisenkies durchdrungen, dessen leichte Zersetzbarkeit das Auf bewahren derselben schwierig oder unmöglich macht, sie gehören aber demselben knolligen Holze an, welches in der -mittleren Lettenschicht ausserordentlich häufig ist; grössere Blatt- abdrücke suchte ich hier vergeblich, nur einmal fand ich einen kleinen Zweig von Taxodimn dubium. Auch kommen hie und da, obschon sehr sparsam, kleine Bem- steinstiicke darin vor. U'eber der Lettenschicht liegt im Osten ein grober weisser Sand, in 4 oder 4| Fuss Mächtigkeit bis zu der oberen Lettenschicht reichend, im Westen, z. B. am grossen Spring, findet sich ebenso eine 4 Fuss mächtige Schicht brau- nen Sandes auf der untern Lettenschicht, beide sind in ihrer Zusammensetzung und in Grösse der Quarzkörner ganz übereinstimmend mit dem tiefer liegenden weissen Sande; in der Mitte des Terrains, wo sich die mittlere Lettenschicht findet, liegt zwischen dieser und der unteren eine Lage groben grauen und gewöhnlich sehr nassen Sandes, meistens ungefähr einen Fuss mächtig, der zwar ein etwas anderes Ansehen hat, aber im Ganzen ebenfalls demselben weissen Sande ähnlich ist. Ich glaube also, dass man alle diese genannten Schichten zu einer zweiten Gruppe von Ablagerungen 23 rechnen muss, die sich unmittelbar an die Grünsandgruppe anschliesst und nach ihr, ohne dass bedeutende Bodenveränderungeil vorgingen, niedergelegt wurde. Vielleicht wurden während dieser Zeit der östlichste Theil des Sassauer Gebietes und das Lop- pehner Ufer schon etwas gehoben, so dass dadurch der Ausbreitung des durch Bäche vom Lande her ins Meer geführten Schlammes, der nun die untere Letten- schicht bildet, eine Grenze gesetzt wurde. Wahrscheinlich geschah auch die ganze Bildung in einer Bucht und in nicht sehr grosser Entfernung vom Ufer, da die Ablagerung nicht nur des Tliones, sondern auch der feinen organischen Theile, die in Kohle verwandelt den Sand jetzt braun färben, mit grosser Regelmässigkeit in der ganzen Strecke erfolgte und liegen blieb. Viel grösser müssen die Veränderungen gewesen sein , welche nach Absetzung des weissen Sandes den Boden des Samlandes betrafen. Wie ich schon oben sagte, muss um diese Zeit das ganze Gebiet von Wangen und Loppehnen, so wie der östliche Theil des Sassauer und Rausehener Gebiets, westlich bis über den Pulverberg hinaus, über das Meer erhoben und trocken gelegt sein. Weil von da aus nach Westen hin erst bei Gross- und Kleinkulnen die Bernsteinerde sich dem Meeres- niveau nähert, dort also ganz ähnliche Verhältnisse wie in Loppehnen und Wangen obwalten, so muss dort der westliche Rand der weiten aber flachen Vertiefung ge- wesen sein, die vielleicht einen nicht unbedeutenden Theil des Samlandes einnahm, ja es ist aus mehreren Gründen nicht unwahrscheinlich, dass diese gegen das Meer hin durch eine ähnliche Bodenerhebung geschützt war, also einen Binnensee oder ein durch eine Nehrung von dem Meere getrenntes Haff bildete, wie dergleichen noch jetzt an der Ostseeküste zahlreich Vorkommen. Dass eine solche Erhebung bei Loppehnen wirklich Statt gefunden, dafür liegt ein neuer Beweis noch in einer sehr interessanten Erscheinung, welche die Loppehner Bernsteingrube im Jahre 1858 darbot. Wer in gebirgigen Gegenden sich mit Be- trachtung geognostischer Verhältnisse beschäftigt und darauf verzichtet hat, in unserm flachen, aus Sand- und Thonschichten zusammengesetzten Lande ähnliches aufzufinden und zu sehen, den überrascht es angenehm, wenn er hier Verhältnisse findet, die sonst nur in vulkanischen Ländern zu Hause sind. So war auch ich nicht wenig erstaunt, als ich in der Bernsteingräberei eine Gangbildung in grossem Maas- stabe ausgesprochen fand. An der östlichen Seite der Grube (vgl. Taf. III.) nämlich wurden sämmtliche Schichten von der Bernsteinerde hinauf bis zu der obersten Lettenschicht durch einen mächtigen, 21 Fuss breiten Thongang durchsetzt. Auflal- lend ist die Festigkeit, welche die Sandschichten bewiesen haben, als sie in eine so 24 breite Spalte aufrissen, denn obgleich diese gewiss längere Zeit hindurch offen blieb, sind die Ränder des Ganges durchaus scharf und nur oben kleine Stücke derselben abgerissen, durch den Druck der hereinfliessenden Schlammasse aber hat sich auf jeder Seite des Ganges eine neue Spalte gebildet, und zwischen ihnen ist das mittlere Stück etwas herabgeglitten, so dass sich jederseits eine kleine Verwerfung gebildet hat. Der Gang steht fast senkrecht und streicht von Westen (10u Nord.) nach Osten (10° Süd.). Offenbar war es die Ablagerung der oberen Lettenschicht, mit der zugleich dieser Gang ausgefüllt wurde, wie die gleiche Beschaffenheit des Thones beweist, wenn auch der Zusammenhang beider nicht unmittelbar erkannt werden konnte. Nun sind die von dem Gange durchsetzten Lagen gerade diejenigen, von denen wir eben sahen, dass sie gehoben sein müssen, ehe die folgenden sich absetz- ten; ohne Zweifel ist also bei dieser Hebung die Spalte entstanden und zeigt uns an, dass hier ungefähr der Gipfel der Erhebung gewesen, so wie die Richtung des Ganges zugleich die Richtung andeutet, in der die stärkste Erhebung erfolgt ist. Diese Richtung ist aber eine solche, dass eine Linie, von Loppehnen aus ihr gemäss gezogen, nicht gar weit nördlich bei der äussersten Spitze von Brüsterort Vorbeigehen, d. h. die zwischen beiden Punkten liegende Bucht abgrenzen würde. Es kann also sehr wohl durch diese Erhebung selbst jener Damm oder jene Nehrung gebildet sein, von der ich oben gesprochen. ln der auf solche Weise entstandenen Mulde setzten sich Thon , Sand und Braun- kohlen ab. Der erste bildete eine Lettenschicht, die wegen ihrer geringen Aus- dehnung zwar nur eine untergeordnete Rolle in dem Bau der Strandberge spielt, aber wegen der in ihr liegenden wohlerhaltenen Pflanzentheile für die Altersbestim- mung der ganzen Formation besonders wichtig ist. Dieser Letten ist im frischen Zustande von brauner Farbe und dadurch von dem grauen Thon der unteren Letten- schieht sogleich zu unterscheiden, von dem er, wie ich oben schon sagte, durch eine Lage groben grauen Sandes getrennt ist, die selten mehr als einen Fuss stark ist. Er selbst hat eine Mächtigkeit von 3 bis 4 Fuss , findet sich aber nur in der Mitte des hier beschriebenen Terrains, indem er östlich zwischen dem weissen Berge und dem Weiberberge , westlich am Todtenberge ausgeht. Am letzteren Orte konnte ich den äussersten Rand der Schicht verfolgen; während sie nämlich am östlichen Theile des Todtenberges noch eine Mächtigkeit von 4 Fuss hat, ist sie in einer Entfernung von etwa 3 Ruthen westlicher nur noch wenige Zoll dick und keilt sich alsbald ganz aus. Dieser Rand liegt ganz in dem gestreiften Sande , von dem ich sogleich sprechen werde , woraus hervorgeht , dass der Thon sich mit diesem zugleich ablagerte. Ich 25 habe aber in diesem Jahre dieselbe Thonschicht auch in der Gaussupschlucht , also viel westlicher und mehrere tausend Schritte vom Strande entfernt wiedergefunden, auch tritt sie westlich von dieser Schlucht am Georgswalder Ufer nochmals auf, und es ist daher wahrscheinlich, dass ihre Hauptablagerung , tiefer im Lande liegt und wir es am Strande nur mit den Ausläufern derselben zu tlnin haben. Die Pflanzen- theile, Holz, Blätter, Samen und Früchte, linden sich vorzüglich zahlreich und dicht in den mittleren Lagen der Schicht, die unteren und oberen enthalten sie meistens in geringerer Zahl. In grösster Menge sind Zweige und Aeste von verschiedenster Dicke, Blattfetzen und Blätter , 'oft so dicht auf und neben einander liegend, dass sie sich gegenseitig zerdrückt haben, seltener sind grosse Stämme, am seltensten wohl- erhaltene Früchte. Nirgends, so weit ich ihn untersucht habe, sondert sich der Thon schiefrig ab, sondern er ist unregelmässig zerklüftet oder spaltet nach den Einschlüssen , also vorzüglich nach den platten Ilolztheilcn , die fast immer in einem schiefen Winkel die horizontal liegenden Blätter durchsetzen. Wegen aller dieser Verhält- nisse gelingt es nicht leicht, ganze und vollständig erhaltene Blätter zu erlangen. Uebcrdies ist es keineswegs möglich, die Lettenschicht in ihrer ganzen Ausdehnung aufzudecken und zu untersuchen, da gerade der mittlere Theil der Berge durch Graben nach Bernstein so vollständig durchwühlt und verschüttet ist, dass es einen grossen Aufwand an Zeit und Kräften erfordern würde, wollte man hier überall bis auf die festen Schichten des Berges eindringen. Da die zarten Pflanzentheile , welche in dem Thono liegen, unmöglich eine so weite Reise machen konnten, ehe sie im Schlamme vergraben wurden, wie es bei den in Bernstein eingeschlossenen Organis- men möglich war, so geben sie uns offenbar das Bild eines Waldes, der einst dem Samlande einheimisch war und der wahrscheinlich am südlichen Ufer der Mulde wuchs. Ehe ich jedoch zur näheren Charakterisirung dieses Waldes übergehe, muss ich des Zusammenhanges wegen zuvor die übrigen gleichzeitigen Ablagerungen besprechen. Die Hauptmasse in den mittleren Theilcn der Strandberge wird von einem feinen weissen Sande gebildet, der sich auf den ersten Blick sehr von dem groben grünen und weissen Sande unterscheidet, der unter ihm liegt. Er besteht aus kleinen Quarzkörnchen gleicher Grösse und vielen Glimmerblättchen , zwischen denen eben so zahlreich sehr kleine schwarze oder dunkelbraune Körnchen liegen. Einige von diesen sind spröde, glänzend, und geben zerdrückt kristallinische Bruchstücke, bei weitem die meisten aber lassen sich leicht zu einem grünlichbraunen Pulver zerdrücken, welches das Papier färbt. Dieser Sand erscheint sehr verschieden gefärbt, bald rein 4 26 weiss oder gelblich , bald grünlich , bald bräunlich , braun oder fast schwarz ; die letzteren dunkleren Farben werden durch beigemengte Kohle hervorgebracht, die grünliche wahrscheinlich durch denStaub des eben beschriebenen Minerals, die gelb- liche durch eine grössere Zahl gelber Quarzkömchen ; in einem Durchschnitte erscheint der Sand, wenn er nicht ganz braun gefärbt ist, stets weiss mit braunen und schwar- zen Streifen, ich werde ihn daher kurz den gestreiften Sand nennen. Er liegt, wo die mittlere Lettenschicht fehlt, unmittelbar auf dem groben braunen Sande, welcher den untern Letten bedeckt , und reicht nicht nur bis zum obern Letten , sondern bildet auch über diesem noch mächtige Lagen. In dem Raume zwischen den Let- tenschichten enthalten die braunen Streifen des Sandes oft Holz und Bernstein, doch keinesweges regelmässig, sondern zerstreut und ncsterweise. Der gestreifte Sand wird daher vielfach nach Bernstein durchsucht, ja an manchen Stellen, wie bei Wamiken, ist dieser in solcher Menge darin enthalten , dass grössere Abbaue der Berge mit grossem Vortheile betrieben sind. Mit ihm kommen dort auch grosse Baumstämme vor, die von den Gräbern für die Bernsteinbäume gehalten werden: leider sind gegenwärtig solche Gräbereien nicht im Gange, und es ist daher auch nicht möglich, grössere Stücke dieses Holzes zu erlangen, um zu untersuchen, ob in ihm selbst Spuren von Bernstein Vorkommen. Könnte mit Sicherheit bewiesen werden, dass der gestreifte Sand sich aus süssem Wasser abgesetzt hätte, etwa durch Flüsse und Bäche herbeigeschwemmt, so würde dies offenbar für die Geschichte des Bern- steins von grosser Wichtigkeit sein. Es wäre dann der in ihm enthaltene Bernstein nicht weniger ein Product der Samländischen Wälder als die Blätter, welche in der mittleren Lettenschicht liegen. Bei dem Mangel an Conchylien in dem Sande ist ein solcher Beweis allerdings schwer zu führen, mir ist aber die Sache sehr wahr- scheinlich und zwar aus folgenden Gründen : Einmal unterscheidet sich der Sand sehr auffällig von dem groben ältern Sande , der offenbar aus dem Meere abgesetzt wurde, dann ist er, wie ich oben bewiesen, zugleich mit und neben dem Thone abgelagert, der offenbar vom Lande herbeigeführt wurde , endlich habe ich an manchen westlicher gelegenen Stellen, z. B. an den Strandbergen von Georgswalde in ihm einzelne unregelmässige Streifen gröberen Sandes gefunden , die sich recht wohl erklären lassen, wenn man annimmt, dass der gestreifte Sand in einem Haffe sich absetzte, in welches nur zuweilen bei ausnahmsweise erregter See der Meeressand hinein- getrieben wurde. Auch soll der hier gefundene Bernstein leicht von demjenigen unterschieden werden , welcher von der See ausgeworfen oder aus der Bernsteinschicht im Grünsande gewonnen wird. Jener soll eine Verwitterungskruste haben, die brocke- 27 lieh ist und abplatzt, im Innern aber sehr fest und fast immer von heller gelblich- grüner Farbe (Kumstfarbe) sein, die am meisten geschätzt wird. Er ist daher den Händlern viel mehr werth , als der Stein aus der blauen Erde. Alle diese Umstände sprechen für die Annahme, dass dieser Bernstein nicht durch die Meereswogen aus der tiefer liegenden Bernsteinschicht losgerissen und hierher geworfen wurde , sondern anderen Ursprungs ist. Während der Ablagerung des gestreiften Sandes wurden noch einmal Pflanzen- theile in grosser Menge in die Mulde geschwemmt, welche jetzt ein ßraunkohlenlager bilden. Es erstreckt sich nach Osten ungefähr eben so weit wie die mittlere Letten- schicht, d. h. es geht zwischen dem Weiberberge und dem weissen Berge aus; hat am rotheu Sande eine Mächtigkeit von 3 Fuss, am grossen Spring von etwa 5 Fuss und erreicht erst bei Warniken eine Meile westlicher seine grösste Stärke, scheint sich aber bis dahin nicht ohne Unterbrechung fortzusetzen , sondern stellenweise durch schwarzen kohlenhaltigen Sand vertreten zu werden. Am vorderen Thcilc des grossen Springs ist die Braunkohle durch eine Schicht weissen Sandes, der zwar auch vielen Kohlenstaub enthält, aber aus sehr groben Quarzkörnern besteht, und daher auch wohl dem zufälligen Einbrüche des Meeres zuzuschreiben wäre, in zwei Lager getrennt. Doch ist diese Trennung, die sich bei Warniken in grösserem Maassstabe wiederholt, nur eine ganz lokale Bildung, da sie schon in dem tieferen Theile der Schlucht fehlt. Die Braunkohle ist im östlichen Theile des Strandes thonhaltig , im westlichen aber fester, von schwarzer Farbe und enthält viele Holztheile ; da diese indessen noch nicht näher untersucht sind, so kann ich nur soviel davon sagen, dass darunter auch dasselbe Holz vorkommt, welches in der mittleren Lettensicht so häufig ist und auch in der unteren nicht fehlt. Durch den Absatz der Braunkohle wurde die Mulde ausgefüllt. Kehren wir daher zurück, um die Pflanzen des Samländischen Waldes näher kennen zu lernen, der in der mittleren Lettenschicht begraben liegt, soweit die ersten, freilich noch sehr unvollständigen Untersuchungen darüber Aufschluss gegeben haben; schon die in diesem Jahre fortgesetzte Sammlung der Blattabdrücke wird mehrere neue Arten, und manche der hier zu nennenden besser und genauer keimen lehren. Der bei weitem häufigste Baum dieses Waldes scheint eine Pappel gewesen zu sein, deren Blätter sich an einzelnen Stellen in grösster Menge über und neben einander abgelagert finden. Als Pappelblätter werden sie durch die Vertheilung der Nerven cliarakterisirt , denn es treten vom Blattstiele aus fünf Nerven fingerförmig in die Blattplatte ein, von denen der mittelste zwar der stärkste ist, die seitlichen aber 4* 28 verhältnissmässig auch recht kräftig erscheinen; der Mittelnerve sendet nach beiden Seiten, die übrigen nur nach hinten Secundämerven aus, und diese verbinden sich am Rande unter einander oder mit den Hauptnerven bogenförmig. Einzelne Stücke erlauben die Nervenvertheilung stellenweise bis zu den feinsten Nervillen zu verfolgen, die IV. Tafel enthält in den Figuren 1 bis 0 die genauen Abbildungen mehrerer solcher Stücke , die so gewählt sind, dass daraus alle Theile des Blattes, so weit dies nach dem vorhandenen Material überhaupt möglich war, erkannt werden können. In Fig. 10. ist aus diesen die Zeichnung des ganzen Blattes zusammengesetzt, doch so, dass jeder Theil auch nur die Nachbildung eines bestimmten, vorliegenden Stückes enthält. Das Blatt ist eiförmig, mit seltenen Ausnahmen länger als breit, ziemlich lang gestielt, an der Basis mehr oder weniger herzförmig, mit gekerbtem Rande. Die Kerbzähne sind am Grunde und in der Mitte des Blattes am grössten und höchsten, an der Spitze niedriger und gestreckter, dort ist jeder einzelne an' seinem Grunde fast etwas geschweift und trägt auf der untern Blattseite und an dem vordem Winkel eine runde drüsenartige Erhöhung, die von einem aufgeworfenen Rande wie von einem Walle umgeben ist (Fig. 10. a.), an der obern Seite des Blattes erscheint die Stelle nur etwas verdickt oder in die Höhe gebogen. Diese eigenthümlichc Bil- dung des Randes zeigt sich nicht nur an den Blättern selbst überall , wenn die Unter- seite derselben aufgedeckt und der Rand gut erhalten ist, sondern ist auch in den Abdrücken der Blätter im Thone oft sehr scharf zu erkennen. Sie unterscheidet allein schon das Blatt von allen bekannten Pappelarten, wenigstens ist bisher bei keiner derselben eine solche Bildung beschrieben worden. Die 5 Hauptnerven bilden Winkel von etwa 30° (seltener 35°) mit einander, und die kräftigen Seitennerven reichen durch zwei Drittheile der Blattfläche hinauf; der Mittelnerv, der bis zur Spitze des Blattes vordringt , schickt drei Paare grösserer , einander aber nicht gegen- überstehender Secundämerven ans und zwar, wenn das Blatt nicht abnorm verkürzt ist wie in Fig. 9., unter viel grossem Winkeln (60° bis 65°), als die Hauptnerven mit einander bilden, so dass sämmtliche Hauptfelder, in welche die Platte durch die grösseren Nerven getheilt wird, am Grunde breiter sind als an der Spitze. Die Secundämerven biegen sich bogenförmig zur Spitze, um sich am Rande gabelförmig spaltend unter einander oder mit den Hauptnerven in Bogen zu verbinden. Zahl- reiche kleine Nervillen entspringen von den Haupt- und Secundämerven und theilen in einander übergehend die Hauptfelder in längliche Unterfelder. Am Rande stehen auf den Bogen , die von den Secundämerven gebildet werden , wieder kleinere Bogen , so dass jedem Zahne des Randes genau ein kleiner Bogen entspricht. 29 Mit diesen Eigenschaften entspricht das Blatt keiner der 1 0 Pappelarten , die bis jetzt aus den tertiären Schichten bekannt sind, und Professor Heer hat daher eine neue Art daraus gebildet, die er ganz gegen mein Verdienst nach mir benannt hat1), und die durch folgende Diagnose charakterisirt sein würde: Popul us Zaddachi: folia palminervia — nervis camptodromis , priniariis quinque, lateralibus superioribus eoc angulo acuto (30") exeuntibus, medium folium longe superantibus — oealia, satis longe petiolata, basi cordata, crenatn, crenis qlan- duliferis. Die Blätter variiren in Länge und Breite, das Blatt Fig. 5. hat 4 Zoll Länge und 2) Zoll Breite, das Blatt Fig. 3. würde bei fast gleicher Länge 3£ Zoll breit sein, das Blatt Fig. 1. würde bei einer Länge von 3" 5'" eine Breite von 3" haben, wenn es vollständig erhalten wäre, aber nur einmal unter den sehr Helen vorliegen- den Blattstücken findet sich ein Blatt so verkürzt, wie Fig. 9., dass es breiter als lang erscheint, und in diesem Falle sind ausnahmsweise die ersten Secundärnerven des Mittelnerven dem seitlichen Hauptnerven parallel. Ferner ist die Blattbasis ver- schieden, bald schmäler, bald breiter und in letzterm Falle deutlich herzförmig; damit hängt dann zugleich die grössere oder geringere Entwickelung des Randfeldes zusammen, welches ausserhalb des äussersten Hauptnerven liegt, ln Fig. 5. und 6. ist dieses ausserordentlich schmal , gewöhnlich , wie in Fig. 4. und 7. , lässt es noch deutlich Secundärnerven des 4ten und 5 teil Hauptnerven jederseits erkennen, sehr selten wie in Fig. 3. ist es so breit entwickelt, dass am Grunde noch jederseits ein 6ter und 7 ter Hauptnerve angedeutet ist. Die Kerbzähne des Randes sind selten so flach, wie in Fig. 1. und an der Spitze von Fig. 3., gewöhnlich kräftiger, höher und nach der Spitze des Blattes hingeneigt. Nahe steht, wie Heer angiebt, diese Art der Populus balsamoides Göpp., unterscheidet sich aber von dieser durch die viel stärkeren und kräftigeren Seiten- nerven, die bei balsamoides mehr als Secundärnerven des Mittelnerven erscheinen, den andern Secundärnerven desselben parallel sind und kaum die Hälfte der Blatt- länge erreichen. In dem Verlaufe der Nerven scheint mir die samländische Art noch näher mit Populus latior Al. Braun verwandt zu sein, wo die seitlichen Nerven ebenso weit in das Blatt Vordringen; nur bilden sie hier stets grössere Winkel mit dem Mittelnerven (45n), und die Secundärnerven des Mittelnerven sind den seitlichen Hauptnerven parallel, so dass die Hauptfelder gleich breit von der Mitte bis zum !) Heer die tertiäre Flora der Schweiz. Bd. HI. 1859. p. 307. 30 Seitenrande verlaufen. Auch der gekerbte Rand unterscheidet die neue Art von Po- pulus latior. — Populus balsamoides ist an mehreren Orten der Schweiz, in Baiern und in Schlesien gefunden worden. P. latior ist sehr häufig in Oeningen und an andern Orten der Schweiz. Nächst dieser Pappel scheint eine Erle, Ainus Kefersteinii Göpp., in grosser Menge im Samländischen Walde vorgekommen zu sein, wie man aus den zahlreichen wohl erhaltenen Fruchtkätzchen schliessen kann, die sich in den Letten finden. Sie haben grosse Aehnlichkeit mit den Kätzchen der bei uns jetzt einheimischen Arten, erreichen im geöffneten Zustande eine Länge von 10'" und eine Breite von 6'", obgleich sie auch viel kleiner Vorkommen , und haben dann eine vollkommen ellip- tische Form, während sie vor der Reife umgekehrt eiförmig erscheinen. Sie standen zu dreien kurzgestielt am Ende eines Zweiges und hatten holzige, nach der Spitze dicker und breiter werdende Schuppen mit wulstigem Rande. Merkwürdig ist es, dass neben den vielen Kätzchen bisher nur ein einziges und zwar unvollständiges Blatt dieser Erle aufgefunden wurde, welches im Wesentlichen mit demjenigen überein- stimmt, welches Unger in seiner Chloris protogaea als wahrscheinlich zu dieser Art gehörig abgebildet hat1). Es ist ziemlich rund, fiedemervig , von jeder Seite des Hauptnerven scheinen abwechselnd etwa 5 Sekundärnerven unter Winkeln von unge- fähr 40" abzugehen und parallel mit einander bis zum Rande zu verlaufen, welcher gezähnt ist. Vom feineren Adernetze lässt das Blatt nichts erkennen ’). Diese Art scheint in der Tertiärzeit weit verbreitet gewesen zu sein, man hat sie in der Schweiz, bei Salzhausen in Hessen, am Rhein, in Böhmen, bei Wien, in Steiermark, ja selbst in Island gefunden. Von anderen Dicotvledonen sind einzelne Theile gefunden worden ; einige Blätter Schemen einem Prunns (P. Hartungi Heer), andere einem Feigenbaum Ficus tiliae- folia A. Br., andere dem Zizypkus protolotus Unger anzugehören; ein undeutlicher Abdruck einer halben Flügelfrucht lässt auf einen Ahorn schliessen; zierlich gerippte Früchte beweisen die Existenz einer Hainbuche (Carpinus); in einigen fiedernervi- gen scharfgezähnten Blättern glaubt Heer den aus verschiedenen Mergeln der Schweiz durch ihn bekannt gewordenen Rhamnus Gaudini zu erkennen; besonders bemerkens- werth aber ist die Gardenia Wetzleri H, deren wohlerhaltene Samen nicht selten sind. Sie sind 4 Linien lang, im Ganzen umgekehrt eiförmig, doch durch gegen- 1) Heer, Tertiäre Flora der Schweiz. Bd. II. p. 37. Taf. 71. Fig. 6. 2) Von diesen und den übrigen Pflanzen, deren Ueberreste in dem Samländischen Braunkohlengebirge Vorkom- men, werden Abbildungen im nächsten Jahrgänge dieser Schrift geliefert werden. 31 seitigcn Druck unregelmässig, kurz zugespitzt, mit abgestutzter Basis und an dieser mit einem Grübchen versehen, in dem sie fest sassen; die Samenschale zeigt unter der Loupe eine sehr zierliche spiralige Streifung. Herr Director Al brecht ist ein- mal so glücklich gewesen, eine vollständige Frucht dieser Pflanze zu finden '), wie auch schöne Exemplare derselben in Günzburg in Baiern und in Salzhausen in Hessen vorgekommen sind. Diese Früchte sind 2 bis 3 Zoll lange, im Umfange runde Kapseln mit dicken Wänden von holzig faseriger Textur; sie waren ganz mit Samen angefüllt, die in fünf Reihen unregelmässig neben einander lagen und, wie es scheint, den Wänden der Kapsel ansassen. ln dieser Fruchtbildung soll die Art der Gardenia lutea aus Abyssinien am nächsten stehen, auch die Gardenia Thunber- gia vom Kap soll ähnlich gebildete Früchte haben. Neben diesen Dicotyledonen sind zwei Monocotyledonen erkannt worden, die eine, von der Herr Dr. Hagen früher einzelne Blattfotzen gefunden hat, ist von H e e r zu Majanthemophyllum gestellt worden , die andere hat derselbe nach eben solchen Blattstücken, die ich gesammelt, Zingiberites borealis genannt, was bedeuten soll , dass die Pflanze wahrscheinlich zu der Familie der ingwerartigen Pflanzen ge- hört, aber noch nicht der Gattung nach genauer bestimmt werden konnte. Die Blattstücke weisen auf ein grosses, wenigstens 4 Zoll breites und elliptisches Blatt hin, welches einen verdickten Mittelstreifen hatte, der selbst parallelnervig war und von dem unter sehr spitzen Winkeln Nerven parallel unter sich und mit dem Rande und nur Vio Linie weit von einander abstehend ausgingen. Die Blattsubstanz muss sehr zart gewesen sein, da die Kohlenlage in den Abdrücken äusserst dünn und von hellgrauer Farbe ist. Zeigen die bisher beschriebenen Pflanzen, dass der Samländische Tertiärwald ein Laubwald war, in dem zugleich mancherlei Sträuche und Kräuter wuchsen, so weisen die im Letten liegenden Reste noch 3 Nadelhölzer nach, die mit und neben jenen Laubbäumen vorkamen. Von einer Art sind bisher nur einzelne Zapfenschup- pen gefunden , die Heer als zu Glyptostrobus europaeus Brongn. gehörig bestimmt hat, einem Baume, von dem einzelne Theile auch in den Bernsteineinschlüssen erkannt sind und dessen nächster Verwandter gegenwärtig in China und Japan bis zum 36" nördlicher Breite hinauf wächst. Die zweite Art ist das Taxodium dubiurn Stbg., ein in der Tertiärzeit sehr verbreiteter Baum, dessen Ueberreste man in vielen Braunkohlen Deutschlands und Italiens gefunden hat. Man findet bei uns wie !) Abgebildet in Heers Tertiären Flor» der Schweiz, Bd. III. Taf. 141. Fig. 86 — 94. 32 anderwärts die dünnen , fadenförmigen Zweige , die mit dicht und abwechselnd stehen- den Blättern besetzt sind, und selbst büschelweise zu 4 oder 5 an der Spitze von Aestchen sassen, die mit anders gestalteten schuppenförmig und dicht anliegenden Blättchen bekleidet waren. Diese waren ausdauernd , jene dünnen Zweige aber fielen mit ihren Blättern jährlich ab, und diese sind länglich, lancetförmig zugespitzt, haben eine verschmälerte Basis und eine mässig vortretende Mittelrippe, und stehen in Winkeln von 45 bis 90° vom Stengel ab. Ebenso ist es bei dem sehr ähnlichen jetzt lebenden Taxodium distichum, das weitausgedehnte Wälder in dem Sumpf- lande des Missisippithales bilden, zwischen dem 31 und 32° am besten gedeihen, aber auch nördlich bis zum 3 8r' hinauf- und südlich in Mexiko bis in die tropische Zone hinabsteigen soll. Die dritte Art endlich ist die Sequoia Laugsdorfii Brongn ., von der ebenfalls Zweige Vorkommen , die den eben beschriebenen von Taxodium sehr ähnlich sind, sich aber durch längere Blätter, die mit starker vortretender Mittel- rippe versehen sind und mit verschmälerter Basis am Stengel herablaufen, von jenen unterscheiden. Auch dieser Baum war in der Tertiärzeit durch Frankreich, die Schweiz und Deutschland verbreitet, und sehr ähnlich der Sequoia sempervirens, einem prächtigen in Kalifornien jetzt häufigen Baume, der 300' hoch und 12', ja 20' dick werden und nördlich von Francisco die Uferberge bedecken soll, aber nicht weiter ins Land hineingeht. Die beiden zuletzt genannten Arten scheinen im tertiären Samlande nicht selten gewesen zu sein, ja Herr Stadtrath He ns che hat einstmals bei Rauschen dünne Lagen einer Braunkohle gefunden, die fast ganz aus dünnen Zweigen und Blättern des Taxodium besteht. Unter den Holztheilen , die in grosser Menge Vorkommen, lassen sich wahrschein- lich auch mehrere, wenigstens 2 Arten unterscheiden. Fs finden sich grosse Stämme, welche deutliche, aber so enge Jahresringe erkennen lassen, dass auf eine Ausdeh- nung von etwa zwei Zoll weit über 100 derselben kommen. Dieses Holz ist wahr- scheinlich das von G ö p p e r t Pinites protolarix genannte Holz , welches in vielen Braunkohlen , bei Bonn , in Salzhausen , in Schlesien , auch bei Danzig vorkommt und in seinem anatomischen Bau vollkommen mit dem Holze unseres Lerchenbaums über- einstimmen soll1); sein Zusammenvorkommen mit den oben erwähnten Zweigen lässt aber vermuthen, dass es einer der drei früher genannten Nadelholzarten angehört. Sehr viel häufiger sind indessen die anderen Zweigstücke, die aus einem sehr weichen *) Göppert in Berendts Organ. Resten d. Vorweit. Heft I. p. 90. Holze zu bestehen scheinen, da sie entweder, wenn der Druck der Erdschichten sie von der Seite traf, bis zur Dünne eines starken Papieres plattgedrückt sind, oder wenn der Druck der Länge nach wirkte, eine eigenthüraliche knollige und gefaltete Form angenommen haben. Die plattgedrückten Stücke sind zuweilen 2 bis 3 Zoll breit , viel häufiger aber finden sie sich in der Breite von 1 Zoll bis zu 1 Linie , sind stark verästelt und brechen sehr leicht in gewissen Zwischenräumen der Quere nach durch , als ob sie gegliedert wären. Nach der Häufigkeit ihres Zusammenvor- kommens mit den Pappelblättern und den Erlenkätzchen sollte man vermuthen, dass sie entweder der Pappel oder der Erle angehörten, doch muss dies freilich noch durch die anatomische Untersuchung festgestellt werden. Die hier beschriebene Flora bietet manche interessante Vergleichungspunkte mit andern dar, denn einmal zeigt sie, so gering auch die Zahl der aus ihr bekannten Pflanzen ist, ganz die Eigenthümlichkeiten , welche die Tertiärflora im Allgemeinen charakterisiren. Neben der Pappel, der Erle, Hainbuche, dem Ahorn, Pflanzen, die auch jetzt in unseren Wäldern gemein sind, deuten die Gardenia Zizyphus und Zingiberites , so wie die Coniferen auf ein südlicheres Klima und haben ihre Verwandten in der jetzigen Schöpfung zum Theil weit ausserhalb der Grenzen Europas, im östlichen Asien und im fernsten Nordamerika. Diese Uebereinstimmung mit Pflanzen gerade dieser Länder ist ein durchgehender Zug der tertiären Flora Europas und hat in Verbindung mit anderen Beobachtungen, die sich auf die Ver- breitung der Concliylien beziehen, zu sehr interessanten Schlüssen über die Ausdeh- nung des Landes zur Tertiärzeit Veranlassung gegeben. Ferner ist es bemerkenswert!!, dass die Samländische Flora, so weit sie bis jetzt bekannt geworden, nur zwei Pflanzen mit der Bernsteinflora gemein hat, Glyptostrobus und Taxodium, welche überhaupt sehr verbreitet waren und in den älteren wie in den jüngeren tertiären Schichten Vorkommen. Es scheint dies dafür zu sprechen, dass die Pflanzen des Bernsteins in einem andern Lande wuchsen. Endlich lassen die Samländischen Pflanzen nach dem Urtheile Heers keinen Zweifel darüber, dass die Lettenschicht, in der sie liegen, der miocänen Tertiärzeit angehöre, nur das kann zweifelhaft sein, welcher Stufe derselben sie zuzuzählen sei. Da aber Gardenia Wetzleri und Ainus Kefer- steinii häufig in Salzhausen sind, überdies der später zu erwähnende Piuites Tho- masianus und das Holz von Pinites protolarix und Taxites Ayckii, welches Göppert von Herrn Dr. Thomas erhielt, auch in den niederrheinischen Braunkohlen Vor- kommen, so ist Heer der Meinung, dass die hiesige Braunkohlenformation wie die genannten der atjuitauischen , d. h. der untersten Stufe der miocänen Bildungen 5 34 zugerechnet werden müsse. Daraus folgt denn wiederum , dass der in dem gleichalterigen gestreiften Sande liegende Bernstein eben so alt sein, der in dem viel tieferen Grünsande abgelagerte aber in einer noch früheren Zeit entstanden sein muss. Nachdem die Mulde durch die Braunkohlen ausgefüllt war, scheinen die Gewässer, welche den Stoff' zu diesen herbeigeschwemmt hatten , und nun eine grosse Masse Schlamm nachführten, auch über die Ränder der Mulde hinaus die ganze Gegend überfluthet zu haben, so dass die Lettenschicht, welche sich nun bildete, an der Ostgrenze des Sassauer Gebietes und in Loppehnen sich unmittelbar auf die älteren Ablagerungen niederlegte. Auf diese Weise erklären sich am einfachsten die Lage- rungsverhältnisse der Schichten, und es wird kaum nöthig sein anzunehmen, dass vorher eine Senkung des Bodens erfolgte. Die obere Lettenschicht geht nicht nur durch das ganze hier näher beschriebene Gebiet, sondern lässt sich auch eine Meile ' weiter nach Westen hin durch Warniken verfolgen , wo sie eben so wie in Rauschen unmittelbar auf die Braunkohlen folgt, so weit diese vorhanden sind. Sie liegt überall ziemlich in derselben Höhe, 70 bis 80 Fuss über dem Meere und hat mei- stens eine Mächtigkeit von 7 bis 10 Fuss. Der Thon in derselben ist heller gefärbt als in den unteren Lettenschichten, im trockenen Zustande fast weiss und sondert sich dann schiefrig ab. Wie enge seine Ablagerung mit der Bildung der Braun- kohlen zusammenhängt, ergiebt sich daraus, dass selbst da, wo ein grösseres Lager der letzteren fehlt und der Thon entweder dem gestreiften Sande wie am Weiber- berge , oder dem älteren weissen Sande , wie am Pulverberge und in Loppehnen , aufzuliegen scheint, häufig an seiner Sohle oder auch wohl zuweilen in seiner Mitte sich noch ein dünner, nur wenige Zoll mächtiger Streifen von Braunkohle findet. Dennoch habe ich in ihm selbst bisher weder Holz noch andere Pflanzentheile bemerkt. Auf die Lettenschicht folgt überall derselbe glimmerreiche gestreifte Sand, der in der Mulde unter und neben der Braunkohle liegt und oben ausführlich beschrieben wurde, zum Beweise, dass noch längere Zeit hindurch dieselben Zuflüsse wie früher fortbestanden, und die Bodenverhältnisse sich nicht wesentlich geändert hatten, wenn auch die herangeschwemmten Massen sich jetzt über einen weiteren Raum ausbreiteten. Der gestreifte Sand kommt auch hier in verschiedenen Farben vor und ist namentlich meistens unmittelbar über der Lettenschicht in einer Dicke von 8 Fuss braun gefärbt, er enthält aber auch in den höheren Stellen zahlreiche, bald dünnere, bald dickere braune oder schwarze Streifen, während die obersten Lagen häufig von gelblicher Farbe sind. Seine Mächtigkeit ist nicht überall dieselbe, sie beträgt gewöhnlich 35 25 bis 30 Fuss, steigert sich aber auch bis 37 Fuss und sinkt bis 17 Fuss; in letz- terem Falle mag ein Theil desselben durch die Gewässer der späteren Zeit wieder fortgespült sein. Dieser Sand ist auch die Fundstätte der fossilen Coniferenzapfen , welche seit dem Jahre 1829 Herr Dr. Thomas mit vielem Fleisse gesammelt hat. Sie sind zum Theil sehr wohl erhalten, und einige hatGöppert in dem Berendtschen Werke als Pinites Thomasianus, brachylepis, silvestris und pumilio beschrieben. Bisher wurden sie gewöhnlich in den Rinnen gesucht, in denen die Tageswasser von dem Berge herabströmen, und nach heftigen Regengüssen pflegte die beste Ausbeute daran gemacht zu werden. Als ich vor zwei Jahren meine Beobachtungen am Strande begann, lag mir viel daran, diejenige Bodenschicht aufzufinden, in der sie verborgen liegen, und ich fand sie endlich in dem braunen Sande, welcher die obere Letten- schicht unmittelbar bedeckt. Seitdem habe ich mehrere Zapfen ausgraben lassen, sie aber bis jetzt immer nur sehr vereinzelt gefunden. Später hat auch Herr Dr. Thomas dieselben Sandschichten als die Lagerstätte derselben angegeben1). Unter denjenigen, die ich an Herrn Prof. Heer sandte, hat dieser eine neue Art entdeckt und Pinus Hageni benannt2), die dem Pinites brachylepis Gpp. wohl sehr nahe stehen möchte. Mit den Zapfen und oft unmittelbar neben ihnen kommen in dein braunen Sande Holzstücke, ja mitunter sogar wohlerhaltene Stammtheile vor, welche zur Vergleichung mit den Holzarten aus den älteren Schichten von Interesse sind und einer genaueren Untersuchung bedürfen. Herr Dr. Thomas hat auch mehrfach die Meinung aufgestellt, dass jene Zapfen die Früchte der eigentlichen Bernstein- bäume seien, und glaubt beim Brennen einiger den eigenthümlicheu Geruch des Bernsteins erkannt zu haben. Vielleicht können die Bäume, denen sie angehörten, dazu beigetragen haben, den Bernstein zu liefern, der in dem gestreiften Sande unter der Braunkohle sich findet; jenen Wäldern haben sie gewiss nicht angehört, welche die grossen Massen Bernsteins erzeugten , die im Grünsande verborgen liegen , denn zwischen dem Absätze dieses und des braunen Sandes ist gewiss ein langer Zeitraum verflossen, in dem auch der Boden des Samlandes manche Veränderung erlitt. Indessen ist auch in Bezug auf die erstere Vermuthung zu bemerken, «lass in dem gestreiften Sande über der obern Lettenschicht Bernstein entweder garnicht oder nur sehr vereinzelt Vorkommen muss, denn diese Schichten finden sich an den Strand- bergen überall ganz unversehrt, was gewiss nicht der Fall wäre, wenn die Strand- *) In zwei Aufsätzen: Bemerkungen über eine Sammlung ostpreussischer Mineralien, in den N. Preuss. Prov.« Blättern, 3. Folge. I. 1858, und in dem Archiv für Preuss. Landeskunde 1858. p. 280. 2) Tertiäre Flora der Schweiz. Th. III. S. 308. 5* 36 Bewohner die mindeste Hoffnung haben dürften, auch hier den Schatz zu finden , von dem sie allein Wohlhabenheit und Glück erwarten. Mit der Ablagerung des gestreiften Sandes schliesst das Tertiärgebirge unserer Küste; die darüber liegenden Schichten müssen sämmtlich dem Diluvium zugerechnet werden, sie nehmen aber auf der Uferstrecke, die hier zunächst in Betracht kommt, eine verhältnissmässig nur geringe Mächtigkeit von durchschnittlich 15 Fuss ein und steigen nur stellenweise wie am Pulverberge bis 35 Fuss an. in dem westlicher gele- genen Theile der Küste bei Warniken und Grosskuhren sind sie aber viel mehr entwickelt. Die Schichtung des Diluviums ist nicht mehr so regelmässig und durch- gehend wie im Tertiärgebirge ,. und wahrscheinlich nach ihrer Bildung wieder vielfach zerrissen ; in unserem Gebiete jedoch lassen sich die verschiedenen Ablagerungen noch ziemlich leicht übersehen. Als die unterste findet sich meistens ein durch Eisenoxydhydrat gelb oder braun gefärbter Sand, der etwas gröber und weniger gleich- körnig als der gestreifte Sand , diesem aber sonst ähnlich ist; in ihm oder unmittelbar, über ihm liegen Geschiebe der verschiedensten Grösse, die auch häufig durch Eisen- oxydhydrat zusammengekittet eine besondere Steinschicht bilden. Am grossen Spring ist diese noch durch eine Zwischenlage von grobem und buntem Sande getrennt, der schon einige Aehnlichkeit mit dem sehr bunten Sande hat, der jetzt von der Ostsee ausgeworfen wird. Es folgt dann gewöhnlich ein gelber mit Sand vermengter Lehm, der an manchen Stellen sehr mächtig ist und ebenfalls grosse Geschiebe enthält. Von ihm sind auch die Abhänge mancher Uferberge so vollständig, ja oft 15 bis 30 Fuss dick überschüttet, dass eine genaue Untersuchung der darunter liegenden Schichten unmöglich ist, so namentlich einige Strecken in der Nähe der Loppehner Grenze und eine andere in der Nähe der Gaussupschlucht. Ueber dem Lehme liegt meistens noch eine Ablagerung eines ziemlich feinen und gleichkörnigen Sandes, der grosse Aehnlichkeit mit dem gestreiften Sande des Tertiärlandes hat, von röthlicher oder hellbräunlicher Farbe ist und Lagen braunen oder schwarzen Kohlensandes ent- hält. Zu ihm gehört auch der lose Sand, der die Oberfläche der Höhen bedeckt. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, dass er denselben Ursprung habe, wie der tiefer liegende gestreifte Sand , und wie dieser vom Innern des Landes herabgekommen sei, so dass nach der Katastrophe, welche die nordischen Geschiebe herbeiführte, in die- sem Theile unseres Landes die früheren Verhältnisse sich bald wieder hergestellt zu haben scheinen; doch möchte es allerdings sehr schwierig sein, im Einzelnen die Vorgänge nachzuweisen, die bei Ablagerung der verschiedenen Diluvialmassen sich ereignet haben. 37 Durch das hier Mitgethcilte wird, wie ich glaube, bewiesen sein, dass die Sam- ländischen Strandherge in der That ein Tertiärland sind, ja dass ihre Schichten zum Theil den älteren Gebilden dieser Formation, dem Miocän oder wohl gar dem noch altern Eocän angehören; auch wird die Meinung widerlegt sein, die seihst bei denen, die näher mit dem Bau der Küste bekannt zu sein glauben, sehr verbreitet ist, dass hier keine ausgedehnten und durchgehenden Schichten , sondern nur linsenförmige und sich bald auskeilende Lager vorkämen, und Durchschnitte selbst von nahe lie- genden Stellen stets andere Ansichten geben müssten. Im Gegentheil ist die Schich- tung eine sehr regelmässige und einfache. Ueberblicken wir sie noch einmal im Ganzen, so erkennen wir darin vier verschiedene Gruppen: 1) die marine Ablage- rung des Grünsandes mit dem grossen Bernsteinlager, den darin liegenden Haifisch- zähnen und den Petrefacten von Kleinkuhren, Muscheln und Echiniten; 2) die ebenfalls marine Ablagerung des weissen Sandes mit der untern Lettenschicht; 3) die Ablagerung des gestreiften Sandes, wahrscheinlich durchweg eine Süsswasserbildung, mit Bernstein, mit der mittleren, an Blättern und anderen Pflanzenthcilen reichen Lettenschicht, den Braunkohlen und der oberen Lettenschicht; 4) Diluvialgebilde. Bemerkenswerth ist der Zusammenhang, der zwischen den einzelnen Gruppen Statt- findet; denn einerseits scheint der weisse Sand sich unmittelbar nach dem Grünsande und in demselben Meere wie dieser niedergelegt zu haben, andererseits ist er, obwohl nach seinem Absätze grössere Bodenveränderungen Statt fanden , dennoch mit der folgenden Gruppe durch die in ihm liegende Lettenschicht enge verbunden, da diese offenbar desselben Ursprungs ist, wie die beiden darüber folgenden Thonschichten und die Braunkohlen. Es lassen sich aber, wie ich glaube, diese Verhältnisse sehr wohl erklären, wenn man annimmt, dass schon in das Meer, in dem der weisse Sand sich absetzte , von Süden her ein Fluss mündete, der Thon und Sand in das- selbe führte. Der letzcre mag , wenn er auch den groben Meeressand wenig verändern konnte, dennoch die Ursache sein, dass in diesem sich bereits die feinen Körnchen des schwarzen, zu grünem Pulver zerdrückbaren Minerals finden, die, wie ich früher sagte, an den westlichen Ufertheilen im weissen Sande häufiger sind als an den östlichen, die aber in grösster Menge erst im gestreiften Sande Vorkommen und für diesen charakteristisch sind. Durch eine Bodenerhebung wurde dann wahrscheinlich um die Ausmündung des Flusses ein Haff gebildet, der Meeressand wurde abgesperrt, und in grösster Ruhe konnten sich die herbeigeschwemmten Pflanzentheile ablagern, bis das Haff erfüllt war, und Thon und Sand sich nun weiter auch über die Ufer desselben ausbreiteten. Der Absatz dieser Massen ging vielleicht langsam und in 38 geringem Maasse vor sich, so dass eine lange Zeit darüber hinging; auch das Dilu- vialmeer mag vielleicht nur vorübergehend diese Gegenden überschwemmt, aber im Norden einen Theil der älteren Schichten durchbrochen und den daraus entnommenen Bernstein weit verbreitet haben. Wenn meine Vermuthung sich bestätigen sollte, dass der im gestreiften Sande vorhandene Bernstein einer Vegetation späterer Zeit angehört, als der im Grünsand liegende, so würden möglicher Weise auch in den bisher beschriebenen, im Bern- stein aufbewahrten Organismen die Floren und Faunen zweier verschiedener Zeiten vermengt sein. Die Bernsteinstücke verschiedener Fundorte von einander zu sondern, würde auch in Zukunft ganz unmöglich sein, wenn es nicht etwa in der Masse des Bernsteins selbst, auch wenn er bearbeitet ist, bestimmte Kennzeichen giebt, sie sicher zu unterscheiden , worüber ich keine Erfahrung habe. Denn da die Einschlüsse meistens erst dann kenntlich werden, wenn die Stücke geschliffen sind, sich also bereits in den Werkstätten der Bernsteinarbeiter befinden, so sind sie dann schon durch die Hände so Vieler gegangen, denen wissenschaftliche Untersuchungen gänz- lich fern liegen und denen es nur um den Gewinn zu thun ist, dass der Fundort einzelner Stücke sich nicht mehr ermitteln lässt. Indessen ist gewiss die Anzahl der Stücke , die aus dem gestreiften Sande gegraben werden , sehr gering gegen die grosse Menge derjenigen , welche die tiefer liegende Schicht liefert oder das Meer ans Land treibt, und bis jetzt haben, wie früher schon hervorgehoben wurde, die aus dem Bernstein bekannt gewordenen Pflanzen eine nur sehr geringe Aehnlichkeit mit denjeni- gen gezeigt, die zurZeit, als der gestreifte Sand sich absetzte, im Samlande wuchsen. Ueber den Theil der Küste, der die Fortsetzung des hier beschriebenen bildet und sich von Georgswalde nach W esten bis Brüsterort erstreckt , hoffe ich bald Genaueres mittheilen zu können. Im Ganzen ist er, wie ich schon gelegentlich angedeutet habe , durchaus ebenso gebaut , wie der Strand bei Sassau und Rauschen und bildet die westliche Hälfte der mehrfach erwähnten Braunkohlenmulde ; denn die unteren Schichten, die sich schon auf dem Rauschener Gebiete vom grossen Spring an nach Westen etwas zu erheben beginnen, steigen durch Georgswalde, Warniken und Grosskuhren allmälig immer mehr empor, ja die Ufer an den beiden äussersten Endpunkten, in Wangen einerseits und in Kleinkuhren andererseits, sind auch darin gleichgebaut, dass an beiden Orten sämmtliche Tertiärschichten über dem Grünsande fehlen und der Diluviallehm diesem unmittelbar aufgelagcrt ist. Neben dieser Ueber- einstimmung werden sich aber im Einzelnen manche Eigenthüinlichkeiten ergeben, wie z. B. schon bei oberflächlicher Betrachtung die stellenweise sehr mächtige Ent- 39 Wickelung des braun oder schwarz gefärbten Kohlensandes beweist, der dem gestreiften Sande unter den Braunkohlen angehört. Zahlreiche und interessante Vergleichungs- punkte werden ferner noch andere , an verschiedenen Orten unserer Provinz in neuester Zeit aufgefundene Braunkohlenlager darbieten. Eines derselben hatte ich im Friih- linge dieses Jahres Gelegenheit zu besichtigen, dasjenige nämlich, welches in West- preussen bei Rixhüft, zwei Meilen westlich von der Halbinsel Heia, am Ufer der Ostsee zu Tage tritt1). Die Braunkohle bildet hier drei mächtige Flöze; das unterste derselben liegt im Meeresniveau, so dass mau leider die tieferen Schichten nicht sehen kann, in dem zweiten, welches etwa 12 Fuss höher liegt und 8 Fuss mächtig ist, wurde im vorigen Jahre ein regelmässiger Bergbau betrieben, das dritte, etwa 30 Fuss höher gelegen, wird vom Diluvium bedeckt. In den beiden oberen Lagern finden sich vortrefflich erhaltene Blattabdrücke, die eine sehr reiche Flora der Ter- tiärzeit kennen lehren , und ich glaube unter den dort gesammelten Blättern bereits das Blatt derselben Pappel wiedererkannt zu haben, die einst in unserm Samlande so häufig war. Auch kommt dort eine Menge vortrefflich erhaltener Coniferenzapfen im Sande zwischen den Braunkohlen vor, die zwar noch einer genaueren Vergleichung mit imsern Samländischen bedürfen, wahrscheinlich aber andern Arten angehören. Nichts würde indessen wohl mehr dazu beitragen, unserer Kenntniss von dem Bau der Samländischen Küste eine feste und sichere Grundlage zu geben, als wenn auf dem Boden einer Bernsteingrube bei Loppehnen oder Wangen, wo die ältesten der bis jetzt bekannten Tertiärschichten unseres Landes zu Tage liegen, ein Bohrloch in solche l iefe getrieben würde, dass die Ablagerung des Grünsandes durchsunken würde. Dadurch würde man einerseits endlich darüber Gewissheit erhalten, ob das bekannte Bernsteinlager wirklich das einzige im Grünsande wäre , oder ob , wie mehr- fach vermuthet ist , in der Tiefe sich noch mehrere ähnliche Lager finden , andererseits wäre es von grossem . Interesse , die Gebirgsschichten kennen zu lernen, auf denen die Grünsandablagerung ruht. Denn es liegt die Vermuthung nahe, dass man in nicht sehr bedeutender Tiefe auf Kreideschichten stossen würde, ein Ergebniss, welches mit anderen Beobachtungen combinirt , zu dem Schlüsse führen möchte , dass sämmtliche Tertiärschichten unserer Provinz in einer grossen Einsenkung des Kreide- gebirges abgelagert seien. Es sei mir daher erlaubt diesen Aufsatz mit dem Wunsche zu schliessen, dass auch diese Untersuchung bald möglich werde. 1) Es ist dasselbe, über welches Herr Medicinalrath Wald in den N. Preuss. Prov. -Blatt. 1859. IV. S. 230. einige Mittheilungen gemacht hat. Erklärung «1er Abbildungen Tafel I. Die erste Tafel stellt in den Fig. I. bis IV. die Lage der Erdschichten an vier Stellen desjenigen Theils der Sa inländischen Nordküste dar, welcher den Dörfern Saas an und Rauschen angehört (vergl. S. 6.), es zeigt nämlich: Fig. I die Schichtung an der östlichen Grenze dieses Gebietes , wie sie sich in den bei Loppehnen und Sassau betriebenen Bernsteingräbereien zeigt. -Fig. II die Schichtung am Pulverberge , dem höchsten Punkte der Sassauer Küste , 182 Ruthen westlich von der Loppehner Grenze. Fig. III die Schichtung um rothen Sande, 235 Ruthen westlich vom Pulverberge. Fig. II die Schichtung am grossen Spring, 115 Ruthen vom vorigen Punkte und 206 Ruthen von der westlichen Grenze entfernt. An jeder dieser Stellen sind von Herrn Oberlehrer von Behr und mir drei Höhen vermittelst des Spiegelsextanten gemessen, nämlich an den drei zuletzt genannten Orten ausser der Höhe des obersten Randes des Abhanges noch die obere Grenze der oberen Lettenschicht und die untere Grenze der unteren Lettenschicht; an der Loppehner Grenze aber, wo die untere Lettenschicht fehlt, statt dieser die Höhe des Grünsandes. Die Mächtigkeit der einzelnen Schichten wurde dann, so genau es in jedem Falle möglich war, entweder unmittelbar gemessen oder geschätzt; die darauf bezüglichen Zahlen stehen auf der rechten Seite der Zeichnungen. Fig. 1 zeigt die luge der Schichten unter dem Meerestiivean am alten Strande , 267 Ru- then von der östlichen Grenze , wie sie durch eine Bohrung bekannt wurde , die Herr Kaufmann Arenson in diesem Jahre machen Hess. Die Bemsteinschicht liegt hier 20 Fuss unter dem Meeresuiveau. 41 Die einzelnen Schichten sind mit Zahlen bezeichnet, welche an der linken Seite der Zeichnun- gen stehen: l bis 4 gehören zur Griinsandablngernng , (s. S. 9 — 13). 1. in Fig. f thonhaltiger Grünsand unter der Bemsteinerde, durch eine Bohrung im J. 1858 aufgedeckt. 2. die Bemsteinerde , in Fig. I im Meeresniveau. 3. der schwarze Treibsand , über der Bernsteinerde. 4. Grüner Sand und zwar: 4 a. die unteren Lagen desselben , die überall von sogenannten Krantstreifen durchzogen sind, d. h. horizontale Lagen enthalten, in denen der Sand durch Eisenoxydhydrat zu bald kleineren bald grösseren Stücken und Tafeln zusammengekittet ist. 4 b. die oberen Lagen, in denen dieser eisenschüssige Sand nicht vorzukommen pflegt. 5 und 6 sind Ablagerungen des weissen Sandes , (Vergl. S. 21). 5. der weisse Sand und zwar: 5 a. ohne weitere Beimengung. 5 b. unter der untern Lettenschicht durch Kohle braun gefärbt. 5 c. von weisser Farbe zwischen der untern und obern Lettenschicht in den östlichen Theilen der Küste. (Fig. II). 5 d. dunkelbraun gefärbt auf der untern Lettenschicht in den westlichen Theilen der Küste. (Fig. IV). 5 e. grauweiss zwischen der unteren und mittleren Lettenschicht in Fig. III. 6. die untere Lettenschicht. 7 bis 11 bilden die Ablagerungen des gestreiften Sandes 2, (Vergl.* S. 24 — 27). 7. in Fig 111 , die mittlere Lettenschicht , die zahlreiche Pflanzentheile , namentlich Holz und Blätter in grösster Menge, enthält. 8. der gestreifte Sand, 8 a. weiss mit vielen Lagen braunen oder schwarzen Sandes , in der Braunkohlenmulde liegend und Bernstein führend. 8 b. ganz braun gefärbt über dem obern Letten. In ihm liegen die Föhrenzapfen (S. 35). 8 c. wie a. gefärbt, aber über dem obern Letten. 8 d. in den obersten Lagen meistens von gelblicher Farbe. 9. Braunkohle , in Fig. TV in 2 Lagen getrennt durch 10. eine Schicht groben weissen Sundes. 11. die obere Letten Schicht , an ihrer Sohle oder in der Mitte häufig von einer sehr dünnen Lage Braunkohle begleitet. 6 42 12 bis 18 Diluvialablagerungen (vergl. S. 36 ): 12. in Fig. /, III und IV, durch Eisenoxydhydrat gelb oder branti gefärbter Sand , in dem, wie in Fig. I, entweder Steine liegen, oder auf den 13. eine Steinschicht folgt, die in Fig. IV durch 14. eine Lage ziemlich groben und bunten Sandes in 2 Schichten (13 a und b.) getrennt ist. 1 5. gelber Lehm , meistens grosse Geschiebe enthaltend, oder in Fig. II durch 16. eine Lage nicht sehr feinen , aber gleichkörnigen , weissen Sandes in 2 Schichten getheilt, von denen 15 a. die untere selbst mit Sand gemischt ist, 15 b. die obere wieder bei 15 c. in einen braunen thonhaltigen Sand übergeht. 1 7. rölhlich oder hellbräunlich gefärbter , feiner und gleichkörniger Sand, ähnlich dem gestreiften Sande und wie dieser Lagen braunen oder schwarzen Kohlensandes enthaltend. 1 8. in Fig. IV ein sehr grober und sehr bunter Sand von ungleichem Korne, mit Thon gemengt Ackerland bildend. Tafel 11. Die zweite Tafel soll von demselben Theile der Samländisclien Nordküste, auf den die Zeich- nungen der ersten Tafel sich beziehen, die Schichtung in ihrem Zusammenhänge zeigen. Einige Strecken dieser Küste, wie z. B. diejenige zwischen der Loppehner Grenze und dem Pulverberge, so wie andererseits diejenige zwischen dem grossen Spring und der Gaussupschlucht sind zwar für die nähere Untersuchung unzugänglich, weil die Abhänge hier zu sehr mit Lehm überschüttet sind, indessen ist kein Zweifel, dass auch sie unter diesem Ueberzuge ebenso gebaut sind, wie die übrigen Theile, da derselbe Bau sich noch zwei Meilen weiter hin nach Westen verfolgen lässt. Da die Abhänge der Uferhöhen nach Norden gekehrt sind, so liegen in der Zeichnung oben links bei A. die Ostgrenze des Sassauer Gebiets und der zunächst angrenzende Theil der Loppehner Küste, deren Schichtung genauer in der ersten Figur derl. Tafel dargestellt ist, rechts unten bei C. aber ist die westliche Grenze der Rauschener Küste, wo dieselbe in der Gaussupschlucht an Georgswalde stösst. Der Deutlichkeit wegen ist der Massstab fiir die Höhe viermal grösser als derjenige für die Länge genommen. Ueberall lassen sich drei Gruppen tertiärer Ablagerungen und das Diluvium unterscheiden (vergl. S. 37) und sind am Rande mit römischen Ziffern bezeichnet. Es bedeutet: I die Gruppe des Grünsandes , II die Gruppe des weissen Sandes, III die Gruppe des gestreiften Sandes, IV die Diluvialablagerungen , Die gewöhnlichen Ziffern bezeichnen die einzelnen Schichten und haben dieselbe Bedeutung, wie in Tafel I. 43 In Loppehnen und an der Ostrenze des Sassauer Gebietes bei A. liegt die Bernsteinerde (2) im Meeresniveau, sinkt aber westlich bald unter dasselbe. Ihre Lage ist untersucht bis zum alten Strande, wo sie 20 Fuss tief unter dem Meere liegt (vergl. Taf. I. Fig. Y). Von da an konnte nur ihre muthmassliche Lage angedeutet werden, da es sein- wahrscheinlich ist, dass sie überall gleich weit vom obern Rande des Grünsandes absteht. Sie würde demzufolge am grossen Spring am tiefsten und etwa 40 bis 45 Fuss unter dem Meeresniveau liegen. Mit der Bernsteinerde (2) und dem grünen Sande (4) hat der weisse Sand (5) und die in diesem liegende Lettenschicht (6), welche östlich vom Pulverberge zuerst auftritt, dieselbe Lage. Der weisse Sand liegt hier unmittelbar unter der obern Lettenschicht (11), erst in der Gegend des alten Strandes schiebt sich zwischen beide die Ablagerung des gestreiften Sandes (8 a). Hier ist der östliche Rand der Braunkohlenmulde (vergl. S. 9. und S. 23.), die nach Westen an Tiefe zunimmt und sich zwischen den beiden genannten Schichten weit über das hier dargestellte Gebiet durch Georgswalde und Warniken bis in die Gegend von Gross- und Kleinkuhren hinzieht. In der Mulde liegen, vom weissen Berge an sich nach Westen erstreckend, unten die mittlere Lettenschicht (7) und oben das Braunkohlenlager (9), erstere verschwindet jedoch wieder am Todtenberge. Die obere Letten- schicht (11) und der gestreifte Sand (8c.) breiten sich über das ganze Gebiet aus, letzterer reicht bis zum Diluvium hinauf. Tafel III. Die dritte Tafel zeigt die Bernsteingrnbe bei Loppehnen , von der S. 23. gesprochen ist. Alle Schichten des 120 Fuss hohen Berges sind bis zur Bernsteinerde abgegraben; sie sind dieselben, wie sie Fig. I der ersten Tafel angiebt, und mit denselben Ziffern bezeichnet; die Schraffirung aber ist hier bei der Grünsandablagerung und bei dem weissen Sande eine andere, in dem letzteren sind nur einzelne durch Eisenoxydhydrat gefärbte Lagen durch wellige Linien angedeutet. In dem mittleren Theile der Grube sieht man sämmtliche Schichten von unten her bis zur oberen Grenze des weissen Sandes von einem 21 Fuss breiten Thongange (11b.) durchsetzt, der offenbar mit der obern Lettenschicht (11a.) zugleich entstanden ist. Den Boden der Grube bildet die Bernsteinerde» die an der linken Seite (2 a.) bereits zum grössten Theile ausgestochen ist, rechts aber (2 b.) noch unversehrt ist, in dem mittleren Theile, so weit der Thongang die Grube durchsetzte, fehlte hier natürlich die Bernsteinerde. An der rechten Seite ist die Wand einer altern Bernsteingrä- berei sichtbar. Tafel IV. Abbildungen mehrerer Blätter der Sam län dischen Pappel , Pupulns Zaddachi Heer aus der mittleren Lettenschicht (7 auf Taf. 1 und U). Vergl. S. 28 und 29. Fig. 1 bis 8 geben die genauen Abbildungen einzelner Blattstücke, welche die Nervenvertheilung in den verschiedenen Theilen des Blattes vorzüglich deutlich erkennen lassen. 6* 44 Fig. 9 ist ein ungewöhnlich verkürztes Blatt. Ftg. 10. giebt die Darstellung eines vollständigen Blattes, welches zwar aus mehreren Zeichnungen zusammengesetzt ist, doch so, dass sowohl die Form des ganzen Blattes, als jeder Theil des- selben nach einem bestimmten vorliegenden Stücke gezeichnet ist. Fig. 10«., einzelne Kerbzähne des Randes vergrössert dargestellt, um die erhöhten Drüsen zu zeigen, welche am vorderen Winkel derselben auf der untern Blattseite sitzen. Beschreibung einiger Altpreussen- Schädel. Von Professor y. Wittich. Die Frage nach der Abstammung der Altpreussen, der Stammbewohner unserer Provinz ist oft besprochen worden und Geschichte wie vergleichende Sprachforschung haben sich an ihre Beantwortung gemacht. Die ersten dunkeln Nachrichten '), die wir über die Bewohner der Bernsteinküsten oder Lande von Griechischen und Römischen Schrift- stellern erhalten , zählen unsre Altvorderen fast ganz allgemein zu den Germanen und auch die späteren schon zuverlässigeren Chronisten des Mittelalters rechnen sie zu den den Norden Europas zum grossen Theil bewohnenden Gothen. Mit Bestimmt- heit wissen wir, dass vielfach von Schweden. Norwegen, Dänemark immer neue Zu- züge und Einwanderungen die Ostseegestade von der Weichsel bis zur Memel hin überflutheten. Nur vorübergehend verdrängten die benachbarten Veneder, Wenden, ein sarmatischer Stamm, die gothischen Widen und Aestier und setzten sich an den Küsten fest, um von Neuem gothischen, skandischen, dänischen Einwanderern Platz zu machen. Ja die nahe Verwandtschaft altpreussischer Religionskulte, wie sie uns von den Chronisten überliefert wurden, mit jener der Gothen in Skandinavien unterstützt die Annahme von der Abstammung unserer Vorfahren von letzteren , zeigt wenigstens welchen bedeutenden Einfluss gothische Cultur und Sitte auf die Fortentwickelung und Gestaltung ihrer innern staatlichen Verhältnisse ) hatten. Lässt doch sogar die Sage geradezu ) den Griven und Widebod mit ihren Göttern aus Skandinavien ein- wandern, und ist’s denkbar, dass die Verehrung der letzteren so schnell und so allgemein Eingang gefunden hätte, wenn die stammverwandten älteren Einwohner 1) Vergleiche über die früheste Geschichte Preussens: Joh. Voigt: Geschichte Preussens von den ältesten Zeiten bis zum Untergänge der Herrschaft des Deutschen OrdenB. Bd. L 2) Voigt p. 520. 3) Voigt p. 578. 46 nicht bereits ähnliche Culte hegten? Noch verrathen so manche preussische Städte- und Personen -Namen ihre unzweifelhafte gothische Abstammung '). Die historische Ueberlieferung lehrt uns also nur bestimmt, die innige Beziehung zwischen Gothen und Preussen kennen, sie sagt uns nicht bestimmt, ob beide einem gemeinschaft- lichen Stamme angehörten. Unsere Kenntniss der altpreussischen Sprache 2) gründet sich auf zwei allerdings sehr wichtige Dokumente, auf einen auf Befehl des Herzog Albrecht ins Preussische übersetzten Katechismus und eine Kirchen - Agende. Man kann zweifeln, ob jene nicht bereits in eine Mundart übertragen wurden , die durch die mancherlei Konflikte und Beziehungen der Altpreussen mit Gothen, Slaveu, Germanen keineswegs das Altpreussische in voller Reinheit vertritt. Sicher aber bietet uns die Vergleichung der Sprache mit denen benachbarter Stämme immer noch die meisten Haltpunktc zur Entscheidung der Frage nach der Abstammung , denn stets wird diese auch selbst aus der corrumpirtesten Sprache, die wesentlichen Eigenschaften und Eigentliümlich- keiten heraus erkennen. Die Vergleichung des Altpreussischen aber mit dem benachbarten Deutschen» Slavischen, Litthauischen und Lettischen lehrt, dass dasselbe dem letzteren in jeder Beziehung am nächsten steht, sich wie ein Schwesterdialekt zu diesem verhält und sich streng von den benachbarten Slavischen entfernt. Man ist daher geneigt die drei: das Litthauische , Lettische und Altpreussische als Dialekte ein und derselben Sprachenfamilie des grossen indogermanischen Stammes aufzufassen, und setzt dabei voraus, dass sie von einer eignen Völkerfamilie gesprochen (wurden, die in vorhistorischer Zeit und zur Zeit ihrer grössten Ausbreitung die Küstenländer der Ostsee von der Weichsel bis zum Rigaischen Meerbusen bewohnten. Wir finden daher historische Ueberlieferung, so weit wir hier überhaupt von einer solchen sprechen können, und die vergleichende Sprachforschung in nicht unerheblicher Differenz. Während jene sehr geneigt ist unsere Vorfahren dem grossen germanischen Stamme anzuschliessen und nicht geringes Gewicht auf die stets durch wiederholte Invasionen erneuerten Beziehungen zwischen dem Gothischen und dem Preussischen Stamme legt, fasst diese sie als eine wohl auch von dem gemeinschaftlichen Grundstöcke sich loslösende Völkerfamilie auf, die aber nicht in gleicher Zeit und unter gleichen Verhältnissen ‘) Voigt p. 73, 99, 143. 2) v. Bohlen: Ueber die Sprache der alten Preussen. Anhang zu Voigt’s Geschichte etc. Bd. 1 Vater: Sprache der alten Preussen. Braunschweig 1821. Nesselmann» in einem am 12. Januar 1858 gehaltenen Vortrag: über die Völker- uud Sprachen- Verhältnisse Europa«. 47 seine Wohnsitze Hoch -Asiens verliess, um nach dem Westen zu ziehen, sich also zur Zeit seiner Wanderung in einer wesentlich andern Entwickelungsstufe seiner Sprache befand. Bedenken wir noch die nicht unwesentlichen Differenzen, die sich trotz mannigfacher grosser Aehnlichkeiten in Sitte und religiöser Anschauung und Götterverehrung zwischen den alten Skandinaviern und Altpreussen finden, so scheint es nahe zu liegen, dass die Bewohner der preussischen Ostseegestade wohl durch die mannigfachen kriegerischen Berührungen, in die sie mit den gothischen Stämmen kamen, gothische Cultur und Sitte allmählig in die ihre verwehten, dass die Skan- dinavier als Sieger die herrschende Klasse im Lande blieben, nicht aber die Unter- jochten die Selbstständigkeit ihrer Sprache aufgaben, jene vielmehr sich die letztere allmählig wenn auch in etwas corrumpirter Form aneigneten. Es wäre dies nicht das erste und einzige Beispiel, dass fremde Eroberer, wenn sie auch herrschend blieben, und die Ureinwohner im Verhältniss der Hörigkeit erhielten, schon weil sie der Zahl nach die Geringeren waren , es nicht vermochten auch ihre Sprache zur herrschenden zu machen. Sehen wir es heutzutage, wie Schule und Kirche als sehr viel energerischere Mittel zur Sprachunterdrückung den regierenden Klassen zu Gebote stehen, dass der conservative Sinn der Beherrschten starr und fest an der Mutter- sprache hält, um wieviel denkbarer zu jenen Zeiten, unter jenen Verhältnissen in denen Zwangsmittel der Art nicht zur Anwendung kommen konnten. Auch über die körperliche Erscheinung ') unserer Altvordern finden wir sowohl bei alten Schriftstellern, wie bei den Chronisten des Mittelalters Angaben. Sie schildern sie uns (besonders die letzteren) als ein gesundes kräftiges Volk stark- knochiger, blauäugiger, blondhaariger Menschen, sehr ähnlich den Skandinaviern und Germanen, dabei sehr sesshaft, friedliebend, arbeitsam. Alles körperliche und ge- sellige Eigenschaften, die sie wesentlich von den benachbarten Slaven unterscheiden. Die Kraniologie hat bisher zur Beantwortung der Frage nach Abstammung der Altpreussen nicht mitsprechen können , da wir erstens keine zuverlässige treue Ab- bildungen derselben besitzen, dann aber die Sitte der Todtenverbrennung uns bisher jedes Beobachtungsmaterial entzog. Eine grosse Zahl von Nachgrabungen sind in den verschiedensten von Altpreussen früher bewohnten Landstrichen angestellt, stets aber haben sie bisher bestätigt, dass die Sitte der Verbrennung eine allgemeine war. Nie fand sich in den eröffheten Kapurncn etwas anderes als Aschenurnen mit Knochen- resten , Bernstein und verschiedenen Schmuck - und W affenstücken meistens wohl *) Voigt p. 547 ff. 48 unzweifelhaft römischen Ursprungs, die bei dem ja ziemlich regen Verkehr, der von Alters her besonders aber zur Zeit der ersten Imperatoren zwischen Rom und der Bernsteinküste blühte, als Tauschmittel eingeführt wurden. Um so wichtiger war es daher, dass vor einigen Jahren auf dem Gutsfelde von Ballgarden auf dem linken Memelufer nahe bei Tilsit Menschenknochen mit vollkommen denselben Attributen ausgegraben wurden, die wir sonst in den vorerwähnten Aschenkrügen zu finden pflegen. Den Bericht über diesen merkwürdigen Fund entnehme ich dem lsten Bande der „Neuen preussischen Provinzial -Blätter“ 3te Folge 1858. p. 237. „Der Fundort, etwa 150 Schritte von dem Flüsschen Tilzele entfernt, ist ein kleiner, aus hartem rothen Lehm gebildeter Hügel von mehren [] Ruthen Flächen- raum, der in früheren Zeiten mit Eichbäumen von ausserordentlicher Stärke bestanden, aber seit Jahren immer als Ackerboden benutzt und so nach und nach verpflügt worden war. Dm das Gutsfeld noch mehr zu ebnen hatte der Besitzer eine Abtra- gung dieses Hügels um 3 Fuss angeordnet. Bei der Abtragung der Spitze stiess die Erdarbeit auf 8 menschliche Skelette und 2 Pferdegerippe, Diese lagen auf einem Flächenraume von ca. 2 f] Ruthen paarweise geordnet in der Richtung von Norden nach Süden, die Pferdeknochen zwischen den menschlichen. Die Erdbe- deckung war nur 2 — 3 Fuss dick; doch können im Laufe der Zeit mehrere Fuss Erde von dem Hügel heruntergepflügt worden sein. Die rothlehmige Erde erschien in der unmittelbaren Umgebung der Menschengerippe in der Stärke eines Zolles blau gefärbt. Die ausgegrabenen Menschenknochen, namentlich die Schädel, waren der- massen morsch, dass sie nach kurzem Liegen an der Luft fast durchgängig zerfallen sind. Nur ein einziger Schädel ist ziemlich erhalten und durch seine eigenthümliche, stark abgeplattete Ovalform auffällig. Neben den Knochenresten ist eine Anzahl von Schmucksachen und W affengerä then gefunden worden , nämlich : 5 Korallen von Bernstein, 1 Fingerring, 5 kleine Brustschnallen nach Art der Römischen fibulae (von denen nur eine erträglich erhalten , die andern sehr defekt sind) , 2 sehr dünne Bogenstücke von grösseren Gewandschnallen , 3 Handgelenkspangen (darunter eine zerbrochene), Haken und Oese eines Halsringes, alles von Bronce; ferner aus Eisen: 1 Wurfspiess, 1 Pfeilspitze, 2 Trümmer von Schwerdtern und ein wohlerhaltenes Zaumgebiss. — Es unterliegt somit keinem Zweifel, dass jener Hügel in alter Zeit eine förmliche Grabstätte gewesen. Doch sind weder Aschenkrüge noch Steine von einem etwaigen Gewölbe darin entdeckt worden. Vielmehr deutet die bläuliche Fär- bung der rothen Lehmerde in der Umgebung auf verwitterte Holzmasse hin. Die Leichen sind also hier nicht verbrannt, sondern in Särgen, oder mindestens auf einer 49 ßretterlage bestattet worden. Dies scheint die Ansichtzu bestätigen, dass das Verbren- nen der Todten in der Heidenzeit nicht überall in Preussen Sitte gewesen. Oder ge- hörte dieser Grabhügel etwa der frühesten Periode der Ordensherrschaft au, wo das Ver- brennen der Leichen als altheidnischer Gebrauch von der Landesregierung untersagt war“. Der Bericht nimmt in einer Anmerkung Rücksicht auf eine frühere Notiz in demselben Bande der Provinzial -Blätter1), der zu Folge kurze Zeit vorher in der Gegend von Nordenburg gleichfalls ein menschliches Skelett mit altpreussiscliem Todtenschmuck (wie es dort heist) am Abhange eines Hügels ausgegraben wurde , in dessen oberflächlicher Decke schon oft einzelne Bruchstücke menschlicher Schädel und anderer Skelettheile gefunden waren. Der ganze Ballgarder Fund wurde dem Königl. Archiv hierselbst übergeben, und was von Menschen -Knochen einigermassen herausbefördert worden, mir von Herrn Geh. -Rath Prof. Voigt zur weiteren Be- nutzung anvertraut. Meine Nachfragen nach dem Nordenburger Skelett blieb leider bisher ohne Erfolg, dasselbe war gleich nach der Ausgrabung wieder verscharrt, und meiner Bitte, es wieder zu Tage fördern zu lassen, ist bisher noch nicht nachgekommen. Eine zweite Anmerkung bezieht sich auf einen, gleichfalls vor 33 Jahren in Lumpöhnen bei Tilsit gefundenen Schädel, der einen Metallring als Todtenschmuck getragen haben sollte. Herr Prediger B e li r in Tilsit war auf meine Bitte so freund- lich dieserhalb eine Nachforschung anzustellen, die jedoch als einziges Resultat ergab: dass jener Metallring gefunden, und dass der Finder, ein Bauer, erzählt habe, dass da wo jener ausgegraben , auch ein menschliches Skelett in der Tiefe einer Sand- grube entdeckt sei. Selbst diese letzte Angabe ist unsicher, und spätere Ausgrabungs- versuche die Herr Gymnasiallehrer Gisevius anzustellen beabsichtigte, scheiterten an dem Aberglauben der dortigen Litthauischen Bauern. Während ich noch mit der Messung jener Ballgarder Schädel beschäftigt war, und zu einer Vergleichung aus der Schädelsammlung der hiesigen anatomischen An- stalt einige Racen - Schädel zusammensuchte, wurde ich auf drei ziemlich gut erhal- tene Schädel aufmerksam, die in dem Katalog der Sammlung unter Tit. V. J\i 3, 4, 5 und 6 als Altpreussen - Schädel (3 bei Tilsit, die übrigen in Samland gefunden) aufgeführt sind. Nähere Auskunft über die Umstände, unter denen sie gefunden, sowie über den Finder, konnte ich leider nicht erhalten, bin daher auch nicht im Stande anzugeben, mit welchem Rechte dieselben unter jenem Rubrum eingetragen. Gleichwohl habe ich sie in ihren Dimensionen bestimmt und werde dieselben, zumal sie von denen der Ballgarder bedeutend differiren, mittheilen. A) Prov. -Bl. p. 106 fl’. 7 50 Das Referat in den Provinzial-Blättern thcilt uns mit, dass gleichzeitig mit den menschlichen auch Pferde - Skelette aufgefunden wurden. Die Sitte, die Streitrosse gleichzeitig mit ihren gefallenen oder verstorbenen Besitzern zu begraben , scheint eine sehr verbreitete bei unsern Vorfahren gewesen zu sein. Herr Stadtrath Hensche hierselbst, der eine grosse Zahl von Ausgrabungen altpreussischer Kapurnen im Sam- lande vorgenommen, bewahrt noch jetzt zwei vollständige Pferde -Skelette mit den zugehörigen Gebissstücken des Zaumzeuges, die er in der Tiefe (unter den Aschen- krügen) zweier Gräber und zwar in einer Stellung der Skeletttheile zu einander auf- fand , die es unzweifelhaft machte , dass sie lebendig verscharrt wurden. Die letzt erwähnten Skelette , wie die mir vorliegenden in Ballgarden ausgegrabenen Knochen, gehören entschieden einer kleinen Race an, vielleicht ähnlich jener unserer noch jetzt hier heimischen Bauerpferde. Wie schon der Referent in den Prov. - Blättern es andeutet, dürfte es schwer sein aus dem ganzen Ballgarder Funde das Alter der Knochen zu bestimmen. Die sich bei und mit ihnen gefundenen Schmuck- und Waffenstücke lehren wohl, dass sie aus einer Zeit herstammen , in denen die Bewohner jener Gegenden bereits in Verkehr mit den damaligen Cultur-Völkern Europa’s standen, wenn man nicht geradezu annehmen will, dass sie von eingewanderten Fremden, die hier an der Küste lan- deten, herstammten. Allein dagegen scheint uns das gleichzeitige Begrabensein der Streitrosse zu sprechen. Es ist nicht denkbar, dass diese mit herüberkamen, — während andrerseits die Achtung die man dem Streitrosse eines Reiters durch ein gleichzeitiges Begräbniss erwies, ein innigeres Verhältnis voraussetzt, als es bei einem Fremdling denkbar, der sein Ross erst erbeutete. Es ist der wohl selbst auf- und grossgezogene , von Jugend auf getummelte , Genosse auf allen Jagden wie im Getümmel des Kriegs, der mit den Interessen seines Besitzers so innig verwachsen gedacht wurde, dass seine Existenz völlig zwecklos erschien, sobald ein feindliches Geschoss oder eine tödtliche Krankheit oder endlich ein hohes Alter jenen dahin gerafft hatte, dem man ein feierliches Grab zur Seite seines Herren bereitete, damit sie in seligen Gefilden einander wiederfinden möchten. Bernsteinschmuck wird in allen, selbst in den sonst ärmlichsten Aschenurnen gefunden, derselbe scheint daher wohl ein ziemlich allgemein gebräuchlicher bei unsern Vorfahren gewesen zu sein; allein aus ihm lässt sich wohl selbstverständlich ein endgültiger Schluss auf die Ab- stammung der Schädel nicht machen; auch der Fremdling konnte den Schmuck erbeutet und ihn als Siegesschmuck angelegt oder bei seinen Zügen die heimische Sitte ihn zu tragen angenommen haben. Alles zusammen jedoch, das gleichzeitige 51 Begrabensein der Streitrosse (wie es aus den unzweifelhaft altpreussischen Kapurnen als altpreussische Sitte bekannt ist), wie der nationale Schmuck macht es mir zum min- desten doch sehr wahrscheinlich, dass wir es hier mit den Ueberresten heimischer Bewohner der preussischen Ostseegestade zu thun haben. Volle Gewissheit erlangen wir vorläufig allerdings nicht, vielleicht geben uns fernere Ausgrabungen mehr Auf- schluss und Gewissheit. Es steht durchaus nicht fest, wie ja auch der Referent andeutet, dass die Verbrennung der Todten, ursprünglich die allgemeine Sitte, erst durch die Verbreitung des Christenthums verdrängt wurde. Die bisherige Seltenheit wirklicher Begräbnissstätten darf uns nicht wundern und beweist nichts, da einmal im Ganzen doch zu wenig nach ihnen gesucht worden , häufig aber auch wohl ein wichtiger Fund völlig verloren geht, weil der Finder weder das Interesse noch das Verständniss seiner Wichtigkeit hat. Bedenkt man ferner, wie selbst in den ehemals bevölkertsten Gegenden der Erdoberfläche von den zahllosen Generationen , die in ihnen dereinst gelebt, doch nur äusserst spärliche Reste wieder aufgefunden wurden, so dürfte das so seltene Vorkommen menschlicher Knochen wohl kaum als ein ganz stichhaltiger Beweis gegen das Begraben der Todten gelten. Der Schluss, dass die Ballgarder Schädel einer spätem, bereits christianisirten Generation angehörten, scheint mir daher keineswegs durch die begleitenden Umstände geboten zu sein. Die Racenbestimmung unserer Altvordern aus den bisher so spärlichen Skelett- resten, findet noch eine grosse Schwierigkeit darin, dass wie die ältesten Ueberlic- ferungen uns lehren, die preussischen Ostseeküsten, so oft der Tummelplatz der verschiedensten nordischen Eindringlinge waren; Dänen, Gothen, Skandier haben zu den verschiedensten Zeiten die Küstenbewohner bekriegt, unterjocht und bald vorübergehend bald bleibend hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen, um später einem neuen nordischen Eroberer wieder Platz zu machen. Die Eingebomen wurden bald völlig, bald nur die wehrhaften Männer von ihnen vertilgt, oder sie geriethen in die Botmässigkeit ihrer Besieger, es musste sich daher nicht nur sehr bald eine Misch- race bilden, deren Schädelformen in spätem Generationen nicht mehr jenen voll- kommen reinen Typus bewahrten, sondern es ist auch denkbar, dass die verschie- densten Typen oft dicht an einander grunzten. Es charakterisirt die Schädel derartiger Mischracen , dass sie hinsichts ihrer Dimensionen meistens die Mitte zwischen den sie bedingenden etwaigen extremen Typen halten , scharfe Gränzen lassen sich wohl überhaupt nur zwischen den Extremen ziehen. Es ist daher von nicht zu übersehendem Interesse, dass die uns hier zunächst beschäftigenden Ballgarder Schädel gerade einer extremen Bildung zugehören , und von um so grösserem Interesse wird ihre \ er- 7* 52 gleichung mit den den Altpreussen benachbarten Slaven und Germanen , um so wahr- scheinlicher wird es, dass sie uns einen reinen Typus repräsentiren. Sowohl die Ballgarder als die in der anatomischen Sammlung sich findenden Schädel stimmen darin vollständig überein, dass bei ihnen der Längsdurchmesser (d. h. die grösste Ausdehnung von hinten nach vorne) sowohl die Höhe wie die Breite in sehr viel höherem Grade übertreffen als dieses bei slavischen Schädeln der Fall ist. Zur Uebersicht diene nachfolgende Zusammenstellung: 1. Verhältniss der Länge zur Breite (letztere = 1000.) Slaven . • 2. Nach Retzius Nach van der Hoeven ') Nach eigener Bestimmung Verhältniss der Läi 1127 “Tooo. 1192 1000. 1200 1000. g e zur 11 Ballgarder Schädel , . . Preussen -Schädel in der anatomischen Sammlung öhe (letztere = 1000 1540 1000. 1445 ' 100Ö7 •) Slaven . . 1250 Ballgarder Schädel . . . Anatomische Sammlung . 1862 Tooo7 1714 ToöoT van der Hoeven Eigene Bestimmung . . . 1000. 1230 1000. 1417 TÖOO. Gewiss gehören daher die uns vorliegenden Schädel zu Retzius Dolichocephalen und unterscheiden sich dadurch wesentlich von den Brachycephalen .Slaven. Retzius zählt jedoch auch die unsern Preussen so spraehverwandten Letten und Lithauer zu den Brachycephalen2). Mir selbst stand aus der hiesigen anatomischen Sammlung nur ein Lettenschädel zu Gebote, meine Bemühungen einen Lithauerschädel aus den noch von möglichst unvermiscliten Lithauern bewohnten Gegenden unserer Provinz zu erhalten, sind leider bisher ohne Erfolg geblieben. Dieser eine Schädel ist ein Dolichocephale wie aus nachstehenden Angaben leicht ersichtlich. Verhältniss Länge zur Breite bei den Slaven im Mittel „ bei den Letten Höhe bei den Slaven ,, bei den Letten 1000 1370 1000 1299 1000 1895 1) Van (1er Hoeven: Catalogus craniorum diversarum gentiuiu. 2) Retzius in Müllers Archiv. 1858. 53 Die grösste Breite ist bei dem Letten - Schädel wie bei den von mir bestimmten Slaven von einem tuber. parietale zum andern, die Höhe von meat. auditor. osseus zum Scheitel gemessen. Vergleicht man mit vorstehenden Verhältnissen die germa- nischen Schädel: 1299 Verhältnis der Länge zur Breite (van der Hoeven) = — - „ „ „ „ „ (eigne Bestimmung) = „ „ „ „ Höhe (van der Hoeven) = ” ” ” ” v ' 1000 » .. » » » (eigene Bestimmung) = so steht, wie leicht ersichtlich, der von mir bestimmte Lette den Germanen näher als den Slaven. Bestimmte Maassangaben über die Schädeldimensionen finde ich weder bei Rctzius noch bei van der Hoeven , ich vermag daher auch nicht zu ent- scheiden, ob Retzius sicher Lettenschädel vor sich hatte; der der hiesigen anato- mischen Sammlung einverleibte ist, soviel ich ermitteln konnte, von dem älteren Bur dach aus Dorpat hierher gebracht, seine Aechtheit ist daher zum mindesten äusserst wahrscheinlich. Bestätigen sich daher die von mir für Altpreussen und Letten gewonnenen Resultate, so stellt sich heraus, dass auch von craniologischem Stand- punkte aus beide sich sehr bestimmt von den Slaven entfernen. Was nun die vorliegenden Preussenschädel , oder die als solche mir überlieferten , betrifft, so unterscheiden sie sich nicht unwesentlich von einander, und zwar so, dass die sich in der anatomischen Sammlung befindenden eine , die neuerdings in Ballgarden gefundenen eine andere Gruppe repräsentiren ; alle sind sie Dolichocephalen , die letzteren aber so aus stark ausgesprochene Lang- und Schmal - Köpfe , wie ich sie kaum anderswo erwähnt finde. Im Ganzen wurden mir von Ballgarden her die Bruchstücke zweier Schädel über- liefert, und zwar von einem das ziemlich wohl erhaltene Schädeldach; es fehlte an ihm: die pars basilaris oss. ocecpitalis, das Keilbein (von dem nur die ala major linkerseits vorhanden), das rechte Felsenbein, Nasendach und Oberkiefer nebst Joch- beine. Der zweite war vollsändig zerstückelt, liess sich jedoch soweit noch wenigstens zusammensetzen, dass ich vergleichsweise Messungen der Länge, Breite und Höhe vornehmen konnte. Dieselben waren alle absolut geringer, als die des ersteren, zeigten aber wohl dieselben Relationen zu 'einander, ferner waren die Knochenstücke jenes ungemein dünn, die Näthe (Pfeil-, Kranz- und Lambda -Nath) noch vollständig trenn- 54 bar, während die Pfeilnath jenes besser erhaltenen vollkommen, die Kranz- und Lambda- Nath wenigstens in ihren mittleren jener angränzenden Theileu synostotisch waren. Ich glaube daher nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass der kleinere entweder einem weiblichen oder jüngeren Individium desselben Stammes angehörte. Hiezu kam noch , «lass entsprechend der Lage eines Diadems Schläfengegend , Vorder- stirn und Hinterhauptschuppe intensiv mit Kupfersalzen durchtränkt waren, die dem Knochen besonders der substantia compacta vollkommen Gefüge und Farbe von Tür- kisen gab. Die Scheitelgegend sowie die unterhalb der Schläfen gelegenen Knochen waren vollkommen frei von Kupfersalzen geblieben. Nach den von mir gewonnenen Maassen gleichen die beiden vorliegenden Ball- garder Schädel am meisten den sogenannten Celtenschädeln (Retzius); sie sind lang, schmal, niedrig mit flach ansteigender Stirn und Scheitel, und ebenso allmälig sich abdachendem Hinterhaupte. Tubera frontalia und parietalia marquiren sich nur wenig, die bedeutendste Erhebung des Scheitels liegt etwa in der Mitte der Pfeilnath, die arcus supraciliares sind nicht gerade stark vorspringend, ebensowenig wie die Mus- kelansatzpunkte, selbst der eine noch vorhandene proc. Mastoideus, durch besonders stark entwickelte Rauhigkeiten ausgezeichnet sind, im Gegentheil das sehr wohlerhaltene Schädeldach des einen zeichnet sich durch seine grosse Glätte aus. Von oben ange- sehen sind beide Schädel annähernd elliptisch, indem die Parietal -Breite die der Stirne nur äusserst wenig übertrifft. Betreffs der Knochenoberfläche sei noch bemerkt, dass sie zum grossen Theil vollkommen glatt nur inselförmig zerstreute hellere, rau- here ein wenig tieferliegende , wie corrodirt erscheinende Flecken zeigt , die an der angelegten Zunge haften, während die glatten Flächen solches nicht tliun. Man hat bekanntlich jenes Ankleben der Zunge benutzt, um das Alter der Knochen zu schätzen, ist sogar so weit gegangen hierdurch die fossilen Knochen von Knochen späteren Datums zu unterscheiden. In dem vorliegenden Falle, in dem schon aus andern Gründen mit voller Gewissheit anzunehmen, dass wir es nicht mit fossilen Knochen zu tliun haben, finden sich Glätte und Rauhigkeit derselben dicht neben einander. Ein Beweis mehr wie wenig beweiskräftig jene ja auch schon anderweitig angezweifeite Beschaffenheit der Knochen ist. Vergleichsweise stelle ich die von Retzius gegebenen Maasse der Celtenschädel mit denen der Ballgarder zusammen, muss dabei jedoch bemerken, dass in mancher Beziehung die von R. gebrauchten Bezeichnungen nicht ganz genau sind , daher auch nur schwer einen Vergleich gestatten. So ist es schwer aus Retzius’s Angaben zu ersehen, was er unter Stirnbreite verstanden haben will; ist’s die grösste Ausdehnung, 55 die die ossa frontalia zeigen, so variirt dieselbe der Lage nach bei Schädel nicht einmal sehr verschiedener Stämme und Racen sehr bedeutend, bald fällt dieselbe mit den tub. frontalia, bald mit den Jochfortsätzen des Stirnbeins, bald mit den seitlichen hinter der crista oss. front, zusammen, und es ist selbstverständlich für die Beurtheilung der Gesammtform nicht gleichbedeutend an welcher der vorgenannten Stellen die Stirnbeine ihre grösste Breite zeigen. Eine gleiche Ungenauigkeit haftet auch an der Bezeichnung Hinterhauptsbreite. Für spätere Vergleiche habe ich in meinen Angaben möglichst genau angegeben an welcher Stelle ich gemessen habe. Die Maasse sind in Millimetern angegeben. Cclten* Schädel nach Retzius ( Müllcr’s Ar- chiv 1849. p. 574.) Ballgarder Schädel. Länge der Schädel von glabella bis zum am weitesten vor- springenden Theil des os occipit 197 196 Höhe von for. magn. bis zum Vertex 131 115 Stirnbreite von einem tub. front, zum andern 102 54 „ „ „ proc. zygomat. zum andern .... 115 Hinterhauptbreite zwischen 2 symmetrischen Punkten in der Höhe der protuberanz 131 95 Grösste Breite in der Gegend des pars squamos. oss. tempor. — 123 Entfernung des einen tubcr. parietale zum andern .... 114 124 Entfernung des einen margo mastoid. angul. mastoid. zum andern — 115 Grösste Breite der Augenhöhlen — 37 Höhe des Schädels von meat. auditor ext. (obere Wand) zum Vertex 137 104 Entfernung von meat. auditor zur glabella — 117 „ „ „ „ „ protuber. occipitalis . — 97 Grösster horizontaler Umfang 530 540 Bogenlänge von der incisura nasalis bis zur Kranznath — 135 „ „ „ „ „ „ „ Lambda -Nath — 255 „ „ „ „ „ „ „ protuber. accipit. — 310 „ „ „ „ „ „ „ hintern Rand des foramen magn — 365 Die Kranznath macht einen Winkel von circa — 160° Länge der Basis cranii von der Incisura nasalis bis hintern Rand des for. magnum — 100 56 Nach diesen Maassen stehe ich nicht an die Ballgarder Schädel den sogenannten Celtischen zuzuzählen. Allein aus diesem bisher ganz vereinzelten Funde dürfte es schwer sein, den Schluss zu ziehen, dass ein celtischer Stamm dereinst die östlichen Gestade des baltischen Meeres bewohnte. Gewiss hat derselbe in vorhistorischer Zeit eine sehr viel grössere Verbreitung in Europa gehabt, als es sich gegenwärtig mit Bestimmtheit nachweisen lässt. Hat man doch schon in den verschiedensten Gegen- den ähnlich geformte Schädel gefunden wie man sie noch jetzt bei manchen noch in möglichster Reinheit existirenden Stämmen antrifft. Ihre Schmalheit, ihre geringe Höhe und Breite, ihre verhältnissmässige Kleinheit unterscheidet sic gleich scharf von den slavischen Brachyceplialen , wie von «len Dolichoc.eplialen Germanen. Repräsentiren daher auch die bisher besprochenen Schädel einen möglichst reinen Racentypus , so steht damit doch noch immer nicht fest , dass der ganze Stamm der Altpreussen ihm angehörte '). Noch schwieriger wird uns aber die Bestimmung unserer Altpreussen von cranio- logischem Standpunkte durch die hier in der anatomischen Sammlung sich vorfindenden Altpreussen - Schädel. Auch sic sind Dolichocephalen , keineswegs aber praevalirt bei ihnen die Länge so über Höhe und Breite, wie bei Jenen. Am nächsten in jeder Beziehung stellen sie sich den Germanen. Die Stirn ist schmal, die tubera frontalia scharf marquirt, die Parietal- Breite überwiegend; der ganze Schädel von oben gesehen von eirunder Form mit stumpferem Pol nach dem Hinterhaupte zu. Nachstehend stelle ich die von mir für die Schädel gewonnenen Maasse, und zum Vergleich die eines Germanen - Schädels aus der anatomischen Sammlung zusammen. *) Die ältesten griechischen Schriftsteller erwähnen fast durchweg die Einwohner Deutschlands unter dem Namen Celten, selbst Eratosthenes (geh. 276 a. Chr.) bezeichnet die Nordküste Deutschlands noch mit KfXxtxr\. Erst später nachdem die Bewohner jenseits der Alpen vielfach in Berührung mit den Römern traten, tauchen die einzelnen gesonderten Stamm-Namen auf. Es wird daher wohl mehr als wahrscheinlich, dass Celten dereinst das ganze mittlere Europa bis an die Nordküsten Deutschlands imd Galliens, ja wohl auch noch jenseits des Meeres Brittanien inne hatten. Sind demuacli Celten die Stammväter der Germanen, so darf es uns nicht weiter wundem überall dortUeber- reste jener zu linden, wo diese seitdem ansässig blieben, und die Frage, ob celtische ob germanische. Abstammung wird nur eine Frage nach der Zeit der ersten Bevölkerung gewisser Landstriche. Für unsem Fall also würde zu ent- scheiden sein, ob schon in den frühesten Zeiten, bevor noch aus den mannigfachen Völkerzügen, die von Osten und Süden die celtischen Wohnsitze überflutheten , jenen verschiedenen Mischstämmen Germaniens hervorgingen, die Ostsee- gestade von Celten bewohnt waren. Unzweifelhaft erhielten sich letztere je weiter ab von der Berührung mit Römern, Skythen u. a. , je nördlicher, um so länger in voller Reinheit, ja es ist nicht undenkbar, dass südlicher wohnende Celten dem Andrängen ihrer südlichen und östlichen Nachbaren nach Norden zu auswichen. Die frühen Nachrichten jedoch, die wir über die Bemsteinküsten haben, so wie das natürliche Streben aller Völker den Küsten zu, spricht für ein sehr frühes Bewohntsein unserer Gegenden. Vergl. über die Verbreitung der Celten : Radlofs Untersuchungen des Celtenthums. Bonn 1822. 57 Germane. Altpreussen aus der anatomischen Sammlung. Ballgar- der Schädel. Länge von glabella bis os. occipit ..... 190 182 194 190 196 Höhe von for. magn. bis Vertex — — — 115 Stirnbreite von einem tub. front zum andern 68 55 58 — 54 „ „ „ proc. zygom. „ 107 104 103 107 115 Hinterhauptbreite in der Höhe des prot. occipit. 110 96 106 103 95 Breite in der Gegend des pars sqam. temp. 137 — 128 — 123 Entfernung des tub. pariet. rechts zum linken . 143 130 130 135 124 „ des maego mastoid. angel. mast, rechts zum linken 1 30 125 125 — 115 Breite der Augenhöhle 37 42 38 — 37 Höhe des Schädels meat. audit. zum Vertex 120 104 115 — 104 Entfernung des meat. auditor. zur glabella R „ „ „ „ protub. occi- — — — — 117 pital — — ' — — 97 Grösster horizontaler Umfang 547 510 535 — 540 Bogenlänge von der incisura nasal, zur Kranznath . 135 125 130 125 135 „ • „ „ „ „ „ Lambdanath 265 250 260 247 255 „ „ „ „ „ „ prot. occipit. 335 300 .330 327 310 „ „ „ „ „ zum hintern Rand des for. magn 385 362 — — 365 Länge der Basis cranii v. incisura nasal, bis hin- tern Rand des for. magnum 102 100 106 — 1 00 Die aus der vorstehenden Tabelle ersichtliche auffallende Kürze der Basis cranis der ßallgarder Schädel erklärt sich daraus, dass das Hinterhauptbein von der Pro- tuberanz aus fast horizontal oder doch unter einem sehr spitzen Winkel zur Horizon- talen nach vorne geht. Ueberblicken wir nochmals die hier aufgeführten Resultate, so vermögen wir allerdings nicht die Frage nach der Abstammung unserer Vorfahren aus ihnen be- stimmt zu beantworten, vielleicht aber bieten sie den Ausgangspunkt zu weiteren Ausgrabungen und Untersuchungen, und sind in sofern nicht ganz ohne allen Werth. Das aber glaube ich mit grosser W ahrscheinlichkeit wenigstens hinstellen zu können, 8 58 dass die Ballgarder Schädel in ihrer extremen Form einem sehr viel reinerem Typus einer sehr viel abgegränzteren Race angehörten, als die als Altpreussen aufgeführten der hiesigen anatomischen Sammlung, daher auch möglicher „Weise sehr viel älteren Datums sind als letztere. Dass ferner die bisherigen Thatsachen entschieden für eine strenge Abgränzung des preussischen Volksstammes ivon den benachbarten Slaven, eine entschiedene Annäherung an die germanischen Stämme sprechen. Hiezu die nach einer Photographie gefertigten Abbildungen in halber Grösse. Taf. V. Fig. 1. Der Ballgarder Schädel von oben gesehen. Fig. 2. Derselbe in seitlicher Ansicht. — . V,W,,CI1. ( Orchis latifolia Ei., C'oluninea sdiiedeana \\ Schlecht«!., Digitalis purpurea Ei.) Von Robert Caspar). Herr Direktor Dr. Rud. Schmidt in Elbing übersandte mir eine sehr schlanke Orchis von nicht weniger als 30^ Zoll Höhe, die er den 22. Juni 1854 zwischen Kadinen und Panklau gefunden hatte. Der Stamm trug 7 Blätter, deren oberstes demselben anliegendes etwa 2 Zoll mit der Spitze vom Blüthenstande entfernt war; die Blätter hatten eine flache nicht kapuzenartige Spitze; die untern und mittleren Hochblätter waren länger als die Blüthen, che Wurzelknollen getheilt, lauter Cha- raktere, welche mich die in Rede stehende Pflanze für Orchis latifojia L. halten lassen. Die Bliithe hatte jedoch eine ungewöhnliche Form; sie war fast regelmässig; die Lippe fehlte. Alle Blüthen der 6 Zoll langen Aehre schienen auf gleiche Weise gebaut zu sein; drei, die ich aufweichte, hatten G oblong - lanzettförmige Perigon- blätter, drei äussere, breitere, längere und drei innere, unter sich gleiche, kürzere und schmälere; alle waren dreinervig; die Nerven endeten ohne zu anastomosiren blind gegen die Spitze der Blumenblätter. Statt dreier Antlieren war jedoch nur eine entwickelt, die, wie sonst, dem Stiel aufsass und nichts von der gewöhnlichen Form Abweichendes zu haben schien. Die Blüthen waren also unvollständige Pelo- rien. Ich bemerke, dass mehr oder weniger vollständige Pelorien bei Orchideen von His (Journal de physique LXV. 1807. p. 241), Robert Brown an Ilabenaria bifolia (Wallich PI. asiat. variar. 1830. 1. p. 74. Transact. Linn. soc. 1833. XVI. 697), Ach. Richard an Orchis latifolia (Mem. de la soc. d'hist. nat. de Paris 1. p. 202; IV. p. 16), Wydler an Neottia Nidus avis Rieh. u. Ophrys aranifera (Guillemin. Archiv, de botan. 1833. II. p. 313), Moq u in -Tan d on an Orchis papilionacea (Moquin - Tandon Pflanzen - Teratologie, deutsch von Schauer 1842. p. 174), Noulet an Orchis simia (1. c.) und Andern beobachtet sind. 8* 60 Eine sehr schöne fast vollständige Pelorie hatte ich Gelegenheit im botanischen Garten am 27. April dieses Jahres an einer mexikanischen Gesneracee: Columnea schiedeana v. Schlecht, zu untersuchen. Die Blüthe gewöhnlicher Form (Taf. VI. Fig. 1 und 12) hat einen fünftheiligen Kelch, dessen Zipfel oblong - eiförmig , spitz und mehr oder weniger ungleich an Grösse sind ; der kleinste Zipfel steht meist nach der Axe hin, die zwei grössesten nach Aussen. Die schöne zweilippige gelbe roth- braun gefleckte Korolle von etwa 33“' Länge (Taf. VI. Fig. 1 und 12 k.) ist sehr un- regelmässig. Die oblong lineale 10 — 11“' lange Unterlippe geht etwa in 1“ Höhe horizontal ab, die senkrechte Oberlippe überragt sie noch um 1|“, ist oben kaum ausgerandet und zeigt seitlich gegen ihre Mitte zwei spitzwinklige, ziemlich stumpfe Lappen. Nur 4 unterständige Staubfäden entwickeln sich; der nach der Axe ge- kehrte verkümmert; ich sah nie eine Spur von ihm; da, wo er stehn sollte, befindet sich an der Basis des Germen ■ eine grosse Zuckersaft ausscheidende Drüse ( Taf. VI. Fig. 12 n). Je zwei und zwei der Staubfäden sind mit den Seiten der Antheren ver- klebt; alle 4 Antheren hängen auf der Spitze mit einander zusammen; die Staub- träger sind auf der Spitze bogig gekrümmt und an der Basis in einen Ring ver- wachsen (Taf. VI. Fig. 3), der nach hinten durch die grosse erwähnte, etwa 1“' breite und hohe, von hinten nach vorn zusammengedrückte gelbliche Nektardrüse unterbrochen -ist ; die Korolle bildet über ihr eine starke Erweiterung. Das Germen ist einfächrig mit zwei seitlichen Placenten (Taf. VI. Fig. 9), die seitlich sehr ver- breitert sind und zahlreiche lang gestielte anatrope Saamenknospen tragen. Die beiden Karpelle stehn vorn und hinten und jedes giebt zu jedem der beiden Lappen des Stigma die Hälfte her; das Stigma zeigt auf jedem Lappen die Spalte deutlich (Taf. VI. Fig. 10); jeder stigmatische Lappen wird also von 2 Karpellen, nicht von einem gebildet; die Lappen des Stigma stehen seitlich (Taf. VI. Fig. 12 s. s. ). Lim die Basis des Germen zieht sich eine zusammenhängende, sehr dünne und niedrige dreibuchtige, gelbliche Nektardrüse vorn und seitlich herum , die hinten an der grossen Nektardrüse auf hört (Taf. VI. Fig. 7, 8 und 12 n1) und etwas vor ihr zurücktritt, als ob die dreibuchtige Drüse einem andern Blüthenkreise angehörte, als die hintere grosse, äussere Drüse. Das Germen selbst ist mit Haaren bekleidet, die nach vorn drei Büschel oben bilden (Fig. 11 b. b.) und nach hinten 2 undeutliche (Fig. 8 und 1 1 b k). Von dieser gewöhnlichen Form der Blüthe wich die Pelorie sehr ab ; die Kelch- zipfel waren fast gleich ; der hinterste , der rechte seitliche und rechte vordere (Taf. VI. Fig. 4. und 13 a. b. d.) waren ganz gleich, der linke seitliche (Fig. 4 und 13 c.) war der 61 kleinste, der linke vordere (Fig. 4 und 13 e.) der grösseste. Die Koro Ile war regel- mässig und präsentirtellerförmig (Fig. 4 und 5). In der Höhe eines Zolles, in der sonst die Unterlippe stellt, theilte sich die Blumenkronenröhre in 5 gleiche, oblong- lanzettförmige, fast lineale, stumpfliche, horizontale Zipfel, abwechselnd mit den Kelchzipfeln; sie glichen alle der Unterlippe der gewöhnlichen Blüthe; alle waren etwas gedreht, 4 links, ein hinteres, das rechte, rechts. Statt 4 Staubfäden hat- ten sich 5 ganz gleiche entwickelt, die an der Basis ringförmig zusammenhingen (Fig. 6.); sie wechselten mit den Korollenlappen ab. Das rechte vordere Staubblatt war ganz frei; die 4 andern waren paarweise mit den Beuteln seitlich verklebt, die Spitzen der beiden Paare hingen jedoch nicht, wie bei der gewöhnlichen Blüthe mit einander zusammen, sondern waren frei und auffallender Weise war die Anthere des hinteren, sonst fehlenden, hier aber entwickelten Staubblatts (Fig. 6 und 13, 3) mit der des seitlichen rechten (Fig. 13, 2) verbunden, während letztere seine gewöhn- liche Verbindung mit dem rechten vorderen, hier freien, aufgegeben hatte. Das seitliche linke war jedoch mit dem linken vorderen wie sonst in der Anthere zusam- menhängend. Die Träger aller 5 Staubblätter waren gegen die Spitze zu gekrümmt. Das Pistill hatte die gewöhnliche Form: leider versäumte ich an dieser Blüthe nach- zusehen, ob das Nektarium in gewöhnlicher Weise gestaltet war, eine Lücke, die ich glücklicher Weise ausfüllen konnte. Von demselben Stamm nämlich, der diese Pelorie nebst zahlreichen gewöhnlich geformten Blüthen trug, erhielt ich am 5. Juni noch eine und zwar noch vollkomm- nere Pelorie. Die 5 Kelchblätter waren ganz gleich an Höhe und Breite. Die Korollc war wie die der eben erwähnten Blüthe gebaut, jedoch waren 2 Zipfel rechts gedreht und nur 3 links. Ausser dem rechten hinteren Zipfel, war nämlich auch der rechte seitliche rechts gedreht. Die Antheren aller 5 Staubfäden hingen hier auf der Spitze zusammen und ganz in derselben Weise , wie bei der vorigen Pelorie, waren die Staubbeutel von 4 Antheren auch paarweise seitlich an einander geheftet, nur die Anthere des rechts stehenden, seitlichen vordem Staubfadens hatte keine seitliche Verbindung mit denen der andern. Sehr interessant war es, dass die Basis der Staubfäden einen ganz geschlossenen Ring bildete, — bei der gewöhnlichen Blüthe ist er hinten, wo die Nektardrüse steht, unterbrochen — und dass die hin- tere grosse Nektardrüse gänzlich fehlte; ihre Stelle nahm das fünfte, gewöhnlich fehlende Staubblatt ein. Die grosse Nektardrüse ist daher in der gewöhnlichen Blüthe ohne Zweifel der Stellvertreter des fünften Staubfadens. Ferner war es sehr interessant, dass die dünne Nektardrüsse der gewöhnlichen Blüthe, welche sonst drei- 62 kppig ist und den vordem Theil und die Seiten des Germen einschliesst, hier rings um das Germen entwickelt und fünflappig war (Fig. 11 und 13 n'). Das Germen selbst zeigte den Lappen dieser Nektardrüse entsprechend fünf gleiche Haarbüschel oben, die in die Lücken der Kelchblätter fielen. Es scheint mir daher nicht be- denklich die Hypothese auszusprechen, dass die fünflappige Nektardrüse, deren her- vortretende Bogen mit den fünf Staubgefässen wechseln, an Stelle eines ausgefallenen innern Staubblattkreises entwickelt werde und dass mithin überhaupt die Gesneraceen auf 2 fünfzälilige Staubblattkreise angelegt sind. Einige sehr interessante Monstrositäten , die pelorienartig und zum Theil wirklich Pelorien waren, zeigte mir am 29. Juni im königsberger botanischen Garten Herr Inspektor Hanf an Digitalis purpurea L. Wie die quirlig gestellten Blätter des Stammes bei Equisetum, Casuarina u. a. bisweilen die Quirlstellung verlassen und in spiralige Stellung übergehn , so hatten sich hier bei Digitalis purpurea umgekehrt die Hochblätter der Blüthen , die nach § geordnet sind , an zahlreichen Exemplaren aus dieser Stellung auf der Spitze des traubigen Blüthenstandes hinausbegeben , waren allmälig in Quirlstellung übergegangen und sogar zu einer Endblüthe zusammengetre- ten, die mehr oder weniger pelorienartig war. Regelmässiger Weise hat Digitalis, wie bei weitem die Mehrzahl der Pflanzen mit unregelmässigen Blüthen, in ihrem Blüthenstande keine Endblüthe ; Digitalis blüht nicht auf derAxe des ersten, sondern erst des zweiten Grades; es ist zwei- nicht einaxig ; in den erwähnten Monstrositäten blühte jedoch durch ein höchst auffallendes Zusammenrücken der Hochblätter, die allmälig in ungewöhnlicher Weise sich in Kelch-, Blumen-, Staub- und Fruchtblätter umwandelten und in ihren Achseln keine Blüthen mehr bildeten, die Axe des ersten Grades. Bis zur Endblüthe hin befanden sich in den Achseln der Hochblätter ge- wöhnlich gebildete Blüthen, in den Achseln der untersten statt einer Blüthe ein Ast, der in Traubenform 3 — 4 oder mehr gewöhnliche Blüthen trug und auch mit einer endständigen kleineren Pelorie abschloss , so dass die Spitze der Nebenaxe sich wie die der I lauptaxe verhielt, wenn auch mit Entwickelung von geringeren Zahlen- verhältnissen. Ich will einige dieser Endblüthen näher beschreiben. Bei einem Blüthenstande befand sich in den Achseln der untern, grösseren, laubblattartigen Hochblätter je eine kurze Blüthentraube , in den Achseln der obern 22 lanzettförmigen, ganzrandigen Hochblätter je eine gewöhnliche Blüthe ; von diesen 22 Blüthen waren erst die untern 11 aufgeblüht, die obern 11 noch geschlossen. Ueber den geschlossenen Knospen befand sich die erwähnte, grosse, monströse End- blüthe, die schon längst geöffnet war. Die Hochblätter standen im untern Theil 63 des Blüthenstandes in beträchtlicher Entfernung von einander, rückten jedoch oben einander näher, die der obersten Blüthenknospen waren nur V“ — 3'" von einander entfernt. Ueber der letzten Blüthenknospe jedoch wurden die Internodien, in denen die oblong - eiförmigen , spitzen Hochblätter, die nun keine Blüthen mehr in ihren Achseln führten, so kurz, dass die nach der letzten Blüthe folgenden vierzehn so flicht und dachziegelig liegen, wie die Blättchen in dem Involucrum einer Composite. Die höhere spiralige Stellung dieser gedrängten Hochblätter konnte ich nicht ermitteln. Die über diesen 14 dicht zusammengestellten Blättern, die den Kelch der Endblüthe bildeten, stehenden Hochblätter fingen nun an in schönster Weise petaloidisch zu werden, einige bloss am Rande, so dass ihr grösster Theil noch grün war, andere so, dass nur der kleinste Theil an einer Seite grün, der grösste Theil rosig nach Art eines Blumenblatts gefärbt war, noch andere waren ganz petaloidisch bis auf eine grüne dickere Stelle in der Mitte unten. Solcher pctaloidischen Hochblätter waren 9 da; auch sie standen dachziegelig. Dann folgte endlich die eigentliche, weit ge- öffnete, fast glockige, etwas schief stehende, fast 2i Zoll im Durchmesser haltende Korolle, die von einem fast geschlossenen Kreise von ganz pctaloidischen Hochblät- tern gebildet war; nur an 3 Stellen war der Zusammenhang des Kreises durch Ein- schnitte, die bis zur Basis gingen, unterbrochen und die Basis der Theile stand deutlich vor- und übereinander. Der Saum der 3 Korollentheile zeigte gerundete kurze Lappen , getrennt durch spitzwinklige Ausschnitte ; offenbar entsprach ein Lappen einem Hochblatt, das zur Bildung der Korolle beigetragen hatte. Die 3 Korollen- theile zeigten verschiedene Zahlen von Lappen, der eine einen, der zweite fünf, der dritte acht; also war die Korolle aus 14 Hochblättern entstanden. Auf der Basis der Korolle sassen 13 gewöhnlich gebildete Antheren tragende Stamina und 2 un- fruchtbare weisse Fäden unordentlich umher, für längere oder kürzere Strecken mit ihr zusammenhängend. Dann folgte ein Germen mit einem sehr dicken Stiel und einem wenig entwickelten Stigma; während sonst die stigmatischen Lappen ausgebreitet sind, waren sie hier einwärts geneigt. Höchst merkwürdig war das eiförmige Germen. Dies zeigte auf dem Querschnitt 1 6 Karpelle in drei Kreisen geordnet ; der äusserste Kreis hatte 8, der zweite 5, der innerste 3 Karpelle; bloss die beiden äussersten Kreise, also 13 Karpelle, zeigten in ihren Höhlungen Saamenknospen. Die Höhlun- gen der 3 innersten waren sehr klein und leer. Die monströse Endblüthe eines andern Blüthenstandes zeigte noch grössere Zah- lenverhältnisse; es waren 20 grüne kelchartige, dachzieglig gestellte Hochblätter da, 13 halb petaloidische , eine geschlossene Korolle, die nur an einer Stelle bis zur 64 Basis getheilt war und deren Rand 17 Lappen zeigte; ihr sassen innen noch drei petaloidisclie einzelne Blättchen auf; 15 Stamina waren da. Das Germen sah aus wie ein Schopf von einer beträchtlichen Zahl von mehr oder weniger zusammen- hängenden Hochblättern , unter denen die innern grün und laubblattartig, die äussern rosig erschienen. Da die das Pistill bildenden Blättchen bis fast zu ihrer Basis los und frei waren , war kein einzelner Stiel (Staubweg) vorhanden , sondern statt dessen viele lineale Blättchen, von denen die äussern rosigen auf der Spitze, welche das Stigma veitrat, mit stumpfer, platter Zunge endigten, die innern ganz grün und lanzettförmig waren. Das Germen war locker aus den vielen Blättchen zusammen- gefügt; in 3 unregelmässigen, oft unterbrochenen Kreisen lagen 23 Fächer, welche ausser den innersten 8, alle Saamenknospen hatten. In der Mitte des Fruchtknotens befanden sich noch viele Blättchen, die dicht gedrängt, weder zur Entwicklung von Saamenknospen noch Fächern gekommen waren und die oben über dem Germen den erwähnten grünen Schopf darstellten. Drei der untern Aeste des Blüthenstandes des eben beschriebenen Exemplars von Digitalis purpurea endeten alle mit schon geöffneten Pelorien , die vor allen Blüthen des Astes, den sie abschlossen, sich geöffnet hatten. Die eine dieser kleineren Pelorien der Axen zweiten Grades hatte 9 Kelchblätter, eine fast regelmässige cylin- drischc Korolle mit achtlappigem Saum , 7 Stamina , einen Stiel mit stumpfer Spitze und ein eiförmiges Germen , dessen Querschnitt einen Kreis von 4 deutlichen Fächern mit, vielen Saamenknospen zeigte. Die zweite analoge Pelorie hatte 10 Kelchblätter, eine siebenlappige fast regelmässige cylindrische Korolle, 7 Stamina, einen Stiel mit fast dreilappigem Stigma, dessen Lappen zusammenschlossen und einen eiförmigen Fruchtknoten mit 4 Fächern. Die drittte hatte 7 grüne Kelchblätter und 2 peta- loidisclie, eine zweitheilige Korolle, — ein Theil mit einem, der zweite mit sechs Lappen im Saum, — fünf Stamina, einen gekrümmten Stiel, dem noch eine halbe Antliere anhing und ein dreifächriges Germen mit vielen Saamenknospen. Nachdem dies niedergeschrieben war , fand ich zufällig , dass V r o 1 i k (Flora 1844 I. p. 1. ff. Taf. 1 u. 2; 1846 p. 97. ff. Taf. 1 u. 2) schon 1841 und in den fol- genden Jahren die erwähnte Monstrosität an Digitalis purpurea beobachtet, abgebildet und auch vielfach wahrgenommen hatte, dass die Axe durch das Germen der Pelorie hindurch sich verlängerte, wieder gewöhnliche Blüthen trug und sogar zum zweiten Mal mit einer Pelorie abschloss. Auch fand er, dass der Saamen solcher Exemplare, welche die erwähnten Monstrositäten zeigten , sowohl der der pelorienartigen 65 Endblüthe, als der der gewöhnlichen Blüthen die Eigenschaft der Mutterpflanze behielt und wieder Pflanzen mit monströsen Endblüthen bildete. Die Beschreibung, welcke Vrolik giebt, ist aber aus einem von dem meinigen ganz verschiedenen Gesichtspunkte abgefasst und die vorstehende Darstellung erscheint deshalb nicht überflüssig. Erklärung der Figuren. Tal'. FI. Colunineik gclieidlana v. Schlecht«). Fig. 1. Gewöhnliche Blüthe von der Seite. Fig. 2. Korolle derselben ausgebreitet. Fig. 6. Die 4 Stamina an der Basis zusammenhängend. Fig. 4. Eine Pelorie. a Kelchzipfel der Axe zugekehrt ; li und 2i innere Korollenzipfel ; b, c, d, e Bezeichnung der Kelchblätter, denselben Zahlen in Fig. 13 entsprechend. Fig. 5. Korolle dieser Pelorie von oben gesehen; A Axe. I1, J21, 31, 41, 51 Korollenzipfel, denen mit derselben Bezeichnung in Fig. 4 entsprechend. 1, 2, 3, 4, 5 Stamina, denen mit derselben Bezeichnung in Fig. 13 entsprechend; 1 links, r rechts gedreht. Fig. 6. Die ringförmig zusammenhängenden 5 Stamina aus derselben Pelorie. Fig. 7. Receptatulum mit den Nektardrüsen n und n1 der gewöhnlichen Blüthe; n die hintere grosse Drüse , n < die dreilappige vordere. Fig. 8. Das Germen und Receptatulum mit denselben Drüsen n und n1 von der Seite; b, b Ilaar- spitzen des Germen; b1 Haarspitze nach der Axe zu gelegen. Fi». 9. Durchschnitt des einfächrigen Germen. Die Placenten stehn seitlich. Fig. 10. Stigma; jeder Lappen mit einer Furche. Fig. 11. Germen der 2. Pelorie von der Seite; nt wie vorhin. Fig. 12. Schema der gewöhnlichen Blüthe. k Korolle; n und n1 wie vorhin; s, s Lappen des Stigma; g, g die beiden Karpelle. 1, 2, 4, 5 Stamina. Fig. 13. Schema der 2. Pelorie. a — e Kelchblätter, r bezeichnet die rechts, I die links gedrehten Korollenzipfel. 1 — 5 die Stamina. n 1 Nektardrüse. Fig. 14. Schema der Kelchzipfel a — e der gewöhnlichen Blüthe, Lt ungleichseitiges Tragblatt der Blüthe, L das 2. ihm entsprechende des zweizähligen Quirls; A Axe. teilt V/ tirebluü 'pjgtfihnU im r i-Atö. (VA Al • / : ) it-> is wt 9 66 Bulliarda aquatica I)C. Von Robert Caspary. Unter den schätzbaren Erweiterungen , welche die Kenntniss der Flora Preussens durch Herrn Stadtrath H e n s c h e erhielt , ist besonders die Entdeckung der Bulliarda aquatica DC. im Herbst 1848 auf dem sandig -lehmigen Ufer des Teichs von Rau- schen, an der nördlichen Küste von Samland, zu bemerken. Da Bulliarda aquatica, dem östlich - nördlichen Europa hauptsächlich angehörig, sehr selten ist, scheint es mir nicht unpassend, folgende nähere Untersuchung der kleinen interessanten Pflanze bekannt zu machen, die seit Schkuhr nicht genauer beschrieben ist. M orph alogisches. Die sehr kleinen Saamen (Taf. VH. Fig. 19 und 20) zwischen \ und Par- duod. lang (genauer 0,1689'"; 0,1743 "; 0,1537 "), sind wie Kunth (Fl. berol. I. 154.) richtig angiebt, cylindrisch- oblong, auf beiden Seiten stumpf, haben etwa 16 Längsfurchen, zeigen bisweilen eine schief stehende Spitze an einem Ende, den Rest des sehr kurzen Funikulus, besitzen keine Raphe und sind hell schwärzlich- braun. Schon im September 1859 fingen zahlreiche Saamen, die im August des- selben Jahres gesammelt worden und im Zimmer auf feuchter Erde in einem flachen Teller dem vollen Licht ausgesetzt waren, an zu keimen; die jungen Pflänzchen er- hielten sich Winter über und im Frühjahr keimten noch viele andere. Nachdem das Würzelchen aus der Saamenschaale herausgetreten ist, schwillt es dicht über der Spitze rings um zu einem beträchtlichen Wulst an (Taf. VII. Fig. 56). Auf diesem Wulst bilden sich dann zahlreiche, einzellige, lange, sehr zarte Haare, die meist zuerst einseitig (Taf. VH. Fig. 57), später im ganzen Umfange auf dem Wulst auftreten (Fig. 58). Diese Entwicklung eines behaarten Wulstes auf der Grenze zwischen Stamm und W urzel vor der Abtrennung der W urzelhaube , ist eine Eigen- 67 thiimlichkeit die nicht häufig zu finden und bisher so gut wie unbeachtet geblieben ist. Ich fand sie auch bei Naias maior, minor und flexilis, bei Aponogeton dista- chyum, Nuphar luteum, pumilum, advena; bei Nymphaea ist der Wulst an 2 Stellen unterbrochen, bei Victoria und Euryale zeigt er spitzige Aeste. Bei Bulliarda, wie bei den angeführten Pflanzen, tritt die Abtrennung der Wurzelhaube später dicht unter dem Wulst ein; die Wurzel verlängert sich darauf beträchtlich, die Haare des Wulstes sterben allmälig ab; die Wurzel entwickelt, wie bei den meisten ange- führten Pflanzen, ausser ihnen nur sehr wenige Haare bei weiterem Wachsthum, oft gar keine mehr. Die Keimlinge heben die Saamenschaale wie eine Mütze über die Erde empor; endlich sprengen die frei heraustretenden Kotyledonen dieselbe ab. Die Keimlinge sind um diese Zeit nur 1 — 2 Linien im Stamme hoch, mit einem Wür- zelchen , das oft so lang als das Stämmchen ist und selbst 1 — 2 Beiwurzeln an seinem Ursprünge führt (Fig. 41 — 45). Die Kotyledonen sind anfangs eiförmig und liegen ganz auf einander (Fig, 41); grösser geworden stehn sie weit von einander ab und werden eiförmig - oblong , bis fast lanzettförmig -oblong; sie sind den spätem Laubblättern gleich, nur etwas kürzer. Das erste Internodium (Fig. 45) trägt einen zweizähligen Blattquirl auf seiner Spitze, abwechselnd mit den Kotyledonen; auch die folgenden Blätter stehn in zweizähligen abwechselnden Quirlen und sind beim ersten Quirl, wie bei allen übrigen, lineal oder lanzettlich (Fig. 1, Fig. 15, Fig. 46 — 49), sitzend, an der Basis zusammen aufgewachsen1), die Spitze schwach zugespitzt. Wahlenberg (Fl. lapp. p. 54) nennt das Blatt lineal - pfriemenförmig. Dieser Aus- druck ist für das frische Blatt nicht passend, so schmal und dünn ist es nicht. Wahlenherg hat ohne Zweifel nicht nach frischem, sondern getrocknetem Material beschrieben; worauf sein Ausdruck allerdings richtig ist. Der Stamm ist drehrund, die Internodien sind £ — 4 und 5“' rhein. duod. lang. Der Standort der Pflanze ist das der Luft ausgesetzte, dem Wasser zunächst liegende Ufer; da sich der Stand des Wassers aber nicht stets gleich bleibt, so befindet sich die PHanze bald auf dem Trocknen, bald halb oder ganz unter W asser und danach ändert ihre Ge- stalt ab. Wenn sie halb oder ganz unter Wasser steht oder bei reichlicher Feuch- tigkeit zwischen dichtwachsenden aufrechten Pflanzen z. B. Scirpus acicularis, wird ihr Stämmchen bis lf" lang, ja selbst länger, sie gewinnt eine aufrechte Haltung, die Internodien werden länger, Aeste sind selten und nur die Basis des Stammes 1) Ich gebrauche diesen Ausdruck statt des gewöhnlich angewandten „verwachsen“, der verwerflich ist, weil die Bl&tter nie getrennt gewesen sind. 9* 68 liegt meist auf der Erde auf und wurzelt aus den Knoten (Fig. 46 und 47). Diese hohe, aufrechte, schlanke Form ist die, welche Schkuhr (Usteri Annal. 12. Stück. 1794. p. 6. t. I.) als Tillaea aquatica L. betrachtete und für eine eigne Art hielt, da die von ihm kultivirten Pflänzchen sich nie aufrichteten. Fr kannte von der auf- rechten Form übrigens bloss schwedische Exemplare. Steht die Pflanze ausser dem Wasser, ist sie unbehindert durch andere Pflanzen und hat sie Raum zur Ausbrei- tung, so werden die Internodien kürzer, zahlreiche Aeste bilden sich, nur die äusser- sten Spitzen des Stammes und der Aeste richten sich auf, der grössere Theil liegt auf dem Boden und wurzelt aus den Knoten (big. 59, 48, 49); es ist dann die Form, welche Schkuhr als Tillaea prostrata (1. c.) beschrieb und früher als Tillaea aquatica L. (Usteri Annal. 2. Stück 1791. p. 21. t. III.) betrachtete. In regen- reichen Jahren, wie 1860, entwickelt sich die niederliegende, stark verästelte Form besonders schön (Fig. 59); in trocknen, wie 1858, 1859 war sie weniger astreich, klein und kümmerlich (Fig. 48 und 49 Pflänzchen vom Jahr 1859). Beide, Formen die aufrechte und niederliegende, gehen durch mannichfache Mittelgestalten in einander über. Die Stellung der Blüthen lässt sich ohne Verständniss der Bedeutung der einzelnen Stammglieder nicht begreifen und diese geht erst aus der Untersuchung der jüngsten Entwicklungszustände von Bliithen und Stammgliedern hervor. Betrachtet man einen Blüthenstand obenhin, so scheinen die Blüthen meist axillar zu sein (z. B. in Fig. 1, a. und b.), seltner alar, wie der Ausdruck ist, d. h. terminal, indem rechts und links unter der Blüthe aus den Achseln des Blattpaars, über dem sie steht, ein Zweig empor wächst (Tat. VII. big. 15, lat. V. big. 9, B" die alare Blüthe). Kunth (1. c. p. 153) bezeichnete die Blüthen als „axillar und alar“; indess giebt es keine axillaren Blüthen im Sinne Kunth's. Schon fürs blosse Auge scheint die Blüthe oft einen Stamm abzuschliessen , indem neben ihr aus der Achsel eines der beiden unter ihr stehenden Laubblätter ein oft kaum wahrnehmbares ganz kleines Blattpaar empor wächst und in seiner Entwicklung so weit hinter der der Blüthe zurück ist, dass diese als terminal, nicht wie die vorhergehenden Blüthen als axillar erscheint (z. B. in Fig. 1 das ßlattpaar e und f neben der Blüthe a) '). Weitere Untersuchung lehrt, dass dies nicht Schein, sondern die Wahrheit ist. Die beiden oft sehr kleinen Blättchen e und f haben nämlich noch eine Blüthenknospe zwischen 1) Kunth bezeichnet dies Verhältniss mit dem Ausdruck subterminalis , der wegen Halbheit des Begriffs ver- werflich ist, Wahlenberg (Fl. lapp. p. 54) sagt: „flores in axillis foliorum altemi; interdum fasciculo foliorum opposito.“ Ohne Zweifel ist statt des sinnlosen: opposito „apposito“ zu lesen, indem Wahlenberg das Blattpaar zur Seite der obersten Blüthe, das die Knospe birgt, welche den Stamm weiter führt, meint. 69 sich (Taf. VII, Eig. 1 bei g) und ihr zur Seite steht noch ein ganz kleines Blatt- paar. Untersucht man dies genauer (Fig. 50), so sieht man, dass zwischen den beiden Blättchen deutlich in der Mitte und deutlich den Zweig beschlissend noch eine Blüthenknospe , die erst in der Anlage begriffen ist und oft noch keine Kar- pelle besitzt, sich befindet (Fig. 50 ß) und dass dieser zur Seite in der Achsel des Blatts b' eine Knospe (Fig. 50 t) vorhanden ist, in Bezug auf welche nicht der geringste Zweifel sein kann , dass sie nicht terminal , sondern axillar ist. Diese kleine Knospe ist von der Seite geselm schmäler, als von vorn d. h. als von der Fläche des Blatts b'. Sie hat im frühesten Zustande gar kein weiteres Organ auf sich, sondern ist bloss, von der Seite des Blatts b, aus betrachtet, ein abgerundetes Höckerchen ( P’ig. 51). Später erscheint auf ihr seitlich rechts und links eine kleine Erhabenheit, ein Blatt (Fig. 52 b und b') und ihre Mitte entwickelt sich zur Blüthen- knospe (Fig. 52 B), die also schon angelegt ist, wenn, wie in Fig. 52, noch keine Spur eines axillaren Zweiges neben ihr da ist. Die Blütlie bescliliesst also jedes- mal die Axe, nachdem diese 2 Laubblätter gebildet hat und ein axillarer Trieb aus der Achsel eines derselben übernimmt die Fortsetzung des Stammes; dieser ist mithin ein Sympodium. Die Glieder desselben sind alle einander gleich , jedes trägt 2 Blätter, die zugleich Vorblätter sind und schliesst mit einer Blütlie ab; der Blüthenstand, der fast allein das ganze Pflänzchen bildet, ist eine einfache Wickel, hie und da ein Dichasium , das jedoch nach einmaliger Gabelung sogleich in die einfache W ickel übergeht. Bringen beide Vorblätter unter einer Bliithe einen Zweig, so bleibt einer oft in der Entwicklung zurück, indem er es nicht über das erste Glied des Sympo- diums bringt, während der andere Spross nach Spross entwickelt und sich kräftig ausbildet; so die beiden Aeste a und b Taf. V Fig. 6. Auffallend ist es, dass die Blütlie in der Richtung der Mediane der beiden unter ihr stehenden Blätter stets zusammengedrückt erscheint und zwar so stark, dass ihre beiden Durchmesser, der mediane und der seitliche, sich verhalten wie 3 : 4. Dies Zusammengedrücktsein der Bliithe findet statt, sowohl wenn sie scheinbar axillar, als wenn sie alar ist; vergl. die Schemata Taf. V. big. 8 und 9 und den Querschnitt Taf. VII big. 16, der mit Nachet’s Prisma genau nach der Natur gezeichnet ist. Die beiden Blätter, zwischen denen die Blütlie sich entwickelt, haben offenbar diese Verringerung des einen Durchmes- sers durch Hemmung der Entwicklung in der Richtung , in der sie selbst stehn, bewirkt. Selten kommt es vor, dass ein Sympodialglied vor seinem Abschluss durch eine terminale Bliithe mehr als ein Blattpaar trägt; mehr als 2 Paare habe ich jedoch nie an einem in der Mitte eines Sympodiums bemerkt; 2 Blattpaare trägt z. B. das 70 6. Sympodialglied auf Taf. V. Fig. 4. Nur der ersten Blüthe des jungen Pflänzchens gehen ausser den Kotyledonen 4 Blattpaare (Taf. VH. Fig. 60) voraus. Jedoch habe ich bei der niederliegenden Form auch an den unteren Aesten des Hauptstammes 2 — 4 Blattpaare bemerkt, ehe der Ast blüht. In Bezug auf den Ursprung des Sympodialgliedes existirt kein Gesetz, ja nicht einmal ein häufigerer Fall. Es entsteht die neue Axe bald aus der Achsel des rechten, bald aus der des linken der beiden Vorblätter. Ich untersuchte 23 Fälle genau, deren einige Taf. V. Fig. 3, 5, 6, 7 darstellen. Bei diesen Figuren ist jedoch aus Mangel an Raum die Aufnahme in der Form gemacht, wie die Verhältnisse erscheinen; die Darstellung der Schemata in deutlicherer Sympodialform würde zu viel Raum erfordert haben, Ueber 9 Glieder zählte ich in keinem der sympodialen Blüthenstände; meist waren ihrer weniger. Aeste sind bei der aufrechten Form sparsam (Taf. VH. big. 46 und 47), bei der niederliegenden besonders im untern Theil reichlicher, oft sehr reichlich (Fig. 59). Auszweigung findet meist nur aus der Achsel eines der Blätter eines Paares statt, besonders bei der aufrechten Form und an den Zweigspitzen der niederliegenden. Seltner ist es bei der aufrechten Form, dass beide Achseln des zweizähligen Blatt- quirls einen Ast tragen (Fig. 15, a, b); jedoch ist dies der gewöhnliche Fall bei den untern Blattpaaren der niederliegenden Form. < )ft entwickelt sich besonders bei der aufrechten Form erst nachträglich, nachdem das Blatt schon abgefällen ist, aus der Achsel eines solchen, das anfangs keinen Ast zeigte, noch ein kümmerlicher Zweig (Taf. Vll. Fig. 46, 47), der es meist nicht mehr zur Blüthe bringt. Bei der niederliegenden Form werden die an sich schon zahlreichen Aeste, — selten tragt ein Blatt am untern Stammtheil keinen Ast — noch durch accessorische Sprosse in absteigender Ordnung vermehrt, jedoch sah ich nie mehr als einen der Blattachsel entspringen. (Fig. 5:9 a, a', a accessorische Zweige; z, z , z' Hauptzweige). An manchen Keimlingen sah ich aus der Achsel eines Kotvledons sich einen Ast ent- wickeln, während bei andern die Achseln der Kotyledonen keinen Ast trugen. Die Basis des Laubastes hat ebenso wenig als die Pflanze sonst irgend wo Niederblätter und fängt gleich mit einem zweizähligen Quirl gewöhnlicher Laubblätter, welche seit- lich stehn, an (Taf. V. Fig. 4 und 6). Von den 4 unterständigen Kelchblättern sind die beiden untern (Taf. VH. Fig. 16,) grösser als die beiden medianen, das Wort wie vorhin genommen, «lecken diese am Rande und stehn abwechselnd |mit dem vorhergehenden zweizähligen Laub blattquirl, der die Stelle der Vorblätter einnimmt. Alle 4 sind kurz dreieckig (Taf. VII. Fig. 2, 3, 4) und 71 stumpf, die medianen weniger als die unteren; ihr oberer Rand ist unregelmässig schwach gezahnt. Alle vier Kelchblätter hängen an der Basis zusammen und lösen sich leicht als ein Stück in Verbindung |mit der Rinde des sehr kurzen Blüthenstiels ab. Der Blüthenstiel ist meist so kurz, dass die Blüthe sitzend erscheint, höchstens sah ich ihn | so lang als die Blüthe und zwar an einem Exemplar- des herb. Willd. JVs 3 216. Wenn Willdenow (Sp. pl. 720), Hornemann (Fl. dan. IX p. 4) und Andere in der Diagnose von Tillaea prostrata Schkuhr angeben: flores pedunculati, pedunculis folio brevioribus, so ist diese Charakteristik nicht treffend, weil sie von der Länge des Blüthenstiels, der meist kaum wahrnehmbar ist, eine zu grosse Vorstellung erweckt. Mit den 4 Kelchblättern abwechselnd stehn 4 fast elliptische, oblonge, stumpfe, oben unregelmässig gezähnelte, weissliche, ungestielte Blumenblätter (Fig. 5, 0 und 7), die stets den Karpellen anliegen und oben auch zur Zeit des Bliiliens zusammengeneigt sind; erst durch Anschwellung der Germina tritt eine Üeffnung der Blüthe ein, die aber nur ein Auseinandergedrängtwerden der Blumenblätter und Staubfäden ist. Zur Zeit der Blüthe ragen die Blumenblätter wenig über die Kelchblätter hervor; nach der Befruchtung jedoch, wenn die Oeffnung eintritt, vergrössern sich die Pe- tala etwas und sind dann doppelt so lang oder länger als die Kelchblätter (Taf. VII. Fig. 1 B. nach der Befruchtung; Fig. 2 und 3 zur Bliithezeit). Abwechselnd mit den 4 Blumenblättern stehn 4 Staubfäden mit fadenförmigen Filamenten (Fig. 9) und nierenförmigen, oben und unten ausgerandeten Staubbeuteln , die nur zwei Fächer haben (big. 31 und 32). Der Querschnitt gelang mir zwar nie, aber die ganze Anthere ist so durchscheinend, dass man unter dem Mikroskop durch Drehung und Aufrichtung derselben deutlich sieht, dass nur 2 Fächer da sind und dass nur etwa 5 Pollenkörner, von einem Querschnitt, durch die Anthera gelegt gedacht, in jedem Fach getroffen werden (Fig. 32). Dass die Anthere nur 2 Fächer hat, ist allerdings auffallend, da zweifächrige Antheren meist nur da Vorkommen, wo eine Theilung des Staubblatts eintritt, wie bei ( orylus , Adoxa, Althaea u. A. Die Staubblätter sind kürzer als die Blumenblätter und überragen die Kelchblätter wenig. Zur Zeit des Blühens sind sie eingeschlossen, nach der Befruchtung sind sie jedoch auch von Aussen in den Lücken zwischen den Petalis sichtbar (Taf. VR. Fig. 1). Die An- theren springen bei völlig geschlossener Blüthe mit 2 Längsrissen auf der innern Seite auf. Vor dem Aufspringen sind da , wo die Längsrisse entstehen , zwei leichte Furchen (big. 31 und 32 a und b); zwischen diesen beiden Furchen liegt noch eine mittlere (Fig. 31 und 32 c). Da das Aufspringen der Antheren bei geschlos- sener Blüthe eintritt, scheint diese darauf eingerichtet zu sein, sich unter Wasser 72 zu befruchten. Dann folgen abwechselnd mit den Staubblättern 4 sterile fadenför- mige Organe, den Blumenblättern gegenüber, die etwa f so lang als die Filamente sind (Fig. 8, 10 und 16 st), die mir einen unfruchtbaren Staubblattkreis darzustellen scheinen, woher ich sie Staminodien nennen will; ich bemerkte keine Abscheidung von Nektar auf ihnen. Die Blumenblätter, Staubfäden und Staminodien stehn auf dem Receptakulum , die Blumenblätter nicht auf dem Kelch, oder die Staubfäden auf den Blumenblättern. Die Bezeichnung von Endlicher (Gen. 4607): stamina peri- gyna, die er im Charakter von Tillaea gebraucht, zu welcher Gattung er Bulliarda als Abtheilung rechnet, passt daher nicht auf Bulliarda. Den Staminodien gegenüber stehn dann 4 Fruchtblätter (Fig. 16 k) ‘). Die ganz freien Fruchtblätter -) sind oblong (Fig. 17), auf dem Rücken gerundet, auf dem Bauche mit mässig scharfer Kante verselm, ohne Sty- lus; das Stigma, eine kleine Spitze auf der Bauchseite des Fruchtblatts sitzend, besteht nur aus wenigen, halbkugelig hervorragenden Papillen (Fig. 18). Alle 4Germinasind zurZeit der Blüthe mit der Spitze zusammengeneigt; erst allmälig mit der Saamenreife biegt sich die Spitze zurück und die Bauchnaht wendet sich nach oben (Fig. 1 und 36). Jedes Fruchtblatt bildet eine Höhlung; die Saamenknospen stehn längst der ßauchnaht am Rande des Fruchtblatts in zwei Reihen (Fig. 16, 27 u. 35); ich fand 5 — 13 Saamenknospen auf einem Fruchtblatt. Ihr Funikulus ist ganz kurz, sie sind anatrop mit 2 Integu- menten (Fig. 25,27). Die Frucht (Fig. 19, 36, 37) besteht aus 4 braunen Bälgen (folliculi). Die Bauchseite ist stark gewölbt und wenig gekielt; die ehemalige stigma- tische Spitze, welche früher auf der Bauchseite lag, ist durch deren Anschwellung auf den Rücken geschoben. Die Balgkapsel springt auf der Bauchnaht auf und die sehr kleinen Saameu zeigen sich theils los, theils noch an der Seite des Balges an- geheftet zu 5 — 13 in der Höhlung desselben. Schkuhr (1. c. U. Stück, S. 21) giebt 8 Saamen in einem Balg, Kunth (1. c.) gar nur „sub 6“ an. Die Pflanze ist eine einaxige. Der Stamm ersten Grades endet nach 4 Blatt- paaren, die auf die Kotyledonen folgen mit einer Blüthe (Fig. 60), wie ich dies an mehreren Keimlingen sah. !) Ich gebe nur die Thatsachen. Ob die Staubblätter vor dem Kreise der Staminodien stehn oder umgekehrt, wo ein Kreis ausgefallen sei. ob ein äusserer mit den Blumenblättern wechselnder oder ein innerer zwischen Staraino- dien und Karpellen, darüber scheiuen mir erst weitere Untersuchungen nöthig, um den Widerspruch zu beseitigen, in dem Braun’s Ansicht (Verjüngung S. 100), dass bei den mit doppeltem Staubladenkreise versehenen Crassulaceen ein äusserer zwischen die Blumenblätter fallender Kreis geschwunden sei und Payer’s Angabe (Organogr. v^gdtal. p. 366) stehn, dass der mit den Blumenblättern abwechselnde Staubfadenkreis früher aultrete, als der ihnen gegenüberliegende. 2) Die „Kapsel“ viertheilig zu nennen und die Pflanze unter die Ordnung Monogynia zu rechnen, wie Karsch (Phanerogamenflora der Provinz Westphalen S. 203) ^thut, [ist eben so imrichtig, als die Breite des Blatts auf „kaum 2/f/ “ anzugeben, wie cs am angeführten Ort geschieht, da es kaum J'" breit ist. 73 Die Pfahlwurzel ist von kurzer Dauer , wie die Wurzeln der Balliarda überhaupt. Neben der Pfahlwurzel , oben an ihrem Ursprünge , zeigen sich bald ein bis zwei Adventivwurzeln bei den Keimlingen. Blühende Pflanzen haben von der Pfahlwurzel nichts mehr; im Sommer und besonders im Herbst findet man auch selbst nichts mehr vom untern Theil des Stammes ; er ist verwest und verschwunden ; aber die Pflanze liegt mit ihrem untern Theil auf und wurzelt aus den Knoten. An jedem Knoten sind 1, 2, 3 ja 15 kleine unverzweigte Wurzeln, die etwas über der Blattnarbe aus dem Knoten entspringen; sie sind nur \ — k Zoll lang. Die Spitze der Wurzelhaube ist massig spitz und ganz fest ohne Reste verwester Zellen. Glied für Glied des Stammes stirbt jedoch von unten her ab und mit den Gliedern auch die Wurzeln, die daran sitzen und neue Wurzeln treiben aus den folgenden Knoten, die Pflanze ist also kriechend und durch Anwurzeln der Aeste an ihrer Basis und Absterben des Stammes, der sie trägt, können aus einer Pflanze mehrere neue isolirte entstehen. Die morphologischen Verhältnisse von Bulliarda aquatica sind im Vergleich mit denen vieler anderer Crassulaceen durch Armuth ausgezeichnet. Während die mei- sten Arten von Sedum, Sempervivum, Crassula reichliche Laubblätter und davon an Gestalt abweichende kleinere Vorblätter an den Blüthenzweigen haben, hat Bulliarda aquatica keinen Unterschied zwischen Laub- und Vorblättern. Das Scheinaxenglied hat nur 2 Blätter, die Vorblätter und Laubblätter zugleich sind und eigentliche Laubblätter, die nicht zugleich Vorblätter sind, giebt es bei der aufrechten Form nur etwa 3 — 4 Paar an der Hauptaxe über den Kotyledonen und ausnahmsweise hie und da noch ein einzelnes Paar an einem Scheinaxengliede oder einige (2 — 4 Paar) an einem der untern Aeste des Hauptstammes bei der niederliegenden Form. Auch der Blüthenstand von Bulliarda aquatica zeigt Armuth , da er es gewöhnlich nicht über die einfache Wickel hinaus bringt und nur selten hie und da einen Ansatz zu einem Dichasium hat. Wie viel reichblüthiger ist nicht Bulliarda trichotoma, die mit ihren zahlreichen Dichasicn eine dichte Cyme bildet! Bulliarda Vaillantii blüht und verzweigt sich ebenso, wie Bull, aquatica, der sie in Bezug auf die morpholo- gischen Verhältnisse ganz gleich zu sein scheint, obwohl mit häufigerem Vorkommen von Gabelwickeln. Morphologisch noch ärmer als Bull, aquat. und Vaill. ist freilich Sedum stellatum nach Wydler (Flora 1860 S. 379), bei welcher Pflanze der. ganze Blüthenstand sich auf eine einzelne Wickel beschränkt; am ärmsten vielleicht Petro- phyes Monanthcs (Sempervivum Mon. Ait.). Während manche Crassulaceen z. B. Sedum acre L., hexangulare L. deutlich das 1. und 2. Vorblatt durch deren ver- schiedene Höhe erkennen lassen, ist dies bei Bull, aquat. und Vaill. nicht möglich, 10 74 da beide Vorblätter gleich hoch sind. Bei vielen Crussnlaceen ist es deutlich, dass die Auszweigung bei der Wickel aus dem 2. Vorblatt statt findet, bei Bul- liarda lässt sich darüber nichts angeben, weil die Vorblätter nicht unterschieden werden können; da die Scheinaxenglieder aber bei Bulliarda aquat. ganz unregel- mässig entspringen , so wechselt entweder die Richtung der Spirale der V orblätter sehr, oder der Ursprung des Scheinaxengliedes findet nicht stets aus dem 2. Vorblatt statt, oder es ist beides der Fall. Während bei andern Crassulaceen , z. B. den genannten Arten von Sedum aus der verschiedenen Grösse der Kelchblätter die Ord- nung derselben deutlich erkannt werden kann und sich ergiebt, dass die Blüthen hinten umläufig nach dem langen Wege sind, kann eine solche Bestimmung der Reihenfolge der Organe der Blüthen bei Bull, aquat. aus Mangel an Anhaltspunkten nicht unternommen werden1). Die Entwicklungsgeschichte erweist jedoch, dass der 1) Um die morphologische Stellung von Bull, aquat. in Bezug auf den Blüthenstand unter den übrigen Cras- sulaceen klarer zu machen, füge ich folgende Uebersicht der Blüthenstände der Crassulaceen, welche ich untersuchen konnte, bei, indem ich zugleich einige Mittheilungen von A. Braun benutze und auf die werthvollen Angaben über die morphologischen Verhältnisse der Crassulaceen von Wydler (Linnaea XVII. 171; Flora 1851. S. 371 ff.; 1860. p. 376) verweise. I. Hauptaxe unbegrenzt. 1. Die Hauptaxe schliesst mit einer gestauchten Laubrosette ab. Ein oder mehrere Seitenzweige tragen den Blüthenstand. a. Einfache Wickeln bilden an einem untern Zweige 2. Grades eine Rispe: Echeveria gibbiflora DC. b. Dichasien bilden ein Cyma: Aconium eruentum Webb. c. Der Blüthenstand der Seitenzweige ist eine Aehre mit Gipfelblüthe ohne Auszweigung aus den Vor- blättem: Echeveria coccinea DC., nach A. Braun’s Mittheilung. 2. Unten an der Hauptaxe dicht stehende Laubblätter, oben eine einfache Traube ohne Gipfelblüthe: Umbi- licus pendulinus DC. Bei einigen sehr kräftigen Exemplaren des hiesigen botanischen Gartens traten im untern Theil der Traube, statt der einfachen Blüthen, wieder Trauben ein, welche jedoch mit einer Gipfelblüthe schlossen, die zuerst blühte. Diese Gipfelblüthen der Axe zweiten Grades waren özälilig, oft aber 6 und 7zählig. Eine hatte 7zählige Kelch-, Blumen- und Staubblätter, aber sechszäh- lige Staminodien und Karpelle. 3. „Die Hauptaxe ist durchaus gestreckt und trägt bloss Laubblätter, in deren Achseln die Blüthen sitzen, entweder einzeln, d. h. ohne Auszweigung, oder in kleinen Büscheln (Cymen) durch Auszweigung aus den Vorblättern: Tillaea muscosa L.“ A. Braun brieflich. n, Hauptaxe begrenzt. 1. Blüthenstand durch einfache Wickeln oder durch Dichasien gebildet, die nach einmaliger Dichotomie in Wickeln übergehn : a. Die Blüthenäste entspringen in den Achseln der obem Laubblätter auf ungleicher Höhe; jedoch stehn die Blüthen ungefähr gleich hoch: Corymbus. Bei kräftigen vielblüthigen Exemplaren sitzen unter dem Corymbus noch tiefer stehenden Blüthenäste traubig , obgleich die Elemente des traubigen Theils nicht einzelne Blüthen, sondern gleichmässig ansgebildete Wickeln sind: Sedum album L., hybridum L., pulehrum Mchx., Ewersii Ledeb. b. Die Blüthenäste entspringen aus dem obem Stammtheil in verschiedener Höhe und die Blüthen stehn in ungleicher Höhe ihrem Ursprung analog in traubiger Form — den Ausdruck Traube genommen. 75 Kelch nicht wie die übrigen Blattkreise der Bliithe, vierzählig entsteht, sondern von zwei nach einander auftretenden, zweizähligen Quirin gebildet wird, von denen der mit den Vorblattern abwechselnde der frühere und untere ist , wie sich dies auch aus dem Deckungsverhaltniss (S. 70) der Kelchblätter vermuthen liess. Die Blumen- blätter decken sich auch mit ihren Rändern auf der Spitze, jedoch ohne Regel, wie mir schien. Anatomisches. Ich beginne mit der anatropcn Saamenknospe (Taf. VII. Fig. 25). Sie ist unter Wasser, besonders aber unter Kali so durchscheinend, dass ihr Bau ohne Längs- schnitt, der wegen ihrer Kleinheit schwerlich gelingen dürfte, hinlänglich erkannt werden kann. Die Integumente besitzen 2 Zelllagen. Den Embryosack fand ich in ganz geschlossener Bliithe, deren Antheren noch nicht aufgesprungen waren, elliptisch mit einer Keimzelle — mehr nahm ich nicht wahr — an seinem Mikropyleende; vom Kern war nur noch eine Zelllage, die den Embryosack gegen die Mikropyle zu begrenzte, erhalten. Der dünne Funikulus zeigte keine Spur eines Gefässes, ja nicht einmal ein Leitzellenbündel, alle seine Zellen bestehen aus Parenchym dessen Zellen ll — 2 mal so lang als breit sind. Der Saamen zeigt von den 4 Zelllagen der Integumente nur die beiden obersten, welche braun geworden sind und wegen Verschrumpfung schwer ihre Zellen erkennen lassen. Die andern 2 Zelllagen sind ganz verzehrt oder als unkenntliche Reste vor- handen. Die untere der beiden erhaltenen Schichten hat kurze, parencliymatische Zellen mit nicht buchtigen Wänden, die obere hat lange Zellen, die 7 — 10 Buchten auf jeder Seite haben (Fig. 21). Am Würzelchen findet sich ein Rest von Albumen, aus einer einzigen Schicht bestehend (Fig. 22 und 23 a, a.), welche deutliche Zellen mit farblosen Wänden und körnigem, farblosen Inhalt erkennen lässt. Das Embryum wie vorhin — ; die obersten Blütkenäste bisweilen mit Hinneigung zum Corymbus : Sedum cruciatum Desf., pallidum MB., acre L., hexangulare L.« Sempervivum tectomm L., soboliferuin Sims. c. Blüthenstand doldenartig. Die Blüthenstände entspringen in gleicher oder fast in gleicher Höhe zu 3 oder 4; im letztem Fall in zweizähligen Quirlen: Sedum ibericum Stv., kamtschaticum Fisch., altissimum Poir., reflexum L., nebst var. collinum DC. Bei kräftigen Exemplaren treten unter der Dolde noch einige Wickeln in traubiger Ordnung auf: Sedum aizoon L. d. Blüthenstand eine einfache Wickel, oder seltner ein Dichasium, welches nach einmaliger Gabelung in ein- fache Wickeln übergeht, die hie und da abermals einen Ansatz zu einem Dichasium machen: Bulliarda aquatica DC., Vaillantii DC. 2. Blüthenstand eine Cyma, gebildet durch Dichasien: Bulliarda trichotoma Eckl. et Zeyh., Crassula glomerata L., coccinea L., Sedum Telephium L. 10* 76 ist cylindrisch, die Kotyledonen gleich gestaltet, kurz und dick, halb so lang als das Stämmchen mit dem Würzelchen (Fig. 22 und 23). Von der Plumula ist nichts entwickelt; an ihrer Stelle ist nur eine flache Erhabenheit mit 2 — 3 Zellen über ihrer Wölbung (Fig. 23) vorhanden. Ein Strang zarter, kleiner Zellen durchzieht die Mitte des Stämmchens , spaltet sich unter der Anlage der Plumula und entsendet einen Arm in jeden Kotyledon (Fig. 23). Die Rinde des Stämmchens ist, wie aus den Zeichnungen (Fig. 22 und 23) sich ergiebt, nur drei Zelllagen dick. Der Kambialstrang hört 3 Zelllagen vor der Wurzelspitze auf; die Wurzelhaube ist der Anlage nach da; statt der dicken Epidermis des Stämmchens treten da, wo die Wur- zelhaube anfängt und wo sie sich bei der Keimung ohne Zweifel loslöst, zwei Zelllagen, beide zusammen der Epidermis des Stämmchens an Dicke gleich, ein. (Fig. 22, 23 und 24; w und w treten statt der Epidermis: e ein). Die Zellen des Embryum sind mit undurchsichtigen Proteinstoffen dicht erfüllt; concentrirte Zucker- lösung macht sie jedoch durchsichtig und die Wände deutlich erkennbar. Sowohl die Pfahl- als Adventivwurzel zeigt eine dünne nur aus 2 Zelllagen bestehende Wurzelhaube. Da ihre Spitze nichts von zersetzten Zellen zeigt, ergänzt sie sich wahrscheinlich nicht, wie sich das bei einer so kurzen (nur bis langen) und nur für geringe Lebensdauer bestimmten Wurzel vermuthen lässt. Ein sehr dünner Gefässbündelstrang , aus Leitzellen und zwei Ringgefässen bestehend — ob Durchbohrung der Querwände da ist, habe ich übrigens nicht untersucht — finden sich im Centrum der Wurzel. Etwas über der Spitze sind hie und da einzelne Wurzelhaare, die nur in Menge bei der Keimung rings um die Wurzel an der Grenze zwischen Stamm und Wurzel auf dem erwähnten Wulst, später aber an allen Wurzeln spärlich, auftreten. Der Stamm der erwachsenen Pflanze zeigt im Querschnitt (Fig. 28) eine sehr dicke Rinde , die mit Epidermis bedeckt ist , welche aus langen Stumpfzellen (Breite : Länge = 1 : 6 — 10) besteht. Hier und da finden sich im obern Drittel des Internodiums dicht unter jedem Knoten einige Stomata, gebildet von zwei kleinen Spaltöffnungszellen, von 3 grossem Zellen, die zusammen einen elliptischen Umriss haben, umgeben (Fig. 33). Diese Spaltöfinungszellen sind ganz wie die des Blatts gestaltet. In der Rinde zeigt sich ein strahliger Kreis von Längsluftgängen (Fig. 28), etwa 10, getrennt unter sich und von der Epidermis durch eine Lage von Zellen. Die Rindenzellen, besonders die äussern und die des jüngern Stammes, enthalten viel Chlo- rophyll. Das Centrum des Stammes nimmt ein dünner Gefässbündelstrang (Fig. 29) ein, der zwei undeutliche Gruppen von Gefässen zeigt, die grösstentheils ringförmige, 77 selten hie und da spiralige Verdickungen haben. Die Enden ihrer Zellen legen sich mit kurzer, schiefer Abstutzung an einander. Die Durchbohrung der Querwand ist schwer wahrzunehmen, jedoch sehr deutlich an Zellen, die nach Maceration in chlorsaurem Kali und Salpetersäure, isolirt sind. Die Durchbohrung ist ein elliptisches Loch mit stark verdicktem Rande. Fig. 54 stellt zwei Gefässzellen von der Seite gesehen dar, in welcher Stellung das Loch: 1 selten sichtbar ist; Fig. 53 stellt die Berührungsfläche zweier Gefässelemente von oben gesehen dar; das Loch 1 tritt deutlich hervor. Fig. 55 zeigt das isolirte Ende eines Gefässelements mit dem ellip- tischen Loch. Die Gefässelemente sind im Internodium sehr lang, dagegen sein- kurz, dick und eiförmig in den Knoten. Die Gefässe haben nach aussen, zur Seite und zwischen sich zarte, lange Zellen, mit graulichen, feinkörnigen Proteinstoften erfüllt. Obgleich die zwischen den Gefässbündeln befindlichen der Lage nach als Mark zu betrachten sind, zeigen sie im Bau und Inhalt von den nach aussen lie- genden keinen Unterschied. Holz, Bast, Mark sind hier bloss der Lage, nicht dem Bau nach verschieden. Ausser den ring- oder spiralförmig verdickten Gefässzellen besteht alles andere Gewebe des Gefässbündels aus Leitzellen (vergl. Pringsheim’s Jahrbücher I. S. 382). Das centrale Gefässbündel ist von einer einzigen Lage dicht an einander schliessender stumpfer kurzer Zellen : a — a Fig. 29 umgeben, von mir S cli u tz- sclieide (in Pringsheim’s Jahrbüchern 1. S. 441) genannt. Je 2 Zellen der Schutz- scheide zeigen zwischen sich auf einem senkrecht auf die Längsaxe des Stammes ausgeführten Querschnitt einen undeutlichen, dunklen Fleck. Etwas schiefe Schnitte offenbaren jedoch deutlich die Ursache dieses dunkeln Flecks; die Seitenwand ist in der Mitte mit einer Reihe über einander liegender kurzer linealer Poren (Fig. 30) versebn. Sichtbar sind sie besonders, nachdem die Schnitte einige Tage in Zucker- lösung gelegen haben. An den Knoten hören die Luftgänge der Rinde auf; es tritt quer durch die Breite des Stammes ein dichtes Parenchym ein. Ein einziger Ge- fässbündelstrang geht als Zweig des centralen Gefässbündelsystems im Knoten in jedes Blatt. Das Laubblatt hat eine Epidermis auf der untern Seite, welche von der der obern Seite etwas verschieden ist. Die Zellen der Epidermis der untern Seite (Fig. 33) sind länger gestreckt in der Richtung der Längenaxe des Blatts ,- nicht gebuchtet. Die der obern Seite sind breiter und vielbuchtig (Fig. 38). Auf beiden Seiten finden sich zahlreiche Stomata, ganz gestaltet, wie die des Stammes. Die beiden Spaltöffnungszellen sind viel dünner, als die daran liegenden Epidermiszellen und befinden sich auf der Aussenseite des Blatts mit ihnen in einer Ebene (Hg. 39). 78 Das Parenchym des Innern des Blatts besteht aus kugligen oder kurz cylindrischen Zellen, deren Länge die Dicke und Breite kaum übertrifft. Alle Zellen enthalten Chlorophyll, die innern etwas weniger, als die äussern. Senkrecht auf der Blatt- fläche stehende Chlorophyllzellen, wie sie den meisten Blättern eigen sind, fehlen gänzlich. Die Intercellularräume sind reichlich mit Luft gefüllt, ohne das Luft- gänge da sind. Der einzige Gefässbündelstrang, welcher ins Blatt eintritt und aus Leitzellen und Ringgefässen, 3 — 5, besteht, bildet gleich nach seinem Eintritt rechts und links einen Zweig, der im Bogen vom mittleren Strange abgeht und blind endet. Der Querschnitt durch die Mitte des Blatts zeigt mithin 3 Gefässbündel (Fig. 34). Bemerkenswerth ist es, dass das primäre Gefässbündel mit einer starken Verbreite- rung unter der Spitze des Blatts endigt, indem statt der 3 — 5 Ringgefässe, ein Büschel von 11 und mehr gebildet auf seiner Spitze vorhanden ist (Fig 40). Den kurzen Blüthenstiel durchzieht ein einziger Strang von Gefässen, der sich auf seiner Spitze in 4 theilt, die in die 4 Kelchblätter gehn, in jedes einer. Jeder dieser 4 Stränge enthält nur 2 — 3 Ringgefässe, durchzieht das Kelchblatt unver- zweigt bis über die Mitte und endigt blind. Die Epidermis der Kelchblätter hat am Rande derselben Zellen mit geradlinigen Wänden, auf der Mitte der Kelchblätter jedoch sind die Wände buchtig. Einzelne Stomata finden sicli sowohl auf der Innen- ais Aussenseite; sie sind beschaffen, wie die des Blatts. Die Kelchblätter sind 5 Zell- lagen dick, die äussern und innern enthalten als Epidermis kein Chlorophyll, das sich in den innern findet. Die Blumenblätter bestehen nur aus zwei Lagen lang- gestreckter Zellen ohne körnigen Inhalt, deren Breite : Länge = 1 : 3 — 5. Ein unverzweigter, dünner Strang Leitzellen durchzieht die Mitte der Blumenblätter; ringförmige Verdickungen fehlen dem Strange; Stomata sind nicht auf den Blumen- blättern vorhanden. Die Antheren besitzen eine schwer erkennbare, bloss mit farblosem Saft erfüllte Epidermis, deren Zellen keine Verdickungen zeigen (Fig. 14, e — e) und die nur deutlich im Blüthen gesehn werden kann, deren Antheren noch sehr fern vom Auf- brechen sind; sie besteht aus flachen polygonalen Zellen, deren Länge und Breite nicht von einander abweichen. Darunter liegt auf den sich zurückschlagenden Klap- pen nur noch eine Schicht Verdickungen f ührender Zellen , die i bis 2 mal so lang als breit und sechseckig sind; bei Einstellung auf die Mitte ihrer Tiefe, gewähren sie einen Anblick, wie Fig. 12: man sieht an ihren Seitenwänden eine Reihe von Verdickungen, die im Profil wie Punkte erscheinen, aufsitzen; von der Seite gesehn, zeigen sie Streifen (Fig. 14 d — d ). Die eigentliche Natur der Verdickungen wird 79 klar, wenn man die Schicht mit concentrirter Schwefelsäure behandelt, welche die Zell- wand zerstört und nur die Verdickungen, welche verholzt sind und der’ Schwefelsäure länger widerstehn, zurücklässt. Durch Hin- und Herscliieben des Deckglases werden die Verdickungen frei und man erkennt sie nun als zusammenhängende kantige Stücke, die entweder als vollständige Ringe die Zelle im ganzen Umfange oder als Ring- bruchstücke von | Umlauf nur einen entsprechenden Theil der Zelle umgehen (Fig. 13). Der Pollen ist äusserst klein und kuglich und zeigt 3 dünnere Stellen (Fig. 11)? die sich bei Behandlung mit Schwefelsäure oder Citronenöl als 3 eingefallene, über den halben Umfang des Korns sich erstreckende Gürtel zeigen. Das Filament und die Antheren haben wie die Blumenblätter keine Gefässbündel , sondern nur einen dünnen Strang von Leitzellen, der den Staminodien, die nur aus langem Parenchym bestehn (Fig. 10 und Fig. 26 Querschnitt), ganz fehlt. Die Karpelle sind 3 Zellagen dick, deren äusserste und innerste als Epider- mis kein Chlorophyll enthalten, wie die mittlere. Nur am Rande, d. h. an der Pla- centa, ist das Karpell vier Zelllagen dick. Auffallend ist es, dass in der Placenta sich kein Gefässbündelstrang findet, ja die Karpelle scheinen selbst keinen Leitzellenstrang zu besitzen. Die Zellen der Placenta sind nur kurz, sehr klein und zart und enthal- ten zum Theil Chlorophyll. Die Gefässe sind in der ganzen Pflanze sehr wenig ent- wickelt, da der Stamm es über Ringgefässe, die nur hie und da Stücke von Spira- len enthalten, nicht hinausbringt, aber es ist auffallend, dass gerade die Placenta und der Funikulus keine Gefässe entwickeln, da diese doch im Stamm, Blatt und in den Kelchblättern sich finden und sie in andern Pflanzen, deren Gefässsystem keine Verdickungen bildet oder in denen die Gefässe später verschwinden, doch im Funikulus und in der Placenta auftreten, wie bei Elodea canadensis (Botan. Zeitung 1858. S. 316. Taf. IX. Fig. 17) bei Lemna trisulca L., wo Schleiden das Vorkom- men von Gef ässen „in der Wand des Ovariums und in der Raphe (letzteres auch bei Lemna minor) “ zuerst nachwies (Schleiden in Linnaea XI. S. 530; Beiträge S. 215), was ich für beide Arten bestätigen kann. Bei Lemna trisulca fand ich auch ein wenig entwickeltes Ringgefäss in der Basis und in der Spitze des erwach- senen Filaments und im Karpell waren sogar einige Umläufe von Spiralen zu er- kennen. Auch bei Lemna gibba fand ich im dicksten Theil des Karpells und in der Basis und Spitze des Filaments mangelhaft entwickelte Ringgefässe , deren Verdickun- gen oft nur aus Ringbruchstücken bestanden. Spiralen sah ich bei Lemna gibba nicht. Bei Lemna minor beobachtete ich ausser im Funikulus und in der Basis der Raphe der hemianatropen Saamenknospe auch in der Basis und Spitze des Filaments 80 solch ein unvollkommenes Ringgefäss. Bei Naias flexilis ( Pringsheim’s Jahrbücher I. S. 505) fand ich im Grunde des Funikulus ein schwach entwickeltes Ringgefäss. P hysiofogisches. In erwachsenen älteren Pflanzen bilden die Gefässe des Stammes, des Blatts, der Blüthe und Aeste nebst denen der Wurzeln ein zusammenhängendes System; ob aber das Gefässbündel des Blatts nicht dennoch in seinen ersten Anfängen ein iso- lirtes ist, konnte ich weder an der Terminalknospe des älteren Stammes noch bei Keimlingen von 2 — 3 Blattpaaren (die Kotyledonen mitgerechnet) entscheiden. Der hypokotyledone Stamm hat nur zwei Zellreihen mit ringförmigen Verdickungen (Ringgefässe?). In die Kotyledonen geht von diesen eine einzige ringförmig ver- dickte Zellreihe ab; das erste Internodium über den Kotyledonen hat auch 2 Ring- gefässe, die im obern Theil viel deutlicher und kräftiger entwickelt sind, als im unteren, wo sie kaum wahrnehmbar sind. Dieser Umstand scheint für isolirte Ent- stehung zu sprechen, jedoch konnte ich die Frage nicht entscheiden. Auch wurde mir im erwachsenen Stamm der Gefässbündelverlauf nicht klar, da die Undeutlich- keit der Gefässe auf dem Querschnitt bei der Zartheit und Kleinheit der Pflanze ihre deutliche Verfolgung auf successiven Querschnitten nicht gestattet, und Längs- schnitte sich zur Untersuchung der Sache nicht eignen. Die Entwicklungsgeschichte des Blatts, von dem jüngere Zustände Fig. 50 und 52 b, b' dargestellt sind, wie die des Stammes, dessen jüngster Zustand Fig 51 und 52 B abgebildet ist, habe ich nicht näher verfolgt, da ich bei der grossen Klein- heit derselben und Undeutlichkeit der Zellen sichere Aufschlüsse nicht erwarten konnte. Die Spitze des jugendlichen Blatts ist stets etwas eingekrümmt und eins der Blättchen eines Paares ist stets etwas grösser als das andere, ein Unterschied der sich erst später ausgleicht. Beide Blättchen eines Quirls treten aber gleichzeitig in der Anlage auf; eins entwickelt sich jedoch bald schneller als das andere. Auf- fallend ist es, dass auf das letzte erwachsene Blattpaar (Fig. 1, c, d) nur noch 2, ja in vielen Fällen bloss sogar noch ein Paar von jüngern Blättchen folgen. Ein so schroffer Uebergang von vollständig entwickeltem Blatt zum nackten Vegetationspunkt des Stammes ist mir ausser bei der Stammspitze von Streptocarpus polyanthus und Rexii nicht bekannt. Was die Entwicklung der Blüthe bei ßulliarda anbetrifft, so giebt Payer (1. c. p. 366) an, dass bei Bull. Vaillantii „eins der seitlichen Kelchblätter vor dem andern erscheint und dass die beiden übrigen: das vordere und hintere, zu gleicher Zeit 81 auftretcn.“ Den ersten Punkt, dass von den beiden init den Vorblattern abwech- selnden Kelchblättern eins vor dem andern erscheine, kann ich für Bull, aquatica nicht bestätigen ; bei Bull, aquat. sah ich beide gleichzeitig sich einfinden und zwar noch bevor eine Spur von den in einer Richtung mit den Vorblättern liegenden Kelch- blättern da war; auch waren sie zu dieser Zeit von gleicher Grösse und nicht ungleich, wie Payer sie von Bull. Vaill. (1. c.Taf. 79 Fig. 25) abbildet. Die mit den Vorblättern in einer Richtung liegenden Kelchblätter bleiben nach ihrer Anlage sehr gegen die beiden untern Kelchblätter an Länge zurück, welche schon stumpf dreieckig einge- krümmt und dabei oft ungleich an Grösse sind und von denen das eine das andere mit der Spitze deckt, während die obern Kelchblätter erst zwei zwar sehr breite aber sehr niedrige Höcker darstellen, die weit entfernt sind, sich zu berühren. Die 4 Blumenblätter treten alle in gleicher Zeit abwechselnd mit den 4 Kelchblättern als kleine Höcker auf; sie sind schon halb eiförmig, wenn abwechselnd mit ihnen die 4 Staubfäden als Höcker um die flach gewölbte Warze der Terminalknospe er- scheinen. Endlich treten abwechselnd mit den 4 Staubblättern und nach ihnen gleichzeitig die 4 Fruchtblätter als 4 Höcker zu einer Zeit auf, zu der ich noch nichts von den Staminodien sehen konnte, die später als die Kar pelle angelegt zu werden scheinen. Erst zu der Zeit, wenn die Fruchtblätter, die nach Innen und Oben noch offen und fast muschelförmig sind, am Rande die Saamcnkuospcn als kleine Höcker zeigen und wenn die Antheren, deren 'Filamente doppelt so lang bereits sind, als sic selbst, Pollenmutterzellen in den Fächern erkennen Hessen, sah ich auch die Staminodien vor der Basis der Karpcllc in Form ganz kleiner Höcker auftretcn und selbst noch zur Zeit, wenn der Pollen in den Antheren schon fertig ist, bestand das Staminodium erst aus einem kleinen kegligen Höcker , der an Höhe kaum seine Breite übertraf. Nach Paycr’s Darstellung (1. c. p. 368 Taf. 29 Fig. 27) entwickeln sich die Staminodien bei Bull. Vaill. im Verhältnis viel früher als bei Bull, aquat., indem sie schon erscheinen, wenn die Karpelle nach oben offen und ohne Anlage von Saamcnknospen sind. Die Staminodien der Bull, aquat. fand ich auch nicht auf der Basis des Rückens der Karpelle, wie Payer sie bei Bull. Vaill. darstellt, sondern auf dem Receptakulum befestigt. Bulliarda aquatica gebraucht zu ihrem Gedeihen volles Sonnenlicht ; ich • habe einige Teller voll Rasen der Pflanze im Zimmer von Anfang August bis in den Dccember 1859 im besten Zustande dadurch erhalten, dass ich sie reichlich begoss und auf der Südseite des Hauses vollem Sonnenlicht aussetzte. In 2 andern Tellern dagegen, die ich neben den ersten, aber auf einem Stuhl in der Nähe des Fensters 11 82 hielt, wo direkte Sonnenstrahlen sie nicht trafen, gingen die Pflanzen in wenig Wochen gänzlich zn Grunde. Auch zum Keimen gebraucht Bulliarda volles Son- nenlicht. Die beiden Teller, welche nur zerstreutes Tageslicht empfingen, zeigten zwar schon im Herbst 1859 auch einige Keimlinge , aber diese gingen zu Grunde und selbst im Frühjahr bis Mitte Juni erschienen auf ihnen keine neuen, während die Saamen auf den Tellern, die direktem Sonnenlicht ausgesetzt waren, aufs Dichteste und Ucppigstc schon im September 1859, besonders aber im März 1860, aufgingen, nur zu dicht, denn es war kein Raum für die Entwicklung aller da. Als ich jedoch Mitte Juni, die beiden bis dahin im Schatten gehaltenen Teller, in die Sonne, -neben die beiden andern, setzte, keimten auch auf ihnen die Saamen aufs Ueppigste nach wenigen Tagen. In der Sonne haben auch einige wenige der älteren Pflänzchen, die ich August 1859 sammelte, überwintert und hatten bereits Anfangs Mai Blüthen; die meisten waren jedoch auch in der Sonne im Winter, obgleich sie nie Frost bekom- men hatten und die Temperatur zwischen -f- 5" bis -}- 12' R. geschwankt hat, aus- gegangen; im Schatten gingen im Winter alle ohne Ausnahme , wie auch im Freien, wo ich sie auf feuchten Sand an einen Graben gesetzt hatte, zu Grunde. Es kann demnach Bulliarda in seltnerem Fall unter günstigen Umständen den Winter über- dauern, obgleich sie im Freien ohne Zweifel gewöhnlich einjährig ist. Schkuhr (Usteri Neue Annal. 6. Stück. S. 5 und 6) giebt an, dass seine kul- tivirten Pflanzen erst im Mai oder auch wohl im April aus der Erde hervorkeimten. Meine Pflanzen dagegen haben schon, wie so viele wildwachsenden thun , im Herbst im September gekeimt und im November hatte ich viele Keimpflanzen, die ausser den Kotyledonen, 2 Paar Blättchen hatten. Die Pflanze von Rauschen sah ich entweder ganz lichtgrün, oder die Stengel wcisslich grau, nie: „meist rüthlich angelaufen“ (Patze, Meyer, Elkan Fl. v. Preuss. S. 459). Professor v. Lconhardi sah sie in Böhmen auch nur grün. Die Petala fand ich stets weiss, wie Schkuhr. In Fl. dan. t. MDX. sind jedoch die Blumen- blätter tief karmoisinroth gegen die Spitze zu abgebildct; auch Mertens und Koch (Rühling’s Deutschlands Flora I. S. 868) beschreiben „die Kronblätter als weiss oder rüthlich.“ Es ist unwahrscheinlich, dass der Verfasser der Fl. dan. oder Mertens und Koch je lebende Exemplare sahen und es scheint, dass die alte Bezeichnung der Bull. Vaillantii DC. als „Sedum min. ann. flore roseo tetrapetalo von Einfluss auf die Darstellung der Blüthen der Bull, aquat. gewesen ist, mit der sie verwechselt wurde. Der Stamm der Bull, aquat. wird übrigens auch als rüthlich bei der auf dem Lande wachsenden, niederhegeuden Form von Wahlenberg (Fl, suec. p. ‘ 110) 83 und Karecli (Flora von Wcstphalen S. 203) angegeben; in der Fl. dan. wird er und sogar einige Blätter karmoisinroth dargcstellt. Die Bliithen sind nie, zu keiner Tages- und Nachtzeit geöffnet und die Be- fruchtung geht bei geschlossener Blütlie vor sich. Man findet die Pflanze oft ganz unter Wasser und zwar mit Bliithen und Früchten. Ich bin jedoch in Ungewissheit ob sie in solchem Falle nicht anfangs von der Luft umgeben und später durch Anschwellung des Wassers erst davon be- deckt sei. Saamcn mit der Erde, in der Bulliarda im rauschener Teich wächst, unter Wasser gehalten, keimten zwar reichlich, jedoch gingen die meisten durch Algen bald zu Grunde und nur wenige erhielten sich , die in 3 Monaten cs nicht über 3 Blattpaarc die Kotyledonen mit eingerechnet brachten, bleich und kümmerlich aussahen und nicht blühten, obgleich neben ihnen unter denselben Verhältnissen andere der Luft ausgesetzte sich gut entwickelten und Frucht brachten. Professor v. Lconhardi fand Ende September 1858 nach brieflicher Mittheilung im Dworcg- teiche im neuhäuser Kreise im Süden Böhmens Bull, aquat. in üppigen Exemplaren mit Bliithen und Frucht 1 — 4 Fuss tief unter Wasser und ist der Ueberzeugung, dass sie sich so unter Wasser entwickelt hatte, indem jene tiefste Stelle des Teichs weder abgelassen sei, noch ausgetrocknet. Geschichtliches. Die Art, welche von der jetzigen Gattung Bulliarda DC. zuerst bekannt wurdo ist Bulliarda Vaillantii DC. von Vaillant (Bot. paris. 1727 p. 281 t. X. Fig. 2) als Sedum mininnim annuum flore rosco tetrapetalo aufgeführt. Linnc fand ßul- liarda aquatica DC. in Lappland (Fl. lapp. 1737 p. 152), hielt sie irrthümlich für identisch mit Vaillant's Pflanze und bezeichncte beide zusammen als Crassula floribus quadripartitis (Hort, cliff 1737 p. 497) und Crassula caule dichotomo foliis lineari- bus, floribus quadrifidis (Fl. suec. 1. edit. 1745 p. 91). Endlich giebt er beiden zusammen den Namen: Tillaca aquatica (Fl. suec. 2. edit. 1755 p. 54). Schkuhr fand die niederliegende stark verzweigte Form von Bulliarda aquatica DC. bei Witten- berg am Strande der Elbe auf einer Sandbank, beschrieb sie zürn ersten Mal genauer und gab davon eine für die Zeit ganz gute Abbildung und Analyse ( Ustcri Annal. 1791 II. Stück p. 21, Tab. III.) unter den Namen Linne’s Tillaea aquatica. Später bezweifelte Sckulir die Identität seiner Pflanze mit der schwedischen linneischen, von der er nur die schlanke, aufrechte, wenig verzweigte Form kannte, benannte die wit- 11* 84 tcnbcrgischc Tillaca prostrata (Ustcri Annal. 1794 VI. Stück S. 6.) und bildete die schwedische, wenig ästige Form nach Exemplaren, die ihm Ehrhart mitgethcilt hatte, ab (1. c. Tab. I.). Schkuhr war auch der erste, der die Identität der Pflanze Vaillant’s mit der schwedischen und wittenbergischen in Zweifel zog und Willdenow (Sp. pl. 1797 Tom. I. Pars II. p. 720) schied endlich Vaillant’s Pflanze unter den Namen Tillaca Vaillantii als Art von der schwedischen und wittenbergischen ab, für welche beiden als Arten er die von Schkuhr gegebenen Namen beibehält '). Poiret (in Lamarek Encycl. 1806 VII. p. 673) folgt Willdenow in Annahme der 3 Arten: Tillaca Vaillantii W., T. aquatica Schkuhr und T. prostrata Schkuhr, aber dennoch ist die Varietät von T. prostrata, welche er anführt, nichts weiter als T. Vaillantii w., ein Irrtlmm, den Römer und Schultes (Syst, veget. 1818 III. p. 36) getreu abschrieben. Inzwischen schied Decandolle von der Gattung Tillaca mit 3, selten 5 zähligen Blüthen, 2 saamigen gegliederten Kapseln und ohne Staminodicn, die Gat- tung Bulliarda mit 4 zähligen Blüthen, welche auch 4 Staminodicn besitzen, und vielsaamigen ungegliederten Kapseln nach dem handschriftlichen Vorgänge von L’Heretier (Bullet, des scienc. par la soc. philom. de Paris III. 1811 p. 1), behielt jedoch Tillaca aquatica und prostrata von Schkuhr als verschiedene Arten bei. Carl Sprengel (Syst. veg. 1825 1. 497) vermehrt die Synonymie ohne Grund dadurch, dass er Tillaca aquatica Schkuhr Tillaea Linnei und Till, prostrata Schkuhr T. Schkuhrii nennt. Endlich, nachdem Fries schon vorher die Vermuthung, dass Tillaea aquatica Schkuhr und prostrata Schkuhr einer Art angehörten, geäussert hatte (Fl. hailand. 1817 p. 38), zog Wahlenberg (Fl. upsal. nach Mertens und Koch: Rohlings Deutschi. Flora I. p. 869) beide unter dem linneischen Namen Tillaea aquatica zusammen und Flics (Novit. Fl. succ. Pars VI. 1823 p. 98) spricht ihre Identität entschieden aus. Dasselbe thut Decandolle (Prodrom. 1828 III. p. 382), indem er die aufrechte Form als Ilauptform und die niederliegende als Nebenform (T. prostrata) unterscheidet. Fries (Novit, edit. II. 1828 p. 60) stellt die erstere (als a. erecta) der letztem (b. prostrata) passender als gleich berechtigt zur Seite. Verbreitung. Mir sind von Bulliarda aquatica DC. folgende Fundorte bekannt geworden: *) In Willdcnow’s Herbarinm befinden sich unter J\s 3216, als „Tillaea prostrata“, 2 Exemplare von Bul- liarda aquatica I)C. form, prostrata ohne Angabe des Fundorts, unter ,7V5 3217 als Tillaca Vaillantii 3 Exemplare von Bull. Vaill. DC. auch ohne Fundort und unter JS's 3218 als Tillaea pedunculata, ein Käme, der bloss hand- schriftlich ist, noch einmal Bulliarda Vaillantii DC. mit Angabe des Fundorts: Lusitania. Ein Exemplar der letzten Pflanze aus dem herb. Wiild. ist aus dem heib. Kunth’s ins herb, gcncr. zu Berlin übertragen. 85 Island. Boi Langervatn nach Zoega (Fl. isl. in Eggert Olafscn und Biarne Povelsen Reise durch Island. Deutsch aus dem Dänischen. Kopenhagen und Leipzig 1775. n. Thl. S. 235). N. V. Spitzbergen. Nach J. G. Georgi (Beschreibung des russischen Reichs. RI. 4. 1800. S. 748). N. V. Sibirien. Im nordöstlichen Theil auf überschwemmten Plätzen nach Georgi (1. c.). Nach Chr. Fr. Lessing findet sich die form, prostrata am südlich. Ural am See bei Slatoust. (Linnaea IX. S. 178). N. v. Nördliches europäisches Russland. In Finnland nach L. J. Prytz (Fl. fenn. 1821 p. 82) bei Wasa. N. v. — Bei Petersburg am sandigen Ufer der Neva nach Weinmann (Enum. stirp. in agro petropolit. spontc crescent. 1837 p. 21), der bloss die Form prostrata (als Bul- liarda prostrata Mert. & Koch) angiebt. Nach mündlichen Mittheilungen von Herrn Dr. Körnicke und getrockneten Exemplaren , von demselben bei Petersburg gesammelt, kommen jedoch beide Formen dort vor und zwar häufig an der Neva und ihren Armen. V. s. — In Esthland, Livland und Kurland nach I. G. Fleischer (Flora der deutschen Ostseeprovinzen Esth-, Liv- und Kurland, herausgegeben von Lindemann 1839 p. G4). N. v. Vcrgl. v. Ledcbour Fl. ross. H. p. 172. Skandinavische Halbinsel. 1. Lappland. Linne hat hier die Pflanze zuerst gefunden und giebt an, dass sie sehr reichlich am Ufer des Lulcaflusscs wachse (Linne Fl. lapp. 1737 p. 152; ähnlich in: Hort, cliff. 1737 p. 497. Fl. succ. I. edit. 1745 p. 91). Dagegen giebt Wahlenberg (Fl. lapp. 1812 p. 54) an, dass er sie weder an dem Lulcaflussc, noch sonst im nördlichen Schweden gefunden habe. I ries (Summa 1840 p. 40) führt auch Bull, aquat. als fraglich für Lappland auf. 2. Schweden. Kommt fast in allen Provinzen hie und da vor. Wahlen- berg (Fl. suec. 1824 I. p. 110) giebt die Fundorte in allgemeinster Ausdehnung an; die aufrechte Form kommt in stehenden Wässern vor, die nie austrocknen, die nie- derliegende an den Ufern der Flüsse der Meeresregion und der grösseren Seen und zwar in Schonen; Ilalland, Smöland, Blekingcn, Gothland, Sudermanland, Ros- lagen, Upland, Wärmcland (Dalia ad Vencrn), Westmanland (Vestrobottnia). Schon Linne giebt die Pflanze in Upland an (Hort, cliff’. 1737 p. 497), näher, dass sie 86 hier bei Upsala nachVaxal zu vorkommt (Linne Fl. suec. edit. 1. 1745 p. 91; cdit. 2. 1755 p. 55) und zwar auf Bergen in stehenden Gewässern. Exemplare von Upsala sah ich im hei’b. gen. berol. Myrin (Corollarium Fl. upsal. 1834 p. 6) giebt an, dass, sie auch in Lassbybackar bei Staby und Rickomberg sich finde. Linne (Amoen. acad. edit. Sclireb. VIII. p. 34) führt sie von Akerö auf, welche Insel im See Yngari in Siidermanland liegt. Wahlberg (Fl. gothoburg. 1820 p. 24) giebt sie bei Asa in Halland an. Fries (Novit, pars I. 1814 p. 7) führt sie in dieser Provinz auf, als an Orten, die im Winter überschwemmt waren, vorkömmend und nennt als nähern Fundort das Kirchspiel Snöstorp (Fries Fl. halland. 1817 p. 38). Exemplare von Fries, aus Halland sah ich im her. gen. berol. Ferner giebt Fries sie an, am Ufer des Flusses Lidan, wo er in den Wenernsee geht, nach C. A. Agardh und in Smoland in dem Kirchspiel Färgeryd beim Dorf Holzeryd. 3. Norwegen. Bei Christiansand von Engelhardt nach Hornemann (Fl. dan. 1816 IX. p. 4. t. MDX) gesammelt. N. v. Deutschland. 1. In der preussischen Provinz Sachsen bei Wittenberg am Strande der Elbe auf einer Sandbank von Schkuhr (Listen Annal. d. Bot. 1791. 2. Stück S. 21) ent- deckt. Dieser Standort ist am Längsten in Deutschland bekannt. Nach Aschcrson (Fl. der Prov. Brandenbg. 1859 1. Abtheil. S. 229) von Körnicke neuerdings bei Apollensdorf, etwa •§ Meilen unterhalb Wittenberg an der Elbe, und bei Gribo von Schwabe gefunden. Garcke (Flora von Nord- und Mittel-Deutschland 1 — 5. Auflage) giebt sie auch bei Torgau am Elbufcr an. 2. In Wcstphalen „bei Burgsteinfurt, Osnabrück“ nach Koch (Syuop. 2. edit. p. 282). Ob dies derselbe Standort ist, wie der, den Karsch (Phancrogam. der Prov. Wcstphalen 1853 S. 203) angiebt: „im Osnabrückischen zwischen Ahe im Amte Vörden und Rottinghausen“ weiss ich nicht. Karsch giebt ausserdem au, dass die Pflanze sich finde: „am Wittenberge bei Neuenkirchen (Meyer) ; Lotte am blanken Pol im Weserfelde (Fleddermann!)“. Koch scheint westphälische Exemplare gesehen zu haben. Garcke (Flora von Nord- und Mitteldeutschland, 1 — 5. Auflage, , der nach Karsch die westphäl. Standorte auffühlt, hat keine gesclm. Um alle Unsicher- heit zu beseitigen, erbat ich mir von Herrn Professor Karsch westphälische Excmplaro zur Ansicht; es ging mir aber wie weiland Schkuhr mitKroker, der Tillaea aquatica irrthümlich in Schlesien angab: ich erhielt keine Antwort. 3. Provinz Brandenburg. Nur einmal von Sonder am kleinen Teich von Wcissensee bei Berlin, im Juli 1836, gesammelt und zwar die nicderlicgende Form. 87 V. s. in h. gen. bcrol. (Kunth Fl. ber. I. 153. Asclierson, Fl. d. Prov. Brandenburg 2. Abtheil. S. 60). 4. Provinz Preussen. Einziger Standort am Teich des Dorfes Rauschen, entdeckt Juli 1848 vom Stadtrath Hensche. 5. Böhmen. 5 oder 6 Standorte, die mir hauptsächlich durch die Mitthei- lungen von Professor v. Lconhardi bekannt geworden sind. a) An überschwemmten, sumpfigen, torfigen und sandigen Orten, um Plan am grossen Isarflusse im Isargebirge (F. Schmidt, Fl. hohem, inchoata. 1793 — 94 Cent. III. p. 94. Pohl, Tentam. Fl. hohem. 1809 p. 160). Kittel (Taschenbuch der Flora Deutschlands 3. Auflage 1853 S. 1138) giebt an „überschwemmte Plätze der Elbflüsse in Böhmen“. b) Bei Trebon, auch genannt Wittingen, in der Herrschaft Platz, budweiser Kreis im südlichen Böhmen, in einem Teiche von Presl (FL chechica) entdeckt. Opiz Büheim’s phan. und ciypt. Gewächse. c) Im Teiche Zabow (sprich: Schabow) im Walde bei dem Dorfe Widdern in der Herrschaft Platz; hier entdeckt von Professor v. Lconhardi, am 2. Novem- ber 1848. V. s. d) Im Teiche Dworeg in der neuhäuser Grafschaft, budweiser Kreises, südl. Böhmen, von Prof. v. Lconhardi am 8. Oktbr. 1855 entdeckt; er fand die Pflanzen losgerissen am Ufer. An diesem Standorte war es, wo Professor v. Lconhardi Bull, aquat. 3 — 4 Fuss unter der Wasserfläche mit Matine hexandra zusammen in Blüthe und Frucht, Septbr. 1858, fand. V. s. e) Am Rande eines Teichs bei Frauenberg (böhmisch: Illuboka), einem Dorf an der Moldau, eine Stunde unterhalb Budwcis, von Dr. Purkinje entdeckt. Böhmen ist also der Theil Deutschlands, in welchem Bull, aquat. am Verbrei- testen ist. 6. Mähren. Ich sah die niederliegende, stark verästelte Form aus dem Her- barium von Herrn Dr. Garcke mit Zettel: im Fischteiche von Herrn Carl Römer in Namicst in Mähren — 1853 — J. Gregoire. Es ergiebt sich aus dem Vorstehenden, dass Bulliarda aquat. etwa zwischen dem 49 (südlich. Böhmen) und 80° n. B. (Spitzbergen) und 23" w. L. G. (Island) und 180" ö. L. G. (östl. Sibirien) vorkommt, dass sie eine Bewohnerin der kalten und ge- mässigten Zone des östlichen Europas und Asiens ist, die am häufigsten um die Küsten der Ostsee in Schweden und in den russischen Ostseeprovinzen , seltner und zerstreut in Deutschland vorkommt. 88 Krockcr (Fl. silesiaca 1787. I. S. 274) gab clic Pflanze als in Schlesien vor- kommend an, jedoch in scrobibus opacis altissimorum montium, in petris . parietinis, muris antiqnis, so dass man aus dem Standort sieht, dass ein Irrthum in Betreff der Pflanze vorliegt. Bull, aquat. ist nie in Schlesien gefunden. Dass die Angabe Gmelin’s (Fl. Ladens. I. p. 394): Tillaca aquatica finde sich in Baden, mit strafbarem Leichtsinn gemacht und die Zeichnung ( 1. c. t. 1 ) eine Erfindung von Zcyher ist, ist in Spenners Fl. friburg. III. p. 815 gezeigt. Bulliarda Vaillantii DC. hat eine von Bull, aquatica sehr abweichende Verbreitung, findet sich nirgend mit ihr zusammen und kommt nur im westlichen und südlichen Europa, in Frankreich, Italien, Portugal, fraglich auch am Cap der g. H. (herb. gen. berol. ; leg. Eckion), also überhaupt im warmem Theil der ge- mässigten oder gar in der heissen Zone vor. Ich sammelte die Pflanze selbst unter Führung des Hrn. v. Schoenefeld in Wasserpfützen auf Felsgrund bei Ittevillc unfern Paris am 25. September 1856 und sah sic trocken von Fontainebleau, Lardy, Toulon (h. gen. berol.), Evora bei Mantua (h. gen. berol.), Sicilicn, specieller von Syracus (h. gen. berol.) und aus Portugal (im h. Willd. JYä 3218 als Tillaea peduueuläta Willd. MS.). Dass Bull. Vaill. in Deutschland und zwar auf den Donauinseln bei Nussdorf in Oestrcieh sich finde, wie Koch noch in der Synopsis nach Schuhes angiebt, ist min- destens zweifelhaft, da Host (Fl. austr. 1827 und 1830) die Pflanze gar nicht erwähnt. Systematisches. Es ist von Interesse Bulliarda aquatica DC. von nahe verwandten Pflanzen, von denen Europa nur Bulliarda Vaillantii DC. (abgebildet von Vaillant 1. c. und De- can dolle Plantcs grasses I. t. 74) und Tillaea muscosa L. hat, nach genauen Merk- malen zu unterscheiden. Es würde mich zu weit führen auf die aussercuropäischcn Arten von Bulliarda und Tillaea, die besonders durch Eckion, Zcyher und Dregc vermehrt wurden, cinzugchn. Was den Unterschied der beiden Gattungen, die De- candolle aufstcllte, anbetrifft, so ist dieser früher schon (S. 84) angeführt, wie auch der Bli'ithcnstand von Tillaea muscosa nach A. Braun’s Angaben beschrieben (S. 74). Auch habe ich erwähnt, dass die Verzweigung von Bulliarda Vaillantii und aquatica dieselbe ist und dass die Entwicklungsgeschichte der Blütlic von Bull. Vaill. von Payer (Traite d'organographio vegetalc comparce. p. 365 t. 79) dargestellt ist. Obgleich Bulliarda Vaill. und aquat. sich so ähnlich sind, dass sic lange und vielfach verwechselt wurden, so bieten sie doch folgende feststehende Unterschiede, abgesehen von einigen schwankenderen: 89 Bull, aquatica DC. Flos scssilis vcl brcvissime peduucu- latus, pedunculo florom longitudinc haud aequanti. Flos clausus, petalis connivcntibus, demum vi germinum inturacscentium apcrtus. Folia lincaria, vcl lanceolata, acuta. 2. Bull. Vaillantii DC. Flos pcdunculatus, pedunculo filiformi tenuissimo, vcl folio breviori vcl fo- lium longitudinc superanti. Flos apcrtus, petalis patentibus. lincaria, obtusa v. 3. Folia lincaria, vcl lanceolata, acuta. ! 3. Folia oblongo i ° subacuta. Die Petala von Bull. Vaill. sind ausserdem, wie oft angeführt, blass karmoisin- roth; die von Bull, aquat. sah ich nie anders als weiss. Die Blüthe von Tillaea muscosa, die ich nicht Gelegenheit hatte lebend zu untersuchen, hat nach A. Braun's Mittheilung 2 Vorblatter; von den 3 Kelchblättern ist eins nach der Axe gekehrt, zwei stehn nach vorn, rechts und links. Die darauf folgenden drcizähligen Kreise der Blumen-, Staub- und Fruchtblätter wechseln unter sich und die Blumenblätter mit den Kelchblättern ab. Es ist nur ein Kreis von Staubfäden da; Staminodien fehlen. ff'ignrcncrKläriiiig. Tafel V. Fig. 3, 4, 5, 6, 7 sind Aufnahmen von Bliitlienständen. Die bekreuzten Axen sind Blüthen ; die Zahlen 1,1; 2,2 u. s. w. bezeichnen die zweizähligen Quirle der Vorblätter jedes Sclieinaxen- gliedes, das mit einer Blüthe abschliesst. In Fig. 6 sind die Blüthen mit 1 1 , 21, 31 u. s. \v. bezeichnet. Fig. 8 und 9 Aufnahmen von Blüthen. Fig. 8 2 Glieder einer Wickel. 1 1 , 1 Vorblätter der Blüthe B. A. axillarer Zweig in 1 ' ; s Kelchblatt, p Blumenblatt, st Staubblatt, st1 Staminodium; dann folgen 4 Karpelle. Fig. 9 ein Glied eines Dichasiums, das gleich in Wickeln übergeht. K,1 Vorblätter der Blüthe B"; m, n Vorblätter der Blüthe B, mit welcher der in k axillare Zweig abschliesst; o und p Vorblätter von Blüthe B'; f und g, h und i Vorblätter von b und a, Zweige in den Achseln von m und o, als erste Glieder der einfachen Wickeln, die sie e.nleiten, 12 99 9999999 9 999999 9 9 999999999999 90 Tafel Vll. Fi". 1. Spitze eines Blüthcnstandes mit 3 Gliedern; h, i Blattpaar des untersten, welches die junge Frucht b beschliesst; c und d des mittleren, welches die abgeblühte Blüthe a beschliesst; e, t Blätter des dritten. 2. Blüthe zur Zeit der Befruchtung, in der llichtu g der Vorblätter gesehn. 3. Dieselbe in der Richtung senkrecht auf die voriger Figur gesehn. 4. Kelch, nebst der Oberfläche des Blüthenstiels; s, s untere, m, m obere Kelchblätter. 5. Blumenblatt. 6 und 7. Blüthe nach Abnahme des Kelchs. 8. Blüthe nach Abnahme des Kelchs und der Krone. 9. Staubblatt. 10. Staminodinm. 11. Pollen mit verdünnter Schwefelsäure behandelt. 12. Zellen der Antherenklappen ; Einstellung auf die Mitte der Zelltiefe. 13. Die Verdickungen der Zellen der vorigen Figur, durch konzentrirte Schwefelsäure isolirt. 14. Querschnitt der Antherenklappen; e — e Epidermis, d — d die Zellen mit den fast ring- förmigen Verdickungen. 15. Zweigspitze im Begriff nach Art eines Dichasiums sich zu verästeln; k, 1 Vorblätter der Blüthe Q; a, b Zweige aus den Achseln von k und 1. 16. Querschnitt der Blüthe; s, s untere, m, m obere Kelchblätter d. h. in einer Richtung mit den Vorblättern liegende; p Petala , f Staubgefässe, st Staminodien, k Karpelle. 17. Germen von der Seite; a Rücken, b innere Seite. 18. Stigma mit halbkugligen Papillen. 19 und 20. Saamen von 2 Seiten. 21. Zellen aus der obersten Schicht der Saamenschaale. 22 und 23. Längsschnitt des Saamens; a, a Rest des Albumens. 24. Die Stelle des Embryum im Längsschnitt, wo die Wurzelhaube anfängt; e Epidermis des Saamens, die Schichten der Wurzelhaube: w und w zusammen so dick als e; bei w, w Ab- trennungstelle der Wurzelhaube. 25. Saamenknospe vor der Befruchtung unter Kalilauge aus ganz junger Blüthe, deren Antheren noch geschlossen waren. 26. Querschnitt durch die Basis des Staminodiums. 27. Querschnitt des Germens mit 2 Saamenknospen ; i innere Seite. 28. Querschnitt des Stammes. 29. Gefässbündel des Stammes; a, a Schutzscheide. 30. Zellen der Schutzscheide a — a stärker vergrössert. 31. Anthere von oben gesehn; a, b, c drei Furchen, bei a und b springt die Anthere auf. 32. Stärkere Vergrösserung der zweifächrigen Anthere, in jedem Fach mit 5 Pollenkürnem an dem Ort der Einstellung; a, b, c wie in voriger Eigur. 33. Epidermis der untern Blattseite. 34. Querschnitt des Blatts durch dessen Mitte; drei Gefässstränge. 91 Fig. 35. Karpell auf dem Rücken geöffnet um die beiden Reihen von anatropen Saamenknospen zu zeigen. Fig. 36. Geöffnete Frucht mit ihren 4 Bälgen. Fig. 37. Ein Balg mit 13 Saarnen. Fig. 38. Epidermis der obern Blattseite. Fig. 39. Querschnitt der Epidermis und eines Stoma des Blatts mit 2 darunterliegenden Zellschichten. Fig. 40. Blattspitze nach Auskochen in Alkohol mit Kalilauge behandelt. Der Gefässstran" endet mit büschelförmiger Verbreiterung. Fig. 41. Keimlinge; a zeigt beide Kotyledonen seitlich, b einen vom Rücken; c nat. Gr. von a u. b- Fig. 42, 43, 44, 45. Keimlinge in vorgeschrittenerem Zustande. Fig. 46 und 47. Erwachsene Pflanzen der schlankeren, aufrechten Form. Fig. 48 und 49. Kümmerliche Exemplare der niederliegenden Form. Fig. 50. Endknospe; b, bi Vorblätter der noch nicht ganz entwickelten Bliithenknospe B; t Spros aus der Achsel von bi. Fig. 51. Die Knospe t der vorigen Figur von vorn. Fig. 52. Dieselbe weiter vorgeschritten, indem sich die Vorblätter b und bl der Blüthe B1, die jetzt erst die Gestalt einer Warze hat, angelegt zeigen. Fig. 53, 54 und 55. Gefässelemente durch sclmlzesche Maceration isolirt, mit der elliptischen oder kreisförmigen Durchbohrung 1. Fig. 56, 57, 58. Keimlinge in deu ersten Stufen der Entwicklung. Fig. 59. Bulliarda aquatica form, prostrata. Die Wurzeln sind, um nicht zu verwirren, weggelassen. Der untere Theil des Exemplars bis c war verwest; c ist höchst wahrscheinlich Knoten des Kotyledon; die Aeste der linken Seite und des obern Theils sind nicht gezeichnet um nicht zu verwirren; a, a', atl, accessorische Zweige absteigender Ordnung in einer Blattachsel mit den Ilauptzweigen z, zl, z'i entsprungen. Fig. 60. Junge Pflanze, welche die erste Blüthe trägt; b Blüthe; c Kotyledonen. 12* 92 Ucfocr Sonncnrissc. Von Robert Caspary, In der botanischen Zeitung (1857 p. 153) habe ich einen Aufsatz von dem Gärtner De Jonglic in Brüssel veröffentlicht, in welchem dieser angiebt an Pfirsich-, Aprikosen-, Pyramidenbirnbäumen und an "Weinslöcken beobachtet zu haben, dass die Rinde des Stammes auf der Sonnenseite im Februar und März öfters Risse bekommt und aufplatzt und zwar besonders auf strengem und feuchten Boden. De Jongho nennt diese Beschädigungen Sonnenrisse und schreibt sic hauptsächlich der austroek- nenden Wirkung der Sonnenhitze zu, in Verbindung mit anderen Ursachen, die ich nicht wiederholen will. Seit meiner Aufforderung die Angaben De Jonghe’s zu prüfen und zu untersuchen, ob wirklich die Sonne im Stande sei jene Beschädigungen in der Rinde der Bäume zu bewirken, scheint noch Niemand Gelegenheit gehabt zu haben weitere Beobachtungen zu machen. Auch ich habe inzwischen Näheres nicht ermitteln können, möchte aber eine Beobachtung mittheilen, die Herr Gutsbesitzer Busolt auf Louisenwahl bei Königsberg an Lindenbäumen (Tilia parvifolia Ehrh.) gemacht hat, die bei der Umsicht und dem geübten, gebildeten Blick des Beobach- ters es ausser Zweifel zu stellen scheint, dass wirklich die Sonne durch Austrocknen der Rinde Absterben und Zerplatzen derselben und somit eine Beschädigung des Stammes herbeiführen kann. Die Auffahrt nach dem Wolinliausc des Herren Busolt ist auf der Ostseite mit einer Reihe von 13 jungen etwa vor 11 Jahren gepflanzten Lindenbäumen besetzt die ungefähr 2 h Fuss über dem Fahrwege, der westlich von ihnen liegt, längst einem kleinen sanft abfallenden Abhänge stehen, der sie vom Fahrwege trennt. Die Baumreihe läuft fast genau von Süd nach Nord; Anwendung des Compasses und Einrechnung von 13" 35' westlicher Abweichung , die in Königs- 93 borg stattfindet, zeigte, dass das Nordende der Baumreihe nur höchst unbedeutend über den Meridian nach Ost und das Südende nach West hinausfällt. Auf der Ost- seite verläuft längs der Baumreihe ein Fusspfad und in einer Entfernung von etwa 41 Zoll von ihr befindet sich mit ihr parallel laufend, ein Stackctenzaun , der dem Garten angehört. Dicht am Zaun im Garten an einem Abhange stehen hohe, dichte Gebüsche von Syringa, Philadelphus und Ahorn, welche nach Süden mit einer alten Linde abschliesscn. Die Gebüsche sind ungefähr so hoch als die 13 Lindcnbäumchen und bewirken, dass die Sonne am Vormittag nur den obersten Thcil der Krone der- selben bescheincn kann, während die erwähnte hohe Linde die drei südlichsten sogar in tiefsten Schatten setzt. Die Reihe der 13 Linden ist nach Süden aber noch ausserdem durch einen dichten gegenüberliegenden Park von hohen Bäumen von den Sonnenstrahlen für den ersten Theil des Nachmittags geschützt und erst gegen 2 Uhr steht die Sonne so, dass ihre Strahlen von Südwest her den Stamm der 13 Bäume zu treffen anfangen. Die Krone der Bäume, welche kuglig geschnitten ist, beginnt bei oder 8Fuss über dem Boden, die Bäumchen sind nur 13 — 14 Fuss hoch und 2 — im Stamm dick; die 3 südlichsten, welche in der Nähe der grossen Linde stehen, sind die dünnsten; dünner als die mittleren sind auch die 5 nördlichsten. Im August des Jahres 1858, welches wie das vorhergehende , sich durch Hitze und Dürre aus- zcichnete, bemerkte Herr Busolt, dass die Rinde der 13 Bäumchen in der Richtung von WSW (d. h, etwa 22 südlich vom Westpunkt) Risse und Spalten bekam und ausgetrocknet und dürr war, gerade an den Stellen, wo die brennenden Sonnen- strahlen des Nachmittags auf die zuvor in Schatten gesetzten Stämme am Stärksten wirken mussten. Da Herr Busolt täglich den Fahrweg hinauf und hinab geht und somit die Bäumchen stets unter seinen Augen waren, ist es nicht wahrscheinlich, dass die Beschädigung der Stämme seiner vortrefflichen Beobachtungsgabe entgangen sein würde, wenn sie schon vor Ausust dagewesen und etwa im Winter durch Frost verursacht wäre. Wäre die Rinde jedoch im Winter schon durch Frost getödtet worden, so hätte sie ohne Frage viel früher als im August vertrocknen müssen, — denn das Frühjahr und der Theil des Sommers, welcher dem August vorausging, waren ebenfalls ungewöhnlich dürr und heiss — und durch Risse ihr Abgestorbensein darlegen. Der Standort der Bäume an einer der Beobachtung so ausgesetzten Lage und das Erscheinen der Risse im Spätsommer scheinen es mir für diesen Fall ausser Zweifel zu setzen , dass wirklich die Sonne die Beschädigung durch Ausdürrung der Rinde und der Cambialschicht , in Folge der sic örtlich abstar- ben, herbeiführte. 94 Die Verletzung ist nicht an allen Bäumen gleich stark, mehrere haben nur zahlreiche vereinzelt stehende grössere und kleinere Spalten in der Rinde, die wenige Zoll lang sind, über eine Länge von 5 — 6 Fuss sich erstrecken, dicht über der Erde anfangen und bis unter die Krone reichen, oben und unten nur über einander, in der Mitte aber auch parallel neben einander liegen. Die dickeren Bäumchen sind jedoch stärker beschädigt, die Rinde hat nicht bloss Risse, sondern ist besonders gegen die Mitte des Stammes zu in einer Breite von 2 — 2i Zoll überhaupt abge- fallen. Das freigelegte Holz selbst zeigt keine Risse, ausser ganz unbedeutenden, dio ohne Zweifel hier, wie stets bei abgestorbenem der Witterung ausgesetzten Holz, durch Fäulnis? und Eintrocknen entstanden sind. - —«*»<* ***** — lieber ein angebliches in Neu -Granada, im Thale des Magdalenenstroins, aufgefundenes grosses Lager von Bernstein. Von Dr. W. SchiefTcrilcckcr. In dem sechsten Bande der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde findet sieh ein Aufsatz über die Verkehrs- und Handelsverhältnisse des südamerikanischen Freistaates Neugranada. Derselbe ist von einem Kaufmann jenes Landes Dr. Miguel Sa m per in Bogota entworfen und bildet die Anlage eines umfassenden Berichtes, welchen der Königl. Preussische Geschäftsträger bei den Regierungen von Centralamerika und Neugranada, der Geh. Finanzrath Dr. Hesse, dem Ministerium eingeschickt hat. Dieser Bericht enthält mannigfache Angaben über die Produkte und Exportartikel der einzelnen neugranadinischen Staaten und kommt bei der Besprechung der Provinz Mariquita (p. 26) folgende Stelle vor: „Dort sind Lager von gelbem Bernstein, oft in Stücken von 6 Kilogr. Gewicht und von grosser Schönheit, aber alle diese Reichthümer sind unbenutzt“ etc. — Darunter steht folgende Anmerkung des Herrn Geheimrath Hesse: „So eben hat sich eine Gesellschaft von Deutschen, Engländern und Eingebore- nen constituirt, um diese mächtigen Bernsteinlager auszubeuten. Es finden sich darin alle bekannten Arten des preussischen Bernsteins, auch die sogenannte Kumstgattung , welche man in Deutschland für die beste hält. Ich besitze aus diesem Lager Pieren von jeder Gattung, und darunter einige Exemplare mit grossen cingesprengten antediluvianischen Insekten“. Diese Nachricht musste für jeden, welcher den Bernstein und sein Vorkommen kennt, im höchsten Grade überraschend sein, denn, wenn auch Bernstein, ausser an den Küsten der Ostsee, in einigen anderen Ländern Europas, in Sibirien, Japan» Ostindien und Grönland gefunden worden ist, so kommt er doch überall, mit Aus- nahme der baltischen Küsten nur in sehr geringer Quantität vor. Ein Lager' aber von den grössten Stücken in einem amerikanischen Urwalde wäre, wenn jene Angabe richtig, eine der merkwürdigsten Entdeckungen. — Als ich jene Stelle las, stieg in mir sogleich der Verdacht auf, dass hier eine Verwechselung vorliege. Da wir nämlich eine Substanz kennen, welche dem Bern- 96 stein ausserordentlich ähnlich ist, den Copal, da dieser in Neugranada unter den angegebenen Verhältnissen wahrscheinlich vorkommt, da derselbe unter den Export- artikeln jenes Landes nicht aufgeführt wird, also muthmasslich dort unbekannt ist und da endlich die dortigen Kaufleute, wie auch Herr Geheimrath Hesse schwerlich im Stande sind Copal von Bernstein zu unterscheiden, so liegt es ausserordentlich nahe, anzunehmen, dass jenes angebliche Bernsteinlager, nur eine Ablagerung von Copal ist. Solche Verwechselungen von Copal und Bernstein sind schon mehrmals vorgekommen und zwar nicht nur im Handelsverkehr, sondern auch bei redlichen wissenschaftlichen Arbeiten. So hat der verstorbene Professor Sehweigger1) einmal eine Abhandlung über den Bernstein, sein Vorkommen und seine Entstehung ge- schrieben, in der er auch 6 Inclusa aus der Klasse der Insekten beschreibt und abbildct, von denen er selbst angiebt, dass sie brasilianischen Gattungen sehr naho ständen. Diese Stücke übergab er, als Typen seiner Beschreibungen dem Berliner Museum; dort haben sic Dr. Bohrend u. A. untersucht und als Copaistücke erkannt. Wenn also einem Königsberger Professor der Naturwissenschaften eine solche Ver- wechselung begegnen konnte, so wäre sie einem Diplomaten wohl nicht übclzunehmcn. Um nun über die Richtigkeit jener Angabe in dem Berichte des Herrn Sam- per entscheiden zu können, war es vor allen Dingen nöthig Stücke jenes fraglichen Bernsteins zur Untersuchung zu erhalten. Durch eine gütige Mittheilung des Rc- dacteurs der Zeitschrift, Herrn Dr. C. Ncumann in Berlin erfuhr ich, dass einigo Kisten jenes Harzes nach Hamburg gekommen seien, und erhielt nach mehrfachen vergeblichen Versuchen durch gütige Vermittlung des Herrn Kaufmann H. Weller hicsclbst aus Kopenhagen über Hamburg etwa 2 Pfd. davon. Es war ein grosses kuchenförmiges sehr deutlich geschichtetes Stück uud mehrere kleine eckige oder auch rundlich abgcschlifl'cnc Stückchen. Alle hatten eine verwitterte Kruste, erschienen aber auf den Bruchflächen mehr oder weniger durchsichtig. Die Farbe war gelb in verschiedenen Abstufungen, wie cs bei Bernstein oder Copal vorzukommen pflegt; ein kleines rundes abgeschliffenes Stück hatte auch die Farbe und Undurchsichtigkeit des sogenannten Kumstbernstoins. Das Harz brennt leicht und verbreitet dabei denjenigen Geruch den unzweifelhafter Copal bei dieser Gelegenheit zu erzeugen pflegt und der sehr verschieden von dem specifischen Geruch des brennenden Bernsteins ist. Auch lässt es sich leicht mit dem Messer ritzen und bearbeiten. Herr Dr. Spirgatis hatte die Güte die chemische Untersuchung der fraglichen Substanz zu übernehmen und i) Beobachtungen auf naturwissenschaftlichen Reisen, enthaltend Untersuchungen übhr Corallcn, nebst einem Auhang über den Bernstein. Berlin. 1815. 97 schrieb mir darüber Folgendes: „das Harz schwillt bei Behandlung mit Aethcr stark auf und ist darin löslich, auch lösst sich die erhitzte aufgequollene Masse in heisscm Alcohol, wenn man denselben allmälig zusetzt. Befeuchtet man das Harz mit Actz- ammoniak, so schwillt cs ebenfalls zu einer galatinösen Masse auf, welche auch von Alcohol gelöst wird. Allmälig löslich ist es ferner in Rosmarinöl und ätzenden Al- calicn und zwar in letztem mit dem eigenthümlichen Geruch nach Copaiva-balsam. Schliesslich lässt sich in diesem Harz beim Destilliren mit verdünnter Schwefelsäure keine Bernsteinsäure nachwcisen.“ Aus diesen Eigenschaften und Reactionen geht hervor, dass das fragliche ame- rikanische Harz kein Bernstein ist, sondern zu den verschiedenen Harzsorten gehört, welche man mit dem Namen Cojial umfasst. — Was das Vorkommen des C'opal im Thale des Magdalcnenstroms betrifft, so ist mir keine Angabe darüber bekannt. Ueber südamerikanischen C'opal war schon durch alte spanische und portugiesische Reisende manches bekannt geworden, die erste genaue Angabe darüber findet sich aber in dem 1823 erschienenen ersten Bande der Reise der Herren v. Spix und v. Martins in Brasilien. Die Hauptstclle lautet im Original folgendermaasscn : „ln den Wäldern von St. Barbara (Prov. Minas Geracs) bemerkten wir viele jener Bäume, von welchen das Gummi Anime herstammt (Hymcnaea Courbaril L.). Man nennt sic hier Jatoba oder Jatai. Zwischen der Rinde und dem Holze dieses Baumes, der im Wachsthum der Ulme nahe kommt, findet man verhältnissmässig nur wenige mit flüssigem Harze ausgefüllte Lücken, der bei weitem grösste Theil des Harzes erscheint unter den Pflahlwurzeln des Baumes, wenn diese von der Erde entblüsst werden, was meistens nur nach der Fällung des Stammes 'geschehen kann. Unter alten Bäumen findet man bisweilen blassgelbc runde Kuchen von G — 8 Pfund Gewicht, welche durch allmäliges Zusammensickern des flüssigen Harzes gebildet worden. Die Reinheit und Farbe dieser Substanz hängt hauptsächlich von der Erde ab, in welcher sich die Kuchen bilden, denn die braune Damm- oder Mooserde theilt ihnen gewisse Extractivstoffe mit, welche in trockncm Thon- oder Sandboden nicht vorhanden sind. Der feinste Theil des Harzes ist aber derjenige, welcher vorzüglich zu Ende der trocknen Jahreszeit, in den Monaten September und Octobcr, aus der Rinde schwitzend von den Einwohnern gesammelt und über dem Feuer zusammengeschmolzen wird. Die Bildung jener grossen Ilarzmassen zwischen den Wurzeln scheint einiges Licht auf die Entstehung des Bernsteins zu werfen, indem es sehr denkbar ist, dass dieser PflanzenstofF sich zum Theil auf ähnlicho 13 98 Weise in der Erde unterhalb der ihn producircnden Baume ansammeltc, ehe er von dem Meere aufgenommen und abgerundet wurde. Auch werden Insekten, namentlich Ameisen, in den Stücken des Jatai- Harzes, so wie im Bernstein gefunden,“ — An einigen andern Stellen seiner Reise erwähnt Herr v. Martius noch, dass er auch andere Spccies von Hymenaccn als Copalbäume kennen gelernt habe. Die von dem berühmten Reisenden mitgebrachten Copalbäume hat Hayne in dem 11. Bande seiner mcdieinischen Botanik beschrieben und abgebildet. Ihm ist später Kostcletzky gefolgt und alle neuern Schriftsteller haben mehr weniger richtig von ihm abgeschrie- ben, so dass man sagen kann, seit 1830 ist über den amerikanischen Copal nichts Neues mehr bekannt geworden. Ilayne beschreibt 12 Arten der Gattung Hymenaea (Lokust- oder Heuschrecken- baum),. welche sämmtlich im tropischen Amerika in den Flussgebieten des Laplata, Amazonas und Orinocco, in Cayenne, Mexiko und Westindien wachsen. Sic gehö- ren zu der Familie der Cacsalpincen und sind schöne 60 — 80' hohe dickstämmigo Bäume mit einer vielästigen, weitausgebreiteten Krone. Alle liefern ein Harz, das unter dem Namen brasilianischer oder westindischer Copal in den Handel kommt. — Ausserdem beschreibt Hayne noch 2 amerikanische Copalbäume, die der Gattung Hy- menaca sehr nahe stehen, erstens Trochylobium martianum aus den feuchten Urwäl- dern am Flusse Japura in der Provinz Rio negro und zweitens Vouapia phaselocarpa aus derselben Gegend. Da cs also bekannt ist, dass Copalbäume in Cayenne am Orinocco, in Mexico und AVestindien Vorkommen, so kann man wohl nicht daran zweifeln, dass sic sich auch in dem dazwischen liegenden Neugranada finden werden, das ja eine mit jenen Gegenden ganz übereinstimmende Flora hat, Auch die Art des Vorkommens in dem Boden des Thaies des Magdalcncn- stromes stimmt mit dem von Martius in Brasilien beschriebenen ganz überein. Dio kleinen und grossen vom Gebirge kommenden reissenden Zuflüsse des Hauptstroms spülen die grossen Copaistücke unter den Wurzeln der Bäume hervor und begraben sie in dem aufgeschwemmten Lande des Flusstliales, wo sie denn wieder ausgegraben werden können. Somit scheint es denn unzweifelhaft erwiesen, dass jenes in der Pro- vinz Mariquita aufgefundenc Bcrnsteinlager nur eine Ablagerung von Copal ist, und ist das Vorkommen dieses Harzes in jener Lokalität auch nicht überraschend. Bericht über die in den Sitzungen der Königlichen xii Königsberg g e h a 1 1 e n e n V o r t r ä g e im Jahre 1860. . • ■ . Privatsitzun" am 6. Januar. »r A. Hensche las über die geographische Verbreitung der Preussisc.hen Mollusken und legte eine grosse Anzahl derselben der Versammlung vor. Dieser Vortrag wird umgearbeitet in diesem Jahrgange der Schriften erscheinen. Professor Caspary sprach über einige Arten von Beschädigungen , die der Prost an holzigen Pflanzen verursacht , hauptsächlich zu dem Zweck um diejenigen Anwesenden, denen Material zu weiterer Untersuchung einiger noch wenig bekannter Erscheinungen in die Hände fallen sollte, zu bitten, ihm dasselbe zuzustellen. Er sprach über eine eigentümliche blattartige Eisbildung auf erfrierenden exotischen Pflanzen, die bei Anfang des Winters bei wenigen Kältegraden ( — 3" R.) eintritt, schon früher näher von ihm beschrieben ( Botan. Zeit. 1854 p. (»65 ft'.), über Frostspalten, die in den Stämmen unserer Laubbäume (nie bei Nadelhölzern ausser Thuja) bei heftigerer Kälte ( — 12° R. zum Wenigsten) sich zeigen, über die er seine Beobachtungen auch schon veröffentlicht hatte (Botan. Zeitung 1855 p. 449 ff; 1857 p. 329 ff), und sogenannte Umläufe, welche letztere wenig bekannt sind, woher er die Aufmerksamkeit der Versammlung auf sie besonders hinlenkt. Unter einem Um- lauf (falschen Splint) versteht man eine braune Masse von Parenchym, in Form eines ganzen Cylin- ders oder eines Theils eines solchen, welcher sich irgend wo im Holzkörper eines Baumes zwischen den Jahresringen findet und dadurch zu entstehen scheint, dass mittelst Eisbildung im Cambiura die Rinde vom Holz abgesprengt wird, aber dann wieder mit dem Holz durch ein ganz eigenthümliches holziges Parenchym späterer Bildimg, welches an Gestalt seiner Zellen sehr von denen des Holzes abweicht, verbunden wird, welc ies eben den „Umlauf“ bildet. Nach diesem holzigen Parenchym des Umlaufs erscheint dann wieder das gewöhnliche Holz zwischen dem Umlauf und der Rinde. Es wurden Umläufe an jungen Stämmen von Thuja occidentalis vorgezeigt und bemerkt, dass das Parenchym des Umlaufs räthselhafter Weise sowohl mit dem alten Holz, dem es aufliegt, als mit dem neuen in organischer Verbindung steht, so dass seine Entstehung sowohl vom Holz als von der Rinde ausgegangen zu sein scheint. Privatsitzung am 3. Februar. Professor von Wittich sprach über einige in Preussen auf gefundene Schädel, welche der Versammlung vorgezeigt wurden, und schickte dem Vortrage eine Uebersicht über die Schädel- bildung bei den verschiedenen Menschenracen voraus. Der Vortrag selbst wird in diesem Bande voll- ständig mitgetheilt. 4 Sitzungsberichte. Ocflcntlichc Sitzunsr am 24. Februar. Professor Rosenkranz hielt einen Vortrag über Japan und die Japaner. Er begann mit einer kurzen Aufzählung der Reisenden und Schriftsteller, die uns von Japan Nachricht gegeben haben. Hierauf wurde die Lage, Gestaltung und Beschaffenheit der Japanischen Inseln, die Flora und Fauna charakterisirt. Es folgte eine Uebersicht der Geschichte Japans , weil nur aus ihr sich die Eigentümlichkeit seiner Verfassung verstehen lässt. Japan gehört zu den Ländern des Chinesischen Cultursystems , behauptet jedoch eine vom ganzen übrigen Orient abweichende Physiognomie, weil es wesentlich ein maritimes Insel -Land ist, während alle übrigen Staaten Asiens Continentalmächte sind. Das vul- kanische Feuer seiner Berge und die überall an seine Felsenufer brandende Welle unterhalten schon von Seiten der Natur eine Unruhe, welche das Versinken in einen trägen Quietismus nicht gestattet. Die Verfassung Japans ist die eines Feudalstaates, der aber die einzelnen Fürsten allmälig einer strengen Concentration der monarchischen Macht unterworfen hat. Die Beamtenorganisation ist der Chinesischen nachgebildet. Jn Japan ist aber der Absolutismus der Despotie dadurch gemildert, dass dem weltlichen Herrscher, dem Kubo Santa, ein geistlicher, der Da'iri Santa, gegenüber steht. Wie sehr auch die Macht des letzteren äusserlich beschränkt sei, so ist doch seine Autorität in allen Angelegenheiten der Religion, Kunst und Wissenschaft vom grössten Einfluss. Der Däiri ist der Nach- komme des ursprünglichen Kaisers; die Würde des Kubo ist aus der eines stellvertretenden Prinz- Regenten entsprungen und erblich geworden. Nun wurde die strenge Herrschaft des Gesetzes in Japan hervorgehoben, die keinen Unterschied der Person kennt. Das Vertrauen zur Rechtlichkeit der Justizpflege, die öffentlich gehandhabt wird, giebt auch dem geringsten Japaner ein Selbstgefühl , welches den übrigen Asiaten in dieser Energie fehlt. Hierauf schilderte Prof. Rosenkranz die socialen Zustände der Japaner, ihre Erziehung, ihre Sitten, ihre Vergnügungen, ihre Liebe zur Musik, zum Theater, zum Reisen, zum brieflichen Verkehr. Höflichkeit ohne Selbst wegwerfung, wie der Chinese derselben verfällt, Geselligkeit, ohne die materielle Schwelgerei zum Zweck zu machen, Reinlichkeit, Ordnung, frühe Gewöhnung zur Selbstverantwort- lichkeit, Wohlgefallen am Scherz machen den Umgang mit den Japanern höchst angenehm.. Alle technischen Künste stehen auf einer hohen Stufe der Vollkommenheit. Alle Japaner lernen lesen und schreiben, und es giebt über alle wissenswürdigen Gegenstände populäre Werke , die mit Elustrationen begleitet sind. Die Holländer haben für die Japaner die Vermittelung übernommen, die bedeutendsten Werke der Europäischen Literatur aus dem Fach der exacten Wissenschaften zur Uebersetzung ins Japanische herbeizuschaffen. Im Gegensatz zum phantastischen Idealismus des Orients ist der Cha- rakter der Japanischen Cultur ein realistischer. Zum Schluss übergehend verglich Prof. Rosenkranz die letzte Periode Japans dem geschlossenen Handelsstaate, wie Fichte ihn zn Anfang dieses Jahr- hunderts deducirt hat. In Folge des Fanatismus der Jesuiten, die sich in politische Parteinahme bei einem Thronfolgestreit verstrickt hatten , wurde von der nationalen siegenden Partei das Christenthum, dem schon Millionen gewonnen waren , wieder vernichtet und für immer von dem Lande ausgeschlossen. Japan zog sich ganz in sich zurück, gab seine grosse Scliifl’fahrt auf und beschränkte sich auf den nothdürftigsten Verkehr mit China und Holland, welchem letztem ein kleiner Hafen zu Dezima auf Nagasski eingeräumt wurde. In diesen zwei Jahrhunderten, die in der Weltgeschichte einzig dastehen. Sitzungsberichte. S ist Japan doch nicht erschlafft, sondern hat sich in starker Thätigkeit fortschrittlustig erhalten. Ka- nonen, Gewehre, Pulver bereitet es sich in eigenen Fabriken und seine Armee ist eine wohl disci- plinirte. Die Japanesen lieben ihr Vaterland , ohne in ihrem Nationalgefühl auf andere Völker nach Chinesischer Art als Barbaren herunterzusehen. Einer der jüngsten Staaten der Weltgeschichte, Nordamerika, hat nun Japan seiner Isolirung entrissen. Es ist dem Verkehr aller Völker geöffnet. Auch Preussen will eine Expedition zu ihm senden. Der Vortrag schloss mit dem Wunsche, dass nicht Rohheit, Habsucht, geistliche Bekeh- rungswuth, Eifersucht der handeltreibenden Völker, Eroberungslust die Japaner es möchte bereuen lassen, ihre in sich so lange glücklich befriedigte Abgeschlossenheit aufgegeben zu haben. Privafsilzimg am 2. Mürz. Dr. IT. Hagen hielt einen Vortrag über tlie Seeschlunge , der im Wesentlichen Folgendes ent- hielt: Da die Seeschlange sich nur bei ruhigem und heiterem Himmel zeigt, wurde ihr Erscheinen mit gänzlicher Stille am politischen Horizont gleichbedeutend, und seit diese Meinung Fuss gefasst, sehr wahrscheinlich auch in der Tagespresse mit diesem dankbaren Gegenstände Missbrauch getrieben. Vor- zugsweise in Misskredit brachte sie jedoch der Umstand, dass ein beträchtlicher Theil der Nachrichten über ihr Erscheinen in letzter Zeit aus Nord-Amerika und seinen als lügenhaft verrufenen Zeitungen stammt. Nehmen wir hinzu, dass bis jetzt, ein derartiges Thier weder lebend, noch todt in die Hand des Menschen gelangte, und meines Wissens selbst kein namhafter Naturforscher Gelegenheit gehabt hat es zu beobachten, so scheint der Zweifel an die Existenz jenes Thieres allerdings gerechtfertigt zu sein. Ein mehrmonatlicher Aufenthalt in Norwegen gab mir Gelegenheit mancherlei über die See- schlange zu hören und eine Anzahl glaubwürdiger Leute zu sprechen, die das fragliche Thier selbst gesehen hatten. Leider ward mir nicht das Glück zu Theil es selbst beobachten zu können, obwohl ich in Gegenden, in welchen es vorzugsweise häufig angetroffen wird, nämlich in Christiansund und Molde fast zwei Monate verweilte, und täglich weite Exkursionen zu Boote machte. Brieflicher Mittheilung zufolge fügte es das neckische Schicksal, dass wenige Wochen nach meiner Abreise das Thier in Christiansund gesehen wurde. Herr Geheimrath Rathke, den ich auf jener Reise begleitete, hatte sich die Ermittelung des Wahren in Betreff der Seeschlange zur Aufgabe gemacht, hat die Aussagen der Zeugen genau vermerkt und später ausführliche Mittheilungen darüber veröffent licht. Die derartig gesammelten Erfahrungen stellen bei mir die Existenz jenes Thieres ausser jedem Zweifel, und ich freue mich dabei wenigstens zwei der jetzt lebenden bedeutendsten Autoritäten, Rathke und Owen, auf meiner Seite zu haben. Zur näheren Begründung meiner Ansicht habe ich die einschlägige Litteratur genau verglichen, und erlaube mir, so weit es tluinlich, ohne Wiederholung der zahlreichen Namen von Personen und Orten, die mehr ermüden als belehren, eine ungeschminkte Darlegung des Thatbestandes zu geben. Die erste mir bekannte Nachricht von der Seeschlange findet sich in der Beschreibung Nor- wegens des Bischoff Pontoppidan. Das Buch erschien um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und liefert eine rohe Skizze des schwimmenden Thieres. Eine frühere Beschreibung von Olaus M. hat mir nicht Vorgelegen. Pontoppidan erzählt, dass unter den Bewohnern des nördlichen Theiles von Nor- « Sitzungsberichte. wegen Niemand die Existenz der Seeschlange bezweifle, und dass die Schiffer, welche alljährlich jene Gewässer befahren, eine Frage nach diesem Thiere fast übelnehmen. Sie meinen, es sei genau so überflüssig , wenn man fragen wolle , ob es wirklich Dorsche oder Aale gebe. Pontoppidans Beschrei- bung stimmt mit den Angaben der späteren Beobachter in den Hauptsachen genau überein. Ich rechne dahin die Art der Bewegung, die in senkrechten Schlangenwindungen besteht; der Kopf einem Pferdekopf nicht unähnlich, hinten mit einer auf dem Wasser schwimmenden Mälme, erhebt sich etwas über den Meeresspiegel; die Augen sind gross und glänzend; die Haut des Thieres ist glatt; ihre Farbe ein bräunliches Grau; das Thier erscheint nur in den Sommermonaten Juli August und zwar nur bei ganz ruhiger glatter See. Seine Angabe der Länge von 100 Klaftern ist allerdings viel bedeutender als alle späteren glaubwürdigen Nachrichten. Linne, der es sich zur ersten Aufgabe gemacht, die Naturgeschichte von der Fabel zu reinigen, hat die Seeschlange, wie alles, was er nicht selbst gesehen, nicht in das System aufgenommen, auch in seinen zahlreichen kleineren Schriften ihrer nirgends gedacht. Die glückliche Umwälzung in der Wissenschaft, die unmittelbare Folge der unsterblichen Bestrebungen Linnes, erforderte so zahlreiche näherliegende Arbeiten, dass derartige nicht ganz verbürgte Gegenstände unbeachtet gelassen werden mussten. Fast ein halbes Jahrhundert hindurch geschieht der Seeschlange keine Erwähnung bis ihr häufiges Erscheinen an der Küste von Nordamerika vom Jahre 1817 an die allgemeine Aufmerksam- keit auf sie hinlenkte. In den zwanziger und dreissiger Jahren findet sich fast jährlich ihr Erscheinen vermerkt, und zwar sind der grösseren Glaubwürdigkeit halber die Zeugnisse meist beeidet und gerichtlich niedergelegt. Besonders häufig zeigte sie sich längs der Küste bis in den Golf von Mexiko; mehrfach erschien sie bei Boston und einmal in einer Bai wenige Meilen davon so günstig, dass nicht einzelne, sondern über tausend herbeigeeilte Zeugen sie in der Entfernung von nur einer englischen Meile längere Zeit hindurch selbst mit Fernrohren genau beobachten konnten. Ich bemerke dabei ausdrücklich , dass nicht allein Nordamerikaner sondern auch Engländer Zeugnisse darüber ab- gestattet haben. Besonders in Folge jener Beobachtung hielt sich die Linneische Gesellschaft in Boston für berechtigt das Thier unter dem Namen S. oliopliis atlauticus dem System einzureihen, und um das darüber schwebende Dunkel zu hellen die nöthigen Dokumente zu sammeln, die bis zum Jahre 1839 gehen und ein besonders häufiges Erscheinen für das Jahr 1833 feststellen. Es kann nicht angenommen werden , dass den zahlreichen Zeugen , meist Schiffern oder Kaufleuten — auch hier ist kein Naturforscher darunter — Pontoppidans Angaben bekannt gewesen seien, demungeachtet stimmt ihre Beschreibung in der Hauptsache damit vollkommen überein, nur die Angabe der Länge des Thieres ist , wie bei allen glaubwürdigen neueren Zeugnissen , wesentlich geringer und überschreitet kaum 60 Fuss. Die Entfernung des Beobachters betrug in einigen Fällen nur 150 Fuss. Dies war ungefähr der Stand unserer Kenntnisse über die Seeschlange, als ich Norwegen bereiste. Wie schon Pontoppidan bemerkt , war es unschwer eine Anzahl Augenzeugen in den nördlichen Küstengegenden zu ermitteln, es waren darunter zwei Fischer, verständige Leute mittlern Alters, mehrere sehr gebildete und kenntnissreiche Kaufleute, ein Arzt, ein Landrichter, ein Schuldirektor und ein Theologe. Dass in jenen Gegenden die Verbindung zwischen den Ortschaften sich am leich- testen, oft sogar nur allein zu Wasser vermittelt, erklärt die Häufigkeit der Beobachtung durch ge- bildete Leute. So liegt die Stand Christiansund auf drei Inseln, die durch so breite Meeresarme getrennt sind, dass bei stürmischem Wetter jede Verbindung unmöglich ist und im Winter 1838 ein Wallfisch mitten durch die Stadt schwimmen konnte. Sitzungsberichte. 9 Die angeführten Zeugen wichen bei ihrer Beschreibung in Einzelheiten allerdings nicht unbeträcht- lich ab, in der Hauptsache stimmen aber alle überein. Das gesehene Thier hatte die allgemeinen Verhältnisse einer Schlange, von 44 — 60, in einem Falle 100 Fuss Länge, und bewegte sich schnell in senkrechten Windungen. Der ziemlich stumpfe Kopf hinten mit einer Mähne versehen, war etwas über das Wasser gehoben. Die Augen gross, rund, glänzend, nach einer Angabe roth. Die Farbe der glatten Haut dunkelbraun. Ein offenes Maul oder Zähne hatte Niemand beobachtet. Stets erschien das Thier im Sommer bei ganz ruhiger See, und verschwand beim leisesten Windstoss. Die Entfernung der Beobachter war zum Theil sehr gering, einmal 30 Fuss und in einem Falle sogar nur 6 Fuss. In diesem letzten Falle war das Thier dem Boote eines mit Angeln beschäftigten Fischers dicht vorbei geschwommen , und hatte dabei das vorher spiegelglatte Wasser so in Schwanken versetzt, dass das Boot schaukelte. Kurze Zeit darauf schwamm das Thier in gleichnaher Entfernung nochmals beim Boote vorüber. In einem Falle hatte man vergeblich auf das Thier geschossen. Dies sind der Hauptsache nach die Angaben , die ich selbst in Norwegen über jenes Thier ver- nahm. Zu einer sichern Deutung allerdings nicht genügend, gewährten sie doch in einer Hinsicht ein sicheres Resultat, nemlich die feste Ueberzeugung, dass die Existenz eines noch unbekannten riesigen Seethieres an jenen Küsten nicht in das Reich der Fabel gehöre. In den seit meiner Reise verflosse- nen Jahren haben sich die Berichte wesentlich gehäuft. Für die, welche die Seeschlange um- als Lückenbüsser, wenn in der Welt eben nichts anderes geschieht, betrachten, bemerke ich, dass gerade aus dem politisch wirren Jahre 1849 sehr umfangreiche Angaben vorliegen, unter denen eine Beobach- tung auf dem englischen Kriegsschiffe Daedalus eine genaue Sichtung des Materials durch einen der tüchtigsten Forscher Owen veranlasste. Allerdings tauchen nicht selten gerade in diesem Zeiträume handgreifliche Lügen auf. Die Er- legung einer Seeschlange durch Harpunen nach einem romanhaften Kampfe wurde aus Nordamerika gemeldet — und später widerrufen. In einigen Städten liess sogar ein Schiffskapitain eine 600 Pfd. schwere Makrele als Seeschlange für Geld sehen. Derartige Uebertreibungen hatten zur Folge, dass Wahres wie Falsches ohne Wei- teres bei Seite geworfen und das Ganze als Lüge erklärt wurde. Ich gestehe offen, dass ich einen derartigen Skeptizismus gegenüber so vielfachen Aussagen, die die Zahl von mehreren Hunderten übersteigen, nicht für angemessen halte. Aber wir begegnen einem zweiten Einwurfe gegen die Existenz der Seeschlange, der selbst von kompetenter Seite mehrfach aufgestellt ist. Ein Thier, sagt man, das angeblich so oft beobachtet ist, hätte, wenn auch nicht lebend, so doch wenigstens todt in diesem langen Zeiträume einmal angetroffen oder an [irgend eine Küste ge- schwemmt werden müssen. Wie mich dünkt entkräftigen gerade diesen Eimvurf mehrfache Beispiele. Eines der grössten Landthiere, das schon Hanno in seiner bekannten, über 500 Jahre vor Chr. Geb. ausgeführten Reise kenntlich genug beschreibt, und dessen Fell der Angabe nach bei der Eroberung Carthagos in einem Tempel vorhanden war, wurde durch fast 2000 Jahre für eine Fabel gehalten und erst vor wenigen Jahren wieder aufgefunden. Ich meine den grössten und menschenähnlichsten Affen, den Gorilla von der Westküste Afrikas. In Wien hielt man diese Entdeckung für so wichtig, dass man fast den ganzen Jahresetat der K. Sammlung daran wandte, um von den beiden nach Europa gekom- menen Thieren eines zu erwerben. * Sitzungsberichte. Eine mächtige, bis dahin ganz unbekannte Wallfischart, Physeter bidens, wurde erst in diesem Jahrhundert durch ein in England angeschwemmtes Thier bekannt. Ein anderes Seethier Delphino- rhynchus macropterus ist gleichfalls nur zweimal gefunden, ein Stück wurde bei Ilavre, ein anderes bei Ostende an die Küste geschwemmt. Ich erlaube mir hier ausdrücklich daran zu erinnern, dass wir noch weit entfernt .sind von einer auch nur einigermassen genauen Kenntniss der Thierwelt des Oceans, und dass, wie kürzlich die sorgsamen Untersuchungen über die grössten lebenden Thiere, die Wallfische, von Eschricht nachgewiesen haben, wir von den wenigsten Arten einigermassen hinrei- chende Kenntnisse besitzen. Und doch verfolgt der Mensch diese Ungeheuer so erfolgreich, so uner- bittlich, dass einzelne Arten fast ausgerottet zu sein scheinen. Ein äusserst merkwürdiger Grätenfisch, der sogenannte Heeringskönig, Regalecus Glecne, ist bis jetzt nachweislich nur in zwei Stücken gefangen, und davon nur eines in ziemlich zerstörtem Zu- stande in die Hände der Wissenschaft gelangt. Und doch hat dieser an den Küsten Norwegens in denselben Gegenden, in welchen die Seeschlange gesehen wird, gefangene Fisch die bedeutende Länge von mehl’ als 14 Fuss, ist also grösser als alle bekannten, unserm Welttheile angehörigen Gräten- fische. Das einzige nur zur Hälfte erhaltene Exemplar befindet sich auf ein Brett genagelt im Stock- holmer Museum, das andere war zerhackt., ehe Naturforscher davon Kunde erhielten. Würde man nicht auch die Sage der Fischer von einem solchen Ungeheuer für Fabel halten, wenn nicht der greifbare Gegenbeweis vorhanden wäre? Gewöhnlich findet man mit der Sage und den Abbildungen der Seeschlange noch ein zweites Ungeheuer vereint, nemlich einen riesigen Tintenfisch, der mit seinen Armen ein Boot umschlingt und solches in die Tiefe hinabzieht. Da gegenwärtig die Tintenfische selten über 1 \ Fuss lang ange- troften werden, so wurde abgesehen von dem Uebrigen schon deshalb die Sage von derartig riesigen Stücken für eine Fabel gehalten. Es freut mich drei Fälle aufgefunden zu haben, in denen die geachteten Namen der Forscher Steenstrup, v. Eschscholz Bürge sind, dass derartig gigantische Ungeheuer wirklich existirt haben und sogar noch in neuerer Zeit angetroflen sind. Eines derselben, wahrscheinlich eine Sepia -Art, wurde 1639 bei Island angetrieben. Der Körper war von der Stärke und Länge eines Mannes, die Anne 24 — 30 Fuss lang. Das zweite Thier wurde 1791 gleichfalls in Irland angeschwemmt und scheint eine Loligo gewesen zu sein, bei ihm hatte der Körper 20 Fuss und die Arme 18 Fuss Länge. Ein ähnliches Thier, zum Theil zerstört, fand Eschscholz an der Küste von Sibirien; die Arme hatten 18 Fuss Länge und mussten mit Beilen abgehackt werden. Will man diese in der Wissenschaft hochgeachteten Forscher nicht geradezu der Lüge bezüchtigen, so muss man ihren Angaben gegenüber gestehen, das vornehmes Ignoriren oder Leugnen ähnlicher, noch nicht völlig verbriefter Thatsachen eine Unbill gegen zahlreiche Augenzeugen sein würde. Ueberdies ist nach den wunderbaren Erfahrungen der neuesten Zeit ein schroffer Skepticismus nirgends übler angebracht als gerade in der Naturgeschichte. Doch auch von dem Antreiben todter Thiere, die die Eingeborenen für die Seeschlange ansprachen , finden wir Nachrichten. Ohne auf die früher von Pontoppidan gesammelten Fälle Rücksicht zu nehmen, da selbe wenig Aufschluss gewähren, will ich nur einer näher liegenden Nachricht gedenken. Ich meine den vielbesprochenen Fall, der sich 1816 bei Stronsa auf den Orkney -Inseln zutrug. Die eidlichen Aussagen dreier Fischer und eine rohe Skizze stimmen mit den norwegischen Angaben ziem- lich gut überein. Das Thier selbst war leider längst vernichtet, als Naturforscher Kunde davon erhielten; nur Skelettheile sind gerettet und finden sich theilweise in Edinburg, einzelne Wirbel in Sitzungsberichte. 9 der Hunterschen Sammlung. Zwei Forscher ersten Ranges, Home und Owen, haben nach genauer Prüfung die Wirbel als einem Haifisch zugehörig nachgewiesen — welcher Art liess sich nicht bestim- men. Mas nun auch daran nicht zu zweifeln sein, so scheint mir doch einümstand dabei übersehen. Das Thier, dem die fraglichen Theile angehörten, hatte nach den einstimmigen Anssagen der Finder eine Länge von 55 Fuss, und es wäre unbillig diese Angabe in Zweifel zu stellen, da gerade der- artige Ausmessungen selbst von ungebildeten Leuten mit Sicherheit zu machen sind, und bei einem so ausserordentlichen Funde auch zuversichtlich gemacht wurden. Nim ist aber meines Wissens bis jetzt kein Hai von so enormer Grösse bekannt , 30 bis 35 Fuss sind die grössten für Squalus maximus ange- gebenen Maasse. Ueberdies hatte das gestrandete Thier auf dem Rücken bis zum Schwänze hin eine Flosse oder Mähne von Zoll Breite und 14 Zoll Länge. Die Angabe, dass selbe im Dunkeln geleuchtet habe ( offenbar durch Fäulniss ) , macht es unzweifelhaft , dass sie wirklich vorhanden war , und nicht bloss aus der Luft gegriffen ist. Nun existirt aber bis jetzt kein bekannter Hai mit einer derartigen Rückenflosse. Weder Ho ine noch Owen haben in ihren Auslassungen diese Thatsache berücksichtigt, sondern einfach die vorhandenen Skelettheile als von einem Haifisch herrührend be- trachtet, und Wiegmann, der diesen Fall gleichfalls bespricht, meint, dass das Thier Lamna cornubca gewesen sein möge, eine Haifisch-Art , die allerdings eine beträchtliche Grösse erreicht, aber gleichfalls keine Rückenflosse führt. Ich habe mit Absicht diesen Fund so speziell erwähnt, da ich zum Schlüsse nochmals auf ihn zurückkomme, und bemerke nur noch, dass nordamerikanische Nachrichten einer Strandung eines ähnlichen Thieres unfern Neu- York im Jahre 1822 erwähnen. Diejenigen, welche die Existenz einer Seeschlange läugnen, haben auf verschiedene Weise die angeführten Beobachtungen zu erklären und auf Selbsttäuschung zurückzuführen versucht. Es sind vorzugsweise drei derartige Erklärungen zu erwähnen. Erstens sollten gigantische Züge von dicht, an einander gedrängten Fischen für die Seeschlange gehalten sein. Zweitens , und dies ist die ver- breitetste Angabe, sollten eine Anzahl Delphine oder ähnlicher Thiere hinter einander schwimmend und stets Rad schlagend die Schlange darstellen. Drittens sollte die ganze Erscheinung auf eine Art optischer Täuschung beruhen, die bei ruhiger See und grellem Sonnenschein durch den Reflex des Lichtes vennittelt würde. Es findet gegen diese drei Erklärungen ein erheblicher und meines Bedünkens unabweisbarer Einwurf statt, nemlieh der, dass gerade die Leute, welche die Seeschlange am häufigsten sahen, mit Fischzügen, Delphinen und Luftspiegelungen so genau bekannt sind, dass es geradezu lächerlich ist, ihnen eine derartige Verwechselung Zutrauen zu wollen. Einem Fischer, der Jahr aus Jahr ein von seinem Gewerbe lebt, und dessen Haupterwerh auf dem Eintreffen der bekannten grossen Fischzüge beruht, zuzumuthen, dass er einen derartigen Fischzug für eine Seeschlange angesehen habe, ist eine wunderliche Behauptung. In Norwegen sind die Umstände, die einen solchen Fischzug begleiten, so bekannt, dass hier sich kein Kind täuschen würde. Lange bevor der Zug gesehen wird, verrathen ihn zahlreiche über dem Meere schwärmende Vögel ; dann lässt sich in der Ferne ein bestimmtes Geräusch hören, und endlich machen vielfach aus dem Wasser springende Fische, die ängstlich den verfolgenden Raubfischen zu entgehen suchen , ihn dem Auge sichtbar. Ist der Zug gross , so drängen sich die Fische mitunter so dicht zusammen, dass ein Theil der ganzen Fischmasse förmlich über das Wasser gehoben wird, und dieser Theil ist es, der als Seeschlange angesprochen ist. Von der Zahl der Individuen, die einen solchen Fischzug bilden, erhält man durch Beschreibung nur einen schwachen Begriff. Ich habe bei Christiansund einen Heeringszug gesehen, der allerdings nur zu den kleineren b IO Sitzungsberichte. gehörte. Als der Zug in eine Bucht eingetrieben und mit Netzen umstellt war, standen die Fische unterWasser so dicht beisammen, dass ich zuerst trotz des klaren Wassers gar nichts sah, bis sich das Auge daran gewöhnte, die dicht an einander gedrängten dunklen Fischrücken zu unterscheiden. Jeder Zug mit dem Hamen brachte die Fische und die sie verfolgenden Räuber, die in blinder Gier über den Rand des Netzes nachsprangen, in solcher Menge zu Tage, dass die Heeringe stets erstickt und todt ans Land kamen, während bei den stärkeren Dorschen nicht selten aus den grossen Mäulern noch fünf so eben verschlungene Heeringe mit den Schwänzen hervorragten. Die Angabe, dass die Seeschlange ein Fischzug sei, beruht vorzugsweise auf dem Berichte eines Schiffers, der eine Seeschlange zu sehen glaubte, und beim Ansegeln einen Fischzug fand, durch den er hindurchfuhr. Mich dünkt, es beweise diese Angabe nur, dass der Schiffer früher einen Fischzug nicht zu beobachten Gelegenheit hatte. In Norwegen treffen aber derartige Züge regelmässig zu bestimmten Zeiten ein. Alt und Jung liegt dann schon lange vorher auf der Lauer, da der erste, der den Zug erspähte, nach seinem Einbringen einen wesentlich grösseren Antheil erhält. Ich denke, man wird mir ohne Weiteres Recht geben, dass solchen Leuten eine derartig grobe Täuschung nicht zuzumuthen sei, um so weniger, da sowohl aus Norwegen als von den Orkney- Inseln mehrfache Beispiele vorliegen, dass Fischer, um einer dem Boote nachschwimmenden Seeschlange zu entgehen, sich so mit Rudern anstrengten, dass sie nachher krank darniederlagen. Ganz derselbe Fall findet bei der angeblichen Verwechselung mit einer Reihe hinter einander schwimmender Delphine statt. Diese Erscheinung ist an Ort und Stelle Jedem genau bekannt und so häutig, dass ich im Meerbusen von Christiauia und bei Christiansund bei schönem Wetter viele Dutzende von Thieren hinter einander Rad schlagen sah, ohne dass es den Bootsleuten je eingefallen wäre, sie für eine Seeschlange auszugeben. Einem Gelehrten an seinem Schreibtische kann man immerhin eine derartige Vermuthung nachsehen, einem Fischer, dem die Naturproducte seines Jagd- reviers täglich vor Augen sind und häufig durch die Hände gehen, wird es nicht einfallen, eine der- artige Täuschung für möglich zu halten. So sahen oder glaubten bei der letzten Japanischen Expe- dition, die Heine mitmachte, die sämmtlichen Offiziere unfern Kamtschatka eine weisse grosse Seeschlange zu sehen. Während alles noch in der höchsten Aufregung darüber war, schnitten die Eingeborenen aus einem Stück Rinde ganz einfach das Modell eines Wallfisches aus, und erklärten, dass es drei hintereinander schwimmende derartige Thiere gewesen seien, die jene Erscheinung erzeug- ten. Mich dünkt, dass schon dieser Fall beweisend genug ist, dass bei den Zeugnissen der norwegi- schen Fischer an ähnliche Verwechselungen nicht gedacht werden dürfe. Die dritte Angabe, nemlich die optische Täuschung durch Luftspiegelung, findet sich in Lyells Nordamerikanischer Reise weitläufig , auch bildlich erläutert. Ich kann mich in Betreff derselben jedes weiteren Einwandes enthalten, da man sie allgemein fallen gelassen hat. Uebrigens sind Luftspiege- lungen der mannigfachsten Art in den norwegischen Gewässern durchaus keine seltene Erscheinung und den Bewohnern zur Genüge bekannt. Gehen wir nach diesen negativen Angaben zu dem Hauptpunkte über, zu der Frage: „was ist denn eigentlich die Seeschlange“, so ist eine genügende Antwort darauf nicht zu geben. Owen, Rathke und andere Forscher von Gewicht bezweifeln, dass selbe ein Reptil oder überhaupt einAm- phibium sein könne, weil diese Thiere, als durch Lungen athmend, stets in bestimmten, meist kurzen Zwischenräumen zum Athmen an die Oberfläche des Wassers kommen müssen, und nicht so spurlos unter demselben verschwinden können, wie dies von der Seesehlange allgemein angegeben wird. Aus Sitzungsberichte. il demselben Grunde wäre dann auch der Gedanke an ein warmblütiges Wirbelthier , etwa eine grosse Robbe, an die Owen wegen der stets beobachteten Mähne gedacht hat, vorweg ausgeschlossen; um so mehr als man neuerdings vielfache genaue Beobachtungen gemacht hat, wie lange Wallfische und Robben unter Wasser bleiben, ehe sie zum Athmen wieder emportauchen, und die Zeit viel kürzer gefunden hat, als man früher glaubte. Selten erreicht sie 5 Minuten, meist tauchen aber die Thiere in viel kürzeren Pausen, oft zweimal in der Minute, zum Athmen hervor. Schlangen von so riesiger Grösse, im Meere lebende Krokodile oder Alligatoren sind wenigstens bis jetzt nirgends beobachtet. Der Gedanke an ein dem Plesiosaurus oder Ichtyosaurus verwandtes Thier lag nahe und ist mehrfach ausgesprochen , wogegen Owen mit Recht bemerkt, dass diese grossen Saurier sämmtlich der Sekundär-Periode ange- hören, sich niemals in Tertiärschichten oder gar im Diluvium vorfinden, und dort durch die bekannten riesigen Säuget liiere ersetzt werden. Es kann also an ein Vorhandensein derselben in der Jetztwelt ver- ständiger Weise nicht gedacht werden, und bleibt also nur das Geschlecht der Fische übrig, dem die fragliche Seeschlange einzureihen wäre, denn an einen Wurm von solcher Grösse zu denken — und es ist dies wirklich geschehen, auch nennt die Sprache der Norweger das Thier Seewurm — scheint nach der bisherigen Kenntniss dieser Thiere ganz unstatthaft. Allerdings sprechen auch gegen die Fisch- Natur des Thieres drei nicht ungewichtige Thatsachen, ich meine die schlangenartige Bewegung, das Schwimmen über Wasser mit einem beträchtlichen Theile des Körpers, und die stets angegebene Rückenmähne. Muss man demungeachtet die Klasse der Fische für die einzige halten, der das frag- liche Thier vermöge seiner Athmungsorgane angehören kann, so lässt sich in dem weiten Reiche der Fische nur an die Familie der Haifische denken. Bestimmte langlialsige Gruppen derselben zeigen einen Körperbau, der dem für die Seeschlange angegebenen nicht unähnlich ist, und überdies wird durch das bei Stronsa gestrandete früher besprochene Thier, das die Einwohner allgemein für die See- schlange ansp rachen, ein Gewicht mehr für diese Ansicht in die Wagschale gefügt. Selbes ist nach den vorhandenen Knochen unbedingt eine Haifisch - Art gewesen, und hatte eine M ahne, erfüllt also wenigstens einen von den drei Punkten, die ich vorher als den Fischen nicht zukommend erwähnt habe. Es scheint mir nicht ohne Belang, hier auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der meines W issens noch nirgends ins Auge gefasst ist. Es fallen nämlich sämmtliche Beobachtungen der See- schlange in das Gebiet des Golfstroms oder nahe dabei. Wir können also einerseits mit Recht an- nehmen, dass die bei Amerika, bei den Orkney- Inseln und bei Norwegen beobachtete Seeschlange stets derselben Thierspezies angehört habe — und wirklich haben sowohl Nordamerikaner, wie die Einwohner der Orkney -Inseln und die englischen Offiziere vom Daedalus in Pontoppidans roher Skizze das von ihnen gesehene Thier wiedererkennen wollen. Andererseits scheint es nicht unmöglich, dass solche vielleicht in südlichen noch unbefahrenen Meerregionen häufigere Ungeheuer gerade durch den Golfstrom verschlagen und nördlich verführt sind. Dass derartige örtliche Beschränkungen für grosse Seethiere nicht undenkbar sind, beweisst das begränzte Vorkommen einer Zahl grösserer Arten und namentlich der Seekuh Stellers , der jetzt wahrscheinlich ausgerotteten Rytina Stellen, an den Küsten Sibiriens. Dass sich endlich die Seeschlange nur im Sommer den Küsten nähere und zeige, hat man ziemlich allgemein mit der Laichzeit des Thieres in Zusammenhang bringen wollen, und liegt darin nichts Unwahrscheinliches. Es würde also für den, welchen meine Gründe von der Existenz eines derartigen, Seeschlange genannten Thieres überzeugt haben, nicht fern liegen, in derselben eine bis jetzt noch nicht wissen- h* Sitzungsberichte. 12 schaftlich begründete Haifisch -Art zu vermuthen. Jedenfalls wünsche ich, dass meine Mittheilung hinreichen möge, darzuthun, dass wir es hier wenigstens nicht mit einer einlachen Fabel zu tliun haben, sondern mit einer Thatsache, die wie so viele andere in der Naturwissenschaft der Zukunft zu lösen und näher zu begründen aufbehalten bleibt. Professor Möller sprach über die verschiedenen Systeme der Ventilation bewohnter Gebäude. Er beschrieb die einfachen Röhrenventilatoren nach Meir und M'Kinnell, deren Wir- kung auf der Scheidung der sich gegenseitig störenden ein- und austretenden Luftströmung durch Theilung des innem Raumes der Röhre beruht ; sodann die verschiedenen mit der Luft-, Warmwasser- und Dampfheizung im Zusammenhang stehenden Ventilationsmethoden, wie sie namentlich des Ver- gleichs halber neben einander an verschiedenen Abtheilungen des Pariser Hospitals La Riboisiere ausgeführt worden sind. Unter ihnen hat sich der Flügelventilator des Belgiers van Hecke in Ver- bindung mit Luftheizung am besten bewährt, mit welchem seither auch in andern Städten eine Menge öffentlicher Gebäude versehen worden sind. Pettenkofer hat mit ihm neuerdings an einem Schul- hause in München sehr befriedigende Versuche gemacht, wobei er sich zur Prüfuug seiner Leistungen nicht einer Berechnung des durchgeströmten Luftquantums, sondern der Kohlensäure- und Temperatur- Bestimmung in den Schulzimmem vor und nach dem Unterricht bediente. Im Winter, so lange die Luftheizung im Gange war, erwies sich die Drehung des Flügelrades als entbehrlich, da die erwärmte Luft das Kanalsystem ohne jene mechanische Beihülfe ziemlich mit derselben, jedenfalls mit genügender Kraft durchströmte. Eigent hümliche Schwierigkeiten für ein Schulhaus brachte die starke Schallleitung durch die metallnen Röhren mit sich; doch gelang deren Beseitigung durch einfache Vorrichtungen. Auch in ökonomischer Hinsicht bewährte sich die Einrichtung gut. Professor Caspar y sprach über einige rdthselhafle PJianzen , angeblich auf ungeschlecht- lichem, vegetativem IVege entstandenen Bastarde, welche regellos Sprosse (Blüthen- und Laub- sprosse), die 2 — 3 verschiedenen Arten angehören, hervorbringen und Sprosse, welche eine Mischung dieser Arten darstellen. Eine Pflanze dieser auffallenden Eigenschaften ist Cytisus Adami Poir. , 1828 zu Vitry bei Paris in der Baumschule eines Handelsgärtners Adam zuerst aufgetaucht. Sie soll in Folge von Pfropfung des niedrigen Cytisus purpureus Scop. auf Cytisus Laburnum L. als Unterlage entstanden sein; das gepfropfte Auge schlug fehl, aber daneben soll sich eine andere Knospe gebildet haben, die Cytisus Adami Poir. wurde, ein Strauch, der in Grösse, Form und Behaarung des Blatts, in der Gestalt der hängenden, langen, jedoch lockeren Blüthentraube dem Cytisus Laburnum gleicht, aber schmutzig gelblich - karmoisinrothe Blüthen trägt. Aeltere Exemplare des Cytisus Adami jedoch zeigen ausser den gewöhnlichen Blüthen, hie und da Zweige, die vollständig die Blüthen von Cytisus Laburnum und andere, die ganz und gar die davon sehr abweichenden Blüthen und Blätter des Cytisus pur- pureus Scop. darstellen. Professor Caspary hat Cytisus Adami in Bonn untersucht, zeigt von ihm dort gefertigte Abbildungen der Pflanze mit ihren drei Blüthenarten vor und theilt mit, dass die Bliithe des eigentlichen Cytisus Adami abweichend von den geschlechtlich entstandenen Bastarden gut ausgebildeten Saamenstaub , der leicht Schläuche treibt , zeigt , dagegen monströs entwickelte Saamen- knospen darbietet, während gewöhnliche Bastarde mangelhaft entwickelten Saamenstaub, aber normal gebildete Saamenknospen besitzen. Aehnlich wie Cytisus Adami Poir. ist die sogenannte Bizarrerie der Orangen, die zuerst etwa 1644 bei Florenz auftrat. Es bildete sich dort angeblich aus einem »Sitzungsberichte. 13 fehlgeschlagenen Auge der Bedrate (citrus medica Risso), gepfropft auf einen Stamm der bittem Orange (citrus Bigarradia Risso) eine Pflanze, welche Blätter, Bliithen und Früchte trägt, die bald rein die Natur der Cedrate oder die der bittern Orange darstellen, theils daraus gemischt sind und zwar so wunderlich , dass ein Tlieil einer Frucht dünnschalige Stücke mit bitterm Fleisch und ein anderer Tlieil derselben Frucht sehr dickschalige Stücke mit säuerlichem Fleisch zeigt. In neuerer Zeit ist in Alexandrien im Garten von Boghos Bey sogar eine Orange gefunden, die 3 Arten in ein und derselben Frucht darstellte: die saure und süsse Citrone und die süsse Apfelsine. Professor Caspary zeigte eine Apfelsine vor, die aus Messina stammt und aus dem Laden von Herrn Rud. Häbler herrührte, welche äusserlich^ zwei ganz verschiedene Rindenarten zeigte; ein Viertel der Rinde war dick, rauh, tief roth-orange mit sehr grossen (1£ mm im Durchmesser haltenden) Oelbehältem ; drei Viertel dagegen zeigten mit plötzlicher Abgrenzung eine dünne, glättere hell-gelb-orange Rinde, welche sehr kleine, \ — |mni im Durchmesser haltende Oelbehälter hatten. Das Fleisch beider Theile zeigte sich jedoch gleich gebildet und von gleichem Geschmack der süssen Apfelsine. Jeder Tlieil hatte einen ausgebildeten Saamen und in einem Fach, das theils von der rauhen dicken, theils von der dünnen glätteren Rinde gedeckt war, zeigte sich auch noch ein entwickelter Saamen. Privatsitzung am 13. April Dr. H. Hagen las über die in historischer Zeit ausgestorbenen Vogel. Nachdem in der Einleitung mehrerer Säugethierarten Erwähnung geschehen , die entweder in einzelnen Ländern bereits ausgerottet wurden, oder dem völligen Aussterben nahe sind, fährt Dr. Hagen so fort: Man sollte meinen, dass die Vögel vermöge der Leichtigkeit , sich Verfolgungen zu entziehen, weniger einem ähn- lichen Schicksal unterworfen seien; und doch finden wir gerade hier die prägnantesten Beispiele, zumal in Gattungen, deren mangelhafte Ausbildung der Flügel neben einfältiger Dummdreistigkeit die sonst den Vögeln eigenen Vorzüge verwischt. Sie werden um so leichter ein Opfer des Menschen, da ilire Unbehülfliclikeit sich meist mit Zutraulichkeit gepaart hat. Man muss nur den Bericht der Novara- Expedition über die Insel St. Paul lesen und das Herfallen der Schiffsleute über die sorglose Pinguins- Heerde, um es unbegreiflich zu finden, dass überhaupt diese Thiere noch existiren. Der Vogel Dronte oder Dodo, von Linne unter dem Namen Didus ineptus in das System auf- genommen, hat lange zu bedeutenden Kontroversen Veranlassung gegeben, eine Zeit hindurch wurde selbst ganz und gar bezweifelt, dass er existirt habe. Letzteres ist durch die an drei Orten noch vorhandenen Ueberreste und nach dem Leben gefertigte Abbildungen ausser Zweifel gesetzt. Es ist nämlich im Ashmolschen Museum in Oxford der Kopf mit einigen Flaumfedern und ein Bein vor- handen. Selbe stammen von einem vollständigen ausgestopften Exemplare des Vogels, das John Tradescant besass. Bei einer Revision des Museums im Jahre 1775 durch die Curatoren der Anstalt wurde , wie die noch vorhandenen Protokolle beweisen , eine Anzahl beschädigter Thiere zum Fortwerfen bestimmt. Leider befindet sich darunter auch Nr. 75 des Catalogs, der oben erwähnte Dronte. 1m Brittisch -Museum ist ein Fuss des Vogels vorhanden, wie Gray vermuthet, derselbe, den Clusius vor zwei Jahrhunderten in der Sammlung des Professor Pauw in Leiden sah und be- schrieb, und endlich befindet s.ch im Koppenhagener Museum ein Kopf, der aus der ehemaligen 14 Sitzungsberichte. Gottorffschen Kunstkammer herrührt und von Olearius beschrieben und abgebildet. ist. Ein Theil jener Kunstkammer kam nach Petersburg, ein anderer nach Koppenhageu , und während der Kontro- verse über die Existenz des Dronte entdeckte Prof. Reinhardt zufällig in einem Kasten mit alten Knochen diese unschätzbare Reliquien. Nach verbürgten Nachrichten wurde 1638 in London ein lebender Dronte gezeigt und es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies Exemplar später in John Tradescants Museum überging und auch von ihm die gleich zu erwähnenden Oelgemälde herrühren. Selbe, fünf an der Zahl, sind sämmtlich von einer holländischen Malerfamilie Savery gefertigt: nämlich ein Gemälde in natürlicher Grösse im Ashmolschen Museum in Oxford von John Savery, ein zweites im Brittisch- Museum nebst einer Kopie von demselben Künstler; ein Oelgemälde, Orpheus die Thiere bezaubernd, darunter der Dronte, in der Gemälde - Sammlung im Haag von Roland Savery, und endlich eine Skizze dieser Darstellung im Belvedere in Wien von demselben Maler. Ich habe das Glück gehabt fast alle genannten Ueberreste und Gemälde selbst vergleichen zu können. Die übrigen in den älteren Schriften und Reisebeschreibungen enthaltenen Bilder sind mehr oder weniger Karikaturen imd zumeist aus Clusius kopirt, so bei Nieremberg, Olearius, Pieter van der Broeks, Thomas Herbert und Thevenot. Die beste vorhandene Abbildung liefert Blumenbach; sie ist eine Copie der Thevenot oder Savery s mit Korrektur nach den vom Vogel noch vorhandenen Ueberresten. Tm Jahre 1598 ward das Schiff des holländischen Admirals Wybrand von Warwyk an eine Insel verschlagen, welche auf den portugisischen Karten Hha do Cirne hiess, von den Holländern aber Mauritius, sowie die Bai, in der sie lagen, Warwyk - Bai genannt wurde. Hier fanden die Holländer ausser vielen grossen Schildkröten auch zahme Vögel, die sich mit Händen greifen Hessen, darunter einen Vogel von der Grösse eines Schwans, dessen Kopf von einer Haut gleichsam bekappt. war. Statt der Flügel hatte er drei oder vier schwarze und statt des Schweifes vier oder fünf ge- kräuselte Federn, die Vögel waren grau gefärbt uud konnten nicht fliegen. Ihr Fleisch schmeckte dem Schiffsvolk so schlecht, dass sie selbe Walghvögel oder Ekel erregende Vögel nannten. Dies ist die erste bekannte Erwähnung des Dronte. Die Holländer berührten jetzt häufig Mauritius mit ihren Indienfahrern. Willems erzählt, dass seine Matrosen an einem Tage 25, am andern 20 Drohten erschlugen, und die ganze Mannschaft (wie gross sie war, ist nicht angegeben) nicht mehr als 2 Vögel auf einmal verzehren konnte. Clusius beschreibt ihn nach einer andern holländischen Expedition. Der Schnabel ist nach ihm lang und dick, der obere Theil hakenförmig gekrümmt, der untere mit einem bläulichen Fleck in der Mitte zwischen selb und schwarz versehen. Der Körper des Vogels ist mit kurzen Federn sparsam bedeckt, statt der Flügel sind 4 oder 5 schwarze Federn vorhanden, der Hintertheil des Körpers ist dick und fett. Die Beine sind eher dick als lang, der obere Theil bis ans Knie mit kleinen schwarzen Federn bedeckt, der untere Theil wie auch die Füsse gelblich, mit 4 Zehen, die 3 vordem länger, alle mit schwarzen Krallen versehen, die Kralle am Hinterzeh am längsten, im Jahre 1606 berichtet Admiral Cornelis Matelief von dem Walghvögel von Mauritius, der hier zuerst Dodaars oder Dronte genannt wird, und erwähnt seiner lebhaften Augen und dass im Magen sich gewöhnlich ein faustgrosser Stein fände, derartige Steine hatte auch Clusius bei Porret gesehen. Schon ein Jahr später 1607 berichtet der Handelsmann Paulus van Soldt, dass die Vögel an der Küste sehr abnehmen , aber im Innern noch zahlreich seien. Seine Mannschaft lebte während 23 Tagen nur von Dronten und einigen Schildkröten. Ein Leipziger, Johann Verkens, der 1611 in Mauritius Sitzungsberichte. -§H war, beschreibt die Vögel ähnlich. Sie waren im Laufe leicht zu haschen und verteidigten sich mit dem Schnabel. Der Name Dodo wird zuerst von Thomas Herbert erwähnt, der 1620 auf Mauritius war. Seine Beschreibung nennt C'uvier kindisch, ich kann sie also gern übergehen, das Gewicht des Vogels giebt er durchschnittlich auf 50 Pt'd. an. Mit Ausnahme des 1638 zu London gezeigten Thieres und seiner Erwähnung von Talbot um 1681, ist von da ab seiner nirgends gedacht, und die am Anfänge dieses Jahrhunderts von Bory St. Vincent an Ort und Stelle angestellten Untersuchungen zeigten, dass auf jener Insel das Andenken an diese merkwürdigen Thiere, selbst in der Tradition, gänzlich verschwunden war. Nachdem die Existenz des Dronte gegen Ende des vorigen Jalubunderts namentlich von Shaw’ in Zweifel gestellt wurde, haben zahlreiche und gründliche Untersuchungen des historischen Materials und der Ueberreste ein genügendes Licht über ihn verbreitet. Hier ist in erster Reihe das vortreff- liche Buch von Strickland zu erwähnen, ferner Owen, Reinhardt, Brandt und Du Hamei. Während Brandt ihn zu den Rallen, die altern Naturforscher zu den Hühnern, Blainville zu den Raubvögeln stellten, haben Reinhardt, Strickland und Owen zur Genüge dargethan, dass er in die Reihe der Tauben gehöre, obwohl sein Schnabel mehr den Raubvögeln, sein Fuss mehr den Hühnern ähne. Da er nicht fliegen konnte, hat er wohl nur von Fischen, die er in der Nähe der Küste fing, von Reptilien und Krabben leben können. Der widerwärtige Geschmack seines Fleisches beweist zur Genüge, dass Fische seine Hauptnahrung gewesen sein mögen. Uebrigens sind durch Dejardins 1830 Knochen vom Dronte, die in Isle de France unter Lavalagen gefunden wurden, an Cuvier gekommen, namentlich ein Schädel, Brustbein und einige Flügel- und Fussknochen. Auch Bartlett hat 1855 Knochen vom Dronte auf Rodriguez entdeckt. Merkwürdig genug werden auf den nahe liegenden Mascarenen-Inseln noch mindestens zwei ähn- liche, aber differente Vogelarten erwähnt, die gleich dem Dronte völlig ausgestorben sind. Ein aus Frankreich exilirter Calvinist, der seine Reisebeschreibung sehr passend Aventuren du sieurs Leguat betitelt, hielt sich 2 Jahre auf der nahen Insel Rodriguez auf, litt dann Schiffbruch und kam später nach Indien und kehrte von da als einziger Ueberlebender seiner Mitgesellschaft nach Europa heim. Sein Werkchen liest sich nicht schlecht. Auf Rodriguez fand er einen Vogel, den er Einsiedler oder Solitaire nennt. Das Männchen ist grau oder braun, das Weibchen blond oder braun, quer über der Sclmabelwurzel mit brauner Binde und einem nach vorn in 2 Erhabenheiten vorspringenden Kropfe. Der Schnabel gleicht dem Puter, Hals und Beine sind länger, die dicht befiederten Schenkel haben eischalartige graue Federn, das Auge ist schwarz und lebhaft, der Hintertheil des Körpers rund ohne Schweif, die Flügel zu klein um den Körper zu tragen. — Es ist noch nicht erwiesen, dass Leguats 1693 beobachtete Solitaire mit dem identisch sei, den Carre 1699 auf der Insel Mascurenhos oder Bourbon beobachtet, und den Castleton schon 1613 sah und als sehr fett, von der Grösse des Puters, mit zum Fliegen untauglichen Flügeln beschrieb. Letzterer hat noch zwischen 1735 und 46, als de la Bourdonnaye Gouverneur der Insel war, existirt, vielleicht noch 1763. Zwei Stücke, an Louis XIV. zum Geschenk gesandt, starben unterwegs. Man haschte den Vogel im Laufe, Leguats Solitaire sollte zum Andenken an den Astronomen Pingre, der 1761 Rodriguez besuchte um den Durchgang der Venus zu beobachten, in die Himmelskarte aufgenommen werden. Irrthümlicher Weise kam an seine Stelle eine kleine, wenige Zoll hohe Drossel, Turdus solitarius. Sitzungsberichte. Iß Ueberdies will Leguat einen grossen 6 Fuss hohen Vogel auf Rodriguez und selbst auf Mauri- tius gesehen und, da selber schlecht zu Fuss war, gegriffen haben. Obwohl letzteres sehr unwahr- scheinlich klingt, da die jetzt lebenden so grossen Vögel kräftig genug sind, um jeden derartigen Versuch mehr als gefahrvoll zu machen , bestimmen doch die auf Rodriguez neuerdings gesammelten Knochen die Existenz jenes Strausartigen Vogels als erwiesen anzunehmen. Ein junger Franzose Gauche, der 1638 auf Mauritius war, will noch einen Vogel Didus Nazarenus der Systematiker dort gefunden haben. Es ist aber wohl jetzt zur Genüge nachgewiesen, dass die auf den Karten aufge- führte Mascarenen - Insel Nazareth und ihre Bänke gar nicht existiren und der oiseau Nazareth nur dem Schreibfehler oiseau de nausee seinen Ursprung verdankt, also hier nur der Dronte gemeint sei. Ein vierter Vogel, Apteryx coerulescens , der 1669 auf Bourbon durch De la Haye angetroffen wurde , scheint auch nur mit dem Solitaire Lequats zusammen zu fallen. Endlich werden auf Maurice 1601 und 1638 noch kleine Vögel erwähnt, Schnepfen ähnlich und der Beschreibung nach Apteryx Arten. Auch sie sind verschwunden und waren um 1693 nach Leguat schon sehr selten. Etwas Näheres über sie lässt sich nicht ermitteln. Bestimmt aber ist, dass 1855 von Bartlett auf Rodri- guez gesammelte Knochen 3 Alten repräsentiren , nämlich den Dronte, den Solitaire und einen neuen viel grösseren Vogel. — Ich kann dabei nicht umgehen der Nachricht von einem Riesenvogel zu gedenken, der nach Strickland auf Madagaskar gelebt haben soll. Es hatten nämlich die Eingeborenen um Rum einzu- kaufen ein Ei als Gefäss mitgebracht, dass 13 Quartflaschen fasste, von Farbe und Ansehn eines Strausseneies, die Schale von der Dicke eines spanischen Dollars. Ein glaubwürdiger Zeuge aus Bourbon , Kaufmann Dumarch , hatte es selbst gesehen und ausgemessen. Irre ich nicht , so ist später ein derartiges Ei wirklich nach Paris gelangt. Strickland bemerkt dabei, dass Marco Polo den Vogel Rock nach Madagascar versetzte. Die Eingeborenen erzählten, dass derlei Eier im Röhricht höchst selten gefunden würden und auch der Vogel nur ausnahmsweise gesehen werde. Dies ist Alles, was wir über die ausgestorbenen Vögel der neben Afrika gelegenen Inseln wissen. Im Jahre 1839 kam nach London ein nur drei Zoll langes Fragment eines fossilen Knochen, das man im Alluvium in Neu-Seeland gefunden hatte. In Form und Stärke war es einem Beinkuochen eines Rindes ähnlich und wurde auch wirklich von einigen Forschern dafür angesprochen, bis Owen aus der Struktur dieses Knochens bewies, dass er von einem riesigen Vogel stammen müsse. Da Neuseeland jetzt überhaupt grosse Thiere nicht beherbergt , erweckte dieser Fund ein reges Interesse und neue Nachforschungen. Bald langten mehrere 100 Knochen - Fragmente an; zum Theil aus dem Alluvium oder aus Sümpfen gesammelt, zum Theil aus grossen Hügeln, in denen nach der Tradition der Eingeborenen früher nach grossen Festen die Ueberreste zusammen gescharrt wurden. Hier fanden sich Knochen dieser Vögel , Eierschalenstücke vereint mit gerösteten Menschenknochen als deutlicher Beweis, dass die Vögel noch zur Zeit der Menschen gelebt hatten. Wir verdanken das umfangreichste Material dem Eifer des Herrn Walter Mantel. Aus jenen Knochen lässt sich mit Sicherheit eine Anzahl von Arten (etwa. 5) bestimmen, die drei verschiedenen Gattungen angehört haben. Die Grössten werden bis 10, selbst 15 Fuss hoch angeführt und sind von Owen als Dinomis, Palapteryx und Notornis beschrieben. Dinomis steht m jeder Hinsicht dem Dronte nahe, Palapteryx dem grossen Vogel von Rodriguez und Notornis der kleinen Apteryx ähnlichen Art von jenen Eilanden. Noch höher wuchs aber das Interesse, als Herr Mantel durch Robbenjäger den Balg eines Vogels erhielt, den sie nach langer Hetze mit Hunden lebend ergriffen, und später getödtet und Sitzungsberichte. fl? verzehrt, hatten. Der Balg, Kopf und Fiisse sind nach London 'gelangt und |haben unwiderleglich sicher gemacht, dass der erlegte Vogel Notornis Mantelli sei, dessen vorher erwähnte Knochen vereint mit denen der Dinornis und Palapteryx in Diiuvialschichten gefunden sind. Leider ist bis jetzt nicht gelungen ein zweites Stück jenes merkwürdigen Vogels aufzufinden, und die Eingeborenen betrachten ihn geradezu als ausgerottet. — Die Dinornis werden von den Eingeborenen nach Tradition als Moa, Notornis als Moo bezeichnet. Die Notornis steht dem noch lebenden Apteryx am Nächsten. Die kräftigen Schnäbel von Dinornis und Palapteryx und die Struktur ihres Uinterkopfes, an welchem starke Nackenmuskeln inserirt haben müssen, machen es nicht unwahrscheinlich, dass jene Vögel damit die starken Farren- wurzeln zu ihrer Nahrung hervorgeholt haben. Aus dem Vorhergehenden, wie auch aus den zahlreichen fossilen Fussspuren in Connecticut erhellt, dass vordem die Verbreitung der grossen straussartigen Vögel bedeutend grösser als jetzt gewesen sei, und andererseits auch, dass dieses Genus zunächst dem Untergange geweiht sei. Ueber- sehen wir, was jetzt noch davon vorhanden ist, so finden wir 2 Strauss- Arten , den Afrikanischen und den aus Südamerika; zwei Arten Kasuar, den Emu vom indischen Archipel und den aus Neu-llolland ; zwei kleine Arten Apteryx oder Kiwi aus Neu-llolland, die auch schon selten zu werden beginnen; endlich den merkwürdigen australischen Vogel Leipoa , der, obwohl nur so gross als ein Truthahn, doch Nesthügel aus Sand und trockenem Gras von solcher Grösse baut, dass sie früher für Grabhügel der Eingeborenen gehalten wurden, und dessen Eier, obwohl 8 Unzen schwer, eine ungemein düinno und zerbrechliche Schale besitzen. Professor Caspary (heilte vergleichende Untersuchungen über drei kleine Mikroskope von lie'neche in Her ! in , Scl/iek in Berlin und A'achel in Paris mit. Die 3 Mikroskope waren alle drei ungefähr zu derselben Zeit, Winter 1859 60, angefertigt; an allen dreien wurden auf möglichst gleiclunässige Art die definirende Kraft (an Querschnitten von Tüpfeln von Pinus sylvestris) die penetrirende Kraft (an Navicuta angulata und den Nobertschen Liniensystemen), die Stärke der Vergrösserung und der Durchmesser des Feldes geprüft. Die Vergrösserung wurde ermittelt, indem Professor Caspary das Bild eines in Zehntel (bei den schwächeren Vergrösserungen), oder in Hunder- tel (bei den stärkeren Vergrösserungen) getheilten, auf ein Obejektivglas aufgezeichneten Millimeters mittelst eines Nachetschen Prismas auf einen in Millimeter getheilten liorizo .talen Massstab bei einer Sehweite von 180nnn. (6" 10,6'" Duod. preuss.) auffällen Hess und so unmittelbar die. Stärke der Vergrösserung abgelesen. Die Weite des Feldes wurde ermittelt, indem dessen Durchmesser durch jene erwähnten in Zehntel oder Hundertel getheilten gläsernen Millimetermassstäbe, die als Objektiv dienten, gemessen wurde. Die folgenden Tafeln geben in Bezug auf Vergrösserung und Durchmesser des Feldes das Nähere: «s Sitzungsberichte. Der kleine Schiek. Preis: 50 Thlr. Okulare. 0. | I. 2. ektive. Ohne Auszug. Mit Auszug. J O'.ine Auszug. Mit Auszug. Ohne Auszug. Mit Auszug. 1. Ver- grösserung 14 20,7 20,4 28,3 31,6 42,6 Weite des Feldes 7,1 mm 4,67 mm 6,5 mm 4,92 mir 4,4 mm 3,18 mm Ver- grösserir.12 38 51,6 55,8 73,9 84 110 + 2 Weite des Feldes 2,42 1,7 2,35 1,80 1,5 1,18 -2 + 3 Ver- grösserunz 55,2 77,0 80,2 108,5 126 160,5 Weite des Feldes 1,65 1,28 1,6 1,26 1,03 0,82 1 + 5 Ver- grösserang 134,4 189,3 184,8 260,3 314,3 380 Weite des Feldes 0,65 0,41 0,63 0,51 0,41 0,34 Kleiner Nachet (Mieroscope petit, modele vgl. Nachet Catalogue 1856. p. 10). Preis 165 Fr. — 44 Thlr. Okulare. Objektive. I 2. 1 3. Ohne Auszug. Mit Auszug. Ohne Auszug. j Mit Auszug. Ohne Auszug. Mit Auszug. 1. (obere Ver- grösserung 16 24 22,6 33,7 33,2 49,9 Linse) Weite des Feldes 4,93 mm 3,27 mrr 4,79 mrr 3,23 3,41 2,1 1. (beide Ver- grösserung 40,1 53 56 80 84 118,8 Linsen) Weite des Feldes 1,95 mm 1,14 1,9 1,39 1,38 1,03 3. Ver- grösserung 123,3 179,3 173,6 250 255 368,3 Weite des Feldes 0,63 0,44 0,60 0,44 0,44 0,32 Ver- grösserung 187 263,6 266,6 375,3 405 561,3 Weite des Feldes 0,41 0,29 0,39 0,29 0,29 0,21 Sitzungsberichte, fl » Kleiner Bene che, Preis: 40 Thlr. , ohne Objektiv 8 nur 30 Thlr. Okulare. Objektive. . 1 4. Ohne Auszug. Mit Auszug. Ohne Auszug. Mit Auszug. Ohne Auszug. Mit Auszug. 4. (Obere Ver- grösserung 11,2 17,9 15 22,8 22,8 37,1 Linse allein) Weite des Feldes 7,28 mm 4,22 mm 6,7 mm 4,03 mm 4,53 mm 2,78 mm 4. (Beide Ver- grösserung 22 35 29,1 40,2 45,2 68,5 Linsen) Weite des Feldes 3,35 2,26 3,32 2,25 3,2 1,5 7. Ver- grösserung 63,2 100 84 123,6 132,5 199,5 Weite des Feldes 1,23 0,77 1,16 0,74 0,76 0,62 8. Ver- grösserung 82,2 127 109 155,6 170 250,3 Weite des Feldes 0,95 0,60 0,88 0,59 0,59 0,39 Aus den vorstehenden Tafeln ergiebt sich, dass Nachet bei Weitem die beträchtlichsten Ver- grösserungen hat, Beneche die kleinsten. In Bezug auf die Grösse des Feldes nimmt der kleine Schiek die erste Stelle ein, Beneche und Nachet, von denen bald der eine, bald der andere für die einzelnen Vergrösserungen einen grösseren Durchmesser des Feldes besitzt, zeigen darin nicht beträcht- liche Unterschiede. Was die Klarheit des Bildes, die Deutlichkeit und Schärfe des Umrisses desselben anbetri.1l, so zeigten alle 3 Mikroskope sich als ausreichend zur Wahrnehmung der Eigenschaften schwierigerer Objekte (Querschnitt des Tüpfels von Pinus sylvestris), jedoch zeigte Beneche gegen den Rand des Feldes zu eine etwas beträchtlichere Vergrösserung als in der Mitte und dadurch eine, obgleich geringe Verzerrung des Bildes. Schiek schien an Deutlichkeit und Schönheit des Bildes die andern beiden Mikroskope zu übertreflen. In Bezug auf die penetrirende Kraft, die Deutlichkeit der Oberfläche des Objekts, nahm Beneche für die kleineren Vergrösserungen, die erste Stelle ein. Mit Okulare 4 und Objektiv 8 unter An- wendung des Auszugs konnten bei 250,3 Vergrösserung 2 Systeme der Streifen der Navicula a gulata zugleich bei Anwendung schiefen Lichts, selbst bei bezogenem Himmel, sehr gut sichtbar gemacht werden. Dieselbe Vergrösserung machte das 10. Liniensystem von Nobert deutlich sichtbar. .Schiek und Nachet zeigten ebenfalls beide 2 Systeme der Streifen der Navicula angulata auf einmal bei schiefer Beleuchtung, aber Sc’.iiek erst bei 314,3 Vergrösserung, Nachet bei 368,3. Schiek zeigte nur das 9. Liniensystem an Nobert als höchste Leistung deutlich, bei 314,3 Vergrösserung, bei 380facher Vergrösserung sogar nur das 8.; Nachet dagegen löste bei 405facher Vergrösserung sogar •noch das 12. Nobertsche System auf. c* so Sitzungsberichte. In Bezug auf Lichtfülle bei t'en stärkeren Vergrösserungen Hessen die Instrumente für ihre Kleinheit nichts zu wünschen übrig. Mechanisch ist der kleine Nachet am Besten und Saubersten gearbeitet, die zweite Stelle hält Schiek, die dritte Beneche. Der kleine Beneche nimmt den geringsten Raum ein, — der Kasten ist nur 8" lang, 3J" breit und 3$" hoch — , und eignet sich daher für Reisen ganz besonders. Das Instrument von Nachet hat ein eignes Okular für den Mikrometer, eine grosse Annehmlich- keit, da das Ilineinstecken und Heraus nehmen des Mikrometers immer zeitraubend und unbequem ist. Alle drei Instrumente haben einen nach allen Richtungen beweglichen Spiegel, eine Einrichtung die für die penetrirende Kraft unentbehrlich ist. Nur Nachet hat den Vortheil, dass die Einstellung durch senkrechte Hebung und Senkung der Rühre bewirkt wird, Schiek und Beneche haben die Ein- richtung, dass der Objekttisch und damit das Objekt durch eine seitwärts darauf wirkende horizontale Schraube, schief gehoben und gesenkt wird, wodurch der Uebelstand eintritt, dass von einem grossen Objekt nicht das Ganze, sondern nur ein Theil deutlich ist. Die Frage: welches der drei Instrumente ist am Empfehlenswerthesten, ist wegen der verschie- denen Vorzüge der Einzelnen, und der verschiedenen Wünsche der Fragenden nicht absolut zu beant- worten. Alle 3 Instrumente sind für die Bedürfnisse gewöhnlicher Arbeit ausreichend. Der kleine Schiek für 50 Thlr. des Jahres 1859 ist sogar den grossem Sch ieks früherer Zeit desswegen unbedingt vorzuziehen, weil die letztem selbst bei schiefer Beleuchtung sehr wenig penetrirende Kraft entwickeln und z. B. von den drei Liniensystemen der Navicuta angulata mit ihnen nichts wahrzunehmen ist. Der kleine Nachet zu 44 Thlr. ist relativ das billigste Instrument, da er an Stärke der Vergrösserung und der penetrirenden Kraft den andern voran steht und den Vortheil eines eigenen Okulars für das Mikrometer und eines senkrecht auf und ab sich bewegenden Rohrs hat. Wer Schönheit des Bildes der Deutlichkeit der Oberfläche vorzieht und ein grosses Feld besonders liebt, wird Schiek vorziehn. Die Deutlichkeit der Oberfläche des Objekts, selbst bei verhältnissmässig geringen Vergrüsserungen, Trag- barkeit und Ilandthierbarkeit des ganzen Instruments , empfehlen den kleinen Beneche besonders. Oeflentlidic Sitzung am 4. Mar. Professor Zaddach hielt einen Vortrag über die Bernstein - ttnd Britnnlohleniager des Bamlnndes , der umgearbeitet und durch die in diesem Jahre gemachten Beobachtungen erweitert, unter den Abhandlungen dieses Bandes mitgetheilt wird. Priva- sitzniig am 2. Jnni. Professor von Wittich relerirte über die in Poggendorffs Annnlen neuerdings mitge- theilten Versuche JJr. Q uinke's , die uns die ungemein wichtige Thatsache ergeben, dass, wenn Flüssigkeiten durch eine poröse Scheidewand strömen, ein elektrischer Strom im Sinne der Strömung erzeugt wird. Die Versuche lehren, dass die Beschaffenheit, Dicke, der Querschnitt der Scheidewand , Sitzungsberichte. 8* die Natur der Flüssigkeit wohl einen Einfluss auf die Intensität des Stromes, nicht aber auf seine Richtung haben und dass erstere proportional der Druckhöhe, unter der die Flüssigkeit strömt ist. Der Nachweis wurde von Dr. Quinke durch die Multiplikator- Schwankungen, durch Zuckungen des stromprüfenden Froschschenkels, endlich durch die electrolytische Wirkung auf Jodstärkekleister ge- liefert. Referent erläuterte seinen Vortrag durch einen Versuch mit dem stromprüfenden Froschschenkel. Als Scheidewand diente eine kleine Thonzelle, die in ähnlicher Weise hergerichtet war, wie in den bekannten Wiedeinannschen Versuchen. Blieb der Froschschenkel, dessen Nerv in ziemlicher Aus- dehnung in den Kreis der Kette eingeschaltet war, bei gleichem Niveaustande der Aussen- und Innen- Flüssigkeit vollkommen in Ruhe, so zuckte er anfangs bei jedesmaligem Schliessen, später (bei sinkender Reizbarkeit) beim Schliessen und Oefnen des Kreises, sobald eine Niveaudifferenz zwischen der Innen- und AussenfUissigkeit hergestellt war. Dr. II. Ilagen legte den st at ist ise/t -ökonomischen Atlas des europäischen Russlands , der früher in russischer Sprache, i. J. 1857 in einer französischen Ausgabe erschienen ist. vor, und erläuterte die 10 Tafeln desselben. Dr. Schiefferdecker gab einige Zusätze zu einem früheren Vortrage über den Copal , nach- dem es ihm gelungen war, mehrere Stücke desjenigen Copals aus Südamerika zu erhalten, der dort für Bernstein gehalten und als solcher nach Europa geschickt war. . 'i ->]b jb i . ~ Königsberg, gedruckt in der Böhm er sehen Buclidruckerei. Fuji Schichtu ng an der Grenze Fig. JI. Schichtung am Fijg.V Schichtung unter dem FüjIII Schichtung anv Hg 77 Schichtung am von Lojifuhfun and Sassm z Fui verberge. M 'eercs nircatv am/ Bethen Sande. Grossen Spring. Bernstungräberei: Alten Strande/ LcU.LI ÖÖ i i 1 is N N Durchschnitt durch die Sa inländische Kmtc bei Sassau und Bauschen. Taf.ir. ßfrnsteuujrnbc bei Lojijiehnen iJ. 1858. 1 1 a f : IY. Taf.Y. Taf.Vl Verhandl d phys Öko n Gesellschaft 1 ULsjLOj ij &d nab. deL C.FScknüdt/ ütfi CfS&MuitlxX "*»# c8tS>!6= • Enhalt der ersten Abtheilung. Historische Einleitung und Mitglieder- Verzeichnis . .... Pag. I. Ueber die Bernstein- und Braunkohlenlager des Samlandes, von Professor G. Zaddach „ 1 Beschreibung einiger Altpreussen- Schädel, von Professor von Wittich . * « ^5 Einige Pelorien, von Professor R. Caspary. . . . • • • n ^ Bulliarda aquatica l)C., von demselben ....... 51^6 Heber ein angebliches in Neugranada, im Thale des Magdalenenstroms, aufgefundenes grosses Lager von Bernstein, von Dr. Schi eff erde clcer . . » 95 J Sitzungsberichte vom Januar bis Juni: Caspary, über Beschädigung holziger Pflanzen durch den Frost Rosenkranz, über Japan und die Japaner ...... ! Hagen, über die Seeschlange ... .... i Möller, über die Systeme der Ventilation bewohnter Gebäude g Caspary, über einige Pflanzen- Bastarde ...... $ Hagen, über die in historischer Zeit ausgestorbenen Vögel | Caspary, vergleichende Untersuchungen über drei kleine Mikroskope von Wittich, über die durch poröse Scheidewände in Flüssigkeiten hervorgebrach- ten electrischen Ströme ...... 12 12 % 13 $ 17 | 20 Von den Schriften der physikalisch - ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, in denen Arbeiten aus dem Gesammtgebiete der Naturkunde , vorzugsweise solche, welche sich auf die Naturgeschichte der Provinz Preussen beziehen, mitgetheilt werden sollen, wird jährlich ein Band von 15 bis 20 Bogen mit den dazu gehörigen Abbildungen in 2 Heften erscheinen. Her Ladenpreis für den .Jahrgang beträgt 2 Ihaler. cs» SCHRIFTEN DER ' // KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH - ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT ZU KÖNIGSBERG. ERSTER JAHRGANG. ZWEITE ABTHEILUNG. KÖNIGSBERG, 1861. IN COMMISSION BEI GRÄFE UND UNZER. ■-cSc«. Anatomisch - physiologische Untersuchungen über den Athmungsprozess der Insekten *). Von II. Ratkke. I. Vollkommen ausgcbildcte Insekten. §. 1. Schon Roesel hat im zweiten Bande seiner Insektenbelustigungen, wo er von der Aeschna grandis oder der grössten Art der deuteshen Libellen handelt (§. 9.), die Bemerkung mitgetheilt, dass bei diesen Thieren der Hinterleib abwech- selnd ausgedehnt und zusammengezogen wird, und dass diese Bewegung auf den Athmungsprocess einen Bezug hat. Späterhin hat Carus dieselbe Bemerkung auch an Locusta verrucivora gemacht und sie in seinem Lehrbuche der Zootomie (Seite 478.) uns mitgetheilt. Diese Wahrnehmungen nun veranlassten mich, als ich im Jahre 1831 in der Nähe von Dorpat den Sommer auf dem Lande verlebte, die etwas grösseren Insekten aller Art, deren ich nur habhaft werden konnte, darauf zu untersuchen, ob sich am Hinterleib derselben Bewegungen wahrnehmen Hessen, die man hätte auf den Re- spirationsprozess beziehen können. Es ergab sich mir darauf, dass bei der Mehrzahl der Insekten, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, der Hinterleib abwech- selnd ausgedehnt und zusammengezogen wird, und hinreichend konnte ich mich bei *■) Die Untersuchungen über die Atkembewegungen der Insekten sind in den Jahren 1832 bis 1835 gefertigt. Die Uebersiedelung des Geheimrath Rathke nach Königsberg und die vielfachen grösseren Arbeiten als unmittelbare Folge des grösseren neuen Wirkungskreises unterbrachen die Fortsetzung jener Untersuchui gen und behinderten ihr« Publikation. Die Hoffnung sie später zum Schlüsse führen zu können, wurde in weite Ferne gerückt; aber den regen Wunsch das Fertige der Oeffentlichkeit zu übergeben, hat der Verstorbene noch wenige Wochen vor seinem Tode dem Unterzeichneten ansgedrüekt. Eine Redaktion war nicht erforderlich, da das Manuskript völlig druckfertig zuge- richtet war. Unerachtet des langen Zeitraums von 25 Jahren, der seit jenen Beobachtungen verfloss, ist meines Wissens Nichts über diesen so interessanten Gegenstand veröffentlicht. Es wird daher die späte Publikation von ungeschmälertem Werth sein. Dr. H. Hagen. »4 100 Cetonia und Scarabaeus von der Wirkung dieser Bewegung auf die Respiration, wie Roesel und Carus sie angenommen hatten, auch durch den Augenschein über- zeugen. Hierüber jedoch, so wie darüber, ob auch bei andern Insekten jene Bewe- gungen zu der Athmung in einer Beziehung stehen, werde icli erst weiterhin das Nähere angeben. Zuvörderst mag die Rede nur von jenen Bewegungen an und für sich selbst sein. §. 2. Nicht bei allen Insekten, an denen man solche Bewegungen des Hinter- leibes deutlich bemerken kann, sind sie von einer und derselben Alt, vielmehr bieten sie je nach den verschiedenen Insekten, gar manche Verschiedenheiten dar. Diese Verschiedenheiten aber hängen von der eigentümlichen Organisation der Leibeswand ab, die nicht bei allen Insekten dieselbe ist. Wie jedoch die Art der Bewegung auch sein möge, so wird sie jedenfalls dadurch bedingt und möglich ge- macht, 1) dass die Epidermis des Hinterleibes an einigen Stellen fester und dicker, an andern dagegen weicher und dünner ist, so dass deshalb diejenigen Stellen der Cutis , wo die Epidermis mehr oder weniger dicke Schienen und Platten darstellt, dichter zusammengeschoben und dann wieder von einander etwas entfernt werden können, und 2) dass an der innern Fläche der den Hinterleib einschliessenden Cutis besondere Muskeln vorhanden sind, die von einigen Stellen dieser Cutis zu andern hingehen, und eine Bewegung in derselben zu bewirken im Stande sind. Im Allgemeinen stellt die Cutis des Hinterleibes mehrere von vorne nach hinten aufeinander folgende Gürtel dar, auf deren jedem die Epidermis in der Regel härter und dicker ist, als in dem Zwischenraum, der sich zwischen ihm und dem benach- barten Gürtel befindet, und nur ausnahmsweise wird bei einigen Insekten der Zwi- schenraum zwischen je zweien solcher Gürteln hie oder da entweder nur durch eine Einschnürung angedeutet, oder ist auch wol völlig unkenntlich. Wo aber zwischen je zweien Gürteln sich eine dünnere und weichere Hautstelle befindet, ist meistens die hintere und etwas kleinere in die vordere ein wenig hineingeschoben , so dass der vordere Rand des erstem dann von dem hintern Rande des letztem mehr oder weniger verdeckt ist. Ein jeder Gürtel ferner besteht in der Regel deutlich aus zwei besondern Hälften, einer obern und einer unteren, die in jeder Seitenhälfte des Körpers, ähnlichermaassen , wie die einzelnen Gürtel des Hinterleibes unterein- ander, durch eine dünnere und weichere Stelle der Cutis verbunden sind. Bei meh- reren Insekten , namentlich bei den Hymenopteren , greift die obere Hälfte oder die obere Schiene der meisten Gürtel über die untere mehr oder weniger weit hinüber, bei der Mehrzahl der Insekten aber ist dies nicht der Fall , sondern es lässt sich 101 bei ihnen in jeder Seite des Hinterleibes die weichere Stelle zwischen der ebem und untern Hälfte der Gürtel auch schon von aussen erkennen; und sie ist um so breiter und um so deutlicher, je mehr die Geschlechtswerkzeuge durch ihre Erzeug- nisse angeschwellt sind, oder je mehr auch der Darmkanal mit Nahrungsstoffen un- gefüllt ist. Was die Muskeln anbelangt, durch welche die mehr erhärteten Theile der Hautbedeckung des Hinterleibes unter einander verknüpft sind, wodurch sie an ein- ander bewegt werden können , so sind sie bei den meisten Insekten so gelagert und geordnet, dass sie jene Theile einander nur näher bringen, dadurch aber die Höhle des Hinterleibes nur verengen und die in diesem Körperabschnitte enthaltene Luft nur herausdrängen, oder mit andern Worten eine Exspiration bewirken können. Es werden deshalb auf den folgenden Blättern , wo von den Muskeln des Hinterleibes die Rede sein wird, wenn nicht dabei noch besondere Angaben gemacht sind, immer nur solche sich auf die Exspiration beziehende Muskeln gemeint sein. Durch welche Gebilde und Kräfte aber die oben erwähnten hartem Hautstellen wieder auseinander geschoben und die Höhle des Hinterleibes wieder erweitert und mit Luft auf’s Neue stärker gefüllt werden, gedenke ich weiterhin noch besonders auseinander zu setzen. §. 3. Bei der Mehrzahl der Coleopteren ist es die obere Wand des Hinter- leibes, die sich bei der Athmung bewegt, und zwar indem sie sich abwechselnd senkt und wieder erhebt. Man kann sich davon bald überzeugen, wenn man einem Käfer die Flügel und Flügeldecken auseinander gezogen, oder, was noch besser ist, wenn man sie ihm abgeschnitten hat. Jedoch erstreckt sich jene Bewegung nicht bei allen über eine verhältnissmässig gleich grosse Länge des Hinterleibes, sondern bei einigen mehr, bei andern weniger weit nach hinten. Bei denjenigen nämlich , deren Flügeldecken sich über den ganzen Hinterleib ausgedehnt haben, nehmen in der Regel alle Gürtel oder Ringe dieses Körperabschnittes, mit Ausnahme nur des letzten, daran Antheil; bei denjenigen dagegen, deren Flügeldecken nicht so weit hinreichen, wie z. B. bei Cetonia, Scarabaeus nehmen auch der vorletzte, oder auch selbst der dritte von hinten nicht daran Antheil, überhaupt kein solcher Gürtel, dessen Epidermis allenthalben eine ziemlich gleiche Dicke hat und einen einfachen Ring darstellt. Eine Bewegung dagegen bemerkt man in allen solchen Gürteln, auf deren Bauch- und Seiten- Wänden die Epidermis eine feste Schiene darstellt, auf deren Rückwand aber die Epidermis eine dünnere und in der Regel auch kleinere Schiene bildet, die an ihren Enden von jener grossem, und an ihrem vordem, wie 14* 102 an ihrem hintern Rande von der ihr gleichen und benachbarten durch einen häuti- gen Zwischenraum, auf dem die Epidermis am dünnsten und biegsamsten erscheint, getrennt ist. Die erwähnte Bewegung ist übrigens für gewöhnlich eine progressiv und rasch von vorn nach hinten vorschreitende, so dass also von den Gürteln, welche an ihr Theil nehmen, bei jedem Athemzuge zuerst die Rückenwand des vordersten und zuletzt die gleichnamige Wand des hintersten sich senkt und hebt. Seltener beginnt sie in der Mitte des Hinterleibes und setzt sich von da immer weiter sowol nach vorne , als wie nach hinten , fort. Die Muskeln nun, durch welche jene Bewegungen bewirkt werden können, sind höchst einfach. Jeder Gürtel nämlich, der an ihr Theil nimmt, ist nur mit einem Paare dazu schicklicher Muskeln versehen, und von diesen ist ein jeder mit seinem einen Ende an die Seitenwand, mit dem andern an die Rückenwand oder die Rücken- schiene des Gürtels angeheftet, und zwar dort, wie hier in der Nähe des weichem Theiles der Cutis, die zwischen den beiden erst genannten Stücken des Gürtels in der Mitte liegt. Alle diese Muskeln laufen demnach über die weichem und schmieg- samem Stellen des Hinterleibes quer hinüber. Kontrahiren sie sich, so wird die Rückenwand des Gürtels, welcher sie angehören, je nachdem bei den verschiedenen Gattungen und Arten der Käfer der weichere Zwischenraum, der sich zwischen ihr und den Seitenwänden des Hinterleibes befindet, mehr oder weniger gross ist, auch mehr oder weniger stark, abwärts gezogen, dadurch aber die Höhle des Hinterleibes mehr oder weniger verengt, und die Haut, die jenen Zwischenraum ausfüllt, mehr oder weniger stark zusammengedrückt und gefaltet. Wie ich weiterhin noch näher angeben werde, so sind bei einigen Käfern die Athmungs -Bewegungen stärker, bei andern schwächer. Bei denjenigen nun, welche stärkerer Athmungs -Bewegungen bedürfen, sind auch die erwähnten Muskeln im Verhältniss zur Grösse des ganzen Körpers grobfasriger, dicker und überhaupt grösser, als bei denjenigen, welche sich mit schwächeren Bewegungen der Art begnügen können : jedenfalls aber stellen sie nur kurze und entweder allenthalben ziemlich gleich breite und ziemlich gleich’ dicke oder aber von oben nach unten schmäler und dünner werdende Bündel dar.. Ausser den so eben beschriebenen Muskeln kommen im Hinterleibe sowol an der Rücken- wand, als an der Bauchwand noch mehrere andere Muskelschichten vor. Zwischen je zweien solcher obern Schienen nämlich, die an einander beweglich sind, befindet sich in jeder Seitenhälfte des Körpers eine mehr oder weniger breite Schicht von Muskelfasern , die von dem vordem Rande der hintern Schiene zu der innern Fläche der vordem hingehen und sich von dem vordem Rande derselben mehr oder 103 weniger weit entfernt anheften. Aehnliehe und auf gleiche Weise gelagerte und verbundene Muskelschichten kommen auch an allen denjenigen untern Schienen vor, welche an einander beweglich sind. Doch sind diese untern Schichten in der Regel weit dicker und grobfasriger, als die obern. Für gewöhnlich nun zwar dienen diese beiden letztem Arten von Muskeln nur dazu den Hinterleib nach unten zu krümmen und ihn wieder gerade zu strecken, wirken sie jedoch nicht einseitig, sondern die obern sowol als die untern, so vermögen sie den Hinterleib auch etwas zu verkürzen und die Höhle desselben, wenn, was da gewöhnlich der Fall ist, auch die obern Schienen gegen die untern angezogen werden, zu verengern, so dass dann noch eine' grössere Quantität der im Hinterleibe enthaltenen Luft, als wenn dieser Körpertheil nur von oben nach unten verengt wird, herausgetrieben werden muss. Doch ist hiebei zu bemerken, dass eine solche allseitige Verengerung des Hinterleibes nur selten, und zwar selbst nicht dann einmal immer, wenn ein Käfer sehr geängstigt ist. Statt findet. Nicht bei allen Käfern senkt und hebt sich die Rückenwand verhältnismässig gleich. Am grössten ist diese Bewegung bei solchen, deren Tracheen viele blasige Erweiterungen besitzen, wie namentlich bei Cetonia und Scarabaeus : kleiner bei den- jenigen, deren Tracheen ohne sich zu erweitern, ununterbrochen fortlaufen, so dass sie ein strauchartiges Aussehen zeigen , und unter diesen am kleinsten bei denjeni- gen, bei welchen, wie es mir schien, die Tracheen verhältnissmässig zum Gesammt- körper am engsten sind. Auch folgen die Erweiterungen und Verengerungen der Hinterleibshöhle bei den verschiedenen Käfern nicht mit gleicher Schnelligkeit auf einander: wie es mir schien, gehen sie im Allgemeinen um so rascher vor sich, je weiter die Luftgefässe sind: namentlich sind es unter den von mir untersuchten Käfern die Scarabaeus und die Cetonia, bei denen sic am raschesten auf einander folgen. Doch kommt dabei noch in Betracht , ob das Thier sich in völliger Ruhe befindet, oder ob es in Bewegung oder in Angst ist, desgleichen ob es unlängst hin- reichende Nahrung gehabt hat, oder ob es ausgehungert ist, denn wenn es eine gute Mahlzeit gehalten hat oder sich bewegt, so folgen die Erweiterungen und Verenge- rungen der Hinterleibshöhle weit rascher auf einander, als wenn es sich in Ruhe befindet oder schon lange hat fasten müssen. Anmerkung 1. Die über die Käfer so eben mitgetheilten Wahrnehmungen habe ich gemacht an Allen aus dem Geschlecht Cetonia, Scarabaeus, Ccrambyx, Hister, Dytiscus, Carabus, Chrysomela, Tenebrio, Bruchus, Attelabus. Auffallend war es mir deshalb, dass ich an Staphylynus, diesem von den übrigen Käfern frei- 104 lieh auch in mancher andern Hinsicht so sehr abweichenden Insekt, obgleich hei ihm der Bau der Gürtel des Hinterleibes und die Muskelverbindung dieser Gürtel sich auf eine ähnliche Weise, wie bei jenen übrigen Käfern verhält, gar keine deutliche Bewegung an den obern Stücken der angegebenen Gürtel habe bemerken können. Dagegen sah ich, dass der obere Theil des dritten oder hintersten Brust- gürtels sich abwechselnd und mitunter recht bedeutend senkt und hebt- Doch ist es mir nicht geglückt, ausfindig zu machen, ob für diese Bewegung besondere und und bei andern Käfern nicht vorkommende Muskeln vorhanden sind. Wol aber habe ich bemerkt, dass bei Staphylinus die weitesten und bedeutendsten Luftgefässe des Körpers in der hintern Hälfte der Brust liegen. Uebrigens habe ich solche Bewegungen des Hinterleibes, als wovon hier die Rede ist, bis jetzt auch noch nicht an den inländischen Coccinellen, bei denen die obern Schienen der Hinterleibs- gürtel gegen die Regel grösser, als die untern sind, wahrnehmen können. Auch bei den Carabiden, wenigstens bei Carab. granulatus ist die obere Hälfte des hintersten Brustgürtels beweglich und wird bei der Respiration etwas, obgleich weniger als die oberen Hälften der Hinterleibsgürtel, gesenkt und gehoben. Anmerkung 2. Bei Tenebrio molitor sind die obern Stücke der Hinterleibs- gürtel so durchsichtig, dass man darunter die Eingeweide und insbesondere eine Menge Tracheen , die dicht unterhalb jener Stüke verlaufen , sehr deutlich erkennen kann. Mehrere dieser Tracheen, namentlich diejenigen, welche von unten nach oben verlaufen, sieht man fortwährend in Bewegung, und man bemerkt theils dass sie abwechselnd gerade ausgestreckt werden und dann wieder sich stärker krümmen, theils dass sie sich vorwärts und rückwärts bewegen. • Diese Bewegung aber geht nicht von ihnen selbst aus, sondern ist ihnen durch das Rückengefäss , mit dem sie Zusammenhängen , mitgetheilt. Anmerkung 3. Das erste Insekt, das ich, um das Verhalten der Luftge- fässe während des Lebens kennen zu lernen, vivisecirte, war eiu Scarabaeus stercora- rius. Nachdem ich an ihm die Rückenwand des Hinterleibs entfernt und den Darm- kanal ein wenig hervorgezogen hatte, wobei mehrere kleine Tracheen zerrissen wor- den waren, sah ich, dass in dem Wasser , worin der Käfer untersucht ward , mehrere dieser Tracheen sich wurmförmig und höchst lebhaft bewegten. Mich überraschte diese Bewegung gar sehr, und ich gab auf sie mehrere Minuten hindurch genau Acht, schon glaubend, dass die Bewegung den Luftgefässen selbst zukomme. Endlich aber ward ich gewahr, dass aus jenen Gefässen mehrere höchst zarte Fadenwürmer 105 zum Vorschein kamen, und noch andere sich in einigen der Luftsäcke des Hinter- leibes hin und her schlängelten. §. 4. Bei den Tabaniden, die je nach ihren verschiedenen Gattungen und Arten einen mehr oder weniger plattgedrückten Hinterleib haben, ist die obere Schiene der Hinterleibsgürtel jedenfalls etwas grösser als die untere und hat deshalb auch einen mehr oder weniger grossen Antheil an der Bildung der Seitenwände des Hinterleibes, indess die untern Schienen daran entweder gar keinen oder doch nur einen sehr geringen Antheil nehmen. Das dünnere und weichere Hautstück, das sich an beiden Seiten des Hinterleibes zwischen den obern und untern Schienen aller zu ihm gehörigen Gürtel befindet, hat je nach den verschiedenen Arten der Ta- baniden zwar eine verschiedene, jedoch bei allen, wenn ihr Hinterleib ausgedehnt ist, eine ziemlich grosse Breite, ist immer auch an seinem vordem Ende weit breiter, als an seinem hintern und besitzt einen hohen Grad von Dehnbarkeit und Elasticität, wovon man sich überzeugen kann, wenn man ein solches Thier etwa im nüchternen und dann im gesättigten Zustande betrachtet , oder wenn seine Geschleelitstheile durch Eier oder Samen möglichst ausgedehnt sind , und darauf wenn sie sich ent- leert haben. Nach Untersuchungen, die ich an einigen Arten der Gattung Tabanus und insbesondere an Tab. autumnalis angestellt habe, gehen die Respirations -Bewegungen dieser Thiere in der Art vor sich , dass für gewöhnlich die untern Schienen der Gürtel des Hinterleibes, und zumal die der vordem Gürtel, gegen die obern Schie- nen angezogen und darauf wieder von ihnen entfernt werden, wobei denn der an jeder Seite vorkommende und aus weicherer Haut bestehende Zwischenraum zwischen ihnen abwechselnd schmäler und breiter erscheint. Geht die Respiration aber etwas kräftiger vor sich, so werden auch die Enden der obern und zu den vordem oder grossem Gürteln gehörigen Schienen, welche Enden die Seitenwände dieser Gürtel bilden helfen, etwas einwärts gezogen und dann wieder nach aussen hervorgetrieben. Wird die Respiration mit einem noch grossem Kraftaufwand vollzogen, so werden iiberdiess die untern Schienen zum Theil etwas über einander geschoben, zum Theil alle ein klein wenig nach vorne (gegen die Brust) gezogen, so dass der Hinterleib an seiner untern Seite nun auch etwas verkürzt ist, gleich darauf aber wieder in ihre frühere Lage gebracht, wo dann jene Seite, sich wiederum etwas verlängert. Wie bei den Käfern, so sind auch bei den Tabaniden nur für die Verengerung der Hinterleibshöhle besondere Muskeln vorhanden, und cs stimmen diese Muskeln mit denen der Käfer hinsichtlich ihrer Lage und Befestigung fast durchaus überein. 106 Denn auch bei ihnen sind die beiden Schienen eines jeden an der Athmung Theil nehmenden Gürtel jederseits durch einen Muskel unter einander verbunden, und an der Bauchseite, wie an der Rückenseite des Hinterleibes gehen von dem vordem und etwas gegen die Bauchhöhle gekehrten Rande einer jeden Schiene zu den vor ihr liegenden besondern Muskelfasern, wodurch nun diese Schienen, insbesondere die untern , auch etwas übereinander geschoben werden können. Alle diese Muskeln sind übrigens absolut und relativ sehr zart und dünn. Im Anfänge des Hinterleibes befinden sich zwei grosse Luftsäcke: die Tracheen haben eine nur massige Weite und eine strauchartige Form. Eine nur massige Weite besitzt auch der Kanal, der jederseits alle Tracheenstämme seiner Seite unter einander verbindet. §. 5. Bei Empis sind die untern Stücke der Gürtel des Hinterleibes verhält- nissmässig etwas kleiner, als bei Tabanus und sie bilden bei ihnen die ganze Bauch- wand jenes Körperabschnittes. Nur die 3 oder 4 vordem von ihnen heben und senken sich abwechselnd , obschon nur sehr schwach und kaum merklich. Häufig krümmt sich auch dabei der Hinterleib nach unten etwas zusammen. Kaum merklich und nur selten bewegen sich die verhältnissmässig noch schma- lem untern Stücke der 3 oder 4 vordem Hinterleibsgürtel der Tipularien auf- und abwärts. An den übrigen Hinterleibsgürteln dieser Thiere aber, selbst der grössten unter ihnen, habe ich nicht die mindeste Bewegung gefunden, die man hätte auf die Athmung beziehen können. §. 6. Die Hinterleibsgürtel der Musciden besitzen ebenfalls zwei aus einer er- härteten Epidermis bestehende Schienen , eine obere und eine untere. Die obem helfen bei einigen dieser Thiere, namentlich bei denen aus der Gattung Musca selbst, auch einen grossen Theil der Bauchwand bilden, bei andern aber nehmen sie daran einen nur gelängen Antheil. Die untern Schienen dagegen sind jedenfalls um ein sehr bedeutendes kleiner, als die obern und haben bei den meisten der hieher gehörigen Thiere die Form von platten Dachziegeln. Bei andern Arten ist jede untere Schiene mehr in die Länge gestreckt und hat dann mitunter eine höchst geringe Breite. Immer aber ist die vorderste dieser untern Schienen die grösste, und von ihr ab haben die darauf folgenden wenigstens in der Regel, je weiter nach hinten einen immer geringeren Umfang. Der aus weicherer Haut gebildete Zwischenraum, welcher sich jederseits zwischen der untern und der obern Schiene eines jeden Gürtels be- findet, ist, je nachdem die obern auch an der Bildung einen grossem oder geringem Antheil haben, schmäler oder breiter. Aber auch, wenn er für gewöhnlich nur sehr 107 schmal ist, wird er dennoch, wenn der Verdannngskanal mit Nahrungsstoffen sehr angefüllt ist, oder die Geschlechtstheile , insbesondere die Eierstöcke, eine beträcht- liche Ausdehnung erlangt haben , ziemlich gross gefunden , obschon bei einigen Arten mehr, bei andern weniger. Am grössten sah ich ihn unter den zuletzt angegebenen Umständen bei Musca Caesar. Bei ruhiger Athmung bewegen sich nur die untern Stücke der Gürtel etwas auf- und abwärts. Geht sie stürmischer vor sich , wie das unter andern der Fall ist, wenn man eine Fliege an ihren Flügeln festhält, so werden auch die Enden oder vielmehr diejenigen Theile der oberen Stücke der Gürtel, welche die Bauchwand bilden helfen, abwechselnd einwärts gezogen und wieder nach aussen hervorgetrieben, zugleich aber auch die Bauchwand, wie sie aufwärts steigt, verlängert, darauf, wenn sie sich senkt, wiederum verkürzt, der Hinterleib also in dem erstem Falle mehr gerade gestreckt, in dem letztem aber mehr nach unten gekrümmt, Wird die Fliege nicht geängstigt, so geht die angegebene Verengerung und Erweiterung der Bauch- höhle nur selten vor sich. Die Tracheen besitzen eine strauchartige Form, und haben, wie auch der Kanal , der die Stämme derselben an jeder Seite unter einander verbindet, eine nur massige Weite. Ausser ihnen befindet sich noch im Hinterleibe, und zwar ganz nahe an der Brust, in jeder Seitenhälfte des Körpers ein ziemlich grosser Fuftsack. §. 7. Bei Panorpa ist die obere und untere Schiene eines jeden Hinterleibs- gürtels fast von gleicher Grösse, und zwischen beiden Schienen befindet sich jeder- seits ein verhältnissmässig recht breiter Zwischenraum. Doch ist die Cutis überhaupt und die Epidermis insbesondere, die diesen Zwischenraum darstellt, ziemlich dick. Athmungsbewegungen lassen sich sehr deutlich an den 3 bis 4 vordem Gürteln des Hinterleibes erkennen, und bestehen darin, dass die Haut, welche den zwischen den Schienen liegenden und oben schon erwähnten Zwischenraum ausfüllt, abwechselnd gegen die Hölhe des Hinterleibes sich etwas ausbuchtet oder mit andern Worten etwas nach innen gezogen wird, und darauf wieder nach aussen hervortritt, wobei jedoch der Hinterleib in seiner vordem Hälfte höchst undeutlich und kaum merklich von oben und unten verengt wird. §. 8. Bei den Schmetterlingen ist die obere Schiene eines jeden Hinterleibs- gürtels nicht viel grösser, als die untere. Die zwischen den Schienen liegende Haut- stelle ist wie bei Panorpa, von ziemlich grosser Breite, jedoch noch etwas dünner und weicher. Die Athmungsbewegungen sind von derselben Art, wie bei Panorpa, aber noch stärker und erstrecken sich zwar über die ganze Länge des Hinterleibes, 15 108 sind jedoch bei manchen Schmetterlingen deutlicher an der vordem, bei andern deutlicher an der hintern Hälfte des Hinterleibes sichtbar. §. 9. Bei Blatta ist der Hinterleib im Verhältniss zu seiner Länge beträchtlich breit und platt. Die obere Hälfte der Gürtel dieses Körperabschnittes sind eben so gross, namentlich eben so lang, als die untern, und beide reichen bis zu den fast scharfen Seitenrändern des Hinterleibes. Zwischen ihnen befindet sich jederseits ein massig breiter und von einer weichem Haut ausgefüllter Zwischenraum, in diesem aber ist eine Reihe von stets offen stehender Stigmata sichtbar. Bei der Athmung werden die obern und untern Hälften der Hinterleibsgürtel gegen einander gezogen und wieder von einander entfernt, und die Bewegung macht sich sowol an den untern , als an den obern Hälften der Gürtel bemerkbar. Uebri- gens folgen die Athmungsbewegungen nicht gar rasch aufeinander. §. 10. An den Libellen wird man gewahr, dass, wenn sie sich im Zustande völliger Ruhe befinden, derjenige Theil der Bauchwand des Hinterleibes, dem das Bauchmark aufliegt, abwechselnd obschon nur schwach gegen den Rücken aufsteigt und sich darauf wieder senkt. Am auffallendsten zeigt sich diese Bewegung bei den Individuen aus der Gattung Aeschna und Libella, am schwächsten bei denen aus der Gattung Agrion, bei den Aeschnen aber wiederum am stärksten in der hintern und breitem Hälfte des Hinterleibes. Innerhalb einer Minute wiederholt sich bei Aeschna und Libella der angegebene Wechsel von Verengerung und Ausdehnung des Hinterleibes etwa 80 bis 90 Mal. Wird dagegen die Athmung kräftiger voll- zogen, so wird der Hinterleib abwechselnd auch von den Seiten eingezogen und er- weitert, und es biegen sich dann bei der Verengerung die Seitenränder des Hinter- leibes etwas nach unten um. Ganz besonders ist dies bei den Arten der Gattung Aeschna der Fall in der hintern und breitem Hälfte des Hinterleibes. Die Möglich- keit nun aber von solcher Athmungsbewegung liegt theils in der besonderen Bauart der Gürtel des Hirte rleibes, theils in dem Gewebe derselben und dem Dasein beson- derer Muskelbündel innerhalb derselben. Ein jeder dieser Gürtel nämlich besteht, mit Ausnahme des vordersten bei den männlichen Individuen, wesentlich aus 2 sehr elastischen Platten oder Schildern, die als eine sehr erhärtete und verdickte Epider- mis betrachtet werden müssen, und von denen die eine die Seiten- und Rücken- wände des Gürtels ausmacht, die andere aber und sehr viel kleinere die Bauchwand des Gürtels darstellt, und nach der rechten, wie nach der linken Seite hin im Zu- stande der Ausdehnung des Hinterleibes vor den beiden andern Platten etwas absteht, und durch eine weichere Epidermis mit diesen beiden Platten vereinigt ist. In 109 einiger Entfernung von dem hintern Ende der untern Platte ferner geht von dieser jederseits ein schmales Muskelbündel ab, begiebt sich etwas breiter werdend nach oben und aussen an die andere Platte des Gürtels, und heftet sich in einiger Ent- fernung von dem untern Rande derselben an sie an. Ziehen sich nun diese Muskel- bündel ein wenig zusammen, so wird die untere Platte gegen die Bauchhöhle etwas einwärts bewegt, und die Bauchhöhle dann nur von unten verengt. Kontrahiren sich dagegen die angegebenen Muskeln in stärkerm Grade, so wird nicht blos die untere Platte noch tiefer einwärts gezogen, sondern es werden auch die Theile der obern Platten, welche die Seitenwände darstellen, einander etwas genähert und ihre untern Ränder selbst wol über die untere Platte, und zwar an die nach aussen gekehrte Fläche derselben, ein wenig herübergeschoben, wobei denn nun die Höhle des Hin- terleibes nicht blos von unten her, sondern auch von rechts und von links mehr oder weniger verengert wird. Was aber die darauf erfolgende Erweiterung der Bauchhöhle anbelangt, so sind dafür keine besondere Muskeln vorhanden, sondern sie wird lediglich nur durch die Elasticität der stellweise mehr oder weniger erhär- teten Epidermis des Hinterleibes bewerkstelligt. Haben nämlich die oben angege- benen Muskelbündel nur eine Verengerung der Bauchhöhle von unten her bewirkt, so reicht schon die Elasticität des weichem Theilcs der Epidermis, der die beiden Platten des Gürtels an der Bauchseite unter einander verbindet, und der in einer jeden Körperhälfte , wenn die Verengerung der Bauchhöhle erfolgte , etwas gedehnt und gespannt worden war, völlig hin, die untere Platte des Gürtels wieder in ihre frü- here Lage zu bringen. War die Bauchhöhle dagegen auch von den Seiten veren- gert worden, so suchen ausserdem die Seitenplatten des Gürtels, die dabei eine stärkere Krümmung erhalten hatten, sich, wenn die Muskeln, welche sie stärker ge- krümmt hatten, in ihrer Wirkung nachlassen, vermöge der grossen Elasticität ihres Gewebes wiederum ihre vorige Wölbung zu verschaffen , wobei sie denn jetzt seitwärts wieder auseinander weichen, die Hinterliybshöhle aber nuumehro nicht blos unter- wärts, sondern auch seitwärts erweitert wird. Der angegebene Hergang einer rhytmischen Verengerung und Erweiterung findet auch an dem zweiten Hinterleibsgürtel der männlichen Libellen statt, und es wird dabei, wie ich schon in einer andern Abhandlung angegeben habe, der ganz merk- würdige und sich auf die Geschlechtsverrichtung beziehende Apparat, der sich an diesem Gürtel befindet, in Bewegung gesetzt. Die Tracheen, deren wegen die angegebenen Verengerungen und Erweiterungen des Hinterleibes statt haben, besitzen in ihren Stämmen und Aesten eine verhältniss- 15* 110 massig beträchtliche Weite, sind in ziemlich grosser Anzahl vorhanden. Ausser diesen Luftgefässen gehören zu dein Systeme der Respirationsorgane mehrere und ziemlich grosse Blasen , die, wenn sie angestochen worden sind, zusammenfallen, und der Mehrzahl nach im Hinterleibe ihre Lage haben. §. 11. Bei den Gryllen und Acridien ist die Hautbedeckung fast aller Gürtel des Hinterleibes ebenfalls zu zwei besonderen Platten erhärtet, von denen die eine die Seitenwände und die Rückenwand des Hinterleibes zusammensetzen hilft, die andere sehr viel kleinere aber zur Bauchwand gehört. Nur an dem vordersten Gür- tel des Hinterleibes, der überhaupt nur einen Halbring darstellt, fehlt das letztere Stück, und an der hintersten ist es zwar vorhanden, jedoch anders als an den mitt- lern Gürteln geformt und in die Geschlechtsverrichtung hineingezogen. — An dem- jenigen Theile des Hinterleibes nun, welcher zwischen dem vordersten und hintersten Gürtel dieses Leibesabschnittes in der Mitte liegt, befindet sich jederseits zwischen der untern und obern Platte der ihn zusammensetzenden Gürtel ein verhältnissmässig ziemlich grosser Antheil der Cutis, an dem die Epidermis weit weniger erhärtet und verdickt ist und der einen hohen Grad von Dehnbarkeit besitzt, wovon man sich besonders bei hoch trächtigen Gryllen überzeugen kann. Nur bis zu diesem Zwischen- raum reichen bei den Insekten aus dem Genus Gryllus die Enden der untern Schie- nen der Hinterleibsgürtel hin, bei den Acridien dagegen bilden die Enden dieser Schienen je nach den verschiedenen Gürteln, denen sie angehören, mehr oder we- niger lange und breite Vorsprünge, die alle über die innere Fläche der oben ange- gebenen weichem Hautstelle nach oben hinauslaufen, und sich mit freien Enden an die innere Fläche der obern Hälfte der Hinterleibsgürtel anlegen. Die Muskeln, welche an die verschiedenen Hautstellen des Hinterleibes angeheftet sind , und grossen- theils auch zu den Athmungsbewegungen dienen, sind bei Gryllus und Acridium der Zahl und Befestigung nach gar sehr verschieden. Bei Acridium, wo sie am ein- fachsten sind, entspringt 1) in jeder Seitenhälfte des Hinterleibes eine ziemlich starke Muskel von der Basis des Vorsprunges, in den die untere Platte eines jeden Hinterleibsgürtels mit Ausnahme des vordersten und hintersten nach oben und hinten ausläuft, und zwar von der äussern Fläche jenes Vorsprunges, geht nach oben und etwas nach hinten hinauf, und setzt sich an die obere Platte desselben Gürtels an. Kontrahiren sich diese Muskeln, so wird der Hinterleib von unten nach oben ver- engt, indem dann die Bauchwand etwas nach oben gezogen wird. 2) Zwei andere und kleinere Muskeln gehen in jeder Seitenhälfte des Körpers von dem vordem Rande der untern Platte eines jeden damit versehenen Hinterleibsgürtels nach vorn hin und 111 setzen sich an die innere Fläche der davor liegenden gleichen Platte an. Diese Muskeln dienen zur Verkürzung der Bauchwand, und scheinen an den Athmungs- bewegungen keinen wesentlichen Antheil zu nehmen. 3) Eine grosse Menge von Muskelfasern bildet zwischen den obern Platten je zweier benachbarter Hinterleibs- gürtel eine lange und schmale Schicht, die von dem vordem Rande des hintern zu der innern Fläche des vordem Gürtels geht Auch diese Muskeln haben an den Athmungs- bewegungen keinen Antheil, sondern dienen nur zur Verkürzung der Rückenwand und der Seitenwände. Die angegebene Beschreibung der Muskeln passt jedoch nur für die kleinern Arten der Acrydien, nicht aber auch für die grossem, namentlich nicht für Acr. stridulum , und migratorium. Bei diesen nämlich befindet sich an der äussem Fläche eines jeden Vorsprunges, in der die Enden der meisten untern Schienen des Hinterleibes nach oben auslaufen, ein ziemlich starker, langer und bandartig platter Muskel. Er verläuft von der Spitze des Vorsprunges nach unten und hinten, und setzt sich an das untere und jenem Vorsprunge zunächst liegende Ende der obern Schiene desselben Gürtels an. Ziehen sich alle diese Muskeln zusammen, so muss die Bauchwand des Hinterleibes herabgedrückt und die Bauchhöhle erweitert werden, weshalb denn also diese Muskeln als Inspirationsmuskeln angesehen werden dürfen. Was dagegen die Exspirationsmuskeln anbelangt, so kommt für jeden Gürtel ein Paar derselben vor, die ebenfalls eine ziemliche Grösse haben, und zwei platte, breite und nicht gar lange Schichten darstellen , deren jede von dem einen äussem Rande der untern Schiene breiter werdend, nach oben und aussen aufsteigt und sich an eine Seitenwand der obern Schiene desselben Gürtels anheftet. Ausser den jetzt schon beschriebenen Muskeln kommen endlich auch noch ähnlich gelagerte und geformte vor, als die unter No. 2. und No. 3. von den kleineren Arten der Acrydien angegebenen. Die unter No. 1. aber angegebenen fehlen. Bei den verschiedenen Arten von Gryllus (oder Locusta) kommen 1) Muskeln vor, die mit den unter No. 3. hei Acridium angegebenen völlig übereinstimmen (Fig. 1. und 2.). 2) In jeder Seitenhälfte des Hinterleibes erscheint eine einfache Reihe kleiner Muskelbündel, die hinsichts ihrer Lage und Befestigung mit den unter No. 2. beschriebenen Muskeln der Acridien Aehnlichkeit haben (big. 2.) Auch stehen diese und die vorigen Muskeln in keiner besondern Beziehung zur Respiration. Alle übrigen Muskeln dagegen, deren jetzt Erwähnung geschehen wird, beziehen sich vielleicht alle durchaus nur auf die Athmung, haben bei Acridium Nichts ihres Glei- chen und entspringen von einer kleinen und geschlängelt verlaufenden Falte, die von der weichem Haut zwischen der obern und untern Hälfte der Hinterleibsgürtel gebildet wird, und nach innen gegen die Bauchhöhle ein wenig vorspringt. Diese Muskeln nun sind folgende. 3) Ein kleines Muskelbündel geht innerhalb eines jeden Gürtels mit Ausnahme des vordersten und der 2 hintersten von der oben erwähnten Hautfalte nach innen, vorne und unten zu der untern Platte des Gürtels. 4 und 5) Zwei etwas grössere Muskelbündel entspringen jederseits entgegengesetzt einem jeden der vorigen von der erwähnten Falte, gehen nach oben und aussen und setzen sich an das Ende der obern Platte eines derjenigen Gürtel, die zwischen dem vordersten und den 2 hintersten in der Mitte liegen. In dem vorletzten Gürtel dagegen befin- det sich nur ein Paar solcher Muskeln. Wird die Höhle des Hinterleibes, und ins- besondere bei den weiblichen Individuen, durch die Erzeugnisse der Geschlechts- werkzeuge allmählig ausgedehnt, wobei der weichhäutigere Zwischenraum zwischen den obern und untern Platten der Hinterleibsgürtel auffallend an Breite gewinnt, so werden die zuletzt beschriebenen Muskeln nicht blos sehr in die Länge ausgedehnt, sondern gewinnen dann überhaupt an Grüsse. Wenn sich übrigens aber diese Mus- keln und zugleich mit ihnen die unter No. 3. beschriebenen kontrahiren, so wird die Höhle des Hinterleibes von oben und unten verengt. 6) Eine Reihe von 7 ziem- lich starken Muskelbündeln, deren eines immer dicht hinter dem andern liegt und mit seiner Achse von vorn nach hinten gerichtet ist, bedeckt in jeder Seitenhälfite des Körpers zum grossen Theile die schon mehrmals erwähnte Falte. Ein jedes solches Bündel entspricht einem Hinterleibsgürtel. Ob es aber mit der Respiration in Beziehung steht, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben. 7) Wo immer zwei Gürtel aneinander grenzen, befindet sich endlich noch ein ziemlich starkes Muskel- bündel , das von der rechten Falte quer zu der linken hinübergeht und jederseits die benachbarten Enden je zweier von den unter No. 6. beschriebenen Muskelbündeln bedeckt. Kontrahiren sich diese Bündel, so werden die Hautfalten, an welche sie befestigt sind, etwas einwärts gezogen und die Höhle des Hinterleibes in der Gegend jener Falten seitwärts verengt. Auch diese letztem Muskeln werden , wenn gegen Ende des Sommers die Hoden sehr anschwellen oder die Eier sich schon sehr vergrüssern, und wenn überdies noch sich im Hinterleibe das Fett sehr anhäuft, stark ausgedehnt ohne jedoch in ihrer Thätigkeit geschwächt zu werden. Gelegentlich wäre hier noch zu bemerken, dass zwischen den zuletzt beschriebenen Muskelbündeln und der Bauch- wand ein mässig grosser Raum vorhanden ist, und dass in diesem Raume sowol das Bauchmark (die Ganglienkette), als auch, und zwar etwas tiefer, vier sehr weite’ Luftröhren liegen und von hinten nach vom ihren Verlauf machen. 113 Die Luftröhren kommen bei deq Gryllcn in grosser Zahl vor und es besitzen diejenigen unter ihnen, die zur Leibeswand gehören, mit Ausnahme ihrer letzten Verzweigungen eine beträchtliche Weite, so dass sie langgestreckte und wurstförmige Schläuche darstellen. Ungeachtet ihrer Weite aber fallen sie, wenn sie durch- schnitten sind , nicht zusammen, weil in ihnen starke und sehr elastische Spiralfäden verlaufen. Auch dehnen sie sich, wenn sie zusammengedrückt waren, wieder in die Weite aus. Blasenartige Erweiterungen kommen 4 bis 5 Paare dicht über der Bauchwand des Hinterleibes, und ein Paar noch sehr viel grösserer innerhalb der Brust dicht hinter und über dem vordersten Beinpaare vor. — Bei den Acridien kommen an den Wänden des Hinterleibes zwar weniger, dafür aber zum Theil auch verhältnissmässig viel weitere Luftgef ässstämme , als bei den Gryllcn vor, und sie machen theils ihrer Weite wegen, theils auch weil sie, wenn sie durchschnitten sind, zusammenfallen und, wenn sie zusammengedrückt sind, sich nicht wieder völlig ausdehnen, schon einen Ucbergang zu den Luftsäcken. Spiralfäden kommen in ihnen zwar noch vor, haben jedoch im Verhältniss zur Weite derselben eine nur sehr ge- ringe Dicke und eine geringe Elasticität. §. 12. Höchst auffallend ist es mir gewesen, dass Acheta campestris, obgleich sie hinsichtlich ihrer äussern Form weit weniger, als die Acrydicn, mit Gryllus ver- rucivorus und dessen Gattungsverwandten übereinstimmt, demungeachtet in Hinsicht der auf die Athmung sich beziehenden Organisation den Gryllcn weit ähnlicher ist, als die Acrydien. Was die Organisation der Haut des Hinterleibes anbelangt, so ist hinsichtlich derselben das in Rede stehende Insekt wesentlich nur dadurch von den Locusten unterschieden, dass die untern Schienen der Hinterleibsgürtel eine verhältnissmässig bedeutendere Grösse, insbesondere aber eine grössere Länge haben, und dass auch für den vordersten jener Gürtel eine solche Schiene vorhanden ist. Parallel nun mit diesen Schienen, aber mässig weit von ihnen entfernt, verlaufen, wie bei den Gryl- len mehrere querausgespannte Muskelbündel , die von der weichem und schmiegsamem Hautstelle der innern Seitenwand zu der gleichen Stelle der andern Seitenwand hinübergehen, und deren je eines wieder ebenfalls sich da befindet, wo zwei Gürtel nachbarlich an einander grenzen. Unter ihnen verlaufen das Bauchmark und zwei lange und weite Luftröhren. Ziehen sie sich zusammen, so wird der Hinterleib von beiden Seiten etwas verengert. Von unten nach oben dagegen wird der Hinterleib verengt durch mehrere Muskelstränge, von denen zwei Paar dem vordersten , ein Paar aber einem jeden der folgenden Gürtel des Hinterleibes mit Ausnahme nur der 114 letzten, zukommen. Alle diese Stränge verbinden die Enden der untern Schienen der Hinterleibsgürtel mit den Enden der obern Schienen derselben Gürtel, und liegen der innern Fläche der beiden weichem Hautstellen, die sich an den beiden Seiten des Hinterleibes befinden, dicht an. Noch andere und viel kleinere Muskeln dienen dazu, die oben erwähnten weichem und ziemlich breiten Hautstellen nach innen zu ziehen, und dadurch ebenfalls den Hinterleib von unten nach oben zu verengern. Drei solcher kleinen Muskelbündel gehen von einem jeden Ende der untern Schiene eines jeden Hinterleibsgürtels nach oben hin und setzen sich an die eine jener Haut- stellen an, ein solcher Muskel aber kommt von dem Ende eines jeden derselben Gürtel, und heftet sich jenem erstem gegenüber ebenfalls an die erwähnte Hautstelle an. Verkürzt endlich kann der Hinterleib werden durch mehrere Muskeln, welche die einzelnen Gürtel dieser Körperabtheilung unter einander verbinden, und von denen immer ein Paar von den Enden der untern Schienen jener Gürtel zu dem nächst davor liegenden geht, andere aber, schmale und lange Lagen bildend, wie in den Locusten und Acrydien die obern Schienen je zweier jener Gürtel vereinigen. Die Athmungsbewegungen selbst gehen wahrscheinlich ganz so, wie bei den Locusten vor sich, mit Bestimmtheit aber kann ich darüber nicht sprechen, da ich Acheta campestris nicht habe im Leben beobachten können. Bei Acheta gryllotalpa Fabric. (Gryllus gryllotalpa Lamark) ist die Organisation der Cutis des Hinterleibes ganz so, wie bei Acheta campestris, die Muskulatur dieses Körpertheiles aber ist viel einfacher. Die obern Schienen der Hinterleibsgürtel sind unter einander, wie bei Acheta campestris, verbunden; dasselbe auch gilt von den untern Schienen, nur sind die Muskeln derselben absolut und relativ viel breiter uud stärker. Die Muskeln, welche die obern und untern Schienen der Hinterleibs- gürtel vereinigen, sind nicht an allen diesen Gürteln von gleicher Art: denn an den zwei vordem sind sie zwar ähnlich geformt, wie bei Acheta campestris, obsclion viel stärker ausgewirkt, an den übrigen Gürteln jedoch bilden sie breite Bündel, von denen einige Fasern von der obern Schiene zu der untern, andere aber von der weichem Hautstelle zu der untern Schiene herablaufen , und von denen einige einen geraden Verlauf nehmen, andere aber sich unter einander zu kreuzen scheinen. Doch muss ich dabei bemerken, dass das Exemplar, woran ich die Zergliederung machte, schon mehrere Jahre in Weingeist gelegen hatte und überaus hart uud fest ge- worden war. Die Luftgefässe sind bei beiden Arten von Acheta sehr weit, nirgends aber blasenfürmig ausgedehnt. 115 §. 13. Bei dem breiten und massig plattgedrückten Hinterleibe von Alantis religiosa sind die untern Schienen der Gürtel fast eben so lang, als wie die obern. Wo sie zusammenstossen , wird jederseits von ihnen und der sie verbindenden wei- chem Haut eine stumpfe Kante gebildet. Die untern Schienen werden je zwei durch ein Paar ziemlich breiter und starker , die obern aber durch ein Paar viel schwächerer Muskellagen unter einander verbunden , so dass der Hinterleib also wahrscheinlich, denn lebendig habe ich Mantiden nicht untersuchen können, nicht wenig verkürzt werden kann. Für die Verengerung des Hinterleibes aber von oben und unten sind meh- rere ziemlich lange und fast stabförmige Muskeln vorhanden, die in der Nähe der oben erwähnten Kante von den untern zu den obern Schienen hingehen. Von den zwei vordem Hinterleibsgürteln besitzt ein jeder nur ein Paar solcher Muskeln, der der dritte aber, desgleichen der vierte bis sechste zwei Paare, von denen das eine immer dicht hinter dem andern liegt. Ausserdem kann wahrscheinlich auch noch die weichere Hautstelle an einer jeden Seite des Hinterleibes etwas einwärts, und also auch dadurch dieser Körpertheil von oben und unten etwas verengt werden. Denn ausser den schon beschriebenen Muskeln giebt es in jeder Seitenhälfte des Hinter- leibes mehrere kurze Muskelbündel , von denen immer je eines von dem einen Ende einer jeglichen untern Schiene der Hinterleibsgürtel schräge von vorn nach hinten und ein zweites und das ersterc zum Theil deckende schräge von hinten nach vorne zu der dicht darüber befindlichen und weichem Hautstelle hingeht und an diese be- festigt ist. Zwei andere Muskelpaare gehen in jeder Körperhälfte von dem Ende der obern Schiene zu jener Hautstelle, und das eine von diesen, und zwar das grössere, von der Mitte einer jeden Schiene, das andere aber von dem hintern Rande derselben. §. 14. Bei Truxalis ist die Organisation der Wand des Hinterleibes fast ganz so beschaffen, wie bei den grossem Arten der Acrydien und zwar sowol in Hinsicht der Cutis, als auch der Muskeln, die an diese befestigt sind. §. 15. Was die Hymenopteren anbelangt, so sind bei allen denjenigen, welche einen Stachel haben (Lamarks Hymen, ä aiguillon) mit Ausnahme der ameisen- artigen Insekten, so weit icli sie kenne, die Athmungsbewegungen und die Organi- sation des Hinterleibes im Allgemeinen dieselben. Jeder Gürtel des Hinterleibes, mit Ausnahme nur des vordersten besteht aus zwei recht festen und verhältnissmässig zu ihrer Länge im Allgemeinen recht bi’eiteu Schienen, die beide eine fast gleiche Länge haben und an den beiden Seiten des Körpers durch eine weichere Cutis in der Art zusammengefügt sind, dass die obere 16 116 über die Enden der untern etwas hinübergreift und deshalb die beiden Schienen verbindende weichere Cutis nicht von aussen her gesehen werden kann. Ferner sind alle diese Gürtel, wie die einzelnen Röhren eines Teleskopes, in einander geschoben, so dass jeder von ihnen eine Strecke in den vor ihm liegenden hineindringt, und dass deshalb die weichere Hautstelle, welche auch immer je zwei dieser Gürtel unter einander verbindet, ebenfalls nicht für gewöhnlich von aussen her wahrgenommen werden kann. Uebrigens springt bei der Mehrzahl dieser Insekten die vordere Ecke eines jeden Endes der untern Schiene der meisten Hinterleibsgürtel stark hervor, und bildet eine nach vorn gerichtete Spitze. Einmal auch erinnere ich mich an einer Biene, deren Species ich aber, weil ich, als ich sie auf dem Lande untersuchte, gerade kein System der Insekten zur Hand hatte , nicht mehr genau angeben kann, bemerkt zu haben, dass zwischen einer jeden solchen Ecke und dem ihr korrespon- direnden Ende der obem Schiene ein kleines und fast linsenförmiges Polster vorhan- den war, das aus einem ringsum geschlossenen und verhältnissmässig zu seiner Höhle sehr dickwandigen, weissen, undurchsichtigen und ziemlich festen Sacke bestand. Die Athmungsbewegungen gehen sehr rasch und lebhaft vor, werden nur selten unterbrochen, geben dem Thiere ein unstätes Aussehen, und bestehen darin, dass der Hinterleib verkürzt und wieder ausgestreckt wird, indem die einzelnen Gürtel tiefer in einander hineingeschoben und dann wieder auseinander geschoben werden. Bei denjenigen der hier in Rede stehenden Hymenopteren , deren Hinterleib fast ganz gerade ist, wie namentlich bei den Wespen gehen jene Bewegungen für gewöhnlich in ganz gerader Richtung vor sich, bei denjenigen aber, deren Hinterleib mit seinem Ende mehr oder weniger stark nach unten herumgekrümmt ist, wie namentlich bei den Hummeln und Bienen, wird der Hinterleib, wenn er ausgestreckt wird, zugleich auch noch stärker nach unten gekrümmt. Diejenigen Bewegungen, bei welchen der Hinterleib verkürzt wird, verengen die Höhle dieses Körperabschnittes und beziehen sich auf die Exspiration, die] andern dagegen bewirken eine Erweiterung der Höhle des Hinterleibes und beziehen sich auf die Inspiration. Doch werden mitunter bei diesen letztem Bewegungen, obschon nur selten und unter andern namentlich, wenn das Thier seinen Stachel hervorstreckt, die obern Schienen der Gürtel über die untern weiter herübergeschoben, die Höhle des Hinterleibes ungefähr um so viel, als sie verlängert wurde, in ihrer Weite ver- engert, und die Inspiration dadurch gehemmt: ja es werden dann bei einigen der in Rede stehenden Hymenopteren zuweilen die obern Schienen so stark über die untern herübergeschoben, dass dann wahrscheinlich selbst eine Exspiration bewirkt werden 117 muss. Die Verkürzung des Hinterleibes, oder der Akt der Exspiration, wird be- wirkt durch besondere Muskeln, von denen einige an die Bauchwand, andere an die Rückenwand und noch andere an die Seitenwände des Hinterleibes befestigt sind. Diejenigen, welche sich an der Bauchwand befinden, haben eine nur massige Grösse und stellen Stränge dar, von denen immer je zwei, also paarweise von dem vordem Rande je eines Gürtels etwas konvergirend beinahe bis zu demselben Rande des andern und davorliegenden Gürtels hingehen. Die der Rückenwand angehörigen Muskeln nehmen das Rückengefäss so, wie die schon beschriebenen das Bauchmark, zwischen sich, sind auch so mit den obern Schienen der Hinterleibsgürtel verbunden, wie jene mit den untern Schienen, dagegen aber von etwas geringerer Dicke, als jene. Was endlich diejenigen Muskeln anbelangt, welche mit den Seitenwänden des Hinterleibes Zusammenhängen , so geht von der obern und vordem Ecke der untern Schiene eines jeden Hinterleibsgürtels mit Ausnahme jedoch des vordersten ein solcher Muskel immer breiter werdend schräge nach unten und vorn zu der un- tern Schiene des vor ihm liegenden Gürtels und ein anderer Muskel von der untern und vordem Ecke der obern Schiene eines jeden jener Gürtel, indem er sich nach oben und vorn wendet, zu der innern Fläche der gleichen Schiene des vor ihm liegenden Gürtels. Beide Muskeln reichen von dem Gürtel, von dem sie ausgehen, bis beinahe zu dem vordem Rande des vor ihm befindlichen. Der Akt der Inspiration dagegen wird zum Theil durch die Elasticität der wei- chem und während der Inspiration mehr oder weniger gespannten Hautstelle, die sich zwischen je zweien Gürteln befindet, zum Theil aber und weit mehr noch durch besondere Muskeln vermittelt, deren an jedem Hinterleibsgürtel, mit Ausnahme des vordersten, zwei Paare sich vorfinden, und die, wie es scheint bei der Mehrzahl der mit einem Stachel versehene Hymenopteren , ja vielleicht bei ihnen allen weit dicker sind, als diejenigen der schon beschriebenen Muskeln, welche an den Seitenwänden des Hinterleibes befestigt sind und der Exspiration vorstehen. Diese Inspirations- Muskeln nun sind ebenfalls paarweise an jeder Seiten wand des Hinterleibes abge- lagert, entspringen innerhalb eines jeden Gürtels von denselben Stellen, woher die Exspirationsmuskeln ausgehen, liegen aber hinter denselben, und laufen nicht, wie diese sehr schräge nach vorne, sondern es verläuft der von der untern Schiene je eines Gürtels ausgehende, wenn wir uns den Hinterleib im Zustande der Inspiration denken, gerade nach unten zu dem hintern Rande der untern und über jene etwas nach hinten vorspringenden Schiene des davorlregenden Gürtels. Der von der obern Schiene entspringende geht dagegen gerade nach oben zu dem hintern Rande der 16* 118 obern Schiene des davorliegenden Gürtels. Befindet sich aber der Hinterleib im Zustande der Exspiration, so sind beide Muskeln von ihren Ursprungspunkten aus etwas schräge nach hinten gerichtet. Wie übrigens diese letztem Muskeln, wenn sie sich unge- wöhnlich stark zusammenziehen, den Hinterleib auch von oben und unten zusammen- drücken und verengen können, ist aus der beschriebenen Anheftung derselben leicbt zu erklären und wird wol einem jeden Leser verständlich sein. §. 16. Bei den Hymenopteren mit einem Legestachel sind nach den Unter- suchungen, die ich freilich nur erst an wenigen, aber recht grossen Arten insbeson- dere aber an Opliion luteus, Ichneumon persuasorius und Sirex gigas habe anstellen können, die obern Schienen der Hinterleibsgürtel um ein Bedeutendes grösser, als die untern, und bilden nicht blos die Rückenwand, sondern auch die Seitenwände des Hinterleibes , so dass also die untern Schienen nur die Bauchwand dieses Kör- pertheiles zusammensetzen. Auch springen die erstem Schienen über die letztem mit ganz freien Enden ein wenig vor. Bei den Atlimungsbewegungen werden gewöhnlich die untern Schienen etwas gehoben und dann wieder gesenkt; seltner und nur dann, wenn die Athmung mit vieler Kraftanstrengung vollzogen wird , werden auch die Enden der obern Schienen in Bewegung gesetzt, indem sie dann etwas einwärts gezogen werden und dann wie- der nach aussen hin weichen. Die Tracheen sind strauchartig und nirgends kommt ein Luftsack vor. Nähere Angaben. Bei Ichneumon persuasorius ist die untere Schiene, die einen jeden der 8 Gürtel des Hinterleibes, die zwischen dem hintersten Gürtel dieses Körper- abschnittes und der Brust liegen, zusammensetzen hilft, ziemlich breit; die vorderste ist einfach , jede folgende aber ist stellweise härter und wreicher. Die hartem und zugleich etwas dickem Stellen bilden 3 Längsstreifen, von denen der eine an Breite die übrigen übertreffende, die Mitte der Schiene einnimmt, die beiden andern aber zu äusserst! nach den Seitenrändern der Schiene liegen. Zwischen jedem mittlern und einem jeden äussersten dieser Streifen liegt einer von den weichem Streifen, Diese weichem Stellen waren bei dem untersuchten Exemplare etwas einwärts gegen die Bauchhöhle eingebogen, so dass jede Schiene, von unten angesehen, zwei mässig breite, mässig tiefe und nach der Länge des Hinterleibes verlaufende Rinnen gewahr werden liess. Bei der Exspiration bewegte sich der Re- gel zufolge die ganze Schiene nach oben, bei der Inspiration nach unten und bei dem letztem Akte wurden dann nicht selten die oben erwähnten Rinnen ausgeglichen, so dass dann die Schiene ganz eben und zugleich etwas breiter wurde. Nach der Qeflhung des Hinterleibes fand ich, dass auf der konvexen Seite eines jeden jener rinnenförmigen Theile ein Längsmuskel lag, der von dem vordem Rande der einen Schiene bis zu dem gleichen Rande der hinter ihr liegenden verlief. Seine Lage und Befestigung war von der Art, dass wenn er sich zusammenzog, er den rinnen- formigen Tlieil ebnen (abplatten) musste. — - Ein zweiter und zwar kurzer und plat- ter Muskel ging von jeder vordem Ecke einer untern Schiene nach aussen , oben und hinten zu der obern Schiene desselben Gürtels hin, die letztere Art Muskeln diente zur Exspiration. (Obere Längsmuskeln waren gleichfalls vorhanden). Bei Sirex gigas weiblichen Geschlechts haben die beiden hintersten Gürtel des Hinterleibes, mit denen ein Legestachel und eine Afterröhre sich befinden, keine untern Schienen. An den übrigen fi Gürteln des erwähnten Leibestheiles aber kom- men solche Schienen vor und sind sehr breit. Von jeder vordem Ecke einer solchen Schiene geht ein nur massig starker und zur Exspiration dienender Muskel nach oben und aussen und hinten zur obern Schiene desselben Gürtels hin. Ein anderer, ebenfalls zur Exspiration dienender, aber viel dickerer und längerer Muskel geht von jeder hintern Ecke der untern Schiene nach oben , aussen und vorne zum vordem Rande der obern Schiene hin, und bedeckt den obern breitem Tlieil des erst er- wähnten Muskels. Auch sind obere und untere Längsmuskeln zur Verkürzung des Hinterleibes vorhanden. Die untern sind sogar doppelt, nämlich 2 für die rechte und 2 für die linke Hälfte einer jeden untern Schiene. Sie sind ziemlich dick, aber nur schmal. Dagegen sind die obern Muskeln sehr breit, aber nur sehr zart und dünn. Unerachtet dieser vielen Längsmuskeln wird doch der Hinterleib behufs der Respiration nicht verkürzt und verlängert, wie etwa bei den Bienen und Wespen. §. 17. Diese Erfahrungen aufgestellt, entsteht jetzt zuvörderst die Frage, ob die auf die Bewegungen des Hinterleibes, wovon in den frühem Paragraphen die Rede gewesen ist, wirklich auch, wie bis dahin nur angenommen worden war, auf die Respiration oder nicht vielmehr auf irgend eine andere Funktion einen Bezug haben? Zur Beantwortung diene Folgendes: 1) Auf die Pulsation des Riickengefässes können jene Bewegungen keine nähere und wesentliche Beziehung haben, da auch dann, wenn sie auf längere oder ^kürzere Zeit aussetzen, die Thätigkeit des Riickengefässes dennoch nicht ins Stocken kommt. Dasselbe gilt auch von der Verrichtung der Verdauungswerkzeuge, denn auch diese geht vor sich und es erfolgen, wie man bei manchen Insekten schon durch die Hautbedeckungen gewahr werden kann, namentlich peristaltische Bewegungen des 120 Darmkanaless und der Malpighischen Gefässe, auch wenn die in Rede stehenden Bewegungen des Hinterleibes auf längere Zeit, selbst minutenlang aussetzen. Endlich kann auch zwischen ihnen und der Funktion der Genitalien kein besonderes Verhält- niss obwalten, da sie statt haben, sowol wenn die Gesehlechtstheile lange noch nicht zur Reife gelangt sind, als auch, wenn die Thätigkeit derselben nur noch als eine rein plastische erscheint. Andre Organe aber , zu denen die besprochenen Bewegun- gen möglicherweise in einer Beziehung stehen könnten, sind in dem Iliuterleibe der meisten Insekten ausser den schon genannten keine weiter vorhanden, als eben die Respirations - Organe. 2) Da diese Organe von Gebilden umgeben sind , die durch äusseru Druck weit weniger als sie ihrer Organisation und der in ihnen enthaltenen Luft wegen selber, zusammengepresst werden können, so liegt es klar zu Tage, dass so wie die Wände des Hinterleibes sich zusammenziehen, die in dem besagten Organe enthaltene Luft in Bewegung gesetzt und zum Theil durch die Stigmata nach aussen herausgetrieben werden muss. 3) Die Bewegungen der Wandungen des Hinterleibes derjenigen Insekten, bei welchen sie gefunden werden, gehen wie die Respirationsbewegungen der höhern Wirbelthiere rascher vor sich, wenn das Insekt grössere Muskelanstrengungen macht oder zu machen versucht, und wir dürfen deshalb der Analogie nach wol schliessen, dass zwischen jenen Bewegungen der Insekten und dieser der Wirbelthiere hinsicht- lich des Zweckes und des Nutzens auch eine nahe Verwandtschaft bestehe. 4) Bei Cetonia aurata und Scarabaeus stercorarius habe ich mich durchs Auge aufs bestimmteste überzeugt, dass jene Bewegungen wirklich eine Wirkung auf die Respirationsorgane haben. Denn nachdem ich diesen Käfern erst die Flügel und Flügeldecken abgeschnitten und darauf durchs Messer auch den obern Theil der Brustwandung entfernt hatte, ward ich gewahr, dass jedesmal, wenn die Rücken- wand des Hinterleibes sich senkte, die einzelnen innerhalb der Brust befindlichen Luftsäcke, so viel ich ihrer sehen konnte, prall anschwollen, wann sich jene Wand aber erhob und die Höhle des Hinterleibes also weiter wurde, ein wenig wieder kleiner wurden. 5) An Acridium stridulum habe ich bemerkt, dass jedesmal, als sich der Hin- terleib zusammenzog, an jedem der über dem mittleren Beinpaare befindlichen Stigmaten der Brust die beiden wulstigen und einander dicht anliegenden Lippen sich öffneten, was wol nichts anderes andeutete, als dass dann durch die Stygmata der Brust ein Theil der in diesem Körperabschnitte enthaltenen Luft hervorgetrieben 121 wurde. Dieselben Erscheinungen, wie bei Acridium, habe ich auch an den über dem hintersten Beinpaare des Gryllus verrucivorus gesehen. §. 18. Nicht an jedem ausgebildeten Insekte sieht man, selbst wenn man es längere Zeit beobachtet, recht deutlich Bewegungen der Leibeswände, die man auf die Respiration beziehen könnte, und möglicherweise könnte deshalb der Eine oder Andere auf die Vermuthung kommen, dass die Tracheen und Luftsäcke bei manchen oder wohl auch bei allen Insekten sich durch einen Tonus ihres Gewebes zusammen- zielm und durch eine ihnen gleichfalls innewohnende Elasticität wieder auszudehnen im Stande sein möchten. Elasticität nun kommt allerdings allen denjenigen Tracheen in hohem Grade zu, die eine im Yerhältniss zu ihrer Länge nicht gar zu grosse Weite und eine im Verhältniss zu ihrer Weite nicht zu geringe Dicke der Wände besitzen, wie man sich leicht an jedem solchen Gefässe, selbst eines unlängst gestorbenen Insekts, wenn man es zusammengedrückt hat und dann den Druck entfernt , überzeugen kann. Auch besitzen alle Tlieile des Respirationssystems, je nach ihrer verschiedenen Be- schaffenheit eine geringere oder grössere physische Kontraktilität. Am grössten ist sie namentlich in den Tracheen, da diese, wenn sie nach der Weite oder, und mehr noch , wenn sie nach der Länge ausgedehnt worden sind , sich wiederum auf ihren frühem Umfang zusammenziehen, am geringsten aber und in einem nur geringen Grade in den Luftsäcken, da diese, wenn sie ausgeweitet waren, nur wenig und kaum merklich wenn nun die Ursache der Ausdehnung entfernt wird, sich zusam- menziehen. Ein Tonus dagegen, oder, wenn man ein anderes Wort dafür wählen will, eine organische Kontraktilität, scheint allen diesen Theilen ganz abzugehen. Ich muss dies auf den Grund einer nicht geringen Anzahl von Versuchen glauben, die ich an sehr verschiedenen Insekten und unter sehr verschiedenen Umständen an- gestellt habe, und worüber ich jetzt das Nähere angeben will. Mehreren erwachsenen und lebenden Insekten , namentlich Gryllen, Acridien, Scarabaeus stercorarius , Cara- bus granulatus habe ich den Hinterleib geöffnet, und einzelne Theile ihres Respira- tionssystems, indem ich auf sie nicht blos die äussere Luft, sondern auch kaltes Wasser, oder konzentrirtes Sonnenlicht, oder mechanische Reize einwirken liess, bald unter einer sehr stark vergrössemden Loupe, bald unter einem zusammenge- setzten Mikroskope, und fast stundenlang betrachtet, niemals aber an ihnen eine Zusammenziehung bemerkt, die auf einen Tonus jener Theile hingedeutet hätte. Eben so wenig konnte ich aber auch solche Zusammenziehungen an den Tracheen von Tenebrio molitor wahrnehmen, als ich diese Gebilde durch die durchsichtigen 122 Hautstellen des genannten Insektes beobachtete. Ich halte mich deshalb zu der Angabe berechtigt, dass wahrscheinlich bei keinem Insekte die Tracheen und Luft- säcke die Atlnnung und namentlich die Exspiration , nur durch eigne Kräfte ver- mitteln, sondern dass dazu noch ein Druck gehört, den andere und sie umgebende Gebilde auf sie ausüben. Dieser Druck nun aber kann hauptsächlich nur von der Wand des Hinterleibes oder bei einigen Insekten auch von der Wand des hinter- sten Brustgürtels ausgehen, denn obschon auch einige benachbarte Eingeweide, wie ich nachher noch näher angeben werde und zwar durch ihre eigne Thätigkeit einen Druck auf sie auszuüben vermögen , so steht derselbe doch dem von der Leibeswand ausgehenden in seiner Wirkung gar bedeutend nach. Sieht man bei einem ausge- wachsenen Insekt, das man zur Untersuchung gewählt hat, keine Bewegung der Leibeswand, die man auf die Atlnnung beziehen könnte, so kann die Ursache davon verschieden sein. 1) Entweder ist das Insekt zu klein und die Bewegung zu geringe, als dass man sie noch deutlich wahrnehmen könnte , 2) oder es ist zu sehr behaart und befiedert, als dass eine solche Bewegung sich dem Auge deutlich kund geben könnte, 3) oder es hat schon lange gehungert und die Athmungsbewegungen gehen jetzt so sparsam und auch wol so schwach vor, dass man, wenn man nicht lange genug darauf achtet, sie zu sehen verfehlt oder auch leiehtlich übersieht, 4 ) auch gehen sie sehr sparsam und schwach vor sich und können deshalb ver- fehlt übersehen werden, wenn das Insekt aus andern Ursachen schon matt und hin- fällig geworden ist. Bei dieser Gelegenheit will ich darauf noch aufmerksam machen, dass bei den Insekten im Allgemeinen die Atlnnung lange nicht die grosse Rolle spielt und für sie, wenngleich nothwendig, so doch nicht von einer solchen Wichtigkeit ist, als namentlich bei den Vögeln und Säugethieren. *) Belege in Menge giebt zu dieser *) (Spätere Anmerkung des Verfassers:) Dies ist zu viel gesagt, wie aus den Versuchen über das Athemholen der niedem Thicre G. R. Treviranus (in dessen und Tiedemann’s Zeitschrift für Physiologie. Bd. IV. Heft. 1.) hervorgeht: Resultate. 1) Die Quantität des aufgenomraenen Sauerstoffs und der ausgehauchten Kohlensäure ist bei einem und demselben Insekt in gleichen Zeiten sehr bedeutend verschieden, je nachdem es sich bewegt oder ruht, je nachdem es einer hohem oder niedem Temperatur ausgesetzt ist [in jener nämlich grösser] und je nachdem es gut gesättigt ist, oder gefastet hat. (An Apis terrestris verhielten sich die Quantitäten des ausgehauchteu kohlensauren Gases bei 9 bis 12u R. und 14 bis 23° wie 22 : 174.) 123 Aeusserung die schöne und sich hauptsächlich auf chemische Verhältnisse beziehende Schrift von Sorg, betitelt: Digestiones physiol. circa respirationem insectorum et vermium (Rudolst. 1804), wie auch der Umstand, dass viele Insekten geraume Zeit in der Erde oder in moderndem Holze leben, wo sie unmöglich viel und reine Luft für ihren Athmungsprocess vorfinden können. Einen noch sprechendem und merk- würdigem Beleg für die oben gemachte Aeusserung hat Humphry Davy in seinen Consolations in travels or the last days of a Philosopher (Gespräch 2.) gegeben, indem er anfuhrt, dass er auf den kleinen aus Conferven bestehenden und schwimmenden Eilanden eines Sees bei Tivoli unendlich viele und die mannigfaltigsten Insekten be- merkt habe, unerachtet dieser See so viel Kohlensäure und sckwefelichte Ausdün- stungen aushaucht, dass die Wasservögel, die ihn zuweilen besuchen, nur an den Ufern desselben verweilen, weil über dem See selbst die Ausdünstungen desselben für sie tödtlicli sein würden. Ueberdies geht aus mehrem in der vorliegenden Ab- handlung mitgetheilten Wahrnehmungen hervor, dass manche Insekten nur selten und schwache Athmungsbewegungen machen dürfen , um dennoch den verschiedenen Funktionen, die sie zu üben haben, ein Genüge leisten zu können. Wenn die bis dahin verhandelten Bewegungen des Hinterleibes auf die Athmung wirklich einen Einfluss haben , so muss dieser in Folge des Baues und der Ausbrei- tung des Respirations- Apparates ein doppelter sein. 1) Im Ilinterleibe selbst müssen , wenn dessen Höhle verengert wird , die Luftgefässe und wenn überdies noch Luftsäcke in ihm Vorkommen, auch diese etwas zusammen- gedrückt und ein Theil der in ihnen enthaltenen Luft durch die Stigmata, welche an den Seiten des Hinterleibes liegen, herausgedrängt werden. Wenn darauf sich aber die Höhle des Hinterleibes wieder erweitert und der Druck, der vorher auf die in ihr enthaltenen Luftwege ausgeübt worden war, wieder schwindet, müssen fliese, wie ich nachher noch näher angeben werde, der atmosphärischen Luft einen 2) Die Quantität des kohlensauren Gases, das beim Athcmholen erzeugt wird, ist verschieden bei den ver- schiedenen Insekten. Die beweglichsten Insekten hauchen das meiste Gas aus. Zu ihnen gehören die Bienen, Hummeln und Tagschmetterlinge. Auf diese folgen die Syrphusarten und wahrscheinlich noch mehrere andere Dipteren. Dann kommen die Libellen und die Käfer. Am wenigsten Kohleusäure hauchen die Larven der Schmetterlinge und Käfer aus. Eine Larve von Cetonia aurata athmete nicht den fünften Theil von dem ans, was das vollkommene Insekt derselben Art. 3) Die Biene erzeugt schon bei einer Temperatur der Luft von 1 1 {; 0 R. fast eben so viel und bei einer Wärme vou 22° weit mehr kohlensaures Gas als selbst die Taube. Papilio Atalanta excemirt sogar noch, wenn sie einige Tage ohne Nahrung gewesen ist, hei 15° eine weit grössere Quantität jenes Gases, als dieser Vogel. Den Hummeln stehen die Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen bei einer Temperatur von 16 — 17° an Stärke der Respiration nach. Syrphus nemorum kommt diesen Thieren bei einer solchen Temperatur ungefähr darin gleich. 17 124 Eingang gestatten . theils weil der Druck der äussem Luft den Druck auf die äussere Fläche der Luftwege dann überwiegt, theils auch weil sich dann , wenn viel- leicht auch nicht die Luftsäcke, so doch wenigstens die Tracheen vermöge der Elas- ticität, die ihnen zukömmt, wieder erweitern. 2) Was den Kopf und die Brust anbelangt, die sich, wenn wir von der Brust der Staphylinen und Carabiden absehen, nicht zusammenziehen und ausdehnen kön- nen, so wird wegen der bekannten Verbindung, die zwischen den Luftwegen dieser Körperabschitte ijnd denen des Hinterleibes statt findet, in sie eine Masse der in dem letztem Abschnitte enthaltenen Luft, wenn sich dieser zusammenzieht, durch Druck hineingetrieben. Ein Theil dieser Masse fl i esst dann durch die Stigmata der Brust nach aussen ab , wovon man sich an den Locusten , an welchen sich dann die Lippen eines jeden Bruststigmas öffnen, wol hinreichend überzeugen kann, ein anderer Theil aber schwellt dann die Luftwege der Brust , wie ich deutlich an Cetonia und Scarabaeus gesehen habe, und wahrscheinlich auch die des Kopfes mehr oder minder stark an. Lässt darauf der Druck vom Hinterleibe her nach, so ziehen sich die Tracheen und Luftsäcke der Brust und des Kopfes vermöge ihrer Elasticität wieder zusammen und treiben einen Theil der in ihnen enthaltenen Luft wieder heraus, und zwar wahrscheinlich theils durch die Stigmata der Brust, wenigstens bei den- jenigen Insekten, bei welchen die Stigmata stets offen stehen, nach aussen hin, theils auch an ihnen vorbei und in den Hinterleib hinein. Was so eben von dem Hin- und Herwogen der Luft zwischen Hinterleib und Vorderleib gesagt worden ist, mag vielleicht auch auf die Extremitäten angewendet werden können. §. 19. Mit Ausnahme der Hymenopteren werden bei allen von mir untersuch- ten Insekten, während sie athmen, nur die Verengerungen, nicht aber auch die Ei-weiterungen der Hinterleibshöhle durch Muskelkräfte bewerkstelligt. Die Mittel nun, durch welche die Höhle des Hinterleibes erweitert und der Luft in die Athmungswerkzeuge den Eingang gestattet, also die Inspiration bewerk- stelligt wird, giebt es bei den verschiedenen Insekten und selbst bei einem und dem- selben Insekte, wie es mir scheint, mehrere. 1) Bei denjenigen Insekten, welche nur strauchartige Tracheen besitzen, scheint mir ein Hauptmittel zur Erweiterung der Bauchhöhle während der Inspiration in jenen Gebilden selbst zu liegen. Die Tracheen besitzen, wie die Arterien derWir- belthiere einen hohen Grad von Elasticität, und stellen selbst nach dem Tode des Insektes ihr Lumen, wenn sie zusammengedrückt worden waren, wieder her, sobald 125 als der auf sie einwirkende Druck entfernt wird. Da sie nun während der Exspira- tion durch die Wfinde des Hinterleibes mittel- oder unmittelbar wol ohne Zweifel etwas zusammengedrückt werden . so lässt sich erwarten , dass sie , wenn die Exspi- ration zu Ende geht und der auf sie einwirkende Druck dann nachlässt, sich wieder ausdehnen, auf die Wände des Hinterleibes zurück wirken und diese jetzt etwas aus- einander treiben werden. Dasselbe, was so eben von den Insekten mit blos strauch- artigen Tracheen gesagt worden ist, gilt auch von der Mehrzahl derjenigen, welche ausser diesen noch blasenartige Tracheen besitzen, und insbesondere von denjenigen, bei welchen diese letztem Tracheen eine im Verhältniss zu ihrer Länge nicht gar zu grosse Weite besitzen, wie das namentlich bei den verschiedenen Arten der Gattung Gryllus der Fall ist. Weniger gilt dasselbe von solchen Insekten, deren blasenartige Tra- cheen eine zu ihrer Länge beträchtliche Weite besitzen, wie dies namentlich bei den Acridien der Fall ist. Denn, wie die Erfahrung mich belehrt hat, so stellen diese Tracheen, wenn sie von Luft entleert und zusammengedrückt worden sind, nicht mehr vermöge der ihnen einwohnenden Elasticität ihre frühere Weite wieder ganz vollständig her. Was endlich die Luftsäcke anbelangt, die bei vielen Insekten in grösserer oder geringerer Zahl vorhanden und mit den Tracheen verknüpft sind, so bestehen sie in der Regel aus einer äusserst zarten Haut, in der keine Spur eines Spiralfadens sich auffinden lässt, und vermögen zwar, wenn sie durch Luft stark ausgedehnt waren, sich wenn der Druck von innen auf sic einwirkend nachlässt, wegen vier ihnen einwohnenden Kontraktilität etwas zusammenzuziehen, nicht aber gegentheils. wenn sie von aussen zusammengedrückt waren, durch eigene Kraft, ich meine durch ihnen zukommende Elasticität sich wieder auszudehnen. Es können demnach bei denjenigen Insekten, in deren Hinterleib sich Luftsäcke oder sehr weite blasenartige Tracheen befinden, diese Gebilde auch zur Erweiterung der Bauchhöhle nichts beitragen. 2) Bei denjenigen Insekten, bei welchen während der Exspiration die Enden der obern Hälften mehrerer Hinterleibsgürtel etwas einwärts gebogen werden, wie namentlich bei den Gryllen . Acridien, Libellen, Labanen, einigen Käfern (Carabus granulatus) und mehreren Lepidopteren begeben sich die Enden jener Gürtelstücke, wenn die Muskeln, die auf sie einwirkten, in ihrer Thätigkcit naehlassen , vermöge der Elasticität, die ihnen zukommt, wieder auseinander und helfen dadurch die Höhle des Hinterleibes erweitern. 3) Bei denjenigen Insekten, bei welchen der zwischen der obern und untern Hälfte der Hinterleibsgürtel befindliche weichere Antheil der Hautdecken eine ver- 17* 126 hältnissmässig ziemlich grosse Dicke und Elasticität besitzt, und bei der Exspiration sich faltenartig nach innen schlägt, wie namentlich bei den Gryllen, Acridien, Pa- norpen und Lepidopteren , scheint jene Hautstelle sich bei der Inspiration ganz selbst- ständig und zwar wegen ihrer Elasticität so etwa, wie ein sehr dünnes Metallblech, wenn es irgend wo eingebogen ist, wieder auswärts zu schlagen, die gerade Ebene in der sie im Zustande der Ruhe ausgespannt ist, wieder herzustellen und die bei der Exspiration einander mehr genäherten obern und untern Hälften der Hinterleibs- gürtel von einander etwas zu entfernen. Bei denjenigen Insekten dagegen , bei welchen jene Hautstelle verhältnissmässig nur- sehr dünn ist und bei der Exspiration nicht faltenartig sich ausbuchtet, wie namentlich bei Tabanus, Musca, Tipula und den Käfern wirkt sie wahrscheinlich nicht, wie bei den erst genannten Insekten, selbst- ständig zur Erweiterung der Ilinterleibshöhle. Denn die Kontraktilität dieser Haut- stelle ist, wie man sich an den angegebenen Insekten, wenn sie durch Speisen oder Eier sehr angeschwellt sind und man sie dann öffnet, überzeugen kann, sehr bedeu- tend, und es lässt sich deshalb wol nicht erwarten, dass diese Stelle, wenn sie bei der Exspiration etwas zusammengedrückt worden ist , wo denn nun ihre Kontraktili- tät freies Spiel gewonnen hat, sich bei der Beendigung derselben von selbst wieder ausdehnen werde. §. 20. Aus dem, was ich in den vorigen Paragraphen über die Erweiterung des Hinterleibes angeführt habe, ergiebt sich nun auch, wie man sich bei den aus- gebildeten Insekten den Hergang der Inspiration zu denken habe. 1) Bei denjenigen Insekten, w’elcne nur allein strauchartige Tracheen besitzen, dehnen sich diese , wenn nach geschehener Exspiration der von den Bauchwänden auf sie mittel- oder unmittelbar ausgeübte Druck nachlässt, durch ihre eigene Elasticität wieder aus, und gestatten durch eigene Kräfte, dass die atlimosphärische Luft sich mit der in ihnen selbst noch enthaltenen Luft ins Gleichgewicht setzen und durch die Stigmata in sie hineindringen kann. Dehnen sich bei ihnen nach erfolgter Exspi- ration auch noch die Hinterleibswände durch ihre Elasticität wieder aus, so kann diese Erweiterung der Hinterleibswände nur als eine Hinwegräumung der Hindernisse zur selbstständigen Erweiterung der Tracheen gelten. 2) Bei denjenigen Insekten dagegen, welche ausser den Tracheen auch noch Luftsäcke besitzen, oder bei welchen einzelne Tracheen eine zu ihrer Länge sehr bedeutende Weite haben, sind es umgekehrt die Wände des Hinterleibes, welche die Inspiration veranlassen, möge diess nun geschehen durch die ihnen einwohnende Elasticität, oder wie bei den Hymenopteren durch Muskelkräfte. Denn wenn bei 127 ihnen die Wände des Hinterleibes sich ausdehnen, muss der Druck, der nach ge- schehener Exspiration auf jene Theile des Respirationssystems, die nicht durch eigne Kräfte sich auszudehnen im Stande sind, durch ihre nächste Umgebung ausgeübt wird, also auch der Druck der in dem Respirationssystem überhaupt jetzt noch ent- haltenen Luft gegen die Stigmata geringer ausfallen, als der Druck der atmosphä- rischen Luft auf die Stigmata, und es wird diese jetzt in das Respirarionssystem ein- dringen und namentlich die in der Hinterleibshöhle enthaltenen weitern Theile des- selben in dem Maasse anschwellen bis der von dem Inhalte dieser Theile auf die Umgebung ausgeübte Druck mit dem Drucke der Umgebung ins Gleichgewicht gekommen ist. §. 21. Es ist eine bekannte Erfahrung, dass die Insekten, wenn ihr Darm- kanal mit Nahrungsstoffen stark angefullt ist, zur Zeit also, da sie der Verdauung halber eine grössere Aufnahme von Sauerstoff bedürfen , weit häufiger athiuen, als wenn ihr Darmkanal von Nahrungsstoffen leer ist. Ausserdem aber geht dann der Athmungsprocess , wie es scheint, wenigstens bei einer grossen Anzahl der Insekten auch dem Grade nach vollständiger und kräftiger vor sich. Es sind dann nämlich diejenigen Stücke der Hinterleibsgürtel, welche bei der Atlnnung sich entweder nur allein, oder doch hauptsächlich in Bewegung befinden von den andern Stücken weit mehr entfernt, und es ist dann der weichere Theil der Haut, der diese oberu und untern Stücke unter einander vereinigt, weit mehr ausgedehnt, als wenn der Darm- kanal von Nahrungsstoffen leer ist. Es können sich dann also auch die Muskeln, welche diese obern und untern hintern Hautstücke unter einander verknüpfen, und jetzt stärker gespannt sind, weit mehr zusammenziehen und mithin die Höhle des Hinterleibes verhältnissmässig weit mehr verengern, (so dass jetzt ihr räumliches Verhalten während der Exspiration mit dem während der Inspiration verglichen, weit mehr verkleinert ist) als unter den entgegengesetzten Umständen. Nothwendiger- weise müssen sich dann aber die Luftwege, die jetzt durch die benachbarten Theile stärker zusammengepresst werden, auch vollständiger ihres Inhaltes entleeren, als wenn keine Nahrungsstoffe im Darm enthalten sind, und dadurch nun in den Stand gesetzt werden , nachher wenn mit Beendigung der Exspiration jener Druck schwindet, eine grössere Quantität frischer atmosphärischer Luft aufhehmen zu können, als unter den entgegengesetzten Umständen. Wenigstens muss dass eben Gesagte für die- jenigen Insekten gelten, die nur allein strauchartige Tracheen besitzen. Wahrschein- lich gilt dasselbe für diese Insekten auch zur Zeit, wenn ihre Geschlechtswerkzeuge, insbesondere die weiblichen , von ihren Produkten stark angeschwellt und ihr Hinter- 128 leib davon stark ausgedehnt worden ist. Doch fehlen bis jetzt, so viel mir bekannt ist, noch Beobachtungen darüber, ob zu der angegebenen Zeit die Respiration selbst bei leerem Darmkanal auch rascher vor sich geht, als früher, wo die Geschlechts- werkzeuge noch keinen bedeutenden Umfang erlangt haben. Auf diejenigen Insekten dagegen, welche blasige Tracheen oder mit den Tracheen verbundene grosse Luft- blasen besitzen, kann das eben Gesagte keine Anwendung finden, da diese Blasen nicht so elastisch sind, dass sie, wenn sie gedrückt waren, sich nach aufgehobenem Drucke aus eigner Kraft erweitern können. Vielleicht dass diese Insekten unter den oben angegebenen Umständen dann noch schneller athmen, als die andern. Dies wäre noch genau zu untersuchen. Mehrere Beobachtungen glaube ich jedoch schon jetzt gemacht zu haben, die dafür sprechen, nur genügt mir ihre Zahl noch nicht. §. 22. Ist, diejenige Bewegung des Hinterleibes der Insekten, welche sich auf die Athnning bezieht, ein willkührlicher oder unwillkührlicher Akt? Diese Frage, glaube ich , ist auf dieselbe Weise zu beantworten , als die so viel besprochene Frage, ob die Respiration des Menschen nach Willkühr oder ohne vor sich gehe. Ich habe öfters an Gryllen , Scarabaeen. Tabanen und Wespen, denen ich den Kopf abgeschnitten hatte, noch eine geraume Zeit den Hinterleib sich auf dieselbe Weise ausdehnen und zusammen ziehen gesehen, als zur Zeit, da sie noch unbeschä- digt waren, und schliesse daraus, dass bei ihnen, wenn sie in voller Integrität sich befinden, die Respirationsbewegungen ganz unwillkührlich vor sich gehen können. Ich habe aber auch nicht selten gesehen, dass an unbeschädigten Insekten diese Be- wegungen auf längere oder kürzere Zeit ganz unterblieben, oder auch wol, dass sie sich nur auf einen Gürtel oder ein Paar Gürtel beschränkten und die Kontraktionen dann mit ganz ungewöhnlich grosser Anstrengung erfolgten, indess die übrigen der- jenigen Gürtel, welche sich sonst bei der Athnning gleichfalls thätig zeigten, ganz in Ruhe blieben, und schliesse hieraus, dass auch der Wille auf die Athnning. einen Einfluss üben könne. §. 23. Ausser den Verengerungen und Erweiterungen der Wände des Hinter- leibes, von denen bis dahin die Rede gewesen ist, habe ich bei vielen Insekten noch Erscheinungen wahrgenonimen , die vermuthen lassen, dass auch noch verschiedene Eingeweide einen, wenn gleich nur sehr untergeordneten mechanischen Einfluss auf die Athmung dieser filiere wenigstens, auf die Verth eilung der Luft in ihnen haben. 1) Die Pulsation des Rückengefässes setzt eine Menge von Tracheen in Bewegung schiebt sie jetzt nach vorne und darauf nach hinten, dehnt sie auch ihrer Länge, 129 nach aus und gestattet ihnen darauf, sich wieder zusammenzuziehen oder mehr zu schlängeln. 2) Aehnliche und durch Seitendruck mitunter selbst nocli grössere Wirkungen muss bei denjenigen Insekten , bei welchen eine mit dem vordem Ende des Darm- kanals verbundene Saugblase vorkommt , auch diese auf die mit ihnen verbundenen und die ihnen benachbarten Tracheen und Luftsäcke hervorbringen, denn bei mehreren solcher Insekten, wie namentlich bei mehrern Zweiflüglern habe ich und zwar durch die Hautdecken hindurch, diese und mitunter sehr bedeutend grosse Blase unauf- hörlich ganz allmählig und abwechselnd sich in hohem Grade zusammenziehen und wieder ausdehnen gesehen. 3) Dasselbe auch gilt von dem Darmkanale, und wie gleich in viel geringerem Grade, von den Malpiphischen Gelassen , die sich, wie man nicht blos an geöffneten, sondern selbst an manchen ganz unbeschädigten Insekten, z. B. an mehrern Arten von Syrphus, wahrnehmen kann, fortwährend peristaltische Bewegungen machen. Die stärksten peristaltischen Bewegungen des Darmkanales, und zwar schon durch die Wände des Hinterleibes hindurch, bemerkte ich bei einer mit einem Legestachel ver- sehenen Hymenoptere , nämlich bei Ophion luteus. In dem ersten Gürtel des Hin- terleibes, wo der Darm ganz gerade ausgestreckt war, gingen sie unaufhörlich so vor sich, dass das ihn enthaltene Darmstück stets gerade gestreckt blieb, in dem übrigen Theile des Hinterleibes, wo der Dann stark geschlängelt war, kamen sie nur pausenweise zu Stande, dann aber jedesmal mit grosser Schnell*:* und Heftigkeit und wellenförmig war hier das Darmstück in auffallendem grossem Maasse hin und her gekrümmt. Es kann wol nicht fehlen, dass durch das Ziehen der erwähnten Eingeweide an den benachbarten und mit ihnen verbundenen Tracheen , so wie durch den Druck, den einige von ihnen bei ihrer Ausdehnung auf benachbarte Luftsäcke ausüben, die in diesen Theilen enthaltene Luft in Bewegung gesetzt wird. Auch mögen und müssen partielle Bewegungen der Luft im Innern der Insekten hervorgebracht wer- den, wenn sich die Muskeln ihrer Gliedmaassen in Thätigkeit befinden, da diese Muskeln von Luftgefässen in Menge durchdrungen und umflochten sind. 11. Noch nicht ausgebildete Insekten. A. Solche, die nur eine partie Ile M etamorph ose erleiden. §. 24. Die Jungen der Blatta. des Gryllus und Acridium haben schon eine ähnliche Organisation des Hinterleibes, als die völlig ausgewachsenen Individuen dieser 130 Thiere, und es ist deshalb wahrscheinlich, dass an ihnen die Athmungsbewegungeu ganz von der Art sind, wie bei diesen. ß. Larven und Raupen. Auch die Tracheen der Larven und Raupen habe ich, gleich nachdem ich den Rücken dieser Wesen aufgeschnitten hatte, und während ich sie unter einfachen Lupen, dann aber auch unter einem zusammengesetzten Mikroskope betrachtete, sowol mechanisch, als auch durch Weingeist gereizt, aber niemals die mindeste Kontraktion in ihnen wahrgenommen. §. 25. An den Larven der Hornisse, Vespa Crabro und V. vulgaris habe ich bemerkt, dass sich sowol innerhalb ihrer Zellen selbst, als wenn sie aus ihnen her- ausgenommen worden sind, häufig verkürzen und dann wieder verlängern, zugleich aber auch sich seitwärts bald nach rechts bald nach links etwas zusammenkrümmen. Bei der letztem Bewegung wird, wie ich an solchen Larven, die ich aus ihren Zellen herausgenommen hatte, gesehen habe, der Leib in der konvex werdenden Hälfte überdies noch mehr oder weniger platt zusammengezogen, in der konkav werdenden Hälfte dagegen dicker, als er es früher war, indem dann ein Theil des Fettes und der übrigen innerhalb der Leibeshöhle enthaltenen Gebilde aus jener Hälfte in diese hinübergedrängt wurde. Was die Organisation der Leibeswand anbelangt, durch welche alle diese ver- schiedenen Bewegungen möglich wurden , so ist darüber zuvörderst zu bemerken, dass die Haut einestheils, wo zwei Leibesringe oder Gürtel an einander grenzen, etwas dünner und weicher ist, als in diesen Ringen selbst, anderntheils, wo die Bauch- und Rücken hälfte der Leibeswand zusammenstossen, auch da vom ersten bis zum letzten Ringe die Haut eine grössere Weiche und Dünnheit besitzt, und hier eine nach aussen etwas vorspringende Falte bildet. Ferner gehen von dem ganzen vor- dem Rande eines jeden Ringes, mit Ansnahme der beiden weichem Stellen an der rechten und linken Seite, desgleichen derjenigen Stellen, wo das Bauchmark und wo das Rückengefäss liegen , beinahe bis zu dem gleichen Rande des vor ihm liegenden sehr viele gerad verlaufende und massig dicke Muskelbündel hin, die zwei obere und zwei untere Schichten zusammensetzen, und den ganzen Leih sowohl verkürzen, als auch, wenn sie mehr einseitig wirken, ihn nach einer Seite hin zusammenkrümmen können. Ueberdies aber begeben sich noch in jeder Seitenhälfte theils von dem obern Ende der untern Hälfte eines jeden Hinterleibsgürtels , da wo diese Hälfte an die früher beschriebene und an den Seiten des Leibes befindliche weichere Hautstelle 131 angrenzt , theils von dieser Hautstelle selbst zwei zarte und einander dicht anliegende Muskelbündel nach innen und unten zu der untern Hälfte des vor ihm liegenden Ringes und heften sich theils an den vordem Rand desselben in der Nähe des Bauchmarkes an, theils verlaufen sie noch weiter nach innen und vorn und setzen sich an die obere Fläche der geraden Muskeln des nächst folgenden vordem Ringes an. Diese letztem Muskeln vermögen den Leib abzuplatten und scheinen je nach den beiden Seitenhälften des Körpers einander antagonistisch entgegen zu wirken, so dass also wenn sich die der linken Hälfte zusammenziehen , die der rechten sich im Zustande der Erschlaffung befinden und umgekehrt. Gleichfalls auch wirken sich die andern und zuerst beschriebenen oder die gerade von hinten nach vom verlaufenden Muskeln antagonistisch entgegen , und zwar insofern , als , wenn sich die der linken Hälfte zusammenziehen, die der rechten Hälfte erschlaffen, und umge- kehrt. Zieht sich aber der ganze Leib nach seiner Länge zusammen , wobei übrigens auch die aus einer im Ganzen nur weichen Haut bestehenden Ringe selber etwas verkürzt werden, so wird er, wenn die ihn verkürzenden Muskeln erschlaffen, nur durch die Elasticität sowol der Cutis, als auch, und mehr wol noch, durch die Elasticität des Inhaltes der Leibeshöhle wieder ausgedehnt. Alle Tracheen sind strauchartig, und alle Stämme einer jeden Seitenhälfte des Köi'pers werden, wie bei den völlig ausgebildeten Crabronen durch einen gemein- schaftlichen , aber ebenfalls nur mässig weiten , durchaus cylindrischen und elastischen Kanal unter einander verbunden. Was nun den Athmungsprocess der erwähnten Larven selbst anbelangt, so kann er nur durch die angegebene und sowol allgemein, als theilweise vor sich gehenden Bewegungen des Leibes zu Stande gebracht werden. Zieht sich die Larve nach ihrer ganzen Länge zusammen, wobei übrigens, wie der Augenschein lehrt, der Leib nicht um so viel an Weite gewinnt, als er an Länge verliert, so muss notliwendiger- weise der Inhalt der Leibeshöhle, also auch das System der Luftgefässe zusammen- gedrückt, die in diesem System aber befindliche Luft in grösserer oder geringerer Quantität, je nachdem die Verkürzung des Leibes grösser oder geringer ist, durch die Stigmata nach aussen hexrvorgeti'ieben werden. Lassen dax’auf die Muskeln, welche die Verkürzung bewirkten, in ihrer Thätigkeit wieder nach, so müssen sich die, Luft- gefässe, nachdem auch auf sie der früher statt gehabte Druck nachgelassen hat, ver- möge ihrer Elasticität sich wieder erweitern und der Luft durch die Stigmata der beiden Seiten eiixen Eingang in das Innere des Leibes gestatten. Dexselbe Vorgang der Exspiration muss auch statt haben, wenn sich die Larve stark nach einer Seite 18 132 krümmt: denn da die konvex werdende Seitenhälfte dann platter wird und die in ihr enthaltenen Gebilde zum Theil in die andere Hälfte hinübergetrieben werden, so ist es mehr als wahrscheinlich, dass dann auch die in ihr enthaltenen Tracheen zusammengedrückt und ihrer Luft zum Theil entleert werden; und da die konkav werdende Hälfte dann kürzer und überdies mit einem Theile der zu der andern Hälfte gehörigen Gebilde angefüllt wird, so müssen auch ihr die Luftgefässe jetzt zusammengedrückt und zur Entleerung der in ihnen enthaltenen Luft genöthigt werden. §. 26. An den Larven der Skarabäen, wenigstens an der des Maikäfers (Me- lolontha najalis) bildet die Epidermis eines jeden Hinterleibsgürtels mit Ausnahme des letzten zwei massig feste Schienen, von denen die obere etwas grösser, als die untere ist, und die beide jederseits durch einen dünneren und biegsameren Theil der Epidermis unter einader zusammengehalten werden. In diesem weichem Strei- fen befinden sich übrigens die Stigmata. Die untern, wie die obern Schienen je zweier Gürtel werden an einander bewegt durch mehrere Muskelbündel, von denen einige, und zwar die innersten oder die die Leibeshöhle zunächst umgebenden gerade von dem hintern Rande fies einen zu dem gleichen Rande des andern nach vorne laufen, andere aber eine schräge Richtung von innen und hinten nach aussen und vorne und noch andere eine schräge Richtung von aussen und hinten nach innen und vorne haben. Von diesen schrägen Muskeln haben einige dieselben Insertionen, wie die geraden , andere aber gehen von der Mitte des einen Gürtels zu dem hintern Rande des andern und vor jenem liegenden Gürtels. Ausserdem giebt es in jedem Hinter- leibsgürtel, mit Ausnahme jedoch des letzten von ihnen, noch zwei, ja in einigen selbst drei Paar ziemlich starker Muskeln , die alle von den Enden der obern Schiene über die weichem Hautstellen, die sich an den beiden Seiten des Körpers befinden, hinüber nach innen und unten verlaufen. Die des innern Paares gehen gerades- weges zu der untern Schiene desselben Gürtels hin und sind an dieser befestigt, die des andern Paares aber oder die der andern beiden Paare gehen schräge nach vorne und heften sich an die untere Schiene des davor liegenden Gürtels an. Dem hinter- sten oder letzten Gürtel des Hintexleibes gehört nur ein Paar solcher Muskeln, und zwar schräge verlaufender an. Durch die schräg von oben und aussen nach unten und innen gehenden Mus- keln können die einzelnen Gürtel des Hinterleibes platter gemacht, durch die übrigen aber können sie verkürzt werden. Auch ist mit Hülfe dieser letztem Muskeln die Larve im Stande ihren Körper seitwärts, desgleichen auch nach oben oder nach unten zusammen zu krümmen. Uebrigens kommt es bei der Verkürzung des Körpers, 133 so wie auch bei der Krümmung desselben nach einer Seite, desgleichen auch nach oben und unten der Larve sehr zu statten, dass die Epidermis und überhaupt die Cutis eines jeden einzelnen Gürtels mehrere kleine und gegen die Bauchhöhle ge- richtete Falten bildet. Betrachtet man eine lebende und kräftige Larve, so wird man gewahr werden, dass sie nicht selten ihren Leib stellenweise und wurmartig recht stark abplattet und zugleich von den Seiten verengert , und dass diese Verengerung des Leibes von oben und von den Seiten gewöhnlich von vorn nach hinten über die verschiedenen Gürtel fortschreitet, so dass immer nur einige wenige Gürtel sich im Zustande der Verengerung befinden. Auch vermag sich die Larve ihrer ganzen Länge nach und bedeutend zu verkürzen, wobei denn aber die Zunahme in die Dicke, der Verkür- zung, wie es scheint, nicht völlig entspricht. Häufiger aber und zwar, wenn die Larve fortzukriechen sich bemüht, erfolgen nur theilweise Verkürzungen des Körpers. Befindet sich die Larve im Zustande der Ruhe , so ist sie zum Theil nach unten , zum Theil nach einer Seite ringförmig oder auch nur halbringförmig zusammengekrümmt. §. 27. Die Exspirationen müssen der Theorie nach zwar aus demselben Grunde, wie bei den Larven der Crabronen und anderer Hymenopteren erfolgen, wenn der Leib sich verkürzt, da, wie die Beobachtung zeigt, die einzelnen Ringe dann nicht um so viel an Dicke zunehmen, als sie an Länge verlieren. Exspirationen müssen der Theorie nach auch dann iu Stande kommen, wenn der Leib nach einer Seite zusammengekrümmt, mehr aber noch und hauptsächlich, wenn er von oben nach unten abgeplattet wird. Eine Bestätigung für diese durch Induktion erhaltenen Angaben liefert die Reihe der Versuche, welche Bonnet über die Respiration der Raupen angestellt hat *). Nach diesen Versuchen nämlich dringen bei den Raupen, wenn sie in Wasser eingetaucht worden sind, aus den Stigmaten um so mehrere und um so grössere Luftblasen hervor, je grösser die Bewegungen waren, die diese Thiere machten. Hinsichtlich der Inspiration, so liegt es zu Tage, dass sie sogleich zu Stande kommen muss, wie der Druck auf die Luftgefässe, der durch die Zusam- menziehung des Leibes nach seiner Länge oder durch die Krümmungen des Leibes bewirkt wurde, schwindet: denn da sich dann die Leibeswand wieder ausdehnt, die Luftgefässe aber in hohem Grade elastisch sind und sich dann gleichfalls erweitern , so steht dem Nichts im Wege, wodurch die atmosphärische Luft verhindert werden könnte, in die Luftgefässe hineinzudringen und sie anzuftdlen. *) Memoires de Mathematique et de Bhysique. Cd. V. und Bonnets wie auch einiger andern Naturforscher auserlesene Abhandlungen aus der Insektologie übersetzt von Göre. Halle. 1774. 18* 134 Da übrigens die Bewegungen, welche sich an der Leibeswand der Raupen und der Käfer- und Dipterenlarven bemerkbar machen, sich, wie bekannt, meistens und hauptsächlich auf die Lokomotion dieser Thiere beziehen, so folgt daraus, dass ihre Athmung hauptsächlich an die Lokomotion derselben gebunden ist. Alle Athmung ist bei diesen Thieren der Willkühr unterworfen und niemals unwillkülirlich. (Geringe Athmung bei den Larven einiger Oestrusarten.) §. 28. Die Raupen der Schmetterlinge können ihren Leib zwar bedeutend verkürzen und verlängern, jedoch weder so abplatten, noch auch so von den Seiten zusammenziehen, wie die Larven der Käfer (wenigstens der Skarabäen). Verkürzen sie sich, so werden die einzelnen Gürtel in ihren senkrechten Ebenen zwar grösser, also erweitert, jedoch lange nicht, wie es mir immer vorgekommen ist, um so viel, dass dadurch ihre Verkürzung ausgeglichen würde. Dasselbe auch gilt von der Ver- engerung der Gürtel, wenn sich die Raujre verlängert. Wie übrigens hinreichend bekannt ist, verlängern sich in der Regel einige Gürtel, indess andere sich ver- kürzen, so dass die Verlängerung und Verkürzung progressiv von vorn nach hinten fortschreitet. Wenigstens ist das der Fall bei der Ortsbewegung der Raupen. C. Puppen und Nymphen. §. 29. An den Puppen der Schmetterlinge sieht man, wenn sie nicht beun- ruhigt werden , gar keine Bewegungen des Körpers , also auch keine Bewegungen , die man auf den Akt der Respiration beziehen könnte. Dasselbe gilt auch von den Nymphen der Käfer, der Hymenopteren und vielleicht auch anderer Ordnungen der Insekten. Gleichfalls lässt sich, wenn man eine solche Puppe oder Larve geöffnet hat und ihre Tracheen dann auf verschiedene Weisen reizt, nicht gewahr werden, dass sich diese Gefässe zusammenzögen oder ausdehnten. Aus der Abwesenheit aller solcher Erscheinungen sollte man denn wol schliessen, dass bei den Puppen und den Nymphen der oben erwähnten Insekten die Respira- tion durch die Tracheen ganz unterbrochen sei. Dennoch aber sollen, insbesondere zufolge der Beobachtungen von Sorg Puppen der Schmetterlinge und Nymphen der Ameisen, obgleich erst nach geraumer Zeit, absterben, wenn sie in kleinen BehäL tem auf bewahrt werden, worin die Luft ganz ausser Verbindung mit der Atmosphäre gesetzt ist, und es soll durch jene Geschöpfe ein geringer Antheil Sauerstoffgas verzehrt, dagegen aber ein wenig Kohlensäure ausgeschieden werden. Auch sollen, nach Beobachtungen von Reaumur und Martinet die Puppen sterben, wenn man ihre Stigmata mit Oel bestrichen hat. Sind diese Beobachtungen richtig, und man 135 darf wol. da sie mit Sorgfalt angestellt sind, keinen Zweifel in sie setzen, so lässt sich den Erscheinungen, die sie angeben, einezweifache Ursache zuschreiben. Erstens nämlich ist es möglich und wohl denkbar, dass die atmosphärische Luft die Hülle der Puppen und Nymphen eben so gut durchdringt, wie die Hülle der Vogeleier, und dann mit den innern Theilen jener Geschöpfe in Wechselwirkung tritt. Auch spricht gerade zu für die Durchdringlichkeit jener Hüllen durch Luft und Dämpfe der Um- stand, dass die Puppen und Larven der Insekten, wenn sie abgestorben und der freien Luft ausgesetzt sind, austrocknen und an Gewicht bedeutend verlieren. Zwei- tens muss nothwendiger Weise, da die Puppen und Nymphen an den Orten, wo sie gefunden werden, nicht für immer einer und derselben Temperatur ausgesetzt sind, sondern vielmehr einen AVeehsel der Temperatur erleiden müssen, die in ihren Tracheen befindliche Luft mit diesem Temperaturwechsel ihrer Umgebung und ihres Körpers selbst auch Veränderungen in ihrer Dichtigkeit erleiden, und es müssen in Folge dieser Veränderungen die Tracheen bald einen Theil ihres Inhaltes an die äussere Luft abgeben, bald aber dagegen einen Theil der äussern Luft aufnehmen. Wie dem nun aber auch sein mag, so viel ist wenigstens gewiss, dass die Re- spiration der Puppen und Nymphen nur äusserst schwach sein kann. Dafür spre- chen einestheils die Beobachtungen von Sorg, anderntheils der Umstand, dass die Puppen und Nymphen vieler Insektenarten, wie z. B. die der Bienen, von einem fast luftdichten Gehäuse umschlossen sind und andere ausserdem noch tief in der Erde liegen. Merkwürdig ist diese schwache , wenn gleich je nach den verschiedenen Arten der Puppen und Nymphen wahrscheinlich dem Grade nach verschiedene Re- spiration in so fern, als gerade in ihnen die bedeutendsten Veränderungen in der Form und der Zahl der einzelnen Körpertheile vor sich gehen. Doch dürfte es wol bei dem jetzigen Stande der Physiologie nicht schwer sein , über den Zusammen- hang dieser Erscheinungen eine gehörige und richtige Erklärung zu geben. Bei der Ausbildung eines Insektes in einer Puppen- oder Nymphen - Hülle verschwindet nicht blos fast alles Fett, sondern auch eine Menge von Muskeln und andrer Gebilde, der Stoff aber, aus dem diese Theile bestehen, gehen neue und zum Theil andere Verbindungen ein, und dienen zur Ausbildung oder auch zur Ent- stehung und Ausbildung anderer Organe. Jene nun aber enthalten mehr oder weniger Oxygeri in ihrer Zusammensetzung , und es ist deshalb denn erklärlich , dass aus ihm sich einige Gebilde des Körpers weiter entwickeln und einige sich auch wol erzeugen können, ohne dass die Puppe oder Nymphe nöthig hätte, eine verhältnissmäsSig be- deutende Quantität von Oxygen aus der Athmosphäre in sich aufzunehmen. Aehn- 136 liehe Erscheinungen, als die Puppen und Nymphen bieten ja selbst die winterschla- fenden Säugethiere und Amphibien dar, indem auch bei diesen während des Win- terschlafes die Respiration fast ganz unterdrückt ist, und sich demunerachtet , wäh- rend jedoch ihr im Herbste reichlich abgelagertes Fett beinahe gänzlich verschwindet, einige ihrer Organe bei den Säugethieren ? namentlich die Hoden und Samenblasen bei den Amphibien auch die Eierstöcke und Eierleiter beträchtlich vergrössem und allmählich eine bedeutende Masse ihres Sekretes bereiten. — Das höhere Nerven - leben und die Thätigkeit der Muskeln sind es, wie mehrere Erscheinungen andeuten, vorzüglich, die bei einem Thiere einen grossem Verbrauch des atmosphärischen Sauerstoffes , also eine raschere und kräftigere Respiration bedingen , um die dabei verbrauchten Theile des Nerven - und Muskelsystems zu ersetzen; weit weniger Sauer- stoff dagegen erfordern die übrigen, die niedern Strukturtheile des Organismus, um sich zu erhalten, ja selbst um sich weiter auszubilden, §. 30. Schliesslich möge hier die Frage zur Beantwortung kommen, ob die Insekten durch jedes ihrer Stigmata sowol einathmen, als ausathmen? Recht schöne Untersuchungen zur Beantwortung dieser Frage findet man schon in einer Abhandlung von Bonnet, die sich in den Memoires de Mathematiques et de Physique (Bd. V.) befindet*), bekannt gemacht. Die vorzüglichsten der von Bon- net gemachten und für uns hier brauchbaren Erfahrungen sind folgende : lj Wird eine Raupe in Wasser so eingetaucht, dass nur das hinterste Paar ihrer Stigmata frei bleibt, so überlebt sie dies Experiment geraume Zeit, anstatt dass sie völlig ins Wasser getaucht bald abstirbt. 2) Geraume Zeit auch bleibt sie am Leben, wenn man sie ins Wasser so ein- taucht, dass nur das vorderste Paar ihrer Stigmata frei bleibt. 3) Ist eine Raupe ganz ins Wasser versenkt, so sieht man nicht selten aus dem einen oder andern Stigma, am öftersten aber aus einem jeden des vordersten und des hintersten Paares eine Luftblase hervortreten , die denn wechselsweise in dasselbe wieder hineingezogen und ausgestossen wird. 4) Waren au Raupen die Stigmata des vordersten und hintersten Paares mit Butter bestrichen, die übrigen aber frei gelassen worden, so befand sich das Thier unbehaglicher, als wenn der Versuch in umgekehrter Art gemacht worden war. Es geht aus diesen Versuchen hervor, dass die Raupen durch alle ihre Stigmata, am meisten aber durch die des vordersten und des hintersten Paares ein- und ausathmen. *) Bei Acrid. stridulum scheinen die Stigmata über dem mittleren Beinpaare nur aoszuAthmen nicht, aber einzuathmen 137 Undenkbar ist es übrigens aber, dass die ganze Masse der eingeathmeten Luft auf anderen Wegen, als durch welche sie hei der Inspiration in den Körper ein- drang, ausgeathmet werden. Dagegen spricht der ganze Bau des Respirationssystems, denn einestheils sind bei einer grossen Menge von Insekten alle Stigmata so ein- gerichtet, dass sie von dem Thiere nicht geschlossen werden können, sondern stets offen stehen, mithin der Luft sowol einen Ausgang, als einen Eingang gestatten. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ein zu der untern Hälfte der Leibeswand gehöriger Tlieil einer Gryllus verrucivorus von der innern Fläche angesehen und zweimal vergrössert. Von der Brust ist nur ein kleiner Tlieil abgebildet, vom Hinterleibe dagegen ein weit grösserer. Der letzte Gürtel des Hinterleibes ist gänz- lich entfernt worden, von den 7 übrigen Gürteln dieser Körperabtheilung sind von der rechten Seite des Präparates nur die untere Hälfte vorhanden, indem die rechte Wand des Hinterleibes auf ihrer halben Höhe der Länge nach durchschnitten worden war. An der linken Seite ist Nichts von den obern Schienen der Hinterleibsgürtel übrig gelassen, sondern nur der weichere und die Stigmata enthaltende Theil der Haut, der sie mit den untern Schienen verband. 1 — 7. Der Ueberrest der obern Schienen des Hinterleibes, a, ein kleines Hornstück innerhalb der Brust, woran einige kleine Muskeln (b, c und d) angeheftet sind; e, ein Muskel, der von der weichem Hautstelle zu dem Sei- tentheile des erstem und nur allein aus einer obern Schiene bestehenden Hinterleibsgürtels geht, und diesen Theil etwas nach innen zu ziehen vermag; f, ein in die Brusthöhle vorspringendes kleines Homstiick; g und h, Muskeln für die Flügel; i, i, i Muskeln, die von der weichem Hautstelle der innern Seitenhälfte zu der gleichartigen Stelle der andern Seitenhälfte queer herübergehen und den Hinterleib von den Seiten etwas verengern können (ihrer sind 7 an der Zahl vorhanden, 3 aber nur mit Buchstaben bezeichnet); k, k, k, ein Muskelstreifen, der jederseits an der oben angegebenen weichem Stelle von vorn nach hinten verläuft, und die Bauchwand zu verkürzen im Stande ist. In dem Raume, der sich zwischen den zuletzt erwähnten Muskeln befindet und oben von den Muskeln i, i, unten aber von den untern Schienen der Hinterleibsgürtel begrenzt ist, verläuft das Bauchmark und an jeder Seite desselben, aber in einiger Entfernung von ihm ein etwas geschlängeltes und ziem- lich weites Luftgefäss. Ein wenig tiefer, als diese Gefässe liegen zwischen ihnen und unterhalb des Bauchmarkes 5 Paar massig grosser und ellipsoidischer Luft. sacke, und zwar je eines hinter dem andern; m und n Muskeln, die in jeder Seitenhälfte des Hinterleibes von der weichem Hautstelle sich zu dem untern Ende der obern Schiene je eines der 6 mittlern Hinterleibsgürtel hinbegeben und den Hinterleib von oben nach unten etwas verengern können, o , Muskellage die an den Seitenwänden des Körpers, immer je zwei Hinterleibsgürtel unter einander verbindet. Bemerkt zu werden verdient noch zu dieser Abbildung, dass um die einzelnen in ihr vorkommenden Theile deutlicher darstellen zu können, das Präparat, wonach sie entworfen wurde, ein wenig der Länge nach ausgereckt worden war. Fig. 2. Der in Kg. 1. dargestellte Körpertheil eines weiblichen und bis zum äussersten Grade trächtigen Gryllus verrucivorus. Die in der vorigen Figur mit i bezeichneten Muskeln sind, ausgenommen 138 der vorderste vou ihnen, desgleichen die unter ihnen befindlichen Luftröhren, Luftsäcke und Nerven entfernt worden und von den Muskeln k ist in der rechten Seitenhälfte nur eine einzige Abtheilung übrig gelassen, damit einestheils die geschlängelte Falte zu sehen komme, die jederseits von der weichem Hautstelle gebildet wird und an die eine Menge von Muskeln und unter ihnen auch die Muskeln k angeheftet sind, anderntheils sowol die kleinen Muskeln deutlich erkannt werden könnten, die von jener Falte zu den untern Schienen der Hinterleibsgürtel gehen, als auch diejenigen kleinen Muskeln, welche diese Schienen unter einander beweglich verbinden, b, e, g, h, k, m, n und o wie in der vorigen Figur; 1 die Muskeln, welche die untern Schienen der Hinterleibsgürtel unter einander verbinden ; p ein Muskel, der von der untem Schiene des vorletzten zu der gleichen Schiene des letz- ten Hinterleibsgürtels geht; q ein Muskel, der von der obern zu der untern Schiene des vorletzten Gürtels geht, und sie beide unter einander verknüpft. An der rechten Seitenhälfte der Figur bemerkt man die geschlängelte Falte, die von der weichem Hautstelle der rechten Seitenhälfte des Hinter- leibes »ebildet wird, und im natürlichen Zustande von dem Muskel k verdeckt wird. Von dieser Falte gehen nach innen mehrere kleine Muskeln zu den untern Schienen der meisten Hinterleibsgürtel, und zwar für jede solche Schiene ihrer zweie, ein grösserer vorderer und ein kleinerer aber jenem dicht anliegender hinterer. Diese eben erwähnten Muskeln sind hier nur in der rechten Seitenhälfte übrig gelassen, in der linken aber entfernt worden. Auch sind , um die Figur nicht zu sehr zu über- laden, jene nicht, mit Buchstaben bezeichnet worden. Fig. 3. Ein Theil der Leibeswand einer kleinem Art des Acrydium zweimal vergrössert. Es ist der Rückentlieil dieser Wand völlig entfernt und nur der Ueberrest der sechs vordem Hinterleibs- gürtel nebst einem kleinen Antheile der Brust dargestellt worden. Die fast senkrechten Seitentheile der Leibeswand erscheinen seitwärts sehr ausgebreitet, so dass sie beinahe eine horizontale Lage haben, a a zwei kleine Muskeln, die sich von zwei Horaplatten an der innern Fläche der Brustgürtel nach vome hin begeben; c und d Muskeln für das hintere Paar der Beine; 1 bis <5 die Seitentheile der sechs vordem Hinterleibsgürtel; 2+ bis 7-1* die untem Schienen des zweiten bis siebenten Hinter- leibsgürtels nebst den Vorsprüngen, die sie in jeder Seitenhälfte des Körpers in die Bauchhöhle hin- einsenden. Die Vorsprünge an der rechten Seite der Schienen 3 + bis 6+ sind zum grossem Theile abgeschnitten worden, um die Muskeln f, f, die von ihnen zu der rechten Seitenwand des Hinterleibes gehen, deutlicher sehen zu lassen, e, ein Muskel, der vom hintersten Brustgürtel zum ersten Hin- terleibsgürtel geht und den Seitentheil desselben etwas einwärts zu ziehen vermag. Die Muskeln, die von den untern Schienen der einzelnen Hinterleibsgürtel nach vorne auslaufen, haben des beengten Raumes wegen nicht mit Buchstaben bezeichnet werden können. (Die Figur fehlt). Fig. 4. Nymphe von Vespa Crabro, 8 mal vergröss. Fig. 5. Fünfterund sechster Gürtel von Sirex, 3 mal vergröss. Fig. 6. Larve von Scarabaeus majalis, 4 mal vergröss. Fig. 7. Acheta campestris, 4 mal vergröss, Fig. 8. Fig. 9. Mantis religiosa, 2 mal vergröss. 139 Erster Nachtrag zum neuen Verzeichntes der Preussischen Käfer. Königsberg 1857. Von l>r. Lentz. Seit dem Jahre 1857, in welchem der hiesige Faunaverein meine Zusammen- stellung der Preuss. Käfer veröffentlichte , hat sich die Zahl der sicher hier einhei- mischen Species nicht unbeträchtlich vergrössert; allerdings nicht ganz in demselben Verhältnisse, als die Ivenntniss der Europäischen Arten zugenommen (ich hatte aus dem Stettiner Katalog etwa 9800 angegeben, in dem Schaumschen Verzeichniss von 1859 ist die Zahl auf 10743 angewachsen), aber doch so, dass die Behauptung feststeht, unsere Provinz sei verhältnissmässig an Coleopteren sehr reich, und ebenso, dass fortgesetzte Forschung gewiss von gutem Erfolg begleitet sein werde. Ich allein habe bei vierwöchentlichem Aufenthalt in unsern Strandgegenden im vergangenen , der Entwicklung der Insekten sehr ungünstigen Sommer drei bisher übersehene Species gefunden, und die mittlern und südlichen Gegenden unserer Provinz mit ihren so umfangreichen Waldungen sind so gut wie gar nicht durchforscht. Die Aufgabe dieser Zeilen soll es sein, mit dem, was mir bis jetzt neues bekannt ge- worden ist , das Verzeichniss zu erweitern , fehlerhafte Bestimmungen zu tilgen, Zweifel zu beseitigen, doch freilich auch begründete Zweifel nicht zu unterdrücken. Was nun zuerst die von Ilrn. Prof. v. Sieb old verzeichneten 5 fraglichen Species betrifft, so hat mir die Anwesenheit des hochverehrten Mannes selbst bei der letzten Naturforscherversammlung Gelegenheit gegeben, damit ins Reine zu kom- men: Cryptophagus fuscus Knoch. ist — Atomaria fuscata Schönli., Athous pube&cens Koch, ist =: hirtus Hbst. und var. scrutator übst., Malthinus teres Knoch. ist — fron- talis Marsh., Scymnus oblongopustulatus Müll, ist = frontalis Fabr. var. bisbisignatus Redt. und Phytoecia punctum Ziegl. ist der gleichnamige Käfer Mulsants. Ausser- dem hatte ich die Freude, den bis 1847 unbekannten Otiorhynchus rotundatus Sie- 19 140 bolcl näher untersuchen zu können , von dem der Autor mir selbst erzählte, dass er und v. Frantzius ihn in der Danziger Gegend bei Heubude in Wagengeleisen herum- kriechend gefunden habe. Er ist mit Recht von Schaum in den Katalog als be- sondere Sjsecies aufgenommen und in die Nähe des schon bekannten ovatus Linn. gestellt. Zu der Beschreibung, die der Autor selbst in den Preuss. Prov. Bl. l‘iS47. ]. p. 431. gegeben hat, möchte noch als ein wichtiges Merkmal hinzuzufügen sein, dass bei rotundatus das zweite Glied der Fühlergeissel doppelt so lang ist , als das erste, bei ovatus aber beide Glieder kaum an Länge verschieden sind, und dass die Streifen der Flügeldecken bei rot. etwas tiefer und viel breiter sind, als bei ovatus. Auffallend aber ist es, dass dem fleissigsten Sammler Danzigs, Ilrn. Kumm, dieser Käfer bisher noch nicht vorgekommen ist. Von den Carabiden sind aus meinem Verzeichnisse als falsch bestimmt zu streichen (p. 168.) Cymindis scapularis Schaum, C. angularis Gyll., Dyschirius ro- tundipennis Chaud. und Pterostichus negligens Sturm. Auch muss ich die Neuerung in der Schreibung des Namens Homopliron zurücknehmen, da nicht ou6qoi,>v , sondern wfio(fQ(Dv crudelis zu der Benennung benutzt ist. Das Bedenken über Pelophila bo- realis Fabr. sucht Schaum in Erichs. Käfer D. I. p. 79. besonders dadurch zu begründen, dass der Käfer „unter Baumrinde“ gefangen sein soll, wo er in Schwe- den nie gefunden worden: er hat jedoch dabei übersehen, dass dies „im Frühjahr“ geschehen ist. Wer ein Preussisches Frühjahr kennt, der weiss es, dass in dieser Jahreszeit die Insekten ihre Winterquartiere, die sie im Waldmoose und unter Baumrinde haben, nur in seltenen Fällen verlassen können. Und dass von den „eifrigen Preuss. Entomologen“ Pelophila bis jetzt noch nicht wiedergefunden ist, will wenig beweisen, da es uns doch schon bei einer recht namhaften Anzahl von Käfern gelungen ist, Kugelanns Angaben als richtig zu constatiren. Aehnliches gilt wohl von dem Alpenbewohner Pterostichus fasciatopunctatus Fabr. Ausserdem be- zweifelt Schaum (in einer brieflichen Mittheilung) Pterost. puncticollis Dej., der aller- dings südlich ist und über den ich keinen Aufschluss geben kann. Endlich spricht er sich über Amara torrida Illig. und alpina Fabr. ähnlich aus, doch gehören diese Hyperboreer in dieselbe Categorie mit Pelophila: zu warm dürfte es ihnen wohl in unserm Klima nicht sein. Unrichtig scheint ihm die Bestimmun von Bembidium nigricorne Gyll., Scliüppelii Dej. und saxatile Gyll. zu sein.- ich selbst kenne keine Preuss. Exemplare davon und mache die Sammler darauf aufmerksam. Diesem De- ficit gegenüber kann ich nun als Accessit folgendes angeben: Dyschirius intermedius ' Putz, ist von mir bei Schwarzort auf der kurisclien Nehrung im Juli 1858 gefangen. 141 Pterosticlnis picimanus Dft., als dessen nördlichsten Fundort Schaum den Harz angiebt, ist von Elditt und mir an unserm Seestrande in einzelnen Exemplaren erbeutet worden. Der Zweifel über Amara strenua Zimm. ist gehoben, ich habe sie im vorigen Sommer ebenfalls am Seestrande gefunden. Ausserdem mache ich auf- merksam auf Pterost. unctulatus Dft., von dem ich einige deutsche Exemplare besitze, eines aber, welches ich, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, gleichfalls unsern Seegegenden verdanke. Endlich ist zu unserer Fauna Trechus rivularis Gyll. hinzu- gekommen (Schaum 1. c. p. 657). Ueber den Carabus dentellus Thunb. (mein Verz. p. 19) giebt Schaum in der Berl. Entom. Zeitschrift 1860. p. 91 Aufschluss, und Carabus rubens, den ich unter Anchom. oblongus angeführt habe, gehört zu Trechus paludosus Gyll. — Die Zahl der Wasserkäfer ist nur um einen vermehrt, Berosus aericeps C’urt., der mir von K r a m e r aus der Gegend von Gilgenburg zuge- schickt wurde. — Von den Silphiden ist Catops fuliginosus Er. von Kumm bei Danzig gefunden , ebenso Anisotoma obesa Schmidt, und Cyrtusa minuta Ahrens. — Von den Staphylini den sind (von Kraatz bestimmt) als neu für unsere Provinz anzugeben: Homalota nitidula Kraatz, debilis Er. und trinotata Kraatz, Placusa com- planata Er. und Bolitobius trinotatus Er., welche 5 Species ich unter Röhricht vom Pregeldamm im Frühjahr gefunden habe: Xantholinus rufipennis Er. und Latlirobium scabricolle Er. sind vom Staatsanwalt Pfeil bei Wilkie an Birkenstubben gefangen: Philonthus quisquiliarius Gyll. var. rubidus Er. habe ich aus Gilgenburg erhalten. Dem rüstigen Sammlerfleisse Kumms in Danzig verdanken wir folgende Bereicherung: Oxypoda abdominalis Mannh., Ischnoglossa prolixa Grav., Leptusa fumida Er. und Deleaster dichrous Grav. var. adustus Küst. — Die Histeriden haben keinen Zu- wachs erhalten: nur will ich bemerken, dass der sonst so seltene Teretrius picipes Fahr, jedes Jahr nicht eben selten in der ganzen Umgegend unserer Stadt an alten Weiden gesammelt werden kann, wo er in Bohrlöchern wohnt. — Von den Tri- chopterygien ist Sphaerius acaroides Wahl, von Kumm bei Danzig gefunden: ebenso der zu den Phalacriden gehörige Olibrus corticalis Schönh. — Der Zu- wachs der Nitiduliden ist der Zahl nach gering, desto werth voller ist der Fund des äuserst seltenen Rhizophagus coeruleus Wahl., den ich bei Moosbude unter einer Eiche erbeutet habe. — Die Zahl unserer C u c uj i d e n ist durch einen sehr interes- santen l'und des Hin. Forstmeister Dossow vermehrt worden, der in einer der hiesigen Forsten Dendrophagus erenatus Payk. entdeckt hat: auch ist Laemophlocus duplicatus Wahl., den ich unter dem Kugelannschen Cucuius minutus vermuthete, von Kumm wirklich gefunden worden. — Die Cryptophagiden sind um 2 Species 19* 142 Termehrt worden : Cr. labilis Er. und quereinus Kraatz , beide von mir bei Königs- berg gefangen , und der Zweifel über Atomaria nigripennis Payk. ist durch K u m m gehoben, der dies niedliche Käferchen bei Danzig gefunden hat. — Unter den D er ine- st i den hat sich D. Frischii Kug. bei Danzig mehrfach vorgefunden (Kumm) und ist somit das Sternchen vor dem Namen zu tilgen. — DieByrrhier sind um eine Species reicher geworden: Syncalypta spinosa Rossi, welche Kramer bei Gilgen- burg im Mai an feuchten Stellen im Felde mehrfach gefunden hat. — Zu den Par nid en ist durch Kumm der bei Danzig gefundene Firnis cupreus Müll, hinzu- gekommen. — Die Heteroceriden sind um 2 Arten vermehrt, H. obsoletus Curt. und fusculus Kiesw., den ersteren habe ich bei Schwarzort am Seestrande , letzteren bei Königsberg gefangen. — Die reiche Familie der Scarabaeiden hat nur einen kleinen Zuwachs erhalten durch Trox hispidus Laich., den Pfeil an dem Sac.khei- mer Thor bei Königsberg gefunden hat. Von Apliodius scvbalarius Fabr. , der nach Kugelann bei Osterode sehr gemein sein soll , ist es mir sehr auffallend , dass weder ich, noch sonst ein Sammler ihn in der Gegend von Königsberg jemals hat finden können. — Unter den Buprestiden haben die Agrilen einen Zuwachs von 3 Species erhalten: A. sinuatus Oliv, hat Dossow in der Warnicker Forst in Ebereschen gefunden , A. coryli Lap. hat Pfeil bei Dammhof erbeutet , und ich habe A. pratensis Ratz, bei Löwenhagen von einer Eiche geklopft. — Was die Euenemiden betrifft, so ist mir die Notiz v. Kiesenwetters in Erichson K. D. TV. p. 205 befremdend gewesen, dass Microrhagus elypeatus Hampe. unter dem Namen Eucn. gibbicollis von Kugelann in Preussen entdeckt sei: in den Manuscripten Ku- gelanns habe ich keine Andeutung davon gefunden, auch ist er neuerlich nicht wie- der gefunden : er muss also vorläufig als zweifelhaft zurückgestellt werden. — Unter den Throsciden dagegen ist der Zweifel über Drapetes equestris Fabr. durch Kramer gehoben, der ihn bei Gilgenburg gefangen hat. — Die Elateriden sind durch einen glücklichen Fund des Hrn. Förster Schi n dowskv in Pröbbernau (frische Nehrung) um eine Species vermehrt worden : Corymbites aeruginosus Fabr. — Unter den Cleriden war Trichodes alvearius Fabr. zweifelhaft, der Zweifel ist durch Kumm beseitigt, der ihn bei Danzig gefunden hat. Ueber den Opilus molljs L. und domesticus Sturm, sind die Coleopterologen verschiedener Ansicht: Redten- b ach er will beide zusammenziehen, bei Schaum im Katalog sind sie getrennt, die preuss. Exemplare, die ich gesehen, haben fast alle die Grösse, die von mollis an- gegeben wird, und die Sculptur von domesticus : es müsste also wenigstens die Grösse des letzteren nicht auf 3 — 3|"'. sondern auf 3 — 5-*'" angegeben werden: da nun 143 der Unterschied in der Sculptur der Flügeldecken unbedeutend ist, so möchte ich mich der Ansicht von Redtenbacher anschliessen. — In Betreff der Ptiniden freut es mich den alten Streit über Dorcatoma dresdensis Herbst, entscheiden zu kön- nen: ich habe nemlich im Juli 1859 dieses durch seine zierlichen Fühler ausgezeich- nete Thierchen von den am Haffufer stehenden Eichen bei Schwarzort herabgeklopft: freilich war Dorc. chrysomelina Sturm, viel zahlreicher. Ebenso habe ich das in unsern Katalogen noch nicht verzeichnete Anobium immarginatum Müll, an den Eichen bei Moosbude gefunden, — Unsere C i o i d'e n sind um 2 Species bereichert worden : Cis nitidus Herbst, haben P f e i 1 bei Böttchershöfchen und ich bei Wanlicken, beide in Schwämmen an alten Eschen gefunden, und Cis alni Gyll. habe ich im Juli 1860 von einer Erle bei Warnicken herabgeklopft. — Die Tenebrionen sind um eine Art gewachsen: Mycetochares morio Redt. hat Pfeil bei Moosbude gefun- den. Statt der von mir angeführten Dircaea quadrimaculata Payk. muss es quadri- guttata Ulig. heissen. — Zu den Mordelliden füge mau Tomoxia biguttata Cas- teln., die bisher in unsern Sammlungen mit Mordelia fasciata Fabr. vermengt ge- wesen ist. Mit Recht sagt Lacordaire, dass T. biguttata von Gyllenhall PA. Suec. II. 606. unter dem Namen Mordella fasciata beschrieben worden sei: mit grösserem Rechte möchte man vielleicht sagen, dass Gyll. durch seine Beschreibung beide Käfer hat vereinigen wollen. Das letztere scheint mir aus seiner Bemerkung hervorzugehen, die Beschreibung der Pubescenz bei den verschiedenen Autoren sei verschieden, dies rühre vielleicht daher, weil sich dieselbe leicht abwische. Aber bei einer Reihe von Exemplaren sieht man den Unterschied deutlich. Die Behaa- rung des Thorax und der Flügeldecken bei T. biguttata ist genau so, wie sie Gyll. beschreibt, bis auf die Worte „paulo pone medium cuiusvis elytri macula solitaria lunata albidior.“ Bei allen mir vorliegenden Exemplaren ist aber dieser Fleck mit der übrigen Behaarung zusammenhängend und nicht mondförmig, sondern bin- denartig: dagegen passt ersteres für M. fasciata Fabr. Auch dass er das Schild- chen obtusum nennt, deutet mehr auf letzteren Käfer, als auf T. biguttata: der Unterschied ist aber hierin sehr bedeutend: bei fasciata F. ist das Scutellum fast ab- gerundet, hinten kaum abgestutzt: bei biguttata ist es stark queer, viereckig, der Vorderrand des Vierecks läuft mit der abgestutzten Mitte des Halsschildhinterrnndes parallel, die Vorderwinkel sind nach der Seite verlängert, die Seitenränder sind mit der Naht gleichlaufend, der Hinterrand ist in der Mitte ausgebuchtet, da die Hin- terwinkel als stumpfe Lappen vorgezogen sind. Bei der Beschreibung der Fühler ist es aber ganz offenbar , dass Gyll. die biguttata vor Augen gehabt hat : die Worte 144 „autennae tenues, ultimo articulo oblongo, ante apicem subtus emarginato, apice aeuminato“ lassen keinen Zweifel zu: auf dieses Kennzeichen hat eben Costa sein Genus Tomoxia begründet. Was zuletzt die Grösse und Gestalt betrifft, so sind die Worte Gyllenhals: „statura omnino M. aculeatae, sed maximis ejus ple- rumque adhuc major“ auch auf unsere Exemplare von biguttata sehr wohl anwendbar, während bei lledtenbacher Fn. Austr. 754. G. die Grösse auf 3£- — 4"', also für unsere Exemplare um eine Linie zu gross angegeben ist. Die Beschreibung bei Redt. ist sehr dürftig, wie überhaupt der descriptive Tlieil für die Species in diesem Buche selbst massige Anforderungen nicht befriedigt: der systematische Theil ist gut, die analytische Methode halte auch ich für die zur Bestimmung vorzüglich brauch- bare : doch ist eben auf die Ausführung der letztem so geringe .Sorgfalt verwandt, dass man beim Verfolgen der Merkmale oft geradezu auf Widersprüche stösst. — Die kleine Familie der Salpingiden hat einen Zuwachs erhalten durch Salpingus Cursor Gyll., den ich im vergangenen Sommer bei Warnicken erbeutet habe. — Die Zahl der Preuss. Cure ulionen ist nicht unbeträchtlich vermehrt worden; zwar ist Metallites mollis Germ, zu streichen, dessen Bestimmung falsch war, doch wird dies vielfach aufgewogen durch folgende Entdeckungen : Apion ochropus Scliönli. hat Schind owsky bei Braunsberg von jungen Buchen geklopft, Strophosomus obesus Marsh, ist ebenso gemein wie coryli Fabr., jedoch bisher mit ihm zusammengeworfen, Sitones puncti- collis Steph. von Sch i n d owsky im Braunsberger Stadtwalde gefangen, Pbytono- tmis Julini Sahib, habe ich in Samländischem Waldmoose gesammelt. Otiorhynchus tenebricosus Ilbst. hat Schindowsky bei Pröbbernau gefangen: den Ot. gemmatus Fabr. habe ich aus dem Berliner Manuscript Kugelanns pag. 179 anzuführen ver- gessen: er ist aber, soviel ich weiss, noch nicht wiedergefunden worden. Larinus sturnus Schönli. hat Saut er bei Neuhausen, L. planus Fabr. Schindowsky bei Braunsberg gefangen; Magdalinus asphaltinus Steph. ist von mir im Juli 1860 in der Warnicker Forst erbeutet, ebenso Erirhinus pilumnus Schönli., und Erirli. scirpi Fabr. haben Pfeil und ich bei Dammhof gefunden. Sibynes primitus Ilbst. ist mir durch Kramer aus Gilgenburg zugeschickt worden, Bagous rotundicollis Schönh. hat Pfeil bei Dammhof gefunden; den schöngezeichneten Ceuthorhynchus Andreae Germ, habe ich im Juni bei Friedrichstein, dann im Juli bei Warnicken entdeckt, endlich Phloeophagus uneipes Schönh. ebenfalls bei Warnicken unter Seetang. — Den ßos- tryehiden sind 4 Species hinzuzufügen: Bostryclius cryptographus Ratz, hat Dos- sow in der Fritzenschen Forst gefunden, Dendroctonus pilosus Knocli. hat Schin- dowsky bei Braunsberg unter Fichtenrinde angetroffen und Hylesinus rhododacty- 145 lus Marsh, haben Pfeil und ich an demselben Tage Ende Mai , jener inWilkie, ich in Palmburg an Tannen gefunden. Ausserdem hat mir eine Weissbuche in Königs- berg selbst Eccoptogaster carpini Er. geliefert. — Unter den Cerambvciden ist Gracilia pusilla Fabr. noch immer nicht ganz gewiss, zwar hat Kumm diesen Käfer aus birkenen Tonnenbändern erzogen , doch ist die Herkunft dieses Holzes nicht zu bestimmen: dagegen Anaesthetis testacea Fabr. ist von demselben wirklich bei Danzig gefunden worden. — Zu der Zahl der Chrysomeliden kommen noch Pachnepho- rus tessellatus Dft. , den ich durch Kramer aus Gilgenburg erhalten habe, ferner Cryptocephalus fulcratus Germ., den ich bei Warnicken im Juli 1860 fand. Mit den überall gemeinen Species Haltica nemorum Linn. und flexuosa lllig. sind bis jetzt vermengt gewesen 3 von Redtenbacher aufgestellte und begründete Arten, sinuata, excisa und vittula, die sich auch bei uns mit jenen beiden gemeinschaftlich finden. Der Cryptocephalus bistripunctatus Germ., über den noch ein Zweifel sein konnte, ist von Seydler bei Heiligenbeil gefunden. — Unter den Erotyliden ist jetzt mit Sicherheit als preussisch zu nennen Triplax rnfipes Panz. , den Kumm aus Neustadt erhalten hat. — Zu den Coccinelliden ist hinzugekommen Cocc. both- nica Payk., die bisher mit M-nigrum lllig. vermengt gewesen. Beide klopft man hier nicht eben selten von Tannen. Da nun nach den obigen Angaben aus unserer Fauna 5 Species gestrichen wer- den müssen, dagegen 66 hinzugekommen sind, wovon indess noch 3 der Bestätigung bedürfen, so ist die ganze Zahl der in unsern Verzeichnissen enthaltenen Käfer 2725, wovon 106 noch mehr oder weniger zweifelhaft sind. Ehe ich diesen Bericht s'ehliesse, möchte ich noch die Aufmerksamkeit der Sammler auf ein zwar kleines , aber recht ergiebiges Terrain lenken , auf ein Gebiet, das in neuester Zeit in geologischer Beziehung einen eben so rüstigen als kundigen Forscher in den Preuss. Provinzialblättern mehrfach beschäftigt hat, und in botani- scher Hinsicht von Tilsit her durchforscht ist, ich meine Schwarzort auf der kuri- sclien Nehrung. Auch der Goleopterolog wird gewiss nicht unbefriedigt von diese1' Oase des Dünensandes scheiden. Es findet sich dort Masoreus Wetterhallii Gyll., den ich freilich auch sonst an der ganzen Küste von Brüsterort bis Memel zu finden Gelegenheit gehabt habe , ferner läuft eine grosse Zahl Amara maritima Schiödte. unter den Dünengräsern herum, die ich an der ganzen Samländisclien Küste bis jetzt nicht gefunden habe, die aber wieder bei Putzig von Steffahny vielfach ge- fangen wird; ebenso Anthicus bimaculatus lllig., den ich an der eben bezeichneten Küste ebensowenig angetroffen habe , bei Danzig aber zu finden leicht ist. Am Haff- 146 ufer sind bei Schwarzort einige Antliiciden äusserst zahlreich, unter andern der sonst seltne sellatus Panz. , auch findet man Peryphus lunatus Dft. nebst einigen Käfern der eigentlichen Bembidiengruppe : impressum Panz. , argenteolum Ahr. , paludosum Panz., die sich am Wasser herumtummeln, in den Conferven am Rande des Haffes trifft man den Hydroporus elegans Illig. Im Walde selbst ist, wie ich schon er- wähnt habe, Dorcatoma dresdensis Herbst, von mir gefunden worden, ausserdem fliegt an den Fichtenstämmen in grosser Zahl Melanophila cyanea Fahr, und Ancy- lochira punctata Fahr., seltener Anc. rustica Linn. und sehr sparsam die prächtige octoguttata Linn. An gefällten Espen und Fichten habe ich nicht selten Monocha- mus sutor Linn., häufig in copula gefunden; dann ist auf den gelben Syngenesisten Chrysanthia viridis Illig. zahlreich zu treffen, und, jedoch selten, der von mir zuerst in Preussen gefundene Hapalochrus femoralis Er. , der auch in dem Schaumsclxen Verzeichnisse noch fälschlich Apaloclirus genannt wird. Auf den am Seestrande zer- streuten Weidengebüschen wohnt zahlreich Anoncodes rufiventris Scop. und endlich ist auf den an der von Schumann beschriebenen gefährlichen Düne nach der See- seite zu liegenden Torfweiden Lina collaris Linn. sehr verbreitet. Dagegen habe ich von Lethrus cephalotes Fahr., der nach einer alten von Kugelann mitgetheilten Ueberlieferung dort vorhanden gewesen sein soll , keine Spur entdecken können. Dass unsere Gegend auf einen so südlichen Käfer Ansprüche machen wolle, könnte be- fremdend erscheinen, doch würde es nicht an Analogien fehlen; wer sollte z. B. Cicindela sinuata Fahr, hier vermuthen , die doch in grosser Menge bei Pillau ge- funden wird, oder das grosse Neuropteron, Acanthaclisis occitauica, welches man nicht gerade selten bei Kahlberg auf der frischen Nehrung an trifft ? Ich habe Schswarz- ort nur zweimal, und nur im Juli zu besuchen Gelegenheit gehabt, bin aber über- zeugt, dass auch in den andern Sommermonaten sich manches Interessante dort finden würde. Königsberg, Januar 1861. — "*■»* W 147 Heber einen auf der kurischen Nehrung bei Nidden gefundenen Knochen. Von Stadtrath Henschc. Ich erlaube mir die Aufmerksamkeit auf einen im Anfänge des vorigen Herbstes in unserer Provinz gemachten sehr interessanten Fund, auf ein riesiges Knochenstück zu richten. Dasselbe wurde auf der kurischen Nehrung bei Nidden von dem dortigen Dünenaufseher Zander entdeckt und auf die erhaltene Nachricht davon, haben wir es dem grossen Wohlwollen und den sehr gütigen Anordnungen unseres hochverehrten Protektors des Herrn Ober- Präsidenten Dr. Eich mann Excellenz zu verdanken, dass dieses seltene Stück hierher gebracht ist und Ihnen darüber berichtet wrerden kann, bis es seine Stelle in den hiesigen Königlichen Sammlungen findet. Herr Domainen - Rentmeister Liedtke in Rossitten, der von Sr. Excellenz dem Herrn Ober -Präsidenten mit der Ermittelung des Auffindens und Vorkommens dieses Knochens und mit dessen Hersendung beauftragt war, berichtet nach angestellter Untersuchung an Ort und Stelle unterm 5. Januar d. J. , dass derselbe auf dem Strande in der Seeschälung gefunden und anscheinend durch die bekanntlich an unserer Küste sehr starken Stürme des letzten Sommers und Herbstes aus dem Grunde der Ostsee auf das Ufer geworfen sei, was auch durch den an mehreren Stellen dieses Knochens befindlichen Ueberzug von Gehäusen der Flustra membranacea, des fast einzigen Repräsentanten der Korallenartigen Thiere in der Ostsee , sich noch mehr bestätigen dürfte. ln dem Boden unseres Landes siud öfters fossile Knochen vorweltlicher Säuge- thiere gefunden worden, worüber aus älterer^ Zeit Henneberger, Helwing, H anow. Klein, Bock und Andere mit mehr und weniger Zuverlässigkeit berichten. Der Gründer des hiesigen zoologischen Museums der jetzige Akademiker v. Bär in St. Petersburg, hat früher diesen alten Nachriehten^und den etwa davon vorhandenen 20 148 Ueberresten sehr eifrig nachgeforscht und die Resultate dieser Untersuchungen mit dem was später noch gefunden war, 1823 in zwei Dissertationen, de fossilibus mammalium reliquiis in prussia repertis, besehrieben und bekannt gemacht. Nach denselben ist ein 1756 bei Mewe gefundenes Schädelfragment von Rhinoceros ticliorhinus Cuv , welches II a n o w beschrieben hat , durch den \ erkauf der B i ö r n sehen Sammlung in Danzig, hierher und in den Besitz des Museums gelangt, Zähne vom Mammuth Elephas primigenius, sind öfters hier gefunden, so u. A. im Berge bei Jerusalem, von Nanke auf dem Haberberge und ebendaselbst ein Stück im vorigen Herbste beim Grandgraben , ein eben solches im letzten Sommer bei Steinbeck u. s. w. und kommen in unsern Sammlungen nicht selten vor. Im Jahre 1811 sendete die Regierung in Marienwerder einen im Drewenzflusse gefundenen Mammuthszalin an den Medizinalrath Hagen den derselbe chemisch untersuchte und aus ihm den tliierischen Leim, der noch in ihm erhalten war, abscliied. Von mindestens einer erloschenen Rinderart, Bus urus primigenius, sind bei uns mehrfach Schädel die v. Bär beschreibt und die sich in den Sammlungen befinden, im Boden gefunden worden. Die vielfach sich noch vorfindenden Geweihe von Hirschen, Elenthieren und Rennthieren aber, scheinen sänimtlieh nicht untergegange- nen Arten sondern den noch lebenden angehört zu haben. Die Menge von Walfisch- knochen endlich von welchen fast nur die Unterkieferknochen des Grönländischen Wals, nicht blos bei uns, sondern in fast allen nordischen Seestädten als Merkwür- digkeiten aufbewahrt werden und die gewiss nicht fossil sondern eben nur als Natur- wunder von den Seefahrern überall hingebracht sind und von dem Volke meistens für Wallfischrippen gehalten werden , bezeugen die Bewunderung , welche man in früherer Zeit solchen Gegenständen schon zu Theil werden liess, mögen aber auch in alter Zeit als besonders heilkräftig angesehen sein, da die alten Aerzte nebst vielen anderen ähnlichen Dingen auch Knochen und fossile Knochen als Ebur fossile , dem Arzneischatz als werth voll eingereicht hatten. Heinr. Rathke der die Nachforschungen v. Bär’s über das Vorkommen von Ueberresten ausgestorbener Thierarten in Preussen fortgesetzt und darüber auch in dieser Gesellschaft Vorträge gehalten hat, erzählt (Preuss. Prov. Bl. 26 Bd. 1841, p. 543 ) von dem Auffinden des vollständigen Skelets von einem grossen Säugethier ums Ende der 30ger Jahre, in der Gegend von Wehlau beim Graben nach Chaussee- steinen: Als die Knochen aus der Erde gebracht waren, erklärte der dazu gekom- mene Dorfschulmeister den Arbeitern, dass sie dem biblischen Behemot, einem grimmigen Thiere angehört hatten und unnützes Zeug wären. Die Arbeiter stellten 149 nun auf diese Autorität hin, die Knochen auf und warfen so lange mit Steinen nach ihnen bis sie zerschlagen waren, zerhämmerten den Schädel ja selbst die Zähne und schütteten alles in der Grube wieder mit Erde zu. Gerettet ward nur ein Zahn den der Schulmeister mit nach Hause genommen hatte, der durch die Bemühung des Dr. Rust in Rathke’s Besitz gelangte und den dieser für einen Backzahn von Rhinoceros tichorhinus erkannte. Selbst die Stelle wo die Knochen vergraben worden waren , hat später nicht mehr ermittelt werden können. Von einem späteren Funde im Jahre 1840, einem Skelet von Bos primigenius, gelang es mir den Schädel von dem Finder, einem Dorfschmidt in Pikein im Stallupöner Kreise, für das hiesige Museum zu erlangen. Es hatte der Schmidt das Skelet in der Tiefe von 8 Fass beim Torfgraben gefunden und bereits eine Anzahl Knochen heraus geholt als ein Bau-Conducteur dazu kam und sie für ganz werthlos erklärte, der Schmidt lies die Arbeit liegen und die Knochen gingen verloren. Der damalige Ober - Präsident Herr v. Schön ordnete indessen die weitere Ausgrabung des noch vorhandenen Restes an und dadurch kam das Museum in den Besitz von ungefähr der Hälfte des Skelets, was allerdings noch immer von Werth ist, da von diesem Thiere nur zwei erhaltene Skelete existiren, eines in Lund, welches in Schoonen gefunden ist und ein anderes in Jena in der dortigen Gegend ausgegraben. Nach Rathke’s Untersuchungen hatten die hiesigen Knochen einer Kuh angehört, indem sich unter ihnen Knochen von einem entweder noch sehr jungen oder noch unge- borenen Kalbe befanden. Von andern angeführten Resten ist noch eines Wirbelknochens von einem Wal zu erwähnen, der in der Alle gefunden und von Herrn Pancritius dem Museum geschenkt ist, ganz besonders aber ist das grosse Schulterblatt eines Walfisches der Aufmerksamkeit werth, welches sich im hiesigen Museum befindet , vormals und seit alter Zeit in der Kapelle auf dem Schlachtfelde von Tannenberg aufgehängt gewesen und durch die Munificenz Sr. Majestät des hochseligen Königs , der dafür der Tanncn- bergischen Kirche eine neue Orgel geschenkt hat, hierher gekommen ist. Nach der Sage ist dieser Knochen dort in der Erde gefunden als für die im Jahr 1410 in der dortigen Schlacht Gefallenen aus dem Deutschen Orden, die Gräber gemacht wurden. Nach der von dem verstorbenen Geheimen Rath Rathke vorgenommenen Untersuchung (Preuss. Prov. Bl. 18 Bd. 1837 p. 562,) ist es das fast ganz unbe- schädigte rechte Schulterblatt eines erwachsenen Walfisches, einer Balaena, von 4 Fuss 1^ Zoll in der Breite und von 3 Fuss 5 Zoll Länge, welches völlig verstei- nert erscheint. Es zeigt in seiner Form die grösste Aehnlichkeit mit dem einer am 20* 150 Cap gefangenen Ralaena, welches Cu vier im 5 Bande seiner Recherches sur les ossemens fossiles, Taf. 26 Fig. 7, abgebildet bat, unterscheidet sich aber von ihm dadurch dass sein vorderer Rand etwas concaver ist und dass sein vorderer oberer Winkel etwas niedriger, nicht aber höher als der hintere obere Winkel liegt. Ob es aber einer noch unbekannten Art angehört hat ist noch nicht bestimmt, weil man bis jetzt erst von sehr wenigen bekannten Arten von Walfischen ausführliche Be- schreibungen und gute Skeletabbildungen besitzt. Die Gründe die unsem verstorbenen Freund zu der Annahme berechtigten, dass dieses Stück fossil sei, spricht er dahin aus, 1. es ist völlig versteinert, also nicht in neuerer Zeit bei einem Walfischfange erworben und durch Liebhaber von Curiositäten nach dem genannten in gerader Linie 15 Meilen von der Ostsee entfernten. Orte hingebracht worden und muss viel- mehr irgend wo in der Erde gefunden sein; 2. wird sich nicht leicht Jemand die Mühe machen ein so grosses und schweres Knochenstück , das in seiner Form und Beschaffenheit nichts besonders Merkwürdiges darbietet, aus einer entfernten Gegend mit zu nehmen oder sich kommen zu lassen um es in einer Kapelle aufzuhängen; 3. war es dagegen in früheren Zeiten, als noch keine öffentlichen naturhistorischen Museen existirten Gebrauch, gefundene naturhistorische Merkwürdigkeiten in den Rathhäusern oder auch wohl in den Kirchen der zunächst gelegenen Oerter zur Schau auszustellen. Es ist demnach sehr wahrscheinlich , dass das beschriebene Schulterblatt einem Thiere angehört hat , das in Ostpreusseu umkam, als dieses Land noch vom Meere bedeckt war, und dass auch wohl noch andere Ueberreste von Walfischen hier in der Erde verborgen liegen mögen. Wie aber in allen Meeren , so haben sich auch nicht gar selten Walfische nach der Ostsee verirrt und nach den Aufzeichnungen die wir davon besitzen, so soll 1291, ein grosser gezähnter Walfisch an der Küste bei Weichselmünde gefangen und nach Danzig gebracht worden sein, der 58 Fuss lang gewesen ist. 1364 ist ebendaselbst einer von 26 Fuss Länge gefangen und nach Danzig gebracht worden. Den 15. October 1452 oder 53, hat sich ein grosser Fisch vor Weichselmünde sehen lassen der nach 13 Tagen mit einem Störgarn lebendig gefangen und in Danzig für Geld gezeigt 'ist. Er war 35 Fuss lang und hatte 15 lange und viele kleine Zähne im Maul. 1455 den 15. April ward auf der frischen Nehrung nahe dem Balgascheu Tief, ein Fisch von 66 Fuss Länge mit stumpfen Zähnen im Rachen todt aufs Land geworfen. 151 Ina Octobcr 1510, wurde ein grosser Fisch 25 Fass lang bei Danzig gefangen und 1561 ist ein junger Walfisch am alten Tief auf der Nehrung von der See ans Ufer geworfen der 0 Klafter lang und 5 Klafter dick gewesen sein soll. Nach II enneberger wurden von ihm 12 Last in Salz gehauen, ohne das Fett und was sonst im W asser verdarb. 15 76 am 19. September ward bei Wreichselmiinde ein Fisch mit einem Po- muchelgam aufgebracht, der 14 Fuss lang und 7 Fuss dick gewesen ist, er hatte eine weisse glatte Haut ohne Schuppen, stumpfe Zahne, ein Loch im Haupt und einen Nabel? von fast anderthalb Fuss Länge. Auch von anderen Küsten der Ostsee finden sich Nachrichten von Walfischen, so strandete einer am 12. Mai 1620 bei Gamin in Pommern und ein zweiter am 15. October 1640 bei Wollin, über welche beide Dan. Cr am er in Stettin, Beschrei- bungen geliefert hat. Ferner wurde ein Walfisch 1755 am Fischlande in Meklenburg gefangen, ein zweiter 1819 an der Holsteinschen Küste und ein dritter strandete 1825 au der Küste von Rügen, welche Ernst Boll in seiner Beschreibung der Ostsee , im 1 Bande des Archivs des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg, ( Neu- brandenburg 1847 ) als Balaena rostrata Tabr. bezeichnet. Endlich beschreibt Hübner (in einer besonderen Schrift, Reval 1852) ein am 9 ten April 1851 bei der östlich von Reval gelegenen Insel Rammusaar, aufge- brachtes und nach Petersburg gebrachtes W althier als ein junges unausgewachsenes Männchen von Balaena longimana Rud. von 31 1 Fuss Länge, und führt ausser den vorgenannten noch als in der Ostsee vorgekommene und gestrandete Wralfische , einen im März 1545 bei Greifswalde an der Wriek, einen zweiten im Mai 1578 an der Kurländischen Küste und einen dritten im Jahr 1628 bei Stettin von 60 Fuss Länge , an. Die Wale sind in allen grösseren Meeren verbreitet und Strandungen von ihnen sind überall nicht selten, sie machen jährliche, der Zeit, der Route und den Auf- enthalteplätze nach , regelmässige Wanderungen und nur besondere Veranlassungen wie dies bei andern Zugthieren auch zuweilen vorkommt, können ihren Cours ändern wie es die 32 Potwale welche im Jahr 1784, und die 70 Grindewale die im Jahr 1812 an der Küste Frankreichs verunglückten , zu beweisen scheinen. Betrachten wir nun die Ordnung der cetaceae oder Wale, über welche insbe- sondere der nordischen, Prof. Esch rieht in Kopenhagen durch seine vieljährigen und unermüdlichen Forschungen, die bei weitem umfassendsten Kenntnisse verbreitet 152 hat und rastlos bemüht ist sie zu erweitern , und vergleichen wir dabei unscrn Knochen der einem Tliiere dieser Ordnung unzweifelhaft angehört hat und ein Theil vom Hinterhaupte ist, so scheiden aus dieser Ordnung die Familie der Sireniformiac , der Seekühe oder der Pflanzen fressenden Cataceen, und die Familie der Delphino- deae, mit kleinen Schädeln mit gewölbter Hinterhauptsfläche und mit mehr oder weniger mit Zähnen besetzten Kiefern, wozu der Cachelot oder Potwal mit hinten steil und hoch aufsteigendem Schädel gehört , für uns hier aus und es dürfte nur die dritte Familie die der Balenodeae, der ächten oder Bartenwale, von denen mehrere lebende Arten in zwei Gattungen , in Balaenoptera Finnfisch . und in Balaena Wal- fisch, gesondert sind, zur Betrachtung kommen. Leider ist es aber für diese Untersuchung sehr zu bedauern, dass die Arbeiten Eschricht’s die bis jetzt in einem Bande erschienen sind und für den zweiten erst die Naturgeschichte des grossen Grönländischen Wals in Aussicht gestellt haben, uns zwingen mit dem bisher Bekannten uns begnügen zu müssen. Fast eben so unvoll- ständig sind aber auch die vorhandenen Literatur und Skeletabbildungen der bekann- tereu Walthiere zur Zeit an unserin Orte und es werden daher noch viel mehr Untersuchungen als die bisherigen erforderlich sein, um dem Tliiere welches diesen Knochen in seinem Kopfe trug, die Periode in der es lebte und er^. Jah r*: I H e ft II . Tat: IX CF. Schmidt lith. Riedel pliolo^r. Druclu Gtsbr.Delius Berlin * :• <%> Inhalt der zweiten Abtheilung. Abhandlungen. Anatomisch - physiologische Untersuchungen über den Athmungsprozess der Insekten, von H. Rathke ........... Pag. 99 Erster Nachtrag zum neuen Verzeichniss der Preussischen Käfer. Königsberg 1857. von Dr. Lentz . . . . . . . . . . „139 Ueber einen auf der kurischen Nehrung bei Nidien gefundenen Knochen, von Stadl- rath Hensche . . . . . . . . . „147 Beschreibung des Knochens, von Dr. H. Hagen . . . . . „156 Sitzungsberichte vom Juli bis December. H. Hagen, Uber die Sinne der Gllederthiere, vorzüglich der Insekten . . . Pag. 21 $ C. F. M. Hagen, über Anilin - Farben ........ „21 v Schief ferd ecke r, Uber die Cocapflanze ....... «22 Caspary, über die Stellung der Aeste und Blüthen und die Richtung der Blattstel- | lung an Ast und Stamm bei der gelben Mummet .... «23 | Caspary, über die Cacteen Nordamerikas ....... «23 Samuel, über die Organisation der Seelenthätigkeiten ..... «24 Schielferdecker, über die Wirkung des Blitzes auf den Menschen und über die Häufigkeit des Todes durch Blitz ....... «25 Möller, Uber die Hülfsapparate an den Siunesnerven ..... «26 Zaddach, Gedächtnissrede auf H. Rathke ....... «29 Von dm Schriflen der physikalisch - ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, in denen Arbeiten aus dem Gesammtgebiete der Naturkunde , vorzugsweise solche, welche sich auf die Naturgeschichte der Provinz Preussen beziehen , mitgetheilt wei'dm sollen , wird jährlich ein Band von 15 bis 20 Bogen mit dm dazu gehörigen Abbildungen in 2 Heften erscheinen. Per Ladenpreis für den Jahrgang beträgt 2 Thaler. •»M { J» > SCHRIFTEN KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH - ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT ZU KÖNIGSBERG. ZWEITER JAIIIt (JAM; 1861. KÖNIGSBERG», 1862. IN COMMISSION BEI GRÄFE UND UNZER. .£ • , i. ; ... Inhalt des zweiten Jahrganges 1861 Mitglieder- Verzeichniss . ........ Abhandlungen. Die Hymenopteren der Provinz Preu.ssen, von G. Brischke, Lehrer in Danzig Bericht über die Versammlung von Freunden der Flora Preussens in Königsberg, von Dr. med. C. J. v. Klinggräff ........ Eine kanadische Pappel vom Blitz getroffen, von Prof. R. Caspary Orobanche Cirsii oleracei, von demselben. (Hiezu Taf. I. B.) , Nuphar luteum L. var. rubropetalum , von demselben. (Hiezu Taf I. A.) Vergrünungen der Blüthe des weissen Klee’s, von demselben. (Hiezu Taf. II u. III.) Preussens Molluskenfauna, von Dr. A. Hensche Die Hymenopteren der Provinz Preussen, von G. Brischke, Lehrer in Danzig. (Erste Fortsetzung) ........... Ueber die Verbreitung einiger Holzpflanzen in der Provinz Preussen , von Dr. med. C. J. v. Klinggräff ......... Ueber Bildung und Entstehung von Humus und Festlegung des fliegenden Dünensandes durch Stereonema Chthonoblastus Al. Br., von Dr. med. K lins mann . Einiges zurKenntniss derTodtenbestattung bei den heidnischen Preussen, von W. Hensche. (Hiezu Taf. IV.) .......... Pag. I— VI Pag. 1 11 11 11 38 41 46 49 51 73 97 119 11 127 131 Sitzungsberichte. Caspary, über Dr. Karstens Untersuchungen der Fruchtbildung bei Caelebogyne ilicifolia Pag. I Derselbe, über die Entdeckung der Schwärmsporen bei Pilzen nach de Bary . „ 1 Friedländer, über merkwürdige Natur- und Kunsterzeugnisse , die während der Kaiser- zeit in Rom öffentlich ausgestellt zu werden pflegten ..... „2 Körnicke, über den Rüsselkäfer (Bruchus rufimanus Schönh.), welcher Verheerungen in den Saamen der Ackerbohnen (Vicia Faba L.) anrichtet ... ,, 5 Schiefferdecker, über Guarana ........ „6 v. Wittich, über Strömungen in Flüssigkeiten, die einem galvanischen Strome aus- gesetzt sind ........... „7 v. Wittich, über das Tachistoskop Sommer, über neuere Forschungen in Palästina Elditt, über die früheren Zustände von Microdon mutabilis Derselbe, über Uaemonia Equiseti F. .... Caspary, über das Verhalten von Pflanzen zu Verwundungen Derselbe, über einige beim Mergelgraben gefundene Holzstückchen Derselbe, über Rhizome von Polystichum Filix mas. Roth. Bericht über die Bibliothek. Verzeichniss der durch Tausch bis zum 1. Januar 1862 erworbenen Schriften Verzeichniss der durch Kauf oder Schenkung erlangten Tücher Zeitschriften, die in den Jahren 1859 — 1861 angeschafft wurden KÖNIGLICHEN ’HYSIKALISCH - ÖKONOM! SCSI! GESELLSCHAFT ZU KÖNIGSBERG. i ZWEITER JAHRGANG ÜsGl. ERSTE ABTHEILUNG. S8G«. IN COMMISSION BEI GRÄFE UND UNZER. L^J Die Ilyinenopteren der Provinz Preussen. Von f«. Brischke, Lehrer in Danzig. In den Jahrgängen 1838 und 1839 der Preussischen Provinzial -Blätter veröffentlichte Herr Professor von Siebold einige Verzeichnisse der grösstentheils von ihm selbst bei Danzig gesammelten Hymenopteren. Seitdem hat die umfangreiche Familie der Ichneumo niden, welche in den obigen Verzeichnissen fehlt, sehr tüchtige Be- arbeiter gefunden und ich beginne daher meine Aufzählung der Preussischen Haut- flügler mit den Ichneumoniden, die ich, nebst den anderen Familien, seit einer Reihe von Jahren durch Zucht und Fang zusammeubrachte. Unterstützt wurde ich dabei besonders durch den hiesigen Lepidopterologen Herrn Gr ent zenberg, der mir die aus Raupen gezogenen Schmarotzer bereitwilligst mittheilte, dann auch durch die Herren Kumm und Ivliewer. Von anderen Orten erhielt ich reiche Sendungen durch den Herrn Förster Schindowski in Pröbbernau auf der frischen Nehrung und den Herrn Kreisgerichts - Secretair Fritzen in Neustadt. Einzelne Beiträge er- hielt ich durch Schüler aus Marienburg, Graudenz und Neuenburg. Auch aus Putzig, Braunsberg und Elbing wurden mir einige Hymenopteren gesendet. Unter den, theils bei Königsberg, theils am Samländischen Strande gesammelten Ichneumoniden des Herrn Director Sauter in Königsberg und den Insterburger Hymenopteren des Herrn Oberlehrer Bach mann, welche mir zur Bestimmung zugeschickt wurden, befanden sich manche interessante Thiere, die ich bei Danzig noch nicht gefunden habe. — Bei der sehr schwierigen Determination der Ichneumoniden wurde ich leider durch keinen Kenner derselben unterstützt, da Herr Professor Wesmael in Brüssel durch seine geschwächten Augen und ein Anderer durch Gichtschmerzen an der Durchsicht meiner zweifelhaften Thiere verhindert wurden. Ich half mir also selbst und zwar dadurch , dass ich die weniger zweifelhaften Exemplare als Varietät zu der Alt stellte , mit der sie am meisten übereinstimmen. Neue Alten, wenn sie nur in einem Exem- plare vorhanden waren, stellte ich, vorläufig mit einer Nummer versehen, in die betreffende Untergattung, bis ich durch Vergleichung mehrerer Exemplare ihre Art- rechte feststellen und sie dann mit einem systematischen Namen versehen konnte. 1 Wer die Veränderlichkeit der Färbung bei den Ichneumoniden kennt (meine Be- merkungen bei den meisten Arten geben davon Zeugniss), wird mich wegen dieser Einrichtung nicht tadeln. Warum die ohnehin schon so verwickelte Synonymie noch durch neue Namen vermehren? Mehrere neue Arten sind dennoch hinzugekommen, deren Charaktere ich nach mehreren Exemplaren entwerfen konnte. — Die Arten ohne Angabe des Fundortes sind alle bei Danzig gefunden, diejenigen, welche an einem andern Orte entdeckt wurden, erhielten den Namen dieses Ortes in Parenthese beigefügt. Von der eigenthümlichen Lage Preussens als Verbindungsglied zwischen der nord- und südeuropäischen Fauna geben auch die Hautflügler Beweise; nur beiläufig sei hier bemerkt, dass ich unter den Ichneumoniden Türken und Lappländer bei Danzig gefunden habe. Auch die frische Nehrung und Samland haben viele eigen- tümliche und neue Hvmenopteren geliefert, obgleich sie nur teilweise durchsucht sind. Was für Schätze mögen noch in anderen Gegenden z. B. um Angerburg , Lyk u. s. w. unentdeckt sein ! Es wäre sehr erfreulich , wenn sich dort Sammler fänden. Auch alle Diejenigen , welche sich für die anderen Ordnungen der Insecten interessiren , würden sich um die Hymenopteren verdient machen, wenn sie die in Raupen imd Larven schmarotzenden mit Angabe des Wirtes aufbewahrten. Dadurch würde die Lebensweise dieser nützlichen Thierchen, die noch so viel zu enträtseln übrig lässt, immer mehr erkannt werden. Möchten diese Andeutungen an vielen Lesern nicht erfolglos vorübergehen! I, I C J* II C II Hl 0 II c S. Nach Wesmael’s: Tentainen dispositionis methodicae Ichneumonum Belgiae, 1844; Mantissa, etc. 1848; Adnotationes etc. 1848; Ichneumones platyuri Europaei 1853; Ichneumones amblypygi Europaei 1854; Ichneumonologica miscellanea 1855; Ichneumonologica otia 1857; Remarques criti- ques etc. 1858. Gravenhorsts Ichneumonologia Europaea. Ratzeburg’s Ichneumonen der Forst- insecten. A. Ichneumones oxypygi. Snbgenus Chasmodes. W. Ch. motatorius Gr. $ Var. I Jf. <3. Mitteltarsen braun, Grund der einzelnen Glieder oft roth; Hintertarsen schwarzbraun, Trochanteren oft mit roter Spitze; Schüppchen oft ohne weissen Punkt. Var. 2 Jf (3 . Var. fl Jf ' (?). Fühler 3 farbig, Glied 1 — 8 roth, 9 — 13 oben weiss, folgende schwarz; area superomedia doppelt so lang als breit; Schenkel, Tibien und Tarsen roth, obere Hälfte der Hinterschenkel innen und Spitze der Hintertibien schwarz; Segment 5 auch mit weissem Mittelfleck des Hinterrandes. J. alltiger TV. 2? Palpen zuweilen hellroth, Mitte der Mandibeln roth; orbitae fron- tales fehlen; Glied 5 der Hintertarsen zuweilen schwarzbraun. 1. ßrmipes IV. 2. I. luctatorius Gr. ( 2 = confusorins Gr.) d 2- Aus einer Eulenpuppe erzogen. Var. I TT'. d- Ein d ohne gelbe Flecken an der Flügelwurzel : ein anderes d hat einen gelben Punkt auf der Unterseite des ersten Fühlergliedes; nur Strich unter den Flügeln gelb; die beiden gelben Punkte auf dem Schildchen vereinigt. Var. 3 Gr. d- Var. 3 TV. d ( L zonalix Gr.). Area superomedia bei einem d länger als breit, bei einem andern breiter als lang. Var. 5 TV. 2-, Var. <> TV. 2, Var. 7 TV. 2, Var. 8 IV. 2, Var. 10 TV ( J. molitorius Gr. ) 2 (Neustadt). Var. 12 TV. 2 (Neustadt). 1. caloscelis TV. ( 2 — ammonius Gr. ) 2- I. croceipes TV. d- Hinterschenkel zuweilen schwarz, nur Basis roth; Spitze der Trochanteren unten immer gelb; ein d hat an der Spitze des Postpetiolus einen gelben Fleck auf jeder Seite; zuweilen stehen auf Segment 4 am Hinterrande 2 schwarze Flecke. I. sarcitorius Gr. (6 — vaginatoriux Gr.) d 2- Aus einer Eulenpuppe erzogen; 2 auch mit dreifarbigen Fühlern. Var. in. d- Segment 1 schwarz, 2 und 3 mit schmalem gelbem Saume, der an den Seiten breiter wird, auf Segment 2 ist der Saum oben roth, Segment 4 ohne Saum , nur an den Seiten mit kleinem , gelbem , dreieckigem Fleck. I. latrator Gr. ( 2 — crassipes Gr.) d 2- Bei einem d sind die Fühler unten schwarz , nur nach der Spitze hin röthlich. Var. 2 Gr. d- Var. 4 TV. 2- J. spurius TV, ( I. incubitor , var. 2 Gr. ?) 2- Stigma schwarz, auch Schüppchen und Wurzel; Schenkel und Hintertarsen rothbraun, Segmente 1 — 4 roth. I. memorator TV. 2- (Neustadt). Flügelschuppe und Segment 1 schwarz. 8 I. varia ns n. sp. cf. Long. 4i‘"; niger; ore pallido, clypeo flavo, macula media nigra, orbitis frontalibus et maculis faciei flavis, articulo primo antennarum subtus flavo; squamulis, punctis ante et infra alas scutelloque flavis; pedibus nigris, femoribus anterioribus antice plus minusve rufis, tibiis flavo -rufis, postieis apice nigris, tarsis flavo -rufis, postieis apicibus articulorum nigris; segmentis abdomi- nis 2 et .3 flavis. Punktirt; Metathorax runzlich, area superomedia breiter als lang, area poste- romedia etwas vertieft; Postpetiolus mit 2 scharfen Leisten, nadelrissig , Gastrocoelen schmaler als Zwischenraum. Schwarz; Palpen weisslich, Mandibeln gelblich (Zähne nicht), Clypeus gelb mit grossem schwarzem Mittelfleck , oder schwarz mit breitem gelbem Rande , orbitae facialis und 2 Flecke oder Striche unter den Fühlern, die auch mit der orbita facialis verschmelzen, gelb. Zuweilen Gesicht gelb mit schwarzem Mittelfleck. Erstes Glied der Fühler unten, Schüppchen, Fleck vor und unter den Flügeln und Schildchen gelb; Stigma rothbraun; Beine schwarz, (bei einem . Bei den d" sind die Fühler ganz schwarz oder unten roth; Segmente 2 — 4 oder 2 — 5 roth, letzteres mit schwarzbraunem Fleck. 4* Sitzungsberichte. 9H Geschmacksnerven (dem Zungenschluudnerven) hat man noch gar keine Endapparate entdeckt. Die im Gebiete der vorderen Zungennerven vorkommenden Endkolben, vermitteln wohl nur hier das selir feine Tastgefühl, wie denn auch die fadenförmigen Papillen mit ihrem stark verhornten Epitel die Dienste der Haare zu verrichten scheinen. Eigentliche Geschmackseindrücke finden aber hier nicht statt, sondern nur die dem Tastsinne verwandten Empfindungen des Zusammenziehenden, Scharfen, Brennenden. Ein ähnliches Verhältnis zweier Nerven finden wir in der Nasenhöhle; im untern Theile derselben werden die prickelnden, stechenden Eindrücke, welche Ammoniak u. dergl. hervorbringt, von Zweigen desselben Nervenstammes wahrgenommen, welchem auch der vordere Zungennerv ange- hört. Die eigentliche Riechzone aber liegt hoch oben. Hier hat die Schleimhaut eine eigenthümliche Beschaffenheit und in ihr liegen die sogenannten Riechzellen, welche durch zarte Fädchen mit den Fasern des Riechnerven Zusammenhängen und schlanke, stäbchenförmige Fortsätze bis zur Oberfläche empor- schicken. Ob deren Enden offen oder nur für Gas besonders leicht durchdringbar sind, bleibt vor- läufig unentschieden. Von Flüssigkeiten , namentlich Wasser, werden die Riechzellen rasch zerstört, und zugleich wissen wir durch E. H. Weber, dass die Geruchsemptindung aufgehoben wird, sobald man Flüssigkeiten, selbst stark riechende in die Nase giesst. Es erhellt daraus die Wichtigkeit jener Gebilde für die Sinnesthätigkeit. — Im Gehörorgane endlich kann mau verschiedene Arten von Endapparaten unterscheiden. Bei den niedern Wirbelthieren, welchen der complicirteste Theil des ganzen Organs, die Schnecke fehlt, endigt der ganze Hörnerv auf der inneren Fläche häutiger Säck- chen, welche in der wässerigen Flüssigkeit des knöchernen Vorhofs schweben. Die letzten Ausläufer des Nerven tragen daselbst ganz ähnliche Zellen, wie wir sie eben in den Riechzellen kennen gelernt haben. Gerade an diesen Stellen liegen die in eigene Häutchen eingeschlossenen krystallinischen Ge- hörsteinchen, welche J o h. M ii 1 1 e r als Resonanzapparat deutete, ob mit Recht, mag dahingestellt blei- ben. Feinere Gehöreindrücke werden nun aber jedenfalls nicht in diesem Apparate, sondern erst in der Schnecke und zwar, wie es scheint, in deren oberer Hälfte, der sogen. Vorhofstreppe empfunden, auf deren wässrigen Inhalt sich die Schwingungen des Trommelfells durch die Reihe der Gehör- knöchelchen direct übertragen und auf deren Boden, der Spiralplatte, die Nervenfäserchen in äusser- ster Feinheit endigen. Dicht über den letzteren befindet sich das merkwürdige Cortische Organ mit seinen beiden Ordnungen länglicher, zungenförmiger Plättchen, den schwingenden Federn einer Spiel- dose vergleichbar. Diese Körperchen sind nicht nur durch ihre Form und die Art ihrer Befestigung vorzüglich geeignet ihre Bewegungen den Endausbreitungen des Nerven mitzutheilen, sondern man kann sich auch schwer der Vorstellung erwehren, dass ein jeder von ihnen vermöge seiner Dimensio- nen einem Tone von bestimmter Wellenlänge, also Höhe entspricht. — So unvollkommen auch bis jetzt noch unsere Kenntnis aller dieser Hülfsorgane des Sinnesnerven ist, so lässt sich doch schon jetzt ahnen, dass in ihrer principiellen Uebereiustimmung der Schlüssel zur Entdeckung wichtiger Gesetze liegt und dass hier der Ausgangspunkt für eine wahrhaft naturwissenschaftliche Erforschung des Verkehrs zwischen dem Seelenorgane und der Aussenwelt zu suchen ist. Die anatomischen Verhältnisse wurden grösstentheils durch Abbildungen erläutert. Sitzungsberichte. 89 Ocflcntlichc Sitzung am 21. December. Die Gesellschaft feierte in öffentlicher Sitzung das Andenken an den verstorbenen Geheimen Medicinalrath Rathke, der fünf und zwanzig Jahre hindurch Mitglied der Gesellschaft gewesen war Die Gedacht nissrede hielt Prof. Zaddach und versuchte in ihr einen Ueberblick über das Leben und die wissenschaftlichen Arbeiten des Dahingeschiedenen zu geben *). Heinrich Rathke wurde am 25. August 1793 in Danzig geboren, wo sein Vater Schiffs- zimmermeister war. Nachdem er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt die erste wissenschaftliche Bildung genossen, bezog er Ostern 1814 die Universität zu Göttingen. Hier widmete er sich mit grösstem Eifer dem Studium der Medicin, wurde aber durch Blumenbachs Unterricht auch für die Zoologie und vergleichende Anatomie so eingenommen, dass er schon damals selbstständige Ar- beiten in diesen Wissenschaften unternahm. Als er daher in Berlin seine Studien vollendet hatte und 1818 nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt war, trat er hier zwar als practischer Arzt auf, wurde sogar später Kreisphysicus , setzte aber mit unermüdlichem Fleiss und Eifer seine zootomischen Arbeiten fort. Dem bedeutenden Rufe, den er sich bald als geschickter Beobachter erwarb, hatte er es denn auch vorzüglich zu danken, dass er i. J. 1828 als Professor der Physiologie nach Dorpat berufen wurde. Hier verlebte Rathke sieben glückliche Jahre undhatte, da er nach Eschscholt.z’s Tode auch die Vorträge über Zoologie und vergleichende Anatomie übernahm, einen sehr ausgebrei- teten Wirkungskreis als Lehrer. Dennoch folgte er 1835 einem Rufe in sein Vaterland, um an der Königsberger Universität der Nachfolger seines Freundes, Herrn von Baer, zu werden. Hier hat er fünf und zwanzig Jahre hindurch die Professuren der Anatomie und Zoologie verwaltet und fast eben so lange die Stelle eines Medicinalrathhs bekleidet. Rathke stellte sich gleich beim Beginn seiner wissenschaftlichen Thätigkeit die hohe Aufgabe, die Gesetze zu erforschen, die dem Bau des thierischen Körpers zum Grunde liegen, er erkannte aber auch zugleich mit sehr richtigem Blicke, dass diese sich nicht aus den vollendeten Formen selbst, sondern häufig nur aus der Bildungs- und Entwickelungsgeschichte derselben ableiten lassen. Mit unerschütterlicher Consequenz verfolgte er das vorgesteckte Ziel sein ganzes Leben liindurch, und überall sehen wir ihn dabei von der vergleichenden Anatomie zur Entwickelungsgeschichte zurückgehen, von dieser wieder zu jener aufsteigen, und oft die schwierigsten und langwierigsten Untersuchungen nicht scheuen, um die alhnälige Umbildung einzelner Organe und die morphologische Gleichwerthigkeit scheinbar verschiedener Formen nachzuweisen. Auf diese Weise haben Rathke’s Leistungen wesentlich dazu beigetragen, zu einer Morphologie der Thiere einen sicheren Grund zu legen. Wie alle diese Arbeiten nach einem Ziele führen, so stehen sie auch unter einander in genauem Zusammenhänge. Eine grössere Reihe derselben beschäftigt sich mit dem Bau und der Entwickelung der Wirbelthiere , eine andere kleinere lehrt die Bildungsgeschichte der Gliederthiere, vorzüglich der Crustaceen, kennen. Die ersten Untersuchungen, welche Rathke in Danzig unternahm, bezogen sich auf die Ent- wickelungsgeschichte und die Anatomie der niedern Wirbelthiere, der geschwänzten Betrachier und der Fische. In mehreren Schriften lieferte er Beiträge zur Anatomie der letzteren, und seine mono- *) Dieser Vortrag nebst einem vollständigen Verzeichnisse von Rathke ’s Schriften ist in dem December- Hefte der N. Preuss.-Prov.-Blätter (3te Folge, Bd. VI.) und auch als Separatabdruck im Bnchhaudel erschienen. e 30 Ph. suspica.r TP. 9- Segment 3 mit Quereindruck. Ph. argutus TV. 9. Ph. bicolor n. sp. roth; Flügelwurzel gelb, Stigma braun; Beine roth, Coxen dunkler ; Seg- mente 2 — 4 roth. Stirn dicht punktirt, area superomedia 6 eckig, aiea posteromedia vertieft, Post- petiolus glänzend. JVs 10. 9- 2“1 1.; schwarz; Palpen gelblich, Mandibeln roth braun ; Fühler schwarz, Glieder 2 — 6 roth ; Flügelwurzel gelb , Stigma braun ; Beine roth , vordere mehr gelblich, Basis der Hintercoxen, Spitze der Hinterschenkel und der Hintertibien schwärzlich ; Segmente 2 — 4 bräunlichroth. Stirn punktirt, area superomedia halb elliptisch, area posteromedia vertieft , Post- petiolus glänzend. 5 34 J\2 11. 9. (Königsberg. ) 2"' 1.; schwarz; Palpen gelb, Mandibeln und Clypeus fast ganz roth; Flügelschüppchen und Punkt vor demselben roth, Wurzel gelb, Stigma braun ; Beine roth , vordere mehr gelblich , Hintercoxen , Basis aller Trochanteren und der vorderen Schenkel , Hinterschenkel fast ganz schwarzbraun ; Segmente 2 — 4 gelbroth . 4 mit schwarzem Querfleck, folgende mit breiten gelbrothen Hinter- rändern und Seiten. Subgenus Diadromus. W. D trof'/ofhjtes Gr. 9. Fühler roth, erstes Glied schwarzbraun. D. subtilicornis Gr. 9. Segmente 2 und 3 oft mit braunen Uuerbinden oder Flecken. I) collaris Gr. ( Ischnus Gr. ) 6 9- Hie 6 glaube ich hierher stellen zu müssen. Sie sind 2~“‘ 1.; schlank; area superomedia lang, fast 6 eckig; oft auch kürzer und vorn abgerundet, area posteroinedia vertieft. — Palpen und Mandibeln gelb- weiss; Fühler rothgelb, Prothorax und Schildchen roth; Stigma und Geäder blass- braun, Schüppchen und Wurzel gelbweiss; Beine gelbroth, Coxen und Trochan- teren gelbweiss, Basis der Hintercoxen roth, Basis und Spitze der Hintertibien oft bräunlich; Segmente 2 — 4 gelbbräunlich mit dunkeim Schatten in der Mitte, folgende schwarz ; nur Segment 5 mit gelbbräunlichem Hinterrande. — Var. 1 nt. Fühler dunkler, Glied 1 oft schwarz; Thorax und Schildchen schwarz, nur Hals weiss, zuweilen auch Strich unter den Flügeln weiss, Hintercoxen und Spitze der Hinterschenkel braun; Abdomen schwarzbraun, Segmente 2 und 3 mit gelbbräun- lichen Vorder- und Hinterrändern, 4 und 5 nur mit solchen Hinterrändern. — Var. 2 m. Mandibeln, Thorax, Hintercoxen und Hinterschenkel schwarz, vordere Coxen und alle Trochanteren gelbroth; Segmente 2 — 4 schwarzbraun, mit gelb- bräunlicher Basis und Spitze. Die 9 variiren ebenfalls: Var. 1. rn. Fühler ganz, oder nur Geissei roth; Hinterbeine ganz roth , oder Coxen , Schenkel (ausser der Basis ), Basis und Spitze der Tibien schwarz ; Segmente 2 und 3 roth , oder mit schwarzem Mittelfleck. — Var. 2 m. Pro- und Mesothorax und Schildchen rothbraun bis fast ganz schwarz; alle Segmente schwarz, bei Segment 2 die Gastrocoelen und der Hinterrand, bei 3 der Hinterrand roth. D. arrisor JV. 9- Bin 9 mit schwarzen Coxen, die vorderen und alle Trochanteren mit rothen Spitzen; Segment 5 schwarz mit röthlichem Hinterrande. D. varico/or W. ( . Auf dem Glacis am Ausfallsthor Königsberg^, auf Lehmboden , fand ich Anfangs Juli 1861 sehr viele vergrünte Blüthen des weissen Ivlee's (Trifolium repens Ti.), welche Auflösung des Fruchtblattes und der Saamenknospen zeigten. Es fehlt nicht an Beschreibung und Abbildung dieser Erscheinung. Decandolle ( Organographie , deutsch von Meisner 1828 II. S. 237 Taf. 28. Fig. 1.), Turpin (Esquisse d'Organo- grapliie vegetale in ( )euvres d'hist. natur. de Goethe nach l nger) , Carl Schimper (Geiger's Magazin 1835 Taf. 5 und 6. Fig. 1 — 9; benutzt von Engelmann: de antholysi. 1832, p. 35, 39), Schmitz (Linnaea 1841, S. 266. Taf. 1), Enger (Flora 1842, S. 369 ff. Taf. 2) haben sie mehr oder minder ausführlich von Trifolium repens dargestellt, aber dabei die Fragen, welche heut zu Tage in Bezug auf die Natur der Pla- centen und Saamenknospen in Betracht kommen, früher noch nicht genügend ins Auge gefasst und da wenig Antholvsen geeigneter sind, die Blattnatur der Placenten und die Bedeutung der einzelnen Theile der Saamenknospen , wie mir scheint, darzulegen, als diese von Trifolium repens und da überhaupt noch wenige dem heutigen Bedürf- nisse entsprechende Untersuchungen über aufgelöste Karpelle und Saamenknospen vorhanden sind , so schien eine genaue Beschreibung des vorliegenden Falles wün- schenswerth. Die Vergrünungen von Trifolium repens sind ganz geeignet, auch die hartnäckigsten Vertheidiger der axilen Natur der Placenten zu überzeugen, dass sie im Irrthum sind. Die abentheuerliche Behauptung Schleiden's (Wiegmann's Archiv 1839 V. Jahrg. 1. Bd. S. 216), dass das Pistill der Leguminosen ein blattartiger Zweig sei, ist heut zu Tage, nachdem Wigand (Botan. Untersuchungen 1854 S. 21), der früher aus Vertrauen auf Schleiden dessen Ansicht angenommen hatte (Pflauzen- teratolog. S. 28, 127), au Missbildungen von Trifolium pratense und hybridum sich von der Blattnatur des Leguminosenpistills überzeugt hat, als beseitigt zu betrachten. Alle Theile der vergrünten Blüthen hatten beträchtliche Veränderungen erfahren. Der Kelch bildete an der Basis immer eine Röhre, aber die sonst dreieckig lancett- lichen Zähne desselben, waren entweder in oblong - lancettliche Lappen verwandelt, von denen die beiden der Axe zugekehrten etwas grösser waren, oder diese beiden waren fast sichelförmig und mit einem Zahn einseitig versehn (Fig. 24. s, s), oder 52 sie waren beträchtlich grösser als die andern drei, bis zu \ oder 2 ihrer Länge mit einander verbunden, halbeiförmig und auf der einander abgewandten Seite gezahnt (Fig. 26, 29, s, s), oder es waren alle oder die meisten der Kelchblätter gestielt, trugen eine umgekehrt -herzförmige und gezähnte Spreite und sahen aus wie ein einzelnes Blättchen eines kleinen Laubblattes ; die 3 der Axe abgewandten , oder nur 2 derselben waren dann kleiner, als die beiden der Axe zugekehrten. Oft war 1 oder 2 der äussern Kelchblätter klein und lanzettlich -pfriemenförmig, wenn die andern gestielt waren und eine umgekehrt -herzförmige Spreite hatten. Auch kam es vor, dass 2 Stiele , die ein umgekehrt herzförmiges Blättchen trugen , bis auf die Spitze vollständig mit einander verbunden waren. Seltener war die Spreite gezweit oder zeigte Ansatz zur Gedreitheit. Ganz gedreite Kelchblätter, wie Schimper (1. c. Taf. 6. Fig. 8.) einige abbildet, sah ich nicht. Die entwickeltste Form des einzelnen Kelch- blatts, die ich fand, ist Fig. 37. in Blatt B dargestellt, welches 2 Blättchen c und a hat, von denen das eine: c bei b einen Ansatz zum dritten Blättchen macht. Blatt A und C haben auch bei e und h einen Ansatz zu 2 Lappen. Das fünfte Blatt: i dagegen, ist pfriemenförmig geblieben. Die Ansicht von Finger (1. c.), dass der Kelch der Laguminosen einblättrig sei, wird durch diese Auflösungen des Kelchs, abgesehen von andern morphologischen Thatsachen, gegen die sie verstösst, allein schon als unhaltbar zur Genüge dargethan. Je ausgebildeter der Kelch war, desto weniger war die Korolle entwickelt ; meist ragte sie gar nicht über die Kelchröhre hervor; die winzigen, wenn auch gefärbten, nicht grünen Petala waren von der Kelch- röhre nebst den verkümmerten kleinen Staubfäden eingeschlossen ; oft ragte die Ko- rolle jedoch auch etwas über die Kelchröhre hinaus. Auch das Pistill war in solchen Exemplaren, deren Kelch sehr entwickelt war, wrie in Fig. 37, sehr kurz nnd von der Kelchröhre eingeschlossen. Bei schwächerer Entwicklung des Kelchs ragte es jedoch weit: 3 — 5 Linien über die Kelchröhre empor, war mehr oder weniger lang gestielt und mehr oder weniger zwischen den Placenten geöffnet, besonders am un- tern Theil, oft kahnförmig (Fig. 1 und 2), wobei dann auf dem Innenrande, auf der innern Seite der Randnerven die grünen, mehr oder weniger verkümmerten und in Blättchen umgewrandelten Saamenknospen sassen , meist 6 , 3 auf jeder Seite des kahnförmigen Blättchens. Oder das Blatt, in welches das Karpell aufgelöst war, hatte eine wenig gehöhlte , fast platte Spreite , die in jüngern Exemplaren ptyxis applicativa zeigte (Fig. 24. 26, 29 g), an deren Basis nur nach rechts und links Saamenknospen sassen, die theilweise ganz in umgekehrt herzförmige, beträchtlich grosse, Blättchen verwandelt waren (Fig. 24 a — d) , oder es fehlten auch die Saamen- knospen gänzlich (Fig. 29, 32). Bisweilen, besonders bei älteren Blüthen, deren Kelch und Korolle schon welk waren, fand ich das Karpell in ein vollständiges, gewöhnliches Laubblatt umgewandelt (Fig. 38), das oft eine Knospe innerhalb seiner Stipula einschloss (Fig. 38k), welche bei weiterer Entwickelung entweder ein gestiel- tes Blüthenköpf'chen, dessen zahlreiche Blüthen jedoch auch verkümmert waren, dar- stellte (Fig. 39 K: Fig. 41), oder einen Laubzweig. In einigen Fällen fand ich statt eines gedreiten, ganz laubblattartigen Karpells zwei solche; 2 Ivarpelle kommen in der Blüthe der Leguminosen sonst sehr selten vor. Es möge nun die genauere Beschrei- bung der merkwürdigen, mehr oder weniger laubblattartig gewordenen Karpelle folgen. Kahnförmige, nicht Hach ausgebreitete Karpelle gaben das interessanteste Mate- rial zur Beantwortung der Fragen über Ursprung der Saamenknospe und ihrer Theile, besonders diejenigen, bei denen die untersten Saamenknospen schon flach blattartig gowordeu waren, aber noch eine Spur des Knospenkerns zeigten, weniger diejenigen, bei welchen Blattartigkeit der untersten Saamenknospen nicht eingetreten war. Die normale Saamenknospe der normalen Blüthe (Fig. 40) ist hemitrop (Schleiden w isseuschaftl. Botan. 4. Aufl. S. 504). Die ersten Stufen der Umwandelung der Saamenknospen , in denen sie auf längerem Funiculus oben eine dicke An- schwellung zeigen und bei kurzen verkümmerten Integumenten ein Mittelding zwi- schen orthotrop und hemitrop sind, bieten kein Interesse. So pflegen die obersten beiden meist beschaffen zu sein, wenn das äussere Integument der beiden untern Paare schon grün und blattartig ist. Bei vorgeschrittener Umgestaltung bildet die Saamenknospe ein etwas abgeplattetes, gerades oder gekrümmtes grünes kleines Kör- perchen (Fig. 1, e, f; Fig. 12, 13), welches aussen über der Mitte einen Höcker zeigt; verursacht durch das dicke vorspringende Internodium, wenn ich so sagen darf, zwischen dem 1. u. 2. Integument und den dicken Kern mit dem inneru Integument. Schneidet man eine solche umgestaltete Saamenknospe der Länge nach mitten durch oder schneidet aus ihrer Mitte eine dünne Längsplatte (Fig. 12, 13), so zeigt sich die Saamenknospe orthotrop, dass äussere Integument (Fig. 12 und 13 e) ist, weit, glockenförmig, 4 — 5 Zellagen dick und mit Chlorophyll erfüllt; es ist im Begriff blattartig zu werden; das innere ist viel enger, nur 2 Zellagen dick, ohne Chloro- phyll, zarte, farblose Körnchen enthaltend, dem Kern dicht anliegend und ihn über- ragend, welcher oblong oder fast lancettförmig , ohne Chlorophyll und ohne Keim- sack ist. Das kleine, dicke Internodium zwischen dem inneru und äussern Integument ist mit Chlorophyll erfüllt. Ein Spiralzellenbündel durchzieht die Mitte des Funiculus und endet ohne Verzweigung unter dem Internodium des innern Integuments (Fig. 1 3), 54 oder ist mit 2 — 3 Aesten, die ins äussere Integument gehen, verzweigt. In noch vorgeschrittenerem Zustande der Umänderung ist die Saamenknospe platter, breiter, blattartiger geworden , zeigt aussen noch einen starken Buckel ( Fig. 9 li Fig. 7h), verursacht durch den dickeren hier verborgenen Kern, den das innere Integument umgiebt und darunter einen vorspringenden Kiel — den Rückennerv — , innen eine entsprechende Längsvertiefung, ist eiförmig, oben breit abgestutzt (Fig. 9, 10, 11, 34, 35) und ein wenig ausgerandet oder tief und spitz ausgerandet (Fig. 7 und 8) mit 2 seitlichen Spitzen. Dieser ganze grüne blattartige Theil ist sichtlich aus dem äussern Integument und aus dem obern Theil des Funiculus entstanden, der unten jedoch noch theilweise als kurzes Stielchen da ist. Oben in der Mitte, oder oft deutlich auf der Aussenseite sitzt in mehr oder weniger tiefer Höhlung des äussern Integuments der verkümmerte Knospenkern (Fig. 11, 8 K), umgeben vom innern Integument (Fig. 8, 11, i), welches sehr verschieden an Gestalt, Länge und Inhalt seiner Zellen ist. Wo es am Wenigsten Umänderung erfahren hat, ist es ausgezo- gen-kegelig, eng dem Kern anliegend, nur 2 Zellagen dick, abgestutzt und ohne Chlorophyll; ist es mehr umgestaltet, so ist es weit vom Kern abstehend, glocken- förmig, kurz, unten mindestens 5 — 6 Zelllagen dick und mit Chlorophyll erfüllt; es ist also auch etwas blattartig geworden, wie das äussere. Das äussere Integu- ment wird von einem Spiralzellenbündel, das mehr oder weniger verzweigt ist, mit dem Hauptstrange an der Chalaza in 1 — 3 Zweigen endet und besonders in die 2 Spitzen des äussern Integuments einen Ast entsendet, durchzogen. Der Rand des äussern Integuments, das zuerst auf der Aussenseite der Saamenknospe sich niedriger und schwächer entwickelt ( Fig. 7 ) , zieht sich beiderseits kielartig auf dem Rücken des Blättchens vorspringend nach dessen beiden seitlichen Spitzen (Fig. 7 L, L). Bei noch weiterer Umgestaltung verschwindet endlich das innere Integument. Das Blätt- chen, welches vorhin zweispitzig war, hat jetzt 3 — 5 Spitzen, ist kurz gestielt, spa- telförmig, hat aussen einen Kiel, verursacht durch den als Hauptnerv vorspringenden Mittelstrang des sich verzweigenden Spiralzellenbündels und die beiden Längshälften des Blättchens bilden einen stumpfen "Winkel auf der Innenseite mit einander. Unter der Spitze des Blättchens, nicht in seiner Mitte, auf seiner innern Fläche schief nach oben gerichtet, sitzt der nackte, kegelige, spitze Rest des Knospenkerns (hig. 3, 4, 5, 20, 21 K. Fig. 6), dessen Basis bisweilen wulstig ringsum verdickt ist (Fig. 22), wodurch man auf den Gedanken kommen könnte, dass der basale Wulst das innere Integument darstellt. Der Kern (Fig. 6, 22) besteht bloss aus Parenchym, dessen Inhalt fast farblose , körnige Stoffe sind ; Chlorophyll enthält er nicht. Die Mitte 55 des Kerns steht nie über einem Spiralzellenstrange ; meist erhebt sich der Kern (wie in Fig. 3, 4, 20, 21) im Gebiet des spitzen Winkels, den der Hauptnerv, welcher in den Spitzenzahn des Blättchens geht und der oberste secundäre Nerv, der nach dem einen seitlich gelegenen Zahn geht , mit einander bilden ; sehr sel- ten sah ich, dass der seitliche Theil des Kerns über den Hauptnerv fiel. Noch weiter umgewandelte Saamenknospen zeigen nichts mehr vom Kern, son- dern bestehen bloss aus einem grünen, abgestutzten, eiförmigen Blättchen, welches oben 6 oder mehr Zähne besitzt und einen Mittelnerv hat, von dem fast parallele secundäre Nerven ausgehen, deren unterstes Paar schlingläufig, die übrigen aber randläufig oder welche alle randläufig, wie bei den Blättchen des Laub- blatts von Trifolium repens, sind (Fig. 27), denen diese aus umgewandelten Saamen- knospen entstandenen Blättchen überhaupt je mehr und mehr an Gestalt und Grösse ähnlich werden. Zwischen den secundären Nerven sind einige schwache, tertiäre Verbindungsnerven vorhanden (Fig. 23, 27 bei d). Im .Jugendzustande zeigen diese Blättchen ihre Hälften auf einander gelegt (ptvxis applicativa) und auch ganz er- wachsen bilden ihre Hälften doch einen mehr oder weniger grossen Winkel mit ein- ander. Je laubblattartiger die Saamenknospen werden, desto geringer an Zahl sind sie, desto tiefer nach der Basis der Spreite des Fruchtblatts stehn sie und desto ausgebreiteter und laubblattähnlicher ist diese selbst. Man vergleiche Fig. 1, 24, 26, 29. Oft fehlen sie ganz (Fig. 29), oder sie stehn bloss als 2 kleine gefaltete Blätt- chen an der Basis des ausgebreiteten Karpells, als ob diese ein gedreites Laubblatt wäre und sie dessen seitliche Blättchen im Kleinen darstellten (Fig. 26, a und b). Endlich werden diese beiden seitlichen Blättchen so gross als die eigentliche , mittlere laubblattartige Spreite des Karpells und man hat ein vollständiges gedreites Laub- blatt aus dem Ivarpell entstanden vor sich (Fig. 38, 39). Die allmäligen LTeber- gangsformen zwischen Saamenknospen und seitlichen Blättchen des laubblattartigen, gedreiten Karpells beweisen aufs Beste, dass die aus den umgewandelten Saamen- knospen entstandenen Blättchen und mithin die Saamenknospen zum Theil selbst morphologisch den seitlichen , gewöhnlich in der Zweizahl vorhandenen Fiederblättchen des normalen Laubblatts gleichwerthig sind; sie treten nur in grösserer Zahl als diese, meist zu 3 beiderseits , an dem Mittelblättchen auf. Sowohl Schimper ( 1. c. Taf. 6 Fig. 4), als auch Unger (1. c. Fig. 8 — abgesehn von LTnger's Deutung der Theile dieser Figur — ) haben Abbildungen von fiedertheiligen Karpellen gegeben, die sehr schön den Uebergang aus den blattartig gewordenen Saamenknospen in die Fieder- blättchen des Laubblatts darthun. Besonders die späteren vergrünten Blüthenköpfe 56 seit Mitte Juli zeigten die Karpelle sehr schön in gedreite, lang gestielte Blätter verwandelt, die kleinen Laubblättern durchaus gleich waren. An der Basis des Stiels dieser laubblattförmigen Karpelle sass eine häutige, weisslich gefärbte, an den lanzett- förmigen Spitzen öfters geröthete Stipula ( Fig. 39, st) welche im jugendlicheren Zustande nicht ausgebreitet war, sondern als Hülle der fast kugligen Knospe ange- schmiegt lag, welche die Axe des Blüthchens, die mit Bildung des Karpells oft ihre Lebensthätigkeit nicht wie gewöhnlich beschloss, noch entwickelt hatte (Fig. 38, st)- Diese Knospe, welche die durchwachsene Axe trug, war zu einer gewissen Zeit (ge- gen Mitte Juli) auflallend an Entwicklung hinter dem Karpell zurück, entwickelte sich dann aber später kräftig. ln einigen Fällen fand ich , wie schon ge- sagt, 2 zu vollständigen Laubblättern entwickelte Karpelle und ausserdem noch eine kleine Knospe der proliferirenden Axe, die später, Ende August, oft noch 1 — 2 Laubblätter entwickelte , also 3 — 4 im Ganzen und so zu einem ent- wickelteren vegetativen Zweige geworden war. Mehr als 4 laubblattgleiche Blätter, die Karpelle eingerechnet, sah ich jedoch nicht auf der proliferirenden Blüthen- axe. Da dieselbe in mehreren Fällen an Exemplaren , die ich in feuchter Botanisir- büchse hielt, über dem Kelch einige bis e Zoll lange Wurzeln trieb, so ist gar nicht zu zweifeln, dass die proliferirende Blüthenaxe in solchen Fällen zur Vermehrung hätte dienen können. In den meisten Fällen starb jedoch die ganze Biüthen- axe nach Entwickelung des laubblattartigen Karpells gänzlich ab. Die vergrünten Blüthen trugen nie Saamen. In einigen Fällen waren bei 2 Karpellen nur eins mit 3 Fiederblättchen, das andere bloss mit einem versehen, oder eins zeigte ein Fieder- blättchen , das andere war ein kahnförmiges Blättchen , mit einigen blattartigen Saarnen- knospen am Rande. Die Knospe der über das Karpell hinaus sich entwickelnden Blüthenaxe bestand oft aus einem verkümmerten Blüthenkopf zweiten Grades (Fig. 39, k) ohne Laubblätter (Fig. 39, k), dessen Stiel, wie der Blüthenstiel immer, gefurcht war und zahlreiche Blüthchen trug, die über den fünfzahnigen Kelch hinaus meist nichts weiter entwickelten (Fig. 41), Nachdem ich das in Fig. 39 dargestellte Exemplar einige Tage in einem Schälchen mit Wasser gehalten hatte, war das Blü- thenköpfcheu zweiten Grades mit seinem Stiel 7 Linien lang geworden und ich fand im Grunde der Blüthchen , ganz eingeschlossen vom Kelch in sehr verkümmertem Zu- stande noch einige Blüthentlieile entwickelt, worunter einige Staubblätter durch ihre Antheren deutlich erkennbar waren. Einige Male bemerkte ich, dass selbst in den Blüthchen der Köpfe zweiten Grades sich Karpelle fanden , die aufgelösst waren und zu ganz winzigen, gedreiten Laubblättchen auswuchsen. 57 Payer (Organogenie 1857 p. 725) behauptet, dass jedes Pistill „einen axilen Theil habe, welcher die Saam enknospen trägt und einen appendicu- lären Theil.“ Er behauptet ferner (p. 732), dass auch die Anatomie des Pistills diess bestätige: „Denn wenn, wie Decandolle *) behauptet, die Placenten nichts sind, als die verwachsenen Ränder des Fruchtblatts, so müssen die Gefiisse von dem Mittelnerv des Fruchtblatts ausgehen und sich in den Placenten ausbreiten; davon findet aber gerade das Gegentheil statt: die Gefässbündel gehen von den Placenten aus um sich im Karpell zu verzweigen, wie, wenn ein Pdatt eine grosse Ansatzstelle am Stamm hat, man eine grosse Zahl von Nerven von dem Stamme ausgehn sieht und sich als Hilfsnerven dem Hauptnerven anschliessen , um das Blattgerüst zu bil- den.“ „Das Karpell Decandolle’s ist also durch einen appendiculären Theil gebildet: das eigentliche Fruchtblatt, welches mit seiner Basis zwischen 2 Aeste einer gega- belten Axe eingesetzt ist, welche die Saamenknospen trägt.“ Eine sehr ähnliche Be- hauptung wurde in Deutschland schon 20 Jahre früher von Schleiden (Wiegmann's Archiv 1837 III. Jahrg. 1. Bd. S. 303 — 1839 V. Jahrg. 1. Bd. S. 216) jedoch nur für einige Familien (Resedaceen, Fumariaceen, Cruciferen, Abietineen u. s. w.) gemacht, besonders für die Resedaceen, obgleich seihst sein Schüler Wigand (Botan- Untersuchung. 1854 S. 27) ihm nach dem über die Resedaceen vorliegenden Mate- rial nicht beizupflichten vermag, — aber Payer weiss wie gewöhnlich nichts von sei- nen Vorgängern. Der nicht unbeträchtliche Unterschied zwischen Payers und Schlei- dens Ansicht ist jedoch der, dass letzterer auf Antholysen von Reseda gestützt, be- hauptete : „dass die Placenten hier die Axillarzweige der Karpellblätter sind, die sich gleich bei ihrem Ursprünge seitwärts beugen und mit den Rändern je zweier Karpelle verwachsen.“ Schleiden’s Ansicht hat den entschiedenen Vorzug, dass sie wenigstens dem Gesetze der Astbildung Rechnung trägt, indem er die Placenten für axillare Zweige der Karpelle erklärt, während man, um Payer 's Behauptung sich vorstellen zu können, zu der unerhörten Annahme seine Zuflucht nehmen muss, für die in der botanischen Morphologie sich kein Beleg findet, dass eine Axe regelmässig gabelige Zweige bildet, die in keiner Blattaxel zum Vorschein kommen und mit Blättern: *) Der Urheber der Auffassung, dass das Pistil ein an seinen Rändern , welche die Saamenknospen tragen, ver- wachsenes Blatt sei, ist nicht Decandolle, wie Payer zu meinen scheint, sondern Robert Brown (Andeutungen davon schon am 6. und 20. I'ebr. 1816 in sinem Aufsatz über Compositen in Linn. Soc. Trans. XII. p. 89 gegeben; Aus- führliches am 30. Juni 1820 in dem Aufsatz über die neue Gattung ltafflesia: Linn. Soc. Trans. XIII. p. 211 ff.), der durch Umwandlung von Staubblättern in Fruchtblätter bei Sempervivum tectorum, Tropaeolum maius, Cheiranthus Cheiri u. s. w. darauf geführt wurde und Decandolle davon Mittheilung machte, der die ersten Züge dieser Auffassung in der 2. Ausgabe der Theor. dem. bot. 1819. S. 128 ff. gab. 8 58 den Karpellen, über deren Ursprung Payer gar nichts angiebt, verwüchsen. Sehen wir nun zu, ob die vorliegenden Vergrünungen von Trifolium repens irgend eine Stütze für die Ansicht von Schleiden oder Payer bieten, ob ein Blatt- und Axen- theil als verschiedene Bestandtheile in den aufgelösten Karpellen erkannt wer- den kann. Ein kahnartiges, offenes Fruchtblatt (Fig. 1; Fig. 18) zeigt 3 oder 5 Gefäss- bündel, die in seinem langen Stiel aufsteigen, meist 3 (Fig. 18, s, in, s'). Sowohl der Querschnitt der Basis, als der der Spitze dicht unter der kahnartigen Erweite- rung der Spreite (Fig. 14) zeigt in den meisten Fällen den Stiel des Fruchtblatts von einem Gange durchzogen (Fig. 14, H), dessen fest begrenzte Wand darthut, dass er nicht durch Zerreissung entstanden ist, sondern offenbar eine Fortsetzung der Fruchtblatthöhle im Stiel des Fruchtblatts bildet, da er oben in diese einmündet. Rechts und links von diesem Gange befinden sich meist ein bis zwei durch Zerreis- sung entstandene Längslücken (Fig. 14 h, h( h, h'), wie man deren eine meist im gewöhnlichen Blattstiel trifft (Fig. 15), oder die durch Zerreissung entstandenen Höhlen fehlen auch im Stiel des Fruchtblatts (Fig. 30, 31). Befand sich jene Fort- setzung der Fruchtblatthöhle im Stiel, so hatte dieser keine Stipula an der Basis, sondern es zeigte sich oben nur ein weisser häutiger Lappen (Fig. 1, g); offenbar der Vertreter der Stipula. Der Fruchtblattstiel war im Querschnitt herzförmig, hin- ten abgerundet und auf der obern Seite der ganzen Länge nach gefurcht; er war symmetrisch gebaut, wie Blattstiele stets, wie auch der des gewöhnlichen Laubblatts (Fig. 15). Bei vorgeschrittener blattartiger Entwicklung der Fruchtblatt- spreite war der Gang oben im Stiel nicht mehr vorhanden , sondern nur noch an der Basis desselben (Fig. 30, 31) und der häutige Lappen, der Repräsentant der Sti- pula, war nicht mehr da. Bisweilen fand sich jedoch statt seiner der eine Rand der obern Seite des Fruchtblattstiels oben oder in der Mitte häutig ausgezogen (Fig. 33 L.) oder beide Ränder. War das Fruchtblatt gedreit, so bot sein Stiel gar keinen Unter- schied von dem eines Laubblatts dar, aber selbst der Stiel des unvollkommensten der aufgelösten Karpelle zeigte durch seine symmetrische Beschaffenheit allein Verwand- schaft mit einem Blattstiel, nicht mit einer Axe, denn sowohl der normale gefurchte Blüthenstiel (Fig. 17), als der fast drehrunde Stamm (Fig. 16) von Trifolium re- pens sind nahe zu centrisch, wie Axen fast immer , nicht symmetrisch gebaut , besitzen auch keine Höhlung , die der symmetrische Stiel des Laubblatts meist hat. Kommt in den entwickeltsten Formen des aufgelösten Fruchtblatts zu dessen bis 2 Zoll lan- gem Stiel noch die basale Stipula hinzu , so ist gar kein Unterschied im Stiel zwischen 59 einem Laubblatt und Fruchtblatt weder anatomisch noch morphologisch vorhanden. Die 3 Gefässbiindel des Fruchtblattstiels treten entweder getrennt geradezu in die Spreite des Fruchtblatts ein (Fig. 1; Fig. 25 Spreite des Karpells von Fig. 24; Fig. 28 Spreite des Karpells von Fig. 26) oder sie vereinigen sich zu einem Bündel unter der Basis der Spreite (Fig. 32 Spreite des Karpells von Fig. 29), wie diess beim normalen Laubblatt der Fall ist, in welchem die 4 — 5 Gefässbiindel des Blatt- stiels unter der gedreiten Spreite in ein auf dem Querschnitt halbmondförmiges Bündel zusammentreten, um sogleich in 3 Bündel, von denen jedes in ein Fieder- blättchen geht, sich zu trennen. Bei den kahnförmigen, geöffneten Karpellen, welche den geschlossenen, gewöhnlichen Pistillen am nächsten stehn , liefen die beiden Seiten- gefässstränge des Fruchtblattstiels so dicht am Rande des Fruchtblatts als dessen Seitenrippen hin, dass zwischen ihnen und dem Rande kein Gefässbiindel mehr sich befand und sie überhaupt nur mit 4 — 5 Zellen tiefem Parenchym nach aussen noch umgeben waren (Fig. 18, Fig. 36 Querschnitt, s und s' Randgefässbündel). Das mittlere Gefässbiindel des Fruchtblattstiels durchläuft die Spreite in deren Kiel von unten bis zur Spitze (Fig. 18 m; m' ist ein Stück von m), unter welcher die beiden seitlichen Hauptgefässbiindel (Fig. 18 s, s') sich mit demselben verbinden. Von den 3 Hauptgefässbündeln entspringen zahlreiche secundäre, die von allen dreien unter mässig spitzen Winkeln, oben von den seitlichen unter rechten oder stumpfen, aus- gehen, sich treffen und mittelst zahlreicher tertiärer Gefässbiindel mit einander ana- stomosiren. Von den primären Seitenrippen geht nach jeder Saamenknospe ein Ge- fässstrang aus (Fig. 18, a, b, c, d, e, f, g) und zwar so, dass die Richtung der ausgehenden Stränge, wie die Richtung der Saamenknospen selbst, nicht eine Fort- setzung der Richtung der Spreite ist, sondern die Stränge stehn zu dieser vielmehr unter einem spitzen, rechten oder stumpfen Winkel (Fig. 36 Winkel m s S), so dass ersichtlich ist, dass die Saamenknospen auf der innern Seite der Spreite des Fruchtblatts an deren Rande entspringen. Die Saamenknospen bei Trifolium repens sind nicht Läppchen des eingeschlagenen Fruchtblattrandes, sondern Gebilde der innern Seite des Randes; sie gehören der innern Fläche des Fruchtblatts an, wie sie bei Nymphaea, Nuphar, Butomus und andern der ganzen innern Fruchtblattfläche entspringen. Zwischen der eigenthümlichen krumm- und spitzläufigen Berippung des aufgelösten Fruchtblattes mit kahnförmiger Spreite, welche mit der des gewöhnlichen Germen identisch ist und der randläufigen Berippung des gewöhnlichen Laubblatts bieten die vorgeschritteneren Stufen der Auflösung des Fruchtblatts alle Uebergänge in der schönsten Fülle dar, so dass der Beweis schlagend dadurch gegeben ist, dass 8* 60 die Berippung des gewöhnlichen Germens nur eine der Bestimmung des Fruchtblatts entsprechende Modification der Berippung des gewöhnlichen Laubblatts ist. Die Be- rippung der Fiederblättchen des normalen Laubblatts ist randläufig; von der einzigen primären Mittelrippe gehen fast unter ^ R. nach dem Rande jederseits 8 — 14 se- cundäre Rippen ab, die in den Zähnen endigen; die mittleren senden meist noch 1 oder 2 Zweige ab , die auch in entsprechende Zähne des Randes auslaufen ; zwi- schen den secundären Rippen giebt es denn noch zahlreiche dünne tertiäre. Der Uebergang zu dieser normalen Berippung des Fiederblättchens des Laubblattes von der krumm- und spitzläufigen Berippung des normalen Karpells geschieht nun dadurch, dass die beiden primären Seitenrippen des Karpells mit fortschreitender Entwicklung der Spreite desselben mehr und mehr den Charakter randläufiger Seiten- nerven annehmen, kleiner und kleiner werden, tiefer und tiefer unter der Spitze endigen, mehr und mehr Aeste auch auf der Aussenseite, wo sonst das Karpell keine hat, entwickeln, bis deren Entwicklung dadurch unnütz wird, 'lass der seitliche Pri- märnerv sich mit dem mittleren Primärnerv verbindet und als dessen unterster Sei- tennerv jederseits in den Rand verläuft. Diese allmäligen eben angedeuteten Ueber- gänge aus dem langen, primären, spitzenläufigen Seitennerven des zum Germen ge- schlossenen Fruchtblatts in den secundären, kleinen, randläufigtn, untersten Nerven des laubblattartigen aufgelösten Fruchtblatts legen die Fig. 18 , 25 (Spreite des Frucht- blatts von Fig. 24), 28 (Spreite des Fruchtblatts von Fig. 26), Fig. 32, die alle Portraits, mit dem Prisma gezeichnet, sind, endlich Fig. 38 und 39 Blättchen a, schlagend dar. Je mehr der spitzenläufige, primäre Seitennerv seinen Charakter ver- liert, desto tiefer gegen die Basis der Blattspreite, aber stets von ihm, entspringen die Saamenknospen, desto mehr an Zahl nehmen sie ab, bis sie entweder, wenn der primäre Seitennerv zu existiren aufgehört hat, auch aufhören (Fig. 29), oder unter der Spreite des Fruchtblatts, da wo beim normalen Laubblatt die beiden seitlich n Fiederblättchen entspringen als deren Stellvertreter und identisch mit ihnen an Ge- stalt, bloss noch in der Zweizahl, in den unentwickelteren Formen als ganz kleine Blättchen (Fig. 26, a, b), in den entwickelteren dem Mittelblättchen an Grösse gleich, oder fast gleich (Fig. 38, 39) auftreten. Es geht demnach das Karpell in das Laubblatt über, ohne dass ein Theil von ihm, der etwra für einen Zweig der Axe gelten könnte, abgenonnnen würde; im Gegentheil die Gefässbündelzahl des Stiels des Karpells ist meist kleiner (nur 3) als die, welche das laubblattförmige Frucht- blatt hat (nämlich 5). Es ist bei all den verschiedenen Stadien der Umwandelung keine Spur einer Spreite, die Fruchtblatt und eines Axentheils, der Placenta wäre, 61 wahrzunehmen, sondern Placenta ist die innere Seite des Randes des Fruchtsblatts über dem primären Randnerven; je mehr dieser bei Umwandelung des geschlossenen Germens in das platte offene Fruchtblatt in einen secundären, randläufigen Nerven übergeht, desto mehr schwindet die Placenta. Die Ansichten Schleidens und Payer ’s finden auch nicht die mindeste Nahrung durch die klaren Thatsachen der Auflösung des Karpells von Trifolium repens; jene Ansichten erscheinen diesen Thatsachen ge- gegenüber als reine Einbildung; sie ferner hegen, heisst in wahrheitslosem Eigensinn auf unwissenschaftlicher, vorgefasster Ansicht beharren. Auch Wigand s Vermuthung, die er für Reseda ausspricht; „dass das Axenende an den Verwachsungsstellen derlvarpelie sanft emporgehoben und ohne als selbst- ständiger Zweig aufzutreten mit dem jungen Gewebe der Karpellränder verschmolzen sein könnte“ (Botan. Untersuchungen S. 27), findet bei Trifolium repens nach den mitgetheilten Thatsachen nicht die mindeste Unterstützung. Das Karpell von Trifolium repens ist nebst der Placenta, die nur ein Theil von ihm ist, reines Blattgebilde. Unger (1. c. S. 374) sah öfters, dass die Axe des aufgelösten Kleeblüthchens proliferirte und 5 — 6 Knöspchen trug; einmal nur sah er „ein seltsames trauben- artiges Organ, das näher betrachtet aus einer Menge kugelrunder Körner bestand, die in 5 — 7 regelmässigen Lappen zusammengeballt waren.“ Wie man sich die 5 — 7 regelmässigen Lappen vorzustellen hat, ist nicht klar; denn da es sich bloss um einen Fall handelt, könnten entweder 5 und dann nicht 7, oder 7 und daun nicht 5 dagewesen sein. Es fährt Unger fort: „Offenbar war dies Organ am Grunde des Karpellblatts für nichts Anderes als ein Achsengebilde zu halten und stellte meines Erachtens ganz deutlich den gesonderten Eierstock vor, der in der Regel bei dieser Missbildung gar nicht zur Entwicklung kommt, hier aber in der einfachsten Form erschien.“ Obgleich Schauer (in Moquin - Tandon's Uebersetzung der Teratolo- gie S. 384) diese Auflassung Unger 's als haare Münze hinnimmt, so beruht sie doch auf keiner Thatsache. „Der Eierstock“ kann da gar nicht liegen, wo Unger das traubige Gebilde fand , denn dies beschloss diu Blüthenaxe. „ Der Eierstock “ wäre an der Basis der langgestielten Spreite des Karpells zu suchen gewesen, wo er jedoch nach Unger’s Abbildung fehlt. Auch sagt Unger kein Wort davon, dass er die für „Eier“ gehaltenen Organe untersucht und als solche befunden habe. Ich habe jedoch gesehn, wie Trifolium repens und fragiferum bis in den 3. Grad proliferirende Köpfchen trugen, welche mit kleinen Kügelchen abschlossen, die Blüthen vertraten, deren Organe alle zu kleinen, grau - weisslichen Blättchen verwandelt waren. Eine solche bis in den 3. Grad gehende Prolification, wenn auch in kleinem Maasstaabe 62 ist jenes traubige Organ Unger’s ohne Zweifel gewesen, spricht also kein Wort für die axile Natur der Placenta. In gründlichster Erörterung über die morphologische Bedeutung der Saamen- knospe hat A. Braun (Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne. 1860. S. 186 ff.) mit Benutzung alles bis jetzt erarbeiteten leider noch sehr spärlichen Materials das Resultat gewonnen, dass der Kern der Saamenknospe als eine Neubildung auf dem Fruchtblatt und als Spross zu betrachten sei, dem das Integument oder die Integu- mente als Blattorgane zugehören; ob der Saamenknospenstiel dagegen zur Saainen- knoske oder zum Fruchtblatt gehöre, entscheidet Braun nicht. „Die Annahme, dass derselbe als eitragendes Segment oder Emergenz ganz und gar dem Fruchtblatt an- gehöre, somit nicht als stielartige Basis des Eikerns selbst betrachtet werden könne,“ scheint Braun noch weiterer Begründung zu bedürfen. Rossmann (Flora 1855 S. 657 ff. u. S. 705, besonders S. 666 u. 708) dagegen hatte nach Untersuchung von Auflösungen von Fruchtblättern von Aquilegia vulgaris sich dahin ausgesprochen, dass der Rand des Fruchtblatts „in eine Anzahl Zipfel (Knospenträger) gespalten sei und auf diesen sich die Eiknospen entwickeln“, dass mithin „die Knospenträger den Blattzipfeln entsprechen“ und sich auf diesen und zwar aus dem Paremchym dersel- ben „die Eiknospe “ mit ihren Integumenten und dem Kern als Neubildung entwickeln, wobei Rossmann vorauszusetzen scheint, dass die Integumente dem Spross, welcher im Kern endet, zugehören, dass also die Integumente nicht Ausstülpungen des Knospenträgers, mithin des Fruchtblattes seien, Brogniart *) aber hatte schon vorher nach Saamenknospenauflösungen von Del- phinium elatum die Angabe gemacht, dass jede Saamenknospe einem Lappen oder einem grossen Zahn des Fruchtblatts entspricht , dass ihr Funiculus, wie auch die Raphe bis zur Chalaza vom Mittelnerv jenes Lappens gebildet ist, dass das einzige Integument nichts anderes ist , als die auf sich selbst zurückgeschlagene kapuzenartige Spitze jenes Blattlappens, dass aber der Knospenkern „eine Neubildung“ ist, ent- wickelt auf der obern Seite des Blattlappens und auf dem Boden der Höhlung, die der Blattlappen auf der Spitze bildet (p. 52). Es fragt sich; welche Antwort auf die Fragen über den Ursprung und die Bedeutung der einzelnen Theile der Saamenknospe durch die beschriebene Monstrosität von Trifolium repens gegeben wird? Der morphologische Ersatz , wenn auch nicht ein Aequivalent , für die fehlgeschla- gene Saamenknospe ist bei Trifolium repens ein Blattlappen in verschiedener Form *) Compt. rend. XVTI3 1844 p. 513 ff. Keferat davon in der botan Zeitg 1844 S. 697. — Archive du Musdum d’hist uatur. XV. 1844 p. 43 ff. mit 2 Tafeln. Ich citire nach der letzten Veröffentlichung. 63 und Grösse bis zum vollendeten Fiederblättchen des gewöhnlichen Laubblatts. Saamen- knospen welche geringe Veränderung erfahren haben und alle einzelnen T heile noch erken- nen lassen, zeigen sich fast orthotrop (Fig. 12, 13) mit gleich über der Basis verbreitertem, blattartigem Funiculus, welcher nach oben in vollster Zusammenhängigkeit ohne Spur, dass irgend etwas Neues beginnt, in das äussere, grüne und blattartig gewordene Integument (Fig. 12, 13 e, f), welches wenigstens 4 Zelllagen tief ist und sogar von zwei Spiralzellensträngen durchzogen wird (Fig. 12), übergeht. Unten ist der Funi- culus mehr oder weniger stielförmig, hält also seine ursprüngliche Form ein und es giebt so lang gestielte in Blättchen verwandelte Saamenknospen , dass der Funiculus ganz stielartig geblieben zu sein und die Spreite des Blättchens bloss vom äussem Integument herzurühren scheint (Fig. 3, 4, 5). Oel'ters jedoch, weun alle übrigen Theile der Saamenknospe fehlgeschlagen sind, verläuft er mit breiter blattartiger Basis (wie Lappen e in Blatt A Fig. 37) in das Fruchtblatt und erscheint als integrirender Lappen desselben. Zwischen Blattlappen und Fiederblättchen ist beim Klee ( w ie Blatt B Fig. 37 zeigt) aber nur ein gradueller kein wesentlicher Unterschied, man kann daher ohne einen Fehler zu begehen sagen, dass der Funiculus bei Trifolium repens die morphologische Bedeutung des untern Theils eines Blattlappens oder T ieder- blättchens hat, dessen Basis ja übrigens auch kurz gestielt ist und bis zur Chalaza, wie Brocmiart angiebt, das bis auf den Mittelnerv reducirte Fiederblättchen darstellt. Auf keiner Stufe blattartig gewordener Saamenknospen (Fig. 7 — 11, 34, 35 ), welche noch alle Theile erkennen lassen , ist es jedoch möglich irgend ein anatomi- sches oder morphologisches Abgrenzungszeichen zwischen äusserm Integument und Funiculus aufzufinden.*) Wer kann z. B. in Fig. 34 u. 35, die beide an der Basis abgeschnittene Saamenknospen darstellen, in welchen das zweispitzige äussere Integument sich oben deutlich erkennen lässt, obgleich nur noch in einer Ausran- duug desselben das innere und der orthotrope Knospenkern daraufsitzen , so dass ihnen das äussere keine Hülle mehr ist , eine Grenze zwischen dem äussem Integument und dem Funiculus angeben? Es scheint hier gar keine Möglichkeit gelassen zu sein, anzunehmen, dass das äussere Integument „als besonderes der Basis des Ovulum’s angehöriges Blattgebilde angesehen werden kann, dessen ringförmig geschlossene Ränder auseinander weichen und in die Ränder des tragenden Blattsegments ver- laufen“, eine Deutung die A. Braun (1. c. S. 190) bei Delphinium elatum anwen- *) Die umgewandelte Saamenknospe ist bisweilen gekrümmt, aber die Krümmungsstelle , zeigt nicht an, dass Funiculus und Integumente verschiedene Organe sind; sie ist nicht die Marke verschiedenen Baues; die Krümmung ist durch Mangel an Raum verursacht und tritt an verschiedenen Stellen ein, dicht unter der blattartigen Spreite der ver- änderten Saamenknospe, im Stielchen derselben, oder in der blattartigen Spreite, selbst 64 det. Da das äussere Integument somit bei Trifolium repens nur eine Ausstülpung des Blättchens, dessen unterer Theil der Funiculus ist, mithin des Fruchtblatts selbst zu sein scheint, so liegt von vorn herein die Vermuthung nahe, dass auch das innere Integument dieselbe Bedeutung habe, denn beide Integumente zeigen sich sonst so gleichartig und untrennbar verwandt, dass es scheint sie könnten eine verschiedene Entstehung nicht haben. Den Gedanken an eine Verschiedenheit des Ursprungs bei- der Integumente könnten jedoch einige Beobachtungen aufkommen lassen: 1) die, dass in das innere nie, auch nicht bei Monstrositäten, ein Spiralzellenstrang eintritt, wie diess beim äussern Integument der Fall ist (Fig. 8, 11 — 13, 34, 35); 2) dass das innere öfters durch ein kleines , meist viel Chlorophyll führendes Internodium der Axe des Kern’s von dem äussern Integument getrennt ist (Fig. 12, 13) und es mit- hin der.Axe des Kerns selbst anzugehören scheint. Aber der erste Punkt, dass es bloss aus Parenchym besteht, widerspricht doch seiner Entstehung aus dem Paren- chym des Fruchtblattlappens , der auch Funiculus ist, nicht und das trennende , schein- bare Internodium, welches sich nur in solchen Saamenknospen findet, in denen das innere Integument noch seine Eigenthümlichkeit, die es in der normalen Saarnen- knospe hat, mehr bewahrt hat, in welchen es nur aus zwei Zelllagen besteht, die kein Chlorophyll, sondern farblose Körnchen und Saft führen, wie in Fig. 12, 13 und in denen es noch, dem Kern dicht anliegend, eine lang - kegelförmige Gestalt hat, kann ohne Schwierigkeit als scheinbar axenartige Erhebung der Blattsubstanz gefasst werden, wie solche ja reichlich, sogar mehr als ein Blättchen führend, bei Brassica oleracea auf gewissen monströsen Laubblättern Vorkommen. Es giebt aber auch Formen des innern Integuments, welchen jenes Internodium fehlt und in welchen cs deutlich in das Blättchen , welches F uniculus und äusseres Integument ist , übergeht; Formen, in denen das innere Integument weit und glockig wird, oben weiter als unten, in denen es an der Basis sehr dick ist und viel Chlorophyll ent- wickelt (Fig. 34, 35), in denen es endlich sehr niedrig, kürzer als der Kern, erscheint, den es sonst an Länge weit übertrifft und von diesem grünen, dicken, niedrigen, inneren Integument ist es dann nur noch ein Schritt zu dem Punkt, dass es spurlos in das Parenchym des Blättchens verschwindet, in welches auch das erste Integument überging. Es ist denn bloss noch der Kern allein übrig. Die Basis des Kerns , der stets sehr schief, mit seiner Spitze ncch der Spitze des Blättchens gerich- tet, auf dessen Fläche sitzt, hat öfters einen Wulst (Fig. 22), den man als letzte Spur des innern Integuments zu rechnen geneigt sein könnte. Trifolium repen$ bietet keinen Grund diese Auffassung als unzulässig abzuweisen. Könnte ja doch unter dem Kern wulstartig vorspringend noch die Erhabenheit des Parenchym 's des Blatts sich zeigen, die als ringförmige Ausstülpung in weniger veränderten Formen der Saamenknospe das innere Integument auf sich trug. Im Knospenkern sah ich nie Chlorophyll, nur farblose Körnchen und Saft; unter ihm ist das Parenchym des Blatts zarter, kleiner in seinen Zellen und lichter in deren feinkörnigem grüngelblichem Inhalt. Die Richtung des Kerns, die constante Beschaffenheit seiner Zellen scheinen ihn als eine Bildung zu bezeichnen, die wesentlich verschieden vom Blättchen ist , dem er aufsitzt. Aber auch der Kern verschwindet endlich und damit wird das Blättchen , welches die Saamenknospe vertritt, erst recht gross und dem Fiederblättchen des Laubblatts gleich. Da mir Uebergänge zwischen Kern und laubblattartigem Träger nicht vorgekommen sind, so liegt von dieser Seite kein Grund vor. den Kern mit dem Träger zu ident iticiren; er scheint daher eine Neubildung, näher nach Braun: ein Spross zu sein, und Trifolium repens nach dem Vorhergehenden Brogniarts Auffassung zu bestätigen. Der Funiculusmit den Integumenten erscheint bei Trifo- lium repens als das morphologische Aequivalent eines Fiederblätt- chens, dessen Stiel oder Mittelrippe im unternTheil des Funiculus, d ess en gl o c k e n- oder kegelförmigen Ausstülpungen des obe rn T h e i 1 s die Integumente sind. Der Kern erscheint als der neue Spross,- der diesem Fieder blättchen a u f s itzt. Die Art , wie das äussere Integument immer, das innere meist in das Fiederblättchen übergeht und in dasselbe ver- schwindet, dessen unterer Theil der Funiculus ist, lässt, wie mir scheint, keine Mög- lichkeit übrig, anzunehmen, dass die Integumente Blattorgane des Sprosses des Kerns sind; wären sie diess, so müssten sie auf dem Spross des Kerns und in diesen hinein verschwinden , nicht aber in das Fiederblättchen , aus dem der Kern als Spross entsteht. Es scheint mir, dass dieser Punkt für die Frage: entstehen die Integumente aus dem Knospenkern als Spross, oder aus dem Blattlappen des Frucht- blatts, von grosser Bedeutung ist. Nach dieser Darlegung scheinen die morphologischen Elemente der Saamen- knospe nur zweierlei Art zu sein: 1) die Integumente und der Funiculus, welche zusammen ein morphologisches Element bilden, nämlich einem Fiederblättchen äqui- valent und ein Theil des Fruchtblatts sind; 2) der Knospenkern, der sich aus dem Fiederblättchen als neuer Spross erhebt. Fasst man jedoch die Integumente als dem Kern angehörig, so hat die Saamenknospe, wenn man den Funiculus als Theil des Fruchtblatts betrachtet, 3 morphologische Elemente: 1) den Funiculus, der ein Lap- pen des Fruchtblatts ist; 2) den Kern; 3) die Integumente, die als Blattorgane der 9 66 Axe des Kerns aufsitzen und ihr entsprossen sind; oder nur 2, wenn man den Fu- niculus als zum Spross des Kerns gehörig betrachtet: 1) den Kern; 2) die Integu- mente als dessen Blattorgane. Die aus den aufgelösten Karpellen des Delphinium elatum und Trifolium re- pens abgeleitete Folgerung, dass die Integumente Ausstülpungen eines Blattlappens oder Fiederblättchens seien , stimmt gut mit der Eigentümlichkeit der Integumente, dass das obere (das innere) vordem untern (äusseren) und das dritte (äusserste), wenn es da ist, der sogenannte Arillus, nach beiden erscheint, denn ein Fiederblättchen und ein Blattzahn — ein Lappen ist nur graduell von einem Zahn verschieden — entwickeln sich von oben nach unten, nachdem die erste Anlage gesckehn ist, in der überall, auch auf der Spitze des Fiederblättchens, Zellmehrung statt findet; die erste Zelle oder die ersten Zellen jedoch, die wirklich vollendet werden , sind die der Spitze, sowohl beim Fiederblättchen (Ailanthus glandulosa Desf.), als auch beim Zahn (Hv- drilla verticillata Casp.); von oben nach unten schreitet dann die weitere Entwicklung fort. Ausnahmsweise bilden sich aber auch Stammtheile von oben nach unten aus, wie der axile Saamenträger von Mercurialis annua (Pringsheim Botan. Zeitg. 1851 S. 97 ff.), das lange, über dem Boden befindliche Internodium von C'yperus Papy- rus, elegans, alternifolius u. and., worüber ich ausführliche Untersuchungen ander- wegen mittheilen werde und selbst höhere Blätter erscheinen hin und wieder vor den unteren; so kann ich sicher angeben, dass bei Capselia Bursa pastoris von den Blu- menblättern noch nichts zu sehn ist, selbst nachdem alle 6 Stamina schon als flache Wärzchen wahrnehmbar sind, obgleich ich nicht entscheiden kann, ob die Petala vor oder nach den Staubblättern im Innern angelegt werden. In Analogie mit diesen Ausnahmen hat es daher nichts Befremdendes, dass A. Braun, der die Integumente als Blattorgane der Axe der Saamenknospe betrachtet, um die umgekehrte Ent- wicklungsfolge der Integumente zu erklären, annimmt, dass die Regionen, aus denen sie sich erheben , schon zuvor gebildet seien. Auch für die einheitliche Auffassung des Ursprunges der Saamenknospeu im All- gemeinen ist das aus den Auflösungen der Blüthe des Delphinium elatum und Tri- folium repens gezogene Ergebniss, dass die Integumente und der Funiculus einen Blattlappen oder ein Fiederblättchen darstellen, günstiger als andere Anschauungs- weisen. Die Fruchtknoten mit axiler Placenta ( Primulaceen , Myrsineen u. s. w.), denen sich einige Coniferen (Taxineen) anschliessen *), bieten die Schwierigkeit , dass *) Dass die Abietinen keine axilen PlacenteD haben, wie von Schleiden und nenerdings Baillon behauptet ist, habe ich vor Kurzem in einer kleinen Schrift (De Abietinearum Carr. floris feminei structura morphologica Regimonti, 1861) nachgewiesen, die ich gern Jedem mittheilen will, der sie zu erhaltet! wünscht. 67 hei ihnen die Saamenknospen nicht von Blattorganen , sondern von der Axe selbst zu entspringen scheinen. Jedoch aufgelöste Blüthen einiger Primulaceen, wie sie Brogniart (Ann. sc. nat. 1834 2. Ser. I. p. 308. Archives du Museum 1. c. S. 58) von Primula sinensis und Anagallis arvensis, ganz besonders schön aber Unger (Nov. aet. nat. cur. XXII. II. 1850 S, 543 ff.) — dessen Auffassung ich jedoch durchaus nicht theile — von Primula sinensis, beschrieben, liefern den Beleg, dass auch die Pflanzen mit axilen Placenten dem allgemeinen Gesetz folgen. Es war Brogniart, der diess zuerst erkannte. Wie jedoch bei den übrigen Pflanzen die Saamenknospe einen Blattlappen oder ein Fiederblättchen darstellt, so bei ihnen ein ganzes Blatt. Unger (1. c. Taf. 55, B. Fig. 12, 13) sah sogar bei einer aufgelösten Primula sinen- sis mehrere Saamenknospen aus einem Blatt entspringen und Braun (1. c. S. 187) wies bei Anagallis arvensis nach, dass die Saamenknospe an der axilen Placenta den allgemeinen Blattstellungsgesetzen folgend nach ■§, | , T25. ^ , T\- , r j, — 2— , ganz ab- weichend von der unregelmässigen Art, in der sie bei Pflanzen mit anderer Placen- tation sich finden, gestellt sind; auch Belege dafür, dass sie auf der axilen Placenta Blätter repräsentiren. Die Hülle, welche bei den Pflanzen mit axiler Placenta , diese nmgiebt, besteht also nicht aus Karpellen, — denn die Blätter, woraus sie gebildet ist (5 bei den Primulaceen), tragen keine Saamenknospen — , sondern nur aus deren Vorläufern ( Prokarpellen ) , indem die eigentliche Karpelle hier auf den Funiculus und die Integumente reducirt sind. Ich verkenne nicht nur nicht die Wichtigkeit der Thatsachen, welche A. Braun veranlassen , die Integumente als ein vom Funiculus verschiedenes morphologisches Element zu fassen und sie der Axe des Sprosses, der mit dem Kern abschliesst, zu- zuweisen, sondern ich habe seine Anschauung bisher ganz getheilt. Es sind: 1) die blattartige Ausbreitung des oder der Integumente bei ganz stielartigem Funiculus (Braun 1. c. S. 191) bei Delphinium Ajacis, Adonis autumnalis , Nigella damascena, u. s. w. ; 2) die beliebige Vermehrung der Integumente bei Nigella damascena, Reseda latea u. s. w. (1. c. S. 192); 3) das Auswachsen der Axe des Kerns in ein verlängertes, verästeltes Zweigehen mit mehreren Blättchen, was Wigand an Re- seda alba (Teratologie S. 39), WydJer an Alliaria officinalis (Denkschriften der re- gensburg. botan. Gesellschaft IV. 1859 S. 77) beobachteten. Trifolium repens schein*« mir jedoch nach dem Mitgetheilten eine andere Auffassung zu bedingen und diese ist vielleicht mit den von A. Braun angeführten Thatsachen zu vereinigen , wenn die Möglichkeit da ist diese selbst anders auszulegen. Eine andere Deutung der ersten von Braun angeführten Thatsache scheint mir durch gewisse tutenartige , lang gestielte 9* 68 Auswüchse auf der obern Seite der Blätter von Brassica oleracea angedeutet zu sein, welche auch Stiel und blattartige Ausbreitung deutlich unterscheiden lassen, obgleich ohne Zweifel beide morphologisch keine verschiedene Natur haben, sondern nur Theile eines und desselben blattartigen Auswuchses sind, der zum Blatt, von dem er entspringt gehört und nur eine verirrte Auszweigung einer Rippe mit hinzutretendeu Blattlappen ist. So könnte vielleicht auch bei Delphinium Ajacis, Adonis autumna- lis u. s. w. Funiculus und blattartiges Integument morphologisch dasselbe sein. Auch linden sich beim Kohl zweigartige Auswüchse auf der obern Blattseite über der Mittel rippe, die 2 — 3 Blätter in verschiedener Höhe zn tragen scheinen; doch sind jene zweigartigen Auswüchse keine wirklichen Sprosse; es fehlt ihnen ein Wachs- thumspunkt und die Blätter sind nur Blattlappen ohne Ordnung gestellt. Der schein- bare Zweig kann nur als eine isolirte an ungewöhnlicher Stelle nach oben gewandte Rippe des Blatts, hie und da mit einem Blattlappen, so selbstständig blattartig die- ser auch aussehn mag, noch versehn, gefasst werden. Wie aber solche Blattaus- wüchse mit scheinbarer Axe mehrere scheinbare Blättchen an sich tragen, so könnten auch jene Vervielfältigungen der Integumente, die Braun als 2. oben genannte That- sache anführt, durch scheinbare Internodien getrennt, doch nur axenartige Auswüchse des Fruchtblatts sein , mit mehr blattartigen Ausstülpungen, als gewöhnlich, versehn. Was die 3. Thatsache anbetrifft: die in verästelte und beblätterte Zweige verwandel- ten Saamenknospen , die Wigand und Wydler beobachteten, so scheint es, dass sie in sofern vielleicht nicht mehr, wenigstens ihr oberer Theil, für die Deutung der regelmässiger Weise nur in der Ein- oder Zweizahl vorhandenen Integumente, die doch zu unterst in ihnen zu suchen wären, herangezogen werden können, als ein Theil derselben, wie die Aeste, die in Antheren verwandelten Blättchen, doch gar keine Analogie mehr in den gewöhnlichen Integumenten haben und vielleicht einer weitern aus der Analogie herausfallenden Entwicklung des Sprosses der Saamenknospe allein angehören. Sehr wünschenswerth wäre es übrigens, dass die beblätterten und ver- ästelten Zweige, die aus aufgelösten Saamenknospen entstanden sind, aufs Genaueste untersucht würden . was bisher nicht geschehen ist. L cberhaupt sind weitere genauere Untersuchungen aufgelöster Fruchtblätter, und Saamenknospen dringendes Bedürfhiss. Da der Pollen unmittelbar vom Blatt gebildet wird,*) so liegt der Analogie *) Selbst Agardt (Essai sur la d<*veloppement interieur des plantes p. 88 — 90 nach Endlicher) n. Endlicher (Linnaca VII. S. 21). welche die Staubblätter als Achsen betrachten, lassen doch die Antheren aus 2 Blättchen, welche dem Staubfaden als Achse aufsitzen entstehen und weichen, im Spiel der Phantasie nur darin von einander ab, dass nach Agardt sich der Pollen auf der Innenseite . nach Endlicher auf der Kückseite jener eingerollten Blättchen bildet. 69 wegen die Vermuthung sehr nahe, dass auch der Knospenkern: die Geburts- stätte der Keimzelle, die im Keimsack sich bildet, einem Blatte, dem Fruchtblatte, als integr irender Theil angehöre, nicht eine Neubil- dung, ein Spross auf diesem sei. So sehr sich diese Auffassung durch die Einheit der Entstehung des weiblichen und männlichen Prinzips der hohem Pflanzen, welche ihr eigen ist, empfiehlt, scheint bei unserer gegenwärtigen Kenntniss, kaum Aussicht darauf zu sein, dass sie sich als wahr bewähren könnte. Denn wenn sie auch eine Stütze durch jene einfachsten sitzenden und hüllenlosen Kerne, die einige Amaryllideen haben ( Crinuin taitense, erubescens, giganteum. capense, s. Pril- lieux Ann. sc. nat. Ser. 4. Tom. IX. p. 101; Crinum Broussoneti, Asiaticum nach A. Braun Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne S. 171 ff), und besonders durch den noch einfacheren Fall bei Viscum album finden möchte, wo selbst ohne Hervortreten eines Kerns im Innern der verwachsenen Fruchtblätter scheinbar als Product der Blüthenaxe sich 2 — 3 Keimsäcke bilden (Hofmeister Neue Beiträge zur Kenntniss der Embryobilduug der Phanerogamen , in: Abhandlungen der König!. Sachs. Ges. d. Wssft. VI. S. 557), so sprechen gegen sie doch die Gründe, welche den Kern als eine Neubildung auf dem Fruchtblatt erscheinen lassen. Ist auch nicht viel Gewicht auf die oben angegebenen beiden Verhältnisse zu legen, welche den Kern als selbständige Bildung hinzustellen scheinen: 1) die Verschiedenheit , welche seine /eilen nach Inhalt und Grösse von denen des Fruchtblattlappens zeigen, dem der Kern aufsitzt: 2) seine vom Fruchtblattlappen abweichende Richtung, so spricht das Factum, dass der Kern zu einem beblätterten Spross auswaehsen kann, das Wigand und Wvdler beobachteten, dem Anscheine nach so entschieden gegen die Annahme, dass der Kern ein integrirender Theil des Fruchtblatts sei, dass erst dar- gethan werden müsste, dass jene Beobachtung in anderer Weise als es jetzt zulässig erscheint, zu deuten sei, nämlich, dass entweder jener Spross, zu dem der Kern auswächst, nur scheinbar ein Spross sei. oder dass er. wenn er es wirklich ist, nur eine zufällige, das Wesen des Kerns nicht berührende Bildung darstelle. Auch in dieser Rücksicht ist die genaueste Untersuchung von Sprossen, die aus Knospenkernen entstanden sind . höchst wiinschenswerth. Bei einigen Vergrünungen von Trifolium pratense, die mir ein Zuhörer: Herr Pharmazeut Mundt mittheilte und die ich auch selbst fand, waren die Karpelle in lang gestielte , eiförmig - oblonge , spitze , behaarte Blättchen verwandelt , mit einfacher oder gedreiter Spreite; Saamenknospen hatte jedoch keins entwickelt. 70 Figurenerklärnng. Tat. II. und III. Trifolium rrpen* Ei. Fig. 1 bis 18. beziehen sieh auf dieselbe Blüthe. Fig. 1. Blüthe, deren Karolle und Staubgefässe ganz verkümmert in der Kelchröhre geblieben sind. Das langgestielte Karpell allein ist oben sichtbar, kahnförmig, offen und zeigt 6 mehr oder weniger nmgestaltete Saamenknospen : a, b, c, d, e, f und ein weissliches Häutchen g in der Mitte auf der innem Seite an der Basis der Spreite. Fig. 2. Dasselbe Karpell von der Seite. Buchstaben wie vorhin. Fig. 3. Die Saamenknospe a, aus Fig. 1 und 2, welche ein dreispitziges grünes Blättchen ist, mit kurzem Stiel, k der Knospenkern. Fig. 4. Dieselbe unter Kalilauge gesehen. Der Knospenkern lv sitzt in der Mitte des Winkels, den der Hauptnerv d und der secundäre b bilden. Fig. 5. Saamenknospe b aus Fig. I u. 2 unter Kalilauge; K der Kern. Fig. 6. Der Knospenkern der Saamenknospe Fig. 5. Fig. 7 u. 8. Grüne blattartige Saamenknospe c aus Fig. 1 u. 2; Fig. 8. unter Kalilauge. K der Kern, der über der Gabelungsstelle des Mittelnerven sitzt; i inneres Integument. Das äussere blatt- artige, grüne Integument hat bei h einen stark vorspringenden Buckel auf der Aussenseite, h' ist eine stumpfe Spitze des Integuments auf der Rückseite, die bei vorgeschrittenerer Umgestaltung iu andern Saamenknospen die Spitze des Blättchens wird. Fig. 9, 10 u. 11. Saamenknospe d aus Fig. 1 u. 2. Fig. 9. von aussen mit dem Buckel h des äussem grünen blattartigen Integuments; Fig. 10. dieselbe von der Innenseite; Fig. 11. vom Rücken her, unter Kalilauge; k Knospenkern, i inneres Integument. Fig. 12. Saamenknospe. e Fig. 1. im Längsschnitt; das äussere Integument e ist weniger blattartig, als in Fig. 7 u. 9; i das innere; K der Kern. Fig. 13. Dünner Schnitt aus der Mitte der Saamenknospe f. Fig. 1 u. 2; Buchstaben, wie in Fig. 12. Fig. 14. Querschnitt durch die Basis des Stiels des Karpells Fig. 1 u. 2. Es ist eine grös- sere mittlere Höhlung da: H, die scharf begrenzt und daher nicht durch Zerreissung entstanden zu sein scheint ; sie ist die Fortsetzung der Karpellhöhle. Dann sind 4 kleinere Luftlücken da: h, h, h', h', die durch Zerreissung entstanden sind und 3 Gefässbündel. Fig. 15. Querschnitt der Basis eines gewöhnlichen, kräftig entwickelten Laubblatts ; in der Mitte eine durch Zerreissung entstandene Luftlücke und 5 Gefässbündel, die ich in sehr grossen und sehr kleinen Blättern fand. Fig. 16. Querschnitt des Stammes; nicht hohl. 71 Fig. 17. Querschnitt, eines normalen Bliithenstiels. Fig. 18. Das Karpell Fig. I n. 2. von unten her bis über die Mitte aufgeschnitten und flach ausgebreitet, unter Kalilauge gesehen, um die Berippung zu zeigen. Die Ausgangspunkte der Saamen- knospen: a, b, c, u. s. w. liegen alle auf der innem Seite des äussersten Randes, nur f zeigt jedoch diese Lage, die andern haben sie durch den Druck verloren. Fig. 19. Querdurchschnitt einer Saamenknospe, wie Figur 11, bei der Stelle a; r der Rücken der Saamenknospe, i die innere Seite. Fig. 20 u. 21. Blattartige Saamenknospen unter Kalilauge mit 4 und 5 Spitzen, K der Kern. Fig. 22. Kern von Fig. 21. Die Verdickung an der Basis von Fig. 22. ist vielleicht Andeutung des innern Integuments, ln Fig. 20. zeigt der Kern keine solche basale \ erdickung. Fig. 23. Saamenknospe. die keine Spur eines Kerns mehr hat, mit 6 Zähnen von Innen unter Kalilauge. Fig. 24. Blüthe mit einem Karpell: g, welches ein ganz ausgebreitetes Blatt ist; am Rande stehn die Saamenknospen a, e. d; c ist das 2. Blättchen des zum folium ternatum gewordenen Kar- pells, dessen 3. Blättchen nur als Spitze: b entwickelt zu sein scheint. Fig. 25. Das Karpellblatt g aus Fig. 24. stärker vergrössert unter Kalilauge. Fig. 26. Vergrünte Blüthe, deren Karpell g ganz blattartig ist, mit 2 kleinen Blättchen a und h an der Basis der Spreite, die in ptyxis applicativa verharrten. Fig. 27. Das Blättchen : a Fig. 26 unter Kalilauge. Nur bei d sind die Tertiärnerven dargestellt. Fig. 28. Karpell g Fig. 26. stärker vergrössert, s und s' die primären Seitennerven. Fig. 29. Blüthe, bei der das vergrünte, lang gestielte Karpell bloss aus einem Blätt chen ohne Anhängsel besteht. Fig. 30. Querschnitt des Stiels dieses Karpells dicht an der Basis, mit 3 Gefässbiindeln und 1 Höhlung. Fig. 31. Querschnitt des Stiels desselben Karpells: Fig. 29 dicht unter der Blattspreite, olme Höhlung; die 3 Gefässbündel haben sich zu einem dicht über der Spreite vereinigt; bis dahin waren sie getrennt im Stiel verlaufen. Fig. 32. Spreite des Karpells von Fig. 29. Fig. 33. Querschnitt eines Karpellstiels aus dessen oberen Theil, der 5 Gefässbündel, ganz wie ein Blattstiel und nur eine Furche, keine Höhlung zeigt; an der einen Seite der Furche hängt ein farbloses häutiges Läppchen: L. Fig. 34 u. 35. Saamenknospen. deren inneres Integument sehr weit, dick und im untern Theil grün geworden ist, deren äusseres ein plattes Blättchen ist. Die Epidermis enthält kein Chlorophyll. Fig. 36. Querschnitt eines vergrünten Karpells; s, s', Randnerven; S Theil einer Saamenknospe, die auf der innern Seite des Karpells über dem Randnerven : s entspringt. Fig. 37. Blüthe, deren Korolle, Staubfäden, Germen ganz verkümmert sind und in der Kelch- röhre stecken, die Kelchblätter verschieden entwickelt; i pfriemenförmig , C und [) eiförmig, C mit 72 Ansatz zur Zweilappigkeit (bei h), D mit Ansatz zur Dreilappigkeit (bei f und g); A ist 2 lappig, B ist gezweit, mit Anlage zur Gedreitheit, denn bei b trägt, das Blättchen c einen Lappen. Fig. 38. Blüthe, deren Karpell ein langgestieltes gedreites Laubblatt ist, dessen .Stipula st bei A eine eiförmige Knospe K umscliliesst. Fig. 39. Eine andere Blüthe der Art,, bei der die Prolilication der Axe: s ein gestieltes Blüthenköpfchen 2. Grades trägt: K, dessen Blüthchen vergrünt ist. Fig. 40. Normale Saameuknospe. Fig. 41. Vergrüntes Blüthchen des Kopfs K Fig. 39, welches bloss 5 Kelchzähne zeigt und m Innern noch einige verkümmerte Blüthenorgane barg , unter denen bloss die äussern deutlich waren. Preussens Molluskeufaima. Von Dr. A. ilensche. Von allen Aufgaben, die sich die Naturforschung stellt, scheint keine einem so nahen und so sicheren Ziele anzustreben, als die Erforschung einer Landesfauna. Trotzdem führen alle Bestrebungen, die in dieser Richtung gemacht werden, von Einzelnen oder von Vereinen, immer nur annähernd zum Ziele; zu einem vollständi- gen Abschluss gelangen sie nie. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die sich der Erreichung dieses Zieles entgegenstellen bei fernen Ländern, deren Kenntniss über- haupt nach allen Richtungen noch lückenhaft ist, so treten auch für die eultivirten Länder Europa’s Momente hemmend in den Weg, die ganz zu beseitigen niemals gelingen wird. Man bedenke nur wie schwierig, ja wie unmöglich es ist, ein Land in allen seinen Theilen der Wissenschaft gleiehmässig zugänglich zu machen. Man bedenke ferner, wie mit der fortschreitenden Entwickelung der Naturwissenschaften, auch das Bild jeder Fauna sich in seinen einzelnen Zügen ändern muss, denn immer wieder ändern sich die Vorstellungen von Art, Gattung etc., je tiefer die Wissen- schaft in die Kenntniss der einzelnen Organismen eindringt. Man bedenke endlich , wie der ewige Wechsel des Lebens das Bild einer Fauna ewig neu gestaltet, bald langsam durch die Metamorphose , welche der ganze Erdball stetig erleidet , bald schneller durch die Vor- oder Rückschritte der Cultur. Für das Gesammt - Gebiet einer Fauna, bei dem es sich um die Feststellung von vielen Tausenden von Arten handelt, wird Jeder die oben bezeichneten Schwie- rigkeiten anerkennen; dass aber auch für einen so kleinen Formenkreis, wie ihn die Preussische Molluskenfauna darbietet, bei der nur die Charakterisirung von weniger als 150 Arten in Frage kommt, jene Schwierigkeiten zur Geltung kommen, mag auffällig erscheinen, kann aber nicht weggeleugnet werden. Nicht ohne Beweiskraft wird dafür die Tliatsache sein, dass auch in anderen früher und genauer durchforschten Gebieten Deutschlands die jüngste Zeit manchen neuen Fund geboten hat , und dass noch heutzutage in den Gattungen Lima.\ , Arion Unio, Anodonta, Limnaeus, Hydrobia viele Arten -Grenz -Streitigkeiten nicht ent- schieden sind. 10 74 Eine Aufzählung der Preussischen Mollusken, wie sie hier folgen soll, kann nach dem Gesagten keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Unfehlbarkeit machen; doch werden durch diese Mängel die charakteristischen Züge unserer Fauna wenig beeinträchtigt, denn auch aus einer lückenhaften Reihe lassen sich allgemeine Ge- sichtspunkte folgern, denen selbst spätere Entdeckungen sich unterordnen müssen. Die Zahl der Schriften , durch welche die Kenntniss der Preussischen Mollusken- fauna gefördert ist, theils direkt durch die Aufzählung neuer Funde, theils indirekt durch die anatomische Behandlung einzelner Arten , ist nicht gross und steht in ihrem Umfange gegen jedes andere deutsche Gebiet merklich zurück. Ein Blick auf jene von K. Th. Menke in der Zeitschrift für Malakozoologie 1848, Jahrgang 5, gegebene „Geographische Uebersicht der um die Molluskenfauna Deutschlands ver- dienten Schriften“ bestätigt dieses. Verfolgt man, wie die malakologische Literatur sich in den verschiedenen Gebieten Deutschlands entwickelt hat, so wird man die Eigenthümlichkeit bemerken , dass fast überall als erste Vorläufer Arbeiten auftreten, in denen die Perlmuschel oder die Auster zum Gegenstände der Betrachtung ge- wählt werden. In einem Küstenlande wird dieser, in einem Binnenlande jener zu- erst Aufmerksamkeit geschenkt. Die innige Beziehung der genannten Thiere zum praktischen Leben erklärt diese Erscheinung und wenngleich noch manches andere Thier aus der Classe der Mollusken für dasselbe Bedeutung gewonnen hat, so sind dieses Beziehungen, die im nördlicheren Deutschland wie überhaupt im nördlichen Europa in den Hintergrund treten. Die Provinz Preussen hat keine auf die Auster oder auf die Perlmuschel be- zügliche Arbeit aufzuweisen. Die Auster ist an ihrer Küste nicht mehr heimisch und ältere Versuche sie an verschiedenen Stellen der Ostsee durch Verpflanzung einzubürgern, scheiterten an dem Umstande, dass der nach Osten stetig abnehmende Salzgehalt des Seewassers ihr Gedeihen verhindert. Ein derartiger Versuch wurde schon im Jahre 1747 an der russischen Ostseeküste mit bedeutenden Kosten und in grosser Ausdehnung unternommen, misslang aber vollständig und ein im Jahre 1852 angeregtes ähnliches Projekt unterblieb, weil sich mehrere Stimmen aus dem ange- führten Grunde gegen die Möglichkeit eines günstigen Erfolges ausgesprochen hatten. Von der Perlmuschel, zu welchem Collektivnamen mehrere Unio- und Anodonta- Arten gerechnet werden , finden sich zwar manche Spezies auch in unseren Gewässern ; doch die wichtigste, Unio margaritifer Retz, fehlt, und die Anderen sind bei uns so karg mit der Produktion ihrer kostbaren Gabe, dass weder die Industrie noch die Lite- ratur sich ihnen zugewandt haben. 75 Nur mit einigem Zwang lässt sich für die Entwickelungsgeschichte der mala- kologischen Literatur Preussens ein Analogon zu dem oben Gesagten auffinden , wenn man nemlich der in der hier chronologisch folgenden Aufzählung sub 1 erwähnten Abhandlung eine Stelle in dieser Reihe gestattet. 1. 1586. Joh. Wigand, D. Episc. Pomezan; de margarita. — Regirnonti. — Die kurze Abhandlung führt die besondere Ueberschrifit : margaritae brevis descriptio. 2. 1731. Klein: de tabulis marinis. — Gedanum. 3. 1738. Carl Henrich Rappolt, Professor physices in Königsberg: „Der grossen Königin in Preussen Sophia Dorothea opfert bei Ihro 52sten Geburtsfeste zu dero himmlischen Vergnügen an Gottes Geschöpfen einige Preussische Schnecken , so ihre Jungen auf dem Rücken ausbrüten.“ — Die Eigentümlichkeit der Neritina fluviatilis L. ihre Eikapseln an das Gehäuse zu heften — ob es das eigene Gehäuse ist, bleibt wohl zweifelhaft — bilden den Gegenstand der Betrachtung. — Ein Ab- druck dieser Arbeit und weitere Nachrichten darüber finden sich im fünften Bande des Erleuterten Preussen. 4. 1753. Derselbe hinterliess, als er 51 Jahre alt 1753 starb, neben vielen anderen begonnenen Arbeiten als Manuscript eine unvollendete 1 Istreographia Borus- sica, also den ersten Versuch einer Provinzial -Fauna. 5. 1753, Mich. Chr. Hanow : „Beschreibung einer grossen Art von Teich- muschel um Danzig,“ — in dessen Seltenheiten der Natur und Oekonomie. — Leipzig Bd. I. — es wird eine Anodonta beschrieben. 6. 1755. Derselbe: „Anmerkungen von den Wasserschnecken und ihrem Wachstliume“ — im dritten Bande derselben Schrift, — es wird darin ein Lim- naeus stagnalis beschrieben und abgebildet. 7. 1785. Fr. Sam. Roch: „Versuch einer wirtschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und West -Preussen.“ Dessau 5 Bde. — Den Mollus- ken wird im 5ten Bande ein Abschnitt gewidmet, 27 Arten werden aufgezählt. 8. 1825. C. E. von Baer: „Mvtili novi descriptio,“ im lateinischen Festpro gramm zur Feier des 50jährigen Doktor- Jubiläums von Carl Gottfried Hagen. — Königsberg. 4. — Es wird der Mytilus ILagenii beschrieben, eine im kurischen und frischen Ilatfe auch in den grösseren Flüssen häufige Muschel. Die Unterschiede, welche v. Baer veranlassten , den Mytilus Ilagcnii als eigene Art von dem früher schon gekannten Mytilus polymorphus Pall, abzutrennen, werden jetzt, nachdem man seinen Formenkreis in grösserem Umfange kennen gelernt, nur als lokale Eigen- tümlichkeiten betrachtet, die nicht zur Abtrennung einer eigenen Art berechtigen« 10* 76 Es muss daher jener Name der älteren Bezeichnung Dreyssena (Tichogonia) ( hem- nitzi Rossm. weichen. Es hat diese Muschel mit vielen anderen das Schicksal ge- theilt, mit vielen Namen überbürdet zu sein, die Last ist aber für sie besonders gross, weil sie erstens schon allein unter 4 Gattungsnamen wählen kann ( Mvtilus, C’ongeria, Tichogonia, Dreyssena) und weil zweitens 4 von ihren Namen nach Män- nern gewählt sind, deren Andenken sie verewigen soll! (Chemnitz, Hagen, Torey, Die yssen). — Dieselbe Abhandlung ist in der Isis 1826 abgedruckt und ein Aus- zug findet sich Feruss. Bull. Sc. Nat. Tom. 8. 1826. 9. 1826. Derselbe: „Bemerkungen über die Entwickelungsgeschichte der Muscheln und über ein System von Wassergefässen in diesen Thieren“ — in Froriep Not. Bd. XIII. No. 265 p. 1. 10. 1827. Derselbe: „Beiträge zur Kenutniss der niederen l’hiere“ — in V Act. Acad. Leop. Carol. T. XIH. P. 2. p. 525 — 762. In diesen Beiträgen, welche in einer Reihe von Abhandlungen die Schmarotzer von heimischen Süss- wassermuscheln und Schnecken behandeln, werden gelegentlich p. 551 auch die untersuchten preussischen Anodonta - Arten aufgezählt. Es sind A. anatina ( Mytilus anatinus L. ). A. piscinalis Nilss? = ventricosa v. Baer — ventricosa C. Pfr. A. cellensis = sulcata Lam. Ein Auszug der Abhandlung ist enthalten in: Feruss, Bull. Sc. Nat. Tom. 16. 1829. p. 291 — 302. 11. 1828. Kleeberi/ : „Synopsis molluscorum borussicox-um “ diss. inaug. Re- gimonti. — Dieses erste vollständige Verzeichniss weist 72 preussische Arten nach, wenn man erstens den ja. 34 angeführten Balanus als nicht zu den Mollusken ge- hörig, nicht mitrechnet, zweitens die jedenfalls nur im Ballast eingeschleppte Mactra solida L. desgleichen, drittens wenn man Pupa museorum und unidentata zu einer Art vereinigt, und wenn man viertens den p. 27 nur durch ein Druckversehen aus- gelassenen Planorbis marginatus Drap, einschaltet. 12. 1829. Derselbe: „Sur les conduits muqueux des Gasteropodes “ — in: Feruss. Bull. Sc. Nat. Tom. 19. p. 389. 13. 1830. Derselbe: „Ueber eine Drüse im Fusse der Gasteropoden.“ — Ein Vortrag gehalten in der 8ten \ ersammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Heidelberg (1829), der in den Protokollen abgedruckt ist m der Isis 1830. p. 574/5. 14. 1830. C. E. van Baer: „Ueber den Weg, den die Eier unserer Süss- wassermuscheln nehmen, um in die Kiemen zu gelangen nebst allgemeinen Bemer- 77 kangen über den Bau der Muscheln.“ — in: Meckels Archiv f. Anat. und Phys. p. 313 — 352. 15. 1830. Derselbe: „Bemerkungen über die Erzeugung der Perlen“ in: Meckel s Archiv 1". Anat. u. Phys. p. .352 — 357. 16. 1835. Derselbe: „Selbstbefruchtung an einer hermaphroditischen Schnecke (Lirnnaeus auricularis) beobachtet.“ — in: Mueller’s Archiv f. Anat. p. 224. 17. 1837. Keber: „De nervis concharum.“ dis* inaug. Berol. 18. 1837. H. Ruthke: „Entwicklungsgeschichte der Mollusken.“ — in: Bur- dachs Physiologie 2. Aufl. Bd. II. 10. 1837. C. Th. von Siebold: „ Eeber den Unterschied der Schalenbildung bei den männlichen und weil »liehen Ariodonten.“ — in: Archiv f. Naturg; .Jahrg. 3. Bd. I. p. 415 — 16. 20. 1838. Derselbe: „Beitrag zur Preussischen Molluskenfauna.“ — in: Preuss. Prov. Blätter. Bd. 23. Vierzehn neue Preussische Arten werden aufgefuhrt. 21. 1840. .1. E. Grube: „I eher die Augen bei Muscheln.“ — in: Mueller’s Archiv f. Anat. p. 24 — 35. 22. 1842. //. Rui Idee : „Bemerkungen über die Entstehung einiger wirbel- losen Thiere (Lirnnaeus, etc.).“ — in: Froriep. N. Not. Bd. 24. N. 517. p. 161 — 168. 23. 1848. Derselbe: „Zur Kenntnis* des Furchungsprozesses im Schneckenei.“ - — ■ in: Archiv t. Naturg. Jahrg. 14. Bd. 1. p. 157 — 162. 24. 18 50. J\ iss u. er : „Abhandlung über die Gasteropoden.“ — im Schulpro- gramm des Gymnasiums zu Eyck, handelt hauptsächlich vom Bau und Entwickelung der Schneckengehäuse. 25. 1851. Keber: „Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichthiere.“ Königsberg. 8„ behandelt Gefäss- und Nervensystem einer Anodonta. 26. 1852. Derselbe: „Beschreibung des Eingeweide -Nervensystems der Teich- muschel (Anodonta).“ — in: Mueller’s Arch. f. Anat. p. 76 — 84. 27. 1852. Derselbe: „Bisherige Ansichten über die Wassergelasse der Teich- muscheln.“ — in: Fror. Tagsber. Nr. 477. Zool. Bd. 2. p. 275 — 278. 28. 1852. Derselbe: „Die Kiemenströmungen der Muscheln.“ — in Fror. Tagsber. Nr. 491. Zool. Bd. 2. p. 302 — 304. 29. 1852. Derselbe: „Berichtigung betreffend den Bncephalus polymorphus.“ — in Fror. Tagsber. No. 566. Zool. Bd. 3. 78 30. 1860. A. Mensche: „Die lebenden Heliceen dei' Provinz Preussen.“ — in: Malakozoolog. Blätter von Menke und Pfeiffer. Bd. VII. p. 1 — 9. Unter den 44 aufgezählten Arten sind 13 für die Provinz neu. 31. 1860. 77 Rathke: „ Entwickelungsgeschichte der Gasteropoden.“ — als Manuskript hinterlassen. Es ist keineswegs wissenschaftlich gerechtfertigt, die Mollusken in die drei Grup- pen: Landbewohner, Süsswasserbewohner, Meerbewohner zu trennen, doch möge eine solche Sonderung für die folgende Darstellung gestattet sein, weil durch sie am leichtesten für die geographische Zoologie vergleichende Gesichtspunkte gewonnen werden können. Es ist leichte Mühe, verwandte Gattungen, die durch diese Ein- theilung von einander getrennt werden , zu einer systematischen Reihe wieder zu vereinigen. A. liandbewoliner. I. Arion Feruss. I . empiricorum Fer. a . ater (Eimax ater L.). ? ß. rufus (Limax rufus L. ). ? y. albus Fer. ? 8. saturate suceineus , limbo lutescente sec. Kleberg. Die Form u und zwar die ganz schwarze, nicht, wie sie überall abgebildet ist mit wechselnd schwarz und rotli gestreiftem Rande, ist häufig anzutreffen in Laub- wäldern. Die Form ß soll nach der mündlichen Versicherung einiger Beobachter an einzelnen Stellen der Provinz leben, ist aber von mir noch eben so wenig gesehen worden, als die Formen 7 und 8, für welche < Kleeberg 1. c. Gewährsmann ist. 2. horte ns is Fer. findet sich nicht selten in Wäldern, desgleichen in Gärten der Stadt Königsberg. 3. subfuscus Drap. Ob der für diese Art gewählte Name der richtige ist, lässt Hevnemann (Malakoz. Blätter Bd. VIR. p. 102) noch zweifelhaft, um so noth- wendiger ist es hervorzuheben, dass, wie aus unserer Correspondence hervorgeht, die von ihm 1. c. sub 3 unter demselben Namen angeführte Art mit der hier bezeichneten identisch ist. Ist bisher nur in wenigen Exemplaren gefunden im Friedrichsteiner Walde und in der Königl. Forst zwischen Frauenburg und Tolkemit (bei Forst- haus Wiek). 79 Zweifelhaft bleibt vorläufig, ob ein ebenfalls bei Forsthaus Wiek gefunde- ner Arion als 4 te Art aufzustellen ist. Bei gleicher Grösse mit hortensis B er. unter- scheidet sich dieses Exemplar erstens durch eine gleichmässig gelbe Färbung , die nur auf der hinteren Hälfte des Schildes durch einen dunkleren ovalen Fleck unter- brochen ist, zweitens durch einen reichlichen gelben Schleimüberzug, und drittens durch den Bau der radula. Bei dieser zähle ich 81 Längsreihren und 121 Quer- reihen, meine Präparate von hortensis weisen bei 90 Querreihen schon 49 bis 51 Längsreihen auf, und die Zählungen von Goldfuss an der gleichen Art (Yerhdlgn. d. naturh. V. d. preuss. Rheinlande u. Westplialens Jahrg. XIII. 1856 p. 60) ergaben auf 30 — 33 Längsreihen 96 — 115 Querreihen. Wie sehr auch die Resultate sol- cher Zählungen schwankend sind, so geben doch die proportionalen Verhältnisse zwischen Quer - und Längsreihen brauchbare Anhaltspunkte ab. Noch eine beson- dere Abweichung im Bau der radula unseres Präparates ist die Form der äusseren Zähne, dieselben sind nämlich kammförmig mit vielen Zahnvorsprüngen besetzt. II. Limax Mueller. 1 . cinereus Mueller. nach Kleeberg in Wäldern bei Elbing und in dem bota- nischen Garten von Königsberg, aber nirgends häufig anzutreffen. Ausserordentlich grosse Exemplare, wie sie mir nie lebend zu Gesicht kamen, von der zweiten Fund- stelle herrührend bewahrt das hiesige Zoologische Museum aut. 2. einer eo - niger Wolf. gefunden in der Nähe von Königsberg bei Wargen und bei dem sog. Trenker Waldhaus. 3. variegatus Drap, gefunden in Königsberg in Kellern und auf der Strasse. 4. ugrestis L. überall gemein in Gärten und Feldern. Bei den vielfachen Ab- weichungen in Färbung und Zeichnung lässt sich diese Art immer leicht erkennen an dem milchigen Schleimüberzug, nur bei ganz jungen braunen Thieren kommt man in Versuchung sie für Limax brunneus Drap, anzusehen. Doch die Beobachtung von lebenden Thieren der letztem Art, die ich den Herren Heynemann in F 'rankfurt a^M. und Dr. Wralser in Schwabhausen (Oberbayern) verdanke, macht mich sicher, «len wahren brunneus Drap, in Preussen noch nicht angetroffen zu haben. >). eine ins Mueller. Die Benennung dieser Art stützt sich auf die von Heyne- maun 1. c. p. 101 gegebene Kritik. Fundort: Waldung bei Forsthaus Wiek, Park von Warniken. 6. arborum Rouchard. an Baumstämmen meist Buchen bei Forsthaus Wiek und Wamiken zahlreich gefunden. 80 II I. Vitrina Drap. I. peUucida Muell- lobt verbreitet auf dem Boden unter Moos und faulem Laube. IV. Succmea Drap. 1. putris L. sehr gemein auf Pflanzen, die am Rande des Wassers stehen, legt seine Eier in die Spalten von verfaultem Holz hart am Uferrande. 2. oblonga Drap. Fundorte: Uferabhänge bei Neukuhren, Trenker Waldhaus. 3. Pfeifferi Rossm". in diesem Jahre zuerst gefunden in Königsberg am Philo- sophendamm auf schlammigem Boden kriechend. V. Helix L 1. pomatia L. lebt bei uns nicht allein in Gärten, sondern auch in W aldun- gen, z. B. zahlreich bei Forsthaus Wiek. 2. arbustorum L. in feuchten Wäldern, aber nur auf begrenzte Gebiete zer- streut, so: Samlands Nordküste, Umgebungen von Elbing, von Danzig. 3. nemoralis L. in Gärten gemein. Folgende Bändervarietäten wurden bisher von mir gefunden: , 1 2 3 4 5, 3 , 1 2 3 4 5, 12 3 45, 1 2 3 4 5, 1 23 4 5, 1 2 3 4 5, - 3 — 5 , 1 — 3 4 5, und zwar die erste am häufigsten, je weiter folgend um so seltener. Die hellgelbe Grundfarbe, wie sie bei den süddeutschen Exemplaren vorherrscht, ist hier selten, vorherrschend häufig findet sich ein rothgrauer Grundton. 4. kortensis Müll, lebt an den gleichen Stellen wie arbustorum L. Nur vier verschiedene Bänderformen sah ich bis jetzt, davon die ersten beiden häufig, 1 23 4 5, , U2 3 4 5, 1 2 — 4 5. 5. Indem Chemnitz. Fundorte: Wamiken, Wiek, Danzigs Umgebung. fl. personata Lum. Wenige aber meist lebende Exemplare erhielt ich im Sommer 1860 aus Forsthaus Wiek durch Herrn E. Schwarz. Sollten nicht noch andere Lokalitäten in der Provinz dieses interessante Thier beherbergen? 7. lapicida L. als einziger Standort ist Danzigs Umgebung bekannt: aus Zop- pot und aus Oliva sind mir Exemplare mitgetheilt. S. pulchella Muell. überall häufig auf Wiesen und in Gärten, besonders ge- mein auf Röhricht an Grabenrändern. 9 costata Mue/l. viel seltener als die vorige und mehr auf schattigem Boden an faulem Holz und Laub. 10. rotundata Muell. nicht selten in Wäldern auf feuchtem Moos und an verfaultem Holz. 81 l I. ruderata Stader. Meine in den Malakoz. Blättern 1. c. p. 9. ausgespro- chene Vernnithung, dass diese Art sich in Preussen finden werde, hat sich schon im vorigen Jahre bestätigt,. Ein Exemplar fand Herr Kino im Walde von Klein- heide, ein zweites fand ich unter fauler Baumrinde im Park von Warniken. 12. pygmaea Drap. Diese wegen ihrer Kleinheit schwer aufzufindende Art scheint auf faulem Holz und Röhricht an feuchten tiefliegenden Stellen nicht sel- ten zu sein. 13. fu/va Mae//, häufig in feuchtem Moos. 14. nitidula Drap. Fundorte: Warniken, Russeozyn bei Danzig. 15 pura A/der. im feuchten Moos und an faulem Holz häufig. 16. nitida Mae//, häufig auf feuchten Stellen. IT. crystallina Muell. wie No. 15 häufig und ebend. IS ce/laria Mae//, in Kellern und am Pregeldainm häufig. Von einem aussergewöhnlich grossen Exemplar berichtete ich 1. c. p. 4. 19. fruticum Muell. röthliche, weisse und einbändrige Exemplare besitze ich von den Orten Warniken, Gerdauen, Russeozyn, Oliva, Zoppot, Wiek. 20. strigella Drap. Fundorte: Warniken, Danzigs Umgebung, (Russeozyn, Oliva, Zoppot, Pelonken). 21. ericetorum Mae//, nach von Siebold bei Danzig, habe leider noch kein preussisches Exemplar erhalten, so dass ich noch nicht entscheiden kann, ob nicht vielmehr die auch bei Berlin gefundene candicans Zgl. darunter zu verstehen ist. 22. / nspida L. sehr verbreitet, besonders in Gärten. 23. sericea Drap, sehr gemein auf Wiesen, die preussisehen Exemplare ent- sprechen am meisten der Beschreibung von H. rubiginosa Zgl. VI. Bulimus Brag. I. obscurus Muell. Fundorte: Warniken, Wiek. VII. Achatina Lam. 1. /ubrica Mae//, überall häufig. 2. acica/a Mae//, gefunden bei Russeozyn und auf den Pregelwiesen bei Königsberg. VIII. Pupa Drap. I. muscoram L. a. edentula = muscorum Pf. ß. unidentata Pf. sehr verbreitet in beiden Formen. 11 82 2. frumentum Drap, von Kleeberg gefunden, mir sind zweifellos preussische Exemplare noch nicht zu Gesicht gekommen. 3. doliolum Brug. lebt nach von Siebold bei Danzig. 4. minutissima Htm. bisher nur in einem preussischen Exemplare bekannt, welches aus Russcozyn herstammt. 5. antivertigo Drap, gemein auf den Pregelwiesen und auch sonst überall da zu finden , wo Helix pulchella Müll, lebt, 6. pygmaea Drap, viel seltener als die vorige Art, aber mit ihr an demsel- ben Orte lebend. R pusilla Mae//, subfossil im Mergel häufig, lebend gefunden bei Russoczyn. IX. Clausilia Drap. 1. / aminata Mtg. an vielen Stellen der Provinz häufig, z. B. bei Warniken, Neukuhren, Wiek, Cadinen, Pelonken, etc. 2. orthostoma Mk. einziger bekannter Fundort: Warniken. 3. ventricosa Drap, gefunden bei Danzig, Russeoczyn, Warniken, Wiek, Kreuzburg. lieber zwei auffallend grosse Exemplare von Kreuzburg herstammend, siehe Malakoz. Blätter Bd. VII. p. 6. 4. bip/icata Mtg. nur in wenigen Exemplaren bei Warniken gefunden. 5. fi/ograna Zgl. Fundorte: Warniken, Wiek. 6. dubia Drap. Fundorte: ebenda. ~. pumita Zg /. bei Wiek gesammelt, ein bei Königsberg angeschwemmtes Exemplar mag auch aus jener Gegend herstammen. 8. plicata Drap, ist die häufigste Art dieser Gattung , bleibt aber auch wie 5 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 55 v. Gramatzki, Rittergutsbesitzer auf Tharau bei Wittenberg. Grentzenberg, Kaufmann in Danzig. Groddeck, Landschaftsrath auf Baum- garten bei Barten. Grube, Dr. , Professor und K. Kuss. Staatsrath in Breslau. Grün au, Gutsbesitzer auf Marienberg bei Friedland. Hagen, Geheime Ober-Baurath in Berlin. Hagen, A. , Stadtrath in Berlin. Haidinger, Dr. , IC. K. Hofrath und Akademiker in Wien. Hartig, Dr. , Professor und Forstrath in Braunschweig. Hartung, G. , in Heidelberg. Heidemann, Rittergutsbesitzer auf Pinnau bei Brandenburg. v. Heister, General a. D. in Naumburg. Helmhol tz, Dr. . Professor in Heidelberg. Henke, Staatsanwalt in Marienwerder. Hensche, Rittergutsbesitzer auf Alischken. Herd in ck, Dr., Regierungs - Assessor in Potsdam. Hesse, Dr., Professor in Heidelberg, v. Hin der sin, Generalmajor in Breslau, v. d. Hofe, Dr. , in Danzig. Hohmann, Oberlehrer in Tilsit, llöpner, Generalpächter auf Neuendorf, v. Horn, Premier - Lieutenant in Stettin. Jachmann, Kommerzienrath in Berlin. Jacobi, Dr., Professor , Staatsrath , Aka- demiker in St. Petersburg. Jacobi, Dr., Professor der Theologie in Halle. .Takstein, Apotheker in Marienburg, v. J®inson, Oberstlieutenant a.D. inßrauns- berg. Kahler, Pfarrer in Marienfelde bei Pr. Holland. Kanitz, Graf, auf Podangen. Kascheike, Apotheker in Drengfurth. v. Kathen, Regierungs- und Forstrath in Potsdam. Kern, Rittergutsbesitzer auf Aweiden. v. Keyserling. Graf, auf Rautenburg. Kirchhoff, Dr., Professor in Heidel- berg. v. Kitzing, Appellationsgerichts-Präsident in Cöslin. Klatt, T., Oekonom in Danzig. Kliewer, Kaufmann in Danzig. Herr 55 55 55 55 55 55 55 59 55 55 55 55 55 55 99 55 55 59 v. K linggräff, Dr., Baron , auf Paleschke bei Marienwerder. Kl ins mann, Dr. med. in Danzig, v. Knoblauch, M., auf Linkehnen. Knoblauch, Dr., Professor in Halle. Koch, Rittergutsbesitzer auf Powarben. v. Korff, Baron in Berlin. Körnicke. Dr. , Professor in Waldau. Kowalewski, W. , Kaufmann in Danzig. Krebs, Oberinspektor auf Düsterwalde bei Zinten. Kuck, Gutsbesitzer auf Plackheim bei Friedland. Kumm, Kaufmann in Danzig, v. Kunheim, Kammerherr auf Juditten. Lepsius, Regierungsrath in Erfurt. Loew, Dr., Direktor der Realschule in Meseritz. Lous, Kammerherr auf Kläukendorf. Luckner, Graf. Lüp schütz, Dr., Privatdocent in Bonn. Maresch, Oberst in Berlin. Menge, Oberlehrer in Danzig. Milewski. Kammergerichtsrath in Berlin. Mobs, Rittergutsbesitzer auf Trenk. Moldzio, Rittergutsbesitzer auf Robitten bei Zinten. Müller, Geheime Kriegsrath in Berlin. Müller, Ingenieurhauptmann in Graudenz. M Unter, Dr., Professor in Greifswald. Naumann, Bankdirektor in Danzig. Neumann, Appellationsgerichtsrath in Insterburg. Nöggerath, Dr., Professor und Geheime Oberbergrath in Bonn. Ohlenv. Adler skr on, Major und Platz- Ingenieur in Glogau. Oppenheim*, A., Particulier in Berlin, v. Othegraven, Generalmajor in Neisse. Pancritius, Direktor in Thorn. Patsch ke, Mühlenbesitzer in Zinten. Pawlowski, Major a.D.. Rittergutsbesitzer auf Lapsau. Pelz, Gutsbesitzer auf Crossenfelde bei Pr. Holland. Peters, Dr., Professor und Direktor der Sternwarte in Altona. Pfeffer, Stadtrath und Syndikus in Danzig. Pfeiffer, Amtmann auf Friedrichstein. Pfeil, Staatsanwalt in Glogau. Pföbus, Dr., Professor in Giessen. VI Herr Pin der, Oberpräsident a. D. zuWoinowitz bei Ratibor. Plaschke, Gutsbesitzer auf Allenau bei Friedland. „ P reu ss man n, Apotheker in Marienburg. „ v. Putt kämm er, Generallieutenant in Stettin. „ v. Raumer, Regierungsrath in Frank- furt a, 0. „ Richter, A., Rittergutsbesitzer auf Schreit- lacken, „ Riess, Dr. in Berlin. „ Ritthausen, Dr. , Professor in Waldau bei Königsberg. „ Sachsen, General - Landschafts - Rath auf Gr. - Karschau. „ v. San den, Baron, Rittergutsbesitzer auf Toussainen. „ Schimmelpfennig, Thierarzt in Zinten. „ Schlenther, Domainen-Intendant in Tilsit. „ Schmidt, R., Dr. , Direktor der höheren Töchterschule in Elbing. „ v. S c h m i e d e k e , Direktor des Appellations- gerichts von Cöslin. „ Schn aase, Prediger in Danzig. „ Schrewe, Rittergutsbesitzer auf Samitten. ,, Schlicht, Oberinspektor in Jaecknitz bei Zinten. Scliultze, Oberlehrer in Danzig. Schweickart, Prem. -Lieutenant in Berlin. Selander, Dr., Professor in Upsala, de Selys - Longchamp , E., Baron, Akademiker in Brüssel. Settegast, Oekonomierath und Direktor der landwirthschaftlichen Akademie in Wal- dau bei Königsberg. Seydler, Fr., Conrektor in Braunsberg, v. Sieb old, Dr. , Professor in München. Herr 11 ii ii •)•) •n •n r> V) •» V) v r> Siegfried, Rittergutsbesitzer auf Scandlack. Siegfried, Rittergutsbesitzer auf Jaeglack bei Barten. Simson, E. Dr., Vicepräsident des Appella- tionsgerichts in Frankfurt a. 0. Stannius, Dr. , Professor in Rostock. Stiem er, Dr. med. in Ueiligenbeii. v. Struve, Wirkliche Staatsrath und Di- rektor der Sternwarte in Pulkowa. Suck er, Generalpächter auf Arcklitten bei Gerdauen. de Terra, Generalpächter auf Wehnen- feld. v. T et tau, Baron auf Tolks. Thiene mann, Dr. , Kreisphysikus in Sensburg. T h i in m , Rittergutsbesitzer auf Korschellen bei Zinten. Toop, Pfarrer in Cremitten bei Tapiau. v. Troschke, Generalmajor in Berlin. Tr lisch, Generalpächter auf Linken, v. Twardowski, Generallieutenant in Frankfurt a. M. Uhrich, Bauinspektor in Coblenz. Wald, Dr., Regierungs- Medicinalrath in Potsdam. Wallach, Erster Direktor der Kgl. Ober- rechnungskammer in Potsdam. Warschauer, Bauquier in Berlin. Weiher, Oberinspektor auf Pellen bei Zinten. v. Werder, Hauptmann. Wimmer, Dr. . Gymnasialdirektor in Breslau. v. Winterfeldt, Obrist. Wittrin, Apotheker in Heiligenbeil. Z i m mer, Rittergut sbesitzer auJj^Sausseden bei Zinten. e r i e über die hi den Sit z ii n « e u der Königlichen physikalisch - Ökonomischen Gesellschaft x» g e Ii a 1 1 e ii e n V o r t r ä g e im Jahre IM61. Privatsitzung am 4. Jannar. Dr. H. Hagen las über natitrhist arische Sammlungen des Mittelullers. Professor Caspary berichtete über Dr. H. Karstens Untersuchungen der Frucht- bildung der Caelebogyne ilicifolia , einer neuholländischen Euphorbiacee, welche, wie man meinte, keimfähige Saamen ohne Befruchtung erzeugte, indem man die in den Gewächshäusern Europa’s vor- handenen Pflanzen für bloss weiblich hielt. Karsten (Das Geschlechtsleben der Pflanzen und die Parthenogenesis , Berlin 1860.) giebt jedoch an. dass etwa jede fünfte Bliithe ein Staubblatt enthalte und führt somit die Saamenbildung dieser Pflanze auf die normale Weise zurück. Professor Caspary »prach die Erwartung aus, dass Karsten’ s Beobachtung von andern Seiten her bestätigt werden würde, und rügte die unwürdige Art, mit der Dr. Karsten sich erlaubt seine wissenschaftlichen Gegner zu behandeln, indem er sie nicht bloss widerlegt, sondern sie zu erniedrigen, ja selbst ihren mora- lischen Charakter zu besudeln trachtet, obgleich Karsten selbst sehr der Nachsicht bedarf, da er mit der ausschweifendsten Phantasie auch in jener letzten Schrift wiederum eine Menge unwahrer Behauptungen aufstellt. Professor Caspary theilte ferner mit, dass Prof, de Bary in Freiburg in Baden die wichtige und interessante Entdeckung von Sch wärmsporen bei einigen Pilzen, unter andern bei dem Kartoffel- pilz (Peronospora devastatrix Casp.) gemacht habe, welcher auf dem Kraut der Kartoffel die braunen der trockenen und nassen Fäule der Knollen vorausgehenden Flecken verursacht und endlich auch die Fäule der Knollen bewirkt. (De Bary in den Berichten der naturf. Gesellschaft in Freiburg 1860.) Endlich sprach Professor Caspary über Beschädigungen von Bäumen durch den Blitz , worüber ein ausführlicher Aufsatz in diesem Hefte Pag. 41. mitgetheilt ist. Diesem letzten Vortrage fügte Prof. Luther einige Mittheilungen hinzu aus den Arago’schen Beobachtungen über die Wirkung des Blitzes. * Sitzungsberichte. Privatsitzung am 1. Febrnar. Stadtrath Hensche sprach über einen auf der kurischen Nehrung bei Nidden gefun- denen Knochen , welcher ein Schädelfragment eines der Gattung ßalaena ungehörigen Thieres und wahrscheinlich fossil ist; worauf Dr. H. Hagen den im Sitzungszimmer aufgestellten Knochen der Gesellschaft vorzeigte und näher beschrieb. Beide Vorträge, so wie die nach sehr gelungenen Pliotographieen gemachten Abbildungen sind bereits im vorigen Jahrgange Pag. 147 u. 156 mitgetheilt. Professor Wert her hielt einen Vortrag über das Ozon. Privatsitzung am 1. fflärz. Professor F riedländer hielt folgenden Vortrag über merkwürdige Natur- und Kunst erzeugnisse , die wahrend der Kaiserzeit in Rom öffentlich ausgestellt zu werden pflegten .• Merkwürdige und seltene Erzeugnisse der Natur und Kunst aus fremden Ländern wurden wäh- rend der Republik besonders bei zwei Gelegenheiten in Rom öffentlich gezeigt : bei Triumphen und Spielen. Seit Pompejus, der beim Mithridatischen Triumphe den Ebenholzbaum zur Schau tragen liess (Plin. H. N. XII. 20.), wurden, wie Plimus sagt, auch Bäume im Triumphe aufgeführt, wie im jüdischen die Balsamstaude (ib. 110.). Die bei Spielen zum Schmuck des Forum und Comitium und sonst verwendeten Prachtstücke (insignia) waren zwar vorzugsweise Kunstwerke, doch auch Natur- seltenheiten. So zeigte Scaurus in seiner Aedilitaet ausser anderen Merkwürdigkeiten (miracula) die von Joppe gebrachten Knochen des Ungethüms, dem Andromeda ausgesetzt war, stärker als die Rippen indischer Elephanten (Plin. II. N. IX. 11.). In der Kaiserzeit wurde aus den Provinzen alles Sonderbare und Seltene, wenn möglich, aij die Kaiser gesandt, die es öffentlich auszustellen pflegten, worauf es dann später an allgemein zu- gänglichen Orten, besonders in Tempeln aufbewahrt wurde, deren Räume im Alterthume überhaupt vielfach als Museen jeder Art dienten. Diese wie alle Merkwürdigkeiten hiessen miracula. Von solchen Ausstellungen gaben die acta diurna wohl oft Nachricht , aus welchen die Verfasser von Stadt- chroniken und Schriftsteller schöpften, womit natürlich nicht behauptet wird, dass alle derartige Notizen mittelbar oder unmittelbar aus dieser Quelle herrührten, da ja z. B. Plinius auch vieles als selbst gesehenes berichtet. Abnormitäten der menschlichen Bildung erregten vielleicht das meiste Interesse in einer Zeit, wo nicht nur Zwerge in vornehmen Häusern gern gehalten wurden, und man diese Verkrüppelung selbst durch künstliche Vorrichtungen zu erzielen suchte, sondern auch Riesen und Riesinnen (Mar- tial Vn. 38.) , wo „ ächte “ Cretins einen hohen Preis hatten und Hermaphroditen äusserst beliebt (in deliciis habiti Plin. H. N. VH. 34.) waren; wo es in Rom einen Markt für Missgeburten gab, auf dem Liebhaber Exemplare von wadenlosen, kurzarmigen, dreiäugigen, spitzköpfigen Menschen fanden (Plut. de curios. c. 10.). Sitzungsberichte. 3 August stellte einen Knaben Lucius öffentlich aus, der nicht volle zwei Fuss gross war, 17 Pfund wog und dabei eine Stentorstimme hatte (Suet. Octav. 43.); dagegen wurde unter Claudius Regierung ein Riese von 9f Fuss (röm. = 9' 2" 6"' preuss.) gezeigt, der aus Arabien gebracht war, Namens Gabbara (auf arabisch Riese; vergl. Fleischer bei Sillig zu Plin. H. N. VII. 74.). Vielleicht, ist er derselbe, von dem Columella (R. R. II. 18, 2.), der ihn einen Juden nennt, sagt, dass er vor Kurzem bei einer pompa cirrensis gezeigt worden sei, grösser als die grössten Deutschen. Auch Tiberius er- hielt von Artabanus unter anderen Geschenken einen sieben Ellen langen Juden, Namens Eleazar, og ö/u to [ttycüog y/yaeg Inty.a'Ksno (Jos. Ant. jud. XVIII. 4,5.). Dergleichen Naturseltenheiten wurden in Rom auch nach ihrem Tode zur allgemeinen Kenntnissnahme aufbewahrt. Plinius sah Körper von Zwergen in Behältern; ein Riese und eine Riesin aus der Zeit Augusts waren in einer Gruft der Sallustischen Gärten zu sehen (VIT. 75). Zu Claudius wurde aus Antiochia am Mäander ein Wesen gebracht, das bis zum Alter von 13 Jahren Jungfrau gewesen war und sich dann, im Jahr 45, kurz vor der Hochzeit in einen Mann verwandelt hatte; zu Nero im Jahre 61 ein Kind mit vier Köpfen, dessen übrige Glieder entsprechend gebildet waren (Phlegon. Trall. ed. Bas. 1568. p. 75 u. 84). Wenn merkwürdige und seltene Thiere nach Rum kamen, stellte sie August, der an ihrem Anblick eine besondere Freude hatte, auch ausser den Spielen an verschiedenen Orten aus: eine Schlange von 50 Ellen Länge auf dem Comitium, ein Rhinoceros bei der Septa, einen Tiger auf der Bühne (Sueton. Oct. 43, vergl. Rh. Mus. X. S. 565. Q. 2.). Den Vogel Phönix liess Claudius i. J. 47 auf dem Comitium sehen, doch niemand zweifelte an seiner Unächtheit (Plin. II. N. X. 5., Tac. A. VI. 28, Dio LVTLI. 27). Auch die weissen Hirsche, die Pausanias in Rom bewunderte (VT1I. 1 7. 3.) scheinen öffentlich zur Schau gestellt gewesen zu sein, dagegen die IX. 21. erwähnte Thiere wird er im Amphitheater oder in Käfigen gesehen haben. Das Modell von dem Gerippe eines Walfisches, der sich ins Mittelmeer verirrt hatte, zeigte Sever im Amphitheater , wie es scheint, bei Schauspielen : 50 Bären hatten darin Platz (Dio LXXV. 16.). So hatte auch Tiber einen Balken von dem längsten bis dahin gesehenen und auch zu Plinius Zeit nicht übertroffenen Baumstamm öffentlich ausgestellt. Er war von einer Lärche, bei einer gleich— mässigen Dicke von 2 Fuss, 120 (röm.=113^ preuss.) Kuss lang. Er wurde bei dem Bau von Neros Amphitheater verwandt. Agrippa hatte in einer Säulenhalle der von ihm gebauten Septa ebenfalls der Merkwürdigkeit halber einen Balken liegen lassen, der 20 Fuss kürzer und 1 ( Fuss dick war (Plin. II. N. XVI. 200.). Auch Wunder des Pflanzenreichs wurden gewiss regelmässig aus allen Provinzen an die Kaiser eingesandt. An August schickte ein Jrocurator aus Byzacium in Africa beinahe 400 aus einem Weizenkorn entsprossene Keime ; aus derselben Gegend erhielt Nero 360 Halme aus einem Korn (Plin H. N. XVIII. 94.), aus Cyrenaiea ein Exemplar der Pflanze Silphion, eine grosse Seltenheit, da sie damals dort völlig ausgegangen war (ib. XIX. 39). Unter Nero wurde auch in Kappadocien ein weisser durchscheinender Stein von der Härte des Marmors entdeckt, den mau bald darauf auch in Rom kennen lernte; denn Nero baute daraus einen Fortunatempel im goldenen Hause, in dem es bei Tage, auch wenn die Tlüiren geschlossen waren, hell blieb (ib. XXXVI. 163). Mehr als einmal erregten auch Vielfresser das allgemeine Interesse der Stadt Rom. „Unter Nero“ berichtet der Chronist v. J. 354, „war ein Vielfresser, von Geburt ein Alexandriner, Namens Arpocras, welcher folgendes Wenige verspeiste (manducavit pauca): ein gekochtes Wildschwein, eine lebendige Henne mit ihren Federn, 100 Eier, 100 Pinienkerne, Schuhnägel, Glasscherben, Reiser von einem Palmenbesen, 4 Tischtücher, ein saugendes Ferkel, ein Bündel Ueu — und dann noch a* 4 Sitzungsberichte. hungrig zu sein schien“. Man erzählte sich, dass Nero gewünscht habe, ihm lebendige Menschen iu zerreissen und zu fressen zu geben (Suet.. Ner. 37.). Ein anderer liess sich unter Alexander Severus sehen, von dem derselbe Chronist ähnliches berichtet, ein dritter, Namens Phagra. unter Aurelian, der an ihm sehr grosses Gefallen fand (vit. Aurel, c. 50.). Auch Beispiele unerhörter Fruchtbarkeit und vielfältiger Geburten wurden in Rom gerne zur öffentlichen Kenntniss gebracht und zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Pompejus stellte in seinem Theater Bilder von merkwürdigen Personen auf; darunter befand sich das einer Frau Eutycliis aus Tralles, die 30 Kinder geboren, von denen 20 ihre Leiche zum Scheiterhaufen getragen hatten (Plin. H. N. VIJ. 39.). Die Acta vom 11. April 5. vor Chr. berichteten, dass ein Bürger aus Faesulae mit 8 Kindern, 28 Enkeln. 19 Urenkeln, 8. Enkelinnen auf dem Kapitol geopfert habe (ib. VII. 60.), was freilich wohl nicht bloss als Merkwürdigkeit berichtet wurde, sondern um der immer mehr zunehmenden Ehe- und Kinderlosigkeit ein leuchtendes Beispiel entgegen 'zu halten. Unter Diocletian und Maximin, berichtet die Stadtchronik von 354, gebar in Rom eine Frau Namen* Irene Vierlinge, drei Knaben und ein Mädchen. In den Iligesten wird wiederholt erwähnt, dass unter Hadrian eine Frau aus Alexandrien nach Rom gebracht worden sei, Namens Serapias, die vier Kinder in einer Geburt und 40 Tage darauf eiu fünftes zur Welt gebracht hatte. (Ulpian Digg. V. 4, 3. Nach Gajus war es nur eine einzige Geburt ib. XXXIV. 5. 768.). Es ist doch wohl dieselbe Frau, von der Phlegon von Tralles erzählt , dass ihre Kinder auf Kosten des Kaiser Trajan erzogen wurden (Mirac. Pag. 85. ed. Bas. 1568.). Derselbe berichtet auch, dass er einen Mann , von 136 Jahren gesehen, der zum Kaiser Hadrian gebracht worden war (ib. P. 92.). Hin und wieder wurden aus dem weiten Reiche auch angebliche Geschöpfe aus der Fabelwelt nach der Hauptstadt gebracht. Aus der africanischen Wüste, in der es wilde Männer und Weiber geben sollte, welche letztere einige für die Veranlassung der Medusensage hielten, soll einmal ein wilder Mann nach Rom gebracht worden sein, wann? ist nicht zu ermitteln, denn Pausanias, der e* erzählt, beruft sich auf einen unbekannten Schriftsteller, den Karthager Procles, Sohn des Eucrates (Paus. II. 21, 7.). Unter Claudius wurde ein Hippocentaur auf einem Berge in Arabien lebendig gefangen, und mit anderen Geschenken für den Kaiser Claudius an den Präfecten von Aegypten gesendet; dort starb er, wurde in Honig aufbewahrt , nach Rom befördert und im kaiserlichen Palast gezeigt. Phlegon beschreibt ihn ausführlich und sagt P. 86, wer es nicht glauben wolle, könne ihn noch sehen. Dasselbe erwähnt kurz Plinius (H. N. VII. 35.). Von Titanen und Nereiden scheint man bis auf Plinius Zeit nur Berichte erhalten zu haben. An Tiber kam eine Gesa.ndschaft aus Olisippo (Lissabon) mit der Meldung, dass dort ein Triton in bekannter Gestalt in einer Höhle auf einer Muschel blasend gesehen und gehört worden sei; und eine Nereide, gleichfalls in bekannter Gestalt, aber auch an der menschlichen Hälfte des Leibes mit Schuppen bedeckt, war an demselben Ufer gesehen worden, und die Bewohner hatten weithin das klägliche Gewinsel der sterbenden Nixe gehört. Dies und Aehnliclies berichtet Plinius (H. N. ,IX. 9.). Doch Pausanias sah einen Triton zu Rom (fr toic ‘Pco/.iai'iov ■d-at’/.tuai IX. 21.), mit grünen Haaren, Schuppenhaut, grossen Zähnen, die Hände mit muschelartigen Schalen bedeckt, in einen Fischschwanz endigend. Eine angebliche Reliquie aus der Heroenzeit erhielt Tiber i. J. 17, als ein Erdbeben Kleinasien und mehrere andere Gegenden erschütterte. An Orten, wo die Erde aus einander klaffte, fand man Ueberreste von Körpern von ungeheurer Grösse, und schickte zur Probe von einem derselben einen Zahn an Tiber, der mehr als einen Fuss mass, mit der Frage, ob man den ganzen Heroen nach- Sitzungsberichte. S senden solle. Tiber wollte die Ruhe der Heroen im Grabe nicht stören, doch liess er, um sich von ihrer Grösse eine Vorstellung zu machen, von einem Geometer Namens Pülcher das Modell eine* Kopfes in der Grösse anfertigen, die er nach der Länge des Zahnes gehabt haben musste; dann schickte er den Zahn zurück (Phlegon nach dem Grammatiker Apollonius p. 82.). An diesen Vortrag knüpfte sich eine Discussion, an der sich viele Mitglieder der Gesellschaft betheiligten, indem für manche der berichteten Merkwürdigkeiten ähnliche Fälle aus der neueren Zeit angeführt wurden. Professor Körn icke hielt einen Vortrag über den Rüsselkäfer , welcher Verheerungen in den Säumen der Ackerbohnen (Vieia Faba L.) anrichtet. Dieser wurde bisher gewöhnlich mit Bruchus granarius L. bezeichnet, während es Br. rufimanus Schoenh. ist. Hervorgerufen wurde dieser Vortrag einestheils dadurch, dass der Käfer in unserer Provinz sehr häufig auftritt, andern- theils durch die übertriebenen Angaben seiner Schädlichkeit und die verkehrten Vorbeugungsmittel, welche angerathen waren. Schon Dr. Hagen hat in den Landwirthschaftlichen Jahrbüchern aus Ost- preussen Jahrg. 1859 S. 191 seine Beobachtungen mitgetheilt, welche durch die Erfahrungen des Referenten bestätigt und zugleich unter Mithilfe des I)r. Hagen erweitert wurden. Die Aufmerksam- keit auf das Thier wird zunächst durch die runden Löcher in den Ackerbohneu gerichtet, ln den meisten Fällen findet man diese Löcher , die sich zahlreich in der zweiten Hälfte des Winters , in geringerem Maasse schon früher zeigen, leer, in andern Fällen noch mit den Käfern als Insassen. Richtet man nun seine Aufmerksamkeit auf die übrigen scheinbar noch unverletzten Bohnen, so bemerkt man häufig eine kreisrunde hellere, oft durch einen dunklem Rand gezeichnete Stelle. Wird hier die Saamenschale entfernt, so '.zeigt sich darunter in einer cylindrischen sackartigen Höhle der Käfer oder die Puppe. Sieht man sich eine solche Bohne genauer an , so findet man in einer kleinen dunklen Stelle eine Durchbohrung der Oberhaut. Diese führt in einen unregelmässig ausgefressenen Gang, erfüllt mit aus Stärkemehl bestehenden Excrementen, welcher in jene grössere den Käfer oder die Puppe enthaltende Höhle mündet. Damit ist zugleich im Wesentlichen der Lebenslauf der Larve bis zum vollkommenen Insekt angegeben. Will der Käfer seine Wohnung verlassen, so umnagt er jene hellere Stelle. ( das Auge) scharf und stösst endlich die kreisrunde Decke ab. Dies geschieht während des ganzen Verlaufs des Winters, so dass er hei der Aussaat im Frühjahr, mit verhält- nissmässig geringen Ausnahmen, die Bohne schon verlassen hat. Es ergiebt sich daraus von selbst, dass alle Mittel, die man zur Zeit der Aussaat an den Bohnen anwendet, nutzlos sind. Ueber den weitem Lebenslauf geben uns die Beobachtungen, welche Kollar in Wien an dem nahe verwandten Erbsenkäfer (Bruchus pisi L.) anstellte, interessante Aufschlüsse. Er fütterte zahlreiche Exemplare dieser Art mit Blüthen, deren Blumenstaub sie frassen, aber erst als er ihnen junge Erbsenhülsen vorlegte, begatteten sie sich auf diesen und legten die Eier ^ab, welche sie auf die Schalen festklebten. Die sehr kleinen aus den Eiern geschlüpften Larven frassen sich dann durch die Hülse in den jungen Samen, und noch im reifen Zustande zeigt sich die Verletzung, durch welche sie eingedrungen sind. Auch auf den jungen Hülsen unserer Pferdebohnen kann man Anfangs des Sommers die wasserhellen länglichen Eichen sehen. Unsere gewöhnlichen kleinen Pferdebohnen enthalten meist nur einen Käfer , nicht selten aber auch zwei. Grössere Pferdebohnen aus Darkehmen, welche mehr zum mensch- lichen Genuss bestimmt waren, (sogenannte Schweinebohnen), enthielten meist zwei, nicht selten drei. 6 Sitzungsberichte. ja auch vier und fünf Käfer. — Ein Mittel gegen den Käfer würde das Dörren der Bohnen gleich nach der Erndte sein. Erbsen verlieren bei 41 1 11 R. ihre Keimkraft nicht, aber wohl wird der Käfer dadurch getödtet. Alle übrigen Mittel, die bisher angegeben sind, erfüllen ihren Zweck nicht und können ihn naturgemäss auch gar nicht erfüllen. — - Der Verlust stellte sich bei unsern Pferdebohnen etwa auf bei den Darkehmener Schweinebohnen aber höher. Die angegriffenen Bohnen sind zur Saat vollkommen tauglich imd liefern ebenso kräftige Pflanzen, wie gesunde Bohnen, es sei denn, dass das Knöspchen oder AVurzelcheu verletzt ist, was nur ausnahmsweise Statt ttndet. Ausser dein Bohnenkäfer wurde noch Bruchus granarius L. vorgezeigt, welcher aus den Samen von Vicia sepium L. ausgeschlüpft war, und Bruchus lathyri Kirby , der sich aus den Samen von Lathyrus pratensis L. ent- wickelt hatte, beide aus der Umgegend von Waldau. Ein genauerer Bericht über denselben Gegen- stand wird in den Preussischen Annalen der Landwirthschaft gegeben werden. Privatsitzung am 5. April. Professor Caspary legte die Bücher vor, welche die Gesellschaft durch den Tausch gegen den ersten Band ihrer Schriften erhalten hatte. Apotheker Bredschneider sprach über Cacao und Chocolade. Dr. Schiefferdeck er zeigte eine Probe von Guuruua vor, die aus Wien bezogen war und ein feines schwarzes Pulver darstellt. Die ersten Nachrichten über diese Substanz erhielten wir durch Martins, welcher sie auf seiner Reise durch Brasilien kennen lernte. Die schwarzen Samen der in Brasilien einheimischen und in Gärten kultivirten Paullinia sorbilis ( eines rankenden Strauches aus der Familie der Sapindaceen ) werden von den Kapseln befreit, getrocknet, geröstet, zerkleinert und mit Wasser zu einem Teig geknetet, aus welchem man dann walzige oder kugelige Massen formt, die unter dem Namen Guarana, Guaranabrod, pasta Guarana (nach dem brasilianischen Volksstamm der Guaranos benannt) in den Handel kommen. Die nach Europa gebrachte Guarana ist bald schwärz- lich braun, bald chokoladenfarbig , riecht nach altem Brod und schmeckt zusammenziehend bitterlich. Die erste chemische Analyse dieser Substanz rührt von Trommsdorf her, welcher darin 4,0° n eines Alkaloids (Guaranin). 3,5 fettes Oel. 2,5 Oelharz. 40,0 Gerbsäure mit Kali- und Annnoniaksalzen , 16,0 Stärke und Gummi und 34,0 Holzfaser fand. Französische Chemiker entdeckten und bewiesen darauf die Identität des Guaranin mit dem Coffein. Die neueste Untersuchung der Guarana lieferte Stenhouse, welcher 5,07% Coffein darin fand, so dass diese Substanz von allen coffeinhaltigen Stoffen den grössten Gehalt an diesem Alkaloid zeigt, denn guter schwarzer Thee enthält nur 2,13%, Kaffeebohnen 0,8 — 1.0%, t rocke Kaffeeblätter von Sumatra 1,26%, die Blätter von Ilex para- guayensis 1.20%. In Brasilien wird die Guarana theils als Arzneimittel, theils zur Bereitung eines Getränkes, der brasilianischen Chocolade, gebraucht , indem man sie mit Wasser anreibt und mit Zucker versetzt. Zu bemerken ist noch, dass zwei andere Arten derselben Gattung, Paullinia pinnata und Cururu L. Samen liefern, welche in Südamerika von den Eingebornen als heftige Gifte gebraucht werden. Sitzungsberichte. 9 Professor v. Wit tich referirte über eine in dem Breslauer physiologischen Laboratorium von Herrn Jürgensen gemachte Beobachtung, deren Hauptresultat es ist, dass, während nach denvonTorret und Wiedemann gemachten Erfahrungen bei Hindurch leiten eines galvanischen Stromes durch eine homegene Flüssigkeit die letztere dem negativen Pole zuströmt , in der Flüssigkeit suspendirte Körperchen in entgegengesetzter Richtung zum positiven Pol sich fortbewegen. Aehnliche Bewegungen sah der Verfasser in den Zellen des Valisneria spiralis bei Durchströmen eines galvanischen Stromes. ( I) u B o i s und Reichert’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1860, pag. 673.) Weiter zeigte derselbe ein von Volkmann angegebenes Instrument — Tachistoskop — vor, dessen Bestimmung es ist, bei Untersuchungen des momentanen stereoskopischen Sehens den von Dove vorgeschlagenen Gebrauch des electrischen Funkens zu ersetzen. Das Instrument wurde vorgezeigt und durch Versuche erläutert. (Sitzungsberichte der König!. Saechs. Academie. Sitzung am 2. April 1859.) Oeffrntliclic Sitzung um 19. April. Lehrer Elditt hielt einen Vortrag über Perlen und Perlenmuchein , in dem er zuerst die Meeres - Perlmuscheln und die Art sie zu gewinnen beschrieb, dann über die Fluss -Perlmuscheln ausführlich sprach und endlich der Versuche erwähnte, die man in neuerer Zeit angestellt, um die Perlenerzeugung derselben zu vermehren. Privatsitziiiig um 3. tlai. Dr. Sch i et'ferd ecke r legte die eingegangenen Bücher vor. Professor Wert her gab eine vorläufige Mittheilung über die sogenannt e Spectralanalyte. Professor Dr. Sommer hielt einen Vortrag über neuere Forschungen in Palästina. Er wies zuvörderst darauf hin, wie nunmehr die meisten der alten Culturländer des vorderen Asiens der Reihe nach Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung durch Gelehrtenexpeditionen geworden seien, Palästina jedoch, das an weltgeschichtlicher Bedeutung und überhaupt vielseitigstem Interesse keinem anderen Lande des Alterthums nachstehe , bis dahin noch immer einer mit vereinten wissenschaftlichen Kräften unternommenen und würdig unterstützten Erforschung entbehre und nach wie vor dem Unter- suchungseifer Einzelner , je nachdem sie sich dazu angeregt und berufen fühlen, anheimgegeben bleibe. Es wurde hiebei darauf hingedeutet, wie wenig im Allgemeinen genommen durch die zahlreichen Touristen und noch zahlreicheren Pilgrime, welche alljährlich uach und durch Palästina ziehen, die eigentliche Landeskunde erweitert werde und wie mancherlei ganz eigenthümliche Schwierigkeiten sich auch den zu Untersuchungen aufgelegten und geeigneten Reisenden hier entgegenstellen und ihre Er- folge beeinträchtigen. So sei denn die Zahl derer, welche die Kenntniss jenes interessanten, in vielen Strecken noch gar nicht untersuchten Landes wirklich förderten, auch jetzt noch immer nur spärlich; aus den bedeutenden Ergebnissen einzelner hervorragenden Forscher aber werde es recht deutlich, welche mannigfaltige und vielseitig lehneiche Ausbeute in geschichtlicher, archäologischer wie namentlich auch naturhistorischer Hinsicht erst eine ordentliche Gelehrtenexpeditiou erwarten lasse. Der Redner 9 Sitzungsberichte. besprach hierauf die zunächst die Westseite des Jordans und die heilige Stadt betreffenden neueren Forschungen und ihre Ergebnisse; die Leistungen Robinsons (1838 und 52), Lynch (1848), Tobler’s (1845 , 40 , 57), de Saulcy's (1850), van der Velde’s (1851), Roth’s (1858) u. A. unter Vorzeigung von Reisewerken und Karten. Privatsitzung am 7. Juni. Nachdem Professor Caspary die im verflossenen Monate eingegangenen Bücher vorgelegt hatte, folgte Fortsetzung und Schluss des in voriger Sitzung wegen vorgerückter Zeit abgebrochenen Vortrags von Professor Dr. Sommer, der zum Berichte über die neueren Erforschungen des Ost- jordanlandes überging, zunächst eine topographische und liistorische Uebersicht von diesem in manchem Betrachte interessanten Landstriche gab, hierauf unter Beleuchtung der besonderen Schwierigkeiten und Gefahren, mit welchen hier die Reisenden zu kämpfen haben und in Folge welcher die. Gegenden trotz ihrer uralten Geschichte eine Reihe von Jahrhunderten hindurch eine terra incognita geblieben sind, die grossen Verdienste Seetzens (1805, 6) und Burckhardts (1810 — 12) hervorhob, die Reise- ergebnisse ihrer Nachfolger 0. v. Richter (1815), Buckingham (1816), Bankes und Legh (1818), Chesney (1830) kurz besprach, um desto eingehender von den neuesten, geognostischer und cultur- historischer Seits höchst beachtungswerthen Entdeckungen Cyrill Grahani’s (1857) und vernehmlichst des Dr. Wetzstein, preuss. Generalconsuls in Damascus, (1859) zu berichten. Schriften d. Physik. Oek: Gesell: zu Köiii^sbergJali r^: U. T&M Caspar/ ad gkt.del. Druck v Oek L;lias,S5i-!iR. F. Schmidt ütii. Schriften d. Phvsik.Oek:OpseIl zu Königsberg. Jalug II C t' Schmidt lith. Dnick'f SeV.Uelius^Beilin Cfisjaiy idnatdel. •>»»»- Inhalt der ersten Abtheilung. Mitglieder - V erzetchniss . . Pag. I— VII. Abhandlungen. Me Hymenopteren der Provinz Preussen, von Gr. Brischke, Lehrer in Danzig Bericht über die Versammlung von Freunden der Flora Preussen.« in Königsberg am 22. Mai 1861, von Dr. med. C. -T. von Klinggrnff . Eine kanadische Pappel vom Blitz getroffen, von Professor R. Caspar y . Orobanche Cirsii oleracei, von demselben, f Hiezu Taf. I. B. > Nuphar luteum L. var rubropetalum , von demselben. (Hiezu Taf. 1. A.) Vergrünungen der Blüthe des weissen Klee'«, von demselben. (Hiezu Taf. II. und HI.) ...... . . . . . Preussens Molluskenfauna, von Dr. A. He n.s che Pag. 1 I .. 38 „ 41 ., 46 „ 49 „ öl „ 73 Sitz ii iig sh er leiste vom Jassuar bis .lisiti. Caspary, über Dr. K arstens Untersuchungen der Fruchtbildung bei Caelebogyne ilicifolia 7 Derselbe, über die Entdeckung von Schwärmsporen bei Pilzen nach de Bary . Friedländer, über merkwürdige Natur- und Kunsterzeugnisse . die während der Kaiser- zeit in Rom öffentlich ausgestellt zu werden pflegten . Körnicke, über den Rüsselkäfer (Bruchus rufimanus Schönh.), welcher Verheerungen in den Saamen der Ackerbohnen (Vicia Faba L.) anrichtet S chiefferdecker, über Guarana ........ v. Wittich, über Strömungen in Flüssigkeiten, die einem galvanischen Strome ausgesetzt sind Derselbe, über das Tachistoskop ......... Sommer, über neuere Forschungen in Palästina ...... Von den Schriften der physikalisch - ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, in denen. Arbeiten ans dem Gesammtgebiete der Naturkunde , vorzugsweise solche, welche sich auf die Naturgeschichte der Provinz Preussen beziehen, mitgeth eilt werden, ei'scheint jährlich ein Band von 15 bis 20 Bogen mit den dazu gehörigen Abbildungen in 2 Heften. Der Ladenpreis für den Jahrgang beträgt 2 Thaler. SCHRIFTEN DER / 9 fl , A. KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH-ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT Die Hymonopteren dor Provinz Preussen. Von G. Krisclike , erstem Lehrer am Spend - und Waisenhause in Danzig. (Erste. .Fortsetzung.) S p li c g i (3 a e. (Nach Dahlbom’s: Hymenoptera europaea etc. Tom. T.; Wesraael’s: Revue critique des hymenopteres fouisseurs de Belgique; Sclienck’s Grabwespen des Herzogthums Nassau.) Die Bestimmung schwieriger Arten verdanke ich dem, leider schon verstorbenen, Dr. Dahlbom in Lund und Herrn Professor Sehen ck in Weilburg. 1. Spliefldsie Leach. Genas Mimesa Shack. M. unico/or v. >/. L, IVesm. (M. borealisj DhW.) .? , d — minutuhis Dhlb.) d 9- P. leucopterus Dh/b. d- P. cha/ybaeatus Schiödte 6 9- P. ruficrus Kl. (!) d- P. basa/is H. — Sch. (?) d- P. nanus Scheuch. Neue Art, die ich in Mehrzahl auf deu Blütheu von Euphor - bia Esula fing. P. fumipenuis Dh/b. d 9- P. consobrinus Dhlb. 9- Genas Pogonius DLIb P. hircanus Fbr. ( bifasciatus v. d. L.) d 9- Genns Agenia Dhlb. A. punctum Fbr Warn. ( carbonaria Dhlb.) d 9- Genns Priocnemis Schiödte ,P. hya/inatus Fbr. ( fasciatellus Schiödte.) d 9- P. bipunctatus Fbr. Westn. ( varieyatus Dhlb. var. c.) d 9- Bin 9 mit ungefieck- tem Thorax, schwarzen Tibien, Segment 2 mit 2 kleinen, Segment 3 mit 2 gros- sen weissen Flecken. Ein 9 auch mit weissem Hinterschildchen. P. fuscus Fbr. Schiödte. d $• P. notatus r. d L. Wesm. ( femoralis Dhlb.) cf 9- Ein, d mit ganz schwarzem Ab- domen, 2 andere haben Beine und Abdomen schwarz, nur Vordertibien unten nach der Spitze hin und Vordertarsen unten rothbraun. Bei einem 9 sind Seg- mente 1 und 2 dunkelrothbraun , letzteres mit breitem schwarzem Hinterrande, ersteres mit schwarzem langem Basalfieck und dunklem llinterrande. P. pusillus Dhlb. (9 — nudipes Dhlb.) 9. P. ej-af latus Fbr. Schiödte. d 9- P. ubtusireutris Schiödte. 9- 111. l^aiTidae Leaeh. Genns Taehytes Pz. T. J’a/ueri v. d. L. d 9- Hie d kleiner, Abdomen oft schwarz, nur Seiten von Segment 1 roth, die Hinterländer der 4 ersten Segmente silberweis* behaart, das letzte Segmeut oben schwarz, nur Spitze braun. Eudsegment des 9 schwarz. 13* 100 T. nigripennis v. d. L. <5 $. Das . d 2. L. pygmaeux v. d. L. 2- L. s ubaenens Lep. 2- L. apica/is Lep. d 2- 14 106 Genus Crossocerus Dhlb. C. bimaculatus Lep. d- Thorax ganz schwarz. (Soll nach We sm ael Varietät von Blepharipus 4-maculalus sein). C. pubescens Dhlb. d- Clypeus mit einem Zahn am Vorderrande;, Mandibeln, Kopf, Fühler, Thorax und Abdomen schwarz; vordere Schenkel und Vorderschienen, Mittelschienen nach der Spitze hin bräunlichgelb, Hintertibien zuweilen oben mit gelber Basis. C. IVesmaeli v. d. L. Var. a Dhlb. d 9 , Var. b Dhlb. . 9, Var. e Dhlb. 9- T. pterotns Fbr. Var. a Dhlb. d , Var. e Dhlb. 9 Genas Ceratocolas Dhlb C. Loewi Dhlb. cP 9, Das 9 ist mit dem cP fast gleich gefärbt. Beine roth, Coxen und Trochanteren schwarz, Vorderschenkel hinten an der Basis mit schwarzem 3 eckigem Fleck, Tibien vorn gelblich. Endsegment gleichschenklig 3 eckig, glän- zend, dicht punktirt, gerandet, spitz, kurz behaart, Spitze rothbraun, Seitendrei- ecke glänzend, sparsam punktirt. C. mbterraneus Fbr. Var. b Dhlb. . 9 , Var. f. Dhlb. d, A ar. g Dhlb. cP. — A ar. 1 m d Wie A'ar. d, aber Pronotum ganz schwarz. Var. 2 m , wie A^ar. i , aber Rand des Pronotum mit 2 gel- ben Strichen, (ein d mit gelben Schulterbeulen, ein cf mit gelbem Iiinterschild- ehen); Segmente 4 und 5 mit gelben ganzen Binden. F. direx 11. - Sch. A ar. f. Dhlb. d 9- Beim cP ist das Hinterschildchen schwarz, Segment 6 mit 2 gelben seitlichen Flecken, mitten ein kleiner gelber Punkt. F. guttatnx Dhlb. Aar. a Dldb. 9, Var. b Dhlb. 9 (Hinterschildchen schwarz), Var. c Dhlb. 9. (Segment 1 schwarz), Var. d Dhlb. d, A ar. e Dhlb. cf 9 (cP Segment 5 mit unterbrochener, gelber Binde, beim 9 nur seitliche kleine Flecke), Var. g Dhlb. cP 9, A ar. i Dhlb. d 9 (Königsberg). cP mit ganz schwarzem Abdomen, nur auf Segment 4 ein kleiner gelber Fleck. 14* ins- Genus S (Genius Dhlb. *S. lapidarius Pz. ( Crabro nyfoirpus Sh. ) Var. a Dhlb. cf , Var. b Dhlb. d\ \ ar. c Dhlb. - cinctus Fbr. 31. Nyxsou xpüiosus Fbr. 32. .V. maculatux r. d. L. 33. Circeris 4- faxciala . 34. C. truncatula. 35. C. nasuta. 36. Miscophux , spurius Dhlb. 37. Cedia troglodytes r. d. L. 38. Passaloecut ? graci/is Ct/rt. 39. p. monilicornis Dhlb. 40. /’. cornigee Sh. 41. P. turionum Dlilb. 42. /’. bprealix Dhlb. 43. Cemonus lethifer Sh. 44. C. rugifjer Dhlb. 45. Pemphredon montanns. 46. O.rybelus be/lux Dhlb. 47. O. pugnaj • Oliv. 48. O. furcatus Lep. 49. O. dissectns Loew. 50. O. mandibnlarix Dhlb. 51. Rhopah/m clacipes. 52. Nitela Spi.no/ae Ltr. 53. Lindenius pygmaens r. d. L. 54. L. subaeneax Lep. 55. L. api- ca/is Lep. 56. Crosxocerus bimacafatus. 57. Cr. pubeseenx. 58. Cr. JVex- maeli r. <1. L. 59. Cr. e/ongatulnx v. d. L. 60. Cr. Irauxverxalix Sh. 61. Ct\ capitosus Sh. 62. Cr. ricinus. 63. Cr. e&iguus Dhlb. 64. Cr. xpimpectys Sh. 65. Cr. denticrus ff.-Sch. 66. Cr. cetratus Sh. 67. B/epharipus dirni- diatus. 68. Ceratocolus Loetci. 69. Ecteniniux guttatus Dhlb. Es ist also die Zahl der Arten von 87 auf 146 gestiegen. S a \) y g i d a e. (Nach Wesmael's: Revue critique des hymenopteres fouissenrs de Belsique; Schenck’s: Grabwespen des Herzogthums Nassau.) Genus Sapyga Ltr. m! a e. (Sach: Schenck’s Beschreibung der Nassauischen Arten der Familie der Faltenwespen.) Genus V e s p a V. crabro L. cf 2 V- V. Geeri Lep. ( media Oliv.) d 2 2- Bei den d sind Schildchen und Hintersehiid- chen oft ganz schwarz. Bei einem 2 aus Neustadt ist der Kopf abweichend 113 gefärbt; auf dem Mesothorax vor dem Schildchen 2 fast verbundene rothbraune Flecken, die Flecken unter den Flügeln fehlen. (Vielleicht crassa?'). Ein 2 hat unter den Flügeln einen grossen gelben 3 eckigen Fleck, die Hinterränder der Segmente sehr schmal gelb, e e V. simi/is Scheuch. 2. (Königsberg). V. ßaricincta Scheuch. 2- Schildchen ganz schwarz. V. rufoscute/lata Scheuch. 2. Hinterer Augenrand braunroth , Schildchen ganz braunroth; Heine vorherrschend roth; Segmentei und 2 schwarz mit gelben Hin- terrändern und Spuren der Mittelspitzen und Seitenpunkte, von Segment 3 an wird der Hinterrand breiter und erhält die schwarzen Punkte. V. germanica Fhr. d 2 2 , Bei den 2 ist der obere Punkt des Clypeus oft als schwarzer Streif bis zum Innenrande verlängert. — Ein 2 hat einen gelbgefleck- ten Metathorax, ein zweites 2 mit ganz gleich gefärbtem Metathorax hat einen schwarz gefleckten hinteren Augenrand und einen gleich breiten Strich vor den Flügeln, bildet also den Uebergang zu V. vulgaris — Var. Scheuch. 2 (mi.rta. Scheuch ? ) V. vulgaris Fhr. d 2 2- V. rufa L. (nebst austriaca /':.) d 2 2- Variirt sehr. Bei den d ist der Fühler- schaft unten meistens schwarz. V. sarouica Fhr. (hohatica Fhr.?) d 2 2- Var-. 2. Fühlergeissei ganz schwarz, äusserer Augenrand oft ganz gelb. V. tridenst Scheuch. ? 2- Ich fing diese Art mit saxonica zusammen und möchte sie nur für eine Varietät der Letzten halten. Die Binde zwischen den Fühlern ist bei den Exemplaren von mronica , welche einen schwarzen Punkt auf dem Chlypeus haben, auch breit. Von den 7 Arten , welche Herr Professor v. Siebold als preussische anführt* gehören I . mtstriaca Pz. und rufa L. zusammen, I . communis KL kenne ich nicht, dafür kommen hinzu: 1. V. Geeri Lejj. 2. V. simi/is Scheuch. 3. V. ßaricincta Scheuch. 4. V. rufoscutel/ata Schenck. 5. V. frideus Scheuch. Wir würden also 11 Alten in Preussen haben, wenn sich die von Herrn Prof. Schenck neu. aufgestellten Spezies als acht bewähren sollten. ■ - • I . Hi.ti' . i 1 J: ,/ : •! '! 1 •'! . /• • •',"dl <3 . . 171 vfd Irr. , : /. » . V ■'* 15 114 E »men i d a e. (Nach Schenck’s Beschreibung der Nassauischen Arten der Familie der Falfenwespen und H er r i ch - S chäf er’ s Synopsis.) Genus Eum enes E. pomiformis Spin. (6 = Vespa pedunculatn Pz. und coarclata Pz. 9 = V. po~ miformis Fbr. Pz. und lunulata Ehr.) <$ 9. Variirt sehr. Genus Discoelias. D. zonalis Ltr. ( Vespa zonalis Pz.) r? 9. Genas Pterocheilas H.-Sch. (öplopas Wsm.) P. spinipes L. v F. mixta Nyl. ( umbrata Frst.?) c? ' 9 9 >«v 118 F. pubescens Fbr. Ltr. d 2 $? F. marginata c ? 2 2- P. gagates Ltr. d 2 $ Genas liypoclinea Frst. H. quadripunct ata Oliv. Ltr. 2 's?. Genas Polyergas Ltr P. rufescens Ltr. 2 2 Genus Ponera Ltr. P. contracta Ltr. 6 2 Genas Myrmica Ltr. Ttf. clandestina Frst. 2 JP laevinodis Nyl. d 2 2- Diese Art, so wie die 3 folgenden Arten- sind wohl von La tr ei Ile unter dem Namen M. rubra vereinigt gewesen. M. ruginodis Nyl. J 2 5. M. seabrinodis Nyl. d 2 2- M. lobicornis Nyl. d 2 2 Genas Formicotenns. F, nitidulus Nyl. 2- Genas Leptothorax Mayr. L. acervorum Nyl. d 2 2- L. unifasciatus Ltr. cf 2 2* Genas Tetramorium Mayr. T. fuscu/um Nyl. (Myrm. caespitum Ltr., impura und modesta Frst.) d 2 £. Genas Myrmus Scbenck. (Strongylognathus Mayr ) M. testaceus Scheue/;, d 2 2- (Neustadt.) Von den 13 Arten, die Herr Professor v. Siebold aufzählt, fehlen mir: I. Formica aethiops Ltr. 2. Myrmica rugosa Koch. 3. M. me/anocepha/a Koch. 4. M. subterranea Ltr., dafür aber zähle ich folgende 22 Arten auf: 1. Formica ligniperda Ltr. 2. F. po/ycteua Frst. 3. F. congerens Frst. 4. F. truncicola Nyl. 5. F. cunicularia Ltr. 6. F. a/ieua Frst. 7. F. mixfa Nyl. 8. F. pubesceus Fbr. 9. F. marginata. 10. Hypoclinea quadripunctata Oliv. 11. Folyergus rufescens Ltr. 12. Ponera contracta Ltr. 13. Myr- mica clandestina Frst. 14. M. laevinodis Nyl. 15. M. ruginodis Nyl. 16 M- seabrinodis Nyl. 17. M. lobicornis Nyl. 18. Formicotenns nitidulus Nyl. 19. Leptothorax acervorum Nyl. 20. L. unifasciatus Ltr. 21. Tetramorium fusculum Nyl. 22. Myrmus testaceus Schenck. Es beträgt also die Zahl der preussischen Ameisenarten bis jetzt 13 + 22 = 35. Ueber die Verbreitung einiger Holzpflanzen in der Provinz Preussen. Von Dr. med. f. .1. v. Hlinggriiff auf Paleschken. Wenn ich hier einige Bemerkungen über die Art des Vorkommens mehrerer Bäume und Sträuche innerhalb der Grenzen unserer Provinz mittheile, so geschieht es nicht in der Meinung , wesentlich Neues damit zu liefern , sondern in der Absicht, einige noch nicht vollständig erledigte provinziell- pflanzengeographische Fragen in Anregung zu bringen. Von den 5, die Hauptmasse unserer Wälder bildenden Bäumen, nämlich: Pinus sylvestris L. Kiefer, P. Abies L. Rothtanne, Betula alba L. Weissbirke, Quere us pedunculata Ehrh. Stieleiche und Fagus sylvatica L. Ilothbuche, sind be- kanntlich 2: Pinus Abies und Fagus sylvatica nicht durch das ganze Gebiet verbreitet. Fehlt nun aber die Tanne als Waldbaum in ganz Westpreussen und die Buche als solcher im ganzen östlichen Ostpreussen? Was Pinus Abies betrifft, so habe ich ilieselbe westlich von der Weichsel nicht wildwachsend bemerkt. Nun erstreckt sich meine Selbstanschauung freilich nur auf einige Meilen westlich von dem Strome hin. Aber die Tanne wird auch bei Conitz und Dt. Crone von Haub und Krause als Waldbaum nicht angegeben und überhaupt ist mir kein Standort auf dem linken Weichselufer bekannt, wo jemand bannen wildwachsend beobachtet hätte. Da nun der Baum in Posen, nach Ritsch I, nur angepflanzt, in Brandenburg, nach Asche r- sod, nur in der märkischen Lausitz wild vorkommt, für Pommern als Waldbaum mindestens sehr zweifelhaft ist, er auch noch unserm rechten Weichsel - Ufer in der Nähe des Stromes fehlt, und da überdies die Bodenbeschaftenheit jener Gegenden seiner selbstständigen Verbreitung nicht günstig ist; so lässt sich wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass Pinus Abies westlich von der Weichsel in unserer Pro- vinz nirgend wirklich wild wächst. Auf dem rechten Weichsel- Ufer habe ich meh- rere Meilen weit nach Osten hin die Tanne weder selbst a's Waldbaum gesehn, noch von einem sichern Gewährsmann sie als solchen bezeichnen gehört. Erst in den östlichen Grenzgegenden von Westpreussen, bei Dt. Eylau und I /»bau findet sich 120 Pinus Abies wirklich wild in den Wäldern, aber nur vereinzelt, nicht in grösseren Beständen. Dagegen habe ich weiter südlich und südöstlich, bei Bischofswerder, Neumark, Lautenburg keine Tannen in den dortigen Waldungen bemerkt, so dass sie also auch höchst wahrscheinlich in den mir unbekannten Strassburger Forsten fehlen. Es scheint somit das Vorkommen von Pinus Abies auf einen kleinen Winkel von Westpreussen , nach der gegenwärtigen geographischen Eintheilung, beschränkt, der in die südliche Verlängerung der Linie ihres Auftretens in Preussen fällt . Zwischen Elbing und Frauenburg nämlich, in dem dortigen Hochlande, fängt die Tanne an als Wälder bildender Baum aufzutreten und verbreitet sich als solcher von da südöstlich über die Provinz, so zwar, dass im Gebiet der Küstenflüsse und der Memel das von ihr bedeckte Areal dem von Kiefern bestandenen vielleicht gleich kommt. Sie nimmt die dort ausgedehnten feuchten thonigen und moorigen Striche, die Kiefer mehr die sandigen in Besitz, so dass beide meist in gesonderten Bestän- den erscheinen. Dem westlichen Theil des südlichen Ostpreussens scheint Pinus Abies ebenfalls noch zu fehlen, wenigstens kommt sie zwischen Gilgenburg und Sol- dau und eine Strecke östlich von letzterem nicht vor, auch findet sie hier nicht den ihr angemessenen Boden. Aber im östlichen Masuren', z. B. bei Eyck, tritt sie, nach Sanio, wieder in grossen Beständen auf. Fagus sylvatica ist, wie bekannt, durch ganz Westpreussen und den grösseren Theil von Ostpreussen verbreitet, aber der Art, dass sie sich nur strichweise vor- findet. Während sie z. B bei Neustadt, Danzig und Elbing die Hauptmasse der dortigen Laubwälder bildet, kommt sie in vielen andern Gegenden auf weiten Strecken hin gar nicht vor. Ihre Nordostgrenze für unsere Provinz fällt bekanntlich in die Gegend von Brandenburg, also 3 Meilen südwestlich von Königsberg. Der weitere Verlauf ihrer Vegetationslinie in südlicher Richtung dürfte aber noch nicht genügend festgestellt sein. Als fernere äusserste Punkte ihres Vorkommens nach Osten hin sind mir nur noch Guttstadt, Bansen, 2 Meilen südlich von Rössel, und Orteisburg bekannt. Bei Gerdauen ( L. Meier) Rastenburg (Lottermoser) und Lyck (Sanio) findet sie sich nicht mehr; ob aber nicht vielleicht von den obengenann- ten Punkten noch h/n und wieder östlich , und besonders im Süden noch östlich von Orteisburg? Soviel ist indess wohl als sicher anzunehmen, dass die Rothbuche dem östlichen Ostpreusen bis zur Südgrenze hin, in einem von Norden nach Süden sich etwas verschmälernden Striche fehlt. Es entspricht dies auch vollkommen ihrer Be- grenzung im übrigen östlichen Europa, wonach die Rothbuche genau einer nordöst- lichen Vegetationslinie folgt, die von dem südlichen Norwegen durch das südliche 121 Schweden nach Ostpreussen und von hier durch das östliche Polen nach Volhynien geht. Dass nämlich Fagus sylvatica in Kurland bei Kalethen nicht wild, sondern mir angepHanzt vorkommt, dass sie auch in Litthauen und im östlichen Polen, in den Woiwodschaften Podlachien und Augustowo, fehlt und erst in Volhynien aultritt, hat v. Traut vetter in seiner Abhandlung über die pflanzengeographischen Verhält- nisse des europäischen Russlands nachgewiesen. Es hat diese nordöstliche Vegeta- tions-Grenze der Rothbuche, da sie ziemlich genau dem Verlauf der Isochimene von .3° Gels, folgt, zu der Annahme geführt, sie könne bei einer 3° C. überschrei- tenden mittleren Winterkälte nicht mehr selbstständig gedeihen und diese Winter- kälte allein sei es, welche ihrer weiteren Verbreitung nach Osten hin Schranken setze. Nun ist mir zwar unbekannt, ob die Buche an den äussersten Marken ihres Vorkommens in unserm Gebiet' vielleicht eine Verkümmerung ihres Wachsthums zeigt. Wenn man aber sieht, wie der Baum sich gegen unsere höchsten Kälte- grade noch gar nicht empfindlich zeigt; wie er hier bei Elbing und eine gute Strecke östlich darüber hinaus, soweit ich ihn beobachtet, also in Gegenden, deren mittlere Wintertemperatur 3° C. schon sehr nahe kommt, sie mitunter auch wohl erreicht, •noch eben so freudig gedeiht wie in Deutschland, wenn endlich Bunge sagt, dass die bei Kalethen angepflanzteu Buchen noch zu alten starken Stämmen erwachsen sind, so möchte man doch geneigt sein, zum mindesten noch andere und sehr we- sentlich mitwirkende Ursachen für diese östliche Begrenzung anzunehmen. Lässt sich doch auch die Verbreitung anderer Pflanzen aus klimatischen Verhältnissen allein nicht erklären. Ich erinnere nur an Bollis perennis, die nach den mir bisher be- kannt gewordenen Beobachtungen, schon unserm nördlichen Memelgebiet fehlt, selbst im südlichen Theil des östlichen Masurens nicht mehr überall vorkommt, im russi- schen Litthauen nur bis Grodno und nördlich und östlich von dieser Provinz nirgend in Russland gefunden wurde, in Schweden kaum über die südlichen Provinzen hin- ausgeht, so dass diese gegen die Kälte gewiss nicht empfindliche Pflanze in der That sich über die Buche nicht weit nach Nordosten hin ausdehnt. Dass neben Quercus pedunculata noch eine andere Eichenart, nämlich Q. sessi- liflora Sm., die Steineiche, in unseren Wäldern auftritt, ist allgemein bekannt; nicht so bekannt aber die Art ihrer Verbreitung durch die Provinz. Denn die beiden ähnlichen, noch überdies, wie in Schweden nach Fries, so auch bei uns durch Mittelformen fast in einander übergehenden Arten werden oft nicht gehörig unter- schieden. Doch hat sich bereits so viel herausgestellt , dass , wie dies auch nach der sonstigen geographischen Verbreitung jener beiden Arten zu vermuthen war, Q,. ses-« 16 t 122 siliflora im Allgemeinen viel weniger zahlreich in unserer Provinz aultritt, als Q. pedun- culata, öfter unter dieser nur eingesprengt vorkommt. Aber in einigen Gegenden des Gebiets Ist die Steineiche doch auch in einer grossen Anzahl von Individuen vorhanden: so besonders in dem Hügellande bei Danzig. Ja sie ist hier so häufig, dass sie fast über die Stieleiche vorzuherrschen scheint. Auch in den Wäldern an den hohen Weichselufern in der Gegend von Marienwerder ist Q,. sessiliflora reich- lich vertreten, jedoch an Zahl der Individuen gegen die andere Art zurückstehend. Wiederholt sich ein ähnliches Verhältniss vielleicht in dem masurischen Hochlande, oder wird die Steineiche nach Osten und Nordosten in Preussen allmälig sparsamer und erreicht sie vielleicht gar nicht die Nordostspitze der Provinz? Es scheinen mir diese Fragen insofern begründet, als der Baum in Russland über 54° nördlich nicht sicher gefunden ist, als ihn Bunge für die russischen Ostseeprovinzen nicht angiebt und er in Schweden kaum über die südlichen Provinzen hinausgeht. Die Angaben v. Ledebour’s in der Flora rossica über das Vorkommen der Quereus ' sessiliflora auf der Insel Oesel, in Lievland, wo ein Exemplar gefunden sein soll und bei Moskau beruhen nicht auf Autopsie, sondern auf etwas unsicheren Autoritäten und haben darum weniger Gewicht. Jedenfalls aber ist der Baum, wenn überhaupt nordöstlich von Preussen noch vorhanden, dort schon selten. Ausser den genannten finden sich in unsern Wäldern in förmlichen, wenn auch kleineren Beständen noch: Carpinus Betulus L., Weiss- oder Hainbuche; Tilia par- vifolia Ehrh. (T. microphylla Willd.J, kleinblättrige (finde; Populus trenmla L., Espe und an sumpfigen Stellen Ainus glutinosa Gärtn. , die gemeine Erle, am Seestrande hin und wieder auch A. incana Willd., die weisse Erle. Die übrigen sonst noch in unsern Forsten vorkommenden Bäume habe ich nur vereinzelt, oder in kleinen Grup- pen gefunden, als einen der seltensten aber Fraxinus exeelsior L., die Esche. Ja ich muss gestehn, dass ich tiefer in Wäldern, entfernter von Wohnplätzen bisher* noch kein Exemplar dieses Baumes bemerkt habe. Um Städte und Dörfer häufig ange- pflanzt, verbreitet er sich von da öfter an die benachbarten Gewässer, geht längs den fliessenden weiter fort und so habe ich ihn auch vereinzelt an Waldbächen, aber, wie schon bemerkt, bisher nie weit entfernt von Ortschaften angetroffen. Es soll damit nicht gesagt sein , dass ich die Esche nicht für einheimisch in Preussen hielte, da an ihrer Spontaneität nach ihrer sonstigen Verbreitung wohl nicht zu zweifeln ist Denn sie wird in allen Nachbarfloren als wildwachsend angegeben und noch viel weiter nach Norden hin, bis in das mittlere Schweden und das südliche Finnland. 123 Aber sie scheint als wirklicher Waldbaum bei uns sehr selten zu sein und nirgend in Beständen vorzukommen. Eben so wenig kann aber auch das bis noch vor Kurzem bezweifelte Bürger- recht eines andern Baumes, nämlich des Acer Pseudoplatanus L., des weissen Ahorns, beanstandet werden. v. Nowicki gab ihn als wildwachsend an in der tucheier Heide bei Lindenbusch und an mehreren Orten in der Nähe der Weichsel bei Thorn, ohne genauere Erwähnung der Verhältnisse seines Vorkommens daselbst. Ich fand ihn in dem münsterwalder Forst bei Marien werder am hohen Weichselufer in meh- reren verhackten, strauchigen Exemplaren, die dort wohl als wildwachsend zu be- trachten sind, da weithin kein arigepflanztes Exemplar des Baumes vorkommt, von dem jene Gesträuche abstammen könnten. V or einigen Jahren aber gelang cs mei- nem Bruder und mir, diese Ahornart unter Verhältnissen anzutreffen, die ihr Indi- geiiat in unserer Provinz durchaus bestätigen. Zwischen Lübau und Gilgenburg näm- Fch, in dem semenschen Walde bei Wygodda, einem alten, von forstlicher Cultur offenbar niemals berührten, ausgedehnten Holzbestande , in dessen Nähe auch A. Pseu- doplatanus nirgend angepflanzt vorkommt, fanden wir den Baum in zahlreichen Exemplaren, von jungen Sämlingen bis zu ansehnlichen, zum Theil alten, Blüthen tragenden Stämmen. Ringsum als wildwachsend angegeben, fehlt er doch, nach Eichwald, wenigstens schon dem nördlichen lütthauen und sicher überall weiter nordöstlich, so dass er bei uns die Nordostgrenze erreicht. Sollte er aber nicht noch weiter in den Forsten des östlichen Ostpreussens verbreitet sein1.' Dagegen möchte die Angabe, dass auch Tilia grandifolia Ehrh. (T. platyphyllo's Scop.), die grossblättrige Linde, als Waldbaum in unserer Provinz vorhanden sei, &L richtig scark bezweifelt werden können. Ich selbst habe sie nur angepflanzt gefunden und bisher noch keinen Beweis für ein innerhalb unseres Gebiets wild- wachsend gefundenes Exemplar derselben gesehn. Ihre sonstige Verbreitung macht ihr selbstständiges Vorkommen in unserer Provinz wenig wahrscheinlich. Denn in Brandenburg findet sie sich, nach As eher so n, nur an einer Stelle im Havel-Gebiet sicher wild; in Posen sah sie Ritsch 1 nur angepflanzt; die Annahme ihrer Spon- taneität in Pommern gründet sich nur auf Schmidt ’s, des Verfassers der Flora von Pommern und Rügen, unsichere Autorität; im südlichen Schweden soll sie, nach Fries, zwar ganz sporadisch Vorkommen, aber Fries selbst scheint an ihrem Bür- gerrecht zu zweifeln; in Litthauen wird sie nicht als wildwachsend angegeben, so zwar von Ledebour bei Moskau, aber lediglich nach der Mittheilung eines älteren, unzuverlässigen Autors, von dem Trautvetter sagt, er scheine seine Flora 16* von 124 Moskau nach Hagen ’s Chloris borussica gearbeitet zu haben. Kocb sagt in seiner Synopsis von der Tilia grandifolia: sie wachse in sylvis frondosis saxo substracto duro, rarius in montibus e saxo arenario formatis, so dass sie auch der Bodenbeschaffen- heit nach kaum bei uns zu erwarten sein dürfte. Es kömmt überhaupt öfter vor, dass häufig cultivirte Bäume wegen ungenauer Beobachtung oder Angabe für einhei- misch in Gegenden gelten , wo sie in der That nur angepflanzt und vielleicht verwil- dert sind. Man nehme z. B. noch die früheren Angaben über die Verbreitung von Populus nigra und alba L., der Schwarz- und Silber - Pappel , durch unsere Provinz ; nach denen man diese Bäume für hier überall wildwachsend halten könnte, was doch keinesweges der Fall ist. Beide werden bei uns, wie anderwärts, häufig um Ort- schaften und an Wegen angepflanzt und verwildern wohl von da aus, besonders die Silberpappel durch ihre zahlreichen Wurzelschösslinge. Wirklich wild aber, oder vielmehr durch Einwanderung von Süden her, aus Polen, einheimisch geworden, habe ich diese Pappelarten bisher nur an den Weichselufern gesehen. Hier finden sich beide, öfter verhackt und in Strauchform, zuweilen aber auch zu Bäumen er- wachsen in ziemlicher Anzahl, an einigen Stellen kleine Gehölze bildend, in denen namentlich die Schwarzpappel öfter in sehr ansehnlichen Exemplaren auftritt. Aehn- liches wiederholt sich vielleicht an den Memelufern und wahrscheinlich finden sie sich in den Nachbarprovinzen westlich und östlich auch nur auf diese Weise, näm- lich an den Ufern der von Süden her kommenden Ströme wildwachsend vor, sonst, wie anderwärts bei uns, nur angepflanzt und verwildert. Nördlich und nordöstlich von Prenssen dürften sie daher überall nur als cultivirte Bäume anzusehen sein. Diesen Bemerkungen über die Vertheilung einiger Bäume durch unsere Provinz, mögen nun noch einige Notizen über das Vorkommen von ein Paar Straucharten innerhalb der Grenzen dieses Gebiets folgen. Prunus spinosa L., der Schlehdorn, sonst in allen mir bekannt gewordenen Lo- kalverzeiclmisseu angegeben und nocli bei Königsberg ein häufiger Strauch, wie über- all westlich und südlich, fehlt nach Heidenrei ch bei Tilsit; kommt aber bei Memel nach Kannenberg und Kremp vor, wie er denn auch nördlich von Preussen noch bis zum 60 steil Grade und in Norwegen noch weiter hinaufgeht. Ist nun das Nicht- vorhandensein der Prunus spinosa bei Tilsit ein bloss örtliches, oder wiederholt sich «dasselbe an mehreren Stellen unseres nordöstlichen Gebiets ? Im letztem Falle finge denn schon hier die unterbrochene Verbreitung dieses Strauches an, die er in den russischen Ostseeprovinzen zu haben scheint , daBunge dort sogar nur einen Stand- ort für denselben nennt. 125 Als allgemein durch unsere Provinz wild wachsend wird Sambuc'us nigra L. der gemeine Hollunder, bezeichnet. Untersucht man aber die Art seines Vorkom- mens, so ist sie der von Fraxinus excelsior sehr ähnlich. Ueberall angepflanzt, ver- breitet er sich um die Wohnplätze und in nahe gelegene Gehölze um so leichter, als die, Vögel seinen Saamen verschleppen. Tiefer in Wäldern findet man ihn sel- ten; doch habe ich ihn auch dort vereinzelt angetroffen. Kann er aber dorthin nicht auch durch Vögel verpflanzt sein und ist er daher vielleicht gar nicht einhei- misch? Es scheint mir dies eine von den unlösbaren pflanzeugeographischen Fragen zu sein, die indess, wie ähnliche, auch wohl eher der Pflanzengeschichte anheimfällt. Aber ich möchte glauben, dass man den Hollunder jetzt für hier wildwachsend hal- ten darf, ebenso wie in den Nachbarprovinzen , wo er auch keine andere Art der Verbreitung hat. Für einen andern Strauch, nämlich für Evonymus verrucosa Scop. ist zwar das Indigenat unbestreitbar, dafür aber scheinen die Grenzen seiner Verbreitung inner- halb unseres Gebiets noch nicht gehörig festgestellt. Nach fremden und eigenen Beobachtungen ist er in der ganzen Ausdehnung von der polnisch - litthauischen Grenze bis zur Weichsel, mit Ausnahme der See- und Haffgegenden, in allen unsern lichten Laub- und gemischten Wäldern mehr oder weniger häufig, meist viel zahlreicher als Evonymus europaea. Nur in der Nähe der See scheint er hier, wie bemerkt, nicht vorzukommen. Wenigstens giebt ihn Kremp für Memel nicht an: bei Königsberg erscheint er erst landeinwärts bei Löwenhagen und Kl. Hohen- hagen, ebenso bei Heiligenbeil und Braunsberg, nach Sevdler und Hübner, erst in einiger Entfernung südwärts und fehlt bei Elbing. Sollte er nirgend in den Haff- gegenden Vorkommen? Westlich von der Weichsel wächst Evonymus verrucosa in dem unfern Marienwerder gelegenen münsterwalder Forst noch eben so zahlreich wie auf dem rechten Weichselufer, aber auch dort nicht mehr in den Seegegenden bei Danzig. Aber im Innern geht der Strauch westlich noch weiter, bis Pelplin und Pr. Stargardt, nach den Beobachtungen von Kannenberg und Schmidt, bei Conitz giebt ihn Houb nicht mehr an. Findet er nun wirklich bei Pr. Stargardt für unsere Provinz seine Westgrenze , oder kommt er noch weiter westlich, vielleicht in der tucheier Heide vor? Eine gerade entgegengesetzte Verbreitung in unserm Gebiet scheint Sarotham- nus scoparius Wimm, zu haben, indem er, meines Wissens, nur in Gegenden, in denen Evonymus verrucosa nicht wächst, sicher gefunden worden ist. Bei Dt. Crone und Conitz häufig, geht er von da über Carthaus in die Seegegenden bei Danzig, 126 Neustadt und Putzig, wo er in den Wäldern zwischen jenen beiden letzten Orten so häufig ist und so kräftig gedeiht, wie nur irgendwo in der Mark. Oestlich von der Weichsel findet er sich bei Pr. Holland und von da über Heiligenbeil östlich hinaus in den Haffgegenden. Der letzte Standort nach dieser Seite hin ist der be- kannte bei Fuchshöfen, wo der Strauch aber vielleicht nur angepflanzt ist. Weiter östlich dürfte er wohl nirgend mehr Vorkommen; ob er aber nicht südlich von dieser Verbreitungslinie in unserm Gebiet Vorhandensein sollte, da er auch in Polen wächst ? Zwar soll er nach Menge bei Graudenz, nach Mentzel bei Lyck gefunden wor- den sein, aber diese Angaben sind unverbürgt und in neuerer Zeit nicht bestätigt. Im Innern der Provinz findet sich an seiner Stelle Genista tinctoria L. , die hin- wiederum in unseren Seegegenden vermisst wird. Es ergiebt sich aus den angeführten Beispielen, wie selbst für mehrere der be- kanntesten Holzgewächse die Art. der Verbreitung durch unsere Provinz noch nicht überall hinlänglich festgestellt ist. weshalb Ergänzungen, oder auch Berichtigungen des Mitgetbeilten sehr wünschenswert!! erscheinen. 1. Feber Bildung und Entstehung von Bunins und Festlegung des fliegenden Dünensandes durch Stereoneina Chthonoblastus AI. Br. Von Dr. med. klinstnann. In der regensburger Flora 1860. No. 11. hat Göppert eine Mittheilung über den Einfluss der Pflanzen auf felsige Unterlage geliefert, in welcher nachgewiesen wird, dass auf den dürrsten Felsen sich nach und nach auch Dammerde bilden kann, entstanden durch das Auftreten von K nistenflechten : Lecanoren und Lecidcen, denen Pannelien, Cladonien und viele andere in einer Reihe von Jahren nach und nach folgen. Durch allmälige \ ervvitterung und darauf folgende Neubildung dieser proto- nemen Vegetation entsteht die erste Bedeckung der Felsen , zwischen welchen sich der feinste Staub niederschlagen kann, der unter dem Einfluss von Feuchtigkeit dem Thallus zur weiteren Entwickelung dient; dass dazu Jahre gehören, versteht sich son selbst, so wie auch Risse und Grübchen im Felsen das Ihrige beitragen. Ist diese Anlage erst gegeben, so werden gröbere erdige Theile bald Platz finden und eine Humusschicht bilden, die bald zur Entstehung von Moosen Veranlassung geben kann. Die feinsten Sporen derselben können hier bald ihre Werkstätte begründen. Haben diese erst eine höhere Ausbildung erreicht , so findet auch eine grössere An- häufung von Humus statt und es können bald andere, mehr Nahrung gebrauchende Pflanzen ihre Wohnung aufschlagen. Je mehr nun diese fortschreitende ^ egetation Nahrung und Platz findet, finden auch Gräser sich ein, denen bald wenig Nahrung gebrauchende dycotiledone Pflanzen nachfolgen. Im Riesengebirge habe ich selbst vor vielen Jahren diese Beobachtung gemacht, wo der sogenannte Bvssus Jolithus, das bekannte Veilchenmoos, jetzt zu den Conferven gehörig, oft in weiterer Ausbrei- tung die Felswände bekleidet. Bei dieser Gelegenheit bin ich gleichsam herausgefordert , etwas über die Humus- bildung unserer Dünen zu sprechen, weil Göppert hierüber weniger Erfahrung zu 128 haben scheint und diese einigen Gräsern allein zuschreibt, welche theils freiwillig daselbst wachsen, theils angebaut dem Staateschon seit vielen Jahren enorme Kosten verursacht haben und doch nur sehr langsam den Nutzen gewähren, welchen man vom Dünenbau überhaupt erwartet und nie fortgehen würden , wenn ihnen die Mutter Natur nicht noch anderweitig zu Hülfe käme. Durch Vermittelung dieser habe ich grosse Dünen - Strecken befestigt gesehen , wo noch keine Anpflanzungen unternommen waren und zwar so, dass klimatische Einflüsse, wie die kurz vorhergegangenen dürren Jahre und zu anderen Zeiten wieder Stürme und wirbelnde Winde, welche mit dem lockern Sande auch in den An- pflanzungen ihr verheerendes Spiel treiben , ja sogar auch die Fichtenwaldungen be ■ drohen und stellenweise die Bäume bis zur Krone vergraben und verschütten, keinen Schaden thaten. So wie die Felsen mit den niedrigsten Algen und Flechten zuerst bekleidet werden, so werden die Dünen durch eine, der niedrigsten Formation angehörende Alge , Sandalge , Hornalge , welche K ü t z i n g in seiner Species Algarum als Stereo- nema Chthonoblastus Al. Br., in Folge meiner Mittheilung aufgenommen hat, beklei- det. Diese Sandalge wurde schon 1826 von mir bemerkt, aber damals wenig be- achtet und in ihrem hohen Werthe nicht erkannt. ln den nachfolgenden Jahren bemerkte ich dieselbe bei meinen öfteren Excursionen auf den Dünen , erkannte sehr bald die Grösse der Verbreitung, konnte mich aber weder für eine Alge, Flechte, noch Mycelium eines Pilzes entscheiden, weil meine Kenntniss derselben, besonders der niedrigsten Stufen, noch schwach war und in W ahrheit zu sagen , ich a'uch wenig Werth darauf legte. Nach und nach gab dies problematische Erzeugniss Veranlas- sung zu weitem Erörterungen und so wurde dasselbe auswärtigen botanischen Colle- gen mitgetheilt; es wurde für Biatora decolorans Hoffm., oder für Dematium rupestre Fink und später wieder von W. H. für Dematium geotrichum gehalten , und als solches auch in den Provinzial - Bl. 1839 p. 32. von mir mitgetheilt. Eines Besse- ren war ich mir damals noch nicht bewusst, konnte mich aber auch nicht damit vollkommen einverstanden erklären und zwar deshalb, weil zuweilen auf demselben Ceratodon purpureus, auf altern Exemplaren Cladonia pyxidata, gracilis, ja auch Aga- ricus lacteus wucherten, welche sämmtlich auf den Dünen nicht selten vorzukommen pflegen. Dieses Vorkommen machte mich noch zweifelhafter und als ich 1836 mit unserm Collegen Dr. v. S i e b o 1 d zuerst Excursionen auf den Dünen von Heubude machte, wurde auch er daraufhingeleitet. Diese neue Bekannntschaft gab nun Ver- anlassung dies räthselhafte Wesen an Herrn Alex. Braun, damals Prof, in Freiburg 129 im ßreisgau, zu schicken, der es wieder Herrn Professor Dr. Kützing in Nord- hausen übersendete, welcher dieser Pflanze endlich ihre richtige Stellung und Bestim- mung ertheilte und sie in seiner Species Algarum 1849 im Nachtrage pag. 891 als Stereonema chthonoblastes *) Al. Braun aufuahm. Diese scheinbar unwesentliche Pflanze hat für unsere Dünen dennoch den gros- sen Vortheil, dass sie, wo sie sich einmal zeigt, sich auch bald verbreitet und zur Festlegung des fliegenden Sandes viel beiträgt, so dass die anderen genannten Kry- ptogamen darauf wachsen können und endlich auch die sandliebenden Gräser, wie Aira canescenS, Festuca villosa, sich ansiedeln. Stereonema Chthonobl. musste daher stellenweise mehr, als die kostspielige Bepflanzung unserer Dünen mit Elvmus arenariu.s, Psamma arenaria und Carex arenaria nützen, deren grossen Nutzen ich aber dennoch nicht in Zweifel ziehen will. So weiss also die nie ruhende Kraft der Natur auf sehr verschiedene Weise den Felsen und auch dem fliegenden Sande einen grünen Teppich zu verschaffen und ihrer starren Widerspenstigkeit ein Ziel zu setzen. Dieses Stereonema Chtho- blastus kommt aber nicht allein hier auf unsern Dünen vor, sondern ich habe es auch an andern Stellen, wo es an Sand und Fichtenwaldungen nicht fehlt, gefunden, wie z. B. unweit der Eisenbahn bei Woldenberg, woselbst ich im Jahre 1850, bis zum Abgänge der Post, mehrere Stunden verweilen musste. Gewiss wird diese Sand- alge noch an vielen andern Orten Vorkommen und ist ohne Zweifel ihrer Unschein- barkeit wegen, übersehen worden. Wenn man geht, wo die Pflanze wächst, und des Wanderers Aufmerksamkeit nicht darauf lenkt, so wird er auch nicht erlauben, dass er auf Pflanzen tritt und schon getreten habe und über Tausende lauere schon hinüber geeilt ist. Macht man im trockenen heissen Sommer eine Excursiou auf den Dünen, so stellt sich Stereon. Chthonobl. als kleine dürre, trockene, leicht zerfallende, grau- schwarze Häufchen dar, die vom übergewehten Sande halb bedeckt sind; hat es aber längere Zeit geregnet und ist der dürre Sand fester geworden, so bemerkt man diese Häufchen viel eher, weil sie gleichsam wie alle niedern Organismen, als Moose, Lebermoose, Flechten, und einige kleinere Pilzarten durch vermehrte Feuchtigkeit nicht nur wieder aufleben, sondern auch weiter vegetiren: dann erkennt man sie an der schwärzlichen, ja wenn der Regen längere Zeit andauert, an der ganz schwar- zen Färbung sehr leicht. *) Der grammatisch richtig geschriebene Name ist: Chthoaoblastu*. 17 130 Die sehr feinen 1 «o — Vsto Linie dicken bräunlichen , durchsichtigen Fädchen verweben den feinen Sand zu einem trichomatösen Rasen, welcher nach den Spitzen noch mehr verdünnt und verlängert im Sande weiter wuchert, um neue Rasen zu bilden. Eigentlich wird nur derjenige Theil der Düne, welcher zwischen der Haide und der Aussendüne liegt, also stets etwas geschützter ist, von dieser Sandalge bedeckt; sie vereinigt denselben schon einigermaassen durch ihre minutiösen Fasern, welche feiner sind als der Sand selbst. Diese Vereinigung wird an einigen Stellen so stark, dass man nicht so leicht wie au andern , mit den Füssen im Sande versinkt. Ist diese Alge schon etwas weiter vorgeschritten, so erheben, sich kleine, ausgebreitete Erhaben- heiten, welche gleich kleinen Maulwurfshügeln, aber nur von 1 bis 2 und 3 Zoll Breite, hervortreten und I bis 1 Zoll Erhabenheit zeigen, so dass es aussieht, als wenn die Fläche vom auf ge trockneten Unrathe bedeckt, oder Pilzen darauf halb vermodert seien. Schliesslich Hesse sich hiernach die Frage aufwerfen, ob es nicht möglich sein sollte, durch Vermehrung dieser Pflanze eine Weiterverbreitung derselben zu erzielen und so mindestens an etwas geschützten Flächen eine Festlegung des Sandes zu be- wirken, wodurch wieder anderen Pflanzen eine Grundlage gegeben würde, sich leichter ansiedeln zu können. Ohne dass ich jedoch auf diese Frage eingehe, möge es ge- nügen, die Aufmerksamkeit auf die kleine nützliche Alge hingelenkt zu haben. Einiges znr Kenntniss der Todtenbestattung bei den heidnischen Preussen. Von W. Hcnsehe, Hiezu Taf. I. Die folgenden Mittheilungen über altpreussischc Gräber und zu der bitte der Leichenbestattung bei den alten heidnischen Einwohnern unseres Landes, sind in der sehr lesenswerthen Zusammenstellung „Ueber die heidnischen Gräber mit ihren Alterthümern “ im 6. Bande der Neuen Preuss. Provinzialblätter 1*48, zwar schon beiläufig erwähnt, dürften aber ausführlicher besprochen, auch jetzt noch nicht ganz ohne Interesse sein und möchten geeignet erscheinen, einzelne Dunkelheiten in den alten historischen Ueberlieferungen von den altpreussischen Todtengebräuchen, be- stimmter aufzuklären. Das von mir bei der Untersuchung alter Gräber Beobachtete ist, so viel mir bekannt ist, noch nicht anderweitig aufgefunden oder doch nicht beschrieben und ich wünsche durch diese ausführlichere Darstellung die Aufmerksam- keit auf die fast allein noch vorhandenen Denkmale der alten Einwohner Preussens bei allen Denjenigen zu erregen, welche durch Zufall oder mit Absicht zur Unter- suchung alter Gräber geführt werden, damit sie eine genauere Aufzeichnung und die sorgfältigere Erhaltung und Aufbewahrung des Gefundenen nicht versäumen, bevor die jetzt mächtig sich ausbreitende Kultur, die der Herrschaft der Pflugschar immer grössere Landesstrecken unterwirft , die bisher noch in grosser Anzahl erhalten ge- bliebenen Hügelgräber der Vorzeit als sprechende Zeugnisse der Sagen von der zahl- reichen Bevölkerung des alten Preussenlandes, geebnet und die vielfachen Spuren derselben in nicht gar langer Zeit von der Oberfläche unseres Bodens vertilgt haben wird. So weit die alten Nachrichten in die Vorzeit unseres Landes hinauf reichen, war es bei den heidnischen Preussen allgemeiner Gebrauch , die Todten zu verbren- nen, die Asche in Urnen zu sammeln und diese in von Steinen und Erde auf ver- schiedene Weise zusammen gesetzte und erbaute Hügel, den sog. Kapurnen, beizu- setzen oder sie , ohne Hügel darüber zu errichten , theils einzeln theils in ausgedehn- 17* 132 teren Begräbnissstätten der Erde zu übergeben, wie es von den Preuss. Geschicht- schreibern alter und neuer Zeit, in Voigt ’s Preuss. Geschichte, im Erläut. Preussen, von Harth noch und Andern vielfach und ausführlich beschrieben ist und zu wel- chem Dr. Gebauer noch neuerdings im 3. Bande der Neuen Preuss. Provinzial- blätter vom Jahr 1859, einen sehr interessanten Bericht über die Entdeckung einer alten ausgedehnten Begräbnissstätte in dem Pollwittenschen Felde im Medenauschen Kirchspiel auf Samland, hinzugefügt hat. Dieser Gebrauch der Todtenverbrennung gegen welchen der Orden nach der Eroberung des Landes strenge Verbote ergehen liess, scheint sich doch bis in eine ziemlich späte Zeit seiner Herrschaft erhalten zu haben und es sind nur wenige Fälle mit nicht sehr zuverlässigen Nachrichten darüber bekannt geworden, in welchen die Reste nicht verbrannter Todter aus alter Zeit aufgefunden sind, wozu der letzte Fund im Ballgarder Felde bei Tilsit, über den Herr Professor v. Wittich seine ausführlichen Untersuchungen und seinen sehr interessanten Bericht über Altpreussische Schädel, in den Schriften dieser Gesell- schaft vom vorigen Jahre bekannt gemacht hat, als der wichtigste zu betrachten ist. Den zahlreich noch vorhandenen alten Gräbern in der Gegend unseres Seebadeortes Neu-Kuhren, habe ich bei meinem vieljährigen Sommeraufenthalte daselbst vielfache Aufmerksamkeit zugewendet und eine ziemliche Anzahl derselben im Verlauf meh- rerer Jahre geöffnet und untersucht, dabei zwei sehr umfangreiche Begräbnissstätten angetroffen und Einiges gefunden, was für die Kenntniss von der Art und Weise der Leichenbestattung bei den heidnischen Preussen eben so neu als bemerkenswerth sein möchte. Diese beiden Plätze nun , welche zu gemeinsamen Begräbnissstätten gedient haben und mit einer sehr grossen Anzahl von Gräbern dicht besetzt sind, nahmen meine Aufmerksamkeit ganz besonders in Anspruch. Die Einrichtung der Gräber in denselben weicht von der der Hügelgräber bedeutend ab und scheint bis jetzt noch nicht anderweitig wieder gefunden zu sein. Der eine dieser Plätze liegt zur rechten Seite der Strasse von Königsberg nach Rantau , ein Paar Tausend Schritte vor diesem Dorfe und südlich von dem Dorfe Alleinen auf dem von Norden nach Süden aus der Ebene sich frei erhebenden Kalksberg. Der Berg ist auf seiner nördlichen Hälfte mit dichtem Gebüsch bewachsen und auf der andern mit Rasen bedeckt. Auf dem schmalen langgezogenen Kamm dieser letztem Hälfte befinden sich zwei Hügelgräber und um diese herum und an den Seiten des Berges herab, liegt eine Menge von Gräber im Boden, wie auf dem zweiten. Dieser zweite und •ausgedehntere Platz ist an der Südseite der Rantauer Palwe längs der Grenze des Dorfes Tenkiethen belegen und bildet einen von Ost nach West streichenden flachen 133 Sandhügel von etwa 40*0 Schritten Länge und 200 Schritten Breite. Es ist dieser Hügel mit hunderten, dicht und ohne alle Ordnung an einander liegenden alten Gräbern bedeckt, die durch grosse in Kreisen mit einem in der Mitte liegenden und aus dem Boden hervorragenden Steinen sich bemerkbar machen. (Fig. 1.) Oie Steinkreise und die darunter erbauten Gräber kommen hier in zwei ver- schiedenen, unter sich aber stets gleichbleibenden Grössen, nämlich von 3 Fuss und von 6 Fuss innerem Durchmesser anscheinend willktthrlich unter einander gemischt, vor und es wurde ihre Bauart, ihre innere Einrichtung und ihr Inhalt stets so über- einstimmend gefunden, dass für eine etwanige Meinung, die grösseren seien Gräber der Männer und die kleineren Gräber von Frauen oder Kindern gewesen, kein An- halt gefunden werden konnte. Die grossen sowohl wie die kleinen enthielten Urnen von durchgehend gleicher Grösse und die meistens darin und daneben liegenden kupfernen und bronzenen Ringe, Gewandhalter, Nadeln und anderer Schmuck, selt- ner von Silber, römische Kaisermünzen von Bronze nebst Korallen aller Art und Grösse, sowie eiserne Lamzen- und Pfeilspitzen, zuweilen Pferdegebisse und kurze Schwert- und Messerklingen u. s. w. befanden sich in Allen so, dass sich dadurch kein Unterschied für eine solche Meinung erkennen Hess. Aus der weiteren Be- schaffenheit dieser Gräber war aber die Art der Todtenbestattuug damaliger Zeit sehr deutlich zu erkennen. Man hatte zu dem Grabe zuerst eine 3 bis 4 Fuss tiefe Grube gemacht und in dieselbe eine kreisrunde Wand von grossen Feldsteinen in einer der beiden angegebenen Dimensionen bis zur Oberfläche des Erdbodens sehr fest und regelmässig aufgebaut. Auf dem Boden der Grube wie es diese Stelle und die immer geschwärzten Steine der inneren Wand der Steinmauer es erkennen Hes- sen, hatte man das Feuer zum Verbrennen des Todtcn angemacht, die Asche und Knochenreste gesammelt, in eine Urne gethan, diese auf die Brandstelle in der Grube gestellt und mit einem passenden Stein, meistens mit einem besonders dazu ausgewählten glatten Kiesel oder anderem Geschiebestück, wie man sie häufig am Seeufer findet, bedekt, die angeführten Geräthe und Schmucksachen theils in die Urne, theils in die Grube gelegt und das Ganze, bis zur Höhe der Urne mit Erde zugeschüttet (Fig. 2.). Ueber der verschütteten Urne ward nun das Grab mit gros» sen Steinen meist in doppelter Lage sehr fest und sorgfältig, gewölbartig zugedeckt und oben auf noch ein Stein in die Mitte gelegt, dessen obere Kante fast immer mit der des obersten Steinkreises des Grabes aus dem Boden hervor ragt. Ein solches geöffnetes Grab bietet von der Seite gesehen, die mit Fig. 3. bezeiehnete Ansicht. 134 Die Urnen in diesen Gräbern unterscheiden sich vom denen die man in den Hügelgräbern findet, sehr bedeutend. Sie haben alle eine nur wenig von einander abweichende Form, sind durchgängig viel grösser, - von 15 bis etwa 20 Zoll hoch, sehr roh , sichtlich aus freier Hand und ohne einige Sorgfalt topfartig und oft schief aus lehmigter Erde von dunkelbrauner Farbe, in welcher viele kleine Feldspath- und Quarzbrocken eingeknetet sind, geformt, kaum oder wenig gebrannt und haben nur zuweilen lose angeklebte und unbedeutende rohe Verzierungen, die in kleinen Thon- buckelu oder der Andeutung von Henkeln bestehen und sind daher, wenn sie der darauf gelegte Stein nicht schon zerdrückt hat, nur seltener unversehrt zu erhalten (Fig. 4.). Die Urnen in den Hügelgräbern, mindestens in dieser Gegend, dagegen sind immer von ausgewählterer Masse aus feinerem und feinstem Thon von sehr verschiedenen Farben, glatt, zierlich, viel fester, von den verschiedensten Formen und Gestalten und meistentheils mit allerlei Zeichnungen verziert und mit Henkeln oft auch mit Deckeln versehen, viel kunstreicher, wie auf der Scheibe gefertigt und zeichnen sich vor denen sehr vortheilhaft aus. Bei der so auffallenden Verschiedenheit der hier beschriebenen Gräber und der Hügelgräber mit ihren Urnen, welche Letztere so vielfach beschrieben sind und deren Einrichtung so bekannt ist, dass auf ihre nähere Beschreibung hier nicht weiter eingegangen werden darf, die Beide in einem Felde wie hier sich nebeneinander befinden und sich doch so sehr von einander unterscheiden, entsteht nun die ganz natürliche Frage, sind es Gräber aus verschiedenen, aus einander liegenden Zeiten, oder sind es Gräber von Todten der verschiedenen Kasten oder Stände der alten Preussen, wie sie nach aller Chronisten Zeugniss hier im Lande zur Heidenzeit existirt haben? Diese Frage jedoch möchte zur Zeit noch schwierig und mit wenig Sicherheit zu beantworten sein, es sind dazu noch mehr Beobachtungen und vor Allem nöthig, den Inhalt der aufgedeckten Gräber an Urnen, Schmuck, Waffen und Geräthe, wie sie in jedem einzelnen gefunden werden, zusammengestellt aufzubewah- ren, wie es bereits in einigen Sammlungen geschieht, um durch Vergleichung eine Meinung über das Alter derselben zu gewinnen und es dürfte daher für Jeden , der •alte Gräber untersucht, sehr zu empfehlen sein, Alles in jedem einzelnen Grabe ge- fundene zusammen aufzubewahren und nicht zu zerstreuen. Schon Tacitus sagt in seiner Erzählung von den Leichenbegängnissen der alten Deutschen; „Die Körper berühmter Männer werden mit gewissen Holzarten verbrannt. Den Scheiterhaufen überhäufen sie nicht mit Wohlgerüchen oder Spezereien, einem Jeden aber legen sie seine Waffen und Einigen das Ross auf Jenen.“ Hartknoch 135 und die späteren Preuss. Geschichtschreiber berichten von einer gleichen Sitte bei den alten Preussen: „der Todte ward erstlich auf einen Holzhaufen gelegt und ver- brannt, darnach wurden seine besten Kleider mit ins Feuer geworfen, ja auch Jagd- hunde, Pferde, Waffen und was sonst der Verstorbene in seinem Leben lieb und werth gehalten“, und es muss auffallend erscheinen, dass unter den zahlreichen Nach- richten die wir von aufgedeckten alten Preussischen Gräbern besitzen, niemals von dem Vorkommen von Resten verbrannter Pferde berichtet wird, mit Ausnahme eines Falles, in welchem von einem in einem Grabhügel bei Breitenstein gefundenen Pferdeknochen im Erl. Preussen 111. p. 412, wie es indessen scheint nicht mit grosser Zuverlässigkeit Nachricht gegeben ist. Wären Pferde mit den Todten ver- brannt und die Reste in Urnen gethan, so hätten sie auch in den grössten Urnen, die ja in grosser Zahl bekannt und aufbewahrt sind, wohl kaum Platz gehabt und es würden die Pferdeknochen darin schon in vielen Fällen unzweifelhaft gefunden sein. Die Asche und die verbrannten und sehr zerstückelten Knochen in den Urnen sind aber meistens von so geringem Volumen und nicht so bedeutend als es die Ueberreste eines verbrannten Pferdes sein würden. Ackere Chronisten und Simon Grunau ganz besonders, sagen bei der Beschreibung der Leichenbegängnisse bei den alten Preussen, „seine Reitpferde und beste Jagdhunde bunden sie und legten sie zu ime“, und so scheint es wirklich auch in vielen Fällen gehalten worden zu sein. Bei dem Ballgarder Funde, den uns Herr Professor v. Wittich beschrieben hat und der vielleicht aus einer so späten Zeit herrührt in der die Sitte des Verbren- nens der Todten schon verlassen war, lagen zwei Pferdegerippe zwischen acht Menschenskeleten. Der schon vor mehreren Jahren verstorbene Baren v. Horn hatte im Sommer 1831 auf der Rantauer Palwe bei Neu-Kuhren vielfach nach Urnen gegraben und bei dieser Beschäftigung unter einer Urne das Gerippe eines in knieender Stellung begrabenen Pferdes entdeckt, was er im Jahr 1847 mir, und auf meine Veranlas- sung der Gesellschaft Prussia mittheilte und mich veranlasste, im darauf folgenden Jahre weitere darauf bezügliche Nachforschungen anzustellen. Wenige Schritte links vom Wege von Rantau nach Neu-Kuhren und kurz vor diesem Orte, lagen wie es den früheren Besuchern Neu-Kuhrens noch wohl erinnerlich sein wird, fünf, zwei grössere und drei kleinere Hügelgräber nahe beisammen auf der Palwe, die den Badegästen oftmals zu Ausgrabungen von Urnen , Schmucksachen und Geräthen gedient hatten und eine reichliche Fundgrube davon darboten. Sie sind seit etwa vier Jahren nicht mehr vorhanden, indem der Besitzer des Landes 136 die Hügel abgetragen und diesen Theil der Palwe in Ackerland umgeschaffen hat. Bei der damaligen genaueren Untersuchung des Bodens um diese Hügel, fand ich denselben mit einer Menge Faust grosser und etwas grössererSteine bedeckt, die in dem kurzen Rasen der Palwe anscheinend unregelmässig zerstreut umher lagen und nur an ein Paar Stellen, wenige Fusse von einem der grossen Grabhügel entfernt, in einiger Regelmässigkeit, in ovaler und länglich stumpfer viereckiger Form zu lie- gen schienen (Fig. 5 a b.). An zwei dieser nur einige Schritte von einander ent- fernten Stellen wurde nun nachgegraben. Man kam durch die dünne oben auflie- gende Humusschicht in reinen gelben und groben Sandboden, der sich in einer Tiefe von fast vier Fuss zu schwärzen begann, ein wenig tiefer wurde in der Mitte einer jeden Grube eine fünf Zoll hohe schlanke, kleine und leere, aufrecht stehende Urne gefunden (Fig. 6.) und der Boden dieser Gruben und ihre Seitenwände, welche in einer Länge von über acht Fuss und in mehr als vier Fuss Breite geöffnet waren, Hessen an dem geschwärzten Sand und an den darin befindlichen Aschen- und lvoli- lenresten unzweifelhaft erkennen, dass in ihnen Feuer gebrannt hatten. Beim wei- teren sehr vorsichtigen Graben kam man sofort wieder in den reinen gelben Sand- boden und ungefähr 9 Zoll tiefer als die kleinen Urnen standen, wurden Knochen gefunden. Diese wurden nun mit den Händen von dem feuchten Sande befreit und so die Grabearbeit mühsam fortgesetzt, bis in jeder Grube ein vollständiges Pferde- gerippe blosgelegt war. Die Gerippe lagen Beide in aufrechter Stellung, die vier Beine eines jeden Pferdes waren in knieender Lage dicht an den Leib gezogen und der Kopf des einen Pferdes, zwischen dessen Zähnen sich ein verrostetes, eisernes, stark nach unten gezogenes, einfaches Trensengebiss befand (Fig. 7.), war nach vorn und unten und mit dem Maul bis auf die Kniee der Vorderbeine herabgezogen, so dass aus der ganzen Lage auf das deutlichste zu ersehen war, dass das Pferd gebunden und gefesselt in die Grube gelegt sein musste (Fig. 8.) , die erwähnte kleine Urne stand auf der Brandstelle genau über die Mitte des Rückens des Pferdes. Das an- dere Pferd welches in der zweiten Grube nach dem Abräumen des Bodens unter ganz gleichen Umständen wie das Erste gefunden wurde, lag ebenfalls aufrecht und in knieender Stellung, der Kopf und der Hals des Gerippes waren aber nach oben und etwas nach rechts gewendet lang vorgestreckt, so dass die Nasenspitze am höch- sten lag, auch war das eiserne Trensengebiss im Maule nicht wie bei dem vorigen nach unten gekrümmt, sondern lag gerade zwischen den Zähnen (Fig. 9.). Bei der Betrachtung dieses Skelets konnte man nun sehr deutlich wahrnehmen, dass das Pferd lebendig begraben wurde, dass beim Begraben die Zügel, mit welchen der 137 Kopf an die Knieen befestigt worden, losgegangen waren und dass das Thier, wie es nicht zu verkennen war , eine gewaltsame Anstrengung gemacht hatte , um sich aus dem Grabe zu befreien. Beide Pferde waren von kleiner Statur, wie es die alte Preussische und Masurische Landesrage zum Theil noch heute ist, und nach der Beschaffenheit ihrer Zähne noch jung gewesen. Den Schädel des Einen und meh- rere dazu ausgewählte Knochen hat damals der Medizinalrath Rathke zur anatomi- schen Sammlung genommen und das Gerippe des Andern ist unserer Alterthums- forschenden Gesellschaft Prussia übergeben worden. Für die Kenntniss der Leichenbestattuug bei den alten Preussen erscheint das Auffinden dieser Pferdegerippe unter den angeführten Umständen von einiger Wich- tigkeit und bestätigt die bis dahin noch unsicheren Nachrichten, dass den Todten auch ihre Pferde, und hier unverbrannt , mit ins Grab gegeben sind, wie es in alten Gräbern im Norden von Deutschland, in Mecklenburg und Pommern u. a. a. 0., wo die Todten unverbrannt begraben worden, mehrfach beobachtet ist und wie es der Ballgarder Fund auch hier uns zeigt. Dürfte man aber aus unsern Wahrnehmungen und im Vergleich der alten Nachrichten auf die Art und Weise der früheren Todten- bestattungen schliessen, so erscheint es mehr als wahrscheinlich, dass bei einem sol- chen Begräbniss zuerst das Pferd in der Grube lebendig begraben wurde, dass hierauf über dem verschütteten Pferde in der Grube das Feuer angemacht ward, in welchem der Todte verbrannt wurde, dass demnächst seine Asche in eine Urne ge- than und diese, mindestens in unsern Fällen, in dem dicht dabei errichteten Grab- hügel beigesetzt ist. Die kleine leere Urne über dem Rücken des Pferdes war vielleicht mit einem Getränk angefüllt und dem Todten zur Reise ins Jenseits mit- gegeben, die Grube wurde zugeschüttet und ihre Stelle im Boden mit den um den Umkreis der Grube gelegten Steinen bezeichnet. An das Angeführte schliessen sich aber noch zwei Fidle an , welche der Direktor des Geheimen Archivs, Herr Geheimer Regierungsrath Dr. Voigt inzwischen die Güte gehabt hat, mir mitzutheilen, und welche das Begraben von Pferden bei der Todten- bestattung der alten Preusen ebenfalls auch zu bestätigen scheinen. In den Samm- lungen des Archivs befinden sich zwei grosse Graburnen, von welchen die eine mit einem Begleitschreiben des Pfarrers Bo Ick in Friedrichshof bei Orteisburg vom 25. Februar 1819, und die andere vom Landschaftsrath Crüger aus Johannisburg im Anfänge der dreissiger Jahre eingesendet sind. Beide sind an den genannten Orten ausgegraben und einer Jeden liegt der Unterkieferknochen eines Pferdes bei, die mit den Urnen zusammen gefunden sind; den daran wohlerhaltenen Zähnen nach 18 haben sie jungen Pferden an gehört und sind ganz unzweifelhaft dem Feuer nicht ausgesetzt gewesen, es sagen aber die Schreiben von dem Auffinden noch mehrerer Pferdeknochen oder solcher Gerippe Nichts. Nach diesem Allen möchte es nun endlich für künftige Untersuchungen alter Gräber sehr wünschenswerth sein, dabei im weitesten Umfange und mit der gröss- ten Sorgfalt zu verfahren, Alles in einem Grabe gefundene zusammen aufzubewahren und der Bestimmung kundiger Personen zu übergeben , damit dadurch unsere Kenntniss von der Bestattung der Todtcn und den Begräbniss- Gebräuchen bei den alten Einwohnern unseres Landes erweitert, und wenn das Alter der Gräber nach der sog. Stein-, Bronze- oder Eisenzeit auch nicht festzustellen sein wird, so doch für das verschiedene Alter der Gräber aus aufeinander folgenden Zeiten, erwünschtere Anhalts- punkte als bisher gewonnen werden könnten, wozu die Sammlungen des Königl. Geheimen Archivs und die der Alterthumsforschenden Gesellschaft Piussia hierselbst, die besten Aufbewahrungsorte und die beste Gelegenheit dazu darbieten. Privatsilzun" tun 4. Octobcr. Nachdem Herr Professor Caspary die neuca durch Tausch erworbenen Schriften vorgelegt und Einiges aus denselben mitgetheilt hatte, machte Herr Elditt folgende Mittheilungen: 1. IJeber die. früheren Znx/nnde von Microdnn mutabths. Die Natur legt uns in Ge- bilden mancher Art Räthsel vor, deren Lösung lange auf sich warten lässt. Jene besonders ins Auge zu fassen, um diese zu ermöglichen, ist daher Aufgabe des Naturforschers, dabei behüfiich zu sein, Pflicht jedes Naturfreundes. Erlauben Sie mir nun, ihre Aufmerksamkeit auf ein solches Ge- bilde zu lenken, das lange zu den räthselhaften gezählt werden musste, und das auch jetzt noch der gründlichen, besonders der anatomischen Beleuchtung harrt. Damit das allgemeine Interesse nicht, beeinträchtigt werde, will ich mich vorläufig darauf beschränken, das räthselhafte Gebilde als ein Thier zu bezeichnen , welches Schnecke zu sein scheint und doch der näheren Besichtigung so Viele* zeigt, was Schnecken fremd ist und zu Vergleichen mit anderen Thieren wenige Anhaltspunkte bietet. Dieses, schon älteren Zoologen, z B. Aldro vandus, begegnende Thier, wird zum ersten Male beschrie- ben und bildlich dargestellt von Herrn v. Heyden im Jah.e 1823. In dem 11. Hefte dieses Jahr- ganges der Isis befindet sich nämlich auf S. 1247 seine Arbeit: ,,Ueber ein sonderbar gestal- tetes Thierchen“, das derselbe 1818 im Taunusgebirge in bedeutender Höhe an einer bergigten Felswand unter der feuchten Rinde eines alten Eichenstutzes fand , in dessen Nähe Wasser nicht vor- handen war. Trotz wiederholten Suchens liess sich doch nur 1 Exemplar finden, welches somit der Beschreibung unterwoifen w'urde, damit diese zu einer weiteren Beurtheilung auflbrdere. Nicht will ich seine Beschreibung wiederholen, sondern nur den Schluss der Arbeit hier citiren: ,,Nach einem ein- zigen Exemplar und ohne Kenntniss der inneren Tlieile. (die sich bei dem schlechten Zustande des Exemplars nicht näher untersuchen Hessen), wage ich nicht, mich über die nähere Stellung des Thieres im System zu erklären. Dass es die Larve eines Insekts (etwa einer Fliegenart) ist, glaube ich nicht, indem der ganze Bau und besonders der der Mundtheile von dem aller mir bekannten Insektenlarven zu verschieden ist. Weit eher würde es eine Molluske sein, aber dann eine neue, sehr ausgezeichnete Gattung bilden müssen.“ — Im folgenden Jahre brachte No. 295 des Ile.-perus die Protokolle der öffentlichen Sitzung der mathematisch -physikalischen Klasse der königl. Akademie der Wissenschaften in München, welcher am 13. November 1824 Herr v. Spix seine Entdeckung einer Landschneckengattung mittheilte, die derselbe 'ent /tigern Amerlundiu nannte, weil er sie zu Amerland am Stahrenberger See gefunden hatte und zwar im Innern alter, abgehauener, in der Erde noch wurzelnder, jedoch der Verwesung preisgegebener Eichen- und Fichtenstämme, immer in Gesellschaft mit der Herkules- und röthlichen Ameise. Durch diese Publikation wurde v. Heyden bewogen, im 5. Hefte der Isis 1825 (pag. 587) einen Nachtrag zu seiner oben bezeohneten Arbeit zu geben und darin nachzuweisen, dass Spix näher beschriebene Schnecke eiive grosse Ueberein- stimmung mit seinem Thiere habe, und er schliesst seinen Artikel mit folgenden Worten: , Bei aller äussern Aehnlichkeit beider Thiere glaube i h doch, dass sie vermöge wichtiger Unterschieds-Merk- male zwei nahe verwandte, aber doch verschiedene Gattungea bilden müssen. Um mein beschriebe b IO Sitzungsberichte. nes Thier nicht namenlos zu lassen, habe ich es einstweilen Pnrmvla cocciformis genannt.“ — Jetzt sehen wir somit das räthselhafte Thier der Familie der Schnecken zugewiesen und zwei neue Gat- tungen repräsentiren , deren Existenz von zwei Autoritäten festgestellt bleibt, bis sich 1832 eine Stimme vernehmen lässt und zwar im III. Bande der Göttingischen gelehrten Anzeigen (Stück 196, den 8. December pag. 1957) folgendermaassen : „Dr. v. Spix Abhandlung möge zum Beispiele die- nen . wie vorsichtig man bei einer; vollkommenen Entscheidung über einen Gegenstand der Zoologie zu Werke gehen müsse. Es ist nämlich die hier genannte Scntelligrru keine neue Landschnecken- gattung, sondern vielmehr eine Dipterenlarve, welche auch in der Umgegend von Göttingen vorkommt. — Durch den Umstand, dass im vorigen Winter solche Larven in des Referenten Zimmer zuerst in vollkommene Insekten, in Microdons. sich verwandelten . wird die Sache ausser allen Zweifel gesetzt. Ein eifriger Entomologe, Herr Studiosus S chl otth auber, der diese Larven in hiesiger Gegend gefunden, steht im Begiiffe, den Vorgang der Entwickelung dieser Thiere genauer zu bearbeiten.“ — 1839 legte Herr v. Schlotth auber der Versammlung der Naturforscher in Pyrmont die mit mu- sterhafter Genauigkeit beobachtete Verwandlungsgeschichte und Anatomie aller Stände von Microdon mvt ubihs , durch herrliche Abbildungen erläutert, vor und sagte der Versammlung das Erscheinen seiner Arbeit im Buchhandel zu. Doch ist dieselbe nicht im Druck erschienen. — Dieser Aufschluss in den Göttinger Anzeigen, so wie der in der Naturforscher- Versammlung war nicht zu meiner Kenntniss gelangt, als ich im Jahre 1844 auf meinen entomologischen Excursionen Kaffeebohnen ähnliche Körper mit retikulirter Oberfläche auf der innern Rindenseite von Eichenstubben im Neu- hauser Walde antraf, die ich zur nähern Untersuchung mitnahm und aus denen sich Microdon mn- tnbilis entwickelte. Die wunderbare Gestaltung dieser Puppen und deren, von meinen entomologischen Freunden anerkannte Neuheit, bestimmten mich zu einer genauen anatomischen Untersuchung der Puppe, bei welcher ich mich der freundlichen Unterstützung des scharfsichtigen Beobachters, unsers geliebten Professors R a t h k e , zu erfreuen hatte. Die druckfertige, mit Abbildungen versehene Arbeit übergab ich dem Präses des Stettiner entomologischen Vereins, Herrn C’ A. Dolirn, der sie Dr Loew, als dipterologischer Autorität, zur Kenntnissnahme vorlegte. Seiner literarischen Kenntniss verdankte ich die bereits genannten Aufschlüsse und die Publikation meiner Arbeit in der Stettiner entomolo- gischen Zeitung 1845. — In spätem Jahren fand ich abermals einzelne Puppen in ähnlichen Stubben, die zugleich von Ameisen bewohnt waren, und endlich traf ich an gleichem Orte eine Larve die jedoch bald abstarb. Von meinen entomologischen Freunden hat nur Herr Direktor Sauter einen gleichen Fund mir mitgetlieilt. Endlich hat Herr Dr. Hensche in diesem Sommer bei seinem Aufenthalt im Bade Kreuth bei in der Erde bauenden Ameisen drei schneckenartige Thiere angetroffen, deren eigenthümliche Bewegung beobachtet und in Spiritus für mich reservirt, die ich sofort als Microdon -Larven erkannte. Mit Hülfe des nun mehrfach vorhandenen Materials wird es mir endlich möglich werden, die Entwickelungsgeschichte von Microdon mntubilis vollständig zu geben, 1 und somit das Räthsel gründlich zu lösen, das das sonderbare Thier den Beobachtern vorlegte, de- nen wir Dank schulden für ihre Publikationen, wenn dieselben auch der richtigen Deutung nicht nahe kamen. Möchte nur Jeder das ihm in der Natur Auffällige fixiren und, wenn die eigene Untersuchung nicht zulässig ist. den Fachmännern zu einer solchen Gelegenheit bieten. In Bezug auf die Micro- don-Larven und Puppen erlaube ich mir die Bitte, was von denselben Ihnen Vorkommen sollte, mir gefälligst zu überlassen, damit die Mehrzahl der Exemplare eine Wiederholung der anatomischen Präparate möglich mache und dadurch Trrthnmern vorbeuge, die leicht möglich sind, wenn man auf Sitzungsberichte. fit einzelne Individuen beschränkt ist. In Bezug auf die Stellung unserer Fliege im System will ich schliesslich noch anführen, dass dieselbe zur Familie der Syrphiden oder Schwebfliegen gehört, die alle innerhalb der Larvenhaut zur Puppe werden. (Die Präparate und Zeichnungen wurden vorgelegt.) 2. Uebpr Hnemonin Eqtriseti Jr'., neu für unsere provinziale Fauna Herr Dr. Lentz fand im Juli d. J. auf dem Teiche in Rauschen ein Exemplar dieses Käfers, der schon als Gattungs- repräsentant für diese Gegend von Interesse war. Da ich die früheren Zustände der Haemonien kannte, so untersuchten wir die Wasserpflanzen, besonders an ihren Wurzeltheilen und fanden sowol an Myriophvllum als an Potamogeton Larven in verschiedener Grösse und eine Menge Cocons, die den Haemonien -Charakter deutlich an sich trugen. Aus einem Cocon konnte ein ausgebildeter Käfer hervorgeholt werden, der dem ersten Funde gleich war, die Fortsetzung der Entwickelung bei den übrigen Individuen misslang, wahrscheinlich wegen der störenden Translokation nach der Stadt. Von Herrn Professor Schaum in Berlin wurde der Käfer später als H. Equiseti constatirt, welche Spe- cies bisher bei uns nicht gefunden war, während Herr Apotheker Bogeng in Putzig schon früher H. Gyllenhalii entdeckt hatte. Sodann zeigte Herr Minden Knochenreste vor, welche Herr Gutsbesitzer Thimm in Kor- schellen l!S Fuss unter der Oberfläche im Mergel gefunden hatte. Daran knüpfte sich eine Debatte über Entstehung des Mergels, an der sich die Herren Caspary, A. Ilensche, Hagen, Dress- ier betheiligten. — Herr Minden theilte auch eine Probe eines durch Hitze erzeugten Presstorfes zur Ansicht mit, den Herr Wendt in Schilleninken macht. — Herr Dr. Hagen zeigte darauf einen Oestrt/s hominis vor, den Le Conte aus Honduras mitgebracht hat, und sprach über die von Dr. Spring in Belgien aufgefundenen Menschenknochen, die nicht fossil zu sein scheinen, sondern von den Mahlzeiten menschenfressender Urbewohner herrühren sollen. Dabei erwähnte Herr Stadt- rath Ilensche der im Oberlande bei Gelegenheit des Canalbaues aufgefundenen Reste einer alten Feuerstelle mit Geräthen aus Hirschgeweih und Feuerstein und versprach dieselben später in der Gesellschaft vorzuzeigen. Privatshzun!' am I. ftovcmber. > Herr Professor Caspary macht einige Mittheilungen über das Verhalten von Pflanzen zu Ver- wundungen. Wenn von Vaucheria und Bryopsis, Wasseralgen deren vegetativer Körper nur aus einer Zelle besteht, ein Stück abgeschnitten wird, so stirbt die Pflanze nicht, sondern der Inhalt zieht sich an der Wunde mit abgerundeter Oberfläche zusammen und sondert auf ihr in Zusammen- hang mit der übrigen unverletzt gebliebenen Zellwand, eine neue Haut ab, so dass die Zelle von Neuem abgeschlossen wird. Bei vielzelligen hohem Pflanzen tindet jedoch ein gleiches Verhalten nicht statt; die durch die Verwundung verletzten Zellen sterben ab und auch noch andere unter ihnen, aber nicht tief unter der Wunde entsteht häufig über die ganze Fläche der Verletzung hin eine Korkschicht, durch welche die Pflanze sich von Neuem gegen all zu starke Verdunstung und " schädliche Einflüsse von aussen her schützt. Eine solche Korkbildung findet auf Aepfeln, Birnen. Pflaumen und Kirschen statt, die verletzt werden, so lange sie noch grün sind. Sehr interessant ist die Korkbildung auf durchschnit- b* Sitzungsberichte. tenen Kartoffelknollen, bei welchen auf der ganzen Schnittfläche in Rinde, Kambium und Mark eine Neubildung von Kork eintritt. Es zeigt sich also bei den Pflanzen das Bestreben, sich gegen den Schaden, den die Wunde ihnen zufügen würde, durch Neubildung eines Theils der Zellwand oder eines schützenden Gewebes zu sichern. Bei den dikotyledonen Bäumen, die sich alljährlich verdicken, geht die Neubildung von Gewebstheilen, wodurch eine Wunde geheilt wird, vorzugsweise nur von der dünnen lebenstbätigen Schicht aus, die man Kambium nennt, die zwischen Rinde und Holz liegt und alljährlich zu beiden eine neue Schicht hinzufügt. Wird an einem Baume das jüngere noch saftleitende Holz: der Splint, oder gar der Kern, welcher keine oder geringe Lebensthätigkeit äussert, blossgelegt und die Wunde kann vom Kambium nicht mehr mit neuen Holz- und Rindenschichten bedeckt werden, so verfault das Holz, welches durch die Beschädigung den äussern zerstörenden Einflüssen von Luft, Lieht, Feuchtig- keit u. s. w. ausgesetzt ist; der Baum wird hohl. Was von ihm übrig bleibt ist technisch nicht mehr zu brauchen, sondern dient höchstens noch zum Verbrennen. Am Rande der Wunde bildet jedoch das Kambium neues Holz und neue Rinde, die es über die verletzte, blossgelegte Stelle des Holzes hinschiebt, so dass alljährlich sich der Umfang derselben beträchtlich vei mindert und wenn die. Wunde im Verhältniss zur Neubildung, die allmälig stattfindet, nicht zu gross ist, endlich eine Zeit eintritt, in der die Verletzung von neuem Holz und neuer Rinde ganz zugedeckt wird. Jedoch findet sich noch eine lange Reihe von Jahren hindurch zwischen den sich über der Wunde berührenden Rän- dern der alljährlichen Neubildung eine trennende Rindenschicht. Diese wird aber dünner und dünner, endlich hört sie auf, es bildet sich eine ganz zusammenhängende llolz- und Rinden cliicht über der Wunde und diese ist nun zugleich ausgeheilt. Es wurden zum Belege Baumsclmitte mit Verletzungen verschiedener Art vorgelegt. Ausser geheilten Rindenbeschädigungen wurden von folge: den Fällen Prä- parate vorgezeigt. 1) Ein Ast einer Hainbuche hatte seine eigene Rinde und die eines Stammes und andern Astes, wo dieser unter Gabelbildung aus dem Stamm entsprang, mittelst Windesgewalt durch- gerieben ; seine neugebildeten Holzschichten, mit denen er die Wunde auszuheilen suchte, waren mit den Holzschichten des andern Stammes verschmolzen und beide waren endlich vollständig verwachsen. 2) Klet- terndes Geisblatt (Lonicera Periclymenuin L.) hatte schraubenförmig die Stämme einer Haselnuss und einer Eberesche umwunden und zwar so fest , dass deren Rinde an der Anlagetiäche abgestorben war ; dafür wurde das Geisblatt von oben her mit neuen Holz- und Rindenschichten von den umschlungenen Stäm- men bedeckt, endlich ganz eingeschlossen und getödtet. 3) Die Rinde eines Stück Buchenholzes zeigte aussen undeutliche Spuren eingeschnittener Buchstaben: F, W, B; auf der Spaltungsfläche, parallel zur Rinde, waren jene Buchstaben mehrere Zoll unter der Aussenseite des Baumes, jedoch aufs deutlichste zu sehen und zwar durch die braunen, fast verkohlten Rindenre.te der Neubildung, mit der sie im Lauf von 27 Jahren überdeckt und ausgeheilt waren. Ein noch schöneres Beispiel von Buchstaben, die 200 Jahre vor Fällung des Baumes eingeschnitten und auf dessen Rinde unkenntlich waren, wird in Abbildung von einer E>che aus Lindley’s Theory and practice of horticulture S. 39. vorgezeigt. 4) Wenn ein hohler Baum bis in die Höhlung hinein eines Theils des Holzes beraubt w.rd, so krümmt sich die Neubdduug von nolz und R'nde in die Stammhöhlung hinein und bildet in dieser einen be- trächtlichen Wulst bis zum Schluss der Wunde, wie ein vorgezeigtes Stück eines Kastanienbaumes nachwies. Der Vortragende macht darauf aufmerksam, dass es von besonderer Wichtigkeit sei das Abfdmeiden von Aesten, das in Gärten, au Landstrassen und auf öffentlichen Plätzen nöthig sei, so vorzunehmen, dass die Wunde baldigst ausheile; zu dem Ende müsse ein Ast dicht an der Stamm- Sitzungsberichte. «3 fläche abgeschnitten werden ; einige Vorsichtsmaassregeln , wie dieses bei grossen Aesten am Besten zu thun sei, werden angegeben. Lässt man von einem abgeschnittenen Ast einen Stumpfen von einigen Zoll stehen, so überwallt die Wunde nicht, der Ast fault aus, es entsteht ein Astloch im Stamm, dieser wird faul, allmälig hohl und sein Holz ist verloren. Vor einigen Jahren wurde in England der Verwaltung der Königl. Forsten nachgewiesen, dass sie durch schlechtes Beästeln der Bäume dem Fiscus einen ungeheuren Schaden zugefiigt habe. Auch in und um Königsberg sieht man auf Landstrassen, Spaziergängen und öffentlichen Plätzen mehr schlecht als gut beästelte Bäume, deren Holz dadurch beträchtlich an Werth einbüssen muss. Nach diesem Vortrage wurde : die in der letzten Sitzung vorgelegten Knochenstücke aus Mer- gelgruben des Guts Korschellen bei Zinten von Heini Professor Müller besprochen. Sie gehörten theils dem wilden Schweine, theils dem Elen an. Darauf legte Herr Gutsbesitzer Minden eine neue Reihe verschiedener Gegenstände vor, welche auf den Gütern Korschellen, Kl. Klingbeck, Jäcknitz, Maraunen und Dothen beim Mergelgraben auf- gefunden waren. Besonderes Interesse erregten hierbei : ein grosses wohlerhaltenes Eh ngeweih , im Gute Korschellen bei 10 Fuss Tiefe gefunden; ein bedeutendes Stück Raseneisenstein ebendaher; eine eisenhaltige Kugel, im Gute Jäcknitz aus einer Tiefe von 40 Fuss zu Tage gefördert, von der noch genauer festzustellen ist, ob sie vielleicht aus Meteoreisen bestehe; endlich ein Haifischzahn mit einem Stücke Bernstein in dem Gute Dothen bei 17 Fuss Tiefe gefunden, von denen der erstere durchaus ähnlich denjenigen Haifischzähnen erschien, welche in den Bernsteinschichten des Samlandes gefunden werden Es sprach sich dabei in der Versammlung allgemein der Wunsch aus, dass bei dem jetzt häufigen Mergelgraben, bei dem unfehlbar ähnliche Funde gemacht wür- den, auf die Aufbewahrung solcher Gegenstände die möglichste Sorgfalt verwandt werden möge, und dass die Gesellschaft es dankbar anerkennen werde, wenn ihr in Zukunft häufig derartige Sachen zur wissenschaltl ichen Bestimmung mitgetheilt und dem Königl. naturhistorischen Museum zur Aufbewahrung überwiesen w’ürden. Schliesslich berichtet Herr Dr. Schief ferdecker über das Stassfurter Salzbergwerk, welches derselbe im verflossenen Sommer zu besuchen Gelegenheit hatte und legte verschiedene Proben des daselbst gewonnenen Salzes vor. Privatsitznng am 6. December. Herr Professor Caspary legte eine grosse Menge durch Tausch gewonnener neuer Bücher vor. — Darauf hielt Herr Stadtrath Hensche einen Vortrag über die Grabstätten der alten Preus- sen, die hier im Samlande gefunden worden. (Der Vortrag ist in diesem Hefte mitgetheilt). Dann zeigte derselbe mehrere, theils aus Hirschgeweihen, theils aus Knochen bestehende Instrumente vor, die in der Provinz 7 Fuss unter Torf auf Sand neben Hirschgeweihen gefunden waren und die, früher zwar anders gedeutet, zum Theil ganz den Instrumenten gleichen, welcher sich unsere Fischer beim Stricken der Netze bedienen. Sie scheinen sehr alt, da sich darunter Messer aus Feuerstein befin- den. — Herr Professor Caspary berichtet über einige Holzstückchen, die auf dem Gute Dothen A4 Sitzungsberichte. bei Zinten in einer Tiefe von 10 — 21 Fuss beim Mergelgraben gefunden waren. Eins dieser Stück- chen, die alle an Hölzer der Braunkohlen durch die dunkelbraune Farbe erinnerten, war so stark von Verwesung entstellt , dass Zellen kaum mehr zu erkennen und Bestimmung unmöglich war. 4 an- dere, etwas besser erhaltene schienen der Fichte (Pinus sylvestris L.) anzugehören und zwar 3 Stücke dem Stamm — 2 davon waren Grundstücke von Aesten — und eins der Wurzel; denn 3 Stücke hatten auf radialen Schnitten nur eine Reihe Tüpfel, eins aber häutig 2 in jeder Zelle; die Mark- strahlen waren alle einreihig und zeigten 2 — 7 Zellen über einander. Boten die bisher erwähnten 5 Stücke kaum irgend ein Interesse, so war ein sechstes Stückhen desto anziehender. Es war 5 Zoll lang, 6| Duodez. -Linien in radialer Richtung dick und 1 Zoll in tangentialer breit. Das Stück setzte dadurch in Erstaunen, dass man auf ihm, obgleich es nur 6| Linien im Durchmesser hatte, dennoch ungefähr 159 Jahresringe zählen konnte. Die stärksten Jahresringe waren 7 Zellen dick, und maassen 0. 1 755 mm. bis 0, 1 989 mm. ; die schwächsten — und sie waren am reichlichsten da — hatten nur 2 Zelllagen in der Dicke und maassen nur 0,0585 — 0,0663 mm.; das Herbstholz der einzelnen Jahresringe war 1 — 3 Zellen, das Sommerholz 1 — 4 Zellen stark. Die Markstrahlen waren nur. einreihig und hatten 2, 3, 5, 7, 9, 10, 13, 1 4, 15, 16 Zellen übereinander. Am Meisten kamen die mittleren der angeführten Zahlen vor. Harzgänge waren nirgend wahr zu nehmen. Die Seitenflächen der Zellen hatten eine Reihe Tüpfel. Nach der grösseren Anzahl von Zellen zu urthei- len, welche über einander liegend, die Markstrahlen bildeten, gehörte das Holz der Rothtanne (Pinus abies L.) und zwar einem im Torfmoor gewachsenen Exemplar, an. Es stand dem Vortragenden jedoch von Pinus abies L. und sylvestris L. kein Holz aus Torfbrüchen, in welchen diese Bäume oft zwergartig klein bleiben, zur Vergleichung zu Gebot. Später hofft er Genaueres angeben zu können. Das erwähnte Holzstück hatte ausserdem das Interessante, dass die Holzzellen der jüngeren Jahres- ringe links liefen, ihre Richtung aber etwa in der Mitte des Splitters umsetzt, so dass die ältem rechtsläufig sind. Der Bogen, den das Stück im Verlauf der Jahresringe auf dem Querschnitt zeigte, passte ungefähr auf einen Radius von 28Duodecimal-Linien ; waren die Jahresringe für die ganze Lebens- zeit des Baumes von gleicher Stärke , so muss derselbe ungefähr 659 Jahr alt gewesen sein. Ein Stück Kienholz (Pinus Pumilio Haenke.) vom Riesengebirge, welches vorgezeigt wurde, hatte viel dickere Jahresringe, nämlich 94 auf einem Halbmesser von 1 1 i Linien. Professor Caspary zeigt ausserdem Rhizome von Polystichum Filix mas. Roth vor, welche das interessante Faktum darlegen, welches so weit er wusste, noch nicht beobachtet ist, dass aus dem Grunde der Blattstiele, welche bis auf ein etwa I Zoll langes lebensfrisches stehenbleibendes Stück absterben und sich noch lange am Rhizom erhalten, auf dem Rücken oder der Seite derselben, £ — | Zoll über ihrem Ursprünge, öfters eine Beikuospe sich entwickelt, welche mehrere Blattan- lagen und öfters auch Wurzeln zeigte und zur Vermehrung der Pflanze leicht dienen kann. Berich t über die Bibliothek der physikalisch -ökonomischen Gesellschaft. Verzeich n i s s der durch Tausch bis zum 1. Januar 1 862 erworbenen Schriften. Königsberg, der* Sitz unserer Gesellschaft, ist fast 00 Meilen von dem nächsten Orte wissenschaftlicher Hilfsmittel entfernt. — Die Königl. Universitätsbibliothek hieselbst, die Anstalt, welche zum Gedeihen und zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten hauptsächlich die literarischen Hilfsmittel darreichen sollte, ist so spärlich ausgestattet, dass sie ihrem Zwecke nicht entsprechen kann; die Bemühungen des vortrefflichen Universitätskurators und Protektors unserer Gesellschaft, Sr. Exc. des Herrn Oberpräsidenten Eichmann, ihre Einnahme auf eine genügende Höhe zu erheben, sind bisher ohne Erfolg gewesen; hat sie doch nur die Hälfte von dem jährlichen Einkommen , das die gleiche Anstalt in Bonn bezieht. Namentlich fehlte hier bisher fast der ganze Schatz wissenschaftlicher Arbeiten, der in Gesellschafts- schriften alljährlich niedergelegt wird. Dank der Einsicht der Mitglieder der phy- sikalisch-ökonomischen Gesellschaft, diesem Uebelstande ist jetzt einigermaassen abgeholfen. Es wurde 1860 beschlossen die Verhandlungen zu veröffentlichen. Die Schriften unserer Gesellschaft sind an mehr als 200 wissenschaftliche, ver- öffentlichende Vereine über den ganzen Erdkreis mit der Bitte: in Tausch mit uns zu treten, versandt. Fünf und neunzig dieser Vereine haben unserem Ersuchen bis zum Schluss von 1861 entsprochen, andere haben den Schriftenaus- tausch verheissen und die Zahl derer, die mit uns in Verkehr treten, mehrt sich fortwährend. Wir sageu Allen, die unserer Bitte nachgekommen sind, besten Dank. Besonders fühlen wir uns denen verpflichtet, die nicht bloss die laufenden Veröffentlichungen, sondern auch das Früher- erschienene uns aufs Freundlichste und Bereitwilligste zugesandt ha- ben, welche nicht mit uns rechneten, sondern in edelster W eise m e Irr freiwillig gaben, als wir jetzt und wohl auch in Zukunft bieten kön- nen, wie der Smithsonian Institution , dem k. zoologisch -botanischen Verein und der k. geologischen Reichsanstalt in Wien, der philosophical society in Manchester, der c 1« Verzeichniss der durch Tausch erworbenen Schriften. finnischen Gesellschaft der Wissenschaften in Helsingfprs, der Societe imperiale et centrale d’h orticultur e in Paris, der Societe royale des Sciences in Lüttich, u. s. w. Das mühsame Geschäft des Schriftenaustausches gedenken wir uns in Zukunft dadurch zu vereinfachen, dass wir am Schluss jedes Jahres durch die Schriften unserer Gesellschaft eine Liste des Empfangenen ohne be- sondere Bescheinigung veröffentlichen. Die Bibliothek ist täglich von 4 — 6 LThr in der Wohnung des Bibliothekars im botanischen Garten geöffnet. Wer in ihr selbst arbeiten will, dem steht diess frei. Bücher können nur gegen Em- pfangschein ausgeliehen werden, der den vo 1 lständige n T it el, wie er in den Verzeichnissen der Bibliothek, die sich in den Händen der Mitglieder befinden, enthalten ist, die Zahl der entliehenen Bände, ihr Format, den Tag der Entleihung und denNamen de s Empfängers, von ihm selbst geschrieben, angiebt. Belgien. 1. Brüssel. Academie royale des scienc., des lettr. et des beaux arts de Belgique. — a) Bul- letins des Sciences de la classe des scienc. Annee 1860. 1 Vol. 8vo. — b) Annuaire 1861. 1 Vol. 8vo. , 2. Brüssel. Academie royale de medecine de Belgique. — Bulletin. Ser. II. Tom. I — III, IV No. 1 — 7. 1858 — 61. 5 Vol. 8vo. et 7 fase. 3. Brüssel. Societe entomologique Beige. — Annales Tom. I — IV. 1857 — 60. 4 Vol. 8vo. 4. Lüttich. Societe royale des Sciences de Liege. — Memoires Tom. I — XVI. 1843 — 1861. 16 Vol. 8vo. 1 Vol. 4to. Dänemar k. 5. Kopenhagen. Kgl. danske Videnskabernes Sel.skab. — Oversigt over det Forhandlinget og dets Medlemmers Arbeider i aaret 1860. 1 Vol. 8vo. Deutschland. Anhalt-Dessau. 6. Dessau. Naturhisforischer Verein für Anhalt. — Verhandlungen 1 — 19. Bericht vom 28. März 1840. — Decbr. 1860. 20 Hfte. 8vo. Baden. 7. Freiburg. Naturforschende Gesellschaft. — Berichte über die Verhandlungen. Jahrgang II. Hft. 3. 1861. 1 Bd. 8vo. 8. Heidelberg. Naturhistorisch - medicinischer Verein. — Verhandlungen. Bd. I. 1857—59. Bd. H. Hft. 1—4. 1859 — 61. 1 Bd. und 4 Hfte. 8vo. 9. Mannheim. Verein für Naturkunde. — Jahresberichte 23 und 24, 25, 26, 27. 1858 — 1861- 4 Hfte. 8vo. Verzeichniss der durch Tausch erworbenen Schriften. I? Bai ei n. 10. Augsburg. Naturhistorischer Verein. — Bericht 8 — 14. 1855 — 61. 7 Hfte. 8vo. — Caf lisch (F.) Flora vou Augsburg. 1 Hft. Als Beilage zu Bericht 3. — Büchle (J.) Die Wirbelthiere der Memminger Gegend; herausgegeb. v. Chr. Huber. 1. Hft. 8. Als Beilage zu Bericht 13. 11. München. Königl. baierische Akademie der Wissenschaften. — a) Sitzungsberichte. 1860. n. Hft. I — V. — 1861. I. Hft. I— V. 10 Hfte. 8vo. — b) Aus den Abhandlungen II. CI. IX. Bd. 1. Abthlg.: Wagner (A.) Dankrede auf G. H. v. Schubert, gehalten den 26. März 1861. — Wagner (A.) Neue Beiträge zur Kenntniss der urweltl. Fauna des litho- graphisch. Schiefers. 2. Abthlg. Schildkröten u. Saurier. — Harless (E.) Maassbestimmun- gen der Polarisation durch das physiol. Rheoskop. — Derselb. Molekulare Vorgänge in der Nervensubstanz. 4. Abthlg. — Rathke (H.) Untersuchungen über die Arterien der Verdauungs- werkzeuge der Saurier. — Verzeichniss der Mitglieder 1860. — 6 Hfte. 4to. 12. Passau. Naturhistorischer Verein. — 4. Jahresbericht für 1860. 1 Hft. 8vo. 13. Regensburg. Königl. baierische botanische Gesellschaft. — Denkschriften Bd. III. Bd. IV. 14. Würzburg. Physikalisch - medicinische Gesellschaft. — Naturwissenschaftliche Zeitschrift redig. v. H. Müller, A. Schenk, R. Wagner. II. 1 Hft. 1861. 1 Hft. 8vo. Braunschweig. 15. Blankenburg. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes. — Berichte von 1840 — 58. 9 Hfte. 4to. ■ Frankfurt a. M. 16. Frankfurt a. M. Senkenbergische naturforschende Gesellschaft — Abhdlg. HI. Bd. 2. Lief 1861. 1 Bd. 4to. 17. Frankfurt a. M. Physikalischer Verein — Jahresbericht für 1859 — 60. 1 Hft. 8vo. 18. Frankfurt a. M. Zoologische Gesellschaft. — Der zoologische Garten. 1. Jahrgang 1860. — 2. Jahrgang 1861. 2 Bde. 8vo. Hannover. 19. Emden. Naturforschende Gesellschaft. — a) Jahresberichte 1858, 59, 60. 3 Hfte. 8vo. — b) Kleine Schriften. VHI. Prestel (M. A. F.) Meteorologische Untersuchungen 1861. 1 Hft. 4to. Hessen-Darmstadt. 20. Darm stadt. Verein für Erdkunde und mittelrhein. geologischer Verein. — Notizblatt heraus- gegeben von L. Ewald. 1., 2., 3. Jahrgang 1857 — 60. 3 Bde. 8vo. 21. Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. — Berichtei — 8.1847—60. 8 Hfte. 8vo. 22. Offenbach. Verein für Naturkunde. — 2. Bericht. 1860 — 61. 1 Hft. 8vo. Kur h esse n. 23. II an au. Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. — a) Jahresberichte 1851 — 60. 4 Hfte. 8vo. — b) Naturh. Abhandlungen aus dem Gebiet der Wetterau. Festgabe zum 50 jährig. Jubil. der Gesellschaft am 1. Aug. 1858. 1 Bd. 8vo. 24. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften. — Schriften Bd. VI. enthaltend: Danz und Fuchs Phys. medicin. Topographie des Kreises Schmalkalden. . c* Verzeichniss der durch Tausch erworbenen Schriften. 1$ Preisschrift. Marburg 1848. — 1 Bd. 8vo. 1 Bd. fol. — Schriften Bd. VII. enthaltend: Schreiber (Carl) Phys. medicin. Topographie des Physikatsbezirks Eschwege. Preisschrift. Marburg 1849. 1 Bd. 8vo. — Schriften Bd. VIII. 1857. 1 Bd. 8vo. — Der Wetterauer Ge- sellschaft für Naturkunde zur Feier ihres 50jährigen Bestehens v. der Gesellschaft zur Bef. d. gesammt. Naturwissenschaften zu Marburg. Enthaltend: Kolbe, Ueber die chemische Constitu- tion organischer Verbindungen. Marburg 1858. 1 Md. 4to — Schell (Wilh.) Allgem. Theorie der Kurven doppelte)- Krümmung. Leipzig 1859. 1 Bd. 8vo. Mecklenburg-Strelitz. 25. Neu -Brand enb urg. Verein der Freunde der Naturgeschichte zu Mecklenburg. — Archiv herausgegeb. von Ernst Boll. Bd. I., IV — XIV. 1857 — 1861. 12 Bd. 8vo. Nassau. 26. Wiesbaden. Verein für Naturkunde im Herzogthum Nassau. — a) Jahrbücher XIII, XIV. XV. Hft. 1858 — 60. 3 Hfte. 8vo. — b) Odernheimer (Fr.) Das Festland Australiens. Geo- graph, naturwissensenschaftl. u. kulturgeschichtl. Skizzen. Wiesbaden 1861. 1 Bd. 8vo. Oestreicl). 27. Brünn. K. K. Mährisch- schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues , derNatur- und Landeskunde. — Mittheilungen. 1860. 1 Bd. 4t. //. zonulus Sin. d- H. qua dricinctus Fbr. • O. interrupta Schenck. (? leucomelaena Sm. und Nyl ) d- O. a dun ca Ltr. (pkaeoptera Spin., nach H. — Sch., fuliginosa Pz., lll., bys - sina Pz.) d 2- O. Spinolae Ltr. d 2- Ü. Pap averis Ltr. ( Anthocopa Lep .) 2- O. angustula Nyl. d 2. Genus Anthidinm Ltr. A. manic aturn L. d 2. A. strigatum Ltr. d (Königsberg.) A. punct atum Ltr. d (Königsberg.) Genns Heriades Ltr. II. nigricornis Nyl. ( leucomelaena lll.?) d 2- H. campanularum K. cf 2. , Genns Trypetes Schenck. T. truncorum L. ( Heriades ) $ $. Genns Chelostoma Ltr. Ch. maxillosum L. ( florisomne L. d, var. culmorum Lep.) . XI. Stelidae. Genns Stelis Ltr. St. aterrima Pz. (punctulatissima K.) d 2* St. phacoptera. K. cf 2. St. pygmaea Sch. ( breviuscula Nyl.?) g 5. 13 Genas Coeliozys Ltr. C. conica L. (4 -denlata L., acuta Nyl.) 6 9- C. rufescens Lep. ( apiculata Nyl., trinacria Fest.) . 4. Paniphi las L. Ueberall sehr gemein; 2A bis August. 5. Davus F. Bei Danzig auf Moorwiesen häufig ; 27e — *7». Labiau, (Rastenburg). III. Libytheides B. Gen. Libythea F. 7i — 0. IV. Erycinides B. Gen. Ne/neobius Steph. 7i — 1. Lucina L. Danzig, Karthaus, Saalfeld, Rastenburg (Gilgenburg) ; 7«. V. Lycaenidae brach. 1. Gen. Lycaena F. 2%a = 0,57. 1. Hy las W. V. In wenigen Exemplaren aus Rastenburg erhalten. (Thorn). 2. Optilete Knoch. Bei Danzig in Torfmooren in grosser Menge; 27e — “A; Kahlberg, Labiau, (Willenberg, Neidenburg, Rastenburg). 3. Aegon W. V. Ueberall häufig; 27e — Ende Juli. 4. Argus W. V. Bei Danzig nicht selten; 22/a — *7 1. Elbing, Königsberg, Insterburg, (Willenberg, Thorn). 69 5. Agestis W. V. Bei Danzig zahlreich an den Festungswällen; 19/s — 18/s, ein- mal 7«. (Rastenburg). Aus Allenstein erhielt ich in mehreren Exemplaren eine aulfallende Varietät, grösser als die gewöhnlichen Exemplare und auf der Oberseite ganz oder fast einfarbig. Herr Dr. Speyer, dem ich dieselben vorlegte, schrieb mir: die Lycaenen sind in der That Agestis var. Ich fand ganz gleich grosse und oben einfarbige Exemplare am Harz und überzeugte mich durch zahlreiche Uebergänge, dass ich’s mit einer allerdings sein- auf- fallenden Bergform von Agestis zu thun habe“. 6. Eumedon E. Bei Danzig sparsam an wenigen Stellen auf feuchten Wiesen; *A — V., gewöhnlich in der zweiten J ulihälfite. Saalfeld, (Rastenburg). 7. Icarius E. Bei Danzig an manchen Stellen in Laubwäldern sehr zahlreich; 14/s — 'Vs, am zahlreichsten in der ersten Julihälfte. 8. Alexis IV. V. Allenthalben sehr gemein; 27s — 7». 9. Dorylas IV. V. Ein Exemplar aus Rastenburg, (Gilgenburg). 10. Adonis W. V. Bei Danzig auf den Festungsw-ällen ziemlich zahlreich; 2 Vs — 28/e, ein Exemplar 22/». Braunsberg, (Thorn). 11. Boisduvalii H. S. Sehr zahlreich bei Neidenburg aufgefunden. Herr Dr. Speyer schrieb mir über dieselbe: „Die bei Allenstein entdeckte Lycaena ist gewiss Boisduvalii H. S. (Eroides), ich kann aber an meinen 6 Exemplaren keinen andern Unterschied von Eros finden, als die Grösse und lebhaftere Färbung, wie ähnliche Verhältnisse auch bei andern Lokalvarietäten Vor- kommen, wenn die eine die Ebene, die andere das Hochgebirge bewohnt“. 12. Corydon Scopol/. Bei Danzig sehr häufig; 27, bis Mitte August. Rasten- burg, (Willenberg, Thorn). 13. Daphnis W. V. Ein Exemplar bei Willenberg, (Hohenstein). 14. Alcon W. V. Ein Paar Exemplare bei Gilgenburg. 15. Arion L. Bei Danzig und Elbing nicht häufig; 7: — SA. Königsberg, (Rastenburg). 16. Cyllarus Rott. Vereinzelte Exemplare bei Danzig, Elbing, Güldenboden und Braunsberg; 27s — ‘Vs. 17. Acts W. V. Wohl überall häufig; 12/s — '/». 18. Als us IV. V. Ein Paar Exemplare bei Rastenburg, ein Exemplar bei Gilgenburg. 19. Argiolus L. Wohl überall nicht selten; u/s — 22 s, vorzüglich Anfang Juni. 70 20. Amyntas W. V. Bei Danzig und Elbing sparsam; zweite Julihälfte. Star- gardt, Königsberg, (Rastenburg, Gilgenburg). Die bei Danzig nicht seltene Frühlingsgeneration Polysperchon Bergstr. konnte ich bis jetzt bei Elbing nur in einem Exemplare auffinden. L. Poloua Zell., welche bei Dauzig in einem (von Zeller selbst revidirten) Exemplare gefangen wurde, kann ich als eigene Art nicht anerkennen. Ob die von Herrn Professor Klupss als bei Rastenburg vorkommend auf- geführte L. Battus W. V. wirklich preüssisch sei, wage ich nicht zu ent- scheiden, da ich das fragliche Exemplar nicht gesehen. 2. Gen. Po ly orti in a tun Latr. V» — 0,77. 1. Helle W. V. Bei Saalfeld einige Exemplare im Mai. 2. Phlaeas L. Ueberall gemein; V« bis zum Herbst. 3. Circe W. V. Wohl überall ziemlich häuüg; 17A — '% und dann Ende Juli. 4. Hipponoe E. Wohl überall, bei Danzig nicht selten; V« bis Ende Juli. 5. Chryseis W. V. Ueberall nicht selten, z. Th. zahlreich; 23/e — *A. 6. Hippothoe W. V. Ein Exemplar bei Saalfeld. 7. Vtrgaureae L. Ueberall nicht selten; ®A — 'Vs. Ueber P. Gordius Sulzer, der bei Königsberg gefangen sein soll, äusserte sich Herr v. Siebold brieflich gegen mich dahin, dass bei dieser Angabe leicht eine Verwechselung vorgefallen sein könnte, weshalb ich, da das Thier später nicht wieder beobachtet wurde, es um so mehr aus unserer Fauna streiche, als es bis jetzt (vergl. Speyer) nur in der westlichen Hälfte Süd -Europas ge- funden wurde. 3. Gen. Thecla F. V* = 0,77. 1. Rubi L. Ueberall in Laubwäldern und Gebüschen häufig; 2Vj — Vs, nament- lich in der ersten Hälfte des Mai. 2. Querem L. Bei Danzig nicht häufig; ,2A. (Königsberg, Rastenburg, Inster- burg, Willenberg). 3. Sp ini W. V. Wenige Exemplare bei Jenkau in der Danziger Gegend; 2SA. 4. llicis E. Wohl überall ziemlich häufig; 19A — V». 5. Pruni L. Mehrere Exemplare in der Elbinger Gegend; V? — ’A. Saalfeld, Braunsberg, (Liebstadt, Willenberg). 6. W. album Knoch. Bei Danzig und Elbing selten; *A — 2%. (Königsberg, Rastenburg.) 7. Betuläe L. Wohl überall nicht selten; 2A — 6/e. 71 VI. Pierides B. 1. Gen. Gonopteryx Leuch. '/i — 1. Rhrmni L. Ueberall gemein; 29A — 4/6, dann V» — Vs. 2. Gew. Colias F. 3 „ = 0,5. 1. Hyale L. Allenthalben häufig; 2/s — 3/6, dann Ende Juli und August. 2. Pulaeno L. Bei Danzig sparsam auf Moorwiesen; 7A — I7A. Saalfeld, Star- gardt, Königsberg, (Insterburg, Rastenburg, Gilgenburg, Willenberg). 3. Edusa F. Selten. Danzig (Ende Juli), Saalfeld, Stargardt, (Insterburg, Rastenburg, Gilgenburg, Willenberg, Thorn). 3. Gen. Aporia H. -* A = 1 . Crataegi L. Allenthalben, aber nur in einzelnen Jahren häufig; 17/6 — 28A. 4. Gen. Pieris Schk. 4A ~ 0,66. 1. Brassicae L. Ueberall sehr gemein; % — V«, dann 22A bis August. 2. Rapae L. Allenthalben häufig; 2e/s — Mitte Juni. 3. Napi L. Ueberall sein- gemein; 8/s — 9A, dann 23 A bis August. 4. Daplidice L. Bei Danzig ziemlich häufig; Vs — %, dann 22A bis August. (Königsberg, Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg, Willenberg, Thorn). 5. Gen. Anihocharis B. l/t = 0,5. Cardamines L. Ueberall häufig; l2/s — l5/«, vorzüglich Ende Mai. 6. Gen. Leucophasia Steph. lA = l. Sinapis L. Wohl überall gemein; Vs — "A, namentlich Ende Mai. VH. Papillomtia II. S. 1. Gen. Papilio L. 2/2~l. 1. Podalirius L. Wohl überall aber sparsam, z. Th. selten; 3% — 26/e. 2. Machaon L. Allenthalben nicht selten; Vs — 21/s, dann 23A — SA. 2. Gen. Thais F °A = 0. 3. Gen. Doritis F. Vs — 0,33. Mnemosyne L. Selten. 3 Exemplare bei Labiau, 1 Exemplar lV» bei Elbing; (nach Nanke auch bei Memel). Einer mir jedoch nicht genügend verbürgt scheinenden Nachricht zufolge soll D. Apollo L. in einem Exemplare in Ostpreussen gefangen sein. VIII. Hcsperidac Lcacli. Gen. Hespe r in Lutr. “Ao — 0,55. 1. Sylvius Knoch. Bei Danzig ziemlich zahlreich im Laubwalde bei Pelonken; 21/s — 22A, hauptsächlich Anfang Juni, Saalfeld, Allenstein, Insterburg, (Rasten- burg, Gilgenburg, Thorn). 72 2. Steropes W. V. Labiau (Ende Juli) einzeln, nicht selten bei Königsberg, Rastenburg, (Insterburg und Willenberg). 3. Comma L. Ueberall häufig; Juli, August. 4. Sylvan us E. Wie Comma. 5. Lineola O. Bei Danzig häufig; Juli. (Rastenburg). 6. Linea W. V. Ueberall gemein; Juli, August. 7. Alveolus H. Ueberall gemein; u/s — 27s, dann Juli, August. 8. Carthami //. Bei Danzig nicht gerade selten; 'V.— 8A. (Gilgenburg, Thorn). 9. AlveusH. var. a. Fritillum H. S. Bei Danzig nicht häufig; ”/« — I2A. (Rasten- burg, Insterburg, Thorn). 10. Malvarum O. Bei Danzig ziemlich häufig; 23A — 27s, dann 28A bis August. (Rastenburg, Gilgenburg, Willenberg, Thorn). 11. Tages L. Bei Danzig häufig; 1 .. — 8 «. (Rastenburg). II. Heterocera B. I. Hepialides H. $. Gen. Hepialus F SA = 0,714. 1. HumuliL. Selten. Danzig, Braunsberg (hier nicht selten), Saalfeld, [Rasten- burg, Insterburg, Willenberg). 2. Velleda H Ein Exemplar bei Danzig; Juli. 3. Lupulinus L. Königsberg, (Rastenburg, Insterburg). 4. Hecta L. Nicht häufig. Danzig, Elbing, Königsberg, (Rastenburg, Gilgen- burg, Willenberg); IS/6 — 2 5. Sylvinns L. Nicht häufig. Danzig, Königsberg, (Insterburg, Rastenburg). II. Cossina II. S. 1. Gen. Zeuzera Latr. 72 = 0,5. Aesculi L Sehr selten. Danzig, Elbing, Braunsberg, Königsberg. 2. Gen. Cossns F. Vs = 0,33. JJgniperda F. Ueberall häufig; "A — 30A. 3. Gen. Fndagria B. % = 0. III. Cochliopoda lt. Gen. Heterogenea Knoch. *A = 1. 1. Testudo W. V. Ueberall häufig. 2. Asella W. V. Selten. Danzig, Königsberg, (Rastenburg); '*/■>. 73 IV. Psychidae B. 1. Gen. Psyche Schk. */n = 0,364. 1. Calvella O. Selten. Danzig; 18/e — 27s. 2. Graminella W. V. Bei Danzig häufig; 2,A — 24A. Elbing, (Gilgen bürg). 3. Viciella W. V. Bei Danzig als Larve nicht selten, in manchen Jahren häufig; l4A ex 1. 4. Atra Fr. Bei Danzig selten; SA, %. 2. Gen. Epichnopteryx H. 2A — 0,33. 1. Bombycella W. V. Selten bei Danzig; 7s — 27s. 2. Pulla E. Selten. Danzig, Königsberg, (Gilgenburg). 3. Gen. Fumea Hmvorth. 74 = 0,25. Nitidella H. Bei Danzig häufig. V. Sphingides Latr. 1. Gen. Macroglossa O. */* = 1. 1. Fuciformis L Ziemlich häufig. Danzig, Rastenburg, Willenberg, (Gilgenburg) ; 27s — ls/6. 2. Bombyliformis W. V. Bei Danzig seltener als Fuciformis; '% — Vs. Rasten- burg, Karalene. Von der var. Milesiformis T. fing ich ein Exemplar bei Danzig. 3. Stellatarum L. Nicht häufig. Danzig, Königsberg, (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg.) 2. Gen. Pterogonia Sp. Pt. Oenotherae W. V. soll vor vielen Jahren in einem Exemplare bei Königsberg gefunden sein. Ich wage es nicht, auf diese einzelne wenig ver- bürgte Nachricht das Indigenat dieser Art zu behaupten. 3. Gen. Sphinx L. Vi2 = 0,75. 1. Porcellus L. Ueberall nicht selten. 2. Elpenor L. Wie voriger. 3. Celerio L. Sehr selten ; bisher nur 1 Exemplar bei Putzig und 1 Exemplar bei Danzig. 4. Nerii L. Nicht ganz selten. In Kahlberg wurde die Raupe mehrmals, 1852 sogar in grosser Zahl, gefunden; auch bei Danzig ist sie in einigen Jahren ziemlich zahlreich vorgekommen, ebenso — nach mündlicher Mittheilung — 1861 in Königsberg. Die Schmetterlinge erhielt icli ex 1. von 2A bis Ende October. Einzelne Exemplare bei Braunsberg (Lyck, Memel, Thorn). 10 74 5. Euphorbiae L. Selten. Danzig, Frauenburg, Stargardt, (Rastenburg, Königs- berg, Thora). 6. Galii Rott. Ueberall nicht selten, bei Danzig in einem Jahre als Raupe in grosser Häufigkeit; 2A — I9A ex 1. 7. Pinastri L. Ueberall in Nadelholzwäldern ziemlich häufig; 15A — *A. 8. Ligustri L. Ueberall häufig; Juni. 9. Convolvuli L. Ueberall, jedoch nur selten in Mehrzahl. 4. Gen. Acherontia (). *A — 1. Atropos L. Ueberall, doch meistens selten; Herbst. 5. Gen. Smerinthus Latr. 3A = 0,75. 1. Til'tae L. Allenthalben häufig; Mai. Die var. Ulmi Schunk. einzeln unter den gewöhnlichen Exemplaren. 2. Ocellata L. Ueberall nicht selten; Mai, Anfang Juni. 3. Populi L. Ueberall häufig; Mai, Anfang Juni. VI. Thyridides H. S. Gen. Tliyris (). Nach brieflicher Mittheilung des Herrn Rechtsanwalt v. Müller d. d. 10. De- zember 1857 ist Th. Fenestrina W. V. in zwei Exemplaren im Rammuckwalde bei Allenstein gefangen worden. VII. Sesiidae Stcpli. 1. Gen. Trochilia Scop. 'A = 0,33. Apiformis L. Wohl überall nicht selten; 2 7« — *®A. 2. Gen. Sciapteron Staud. 7i — 1. Tabani forme Rott. ( Asiliformis \V. V.) Bei Danzig von dem um die schwierige Beobachtung dieser Familie sehr verdienten Herrn Grentzenberg jährlich in zahlreichen Exemplaren aus in jungen Pappelstämmen gefundenen Puppen erzogen; 3A — nA. Braunsberg. Zwei bei Elbing gefangene, meiner Ansicht nach von Asiliformis W. V. nicht specifisch verschiedene Exemplare bestimmte mir Herr Freyer als: Serra- tiformis Fr. 3. Gen. Sesia F. “A? — 0,407. 1. Spheciformis W. V. Bei Danzig in sehr grosser Menge (143 Exemplare im Jahre 1859) aus Ellern gezogen; ‘A — ‘7e. 2. Tipuliformis L. Ziemlich zahlreich. Danzig, Elbing, Braunsberg (Rastenburg). 75 3. Asilifonnis Rott. ( Cynipiformis E.) Selten. Danzig, Elbing, Braunsberg; 17/ 30/ / 6 /6 • 4. Myopiformis Bockh. ( Mutillaeformis Lasp .) Selten. Danzig; 2,A — SA. 5. Culiciformis L. Selten Pröbbernau auf der frischen Nehrung, Kahlberg bei Elbing. 6. Stomoxiformis H. Nur ein Exemplar bei Danzig; 20A. 7. Formiciformis E. Bei Danzig in grosser Menge (176 Exemplare im Jahre 1858) aus Weiden gezogen; 12A — 28A. 8. Ichneumon! formis W. V. Selten. Braunsberg, Rastenburg. 9. Empiformis E. ( Tenthrediniformis W. V.) Selten. Danzig. 10. Braconiformis H. S. Selten. Danzig; ®A — ,4A. 11. Philanthiformis Lasp. Selten. Danzig; 7». Die Angabe, dass er S. Cephiformis 0. bei Danzig gefunden, hat Herr v. Siebold zurückgenommen. 4. Gen. Bembecia II. 7i = 1. Hylaeiformis Lasp. Bei Danzig sehr zahlreich (1857 in 159 Exemplaren) aus Himbeeren gezogen; ®A — “A. Königsberg. VIII. Zygaenides Latr. 1. Gen. Zygaena F. */n = 0,5. 1. Minos W. V. Nicht häufig. Danzig, Elbing, Stargardt (Rastenburg, Gilgen- burg, Marienwerder); 20A — 21A . 2. Scabiosae H. Bei Danzig an einigen Stellen ziemlich zahlreich; *A — ”A. Saalfeld, Allenstein (Rastenburg, Willenberg, Thorn). 3. Achilleae E. Bei Danzig nicht selten, ,6A — 3/s. Willenberg. Var. Bellis H. ziemlich selten; var. Viciae H. nicht selten bei Danzig. 4. Meliloti E. Bei Danzig an wenigen Stellen, daselbst aber zahlreich; SA — 2IA. Allenstein, Stargardt, (Gilgenburg, Willenberg). Grentzenberg zog unter mehreren Hunderten gewöhnlicher Exemplare 3 Stück der var. Stentzii Fr. 5. Trifolii E. Bei Danzig häufig ; *A — ’A. (Insterburg, Rastenburg, Willenberg.) 6. Lonicerae H. Bei Danzig nicht selten; 8A — 29A. Insterburg (Rastenburg, Gilgenburg, Thorn). 7. Filipendulae L. Ueberall häufig; 28A — 'Vs . Die var. Cytisi H. ziemlich selten. 8. Ephialles L. Die var. Peucedani E. bei Danzig ungemein häufig (,8A — 4A), auch bei Elbing zahlreich. (Rastenburg, Gilgenburg, Willenberg, Thorn). 10* 76 Die var. Athamanthae E. nicht selten, dagegen var. Epliialtes und var. Falcatae W. V. nur einzeln unter Hunderten von Exemplaren. 9. Yi. Onobrycliis W. V. Von dieser Art erhielt ich ein preussisches Exemplar durch Herrn Brandt in Franenburg, welcher indess nicht mit Gewissheit angeben konnte, ob er dasselbe bei Frauenburg oder bei Hohenstein gefangen. Nach Hagen soll diese Zygäne bei Königsberg fliegen, wo sie indess in neuerer Zeit nicht wieder gefunden ist. Herr Grentzenberg fing 16/, 1854 bei Goldkrug in der Danziger Gegend eine auffallend grosse, im Allgemeinen Minos ähnliche Zygaena, welche von den Herren Hering und Freyer für Z. Erythrus H. erklärt wurde. Sollte diese bis jetzt in Deutschland noch nicht beobachtete südeuropäische Art wirk- lich einheimisch sein? Oder ist Erythrus nur eine klimatische Varietät von Minos, die sich einmal durch besonders günstige Umstände auch bei uns aus- bildete? 2. Gen. Ino Leach. 2A = 0,286. 1. Statices L. Wohl überall häufig; Vs — 31A. 2. Pr uni W. V. Nicht häufig. Danzig, (Rastenburg, Willenberg); 7A — 7« . 3. Gen. Aglaope Latr. % = 0. IX. Syntoiuidcs II. S. 1. Gen. Syntomis O. 7i = 1. Phegea L. Bei Danzig stellenweise häufig; 27e — 5A. Stargardt. 2. Gen. Naclia B. 'A — 0,5. Ancilla L. Bei Danzig nicht selten, zuweilen häufig 18A — 28/s, 1 Exemplar 7». Allenstein. X. Litliosiidae Stepli. 1. Gen. Nu da r in Haworth. 7s — 0,33. Senex H. Selten. Bei Danzig, Proebbernau auf der frischen Nehrung, Saal- feld und Albrechtsthal bei Wehlau je ein Exemplar. 2. Gen. Calligenia Dup. Vi = 1. Rosen F. Bei Danzig selten, bei Elbing nicht selten (*A — 20A). (Rastenburg, Gilgenburg.) 3. Gen. Setina Schk. 74 = 0,75. 1. Irrorella L. ( Irrorea II.) Nicht selten. Danzig, (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg, Thorn); 2 7« — “A. 2. Roscida W. V. Bei Danzig ziemlich selten; '*/* — 29A. Rastenburg. Die var. Kulilweinii H. (Compluta Fr.) in einzelnen Exemplaren bei Danzig und Königsberg; *7# — 7t. (Rastenburg, Inster- 3. Mesomella L. {Eborina //) bei Danzig häufig; 27s — SA. bürg, Gilgenburg, Willenberg). Die von Herrn v. Siebolcl als in der Danziger Gegend bei Heubude ge- längen aufgeführte L. Aurita ist, wie ich mich durch eigene Ansicht zu über- zeugen Gelegenheit hatte, nicht diese alpine Art, sondern Rosida var. Compluta Fr. 4. Gen. Litho sia F. 9/u = 0,643. 1. Muscerda Hufn. Bei Danzig nicht selten, 27? — 7/s. Königsberg, Rastenburg. 2. Griseola EL. Danzig (27? — 7s), Rastenburg (zahlreich), (Insterburg, Willenberg). 3. Dep ressa E. Bei Danzig ziemlich selten; 27a — 18A. Königsberg (Rastenburg). 4. Aureola EL. Bei Danzig nicht selten; u/s — 7«. (Rastenburg , Insterbiu-g, Gilgenburg, Willenberg. 5. Lutarella L. ( Luteola //.) Ziemlich häufig. Danzig, (Königsberg, Rastenburg, Insterburg). Anfang August. 6. Lurideola Zincken. Bei Danzig nicht selten; *A — "A. (Insterburg, Rastenburg.) 7. Complana L. Bei Danzig häufig; 7» — **A. (Rastenburg, Insterburg, Willen- berg, Thorn). 8. Quadro L. Nicht selten. Danzig, Königsberg, (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg, Thorn). August. 9. Rubricollis L. Bei Danzig nicht selten; 2®A — 14 ?. (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg.) XI. Arctidae Stcpli. 1. Gen. Emydia B. 2A — 1. 1. Grammica L. In früherer Zeit bei Danzig gefunden, seit 25 Jahren nicht wieder beobachtet. (Thorn). 2. Cribrum L. Bei Danzig an wenigen Stellen, hier aber nicht selten; MA — 10/8. Elbing, Allenstein, (Rastenburg, Willenberg). 2. Gen. Deiopeia Curtis. 'A — 1. Pulchella L. ( Pulchra E.) Bei Danzig und Rastenburg je ein Exemplar. 3. Gen. Euchelia B. *A = 1. Jacobaeae L Bei Danzig häufig; Ve, 7*. Königsberg, Rastenburg, Insterburg. 4. Gen. Callimorpha Latr. 72 = 0,5. Dominula L. Bei Danzig selten, bei Elbing und Königsberg ziemlich häufig; 15A — 22A. (Rastenburg, Insterburg, Orteisburg, Mohrungen, Thorn). 5. Gen. Pier et es Led. 7i — 1. Matronula L. Sehl- selten. Danzig (22/s — 27a), Elbing, Neidenburg, (Saalfeld, Gilgenburg). 78 6. Gen. Arctia Schk. 7i* = 0,583. 1. Russula L UeberaU häufig; 22A — 16 A. 2. Planta ginis L. Wohl überall nicht selten; 2,A — V». Die var. Hospita W. Y. ebenfalls nicht selten. 3. Villica L. Ueberall ziemlich häufig; *%■ — 3A. 4. Crya L. Allenthalben gemein; 10A — 25A. 5. Purpurea L. Selten. Danzig, (Graudenz, Gilgenburg, Thorn, Rastenburg). 6. Aulica L. Selten. Danzig (6A — 1SA), Frauenburg, (Thorn). 7. Hebe L. Bei Danzig in ein Paar Jahren an einzelnen Stellen häufig, ge- wöhnlich aber ziemlich selten; 22A — 7*. (Rastenburg, Willenberg, Gilgen- burg, Thorn.) 7. Gen. Ocnogyna Led. % = 0. 8. Gen. Spilosoma Steph. 4A m 0,8. 1. Lubricipeda L. Ueberall häufig; 27« — *®A. 2. Menthastri IV. V. Ueberall häufig; ’A — 19A. Die var. Walkeri Curtis in einem Exemplar bei Danzig. 3. Urticae E. Bei Danzig nicht häufig; Mitte Juli, (Rastenburg, Gilgenburg). 4. Mendica L Bei Danzig sein- selten (7a) , in einem Exemplar bei Elbing, (Insterburg). 9. Gen. Estigmene //. ‘A = 1. Luctifera W. V. In einzelnen Exemplaren bei Danzig und Braunsberg. (Memel.) 10. Gen. Phragmatobia Steph. 7i = 1. Fuliginosa L. Ueberall häufig; 7s — 6A. XII. Liparhles B. 1. Gen. Orgyia O. 6A — 0,857. 1. Gonostigma L. Ueberall nicht selten; 20A — 27». 2. Antiqua L. Wie die vorige; 8A — 2%. 3. Selenitica E. Als Raupe bei Danzig, namentlich auf dem Glacis, ungemein zahlreich, als Falter selten; 3A — 18A. 4. Fascelina L. Bei Danzig selten. Braunsberg, (Rastenburg, Gilgenbiu-g, Saalfeld). 5. Abietis W. V. In einem Exemplar bei Königsberg aufgefunden. 6. Pudibunda L. Ueberall häufig; 10A — l9A ex 1. Die Angabe, dass 0. Ericae Germ, bei Danzig gefunden worden, hat Herr v. Siebold zurückgenommen. 79 2. Gen. Laelia Steph. °A = 0. 3. Gen. Porthesia Steph. V* = 1. 1. Chrysorrhoea L. Ueberall häufig; I2A — %. 2. Auriflua W. V. Allenthalben gemein; V> — 3,A. 4. Ce«. Laria Schk. */i = 1. TA nigrum F. Selten. Danzig, Braunsberg, (Königsberg, Marienwerder). 5. Ce». Ocneria H. S. 3/s = 0,6. 1. Salicis L. Ueberall sehr gemein; 2,A — 1SA. 2. Monaclia L. Ueberall häufig, in manchen Jahren in verwüstender Menge; ,9A- — V». Die var. Eremita H. einzeln unter den gewöhnlichen Exemplaren. 3. Dispar L. Ueberall gemein. 6. Gen. Pent ophora Steph. °.i— 0. XIII. Bombycides Lcach. 1. Gen. Gastropacka O. 14/m = 0,737. 1. Quercifolia L. Wohl überall, aber ziemlich selten; 3A — l5A. 2. Populifolia W. V. Sehr selten. Danzig, (Insterburg, Gilgenburg); 2A — 12A. 3. Ilicifoliu L. Bei Danzig nicht ganz selten; Saalfeld. 8/s — 24A ex 1. 4. Pini L. Wohl überall in Nadelholzwäldern häufig; Ende Juli und Anfang August. 5. Pruni L. Sein- selten. Danzig, (Marienwerder, Rastenburg, Insterburg). 6. Potaloria L. Allenthalben häufig; ISA — 'Vs . 7. Neustria L. Ueberall gemein. Mitte Juli. 8. Castrensis L. Bei Danzig nicht selten (soll jedoch in den letzten Jahren sehr selten geworden sein); Mitte Juli. Insterburg, (Gilgenburg, Willenberg). 9. Populi L. Bei Danzig nicht häufig; ‘%o — 23Ao ex 1. Königsberg, (Insterburg, Rastenburg, Gilgenburg). 10. Crataegi L. Selten. Danzig, (Königsberg, Rastenburg, Gilgenburg); Mitte August ex 1. 11. Lanestris L. Häufig bei Pröbbernau auf der frischen Nehrung, nicht häufig bei Königsberg, Insterburg, Saalfeld, (Gilgenburg). 12. Trifolii W. V. Ziemlich selten bei Danzig; "A — 2,/s ex 1. (Rastenburg, Gilgenburg, Willenberg). Die var. Medicaginis Borkh. in wenigen Exem- plaren bei Danzig. 13. Querem L. Ueberall häufig; zweite Julihälfte bis August. 14. Rubi L. Ueberall gemein; erste Julihälfte. 80 2. Gen. Lasiocampa Sc/tk. 'A — 0,5. Dumeti L. Selten bei Danzig und Saalfeld; 12Ao. XIV. Endroinidcs H. S. Gen. Endro m i s O. 7i = 1 . Versicolora L. Ziemlich selten. Danzig, Königsberg, Rastenburg, (Gilgenburg, Willenberg). Ende April — 20 Mai. XV. Satiirnina II. $. 1. Gen. Aglia O. 7i = 1. Tau L. Uebei’all ziemlich häufig; 7s — 77 2. Gen. Saturnia Schk. 7i = 0,25. Carpini W. V. Ueberall nicht selten. Ende April ex 1. XVI. Platypterygidae Steph. 1. Gen. Cilix Leach. 7i = 1. Spinula L. Selten. Danzig, Pelplin. 2. Gen. Platypteryx Lasp. 7i = l. Lacertinaria L. (Lacertula W. V.) Bei Danzig nicht selten; Saalfeld, Rastenburg. 3. Gen. Drepana Schk. s/s = 1. 1. Sicula W. V. Bei Danzig selten; 23A — 3 ',4 (l6A, *7* ex 1.) (Königsberg.) 2. Falcataria L. ( Falcula W. V .) Wohl überall ziemlich häufig. 3. Curvatula Borkh. Bei Danzig nicht ganz selten; 7s, 27s, 16A. Insterburg, Saalfeld, (Königsberg). 4. Hamula W. V. Als Seltenheit in drei Exemplaren bei Domnau. 5. Unguicula H. Bei Danzig und Elbing ziemlich selten; 27s — 5A. XVII. IVotodontidae Steph. 1. Gen. Cnethocampa Steph . 73 — 0,33. Pinivora F. Als Raupe in grosser Menge auf Heia, sparsam auf der Danziger Nelu-ung. 2. Gen. Pygaera O. */* = 1. 1. Timon H. Ein Exemplar aus der Tilsiter Gegend. 2. Anastomosis L. Selten. Danzig. Königsberg, Allenstein, (Gilgenburg). 3. Curtula L Ziemlich häufig. Danzig, Königsberg, (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg, Thorn). 4. Anachoreta W. V. Nicht selten. Danzig, Königsberg, (Thorn); läA — 2 7,. 81 5. Reclusa XV. V. Nicht selten. Danzig, Königsberg, (Rastenbiu-g, Insterburg, Saalfeld, Willenberg). 3. Gen. Phalera //. 7» = 0,5. Bucephala L. Ueberall gemein; ,SA — 30A. 4. Gen. Cerura Schk. 4A = 0,8. 1. Vinula L. Ueberall gemein; 4/s — '%. 2. Erminea E. Sehr selten. Danzig, Königsberg, (Rastenburg, Insterburg, Thorn); V« — lä/e. 3. Furcula L. Wohl überall, aber ziemlich selten; l4A, 7a, 29A. 4. Bifida Borkh. Nicht selten. Danzig, Marienburg, Elbing, Königsberg, Rastenburg, (Gilgenburg). 5. Gen. Hylocampa Led. °/i — 0. 6. Gen. Stauropus Germar. 7i =11 . Fagi L. Selten. Danzig, (Königsberg, Rastenburg); l,A, 2#A ex 1. 7. Gen. Dropus R. % = 0. 8. Gen. Gly phidia Sp 7i = l. Crenata E. Bei Danzig und Braunsberg, je ein Exemplar. 9. Gen. Ptilophora Steph. lA — l. Plumigera XV. V. In wenigen Exemplaren bei Danzig aufgefunden ;'*7n> — "7u. 10. Gen. Pterostoma Germar. 7i = 1. Palpina L. Ueberall ziemlich häufig; 2%, 7«, 29A. 11. Gen. Notodonta O. n/n — 0,706. 1. Carmelita E. Nur einmal in 4 Exemplaren 12/s bei Danzig gefunden und später in einem Exemplar gezogen. 2. Camelina L. Ueberall häufig; "A, l9A, *A. 3. Bicoloria XX. V. Nur in einzelnen Exemplaren bei Rastenburg und Ragnit. 4. Dictaea L. Nicht selten. Danzig, Königsberg, (Rastenburg, Insterburg, Gilgenburg). 5. Dictaeuides E. Selten bei Danzig; 24A, 2 ?. (Rastenburg, Gilgenburg). 6. Ziczac L. Wohl überall ziemlich häufig; 25A. 7. Dromedarius L. Ueberall nicht selten; 31 A. 8. Tritophus XX. V. Ziemlich selten. Danzig, Braunsberg, (Insterburg, Rasten- burg); 13A, % 3 1 7 , 9A ex 1. 11 82 9. Torva H. Als einzelne Seltenheit bei Danzig, Rastenburg und Insterburg gefunden. 10. Trepida F. ( Tremula W. V') Selten. Danzig, Elbing, Königsberg, (Inster- burg); % l44,. 11. Chaonia W. V. Nur ein Exemplar 25/s bei Danzig. 12. Dodonaea W. V. Nur ein Exemplar aus der Gegend von Königsberg. Vergleichen wir den verzeichneten Bestand unserer Fauna nach Familien mit der Fauna von ganz Deutschland, so ergiebt sich folgendes Resultat: Nymphalides B. In Deutschland und der Schweiz: 47 Arten. In Preussen: 32 (34?) Arten. Satyrides B. 47 11 16 11 Libytheides B. 1 11 0 11 Erycinides B. 1 11 1 11 Lycaenidae Leacli. 53 11 34 11 Pierides B. 17 11 11 11 Papilionina H. S. 6 11 3 11 Hesperidae Leach. 20 11 11 11 Hepialides H. S. 7 11 5 11 Cossina H. S. 6 11 2 11 Cochliopoda B. 2 11 2 11 Psychidae B. 21 11 7 11 Sphingides Latr. 21 11 16 11 Thyridides H. S. 1 •1 0(1?) 11 Sesiidae Steph. 32 11 14 11 Zygaenides Latr. 26 11 10 11 Syntomides H. S. 3 11 2 11 Lithosiidae Steph. 22 11 14 11 Arctidae Steph. 27 11 19 11 Liparides B. 17 11 12 11 Bombycides Leach. 21 11 15 11 Endromides H. S. 1 11 1 11 Saturniua H. S. 5 11 2 11 Platypterygidae Steph. 7 11 7 11 Notodontidae Steph. 38 11 27 11 449 Arten. 264(266?) Arten. 83 ANHANG. Verzeichntes der bis jetzt in Preussen beobachteten Eulen und Spanner. Voctuac. Acronicta Leporina L. Tridens W. V. Psi L. Cuspis H. Strigosa F. Alni L. Menyanthidis H. Auricoma W. V. Rtunicis L. Euplxorbiae W. Y. Abscondita Tr. Aceris L. Megacephala F. Diphtera Coenobita Esp. Ludifica L. Moma Orion Esp. Bryophila Perla F. Ereptricula Tr. Cymatophora Xantkoceros H. Octogesima H. Or. F. Flavicornis L. Fluctuosa H. Bipuncta Bkh. Demos Coryli 0. Diloba Coeruleocepkala L. Semiophora Gothica L. Charaeas Graminis L. Agrotis Obelisa W. V. und var. Ruris H. Aquikna W. V. Tritici L. FumosaF. SuffusaF. Segetum W. V. Corticea W. V. Exclamationis W. V. ValligeraW. V. Putris L. Ripae Ii. Cursoria Bkh. Cinerea Bkh. Tenebrosa H. Amphi pyra Trago-poginis W. V. Pyramidea W. V. Typica W. V. Pyrophila F. Noclua, Ravida W. V. Augur F. Sigma W. V. BajaW.V. BrunneaW. V. DahliiH. FestivaW. V. Bella Bkh. C. nigrum W. V. Rhomboidea Esp. Triangulum 0. Ditrapezium H. Polygona W. V. Flammatra F. Chersotis Plecta W. V. Triphaena Subsequa W. V. Pronuba W. V. mit var. Innuba Tr. Fimbria W. V. Hadena Saponariae Bkh. Perplexa W. V. Echii Bkh. Capsincola Esp. Cucu- bali W. V. Popularis F. Leucophaea Bkh. Cespitis W. V. Lutulenta W. V. Glauca H. Dentina Esp. und var. Ongspurgeri B. Atriphcis W. V. Sa- tura W. V. Baltica Herg. Thalassina Bkh. Gemina H. mit var. Remissa H. und Submissa 0. Genistae Bkh. Contigua F. Agriopis Aprilina L. Dichonia Protea Esp. Saliceti Bkh. Solenoptera Meticulosa W. V. Pklogophora Lucipara L. Ligustri W. Y. 11* 84 Miselia Conspersa W. V. Comta F. Albimacula Bldi. Xanthocyanea H. Oxya- canthae W. V. Polia Chi L. Dysodea W. V. Congener H. und var. Iners Tr. Polymita L. Aplecta Advena H. TinctaBkh. Nebulosa Naturf. Occulta Rossi. Herbida W. V. Trachea Praecox L. Piniperda Esp. Porphyrea W. V. Apamea Morio Ev. Didyma Bkli. mit var. Oeulea F. und Secalina W. V. Unanimis Tr. Leucostigma H. und var. Fibrosa H. Imbecilla F. (Connexa Bkh.?) Ophiogramma H. Furuncula \V. V. Airae Boje. Suffuruncula Tr. Latruncula W. V. und var. Aerata Esp. Strigilis L. Testacea H. Basilinea F. Infesta 0. Mamestra Pisi L. Splendens H. Oleracea L. Suasa W. V. und var. Per- mixta H. Abjecta H. Albicolon H. Ysilon W. V. Chenopodii F. Bras- sicae W. V. Furva W. V. Persicariae W. V. und var. Accipitrina Esp. Thyatira Batis L. Derasa L. Palpe Libatrix W. V. Mythimna Turca W. V. Segetia Xanthographa W. V. Cerigo Texta Esp. Orthosia Rubricosa W. V. Litura L. und var. Ornatrix H. Caecimacula F. Cruda W. V. Miniosa F. Munda F. Opima H. Instabilis W. V. Lota W. V. Laevis H. Ferruginea W. V. Macilenta H. Stabilis Bkh. Gracilis F. llarus Ochroleuca W. V. Caradrina Cubicularis W. V. Morpheus View. Respersa W. V. Aisines Bkh. Blanda Tr. Superstes O. Xanthia Rufina W. V. Aurago F. Cerago W. V. und var. Flavescens Esp. Silago H. Gilvago F. Palleago Tr. Citrago W. V. Huporina Croceago W. V. Gortyna Flavago Esp. Nictitans L. und var. Fucosa Fr. Hydroecia Micacea Esp. Mesogana Oxalina H. Acetosellae W. V. Plastenis Retusa L. Subtusa W. V. Cosmia Fulvago W. V. Trapezina W. V. Contusa Fr. Diffinis W. V. Cirrhoedia Ambusta W. V. Tethea Oo L. Grammesia Trilinea W. V. 85 Simyra Nervosa F. Venosa Bkk. Leucania Fluxa H. Elymi Tr. Comma L. Obsoleta H. Pallens W. V. Irn- pura H. Lithargyrea Esp. Conigera F. Nonagria Paludicola H. Sparganii H. Typkae Esp. mit var. Fraterna Kind. Dusycampa Rubiginea W. V. Cerastis Vaceinii L. nebst var. Spadicea H. und var. Pobta H. Cerasina Febr. Mecoptera Satellitia L. Calamina Virens W. V. Calocampa Vetusta H. Exoleta W. V. Egira Solidaginis H. Conspicillaris W. V. mit var. Melaleuca View. Xyiina Ingrica II. S. Conformis F. Somniculosa Keitel. Rbizolitba F. PetrificataF. Xylophasia Lateritia Esp. Litboxylea W. V. Polyodon L. Rurea F. mit var. Combusta H. Scolopacina H. Asteroscopus Cassinia F. Nubeculosa Esp. Dypterygia Pinastri L. Hyppa Rectilinea H. Cloantha Perspicillaris W. V. Cleophana Linariae F. Cucullia Artemisiae W. V. Tanaceti W. V. Umbratica L. Chamomillae W. V. und var. Cbrysanthemi H. (Campanulae Fr. ?) PraecanaEv. Absyntbii W. V. Abrotani W. V. Fraudatrix Ev. Asteris W. V. Tliapsipbaga Tr. Verbasci W. V. Scropbulariae W. V. Abrostala Triplasia W. V. Urticae H. Plus/a Eugenia Fr. Modesta H. (Moneta F.?). Cbrysitis W. V. Bractea W. V. Festucae W. V. Jota L. mit var. Percontationis 0. Gamma W. V. Inter- rogationis W. V. Microgamma Tr. Anarta Cordigera Thun. Myrtilli W. V. Heliaca H. Heliothis Drpsacea W. V. Scutosa W. V. Marginata F. Delphinii W. V. Acontia Luctuosa W. V. Agrophila Sulphurea W. V. Hydrelia Unca W. V. Argentula Bkb. Erastria Fuscula W. V. Candidula W. V. Venustula H. Anthophiltt Aenea W. V. Micro Paula Tr. Taxocanipa Pastinum Tr. Viciae H. 86 Catephia Alchymista F. Catocala Fraxini W. V. Nupta W. V. Sponsa W. V. Promissa F. Pacta L. Paranympha W. V. Breplios Parthenias W. V. Notka H. Euclidia Mi W. V. Grlyphica W. V. Geomctrae. Ennomos Flexularia H. Notataria H. Alternaria H. Signaria H. Lituraria H. Emarginaria H. Parallelaria H. Apiciaria H. Advenaria H. Dolabraria H. Prunaria H. mit var. Corylaria Esp. Syringaria H. Lunaria H. Hlustraria H. Illunaria H. Anguralia H. Erosai’ia H. Tiliaria H. Alniaria H. Dentaria H. Acaena Sambucaria H. Ellopia Margaritaria H. Fasciaria H. Rumia Crataegaria H. Geometra Bajularia H. Papilionaria H. Aestivaria H. Bupleuraria H. Viri- daria L. Putataria H. Aeruginaria H. Cythisaria H. Aspilates Purpuraria H. Adspersaria H. Strigillaria H. Artesiaria H. Petra- ria H. Vespertaria H. Lineolaria H. Palumbaria W. V. Mensuraria W. V. Bipunctaria W. V. Ciocallis Elinguaria H. Pennaria H. Gnophos Obscuraria W. V. Vepretaria Zeller. Punctularia W. V. Boarmia Cinctaria H. Consonaria H. Crepuscularia H. Roboraria H. Con- sortaria H. Abietaria H. Repandaria H. Secundaria H. Extersaria H. Li- chenaria H. Glabraria H. Viduaria PI. Carbonaria H. Mniophila Cineraria H. Ampkidasis Betularia H. Prodromaria H. Hirtaria H. JSyssia Pilosaria H. Hispidaria H. Pomonaria H. Tor ula Tibialaria H. Chaerophyllaria H. Tidonia. Zebraria H. Obliteraria Hufn. Auroraria H. Pinetaria H. Piniaria H. Melanaria H. Diversaria H. Atomaria II. Picearia H. Immoraria H. Cla- thraria L. Wawaria H. Pulveraria H. Hibernia Acerana H. Aurantiaria H. Progemmaria H. Defoliaria H. Leu- cophaearia H. Rupicapraria H. Aescularia II. Cheimatobia Brumaria II. Borearia H. Chesias Spartiaria H. Obliquaria H. Corythea Juniperaria H. Variaria H. mit var. Obeliscaria H. Firmaria Fr. Cabera Pusaria H Exanthemaria Esp. Poraria Ti. Nemoraria H. Punctaria L. Trilinearia Bldi. Pendularia H. Orbicularia H. Acidalia Perochraria F. R. Rubricaria H. Decoloraria H. Albularia H. Lu- tearia W. V. Candidaria H. Sylvaria H. Scabraria H. Ypsipetes Elutaria H. Impluviaria H. Dilutaria H. Lobophora Lobularia H. Hexapteraria H. Sexalaria Bkh Acasis Viretaria H. Rivularia H. Larentia Vetularia H. Undularia H. Bilinearia H. Tersaria H. Lignaria H. Rhamnaria H. Dubitaria H. Certaria H. Badiaria W. V. Anaitis Cassiaria Tr. Plagiaria H. Sororiaria H. Pliaesyle Cervinaria H. Psittacaria H. Caesiaria H Rupestraria H. Eupithecia Centaurearia L. Linariaria H. Hospitaria Zett. VenosariaH. Con- signaria H. Succenturiaria H. mit var. Oxydaria Tr. Obrutaria F. R. Sobri- naria Ii. Nanaria H. Innotaria D. Austeraria F. R. Pimpinellaria H. Castigaria H. Satyraria H. Helviticaria F. R. Arceutharia I'. R. Egenaria H. Indigaria H. Argillacearia H. S. Begrandaria B. Agnataria Mn. Valeriana- ria H. Pusillaria W. V. Inturbaria H. Exiguaria H. Rectangularia H. Debiliaria H. Strobilaria H. Subnotaria H. Sparsaria H. Die hier aufgezählteu Arten der Gattung Epithecia bedürfen noch einer Revision ; die meisten werden richtig bestimmt sein, dass dieses aber allein der Fall sei, wage ich nicht zu behaupten, da ich über manche Art dieser schwie- rigen Gattung nicht völlig im Klaren bin. Ciduria Moeniaria W. Sagittaria F. Popularia H. Chenopodiaria H. Mar- moraria H. Pyraliaria H. Achatinaria H. Rnbidaria H. Berberaria H. Pro- pugnaria H. Picaria H. Suffumaria H. Ribesiaria B. Silacearia H. Bal- saminaria Fr. Reticularia H. Russaria H. Ruptaria H. Montanaria H. Mi- roraria Tr. Ferrugaria H. Spadicearia Bkh. Arctaria L. Ligustraria H. Quadrifasciaria W. V. Unangularia Wd. Ocellaria H. Galiaria H. Miaria W. V. Rivaria H. Alchemillaria H. Tristaria H. Hastaria H. LuctuariaH, Affinitaria Fr. Zerene Fluctuaria H. mit var. Stragularia H. Blandiaria H. Rubiginaria H. Adustaria H. Sinuaria H. Albicillaria H. Marginaria L. Macularia W. V. Grossulariaria L. Ulmaria F. Taminaria W. V. Temeraria H. Minou Nivearia H. Dealbaria L. Pelloniu Vibicaria H. 88 Idaen Amataria H. Prataria B. Compararia H. S. Sylvestraria Bkh. Remu- taria L. Commutaria H. S. Pallidaria H. Ossearia W. V. Straminaria H. S. Aversaria L. mit var. Latifasciaria Hdrch. Suffusaria Tr. Deversaria Tr. Immutaria W. V. Incanaria W. V. Scutularia W. V. Bisetaria Berl. Mag. Decoraria W. V. Omataria W. V. Beschreibnng zweier alter bei Deutsch Eylau gefundener Schädel. Von Professor v. Wittich. Im August 1861 wurden beim Abtragen eines an einem Seeufer nahe bei Deutsch Eylau sich hinziehenden Sandhügels nach und nach 6 menschliche Skelette zu Tage befördert. Fünf derselben waren vollständig horizontal ge- lagert, und zwar alle, wie die darüber geführten Akten ergeben, in der Richtung von Westen (Kopf) nach Osten. Nur von dem einen sechsten lautet die Aus- sage des Finders im Protokoll: dass der Kopf so lag, als wenn er mit dem Kinn auf die Brust gedrückt in die Erde gelegt wäre“. Die einzelnen Skelette lagen ausserdem in ziemlich regelmässigen Abständen von einander (8 — 10 Fuss). In der Nähe des einen wurden 8 etwa 3 Zoll lange , an einem Ende durch- bohrte Pferdezähne gefunden , auch erwähnen die Akten , dass schon einige Zeit vorher an derselben Stelle gelegentlich eine alte Münze ausgegraben wurde. Nahe den zuletzt zu Tage gelegten Skeletten wurde weiter ein aus Feldsteinen roh zusammengestelltes kreisförmiges Mauerwerk, von 6 Zoll Höhe und 4 Fuss Dui'chmesser und in seiner Umgebung die Zeichen einer alten Feuerstätte (Kohlen) aufgedeckt. Die eigentümliche rothe Färbung des Sandes in der Umgebung zweier Skelette liess den sehr vagen Verdacht auf eine hier stattgehabte Mordthat auf kommen. Die deshalb veranlasste Aufnahme des Thatbestandes, sowie der Umstand, dass auch von dem hiesigen Medicinal-Collegium ein Gutachten über das Alter der aufgefundenen Knochen eingefordert wurde, gab mir Gelegenheit, 89 zwei der ausgegrabenen Schädel kennen zu lernen, und die exquisite Form derselben, sowie einzelne Nebenumstände veranlassten mich zu der nachstehenden kurzen Mittheilung. So viel die protokollarischen Angaben auch zu wünschen übrig lassen, so geht aus ihnen, aus der in ihnen erwähnten grossen Regelmässigkeit der Lagerung der Gerippe, aus ihrer genau eingehaltenen Richtung wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit hervor, dass wir es hier keineswegs mit mehr zufällig bei einander gelagerten Menschlichen Resten, sondern mit einer regelgerechten Be- gräbnissstätte zu thun haben, dass dieselbe sehr alt, mutlimasslich aus vor- christlicher Zeit stammt, lassen einmal die gleichzeitig gefundenen durchbohrten Zähne, die von altheidnischen Stämmen bekanntlich vielfach als Schmuck be- nutzt wurden, wie jene in den Akten beschriebene Feuerstätte vermuthen, da ja auch bei den Völkerstämmen , welche ihre Todten nicht verbrannten , die Beerdigung mit mannigfachen Opfergebräuchen begleitet wurde, zu denen meist nahe der Begräbnisstätte eigene Opfer oder Feuerstätten aufgeführt wurden*). Trotz meiner Bitten ist es mir nicht gelungen, weder die ausgegrabenen Zähne noch die an demselben Orte, wenn auch nicht gleichzeitig aufgefundene Münze zur Ansicht zu erhalten, obwohl letztere allein vielleicht einen Anhalt geboten hätte, um wenigstens annähernd das Alter der Gerippe zu bestimmen. Selt- samer Weise ist von Seiten der Behörden , die mehr als ein Gutachten über das Alter der Knochen einforderten , und welche, nach den Protokollen zu schliessen, der ganzen Angelegenheit eine grosse Wichtigkeit beilegten, auf jene Münze so gut wie garnicht gerücksichtigt. Obwohl es mir daher auch im höchsten Grade wahrscheinlich ist, dass jene Gräber aus sein früher Zeit da- tiren; so vermag ich diese Annahme doch keineswegs als vollkommen gesichert hinzustellen. Ein Theil der ausgegrabenen Knochen, ein Wenig der vermeintlich blut- getränkten Erde wurde dem Medizinal -Collegium hierselbst eingeschickt und durch Vermittelung des Herrn Stadtrath Hensclie (Mitglied desselben) kamen dieselben auch mir zu Gesichte. Es fanden sich unter den Skelettstücken eine grosse Zahl Kinderknochen, theils Schädelbruchstücke, theils Wirbelknochen, theils Rippen- und Röhrenknochen der Extremitäten. Ein Fragment eines Kinderschädels (Scheitelbein) war noch mit fast schwarzen kurzen schlichten *) Vergl. hierüber Wein hold: die heidnische Todtenbestattung in Deutschland. Sitzungsber. der K. K. Wiener Acad. 1858. 12 90 Haaren bedeckt, die durch eine dunkle humusartige Masse an ihren Wurzel- enden miteinander und mit dem Schädel verklebt waren. Die Mikroskopische Untersuchung dieses Kittes zeigte, dass derselbe fast ausschliesslich aus Pflanzen- resten und Kieselschaalen kleiner Infusorien bestand, welche in einer in Wasser nur wenig quellenden Masse eingebettet waren. Ausser menschlichen Knochen- stücken fanden sich darunter auch ein paar Thierknochen, und zwar sicher bestimmbar ein paar Metacarpus, wie der rechte Calcaneus vom Kalbe. Vollständig erhalten war ein auffallend runder, kurzer Schädel und zwar nicht nur das Schädeldach mit Ober- und Unterkiefer, sondern ich konnte auch aus den vorhandenen Knochen den zugehörigen Epistropheus , Atlas und die zwei folgenden Halswirbel herausfinden. Beim Abwaschen und Säubern des Schädels fiel es mir auf, dass die der Mundhöhle zugekehrte Fläche des Gaumen- beins stark grün gefärbt war und dass die Farbe sich nicht fortwaschen liess, während sich sonst an dem ganzen übrigen stark gebräunten Schädel (Schädel- dach und Gesichtsknochen) aussen nicht eine Spur einer solchen Färbung auf- linden liess. Wohl aber zeigte wiederum die der Mundhöhle zugekehrte Innen- fläche des Unterkiefers, wie die Vorderfläche der zugehörigen Wirbelkörper, und auch nur hier also an den dem Pharynx zugewendeten Partien die grüne Farbe noch sehr viel intensiver. Die chemische Untersuchung jener Theile wies leicht nach, dass die grüne Farbe von Kupfersalzen herrührte, welche die Knochenmasse imprägnirt hatte. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass jene Kupfersalze von einem Geldstücke (Obolus) herrührten, das man dem Todten nach einer bei vielen alten Völkern weitverbreiteten Sitte in den Mund gelegt hatte, und das während der Fäulniss der umgebenden Weichtheile in lösliche den Knochen durch tränkende Kupfer- salze zerlegt wurde. Ist diese Annahme richtig, so würde gleichwohl noch kein sicherer Schluss auf das Alter des Schädels daraus gezogen werden können, da jene altheidnische Sitte sich noch lange in christliche Zeiten hineinzog *). Der Form nach ist der Schädel ein ganz exquisiter Brachycephale, also muthmaasslich slavischer Abkunft. Von oben angesehen erscheint er fast kuglig, da die Frontal- und Parietalbreiten bei geringer Länge des Schädels nur wenig von einander differiren. Die nachstehend aufgeführten Maasse werden eine Vergleichung mit andern Schädeln ermöglichen: *) Vergl. Weinhold a. a. O. p. 12S und Grimm Mythologie Bd. IX. p. 791. 91 Grösste Länge von glabella bis protub. occip. . . . Grösste Breite des Stirnbeins „ „ des Scheitelbeins (tub. pariet.) . . . Höhe von Meat. audit. ext. bis zum Scheitel . . . Grösster Umfang (horizontaler) Bogenlänge von Incisura nasal, bei Kranznath . . „ der Pfeilnath ,, von der Spitze der Hinterhauptsschuppe bis for. magn. Verhältnis der Länge zur Höhe Verhältniss der Länge zur Breite 183 Millim. 135 153 110 : n 550 ?? 130 ?? 120 ?? 135 1664 1000 y) 1196 1000 Der im 1. Bande dieser Schriften in seinen Maassea beschriebene Slaven- schädel zeigte folgende Verhältnisse: L 1417 H 1ÖÖÖ L 1200 Br 1000 Der zweite Schädel war weniger vollständig und musste auch, soweit er vorhanden, aus seinen einzelnen in den Näthen getrennten Stücken erst wieder zusammengesetzt werden. Vorhanden waren die beiden synostotischen Stirn- beine, Scheitelbeine, die Schuppe des Hinterhauptbeins, und das rechte Schläfen- bein fast vollständig mit äusserem Gehörgange, es liess sich daher nach mög- lichst genauer Zusammenfügung das Schädeldach in seinen Dimensionen fecht gut bestimmen. Dasselbe hatte, obwohl keine Verwachsung der Pfeilnath vor- handen war, vollkommen die Form des von mir im 1. Bande dieser Schriften als Celten-Schädel beschriebenen Langkopfs. Wie dieser ist er lang, schmal, niedrig mit flachansteigender Stirn und Schädel, und ebenso allmälig sich ab- dachendem Hinterhaupte. Die Tubera frontalia und parietalia marquiren sich wenig, die bedeutendste Scheitelerhebung liegt wie bei den Ballgarder Schädeln etwa in der Mitte der Pfeilnath. Von Oben betrachtet erscheint er annähernd elliptisch, die Parietalbreite übertrifft die frontale nur wenig. Die nachstehend verzeichneten Maasse mögen das Gesagte erläutern. Grösste Länge von glabella bis prot. occipit. 197 Millim. „ Stirnbreite 102 „ „ Scheitelbreite 130 „ 12 * 92 Höhe von Meat. audit. bis Vertex Grösster horizontaler Umfang des Schädelgewölbes Bogenlänge von Incisura nasalis bei Kranznath ,, der Pfeilnath „ von der Spitze der Lambdanath bis prot. occpt 110 Millim. 550 „ 130 „ 130 „ 80 Zur Vergleichung stelle ich aus meinen frühem Mittheilungen noch das Verhältniss der Länge zur Breite und Höhe des einen Ballgarder Schädels mit dem des vorhegenden und des vorher beschriebenen Slavenschädels zusammen : Länge vorliegend. Fall. 1540 Rallgard. Schädel 1516 Slave. 1417 Breite 1000 1000 1000 Länge 1862 1791 1200 Höhe 1000 1000 1000. Bericht über die in den Sitzungen der Königlichen physikalisch - ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg gehaltenen Vorträge für das Jahr 1862. ' . Privatsitznng im Hotel de Prasse am 3. Januar 1862. Dr. Schicffer decker , als Präsident der Gesellschaft, gab einen Ueberblick über den Stand der Gesellschaft; dieselbe zählt 7 Ehrenmitglieder, 211 hiesige und 210 auswärtige, mithin 428 Mitglieder. Prof. Dr. Caspari berichtete als Bibliothekar der Gesellschaft, dass der durch die Schriften der Gesellschaft ermöglichte Tauschverkehr bereits von 95 auswärtigen gelehrten Gesellschaften eingeleitet worden, indem diese ihre Schriften eingeschickt und dadurch unsere Gesellschaftsbibliothek mit werthvolleu Geschenken bereichert haben, von denen einzelne Proben vorgelegt werden. Prof. Dr. v. Witt ich hielt einen Vortrag über Schädel und andere Knochen , welche bei Deutsch Eylau ausgegraben worden. (Siehe Seite 88). Dr. Sommerfeld legte einen bei Germau, 4 Fuss tief im Boden Vorgefundenen, äusserlich auffälligen Stein vor, der bereits einseitig angeschliffen war, um die innere Struktur besser erkennen zu lassen. Diese lässt die Meinung zu, dass das Stück eines verkieselten Baumstammes vorliege, und die Eigenthümlichkeit der vermeintlichen Jahresringe fordert zu Vergleichen mit analogen Hölzern auf. Allein auch zu anderweitigen Vermuthungen bietet der Stein Gründe, woher mikroskopische Untersuchungen angestellt werden sollen, die allein entscheiden können, ob ein versteinerter Pflanzenkörper vorliege. Dr. Samuel gab im Anschluss an seinen früheren Vortrag über die Organisation der Seelenthätigkeiten einen Bericht über neuere Arbeiten die Gehirnbildung betreffend. Er schickte demselben einige Worte über den Versuch voraus, die Verschiedenheiten der Gehirn- organisation als Eintheilungsmoment für die Klassifikation der Säugethiere zu benutzen, welche das Missliche und Unzureichende dieses wie aller Versuche, die Ausbildung eines einzigen Organes zum Maassstab der Klassifikation zu machen, darlegten. Es giebt kein stufenweises Vorwärtsschreiten in der Natur in solchem Sinne, als ob jedes höher ausgebildete Wesen die Vorzüge aller niederen plus einem oder mehreren neuen besässe. Ueberall befinden sich in dieser Stufenreihe Lücken, Ausnahmen, Zurückbleiben nach der einen oder der andern Richtung. Zum eigentlichen Thema seines Vortrages übergehend, gab er eine Vergleichung des ausgebildetsten Thierhirnes (des Affengehirues) mit den unausgebildetsten Menschenhirnen, sowohl dem normal unausgebildetsten, dem Gehirn der Buschmänner, wie dem krankhaft 4 Sitzungsberichte. unausgebiidetsten, dem Hirn der Idioten, der blödsinnig Geborenen. Nach Mittheilung aller bezüglichen Details, wird das Ilesume dahin zusammengefasst: Menschen und Affen sind pri- mitiv und absolut im Gehirnbau verschiedene Geschöpfe, auch wenn man von allen psycho- logischen Momenten abstrahirt; und ferner das unvollkommenste Menschengehirn bleibt immer ein verkümmertes Menschenhirn, es wird nie dem Affenhirn gleich. — Der Vortragende stellt zum Schluss all die Schwierigkeiten dar, die sich der Deutung der Seelenthätigkeiten und Seelenfähigkeiten aus den Organisationsverhältnissen entgegenstellen, bezeichnet die Phreno- logie als „eine Dichtung ohne allen und jeden wissenschaftlichen Halt“ und verheisst eine gut begründete Theorie der Seelenthätigkeiten — eine der grössten Aufgaben des Menschen- geistes — allein als Preis der vorurteilslosen umfassendsten Forschung nach strengster Me- thode, eine Theorie, die eben deshalb erst von der spätesten Zukunft erwartet werden dürfte. Privatsitznng am 7. Februar. Professor Werther hielt einen Vortrag über Kirchhof s und Bunsens chemische Analyse durch Spectralheobachtungen und über den zu diesem Zwecke von denselben con- struirten Apparat. Nachdem auf das Sonnenspectrum und die in demselben bekannten Frauenhoferschen Linien hingewiesen, wurde darauf näher eingegangen, dass manche Sub- stanzen die Eigenschaft haben, wenn sie in eine Flamme gebracht werden, in dem Spectrum derselben gewisse helle Linien hervortreten zu lassen, auf welche eine Methode der qualita- tiven Analyse gegründet worden, die das Gebiet der chemischen Reaktionen erheblich er- weitert und zur Lösung bisher unzugänglicher Probleme führt. Zum Beweise der Empfind- lichkeit dieser spektralanalytischen Bestimmung mag hervorgehoben werden, dass das Auge noch weniger als Vsoooooo Milligramm des Natronsalzes mit der grössten Deutlichkeit zu er- kennen vermag. Ebenso mag bemerkt werden, dass die Experimente der beiden Heidelberger Professoren bereits zwei neue Alkalimetalle entdecken Hessen, denen die Namen Caesium und Rubidium beigelegt wurden. Ja es hat diese analytische Methode bereits dazu aufge- fordert, die Atmosphäre der Sonne und der helleren Fixsterne auf die glühenden Gase hin zu untersuchen. Nachdem nun der aufgestellte Apparat demonstrirt worden, begannen die Experimente, bei welchen Natrium, Lithium, Kalium. Strontium u. a. die charakteristischen, scharf begrenzten farbigen Linien im Spectrum zeigten. Da die Beobachtung von den An- wesenden nur allmälig gemacht werden konnte, so waren andere Mittheilungen vorbereitet, die neben jenen Experimenten die Gesellschaft unterhielten. Direktor Dr. Saut er zeigte die Plateauschen Figurennetze vor und experimentirte mit denselben. Werden die aus Draht hergestellten Körpernetze in Seifwasser mit einem Zusatz von Glycerin getaucht, so veranlasst die Adhärenz dieser Flüssigkeit zu den soliden Kanten die Bildung eines Systems von Häutchen, welches das Innere des Gerippes einnimmt. Die Anordnung (fieser Häutchen hängt nicht von der Laune des Zufalles ab, sondern ist für jedes Gerippe vollkommen regelmässig und bestimmt. Die so in den polyedrischen Gerippen sich bildenden Laminarsysteme erregten allgemeine Bewunderung und zeigten ihre Zweck- mässigkeit zu theoretischen Untersuchungen über die Capillarität der Flüssigkeit, so wie für Laien zu Experimenten, die durch Uebung ausserordentlich vervielfacht werden können. Die Figurennetze waren Frankfurter Modellen von einem hiesigen Mechanikus nachgearbeitet, auch hat Herr Mechanikus Schlösser dieselben bereits vorräthig. Sitzungsberichte. 5 Lehrer Elditt legte eine seidene Kanzeldecke vor, die als „Segen der ersten masuri- schen Seidenzucht im Jahre 1852“ ein besonderes Interesse bot. Oberlehrer Menzel in Lyck hat aus selbstgewonnener Seide neben andern Stoffen auch diesen in Berlin hersteilen lassen und mit dem Geschenke 'an die Lycker Kirche zugleich ein bleibendes Dokument für seine Erfolge in der Seidenzucht niedergelegt. Daneben wurden Cocons und Rohseide aus hiesiger Provinz, besonders auch die von Herrn Carogatti gewonnene, vorgelegt. Dr. Sommerfeld zeigte einige seltene und allgemein interessante Mineralien vor, so namentlich: gediegen Kupfer (moos-, draht- und baumförmig) aus den Kupferdistrickten des Obersee’s in Nordamerika, in einer Reihe von Exemplaren, von denen das eine auch gediegen Silber enthielt, das merkwürdiger Weise hier nicht mit Kupfer legiert ist, wie umgekehrt auch das Kupfer nicht Silber enthält; gediegen Silber auf Adular-Feldspath aus Brasilien; gediegen Gold aus Californien (draht- und baumförmig, in Schuppen und eingesprengt); Granat aus Tyrol in sehr grossen Rhomboidaldodekaedern; Alaun in Octoedern (künstliches Krystall); schwarzer Bernstein aus Ostpreussen; Fulgurit (Blitzröhre, Blitzsinter) aus West- phalen; derber Schwefel aus Kaliuga in Ungarn; Amethyst von Schemnitz in Ungarn, von denen ein Stück sich durch interessante Fortwachsungserscheinungen auszeichnete; Bleiglanz in schönen Würfeln von Schemnitz in Ungarn; einige Pseudomorphosen von Quarz (nach Schwerspath und nach Flussspath), denen zum besten Verständniss noch Schwerspath und Flussspath in Krystallen beigelegt waren. Privatsitzung «am 7. März. Professor Dr. Caspar y legte die im Tausch eingegangenen Schriften vor und machte die Anzeige, dass der Tauschverkehr bereits mit 102 Gesellschaften angeknüpft sei, von denen viele der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft höchst werthvolle Geschenke gemacht haben. Daneben wird auf einzelne, beachtenswerthe Artikel aufmerksam gemacht: z. B. über die chemische Analyse der Rhabarberblattstiele von Schwarzenbach und über den Werth dieser Blattstiele als Gemüse (Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift II. Bd. 2. Heft. 1861. S. 97 ff.) Ueber phosphorisclies Leuchten des Fleisches und der Fische von W. Hankel; über den grossen intermittir enden Wassersprudel zu Bad Neuenahr an der Ahr, von Nögge- rath (beides in Poggendorffs Annalen 1862. Nr. 1). Oberlehrer Dr. v. Behr sprach über einen neuen akustischen Apparat, welcher die Schwingungscurven tönender Körper auf zeichnet und dieselben dem Auge anschaulich macht. Derselbe ist von Scott erfunden und von Rud. König in Paris (dem Sohne unsers Professor König) ausgeführt worden, welcher die durch den Apparat gezeichneten Curvenbilder zur Ansicht hergesendet hat. Dr. Schiefferdecker hielt einen Vortrag über zoologische Gärten, aus dem Folgendes von allgemeinem Interesse hervorgehoben werden mag: Der erste zoologische Garten in Deutschland war der Berliner, welcher am 1. August 1844 eröffnet wurde. Ihm folgte erst, 1858 der Frankfurter und in den letzten Jahren die Gärten von Cöln, Dresden und Hamburg, während in Leipzig, Hannover und Bremen Vorbereitungen dazu getroffen werden. Rechnet man dazu noch die berühmte Menagerie zu Schönbrunn, die sich allmälig in einen zoologi- 6 Sitzungsberichte. sehen Garten umgewandelt hat, so besitzt Deuscliland jetzt im Ganzen 6 solcher Institute, die denen in Belgien, Holland, England und Frankreich würdig zur Seite zu stellen. Der Grund für ihre Herstellung mit nicht unbedeutendem Ivostenaufwande liegt hauptsächlich in dem grossen Interesse, welches die Naturwissenschaften jetzt auch in weiteren Kreisen für sich erweckt haben, und in dem allgemein gefühlten Bedürfniss, sich durch eigene Anschauung zu belehren. Daher ist es die gebildete Mehrheit der Bürger dieser Städte, die diese In- stitute ins Leben gerufen hat und unterhält, woher sie als volksthümliche Institute zu be- zeichnen sind, die den Zw'eck haben, in dreien Richtungen von grösstem Nutzen zu sein, denn sie dienen der wissenschaftlichen Beobachtung, sie vermitteln die naturwissenschaftliche Belehrung in weitern Kreisen und sollen endlich die Acclimatisation nützlicher Thiere be- wirken, also dasselbe für die Thierwelt vermitteln, was die botanischen Gärten schon lange für die Pflanzen gethan haben. — Hieran schlossen sich Erörterungen über Vereine für Acclimatisation in Preussen, Frankreich und Russland, welche alle drei seit Jahren reich- haltige Zeitschriften herausgeben und neben den zoologischen Gärten darauf hinwirken, Thiere an den Menschen zu gewöhnen und ihm nutzbar zu machen. Von den Resultaten werden die wesentlichsten namhaft gemacht und speciell auf die Straussenzucht eingegangen, über die unter andern auch Berichte aus dem Garten von Marseille vorliegen. Diesen Bemühungen verdanken wir die Kenntniss, dass das Weibchen 45 bis 50 Eier im Laufe eines Jahres legt, jedoch in 2 Perioden, im Frühjahr und im Herbste. Der Strauss (Männchen und Weibchen) brütet die Eier in 60 Tagen aus und ist zu den paarweise lebenden Vögeln, nicht zu den polygamischen zu zählen. Die Jungen, für die der Vater eine grössere Sorgfalt zeigt, als die Mutter, werden von den Alten geführt, haben nach Verlauf eines Monats das Aussehen einer Trappe und wachsen rasch heran. Hienach ist also der Strauss für- Südeuropa zu einem vollständig acclimatisirten Hausthier geworden und seine Eier, deren jedes das Gewicht von 24 Hühnereiern hat, versprechen der Zucht einen Vortheil, der durch den Er- trag der Federn bedeutend erhöht werden dürfte. Gutsbesitzer Minden legt einen, von der Königl. Regierung zu Gumbinnen der hie- sigen Alterthums-Gesellschaft Prussia überwiesenen Stein vor, welcher von dem Hirten Chri- stian Heybel im Oktober v. J. auf dem Felde in Grünweitschen, Kreis Gumbinnen, gefunden worden, und der durch seine Form als Schieide -Instrument deutlich characterisirt ist, das als werthvoller Fund den Schneidegeräthen des Alterthums in der Sammlung der Prussia beigefügt worden. Es wäre zu wünschen, dass dergleichen Funde mehrfach eingesendet würden, damit diese Sammlung ein Culturbild früherer Jahrhunderte unserer Provinz zu liefern im Stande sei. Professor Caspary berichtet über die Untersuchungen der Kartoffelkrankheit nach De Bary’s Werk: Die gegenwärtig herrschende Kartoffelkrankheit, ihre Ursache und ihre Verhütung. Leipzig 1861. Derselbe macht dann eine Mittheilung über stengelumfassende Aeste. Dass es .stengelumfassende Blätter giebt, ist eine bekannte Thatsaclie, aber dass auch stengelumfassende Aeste Vorkommen, scheint nicht bekannt zu sein. Stengelumfassende Aeste, d. h. solche, deren Gefässbündel nicht bloss einseitig aus dem Stamm entspringen, sondern ringsum von demselben ausgehen, beobachtete Caspary bei einigen Umbelliferen, und zwar im Winter bei solchen abgestorbenen im Freien sich befindenden Stämmen, deren weichere Rinden- und Marktheile durch Einwirkung von Luft und Regen vollständig zerstört und fortgeschafft Sitzungsberichte. 7 waren, so dass bloss die festen Holztheile sich erhalten fanden. Besonders schön liess sich der Ursprung der Gefässbündel des Astes im ganzen Umfange des Stammes bei Angelica Archangelica an den unteren Aesten sehen, dann aber auch bei Chaerophyllum sylvestre und Pastinaca sativa. Nur bei Pastinaca sativa waren auch noch die obersten Stammtheile er- halten und es zeigte sich, dass die obersten Aeste nicht mehr, wie die unteren, ringsum dem Stamm entspringen, sondern nur etwa von */s des Umfanges desselben. Privatsitzuug am 4. April. Professor Dr. Caspar y berichtete über den Fortgang des Tauschverkehrs, der nun mehr mit 104 wissenschaftlichen Gesellschaften angeknüpft ist, deren neueste Sendungen vorgelegt und zur genauen Kenntnissnahme empfohlen werden. Hervorgehoben wird von demselben aus dem Sitzungsberichte der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. 1861. II. Heft II. A. Wagner’s Bericht über ein neues, angeblich mit Vogelfedem versehenes Reptil aus dem Solenhofer lithographischen Schiefer. Die genauesten Prüfungen lassen Wagner nicht anstehen, das seltsame Thier für ein Reptil aus der Ordnung der Saurier zu erklären und ihm den Namen Griphosaurus beizulegen, aber auch die, in gewissen Schichten der Triasformation vorkommenden und als Vogelfährten gedeuteten Eindrücke hiernach als von Reptilien herrührend anzusehen. Professor Caspary macht die Anzeige, dass den Mitgliedern der Gesellschaft zum Arbeiten in der Gesellschafts - Bibliothek während des Sommers ein Zimmer bereit gehalten werde, dass aber Bücher nur gegen Empfangscheine ausgeliehen werden können, die den richtigen Buchtitel, Datum und Namen des Empfängers nennen; zur Aushändigung ist er in den Nachmittagsstunden von 4 bis 6 bereit. Professor Caspary spricht über das Vorkommen von Poren auf Zellwänden, die nach Aussen liegen. Poren finden sich in den Zellen der Pflanzen meist nur auf den Wänden, welche an den Zellen anliegen, selten auch auf solchen, die nach Aussen oder nach Zwischen- zellräumen gekehrt sind. Als solche Zellen, die aber auch auf ihrer nach Aussen liegenden Wand mit Poren reichlich überall (nicht bloss längs dem Rande, wie die Epidermiszellen des Blattes der Cycas circinalis) versehen sind, nennt C. die der äussersten Schicht der Samenschale der Nymphaeaceen (Victoria regia, Euryale ferox, Nymphaea alba, Holopleura Victoria u. s. w.) und der Epidermis der Scheinknolle einer tropischen Orchidee: Acropera Loddigesii Ldl. Es ist zu vermuthen, dass auch die Scheinknollen anderer Orchideen sie besitzen werden. Oberlehrer Ivaul hält einen Vortrag über die Plateauschen Figuren. Die von Plateau erfundenen Seiffiguren lehren den Physiker zwar keine neuen Gesetze, bieten ihm aber ein willkommenes Mittel, um die Eigenschaften einer Kraft, wie sie in der Form der Adhäsion und Cohäsion der Materie auftritt, auf eine zierliche Weise zur Anschauung zu bringen. Taucht mau einen trockenen Draht in Wasser hinein, so zieht man ihn benetzt wieder heraus. Das Metall ist nun von einer sehr dünnen Hülle umgeben, die von ihm so fest ge- halten wird, dass sie der Einwirkung der Schwere nicht folgen kann; die Hülle wird also von einer zweiten Kraft beeinflusst, die bei der Berührung zwischen festen und flüssigen Körpern fast aller Art beobachtet wird und den Namen Adhäsion erhalten hat. b 8 Sitzungsberichte. Biegt man den Draht zu einer geschlossenen Figur, wofür ich als einfachste das Dreieck wählen will, zusammen und macht dasselbe Experiment, so findet man ihn in Folge der Adhäsion von einer ebenso geformten flüssigen Röhre umschlossen ; besitzt die Flüssigkeit jedoch bei möglichst grosser Zähigkeit eine geringe spezifische Schwere, wie etwa eine stark gesättigte Seifenlösung, so zeigt sich ausserdem noch eine neue Erscheinung. Das Dreieck ist mit einer flüssigen Haut ausgefüllt, die dadurch entsteht, dass die dem Draht zunächst liegenden Theile der Flüssigkeit die übrigen nach sich ziehen und so viel mit herausheben, als sie zu tragen im Stande sind. Diese zweite Kraft, welche in ähnlicher Weise, wie die Adhäsion zwischen verschiedenen Materien, hier zwischen Theilen derselben wirkt, heisst Cohäsion. Die Haut erscheint fast eben, was sie in Wirklichkeit nicht ist, da die Schwere den Schwerpunkt derselben herunterzuziehen strebt; jedoch ist diese Senkung bei grosser Cohäsionskraft so unbedeutend, dass ich im Folgenden ganz von der Einwirkung der Schwere abstrahiren werde, ohne mich dadurch sehr von der Wirklichkeit zu entfernen. Bildet der Draht ein geschlossenes Polygon, das nicht mehr in einer Ebene enthalten ist, so spannt sich zwischen ihm eine Haut von eigenthümlicher Krümmung aus, deren allgemeines Gesetz auch schon längst von Physikern festgestellt ist und nur noch dem Mathematiker die inter- essante Aufgabe übrig lässt, in jedem speziellen Falle den einfachsten Ausdruck daraus abzuleiten. Plauteau wendet nun eine Verbindung solcher ebenen Polygone an, die geschlossene Polyeder darstellen und gewinnt dadurch äusserst schöne Gebilde von flüssigen Flächen im Innern der Figur, die in sauber gezogenen flüssigen Linien und scharf markirten flüssigen Punkten zusammeustossen. Um von der Entstehung dieser Gebilde eine Vorstellung zu geben, werde ich zuerst eine Zusammenstellung von zwei Polygonen betrachten, die in einer gemeinschaftlichen Kante zusammeustossen. Man stelle sich einen Augenblick die Erscheinung vor, welche jedes einzelne Polygon für sich allein liefern würde, also 2 ebene Häutchen, welche sich in der gemeinschaftlichen Kante berühren, so erkennt man sofort, dass diese Gestalt nicht dauernd bleiben kann, da sich beide Flächen an ihrer Berührungsstelle mittelst der Cohäsionskraft anziehen müssen. Sie werden demnach zum Theil zusammenfallen, und das gemeinschaftliche Stück wird die Gestalt einer Sichel annehmen, von deren Peripherie aus jede Fläche sich dann in einer eigenthümlichen Krümmung nach ihren gegebenen Begrenzungen fortsetzt. Hat man die Flächen um die gemeinschaftliche Kante drehbar gemacht, so kann man sich überzeugen, dass mit dem Wachsen des Neigungswinkels die Grösse der Sichel abnimmt, bei 4A Rechten völlig mit der gemeinschaftlichen Kante verschmilzt und bei noch grösserem Winkel gar nicht mehr auftritt, so dass dann die ursprüngliche Figur der beiden ebenen Häutchen erhalten bleibt. Die Abnahme der Sichel ist sehr einfach erklärt durch die grössere Entfernung der aufeinander rückenden Seiftheilchen und ihr völliges Verschwinden nach 120 Graden wird auch aus eiuem einzigen Princip einleuchten, das ich erst nach der Vorführung aller übrigen darauf beruhenden Erscheinungen auseinandersetzeu werde. Beiläufig will ich hier noch die Bemerkung anknüpfen, dass, wenn man mittelst eines trockenen Stichels die Sichel- fläche zerstört, die beiden andern Flächen in eine einzige sattelförmig geschwungene über- gehen, die den schon erwähnten angehört; denn ihre Grenzen bilden nur ein räumliches Polygon, da die den beiden Ebenen gemeinschaftliche Kante ausgelassen ist. Bei der Verbindung mehrerer Polygone zu einem geschlossenen Polyeder treten nun diese Sicheln, sobald es die Neigungswinkel zulassen, in das Innere der Figur und modifiziren sich theils durch direkte Begegnung, theils dadurch, dass die aus ihrer Ebene heraustretenden Seitenflächen einer mehrseitigen Anziehung folgen müssen, der Art, dass sie Sitzungsberichte. 9 einen in flüssigen Linien und Punkten zusammenhängenden Bau von überraschender Ge- staltung herstellen, der in den festen Kanten seinen Halt findet und sich ziemlich lange dem Auge des Beobachters erhält, wenn die Seiflösung möglichst zähe präparirt ist. Man kann in diesem Falle sogar aus der zuerst auftretenden Figur noch willkürlich eine grosse Anzahl anderer erzeugen, dadurch, dass man entweder die innern Flächen, die nur von flüssigen Kanten gehalten werden, oder die äussern, die dem Drathnetz angrenzen, zerstört; die Ver- wicklung lässt sich ins Unbegrenzte treibeu, wenn man die schon bestehende Figur nochmals eintaucht und so neue Seifmassen in Blasenform aufnimmt, die nun ihrerseits wieder zahllose Veränderungen zulassen. So mannigfaltig diese Erscheinungen auch sein mögen, so erkennt jedoch selbst der ungeübte Beobachter sehr bald in allen Figuren eine Wiederkehr weniger Grundformen, aus denen er die verwickeltsten Gestalten zusammensetzeu kann, wenn er die Bedingungen der äusseren Begrenzung zu Hülfe nimmt. Bei dem einfachsten Polyeder, dem aus 4 Dreiecken begrenzten Tetraeder treten bereits diese Grundformen sämmtlich auf. Man erhält einen flüssigen Punkt im Innern von dem 4 flüssige Linien nach den 4 Ecken und 6 dreieckige flüssige Häutchen nach den 6 Kanten ausgeheu. Diese flüssigen Dreiecke sind offenbar die modifizirten Sichelflächen, welche jede Kante für sich allein hervorbringt. Man kann, um sich völlig davon zu überzeugen, sogar ein solches Dreieck wieder in die Sichelgestalt zurück- führen, wenn man das ihm gegenüberliegende zerstört. Möge man nun das Tetraeder, sei es völlig regelmässig, sei es beliebig unregelmässig, gewählt haben, immer finden für die flüssige Figur folgende beiden Gesetze statt: 1) Von einer flüssigen Linie gehen die 3 Flächen unter gleichen Neigungswinkeln aus, jeder von ihnen bildet also den 3. Theil von 4 Rechten; 2) Um den flüssigen Punkt liegen 4 gleiche und regelmässige Raumwinkel, so dass die 4 flüssigen Linien 6 gleiche Winkel mit einander bilden, deren Grösse aus dieser Be- dingung mittelst einer trigonometrischen Rechnung sich auf ungefähr 1 09 '/, Grad herausstellt. Mit Hülfe dieser beiden Wahrheiten, die, wie ich später angeben werde, eine sehr einfache theoretische Begründung gestatten, kann man nun leicht bei jedem beliebigen Te- traeder die Stellung des innern Gebildes a priori bestimmen. Man tauche nun die schon bestehende Figur noch einmal in die Flüssigkeit, so hebt man eine Luftblase mit heraus, die sich in die Mitte begiebt, um dort ein kleines Tetraeder zu bilden, dessen Flächen eine convexe Wölbung haben und dessen Kanten daher auch aus krummen flüssigen Linien bestehen. Von einer Ecke dieses Tetraeders gehen nun 3 krumme Linien, die Kanten desselben, und eine gerade Verbindungslinie nach der nächsten Ecke des Drathnctzes aus. Zwischen diesen 4 Linien findet wiederum an ihrem gemeinschaftlichen Aus- gangspunkt das zweite Gesetz statt, wenn man hier statt der krummen Linien ihre ersten Anfänge, das heisst ihre Tangenten substituirt. Betrachtet man ferner irgend ein Stückchen der krummen Kante, so sieht man von da 2 krumme Tetraederflächen und eine gerade Verbindungsfläche, die nach der Kante des Drathnetzes läuft, ausgehen. Wiederum befolgen diese 3 Flächen in ihrem Zusammentreffen das erste Gesetz, wenn man statt jedes krummen Kantenstückchens die Tangente und statt der krummen Flächen ihre ersten Anfänge d. li. ihre Tangentialebenen an die Stelle setzt. Zum völligen Verständnis dieser Figur fehlt nun noch das Gesetz der gekrümmten Seitenflächen; wie gesagt, ist auch dieses schon längst festgestellt von Laplace mittelst seh einfacher Prinzipien der Molecularthätigkeit, von Gauss mittelst allgemeiner dynamischer Grundsätze. Um aber den Ausdruck desselben, der einen nicht allgemein geläufigen Begriff b* 10 Sitzungsberichte. der Geometrie voraussetzt, zu verstehen, möge man sich eine beliebig gekrümmte Fläche vorstellen, auf der von irgend einem Punkte aus kleine Stückchen Weges nach allen Rich- tungen maikirt sind. Die Krümmungen dieser Stückchen ändern sich im Allgemeinen con- tinuirlich mit ihrer Richtung und zwar so, dass sich eine grösste und eine kleinste unter ihnen vorfindet, die den Namen der Hauptkrümmungen an der betreffenden Stelle erhalten haben. Hiernach lautet nun dass auf unsern Fall bezügliche dritte Gesetz so: 3) Die Summe der Hauptkrümmungen hat an allen Stellen der flüssigen Fläche ein unveränd erliches Verhältniss zu dem Ueberschuss, den die Dichtigkeit der eingeschlosse- nen Luft, comprimirt durch die Seifhülle, über die der äussern besitzt. Durch diesen Satz ist die Wölbung der flüssigen Flächen völlig bestimmt, da eine Angabe im Allgemeinen immer zur Bestimmung eines Unbekannten ausreicht. Ganz besonders will ich hier noch hervorheben, dass das innere Tetraeder stets eine reguläre Gestalt annimmt, wenn auch das äussere beliebige Unregelmässigkeit darbietet. Die genannten 3 Grundgesetze, welche wir an der einfachsten räumlichen Figur er- kannt haben, reichen nun schon aus, um selbst die complizirteste Gestaltung völlig verständ- lich zu machen und folgen auf eine so einleuchtende Weise aus einem einzigen Prinzip, dass ich mich verpflichtet halte, dieselbe wenigstens anzudeuteu. Sämmtliche Erscheinungen der Physik zwingen uns, selbst die kleinsten noch sichtbaren Theile der Materie, die wir für vollkommene Continua halten möchten, dennoch in eine äusserst grosse, doch keineswegs unendliche Anzahl, bedeutend kleinerer isolirter Massen zu zerlegen, da jene eben noch so mannigfaltige Veränderungen erkennen lassen, dass daraus die Existenz dieser letzteren beweiskräftig folgt. Sie haben den sehr passenden Namen Molecüle, d. h. sehr kleine Massen erhalten, der bei weitem der gebräulicheren Bezeichnung „Atom“ vorzuziehen ist; denn nichts nöthigt uns, diese kleinen Theilcheu, au deren geometrischer Theilbarkeit zu zweifeln ein Widersinn wäre, in Wirklichkeit als untheilbar zu betrachten. Wo es dem Physiker bequem ist, fasst er sie sogar als eine eng geschlossene Gruppe noch kleinerer Massen auf und setzt der weiteren Theilbarkeit auch dann noch keine Grenze. Auf Grund dieser Vorstellung muss man nun die Veränderung von merkbar ausgedehnter Materie als das Resultat von der Veränderung ihrer Molecüle betrachten und die Einwirkung solcher Körper aufeinander als herrührend von der Einwirkung ihrer unsichtbaren Theile. So stellt sich denn hier die wichtige und schwierige Aufgabe aus der beobachtbaren Summe aller Wirkungen einen sicheren Rückschluss auf die Wirkung einzelner Molecüle aufeinander zu bilden. Bis jetzt sind hierüber nur 2 wesentlich von einander verschiedene Eigenschaften festgestellt. Erstens, dass Molecüle in merkbarer Entfernung sich mit äusserst geringer Kraft aber nach demselben Gesetz anziehen, dem die Himmelskörper Folge leisten und, dass es nur einer ungeheuren Menge eng zusammenhängender Molecüle gelingt, eine merkbare Wirkung zu äussern, die immer unabhängig von der chemischen Beschaffenheit derselben ist. Zweitens, dass Molecüle in unmessbarer Entfernung eine sehr gewaltige Wirkung auf einander ausüben, über deren Gesetz weiter nichts bekannt ist, als dass sie in merkbarer Entfernung völlig verschwindet und innerhalb dieser Wirkungssphäre sowohl Anziehung als Abstossung hervor- bringt, deren Natur mit der chemischen Beschaffenheit im engsten Zusammenhänge steht. Die erste Art von Kräften wird unter dem Namen der allgemeinen Gravitation begriffen, für die zweite ist der Ausdruck „Molecularkräfte“ xai sioyjiv gewählt. Mit diesen haben wir es hier zu thun. Die Erscheinungen der Adhäsion und Cohäsion führen uns auf Molecularkräfte zurück, die die Anziehung der Molecüle bewirken und ihnen durch ihre fortwährende Thätigkeit Sitzungsberichte. ft z. B. eine solche Ruhelage ertheilen, wie sie uns in den wohlgestalteten Seiffiguren sichtbar wird. So wenig wir nun auch über das Gesetz dieser Anziehungen wissen, so genügt selt- samer Weise doch schon die eine nur sehr roh charakterisirende Eigenschaft, dass diese Wir- kung nur in unmerkbaren Entfernungen geschieht, vollständig um die Grundgesetze dieser Figuren daraus abzuleiten. Wir sehen in jedem Stückchen einer flüssigen Linie Flächen zusammenstossen, von deren ersten Anfängen alle diejenigen Kräfte ausgehen, welche das flüssige Linienstück in der Ruhelage erhalten; es müssen deshalb diese ersten Anfänge, die als Ebenen zu be- trachten sind, eine symmetrische Lage zu ihm einnehmen, d. h. gleiche Neigungswinkel mit einander bilden. Somit wäre das erste Gesetz bewiesen. Ferner stossen in jedem flüssigen Punkte Raumwinkel zusammen, deren erste Anfänge wiederum symmetrisch zu ihm liegen müssen, da er in Folge ihrer Anziehung zur Ruhe ge- langt ist; doch sie müssen alle untereinander gleich und jeder von ihnen in sich regelmässig sein, wodurch das zweite Gesetz seine Begründung findet. Um endlich das dritte Gesetz abzuleiten, hat man nur die zweierlei Arten von Kräften ins Auge zu fassen, welche ein kleines Stückchen einer flüssigen Lamelle angreifen. Es sind dies erstens die von beiden Seiten wirkenden Drucke der Luft, deren Unterschied also 'nur in Betracht kommt, und zweitens die Molucularkräfte der nächsten Umgebung, deren Wirkung offenbar nur von den Krümmungen der Fläche an dieser Stelle abhängeu kann; denn 2 kleine Stückchen gekrümmter Flächen sind eben nur durch ihre Krümmungen von einander zu unterscheiden. Dass nun diese Wirkung gerade der Summe der Haupt- krümmungen proportional ist, wie Laplace und Gauss bewiesen haben, ist erst durch genaueres Eingehen auf die hier stattfindeuden Verhältnisse zu erkennen und kann nicht so augenblick- lich plausibel gemacht werden. Wir wollen daher diese Wahrheit als Resultat einer sicheren Rechnung einfach hiu- nehmen und sie zu unserm Zwecke vcrwertlien. Wir sehen nämlich, dass sich die Wirkung von beiderlei Kräften bei dem ruhenden Lamellenstückchen aufgehoben haben; sie sind also gleich. Die eine ist aber proportional der Summe der Hauptkrümmungen, die andere nach Mariotte proportional dem Dichtigkeitsunterschied der beiderseitigen Luftmassen und daraus folgt, dass diese Summe zu dem Dichtigkeitsunterschied an jeder Stelle der Lamelle ein un- veränderliches Verhältniss haben muss. Diejenigen Flächen, die beiderseits der freien Luft angrenzen, haben demnach die Eigenschaft, dass die Summe ihrer Hauptkrümmungen Null beträgt, oder der Unterschied der Dichtigkeiten Null ist, sie müssen also an jeder Stelle entgegengesetzt gleiche Krümmungen darbieten und deshalb dem Auge in sattelförmiger Gestalt erscheinen, oder völlig eben sein. Somit habe ich nun die Grundbegriffe der in Rede stehenden Erscheinungen vorgeführt und es bleibt nur noch die Erklärung einiger Besonderheiten übrig, welche den daraus ab- geleiteten Folgen zu widersprechen scheinen. So sollte man erwarten, dass ein Würfel uns einen Mittelpunkt darbieten würde, von dem aus vierseitige Pyramiden nach allen 6 Flächen ausgehen müssten. Statt dessen finden wir in der Mitte eine kleine Fläche von nahezu quadratischer Gestalt, die zwei Pyramiden abstumpft und den 4 andern eine prismatische Form ertheilt. Man bemerkt dabei, dass man diese Querfläche durch einen leichten Hauch in die 3 möglichen Lagen bringen kann. Stellen wir uns nun die vermuthete Gestalt vor und denken uns einen kleinen Luftzug gegen sie austossen, so sehen wir leicht ein, wie sie sofort in eine der wirklichen Gestalt ähnliche überzugehen strebt. Und, da die wirkliche Gestalt bei weitem mehr Aehnlichkeit mit der so veränderten hat, als die vermuthete, so 12 Sitzungsberichte. folgt daraus, dass erstere eine viel stabilere Ruhelage bietet, dass also die flüssigen Theilchen viel eher zu ihr zusammentreten werden und nur unter ganz besondern günstigen Bedingungen in der anderen verharren können. Diese Bedingungen hat Plateau auf sehr interessante Weise dadurch hergestellt, dass er in einen Oeltropfen, der mitten in verdünntem Alkohol schwebt, das Drathnetz des Würfels tauchte und dann mit einer Spritze langsam das Oel aufsog, bis der Ueberrest, an den Draht- kanten haftend, im Alkohol eine ähnliche Figur bildete, wie die Seiflösung in freier Luft. Durch dies Verfahren werden zwei Uebelstände beseitigt, die bei den Seiffigureu unvermeid- lich sind. Einmal ist der Einfluss der Schwere, der bei dem früheren Experiment an dem Abtropfen der Seiftheilchen und dem endlichen Zerplatzen der Lamellen kenntlich ist, dadurch aufgehoben, dass die Oelmasse in Gleichgewicht mit der umgebenden Alkoholmischung gesetzt ist. Ferner ist die Oelfigur vor zufälligen Störungen, wie sie die Seiffigur durch Luftströmungen erfährt, gesichert durch die Umgebung des ruhigen Alkohols. Unter solchen Umständen gelingt es Plateau wirklich, in der Mitte des Würfels einen flüssigen Kern herzustellen, von dem die besagten 6 Pyramiden ausgehen. Bei der modifizirten Seiffigur will ich noch hervorheben, dass die kleine Querfläche kein genaues Quadrat darstellen kann, da ihre Winkel an jeder Ecke 109 % Grad betragen müssen, wodurch auch ihren Seitenkanten eine leise Krümmung zu Theil wird. Noch mehr widerspricht der aprioristischen Erwartung die Erscheinung am Octraeder. Statt 8 dreiseitiger Pyramiden, die in der Mitte zusammenstossen, erblicken wir 4 dreiseitige, deren Spitzen nur bis in die Nähe der Mitte reichen und 4 andere Räume, die eine eigen- thümliche Umgestaltung der vermutheten Pyramiden bilden. Sie reichen mit ihren Spitzen wirklich bis in die Mitte und so, dass um den Mittelpunkt herum die nächsten Seiflamellen sich genau so ordnen, wie um die Mitte eines Tetraeders. In den obigen Stellen, wo diese 2 mal 4 Räume sich begegnen, bestätigen sie die abgeleiteten Grundgesetze. Seltener stellt sich eine andere Gleichgewichtsfigur dar, die in der Mitte ein reguläres Sechseck liefert, das 2 gegenüberstehenden Octraederflächen parallel läuft und von drei abwechselnden Kanten nach den Ecken dieser Flächen Dreiecke, von den 3 andern nach den Drathseiten Trapeze hinschickt. Gewöhnlich tritt weder die eine noch die andere Figur ausgeprägt auf, sondern ein beliebiges Mittelding, dass aber durch den Hauch des Mundes leicht in die correcte Form gebracht werden kann. Schliesslich will ich noch bemerken, dass die durch Zerstörung oder Aufnahme neuer Seifblasen aus den Normalfonnen abgeleiteten Figuren durchweg jenen 3 Grundgesetzen folgen und dadurch völlig verständlich werden, und will mit Plateau, der bereits in 6 Abhandlungen diesen Gegenstand mit wohlgefälliger Breite, die keineswegs im Dienste der Klarheit steht, verfolgt hat, (Academie royale de Belgique) in das Lob der Natur einstimmen, die in scheinbar so chaotischen Gebilden, wie die zahllosen Blasen des Schaumes, so einfache Ge- setze ausgeprägt hat, Gesetze, deren Theorie nur auf der einen Eigenschaft beruht, dass die thätigen Kräfte sich auf äusserst kleine Wirkungssphären beschränken und darum vorzugsweise den Namen Molecularkräfte verdienen. Wie weit seine Beobachtungen, um die Grenze dieser Wirkungssphäre annähernd zu bestimmen (Poggendorff Band CXIV) Werth besitzen, muss ich gediegenen Kritikern überlassen. \ Dr. Sommerfeld legte Farbensortimente von Bernstein vor, die durch besonders sel- tene Färbungen von grossem Interesse waren. Sitzungsberichte. 13 Privatsitzung am 2. Mai. Professor Caspary legte abermals durch den Tauschverkehr eingegangene Schriften vor und machte einige der darin enthaltenen Artikel namhaft. Das von der Ackerbau -Ge- sellschaft im Departement de la Cöte d’or empfohlene Mittel gegen Insekten, die Thieren und Pflanzen Schaden verursachen, besteht in einer Auflösung von Aloe, mit der man die zu schützenden Körper wäscht. Hieran knüpften sich mehrseitige Erörterungen, von denen hervorzuheben, dass Asa foetida gegen den Mäusefrass bei Pflanzen mit Erfolg angewendet worden. Caspary legt ein ungewöhnlich grosses Exemplar von Nostoc pruniforme aus einem Teich bei Pauperischken bei Tilsit vor von 1 */«" Durchmesser, welches ihm von Herrn Ober- lehrer Dr. Schumann zugegangen war. Caspary erwähnt ferner eines interessanten Blitzschlages, der ihm von Herrn Dr. Ed. Killias, Präsidenten der naturforschenden Gesellschaft von Graubündten zu Chur, brieflich mitgetheilt war. Der Vortragende hatte früher, bei Besprechung der Wirkung des Blitzes auf Bäume, bemerkt, dass kein authentischer Fall bekannt sei, in welchem der Blitz einen Baum in Flammen gesetzt habe. Dr. Killias theilt jedoch nun einen Fall der Art mit. Ein Blitzschlag hatte im Sommer 1861 einen alten Birnbaum bei Chur entzündet. Der Birnbaum war vom Boden bis zur Krone hohl und die Höhlung trat oben zwischen dem Ursprung der Aeste zu Tage. Der Blitz fuhr oben in die Höhlung hinein und trat an dem Grunde des Baumes zwischen zwei Wurzelästen heraus, wo er auch einige Splitter herausschlug. Sofort schlugen die Flammen oben zur Höhlung hinaus, so wie Rauch unten zur Oeffhung am Grunde des Baumes. Leute, die in der Nähe waren, sprangen rasch hinzu, gossen oben Wasser hinein und retteten somit den Baum. Soweit nicht einige Aeste versengt waren, traf Dr. Killias den Baum demnach unverletzt. Später aber schien er ihm zu kränkeln. Ferner stattet Caspary einen Bericht über die Stammpflanzen der Asa foetida, des Gummi ammoniacum und Galbanum nach der Schrift von Borszczow in Mein, de l’Acad. Imp. de St. Petersbourg Tom. III Nro. 3 1860 ab und zeigt dieselben in den daselbst gegebenen schönen von Schmidt in Berlin gefertigten Abbildungen vor. Die Stammpflanze von Asa foetida ist nach Borszczow Scorodosma foetidum Bunge, eine Umbellifere, die östlich und südöstlich vom Aralsee, hauptsächlich in dem nordöstlichen Theil der centralpersischen Hoch- ebene in den grossen Sandwüsten wächst. Es ist die Asa foetida Disgunensis von Kämpfer, jedoch wird Asa foetida selbst nicht einmal bei Ilerat gesammelt und man weiss nicht, von wo die officinelle Droge in den Handel kommt. Ammoniacum leitet Borszczow, wie Frühere, ab von Dorema ammoniacum Don., einer andern sehr grossen Umbellifere, die westlich und südlich vom Aralsee in lehmigen, salzhaltigen Steppen sich findet. Die Ableitung des Gal- banum von Ferula erubescens Bois, scheint fernerer Beobachtung zu bedürfen. Ein vorgelegtes Aststück mit einer Reihe schnurförmig an einander liegender Eier wird von Dr. H. Hagen begutachtet, der darin die Eier einer Art von Baumwanzen zu er- kennen glaubt. Derselbe legt seine neueste Arbeit über die Neurupteren aus dem Solenhofer litho- graphischen Schiefer vor (Paläontographica. Bd. X.), verglich diese Einschlüsse mit den in England aufgefundenen und knüpfte daran Mittheilungen über die in Augenschein genomme- nen reichen Sammlungen in München. 14 Sitzungsberichte. Hierauf trug Lehrer Elditt über die essbare Auster und die Erfolge der Austernzucht vor, um die Möglichkeit dieser künstlichen Zucht in unserer Ostsee zu ermitteln. Hatten die Grenzboten in Nro. 50 und 5 t des vorigen Jahrgangs den „gerechten und vollkommenen Austernesser“ geschildert und aus dem günstigen Erfolg der französischen Austernzucht die Lehre gezogen, dass sicher auch an Deutschlands Küsten mancher Punkt zu dieser Zucht geeignet sein müsste; so erschien es von Interesse, die Frage zu beantworten, ob nicht auch unsere Ostsee dazu Gelegenheit bieten sollte. Es mussten daher die Lebensweise und Lebens- verhältnisse der Austern ermittelt, die Austernzucht in der Vergangenheit und Gegenwart betrachtet und endlich die Verhältnisse unserer Ostsee beleuchtet werden, von deren Gunst oder Ungunst das Unternehmen abhängig ist. Wir müssen uns hier auf das Resultat be- schränken, dass hauptsächlich der geringe Salzgehalt des Wassers und die Ungunst der Tem- peratur-Verhältnisse gegen den günstigen Erfolg einer künstlichen Austernzucht in unsern Gegenden sprechen, Verhältnisse, über welche von Baer’s Abhandlung: „Ueber ein neues Project, Austernbänke an der Russischen Ostseeküste anzulegen, und über den Salzgehalt der Ostsee in verschiedenen Gegenden“ die werthvollsten Aufschlüsse giebt. Professor v. Wittich hielt einen Vortrag über die Nachwirkung der Nervenreize , so wie über das Ermüden der Nerven und ihre Unempfindlichkeit bei gleicher Erregung. Die den Vortrag begleitenden Experimente mit dem Farbenkreisel Hessen die erörterten Vorgänge im Sehnerv deutlich wahrnehmen und zwar um so vorzüglicher, als besonders componirte Farbenscheiben angewendet wurden, die bei dem schnellsten Drehen des Kreisels die weisse Farbe, bei abnehmender Schnelligkeit die Uebergänge in die Spectralfarben präsentirten. Privatsitzung am 6. Juni. Professor Caspary stattete Bericht ab über den Fortgang des Tausch Verkehrs mit auswärtigen wissenschaftlichen Gesellschaften, deren Zahl bereits auf 109 angewachsen, und legte mehrere der eingegangenen Vereinsschriften vor. Derselbe erneute seine schon früher ausgesprochene Aufforderung, über Bäume, die sich durch Grösse auszeichnen, Mittheilungen zu machen, womöglich mit Maasbestimmungen und andern charakterisirenden Angaben, und bezeichnet als einen durch Grösse sich aus- zeichnenden Baum die Eiche in Ludwigsort, am Wege nach dem sogenannten Marien- gange. Wünschenswerth erscheint es, wenn auch aus ferneren Orten der Provinz solche Mittheilungen an Professor Caspary gelängen. Professor Werther trug über die Gährung und die sogenannte generatio aequivoca vor. Pasteur’s durch experimentelle Untersuchungen gewonnene Ansicht über die Natur der Gährung und der Hefe führten ihn zu weiteren Versuchen über das Leben gewisser niederer Pflanzen und Tliiere und schliesslich auch auf das Thema über die spontane Erzeugung or- ganischer Wesen. Der Gährungsprocess ist nach ihm durchaus an die Entwickelung einer Pflanze oder eines Thieres geknüpft, er ist kein bloss chemischer Akt. Es giebt nun ver- schiedene organisirte Wesen, welche Gährung einzuleiten vermögen. Ein Pilz ruft die Milch- säuregährung hervor, zwei Pilze leiten die schleimige Gährung ein, keiner der drei vermag aber die Buttersäuregährung hervorzurufen. Diese wird vielmehr durch ein Infusorium erregt, welches die Gestalt kleiner, meist gerader, bisweilen an beiden Enden gekrümmter Stäbchen Sitzungsberichte. 15 hat. Diese sind meist isolirte , aber auch zu 3 — 4 in Ketten vereinigte Individuen , etwa 0,002—0,02 Millim. lang. Sie bewegen zitternd den vordem und hintern Körpertheil und vermehren sich durch Selbsttheilung, am gedeihlichsten in Zuckerwasser, welches Ammoniak und Phosphate enthält. Das Bemerkenswertheste ist, dass diese Thiere ohne allen Zutritt von Sauerstoff leben, ja dass sogar der Sauerstoff sie tödtet, während ein starker Strom Kohlensäure ihrer Entwickelung keinen Eintrag thut. (Ob wiederholte Versuche diese Angabe aufrecht erhalten werden? — ) Was die Bedingungen für die Entwickelung der Mucedineen betrifft, so nennt Pasteur drei Stoffe für unerlässlich: Zucker, Ammoniaksalze oder Albumi- nate und Phosphate. Aber eben so unerlässlich ist auch der Sauerstoff. Die Frage nach der Entstehung der organisirten Wesen, welche die Gährung bewirken, scheint Pasteur gar nicht zweifelhaft zu beantworten. Er ist ein entschiedener Gegner der Annahme einer ge- neratio spontanen; nur vorhandene Keime sind es, die neues Leben hervorrufen, und wenn der Anschein für eine selbstständige Erzeugung zu sprechen schien, so war es nur unrichtiges Experiment. Die schwierigen Versuche werden vom Vortragenden auseinander gesetzt, durch welche Keimsporen in der Luft sicher nachgewiesen, aber auch die Verhältnisse der Keim- fähigkeit und Lebensdauer ermittelt werden. — Der Gegenstaud giebt Veranlassung zu Fol- gerungen auf andern Gebieten. Gutsbesitzer Minden trägt vor über die ältesten Landkarten der Provinz Preussen und legt mehrere derselben zur Ansicht und Vergleichung vor. Eine kleine Karte von Ostpreussen — in deren Besitz ich seit mehren Jahren bin, und die in den bisherigen Karten- Verzeichnissen, wie z. B. von Selasinski nicht aufgeführt ist — hat mich veranlasst, Vergleichungen mit älteren Karten unserer Provinz anzustellen. Die nachfolgenden kurzen Notizen machen selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und würden ihren Zweck erfüllen, wenn sie in diesem Kreise eine Anregung zu weiterer Forschung über den — wie es mir scheint — wohlbeachtenswerthen Gegenstand geben möchten. Die in Rede stehende Karte ist von Petrus Bertius im Jahre 1606 zu Amsterdam herausgegeben und erregt ganz besonders ein Interesse durch die abweichende Zeichnung der Ostseeküste und der Nehrungen. Es ist unzweifelhaft, dass solche — zumal sie in einem Sammelwerke vorhanden — älter, als die ums Jahr 1576 zum ersten Male herausgegebene Henneberger’sche Landtafel ist. In wie weit dieselbe für die damalige Beschaffenheit des Preussischen Vorlandes und der Nehrungen maassgebend, möchte allerdings schwer festzu- stellen sein. Dass diese Karte aber nicht willkürlich angefertigt, und auch eines wirklichen Fundamentes nicht entbehrt, beweist schon der in der Zeichnung wohlberücksichtigte übrige Theil der Provinz, welcher so gründlich wiedergegeben ist, als es die damaligen geringen Mittel zuliessen. Es ist durch die Culturgeschichte Preussens bedingt, dass die in andern Ländern vor- waltenden geographischen Bestimmungen hier erst mehre Jahrhunderte später zur Geltung kamen, und dass das von Ptolemäus aufgezeichnete „Preussen“ mit unserm heutigen Vater- lande durchaus keine Aehnlichkeit hat. Die erste Karte, welche einigermassen die Umrisse der Provinz wiedergiebt, findet sich in dem Werke des Aeneas Sylvius, welches zu Basel 1551 in einem Foliobande erschienen ist. Die Karte datirt unfehlbar aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (da Aeneas Sylvius 1464 als Papst rius II. gestorben) und verdient — bei all ihrer Mangelhaftigkeit — insofern wohl der Beachtung, als sie ein Bild von Preussen entwirft, wie es der deutsche c 16 Sitzungsberichte. Orden zu jener Zeit — in welcher der Verfasser zum ermländischen Bischöfe erwählt wurde — haben mochte. Eine zweite Karte ist von Heinrich Zell oder (wie er sich selbst nennt) Henricus Zellius im Jahre 1550 schon bedeutend vollständiger und richtiger, als die vorige gezeichnet worden. Dieselbe befindet sich im Theatrum orbis terrarum von Abraham Ortelius. Ant- werpen 1570. — Zell war Historiker, Bibliothekar und Geograph des Herzogs Albrecht von Preussen, und nach dieser Stellung dürfte wohl anzunehmen sein, dass er die für damalige Zeit sich darbietenden Hilfsmittel und Quellen bei seiner Arbeit benutzen konnte. Beide Karten weichen in der Küsten- und Nehrungbeschaffenheit von der erstgenannten Bertius’schen mehr oder weniger ab; denn auf dieser ist die Verbindung der Ostsee und des frischen Haffes bei Lochstädt angedeutet, die jetzige frische Nehrung noch nicht vorhanden und durch eine grössere Insel (vielleicht das alte Wiethland) ersetzt; die kurische. Nehrung dagegen in ihrem Anfänge mehr als doppelt so breit, als sie heute wirklich vorhanden. Hieraus möchte fast unzweifelhaft hervorgehen, dass Bertius für seine Karte eine noch ältere Quelle benutzt hat; da — wenn auch die also angedeutete Beschaffenheit der Nehrungen als damals wirklich vorhanden, schwer nachzuweisen sein dürfte — der Durchbruch bei Loch- städt immerhin seine volle Berechtigung haben würde. Wie Bertius überhaupt seinen Atlas aus bedeutend älteren Quellen zusammengestellt hat, möchte zum Theil auch daraus zu schliessen sein, dass in den Kartenwerken des 17. Jahrhunderts — und besonders bei den in Holland erschienenen — die verschiedenen Länder und Landestheile bereits illujnirt sind, während hier kein weiteres Abzeichen die Grenzen markirt. Einen wesentlichen Abschnitt für die Kenntniss Ostpreussens bildet das Erscheinen der grösseren Landtafel von Caspar Henneberger ums Jahr 1576. Diese für damalige Zeit mit grosser Sorgfalt entworfene Karte war ganz dazu geeignet, eine bisher fühlbare Lücke auszufüllen. Henneberger (geb. 1529 zu Ehrlichen in Thüringen, studirte in Königsberg, und starb hier 160U als Pfarrer am Löbnichtschen Hospital) war der erste, welcher die Provinz nach allen Richtungen hin zu solchem Zwecke durchreiste. Bei diesem nicht leichten Unter- nehmen wurde er besonders durch den damaligen Herzog Albrecht Friedrich und durch Georg von Kunheim, Lehnsherrn der Kirche zu Mühlhausen, unterstützt. So willfährig man ihm auch von einzelnen Seiten auf seinen Reisen entgegenkam, wurde Henneberger dennoch — und besonders auf dem platten Lande — von Vielen mit Misstrauen empfangen, und musste theilweise heimlich seine Aufzeichnungen anstellen. Eine regelrechte Vermessung konnte er nicht vornehmen, da erst zu jener Zeit durch den Erfinder des Messtisches, Johann Prätorius, die Kunst des Feldmessens ausgebildet wurde. Henneberger musste sich somit für seine Bestimmungen auf die unzulänglichen Berichte Anderer und die abweichenden Meilen- schätzungen des Volkes beschränken. Bei den so geringen Hülfsmitteln und Anhaltepunkten bleibt es immerhin zu schätzen, dass Henneberger durch Fleiss und Ausdauer eine Karte zusammenstellen konnte, welche sich den besten anderen Karten jener Zeit anreiht und fast zwei Jahrhunderte hindurch massgebend blieb. Dieselbe ist verschiedene Male aufgelegt und ebenso in kleinerem Maassstabe nachgebildet worden, wie in Hartknoch’s „Altem und neuem Preussen“ (1684), und besonders correct in dem grossen Atlas von Mercator (1688). Die Henneberger’sche Landtafel ist jetzt äusserst selten geworden. Ein wohlerhaltenes Exemplar derselben befindet sich im hiesigen geheimen Archiv und im Schlosse zu Marienburg; aber nicht einmal die Ivönigl. Bibliothek hat ein solches aufzuweisen. Sitzungsberichte. 17 Es wäre daher sehr wünschenswerth, wenn ein Privatmann oder vielleicht eine Gesell- schaft der Provinz es unternehmen möchte, dieses für Sammler von Landkarten und besonders für Bibliotheken interessante Werk von Neuem zu vervielfältigen. Das Interesse, welches der Gegenstand hat, fordert zu weiteren Nachforschungen über alte Karten der Provinz auf, und sobald das betreifende Material gewonnen, sollen Karten- copien für die Gesellschaftsschriften vorbereitet werden. Es ergeht daher an die Besitzer alter Karten der Provinz die Bitte, briefliche Mittheilungen über dieselben an den Vorstand gefälligst gelangen zu lassen, damit derselbe Veranlassung finde, seine Wünsche näher aus- zusprechen. Generalversammlung am 27. Juni. Zu hiesigen Mitgliedern wurden gewählt die Herren: Obrist-Lieutenant von Usedom, Oberlehrer Kaul, Dr. med. Ernst Burow und Dr. med. R. Buchholtz; zu auswärtigen Mitgliedern die Herren: Ober -Stabsarzt Dr. Albrecht in Tilsit, Zimmermeister Späxler in Bartenstein, Oberlehrer Linden roth, Lehrer Straube und Apotheker Emil Meier in Elbing, Adolph Senoner in Wien, Dr. Auguste Le Jolis in Cherbourg, Friedrich Lancia Herzog von Castel Brolo etc. in Palermo, Professor Dr. Schenck in Würzburg, Dr. med. F. P. Liharzik in Wien. Professor Dr. Zaddach übergiebt der Gesellschaft die für dieselbe gemachte ge ogno- stische Sammlung, hervorgegangen aus seinen Untersuchungen über die Bernstein- und Braunkohlenlager des Samlandes, welche er in den Jahren 1858 und 18fi0 im Aufträge der Gesellschaft angestellt hat. Die Sammlung ist in zwei Schränken mit 28 grossen Schiebladen aufgestellt, und besteht aus mehreren Abtheilungen. Die erste derselben umfasst die geogno- stische Sammlung und enthält Proben von allen Bodenschichten, die auf der Strecke von Wangen bis Warniken beobachtet wurden, und zwar von fünf oder sechs Fundorten die voll- ständige Schichtenreihe von dem obersten Diluvialsande bis zu dem grünen Sande, in dem der Bernstein liegt, mit denselben Bezeichnungen, die in den Abbildungen gebraucht sind, welche der Abhandlung des Prof. Zaddach über die Bernstein- und Braunkohlenlager des Samlandes im ersten Bande der Schriften der Gesellschaft beigegeben sind, so dass diese durch die Sammlung vollständig erläutert werden. Beigefügt sind noch Proben von Erd- schichten aus einigen andern Orten unserer Provinz, wie aus dem Braunkohlenbergwerke von Chlapau bei Rixhöft und aus 2 Orten bei Heiligenbeil; letztere verdankt die Gesellschaft Herrn Inspektor Seydler, der in denselben einen fossilen Föhrenzapfen derselben Art fand, die am Samländischen Ufer Vorkommen. (Man sehe den Bericht über die 35. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg p. 71.) Die zweite Abtheilung der Samm- lung enthält die fossilen Blätter und Früchte aus den Braunkohlenletten der Samländischen Küste; es sind etwa 450 Stücke, welche ungefähr 25 Pflanzenspecies darstellen; ausser der Samländischen Pappel, die a. a. 0. von Prof. Zaddach bereits beschrieben wurde, und deren Blätter sehr zahlreich in verschiedener Grösse und in mehreren Varietäten vorliegen, lernen wir einen Rhamnus (R. Gaudini Heer), eine Erle (Ainus Kefersteinii Gpp.), eine Acerates Art (A. firma), mehrere Nadelhölzer (Taxodium dubium und Sequoia Langsdorfii) als die häufigsten Pflanzen des Tertiärwaldes kennen, während andere Arten nur durch einzelne Blätter oder durch Samen- und Fruchttheile repräsentirt werden und grossentheils Gattungen, ja selbst Familien des Pflanzenreichs angehören, welche der jetzt lebenden Flora unseres 18 Sitzungsberichte. Landes durchaus fremd sind. An diesen Theil der Sammlung schliesst sich eine Sammlung fossiler Föhrenzapfen, welche theils in den obersten Tertiärschichten der Samländischen Küste theils in den Braunkohlen von Chlapau gefunden wurden, und eine Sammlung von Bernstein- stücken aus verschiedenen Schichten, die, wenn sie grösser geworden, vielleicht einst dazu dienen wird, die Frage zu entscheiden, ob der Bernstein nur einer geologischen Periode oder mehreren Perioden der Erdbildung angehört. Hierauf folgt eine reichhaltige Sammlung von Holzstücken aus den verschiedenen Erdschichten der Samländischen Ufer; es schien Prof. Zaddach besonders wichtig, die Holzstücke, die in Schichten von verschiedenem geologischen Alter Vorkommen, zu trennen, da sie höchst wahrscheinlich denselben Arten angehören, die durch die obigen mit ihnen zugleich vorkommenden Pflanzenüberreste dargestellt werden. Wir finden in der Sammlung Holzstücke aus fast allen Tertiärschichten von dem obersten gestreiften Sande bis zur Bernsteinerde, deren spätere genaue Untersuchung noch interessante Aufschlüsse über die Tertiärflora erwarten lässt. Endlich ist diesen Sammlungen noch eine Sammlung fossiler Blätter aus den schon erwähnten Braunkohlen von Chlapau bei Rixhöft, 2 Meilen westlich von der Halbinsel Heia, angefügt, welche Prof. Zaddach vor einigen Jahren zu machen Gelegenheit hatte; diese Braunkohlen sind an einigen Stellen ausserordentlich reich an Pflanzenüberresten, die sich leider bei der erdigen Beschaffenheit der Braunkohle schwer gut erhalten und aufbewahren lassen. Die dort begrabeue Flora ist sehr viel reich- haltiger an verschiedenen Pflanzenspecies , als die Samländische Tertiärflora und deshalb für diese von Interesse, weil sie mehrere characteristische Arten mit dieser gemeinsam hat und deshalb derselben geologischen Zeit angehört. Dieses sind die Tlieile der interessanten und für fernere Studien höchst wichtigen Sammlung, für deren mühevolle Darstellung die Gesell- schaft Herrn Professor Zaddach zum grössten Danke verpflichtet bleibt, dem der Präsident derselben, Dr. Schiefferdecker, Ausdruck giebt, und daran die erfreuliche Mittheilung knüpft, dass Herr Stadtrath He ns che seine werthvolle, auf die heimathliche Bernstein- und Braun- kohlen-Formation bezügliche Sammlung der Gesellschaft zu schenken gütigst versprochen hat. Demselben wird der wärmste Dank ausgesprochen, Herr Prof. Dr. Zaddach aber ersucht, die Einordnung derselben zu übernehmen und seine Untersuchungen fortzusetzen, wozu derselbe sich bereit erklärt. Herr General-Consul B. Lorck lässt der Gesellschaft die Erklärung zukommen, dass Alter und Kränklichkeit ihn nöthigen, sein Amt als Cassen-Curator schon jetzt nieder zu legen, woher, das Amt interimistisch zu übernehmen, der Sohn desselben, Herr Consul Lorck, ersucht wird. Druck der Universitäts- Buch - und Steindruckerei E. J. Dalkowski in Königsberg. Schriften/ d Physik Ork Gtfillsdi z- Kngsbq. Jahrg M Taf I. Inhalt der ersten Abtheilung, Mitglieder- Verzeichniss Pag. I— VI. * Abhandlungen. Die Hymenopteren der Provinz Preussen, von G. Brischke, Lehrer in Danzig . Pag. 1 Nachtrag zur Flora der höheren Cryptogamen Preussens, von Dr. H. v. Klinggräff „ 15 Beitrag zur Bernstein- Fauna, von v. Duisburg. (Hiezu Taf. I.) 31 Beiträge zu einer Cryptogamen -Flora Danzigs, erweitert durch Mittheilungen aus West- und Ostpreussen, mit einem einleitenden Bericht der ganzen botanischen ' Literatur der Provinz Preussen, von Dr. E. F. Kl ins mann in Danzig ... „ 36 Die Makrolepidopteren der Provinz Preussen, von Dr. H. R. Schmidt . . . . „ 62 Beschreibung zweier alter bei Deutsch Eylau gefundener Schädel, von Prof. v. W i t ti c h „ 88 Sitzungsberichte vom Januar bis Juni. v. Witt ich, über Schädel und andere Knochen Samuel, über neuere Arbeiten die Gehirnbildung betreffend Werther, über Kirehhoffs und Bunsen’s chemische Analyse durch Spectralbeobach- tungen und über den zu diesem Zwecke von denselben construirten Apparat . Schieffer decker, über zoologische Gärten Caspary, über stengelumfassende Aeste Kaul, über die Plateauschen Figuren Caspary, über die Stammpflanzen einzelner Drogen W erther, über die Gährung und die generatio aequivoca Minden, über die ältesten Landkarten der Provinz Preussen Zaddach, die geognostische Sammlung der Gesellschaft Pag. 3 11 11 11 11 11 4 5 6 7 t3 14 15 17 Von den Schriften der jjhysikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, in denen I Arbeiten aus dem Gesammtgebiete der Naturkunde, vorzugsweise solche, welche sich auf die Naturgeschichte der Provinz Preussen beziehen, mitgetheilt werden, erscheint jährlich ein Band von 15 bis 20 Bogen mit den dazu gehörigen Abbildungen in 2 Heften. Der Ladenpreis für den Jahrgang beträgt 2 Thaler. SCHRIFTEN DER / / s'< - i/f k , KÖNIGLICHEN PHYSIKALISCH-ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT ZU KÖNIGSBERG. DRITTER JAHRGANG 1862. ZWEITE ABTHEILUNG. KÖNIGSBERG 1$63. IN COMMISSION BEI GRÄFE UND UNZER. Beiträge zur Anatomie der Gattung Enchytraeus, nebst Angabe der nm Königsberg vorkommenden Formen derselben. Von Dr. ßuchholz. . Hiezu Tafel IV — VI. Die Gattung Enchytraeus wurde 1837 von Henle aufgestellt, welcher gleichzeitig eine ziemlich ausführliche anatomische Beschreibung dieses von ihm für bisher noch nicht beschrieben gehaltenen Wurmes gab*). Sechs Jahre später wurde von Hoffmeister**) eine neue Form aufgefunden, welcher er den Namen E. galba gab, und welche sich vor dem von Henle beschriebenen E. albidus besonders durch einen bedeutend beträchtlicheren Körperumfang aus- zeichnen sollte. Gleichzeitig zeigte er, dass der von Henle beschriebene E. al- bidus bereits von 0. F. Müller als Lumbricus vermicularis erwähnt worden war, und gab ihm daher den alten Müller’schen Speciesnamen wieder. Um eine neue Form wurde diese Gattung alsdann 1847 durch Leuckart und Frey***) vermehrt, welche dieselbe als Enchytr. spiculus beschrieben, der sich von den früher be- kannten vorzugsweise durch einen mein- spindelförmig Körper auszeichnen sollte. Grübet) in seiner Zusammenstellung der Anneliden führt die drei bis dahin bekannten Arten mit Angabe der von den erwähnten Autoren gegebenen Dia- gnosen auf. Der anatomische Bau dieser Thiere war seit Henle von Niemand weiter genauer studirt worden, bis J. d’Udekemff) durch seine Untersuchungen über den Bau der Geschlechtsorgane von Lumbricus darauf geführt wurde auch, En- chytraeus in dieser Hinsicht genauer zu untersuchen. Auf die Ergebnisse dieser *1 Henle über Enchytraeus, eine neue Annelidengattung'. Müllers Archiv 1837. **) Hoffmeister: Beitrag zur Kenntniss deutscher Landanneliden. Wiegmanns Archiv 1S43. ***) Leukart und Frey: Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere. 1817. p. 130. f) Grube: Die Familien der Anneliden. Berlin 1831. S. 103 V- Hü. t+) J. d’Udekem Mem. sur le devcloppement du Lombric terrestre. Memoires eouronnes de l’Acad. roy. de Belgique. T. 27. 1856. 13 94 Untersuchung, welche in seiner gekrönten Preisschrift über die Entwickelungs- geschichte der Regenwürmer niedergelegt worden sind, kann ich erst später im Einzelnen zurückkommen. Bei näherer Aufmerksamkeit auf die in der Umgegend von Brüssel vor- kommenden Formen dieser Würmer entdeckte derselbe bald eine bisher noch unbekannte Form, welche durch eine magenartige Erweiterung am vorderen Ende des Darmkanales sich unterschied und daher E. ventriculosus genannt wurde. Bei der Beschreibung dieser neuen Form*) wurde gleichzeitig die bis dahin ziemlich mangelhafte Diagnose der bis dahin bekannten Formen noch einmal von ihm gründlich erörtert. d’Udekem hat nun che Anzahl und Gruppirung der Borsten als ein be- sonders brauchbares Merkmal zur Unterscheidung der einzelnen Arten hervor- gehoben. Hiernach sollte sich E. galba in der Art von E. vermicularis unter- scheiden, dass letzterer vier gleich lange gerade Borsten in jedem Bündel habe, während jener ebenfalls 4 Borsten in jedem Bündel besässe, von welchen aber die beiden mittleren kürzer als die beiden äusseren seien. Dagegen wurde die neue Form E. ventriculosus durch eine grössere Anzahl von Borsten in jedem Bündel characterisirt , zwischen 6 und 7 schwankend, welche aber in der Art gestellt sein sollten, dass die äusseren mehr nach Aussen hervorragten, als che in der Mitte stehenden. In einer neuerdings von demselben Verfasser gegebenen systematischen Uebersicht der kiemenlosen Borstenwürmer **), werden neben den bisher erwähnten vier Formen noch zwei neue hinzugefügt, von welchen der eine E. socialis von Leydy in Amerika gefundene ebenfalls wie E. ventri- culosus eine magenartige Erweiterung des Darmkanales, dabei aber einen völlig cylindrischen Körper besitzen sollte. Die zweite Form E. moniliformis wurde vom Verfasser selbst unter Fucusmassen am Strande von Ostende aufgefunden, und sollte durch eine stärker ausgesprochene Ringelung des Körpers und durch sechs bis neun Borsten in jedem Bündel ausgezeichnet sein. Man sieht aus dem Vorhergehenden, welches im Wesentlichen ziemlich die ganze Literatur dieser Gattung enthalten dürfte, dass dieselbe bisher nur an wenigen Orten rücksichtlich der in ihr vorkommenden Formen genauer unter- *) d'Udekem: Description d’une nouvelle espfece d'Km.'h vtnieus. Bulletins de l’Academie royale de Bel- gique. T. XXI. **) d’Udekem Nouvelle Classification des Almelides sdtiferes abranehes. Bulletins de l’Acad. roy. de Belgique. T. 31. 1859. 95 sucht worden ist, so dass es nicht überflüssig’ erscheinen dürfte, neben einer von mir aufgefundenen durch sehr eigenthümliche anatomische Verhältnisse cha- racterisirten Art, auch die übrigen in der Umgegend Königsbergs beobachteten Formen aufzuführen. Doch muss ich zuvor noch Einiges über den Werth der bisher angewrendeten diagnostischen Kennzeichen bemerken. Zunächst ist in Beziehung der Gruppirung der Borsten in den einzelnen Bündeln, welche d’Ude- kem besonders zur Feststellung der Unterschiede benutzt hat, anzuführen, dass dieselbe zwar anscheinend sehr bequeme aber doch sein- unsichere Kennzeichen darbietet. Am meisten dürfte dies von der Anzahl der Borsten in den einzel- nen Bündeln gelten, welche, wie bereits Heule bemerkte, sogar bei demselben Individuum sehr schwankend ist, und daher als Artcharacter niemals angewendet werden darf. Dasselbe dürfte von der von d’Udekem hervorgehobenen Stellung „en eventail“ gelten, denn sowie die Anzahl der einzelnen Borsten in einem Bündel beträchtlicher wird, müssen, wegen der Anheftung derselben auf dem Boden einer grubenförmigen Vertiefung, die aussen befindlichen stets stärker nach Aussen hervorragen. Dagegen habe ich einen Umstand bezüglich der Borsten sehr constant gefunden; es ist dies die Form der einzelnen Borsten. Bei einigen Formen sind nämlich die Borsten in ihrer ganzen Länge leicht sichelförmig gekrümmt, bei anderen dagegen nur an ihrer Insertionsstelle leicht hakenförmig gebogen und im übrigen Theile ganz gerade. Von diesem Verhalten habe ich bei sehr zahlreich untersuchten Individuen niemals eine Abweichung gefunden, so dass dieses ein ganz brauchbares Kennzeichen darzubieten scheint *). Ein zweites betrifft die von Leuckart und Frey zuerst zur Kennzeichnung von E. spiculus hervorgehobene Spindelform. Sehr langgestreckt spindelförmig kann man eigentlich die Körperform fast aller Scolemen nennen, indem der cylindrische runde Körper an beiden Enden mehr oder weniger verschmälert er- scheint. Man kann daher an einer bestimmten Art wohl wahrnehmen, dass ihr Körper, im Verhältniss zu einer anderen stärker spindelförmig sei, was denn wohl nichts anderes bedeuten kann als, dass der Dickendurchmesser im Verhältniss zur Länge des Thieres hier beträchtlicher ist. Allein bei der sehr *) Grube: Familien der Anneliden S. 146 kennzeichne! den E. spiculus Leuck. u. Frey durch „leicht gekrümmte“ Borsten, während Leuckart u. Frey a. a. 0. dieselben als „ein Wenig nach hinten gekrümmt“ bezeichnen, was unverständlich ist Es lässt dies vermuthen, dass E. spiculus wohl nur eine leichte Varietät von E. vermicularis Hofl'mr. ist. 13 * 96 relativen Bedeutung dieses Merkmals, welche noch durch die bedeutende Con- tractilität des Thieres beträchtlich unsicherer wird, ist es wohl kaum möglich, hierdurch allein mit Bestimmtheit eine besondere Form zu begründen, wie in Hinsicht des E. spiculus es geschehen ist. Die von mir bis jetzt um Königs- berg bemerkten Formen sind folgende: 1) E. appendiculatus mihi. Körper sehr lang gestreckt fadenförmig. Körperlänge der ausgewachsenen geschlechtsreifen Individuen kaum je grösser als 1 Centim. Dickendurchmesser 0,2 — 0,3mm. Borsten gewöhnlich je 4 in einem Bündel schmal, schwach sichel- förmig gekrümmt von gleicher Länge. Darmkanal an der Stelle, wo der Oeso- phagus in ihn einmündet, im 7. Körpersegment mit einem konischen zipfel- förmigen blindsackartigen Divertikel versehen, an dessen nach vorn gerichtete Spitze das Riickengefäss angeheftet ist. Lymphkörperchen von zweierlei Art, die grössere Form scheibenförmiger Zellen, welche bei den übrigen Arten fast allein bemerkt wird, nur sehr vereinzelt, dagegen in grosser Menge kleinere elliptische homogene Körperchen im Chylus suspendirt. Gürtel im achten Körpersegment, Papille in der 7. Borstenreihe. Diese durch den eigenthümlichen Anhang des Darms , sowie durch die abweichende Lage des Gürtelsegment’s von allen übrigen sehr auffallend ana- tomisch verschiedene neue Form fand ich bisher nur in einem Blumentopf ge- meinsam mit E. ventriculosus d’Udekem, aber hier in sehr grosser Menge, so dass ich sie den ganzen Sommer hindurch beobachten honnte. Niemals fand sich unter hunderten von Individuen eine Abweichung von den oben angegebe- nen Characteren , so dass dieselbe als ziemlich sicher begründet angesehen werden kann. 2) E. vermicularis Hoffmeister. d’Udek. (albidus Henle.) Körperform und Grössenverhältnisse vollkommen mit der vorigen Art übereinstimmend. Die Borsten ebenfalls gewöhnlich zu je 4, schwach sichel- förmig gekrümmt, gleich lang. Integumente sehr zart. Darmkanal gerade ohne Spur einer Erweiterung oder eines Anhanges. Kleinere Lymphkörperchen scheinen meist gar nicht vorzukommen. Giü-tel im 11. Segment, Papille zwischen der 10. und 11. Borstenreihe. Diese Art, welche ich mit der von Hoffmeister und d’Udekem als vermi- cularis bezeichneten trotz der leichten Krümmung der Borsten *) für identisch *) d’Udek. bezeichnet die Borsten bei seinem E. vermicularis als gerade. 97 halte, fand sich ziemlich häufig sowohl im Schlamme sehr mooriger Gräben, als auch in schwarzer Walderde , also an ziemlich verschiedenartigen Aufent- haltsorten. 3) E. ventriculosus d’Udekem. Körper verhältnissmässig weniger lang gestreckt fadenförmig, denn bei einer Länge von 1,5 Centim. erreicht derselbe die beträchtliche Dicke von 0,7mtn, also stärker spindelförmig. Borsten meist mehr als 4, in einem Bündel meist 5 — 8, dicker, ganz gerade, gleich lang. Der Oesophagus bildet im 8. Segment kurz bevor er in den eigentlichen Darm übergeht, eine kugliche magenartige Erweiterung. Kleinere Lymphkörperchen konnten nicht bemerkt werden. Gürtel und Papille im 11. Segment. Diese in allen Einzelheiten mit der von d’Udekem von seinem E. ventri- culosus gegebenen Besclireibung übereinstimmende F orm wurde nur, wie bereits bemerkt in demselben Blumentöpfe mit E. appendiculatus und auch hier nur vereinzelt beobachtet. Es scheint also diese bis her nur um Brüssel wahrge- nommene Form eine ziemlich weite Verbreitung zu haben. 4) E. galba Hoffmeister. Diese Art unterscheidet sich schon leicht durch che Sehl- viel bedeutendere Grösse. Die Länge beträgt meist etwas über 2 Centim. bei ziemlich lmm Dicke. Integumente sehr dick. Borsten ganz gerade, meist 4 in einem Bündel von gleicher Länge *), beträchtlich grösser und weniger schmal als bei E. vermicularis. Darm gerade ohne Erweiterung. Kleinere Lymphkörperchen sehr vereinzelt. Gürtel und Papille im 11. Segment. Der innere Bau dieser Art ist somit mit dem von E. vermicularis ganz übereinstimmend, und wenn man auf die geraden Borsten eben nicht zu grosses Gewacht legen will, so wäre es vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt, sie als eine nur in der Körpergrösse beträchtlich entwickeltere Abart mit jenem zu vereinigen Diesen Enchytraeus fand ich recht häufig, besonders in der modernden Erde, die alte Baumstämme bedeckt, aber auch in Blumenerde. Es fehlen also von den in Europa bis jetzt bekannten Formen in der hiesigen Umgegend nur E. spic.ulus Leuckart und Frey und E. moniliformis *) Obgleich ich die Borsten beinahe immar von gleicher Lange antraf, so fanden sich einmal bei In- dividuen, welche einem bestimmten Standort angehörten und meist 5 — 6 Borsten in einem Bündel besassen, die mittleren beträchtlich kürzer, ich glaube jedoch desswegen diese letzteren nicht von dieser Form trennen zu müssen. Der von d’Udek. angegebene Artcharacter, wonach E. galba sich durch kürzere in der Mitte stehende Borsten unterschiede, wäre somit nicht konstant. 98 d’Udekem, die jedoch beide aus vorhin erörterten Gründen vorläufig als nicht ganz sicher begründet erscheinen dürften , wie denn überhaupt eine auf eine möglichst grosse Anzahl von Individuen ausgedehnte, alle Zufälligkeiten aus- schliessende Beobachtung die Anzahl der Formen hier eher verringern als ver- mehren dürfte. , Nach diesen systematischen Vorbemerkungen wende ich mich zu dem eigentlichen Gegenstände dieser Mittheilung, indem ich die Ergebnisse meiner Studien über den anatomischen Bau der Enchytraeen darstelle. Ich muss hierbei bemerken, dass die nachfolgende Beschreibung vorzugsweise nach Untersuchungen über E. appendiculatus entworfen ist, wobei die bei den anderen Arten etwa abweichenden Verhältnisse jedesmal besonders angegeben sind. 1) Die Haut. Die äusserste Schicht der Haut wird bei Enchytraeus, wie bei allen übrigen Anneliden, von einer structurlosen glashellen Cuticula gebildet, deren ausser- ordentliche Resistenz gegen Reagentien sie als eine Chitinmembran erkennen lässt. Sie lässt sich sehr leicht isolirt zur Darstellung bringen, wenn man einen Wurm zerreisst und die Contenta durch Druck entfernt, wobei sie alsdann als eine vielfach gefaltete vollkommen structurlose Membran sich zeigt. Ihre Dicke ist höchst unbedeutend, sie lässt sich annähernd auf 0,001mm schätzen, allein trotzdem besitzt sie eine beträchtliche Festigkeit, wie man daraus erkennen kann, dass, wenn durch einen beträchtlicheren auf das Thier angewendeten Druck diese Schicht an irgend einer Stelle einen Einriss bekommt, ein grosser Theil der Contenta der Leibeshöhle durch die enge Oeffnung mit Gewalt herausge- trieben wird. Unmittelbar unter der Cuticula, zwischen ihr und der Muskel- schicht der Haut, liegt eine Epidermis, welche einen höchst pndeutlich zelligen Bau darbietet. Henle*) bezeichnete diese Schicht als körnig, d’Udekem**) als aus verschlungenen Fasern zusammengesetzt. Die einzelnen Zellen, aus welchen diese epidermoYdale Schicht zusammengesetzt ist, sind nur mit grosser Mühe deutlich zu sehen, am besten sieht man sie noch in der Oberlippe, wo man sie als sehr kleine konische senkrecht zur Oberfläche stehende Gebilde (s. Fig. lb.) erkennt. In dem übrigen Theile des Körpers bemerkt man in dieser Schicht sehr kleine bogenförmige ihre Convexitäjt nach Innen richtende Hervorragungen zwischen Cuticula und Muskeln, welche von den Elementen der Epidermis gebildet werden. *) Henle: Enchytraeus, eine neue Annelidengattung. Müllers Archiv 1837. **) d’Udekem: Description d’une nouvelle espece d’Enchytraeus. Bulletins de l’Academie royale de Belgiq. 99 Niemals gelang es mir, mit der Cuticula gleichzeitig die darunterliegenden Epi- dermiszellen zu isoliren, so dass ich über ihre weitere Structur nichts anzugeben vermag. Die Dicke dieser ganzen Schicht beträgt bei E. appendiculatus 0,004 bis 0,0056 mm. Deutlicher hervortretend sind zweierlei Arten von Gebilden , welche der Epidermis ebenfalls angehören, erstens eigentbümliche Körperchen in der Haut, welche ich aus gleich anzugebenden Gründen Tastkörperchen nennen will, und die den Gürtel bildenden Körperchen. Die ersteren sind unmittelbar unter der Cuticula gelegene und in der Epidermis befindliche Körperchen von länglich viereckiger Gestalt (s. Figur la). Ihr grösster Durchmesser beträgt zwischen 0,014 — 0,022 mm. Der Rand derselben ist meistentheils sehr unregelmässig gezackt, und hierdurch unterscheiden sie sich besonders vou den den Gürtel bildenden Körperchen. Ihre Verbreitung anlangend, so sind sie besonders zahlreich in der Oberlippe, wo sie in unregel- mässigen Gruppen bei einander stehen. Dagegen zeigt ihre Verbreitung in den übrigen Körpersegmenten eine äusserst regelmässig Anordnung, sie sind nämlich hier fast immer auf eine in der Mitte des Segmentes befindliche, mit den Borsten- gruben in einer Linie befindliche Querreihe beschränkt, welche rings um den ganzen Körper des Thieres herumläuft. Hierbei sind die einzelnen Körperchen immer so gestellt, dass ihr längerer Durchmesser senkrecht gegen die Längen- axe des Thieres gerichtet ist. In dem Innern dieser Körperchen lässt sich weiter nichts als einige blasse Pünktchen unterscheiden, so dass es zweifelhaft, ist, ob man sie als zellige Gebilde betrachten darf. Auch nach Anwendung von Reagentien, durch welche dieselben sein- leicht zerstört werden, lässt sich kein kernartiges Gebilde in denselben erkennen. Am deutlichsten treten dieselben bei E. appendiculatus und galba hervor , wo sie sich durch ziemlich starken Glanz auszeichnen, namentlich wenn man sie gerade am Rande des Thieres sieht, dagegen sind sie sehr blass und schwerer zu erkennen bei E. vermicularis, obgleich sie auch hier keinesweges fehlen*). Wenn man das überaus regel- mässige Vorkommen dieser Körperchen, die bisher noch nicht gesehn wor- den zu sein scheinen, so wie ihre unverkennbar auffallend regelmässige An- ordnung erwägt, so ist es fast unabweisslich , dass dieselben eine bestimmte physiologische Function besitzen müssen. Am wahrscheinlichsten erscheint es, *) Bei E. ventriculosus bilden sie in der Mitte eines jeden Segmentes nicht eine einfache Querreihe, sondern eine ziemlich breite Zone, welche aus mehrfachen dicht aneinander stehenden Querreihen besteht. 100 wenn man ihre allgemeine Verbreitung in der Haut und namentlich ihr zahl- reiches Vorkommen in der Oberlippe bedenkt, dass sie in einer gewissen Be- ziehung zum Tastsinn stehen. Denn die Oberlippe ist bei den Scole'inen überhaupt als ein zum Tasten vorzugsweise geeignetes Organ anzusehen, und bei Enchytraeus lassen sich auch in Uebereinstimmung damit zwei ziemlich beträchtliche Nervenstänmie erkennen , welche vom vorderen Theil des Kopf- ganglions abgehend sich in der Substanz der Oberlippe verbreiten. Es lässt sich hier an die von d’Udekem bei einigen Naäden gefundenen warzenartigen Hervorragungen der Haut *) erinnern, welchen derselbe eine ähnliche Function zuschreibt. Den gleichfalls der Epidermis angehörenden Gürtel werde ich bei der Be- schreibung des Genitalapparates näher erörtern. Die innerste Schicht der Haut, die eigentliche cutis, wird von einer mus- kulösen Schicht gebildet, welche den beträchtlichsten Theil der Dicke derselben ausmacht. Sie wird, wie bereits Henle angegeben hat, von einer äusseren cir- culären und einer inneren Longitudinalfaserschicht gebildet. Was die Anordnung der einzelnen jMuskelelemente in derselben betrifft, so hegen diese ohne bemerk- bare Spur einer Zwischensubstanz unmittelbar parallel nebeneinander. Die einzelnen Primitivfasern lassen sich ohne Anwendung chemischer Agentien durch Präparation mit Nadeln ziemlich leicht isolirt darstellen. Sie erscheinen als schmale bandartig abgeplattete lange Fasern, welche an beiden Enden in eine lange sein- verschmälerte Spitze auslaufen (s. Figur 17 b. c.). Sie sind voll- kommen homogen und ziemlich stark glänzend; werden sie mit Wasser behan- delt, so quellen sie an verschiedenen Stellen ungleichartig auf, wobei sie überaus blass werden und einzelne sehr feine blasse Pünktchen in denselben sichtbar werden. Eine jede dieser Fasern trägt an einer Stelle ihres Verlaufes meisten- theils ziemlich in der Mitte einen länglichen spindelförmigen Kern; mehr als ein Kern war niemals an denselben wahrzunehmen. Die Breite der Fasern beträgt in ihrem breiteren mittleren Theil 0,006 — 0,008mm; die Längenausdehnung beträgt durchschnittlich etwa soviel, als die eines oder zweier Körpersegmente, bildet aber immer nur einen selij- geringen Bruchtheil der ganzen Körperlänge des Thieres. *) Besonders schön sieht man dieselben bei Chaetogaster Limnaei, wo sie als völlig hyaline ziemlich lang hervorragende Wärzchen über den ganzen Körper verbreitet sind. Eine regelmässige Anordnung konnte ich hier nicht erkennen. 101 Endlich muss ich noch ein sehr feines, in der innersten Schicht der Haut- gelegenes Zellennetz erwähnen, welches ich in der Haut von E. appendiculatus einige Male sehr deutlich erkannt habe. Stellt man nämlich den Focus genau auf die Longitudinalfaserschicht ein, so erkennt man mit einer starken Ver- grösserung unter günstigen Verhältnissen ein überaus zartes und zierliches Netz- werk ramifizirter Zellen *). Die einzelnen Zellkörper haben eine ziemlich un- regelmässige, bald dreiseitige, bald unregelmässig viereckige, langgestreckte Form und zeigen ein ungemein blasses, zart punctirtes Ansehen; bisweilen bemerkt man in denselben ein kleines, rundes, helleres Bläschen. Von diesen Zellkörpern gehen 3 — 5 sein- zarte ebenfalls sehr blass punctirte Ausläufer aus, welche sich nach kurzem Verlaufe weiter theilen und schliesslich ein reichliches, vielfach anastomo- sirendes Netzwerk bilden. In den Theilungspunkten dieses Netzwerkes finden sich häufig kleinere secundäre Anschwellungen. Dieses feine Zellennetzwerk ist so schwer zu sehen, dass ich es nur wenige Male am unverletzten Tliiere so deutlich zu Gesicht bekommen habe, dass ich die beigefügte, genaue Zeichnung davon entwerfen konnte. Sehr oft gelang es mir, ti’otz aller darauf verwandten Sorgfalt, nicht es wieder aufzufinden. Ich kann daher nicht angeben, ob es an allen Stellen in der Haut vorhanden ist; diejenigen Stellen, an welchen ich es bemerkte, waren ziemlich in der Mitte des Körpers gelegene Segmente. Was nun die Bedeutung desselben betrifft, so könnte man zunächst an unentwickelte Pigmentzellen denken, welche der äusseren Form nach ähnlich auftreten könnten. Allein der Umstand, dass bei keiner Enchytraeenform wirkliches Pigment in der Haut vorkommt, sowie die überaus grosse Zartheit des Ganzen, machen diese Annahme sehr unwahrscheinlich. Mit viel grösserem Recht kann man, glaube ich, an eine gangliöse Nervenaus- breitung in der Haut denken, wie sie auch sonst in der Haut von Wirbellosen mehrfach beobachtet worden ist. Bei dem wenigen jedoch, was Uber die feineren Nervervenzweigungen bei den Anneliden bekannt ist, und bei der Un- möglichkeit, eine Verbindung dieses Zellennetzes mit wirklichen Nervenfasern zu beobachten, muss diese Annahme gänzlich hypothetisch bleiben. Digestionsapparat. Die Mundöffnung bildet bei Enchytraeus, wie bei allen übrigen Scoleinen, eine an der Bauchseite des ersten Segments befindliche, quere Spalte. In der *) Siehe Figur 4 a. 14 102 Mitte dieser Querspalte bildet die Haut eine schmale, trichterförmige Einstülpung*), welche ebenfalls noch von der Cuticula ausgekleidet ist, und diese kurze trichter- förmige Vertiefung, welche sich unmittelbar in den Pharynx hinein fortsetzt, bildet eigentlich die Mundöffnung im engeren Sinne. Der Pharynx **) bildet einen sehr kurzen und engen, gerade verlaufenden, zarthäutigen Abschnitt, welcher völlig cylindrisch ist, und an der Grenze des vordersten und zweiten Leibes- segmentes in einen eigenthiimlich gestalteten, erweiterten Schlundkopf übergeht. Dieser bulbus oesophagi ***), welcher für gewöhnlich im zweiten und dem vorderen Theil des dritten Segmentes gelegen ist, ist übrigens keinesweges eine gleichmässig kugelförmige Erweiterung, wie es von den früheren Beob- achtern angegeben wird, und wie es den Anschein hat, wenn man das Thier gerade von Oben oder von Unten her betrachtet. Denn wenn das Thier auf der Seite liegt, bemerkt man, (vergl. Figur 2 b. oe.) dass derselbe vielmehr durch eine halbkuglige blindsaekförmige Ausstülpung des Oesophagus gebildet wird, welche nach der Dorsalseite des Thieres zugekehrt ist, während an der ventralen Seite der Pharynx unmittelbar geradlinig sich in den Oesophagus fortsetzt. Es besitzt dieser erweiterte Theil des Oesophagus und besonders sein dorsaler, halbkugeliger Anhang sehr starke muskulöse Wandungen, welche an letzterem eine deutliche circuläre Streifung zu erkennen geben. Er ist ausser- dem mit einem sehr entwickelten, muskulösen Apparat verbunden, welchen be- reits Henle hinreichend beschrieben hat. Die einzelnen zum Theil sehr langen Muskelfasern desselben heften sich sämmtlich an den halbkugeligen Anhang und gehen von da, frei durch die Leibeshöhle verlaufend, an die cutis der Dorsalseite des Thieres, an welcher sie sich vom 2ten bis zum 6. Körpersegment hin festsetzen. Durch die Thätigkeit dieser zahlreichen Muskeln findet ein fort- währendes Hin- und Herbewegen des Schlundkopfes statt, wobei sich auch, wie man bemerken kann, der dorsale Anhang desselben gegen den Oesophagus hin und her verschiebt, eine Bewegung, durch welche wohl ein Fortrücken und eine Zerkleinerung der aufgenommenen Substanzen bewirkt werden mag. Dass dieser vorderste Abschnitt des Darmkanales, wie bei so zahlreichen Anneliden, und wie es die beträchtlich entwickelten, den Schlundkopf nach *) Siehe Figur 3 a. **) Siehe Figur 3 ph. ***) Siehe Figur 3 b. e. 1 03 rückwärts ziehenden Muskeln anzudeuten scheinen, nach Aussen hervorge stülpt werden kann, habe ich niemals beobachten können. Auf diesen erweiterten Schlundkopf folgt wiederum ein verengerter, gerade verlaufender, cylindrischer ziemlich langer Abschnitt, der im 7. Körpersegment in den beträchtlich weiteren eigentlichen Darm übergeht. Man kann ihn als Oesophagus bezeichnen. In der Wandung desselben erkennt man bereits an der Oberfläche eine Schicht von ziemlich zarten granulirten Zellen; dieselben erreichen an der Oberfläche des eigentlichen Darmes eine viel beträchtlichere Entwickelung. Die Innenfläche des Oesophagus ist unmittelbar, von dem bulbus oesophagi an, von einem Flimmerepitel ausgekleidet, welches ebenfalls den ganzen Darmkanal bis zur Afteröffnung durchzieht. Mit diesem eben beschrie- benen Darmabschnitt stehen in nächster Beziehung zwei Arten von drüsigen Organen, von welchen die ersteren dem Digestionsapparat selbst angehören, während die letzteren, wie später gezeigt werden wird, zu den Gfenitalorganen gehören. Die letzteren stellen 4 paarige, hintereinander gelegene, drüsige Massen vor, welche unmittelbar an den Oesophagus angeheftet erscheinen. Die zu dem Digestionsapparat selbst gehörenden beiden Organe stellen zwei paarige geknäuelte Drüsen dar, welche zwischen dem bulbus oesophagi und dem vordersten jener vorhin erwähnten drüsigen Körper gelegen sind. Sie bestehen aus einem sehr schmalen, mehr oder wenig geschlängelten Ausführungs- gange (s. Fig. 3 d. gl. s.), welcher unmittelbar an der Grenze zwischen Oesopha- gus und Schlundkopf jederseits in das Lumen des Darmkanales einmündet. Dieser Ausführungsgang geht nach hinten zu unmittelbar in den Körper der Drüse über (Fig. 3 gl. s.), welcher dadurch gebildet wird, dass der Ausführungsgang hier plötzlich durch zahlreiche Windungen und Verschlingungen einen länglich rund- lichen Drüsenknäuel bildet. Das ganze Organ besteht also, wie man sich deut- lich überzeugen kann, aus einem überall gleich weiten, unverästelten, vielfach gewundenen Schlauche, welcher schliesslich mit einem blinden Ende aufhört. In den Wandungen dieses Schlauches konnte ich nur eine drüsige granulirte Masse erkennen. Um die so eben geschilderte Structur dieser Drüsen, welche von den früheren Beobachtern bisher noch nicht erwähnt worden sind, zu erkennen, ist es nöthig, das Thier von der Bauchseite her zu betrachten und dasselbe einem mässigen Druck durch das Deckgläschen auszusetzen. Denn während ich den Körper der Drüse, nachdem ich sie einmal erkannt hatte, stets sehr leicht zwischen den 14* 104 Retractoren des Schlundkopfes wieder auffinden konnte , gehört das Erkennen des Ausführungsganges zu den grössten Schwierigkeiten, und ist mir z. B. bei E. galba, wo doch der Körper der Drüse leicht sichtlich ist, niemals gelungen. Die Bedeutung der eben beschriebenen Drüsen kann nach dem Obigen wohl keine andere, als die von Speicheldrüsen sein, welche bisher ausser bei Lum- bricus, bei den Scoleinen noch nicht angetroffen sind. Die mit dem hinteren Abschnitte des Oesophagus verbundenen Drtisen- massen werden bei den Geschlechtsorganen näher beschrieben werden. Während nun bis dahin in dem vordersten, bis jetzt beschriebenen Darm- abschnitte alle Formen von Enchytraeus mit einander übereinstimmend sind, er- geben sich an der Stelle, an welcher der Oesophagus in den eigentlichen Darmkanal übergeht, erhebliche Abweichungen bei den einzelnen Arten. Zunächst mag liier der sonderbare blindsackartige Anhang beschrieben werden, durch welchen sich E. appendiculatus vor den übrigen Formen so auffallend unterscheidet. Es ist dieses Organ *) ein an der Dorsalseite des Darmkanales befindlicher, ziemlich weiter, blindsackförmiger, von hinten nach vorne gerichteter Divertikel von stumpf konischer Form. Seine breitere Basis entspringt von dem Darm- kanal, etwa in der Mitte des 7. Segmentes, gerade an der Stelle, wo der Oeso- phagus sich gleichmässig erweiternd in denselben übergeht; von hier ab erstreckt er sich, gleichmässig sich verschmälernd, in einer Länge von etwas mehr als einem Körpersegment nach vorne, wo er mit einer verschmälerten, stumpf ab- gerundeten Spitze aufhört. Was nun die Beschaffenheit der Oberfläche dieses Divertikels betrifft, so unterscheidet sie sich beträchtlich von derjenigen des übrigen Darmes. Es fehlt nämlich auf derselben gänzlich die an der Aussen- fläche des übrigen Darmes befindliche drüsige Zellschicht, und anstatt derselben gewahrt man auf ihr eigenthümlich mäandrisch verschlungene Figuren, welche durchaus das Ansehen gewähren , als wenn auf derselben eine Menge vielfach verschlungener, kleiner Kanäle befindlich wären. Hiermit im Einklänge steht die auffällige sehr enge Beziehung, in welcher das Rückengefäss zu dem so eben beschriebenen Organ steht. Während nämlich das Rückengefäss bei den übrigen Enchytraeusarten, welche diesen Divertikel nicht besitzen, stets unmittelbar dem Oesophagus aufliegend, und an denselben festgeheftet, auf den Darmkanal über- geht, verlässt dasselbe bei E. appendiculatus bald hinter seiner vorderen Thei- lungsstelle seine Lage dicht auf dem Oesophagus und zieht frei durch die Leibes- S. Figur 2. app. 105 höhle nach hinten , bis es sich an der Spitze jenes Divertikels befestigt und überaus innig mit demselben zusammenhängt. Von dieser Anheftungsstelle an, bis zum Ursprünge jenes Divertikels vom Darmkanale, ist nun niemals mehr eine Spur des Rlickengefässes, als eines in continuo fortlaufenden gesonderten Stammes zu sehen, so dass es in der That den Anschein hat, als finde liier auf dieser Strecke eine wirkliche Auflösung desselben in ein auf der Oberfläche des Divertikels befindliches Kanalsystem, eine Art Wundernetzbildung statt. Man könnte hiergegen den Einwand erheben, dass sich die Fortsetzung des Rücken- gefässes bei einem Verlaufe an der ventralen Seite des Divertikels, zwischen letzterem und dem Oesophagus, leicht der Beobachtung entziehen könnte. Allein es war mir auch bei den verschiedensten Arten der seitlichen Lage des Thieres, wobei es sehr häufig möglich war, den Zwischenraum zwischen Oesophagus und Divertikel deutlich zu übersehen, niemals möglich, in demselben irgend eine Spur des Gefässes zu entdecken, obgleich sich dasselbe durch seine lebhaften Pulsationen bis zu seiner Anheftungsstelle stets mit ausserordentlicher Leichtig- keit und Klarheit erkennen lässt. Es könnte ferner als Unterstützung der obigen Vermuthung angeführt werden, dass der ganze Divertikel, von seinem Ursprünge an bis zur Spitze, ziemlich energische, regelmässige, mit der Pulsation des Rückengefässes gleich- zeitige Contractionen zeigt, wobei die Pulsation, wie die des Rückengefässes, im Allgemeinen von hinten nach vorne zu fortschreitet und unmittelbar auf das Gefäss sich fortsetzt. Die Contraction des Gefässes ist dabei bis zu seiner Anheftungsstelle so beträchtlich, dass das Lumen desselben beinahe völlig dadurch aufgehoben wird. Indessen ist hierbei freilich einzuräumen, dass diese Pulsation an und für sich als kein ausreichender Beweis gelten kann, da auch der übrige Darmkanal eine, wenn auch weniger starke, mit der Pulsation des Rücken- gefässes gleichzeitig fortschreitende , peristaltische Bewegung wahrnehmen lässt. Im Uebrigen ist die ganze innere Oberfläche des Divertikels , wie die des übrigen Darmkanales mit Flimmerepitel ausgekleidet, welches hier freilich sehr viel schwieriger sichtbar ist. Niemals aber bemerkte ich in seinem Inneren et- was von Darminhalt, welcher im übrigen Darmkanal stets ziemlich reicldich vor- handen zu sein pflegt. Der Zweck dieses sonderbaren Organes ist sehr dunkel, um so mehr, als es allein bei dieser einzigen Form von Enchytraeus vorhanden ist. Bei Ench. vermicularis und galba geht, wie bereits angeführt, der Oesophagus an derselben 106 Stelle unmittelbar in den erweiterten Darmkanal über, während bei E. ventri- culosus an demselben , kurz vor dem Uebergange in den Darm , eine kuglige gleickmässige Erweiterung sich zeigt, über welcher das Rückengefäss, sehr deut- lich sichtbar, kontinuirlich nach hinten verläuft. Der eigentliche Darmkanal, welcher sich von dem bisher beschriebenen vorderen Abschnitte des Digestions- trac.tus durch eine sehr viel grössere Breite auszeichnet, verläuft nun ganz gerade vom achten Segment bis zum hinteren Körperende, wobei er sich, gemäss der Yerschniälei'ung des hinteren Körperendes, nach hinten zu in der Nähe des Afters ganz gleichmässig verschmälert. Dieser Abschnitt zeigt bei allen Arten im Wesentlichen denselben Bau. Die ganze Innenfläche des Darmes ist, wie bereits der Oesophagus, mit einem zarten Flimmerepitel ausgekleidet, welches schon Heule bemerkt hat. Man isolirt nicht selten zusammenhängende Flächen desselben, wobei es sich aus polygonal gegeneinander abgeplatteten, zarten , meist schwach gelblich ge- färbten Zellen bestehend zeigt. Sie haben sehr deutliche, länglich ovale Kerne und eine Grösse zwischen 0,014 und 0,020 mro. Sobald übrigens diese Zellen einzeln isolirt sich zeigen, verlieren sie ihre polygonale Gestalt und erscheinen vollkommen kugelförmig. In Betreff der Flimmerbewegung im Darm von Enchytraeus habe ich noch hinzuzufügen, dass mir dieselbe gleichfalls der Willkür des Thieres unterworfen zu sein schien, so wie es Osc. Schmidt *) an dem Darm von Nais elinguis beobachtete. Sicher ist es wenigstens, dass man bisweilen in einzelnen Abschnitten des Darmkanals keine Spur von Flimmerbewegung wahrnimmt, während man doch die einzelnen Cilien mit Deutlichkeit erkennen kann. Dabei erscheint gleichzeitig die Flimmer- bewegung an benachbarten Parthien des Darmkanales sehr deutlich, so dass sich die Fähigkeit, die Cilien in Ruhe zu versetzen, auf einzelne Darmabschnitte zu erstrecken scheint. Isolirte Zellen zeigen dagegen, sobald sie nicht in Lö- sungen sich befinden, welche die Cilien zerstören, ohne Ausnahme die Cilien in Bewegung. Die zunächst dem Flimmerepitel nach Aussen gelegene muskulöse Schicht ist so dünn und zart , dass es nie gelang , dieselbe isolirt zur Anschauung zu bringen, so dass über die Structur derselben nichts ermittelt werden konnte. Sehr eigen thiimlich ist nun die den ganzen Darmkanal an seiner Aussen- fläche gleichmässig bekleidende, drüsige Zellschicht, welche in ähnlicher Weise *) O. Schmidt: Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Nai'den. Müllers Archiv 1810. 107 am Darmkanal sämmtlicker Scolei'nen vorhanden zu sein scheint. Dieser zellige Ueberzug ist von den Meisten als aus schlauchförmigen Gebilden bestehend beschrieben worden. So giebt Henle an : der Darmkanal von Enckytraeus be- sitze eine zottige Oberfläche, die durch eine Menge kurzer Blinddärmchen bewirkt werde. In ähnlicher Weise lässt d'Udekem den Darm bei Enckytraeus von einer Menge von „utricules“ bedeckt sein. Es ist indessen von schlauchförmigen Anhängen am Darmkanal durchaus nichts vorhanden, sondern es besteht der beschriebene Ueberzug desselben aus einer einfachen Schicht dicht aneinander gelegener, nach Art eines Epitels po- lygonal abgeplatteter Zellen, von etwa 0,017 — 0,03 mm Durchmesser. Sie sind meistentheils bräunlich gefärbt und diese mehr oder minder stark hervortretende Färbung rührt von einer ziemlich grobkörnigen braunen, granulösen Masse her, welche dieselben meist so dicht erfüllt, dass man nichts weiter in denselben bemerken kann. Doch ist diese braune Färbung durchaus nicht überall vor- handen ; so fand ich sie bei E. vermicularis an zahlreichen Individuen gar nicht vor, während andere Individuen derselben Art, von einem anderen Orte, dieselbe besassen; so dass dieses nur von Verschiedenheiten der Nahrung herzurühren scheint. Ueberkaupt ist nichts abweichender, als die Beschaffenheit des Inhaltes dieser Zellen bei den verschiedenen Formen; bei E. appendiculatus bemerkte ich fast durchgängig einen gleichartigen ziemlich grobgranulirten Inhalt, dagegen bei E. vermicularis häufig daneben ziemlich grosse stark lichtbrechende Tropfen. Dagegen zeigte sich bei E. galba, dass liier diese gröberen und feineren Körnchen in eine völlig hyaline sehr zähe Grundsubstanz eingebettet sind. Denn wenn die Zellen gezwungen waren, durch eine ziemlich enge Oeffnung auszutreten, so wurden sie an dem einen Ende häufig in einen ziemlich langen völlig hyalinen Fortsatz ausgezogen, in welchem nur wenige Körnchen einge- bettet waren. Diese characteristisehe flaschenförmige Gestalt behielten die Zellen auch nach ihrer völligen Isolation bei, was auf einen ziemlich zähen Inhalt schliessen lässt, und es hat vielleicht dieselbe die Veranlassung dazu gegeben, diese Gebilde als schlauchartig anzusehen. Die Verbindung dieser Zellen mit der Oberfläche des Darmkanals ist übrigens ziemlich locker, so dass sie bei der Anwendung eines nur geringen Druckes sich leicht von derselben ganz ablösen und dann in die Leibeshöhle gerathen, wo man sie alsdann zwischen den Lymplikörperchen schwimmend findet. Sie erscheinen alsdann, wenn sie von einander isolirt sind, niemals polygonal, sondern mehr oder weniger kugelförmig. 108 Bisweilen enthalten diese Zellen, besonders bei E. vermicularis, viel Fett, welches nach Behandlung mit Essigsäure in einen grossen Tropfen zusammenfliesst. Durch reichlichen Zusatz von Wasser quellen sie nur etwas auf, ohne zerstört zu werden, Behandlung mit concentrirter Essigsäure zerstört sie endlich, indem die granulirte Masse, ohne eine Hülle zurückzulassen, sich nach allen Richtungen hin zerstreut, hierbei wird meist ein runder bläschenförmiger Kern deutlich sichtbar. Im Uebrigen würde man wohl zu einseitig verfahren, wenn man diese den Darmkanal bei allen Scoleinen überziehende Zellschicht einfach als Leber be- trachten wollte. Dagegen spricht schon, dass sie niemals an einer bestimmten Stelle des Darmes localisirt ist, sondern stets denselben auf seinem ganzen Ver- laufe auf ganz dieselbe Weise bedeckt. Auch dürfte wohl die Function dieser Zellen weit weniger darin beruhen, ein Secret nach dem Inneren des Darm- kanales hin auszuscheiden, als vielmehr bei der Aufnahme und Verarbeitung der in dem Darmkanal befindlichen Substanzen eine wesentliche Rolle zu spielen. Denn alle diese Substanzen müssen noth wendiger Weise erst durch diese Zell- schicht hindurchgehen, ehe sie in die den Darmkanal ringsumspülende Flüssig- keit der Leibeshöhle übergehen können. Besonders bemerkenswert!! ist in dieser Beziehung das eigenthümliche Verhalten dieser Zellen bei Lumbriculus variegatus, wo sie besonders entwickelt sind. Es finden sich hier auf der Oberfläche des Darmkanales und seiner Anhänge vollkommen kugelrunde Zellen *) von sehr verschiedener Grösse (zwischen 0,0197 — 0,056mm). Alle enthalten einen sehr deutlichen ovalen granulirten Kern. Dabei ist es aber auffallend, dass manche dieser Zellen von einer grüngefärbten Flüssigkeit völlig erfüllt sind, in welcher ausserdem eine sehr feingranulirte Masse suspendirt ist. Daneben finden sich ebenfalls Zellen, welche einen granulirten rostbraunen Inhalt besitzen, während die Mehrzahl derselben ungefärbt ist. Es ist nun kaum anders anzunehmen, als dass diese ziemlich zahlreich vorkommenden grüngefärbten Zellen diesen grünen Farbstoff , aus den diesen Lumbricinen zur Kakrung dienenden Pflanzen- bestandtheilen aufgenommen haben, und ihn später in die braune Modification des Chlorophyll überführen. Vielleicht dürfte sich auch der in dem Gefäss- blut der Anneliden vorhandene Farbstoff als aus dem Chlorophyll entstanden, darstellen, worauf auch die grüne Farbe des Blutes der Sabellen hinzuweisen scheint. Man braucht nur an die Farbenveränderungen des Chlorophylls bei f) Siehe Figur 16. 109 den Infusorien zu denken , ich erinnere hier z. B. an Euglena sanguinea und die mit einer rothgefärbten Flüssigkeit erfüllten Vacuolen von Nassula elegans*), deren Entstehung aus grünem Chlorophyll man direct beobachten kann, um jene Annahme nicht unwahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Lymphkörperchen. Der Raum zwischen Darmkanal und der äusseren Körperwandung wird bekanntlich bei allen Anneliden von einer Flüssigkeit ei-füllt, in welcher sehr *) In Beziehung hierauf dürfte vielleicht eine Beobachtung von Interesse erscheinen, die ich in diesem Frühjahr an Nassula elegans zufällig machte. Als ich nämlich Algen aus einem Glase, welches dieses Infu- sorium in grosser Menge enthielt, untersuchte, bemerkte ich ein Individuum, welches an der Spitze eines dunkel- grünen ziemlich breiten Oscillarienfadens gewissermassen festzuhängen schien. Bei näherem Zusehen ergab sich, dass die Spitze des Fadens durch den fischreusenartigen Schlund des Thieres hindurchgegangen war und denselben vollkommen erfüllte, ja es musste sich derselbe sogar nicht unbeträchtlich ausgedehnt haben, um den Faden hindurchzulassen. Das Thier machte nun sehr energische Bewegungen, wobei das hinter der Mundöffnung gelegene Körperende oft bis zum rechten Winkel gegen das vordere Körperende umgebogen wurde, wie ich glaubte, um von dem Fäden wieder loszukommeu. Indessen es geschah das Gegentheil, indem der Faden äll- mälig immer weiter und weiter in das Innere des Körpers eindrang, und allmälig durch das ganze Körper- parenchym hindurch bis dicht an das hintere Körperende vorrückte. Dieser Vorgang war etwa in 10 Minuten vor sich gegangen. Die Spitze des Fadens war nun so dicht an der hintern Körperbegrenzung befindlich, dass es mir schien, als ob sie ganz unmittelbar daran stosse, jedenfalls war dieselbe noch durch den grössten Theil des Rindenparenchyms der Nassula hindurchgedrungen: es erschien somit kaum anders möglich, als dass bei weiteren Bewegungen des Thieres dieselbe das hintere Körperende vollkommen durchbohren müsse. Doch zu meinem Erstaunen wurde, durch eine jetzt erfolgende Contraction des Thieres, die Spitze des Fadens umgebogen, so dass sich dieselbe jetzt wieder in das Innere des Körpers zuriickbog, während gleichzeitig ein weiteres Stück des noch vor der Mundöffnung befindlichen Fadens nachrückte, und derselbe nun doppelt im Körper des Thieres lag. Dies setzte sich nun so lange fort bis ein etwa noch einmal so langes Stück des Fadens als bei dem ersten Umbiegen desselben im Körper befindlich war, nachgefolgt war, indem fortdauernd die am hinteren Körperende zu liegen kommende Stelle des Fadens eine Umbiegung erfuhr. Jetzt riss das Thier durch eine plötzliche heftige Bewegung, den in seinem Inneren befindlichen Theil des Fadens von der, vor der Mundöffnung gelegenen, noch sehr langen Fortsetzung desselben ab und schwamm ganz munter davon. Es hatte somit von einem sehr langen Algenfaden ein seine eigene Körperlänge um das Doppelte übertreffendes Stück abgefressen. Ich beobachtete das Thier nun anhaltend wohl noch eine halbe Stunde lang. Zunächst war zu bemerken, dass die einzelnen Zellen des Oscillarienfadens, die schon durch dasUmhiegen desselben sehr gelockert waren, ganz auseinanderfielen und regellos durch das Parenchym des Thieres zerstreut wurden. Alsdauu erschien eine Anzahl grosser Vacuolen, welche ganz mit einer dunkelgrün gefärbten Flüssigkeit erfüllt waren. Auch die gewöhnlich am hinteren Kürperende befindliche grosse Vacuole enthielt jetzt diese dunkelgrüne Lösung. Von den Oscillarienzellen blieben nur die leeren Cellulosehüllen zurück. Nach einer weiteren Zeit enthielt nun, als ich das Thier wieder erblickte, der grösste Theil der Vacuolen rostbraun gefärbte Flüssigkeit, nur wenige grüngefärbte waren noch sichtbar. Auf welchem Wege die Cellulosehüllen aus dem Körper entfernt wurden, konnte ich leider nicht beobachten, da mir das Object jetzt durch eine Unvorsichtigkeit zu Grunde ging. Es geht nun hieraus mit Sicherheit hervor, dass die in den Vacuolen enthaltene Flüssigkeit keines- weges bloss mit der Nahrung in das Innere des Körpers eingedrungenes Wasser sein kann, denn dieses würde nicht im Stande sein, das Chlorophyll aufzulösen, und so schnell in die braune Modifieation überzuführen. Mit rostbraun gefärbter Flüssigkeit erfüllte Vacuolen, trifft man übrigens bei Nassula sehr häufig an, und es ist wohl sehr wahrscheinlich, dass die blassröthliche Färbung, welche das ganze Parenchym dieses Thieres zeigt, dem mit der Nahrung aufgenommenen Chlorophyll seinen Ursprung verdankt. Ob auch die wunderschön dunkelviolett gefärbte Flüssigkeit, die bereits Ehrenberg in den Vacuolen von Nassula bemerkte, und die mir ebenfalls einmal bei einem Individuum in der grossen Vacuole am hinteren Körperende vorkam, einen ähnlichen Ursprung hat, habe ich nicht beobachten können. 15 HO zahlreiche zellige Elemente suspendirt sind. Letztere sind nun bei den Enchytraeen ganz besonders zahlreich vorhanden, so dass sie oft in dicht gedrängten Haulen die einzelnen Körpersegmente erfüllen. Aber nicht allein die grössere Reich- lichkeit dieser Zellen ist es, welche Enchytraeus vor den übrigen verwandten Würmern auszeichnet, sondern auch ihre abweichende sehr characteristische Form. Denn während dieselben bei den übrigen Scolemen stets kugelrund sind, so erscheinen diejenigen der Enchytraeen stets als stark abgeplattete, ovale Scheiben, ähnlich den Blutzellen mancher Wirbelthiere. Der Inhalt dieser scheiben- förmigen Körperchen ist bald ganz feingranulirt, bald enthält er daneben gröbere glänzende Körnchen. Isolirt man sie, indem man viel Wasser hinzusetzt, so werden sie meist sehr rasch zerstört, indem sich der Inhalt nach allen Rich- tungen hin zerstreut. Dieses beweist, dass die Flüssigkeit, in welcher sie sus- pendirt sind, trotzdem dass sie durch die zahlreichen Schleifenkanäle mit dem Wasser in Communikation steht, dennoch eine ziemlich beträchtliche Concen- tration besitzt, so dass es in der That zweifelhaft erscheinen kann, ob durch diese engen Kanäle, in welchen überdies die Richtung der Flimmerbewegung von innen nach Aussen gerichtet ist, wirklich Wasser von Aussen in die Leibes- höhle gelangt*). Isolirt man sie dagegen in einer mässig concentrirten Zucker- lösung, in welcher sie unverändert bleiben und setzt dann allmälig Wasser hinzu, so verlieren sie ihre scheibenförmige Gestalt und quellen zu blassen kugelrunden Blasen auf, in welchen alsdann immer ein sein- deutlicher runder Kern nebst einem glänzenden Kernkörperchen, welches letztere hierbei oft in mehrere klei- nere Körperchen zerfällt, sichtbar wird. (Vgl. Figur 5 B.) Ihr längster Durchmesser beträgt bei E. appendiculatus zwischen 0,019 und 0,056”“ und bei E. galba sind sie noch beträchtlich grösser. Sehr eigentümlich nun sind die bei vielen Enchytraeen vorkommenden, von den so eben beschriebenen zweifellos zeitigen Gebilden durchaus verschie- denen, kleineren, in der Leibesflüssigkeit suspendirten Körperchen. Diese fielen mir zuerst auf bei E. appendiculatus, wo dieselben ganz besonders ent- wickelt sind. Dieselben sind liier in so grosser Menge vorhanden, dass daneben die grösseren zelligen Gebilde des Chylus nur ganz vereinzelt erscheinen, so *) Leuckart und Frey: Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere S. 7. weisen auf die Analogie des Cliylus der Coelenteraten und Anneliden hin, in Beziehung darauf, dass derselbe bei beiden Thiergruppen mit dem Wasser in Verbindung steht, indessen unterscheidet sieh doch der „Chylus“ der Anneliden durch das oben angegebene Verhalten wesentlich von der, zum grössten Theil aus Wasser bestehenden Flüssigkeit im Inneren der Leibeshöhle jener Thiere. 111 dass auch hierdurch diese Art sehr leicht kenntlich ist. Es sind dieselben läng- lich ovale, ebenfalls flach scheibenförmige, scharf conturirte, glänzende Körper- chen von 0,0084 bis 0,014mm Durchmesser. Wenn sie auf der Kante stehen, so erscheinen sie sehr schmal, und anstatt oval langgezogen elliptisch (vgl. Fig. 5 b). Was dieselben aber sogleich auf das Bestimmteste von den vorhin beschriebenen, grösseren Lymphkörperchen unterscheidet , ist die vollkommene Homogeneität ihres Inhaltes , in welchem niemals eine Spur von Körnchen, noch auch durch irgend welche Mittel eine Andeutung eines kernartigen Gebildes sichtbar ist. Isolirt man dieselben unter Wasser, so quellen dieselben ebenfalls auf, wobei sie eine völlig kugelrunde Form annehmen und sehr viel blasser werden. Dieses sowie das chemische Verhalten derselben machen es unzweifelhaft, dass ihr Inhalt aus einer Protein- substanz besteht. Jodlösung färbt sie tief dunkelbraun, durch Säuren und Al- kalien werden sie leicht zerstört. Die übrigen Formen von Enchytraeus weichen nun, in Beziehung auf ihre Lymphkörperchen , darin sehr wesentlich von E. appendiculatus ab, dass die so eben beschriebene kleinere Form derselben, wenn sie überhaupt vorkommt, nur in sehr geringer Anzahl zwischen den eigentlichen Chyluszellen vorhanden ist. Bei E. ventriculosus scheinen sie gänzlich zu fehlen und auch bei E. vermicularis konnte ich sehr häufig gar keine finden. In Hinsicht auf die Bedeutung dieser Körperchen lässt sich nicht eher etwas angeben, ehe nicht die Entstehungsweise derselben verfolgt werden kann ; doch habe ich hierüber leider noch nichts ermitteln können. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass ich dieselben bei E. appendiculatus den ganzen Sommer hindurch in ganz derselben Weise und in gleich grosser Anzahl vorfand, so dass die Bildung derselben keinesweges eine vorübergehende ist. Inwiefern das Vorkommen derartiger homogener Gebilde neben den eigentlich zelligen Elementen in der Leibesflüssigkeit der Anneliden im Allgemeinen verbreitet ist, habe ich bisher noch nicht untersuchen können, doch ist es wohl nicht anzu- nehmen, dass ein derartiger Fall eine so ganz vereinzelte Erscheinung sei. Es gewinnt auf diese Weise die Analogie, welche zwischen der Leibesflüssigkeit der Anneliden und dem Blute der Wirbelthiere besteht, eine Analogie, die schon von Milne Edwards hervorgehoben ist, durch das Vorkommen von zweierlei differenten Elementen in derselben, eine weitere Stütze. 15* 112 Ueber das Nervensystem habe ich dem bereits Bekannten nur hinzuzufügen, dass von dem Cervicalganglion aus ein ziemlich ansehnlicher Nervenstamm sich in der Substanz der Oberlippe verbreitet; die einzige Nervenausbreitung , die überhaupt mit Sicherheit zu sehen ist. Es geht nämlich von dem länglich vierseitigen Ganglion an seinem vorderen Ende jederseits ein ansehnlich breiter Nervenstamm aus, welcher sich unmittelbar in zwei Aeste theilt. Der eine der- selben wendet sich, den Schlundring bildend, um den Pharynx herum nach der Ventralseite, um sich an den vorderen Theil der ersten gangliösen Anschwellung des Bauchnervenstammes zu begeben. Der zweite, ziemlich breite Ast begiebt sich , pinselförmig ausstrahlend , nach vorn , wo er sich in der Substanz der Oberlippe verliert. Im Uebrigen Hessen sich vom Bauchnervenstamm abgehende Stämme nur eine ganz kurze Strecke weit und sehr undeuthch erkennen. In dem isolirten Cervicalganglion liess sich eine Anhäufung sehr kleiner rundlicher Zellen erkennen, über deren weitere Beschaffenheit jedoch, da sie nicht weiter isolirt werden konnten, nichts Bestimmtes ermittelt werden konnte. Genitalorgane. Ueber die Genitalorgane ist, wie bereits im Anfänge bemerkt, in neuerer Zeit eine Arbeit von d’Udekem erschienen *), welche indessen, wie bereits von anderer Seite bemerkt worden ist**), noch manches im Unklaren lässt. Ich darf daher vielleicht hoffen, dass die nachfolgende Darstellung einige Lücken in der Kenntniss dieser Organe ausfüllen mag. Sämmtliche von mir beobachtete Arten von Enchytraeus habe ich auch mit entwickelten Geschlechtsorganen gesehen, E. vermicularis im Juni, E. ap- pendiculatus, ventriculosus und galba im August und September. Doch scheint nach der Angabe d’Udekems die Entwickelung der Geschlechtsorgane zweimal im Sommer stattzufinden, wenn hier die einzelnen Formen unterschieden worden sind. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich indessen zunächst auf E. ap- pendiculatus, welchen ich in dieser Hinsicht am Genauesten untersucht habe. 1) Die Geschlechtsdrüsen. Als solche betrachte ich aus später anzuführenden Gründen jene vier Paar am Oesophagus gelegenen, oben erwähnten, drüsigen Körper. Dieselben wurden von Henle als 4 helle mit dem Darm verbundene Blasen beschrieben, welche in denselben *) J. d’Udekem M^m. sur le ddveloppement du Lombric terrestre. Mtimoires couronnes de l’Acad. roy. de Belgique. T. 27. 1856. **) Vgl. hierüber Gegeubaur: Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 1859. S. 183 Aumerk. 113 einmünden sollten und als Speicheldrüsen gedeutet wurden. D’Udekem dagegen, welcher ihre nur ganz äusserliche Verbindung mit dem Darmkanal erkannte, gab ihnen eine sehr abweichende Deutung, indem er sie als glandes capsulogfenes bezeichnete und vermittelst eines besonderen Ausführungsganges nach Aussen münden liess. Indessen hegt der anatomischen Beschreibung d’Udekems, wie sich sogleich zeigen wird, manches Irrthümliche zu Grunde, wesshalb auch diese Ansicht unhaltbar erscheinen muss. Es befinden sich diese drüsigen Massen im vierten bis zum 7. Körpersegmente und umgeben also den Oesophagus bei- nahe in seinem ganzen Verlaufe von dem bulhus oesophagi bis zu seiner Ein- mündung in den eigentlichen Darm, und füllen in dieser Gegend den beträcht- lichsten Theil des Raumes der Leibeshöhle aus. Die einzelnen dieser paarig hintereinander gelegenen Drüsenmassen bilden Ballen von ziemlich unregelmässiger Form, welche mit ihrer breiteren stumpfen Basis dicht nebeneinander, und wie es scheint, an dieser Stelle oftmals verbunden, an denjenigen Stellen, an dem Oesophagus befestigt sind, wo die muskulösen Dissepimente sich an denselben befestigen. Die Anheftung derselben scheint nun viel mehr an den Scheidewänden als an der Oberfläche des Oesophagus selbst stattzufinden, wie man auch daraus erkennt, dass die an der Oberfläche desselben befindlichen Zellen an den Anheftungsstellen in gleicher Weise vor- handen sind. Mit ihrer etwas verschmälerten abgerundeten Spitze ragen diese Körper dagegen, ohne angeheftet zu sein, frei in das Innere der Leibeshöhle hinein und sind hier frei beweglich. Was nun hier zunächst besonders hervor- gehoben werden muss, ist, dass die einzelnen, hintereinander gelegenen Drüsen- massen keinesweges, wie d’Udekem angegeben hat, zu einem einzigen Drüsen- körper verbunden sind, welcher nur durch tiefe Einschnürungen an den Stellen, wo die muskulösen Scheidewände sich befinden, in hintereinander gelegene Abschnitte getheilt wäre. Man überzeugt sich vielmehr, wenn man das Thier, während es sich lebhafter bewegt, und namentlich wenn es sich in die Länge streckt, genauer beobachtet auf das Allerbestimmteste davon, dass die einzelnen Drüsenkörper in der That vollkommen von einander getrennt und vollkommen selbstständig sind. Denn es zeigen sich hierbei ziemlich breite, ganz leere Zwischen- räume zwischen denselben, in welchen man bei einiger Aufmerksamkeit die Lymphkörperchen ungehindert sich bewegen sieht. Hieraus ergiebt sich nun schon mit Sicherheit, dass diese Drüsenmassen keinen gemeinsamen, nach Aussen sich öffnenden Ausführungsgang besitzen können. 114 Lange Zeit blieb es mir nun vollkommen unerklärlich, was es mit dem von d’Udekem angegebenen Ausführungsgange für eine Bewandniss habe, denn ich konnte trotz der grössten Sorgfalt keine Spur davon entdecken, während derselbe doch von jenem Beobachter so detaillirt beschrieben war, dass an dem Vorhandensein von etwas derartigem nicht gezweifelt werden konnte. Da be- merkte ich plötzhch im Anfang August, als ich zum ersten Male E. appendicu- latus mit ausgebildeten Geschlechtsorganen beobachtete, während ich früher nur geschlechtlich unentwickelte Thiere gesehen hatte, was ich bis dahin vergeblich gesucht hatte. Ich fand nämlich jetzt im fünften Leibessegment ein so deutlich hervortretendes Organ entwickelt, dass sich dasselbe früher, bei der grossen Menge von Individuen, die ich im Juni genau untersucht hatte, mir unmöglich hätte entziehen können, es musste sich also gleichzeitig mit den übrigen später zu beschreibenden Geschlechtsorganen erst gebildet haben. Es besteht nun dieses Organ zunächst aus einem massig langen, (etwa die Länge eines Körpersegments besitzenden), dickwandigen, nicht geschlängelten Ausführungsgange (s. Fig. 19. a), welcher in dem Zwischenräume zwischen dem ersten und zweiten jener so eben beschriebenen Drüsenmassen nach vorn sich begebend, auf der ventralen Seite des Körpers in der Mitte zwischen der dritten und vierten Borstenreihe, also gerade an der Grenze des Gerten und fünften Segmentes, mit einer rundlichen sehr deutlichen Oeffnung auf der Körperoberfläche ausmündet. Nach hinten zu geht dieser Ausführungsgang allmählig, von vorn nach hinten zu etwas breiter werdend, gerade an der vorderen Grenze des zweiten Drüsenkörpers in einen kuglig erweiterten, eine centrale Höhle besitzenden Abschnitt*) über. Der Ausfüh- rungsgang selbst besitzt in seinem breiteren hinteren Theile die ziemlich be- trächtliche Breite von 0,0196“” birgt aber im Inneren einen sehr engen, nur etwa 0,0056 mm breiten, centralen, scharfbegrenzten Kanal, welcher nach hinten zu, innerhalb des erwähnten kuglig erweiterten Theiles plötzlich scharf abge- schnitten aufhört, und hier ohne eine alhnälige Erweiterung in die geräumigere Höhlung desselben einmündet. Im Inneren dieses Kanales konnte keine Flim- merbewegung wahrgenommen werden. Der Durchmesser des kuglig erweiterten Theiles selbst beträgt 0,06 mm. Die ziemlich dicken Wandungen des Ausführungs- ganges, so wie des kuglig erweiterten Theiles bestehen aus einer feingranu- *) D’Udek. a. a. O. bemerkte an diesem erweiterten Theil, den er richtig erkannte, einen gelappten Bau, wesshalb er denselben als „couronne de lobes“ bezeichnete. Davon habe ich bei E. appendiculatus nichts wahrnehmen können. 115 lösen Masse, in der sich, wenn das Organ beim Zerlegen des Thieres isolirt war, wie es nicht selten vorkam, ziemlich zahlreiche länglich ovale Kerne ein- gebettet zeigten, ohne dass es gelang die einzelnen Zellen, zu denen sie gehörten, von einander zu trennen. Nach hinten zu geht die kuglige Anschwellung des Organes in einen wieder etwas verschmälerten, dünnwandigeren, cylindrischen Abschnitt über, der eine ziemlich geräumige Höhle enthält, und in der Gegend der fünften Borstenreihe blindsackartig endend , dicht mit dem entsprechenden Theile der anderen Seite zusammenstossend. liier an das Dissepiment in dem Raume zwischen dem Darmkanal und der Basis des zweiten drüsigen Körpers angeheftet ist. Dieser letzte hintere Abschnitt ist bedeutend schwieriger zu beobachten, weil er von der zweiten GenitaldrUse vollkommen bedeckt wird, indessen erkennt man doch die Conturen desselben durch die Drüsenmasse noch ziemlich deutlich hindurch, so dass ein Uebergang desselben in den Drüsenkörper bestimmt nicht vorhanden ist. Aus dem Obigen geht, wie es leicht ersichtlich ist, mit Gewissheit hervor, dass dieses Organ kein zu den vorhin beschriebenen Drüsenkörpern gehöriger Ausführungsgang sein kann. Denn erstens ist dasselbe gar nicht einmal immer vorhanden, während die Geschlechtsdrüsen zu jeder Zeit entwickelt sind, zwei- tens geht der Ausführungsgang gerade in dem Zwischenräume zwischen dem ersten und zweiten jener Drüsenkörper hindurch, und endlich findet auch zwi- schen dem hinteren Ende desselben und der zweiten Drüsenmasse kein Zusam- menhang statt. Tn dem Inneren dieser Organe, welche demnach als selbstständig für sich bestehende Gebilde anzusehen sind, habe ich bisher noch niemals irgend einen Inhalt bemerken können, doch kann man wohl aus der Analogie ähnlicher, bei Lumbricus und Tubifex vorkommender Organe mit Wahrscheinlichkeit schliessen, dass dieselben als Saamenblasen zu betrachten sind. Ich komme hiernach auf die innere feinere Structur der Geschlechtsdrüsen zurück. In Beziehung hierauf bemerkt man schon ohne dieselben zu isoliren, was ziemlich schwierig ist, besonders wenn man einen mässigen Druck auf das Thier ausübt, dass dieselben aus einer Anhäufung zahlreicher Zellen bestehen, deren helle kreisrunde Kernbläschen und ebenfalls runde glänzende nucleoli bisweilen überaus deutlich erkennbar sind (vgl. Figur 2, 3, g1 — g4), während die Form und Beschaffenheit der Zellen selbst noch nicht deutlich hervortreten. Isolirt man nun die einzelnen Drüsenkörper selbst, was bei einiger Ausdauer 116 ebenfalls gelingt, so erkennt man*), dass die einzelnen Elemente, welche im Inneren derselben enthalten sind, aus rundlichen, ziemlich zarten, sehr blass- granulirten Zellen von 0,011 — 0,02mm (von E. galba) Durchmesser bestehen, deren kreisrunde lichte Kerne von etwa 0,004 mm sein- deutlich hervortreten, in deren Mitte stets ein kleiner, kreisrunder, glänzender nucleolus vorhanden ist. Von einer Höhlung im Innern dieser Drüsenkörper ist durchaus keine Spur vorhanden, dieselben sind vielmehr mit den eben beschriebenen Zellen voll- kommen erfüllt. Die Uebereinstimmung der Formelemente, aus welchen die- selben zusammengesetzt sind, mit denjenigen , aus welchen die sogleich zu be- schreibenden unentwickelten Eierhaufen bestehen, welche frei im Inneren der Leibeshöhle umhertreiben, ist nun so vollkommen, dass hierdurch die Deutung derselben als Geschlechtsdrüsen noch beträchtlich an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Es unterscheiden sich die Elemente der letzteren durch nichts Anderes als ihre meist bereits etwas beträchtlichere Grösse, welches bei dem raschen Wachsthum derselben leicht erklärlich ist. Ein fernerer Umstand, welcher direct dafür spricht, dass sich zur Zeit der vollkommenen geschlechtlichen Entwickelung einzelne Massen von diesen Drüsen ablösen und in die Leibeshöhle gelangen, besteht darin, dass in dieser Zeit die einzelnen Drüsenmassen oftmals ein sein gelapptes, tief zerklüftetes Ansehen darbieten und namentlich die hinterste derselben sich so verkleinert, dass sie mitunter kaum noch wahrgenommen werden kann. Dabei finden sich einzelne Zellenhaufen, sowohl brombeerförmige Saamenzellen als auch kleinere Eierhaufen gar nicht selten, bei E. appendiculatus sogar ganz gewöhn- lich, in unmittelbarer Nähe und in denselben Leibessegmenten mit den hinteren Geschlechtsdrüsen. Bei weitem schwieriger ist nun die Frage zu entscheiden, welche von diesen vier Drüsenpaaren als Ovarien, und welche als Hoden fungiren. Da die weitere Differenzirung der losgelösten Elemente bei Enehytraeus erst in der Leibes- höhle zu erfolgen scheint, lässt sich daher diese Frage vorläufig nicht beant- worten. Aus den Untersuchungen Ewald Hering’s über die Genitalorgane von Lumbricus **) ergiebt sich übrigens, dass hier ebenfalls Hoden und Ovarien im Wesentlichen dieselbe histologische Structur zeigen, mit Ausnahme, dass hier die entwickelteren Zellen in den Hoden bereits eine brombeerförmige Form annehmen. *) vgl. Figur 21. **) Zur Anatomie u. Physiologie der Generationsorgane des Regenwurmes. Siebold u. Kölliker Zeitschr 1857. 119 2) Die in der Leibeshöhle angehänften Geschlechtsproducte. Untersucht man Enchytraeus zur Zeit der vollkommenen Geschlechtsreife, so findet man stets das Gürtelsegment so wie auch die unmittelbar daran grenzenden Segmente von Massen erfüllt, welche sich als verschiedene Ent- wickelungsstufen der Eier und Spermatozo'iden erweisen. Die Regelmässigkeit, mit welcher die Anhäufungen dieser Massen gerade an dieser bestimmten Stelle erfolgen, ist nun in der That ziemlich auffallend und war wohl die Veran- lassung , dass d’Udekem diese Anhäufungen selbst als Ovarien und Hoden aufzufasste. Freilich sah er sich genöthigt, da männliche und weibliche Zeu- gungsstoffe hier ziemlich regellos nebeneinander sich befinden, zu einer ziemlich verwickelten Darstellung der anatomischen Structur dieser Organe seine Zuflucht zu nehmen. Es sollte nämlich der Hode gänzlich in das Ovarium invaginirt sein, beide sollten alsdann mit zwei gemeinschaftlichen Oeffnungen nach Aussen münden, welche an der Basis der beiden, sogleich später zu erwähnenden, her- vorstreckbaren Papillen liegen sollten. Ein unpaarer Hode also und ein un- paares Ovarium sollten mit einer doppelten, und doch beiden gemeinsamen Ausführungsöffnung versehen sein; ein jedenfalls sehr seltsamer Fall, welcher durch weit gewichtigere Gründe unterstützt werden müsste, als durch die vom Verfasser beigefügte, schematisch gehaltene Zeichnung. Beobachtet man die in Rede stehenden Verhältnisse vorurtheilsfrei , so kann zunächst kein Zweifel darüber obwalten, dass sowohl die Eierhaufen, als auch die Spermatozoi'denmasse vollkommen frei im Inneren der Leibeshöhle des Thieres befindlich sind. Denn man bemerkt die unentwickelten Eier stets in einzelnen, zusammenhängenden, bald grossen, bald kleineren Haufen, welche in so grossen Entfernungen von einander befindlich sind und so völlig frei sich hin und herbewegen, dass man kaum daran denken kann, dass sich dieselben im Inneren eines besonderen Organes befänden. Ausserdem kann man sich ohne grosse Mühe davon überzeugen, dass die Lymphkörperchen ganz un- gehindert zwischen denselben flottiren, so dass hierdurch schon direct bewiesen ist, dass der Raum, in welchem sich die Eierhaufen bewegen, nicht von der Leibeshöhle gesondert sein kann. Dagegen bilden die Spermatozo'iden allerdings oftmals, wenn ihre Anhäufung eine recht reichliche ist, eine scheinbar zusammen- hängende granulöse Masse, in der man eine grosse Menge einzelner, lockig ge- 16 120 krümmter Spermatozoidenbündel unterscheidet, so dass, wenn man sich nur an derartige Individuen hielte, man allerdings zu der Ansicht gelangen könnte, als sei hier ein besonderes, für sich bestehendes Organ vorhanden, in welchem diese Massen sich entwickelt hätten. Allein eine solche Annahme widerlegt sich sogleich, wenn man Individuen untersucht, bei denen die Entwickelung der Spermatozoi'den noch spärlicher ist, denn hier sieht man alsdann leicht einzelne mit Spermatozoiden besetzte Kugeln, sowie die unvollkommen entwickelten Haufen von Saamenzellen ganz unabhängig von einander zwischen den Lymph- körperchen umherflottiren. Die unentwickelten Eier, welche in Haufen von, wie bereits bemerkt, sehr verschiedener Grösse bei einander liegen , zeigen alle möglichen verschiedenen Grössen von derjenigen der Zellen der Genitaldrüsen an bis zu der der ent- wickelten Eier, welche sehr beträchtlich ist, und bis 0,6 mm und darüber beträgt. Die kleineren sind sein- blass granulirte Zellen mit einem runden lichten Kern und ebenfalls runden Kernkörperchen. Während sie an Grösse zunehmen, wird der Anfangs sehr feingranulirte Inhalt allmälig immer grobkörniger , bis zuletzt die völlig entwickelten Eier durch eine sehr grosse Menge glänzender Körnchen vollkommen dunkel erscheinen. Auch in diesen ist noch das runde helle Keimbläschen mit seinem einfachen Kernkörper deutlich sichtbar, wel- ches sich ebenfalls, wenn auch im Verhältnis zu der massenhaften Entwickelung des Dotters, nur um ein Geringes vergrössert. Uebrigens konnte ich mich von dem Vorhandensein einer Zellenmembran an den entwickelten Eiern mit abso- luter Sicherheit überzeugen. Eines derselben war nämlich bei der Isolation einem ziemlichen Druck ausgesetzt worden, so dass die Dottermasse in zwei völlig getrennte Hälften aus einander gedrängt war, ohne dass jedoch die Dotter- hülle zerrissen war. Zwischen diesen beiden Dotterhälften war nun die sehr zarte, unregelmässig gefaltete Dottermembran sehr deutlich sichtbar. Die Anzahl der völlig entwickelten Eier ist in der Regel eine sehr gelinge, gewöhnlich ist sogar nur ein einziges in einem Individuum vorhanden, nur sehr selten traf ich drei oder vier (E. galba). Die Form derselben ist wegen Raummangel nicht mehr kugelförmig, sie sind gezwungen, in dem Raume zwischen Darmkanal und Leibeswandungen eine flach scheibenförmige Gestalt anzunehmen. Bemerkens- werth ist noch, dass die entwickeltesten Eier stets am weitesten nach hinten ge- legen sind, oft mehrere Segmente hinter dem Gürtelsegment. 121 Noch einige Worte habe ich über die Entwickelung der Spermatozo'iden hinzuzufügen. Dieselbe geht hier ganz auf die von H. Meckel *) bei Lumbricus sehr gut beschriebene Art und Weise vor sich. Doch schien mir der centrale runde Körper, auf welchem die entwickelten Spermatozo'iden aufsitzen, der Meckel’sche „discus“, nicht die Bedeutung eines Kernes einer ursprünglichen Mutterzelle zu besitzen. Die jüngsten Entwickelungsstufen, welche man bemerken konnte, waren längliche, oder ganz kugelrunde, ,, bromheerförmige“ Zellenhaufen von bald grös- serem, bald geringerem Umfange (vgl. Fig. 8. 9.). Die einzelnen Zellen, von welchen dieselben gebildet wurden, waren jetzt noch alle von ziemlich gleicher Grösse, sie maassen etwa zwischen 0,011 — 0,014mm. Im Inneren derselben war, ohne Anwendung von Reagentien, nichts als eine sehr blassgranulirte Substanz erkennbar, wodurch sie sich wesentlich von den Elementen der Genitaldrüsen unterscheiden, dagegen trat nach Anwendung von etwas Essigsäure in denselben ein sehr grosser, den grössten Tlieil der Zelle einnehmender Kern hervor (vgl. Fig. 9.). Es sind diese Zellenhaufen übrigens von keiner gemeinsamen Mutter- zellmembrau mehr eingeschlossen, wie man daraus erkennt, dass durch Druck einzelne Zellen sich leicht davon ablösen. Dass diese Zellenhaufen durch eine Art Furchungsprocess aus den Elementen der Genitaldrüsen hervorgegangen sein müssen, ist sehr wahrscheinlich anzunehmen, doch gelang mir es nicht, die einzelnen Stadien dieses Vorganges wahrzunehmen, so dass es wahrscheinlich ist, dass derselbe bereits im Innern jener Drüsen vor sich geht. Die nächst- folgende Veränderung, welche man an diesen Zellhaufen wahrnimmt, besteht darin, dass sich eine central gelegene Zelle stärker vergrössert und eine läng- lich ovale Form annimmt, während sie jedoch im übrigen noch ganz die Be- schaffenheit der übrigen, dieselbe rings umgebenden Zellen beibehält (vgl. Fig. 10 b.) Bei der nächstfolgenden Entwickelungsstufe findet man, dass, während die centrale Zelle wächst und eine völlig kugelrunde Gestalt annimmt, die peri- pherischen Zellen durch weitere Theilung sich an Anzalil beträchtlich vermehren, indem sie dabei an Grösse verlieren , ihr Durchmesser beträgt jetzt nur noch 0,0056 mm. Auf diese Weise ist der Gegensatz der centralen und der peripheren Zellen sehr viel grösser geworden, das Ganze erscheint jetzt als eine grössere '*) H. Meckel: Ueber den Geschlechtsapparat einiger hermaphroditiscker Tliiere. Müllers Archiv. 181 1. S. 477. Nach M. Schulze findet auch bei einem Theil der Turhellarien eine ähnliche Entwickelungsweise der Spermatozo'iden statt. \ gl. dessen Beiträge zur Naturgeschichte der Turhellarien 1851. S. 30. 16* 122 Kugel, deren Oberfläche von einer einfachen Schicht sehr viel kleinerer kugliger Gebilde bedeckt ist (s. Fig. 11.) Dieses ist das Stadium, welches der Meckel- schen Fig. 3 — 5, Tab. XIII. entspricht, derselbe nimmt aber noch in diesem Stadium eine, das Ganze umgebende Mutterzellenembran an, wonach der ,,dis cus“ die Bedeutung eines Kernes hätte. Leider hat es mir an Gelegenheit gefehlt, Lumbricus und Hirudo in dieser Beziehung darauf zu untersuchen , ob auch die vorhin von mir beschriebenen Entwickelungsformen hier vorhanden sind. Die nachfolgenden Veränderungen bestehen darin, dass die den Diskus bedeckenden kleinen Zellen successiv zu Spermatozo'iden auswachsen. Schon nachdem sich dieselben nur sehr wenig in die Länge gestreckt haben, zeigt sich an denselben der jetzt noch sehr feine schwer sichtbare, und noch ziemlich kurze Schwanz (s. Fig. 12). Der Kopf wächst nun ebenfalls rasch in die Länge, während er sich dabei ansehnlich verschmälert. Wenn auf diese Weise der Kopf etwa die Hälfte seiner späteren Länge erreicht hat (Fig. 15.), besitzen die Schwänze bereits ziemlich ihre spätere Länge, so dass die Ausbildung des Schwanzes eigentlich schon früher vollendet ist, als die des Kopfes selbst. Während die sich entwickelnden SpermatopoYden bis dahin radienförmig nach allen Richtungen dem Diskus aufsitzen, ordnen sich die vollkommen ent- wickelten in der Weise regelmässig auf dem Diskus an, dass sie einen kugel- förmigen, den einen Pol des Diskus umgebenden Schopf (s. Fig. 14.) an dem- selben bilden, doch trifft man auch bisweilen Disken mit zwei solchen nach entgegengesetzten Seiten gerichteten Schöpfen. Die Disken haben jetzt bei der vollkommenen Ausbildung der Spermato- zoiden eine ovale länglich, runde Form und einen Durchmesser von 0,033 bis 0,042 mm und lassen durch keine angewendeten Mittel noch einen Kern erkennen. Die völlig ausgebildeten Spermatozoiden haben bei E. appendiculatus die Länge von0,15mm. davon wird beinahe die Hälfte von dem sehr langen und schmalen Kopfe eingenommen. Während ich nun die eben beschriebene Entwickelungs- weise der Spermatozoiden bei E. appendiculatus sehr häufig und stets überein- stimmend beobachtete, kann ich eine allerdings vereinzelte Beobachtung bei E. vermicularis nicht verschweigen, welche mit den vorhin beschriebenen Vorgängen nicht zu vereinbaren ist. Es fanden sich nämlich hier im Gürtelsegment, neben einem sehr grossen Haufen unentwickelter Eier, zwei sehr grosse granulirte runde Körper, in deren Inneren mehrere Bündel zusammengekrümmter, wie es schien, vollkommen entwickelter Spermatozoiden enthalten waren (s. Fig. 20. r.r1). 123 In dem einen derselben (r) war ausserdem sehr deutlich ein runder kernartiger Körper sichtbar, innerhalb dessen ein gewissermaassen angefressen erscheinender gezackter Kernkörper sich befand. Beide Körper waren übrigens ganz frei in der Leibeshöhle beweglich, wobei sie bald dicht an einanderlagen und dann an den Berührungsstellen sich leicht abplatteten, bald auseinander wichen. Diese Beobachtung ist nun in der That mit dem vorhin auseinandergesetzten Bildungsvorgang schlechterdings nicht zu vereinbaren. Denn die so weit ent- wickelten Spermatozo'i'den trifft man bei E. appendiculatus stets vollkommen frei an. Die mehrfachen Spermatozo'ülenbündel, welche im Innern der erwähn- ten Körper angetroffen wurden, deuten mit Bestimmtheit darauf hin, dass in denselben mehrere Disken vorhanden waren. Es möchte mithin anzunehmen sein, dass hier zusammenhängende Massen aus der Genitaldrüse ausgetreten waren, die mehrere Haufen von Saamenzellen enthielten, und bis zu beendeter Entwickelung der Spermatozöiden ihren Zusammenhang behielten. Leider habe ich damals, im Anfänge meiner Beobachtungen versäumt, die Entwickelungs- weise der Spermatozoiden bei E. vermicularis gründlich zu untersuchen, und konnte später, als ich diese Vorgänge bei E. appendiculatus näher kennen ge- lernt hatte, keine geschlechtsreifeil Individuen mehr auffinden, so dass ich nicht entscheiden kann, ob der beobachtete Fall eine Anomalie, oder bei E. vermi- cularis die Regel ist. Nachdem nun die Spermatozoiden durch die Degeneration der Disken, welche man im verschrumpften und zerfallenen Zustande, noch immer mit eini- gen Spermatozoiden besetzt, häufig antrifft, frei in die Leibeshöhle gerathen sind, werden sie hier von dem Ausleitungsapparate der männlichen Zeugungs- stoffe aufgenommen. In der Mitte des Gürtelsegmentes bemerkt man nämlich zur Zeit der Geschlechtsreife, auf der ventralen Seite des Körpers, paarig zu beiden Seiten des Nervenstammes gelegen, zwei hohle mässig lange Papillen (vgl. Figur 22), welche abwechselnd hervorgestreckt und zurückgezogen werden können. An der Ursprungsstelle jeder dieser Papillen bildet die Cutis eine länglich rund- liche, nach Innen hineinragende, taschenförmige Einstülpung, welche als Be- gattungstasche (Fig. 22. g) bezeichnet werden mag. In diese Begattungstasche hinein kann der hohle Penis, denn als solchen kann man die hohle Papille wohl bezeichnen, vollkommen zurückgezogen werden. Auf dem Boden dieser 124 Tasche nun befindet sich in der Mitte derselben eine kleine rundliche Oeffnung; dieses ist die äussere Mündung des vas deferens. Letzteres bildet einen sehr langen, engen, vielfach gewundenen Kanal, in dessen Inneren, wie bereits d’Udekem bemerkt hat, Flimmerbewegung sichtbar ist (Fig. 22. v. d.). Bei E. appendiculatus beträgt seine Breite nicht mehr als 0,0084 mm, dagegen ist es bei E. galba sehr viel breiter und man bemerkt bei letzterem in den ziemlich dicken Wandungen, welche den centralen Kanal um- geben, eine granulirte Substanz. Dieser Kanal bildet in dem Gürtelsegment, wo er frei in der Leibeshöhle befindlich ist, sehr vielfach verschlungene Knäuel und geht an seinem inneren Ende, nach vorn zu, in ein eigenthiimlich gestal- tetes Organ über. Dieses hat etwa die Gestalt einer abgeplatteten Glocke (vgl. Fig. 22. t.) und ist von einem engen flimmernden Kanal durchzogen, welcher die unmittelbare Fortsetzung des vas deferens bildet. Es durchzieht dieser Ka- nal nicht das ganze Organ in seiner ganzen Länge, sondern hört eine Strecke vor dem hinteren breiteren Ende auf, so dass sich das vas deferens nicht an dem hinterem Ende, sondern etwas davor inserirt. Nach vorn zu geht dieser Kanal in eine trichterartig sich erweiternde Ausmündungsöffnung über, welche ebenfalls mit Cilien besetzt, frei ins Innere der Leibeshöhle sich öffnet, und aus der stets ein dickes Bündel von Spermatozoiden wie ein Bündel von Pfeilen aus einem Köcher heraushängt. Der grösste Theil des Organes besteht aus langgestreckten cylindrischen Zellen mit granulirtem Inhalt, welche senkrecht gegen den Verlauf des Flimmer- kanales gerichtet sind. Das ganze Organ ist übrigens im Innern der Leibes- höhle ziemlich frei beweglich, so das man den Spermatozoidenbüschel bei jeder Bewegung des Thieres hin und her flottiren sieht. d’Udekem, welchem diese Organe nicht entgangen sind, lässt die inneren Enden der vasa deferentia direct in den Hoden einmünden und hier einfach mit einer drüsigen Masse belegt sein. Nach dem vorhin Gesagten dagegen, ist das eigenthümliche Organ, in welches das vas deferens übergeht, nirgends befestigt, sondern wie man sich sehr leicht überzeugen kann, frei in der Leibes- höhle befindlich. Es müssen also jedenfalls die entwickelten Spermatozoiden, um in die innere Oeffnung des vas deferens zu gelangen, zunächst frei in der Leibeshöhle befindlich sein, wo man sie hin und wieder nach ihrer Ablösung von den Disken, einzeln umherschwimmend findet. Bewegungserscheinungen konnten an dem Spermatozoidenbüschel, so lange er im Inneren des unverletzten Thieres 125 befindlich war, niemals bemerkt werden, sie traten jedoch häufig sehr lebhaft ein, sobald derselbe in verdünnter Zuckerlösung isolirt worden war. Im Uebrigen scheint das eben geschilderte, mit der inneren Mündung des vas deferens verbundene Organ, über dessen Function man nicht recht ins Klare kommen kann *) , bei den meisten kleineren Scoleinen, nach den Unter- suchungen d’Udekems über Chaetogaster und Na'is, ein Analogon zu besitzen, wo diese Organe jedoch niemals am inneren Ende des vas deferens gelegen zu sein scheinen. Zu den zur Begattungszeit hervortretenden Organen gehört endlich noch der Gürtel, der, wie bereits oben angedeutet ist, ganz der Epidermis angehört, und nur in einer localen stärkeren Entwickelung ihrer zelligen Elemente besteht. Stellt man das Mikroskop gerade auf den Rand des Thieres ein, so kann man zu der Ansicht gelangen, dass die einzelnen, den Gürtel bildenden Körperchen, dicht gedrängt, und ohne Zwischenräume zwischen sich zu lassen, nach Art eines Epitels nebeneinander hegen, doch überzeugt man sich, wenn man den Gürtel von der Fläche her betrachtet, dass die einzelnen Elemente desselben allerdings in Zwischenräumen angeordnet sind, uud zwar haben diese Zwischen- räume etwa dieselbe Grösse als die Gürtelelemente selbst. Die einzelnen den Gürtel bildenden Körperchen zeigen ziemlich unregelmässig abgerundete Formen und ein blass granulirtes Ansehen, eine Andeutung eines kernartigen Gebildes konnte, auch mit Hülfe von Reagentien, nicht wahrgenommen werden. Zusatz von Essigsäure macht die im Inneren der Körperchen befindlichen Körnchen ganz verschwinden, so dass nur ein von den Contouren derselben gebildetes Netzwerk zurückbleibt. Sie als Drüsen zu bezeichnen dürfte wohl, ihrer Be- schaffenheit nach, etwas zu viel gesagt sein, zumal über eine secretorische Function des Gürtels bei den kleineren Anneliden keine Beobachtung vorliegt. Dass das Gürtelsegment bei E. appendiculatus um drei Segmente weiter nach vorn gelegen ist, als bei den übrigen Arten, ist bereits im Anfänge bemerkt worden, und somit finden sich liier auch die Geschlechtsproducte unmittelbar *) Es gehörte hierzu eine nähere Kenntniss des Begattungsvorganges, welchen zu beobachten mir leider nicht geglückt ist. Dass hier wie bei Tubifex eine Bildung von Spermatophoren stattfinden sollte und das fragliche drüsige Organ eine, die einzelnen Spermatozoiden, bei ihrem Durchgänge durch das vas deferens verkittende Substanz liefern sollte, erscheint bei der Enge des vas deferens und des Ausführungsganges der Saamenblase als ziemlich unwahrscheinlich. Eher erscheint es anzunehmen, dass von denselben eine zähflüssige Substanz ausgeschieden werde, durch welche ein Zerstreuen der einzelnen Spermatozoiden bei der Begattung verhindert wird, und welche ein Vehikel für dieselben bildet. 126 hinter den Genitaldriisen angehäuft. Hervorzuheben ist noch, dass das Giirtel- segment sich vor den benachbarten Segmenten stets durch eine beträchtlichere Länge auszeichnet; so wie, dass es stets neben dem Ausleitungsapparat der männlichen Geschlechtsprodukte auch noch ein Paar schleifenförmiger Körper zeigt, so dass jene Organe keinesweges nur entwickeltere Schleifenkanäle sind. Ausführungsöffnungen für die reifen Eier habe ich leider trotz vielfacher Bemühungen nicht entdecken können, so dass die bei so vielen Anneliden noch so dunkle Frage, auf welchem Wege die Eier aus dem Körper gelangen, auch bei den Encliytraeen noch keinesweges gelöst ist. Keineufalls jedoch ist es, wie von d’Udekem geschehen, möglich anzunehmen, dass die Mündung der Ge- nitalpapille gleichzeitig auch zum Durchtritt für die Eier diene. Denn wie oben auseinandergesetzt ist, ist auf dem Boden der Begattungstasche nur die kleine Ausmündungsöff'nung des vas deferens befindlich, dieselbe aber im übrigen voll- kommen geschlossen. Ein Hindurchgehen der Eier aber durch das sehr lange und enge vas deferens ist, der obwaltenden Grössenverhältnisse wegen, völlig unmöglich. Als höchst wahrscheinlich ist in dieser Beziehung wohl anzunehmen, dass sich vorübergehend eine einfache Oeffnung in den Körperwandungen bildet, welche den Eiern den Durchtritt nach Aussen gestattet. Eine solche einfache Oeffnung könnte sich nun in der That, zumal wenn die Dauer ihres Bestehens nur kurz wäre, der Beobachtung leicht entziehen. Denn einen grossen Umfang brauchte dieselbe, trotz der sehr beträchtlichen Grösse der Eier, nicht zu be- sitzen, da die Eier, wie oben angegeben, ihre Form überaus leicht verändern und sein* nachgiebig sind. Jedenfalls darf als feststehend gelten, dass ein aus- gebildeterer Ausleitungsapparat der Eier, wie die Lumbricinen einen solchen in Gestalt einer Tuba besitzen, den Enchytraeen vollkommen fehlt. Es bleiben nun noch einige, der bisherigen Darstellung anscheinend sich entgegenstellende Schwierigkeiten zu erörtern. Es fragt sich nämlich: wenn wirklich die im Gürtelsegment zur Zeit der Geschlechtsreife angehäuften Ge- schlechtsproducte aus den Genitaldrüsen herstammen, auf welchem Wege können dann dieselben in die dahinter gelegenen Segmente gelangen, und warum findet ihre Anhäufung gerade immer so regelmässig in dieser Gegend und nicht viel- mehr gleichförmig durch alle Körpersegmente hindurch Statt. Der erste Punkt ist leicht zu erledigen, denn wie man sich durch die Be- wegungen der Lymphkörperchen leicht überzeugen kann , sind die einzelnen Körpersegmente nur an der dorsalen Seite durch die muskulösen Dissepimente 127 vollkommen von einander getrennt. Denn hier sieht man in der That die Lymphkörperchen niemals von einem Segment in das andere eintreten; sie werden vielmehr überall von dem Dissepiment, welches oftmals durch eine stärkere Anhäufung derselben taschenförmig ausgebuchtet erscheint, in ihrer Bewegung aufgehalten. Anders dagegen verhält es sich an der ventralen Seite, da wo der Bauchnervenstamm und das Bauchgefäss durch die Dissepimente hindurchtritt. Dass hier wirklich eine Communikationsöffhung zwischen den einzelnen Segmenten stattfinden müsse, kann man leicht daraus entnehmen, dass hier die Lymphkörperchen , ohne aufgehalten zu werden , frei aus einem Segment in ein anderes strömen. Man darf sich hierbei übrigens nicht durch das beträchtliche Hin- und Hei-flottiren der Dissepimente selbst täuschen lassen, denn die Excursionen der Lymphkörperchen sind in der That viel zu beträcht- lich, als dass sie in dem Raume eines und desselben Segmentes Statt finden könnten *). Es ist somit die Möglichkeit eines Durchtrittes der Zeugungspro- dukte von den Genitaldrüsen her in die dahinter gelegenen Segmente keinem Zweifel unterworfen, und man trifft denn auch wirklich bei den Arten, bei denen der Gürtel im 11. Segment sich befindet, recht häufig in den davorgelegnen Segmenten, sowohl vereinzelte Haufen von Saamenzellen als auch Eierhaufen an. Schwieriger ist dagegen der zweite Einwurf zu beantworten. Denn es ist in der That auffallend, dass man immer nur in den unmittelbar neben dem Gürtelsegment gelegenen Segmenten Eier und Spermatozoidenmassen antrifft, während man doch nicht recht einsieht, was dieselben verhindern kann, sich auch in die hinteren Ivöiperabschnitte zu verbreiten. Dennoch glaube ich, dass die vorliegenden Thatsachen eine ziemlich ausreichende Erklärung dieses Um- standes zulassen. Wie nämlich oben bereits bemerkt, liegen die am meisten entwickelten Eier stets am weitesten nach hinten. Nun ist es nicht schwer anzunehmen, dass die Eier, bei ihrem Vorrücken von vorn nach hinten zu, all- mälig eine so beträchtliche Grösse erreichen, dass sie schliesslich sich selbst sowohl als den nachfolgenden Zeugungsstoffen den Weg nach hinten zu ab- sperren, eine Annahme, die um so wahrscheinlicher ist, als die reifen Eier wirk- lich eine so beträchtliche Grösse erreichen. Wollte man dagegen, wie dies von Gegenbaur vermuthet wmrden ist**), die einzelnen umhertreibenden Eierhaufen als ebensoviele Ovarien betrachten, so *) Durch Ewald Hering ist übrigens, a. a. O., ganz dasselbe Verhalten bei Lumbrieus nachgewiesen worden. **) S. Gegenbaur a. a. O. p. 183. 17 128 befände man sich über den Ursprung derselben in ziemlicher Verlegenheit. Denn wie hier noch besonders hervorzuheben ist , befindet sich vor der ge- schlechtlichen Entwickelung weder in dem späteren Gürtelsegment noch in den ansfossenden Segmenten irgend ein Organ, in welchem dieselben gebildet werden könnten. Man wird daher, wenn man nicht eine unmittelbare Entstehung der- selben in der Leibesfliissigkeit annehmen wollte*), hierdurch mit Entschiedenheit auf die als Genitaldrüsen bezeichnten Organe hingewiesen, für welche auch, ihrer oben beschriebenen anatomischen Structur zufolge, eine andere Function kaum zulässig erscheint. Da nun im Inneren der Leibeshöhle, sowohl die reifen Eier, als auch die Spermatozo'iden in unmittelbare Berührung kommen müssen, und auch die Ent- wickelung beider ziemlich gleichzeitig vor sich geht, so ist es schwierig einzu- sehen, wesshalb nicht die Befruchtung der Eier unmittelbar an demselben In- dividuum vor sich gehen kann. Indessen ist diese Schwierigkeit in gleicher Weise bei manchen anderen Wirbellosen vorhanden, z. B. um ein sehr bekann- tes Beispiel hervorzuheben, bei den Pulmonaten, wo das Dunkel dieser Frage noch keinesweges genügend aufgeklärt ist **). Es ist hier vorläufig nur mög- lich anzunehmen, dass in diesen Fällen die Spermatozo'iden erst bei ihrem Austritt aus dem Körper und bei der Uebertragung auf ein anderes Individuum gewisse Veränderungen erleiden, die sich der Beobachtung entziehen, und durch welche sie erst zur Befruchtung geeignet werden. Es scheint damit überein- zustimmen, dass man die Spermatozo'iden im Innern des Körpers, wie oben erwähnt ist, auch wenn sie vollkommen entwickelt sind, stets ruhend findet, während die Bewegungen ausserhalb des Körpers rasch eintreten. Die Form der Schleifenkanäle, Uber welche ich noch einige Worte hinzu- zufügen habe, ist für die Enchytraeen sehr characteristisch. Es sind nämlich stets (vgl. Fig. 23) ungleichmässig vierseitige, seitlich stark abgeplattete Körper, welche eine granulöse Masse enthalten, die von einem vielfach gewundenen, engen Flimmerkanal durchzogen sind. Sieht man sie auf der Kante stehend, so erscheinen sie ganz schmal; sie sind nun derartig gelagert, dass die beiden *) Zwar ist von Leuckart ts. Leuckart und Frey: Beiträge zur Keuntniss wirbelloser Thiere Seite 86) dieses für die Mehrzahl der Kiemenwürmer wirklich behauptet worden. Doch haben sich bereits bei einer Reihe derselben bestimmt lokalisirte, als Ovarien functionirende Organe herausgestellt und, dürften mit der Zeit bei allen aufgefunden werden. **) Vgl. Kefersteiu und Ehlers: Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse von Helix pomatia. Siebold und Kölliker, Zeitschr. f. w. Z. 1860. Bd. X. p. 251. 129 schmalen Kanten gerade nach der Dorsalseite und Ventralseite des Thieres gerichtet sind, während die breiten Flächen nach den beiden Seiten hin gekehrt sind. In der Mitte hat das Organ, von der Fläche gesehen, die grösste Breite, während es nach vorn und hinten zu gleichmässig sich verschmälert. Das stielförmig verschmälerte hintere Ende ist an die Haut befestigt (Fig. 23 a), und zeigt die runde äussere Oeffnung sehr deutlich, von der aus sich ein enger, anfangs noch nicht flimmernder Kanal ins Innere des Organs hineinerstreckt. Dicht vor dem mittleren, breitesten Theile tritt das Organ durch das muskulöse Septum hindurch, an welches dasselbe befestigt und dadurch in seiner Lage fixirt erhalten wird. Das nach vorn gekehrte wieder etwas verschmälerte Ende des Organs, zeigt die leicht trichterförmig erweiterte innere Oeffnung des Flimmer- kanales, welche mit beträchtlich längeren Cilien, als der Kanal selbst, besetzt ist. Der Flimmerkanal selbst ist (Fig. 23 b.) niemals in seiner ganzen Conti- nuität zu sehen, indem, bei einer gegebenen Einstellung des Focus, einzelne Windungen in der Tiefe des Organes liegen. Man kann an demselben übrigens niemals eine selbstständige isolirte Wandung erkennen, sondern er erscheint viel- mehr unmittelbar in dem granulösen Parenchym des Schleifenorgans eingebettet. Die allgemeine Vei’breitung der Schleifenorgane betreffend, so finden sie sich, paarig zu beiden Seiten des Nervenstammes, in allen Segmenten des Kör- pers, mit Ausnahme einer grösseren oder geringeren Anzahl der vordersten. Bei den meisten Formen konnte ich bis zum Beginn des eigentlichen Darm- kanales, also in den sieben vordersten Segmenten nichts von ihnen wahrnehmen, dagegen habe ich sie bei E. ventriculosus mit Sicherheit schon vom vierten Segment an, also neben den Genitaldrüsen bemerkt. Ueber das Gefässsystem habe ich dem Bekannten kaum etwas liinzuzufügen. Die Anordnung der grösseren Gefässstämme ist bereits von Henle hinreichend genau beschrieben worden; feinere capillare Verzweigungen sind wahrscheinlich gar nicht vorhanden. Die Gefässflüssigkeit der Enehytraeen ist bald als farblos, bald als gelb gefärbt beschrieben worden; es ist dies ganz richtig, in der Regel findet man sie farblos , doch trifft man unter zahlreichen Individuen hin und wieder einige mit recht lebhaft gelb gefärbter Gefässflüssigkeit , und es kommt dies regellos bei den verschiedenen Arten vor. Zellige Elemente sind in dersel- ben niemals vorhanden; dagegen sind in der Wandung des Riickengefässes, soweit dasselbe kontraktil ist , kleine gestielte ins Lumen des Gefässes 17 * 130 hineinragende Körperchen sichtbar, die durch ihr Hin- und Herflottiren bei der Contraction, anfangs verleiten können die Anwesenheit von kleinen Zellen in der Blutflüssigkeit anzunehmen. Der Bauchgefässstamm und seine Anasto- mosen mit dem Riickengefäss zeigen dagegen diese Zellen nicht, sondern be- sitzen zarte, structurlose, hyaline Wandungen, in denen nur hin und wieder ver- einzelt längliche Kerne sichtbar sind. Zum Schluss habe ich noch die Beschreibung eines seltsam geformten Flimmerinfusorium’s mitzutheilen , welches mir häufig in dem Darmkanal von Lumbriculus variegatus begegnete, und von den bisher beschriebenen, in Anne- liden lebenden Opalinen verschieden zu sein scheint. Opalina Lumbriculi mihi (s. Fig. 24.). Körper sehr lang gestreckt, stabförmig, leicht abgeplattet, etwas über zwanzig Mal so lang als breit, formbeständig, gleichmässig bewimpert. Das vordere, etwas verschmälerte Ende ist etwas schräge gegen den übrigen Theil des Körpers gerichtet, das hintere Ende unverschmälert, abgerundet. In dem mittleren Theile bisweilen einige unregelmässige, nur an einer Seite befindliche Einbiegungen. Mundöffnung nicht vorhanden, ebenso wenig pulsirende Hohl- räume. Im Inneren des Körpers bemerkt man nichts als blasse Körnchen und eine Reihe von hintereinanderliegenden, in der Mitte befindlichen Tröpfchen. Ueber das Vorhandensein eines nucleus konnte ich nicht vollkommen zur Ge- wissheit kommen , man bemerkt nämlich im vordem Körperende sehr deutlich einen sehr schmalen, linearen, leicht glänzenden Streifen, der aber nach hintenzu, etwa am Ende des vorderen Drittels des Körpers, undeutlich wird und in die äussere Körperkontour überzugehen scheint. Auch Reagentien vermochten ihn nicht deutlicher zu machen. Von Körpercontractionen habe ich nie auch nur eine Spur gesehen, das Thier blieb stets, mit Ausnahme seiner Wimperbewegung, ganz bewegungslos. Das in der beigegebenen Figur dargestellte Individuum war eines der grössten, die ich sah, es hatte eine Länge von 0,58 m'° bei einer Breite von 0,021 mm. Erklärung «1er Abbildungen. Figur 1. Kopfsegment und zweites Segment von E. appeudiculatus, von der Dorsalseite. a gezackte Körperchen in der Haut, a1 dieseben in der Oberlippe, b Epidermiszellen. 131 Figur 2 Figur 3 Figur 4 Figur 5 Figur 6 Figur 7 Figur 8 . Der vordere Theil von E. appendiculatus. Das Thier liegt auf der Seite. a. Mundtrichter. p/i. pharynx. b. oe. bulbus oesophagi. retr. oes. Rückwärtszieher des Schlundkopfes. oe. oesophagus. tr. i. Darmkanal. app. blindsackförmiger Anhang desselben. g. g. Bauchnervenstamm. g. g. c. ganglion cervicale. n. vorderer von demselben entspringender Nervenstamm, der sich in einen Zweig für die Oberlippe und einen zweiten, um den pharynx zum vorderen Ende der Bauchganglienkette verlaufenden Zweig spaltet. gl. g. I—IV. Genitaldrüsen. r. g. Riickengefäss. t. Die beiden Endzweige desselben. I. I. Anhäufungen der kleineren Lymphkörperchen. . Vorderer Theil von E. appendiculatus von der Bauchseite gesehen. Es ist der Deutlichkeit wegen nur der Digestionstractus gezeichnet. Die Bezeichnung ist dieselbe als bei Figur 2. d. gl. s. Ausführungsgang der Speicheldrüse. gl. s. Körper der Speicheldrüse. . Feines Zellennetz in der Haut von E. appendiculatus. Der Focus ist auf die Longitudinalfaserschicht eingestellt. a. a. die ramificirten Zellen. b. cutis. c. Rand des Darmkanales. . Lymphkörperchen von E. appendiculatus. A. In Zuckerlösung. a — c. Grössere scheibenförmige Zellen; b. eine solche in der Mitte zusammen- gefaltet; c. auf der Kante stehend. B. Kleinere elliptische Körperchen. a1 von der Fläche, b' von der Seite gesehen. C. Dieselben nach Wasserzusatz. a eine der grösseren Zellen, in welcher man deutlich den runden Kern und das in drei Theile zerfallene Kernkörperchen wahrnimmt; b. die kleineren Lymph- körperchen aufgequollen. . Lymphzellen verschiedener Form von E. galba. A. Scheibenförmige Zellen, welche nur in der Mitte einen grob granulösen Inhalt und einen hellen Rand zeigten, von Individuen eines besonderen Standortes. b. dieselben nach Wasserzusatz. B. Die gewöhnlichen bei E. galba vorkommenden Lymphzellen. . Lymphzellen von E. vermicularis . — 15. Entwickelung der Spermatozo'iden. 8. Ein grösserer brombeerförmiger Haufe von Saamenzellen. 9. Ein ähnlicher Haufe nach Behandlung mit Essigsäure. Die grossen granu- lirten Kerne treten sehr deutlich im Innern hervor. 132 Figur 10. Figur 11. Figur 12. Figur 13. Figur 14. Figur 15. Figur 16. Figur 17. Figur 18. Figur 19. Figur 20. Figur 21. Figur 22. Figur 23. Figur 24. Eiu ähnlicher kleiner Haufen, in welchem eine centrale Zelle ( b ) durch stärkere Vergrösserung sich zum Discus umzubilden beginnt. Der vergrösserte Discus, bedeckt mit einer Schicht durch weitere Theilung ver- kleinerter Zellen. Die den Discus bedeckenden Zellen haben eine verlängerte cylindrische Form angenommen, und zeigen bereits sehr feine noch ganz kurze Fäden. Ein grösserer Haufen derselben Art. Die Fäden sind bereits beträchtlich ver- längert. Die Köpfe der Spermatozoiden haben bereits die Hälfte ihrer Länge erreicht, und eine langgestreckte stabförmige Form angenommen. Ein vollkommen entwickeltes Spermatozoidenbündel, in Form eines Schopfes dem Diskus aufsitzend. Zellen von der Oberfläche des Darmkanals von Lumbriculus variegatus. a. grosse granulirte Zelle mit ovalem Kern; b. kleinere Zelle derselben Art; c. eine mit grüngefärbtem flüssigen Inhalt versehene Zelle. Isolirte Muskelfasern von E. vermicularis. a. eiu Bündel von Longitudinalfasern, aus der zerrissenen Cuticula hervorragend. b. kleinere Circularfaser isolirt. c. Longitudinalfaser, an zwei Stellen durch Wasser aufgequollen. Isolirte Spermatozoiden von E. vermicularis. Viertes bis 6. Segment von E. appendiculatus, bei vollkommener Geschlechtsreife. gl. Körper der Speicheldrüsen; g' — g3 die vorderen drei Geschlechtsdrüsenpaare. a. b. c. Saamenblase. a. Ausführungsgang ; b. kuglig erweiterter Theil ; c. hinterer cylindrischer Theil derselben. oe. Oesophagus. Gürtelsegment von E. vermicularis. dr. Darmkanal. ov. grosser Haufe unentwickelter Eier. t. Endorgan des vas deferens mit herausragendem Spermatozoidenbüschel. r. r‘. zwei grosse, granulirte, Spermatozoidenbündel enthaltende Körper. n. n. Nervenstamm. I. Lymphzellen. cl. Gürtel. Isolirter Theil einer Geschlechtsdrüse von E. galba. a. hervortretende Zellen derselben; b. isolirte Zellen. Ausleitungsapparat der männlichen Zeugungsstoffe von E. vermicularis. p Papille ; g. Tasche der cutis, in welche dieselbe zurückgezogen werden kann ; vd. vas deferens; t. glockenförmiges Organ, in welches das vas deferens über- geht; a. Stelle, an welcher das vas deferens in den centralen flimmernden Kanal, b. desselben übergeht; s. Spermatozoidenbüschel; ov. Eierhaufe. Schleifenkanal von E. appendiculatus, von der breiten Fläche gesehen. a. äussere Mündung; b. Flimmerkaual; c. trichterförmige innere Mündung; d. muskulöse Scheidewand. Opalina Lumbriculi, n. sp. lieber 2 bis 4 Hüllblätter am Blöthenschaft von Galla palustris L Von Prof. Dr. Robert Caspary. Alex. Braun hat vor Kurzem über die morphologischen Verhältnisse von Calla palustris L. und besonders über das Vorkommen von 2 bis 3 Hüllblättern am Blüthenschaft interessante Mittheilungen gemacht (Verhandl. d. bot. Vereins für die Provinz Brandenburg 1859. S. 84 ff.). Die Angaben Braun’s hatte ich im Spätsommer 1861 und 1862 nicht bloss zu bestätigen Gelegenheit, sondern ganz ungewöhnlich zahlreiche Exemplare von Calla palustris mit 2 — 4 Hüll- blättern an einem Blüthenschaft — ich untersuchte 272 Fälle und hätte mein’ I untersucht, wenn ich und Herr stud. med. Benecke, der mich 1862 auf meinen Excursionen bei Soldau und Gilgenburg begleitete, mehr Pflanzen hätten sam- meln können — setzten mich in den Stand noch einige neue Vorkommnisse dabei zu beobachten. Ich fand jene zahlreichen Exemplare mit 2—4 Bliithen- hüllen, theils in den Kemnabrüchen bei Gr. Purden in der Nähe von Passen- heim, theils bei Ivetzwalde und besonders bei Usdau nicht fern von Gilgenburg. Bei Usdau war ein kleines flaches, wasserarmes Torfmoor, dessen schwarzer Boden, besonders gegen die austrocknende Mitte hin, zum grossen Theil pflan- zenleer zu Tage lag, am Rande ganz und gar mit Calla pallustris bedeckt, bei der die Blüthen mit mehreren Hüllblättern vielleicht zahlreicher, als die mit einem waren. Indem ich auf die von Braun gegebene Darstellung der morphologischen Verhältnisse von Calla verweise, wiederhole ich liier zu besserem Verständmss des Folgenden nur einige wenige Punkte. Jedes Glied des sympodialen Stammes von Calla palustris schliesst mit einem Blüthenstande ab, dem regelmässiger Weise dicht unter ihm eine tuten- förmige weisse Blüthenhülle und in grösserer Entfernung eine mehr oder weniger beträchtliche Zahl von zweizeilig gestellten Laubblättern vorausgeht; das erste 134 Blatt des Gliedes, ein Niederblatt, steht rückwärts und mit dem folgenden Blatt, einem Laubblatt unter 1|1 in derselben Richtung; der Fortsetzungsspross des Sympodiums entspringt regelmässiger Weise aus der Achsel des 2. Laubblatts unter dem Blüthenkolben. Zwar haben die andern tiefer stehenden Laubblätter des einzelnen Stammgliedes auch jedes ein Auge in seiner Achsel, aber die Entwicklung derselben bleibt weit hinter der des Auges des 2. Laubblattes von oben zurück und es ist noch zu ermitteln, wann die kümmerlich sich ent- wickelnden tiefer liegenden Augen zur Bllithe gelangen*). In seltnerem Falle trägt auch das oberste Laubblatt einen Spross, der dann meist noch schleuniger zum Abschluss durch einen Blüthenstand gelangt, als der Fortführungsspross des Sympodiums, aus der Achsel des 2. Laubblatts von oben entspringend. Dieser Spross des obersten Laubblatts, den ich als „Seitenspross“ bezeichne, entwickelt meist viel weniger Blätter als der Fortführungsspross und hat eine grosse Neigung Blüthenhüllblätter zu bilden, so dass er oft kein Vorblatt, kein Laubblatt, sondern bloss weissgefärbte Hüllblätter in der Zahl von 2 — 4 trägt. Wie Braun, fand ich nie an ihm bloss ein Hüllblatt. Selten treten auch am Fortführungsspross: „Hauptspross“, 2 Hüllblätter auf und zwar meist, wie Braun nachwies, in dem Fall, dass aus der Achsel des obersten Laubblatts sich ein Seitenspross bildet, sei es, dass fer alsbald mit einem Bliithenstande ende, oder dass diess erst später, vielleicht im nächsten Jahre eintritt, so dass er zunächst als Laubspross bezeichnet werden kann. Jedoch, wde sich zeigen wird, kann der Hauptspross auch 2 Hüllblätter haben, ohne dass das oberste Laubblatt einen Seitenspross trägt. Es mag nun die Aufführung der Haupthülle folgen, indem ich mich in der Reihenfolge grösstentheils an Braun’s Darstellung anschliesse. I. Der S eite n spr o ss. Der Fortführungsspross 2. Grades und der des ersten, aus dem er entspringt, sind stets fast ein ganzes Internodium hindurch mit einander verbunden aufgewrachsen **). In ähnlicher Weise sind auch der Seitenspross und der Blüthenschaft des Hauptsprosses, dessen oberstes Laub- blatt den Seitenspross trägt, stets etwas mit einander verbunden aufgewachsen, meist nur für eine kurze Strecke von 1 — 3 Linien, oft aber viel länger, hier *) Ich fand, dass ein Spross der Art, aus der Achsel des 5. Laubblattes von oben entstanden, nach einem Vorblatt, 7 Laubblättern und einem Hüllblatt mit einem Blüthenkolben abschloss. Der Spross war nur 372" duodec. preuss. dick und mit dem Blüthenkolben 7" lang. **) Gewöhnlich sagt man: „verwachsen“. Ich spare diesen Ausdruck für die Fälle auf, dass 2 in Rede stehende Organe, ursprünglich getrennt waren, dann aber später mit einander durch Zusammenwachsen sich zu einem Körper verbanden. Zwei Organe, oderTheile von Organen, die jedoch nie getrennt gewesen sind, sondern in Verbindung mit einander, ungetrennt, schon entstanden, bezeichne ich als: „verbunden aufgewachsen“. 135 1 — 3l|2 Zoll, jedoch nie fiir das ganze, lange Internodium zwischen dem ober- sten Laubblatt und dem Hüllblatt des Hauptsprosses. 1. Der Seitenspro.ss ohne Vorblatt mit, mehreren Hüllblättern: a) mit zwei Hüllblättern. 58 Fälle. Bald war das obere, bald das untere Hüllblatt das kürzere und schmälere; meist waren beide eiförmig, selten eins von beiden herzförmig, noch seltener das untere eiförmig mit einem halb- eiförmigen Ohre jederseits am Grunde. In einem Falle war die gegen die Spitze auf der obern Seite grüne und daher laubblattartige eiförmige Spreite des untern Hüllblattes, das viel grösser als gewöhnlich war, durch einen kurzen Stiel von 2"' Länge von der zweiohrigen scheidenartigeu Basis gesondert; es war jedoch die Basis der Spreite dieses laubblattartigen Hüllblattes innen weiss und stand dicht unter dem Kolben, 2'|.2 Zoll über dem Grunde des Bliithenschafts. Das untere Hüllblatt hatte in allen Fällen die Stellung, welche sonst das Vorblatt hat, dessen Stelle es vertrat; es stand nämlich rückwärts. Das 2. Hüll- blatt jedoch stand in den meisten Fällen nicht wie sonst das 2. Blatt am Zweige bei Calla auch rückwärts in derselben Richtung wie das erste, sondern viel- mehr dem ersten gegenüber unter G Divergenz. Nur in 2 Fällen von 58 standen beide Hüllblätter, wie am gewöhnlichen Ast, rückwärts in derselben Richtung. b) mit drei Hüllblättern. 63 Fälle. Die drei Hüllblätter, die einzigen Blätter des Seitensprosses, innen weiss, aussen, besonders in der Mitte grün- lich, gegen den Rand zu auch weiss , eiförmig mit pfriemlicher Spitze , seltner herzförmig, waren öfters an Grösse, wie Braun (a. a. O. S. 92) angiebt, „von Aussen nach Innen abnehmend“, jedoch bei Weitem häufiger war das unterste Hüllblatt das kleinste, die beiden folgenden grösser und von ihnen entweder das obere oder das untere das grössere. Wenn die 3 Hüllblätter dicht unter dem Blüthenkolben standen, so hatte keins von ihnen weder eine Hinneigung zur Niederblattform noch zu der eines Laubblatts. Je mehr jedoch das unterste Hüllblatt vom Kolben abrückte, desto mein- entfernte es sich von der Beschaffenheit eines Hüllblattes und zwar in doppelter Weise ; es wurde entweder niederblattartig, kehrte also zur ursprüng- lichen Form des Vorblatts zurück, so in 9 Fällen, oder es wurde laubblattartig, so in 4 Fällen, in allen 13 Fällen stand es jedoch noch Fj2 — 3 Zoll über dem Grunde des Bliithenschafts. In den eben erwähnten 9 Fällen war das unterste Hüllblatt lanzettförmig, obgleich nicht so lang ausgezogen als ein gewöhnliches 18 136 Vorblatt und dadurch immer noch von einem solchen unterschieden , dass es auf der Innenseite ganz weiss war. In den erwähnten 4 Fällen war das unterste laubblattartige Hüllblatt viel grösser als ein gewöhnliches, eiföx-mig oder herz- förmig, kurz gestielt und am Grunde des Stiels mit zweiohriger Scheide ver- sehen. Die Spreite war weisslich grün , gegen die Spitze zu grün. Dai-in wich diess Blatt von einem Laubblatt ab, dass die Ligula fehlte, die Basis der Spreite grünweiss, die Ohren der Scheide weiss und die Scheide nur eben stengelumfassend, nicht an den Rändern übergreifend, war. Was die Stellung der 3 Hüllblätter anbetrifft, so stand das unterste stets rückwärts, das 2. folgte meist unter 1|2, das dritte auf das 2. auch unter 1|.2. Es war mithin auch in der Stellung des 2. Blatts des Seitensprosses, das gewöhn- licher Weise nach hinten steht, aber hier, wie sonst erst das 3. Blatt, nach vom stand, eine Beschleunigung, eine Verfrühung eines sonst erst später statt- findenden Verhältnisses eingetreten. Sehr oft jedoch stand das 2. Hüllblatt ohne eine solche Beschleunigung mit dem 1. in derselben Richtung nach hinten und das 3. folgte unter Divei'genz. In andern zahlreichen Fällen schwankte der Winkel zwischen dem 1. und 2. Hüllblatt zwischen '|2 R. und etwa l’]2 R. Das 3. Hüllblatt folgte dann dem 2. unter '|, Divergenz. Ohne Zweifel war übrigens in diesen Fällen, in welchen das 2. Hüllblatt um ’j, — 1H> R. vom 1. entfernt war, die eigentliche Divergenz, unter der das 2. dem 1. folgte auch 1 [2 oder gar gewesen, aber es war eine seitliche Verschiebung eingetreten. * c) mit vier Hüllblättern. Di’ei Fälle. In 2 Fällen waren alle 4 Hüll- blätter eiförmig, weiss, dicht unter dem Blüthenkolben auf der Spitze des Schafts befindlich, jedoch die Stellung wegen seitlicher Verschiebung nicht zu ermitteln. Im 3. Fall waren die beiden untersten von den beiden obei'sten etwas ab- gerückt, oblong -lineal, also der Form nach dem Niederblatt angenähert. Die beiden untersten standen nach hinten, obgleich das obei-e etwas seitlich vei-- schoben; das 3. folgte dem 2. und das 4. dem 3. unter ^ Divei'genz. d) In einem Falle hatte der Seitenspross 5 Blätter, von denen die beiden obersten Hüllblätter waren, die 3 unteren Laubblätter. Das unterste Laubblatt stand nach hinten, die übrigen Blätter folgten nach 'j., Divei'genz. Es war kein Voi’blatt da. Dieser Seitenspross kam aus der Achsel des ober- sten Laubblatts eines Hauptzweiges, der mit 2 Hüllblättern unter dem Blüthen- kolben versehn war und dessen Fortsetzungszweig aus der Achsel des 2. Laub- blatts von oben regelmässig entsprang. 137 2. Der Seitenspross mit Vorblatt: a) mit 2 Hüllblättern. 108 Fälle. Das Vorblatt ist hellgrün, oblong- lanzettförmig bis lineal -lanzettförmig, oft zweikielig , an der Basis höchstens den halben Umfang des Stengels umspannend, nie stengelumfassend, oben meist stumpflich, oder es zeigt unter der sackartigen Spitze ein oder zwei pfriemliche Dolchspitzen auf dem Rücken ; es steht an der Basis der Blüthenaxe oder ist mehr oder weniger an derselben hinaufgerückt bis 3'|4 Zoll : je höher es hinaufrückt desto hüllblattartiger wird es, und es kommen Fälle vor , in denen es schwer ist zu entscheiden, ob man es mit einem Vorblatt oder einem Hüllblatt zu thun hat. Meistens stand das untere Hüllblatt deutlich in derselben Richtung, wie das Vor- blatt nach hinten, oft war das untere Hüllblatt jedoch etwas seitlich verschoben bis um 1 R., fast 2 R. Das 2. Hüllblatt folgte aufs erste stets unter 'j, Divergenz. Das Vorblatt stand oft nicht in der Mediane, sondern war bald rechts, bald links zur Seite gerückt, desto mehr, je kleiner und schmäler es war. In 4 Fällen, in denen es nur 1 — 3 Linien lang war und sehr schmal lineal-lanzett- förmig, stand es ganz auf einer Seite. In 3 Fällen war das Vorblatt in 2 lineale Zipfel fast bis zur Basis getheilt; die Zipfel hingen jedoch am Grunde zusammen, standen seitlich nach hinten, waren 1' , bis 1’4 Zoll lang, jedoch in 2 Fällen der eine länger als der andere ; die Spitze war pfriemlich. Die Zipfel waren bogig zur Seite gekrümmt, oben unter der Spitze geschweift, so dass beide zusammen, wie ein Paar Ochsenhörner aussahen. In 2 andern Fällen waren die beiden Zipfel des Vorblatts an der Basis völlig getrennt und sehr ungleich an Länge. In einem der beiden Fällen war das eine Blättchen 2 '|2 Zoll lang, lineal - lanzettförmig mit pfriemlicher Spitze; das 2. etwas niedriger stehend kaum 3 Linien lang, auch lanzettförmig, aber sichelförmig gekrümmt. Im andern Falle war das grössere l'|2 Zoll lang, das kleinere 3 Linien und gerade; beide standen in gleicher Höhe. Bei dieser Zerlegung des Vorblatts in 2 völlig getrennte Zipfel, drängt sich die Frage auf : sind diese beiden Zipfel durch Spaltung eines Blatts ent- standen, oder besteht das eine gewöhnliche Vorblatt aus 2 Blättern, die mit einander verbunden aufwachsen? Da statt des Vorblatts sich aber öfters, wie oben gezeigt, eine Blüthenlnille, oder ein Laubblatt findet, welche nach hinten stehn, so kann das Vorblatt nicht aus 2 Blättern zusammengesetzt sein, sondern jene zwei ganz getrennten Zipfel, müssen durch Spaltung des einzigen Vorblatts gebildet werden, ein Fall, der nicht ohne Analogie ist. 18* 138 In 3 Fällen war das untere der beiden Hüllblätter laubblattartig, kurz gestielt, am Grunde mit zweiohriger Scheide versehn, aber aus denselben Grün- den, wie in dem Falle 1 b., war das in Rede stehende laubblattartige Blatt doch als Hüllblatt zu betrachten. b) mit 2 Hüllblättern und einem 2. Vorblatt. Nur 1 Fall. Nach einem gewöhnlichen zweikantigen zwei Zoll langem Vorblatt folgte F|2 Zoll über diesem , ebenfalls nach hinten stehend , ein oblonges , grünliches , nur 3|4 Zoll langes Niederblatt, welches nur *|s des Stengels umfasste und dann stundenweit darüber, seitlich, 2 gewöhnlich gestaltete weisse Hüllblätter. c) mit 3 Hüllblättern. Fälle der Art, wie Braun (S. 92) deren 2 an- führt, dass alle 3 Hüllblätter normal waren, sah ich nicht, wohl aber 12 Fälle, in denen das unterste der 3 Hüllblätter laubblattartig, wie die unter lb und 2a beschriebenen, war. Bei einigen dieser laubblattartigen Hüllblätter trat sogar schon etwas von Ligula ein und die Auffassung als Hüllblatt war nur dadurch gerechtfertigt, dass die Basis der Spreite weisslich, die Ohren der Scheide weiss und hüllblattartig, nicht grünlich wie beim Laubblatt, und die Ränder der Scheide gar nicht , oder doch nur sehr wenig (etwa V") übergreifend waren. In allen diesen Fällen stand das Vorblatt und das laubblattartige Hüllblatt nach hinten, das 2. Hüllblatt nach vorn und das 3. wieder rückwärts. II. Der Haupt spross mit 2 Hüllblättern, die unter ’|a Divergenz stehn: 1) Der Seitenspross mit 2 Hüllblättern. Nur 1 Fall. Das zweite Hüllblatt des Seitensprosses stand zum ersten unter '|2 Divergenz. 2) Den Fall, dass der Seitenspross 3 Hüllblätter hat, den Braun einmal sah, habe ich nicht gefunden. 3) Der Hauptspross mit 2 Hüllblättern; sowohl in der Achsel des 2. Laubblatts von oben als des ersten ein Fortsetzungsspross; beide von fast gleicher Entwicklung. 11 Fälle. In mehreren derselben das untere Hüllblatt etwas laubblattartig, am Grunde jederseits mit einem Ohr versehn, viel grösser in der Spreite als das obere Hüllblatt und gegen die Spitze zu, auf der Innenseite grünlich. 4) Nur aus der Achsel des obersten Laubblatts des Haupt- sprosses, nicht aus der des zweiten ein Fortsetzungsspross. 2 Fälle. 5) Nur aus der Achsel des vorletzten Laubblatts des Haupt- sprosses ein F ortsetzungs spros s (Laubspross), keiner aus der Achsel 139 des obersten Laubblatts. 12 Fälle. Es ist dieser Fall von Braun nicht beobachtet. Ich fand einmal, dass der Fortsetzungsspross, welcher vom obersten Laubblatt eines 2 Hüllblätter führenden Hauptsprosses getragen wurde und in seiner weitern Entwicklung, wie Braun angiebt, bisher nicht beobachtet worden ist, nach einem Vorblatt und 2 Laubblättern mit einem Blüthenkolben , unter dem nur ein Hüllblatt stand, abschloss. Ueberhaupt tragen die Fortführungssprosse , welche nicht überwintern, sondern im Sommer gebildet werden und mit einem Blüthenstande abschliessen, viel weniger Blätter, als diejenigen, welche überwintern. Das gesammelte Ma- terial zeigte in 14 Fällen an Fortsetzungssprossen der Art ausser einem Vor- blatt, das stets da war, folgende Zahlen von Blättern : Lanbblätter. Hüllblätter. 1. . . . . 2 l. 2, 3. . . . 2 2. 4. . . . . 3 1. 5. . . . . 3 2. J7* 00 . . 5 1. 9. . . . . 5 2. 10. . . . . 6 1. 11, 12. . . . 6 2. 13, 14. . . . 7 1. Ein Bastard von Digitalis pnrpnrea L. und lntea L. Von Prof. Robert Caspar j. Hiezu Tafel VII. Im Garten des Stadtrath C. Patze zu Königsberg erschienen 1862 auf einem Beet dicht bei einander 3 höchst eigenthümliche Digitalis-artige Pflanzen 140 an einer Stelle, an welcher vor einigen Jahren (1858?) im Herbst die Saamen von Digitalis purpurea L., lutea L., ferruginea L. und lanata Ehrh. von Stadt- rath Patze unter einander gesät waren, so dass die Pflanzen dieser 4 Arten ohne Ordnung durcheinander wuchsen. Es konnte bei näherer Betrachtung keinem Zweifel unterliegen, dass jene drei 1862 von Ende Juni bis Ende August blühen- den, der Digitalis lutea am Nächsten stehenden, aber auch an D. purpurea erinnernden Pflanzen Bastarde dieser beiden Arten waren, erzeugt von jener frühem Aussaat. Die lang-spindelförmige Pfahlwurzel dieser 3 Bastardpflanzen hatte zahlreiche, verästelte Nebenwurzeln. Der Stamm, etwa 2V2FUS8 hoch, also kleiner, als der beider Aeltern zu sein pflegt, war sonst drehrund, nur unter jedem Blatt zogen sich von dessen Basis 3 flache stumpfkantige Längserhabenheiten hinab , die im obern Stammtheil weniger als im untern sichtbar waren. So weit die Laub- blätter den Stamm bedeckten war er glatt; bei Eintritt der Hochblätter fing er an sich mit dichten , sehr kurzen , mit einem Kopf endigenden Haaren zu bekleiden. Die untersten, grundständigen, am dichtesten stehenden Blätter waren oblong - lanzettförmig mit langem, geflügeltem Stiel, dessen Basis etwas breiter war. Bei den folgenden, höher stehenden Blättern wurde der Stiel schnell kürzer und undeutlicher und schon 2 Zoll über dem Stammgrunde waren die Laubblätter sitzend und lanzettförmig mit verschmälerter Basis, die an beiden Seiten gerundet abschloss. Allmälig gingen die Laubblätter in die dreieckig- lanzettförmigen Hochblätter über. Die Laubblätter waren alle gezahnt, von den Hochblättern trugen nur die untersten kleinere Zähne. Der Zahnausschnitt war stumpfwinklig - , seltener rechtwinklig - bogig , nie spitzwinklig. Laub- blätter und Hochblätter waren spitz, die letzteren ganz mit kurzen Haaren ge- wimpert, die Laubblätter nur am Grunde mit längeren Haaren. Auch die Rippen 1. und 2. Grades der Unterseite der Laubblätter führten solche längeren Haare. Der Blüthenstand bildete an 2 Exemplaren eine einfache Traube; am dritten, welches in natürlicher Grösse, Tafel VII., abgebildet ist, war sie an der Basis zusammengesetzt. Die Spitze des Bliithenstandes nickte, die Blüthen waren einseitig gerichtet und kurz gestielt, Stiel und Kelch mit kurzen Kopfhaaren besetzt. Die Kelchzipfel lanzettlich, sehr spitz , gewimpert. Krone über dem etwas bauchigen Grunde ein wenig verengt, der obere längere Theil eylindrisch, undeutlich fünfkantig, gegen den Schlund kaum bauchig erweitert. Bisweilen zeigte sich auf einer der stumpfen Kanten der Krone auf der untern Seite eine 14t spitze , zahnartige Aussackung *). Saum der Krone zweilippig. Oberlippe nierenförmig mit rechtwinkliger, meist bogiger Ausrandung und 2 kurzen kaum spitzen eiförmigen Lappen. Unterlippe dreilappig; Seitenlappen kürzer als der Mittellappen und schmäler, alle 3 ziemlich spitz. Krone glatt, Lappen sehr kurz gewimpert; einzelne Haare fanden sich im Schlunde auf einzelnen Blüthen. In älteren Blüthen schlägt sich der Rand der Lappen der beiden Lippen etwas zurück (Fig. 3.), so dass dadurch die Lappen spitzer erscheinen, als sie sind. Die Krone ist innen in der Röhre und auf den Lappen des Saumes licht bräun- lich-gelb, aussen auf Röhre und Lappen, besonders oben, blass karmoisin, später zeigen auch die Saumlappen einen licht- karmoisinfarbigen Anflug. Die nicht aufgebrochenen Blüthenknospen waren grünlich -gelb. Von Staubblättern fand sich in den Blüthen, welche die Axe 1. Grades trug, bei allen 3 Exemplaren keine Spur; jedoch waren an einem Exemplar, dem abgebildeten, in den Knospen des einzigen Astes 1. Grades (Figur 1 A.) 1 bis 2 nach hinten stehende, ganz kleine , verkümmerte , zwischen den seitlichen Lappen der Unterlippe und der Oberlippe links und rechts gestellte Staubblätter. Filament ganz kurz, Anthere herzförmig, noch sehr klein und fern vom Auf brechen, eine Untersuchung des Pollen daher unzulässig. Das Pistill dagegen erschien in allen Blüthen gut ent- wickelt; der Griffel glatt, so lang als die Korolle, die Narbe zweilappig und mit halbkugligen Papillen besetzt; sie schied reichlich Flüssigkeit ab. Der Frucht- knoten oblong, dicht mit Kopfhaaren besetzt, zweifächrig, ein Fach nach hinten, das andere nach vorn liegend, die Placenten central mit sehr zahlreichen Saamen- knospen. Die Saamenknospen (Fig. 7) anatrop, mit dickem Funiculus, einem dicken Integument, kurzem Kern und langem Keimsack, der am Chalazaende dicker als am entgegengesetzten war; über seinen Inhalt vermag ich nichts Näheres zu sagen. Zwei der Pflanzen, die auf dem Beet belassen wurden, wo sie sich zuerst zeigten, setzten zwar Kapseln an, welche auch mit 2 Klappen aufbrachen, aber sie enthielten lauter unentwickelte, staubartige, taube Saamen. In der Form der Blätter, der Bliithe, namentlich des Saums, des Pistills, der Behaarung, steht die Pflanze Digitalis lutea viel näher, als Digit, purpurea, an die in der That kaum etwas Anderes als der karmoisinrothe Hauch der Blumenkronenröhre und die beträchtliche Länge derselben erinnert. Die sehr schlanke, dünnere, fast cylindrische , kaum bauchige Röhre der Blumenkrone, *) Kölreuter (Acta acad. petropol. pro 1778. Pars II. p. 272) beobachtete an einigen Blüthen von Di- gitalis obscura- lutea in analoger Weise ein „corniculum nectariferum“. 142 die beträchtliche Länge derselben, welche die der D. lutea etwa um die Hälfte übertrifft, die kurze wimperartige Behaarung der Kronenlappen, sind Punkte, in denen die eben beschriebene Pflanze von Digit, lutea abweicht. Ich bemerke, dass Digit, lutea bald glatt an Blatt, Stengel und Blumenkrone ist, so beschreibt sie Henslow (Trans. Cambridge philos. soc. IV. I. 1833. p. 257 ff. Taf. 15 — 18), oder dass das Blatt mehr oder weniger am Rande und auf den Hauptrippen unten behaart ist, der Kelch mit drüsigen Haaren gewimpert und die Krone aussen drüsig behaart, wie die lebende Pflanze des hiesigen botanischen Gartens sich zeigt und die Abbildung F. Bauer’s (Lindley Monogr. t. 23) sie abwei- chend von Lindley’s Beschreibung, in welcher sie für glatt, erklärt wird, darstellt. In den Achseln der untersten Blätter des Stammes fanden sich einige Knospen, die möglicherweise die Pflanze im nächsten Jahre erhalten können. Digitalis purpuiea ist wie Digitalis lutea meist 2jährig, seltener 3 oder mehr jährig, indem einzelne Grundknospen des Stammes bisweilen das Leben der Pflanze länger als 2 Jahre fortsetzen. Kölreuter’s Bastard D. purp urea - lutea war jedoch perennirend, ebenso wie der Henslow’s (1. c. p. 260); bei Gärtner (Versuche und Beobachtungen über die Bastardzeugung S. 453) dauei’te er 4 Jahre. Kölreuter war der erste, der auf künstlichem Wege Bastarde von Digitalis lutea, befruchtet mit D. purpurea zog; umgekehrt gelang ihm der Versuch nicht. Der bewundernswerthen Ausdauer und Geduld C. F. von Gärtner’s (Bastard- zeugung 1849. S. 697), welcher Kölreuter’s Versuche wiederholte und bestätigte, glückte es jedoch Digit, purpurea mit lutea zu befruchten ; er fand, dass Digit, purpurea-lutea und lutea-purpurea sich kaum von einander unterschieden, erstere variirte jedoch mehr, — ein Ausnahmstypus von ihr hatte eine ganz gelbe Ko- rolle (Bastardbefruchtung S. 226. 238, 302, 314) — ; dagegen hatte Dig. lutea- purpurea nur einen Typus (1. c. S. 239). Auch sind Bastarde zwischen beiden Pflanzen im wilden Zustande zahlreich gefunden und beschrieben ; sie schliessen sich bald durch Farbe und glockig -bauchige Gestalt der Blumenkrone mehr der Digit, purpurea an, bald durch eine dünne, weniger bauchige, fast cylin- drische, nur wenig Kartnoisin an sich tragende Korolle der Digitalis lutea und bilden somit 2 Gruppen. Zu der letzteren Gruppe gehört die Pflanze des Stadt- raths Patze. Bei den im Freien gefundenen Bastarden lässt sich natürlich nirgend Vater und Mutter mit Sicherheit bestimmen , da aber Kölreuter (Acta academ. petrop. pro 1777 I. p. 223) die Befruchtung der Dig. purpurea mit dem Pollen von Dig. lutea nicht gelang und Gärtner sie auch sehr schwierig fand, scheint 143 es wahrscheinlich, dass Digit, purpurea bei dem im Freien gefundenen Bastarden meist, vielleicht immer, Vater ist. 1. Gruppe. Digitalis purpurea-lutea*). Korolle deutlich bauchig, öfters glockig-bauchig, im Schlunde karmoisin gefleckt, selten ungedeckt. Hierher gehören : Kölreuter’s künstliche 1768 und in den folgenden Jahren erzeugten Bastarde (Acta acad. petrop. pro 1777 I. p. 215 ff. Tab. IV. Fig. 1.) Digitalis purpurascens Roth (Catalect. bot. fase. II. 1800. 63) bei Cusel in der Pfalz gefunden. — PersoonEnch. 1807.11. 162. — DeCandolle Fl. fr. VI (1815) 411 (excl. synon. plurim.) — Lindley Monograph. 1821. t. 20. — Reichenbach Icon. er. H (1824) 46. t. 154 fig. 284. Fl. exc. 378. Koch in Röhling’s Deutschland’s Fl. IV 1833. 415. Synop. 2 edit. 1843. 596. — Tausch Flora 1836. 389. — Döll Rhein. Fl. 1843. 334. — Bentham in De Candolle Prodrom. 1846 X. 450. Digitalis intermedia Lapeyrouse Hist. abr. pl. Pyr. 1818 II 357. Digitalis lindleyana Tausch Fl. 1836. 389. Digitalis purpureo-lutea Ilenslow Trans. Cambr. Phil. soc. 1. c. — G. F. Meyer Chi. hann. 1836. 324. Fl. bann. excurs. 1849. 390. Digitalis lutea d. fucata Hooker (nicht Lindley). Bot. mag. 1842. LXVIH Tab. 3925. Korolle ungedeckt. Vielleicht ist auch Digitalis rigida Lindley 1. c. Tab. XIX ein hierher ge- höriger Bastard. Digitalis purpurascens Le Jolis (Ann. sc. nat. in. Ser. 1847. VTI 219) bei Cherburg nur in einem Exemplar gefunden, wo ausser Digit, purpurea keine Digitalis-Art sich ßndet (Le Jolis Plantes vasculaires des environs *) Es ist nach Bellardi’s (1809) und Herbert’ s (1818) Vorgänge Gebrauch geworden, Bastarde so zu bezeichnen, dass wenn die Aeltern einer Gattung angehören, hinter den Namen der Gattung ein Adjektiv gesetzt wird , gebildet aus dem Artnamen des Vaters, der mit dem Bindevocal dem Artnamen der Mutter vorgesetzt wird, oder, wenn die Aeltern verschiedenen Gattungen angehören, dass der Gattungsname des Vaters mit dem Bindevocal vor den Gattungsnamen der Mutter und auch der Artnamen des Vaters in gleicher Weise vor den Artnamen der Mutter gesetzt wird. Herbert bezeichnet z. B. den Bastard von Crinum capense befruchtet mit Pancratium distichum als Pancratio-crinum disticho-capense. Gärtner setzt dagegen den Neimen des Vaters dem der Mutter nach (Bastarderzeugung S. 601). Es haben beide Bezeichnungsarten jedoch in den Fällen, in welchen bei Pflanzen einer Gattung auch die Varietät eines oder beider Aeltern anzugeben ist, zumal bei zu- sammengesetzten Bastarden solche Unbequemlichkeit, dass ich es vorziehe, einfach den Namen des Vaters im Nominativ vor den Artnamen der Mutter ohne Verschmelzung zu einem Wort durch den Bindevokal zu setzen und beide durch einen blossen Bindestrich in nähere Beziehung mit einander zu bringen z. B. Dianthus superbus* barbatus, Crinum (Pancratium distichum) -capense, Nicotiana (Tabacum «. macrophylluin)-paniculata. Grenier’s Vorschlag durch Vorsatz von super oder sub starke oder schwache Aehnlichkeit mit einem der Aeltern auszu- drücken, erscheint zweckmässig (Ann. sc. nat. III. Ser. XIX. p. 141 ff.). 19 144 de Cherbourg. Mem. Soc. seien, nat. Cherbourg 1860. VII 330), ist wohl nur für eine kleinblüthige Form von Digitalis purpurea, vielleicht für identisch mit Dig. purpurascens Lejeune (cf. Koch Synop. 596 unter Dig. purpurea) zu halten, nicht für einen Bastard, da selbst im botan. Garten zu Cherbuurg Digit, lutea von Le Jolis nie bemerkt ist. 2. Gruppe. Digitalis sub-purpurea-lutea. Erinnert mehr an Digit, lutea, als die vorige Form. Die Korolle lang, dünn, kaum bauchig, fast cylin- drisch , im Schlunde ungefleckt, seltener gefleckt. Die Staubblätter bisweilen nur theilweise oder gar nicht entwickelt. Digitalis hybrida Dutour de Salvert Nouv. bull. soc. philom. 1812 III 337 tab. VI. Desvaux Journ. bot. 1813 II 158. tab. XVI. (Figur in beiden Fällen dieselbe.) Aug. de Saint-Hilaire Mem. soc. d’hist. nat. Paris 1823. I. 393. Le die zwischen C. sorbi und crataegi gleichsam in der Mitte stehen soll, indem sie die gelben Schienen mit der ersten Art, die gleichmässig schwarze Behaarung der Leibesspitze mit der letzteren gemein hat. Aber, obgleich ich eine Wespe in meiner Sammlung besitze, welche vielleicht zu dieser Art gehören könnte, so glaube ich doch, dass bei einander so nahe stehen- den Arten erst durch die Entdeckung der Larve die Selbstständigkeit der Art bewiesen werden kann. Stephens (147) führt noch als Arten Trichiosoma tibiale n. 3745, wobei auf Curtis (135) I. pl. 49 verwiesen wird, ein Werk, das mir bisher nicht zugänglich geworden, und Trichio- soma pusillum n. 3748 ohne weitere Beschreibung an. III. Untergattung: ( Clavtllarin Leach. (112) 102). Die Fühlergeissel besteht hier unterhalb der Kolbe nur aus 2 Gliedern. Die Antennenfurchen sind schmäler als bei der vorhergehenden Untergattung und ziemlich tief ein- gedrückt, das Untergesicht tritt vor. Die Lefze ist noch grösser als dort, aus schmaler Basis löffelförmig erweitert und namentlich bei den Männchen weit 265 vorstehend. Kopf und Thorax sind stark behaart. Die Männchen haben weder verdickte noch gezähnte Schenkel. Man kennt nur eine hieher gehörige Art: II. Cinibex amerinae Lin. Tab. III. Fig. 4. C. nigra , clypeo et labro albo, abdomine ad apicem rufo , Mas ventre toto rufo , Femina abdominis Segment is posterioribus albo-marginatis. Mas. 1. long. corp 7,5 ^.= 16 mm., al. exp. 14 1. =20 mm. 2. long. corp. 10,2 l. =22 mm., al. exp. 16,2 /. =35,5 mm. Fern. — — 8,1 Z. = 17,8 mm., — 16 /.'=35 mm. Follic ul u s reticulatus arborum corticis vel trunci rimis infigitur. Larva 18 lin. longa, virescens capite concolore, rugosa ac pulvere albido sparsa , stigmatibus triquetris nigris — in Salicis speciebus, quibus folia sunt lae- via, et in Populo habitat. Die Wespen sowohl wde die Larven sind sehr bekannt und verbreitet. Die letzteren zeichnen sich schon durch ihre schlankere Gestalt, die sich von vom nach hinten etwas verdünnt, vor den übrigen Cimbexlarven aus. Die Grundfarbe des Körpers ist bläulichgrün oder schmuzig graugrün, die Haut mit Ausnahme des letzen Segments quer gerunzelt und fein weiss bestäubt, aber durchaus warzenlos. Auch hierdurch und durch die dreieckigen Luftlöcher, die schwarz gefärbt sind, unterscheiden sie sich von den Larven der zweiten Unter- gattung. Von derselben Farbe sind die Krallen der langen Brustbeine. Der kleine rundliche und glatte Kopf ist hell bläulichgrün mit schwarzen Augen. Die Larven fressen vom Juni bis zum August auf fast allen glattblättrigen Weiden. Brischke fand sie aber auch auf der Zitter- und Pyramidenpappel. Sie ruhen zwar meistens, wie die verwandten Arten, zusammengerollt an der Unterseite der Blätter, oft aber auch ausgestreckt, wie die Abbildung Tab. HI. Fig. 4. sie darstellt. Sie spritzen sehr stark. Das Cocon ist braun , durch sein zwar starkes , aber netzartig durchbro- chenes Gewebe ausgezeichnet, von gefangenen Thieren wird es aber auch zu- weilen zarter, dicht und weiss gebildet. In der Form wird es dem Raum ange- passt, in dem es verfertigt wird. Auf der Erde wird es eiförmig, in den Spalten und Ritzen aber, welche die Larven zur Verwandlung meistens aufsuchen, von den Seiten stark abgeplattet. Um die Art des Eierlegens zu beobachten, setzte Brischke zwei Pärchen der ausgeschlüpften Wespen in einem Zwinger auf junge Weidenzw eige. Am 34* 266 12. Mai fand er ein Weibchen mit Eierlegen beschäftigt, es sägte in den Rand des Blattes eine Tasche und schob ein Ei hinein. Später fand er in einer Tasche drei Eier, welche aufrecht wie Orgelpfeiffen standen. Sie waren 1 Lin. lang, hell bläulichgrün, glänzend und in der Mitte kahnförmig gebogen. Als Feinde der Art sind bekannt geworden Mesochorus testaceus Grav. und eine Spec. Campoplex Luc. (342). Brischke erzog als Parasiten beson- ders Typhonen. Schon Frisch (6) Th. IV. p. 42 St. 25 von der grünen Weidenraupe mit 72 Falten und dem Blatt- Ichneumon oder der grossen Raupen-Wespe, so daraus wird“, lieferte 1722 die vollständige Na- turgeschichte dieser Art. indem er die Lage der Eier im Blatte, die Afterraupe, das Co- con lind die Wespen in beiden Geschlechtern beschreibt und auf die verschiedene Farbe der letzteren aufmerksam macht — und dennoch wurden noch 1823 von Lepele tier und 1829 von Stephens die beiden Geschlechter als verschiedene Arten beschrieben. Tb. 25 fg. 3 ist von Frisch das Weibchen dargestellt, und Th. V. St. 12, 13 p. 33. 34. beschreibt er auch 2 aus der Raupe erzogene Ichneumonen. Ebenso Bösel (10) 9. tb. 1 „die grosse blassgrüne Afterraupe des Weidenbaums“ giebt die Abbil- dung der Larve, des Cocons, der Puppe und des Männchens, dann p. 58 tb. 11 diejenige des Weibchens. Sulzer. (37) p. 179 bildete im Titelkupfer zu den Hymenopteren eben- falls alle Entwickelungsstufen der Art ab. ln neuester Zeit hat Sn eilen van Vollen hoven (351) tf. 8 sämmtliche Entwickelungs- zustände dieser Art, und einzelne Körpertheile der Wespe abgebildet. Das Männchen: Crabro Sch. (25) 90. f. 8. 9. ( T. amerinae Pz. (93) 103. 236). Tenhtredo amerinae Lin. (13) n. 3, Lin. (26) n. 4, Gl. (32) 766, Fbr. (34) 318 n. 4, Mil. (38) n. 1715, Fbr. (45) 406 n. 4, Fbr. (39) 253 n. 4. Vill. (60) n. 4, ML. (61) n. 65, Gm. (65) 2654, Fbr. (73) 106 n. 3, Panz (82) 65, 1 aber die dabei erwähnte Larve gehört nicht hieher, Jur. (99) 47. Tenthredo amerina Lin. (14) n. 1536, Mil. (22) n. 600, LM. (33) n. 4. tb. 25 fg. 6., Scop. (20) 720. Cimbex amerinae. Ol. (66) 768 die Diagnose, nicht aber die Beschreibung gehört hieher, pl. 102. fg. 8. 9, Latr. (95) 121. Lep. (128) 97. Ffr. (129) 8, Gim. (189) 438. Clavellaria amerinae Lch. (112) 112, St. (147) n. 3749. Das Weibchen: Tenthredo marginata Lin. (26) n. 2, LM. (33) n. 2, Fbr. (34) 318. n. 5, Fabr. (45) 406, n. 5, Sehr. (46) 649, Sehr. (47) 284. Fbr. (59) 253. n. 5. Vill. (OOi n. 4, ML. (61) n. 63, Gm. (65) 2654, Chr. (68) 429, Fbr. (73) 106 n. 6, Panz. (74) 17, 14 und dazu Pz. (97) II. 19 wo Panzer irrthümlich angiebt ein Männchen abgebildet zu haben, BS. (96) 838, Jur. (99) 47, Lam. (181) 385. Cimbex marginata Ol. (66) 769. Fbr. (91) 17, Lep. (128) 98, Ffr. (129) 7, Gim. (189) 438. — C. marginatus Latr. (95) 121. Clavellaria marginata Lch. (112) 112, St (147) n. 3750. Auch ist hieher wohl ohne Zweifel, wie auch Klug gethan, de Geer’s Mouche a scie h quatre bandes, Tenthredo quadrifasciata, zu ziehen, da Beschreibung und Abbildung genau mit Cimb. amerinae fern, übereinstimmen. Man kann nur annehmen, dass de Geer, da er ihren Fundort nicht kannte, sie irrthümlich zu den Exoten gerechnet hat. DG. (31) lom. 3. 598. n. 1. pl. 30 f. 20, DGG. (44) 388, Betz. (49) n. 296. Cimbex quadrifasciata 01. (66) 771. n. 13, Lep. (128) n. 107. 267 Beide Geschlechter: Tenthr. amerina Chr. (68) 427, tb. 48 f. 3. 4. C. e, T. amerinae BS. (96) 839, beide nach Hösel. Cimbex amerinae Fll. (101) 193. n. 5, Fll. M. (141) 10. n. 4, Kl. C (144) 88, Dhlb. (179) n. 3 die Larve, Hrt. (199) 71, Voll. (351) tf. 8. — Tenthr. (Cimb.) am. Ratz. (244) 136. n. 48. Clavellaria amerinae HS. (224) 104, 101. - Cimb. (Clav.) am. Dhlb. (190) 52 mit Beschreibung aller Zustände. Verbreitung: Die Art ist in Preussen gemein, vorzüglich zahlreich findet man die Cocons in hohlen Weiden, zuweilen, aber wohl nicht oft kommt die Larve auch in grossen Gesellschaften vor. Ebenso findet sie sich im ganzen nördlichen und mittleren Europa, scheint jenseits der Alpen aber seltener zu werden, obschon sie vor Kurzem auch im nördlichen Africa beobachtet ist. Schweden Lin. (14) aber nach Fll. (141) keineswegs häufig: Norwegen und Dänemark Mil. (38), Livland und Curland Gim. (261), Preussen, Berlin häufig Kl. (141), Hildesheim Leun. (233), Nürnberg Panz. (82i, Sachsen Ldw. (83) T. (333), Harz F. (312), Lüttich F. (312), Holland Voll. (351). England nicht häufig Lch.(112), Paris Ffr. (129), Zürich nicht selten F. (35), Linz Sehr. (46), Böhmen K. (315), Wien Sch. (291), selten in Kasan Ev. (260i, Krimm Luc. (329), Kain Scop. (20). sehr selten in Ligurien Spin. (104), Campanien Lep. (128), Algerien Luc. (371). GENUS ABIA. Wie schon früher angedeutet, gebe ich der Gattung Abia einen etwas weiteren Umfang, als ihr Gründer Leach, indem ich auch dessen Gattung Zaraea , die T. fasciata Lin. , dazu rechne. In diesem Sinne umfasst sie die- jenigen Cimbiciden, bei denen die erste Cubitalzelle des Vorderflügels beide rücklaufende Nerven aufnimmt, die lancetförmige Zelle aber in der Mitte zu- sammengezogen ist. Schon durch die geringere und lockere Behaarung des Vorderkörpers und durch die glänzende Erzfarbe zeichnen sich die Abien vor den Arten der vorigen Gattung aus, sie weichen aber auch durch den Mangel des Ausschnittes am ersten Leibessegmente und durch eine andere Form des Kopfes von diesen ab. Dieser ist viel weniger von vorn nach hinten zusammengedrückt, so dass die Wangen hinter den Augen weniger scharf und weit vorstehen, aber tiefer unterhalb hinabtreten, um den Clypeus, der die Augen nirgends berührt, zwischen sich zu nehmen. Der Clypeus ist schmal, durch eine scharte Furche von der Stirn abgesetzt, unten gerade abgeschnitten, zwar gewölbt, aber nicht vortretend und trägt eine halbkreisförmige Lefze. Die Augen sind länglich, reichen oben über die Stirnaugen hinaus und nähern sich liier einander, ja bei den Männchen stossen sie sogar auf der Stirn zusammen. Der Scheitel hat keine seitlichen Furchen, aber eine deutliche Mittelnaht. Die Männchen zeichnen sich meistens auch durch einen länglich viereckigen, sammetartigen Flecken aus, der 268 auf dem Rücken des 4. bis 7. Abdomensegmentes liegt, doch scheint das Vor- handensein desselben auch in den Arten, in denen er gewöhnlich vorkommt, nicht ganz constant zu sein. Larven sind erst von 2 Arten bekannt. Sie haben die Lebensweise der Cimbexlarven, ihre Haut ist aber weder mit Warzen besetzt, noch bildet sie querlaufende Falten. Synonym dieser Gattung sind: Crabrmns spec. SchälT. Tenthredinis species Lin., Sehr., Vill., Fahr. (34. 45. 59. 73), Panz., Gml. Tenthredinis familiae I. sp. Jur. Cimbicis species Oliv., Walck., Fahr. (91), Latr., Fall., Brüll. Zaraea und Abia Leach., Steph., Westw., H. Sch. (224). Cimbicis die. ff Lep. (128). Abia Lep. S. (136 h). Cimbicis 4 Farn. Kl. (144). Gen. Cimbicis subgen. Abiae Sect. 1 et 2 Hart. (199). Cimbicis subgen. Abia Dhlb. 1. Abia fasciata Lin. A. atro, l