THE UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY 980 Schös OAK ST. HDSF ^ /f SÜDA.Ar Kill KANISCTIE STUDIEN. DREI LEBENS- UND CULTUR- BILDER. . Schul blättern, ei'fuhr, lenkten meine Aufmerk- samkeit auf noch nicht für die Oell'entlichkeit benutzte Manu- scripte, Alihandlungeu, Berichte und Briefe des grossen Gelehrten; die Sternwarte meines Wohnortes Bogota lehrte mich den un- — VI — erinüdliclieii, viol zu IVüli ge.stürl)eiiou Cjüdas «chätzen, dessen Leben und Wirken ausserhalb Südamerikas kaum beachtet ist; ITir Jede i)raktische Frage, l)ei welcher Reise-Routen oder Eisen- bahn-Projecte, Lage von Ortschaften, Grenzen von Ilandels- Gebieten, Staats-Territorien u. s. w. in Betracht kamen, waren Arbeiten von Codazzi zu verwenden. Verwandte und Freunde der (hei von mir Erwählten liesscn mir manche direkte Mitthei- lungen zukommen, namentlich die Kinder Codazzi's. Ich heimste damals Alles ein, was sich darbot, private wie öffentliche Ur- kunden, Briefe, Berechnungen, Bücher, Streitschriften, Zeitungen, Berichte, Bilder und Karten. Der 1875 erfolgte Eintritt in einen neuen Wirkungskreis, der unter stetigem Drange der Geschäfte meine ganze Zeit und Kraft in Anspruch nahm, führte dazu, dass das in Müsse Be- gonnene liegen blieb, wenn nicht gelegentlich einmal ein Anstoss kam, z. B. durch neue Einsendungen meiner südamerikanischen Freunde, (Kirch Ermuthigungen so hochstehender Kenner Süd- amerikas, wie Adolf Bastian, Hermann Karsten, Wilhelm Reiss, Alphons Stübel, oder durch die mannigfachen persönlichen Ver- bindungen und sachlichen Anknüpfungspunkte, welche die grösste Stadt Amerikas mir tagtäglich gewährt hat. So ist das heute abgeschlossene Buch ganz allmalig heran- gewachsen; möge über demselben, wenn die Zeit der Veröffent- lichung da ist, ein guter Stern walten. Die folgenden Blätter geben in der Form von drei Bio- graphien Geschichten aus dem nördlichen Südamerika und aus der Zeit von 1760 l)is 1860. Obwohl versucht ist, allgemein Interessantes in den Vordergrund zu rücken, den Zusammenhang des Kleinen mit dem Grösseren festzuhalten und den Gang der politisch-socialen Entwickelung zu kennzeichnen, so sind jene Geschichten doch vollständig ursprünglichen Quellen entnommen und in kritischer Methode durchforscht worden. Bei der Kritik- losigkeit vieler historischer Veröffentlichungen über Südamerika — \' 1 1 war ein ZiiriiekgolHMi anl' die (^)iu'II('ii geboten, woiiilicr geiKUUMcn Aufscliluss die Anmerkungen gel)en, welche zienilieli nnilangreieli werden mussten, weil sonst ihre Citate l'üi- die Kritik fast un- controlirbar geblieben wären und weil manche l)ereits in die allgemeine Benrtheilung der beziiglichen A^erhältnisse einge- drungene liTthinner \ind Missverständnisse nur durch den Wort- laut der Quelle, ihre Kritik und Interpretation oder durch andere Details beseitigt werden konnten. Uebrigens sind meine Materialien keineswegs ganz vollständig, denn abgesehen von den Archiven Madrids, muss noch manches mir bisher nnzugängig Gebliebene in Hucaramanga, Bogota', Caracas, Cartajena, Quito und Valencia vorhanden sein. In je einer Anmerkung ist mög- lichst Alles hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes Wisseus- werthe zusammengefasst worden, sol'ern nicht Sachen von ganz besonderer Wichtigkeit vorlagen, wie z. U. Kinarinden-Studium, Entwickelung der Isthmiiscaual-Frage , Humboldt's Reise oder der Lebenslauf meiner drei Helden selber. Die ohne weiteren Zusatz im Texte unter Anführungszeichen sich findenden Sätze sind aus den spanischen, französischen oder italienischen Aufzeichnungen Desjenigen übersetzt, dessen Bio- graphie behandelt wird, und zwar möglichst wörtlich, a))er doch unter Kürzungen. Die Lebensbeschreibungen gehen auf alle Details ein, die irgendwie für die Zeitläufte charakteristisch zu sein schienen, auf Familie imd Freundschaft, auf Wohnungen und Reise-Erle) »nisse, Gelehrtenstreit, Projectenmacherei u. s. w. Nur so glaubte ich dem Leben und Treiben in tropischen Ge- genden unter der Colonial-Regierung, während der Unabhängig- keits-Kämpfe in der republikanischen Zeit gerecht werden zu können und zugleich die Eigenarten eines dem europäisch-nord- amerikanischen Wesen so fremdartigen Landes und Volkes an- schaulich zu machen. Die den Hauptfiguren meiner di-ei Bilder zur Seite stehen- den Personen, Nord- und Südamerikaner, Spanier, Deutsche, — vnr — Franzo?(Mi und Engländer, meist hislier wenip; bekannt, scliienen mir die ihnen jcweiliji; gewidmeten Worte zn verdienen. Alle i'il)eri'a2 5(j. llumboldt's Reise durch Neu-Granada (1801) 4(j."» 57. Kin Brief von Mütis an Humboldt 4(j4 58. Jorje Tadeo Lozano 4(U 59. Die Fische der Bogotäer Hochebene 4(55 liO. Spaniens wissenschaftliche See-Expeditionen 4<>5 Ül. Das Giganten-Feld bei Soacha 4(J7 G2. Das Salzwerk von Zipaquirä 4G7 132. Die Bai-ult'.sclR'ii uiul Diaz'.schi'ii Sclirifteri n2'-i 133. Cudazzi's Pari.ser Aiiszeii-hiiunsreii 524 134. Robert Hermann .Seiionilturgk Ö24 135. Das venczuelanist-Iie (ieograpliie-Werk von Cddazzi 525 13G. Die ili'ut.sclie (Kolonie Tovar 527 137. Hermann Karsten . 528 138. Die venezuelaniöfhe i'rovinz Barina.'j 529 139. Anlansie der Literatur iilicr die Isthmus-Frage 530 140. Die Panamä-Ei-senlialni •» • • ^^ 141. Manuel Ancizar 51^1 142. Joai|uim Acosta 5;J2 143. Das neugranadiniselie Geographie- Werk von ('odazzi 5133 144. Jo.se .rerunimo 'l'riaiia 5;{4 145. C'odazzi's Vermes.sungs-Ileisen in Neu-Granada 5;35 145a. Die Zeiehenlelsen im nördlichen Südamerika 5^}(j 14»i. Tropisclie Landscliaftsltilder 537 147. Die Altertliiimer der 'I'unzas 'h]H 148. Pernanisehe Smaragden 539 149. Karl S. de Greifl" '. 540 150. Karl Degenliardt's Andenken 540 151. Projec-te für einen amerikanischen Isthmns-(>aiial 541 152. Edward CuUeii 541 153. Isaae F. Holton 542 154. Frederik .M. Kelley 543 155. Jolni ('. Trautwine 544 15(). Die englisciie Darien-Expedition 545 157. Die erste nordamerikanische Isthmu.s-E.\peditioii 54(1 158. ("odazzi's Kriegsdienste in Neu-Granada 548 159. Die neugranadinische Landesbe.schreibung 548 160. General-Cunsul llesse's Bericht 549 IHl. Codazzi's Sendung an Humboldt 550 162 Alterthiimer der Aymaräes .... 552 163. Jean Jactiues Elisee Reclu.s 553 164. Die zweite nurdamerikaiiische Isthmu.s-Expedition 554 165. Die letzten Schriften von Codazzi 55.5 166. Manuel Villavicencio . . 5.56 167. (.'odazzi's Tod 557 168. Posthume Ausgaben Codazzi'scher Werke (1860 — 1864) .... 557 I. *Tose M^Titis, Schumacher. Slldamprik. Studien. 1. Anfänge in Neugranada. Die amcrikanischeu Heiche Spaniens sind mehr als zwei Jahrhunderte hindurch ohne eigenes Lehen geblielien. Nur wenige dieser grossen, meist durch Wallengewalt erworbenen Gebiete wurden als Fundstätten von Schätzen, denen die alte Welt kein Gegengewicht zu l)ieten vermochte, mehr und mehr unerlässliche Stiitzen des herrschenden, aber wirthschaftlich entnervten euro- päischen Landes: diesem fielen mehrere Theile, da sie nicht so viel einbrachten, wie sie zu eigener Entvvickelung hätten ver- brauchen müssen, dauernd und immer schwerer zur Last. Li der Mitte des 18. Jahrhunderts Avar die daheim noch sehr geachtete Kolonialkraft Spaniens Ijereits in sich zerrissen und verfault. Das romanische Europa hatte in der neuen Welt kein die Arbeit kennendes und förderndes Volk erstehen lassen, wie das ger- manische, dessen Kolonien kraftvoll und stolz sich emporarbeiteten. Nationaleigenthinnlichkeit und Landeseigenthümlichkeit waren für Ersteres ungünstig: in pllanzenähnlichem Dasein schlummerten die Menschen der amerikanischen Tropen von Tag zu Nacht und von Nacht zu Tag. Europäisches Leben gab es dort nicht. Amerika war keine neue lleimath geworden, wenige Hafenplätze ausgenommen, zeigten sich dort bloss Elemente, welche die Ein- bürgerung frischen Blutes erschwerten. Die heimische Regierung verfügte jenseits des Oeeans fast nur über zahlreiche, in Spanien selbst ausgebildete Personen, meist Militärs und Kleriker. Die in Amerika geborenen ^lenschen europäischer Herkunft, die Kreolen, lel)ten Ijeinahe ausschliesslich vom alten Mutterlande, oder sanken atjf die niedrige Kulturstufe ihrer neuen L^'mgebung hinalt: oft in die Schwäche, welche die Anstrengungen eines 1* — 4 — civilisirten Lebens mied, z. B. in Lima und Mexiko, oft in be- diirfnisslose Wildheit, z. B. an den meist öden Küsten und in den Steppen flächen des Innern. Die Nachkommen der ursprüng- lichen Bevölkerung" blieben niedergedrückt, die Mischlinge meist thatenlos. Das Xegerblut förderte physische und geistige Roheit; denn unter dem Einfluss der rohen Rassenkreuzung entartete Generation auf Generation. Zu solcher Gährung im Volkswesen kam, dass Handel und Wandel unselbstständig und unfrei blieben; die Gewerbe konnten keinen Boden erringen; eine Mittelklasse, die ihr Glück nur auf persönliche Arbeit und eigene Thätig- keit setzte, war nicht vorhanden. Die Kaufmanuschaft wurde durch immer neue Steuern und immer klüger ersonnene Auflagen aus den natürlich-freien Geleisen verdrängt; für Technik und für Wissenschaft fehlten alle Hülfsmittel, selbst alle Vorbedingungen. Es bestanden unter den verschiedenen spanischen Kolonialreichen nur spärliche Verbindungen, aber doch mancherlei Gegensätze, die Küstenbevölkerung war den Bewohnern des Hochgebirges, der Städter dem Hinterwäldler, der Kreole baskischer Herkunft dem kastilianischen Geblütes, der Herr dem Sklaven verhasst. Ebensowenig gab es Verbindungen mit dem rasch pulsirenden, in eingehen Formen der Selbstverwaltung kraftvoll weiter sprossenden germanischen Gemeinwesen des schwer arbeitenden, aber der politischen Freiheit entgegensclireitenden Nordens; auch hier nicht bloss Mangel an Verl>indungen, sondern gehässige Gesinnung, galt doch England für Spaniens Erbfeind. Wie gegen 1750 das Volk der amerikanischen Tropen eigenem geistigen Leben nicht gewachsen war. so war das Land, aller Mühen ungeachtet, zu materieller Kultur nicht erhoben worden. Das Land selbst übte einen schweren Bann, wie denn überall die im Scheitel stehende Sonne den Fortschritt menschlicher Kraft gehemmt hat. In Mittel- und in Südamerika hat sich die Besitznahme grosser Gebiete meist in der Form von Einzelbesiedelungen voll- zogen, in dei- Regel nicht durch Einbürgerung von Industrien oder durch umfassende Bebauung der Bergal)hänge und Nie- derungen, der Hochebenen und Flussthäler. Die niederbeugende Gewalt der immer sich an Macht erneuernden tropischen Natur und die Grösse der ungemessenen, kraftstrotzenden Lande : solche Riesenelemente verhöhnten die europäische Arbeit. Dicht nelten — o — den neuen W'olm.-it/en. oft vor den llauslhüren der Kindrin^liniie, unüaltele uralte Wildnis? rrkraft der ^'or\velt. Bei so gi},'anti- scheiu Widerfstaude erlbi-derteii Entwaldung, Entwässerung, An- pflanzung und Saat, Ein/.äuming und Wegbaii nicht bloss Energie und Zeitaufwand, sondern auch Aenderung des gesammten Volks- wesens, Angesichts des wuchernden Urlebcns, des schlangeu- reichen Scheinparadieses, der täglich neuen Schmarotzervegetation, war wirksame Forderung einfältiger wirthschaftlicher Verhältnisse, war die Begründung eines menschenwürdigen Daseins ülteraus sciiwierig. Der Kampf mit den Naturgewalten blieb Jedem, den kein festes System von Genossen unterstützte, geradezu un- möglich. Hätten auch die Pfleger der nach den Tropen ver- l)flanzten europäischen Kultur dagestanden als die höchsten Würdenträger eines mächtigen Reiches oder der einen allein heiligen Kirche, wären sie in eigener Person die besten Vertreter europäischer Tüchtigkeit gewesen, zu den ersten Arbeitsgrössen ihrer Zeit gehörend: nur Generationen von Arbeitsstärke und Entwickelungsvermögen verhiessen in solchen Ländern Fortschritt und Aufschwung. Das spanische Kolonialministerium dachte ganz anders. Eine Folge der stolzen und grossen Traditionen dieser ehrwürdigen Behörde war es, dass die individuelle Kraft gegenül)er der All- gewalt der amerikanischen Tropen zu hoch angeschlagen wurde. Den eifrigen Machthabern, den treuen Dienern der Krone, war immer der Wunsch als Befehl, der Gedanke immer als That erschienen ; stets selbstvertrauend , aber selten ganz sachver- ständig, hegten und pflegten sie immer neue Hoffnungen. Als beim Ilegierungsantritt König Carlos IIT. in Madrid Reforni- strömungen starker Art begannen, sprachen die Indienräthe die feste Zuversicht aus, dass jenseits des Meeres alle aus dem Lande und aus dem 'S'olke sich ergebenden Schwierigkeiten durch die persönliche Energie einiger tüchtiger Statthalter zu beseitigen seien; die fast souveränen Machtljefugnisse, welche spanische Vicekönige, Gouverneure und Generalkapitäne in den verfassungs- |osen Gebieten Amerikas Ijcsassen, mussten unbedingt der Kultur die Bahn brechen können; diese Vertreter der europäischen Majestät mussten, wenn ihnen nicht zu viel von den sicher noch zu steigernden Einkünften ihrer Provinz entzogen würde, vollauf im Stande sein, Städte und Bürgerthum zu heben, kräftig Gewerbe _ 6 — und Handel zu entwickeln, endlicli einmal Ackerwirthsehaft aus- zubreiten, Borg-liau zu fördern, Flüsse befehrbar zu machen, Wege zu schallen, überhaupt Reform nach Reform zu verwirk- lichen. Der Siegeszug- enroi^äischer Energie lag ja zweifelsohne in nalier Zukunft. So hoch flogen die Ideen in den leitenden Kreisen Spaniens ; deshalb wurden von ihnen für die hohen Colonialämter meist tüchtige ]\ränner auserwählt, zwar keine grossen Geister, aber doch leistungsfähige und tüchtige Charaktere. Zu den interessantesten Gebieten des überseeischen Spaniens schien damals das Vicekönigreich Santafö ') zu gehören, welches dem Räume nach mit Mexiko wetteiferte. Das grosse Reich, dessen Kern das neue Königreich Granada bildete, umfasste beinahe den ganzen, oberhalb des Amazonenstromes sich aus- dehnenden Norden von Südamerika: das noch nngemessene Land, welches von ]\faracaibo und Guayana auf der atlantischen Seite bis zu dem Chocö- und dem Quitolande reichte, bis nach der Süd- see, und ausserdem auch noch den Isthmus bis zu den Grenzen von Guatemala. Lediglich die ursprünglich kleine General- kapitanie Caracas besass in diesen Regionen eine zufällig ent- standene, abgesonderte politische Organisation, deren Bestehen jedoch nicht günstig wirkte. Das Vicekönigreich stand wegen überaus schwacher Be^•ölkerung tiefer als die gleichartigen anderen amerikanischen Reiche spanischer Krone; allein M-as galt dies Missverhältniss für den hohen Flug der ^[adrider Ideen. Warum sollte nicht einen energischen Mann der vice- königliche Posten im Herzen Nengranadas dergestalt reizen, dass er europäische Kultur mit allen Leckereien gegen tropische Wildniss mit ihren Sehrecknissen und Nothstäuden eintauschte. Damals hiess es in Spanien allgemein, dass die bisher selten genannte Kolonie mit ihren Nebenländern an ungenutzten Schätzen und natürliclien Gaben reicher sei, als man wisse; von den eigentlich atlantischen Gebieten sei vielleicht wenig zu hoffen, aber das in den Bergen lebende Volk sei sicherlich entwickelungs- fähig; wer die richtigen Hebel anzusetzen verstehe, werde dort Wunder wirken. Die militärisclie Bedeutung, welche das beide Weltmeere berührende Land gerade jetzt liesass, als europäische Kriege ihren Schauplatz bis nach der neuen Welt ausdehnten, — 7 — wai- von Niemaiulem zu verkeuueii , dov auf den anierikaniscluMi Isthmus seine Jilicke richtete. Zum Vieekönige dieses Landes wurde 1760 ein vornehmer Herr des spanischen Hofes ernannt: l'edro Mejia de la Zerda,*) ^farijues de la Xv^^a de Armijo, Generallieutenant der Marine und Comthur des >[alteserordens. Damals hielt sich der ernst- haft einherwandelnde Herr im Interesse jener noch immer einigen Idealen nachgehenden ritterlichen Genossenschaft zu Madrid auf: er war eine fiir grosse Gesichtspunkte empfängliche Natur, die kraftvollem Wirken zu begegnen verstand. Als er für die Reise nach dem fernen Westlande riistete, hielten in Spanien, wie schon friiher, böse Gerüchte über die Gefahren des Tropenklimas ihren Umlauf. Ein tüchtiger Arzt war deshalb doppelt werthvoll: jedoch die ^ledizin allein war für solchen Reisegenossen nicht genügend; der musste auch den weiteren Interessen dienen können, welche an vielleicht einsamer und hülfeloser Stätte, vielleicht inmitten der Wildniss und der Ge- birge, zu verfolgen waren. Für solche Zwecke suchte sich der kluge Marquese einen aus Cadix gebiirtigen Mann aus: Jos^ Bruno Mütis.^) Dieser, Professor der Medizin und Chirurgie, der am 6. April ITüO sein 28. Lebensjahr angetreten hatte, lebte seit etwa drei Jahren in der spanischen Hauptstadt, wohin er seinen akademi- schen Lehrer, Pedro Yirgilio, begleitet hatte; er war dort, Dank der Gunst des ^[inisters Ricardo Wall, beim königlichen Proto- medicat als Arzt und, nach dem Tode von Professor Martin Martinez, l)ei der Universität als ausserordentlicher Lehrer der Anatomie angestellt. Regen Geistes, bewegte er sich in den besten Kreisen der Hauptstadt; so hatte er Clas Alströmer kennen gelernt, jenen schwedischen Botaniker, der für Linnes Zwecke und mit dessen Empfehlungen die pyrenäische Halbinsel bereiste. Im L^mgange mit ihm hatte Mütis den Sinn für all- gemeine Naturwissenschaften weiter entwickelt; er war ausser- dem mit Vicente Rodrigues de Rivas, dem einflussreichsten Mann in den intelligenten hauptstädtischen Kreisen, zusammen- gekommen und gehörte zu den jungen Gelehrten, welche nach Paris, Bologna und Leyden geschickt werden sollten, damit sie dort weiteren Studien behufs fiskaler Verwerthung der Kolonial- schätze sich widmeten. — 8 - Gerade als diese Stiidienaussicht dem jungen Profesrior winkte, IVagte der neuernannte Vicekönig l)ei ihm an. Der Ge- lehrte, aus dem Sitze des Indienhandels stammend, wo damals noch das Alleinrecht des spanisch-amerikanischen Verkehrs alle Verhältnisse l)eherrschte, hatte schon früher seine Blicke nach Amerika hiniibergeleitet; die Idee, eine Reise nach den Kolonien zu unternehmen, den Ländern, wo noch viele Geheimnisse des Forschers harrten, war für Mütis sehr verlockend; er ging auf das Anerbieten von Mejia ein, zumal noch andere Männer von tüchtiger Begabung in das Gefolge des neuen Vicekönigs auf- genommen wurden. Als Adjutanten desselben erschienen Felix de Sala und Pedro de Escovedo, als Beiräthe Manuel Romero und Antonio Escallon, auch ein jüngerer Bruder von Mütis, Manuel, sollte mitziehen. November 1760 erreichten Zerdas Schiffe Cartajena de Tndias. *) Dieser altl)erühmte Mittelpunkt der gesammten spanisch- amerikanischen Kolonialmacht, der noch den Interessen einer halben Welt dienende Festungsplatz l)ildete eine stolze Erscheinung. Die Rücksichten auf die Vertheidigungsstärke waren mächtiger geworden, als die Bedürfnisse des Handels und die Anforderungen des Schiffsverkehrs: man führte jetzt grosse Bastionen an dem schönen Hafen auf, so dass die Mauern der Werke San Fernando und Sau Jose die Einfahrt der Schiffe beherrschten, auch die Binnenseite trug starke Werke; in der Festung hatten Arsenal, Artilleriepark und Pulvermagazin gar trotziges Aussehen, nur hölzerne Brücken fiihrten ins Land, kein ständiger Weg, damit die Festung isolirt bleibe. Marschall Diego Tavares, der den A'icekönig und seine Reise- geuossen geliührend empfing, Avar nicht bloss Festungskomman- dant, sondern auch Gouverneur der zum Vicekönigreiche Santaf^ gehörenden Provinz Cartajena und hielt auf seine Würde; Er- innerungen an den vor etwa zehn Jahren einer mächtigen engli- schen Flotte erfolgreich geleisteten Widerstand hatten sich in üppiger Weise zu Rulimeserhebungen wegen einer Besiegung des protestantischen Teufels ausgebildet und wurden den neuen An- kömmlingen immer wieder vorgetragen. Ihr erster Besuch galt dem Popa geheissenen Berge, der schon den Schiffern als Land- marke gedient hatte; das war ein dicht vor der Stadt belegener Kegel, durch dessen unteres Busch- und Holzwerk ein ziemlich — 9 — rsteiler, an Aus;;ieliti'n reiclier Zickzackwog /n dem luftigen, von ver:>cbiedeuen Bauten gekrönten Gipfel emporfülirte. Dort ge- währte das Dach des Augu.stinerklosters eine weite Rundschau über .Meer und Land; des Wassers satt, suchte das Auge der Europäer die Stätten der Menschen. Da bot sich nun nach dem Delta des Magdalenastromes zu eine öde niedrige Fiäche, welche in duftiger Ferne durch die Schneeberge der Sierra Nevada von Santa Marta abgegrenzt und nach dem Inlande hin von dunkeln Höhenzügen eingerahmt ward; diese schienen l»ei dem Ueberblick höher und höher zu steigen, dann folgte wieder Tiefland bis zu der anderen Seite des Beschauers, l)is zu den düstern am Horizont sich hinziehenden Strichen, welche die stolzen Palmenwälder der Siuümündung andeuteten. Der sich in den Hafen der Festung hinabsenkende Blick weilte gern auf der frisch grünen Insel Tierra Bomba; er ruhte befriedigt bei den vielverzweigten glänzenden Armen der Seebucht und ihrer Umgebungen; er musterte neugierig die weissgrauen, oft kahlen Bollwerke, sowie die dunkeln, geschützbeladenen Wälle; dann kamen die von Kokospalmen überragten Häuser der inneren Stadt, Kirchen, Klöster, Regieruugsgebäude — aber wo waren die BeAvohner? Die unmittelbare Nachbarschaft Cartajenas , das jenseits der Festungswerke sich ausdehnende Gebiet, zeigte wenig Erbauliches; denn gleich hinter dem frisch und voll grünenden Dickicht des Ufers, dem unheilvollen Manglegebüsch, öffnete sich eine glühende Gegend ohne erheblichen Anbau, ohne augenerquickende Felder und Fluren. Vor den Brücken dieser „indischen Metropole" war Nichts von frischer Kraft, Nichts von Mitteln des Fortschritts zu spüren. Gingen die Fremden durch die Stadt, so machte sich innerhalb der Thore bei der Masse des Volkes das Negerblut überall in Erscheinung und Charakter geltend — die Folge der Sklaverei, deren geschäftlicher Mittelpunkt seit vielen Jahrzehnten für den grössten Theil der spanischen Kolonien Cartajena ge- bildet hatte. Die Illusionen der Reisenden verschwanden während des Aufenthalts in der heissen Festung, mehr noch bei dem Be- treten der kleinen Dörfer, in deren aus J5aml>usstäben und Lehm aufgebauten, mit Palmenblättern bedachten Wohnungen die wenigen Menschen hausten, meistens noch immer nach der Väter Weise lebende Calamares-lndianer. In Cartajena hatte der erste Vicekönig von Neugranada. — 10 — Sebastian de Estaba, fa^t neun Jahre lang (1740 — 1749), der zweite, Jose Alfonso Pizarro (1749 — 1753), den grössten Theil seiner vierjährigen Regierung A-erbraeht. Der jetzige Vertreter der spanischen Krone, der dritte, ein junger Herzog von Montel- lano, Josd Solls, derselbe, der von Mejia abgelöst werden sollte, hatte es unternommen, die schwer erreichbare und fast interesse- lose Landeshauptstadt zum ständigen Ausgangspunkt seiner Thätigkeit zu machen. Von ihm erhielt der Marquese.in Cartajena eine wenig er- freuliche üebersicht über die letzten sechs Regierungsjahre; trotz des trüben Eindrucks, den ein so umständlicher, Kirche und Mission, Finanzwesen und Steuererhebung, Rechtspflege, Landesvertheidigung und viele andere Regierungszweige um- fassender Bericht hervorrufen musste, entschloss sich der neue Vicekönig sofort, ebenfalls vom Innern aus seine Wirksamkeit zu versuchen, nicht an der Küste. Mejia verliess Cartajena schon am 5. Januar 1761, freilich ohne von der riesigen Ausdehnung des Binnenlandes einen klaren Begriff zu haben. Er ritt durch die Küsteuebene nach dem Flusshafen ßarrancas, fuhr dann den Magdalenastrom und end- lich den Oponfluss hinauf, erreichte bei Velez eine der Hoch- gebirgsflächen der himmelansteigenden Cordilleren und gelangte endlich am 24. Februar w^ohlbehalten nach Bogota.^) In dieser alten Residenz spanischer Statthalter überlieferte ihm Solls Geheimarchiv und Reichskanzlei in aller Form, um dann zum letzten i\Iale die vicekönigliche Karosse zu besteigen. Der Quälereien in der Wildniss müde, legte er am Tage seiner Er- lösung vom Weltdienste Kleid und Gurt der Franziskaner an, nachdem er sein Vermögen dem Bogotaer Hospital überschrieben hatte. Eine solche Verzweiflung konnte für den neu angekommenen Nachfolger wohl verständlich w^erden, wenn er den Unterschied zwischen dem in Europa so hell scheinenden Glanz der vice- königlichen Würde und der zu Bogota sich zeigenden nackten Wirklichkeit erwog. Schmerzlich hatte er erfahren, dass in Neu- granada Landstrassen gar nicht vorhanden waren: wie auf dem vom Oponfluss nach Völez führenden Gebirgspässe, so fehlten die ersten Anfänge eines Strassenbaues den übrigen Wegstrecken ebenfalls, namentlich den uralten Dickichtpässen der Eingeborenen, - 11 — ^velclle nach den goklrcidien Tliälern von Antio(ini;i und von Choco fiilirten. sowie nach den Stromgebieten des Orinoko nnd Amazonas, wohin nnr ein einziger Sannipfad bestand, der kürz- lich dnreh den spanischen Offizier Enjenio Alvarado behufs Vieh- transports gelichtet ward. Nach Venezuela und nach Quito gingen «'benfalls nur Indianersteige, die vielfach nicht einmal für Maul- thiere benutzliar waren. Was die Landesvertheidigung l»etraf, so lagen, gleicli Cartnjcna. auch alle anderen Wafien])latze au.sserhalb der Konnnandoweite jener Andenstadt, nändich einer- seits Puerto Cabello, Maracaibo, Santamarta und I'ortobello, andererseits Panama' und Guayaquil. Am Meerbusen von Uraba'. in dem Gebiete von Darien, im Osten der Siniimündung, sollte eine neue Festung errichtet werden ; aber in Bogota' kannte man kaum die dafür auf nnwirthlicher Küste ausersehene Stelle. Wie mit. den Bewohnern von Darien und auch mit denen von Chocö, so waren gleichfalls mit manchen anderen noch Avilden Indianern seit langer Zeit erfolglose Kämpfe im Gange: mit den Goajiros, den Motilones und Chimilas; Missionen, denen Militärbedeckungen beigegeben waren, bestanden im Rücken der Hauptstadt, sodann in den unwirthlichen Grassteppen von San ]\rartin und von San Juan, unter der Führung der Franziskaner von Popayan, ferner am ^leta, am Casanare und am Apure unter Leitung der Bogo- tacr Jesuiten. Keiner dieser mühseligen Hinterwäldlerposten hatte bemerkenswerthe Lebenskraft erlangt. Die Finanzen des Alcekönigreiches, deren Hebung die erste Aufgabe des Vice- königs bildete, lagen 1760 vollständig darnieder; die Behörden jener Küstenplätze verzeichneten ebenso, wie die von Quito, Popaj-an, Barbacoas, Cartago, Medellin, Antioquia, Ocana und ^kfonipos, nur sehr geringfügige Einkünfte; die uuregelmässigen Ausgaben der letzten Regierung hatten altvererbte Uebelstände noch vergrössert; dazu war der Umbau der Vertheidigungswerke von Cartajena gekommen und schliesslich der unheilvolle Ver- such, die Grenze des Vicekönigreichs mit Brasilien festzustellen, welche irgendwo in unbekannten Gewässern vorgenommen werden sollte. Schon im Juli 1754 hatten Abgesandte von Spanien, Männer wie Jos^ de Iturriaga, jener Eujenio Alvarado und Jos(? Solano, ihre Grenzuntersuchung mit einer Orinocofahrt be- gonnen und an der Mündung des Guaviare die nicht ganz hoflnungslose Station San Fernando de Atabapo begründet: sie — 12 — gel)oteii damals über einen kostspieligen Stal) von Naturforschern, Mathematikern. Zeichnern und Ingenieuren, sowie über eine Be- deckung von mehr als hnndert Mann; nun war vor Kurzem Alvarado nach dreimonatlicher Reise durch die Wildniss in Bogota' eingetroffen, um Geldmittel und Zufuhren zu erbitten. Etwa zu gleicher Zeit waren die portugiesischen Commissare, Francisco de Mendoza Hurtado, Miguel Antonio Ceyra und Juan Anjelo Bruneli mit einer Begleitung von 200 Mann auf dem Amazonas landeinwärts gedrungen; zwischen den beiden Parteien gab es keine Verständigung; auf spanischer Seite lag die Gefahr nahe, dass viel formell versäumt werden könnte; die Portugiesen dachten nur an den Besitzstand und dessen Erweiterung: alles Abmühen in der Wildniss blieb, so viel Opfer auch zu bringen waren, nutzlos und ohne Gewähr für die Zukunft. Kaum hatte Mejia für diese Unternehmung die ersten neuen Gelder beschafft, als ihm der im Schlosse Pardo am 12. Februar 17G1 abgeschlossene, viele frühere "Vereinbarungen wieder auf- hebende Staatsvertrag zu Gesichte kam; der Professor Mütis, bereits nach Landesart gekleidet, brachte diese wichtige Urkunde am 15. Juni 1761 nebst der ersten neuen nach Bogota gelan- genden Post. Der lebhafte Naturforscher hatte von Cartajena aus einige Monate lang dem Studium der neuen, berauschend auf ihn ein- wirkenden Natur sich hingegeben; der Rand des Tropenwaldes mit seinen Riesenbäumen und Schlingpflanzen, das ßuschdickicht zu Wasser und zu Land, die Seeufer mit Fischen und Muscheln, die Yogelwelt, deren Farben mit denen der Blumen Avetteiferten, all dies bot die wunderbarsten Räthsel, deren Lösung immer Genuss und Erfolg versprach. Als der Gelehrte von den neuen Reizen der Küstenlandschaft sich losgemacht hatte, setzte er seine Forschungen in dem mosquitoumschwärmten Champan des Magdalenastromes wochenlang fort, so gut es ging; das rohe Indianerfahrzeug trug ihn langsam, sehr langsam in ein unge- heueres Land. Nichts als ein einziger Wald, nichts als dichter, dichter Wald, in welchem mächtige Wildströme mit vielen Seiten- armen und grossen Nebenflüssen seit Jahrhunderten breite Betten eingefurcht haben. Das Nachtlager war auf den Sandbänken inmitten der Ströme zu nehmen; die Bootsknechte machten au — 13 — jedem Ulerplatze halt, wo es einen Trunk gal> — sonst ging die Fallit unglaulilioli cintüiiig und eriuiidend von Statten. Gleich Mejia riilir sein i'roressor in eines (h'r wilden Seiten- gewässer hinein, in den Oponfluss; es war die alte Fährte der vor mehr als zwei Jahrhunderten zuerst ins Land vordringenden Europäer: ein Weg, welcher jetzt noch fast ebenso wüst lag, wie ir)36. Auf seinen Seiten hausten im Dunkel des Urwaldes wie damals wilde Indianerstämme, freilich nur jämmerliche, von Fischfang und Jagd lebende Menschen, aber doch gefährliche Bogenschützen, deren lange llohrpfeile ihr Ziel selten verfehlten, angeblich Nachkommen "der tapferen Muzos. Dort lag ringsum ein namenloses Waldgesindel, dessen Ausrottung eine Wohlthat gewesen wäre. Durch Sumpfgebüsch. Röhricht und Felsgerümpel, durch Stachelgewächse, Laubwände und Kletterranken, durch Stämme, Aeste und Wurzeln waren die Rotten vor Angriflen ge- schützt. Limitten des Gewirres der freien Troi)envegetation sah es doch ganz anders aus, als ein europäischer Naturforscher nach Gewächshäusern und Gärten erwarten konnte. Die böse Flussfahrt war endlich zu Ende, unter JJegleitung von Abtheilungen des Rogotäcr Yeteranenkorps. einer im Aeussern halbverwilderten und doch sonst wieder halb europäisch geblie- benen Militärtruppe, begann Miitis den beschwerlichen Bergritt, von dem ei- in der freundlichen Ortschaft Yelez einige Zeit sich erholen durfte. Da wurde iliiii der Gedanke vertraut, dass er an einer Stätte zu leben haben w^erde, wo Anklänge an euro- päische Kulturen nur in wenigen kiiramerlichen Oasen sich finden lassen würden. Am ehesten waren sie natürlich da zu erwarten, wo Mntis seinen Herrn und Gebieter in stolzer Umgebung anzu- t reifen hoffte. Die langersehnte Hauptstadt wurde bald erreicht — welch ein Abstand gegen Cadix oder gar gegen Madrid, ja selbst welch ein L^nterschied zwischen dieser sogenannten Resi- denz und der Meeresfestung. Mütis traf des A^'icekönigs Excellenz, trotz Leibwache und Ilofetiquette. in geradezu dürftigen A"er- hältnissen. Freilich hatte die Lage der von den Entdeckern aus mili- tärischen Rücksichten zu einem Hauptsitz ihrer Macht ausersehenen Stadt Bogota' l'ür einen Naturforscher viel Interessantes; ihr Haii]»tidatz, der vor der Kathedrale befindliche Markt, war unge- fähr 26<^X) ^feter über dem Afeeresspiegel erhaben: ;iuf drei — 14 — Seiten wurde der Ort von etwa 16 geographischen Quadratmeilen flachen Landes umgeben, einer fast baumlosen Hochebene, die ihre Wasser nur an einer Stelle, nämlich bei dem Gehöft Te- ciuendama, nach dem Magdalenathale hinabschüttet. Unmittelbar hinter der Stadt steigen mächtige Gebirge bis zu einer Höhe von 3500 Metern empor: ein wolkenbedeckter Wall zwischen den Gewässern des Orinokos und denen des Magdalenas. Baum- los wie das Tafelland, sind sie doch eigenartig wegen niedriger Vegetation und überall zu Tage tretender kolossaler Felsbildung. Angesichts so grosser, wenngleich öder Natur bot Mejias Resi- denz mit ihren etwa 20 000 Bewohnern als Stadt nichts, gar nichts. Fast ohne hervorragende Gebäude, platt und kahl, zeigte sie in ihren niedrigen Häusern nur die Bauart der alten Land- städte von Südspanien; ohne jeden europäischen Schmuck stand sie da. Kleine Wohnungen lagerten sich um grosse innere Höfe; diese waren wegen der oft'enen Gallerien freundlich, aber bei der dünnen Bergluft und dem häufigen Regen frostig, wegen der glaslosen vergitterten Fensterhöhlungen ungesund, nach Aussen waren sie unscheinbar wegen des bröckelnden Materials, der getrockneten Lehmziegel und wegen der überall herrschenden Unreinlichkeit. Selbst öffentliche Gebäude, wie der Hof des Yice- königs am Markte und der Sitz der königlichen Regierung, der Audiencia, trugen einfachste Bauart. Die geraden, meist menschen- leeren Strassen waren wenig zugänglich. Wenngleich sie an einzelnen Theilen Wagenverkehr ermöglichten , konnten sonst doch nur Lastthiere, wie Pferde, Maulesel oder Rinder, auf ihnen als regelmässige Transportmittel dienen. In den wenigen grösseren Bauten der Stadt zeigten sich noch frische Spuren früherer Erd- beben; bedeutendere Anlagen, wie alte Kirchen und Klöster, lagen in Ruinen, halbvollendet oder früh verlassen; sie waren zugleich redende Zeugen von der E1)be im Kolonialschatz und von der Furcht vor Zerstörung. Ein bürgerliches Element hatte sich in der Bewohnerschaft nicht entwickelt; die Masse des Volks war indianischer Herkunft, sie darbte in Elend und Unwissenheit. Die eingeborene Aristo- kratie war von den öflentlichen Geschäften, namentlich von der Theilnahme an der Regierung, grundsätzlich ausgeschlossen, da- gegen bildete eine kleine Zahl höherer europäischer Beamten dm viceköniglichen Hofstaat, welcher mit heimischer Vornehm- — 15 — heit und grosser öelbstül)erliel)ung den Kreisen der Eingeborenen fremd blieb; die unteren Klassen der Si)anier ahmten solcliem Vorbilde nach. Wollte Miitis etwas über Land und I^eute des Vicekönig- reiches erfahren, so wurde er darauf vertröstet, dass gerade jetzt von Francisco Vergara und Juan ^furcia de Zarratea eine geo- graphisch-statistische Uebersicht ausgearbeitet werden sollte; ein von Mejia befohlenes Werk, welches alles Wissenswerthe von Neu- granada enthalten wiirde. wenn auch nicht iiber die Xelienländer. Suchte er unter seinen mit Staatsämteru bekleideten J3ekannten nach einem Kenner des wilden Innern, so fand er nur in dem Vorsteher der Bogotaer Münzstätte, in .Miguel Santiste'van, ^) einen praktisch erfahrenen heimathkundigen Mann. Dieser hatte 1751, drei Jahre nach seiner Ankunft in Cartajena, einen grossen Theil der Öüdprovinzen des Reiches bereist: er war damals bis an die Grenzen ffesren Peru gekommen und Avusste vorzüglich o^n von den in Europa so wenig bekannten Provinzen Popayan und Quito zu erzählen. In der Geistlichkeit des Bogotäer Erzstiftes gab es mir wenige Personen, welche Landeskunde besassen, ob- wohl seit einiger Zeit Amerikaner zu höheren Kirchen würden gelangt waren. Der damalige Erzbischof, Francisco Javier Araus, aus Quito gebürtig, hatte von europäischem Wesen nur geringe Ahnung; die meisten geistlichen Genossenschaften wurden aus Creolen gebildet, namentlich aus Dominikanermönchen, welche alles Neue wie Teufelswerk hassteu und verfolgten. Die klugen Jesuiten waren meist Europäer; aber sie konnten nur selten in der Hauptstadt sich aufhalten, weil ihr bevorzugtes Arbeitsfeld die abgelegene Lidiauermission war. Zu diesen Jesuiten gehörte ein eifriger, kenntuissreicher Mann, dem Mütis alsljald näher trat; Antonio Julian, ^) dieser in Rom ausgebildete Priester, hatte das Land zuerst betreten, als jener Araus Bischof von Santa- marta geworden war; fünf Jahre später (1754) war er mit ihm nach Bogota' gezogen, da die ^lission unter den Goajiros-Indianern, die mit ausländischen Ketzern verhassten Yerkelir trieV)en, auf- gegeben werden musste. Konnte Öantistcvan von den Südpro- vinzen Neugranadas berichten, so vermochte Julian iil)er die Nordprovinzen, vorzüglich ül)er Paniplona und Santamarta, Inter- essantes beizubringen. Der Mann wusste viel i'iber Land und Leute, viel von IMIanzcn und Mineralien, von Handel und Schiff- — 16 — fahrt; er konnte von den Perlen der Rioliachagegend sprechen und von den 8ilLerlagern bei Pamplona oder bei Mariquita, lerner von den Goldwäschereien bei Jiron, Simitf, Caceres, los Remedios und C'haparral; er interessirte sich für Coca und Zuckerrohr, fiir Indigo, Cacao und Brasilholz, für BauuiAvolle und Tabak, für Pferde- und Rindviehzucht, die Basis aller neu- granadischen Fortschritte; er hatte die Anfänge der Getreide- kultur an vielen Plätzen sel]3st hervorgerufen, er kannte Leben und Treiben mancher noch wilden oder halbwilden Stämme und wusste auch mancherlei aus der in Bogota' ganz vernachlässigten Landesgeschichte. Li Santamarta hatte er eifrig die Chronik von Bischof Piedrahita^) gelesen, deren Berichten er vollen Glauben schenkte, ohne zu fragen, woher sie stammten. Dann hatte er in Bogota die erst vor Kurzem ausgestorbene Sprache der Chibchas, der auch als Muiscas bezeichneten ehemaligen Landesbewohner, ^) mit Literesse studirt. Solche Kenntnisse enthielten für Mütis bei der sonst schläf- rigen Umgebung manches Anregende; er erwarb von Julian ein Wörterbuch der Sprache jeuer Goajiros und Hess sich von ihm allerlei über die Bestattungsweise der Urbewohner auseinander- setzen. Der Vicekönig beorderte aus der Gegend von Ocaiia eine der Mumien von Indianern, welche in kauernder Stellung getrocknet sind; es wurden aus Gräbern stammende thönerne Urnen, in denen Schmucksachen verschiedenster Art sich fanden, in Bogota gesammelt, sowie auch fein gearbeiteter Goldschmuck, der aus Gebirgsseen oder Felsengrüften herriihren sollte. Da es bisher keine Beschreibung von Neugrauada ^'^) gab, geschweige eine geographische oder statistische LTebersicht des ganzen Vice- königreiches, erschien es als etwas Besonderes, dass Basilio Yicente de Oviedo, Pfarrer zu Charalä, eine Beschreibung einzelner Gebietstheile dem neuen Landesherru zur Beglückwünschung übersandt hatte. Mütis besass Lebenskraft genug, um der neuen fremdartigen Umgebung sich anzupassen. Auf der Reise zur Hauptstadt hatte er, trotz seiner Arbeitsamkeit, die Schätze der vollständig neuen Tropenwelt nur oberflächlich mustern können; deshalb war es für ihn keine unerfreuliche Wendung, dass Mejia schon Mitte September 1762 wieder zur Küste reisen musste, da ihm die englische Kriegserklärung vom 4. Januar 1762 grosse Sorgen — 17 - bereitete und die Festnno- rartajoiia auf Jode niöirlielic Weise sicher zu stellen war. Der l'rofcssor begleitete ihn; es ging die Fahrt über den Flusshal'en Honda, so dass auf ihr ein neues, trrosses und reiches Stück vom Innern des Landes zu sehen war. In Cartaiena widmete sich Miitis immer systematischer den l)Otanischen Arbeiten, die ihm nicht bloss jener Alströmer vor der Abreise aus Europa warm ans Herz gelegt liatte, sondern später auch Carl v. Linnt? sell)er. ") Dieser grosse Meister der Naturwissenschaften, dessen maassgebende "Werke von Miitis nach Amerika mitgenommen waren, hatte den Professor schon gleich nach seiner Ankunft in Bogota durch ein Schreiben geehrt, in welchem er ersucht wurde, die naturwissenschaftlichen, nament- lich die botanischen Interessen nach Kräften zu pflegen. Drei- mal hatte Miitis l)ereits dem grossen Schweden geschrieben, zum ersten Male im Juli 17G1; al)er Antwort war ausgel)liel)en, ob- wohl den Bogotäer Briefen allerlei wissenschaftliche Beilagen hinzugefügt waren, wie z. B. Bemerkungen iiljer amerikanische Ameisen, Beschreibungen einzelner Fllanzen und Berichte über neue Reiseunternehmungen. In Cartajena schrieb Mütis noch- mals und übersandte zugleich den Plan für die nach dem vice- königlichen Sitze zu veranstaltende Rückfahrt, sowie das Pro- grannn einer grösseren Forschungsreise, welche noch weiter ins Innere des unbekannten Landes fiihren sollte. Zum grössten Bedauern von Mütis zerschlug sich jenes Projekt, das namentlich dem heissen oberen Magdalenathale und der Timana'gegend u'alt. obwohl er ihm noch im Juli 1763 seine schönsten Hoffnungen zugewendet hatte. Als der mit England geschlossene Friede die Rückkehr ins Innere gestattete, ging die Reise des Vicekönigs und seines Gefolges sofort nach Bogota', wo man nach einjähriger Abwesenheit und öOtägiger beschwerlicher Reise wieder eintraf, so dass Miitis von da aus bereits am 6. October aufs Neue nach Upsala schreiben komite. In der Hauptstadt war nun ein ruhigeres Leben zu erhofifen : allein Mütis erkrankte an den Folgen des Küstenklimas, der Reisestrapazen und des Temperaturwechsels, so dass er erst Anfang 1764 zu weiteren Arljeiten fähig war. Er widmete sich nun am liebsten dem Unterrichte an der ersten Lehranstalt des Ortes, dem Colejio de Nuestra Seüora del Rosario, einer Art Hochschule, welche, unter der Leitung einer eigenen Brüderschaft Scbumacber, Südamerik. Studien. 2 — 18 — steliond, gewisser SelbststäiKlif^keit sich erfreute; dort eiuplingen die besten Elemente des Landes ihre Ausl)ikhuig, vorzugsweise die Söhne des eingeborenen Adels, welche, sofern nur das bis- herige System der Bevornnindung einmal aufhörte und die Landes- kinder selbst fiir Hebung ihrer lleiniath, für eigenen materiellen und geistigen Fortschritt arl)eiten durften, die zunächst I^erufeuen waren. jNIit Genehmigung seines Vicekönigs hatte Mütis diesen Unterricht schon vor der Eeise nach Cartajena für kurze Zeit angefangen, nämlich am 13. März 1762. Er erneute diese Thätig- keit nunmehr mit doppelter Energie. Sein Lehrfach Avar nicht etwa Medicin oder Botanik, sondern Mathematik, Avelcher er jedoch, sobald seine Schüler gereifter waren. Verwandtes an- schliessen wollte;*^) er arbeitete ferner an einer öffentlichen Rede, in der das Newtonsche Weltsystem gegen die veralteten, in Bogota noch immer herrschenden Ansichten vertheidigt werden sollte, und an einem Vorlesungsprogramm für allgemeine Natur- wissenschaften, um die l)isherige Lethargie der Jugend noch kräftiger aufzurütteln. Anfang 1765 trat Mütis mit diesen Neuerungen hervor, gegen welche Geistlichkeit und Mönchthum erfolglos sich zu erheben versuchten; der spanische Professor ward von einem umsichtigen Vicekönige, wenn auch nicht gegen Angriffe, so doch gegen Gewaltthaten geschützt, und gewann den Ruhm, einige der Errungenschaften europäisclici- Wissen- schaft in der Wildniss der südamerikanischen Anden zum ersten Male öÜentlicli verkündet zu lialjen. 2. Briefwechsel mit Linne. D'w IlolViiuiiu'cii. welche Miilis ;iii den <^vistiu'oii N'ci'kclir mit Carl v. JjiiuK^ kniipi"t(\. tiiniroii cr.-^t spät in Krfrilluneginn der .spanischen Kolonialwirthschaft haben von allen Schätzen der neuen Welt die Mineralien, namentlich Edel- metalle und Edelsteine, das Interesse von Regierung und ]}e- vülkerung fast ausschliesslich auf sich gezogen; in Neugranada waren, als Mejia dem Vicekönigreiche vorstand, die Zeiten (.U^^ Gewinnes längst dahin. '^) Mau erzählte zwar noch von ehemals ergiebigen Sillierlagern , erhielt auch noch gelegentlich einzelne mächtige Goldstufeu und kostbare Smaragdstücke, die in der Hauptstadt angestaunt wurden: allein fast im ganzen Lande fehlte Sachkunde, sowohl wissenschaftliche, als auch technische. Der Bei-gbau, dessen Betrieb mehr Menschen verbrauchte, als an den meist abgelegenen Fundstätten sich darboten, war mehr und 2* — 20 - inelir eingeschlafen ; die Goldwäscherei bildete beinahe die einzige Form des Gewinnes. Mejia wollte das Verlorene wiedererlangen, zumal die endlosen Kriege seines Vaterlandes nicht bloss die l>edürfnisse des königlichen Schatzes in Madrid, sondern auch die der viceköniglichen Kasse erheldich steigerten; verlangte doch allein die langdauernde Kriegsbereitschaft Cartajenas grössere Summen, als durch Monopole, Zölle und Steuern stetig im Lande selbst aufgebracht werden konnten. • In Peru war der Bergbau noch nicht so tief gesunken, wie in Neugranada; Mejia erbat sich daher von Lima eine sach- verständige Persönlichkeit, welche zunächst durch Untersuchung der alten Fundstätten, dann durch ^Muthen auf neue Lager und endlich durch Begutachtung der zu wählenden Betriebsweise das Bergwesen wieder in Aufschwung zu bringen helfe. Für solchen Zweck erschien Josö Antonio de Villegas y Avendano in Bogota und empfing Anfang 1765 den Auftrag, die nordwärts von dort l>elegeuen Gebiete zu besuchen, über deren Reichthiimer Julian soviel erzählte. Auf dieser Keise begleitete ihn Professor Mütis, damit so sorgfältig wie möglich nicht nur alle Berichte ange- fertigt, sondern auch alle Arbeiten eingerichtet würden; es sollte die papierene Wirthschaft aufhören. Jenseits Velez kam Mütis in einen ihm noch unbekannten Landstrich, der vieles Literessante darbot; er sah den smaragd- reichen Bezirk von Muzo und die reiche, viele Silbererzgänge enthaltende Umgebung der neuerdings zur Provinzial - Haupt- stadt erhobenen Ortschaft Pamplona. Während Villegas bald zurückkehrte, blieb Mütis in der Umgebung Pamplonas mehrere Jahre lang, namentlich in den vielversprechenden Grubenrevieren von Cacota del Surate und von La Montuosa. Bei ihm waren einige Unterbeamte und Diener, ausserdem ein junger Maler, ein Schüler von Joaquin Gutierrez, der Bogota'er Pablo Antonio Garcia, welcher schon in Muzo seine Zeichnungen von Pflanzen, Insekten und Krystallen begonnen hatte und bald farbige Tafeln herzustellen versuchte, zu welchem Behuf ihm sein Gönner eine französische Schrift über Miniaturmalerei von Anfang l)is zu Ende übersetzte. Die Bergbau- Angelegenheiten nahmen, trotz der Ausdauer von Mütis, nicht den vorausgesagten günstigen Verlauf; dagegen gewälirte die Botanik dem empfänglichen Sinn inuner reicher(Mi — 21 — GoJiii6.s, /.iiinal die BricI'c. die Miitis niiverdro.sseii ;in Liiiiu' ge- richtet hatte, endlich ihren llanptzweck erfiillten, den IJeginn eines wisyenschaftliclien Verkehrs. Dem letzten Schreiben, das Miitis von Bogota' aus an den grossen Schweden abgesendet hatte, dem siebenten, welches vom 24. Sei)tember 17()4 ihitirte, war eine die sogenannte peruanische Kinde betreffende Abliildung nebst einigen getrockneten BliUhen beigelegt gewesen. '^). Der nur im dichtesten Tropenwalde wild vorkommende Kinabaum. dessen Rinde als Heilmittel imnnM- bedeutender geworden war, interessirteljinne ganz ausserordentlich. Freilich war schon viel über ein Jahrhundert verflossen, seitdem die heilende Wirkung der Kina weiteren Kreisen bekannt geworden war: allein die Wissenschaft stand vor dem Arzneimittel noch immer wie vor einem Wunder. Miitis kannte die (Jeschichte dieses fieberverscheuchenden Artikels ziemlich genau. Bereits im Jahre 160Ö erhielten Europäer in ^lalacatos, liezirk Loja, zum ersten Male eine pulverisirte Dosis, welche Tropenfieber vertrieb; durch die Anwendung des- selben genas 1630 der oberste Beamte jenes zur Quito'er Präsi- dentschaft gehörigen Bezirks, Juan Lopez de Canizares; dieser sandte einige Jahre später l'rolten der Substanz nach Lima, wo die Gemahlin des Yicekönigs, die schon bejahrte, infolge ihres langen Aufenthalts im spanischen Amerika allgemein bekannte Gräfin von Chinchoii, schwer krank lag. Die Arzenei war eine angeblich in der Kehuasprache ,,Quinaquina" heissende Baumrinde, welche nicht fern von Loja und besonders in der Gegend von Uritusinga sich finden sollte. Als der mit der Vicekönigin 1()40 heimkehrende Arzt, Juan de A'ega, zuerst in P]uropa das Mittel praktisch verwendete, hatte es besten Erfolg: ihm war bald mehr und mehr Aufmerksamkeit geschenkt Avorden; wie denn 1670 Kardinal de Tiujo das Bindenpulver in einem grossen Theile von Euro](a unter die Jesuiten vertheilen Hess. An der Küste des Stillen Meeres entstand damals schnell ein bedeutender Handel, welcher den Artikel zuerst in Piura und Payta, später in Guaya- quil verschiffte und anfangs den Weg um das Kap Hörn ein- schlug, dann den ül)er die amerikanische Landenge, damit die Rinden nicht zu lange den EinHüssen der Schiffsräume ausgesetzt würden. Obwohl in Europa eine medizinische, die Fieberrinde behandelnde Litteratur sich zu entwickeln begann, herrschte über 22 den JJuiuii. dem sie angehörte, lange Zeit liindiireh nur .■^ehr geringe Kenntniss; diese beschränkte sich auf eine mit zwei Ab- biklungen versehene Al^handbnig, welche Charles Marie de la Coii- daiuine. ^litglicd der 17o5 nach Amerika gegangenen französischen (Jelehrtenkommission, in den Denkschriften der Pariser Akademie der Wissenschaften veröffentlicht hatte, nachdem von ihm im Februar 1737 an Ort und Stelle über J3auni, Kinde und richälung Erkundi- gungen eingezogen und manche wichtige .Thatsachen ermittelt waren, z. B.; dass man beim Sammeln weisse, gelbe und rothe Kina zu unterscheiden pflege. Nach dieser Schrift von 1740 hatte Liund die Beschreibung für seine botanischen Werke an- gefertigt, in "welchen er 1753 der von ihm nie gesehenen Art die Avissenschaftliche Taufe ertheilte durch den Namen Chinchona und den Zusatz officinalis. Auch Mütis hatte die Pflanze, als er von ihr Proben nach Upsala absandte, noch nicht zu Gesicht bekommen; was er einschickte, war ihm von jenem Miguel Santistövan gegeben, dessen grosse Reise nach der Provinz Quito besonders den Zweck gehabt hatte, die Kinagewinnung zu studiren. In einem Berichte am 4. Juni 1753 hatte Santistövan. die Kina von Loja mit Berücksichtigung der Gebrauchsanweisung jenes Juan de la Vega besprochen und als Mittelpunkt des Kina- handels Guayaquil empfohlen; im Uebrigen sprach er in jener Denkschrift auch iiber die Kina von Ayabaca, Gnancabamba, Jaen, Riobamba, Chillanes, A^illopanta, Gualasga und anderen Gegenden. ,, Bäume dieser Art'", setzte er hinzu, ,, linden sich auch auf den die Stadt Quito umgebenden Gebirgen und auf den von ihr nach Bogota führenden Wegen iiberall, wo die Temperatur der von Loja ähnlich ist. Da sind die Berge des Juanambüflusses und die von Berruecos; da ist die ganze Umgegend von Popayan, sowie der Abhang des Guanacasgebirges von dem Orte Corrales an bis zu dem Berge desselben Namens.'' In diesen Worten war der Fieberrindebaum zum ersten Male nördlich vom Aequator nachgewiesen worden; die genainiten Gegenden waren zum Theil so l)elegen, dass nicht Guayaquil, sondern Cartajena den natür- lichen Ausfuhrhafen für die Rinden bildete; Vicekönig Mejia hatte deshalb bereits 1763 die Wichtigkeit der Kina für die Ein- nahmen seines Reiches in amtlichen Berichten hervorgehoben. So lag es Mütis nahe, jene Sendung an Linne' zu machen, dieser erachtete ihre Echtheit iiber jeden Zweifel erhaben; nach - 23 — ihr verliTtigte vv ciiu' iicnc I>oselireil)nii. Mai 17()7 schrieb er einen langen Jjrief an Linne von seinem i^ieblingsauienthalte ans, einem Ge- höfte am Ufer der stillen Lagune von Ca'cota, in deren Wasser machtige Berge und uralte Waldmasseu sich spiegeln: .,lch glaube Ihnen schon mitgetheilt zu haben'', so schrieb er, „dass ich nach Abschluss meiner ersten, die Umgebung Bogotas um- fassenden Reisen hierher zur Erforschung alter Silberlager ge- gangen bin. Seitdem hat sich mir Gelegenheit geboten, eine Menge von Pflanzen anzutreffen, theils iil)erhaupt sehr seltener, theils mir vollständig neuer. Von Vierfiisslern , von Insekten und Mineralien will ich gar nicht reden, geschweige von den Vögeln dieser entzückenden Gegend, welche alles l)isher Beoli- achtete iiberbieten : dagegen sende ich Ihnen die Beschreibung eines neuen Pflanzengeschlechts und einige Bemerkungen iiber bereits bekannte Arten." Linnö erhielt in dieser Zeit die fiir ihn neuen Geschlechter Acaena. Befaria und Trilix, bisher unbe- kannte Arten von Hypericum. Krameria und Tradescantia, eine neue Beschreibung von Brabeium, sowie Mittheilungen iil»er Plumeria. Carica und sonstige Details. Eifrigst spähte Miitis nach einer Chinchona aus und fjuid auch endlich unfern von Jiron einen Baum, den er für eine Chinchona glaubte halten zu dürfen. Der von Mütis entwickelte gelehrte Eifer fand beim A'ice- könige besondere Anerkennung. Dieser musste einen Schritt thun. welcher ihn zwang, die einzigen geistlichen Elemente, die seiner Regierung dienen konnten, verloren zu geben und zum nothdürftigen Ersatz die wenigen weltlichen Kräfte, die ihm zur Verfügung standen, aufs Höchste anzuspannen. Kraft königlicher Verordnung erfolgte am 30. Juli 1767 in ganzen Innern Neu- (iranadas die Vertreibung der Jesuiten. Die mit aller Schärfe durchgeführte Maassregel riss auf den verschiedensten Gebieten des Koloniallebens tiefe Lücken: in der Indianermission, in der Kultur abgelegener Gebiete, in der Förderung höherer Interessen. — 24 — Wie Antonio Julian, so verliessen damals viele andere Mitglieder der Gesellschaft Jesu, die unter den unreifen Verhältnissen des Landes wohl genützt, kaum aber geschadet hatten, das Vice- königrcich auf Nimmerwiedersehen. Der Verlust an mitarbeiten- den Kräften ward schwer empfunden und die Regierung wusste keinen andern Rath, als die Pfade, welche unter den europäischen Verhältnissen vielleicht vorgezeichnet waren, blindlings und rück- sichtslos zu betreten, so sehr sie auch der Kolonialtradition widersprachen. Was den Jesuiten a))genommen war, hatte jetzt zunächst der Volksbildung, dem Massenunterrichte, sodann der Einführung freierer Anschauungen, wie sie Mütis zuerst durch seinen Mathematik-Unterricht, seine Rede über das Newtonsche System und sein Programm über naturwissenschaftliche Vor- lesungen anzubahnen gedachte. Sollte eine derartige Reform ins ganze Volk getragen werden, so Avar ihre Leitung in die Hand eines Eingebornen zu legen , und der spanische Vicekönig scheute sich nicht, Francisco Moreno,^^) einen aus Mariquita gebürtigen, in Spanien erzogenen und bereits zum Fiskal der Audiencia emporgestiegenen Mann, mit dem hohen Amte zu betrauen, die Hinterlassenschaft der Jesuiten nutzbriuo-end und volksthümlich anzulegen. Der Creole gedachte durch ein grosses ; theoretisch vorzügliches, allgemeines System die stetig im Kleinen wirkende Hülfe zu ersetzen, welche der unermüdliche Orden im ganzen Lande bis zur kleinsten Hütte der fernsten Niederlassung, von den Choco -Wildnissen l)is zu den Ebenen des Meta-Flusses ent- faltet hatte. Moreno verlangte überall, wo Jesnitenmissionen bestanden hatten, Staatsschulen, ungestört dadurch, dass diese ständiger Einnahmen bedurften, während jene Hinterwälder-Posten immer neue Unterhaltuugsmittel sich selber geschaffen hatten; er entwarf einen grossen Studienplan , dem Sintis ungetheilten Beifall spendete ; er begründete in der Hauptstadt aus den Büchern der Jesuiten eine öffentliche Biljliothek, welche er selber so zu leiten versprach, dass sie den Bildungsdrang, wenn er vorhanden war, befriedige, wenn er schlummerte, wach rufe. Mütis meinte, dass ein ganz unberechenbarer Fortschritt gemacht werde: die Pforte der Erkenntniss stehe den Eingel)ornen offen. Unterm 3. Mai 1768 wurde jenem Colejio del Rosario, an dem Mütis gelesen hatte, dem ersten Bildungsinstitute des Landes, das auch dem Einfhissc der Geistlichkeit nicht unmittell)ai' unterlag, der 9^ Rang der Universität von Salamanca verliehen, so dass dessen Professoren die Adelsanszeichnung erhielten. Gleich .Mejia nnd Moreno, erldiekte IVofessor Mütis in solcher Wandlnnu- die (Jewiihr besserer Zukunft. Als er Ende 1769 nach der Vcrheirathung seines Bruders Manuel, welchen Ignacia Consuegra in lUicaramanga ehelichte, '") zur aufgeklärten Hauntstadt sich l)egeben konnte, war ei- frohen Muthes. Anfang 1770 versprach ihm Alles riistigen Fortschritt; es schien eine Kunde aus längst iiberwundener Zeit zu sein, als es hiess, der ehemalige Yicekönig Solls sei im Franziskaner-Kloster verstorben. Offenbar gehörten seine Schwäche und die Lethargie des Volkes der Vergangenheit an. So Itegann auch Mütis mit doppelter Freude aufs Neue seinen Mathematik-Unterricht, der jetzt mehr und mehr zu einem Colleg werden sollte, welches alle mit der Mathematik in Verbindung stehenden Wissenschaften umfassen konnte. Er brachte zwei junge Leute aus Jiron mit: einen, welcher schon als Student im Colejio del Rosario Geheim- schreiber von ^lejia wurde, Eloy de Yalenzuela;'^) und einen zweiten, Jose Ruiz,'*^) welcher dem Studium der ]\lineralogie und der praktischen ^letallgewinnung sich widmen wollte. Der ältere Gefährte, Pablo Garcia, ward jetzt in lebhafte Thätigkeit gesetzt, damit eine Reihe von Pflanzenljildern und anderen Tafeln fertig gestellt werde. Dieser ^laler war für Miitis zum fast unentbehr- lichen Arbeitsgenossen geworden; denn er zeigte Sinn und Ver- ständniss für gelehrte Aufgaben und sicherte den trockenen j\Iütis- schen Arbeiten ein frisches glänzendes Aeussere. Eine Sammlung fein gemalter Tafeln sandte Mütis jetzt an Linne, dem er ein unverdrossen treuer Korrespondent verblieben Avar. ,,Die höchst schmeichelhaften Worte'', so schrieb er z. B. am 15. Mai 1770, ..welche Sie meinen Mittheilungen zu zollen belieben, liätte ich nicht zu hoflen gewagt; es gebührt die Anerkennung kaum mir, der ich so glücklich bin, wenn ich alle Ihre Wünsche erfüllen kann, und alle Ihre Weisungen so hoch schätze. Ich erkläre dies um so freudiger, als Sie mich benachrichtigen, dass mein kleines Packet wissenschaftlicher Bemerkungen Ihrer Billigung nicht unwerth erschienen ist und Sie sogar entzückt hat, als wäre es eine Zeichnung der wunderbaren Kanneni)lianze Nepeuthes. Sie wundern sich nicht ohne Grund, dass ieh hier einen sonst nui- am Vorgebirge der guten Hoffnung vorkommenden l'nuni — 20 — gefiiiK-lcii habe: aber ich selber Ijiii höclist erstaunt gewesen, in diesem Lande Gewächse der verschiedensten Klimate zu linden, theils in wilder Natur wuchernd, theils nach einmaliger Ein- fiihrung weithin verbreitet. Zahlreiche europäische Pflanzen ge- deihen jetzt bei uns; die vicekönigliche Tafel schmücken Jahr ein Jahr aus die schönsten Gewächse, wie in Euro})a nur Italien sie spenden könnte; köstliche Erdbeeren besitzen wir seit den letzten zehn Jahren, nachdem sie der Vicekönig auf meinen Rath in Samen getrockneter Früchte einführte. Sie beklagen Sich, meinen früheren Aufenthalt auf der Karte nicht finden zu können. Ja, ein Indianerdorf, wie Cäcota del Surate, steht nicht im Atlas; jetzt treffen mich Ihre durch den schwedischen Konsul in Cadix zu sendenden Briefe hier in Bogota, wohin ich erst kürzlich zurückgekehrt bin. Fast zehn Jahre im Lande, habe ich nach langen, unerfreulichen Reisen eine wirklich überraschende Zahl von Pflanzen gesammelt: vor meiner Hierherkunft schenkte ich den Nachrichten über die ungeheuere Fruchtbarkeit dieser Gebiete kaum Glauben: jetzt ein Augenzeuge solcher Fülle, über die ich mir noch immer keine zusammenhängende Idee bilden kann, l)estätige ich de la Condamines Aussage, dass für einen tüchtigen Botaniker und einen fähigen Zeichner viele Jahre kaum ausreichen würden, um die unendliche Mannigfaltigkeit dieser Pflanzenwelt darzustellen, zu l)eschreiben und systematisch zu ordnen."' Die Korrespondenz erwähnt nun Jac(juinia, Solanum, Begonia. ^fanettia und andere Spezies. Damals al)geschickte Pflanzen] )eschreibungen verwendete Linne später bei den Geschlech- tern: Otractvlis, Cacalia, Erigeron, Ferraria, Hydrocotvle und Urtica;'^) damals abgesendete Sammlungen enthielten nicht bloss getrocknete Pflanzen, sondern auch Zoologisches, namentlich \'ogelbälge. ,, Meine Beschreibungen von Vögeln'^, schreibt Miitis, „sind an Zahl ziemlich beträchtlich. Gern überreichte ich Ihnen einige, welche besonders interessante Arten behandeln; allein ich habe sie noch nach den von Ihnen aufgestellten Grundlehren zu verbessern; Ihr langersehntes Werk über die Thierwelt kenne ich nämlich bis jetzt nur dem Namen nach, da ich es aus Spanien für keinen Preis habe beziehen können. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen nicht verhehlen, wie sehr ich wünsche, zu den Mitgliedern ihrer Gelehrten-Gesellschaft von Upsala zu gehören. '' Eine solche Staffel europäischen Ruhmes zu ersteigen, gab es Liiiiie j:eji:eiiiibc'r aiuli Jetzt iiucli kein geei<^iieti;ivs IIi■lli■^lnittel, als jeiuMi zuerst vor seelis .liiliicii besproehciicn Fielierriiideii- liiiiuii. ,,Sie fragen iiiieli, ob die neuen Arten dei- Chinehona sai'thaltig sind, auf welchem JJoden sie vorkommen, unter weleiiem Wärme- oder Kältegrade: ich gestehe Unkenntniss in dieser Angelegoidieit. l)ie l'rovinz Quito, wo di<; C'iiinchonen zu Hause zu sein scheinen, habe ich nie besucht; die Entfernungen, welclu; C'ajamarca, Loja oder C'uenca von Cartajena, Bogota', Pamjjlona und Jiron trennen, sind gar zu gross; übrigens neige ich mich der Ansicht zu, dass diese Pflanzen auf sehr hohen Gebirgen wachsen; es scheint, dass die Chinchona officinalis nur die Tem- peratur der Provinz Quito verträgt und jenseits des Aequators bis zu ö Grad sikllicher Breite vorkommt. Öantistevan hat mich wiederholt versichert, dass die Chinchona auch noch unter 2 Grad nördlicher Breite bei Popayan sich zeige und dass er selbst in dieser Gegend Chinchonen unter dem Namen Palo de Recpieson gesehen iiabe; er hat mir einige Blätter dieses Baumes gegeben, sie sind aljer zweimal grösser, als die der ofticinalis; die Blüthe habe ich nicht sell)st gesehen, ich füge eine Beschreibung der von mir Chinchona Jironensis genannten Art bei.'' Dieser ersten vermeintlichen Kina-Entdeckung, die schon vor mehreren Jahren erfolgt war, schlössen sich jetzt noch zwei andere an: Miitis machte sie auf seineu Fahrten nacli dem Mag- dalena-Tliale, wo in der Provinz Mariciuita seit Alters Ijeriihmte Gold- und Öilbergrul>en wieder in (Jang gebracht werden sollten. Im Jahre 1771 fand er in Begleitung von Pedro Ugarte eine Kina-Art in der Nachbarschaft von Tena am Wege zwischen Bogota' und La Mesa; im folgenden Jahre traf er wieder eine Chinchona in der Nähe von Honda. Moreno, tler die Minenuntersuchungeu im Bereiche seines Geburtsortes lebhaft zu fördern strebte, that Alles, um dem A'ice- könige die praktische Wichtigkeit derartiger Entdeckungen nahe zu legen. \n einer grossen, die wichtigsten Verwaltungszweige und Wirthschaftsinteressen des Vicekönigreichs betreflenden Denk- schrift sagte er 1772: ..Die liebervertreibende Kraft der Kiiui könnte von grosser Handelsbedeutung werden, wenn der Artikel im Mutterlande nicht bloss fiir die königliche Apotheke und die einheimischen Privaten in engherziger Weise verwendet wiirde, sondern auch für das Ausland, wo er vielfach benutzt und sogar — 28 — mehr verbraucht wird, als von den spanischen Aerzten. Es macht schaun-oth, dass wir bisweilen solch eine Gal)e unseres eigenen Bodens von den Franzosen haben erbetteln müssen. Das freie Wachsthum bisher unbekannter Pflanzen, ihre Verschiedenheit nach Geschlechtern und Arten und mannigfachen Säften, wie sie fiir Erlindungsgeist und Gelehrtenforschung luer ein weites Feld darbieten, so würden sie auch Handel und Wandel Iteleben. Wenn andere Völker werthvolle IMenschen und grosse Kapitalien für Forschungsreisen verwendet haben, so darf unsere Nation nicht zurückbleiben; denn ihr ist in dieser neuen Welt von der verschwenderischen Natur die reichste Fülle und die grösste Mannigfaltigkeit ihrer Wunder gewährt. Wir haben deren Er- forschung begonnen; dafür l)ot sich Josd Mütis dar, über den der Regierung liereits berichtet ist; er hat bisher aus eigenem Antriebe nicht wenige neue Pflanzenarten aufgefunden, welche die Botaniker Europas anstaunen, uns um ein Glück beneidend, das wir selber noch so gering schätzen." Der hierin erwähnte vicekönigliche Bericht betraf die Idee, Mütis zu einer selbststäudigen Untersuchung der neugranadinischen Pflanzenwelt amtlich zu verwenden, ihn von der Linneschen Ab- hängigkeit zu befreien, damit die Schätze nicht mehr nach Upsala, sondern nach Madrid gingen. Als Mejia September 1772 für die Rückfahrt nach Spanien rüstete, hoffte er auf solchen Erfolg. Er forderte freilich höflicher Weise seinen Leibarzt auf, ihn wieder in die Heimath zu begleiten; sah es jedoch sehr gern, dass dieser ablehnte, und versprach ihm als letzte Gunst ein Regierungsamt im Vicekönigreich Santafe. Als Antwort erhielt er von dem Gelehrten die Erklärung: ihm sei es genug, sich selbst und seine Leidenschaften regieren zu können. Am 31. November 1772 verabschiedete Mütis sich von seinem Gönner und Freunde, dessen grossestes Verdienst darin bestand, dass er sowohl Creolen zu Amt und Würden kommen liess, als auch Spanier in der Kolonie festhielt, so dass sie Wurzel fassen und Frucht bringen konnten. Unter mancherlei Sorgen verliess er sein Land und leistete ihm in Cartaiena noch beim Abschied den grossen Dienst, dass er Francisco Requena^") dazu vermochte, gleich Mütis länger in Neu-Granada auszuharren. Dieser that- kräftige und bereits vielfach erprobte Ingenieur sollte im Namen der spanischen Krone die im Ge1)iete des Amazonas-Stromes, — 20 — auf der Südseite Neu-Cirauadas, noch immer unerledigten (Jrenz- fragen zum Abschluss liringen; er folgte der Ueberredung des Yicekönigs. unbekümmert um seine eigene Zukunft. Der Yicekönig hatte kaum in Cartajena sieh cingesehitVt. :ils sein bisheriger Leibarzt, der Reformator der gebildeten Kreise Bogotas, Professor Mütis iu den geistliehen Stand trat; er nannte sich hinfort .Tose Celestino und wurde von dem Erzbischof Agustin Manuel Camacho y Rojas, einem aus Tunja gebürtigen Dominikaner von wenig hervorragendem Charakter, sofort zum llaus])ralalen ernannt. Auf dem bald nach dessen Tode eröftneten ersten Konzil des Bogota'er Erzstiftes, Mai 1774, erschien der Korrespondent von J^inne unter den geistlichen Doctoren, sowie als einer der Notare der Kirchenversammlung. Etwa ein Jahr vor diesem für die ueugranadinische Kirche höchst wiclitigeu Ereignisse übernahm Manuel de Guirior die Regierung.^') Er wurde am 16. April 1773 von den höheren Beamten Bogota's feierlichst am Endpunkte der ]\Iagdalena-Schift- fahrt zu Honda empfangen. Dort stellte auch der Domherr Mütis sich ein und ülierreichte dem neuen Gebieter als sinn- reiches Zeichen der Huldigung und kostbarstes Erzeugniss des Vicekönigreiches einen Idühenden Strauch der Chinchoua. „Der Vicekönig, der vor Kurzem hier aus Spanien eintraf", so schreibt er gleich darauf an Linnt?, „ist ein begeisterter Förderer d<'r Wissenschaften; er kennt unseren Briefwechsel: die Bücher, die Sie ihm mitgegeben haljen, bilden für mich das werthvoUste Ge- schenk, das ich mir denken könnte; ich habe die Bände, die ich so sehnlich begehrte und doch für kein Geld in Spanien zu kaufen vermochte, vor Freuden geküsst. Nach der Tafel redete der Vicekönig über Sie mit mir und lässt mich aus Ihren Briefen Sätze lesen, die ausserordentlich schmeichelhaft für mich sind und ihn selber sehr erfreuen. Neulich nahm dieser wohlwollende Mann mich mit sich in die Berge, wo auch er Erdbeeren säen Hess, um sie weiter durch das ganze Land zu verbreiten; sie bilden jetzt noch unseren grössten Luxus. Nächstens sende ich ihnen ein Verzeichniss meiner jüngsten Arbeiten; heute habe ich keine Zeit dasselbe anzufertigen, denn die Abreise meines Freundes Josd Ruiz steht zu nahe bevor, Sie werden sicherlich einem Fremdlinge, für welchen Ihre Protektion von erster Wichtigkeit ist. Ihre bekannte Güte nicht vorenthalten; mein Umgang mit — 30 — Kuiz hat in ihm doii lel)liaften Wunsch rege gemacht, nach Upsala zu reisen, um Sie zu sehen und kennen zu lernen, nm luit Ihnen zu reden und aus Uiren Rathschlägen Nutzen zu ziehen: er hofi't durcli Sie bei dem gelehrten Wallerius in den metallurgischen Unterricht eingefiihrt zu werden. AVie ich das gl rickliche Loos meines Freundes beneide, so bewundere ich seinen wohlgeleiteten Muth und Eifer." A^icekönig Gnirior, der die Mejiasche Schulreform gegen die Angriffe der Kirche energisch zu sclmtzen verstand und die gelegentlichen ^lütischen A'orlesungen im Colejio del Rosario gerne sah , strebte danach , die Finanzen des Landes durch AV'eiterfiihrung der ^Monopole aufzubessern. Besonders war es dei- Tabak, den er auszunutzen gedachte; daneben verfolgte er auch den Gedanken eines Kinarinden-Monopols, wobei er durch eine eio-enthiimlich rastlose Persönlichkeit unterstützt wurde, durch einen Fananieser, der wenige Jahre jünger war als Mütis: Sebastian Lopez.^^) Ein Mann aus echtem Con(|uistadorenblut, hatte dieser, etwa '20 Jahre alt, die Universität Lima besucht und auf ihr in den Naturwissenschaften sich ausgezeichnet; später war er nach Spanien gegangen, wo er die medizinischen Frü- funo-en bestanden hatte, hu Jahre 1773 kam er mit dem neuen A^'icekönige nach Bogota', um Beamter der viceköniglichen Kanzlei zu werden; seine Liebhabereien l)ildeten immer noch die Natur- wissenschaften, und bald warf er sich auf den Gegenstand, der in Lima und L^mgebung alle AA^elt interessirt hatte: auf die Fieberrinde und deren schon von Santistevan und Moreno befür- wortete fiskalische Ausnutzung. Gnirior lieh ihm willio- Ohr ... . . ' um so mehr, als einige Sachkenntniss vorhanden zu sein schien, hatte Lopez doch einmal in Lima echte Kinaproben von Joseph d(^ Jussieu erhalten. Schnell eingenommen, setzte der Yicekönig gern in Madrid auseinander, dass der Grosshandel in Kina ver- liältnissmässig ebenso gewinnreich sein werde, wie das orientalische Spezereigeschäft der Holländer. Auch Mütis theilte dem Vice- könige seine Ansichten über die Kina des inneren Neugranadas mit, wenngleich er ihr jetzt nur ein gelegentliches Studium zu- gewendet hatte. Eine königliche A^erordnung vom 20. Januar 1776 verfügte die A'orarbeiten für die Einführung des vorge- schlagenen AIono})ols. Als dieser l^efehl eintraf, war Gnirior bereits nach dem — 31 — Hauptlaiide der Kina<^t'wiiimin^, nacli Peru versetzt: sein Nach- folger in Neugranada, Manuel Antonio Flores,*') der in Cartajena am 10. Februar die Hegierung iibernahui, legte jene Vorarbeiten in die Hand von Lopez, welcher derselben mit grosser Energie sich annahm und am 14. August 177G dem Vicekönige eine Denkschrift über zwei verschiedene, unfern von Bogota' vor- vorkommende Kinaarten vorlegte, wobei er ausserdem noch eine dritte Art erwähnte, die er in den etwa 10 Meilen von Bogota' entfernten Wäldern von (Mj^acon gefunden habe. Mütis erklärte die eine Art fiir die gelbe, die nach allen Kennzeichen der aus- irezeichnetsten von Loja sehr ähnlich sei. „Ich verdanke die zwischen Papier bewahrten I>lätter. niiitheii und Früchte dieser PHanze der Güte von Miguel Santist^van. Obwohl ich seit ihrer Erlangung mit lebhaftestem Eifer danach trachtete, diese Gattung auch in hiesiger Gegend zu entdecken, konnte ich das vor 1772 nicht volUn-ingen: damals übergab ich sie dem Vicekönige, kleiner Ueberzeugung nach ist weder die Uebereinstimniung in der äusseren Erscheinung, noch die Identität der l)0tanischen Art ausreichend, um die Wirksamkeit eines nach den verschiedenen Orten des Wachsthums so verschiedenen Arzneimittels zu beur- tlieilen. wie Aehnliches in Europa tausend ^lale bei anderen Medizinalpflanzen beobachtet ist. Deshall) erschien es mir als zweckmässig, mit der praktischen Anwendung dieser als echt fest- stehenden Art zu l)egimien und so durch die Erfahrung meine Ansichten zu erproben. Zu gleichem Zwecke wäre jetzt zu ver- ordnen, dass die gelbe Kina medizinisch angewendet "werde. I)i(^ Zweige des Baumes sind abzunehmen, als würde der Stamm ab- sichtlich beschnitten; die Rinden von Stämmen und Hauptästen, ■wenn sie alt und mit einer fremden Kruste bedeckt sind, müssen an jenem Saft, in dem der Werth des Heilmittels besteht, sehr arm sein: wäre stets beim Sammeln der Rinde Vorsicht beob- achtet worden, so würde niemals der Mangel an Bäumen ein- getreten sein, welcher seit Jahren wegen des vernunftwidrigen Umschlagens derselben sich kundgiel)t; auch wäre der Ruf der Arznei nie so angetastet worden, wie jetzt. Was die andere Kinaprobe betrift't, so gehört sie der rothen Art an. Sie besitzt einige Aeusserlichkeiten, welche sie in eine niedrigere Klasse verweisen könnten: allein die Botaniker werden sie doch stets zu demselben (ieschlecht i'echnen . (h'nn nur weil sie auf weiiiticr — 32 — liohein Boden gewachsen ist, scheint ihr die Natur die edleren Tugenden entzogen zu haben. Dem ungeachtet ist diese Art unter den dici Species der Chinchona, welche ich auf meinen Wanderungen entdeckt hahe, diejenige, die im Aeusseren am meisten der Chinchona ofliciiialis sich nähert, weshalb es ange- messen sein möchte, dass die Regierung auch mit dieser Rinde besondere A^ersuche anstellen lasse." Infolge solcher Aeusserungen berichtete Yicekönig Flores unterm 17. Oktober 1776 günstig iiber die Lopezschen Ent- deckungen und schickte die erste, zum praktischen Gebrauch bestimmte neugranadinische Fieberrinde nach P]uropa. Die Lopez- sche Rotlirinde wurde in Madrid mit grosser Freude aufgenommen; Casimir Gomez Ortega und Antonio Palau, die ersten Autoritäten des Faches, berichteten sehr zufriedengestellt; alsbald erfolgte eine Belobung von Seiten des Königs und der Befehl, grössere Verschiffungen zu macheu. Als Mütis jenes Gutachten schrieb, befand er sich schon einige Zeit im oberen Magdalenathale, in welchem er die nächsten 15 Jahre, von gelegentlichen Unterbrechungen abgesehen, ver- bringen sollte.^*) Zunächst nahm er seinen Wohnsitz in Iljague, einem kleinen, etwa 7000 Einwohner zählenden alten Städtchen, das, 1280 Meter i'i])er dem Meere erhaben, ein gesunderes Klima hatte, als das trockene und heisse Flussthal. Der Ort liegt am Fusse des schneebedeckten, der neugranadinischen Mittel - Cordillere ange- hörenden Tolimagebirges, aus dessen Schluchten kalte Winde von Zeit zu Zeit ins Tiefland hinabweheu, namentlich vom Quindiu- pass herunter, von dem Päramo Herveo und dem Paramo, der Ruiz heisst. Eine Tagereise von Ibague liegen die Minen del Sapo, in denen ein silberhaltiges Schwefelkieslager bearbeitet wurde; dicht dabei, im Thal des San Juanflusses, zeigte sich nati'irlicher Schwefel in grosser Menge. Diese Gruben reizten den Naturforscher, dem Diego und Pedro Ugarte aus Bogota sich beigesellten, zum eigenen Betrieb; auch Antonio Escallon ging mit in die heisse Zone hinab, während Valenzuela in der Hauptstadt verblieb und von dort nur gelegentlich Nachrichten übersandte, meistens keine ftichmässige Mittheilungen, sondern Einzelnheiten über die auswärtigen Begebenheiten, namentlich üben- die Erhebuii"- der enalischen Kolonien in Nordamerika, die — 33 — als eine Scliwäehiing des l'^rlifciiules lel»hart in allen spanischen Kreisen begriisst wnrde. Die Ansltente des Bergbaues l)liel) lange Zeit hindurch nur gering, allein das Interesse l'ür die in Paniplona I>egonnenen Arbeiten war bei Mütis so rege, dass immer neue Versuche gemacht wurden: dazu kam, dass Jose Ruiz nach dreijähriger Aliwesenheit wieder heimkehrte und dem Unternehmen grossen Aufschwung verhiess. „Manchen genuss- reiclien Tag'', schreibt Mntis an Linne, ,,habe ich mit ihm ver- bracht und bin gern sinnen Ei'zählungen iiber Sie, i'ilx'r Ihre Umgebung und Ihren wiirdigen Sohn gefolgt. Vor Kurzem trafen wir zusammen von l>ogot;i hier ein, in den Minen von Ibague, wo er Alles so hei-richten mag, wie er es während seines Auf- enthaltes am Olxn-harz gelernt hat. Die Metall})robe, die er in Zellerfeld studirte, hat er hier schon mit Erfolg bewerkstelligt. Empfangen Sie herzlichsten Dank fiir die grosse Freundlichkeit, mit der Sie ihn aufgenommen halben; er selber griisst Sie, wie auch Antonio Escallon, der eifrig Pflanzen sammelt, und alle meine hiesigen Schüler.'' Der geistige A'erkehr mit Linni* wurde jetzt immer reger; dieser interessirte sich lebhaft für Kautschuk; Mütis hatte den Baum, der in der Choco-Gegend wachsen sollte, nie selber an- getroffen; der Analogie nach hielt er ihn aber für eine amevika- , nische Ficus-Art. Auch den Drachenblut-Baum von Pelir Loefling und Nicolaus Jacquin, eine Pterocarpus-Art, erklärte Mütis nie gesehen zu halten; im Lande kenne man jedoch einen Drachen- baum, der eine Croton-Art sei. Die Jalappa -Winde habe er bisher für so Itekannt gehalten, dass ihrethalb keine näheren Untersuchungen ang(\stellt worden seien; sie werde bei Cartajena gebaut, es kämen aber ihre Wurzeln nach den südamerikanischen Apothek(Mi aus Spanien. Auch Ipecacuanha hatte Mütis nie lebend angetrofTen; ihre Wurzeln würden von Simiti nach dem Magdalena-IIafen Mompos zu Markte geln-acht; eine ähnliche Art glaulte er 17G8 bei Jiron gefunden zu haben. Die vielgenannte Butterpalme, deren nach dem Waschen der Nüsse auf der Ober- fläche schwimmendes Gel in allgemeinem Gebrauch stehe und sehr angenehm sei , scheine von der Jacquin'scheu sich nicht zu unterscheiden. Ueber ilrei Sanunlung(ui, die Linne von Mütis erhalten hatte, theilte Jener eingcdiend seine Ansichten mit, worauf sogleich die •Schamai-Iii'r, Slldamcrik. Studien. o — 34 — Antwort erfolgte; die erste Saminluno- l)estand aus getrockneten Pflanzen und enthielt etwa 140 Species; die zweite wurde von ^falereien und Z(nohnungen gebildet; die dritte war Avieder ein Herbarium und mufasste mindestens 1 Iß Nummern. ]N[utis sprach iiber alle Einzidnheiten sich aus und liat auch, dass Linne manchen Pflanzen diejenigen Namen verleihe, die er vorgeschlagen hatte; er liebte dal)ei die Erinnerung au verdiente Naturforscher; so wiesen seine Pflanzen z. B. hin auf den Edinl)nrger Professor Charles Aiston, auf Miguel Barnadez, der 1767 in Madrid ein botanisches Werk publicirt hatte, auf Domingo Castillejo, einen Cadixer Botaniker, Casimiro Gomez Ortega, jenen Vorsteher des botanischen Gartens in Madrid, Christofler Ternström, den Schiller Linne's, auf Feiice Yalle, den Verfasser einer Florula Corsicae. Linne hatte seinem neugranadinischen Correspondenten bereits die Mutisia Clematis gewidmet und ihn dabei den ersten Bota- niker Amerikas genannt, der ein ausserordentlich schönes Werk iiber die amerikanischen Palmen vorbereitete. Einen Brief vom 8. Felbruar 1777 schloss Miitis mit den Worten: „Ich sende Ihnen zugleich eine Anzahl syngenetischer Pflanzen, welche mir Kopf In-echen machen; bitte, theilen Sie mir Ihre Ansicht iiber dieselben mit. In wenigen Monaten schicke ich Ihnen eine umfangreichere Sammlung. Leben Sie wohl." Dies war der Abschiedsgruss des amerikanischen Gelehrten. Jene erste aus Ibao-ue al)o;ehende Sendung traf den bereits seit Jahren hinsiechenden ]\Ieister von Upsala nicht mehr; Linne, dessen letzte Lebensfrenden im Besuchen seiner Pflanzensammlungen bestanden hatten, verschied am 10. Januar 1778; in der Glitte des Jahres erhi(dt Sintis diese Trauerbotschaft. Der Sohn berichtete kurz iil)er den Verlauf der Krankheit und nahm dann das väterliche Gelehrten-Erbtheil in Besitz. „Nichts vermochte meine schmerzlichen Gefiihle so sehr zu be- sänftigen als die Hinterlassenschaft des Verstorbenen, namentlich auch der Schatz der von Ihnen eingesandten seltenen und schönen Pflanzen. Ich kann Ihnen nicht die Empfindungen beschreiben, mit denen ich während dieses Sommers dem Studium Ihres Fleisses oblag; hoßentlich erhalte ich Gelegenheit, meinen Dank durch Handlungen zu Ijekunden; gliicklich werde ich sein, Avenn Sie mich als den Erl)en Ihrer meinem Vater o-ewidmeten Freund- Schaft anerkennen. Jetzt arbeite ich an einem Naehtrair zu dem — 35 — Werke über das PlIanzpuRystem, in welchem Sie Ihren Namen bei seltenen, neuentdeckten Arten linden werden. Sagen Sie Escallon liesten Dank für die •i'(\sandten schönen l'Hanzen; auch meinem wiii'diu'eii Freunde Kuiz, dem eilVigen Mineralogen, besten Gruss; ich denke oft an unsere angenehmen Uiderhaltungen in U|)sala und nutze jetzt aus, was ich damals von ihm g(dernt habe. ITofVentlirh vergisst er mich nicht und bereichert meine Mineraliensammlung, die noch wenig ans Si'ulamei'ika enthält." So halte sich ein IVeundschaftlicher A^erkehr zwischen Scliwech'n uml Neu-Crranada ausgebildet: ^lütis beantwortete jene Trauerbotschaft von seinem Minenorte aus am 12. Sejdendter 177!^ in aufrichtigster Theilnahme. y,lch erhielt llir Schreilten in dem l>riefe meines in C'adix lebimden Bruders und erkannte nicht sofort, von wem es käme, da die Aufschrift von freimhu- Hand war; aber ich fürchtete gleich eine Nachricht über das theure Leben meines werthen Freundes, des Ritters von Linne, dasR es gefährdet sei oder gar erloschen, denn ich Avusste von seinen Leiden aus den Zeitungen. Nur zu liald las ich, dass der grosse Mann nicht mehr sei. Seit langen Jahren ist es mein höchster Stolz gewesen, mit ihm wahre Freundschaft zu pflegen trotz der grossen Entfernung zwischen Ihrer Polarregion und meinem Ae(iuator. Mein Briefwechsel mit Ihrem A'ater hat sich durch achtzehn Jahre hingezogen; er war vertraulich und meiner- seits allen anderen Personen gegenül)er ausschliesslich; ich wen- dete nüch nicht an Dritte, auch nicht an die eigenen Landsleute ; alle nu'ine Entdeckungen, alle meine Arbeiten widmete ich einzig und allein seinem unsterblichen Genius. Ich werde meine Dank- barkeit für sein Gedächtuiss dadurch beweisen, dass ich den Namen Linnaeus, als den des Ersten aller Naturforscher, auch hier unter dem Aecjuator, predige, wo sicherlich noch einmal in Zu- kunft die Musen ihren Sitz aufschlagen werden. Dessen bin ich gewiss, dass Newtons Verdienste um Philosoi)hie und Mathe- matik aufgewogen werden in der Botanik und in den speciellen Naturwissenschaften durch den unsterljlichen Linnaeus, der vor mir steht als iler unerreichte und getreueste Verkündiger der Wei-k(^ der Natur. Sein Andenken wird von mir, als das eines gelieltten Lehrers, treulich bewahrt werden so lange ich lebe." Miitis beantwortete dann eiiu^ Reihe von Fragen, die Pi-o- fessor Linnc' ihm vorgeh^gt hatte. y,Mein(! Bibliothek, wenngleich 3* — se- in unserem Amerika ohne ihres Gleichen und sehr umfangreich, entbehrt noch immer der neuen Schriften Ihres A'aters. Hin- sichtlich der Arzneimittel, welche ich selber anwende, gestehe ich, dass ihr Kreis sehr klein ist; der Rul". den ich als Arzt geniesse, ist trotzdem so gross, dass ich von Kranken umlagert werde. Ein Europäer könnte hier lernen, wie leicht es sich heilen lassen würde, wenn die Apotheken nicht wären. Was die Chinchona anbelangt, so lebe ich weit von der Gegend entfernt, in welcher die officinalis genannte Art vorkommt und zugleich mit ihr die Mutisia; ich sandte vor meiner Abreise aus Bogota alle Kina-Muster, die ich besass, zusammen mit einer vorzüglichen Zeichnung, an das königliche Museum; eine noch bessere Abbil- dung behielt ich für mich und werde sie nebst einer Probe Ihnen einschicken." Die Fieberrinde beschäftigte Mütis jetzt mehrfach; so sandte derVicekönig im Mai 1778 ihm einige Muster zur Begutachtung; daraufschrieb Mütis am 30. Juni: „Einem Manne, dessen Haupt- studium die Erforschung der hiesigen Pflanzenwelt behufs Her- stellung einer Naturgeschichte von Neu-Granada bildet, konnten die Charaktere der wahren Kina nicht verborgen bleiben; sie sind bekannt gemacht und seit 1767 in dem grössten natur^vissen- schaftlichen Werke des Jahrhunderts, in Linne's Systema, nach meinen Angaben veröflentlicht worden." Die Schrift, die zu dem Resultate gelangt, dass die übersandte Probe der Guayana-Rinde keiner Chinchona angehöre, ereifert sich mehr und mehr, so dass sie in den Ton unangenehmsten Selbstlobes verfällt. Der Grund dieser Erregung lag darin, dass Yicekönig Flöres bei seinen Arbeiten für das Kina-Monopol den Professor nicht befragt oder sonst berücksichtigt hatte; Sebastian Lopez war am 6. Mai 1778 von Bogota mit seinen Rindenproben abgereist, ohne mit Mütis sich verständigt zu halien, und hatte auf dem Wege zum Mag- dalena-Strome in der Nähe von Guaduas und Honda Chinchonen gefunden, el)enso wie früher Mütis. Dieser hatte auf die Sendung an das königliche Museum noch keine Antwort; er empfand deshall) Lopez gegenülier Etwas wie Neid, und nicht mit L'^nrecht, denn sein Nebenbuhler ward in der That daheim bald als der eigentliche Entdecker und Kenner der neugranadinischen Kina- Arten betrachtet; er ward zum Mitgliede der medicinischen Aka- demie von Madrid ernannt, nachdem er selber die Experimente — 37 — mit seinen l)eiflen Sorten, der gelben und der rotln^n Rinde, in den Hospitälern geleitet hatte. Am 21. Novemlier 177H erliiell er das Amt eines neugranadinisclien Commissars für die Aiis- lieutung di'r Kinarinden: er sollte für seine neu zu beginnenilen Forschungsreisen 'JiKKI Dollars Jahresgehalt erhalten und nach ErlTdlung des Auftrages l»is zu andei-er Anstellung die Hälfte. Am 18. Januar 1779 erging an den Vicekönig die Weisung, diese Unternehnmng in jeder Hinsicht zu unterstiitzen. Seit 1779 stellte Lopez zui- Einrichtung der Kina-Erntc in der ganzen Umgel)ung von Bogotii l)is zum Magdalena-Thale hinal) amtliche Reisen an, ohne um ^Iiitis sich zu bekümmern. Je mehr dieser dadurch sich gekränkt fühlte, desto lieber Avar ihm der Verkehr mit Europa, wie er sich denn jetzt auch an John Pringle in London und an Peter Jonas Rergius zu Stockholm mit Fragen und Bitten wendete; nach Upsala sandte er Blätter und Blüthen des sogenannten Peruanischen Balsams, wofür er lebhaften Dank empfing: „Nichts wünschte mein Vater mehr, als die Feststellung der Herkunft dieses Balsams; hierüljer hatte er sich vielfach erkundigt, aber ohne aus den Wildnissen Antwort zu erhalten." Mütis schickte ferner eine neue Beschrei- bung der Begonia und der Cocos butyracea ein; er verfasste Allerlei über seine Hoffnung, dass ein auf der Hochebene von Bogota reichlich vorkommendes Kraut als Thee in den Handel kommen könne; er deutete ^Manches aus seinem Palmen werke an; die Palmen sind ihm die Fürsten der Pflanzenwelt; ihre unvergleichlichen Formen fesseln überall die Phantasie des natur- l)etrachtenden Menschen durch die Schönheit ihrer einfach gi'oss- artigen A^erhältnisse, die Nutzliarkeit ihrer Geweihe und Säfte. Der Nachtrags! land. an dem der jüngere Linne mit Aufgebot aller Ki'äfte wwA uiitci- ileihülfe vieler Gelehrten arl)eitete, Hess länger auf sich warten, als Mütis liel) war; dersell)e erschien erst 1781, als Miitis schon von anderen Interessen in Anspruch genommen wurde; er ward stolz auf die mehrfache Erwähnung seiner Person sowie auf die von ihm selljer verlieluMien Namen. Da war der Edinburger Professor Charles Aiston genannt, Miguel Barnadez, der Botaniker von Madrid, und Donungo Castillejo, der von Cadix, Christoffer Ternström, der Schüler Linne's, Casimiro Gomez Ortega, der Director des Madrider botanischen Gartens, Feiice Valle, der Verfasser einer Flora von Corsica, u. s. w. — 38 — Wie eine Mutisia war auch eine Escallonia da; leider fehlten zwei von Mütis gewünsditc Namen: Davilia sollte eine Pflanze nach Franco Davila, dem g-i-ossen peruanischen Gelehrten, heissen, und Logia eine andere nach Federigo Logie, dem Conchyliologen, den Miitis von der Studienzeit her kannte. Gleich nachdem der letzte Schatz Linn(i'scher Weisheit in Bo^'ota zugängig wurde, starh dessen Bewahrer. Der jüngere Linne verschied schon 1. November 1783. Am selbigen Tage unterzeichnete Carlos IlL, König von Spanien, eine Verordnung, welche den Mütis'schen Arl)eiten neue Gestalt und Bedeutung verlieh. 3. Die botanische Expedition für das nördliche Südamerika. Antonio raltalloro y Günfjova,^^) welcher am 1*2. März 1778 den ei'zltischörik'heu Stuhl von Santafc' l)estieg, hatte nicht liloss in Si)anien, sondern auch iu Amerika eine glänzende Laufbahn hinter sieh; dieser thatkräftige Andahise war verjähren von der Universität Granada graduirt worden; eine Abtei von San Ilde- fonso hatte ihm die erste Anstelhmg gegeben; dann hatte er zunächst als Caplan der königlichen Capelle von Granada, und nach raschem Wechsel der Aemter als Dechant von Cördova dem Hofe nahe gestanden; 1775 war seine amerikanische Wirk- samkeit begonnen worden, zwei Jahre lang war er Bischof von Chiai)a iu M<'Jico, ein Jahr lang Bischof von Merida in Yucatan gewesen. Kr gehörte zu den Männei-n, welche da glaul)ten, im tropischen Amerika unter unreifen Gesellschaftsverhältnissen und inmitten stark wirkender Naturkräfte mit Titanenkraft alle im Lande und im Volke bestehenden Schwierigkeiten beseitigen zu können. Zu starkem AVillen und starker Hand kam (une sehr hohe Auffassung von den Aufgalien des Kirchenregiments. Hie geistliche Autorität hatte in Neu-Granada während der letzten Jahre viel verloren, da die Vertreter der weltlichen Macht ihr immer mit Erfolg entgegengetreten waren; Caballero wollte die alte Gewalt wiedei- hei-stellen und 1 »'nutzte die giinstige Gelegen- heit, Avelcln? dafüi- in der langjährigen Al>wesenheit des Vice- königs von Bogota sich darbot. Flores hatte nur kurze Zeit in der Hauptstadt verweilt und war dann der s])anisch-englischen Wirren wegen nach Gartajena zurückgegangen, während der Bogotäer Audiencia ein .Manu — 40 — vorstand, welehor Idoss auf die Füllung der königlichen Kassen Ijcdaclit Avar und l»ald durch seine rücksichtslosen Finanzniaass- reg(^ln, namentlich durch uner])ittliche I>eiti-eil)ung veraltete)- wie neuerrundener Steuern, (iine seither völlig unbekannte Gährung der Gemüther zum Durchbruch brachte. Im Norden von Bogota, wo verhältnissmässige Wohlhal)enlieit sich fand, namentlich in der Provinz Socorro, kam es 1781 zu Massenbewegungen: Mitte ISlärz erhol» sich dort in der Provinzial-IIauptstadt ein ollener Aufstand, dessen Gefährlichkeit nicht gering zu sein schien, da das zu den Waffen eilende Volk die Hände nach all' den Erb- feinden der spanischen Herrschaft ausstrecken wollte, einerseits nach dem Prätendenten des Inca-Scepters, andererseits nach den Engländern. I)i(^ Erhellung des gedrückten Volkes wuchs schnell zu einer politischen Bewegung heran, welche nicht Idoss die Nordprovinzen Neu -Granadas ergriff — in Bucaramanga war Manuel Miitis Vorsitzer des Aufstands- Comit^s — sondern auch an entlegenen Orten nachwirkte, wie z. B. am Wohnsitze von Miitis selbst. Als die Revolutionäre gegen die fast wehrlose Hauptstadt mit Waffengewalt rückten, brach Erzbischof Caballero ihre Kraft durch ein vermittelndes Abkommen, das in Zipaquirä aufs Feier- lichste geschlossen wurde; er verfuhr in seinen Verhandlungen weise und vorsichtig; aber als die Gefahr beseitigt war, that er nichts, um den Vertragsljruch, den Vertreter des A^'icekönigs begingen, thatsächlich zu verhindern; er setzte vielmehr selber alle Hel)el der Kirche in Thätigkeit, um die gefäludichen Ele- mente zu Ijeseitigen, so gut oder schlecht es el)en ging. Dem vereinten Vorgehen der militärischen und clerikalen Macht ge- lang solch eine Säul^erung sehr leicht, denn die Volksbewegung hatte noch keine feste Gestalt gewonnen ; einige gute Kräfte der arbeitsamen Nordprovinzen wanderten aus, sogar den wilden Meta- Strom hinab bis nach Macuco, wo sie verkamen. Dieser Erzlnschof bestieg 15. Juni 178*2 den viceköniglichen Thronsessel, nachdem wenige Tage zuvor der Nachfolger von Flöres, der l)isherige Gouverneur von Cartajena, soeben an- gekommen, plötzlich gestorben war. Die für den Fall einer unvorhergesehenen Sedisvacanz vorhandenen Madrider Geheim- schreiben wurden geöffnet, und es fand sich, dass Caballero schon seit mehreren Jahren für den Fall der Noth zum Vice- — 41 — köiiig ansorsohen sei. So bostioir /um ersten ^^ale den sillieineii Stattlialtoi'stnlil von I)0^"ot;i ein Mann, der Neu-(Jianada bereits ivannto; zum ersten Male wurde dort das l)iii-gerliehe, militürisehe unil kireldiidie lietriment in Imuc» Hand üelegt. C'aliallero war bereit, alle lortsehrittliclien Anlanj^e /u löi'- dern, unliesorg't darum, ob (.lies mit den Ideen der Madrider Kejiierung iibereinstimmte: er brai'h entschieden mit der alten Lehrweise der Geistlichkeit und lii(dt es für bessei', „l>er<>(' zu messen, als jieripatetischen Unsinn iilier Kns und Qualitas zu verfechten"; er hob das öftentliche Hiicherwesen in Bogota, welches seit Moreno's Schö])run«' nach und nach in Aufschwung kam; er widmete sich den vielen weaIlero verfolgte die bergmännischen Pläne, die in Sapo und Ibaguc^ auftauchten, mit grossem Interesse und erklärte sich liereit, der Ruiz'schen Idee, dass Bergleute aus Deutschland oder Schweden berufen würden, nicht entgegenzutreten, wenn diese Einwanderer Pi-ote- stanten sein sollten. Da er seinen neuen Schöpfungen durchaus Mittel zum Leben und Wachsen verschaflen musste, gedachte er — 42 — die ^[otalliiewiimuno; in Neii-Graiiada g-anz anders zn l)ctreil)en, als l>it>lier geschelien war, iiändicli im (rrcssen und nach einem umfasfjenden System; eine Denkschrift, die er hierüber am 14. Oktober 1782 unterzeichnete, fand in Madrid Billigung-; iu der unterm 31. December erlassenen zustimmenden Antwort hiess es, um für eine Reform des neugranadinischen Minenwesens ge- eignete Personen zu finden, sei es keineswegs nöthig, an das Ausland sich zu wenden; die Entsendung von Josö d'Elhuyar*^) lasse sich ermöglichen; dieser habe zuerst in Paris auf eigene Kosten MathematiK, Physik, Chemie und Naturgeschichte ge- trielien und dann vom Könige für die Studien der mineralogischen Wissenschaften Unterstützung empfangen, so dass er l)esonders der Metallurgie sich hal)e widmen können. „Dafür besuchte er das metallurgische Institut in Freiberg im Kurfürstenthum Sachsen di'ei Jahre lang und nahm während dieser Zeit auch praktisch alle einschlagenden Arbeiten vor, namentlich das Schmelzen von Silber, Kupfer, Blei, Zink und anderen Metallen; dann ging er nach Böhmen, wo er die wichtigsten Gruben kennen lernte sowie die Schmelz einrichtungen; dasselbe that er später in Ungarn für Bearbeitung des Goldes, Silbers und Kupfers; er war dann auch am Harz mit ähnlichen Arbeiten l)eschäftigt. Später unternahm er eine Reise durch Schweden und Norwegen, um auch dort Zechen und Schmelzöfen, Hütten und Fabriken kennen zu lernen. Ihm wird Angel Diaz sich anschliessen, welcher Mathematik, Physik, Chemie und Mineralogie studirt hat, ausserdem trockene wie nasse Metallproduction." So sollte die Helnnig des Bergi»aues, die einst Ruiz an- gestrebt hatte, echt spanischen und echt katholischen Händen anvertraut werden. D'Elhuyar war für die fragliche Aufgabe wirk- lich befähigt; er besass sehr viel gründlichere Durch) jildung als jener Bogataer und hatte im Jahre seiner Ernennung dm-ch die gemeinsam mit seinem Bruder gemachte Entdeckung des Wolfram- ^Metalles in Europa die wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. An welchem Orte Neu-Granadas er verwendet werden sollte, war in Madrid nicht l)estimmt; der Vicekönig verfügte indess am 4. Mai 1784, dass in der Provinz Mariquita, deren Metall- reich thum er selber kenne, der Anfang zu machen sei. Diese Gegend war damals bereits zum Schau])latz eines andern Unter- — 43 — nehmoiis ausorsoluMi. w^^-Wlios Caballero etwa vor Jalircslrist ins Werk «icsctzt hatte. Als in ^ladrul das miinlttclliarstc Interesse der Staatskasse, das selireieiide nedürfiiiss iU'n llaiidels und der laute Wnnseli euro}»äischer Wisseuscliaft die Fordenm^ zur Gel- tung" Iti'aeliten. dass die. modernen, die \vis.sensclial"tli('lien l']nt- deekun«rsarlieitm Ehrgeiz und gal> seinem Gebieter Alles an die iraiid. was für ihre A'^erwirklichung erwünscht sein mochte; er arbeitete ein vollständiges wissenschaftliches Progi'amm aus, ohne zu )iedenk(Mi, welch ein grosser Schritt es sei, aus Linne'scher lleeresfolge auszutreten und ein eigenes Lager zu begründen. Caballero begann bereits am 1. .März 17s;), seinen Plan aul" eigene Hand zur Ausführung zu bringen. ^Bisher waren", so schreibt er, „Botanik, Chemie und Metallurgie in diesem König- reiche fast ganz unbekannt: sie wären unbekannt geblieben, wenn ich nicht aus den von Madrid hierher gelangten Befehlen ersehen hätte, dass deutsche Reisende hier zu erwarten n\u\ bei ihrem I)urchganu-<' zu fördern seien: ich errieth die Al>siclit — 44 — solcher ^rittlieilimp; und liabo dor Deinntliignnir vorgol)eiip:t, dass Fremdlinge zu un^ oekommen wären, um uns die vor den eigenen Augen liegenden Naturschätze zu zeigen. Unter ])ersönlicher Yer- antwortung habe ich die Errichtung einer botanischen Expedition v(M-fügt, welche aus einem ersten Director, einem ZAveiten Vor- steher und einem Zeichner gebildet werden soll. Für das Amt des Directors suchte ich ]\Iutis aus; das ist ein Priester, welcher, um die Xaturproducte zu sammeln, mehr als zwanzig Jahre lang einen grossen Theil des Vicekönigreichs durchzogen hat und wegen seines gelehrten Briefwechsels auch drül)en den wissen- schaftlichen Männern bekannt ist." Caliallero's Grandenstolz wollte, dass der Schüler Linnd's als spanischer Gelehrter dem National-Ehrgeiz diene, und jenes Hervorheben der räuberischen Begierden des Auslandes verfehlte daheim die Wirkung keineswegs. Hocherfreut schrieb der Indien- Minister unterm 29. September 1783: „Der König will, dass die durch Mütis zu liildende botanische Expedition ohne Zeitverlust sich vollziehe; es sollen dieserhalb die nöthigen Geldmittel und Beihülfen sofort zur Verfügung gestellt werden. Anbei zur Prü- fung von Mütis die A^orschriften , welche den nach Peru ge- gangenen Naturforschern ertheilt worden sind. Das Werk soll vollständig durchgeführt werden; bevor es aber l)egonnen wird, sind die bereits von Mütis verfassteii Schriften einzuschicken, damit sie im Anschluss an die amtlich herauszugebenden Werke von Hernandez zum Besten und zur Ehre der Nation veröfiFent- licht werden, wie auch die Arbeiten und Entdeckungen der peruanischen Expedition gedruckt werden sollen, ebenso Ijisher unbekannte Schriften von Historikern und von Naturforschern, welche die an die Entdeckung und Eroberung sich anschliessende Zeit betreJBfen. Hernach Anrd der Welt nicht der geringste Zweifel darüljer bleiben, dass alle zur Unehre unserer Nation im Auslande veröffentlichten neuen Entdeckungen Nichts be- deuten als lediglich Sammlungen einzelner Notizen und Neuig- keiten, die ihren wirklichen Eigenthümern längst ])ekannt waren." So gedachte man in Spanien 1783 ein grosses wissenschaftliches Sammelwerk ül)er die amerikanischen Colonien zu veranstalten. Gleich nach der ersten Anzeige von der Genehmigung seines Planes empfing Caballero eine ausführliche königliche Verord- nung, die vom 1. November 1783 datirte. Die katholische — 45 — Majestät sei von den licrvorrajiciKlcii Kciiiiluisscii, die Mulis in IJutanik, Natiu'j^cschii-litc, IMiysik und Mathematik l)e«itze, sowie von seiner Ijielte und Ti-ene zur köni^liehen Person unterrichtet, ebenso auch von seinem <'- hdirt und verltreitet seien; deshalli wer(h' er /.um k()nifi:lichen Botaniker und zmu Asti'onomen einer Expedition itir das nörd- liche Sinlanu'rika ernannt, welche unter der Ohei-leitung des Erzllischol"-^'il■(>koni<2:s stehen werde. Er sollte eine einmaliue A'<'rgi'itun,«i' von 'itKIO Duhlonen erhalten, damit er die letzte A'oU- endun»i- uml Vervollständigung; seiner bisherigen, sofort einzu- sendenden Schriften ^^) bestreiten könne; während des neuen Unternehmens und bis auf weitere A'erfiig-ung geniesse er einen Jahrgehalt von 'J(HK) Pesos; auf Rechnung des königlichen Schatzes solle er mit all" den botanischen und astronomischen JJüchern und Instrumenten versehen werden, die er fi'ir die Aus- führung seines Auftrages verlange: im Uel)rigen sei der Fort- schritt der Botanik, der Naturgeschichte, der Geographie und Astronomie anzustreben, sowie aller der Gegenstände und der wichtigen Zwecke, welche der von Mütis selljst aufgestellte Plan enthalte. Zu gleicher Zeit trafen auch andere Schreiben ein; der Vice- könig ül)ersandte an Mütis die Allerhöchste Ernennung zum Mitgliede des Madri(h'r botanischen Gartens und legte einen von Ortega, dem Vorsteher dieses Instituts, herrührenden schmeichel- haften Brief bei. Mütis empfing jetzt alle in Madrid vorschrifts. mässigen Auszeichnungen, wie denn auch zwei Spanier, ]5runo Laudate und Jose Camblor, ihm zugeschickt werden sollten, Jener als Botaniker, Dieser als Geogra])h. Caballero ernannte seinerseits zum zweitem Vorsteher der Expedition einen Creolen, jenen Eloy de ^'alenzuela, den Mütis von Jiron mit sich nach Bogota gebracht hatte; er war seitdem in den geistlichen Stand getreten und nüt seinem Gönner immer inniger l)efreundet worden. Mütis schrieb ihm, als er die erste vorläufige Nachricht von der l"]rfüllung seiner Hoflnungen erhielt, am 31. December 1783: „Ich schicke Dir den Brief von Ortega, damit Du nicht lange eines Genusses entbehrst, an (h-ni Du ilen gleichen Antlu'il hast wi(! ich; j«'d(^s Schreiben, das ich von Dir erhalte, ist mir so — 46 — lieb, wie nieiiie llrici'e dem gj'osseii Jjiiine liel) waren, Avelclier, wenn er noch lebte, einen IJriefweehsel mit Dir nicht weniger schätzen wiirde als den mit niii- get'ührten." Mütis war (;s freigestellt, den Sitz des ihm anvertrauten ünternehnums auszusuchen, der aber jedenfalls in der heissen Zone liegen musste. Er Avählte Mariquita, eine kleine Stadt im oberen ^Magdalena-Thale unfo,<>ot;i und lliai«;ne weiter,<;el)ildet und wurde th^shall» von Miitis zum Zeichner seiner ^Expedition'' ernannt, liald kamen nach Mariipiita auch euro- ])äisch ü;escludte Malvirtuosen; zuerst Paldo Caballero aus Car- lajeua. der auf Zureden lU'!^ Viceköni}2;s ins Innere sich Iteiral), alter der doi'tiu'en Arbeit ni(dit «icwachsen war; dann traf auch ein ^faler direkt ans Spanien ein; Sebastian Mendez. aus Peru ircbiirtii»:, der in Madrid Farbenreilx'r von Anton Rafacd Menj^s i>;ewesen sein wollte; auch er war zum Miuiaturmal(Mi nnji'eschickt und g^inp; nach JJofjota, wo er sich (hucli Porträtiren ernährte. Diese Personen waren sänimtlich Creolen; die beiden sjianischen Gelehrten trafen nicht ein, wohl aber zwei spanische Kiinstler, Zöjilinjjje der Cadixer Akademie San Fernando, an deren Stelle aber bald ^fariano ITinojosa, sowie Antonio, Nicolas und Javier Cortez traten; sie kamen aus Quito, einer ihrer Malgcschicklicdi- keit wegiMi seit Alters Iteri'dimten Stadt. Fast alle diese Anst(d- lunjitMi waren nur vorüljerg'ehend; Garcia war in Maripiita der Einziildung von einheitlich organisirten Bergliehörtlen veriasst hatte. Caliallero lierief in diesen Ausschuss Mütis, die beiden neu angekommenen Gelehrten und den Ingenieur-Oftizier Domingo Esquiaqui, tler nächstens — 53 — von Cai'tajona ins Innere reisen werde, einen in Mathematik, Metallurgie und Architektur luMvanderten Neapolitaner. Als Prä- sident erhielt Miitis das Recht, den Orl für die Commissions- Sitzungen zu Itestiiunien. und wählte dalTir natürlich sein Mari- quita. wo (leim auch l>al(l ein cil'riges Ueratheu auiioli. Itei dem nicht l)loss der von dKlhuyar vorgelegte Plan, soudeiii auch das viceknnigliche Organisadous-I'rogrannn von 1782 in IJetracht gezogen wurde; ausserdem wai* noch eine andere, specielle Frage zu lösen, welche die Bearbeitung der Sil))ergi-ul)en betraf und sehr vei"schiedene Beurtheilung erfuhr. D'Elhuvar hatte die Er- richtung eines Amalgamationswerkes nach dem durch Ignaz von Born eingelTdirten Muster vorgeschlagen. In diese Neuerung konnte Miitis sich nicht finden. „Ich bin überrascht", schreil>t er Juli 1785 nach Santana. „durch das, was die neuen Zeitungen über die Born'sche Amalgamationsweise melden; diese soll in 24 Stunden so viel Silbers ausziehen wie die bishei-ige Methode in 6 Wochen? Ihr Bruder wird wohlthun, an Herrn von Born sich persönlich zu wenden. W ie ich von der Unbrauchbai'keit des Amalgamations-Verfahi-ens a priori ülierzeugt Itin — liisweilen muss ich doch der sonst veral)scheuten scholastischen Ausdrücke mich bedienen — , so kann ich mir auch nicht einreden, dass diese Sache bisher ein Geheimniss gewesen sein soll: ein Ge- heimniss, welches einem Manne vorbehalten geblieben sei, dessen einziger Antrieb die Neugierde war." Derartige Bedenken fanden in Madrid, wo Colonial- Ausgaben zur Zeit sehr gern vermieden wurden, williges Gehör; noch unterm 12. Mai 1787 erklärte das Ministerium, dass ziu* Zeit Fausto d'p]lliuyar in Deutschland ver- weile, um die dortige Erzscheide-^Iethode zu studiren; dieser werde auch nach Wien gehen, um mit Baron Born iiber die Amalgamation zu verhandeln: erst wenn das Richtige entdeckt sei, würden geeignete Personen nach Neu-Granada kommen, um jiraktische Unterweisung zu ertheilen." So zogen sich die Yor- fragen wegen des Silberbaues durch Jahre hindurch. Obwohl Mütis und dElhuvar oft verschiedener Ansicht waren, gedieh doch zwischen ihnen ein freundschaftliches A'erhältniss, zumal dei- .lungere dem Aelteren sich unterordnete. Der geistige Verkehr mit dem fernen Euro])a brachte liisweilen Luftzug in ihr einsames liCben: in Madrid war man bestrebt, den geistigen Interessen der Einsiedler Rechnung zu tragen; der Minister — 54 — schriel) z. ß. 1785; y,Am 22. ^Nlärz liabo ich den Abgang der für Mütis l)estimiuten Büoliei- nnd Tiif^tiumente angezeigt; weil ich die in London angefertigten astronomischen Uhren friiher nicht erhalten konnte, sende ich sie am 2. April in der Hoft'nnng, dass mit ihnen die l»etreftenden Beol)achtungen sicherer und ge- nauer gemacht werden können." Aus Schweden kamen nur noch kärgliche Nachrichten; am 30. August 1785 meldete Miitis jedoch dem Collegen: „Mit dieser Post erhielt ich das Mitglieds-Diplom der Stockholmer Akademie; sie nahm mich am 17. November vorigen Jahres auf; die Urkunde ist in lateinischer Sprache ein- fach, aber majestätisch geschrieben. Ich erhielt auch die letzten Werke der beiden Linnd's, Schreiben von I'eter Jonas IJergius, Karl Pehr Thunl)erg und von einem Pavkull, welcher, wiewohl noch jung, wegen seiner Insekten-Kunde einen Namen sich erworben haben soll und mich wegen meiner Entdeckungen be- glückwünscht." Diese Ernennung verdankte Mütis nicht so sehr der früheren Verbindung mit Linne, als der P]insendung einer kleinen in ^lariquita verfassten Schrift ül)er Pera arliorea, welche in den Verhandlungen der Schwedischen Akademie vom Jahre 1 784 abgedruckt war. „Heute, 12. Juli, 7'> 45"^", schreibt^ Mütis seinem Freunde 1785, „spürte man hier ein grosses Erdbelten, das über drei Minuten dauerte; 9'' 50" ein anderes, schwächeres; die Stösse wurden, wie mir der Bote sagt, auch in Honda wahrgenommen. Bei Ihren Arbeiten werden Sie dieselben wohl nicht sjemerkt haben", setzt Mütis hinzu, obwohl auch er selber keine weiteren Nachrichten über dies schreckensvolle Naturereigniss sammelte: das zweite grossartige seiner Art in dieser Gegend und diesem Jahrhundert; er stand solchen Erscheinungen, der ICi-gründung grosser physikalischer Fragen, fern, wenngleich er Ijis weilen ül)er atmosphärische Strömungen, Einflüsse des ]\Iondlichtes , Schlaf der Pflanzen und Derartiges nachdachte. Bald nach dem Erd- bel^entage sagt Mütis: „Machen Sie doch eine kleine Pause in Ihren Arbeiten, um unserem Diego de Ugarte nach Bogota zu schreiben, der Ihnen Grüsse sendet, al)er keine Briefe, da er sehr in Kummer ist wegen seines vom Erdl)e])en arg mitgenommenen Hauses; ich schicke Ihnen auch eine Zeitungsnummer und wünschte, selber den Sie betreflenden Artikel verfasst zu hal)en, um mich noch mehr in gerechten Lobsprüchen über Sie zu ergehen. — 55 — Schreiten wir beliarrlirli fort, mein Freunotanische P^xpeditioii wurde mehr und mehr auf Gegenstände von tiscalischem Wertli liingewiesen. und Müti? ge- wann ])ersönlich l)ald ein lebhaftes Interesse für alh; diejenigen Gegenstände des Pflanzenreichs, welche vielleicht als Finan?artikel zu verwertheu sein möchten. Hatte er 1781 dem Jüngeren Linne nur schüchtern den Gedanken anvertraut, dass die Alstonia theaeformi& ein Kraut sei, dessen Aufguss als Getränk l)enutzt werden könnte, so verfiel er jetzt auf den Gedanken, dass der Bogota'er Thee^^) l^erufen sei, dem chinesischen Concurrenz zu machen; knüpften sich damals doch ähnliche Hoffnungen an manche andere thei'nhaltige und tonisch wirkende Pflanzen- arten. Proljen jenes Krautes gingen nach Madrid; unterm 4. August 1786 erfolgte die Antwort, nel)en dem Flora- Werke sei so rasch wie möglich eine die neue Thee-Sorte ))ehandelnde Denkschrift abzufassen. Am 8. September wird eine Sendung der Thee- blätter, die vorzüglich seien, anbefohlen, am '2. October dem grossen Botaniker königlicher Dank ausgesprochen; Ortega habe günstigen Bericht erstattet. Caballero gab sich, gleich Mütis, der höchsten Hofinung hin; er setzte auseinander, wie theuer der chinesische Thee den Engländern zu stehen komme; ,iwir haben im Thal von Bogota unfern der Hauptstadt Thee im Ueberfluss; der Anbau lässt sich so weit ausdehnen, wie man will, und die Versendung ist kürzer als die von Ostindien. Die Regierung kann dem Producte vom Beginn seines Anbaues bis zum Verkauf nach dem Auslande jeden Schutz lueten; so wird der Thee von Bogota mit der Zeit der wichtigste Ausfuhrartikel dieses König- reiches werden; dazu gehört aber, dass die Vorbei le für den chinesischen Thee besiegt wird. Ich habe deshall» den Artikel, obwohl von ihm Ueberfluss vorhanden ist, nur in niedlichen Kästchen, in Flaschen und Büchsen von möglichst nettem Aeusseren versenden lassen; diese Sachen können zu Geschenken an Aus- länder benutzt werden, was zwar nur langsam, a])er doch sicher wirkt." Der Bogotaer Thee machte Mütis zum ]\Iitgliede der könig- lichen medicinischeu Akademie in Madi'id; daheim stand sein Ruhm, namentlich infolge der viceköuiglichen Loljeserhebungen, — 57 — im Zeiiitlic. wcmi^h'icli «lic AiilVajre, die 17S6 an iliir o^}2:ill^^ ol» er heimkehren und einen Lelirt^tuhl jeiiei- ikmk-ii MadiidiT Aii>t;ill iilternehnicii wollr. Uauin mehr als <'iii<' hol'lirhe Khrenliezeu- g^ing war. Noch h'hhaftere IlotVnun«i-eM als IJeigbau, Queeksillier und Theehanch'l rief das Kina-MonoiioP'^) hervor. Bei dci' Regifin- dung (h'r liotanisclien K-xpedition wai- die Fielx'rrindc licsondei-s hetont worden, obwohl die Krone ihre Ausl)eutun<>- bereits vor fiinf Jahren einem eigenen Cominissär übei-wiesen hatte: jenem Lopez, wek'Iier schon 17H1 dazu liestimmt worden war, bei der nächsten Vacanz einen dci- höheren Verwaltnngsposten am vice- königlichen Sitze zu bekleiden. ^lan hatte sicli damals gedacht. da«s Mütis die wisscnscliartliclH', Lopez die praktische Seite dei- RindiMigewinnnng beti'eil)en könne, alicr die Liitdecker-Rivalität Hess kein Zusamnicnaibcilcn zu. Im Jahi-e ITSo war bestimmt worden. Lopez sei wegen der oiVenkuudigen Falschheit, mit der er die Lntdeckung der Bogota'er Kina sich anmaasse, sofort ab- zusetzen: weitere Bestrafung unterbleil)e nur aus königlicher Milde; iinu sei keine L"^nterstützung zu gewähren, auch nicht zu gestatten, nach Spanien zu konnnen. Diese Verfügung wurde schon nach zwei Monaten abgeschwächt; man meinte iniNovemlier jenen Jahres, dass Lopez docli fcnu'rliin wold noch verwendet werden müsse: zur Erledigung von allerlei Aufträgen und zur Berichterstattung über allerlei Fragen sei es immerhin angenehm, Männer von einigen Kenntnissen zur Hand zu halten. Sebastian Jose Lopez dachte über seine Fähigkeiten und Leistungen anders. Als er von dem neuen wissenschaftlichen Unternehmen in Mai'iquita die erste Nachricht erhielt, waren von ihm gerade selir beschwerliche Reisen beendigt worden, welche er in den bisher fast unbekannten, jenseits der Ost-Cordillere belegenen Gebieten der Andaqui-Indianer gemacht hatte; auf seinen wilden Fahrten im fast unl)ekannten Flussgebiet des Ama- zonas glaulite er sogar bis zum Orinoco gekommen zu sein; er legte zwei Karten vor, welche sehr detaillirte Angaben über Kina- Bäume, weisses Bienenwachs und wilden Zimmet enthielten, be- richtete Übel- das eigenartige Fielien der von ihm besuchten Wilden und über das Vordringen der Portugiesen, welches trotz der noch immer im (Jaiige lielindlichen (Jrenzverhandlungen fort- dauerte, ja um sich grill". Auf dem Felde, welches er als Spe- — 58 — cialität sioli erkoren hatte, dem der Ausnutzung dei- natürlichen Waklproduc'te, fand er nun jenen Andern vor, der keine derartigen Reisen unternommen, keine ähnlichen Stra])azen ausgestanden, längst nicht so viele mühsam eri'ungene Beol»ai'htungen gemacht hatte; trotzdem ging er von Bogota den Kiua-Bänmen weiter nach; ülter die Wälder des Fusagasnga-Thales berichtete er am 14. April 1784 uad beschriel) dal)oi liesonders den Stand der Bäume, die er schon 1776 und 1780 abgeschält hahe. Die Ge- lehrten-Eifersucht ärgerte den praktischen Mann so, dass er eine am 20. Mai 1784 unterzeichnete Streitschrift verfasste, welche „Chronologie der Aufündung dei- Kina von Bogota" hiess und energisch dagegen protestirte, dass seine der Regiei-ung anzu- bietenden Sachen erst dann aljgesendet werden sollten, wenn Mütis sie für gut befunden hal)e. Letzterer drang mit dem Ver- langen solcher Oberaufsicht durch und Lopez wurde, da er sich nicht fügen wollte, am 19. August 1784 als Kina-Inspector ab- gesetzt. Er arl leitete aber mit halbem Gehalte unverdrossen weiter, durchstreifte die Gebiete von Ocana, von Valle d'Upar, von Riohacha und Santa Marta, sowie die Provinz Cartajena, drang auch in die Darien-Gebiete vor, auf die Caliallero's Augen so unverdrossen gerichtet waren, und meldete am 5. Felu'uar 1785, dass er bei Cartajena, namentlich in der Provinz Guamocö, und bei Santa Marta, vorzüglich in der Sierra Nevada, neue Kina- Sorten gefunden lialje. Dann sandte er zum zweiten Male Proben von neugranadinischen Fieberrinden — darunter auch solche der weissen Sorte — und Muster aus der Gegend von Santa Marta nach jMadrid, und zwar von Cartajena aus, ohne um die Behörde sich zu kümmern. Erst ein Madrider Schreiljcn lienachrichtigte diese, dass achtzehn Kisten mit Rinde und zwei Säcke mit Zimmet empfangen seien, dass die Kina für gut liefunden werde, weshall) die Lopez'schen Roth-, Weiss- und Gelb-Rinden eifrigst gesammelt werden sollten. Demungeachtet hiess es gleich darauf, Lopez geniesse kein genügendes Vertrauen, wenn er auch viele Muster von Balsamen, Hölzern und Rinden aus der Nähe von Bogota eingesandt, wichtige Salj)eterfunde gemeldet und Sraaragdgruben, die von Cuevas, Carroque und Melgar, angegeben habe; Lopez gedenke solcher Leistungen wegen wieder nach Spanien zu kommen und das wolle — so wurde wiederholt — der König auf keinen Fall. — 59 — I>al(l \v(Mi(leto sich das Blatt; os kamen Bolehle, die Loi»Pz'sc'h(^- erhel)unogot:i unter- stellt. Die Lf)])('z'scli('n Kriolge dauerten nur kurze Zeit. Die Arlteitcii in Mari(|uita gingen ihren Weg weiter; es sollte su viel Both-liinde wie nur nniglich gesendet werden, al>er nach sorgtalliger Auswahl und guter Verpackung. Schon am 'ifi. .Januar 17S7 wurde derVicekönig ^^^eder zum Chef der Kina-Oewinnung gemacht und erhielt zugleich den Auftrag, dem Minister iiliei- die Aushildung des Monopols zu l)erichten. Dies that Caliallero in einer Henkschrift vom 1(). \\n\\ 1787: „Der lieriihmte Natur- forscher, dessen Wei-th Euer Excellenz so gerecht zu schätzen wissen, dessen Kenntnisse aber nicht auf seine Vtcsondere Wissen- schaft sich beschränken, sondern auch auf wirthschaftliche Fragen ausdehnen, hat die Kina von Neu-Granada entdeckt und seitdem ihren A^m-1 »rauch in Eui'oi)a und ihre medicinische Yerwerthliar- keit studiit; er hat iiber die Xothwendigkeit nachgedacht, der ordnungslosen Gewinnung ein Ziel zu setzen; seine Vorschläge sind durch die Erfahrung liestätigt und gerade jetzt doi)pelt wichtig geworden, da die ehedem iil)erschwenglich i-eiciien (Ge- birge von Loja nicht einmal mehr die königliche Apotheke in Macbid zu versorgen im Stande sind. Um dies Institut v.w er- halten, erging an Miitis, mit dem ich schon früher iil)er di(^ Sache verhandelt hatte, mcinJ3efehl, ein Administi'ations-Programm anzufertigen. Dieser Mann, als Politiker, Philosoph, Staatsmann uml (Jidehrter gleich Itedeutend, entwarf (Mnen eingehenden Plan, liii die Kina auszunutzen, gielit es nur zwei Wege: den des freien Handels oder den des königlichen ^fonopols. Anderthalb .lahrhunderte lang hatten einige in Lima und Cadix angesessene Geschäftshäuser den Rindenhandel ausschliesslich in 1 landen; der hauptsächlichste Productionsort war Loja, wo die ausgedehnten Wälder iibcrall reit-h an Kina-Bäumen und die Zugänge zu den Siidsee-FIäfen nicht allzu schwierig sind; der Itlidiende Verkehr hätte au die Erhaltung der Stäninn^ mahnen und ihrei- Lrschö])fung vorbeugen sollen. Fast zui" selben Zeit, in der die Börse von (\adix (las Kina-Geschäl't ei'grift", macht(^ die liollämlische Compagnie — 60 — die grössten Anstrengungen, um die Portugiecjen aus dem asia- tischen Spezerei-Geschäfte zu verdrängen. Millionen Pfund von Zimmet hat darauf die ostindische Compagnie gewonnen und mit der einen Ilaud die Zimmet-Bäume von Cochinchina und Mala1)ar niedergeschlagen, mit der andern Hand aher so viel wieder ge- pflanzt, dass stets genug für die Nachfrage vorhanden ist. Diese wirthschaftliclie Vorsicht vergleiche man uiit unserem Zustande, mit der Thatsache, dass die Loja-Rinde jetzt kaum noch die für die königliche Apotheke nothwendigen neunzig Centner liefert. Der Grund, weshall) der Zimmet empor und die Kina herunter- kam, liegt nahe: die Holländer l)rachten alle Spezereien und Droguen unter ihr Staatsmonopol und regelten die Gewinnung durch olu'igkeitliche Vorschriften. Von den Holländern müssen wir lernen. Ihr System wird ])ei uns dazu führen, dass nicht mehr schlechte Rinden auf den Markt kommen; nicht so viel werthvolles Product wird beim Transpoi't nach Europa verderben; der Preis des Artikels wird nicht mehr so hin und her schwanken; der Wissenschaft wird die wirksamste Arznei gesichert und da- durch der Menschheit ein Dienst erwiesen." Sitz des zu errichtenden neugranadinischen Kina-Amtes sollte Honda werden, denn dieser Hafen des oberen Magdalena-Stroms schien im Herzen der Kina-Region zu liegen; dort besass die Krone ein eigenes Gebäude, dorthin sollten die Sammler das Product schaffen und dafür zu festen Preisen, je nach den zurückgelegten Wegstrecken, bezahlt werden. Mütis meinte, der Verljrauch an Rinde beziffere sich zur Zeit auf 400 Centner für das Jahr, wofür 300 000 Bäume jährlich geschält werden müssten, deren Gesammtzahl in der neugranadinischen Region auf 6272 Mil- lionen Stämme sich schätzen lasse; er berechnete, dass der Ver- kauf der Kina an das Ausland dem königlichen Schatze jährlich etwa 400 000 Dollars einbringen würde. „Dadurch könnte dies l)isher ganz unfruchtbare Königreich endlich der Krone einen Gegenwerth für alle Sorgen und Bemühungen verschaffen." Die zur Ausführung des Projectes nöthigen Maassregeln hätten aus- zugehen von dem Verbot, dass Private Kina-Bäume fällen oder schälen oder Rinde verschiffen, nnter besonderer Ausnahme der Register-Fahrer von Callao; dies Verbot sollte wegen der in- folge des Krieges in Cadix aufgesta]>elten Vorräthe erst mit dem Jahre 1701 ])eginnen; der Schleichhandel mit Kina, so alt wie — 61 — das legitime Geschiil't , lasse sich in rartajcna iiiid Saiila Maria bei geni'igeiulei- Waelisainkeit sein- wohl vriliiiHlcni. Nachdeiii die Venvaltungsweise in der Deiiksclii itt weiter dargestellt ist, ■wird die Verbesserung der .Magdalcna-ScliinTahrt ^') li<'Iiaiidald darauf entsetzte iliii der Yicekönig gänzlich seines Amtes, an- geblich weil er den Untersuchnngen auf dei- Darien-Lamlenge sich nicht wieder angeschlossen liabe. Unterm 30. Juni 1789 schi-ieb der gemisshandelte Mann: „Mütis hat es empfohlen, dass ich in die J)arien -Wildnisse entsendet würde; ali(>r ich konnte dies mit Fng und Recht ablehnen, denn ich wollte dort nicht sterben, weder am Fieber noch an Pfeilgift." Die Mutis'schen Rinden fielen bald wieder S(dn' schlecht aus. Unterm 12. Mai 1788 schi-ieb das Ministerium, Mütis möge doch einmal selber an Ort und Stelle sich begeben; gehe das nicht, so solle er kenntnissreiche Leute auswählen und sie namentlich auch über Zeit der Schälung unterweisen; ausserdem sei für bessere Verpackung zu sorgen, für genaue Trennung der Sorten unter Angahe der Standorte; eine l)esondere Liste möge für die Präsi- dentschaft Quito n(!bst einer Abschrift der zu ertheilenden In- struction eingesendet werden. Dieser ausführlichen Madrider Anweisung lag Alischrift eines Erlasses Ijei, welcher dem Präsi- denten von Quito l>efahl, Mütis bei seinen Kina-Reisen in jeder Hinsicht zu unterstützen; der Minister erwartete wirklich von ilim ausgedehnte Forschungsfahrten, dieser aber verbliel) nach wie vor ruhig in Mariquita. Er passte für derartige praktische Arbeiten überhaujjt nicht und musste sich deshalb, seitdem er Kina-Export im Grossen betreiben sollte, eine Hülfe suchen. Diese fand er in Pedro Värgas, einem Mediciner aus Socorro, den auch der Vicekönig für eine Persönlichkeit von ausserordentlichen Talenten und Kenntnissen erachtete.^^) Dieser Creole war ein charakter- voller, entschlossener Mann, der Erste des Miitis'sehen Kreises, der in Europa ausserhall) Spaniens sich bekannt machte. Von ihm rührt eine vielbesprochene Entdeckung her. ,,Mütis erzählte mir", so berichtet Vargas selbst, „dass die Neger, nicht die Indianer, in der Umgegend von Mariquita giftige Schlangen sorg- los, und ohne gebissen zu werden, anfassten; dem Vogel, der Guaco heisse, hätten sie es abgesehen, dass er ein Kraut fresse, welches gegen die Wirkungen des Schlangengiftes schütze. So — n3 — brachte eines Tafj;<'s ein Ne«rei- eine Tava mit allen ilir<'n (lift- zähnen, ohne dass sie ihn hiss. Am 3(.>. Mai 1 7ss wui'dcii mit diesem Thiei-e A'ersnehe an<>;estellt; naehdem der Neger niii- v(»n einem Anl^rnss jenes Gnaeo-Krantes /wci lOssloll'el jj^egelien hatte, liess er die Hchlanir«' mich sechsmal lieissen: die liliiteiuien Wunden wischte er mii Jenem Safte ans und rieh sie nnt den Blättern (h's Krautes. Ich vers)iürte keine Folu(>n des Jiisses; der Neuer versicherte, ich sei «i'eticn den Schlan<>:enl)iss sicher, so nahm ich denn sellisl das 'I'hier in die Ilaiul; es war uni'uhiu,-, hiss mich alicr nicht. Zni»'e<>;en waren die (lenossen der Ivxjie- dition, wie Dr. Mütis, Francisco Javier Matiz und Francisco Zaharaiu. der Schreiher, auch die als Gäste in Mari(juita sich auf- ' haltenden Dieiro de Tuarte und Anselmo Alvarez. I)i(^ UmstehciKlcn hatten nach jcucin .Vu»i'enl>lick die Angst verloren n\\i\ liciührten ebenfalls die Schlange: da liiss sie Alatiz in die rechte Hand, was Alle entsetzttstadt; Früchte des Mandel-Baumes, in Rinden gewickelt und mit Blättern des Zimmet- Baumes von Anda(iui bedeckt, Rinden des Tachuela- Baumes behufs Versuche, ob aus ihnen gelbe Farbe sich gewinnen lasse, für die Professoren dei' Botanik iiiid Chemie sowie für die land- wirthschaftliche Gesellschaft in Madrid; Stangen der rothen Kina, welclu' in ilcv Umgegend von Maricjuita wächst, damit in (h'ii öfl'entlichen Lazarethen erneute Proben angestfdlt werden können; eine Sammlung von Fellen und Vogelliälgen für tlas königliche Cabinet mit Zetteln über Nanu'u und (Jeschlecht.'^ Solche Scn — CA — düngen Lewiesen, wie wenig die })raktisclie Ausnutzung der Co- lonialschätze bisher bedeutete; aber die theoretische A^orarbeit erschien in Aladrid als ausreichend, da ein Verständniss ffir den Waarenhandel iehlt*;; so schickte das Ministerium z. B. eine Kiste mit Holzprolx'u an den Yicekönig, damit zum Dienste des Kron- prinzen eine gleiche Mustersannnlung unter Angal)e der Stand- orte und der wissenschaftlichen Namen in Neu-Granada angelegt Averden möge. Es ging in Mariquita von einer gelehrten Arbeit in die andere. Da sollte nach den Anga])en von JjO})ez ein Wachs existiren, welches die Indianer der Llanos von San ^lartin und die Audaqui-Stämme ])enutzten; A^orschläge waren gemacht, das- selbe zum Besten von Handel und Industrie; in brauchbaren Zustand zu setzen. Anfang 1785 liegaun Miitis dies Problem zu verfolgen, indem er aus den Andaqui -Wäldern wie aus der Timana- Gegend bezogene Bienen züchtete, welche wirklich alsltald ein weisses Wachs lieferten, das mit dem l)esten Amerikas, dem von Trinidad, das Wettgeljot zu bestehen schien. Aus den Andaqui- Regionen stammten noch manche andere wichtige Producte, so namentlich der Zimmet, welchem Miitis sowohl wie Lopez Auf- merksamkeit zuAvandte. Ersterer baute den Baum in Mariquita an; nach spanischer Auffassung sollte auch der Wuchs junger Pflanzen mit Zauberschritten vorangehen, denn schon Mitte 1785 wurde man in Madrid unruhig, weil noch keine Resultate der neuen Cultnr angezeigt seien; am 18. Septemljer 1786 meldet Miitis, dass elf Sträucher unter seiner besonderen Aufsicht ge- diehen; Caballero antwortete: „Unseren Wünschen Averden sicher- lich diese Bäumchen, welche Ihnen das Lel)en verdanken und von so vielen glücklichen Händen bedient werden, vollständig entsprechen." Die projectenreiche Regierung des Erzljischof -A'icekönigs schloss am 8. Januar 1789. Mütis Avusste von dem Ende schon vor einigen Monaten. Den Scheidel)ericht, den der tüchtige Creole Tgnacio Cavero ausgearbeitet hatte, unterzeichnete Caballero, als Bischof des spanischen Cordova, erst am 20. Februar jenes Jahres in Turbaco. Gleich darauf reiste er mit seinem zweiten Secretär Zenon de Alonso ab, ohne die Hauptstadt wiedergesehen oder je die von ihm gegründeten Arbeitsstätten in Mariquita und Santana besucht zu haben. Nach Spanien brachte er keine neugranadinischen Silber- — 65 — schätze, denn (rKlhuyar hatte in der kui/.cn Zeil noi-h Nichts /u leisten vermocht — keine Fioi'a l>n<>()taiia. (h'un die Sanmdinig von Bildern nnd riolicn. die er ndt sich l'idirte, konnte das so gross geplante Wei'k nicht vertreten — kciine Resultate der Darien-Kxpeditionen, (h'ini was u-alteu den Iriiheren Iloll'ninigen gegenül»er einzelne Raritäten. Allein au Wnv^l des /.in- lleiniath lahrenih'n Schilles fanden sich iloch nicht Idoss die gewohnlichen Ausstattungen der iiulischen Hrgisterfahrer; Caballero hesass auch eine wichtige wissenschaftliche Samndung.^^) Vor zwei Jahren hatte er an ^^ntis ein IJücherverzeichniss nebst einer Liste von verschie- dcMUMi Wörtern geschickt und gelteten, die vei'zeichneten Si-lniften zu suchen und die Rechtschrtnbimg sowie die Uebersetzung der aufgelTdirten Vocabeln l'estzustellen. Seltsamer Auftrag in wildem Lande; allein es war die Kaiserin von Russland Katharina IL, von welcher in Madrid di(>se iJeihülfe zum Studium indianischer Dialecte fiir das grosse in Angrill" genommene L'nivei'sal-Lexicon, lui- die Sj)i'ach<'n-Bil)el. erbeten worden war. Sofort hatte Miitis seine alten Schätze wieder hervorgesucht; zu Bogota ward in jenem Freunde Diego de L'^garte ein guter Oehülfe fiir neue Sannnlungen gewonnen; Itald fand sich ein stattliches ^[aterial beisanunen. So besass sein scheidender Gönner zunächst eine Grammatik und zwei Vocal)ulare der Ghil)clia-S))rache; das Oi-i- ginal der Grammatik und des einen Yocal)ulais, dem ein Beicht- buch als Anhang folgte, war die Zusammenstellung des grossen Indianerfreundes Jose Dadey. Ferner war da: eine Grammatik und ein Yocabular der Acliagua-Si)rache, eine Sammlung der J(»suiten])at-en und Schulden diT doiti<^('n He<>iei'un,u" Anlanu' 17l^*> lorniell iiheniahni. wai' ein .Marine-Ot'lizier von vieler Welteil'ahi'unt;": Francisco Jil v Lenins;^') allein schon hei seiner Ankunft in ('ai'tajena hiess en, dass Hoish(!rigen (Njlonial- Haues zu rütteln, ohne jedoch die neueren IJewegungen des wirtli- si-hat"tlicluMi Lebens zu verstelu'u o(h'r auch nur zu kennen. Miitis sieht ihn Ende Februar 178U bei dei- Landung in Honda nnd ist über dessen Arbeitsamkeit erstaunt; (u- eiinalinl d'IOlhuyar, ja eingehende Berichte zu schreiben, weil der hohe lleir All(»s wissen wolle und last neuerungssüchtig sei. In der Thal nii>>liel das unpi'oductive (Jelelirtenlelien Mari([uitas dem an sliammen Dienst gewöhnten und noch nnt eiiroiiäischer Ki'al't versehenen Manne, w(dcher zu seinem Schrecken ei-kannte, dass das A'ice- königreich mit zwei Millionen Pesos Schulden Ixdastet war luid tleslialb unverzüglich Kina-Sendung wie Daiien-Cohunsation ein- sttdlen liess. \'on der Hauptstadt ging er sol'ort nach dem — 68 — Magdaloua-Tliah^ zurück, so dass im April 1789 zum ersten Male ein AHceköuig l»ei eleu Gelehrten von Santana und ^fariquita erschien. l)"I']lliuyar war krank und al »gearbeitet, aher doch noch geistig lühi'ig; er hatte alle Anträge, dass er nach Lima üIxm'- siedeln möge, abgewiesen, selbst die mündlichen, die ihm kürzlich von Gabriel Urciuiza überbracht woiden waren. Seit Ende 178H hatte er dcnitsche Bergleute*^) um sich. Ein Amalgamationswei-k war in Santana errichtet, arbeitete jedoch noch ohne wesentlichen Erfolg. In jeder der l)eiden Silber-Gruben, in Santana wie Monta, hätten GO — 70 Manu thätig werden können, allein die Mittel waren so knap]), dass kaum 15 davon ständig auf dem Erze lagen. l)i(^ unter den tropischen Krankheiten schwer leidenden Deutschen waren aus dem })rotestantischen Theile Sachsens ge- kommen und wnrden bald als „Hugenotten" verschrieen; die Geistlichkeit verlangte den Uebertritt der Ketzer und machte dafür kein weiteres Zugeständniss, als dass die Kirche sich mit milderer Form der Bekehrung zufrieden geben wollte. Die grosse Bergwerks-Direction hatte, aller Mühen ungeachtet, so wenig geleistet, dass ein neuer, billigei'er Oi'ganisationsplan ausgearbeitet werden musste, der ü))rigens nur auf dem Papier blieli. Der neue Vicekönig versagte der bewiesenen Energie seine Anei-ken- nung nicht, hoffte auch Erfolg von der Zukunft und jjestätigte schliesslich alles in Santana Geschehene. Anders in Mariquita; da hatte jahrelange Arbeitsseligkeit nur wenig )>raktisch Werthvolles gefördert; es schien noth wendig zu sein, den kränkelnden Mütis in eine mehr anregende Umge- Itung zu l>ringen und dem ganzen Unternehmen grössere Kraft einznflöss(Mi. Aus solchen Rücksichten wuixle Miitis vom Yice- könige mit zur Hauptstadt genommen. Dort begann er, gleich nach seinem 58. Gel)urtstage, gemüthlich mit dem alten Fi'eunde Valenzuela verkehrend, ein neues Leben. „Mein bisheriges Still- schweigen", so schrei) >t er d"P]lhuvar, „erklärt sich aus den Be- suchen, die wir liei Hofe machen mussten, und aus dem Hervor- treten eines ganz neuen, für mich sehr eindrucksvollen Tempe- i'aments. Ich freue mich, ja ich bin glücklich, dass ich mich entschlossen hal)e, in Begleitung unseres so liebenswürdigen A^or- gesetzten hierher zu reisen; der neue Vicekönig arbeitet viel und wünscht den Fortschrilt, aber er hat nur Weniü-e. die ihm helfen — 69 ^ koiiiion. Kr IVciil sich iilirr die Milien ilc- .Maii(|iiita-lM'zirks; filier sie j^eht mit gegenwärtiger Post ein giinsliger Heiielit naeli Madrid; den Bericht hat Va'rgas ausgearbeitet, ich iialte gebeten, uiisern neuen Dan für die Heigliau-A'erwaitUMg wieth'r lieivoi-- zusucIkmi, alter Ins Jetzt nichts erreicht. Sie können d(Uiken, wie wir Jetzt (h'r (Jleichgiiltigkeit gegeni'iher in I''ianimen stellen; aber es ist wirklich eine Masse laufender CTeschatte zu erlediiren. Ueber Kina trat" ein neuer Befehl von Madrid ein, welchei' bei der Einstellung der Sentlungeii beharrt; ich antwortete in einem umfangreiciien Bei'icht. Was Jliren Fortgang nach Lima anbe- langt, so geben Sie sich keiner Täuschung hin: so lange ich lobe, werden Sie sich in diesem Königreiche ab(|u;ileii. Mit mir sprach der Vicekönig von lliici- Vei-setzung und ich erklärte, wenn er sie gestatte, werde er (h'in jjande, dem (m* AVohithaten erweisen solle, den grössten Schaden zufiigen. Das öftnete die Augen und wir beläcludten Jene Jdee. Sie, mein Freund, miissen einsehen, dass für Sie nicht Peru, nicht Mexico voihanden ist, sondern einzig und allein Neu-Granada und die liebenswürdige Doüa .Josefa: deshalb kein Wort melii" davon. Ich bclinde mich etwas besser, vielleicht weil ich ein Faullenzer geworden bin und ausser d«Mi Posttagen weder schi-eibe noch lese. Dazu lassen niii- hier die guten Leute keine Zeit. Alles geht niiiiidiicli ab; ich mach(! meine Beobachtungen und stecke sie in den (^uersack, um sie dort unten bei unseren Bespi-echungeu mit Buhe wieder aiis- Ijackeii zu können. Wahrhaftig, dieser Hof ist doch winzig klein, obwohl er den Nachgeschmack eines grossen hat." Miitis wirkte in F^ogotä getreulich l'ür die Interessen, die ihm näher lagen; namentlich wai' seine Anwesenheit für Jenen Va'rgas sehr anregend, der schon vor seinen Mariquita-Studien eine umfangreiche Arbeit über Ackerbau, naiidel und Bergwesen Neu-Crianadas angefangen hatte. Der intelligente Creole schloss jetzt, da dei- Mütis'sche Verkehr mit der Beamten- ITieraivhie ihm die Regierungskreisc als leicht zug;ingli(;h erscheinen Hess, das lang geplante Werk ab und überreichte es dem neuen Vica- köiiige, der so kraftvoll auftrat. Die Schi'ift von Värgas übertraf als nationalökonomische Arbeit die von Moreno sehr erheblich. .lener umfassti^ über- sichtlich und unter kluger Heranziehung (Miropäischer Wissenschaft fast die ganze wirthschaftliche Sphäre seines Vaterlaiules; er — 70 — rodete von Lauthvirthseliaft und von den Mitteln, diesen in seiner Eleimath noch fast unl>ekannten Cultnrzweig zu lieben, vom Ein- fluss eines geordneten Ackerljauwesens auf den National-Cliarakter, von der Begri'indung einer landwirthscliaftlichen Gesellscliaft in Bogota nach dem Muster von Bei'n, Dublin oder Madrid, von einer Ackerliau und A'iehzucht betreffenden Studienreise durch die oftenl)ar schnell aufblühenden Vereinigten Staaten und von dem grossen Vorbilde, das England auf diesem Felde diesseits und jenseits des Oceans darbiete. Dann bespricht Vargas den Handel und zuvörderst das Fehlen von Wegen; was Bogota be- treffe, so habe schon A^icekönig Solis umsonst für die Carare- Strasse gearl)eitet, die einzig richtige, welcher jetzt der Weg nach Honda vorgezogen werde, obgleich er immer noch unpassir- bar sei; das Cauca-Thal müsse durch den Guanacas-Pass zugängig gemacht werden, der günstiger liege als der lebensgefährliche Weg über den Quindiu; die wilde Chocö-Gegend lasse sich durch einen bei Ita zu beginnenden Weg eröffnen; im Innern sei dort eine Süsswasser-Verl)indung zwischen den beiden Oceanen herzu- stellen; die Atrato-Schifffahrt müsse freigegeben werden, damit das Meer sich von den Bergen und Hochthälern erreichen lasse; zum Rio Zulia halje von San Faustino aus ein Weg zu führen, nach dem Meta ein anderer von Sagomoso aus. „Wider die gesunde Vernunft ist es, dass jetzt alle Einfuhr in dies Land über Cartajena geht; das heisst unser grosses Reich dem Älonopol und der Tyrannei jener Kaufleute unterwerfen, welche ihm gerade so gegeniiberstehen , wie ehedem die von Cadix dem gesammten spanischen Amerika." Für Wege solle man die ganze Bergwerks- Rente verwenden, welche an eine grosse Privatgesellschaft zu vergeben wäre; wenn man dies nicht wolle, müsse man dafür die Einnahmen aus Thee und Kina l»enutzen; endlich könne auch Privaten die Weggelderhelnmg zugestanden werden; übrigens sei der Staat selber im Stande zu helfen. „Die Römer l)auten ihre Weltstrassen durch Soldaten, warum thun wir in unseren menschen- armen Gebieten nicht desgleichen?'' Ferner bespricht der vice- königliche Rathgeber die Handelsartikel seiner Heimath: Gel, Mehl, Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf, den neuerdings mit gutem Erfolg angeljauten Indigo, ferner jene beiden Mütis'schen Sjjecia- litäten: Thee und Kina, mehrere feine Holzarten, Droguen, wie Zimmet und Muskatnuss, Cacao und Cochenille, sodann Tabak, — 71 — dessen Monopol au(/,uht'l)en sei, und Petroleum, das einen (reff- lit'ben Sehift'stheei- liefern Verde. Naclideni er noeli die Errich- tung eiiiei' rajjierlahrik in l)o<;ot;i eniplolilfii hat, wendet sich Vargas dem IJerghauc zu. Vom pliilosopliischen Standpunkte aus müsste man wiinsclien, dass der l)ergl)au ITii- immer abgescliairt werde; der Staat ist nut dem. was der Betrieb einträgt, nicht zufrieden und betrachtet ihn nur unter gewissen Voraussetzungen als vortheilliaft: die jetzige (Joldgewinnung bringt nicht bloss die Bevölkerung herunter, sie entzieht auch dem Ackerbau zu viel Arbeitskräfte. Das an Ausfuhriiroilucten gar zu arme Land nniss aller trotzdem, nach Ansicht von Vargas, zur Zeit noch Mineralien suchen; dafi'ir sollte man indess, wie schon (rElhiiyar IJH'i cm- jtfohlen habe, ein eigenes Ingenieur-Corps einrichten. Die Denk- schrift redet eingehend von Gold, Silber und IMatina, von Kupfer, Quecksilber und von Eisen, das werth voller sei als Gold, aber bis jetzt gar nicht gewonnen werde. Zum Schluss kommen die Edel- steine daran; die Smaragden von ^luzo, welche den einzigen Artikel bilden, der direct in den königlichen Schatz fliesst, so dass die Vicekönigc; wenig Acht auf ihn gegel)en haben; die Amethysten von Timana und die dunkelvioletten Steine von Susa. Auch das Geschäft mit diesen Schätzen des Bodens sollte frei sein. Miitis stand dieser umfassenden Arbeit nicht fern, so wenig er die allen bisherigen Regierungsprincipien Aviderstreitenden Ansichten liilligte; er verfolgte die Schrift fast argwöhnisch, aber mit grösstem Interesse. Um den l)ereits angekiuidigten Nachfolger des fast neuerungs- süchtigen A^icekönigs noch zu sprechen, blieb er in Bogota' länger und länger. Am 15. Juni 1780 schriel) er d'Elhuyar: „Ich habe über meine Rückkehr noch nichts beschlossen; vor Cartajena war nändich beim Abgang dortiger Post eine Fregatte in Sicht, und es ist möglich, dass diese den neuen Statthalter an Bord hat, so dass wir in Kurzem durch Eill)oten Nachricht erhalten können. Mir gelallt das Bogotäer Klima ausserordentlich, mehr noch dieses träge Leben, das übrigens in tausend zudringliclien Besuchen seine Schattenseiten hat." Einen Monat später sagt Mütis: „Ich denke mir, dass Sie jetzt in Honda sind und dem neuen Vicekönig sich voi-stellen; <'s wird kein LTmsturz statt- finden." Am 31. Juli 1789 meldet er; „Gestern, fünf L^hr Nach- — 72 — mittag's, traf der neue Vicekönig ein; heute hat er sein Amt iiltciiiommen." Marschall Jusr de Esiteleta*^) kam von Cuba, wo er drei Jahre lang General-C^apitän gewesen war; er war also ])ereits mit den (^olonial-Vei-hältnissen vertraut und hatte sich an das tropische Amerika gewöhnt, in seiner Umgehung befanden sich gewandte Männer wie Jose Ramon de Leiva und Manuel Socorro Rodriguez; sein Leibarzt Louis de Rieux, ein Franzose, war in halli abenteuernder Weise nach Ilavana gekommen;''*) das Reise- gefolge, in dem auch Loi)ez, der Kina-Entdecker, sich befand, erschien wie eine fremdartige Caravane. Ende August war INIütis wieder im Magdalena-Thalc Das dortige Leben, das nur noch kurze Zeit dauern sollte, war nun nicht mehr so akademisch frei wie friiher, als der Yicekönig in Cartajena weilte. Auch Espeleta griff dort Itei jeder Gelegenheit ein. Vargas l»lieb in Eogota; von den alten Getreuen schied aus dem Kreise von Mari(|uita auch Garcia, der bewährte Vormann dei- ^laler, an dessen Stelle der ]\[ajordomus Salvador Rizo trat, der bei natürlichem Geschick seine Custodenstelle benutzt hatte, um viclei'h'i zu lernen. Am 4. Januar 1790 schreibt Miitis an d'Elhuyar im Minenorte Bocaneme: „Ich habe vom Vicekönig Aufti"ag erhalten, ihm den besten Kiinstler meiner Expedition zu senden, damit er für unsere Es(piiaqui den Wasserfall von Tequendama male; ich schicke ihm den ausgezeichneten Akade- miker von San Fernando, der dassell)e leisten wird wie Garcia, al)er man nimmt mir doch für vier liis sechs Monate den besten meiner Maler; wie soll ich nun den Tag ausnutzen? Ja! die Zeiten sind anders geworden und ich denke auch anders." Lopez, der damals zum dritten Male in Bogota war, hatte bisher immer in unverdrossener Thätigkeit gestanden und in ]\Iadrid mehr als einmal Aufsehen erregt; er war, während Sintis höchstens die nähere Umgebung seines Sitzes durchforscht hatte, immer weiter in den Küstengebieten herumgeschweift. So wichtig der Theil des Linern sein mochte, in dem jener Gelehrte wohnte: Alles, was der See nahe lag, reizte die pi-aktische Aufmerksamkeit doppelt und hatte auch in Wirklichkeit grösseren Werth, da es leichter für commerzielle und iiscale Zwecke sich ausnutzen Hess. Der frühere General-Capitän von Cuba war solchen Interessen jiicht abgeneigt; somit begann Lopez Ende 1789 von Bogotjü aus — 73 — abermals' eine grosse Ex|te(liti(ni, «^riiidr al- wieder einiiiri! die Kina-Kiitde('kuiii'ii llaii|it- zweck der luMien Heise Itildele die Fortsetzung drr Istliunis- Studien. Srlion am H. I)ei'('ndier 17)^0 landete liOi»«-/, in INnlo- lielo: von' Panama' ati> sandte er am Lduni IT'.M) ciiicMi ansITdir- lielien Bericht an den N'icekonig; daliri sct/le rr in bissigster Form die AngrilVe gegen Miitis fort. .let/t, da rr in IJogota' wieder (Jehör laud, l)eleidigto er den Mann von Mariipiita auf y\U' nnr möglielie Weise, so besonders in rint-m lang<'n Aufsatz ülicr das selibu'lite Medicinalwcsen der Hauptstadt. VW liekleid(?te wie(ler das Amt eines ]\ina-lns])ect()rs und iKiclitc darauf r-rst recht, als er im Februar 1791 naeli IJogota' zurüekkelirte und viele Schätze juit sieh führte, z. 15. Flaschen voll C^)uecksillier. Miitis hatte (Jnind. liedcnkliche Frfolge seines Gegners zu fiirchlen, wenn er nicht selber in der Nähe Fs])eleta*s verblieb. I)i(>seiii wollte er aber nicht gern mit leeren Händen entgegen- treten, deshalb suchte er noch die letzte Müsse in Mari(|iiita zu benutzen, um von seinen gelehrten Arbeiten mindestens eine zum Abschluss zu bringen: eine Art Vorläufer für ein grosses ("hin- chonen-Werk, mit dem er schon lange sich trug. In (Miier medi- eiuischen Abhandlung ülter ^das Geheiinniss der Kiiia"*'"') sollle das ITaujttresultat seiner Studien, die Lehre von den sieben Chinchona-Arten, den vier ofliciiialen und den (hei nichtol'fici- naleii, niedergelegt werden. In solche Arbeit vertieft, wollte Miitis gern seinen Aufenthalt in Mari(|uita zeitw^eilig noch mög- lichst veriängern; diesem Wunsche stand aber der feste Wille von Espeleta gegenüber, der (\s nicht liel)te, dass unten im heissen Magdalena-Thale immer gearbeitet und Nichts geleistet wurde. Mütis musste aus seiner Einsiedelei befreit werden, um- somehr, als Valenzuela, durch den bisher scheinbar eine Verbin- bindung mit den Miitis'schen Studien hergestellt war, den Kreis der Expedition und sogar i>ogota' verliess. Er war für eine kurze Zeit Lehrer der viceköniglichen Kinder gewesen, musste aber seiner Gesundheit halber Anfang 17*.>1 in das heisse Klima seines Geburtslandes zurückkehren; er ging dahin als Pfarrer von Bucaramanga; seitdem wusste man in der Hanjitstadt von jener arbeitsseligen Colonie im Magdalena-Thale nichts mehr; sie hatte überdies zeitweilig einen ihrer wichtigsten Zwecke, die K ina-Saminlung, verloren. — 74 — Das Hauptmotiv, eine Ue))er.siedeliing nach Bogota zu ver- langen, liildeten die Erfabrungini, welche seit einigen Jahren mit einem, dem Mütis'schen analogen Unternehmen im Vicekönigreiche Mejico gemacht waren. Der peruanischen Expedition von 1776 und der neugranadinischcn von 1783 wai- im Jahre 1786 eine mejicanische gefolgt, die dort von Anfang an einen festen Sitz in der Hauptstadt Ijezogen und von diesem aus systematisch ge- regelte Forschungsreisen veranstaltet hatte; ihre Directoren, ^lartin de Sese y Lacasta und Jose Mariano Mocino, hatten bereits, friihere Anfänge benutzend, Grosses geleistet; mithin war voraus- zusehen, dass die Flora Mexicana eher erscheinen würde als die lang erwartete Flora Bogotana. In Mejico war ausserdem Vicente Cervantes Vorsteher eines botanischen Gartens geworden, der die besten Fortschritte machte; warum sollte Bogota ohne solche Anlage bleiben, die das Klima der Hochebene so sehr begünstigen Avürde? Die Universität von Mejico schien wegen ihrer natur- wissenschaftlichen Vorlesungen Ausserordentliches zu versprechen ; warum konnte nicht ein Gleiches in Bogota geschehen, wo so l)edeutpnde Anfänge vorhanden waren? Unter solchen Erwägungen hatte P]speleta, dem schon in Havana die mejicanischen Fortschritte l)ekainit geworden waren, gleich nach seiner Ernennung Mütis aufgefordert, zur Hauptstadt zu kommen, um dort über alle seine Beschäftigungen zu berichten und Vorschläge zu machen, wie dieselben am besten zu Ende gefördert werden könnten. Das Madrider Ministerium ertheilte den bestimmten Auftrag, Mütis und seine Angestellten zur Vollendung ihrer Arbeiten anzutreiben, auch jede Fürsorge zu treffen, dass von den Sammlungen Nichts sich verliere, wenn ein Unglück einträte, wie die schwächliche Gesundheit, das Alter und das arbeitsame Leben von Mütis be- sorgen lasse. Auf die Idee einer ständigen Uebersiedelung ging Mütis natürlich ein, aber hinsichtlich der Zeit konnte er sich nicht entschliessen; er entschuldigte sein bisheriges Stillschweigen nur durch Hinweis auf die Zukunft. In Madrid erfuhr man mit Genugthuung den vielversprechen- den Zustand der Flora von Bogota.*^) Man hoffte bald auch Früchte der Ar])eiten und der Talente des gelehrten Botanikers zu sehen; je fester die Zuversicht begründet sei, dass Mütis in vollkommenster Weise seinen Auftrag erfüllt habe, desto lel)hafter wurden die Wünsche für die Veröffentlichung des Werkes rege. — 75 — So rüstete luaii eiHllicli in .Mari(|iiit.'i zum Uinzii<^e. Miitis scliliig am '27. Octolici- 17SH vor, dass ilmi, um (ler Flora die crwüufjclite Vollciuluiiji' 7A\ gelten, ein JuiiLicr l*()|)a:en Miitis, auch nocli Juan IJautista Acpiiai' l)ei, den bisherigen I^rivatgehiiU'eii il^:^ Directors, so dass dieser von einem nicht geringen Stal» angeblicher (Jehdirten be- gleitet Avurde, als er in der Hauptstadt des Königreiches Neu- Granada seinen ständigen Wohnsitz nahm. 6. Das botanische Haus von Bogota. Dachte Miitis Ende 1791 bei seinem Einziige in Bogota an die erste Ankunft zuiäick, so musste er erkennen, dass in den letzten dreissig Jahren gar Vieles sich geändert hal)e. Die einsame vicekönigliche Residenz war nicht mehr todt; iil)erall regte es sich, wenn auch nicht immer in frisch wirkender Kraft, doch in Wollen und Denken. Während der aus Peru kommende neue Erzl)isc]iof Baltazar Jaime Martinez CompaSon, obwohl in Europa als lilicrnl bezeichnet, den alten, jedem Fortschritt feindlichen Ideen sicli hingal), ging Espeleta auf alles Neue, was ])olitisch ungefährlich zu sein schien, l)ereitwillig ein. Da wurde die Er- richtung einer grossen Haudels-Gesellschaft geplant, welche unter Regierungsschutz P]infuhr und Ausfuhr des ganzen Landes über- nehmen sollte; das Geschäftsiel )en der Stadt Ijeruhte zum Theil auf der Verfeinerung des äusseren Lebens; es zeigte sich sogar selltst europäischer Luxus französischen Stils. Die jungen Leute bildeten sogenannte Casinos, Vereine, in denen lel)haft discutirt, ja im Geheimen auch politisirt wurde; kiirzlich hatten zwei Quitenser, Eujenio Espejo und Juan Pio Montüfar, öffentlich dafür gewirkt, dass eine den Fortschritt anstre])ende Genosseu- schaft unter dem Namen „Schule der Eintracht" üljer das ganze Land sich ausdehne. Ein viceköniglicher Secretär, jener Manuel Socorro Rodriguez, war Vorsteher der Bogotäer ßildiothek ge- worden und gab seit Anfang des Jahres eine Zeitung heraus, welche über Literatur und Philosophie berichtete. Geographische Arbeiten*^) waren begonnen worden; der Ligenieur-Offizier Carlos Cal)rer, der nach der Provinz Tunja geschickt wai-, fertigte Karten an; jener Esquiaqui, der seit dem Erdl)el)en von 1785 stark mit — 77 — liauarbciton licsclüirtifi;! war, v:'\u'j:. »Ifni (Jctlaiikcii nach, eine Geogi-aiiliie Neu-Oranadas lieraus/u<;-elien. her l>an eines Tlieaters war unlernoMiuien, mit tlem Seliiit/.e des Viceküni«i:s und Hotz des Widerspruchs der kiiche. Die natMr\vi.>;ew»'seu, so liätte Manches in dieser «i'eisliucn l>ew(\- ihn hdiliafl an- «resprochen , alh'in er war in der lieissen Zone an Ideen und an Ki-äften alt «rewoi-den. Ksiiuiaqui richtete l'ür ilni ein «icräumiges , an di'r llanjit- strasse lieh''emäcli- lich aufstellen: die Mineralien, Hölzer, aus'rössert; zu den vier Malei'u aus Quito, die schon in Mariiputa gearlieitet hatten, zu Matiz und Rizo, kamen in Bofi'ota noch acht l*ersonen hinzu, die auch aus Quito stammten; neben diesen standen noch die von Garcia heran- ü-ebi bieten neugranadinischeu Maler zur Verfiigung. Es wurde nun eine Zeichenschule errichtet, d(n'en Leiter Salvador Rizo wurde, schon seit drei Jahren als Rechnungsführer tler Expedition anerkannt. Die neue Anstalt stieg liald bis auf 32 Schüler, welche bereits Morgens um 4 l.'hi- sich einstellen mussten: eine selbst für das frühaufstehende Bogota liesondere Strenge. Um f) riir hörten die Zöglinge gemeinsam die Messe in den dicht beim botanischen Haus(? belegenen Kirchen der h(41igen Glara und (Jertrude, in denen Mütis nunmehr seinen jtriesterlichen Yov- richtungen ol)lag; dann frühstückten sie und begannen um ü Uhr die Arbeit; sie ei-hielten in dem Unterrichtsraum nicht iiui- alles zum Zeichnen und Malen Nöthig(;, sondern auch Kost. Zu diesen Schülei'u gehörten l)ald die Söhne der angesehensten Familien, wie z. I>. zwei Lozanos und dHlhuyars Sohn .Ios(' Luciano. J>ui'ch die Arbeiten einer solduMi Schule empliiig ilie Flora Bogotana reichenZuwachs an Bildern; diese wurden aber auch immer luxuriöser uiul minutiöser. Einen grossen Theil seiner Einnahmen vei-wen(h'te Miitis auf die A'ergrö.sserung s«'iner Bibliothek. Da — 78 — er jetzt die Ordnung und Ausarlieitung seiner Sammlungen, die Bescbreil)ung und Bestimmung seiner Schätze systematisch vor- nehmen sollte, Hess er grosse Mengen literarischer Materialien aus Europa kommen und schuf so eine ansehnliche naturwissen- schaftliche Fundquelle: ein Wunder in den gesammten Anden Südamerikas. Mit Stolz zeigte (m- in seinem Bücherschatz das neue grosse Flora-Werk von Antonio Jos(^ Cavanilles,^") dessen Pflanzen! »ilder er durch die seinigen noch zu überljieten gedachte; der erste Folioband dieser Compilation des hochgeschätzten Madrider Hofbotanikus verkündete sofort auf den ersten Seiten den Ruhm von Sintis. Wissenschaftliche Schüler hatte dieser, trotz Escallon und Ruiz, nicht herangebildet; die Arbeitsgenossen, die in Bogota zu treffen waren, standen meist sehr viel tiefer als er. Der älteste unter den drei Brüdern, welche, aus Quito gekommen, seit 1787 l)ei Mütis l)esehäftigt waren, Antonio Cortes, versprach eine tüch- tige Kraft zu werden; er erschien in Bogota wie eine ganz aussergewöhnlich l^egabte Natur. Schon von Mariquita aus zeit- weilig l)eurlauljt, hatte er im Unterrichte von Joaquin Comacho die üblichen Rechtsstudien durchgemacht; bereits im Juli 1791 war er als ein Musterzögling von der Regierungspresse gepriesen worden; wie er ein Jahr später gar einen Vortrag über den göttlichen Ursprung der Königswürde und über ihre Unabhängig- keit von der Kirche hielt, richtete sich auf ihn die Aufmerksam- keit des vicekönigiichen Hofes. Als die Krone daheim, im spanischen Granada, eine „Akademie edler Amerikaner" stiftete, um durch heimische Liberalität in den Colonien den drohenden Fortschritten der Freigeisterei möglichst vorzubeugen, war es Antonio Cortes, der in Bogota zum Mitglied dieser Genossen- schaft vorgeschlagen wurde; der junge Mann war zweifelsohne zu grossen Würden ausersehen und musste, um sich weiter auszu- bilden, durchaus nach Spanien reisen, so dass Mütis schon 1794 seine Hülfe verlor. Ebenso wenig wie dieser hoffnungsvolle Jüngling war sein Genosse ein Bogotiier. Jener Zea war freilich schon 1788, erst achtzehn Jahre alt, von Popayan nach Bogota gekommen; er hatte aber noch immer etwas. Fremdes liehalten. Sein rastlos flüchtiger Geist war den verschiedensten Bestrebungen gefolgt; die Nachrichten ülter die revolutionären Vorgänge in Frankreich, so spät sie auch in die Gebirge von Südamerika — 79 — gelaujjtcii, hatten aufs Lei »haftest« die Gemüther (1(M' dortigen Juy-eiul errey-t und naiuentlich die Leidenseliaften \rurii Studenten, d«M- ein eifi-iger Casinogänger war. Zea hatte 17iK) unter dem Titel „Heliophylos oder •Jugendfreund*' eine originelle Arheit (hucken lassen, in welcher er für dieselben l'rincipien und gegen dieselben F(nnde stritt wie Mütis in jüngeren Jahren. Diese Schrift verfocht ilen Unterricht in den Naturwissenschaften und befehdetem den alten Scholasticisnius, der ganz unausrottliar zu sein schien, sie ])redigt«i ein kräftig(\-^ (Jelehilen-Studiuni und verfolgte nutzlose, entnervende Katheder-Weisheit. y,I)ieses Königreich, trotz seiner Ungeheuern Ausdehnung von nur anderthalb Millionen jammervoller Menschen liewohnt, ohne Ackerbau und Handel, ohne Wissenschaft und Kunst — seines Elends ungeachtet ist es der Liebling der Natur. Sie zeigt sich hier in voller Herrlichkeit; hier gründete sie ihren Garten, ihr Prachtgemach, hier olVenbart sie selbst den gleich- gültigen und wenig sinnigen Augen das Schausinel ihrer AVunder. Könnte ich doch mit euch unsere fruchtfjaren (icbiete durch- wandern, euch überall die schönen Erzeugnisse der Erd(> zeigen, ihre schwellenden Reichthümer, so viele Vollkonnnenheiten, die nachdenkende Betrachtung verdienen. Eure AValdungen voll von aromatischen und meilicinalen l*flanzen, bei jedem Schritt Bal- same, Safte, ausgezeichnete Oele und Harze. Während der stolze Schulgelehrte ausschweifenden Phantasien sich hingielit, öftnet bei uns vi(dhncht irgend eine ununteri-ichtete Hand der schlafenden Industrie den Weg, erforscht ein Ungebildeter die Natur auf seine Art. ]5eide erreichen ihr Ziel nicht. Schon d'w Thierwelt allein könnte für viele Jahre unsere künftigen Naturforscher be- schäftigen und eine segeusvolle Quelle von Reichthümern werden, sobald Avir nur unsere wahren Interessen erkennen wollten. Im Mineralreich besitzen wir einige späi-liche Kenntnisse, aber sie gingen nicht aus Schulen hervor, sind vielmehr das Werk der piaktischen Arbeit roher und ungelehrter Hände; würde doch der fähigste einheimische Bergmann kein einziges Wort, ül)er das man in Sclnveden und in Deutschland längst einig ist, richtig zu treffen vermögen. Wir Ijesitzen Marmor und Diamanten, Blei, Gold, das edelste der Metalle, unil die noch ungel)ändigte Piatina. Wie; anders wäre das Loos luiserer Heimath, wenn ihr von unseren Vät(n-n ein Studium zugewendet wäre! Wir hätten Idühenden Landbau und die Gewerbe lägen nicht in den Windeln." — 80 — Nicht 1)1()88 die Naturwissenschaft fesselte diesen schwärme- rischen Geist, auch durch die Geschichte wollte er sein Ziel erreichen; er begann damals „Al)handlunjj;-en zui- Geschichte des neuen Königreiclis Granada". „Es ist nicht wahr", sagt er in der Vorrede, „dass unser siklamerikanischer lioden es ist, der die Menschen hat vei-derben lassen; ejnst wird kommen der Tag, da die Wissenschaften bei uns Wolmung machen: ein Tag, der hell hineinsclKMut in die Neliel, dass sie weichen vor dem Lichte dei- l'hilosopliie. Seit dreissig Jahren ist die Erkenntniss uns ge- naht; Bogota wäre die erste Stadt unseres Amerikas, wenn wir ihre Lehren benutzt hätten. Damit man die A^ergangenheit kenne, wenn eine neue Zeit kommt, die vielleicht nicht mehr um ein Jahi-hundert fern liegt, habe ich diese Al)handlungen geschrieben. Unsere Enk(d, Avissbegieriger als wir, werden Alles erfahi-en wollen, was früher war; es werden unsere Ansichten, die richtigen wi(^ die falschen, dazu Ijeitragen, sie verständig und kundig zu machen. Wie werden sie staunen, wenn sie Männer sehen, die noch nach einem Jahrhundei't hätten wirken können. Dank]»ar deni Vater unserer Literatur, dem ersten Philosophen, der unser Land lietrat, werden sie für Jose Celestino Alütis Denkmale er- richten und, den Lorbeer der Grabstätte mit Thränen netzend, das Loos der grossen Männer beklagen, die erst erkannt werden, wenn sie aufgehört haben zu sein." Für solche Huldigungen der Jugend war Miitis nicht unem- })fänglich; er suchte Zea in jeder Hinsicht zu fördern und bestimmte ihn liesonders zur Erweiterung seines Lie))lingsstudiums, So sandte er ihn schon im Jahre 1792 nach dem sonnio-en Thale von Fusagasuga', um die dortigen Chinchonen zu sammeln und zu untersuchen; er sah den jungen Freund während fast zweier Jahre gern l^ei so einsamer Beschäftigung ausserhall) Bogotas, da er ihn in der freien Natur vor manchen immer deutlicher auftreten- den hauptstädtischen Gefahren bewahrt glaubte. Wegen körperlicher Leiden wurde Miitis in Bogota wenig umgänglich; er war in dem Hof kreise und in der Geistlichkeit fremd geworden; von den in ihrem Einfluss imm(ir mehr wach- senden städtischen Familien kannte er nur wenige, nicht die Camachos, Torres, Gutierrez, Herreras, Caicedos, Rodriguez, uud wie diese A"orn(>hmen des heimischiui Bürgerstandes sonst hiessen. — 81 — Zu der Al>,n('sclilosr<(Mih<'it, in welcher Miitis lebte, kam iiuch eine Verstinnuuiig- ganz besonderer Art. Er mnsste sieh ent- schliessen, mit seinen Kinarinden-Studieii an die OelVcnlliehkeit /M treten; Sebastian Lopez, der seit 17!t'i wieder in Si)anien war. hatte abermals Erfolg; von des Königs ^rajestiil war er liuld- reiehst empfangen; der Stern dieses Gegneis befand sich zweifel- los in stetigem Steigern. Es Hess sich voi-aussehen, dass nrur Angriffe erfolgen wiirden: am 17. Febi-uar 17iK-5 (>rging in der That (h^i- Hefehl. Lopez im Hogotaer Finanzde])artement anzu- stellen, und am 18. August 17!>4 foi'derte die Krone sou'ai" ue- nauen ßericht iiber die Lopez'schen A'erdienste. Dazu kam, dass auch die Oelehi-ten der für Peru entsandten botanischen Expe- ilition, mit denen Mütis während ihrei- Anwesenheit in Ameiika brieflich verkehrt hatte, nach Madrid zuiückgekeliii waren und trotz der grossen Verluste, die ihre Samndungen lieim Seetrans- port erlitten hatten, mit der Herausgalie ihrer Arbeiten rasche Fortschritte machten; schrieb doch llipolito Ruiz eifrigst an Abhandlungen iil»er die Kina-Rinde.-''') Freilich wollte Miitis ITir sein grosses Werk derartige Arl>eiten benutzen; allein bevor sie da waren, musste er von Bogota aus ein Lel»enszeichen senden, auf das er später hinweisen konnte. So entscliloss er sich, seine letzte Mariquita-Arbeit, die ursprünglich nur für handschriftliche Mittheilung bestimmt gewesen war, drucken zu lassen. Der Redacteur der Bogotäer Zeitung, Manuel de Socorro Rodriguez, sagt in der Nummer vom 1(1. ^lai 17'.t.'>; „Welche Lobeserhebungen man auch machen wollte, die vorliegende kost- bare Schrift von Mütis zu empfehlen, sie wären müssig, denn das Verdienst ilieses Werkes und der Ruhm seines Verfassers be- dürfen keiner Befürwortung. Wir können die Freude nicht bezeichnen, mit der wir dies der Menschheit so nützliche Studium ans Licht befördei-n." Die Arbeit trägt di(; schon in ]\rari(juita beli(;l)te Ueberschrift: „Das Geheinmiss der Kina" luit dem Zu- sätze: „entschhdert zum Segen der Menschheit; eine Aldiandlung, welche den medicinischen Theil der Qninologia Bogotana enthält und die Irrthümer darlegt, die in der ärztlichen Anwendung un- verschuldeter Weise begangen sind, weil die vier oflicinalen Ai-tcui der fraglichen IMlanzengattung nicht Itekaniit waren, weder ihre inneren Eigenschaften noch ihre richtige iJehandliing'* u. s. w. Der erste Theil dieser Arbeit redete „von den Irrthümern. die Seil u iiiacluT, SlMaiiiiTik. StuiUcn /• — 8^ — unvermeidlich waren, so lauge mau die Species nicht kannte oder verwechselte". „Bis vor Kurzem wusste man in Europa nichts Genaues iil)er die Art, welche die Botaniker seit dem unsterblichen Linne die Chinchona ofticinalis, Aerzte, Ai)otheker und Kaufleute Kina oder Cascarilla lu'nnen. Siebzehn lange Jahre habe ich mich der Entdeckung der sieljen Kina-Arten und der Ergriindung ihrer zvveckmässigsten Anwendung gcAvidmet." !^^ütis geht nun gar um dreissig Jahi-e zuriick; er S})richt von seinem Zusammentreilen mit Hantistevau, dann von den immer erneuten Anfragen Linnes, von dem Plan, ein königliches Kina-Monopol einzurichten, von den falschen Handelsai-ten und von den Irrthü- uuMii euro})äischer Gelehrten. „Da sich iniu eine Gelegenheit darbietet, vor der Zeit die besonderen Entdeckungen mitzutheilen, zu deucu mein Studium mich geführt hat, so werde ich dai'legen, was ich während meines langen hiesigen Aufenthaltes gesammelt halje; die wirklichen Specieu und Varietäten werde ich von anderen nahestehenden, ebenfalls neuen Arten unterscheiden und als Arzt die medicinischen von anderen, weniger tauglichen, wenn auch echten Arten trennen. Nie ist mit einem Handelsartikel tumultuarischer verfahren! Gelehrte und Händler glaubten, es gäbe nur Eine Kina-Art; was die unverständigen Rindensammler aus Amerika einsendeten, galt als echte, wii'kliche Kina. Früher kannten die Indianer diese ganz genau; als sie seltener und seltener wurde, nahm man, meist gutgläuljig, andere Sorten und bald kam es dahin, dass Niemand mehr die ursi)rüngliche Art kannte, weder in Euroi)a noch in Amerika. Als de la Condamine iu Loja war, bestand schon eine derartige A^erwirrung; er folgte den Erzählungen eines alten Eiudensammlers und vergrösserte die Verwirrung. Santistevan fand 1752 eine Rinde vor, die ihm die beste zu sein schien, aber nichts war als die gelbe; heim- kehrend von Loja, fand er l)ei Popayan die rothe, den Palo de Requeson, und diese Sorte l)rach sich in wunderbarer Weise Bahn seit dem Jahre 1780. Da man die vier medicinischen Specieu ebenso wenig kannte wie die drei Specien, welche bei der gewöhnlichen Anwendung in der Medicin weniger Wirkung besitzen, so konnte Niemand den Unterschied in den P]igenschaften erforschen. Man schrieb die grössere oder geringere Wirkung nui- der Güte der Rinde l)ei, ohne zu erkennen, worin diese Güte eigtMillicli IxM'uhc; man glaublc, ilass die einzig pxistir(Mule Kina, — m — woiin si(^ mir von l»(>stt'r Sortc! sei, <2^oei d<'n hiesigen Sannnlern hei-rschte die Ansicht, sie wiii'den driihen als Färbeuuttel benutzt." Im zweiten Theil handelte Miitis „von den wesentlichen A^or- theilen lieiin (Jelirancli der Kina, welche ans der rnterscheidunu; der SjKH'ies heivorgehen . sowie aus der Kenntniss ihi'er innei-en l'> igen seh alten inid aus ihrei- neuen Bereitung. " Ohne eine bota- nische Heschreiltung zu gehen, setzt Miitis die Charaktere seiner vier medicinischen Arten auseinander: der orangefarbenen, der rotheu. dei" gelben und (h'r weissen; er giebt nach dieser Be- 8chreil)ung dei- \ ici- Medicinalarten eine Tabelle eigenthümlicher Art. die ei- als ^Uebersicht der Namen und Eigenscharten der vier ol'licinalen Kina-ArtiMi" l)ezeichnet. Diese Averden lateinisch nach den Blättern benannt, die nichtoi'ticinalen nach den Blüthen. Dann vertlieidigt die Schrift fast gereizt und hartnäckig solche Classification unter Beriicksichtigung von zahlreichen älteren europäischen Schi-iften. „(Gegenüber der dreisten Anmaassung, mit der ein alienteuernder Professor unsere Bescheidenheit und unsei- Stillschweigen benutzt hat, um den Ruhm der ersten Ent- deckung der Kina des Königreiches vom ,Iahre 1770 her sich zuzusehreiben, halten wir uns die Original-Entdeckung vorzu- behalten und diesen Protest so lange fortzusetzen, bis die Quino- logia Bogotana V(dlendet ist, deren prächtige Tafeln ihren Ab- schluss noch nicht finden konnten wegen Abspannung dei- Kräfte und Erschütterung der Gesundheit." Der dritte Theil der vobi- miuösen Schrift nennt sich: „Niitzliche Fi'agmente aus der (ie- si-hichte der neueren Anwendung der Kina" und beschäftigt sich mit den ^^ethoden der Benutzung der FielieniiKh', den verschie- ilenen Krankheiten, gegen die sie gebraucht worden, und nüt verwandten Fragen. „A'^icdeu wird es Bedauein, Anderen in kommender Zeit Lächeln vei'ursachen, wenn die Geschichte unseres liandelsartik«ds gesehrieben ist. Die ausgezeichnete rothe Rinde ist durch den letzten königlichen Befeid zur Gerberei verdammt (»der zum N'erbrennen — bloss weil man ihre iMgenschaften nicjit kennt. Wären die Auseinamlei'setzungen dieser Abhandlung i'ccht- zeitig geknnnnen. nui den \'erlusl dei- in Cadix und liier für Ü* ^ 84 -- köuigliche Recliiumg lagernden Partien zu vermeiden, so waren dem Verfasser die widerfahrenen Anfeindungen minder schmerz- haft gewesen; die unentschuUlliare Achtlosigkeit der jüngst mit einer neuen Untersuchung der Rothrinde beauftragien Gehihrten war die nothwendige Folge der bereits herrschenden Vorurtheile und der vollständigen Ignoranz." Gekränkt erinnert Miitis so an seine Idee, Kinamonopol- Director zu werden; er kämpfte für seine rothe Rinde sowie für die l)eiden anderen „indirect fieljervertreiljenden" Sorten, redet über deren angebliche Handelseigenthümlichkeiten und wieder- holt die verschiedenen medicinischen Anwendungen für eine Reihe von Krankheiten ins Endlose. Immer mehr verliert die so schwer zu Tage geförderte Abhandlung Ruhe und Klarheit; immer mehr wird sie zu einer kleinlichen medicinischen Streitschrift. Für den Nichteingeweihten mochte es deshall) als ganz natürlich er- scheinen, dass Socorro Rodriguez am 14. Januar 1794 seinen Lesern erklärte, er könne die Miitis'sche Abhandlung nicht weiter drucken lassen, ein patriotischer Freund werde sie wohl in einer besonderen Ausgaljc veröffentlichen; deshalb reiche er von nun an Gegenstände allgemeineren Interesses dar. Somit wurde selbst der medicinische Theil des „Geheimniss der Kina" betitelten Werkes noch nicht vollständig veröfientlicht. Miitis maass dem Zeitungsal^druck wenig mehr Bedeutung bei als die einer Rechtfertigung beim Publikum; er wollte mit dieser Schrift nicht gegen Hipolito Ruiz in die Schranken treten, dessen Quinologie vom Jahre 1792 gleich zu Anfang seiner in freund- lichster Weise gedachte. Trotz zunehmender Kränklichkeit verfolgte Miitis immer noch den Gedanken an eine neue Systematisirung der gesammten Pflanzenwelt. Einst der bescheidene Gehülfe von Linne, ar])eitete er, seine Kräfte vollständig überschätzend, hartnäckig daran, jene neue Classification zu schafien, die nach dem Linne'schen Vor- bilde „Genera plantarum" heissen sollte. Mehr und mehr ver- schwanden für ihn wieder die praktischen Gesichtspunkte, die Cal)allero's Zudringlichkeit ihm aufgenöthigt hatte; er wurde in seinem Wesen immer verschlossener, zumal Familiensorgen ihn (.Irückten. Nach dem 1792 erfolgten Tode seines Bruders hatte Mütis der Erziehung seiner Nefien und Nichten sich anzunehmen. — 85 — .Maiuu'l Miitis liattr in Bucaraiiiaiifia drei Söliiic und vici- 'J'öclilt'r hinterlassen. Die Nichten kainattirt werden. Da hatte natürlich das einzige amtliche Organ von anderen Dingen zu reden als von Kina-Rinde und Gelehrten-Streit; solche Artikel entsprachen alter wenig den Ideen der Jugend, diese dachte und fühlte ganz anders als der vicekönigiiche Hof. Antonio Nariiio,^^) ein Beamter des Finanzdepartements, gehörte zu den Casino-Kreisen und besass eine Druckei-presse; er schickte sich nun an, systematisch und regelmässig die Casino- Ansichten im Volke zu verbreiten; geistige Aufrührerei war oflFen- bar vorhanden und die jungen INfitglieder des botanischen Hauses waren nicht die einzigen Revolutionäre; es geschah das Unge- — 87 — heiit'rlii'ho, da.ss am Sitze (miu\s Vicekönifrs von SaiitaIV' die Pariser Meusclienrechte von ITS'.i vtM'öftontlii'lit wiinlcn, während ihre Vorfrän^ror, die Griuuh-echte der Nordaiueiikaner \()nl776, glück- lich lern gehalten waren. Trotz aller Ueberwachung der Seehälen hatte die^^ Gift meinen Weg in die stillen siidanierikanischen Wal- dungen gefunden: man nannle .Miguel Calml in l'ogayan als den I'iinsehwärzer des französisehen Original-Textes; nun war dieser verdohnetselit , die Uebersetzung von Nariüo gedruckt und ohne obrigkeitliche Ki-laubniss in den Händen Vielei-, ja sie erschien, um alles >[aass /.u ii bertreffen, bloss als einzelner Abschnitt aus einer „Geschichte der constituirenden Versammlung Frankreichs", nur als Bruchstiick aus einem dritten Bande eines offenbar revo- lutionären Werkes. Derartige Greuel gegen die Legitimität will und darf Espeleta nicht dulden; es 1)eginnt also der Hochver- rathsprocess gegen die Genossen des freigeisterischen Kreises; in die am "20. August 1704 eingeleitete Criminal-Untersuchung ist bald der gesammte literarische Cirkel, ja ganz Jung-Bogota' ver- wickelt; die Polizei wittert Volkserhebung, Verschwörung, ge- waltthätige Anschläge; Narino schreil)t aus dem Gefängniss der hauptstädtischen Cavallerie-Caserne: „Enrique de Umaüa hat erklärt, er habe mich nennen hören als Einen, der an dem ge- planten Aufstande Theil nehmen werde; drei Viertel der Stadt sollen zu diesem Attentate bereit gewesen sein, wie Sinforoso Miitis vernommen halben will: Josd Äfaiia Lozaiio soll mit mir im Bündniss sein; man forscht nach meinen Beziehungen zu Miguel Calial — Alles ist Erfindung." Nel)en Narino, dem Bo- gota'er, erschien als einer der ersten Anzettler der neuen })oli- tischen Umtriebe Louis de Rieux; auf ihn, den Franzosen, con- centrirte sich der Zorn der Regierenden; er ward in Honda verhaftet und, gefesselt wie ein gemeiner A'erbrecher, nach Car- tajena gebiacht, um dort processirt zu werden. Nariiio wui-de in Bogota zu Gefängniss und Verbannung verurtheilt und nach Cadix geschafft; sein Loos theilten viele Andere, namentlich Jose Maria Cabal, Francisco Zea und Sinforoso ^hltis. So räumte Espelata 1705 energisch mit der Freigeisterei auf, welche für eine Colonie durchaus nicht passend zu sein schien, und führte damit gegen die besten Elemente seiner Han])t- stadt einen entscheidenden Schlag; das altgewordene Mutterland verstand gar nicht mehr das Aufstreben der jüngeren Elemente. — 88 — Schwerer noch als die Deportation einzehier Aufriihrei" wog es, dass der weltliche Arm nunmehr dem Dränucu der Kirche nach- g-a1i, indem Compaüon dem Vicekönig klar zn machen wusste, dass hauptsächlich der seit der Vertreibung der Jesuiten ein- geführte neue Unterricht an so revolutionären Ideen schuld sei: das unerhörte Studium der physikalischen Wissenschaften, die oflene Verkiindigung des Copernicanischen Systems und Aehnliches. Companon sprach aufs Neue das kirchliche Verdammungsurtheil ül»er dieses Unwesen aus und der Yicekönig verbot wirklich die „neue Philosophie". Das Martyrium der jungen Leute, die nach Europa gebracht wurden, war, abgesehen von de Rieux undNariüo, ziemlich billig. Dem alten Miitis ging sogar das Schicksal seines Neffen nicht sonderlich nahe; so schi'ieb er z. B. am 11. Februar 1795 der lietrübten Mutter: „Ich mache mu- keine Gedanken über das traurige Loos eines Undankbaren; zu Deiner Beruhigung kann ich sagen, dass kein derartiger Aufstand existirt hat, Avie die Richter zuerst nach der Aussage eines schlechten und falschen Angel^ers glaubten; die Gefangenen Ijezahlen theuer einige unbe- dachte Schwätzereien, welche am Ende doch nur als Thorheiten betrachtet werden können. Herrn Dr. Yalenzuela meine Hoch- achtung und dass ich die Gefangennahme seines Bruders Crisanto el)enso liedauere wie die meines Neffen, ich könnte fast sagen noch mehr, da ich die Tüchtigkeit des jungen Mannes kenne, den ich meinen Freunden gern empfohlen ha])e." Nicht bloss ül)er Crisanto Yalenzuela urtheilte Mütis _ so milde, auch ül)er Francesco Zea, seinen hoffnungsvollen Jünger; er liehandelte ihn hinfort nui* als einen abwesenden Genossen des l)otanischen Hauses, der zu irgend einer günstigen Stunde aus Europa heimkehren werde; deshal)) ernannte er auch für ihn keinen Nachfolger. Selbst der weiseste und energischste Mann hätte dem Yoran- schreiten neuer politischer und socialer Anschauungen, Avie sie der Blick auf Frankreich in den spanischen Colonien hervorrief, Stillstand nicht gebieten können. Rechtzeitiges Einlenken ver- sprach wohl Aussicht auf momentanen Erfolg, vorsichtige Yer- mittelung der Kirche konnte manchem Unheil vorbeugen, die Yorl)edingung Itestand aber darin, dass die höchsten Beamten selber an die Spitze der noch leitsamen Bewegung sich stellten, — 89 — welche leicht aus dem glänzeiRlen Yorbilde der VercM'iiigten Staaten, die kiirzlich vom Muttei-laiidc als selliststäiidigc Nation anerkannt waren, getalirliche Kraft schöijrcu konnte Fi'ii- eine solclic Icilrndc Aufgabe eignete steh weih'r der riickhaltslose I^spclcta noch der besoi'gte Pedro Mendinueta,^^) der am '2. djiiiuar 17*.l7 die Regie- rung ül»(M-nahm. denn dieser j)ersönlich wohlwidh-ndc Mann war als Spanier alten Stils auf joden Zoll seiiuM- Wiirdc cifei-süchtig und kannte nichts Schrecklicheres als die Entwicke, da ieli seine fj;e,snn(len Anlajicn /iir IMiillie kenne, da ii-li die Ursache seines DarniedtMlie^ens s(»he, so schlaj^o ich mit iriiten Absichten die Mittel vor. das Uehel an dei- Wniz«d zu tödten. Zu solchem Zweck lialti' ich es iTii- notiii^-, dass zu Vicekönii-uch der Colonialmacht anzurufen, das Vicekönigreich in eine Rejtublik zu verwandeln, ein vollständig neues jtolitisches und wirthschaftliches Wesen zu beginnen. Viel gemässigter benahm sich Nariüo, der am 17. November 1707 eine grosse Denkschrift über Reform der neugranadinischen Staatsverwaltung an Mendinueta von Pai-is aus einschickte, wo er in dem General Napole'on Bonaparte, dem Eroberer Italiens, ein Ideal gefunden hatte. Der für die zukunftsreiche Fortentwicke- lung des arbeitenden Amerikas verständnisslose Mann, dov nur nach französischen Mustern geschulte Revolutionär vertheidigtci in Jener Schrift die Ilanptgrundlagen der alten Colonial-Wirth- schaft, namentlich den Monopol-Handel der Kione. „Betrachten — 92 — AS'ir ein Beispiel", sagte Narino; „die Kina von Bogota Avar noch vor ungerahi" zwanzig Jahren unhekannt, bis Miitis, dessen An- denken die Nachwelt mit Freude und BeA\iinderung erfüllen wird, sie dem Chaos entriss; als die königliche Ausnutzung begann, wurde die Kenntniss ihrer Vorzüge überall verbreitet für den Preis, den die Krone von den Privaten nahm; die Kina von Bogota 1>egann ein grosser Quell des Reichthums zu werden. Nehmen wir an, dass die königliche Niederlage fortgesetzt worden sei, so hätte sie nicht nur ihre Kosten l)ezahlt, sie wäre in Kurzem sehr fruchtlningend geworden. Wir wollen in unseren reichen Besitzungen leider keine Geduld haben und keine Wirthschaftlichkeit lernen; so hat die Kina, die wir nach Cadix sandten, das Schicksal erfahren, Avelches alle Dinge in ihren Anfängen hal)en: ungenügendes A^erständniss und falsche Behand- lung. Selbst Mütis vermochte nicht an einem Tage aus Wilden intelligente Menschen zu schaffen." Emjifahl Narifio von Paris aus für die wirthschaftliche Hel)ung seines Landes die Regierungsweisheit bis zum Monopol, so rieth dagegen der schwergeprüfte d'Elhuyar von Santana aus zum Gegentheil. Die Amalgamations -Vorrichtungen schienen zu kost- spielig zu sein, da sie höchstens die Ausgal:)en deckten, aber noch immer Nichts einbrachten; deshall) war von ihm, Ijald nachdem Mütis das Magdalena-Thal verlassen hatte, eine auf Rechnung der Krone vorzunehmende Neger-Einfuhr ]>efürwortet worden. Als diese Idee nicht gel)illigt wurde, vertheidigte d'Elhuyar voll- ständige Freige])ung des Bergliaues, Aufhebung des Goldfünften und jeglicher Staatseinwirkung; er l)ehauptete, das Actienwesen, das in Mejico nach des Bruders Briefen sich bewähre, sei auch in Neu-Granada einfühi-bar; alle Capitalien müsse man heran- ziehen, selbst die von Beamten und Priestern; für die reichste Production sei das Amalgamationswerk gross genug und das Volk werde mehr erreichen als der König. Am 26. Juni 1795 wiu'de die Bearbeitung der Silbergrul»en eingestellt; als einige Jahre später d'Elhuyar starb, stand Afütis, der in seinem l)otanischen Hause von dem neuen Treiben gar nicht berührt wurde, völlig vereinsamt da; er verkehrte fast ausschliesslich mit Salvador Rizo und mit seinem neuen Secretär Jos^ Maria Carl)onel. Ihn tröstete nur zweierlei: die persönliche Gunst des Vicekönigs und die Anerkennung in der Heimath. — 93 - Meiulinueta sclionkte den können. Die von mir vorgeschlagene Organisation will nicht nur neue Ar))eiten untei-nehmen, sondern auch die bisherigen vci'werthen. Die Botanik, durch die Chemie unterstützt, ist für ein von der Natur begünstigtes Land eine pi-aktische Wissen- schaft; sie lehrt ja die ()j-te bestimmen, avo gewisse Plianzen am besten gedeihen: dahin sollen die «icein-neten Samen mit (Jeliraiiciis- — 96 -^ anweisnngen gesandt werdon; sie findet neue Balsampflanzen, neue Gewürze, neue Rinden, Fasern, Früchte und "Wurzeln; die 15otanik soll dieselben dem Handel weisen. Sie achtet auf die Nutzhölzer, Nelken- und ZinuiKstbäume, auf Pfefier, Brotliaum, Zuckcii-olii-, auC die zur Essigbereitung- und Gewinnung von Arze- n«nen g(U'igneten Producte; sie soll den Anbau aller Culturpflanzen und anderer, wie Baumwolle und Taltak, fördern helfen und die Physiologie dieser GeAvächse l)esonders studiren. Alles, was die rein wissenschaftliche Seite betrift't, mag Sache des Directors ld(üben. Die Erfahrungen und Kenntnisse von Mütis lassen es als wünschenswerth erscheinen, dass er seine werthvollen Ge- danken iib(U' di(^ Helmng der Pflanzenkunde alischliesse und ganz d(M- Pliilosophie, seiner Wissenschaft, sich widme; um aber eine praktische Verwendung der Botanik zu ermöglichen, genügt nicht die Absendung von Samen und Proben nach Madi'id; es muss in der Nähe von Bogota ein eigener Landsitz vorhaiulen sein, etwa bei Lamesa oder l)ei Fusagasuga, wo die verschie- densten Klimate sich berühren: dort müsste stets einer der bis- herigen Botaniker, sei es Francisco Zea oder Sinforoso Mütis, seinen Aufenthalt nehmen, um Musteranliau zu lehren und die Cultivirung neuer Pflanzen auszuprobiren; in der Hauptstadt wär(^ ein botanischer Garten anzulegen, in dem der Director Unterricht ertheilen könnte; Entdeckungen im Gebiete des Pflanzen- reiches sollten vom Yicekönig mit Ehrenpreisen belohnt werden. Die Mitglieder des Instituts müssten, nöthigenfalls von eigenen Lehrern unterstützt, im Lande durch Unterricht die naturwissen- schaftlichen Kenntnisse nutzbar machen; eine Gesellschaft für Anbau und LTandel sollte sich bilden, deren Grundzüge Mütis im Einvernehmen mit dem Vicekönig zu entwerfen hätte. Die Ar- beiten des Listituts sollten nicht Idoss für wissenschaftliche Zwecke veröflentlicht werden, sondern auch, um im Lande an geeignete Personen von praktischer Tüchtigkeit zur Yertheilung zu gelangen. Für die Herausgabe der Flora müssten jetzt, nach- dem die Maler oder Zeichner fertig sind, die Graveure ihre Arbeit sofort beginnen, da die Tafeln sich niclit anhäufen dürfen, sonst kann das grosse Werk von Mütis, nach dem ganz Europa sich sehnt, nicht in zwanzig Jahren veröflentlicht werden, es sei denn mit grossen Unkosten; man muss füi- zwei bis vier Jahre sechs Graveurf» nacli IJogota senden, damit si<^ dort eine grössere A nzahl — 97 — junger Louto in ihrer Kunst unterweisen, denn Miitis kann liei seinem hohen Alter und scMuer Kränkliclikeit wegen der Heraus- gabe nicht nach Spanien kommen; unter seiner Leitung müssen aber die Graveur-Arbeiten für die Flora Bogotana vorgenommen werden." Für derartige Fortschritts-Projecte fand der Vicekönig bei den Strömungen der imnuM- mehr sich aufregenden Zeit keine ruhige Stätte; ^lendinueta wurde täglich argwöhnischer. Freilich kam er Nariüo, als dieser })lötzlicli in l>ogot;i wieder erschien, persönlich freundlich entgegen, aber er sorgte doch dafür, dass von Madrid aus die Gefangenhaltung des anscheinend sehr ge- rährlichen Mannes l)efühlen wurde. Die Gegensätze waren scharf genug, um alles Andere zu zerreiben, namentlich Pläne wissen- schaftlicher Art. Diese entsprachen auch nicht dem Zustande der Staatskasse; ebenso wenig harmonirten sie mit der Art und Weise des alten Mütis, Avelcher ganz zufrieden war, wcnin er, seinen eigenen Weg noch weiter gehend, bald Sinforoso wieder an seiner Seite hatte, der in Europa so schnell und erfreulich gebessert worden war. Die Leistungen des jetzt vierzig Jahre lang in Nen-Granada sich abmühenden S])aniers erschienen im Lande selbst mehr und mehr wie Lielilial)ereien ohne J^edentung, vorzüglich der jungen Generation. Mütis vertrat in den Augen fast aller Creolen eine Zeit, die sich fruchtlos ausgelel)t hatte und der Gegenwart ebenso fremd war wie er selber ihnen. Eines mächtigen Anstosses be- durfte es, um in alle die unausgeführten Vorsätze und in alle die unreifen Anfänge Fortgang zu In-ingen. Solch ein Anstoss kam bald durch Einen, der grösser war denn Linnt^. SehnniHfli IT, SUdiiiiifi-ik. Studien. 7. Besuch Alexander von Humboldts. Der Erzbischof-Yiceköuig von Santafe, der A'ertheidiger einer bis ins Einzelnste gebenden spanischen Allein-Herrscbaft in den Colonial-Eeichen, war nicht grundlos darüber aufgeregt gewesen, dass Ausländer von allerlei Zungen zu den Schätzen des tropischen Amerikas Zutritt erhalten sollten. Wenig mehr als ein Jahrzehnt war seit seinem Abschied von Cartajena verflossen, als solche Sorgen bereits gerechtfertigt zu sein schienen. Ueberall zeigten sich Leute fremder Nation. In mehreren Häfen Südamerikas hatte die frühere Al)geschlossenheit aufgehört und einem freieren Verkehre die Bahn offen gelassen; trotz aller Zurückhaltung war das Volk überall mit nichtspanischen Elementen in Verbindung getreten. In den Küstenplätzen waren ausländische Abenteurer angesammelt, namentlich in Cartajena viele Nordamerikaner, welche ein Insher ganz unl)ekamites Element in die spanische Weltanschauung trugen, einen neuen, al»er durchaus unsympa- thischen Geist des Aufruhi'S, Ein Ausländer nach dem andern ging ins Innere des Landes, so dass man selljst in kleineren Orten fremde, nicht einmal der spanischen Sprache kundige Menschen treffen konnte: offenbar Störer der landesüblichen Ruhe. Von Jamaica kamen Personen herüber, die als besonders gefähr- lich erschienen, da dort, ausser jenem A^'ärgas, noch manche andere Justizflüchtige sich aufhielten, mit denen es nicht geheuer war. Schon gab es in der doch so entlegenen Hauptstadt Ein- dringlinge unerfreulicher Art. Da hatte jener französische Leib- arzt die Hochverrätherei angestiftet und zudem fremde Leute als Helfershelfer gehabt: missvergnügte Schotten und böse Nord- amei-ikaner. Ein anderer Franzose, Jean l>a])tiste Leblond,^^) — 99 — hatte jenseits des Oceans Allerlei iil»er Xeu-Granada drucken lassen, als könne das Ausland Anlass oder Recht behaupten, in die Geheimnisse einer unter der sj)anischen Krone ruhiMiden amerikanischen Colonie neugiei'ige Blicke zu werfen. Die Zeiten waren schneller anders g-eworden, als der Be- gri'mder der botanischen Expedition für Neu-Granaila ahnte; daheim hatte sich nicht bloss ein inniges Verhältniss zu dem Norden Amerikas entwickelt, auch der Süih^n war aus seiner Ruhe erlöst worden: daheim t'iddte man sich in Amerika völlig sicher und geschlitzt, den C'olonien wurden Freiheiten gewährt, die es in Spanien nicht uab; man verlieh sogar Pässe an die wenigen Männer, welche das romanische Amerika bereisen wollten, selbst wenn sie nicht roiuanischer Herkunft waren. Im Mai 1799 erhielt zu Mailrid ein Deutscher solch eine Reise-Erlaubniss, ein Gelehrter von bereits euro}iäischem Ruf; er erlangte sogar ein ministerielles Reisei)ai)ier, da er sich verpflichtet hatte, den spa- nischen J>ehörden über seine Studien Bericht zu erstatten und den wissenschaftlichen Sammlungen iu ^ladrid Beiträge zu liefern; dasselbe Schriftstück nannte auch einen Franzosen als den Se- cretär und Begleiter des Passinhai lers, einen geschulten Botaniker. p]s waren Alexander von Humboldt und Aime Boni)land.^*') Sie verliessen am 5. Juni 1 799 Euroj^a, um eine Weltumsegelung zu unternehmen; bevor sie nach Neu-Granada kamen' hatten sie das Studium der amerikanischen Tro]>en in der General-Ca]>itanie Cara'cas viele Monate himUirch betrieben; sie hatte ausgedehnte Fahrten auf dem Orinoco gemacht, dann Cuba besucht und })lötzlich l)ei der Ueberfahrt nach dem Isthmus den Schifiscurs verloren, so dass sie nicht vor der Chagres-]3ucht, sondern im Darien-Golfe den Continent vor sich sahen. Von dort fuhren sie die Küste entlang nach Cartajena, fassten da auf Anrathen des gegen sie sehr gastfreundlichen Pombo den Entschluss, ihre Reise nach Guayaquil, wo sie nach den Philij)i)inen sich ein- schiffen wollten, nicht zur See, sondern über Land zu machen, und zwar auf dem Wege Bogota', Popayan und Quito. Fünfundvierzig langeTage dauerte dieFahrt auf dem einförmigen Magdalena-Strom, l»is Honda erreicht war. „Unsei-i^ Magdalena- Reise'', schreibt HumI)oldt, y, bildete eine schreckliche Tragötlie; von den zwanzig dunklen Ruderknechten Hessen wir acht auf dem Wege zurück, ebenso viel langten bleich und mit stinkenden 7* — 100 — Geschwüren liedeckt in ITonda an. Unsere Begleiter, Louis de Rieux und sein Sohn, lagen in Fiebern; desgleichen die Maitresse des Ersteren; desgleichen Mariano Montenegro und sein kleiner NeiTe Gregorito, ein Sohn des unglücklichen Nariüo; desgleichen Jose de la Cruz, unser seit der Landung zu Cumana erprobter Begleiter; desgleichen .... Welch glücklicher Zufall, dass meine Natur allen Fiebern so wunderbar widersteht. In den 272 Jahren, bei so vielen Reisen durch dichte Wälder, auf Sümpfen und Flüssen, unter den ansteckendsten Krankheiten: immer blieb ich vom Fieber frei." Auch ]>onpland war in Honda reisetüchtig; beide Gelehrte konnten von dort Ausflüge nach Mariquita und Santana unter- nehmen und am 22. Juni 1801 den Gelnrgsritt antreten. Schon auf der zweiten Station dieses Weges, schon in Guaduas, erkrankte Bonpland und lag acht Tage lang in dem Hause von Jose Acosta an ernsten Fiebern darnieder; dort musste Gregorio Narino der Krankheit wegen zurückgelassen werden. Erst am 6. Juli 1801 war die Bogotaer Hochel)ene erklettert. „Ist die letzte Höhe des Gebirges erstiegen, dann übersieht man alsl)ald eine weite Fläche, deren Ende das Auge kaum er- reicht. So sehr ich auch auf diese Naturscene vorbereitet war, erstaunte ich doch nicht wenig, in solcher Höhe eine meeres- ähnliche Ebene zu treffen. Vier Tage lang war ich in Hohl- wegen eingeschlossen gewesen, in denen kaum der Körper des Maulthieres Platz fand; mein Auge war an des Waldes Dickicht, an Allgründe und Felsklippen gewöhnt: plötzlich sehe ich nun fast grenzenlose Felder in leerer Fläche vor mir. Gerade hier, also in der Höhe der Pyi-enäen-Gipfel (Schneekoppe plus Brocken), in dieser luftdünnen Atmosphäre, haben die Conquistadoren eine Stadt angelegt! So freundlich auch den Europäer Weizenäcker anlächeln, dieser flache Boden eines alten al)gelaufenen Sees hat doch wegen der gänzlichen Baumlosigkeit und der Reinheit der Luft einen einförmigen, einen ernsten, ja traurigen Charakter." In der am Rande dieser Ebene, am Fusse ihrer Wasser- scheide sich befindenden Stadt lebte Mütis, auf dessen Bekannt- schaft die Fremden sehr gespainit waren. Er stand in dem Ruf eines mürrisch gewordenen und abgeschlossen lebenden Gelehrten, deshalb entwickelte Humboldt, ihn zu behandeln, ein wenig Diplomatie. „Schon von Turbaco aus schrieb ich au Mütis und — 101 — sagte ihm in oinciu sehr kiinstlich(Mi Uriefc, dass nur diu jotzt zehnjälin<>:e Bogiorde, ihn zu sehen und seine Werke zu bewun- dern, niieli veranlasst hal)e, den Landweg naeh (}uaya(|uil der unendlich kiirzeren Reise über Panama' vorzuziehen. Als Ant- wort erhielten wir in Honda sehr artige Schreil)en, in denen Miitis meldete, dass er uns gutes Quartier bereitet habe und alle seine Schätze gern zeigen wolle. ^^) Die Miitis dargel »rächte Huldigung wiederholte ich in einem Hriele an den A'icekönig und verfehlte meinen Zweck nicht. Für den einsam lel)enden Gelehrten war es viel, dass seine MitV)ürger einen Menschen aus dem fernen europäischen Norden kommen sahen, um ilin zu Ije- suchen: ihn, ilen ein grosser Theil des BogotJier Pulilicums mit aftectirter Gleichgültigkeit behandelte; wurde er doch in Nare zur Freude von Rieux todt gesagt. Wir hatten die Silljerminen von Mariquitä und Santana, die ehemaligen Wohnsitze von Mütis, besichtigt; dort ist er reich geworden, dort starl> der arme d'Elhuvar; solch ein Besuch gal) wieder Gelegenheit, gefällige Briefe zu schreiben. Sodann kündigte ich ihm manche Pflanzen- arten von Schreber oder Swartz an, welche wir im Magdaleua- Thale gesehen hatten und er, wie ich berechnen konnte, kaum dem Namen nach kannte. Das waren gute Mittel, auch seine wissenschaftliche Neugierde zu spannen und den einsilbig(Mi Mann zu einem wissenschaftlichen Verkehr mit uns gleichsam zu zwingen. Ich musste dem alten Herrn mich nähern mit Freundschaft für Cavanilles, mit Hass gegen Ortega und mit Missachtung der Flora Peruana, deren Herausgeber er beneidete; ich nannte diese Flora denn auch einen Staatskalender, da in ihr die Namen aller Minister und Staatsräthe paradiren. Mein Vorgehen glückte; Alle, die wir auf dem Gebirgsritte trafen, versicherten, der alte Mütis laufe wie toll durch die Strassen, um den hohen Besuch zu verkünden und Anstalten zum Empfang zu treffen; er sei geradezu vei-jüngt. Wirklich hegte er, ehe er uns noch gesehen, so gütige Gesinnungen für uns, dass er ernstlich daran dachte, wenn Bonplands Fieber dauernder würde, mit seinem alten Freunde Escallon den gefährlichen Geliirgsritt bis nach Guaduas hinab zu unternehmen: für einen kränklichen Greis geradezu ein Wagestück." D^r erste nennenswerthe Ort, den man, von Guaduas kom- mend, auf der Hochebene erreicht, lieisst Facatativä, „ein indisches — 102 — Dorf", iu dem die Maultlii(!re von 1 'leiden aiiji-elöst werden. Hier verkündete Nichts die Nähe einer vicekönig-lichen Hauptstadt. Vor den „aus Bambusrohr und lAdim zusammengekleisterten Häusern" sah Humltoldt ül)erall Stücke jener Kinarinde trocknen, welche ihn, trotz des grossen Interesses, das sie darbot, bisher noch nicht eingehender beschäftigt hatte. „In diesem Orte erwarteten uns zwei Partien von Bogota'ei-n: sämmtlich nach Landessitte in wollene Ruanas gekleidet; man glaubte lauter Bettler zu sehen, deren Köpfe aus Säcken hervor- ragten. Die eine Partie, von der Pedro Groot der Angesehenste war, wollte eigentlich nur unsern Reisegenossen Mariano Monte- negro l)egriissen, indem seine Frau eine ]Montenegro war; er suchte al)er, da er mit dem Mütis'schen Kreise in geheimer Feindschaft lebte, mich für sich zu gewinnen. Zu solchem Zwecke hatten diese Leute einen schändlich stockernden Wagen nach Facatativa kommen lassen, ausserdem auch schöne Reitzeuge und Reitpferde. Als Al^gesandter von Mütis war dort Carlionel, sein Secretär, nebst einigen der l)erühmten Pflanzenmaler, sowie der junge Rublas, der Sohn jenes dicken und reichen Herrn, den wir zu Nare, am Ufer des Magdalena-Flusses, getroffen hatten. Diese Abgesandten verkündeten mir, dass der siel)zigiährige Herr mich durch seine Freunde einholen lassen werde, und zwar so feier- lich wie möglich. Ich lehnte daher jenen Wagen al), al»er auch das Ansinnen, Uniform anzulegen." „Nach einer Nacht, in der das Thermometer auf 3° R. sank und die Dünne der Luft uns sehr l)eschwerlich wurde, ritten wir trotz der Kälte ohne Winterkleidung nach Fontibon, der letzten Station vor der Hauptstadt." „Der Weg geht immer durch die 1)aumlose Ebene voll Kar- toffeln, Weizen und Hafer, An der Landstrasse überall die Datura arljorea, deren weisse Blüthen am Abend einen herrlichen Geruch verl)reiten; es ist die gefähi-liche Borachera, aus deren Samen ein Zaubergetränk gegohren wird, nicht Idoss um ^Mädchen willenlos einzuschläfern, sondern auch um die Guacas, die Schätze bergenden Grabstätten der Vorfahren, leuchten zu sehen." „In Fontil)on wies auch noch Nichts auf die ganz nahe Residenz hin; wir fanden aljer glänzende Aufnahme. Die Vor- nehmsten Bogotas hatten sich hier versammelt, um uns nach spanischer Sitte zu liewillkommnen. Da war vom A^icekönige ein — 103 — Assossor oiitsondfl und vom l^rzliiscliol' «»in Soci'ctär: sodann traten wir den Rcctor tlcr ISogot.fcr llodisidmlc, F(M'nand(i de A'crgaia y Caiccdo, und den nachntcn Frcnnd von Miitis, Kscallon. Ferner waren da: derMar(|uis von San .lorje, .Tose Maria liozano, reich, in Spanien eiv.o^'en, hesclieideii und sehr unlerrichlet, so- wie dessen i>ru(hM' .lorje Tatleo Lozano, in Naturwissensi li.ilt wuhl l)ewandert, namentlieh ein Sehider von l'i'oust in atdi])lih)f!:istischer Chemie. ^*') Nun liielt man \(»n aHen Seiten schöne Rech'u iilter das Interesse (Um- ^fenschheit und IiImt die Aufoprerun^- für (h'e Wissensdiaft: Complimente (M'loljiten im Namen von Vicekönig' und Kr/.I)is('hol'. AHes khinii: unendlich j^ross. nur fand man mich sell>st selir klein und sehr junu". Man hatte slatl eines (h'eissi^-- i;dn'if;:en einen runrzii>;iähri<>en Menschen sich gedacht, einen steifen und unln'holfenen. Ausserdem wai'en die widersjtrei'hendsten Nachrichten von Cartajena aus v(M-hreitet worden: idi könnte nicht frei spanisch reden, l)eol»achtet(^ die Sterne stets in tiefen Brunnen, hätte einen Caplan und eine Maitresse in meiner B(;- gleitung — jener war iJonpland im schwarzen Rock mit abge- schnittenem Haar, diese die Gefährtin von Rieux, welche den aiMuen Miitis, der so stolz auf unsere Aidvunft war, etwas ausser Fassung geljracht hat, bis das Räthsel sich löste. Alles lief gut ab, aber unendlich förmlich. Wir assen im Hause des Pfarrers und be- wunderten naciri'iscii beim Spazierengehen die scltsameA^egetation.'^ „Der dann folgende, in Bogota lang erwartete P]inzug war sonderbar, fast possierlich. Ich mit den I^ozanos und dem geist- lichen Rector im ersten sechsspännigen Wagen, einer in London verfertigten, mit Ressorts versehenen Kutsche, Boujiland in dem zweiten, ebenfalls sechsspännigen Gefährte; um uns Ikm' ein Schwärm von Reitern, der noch durch die von Bogota Entgegen- kommenden sich vermehrte. In der Stadt die Fenster voll Köpfe; Gassenbuben und Schulknaben liefen schreiend und mit Fingern auf mich weisend eine Yiertelmeile weit nelxm den Kutschen her; Alles versicherte, dass in der todten Stadt seit langen Jahren nicht solch eine Bewegung und solch ein Aufstand stattgefunden habe. Wir sintl ja Ausländer und sogar wunderliare Ketzer: Leute, welche die Welt durchlaufen, um l'llanzen zu suchen, und ihr Heu nun mit dem des alten Mütis vergleichen Avollen; musste das nicht die Neugierde reizen? Dazu der Umstand, dass der Yicekönig unsere Ankunft als einen Act von Wichtigkeit betrachtet — 10-4 — und befohlen hatte, uns aufs Feinste zu behandeln. Mütis hatte die Wittwe seines Bruders, die seit einiger Zeit von Bucaramanga hiei'her gekommen ist und von seiner Gnade lel)t, ausziehen lassen; wir trafen daher ein eigenes Haus mit Hof, Garten und Küche an." „Vor dieser Wohnung erwartete uns mit seinen Freunden der alte Kron-Botanicus, eine ehrwürdige, geistreiche Gestalt in priesterlichem Kleide. Wie ich mit dem Barometer in der Hand ausstieg und das Instrument Niemandem anvertrauen wollte, lächelte er; mit vieler Herzlichkeit umarmte er uns und war l)ei dieser ersten Zusammenkunft fast verlegen bescheiden. Wir sprachen sofort von wissenschaftlichen Dingen; so ])egann ich von den Pflanzen, die wir heute gesehen hatten, er al>er lenkte das Gespräch geschickt auf allgemeine Gegenstände, damit es den Umstehenden verständlicher werde. In den für uns bereiteten Zimmern war ein prächtiges Essen aufgetischt und — hätte ich es glauben können, der berühmte Salvador Rizo, dem Cavanilles eine Pflanze gewidmet hat — er erschien als Bedienter und wartete auf." „Mütis hatte die Absicht, die ersten acht Tage in Diners und Ceremonien zu verschwenden, damit die Stadt sehe, wen er zu bewirthen habe und wie er zu Ijewirthen vermöge; daher wünschte er auch, dass in der ersten Zeit von Botanik und der- gleichen gar keine Rede sei." Während Bonpland der wiederkehrenden Fieberanfälle wegen sofort sich niederlegen musste, nahm Humljoldt an den neuen Festlichkeiten, bei denen die Hof-Uniform des königlich preussi- schen Ober-Bergrathes nicht fehlen durfte, mit vollem Vergnügen Antheil; er ahnte noch nicht, dass er 63 Tage lang in dieser Umgel)ung leiten werde. Bogota zählte damals etwa 21 500 Bewohner; es glich jedoch die Hälfte der noch zur Stadt gerechneten Wohnungen vollständig den elenden Behausungen Halbwilder. Die am grossen Markt- platze belegenen Haiiptge])äude waren verfallen. Der vicekönig- liche Palast, 1785 durch Feuer arg mitgenommen, lag noch jetzt grossentheils in Trümmern und diente nur für Unter])ehörden, während der Vicekönig, aller Etiquette zuwider, in einem Privat- hause zur Mietlie wohnte. Der Sitz der Audiencia hatte durchaus unangemessenes Aeusseres ; die erzbischöfliche Kathedrale di'ohte, — 105 — ()l)\vohl für ihre Restauration liis \ov Kurzem gearbeitet war, mit Einsturz. Von den dreisaig sonstigen Kiivhen inid Kapellen war mindestens die Hälfte in liedenklicliem Zustande; das einzige Gotteshaus neueren Datums gehörte den A^ertretern des Rück- schritts, den Dominikanern. Dem Treiben dieses Ordens stand licinalie in j(Hk'r Beziehung das C'olejio del Rosario gegenülier, dessen Rector. der die Fremden mit eingeholt hatte, seit Jahren im Mathematik-Unterricht der Nachfolger von Miitis war. Miguel de Isla, der Humboldt nmnclie wichtige Auskunft ertheilte, bekleidete noch den Lehrstuhl der Medicin an dieser Hochschule; sie besass eine naturwissenschaft- liche Sanunlung, für die Yalenzuela voi- Kurzem interessante Naturalien aus der Gegend von Jiron eingesendet hatte. Die Münzstätte hatte als Präge-Anstalt keine Bedeutung, bot al)er wegen ihrer Aufzeichnungen ül)er das vereinnahmte Edelmetall einiges Interesse; das IIosi)ital der l»armherzigen Rrüder war freilich in zieudicher Ordnung, es genügte indess um so weniger, als gerade jetzt ein neues Vordringen der schwarzen Blattern gefürchtet wurde; die öfientliche Bibliothek enthielt Avenig von Werth, und das Theater war längst geschlossen. Die vornehme Welt, die auf der Alameda, einem von riesen- mässigen Daturen eingerahmten Spaziergange, sich Nachmittags zu zeigen pflegte, lebte in einem Luxus, welcher den beiden Reisenden Insher auf dem Festlande Amerikas noch nicht ent- gegengetreten war. Wie über jene Kutschen erstaunten sie auch ül)er die damastenen Kanai)ees, die Teppiche und die grossen Sjiiegel. „Uebrigens sah ich auch", fügt Humboldt beschwich- tigcmd hinzu, „Barometer und Thermometer, Elektrisirmaschinen und achromatische Teleskope: Geräthe, Avelche zum Theil der Reparatur wegen den Weg zwischen London und J3ogota dreimal zuifickgelegt hatten. Glaswaare ist hier so theuer, dass eine iiarometerröhre zwei Piaster kostet; Oefen giebt es nicht." Matiz liegleitete Huml»oldt bei seinen Stadtwanderungen; in den Kirchen wurden Denksteine und Gemälde l)etrachtet, in den Privathäusern Sammlungen von Curiositäten, unter denen die von Manuela Santamai-ia de ^Faiii-iipie die interessanteste war. Bald hatt<' Humboldt auch in der eigenen Wohnung ein kleines Museum eingerichtet, das von halb Bogota neugierig besichtigt wurde, namentlich von den schönäugigen Töchtern der Stadt. — 106 — Ueberall zeigte sieh Sinn fiir gelehrte Saelien; es war längst Mode geworden, junge Leute von Stande nach Spanien zur Aus- Inldung zu sehieken; Alles dilettirte in Naturlbrschung, und eine der ei'sten Bitten, die Humboldt erliiUen musste, bestand in der genauen Untersuehung des Bogoüier Lieblingsgerichtes, der ein- zigen auC der Hochebene vorkommenden grösseren Fischart. ^'') Zur Förderung praktischer Verl )esserungen und zur Verdrängung des Casino-Treibens hatte sich unter viceköniglicher Finpfehlung eine „patriotische Gesellschaft" gelnldet, welche iil)er Fragen der verschiedensten Ai"t verliandelte, wie iil)er ('ochenillezucht und Finfuhr von Kanieeleii. h^rgebnisse solcher Wünsche Avaren nicht aufzuweisen. Lelihalt verfolgte man den Gedanken, auch in Bo- gota ein „Consulat" einzurichten: eine eigene Handelsbehörde, die weitgehende Rechte erhalten sollte; aus ^ladrid Avar aber noch keine Antwort eingetroflen. Die Zeitungen, deren jiingste von Eduardo Luiz Aznola und Jorje Lozano seit dem 1. Jaimar herausgegel^en wurde, enthielten mehr Raisonnements als That- sachen, so dass Idoss einzelne ihrer Blätter für Humboldt von Werth Avaren. Im Verkehr der Gel)ildeten zeigten sich, Avie schon in Faca- tativä hei-vorgetreten war, Spaltungen und Parteiungen, die so scharf und so gehässig nur in einer einsamen Kleinstadt sich entAvickeln konnten. Der vicekönigliche Hof schloss sich nach Möglichkeit al), so liebensAvürdig auch Mendinueta's Gattin Avar, der Humlioldt gern seine Huldigungen darl trachte. Da die Eti- quette dem Vicekönige am Orte der Residenz Geselligkeiten verliot, AA^irde Humboldt nach dem Landsitze Fucha eingeladen. p]in viceköniglicher Secretär, Ignacio Sanchez Tejada, „ein rosen- stilartig geschAvätziger ]Mann", ülterhäufte die Fremden mit Ge- fälligkeiten aller Art. Eine interessante Bekanntschaft Avar der alte, fast blinde Miguel Rivas. Das gesellige Leben litt jetzt schAver darunter, dass zAvischen den aus Spanien gekommenen und bald AAieder nach Spanien gehenden Räthen des obersten Triljunals und den P]ingebornen europäischen Geblüts noch immer der alte unversöhnliche Gegen- satz herrschte. Unter den Ersteren stand jener Marques A'on San Jorje, der aus altem Conquistadoren-Adel stammte und der grösste Grundljesitzer auf der Hochebene Avar, ol)enan ; er vertrat aber zugleich in eigenthümlicher Weise eine nach Selbstständigkeit — 107 — riiiiiiMidc Hürj^crscliart. Sein Diiulci' \vai-. cltciiso wie Riva.^, Mitulicd des Stadtraths; er war ausserdem "Redaeteur der einen Zeitun«^" von l>();i'ot;t. Sein Haus war ^liinzrnd und sein Name belielit; er ucliöite /u den Kutliusiasten, welelie den Glaulien hegten, einem unzugiinuliclHMi Lande, einer zusaninienhanf;slosen Bevölkerunji; schon allein von der Oase Boraunem Eisenstein, von Schieferthon und einer graul ich-weissen Thonerde vor. Im ersteren finden sich eisen- haltige kalt(! Quellen (kohlensauer), iiöi'dlicli von Cogua gegen den Urs])rung des Rio Baraudiila liin; im meist mehr erdigen Schieferthon zeigt sich Steinkohle, wie zu Tausa, Cansas und am Cerro de Sulja. Sprächen diese grossen Kohlenmassen in solcher Höhe dafür, dass nicht alle Kohle im ^lineralreich den Pflanzen zugehört, sondern ein grosser Theil sich aus Kohlensäure im Meere niederschlage, und dass Kohlensäure früher als Pflanzen existirt hat? Oder ward der vegetal)ilische StoÜ' aus tieferen ])flanzenreichen Gegenden auf diesen Höhen zusammengeschwemmt? Auf der älteren Sandstein-Formation ist Flözkalkslein oder Zech- stein aufgesetzt, vcrslcinciiingslos, aber voll Holden: auf dem — 110 — Kalkstein ruht Gips, tlieils blättrig, theils dicht; in diesem Gips findet sieh der Salzthon und die SteinsalzrFormation. So die Schichtung im Allgemeinen." Humboldt ist auf diese ersten Beol)achtungen, deren Mängel später vollständig erkannt wurden, während seines Bogota'er Auf- enthalts vielfach zurückgekommen, denn es ärgerte ihn, dass die einzige europäische Schrift, die in Europa ülier Bogota existirte, eine Arbeit jenes Leblond, so ganz verkehrte Angal)en enthielt. Für eingehende Studien ])ot der RiH keine günstige Gelegen- heit, denn er zeigte schmerzlichst, wie dicht die Wildniss Bogota umgal). Kaum waren die letzten Hütten der Stadt im Rücken, so hörte auch fast jede Cultur auf. Bald musste der Bogota- Fluss auf einer Fähre, die wenig mehr war als ein Holzgerüst mit einigen Bündeln Schilf, überschritten werden. „I)al)ei ver- loren wir die Pferde, welche nelienher zu schwimmen hatten, und zwar ohne aneinander gebunden zu sein, damit sie nicht er- tränken; erst nach zweistündigem Warten konnten wir die Reise fortsetzen, die über Chia und Cachicä ging. Spät Aljends ge- langten wir nach Zipaquira', sehr ermüdet und hungrig; der dor- tigen Wirthschaft stand ein siebzehnjähriges Mädchen vor, welches gerade im Hause des Pfarrers war, um einem Marionettenspiel zuzusehen." Am andern Morgen ward das Salz werk besichtigt. ^^) „Man hat hier keinen Grubenljau, sondern nur einen Tagesschurf an- gelegt; die Hauptstelle, Mina de Ruta, sieht einem verpfuschten Steinln-uch ähnlich. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts haben die Europäer unter den Tropen schlechterdings nichts mehr und nichts weniger gethan, als die Indianer nachgeahmt; erst seit jener Zeit sind die Soolen angerührt worden." " Spanischem Sellistgefühl entsprach das Resultat der sach- verständigen Untersuchung, das Humboldt in eingehender Denk- schrift niederlegen sollte, nur sehr wenig. Er ])egann diese Arbeit, welcher während des ganzen Aufenthalts in Bogota ge- legentliche Stunden gewidmet werden mussten, mit den Worten: „Aufgefordert, meine Ansichten über das Steinsalzwerk von Zipa- cpiirä und seine Bearbeitung schriftlich vorzutragen, halje ich die kurzen Augenljlicke meiner hiesigen Anwesenheit benutzt, um auseinanderzusetzen, was mir hinsichtlich dieses für Yolks-Industrie und Kronschatz gleich bedeutsamen Betriebes als zAveckmässig — 111 — erscheint. Dem Naturforscher bietet das Salzlap:er dieselben Er- scheinung-cu, wie die Lager von Spanien, dir der Schweiz, Tirols, Steiermarks und Polens; da ich niiu lange Zeit praktisch mit dem Salzwesen Ijeschaftigt gewesen l)in, darf ich glaidjen, einige; Ideen gefasst zu halten, welche von den mit Zi])a(pu'ra's Local- verhältnisseu besser Vertrauten übersehen worden sind. Auf solche Erfahrung gestützt, bespreche ich in dieser Abhandlung die verschiedenen Zweige der Salzfaln-ication, nihnlich den IJetrieb des Werkes, den Stand der Quellen und die Kochung des Salzes. Dabei werde ich die gegenwärtig herrschende Bearlteitungs weise mit derjenigen vergleichen, welche jetzt in Europa als die vor- züglichste sich herausgestellt hat, und überall niil jenem Frei- muth reden, der meinem Charakter eigen ist, und in solchen Dingen von Allen, welchen die öffentliche Wohlfahrt am Herzen liegt, aufrichtig gewünscht wird." In dem hierauf folgenden Sachverständigen-Gutachten wird zunächst die technische Seite der Frage l)ehandelt und eine Reihe von A'erbesserungen des Anliaues empfohlen: „Ueber die Schwierigkeiten, welchen meine Vorschläge begegnen werden, kommt ein wirklich geschulter Bergmann leicht hinweg, selbst wenn er ein deutsches Salzwerk nicht studirt hat. Da lebt in Pamplona Jacob Wiesner, d(>ssen Tüchtigkeit mir gelobt Avird; er ist gebildet genug, um das Wichtigste, den unterirdischen Bau, zu leiten; von ihm geführt, würden meine jetzt beschäftigungslos in Honda auf Kosten des Staates lebenden Laudsleute, obwohl lediglich Arbeiter, gewiss sich nützlich machen können." In seinem Gutachten l)ehandelt Ilundioldt neben den Einzelheiten zugleich auch die Gesammt- heit der in Betracht kommenden geologischen Verhältnisse und namentlich das Problem, ob das ungeheure, oben im Hochgebirge viel»' Quadratmeilen weit sich verzweigende, tiefe Salzlager etwa Niederschlag (ünes ehemaligen Meeres sein könne. Die Abhandlung über Zipaquiräi wurde so umfangreich, dass sie den Bogotäer Aufenthalt ein wenig verleidete; der Vicekönig hatte jedoch ein Anrecht auf derartige Dienstleistung, denn Humboldt erschien als ein Special-(^ommissär der Krone und musste diesem Charakter getreu bleiben; so erhielt ei- denn auch alsbald einen zweiten viceköniglichen Auftrag. Die seit d'Klhuyar's Tode still liegenden Silbergruben der LImgebung von Mari(piita machten sachverständige B(;gutachtung — 112 — wünsclienswerth. „Für die Gruben von Santana und Monta waren jährlich 18 000 Dollars ausgesetzt; dafür war das Amal- gamationswerk geschaffen, eine Anzahl Gebäude erl)aut, wurde Quecksilber, Pulver und Salz gekauft sowie eine Reihe von Be- amten l)ezahlt; von 1791 bis 1797 lieferten die Gruben über 70 000 Dollars, sie hatten sich also fast schon frei geljaut, und dies in einem Lande, wo der König doch nur, um ein Beispiel zu geben, Bergl)au lietreibt und ein Militär- Ingenieur etwa 10 000 Dollars für Festungsbauten gelegentlich verschwendet. Wie kann eine Grube in zehn Jahren Ausbeute gewähren? D'Elhuyar's Tod, beschleunigt durch das schlechte Verhältniss zu seinem Schwäger Angel Diaz, hat das eben Begonnene ganz un- verständigerweise in Stillstand gebracht. Ich ha])e nicht ohne Gefahr die Monta-Grube befahren: eine hoffnungsvolle, verständig hergerichtete Grube mit erzführenden Lagerstätten, nicht bloss Gängen; d'Elhuyar liaute dort auf zwei oft zusammeuschaarenden Lagern; er verfuhr durchaus planmässig. In der That war es das Vernünftigste, von der tiefer, in der Quebrada de Morales liegenden Santana-Mine her einen Stollen gegen Norden zur Monta-Grul^e zu treiben. Die Zimmerung der Grube war solide, sie erhielt sich gut in den zehn Jahren; das Erz steht ül)erall noch an und könnte man auf ihm leicht noch jetzt etwa zwölf Mann anlegen. Santana konnte ich nicht anfahren, da dort seit fünf Jahren nicht mehr gearbeitet wird. Die Einführung der freilich kostbaren, aber nothwendigen Amalgamation in den Be- trieb der Santana- Werke beweist, was ein kenntnissreicher und dem Dienste seiner Regierung treu ergebener Mann inmitten der grossen Schwierigkeiten dieses tropischen Amerikas zu leisten im Stande ist; ein solcher Mann war d'Elhuyar, der in meinem Vaterlande bewundert wird und seiner Zeit in Spanien, ausser seinem Bruder, der Einzige war, welcher wirklich Chemie ver- stand. Hier ist er durch das Publicum verleumdet worden, welches behauptete, dass er der Krone den Anbau einer Mine aufgelastet habe, die nicht die Betriebskosten zu decken vermöge. Handelt es sich um Geldfragen, so sollte man nur in Ziffern und mit Rechnungen operiren, diese aber auch als beweiskräftig an- erkennen." Nun folgt eine Calculation aller Details und endlich die Schlusserklärung: „Wenn die Regierung die der Freiberger Anstalt ähnliche Amalgamations-Vorrichtung in Santana mit ihren — 113 — Gerüthscliaften uiul Maschinen bei])ohält, wenn sie dann in rich- tiger Wiirdiji:ung ihres wahren Interesses die Benutzung dieser Werke Privaten ülterlässt, welche den Anbau wieder aulnehmen und dadurch die jetzt von Tag zu Tag mehr sich entvölkernde Gegend aufs Neu(» heben: dann ist die nuilievolle Arl>eit, der d'Elhuyar sein kostbares Leben oplert(;, weder f'iir die Nachwelt noch für die königliche FinanzverAvaltung verloren." So bestä- tigte Humboldt d'Klhuyar's letzte Vorschlüge, die ihm unbekannt waren. Ueber die Ooldgewinnung in Amerika wusste man 1800 wenig; in Bogota erhielt Humboldt die ersten Angaben, welche es ihm ermöglichten, der modernen Edelmetall-Production näher zu treten. Freilich ward weder auf der Hochebene noch in deren Umgebung Gold gewonnen, freilich ])estand nicht bloss in der IIau})tstadt, sondern auch in Poi)ayan eine Miinzstätte: in Bogota landen sich aber die einzigen Quellen, welche eine Ueber- sicht über diese Frage gewährten. Sie hatte kein bergmännisches Interesse, denn es handelte sich bloss um Goldwäschereien, kein geologisches, denn von keinem der Fundorte war Ortslieschaflen- heit und dergleichen genügend bekannt; Huml)oldt ermittelte jedoch nach den Münzl)üchern, dass in Neu-Granada etwa ein Werth von 2 500 000 Piastern jährlich gewonnen und davon eine Summe von höchstens 5(K)0(X) Piastern ausgeführt werde, und knüpfte daran nationalökonomische Erörterungen, bei denen er Adam Smith folgt, „dem Unsterblichen", dessen grosses, den Reichthum der Völker erörterndes Werk in der deutschen Ueber- setzung von Garve ihn begleitete. Die Minenschätze der ameri- kanischen Gebirgsregionen, welche europäischer Phantasie so verlockend vorschwebten, musste Humboldt in Bogota mühsam aus Acten zusammenlesen. Ueljer Piatina erhielt er von Miitis nur ganz unklare Nachrichten, über Quecksilljer bloss gelegentliche Notizen; auch die seit Cartajena ihm so oft gepriesenen Sma- ragden Itildeten keine Reichthümer. Hundjoldt hörte von den Fundstätten l)ei Muzo, wo „die Edelsteine in Hornblendschiefer auf schmalen Gängen mit Quarz und vielem Schwefelkies ein- Ijrechen"; sie schienen ihm aber, fast wie Bergkristall, überall in den östlichen Bergketten Neu -Granadas zerstreut zu sein. „Die berühmtesten alten Grul)en waren liei Muzo in der Quelu-ada de Itoco, wo der Anliau El Kcnil de Minas heisst: doi-1 wuscli Si'humaclipr, SQdaraerik. Studien. u — 114 — man Smaragden mit Schleusen, da sie im verwitterten, abge- rissenen Gestein der Schlucht verstreut lagen, und behandelte sie wie Waschgold; neuere Smaragdgruben wurden bei Coscoes, westlich vom Cerro de Aripo bei Muzo, bearbeitet, wo indess Wasser fehlt. Seitdem die Krone das Smaragden-Monopol er- richtete und eine Direction einsetzte, giebt es für diese Edelsteine keine Bearbeitung mehr; denn man fand ])ald den Betrieb unter Beamten zu kostspielig und stellte alle Thätigkeit ein, so dass seit jetzt zehn Jahren kein neuer Smaragd mehr in den Handel gekommen ist." Die bergmännischen Arbeiten iil)er Zipaquira und Santana schlingen in das amtliche Fach des Ober-Bergraths , allein diese Interessen waren in Wirklichkeit dem Gesichtskreise des Ge- lehrten doch schon recht fern gerückt; es war kein Zufall, dass er mit dem Barometer in der Hand zu Ähitis kam; allgemeine physikalische Forschungen der verschiedensten Art hielten seinen Geist in regster Thätio-keit. Bogotas Lage war merkwürdig genug. Unmittelbar im Bücken der letzten Häuser erheben sich zwei nur durch eine enge Schlucht getrennte Kapellen-Berge; jeder trägt ein weisses, weithin leuch- tendes Marien-Kirchlein; das eine ist unserer lie1)en Frau von Guadalupe, das andere der von Monte-Serrato geweiht. Die Aus- sicht, welche sie darbieten, ist unbeschreiblich gTOSsartig, denn am Fusse der steilen Berge, gleich vor der Stadt, beginnt die einförmige E])ene sich auszudehnen, nur durch grosse glänzende Wasserflächen unterlu'ochen. Am Rande des Bildes erheben sich starre, festgelagerte Berge , hinter diesen mächtige Schneefelder, firnglänzende Kuppen und der stolze, rein weisse Kegel des Tolima. Miitis hatte aus diesem langjährigen Anblick Genuss gezogen, aber keine Belehrung; Humboldt meinte, dass diese in den ewigen Schnee hineinragenden Ketten le1)haft daran ei"innerten, „wie Berggipfel, auch wenn sie unter den kleinsten Winkeln am Ho- rizont erscheinen, einen majestätischen Eindruck hervorln-ingen; die untere Schneelinie ist in solcher Ferne immer ohne alle Un- gleichheit, in horizontaler Richtung rein abgeschnitten; hier berührt sie kaum die Gipfel der drei kastellartigen Kuppen, die Paramo de Ruiz heissen; nur die Mesa de Herveo ist, Avie der Kegelberg sell)er, von einem grossen, weit leuchtenden Schnee- mantel umgeben." — llo — Um dieses Naturtjemälde ijaiiz fibersclianen zu können, %vnrrle am 15. Juli die Kapelle von (Tuadalujx' erklettert, spater erfolgte ilie von Monte -Serrato. „Die sonderl)are Oertlicbkeit jener Ka- pellen macht sie für «ileichzeitige Beobachtung der stiindlichen magnetischen Abweichung ül)eraus empfehlenswerth. Ich liabe mit grosser Sorgfalt eine Yergleichung der magnetischen Incli- nation und i\rv Intensität der magnetischen Kraft angestellt; beide zeigen sich etwas kleiner in dei- oberen Station; die In- clination war in der Stadt 27,15°, vor der Kapelle Guadabqx; aber '26,80°. Solche Fragen, welche die Atmosi)häre unserer Erde betreffen, sind in den Tropen, der Gegensätze halber, genau(>r zu ergründen als in anderen Zonen; sie haben besonderes Inter- esse in einer so eigenthümlich gestalteten Gegend, wie das Tafel- land von Bogota ist, und vollends auf der Höhe jeuer stolzen Andeu-A^orsprünge." Für derartige; Forschungen hatte Mütis keine Vorarbeiten obwohl er früher einmal mit physikalischen Fragen z. B. mit der Untersuchung atmosphärischer Strömungen und der Beol)- achtung von Barometer-Oscillationen, sich beschäftigt hatte. Da- gegen fanden l)arometrische Höhenmessungen, die nicht ohne Interesse waren, in Bogota sich vor; sie wurden am 21. Juli in Jorje Lozano's Zeitung veröffentlicht und stammten von einem im Cauca-Thale lebenden Naturforscher, dessen Namen schon Pombo in Cartajena mehrfach genannt hatte. Er Ines Francisco Jose de Ca'ldas.*^^) Die Messungen dieses in der Wildniss auf- gewachsenen Mannes stimmten mit den Humboldt'schen und mit denen von Lozano, nicht aber mit den Resultaten von Mütis, der „einen hül »sehen, al)er selbstconstruirten barometrischen Apparat" besass. Von jenem neuentdeckten Genie hoffte Huml)oldt viel für die spätere Reise, zumal es hiess, dass Caldas im oberen Älag- dalena-Thale und auf dem Wege zwischen Bogota und Popayan viele wichtige Beobachtungen gemacht habe. Lebhafter noch als alle diese Gegenstände interessirte Hum- boldt die Pflanzenwelt. Als er zu Bogot.'i seine auf Cuba be- gonnene S(dbstliiographie*'*) weiter fülirte, beschäftigte ihn am meisten der Gedanke, wie es doch gekommen sei, dass er nun hauptsächlich als Botaniker sich füldc; er suchte aus der ent- legensten Kindheit die ersten Anregungen hervor, das IVüliesle 8* — 116 — Spiel mit einem Herl)arium, den l)otanisclien ITintergruncl .seiner cameralistisclien Studien, die erste ]3egegnung mit C. L. Wildenow und verschiedene Botanisir-Touren; er gefiel sich in dem Ge. danken, dass er eigentlich fiir die Botanik geboren sei und für sie auch besonders gelebt habe. Thatsächlich waren in seinem bisherigen Leben und Schaffen die Pflanzenstudien melu" zurück- getreten; er aber meinte: „Erst als ich anfing, mich mit Botanik zu beschäftigen, ward in mir der Wunsch rege, entfernte Welt- theile und die Producte der Tropenwelt in ihrer Heimath zu sehen. In Wildenow fand ich einen jungen Menschen, der un- endlich mit meinem Wesen harmonirte; er zeigte mir fremd- ländische Pflanzen und trug sich mit dem Gedanken, eine Reise ausserhalb Europas zu machen. Ihn zu begleiten, das war ein Wunsch, der mich Tag und Nacht beschäftigte. Ich durchlief alle Floren beider Indien, kaufte sämmtliche Rinden der Apo- theken, verweilte mit seligem Wohlgefallen bei dem Reishalm in meinem Herbarium und gewöhnte mich daran, unbändige Wünsche nach weiten und unl)ekannten Pingen zu hegen." Freilich erinnerte sich Huml)oldt noch recht wohl, dass neben l)otanischer Liebhalierei anderer Wissensdrang stark in ihm gewogt hatte, und neben Wissensdrang auch eine durchaus idealistische Sehnsucht, die auf seiner Reise nach England kraft- voll sich entwickelte. „In einem jungen Gemüthe, das achtzehn Jahre lang in eine dürftige Sandnatur eingezwängt ist, giebts ein wunderbares Glimmen und Glühen, wenn es, seiner eigenen Freiheit überlassen, auf einmal eine Welt von Dingen in sich aufnimmt. Das Streben nach Ländern, in denen wir durch grenzenlose Räume von den Unsrigen getrennt sind, schmeichelt jugendlicher Energie, giebt aber auch zugleich unserm Wesen eine melancholische Stimmung, in der wii' die Wonne der Thränen empfinden. Ich fühlte mich eingeengt, engbrüstig und wäre in die fernste Südsee geschifft, selbst ohne irgend einen wissen- schaftlichen Zweck. Der arme Forster quälte sich vergebens, zu ergründen, was dunkel in meiner Seele lag; mit dieser Stimmung kehrte ich 1790 über Paris nach Mainz zurück und hatte ent- fernte Pläne geschmiedet." So kam doch in den Monolog, welchen Humljoldt am 4. August zu Bogota niederschrieb, jener botanischen Tendenz ungeachtet, richtige Selbsterkenntniss zur Geltung. Nicht ein — 117 — S]io(.'ialstuiliiim liatte es ihm so angctlian, dass er in die weite Welt ziehen niusste, sondern der vorwäi-tssti'eltende Trielt seines Wesens nnd seiner Zeit, dei- Pi'ang, das liisheri;xe theoretische Wissen unter grosse Gesichtspunkte zu sammeln und zu orchien, der Instinkt, dass der ]31ick eines wahi-en CUdehrten im neun- zehnten Jahrhundert sich gewöhnen müsse, Krdtheile und Welten zu umlassen. Es war nati'irlich. dass Flumhohh in (h.'r Nälu! des ergrauten Botanikers Alles hervorsuchte, was l'ür eine Geistesverwandt- schaft zu reden vermochte; die l'flanzen-lnteressen waren in der That l>ei ihm ausseroi'dentlich stark geworden und er sah es gern, dass Mütis ihn wie eine Autorität für liotanische Fragen betrachtete, seihst für die Chinchona-Fi-age, die gerade jetzt wieder l)rennend war; lIuml)oldt brachte die ersten Druckbogen einer in Madrid erschienenen Abhandlung über die Kina-Arten, in welcher Zea die Yertheidigung der Lehre seines Meisters mit Anfeindungen von Ilipölito Ruiz und Jose Pavon verl»unden hatte. Es war klar, dass in Spanien der Gelehrtenstreit sehr >»ald wieder anfiel )en musste, zumal Lopez geradezu heraus- gefordert war, seinen frühereu Angrifien neue Kundgebungen folgen zu lassen. Mütis hielt es für sehr günstig, dass er gerade jetzt einen ^lann wie Humboldt von der Richtigkeit seiner An- sichten ülieiv.eugen konnte. Während 13onpland krank war, nahm Hnmlioldt Alles an, was Mütis darbot, und vertheidigte, schnell überzeugt, dessen Classification in zwei an die Pariser Akademie der Wissenschaften gerichteten Briefen, denen er die Mütis'sche Aufstellung über die sieben Species sowie Proben und colorirte Abbildungen beifügte. ^^) Für solche Bundesgenossenschaft war ]\rütis ausserordentlich dankbar; er schenkte seinem Gaste aus dem Manuscri])t der Flora Bogotana etwa hundert colorirte Zeichnungen, die ebenfalls nach Paris geschickt wurden. Bei der Uebersendung schrieb Humboldt: „Ich denke, dass diese Sammlung, die für die Botanik ebenso interessant ist wie wegen ihrer Farbenschönheit Ijcach- tenswerth, nicht in bessere Hände zu legen sei als in die von Jussieu, Lamark und Defontaines." Die botanischen Fragen, ül)er die Huml»oldt mit Mütis ver- handelte, betrafen übrigens keineswegs allein solche und ähnliche Einzelheiten, wie z. B. die von Mütis nie in Blüthe gesehene — 118 — Baml)usa; der Umgang der l)eiden Geleln-teii förderte auch einen Gedanken, welcher in den Hnm])oldt'schen Aufzeichnungen unter den Ueherschriften „A^'egetations-Ansichten" und „Pflanzen-Bikler" Ausdruck fand. Für die Arbeit, welcher später der Name „Geographie der Pflanzen" ^^) gegeben ist, l)ot die Hochebene von Bogota charakteristische Gegensätze, namentlich scharfe Grenzscheiden des Wachsthums nach oben wie nach unten. Bogota war, der eigenthümlichen Landschaftscontraste wegen, für die tiefere Auffassung der Pflanzenkunde ein ganz besonders anregender Ort, und zwar nicht IjIoss durch die weitere Um- gebung, sondern schon in Spaziergangsnähe. „Der häutige Nebel, welcher auf dieser Hochebene, besonders an ihren Grenzen, herrscht, tränkt die Pflanzen und giebt ewige Frische der Vege- tation. Ilerljorisationen au den steilen Fejsmassen der beiden Kapellen-Berge gehören zu den Genüssen, deren Andenken schwer erlischt. In der Höhe der Kapellen, etwa in der al)soluten Höhe des Aetna, beginnt das myrtenblättrige Wachsthum der Hoch- steppen. Im Schatten von Tallea stipularis, von Weinmannien und schirmförmig ausgebreiteten Escallonien umgeben, fanden wir neue Arten von Fuchsien und Rhoxion sowie die prachtvollen Blüthen der Alströmerien und Passifloren. Von letzteren hat jede der Kapellen ihre eigene Art; die eine die Curubita, mit der man an grossen Festen die Altäre schmückt, die andere die schöne Tacsonia mollissima, welche wegen ihrer ess1)aren Früchte auch cultivirt wird. Den Felsen dicht bedeckend, wuchern hier gruppenweise Myrica pubescens, die Gaultherien, die purpur- blüthigen Thibaudien, Hypericum und unser schönes Genus Fragoa mit tannen- und cypressenartigen Blättern. Von den fieberheilenden Chinchonen verirrt sich keine mehr auf diese Höhen, dagegen steigt eine hohe Alpenpflanze, der wollige Frai- lejon, bis zum oberen Theile der Stadt Bogota hinab." Ueber wissenschaftliche Landmessung, wie sie jener Cäldas versucht haben sollte, gab es in Bogota kaum mehr als eine theoretische Ansicht; die praktische Bedeutung der Ortsbestim- mungen und der iilirigcn geographischen Arbeiten wurde, da die Anfänge von Esquiaqui und Cabrer keine Früchte getragen hatten, wenig gewürdigt. Die grosse Karte von de la Cruz, 1785 in England herausgegeben, die Huml.)oldt mit sich führte, war in der vicekönigiichen Kanzlei noch wie ein Regieruugsgeheimniss — 119 - bewabit. Jeuer, schon wälirond dei* Oriuoeo-Fahrlcii zum (ico- graplieu geworden, begann verschiedene Karten. Seine Neigung zur ])raktischen Astronomie hatte während ih'r Heise stetig zu- genommen. „Einsamkeit, Pracht des südlichen Himmels, Ruhe der Wälder lialjen mich an eine Arl)eit gefesselt, welcher ich während der Reise vielleicht mehr Zeit gewidmet habe, als mir bei der grossen Mannigfaltigkeit meiner Umgeljung gestattet war"; allein nicht bloss in freier Natur, auch in den Städten ward Astronomie getrieben. Jn JJogotä stand die Sonne zu hoch, um noch mit dem Sex- tanten gemessen werden zu können; die Fehler der Declination wurden deshalb durch die Beobachtung von Steiiihöhen gemindert. Aus dreizeliii Messungen dieser Art fand er als die mittlere Breite 4° 35' 42", während ^hitis 4° oG' angenommen hatte. „Der längere Aufenthalt in Bogoüi gewährte mii* den Vortheil, Mittagslinien zu ziehen, die Breite des Ortes durch südliche und nördliche Sterne zu bestimmen, kurz, eine Anzahl von solchen Dingen zu betreuten, au die l)ei der Ijisherigen Schnelligkeit unserer Reise nicht zu denken gewesen war.^ Ilumltoldt voll- endete einige geographische Arbeiten von grosser liedeutuug,''^) Zunächst übergab er an Miitis und an den A''icekönig eine auf vier Blättern Itefindliche Zeichnung des Magdalena-Flusses von der Mündung bis zu den Hondäer Stromschnellen. Das wai- die erste Aulnahme, welche man von dieser grossen Verkehrsader des Innern besass. Bei der Ueberreichung der Karte hebt riumboldt hervor, dass er seine Arbeit besonders deshall) zweimal habe copiren lassen, weil sie ausser ihrem wissenschaftlichen In- teresse auch darzuthun vermöge, wie ungünstig der Magdalena, ein nicht mit dem Gebirgszuge gehender, sondern denselben durchschneidender Fluss, für regelmässigen SchillTahrtsverkehr sei. „Ich habe vorgeschlagen, dem grössten Schiilshinderniss, der Enge von Carare, durch einen Stollen abzuhelfen: einen unterirdischen Canal." Zweifelsohne liess sich jenseits der Berge, auf der Orinoco-Seite, ein l>esserer Schifi'fahrtsweg finden, und zwar mittelst des Meta-Stromes, an dessen Ufern, bis zur Mün- dung in den Orinoco hinab, vielleicht noch Reste der ehemaligen Jesuiten-Missionen bestanden. Humboldt, der die Einmündung des Meta in den Orinoco selber befahren hatte, legte auch den topograi)hischen Zusammenhang zwischen der Hochebene von — 120 — Bogota' und d(Mi Grassteppen des Orinoco in einer Karte nieder, so gut es ging. In J3ogota wusste man von dem Lande jenseits der Ost-Cordilleren fast nichts; die Unkenntniss liinsichtlicb dieses grossen Flussgel )ietes war höchst auffallend, nicht l)loss weil in den Orinoco-Gegendcn . viele bis zum Rücken von Bogota hinauf- reichende Angaben zu erlangen gewesen waren, sondern auch weil noch in Havana geographisch wichtige Documente sich er- gelien hatten. Wenn Karten, welche die Flussläufe zwischen Apure und Meta darzustellen suchten und bis an die Grenzen der neugranadinischen Provinz Casanare reichten, aus dem Innern des Landes bis nach Cuba für ITumljoldt geschickt worden waren, damit sie in die richtigen Hände kämen, so konnten doch sicher- lich die Archive der viceköniglichen Residenz eine grosse Zahl mindestens gleich werthvoller Quellen liefern. Solche Materialien waren auch vorhanden; in Bogota lagerten die wichtigsten Be- richte der portugiesich-spanischen Grenz-Commissäre, allein Nie- mand kannte sie, die letzten Vicekönige hatten sich für die süd- liche Seite ihres Reiches gar nicht mehr interessirt. Ausser diesen l)eiden Karten lieferte Humljoldt eine von der Bogotäer Hocheljene. Zu derartigen Arlieiten kam das Profil, welches Huml)oldt ül)er die Strecke Cartajena — Bogota entwarf. ^^) Seit seinem Profil der pja-enäischen Halbinsel hatte er nur das der kurzen Strecke La Guayra — Caracas gezeichnet, in Bogota verfertigte er einen Durchschnitt des ganzen von Cartajena Ijis Bogota rei- chenden Landes. Bogota, Guadalupe und Monte-Serrato erschienen ihm nicht als geeignete Al)schlüsse eines umfassenden Bildes; deshall) fügte er die weiter im Rücken liegende Berghöhe, die wirkliche Grenze gegen die Grinoco-Gewässer, unter dem Namen Chingasa hinzu, obwohl er nicht zu dieser Wasserscheide empor- gestiegen war. Hinsichtlich der ganzen östlichen Cordillere Neu- Granadas herrschte in Bogota grösste LTnkenntniss. Einen Theil derselben bildete die Suma-Paz-Kette. „Sie liegt nur zwölf Meilen von der Hauptstadt entfernt und ist doch noch von Niemandem untersucht; die Spanier kennen ofienbar die Neugierde weniger als andere Völker." Die Bibliothek von Mütis hatte nicht bloss werthvolle l)ota- nische Wei'ke, so dass sie der Ijerühmten Sammlung von Joseph Banks in London sich vergleichen liess; sie besass auch inter- — 121 — essante Schriften ül)('i-N(Mi-C}raiia(hi, die in iMuopa fast ganz unbe- kannt wai-on: Sclinftcn ültcr die Tnulitioncn der Vorzeit iiml die fi-iihesten Geschichtsereigni.sse, Solche Nachrichten konnten im Inneni des Wald-Continentes und auf ^\r]• Iltihe i\r\- tropischen Anden inaucheii \vichti<>:en Aufschluss gewähren, namentlich die des liogotaers Picdrahita; IFunilioldt wusste nicht, dass dieser bereits von Pater Julian so gliinl)i<>- verehrte Schriftsteller sein Buch erst in Sjianien angefangen und später an d(!r neugi-anadinischen Kiiste zu Knd(; gefiihrt hat. Die Chronik dieses Geistlichen, die ausser- halb Dogota's entstanden ist, erzählte von dem grossen Reiche Cundinaniarca, dessen Ruf bis zu den Incas gedrungen sei. Humboldt erkannte nicht, dass derartige Erzählungen eines zum Inca-Geschlecht gehörigen, ])hantastisch angelegten Mannes ledig- lich auf Kinitildung beruhen. EIxmiso berichtete Piedrahita's Buch von den Bewohnern jenes Reiches die wunderl»arsten Dinge, die Humboldt ebenfalls gläulng annahm, zeigte doch ein Blick in die Geschichte aufs Bestimmteste, dass zur Zeit der Ankunft der Spanier die Hochebene von einem sesshaften, Kleidung kennenden und Ackorl)au treibenden Volke bewohnt war. „Die Europäer staunten nicht wenig, als sie, statt der nackten Menschen von der Kliste und der ^lagdalena-Müiulung, hier die Indianer in gewebte baumwollene Zeuge gekleidet sahen. Jene noch heute getragenen Ruanas sind indische Erfindung; die Frauen trugen ein Hemd mit Giirtel, iilier dem ein kürzeres Kleid auf der Brust mit einer Nadel zugesteckt wurde; auch ihre Todten waren be- kleidet. Nicht IjIoss zu solcher Bekleidung, sondern auch zu stetiger Arbeit zwang die Kälte; Mais und Kartotteln wurden gepflanzt, denn hier oben gab die Natur nicht Alles von selbst wie in den Niederungen. Man sieht noch jetzt, wenn man von Suba nach Zipaquirä reitet, Spuren altheimischer Ackerbestellung an Orten, wo die Spanier das Land unbebaut für Viehhut haben liegen lassen. Sollten auch vordem weniger Menschen als jetzt auf der Bogotäer Hochebene gelelit haben (mit der Hauptstadt ungefähr (30 0(X)), so Ijedurfte doch die Bevölkerung vor der spanischen Zeit, trotz ihrer Massigkeit im Essen, mehr Acker- ))au, denn ihr fehlte Korn, das hier besser als Mais geräth; ihr fehlten Kühe und Pferde, und da sie mit den benachbarten Stämmen endlos kriegte, fehlte ihr auch die Zufuhr aus wärmerer Gegend. Notli zwingt zur Arlieit, Kälte ist Noth. Die Unter- — 12-2 — miscLung von kalten und un{rucLtI)aren Erdstrichen auf mehr als 2500 m hohen Plateaus mitten unter die fruchtl»arsten Ti'0}>en- länder hat gewiss den grössten Einfluss auf die Menschen-Cultur gehaltt; hier oben hat das Volk sich ausgebildet, sich politisch mächtig gemacht, und von der Höhe herabsteigend, um die um- liegenden wärmeren Gegenden zu erobern, hat es seine Cultur und seine Bedürfnisse den ursprünglich unthätigeren Nachbarn aufgedrängt. Solchen Einfluss auf Menschenglück und Meuschen- bildung hat die Uneltenheit der Erdfläche; das ist der moralische Einfluss der Berge." Solche Beoliachtungen waren für Miitis l)einahe unverständ- lich; der „Patriarch" hatte niemals ähnliche Gedanken gehabt, oljwohl sie dem Volkscharakter sehr- geschmeichelt halben würden. Humboldt Ijetrachtete die ehemaligen Bewohner der Hocheljene nicht bloss als ein durch Ackerbau und Kleidung vor den Stämmen der heissen Waldgegenden ausgezeichnetes Volk, sondern auch irrthümlich als eine Nation von stattlicher Macht und grossem Ansehen. Die Chibcha-Alterthümer, die ihm gezeigt wurden, Ijoten ein vielseitiges Interesse ;^^) er sah eine Menge sauber ge- fertigter Goldsachen, die am Rande des Plateaus in Grältern gefunden waren, sowie eine Unzahl von thönernen Figuren, die zum Aufbewahren von Grabschätzen benutzt wurden; er erhielt auch eine merkwürdige Steinbüste, die aus dieser Gegend stammen sollte und die Anwendung starker Instrumente bewies ; er glaubte den Erzählungen von alten Strassenanlagen , von zerstörten Tempelbauten, von ringsum auf der Hochebene belegenen Festungen. Vor Allem wurde ihm die höhere Cultur der Vorzeit durch ein Manuscript ofi^enbart, das ein Pfarrer zu Gochanzipä, Jose Domingo Duquesne, verfasst und 1796 Mntis ül^erreicht hatte.''") Diese wunderliche Schrift entwickelte die alte Weise des Zählens, namentlich des Multiplicirens , die ehemalige Be- nennung der Zahlen und die eigenthümliche Rechnung nach Mond- jahren; daran schlössen sich allerlei Mittheilungen nicht bloss über die Bedeutung der Zahlen-Namen und das Bestehen von Zahlen-Symljolen, sondern auch unklare Vermuthungen über Um- wandlung der Mondjahre in Sonnenjahre; auch sie wurden von Humljoldt unbesehen angenommen. „Nicht l)loss in Mejico und Peru", rief er staunend aus, „sondern auch am flofe des Königs von Bogota verstanden die Priester eine Mittagslinie zu ziehen — 1-23 — und den Aiigculiliek des Solstitiuins zu hoobaclitcn; sie verwan- delten das Mondjahr durch Einschaltungen in ein Sonneiijahr. Ich l>esitze einen siebeneckigen Stein, der zu Bogota gefundeu ist und ihnen zur 15erechnung solcher Schalttage diente." Iluni- lioldt freute sich dieser ersten amerikanischen Anti(iuität, die ihm zu Händen kam; er bezweilelte nicht, was ihm erzählt wurde, und citirte rasch Analogien aus Asien, alles dies um so bereit- williger, als er ^lütis wegen der Beiträge für die Sprachenbiliel auch für ethnologische Fragen für eine Art Autorität erachtete; wenn er in den Muvscas ein Volk sah, das an Höhe und Fein- heit der Bildung den BcAvolmern Penis und ^lejicos ähnlich war, so stand für ilin nichts im Wege, auch den ülnigcn Tra- ditionen zu folgen, welche die alten Chroniken ausführlich be- richten sollten. Er gewahrte wohl, dass ihre Sagen nicht einem und demselben Ursprung angehörten, allein er glaul)te doch ohne genauere Untersuchung im Grossen und Ganzen Zusammenhang und Methode zu finden. „Zu den Völkern, die noch roh und ungeschlacht ohne Gottesdienst und ohne Ordnung lel»ten, kam von den Ebenen des Orinoco, also von Osten her, ein Wundermann mit langem Barte und geschnittenem Haupthaare, unbeschuht, aber mit l)ekleideten Schultern. Die Alten haben für ihn drei Namen, unter denen der gebräuchlichste Böchica ist: vielleicht ein astronomisches Sinnl)ild der Sonne. Böchica führt ein Weib von grosser Schön- heit mit sich, welchem ebenfalls die räthselhafte Zahl dreier Namen gegolten Avird; er unterrichtet die Menschen in nützlichen Dingen, aber das Weib widerspricht ihm und verführt das Volk zu unheili »ringenden Lastern: eine Pandora. Sind das nicht echte Symbole zweier Principien, in denen das Streben roher ISIenschen, Gutes und Böses aus zwei verschiedenen Quellen al)zuleiten, zur Geltung kommt? Das Unheil stiftende Weilj l)ewirkt durch Zauberkünste, dass die Wasser der Bogotäer Hochebene an- schwellen und Alles in einen See verwandeln; die Einwohner flüchten sich auf die Randgel)irge. Hal)en wir da nicht ^lythen einer Localül)erschwemmung, einer Deukalionischen oder Ogy- gischen Fluth? Böchica verbannt die Frau von der Erde und verwandelt sie in den Mond, der nun erst entsteht und zur Strafe für das angerichtete Unheil bloss Ijei Nacht erscheinen darf. Die Völker Ijemitleidend, öllnet er den Damm, der das Tafel- — 124 — iand iimgie])t, und der schäumende Wasserfall von Tequendama ist da." Humboldt betrachtete derartige, hall) urkundlich l»eglaubigte, halb poetisch ausgeschmückte Tradition wie einen „geognostichen Roman"; wenn er auch hervorhob, dass die Tradition nicht die Erinnerung an ein wirklich erlebtes Naturereigniss zu sein brauche, sondern auch die spätere Deutung eines seit Urzeiten bestehenden Naturschauspiels sein könne, so war er doch geneigt, an eine Reminiscenz zu glauben, denn er hielt el)en das Becken von Bogota für den Boden eines elu^maligen Süsswasser-Sees. Am 26. August besuchte Humboldt, nachdem er zu Soacha die Ergebnisse der Ausgrabungen geordnet und in einem Schweine- hirten den angeblichen Nachkommen des Adelantado Quesado gesehen hatte, in der Frühe des Tages jenen Wasserfall von Tequendama. „Der Zugang zu dem Riesensturz ist ausserordent- lich beschwerlich; man hatte aljer die Artigkeit gehabt, den Weg so zu bessern, wie es kaum für Vicekönige geschieht. In den steilen Berghang waren Stufen gehauen und um den Absturz herum an den gefährlichsten Stellen hölzerne Geländer angeliracht. Das letzte Stück des aixschüssigen Weges ist liesonders beschwer- lich, weil der Boden vom Wasserniederschlag immer feucht und glatt ist. Das Felsenthor mit seinen horizontalen Kalkstein- Schichten, durch das der Strom sich ergiesst, ist eine Spaltung, ein Querthal; es fragt sich, ol) die Oeffnung von anfänglicher Enge allmälig zu ihrer jetzigen Breite durch den Stoss des Wassers sich erweitert hat, wie einige wissenschaftlich gebildete Einwohner und fleissige Beolmchter der Localverhältnisse be- hauptet haben. Das System allmäliger Wirkungen, der Gedanke an schwache, langer Dauer bedürfende Kräfte Ijefriedigt uns wenig beim Anblick der Erdtrümmer, welche unseren heutigen Wohn- sitz ausmachen. Ich sah den Wasserfall zuerst von der Seite, indem ich mich ausgestreckt auf eine Sandsteinbank legte, welche der Fluss zum Theil trocken lässt; dort zeigt sich eine Menge kleiner Pflanzen mit vielfach gefiederten feinen, fast haarförmigen WurzelJilättern , die in die tobenden Wasser tauchen. Darauf beobachtete ich die Scene in einiger Entfernung von vorn. Fälle in der Schweiz sind wohl höher, aber viel wasserärmer. Der Rheinfall, die Orinoco-Cataracten, die Niagara-Cascade sind un- endlich fluthreicher, aber es giebt, wie ich glaube, keinen Wasser- — 125 — fall von solcher Höhe, welcher so viel Flüssigkeit herabstiirzen und verdunsten lässt. Das Schausj)iel ist in der Tliat mehr schön als schrecklich; das Geräusch ist nicht beträchtlich, da wegen der grossen Höhe nur wenig Wasser unten anlangt und die Felsenkluft, welche das Bett des Flusses bildet, thii-ch ihre Enge und durch ihre Kriimniung die Foi-ti)flanzung des !r?challes hindert. Die Wasser schiessen Idoss bei hohem Stande in einem zusammenhängenden Sturze hinal), in einem von der Wand ent- fernten Bogen; ist der Fluss seichter, so bietet das Schauspiel von Absatz zu Absatz sich schöner dar. Am oberen Theile des Sturzes sieht man die weisse Fluth in i)erlenartigen Sill)erfäden sich zertheilen, aber in einer Tiefe von etwa 100 m liildet die Verdunstung des Schaumes ein Dami)fmeer; das ist ein Anblick, den ich bisher nirgends in solcher Schönheit gefunden hal)e. Man sieht das Wasser in der Luft verschwinden; Schaumflocken, welche durch die Schwere nach unten zu konisch sich spitzen, verlängern sich allmälig; das Volk vergleicht das Herabschiessen dieser Flocken nicht unrichtig mit Raketen, denn das Auge ver- folgt den Flocken und sieht ihn dünner und dünner werden, bis er endlich sich verliert. Nur einzelne volle Wasserstränge ge- langen unverändert auf den Boden der Felskluft: sonst Alles Schaum und Dampf. Die Verdunstung ist so gross, dass, von vorn gesehen, der Wasserfall einem Silberteppich ähnelt, dessen Ränder nur hie und da die Erde berühren." „Von 7 Uhr ^[orgens bis 2 Uhr Nachmittags untersuchte ich die schöne, auch durch ihre Steinkohlen merkwürdige Um- gegend des Wasserfalls. Es gelang mir, die Instrumente in die Schlucht selbst, bis zum Fuss der Cascade, zu bringen; man braucht drei Stunden, um auf einem schmalen Steige, dem soge- nannten „Schlangenweg", spinnenartig hinabzuklettern. EtAva 140 m vor dem durch den Wasserprall ausgehöhlten Becken mussten wir stehen bleiben. Der Boden dieses äussersten Ab- grundes ist nur schwach vom Tageslicht erhellt; die Einsamkeit des Ortes, der Reichthum des Pfianzenwuchses , das entsetzliehe Getöse, Alles das macht den Fuss des Sturzes zu einer der wil- desten Gegenden der Cordilleren; es ist ein acherontisch schau- riger Ort. Nur Jose Ayala y Vergara hielt bei nur aus: die Nässe in der Felskluft zog mir ein starkes Leil)weh zu, wie ich denn überhaupt die kni'zc Expedition sehr mühsam fand." — 126 — Erklärte der mächtige Eindruck des Falls von Tequendama alte Sagen, so konnte der öde und schauerliche, nur von Hoch- steppen umgebene Guatavita-See'^') Mancherlei von den Erleb- nissen der ersten Entdeckungsfahrer erläutern. Jener Chronist Piedrahita erachtete das fast auf der äussersten Kuppe des Hoch- gebirges belegene Gewässer für den See, in welchem jener gold- glänzende Häuptling sich zu baden pflegte, von welchem im sechszehnten Jahrhundert so viel geredet worden war und der Ausdruck Eldorado stammt. „Gonzalo Jimenez de Quesada, neben dem Deutschen Federmann und dem Spanier ßelalcazar der Begründer von Bogota, drang den Opon-Fluss hinauf und ward, gleich nachdem er Salz gefunden hatte, durch missver-' standene Nachrichten ül)er den Dorado und die Guatavita-Lagune zum Weiterziehen aufgemuntert; er überstieg das Gebirge und kam bald zur Hochebene." Bogotaer Chronikschreiber des sieb- zehnten Jahrhunderts, die ihre mehr begünstigten Nelienbuhler von Lima und Mejico beneideten, erblickten den einzigen Ersatz, den die Vorzeit für die Wunderdinge von Peru und jNfejico ge- währen konnte, in dem See von Guatavita; dahin wurde von ihrer Willkür el Dorado, der viel berufene güldene Prinz ver- setzt. Diese Schriftgelehrten thaten so, als habe auf der Hoch- steppe ein Mann, dessen täto wirter Körper, statt mit Pflanzen- farlje, mit Goldstaub verziert war, nackt einhergehen oder gar in eisigem Wasser der Päramos sich baden können. Humboldt's Reise nach dem erbärmlichen Orte Quasca und der von doi-t be- ginnende Aufritt auf die unwirthliche Hochsteppe war erschöpfend und erfolglos. Gebildete Bewohner der Hochebene vor Ankunft der Europäer, Fluthsagen von charakteristischer Art, oifenbares Hineingreifen alter Gottesdienste: diese drei Momente begrenzten Humboldt's ■Vorstellungen von der Vergangenheit des Bogotäer Landes. Dem Naturforscher, den praktische Fragen auf Schritt und Tritt in Anspruch nahmen, fehlte noch historisqjier Einblick in die Vor- zeit des fremden Landes; er zog das Studium der jüngsten Ver- gangenheit vor und verschaffte sich höchst interessante zeit- geschichtliche Quellen, welche hinsichtlich der letzten dreissig Jahre viele praktisch Avichtige Thatsachen ans Licht l)rachten. Schon in der heissen Zone hatte Huml)oldt manche amtliche Daten ül)er die spanische Colonial-Wirtlischaft erhalten: allein — 127 — das waren nur al)geri8sene Details gewesen, die zwar nicht un- richtig, aher doch recht langweilig und auch fragwürdig waren. In Bogota gal» ihm der eigene Einfluss und der gute Wille jenes Tejada ganz neue Aufschliisse iiher die jiingste Entwickelung imd die Gegenwart; er enii>fing die sonst geheim gehaltenen hand- schriftlichen Rechenschaftsberichte der drei letzten Vicekönige. In ihnen fanden sich die merkwiirdigsten Dinge iiber Land und Leute, Anbau und Bergwerkswesen, über wilde Indianer, Steueri)rqiecte, Weganlagen und dergleichen mehr. IIuml>oldt ahnte den vollen Wertli dieser Materialien, aus denen ein allen europäischen Voraussetzungen so entgegengesetztes Wesen sprach. Da er die Einzelheiten noch nicht zu würdigen vermochte, schrieb er selber Bogen für Bogen ab, mochten sie über Kirchen- patronat, Kriegsbereitschaft, Rechtspflege, Polizei oder noch so eigenartige Fragen handeln; er begann eine staatswissenschaft- liche Beschreiljung von Neu-Granada.^^) In diesen Berichten interessirten namentlich zwei Angaben, die geogi'aphisch von grosser Tragweite zu sein schienen. Schon zu Cartajena hatte Humboldt gehört, wie in der Gegend der Cupica- Bucht und des Napipi -Flusses die pacifische Küsten- Cordillere so tief sich senke, dass ein Uebcrgang von dem Stillen Meere nach den Gewässern des Atrato-Stromes, ein inter- oceanischer Canal,'^) ohne erhe1)liche Schwierigkeiten zu bewerk- stelligen sei; die Vicekönige bestätigten den so merkwürdigen Sachverhalt. Die andere Thatsache, die in diesen Berichten bestätigt wurde, bestand darin, dass tief im Innern Neu-Granadas, im Chocö-Land,^*) die Wässer der atlantischen und pacilischen Seite so nahe aneinander stiessen, dass die Indianer ihre Boote ül)er eine Scheidewand zu schleifen vermochten; für das geo- graphische Verständniss des Landes schien eine derartige Notiz von grösster Bedeutung zu sein. Zu Bogota wurden, wie duieli (li(; erste wissenschaftliche, so auch durch die erste politische Autorität, Aufschlüsse von ganz besonderem Werthe geliefei-t; in vielen Bezic^hungeu idciili- ficirte IIuml)oldt seine Ansichten mit den Anschauungen der königlichen liotanischen Expedition und der königlichen Regie- rungskanzlci , allein in den Hauptsachen gab er seine Selbst- ständigkeit keineswegs gefangen. Klaren Blicks ei-kannte er zum Bei.sj)i('l die iiinnst unter den Möiieheu <:;ieltt es Neuerer. Umsonst ward vor Kurzem diese neue Philosoidiie l»ei Strafe der Amts- entsetzung den Leinern au hiesiger Hochschule verboten, die Jugend studirt für sich weiter; erst kürzlieh ereignete sich eine wunderbare Geschichte: es wollte nämlich Pater Rojas, der liebenswürdige Augustiner - >röneh, ölVentlich im Convent das Copernicanische System vertheidigen; dagegen rührte sich der Dominicaner-Orden sowie Plaza, der Kron-Fiscal. Der Yiceköiiiir überliess die Entscheidung geistlichem Spruch und nun übei-- zeugte der alte Miitis den erzluschöflichen Patli, dass das New- ton'sche wie das Copernicanische System nicht bloss in Ilypo- tbesi, sondern auch in Thesi vertheidigt werden könne, dass der apostolische Stuhl niemals gegen Copernicus sich ausgesprochen habe; zudem besitze eine Sentenz der römischen Lnpiisition in spanischen Landen keine rechtliche Kraft; die Oflenbarung er- strecke sich nicht auf astronomische Fragen. Jener Augustiner- Mönch vertheidigte also kurz vor meiner Ankunft öflentlich seine Thesen, und jetzt lodern in Bogota, da der A^icekönig die Vor- schläge für Lehrstühle der Chemie, Physik, Anatomie und Phy- siologie gebilligt hat, neue llofl'nungen auf." An solche Hoflnungen glaubte Humlioldt von ganzem Herzen; er hielt das in der Mitte von Neu-Granada wohnende A'olk für gesund, das der Hochebene insbesondere für eutwickelungsreif; fand er dort doch nicht die Krebsschäden der Küstengel )iete: die Sclaverei und die Vermischung mit äthiopischer Rasse. Seit dem Magdalena-Thal hatte er nur wenige Schwarze gesehen. „Von Antio(piia wird nach dem Cauca-Thale, namentlich nach Popayan hin, ein bedenklicher Handel mit Sclaven getrieben; hier oben ist es anders, aller Boden liegt in der Hand einzelner Reicher, die übrigens an ihren Sitzen zugleich Ortsvorsteher und Schänk- wirthe sind; der Feldl)au geschieht durch freie Leute, welche Erbzins zahlen, so dass sie nicht willkürlich vertrieben werden können. ^lan zwackt ihnen freilich die Feldfrüchte möglichst billig al», indem man ihnen Geld vorzuschiessen versucht, was in Amerika ül)erall, wo freie Arbeit sich findet, das grosse Uebel zu sein scheint; bei Baumwolle, Cacao, Tabak, Indigo wie l)eim Zucker macht sich der Reiche so zum Herrn der ihn umgebenden Aermeren — allein wie viel nützlicher ist dieser Anbau in den Händen ein- Scbumacber, SUdami'rik. Studien. q — 130 — zelner Familien, von denen Vater und Sohn selbst die Erde bestellen, als der grosse Negerbetrieb, bei welchem jedes Blatt, jede Frucht, ja jeder Safttropfen Blut und Aechzen kostet. Zwar entl)ehrt die auf Familien vertheilte Industrie der grösseren Maschinen, was z. B. in Guaduas beim Zuckerl )au drückend gefühlt wird; wie gross ist aber doch der moralische und politische Vortheil, keiner Sclaven zu bedürfen, den Boden von freien Händen be- arbeitet zu sehen! Der Betrieb durch Sclaven setzt unnatürliche Verhältnisse voraus und begründet neue, noch unnatürlichere; was gegen die Natur verstösst, ist unrecht, ist schlecht und ohne Bestand." Der Aufschwung der freien Arbeit auf der Hochebene von Bogotji interessirte Humboldt in allen Phasen und Formen. „Bei Soacha wachsen in den Klüften des rölligen Gesteins knorrige Cactus-Stämme, auf denen arme Landleute vortreö'liche Cochenille ziehen; ich habe die neue patriotische Gesellschaft aufgefordert, diese Cultur durch Prämien zu heben." Zur Förderung der wirthschaftlichen Verhältnisse in Bogotas Umgebung erschien ihm als erste Hauptsache die Anlage eines Ijrauchbaren Weges nach Honda, dessen Kosten ein Zoll sicher decken werde. Ausser- dem aber sprach sich Huml^oldt in eifrigen Worten für die Noth- wendigkeit aus, der Hauptstadt den Zugang zum Orinoco zu er- öffnen, nämlich die grosse Wasserstrasse des Meta-Flusses. „Wäre auf ihr der Handel noch wie ehedem ei'lauljt, so könnte das Salz dieses Landes ein wichtiger Handelsartikel für grosse Theile Venezuelas werden, denn es mangelt in der Provinz Apure und in einem Theil von Guayana; Varinas l^ezieht es zur Zeit über Barcelona und Puerto Cabello. Die Verkehrsfreiheit könnte ausserdem in hiesigen Gegenden den Weizenl)au beleben, da dessen Ernten ebenfalls nach den Aufschwung nehmenden Provinzen Venezuelas ihren Abfluss finden würden. Den Nutzen und Segen dieses Handelsweges leugnet nur der Eigensinn von Carta.iena und die dortige Vorliebe für den Verkehr mit dem Auslande. Die Eröffnung des Geschäfts von Tegua und von Medina, das für Ijogota wegen der A-^ersorgung mit Rindvieh so wünschensM'erth ist, würde die Getreide-Ausfuhr sehr erleichtern. Man entgegnet darauf bloss, dass der Schleichhandel sich vermehren werde; aber in Wirkliclikeit ist dies nicht zu fürchten, da trotz aller Vor- sichtsmaassregeln in diese ungeheuren, die ausgedehntesten See- — 131 — srrenzen dailiictcmlon Colonien doch Alles hincinkoumit, was das Volk iKMlai'f. J.st der Sehleicliliaiidel liilliirer iilicr d(Mi Aleta-Fluss als über den Saiitainaita-IIaren, so wiiil letzterer sich verinindeni, ersterer jedooli in Wahrheit der Ileoieruiig nicht «!:erährlich werden." Diese Vorschlä<^'e unterbreitete lluniliohlt dem A'iceköni<»-e in einer ei<2;enen DenkschriTt; im Tagel)uch aber schrieb er frleidi. zeitijr: r-J'^i" (hatiucr Geistlicher lianion Goniez will es nnter- nehnien. den Weg- zum Meta-Fluss zu eroflnen; ehe noch die Anslidnung des Planes begonnen hat, ist er in einen Process verwickelt worden. Hier im Lande ist kaum au (his Nothwen- digste, an Wege, zu denken; denn wo Maulthiere gehen können, verlieren die Lastträger ihr ]5rot, und ehe neue Strassen geplant werden, sind die alten, auch uothwendigen, gangbar zu machen." Der Monat September war angebrochen und die Al)reise vor der Tliiir. „Unser sechswöchentlicher Aufenthalt konnte Mütis leicht lästig werden, denn er beherbergte uns; ausserdem wuchs die Gelahi-, dass wir die Wellumsegelungs-Expedition in Guayaquil verleiden möchten. Endlich war JJonpland so weit genesen, dass zur Abfahrt gerüstet werden konnte. Die letzten Tage in Bogota sind fürchterlich gewesen; wir waren mit sehr vielen Menschen in A'erl>indung getreten, während ich noch die Denkschrift über Zipaqnini zu Ende Imngen musste, machten diese Alle ohne Ausnahme Besuche. Wir erhielten Emi)fehlungsbriefe für sämmt- liche Stationen des Weges bis nach Popayan, wo Ca'ldas zu treffen ist. Von allen Seiten bot man uns Baargeld an, so Tejada wie Mütis selljer. Am 6. Septeml)er schiieb ich an Wilhelm: am 7. erhielt ich den ersten Brief aus Europa, der mich in diesem Lande erreichte. Er sprach die Besorgniss aus, ob auch der Sturz des Ministeriums Urquijo meiner Reise hinderlich sein werde." Dies war die erste Kunde von der grossen reactionären Umwälzung, die in Spanien sich vollzogen hatte; am Tage ihres Eintreffens sollte nach Humboldt's astronomischen Handl>üchern eine SonnenlinSterniss stattfinden, jede halbe Stunde; wurde die Sonne beobachtet; die Flecke, welche drei Tage zuvor auf ihrei- Scheibe erschienen waren, zeigten sich nicht mehr, aber die A^er- finst(»rung war für Bogota nicht sichtbar. „Am nächsten Tage geschah unsci- Ausritt mit elf rjnsttliiri'on: der Abschied im 9* — 132 — Miitis'schen Hause war rührend. Der alte Mann überhäufte uns mit Güte und mit Wolilthaton; er gal) uns Speisevorrath mit, den drei stämmige Maulthiere kaum f()rtschlep])en konnten. Unser Abzug war fast so glänzend wie unser Einzui>-. Eine "'rosse Pchaar von Reitern l)egleitete uns l)is zur Brücke von Boza, avo Abschied genommen wurde; nur Josd Ayala y Vergara ritt weiter mit. Wir erreichten nicht Cibatt^, wo Avir schlafen solltcMi, blieben vielin(;hr in Puente Grande. Am 9. Se])tember ging es über die unwirthliche Hochsteppe von San Fortunato und dann durch einen unendlich schönen Wald zu dem lieldich l)el(;genen Ort Fusagasuga, der schon der wärmeren Zone angehört; dort besitzt Lozano ein hübsches Landhaus." Hie Reise rückte von hier m\y langsam weiter. Das Mag- dalena-Thal wurde gekreuzt, die neugi-anadinische Mittel-Cordiller(i überstiegen, das Cauca-Gel)iet aufwärts durchzogen, l)is endlich nach zwei Monaten Popayan erreicht war: der Geljurtsort von Cäldas. Mit wehmüthiger Freude folgte der alte Mütis in seinen Gedanken den kraftvollen europäischen Gelehrten, deren An- Avesenheit ihm den Leljensabend so A'erschönt hatte. Als ihn ein Vierteljahr später die Brüderschaft des Colejio del San Rosario als ihr Mitglied aufnahm, sah er in dem feierlichen Act vom 14. December einen Beweis, dass der Verkehr mit den fremden Gelehrten die Bogotaer über seinen eigenen Werth und eigenen Ruhm belehrt habe. Von sell)stständigen Leistungen musste er nun absehen, denn seine Kräfte schAvanden schnell dahin; aber, l)isher ohne Schüler dastehend, empfand er in den letzten sieben Jahren seines Lebens, der Zeit persönlicher Ohnmacht, das Be- dürfniss, jungen Kräften neue Wege zu l)ahnen. In der Heran- bildung einer neuen Generation fühlte er sich in die eigene Jugend zurückversetzt und l>lieb l»is an sein spätes Ende ein Förderer Avissenschaftlicher L^nternehmungen in Humboldt'schem Geiste, II. F'rMviicisco Calclas, iBK- 1. Studien in Popayan und Umgebung. Die kaum nu'lir als 7000 Bewolinei- zählende, von allon Culturl)crciclien weit entfernte Stadt Popayan ''■'') gewälirte am Anfang-e dieses .lahrhunderts einen Anblick tiefen Verfalles in Haus und Hof. Die bischöfliche Kathedrale lag heinahe in Ruinen; der Marktplatz, kaum zu zwei Drittheilen von niedrigen Ilausern umgeben, stand fast ganz unter Grras; die Wohnung des Gouverneurs war wenig mehr als eine Hütte; die äusserlich kaum hervortretende Münzstätte hatte für den Verkehr keine Bedeutung, selbst das berühmte Kloster der einflussreichen Frau- ciscaner bot wenig Sehenswerthes. Humboldt und Bonpland erreichten diesen Ort am 4. November 1801, etwa zwei Monate nach ihrer Al)reise aus Bogota. Von Fusagasuga waren sie über Pandi und Contreras nach Ibagud gegangen und von dort Ende Septeml^er und Anfang October auf dem unwirthlichen Quindiu-Pass über die Mittelkette der neugranadinischen Anden; sie waren erst in Cartago von den Stra})azen erlöst und dort nach einiger Rast auch von ihren Fusswunden l)efreit worden; dann hatten sie endlich über Buga und Cali das goldreiche Thal des Cauca-Flusses stromaufwärts durchmessen. „Die Stadt Popayan", so schreilit Hum])oldt, „findet sich noch da, wo ehedem ein Häuptlingssitz der Purace-Indianer stand, der hohen Bergkette gar zu nahe; ihre Lage ist so male- risch, dass man über schlechte Bauweise bald getröstet wird. Das niedrige Flussthal, oflenl)ar ein alter Seeboden, schliesst sich oberhalb von Cali, etwa liei Quilichao; allein auch Aveiter nach Süden hin zeigte sich, ol>wohl das Feld hügelig wird und un- gefähr 300 Toisen höher liegt, die Fortsetzung der Thalbildung. In ihr wälzt dei- Cauca-Strom seine un])ändigen, jeder Schill'fahi-t — 136 — trotzenden Wogen dnreh seliluudartige Yertiefungen. Der Stock der grossen Mittel-Cordillere Itaut sich ainpliitlieatralisch auf; die Felsuiassen von Santa Bjirl»ara und Coconucos folgen. Dann steigen schneebedeckte Vulcane empor: hier der Ireundliche, ja feierlich geschmückte, aus l)reiter Basis dachartig sich erhellende Pui-ac^, dessen Schneemantel scharf contrastirt gegen das schwarze, vegetationslose Gestein, aus dessen Tiefen, Opferfeuern gleich, I)ampfsäiüen aufsteigen; dort der ernste, düstere Sotarii mit ali- gestumpftem Kegel. Südlicher erscheint l)ei heiterem Himmel in blauer Feme, fast gespenstartig, der schlanke Zuckerhut der Teta de Mazamorra, gegen Nordosten der wetterverkündende Cerro Pusna, hinter dem in kalter Grösse der Unine-gatuna her- vorbricht. Andauernder Wolkenwechsel an der ungeheuren Berg- kette lässt selten ganze Tage lang ein so grossartiges Schauspiel gemessen. Gegen Westen von Popayan steht in der Mitte des Thalgi'undes die isoliile Riesenkuppe von Julumito, inselförmig, schon aus weiter Ferne erkennltar. Dahinter erhebt sich die Cordillera del Chocö: die am linken Ufer das Thal abgrenzende waldige Bergkette. In der Stadt selbst zeigen sich an allen Ecken prächtige, schlanke, fünf- bis siebenseitige, basaltähnliche Säulen, darunter findet sich eine offenbar Ijehauene, wie wir denn auch in einem Hofe zwei etwa vier Fuss hohe Statuen mit Kopf, Perlenschmuck und kleinen Händen antrafen, alier ohne Füsse. Grosse Gesteinmassen müssen hier in Vorzeiten künstlich bewegt worden sein, um Grabstätten zu bedecken." „Boden und Klima sind freundlicher als in Bogota: allein hier hat das Goldsuchen den Ackerljau nicht aufkommen lassen, ist doch Popayans Umgebung kaum mehr als eine grosse Weide mit schlechtem Yiehstande. Die Stadt holt nicht bloss Rind- fleisch, sondern auch einen grossen Theil des Cacaos aus dem Magdalena-Thale sowie Mehl aus den Bergen von Pasto." Auf dem Markte der Stadt sah Humljoldt die Kalkerde, die als Speise feilgeboten "wurde, da man sie mit Coca ass; aus dem Archiv jenes Franciscaner-Klosters erhielt er nach vielen Mühen zwei Briefe des Mönchs Jose Joaquiu Barrudieta vom 25. November 1761 und 23. Juli 1763, welche ihm für den Lauf des Caqueta- Stromes "gichtig zu sein schienen; vor Allem war es das Problem des Erdmagnetismus, das ihn lebhaft fesselte und immer länger in Popayan festhielt; ausserdem ^vui-den umfangreiche Mineral- — 137 — Saiiiiiiliiiiircii tili- is zur Schueelinie führte und die Untersuchung von drei Kratern gestattete. „Dem Ilauittschlunde entfuhren damals rothgeU)e Scliwereldäm})le mit einem Gezisch, das stärker war als der Lärm von vierzig Schmiede-P]ssen in vollem Geldäse und ähnlich dem Ton einer Dampfmaschine, deren A>ntil am Cvlinder plötzlich geöÜnet Anrd; man hat lange Zeit Mühe, seinen Sinnen zu trauen, und ist stets geneigt, den Schwefeldampf für Flammen zu halten. Im südlichen Theile des Schlundes sah man deutlich einen siedenden, mit Schwefelhaut bedeckten Wasserspiegel." Bei der Besteigung des Purace wurden die Fremden von dem Vorsteher des genannten Klosters, Francois Pugnet, be- gleitet, was um so anerkennenswerther zu seiu schien, als das Wetter weuig einladend war. Die Leute, mit denen Humboldt und Boni>land in jener Oase verkehrten, waren theils Spanier, die schon seit Jahrzehnten am Orte lebten, wie Diego Nieto, der Gouverneur, der zugleich mit Miitis und PJscallon die europäische Heimath verlassen hatte, oder wie Francisco Diego, der Tabaks- Administrator, ihr Wirth, der mit Moreno ins Land gekommen war, wie der ^lünzmeister Joaquin Valencia, ein Bruder des in ^ladrid lebenden Grafen de la Casa Valencia; theils waren, ihre Bekaimten auch Creolen, wie Manuel Alvarez, ein Schwager der Bogotaer Lozanos, wie Manuel ^laria Arboleda, der Provisor des Bisthums, ein Verwandter von Caldas, „entschieden der an- genehmste Mann der ganzen Stadt, einfach, launig, thatkräftig, völlig uneigennützig und von dem besten Weltton im geselligen Leben, al)er ein Gegner des Gouverneurs, wie denn solche per- sönliche Gegnerschaften hier im Lande ülterall sich zeigten." Auch der Bruder dieses Geistlichen, Antonio Arboleda, gefiel den Fremden wohl. Humboldt schrieb an Mütis in einem Briefe vom 2'). November 1801, dem er Prolten der Bambusa beifügte: „Die Bewohner Popayans haben eine höhere Bildung, als sich erwarten Hess, aber doch weit geringere, als sie selber meinen. Hier halten sich Alle, die Tissot gelesen, ITir Aerzte, kennen — 138 — Alle Physik und Chemie, wenn sie in ein Buch über „Die Wunder der Natur" hineingesehen haben. Ausserdem ist hier der Sinn für die Wissenschaften, auf den man so viel sich einbildet, that- sUchlich nur schwach. Kaum hat uns Jemand auf unseren schwierigen Fahrten begleiten wollen; Niemand hat uns nach dem Namen einer Pflanze, eines Steines gefragt oder aus eigenem Antriebe die Wimderwerke untersucht, die iimd umher lagern. Trotzdem freue ich mich, hier doch einige gute Anlagen zu sehen; es zeigt sich ein geistiger Aufschwung, wie er 1760 noch nicht l)ekannt war. Hier giebt's doch ein Streben, gute Bücher zu besitzen und die Namen hervorragender Männer kenneu zu lernen; es giebt eine Unterhaltung, welche interessantere Gegen- stände bewegt, als die Frage wegen Geburtsvorrecht und Adel: es giebt mehr Kenntnisse und Httlfsmittel fürs Wissen, als sogar in Havana. Das ist gute Vorbedeutung, allein der jetzige noch unvollkommene Standpunkt kann nur dann verlassen werden, Avenn die Unterrichts- und Erziehungs- Grundsätze vollständig sich ändern. Es muss erkannt werden, dass in zwei Tagen nicht Alles sich erlernen lässt, dass es gut ist, wenig zu wissen, das aber gründlich; unser Geist gleicht dem Wasser, welches an Tiefe in demselljen Yerhältniss verliert, in dem es über die Erdfläche sich ausdehnt. Ausserdem können die dem spanischen Amerika noch fehlenden physikalischen Wissenschaften nur in einem starken und kraftvollen Geschlechte feste Wm-zel schlagen; was lässt sich von einigen jungen Leuten erwarten, welche, umge1)en und bedient von Sclaven, die Strahlen der Sonne und die Tropfen des Thaues fürchten. Solche Jugend kann nur eine verweich- lichte Rasse geben, eine für die grossen von den Wissenschaften und von der Gesellschaft geforderten Opfer unfähige Rasse." Cäldas war damals in Popayan nicht anwesend; über ihn hörte Humboldt nur durch Dritte. Er preist ihn am 15. November in seinem Tagebuch. „Geradezu ein Wunder in der Astronomie, arbeitet er hier im Dunkel einer al)gelegenen Stadt seit Jahren; Ins vor Kui'zem hat er von dieser ultima Thule aus kaum weitere Reisen als nach Bogota unternommen. Sich selber hat er die Instrumente für Messungen und Beol)achtungen hergestellt. Jetzt zieht er Meridiane, jetzt misst er Breiten! Was A^iirde solch ein Mann in einem Lande leisten, avo mehr Unterstützung ihm zu Theil Avürde! Es geht doch durch dieses Südamerika ein wissen- — 139 — scliartliclics Di-äiigvii, das (lahciiii uanz uiil»ckamit ist, hier alicr grosse UiiiwaiKlliiiiji'cu /tir Foluc halicii wird." Der ^rami, den Iliiinlioldt uiul JJonplaiid so ^cnic in der dürltig" ausgestattctcu Arltoitsstube seiner Grebiirtsstadt ülier- rascht hätten, der Itescheidene Altersgenosse von Zea, war gleieli diesem in Popayan durch den anregenden Unterricht von Felix Restrepo zu höheren AutTassungen vorl)ereitet worden: er hatte Ireilich später in Bogota' studirt und dort auch einige Freunde gewonnen, namentlich Francisco Antonio Ulloa, alier ihm hatten nicht die Sterne geleuchtet, unter denen Zea ein Liebling von Mütis, ein Märtyrer ITir Jung-Hogotä und ein Stndienreisender in Europa geworden war. Da erschien i)lötzlich füi- sein zielloses Lelien ein Leiter: der königliche Botaniker und Astronom Doctor ^fütis, der Patriarch neugranadinischer Wissenschaft. Durch numl)oldt's Reiseplan war ein Brief hervorgerufen worden, den Caldas schon am 3. August 1801 von Mütis empfangen hatte. „Welch ein Schreiben — zwei neue Barometer-Röhren, zudem die Meisterwerke eines Linne; solch eine Art des Ver- kehrs ist eigenthümlich, denn sie wählt eine Form, welche die ungebildetsten Völker kennen, aber nur die grossen Geister ge- bi-auchen. Ich gestehe, dass ich iil)er dies Gastgeschenk ebenso erstaunt Avie dankl)ar bin; nicht genng kann ich es bewundern, dass ein Mann von Ihrem Verdienst eine; Skizze, die ich einem Freunde sandte, so w^ohl wollend entgegengenommen hat, dass dieser Mann mir zu schreil)en wünscht, es Ijedauert, mich bisher nicht gekannt zu haben, dass er mich ohne mein Wissen unter- stützt, ja mir Bücher und Instrumente sendet. Jcii fürchte, dass Fremde, geblendet durch die Liel)e zu mir, meine Kenntnisse übertrieben haben. Sic vermeinten vielleicht einen Gelehrten vorzustellen, einen Mann, Avelcher an Ihren weisen, tiefen und langjährigen Forschungen theilzunehmen vermöge; ich deidce in ganz anderer Weise. Welch ein Abstand zwischen uns Beitlen! Mütis gelehrt, ein Freund von I^inne, bekainit in Europa, Leiter eines glänzenden Unternehmens, dessen werthvolle Früchte mit Ungeduld von der wissenschaftlicluMi Welt erwartet werden, und ich? Ignorant, selbst meinen Landsleuten unbekannt, in einem Winkel Amerikas ein dunkles, l)isweilen klägliches Lel)en fristend, ohn(! Bücher, ohne Instrumente und andere wissenschaftliche Flülfsmittel, ohne irgeiuhvelchen Nutzen fiir mein \^iterland. — 140 — Dieser uiigelieure Uuterscbied der Glückslage und -des Wissens macht mich Ijangc, denn ich nehme nicht den Schein eines stu- dirten iNIannes in Ansj)rnch, da ich es nicht l^in." „Meine erste Erziehung war gering. Sechzehn Jahre alt, sah ich 1787 einige geometrische Figuren und einige Glolten. Glücklicherweise traf mich ein einsichtsvoller Lehrer, welcher jenes scholastische Zeug verachtete, das bei uns die schönsten Fächer der Wissenschaften überwuchert hat. Unter seiner Füh- rung widmete ich mich nach und nach der Mathematik und Experimental-Physik, so gut es ging; dann wurde ich zur Haupt- stadt gesandt und hörte in einer ihrer Schulanstalten die Un- gereimtheiten der Materia prima. Ich war nicht geltoren, Rechts- gelehrter zu werden, und fand weder an den Leges noch am Justinianus Geschmack ; so verlor ich die werthvollste Zeit meiner Jugend. Heimtiekehrt mit einem Universitätsgrad, der keine Kenntnisse verlangt", — Caldas wurde am !26. October 1788 JJacca- laureus der Jurisprudenz — „widmete ich mich leibhaft der Astronomie, die ja zur Schiffl'ahrtskunde , zur Geographie, zur Chronologie in so enger Verljinduug steht; aber was konnte ich leisten in einem Lande, in Avelchem Cii-kelquadranten, Teleskope und Pendel selbst dem Namen nach unbekannt waren? Vier Bücher, die ein glücklicher Zufall mir in Popayan zuführte, gaben mir von jener Wissenschaft und ihren Instrumenten Kunde; ein kleines Gnomon, das ich anfertigen liess, machte mir Sonne und Planeten l)ekannt, aber ich konnte keinen Schi'itt weiter thun, ol)wohl die Noth wendigkeit, mir mein Brot zu suchen, Gelegenheit darbot, das Studium ein wenig zu erweitern." So war Caldas wie ein Hausirer in den Gelneten des oberen Magdalena-Thaies herum- gezogen. Der zweite Aufenthalt in der Hauptstadt, der ins Jahr 1796 liel und mit Erwerbssorgen zusammenhing, verschaflfte dem immer kraftvoll vorwärts strebenden Manne einige literarische Hülfs- mittel, a\)Gv nur wenige. Er sagt: „In Bogota sah ich damals zum ersten Male das Astronomie -Werk von Joseph Jerome la Lande sowie Besout's Schrift ül)er die Elemente. Derartige Bücher bewiesen mir die Unmöglichkeit, im spanischen Amerika Astronom zu sein. Trotzdem schrieb ich aus der letzteren Schrift die Sonuentafeln a]), um tlie Declinationen berechnen und sie bei meinen Breite-Beobachtungen benutzen zu können; ich kaufte — 141 — auch oineii Coiupass, ein Schiffsharometer, zwri Thermoinctci' 1111(1 ciiKMi Rcficxions-Octanten; darauf lolgtcii praktisclic Mcs- sun<^on. Am lo. August luaass ich die Hölic der (luadalupe- Kapclle; im Octoltcr brach ich von I>og<)t;i wieder auf. um di(( Lage der Orte, die ich (hirchzog, astronomisch zu liestimmen; ich maass barometrisch die llöho von Lauu'sa, Tocaima, .Jijante und Pital; dort zei-brach mein Instrument; als ich nach 'J'imana' kam, waren die Oerichtsgren/.en zwischen diesem Amte und (h'in von Laplata streitig, deshalb übernahm ich es, die Ihnen bekannt gewordene Jurisdictionskarte anzufertigen. Die M()nd-KclipH(! vom 3. Deeember 1797 bot mir einen für meine Zwecke günstigen Aidialt: l»ei der Beobachtung half mir der Pfarrer von .lijante." Damals durchwanderte Cjüdas die ganze Timanu-Gegend und Hess dabei sein(> kartogra])hisclieu Zwecke nie ausser Augen. ^'') Am "24. Januar 1798 entdeckte er die grossartigen Alterthümer von San Augustin, die einen tiefen Blick in die noch ganz dunkle Vorgeschichte seines Heimathlandes gestatteten. Der erste Ort, den der !Magdalena-Strom bespült, ist der namenlosem Wohnsitz weniger Indianer-Familien; in der Nähe dessellien hnden sich die Spuren eines längst verschwundenen, aber ehedem kunstverständigen und arl)eitsamen Volkes: Standbilder, Säulen, Bethäuser, Tische, Thiergestalten, das Bild einer riesenhaften Sonne. Alles dies von Stein und in reicher Anzahl zeigt uns Charakter und Kraft eines grossen Volkes, das ehedem die Ufer des oberen Magdalena l)e- wohnt hat. „Als ich diese Oertlichkeit 1797 besuchte, sah ich mit Bewunderung die Kunstleistungen einer sesshaften Nation, von denen kein Geschichtschreiber die geringste Kunde uns be- wahrt hat. Es würde sehr interessant sein, die in der Nachbar- stadt San Augustin zerstreut sich findenden Stücke zu sammeln und zu zeichnen; sie würden die Stufe der Sculptur zeigen, zu der die Bewohner dieser Gegenden einmal gelangt sind und uns Proben ihres religiösen und politischen Lebens verschaflen. In den Wäldern von Laboyos und Timana kann man keinen Schritt thun, ohne auf Reliquien einer grossen, jetzt versch^\ull- denen Stadt, des ehemaligen La Plata, zu stossen." Nach Popayan zurückgekehrt, erlangte Cjildas bei den Ar- l>oledas die Gestattung, seinen wissenschaftlichen Bestrebungen weitei" zu folgen: aus Cali wurde ein achromatisches INdeskop beschaiVt, aus der Nachbarschaft Hessen einige 'riieiinometer und — 14-2 — Barometer sich besorgen: bald waren soviel Instnimente bei- sammen, dass Caldas vier Emersionen des ersten Jupiter-Trabanten beoljachten konnte, die erste am 22. December 1798. Der rast- lose Mann verfertigte für seine wissenscbaftliclien Arbeiten mit grossem technischen Geschick verschiedene Apparate selbst; er schuf sich eine genau zu regulii-ende Sonnenuhr und ein Werk, welches für astronomische Zwecke ausserordentlich Itrauchbar war. Pombo, der diese in seiner Heimathstadt sich entwickelnden Bestrelumgen regen Sinnes verfolgte, kaufte mit Rücksicht auf sie von Humlioldt einen Bii-d'schen Cirkelquadranten. Die ^lessung von Berghöhen ' ') beschäftigte den immer eifriger werdenden Sohn der Anden granz besonders. Als Ciüdas 1800 mit Jos^ Antonio Ai'boleda und Jose Hurtado den Yulcan Purace erstieg, brach das letzte Thermometer-Rohr an einem Ende. „Ich hoffte, dass kochendes Wasser mir so wie sonst den Siedepunkt, und dass der Schnee den Gefrierpunkt angeben werde ; der zwischen diesen beiden Punkten liegende Raum in 80 Grade getheilt, sollte meiner Meinung nach ein neues Thermometer darstellen, allein ich fand, dass die Eintheilung in Grade viel enger wui'de. War denn der Schnee über Popayan kälter als anderswo? Der Siedepunkt musste sich geändert ha])en! die Hitze des kochenden Wassers steht in einem Yerhältniss zum atmosphärischen Druck, mithin ist das Thermometer el^enso gut für Höhenmessungen zu geljrauchen wie das Barometer." In solchen Beobachtimo-en ging Ca'ldas zeitweise auf, aljer er folgte auch praktischeren Arbeiten. So versuchte er die Be- steigimg des Coconucos-Yulcans und analysh-te das Wasser des Rio TiuagTe. Um das Problem, die Höhen durch ein Thermo- meter zu messen, weiter zu erproben, machte der Himmelstürmer sorgfältige Versuche in Poldazon, einem Landhause von Josö Maria Arboleda, und unternahm am 22. Juli 1801, um noch ge- nauere Experimente anzustellen, einen Ausflug nach Las Juntas, Paisbamba, Sombreros und Tambores, vereinzelt gelegenen Plätzen, wo er die Gastfreundschaft von entfernten Bekannten genoss. Derartige Fahi-ten waren noch nicht aligeschlossen, als bei Caldas jener Brief von Mütis eintraf, welcher besonders auf die Botanik hinwies. „Ich habe mich dieser Wissenschaft gewitlmet, ehe ich sie verstand", sagte Ca'ldas. „Zufrieden mit dem kleinen Cursus von Ortega, gab ich ihi" mich hin, da in den Biltliotheken Popa} ans — 143 — ausserdem uur die Institutionen von Tournefort aulzufinden waren. Mein edler Freund Poinl)o verschaflYe mir die von Antonio ]*alau angefertigte Uebersetzung der Pars practica von Linne, so dass ich rilanzcn l)estimmen konnte; aber die Philosoi)liia botanica vermochte ich weder hier noch in Cartajcna, weder in (^iiito noch in BogotiC zu erlangen. Jetzt plötzlich, als ich es am wenigsten erwarte, halte ich Linne's werthvollstes IJuch in meinen Händen: dies Buch ist mir zugesendet von Mütis, d(Mn ersten Botaniker unseres Volkes, als seine erste Gal)e. Mein ganzes Leben Avill ich Ihnen Avidmen als schönstes Denkmal Ihrer Gross- nnith und als höchsten Ehrentitel der Dankbarkeit; nie werde ich den 3. August 1801 vergessen. Während ich mich mit grossem Eifer dem Pflanzenstudium im elterlichen Hause zu widmen ge- dachte, ruft mich nun ein gewagter Process, den ich hier gewonnen habe, von Haus und nach Quito. Da verjüngt sich natihlich meine Vorliebe für die Astronomie; jenes Land ist ja noch immer ein offenes Buch, in dem Jeder studiren kann, der di(? mathe- matischen Wissenschaften kennt; es ist aber doch wahr, dass auch meine Botanik auf solcher Reise gefördert werden kann. Ich bin gewillt, dieser Forschungs-Sphäre mit aller Kraft mich zu widmen." „Meine Abreise erfolgt am 10. August; es ist mir nicht möglich, hier den Baron von Humboldt noch zu erwarten. In Quito ''^) werde ich die Freude haben, mit ihm bekannt zu werden und von ihm zu lernen," So hatte Caldas seine Vaterstadt Ijereits verlassen; bevor sie von Humboldt und Bonpland erreicht war. In der Begleitung seines Quito'schen Anwalts Torbio Rodriguez hatte er schon vor Monaten den nächsten, nach jener Hauptstadt führenden Hoch- pass eingeschlagen: den durch das Patia-Thal führenden Weg. Die an Ca'ldas so warm em])fohlenen Fremden verliessen am •29. Novemljer Popayan, wo zu vielen Enttäuschungen noch die Erfahrung sich hinzugesellt hatte, dass das Wetter ihrer wissen- schaftlichen Unternehmung im ganzen Cauca-Thale ungnädig war. In ihrem Abschiedsgeleite befand sich auch Arboleda, der nächste Freund von Ca'ldas. Die Jahreszeit verlangte es, dass der Weg über Almaguer genommen wurd(;; so begann denn bald der schwere, Tag für Tag mehr ermüdende? Gebii-gsritt, diu- ül)er die gefrorenen Ilocheljenen und durch die wilden Schluchtenthäler der — 144 — Provinz Pasto führte; die Oede der G(^gend trieb zu mögliclist schiK^lem Weiterreisen, ebenso der Wiinscb, liald von denn liir die Erdumsegelung l)estinnuten Schifte Nachriclit zu erhalten. Am 2. Januar 1802 tralen IIuml)oldt und Bonpland zu Ibarra, wenige Tagereiscni vor Quito, mit Ca'ldas zusamnnm. Dieser war den Fremden entgegen geritten und fülirte sie nach dem Ilaus«' des Correjidor Jose Antonio Parco, wo er, ungemein gesprächig, alle Mittel aufwandte, um Ibarra, eine der freundlichsten Oi-t- schaften des Anden-Hochlandes, als eine geschäftlich vielvcn-- sprechende Stadt und als den besten Anhalt für grössere wissen- schaftliche Unternehmungen herauszustreichen. Unfern der Häuser ])egann die Aufstufung zu dem öden, unheimlichen lmbal)ura mit seineu gelbgrauen Wänden und dei- nur wenig beschneiten abgestumpften Kuppe; durch das Thal des Taguandö-Flusses Idickte ernst und ge})ieterisch der gross- artige, eisumpanzerte Cayaml)e mit firngekröntem Haupte und mächtigen Gletschern; auf der andern Seite erhob sich die scharfe Spitze des jähen Cotacachi. Solch ein Rundbild, das Cäldas immer unvergesslich blieb, war eine Probe von der riesen- haften Gebirgswelt, nach deren wissenschaftlicher Durchforschung er, wie Humboldt, so lebhaft sich sehnte. Jener hatte bisher zu solchem Studium, -seines Processes halber, selten kommen können; diese unglückliche Gerichts- Angelegenheit hatte ihn an die Stadt und deren nächste Umge- bung: s-efesselt, aber auch da war dem forschenden Manne ein Arbeitsfeld geboten worden. An einer Kirche von Quito erinnerte eine mit Bronze be- schlagene Marmortafel an wissenschaftliche Arbeiten ersten Ranges, desgleichen auf einer der Kuppen des Pichincha ein weithin sicht- bares Steinkreuz. Diese Denkmäler bezogen sich auf die erste grosse Gradmessung, welche zur Entscheidung des Streites zwischen den Newtonisten und Cassinisten zur Feststellung der Grösse der Erde 1735 ausgesendet worden war. ''9) Mit Entsetzen hatte Cäldas theils selbst gesehen, theils durch Dritte erfahren, dass schon vor einem halben Jahrhundert viele dieser bedeutsamen, wissenschaftlichen Leistungen gesetzte Denkmäler zerstört worden seien, obwohl sie zugleich die Namen grosser Gelehrten feuerten: die von Pierre Bouguei-, Louis Godin, Charles Marie de la Condamine, Joseph de Jussieu und ausserdem noch die Namen von zwei tüchtigen — 145 — spanisclHMi See-Oflizioron: von Antonio do UUoa und von Jorjc Juan y Santacilia: „also von Männcin, deron AVcrkc nocli jotzt für (las Sludiuni des Quito'sehcn Landes, ja lur das Yerstündniss Südamerikas unentbelirlieli sind."' Kine DfMikselirift ülier die Wi(Hlerherstellunu- der Pyramiden von Varu(|nf und die lOrncnie- rung des Gedenksteines von ^rama-Tarcjui, eine mil glidienden Worten geschriebene A''erdanimung ihrer Zerstörung nelist A'or- schlägen t'üi' neue Messungen unter JJcrücksichtigung der vor- handenen Trünnner: das liilth^te tlie erste Gabe, welche Ciüdas' an Ilundiohlt iiberreichte. Ilundioldt schrieb damals in Il)arra: „Die Werke von Bouguer und de la Condamine haben doch auf die Amerikaner von Quito bis Popayan einen sonderbaren EiuHuss gehabt; seit JJouguers Durchreise scheint der Boden dieses Landstrichs classisch a:e- worden zu s(>in; was auf die ITeimath sich bezieht, will man lesen. Wohl hat die Regierung zu Quito vor einigen Jahren die Pyramiden der französischen Akademiker zerstören können, sie hat abei' nicht den Funken des Geistes zu vernichten vermocht, der im A'olke entllammt ist." .SchnniHclier, SUdamerik. Studien. 2. Verkehr mit Humboldt uud Bonpland. Die HePi'Rtrasse, die von Ibarra nach Quito ^'') führt, ist beim Dorfe Cotocollao lieroits in ein frenndlidio?, eulturversprechendes Gel)iet ^-etreton, welches aiio'enchm sich al»hel»t "'egen die sonne- verbrainiten Oeden nnd kalten Hochland -Wildnisse der letzten Wegstrecken. Kla'i-e Bäche geben nun den Feldern Griin, Laid)- bünnie erscheinen hie nnd da, es griissen Ortschaften von einiger Erheblichkeit. Sind auch die Bergriesen, welche die Hauptstadt umstehen, meist noch durch Yorberge verdeckt, ist auch von dem grösseren Theile des Quitoer Plateau-Bodens wegen Hiigel- ketten nichts zu sehen, so Avird doch die Strasse allmälig be- lebter. Die Reihen dov Hütten nehmen mehr und mehr vor- städtischen Charakter an, das langersehnte Ziel rückt näher uud näher; bei einer Senkung d(n- Strasse, die in einen ziemlich engen Bergkessel hinal »führt, tritt die Stadt seil »st hervor. Es beginnen volkreiche Gassen mit städtischen Iläusern; da sind Kirchen, Klöster und andere auffällige Gel)äude; dem an die Einsamkeit gewöhnt gewordenen Gemüthe winken A'erkehr und Gesittung. Diese Strasse ritt am G. Januar 1802 Caldas mit Humboldt und Bonpland entlang. Für ihn sollte di(? Hauptstadt für längere Zeit der Mittelpunkt grösserer Arbeiten werden. Sie bildete mit ihren etwa o5 000 Einwohnern den Ijedeutendsten Platz des gesammten A'icekönigreichs Neu-Granada; sie war äusserlich prächtiger und mehr europäisch als Bogota', die vornehme Welt wohnte aber fast das ganze Jahr hindurch auf den l)ald in grösserer, l)ald in geringerer P]ntfernung vor den Stadtgrenzen sich ausln-eiteiulen Landsitzen; obgleich auf diesen sehr grosse Einfachheit herrschte, zeigte sich doch viel mehr spanischer Adel als zu Bogota. — 147 — In diese Kreise durch SchreilxMi des Vieek«)ni<^s eiiifi-efiilirt, traten TTunilioldt und noui»lnii(l niclit l)loss mit dem Reres, Casa-.Jiroii, \'ina-()reUana, Solando, Maenza, mit den Condes von Gnerrero, l'uüonrostro, Sanjose und wie sonst aUe die Granden hiessen, welche hier IVei von dem Geremoniel eines viceköniglichen Hofes mit den liesten P^lementen der nürgerschal't in steter JJeri'dirunu; sich l'ühltcn und zum Theil ihres Reichthums weucii im Lande allmächtig" waren. Der Manines von Selvalegre, Juan Pio Montufar, l)eher])ergte Ilumholdt zunächst .^in seinem grossen, am ITan))t])lalze lielegenen Hause, in welchem neciuemlichkeiten sieh landen, wie man sie nur in Paris und London hätte erlangen können". Vom Palcon der Wojnnmg liess ein Theil der Stadt sich iil)erl dicken. Nebenan lag das unansehnliche Stadthans, gegenüber das diistere, auf einem getrei)i»ten Unterbau sich erhebende Präsidentschafts -Gebäude, zur Linken der bischöfliche Palast mit hül)schem Eingangsthor, endlich zur Rechten die Kathedrale, ein unschönes, charakter- loses Rauwerk, dessen Fa^-ade offenbar niemals die A'ollendung gesehen hatte. Freilich war der Bischof (mh tüchtiger und ehren- hafter ^Lann: Jose de Cuero y Caicedo, welchei-, ein Sohn des Cauca-Thales. ehedem von Felix Restrepo erzog(Mi, jetzt infolge von Antonio Arboledas Empfehlungen gerne Cäldas, als Genossen derselben Schule, in seinen Interessen unterstützte; die Mehrzahl der Geistlichen war iil)rigens durch Faulheit und Lüderlichkeit ausgezeichnet. Eine glänzende Ausnahme liildete Juan de Larrea wegen seines unermüdlichen Wirkens für die Wiederaufrichtung der verfallenen Wohlthätigkeits- und Kraidveni»liege-Anstalten. Neben der früheren Jesuiten-Kirche, deren Front vor Zeiten l'ater Sanchez mit kunstgewandten Eingebornen dui-cli allerlei Scul})turerühmten französischen Akademiker; sie war freilich unversehrt, al)er schwerlich mit richtigen Angal)en. In dem Franciscaner-Kloster gal) es ein aus Gent stammendes Thongefäss, in welchem der erste Weizen sich gefunden hatte, der von den C^ourpiistadoren in dem Hochthale ausgesäet worden war. Das Archiv der Audiencia bewahrte das Wichtigste, was Quito besass, nämlich eine Sammlung von Karten, welche theils von Pedro Maldonado *^") aus der Zeit von 1740 — 50, theils von jenem Francisco Bequena aus den Jahren 1783 — 90 hei-rührten. Erstere, die höher gelegenen Theile der Präsidentschaft Quito betreffend, waren im Original von ihrem Verfasser nach Paris und London gebracht und dort gestochen, al»er ]»eim plötzlichen Tode ihres Urhebers ohne Veröffentlichung gel diel )en, so dass nur Copien vorlagen. Die Anderen, auf das Flussgel )iet des Amazonas sich beziehend, lagerten noch immer fruchtlos in den Bücherschränken, obschon sie das einzige fassltare Erge))niss der langiährigen Arbeiten jenes unverdrossenen BiMpiena und der kostspi(digen spanischen Grenz - Commission ausmachten. Für Huml)oldt war eine Verbindung dieser Vorarbeiten mit seinen sonstigen geographischen Matcn-ialien von grösster Wichtigkeit: er erliat sich ausserdem von (^a'hhis eine Co]»ie der Karte vom oberen Magdalena-Thale, sodaun dessen astronomische Beobach- — 149 — tungen, die Bereclimnifrf'ii <1. „den schönsten der Ne- vados", den Cayamhe; (>r studirte nicht nur die Geschichte der A^ulcan- Ausbrüche nach den Papieren und Büchern der Francis- caner, mit vollgenialer Kraft h3])te er sich aucli in alle die neuen Fragen ein, welche; dies einzigartige Hochland wachrief. Ca'ldas blieb mit ihm wie mit Aimd Bon])land in regem Verkehr. Er verglich seine Tnstruiucnlc mit, denen der euro- ])äischen Naturforscher, verhandelte mit Hundioldt ül>er die Idee, durch Wasserkochen und thermometrische Feststellung des Siede- punktes Höhen zu messen, erhielt Humboldt's eigene Thermo- meter ins Haus, um sie mit den seinigen zu vergleichen, und l)egleitete Humboldt, der frühere Ausflüge, z. B. den auf den Antisana am 14. März, ohne ihn gemacht hatte, am '26., um die für Quitos Höhe entscheidenden Beol)achtungen anzustellen; dabei erwarb er sich dessen volle Anerkennung. „Er ist ein ausge- zeichneter Physiker", wiederholt Humboldt l)ei dieser (relegen- heit und empfiehlt ihn als neuen Jünger auf das Wärmste dem alten Mütis. Der Patriarch von Bogota hatte den Provinzialen ermahnt, ja der Botanik besonders sich zu widmen. Dafür war Huml)oldt in Quito, soweit die wissenschaftlichen Details in Frage kamen, kein geeigneter Genosse; er ül)erliess alle Einzelheiten dem längst wieder arljeitsfähigen und sehr -umsichtigen Bonpland: studirte er doch kaum di(> Schriftstücke ül>er die Entdeckung der neugranadinischen Kina, die Santiago Lopez ihm ül)erreichte: ein Bruder des Miitis'schen Concurrenten und Capitelherr an der Quito'schen Kathedrale. Um erfüllten ganz die grossen Gedanken der Pflanzen-Geographie; als „A^'egetations-ldeen in den Anden" empfingen sie nach und nach Form und Ausdruck, namentlich während des regnerischen ^Nfärz-Monats, Um so theilnehmendere Aufnahme fand Ca'ldas für seine kleineren botanischen Anfragen liei ]>on])ian(I. Dieser gal) dem Anfänger das Wildenow'sche Werk „S|)ecies plantarum", damit er unter dessen Hülfe die Palau'sche Uebersetzung dei- Linne'schen „Pars practica" rZ('it «^cmaclil halle. Die IVciiuh'ii l\('is<'ii(hMi cniitliiiircii am 'IG. Mai von ^\r\• Pariser Akadciiiic ih'r Wisseiiseharten die wciiiti' crwriiKSchte Nach- richt, dass die Weltuiiisegelmij;- sicli nicht verwirklichen la,sse; VOM (h'r IVanzösischen Ivxpedition, der sie sich anschliesseu wolllcn. war eine unerwartete Richtunj«; eiu^'eschlageu. Sie besclilossen jetzt, nicht direct nach CJuayacjuil hinalizug-ehcn, sondern in nioji- lichst l)reiler Aus(h'hinin<:- das Oeltirgsland zwischen Quito und Lima zu durclistreifen, um ringen vermöge, ihnen auf der Fahi't nach M(\)ico in Guayaquil sich anzuschliessen. Er entwarf einen systematischen Reise})lau und schickte denselben an Miitis ein.^') Zunächst l)rachte er mw weitere Erforschung der Provinz Quito in Vorschlag, welche durch ihre Lage, ihre A'ulcane und die Reise der französischen Akademiker eine so eigenthümliche Bedeutung erlangt habe. Die Umgelnmg der IIau]>tstadt wäre mit Rücksicht auf die z(n-störte Gradmessungs- l'yramide von Yai-U(|ui aufs Genaueste zu vermessen, damit dies Denkmal der Wissenschaft wieder aufgerichtet werden könne. Ausserdem seien noch zwei besondere Forschungsreisen zu machen: die eine in das Amazonas-Gebiet, namentlicli in die vom Napo- Strome nach Osten begrenzte, dui-chaus wüste Gegend de los Canelos, dann durchs Gebirge nach Riol>amba zum Erforschen des Chimljorazos und seiner Nebenberge sowie der gegenüber- — 152 — liegenden "West-Cordillere. Schliesslich zurück nach Quito. Die zweite Reise sollte nach Guavaquil gehen, wo Juan Tafalla, der k^chüler und Vertreter der J3otaniker der peruanischen Expedition, noch imiuei- sich aufhielt, und von da ü1)er Tumljez nach Loja, dem Ilauptplatze für das ^^tudiuui der Kinarinde. Als erste Frucht solcher Untersuchungen preist Caldas eine topographische Karte der Provinz, für welche die Maldonado'sche Arbeit, die durchaus der Vergessenheit zu entreissen sei, eine vorzügliche Grundlage hilden werde. Dann sei das Gebiet der einzelnen Vulcane des Quito'schen Landes kartographisch nietlerzulegen und die Gestalt der Berge von verschiedenen Standpunkten aus zu zeichnen, da- mit die späteren Formations-Aenderungen genügend sich ülier- sehen Hessen; Humboldt habe einige solche Pläne und Bilder angefertigt, alier nicht ausreichende. „Jene l)eiden Reisen geben von der Höhenvertheilung der Pflanzen, von den Niveau -Verhältnissen der Vegetation das inter- essanteste Bild, welches bei den Gewässern des Amazonas be- ginnt, ül)er die Schneegipfel der West-Cordillere, über die Hoch- ebene und über die Berge der Ost-Cordillere geht und dann zum Meeresspiegel hinal)führt. Wäre es nicht herrlich, wenn den Pflanzen der Flora Bogotana hinzugefügt werden könnte, dass sie auch in Quito, und zwar in der und der Höhe über dem Meere wüchsen?" Diese Unternehmung bildete nach dem Ca'ldas'schen Plane nur die Vorbereitung für die grössere Forschungsreise, für die ins Ausland gehende, bei der auf Hum])oldt"s Begleitung ge- rechnet wurde. Caldas plante die Route : Guayaquil — Sonzonate — Guatemala — Soconusco — Ciudadi-eal — Guajaca — Puebla — Mejico — Veracruz — Havana — Jamaica — Puertorico — Cartajena— Bogota. Seine Denkschrift vermied jeden Hinweis auf ein Zusauimentreifen mit IIum]»oldt und Bonpland, sie enthielt aber auch keine Er- klärung darül)er, weshall) jene grosse Reise von Guayaquil bis Cartajena so schnell gemacht werden solle. Zwar wird darauf liingewiesen, dass durch sie für ein grosses kartographisches Werk die Lage der maassgebenden Hauptpunkte Südamerikas festgestellt werden könne; zwar heisst es auch, dass vielfach interessante Vergleichungen zu ermöglichen seien, z. B. für den Niederstieg von Quito zur See durch den von JNIejico nach Vera- cruz führenden Weg, und für den Aufstieg ^on der See nach — 153 — Bogota durch die Route Sonzonate — Mejico; geletiontlieli findet sich der Nutzen envähnt, welclien in ^rcjico das Sludiuiii der l'ofanik bei Mailin de Se.se und das Avv Minei-alogic lu'i Faiisto dKllinyar stiften könne; allein keines dieser Momente ist das Kntseiieidende. Die llaui)ti-iieksielit galt, trotz solcher Aus- sclinilickunii' der rasclien \'er\verlliung der Ilninboldtschen Ar- beiten zum IJesten des A^-rständnisses von Neu-Granada. „Seit Langem denke ich naeli iilier eine grosse, ilie iiolitisclie Karte des Königreichs betreuende Denkschrift und strebe ITir dieselbe, soviel ich vermag. Der Tag wird kommen, an welchem ich die letzte Hand an diese Arbeit legen und sie einem Miitis iiberreicheu kann. Wie schön, wie interessant wäre es, wenn vor der Flora Bogotana eine l)otanische Karte von Neu-Granada erschien. An die Kai'tographie der vorgeschlagenen Reise können sich meine ^Materialien fiir eine Karte des zAvischen Laplata und Popayan liegenden Gebietes anschliesscn ; ferner die Vorarbeiten fiir eine Topographie des von Popayan nach Quito führenden Wejres und die für den oV)eren !Magdal(>na von Tocaima l»is zu seinem Ursprung aufwärts. Dem l>aron habe ich Nichts von diesen Sachen gezeigt, ausgenommen meine Karte von Timana', einen nunner ersten Versuche. Zu den Eigenthündichkeiten, welche ich in den geographischen Arl)eiten dieses Gelehrten be- merkt habe, gehört die Lieldiaberei, dass er Gewisses mit Zweifel- haftem vermischt: l)eseelt voji dem Wunsche, Alles zu mnfassen, stellt er neljen ein Meisterwerk eine Skizze von unwissenden Leuten. Ich bin nicht der Zoilus dieses grossen .Mannes; ich verachte es, die Leistungen Andei-er herabzusetzen, allein die Wahrlnüt muss gesagt werden; die nachfolgenden Geograithen werden, glaube ich, genug zu verbessern haben, nicht an den Orten, welche der berühmte Reisende selbst besucht hat, wohl abei- an denen, welche bloss nach Erzählungen von ihm gezeichnet worden sind. Mir thut derartige Vermischung der (^udlen leid; ich hoff(i, dass l»ei der Veröflentlichung durch ii-gend eine Notiz das Ungewisse von dem Gewissen getrennt Avird, denn sonst können wir nicht die Fortschritte erkennen, welche die Geo- graphie durch diesen Reisenden gewonnen hat. Ich nnunestheils werde auf dem geographischen Gebiete zu unterscheiden wissen oder, besser gesagt, ich werde nur das Sichere aufnehmen, nur was ich mit eigenen Augen gesehen hal^e." — 154 — Hierauf redet Caklas über Stadtpläne, die ihm Iteseliafft werden sollen, während der Baron an solche Dinge gar nicht gedacht habe. „Ich l)ezweiflc, dass er auch nur eine eiir/.igc; derartige Zeichnung angefertigt hat." Ausführlich wird hierauf der l)otanische Theil der Arbeit besprochen unter Hinweis auf „Honpland, diesen jungen Botaniker, der wie ein Komet kommt und verschwindet". „Die Aufgabe ist gross; wir Reisende be- schreiben und skelettiren die Pflanzen, wir zeichnen sie, wenn sie uns neu zu sein scheinen; für ^lütis, den grossen Pflanzen- kenner, l)leiltt die Bestimmung und Bezeichnung vorbehalten. Das Barometer steht an der Schneegrenze etwa auf 16 Zoll, an dem ^leeresufer etwa auf 28; wäre es nun nicht neu und schön, die gesammte vegetationsfähige Erde in zwölf Zonen zu theilen, von denen jede einen Zoll des Barometers verträte? In diese Zonen würden die Gewächse eingetragen, die in ihnen vorkommen, so dass l)ei jeder Art später bemerkt werden kann: wächst in Zone 1, in Zone 2 — 5 u. s. w. Von Quito aus würden wir die erste Pflanzensendung al:»schicken, namentlich die der vier obersten Zonen, mit ihren Al)l)ildungen und Beschreibungen, ihren Yulgär- namen und Angalten über A^erwerthung. Die zweite Sendung müsste von Guayaquil ausgehen und die acht unteren Zonen um- fassen; die dritte fertigten wir von Mejico ab, und die vierte hätten wii- die Ehre und den- Ruhm, selbst in Bogota zu über- geben." In ähnlicher Weise soll die Zoologie bearbeitet werden; auch eine zoologische Karte von Neu-Granada wird in Aussicht genommen. „Der Baron hat mit mir über einen Gelehrten ge- sprochen, welcher in dieser Weise zu arbeiten begonnen hat; ich entsinne mich dessen Namen nicht" — es war C. G. Zimmermannes Specimen zoologiae geograficae von 1777 gemeint. Dann Avird im Reiseprogramm von der Mineralogie gehandelt. „Alle Muster nehmen wir doppelt; eines gelangt in die Hand von Mütis, das andere in die von d'Elhuyar, auf dessen Belehrung wir hoffen. Die Aufschlüsse, welche die mineralogischen Nivellationen ül)er die Theorie der Erde geben werden, sind gross und würdig der Beachtung eines Mütis; die geologische Karte wird, statt der Namen der ^Mineralien, die üldichen Zeichen angeben; Avenn wir Farben anwenden, wie brillant, wie philosophisch wird alsdann die Darstellung werden." Hierauf folgt die Astronomie; daran — 155 — schlies.sen sieh IJaromottn--, TluM-nioinctor- und Mairiiotnadel-Bool»- achtuniroii. -AVir av(m-<1(mi uns hcniülien, unsere Instruuienle mit denen des Haruns /u veriileichen; da diese in ('artajena mit den Fidalgü'selien vei-ji'lielien wurden, halten wii- den A'oillicil. dass unsere Resultate mit denen i\ov bei(hMi CJelehili'n veru-leichliar sind: trellen wii' Fidalg'o noch in C'artajena. so nclmicn wir eine n(!ue Vergh'ic'hunu; vor." Feiner soll die (»esch\vin(liände nmfassiMi soll, wird lauten: „liericht über eine Reise in beiden Amerikas, g(>]tlant unter der Leitung {\o}< berühmten Directors Jose Sintis, und glücklich ausgeführt durch seine Schüler Francisco Ca'ldas und N. N." Diesem Programun^ fügte C'aldas seine Denksclnift über die mittelst des Thermometers vorzunehmenden TTöhenmessungen hinzu, welche vom April ISO'J datirt war; er vermeinte, dass Ilumboldt's Urtheil über das von ilnn vorgeschlagene Verfahren nicht zutreffend sein könne, und glaubte an der Originalität S(;iner Entdeckung festhalten zu müssen. Jlumlioldt entschloss sich nicht dazu, Caldas aut seiner wei- teren Reise mitzunehmen. Einestheils kam der Kosteni)unkt in Betracht, andei-ntheils hatte er Ver])flichtung(Mi gegen seinen Gastfreund, den Mai'(|ues de Selvalegre, dei- auf das Lebhal'teste wünschte, dass ihm sein zweiter Sohn Ca'rlos Älontiifar^^) sich anschliesse. Jii dem Landhause des Marques, dem reizenden Chillo, auf das Liebenswürdigste bewirthet, verstand sich Hum- boldt dazu, diesen jungen Mann in sein Reisegefolge aufzunehmen: er Hess sich schon jetzt von ihm begleiten, z. R. auf den Pichincha- Touren, von denen die letzte, die des 28. Mai, auch Ca'ldas mit- machte.^^) „Am Tage zuvor spürte man Abends in Quito einige s(;hr heftige Ei-dstösse. I>ei dei- Wiederentzündung dr^ nahen Kraters hiess es, dass wii-, di[aii si«^lit auf einen IMick die niäclitigen Solineelierge ('ayanil>e, Cotacaclii, Corazon. Iliniza und die ii'an/.c Fclsenniasse de? Piehini'lia nnt ilii-en drei, den Kraler unigeltendcn 'riii'iinicn. de nachdem die Sonne liöliei' stieg, eikaimten wir deulliclist die J)äun»re, welclie aus dem Krater aufstiegen, dann lii'illt«' der A'ulcan sich in den duridi ihn selbst erregten Nel>el; es war kein Ge- wölk, das von aussen kam." Aueh bei diesem Unternehmen war Caldas zugegen, aber auch bei ihm füldte ei- sicii gegen den Mai-cjues-Sohn zurück- gestellt. An ^lütis schrieb er (himals, sein Herz ausschiittend: y,lch kenne l>ogota', liabc lange Zeil an den Ufern des ^fagdalena- Stromes gcdeld und die ganze Umgebung von Poi)ayan durch- messen, allein nichts kommt den mannigfachen Formen und OebiUlen des Hochlandes von Quito gleich. Aime IJonpland ist iiberwaltigt; bei der am IG. März sehr voreilig unternonunenen Besteigung des Antisana fand er schon mehr als fiinfzig neue Pflanzen und unter ihnen ganz neue Geschlechter. AVohl weiss ich, dass meine Kenntnisse auf diesem werthvollen Gebiete der Naturwissenschaft nicht den seinigen gleichen, dass ich ITir mich allein nicht das Neue von dem liereits Bekannten zu unterscheiden vermag, aber andauernde Arbeit und die ^letliod«', die mir dieser jungem Botaniker angerat hon hat, gelien sicher voran: hat docii Bonpland kamn die nächsten AVege und Stege l»ei Quito Ix'treten. Ich werde dergleichen Arlieiten fortführen und schon in vi(n- bis .'«echs ^^onaten Vieles beschaflen können: ich werde eifiigst sammeln und, da ich etwas Zeichnentalent besitze, (He nacii meinen Büchern neuen Arten abbilden. Alles, was in dieser Hinsicht Jetzt Noth thut, ist Papier zum PflanzentrockncMi. Ich habe mit aller Macht gearl)eitet, um die Pars practica'von Linne zu vervollständigen, und bin bis zu Pentandria gekommen, die Geschlechter miserer Flora Peruana entnehmend. Kineii Theil des Bonpland'schen Herbariums hal)e ich l»esichtigt und was mir sachgemäss zu sein schien, angemerkt: ich hofle später noch die ganze Sammlung zu sehen, wenn nn"r nicht etwas voivnthalten wird; wer weiss, ob nicht di<' Fui'cht, dass ich ii'gend eine neue Art an mich reissen könnt«', den Baron Itei seiner abschläüiuen Antwoi't bceiidhisst hat. Täglich laden Schilfe, die für Acapulco bestimmt sind, in (Juaya(piil. Da st<'ht also die Thür «dien, um — 158 — jVIejico zu besuchen und d'lillhuyar, einen Freund von Miitis. Für meinen neuen Rei^^eplan beginne ich schon morgen zu arbeiten; im Juli kann ich von hier direct nach Guayaquil ab- reisen, von da nach Acapulco gehen, die Regenzeit in Mejico zubringen, im Januar Yeracruz besuchen, von da nach llavana reisen und im .Tahre 1803 nach Bogotsi kommen. Nur anderthalb oder zwei Jalire wären lur diese Fahrt erforderlich, dann 1k'- sässen wir Etwas, um der Geringschätzung Humboldt's zu begegnen, ja, der Geringschätzung. Ist es nicht widersinnig, dass er jetzt mit einem jungen Manne reisen will, welcher wissenschaftlicher Kenntnisse vollständig bar ist, der als Fähnrich nach Spanien geht, um seinen ^lilitärdienst fortzusetzen! Warum bezahlt er selber solche Reise ? Warum steigt er mit ihm l)is zu den kleinsten geometrischen Aufgaben hinab? Ich habe gesehen, dass er, der freiwillige Märtyrer des Galvauismus, seine Zeit damit verlor, auf kleinem Terrain Winkel zu messen und ein Dreieck graphisch darzustellen, nur um seinen des Rechnens unkundigen neuen Schiller zu unterrichten. Wie konnnt es, dass dieser junge ^lann seinen Reisezug nicht belästigt, dass er ihn zu l)el ehren Zeit findet? Ach, dass auch die grössten ]\Iänner ihre Schwächen hal)en. Humboldt sagt, mein Körper sei zu schwach, um eine Reise nach Lima und Mejico zu ertragen! Man will mich nicht mitnehmen: das oeht aus all den Redensarten hervor, die der Baron und Bonpland mir machen. Die Gefühle habe ich in meiner Brust Yerl)orgen, habe Würde gezeigt inmitten meiner Verzweiflung, habe die Herren glauben gemacht, dass ich von ihren (rründen ül)erzeugt sei. Da ich nie so erscheinen wollte, als hätte ich eine andere Auffassung wie der Baron, setzen wir die bisherige Freundschaft fort, so dass ich seine Kenntnisse geniesse, "wie ich seine Instrumente benutze. Bis zu seiner An- kunft habe ich nicht geglaubt, dass ich in Astronomie und Geo- graphie so genau arbeitete; seitdem hal)e ich meine Beobachtungen vei-glichen und meine armseligen Instrumente vorgezeigt: sie hal)en diesen Reisenden gefallen. Zu Gunsten von Humboldt und zu Ehren der Wahrheit muss ich aber doch erklären, dass er mir sehr grosse Kenntnisse in der Astronomie erschlossen hat: er hat mich ausgebildet im Gebrauche des Getauten, hat mir ein Yerzeichniss v(mi r)()0 Sternen g(^geben, die Formel für die Be- rechnuno- der Declinationeii. Refractionstafeln für verschiedene — im — Plöheii über dem Meere.s.s})ie^ol, die Methoden von La Horda fl'ir di(? Berec'lmuim' der Mdiid-Distanzeii: lausend kleine jnaktische Iliilfen zur A^M'vollkoniMinnnti- meiner Ueohaelitunjicn: alles das verdanke ich diesem Pi-eussen. Wir haben zusammen in meinem Mause die mittlere Höhe von Quito liercehnet, zu *>'leichei- Zeit viele Tuben von verschiedener Grösse benutzend. Einmal habe ich diese Messunir mit ihm ifemaeht und sie dann dreimal d<»s Tages l'iir mich wiederholt, nnt l'euchteni und trockenem Ai)i>arat; trotz solcher Sorgfalt hofle ich noch auf neue Arbeiten, um nüch über diese Ilöhenlrage entscheiden /.u köniicii. Seiner Zeit werde ich die gemeinsame Berechnung einsenden und aucli meine eigene, welche die Höhen wohl grösser erscheinen lassen wiid. Der Genius des Barons ist sehr lebhaft; er arl)eitet äusserst schnell inid hält nicht an sich. Ich benutzte mit mehr Geduld die gleichen Röhren, reinigte das Quecksilber und die Säulen. Meine Weise werde ich fortsetzen und die Ergebnisse meinem Beschützer mit Jeder Post zusenden. Der Baron hat mit mir über den Einfluss des Mondes auf das Barometer gesiirochen: eine wichtige, Mütis gebührende Entdeckung. Deshall» habe ich ein genaues Beob- achtungsbuch liegonnen, das ich den Fremden nachsenden werde, damit die 'i'hatsache weiter geprüft werde. Ich habe in des Herrn von Hundioldt Wohnung die Beobachtungen iiber Begen- menge und Atmosiihärendruck gesehen, für die mir leider h('n, um das Wintor-Solstitium zu Ijcnhacliton und (hunil dio Friichtc mcinor Arbciton zu ornton. Denken Sic dal)oi nicht, dass ich diese so- fort veröflentlichen wolle; ich ar])eite nur versuchsweise, um eim^ Probe fiir die Richtigkeit meiner Operationen zu haben; stinnnen sie im Yerj^leich mit ilcn Resultaten der j^rossen AstrononuMi, nähern sie sich ihnen auch nur, dann Treue ich mich und fi^laube auf rechtem "Wege zu sein; weichen sie ab, so gelange ich nur zu dem Schluss, dass ich noch nicht zu beobachten verstehe, und b(>ginne von Neuem. Wenn ich nach Quito komme, die Beob- achtung des nächsten Solstitiums vollende und Alles l)erechne, schicke ich Ihnen mein Ergelmiss und berichten iiber meine Me- thode, damit Sie dieselbe verbessern und inicli Ix-lclucn. In ihrem Ibiefe geben Sie mir genau Auskunft ülter All(\s, was Sie bis Trujillo unternommen haben. Wie danke ich Ihnen dafür besser, als durch IJericht iil»er meine Beschäftigung während dov letzten drei ^Fonate. ]Jon})land hatte mir gesagt, dass er nach Jl)ari"a zuriickkehren möchte Avegen vieler ihm noch entgangener Pflanzen: ich habe gesehen, wie schnell Sie diese Lande (huvh- ziehen: auch l^lloa, IJonguer, de la Condann'ne erwähnen kaum o(hM' nicht (Mumal den Jm])al)ura, d"'ii jMojanda od(>r (.'uycocha. Daher glaubte ich in fast jungfräuliches Land zu kommen, ich vermaass den Il)arra auf die vorsichtigste Weise, ebenso den Imliabura, die L^fer von Yaguacocha und die von San Paldo; jetzt habe ich, um die etwaigen L'rthümer meines Cirkelquadranten f(»stzustellen, eine Menge von Beobachtungen vorgenommen; mit meinem schlechten Instrumente habe ich die Abstände des Mondes von der Sonne zu messen versucht, hoffe ])ald ein gutes Instru- ment von Cartajena zu erhalten. Dann beobachtete ich glücklich die letzte Mondverfinsterung, konnte alter ti'otz aller i\lühe dei' Jupiter-Tralianten nicht habhaft wei'den. Nun hat micli Miitis mit einigen llülfsmitteln versehen, z. B. mit einem F(n'nrohr von derselben Art und Stärke wie das Jhrige, so dass ich liolfcn kann, im Dcccinbcr oder Jarniar jene Satelliten zu (Jesichl zu bekommen. Während dieser Beise li;die ich den M(>rcur Ix^ob- acbtet, diMi Weg desselben jedoch nicht /.ii Iterechnen vei'- mocbt." Si-li ntii :icliiT. Südamerik. Stiidien. ii — 162 — „Ich l)estieg den jähen Cotacachi Lis zur Schneegrenze. Die schrecklichste und beschwerlichste Tour meines Lebens war die auf den Imbalnira; dies Gebirge erklomm ich am 15. Sep- tember und kletterte in den weiten Krater hinunter. Nur mit Schrecken denke ich an diesen Tag; ich sah mich hinabstürzen und wäre ohne Hülfe umgekommen, wenn nicht der Indianer, der mein Barometer trug, unerschrocken und tapfer, mit einer mir unerklärbareu Easchheit mich gefasst hätte. Der Krater ist nicht so gross wie der vom Pichincha, al>er entsetzlich: ver- l)rannte und abgerissene Grate, Schwefel, Sand, Bimsstein, Schnee: Alles durcheinander; das Loch hat' die Form eines um- gekehrten Kegels und nimmt den ganzen o])ereu Theil des Berges ein. Ich habe dort genaue Barometerbeobachtungen ge- macht und messe nun von hier aus die Höhe des Gipfels." „Meine Hauptbeschäftigung l)ildet zur Zeit die Botanik, was Mütis verlangt hat; der auf dieses Gebiet bezügliche Arbeits- plan ist sehr gross. Da ich nicht die Kenntnisse eines Humboldt oder eines Bonpland ])esitze, habe ich es für angezeigt gehalten, kein.-Gewächs auf der Flur zu vergessen, möglichst alle Pflanzen zu beschreiben und zu skelettiren, sowie diejenigen zu zeichnen, welche in meinen erbärmlichen Büchern fehlen. Ein erfahrener Botaniker würde das schon Bekannte auslassen; aber ich, hoch-, stens 300 bis 400 Geschlechter kennend, stehe vor unermesslich reichem Stofl\ der in meinen Händen vielleicht unnütz wäre, aber unter den Augen von Mütis Ordnung und Form gewinnen wird. Nächsten Januar geht meine erste Sendung nach Bogota ab: mindestens 100 Pflanzen-Skelette, unter denen nach den Al> schriften aus Wildenow, Gmelin, Schrober und der Flora Peruana viele neue Sachen sich finden." So zeitigte schnell Huml)oldt's Einfluss bei Cäldas einen Reichthum neuer Ideen und neuer Pläne; dem Creolen war es versagt, sie mit der Hülfe europäischer Wissenschaft zur Gestal- tung zu bringen; in der Wildniss seines Heimathlandes ging er einsam und unbekannt so hohen Idealen nach. Als Ende Januar 1803 der Cotopaxi, seit langer Zeit ein still liegender Vulcan, zu grossen Ausluüchen sich aufrafi'te, war Cäldas solchem Schauspiel fern; Hum))oldt und Bonpland hörten das Getöse der unteiirdischen Mächte an Bord ihres Schifl'es im Hafen von Guayaquil. Damals waren für C'a'ldas alle Hoflnungen auf eine ])eschiedswort für iSi'idamerika, das sich richt<'te an den „erhabenen Patriarchen der Botanik, Jose Celestinf) Alütis in Bogota". 11* 3. Reisen im Hochlande von Quito. Für Caldas bot die Stadt Quito, nach der er Ende Februar 1803 zurückkehrte, wenig Erfreuliches; die vornehmen Kreise, in die er von Humljohlt und Bonpland eingeführt worden Avar, ge- fielen seinem Stolze immer minder; den strelisamen Elementen fehlte das Zusammenwirken, namentlich gab es für die Interessen, denen er huldigte, gar keinen Mittelpunkt. Trotzdem stand der Popayanese unter den Einwohnern von Quito keineswegs ganz vereinsamt da, selbst für seine liotanischen Arl)eit(m fand er Genossen: z. B. in dem alten Anastasio Guzman; zu seinen ein- flussreicheren Freunden gehörte der Bischof von Quito und der Secretär des Regierungspräsidenten: Männer, die den europäischen Reisenden nur ganz gelegentlich liegegnet waren. Der Erstere nahm Ca'ldas gegenül^er eine väterliche Stellung ein; Jahre hin- durch von spanischen Intriguen gequält, sprach Bischof Cuero in ruhiger, aber sehr entschiedener Weise über die fortdauernde Knechtung der Creolen, die Rücksichtslosigkeit des Mutterlandes und den Niedergang der spanischen Colonien; in ihm zeigte sich eine grossartige Verbindung von Selbstbewusstsein und Unab- hängigkeitstrieb, von Anhänglichkeit an das INlutterland und Pflichtgefühl gegen die Heimath. Weit niedriger stand der andere Freund von C'aldas, Manuel Morales, ein aus Mariquita gebürtiger jugendlicher Bekannter von Mütis, dessen Secretariat wegen der Schwäche des Präsidenten mehr und mehr gefährdet zu sein schien; dieser unreife Stre1)er ereiferte sich iu heftigen Worten über den Druck der Europäer, ülter deren mangelhaftes A"er- ständniss für die grossen Interessen, die das spanische Amerika nojch vmgeboren berge, und ül)er die ,,steinkalte Politik" der — 105 — Spanier. Dio l^nzurricclcnlKMt mit den aiigccrlttcii \'«'rluiltnisscn fand Ca'ldas in Quito uanz allj^'cincin, scllist J(mh! vornclnncn Herren der Uundiuldl.schen l>ekanntscliaft vermochten solehei'Stim- mung sich nicht zu entziehen, wie sollte das eine so ehrj^eizigc Natur wie Ca'ldas, dessen Aug;en, wennj^leich sie Itesondei-s auf auteu Gebiete; die Meeres- höhe jedes einzelnen Punktes hätte ich berechnen können, mich stützend auf die jüngste irumboldt'sche Bestimmung des Queck- silberstandes am Rande des Stillen Oceans und auf die von diesem Gelehrten niitgetheilte Tralles'sche Formel; ich habe aber einen ainlern Weg vorgezogen, da uns dui-ch de la Condamine und IJouguer (b'e Höhe von Quito genau bekannt ist, woran die Be- obachtungen vun Humboldt nichts ändern werden." Ca'ldas handelt in dieser Schrift zunächst vom Weizen, der ehedem ) «ei Cartajena, — 166 — Santaiiiarta und Caracas c))eiisowohl wie l)ei Bogota und Quito ang(;ljaut wordeu sei. „Vor ttiufzig Jahren war noch die Um- gebung von Popayan mit Getreide Ijedeckt; dort hat am meisten jener Schimmel geschadet, welchen wir Staul) nennen, al»er nur in gewissen Höhen lindcMi. Wo der Weizenbau keinen Nutzen mehr darbietet, fängt die Region der Musaceen an; die Musa paradisiaca erhebt sich am höchsten, neben der unteren Grenze der Getreide-Regionen l)eginnend, dann folgt die Musa sapientum. Diese herrliche unschätzbare Frucht kennt nach unten keine andere Grenze als die Wasser des Meeres." Hieran schliesst sich eine Besprechung von Zuckerrohr, Kartoffel, Gerste und Yuca, von Cacao, dessen Werth man wohl noch nicht völlig erkannt halie, und endlich wird üljer Mais gehandelt, dessen Vorkommen von so bestimmten Temperaturgesetzeu al »hänge, dass man durch die Pflanze schon die Höhen annähernd bestimmen könne. Nach der Besprechung dieser neun Culturgewächse endet Cäldas mit dem Ausruf: „Die gegenwärtige Aufgalje meiner Studien ist weit. Ein Mensch allein kann an sie nicht die letzte Hand legen, es bedarf der Hülfe Vieler und einer Reihe von Jahren. Nun aber erst eine Nivellation aller Pflanzen! Gene- rationen werden noch dahingehen, ehe die Botanik die Grenzen der Verlireitung jedes Gewächses anzugeljen vermag. Ich über- reiche diese Schrift als unvollkommenen Entwurf; die Höhen, die ich als Grenzen des besprochenen Pflauzenwuchses angebe, sind nicht unveränderlich, sie sind lediglich Ergebnisse der auf der angeführten Reise vorgenommenen Barometer-Messungen." Der geistvollen Arbeit ^st eine Höhentabelle von vierunddi-eissig Punkten angeschlossen, welche mit Quito beginnt, sowie eine Tafel, welche einen vom Meeresspiegel ausgehenden Durchschnitt des Terrains auf der Linie Bogota — Quito darstellt; der Purch- schnitt zeigt die Tiefthäler des ^Magdalena und des Patia, die Hochthäler von Chota und Guaillabaml)a; die geographische Lage der wichtigeren Orte, wie Popayan, I])arra und Ütabalo ist ein- getragen. Drei Linien Ijezeichnen die Zone des Weizen- Anbaues, die eine die unterste, die andere die oberste, die dritte die mittlere Grenze. Am Rande sind die Gürtel für Platane und Zuckerrohr, für Cacao und Mais, Kartoffel und Gerste verzeichnet; das Blatt ist Mütis und Pombo gewidmet. Tu Bogota schien das Studium der botanischen Details wich- — IGT — th^cv zu s(^iii als derartige Uel»erl»licke und Schluss('olreer besser zu erreichen sei als auf (h'ni his- herigen Wege Tacunga — Ambato — Guaranda — Daliahoyo — Guaya- quil.*^'"') rfchon Pedro Mahlonado hatte diesen Ge(hinken vei-folgt; die von ihm vorgeschh'igene Linie sollte von (^uito i'dter Coto- collao nach Mindo und dann nach dem Piti-Flusse ITdiren, an welchem, unfern seiner I']ininüiidung in den Rio lllanco, «Mne nach Mahlonado zu benamende Ladestelle errichtet werden sollte; der Rio Blanco verbindet sich später iiiil dein Gnaillaband)a und bildet mit ihm den Esmeraldas-Strom. Vor mehr als sechzig Jahren war dieses Weges halber eine eigene Statthalterschaft Esmaraldas beschlossen und Maldonado sell)er zum Gouverneur einannt worden; an jenem Zusammenfluss war bereits eine ärm- liche Ortschaft entstanden; zwischen ihr und dem Ladeplatz Maldonado gab es einige Anbaustellen, allein die Regierung von Quito hatte gegen die königlichen Hefehle allerlei Einwendungen erholten, namentlich die Erwägung, dass solch eine rftrasse jedem Feinde den Zugang zur ILaui)tstadt eröfln(\ Das Wege- Unter- nehmen wurde daher aufgegeben, obwohl die Entfernung der Hauptstadt bis zum Fiti-Flusse nur M^enig über achtzehn Leguas betrug. Im Gegensatz zu ilim verfolgte nun Carondelet einen ganz andern Plan, welcher für das Land und die grossen A^er- kehrsinteressen Aveit förderlicher zu sein schien. Carondelet's Project war seit 1791 von Bischof Calama und seinen Freunden lebhaft befürwortet worden, wie demselben jetzt auch Bischof (^lero ein reges Interesse zuwcMidete; das neue Vorhaben ging dahin, den aufblühenden Oi't ll^arra direct mit dem INIeere zu verbinden, und zwar vermittelst eines Weges, welcher von Ibarra aus zunächst etwa in der Richtung des zur Linken bleibenden Chota-Mira-Flusses laufe und so bis nach dem Orte San Pedro führe, alsdann die niedi'ige Malbucho-Wildniss durchschneide und irgend- wo die Mündung des Santiago-Flusses aufsuche. Mit Genehmigung von Mütis ward Cäldas von Carondelet Ijeauftragt, die Vorunter- suchung für dieses Project zu veranstalten; er verstand ja Terrain- messungen und konnte deshall» auch gewiss Wegbau-Fragen an- nähernd beurtheilen. Mitte 18U3 l)rach Culdas von Ibari-a zu diesen Untersuchungen — 168 - auf, bei denen es l^esonders galt, die unwirtliliclien Flussläufe aufzunelimen ; ihn l)egleiteten nur Eingel »orne, unter denen ein Noiüiama-Indianer durch Geschicklichkeit und Waldinstinkt sich auszeichnete. Ccildas heschififte im Canoc den Mira, den Cayapas und den Santiago sowie den Cachavi, nach dessen Einmündung in den letzteren Fluss das bald darauf in den Ocean fallende Gewässer den Namen Tota annimmt. An jenem Mündungspunkt,, welcher als Lösch- und Ladeplatz der Seeschifle dienen sollte, Hess er den Urwald fällen und die ersten Hütten errichten, die er Bodega de Carondelet nannte. Auf diesem Wege, der ihn von der Höhe der Cordillere zur Seeküste brachte und den ersten Anblick des Weltmeeres, den langersehnten Genuss, gewährte, l)lie]) Cäldas seinem alten Enthusiasmus und den Humljoldt'schen Ideen treu. Die grössten Gefahren der Wildniss waren für ihn über- windbar, da sie auf Schritt und Tritt neue Wunderdinge zeigten; er beobachtete unverdi'ossen mit Barometer und Thermometer, legte nach eifrigen Vermessungen das Stromgebiet kartographisch nieder, dann entwarf er ein Profil des zwischen dem Küsteuplatze und IbaiTa sich erhebenden Landes, sammelte eine Menge Pflanzen nebst Beobachtungen über die Fundorte, namentlich auch Mate- rialien für die Chinchona-Kunde, berichtete über Salz und Gold, ül)er die Grenzen der Meerfluth, das Vorkommen der Croco- dile u. s. w. Mit etwa dreihundert 1)arometrischen Berechnungen kehrte er im August zurück und ül)erreichte dem Präsidenten die Karte des durchforschten Landstriches. Bald darauf erhielt Cäldas in Quito ein Schreiben von Mvitis, das ihn in den schmeichelndsten Ausdrücken zu energischen Nachforschungen nach den Kina-Bäumen aufforderte, die Ihm be- kannt sein würden von Popaj^an her sowie aus seinen Reisen im Magdalena-Thale.^^) Cäldas wusste von dem unglücklichen Ent- deckerstreit und kannte auch Humboldt's Ansichten im Allge- meinen; jetzt empfing er die alten Mütis'schen Zeitungsartikel zugleich mit der Nachricht, dass die Madiider Botaniker der peruanischen Expedition jenen Juan Tafalla l)ereits Jahre lang in den Waldungen der pacifischen Berggebiete wegen der Chiu- chonen und anderer botanischer Materialien in Begleitung von Juan Manzanilla hätten umherstreifen lassen; die Sammlungen dieses Forschers seien Anfang 1800 in Spanien eingetroflen, als- — 1C9 — l>ald von Ruiz und Pavon iu ('incr Diuckscluirt als sehr werth- voU liezeiclinet, unter seliarfer Zurückweisunj»; der die Cliinclionen betreftenden Ansicliten und Ausprüclu! von M litis und Zea. Der- artige Angriffe sollte jetzt Caldas abwehren ludl'en. Dieser ging, nachdem er seine theoretische Ingenieur-Aurgabc erfüllt hatte, sofort wieder in die Wildniss zurück, direct nach Intac, wo er volle Gelegenheit finden musste, den Lieldings- gegenstand seines Meisters zu prüfen und zu untersuchen. Diese ersten Kina-Forschungen von Caldas wurden im October 1803 durch ein Fieber, welches lange Zeit andauerte, unterbrochen. Nach der Genesung kamen die Ki'äfte nur langsam zurück; zu- nächst waren näher belegene Gegenden für die Studien auszu- suchen; Anfang 1804 ward zweimal der Pichincha bestiegen; es folgte eine Expedition nach dem A'^ulcan Corazon und sogar eine über die südlichen Grenzen des Quitoer Hochthaies hinausreichende Tour. Diese Arbeiten bildeten Yorljereitungen für die erste grössere Reise, welche den Miitis'schen Zwecken dienen sollte: für eine Südtour, die etwa derjenigen entsprach, welche Caldas früher als den Anfang seiner so viel umfassenderen wissenschaft- lichen Expedition geplant hatte; er hielt sie jetzt auch noch, besonders wegen der ^rütis'schen Wünsche, für ein wichtiges, wohl mehr als sechs Monate erforderndes Unternehmen, das mit Umsicht und Energie ins Werk gesetzt werden musste.^^) Am 10. Juli 1804 l»rach er von Quito auf, fest entschlossen, sein Wort einzulösen, dass er auf dem heimathlichen Gebiete mehi" zu leisten vermöge als Humboldt und Bonpland, deren Spuren er auf den meisten Stationen seiner Reise noch frisch autreffen musste, wenngleich bald schon zwei Jahre seit ihrem / Fortgehen verflossen waren. Humltoldt hatte gesagt, dass der Ca'ldas'sche Körper den Anstrengungen der Reisen, die er vorhabe, nicht ents])reche; Caldas l»eganu dw Expedition, für die er Wochen lang geiüstot hatte, krank und unbeholfen, wenngleich sein Enthusiasmus lim hinlänglich stärkte, um am 13. Juli kräftigen Muthes den letzten noch von fruchtbarem Lande umgel)enen Ort, das kleine Machachi, zu verlassen und in Gegenden der grössten Unwirthlichk(;it vor- zudringen. Zuerst ward dei* wilde, Tiopulh) genannte Gelnrgs- stock zwischen den A'ulcanen llliniza und Rumiilaliui überscluitten, die Bergscheide zwischen den Gewässern des Stillen Meeres und — 170 — des Amazonas; dann begann eine grosse Bimsstein -Wüste, deren Unfruchtbarkeit nur in den Grenzstriclien durch Lupinen-Rasen hier und da verdeckt wurde. Bei Gallo oder Mulalo wurden die Reste eines vielbesprochenen Inca-Hauses besichtigt und in dem gewerbefleissigen, auf endloser Sandfläche belegenen Saquisili mit Hülfe des Pfarrers Vicente Lopc^z für den Uebergang ü)»er die fast immer in Wolken gehüllte Ost-Cordillere gerüstet. Caldas war in Quito von einem jungen Manne; eingeladen worden, welcher Jenseits jener Kette, unfern vom Macuchi-Strome , inmitten der vollen Wildniss des Amazonas-Gelnetes einem Goldltergwerke von Juan Ponce vorstand. Er versprach sich viel von den Studien an einem so entlegenen Platze, wie Tagualo war, und getraute sich, trotz seiner geschwächten Gesundheit, das jenseits der Berge endlos sich ausdehnende, jeder Cultur entbehrende Waldland aufzusuchen. Am 17. Juli begann diese Fahrt, welche zunächst zu einer hoch im Gebirge l)elegenen, dem Marques von Selva- legTe gehörenden Schafhürde Atapulo führte, dann iiber verein- samte, nasse und kalte Gehöfte, wie Tigua und Sachaj)ungo, nach jenem Tagualo, einer ganz im Tropen-Dickicht versteckten Be- sitzung des Pfarrers von Saquisili; endlich war INIacuchi, der Grubenort selbst, erreicht, wo Caldas von jenem Quitoer Freunde bis zum 30. Juli festgehalten wurde. Hier waren es besonders die Kina-Bäume, denen das Studium sich zuwandte; Ponce Hess viele Stämme schlagen, damit Blatt, Blüthe und Frucht genau untersucht werden könnten ; in Blüthe und Frucht stand aber nur die Pata de Galliuazo genannte Art; die Ijeiden anderen, die vorkamen, waren nur nach Wuchs und Blatt zu l)eschreiben, doch zeichnete Caldas Alles, was er fand, mit grosser Vorsicht. Ausser den Chinchonen erschien ihm besonders der von ]\Iiitis so oft erwähnte, aus den Gebieten der Macas und Andaquies stammende Zimmetbaum von Interesse zu sein. Dann ging Caldas nach Saquisili zurück, um den unerquick- lichen Marsch dm-ch jene Sandwüste fortzusetzen, ))is Ambato erreicht war, ein nach dem jüngsten, grossen Erdbeben neu auf- gebauter freundlicher Ort, dessen Umgebung durch 01)stzucht sich auszeichnete, wie denn auch mehrfach an anderen Orten Spuren von früheren Acclimatisations -Versuchen europäischer Frucht- und Getreide- Arten entdeckt wurden. Es gab dort Birnen, Pfir- siche, Aprikosen, Aepfel und Erdl)eeren; Ca'ldas war von dieser — 171 — Tliatsache so erregt, dass er sofort eine DcMikschriCt über den Fruclitltau unter den Trojjen bei^ann. In der Nähe von And»ato wurde auch (V)cheniUe ucziichtet und Zuckerrolir angepllanzt. Die sehlinnnsten Verwüstunuen jener Katastro}ihe vom 4. Februar 17i)7 zeigten sich, nachdem die Cuachi^jamlia-Steppe durchschritten und die odi; Gegend von Saliafiagas überstiegen war, in der ebenfalls durrli neue Vulcan-Ausl)rüche g(;bildeten Wüste von Tapi, wo die Ruinen der allen und die Anfange der neuen Provinzial-IIau})tstadt Riobamba den traurigsten Anblick darboten. Ciildas bliel) als Gast von Francisco Javier Äfontüfar in der noch imuuM- unfertigen Ortschaft nur kurze Zeit. Riobamba lässt die I\iesengii»lel des Chind)oraz() und Carihuairazo einerseits, die des Tunguragua und Capacurcu andererseits wie ein grosses Panorauui überschauen; aber das Wetter war Caldas nicht günstig, Wolken und Neliel verhinderten die Messungen, deshalb kamen andere Dinge au die Tagesordnung. Caldas hatte in Humboldt's Briefen über Handschriften eines noch lebenden imlianischen Königs Leandro Zepla y Oro gelesen. Obwohl Entdecker der Alterthümer von Timaua', war er nicht historisch geschult, trotz- dem wurde seine Neugierde durch Geschichts-Urkunden von an- geblich so seltsamer Art lebhaft erregt. Seine Nachforschung brachte ihn in entschiedene Gegnerschaft zum llundjoldt'schen Bericht; er fand in jenem Zepla einen gewöhnlichen Jndiauer, der jene Manusci-ipte keineswegs zu besitzen Jjehauptete; ihr Inhalt sei ursi»rüuglich in der Purugay-Sprache abgefasst, aber mit europäischen Buchstaben geschrieben gewesen; er habe nur eine von seinem Grossvater angefertigte Uebersetzung gesehen, / von der er nicht wisse, ob sie spanisch oder peruanisch gelautet; sie habe von alten Vulcan-Ausbrücluin geredet, von einc^m Reich, das ehedem l)is nach Cartajena sich ausgedehnt hal)e, von sieben- jährigem Feuerregen des Capacurcu, von einer Auswanderung des Volks nach der Canelos-Gegend u. s. w. „Ich bin überzeugt, dass weder die Handschriften noch die alten Sagen existii'ten." Von Riobam))a ging die Reise am 9. August in gleich ein- förmiger Weise weiter; die erste Nacht l)lieb Caldas in dem von ziendich hohen Hügeln umgebenen und auf Flugsand erbauten Guamote. Dieser elende Platz war vor Jahresfrist in Quito viel genannt worden, denn er hatte damals den Mittelpunkt einer — 17-2 — Volkserhebung gel)ildct, welche über die so schwer heimgesuchte Mitte der Präsidentschaft mehr und mehr sich ausgedehnt und zu offenen Kämpfen geführt hatte. Den Anlass des Aufstandes ])ild(^te, wie bei der Erhelmng in Socorro von 1781, die Be- drückung der untersten Volksmasse durch Steuererhelnmg und durch IJcsteuerung der noth wendigsten Lebensmittel. Caldas be- tont in seinem Tagel)uch die irrigen Ansichten, die das Volk von Al)gaben und Zöllen meistens hege, die Gehässigkeit der Eingel)ornen und ihrer Blutsverwandten gegen alle Weissen und deren Genossen, die Zügellosigkeit der Indianer, sobald einmal die sie Ijannende Schranke durchbrochen sei, und die Rücksichts- losigkeit, mit der leider die Beamten noch immer in Quito und an anderen Orten zu Werke zu gehen pflegten. Mit der Revo- lution selbst fühlte Caldas nicht die geringste Sympathie, wohl aljer mit dem namenlosen Unglück, das diesell^e dem schon so schwer geprüften Volke gebracht ha]je, mit der Zerstörung und dem Blutvergiessen. Am nächsten Tage war die in angebauter Nachl »arschaft belegene Stadt Alausi erreicht, in deren Nähe, der Avestlichen Cordillere zu, die an Kina-Stämmen reichsten Waldungen be- ginnen, welche Caldas in der kleinen Ortschaft Cibambe auf das Sorgfältigste untersuchte. Am 11. August wurde die Emersion des zweiten Jupiter-Tral;>auten l)eo1jachtet, dann folgte von Puma- Llacta aus die Ueberschreitung des grausig öden Asuay-Päramo, die das klarste Wetter begünstigte. Die gefürchtete Höhe der di'ei Kreuze ward Quimso-Cruz geheissen und diente noch jetzt den Eingeljornen als eine Art Opferstätte. Sowie der jähe Nieder- stieg l)ei den Sümpfen von Puyol begann, zeigte sich in einem umschlossenen Thalgrunde ein einsamer Bergsee, in welchen ein an zahllosen Windungen reicher Wildbach mündete. Neljen dieser öden Lagune lagen auf einer Erhöhung in unbehauenen Steinen die Reste eines Inca-Baues, welche von Caldas, während sie als Wegeherberge gedient hatten, auf einen ehemaligen Köuigspalast bezogen wurden. Am folgenden Tage traf der Reisende jenseits Delec auf schroff aljfallender Höhe wirkliche Schlossruinen aus der Heldenzeit, die dem Hereinljrechen der Spanier voranging; er zeichnete diese ohne erkennbaren Mörtel aus behauenem Stein aufgeführten, mit Doppelmauer umgebenen Bauten, die den Namen Inca-Pirca trugen; sie lagen in der Nähe eines Inca-Chungana — 173 — geheissonon, kunstvoll vorziorten Steinsitzos inmitton violor anderer Baurpsto, Tn^pjjon und Gänj^o. Er vcrtilicli seinem Zeichnungen aufs Genaueste mit dcMien Antonio de Ulloa's und gewann die Ueberzeugung, dass diese in vieler Beziehung unzuverlässig seien; de la Condamine's l>esehreiliung von Inca-Alterthüuiern, die 1740 dureli di(^ KerlincM- Akademie der WissenschaHen veröfTentlicht worden war, kannte Caldas nieht. Bei Delee verlor die LandsohaTt das Itisherige düstere An- sehen, den C'liarakter der Zerstörung und UnlVuchtltai-keit. Nun entzückte das Geliiet von Tosai'liandia dundi Wachst liuni und Kraft, namentlich da, wo es vom Alanchangara durchströiut wird: „Betica nach Aral)ia, würden die Dichter sagen". In dem nach jenem Flnss genannten Orte ward Ga'ldas von Salvador Pedrosa empfangen, der ihn nach der Bischofsstadt Cuenca l)egleitete, dort gastlich beherltergte und mit den ersten Würdenträgern be- kannt machte, iiannMitlich mit ^felchior de A}'meric, dem jungen Statthalter, inid mit Pedro Fernandez de Cordova, dem Verweser des Bisthums. Acht Tage lang lag Galdas hier krank, so dass er erst am !27. August astronomische Arl)eit(Mi beginnen konnte; ])ei Domingo D(dgado fand er einen Theodoliten nebst and(M'en vorzüglichen Instrumenten der Londoner Firma Nairne & Blunt. Der Bisthumsverweser, der seit Mai 1804 sein Amt 1 «'kleidete, war ein in Lima ausgel)ildeter, weitgereister Mann, d(U' früher auch in Madrid die wissenschaftlichen Anstalten besucht hatte und jetzt gern dem Naturforscher in jeder Weise behülflich war. Kr begleitete ihn auch auf einer in der Zeit vom 8. bis 20. S(»})- temljer vollbrachten Expedition, die über die Ost-Cordillere / führte, hinein in die Wildnisse des Paute-Flusses, des aus den (Jewässern des (Jebietes von Cuenca g(>l>ild(»ten , s])äter in den Amazonas fallenden Stromes. Die Begleitung des Prälaten war für (\ildas, tler Itisher manche Transport-Sclnnerigkeiten gefunden hatte, ausserordent- lich erwünscht, denn Tordova war bei Hoch und Niedrig l)eliebt uml verstand es, mit Jedermann zu verkehren. Die Beise suchte zunächst Azogues auf. einen nadi den Quecksill»er-Lag(U'n von lluaichun benannten Ort, wo untei- (Jlock(Migeläute und Fest- lichkeiten der Einzug erfolgte. A'on da sandte Cordova dem Coadjutor .luan Ai'sinegas in Paute Auftrag, die Kina-Forschungen — 174 — durch Bescliaffung von Bäumen der verschiedenen Sorten vorzu- bereiten. Am 16. war die Ortschaft selbst erreicht, deren gesunde Lage Ciildas Ijesonders wohlthat. Er sah sich umgeben von di-ei Kina-Arten, die zugleich in Blüthe und Frucht standen; er zeichnete sie in allen Details und hielt sich überzeugt, die von de la Condamine in der Vorrede seines Reisewerkes erwähnte Art vor sich zu haben, d. li. die für die ursprüngliche botanisch(; Beschreibung benutzte. Ein eifriges Studium entwickelte sich; Cäldas durchzog die Waldungen von Tablacay und von Tejar, wo wieder die Pata de Gallinazo sich zeigte, überschritt den Supay-Urcu genannten Gebirgszug, um in San Cristöval, einem einsamen Indianersitz, seine Arbeiten fortzusetzen; dal)ei machte er eine grosse Anzahl liarometrischer wie astronomischer Beob- achtungen. Der Rückweg führte über Gualaseo und Jadan, nachdem die durch alte Indianer-Traditionen Ijerühmte Opferstätte Guagua-Suma passirt war. Am 5. October brach Caldas von Cuenca auf, um Loja zu erreichen. Auf dieser Fahrt suchte er im Thale von Tarqui nach der von ihrem ursprünglichen Platze verschleppten Marmorplatte, auf welche die französischen Gradmesser 1748 die Entfernung zwischen ihrem Observationspunkte zu Mama-Tarqui und dem damals noch stehenden Thurme der Kathedrale von Cuenca ver- zeichnet hatten; er fand die Reliquie auf einem Gehöfte und be- stimmte sie zum Geschenk für Mütis. Im weiteren Verlauf der Reise sah er dann Ruinen aus der Inca-Zeit bei Curcuduma, Las Juntas, Nabon, Oüa, Saraguru und üduchapa, me er auch schwache Reste mehrerer Inca- Strassen zu erkennen glaubte, namentlich drei, die von Cuenca nach dem Süden geführt zu haben schienen. Endlich ritt er am 12. October in Loja ein: das Centrum einer für seine Forschungen und für Mütis'sche Interessen ungemein wichtigen Gegend, welche nicht mehr, gleich Quito, den Contrast der Grasfhir und des Schneegebirges zeigte, wohl aber ein merkwürdiges Zusammentrefien kalter und heisser Zonen in seltsamen Uebergängen. Von dem schönen Casibaml)a- Thale aus, dessen Herz die kleine Stadt Loja Inldet, unternahm Caldas die Reisen nach all den berühmten Kina-Districten: nach Uritusinga, Cajanuma, Malacatos und Vilcabamba; er beschrieb jede Chinchoncn-Art, die er auflinden konnte, zeichnete ihre Details, malte sie farbig nach der Natur und prüfte ihre Rinden, — 175 — so gut es ohiK^ cliomiseho VoiTielitung(>u ging; (m- trockiiotn Blätter, Ulütlieii, Flüchte und brachte eine grosse Saniinlung von Kina-Arten zu Stande, trotz zahlloser Hindernisse und rasch almehmeuder Gesundheit. Nach Loja zuriickgek(?hrt, ward er von schwerem Fieber befallen und konnte; sich gliicklich scliätz{Mi, als ihm unerwarteterweise Beistand wurde durch den Arzt eines englischen Kriegsschifls, der auf einer Jagdi)artie an der Kiiste GuatcMualas von den Spaniern gefangen genommen war. Dr. William C. Wallace sollte über Panama' und (Juayaijuil nach Lima be- fördert werden, um dann zu Schilf behufs Auswechslung gegen einen spanischen Oflizier nach Cartajena zu kommen. In Guaya- ([uil war der Transport gestört worden; der Arzt, der während seiner Gefangenschaft vielen Fiel)erkranken sich nützlich erwiesen hatte, erhielt gegen sein Ehrenwort, sich dereinst in Cartajena zu stellen, die Freiheit, um Loja und die gesammte Kina-Begion zu ])esuchen. So kam der fremde ^lann an das Krankenbett von Ciildas; er behandelte seinen Patienten mit bestem Erfolg, pflegte den Genesenden, half beim Ordnen der Herbarien und staunte über die Kina-Kenntnisse seines neuen Bekannten. Offenbar fiihrte der nächste Weg nach Cartajena über Popayan, so dass Cäldas auf der Weiterreise einen interessanten, auch mit Geld versehenen Begleiter hatte. Nur wenige durchaus nothAvendige ]3eobachtungen und Messungen unterbrachen diese Reise, die am 25. December 1804 endete. Nun konnte Cäldas in seiner dürftigen Quitoer Herberge auf die letzten sechs Monate stolz zurücklilicken und getrost erklären, dass weit und breit in Südamerika kein Creole ein ähnliches Unternehmen durchgesetzt habe. Rasch entschlossen, / schrieb er zu Anfang des neuen Jahres nach Ordnung der ver- schiedenen Reisesamndungen seine Ideen ül)er die Kina-Bäume nieder. Drei Monate blieb Ca'ldas noch iu Quito, von Dr. Wallace begleitet und unterstützt. Am 28. Älärz 1805 schied er von dem Orte seiner wissenschaftlichen Entwickelung ohne Gruss uml ohne Dank. Dort, wo der unglückliche Process seine hoch- strebenden Ideen so oft gestört hatte, wai-en auch die schönsten Reisei)läne zu Schanden geworden: er hatt(> von der Aussenwelt Nichts sehen düi-fen als einmal den Occan an verkehrloser Stelle. Matt wanderte er wieder ins Innere seines heiniathlichen Lan- als die Hauptsache erschienen. Untei- Anspornung seines Kleisters hatte es llizo zu einer Alt Kunstschule im Kleinen geltracht, zu einer besonderen AL'iltechnik und Farljenltereitung. Er erzählt in einer eigenen AI handlung, wie er von Haus aus gewünscht halie, in der Miniatur- Malei-ei sieh zu vervollkommnen; seit zwanzig Jahren sei er in (h'r Uönigliehen botanischen Ivxpedition thätig und habe seine Farbenkenntnisse möglichst zu erweitern gesucht. „Mein Fach 12* / — 180 — geniesst wenig Achtung vor dem in Od malenden Künstlern, aber trotzdem hat unser Flora-Werk l)ei Allen, die dasselbe gesehen, wegen der Feinheit der Zeichnung und der Zartheit der Malerei Lob gefunden." Rizo beschreil)t nun die Anfertigung von vierundzwanzig Farbenschattirungen , wie er dunkel violett aus Campesche mit Cochenille, ein schönes Gelb aus der Tachuela- Rinde herstelle und ein besonderes Karmin der Stadt ^laricjuita kenne, eine Farl^e, die aus Früchten einer im Magdalena-Thal wachsenden Pflanze durch Vermischung mit Citronensäure ge- wonnen würde, u. s. w. Ausserdem handhaljt Rizo dreiuuddreissig Tinten; er kennt auch- verschiedene Tusch weisen und bemerkt z, B. bei einem Grün: „Dies nennen wir Blatt-Tinte, denn damit sind fast alle Tafeln unserer Flora untermalt worden." Dass die Technik in so kleinlicher Weise weiter arbeitete, war entschuld- bar, al)er die grosse Aufgalie, der sie dienen sollte: der wissen- schaftliche Theil der schon vor ihrem Erscheinen gepriesenen Flora Bogotana, lag ganz darnieder. Auch die praktische Seite der Kina-Frage war in Jahren nicht weiter gebracht, oltwohl sie aliermals Bedeutung hätte ge- winnen können, seitdem Anfangs 1802 die Weisung ergangen war, das Rindengeschäft von Bogota aus "SAdeder nach besten Kräften zu betreiben. Damals war Humboldt's Reisegenosse de Rieux entlassen und an seine Stelle wieder der alte Lopez gesetzt, der jedoch, olnvohl er nochmals selber nach den Fund- stätten sich begab, nur neue Enttäuschungen erfuhr. Kaum hatte er seine Angriffe Avider Miitis abermals erneuert, jetzt auch gegen Humboldt eifernd, als ein vom 14. October 1804 datirender Ministerial-Erlass eintraf, die Kina-Sendungen doch lielier end- gültig einzustellen; über die Güte des Artikels herrsche noch immer die grösste Unsicherheit, wenngleich Mendinueta gemeint hätte, dass bei richtiger Untersuchung die Bogotäer Rinde an Gehalt der von Loja gleichkomme. Der Vicekönig hatte erklärt, eine solche Prüfung müsse nach Humboldt's Ansicht von sach- kundigen und unparteiischen Personen vorgenommen werden; „ist sie erfolgt, so wird unser Artikel für den Handel ein reiches Feld gewähren und zugleich für die Besitzer der Kina-AValdungen wie für die Rindensammler von grossem Yortheil sein; sind dann diese Leute einmal mit der 1)esten Weise, die Kina zu hauen, zu trocknen und zu verpacken. Itokannt gemacht, dann — 181 — lassen sich Liefcruiii^svcrträgc aliselilicsscii, so dass si>äter soviel Rinde lur den Könit; angeliänft werden kann, wie man will. Privatpersonen sollten ilann ihre Kina iVci verhandeln köniu'n nml die Re<>;iernn^" niii-, um \'erl)csserun<;en oder sonstige: l>e- lehrungiMi niitzutheilen, sieh (Mnniisehen diirl'en; Ji^le andere Maass- regel wäre ein llinderniss iTir den Handel, dir l'rivaten werden schon alle mögliehe Vorsieht anwenden, nni iliir Kina-Hinden nicht in Misscredit zn Itringen." So vorgeschrittene Ansichten iiher das lang(! geplante nnd oft versncht(^ Monopol des Kina-llandels wai-en ITir Ca'ldas sehr bestechend, mehr alier noch die lOrwäguiigen, ol) ei- selliei" nicht befähigt sei, die wissenschaftliche Seite der langwierigen Frage endlieh dnrch energisches A'^orgehen /,u losen. Gegeniiber dem entnervten Wesen des botanischen Hauses musstc Ca'ldas in Angelegenheit der Kina sich zur Kelbrni 1)0- rufcu fühlen. Seine eigenen Leistungen standen, so jung sie waren, auf diesem Gebiete zweifellos höher als die des Meisters; ausserdem hatten alle seine Studien einen weit kräfti<>:eren Auf- 'O^ sehwung genommen als die Arbeiten des altgewordenen bota- nischen Hauses; (u- war mit systematisch durchgeführten Arljeiten nach IJogota' gekommen, nicht mit grossen Haufen wüsten Ma- terials; er hatte Herbarien mit etwa GCKX) Pflanzen, zwei Rande dazu gehöriger Reschreiljungen, viele Zeichnungen nutzbarer Ge- wächse, Sammlungen von Samen und Rinden, Rilder aus dem Lel)en des Volks, Almahmen von historischen nnd antiquarischen Denkmälern, Materialien für eine Karte des halben Vicekönig- reichs wohlg(!ordnet mit sich gebracht. Alles dies war an das Rogota'er Institut al »geliefert worden. Jetzt wurde Caldas, l)is die astronomischen Reobachtungen nachhaltig beginnen konnten, ^ nicht zur Vollendung seiner früheren Studien berufen, sond(;rn lediglich zu botanischen llülfsarbeiten verwendet. Er l>egann in die berghoch aufgehäuften, noch aus Mari([uita stammenden Col- lectionen Uebersicht zu bringen und die grosse, für die Flora Rogotana angesanuueltc; IMasse dui'chzusehen; es galt, das herzu- stellen, was die beiden Mütis Ijisher versäumt hatten; eine Har- monie zwischen dem minutiösen Studium der Einzelheiten und dem generellen Ueberblick. Solche Reschäftignng war für Ca'ldas W(M-thlos, weil seine neuen Ideen nicht Idoss unreif waren, son- dern auch mit denen des immer noch unfertigen Mütis'schen — 182 — Classification^ -Werkes nicht stimmten; er war desliall) liefriedigt, als Miitis ihn wieder auf Reisen schickte, diesmal, um die Region der Quina tunita, in der Zea früher sich aufgehalten hatte, noch einmal zu durchmustern. Nachdem er den Versuch gemacht hatte, von Bogota aus die llöho des Tolima-Kegels trigonometrisch zu messen, wobei ihn Jose Manuel Restrepo und Josd Manuel Ilurtado unterstützten, brach er Mitte August 1806 auf und durchstreifte dann der Chin- chonen wegen die Waldungen von Chipacon, Anolaima und La Mesa, die von Limones, Melgar, Cundai, Pandi und Fusa- gasugii. Nach dieser Forschungsfahrt meinte er alle in Neu- Granade vorkommenden officinalen Kina-Arten kennen gelernt zu haben; er habe sie sämmtlich wachsen, Idühen und Frucht tragen gesehen; erst nach seinen Aufnahmen könnten die wichtigsten unter den grossen Zeichnungen gemacht werden, welche in der Flora Bogotana die Chinchonen Ijeträfen. Mütis hegte bei dieser Entsendung von Cäldas eine Hoff- nung, welche nicht zu verwirklichen war; der alte Herr dachte nämlich trotz seiner Jahre an eine Umarlteitung seiner Kina- Schrift. Ignacio Sanchez Tejada, der als Secretär von Mendinueta einiges Interesse für die Mütis' sehen Arbeiten gezeigt hatte, rüstete, weil er mit dem neuen Vicekönige nicht wohl sich ver- ständigen konnte, zur Heimreise; da er ungern mit leeren Händen nach Madrid kommen mochte, hatte er Mütis bestürmt, wenigstens eine Probe seiner Arbeiten ihm uiitzugel)en; hinsichtlich der Kina- Frage hatte er ihm vorgestellt, wie die Angrifle von Hipölito Ruiz und Jos(? Pavon in Spanien nicht unljeantwortet blei))cn dürften, zumal Humboldt l^is jetzt densell>en keineswegs entgegen- getreten sei; die Mittheiluugen von Juan Tafalla würden viel Unheil anrichten; Zea dürfe nicht unvertheidigt Ideiljen, da er [>arate mit rhomboidischen Netzen sowie einen ller- schel'schen Apparat al »zusenden. Ohne solche Hülfe waren Ije- reits vier DoUond'sche Achromate von verschiedener Crrösse beschaÖ't, drei Teleskope nnd mehrere Thermometer, ein Winkel- messer, ein Oktaut, ein künstlicher Horizont, viele Magnetnadeln, ferner der astronomische Pendel von Graham, den de la Con- damine benutzt hatte, und jener Bird'sche Cirkelquadrant, der von Pombo 1801 Humlioldt abgekauft war. Hiernach besass die Sternwarte von Bogota eine für Süd- amei-ika nicht unerhebliche Ausrüstung, als Caldas Ende 1806 in das Geltäude einzog, dessen Hauptsaal durch die Marmorplatte von Tarqui geschmückt wurde: das Denkmal jener Akademiker, welche Caldas, obwohl sie nicht spanischer Herkunft waren, als seine nächsten Vorgänger betrachtete. Auf dieser seiner Stern- warte arbeitete er nun mit Benedicto Dominguez, den er zu seinem Assistenten heranzulnlden suchte, und mit dem jungen Lino de Pombo, einem entfernten Verwandten jenes Cartajenaer Freundes. Ausser der eifrigen astronomischen Thätigkeit, die sich jetzt entwickelte, war es besonders die Meteorologie, welcher Ciiidas systematisch sich hingab, seit Anfang 1807 von Jose Mejia / unterstützt. Bei diesen Beobachtungen ging er mit besonderer Sorgfalt zu Werke, um die Verschiedenheit der Thermometer aufs Genaueste festzustellen, denn er vermeinte nicht ohne Grund, dass Humboldt bei der Behandlung seiner Instrumente trotz aller Vorsicht mehifach sich halje täuschen lassen. 5. Die Neugranadinische Wochenschrift. Am 3. Januar 1808 erschien in Bogota die erste Nummer einer Zeitschrift, welche grosses Interesse einflösste.^') Der un- ermüdliche Ciildas gab sie heraus, mit finanzieller Hülfe von Diego Martin Tanco, dem obersten Finanzljcamten des Vice- königreiches , der den Werth gelehrter Arbeiten über das an Einnahmequellen immer ärmer werdende Land zu schätzen wusste ; Bruno Espinosa de los Monteros druckte sie, vermoclite jedoch ausser den gewöhnlichen Lettern Nichts zu liefern, namentlich keine Karten. Caldas gedachte durch seine Veröffentlichung zunächst das Interesse für die wissenschaftlichen Bestrel)ungen, das l)eim vice- königlichen Hofe durch Nichts zu erwecken war, in das Volk hineinzutragen; er wünschte rechtzeitig einzugreifen, damit nicht Ilumljoldt, Bonpland und andere Ausländer den Nationalen zuA'or- kämen; auch Spanien selbst drohte gefährlich zu werden, da in Madrid die Veröffentlichung der Mütis' sehen Kina-Schrift , die Tejada im Februar 1807 überreicht hatte, nicht dem Creolen Zea übertragen war, sondern einem Spanier, der nie Amerika gesehen hatte, Mariano Lagasca. Caldas wollte seine neugranadinischen Landsleute zu eigener Thätigkeit anspornen; den wenigen gel)il- deten Kreisen, die hie und da sich antreflen Messen, gedachte er aus den Schätzen der jüngsten Forschungen Alles darzuljieten, was von pi-aktischer Verwerthung zu sein schien; er bestrel)te sich, die schwachen, ausserhalb Bogotas sich zeigenden gelehrten Neigungen zu stärken und., wo noch Keime fehlten, Samen aus- zustreuen. — 185 — „Ein \'ulk, welches keine Wej^c hat, dessen Landwirtbscliaft, Industrie und Handel in den Anlan()iii»laiul drin VcrstorlxMien dadiircli darf^cl »rächt hatten, dass sie mit seinem l>ikU' den ersten IJand ihres grossen amerikanischen Keisewerkes sciiniückten, das solbil nach der Ankunft in Kuropa begonnen wurde, wusste iiiriii in Bogota' lange Zeit niciits. In lU'r von lTund)oldt schon am 1. Mürz 1805 in Paris zu diesem Werke i>;eschrielienen Vorrede steht Mütis obenan unter allen K(>nnern tropischer Botanik. „Wir besitzen zweiCels- ohne viele Pilanzen, welche in den llerl)arien unserer Freunde Mütis, Ruiz, Pavon, Cervantes, Mociüo und Sesse sich befinden. Da diese in Gegenden von analogem Klima gesannnelt halien, ist es natürlich, dass wir auch dieselben Gewächse sahen wie sie; eine angenehm zu erfüllende Pflicht wird es uns sein, das anzu- geben, was wir diesen hervorragenden Botanikern verdanken; wenn wir aber einmal, ihre Arl)eiten nicht kennend, von Neuem Namen an Arten ertheilen, welche schon zuvor durch sie bestimmt sind, so ist das nicht unsere Schuld. IVIütis hat viele Jahre vor uns die "Wälder von Turl)aco, die schönen Ufer des Magdalena, die Umgel)ungen von Mariquita durchforscht, alter dieser grosse Botaniker, dessen Freundlichkeiten uns zu dauernder Dankbarkeit verpflichten, ist nicht ül»er die Anden des Quindiu vorgedrungen, nicht in die Gegenden des Cauca-Thales, nicht zu der Hochebene, die von Almaguer Ins ll)arra sich ausdehnt." Später sagt Humboldt, ül)er den Tod von Mütis in etwas idea- lisirender Weise redend: „Ich habe von ileu Opfern gesi)rochen, die Mütis für die Wissenschaft dargebracht hat; überflüssig ist es also, von seiner Uneigennützigkeit zu sprechen. Er genoss lange Jahre volles Vertrauen der Vicekönige, aber er hat von diesem Finlhiss keinen andern Gel »rauch gemacht als zum Nutzen der Wissenschaften, zum Emporziehen des stillen Verdienstes, zum Schutze der Unglücklichen; er erfüllte stets mit grossem Eifer die Pflichten, welche ihm seine Stellung als Geistlicher auferlegte, nie aber suchte seine Frömmigkeit den Glanz seines Namens. Er war sanft, wie denn Sanftmuth immer vorhanden ist, wenn Herzensgüte mit C'haiaktergrösse sich verliindet." In der Bevölkerung der Hauptstadt machte der Tod des alten Gelehrten umsoweniger Eindiuck, als die allgemeine Auf- merksamkeit gerade ganz anderen Interessim zugewendet war. Der Thronwechsel, der in Spanien am 19. März 1808 durch die Abdication von Cärlo:^ IV. sich v(»llzogen hatte, ilie Abl'ühi-ung — 190 — von Fernando Yll., dem nouen Könige, nach Frankreicli, die Erboltnng von Joseph Bonapai'te anf den Thron der Bourbonen: das war schon seit einigen Monaten in Bogota bekannt. Nun erschien dort gleich nach dem Tode von Mütis der Fregatten- Ca})itain Juan Jose San Llorente, um für eine in Sevilla zu- sammengetretene und im Nannm des gefangenen Königs handelnde National-Regierung Anerkennung und Unterstützung zu verlangen. Der Abgesandte meldete die ersten Erfolge dieser Junta, ihre Siege in Andalusien und ihre Al)machungen mit Grossbritannien. Am 5. September 1808 ward vom Vicekönige, um ülier die An- träge San Llorente's zu berathen, eine Notablen -Versammlung berufen, in der dieselben zur Annahme gelangten; am II. Sep- tem! )er wurde in Bogota dem Könige Fernando feierlichst gehul- digt und bald darauf eine halbe Million Pesos dem A])gesandten der provisorischen Regierung übergeben, welcher Bogota alsbald wieder verliess. Da die spanischen Würdenträger in dieser ungewöhnlichen Sitzung eine erdrückende Majorität gehal>t hatten, lief Alles scheinl>ar glatt und einfach ab, allein die Creoleu, die in ihr geschwiegen hatten, discutirten nachher bei jeder Gelegenheit die Frage, wie es denn doch kommen möge, dass jene aus eigener Autoi'ität in Sevilla zusammengetretene Junta nicht auf Spanien sich l)eschränke, sondern auch in Amerika Recht und Gewalt beanspruchen wolle. Als der Tod dem botanischen Hause den Herrn und Meister genommen hatte, drohte, da kein Nachfolger da war, die Orga- nisation zu zerfallen. Mütis hatte nicht gewünscht, dass ein neuer Director der königlichen botanischen Expedition ernannt werde; einige Monate vor seinem Ende hatte er dem Vicekönige ge- schrieben: „Da die Krankheiten, an denen ich hinsieche, oder, besser gesagt, da die vorgeschrittenen Jahre bei mir so stark sich fühll)ar gemacht haben, dass ich die Zeit der Genesung kaum sehe, halte ich es für meine Pflicht und für die nothwendige Folge der mir anvertrauten königlichen Befehle, nachstehende Punkte vorzutragen. Mit meinem Tode erlischt das Amt eines Directors der l)otanischen Expt^dition von Neu-Granada; mit ihm fallen die Zweige dahin, welche ich Kraft meines Amtes der Obhut und der Sorge von Privatpersonen anvertraut habe. Diese Männer müssen für die Zukunft höhere Gehalte haben; sie können — VJl — auch eine solche AunH'ssciung ])eans|)iu('h('ii, wenn sie die Ai- ])eiten und l*llifhten i'ilK'rnelinien. die ich iliiien hinleilasse. Ohne Scliädigung für die Finanzen sind die "iUH) Pesos, mit (h'nen der Directorposten jährlich austreslattet war, dei'gestalt /u vertheilen, dass G(H) Sinforuso Mütis erhält, so dass er hiiilurt 1(HM) «>ni- l>langt; Ca'ldas, der hislanti" ndt den in anderen Fächern geniachlcn Ersparnissen hingehalten worden ist, kann von jener Sunmu! 10(X) IVsos liekonmien; Who, der unter nieinei' Leitung wähi-eud 24 Jahren als erster Maler und Hausverwalter gewirkt hat, 40(), 80 dass auch er im Ganzen 10(X> Pesos bezieht." „Zum Amte von Sinlbroso Miitis wird Alles gehören müssen, was in die Botanik schlägt, wobei er ganz b(»sondere Sorgfalt darauf zu verwenden hat, dass Zeichnungen und TT<>rbarien gut unterhalten, auch die letzteren fortgesetzt werden. Ciildas wird den astronomischen und geographischen Theil besorgen, mit dem er jetzt auch beauftragt ist, woliei dii^ )»egonnenen Beobachtungen in bishei'iger Ordnung und ^lethodc^ fortzusetzen sind. Kizo sollte die Geschäftsführung weiter wahrnehmen, so dass ohne seine Yermittelung Niemand etwas ausgeben oder durch andere Hand Zahlungen emi)fangen kann; ebenso müssten unter seiner Leitung die ^faler stehen. Jose Maria Carl)onell kann wie bis- her Schreiber der Expedition mit einem Gehalte von 500 Pesos bleiben, Sinforoso Miitis unterstellt, damit er die laufenden schrift- lichen Arbeiten verrichte; um ilni indess auzus})ornen und um ihm etwas zur Erholung zu geben, mögen 100 Pesos mehr be- willigt werden, unter dem A'orbehalt, dass er, wenn der bota- nische Garten sich verwirklicht, der für einige Pflanzen besondeie Sorgfalt und Pflege verlangt, als Vorsteher desselben dienen wird." „L^'lier die Summen, welch(> nach Verfügung der Krone und nach Anordnung hiesiger Regierung unter meiner VerantAvort- lichkeit aul" einzelne Reisen verwendet sind, wird Rizo ordnungs- mässige Rechnungen vorlegen in (lemässlieit der Weisung vom 11. F(;bruar 1787; Rizo geniesst mein volles A^ertrauen und meine wärmste Anerkennung." „Einen andern wichtigen Punkt bilden die Tnventarien über die zu nuMuem Unternehmen gehöi-enden G<>gen'stände, welche in dem botanischen Uauso sich Ixiflnden. Diese A'erzeichnisse, die ich S('llu'r machen werde, wenn Gott mir Leben und Zeit schenkt. — 192 — verlangen, sofern sie nach meinem Tode erfolgen, die Gegenwart der di-ei genannten Persönlichkeiten, damit jede von ihnen ihr eigenes Fach wahrnehmen kann. Die höchste Sorgfalt und zar- teste Behandlung erfordern die fertigen Zeichnungen, welche wegen der Feinheit des Papiers leicht der Schädigung ausgesetzt sind; ihre Schönheit bedingt ganz vorsichtiges Umgehen, weshalb sie bei jenem Acte keinen anderen Händen anzuvertrauen sind als denen von Rizo, gleichwie die trockenen Herbarien, die eben- falls grosse Vorsicht beanspruchen, nur in die Hände von Sin- foroso Mütis kommen dürfen." „Da diesem der botanische Theil zu überweisen ist, der hauptsächlichste, der zugleich im Hause den grössten Raum in Anspruch nimmt: so ist es recht, ihm auch das Gebäude selbst zu übergeben. Rizo leistet wohl in dem Hause seine Dienste weiter und behält dort das bisherige Zimmer, bis dass nach Voll- endung der in Aussicht genommenen Bauten und nach Aufstellung der Bibliothek die Räume in anderer Weise vertheilt werden. Damit Caldas immer freien Zugang zur Sternwarte, dem eigent- lichen Ort seiner Beschäftigung, habe, sollte ihm im hinteren Theile des Hauses eine nach der Strasse führende Thür gemacht werden, zu der er den Schlüssel erhält. Weil Lozano dieser Expedition als Zoologe beigeordnet ist und auf eigene Kosten einem neugranadinischen Fauna- Werke sich widmet, sollte ihm das bisherige Zimmer verldeiljen; ausserdem müsste er auf Kosten der Expedition die Malschüler benutzen dürfen, auch Skelette und Modelle, Farbe und Papier sowie einen der gehaltljeziehen- den Maler." Mit diesem letztwilligen Schreiben hängt es zusammen, dass Jose Ramon de Leiva zum Special-Inspector der Expedition er- nannt wurde. Am 1. Juli 1808 hatte Mütis an Rizo Vollmacht ertheilt, seinen Privatnachlass zu ordnen. Der getreue Famulus erklärte am 17. November vor Notar und Zeugen etwa Folgendes: Nach dem Willen des Verstorbenen sei, ausser der Sternwarte und dem botanischen Garten, noch ein natm'wissenschaftliches Museum, ein chemisch-physikalisches Lal)oratorium und eine öffent- liche Bibliothek anzulegen. Für den Fall, dass diese Wünsche so ausgeführt würden, wie 'sie in vorangehenden Berichten vor- getragen seien, solle Sinforoso nur die botanischen Bücher erben, während die astronomischen an die Sternwarte kämen, die geist- — 193 — liehen an die fünf Klöster von Ho<;ota', die iilti-i die hiesige orangefarbige Kina dii'scllie Art sei wie die von Loja, viel Staul» aufgewirl»ell; IIuml»oldt hat die Ungewissheit durch seine Gutachten nur noch vermehrt. Von ihm liegen drei Briefe vor, in denen er drei verschiedene Ansichten über die Kina von Bogota ausspricht. Dem Vicekönige ^lendinueta schrieb Humboldt von Lima aus am 7. November IHO'2, die Kina von Uritusinga sowie die anderen Arten von Loja seien gleich der orangefarbigen, rothen und gelben Kina, welche Miitis. entdeckt und bestimmt habe; sie wüchse in derselben Höhe und inmitten einer gleichartigen Vege- tation, lieshalb glaul^e er nicht, dass die l-iOJa-Binden Vorzüge vor den Bogotaern voraus hätten. An Mütis sandte Humboldt einen Brief, den ich gesehen habe und dessen Ldialt mir inelir- facli wiederholt ist; es heisst in diesem Schreiben, die orange- farbige Kina Neu-Granadas sei nur eine Abart der von Loja. Fin an mich gerichtetes drittes Schreiben besagt endlich: ,I)ie Kina voTi Loja, das heisst die echte, ist in Wahrheit verschieden von der orangefarl)igen Art wegen der Grösse ihrer Staubfaden und wegen ihrer Achsengeschwülste.' Ein Gelehrter wie Hum- boldt war berufen zur Lösung solcher Zweifel, welche Handel und Wandel, den Credit dei- Waare, die Gesundheit des A^olkes berühren. Ich halie es für meine PHicht gehalten, Alles sorg- fältig zu sammeln, was dazu beitragen könnte, die Ansichten über diese mteressante Frage aufzuklären." Cäldas dachte, dass in der neuen Welt jedem Denkenden ein wissenschaftlicher Dolmetscher erwünscht sein werde; unter den noch nnfertigen A'eihältnissen, namentlich denen derTro])en- gegentlen, müsse aueh der sonst Gleichgültige nach Belehrung siiclieii; liei dem Drucke einer ül>erwältigenden Natur begreife man, dass nur Kenntiuss der Einzelheiten, dass bloss specielles Studium Pfade in Wildniss und Dickicht schlagen könne, dass Waldmesser und Sprengpulver el>enso wenig ausreichten wie Anhänglichkeit au die Heimath oder Liebe zur Wissenschaft. An 13* /' — 19G — der grossen Aiifgal)e, die p]i-ge))nisse gelehrter Forsclinngen dem unreifen Volke zugängig und mitzbringend zu maclien, arl^eitete er mit rüstiger Kraft, seine Zeitschrift gewann von Woche zu Woche an Tüchtigkeit; bis zur Mitte des Jahres 1810 gewährte sie das Bild höchst angeregter, von aussen ungestörter, für die Ehre der Nation sehr empfänglicher Bestrelmngen. In kleinen Anfängen beginnend, zog sie ihre Kreise immer weiter; es ge- lang Cäldas, von Anfang an solche Gegenstände aufzufinden, welclie trotz ihres wissenschaftlichen Charakters ein allg(mieines und })raktisches Interesse besassen. 01)gleich er bis zur Uel)er- nahme dieser Redactionsarbeit kaum Etwas für die Oeflfentlich- keit geschrieben hatte, entwickelte er hervorragendes Schrift- stellertalent; ausserdem verstand er es, überall indirect anzuregen und, seine Kenntnisse darreichend, zur Mitarbeit aufzumuntern. So fing sein Blatt an, gelehrte I)el)atten und wissenschaftliche Preisbewerbungen ins Leben zu rufen. Derartige künstliche Hebel förderten zwar in der ersten Zeit das in dem weiten Lande noch schwache literarische Interesse nur wenig, aber der Redacteur trat selber ein, wenn es an anderen Kräften fehlte. Ca'ldas ver- öffentlichte nicht nur seine meteorologischen Arbeiten, Beschrei- l)ungen seiner Sternwarte, verschiedene specielle Beobachtungen; er verfasste auch infolge der ersten in Neu-Granada entstandenen wissenschaftlichen Debatte eine Abhandlung ü1)er den Einfluss des Klimas auf die organischen Wesen, angeblich um den Kampf zu schlichten, welchen die extremen Ansichten hervorgerufen hätten. „Die Einen räumen dem Klima, d. h. dem Gesammtzustand unserer Umgebung, den allein entscheidenden Einfluss auf das Mensch genannte Wesen ein; die Anderen verneinen jedweden Einfluss der Natur auf das Ebenbild Gottes." Cäldas untersucht die Wir- kungen der Nahrungsmittel, der Lel)ensweise, der Arl)eitssphäre, der Rasseneigenschaften; die Gegensätze einander scharf gegen- überstellend, cü-ingt er ein in alle die Klüfte, welche die Be- wohner Neu-Granadas daran hindern, eine wirkliche Volkseinheit zu bilden. Er nimmt seine Vergleiche aus dem Thierleben, iu'ingt eine für die Bogotaer Verhältnisse ansehnliche Literatur zu- sammen, handelt von atmosphärischem Druck, elektrischen Strö- mungen, Einfluss der Berge und Wälder, der Ströme und Winde. „Der Mensch verändert sich", so meint er, „unter dem Einfluss des sogenannten Klimas; seine Farbe wird weiss, schwarz, braun — 197 — und wie alle die ZwisclKMisliircii licisst'ii; sein Wuchs wird licscii- gross oder zwcrgciiklciii, sein Aiillilz edel oder Iiässlicli, sein Wesen kraftvoll oder schwach, den 'ruu'eiidcii o(h'i- dru l^aslcni zuänden bestehende Theil sollte Astronomie und Magne- tismus umfassen; der fünfte, ebenfalls beinahe vollendete, eine geologische Pasigra])hie oder eine Beschreibung der Lagerung der Gebirgsarten; der sechste endlich die Botanik, und zwar im — 200 — ersten Abschnitte die Besclireihnng der wähiciid der l?eitse neu- entdeckten Pflanzenarteu nebst allen Details, und im zweiten Abschnitte Monographien über Melastonias, Gräser und Crypto- gamen. ^lit d(^iu grössten T^uxus sollte dies in dci- gesammten Bucli-liuhistrie einzig dastehende; Pri\'at\vei-k, an welchem, ausser Humboldt, die ersten Gelehrten Deutschlands und Fi-ankreichs arbeiteten, ausgestattet werden; Seite lür Seite dieser Pi-acht- schrift musste Angaben enthalten, w^elche für Ncu-Granada atdu grösster Wichtigkeit waren oder Neu-Granada sogar direct be- trafen. Natürlich sah Caldas, der den A^ersprechungen des Ver- legers gerne glaubte, solch nahem Fortschritt in seinen heiss- gelieljten Studien mit julielnder Begeisterung entgegen. Tn der Arbeit für die neugranadische Wochenschrift l)lieb (Un- ernstfreundliche Lozano standhaft und treu. Eine eigenthüm- lich interessante Arl)eit von ihm war di(! Einleitung zui" Fauna Cundinamarquesa, nämlich der Artikel „Mensch", wxdcher be- sonders die südamerikanische Rassenvermischung Ijesprach. Das Erste, was Lozano drucken liess, war eine Al)handlung ttlter die Schlangen nel)st einem Plan, die in Neu-Granada vorkommenden Arten genau zu verzeichnen und ülxn; die Mittel sich zu ver- gewissern, welche gegen ihren Biss angewendet w^ erden könnten. Wie Cäldas für die Einfuhr des Lamas sich interessirte, so Lozano für die Uebersiedelung des Kameeis von den canarischen Inseln: eine Idee, zu deren praktischer Ausführung er seinen Bruder, den Marques, auch veranlassen konnte. Der Versuch misslang, angeljlich, weil der leitende Beamte nicht die nöthige Sorgfalt anwendete; die Frage aber, ol) das Kameel in dem gebirgigen Neu-Granada zu acclimatisiren sei, rief eigene Deltatten hervor, bei welchen Caldas mit Entschiedenheit betonte, dass Buffon's Ansicht, das Kameel passe für die südamerikanischen Ländei- nicht, durchaus unbegründet zu sein scheine und Lozano's Vor- schläge zu miterstützen seien. Grosse Beachtung verdiente auch das Vorhalten von Lozano, einen Farl)enmesser herzustellen, um sprachlich die Lichtschattirungen, die den Tropen in solcher Fülle eigen sind, Ijesser beschreil)en zu können; schon 1802 hatte er diese Idee an Älütis mitgetheilt, der dann Rizo Versuche machen liess, der Fortgang war jedoch unterbrochen, weil Lamark in Paris ein ganz älmliches Ziel im Auge halie und über dessen Erfolge erst genauere Nachrichten eingezogen werden müssten; nun ver- — 201 — öftViit lichte Lozaiii) dieses Prolileiii und lorderte zur Kritik auf: er hediufe der lliilt'e Dritter uiusoiiiehr, als «t uield l)loss den ■ Hath von Miitis euthehre, sondern aucli nach der neuen ()r(hiun<:- der Dinuc im hotauisehen J lause nur .Mal- und Sehreilnnaterialien jreliclert erhalle, aber nicht die >ralei' liii' die Taleln seiner Fauna. .Sinl'oroso Miitis war kein iihulich l)eleliter Geist; r-r trat erst spät der Zeitschrüt niiher und auch dann nur äusserlich. «Seit Januar 1800 mit der IJearheitunj^- des wichtijisten wissenschaft- lichen Theiles der köniji-lichen botanischen E.xpeditioii beauftraj^t", so schreibt er am *2(i. Februar ISIO, „ vollendet zu haben, niindich die Naturf>-eschichte der Kina-Biiume." Sinforoso wählte diese Bezeichnun«;-, um für Cäldas die Geographie ih'v Kina-KäuuK^ oflen zu lassen; aber auch sie wai' nicht ein- j^eschränkt g'enug, denn was Siulbroso lieferte, bestand iiiii' in einem Abriss der Quinolo^iia l>og-otana.''"') Dei- XelVe hat die Arbeit des Classiliciiens und Syslemati- sin'iis, so i'ut es gin-^, zum raschen Abschluss gebracht; seine Schrift beginnt mit einem für die riiinchona angenommenen Typus, auf den das erste Blatt der dem Flora- Werke entnom- menen Abbildungen sich bezieht; dann folgt der Tyjms der Lanci- folia der Zea'schen Quiiia tunita, deren Beschreibung /.um 'J'heil vom Oheim, zum Theil vom Neften gemacht ist; daran schliesseii sich dreizehn Varietäten, welche mit einer einzigen, Sinforoso angehörenden und an die Spitze gestellten Ausnahme von Ca'ldas stammen; es kommt dann die Cordilblia, deren Typenbeschreibnng noch von dem alten Director herriihrt, während unter tlen fünf angenommenen Varietäten zw(n ohne Namen sind und die drei anderen den von Gäldas tragen. J)ie Type der Oblongifolia und ihre drei Nebenarteu sind mit Sinforoso's Namen iK^zeichnet wie die Typ(; der Ovalifolia und ihre zwei ersten Varietäten, die dritte stammt von Restrepo; endlich bilden den Schluss die drei nach den Blüthen l>enannten Arten in der ursi»iünglichen Be- schreibung von Mütis. Diese Arl)eit nalim sich sehr prachtvoll aus: denn dem Folio- Manuscript waren sechzig ausgezeichnet gemalte 'J'afeln beigefiigt, welclu! die ('hinchona in iliici- Kntwickelung zu Blülhe luid zu Frucht mit allen analytischen Details darstellten: sie nannte i'ilu'igens nur den verstorbenen Miitis als Verfasser. — 202 — Siuforoso's erster Beitrag zur Ca'ldas'sclieu Zeitschrift galt übrigens nicht bloss dieser Qiiinologia. „Nach A'ollenduug des Kina-Werkes", so schreibt ei- weitei-, „hal)e ich sofort die Flora liogotana zu bear))eiton liogoinicn. Das ist eine ungeheure Auf- gabe, auf die mein Oheiui, ohne sie beenden zu können, 45 Jahre verwendet hat; mehr als 2000 Individuen Itilden di(^ Sammluuir. Ich arbeite daran, sie nach dem Linne'schen System zu ordnen, jede Tafel mit den .Manusci-ii)ton und den Zergliederungen zu vergleichen, um das Fehlende zu ergänzen und die neuen Arten auszusondern, damit diese zunächst veröflentlicht werden können." Dabei blieb die grosse Miitis'sche Speculation iiber die Genera plantarum auch dem naui)terl)en imverständlich. „Meine Mit- arl)eiter Fjozano und Ca'ldas sind von demselben Eifer beseelt wie ich, und wenn nicht die Tagesgeschichte unseren Plänen Eintrag thut, wenn nicht die Nation an Fragen grösserer Trag- weite heranzutreten hat, so halten die Gelehrten in wenigen Jahren die Werke des arlieitsamen Miitis in ihren Händen. Dann werden die Feinde seines Ruhmes liekennen, dass die ihm eigene Be- scheidenheit das Planpthinderniss l)ildete, weshalb nicht schon während seiner Lel)zeiten solche Arbeiten veröflentlicht wurden. Weil wir uun augenl^licklich kehie Mittel besitzen, um ein grosses Werk würdig erscheinen zu lassen, und weil uns die neuen Bücher einer in den letzten Jahren so grossartig vorgeschrittenen Wissen- schaft fehlen, so müssen wir, um nicht der originellen Ent- deckungen verlustig zu gehen, zunächst in dieser Zeitschrift die neuen Classen der Flora Bogotana veröfi'entlichen , jedoch nur unter Beschreilmng der Arten, alles Weitere für den Prodromus der Flora Bogotana aufsparend." So enthalten denn einige Nummern der bescheidenen Cäldas'schen Zeitschrift einige sehr einfache Pflanzen-Beschreibungen aus dem so pomphaft begonnenen Werke, ziemlich allgemein gehaltene Charakter-Deflnitionen; die ersten Geschlechter sind nach den Mitgliedern der Expedition genannt; der Amaria, die dem Yicekönig aus Höflichkeit ge- widmet wird, folgen nämlich: Caldasia, Lozania, A'alenzuelia und Consuegria; eine Mutisia gal) es schon l>ei Linne. Cäldas fügte seinem Cartajenaer Freunde zu Ehren noch eine Pombea hinzu; ferner sollten Exemplare sich anschliessen, welche der Director schon früher getauft hatte; von ihnen ist jedoch nur die Buch- ueria veröflentlicht worden. — 203 — WaLi«'iiraktisch landwirthschaftlichc; Gegenstände sich bezogen. N'alenzuela schriel) z. B. ül)cr eine neue Grasart, welche zur Verbessernng der Weiden und zu Anlagen von Wiesen bi-auchliar sei, sodann iiber das Gtaiti-Zuckerrohr, das ganz Ix'sonders zur Cultnr sich eimie und auch in Peru seit Kurzem cnltivirt werde. Das Ca'ldas'sche Wochenblatt beschränkte sich nicht auf Nat\n-wisäenschaften, Geogra]thie und Medicin. Es war besonders jeuer Tanco, welcher dafiir sorgte, dass Einseitigkeit vermieden — 204 — wurde. Unter der Bezeichnung „Kinderfreund" machte er den Volksunterricht /Jim Gegenstand seiner vorständigen ßestrehungen, „Die öffentliche, unentgeltliche, gleichmässige und dauernd ge- regelte P]r/,i(!hung der Massen ist mein Stoff: diese Quelle aller Güter und Tüchtigkeiten, die ein A^olk liesitzt, und zugleich Ur- sprung aller nationalen Uebel und Mängel. Die ])olitische Philo- sophie möge sich al)mühen, die fiir die Wohlfahrt eines Volkes geeignetste Kogifü'ungsfbrm auszulindeii: wichtiger ist es, das beste Volksschulwesen zu ermitteln; dies gilt namentlich füi- unser Land, wo die Armuth so ungeheuer zunimmt, und die Rassen- wie die Klassen-Unterschiede so tief eingreifen. In der Hauptstadt bestand Mitte 1808 eine Freischule, die von der Krone unterhalten wurde. In Zukunft sollte auf Gemeindekosten in jedem der drei Bogotäer Stadtliezirke eine „patriotische Schule" l)egründet werden, die von der Kirche vollständig unab- hängig sein müsste, äusserlich gut ventilirt und innerlich gut eingei'ichtet, dazu verwaltet von einem gelnldeten, durch den Stadtrath zu ernennenden Lehrer, der die Kindei-natur kenne und namentlich beim Strafen mit ruhigem Verständniss verfahre. Der Stadtrath von Bogota, aber nicht die Colonial-Regierung, müsse für alle die Ortschaften des Vicekönigreiches, welche noch keine Gemeinde- Verfassung ))esässen, die Schulvorsteher ernennen. — Einmal in der Woche ist ein freier Tag; an dem sollen die Schüler erst zur Kirche gehen, um zu lieten, und dann in die freie Natur, um zu sjiielen. In einer solchen „patriotischen Schule", die auf vier Klassen und auf drei Jahre berechnet wird, giel>t es an Lehrgegenständen nur Lesen, Sclirei))en, Rechnen, Bibelkunde und Religion, sowie die Geschichte der Heimath und des ^lutterlandes. Was von den Schülern geschriel)en und von den Lehrern gelesen wird, das erscheint als das wichtigste Bildungs-Element. Zwei Schulfeste bringt das Jahr: zu Beginn das der Fürbitte für Eltern, Lehrei- und Schulfreunde, am Aller- seelentage die Gedächtnissfeier der Todten." Mit kräftigen Worten aus Fenelon sucht Tanco zu erwärmen; er flicht Kinder- gel)ete und Schulgesänge ein, Aveist auf Spartaner und Römer hin und kommt von dem Idealsten zu dem Aeusserlichsten , von den Schnlvisitationen, ja den Voi'steherbei'ichten zu den Bau- materialien. Die erste „patriotische Schule" wurde durch Antonio Arboleda, den Freund von Cäldas, in Popayan begründet; sie — 205 — veranstaltete am IT), .liili ISOi) ihren ersten Schulakt, den Ca'ldas wie ein Erei<>niss von »i-rosser allgemeiner JJcdeutun^: feierte. «Kindersc'hnlen können iJrntorte des iiasters nnd des \'erlire(',liens sein; unsere Criminal-Statistik 7,ei_i(> nwisten dieser Skizzen Itegleitele 1 \ — 206 — Caldas mit Noten; einige derselben kamen selbstständigen Ab- handlungen fast gleich. Wichtigen Fortschritt l)ildete eine geograpliische Arbeit von Jose Manuel Restrepo,^^) Avelche die Provinz Antioquia ])ehande]te und auf gründlichen Studi(m l)eruhte. In jenem bisher so stillen, bewegungslosen Gebirgslande war unter dem Gouverneur Fran- cisco de Ayala viel freies und energisches Lelien ei'wacht, es arbeitete Restrepo an einer Karte seiner Heimath, fiir dt^ren botanische Schätze er schon 1807 ein eigenes Herbarium ange- legt hatte; an die Restrepo'sche Landeskarte sollte eine andere sich anschliessen, die des Ingenieur-Offiziers Vicente Talledo,^*^) welche besonders die Provinz Cartajena darstellte. Caldas sannnelte auch Statistiken; er veröffentlichte Tabellen iiber die Sterblichkeit in Bogota und in anderen Orten über den A^erkehr von Laguaira, Cartajena und Veracruz, über die Aus- dünstung in Hospitälern und in Armenanstalten, auch über den Kinarinden-Handel von Cartajena. Diese Vorarbeiten für die Heilung der Heimathskunde bracliten den Mann der Theorie immer kräftiger in Verl)indung mit den Anforderungen des frischen Lel)ens und in Verkehr mit })raktisch strebenden Leuten. Da war der alte Ignacio Cavero, der in Veracruz sich abmühte, Manuel Rodriguez Torices in Cartajena oder Juan de Corral, jener Antioqueüer, dessen ener- gisches Wesen zugleich weit aussehenden Reformen und stillen Studien sich zuwandte. Die Bogotäer Wochenschrift gebrauchte für die einfachsten Geschäfte viel Arbeitskraft; die Hindernisse in der Di'uckerei, beim Postversand und gegenüber der Censur waren zahllos; namentlich fiel es auf Caldas recht drückend, dass in Bogota alle Einrichtungen fehlten, um Tafeln und Karten herzustellen. Natürlich bliel) die Thätigkeit des Gelehrten trotz der Wochenschrift vor Allem der Sternwarte zugewandt. Im März 1809 erhielt er vom Vicekönige den Befehl, dreimal im Jahr über seine astronomischen Arbeiten zu berichten. „Heute ist es das erste Mal", schreibt er am 1. Juli jenes Jahres, „dass ich mit dem Haupte dieses Königreiches ül^er meine Aufgaben reden dai'f." Caldas sprach sich iiber sein ganzes vorangehendes Leben aus: „Lesen Eure Excellenz diese wahrheitsgetreue Darstellung über das Wirken eines Mannes, der seit jetzt vierzehn Jahren — 207 — für nichts Anderes lel»t. als für den Fortsehntt der Wissenschaft." Nach einiger Zeit konnte Caklas auf seine astronomische Tliätig- keit mit Befriedijrnnir Idickeu; denn er fand für sie ein(^ Stelh* tüchtiger Froiiauanda. nämlich die Pi-olessur der Mathematik, in welcher er Caicedo y VcM-gara aldöste. Er eröfl'net(^ s<'inen ünteri'icht, der dann täglich eine Stunden dauerte, mit «'inei' Kcdc. welche als Muster von I']infachlieit und (ielehrsamkcil angestaunt wurde; der seit den Zeiten von Mütis verödete Lehrsaal im Colejio del Kosario fiillte sich mit Schiüern. Besonderes Interesse bewahrte Ca'ldas der Meteorologien, welchen- er mehr und mehr einen ])raktischen Charaktci- zu geben suchte, sowohl bei den eigenen Arbeiten, als auch bei den Be- strebungen Dritter, die in Cartajena, in Alegria uii7 verwandte ich einige Wochen darauf, alle Eclipsen des Mondes, wie der — 208 — Trabanten des Jupiters, die ich während meiner Reise in der Provinz Qinto beobachtet hatte, zu l»erechnen, damit ich die geog"ra})hische Länge jener Hauptstadt richtig bestimmen könne: die Basis aller ])ishe]'igen j\Iessungen im Siiden dieses Landes. In meiner Sammlung astronomischer Beoljachtuugen wird eine eigene Denkschrift ii])er die wirkliche Länge von Quito sich linden, in der ich zu dem Ergel)niss gelange, dass unsere spa- nischen Offiziere der Wahrheit am nächsten gekommen sind. Gleiche Berechnungen habe ich hinsichtlich Cuencas, Lojas m\i\ vieler anderer Orte jener neugranadinischen Provinz gemacht und bedarf jetzt nur noch des Schutzes eines aufgeklärten Herrschers, um meine geographischen Pläne zum Abschluss und das herrliche Gebäude einer Landeskarte zur Vollendung zu bringen." „Li zweiter Linie steht die „Chinchonographie oder die Geo- graphie der Kina-Bäume", zusammengestellt nach Untersuchungen der Jahre 1800 bis jetzt. Keine Nomenclatur, keine kleinliche Beschreibung,- sondern ein für Handel, Ackei-bau und Medizin brauchbares Werk, das nicht so sehr die Kinabäume als solche l)etrachtet, sondern mit Rücksicht auf die Gürtel, in denen sie wachsen, auf den Flächenraum, den sie einnehmen, auf die Grenzen ihrer Breite, so zu sagen die Tropen ihrer verschiedenen Arten, ihre Temperatur, ihre verticale Zone, deren unteren und oberen Rand u. s. w. Dies weitgreifende und schwierige Werk soll eine Reihe von Problemen lösen; z. B. ist der Fundort be- kannt, wird die Kina-Art bezeichnet, welche dort wächst; oder ist ein Ort der Anden angegeben, wird gesagt, ol) dort Kina-Bäume vorkommen können, oder ol) die dortige Rinde für die Verwen- dung taugt und dergleichen mehr. Es lassen sich sehr viele Gesichtspunkte, die für die Volkswirthschaft und Gesundheits- pflege äusserst wichtig sind, hinzufügen. So wird sich z. B. eine eingehende und methodische Allhandlung finden, welche die Frage betrifft, oIj unsere orangefarbige Kina mit der feinen von Loja, die bisher der König erhielt, identisch sei oder nicht. Meine Arbeit, rein geographisch, beruht auf astronomischen Beobach- tungen, Landesaufnahmen, geometrischen und barometi-ischen Messungen; sie gehört mir ganz zu eigmi, denn meine Ideen theilte ich an Mütis mit; ich hatte die Freude, sie vollständig gebilligt zu sehen und die Weisung zu erhalten, dass die Profile und die geographischen Pläne ausgearbeitet werden sollten. Als — 209 — Müti? mir die letzte Hiilfe angedeilien lasfien wollte, als er für mich eine Forschungsreise nach dem Quindiu-Geljirge einrichten wollte, die zur Vervollständigung ilieser geogi'aphischen Aibeit so wichtig werden konnte, ward er von der letzten Krankheit ergriflen. Die angefangenen Arbeiten wurden nicht fortgesetzt, die Zeichnungen aufgescholien; jetzt hoft'e ich lievollmächtigt zu werden, die Reise nach den Quindiu-AnckMi zu machen, die einen Monat, höchstens zwei, dauern wird: eine füi- die Kina-Geographie, luv die Beschreibung des Königreiches, ja für Yolkswirthschaft und Ackerl)au wichtige Expedition." „Dnttens beschäftigt mich eine Phytographie oder Geographie dei- Aeqnatoi- - Pflanzen, verglichen mit den Vegetal - Erzeug- nissen aller Zonen und der ganzen Welt, zusanmiengestellt nach Messungen und Heo)»achtungen, die in der Gegend des Aequators seit 18(X> vorgenommen sind. Diese nach grossem Maassstal)e angelegte Arbeit enthält drei Haupttheile: erstlich die ^ledicinal- PHanzen oder die medicinische Geographie der Gewächse, dann die für Kunst und Gewerbe niitzlichen, sowie die zu unserer Erhaltung dienlichen Pflanzen oder die wirthschaftliche Geographie der Gewächse, endlich die noch nicht als nützlich erkannten Produkte oder allgemeine Geographie der Pflanzenwelt. Diesen drei Abschnitten geht als Einleitung eine Abhandlung über die grossen Erderscheinungen vorauf, ül)er die Grenze des ewigen Schnees, das Aufhören des Pflanzenwuchses, die Einflüsse der Temperatur und der Elektricität, sowie vieles Andere, was auf die allgemeine Kenntniss der Vegetation unseres Planeten Bezug hat. Diese Arbeit machte in den letzten Monaten erhebliche Fortschi-itte, obwohl ich gern gestehe, dass sie noch nicht fertig ist und namentlich auf die Quindiu-Reise wartet, um ihren Ali- schluss zu Hnden. Eine Beilage dieser Schrift bildet die l)otanische Karte des Königreiches, auf ihr werden da, wo sonst nur Ort- schaften, Dörfei-, Städte, Ströme, Hügel und Bäche sich Hnden. auch die I*flanzen sich zeigen; ausser den einfachen Ortsangal)en liefere ich Gebirgsdurchschnitte von 4"" 30' südlicher bis 4^ IJO' nördlicher Bj-eite; annehmend, dass das Aug«? des Beobachters viele Milien nach Westen von einer grossen Gebii'gskette entfernt sei, halte ich meine Bilder nach Osten hin üiiei- einem Xebelgrund dargestellt; da erkennt man die Physiognomie der höhei-en Punkte, Scliamacber, SUdainerik. Studien. jd — 210 — eielit Ortscbaften , Städte, Tliäler und findet auch die Pflanzen, je nach der Höhe, in der sie wachsen. Achtzehn grosse JJlätter enthalten solche Profile, die genau den astronomischen, trigono- metrischen und Itarometrischen Ermittelungen angepasst sind; jedes Profil giebt die Topogi'aphie eines Stiickes der Anden wieder, dergestalt, dass die Zusammenstellung dieser Bilder einer aus der Vogelpers])ektive dargestellten Karte der Aecpiatorial- Anden gleichkommen wird. Als Mütis stai-b, waren kaum zehn dieser Profile vollendet; jetzt erhofte ich von dem Schutze der viceköniglichen Regierung den Befehl, die angefangene Arbeit zu Ende zu fiihren." „Dies sind die Pläne, nach denen ich arl)eite. Hier gehen meine Tage noch im Schoosse des Friedens hin, während ich mich den grossesten, dem Menschen nützlichsten und zugleich unschuldigsten Gegenständen widme. In den letzten vier Monaten habe ich die astronomischen Refractionen an Höhe und Breite unserer Sternwarte studirt; ein Element, das bekanntlich in der Astronomie die Hauptsache bildet; daher muss ich über dasselbe eine eigene Abhandlung liefern.'^ „Das reiche Herbarium aus dem südlichen Theile des König- reichs, eine Sammlung, welche der Regierung so viel Geld, mir so viel Mühe, so lange Reisen, ja die Gesundheit gekostet hat, wird untergehen, sofern nicht der Yicekönig rechtzeitig den th'ohenden Verfall al) wendet; die getrockneten Pflanzen, leicht zerstörbare Dinge und Leckerbissen für Würmer, verderben mit jedem Tage mehr. Das einzige Mittel , die angesammelten Kenntnisse zu bewahren, ist die Abbildung; ich beanspruche keineswegs, dass mein Werk mit solcher Pracht ausgestattet werde, wie die Flora Bogotana; ihre Grossartigkeit, wenn es zu sagen erlaubt ist, ihr literarischer Luxus, nutzt wenig und ver- zögert in Wirklichkeit nur den Fortschritt der Wissenschaft. Kleine Blätter, einfach getuscht, ohne Miniaturen und bloss in Schwarz ausgeführt, würden für meine Forschungen genügen. Mit einem einzigen Maler, der dieser Aufgabe sich widmete, könnte ich in einigen Monaten die Früchte umfangreichen Studiums sicherstellen; Lozano hat jetzt für die zoologische Abtheilung einen Maler erhalten, ol)wohl sein Arbeitsfeld nicht im geringsten dieselben A'ortheile verspricht, wie eine Flora Qüitonensis. A"on dieser sah Mütis nur siebenundzwanzig Pflanzen; — 211 — alle waren ilim uubekaiml iiiul neu, so dass er sie in seine Flora aufnehmen wollte." Der nächste Trimester-lJericht von Caldas l)ekundet, dass ihm mancher kleine Wunsch erfüllt wurde. Am 1. November ISO*.) zeigt er an. dass die astronomischen Beobachtungen fort- gesetzt sind, soweit es die Regenschauer gestattet haben; er iiberreicht den ersten AI »schnitt seiner Denkschrift über die astronomischen Refractionen von Bogota, dem noch zwei andere folgen werden, und widnu't diese Schrift dem Vicekönige, „dem Beschützei- der Astronomie in Amerika": ausserdem wiederholt er di<' Nothwendigkeit einer Reise ins Quindiu-Gebirge mit der Bemerkung, dass zur Zeit wohl die Schläge, die Napoleon's Tyrannei daheim dem spanischen Reiche versetzt hätten, grössere Ausgaben verbieten würden. Neun der Anden-Prolile sind dui-ch einen der jüngeren Künstler vollendet; aber das Malen der Flora Qnitonensis hat noch nicht begonnen, weil der Vorsteher der botanischen Abtheilung erst befragt werden sollte. „Ich machte die Reschreibungen", so hel)t Ca'ldas hervor, „in den Wäldern von Quito, zeichnete die Pflanzen, sah sie lebend an ihren Standorten, zergliederte sie; Niemand ausser mir kennt das Herbarium von Quito." Caldas hofl"t noch im Laufe des Monats tlem Vicekönige die erste Decade der 1802 l>is 1805 von ihm gesammelten Aequatorial-Pflanzen überreichen zu können. Die Form dieser Berichte lässt im Einzelnen deutlich ei-sehen, dass auch eigenartig und selbstständig gebildete Creolen vor dem A'erti'eter der spanischen Krone sich beugten und von der liöf- lichkcMt sogar zur Schmeichelei ül »ergingen. Mit dem letzterwähnten Caldas'schen Berichte ist einer von Rizo gleichzeitig, der den ruhigen Fortgang der Malerarbeiten liespricht. Rizo sagt am '29. Octol)er 1809, während des letzten Trimesters seien '29 farblose und 12 farbige Bilder vollendet; IT) (Um- ersten und eines der zweiten Ai-t l>etanden sich in Ailieit; in 19 Tafeln seien die Zergliedei'ungen eingetragen; die Bikler für Sinforoso's Quinologie lägen seit vier Monaten vollen(hit voi'. Jetzt schien einer der besten Wünsche von Zea und Ca'ldas, die Begründung eines chemischen Lal »Oratoriums, sich verwirk- lichen zu sollen. Jose Maria Cabal kehrte nämlich aus Europa zurück , nachdem er dort nicht zwei , sondern neun Jahie laug auf Kosten seines Oheims Miguel den Naturwissenschaften ol»- 14* — 212 — gelegen hatte. Er ])rachte grosse Bücberscbätze mit; ausserdem für den in Bogota geplanten botanischen Garten einige wichtige asiatische Pflanzen. „Die Chemie ist", ruft Caldas aus, „für die Naturforschung zur ersten Nothwendigkeit geworden; unser Land ist voll von metallreichen Lagern, voll von den interessantesten Erzeugnissen des Pflanzenreichs, von fast allen Schätzen der Erde; wir könnten das erste Volk von Amerika sein, wenn wir den Werth dieser Reich thümer zu unterscheiden wüssten, wenn wir die Vortheile einsähen', die wir aus den reichen Gaben zu ziehen vermögen. Umgeben von Smaragden und Amethysten, von Quecksilber und Piatina, von Eisen, Kupfer und Blei, auf Gold und Silber tretend, im Schoosse des Reichthums sind wii- arm, weil wir unsere Güter nicht kennen, Cabal wird nun seine Analysen beginnen und unsei- Erdreich untersuchen; man schicke Muster von Erzen, Steinen, Erden nach Bogota, da sollen sie von ihm chemisch bearbeitet werden; unsere Wochenschrift wird die Resultate veröffent- lichen; die Materialien sollen, systematisch geordnet, ein eigenes Museum bilden, in welcTiem die Jugend studiren kann." Unterm 25. Februar 1810 schreibt Oaldas über Sinforoso Mütis: dieser habe den Absichten seines Oheims und den Ei"war- tungen der Regierung vollständig entsprochen; jetzt sei Aussicht vorhanden, dass die Yeröfifentlichung der Flora Bogotana baldigst beginnen könne; dem Drucke ständen freilich die Menge der Pflanzen-Individuen, die Grösse des Herbariums, der Umfang der ungeordneten handschriftlichen Aufzeichnungen, der Mangel der jüngsten Ijotanischen Schriften noch immer als Schwierigkeiten entgegen, allein man müsse jetzt mit der classischeu, von allen Gelehrten gewünschten Arbeit vorangehen. Die Verzögerung im Erscheinen der Flora Bogotana sei l^ereits verderl)lich geworden, denn einen Theil ihrer Reichthümer hätten die Flora -Werke von Peru und Mejico sich angeeignet, wie auch die Schriften von Jacquin, Nee, Haenke, Humboldt und Anderen; Entdeckungen, die dem Mütis'schen Unternehmen angehörten, seien in fremde Hände gekommen und bei der Veröfl'entlichung oft durch Leicht- fertigkeit oder Uebertreibung entstellt. „So soll denn der Pro- dromus Florae Bogotanae rasch erscheinen, um die Arten fest- zustellen, die Mütis mit so unsäglicher Standhaftigkeit auffand, und um den Raul)zügen der Fremden in das Gebiet unserer — 213 — Landes-Flora eine Scluaiikc zu setzen. Auch die .Saniuiluiig, welche ich au.s Quito niitgel »rächt hal»e, soll nach der neuesten Weisung des Vicekönigs durch die Kiinstler der Expedition ge- malt und dann durch mich veröffentlicht werden; dabei werde ich dem Beispiele von Sinforoso ^^^itis Iblgen, so lange dasselbe als nachahmenswerth erscheint." Am 9. März li^lO iil>erreichte Caldas dem Vicekönige das erste Heft seiner „Denkschriften", wi^lche, etwa nionatlicli ei- scheinend, die Fortsetzung der linanziell nicht mehr haltltaren Wochenschrift liilden sollten. ^^) Wer nichts als diese ruhigen und stetigen Arbeiten sah, konnte glaul)en, dass das Volk in den alten Geleisen weiter lel)e, wenngleich nicht mehr in der früheren Lässigkeit, vielmehr angeregter und weiter strebend, al>er doch in dem gewohnten Stillleben des Colonialwesens, In Wirklichkeit war die Ruhe längst dahin. Als am 11. Oecember 1809 in i>ogota' die Sonnenscheibe ohne Strahlen, ohne Feuerglanz gesehen und Gleiches mit ängst- lichen Worten aus Pasto, Popayan, Neiva, Tunja, Santamai'ta und anderen Orten gemeldet war: da hatte diese Natur-Erschei- nung, mit deren Lösung Ca'ldas eifrigst sich l>eschäftigte , in der Masse des Volkes die Bedeutung eines A'orzeichens vom Heran- nahen aufgeregter neuer Zeit, einer Zeit schweren und blutigen Ringens. 6. Politisches Leben und Streben. Am 25. Mai 1810 laiidotcii in Cartajona de Indias Antonio Villavicencio und Carlos Montüfar, numl)oldt's früherer Reise- genosse; sie kamen von Spanien als Abgesandte der neuen, in König Fei'uando's Namen zusammengetretenen Regentschaft, welche, um den Widerstand gegen die französische Fremdherrschaft schärfer zu organisiren, die frühere National-Regierung al)gelöst hatte. Letztere hatte freilich beschlossen, amerikanischen Abgeordneten Sitz und Stimme in ihrer Mitte einzuräumen, aber aus dem Be- schlüsse war wenig geworden; der Abgeordnete für Neu-Granada, Mai-schall Antonio Narvaez zu Cartajena, war nicht einmal nach Europa abgereist. Nun hatte die in Cadix residirende Regent- schaft in den von ihr berufenen Cortes 26 Plätze für amerika- nische Abgeordnete offen gelassen und dal)ei liestimmt, dass vorläufig, weil jenseits des Meeres die Yertreterwahlen nicht schnell genug zu vollziehen wären, Ersatz-Deputirte aus den in Europa sich aufhaltenden Colonialen genommen werden sollten; dazu waren für Neu-Granada Domingo Caicedo Sanz de Santa- maria aus Bogota und Jose Mejia aus Quito ersehen. Jene beiden Allgeordneten der spanischen Regentschaft sollten nun das Weitere in Amerika sell)st veranlassen; sie erwarteten lebhafte ])atriotische Erregung und fanden sie auch, aber die Bewegung der Gemüther trug dort ein ganz anderes Wesen, als in Spanien vorausgesetzt wurde. Wohin sie sahen, stand das gesammte Creolentlmm, mit Ausnahme eines Theiles der Geist- lichkeit, im schärfsten Widerspruche gegen alle europäischen Regierungsleute; die Autorität der i'iber das ISloev gekommenen Beamten war mit dem Niml>us ihrer königlichen Einsetzung — 215 — claliiiigogaugi'ii; dif iM'hoidcn tl«'s NfuMorlaiKlcs liaiidi'Ucii. anstatt den alten Gegensatz nHiglichsl /u vciwiischeii. Itci jeder (Jelegen- heit, als ständen sie in I'ciudes-Land. Schon gleich nach dei- Aliroise jenes Fn'gaften-('a|iitaiiis Lhnciite hatte der \'icekönig von Santale ^faassi-egehi getrollen, welche die Masse eiltitteilen; Landeskindei-, welche höhere Regiei'ungsäniter Itekleideteii, waren in der Ilauptstadt wie in den Provinzen ahgesetzt worden; Antonio Nariüo war nach C'arlajena geschallt, damit er in (h^- engeren Ileiniath nicht schaden könne. Auf Rulieitson's Werk über die Geschichte Amerikas hatte man gelahiidet, dem Con- sulat von Cartajena war jed(^ Einfuhr von Drucksachen unter- sagt. lV)li/.ei wie Passcontrole wurden aufs Härteste gehandhald. Auf eine in Quito ausgebrocheiie Volksoi'hehung, an welcher Männer wie Moiiliifar's Vater sieli Itetheiligt hatten, war iiacli w'enigen Monaten von den Sjtaniei'n und Spanischgesinnten nut FJlut und Eisen geantwortet worden. Villavicencio und Montiifar trafen sofort I»ei ihrer Ankunft am neugranadinischen Gestade iil)erall auf den Gedanken, es sei nach dem Vorhilde des Mutterlandes auch in jedem der ameri- kanischen Reiche S])anisch(M' Krone eine eigene Regieiungs1>ehörde einzusetzen. Sie ei-hielten in Cartajena nicht bloss die Nach- richt, dass bereits am IJ). April in Caracas diese Form einer Selbstregiei'ung im Namen des Königs kurzei- Hand versucht worden sei, sie sahen aji Ort und Stelle sellist das Ergelmiss einer ähnlichen Bewegung, einer gegen die Alleingewalt des Gouverneurs Francisco Montes gerichteten Kundgebung des Volks- willens, indem zwei vom Stadtrath erwählte Personen dem Gou- vei-neur zui' Seite gestellt waren. Nach der Bestätigung dieses Regierungs-Ausschusses schifl'te Villavicencio auf dem Magdalena- Strome sich ein, während Montüfar nach Quito eilte, um den üebergrift'en der Spanier, unter denen auch sein A'ater litt, im Namen der Regentschaft aufs Energischste entgegenzutreten. In Bogota war der Stadtrath zum Mitteli»unkt der neuen Bewegung geworden. Der vertrauensselige, abei- handlungsunfähig(^ Vicekönig stand den lebhaftem Verhandlungen dieser Körper- .schaft so fern, als winden \on ihnen (b'e Interessen, die er zu wahr;(' Regierungen; in dei- Hauptstadt hul- digten den neuen Gewalten die Spitzen der alten Behörden, namentlich aucli der Stadtcommandant Juan S;i'mano; dort gehörte zu den Mitgliedern der neuen Regierung Sinlbroso Miitis, welcher auch schon unter den Vertrauensmännern d(is Stadtrathes gewesen war und alsl)al(l in die Al)theilung fiir Polizei und innere Ver- waltung eintrat. P]r erliess mit seinen beiden Collegen am 29. Juli den an alle Provinzen Neu-Granadas sich wendenden Aufruf zur Beschickung von constituirenden Cortes, die in der Hauptstac^t des Vicekönigreichs Santaf(= zusammenti-eten sollten, um iil)ei- die l)este provisorische Regicrungsform zu beschliessen, wobei nunmehr das Princip der Volkssouveränität stärker und stärker lietont wurde. Der Neffe des alten Kronbotanicus erschien den Vertretern der immer mehr vorschreitenden demokratischen Strömung nicht als vollständig sicher; deshalb erklärte Cäldas fiir ihn, hinweisend auf die Vorgänge von 1794 und auf die Haft in Euroi)a: „man habe vielleicht geglaul)t, dass Sinforoso durch die Mitgliedschaft im botanischen Hause an die alte Verfassung gebunden werde; allein es sei nicht so leicht , Ueberzengungen auszurotten, namentlich nicht, wenn sie aus Herz und Verstand zugleich stammten; er, Cäldas, bezeuge, dass der Amerikaner Mütis sich entschlossen habe, der Freiheit seines Vaterlandes alle Opfer darzul »ringen, selbst die grössten." Diese seltsame Erklärung findet sich in dem Amtsldatte der neuen Regierung, dessen Redacteur Cäldas selber war. '"'^) Er entwickelte für diese dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung eine pul)licistische Thätigkeit, welche ganz vergessen liess, dass ein Naturforscher, welcher kürzlich zum Besten seiner unterstützungsbedürftigen Interessen noch höfisch schmeicheln konnte, der Verfasser der liegeisterten und ))egeisternden Artikel war. „Wir dürfen von Freiheit und Unal)hängigkeit reden", so endet das mit zündendem l'athos ge- schriebene Vorwort vom 27. August; „gestern noch waren dies verbotene Früchte?, heute sind sie Trost und (Jlück. Aber was ist Freiheit? Wir sind Sclaven des Gesetzes, damit wir frei seien! Unsere Völker, l)isher von Bajonetten und Kanonen bedroht, — 219 — athiucii jetzt auf untci- oinoi- iniUl(Mi Regierung, die sie selber eingesetzt halten, damit Handel, Aekerliau inid Kunst gedeihe, damit Wohlfahrt und Friede die (irundlagcii unseres n(>uen Lebens seien, auf das> Fernando VII., wenn er eines Tages unsere Heimath Ix'tritt, uns als ein A'olk tüchtiger, gliieklichcr, seiner würtlige Menschen linde." Hi'ickMickend anl' die i^ewegung vom '2i). Juli schrinlit Ca'ldas: „Hie Moi'genröthe des 21. sah die oberste Regierungsbehöi'de Neu - Granadas eingesetzt, sah sie aneikannt vom Volke, das sie geschaffen hatte, von der CJeist- lichkeit, von den religiösen Genossenschaften, von den Trupjtcn, von den Gerichtsbehörden. Der Stolz der fremden Rathe, dieser viM-hassten Satrai>en. war zum ersten Male gebrochen; der seit dreihundei't Jahren gebietende Stand nuisste das Knie beugen, musste Unterwiirfigkeit und Gehorsam einer Behörde schwören, welche aus den noch vor Kuizem so verachteten Ameiikanern zusammengesetzt war. Grosser Gott! Wie (U'kennen wir geniigend diese Wohlthaten Deiner Güte an! Hu hast uns errettet aus der Hand unserer Widersacher, rette uns jetzt vor unseren Leiden- schaften! Flösse uns Mild(> ein, Menschliclikeit, Mässigung, Gradheit, alle 'I'ugenden! Beruhige unsere Genditht.'r, einige die Provinzen, bilde ein neugranadinisches Reich, in welchem wir Hich anbeten können, Hein Lob verkünden und Hir das Opfer unserer Herzen daibringen." Viele der feurigsten Aufsätze des neuen Amtsblattes, nament- lich die, welche die A'olksbewegung idealisiren, sind aus der Feder von Galdas; sein Bericht über die Rlutthaten, welche die spanische Soldateska in Quito verübt hatte, ergrift" die Menschen duich (lerechtigkeit gegen Unbetheiligte, wie durch heissen (irimm gegen die Gewalthabei-. Has ])olitische Treiben, namentlich die Verfassungsfrage,"") ltracht(> die wissenschaftliche Arbeit zum Stillstand. Caldas ging freilich idcht sofort in der immer heftiger weidenden Gährung unter, welche andere Mitglieder des liotanischen Hauses wider- standslos ergrifl", z. B. Carl)onell; seine Henkschriften erschienen noch, wenngleich höchst unregelmässig, weil Alles ans den Fugen war. Diaohtun<2:en so veröffiMitliclKMi zu können, wie er dein Vicekönige noch kürzlicli versi)rocheii hatte, gal) er damals Auftrag, in Nord-Amerika eine Diuckjtresse zu kaufen. Wegen (h'r Zukunft wai- Ca'hlas so ruhig, dass er in dem verhängnissvolh'u Jahre sich verheii'athete und zwai' aul" d'w seltsame Weise, ilass er einem Jugendfreunde in Popayan sehrieli. er möchte ilini dort eine P"'rau aussuchen. Agostin Barauna empfahl seine Nichte Maiia Manuehi. Iteschrieli sie iliui mit allei- Umständlichkeit, und Caldas nahm (h'n Vorschlag an, indem er dem erprollten Freunde und "Wrwandten Antonio Ai-holeda \o\\- macht zui- Trauinig sandte. In seinem damaligen Denken durchkreuzten Politik und Wissenschaft «'inandei- unaufhörlich. „Dreissig Jahre sind ver- flossen, seitih'm das mysteriöse, vertrauensl»aai'e Madrider Cabinet sein bisher gegen die amerikanischen Besitzungen beobachtetes, scheues A^erfahi-en vollständig üriderte. 01)Wohl es Baynal's Schriften verliot, liess es doch zu, dass das Werk von Molina übersetzt und gedruckt wurde; eine Zeitschrift, wie der „Mercurio Peruauo", liestand unbehindert; Eslaba dui-fte seinen „Viajero Universal" veröftentlichen, wenngleich dai'in vielfach Beigl)au und Handel, Einkiinfte der Colouie und dergleichen besprochen wurden. Damit nicht zufrieden, verstieg sich der .spanische Hof soweit, dass er prahlte, der Welt die bisherigen Geheimnisse seiner Herrschaft enthüllen zu wollen. Geschwader wui-den aus- gerüstet, um die Küsten der ungeheuren Reiche zu untersuchen, und die "Resultate der Beobachtungen ohne Rückhalt der Oetlent- lichkeit übergelien; man vergass ganz die Eifersucht gegen die Fremdlinge, öffnete die Lande dei" Wissbegier von Reisenden, welche die Geographie aufklaren und die politisch-wirthschaft- lichen Verhältnisse erforschen wollten. So kam zu uns Alexander von Humboldt, der in der Gelehrtenwelt wohlbekannte preussische Baron, dev jetzt wiedei- ein inhaltreiches Werk veröffentlicht hat. Er berichtet, wie in allen Hauptstädten Amerikas der Sinn für die Wissenschaft sich gehoben habe; in Lima und Quito, in Bogota und Mejico zeige die Jugend Lust zu lernen und Kraft sich weiter zu bilden: das iiicht dc:^ (Jeistes sei vom Des})otismus nicht verdunkelt worden. In der 'J'hat hat die spanische Regierung umsonst den A'ersuch gemacht, die reissenden Fortschritte der südamerikanischen Talente zu unterdrücken; umsonst hat man — 222 — bei uns don Unterricht im öffentlichen Recht als unnütz aufo-e- hoben; umsonst hat Yicekönig ^}speleta im Biindniss mit einem sonst der P]hre so würdigen Prälaten es gestattet, dass die All)ernheiten dei- Peripathetiker wieder an die Stelle von Physik und Mathematik gesetzt wurden; umsonst hat man der hier be- stehenden ^Gesellschaft der Freunde" Hindernisse l)ereitet und in Quito die „Schule zur Eintracht" aufgelöst; umsonst beseitigte man die öffentlichen Lehrstühle» der Rechtswissenschaft in Popayan, schlug die vorwärts strebenden Jünglinge in Eisen und verbot jedes politische Buch; umsonst wollte Spanien durch Unbildung in Unterthänigkeit halten. Unser Unterricht war beschränkt auf die Anfangsgründe der christlichen Lehre, auf grobe Moral 'und scholastische Thorheiten, al)er jedes Regiei-ungsverbot erregte die Geister um so mehr. Die Sorgfalt, mit der die Eltern ül)er der Erziehung ihrer Kinder wachten, stieg; wenn der Nachwuchs in den Schulen nicht mehr lernte , als was zum Vergessen gut war: dann studirte er dafür zu Hause oder im Freundeskreise Physik und Mathematik; man las Redner, Dichter und selbst Staatsmänner; das Studium zeigte die Heral)setzung, in welcher das Volk durch eine lichtscheue, dem Fortschritt feindliche Regierung gehalten wurde. Unsere heutige Aufklärung ist das Werk privater Bestrebungen, das Ergebniss der Arbeit von Einzelnen." „Wenngleich in den letzten fünfundzwanzig Jahren die prak- tischen Wissenschaften manchen Fortschritt gel »rächt haben, müssen wir doch zugeljen, noch sehr weit zurück zu sein. Wir hoffen auf eine Neugestaltung des öffentlichen Untemchts, auf die freie Entwicklung der Presse, die staatsseitige Unterstützung der wissenschaftlichen Listitute, auf Reformen, welche uns in die Lage bringen, das stolze Spanien nicht beneiden zu brauchen und selber Forschungen vornehmen zu können, wie sie Humboldt hinsichtlich ]\[ejicos angestellt hat." „Die schwerste Last, unter der Amerika während des spa- nischen Joches leiden musste, war das A>,rbot des freien Ver- kehrs mit allen Völkern. Wusste Spanien von der Faulheit und Unkenntniss seiner heimischen Fabrikanten? Welch ein Recht besass diese ohne Hülfsmittel, ohne hidustrie, ohne Maschinen, ohne Wissenschaft dastehende Nation, den Alleiiihaiulel mit unserem Amerika sich anzumaasseu? Spanien war das letzte — 223 — Land dor Welt, welchos solch ein A'orroeht in Ansprucli ncliinen durfto." «Iluiiilioldts AVoik ist voll von wichtiucn Aimaltcii. So weist PS darauf hin. (hiss Aninika roichor an C^ucrksiilici- sei, als man «^«'dacht hal»(\ Tns ist dies Mineral ja nncnthchilich Nvetfcn der Mctalisdicidunii-; Mütis hatte Proltcn ans oincni dicht ln'i ihairni' Ift'logcncn Zinnoliorlagcr: ich hcsitzo Muster \(in einer in der Provinz Antiotiuia lielindlichen Stcdle gh'icher Ait. Ilnm- l)()ldt sagt ferner, das Gesunde od(!r Ung(^>:anisirten, der Selbstregiorung noch nicht gewohnten, zusammen- hangshisen Laiuh» regte sich Particnlarismus, ilci- diucli i(li mit (h-r Zahhinu" zn lieauft ragen; jetzt ersuehc iih Dich, diese Midie zu iiliernehnien, indem ieh Dil- die [)iuckerei verpiande." Caldas war kein Mann (h'r S()i-<>:en. Kr hatte die von l)0egann der immer rege Mann damit, Reisebriefe zu schreiben, welche in der neuen Zeitung ei-scheinen sollten, die seine Druckerei herzustellen liestimmt Avar.'o^) Der erst»' Iveisebrief datirt von Tunja, 28. März 1S12, und handelt iil)er die Fahrt von IJogota nach jenem Orte, die Ca'ldas mit dem Degen an dei- Seite und dem JJarometer in der Hand zuriickgelegt hatte. Er maass bei jedem wichtigen Orte die Höhe über dem ^leeresspiegel und die Entfernung von seiner Stern- warte. „Unser Weg ist unglauldich schlecht und ohne alle Sach- kenntniss angelegt; es ist wahrscheinlich noch derselbe, welchen die lläujitlinge der Chiochas in den Zeiten der Barbarei benutzten. Unsere früheren Satrapen kümmerten sich wenig um Verbesserung der A'erkehrsanstalten oder um Förderung des Handels; sie hielten uns lediglich in Rohheit und Unterjochung. Zunächst geht es auf der Hochebene weiter, die unzweifelhaft früher ein Seeboden gewesen ist; Suba, die beiden Tibitö und alle in ihrer ^Mitte vor- handenen Höhen waren Inseln zum Wohnen für Menschen oder für Wasservögel. Dann führt der Weg durch das historisch denkwürdige Gebiet, in welchem die benachltarten Gebieter dieser Gegenden, dei- von Tunja und der von Bogota, einander die Ent- scheidungsschlacht lieferten. Die Anden von Tunja sind, wie die von Bogota', nur niedrig; es ist nicht richtig, dass auf dem Albarracin-Gebirge ewiger Schnee liegt. Die nur durch Hundiohlt berühmt gewordene Chingasa-Kui>pe ist bis oben mit l'liaiizen bedeckt. Die Vegetation unserer Reiseroute war l>isher diesellie wie in Bogota': sie enthält Alles, was Miitis füi- seine Bogotaer — 232 — Flora vorfand, aber die Dürre hinderte mich am Sammeln. Das Schlussergebniss meiner astronomischen Beoliachtungen enthält mein nächster Brief; ich l)in jetzt l)eschäftigt, die geographische Breite von Tnnja festzustellen, was bisher noch nicht geschehen ist, wenngleich Cabi'ier und Talledo hier waren." „Heute beginne ich", so schreibt Cäldas l)ald darauf, „einen zweiten Reisel)rief, der würdig wäre der friedlichen und wohl- anständigen Periode des Hirtendichters Mena und des Verfassers der Tragicomödie Bradomonte; er wird sehr zahm werden. OIj- wohl wir in aufgestörter, herber, friedloser Zeit leben, gedeihen doch bei uns die Schriften und die Schriftgelehrten. Einst stritt man um die logische Reihenfolge der Schlüsse, disputirte über die Frage, wenn Adam einmal nicht gesündigt hätte? trieb Kurz- weil, ass Küchelchen und Süssigkeiten, trank Chocolade und brachte Serenaden, die nicht von Herzen kamen. Heute ist solch unschuldiges Spiel dahin. Wir haben Krieg, Hass, Verfolgung, Verleumdung, politische Händel; Ihi- ernstgewichtigen Lacedä- monier dürft al)er nie die Ehrenhaftigkeit vergessen, nie Treu und Glauben, nie die Tugenden jener Helden, die in unseren Herzen leben sollen." Cäldas spricht über die Einrichtung der mit der Druckerei zu verl)indenden Buchbinde-Anstalt; er dringt darauf, dass bald die erste Leistimg der neuen Presse das Licht der Welt erl dicke, er i-edet von dem grossen Erdl)el)en, das kürzlich in Me'rida und Caracas viele Tausende getödtet halie. Am 28. April schrei1)t er dann: „Ich arbeite an einem neuen grossen Reisel>riefe , de]- ßeschreilnmg von Tunja, und werde Einiges über Literatur sagen, nicht des Congresses halber, obwohl dieser den letzten in unserem Sturm verbleibenden Anker Itildet. Aber was ist das mit Manuel Pombo? Er, der ehrenhafte Mann, zieht fort, des Landes ver- wiesen, verjagt mit sechs Kindern und einer tugendhaften Gattin? Was ist das mit Jose Maria Castillo? Binnen drei Tagen muss er auf und davon? Verfahren und Urtheil gegen diese verdienst- vollen Männer sind das Werk von Narino. Was schiert den Freiheit! Der wagt mehr als ein Alba, mehr als Mendinueta und Amar zusammen. Leihen wi-r unter einer Verfassung, die dem Bürger Person, Ehre und Eigenthum heiligt? Wer weiss, welch Leid die Uebrigen erwartet! Dieser Krisis ungeachtet stelle ich meine Beobachtungen au; ich mache Berechnungen und Zeich- — 233 — nuiif^cn, woliti.sche Fliitli mich r)iii<::(! sa^cn läü.st, die nicht der Geog^raphic oder Astronomie anj^ehörcn. Thiite dieser Präsident doch, was er wollte, schriebe al»er nicht iiiciii GliU'k in seine Decrete nnd l'roscri])tionen hinein; iiherliesse er mich doch mir selbst und meinem (iewisscin, dass icii ruhiel und ihrer Clerisei; der Gegenschlag blieb nicht aus. Am "iO. Mai 181*2 erklärte sich zu Sogamoso der unter Antonio Baraya stehende Theil der Nanüo'schen Tiiippen für den Congress: zu den geistigen Führemi dieses Soklaten-Aufstandes geholte auch Ciildas. Der Uebertritt des Heeres erschien allge- mein als eine ganz unschuldige Sache; sell)st der gewissenhafte und ernsthafte Caldas sah in diesem Acte, dem ersten Beweise der demoralisirenden Wirkung des Biirg(M-krieges, keine Fahnen- flucht; zwei Tage nachher schriel) er an einen Bogotaer Freund, als wäre nichts Frheldiches vorgefallen. Er erzählte, dass von ihm die geogra]>hische I>reite von Sogamoso, dieser alten Souve- veränin des Landes, gemessen sei. „Souveränität ist ejihemer wie Liebe und Glück, wie Kunst und Wissenschaft; jetzt hat die ehemalige Herrscherstadt nur Koth in den Strassen, Armuth und Elend in den Häusern! Al)er warum bh'ibt Ihr denn stunmi; weshalb schreibt Ihr deim nicht einmal ü])er eine so wichtige Sache wie meine ,Sonnen-I)ruckerei'? Arl)eitet doch dafür, dass aus dieser Anstalt, die meine Mitbürger mir jetzt mit Beschlag belegt haben, etwas recht Gutes hervorgehe, wie z.' B. Tausend und eine Erzählungen, Der Lazarillo, Die zwölf Pairs von Frank- reich, oder andere des Hirten-Zeitalters würdige Schriften." Die Krisis war näher, als Caldas ahnte. Narino ergriff zum zweiten Male die Waffen, indem er Jose Miguel Pey gegen das abgefallene i3araya'sche Corps sandte. Bürgerljlut nnisste fliessen. Baiaya schlug, nachdem er zuerst gegen Norden sich zurück- — 234 — gezogen hatte, in der Nähe von Socorro die Truppen von Narino /Airück; diese hielten jedoch Tunja, so dass am 30. Juli 181*2 zu Santarosa ein Alikommen geschlossen wurde, welches die Ver- ständigung anzu])ahncn schien. Es kam zu allerlei Vei'handlungen; dieser ungeachtet s})rengte jedoch der erste Bürgerkampf in ganz Cundinamarca die Ijcstehenden Verhältnisse. Cäldas schrie!) im August noch einmal nach Bogota, aber in anderem Ton als früher: „Im Lager Baraya's, dem Pey gegenülierstand, las ich mit Schmerzen die Tadelsworte, welche Ihr an mich richtet, weil ich die Sache Neu-Granadas ergriffen habe. Fest in meinen Ent- schliessungen , werde ich den Tyrannen von Cundinamarca stets veral »scheuen, werde immer als freier Mann handeln; die Zärt- lichkeit, mit der ich Gattin und Kinder, Bogota und Freunde liebe, kann weder meine Ansichten noch meine Handlungen verändern. Wohl mag Euer Dictator meine Familie mit Kummer schlagen und drei, vier alte Möltel, die durch literarische Quälereien und nicht durch Unterschlagung von Zehnten erworben sind, mit Beschlag belegen lassen; wohl mag man mich der Instrumente berauben, die ich der Grossmuth Pombo's verdanke; man mag mich auch wie einen Landesverräther behandeln: Nichts wird mich einschüchtern. Ich hal)e geschworen, frei zu sein und frei zu sterben. Privater Hass hat sich gegen mein Hab und Gut gerichtet; auf Antrieb eines jämmerlichen Menschen ist die Druckerei mir weggenommen; das weiss ich und Ijedanre nur, dass Ihr nicht Zeit fandet, die kleine Summe zu ersetzen, die Jener für ihre Herschaflfung ausgelegt hatte; ich werde ihn so l)ald als möglich zufrieden stellen; aber man hörte mich nicht an und behauptete, ich schulde Geld dem Fiscus. An die höchste Behörde der Republik richtete ich eine Vorstellung, eine andere an Baraya, eine dritte an den hiesigen Gouverneur; jetzt wende ich mich auch an den Congress." Etwas später heisst es: „Ich glaube, dass Ihr als getreue Narinisten beschlossen habt, mir nie mehr zu schreiben und mir nicht einmal einen Proliebogen aus meiner Druckpresse zukommen zu lassen; denn bis heute würde ich von ihren Leistungen nichts wissen, hätte ich nicht durch Zufall die zum Manifest des Tyrannen gehörenden L'rkunden gesehen, welche aus meiner Sonnen-Druckerei stammen. Welch Unglück für einen freien Mann, seine Anstalt mit Schriften der Tyrannei debütiren zu sehen. Hal»t Ihr meine Familie verlassen, — 235 — weil ich ein Mann d«'r Freiheit hin? Hat uieiii Oiieini, diesei* Sclave, mein Haus aufs Neue verunglim])t't? Kurz und gut: wenn der Wunsch nach einer wirklichen Landesvertretung, die Liehe zur Union, der Ilass gegen den Centralismus mich Kurer Freundschaft unwinchg machen, so sagt mir das ebenso oflen, wie ich zu Euch rede, ich hin in Tunja und dahin könnt Ihr Euch wenden wegen Eures getreu(>n Freundes Ca'idas." Am V.\ August 1812 legte Nariüo seine Dictatur nieder; alter die Hoft'nung, dass nun im Innern Neu-Granadas Friede einkehren werde, erwies sich als eitel. Schon am 11. September ward Narino als unentbehrlicher Fiihici- durch eine Bogotaer Notal)len- Yersammlung wieder in seine unbegrenzten Machtl)efugnisse ein- gesetzt. Die Hauptstadt erklärte sich bereit, den Forderungen des Congresses mit den Waflen zu begegnen. Ende Noveml)er sandte Nariüo Jose de Leiva gegen Tunja, wo Cäldas bisher das Lager der Congresstruppen befestigt hatte; am 2. December kam es zum erbittertsten Kampfe. Das Nariüo'sche Heer wurde geschlagen und die iimi nach- rückenden Congresstruppen suchten sofort Bogota mit Gewalt zu nehmen. Da bot die Hauptstadt unerwarteter Weise den energischsten Widerstand. Im Kriegsrath der Belagerer Vragte es sich, ob zum Sturm geschritten werden solle. Solchem Angrifi" widerrieth Ca'ldas, an den Nariüo geschriel)en hatte, damit das Schlimmste verhütet werde möge; er that dies als Chef des Ingenieur-Corps, aus technischen Gründen; zugleich aber trat auch gerade ihm das Scheussliche des Bürgerkrieges vor die Seele. In der Stadt leliten Weib und Kind; auf der Plattform seiner geliebten Sternwarte stand sein Schüler Dominguez nebst anderen Freunden, mit seinen Fernröhren die Operationen der Belagerer zu überwachen. Trotz aller Gegenvorstellungen kam (\s am 9. Januar 1813 zum Sturm, die Congresstruppen wurden von den Bogota'ern so vollständig geschlagen, dass sie ohne Verzug sich auflösten. Auch Caldas floh, nicht weil der Sieger ihm Freiheit oder Leben bedrohte — Nariüo verfuhr verständig — , vielmehr weil sein ideal angelegtes Wesen mit diesem sell)stmörderischen Treiben des Brudei-mordes Nichts gemein haben wollte: er nahm sich selber die Verbannung aus dem unionsfeindlichen Cundinamarca und wählte die Bichtung nach seiner Vaterstadt, indem er über — 236 — ]liagu<^ iiaclr Cartajo ging. Nun inaclite er als politischer Flüchtling jene Quiiidiu-Reise, die er kurz vor Beginn d(>r Wirren dem A^icekönige wegen wissenschaftlicher Forschungen so dringend ans Herz gelegt hatte. Aus Cartajo schrieb er am 5. Mai 1813: „Ich halK^ js gleich- nandgen, treu zum Congress haltenden Staates."") Die Stimmung in diesem (ieliirgslande war eine hoch- patriotische. Um Kinheit und Entugie dov i>ew(igung zu sich(n-n, war dort Juan de Corral, den Caldas schon von früherher kannte, zum Dictator erhoben; ihm zur Seite standen zwei andere Freunde von Caldas, Jose Manuel Restrepo und Francisco Antonio Ulloa; der Zukunft sah man mit ernster Zuversicht entgegen. ' Von der gefährlichsten Seite th'ohte dem Antioquia-Lanchi oflenbar keine Gefahr; es war soeben die Xachriclit (üngetroft'en, dass nicht Idoss die Gebiete des Magdalena-Stromes, mit Aus- nahme der Stadt Santamarta, sondern auch die Provinzen Ocaiia, Pamplona und Cücuta von den Sjianiei-n befreit woixlen seien. Dieser Frfolg war dem venezuelanischen Obersten Simon Bolivar'*'^) zu danken, einem noch nicht oOjährigen vornehmen Garaceüer, welcher bisher von den Geschicken seiner lleimath kaum mehr berühi't worden war, als jeder andere Bürger- oder Bauersmann. Nachdem er 1810 auf einer erfolglosen dii)lomatischen Mission in iMigiand gewesen, hatte er in den nächsten Monaten daheim an Fi'ancisco Miramla sich angeschlossen und war aussei- Landes gegangen, als Mitte des voiigen Jahies die Wallen der jungen venezuelanischen Gonföderation deji Spaniern ausgeliefert waren; dann hatte er am 27. August 1812 ndl mehreren N'erwandteu und Freunden in iiaguaira sich eingeschilft und wai- Itald darauf über ('uia(;ao nach Cartajena gelangt. \'ou dort tnupling Caldas die «'rsleu Nachlichten über ihn; — 238 — sie meldeten zugleich den Tod von Josd Ignacio Pomlio. Wurde Caldas durch den Verlust des hochherzigen Freundes tief nieder- geschlagen, so erhol) ihn wieder der Waifenruf jenes 01)ersten Bolivar, eine vom 15. December 181*2 datirende Flugschrift, welche in klangvollen Worten den kiihnen Plan der I3efreiung Venezuelas durch Neu -Granada entwickelte; es war dies ein UnternehuKMi, dessen Vollendung nach jenen ersten im Magdalena- Gebiete erlangten Erfolgen durchfüln-l lar zu sein schien. Jetzt verlieh der Präsident von Neu-Granada das Bürgerrecht dem siegreichen Offizier, von dem wirklich eine Befreiung des Landes sich erwarten Hess, um so mehr, als Vicekönig Benito Perez *^^) unthätig in Panama die Zeit verbrachte. Schien Antioquia auf der Seite des Magdalena-Gebietes durch Bolivar's Vorgehen vor dem Feinde sicher zu sein, so drohte ihm auf der des Cauca-Thales um so grössere Gefahr. Die von da ins Gelnrge führenden Pässe mussten sofort geschützt werden; eine systematische Landesvertheidigung war dort zu errichten. Corral rüstete auch mit grosser Kraft zum Widerstände und dachte sogar, um mehr Soldaten zu erhalten, an die Freigebung der Sclaven. Er machte Caldas unverzüglich zum Ingenieur- Oljersten und beauftragte ihn, gemeinsam mit Liborio Mejia die gefährlichsten der zum Cauca-Thale führenden Gel>irgsübergänge zu befestigen, wofür die Arljeiten sogleich begonnen wurden. Auf dem steilen Berge über dem Bufü - Passe errichtete Caldas ein Fort für elf Geschütze und eine ziemlich erhebliche Truppenmacht; zu Cana, zu Arquia und an zwei anderen Punkten l»aute er ebenfalls fast unzugängige kleine Castelle; er deckte auf dieser ganzen Seite Antioquia vollständig gegen feind- lichen Einfall. Wiederum suchte Caldas, so gut es ging, seine Thätigkeit mit wissenschaftlichen Interessen in Verbindung zu bringen; wie er denn z. B. eine Militärkarte der dortigen Gegend aufnahm. Mit den alten Bogotäer Freunden dauerte der Briefwechsel fort. „Im Bufü-Pass , wo man sonst nur mit Tigern und anderem Gethier Zwiesprach hält, habe ich Euren Brief erhalten", so schreibt er am 28. October 1813, „und hier in Rionegro, nach- dem ich die Wildniss im Rücken habe, will ich ihn beantworten. Ihr nennt mich einen Einsiedler, aber ich lebe inmitten von tausend Schönheiten und tausend Unterhaltungen, die uns viel — 239 — Stoff zu ,u;(^lehrt(Mi B(?si)rocluin«i;(Mi (lai-gcbolcn liättcn. wniii diose nicht in Kiiogszeiteu sclnveigon luüsstoii.'* In Medellin, dem neuen Re^ieninjjssitze, woliin iliiii bald seine Jio^ota'er Fandlie loli^te, liegann Ca'ldas mit ahrr Tncr- miidlielikeil zum" I>(\>n Küsten mid in den Llanos von A^ene- zuela immer stärkere Massen an; Ca'ldas schrieb in grosser Auf- regung über diese Wendung des Waftenglücks, ü])er die Möglich- keit , dass der Feind Antioi^uia umgelien und irgendwo im Be- reiche der östlichen Cordillere, von links und von rechts kommend, tiefer im Innern seine Herrschaft wieder befestigen könne. Unter so drängenden A^erhältnissen musste dem heimischen Zwies})alt ein Ende gemacht werden, es koste, was es wolle. Bolivar und Urdaneta kamen mit ihren kriegsgewohnten Leuten nach Tuiija, wo sie nicht als die Besiegten, sondern als die Befreier betrachtet wurden. Der Itisher machtlose Congress benutzte die Reste dieser Vaterlandsvertheidiger, iiiii durch kurzen Bürgerkrieg die unentliehrliche Hauptstadt zu erlangen, in weV^her jetzt Manuel Alvarez herrschte und Leiva die Milizen befeldigte. liogotu wurde am lö. Dezemlier 1814 von Bolivar mit blanker Waft'e angegriffen. Li der Stadt hausten scnne verwilderten Trui)})en sehr schlimm; der Schädigung unterlagen auch das l)otanische Haus, dessen Schätze so sorgsam gehütet werden mussten, und die Sternwarte, deren Thurm während des Kampfes zuerst Francisco de irniuinaona und iSliguel Tovar innehatten, dann Congresstruppen, gegen welche vom Hauptquartier der Stadtmiliz Kanonenkug(dn mit Erfolg abgefeuert wurden. Bolivar, der Venezuelaner, ward am 15. Dezeml)er zum General-Cai)itän der Vereinigten Provinzen von Neu-Granada ernannt. So brach das Jahr 1815 in Bogota' sehr trübe an. Als dort am 13. Januar die höchsten Unions-Gewalten einzoiren, fiigrte sich ~ 7 CT der hau])tstädtische WiiU'rstand; allein es koclit(i Groll in der Brust eines jeden Bogotaers. Der Congress bescliloss sofort, der Landesvertheidigung all«? anderen Rücksichten zu opfern; sein General-Capitän zog am 24. Januar der Küste zu, um Santa- marta den Spaniern zu entreissen und so der etwaigen Landung europäischer Truppen einen der Stützjuinkte zu entziehen. Die Scliu III uclier, SUdaiuerik. Studien. iß — 242 — Unternohmnno; sclieitevte, da Cartajona sich weigorto, Waflon uud Munitionen (l(3m Unionslicero zu liefern, iiolivar ging am 9. Mai ausser Landes, nachdem er erfahren hatte, dass vor den Küsten Venezuelas der spanische Feldmarschall Falilo ^Morillo *''^) mit übergewaltiger Flotten- und Truytpenmacht erschienen sei. Den merkwürdig unstäten Führer begleitete mancher tüclitige Offizier nach Jamaica, z. IJ. auch Luciano d'p]lhuyar, der, als er wieder heimkehren wollte, bei einem Schiffbruch ertrank. In Bogota Avollte der Präsident der Vereinigten Provinzen von Neu-Granada, um Offiziere zu erziehen, möglichst schnell eine Militärschule im Grossen errichten und Ixu-ief Caldas zur Leitung dieser Anstalt. Dieser brach denn auch sofort mit Frau und Töchtern auf; sein Söhnlein war in Medellin gestorben. In der geliebten Hauptstadt suchte er dann, trotz der Ungunst der Zeiten, den Zwecken des fast schon vergessenen Ijotanischen Hauses wieder zu dienen, ja demselben auch die Aufmerksamkeit von Siuforoso Mütis zuzuwenden und die Sternwarte aufs Neue nutzbar zu machen. Am 15. Noveral^er 1815 veröffentlichte Cri- santo Valenzuela, als neugrauadinischer Staatssecretär für aus- wärtige Angelegenheiten, Folgendes: „Der prachtvolle Atlas von Neu-Granada, in welchem der wohlverdiente Caldas dem Vater- lande die werth volle Frucht seiner geographischen Arbeiten dar- zubringen gedachte, und Maler des botanischen Hauses zur Be- thätigung ihrer Fertigkeiten Gelegenheit finden sollten, ist nicht vollendet worden. Es ist indess die Ünions-Regieruug, welche die ersten Seiten der gi'ossen Arbeit mit Genugthuung gesehen und von der Bedeutung der verdienstvollen Studien sich iiberzeugt hat, gewilltj dies Werk fortzusetzen, wozu der Ingenieur-Oberst Caldas und der Bürger Sinforoso Mütis sich Ijereit erklärt haben. Der Präsident wünscht daher, dass Caldas zunächst eine Karte von Neu-Granada in kleinerem Maassstabe ausarbeite, welche in kürzester Frist für militärische Operationen dienen könne; des- halb hat er befohlen, dass genanntem Caldas die Hochschätzung ausgesprochen werde, mit der von seinen Arbeiten Kenntniss genommen worden ist, sowie dass durch Vermittelung dcu- Pro- vinzial-Regierungen und der öffentlichen Blätter an alle Sach- verständige und Geljildete des Landes die Aufforderung ergehe, die geographischen Notizen, die gedruckten oder handschriftlichen Karten, welche sie besitzen, mittheilen zu wollen; solche Ma- — 243 — torialion wonlfii von den I'ostanstaltcn unoiitgoltlicli hipi'hcr be- Ibnlcrt und ebenso in unl>et?cliädigtein Zustande zuriiekgeliefert." Mit Recht verlangte Caldas immer aufs Neue Militärkarten; al)er sein Malinnif kam viel /u spät. Mit der Militärscliule der lian|ttstadt ging es nur langsam vorwärts; auf der Steiniwarte kam es Iniclistens v.w metcornlogiselien Beobaclitungen; wegen der botaniselien Sanunbiiigcn war ein unliebsamer Streit ausgebroclien, intlem Salvailor Rizo. «ler in< Heer eingetreten war, während seiner Altwesenheit von der Familie Miitis beschuldigt wurde, .\ranuscri|tte gestohlen und ,'5M CKK) J'esos unt(M-schlagen zu hal»en. CähUis konnte ihn nicht vertheidigen, da er den Privatverhält- nissen des alten verstorbenen Professors stets fern geblieben war; ab(»r Kizo hatte nii l^eiva eine Eingabe gerichtet, in der er sich zu rechtfertigen wusste: „Ist das der Dank fiii' die fast dreissig- Jährigen Dienste, welche Sinforoso die Aufgabe sehr leicht ge- macht haben, da er überall meine Arbeiten antraf?" Die An- wesenheit von Caldas sicherte die Sammlungen, soweit sie der Bolivar'schen Pliinderung entgangen waren; von .Tamaica aus schi-ieb Zea, der als JJonajtartist mit den Franzosen Spanien hatte verlassen müssen, so interessirt. als wenn er näühstens h(^imkeln-en werde, um seinen J'osten im Itotanischen Hause wie(hM- einzunehmen; das äusserlich ruhige Leiten in Bogota rief imnuM" noch viele Hoftnnngen wach, so dachte Caldas z. B. da- mals an eine 18*20 in Ausland zu unternehmende Reise und an einen A'erkehr mit eurojtäischen Gelehrten, welcher die Lücken seines Wissens am besten ausfüllen könne, nanuMillich au ciuen Verkehr mit llumltoldt. Die schwere Zeit war Zukunftsträumen nicht freundlich. J(!tzt drangen die Spanier wirklich von allen Seiten in die Nord- gebiete Südamerikas ein; trotz der Bemühungen, geordnetes mili- tärisches Wesen einzuführen, war an einen systematischen AVider- stand gar nicht zu denkiMi. Cai'tajena Idldete noch immer den Schlüssel zum ganzen Lande; geg(Mi diese Festung richteten sich denn auch die hauptsächlichsten Angrifte der Spanier uiul zwar mit grossem Nachdruck; denn die AViedereroberung der abti-ünnigen Colonien bihh'te den festen A^orsatz des Königs Fernando VJL, welcher, nach Spanien zurückgekehrt, die Cortes aufgelöst und sich geweigert hatte, die von ihnen am 18. März IHPi gc^gebene A'erfassung zu Iteschwören; seit seinem Einzug in Madrid, seit IG* ) — 244 — dem verliängiiissvollen 14. Mai l.'-il4 verfolgte dieser Monarcli die fortschrittlich gesinnten Volksvertreter nnansgesetzt und überall: in den Colonien sollte der nnhotmässige Geist erst recht vernichtet werden und zwar mit Feuer und Hehwert. Zur Unter- jochung des nördlichen Siidamerikas ging jene grosse Expedition ab, welche Feldmarschall Pablo Morillo commandirte, der sich einen Friedensstifter nannte. Diesem schwerfällig trotzigen Sol- datenfiihrer, der alle Ziige der Reaction in sich vereinigte, hei nach heldenmüthigem Widerstände Cartajena am 6. Dezember 1815 in die Hände. Schon vor der Uebergabe war eine Flucht der Einwohner bewerkstelligt worden und zwar besonders durch einen französischen Corsareu, Louis Aury,'°^) dessen dreizehn schlecht ausgerüstete Schilfe unter mejicanischer Flagge fuhren. Gleich vielen Hunderten verliess die Wittwe von Pombo mit den Ihrigen die unglückselige Stadt; auch diesen war, wie den meisten Flücht- lingen, ein schreckliches Loos l)ereitet. Die Einschiffung ward gestört; Pombo's älteste Tochter starl) auf einer der Sandbänke den Hungertod; zwei Söhne, Damaso und Seljastian, verloren ebenfalls das Leben, die mitgenommenen Werthsachen wurden geraubt; bloss eines der Kinder, Fernando, entrann dem Verderben. Der Fall von Cartajena erschütterte das ganze weite Land; das blutige Ereigniss lehrte, worauf man sich gefasst zu machen habe; dumpfe Verzweiflung ergriff das noch vor Kurzem so siegesfreudige Volk. Jetzt zogen die wohlgerüsteten Spanier von allen Seiten ins Lmere Neu-Granadas. Eine Abtheilung des Morillo'schen Heeres ging den Magdalena-Strom hinauf und be- setzte von da aus schnell das auf dieser Seite kaum vertheidigte Gebiet von Antioquia; eine andere drang über Cücuta vor und vernichtete den Widerstand der Patrioten am 2. Februar ISIG, beim Pa'ramo von Cachiri, im Cauca-Thale und an Venezuelas Küsten hatte auch der Vormarsch begonnen. Anfang Mai nahten Morillo's Offiziere der Hauptstadt unter dem Versprechen der Amnestie; aber die Häupter des Ijisherigen Staatswesens und die Leiter der Militärverwaltung flohen; unter ihnen war auch Cäldas, der von seinen Freunden gar zu eifrig zur Flucht ange- trieben wurde. Ein Obdach suchend, eilte er zu einem Manne, der ihm erst kürzlich von C*espedes genannt worden war, dem Einsiedler auf dem Tolima-Gel)irge, den man in Bogota, für ein Wesen der Phantasie hielt. Es war jener Jose Ruiz, der — 245 — cliedem einmal /ii Liiiii(''s Füssen «gesessen iiikI mi( M^iitis Natui-- wissenschalten getrielten liatte: ein alt«'r Mann, der seit etwa zwei .lahrzelinten Viehzüchter war iiml seine Hürde nnfein der rJronze des ewiji'en Schnees anrji'cschhiLicn liatte, ein Feind di'v neuen Aera, der nnr noch seinen 'J'hiercii IcIjIc \'(»r Ivnrzeui war er ])lötzlich auf und davon gcjuangen. um die Schaaren der i'ati-ioten /u suchen, sein CJehölte stand leer; seine Rinder ver- wildeiten in den Schluchten des Geltirges; Caldas fand keine Hülfe. I>er Weg nach dem Tolima hatte aber gezeigt, dass weit nnd breit kein Sjjanier zu sehen sei; der Quindiu-Pass wai' ofien und sah bald eine ganze Caravane flüchtiger Bogotaer, welche der fernen Küste zustreV)ten. Nur das Weltmeer konnte i'etten. Die Morillo'sche Expedition war nicht ohne Grund zuerst nach den Laplata-Ländei'u bestimmt gewesen: dort war die Krheliung der Creolen, unterstützt, ja geschürt von deu lOngländciii, zur Schatlung einer repuldikanischen Flotte gediehen: diese SchilVe sollten die Spanier angreifen, wo immer sie an den Küsten oder in den Kiistengewässern zu finden waren; auf Kaperei nnd J^randschatzung angewiesen, fuhren sie, ohne eigentliche Kriegsoi'ganisation, in kleinen Geschwadern und trieben an beiden Seiten des spanischen Amerikas ihre^ Frei- beutereien. Noch kurz bevor Morillo Cai-tajena angegrificn hatte, waren dort spanische Prisen angebracht, die jener Louis Aury gemacht hatte, Kriegsmaterialien, Druckpressen und Aehnliches, was von dem venezuelanischen Fregaltcn-Capitän Louis ßrion"") aus Curazao Ijeschallt wonlen Avar. Fines dieser völkerrechtlich noch flaggenlosen Fahrzeuge zu erreichen, Itildete di(> JloHhung der flüchtigen Bogotaer. Während der Fortsetzung der Flucht erfuhr Cjilda.s ans Popayan, wo seinem Schwager Dr. Wallace der Tod drohte, dass dort im März ein anderer englischer Aizt erschienen sei: John Anford, welcher ITii- die unter der Flagge von l)Uenos Aires fahrenden nml im iiacifischen Hafen Buena- ventnra liegenden Schilfe des ('ai)itän William Brown Lebens- mittel erbeten halie. Gelang es, zu jenen Schiffen zu kommen, so war die Gefahr vornlter. Dank der Ortskunde von C'a'ldas, gluckte die Flucht dui-chs Gebirge. !Mit Entzücken sahen die Erschöi)ften das rettende Meer — allein die; SchilVe waren nicht zu linden; sie hatten die Anker gelichtet, da die S])aniei' Ijereits das ganze Chocö-Land von Quibdö I»is Buenaventura durchstreiften, V I — 246 - um es von Rebellen gründlichst zu säubern. Die See rettete nicht, so musste der Urwald helfen. Man beschloss wieder ins Innere zu gehen, um dann in die Timana-Gegcnd vorzudringen, von da über di(; Cordillere und (Midlich in die von Andaqui- Indianern spärlich bewohnten, dichtl)e\valdeten wilden Gebiete des Caquetä-Flusses; irgendwo musste dieser Strom zum Amazonas fuhren, so dass endlich das schützende Banner Portugals im Geljiete von Brasilien zu erreichen war. Auch der Erbfeind Spaniens konnte nicht retten. Im oberen Cauca-Thale verloren die Pa- trioten Tag für Tag einen ihrer Halti)unkte; nirgends Hess sich ein Durchpass finden. Das der Caldas'schen Familie gehörende kleine Gehöft Paisbamlia bot den Flüchtigen eine stille Stätte zu Bast und Bath; an der Strasse von Popayan nach Almaguer belegen, l)ot der Platz einen freien Blick auf die Vulkane Surace und Sotara, sowie auf die Sierra Nevada der Coconucos, In dieser Richtung sollte vorgedrungen werden, allein der Yerräther fehlte nicht. Simon Muüoz Hess das Gehöft nächtlicher Weile umzingeln, zwang die kleine, meist waöenlose Schaar zur üebergal)e und sandte Alle nach Popayan, wo sie eingekerkert wurden. Munoz, der Commandant von Paha, ein spanischer Oberst, war ein Mulatte, aber in den letzten Jahren des Bürgerkrieges wegen seiner humanen Handlungsweise liekannt geworden, er stand unter dem Oberbefehle von Tori])io Montes, dem neuen Quitoer Präsidenten, und gedachte Caldas nach der jetzt ruhigen und sicheren Präsidialstadt zu entsenden; er wusste, dass dort sein Gefangener nicht bloss als Gelehrter geschätzt werde, sondern auch unter den Spaniern und den Königlich -Gesinnten viele Freunde habe; allein Caldas wollte von seinen Schicksalsgenossen sich nicht trennen, namentlich nicht von seinem Freunde Ulloa; er verlangte vielmehr mit den Leidensgefährten nach Bogota gel)racht zu werden, obwohl er erfuhr, dass dort jener Pacificador zu einer allgemeinen Verfolgung der Patrioten ^'^) geschritten sei, dass er Blutgerichte eingesetzt und Hinrichtungen Ijegonnen hal)e, wie ehedem Alba in den Niederlanden; waren doch bereits am 19. Juni Carboneil und Leiva nebst vielen Anderen zum Tode geführt worden. Auch Präsident Toribio Montes sel])st suchte Ca'ldas aus dem Bereich von Morillo zu schafien, in welchem als Strafe für den von Bolivar gegen alle Spanier, l>ewaflnete wie unljewaflnete, — 247 — l»liitiiten, war Mitglied des Wahlcollegiums, Präsident dieser Provinz als Hau])t einer vollziehentlen Gewalt, Brigadier im Rebellenheer, Mitglied des Congresses, A'erfasser vieler aufrührerischen, Unabhängigkeit Itredigenden Schriften. "• i']i- ward durch den Rücken erschossen, seine Güter wurden conliscirt; Niemand dachte dai-an, dass minde- stens die wissenschaftlichen AVerke des Revolutionärs der Nachwelt zu retten seien, die Fauna Cundinamarquesa war längst vergessen. ) — 248 — Lozauo's Loos tlieilten ]>ald darauf viele Andere. Jose Ayala y Vergara, vordem der Begleiter Huml)oldt's, wurde am 13. August, Joaquim Camacho, der Genosse von Caldas bei der Herausgabe des ersten republikanischen Blattes , wurde am 31. August getödtet. Es ward Sinforoso Mütis, wegen seiner Theilnahme an jenem Sicherheits-Ausschuss, mit Anklagen schwer belastet, in Erinnerung an den beriihmten Oheim zu Verljannung und Kerker liegnadigt, so dass er, nachdem er das Inventar des l)otanischen Hauses angefertigt hatte, im Septem])er nach Omoa, der centralamerikanischen Festung, die Fussreise im Gefangenen- Transport beginnen musste. Von seinen Briidern Avurde Jos^ zu schwerer Strafarljeit verurtheilt und hatte den Bogotaer Markt- platz vor der Cathedrale im Schweisse seines Angesichts mit zu pflastern; Facundo Mütis entfloh, el)enso Cespedes; die Verfolgung der Flüchtigen glich vielfach der Jagd auf wilde Thiere. Wie in der Hauptstadt, so herrschte das Militärgericht auch in Tunja, Lamesa und Ocaüa; in Popayan wurde am 19. August Josd Maria Cal)al, der Chemiker, und am 3. September Carlos ^lon- tiifar, Humboldts Reisegefährte, erschossen. Zu dem grossen Kreise solcher Hochverräther gehörte zweifelsohne auch Caldas, der alsl^ald in Bogota processirt wurde. Das Kriegsgericht liestellte Brandio Molino zu seinem Verthei- diger; dieser, ein Offizier des Bataillons Tambo, gab sich Mühe, seinen Schutzbefohlenen, für den gewichtige Stimmen l)aten, vor dem Aeussersten zu erretten; trotzdem erfolgte das Todesurtheil. Der spanische Anwalt In-achte nun ein Gesuch um Aufschul) der Vollziehung ein, indem er auf die wissenschaftlichen Ar])eiten seines Clienten hinwies; aber General Pascual Enrile, ^lorillo's erster Adjutant, erledigte die Eingabe durch die Randbemerkung: „Abgelehnt; Spanien hat Gelehrte genug." Caldas selbst schrieb am 12. October, als Rizo erschossen wurde, einen 1)eredten Brief an Morillo, in welchem er ausführte, wie sein Leben für grosse allgemeine Interessen noch von Werth sei; ihm hauptsächlich liege der Abschluss der für die Krone begonnenen l)otanischen Expedition ob; er allein habe zu den meisten Theilen der Mütis'schen Sammlungen und den anderen Arl^eiten des Bogota'er Institutes den Schlüssel; man möge ihn, an den Füssen gefesselt, in eine Festung In-ingen, aber ihm dort die Mittel gewähren, das Angefangene zu vollenden. Auch diese Demüthigung war erfolglos. Am 29. October 1816 verliess Caldas zum letzten — 249 — Gaiijro (las C'olcjin drl Rosnrio."-) Sein rj('laii<>'iiiss war das Gel »äude jener Lehranstalt gewesen, an welcher ei" eluMh'in als Professor dei- Mathematik gewirkt hatte; in wenigen Schrillen war anl" nuMischenleerer Strasse der nahe Frain-iscus-lMatz er- reicht; tlort-wnide er erschossen, nnigclx-n von zweilanscnd Soldaten, die Oberst Manuel Villavicencio connnandirte. Mit ihm starben dort Francisco Antonio UUoa, >Nfigucl Mnnlalvo. der Dicht(M' Migncl IJuch nnd mehrere Andere. Das lliinich- tungsj)rotokoll besagt: y,()ctober '29.; Doctor Francisco Caldas, Ober-Ingenieur des Rebellenheeres nnd IJrigadier desselben, tlui-ch den Rücken erschossen; Vermögen ist einzuziehen." An der Plaza del San Francisco zu Bogota erhoben sich drei denkwiirdige Kirchen. Die kleine, auf dem Platze selbst steheiule Caix'lle, vielleicht das erste christliche Gotteshaus der Hochebene von Cundinamarca, bildete die geschütztem Stätte, an der IHIG vor den Jfinrichtnngen das Miserere von der Geistlich- keit gesungen wurde. Diesem JInmilladero gegenüber befand sich die Kirche unserer lieben Frau von Veracruz mit dem alten Holzcrucilixe, das damals die Verurtheilten kurz voi- ihrem Fnde küssen durften, dem jetzigen Märtyrer-Christus. Daneben stand mit stattlichem Tlmrme La Tercera. Dort gönnte der chi-iAliche Spanier den Leichen der von ihm lIingerichtet(Mi ein geweihtes Grali; dort liegt Cäldas mit so vielen Gesiiniungsgenossen in gemeinsamer Verbrechergruft. Die Nachricht von dem Tode eines Ca'ldas erregte im fiande bei allen Urtheilsfähigen die grösste Bestürzung, namentlich in Popayan. Dort hatte der Gouverneur Juan Sa'mano der greisen Maria Asuncion Tenorio auf Ritterwort versichert, dass ihres Neft'en J^eben nicht gelahi-det sei. Als jene Nachricht eintral", betrat die Frau, in Trauer gekleidet, den Audienzsaal des (iou- verneurs mit den Worten: „Ihr seid ein Schul't! habt einer Frau Euer Wort gebrochen. Dafür gel)ührt Euch dies." Sprachs und gab dem Granden einen Backenstreich. Niemand hielt sie an. Niemand verfolgte sie; ihr ist nie der Process gemacht worden. Ca'ldas hinterliess, ausser seiner Wittwe, drei Töchter. Die j\rassenhin)'ichtung bei-auhte ein erst erstehendes A'olk aller hervori'agenden Kräfte, machte säramtliche Zukunflspläne zu eitlen Luftschlössern, vernichtete den Kern, aus dem ein IJauni hätte erwachsen können. Wer von den Geldldeten nicht auf dem Richtplatze durch l'ulver und Blei starb, fand ein langsameres, V / — 250 — al)er kläglicheres Ende l)ei den Sträflingsbanten, die Morillo vornehmen Hess, Damals entstand eine, Bogota mit dem Mag- dalena-Strom verbindende, für Lastthiere zugängliche Strasse, deren Pflasterreste noch heute an eine Zeit des Entsetzens erinnern. Das botanische Haus ward als Krongut in Beskz genommen und möglichst gesichert.*'^) Unterm 24. Juni 1816 liess der Platzcommandant von Bogota', Rafael Cördova, öftentlich bekannt machen: „Auf Weisung des Ober-Generals werden die Herren Offiziere und die sonstigen Mitglieder des königlichen Heeres benachrichtigt, dass morgen die Versteigerung der in dem ])ota- nischen Hause mit Beschlag l)elegten Gegenstände stattfindet, damit sie dort meistbietend Sachen kaufen können, wenn es ihnen gefällt." Der Rest der mühsam erworbenen Biicher, der optischen Instrumente, der Mal- und Schreib-Geräthe wurde verschleudert. Was der „Expedition" als solcher an naturwissenschaftlichen Sammlungen zustand, ward nach dem Inventar von Sinforoso Mütis sorgfältig verpackt, worülier der neue Vicekönig Francisco de Montalvo, der am 6. November 1816 die Regiei-ung in Santa- marta antrat,**^) in besonderen Erlassen das Nähere mit ängst- licher Genauigkeit vorschrieb. Am T.März 1817 erhielt Benedicto Dominguez den Befehl, die Sammlungen des botanischen Hauses einem Zimmermann auszuliefern. 105 Kisten wurden zusammen- gefügt und durch Häute geschützt. Antonio van Halem, einer von Morillo's Adjutanten, reiste mit dem Schatze iiber Santamarta nach Europa. Diese Kriegstrophäe ward am 3. October 1817 im Königs- palaste zu Madrid an Mariano Lagasca, Zea's Nachfolger l)eim botanischen Garten und in der Professur, ül)ergeben; Lagasca sandte 18 Kisten den naturwissenschaftlichen Sammlungen zu, da ihr Inhalt auf Zoologie, Mineralogie und Ethnologie sich liezog, 87 nebst Inventar kamen nach dem liotanischen Garten. Von diesen Kisten enthielten 60 die Herbarien, 12 die Zeichnungen und Bilder, 4 die Manuscripte, 4 die Holzarten, 7 die Früchte, Samen, Wurzeln und Rinden. Simon de Rojas demente, Biblio- thekar des botanischen Gartens, nahm bei der Uebergal)e das Protocoll auf und liess etwa ein Jahr nach dem Tode von Ca'ldas über die Thür des Saales, in welchem die Schätze ausgestellt wurden, mit grossen Lettern malen: „Botanische Expedition des Neuen Königreiches Granada". III. A_gostino Cocliizzi ^ ) 1. Corsaren-Fahrten. Als das Jahr 1817 aiibracli, war der uTossero Thoil des spanischen Amerikas der Gewalt des Mutterlandes wieder unter- worfen, namentlich Iteinahe die sämmtlichen zwischen den Wende- kreisen belegenen Gebiete. In Madrid schaute man auf die jenseits des Meeres so lebhaft hervorgebrochenen Bewegungen wie auf be- seitigte Symptome eines tropischen Fiebers; König Fei-nando A'll. fiiiirte sein Scepter iiber die Reiche zweier Welten in der vollen Gottesgnaden-Iloheit seiner Thronvorgänger. Die Flecken dei- Revolutionen waren bereits abgewaschen oder in schnellem Ver- bleichen; es geboten ja im Norden Südamerikas die Statthalter der katholischen Majestät aufs Neue; standen doch in Pimaimi wie in Cara'cas, in Bogota wie in Quito die spanischen Behörden so mächtig da wie je; ausser diesen iraujjtstädten wui-den auch die wichtigeron Plätze der grossen Gebiete von den Beamten des Mutterlandes vollständig beherrscht. Die Feinde der Europäer hielten sich nur hici' und da noch an einem entlegenen Platze, in wilden Steppen, wi(! zum Beispiel in den Llanos des Apure und Casanare, oder auf einer unbedeutenden Insel, wie zum Bei- spiel auf Haiti, wo die Neger- und Mulatten -AVirthschaft fiir die spanischen Interessen ziemlich »uigefährlich zu sein schien, zumal sie auch von den Vereinigten Staat(Mi gehasst wiirih', der Sclaven- frage wegen. Erschienen dir ni)ili foi'ttlauernden lväm))fe iui unteren Sikl- amerika nur als letzte Zuckungen einer sterbemU'n Ki'aft, so waren offenbar auch (Me in (h'ii westindischen Gewässern unter Rebellen-Flaggen erfolgenden Streifzi'ige mehr Freibeuterei als Kriegfiilirung. Die dcnt kreuzenden Schiüe fanden zwai- in nord- V ) — 254 — amerikanischen Häfen Schutz und Beistand, aber die Reo-ierung der Vereinigten Staaten, die im März 1817 von James Madison auf James Monroe überging, Itetheuerte, mit derartigen Hiilfe- leistungen nichts gemein zu hal)en. Was da in Geschäften für die Aufständigen geschah, Avar Privatspeculation , gegen die Si)anien wohl auf diph)niatischem Wege protestiren mochte, aber keinen Kriegsaufwand für erforderlich halten konnte. Neben New-Orleans bildete Mitte 1817 besonders Baltimore den Sitz einer lebhaften Agitation für die so schwer gefährdeten, wenn nicht l)ereits der Vernichtung anheimgefallenen (/reolen- Republiken. Wie an der Älississippi-Mündung, so herrschte auch an der Chesapeake-Bai reges Interesse für all die Waffen, Mu- nitionen und Lebensmittel, welche die südamerikanische Erhebung erforderte, wenn sie weiter fortgesetzt oder wieder angefangen werden sollte; mit der kaufmännischen Rücksicht ging eine poli- tische Sympathie Hand in Hand, mochte die Regierung amtlich zurückhaltend sein: die Bürger der Vereinigten Staaten hatten freies Feld, jenen südlichen Kämpfern zu helfen, welche für sie Patrioten, Freiheitshelden waren. In Baltimore galt die hauptsächlichste Speculation dem Vice- königreiche ]Mejico, obwohl dort an beinahe sämmtlichen Avich- tigen Punkten die alten Colonial-Gewalten wieder herrschten. Für eine neue Waffenerhebnng in jenem Vicekönigreiche wirkten mit rastlosem Eifer Männer, wie Joaquin Toledo, wie Fraucisco Javier Mina, wie jener Louis Aury, der angebliche inejicanische Brigadier, welcher auf Haiti, nachdem er die Flüchtlinge aus dem verlorenen Cartajena gelandet hatte, die von Bolivar ver- tretenen Ideen nicht hatte billigen wollen. Mit ihm agitirte als ein Gegner der auf die General-Capitanie Caracas gerichteten Bolivar'schen Pläne Mariano Montilla; für die Aufständigen in Chile wirkte Juan Jose Carrera. Der Marquis Emanuel Grouchy, vor Kurzem noch ein Heerführer von Napoleon, schürte das Feuer in I'hiladelphia, unterstützt durch den ehemaligen franzö- sischen Divisions-General Michel Brayer, Ein anderer Franzose l)etrieb im Gegensatz zu der Mehrheit seiner Exilsgenossen die Wiedereroberung des nördlichen Süd- amerikas nach den Bolivar'schen Anschlägen, nämlich Fi-anyois Villaret, der als Generalmajor der venezuelanischen Flotte auf trat und im April 1817 ganz frisch aus Südamerika eintraf Mit — 255 — seinem Schifte „Ainorica lil>re" dircct vom Orinoco iiai-h l>al(i- more gekommen, kannte er die ji'ingsten, von Haiti aus ins Weik gesetzten Unternehmungen der Parteigänger von Holivar voll- ständig, da er Iiei ihnen sellicr Iteiheiligt gewesen war; hatte er doch die Kxpedition, welche am 'JO. März 181ß von Aux Cayes nach der Insel Margarita ging um! dann aul" dem Festlande bei- nahe vollständig scheiterte, mitgeleitet: (himals war auf s('in beginnenden Jahriiuii(h'rts hatte wed«n- den Kirchenstaat unberührt gelassen, noch (!odazzi's Elternhaus: eine kleine Seidenkrämerei in dem kh'inen, inifern Ravennas belegenen Lugo. Halberwachsen, war Codazzi zu der in Bologna von den Franzosen gestifteten Militäi-schuh; gesandt, dann 1809 vom Obersten Pietro Damian Armaudi in das tlort garnisonirende Artillerie - ReginuMit aufgenonnnen und bis zur Mitte des Jahres 181 'J in der Kriegs-Akademie zu Pavia weiter — 256 — aiisgel)ildet. Die Soldaten-Laufbalin hatte ihn nach Deutschland geführt, wo er als Unteroffizier an den Schlachten von Bautzen, Liitzen, Culm, Dresden und Leipzig. Theil genommen hatte; als Ober-Sergeant war er zur Heimath zurückgekehrt, um die Linien am Tagliamento und am Mincio vertheidigen zu helfen. Am 20. Februar 1814 hatte er während des Kampfes um Mantua beim Stabe jenes Armandi einen Posten gehal»t; ein halbes Jahr später wegen der Auflösung der l)isherigen Armee entlassen, war er als Artillerie-Lieutenant in die italienische Legion ein- getreten, welche zu Genua aus den Resten des Beauhaniais'schen Corps gebildet wurde. Bald war dann dieser Zeit des Waffen- dienstes ein AI )entem'e rieben von mannigfachen Wechseln an- gereiht worden. Etwa ein Jahr vor seiner Ankunft in Baltimore hatte sich Codazzi zu Genua als Handelsmann eingeschifi't und, nachdem er vor Ithaka Schilf bruch gelitten, in Constantinopel einsam und dürftig geleimt, bis er jenen Ferrari traf, dem es etwas besser ging als ihm. Ein Glücksfall hatte ihm zu einigen ]\ritteln verholfeu. In Begleitung jenes ehemaligen italienischen Obristlieutenants war er durch Griechenland, durch die Moldau und Walachei, Russland, Polen und Preussen, Schweden und Däuemai-k gezogen; er hatte lange Zeit in ziellosem Wandern verbracht, bis Holland erreicht war, wo in Amsterdam der Ge- danke verwirklicht wurde, nach Amerika zu gehen, und zwar direct nach Baltimore, dem damals ersten Einwanderungshafen der Vereiuio-ten Staaten. Im Umgange mit all den Agitatoren romanischer Herkunft gedieh dort der Entschluss, den dunklen, aber jedenfalls tapferen Plänen Villaret's sich hinzugeljen. Ohne Weiteres wurden Ferrari und Codazzi für jene ]>rigg „America libre", die jetzt Capitän Charles Barnard commandiren sollte, angeworben. Das Schifi" ging auch alsl)ald mit Ferrari als Obristlieutenant und mit Codazzi als Lieutenant in See, um den venezuelanischen Fahrzeugen sich anzuschliessen, welche unter dem Befehl von Admiral Louis Brion vor der Insel Margarita liegen sollten; Brion's erstei" Adjutant war ein Landsmann jener Beiden, Federigo Babastro. Die Organisation dieser neuen Flotte war eine sehr lockere; Capitän Barnard folgte den Befehlen Villaret's nicht; an der Küste der Vereinigten Staaten südwärts fahrend, traf er jenseits von Cape Fear ein Geschwader jenes Aury, der schon vor einigen — '2^7 — Mouaton Baltimore vorlasi^ou hatte, um in New-Orlean?! sich aus- zuriistcii. Jetzt hielt or die Insel Amelia liesetzt, welche mit ihrer festen Stadt Fernandina •••anz besonders gut für Kaperei und ähnliche rorsarenlahrten sich eignete. An Aury schloss Capitän Barnard mit ^einei- Hrigg sich an, so dass die Tnsel Anu'lia tur einige Zeit ('oda/./i"s Aufenthalt wurde, Sie deckt die Minuhmg des St, Mary-Flusses, welcher damals noch auf der atlantischen Seite die Grenze zwischen d(Mn spanischen Amerika und den Vereinigten Staaten liildete. Im Gebiete der letzteren, namentlich in Georgia, war die neue, angelilich mejicanische ('oloni(> vielfacher Unterstützungen sicher; vom spanischen Florida brauchte sie wenig zu füi'chten, da dort die Zerwiirfnisse mit der Nachbai--Regierung die Macht des l>ef<'hlsliabcrs sehr geschwächt hatten; bloss ein schmaler ^lecresarm trennte die Insel von dem Festlande, so dass von dorther Lebensmittel und Kriegsmaterialien leicht sich beschallen Hessen, Das Eiland war seit langer Zeit eine Zuliuchtsstätte aben- teuernder Seefahrer gewesen; als die Reste einer auf ihm einge- nisteten Freil)euterschaai-, die Gregor Mac Gregor als angeldieh neugranadinischer Offizier angefiihrt hatte, wider die neuen Ein- dringlinge zu den Waflen grillen und sogar die sjjanische F\lagge aufzogen, begann Aury offenen Kampf. Das Castell war im Be- sitz seiner Gegner und damit der hauptsächlichste Vorratli an Kriegsmitteln: Codazzi leitete den Angrift' wider die Feste, über- wältigte den Gegner nach vierstündigem Gefecht und Avard am 18. Fe])ruar 1818 als Lieutenant in das Aury'sche Geschwadei- aufg(Mionnnen, das dabei als die vor Neu-Granada operirende Flotte von Buenos Aires und Chile bezeichnet wurde. Die Bezugnahme aufMejico passte plötzlich nicht mehr, aljer die Repuldik Huenos Aires, welche seit dem energischen Vorgehen San Martin's auch das Banner von Chile trug, schien für Aury genügend zuverlässig zu sein, da sie noch völlig in Wallen gegen Spanien dastand und sogar mit Brasilien Bündnissverhandlungen begonnen hatte. Aury begab sich, gleich nachdem diese Flagge angenonnnen war, mit dem grösseren Theil seiner Schiffe nach dem Sütlen, einem Rufe der Venezuelaner Folge leistend; in seiner Begleitung befanden sich Ferrari und Codazzi, Avelche nun wirklich in die Dienste der Patrioten zu treten eiwarteten. Am '27. Februar 1818 hatte Briou den Befehl bekommen, welcher ihn veranlasste, Aury Si-Ii uiMHfher, SridaiiiPrik. Stuilien. •^'J — 258 — zu sich zu rufen; der Befehl ging von Francisco Antonio Zea aus, dem ehemaligen Bogotaer Naturforscher, welcher jetzt als Präsident eines venezuelanischen Staatsrathes auftrat. Die kleine in Angostura versammelte Schaar politischer Männer hatte sich nämlich am 10. November 1817 das Aussehen einer obersten Re- gierungs-Behörde gegeben und Bolivar mit der Präsidentschaft der geplanton Repul)lik bekleidet, während Zea einem Staats- und Finanz-Rathe, Brion einem Kriegs- und Marine-Rathe und Juan Martinez einem Justiz- und Vei'waltungsrathe vorstehen sollte. Jener Auftrag von Zea ghig dahin, dass erstlich auf den westindischen Inseln, soweit möglich, Kriegsmunition für Angostura angekauft und dass zweitens die Landung der fremden Hülfs- truppen, die von London aus in England, Holland und Nord- deutschland angeworben waren, unter allen LTuiständen gesichert werde. Die spanische Flotte unter General Jos^ Maria Chacon beobachtete diese Verstärkungen genau und folgte auch den Be- Aveoungen der feindlichen Schifte; allein sie vermied, als Aurv am 11. Mai mit seinen bewaff"neten Fahrzeugen sich zeigte, jeglichen Angriff. Brion's Flotte operirte zuerst vor der Cumanä- Küste, um das Landheer zu unterstützen, setzte dort auch Truppen und Munition ab. Mit dem Rest der Kriegsmaterialien Ijcladen, fuhr sie dann nach dem Orinoco. Dabei Hess Aury, um seine Itisherigen Yei'dienste zu Angostura in genügendes Licht zu stellen, Brion durch eines seiner Schiff"e, den Mercurio, l)egleiten, wäh- rend er selber einen neuen Stützpunkt für seine Fahrten suchen musste, da die Vereinigten Staaten am 23. Dezember 1817 seine Leute von Amelia weggejagt hatten. An Bord des Mercurio, der im Golfe von Paria ein spanisches Kanonenboot anfl)rachte und sich dann auf der englischen hisel Trinidad mit allerlei Kriegscontrebande versah, l)efand sich Codazzi, welcher nun zum ersten Male das wilde Innere Südamerikas erblickte: eine für ihn noch neue Welt, da die Küsten und Inseln der westindischen See keinen vollen Einldick in das Wesen des Tropenlebens ge- währt hatten. Brion, dem tüchtige Lootsen aus Curazao zur A^erfiigung standen, segelte nach der Haui)tmini(hing des Orinoco und ge- langte glücklich durch die starke, zwischen der Insel Cangrejo und der Punta Barima l>rechende Strömung. Der erste Uferoit, der berührt wurde, war Cuparo, ein armseliger, an der linken — 259 — Seite des gewaltigen Stromes belegener Indianer-Ilorst . wo Kr- knniligiing<'n über etwa im ITinterlialt lauernde spanische Kriegp- schifle einzuziehen waicu. Der Feind hatte den llauptstrom schon vor längerer Zeit, verlassen, wie Codazzi meinte, weil thv^sen HesehiiVung so genthrlieh gewesen sei, dass die anderen Minuhniirsarme hätten aul'}'<'sueht werden miissen: in Wiiklichkeit aber, weil es unmöglieh war, im wiblen ()rinoeo-J)elta Kriegs- sehifte längere Zeit hindurch nut Proviant zu versehen. In €u])aro zeigten sich einige Gnarachores- Indianer, die nackt, aber mit vicb'u Zierrathen (dnliergingen \\\u\ /.um Theil nit'chstik'ke zwischen Nase und Lippe trugen, zum Theil bunte Färbung des ganzen Körpers; es waren die ersten Ureingeborenen, die Codazzi genauer sah. und diejenigen, die ihm unvergesslioh blieben. Die AuiVeirunir einer Berglahrt von elf möulichst beisammen zu haltenden SchitVen gestattete keine ruhige ßetraclitung der Tropen-Wihlniss, deren Thier- und Pllanzenleben, einförmig-bunt und stumm-beredt, nur dann erkenn))ar wurde, wenn wegen der Strömungen und lusebi bald auf dieser, bald auf jener Seite die Nähe des Ufers aufgesucht werden musste. Der Anblick der ans dichten Lauli- und Buschwänden Ijestehenden Landschaft wai^ iilu'i- gens zu Anfang mehr als ermüdend für Codazzi, dem wissenschaft- liche Interessen fern lagen. Nach einigen Tagen winkten in did'tig- blauer Ferne freie Berge, freundliche Bilder öll'neten sich, F(dsen traten dicht ans Wasser heran. Vor einem höchst merkwürdigen Punkte, welchen zwei dem Bergabhange angeklelite, ernste Forts auszeichneten, ankerten die Schiffe, um ihre Ladung zu löschen, liier in dem alten San Tomas de Guayana sah Codazzi zum ersten Male eingeborenes Land-Militär der Patrioten im Dienst; es Avar theils ohne Uniform, ja ohne Kleidung, schuhlos und ohne einheit- liche BewalViiung, europäischen Erwartungen entsprach es sehr wenig, aber Discijjlin und Ordnungssinn waren nicht zu verkennen. Juan Diaz l)efehligte die Imute Truppe, in welcher grosse Auf- regung herrschte, da ihr kürzlich ein Führer der englischen Hülfs- schaaren, Obristlieutenant Bobert Wilson, als angeblicli von der spanischen (icsandtscJud't in London ausgeschickter Spion über- geben worihui war. Hier lernte Codazzi, an Bord (h>r amei-ika- nisciien Brigg llcunet, Ca])itän Thomas Beed, eine interessante Persönlichkeit kennen: Baptist Irvine aus Baltimore, w(dcher als 17* — 260 — Vertreter der Vereinigten .Staaten gefeiert wurde, oljwolil er nicht l)loss keinen diploma tischen Charakter trug, sondern auch Beschwerden und Schadenersatz-Ansprüche geltend zu machen liatte; er galt allgemein für einen Träger der nahen Bundes- genossenschaft dei- Washingtoner Regierung. Die Flotte blieb vor jenem Platze liegen; nur Brion's Flaggenschiif fuhr, gefolgt von Mercurio, weiter den Orinoco hinauf. Am VI. Juli 1818 wurde die nominelle Hauptstadt der Repul>lik Venezuela erreicht: ein etwa GOOO Einwohner zählender Ort, welcher am Abhänge ein(\-< kahlen Hügels nach regelmässigem Festungsplan erl)aut worden war. Ausser einer der Muttergottes im Schnee geweihten Stadtkirche z(Mgte sich in dem heissen Orte kein irgendwie her- vori-agendes Gebäude. Viele Häuser waren verfallen; die Strassen lagen verwildert da, selbst die Alameda mit ihren riesigen C'eiba- Bäumen. Auf diesem Spazierwege fanden sich täglich die wenigen Männer zusammen, welche vorgaben, Venezuela zu vertreten; l)isweilen tagten sie auch auf den platten Dächern der Woh- nungen oder in einem der zahlreichen kleinen, von Palmen und ^langobäumen umstandenen Landhäuser und Gehöfte, welche in der ungesunden Umgel)nng zerstreut lagen und Codazzi als höchst armselig erschienen. Da war eine eigenthümliche Gesellschaft beisammen; ihren Mittelpunkt bildete die immer vornehme Ge- stalt und immer pathetische Natur von Simon Bolivar. Dieser unermüdliche Agitator weilte seit etwa einem jNIonate wieder am Sitze der sogenannten Regierung und beschäftigte sich jetzt, da die spanischen Truppen ziemlich ruhig bleil)en mussten, mit allerlei formellen Organisationen, mit Verordnungen und Amts- Verleihungen; namentlich dachte er daran, nächstens eine die Repul)lik aufs Neue constituirende Versammlung nach Angostura zu berufen. Bolivar liel)te es, stets in Begleitung von mindestens einem Adjutanten zu erscheinen; als sein Famulus diente jener Zea, der vor wenigen Tagen die ersten Nummern einer Orinoco- Zeitung herausgegeben hatte, welche, so unscheinl)ar sie war, die Sache der Patrioten erheblich förderte; der dürre, soeben aus Philadelphia zurückgekommene Juan Jerman Roscio trug die Rolle eines allzeit ])ereiten Stellvertreters, während der feine Jose Rafael Revenga, dem (,^odazzi besonders nahe trat, ein federgewandter Secretär Avar; die Seesachen versah Lino de Clementi, ein Venezuelaner italienischer Herkunft. Ueberhaupt — •_>()! — versall oino Anzahl seltsam Idzarrcr ^fäniicr (Ucs«mi oder jenen Tlieil iliT Gescliäl'te, meist mit liocliklin<^einl('ii Tilelii. oft auch, trotz der Hitze, in reichen rnilbrnKMi; alle llautfarlien waren unter ihnen vertreten; mit dem hall)slädtisch gekleideten Herrn au.s Valencia oder Caracas ginir der Manero in Leih'rhose und liederwams einher: /.wischen Ki»auletten und Tressen zeigten sich Ruana und Cohija, neben Pistolen und Degen lianzen uiul Lassos. Fremde Abenteurer kamen hinzu, da wareu l"]ngländer, Iren, ll(tlläu(h';- und Deutsche: Leute, welche l'riiher theils dem Napo- leonischen Adlei- gefolgt waren, theils in Spanien gegen Joseph l)onai)arte gelochten hatten, ausserdem Acrzte und Frovisions- händler; die sonderbarste Figur dieses Kreiäes bildete bei feier- lichen Gelegenheiten in seiner Schottentracht James Hamilton: Soldat, Speculant und T>iplomat in einei- Person. Für Aurv war in Angostura Nichts zu eidangen, namentlich kein Geld: Godazzi musste sogar erkennen, dass die venezuelanische Flotte bloss von Prion's Privatvermögen lebe, ja bereits nur noch von dessen Credit. Unter solchen Umständen war nach ziemlich kurzem Aufenthalt die Rückkehr anzutreten ohne irgend welchen Erfolg. Vor der Insel Margarita emjjling die Brigg Mercurio den Befehl, sofort nach der Mosfiuito-Küste zu s\^geln; Godazzi erfuhr, dass die Bundesflagge von Buenos Ayres und Chile dort auf einem einsamen Felsenneste aufgehisst worden sei, das Aury, wie er sich ausdrückte, zu einem Giliraltar der westindischen See machen wollte. Vor jenem Theil des Isthmus liegt eine Reihe von Rillen, Bänken und Jnseln, deren Spuren l)is nach Jamaica sich hinüber- ziehen: nur zwei dieser Punkte sind ])ewohnl)ar. ^'(ln ihren etwa dreihundert Bew^ohnei'u, den Nachkommen der Buccaniers, welche die englische Sjirache bewahi-ten, obw'ohl ihre Wohnstätteu schon .seit 1789 formell zum spanischen Reiche gehörten, wurden sie Saint Andrew und Old Providence genannt. Saint Andrew war ganz wüst, da vor drei Jahren ein französischer Gorsar Michel mit Feuer und Schwert Alles, was zu vernichten war, vernichtet hatte: das gebirgige Old Providence — s])anisch San Luis de Providencia — dessen höchste Felsmasse, einem colossalen Menschenkopfe ähnlich, nach Henry Moi-gan, dem be- rühmten Freibeuter, genannt* wurde, hatte Aury zu seinem neuen Hauptquartier erwählt. Am Nordende dieser Insel erhebt sich — 262 — jenseits eines schmalen Wassers das kleine Eiland Santa Catalina, anf dessen Südseite das Fort Aury errichtet wurde. Lieutenant Codazzi wurde bald nach dem Heginu dieses rohen l>aues, am S.August 1818, dem Tage seiner Riiekkehr von Ang-ostura, zum Hauptmann helordert, ol)gleich er mit leerer Hand sich meldete. Der GeUhnangel war um so schlimmer, als Aury gezwungen wurde, von einem grossen entscheidenden Schritte a])zustehen, der seit längerer Zeit von ihm ge})lant war und auch dem P]hr- geize von Codazzi sehr gefallen haben wüi'de. Noch am 18. Juli hatte Jener seinem in Kingston lel)enden Freunde, dem chile- nischen Agitator Madariaga, gescln-ieben , dass nur wenig daran fehle, die spanischen Festungen Portobello und Chagres zu über- rumpeln und von da aus Panama zu erobern, den Sitz des spa- nischen Marschalls Alejandro Hoic. Es schien damals zweifellos zu sein, dass der Isthmus, das für die Colonialmacht Spaniens unentl)ehrliche Verliindungsstück zwischen zweien Weltmeeren, ohne grosse Mühe besetzt werden könnte, sofern nur Mittel dar- geboten würden, um die Kosten einer grösseren Unternehmung in ausgesogenem Lande zu liezahlen. Solche Mittel fehlten. Aury: die arme Insel Old Frovidence mit ihren Cocospalmen und BaumwoUesträuchern konnte das Corps, das jetzt aus etwa 800 Mann liestand, nicht einmal nothdürftig ernähren; zur Wegnahme von spanischen Kauffahrern Ijot sich keine Gelegenheit mehr, das unmittell)ar lienachbarte Küstenland war nichts als dichte Wildniss, deren spärliche Ansiedelplätze kaum genug besassen, um eigene Tagesnothdurft elend zu be- friedigen. Unter solchen Umständen gedachte Aury diejenigen vereinzelten Punkte aufzusuchen, welche die Spanier als Militär- stationen verproviantirt liatten; deshalb begannen nun systema- tische Kriegszüge gegen alle unter dem Banner des Erbfeindes stehende Ortschaften, deren Erwer]) irgend welche Beute ver- sprach. Gerade als jener Gregor Mac Gregor, der das eben eroberte Portobello an die Spanier hatte zurückgeben müssen, für die Reste seiner See-Expedition auf der Insel Saint Andrew eine klägliche Zufluclit suchte, ging von Old Providence eine der ver- wegensten Beutefahrten aus; sie richtete sich gegen das zur General-Capitanie Guatemala gehörende Fort San Felipe am Eingange des Golfo Dulce. Beim Angrifl" commandirte Codazzi liie Artillerie mit Geschick und Erfolg, so dass er gleich nach — -263 — der Ri'u-kkuiift, sclion am )>. August IHIO, das ^rajors-Patent (M'lliclt. W('ni<»o Tage später erfüllte sich auf ungeahnte Weise das Schicksal der s])anischen TTei-rschaft iiher den Norden Siidaniorikas; das jfesciiah lern von dei- Ki'iste, im tiefsten Binnenlande, ölten in den Cordilleren. Jenes armselige Angostura, wo am IT). Fehruar 1819 ein angeldich von den Provinzen Barcelona, liarinas, Ca- ra'cas, Tasanare, Cuniana, «Guayana und Margarita beschickter Congress zusammengetreten und durch diesen ein neues Staats- wesen förmlichst constituirt war, hatte sich wichtiger gemacht, als vermuthet werden konnte. Im Einvernehmen mit den Führern der verschiedenen, noch unter den Waffen stehenden Patrioten wagte Bolivar einen Vorstoss gegen Neu-Granada, vertrauend auf Ortskenntniss und die Hartnäckigkeit seiner Gefolgschaft. Nach Ankunft trrösserer Schaaren von englischen und deutschen Sold- lingen ülierschritt er den Pa'ramo von Pisba in der neugranadi- luschen Ost-Cordillere auf dem Pass von ^forcote; beim Boyaca'- Flusse schlug er dann die überraschten S})anier mit solcher Wucht aufs Haui)t, dass Juan Sa'mano,*'^) der seit Kurzem den vice- königlichen Stuhl zu Bogota inne hatte, zur Küste eilen und das Innere des Landes fast ganz von spanischen Waffen entblöbsen musste. Die Venezuelaner hatten eine grossartige militärische und moralische Leistung durchgeführt und Itegannen, soweit Truppen und Munition reichten, den nach so langer Prüfung, nach so herben Schlägen doppelt gewichtigen Erfolg mit Klug- heit und Energie auszunutzen. Am 10. August 1819 hielt Bolivar, der Libertador von 1813, der noch immer anerkannte General- Gapitän Neu-Granadas, seinen Triumph-Einzug in Bogota als Be- öieger des Erbfeindes. Am 4. September ernannte er, der Präsident von Venezuela, einen A'ice-Präsidenten für das neugranadinische Land; darauf bestellte er provisorisch Central- und Provinzial-ßehörden, mili- tärische wie bürgerliche Gewalten, und traf eine Menge von Organisations-Verfügungen für den befreiten und noch zu be- freienden Norden Südamerikas, welcher hinfort den tönenden Namen Columbia"*) führen sollte. Die Kunde von solcher Wandlung der Geschicke, von so bedeutender Kriegserrungenschaft und von der bevorstehenden Begründung einer neuen grossen amerikanischen Republik kam — -264 — fast ebenso schnell zur Küste der westindischen See wie der Rest der königlichen Trui)i)en, die in Cai-tajena und Santamarta sich coucentriren mussteu. Die erste Nachricht traf einige Aury'sche Schiffe auf einer Kreuzfahrt in der Bucht von Darien; sie rief auf Old Providence sofort neue Pläne wach, denn dort erwai-tete man den unverziiglichen Angriff auf jene beiden, den ]Magdalena- Strom beherrschenden Küstenplätze; dabei war offenl)ar das Land- heer von der See aus zu unterstiitzgn, mithin schien jetzt ehi heller Stern dem Ehrgeize Aury's zu Avinken. Er musste Alles dal'üi- aufbieten, dass seine Schiffe die Flagge der im Entstehen ]jegriffenen Repuljlik erhielten, und l)eschloss, gleich lieim Ein- treffen der ersten Botschaft nach der ehemaligen viceköniglichen Residenz einen Bevollmächtigten zu entsenden, welcher die Auf- nahme seiner Flotte in die Streitmacht Bolivar's beantragen und abmachen sollte. Die Spanier hielten noch fast die gesammte liesiedelte Küste des nördlichen Südamerikas besetzt; von der atlantischen Seite aus war nach der Hochebene von Cundinamarca einzig und allein auf dem unwirthlichen Atrato-Flusse zu kommen, der an seinen düsterbewaldeten Ufern menschenarm war und in seinen zer- rissenen Gewässern zahlreiche Fährlichkeiten barg. Unter Aury's Leuten war Niemand für eine Mission nach Bogota bereit, bis Major Codazzi zu dem Wagniss sich entschloss, eingedenk seiner interessanten Orinoco-Fahrt. Eines der Aury'schen Kriegsschiffe brachte ihn Anfangs October 1811) zum Golf von Darien und dann den Ati'ato-Strom hinauf bis zur Mündung des ^lurri-Flusses, wo ein ziemlich festes, mit einigen Kanonen versehenes Bollwerk errichtet war, um hier den Spaniern den Zutritt ins Binnenland zu wehren. In diesem Fort erhielt Codazzi ein Indianer-Fahrzeug und belud dasselbe mit Tauschwaaren, mit allerlei Kleinigkeiten des Schmuggelhandels, namentlich mit Eisengeräth und Waffen. Halbwilde dienten nun als Bootsleute, um mit langen Stangen das Fahrzeug in der Nähe des Ufers gegen die Strömung vor- wärts zu treiben. In Begleitung eines einzigen Gefährten begann Codazzi die durchaus ungewisse Reise; die Flussfahrt endete nach den grössten Entbehrungen und Schwierigkeiten in Quibdö, dem ehemaligen Citara, dem einsamen Hauptorte der Provinz Chocö» dessen dürftige Hütten der L'cljerschwemmungen halber grössten- tlieils auf Pfählen erbaut waren. Hier Hess sich noch nichts — 265 — Genaups üIxt die Schritte Holivai-'s (Miiiittcln. naiiuMitlicli iiiclit.^ iilicr die Vorltproitniigon ITir di(> vollständijic nelVciunji; des Laiidcfi. Der AVcjr iiacli IJogota' la*»" freilich (»fVcii, da die l'roviiizen An- tiocjina und ^^al•i(Jnita sicher waren, allein in der IMuvinz Choc«') fehlten alle Hiilfsmittcd fi'ir die Weiterreise, denn der Feind hatte heim Allziehen anch das letzte Pferd, ranne Maulthiere erlangte, nämlich von dem etwa zwanzigjidirigen Sohne eines i-eichen Plantagen- Besitzers in dem wieder spanischen Popayan, von Tomas Cipriano de Mosquera,*'^) welcher vor einigen Jahren in den Reihen der Patrioten gefochten, dann die Gefangenschaft der Spanier gekostet und kurz vor den neuen Ereignissen nnter Zu- stimmung der spanischen Behörden seinen Geburtsort und seinen alt(Mi Vater wieder aufgesucht hatte, aber scharf überwacht wurde, ^fosquera getraute sich nicht, wiederum entscheidende Schritte zu thun, und sah durch die dem fi-emden Offizier ge- währte Gelegenheitshülfe sein patriotisches Gefühl doppelt be- friedigt: er galt ihm auch einige Nachricht ülier den Fortgang des Kam[)fes. Somit ging von Cartaio aus die Reise rascher und besser vorwärts. Auf dem Quindiu-Pass und auf dem Wege von Lamesa erblickte der Fremde zum ersten ^Nlale die Gewaltigkeit einer tropischen Bergwelt; er genoss sie mit regem Interesse, al)er ohne tieferes Yerständniss ; endlich war Bogota erreicht, wo der Sitz der neuen Bolivar'schen Herrschaft sein sollte. Da war von Krieg und Kriegesrüstung wenig zu linden; da herrschte nur lebhafte, beinahe lieberartige Bewegung der Geister. Bolivar hatte die Stadt schon am '21. Septeml^er wieder verlassen; Fran- cisco de Paula Santander,'^") Bolivar's Gefährte bei jenem Anden- Uebergang, vertrat als A^ice-Präsident für Neu-Granada die eben eingesetzte Regierung so gut es ging. Bei ihm hatte Codazzi, als er seineu Antrag vorlirachte, ebenso wenig Glück wie im vorangehenden Jahre liei Bolivar selber; er erlangte nichts als Versprechungen. Von der Flotte wusste man oben in den Bergen wenig; über eine Flagge der neuen Repuldik war bisher keine \ / — 266 - Entschcidaiig getroffen; ol) die starken Küstenplätze der Spanier schon liald angegriffen werden konnten, hing ganz davon ab, welche Kriegsbewegiingen im Innern vorgenommen werden sollten; die Ijeitung des Kampfes lag einzig und allein in den Händen iJolivar's. Ueberdies war Alles noch frisch und unfertig, nament- li\'h das Finanzwesen: in Bogotii konnte weder der Schatzsecretär lgnacio\Marquez, noch d^r Rentenverwalter Luis Eduardo Azuero, noch der Münzdirector Jose Miguel Pey zum Besten der Aury'scheu Scliiffe irgend etwas thun. Derartige Geschäfte lagen bei der Fluth der herrschenden Bewegung ferner denn je. So war Bogota für Codazzi wenig erfreulich. Er wurde dort noch Zeuge einer furchtbaren Aufregtmg, welche die Gährung der Gemüther . deutlich erkennen liess ; denn es entstand dort zitternde Erregung, als am 11. October auf dem Hauptplatze der Stadt 34 in der ruhmreichen Schlacht beim Boyaca-Flflsse gefangene feindliche Offiziere, theils Spanier theils Creolen, sowie fünf andere Europäer standrechtlich erschossen wurden, unter ihnen der spanische Ol^erst Jose Maria Barreiro. Selbst für den Corsaren war diese Maassregel „ül)er alle Begriffe schrecklich." Bei dem Drucke der Kriegsnoth erschien damals das mittel- lose Bogota jedem Fremden nicht bloss als unerquicklich, sondern geradezu als unheimlich. Bekümmerten Herzens machte sich Codazzi Ende October auf den Rückweg; er fand in Quil)dö seinen Begleiter nicht mehr am Leben ; von der Reise-Ausrüstung war dort nur noch das armselige Fahrzeug vorhanden, aber der Alcalde des Ortes übergab sechs Flaschen voll Goldstaul)es, die der Knappe vor dem Tode gegen die mitgelu-achten Tausch- waaren und Werthsachen erworl)en hatte, eine nicht unerheljliche Hinterlassenschaft. Wie die Rückkehr von Bogotji wegen tüchtiger Reit- und Lastthiere viel rascher voranschritt, als die Hinreise, so verlief auch die stromabwärts gehende Fahrt üljer Erwarten schnell. Nach wenigen Hindernissen gelangte Codazzi zur Atrato- Mün- dung, Avo er in dem kleinen Orte Turbo auf die Ankunft eines Aury'scheu Kreuzers wartete, oft in der Gefahr, von den aus Cartajena auslaufenden spanischen Kriegsschiffen aufgefangen zu werden. Wie die Verhältnisse lagen, konnte von Old Providence aus wiederum Nichts zur Förderung des Krieges geschehen. Ah — 'UM — Aurv l>;il(l darauf orf'ulir, dass die columltische Rcimhlik das G(dl»rotlil>laii. die l)isli(M-i^(' Tncoloro Venezuelas, im (!ruiidu:es(>tz vom 17. Dezemliei- IHli) zeitweilig zu der eigenen Flagge ge- macht habe, entseldosp er sieh, selher nach l>ogot;i zu reisen, um die Aufnahme seiner SehilVe unter jene Flagge zu erreichen. Dort traf er Alitte März 18*20 den Fräsidenten Bolivar, welcher ihn Jedoch wie einen Abenteurer behandelte, eingculenk der Vor- gänge von 1816 und i\r\- \'erleiiidung mit dem hochvei-dienten Admiral IJrion. Fs wurde Aui\ in l>ogota mit dem Befehle ent- lassen, unverzüglich jene zu Cohmdtia gehörende Insel zu räumen, auf dei- keine Seeräuberei geduldet w'erden solle, mit Avelcher Flagge sie auch gedeckt werden möge. Während der Abwesenheit von Aury suchte sein Geschwader, um Leliensmittel zu erbeuten, aljermals die Kiiste von Guatemala und auch die von Honduras heim: Codazzi bewährte sich bei den Angriften auf die Seefeste Trujillo, auf das ihm schon friiher liekannt gewordene San Felipe und auf die San Fernando-Cita- delle des gefiirchteten Omoa; am 3. November 1820 wurde er deshalb Oberstlieutenant der Artillerie und zwar, wie Aury's Secretär, T*liili}»])e Lacroix, schrieb, „in Anerkennung seiner grossen und guten Dienste und seiner getreuen Hingabe an die Sache der Unabhängigkeit von Siidamerika." Noch einmal schien eine grössere Aufgabe der Corsarenflotte sich darzubieten. Am 1. Juni 1820 hatte die Belagei-ung des vom Vicekönig Samano liei-eits verlassenen Gartajenas bc^gonnen, welche ^lariano ^[ontilia auf der Landseite, auf dem Wasser AdmiraJ Brion commandirte; allein Waflenstillstands-A'erhand- lungen mit ^lorillo, der jetzt Conde von Gartajena sich nannte, kamen dazwischen. Nun reiste auch Brion nacli Bogota', dem Codazzi sehr gern sich angeschlossen hätte. Der Admiral musste ilort, nachdem er sein ganzes A'^ermögen dahingegelien liatte, dringend um Geld bitten, allein ei- erntete nur Ehrenbezeugungen und Festlichkeiten; bald nach der Heimfahrt zui- Kiiste zog er sich zunächst nach Maracaibo, dann nach Curazao zurück; als er in letzterer Stadt, seincnu (Geburtsorte, B!» Jahre alt, am 20. September 1821 starj», verlassen und ganz verainit, da war es klar, dass der Gegenstand seiner i-astlosen, von Codazzi mit Enthusiasmus verfolgten Anstrengungen vollständig verloren, dass an eine columbische Seemachts-Entwickelung, die etwa der — -268 — uuidaiueiikaiiiöclien ähnlich werden möchte, g'ar nicht zu denken war. Ohne dass Aury an der Eroberung Theil genommen hätte, ward am 10. October 1821 in Cartajena die columbische Flagge aufgezogen. Der unverwüstliche Freibeuter ersann nun einen anderen Weg, auf dem er seinen Jahre langen Kämpfen einen bleil)enden Nutzen verleihen könne; er besetzte plötzlich die Miindung des San Juan-Flusses, den wichtigsten Punkt der Mosquito-Küste, auf welcher die Engländer, angestiftet von Viceadmiral Lawrence Halstead, dem Commandanten Jamaicas, ihre erste Besitzergreifung ins Werk richten wollten. Auch hier hatte Codazzi's Chef kein Glück ; die Besitzergreifung ward für eine Verletzung der Rechte Columl)ias erklärt und der columljische Gesandte in Chile und Buenos Aires, Joaqnin Mosquera, erhielt den Auftrag, gegen die- selbe energisch zu protestiren. Später erfolgten in Bogota eigene Erlasse, welche die Mosquito-Küste als einen Theil Columbias in Anspruch nahmen , obwohl sie gemeiniglich zu der neuen Republik Costarica gerechnet wurde. Aurv starb damals infolge eines Sturzes einen plötzlichen Tod; sein Nachfolger, Nicolas Joh', ward dann als Oberst in die columbische Streitmacht aufgenommen unter der Zusicherung, dass auch die anderen Aury'schen Offiziere zu gelegener Zeit in ihrem l)isherigen Range anerkannt werden sollten. Von dieser Bestimmung wurde Codazzi nicht getroffen. Gleich so vielen seiner Landsleute fühlte er tiefes Heimweh nach Italien und gab das Seefahren auf, als die Unalihängigkeit Co- luml)ias vollständig gesichert zu sein schien, und Bolivar auszog, um die spanische Macht auch aus den pacifischen Ländern Schritt für Schritt zu vertreiben. Ermüdet nahm er seinen Abschied während eines Aufenthalts in Sanct Thomas. Da diese seit einigens\viirdiy;keit entuefren: •.redermann in Luuo und rmg<'l»un. an seinen friiheren Gönner Armandi, welcher nach mancherlei Wechsellallen Jetzt zu Rom Itei der Königin von Holland die Ausbildung des bislu'r in Augsburg erzogenen Napoleon Louis IJonaiiarte leitete^ und \\])ov Jeden fi^iscluMi Luftzug innei-haib dci' (bückenden, dumi)fen Atmosphäre der ewigen Stadt sich Ireute. „Ich habe", so schrieb ihm ('(xlazzi einmal, „mein CJliick, da es in der alten Welt mir nicht hold sein Avollte, in der neuen ver- sucht: war (\s mir da giinstig, so verdanke ich das nicht meinen Talenten, Mit einem immer undankbaren Schicksal haben Sie, mein Oberst, gerungen: Sie hal)en es besiegt, und solch ein Sieg über ein stärkeres AVesen ist viel. Ich kann den Tag unseres Wiedersehens nicht erwarten; mein Kamerad Ferrari theilt diesen Wunsch, wie auch Ferrucci seine Griisse sendet. Ob ii-ii niidi hier in Lugo niederlasse, weiss ich noch nicht. Jedenfalls bleibe ich in unserer Romagna." Bald hernach, im März 18'2o, kaufte Codazzi mit Ferrari zusauunen ein Gehöft zu Serraglio, einem lui])schen, zwischen Massaloud>arda und Conselice belegenen Platze, und richtete da- selbst seine Häuslichkeit so bequem wie uujglicli ein: das IVidiere Leben sollte vollständig der Vergessenheit anheimfallen. ; 2. Mit Simon Bolivar. Die Republik Colinuliien schien in der ersten Zeit ihres Bestehens für europäische Augen eine grossartige , eine selbst der mächtig emporwachsenden nordamerikanischen Union nicht unähnliche Schöpfung zu sein. Räumlich umfasste dies neue Reich, nachdem auch die Präsidentschaft Quito von den Spaniern verlassen war, ein Gebiet von etwa 92 600 Quadrat-Leguas. Nach A^erfassung und Gesetzgebung bildete Columliien scheinbar ein fortschrittliches Gemeinwesen ersten Ranges; siegreiche Waffen waren von ihm durch die spanischen Länder des Stillen Oceans liis an die Grenze von Chile getragen. Es gab eine Reihe von Männern, die folgenreiche Siege erstritten und ])erühmte Namen erlangt hatten; da waren Truppen, von denen Tüchtiges geleistet Avar; da sollten sogar Vertreter der Wissenschaften und des Yolksunterrichts sich linden, aus Europa berufene Gelehrte und Schulmänner. Als das erste Viertel unseres Jahrhunderts endete, stand Columljien, kaum gelioren, vor aller Welt da, gleich einem aus- gebildeten StaatSAvesen, dessen Anerkennung seitens der übrigen Nationen, der europäischen, mit Ausnahme des Mutterlandes, wie derjenigen des englischen und portugiesischen Amerikas, kaum noch in Frage gestellt werden konnte; l)ehandelten doch bereits Grossbritannien und die Vereinigten Staaten die neue Republik als selbstständige Macht. Bolivar's Erfolge hatten 1825 auf dem europäischen Geldmarkte, trotz mancherlei Fehlgriffe und dro- hender Gefahren, einen gewissen Credit hervorgerufen; der columl tische Congress, der Januar 182G zum vierten Male zu- sammentrat, arbeitete immer mit Eifer und, wie es schien, oft — '27 \ — auch mit Nutzen; .I;ilir iTir .lalir hatte er iieut' Kiiirielituiiou-ota gemacht waren, leichten Mutlies. Früher, zu seiner Zeit, wai- dort Alles noch unreif und unfertig gewesen; jetzt aber drängte (ittenbar eine neue Welt kraftvoll schneller Hlüthe zu und ver- sprach Grossartiges! Bei solchem Ideengang entsehloss sich f'odazzi, seine lleimatii aufs Neue zu verlassen, und zwar mit der Absicht ans ihr aus- zuwandern; er dachte nicht mehr an eine ständige Küt-kkehr ; — 272 — und vergass sein früheres Heimweh. Nachdem er sein Gehöft mit grossem YcM-histe versilbert hatte, AvoUte er seinen Degen dem Libertatlor anbieten, dem grossen Begriider dreier Kepnbliken: ('oliuul)iens, Perus und Jjolivias, er hofl"te auf Anerkennung seiner früheren Seedienste und rechnete sicher auf eine rege Wirk- samkeit. So schiffte er sich am 2. April 182(5 in Livorno ein. Missvergnügt und beinahe ndt Allen zerfallen, fuhr er westwärts, so schnelles ging, direct auf C^artajena de Jndias. Nach äusserst günstiger Fahrt, die er im ersten Briefe an P'errari als gute Vorbedeutung pries, betrat er das columbische Ufer auf dem heissen Sande zwischen der Festung und der Vorstadt Jetsemane am 24. Mai. Fr zog dann mit seinen Habseligkeiten durch das im Fcstungswall sich öffnende dunkle Stadtthor zum ehemaligen Bischofspalaste, welcher, der Cathedrale hall) gegenül)er gelegen, jetzt dem Intendanten des Departements Magdalena znr Amts- wohnung diente. Die Aufnahme geschah höflich, aber das Geschäftliche war wenig erfreulich. Der Intendant Jose Maria del Real lag krank darnieder; Juan de Dios Alnador, der jetzt alle Geschäfte leitende ol>erste Finanzbeamte, hatte weder Lust noch Recht, einen ehemaligen Corsaren, der noch dazu kein Amerikaner war, als Offizier der Republik anzuerkennen, ol)wohl der Kriegsznstand noch fortdauerte, wie der Wachtruf der Posten bewies, welcher nicht Idoss auf den Wällen, sondern nach Dunkelwerden auch auf den Strassen erscholl. Codazzi hatte die grosse spanische Festung, als es noch möglich war sie zu er- obern, ganz anders sich vorgestellt; nun lag in ihrem Hafen die columbische Flotte, welcher er früher so gerne angehört hätte; sie bestand nur ans einer alten Fregatte, drei Corvetten, drei Briggs und mehreren Schonern, welche Admiral Lino de Clementi commandirte; diese Schiffe entsprachen mit Ausnahme der 24 Kanonen führenden Corvette Ceres wenig den Kriegszwecken, ja sie waren kaum l)esser, als die Aury'scheu Fahrzeuge von ehedem und gingen offenljar dem Untergang entgegen; Codazzi war auf ihnen unverwendbar. Cartajena seil ist gefiel ihm gar lacht; die Befestigungswerke befanden sich nicht in brauch- barem Zustande; die meisten Kanonen lagen ohne Laffeten und verrostet umher; füi- die Bollwerke war Nichts gethan; die Besatzung schien in icnler Beziehuno; untüchtig zu sein. Der Ehidi-nck, den der erste Wafienplatz (U>s Lauches machte, war — 273 — also in niilitärischor Hinsicht kenn irü listiger; allriu die Stadt war, trotz des Kneges, mehr »iiid mehr zu (Muom Geschäl'tsplatze geworden; iilierall zeigten I'higliinder, Noi'damerikaner und Fran- zosen eine riihrige Thätigkeit, welche seitens der Eingeliorenen theils mit Freuden liegrüsst, theils mit Neid verfolgt wurde. Adniiral Clementi war Codazzi von Angostura her l)ekannt; ietzt hatte er. zum .Marineminister von Columliien ernannt, die A'"orl)ereitungau-Distriktc in der Nähe lagen, namentlich Schweden. Am 10. Juni 182G war die Bodega de C.^onejo erreicht, wo die Flnss- fahrt enden nmsste, da das beinahe 6 Fuss tief gehende Schiff die von dort l)is nacli Honda reichenden Stromschnellen und Wasserwirl)el nicht bewältigen konnte. In Conejo wurde die Weiterreise durch den Mangel an ^laulthieren (itwas verzögert; f'lementi und Codazzi blie))en deshalb kurze Zeit am Bord ihres I)ani})fers nnd trafen sogar noch die aus Bogota für die Rückfahrt ankommendcMi Passagiere, unter denen der Gesandte der A'^er- einigten Staaten John Anderson, der englische Consul William Sutherland nnd etliche Congress- Mitglieder die Aufmerksamkeit fesselten. Es war für Codazzi nicht angenehm, von diesen neuen Bekannten zu erfahren, dass der vierte colum]>ische Congress bereits geschlossen sei nnd bloss ein Ausschuss, dem keine Gelder zur Verfügung standen, in Bogota die nothwendigsten Geschäfte weiter führe. Am 15. Juni begann der Ritt nach der Hauptstadt; in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni, in Guaduas, l)rach ein starkes p]rdbeben aus, das um so schrecklicher bei Tagesanbruch erschien, als trotz der immer noch sich wiederholenden Stösse die vor Augen liegende Natur, namentlich die Atmosphäre, in vollstän- digster Ruhe verblieb. Als Codazzi in Bogota (anritt, entsetzte ihn die Zerstörung, die überall hervortrat, z. B. der Zusammen- sturz der letzten Reste des ehemaligen vicekönigliclien Palastes. Zur A'erwüstung kam die Rathlosigkeit der Bewohner, wie der Behörden, konnte doch Niemand Mittel finden, um das Elend auch nur für einen Augenblick zu lindern. So war auch in Bogotji der erste Eindruck kein freundlicher, wenngleich Clementi Versprechungen über Versprechungen machte. Bald stand Codazzi wiederum dem Vice-Präsidenten Santander als Bittender gegenül)er; abermals vermochte er einen günstigen Be- scheid nicht zu erlangen. Woche auf Woche verging mit Bewer- bungen und Vertröstungen. Da winkte eine neue Hofinung: die Rückkehr Bolivar's, der seine kriegerische Mission in den Ländern des Stillen Oceans vollauf erfüllt zu halxui glaubte. Bogota bot als Hauj)tstadt dem innniu- unruhiger werdenden Italiener wenig Anregung, obgleich sie in Europa mehrfach als ein bevorzugter Musensitz, als eine Stätte für Kunst und Wissen- — '27^ — scliaft unter TTinwcis auf ^^ütis und Ca'ldas liinu;ostolIt worden "Nvar. Der Ort entsprach keineswegs dmi Ideale, das vor Kurzem im Auslande ülter den Mitteli>unkt eines krartvollen i-(>]»ultlikani- sehen (Jemeinwesens sieh «^eliihh't halte. Freilieh hewies die , Anweseidieit von Fremden aller Nationalitäten, dass die Ali^e- sehlossenheit der Colonialzeit vorliei sei; dann lehrte die dem Napoleonisehen Soldaten etwas anstössij^e Jjiehhaherei fiir selhst- erdaehte Uniformen, dass die (Mitliehrungsi-eiche Kriej^szeil vor- l)ei<»;ezof!:Pn war: aliein ein freier, frcihlicher Ausliliek in friedliche Zukunft war uieh) zu fniden. Nirgends ein lehensfrisehes Empoi'- strelien, nirgeiuls ki-al't volles Vorwärtsarbeiten — überall Soi'ge und (leldnoth. l>ie Finanzlage Columliiens hatte eine plötzliche Katasti-og'ota' für die Einhohings-Fcierlichkeiion Zeit zu geben; als diese anderen Tages um 11 Ulir Morgens l)egann(Mi. verregnete der Festesschmuck. Bolivar l)egal) sich sofort zur Wohnung von Santander, wo Alles, was Bogota an Tiichtigkeit und Schönheit besass, sich versammelt hatte?, (^odazzi komite nicht einmal ein gelegentliches "Wort für sich gewinnen, bis endlich Clementi in seiner feierlichen und zudi-inglichen Weise die Bahn brach, unter- stützt von jenem Revenga, der vor Jahren Codazzi in Angostura begegnet war; dem Zureden der A'^enezuelaner folgend, nahm Bolivar den fremden Offizier zum Aerger vieler Neu-Granadiner unverzüglich in sein ])untes Gefolge auf. Ein seltsames Schauspiel war es, dem Codazzi damals bei- wohnte; der Mann, der ihm bisher als identisch mit dem neuen süd- amerikanischen Freistaate erschienen war, hatte fast sechs Jahre ausser Landes zugebracht; seine zahlreichen Neider und Gegner lietonten, dass von ihm, ausser der Jagd auf die Spanier, wenig erreicht sei, dass vielmehr gerade die von ihm geschaffene, unver- hältnissmässig starke Militärmacht eine gesunde Ausbildung des jungen Bürgerthums bedrohe. Die neuen Siegestroi)häen , über die Codazzi daheim soviel gelesen hatte, waren von Bolivar im Auslande gewonnen; jetzt kam ihr Eroberer zurück, wenn schon ein von der Volksmasse abgöttisch angestaunter Mann, doch mehr und mehr den praktischen Geschäften der Heimath entfremdet und offenbar mit Saiitander verfeindet. In fie])erhafter Unruhe übernahm er unverzüglich das Präsidentenamt; sogleich änderte er, der Venezuelaner, hier oder dort, ohne die ^länner zu be- fragen, welche bisher für den Aufl)au Columbiens in Bogota sich bemüht hatten; sowie er auf Widerspruch stiess, griff er rasch entschlossen zu der Verfassungs-Clausel, welche Dictatur gestattete; als Dictator erklärte er sofort, dass der Vice-Präsident für die inneren Provinzen die gleichen ausserordentlichen Rechte in A''er- tretung ausül)en solle; damit warf er das junge Verfassungswesen thatsächlich ül)er den Haufen. Am 25. Novemlier früh 7 Uhr verliess eine stattliche Reiter- schaar das am Fusse des Monteserrate ])el('gene Bolivar' sehe Landhaus, ein ehemaliges Besitzthum des Vicekönig-Erz))ischofs Caballero. Der Libertador hatte l)eschlossen, den gefährlichen — -27!) — Uiiitrirlicn . die in N'ciic/iH'la iiiiiiicr linlici" ihr llaupt crliiilMMi. (liiii'li (las (Jewk'lit der ('i<>;(Mi('n Porsoiiliclikcit /.ii licjrcLiiicii: ilm l>eedeutung: ('oda/,/,i lilt dort recht traurig ins (lürl"tige Quartier, zur Rechten den liitter gewordenen Revenga, •/MV liinken den sehr liesorgten Leil)arzt l*edro A'illaran. Unweit Famplonas, in (h-m kleinen Gehöfte Capitanejo. Avard iiliei- ilie Rewegung in A'enezuela die volle Wahrheit kund: ein Eilbote brachte die Urkunde vom 13. Novem))er, in welcher jener Josd Antonio Paez, als Chef des neuen Staates Venezuela, nach Va- lencia eine Vei-sammlung lierief, die schon Mitte Januai" des niichsten Jahres den zur ehemaligen General-rai)itanie Caracas gehörenden Provinzen ('oluml»iens eine eigene Verfassung gc^lien sollte. Was blieb bei solchen Wirren liir die Einh(nt Columbiens noch zu hoffen; oilenbar stand Bürgerkrieg oder Verfall vor der Thüi-. Codazzi folgte dem immer rascher reisenden und vorwärts jagenden Libertador nach Rosario de Cücuta, avo vor wenigen Jahren die so stolz sich ausnehmende colnmbische A^'erfassung v(M-kündet war: er ritt von da nach Hor([ueta, einem beim Zu- sammenfiuss des Catatunibo und des Zulia l)elegenen Orte, wo venezuelanische Naclirichten ül)er den Ausbruch von Militär- unruhen bereits sich vorfanden. Von da ging es den Zulia-Strom hinal» und zu dem grossen nach der Stadt Maracailio genannten Binnensee: einem höchst merkwiirdigen Gewässer, das wegen der Gewalt der Elemente fast nie ohne Gefahren und Mühen beschift't werden kann; gesellen sich doch dort zu den Wasser- hosen, J^latzregen und föhnartigen Stürmen dichte Wolken von Mos(iuitos. Noch nie hatte Codazzi die Tro])en in so ab- schreckender Wildheit gesehen, als aber <1ie Fahrt an der Süd- küste des Sees weiter vorrückte, gewährte sie ihm auch eines der schönsten und grossartigsten Tro])enbilder;, es war der Blick von d(M- Wass<'rfläche l)is zu den dunklen Mauern der l'a'ramos und den schneeliedeckten Spitzen der Sierra Nevada de Merida. Am 1(). Dezember Avar Maiacaibo erreicht, wo Uodazzi das Com- niando der Artillerie übernehmen sollte. — 280 — Maracaibo hatte als Hauptplatz des Departements Zulia in der jüngsten Kriegsgeschichte eine hervorragende Rolle gespielt; nachdem sie am 28. Januar 1821 gegen das Mutterland sich er- klärt hatte, war sie besetzt worden durch den spanischen General Tomas Moräles, welcher von Cojoro aus, einem Küstenplatze an der Goajira-Seite des Golles von Venezuela, über Sinamaica ein- fiel; dann war dort der europäische Widerstand gegen die immer zerstörungswüthender eiuherschreitende Revolution bis zum letzten Augenblick fortgeführt; wie denn z. B. der republikanische Oberst Jose Sarda, der einen Marsch quer durch die wilde Goajira- Halbinsel machte, erst bei Garabuya von den Spaniern zurück- geschlagen war. Für diese zeigte sich aber aller Anstrengungen ungeachtet Maracaibo zuletzt als unhaltljar; nach einem Seesiege von Jose Padilla, an welchem viele ehemalige Schiffsbekannte von Codazzi theilnahmeu, hatte Morales am 3. August 1823 capi- tulirt; wenige Tage später war die Stadt von den Spaniern end- gültig verlassen worden. Solch ein Erfolg war nach Codazzi's Ansicht grosser Unvorsichtigkeit der Feinde zuzuschreiben; bei Wiederausbruch des Kampfes stand ein zweiter gleich glücklicher Ausgang kaum zu erwarten; namentlich nicht, wenn ein von der Goajira-Seite kommender Verstoss sich wiederholen sollte; war aber Maracailio aufs Neue von den Spaniern gewonnen, so lag für diese nicht nur ein wichtiger Theil Venezuelas wieder ofien, auch der beste Weg nach Neu-Granada, der Pass von Ciicuta. Die Folgen einer solchen Invasion waren unabsehbar, zumal an vielen Stellen Venezuelas, namentlich in den Gebieten der Flüsse Orituco und Tuy, Reste von Königlich- Gesinnten sich fanden, welche gefährlich wurden, sobald sie von Europa Offiziere und Waifen erhielten. Diese Sorgen traten bald für einige Wochen in den Hinter- grund; Jedermann in Maracaibo Ijeschäftigte sich nämlich mit der Möglichkeit eines Bürgerkrieges. Bolivar verhängte über das Departement Zulia und die benachl)arten Gegenden den Be- lagerungszustand; General Jose Maria Careüo sammelte Alles, was in derartigem Kampfe dienen konnte. Als Commandant der Artillerie-Brigade von Maracail)o wurde Codazzi auf Bolivar' s Befehl mit dem Range eines columbischen Obristlieutenants am 11. Januar 1827 vom Bogotaer Kriegsminister anerkannt; seine Dienstzeit ward dabei vom 18. Februar 1818 — 281 — au gei-echnet luul die Al)wesenlieit in Italien wie ein Urlaul) be- trachtet; zugleich erfolgte seine Aufnahme in den Befreier-Orden, jenen eigenthüniliclien Soldatenkreis, der von Bolivar bereits vor bald zehn Jahren gestiftet war und besonders dafür bestimmt zu sein schien, dem immer mehr ül)erhandnehmenden Militarismus ein patriotisches Gewand umzuhängen. Obwohl Codazzi bereit war, den Verhältnissen seiner neuen Ileimath ganz und gar sich zu fügen und vollständig Columbianer zu werden, war doch die heisse flache Garnison kein Platz, der ein Vergessen europäischer Ansprüche besonders erleichtert hätte ; liesser stand es mit dem Umgang. Der seit Alters zwischen ^laracaibo und der holländischen Insel Curazao bestehende Schleichhandel florirte nun üppiger als je nnd schien nichts Un- ehrenhaftes an sich zu tragen. Der al)enteuerliche Verkehr mit jener Insel und manchen anderen unter europäischer Herrschaft befindlichen Antillen führte dazu, dass in Maracaibo Menschen der verschiedensten Nationalitäten sich zusammenfanden; ausser- dem waren dort noch Reste der Fremdenlegionen hängen ge- blieben, welche einige nicht ganz unbedeutende Kräfte enthielten. Codazzi liefreundete sich vorzüglich mit Francis Hall, welcher sich Hydrograph von Columbien nannte und für die europäische Auswanderung nach Südamerika nicht bloss schwärmte, sondern auch schrieb ; dann trat ihm Heinrich Weir näher, der als Oberst einige Befestigungen von Maracaibo commandirte, ein fast ver- wilderter Hannoveraner von ursprünglich tüchtigen Kenntnissen. Es waren besonders die Erinnerungen an die Napoleonischen Kämpfe, welche diese sonst so verschieden gearteten Männer zusammenführten; wie gewaltig erschienen doch jene Zeiten im Vergleich zur Gegenwart! Diese kleinliche Gegenwart forderte übrigens auch Entbeh- rung und Anstrengung genug, namentlich in Codazzi's Umgebung. Wenngleich die Gefahr des Bürgerkrieges bald durch Bolivar's persönliches Eingreifen beseitigt zu sein schien, dauerte doch mit Spanien der Kriegszustand unverändert fort. Die Feindseligkeiten erfolgten jetzt meist durch Kaperschiffe, welche den spärlichen und doch unentl )ehrlichen Handelsverkehr störten ; von grösseren Expeditionen wusste man, seitdem in Spanien neue Wirren aus- gebrochen wai-en, nichts; es drohte aber noch immer die starke, unter Anjel Laborde in den westindischen Gewässern stationirte — OSO Kriegsflotte, welche jederzeit eine Armee ins Land werfen komite; Lal)orde kreuzte liald hier l)ald dort an dem venezuelanischen Theile der columLischen Küste, vorzugsweise an' jener Hall»insel Goajira; ausserdem komite er leicht durch die Kriegsschifte, welche vor Portorico jenen General Moräles mit einer grösseren Anzahl von Landtruppen an Bord ha1)en sollten, Verstärkungen erhalten. LTnter diesen Umständen und in Erinnerung an die letzten Kriegsvorgänge erhielt Codazzi am 15. Februar 1828 den Auftrag, diejenigen Punkte festzustellen, wo einem von dem Lande der Goajiros kommenden Uel)erfalle l)egegnet werden könnte. Gleich vor den beiden uehrungsähnlichen Halbinseln, welche den Maracaibo - See vom venezuelanischen Golf, das Süsswasser vom Meere trennen, buchtet der Sund auf der linken Seite ziemlich stark sich aus. Dort liegt zwischen der Stadt Mara- cail)o und der mit dichtem Mangle-Busch bedeckten Halbinsel San Carlos ein kleiner Ort, Mojan geheissen, an der Mündung des Rio Socuy, welcher vom Motilonen - Gebirge herabströmt und vor seinem Ende zahlreiche Binnenseen bildet. Hier, in einer meist sumpfigen, fast immer ül^erschwemmten und oft ganz unzugänglichen Gegend, hatten alle von der Goajira-Küste aus unternommenen Angriffe der jüngsten Zeit das Gebiet von Mara- caibo getroffen; deshalb erschien es als besonders wichtig, erst diese Strecke und dann jenes Stromgebiet einer Erforschung zu unterziehen. Codazzi unternahm solch ein schweres Stück Militär- Geographie, um Flussläufe, Gewässer und Furten, Pässe, Land- wege und sonstige Einzelheiten zu ermitteln; er fuhr- mit einer Flechera, einem durch Ruder und Stossstangen fortbewegten kleinen Kanonenboote, in die Bucht von Uraba hinaus, besuchte die ziemlich hoch über den Wasserspiegel sich erhebende, an Steinkohlen und Kalk reichhaltige, aber sehr öde Insel Toas, vermaass die spärlich Ijewohnte platte und steinige Küste, bis jenes Dorf Mojan eri'eicht war. Dann drang er in den Rio Socuy hinein, dessen kahle Landschaft merkwürdig gegen das Dickicht und Röhricht am eigentlichen Uferrande und gegen die grossen, im Strombette selljst schwimmenden Pflanzen-Inseln abstach. Alle A'erzweigungen des Gewässers, zu denen, ausser dem unheimlichen Padre Mauro, auch die Flüsse Limon und Guasare gehören, waren zu besuchen. Von diesem unwirthlichen und ungesunden Land- striche wurden die genauesten Karten gezeichnet, auf welchen — 283 — nicht bloss Flussüliergäiige und Wasservei'l)in(luno-en, sondern auch Indianersteige und als J^agerstätten odei- als Angiillsi)Uitze zu gebrauchende Oasen zu linden waren. Enthusiastisch genoss Codazzi hier mit vollen Zi'igen die gefahrvolle Troi)en\velt; vor Allem geliel ihm der einsame, mit Schwimmptlanzen besäte, von dichtem Waldesgrün umsäumte Sinamaica-See, in dessen flacher Mitte Indianei' -Wohnungen sich erhü))eii, welche auf Pfosten iiber dem Wasser ruhten: gerade so wie die Entdeckungs-Geschichte erzählte, um bei solcher Gelegenheit den Namen Venezuela in kindlicher Weise zu erklären. Den Hauptvorzug dieser Pfahl- ])auten lernte Codazzi von Stunde zu Stunde höher schätzen; sie waren nämlich frei von der Mosquito-Plage. Der fremde Offizier hauste nun bei den nackten, Idoss von Fischen und Wasser- g(^(li'igel lelienden Kindern der Wildniss und machte unter ihrer 1 Hilfe die genauere Bekanntschaft mit umwohnenden Indianern, mit Resten von verschiedenen aussterbenden Völkerschaften, mit Aliles, Bobures, Carates, Quiriquires, Tamanares und Zapares. So klangen die von diesen Wilden gel>rauchten Namen, deren Echtheit und Bedeutung nicht zu beurtheilen war. Nach Maracaibo heimgekehrt, fand Codazzi nur das einförmige Lel)en in den Forts, die den Meeressund schützen sollten; von diesen waren die von Payana und San Carlos sowie das gegen- üljcrliegende Zapara die Ijedeutendsten. Anfang 1829 beauftragte ihn dann Careüo's Nachfolger, General Justo Briceüo einen im Kriegsfall anwendl»aren Marschplan für das grosse Departement Zulia von Etappe zu Etappe auszuarbeiten; jenes Departement umfasste damals das Flussgebiet des Zulia bis zu den entlegenen Grenzen von Neu-Granada und bis zu dem schneebedeckten Kamme des Merida-Gebirges. Diesen grossen Bereich kartographisch zu bearbeiten, war kein geringfügiges Unternehmen. Kaum waren hierfür die ersten Vorbe- reitnngen im Gange, als sie durch n«ue Nachrichten ül)er drohende Bewegungen spanischer Streitkräfte unterbrochen wurden. Inlblge dieser Neuigkeiten erging an Codazzi der Befehl, die Einfahrt zum Maracaibo-See in kriegstüchtigen Zustand zu bringen; Geld war zufällig vorhanden, so dass der Auftrag schon in achtzehn Tagen erfüllt war, namentlich durch Verbesserung der Feste San Cjirlos. Als der Friede nicht gestört wurde, glauljte Codazzi mit seiner schnellen Rüstung das ihm übertragene Werk keineswegs voll- — 284 — liracht zu haben; er entwarf vielmehr eine Karte von dem merk- würdigen Sunde, der die Meeresbucht mit dem Süsswasser-Bassin verl»indet; er unterzog die Uferländer des letzteren einer genauen und eifrigen Vermessung, welche ihn, trotz aller Land- und Wasserplagen, mehr und mehr interessirte , führte diese Arbeit ihn doch von der Wasserfläche des Sees bis zu den Schneefeldem des Hochgebirges und hinein in alle Geheimnisse der tropischen Thier- und Pflanzenwelt. Bei solcher immer neuen, aber auch sehr anstrengenden Wirksamkeit verging Monat auf Monat. Die Ufer wurden vom Bord der Flechera aus aufgenommen, sowohl die an der rechten wie die an der linken Seite des Sees; mit einigen Begleitern Hess sich hier und da ins Innere dringen, so dass man bis Trujillo und Merida auf der gebirgigen Ostseite kam, später auch ]»is San Carlos am Escalante und bis Perijä im Goajira-Gel)iete: zweien höchst ärmlichen Hinterwälder-Posten. Während dieser Arbeiten nahmen die Geschicke Columbiens eine Wendung, welche Codazzi bei seiner Auswanderung aus Italien nimmer geahnt hätte. Als er von der letzten Vermessungs- fahrt zurückkehrte nach Maracaibo, wo die Bolivar'sche Partei immer geherrscht hatte, war Alles in vollster Auflösung be- griffnen; nichts als Feindseligkeit gegen die Machtstellung von Bolivar, welcher, nachdem die National-Convention von Ocana fruchtlos gel)lieben und eine Verschwörung gegen sein Leben vereitelt war, abermals offen die Dictatur übernommen hatte, um zu retten, was zu retten war. Das Departement Zulia litt am meisten unter den politischen Gegensätzen, denn es Ijildete für das Bolivar'sche Neu-Granada den wichtigsten Zugang, gehörte aber nach der historischen Tra- dition zu Venezuela, wo jetzt der endgültige Abfall vom Liber- tador, dem Sohne Venezuelas, sich zu vollziehen begann. Die Einflüsse seiner Umgebung machten Codazzi mehr und mehr zu einem Gegner des ehemals so verehrten Mannes; er begriff" all- mälig den Zusammenhang der zerrissenen Eindrücke, die er in Cartajena und in Bogota empfangen hatte. Er dachte nicht mehr au seine frühere Verehrung bei Betrachtung aller Einzelheiten, bei Erwägung der thatsächlichen Leistungen, bei Vergleichung des Versprochenen mit dem Verwirklichten. Bolivar besass off'en- bar nicht mehr die maassgel)ende geistige Macht; es standen zu ihm nur die durch ihn selber grossgewordenen Männer, meist — -285 — pei'.sönlieLe Freimdo aus dem Militär oder aus der Kriogszeit, unterstützt von den A'^ertretern (nnes Centralisuuis, welcher in Maracaibo, bei der grossen Entfernung von Bogota', als geradezu unsinnig erschien. Diesen Oahi'ungen im Volksleben schaute Codazzi noch ohne Leidenschaft, al)er doch mit scharfem Auge zu, es hing ja auch seine Zukunft von ihrem Ausgange ab. Seinem Freunde Ferrucci gab er Nachi-icht über das Kounnen und Gehen neuer politischer Wandlungen: „Das Eifern eines Dictators war immer ein Vorzeichen seines Falles!" Der Sturz erfolgte schnell. Bei Bolivar's Tode war sein so grossartig geplanter Staateubau im Zertrümmern l)egriften; wie die östlichen Depai-te- ments, Zulia eingeschlossen, eine eigene Repuldik Itilden wollten, so waren auch die südlichen abgefallen: Ecuador, Guayaquil und Asuav unter dem Gesammtnamen Ecuador. 3. Vermessung und Karte von Venezuela. Der erste Präsident der Ropnlilik A^enezuela ^var ein recken- liaftor Sohn der ungeheuren Grasöden des Innern und zugleicli ein echter Zögling des l)lutigsten Biirgerkrieges; etwa 40 Jahre, bevor an Jose Antonio Paez^'^^) in Ermangelung eines Fähigeren, die ol)erste Regierung seines Vaterlandes ii])ertragen waixl, hatte er im einförmigen Araure-Geljiete, am Ufer des Curpa-Flusses, das Lehen der Steppen l)egonnen; dann war ihm in den kleinen Ortschaften Guana und San Felipe ein kindlicher Unterricht ge- währt worden; das Meiste hatte er auf dem Eiicken des Pferdes gelernt, erst ohne Sattel, dann in Llanerotracht; erst als Theil- nehmer an den gefahr^'ollsten Pliinderungsfahrten der Aufständigen, dann als Führer geordneterer Schaaren von Lauzeni-eitern, endlich als Genosse von Bolivar, als ein columbischer General. Pa'ez hatte in kurzer Zeit viel gelernt; trug er auch noch manchen Zug ursprünglicher Rohheit, so war er doch ein ganz anderer Held geworden in den Jahren der Kämpfe und stand bei Beginn der ruhigeren Zeiten als ein vollständig gereifter Charakter da, gefiirchtet und doch geehrt, gutmüthig und doch wild, hartnäckig und doch für fremde Rathschläge zugängig; gerade darin hatte er eine Meisterschaft gewonnen, dass er durch gebildete Rath- geber und gewandte Gehülfen die eigenen Schwächen ausglich. Ein Mann, der, wie er, bei jeder einzelnen neuen Aufgabe das Lernen von Neuem wieder anfing, musste für eine junge, über gar keine Erfahrungen und über nur wenige Kräfte verfütrende Reimblik von grossem Segen sein. I CD O I5ereits am G. Mai 1HP>0 war in Valencia eine verfassung- gebende Vei'samndung erött'net worden, welche von Vertretern der — -iST — Provinzoii Barcelona. Iiarfiias, Carabolto, Caracas, Cumana, Guayana, Maracailio und Mi'ritia geliiklet wurde. Zu diesem feierlichen Vorgange hegah sich auch Codazzi nach der Haupt- stadt Venezuelas: er ül »erreichte dort der neuen Regierung seine drei stattlichen Kartenldätter nebst den dazu gehörenden Marsch- routen, IIöheid)erechnungen, Ortsliestinunungen und lügte ein glänzendes Resunie in schlechtem Spanisch hinzu. Sein grosses Karteubild vom Maracaibo-See ward von einem in tiefen itÄlienischen Farben enthusiastisch ausgelTdirten Zukunl'ts- gemülde Itegleitet: einer Vision, die für Viele sehr ansjji-echend war. „Scheint es doch, als habe die Vorsehung (buch diese grosse Seefläche den Meeresrand verlünden wollen mit dem Fuss der hohen Bergketten von Trujillo und Merida; l)ewuu(lerungs- würdig ist die grosse Fruchtbarkeit der Ufergegenden dieses Gewässers, die weite Ausdehnung desselben, die Menge der durchströmenden lluthreichen Flüsse. \'oni Ufer bis zu den Gipfeln, die ringsum sich erhelien, läsöt sich für jedes Erzeugniss Europas oder Amerikas eine geeignete Temperatur aussuchen, von der Glühhitze bis znm Sturm der llochsteppen oder Itis zur Kälte des ewigen Schnees. In künftigen Zeiten, wenn diese Ge- genden angesiedelt und angebaut sind, können allein die Wäldei- von Merida und Trujillo, die bis an das Wasser reichen. eintMi Ertrag gewähren, der vierzig Mal grösser ist als der heute von dem ganzen cultivirten Tlieile der Repu))lik kommende. Der Reichthum des Innern wäre durch die Flüsse Motatan. Escalante, Sucia, Zulia und Catatumlio zum See herabzuschaflen , welcher, befahren von den Schiffen aller Nationen, in seinen Häfen den Auslausch zwischen den Schätzen Europas, den Fi-üchten seiner Unigel>ung und dem Golde Neu-Granadas sehen wüi'de. Was die Binnenthäler der Gebirge erzeugen, wird alsdann umgesetzt und verzehrt von einer zahlreichen Bevölkerung, welche an den höher bel(>genen Gebieten mildes Klima, ewigen Frühling gesucht iiat. Reiche Städte werden ihren Bewohnern alle Ann<'hmlichkeiten des Lebens, die Genüsse des geselligen Lebens gewähren; die Entfernung von der Küste wird durch Ileerstrassen gekürzt, die von Mucuchies und Motatan, von Trujillo zur Küste hinaliführen; von der Mündung des Zulia und des Grita wiril {[cv Waaren- verkclir aufwärts steigen nach (h'u Thälern von Ciicuta und San Ci-istol»al inid am riiliaulc liis zum Hafen von Teteo." — 288 — So das verlockende Lied von Codazzi. Auf einen Natur- menschen wie Paez machte es den grössten Eindruck. Die mili- tärische Wichtigkeit der Karten war ausser Frage, el)enso die Tüchtigkeit ihres Verfassers. Codazzi empfing volle Anerkennung; Paez ging auf die Idee einer allgemeinen Landesvermessung ein und unterbreitete schon dem ersten regelmässigen Congress jene drei Probe- Arbeiten mit dem Antrage, dass eine kartographische Aufnahme von ganz Venezuela erfolgen möge. Am 29. Septeml)er 1830 wurde Codazzi zum Chef des vene- zuelanischen Greneralstabes ernannt, nachdem er noch die vierte Nordprovinz vermessen hatte: Coro, wo die Arbeiten verhältniss- mässig geringe Mühe machten. Sehr bald war das ganze grosse, Ijisher kaum bekannte Stromgeljiet des venezuelanischen Golfes kartographisch vollendet. Diese theoretisch wie praktisch höchst werthvolle, vier Pro- vinzen umfassende Arbeit lag also vor, während neun Provinzen noch fehlten; zu diesen gehörte aber einestheils die kleine Lisel Margarita, welche angesichts der trefflichen vorhandenen See- karten keine l)esondere Aufnahme nöthig machte, andern theils das unermessliche Guayana, das nur in einzelnen Partien zu- gängig war, da dessen Wildnisse jeder systematischen Bereisung und genauen topographischen Behandlung Trotz boten. Am 14. October 1830 erfolgte der Congresslieschluss, welcher die Regierung ermächtigte, einen geeigneten Offizier zu l^etrauen mit der Herstellung von Provinzialkarten, welche geographische, physikalische und statistische Angaben vereinigten.^^*) Der Con- gress erklärte dabei, „dass für A^enezuela die Aufnahme von Karten, die Ermittelung von Militär-Routen und die Herstellung statistischer Uebersichten ein Unternehmen von erstem Range ])ilde; es sei eine Arbeit, deren segensreiche Folgen sich zeigen würden in der Erleichterung der militärischen Operationen, in der Kenntniss der Provinzialgrenzen, in der grösseren Genauig- keit der Steuervertheilung, der Hebung der Landwirthschaft, der Eröffnung und dem Ausbau von Wegen, der Entwässerung von Seen und Sümpfen, in der Schiffbarmachung und Befahrung von Strömen." Der für diese Aufgal)e ausersehene Offizier war Codazzi, der sofort von Coro abreiste und sich zum Präsidenten begab. Dieser eröffnete ihm, dass er fiir die drei Jahre, in welchen die — 289 — Arbeit zu vollenden sei, doppeltes Gehalt geniessen solle, aber seine Reisekosten selbst tragen müsse und nur einmal hundert Pesos Zuschuss für Beschaftung von Instrumenten erhalten könne. Diese Bedingungen waren keineswegs günstig; allein der Gedanke in die Fussstapfen eines IIuml»oldt treten zu dürfen, beseitigte alle Bedenken, zumal die Huud)oldt'schen Karten eine Menge der wichtigsten Aufschlüsse darboten,, namentlich über den Lauf des Apure, Ataliapo, Casiquiare, Caura, Guaviare, Meta, Negro und besonders des Orinoco selbst; fehlten in ihnen doch mw das Delta des letztgenannten Stromes und das gerade jetzt fertig- gestellte Flussgebiet des Maracaibo - Sees. Codazzi's Aufgabe verlangte viel Zeit und Kraft; sie eröflnete al)er auch eine weite Perspective für technisch höchst interessante Studien, sofern nur Land und Volk ruhig sich weiter entwickelten. Dies stand zu hoften, wennschon die Zeichen der Zeit wenig verheissend waren. Freilich schien Bolivar's Tod, der am 17. December 1830 er- folgte, eine Frieden versprechende Wendung zu sein; jedoch der venezuelanische Congress, der alle praktisch - politischen Erfah- rungen entbehrte, fasste zu Codazzi's Besorgniss gefährliche Beschlüsse; sie betrafen eine Schwächung der Militärgewalt, der einzigen für den Augenblick zum Durchgreifen föhigen Autorität, ferner die viel Zank und Erbitterung verbreitende, formelle Trennung des Staats von der Kirche, dieser l)ei einem aus- schliesslich katholischen A^olke einflussreichsten Organisation, endlich sogar eine Beschränkung der Sclaverei, mithin die grösste Erschütterung der bisherigen socialen und finanziellen Verhältnisse, die denkltar war. Codazzi hatte das öflentliche Leihen Südamerikas bereits genügend kennen gelernt, um derartige Wandelungen nicht mit einem principiellen Maassstalie, sondern nacli iliren thatsächlichen Wirkungen zu ])eurtheilen; seiner Ansicht nach lockerten sie das wenige Alte, was nach den Unal)hängigkeits- kriegen noch l)estand, in vorschneller und gefährlicher Weis(\ Seine Meinung war die richtige, denn l)ald hatte er seinen Freunden in Lugo mitzutheilen , dass er die so fr(;udig ülter- nommen<; Landesvermessung nicht ruhig l)eginnen könne, er müsse sie von Anfang an mit allerlei Militäraufträgen und Feld- zügen verbinden, müsse als Landestopogra|)h l)ald hier bald da Kriegsdienste verrichten.'^'* ') Zunächst marschirte Codazzi gegen Julian Infante, einen der Schnmacher, SUdamciik. StiuVii'n. lf) — 290 — vielen unniliig-en Bandenfülirer, welche unter dem Vorgelien, für die Wiederherstellung Columhiens einzutreten, die Waffen er- griffen: Ausgeburten der wilden Kriegszeit, denen der Patriotismus nur als Kleidung diente, die Masse des Volkes aher zum Opfer fiel. Diese Libertadores, die alle Liberti missachteten, hauseten namentlich in den endlosen Steppc^n des Orinoco-Gebietes, auf den vereinzelten grossen Gehöften am Apure und Arauca, die reichen S])aniern abgenommen waren; sie lebten in stetem Verkehr mit den rohen, urstarken Viehzüchtern, denen jenes l)iirgerliche Leben vollständig unbekannt geldieben war. Infante griff" in den Llanos des Apure-Stromes zu den Waffen und bewog Francisco Vicente Parejo, einea ebenfalls unbeugsamen Häuptling aus dem letzten Kriege, sich ihm l)eizugesellen; Päez, wenngleich selbst ein Llanero von echtestem Schlage, trat diesem so ver- derblichen Treiben mit rascher Energie entgegen. Sofort Hess er die Schaaren von Infante und Parejo angreifen, wobei Codazzi als Commandant der Infanterie, einer für Pjiez unhandlichen Waftenart, zum ersten Male die grossen Grassteppen des Innern kenneil lernte, deren niemals unterbrochene Melancholie auf sein empfängliches Wesen trotz des Waffendienstes den tiefsten Einfluss ausübte; von Natur ein verschlossener Mann, im Seeleben auf sich beschränkt, empfing er jetzt mehr und mehr ein tiefernstes weltverachtendes Wesen. Mit einem Feldzuge war der Aufruhr noch nicht vorbei; bald ging Codazzi zur Erhaltung der äusseren Ruhe in die Provinz Mdrida, um dort zugleich auf verschiedenen Punkten eine etwaige Vertheidigung gegen die Schwester-Repuljlik Neu-Granada zu organisiren, w^elche fortgesetzt eine gewisse 01)erhoheit beanspruchte, obgleich sie noch nicht einmal formell constituirt .war und unter inneren Wirren litt, während der einzige INIann, der in ihr ein Regiment hätte führen können, General Sautander, im Auslande lebte. Als Codazzi jetzt mit Rücksicht auf solche militärische Vor- kommnisse an der neugranadinischen Grenze die Karte von IVIerida genauer ausarbeitete, kam er auch auf seinen Fortifica- tionsplan für Maracaibo zurück, weil von diesem Platze aus ein grosser Theil des Landes iii Schach gehalten werden konnte. Die schwache Seite dieser Position schien ihm auch jetzt die dem Lande der Guajiros zugekehrte zu sein, so dass er einen Ritt in diese wilde Gegend wagte, die selten ein Einzelner l)e- — 291 — treten hatte. Auf dem ^farkto von Maracaibo war oft reger A'^erkelir; es lilühtc wöchoiitlicli das Geschäft in Pferden, und unter diesen waren die kh'inen, ausdauernden, alter wilden Goajira-Thiere sehr gesuciit. Coilaz/.i machte sich an einen schon von liranntwein lierauscliten Trupp der wihlen, phantastisch gekleideten Verkäufer, die ihn seines italienischen Accentes wegen nicht für einen Spanier hielten, und hegleiti'te die Hoi'de bis tief nach dem Inuei-n hiiu'in , wobei ov ficilich die Oi-te Yarigü, Caramai-e, l'edraza und ^ront(^sd(Mica kennen lernte, aber seinen militärischen Zweck nicht erreichte, da das wiiste Nomad(Mivolk auf seine Fragen nach gangbaren Wegen oder brauchbaren Fliissthälern keine Antwort ertheilte. Von .^^aracaibo rief ihn am 11. April 1881 ein dritter Feldzug all; diesmal hatte sich einer der namhaftesten Generale der IJolivarschen Zeit Josd Tadeo Mona'gas '^^) mit bewaflneter Hand emjjört; dieser gewaltthätige Mann hatte schon am 15. Januar \H'i)\ in Aragua, dem A'erkehrsmittel})unkte der Provinz J3arcelona, (dVentlich erklärt, da IJolivar nicht mehr lebe, halt(! er sich selber für den Präsidenten von Columbien. Die Trupjien, welche jetzt, nachdem Versöhnungsversuche erfolglos geldieben waren, den frechen Aufstand niederwerfen sollten, commandirte der Kriegsminister Santiago Mariüo: ilm Itegleitete Codazzi als Chef des Generalstabes; ^lonjigas wurde rasch in die Enge getrie))en und suchte sonderl)arerweise Codazzi für sich zu gewinnen, vorzüglich für die Idee, die Umgegend von Barcelona zu einer eigenen Republik mit dem alten Namen Columbien zu erheben, Mariüo zu deren Gouverneur und sich selbst zum Vice-Gouverneur zu machen. Gegen die Theilnahme an einem solchen geradezu hochverrätherischen Vorhaben protestirte Codazzi aufs Ent- schiedenste; in diesem Plane schien die alte, dem Italiener bcsondei-s verhasste Föderations-Idee wieder aufzuleben. Nach allerlei Hin- und Herzügen unterwarf sich Monägas am 24. Juni im Pascua - Thale und ward Codazzi deshalb durch Congress- Iteschluss für einen Retter des A^aterlandes erklärt! Hiennit waren die ersten Militärunruhen, die Codazzi diiirli- zumachen hatte, Ijeendigt; überall folgte der WaiVengewalt die Begnadigung, dem Zwang die Verzeihung, der militärischen Energie die parteiischste Schwäche; überall zeigte sich eine weitreichende Demoralisirung der Masse des Volkes. 19* — ■ 292 — Nacbdom noch einige kleine Störnngen Ijeseitigt waren, begann Codazzi am 2. Jannar 1832 seine Landesvermessung systematisch von der Stadt Cara'cas ans, die am 30. Mai 1830 zur .Hauptstadt der RepuLlik erklärt worden war. Der Ort bot nur Wenig; l)elegen im schönen San Francisco-Thale, durchströmt vom Caroata und Catuclie, war er nicht ungesund, wenn auch heiss. Nach dem Erdbeben vom 26. März 1812 einfach, dem Elende der Zeit entsprechend, wieder aufge1)aut, Avar er nicht hässlich, wenn auch viele vorstädtische Häuser noch in Ruinen lag(ui; die Stadt war jedoch geschäftslos; es lebten in ihr etwa 23 (XX) Menschen, aber meist Unbemittelte; nur Wenige, deren Vorfahren früher zu den Vermögenden des Landes gehört liatten, waren noch in Wohlstand; dazu kam eine Anzahl fremder Kauf leute, die durch Energie und Klugheit während des Krieges reich geworden waren und deshalb beneidet wurden. Gerade diese Ausländer lernte Codazzi schätzen, als er seine Vorbereitungen für die Vermessungsfahrten ins Werk setzte; er empfand dabei nach und nach eine grosse Bewunderung für das- jenige Volk, das er früher unter den Standarten Frankreichs bekriegt hatte, für das deutsche. Ausser solchen fremden Kreisen, ausser Päez und dem vertrauten gelehrten Freunde desselben, dem Arzte Jose Maria A^ärgas, ^^^) war in Caracas zunächst Idoss eine Person zu finden, welche Codazzi's neuen Aufgaben Interesse entgegentrug: Feliciano Montenegro de Colon, '^'') ein weitgereister Spanier, der nun die alten Mauern des Franciskaner- klosters für eine Bürgerschule benutzte und mit Erfolg eine A^olks-Bi])liothek sammelte: das einzige Institut in der ganzen Stadt, welches auch für Codazzi's Arbeiten werthvoll werden konnte. Montenegro spähte gerade jetzt nach allerlei Lokal- quellen aus, nach den von Humboldt so oft erwähnten Amts- l)ei'iehten aus der spanischen Zeit, nacli statistischen Tabellen und ähnlichen Ilülfsniitteln; er l)raclite Codazzi das einzige, si)eciell mit Venezuela sich beschäftigende G(\schichtswei-k , ein 1723 in Madrid von Jose de Oviedo y Banos herausgegel)enes Bucli, das manche auch für die Geographie, z. B. Ortschaften, nicht unwichtige Aufschlüsse gab. Bis zur Capitulation von Maracailio vvar dieser neue Freund von Codazzi den vaterländi- schen Fahnen treu gel)lielten; dann hatte er das gegen Spanien aufrührerische Venezuela verlassen, war von den Antillen nach — 293 — Europa gogaiigcMi. später, cnttiinscht, von da nach .Mi'Jico. wo er einer zur BelVeiuug Culjas ausgerü.steteu Expedition lieige- troten war. Nun liatte er als Kcpuldikancr A'^enezuela wiedei- betreten und arlteilete nielit Itloss lür jene bis jetzt noch i-eclit düiltigiMi Institute, sondern auch für ein grosses (}(;ographie- Werk und lür (jine Gescliiclite der Revolutioji von A'enezuela, also für zwei llüelier, die für Codazzi von grosser Wichtigkeit waren, zumal ihr i>iuck in Caracas seihst erfolgen sollt(\ Keine bessere IIüH'e hätte Codazzi sicli wünschen können, und Monte- negro, viellat'h angefeindet wegen seiner früheren Parteinahme für ilas Mutterland, fühlte sich durch das schnelle Entgegen- konniien eines Mannes, welcher als Fremd) »ürtiger von der National -Eitelkeit der neugehorenen Reimhlikanei' noch nicht angesteckt war, überaus beglückt, so dass sicli bald ein freund- schaftliches Verhältniss entwickelte. A'on CanCcas aus bereiste Codazzi im Laufe des Jahres iSo'i alle Tlieile der gleichnamigen Provinz mit Ausnahme der Llanos; er interessirte sich vorzüglich für die merkwürdigen Erscheinungen des noch fast unerforschten, dicht bewaldeten venezuelanischen l\.üsteu-Gel)irges, ferner für Laguaira, den an den Felsen sich lehnenden, althergel)rachtcn und günstig gelegenen llaupt-IIandels- hafen des Landes, und für zahlreiche, bei der neuen ychitt'fahrts- h'reiheit Fortschritt versprechende Seeplätze; ausserdem weilte er gern in dem grossen Binnen})latze Victoria, einem alten ^rissionssitz inmitten der fruchtl)aren Weizen, KaÜe, Cacao und Zuckei- liefernden Aragua-^lulde , dem Knotenpunkt der weiten, noch aus der Indianerzeit stammenden, zu den Stejtpen des nintei-landes führenden Verkehrswege. Auf diesen Fahrten lernte Codazzi die Eigenthümlichkeiten der melancholischen Östseite von Venezuela genauer kennen; die charakteristischen Züge eines Gebietes, das ihm für künftige Entwicklung der Land- wirthschaft ausserordentlich günstig zu sein schien. Die Arbeit der Vermessung dehnte sich mehr und mehr aus. Die Provinz Canicas wird von den Itei'eits früher kartographirten, nach den Orten Coro, Maracaibo und Trujillo benannten Ge- bieten durch ein terrassenreiches, bis in die Steppenilächen sich nied(?rsenkendes Hochland getrennt , welches die Provinzen Carabol>o und IJaniuisimeto umfasst. LTm seine neue Arbeit mit der von Maracaibo aus vollljrachten möglichst schnell in Ver- — 294 — l)iiiduiig zu bringen, Itegann Codazzi Anfang 1833 die Vermessung jener 1)eiden Provinzen und verlegte deshall) alsl)ald seinen Wohnsitz von Caracas nach der interessantesten Stadt des ganzen Landes, nach Valencia/^^) wo in der kloinen, kaum 10 000 Ein- wohner umfassenden Bevölkerung die Gelnldeten, namentlich die Fremden, ein wirklich europäisches Leben führten, zum Theil sogar in l'runk und Luxus. Dieser, unter einem reinen Himmel Ijelegene Handelsplatz, nur sechs Leguas von dem yjrächtigen Hafen Puerto Cabello ent- fernt, beherbergte intelligente Kaufleute und auch tüchtige Hand- werker der verschiedensten Nationalitäten. Noch vor Kurzem hatte er als Hauptstadt von Venezuela Aussichten auf ganz be- sonderen Aufschwung gehabt. Durch die Verlegung der Regie- rung nach Caracas war freilich viel geändert worden; aber manche trotz des Krieges noch wohlhabende Familien waren doch geblieben und gewährten nun Codazzi anregenden Umgang, oft l)essere Gesellschaft, als Caracas zu gelten vermocht hätte. Sobald die A-^ermessung jener beiden Provinzen vollendet war, begann von Valencia aus auch die Aufnahme der Provinzen Barinas und Cumanä. In letzterer fesselte Codazzi's Auf- merksamkeit auf das Lebhafteste eine seit der in Humljoldt's Reisebericht enthaltenen Beschreilning weltberühmt gewordene, merkwürdige Naturbildung, an deren Schilderung er zuerst Dar- stellungstalent und Sprachkenntniss versuchte. Unfern von dem früher als Sitz von Aragonesischen Capuzinern l)ekanuten Orte Caripe, den unverändert -grossartiger Pflanzenwuchs umringt, öffnet sich die von zahlreichen Nachtvögeln l^evölkerte Gua'charo- Höhle, welche Codazzi am 2. Februar 1833 in Begleitung des Orts Vorstehers Jose' Lopez und seiner eigenen beiden Gehülfen besuchte; er drang in das Innere der Höhle tiefer ein, als sein Vorgänger, der nur 476 Meter weit gekommen Avar ; er bestimmt seinen Weg auf 794 Meter und musste, gleich Huml)oldt, den letzten Theil desselben allein zurücklegen, weil sein Gefolge von Furcht ergriffen wurde. Von seinen Fahrten zog sich Codazzi, so oft er konnte, nach Valencia zurück, dessen Leben auf ihn, den bisher dem Gemüthe nach nur wenig Eingeliürgerten, einen l)estimmenden Einfluss ausübte. Dort lernte er mehr und mehr als wirklicher Angehöriger der neuen Heimath, als vollständiger Venezuelaner — '295 — sich rülilcn, ihm behaji^to es inmitten der Imrgerlicli-conservativen Kreise, welchen Paez iil torall, wo die rräsidialmacht einji:reiren konnte, zur Geltung- und Macht verhalf; er theilte ihre gegen- wärtigen Sorgen nnil ihre lioll'nungen (Tii' die Zukunft. In Va- lencia heirathele Codazzi am '29. April IHiU eine 2() jahrige Cumanaerin, die gleich ausgezeichnet war durch Herzensgute wie durch Energie: Araceli Fernandez de la IIoz. Schon im Jahre Is;);; hätte nach dem A^'rtrage Codazzi's Vermessungsarbeit vollendet sein sollen; es ward jedoch mit Riicksicht auf die friiheren Kriegsdienste ein weiteres Jahr zuge- billigt. Als Dank dafür Ix'gann Codazzi gleich nach der Hoch- zeit eine der schwierigsten Aufgalicn, die es zu lösen galt: die Durchforschung des Orinoco- Deltas, die nur mittelst Canoe und Firairue zu Itewei-kstelliueu war und ihn vielfach an seine Fahrt von 1818 erinnerte. So gut es ging, suchte er vom Meere aus das Gewirr der verschiedenen Wasserläufe zu erkennen und kartographisch festzustellen; er drang sell)st l>is zu der Mündung des Hauptstromes vor, wo er jedoch umkehren musste, da seine Fahrzeuge der Macht des ungeheuren Wasserschwalles nicht ge- wachsen waren. Zurückgekehrt widmete er sich in seinem neuen Heim der ersten Ausarlieitung der gesammelten Materialien; dann ritt er am 17. Januar 1835 Jiach Caracas, um eine nochmalige Verlän- gerung seines Vertrages zu sichern. Am folgenden Tage war er dort Zeuge eines merkwürdigen Actes; er war nändich zu- gegen, als in einem der Hauptstadt nahen Gehöfte, der A'ineta, der erste Präsident von Venezuela sein Amt niederlegte. Päez, sein Gönner, wollte in das denkbar ruhigste Privatlel)en sich zurückziehen und war froh, dass ein so tüchtiger ]\[ann wie jener Värgas sein Nachfolger werden sollte, ein Gelehrter alten Schlages, der während der Unabhängigkeitskämpfe friedlich im Auslande studirt und gar keine Schlachtenlorbeern aufzuweisen hatte: ein durchaus bürgerlicher Gharakter, dem die Kriegsleute der letzten Jahre persöidicli mehr als gleichgültig waren. A'a'rgas nahm ungern die Wahl an, zumal sie lange zwischen ihm und zwei anderen Candidaten, zwei einllussreichen Vertrcitern des Mili- tarismus geschwankt hatte. Paez und Codazzi waren, gleich den Städtern und den reicheren Plantagebesitzern von der Noth- wendigkeit einer rein bürgerlichen Regierung durchdrungen; das — 296 — junge Staatswesen scliicn ihnen stark genug zu sein, um der WalVengevvalt zu entl)eliren; aber dieser naive Versuch, das Ideal der Verfassung zu verwirklidien, sollte vollständig luisslingeu. Das Privatleben gestaltete sich für Codazzi sehr gliicklich, namentlich seitdem ilnu seine schöne und tiichtige Frau am '21. März einen Knaben geboren hatte; er widmete sich energisch unter der persönlichen Anregung von Vju'gas der eingehenden liearljeitung seiner bisherigen Vermessungs-Ergelinisse, welche mehr und mehr ein zusannnenhängendes ]>ild vom ganzen Lande zu liel'ern versprachen: ein höchst interessantes l>ild, das ^lühe und Arbeit in wiirdiger Weise wohl belohnen konnte. Da kam plötzlich die Nachricht, dass in Caracas selbst eine Militär- Revolution angestiftet Avorden sei, welche im Einverständniss mit Unzufriedenen im Maracaibo und Cumana handele und, gestützt auf die Fiihrer der Reformisten-Partei, am 8. Juli 1835 die be- steh(niden Autoritäten thatsächlich al)gesetzt, dann sogar den Präsidenten ins Ausland geschleppt und einen Soldatenführer zum Staatsoberhaupte ausgerufen halie; Paez sollte zum Ueber- tritt verleitet werden. Bevor dies versucht werden konnte, schon am Morgen des 11. Juli, erschien auf dem Paez'schen Gehöfte San Paldo, das etwa 38 Leguas von Caracas entfernt ist, eine Deputation der verfassungstreuen Offiziere unter Fühi-ung des Generals Leon Febres Cordero und des Obristen Codazzi ; zugleich mit ihr kam eine xVnzahl von liürgerlichen Abgesandten, wie Angel Quitero und Manuel Felipe Tovar, auch Mitglieder des Staatsrathes, welche Gegner der Föderationspläne und der sonstigen, meist reactionären Projecte der sogenannten Reformisten waren. Gegen solche Aufwiegler, so sprachen diese Männer, sollte Päez die Verfassung unverzüglich vertheidigen; er sollte ein Heer sammeln und Gewalt mit Gewalt vei-gelten. Sofort schlug der wackere Reitersmann ein, dessen Name ja unter der geltenden Verfassungsurkunde stand; sofort ging er ans Werk, ein Heer zu sammeln. Vom sogenannten Staatsrathe erhielt er am 14. Juli die Ernennung zum Oberbefehlshaber der Armee und erliess am folgenden Tage den öffentlichen Waflfenruf. Die Zahl der Männer, die zu ihm kamen, war anfangs nur gering; allein diese Schaar mehrte sich voxi Tag zu Tag; der schlimmste Bürgerkrieg verlor seine Schrecken durch die Rücksicht auf die Tüchtigkeit von Vargas und das gute Recht. — 21)7 — Nun war C'oila/./i wieder CeiieralstalKS-CheC von Paez; er half bei der eilij^en Mol»ilisinin<^ der Massen mit i^rössteni Euer und hatte, da er Land und Leute liereits elieii so ^-ut kannte, wi(! der Llanero, erliehliehen ImIoI^-. Dann erhielt er d(!n IJelehl, mit eiiiigi'U Hundert Mann die (Jefahi- zu beseitigten, das« Caracas von den Gegnein udlitai-isch besetzt werde: er deekte die Stadt, den Ausgangspunkt des AulVuhres, thueli einen nmthigen, riiek- siehtslos vorwärts gehenilen Marsch; am '2i\. .Iidi unterzeichncite er das Amnestie-Decret, welches Tiiez zu \'alencia ei'liess. Die Niederwerfung derjenigen Feinde, welche drr Vei-söhnung abhold blieben, g(dang zuerst Schlag auf Schlag, dann alter drohte der Kriegszustand sich zu verlängern. Codazzi wunh' Chef der Operationen von Riochico, Avelche namentlicli die LTindung von AValVen und 'rru])])en zu vei'hindern hallen; ei- nahm an dem Ciefechte von (Juaparo, das Valencia sicherte, unter (Jeneral Jose ÄLiria Carreüo hervorragenden Antheil; ferner eidsetzte er Maracaibo und l)efehligte die Belag(n-ung von Puerto Cabello, die aui 1. März IBol) uüt der Uebergabe von Stadt und Castell abschloss. Gleich darauf musstc er in die Llanos des Ai)ure- Stromes rücken, um die dort von Francisco Farfan angeführten Rebellen in Zaum zu lialten. So folgte eine Arbeit der andern; bald schienen aber auch diese Feldzüge ihr Fiuh; erreicht zu haben; Päez schrieb am 27. März lieim Niederlegen seines Ober- Commandos von Maracaibo aus an Codazzi einen höchst ehrenden iJrief und Präsident A'u'rgas machte den verdienten Mann am 22. April zum Obristen der Ingenieure. Ruhe sollte kommen; gleich darauf begann abermals eine Revolution, abermals unter der Führung jenes Farfan, dem jetzt die ganze Militärpartei sich anschloss. Paez musste doi)i»elt energisch den Degen führen; er sandte gegen die Lianeros einen ihres Gleichen, den früheren Commandanten seiner Reiter-Garde, General Jos6 Cornelio ^lunoz, der Gouverneur der Provinz Apure war; er rüstete diesen mit Soldaten, Pferden und Munition aus und gab ihm Codazzi als ersten Rerathcr zur Seite. Aufs Neue durchritt dieser die Steppen des Apure; l)ei Garcia kam es zum Kam})f: am 9. Juli IBoi) unterwarfen sich die Gegner, nachdem ihnen Straffreiheit zugesichert war. Nun wollte Codazzi endlich seine Landesvermessung fort- setzen, da wui"de er wiederum gestört. Er musstc zunächst auf — 298 — Befehl von Yärgas einem engeren Wirkungski-eis sich widmen, denn die Demolirung aller Festungen Avar beschlossen und ihm die Leitung dieser Arbeiten ül)ertragen worden. Sie begannen mit Puerto Cabello und endeten mit Maracailjo. Codazzi sagt bei Besprechung der Vertheidigungs- Anstalten Venezuelas: „Im Jahre 1835 beherl^ergten unsere festen Plätze Truppen, welche der Regierung der Rejjuldik Widerstand leisteten; aber das Volk siegte doch. Alle befestigten Punkte waren in der Hand der Gegner; zu ihnen stand Heer wie Flotte, sie besassen Vorräthe und öflentliche Kassen, Magazine und Waffen; sie hatten im ersten Augenblick die ganze GeAvalt in Händen, allein sie l)lieben schliesslich doch ohne Erfolg. Freilich floss Blut, allein gegen die öflentliche Meinung, gegen- den Volks willen konnte kein Bollwerk schützen. Päez, noch rechtzeitig zum Oberbefehlshaber ernannt, stellte damals den verfassungsmässigen Zustand wieder her; er rettete das Land vor der Anarchie und Ijewies, dass die Regierung keiner Festungen bedürfe, um im Falle der Noth sich aufrecht zu erhalten." So schienen jetzt die liefestigten Punkte, namentlich die Citadelle von Puerto Caljello und die vor wenigen Jahren von Codazzi selbst wiederhergestellten Maracailjoer Forts, da kein äusserer Feind mehr drohte, eher gefährlich als nützlich zu sein. Auch diese Arbeit ward plötzlich unterbrochen, denn am 29. März 1837 erfolgte eine dritte Waflfenerhebung von Francisco Farfan. Diesmal waren zu deren Schauplatz die tieferen Orinoco- Steppen gewählt. Munoz l>rach a])ermals gegen die Unruhstifter auf, richtete aber wenig mehr aus, als dass er San Fernando de Apure für den Augenblick hielt; die Regierung ernannte alsdann zum Überbefehlshaber der Apure -Division den unentl)ehrlichen Päez, der am 6. April Codazzi wieder zu seinem Generalstabs- Chef machte. Die erste Nothwendigkeit bestand darin, jenen Ort, wo die anfangs siegreichen Gegner dauernd sich festsetzen konnten, bis aufs Aeusserste zu vertheidigen. Diese Aufga1)e ward Codazzi zu Theil, der mit wenigen Genossen von A'alencia aus in nur di'ei Tagen nach dem fernen San Fernando jagte; es war dies ein Reiterstück, das sell)st alte Lianeros zur Verwunderung brachte. Man kam noch zu rechter Zeit; die Reiter sassen ab und warfen Schanzen auf; es gelang für fünfzehn schwere Tage die erbärmliche Ortschaft gegen die Ue})ermacht der Anstürmenden — 21)0 — zu halten. Am '26. April winde der Feind dicht vor dem Platze bei San Juan de Payara zum Kample <2;ezwunüen, da Pjiez ange- kommen war, es entstaml ein wildes Handgemenge von Mann zu Mann, Lanze gegen Bajonett, Lasso gegen Sältel; ein Kingen, wie es sogar in den Unabhängigkeitskriegen nur selten vorge- kommen war. l*a'ez, der Sohn der Steppen, sicherte durch seine eigene, unwiderstehliche Tapferkeit den Sieg; Codazzi l)ewunderte noch im Alter das Bild des ungestüm ins Gemetzel reitenden und wuchtig streitenden Lianeros; Francisco Farlan, der nur dm-ch die Schnelligkeit seines Rosses sich rettete, eilte nach Neu-Granadas Grenze; sein Bruder uiien geschrieben ist. Dieser immer beredte Reisebegleiter vei-mehrte Codazzi's Lust, die Landesauf- nahme, für die noch das riesengrosse Binnenland des Orinoco fehlte, in höherem wissenschaftlichen Sinne fortzusetzen. Monate lang befuhr Codazzi mit geringfügiger Ausrüstung den gewaltigen Strom, zuerst seit dem 3. November 1837 von — 300 — Angostm-a aus, das in den letzten zwanzig Jahren durch die An- siedelung von Ausländern, namentlich von Deutschen, erheldich emporgekommen war; dann nahm er Caycara zum Hauptquartier, einen einsamen Platz an der Mündung des Apure in den Orinoco, wo Hin liesonders die in der Nähe befindlichen, mit alten Zeichen und Thierl)ildern bemalten Felsen interessirten, denen er iil)rig(ms kein Yerständniss abgewiiuien konnte. In den meisten der grossen Neljenfliisse drang er vor, so lange die Lel)ensmittel reichten; den Orinoco selljst befuhr er las zum Raudal de los Guaharibos, wo er am 20. Deceml)er auf bewaffneten Widerstand der Wilden stiess, den er weder herausfordern durfte, noch zu Ijrechen ver- mochte. Für die weiteren Touren machte er Anfangs 1838 das elende Dorf San Fernando de Atabapo zu seinem Ausgangspunkt, einen seit Aufhebung der Franciscaner-Mission verfallenen Platz am rechten Ufer des mit dem Guaviare sich vereinigenden Atabapo, dessen Anlage von falschen Nachrichten über Smaragdenfunde herrührte; die Interessen der wenigen Bewohner drehten sich um die Eier der Terecou, die Häute der Kaimane und das Fleisch der Wasserschweine. Codazzi's Sinnen und Trachten hatte bereits mit den schwie- rigsten Fragen des Adoptivlandes so eng sich. verflochten, dass das Proldem der Indianer-Civilisation ihm ebenso wichtig erschien wie das der Orinoco-Geographie. So verfasste er am 14. März 1838 bei seinem zweiten Aufenthalt in Caycara eine Denkschrift li])er das Unwesen, das die venezuelanischen Machthaber im Ge- biete des Rio Negro betrielien. „Dieser Canton gehört kaum zu unserer Repuldik, denn deren Gesetze gelten in ihm gar nicht; hier herrscht nur das willkürliche Gebot eines Landvogts und seiner Untergebenen; die Befehle des in Angostura sitzenden Gouverneurs der Provinz Guayana werden entgegengenommen und registrirt, a])er sie werden weder veröffentlicht noch voll- zogen. Die Bedrückung, die sich hier zeigt, findet in keinem noch so entlegenen Winkel der Republik ihres Gleichen. Die Indianer sind nichts anderes als Sclaven, sie sind weder auf ihren Feldern noch in ihren Wohnungen sicher. Unerwartet trifft sie ein Befehl des Vogtes, dass sie nach San Fernando kommen müssen; zehn Ijis fünfzehn Tage dauert die Reise. An- gekommen, hal)en sis für Monopole gegen ungenügenden Lohn zu arbeiten. Wenn sie solchem Machtgebot nicht folgen, werden — 301 — si«» für den Soldatondionst jjopresst. nicicho Tyrannei iilicn alle andorcn ohrigkoilliclion PiM'Sonen. Wer dorarti^or Willkür sich uii'ht fü<»;i'n will, verläset die spärliehiMi Anl»an])lät7.c und flüclitol in die Waldwildniss; aber wer dor Olirifrkoil rn'i\villi«j: traut, wird von ihr Ix^trojivn. In San Fernando ist das Geschäfts- Monopol derartiii', dass Jemand, der ohne Mitt(d dort eiidräfe, Ilunirers sterben würde; dort "iebt es weder Markt noch Ver- kehr, weder KaullathMi noch Herlier<2;e; kommen von Zeit zu Zeit Kinp'borne mit Nahrungsvorräthen an, so belegt einer der Machthaber Alles mit IJescblag, weil der Cano-Führer ihm irgend etwas schulde, oder unter sonstigem Vorwand. Kommen Geliirgs- Indianer, so werden diese ganz kenntnisslosen Menschen in das Haus des Vogtes geschle])i>t und empfangen dort für ihn» Sachen, was diesem gut dünkt: Preise, die durchaus nicht die beschwer- lichen Reisen lohnen und nicht im Geringsfen zum ITandelsverkehr ermuntern. Bei einer andern Regierung würden die WildiMi von Sipapo, Inirida, Guaviare, Guaima, Ventuari, Cunucunnma, Podamo und ^[acoaca längst zu festen Wohnsitzen gebracht und längst die SchiÖTahrt auf dem Rio Negro belebt worden sein. Zwei- bis dreitausend Indianer wären jedenfalls leicht zu sammeln, wenn eine obrigkeitliche Ansiedelung bewerkstelligt würde. Jetzt zeigt sich überall das Gegentheil; der Vogt verlangt, Avenn ein Mann stirbt, die Kinder, weil die Mutter nicht dessen Ehefrau gewesen oder zum Unterhalt der Hinterldiebenen unfähig sei; wenn die Mutter stir]>t, werden die Kinder 1)eansprucht, weil ihr Vater ein Tninkenbold und Strolch gewesen; fehlen lieide Eltern, so fallen die W^aisen, trotz älterer Geschwister und sonstiger Verwandten, an den Vogt, der sie vertheilt. Für etwa fünl'/ehn Ey;oisten müssen uny-efähr zweitausend Menschen ohne wirkliches Entgelt arlieiten, sonder Rast und sonder Ende." So fand die Sclaverei der Eingebornen in (^odazzi einen öfTentlichen Ankläger wie vor Jahren die der Afi'ikaner in numboldt. In dem Ton solcher Anklage zeigt sich ein Charakter, welcher bei rdlcr Gemeinschaft mit den neueren politischen Be- wegungen Venezuelas sich rein und frei erhalten hat von dem Verdei-lmiss der zahlreichen Politikmachei'. Nach überaus mühseligen Fahrten war Codazzi's Vermessung Ende 1H38 soweit gefördert, dass in Valencia die Rcdaction der dreizehn Pi-ovinzial-Karten li(^uinnen konnte, im Kreise einer — 302 — jungen Familie gestaltete sich diese Arbeit zu einem Genuss; Codazzi l)eliandelte seine grossen Karten mit Pinsel und Feder in kräftiger Manier, ol)wohl für das Teclmisclie keine andere nennenswerthe Hülfe da war als der Kalligrai)h Luis Aliaga. Der Landesvermesser ward zum Kartogra])lien, der Offizier ge- wann wissenscbaftliclie Anschauungen und höhere Gesichtspuukte. Dabei förderte er vor Allem den statistischen Theil seiner Auf- gabe mit Hülfe der Resultate des letzten Census, dessen Unvoll- stiindigkcit er übrigens wolil kannte. Der Hülfsmittel gab es wonige; er sollte a])er der Karte jeder Provinz Zahlen-Tabellen und sonstige Notizen hinzufügen, ähidich wie sie im Kleinen der berühmte Atlas von Le Sage aufwies, nur mit weniger Rücksicht auf das Historische und unter Betonung der praktischen Fragen. Die Tabellen, Avelche Codazzi nun fiir die Ränder seiner grossen Tafeln anfertigte, enthielten für jeden Canton erstlich Ort, Höhe und mittlere Temperatur des Canton-Sitzes, sowie dessen Ent- fernung von der Hauptstadt der Pro"\dnz und dem Mittelpunkt der ganzen Republik; sodann liehandelten sie die Yertheilung des Wassers und des Landes, und die des letzteren auf Steppe und Wald, auf Fläche und Gebirge, auf Anl^au und Wildniss unter Hervorhebung des nicht im Privatbesitz befindlichen, also noch der Nation gehörenden Areals; ferner die Bevölkerung (die gesammte und die auf die Quadratlegue fallende) unter ])esonderer Anführung der wafi'enfähigen und auch der unfreien Leute; endlich kamen die Canton-Erzeugnisse, die ausfuhrfähig zu sein schienen. Als Codazzi diese umfassenden Tabellen sowie ausser den Karten der 13 Provinzen noch die der 88 Cantone unter Auf- gebot aller heimischen Mittel vollendet hatte, trug aliermals Jose Antonio Päez die Präsidentenwürde. Diesem überreichte er also das Resultat vieler Mühsale: „Die Aufgabe, welche die Regierung vor acht Jahren mir stellte, ist jetzt gelöst; jede Pi-oviuz der Republik hat ihre chorographische Karte in grossem Maassstal)e; jede liesitzt einen klaren Abriss von allen ihren Cantonen, genaue Angal)e ihrer Heerstrassen und eine Menge für sie Avichtiger geographisch-physikalisch-statistischer Daten." Der Chef der Ingenieure in Caracas, Juan Manuel Cagigal, ^^•') eine ähnliche Gestalt wie Montenegro, seit 1831 Professor der Mathematik an dortigei Universität, ward mit der ersten Begut- achtung der Codazzi'schen Vorlagen beauftragt und fällte ein — 303 — nrUinzoiides Urtlioil. Somit war iinnitton zahlroiclipr Störunjjpn (loB täfflii'hcn LoIkmis uwd aiiircsiclits manolior linanziollor Scln\ie- rigkeit«'!! ein Werk iiatioualoii Charakt(M-s ontstanden, dessen Xüt/.lichkcit auch der letzt«» Hinterwäldler von einiger Jüldung anerkennen musste. Ks lehrte ein v«M'ständliehes Kartenl)ild die von der Natur «resehaflenen 1>«Mlinach- Kliil'ten den gewöhnlichen Ueberlilick verhinderte. AVenn Codazzi seine Arbeiten in beschränkterer Form \u\i\ mit l)elehrendem Text, brauchbar für Schule wie für Piivatstudinm, veröflentlichen konnte, so hatte er dem Volke seines Adoi)tiv -Vaterlandes- die Heimaths- kunde eröftnet, das fiir die Entwickelung von nationalem Wesen wichtigste Moment; dann hatte er wesentlich dazu l)eigetragen, dass unter wenigen, ü])er ein nngeheures Gebiet vertheilten .Menschen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, und für meilen- weit entfernte Ansiedelungen ein Bewusstsein von Interessen- Gemeinschaft wachgerufen wurde. Die grossen Original-Tafeln, die Itald in Caracas an den Wänden der Secretarie des Innern prangten, konnten für sich allein nur Geringes nützen, Codazzi bedauerte sogar das Schicksal seiner Werke; allein ohne sein Zuthun em})fing er am 18. April 1839 durch Congressbeschluss das Recht, dieselben dnrch Stich und Druck auf eigene Kosten zu veröftentlichen. Dies Zugeständ- niss sollte, wie es im Beschlüsse hiess, als der Dank für die treue Hingabe an eine schwere Aufgabe nationalen Charakters aufgefasst werden; allein eine nntzbringende Umarbeitung der grossen Original-Blätter für einen Atlas oder eine Wandkarte erforderte ebenso wie die Herstellung einer branchl)aren Beschrei- bung nicht bloss Zeit, sondern auch noch manches Andere. Zunächst war fiir die wissenschaftliche Lösung der Aufgabe ein umfassendes Studium d(M' Literatur ciTorderlich, die Codazzi bishci- iiui- als Leetüre Itehandelt hatte. Dafür boten sich nament- lich die Arbeiten von Humboldt und Boussingault: „Venezuela wäre ohne die Arbeiten einiger gidehrten Fremden, welche in jüngster Zeit ihre Liel)e zu den Wissenschaften hierher führte, ebenso unbekannt geblieben wie die abgelegensten Gebiete von <^)ceanien oder vf)n Afrika; infolge Venezuelas sprichwörtlicher — 304 — Anniith an ^linoralien wandte sich die Aufmerksamkeit der spa- nischen Regierung nicht von Mejico und Peru hierher; hei uns unterblieben naturwissenschaftliche Forschungen und sogar geo- graphische. Abgesehen von den schönen Seekarten, die Fidalgo und Churuca veröffentlicht halben, besitzt unser Volk nichts Der- artiges, was die Regierung des eliemaligen Mutterlandes ins Leben gerufen hätte; auf dem Gebiete der Geographie giebt es hiervon nicht die geringste Ausnahme. Den Arbeiten Humboldt's verdanken wir unsere Karten, ausserdem auch die Ordnung unserer werthvollsten PHanzen, Ronpland nicht zu vergessen, der ihn auf seiner epochemachenden Reise l)egleitete. Boussingault hat als Botaniker und Chemiker uns belehrt über den Reichthum der Producte unseres eigenen Landes. Roulin hat mit gewandter Beol)achtung und getreuer Beschreilnmg die europäischen Cataloge durch viele schöne Exemplare unserer Thierwelt bereichert. Von einheimischen Forschern hat nur Einer ihnen sich angeschlossen : Jose Maria A^argas." Codazzi verschaffte sich zwei Kartenwerke; zunächst das von Humboldt, welches nicht bloss die Aufnahmen einzelner Partien, wie z. B. des Weges von La Guaira nach Caracas, enthielt, oder die für die Orinoco-Kunde interessanten Tafeln ül)er Flussgabe- lungen und alte Stromkarten, sondern auch die Zeichnungen vom ganzen Orinoco-Gel)iet, also vom Hauptstrom selber, vom Ata- bapo, Casiquiare und Rio Negro, vom Apure, Meta, Caura und Guariare, im Ganzen acht grosse Tafeln. Sodann wandte Codazzi sich nach der Hauptstadt des ehemaligen Columl)ien, um von daher Karten zu erlangen. Jose Ignacio de Mjirques, der erste Nachfolger von Santander in der neugranadinischen Präsident- scliaft, stand in Bogota an der Spitze der conservativen und durch viele Unruhen gestörten Regierung, während Tomas Cypriano de jNIosquera Kriegsminister war, Codazzi's alter Bekannter, und Pedro Alciintara Herran Secretär des Innern, Mosquera's Scliwieger- sohn. Letzterer interessirte sich lebhaft für Codazzi's Arlieit; er vermochte aber nichts weiter zu ü])ersenden als eine Specialkarte von Roulin und den bereits 1827 in Paris erschienenen Atlas des ehemaligen Columbien,'^*^) welcher ausser einer Gesammtkarte des columbischen Reiches Karteii, von den ehemaligen zwölf Departe- ments enthielt: nicht werthlose, aber doch wissenschaftlicher Grundlage entbehrende Vorlagen, die Restrrasilianisches Gebiet anzufangen schien. Diese Grenze nahm Codazzi für die Karten auf, welche das venezuelanische Gebiet von 1^40 darstellen sollten, aber das von 1810, also den theoretisch entscheidenden Besitz- stand, zeichnete er in einer andern, seincu' Ueberzeugung nach mehr zutreffenden Weise, wenngleich di(;s für V(Miezu(da ungiiiistiger Scliumaclier, SUdaniprik. Stndit'ii. 20 — 306 — war. Schwieriger lag die Grenzfrage Brasilien und England gegenüber, so dass Codazzi lediglich den Angaben Ilumboldt's folgen mochte, welche er für durchschlagend hielt, weil sie auf Documenten des Madrider Archivs beruhten, wenngleich dies nur in beschränktem ^faasse wirklich zutraf. Ausserdem machte die Statistik der Ausarl)eitung grosse Schwierigkeiten. Eine Bevölkerungs-Statistik war mit Riicksicht auf die Wahlen seit 1831 zugesagt; gegen Schluss der (^ongress- Sitzungen von 1836 hatte sich dies A^ersprechen wiederholt, 1838 lagen trotzdem von nur neun Provinzen die Zählungen der ge- setzgebenden Versammlung vor. Endlich erfolgte im Deceml)er 1839 eine Vorlage, welche ergab, dass 887168 Seelen das ganze venezuelanische Volk bildeten, und zwar nach Aufnahmen von 1834. Nun geschah unverzüglich, um eine höhere Summe zu erlangen, die erste ziemlich zutreflFende Zählung, diejenige, welche Codazzi benutzte, al)er auch sie ergab nur 945 348 Bewohner. Mit so schwachen Hülfsmitteln war in einem Riesenlande natürlich nicht vorwärts zu kommen. Geldmittel bildeten die zweite Vorbedingung für die A'er- werthung der Codazzi'schen Arbeiten zu alla-emeinem Besten. Das Gehalt floss nicht mehr doppelt, da es nur für eine tech- nische, nicht für eine gelehrte Arbeit ausgeworfen war. Sollte (Ano zweckentsprechende Veröifentlichung erfolgen, so mussten neue Einnahmequellen gesucht werden, und Päez selber war er- finderisch genug, um seinem Getreuen in dieser Beziehung zu helfen. Codazzi wurde zuerst in der iVIilitärschule zu Cara'cas, die den provisorischen Ca'ldas' sehen Gründungen ähnlich war, Voi'steher der mathematischen Abtheilung und dann Lehrer der Artillerie -Wissenschaften; darauf Avurde er als Commandant der Provinz Caracas für solche militäi-ische Einrichtungen und Orga- nisationen verwendet, denen die Regierung eine besondere Be- deutung zumaass; stets ward ihm Vorschub geleistet. All dies genügte den nothwendigen Ansprüchen nicht. Anfang 1840 wandte sich deshalb Codazzi an den Congress und dieser be- schloss am 10. März, dass für Druck und Stich des venezuela- nischen Geographie-Werkes die Summe von 10 000 Pesos, die in achtzehn Monatsraten auszuzahlen sei, bewilligt werde, falls ge- nügende Bürgschaft füi;, die Rückzahlung im Falle der Nicht- erfüllung des Vertrages sich Ix'schaifen lasse. Diese Bürgschaft — 307 — ül»prnahni Martin Tovar Ponte, einer der angesehensten Männer von C'ara'cas. Ein Mitglied der gräflichen Familie Tovar. hatte er gleich l)ei Beginn der Unahliängigkeits-Hewegung Titel nnd Wi'irden geopfert, um seinem Lande zu dienen: ei- hatte im Kamjjf mit den Spaniern von seinem Keichthume viel eingehiisst, manche seiner Familiengenossen auf dem Schlachtfelde verloren oder sonst verdorben — aber die Tovars, die treu zu Paez hielten, stanilen doch noch stattlich da, ein sehr einflussreiches und immer noch wohlhabendes Geschlecht; Tovars Jlülfe sicherte das Co- dazzi'sche Unternehmen. Die Veröflentlichung war in Venezuela nicht zu veranstalten; Paris schien dafür der einzig angemessene Ort zu sein, was ja auch IIund»oldt's Werke bewiesen. Somit begab sich Codazzi nebst Familie am 11. Juli 1840 nach Europa. Auf dieser Fahrt folgten ihm noch andere Begleiter, zunächst Rafael Maria Baralt und Ramon Diaz.'^^) „P^in Theil meines Werkes", sagt der l)escheidene Codazzi, „konnte nicht von mir i»er- sönlich besorgt werden, das war der Bericht i'iber ältere und neuere Geschichte Venezuelas; hierfiir suchte ich zu meiner Hülfe Baralt aus, der sich Aviederum in Diaz einen Arbeitsgenossen zugesellte, weil er einsah, dass in der nur kurzen Frist, die ich gewähren konnte, die Aufgal)e von ihm allein nicht zu ei-fülleu war. Wäh- rend der langen Ueberfahrt nach Frankreich ei-kannte nun IJaralt, dass der l)isher von ihm verfolgte Plan nicht ausreichend sei für ein Werk von umfassender Bedeutung; er schlug mir daher eine ^loditication vor, welche zwei grosse Bedenken gegen sich hatte: erstlich die Kostenvermehrung, die so erheblich werden konnte, dass ich die Ausgaben nicht zu tragen vermochte, nnd zweitens die Kürze der schon an sich spärlich zugemessenen Zeit. Das erste Bedenken beseitigte mein Bürge Martin Tovar, dem Juan Bautista Dallacosta zur Seite trat, dem andei-n half dci- Congress von A'enezuela ab." Codazzi's Gefährten begannen in Paris, wo sie mit der Fa- milie von Codazzi in Rue de Helder wohnten, die Ausarbeitung von drei Bänden, welche die Geschichte Venezuelas enthielten. Codazzi suchte zunächst seine Original-Karten, bevor sie in der Werkstatt Schaden erlitten, sachverständigen Personen zu unter- breiten, und hatte damit den besten Erfolg: überall empfnig er Auszeichnungen. *^^) 20* — 308 — Gleich nach seiner Ankunft, schon am 28. August, legte Fran(;ois Arago dieselben dem weltlteriihmten wissenschaftlichen Institute vor. Der Geographischen Gesellschaft, die am 21. August Codazzi durch iln-e Mitgliedschaft geehi't hatte, l)erichtete dann Sahine Berthelot am 4. September: „Der kürzlich hier von Puerto Cabello angekommene Obrist Codazzi hat von seiner Regierung den Auftrag erhalten, in Frankreich seine grosse Karte von Vene- zuela und seinen nach Provinzen zu ordnenden Atlas stechen zu lassen; es Avird ein l)esonders fiir den öffeutlichen Unterricht be- stimmtes, (h'u Atlas ])egleitendes Werk die gesammte politische Geschichte und die geographisch-statistische Beschreibung von Venezuela umfassen; davon ist der erste Theil der Redaction zweier Venezuelarier anvertraut, denen die Regierung für ihre Zwecke amtliche Papiere mittheilte; ausserdem wird diesen Band eine Menge von Original-Bildnissen zieren, welche Carmelo Fer- nandez, ein Neffe des Präsidenten Pa'ez, mit Geschmack und Geschick gezeichnet hat." Berthelot erwähnt ausserdem besonders noch die ethnographische Karte, die Codazzi lediglich nach fremden Angalien ohne eigene Sachkenntniss gezeichnet hatte, sowie die Tafeln von den Zonen des Ackerbaues, der Steppen und der Urwälder, Codazzi's eigenste Schöpfungen. Ende 1840 begann die eigentliche Arbeit für die Veröffent- lichung der Karten, die immer mehr zur Einschränkung der früheren Ideen zwang, da die Kosten unerschAdnglich wurden. Sobald die ersten Vorlagen fertig waren, wandte Codazzi sich an die Pariser Akademie der Wissenschaften, und zwar ebenfalls mit bestem Erfolge. Dieser ward am 15. März 1841 über das bei den Vermessungen beoliachtete Verfahren berichtet: „Der Ver- fasser ist von den durch Fidalgo und Humlwldt astronomisch fixirten Pimkten ausgegangen, indem er bei seinen eigenen Fest- stellungen die Zeiten mittelst zweier vorzüglicher und sorgfältigst behandelter Chronometer übertragen hat. Die von ihm gegebenen Positionen sind mithin ihrer Mehrzahl nach absolute, wie dies nicht anders sein kann, da im tropischen Amerika Steppe wie Wald den Beobachter auf nautische Astronomie beschränken. Die Zahl der Längen- und Breiten-Beobachtungen Codazzi's ist be- trächtlich; er hat 1002 beachtenswerthe Punkte festgestellt, von denen sich 58 mit den Enüittelungen von Humboldt und Bous- singault vergleichen lassen; die grössten Differenzen, die dabei — oOi) — sich zcigt'ii, sind iiiiiiici- iiocli crträglicli : in vielen Fälloii ist die üel»ereiiis(iiuumiij^ hclViedi^eiul. Sodann lial Codazzi mit aus- gezeiclnu'teu Fortin -JJaronietern 1054 llölienpunkte u:(^me.sspii; seine? Kru;el misse stimmen in <»;eradezu iilieiraschender Weise mit iViilieren Untersnehungvn iilierein. IMese llöhenangahen gcnviilii'en klare A'orstelluniieu von dem Relief des Hodens, nnd die Ans- iTdirnniren Cotlazzi's über die verscbiedeneu von ihm untersuchten (leltirgssysteme beweisen Geist und seltenes Talent. Die Klima- tologie hat Codazzi mit Umsicht und Ausdauer verlblj^t; die Meteorologen würden (h"e lOlemeute seiner Taleln gern kennen, welche auch handschrirtlich vorhanden sind, so dass deren Ver- öÜentlichung bloss bei der Regierung von A^cuezuela liegt." IJoussingault beschrieb dann den Undang der Codazzi'schen Arbeiten: „Die Manuscripte, welche die Commission geprüft hat, enthalten Stoft' für mehr als zwölf statistische und geogra])hische Rande; ihr Inhalt muss aber ))ehufs Verwendung für den ötVentlichen Unterricht sehr zusammengedrängt werden. Nach aufmerksamster Durchsicht der Agrar-Documente, welche unter der Uel)erschrift „Ensayos" vorgelegt sind, geht der einmüthige Wunsch des Ausschusses dahin, dass der Verfasser dieselben bei seiner Heimkehr nach Venezuela zu einer besonderen und aus- rührlichen Abhandlung ü))er den tropischen Ackerbau umgestalten möge. Codazzi's AVohnort, A^alencia, liegt in einer für alle Ae(iuat':-.ial-Culturen passenden Gegend, in der bereits grosse und blühende Anlagen gedeihen; solch ein Ruch, von solch einem Beobachter geschrieben, würde mit Dank von den zahlreichen Landwirthen aufgenommen werden, die ihren Jilick nicht auf die eigenen Aecker Iteschranken und die Ueberzeugung hegen, dass der Landbau Amerikas dem in Europa noch manches Nützliche und Nacliahmeuswerthe würde liefern können." Elise de Reaumont, ein Mitglied jener Commission, schriel) am 16. Juni 1S41 anerkennende Worte an Codazzi; Alexander von Humboldt, der ihn bereits einmal begrüsst hatte, am '20. .luni: „Ich kann Sie nicht in jenes schöne Land, das in mir so theure Erinnerungen zurückgelassen hat, ziehen lassen, ohiie Sie noch- mals meiner hohen nnd aufrichtigen Achtung zu versichern. Ihre geogra]»hischen Arbeiten, welche eine so ungeheure Länder- strecke umfassen und zugleich so genaue topograiddsche Details, so viele für die Eintheilung des Klimas wichtige liöhenmessungen — 310 — geben, "werden iu der Geschichte der Wissenschaft p]poche machen. Ich Irene mich so lange gelebt zn haben, dass ich noch die Vollendnng dieses weit ansgedehnten Unternehmens sehen konnte, eines Werkes, welches den Namen Codazzi ver- herrlicht und der Regierung, die so klug ihn zu unterstützcni verstand, zum Ruhme gereicht. Als Älitglied der französischen Academie der Wissenschaften, hätte ich den vortrefflichen Bericht, wenn ich bei seiner Al)fassung in Frankreich gewesen wäre, mit Vergniigen unterzeichnet; halion ilm doch zwei meiner intimsten Freunde zur Illustration Ihrer Karte und Ihrer historisch- geographischen Arbeiten aufgesetzt." Huml)oldt ergreift diese Gelegenheit, um Codazzi eine andere wissenschaftliche Aufgal)e ans Herz zu legen. „In Venezuela wiirde eine kleine ständige Sternwarte, ausgerüstet mit der ge- ringen Zahl A'on Instrumenten, die heutzutage alle praktisch- astronomischen Arbeiten ermöglichen, für die Wissenschaft von hohem Nutzen sein; die Gestirne des südlichen Himmels, an denen neuerdings gewisse Veränderungen der Leuchtkraft l)emerkt wurden, so Ijeachtenswertli wegen der gleichzeitig in Europa l)eo])achteten magnetischen Abweichung, für die Erforschung der Gleichzeitigkeit der Störungen, sodann die Untersuchungen ül)er die Sternschnuppen, namentlich an den bemerkenswerthen Tagen, dem 10. August und 13. bis 15. November, — diese und viele andere Ersclieinungen Hessen sich in solch einer wenig kost- spieligen Anstalt mit hohem Nutzen l)eol)acliten; Arago würde sich ein Vergnügen daraus machen, Ihnen seinen Rath zu er- theilen, ja sogar Ihnen einen jungen Astronomen zur Verfügung zu stellen, welchem die Regierung die kleine Sternwarte anver- trauen könnte. Natürlich müssen l>ei einem wissenschaftlichen Zweck kleinliche Rücksichten und locale Eitelkeiten aus dem Spiel gelassen werden. Die Hauptstadt Caracas würde für die fraglichen Beol)achtungen kein günstiges Klima darbieten; aber Cumaufi mit seinem wundervoll heiteren Himmel würde vor Valencia und Calabozo, ja sell)st vor Coro den Vorzug verdienen. Vor der Wahl des Caps der Guten Hoffnung wollte Herschel selber nach Cumana gehen." Huml)oldt verkehrte damals vielfach in dem Codazzi'schen Hause. Diaz erzählt: „De.v tftwa siebzigjährige Mann mit dem Lächeln des Wohlwollens, der die Ideen des Kosmos erwog, — 311 — hatte weder Platze, nocli Mciiselieii, ikm-Ii Familien des elieinaligeii Canicas vei'gesseii; er wai- mit allen ( )rtselial"teii und IjaiKUitzeii der Cordillere von Avila hekaiint, .sprach über diese Gegenden, als lägen sie vor seinen Angen. A'iellaeh fragte er nach .-meinen ehemaligen Frennden, aher sie waren dahin. Wir kannten kanm die Namen der Lecund»erri, Marion, Uroza. N'eroes, L'rlnna, Soju, Aguado, Snaiez oder Arginsones; an die ßriider Ustiiriz kniipl'te sich die leldial'teste Erinnernng, besonders an Francisco Javier; eines Herrn Tozu in Calaliozo gedachte llnmlioldt nnt Lielie, als eines tüchtigen Autodidacten in jtliysikalisclien Dingen, hie Geograpiiie von Veneznela interessirte ihn auf das Höchste, namentlich soliald der Orinoco in Frage kam: er Hess sich alter anch Theile des ( Jeschichtswerkes, vorzugsweise die auf" IJolfvar bezüglichen, vorlesen, wobei er mit grösster Lebliartigkeit (ilück und Unglück, Niederlage und Sieg, Blut und 'J'rium]tli verfolgte und seine lebhafte ^'erwunderung darüber aussprach, dass ein früher so stillos, friedfertiges Volk eine so lange Zeit des Kampfes durchgemacht habe; ihm waren während seiner Reise die Milizen Venezuelas nur als harmlose Gesellschaften erschienen, und nun war das Thal von Aragua, die Steppenwildniss bei Victoria und Turmero, das Gebiet von Cabrera, die schöne Seegegend von Valencia umgewandelt worden zu Schauidätzen blutigster Kriege." Durch llinnboldt wurde Codazzi auf eine jüngst erschienene Arbeit aufmerksam gemacht, welche verschiedene für die Geo- graphie des Orinoco - Gel lietes sehr wichtige Fragen enthielt. Robert II. Schoml)urgk,*^^) der deutsche Gelehrte in englischen Diensten, von dem fast fünf Jahre lang die Guayana- Gegenden bereist waren, hatte soclten die Ilaujitergebnisse seiner dortigen Forschungen in England veröflentlicht. Die Si)rache des Buches bot für Codazzi manche Schwierigkeiten; allein ihm war keine "Wahl gelas.sen. Er musste die englische Arbeit rasch noch verwerthen, namentlich die über die Structur des Parima-Geliietes und über die Quellen des Orinoco handelnden Theile. Dies unerwartete Studium gewährte Codazzi die Beruhigung, dass im Grossen und Ganzen seine Ansichten über diese Fragen mit denen des fremden Gelehrten iiliereinstimmten, der hinsichtlich ihrer g<'nauer unterrichtet sein müsste, da er sehie Reisen von der enu:lischen Coloiüe aus unternommen hatte. Am Texte war somit weuen Schomburgks Werk wenig zu ändern. — 312 — Codazzi's veiiezuelanischeö Geographie -Wcu'k '^^) hat somit nur langsam eine feste Gestalt gewonneu; es besteht aus drei Theilen. Den ersten bildet die ]jandesl)esehreiljung, deren Re- daction rasch von Statten ging und deutlich zeigte, \ne sehr dei- Italiener der s])anischen Sprache mächtig geworden war; der Inhalt inusste IVeilich wegen der dilettantenharten Weitschweiligkeit von IJaralt imd Diaz erheldich beschränkt werden, ganze überaus wichtige Abschnitte waren ausgelassen, um nur der Drucker- rechnung entsprechen zu können, allein es l)liel) doch noch reicher Stoff ülnig. Das Bndi zerliel nach Physik und Politik in zwei Abschnitte. Was die physikalische Geograi)hie anl)elangt, so schliesst sich an die allgemeine Besprechung der Land- und See-Grenzen, der Inseln und der Gebirge die eingehende Be- schreibung der grossen Flussgebiete, namentlich die des Orinoco- Reviers, und eine Charaktcrisirung der verschiedenen Zonen, be- sonders der Steppenregionen, der inhaltreichste Theil des Werkes, der Codazzi's Leistungsfähigkeit als Darsteller der mannigfachen Gestaltungen eines grossen Landes, der Einflüss des Klimas und der Winde auf die organische Welt des Lc..ens in freier Natur, glänzend hervortreten lässt. Uuselbstständig ist die geo- graphische Botanik entworfen, welche übrigens mancherlei Nutz- und Cultur-Pflanzen, Nahruugs- und Arzneimittel, Farbe- und Bauhölzer einzeln hervorhebt. Uel^er das Mineralreich Vuetet sich wenig Eigenes, die Thierwelt dagegen, für die Codazzi grosses Yerständniss erworben hatte und die wissenschaftliche Beihülfe von Roulin und Berthelot ausnutzen konnte, giebt, auf und unter dem Boden, in Luft und in Wasser, wild und gezähmt, eingeboren und eingebürgert, gross und klein, zu vielen wich- tigen Bemerkungen Anlass. Die tabellarischen Uebersichten und sonstigen Statistiken dieses ersten allgemeinen Abschnittes sind sämmtlich von Codazzi selbst gefertigt. Die politische Geographie berührt zunächst die sehr zweifel- haften Grenzfragen, dann die Bevölkerung, welche, die schwarzen Sclaven (49 782) und die freien Indianer (52 415) eingeschlossen, auf 945 348 Seeleu angegeben Avird, und namentlich die Einge- borenen bespricht, welche, Adriane Bal])i's Vorbilde gemäss, nach den Sprachen in verschiedene Familien eingetheilt werden: die der Tamanaca und Caribes, die der Yaruros und Betoyes, die der Cavere-Maipures, die der Solivas, zu denen die ausge- — 31 ;i — .storlx'iuMi nur noch diiivli die (ii'aWsUittcn von Ataui'ipc und l'ercperome bekannton Atiires gx'zidilt werden, und w ii^ ilio übrigen A'ölkerscliaften lieisseu. Hodann giel)t C'odaz/i eine iK'irsttdlunti" der seit der Unal>liiingiesj»rechung der 13 Provinzen an, die, mit Caracas beginnend und mit Guayana entlend, jeden Canton einzeln behandelt. Schwieriger war es die Karten vorwärts zu bi-ingen, die erst- lich einen Atlas bilden und zweitens, soweit sie die Provinzen darstellten, eine grosse Wandkarte ausmachen S(dlteii. Jenes Wei'k war die Hauptsache; es hat in der Zusammenstellung, die es 1S41 nach und nach emiding, verschiedene JJestandtheile. Der erste Abschnitt besteht aus einer mit allerlei Legenden versehenen Weltkarte, einer ähnlich behandelten Karte von ganz Amerika und einer von der Tierra Firme unter Ausschluss des Isthmus, welche die Entdeckungsziige zu Wassei- und zu Land, sowie die alten Indianersitze darstellen \y\\\: es sind dies keine Original- Arbeiten von Codazzi. Dann folgen i)olitische Karten von A^enezuela in den Jahren 181U und 1S4(); f(!rner solche ül)er die hydrograi)hischen Verhältnisse und die Zonenvertheilung, sowie diei Kartcu iiber die Feldziige des Freiheitskrieges. Einen dritten Abschnitt l)ilden die drei auf das ehemalige Colombia beziiglichen Tafeln, denen eine von Peru und Bolivia sich anschliesst, eben- falls keine selbstständigen Zeichnungen von Codazzi. Dann erst schliessen sich die Provinzial-Karten in nachstehender Reihenfolge an: Caracas, Margarita, Cumana', Barcelona, Maracai])o, Coro, Merida, Barcjuisimeto, Trujillo, Carabobo, Barinas und Apure, endlich kommen noch für die ungemein grosse Provinz Guayana Karten ihrer fünf Cantone: Angostura, Caycara, Piacoa, Rionegio und Ui)ata. p]ine Schlusstafel enthält vergleichende Tabellen über Berghohen und Flusslängen, sowie über Flächeninhalt der 13 Provinzen. Der Atlas enthält, ausser einem von Fernandez gezeichneten, damals sehr gefallenden Titelblatt, 19 Tafeln mit 30 Karten; mehr ist von den so überaus reichen Materialien Codazzi"s Aveder zur Vollendung noch zur \'eröflentlichung ge- — 314 — langt, weder die Essays ü1)er tropische Landwirthscliaft, nocl die grossen Arlteiten über Wegeanlagen und p]isenl)abnen, nocl die statistischen Tabellen über die einzelnen Provinzen, noch die ßeschreil)ungen von Aussichtspunkten oder Merkwürdigkeiten. Als das von der Geographischen Gesellschaft mit ihrei grossen Ehrenmedaille ausgezoiehnete Geogra}>hie-Werk nach Ca racas entsendet war, dachte Codazzi nicht an sofortige Rückkehr Die auch aus anderen Ländern kommenden Anerkennungei machten ihn zu einem angesehenen Mitgliede der Pariser Ge lehrtenwelt. Bedeutende Männer verkehrten in seinem einfacher Hause mit seiner geistvollen Gattin. Ein Besuch in der italie nischen Ileimath ward geplant, al)er aufgegel)en, da weder dei Gelehrte noch tler venezuelanische Obrist eine passende Stellun«. in den bureaukratischen Staaten Italiens zu finden glauljte. Di( herrliche Seinestadt fesselte ihn mit aller Gewalt, so dass er siel freute, als ein neuer Plan sein längeres Verweilen rechtfertigte ein Project von ausserordentlicher Wichtigkeit und internationale] Tragweite. 4. Ein Versuch deutscher Colonisation. Codazzi verzeichnete in seinem Geograpliic^-Werke, es wohnten in A^MiezueL'i, wühi-end in der ehenialiV^isse. hn Norden Siidamerikas hatte von jehei- das grösste Missverhältniss zwischen Land und A'olk bestanden. „Dabei ist aber auch der A^erluste zu gedenken, welche der blutige Unabhängigkeitskrieg hervor- rief, der Opfer des Erdbebens von 1812, der Epidemie; von 1818, des Sterltens in Aragua von 1825 und des im Apure-Gebiet von 1832 — 1838. Die grössere Anzahl von Menschen verschlang der Krieg, nicht weil die Heere so stark gewesen wären, sondern weil er so grausam auftrat, und soAvohl die Kriegsgefangenen, als auch die friedlichen Bürger ohne Riicksicht auf Geschlecht und Alter dahin rafl'te. Infolge dieser Kriegführung wanderten die Bevölkerungen ganzer Ortschaften mit den Heeren weiter; von ihnen fielen viele dem Hunger und der Krankheit zum Opfer, andere dem wilden Gethier des Waldes. Grosse; und reiche Culturgebiete wurden Einöden; das Feuer verzehrte die Wohn- stätten der Menschen; Jedermann Avar entweder Soldat oder Flüchtling; mindestens 2(X)(KK) Venezuelaner hat der Krieg ver- schlungen." Unter solchen Umständen war im Lande jeder Fort- schritt, der Dauer und Folge hahen sollte, davon abhängig, dass die Yolks-Elemente vermehrt und, wenn möglich, auch verbessert würden. Das hatte Codazzi schon vor seiner euroi)äischen Reise ausgesprochen, das wiedei'holtc er von Paris aus; er verneinte, dass es bei energischem Wollen und Handeln möglich sei, das Volksniveau in Venezuela ziemlich rasch künstlich zu heben; — 316 — er fühlte sich als ersten Berather jenes Landes, das er bereist und durchforscht, gezeichnet und beschneiden hatte; er glaubte an eine glänzende Zukunft, an den Reichthuni des Bodens, an natürliche Tüchtigkeit der noch rohen Bewohner, die er unter den verschiedensten Verhältnissen kennen gelernt, an die Er- starkung des politischen Lebens und die unverlierbaren Segnungen einer freien Verfassung. Die europäischen Anschauungen über Creolen-Wirthschaft und Tropen-Clima hatte er in Paris bekämpft, zugleich mehr und mehr in den Gedanken sich vertieft, dass eine Einwanderung gesunder Volkskräfte, für die schon vor Jahren sein englischer Freund in Maracaibo , jener Francis Hall, ge- schwärmt hatte, sehr wohl sich durchführen lasse. Mit einer reichen, fast poetischen Phantasie liegabt, glaubte er voraus- zusehen, dass in kürzester Frist die glückliche Aera Venezuelas, die er in den Sternen las, zur Gegenwart sich gestalten werde. Die Einwanderung, über die bereits ein venezuelanisches Gesetz vom 12. Mai 1840 neue Bestimmungen getroffen hatte, mit allen Kräften zu fördern, schien das erste und höchste Staats- interesse zu sein. Die dabei besonders in Betracht kommenden Gegenden hob Codazzi schon im Geographie- Werke hervor, namentlich l»ei der Besprechung der Cantone Ocumare, Victoria und Maracai. „Oclimare liegt den alten, durch die Llanos füh- renden Wegen nahe und zugleich fast an den urwaldbedeckten Abhängen der stattlichen Gebirge, die das schöne Tuy-Thal von den Grassteppen trennen. Seines fruchtl)aren Bodens und seines gesunden Klimas halljer ladet ganz besonders dieses Thal zur Entwaldung und Beackerung ein. Reich ist auch das Weichbild der Stadt Victoria, viel reicher noch das grosse Quellengebiet des Aragua- und des Tigre-Stromes; die dortigen, heute noch unwirthliehen Höhen, die so herrliche Luft athmen lassen, bieten tausend Vortheile für Ackerbau-Colonieu, welche allgemach von der Bergregion nach jenem Tuy-Thale sich hinziehen können. Der Tuy-Fluss, der auf dem Gebirgsstock Tamaya y Maya ent- springt, schiffbar von Araguita abwärts, ist berufen, ein Canal zu werden, auf welchem dereinst alle Früchte dieser jetzt noch unbenutzten Gegend ins Ausland gelangen. In der Umgebung der Stadt Maracai und ihres so malerisch belegenen Sees dehnen Waldflächen sich aus, welche den fruchtbarsten Humus bedecken; wenn hier Menschenhand wkkt, Felder und Ortschaften einrichtet, — 317 — einen Weg bahnt zum Hafen Choroni: dann wird für Maracai die Zeit der Büthe beginnen." Infolge einer Anregung von Anjel Quintero sandte Codazzi schon Mitte September 1(S41 der Paez'schen Regierung einen ausführlichen Colonisationsplan ein. Bald entzimdete sich in Caracas Enthusiasmus an Enthusiasmus; warum sollte nicht dem guten Willen die sichere That, nicht der besten Absicht der schönste Erfolg sich anschliessen? Codazzi suchte bald nach der Geburt eines Kindes Cara'cas auf, um für seinen Plan zu wirken ; im Fluge bereiste er nochmals einen grossen Theil der venezue- lanischen Küsten -Gebirgskette, welche einerseits mit steilem, wenig Busch und Wald zeigenden Abstui-z ins Meer fällt, anderer- seits nach dem Innern des Landes hin durch kleine Plateaus, geräumige Terrassen und sanfte Mulden sich auszeichnet. Zum Hauptsitz seiner Unternehmung bestimmte er eine der Cultur europäischer und amerikanischer Gewächse sehr günstige Wald- gegend, die westlich von Laguaira, dem ersten Hafen des Landes, belegen war, nämlich in der Quellregion jenes Tuy- Stromes. Ihre durchschnittliche Höhe l)etrug etwa 1700 Meter über dem Meeresspiegel, während der mittlere Wärmestand 12 bis 15 Grad Reaumur ausmachte. Von dem nur sechs Leguas entfernten Yictoria aus gedachte Codazzi diese erste Musterniederlassung selber zu leiten. Er wollte persönlich die Colonisten • in Europa aussuchen und über den Ocean geleiten; wollte ihnen mit Hülfe seiner venezuelanischen Freunde die zur Uebersiedelung nöthigen Vorschüsse machen, die erst nach fünf Jahren verzinsbar werden sollten; wollte jeder Familie Wohnung, Hausthiere und entwaldetes Land geben. „Ich zähle auf die als tüchtig erprobte Regierung Venezuela's, auf die grossen Capitalisten unseres Landes und überhaupt auf Alle, welchen das Wohl der Heimath am Herzen liegt. Der europäischen Auswanderung gedenke ich hierher eine weite und gebahnte Strasse zn eröffnen, es gilt nicht etwa be- rufslose Menschen nach Amerika zu verschleppen oder weisse Sclaven hierher zu verhandeln; mein Vorhaben verlangt Familien, rechtliche und haushälterische, es fordert gutgesittete und arbeits- gewöhnte Leute. Meine Absicht geht dahin, die Elemente für diese Colonisation grösstentheils aus Deutschland '^'') zu ziehen, weil im Norden unseres Continentes die Vereinigten Staaten das schnelle Wachsthum ihrer ackerbauenden Bevölkerung besonders — 318 — dem deutschen Bestandtheile zu danken haben. Dagegen könnte man vielleicht einwenden, dass deutsche Colonisten in Venezuela nicht wie in jenen Staaten, Aehnlichkcnt mit dem heimischen Clinia und mit den altgewohnten Lebensverhältnissen finden, dass sie deshalb hier nicht so schnell an den Ileimathwechsel sich zu gewöhnen vermögen. Darauf antworte ich, dass Venezuela dieselben Vortheile und dieselben Hüllsmittel l)ieten kann wie Nordamerika; wenngleich"^ unter unseren Himmelsstrichen die Jahreszeiten von denen Europas abweichen, findet sich doch auf den Stufen des Gebirges eine ähnliche Climaveränderung; statt des Schnees und des Eises herrscht aber dauernder Pflauzenwuchs , reichliche Regengüsse ersetzen den Frühling und den Herbst der gemässigten Zone." „Zu wiederholten Malen habe ich während meines jüngsten Aufenthaltes in Europa lange Unterredungen mit angesehenen Männern gepflogen, welche durch ihre Kenntniss des venezue- lanischen Landes meine Ansichten über die Colonisation und die Wahl der passendsten Gegend zu Ijeurtheilen vermochten. Ich meine Gelehrte, wie Humljoldt und Boussingault sind, deren Schriften so viel dazu beigetragen haben, meine Adoptiv-Heimath in physikalischer und naturhistorischer Hinsicht zu beleuchten; die Billigung solcher Landeskenner ist eine Gewähr für das Gelingen meines Unternehmens." Die Einwanderer, die jede Verbindung mit ihrem bisherigen Vaterlande aufgeben mussten, sollten an ihrem neuen Sitze pa- triarchalische Fürsorge finden; die Colonie war als eine grosse Interessen-Genossenschaft von Capitalisten und von Arbeitern gedacht; Codazzi, ihr Haupt, hatte zugleich die erstgenannten zu vertreten. Im November 1842 sollten die Deutschen in Puerto Mayo ankommen. Dann sofortige Ueberführung nach dem Ort der Colonie; zur Erholung und zur Hauseinrichtung ein Monat Ruhe, während dessen der Unterhalt noch geliefert wird. Im December müssen die Europäer ihre Ackerarbeit l)eginnen; drei Tage der Woche haben sie der Colonie-Unternehmung oder ihrem Leiter zu widmen ; was sie dabei lernen , werden sie auf ihrem eigenen Anbauplatze sofort wiederholen; aus solchem praktischen Unterricht, dem die daheim bereits gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen sich zugesellen, sollen sich gerade so viele Gehöfte bilden, wie es Familien giebt. Ausserdem besteht ein grosses, — 319 — geraoinsaiiios "Wirthschaf(sgol)iot, dessen erster Yorwaltor nicht bloss (ior Regioninti- gpgenülxM' die Intorosson der (V)lonist(Mi V(M'tritt, sondern diese auch im Einzelnen fordcil durch (Jrld- unterstiUzung oder andere lieiliiill'e. Codaz/.i ward (hn-ch die Kegieruiiu- verpilichtet, nur Fanulicu von nioralisciier und praktischer Tüchtigkeit ins Land zu Illingen; besonders sollte darauf gesehen werden, dass ihr Nachwuchs schon bald zur Mitarbeit reif sei; es waren möglichst Handwerker auszuwählen, die ne)>en der Landarbeit eine fiir weitere Kreise niitzliclu^ Thätigkeit entwickeln könnten; ausserdem war für einen Arzt und einen Geistlichen zu sorgen. Die Regierung be- stimmte die Anlage der Ortschaften und vin-langte hall)jahrlich(! Berichte über den Fortgang der (V)lonie und dic^ Bewegung ihrer Genossen, welche sechzehn Jahre lang von allen Abgaben und Leistungen, nanientlicli auch von Civil- und ^lilitärdienst, frei sein sollten. Jn Caritcas schmeiclielte man sich mit der Hoflnung, dass alle für die Heranziehung einer Massen-Auswandennig noth- wendigen Voraussetzungen in Land und Volk bereits vorhanden seien, nicht bloss die physischen, sondern auch die politischen, was Sicherung des Friedens, Ordnung in der öftentlichen A^'r- waltung, Rechtspflege und Toleranz anbelangt. Schon am 26. No- vember 1841 bewilligte der Congress für Codazzi's Project dar- lehnsweise den Betrag von 15 0(X) Pesos, der auf 60 000 zu er- höhen sei, wenn der Fortschritt des Unternehmens grössere Summen erfordere; diese Bewilligungen sollten a])er nur dann fällig werden, wenn genügende Bürgschaft für die Erfüllung aller Verpllichtungen seitens der Colonic-L^nteniehmer gestellt war. Codazzi wollte die Angelegenheit gern allein in der Hand behalten und suchte daher nicht nach einem begüterten Mitunter- nehmer, sondern nur nach einem Bürgen; er fand ihn jetzt gerade so, wie vor Kurzem in Martin Tovar Ponte. Der nunmehr GOjäln-ige Mann übertrug ausserdem, zusammen mit seinem Neuen, Manuel F(>lipe Tovar, den in der Nachbarschaft der ersten Colonie sich liudenden Privatbesitz an Codazzi, welcher zum Dank dafür den Ausgangspunkt des ganzen Unternehmens, den Stammsitz der ersten Familie, Colonia Tovar zu nennen vorsjtrach. Sofort Itegannen die ersten nothwendigen Arbeiten: Wegbau und i'intwaUlung. Anfang 1S4'2 liess Codazzi üb(;r d'w Zukunfts- — 322 — fühnmg des Sarges von Bolivar, die erste Vorliereitung für eine Demonstration, welche zeigen sollte, dass eine neue Gescliichts- periode in Veneznela liegonnen habe, dass die ungiiicklichen Ver- hältnisse, unter denen etwa vor einem Jahrzehnt der Befreier zu San Pal)lo gestorben war, vollständig überwunden seien. Codazzi hatte in Paris für die Ausstattung der Leichen-Ceremonien zu sorgen: für den an Bord eines venezuelanischen Kriegsschiffes aufzubauenden Katafalk, für den Ehrenbogen auf dem Hauptplatz von Caracas und für die Ausschmückung der dortigen jetzt erz- bischöflichen Kathedrale. Auf Anrathen seiner Pariser Künstler- freunde gab er Pietro Tenerani in Rom den Auftrag, ein wür- diges Standbild von Bolivar herzustellen. Bei dieser Todtenfeier, für die Carmelo Fernandez in Santamarta thätig gewesen war, wogte in Caracas wähi-end der Dezembertage des Jahres 1842 der Patriotismus hoch auf, als wolle die Sühne früherer Sünden mit der Gewährschaft auf bessere Zukunft sich paaren. Am 20. Januar 1843 legte Päez seine Präsidentschaft nieder; an seine Stelle trat Carlos Soublette, sein langjähriger Privat- Secretär, Adjutant und Kriegsminister; Codazzi war sicher, dass die neue Regierung, die er von Paris aus mit Freuden begrüsste, seine Ideen würdigen und sein Werk fördern werde. Nach dem ursprünglichen Colonisatious-Programme sollte im Dezember 1842 bereits die erste Aussaat beginnen; allein die Vorbereitungen verzögerten sich. Codazzi und Benitz kamen am 6. April 1843 auf der fran- zösischen Bark Clementine aii und zwar mit 358 Personen, die aus dem Elsass und aus Baden stammten, nämlich 145 Männern, 96 Frauen und 117 Kindern unter 14 Jahren; darunter waren Schmiede und Schlosser , Zimmerer, Tischler und Drechsler, Steinmetzen und Maurer, Schuster, Schneider und Hutmacher, Metallarbeiter, Ziegelbrenner, Töpfer, Instrumentenmacher und Wagenljauer. Die Oceanfahrt war entbehrungsreich, aber nicht gefahrvoll gewesen, obgleich die Blattern ausgebrochen waren, weshalb die Landung in Laguayra untersagt wurde, das Schiff hatte in dem heissen Hafen Choroni vor Anker zu gehen. Von da musste die Reise nach dem A.nsiedeluugsplatz zu Fuss ange- treten werden, denn die wenigen, an jenen einsamen Platze vorhandenen Lastthiere reichten kaum für das schwere Gepäck aus; die Kleidung der Europäer, namentlich ihre Kopfbedeckung, — 323 - war dem Clima nicht angemessen ; die durch Hitze hervorgerufene Ermattung führte zum Genuss scharfer Spirituosen; Sandflöhe nisteten sich in den Füssen ein; die neuen Nahrungsmittel, -wie Bananen und Yuka, Bohnenteig und getrocknetes Fleisch, wider- standen den Fremden; der Genuss des Wassers rief Enhran fälle hervor — und als das Ziel der Mühen erreicht war, das so poetisch ausgeschmückte Tovar — da zeigte sich nichts als ein Paar Hütten mit Palmendach inmitten der Ruinen des Urwaldes. Ramon Diaz hatte die nothwendigen Yorl)ereitungen nicht vollendet, weder den Barackenbau, noch die Ausrodung der Wildniss. Ebenso schlimm war es, dass Sinder Pelegrini den Wegbau nicht so weit gebracht hatte, wie erforderlich war. Für die Ankömmlinge mussten die Lebensmittel von Victoria durch das wilde Gebirge gebracht werden, al^er der Transport kostete mehr als der ursprüngliche Marktpreis betrug; eigene Lastthierzüge waren für die Verproviantirung uöthig; eigene Magazine wurden für Kleidungsstücke angelegt, sowie für euro- päische Nahrungsmittel, wie Weizenmehl, Hartbrot, Wurzeln : Dinge, welche gegen Anweisungen an die Familien vertheilt wurden. Die grösste Gefahr l»ildete der Urwald; auch nach Ablauf von 6 Monaten waren die Europäer nicht im Stande selber die Entholzung vorzunehmen, wofür 120 eingeborene Landarbeiter und Waldhauer October und November 1843 verwendet wurden, von denen einer umkam und drei verwundet wurden, während fünfzig wegliefen. Erst etwa nach einjährigem Aufenthalte konnten die Eingewanderten selber Hand anlegen; da waren Bäume zu l)eseitigen, die nur auf Gerüsten von 2 l:)is 3 Ellen Höhe angegriffen werden konnten; andere waren durch ihr Geäst und das Geflecht der Wucherpflanzen so mit den Ijenachbarten Waldriesen verbunden, dass sie, auch gefällt, nicht fielen; stürzten sie endlich, so riefen sie die schrecklichste Verwüstung im Unter- busch hervor und jene Ausdünstungen, vor denen Codazzi so dringend gewarnt hatte. Eine andere Noth trat schon acht Tage nach der Ankunft ein. Die nährenden Frauen verloren plötzlich ihre Milch; Codazzi liess Ziegen aus Victoria kommen, aber auch diesen vertrockneten l)ald nach der Uebersiedelung die Euter; ebenso ging es mit Kühen, welche jedoch bei der Rückkehr in die heisse Zone wieder milchend wurden; das Geflügel legte einen Monat lang keine Eier; die Katzen starben. 21* — 324 — Codazzi Hess nun die Rinder staffelweise zur Gegend von Tovar emporsteigen, indem sie zuerst einen Monat auf der Höhe von 800 Metern, dann ebenso lange auf der von 1050 Metern und endlich 3 Monate hindurch auf der von 1700 Metern zubringen mussten; er verlor trotzdem die Hälfte der Kühe und ein Viertel der Kälber. Im September erfolgten die ersten Ernten; war der Ertrag auch klein, so ergab doch Weizen für ein Korn 33, Gerste erheblich mehr, Mais 100. Die Gemüse waren zu riesiger Grösse gediehen; die Hülsenfrüchte hatten zahllose Bohnen. Der bei- nahe fabelhafte erste Erfolg hob die Stimmung der Colonisten, von denen viele aus der bisherigen Niedergeschlagenheit ins Gegentheil verfielen. Ihre Lage schien wirklich sich zu bessern. Einige unruhige Elemente schieden aus, allein es verblieb doch ein tüchtiger Kern. Im Mai 1844 ward das gefällte Dickicht niedergebrannt und dann in die Asche neues Getreide gesäet; eine Woche lang für den Colonie-Ünternehmer, zwei für die Colonisten; die Saat gedieh abermals wunderbar. Der Reinertrag des Erstgenannten wurde auf 20 000 Pesos veranschlagt. Da fiel Mehlthau und zerstörte die bereits grünenden Pflanzen grösstentheils; schwere Regengüsse folgten, alle Kartoffeln und alle Bohnen verdarben; die Gerste hielt sich, nicht der Weizen. „Auf der Gerste beruhte unsere Hoffnung", schreibt Codazzi, „da kam Raupenfrass; viele Gerstenfelder waren leer, obwohl Männer, Frauen und Kinder Tag und Nacht das Gethier zu vernichten suchten; endlich tödtete ein starker Platzregen die Feinde der Ackerbauer. Die Gerste gab gutes Brot; die Pilada ersetzte den Reis und gab gute Suppen, während die Stengel als Viehfutter dienten; die Rinder gediehen bei Hafernahrung." Nun gingen Codazzi die Mittel aus, während noch 500 Fane- gados entwaldet werden mussten, was mindestens zwei Jahre dauerte; die Regierung bewilligte neuen Vorschuss bis zur Ge- sammtsumme von 100 000 Pesos , wovon die Colonisten die eine Hälfte zurückzuzahlen hatten, während die andere dem Staat zur Last fiel, weil Wege angelegt and die National-Ländereien er- heblich verbessert würden. In der That hob sich die junge Ortschaft Tovar; sie hatte Ijald 120 Wohnungen, darunter Back- steinhäuser, zwei Ziegeleien, eine Getreidemühle, ein Sägewerk, — 325 — zwei Läden für Kloidnngsstoflb und Nalirnngsmittel, eine Di'uckerei, ein Gasthaus mit Tanzsaal, einen grossen Speicher, ein Schulhaus für 80 Kinder, eine Kirche mit Uhr, Glocke und ornamentaler Ausrüstung: lauter sonst in den Landflecken der Tropengel )iete unl)ekannte Dinge. Eine Regierungs-Lispection ergal) das gün- stigste Resultat; der deutsche Lehrer hatte guten Erfolg, der deutsche Arzt fand sich in die neuen Verhältnisse mehr und mehr; Benitz wurde zum Ortsvorsteher mit obrigkeitlicher Gewalt ernannt; Codazzi und seine unermüdliche Frau genossen allge- meine Yerehrung. „Der Colonist", so schreibt Benitz in dieser Zeit, „verkauft bereits seine Producte in Caracas, Laguayra und Victoria; die gewöhnlichen Handwerker, wie Tischler, Schmiede und Drechsler finden im Orte selbst genug zu thun; die ge- schickteren verfertigen schon für die Thäler von Antuagua und Aragua Getreide-, Zucker- und Kaffee-Mühlen, Sägewerke, Brau- geräthe u. s. w. Alle Colonisten haben Rindvieh und nützliche Hausthiere, namentlich Hühner; die wohlhabenderen besitzen auch Reitthiere. Die Volksschule der Colonie ist in gutem Gange; die fertigen Wohnungen ähneln denen am Oberrhein." Als dies geschriel)en wurde, hatte Codazzi bereits seinen besten Freund und Helfer verloren; Martin Tovar Ponte, der wackere Patriot, war am 26. November 1843 gestorben. Codazzi l)etrachtete diesen Todesfall wie einen Wendepunkt im eigenen Leben. Dazu kam, dass die politischen Verhältnisse Venezuelas zu gleicher Zeit bedenklich sich änderten; ohne dass das Al)leljen jenes Greises damit in Verbindung stand. Statt eines ruhigen Gedeihens sich zu freuen und in regelmässigem Fortschritte einen Ansporn für friedliche Arbeit zu finden, quälte sich der in der heissen Zone immer aufgeregte, in Venezuela durch die Kriegszeit noch mehr zusammengerüttelte Creolensinn mit immer neuen Reformen. Die Fortdauer der bisherigen Regierung erschien dort wie eine Oligarchie, welche von den wahren Volksmännern, namentlich von den Vertretern der hauptstädtischen Presse, auf das Entschiedenste l)ekämpft werden müsse. Ueberall wurde geschürt; bald war allgemeine Gährung durch die ganze Republik verbreitet. Die fremden Ansiedler spürten, dass nicht bloss\ gesundes Clima und gute Landesljeschafienheit, eigenes Haus- halten und eigene Gemeinde- Verwaltung das Wohlergehen von Ausgewanderten bedinge, sondern vornehmlich das Bestehen — 326 — geordneter ZustäiKle ringsum, k^iclierlieit der Keclitsverliältnisse und das Vorhandensein eines für Arljeit reifen Yolksgeistes, dem der Nenling sich anzuschmiegen vermöge. Sie konnten für sich aHein nur Wenig erreichen; trotz Codazzi's rastloser A^ermittekmg, trafen sie, wohin sie auch mit ihren Forderungen und Bitten sich wandten, auf kämpfende Parteien, welche kein Ohr hatten für die Fragen des praktischen Lebens. Demungeachtet hielt Codazzi die Colonie, von P]rnte auf Ernte vertröstend, noch kräftig in Ordnung und war ül)erall zum Helfen wie zum Rathen bereit. Am 2. Novemljer 1845 berichtete er: „Die Einwohner von Tovar sind zufrieden und leljen Itereits von dem Ertrag eigener Arbeit; sie hatten einige erfreuliche Ernten, obwohl allerlei Landplagen sich wiederholten; der Rest des nach Caracas führenden Weges ist jetzt fertiggestellt. Deutsche Naturforscher nehmen hier gern Station, legen Itotauische Versuchsfelder an und beleljen unsere geistigen Interessen mit merkwürdigem Erfolge." Zu diesen gelehrten Besuchern der jungen Colonie gehörte auch Hermann Karsten '^^) aus Stralsund, welcher, Frühling 1844 von Hamljurg nach Puerto Cabello gekommen, jetzt in der neuen Ansiedelung den Naturwissenschaften sich widmete, namentlich der Botanik und Geologie; der unermüdliche Forscher trat in persönlichen Verkehr mit den einflussreichsten Deutschen Vene- zuelas, wie z. B. mit den Doctoren Knoche und Taurs, sowie mit den preussischen Consuln Otto Harrassowitz und Alfred Passow; er lernte Codazzi und dessen Haus schätzen und förderte selber, wie durch jene Verlnndungen , manche Interessen der jungen Colonie, er wohnte in dem Gasthause von Benitz, sam- melte zum Versand für europäische Gärtnereien kleine Baumfarren und Palmen, die fast sämmtlich leljend in Deutschland ankamen. „Ohne die Freundlichkeit der Benitz'schen Familie wäre schwerlich die Verpackung und die sonstige mühsame Arbeit gelungen; ohne sie hätte Karsten sich nicht monatelang in den Urwäldern auf- zuhalten vermocht und demungeachtet Ruhe gefunden zu den grossen Zeichnungen der schönsten Tropengewächse, die ihres Gleichen an Treue und Volikommenkeit nicht finden." Karsten interessirte sich sehr für Codazzi's immer lebhafte Ideen und vermehrte sie auch; so lenkte er die Aufmerksamkeit auf einen Fund, dessen Erklärung ebenso schwierig wie wichtig zu sein — 327 — sclii'cn. In (U'iii vciu'zuclaiiisclicii (iO(>arinas zu hintertreiben, dass die Waffen hervorgeholt wurden. Von Ort zu Ort, von Ilacienda zu Ilacienda reitend, versölmte er die Haupträdelsluhr(n- durch aUe erdenkliche Mittel, namentlich auch durch Ueberredung; so predigte er den Radicalen z. ß. einmal auf einem Bankett durch eine von Kindei-n darge- stellte Allegorie Besonnenheit und Vernunft. Als Paez dann den Aufstand gedämpft hatte, sprach dafür Gouverneur Codazzi im Namen seiner Provinz förmlichst Dank und Anerkennung aus. Da das stille Leben in Barinas gelegentlich die Fortsetzung der früheren Schriften über den tropischen Ackerbau, sowie Entwürfe von genauen Lokalkarten und ähnliche Arl)eiten höhere Interessen wachrief, fühlte Codazzi sich ausnehmend wohl; er war gern inmitten der reisigen Viehzüchter, denen er bald in manchen Gewohnheiten ähnlich wurde; er 'imterbreitete dem Provinzial-Landtage in seinen Jahresberichten förmliche Aljhand- lungen ül)er Geschichte, Geographie, Nachbarverhältnisse und Wegefragen der Provinz, wissenschaftlich werth volle Ausarbei- tungen. Anfang 1847 schien die Ruhe im Lande wieder hergestellt zu sein; auf Betrieb von Paez wurde gegen Codazzi's Rath General Josö Tadeo Monagas am 23. Januar Präsident der Republik und schien durch die vernünftige Wahl seiner Minister Gewähi* für die Fortdauer der Ruhe zu geben. Im März jenes Jahres musste Codazzi von Barfnas nach Tovar reiten, weil die Ansiedelung, die ihm so sehr am Herzen lag, wieder gefährdet war. Oeffentlich sprach sich die Entrüstung gegen die Colonie-Genossen aus, die unter dem verderblichen Einfluss der letzten politischen Wirren immer uiu'uhiger wurden. „Wii- in Venezuela schon seit langer Zeit ansässigen Deutschen", so lautet ein Aufruf, „hören mit Befremden und Verdruss, dass unsere Landsleute in Tovar den berechtigten Erwartungen nicht entsprechen; es ist dort eine sichtliche Demoralisation ausge- brochen. Dieser und Jener wanderte aus, missvergnügt oder ü])ermüthig. Ruhestörungen von Tag zu Tag, bis die Regierung einen venezuelanischen Richter einsetzte, der die Oi-dnung wieder herstellte, aber die ursprüngliche Selbstverwaltung der Ansiedler vernichtete. Die besseren Theile waren mit dem sehr gesunden Aufenthalte zufrieden; sie rühmten die Freundlichkeit und Güte — 320 — von r)ir(H't()r (Vjdaz/i und von dessen CJcinaldin; aueli verklagt« Niemand Codazzi's Stellvertreter Alexander IJenitz, der an Wohl- wollen des Herzens und TrelVlielikeit des Charakters Jenen gleich- steht. Fast alle Ansiedh>r hesassen Ivselheerdeii, mit deren 11 iiHp sie ihre Productc zu ^larktc braehtcn, \vennfung des hochverrätherischen I'räsidenton er- lassen und sofort Versuche angestellt, um einige Streitkräfte fiir die Verfassungspartei zu sammeln, an deren siegi-eicher Macht er gar nicht zweifelte. Codazzi konnte ihm nicht sofort zur Seite treten, er hatte zunächst seine Frau mit sechs kleinen Kindern in Sicherheit zu l)ringen und eilte deshalli nach Mara- caibo, jenem mit dem Auslande in steter A^erbindung bleibenden Handelsplatze, wo ihm am 28. April ein siebentes Kind geboren wurde. Auf dieser fluchtähnlichen Reise empfing Codazzi ein sehr inhaltreiches Schreiben aus Bogota', das ihn ausserordentlich ergrifl". Auf Autrieb von Joa(|ulm Acosta war es von einem alten Bekannten al)gesandt, vom jetzigen neugranadiuischen Präsidenten Mosquera. Dieser verfolgte als dritter Nachfolger von Santander grosse Pläne fiir sein Vaterland, manche unpraktische, aber immer gutgemeinte. In jener Nachbar-Republik von A'^enezuela, deren Grenze Codazzi's bisheriges Gouvernement irgendwo in din- Wildniss un- mittelliar berühren musste, schienen seit einer in das Jahr 1839 fallenden schweren Revolution die öflcntlichen Zustände langsam sich zu Ijessern. Dort war nach dem Al)gange von Marques die miihsam errungene Ruhe in jüngster Zeit aufrecht erhalten worden; die Verfassung vom 20. April 1843 hatte; die Macht der ol)ersten Landesregierung wesentlich erhöht; die Präsidentschaft Herran's während der das neue Grundgesetz erlassen war, hatte allerlei nützliche Fortschritte angebahnt und die Parteileidenschafteu niedergehalten. Mosquera, 1845 seines Schwiegersohnes Nach- folger auf dem Präsidentenstuhle, trug sich mit den reichsten Hoffnungen für seine Heimath. Schon in jenem fast vergessenen schwersten Revolutionsjahre hatte dieser immer Neues planende Mann den Congress von Neu-Granada für eine Landesvermessung, wie sie damals in Venezuela gerade vollendet war, zu interessii;en gewusst, ja sogar für die Herausgabe eines grossen Gcograi)hie- — 332 — Werkes, wie es für Venezuela gerade in Anti-riif genommen wurde; das System, das dort erst nach Schluss der A^ermessungsarl)eiten, so gut es ging, zusammengestellt wurde, sollte für die neue Unter- nehmung von Anfang an feststehen. Ebenso wie Paez, hatte Mosquera bereits im Kampf gegen die Spanier das Kartenbedürfniss empfunden; nach und nach waren aber bei ihm Interessen hinzugekommen, die in Venezuela nichts Analoges fanden. Es lenkte sich ja seit Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf ein fast noch unl^ekanntes Stück neugranadinischer Erde, auf den Isthmus, der längst für so wichtig gehalten war, dass sein Bild im Wappen von Neu-Granada ein eigenes Feld gefunden hatte. Für einen grossen, dieses Meeresbolhverk durchschneidenden Völkerweg, sei es Fahr- oder SchiÖstrasse, *^^) waren seit Beginn der Unabhängigkeits-Bewegung vielerlei Pläne aufgetaucht. Mosquera wusste, dass Bolivar über dieselben bereits mit Humboldt verhandelt habe, von dem eine umfassende Vermessung des Isthmus als erste Vorbedingung wieder- holt gefordert worden sei. Humljoldt, beschäftigt mit der Fort- setzung seiner Beschreibung von Venezuela, hatte von Bolivar mancherlei Materialien, wie Gesetzblätter und statistische Ueber- sichten, erhalten und sprach damals gern über die Isthmus-Frage sieh aus; dabei betonte er, dass er seit langen Jahren mit den Communicationsmitteln zwischen beiden Meeren sich l^eschäftigt und in gedruckten Schriften sowohl, als in den verschiedenen Memoires immer darauf gedrungen habe, den Isthmus in seiner ganzen Länge hypsometrisch zu untersuchen, besonders da, wo er an das Festland von Südamerika in dem Lande von Darien und der unwirthlichen ehemaligen Provincia de Biruquete sich anschliesse, da, wo zwischen dem Atrato und der Bai von Cupica am Littoral der Südsee die Bergkette des Isthmus fast gänzlich zu verschwinden scheine; die Arbeiten dürften nicht immer in der Meridianrichtung zwischen Portobello und Panamdi oder west- lich davon gegen Chagres und Cruces hin geschehen; bisher seien die wichtigsten Punkte des östlichen und südöstlichen Isthmus an beiden Meeresuferu unberücksichtigt geljlieben; dieser einfache Rath, der einzige, den er habe geben können, sei nie befolgt worden. Bei der Wichtigkeit, welche der Gegenstand für den Welthandel halje, dürfe man nicht wie bisher in einen engen Kreis gebannt bleiben; eine grosse, den ganzen östlichen Isthmus — 333 — umfassonde Arlieit sei fin- jode Art d(M- moglichon Anlagen, für einen Canalbau wie für eine KisenUalin, gleich nützlich; sie allein könne über das vielItes])rochene I^inlilcm positiv oder negativ entscheiden, i^ei-artige grosse Gesichtspnnkte waren fürMos(|uera sehr ansprechend; (M- wusste, dass die Versuche von Domingo Lopez, die ersten von liolivar angeregten, ebenso erfolglos ge- blieben waren Avie die, welche (](m- Lil)ertador zweien Ausländern seines bunten Gefolg<\s, John A. Lloyd, einem Engländer, und dem Schweden Falmark, anvertraut hatte. Auch bei diesen Ver- suchen war kein praktischer Vorschlag erreicht worden, Avohl aber reizten die in Europa veröflentlichten Berichte unternehmende Leute zu neuen Anstrengungen; s. B. hatte Charles de Thierry schon am 29. Afai 1835 in Bogota ein Lsthmus-Privileg sich er- worlien, durch das die ^Aufmerksamkeit der Nordamerikaner Avach- gerufen Avorden Avar. Bereits am ß. Juni 1836 hatten zwei Washingtoner Abgeordnete, Charles Biddle und George Gil)bon, mit der ncniffranadinischen Regierung einen Vertrag über eine Isthmus-Eisenltahn'^'^) abgeschlossen. Durch derartige Vorgänge Avar die NothAvendigkeit topographischer Aufnahmen, Avie sie zuerst in dem Landesvermessungs-Gesetz vom 15. Mai 1839 sich aussprach, aufs Neue klargestellt. Mosquera, der damals zum Cabinet des Präsidenten gehörte, hatte gehofft, dass Codazzi gleich nach Vollendung seiner venezuelanischen Arbeit in Neu- Granada einer ähnlichen Aufgabe sich unterziehen werde. Als dann diese Aussicht sich zerschlagen, wurde die Idee zwar in Bogota eine Zeit lang in den Hintergrund gedrängt, aber im Auslande Avaren die Pläne Avegen der Landenge immer Aveiter und Aveiter gesi)onnen, namentlich seitdem sie durch ein neu- granadinisches Gesetz vom 1. Juli 1842, das allgemein die Vor- bedingungen für ein Isthmus-Privilegium festsetzte, öflentlich den Meistbietenden anheimgegel)en Avaren. Jenem Projecte hatten sich die europäischen Gelehrten Avieder lebhafter zugeAvendet, vorzüglich theoretische Geographen und National -Oekonomen; Techniker und Finanzleute Avaren ans Berechnen gegangen, z. B. hatte eine Pariser Gesellschaft durch den Ingenieur Napoleon Garella verschiedene Bergpässe ZAvischen der Limon- und der Panamji-Bucht untersuchen lassen. Alle diese Anstrengungen waren erfolglos gebliel)en, allein kurz bevor Mosquera zuerst an Codazzi schriel», hatte Matthias Klein als Vertreter einer neuen Pariser — 334 — Gesellschaft in Bogota das Privilegium für eine Isthmus-Bahn erlangt. Noch beachtenswerther als das Interesse der Franzosen wurde alsliald das thatsächliche Vorgehen der Vereinigten Staaten, deren Gesandter B. A. Bidlack in Bogota mit Mosquera einen Staatsvertrag aljgeschlossen hatte, der am 12. December 1846 genehmigt war und eine sehr weitreichende Bestimmung über den Isthmus enthielt; die Repul)lik Neu-Granada sicherte nämlich den Nordamerikanorn freies Wegerecht über die Landenge zu, und dafür garantirten ihr die Vereinigten Staaten nicht liloss die vollständige Neutralität des Isthmus dergestalt, dass der freie Weg von einem Äleer zum andern nie unterbrochen werde, son- dern auch „die Souveränität ü])er die Landenge und das Eigen- thumsrecht an derselben". Gleich darauf griffen die Nordameri- kaner nach jenem in Bogota ausgeschriebenen Angebot, und ihre siegreiche Energie Hess die lialdige Vollendung einer die Meere verbindenden Verkehrsstrasse erwarten. Mosquera würdigte dies Vorgehen vollauf, aber nicht bloss mit Freude, sondern auch mit Scheu. Sollte die Republik Neu-Grauada bei der Ausführung eines so grossen Werkes irgendwie mitrathen oder gar mitthaten, so musste sie mindestens einen Mann wie den so viel gepriesenen Geographen Venezuelas zu ihrer Verfügung haljen , der mit den Vertretern ausländischer Interessen cooperiren könnte. Den Perspectiven solcher Art standen bei Codazzi ernste Bedenken gegenüber; er sann schon in Maracailjo über Mosquera's Pläne nach und erklärte ruhigen Blutes, jedes Zusammenarbeiten mit Männern des Auslandes für unmöglich: „Wie die Climate der europäischen und der nordamerikanischen Länder von denen der unsrigen verschieden sind, ebenso weichen die Anschauungen und Gel)räuche der wenigen Bewohner imserer jetzt noch beinahe Avilden Gegenden vollständig al) von der Bildung der dichten und zusammengehäuften Bevölkerung jener mit weit verlsreitetem Unterricht und tiefgehendem Fachstudium gesegneten Culturländer. Bei uns sind Dörfer von einzelnen Häusern auf weite Entfer- nungen zerstrput, dort die eine volkreiche Stadt gewissermaassen neben der rindern; dort liat die Masse der Bevölkerung üeber- fluss an Licht, Kraft und Reichthum, während unsere Isolirung uns in Dunkelheit erhält, ohne genügende Kräfte und ohne ge- nügende Mittel. Dort hilft die Erfahrung von Jahrhunderten dazu, dass auf jedem Gebiegt der grösstmögliche Erfolg lier1>eige- — 335 — führt wird, hier köiinon unsere jungen Anfänge gar leicht /ii MissgritVen werden, die uns später erst wieder zum richtigen Weg zurückweisen müssen. Es g<^nügt an diese Paralhden /u erinnern, um zu zeigen, dass jeder Vei-gleich zwischen den alten, mächtigen Nationen und den jungen erst beginnenden Völkern Südamerikas unpassend und ein ZusannnfMiarli(>ilen von uns mit den Ausländern untlmnlich ist." Für Codazzi war der Gedanke, mit iVenuhMi \'enness('rn und Ingenieuren irgendwie gemeinsam arlieiten zu sollen, unerti'äglich; er verkannte keineswegs den Unterschied an Intelligenz und Energie. Trotzdem lehnte er den Mosquera'schen Antrag nicht ab, ersuchte vielmehr um eine Frist der Ueberlegung unter Mittheilung der schwierigen Lage, in der er sich augenblicklich lieland. Mosquera verstand diese Rücksicht und ernannte ihn am 3. Juli 1848 zum Professor der Bogotiier Hochschule, um ihn mehr und mehr an sich zu ziehen; Codazzi al)er suchte, nachdem er seine Familie auf Curazao gesichert hatte, seinem langjähi-igen Gönner Päez sich anzuschliessen, um zunächst am Kampfe gegen die ^[ona'gas'sche Dictatur theilzunehmen. Es war zu spät; der altbewährte erste Präsident Venezuelas stand trotz seiner AVaffenrufe bis jetzt ohne Anhang da, er war sogar über Ocaüa und Santamarta nach Richacha gegangen, ja er flüchtete ül)ers Meer. Nun war auch Codazzi's Entschluss gefasst. Er folgte zwar den Spuren von Päez bis zur Grenze von Neu-Granada, die er am 13. Januar 1849 in Cücuta erreichte, aber als er seinen Waffengefährten nicht mehr traf, eilte er nach Bogota, um sich Mosquera zur Verfügung zu stellen. Als Codazzi die Hauptstadt Ncu-Granadas zum dritten Male betrat, war er ärmer als je zuvor. Frau und Kinder im Aus- lande, seine Colonie im Verfall, sein Grundeigenthum verlassen, jede Aussicht auf die Zukunft zweifelhaft. Bogota erschien ihm unter den jetzigen Umständen gegen die früheren Besuche in einem rosigen Lichte. Die Stadt hatte mancherlei Fortschritte gemacht; auf ihrem Haujitplatze prangte seit Kurzem die Bolivar- Statue, das Werk desselben Pietro Tenerani, mit dem er vor einigen Jahien erfolglos wegen des für Caracas bestimmten Denk- mals verhandelt hatte: das Geschenk von Jose Jgnacio Pavis, einem Ficiiiide und Günstlinge des B(^freiei'-Präsid(>iiten. Die — 336 — letzten Reste des viceköniglichen Palastes hatte ^fosquera ent- fernen lassen, nm Raum fiir andere öfientliche Gel)äude zu ge- winnen; auf der Südseite jenes Platzes war der Grundstein für ein Capitol gelegt, ein dem Washingtoner nachzubildendes Bau- werk, dessen Aufführung James Reed leiten sollte. Wie dieser ein Fremder war, so befanden sich dort auch noch manche andere Ausländer auf Betrieb von Mosquera, z. B. der Ingenieur Stanislaus Stawasky, der Mathematiker Miguel Bracho, der Chemikei- Jose Evoli und der Naturforscher Jean Levy. Presse und Buchdruck waren durch den aus Europa heimgekehrten Manuel Ancizar'*') bedeutend gehoben, einen Mann, der iiir Codazzi's Interessen grosses Verständniss zeigte und sehr bald mit ihm sich befreundete; es war ein europäisch gebildeter, literarisch gewandter Mann von wirklich edlem Charakter. Eine andere überaus tüchtige Per- sönlichkeit war Joaquim Acosta,^*^) nicht bloss ein hochherziger Freund der Wissenschaften und des Unterrichts, der Geschenke und Ehrenpreise mit freigebiger Hand austheilte, sondern selbst ein Gelehrter vorzüglicher Art, welcher in Paris mit Boussingault und Roulin verkehrt und eine Geschichte der Entdeckung und Besiedeluug von Neu-Granada verfasst hatte; jetzt Hess er dort eine Anzahl Cäldas'scher Schriften herausgeben, sowie Ueber- setzungen verschiedener Neu-Granada betreffender Al»handlungen jener lieiden Franzosen; er hatte mehrere Karten entworfen, eine das ganze Land umfassende, welche 1847 in Paris veröffentlicht und von einem Kritiker, wie Jomard anerkennend besprochen war, ferner eine Karte der neugrauadinisch-brasilianischen Grenze und eine vom Lauf des Atrato-Stromes: lauter wichtige Vor- arbeiten für ein grösseres Werk; Codazzi kannte Acosta schon von Caracas her, wo er 1845 mit ihm als dem neugranadinischen Gesandten wegen der Grenzfragen mehrfach, wenn auch erfolglos, verhandelt hatte. Eine dritte interessante Erscheinung Bogotas war der blinde alte Manuel Maria Quijano, der Arzt und Chemiker, welcher seit seiner Kameradschaft mit Cäldas, sol)ald die äusseren Verhältnisse es gestattet hatten, schriftstellerisch thätig gewesen war; er hatte über Dividivi und andere Farbehölzer, über Taliak- bau und Seidenraupenzucht, über die Mineralquellen zu Quetame, über Elephantiasis und Cholera geschrieben und sein Augenlicht vor etwa 10 Jahren beim Experimentiren über Wüschen von Gold und Kupfer verloren; dann hatte er lange Zeit in seiner — 337 — 'N'^atersladt ru|tavaii zngcl nacht, so dass er deren l'iii^t'l»iiiiu; genau kannte, Avic^ auch die von Neiva und Call; er emplnig Codazzi auf das Liel)ens\vüi-di<^ste. Von den Gelehrten den- Zea' .sehen Akach'niie war übrigens keinen- mehr vorhanden. Wie Boussinganlt und Roulin, war Rivero längst nach (h'r Ileiniath zuriu'kgekehri und hatte? seitdem zusannnen mit .1. .1. von Tschudi ein grosses, wissenschal'tliches Werk über Peru herausgegeben; Justin ^faria fiondot war zu Honda im Eh-nd zu CI runde ge- gangen; James Rourdon lebte Ireilich noch in IJogota', al)er \'er- loren und vergessen. Codazzi's TTaupthalt war natiirlicli Mosquera, (h'i- ihn selir entgegenkommend em])ling; luigtc; er (h)ch auch einen persön- lichen llass gegen den Missethäter Mona'gas. Ihm w^ai- die; An- kunft des Fliichtlings um so erfreulicher, als gleich darauf eine höchst Avichtige und folgenreiche Nachricht aus Washington ein- traf, die> ihm die Anwesenheit eines Ingenienirs und Laiielvermessers wiederum als besonders wichtig erscheinen Hess. Nachdem das Klein'se'he' Isthmus-Privile'g, von der für Herstellung einer Panauui- Bahn in Ne'wyork gebildeten Gesellschaft erworben und mit dieser von Mosquera's Gesandten bei den Vereinigten Staaten am 28. Dezember 1848 ein Vertrag abgeschlossen worden war, wurde der Verbindungsweg zAvisclien Chagres und Panama von riihrigen Händen sofort in Angriii" genommen. Alles i-egte sich. Seit den Zauljernachrichten von dem neuen Goldlande Californien schwärmte es auf der l)isher so stillen Landenge von Menschen der \i)v- schieeleusten Sprachen. Jetzt kamen die Techniker hinzu, energische Nordländer unter Führung von George W. Hughes. Die Nachricht, dass J. L. Baklwin einen iür elie Schienenstrasse passenden Uebergang gefunden haho, erregte in Bogota das grösste Aufsehen, und gleich darauf hiess es, dass dem Cartajena- Kanal, einem für das Innere Neu-Granadas sehr wichtigen Werke, die l)eiden tüchtigsten Ingenieure, George M. Totten aus Newvork und John C. Trautwine aus Philadelphia, entzogen seien, um für den Bau Jener ]*anama-Bahn unverzüglich verw'endet zu we>rden. Unter solchen Umständen erschien Codazzi's Ankunl't als ein besonderes Glück; Mosquei-a Ijot ihm sofort, da die Professur in den- Zwischenzeit besetzt w^orden wai-, e'ine neue Anstellung an, und zwar die eines Inspectors der erst kürzlich im ehemaligen .SchnmacliiT, Südaraerik. Stndieu. OQ — 338 — botanisclien Hause in den Arbeitsräumeu von Miitis und Cäldas begründeten Militärschule. Schon am 10. Februar 1849 überreichte Codazzi seinem Gönner eine Denkschrift ül)er die künftige Gestaltung dieses jungen Instituts, welches nicht allein Genie-Offiziere heranl)ilden sollte, sondern auch Civil-Ingenieure , als deren wichtigste \n-- Wendung eine Kataster- Aufnahme ins Auge gefasst wurde, für die in jährlichen Raten von den Betheiligten gezahlt werden sollte. „Wenn diese grosse Arbeit vollendet ist, wird der Rest des Landes erfolgreich als National-Eigenthum behandelt werden können. Die Zöglinge der Kriegsschule sollen ausserdem für Weganlagen und Strassen Verbesserungen , Eisenbahnbauten und andere öffentliche Werke thätig werden, z. B. für Colonisations- Arbeiten. Sie müssen das wichtigste Element in dem Offizier- Corps der National -Garde bilden, welcher alle Avaftenfähige Männer angehören sollten, die das 18. Jahr zurückgelegt und nicht geheirathet haben; der Dienst soll in den kleinen Kreisen des Heimathsortes erlernt werden, da der Wetteifer mit Freunden und Nachbarssöhnen die schönsten Früchte verspricht; alle Sonn- tage soll die ^Mannschaft Uebungen pflegen. Diese Uebungen werden zu Festen sich gestalten, zu gymnastischen Spieleu, zu Wettschiessen mit Preisen für die besten Schützen, zu Wettritten auf gesatteltem und ungesatteltem Pferde unter Handhal)ung von Carabiner und Lanze. Die Artillerie, die lediglich mit leichten, auf IMaulthieren zu befördernden Berggeschützen ausgerüstet werden darf, hat ihre Mittelpunkte in Cartajena, Panama, Pasto, Popayan, Pamplona, Casanare und Bogota zu erhalten. L^nter der Führung und Anweisung der Offiziere der Bogotäer Militär- Schule wird sich eine Volksarmee heranbilden, welche den Ver- hältnissen unseres Landes gewachsen ist." Am 22. Februar 1849 wurde Codazzi infolge dieses Gut- achtens durch Congressbeschluss als neugranadinischer Obrist- lieutenant ipa Geniecorps anerkannt, d. h. in demselben Range, den er bei der Auflösung der Repuldik Columbia innegehabt hatte. Nun musste er sofort daran gehen, Vorarbeiten für eine Landesvermessung von Neu-Granada ohne Rücksicht auf die Isthmusfragen zu machen, damit die Angelegenheit in Fluss ge- bracht sei, bevor Mosquera's Präsidialzeit aljlaufe; er Hess nicht auf sich warten. „Als Präsident von Venezuela", so erzählt — 339 — Mos(jupra seihst, ^Iioriof ich Codazzi, damit er die damals in Aussicht frenommeiKMi Karten von der Rejiuldik und ihren Pro- vinzen herstelle. Fi'ir diesen Zweck hatte ich alh^ Daten sammeln lassen, welche im Lande zu lieschallen waren und den Londoner Gesandten ermaciitiahn brechenden oder in der Enge steiler Felsschluchten — 341 — hiiirolUMulcn StrÖinc; Climawci-lisel zwisclieii der eiskalten lloi'li- steppc und di'iu j^Iiiliendcn TicI'Iando; Uinv('egiun der grossen Vermessungs- reisen,**^) die zunächst in die nördlich von Bogota belegenen Provinzen fiihren sollten, also in ein Gebiet, das Codazzi theil- weise schon bei seinen Iteiden friiheren Reisen, der Tour mit Bolivar und der Flucht vor jMona'gas, durchschnitten hatte. Von den IIau]iti)unkten des hergel)rachten Weges aus waren nach rechts und links Ausfliige zu unternehmen; es sollte aber zuerst mehr eine Orientirungsfahrt als ein wirklicher Anfang aller Ar- beiten stattlinden, so dass die schwierigeren Partien für das folgende Jahr aufgespart blieben. Die Reisenden fanden indess bald, dass sie Alles ringsumher jetzt anders ansahen als bei friiheren Gelegenheiten, und gingen sofort kräftig an die Arbeit mit Messen, Zeichnen und Sammeln. Gleich hinter Ubate zeigt sich die leuchtende Wasserfläche der Lagune von Füquene, welche nach allgemeiner Ansicht der Rest eines noch in alten Chroniken erwähnten grösseren Süss- wassersees sein soll; der Charakter dieser Hochgel »irgs-Landschaft schien die Tradition zu bestätigen, deren Unhaltltarkeit nur aus der Heschafl'enheit der ^lei-gel-, Land- und Geröllschichten des gesammten Thalgrundes erhellt, aus den im jetzigen 13oden oder an den scheinbaren Ufern sich noch findenden, auf das Leben im Meere hinweisenden organischen Formen, aus Elementen der Geognosie, denen weder Codazzi, noch Ancizar, noch irgend ein Begleiter der Commission gerecht werden konnte, aber mit iGe- wissheit zu entnehmen war, dass die Revolution, deren Spuren sich zeigten, lange vor der Zeit der Menschen sich vollzogen — 346 — und nur das Landscliaftshild den Anlass gegeben hatte zu un- wissenschaftlichen geognostisclien Romanen. Am 13. Januar war Chiquinquira erreicht, der wegen seiner Mutter Gottes hochheriihmte Wallfahrtsort, zu dem Reiche und Arme, Männer und Weiber, Junge und Alte, Kluge und Blöde seit Jahrhunderten pilgerton, zur Zeit von Mütis ebenso wie zur Zeit von IJolivar. Von diesem, durch solchen Fremdenverkehr gehobenen Marktflecken aus wurden verschiedene Expeditionen gemacht, namentlich nach den beiden gigantischen Granitfelsen Fura und Tena (d. i. Mann und Weib), welche ehedem Opfer- stätten der Indianer gewesen sein sollen, vom Volksmund in die Form eines Märchens geljracht waren und jüngst in Manuel ^laria Zaldüa einen landeskundigen Beschreiber erhalten hatten. Dann ging der Marsch das Thal des Suärez-Stromes hinauf, vorbei an einem der bekanntesten Alterthümer Neu-Granadas, dem unfern von Saboya sich findenden Felsblock, Avelcher mit gemalten schriftähnlichen Zeichen l^edeckt war, deren Bedeutung unerklär- lich blieb, aber zusammenzuhängen schien mit jener Zeit der angeldichen jüngsten Erdi'evolutionen , als die aufgeregte Fluth- masse der Anden-Seen sich Bahn gebrochen und die Wassertiefen zu trockenen Landstrichen umgewandelt halben sollte. Natürlich dachte man sich, dass die ehedem so hochstehenden Muiscas dem grossen Ereigniss, dessen Zeugen sie gewesen, solch ein Erinue- rungsmal gewidmet hätten; Codazzi ahnte noch nicht, dass es eine grosse Menge ähnlicher Inschriften auf den Felsen der Anden gäbe; er wusste auch nicht, dass er nun dem Gebiete der wich- tigsten Alterthümer des neugranadiuischen Hochgel)irges sich nähere, das besondere Aufmerksamkeit erfordert hatte. Der Laie in historischen Dingen hatte nichts davon gehört, dass vor etwa fünf Jakren an jenem Sua'rez-Strom ein grosses in Kalkstein ge- sprengtes Begräbniss-Gewölbe mit bekleideten Mumien, Waffen und Hausgeräth entdeckt worden sei: der Avichtigste, leider fast nutzlos gebliebene Alterthumsfund, der je in dieser Gebii'gsgegend sich dargeboten hat.'^^^j Das nächste Quartier ward in Velez genommen, dem früheren Ausgangspunkte eines über den Carare oder Opon nach dem Magdalena hinabführenden Weges, für dessen Wiedereröflnung jener Zaldüa vergebens seit Jahren sich mühte. Unter Führung von Jose Landa'ziiri drang man über das nnwirthliche Carare- — 347 — Gel»ii-,u(' liis lun'li dein Jndiaiici-- Aiiltaii ("iiiiilana vor, wo das Thailand zu iK'gimicii .schicMi. Codazzi wie Aiieizar liüsstcii dieses Unternehmen mit fast dreiwöchentlicher Krankheit, die sie zu Velez im ITausc von Jusejdi Goodin«^ durchmacliten. Am o. Februar waren sie in Socorro, von wo ans eine einmonatlic-hc Toni- in das Suarez-CJeliiet zwischen Simacota und Zai)atoca angetreten wurde. A'ou letzterem Platze aus hatte Cespedes 1837 in Ge- mtünschal't mit Jose ^laria Ortiz einen A^ersuch gemacht, nach dem Opon zu gelangen, aber erfolglos, so dass vou einem gleich- artigen Unternehmen abzusehen war. Dann wurde die Mündung des Chicamocha in den Sua'rez als einer der wichtigsten Unnktc der gesammten Topogi-aiihie dieser Gegenden genau festgestellt und das Flussgebiet vou Charala bis Sanjil vermessen. Ausser ihrer grossen Wichtigkeit für das Yerstäudniss der Flussläufe und Gebirgszüge l»oten diese Gebiete iiiu' geringes Interesse dar; nun aller führte der Weg von Socorro aus bald in die Provinz Öoto, und zwar in ihren Ijesseren Theil, dessen Haujjtorte Piede- cuesta, Jiron und Bucaramanga in Handel und Wandel erfreulich zunahmen und für längere Zeit gute Fortschritte versprachen. „Hohes Lob verdient die Reinlichkeit der Strassen und Häuser der jungen Stadt Bucaramanga; ihr Aeusseres ist nicht das Er- gel)niss schärferer Polizei, sondern die Folge eines euroi)äisch gefärbten Sinnes der Bevölkerung, deren einfacher Charakter ein sehr tüchtiger ist, voll Willens- und Thatkraft; hier leben Ritter der Arbeit. Der alte Pfarrherr Felipe Salgar sagt mit Recht, dass, wo Arbeit ist, Verbrechen und Sünde entfliehen. Der Ver- dienst ist hier nicht schlecht, deshalb Kleidung und Haltung des Volkes besser; eine Hausindustrie der Frauen hat durch das Flechten von Palmenhüten sich ausgebildet; dazu kommen Frei- lassung von Sclaven und Errichtung von Schulen. Aehnliches gilt auch von Piedecuesta, aber nicht von Jiron, einem Minen- ort, dessen Bewohner noch heute, trotz des vermehrten Wohl- standes, im alten spanischen Wesen stecken; der Platz hiess früher mit Recht Jii-on del Rio del Oro." In Bucaramanga wurde beschlossen, schon diese erste Fahrt nach den drei nebeneinander liegenden Provinzen OcaSa, Sant- ander und Pamplona auszudehnen, welche grossentheils izum Flussgebiete des Maracail)o-Sees gehören, einer für Codazzi noch von den Erstlingsarbeiten her besonders anziehenden Terrain- — 348 — Füi-iuation. Nachdom das Thal des Surata bis zu den Yorbersen des wildeil Parauio de Cachiii verfolgt und diese windige, öde Hoclistcppe auf anstrengendem Ritte erstiegen war, wurde — ein fester Reiseplau war nicht mehr da — von den drei dort aus- gehenden Wegen der von Escatala gewählt, weil das Wasser- gel )iet des gleichnamigen Stromes fiir viele Fragen der Topo- graphie entscheidend zu sein schien. „Wir hatten die hohen Wände auf und nieder zu klettern, wo die jähen A])hänge el^enso wie die Kuppen sell)er mit majestätischen Eichen l)ewachsen sind; dieser Hochwald ist unten licht und oben dicht, unsere Stimmen Ijeantwortete das Echo; das Rauschen der Giessbäche und Bergströme, das Geschrei der zahllosen Vögel und des sonst noch aufgescheuchten Gethieres verstärkte den Wiederhall. Unser Marsch war so langsam, dass wir ])ei Sonnen-Untergang nur di"ei Leguas voran gekommen waren. Eine einsame Hütte fand sich, aber weit und breit fehlte Weide ; in Yarumal trafen wir Nahrung für die Reit- und Lastthiere, aber keine Unterkunft für uns. Wir machten aus Palmenstämmen und PalmenJjlättern, unseren Instru- menten und Büchern ein Schutzdach, schlugen für Jeden von uns aus drei Stangen ein Gerüst auf, über das der Kautschuk-Mantel gelegt wurde, während auf dem Erdboden das Reitzeug als Lager diente. So schufen wir uns schwachen Schutz gegen die Elemente. Bald stiegen aus dem dunklen Thal des Magdalena schwere Wetter auf; tief unter unseren Füssen sahen wir Blitze zucken und hörten wir Donner rollen. Die Wolken stiegen höher und höher, dichte Massen umgaben uns, Nebelballen verhüllten das Firmament. Gewitterwinde fuhren durch die Häupter der Riesenbäume — dann plötzlich tiefe Stille. Das Schweigen der Nacht ist auf den Höhen unseres Hochgebirges so majestätisch, dass der Mensch in Ehrfurcht vor der ruhenden Natur, vor dem Rasten des Lebens, nicht laut zu werden wagt." Den Weitermarsch unterstützte der greise Pfarrer von La- carrera, Ignacio Gutierrez, durch seine Ortskenntniss und lang- jährige Erfahrung: eine um so wichtigere Hülfe, als nun der hohe Gel)irgsknoten zu überschreiten war, von welchem die Berg- ketten der Provinz Ocaüa auslaufen, der jüngsten unter den 36. Der Puramo de Guerrero erschien Codazzi wie eine Bergeswelt, welche lange nach ihrer Erhebung aus dem Meere zerklüftet und ausgehöhlt worden sei durch dieselben Flutheu, die jetzt tief — 349 — unton ilnv FurduMi nach denn Maiacaibo-Seo odor nach dorn MaticlaU'na-Flusso zo<>:cn. Nirirgs-Seen zusammenzutrefleii schien. I>ei der kleincMi Ortscliafl Lacruz sah Codazzi eine der Quellen des Catatumlio, dessen weiter zu Thal so gewaltig angeschwollene Gewässer er vor mehr als zwanzig Jahren belahren hatte. Ocaüa seihst, das am 3. April eri-eicht war, l)ot, abgesehen von patrio- tischen Ki-innerungen aus den letzten Tagen des Bolivar'schen Columliien, gar Icein Interesse. Zwei Yersuche, von hier aus nach den Grenzen von A'enezuela liin zum Geliiet der Motilones- Indianer voi-zudringen, blielien ohne Erfolg, da das Rereich der eigentlichen Urwihhiiss niclit zu Itetreten war. lunerliall) des zugängigen Gebietes fanden sich einzelne Gräber, die jedoch nur wenig Ausbeute für die AVissenschaft ergaben: einige mit den bekannten sitzenden Mumien, aber ohne Kleidung oder Geräth. Die Reise ging jetzt nach der entgegengesetzten Seite weiter, nach dem Magdalena-Fluss hinab, dessen weite Thalgründe meist von hohen Ralmenwaldungen, aber auch von grossen Gewässern unterbrochen waren und Aveite Grasflächen bildeten, gegen die das öde Gebirge den denkl)ar schärfsten Gegensatz darbot. Der Fluss selber Avurde nicht l)erülirt, an seinem rechten Ufer reichte die Vermessung von Puerto Nacional bis Tamalamecpie, wo die Umkehr geboten war, da alle Vorbereitungen für eine Wasser- fahrt fehlten. Codazzi entschloss sich nun zu einem Ritt von etwa drei Wochen, der quer durchs Gebirge gehen sollte, um dann im Um- kreise von Salazar de las Palmas seine Landesaufnahme svste- matisch weiter fortzusetzen. Auf dieser höchst anstrengenden Tour, die siel)en Tage lang du icli eine pflanzenlose und kalte Rerggegend führte, auf schwindelerregenden Fusssteigen oder in engen, bis zu zehn Meter tiefen Wasserschlünd(Mi — hatte eine mit Schaufeln, Hacken und Waldmessern bewafthete Vorhut voran- zugehen. Den Aufstieg nmclite ein intelligenter Pflanzensammler mit, (h'r eriu!l)lich<^ Geschäfte mit (uiropäischen Gewächshaus- — 350 — Gürtuern unterhielt, Louis Sclilim aus Brüssel. In den theore- tischen und praktischen Kenntnissen dieses gel)ildeten INfannes zeigte sich die grosse Veränderung der Zeiten seit dem diirftigen Mütis-Linn(3'schen Verkehr; wie längst für die europäische Pflege tropischer Ziergewächse, namentlich der von der Gärtnerei als Saftpflanzen ]>ezeichneten, eine neue Epoche angehrochen war, so auch für die wissenschaftliche Kunde von den Schätzen der noch vor Kurzem so unbekannten südamerikanischen Vegetation. Es war Triana, der aus dieser Begegnung den besten Nutzen zu ziehen wusste, da er namentlich seine Literaturkunde vermehrte; Ancizar ward auf diesem Wege besonders durch einige Gräljer- funde gefesselt, welche darthaten, dass in düsteren Schluchten neben rohen Thongefässen ehedem Menschen bestattet worden waren, deren Vorderschädel bei Lebzeiten künstlich zurückgepresst waren: eine l)isher in diesen Gegenden noch nicht Ijekannte, meist nur ]jei caribischen Stämmen beobachtete Erscheinung. Codazzi sell>st erhielt hier in der tiefsten Barbarei durch Schlim die erste Kunde von einem deutschei; Künstler, welcher, um tropische Landschaftsbilder ^*^) in Humboldt'schem Geiste zu schaffen, das Thal des Magdalena und andere grosse Theile vom Inneren Neu-Granadas bereist hatte; es war Albert Berg aus Schwerin, der schon seit Anfang October 1848 im Lande weilte und eine erhebliche Anzahl charaktervoller Darstellungen an- gefertigt hatte; Codazzi verschaffte sich eines dieser geistvollen Blätter und erkannte, oltwohl es nur skizzenhaft gehalten war, sofort, dass an eine Herausgalje der Studien von Carmelo Fer- nandez gar nicht gedacht werden könne, sofern irgend Etwas von diesen Kunstleistungen ersten Ranges an die Oeffentlichkeit gelange. Am 23. Mai war Salazar erreicht, wo der erst kürzlich ein- geführte Kaffee-Anl)au aufs Beste gedieh, eine ausnehmend be- deutende Cultur, welche licsonders der Schotte James Fräser gefördert hatte, ehedem ein Offizier der von Bolivar berufenen englischen Legion. Bald war in San Jose de Cücuta auszuruhen, dem jungen aufblühenden Mittelpunkt des Kaffeehandels, in welchem eine interessante Colonie von Ausländern, namentlich von Deutschen und Italienern, lebte. Letztere, meist kleinere. Geschäftsleute, sahen mit Bewunderung an Codazzi als einen der Ihrigen hinan. „Unser Aufenthalt in Cücuta erschien uns, obwohl — 351 — er nicht kurz war, wie ein Augenblick: üliciall rasclu^ und tüchtige Unterstiitzung unserer Arbeiten, freiniüthig und frei dar- gebrachte Gefall igkei teil, liebenswiirdiges, geliildetes Entgegen- kommen, Alles war wie ein \'(>ikehr langjähriger Freunde. Unter den Angesehensten stand der greise Gouverneur Isidro Villamizar, ein sehr verdienter Mann, olienau. Seit Salazar haben wir bei Jedermann Aufmerksamkeit und IJcihülfe gefunden; Namen kann ich nicht nennen, denn ich müsste Alle anführen, die zur Intelli- genz gehören. Ueberall trifft der Fremde Gastfreundschaft, der Arbeiter gewinnreiche ThätigkiMt. Das Geschiiftsleben , die Be- rührung verschiedener Nationalitäten und Rassen haben vom Hause des Reichen bis zur llülte des Armen Cultur verbreitet." Nachdem auch das dicht an der Grenze gegen A''enezuela belegene San Rosario de Ciicuta besucht war, begab sich Codazzi das Thal des Pami)lonito hinauf, bis nach fast vierzehntägigem Ritt Panii)lona erreicht war, wo am "24. Juni für einige Zeit das Hauptiiuartier aufgeschlagen wurde. Dieser Ort war Codazzi noch von seinen beiden früheren Reisen her in Erinnerung, jetzt wollte er von ihm aus mehrere neue Reisen unternehmen. Der erste Ausflug galt einer Wegstrecke, welche Pamplona mit den Gras- flächen des Orinoco-Gel)ietes verl)inden sollte, die jenseits der hier aus rauhen Hochsteppen gebildeten Ostcordillere sich aus- * dehnten: ein bereits 1787 in Vorbereitung genommenes, jetzt von Jose Gonza'les und Rafael Mendoza wieder betriebenes Werk, dem Codazzi gern seine Kraft widmete, obwohl er wusste, dass kein praktischer Handelsweg sich herstellen lasse, so lange die beiden Nachbar -Republiken Neu -Granada und Venezuela der Wildniss gegeniiber kein Bündniss geschlossen hätten, vielmehr gerade da wegen der leidigen Grenzfragen einander Schwierig- keiten bereiteten; er hoffte, dass trotzdem für die Viehzucht eine Hebung erzielt werden könne, weil die jenseits der Pjiramos liegende Striche Weidelandes schon jetzt auf fast wegelosem Terrain von den Heerden der Provinz Pamplona aufgesucht wurden. Er schlug für den anzulegenden Weg das Thal des Margua-Flusses vor, der gleich hinter Pauiplona unter mehreren anderen Namen vorbei zieht, um schliesslich nach der Vereinigung mit dem Sarare und Uril»ante zum Apure zu werden. Am 20. Juni hatte er den Gebirgs-Uebergang zwischen Pamidona und Laliareca aufgenommen und verfolgte daini jenen Margua-Strom aljwärts — 352 — bis weit in das Territorium Venezuelas hinein, bis nach der alten Flussstation Guadnalito. Der andere Ausflug galt dem Gebiete von Cacota, jener einst von Miltis oft und lange bewohnten Gegend, welche die Hochsteppen des Zumbador und Tien-anegra von der Provinzial- liauptstadt tieiineu; das Andenken an den seltsamen Einsiedler war vollständig verschwunden , wohl schon vor dem Unab- hängigkeitskriege. Codazzi vollendete nun (li(! Aufnahme des innerhalb Neu - Granadas zum Orinoco gehörenden Flusssystems durch die Vermessung des engen Thaies von Citayä; dann über- schritt ov die Wasserscheide nach dem Magdalena- Gebiete und stellte die Verbindung des Servita und Guaca mit dem Chicamocha fest, den er zuerst vor mehr als fünf Monate unfern von Zapatoca gesehen hatte: ein für die Aufklärung der Structur des wilden Gebirgslandes ausserordentlich wichtiges Element. Am 1. August stellte Codazzi an der Grenze der Provinzen Pamplona und Tundama die Vermessung ein und eilte auf dem gewöhnlichen Wege nach Bogota!, um mit Beginn des neuen Semesters den Unterricht in der Militärschule wieder aufzunehmen. Heimgekehrt, begann er sofort seine Kartographie und Geographie der Provinzen, wobei ihm der Maugel durchgehender Bezeich- nungen für Gebirgszüge und Fhissläufe, überhaupt das Fehlen einheitlicher Nomenclatur, sehr viele Mühen bereitete; er dachte daran, unter Beibehaltung der ortsül)lichen Bezeichnungen für die Einzelheiten selber neue allgemeine Namen einzuführen. Ausser diesen Arbeiten und den Zusammenstellungen für die Statistik verfolgte er eine alte Liel^lingsidee, die auch zu den vielen Reformplänen der Mosquera'schen Präsidentschaft gehört hatte: die Heranziehung europäischer Einwanderer. Aus Dank- barkeit für die freundliche Aufnahme, die er seit den Tagen der columbischen Republik im Lande gefunden halie, wolle er ernsthaft vor unpraktischen Schritten warnen und die l)ei der Colonie Tovar geernteten Erfahrungen eingehend vortragen. Er schil- derte nun männlich frei seine vieljährigen, so oft durchkreuzten Bemühungen und verhüllte Nichts von den Ijegangenen Fehlern und gehegten Irrthümern. „Viele meinen, dass nach Südamerika mit Leichtigkeit ein ähnlicher Menschenstrom sich leiten lasse, wie nach Nordamerika geht; A'iele glauben, dass es schon ge- nügen würde, den Reichthum der tropischen Lande bekannt zu — 353 — gehen, Ulli, gleich Calitbniieii, Arheiter h(Maiizii/,iehoii: ^■ioh' halten es für ein Leichtes, grössere, wirklich iiiilzliche Arlicits- elemente an das Land zu fessehi. Meine Erlahruiig lieweist das Gegentheil. Der Wunsch, die innere Ruhe des Staates zu festigen, und die Soi'go vor zunehmender A'olksverarinung haben die Colonial-Staateii Kuroi)as veranlasst, die nach ihren überseeischen Ländern streikende Auswanderung zu fördern und oft sogar selber ins Werk zu setzen. Das französische, holländische und englische Guayana zeigen solch ein Vorgehen; allein weder in C'ayonne, noch in Surinam, noch in Demarara hat eine andere Rasse, als die afrikanische, sich zu halten vermocht; alle Aiisiedeliingsplätze der Weissen sind dort untergegangen, selbst die der energischen holländischen Colonisten. Jn A'enezuela litten viele der neuen Ankömmlinge schwer unter den sie heimsuchenden Krankheiten: so die englischen Colonien bei Betijoque, C'atia und Aroa, in den Districten von Trujillo und Merida, die deutschen in tler Provinz Caraljobo, die l'ranzösischen in der Umgebung von Maracaibo, die irländischen in der Paria- Gegend, kurz alle europäische Einwanderer. Der frisch von seiner transoceanischen lleimath Gekommene verlangt unter den Tropen einen Anbauplatz, der mindestens 1'2(X) Meter über dem Meeresspiegel liegt, und wird auch da noch wegen der Folgen der Entwaldung, wegen Ausdünstungen des freigelegten Bodens, Fiebern unterworfen sein, wenngleich nur leichten und vorübergehenden. Wie in Venezuela, erscheint auch in Neu-Granada das Küstengebirge als die für Colonisationsversuche geeignetste Gegend; die Sierra Nevada von Santamarta l)ietet zahlreiche Hochthäler, die Ge- deihen versprechen, die Provinzen von Riohacha, Santamarta und Valledupar verheissen Absatz. Dort ist zuerst in der kalten Zone zu beginnen, darauf kann in der gemässigten der Aii]»au von Zucker, Indigo, Calfee und Cacao nachfolgen. Wir dürfen uns nicht durch das Schauspiel der unaufhörlich und reich nach den Vereinigten Staaten fluthenden Einwanderung, die Ilaupt- ursache und Quelle des schnellen Wachsthums jener Nation, täuschen lassen. Der Ileimathmüde hat doch sehr viel aufgegeben und fühlt das bei der Ankunft in der Fremde vollständig; als Ersatz verlangt er die versprochene Freiheit, religiöse, wie politische; er erwartet Sicherheit für Person und ^'ermögell, sucht Arlteit, Gesundheit, Erwerb. Washington's Land bietet ScUuiuaulier, SUdamerik. StuJieu. 03 — 354 — durch Yolkscliarakter, Verfassung, Clima u. s. w. alle diese Güter dar. Grosse Geldsurumen hat jene Nation in Form von Landverleihungeu aufgewendet, um die Einwanderung heranzu- ziehen; sie gewährt dem friedlichen Fortschritte Sicherheit und Schutz. Jose Maria Yärgas, der weise Sohn Venezuelas, sagt, dass aus den Landen des Despotismus die Fremden nach Amerika kämen, wie Schlafende oder Träumende, um erst aufzuwachen unter der Sonne der Freiheit, um sich emporzuraffeu an einem eigenen freien Herde, dem sie bald A^erwandte und Freunde aus dem Geburtslande zuführen werden. Allein in unserem Lande herrscht in religiösen Dingen Unduldsamkeit; hier ist das poli- tische Wesen noch im Anfange; die Gewohnheiten des Lebens sind von Grund aus andere als daheim, die Mittel des Lebens noch viel verschiedener; Klima, Ackerbau und Jahreszeitswechsel verlangen langdauerude und schwierige Eingewöhnung. Wir hal)en vor der Heranziehung von Ausländern weise zu werden, unsere Institutionen zu festigen und namentlich Wege herzustellen, wofür die neue Berg-Akademie sehr wohl in Anspruch genommen werden könnte." In dem ausgesogeneu Neu-Granada fehlte für alle solche öffentliche LTnternehmungen Geld; bei der vollständigen Er- schlaffung der staatlichen Machtverhältnisse gedieh praktisch nur, was gerade in einer einzelnen energischen Persönlichkeit einen Halt fand und ausserhalb der Finanzregion lag; der Kreis der sonstigen Interessen war ein sehr enger geworden. Fragen der Geschichts- und Natur-Wissenschaften treten nur hie und da hervor. Dabei war es jedoch auffallend, dass Joaquim Acosta's historische Forschungen einen Sinn für die Landes -Alterthümer der Umgebung geweckt hatten. Zum ersten ]Male seit Julian's Tagen wurden in Bogota Sammlungen von Andenken der Vor- zeit angelegt, Gräberfunde nicht mehr allein nach Metallgehalt oder sonstigem Verkaufswerth betrachtet; den Sitten der Einge- borenen, die in Kleidung, Hausgeräth, Bewaffnung sich ausdrückten, wurde Beachtung geschenkt. Besonders Manuel V^lez Barrientos, ein nach Bogota übergesiedelter Antioquenser, dessen friiheste Kindheits- Erinnerungen schon an merkwürdige und werthvolle Gräberfunde sich knüpften, ging archäologischen Studien seit etwa fünf Jahren nach und suchte Allerlei zusammen, nicht bloss zum Verkauf an europäische oder nordamerikanische Liebliaber, son- — 355 — dcrn aiu'li iTii- ciü't'in's Stiulinin. Durch Acosta, (Im erst kiiizlii'h aus Europa zurückgekclirtcMi Kenner der Literatur, wui-de Codazzi aul" eine Schrift von Velez aulnuM-ksam ften sich an dieselbe Gegend, der die wich- tigsten bekannten Alterthümer des Hochgebirges angehörten, auch die Erinnerungen an grosse Reichthümer der Erde, nament- lich an deren werthvollste, die Smaragden, '^*) deren Gewinnung lange Zeit hindurch lucht mit genügendem Nutzen für das Ge- meinwesen betrielien zu sein schien. Diese Ideen hatten auch ilucn Einfluss auf Godazzi's zweite Vennessungsreise, welche, gleich der ersten, am 3. Januar angetreten wurde, nam(Mitlicli um das grosse Gebirge zu unter- suchen, welches, von der Ostcordillere abzweigend, im Süden der Provinzen Tunja und Tundama bis an das Thal des Magdalena- Stromes oder doch Ins an das Wassergelnet seines Nebenflusses Rio Negro sich erstreckt. Der grosse Gebii-gszug war ohne Name nnd Codazzi gedachte ihn später nach Tunza-Hüa zn nennen, dem alten in seinen letzten Resten noch von den Euro})äern angetroil'enen Cultnrvolke, dessen Name in dem des Ortes Tunja verstümmelt sich erhalten hat. Die Reise sollte nicht so lange dauern wie die vorangehende, da die häuslichen Studien ihre Zeit verlangten; sie begann mit den drei Seen der Ostcordillere. A"on dem Suesca-See aus war nach Choconta und dem oberen Theil des Pogolä-Stromes unschwer zu gelangen. Jenseits des Rergrückens lagen dann die altbeiühmten Plätze Ramirique, Tota, Sogamoso und Ga'meza. Am ersteren Oi'te, dessen Name besonders ehrwürdig und heilig klang, sollten trotz des kalten Klimas ehedem durch die Beherrscher von Tunja glänzende Stätten für AVaschungen und Bäder errichtet gewesen sein, auf welche auch die noch an verschiedenen Stellen sichtbaren Reste von grösseren Steinbaiften bezogen wui'den. An die grosse Lagune bei Tota, dci-eu klaics. 23* — 356 — kaitos Wasser, durch unterirdisclie Gänge zu- und al)Strömend, eine äusserst romantische Umgeliung spiegelt, knüpfen sich Cultus- Sagen, wie an die Seen des Hochgel )irges; auch hier sollten Edelsteine, Schmucksachen und Opferliilder von Gold versenkt sein. Sogamoso trug den unverstandenen, aber doch noch gefeierten Namen des angel)lichen Oberpriesters Sugamuxi, dessen glänzender Tempel durch die wüsten Europäer bei ihrem ersten A^ordringen zerstört und dann von den Flammen bis auf die letzte Spur vertilgt worden war. Endlich stand bei Gämeza ein stattlicher Felsblock , den allerlei Sculpturen bedeckten ; Codazzi hielt diese für Theile einer in Hieroglyphen dargestellten Inschrift und das Ganze für ein Denkmal alter Kämpfe, sei es der Menschen, sei es der Elemente; das Volk hatte diese Stätte bereits vergessen, da sie fern von den jetzigen Verkehrswegen lag. Gleich hinter Ramirique, nach dem üel)ergang ül^er den Paramo las Cruces, wurde ein grosses zusammenhängendes Fluss- revier betreten: das Quellengeljiet des Chicamocha-Stromes, von dem sich jetzt herausstellte, dass er, ehedem auch hier oben, ebenso wie weit unten, den altberühmten Namen Sogamoso ge- tragen habe. Diesen Fluss entlang ging der Eitt von Ga'meza nach Soatä, wo in Kalkbettungen unter aufgeschwemmtem Boden Mastodonten-Knochen sich fanden, welche durch die Abwaschungen reissender Ströme schon vor ihrer letzten Festlagerung sehr ge- litten zu haben schienen. Im Orte wusste man von anderen gleichartigen Funden zu erzählen, die bei Covarachia und in den Schlünden des Cocui-Gebirges gemacht sein sollten. Die Be- steigung dieses grossen , auf den äussersten Spitzen immer schneebedeckten Bergstockes, der in der östlichen Cordillere einen topographisch wichtigen Knotenpunkt Inldet, erschien als ein Unternehmen von grösstem Interesse und ward in der ersten Hälfte des Februar vorgenommen. In alten Zeiten gehörte dies Gebiet nicht mehr zum Gebiet des Hunzahua, sondern zu dem Bereiche der Tunebos, welche, als Tunja schon längst vor dem Anstoss der Europäer gefallen war, in wilder Unabhängigkeit ihr Wald- und Berg-Leben fortsetzten und auch jetzt noch von allen bewohnten Stätten möglichst sich fern hielten. Von dem Orte Cocui, der einen unerklärlichen, aber tief im Innern der Llanos, an der Grenze gegen Brasilien sich wiederfindenden Namen trug, ging der Marsch nach Chiscas, Panqueba und Espino, wo — 357 — die ersten Sehiieekiipiieu siclitbar wurden, dann nach Guican, wo dei- Weg zu diesen sich öffnet. Gefiilirt von Juan Quintero, lieaumhöhe; ein Gletscher zeigte S})alten von 40 bis 60 Meter Tiefe, während die gewöhnliche Stärke der Eisdecke 30 Meter zu sein schien; der ol)ere Tlieil des Gletschers bildete ein Gewirr von Spitzen, Zacken, A'orsprüngen, I\ramid(Mi. welche bakl das Licht blendend zuriickstrahlten, bald schaif geränderte Schatten auf die Umgelmng warfen. Der Anblick traf die Augen so stark, dass sie beim Weitergehen auf dem 1 »reiten krvstallhellen Bergrücken wie ge- blendet waren. Die Wanderer sanken oft l>is zum Knie in die Schneedecke ein; Quintero's Jagdhunde konnten nur mit ^[ühe voi-an; endlich war der hervorragende Punkt erreicht, von dem ans die Spitze des Gebirges gemessen werden konnte, deren Höhe 4783 Meter betrug. Dann wurden aus der Ferne die am Althange des Hochgebirges belegenen Ortschaften der Tunebos Itesichtigt, die Royata, Shisiga, Covaria und Ritambria heissen und durch eine halb natürliche, halb künstliche Mauer vor dem Eindringen der Spanier, d. h. der Weissen, sich geschützt haben. „Die Tunebos halten offene A"erl»indung bloss nach der Orinoco- Seite hin, aber nur nach einem unzugängigen Theile der Llanos; Itisweilen suchen sie den Markt von Guican auf, wo wir Zwei von ihnen antrafen: emen Alten von dunkler Farbe, mit straffem Haar, das vor der Stirn geraden Schnitts gekürzt war, aber auf dem Rücken und den Schultern lang niederhing, mit scharf geschnittener Nase, schwachem Lippeidtart und einem unten zusammengeknoteten Kinnbart; gleich dem Jüngeren, trug er als einziges Kleidungsstück eine lange Ruana von Flanell, an den Füssen Sandalen aus roher Haut und auf dem Kopfe einen Hut von Flechtwerk." Nach dem Besuche des Anden-Sees La- gunavei'de, aus welchem Knochen eines unbekannten Riesenthieres herauötrefischt sein sollten unti verschiedene Mastodonten- Reste gefunden wurden, ging es nach Chita, dem kalten, von öden Päramus umgebenen höchsten Ijewohnten Platze im Cocui-Gebirge, von wo aus ein Blick iu das bis au den Horizont reichende — 358 — Grasiueor des Oriiioeo-Gel)ietcs sicli öü'iiot; dann ging es ül)er ein grosses und wichtiges Salzwerk zuriick nach Soata und vou da auf der linken Seite des Chicamocha- Stromes aufwärts nach Santarosa, wo im Hause von Juan N. Solano der ehedem durch Boussingault und Rivero von der Höhe des Tocavita bis hierher geschaffte, 700 Kilogramm wiegende Aerolith sich Ijefand. Dort beginnt das aus der Erolicrungsgeschichte bekannte Duitama- Gcl)iet, an welches die altberühmte Iraca-Gegend sich anschliessen sollte, die ehemalige Ilauptwohnstätte der Tuncos; im 'Volke wa]-en auch hier Erinnerungen an die Vorzeit nicht mehr zu finden. Die Vermessung war einfach, so dass rasch weiter zu gehen war, zunächst nach Leiva, dem an einer steilen Bergwand belegenen Orte, von dem aus das Thal des Sutamarchan, das bis zum Paramo de Gachaneque reicht, aufzunehmen war: eine wegen Alterthümer interessante Gegend, namentlich wegen der bearbeiteten Steine, die an dem als kleine Hölle bezeichneten Orte sich fanden, ähnlich wie andere Reste der Vorzeit Teufels- l)löcke oder Teufelsbalken genannt wurden. Von Leiva ritt Codazzi dann nach Oiba, das zwischen Socorro und A'^elez im Thale des Suarez-Stromes liegt, dessen Lauf noch immer nicht genügend festgestellt zu sein schien; jetzt vermaass er das ge- sammte so ausserordentlich grosse Flussgebiet bis nach Moniquira hin, wo der Sutamarchan, von Leiva kommend, einmündet. Die Stadt selbst, zur Zeit der Erbauung eine der bedeutendsten Ansiedelungen der Eingeljorenen, Ijot kein besonderes Interesse, ebenso wenig das in den alten Chroniken so oft gepriesene, jetzt todesstille Tunja, das nicht die geringste Spur fi-üherer Herr- lichkeit aufwies. Gleich dürftig war Turmeque, das in den Geschichtsbüchern auch häufig genannt wird, und zwar als ein von den Tunzas gegen die Chibchas vorgeschol)ener A^erthei- digungs-Posten. Hier war das Gel)iet des Meta-Flusses erreicht, der üpia, der dem Tota-See entströmt und die wichtigste A'er- bindung mit den Llanos des Orinoco zu bilden versprach. Codazzi verfolgte dies Wasser vou Garagoa aus bis Maquivor und wieder- holte die schon von Humboldt ausgesprochene und dann so oft wiederholte Hofi'nung, dass hier einmal ein grosser Verkehrsweg sich herausbilden werde; in Maquivor glaubte er den alten Missionsplatz Nuestra Senora de Salivas zu erkennen. Nach Garagoa zurückgekehrt, besuchte er die der Smaragden wegen — 359 — altlMM-ülimt(3 (i(\u('ii(l VOM (,{uat<'(|U(' und Somoudoro, in der ji.'d()ch, ausser alten Wassen-innen zum Auswaschen der Edelsteine aus Schutt und Sand, ausser einigen neueren, aber ertragslos ge- l»]iel)enen Goldgndten keine Reste früherer Orösse zu erkennen waren. Sollte Etwas iiher die Smaragdgmvinnung in Neu-Granada ermittelt werden, so hatte sich die Commission nach Muzo zu l)egeben, dem modernen Orte der Smaragdwäscherei, der am Quellgel >iete des Carare- Stromes lag. Der alte ITaujjtsitz jener wilden ^luzos-lndianer, welche, von den Spaniern nie gebändigt, längst in die tiefbelegenen Wildnisse jenes Stromes sich zurück- gezogen hatten, unzugängig jeder Cultur, ja allen Weissen, als den Erbleinden, gefährlich. Von den Eingeborenen war gar nichts zu sehen; Muzo , eine ehedem l)lühende, noch zur Miitis- schen Zeit für neuen Aufschwung bestimmte Stadt, verfallen, elend, voll von dj?m Gesindel, das in den Smaragdwäschereien arbeitete, letztere Avaren ohne technisches Interesse nicht bloss an den ^luzo genannten Stellen, sondern auch zu Itoco, Coscues, Sorque, Sorquesito, seit Jahren gegen Miethzins im Besitz von Privatpersonen, jetzt in dem einer englischen Gesellschaft, welche unter Leitung von John Fallon einen ziemlich energischen Betrieb entwickelte, aljer über die wirklichen Ergebnisse keine genügenden Mittheilungen machte; Fallon l)egnügte sich, Codazzi einige historische Daten zu geben und einige Prachtexem])lare der Kiystalle zu zeigen, in denen die grünen Edelsteine eingekeilt waren. Desto grössere Ausbeute ergab die Aufnahme des Fluss- gebietes und der hohen nach dem Magdaleua-Thale hinabstrei- chenden Geliirge. Nur noch ein der Bergregion angehörendes Stück des Mag- dalena-Stromgel »ietes war in dieser Gegend zu besuchen, das des Bio Xegro, welches einerseits bis Guaduas, der Station auf dem Wege Honda — Bogota, sich ausdehnte, andererseits bis Pacho. Während Palma, die Hauptstadt der Gegend, m welcher Codazzi am 10. Mai eintraf, nichts Wesentliches darbot, erschien Pacho, ein äusserst malerisch gelegener Ort, als eine Stätte künftiger Cultin-, da in ihm das einzige Eisenwerk sich befand, das in Neu-Granada Leistungen von einiger Bedeutung aufzuweisen hatte. Von da ging es raschen Rittes nach Bogota zurück, früher als in den vorangehenden Jahren, weil die Verarbeitung der gewonnenen Materialien sehr viel Zeit in Anspruch nahm und — B60 — die von den anderen nicht innner in Codazzi'.s Begleitung ge- bliel)enen Mitgliedern der Comudssion gesammelten Erfahrungen, Aufzeichnungen, Statistiken und Bilder mit verwerthet werden sollten. Codazzi l)egann die Ar])eit mit alter Energie. „Der am 5. Septend)er 1851 al)geschlossene vorläufige Bericht", so sagt der Staats-Secretär dem Congress, „thut schon dar, was in zwei Arbeitsjahren gehostet werden konnte. Acht unserer Provinzen sind aulgenommen und auf Kartentafeln niedei'gelegt mit ihren Hauptstädten, Districts- und Cantons-Städten, sowie mit anderen Plätzen von Bedeutung, mit ihren Grenzen und ihren Wegen. Der Lauf von 187 Strömen ist verzeichnet nelist mehr als 1300 kleineren, al)er doch immerhin beachtenswerthen Gewässern; die grossen Bergketten, sowie die Achsen ihrer Al)zweigungen und Ausläufer sind dargestellt, die Hochlande, Bergflächeu und Thal- gründe, die Urwälder nnd die Grasebenen, die Seen, Lagunen und Sümpfe, die Weiden und die Steppen. Die Arbeiten, die vorliegen, umfassen die Provinzen Ocaiia, Pamplona, Santander, Socorro, Soto, Tundama, Tunja und V^lez." Die vier letzten Provinzialkarten, die Codazzi seiner Behörde einreichte, waren begleitet von vier Bänden Beschreibung, vierzehn Heften Itine- rarien und elf Canton-Beschreiljungen in der vorgeschriebenen weitläufigen Weise. Als Codazzi die Arbeit vorlegte, bekleidete Paredes nicht mehr den Posten eines Staats-Secretärs , indem er als Gesandter nach Washington gehen musste; sein Nachfolger Josd Maria Plata handelte in seinem Sinne, als er Codazzi den besonderen Dank der Regierung aussprach und die baldige Beförderung zum Oljersten zusagte. Diese war von einer Genehmigung des Con- gresses abhängig, die auch später (27. März 1852) erfolgte, um „dem verdienten Offizier ein Zeichen der Hochachtung zu geben, mit welcher die ersten, in den Nordprovinzen ausgeführten geo- graphischen Arbeiten entgegen genommen seien". Die hieraus folgenden Aenderungen des Vertrages vom 20. October 1849 solle die Regierung vornehmen und die Einkünfte, welche Oberst Codazzi als Leiter der chorographischen Commission geniesse, soweit erhöhen, dass Transport und Yerpflegungskosten gedeckt seien ; die Vorschriften über Gepäck-Beförderung und Beherbergung — 361 — für die im Dienst liolindliclieii Militär-lVrsonen sollten aneli auf die Mitglieder jener Commission Anwendung linden. Wie in den Iteiden vorangehenden Jahren, lirach Codazzi auch 1852 schon in den erst(Mi Tagen des Januar auf; diesmal galt seine Reise dem Herzen Neu-Granadas, dem grossen Gebirgs- lande der Provinzen Antioijuia, Cauca, Cordova, Mari(|uita und Medellin; waren diese find Gebiete genügend vei'messen, so hatte dei' bedeutendste Theil seiner Aufgal)e Erledigung gefunden, wenngleich dann noch die ITälftc der Provinzen fehlte, dai'unter auch die, welche an die Meere grenzten und deshalb für das Ausland mehr Interesse hatten, als für das durchaus lünnen- ländisch denkende Neu-Granada. Auf der neuen Reise mussten die Bogotaer mit grosser Vorsicht auftreten, da in den meisten Städten, welche sie berührten, die ausgesprochensten Gegner der herrschenden Partei am Staatsruder waren, die Conservadores alten Schlages. Codazzi begann seine Vermessung mit demjenigen Theile der Provinz Mari(|uita, für welchen ]bagu(?, der ehemalige Mütis- sche Sitz, geeignet lag, nämlich mit der prachtvollen Iloch- gebirgskette, deren hervorragendstes Glied der stolze Schneekegel des Tolima ist, neben welchen die Eismeere des Päramo de Ruiz, die der Mesa del Herveo und viele Schneekuppen gelagcit siiul. „Dem bergan Steigenden folgt eine Strecke lang noch dichtes Gi-ün im Laul »dache und auf dem Boden; alier bald besteht die noch farbenvolle Vegetation nicht mehr aus denselljen Bäumen, Pflanzen und Kräutern, ^ne unten ; in der Höhe von 3000 Bieter werden die Bäume zu Sträuchern, alle Gewächse sind schwächer und niedriger, liald giebt es bloss noch Frailejon und allerlei Gräser bis 4200 Meter, dann streben nur noch wenige Gewächse empor bis hinan zur Grenze des ewigen Schnees. Diese liegt auf den verschiedenen Gipfeln in verschiedener Höhe, nämlich auf dem Santisaljel und dem Quindio 510(> Meter hoch, auf dem Ruiz 4845. Zwischen den Schneemänteln dieser kalten Riesen zeigen sich schmale Unter) »rechungen, die mit Sand und Trachyt- stucken angefüllt sind: alte Moi-änen ehemaliger Gletscher. Die Dicke der gefrorenen Masse beträgt 16 Meter auf dem Ruiz und 10 auf dem Santisabel. Am Fusse des Eises zeigen sich wellenförmige Erhöhungen des Sandes: Kennzeichen der Geschiel)e — 362 — alter, von dem Kern der festlagernden JNIasse losgetrennter Gletscher. Auf dem von den durchziehenden Gewässern ange- feuchteten Sande üljernachteten wir, unfern der Stelle, wo friiher Ruiz, „der Spanier", als gelehrter Sonderling, gehaust haben sollte. Wir lagen unter einem Kautschukzelte, ohne Feuer anmachen zu können, da Heizstoife fehlten. Der Schnee fiel in der Nacht einen hallien Fuss hoch und war Leim Morgengrauen fest ge- froren. Wir hatten, um zu unserem Lagerplatz zu gelangen, schwer steigen miissen, waren eine Stunde laug im Hagelwetter gewesen und fanden oben dichten Nebel, so dass die Führer die Markzeichen nicht erkennen konnten. Hier gab es weder Donner noch elektrische Entladungen. Die Stille dieser kalten Einöden, das Fehlen von lebenden Wesen, von Pflanzen und Gethier: Alles giebt solcher Hochgebirgswelt eine melancholische Färlumg, namentlich unter den Tropen; es ist, als wäre man an eine Stätte der Todteu versetzt. Unsere Begleiter flüchteten sich während der Nacht in eine Höhle der Felswand, durch deren Decke Wasser tropfte; anderen Morgens hingen üljerall kr3'stallhelle Eiszapfen herab und die steilen dunklen Felsmauern waren voll von angespritztem Schnee. Dicht beim Päramo de Herveo zeigt sich als abgeschnittener Kegel die schneebedeckte Spitze des ehemals thätigen Vulcans, sein Mantel ist ganz mit schwefel- gell )em, schwarzem oder aschfarbigem Sande bedeckt, aus dem harte Trachytblöcke herausschauen. Die Kratermündung ist sicht- l>ar, ihr entstammt der Bimsstein, der mit dem Sande sich ver- mischt findet, ihre Dünste färben noch den Schnee der Spitze gellilich. Abwärts von diesem Kegel beginnen die warmen, Schwefel ausathmenden Gewässer, die zum Theil brodeln, a])er- nie mehr als 64 Centigrade Wärme halten, während Schwefel erst bei einer Hitze von 316 Centigraden sich verflüchtigt. Da es unmöglich war, über die durch tiefe Gletscher zerrissenen Eisfelder Aveiter zu kommen, zog ich eine Basis auf der Fläche des frisch gefallenen Schnees und nahm die Distanz- und Höhen- Winkel. Bei dieser Arbeit hatte ich jenen Krater im Rücken, sonst ringsum die gewaltigste Aussicht. Links die Mesa de Herveo, vorn den Paramo de Ruiz, weiter vor mir die Spitzen des Santisabel, welche den Quindio verdeckten, nicht aber das schneeglänzende Haupt des Tolima, über dem der tiefl^laue Himmel sich wölbte." — 363 - J)it'se (Ji'liirtij's-A'crmcssiing'. dii' uTösste von Co(l;i/./.i bislici" untoriiomuieuo, dauerte last einen Monat; sie gescliali an der Stelle, wo Ca'ldas vor liald vier .lahrzelinten eine Zulluelit ge- sucht liatte. Am 12. Feliruar war Manizales erreicht, wo Codazzi auf Gesuch des Gouverneurs diM- Provinz Cördova den Afarktplatz absteckte, dann war noch ein anderer Wunsch zu erfüllen, nämlich dei'. die beste Route für einen We^ von Rio Negro, der Provinzialhaujitstadt, nach dem Magdalena-Strome ausfindig zu machen. Rasch entschlossen unternahm Codazzi eine zweimonat- liche Tour, deren Endpunkt die kleine Stadt Neclii an der Miindung des gleichnaniig(Mi Flusses in den (^auca liiidete. Der Ilinritt war ausserordentlich beschwerlich; denn er fiihrle chu'ch das Quellenbereich oder da'fe ol)erste Wassergel )iet aller direct aus dem IIochgel)irge zum Magdalena-Strom herabfallenden Flüsse ; der Rückritt ging besser von Statten, denn er führte durch die grossen Thäler des Nechi und des Force, welche mit besonderer Vorsicht vermessen wuklen. Am 24. April war Codazzi wieder in Rio Negro und ül)erreichte dem Gouverneur in leicht hin- geworfenen Skizzen nicht bloss eine Karte des Cantons Salamina, welcher besonders für die neue von ihm empfohlene Wegstrecke Sonson — Honda in Betracht kam, sondern anch eine Karte; von der ganzen Provinz unter Angabe der verschiedenen Verbindungs- linien. Dabei erklärte er, es sei der alte dicht l)ei Nare endende Weg so völlig unbrauchbar und unverbesserlich, dass von ihm abgesehen werden müsse und höchstens eine andere Route, die den Guatape-Fluss überschreite, nach jenem Flusshafen angelegt werden könne. Später sandte er genanere Karten und eingehendere Rescbreil)ungen dieser Wegstrecken ein. In Medellin, dem wich- tigsten Punkt dieser ganzen majestätischen Gel)irgswelt, fand die Landesaufnahme lel>hafteste Theilnahme, nicht bloss bei der Re- gierung, sondern auch in Pi-ivatkreisen ; zugleich bot sich in der intelligenten Stadt manche wirksame Hülfe. „Während meiner zehnjähi'igen chorograi)hischen Arbeiten für Venezuela und der bald dreijährigen für Neu-Granada habe ich nii'gends eine solche Landes-Kenntnist5 angetrollen, wie hier, wo die früheren geogra- phischen Beobachtungen nach den Vergleichungen mit meinen neueren, im Fluge gemachten Operationen übereinstimmen, so dass sie Glauben verdienen. J)ie Bewohner dieser Gegend — 364 — schulden dem seit Jahren unter ihnen h!l)enden (uiglischen Inge- nieur Tyrrel Moore grossen Dank, nicht nur dafür, dass er ihnen Maschinen und Geräthe für den Bergliau zugeführt hat, sondern besonders auch für die vierjährigen Bemühungen, um eine genaue Karte des Landes herzustellen; hat er doch mehr als 200 Punkte triangularisch festgestellt, jeden mit Anwendung von zwanzig Dreiecken. Als ich hier eintraf, l)esuchte mich Moore, von dem ich bereits gehört hatte, sofort in liebenswürdiger Weise; ich bat, seine Karten mit den meinigen vergleichen zu dürfen; dies geschah in Gegenwart mehrerer sachverständiger Personen, z. B. des Dr. William R. Tervis. Wie gross war nun mein Erstaunen, unser Beider Befriedigung, als vollständige Uel)ereinstimmung sich herausstellte. Moore gab mir seine Karte des Cauca-Flusses vom Nechi bis Valdivia aufwärts, so dass ich bei der Aufnahme des Flussthaies diesen öden und gesundheitsgefährlichen Landstrich nicht zu durchreisen brauchte. Ein anderer Ausländer, dem dieses Land viel Dank schuldet, ist der ausgezeichnete und wohl- unterrichtete Schwede Karl de Greiflf,''*^) den ich vor langen Jahren zuerst sah; er hat einen grossen Theil des bisher unbe- kannten Gel)irgszuges, der die Provinzen Cauca und Chocö trennt, zu Fuss durchwandert, um einen l^rauchbaren Ueljergang zu finden, ebenso die Murindö-Kette, Die von ihm in einer Karte niedergelegten Einzelheiten hal3e ich durch seine Güte erhalten, was mir schon bei der Bereisung des Gel)irges der nächsten Provinz werthvoll sein wird. Von ihm empfing ich die erste Kunde von dem beklagenswerthen deutschen Forscher Degenhardt, der so Grosses für die Welt und für Neu-Granada zu leisten versprach." '^^) Von Medellin aus stieg Codazzi bei Amaga zum Cauca-Thal hinunter, indem er bis dicht vor Valdivia auf der rechten Seite weiter ritt, um dann jenseits der Wasserscheide im Gebiete des Atrato, das Thal des Sucio-Flusses Itis Dalteiba zu bereisen. Li der Nähe dieses Ortes mit dem altpoetischen, an den Dorado erinnernden Namen, lebte ein Neger Rafael Rivera, auf den Greift' aufmerksam gemacht hatte: der eifrige und in seiner Ge- gend einflussreiche Mami war erst vor Kurzem von einer drei- monatlichen Expedition heimgekehrt, auf der er mittelst des Leon- Flusses, der nördlich vom Rio Sucio entspringt, bei Turbo den Urabä-Golf erreicht hatte; er gab viele neue Anhalte für die — 365 — Landeskiindo , donn or hatte auf jener Fahrt, den Ge^vU^^sol•n folgend, die Gebiete von manchen wihh'n Indianern gekreuzt, die oflenbav zn den scheuen Citanies gehörten. (Jegen Westen führten die von Dabaihe aus begonnenen Untersuciiungen aul' dicht bewahlete Höhenzüge, die bis Jetzt von Europäern nicht betreten waren, aber in (h'u IJogotHer Acten ülx'r (Jrenzlragen mehrfach erwähnt wurden. Im Cauca-Thah' kam Codazzi, auf der linken Seite stromauf- wärts reitend, Ende duni nach Antiociuia, der Hauptstadt der Provinz gleichen Namens, in welcher der Gouverneur Juan La Rote durch A'erfügung vom 11. Mai eine eigene Commission eingesetzt hatte, welche Codazzi's Arbeiten fördern sollte. Ihr o-ehörten an: ^lanuel del Corral, Jose Maria ^lartinez und Andres Londoüo, welche Codazzi für viele Detail-Mittheilungen verpllichteten. Das TTaui)tinteresse der abgelegenen Ortschaft bildete die Frage, ob nicht eine Möglichkeit vorhanden sei, den Cauca-Fluss, welcher, eine Strecke lang durch enge Gestein- schluchten schäumend, zahllose Strudel, Wasserfälle und Löcher bildet, Felsl)lücke und Riesenl)äume mit sich reisst, schiffbar zu machen; Codazzis Bericht vom 4. Juli nahm den Antioquiern jede Hoftnung, dass ohne ein grosses, ungemein theures Schleusen- .en der Stadt eine für den Dinnenhandel brauchliare Lage; nur eine einzige Aussicht biete sich dar: „Unser Lsthnius hat die Blicke der gebildeten Welt auf sich gezogen; England wie Nordamerika denken an einen interoceanischen Canal für den Weltverkehr.'^') Als Neu-Granada an inneren Krankheitsfällen litt, schlössen die grossen Handels- völker Bündnisse zur Eröft'nung einer Schift'fahrtsstrasse, woran wir bei unseren Verhandlungen ül)er die auswärtige Schuld hätten denken sollen; die Cession eines Canalterrains hätte uns geholfen; eine Abtretung desselben wird doch irgendie erfolgen, soliald die Blicke der meerbeherrschenden Nationen von. dem fertigen Canal angezogen wei'den müssen. Wenn dieser da ist, — 366 — sei es mit Hülfe des Napipi oder des Arquia, so liegen die Intei'- essen der Provinz Antioquia jenseits der jetzigen Cordillere; ihre grosse Verkehrsader wird dann der Atrato werden müssen. Ein Theil dieses Gebietes, mehr als 200 Quadrat-Legnas um- fassend, gehört zum Canton Antioquia; hier bilden drei alte Seebecken Stufen zum Tieflande, das zwischen den Flüssen Murri und jMungu, das vom Amparrado, das kleinste, und ein mittleres, das von Urrao. Diese ganzen Gebiete hofien auf euro- päische Arljeiter und es ist der Tag wohl nicht fern, dass der Canal Ansiedler heranzieht, auch hierher in ein mildes, oft sogar kühles Klima, in eine mit dem Atrato auf Wasserwegen in Ver- lündung stehende Gegend, sowie mit dem Canal selbst und den an dessen üf^n gewiss schnell emporsteigenden Handelsplätzen. So der Blick in die Zukunft; jetzt ist zunächst ein besserer Weg für Urrao zu beschaften, denn der jetzige, der nach Bebara, dem der Provinz Chocö zunächst belegenen Atrato-Orte führt, ist un- verbesserlich; ein anderer, der denselben Flusshafen aufsucht, ist mir von einem in den Bergwildnissen kundigen Pfadfinder angegeben worden; er geht über den Morro de.Oocuyo und lässt sich auf dieser Seite mit der Strasse von Medellin verbinden." Codazzi konnte auch bei praktischen Fragen seine Theorie von ehemaligen Bergseen süssen Wassers nicht unausgesprochen lassen, obwohl diese Annahme auch bei den goldreichen Gebieten Antioquias nicht berechtigt zu sein schien, denn oflenl)ar hatten dort plötzliche Fluthströmungen, nachdem die Erzgänge des Meeresbodens zertrümmert waren, die Goldmassen nach den jetzigen Fundorten gel)raeht und dann mit jenen Erdschichten bedeckt, in denen Muscheln und andere Conchylien den Beweis liefern, dass ihre Ablagerung bereits erfolgt war, als noch das Meer diese Gegenden überströmte. Von Antioquia aus empfahl Codazzi dem Gouverneur von Medellin noch eingehend die Anlage einer Fahrbahn von Medellin über Amalfi nach San Bartolome am Magdalenen-Strom sowie den Bau eines Weges nach dem Orte Barbosa, wo der Medellin- Fluss, der später in den Force fällt, schift'bar zu werden Ijeginnt. Dann zog sich der Ritt ülter Titiribi im Cauca-Thale stromauf- wärts nach Supia, dem j\Iittelpunkte eines grossen Goldgebietes, dessen Hauptgewinnstätte das l)erühmte Marmato bildete; hier studirte Codazzi die Goldgewinnung nach der Wirklichkeit, wie — 307 — nach der Bosclireibung von Boussingault und den chemischen Abhandhinticn von Dufienov, die er Acosta's Giite verdankte. Weiter ging es im Canca-Thal hinauf, his Cartago erreiclit war, die trotz des Handelsverkehrs düi-ftigste und Ixxh'utuugsloseste Provinzial-IIauptstadt, die Codazzi bisher gesehen hatte. Von hier aus wurih» eine Reihe verschiedener A'ermessungslahrten unternommen und auf der letzten iil)er d(Mi Quindiu-Pass Ibague erreicht, das geiad<> vor einem hallten Jahre verlassen war und jetzt benutzt wurde, um die Aufnahme der Provinz Maritjuita in der Richtung nach Iloiula zum Abschluss zu bringen, wofiir die Roulin'sche Karte als llülfsmittcl vorlag. Kaum in Bogota angekommen, erfuhr Codazzi von einem während seiner Abwesenheit, nämlich am 1. Juni, verliehenen Privileg fiir die Anlage eines interoceanischen C'anals; es war von einem seltsamen ]\Iaune erworben, von Edward Cullen,*^^) welcher eine schon 1850 in London provisorisch gegründete Darien-Canal-Gesellschaft vertreten hatte, zu deren A^orstande, ausser angesehenen Banquiers, auch diplomatische und consula- rische JJeamte Neu-Granadas gehörten. Der Irländer, ein ehe- maliger Marine-Arzt, schien Vielen, während Codazzi ihn für einen Schwindler hielt, ein ausnehmender Kenner des amerika- nischen Isthmus zu sein; er war nach längeren Fahrten unter ergvölker sein können, sind ihrem naturwilden Wesen nach zujTängig jeder AulTorderun^- zu Gewaltthaten, welche gefahrvoll werden wegen der Kenntniss aller Weg(; und Stege im Felsengel lirge, wegen der fast uneinnehm1)aren Bergkastcdle und der immer sicheren Bundesgenossenschaft der Nachbarn weit und .breit. Wcmiu in Pasto Truppen liegen, dann giebt es TTandel und Geld, fehlen jene, so stockt jeder Verkehr, fällt der Werth aller Producte, giebt es keinen Markt. Der Bürgerkrieg hat nach Pasto, so widersinnig es klingt, zeitweilig Wohlfahrt und Blüthe gebracht!" Der berühmte Yulean, der, Avie die Stadt, so das ganze, von den beiden wilden Strömen Gua'itara und Juanami )ii zerrissene Gebirge beherrscht, war 1831 von Boussingault ausreichend be- schrieben, so dass weitere Arbeiten nicht nöthig zu sein schienen. Die Expedition eilte ins Patia-Thal hinal) und überschritt bald den Mayo, in welchem nach alten Traditionen eine ehemalige Nordgrenze des Inca-Reiches erblickt wurde, obwohl das letztere nach sprachlichen und anderen Anhaltspunkten weiter hinauf gereicht haben möchte. Sie ging von ]\Iercaderes aus wieder in die mächtigen Al)hänge der neugranadinischeu Mittelcordillere hinein, um nach Almaguer zu gelangen. Von da aus wurde das reich gegliederte, wilde Gebirgsland bis hinauf zu dem A'ulcane Sotar;i und den Quellen des Cauca-Flusses so gut, wie eine acht- tägige Reise gestattete, kartographisch nach vielen genau ver- messenen Hauptpositionen niedergelegt. Am 3. Juli war Codazzi in dem Geburtsorte von Ca'ldas, dessen trauriges Schicksal ihm l)ei dem Uel)ernachten in Pais- bamba so lebhaft vor die Seele getreten war, dass er der grossen Westcordillere Neu-Granadas den Namen von Caldas zu verleihen beschloss. In Popayan ward ein längerer Halt gemacht, nament- lich um die Höhe des Purace festzustellen, was an dersell>en Stelle geschah, wo Boussingault vor etwa zwanzig Jahren seine Beobachtungen angestellt hatte. Die Arbeit erfolgte jetzt wie damals unter den Gefahren eines gewaltigen Sturmwindes, welcher selbst die des Bergsteigens von Jugend auf gewöhnten Hoch- steppen-Indianer niederwarf. „IV'r Boden unter uns war heiss, — 380 — ein luitei-irdisches Gei-äuscli wie von siedendem Wasser wurde vernehmbar, Daini)!' stieg aus einem Erdriss empor, meine Instru- mente Avaren in grösster Gefahr; ich ging deshalb herab, ohne den eigentlichen, zur Zeit nicht thätigeu Krater gesehen zu hal)en. Um 3 Uhr konnte ich von einem sicheren Punkte aus einen Theil der schneeweissen llauptspitze messen und unter- suchte dann die Schwcfelfelder, die warmen Quellen des Berges und die der anstossenden Thalgrüude, sowie die Schichten der zu Tage tretenden Gesteine." Ein anderer Ausflug galt . der Höhe von Guavas in der Westcordillere , wo man die ganze Provinz Popayan wie auf einem Kartenbilde überschaut. „Ich bestieg diesen Gipfel wegen der Frage, wie ein von der Pro- vinzial-Hauptstadt nach der Küste des Stillen Meeres führender Weg angelegt werden könnte. Die Basis für die Messungen der mir zu Füssen liegenden Thäler war am Abend vorbereitet worden; noch vor Sonnenaufgang stand ich mit meinem Theodolit bereit, aber unter mir dichter Nebel, der bis zur Höhe der zu messenden Bergkuppen emporstieg, während auf der anderen, der Sonne zugewendeten Seite Alles klar war. Wie die Sonne über die Spitze des Puracti sich erhellt, sehe ich plötzlich vor mir auf dem Nebel meinen Schatten in riesiger Grösse, das Haupt von einem hellen Schein umgeben, dessen Rand in den Farben des Regenbogens strahlt. Die seltene, aber leicht erklärbare Erscheinung, die in der Umgebung von Quito der Kreis Ulloäs heisst, dauerte fast eine Stunde lang; mein Bild folgte allen meinen Bewegungen und verschwand, sobald der Nebel, leicht und weiss geworden, in die Lüfte aufstieg und den Blick auf die vor mir liegenden tiefen Thäler und ihre Bergränder öflfnete. Die zur Nel)elregion aufwallenden Wasserdämpfe enthüllten mehr und mehr die Landschaft, die bis zum Stillen Meere hin von dunklen Wäldern gebildet wird und in hellen Farl)en mit dem Horizont des Oceans verschmilzt. Nur ein einziger dunkler Punkt wird sichtbar: die Insel Gorgona. Von der Verzweigung der Berge, die in den undurchsichtigen Waldungen des Flach- landes sich verlieren, sieht man deutlich Kämme und Zacken; majestätisch erheben sich die Spitzen des Naya, des Napf und Timbiqui und etwas entfernter die nackten und glatten Kuppen des Guachito, San Juan und Guapi, während in fast entgegen- — 381 — gesetzter Riehtuiiü: (Wo dichtbewaltleten Höhen von Dujuandö, Minu'liiiiue und Mechengue sich zeigen. Die Sonne stand schon olieu am reinen klaren llinini<'l, ihre StrahhMi erhellten das nebell'reie und dunstlose Land. Zu meinen Füssen lag die historisch tlenkwürdige Cuchilla del Tambo, die Wasser zweier Weltmeere scheidend. Poi>ayan war zwischen den Berghaklen und Weidegründen klar zu sehen mit allen um- liegenden Gehölten und Feldern, klar auch der Lauf des Cauca- Stromes. fast bis Quilichao hin, klar das Thalgelilde bis zu den bläulichen Höhen von Chapa und Teta; dazu nun die Cordillere in ihren gigantischen Foimcn, der Vulcan Puracd hoch oben über der platten Hochsteppe von Guanacas und über den selt- samen Spitzen des Pa'ramo de Moras. Der sonst braune Kamm der Bergkette war jetzt dunkelblau und hinter ihm leuchteten die Schneefelder des Vulkans Huila. Auf der anderen Seite verdeckte der Vulcan Sotara die Wiesen von Paletarä und die Sclmeeflächen von Coconuco, aber zwischen ihm und der selt- samen Spitze des Socoboni zeigte das sich öflnende Thal den Päramo de las Papas nebst denen von Almaguer und Aponte. Die zahlreichen gegipfelten Höhen von Almaguer erschienen über denen des l'atia-Thales wie vom Boden abgeschnitten; die grünen AUhänge von Bordo und Mercaderes bildeten einen schönen Gegensatz gegen die dunklen Gründe, durch die der Patia seine im Sonnenschein silbernglänzende Wogen schlängelte; das ganze Terrain Hesse sich nach dem Augenschein von hier aus bis zur Einmündung des Mayo zeichnen. Dahinter erhebt sich dann, stafielartig die Cordillei'e von Berrue'cos, über welcher gebie- terisch der Vulcan von Pasto thront; endlich heben sich vom blauen Horizont die Höhen von Tuquerres ab. Ich konnte nicht müde werden, dies Bild zu gemessen." Codazzi verliess Po])ayan, wo er seitens der Mosquera'schen Familie viele Freundlichkeiten genoss, am 10. Juli, um die gewöhnliche Strasse durch das Cauca-Thal zu ziehen und in Cartago, wo er bereits vor Jahresfrist gewesen war, seine Ar- beiten am '2. August einzustellen, sehr ermüdet und von den Ergebnissen der letzten Wochen wenig erbaut, da die Reise zuletzt gar zu schnell vorangegangen war. Heimgekehrt nach Bogota, widmete sich Codazzi sofort der Niederschrift seiner Beobachtung(ui und Erfahiungen. Den — 382 — scliwiei-igsten Theil dieser Arbeiten bildete das geologische Capitel, das früher für Venezuela wegen der vorhandenen Hülfs- mittel ohne grosse Mühe erledigt war. Bei dieser Darstellung ghig Codazzi, ein Mann ohne Fachstudium, von drei grossen Erdperioden aus. Zum Beispiel dachte er sich die vormalige Entstehung des Darien-Gobirgos, das ehedem auch Sierra Tagar- gona geheissen haben sollte, fast gleichzeitig mit der Helmng der AVestkette der neugranadinischen Anden, welche er zwischen die von ihm angenommene, erste und zweite geologische Erdepoche verlegte. Eine jüngere, der Tertiärperiode angehörende For- mation verbindet heutzutage nach Codazzi's Anschauungen beide Gebirge; sie beginnt etwa bei der Mündung des San Juan und endet bei dem Bergstock von Aspave. Codazzi schwebte also beim Kartenbilde des imteren Isthmus eine Zeit vor, in welcher die beiden Oceane in Verbindung standen und ihre Ostküste die Abibe-Kette von Morindö an bildete, ihre Südküste die jetzige Wasserscheide zwischen dem Atrato und dem San Juan-Fluss, während damals als Nordküste dieser OefiFnung das Dariengebirge diente, das Ende einer weit oben im Norden wurzelnden und endlich vorgebirgsartig auslaufenden Hall)insel. Ein Rest dieses ehemals zwei Contiuente scheidenden breiten Meeres war für Codazzi der Ural)ä-Golf, eines der geographisch merkwürdigsten Seegewässer Amerikas. Für die übrigen Hauptfragen der Geo- genesis dienten theils Humboldt' s Werke über die Vulcane und Gebirgsknoten Neu-Granadas, theils die immer aufs Neue auf- tauchenden Theorien üV)er ehemalige Anden - Seen von süssem Wasser. Codazzi hoffte mm auf längere Müsse, diesen und ähnlichen Gedanken nachgehen zu können. Um sie zu fördern, sollte das Unzu- längliche der letzten Vermessungen bald ausgeglichen werden durch eine neue Reise in die Süd-Provinzen, in das oberste Magdalena- Thal und in die angrenzenden Theile von Ecuador; dann sollte ein möglichst tiefes Eindringen in die Wildniss der Andaqui- Indianer und die übrigen Theile des Caquetä-Territoriums folgen. Zunächst wurden die jüngsten Arbeiten mit denen des Jahres 1852 in geeignete Verbindung gesetzt, dann dei- Lauf des Atrato beschrieben und gezeichnet, die Wasserscheiden zwischen seinen Nebenflüssen und den Gewässern des Stillen Meeres so genau wie irgend möglich ausgeführt, ebenso die Flussgebiete der — 383 — pacitischen Ströme San Juan, Iseuandc' und Patia, unter denen besonders das letztere sehr grosi^e Sclnvierigkeiten bereitete, da die AufnahnuMi von ungiinjJtigen Verhältnissen zu sehr beeinträch- tigt Avaren. Diesmal konnte der fleissige Mann die laufenden Arbeiten nicht so weit wie friiher vollenden, namentlich nicht im beschreibenden Tlieil: allein es kam Ja wohl sj)äter geniigende Zeit zum Aust'iiUen dei- Lücken. Wenn auch der neue Präsident Jose Maria Oliando ein persönlicher Feind Mosquera's war, so rechnete Codazzi doch mit Gewissheit darauf, dass sein l»ish(!r so giinstig verlaufenes Unternehmen in Ruhe und Frieden weiter begünstigt werden würde. — Mit Sorgen hatte er beim IJegiini seiner letzten Reise manche Zeichen wahrgenommen, dass eine neue Landesverfassung angel)alint werde: eine Veränderung, die er seines Werkes halber zuerst ungern sah, da er dieses ganz mul gar auf der Verfassung vom '20. April 1843 und den zu ihr gehörenden Grundgesetzen aufgebaut hatte; allein er konnte doch bei ruhiger Ueberlegung mit der Gesetzgel )ung vom 20. Mai 1853 sehr wohl zufrieden sein, denn sie erleichterte ihm wesent- lich die Arl)eit, indem sie nicht Idoss die Zahl der Provinzen auf 24 beschränkte, z. B. Barbacoas, Tuquerres und Pasto zu einer Provinz verschmolz, sondern auch die LTntereintheilung in Cantone vollständig beseitigte, so dass die mühsamen Cantonal- Zeichnungen, Beschreibungen und Statistiken in Wegfall kamen. Grosse Sorge bereiteten Codazzi dagegen die Grenzverhandlungen mit Brasilien, welche, ganz im Gegensatz zu seinen praktischen Ansichten, in die gefährliche Bahn der Rechthaberei und Ge- schichtstüftelei kamen. Für Neu-Granada hatte der ruhig ülier- legende Lorenzo M. Lleras dem brasilianischen Gesandten ^ligucl Maria Lisboa Zugeständnisse gemacht, welche den politischen Rädelsfüiu-ern als unerhört erschienen. Die Grenzfrage lag un- erfreulich und war an sich eine kritische, ihre Schwierigkeiten waren aber noch vermehrt worden durch die von Brasilien begonnenen dii)lomatischen A^ei-handlungen wegen der Amazonas- SfhiflTahrt, sowie durch die plötzlichen Goldfunde in Santiago und am Nap(3, welche gerade jetzt dazu führten, dass von Peru aus Nordamerikaner unter ^fontesa und Deutsche unter Schütz nach Gegenden zogen, die mindestens theilweise von Neu- Granada beansprucht wurden. Die Dii)lomatie Brasiliens hatte in jenen noch vielerlei Anderes umfassenden Verhandlungen — 384 — wenig Erfolg gehabt; die sämratlichen Eepiihliken standen dem portugiesischen Amerika scharf gegenülter und das Kaiserreich rang sel])er mit den grössten Schwierigkeiten. Die Regierung von Ecuador erliess am 26. November 1853 ein Beeret, das gegen die l)rasilianischen Ansprüche sich richtete, aber zugleich den Putumayo als zu Ecuador gehörig bezeichnete. So kamen die unseligen Grenzfragen immer wieder in Fluss, und zwar für diejenige Strecke, auf der sie am dunkelsten lagen und am wichtigsten waren. Codazzi hatte dafür Karten über Karten zu zeichnen, obwohl er in dem Streite der Parteien eine eigene Ansicht nicht gewinnen konnte. Die grosse Uebersichtskarte, die von ihm erschien, beruhte lediglich auf Angaben von Acosta, denen jede andere Basis, als die alter Akten fehlte, da bei ihr selbst ein Theil der Requena' sehen Vorarbeiten unbeachtet ge- blieben war. 7. Letzte Anstrengungen und Ende. Die ]jOiuIonei' Danon-GosfiUse'lial't, die so viel Gerede machte, war im Jahre 1H52 mit ihren Arbeiten nur wenig vorangekommen; in der Folgezeit hatte sie einen mit einer Kai'tenbeilage versehenen, vom 28. August 1802 datirlen J>ericht Lionel Gisborne's, den Dr. ("uUen Anfang 1853 hatte gutheissen müssen, wirksam für ihre Agitationszwecke zu verwenden verstanden. Die Schrift war in allen Finanzkreisen des mittleren Europas verbreitet worden; l*resse und Literatur hatten der Canalfrage sich bemächtigt, vor- zugsweise in Fngland und Schottland; es war ein solches Drängen von allen Seiten hervorgerui'en, dass die gross])ritannische Regie- rung in der Förderung eines so viel besprochenen heimischen l'rojectes von internationaler Bedeutung nicht zurückstehen wollte, zumal ein grosses politisches Interesse Jedes Fingreifen in die Voi-gänge auf dem Jsthmus emjjfahl, namentlich sofern sie das Land Darien betrafen. •^'') Von London aus wurde zunächst ein im Stillen Meere statio- nirtes Kriegsschiff, der Dampfer „Virago", Commandeur Edward Marshall, beauftragt, . die Bucht von San Miguel zu besuchen, von dort so weit wie möglich Mannschaft nach dem Innern auszu- schicken und jedenfalls den Lauf der Flüsse Savana und Chucu- naque festzustellen. Dieser Auftrag wurde vom 20. December 1803 bis 0. Januar 1854 unter John C. Prevost's Leitung umsichtig ausgeführt, wenngleich die Untersuchung nicht, wie gehofft war, liis an das atlantische Ufer gelangte, vielmehr, nachdem die Wilden \aer Mann getödtet hatten, eingestellt werden musste. liald darauf erschien in demselljen ^[eerljusen der uordamerika- nische Oftizier Henry C. Forde mit einem Gefolge von Ingenieuren, SchumacLer, SUdamerik. Studien. 25 — 38ß — lim die Wasserstrassen sorgialtig aufzmiohmen. Seine Entsendung hing mit einer Expedition internationalen Charakters zusammen, welche zur selbigen Zeit von der atlantischen Seite aus im Darien- lande operiren sollte. Das französische Kaiserreich und die Ver- einigten Staaten wollten sich an der Untersuchung betheiligen; die englische Regierung bestimmte für das Unternehmen zwei Schiffe, nämlich die Brigg „Esi)i6gle", Commandeur Hancock, die am 14. December 1853 England verliess und CuUen wie Gisborne wieder zum Schauplatz ihrer früheren Versuche trug, sowie den Schuner „Scorpion", Capitän Parsous, der Vermessungen halljer ))ereits im Hafen von Cartajena stationirt war. In Bogota sorgte man sich wegen dieser plötzlich auftauchenden Nachrichten; es war von der neugranadinischen Regierung noch keine Erlaubniss zu jderartiger Unternehmung erljeten, obwohl sie ohne Waffen wegen drohender Haltung der Indianer sich nicht vollführen Hess ; jene Regierung war nicht zur Betheiligung aufgefordert worden, wenngleich eine formlose Anzeige als genügend erschienen wäre. Englische Blätter redeten von Darien wie von einem herrenlosen Laude, gerade wie es vordem hinsichtlich der Mosquito-Küste geschehen war; die Garantie dev Vei-einigten Staaten umfasste wohl die Landenge von Panama', schwerlich aber auch andere Theile des grossen Isthmus, wie z. B. Darien oder Chiriqui; kurz, Alles sah so aus, als werde Neu-Granadas Souveränität missachtet, daher hatte Präsident Obando rasch zu handeln. Er wies den Gouverneur von Cartajena an, unverzüglich Commissare nach einer an der Caledonia-Bucht ))elegenen Ortschaft zu senden, um dort den neugranadinischen Besitzstand zu demonstriren; sie sollten Alles thun, um mindestens nominell eine Autorität zu zeigen und dann, wenn möglich, die erste ans Land kommende Expedition l)egleiten. Ferner sollte der Gouverneur Soldaten und Sträflinge für den Tross der Entdeckungsreisenden bereit lialten. Drittens empfing Codazzi den Auftrag, sich reisefertig zu machen, um als Vertreter Neu-Granadas den Repräsentanten der drei anderen Völker sich anzuschliessen. Codazzi war bereit, obwohl er, kürzlich in den Besitz der alten spanischen Karten gelangt, seiner Regierung sofort erklären musste, die Angal)en von Gisborne seien falsch; man hal)e auf der caledonischen Strecke, von der atlantischen Seite ausgehend, unvermeidlich ein grosses Hochgebirge zu durchschneiden und den starken Strom — 387 — (/hucunaque zu überschreiten, iiiii an den Savana-Fluss zu kommen; Gisborne's Zeichnung sei keine Landkarte, suiuhn-n eine Malerei nach der (ieldconvenienz derj('nii^(>n Leute, wcdche auf diese I>arien-Linie in London ocU'r anderswo zu sj^H-uliren gedächten. Am 19. Januai- 1H.")4 war Codazzi in Cartajena, wo er ein Kiistenlahrzeug miethete. auf welchem er mit seinen 7a Begleitern nach lunt'tägiger Fahrt in der C^aledonia-ßucht ankam. Am Tage zuvor hatten sich dort mit der zuerst eingetroft'enen nortlameri- kanischen Corvette „Cyane^, Commander Hollins, jene beiden englischen Schule und der französische Dampfer „Chimcre", See- lieutenant Jaureguilterry, vereinigt; liereits fünf Tage früher hatte Commander ITollins den Lieutenant Isaac C. Strain nebst 24 Mann gelandet, mit welchen zwei vorausgesandte Cartajenienser, Miguel l'olanco und Kafael Castilla, fortgegangen waren, nachdem sie liis dahin mit (.k'ii wilden Ivüstenbewohnern völlig erfolglos unter- iiandelt hatten. Diese nordamerikanische Expedition '^^) war nn- vcrzüglich ins Innere vorgedrungen und hatte keine Rücksicht genommen weder auf die Vertreter der englischen Gesellschaft noch auf ilie französische Flagge, weder auf die Anwesenheit eines Abgesandten der nengranadinischen Regierung noch auf die grosse Yerletzb.Trkeit der wilden Stämme. Codazzi ging noch am 24. Januar, von nur vier Personen begleitet, ans Land. Die „Chimere'^ schiflfte sodann 16 Mann aus, die beiden anderen Fahrzeuge setzten zwei Aljtheilungen ab: die eine unter Lieute- nant Preston mit IG Mann und die andere unter dem Ingenieur Saint Joim mit 11 Mann, zu denen Cullen uml Cisborne gehörten. So stand dort an der Mündung des kleinen Caledonia-Flusses eine Caravaiu' ohne einheitliclies Commando, wenngleich die that- sächlichc Führung oftenljar Codazzi zufallen musste, der sein Personal rasch vermehrte. Als die Umgebung des Caledouia- Flus.ses zwei Tage lang untersucht war, erschien der Lieutenant i'^onntleroy mit fünf Nordamerikanern, um die Spuren von Strain, dessen Ausbleiben Besorgnisse erregte, im" Auftrage von (Com- mander Hollins zu verfolgen; ihnen schloss Saint Johns sich an. Nach dreitägigen Irrfahrten kehrten diese Männer ohne irgend welchen Erfolg zu dem neugranadiiuschen Lager zurück, welches Codazzi, nachdem sein ganzer Tross gelandet war, jenseits der ersten Küsten-Bergkette aufgeschlagen hatte, und zwar in dem liügellande der Sucubti-Quellen, welches weder einen offenen Weg 25* — 388 — zum Westen noch irgend eine bedeutende Passsenkung erkennen liess. Während der Vermessung dieser Gegend trafen bei Codazzi fünf Genossen von Strain ein, die am Aglamonte-Fhiss behufs Nachschul)s von Lebensmitteln umgekehrt waren. Was sie am 30. Januar iiljer das Vorausgehen ihrer Gefährten erzählten, klang nicht erfreulich; sie erhielten tragbaren Mundvorrath, suchten mit iliesem wieder Strain zu erreich(Mi, kamen aber, nachdem sie selber das Wenige aufgezehrt hatten, ei-folglos zurück, hallj todt vor Hunger, so dass sie rasch mit dem Nothwendigsten versehen werden mussten, damit sie sich erholen und dann ihr Schiff wieder erreichen konnten. Am 4. Februar zog Codazzi ihnen nach; er ging zm* Küste, um seinen Tross los zu werden, denn er hielt die Nordamerikaner für verloren und das ganze Unternehmen für geseheitert; dem Commander Hollins üliergal) er seine Skizze von Darien, auf der er die Stelle verzeichnet hatte, wo seiner Ansicht nach die Nord- amerikaner umgekommen sein müssteu. „Ihr Führer", so schreibt er, „war unglücklicher Weise mit der Geographie des Isthmus gar nicht vertraut; ein sonst wohlunterrichteter, tapferer und starker Mann, war er von seiner Regierung ausgewählt worden, weil er schon bei anderen Gelegenheiten die Urwälder mitten unter wilden Volksstämmen durchkreuzt hatte, allein das waren nordamerikanische gewesen; unsere unentwirrliaren Wihhiisse, ihre Irrpfade und ihre Bewohner kannte Strain nicht; er glaubte von einem Meer zum andern leicht gelangen zu können, viel zu leicht füi" die Wirklichkeit." Codazzi musste alle Hoffnungen auf Erfolg dahingeben, allein trotz der allgemeinen Enttäuschung wurden doch noch einigt; Versuche gemacht; Saint John und Gisl)orne verschafften sich indianische Führer und gingen am 7. Februar vom Orte Sucubti zum Chucunaque und sogar zum Savana, an dessen Ufern sie drei Leichen von Europäern fanden, welche an die Expedition von Prevost mahnten, dem die Wilden, wie bereits bekannt geworden war, vier seiner Leute erschlagen hatten. Die Spur der Eng- länder wurde stromabwärts weiter verfolgt; bald ergal)en sich auch Zeichen der Forde'schen Ar])eiten, die inzwischen aufgegeben waren, da ihnen die Bewohner von Chapigana und Yavisa aus Furcht vor den Wilden jede Unterstützung verweigert hatten. Forde's Ingenieure waren bereits nach Panama zurückgeeilt, wohin — 389 — bald auch Saint .loliiis ji,iii;i". Iliiii tolj^tc «^twas s])äter (Jishorue, oligU'ic'li CT im Cu)ir von Sau Mi<;u('l ciu Scliill" uiif IVisduMi won- grauadiuischeu Ar))eitoru uud Soldaten äuget loircu hatte. Da keine Führei- vorhanden waren, konnten diese Leute nichts weiter niitzen, als dass sie eine ötralliugscolouie anlegten. Aul" der atlantischen Seite war der Tross cingeschiflY worden; am ö. Februar hatte Codazzi die Anker gelichtet, um s<'iue Mannschaft \neder nach Cartajena zurückzubringen. (J leichzeitig verliessen die fremden Schifte, mit Ausnahme des noch auf Gis- borne wartenden Kriegsschift'es, die unerquickliche C'aledonia- Bucht. Es war natürlich, dass die ganze grosse Unternehmung Codazzi Widei'willen einflösste, hatte sie doch Geldmittel ver- schlungen, mit denen er unter ruhigen Verhältnissen die Ver- messungen eines Kiesenlandes hätte bewerkstelligen können. Für ihn l)eschränkte sich das Ergebniss fast ganz auf die p]rkenntniss der englischen Ivarten-irrthümer und auf die Erlangung der neuesten euro})äischen Küstenkarten, die ihm Capitän Parsons und Lieutenant Jaureguiberry in freundlichster Weise anboten. Nun erschien ijun vollends die Caledonia-Route a-ls vollständij; unbi-auchbar 'Tir ein(^ Dui-chstechung. „Viele Meilen lang macht sie eine grosse Aushöhlung nothwendig, einen Bau zwischen engen Gebirgsschluchten; in ihrer Mitte l)ildet der in starkei- Sti'ömung dahinfliessende Chncunaque, der unvermeidlicher Weise in den Canal fallen muss, ein grosses Hindernisse dieser Fluss reisst, da er nur Wildnisse durchschneidet, mit seinem Schwall jährlich ICrdmassen und Baumstämme von den Ufern und schwemmt sie weiter, was die grössten Gefahren mit sich bringen würde. Nicht dass es unmöglich wäre, hier ein Riesenwerk herzustellen, es würde aber ungeheure Kosten versursachen, ohne die an- gegelienen Schwi(>rigkeiten völlig beseitigen zu können." Dergestalt enttäuscht, fuhr Codazzi in Begleitung einiger Diener von Cartajena wieder zur Isthmus-Küste, und zwar nach der San Blas-Bucht, deren Verl»indung mit dem Chepo-Flusse füi- Caualzwecke ebenfalls in Frage gezogen war, wennghMch bisher nur in theoretischei- Weise, indem die einzigen Personen, welche dort ins Innere vorzudringen versucht hatten — William Wheel- wright (1839) und Evan Hopkins in Hegleituvg von Jose Maria Ilurtado (1847) — wegen des Widerstandes der Wilden keinen Erfolg gehabt hatten. Hier traf Codazzi überall so hohe Gebirgs- — 390 — Barrieren, dass verständi,<>er Weise jeder Gedanke an grosse weltverbessernde Entdecknngen aufgegel^en werden nmsste, wenn- gleich nach den alten Karten die Thatsach«; feststand, dass gerade jenseits dieser mächtigen Schranke diejenige Stelle des Isthmus liege, wo die eigentliche Wasserscheide am schmälsten sei. * Am Ip. März war Codazzi in dem einst so bedeutenden, nun längst verfallenen Portobello, Tags darauf in Cha'gi-es, das dem Loose jenes Nachljarhafens entgegenging, seitdem das atlan- tische Ende der Panama-Bahn auch fiir den Schiffsverkehr zum Mittelpunkt geworden war. In Chägres ward ein anderes Fahr- zeug für die Fahrt nach Norden gechartert, die besonders der Küste der Provinzen Yera'guas und Chiriqui galt, sowie den zahlreichen, vor derselben liegenden Inseln, die auf den Seekarten nicht genügend dargestellt zu sein schienen. Ausserdem sollte Codazzi ühev zwei Frag-en von Bedeutung berichten. In London hatte vor Kurzem kein Geringerer als Robert Fitzroy der Geographischen Gesellschaft mitgetheilt, dass in der Provinz Chiriqui die Cordillere nach amerikanischen An- gaben von 1"852 bis auf 160 Fuss sich senken solle. Infolge dieser Behauptung bildete sich in New -York sofort eine Coloni- sations-Gesellschaft für Chiriqui, die drei Ingenieure zur Unter- suchung absenden wollte; Codazzi liegab sich in jener Provinz auf verschiedenen Stellen ans Land und vermaass grosse Theile des Gebietes, dessen Aufnahme nebenbei auch deshalb sehr wünschenswerth war, weil seit einiger Zeit die Nach1jar-Rei)ublik Costarica auf Theile dieser Gegenden Anspruch erhoben hatte und diese Forderung gerade mit den falschen nordamerikanischen Angaben zusammenhing. Auch die Chiriqui-Route wurde von Codazzi als ungeeignet für einen Schiflffahrts-Canal Ijezeichnet, al)gesehen davon, dass etwa 72 Meilen zu canalisireu sein würden, l^egegne man in der Mitte einer Cordillere von 1000 bis 2000 Meter Höhe, nach der nur Fahrwege angelegt werden könnten: diese würden von keinem allgemeinen Nutzen sein, ja sie wären nicht einmal für die Bewohner jener Gegenden ein wirkliches Be- dürfniss, denn diejenigen, welche am Stillen Meer wohnten, hingen vom Markt zu Panama al), und die auf der atlantischen Seite von dem zu Colon; ein Verbindungsweg zwischen beiden Orten gewähre für Neu-Granada kein Interesse. Was die Grenz- frage anbelangt, so behandelte Codazzi dieselbe von der prak- — 391 — tischen Soito. Dio Sclioidelinio zog' sich l'iir ihn irgendwo zwisclion der Minuhmg ih>s I)oia(k)s nnd dem yor<>cl>irinduug zwiselien Cartajena und dem Matrdalena-Stroni. die ITcr- stellnng einer vom Cauea-Tliale nacii nucnaventura fiihrenden Strasse etc. Das Zusammensein d(;r beiden Manner dauerte nicht lange: bei der Trennung ahnte keiner von ihnen, dass ein Wiedersehen unter Waffen in nicht gar langer Zeit bevorstehe. Das ranamäer Tagesgespräch drehte sich um die Erfolg- losigkeit der Erforschung des Darien-Landes, welche hall) be- dauert wurde, halb erwiinscht war. Codazzi erfuhr nun Näheres über Prevost's Expedition. ül)er einen erneuten Versuch von Gis- borne, auf der atlantischen Seite, und zwar in der Gegend des Aglascinca und Asnati. vorzudringen und besonders über die Irrfahrt von Strain. welchen mit einigen Gefährten ein Boot des Dampfers „Virago" in letzter Stunde glücklich noch gerettet hatte. Es war eingetreten, was Codazzi nach den ^Slittheilungen der fünf Zurückgekehrten seit dem 30. Januar vorausgesagt hatte. „Bleich und abgezehrt warfen sich die Unglücklichen auf die öden Ufer des Chucunaque, den sie für den Savana hielten, er- schöi)ft durch Hunger und Mühsal, in ihrer Nahrung auf die Corozo-Frucht beschränkt. Hätte nur Einer von ihnen unsere Bauhölzer gekannt, so würden sie rasch und ohne Beschwerde die Ströme herabgeschwommeu sein; in Darien wächst ja in jn-ossem Ueberfluss der Paruma-Baum, von welchem die Indianer die grossen Rinden abschälen, deren vier Ecken sie einrollen und dann mit starken Schlingpflanzen zwei imd zwei aneinander 1 linden, so dass ein ausgezeichnetes Fahrzeug entsteht, welches je nach seiner Grösse ein, zwei oder mehrere Personen fasst uner Penouome nach Santiago de Veräguas, dem Orte, den er zum Mittelpunkt seiner weiteren Forschungen ül)er den nördlichen Theil des Isthmus machte; von da ging er über Peso und Los Santos nach David, wo er auf einem nordamerikanischen Fahr- zeuge sich einschift'te, um zunächst die Insel Coilia zu liesuchen, — 395 — die vor der Mnntijo-IJuclit belegene, grösste Insel Neu-Oranadas. Weiter «ring die Fahrt die Küste rntlang. an deren Auliialinic wegen der vorhandenen ti'elVlichen Seekarten nieht gedaciit wnrth!; aneh der San Miguel-Golf wurde nicht vermessen: das Schifl" der Ex])e(lition ankerte am 28. Juni vor jenem Yavisa, das bei Ge- legenluMt der letzten I)arien-Ex})edition mehrlaeh genannt wai-. Nach der hier erhaltenen Auskunft entschloss sieh Codazzi den Tuira-Strom nicht weiter hinaulzusehiffen, er erfulii- zugleich von den Ortsinsassen Allerlei über einen im Innern Neu-Granadas, ja in Bogota sell)st, ausgebrochenen Bürgerkrieg: ein Gerücht, welches von einem Küstenfahrer aus Buenaventura stammte. Nachdem die Insel Toboya, auf die England damals sein Auge geworfen hatte, angelaufen war, kehrte Codazzi nach Pa- nama' zurück, wo er am 8. Juli eintraf. Schrecklicher Weise fand er die Kriegsnachricht bestätigt, ein Schreiben von Mosquera berief ihn nach Cartajena.'"''^) Mosquera hatte auf seiner Weiterreise nach Bogota am 1. Mai zu t'alamar höchst aufregende Nach- richten em])fangen: in der Hauptstadt hätte eine mit dem Un- willen über die neue A'erfassung zusammenhängende Revolution sich erhoben , welche das ganze Land in Unordnung zu bringen drohe; dort habe General Jose Maria Melo, der auf die Soldatesca und auf eine Art Ar])eiterpartei sich stütze, den Präsidenten Obando nel)st seinen Staatssecretären gefangen gesetzt; der Vice- Präsident Obaklia befände sich im Asyl der nordamerikanischen Gesandtschaft: der unter solchen Umständen gesetzesgemäss zur Regierung berufene Tomas Herrera sei den Gegnern nicht sofort mit den Wallen gewachsen und müsse Ibagüe zum provisorischen Regierungssitz nehmen. Mosquera erklärte sich unverzüglich für die constitutionelle Partei, sicherte dieser den Hafen Barranquilla, rüstete in Cartajena, sogar gegen den Willen des dortigen Gou- verneurs, und ernannte, mit Vollmacht von Herrera versehen, Codazzi zu seinem Generalstal )S-Chef. Dieser erreichte Barran- quilla am 18. Juli, an demsell)en Tage, an welchem die Aus- rüstung des Heeres im R(dien so ziendich vollendet war. Am 28. liegann auf dem bewatlneten Dampfer „Nueva Granada" die Flussreise nach Honda, dort wurde in einem Kriegsrathe, dem der Vice-Präsident Josd Obaldia, die; Staatssecrotäre und mehrere Ofliziei-e lieiwolinten , der F(ddzugs))lan festgestellt und Codazzi beauftragt, die Stadt Honda so zu liefestigen, dass sie mit etwa — 396 ~ 400 .Mann vertheidigt werden könne. IJald daraui' wurde die Verbindung mit einer Südarmee, die Jose Hilario Lopez anführte, ins Werk gestellt, und der Kriegssecretär Pedro Alcäntara Herran zum OberbefeblsliaLer ernannt, so dass die drei Pi-äsidenten der Jahi'o 1841 — 1852 Ix'i einander waren: Herran noch immer conservativ, Mos(iuera im Auslande schnell liberal geworden, Lopez radical; alle drei entschiedene Feinde irgend welcher Dietatur. Am 1. Septeml)er marschirto Mosquera von Honda ali, um den Angrift' auf Bogota von den Nordprovinzen aus vorzunehmen; während die anderen Truppentheile auf den direct zur Hocheliene führenden Pässen später vorrücken sollten. Am 27. September kam Codazzi mit dem Generalstabe der Nordarmee in Bucara- manga an, wo längere Zeit Quartier genommen wurde, um die Organisation der Truppen zu verbessern und Waffen heranzu- ziehen. Während dieser Zeit lernte er zwei Grossneffen des Professor Mütis kennen: Domingo, Gouverneur der Provinz, und Manuel, Vorstand der Stadt Bucaramanga: Ijeide erzählten ihm von der grossen Störung des gesammten Volkslebens durch die überall ausgebrochenen Gewaltthätigkeiten , eine eben zur Ruhe gekommene Generation sei wieder durch und durch zer- rüttelt worden. Am 19. October erhielt Codazzi seine die Nord- provinzen des Landes darstellenden Karten nebst Itinerarien, nachdem schon seit etwa zwei Monaten geheime Boten in Bogota daran gearbeitet hatten, dies wichtige Material in der Stille zu erlangen, beziehungsweise ungesehen dem Mosquera'schen Haupt- quartier zuzuführen. Nun wurde beschlossen, den Chicamocha- Fluss bei Felisco zu überschreiten, und zwar mittelst einer Brücke, deren linkes Ende durch Schanzen zu decken sei. Am 23. war die Aufgabe von Codazzi erledigt, der Vormarsch liegann. Gleich darauf lieferte Mosquera ein siegreiches Treffen l>ei Petaquero, in welchem Codazzi sich hervorthat, der am 11. No- vember vorausgesendet wurde , um die in Tunja stehenden Truppen zu organisiren. Auch die Südarmee öffnete sich den Weg zur Hochebene. Am 2. December trafen l)eide Trup})eu- theile zus.ammen und ero1)erten zwei Tage später Bogota mit Idanker Waffe. So traf Codazzi dassellie Loos, Avie Cäldas; er musste die Stadt, in der Weib und Kind wohnten, mit stürmender Hand angreifen — der Büi'gerkrieg hatte seine moralischen Schrecken längst verloren. — 397 — Nun Itliel» Codazzi Ijis ziiiu Mai 185r) dalioim, alior nicht um von den AulVognngon und Anstrengungen der letzten Monate auszuruhen; die Ruh«' in der Familie benutzte er, noch Heissiger zu werden als zuvor. Zunächst machte er den Generalstabs- Hericht i'iher den Feldzug nebst mehreren Uebersichten druck- fertig, damit er von Mostjuera dem Congress«^ vorgelegt werden könne. Alsdann unterzog er seine Lande8l)eschreibung, '•''") soweit sie fertig war, einer T)urchsichl und gab die Provinzial- inid ('antonal-(i(>ogra])hie von Socorro, Tundama, Tunja und A\'Iez neijst vielen Tabellen und Wegerouten zum Druck. Es sollte dies ein A'orliild sein, wie der s}3ecielle Theil seines grossen Werkes in der "N'ollentiung sich ausnehmen werde: ein Stiick der wissenschaftlichen Arbeit, das auch bei Laien Tntei-esse erregen nuisste. .bMl(M' Fi'ovinz sind drei Hau})tabschnitt(' gewicUnet, deren erster in eingehender Weise folgende Gegenstände behandelt: Lage, Ausdehnung und Bevölkerung, Grenzen, Gelürge, Ströme, Inseln, Seen inul Siimpfe, dann J^andschaft, Klima und Jahres- zeiten; ferner ])()litische Kintheilung, Ackerbau, Gewerlje und Viehzucht, Mineralien, Farbehölzer und Nutzptlanzeji, wild- lebende Thiere, endlich inneren iiikI äusseren Handel. Hierauf folgen statistische Tabellen und llölienangal)en. Der zweite llaui)tabschnitt enthält die Reise- oder Marsch-Routen, welche die; l'rovinz darliietet, mit Angaben iiLer die Temperatur- Verhältnisse, sowie über die auf jeder Strecke bei Ti'uppenzügen erforderliche Zeit, woran eine genaue Beschreibung der Wegstrecken sich anschliesst. Den dritten Hauptabschnitt bildet endlich die Geo- graj)hie der Gantone. Ausserdem begann Codazzi nach allen irgendwie in Bogota erreichbaren Materialien eine Isthmuskarte zu zeichnen; es galt, wenn möglieh, anderen A'eröft'cntlichungen ähnlicher Art zuvor- zukommen; l'iir die Arbeit wurden namentlich die alten Karten der Spanier und die neuen, die Codazzi von Holliiis und Totten erhalten oder während der Fahrt copirt hatte, licnut/.t; die Karte sollte von statistischen Ueliei'sichten begleitet werden, sowi(^ von einer Zusammenstellung iib(^r sämmtliche für einen interoceani- schen ('anal in Frage g(»zogen(; Routen. Dieser Beigaben wegen gedaehte Codazzi seinei- neuen Isthmuskarte dir. ältei-en über das Choco-Land hinzuzufügen, um so ein zusammenhängenlies Bild zu schallen. Das (Janze sollte dann an Codazzis hochbetagteu — 398 — Gönner gesandt werden, au Ilumljoldt, welcher noch immer ein lebhaftes Interesse ITir das lateinische Amerika zeigte und sicherlich für möglichst schnelle Veröfteutlichung 8orge tragen werde. Auf diesen Entschluss war der vor Kurzem in Bogota ein- getroffene erste preussische General-Consul Friedrich H. Hesse *^'') nicht ohne Einfluss. Seit September im Lande, hatte er schon während der Kriegszeit begonnen, Schriftstiicke, die ihm von Bedeutung zu sein schienen, ins Deutsche zu übersetzen oder für eine Veröffentlichung in Deutschland zu bearl)eiten; er suchte sich Humboldt zu nähern, und der Nestor aller (xelehrten emi)fing die Karten von Choco-Lande und vom Isthmus nebst den dazu gehörenden Schriften , sowie farljige Abljildungen der merk- würdigen Steine von Gämeza und von Saboyä auf amtlichem Wege.i'"'') Am 1. April 1855 endete die Unsicherheit in der ueu- granadinischen Centralge walt , die seit der Eroberung Bogotas geherrscht hatte; Manuel Maria Mallarino wurde Präsident und stellte mit seinem aus l^eiden Parteien zusammengesetzten Cabinet als erste Regierungs-Principien nicht bloss ^'ersöhnung der Parteien, sondern auch Spai'samkeit in der Staatsverwaltung auf. (Jodazzi musste rührig sein, wenn er seinem Werk für die nächsten Jahre die erforderlichen Geldmittel sichern wollte. Wenngleich der liberalen Partei angehörend, fand er die Unter- stützung des conservativen Cabinetsmitgliedes Vicente Cardenas und schloss mit diesem schon am 17. April über die Fortsetzung der Landesvermessung einen Vertrag, welcher manche Vortheile enthielt. Wie Codazzi allein iil)er die Mitnahme etwaiger Ge- liülfen entscheiden und vom persönlichen Militärdienst vollständig ausgenommen sein sollte, so ward ihm auch gewährt, dass schon am 1. Mai das Gehalt für 1855 im A^oraus bezahlt wurde, damit die ArJjeiten für die noi-h fehlenden Theile der Provinzen Cauca, Buenaventura und Popayan unverzüglich erfolgen könnten; am 1. Dezember jedes folgenden Jahres war das Gehalt für das nächste auszuzahlen, damit an diesem Tage selbst die Vermessung der noch nicht aufgenommenen Provinzen, die in vier Jahren durchgeführt sein sollte, beginnen könne. Nach Vollendung der Aufnahme sollte Codazzi Europa besuchen und selber Karte wie Atlas graviren und drucken lassen, wofür ausser Reise- inid Aufenthaltskosteh GOOO Pesos bewilligt wurden. — 399 — Diese Zugestäiulnii^se waren nicht liedeutniifrslop; frewiclitiger war jedocli der die clidrograpliisclien Ijeistuiigcn rülinilich aner- kennende ('ongrejC). April ]>irge, das nach Süden bis zum Bergknoten El Nevado sich aurthürmt. Kurz vor Beginn dieser Fahrt hatte Codazzi ein höchst merkwürdiges Manuscript aus der Steppenwildniss erhalten, das i'ür die nächste grössere Reise von hohem Werthe war. Es stammte von Jean Borderic, dem Iranzösischen Begleiter auf der Metafahrt von 1838. Dieser rastlose Mann war zehn Jahre nach jenem Unternehmen wieder in die Llanos gegangen und dann am ImuIIuss do^ Manacacia in den Meta hängen gel)lieben. N'on seinem dortigen Gehöfte aus hatte er mit alhM'lei wildem A'olk Reisen in südlicher Richtung unternommen; IHiVl war er zu Land, wie seine Reisebeschreibung besagte, mit Ochsengespannen, welche die Böte schlepptcMi, nach dem Mucofiusse gezogen, dann stromabwärts gefahren bis zum Zusammenliuss des Muco mil dem Vichada, durch diesen ))is zum Orinoco und im Orinoco über die Strudel, Brechei- und Gefälle von Mriii>ure und Ature endlich bis nach Sau Fernando de Atabajjo. Dann war Borderic auf demselben Weg<» zurückgekehrt und hatte spätei- von Macjuivor aus, wo ei' zul'ällig von Godazzi's neuen Reisen veinommen, sein Tagebuch nach liogota gesandt. Dies war ein wichtiger Leit- faden füi- die erste Reise in das nengranadiniselie Steiipengeltiet des Orinoco, die im December anling. Nachdem das zwischen den Bogotcier Bergen und dem Ge- l)irgsstock von ("hingasa sich dehnende Ifochthal, eine viehreiche — 400 — Gegend mit den in der Hauptstadt vielgenannten Ortschaften Cagueza, Fomeque, Qiietame und Ultaque, auf das Genaueste vermessen war, ging es in die Orinoco-Steppen hinein, über A^illavicencio und Cumaval. Diese Orte bildeten fürs Erste die letzten Stätten geselligen Zusammenlebens von Menschen; Codazzi ward wieder vollständig Llanero und erreichte in 14tägigem scharfen Ritt das kleine Maquivor, die höchste Station am Meta-Fluss, in deren Nähe jener Jean Borderic leben sollte, Jedermann kannte den weissen Einsiedler mit dem indianer- braunen Gesichte und dem mächtigen Barte; Niemand al)er wusste, wo er geblieben war, bis endlich Fischer die Mähr er- zählten, er sei nach einem fernen Lande gezogen, das California oder das Goldreich heisse; zwei seiner Begleiter unterrichteten ihn über Einzelheiten der Reise von 1852. Statt des Europäers traf Codazzi in Maquivor einen Afrikaner, der ebenfalls zu seinen alten Bekannten gehörte ; der Neger war von ihm 1 838 als Bootsführer in San Fernando de Atabapo gedungen worden, jetzt hatte er vier Jahre lang am Ufer des Aguasblancas-Flusses unter den Enaguas-Wilden gelebt und war von seiner dortigen A^iehhürde auf dem A"ua nach den Lagunen von Vua und Mana- cacia, merkwürdigen Wasserbecken innerhallj der Grassteppen, vorgedrungen; hierauf war er über den Ariari zum Guaviare und von da quer durchs Land zum Vichada gegangen, um mittels des Muco nach dem Meta-Strome zu kommen, wo er sich niederliess und die wenigen Uferbewohner auf ihren Fischzügen und Jagden ))egleitete. Weit und breit verstand dieser Mann die Flüsse, wie die Grasfluren zu unterscheiden; er führte Codazzi zu der nicht unbedeutenden Uferhöhe, auf der vormals Borderic's Gehöft stand, dessen Yiehplatz eine weite Uebersicht über die Biegungen, Inseln und Nebengewässer des Meta darbot; ein dicht dabei gelegener Hügelzug öffnete einen Blick in die einförmigen, nur hier und da von einzelnen Palmengruppen unterbrochenen Grasflin-en des Manacacia, die allmälig, aber stufenweise ansteigen. Codazzi erkannte hier, dass er in dem Herzen der ehemaligen Jesuiten-Missionen Arimena, Buenavista, Cabiuna, Guacacia und Santarosalia sich belinden müsse, von denen die letztgenannte noch bis 1805 im Stillen weiter vegetirt hatte. Geführt von einem Cätaro- Indianer, besuchte er sodann die Lagunen des Manacacia und Vua, um die Richtung der Gewässer festzustellen. — 401 — dann fuhr er den Mota woiter hinalt l»is Catifi', oinom Dorfo dor Guaiiapalo-Iiidiaiior am l'aut«), unfern dess(>n Müiidiiii«:,' in den Meta. Hier di-ohte iMkiankuiij:;, so das8 er raschen Hittes zuiück nach dem Fuss des (Jehirges (nlte, nach I^oic und dann nacii dem erst vor Kurzem erliauten Moi'eno. Dort neu ausgerüstet, ritt Codazzi quer iilier die Steitpenilächen und (hii'ch d'w Stei)|)(Mi- gewässer, auch z. 15. (hii'ch den Casanare-Fluss, nach lU^m Orte Arauca, wcdchei- an dem gleichnamigen Strouu» (h'm veiiezu(da- nischen Orte Ami)are gegenülier liegt. Der Aranca-Fluss wurde liis in die Nähe der grossen Lagune von Sarare nacli ol»en hel'aiiren' und hiei'auf der Ritt ins Gebirge gelenkt, erst nach Tame, dann ül»er Xunclna, rjaltranzagrande und Pajarito, elenden H(M-görtchen, nach Mcdina, der alten Hauptstadt des Territorium Sanmartin, von wo eine leicht lindbare Strasse über Gachalä und Gachetä nach der Hochebene von Cundiuamarca führte, die am VI. März 185G erreicht war. Jetzt kam eine längere Zeit der Ruhe, denn die Bereisung des noch nicht besichtigten Amazonas-Gebietes konnte vor Anfang December nicht beginnen. Während neun Monaten i-astlosen Arbeitens füllte Codazzi eine Menge von Lücken aus unil voll- endete viele bisher nur skizzirte Partien des speciellen Theiles seiner Ijandesbeschreibnng; er wollte diesen gerne in der l»is- herigen Weise schnell zu Ende Ijringen, da er sehr wohl erkannte, dass (»ine politische Bewegung eingesetzt hatte, welche unter der Adoption des nordamerikanischen Vorl)ildes für Neu- Granada einen Staatenl)und oder Bundesstaat anstrelite, welcher über lang oder kuiz alle bisherigen Grundlagen der politischen Geographie vernichten werde. Schon gleich nach der Lossage von Spanien hatte im nördlichen Südamerika der Gedanke an Föderation sich geregt, da diese riesigen Gebiete wegen der ungemein grossen, durch Wege nicht gekürzten Entfernungen, der endlosen Stepjten und himmelan ragenden Gebirge gar nicht zu beheri'schen , ja nicht einmal zu ültersehen waren. In Venezuela hatte wie in Neu-Granada die neue Aera mit FödcM'ativ-Verfassungen liegonnen; bei dem Verfall des Bolivar'schen Columliien waren gleiche Ideen aufgetaucht, in der Hau])tstadt hatte man ihnen mehr und mehr gehuldigt, so sehr man auch Nai-iüo's Andenken f«>ierte. Codazzi bliel) ein Gegner dieser immer mächtigei- werdenden, die Regie- rungsgewalt niederspülenden Strömung. Schumacher, SUdamerik. Stadien. 26 — 402 — Sfiine geographische Arbeit gedieh bei allem Eifer nur lang- sam; er fiihlte sich mehr als einmal überangestrengt, da ihm geeignete Hülfe fehlte, olrvvohl llogotti sonst manche frische Kraft aufzuweisen hatte. Die Anwesenheit des Arztes Eugene Rampon und des Naturforschers Hermann Karsten versprach l)ei der Jugend, soweit sie noch niclit von dem politischen Fieber an- gesteckt war, guten Erfolg, da eine grosse Empfänglichkeit für europäische Anregungen sich entwickelt hatte. Codazzi freute sich, dass Jenaro Balderranea seine JMeta-Fahrt aus wissenschaft- lichem Interesse nachahmen AVoUte; Alexander Lindig, ein in Bogota ansässiger Dresdener, studirte die Farrenbäume; Ezequiel üricoechea, der 18,54 eine Schrift über neugranadinische Alter- thümer in Güttingen geschrielien und in Berlin veröffentlicht hatte, widmete sich der Chemie mit grosser Rührigkeit; ein Kreis von Studenten, zu denen Liborio Zerda und Florentiuo Vezga gehörten, plante eine „Gesellschaft Caldas" l)ehufs Förderung naturwissenschaftlicher Studien ; ein energischer Streber, Santiago Perez, dachte daran, Codazzi auf der nächsten Reise zu begleiten, allein der alte Herr, der durch eine gewisse militärische Barsch- heit seine Herzensgüte zu verdecken liebte, fand keine hingebenden Arbeitsgenossen, er ging seine eigenen Wege für sich weiter, immer fleissig und so gründlich, wie es möglich war. Plötzlich erschien der Mann, der ihn nach Bogota berufen hatte, Tomas C. de Mosquera, al)er in so trauriger Verfassung, dass von ihm schwerlich geistige Unterstützung sich erlangen liess. Der beinahe Sechzigjährige kam offenliar krank und abgearbeitet, jedenfalls l)einahe mittellos nach Bogota zurück. Er war vor etwa einem Jahre nach Schluss der Congress-Sitzungen abgereist, um sein New- Yorker Geschäft wieder in die Hand zu nehmen, al)er er hatte seine Firma nach Erledigung ihrer Verbindlichkeiten auf- lösen müssen; alle die grossen, an die Panama-Bahn und die sonstigen Fortschritte in Neu-Granada geknüpften Erwartungen waren unerfüllt geblieben; Codazzi bewunderte es, dass der Mann doch nicht verzweifelt war. Mosquera griff sofort in die poli- tische Agitation mit Yankee-Schärfe ein; schon wenige Wochen nach seiner Rückkehr stand er wieder als eine der einfluss- reichsten Persönlichkeiten da, als Führer einer rasch entstandenen Mittelpartei. Nun l)egann er auch den Arbeiten von Codazzi sein Interesse wieder zuzuwenden und richtete die Aufmerksam- keit des etwas mutlilos gowordonon Mannes nntor Anderem auf t'ineii von Anselmo Pineila, noniincllcin l'i-älectcn des Toi'rituiiuiu CaqiKita', stannncnden ]>eiiclit, welchen er seil mm- 1849 als Prä- sident erbalten hatte. Das Schrift stück handelte von einer anssergewohnlichen Reise /wcicr Zwillingsl>riider, die auch Mosqiu'ra hiessen, Miguel und rctlid, und das Gebiet durchreist hatten, welches jetzt fiir Codazzi von besonderer Wichtigkeit war. Jenc^ Iicidcn in Macoa ansässigen Neger trieben seit Jahren Tauschhandel mit den Wilden der fast unbekannten Caquetä- Region, indem sie Eisengeräthe, Schiess- munitioM, Hranntwein, Kleidung und Selnnuck gegen Wachs, (iewi'iiz, Pflanzengift und dergleichen auswechselten, namentlich im Verkehr mit den Guacpujs-Judiaiu'rn. Anfang Decendier 1847 hatten sie die grosse Fahrt begonnen, von der jener Bericht redete; ihre Route war nur bei genauester Piüfung aller vorhandenen Karten zu verstehen. Sie waren den heimischen Caqueta Tage lang hinabgefahren bis zur Einmiindung des Caguan, hatten diesen Strom ]»is zum alten, dem Fusse des Bogotiier Gebirges nahe belegenen Missionsjdatze hinaufgeruderl und hiei- d(Mi ehemaligen Landweg zum Yari-Strom entdeckt. Diesen waren sie abwärts bis zum Tajira gefolgt, nun Avieder hinauf ans Gel»irge zu Land an der Lagune Tunaima vorbei, nach dem Ajajü, dann diesen hinab bis zum Apaporis; hierauf zurück, den Ajaju stromauf- wärts und ebenso dessen Nebenfiuss Tutuya, dann wieder zu Land durch das Quellenrevier des Vaupes nach dem Catuya, einem -der Quellllüsse des Gnayaltero; letzt(n-en hinunter bis zur Mündung des Ariari, diesen wieder aufwärts bis zu einem Wege, der nach Jiramena am Ilumadea führte; von da endlich nach Cabuyaro, wo die Fahrt in den Wildnissgebieten endete da hier der Weg nach Medina ausläuft. Auf diesem hatten die unermüdlichen Männer am 30. Ajtril 1848 den Ritt iiacli Bogota begonnen. Godazzi's grösstes Interesse war es, diese Männer rasch für seine Arbeit zu gewinnen: das gelang ihm auch durch die freund- liche Vermittelung jenes l'ineda, welcher, ein eifriger JJücher- sammler, in Bogota zu Codazzi's näherem L^mgang gehörte. Er veranlasste es, dass Miguel Mosquera bis ins Magdalena-Thal Codazzi entgegenkam. Dieser reiste Mitte December nach jenem Thale hiiiali und nahm im Fluge die Provinz Neiva auf, die 2G* '1^ — 404 — grösstentlieils auf der C;ildas' sehen Karte l»ereits niedergelegt war, dann verfolgte er den Strom Ins zur Einmündung des Suaza und erreichte kurz vor Jahresschluss La Ceja, das alte Haupt- (liiartiei- der fiir die meist jenseits des Gebirges hausenden Andaqui-lndianer ))estimmten Missionäre, dessen Eihaltung be- sonders der Fiirsorge der Mos(iuera'schen Regierung zu verdanken war. Dort wartete jener Pfadfinder wirklich auf Codazzi, und zwar mit einer ganzen Ausrüstung für die Reise dui-ch die Wald- wildnisse der riesigen Nebenflüsse des Amazonas. Dort brach Codazzi am Neujahrstage 1857 frohen Muthes und in alter Stärke auf. Nachdem der Suaza-Fluss ü]»ei'schritten war, begann der Aufritt ins Hochgebirge, bald darauf der Eintritt in den end- losen Wald. „Ringsum nichts als eine grosse Vegetationsmasse; die Natur spricht dem Worte, dass der Mensch der Herr der Schöpfung sei, fürchterlich Hohn, sie vernichtet die gepredigte Hoffnung auf Erlösung, sie legt ganze Völker in Bann und Acht. Bietet sich auf einem Hügel eine Umschau: Nichts als ein grosses dunkelgrünes Meer, aus dem inselähnlich einzelne hellere, aber auch grüne Höhen emporragen. Das riesenhafte Laub- dickicht lässt weder den Boden sehen, von dem es genährt, noch das Gewässer, von dem es getränkt wird; die Stille der öden Einsamkeit wird im Walde allein von dem Brüllen der wilden Thiere, vom Geschrei, Gepfeif oder Gesang der Vögel unter- brochen, in der Nähe von Sümpfen oder ähnlichen Gewässern nur vom Gezische der Schlangen und vom Rascheln der Amphibien. Bevor man zu der weiten Waldfläche gelangt, die von der Höhe der (Kordilleren sichtljar wird, aber kaum in sechstägigem be- schwerlichen Ritt erreichl)ar ist, trifft man eine dürftige Creolen- hütte als die letzte Ruhestätte unter vernunftljegabten Wesen. Bald darauf beginnt die Bootreise auf einem wilden Strome mit reissenden Strudeln und Schnellen ; nackte Indianer, deren Sprache nicht zu verstehen ist, lenken mit unglaublicher Geschicklichkeit das gebrechliche Fahrzeug. Li den Riesenliäumen der Ufei-, deren Zweige ins Wasser tauchen, wimmeln Affen; auf den Sand- bänken, die zum Uebernachten dienen, wimmeln Stechfliegen. Der Fluss heisst Bodoqueragrande uud fällt in den Orteguasa, an dessen Ufer hin und wieder zur Zeit der Jagd und des Fisch- fanges einige Corre-Guaques-Familien unter Palmendächern hausen, hl einer Fahrt von mehreren Tagen ist der Caquetä-Strom er- — 405 — i-cicli(.. Diesen aliwiiils lalirciul. koiiiiiicii wir auf dri' rcclilcii Seite zui' Miiiuliiii«^ des Micava, von welchem ein l'fail iiacii dem Sencolla lührt, den man einen Ta<>: lanj»; hinauriudeiii muss, um dann zu Ijandc, im Gol)i(,'te dei- Maca-(iJua(iues, den l'utuniayo zu tiellen, den zweitgrössten Strom des unj^ebouren Landes; dor Aetiuator ist auf diesem W(>gc «gekreuzt worden. Verfolgt man weiter den liiei' sehr wihh'n und schwer zu liefahicnulen ('af|ueta', so seigt sich (h'e Minuhnig des C'aguan, aber niclit (h*e sageidiafte Kirche mit gohlcneii Thüren, die dort noch vor Kurzem von dem Triester Gonzalez aus Laplata mit acht Getreuen gesucht wurd«?; der Fiihrer starl» und seine IJegleiter kehrten unverrichteter Sache zurück. Von der Miindung des Orteguasa den Caqueta' aufwäits fahrend, trilVt man einzelne Behausungen, die noch die alten Namen der Missions-Sitze tragen: Itucayamo, Solano, Yuraj'aco, Fotuto, Pacayaco und Limon, ganz unbedeutende — abgesehen von den Bewohnern — interesselose Anl)austellen." Iliei- war Güdazzi ani 19. Januai- 1857 und ging, die Flüsse Tepino und Rumiyaco durchwatend, nach dem wiihrend der Reise so oft erwähnten l*räfectensitze ^facoa. Er fand einen armseligen Ort, in welchem einige verkommene Creolen hausten, unter ihnen Täter Ramirez, der Schulmeistei-, welcher sich darüber Iteklagte, ilass Niemand seine sjtanische S}»rache verstehe, die doch in den nicht weit entfernten, der kühleren Region angehörenden Ort- schaften Sebondoi, Santiago und Putumayo allgemein geredet- werde; man spreche hier die Kehua-Sprache, wie denn auch das indianische Gesindel der Jngas seinen Namen von den Incas, den Söhnen der Sonne, aldeite. Von Macoa aus machte Codazzi eine vierzehntägige Tour in das ol>ere Flussgebiet des Putumayo, und zwar da, wo alte Karten allerlei Stromverbindungen und Flussgabelungen gezeichnet hatten; dort traf er einen Mulatten, der jährliche Reisen von seinem Wohnsitze Ta])acunti nach den peruanischen Amazonas -Orten untei-nahm; daini fuhr dieser Sohn der Wildniss an Tal)atinga vorl>ei, den Guallaca-Strom hinauf und von da nach den Salz- lagern von Chapapoima, um dort den für ein Tropenleben wich- tigsten Artik<'l einzutauschen; er gal» dem Fremden die Namen aller am Putumayo wohnenden wilden Stämme aij. Weiter ging die Reise über Ijand, an dem grossen Cuyabeno- See vorüber, nach dem Aguarico, einem dei- wichtigsten Neben- — 4on — flüsse des Napö, welclior in einer grossen Indianer-Niederlas!?ung am 31. Januar erreicht wurde. Hier besehloss Codazzi die llück- kehr nach Macoa, die in fünf Tagen von Statten ging. Das Hauptinteresse, das diese Reise einflösste, war kein geographisches, auch kein ethnographisches, viehnehr die poli- tische Seite der Indianer-Frage. Sie fesselte Codazzi jetzt ebenso wie vor etwa zwanzig Jahren. „Ich halje", so schreibt er in Macoa, „die verschiedensten Stänune der Urbewohner Neu-Granadas gesehen, habe viel von ihren heutigen Sitten und Gebräuchen kennen gelernt, und tiljer ihren Fortschritt und Rückgang mir ein Urtheil gebildet, aber ich halje keinen Anhalt dafür gefunden, dass mit der Entdeckungszeit für diejenigen Indianer, die sich unvermischt erhalten haben, eine Besserung in geistiger oder gesellschaftlicher Hinsicht eingetreten sei; die reine Urbevölke- rung liegt noch heute im Schlafe. Wenn man solchen Zustand natürlich nennt, so heisst das an Prädestination, also an cardinale Rassenverschiedenheit glauben oder eine Lehre aufstellen, welche wider alle Begriffe von Gottes Gerechtigkeit und von der Einheit des Menschengeschlechts streitet. Wenn eine schwache Rasse mit einer starken in feindliche Berührung kommt, wenn sie von dieser geknechtet und unterdrückt, ihres Landes, ihrer Traditionen und Lebensgewohnheiten beraubt wird, so ist es klar, dass sie ver- kommen muss. Allein auch Urbewohner, welche nie besiegt worden sind, haben keinen einzigen Schritt zu höherer Cultur gethan, z. B. nicht die Goajiros trotz ihrer Handels) )eziehungen zu Europäern. Daljei ist zu ])edenken, dass jene Wilden und die ihnen Nahestehenden seit der Entdeckungszeit ein umherschwei- fendes Leben führen, weil sie, um nicht unterjocht zu werden, keine Ansiedelungen gewagt haben. Sesshaftes Leben ist die Vorbedingung jeder höheren Bildung, und drei Jahrhunderte alte A^orurtheile lassen sich nicht in einigen Hecennien beseitigen, weder durch bessere Gesetze noch durch menschenfreundlichere Einrichtungen. Dazu kommt endlich, dass die frei gebliebenen Völker in einem Klima leben, welches jeder Cultur widerstrebt: im undurchdringlichen Urwalde, unter den verwüstenden Tropen- regen, inmitten reissender Thiere — dort müsste auch der Europäer nach und nach vollständig verwildern." In Älacoa, wo solche Ideen reiften, trennte sich Codazzi von seinem Begleiter, um über den Pa'ramo de las Papas zu gehen, — 407 - den gcwalti^cMi (Joliivfisstotk . aul" dein diidit ncbciioinaiidcr din Quellen vun vici- Kiesenllüssen entsi)rinj»;eii, vuin Guachicoiio, Caqueta, Caiua und Majidalena. Codazzi war liereelitifi;!. die; Ca(iueta'-Fahrt al>zul)rechen, da l)ereits lS4i> ausgemacht war, dass eine Vereisung des gesanuuteu neugranadiuiselien Aniazonas- CJebietes nicht zu seinen A'erhindlichkeiten gehöre, da ferner eine rjrenzverständigung nut IJiasilien seit 1854 unerieichhar zu sein schien, und ch» eiuHieh in (h'ii Südprovinzen Neu-Oi-anadas, jen- seits der (\)rdinere, noch gar viel Arbeit zu l)ewaltigen wai". Das blendende Seliueedach des Purace vor Augen, ritt Codazzi in das Magdalena-Thal zurück; am 4. April war er in Timana', wo er einen ganzen Monat sein Quartier zu l)chalten gedachte, theils um die gesammte Unige])ung zu vermessen, theils um die von Ciildas entdeckten und dann von Rivero unter Führung von Ccspedes wieder besichtigten Alterthümer genauer zu untei-suchen. Angel)lich waren dies Temi)elbauten, Götterbilder, gcheimniss- volle Syndiüle; jedenfalls waren es Avunderbare Reste einer längst vergangenen Cultur. Freilich war hier, l>esondei-s in nächstei- Niihe von San Agustin, seit der Besichtigung von 1825 schon Vi(des vernichtet, zum Theil durch das Erdbel)en von 1834, namentlich alter durch die Rotten von Schatzsuchein, die dort in Gräbern der Vorzeit mitbeerdigten Goldsachen nachgestöbert hatten; allein die meist im Walddickicht liegenden mächtigen Trümmer hatten immer noch ein grosses Interesse. Codazzi fand sie sehr schnell, da der Alierglaube ihm die Wege wies; die aus einem lavaähnlicheu Stein gehauenen Stücke, die oft stark ver- wittert und mit Moos bedeckt waren, erschienen als Bildwerke eines eiiedem dem Gottesdienst geweihten Platzes, welchen di(; cindi'ingenden Spaniel- dui(di einen Zufall nicht aiigetroften hatten; es waren für Codazzi Culturbauten der Andaqui-lndianer, deren Kunstanfänge erst ilurch die euroi)äische Eroberung vernichtet worden seien, obwohl die Figuren durch ihre Verbindung mensch- licher Gesichtszüge mit thierischen Gebissen an viele in Peru gemachte Funde erinnern iiml in der Umgebung von Timaiia' noch an manchen Stellen die K<'hua-Si>rach(^ geredet wird. Codazzi senkte seinen Blick nicht weit genug in die Vorzeit hinein, deren Zeugen vor ihm lagen; ihm fehlten historische Anhaltspunkte so sehr, dass er einen versprengten Theil jener Anda((uies, der in der Nähe von Tiinaiiii ikm-Ii hauste, für den Rest eines grossen, — 408 — mächtlgoii Volkes hielt; ov hatte wohl noch nie etwas von ilen Aymaraes""^) vernommen, deren Blütliezeit jene interessanten Werke, wie ähnliche im oheren Magdaleiia-Thale, anzugehören scheinen. Mit Recht glauljte Codazzi annehmen zu dürfen, dass hei San Agustin im engen Flussthale nicht die Ruinen einer gewöhn- lichen Ortschaft lägen, sondern die Reste grosser Theile ehe- maliger gottesdienstlicher Bauten. Zuerst sah er zwei Statuen und eine unfertige Figur auf dem Uvumli(!-Hügel, in dessen Nähe er den p]ingang zu einem geheiligten Räume erdichtete. Rechts von dieser Erhöhung trug ein zweiter Hügel ein liegendes Relief und eine Halbstatne. „Geht man von hier aus durch die Ort- schaft San Agustin, so zeigt sich am Ufei- des Baches ein anderes Stand! )ild und wiedei' etwas weiter auf einer Fläche eine seltsame Halljfigur: nicht weit davon am Anfange eines eljenen Platzes steht eine pfeilerartige Gestalt, neljen welcher früher eine Art Steinaltar sich gezeigt liahen soll. Weiter nach dem Somltrerito- ßach hin finden sich inmitten des Gesträuches und Baumlauhes zwei Höhlen, die unterirdischen Gemächern gleichen. Die eine Behausung, zwei Meter hoch, wird von Pfeilern getragen, von denen die vordersten mit Figuren geziert sind , die Wände 1 >e- stehen aus Schichten roher Steine, die durch Mörtel verbunden sind, der Fussboden scheint künstlich Ijesteint gewesen zu sein; hier standen ehedem, Avie die Bewohner von San Agustin aus- sagten, zwei Statuen und andere Bildnisse, welche jetzt, wohl um Teufelssimk zu bannen, an der Pfarrkirche anueb rächt oder vor derselben, auf dem Markte, aufgepflanzt sind. Auch in dem zweiten unterirdischen Gelasse, dessen Pfeiler keine Sculpturen zeigten, wollte man ehedem Steinhauereien angetroffen haben. Nicht fern davon gal) es früher im Buschwerk zwei andere tief gelegte Räume, die längst verschüttet Avaren, nun fanden sich nur noch Ruinen einiger Mauern , sowie Spuren von etwa drei- zehn verschiedenen Standbildern, danel)en lag ein zu einem vier- eckigen Gefässe ausgehauener Stein; dann sah man am Wege selbst noch sieben höchst wunderliche Colossal-Gestalten : ganze oder halbe Figuren, einige schienen absichtlich einander gegen- über gestellt zu sein, mehrere waren nur aus dem Felsen heraus- gehauen und zum Theil offenbar unfertig gelassen; wieder an einer neuen Stelle erschien das Steinliild eines Frosches. Auf — 409 — ciiiciu liiisclilVi'irii iMat/.c ciIioIkmi sich sce-lis Fi«iwr('ii, iihiilirli den Denkmalcni eines JJcgralniissortes. Riiigsninlici-, naiiiciitlicli aiicli in der Uuigolmnii,' einer Salz(|iielle, veil>iigt das Diekiclit noch viele andere eigenthi'iinliche (Jeltihh* von Menschenhand. Auf dem Pelota- Flügel trilVt man noch Heste eines Banes, sowic^ einen Steinhlock, der anscheinend als Altai- gedient hat, ansserdem \ irr grausige; Hildsäulen. I'ündlich zeigt sich auf dem Alto (h; la Cruz eine ganz unerklärliche Steinscidptur." So genau wie möglich ward Alles, was sich üikUmi Hess, aufgenommen und aufgezeichnet, aber sicherlich hliel) sein- viel verborgen. r^^t)ge meine nur oberflächliche Untersuchung", sagt Codazzi, ^unsere Alterthumsforscher anspornen, dass sie alle Winkel dieses geheimnissvollen Thaies offen legen, das Busch- werk niederschlagen oder nieder! )i-ennen, Ausgrabungen vei-an- stalten. um die Vergangenheit ans Licht dei- Gegenwart zu bringen. Port liegen meiner Uebcrzeuguug nach unzählige Schätze amerikanischer Archäologie." In der That gab es 1856 in Amerika kaum einen bekannten zweiten Ort. der für die Er- forschung iler Vorzeit ein gleiches Interesse hätte darbieten können: denn dort im einsamen, heissen Flussthale zeigten sich Denkmale eines schon vor der geschichtlichen Zeit entschwun- denen Volkes, welches mit Eisenwei'kzeugen Gesteine bearlieitete, deren Herkunft bis jetzt räthselhaft ist. Von Timana aus Ijcgann Codazzi am '2. Mai den Gel)irgs- marseh nach dem oberen Theile des Lai)lata-Flusses, der durch eine der grossartigsten Gebirgsregionen vulcanischen Charakters führte; er setzte die Vermessung in den ültrigen Abhängen der Mittelcordillere fort, namentlich auf der Strecke zwischen dem ITuila luid Tolima, von Chaparral ausgehend; dann wendete er sich nach der zwischen dem Cerro Neiva und dem Sumapaz be- legenen Bergstrecke, sowie nach dem eigentlichen Thalgrunde, z. B. in der Gegend von Natagaima liis Ambalema, wo die "\'er- treter der grossen Londoner Firma Frühling & Göschen ihn auf das Liebenswürdigste empfingen und mit einer Aufmessung ihrer ausserordentlich grossen Tabaksländereien l)eauftragten, deren reiche Ernten den wichtigsten Theil der neugranadinischen Waaren-Ausfuhr bildete. in Mogota', wo Codazzi am IH. Juni eintraf, folgte er leb- hafter als je zuvor dem Wunsche, alles läsher Gesammelte mit — 410 — (Muem Schlage zu verarbeiten. Warum jsollte dies Ziel nicht in etwa einem Jahre zu erreichen sein? es ging mit den Karten schnell voran, wenngleich einestheils noch Partien der weiteren Umgebung der Hauptstadt zu vermessen und anderentheils alle früheren Tafeln vollständig umzuarbeiten waren, indem jetzt nicht mehr von Provinzen, sondern von Staaten auszugehen Avar. Seit dem Gesetz vom 27. Fei »mar 1855, welches die (VidKM-en Pro- vinzen Chiriqni, Yeniguas, Panama und Darien lür einen eigenen Staat erklärte, hatte sich die Föderal-ldee mächtig entwickelt. Durch die gesetzgebende Gewalt waren am 11. Juni 1856 der Staat Antioquia, am 13. Mai 1857 der Staat Santander, am 15. Juni 1857 die Staaten Cauca, Cundinamarca, Boyacä, Bolivar und Magdalena geschaffen. Damit war das gesammte Territorium der Republik vergeben, Alles steuerte der Föderation entgegen, die denn auch durch die Verfassung vom 2*2. Mai 1858 einge- führt wurde. Diese neue Eintheilung machte neue Zeichnungen, neue Berechnungen, neue Text-Eedactionen nothwendig. Es Avar nicht leicht, die 24 Provinzen für ein Geographie- Werk in die acht Staaten zu verschmelzen, Codazzi unterzog sich jedoch dieser Umarbeitung gern, da sie seinem früheren Wunsche nach Depar- tementskarten entsprach und in Europa die Kosten der Heraus- gabe wesentlich verringern musste. Uebrigens hatte die Errich- tung der neuen Staaten die üble Folge, dass wegen der Grenzen, welche das Gesetz nicht genau bestimmt hatte, überall Streitig- keiten sich entspannen, nicht Idoss da, wo einzelne frühere Can- tone oder Territorien aus dem bisherigen Provinzialverband aus- gelöst wurden, sondern auch da, wo alte Provinzial-Grenzen blieben oder durch authentische Interpretationen festgestellt wurden. Früher waren diese Dinge immer innerhall» Neu-Granadas wenig erörtert und gar nicht ernsthaft l»estritten, während jetzt die sell)stständigen Staaten es für eine Ehrenpflicht zu halten schienen, den Nachljarn nicht einen Quadratfuss mehr Terrain zuzugestehen, als durchaus nothwendig war. Diese nichtige Eifer- sucht verursachte für Codazzi, der in solchen Fragen sein Gut- achten nicht zurückhalten durfte, grosse blühen und endlose Yer- driesslichkeiten. Dazu kamen noch Misshelligkeiten mit der Centralgewalt, denn Mariano Ospina Rodriguez, der aus Antioquia gebürtige Präsident dieser frisch geschaffenen granadinischen Conföderation, erklärte, er habe in seiner Heimath erfahren, dass — 411 — dcjrt iiiclil l)loss da.s allgciuciiK! L'rlheil (k'ii gouiallL'ii KailL'ii C'odazzi's jeden Wertli al)S(»redie, sondern auch ein Mann, wie Tyrrel Moore, welcher hehaupte, dass nach seinen eigenen Arbeiten die Codazzi'schcn Karten entworlen worden seien. Zwar widerlegte Coda/.zi sofort derartige elienfalls mit Grenzstreitig- keiten zusammenhängende Redereien, allein das alisjnechende Unheil verstummte in jenem Staate nicht, denn es erklärte sich hau|ttsiiclilich daraus, dass dort die gesammte Landesvermessung als ein Werk der Liberalen Itetrachtet wurde und Antioquia der Sitz ihrer Feinde war: ein Haupthalt der llalb-Conservadoren, denen der Präsident selbst angehörte. Codazzi sah in jener Ver- dächtigung den Ausdruck von persönlicher Gehässigkeit und Parteifeindschaft. Ausserdem gab es für ihn noch mancherlei Weiterungen wegen Geldsachen und sonstiger Aeusserlichkeiten, die er mit dem C'abinetsmitgliede Manuel Antonio Sanclamente zu regeln hatte, einem durch die corrupte Haltung seines Beamten- personals schnell ])ekannt gewordenen Manne, der dem ("odazzi- schen Werke kein sonderliches Interesse al »gewinnen konnte, vielmehr dassell)e kalt -amtlich behandelte. ]hm ül)erreichte Codazzi am IL Juni 1858, also etwa ein Jahr nach Abschluss der letzten Reise, die nach der neuen Eintheilung des Landes Icrtig- gestellten Karten. Es fehlten nur die der Ijeiden Küstenstaaten ßolivar und Magdalena. Die 1850 in Tamalameque aljgebrochenen Arbeiten schleu- nigst wieder aufzunehmen, schien jetzt für Codazzi eine Lebens- Irage zu sein, er befürwortete lebhaft die Ausgabe einer Special- karte des Küstengebirges von Santamarta und schilderte in glänzenden Farben die Wichtigkeit einer solchen Veröifentlichung für die Ermunterung zur Einwanderung, obwohl seine venezue- lanische Colonie dem gewissen Untergang schnell entgegenging. Die von der Regierung ertheilte Antwort war hinsichtlich der Kartographie so wenig befriedigend, dass Codazzi entgegnete: „Die letzte Mittheilung hat in meinem Gemüth einen äusserst schmerzhaften Eindruck zurückgelassen; ich sehe nämlich jetzt, wie aus meinen, von sicheren Thatsachen ausgehenden Vor- schlägen und aus meinen den Abschluss der Landesvermessung im Interesse des ^'olkes beantragenden Eiiy^aben ohne Grund Indicicn hervorgesucht w^erden, um zu zeigen, dass dieselben einen feindseligen Ansti'ich haben; sagt man mir doch, dass ich, — 412 — wenn ich uiclit von den JJesclilüssoii der Regierung heiriedigt sei, zuständigen Ortes von meinem vermeintlichen Rechte Ge))rauch machen möge. Ich I>efaud mich in dem Glauljcn, dass das von mir unternommene Werk einen höheren Charakter trage, als den eines gewöhnlichen Vei-trages, dass es in (hn- Art seiner Behand- lung eine gewisse Bevorzugung wohl verdiene. Der angeführte Krlass hat mir l)egreiflich gemacht, dass ich mich geirrt ha))e, dass ich nicht dafür arljeite, die Nation mit einem wissenschaft- lichen Werk zu Ijcschenken, für dessen Ausführung das Geld, wenn es in Frage kommt, nicht als Bezahlung für Dienste, son- dern als Beihülfe zur Vollendung des Ganzen erscheint; jetzt habe ich eingesehen, dass es sich nicht handelt um ein Denkmal zu Ehren und Nutzen Neu-Granadas, sondern um ein Ding, das el)enso gehandhal^t wird, wie Sachen, die täglich ge- und verkauft werden. Eine solche Enttäuschung ist grausam für einen Mann, welcher seinen Ruhm in dem Streben gesucht hat, der geljildeten Welt diese noch unerforschten Gegenden l)ekannt zu machen." Codazzi fand in dem Cabiiiet von Ospina Niemanden, der ein Yerständniss für seine Arbeiten zeigte; sein A^orschlag, die Sierra Nevada von Santamarta, das höchste von der Anden- Cordillere getrennt lagernde Küstenge])irge in ganz Südamerika, l)esonders genau zu untersuchen, fand gar keine Erledigung, und doch ))eruhte diese Idee gerade auf einem praktischen Anlass. Ein angesehener Kaufmann in Santamarta, Joaquim Mier, ü))ersandte ein kleines Manuscript, welches den Plan der Colo- nisation jenes grossen, seinem Wohnsitze so nahe gelegenen Hochlandes l)etraf. Der Verfasser der Schrift, Elisee Reclus,'®^) hatte als Pionier für dies Projekt eine Zeit lang mit den Goajiros an der ausgedehnten Küste und mit den Aruaken in dem thal- reichen Gel)irge gelebt; er war trotz aller persönlichen Tüchtig- keit ohne irgend ein Ergebniss gel)lieben: ein Opfer zahlloser Leiden, Mit Begierde wurden nun die Aeusserungen dieses Mannes von Codazzi gelesen, der in ihnen seine Wünsche von 1850 wiederfand. „Die ersten Europäer, die in diesem Gebirge sich niederlassen werden", so schrieb Reclus, „müssen zweifellos viele Gefahren und grosse Mühsale durchmachen, bevor sie irgend- wie ständigen Erfolg halten; sie werden an Sumpffieljern leiden; das Steigen der Flüsse und die Unwegsamkeit der Moräste werden den Transport ihrer Lel)ensmittel behindern, die Feind- — 413 — Seligkeit der wcMiigen, aber gierigen Beamten wird iliiuMi Schwierigkeiten verui'sai'luMi; die Neulinge wei-den lange Zeil hindurch von jeder anderen (Gesellschaft als dei- der Wihlcn ausgeschlossen sein. Ihr Stand ist sicherlich ein schwierigei-. wenngleich alle llincU'rnisse, die schrittweise mit (h'in A'ordringen dei- Colonisation sich vei'mindern, für muthige Müiukt N'oitheih' l>ihhMi. (hl sie /u (hjppeltem Kampr zwingen und den endlichen Sieg dopjtelt werthvoll erscheinen lassen. Zukuid"tshoflnung(Mi sind Itei Ueissiger Arbeit in der Sierra Nevada und der Sieri-a Negra vorhaiulen; der Kafiee wird dort in den Thiilern gut ge- deihen, wenngleich es während meines Aufenthaltes im Thal von San Antonio nirht möglich war, mehr als 3W Pfund für unseren Aid)au 7.U sammeln: die tropischen Pflanzen kommen noch in unglaulilichei- Höhe iiber dem Meeresspiegel vor; die wichtigsten von ihnen werden zeludache Ernten geben. Allein diese Gebirge sind trotz ihrer Schönheit linster; der einsame Reisende wird in einem ihrer dichtbewaldeten Thäler geradezu von Herzensangst befallen. Die Natur ist gross, abei- doch eine endlose Oede; noch fehlt Pruchtl)arkeit und Freundlichkeit, denn noch fehlt Feld, Wiese und Stätte der Menschen." Codazzi 1 »rannte darauf, die so geschilderten Gegenden selber zu besuchen, um alle Einzel- heiten genau kennen zulernen: er gedachte vielleicht selbst noch eine neue Einwanderungs-P]xpedition ins Leben rufen zu können, wenn nicht mit deutschen, so doch mit französischen Ansieillern. Zugleich richtete auch die Ausarbeitung der Landesbeschreiltung seinen Blick auf jenes grosse Küstengebirge, denn bei ihr waren ja mehr und mehr allerlei geognostische Theorien in den A'order- grund getreten, deren Abschluss nur nach dem Studium dei- Schneeberge von Santamarta möglich zu sein schien. Dazu kam noch ein ganz anderer Antrieb; Codazzi wünschte möglichst bald irgendwo an der Küste zu sein, denn jener rast- lose Kelley hatte nicht geruht, bis von seinen Al)gesandten endlich im Ghoco-Lande eine [jinie gefunden war, welche für eine Schifl"fahrtsstra.sse brauchbar zu sein schien: der energische New- Yorker hatte seit 1854 besonders auf die ehedem von Codazzi kaum berührte Truando-Route sein Augenmeik gerichtet. Seine erste Fahrt, die James C. Lane Mitte 1854 geleitet hatte, war durch Ausbruch des Sumitffiebers vereitelt worden; die zweite hatte William Kennish treführl, welcher, von Normann Rüde und — 414 — Rol)ort G. Jameson l)egleitet, im Deceml)er jenes Jahres von Panam.'i aus südwärts gefahren war, nacli genauer, al)er erfolg- loser Untersuchung der Cupica-Bucht am 11. Januar 1855 in die Miindung des Curachichi, dann über die Wasserscheide, von dem Nergua- Flusse in den Truando und von diesem in den Atrato gelangte, den er his nach Quil)d6 bescliiff't hatte, um endlich, thalwärts treibend, die ganze Länge des Flusses zu untersuchen. Dieser Erfolg, von dem Codazzi erst Mitte 1858 hörte, schien Kelley einer Lösung der Isthmus-Canalfrage gleich zu stehen; er hatte auf einer grossen Rundreise seine Pläne persönlich in glänzendster Weise vorgeführt; z. B. in London vor der geographischen Ge- sellschaft und dem Civil-Ingenieur-Yerein ; dort interessirten sich für das Projekt die Admirale Fitzroy und Beechy, Lord Clarendon, Sir Roderick Murchison und Robert Stephenson. Schon dieser Erfolg schien ein ausserordentlicher zu sein; aber Kelley hatte auch in Paris Kaiser Napoleon IIl. und in Berlin den alten Huml>oldt für sein Projekt gewonnen; dann erschienen zu gleicher Zeit in New- York, London, Paris und Berlin Abhandlungen, die durch Kelley selbst veranlasst und von Bemerkungen eines Manby und Humboldt begleitet waren. Die Canalfrage schien somit der Entscheidung rasch entgegen zu gehen, zumal am 3. März 1857 der Washingtoner Congress die zweite Isthmus -Expedition**'*) beschlossen hatte, zu deren Bühne das Gebiet Atrato -Truando- Cupica bestimmt war; Herran, der neugranadinische Gesandte, liatte ]jei der Passvisirung für die Expeditionsführer „der grossen Idee der Vereinigten Staaten" ausdrücklich die Genehmigung seiner Regierung versichert. So war am 16. October von New- York der Schuner „Yarina" mit tüchtigen Leuten abgefahren, deren Führer der Lieutenant Nathaniel Michler vom Washingtoner topographischen Corps war, während zum sonstigen Personal Artliur Schott als Naturforscher und Jacob Schmidt als Zeichner gehörten. Etwa zu dersellien Zeit hatte der Dampfer „Arctic" unter dem Commando des Marine-Lieutenants Thomas A. Craveu den Hafen von San Francisco verlassen, begleitet von dem uner- müdlichen Kennish. Codazzi empfing liierüber erst spät genaue Nachrichten; er hoffte aber nunmehr die Yollendung eines für Neu-Granada überaus wichtigen Werkes noch zu erleben: eines Werkes, das er um so werthvoller erachtete, als er einen die Wildniss durchschneidenden Riesen-Canal nicht bloss als einen — 415 — Durelila.^s fiir Sohifio hetrachteto, sondern aui'li als die natürliche Basis für Ansiedolinii!; und Landescnltur. Sollte ci' diesom grossen Woltmiternolinicn nicht «^anz ('nHVcnidct \v«M'dsuclien; nur jenseits des Oceans konnte er Alles lernen, was. iTir die CanallVage in Neu-Granada von Wichtig- keit war. Nach Europa liel" iim aluM- noch eine zweite ('Erwägung. Die Landesbeschreibung Hoss nicht nichi' so leicht aus der Feder, wie früher: er f'üldte sehr oft sich unsicher. Eine vollständige Bearbeitung der letzten Fahrten Hess sich nicht zum Schluss bringen, obwohl, al>gesehen von kleineren Excui-sionen, nur zwei ^^onate einer praktischen Arbeit gewidmet weixlen mussten, nämlich der rrojcctirung einer Fahrsti-asse, die ijos Manzanos, den bei Facatativu belegenen Waarenstapel, mit Beitran, dem Ambalema gegenüber l)elegenenMagdal(Mia-irafen, verl)inden sollte. Codazzi's Studiun» ward mein- und mehr in sich selber zersplittert, weil es Detail-Forschungen über verschieden(^ Fragen nel)ensäch- licher Art mit lunfasste. Codazzi verfiel auf allerlei Special- Abhandlungen. "''') Er schrieb eine Uebersicht über die Indianer des pacifischen Küstenstrichs und des Orinoco-Flussgel)ietes, ohne ausreichende Kunde von diesen Eingeborenen zu hal)en; er vcnfasste eine Schrift über die Alterthümer von San Agustin, hinsichtlii'h deren er seiner Phantasie freiesten S})ielraum gewährte, emilich begann er eine Schilderung des ('aquc'ta-Gebietes, in welcher er Alles niederlegte, was ihm auf der letzten Fahrt zu Augen oder auch nur zu Ohren gekommen war. Die letztere Schrift war nicht sofort zu vollenden, da von einer Reise gesprochen wurde,- welche William Jameson in der ersten Hälfte d(!S verflossenen Jahres von Quito aus nach dem Nai)6- Flusse gemacht hatte, welchen Xeu-Granada als Grenze gegen Ecuador beanspruchte; er entwarf aller eine Kartenskizze des Coquetii-Territoriums, wobei er für die Amazonas-Grenze den Angaben von fjouis Ilerndon folgte, dessen handschriftliche Karte er der Güt(^ Ancizars ver- dankte, seines jetzt in Lima als Gesandten w'eilenden Freundes. Eine andere Sendung, die des neugranadinischen Gesandten bei den Vereinigten Staat(Mi, war Manuel A'illavicencio's "'•'') neue — 41G — Geo<>;rai)liie von Ecuador, welche Codazzi's Ansichten in mancher Beziehung- verwirrte. Seine letzten Leistungen gefielen ihm selber nicht recht. Wenn er auf alle seine Manuscripte blickte, so fand er wichtige A])schnitt(' inii- skizzirt, Einzelheiten ge- legentlich ausführlich besprochen, nirgends Zusammeidiang. Der Maassstal) für gross und klein, werthvoll und werthlos war ein hnliglich individueller gewesen. Verhängnissvoller Weise hatte er bei seinen Arbeiten nicht die Möglichkeit gehallt, eine Ver- gleichung mit den neueren Fortschritten anderer Völker vorzu- nehmen; er wusste nur Wenig von der in sein Fach schlagenden Ijiteratur der europäischen Völker und verstand gar Nichts von dem grossen Geiste der Neuzeit, der im Norden Amerikas so machtvoll sich kundthat. „Noch in meinen alten Tagen muss ich zur Vollendung meiner Arbeiten nach Paris", schrieb er an Holton, „denn hier habe ich Niemanden, der mich kritisirt; ich muss Männer sprechen, wie Boussingault, Schomburgk und Humljoldt; muss Gelehrtenvereine und Akademien l)efragen ; muss noch einmal von vorn anfangen — sonst wird Nichts aus meinem Seh weiss und meinem Fleiss. Allehi stehend, einsam arbeitend, kann in unseren Tagen Niemand mehr der Welt nützen; hier ha])e ich meine letzten Mitarbeiter verloren, vielleicht ünde ich, der Greis, noch einmal das Glück, mit Ebenbürtigen mich zu berathen." So beherrschte auch ihn dasselbe Gefühl der Unzu- länglichkeit, das Cäldas durchdrungen hatte. Dazu kam endlich jenes Heimweh, das wohl noch kein Italiener auf die Dauer hat ganz verwinden können. Ein Wiedersehen der Heimath war früher als unerfreulich erschienen, jetzt herrschte die Sehnsucht nach dem altgeliebten Lande. Auf der apenninischen Halbinsel regte sich ein anderer Geist, als zuvor; seit dem Krimkriege war Italien in bessere Bahnen gelenkt, Cavour, „der stille Mann", hatte eine neue Politik liegonnen. Codazzi, ein nie bekehrter Feind der Oesterreicher, dachte nun daran, mit seinen beiden ältesten Söhnen, Agustin und Domingo, von Paris, dem Druckort seiner Werke, weiter zu reisen, über die Alpen, zu alten Freunden, mit denen er hin und wieder noch Briefe wechselte, hinein in das schöne Vaterland. So kam Codazzi unter sehr verschiedenen Gefühlen Ende 1858 zu dem Entschluss, nach dem Meere hinaljzusteigen, auch ohne A'^orschuss oder Beihülfe der Regierung. Olnvohl seine — 417 — Freunde al)riotlioii, ja (liiii^ciid warnten, zog er, ein Mann von 66 Jahren, nach dem an CJefahren so reichen Tioflande; er hoffte bakl in die i-einere Ijiift des schneebedeckten ]rochgel)irges zu konmien und dann aul" (Um- Weiterreise die Erfrischung der Seebrise zu geuiessen. Auf dieser Fahrt, für die er nur dürftig ausgerüstet war, begleitete ihn l)loss Manuel ^laria Paz. Am l"). T)eceml)er 1858 l)rach Codazzi mit dem Dampfer „Nueva (»i-auada" von Honda auf und fuhr zunächst l»is Vadillo, um von dort die Lagune von Simiti zu besuchen, sowie die Wasserläufe, welche sie mit dem Magdalena-Strome verbinden. In einer Pirague ging die Fahrt dann weiter liis Banco, wo mit dem Hauptstrome sein einziger, von Norden kommender Neben- fluss sich verbiiulet, der mächtige Rio Cesar, der kurz zuvor zahllose Verzweigungen und grosse Lagunen gebildet hat und den Anfang eines topographisch ganz neuen Gebietes anzeigt. Codazzi drang in ein von dichtem, feuchtheissem Wald- und Busch-Dickicht umgebenes Wassergewirre ein. Die grosse i^agune von Zapatoca erinnerte ihn an die von Sinamaica, die er vor etwa 30 Jahren besucht hatte. Von Chimichagua ging er nach dem öden ^Iotiloncu-Gel)irge hinüber, das die Grenze gegen Venezuela bildete und als Schauplatz der wilden Angriffe der Welser'schen Landsknechte betrachtet wurde. Am 20. Januar 1859 war Espiritu Santo erreicht, wo der Weg nach Valledupar und nach der ersehnten Sierra Nevada frei offen lag. In diesem dürftigen, etwa 700 Einwohner zählenden Orte wurde Codazzi von einem schweren Fieber ergriffen; trotz- dem lu'ach er am 7. Februar auf. Schon in Pueblito, einem unfern jener Ortschaft belegenen Gehöfte, wurde er aufgehalten; der Ritt sollte in Eile und Aufregung weiter gehen, um die verlorene Zeit einzubringen. Da kam während des Marsches ein heftiger Anfall der Krankheit. Codazzi w^ard aus dem Sattel gehoben und an der Erde auf einer Matte gebettet; die Krankheit wurde schlimmer und schlimmer, der tief Stöhnende grilf oft mit der Hand nach der Stirn, als wolle er Gedanken ordnen, sprach unzusammenhängende Worte über das geologische Wei-k; er wies mit der Hand nach den Bergen von Santamarta, dann kurzer Todeskami)f. '*'^) Neben der Sterbestolle säuberten die Begleiter, jener Paz und ein Eseltreiber, den Platz von Gras und Gestrüpp), gruben auf freier Savanne ein einsames Grab und Schumachur, SUJaiueriL Studieu, Q7 — 418 — bestatteten dort die Leiche. Das Gesicht den Bergen zugewendet, der Körper angethan mit der Reisekleidung. Die geschlossene Gruft wurde gegen die Thiere der Wihlniss durch einen mäch- tigen Haufen von Steinen geschützt. Als die Nachricht vom Tode Codazzi's nach Bogota kam, gingen die Wogen einer neuen heftigen Verfassungsbewegung liereits so hoch, dass jedes andere Interesse von ihrem Schwall fortgerissen wurde. Die Föderationsakte war kaum in Kraft getreten, als auch schon der Parteihader entljrannte, namentlich infolge der ersten Jahresbotschaft des Präsidenten, welche Nie- mandem zusagte und das liljerale Element zu verletzen schien. Sicherlich hätte die Familie Codazzi's, die sofort für die Leiche Sorge traf, in ihrem Schmerz allein gestanden, wenn nicht ein Ereigniss eingetreten wäre, welches besser als alles Andere den hohen Werth des Verstorbenen bezeichnete. Bamon Castilla, Lil)ertador-Präsident der Republik Peru, hatte an Codazzi ge- schrieben, ohne dessen Alter zu beachten, und ihn gebeten, sobald wie möglich der Landesvermessung von Peru, sowie der Herausgabe von Karte und Buch sich zu ^ddmen. Dies ehren- volle Schreiben traf gleich nach der Trauernachricht in Bogota ein und wurde mit freudigem Schmerze entgegengenommen. Codazzi's Karten, Skizzen, Statistiken, Bücher, Tabellen, Beschreibungen, alle fertigen und unfertigen Manuscripte, kurz alle gesammelten Materialien, gedruckte, wie handschriftliche, gingen an jenen Manuel A. Sanctemente, welcher jetzt weniger als je geneigt war, derartigen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken; hatte die Regierung doch grosse Sorge wegen der aufständischen oder kriegerischen Bewegungen, die in allen Theilen des Landes sich zeigten und immer mehr in dem systematisch agitirenden ■ Mosquera ihren Mittelpunkt fanden. Nebst einigen Freunden, « die Codazzi's Arbeitsweise kannten, l)ot Manuel Ancizar der i Regierung sich an, das von Codazzi Begonnene zu Ende zu führen. Aligesehen von dem geologischen Theil, sollten in vier Jahren die grosse Karte nebst Randbemerkungen, der Atlas, der durch historische Karten zu vervollständigen wäre, sowie ein geographisches Handbuch, das Geschichte, Statistik und Ethnographie mit enthalten sollte, in würdiger Weise heraus- gegeben werden.*''^) Sanctamente erachtete den für die Ar])eit erforderlichen Preis von '20f)(X) Dollars als zu lioch. er dachte — 419 — daran, ^ranucl l^nco und >raim('l Maria Paz die Ausarbpitunp: der ("odazzi'sohon Manuscriptc zu iil)ortrapMi. sowie ('inoiii junjrcu Ingoiiicur, ludalccio Lievaiio, dio Fortsotzunfii; dor Vermessung. Auch liierlur fehlte (»s liahl an Gekl. ()s})iiia's l*rasidentenstuhl stand nicht nioiir sicher, die Centralregieruug der granadinisciien ConfiMhM-ation brauchte die wenigen fJehhnittel lU':^ Bogota'er Schatzamts bis zum hHzten Real ITir andere Zwecke. Als Haupt aller nach Souveränität der neuen Staaten vei-langenden Oppo- sitions-Parteien drohte Mos(iuera mit Waflengewalt; die Staaten Cauca, Bolivar und ^^agdalena sagten von der Conföderation sich los; es bildete sich ein neuer Ibuid, welcher zuerst Vereinigte Staaten von Neu- Granada, dann von Colond)ia, sich nannte. Mosquera wurde rasch zum Dictator und ging siegreich vor. Beeinflusst von einer grossen Menge nordamerikanischer Ideen, begann sein energischer Geist, sol)ald die Macht errungen war, eine Meno-e von Neueruni>-en (h»r verscliiech'nsten Art. Durch Decret vom 12. April ISOl schuf er aus Theilen von Antioquia, Cauca und Cundinamarca einen neunten Staat, dei- Tolima heissen sollte, und schnitt so durch jMachtspruch eine Reihe von Grenz- streitigkeiten ab, die ihn, wie Codazzi, vor Kurzem noch oft geärgert hatten; er erklärte die Fortsetzung der Landesvermessung für unnöthig, da die l)eiden Kiistenstaaten nach älteren Karten zu zeichnen seien; er v(;reinbarte am 3S. Juli 1861 mit Pouce und Paz die Ilerausgalte der Karten, bei welcher das frühere Programm ganz aufgegel)en und möglichste Einfachheit angestrebt werden sollte; ebenso schloss er mit Felipe Pei-ez, dem Uistorio- grapheu seiner letzten "Waffenthaten , einen A'(M-ti'ag ül)er die Landesl)eschreibung alt, die mit thunlichster Schnelligkeit fertig zu stellen war. Am 'In. duli decretirte Mosquera einen aus Bogotji und Umgebung zu bildenden Föderal- Distrikt, der in Kai'te und Atlas besonders dargestellt werden sollte, aber sehr bald als lebensunlahig eingehen musste. Für eine Verwendung der für das Codazzi'sche "Wei'k l)estimmten Illustrationen fand sich keine Gelegenheit; den botanischen Theil mochte Triana von Paris aus weiter veröflentlichen, was auch eine Zeit lang geschah. Der geologische Theil. hinsichtlich dessen Karsten's Name noch einmal erwähnt wurde, sowie alles Uei)rigt>, was nicht in den Rahmen jener beiden Ausgaben passte, wai'd als zunächst un- In-aurhbar bei Seite gelegt. 27* — 420 — Yon Codazzi's Mitarbeitern war nur Einer fähig im Sinne der Familie und in Avirklichem Yerständniss des Verstorbenen zu bandeln: Ancizar. Jetzt, zehn Jahr nach seiner Kamerad- schaft mit dem Verstorljenen, sammelte dieser trefl'liche Mann Alles, was für ein litorarischos Denkmal verwendbar sein mochte, die Nachrichten der zur Eiickkehr nach Valencia sich rüstenden Familie, eigene Papiere, die wenigen Berichte, welche die Regierung ihm bewilligen wollte. Er veröfientlichte sodann Codazzi's Biographie. „Der Tod, der das Leben eines Mannes von Geist und Thatkraft vernichtet, ist wie ein Erdbeben; es stirbt nicht bloss das Leben eines Einzelnen, es verfallen zugleich auch dessen beste Schöpfungen. Codazzi starb nicht allein; mit ihm starben seine zur Ehre und Helnuig Neu - Grauadas begon- nenen Werke, die nur er selber in der geplanten Form der Welt darreichen konnte, er hatte Alles im Geiste schon vollendet, da er in systematischer Ruhe, Schritt für Schritt der Erfüllung seiner grossen Aufgabe entgegen ging. Was von seineu Arbeiten vorlag, verdiente die höchste Anerkennung; es war klar, dass nur ein hohes topographisches Talent Derartiges zu lösen ver- mochte; es handelte sich bei der Arbeit meist um geringe Aus- gangspunkte, um einzelne geschickt auszuführende Messungen auf einem umfangreichen Gebiete, um ein nach wenigen Quellen geschickt entworfenes, kartographisch verständliches Bild der Resultate. Dafür lag Baustein neljen Baustein l)ereit; Codazzi's Arbeitskraft lässt sich weder auf Patriotismus für die neue Heimath, noch auf die Nothwendigkeit des Erwerbes zurück- führen; ihn trieb sein angeliorenes Verständniss für den einen Zusammenhang der Boden-Configuration; sein wissenschaftlicher Sinn liess ihn nicht ruhen, sein eigenartiges Talent musste sich zur Geltung bringen, selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen, Codazzi war in seinem Fache ein Genie; seine Arbeiten über Venezuela wie über Neu-Granada tragen, obwohl sie unvollendet ljlie])en, monumentalen Charakter." Das Geluet der letzten Codazzi'schen Arbeiten ward bei der endlichen Veröffentlichung als Vereinigte Staaten von Columbien bezeichnet, denn dieser Name wurde dem ehemaligen Neu- Granada durch die Verfassung Aom 3. Mai 1863 endgültig verliehen. ^xiTnepkiino'en . I 1. Das Vicekönigreich Santafe ist von der spanisclicii Krone am 20. August 1739, imelitUin ein IriilKTer Yersucli iiiisslungeu war. hcsclilosseii und gegen Mitte des Juhrliunderts thatsäelilicli errichtet worden. Zu dem Gebiete dieser neuen Seliöjifung geli(')rten damals die jetzigen Vereinigten Staaten von Co- lumbien, die jetzige Reimblik Ecuador und der grössere Tlieii der jetzigen Vereinigten Staaten von Venezuela. Es bildete den .staatlichen Zusammen- hang mir die Person des Vicekönigs, eines unmittelbaren Vertreters der Souveränität, welcher in militärischen Sachen General-Capitän, in kirchlichen Vice-Patron, und in allen übrigen Angelegenheiten königlicher Gouverneur war. Die Zusammensetzung seines Reiches war ursprünglich folgende: a. Das neue Königreich Granada; dieser seit 1538 bestehenden Colonial- Organisation waren bei Errichtung des Vicekönigi-eichs einige Zeit anfänglich selbstständige Gouverneurschaften (C'artajena und Santamarta) untergeordnet. /'. Die Präsidentschaften Pananiä und C^uito, von denen, trotz der Unter- ordimng unter den Vicekönig, die erstere eine eigene königliche Regierung bis 1782 besass, die andere bis zur Lostrennung von Si)anien im Jahre 1823. c. Die General -Capitanie Caracas, wegen alter Zugehörigkeit zu San Domingo früher selbstständig und später vom A'icekönigreiche wieder getrennt; ihr zuerst auf die Provinz Venezuela beschränktes Gebiet wurde nach jener Tremmng durch Verordnung vom 5. Mai 1765 um die Provinz Guayana und durch A'erordnung vom 8. September 1777 um die Provinzen Cumaca, Mara- cailio, Margarita und Trinidad vergrössert, so dass auch diese früher direct unter dem Vicekönige stehenden Gebiete aus dem Vicekönigreich Santafe ausschieden und hinfort mit Venezuela dessen Ostgrenze ausmachten. Gegen Süden bildeten das als Brasil bekannte Vicekönigreich Portugal sowie das Vicekönigreich Peru die Grenzen, dagegen auf dem [sthnms die General- Capitanie Guatemala. Dasselbe Gebiet, einschliesslich der General-Cajiitanie Caracas, umfasste die 1819 i)roclamirte, aber schon seit 1820 in Auflösung l)egriflene Rejnililik Coloml)ia, die dami in die oben genannten drei Staaten sich auflöste, näudich in A'enezuela, jetzt Vereinigte Staaten von A'enjzuela, d. li. die erweiterte General-Capitanie Caracas mit den Grenzen des Jahres 1810; in Ecuador, d. h. die Präsidentschaft Quito, über deren Umfang keine Verordnungen aus der Colonialzeit ausreichende JJestinnnujigen tretl'en, und in Neu- (Jranada, die jetzigen Vereinigten Staaten von Columbien; das ist der nach Ausscheidung — 424 — der beiden genannten Gebiete verbleibende Rest des ehemaligen Vicekönig- reiclis Santafe. Da jeder spanische Vicekönig vor seinem Abgang über seijie Amtsthätig- keit schriftlii'li Rechenschaft abzulegen liatte, so enthalten diese öcheide- lierichte, welche der sogenannten Residencia, chR-i- Prüfung der Geschäfts- führung, zu Grunde gelegt wurden, stets historisch wichtige Daten. Solche Scheideberichte der Vicekönigc von Santafe hat Jose Antonio Garcia y Garcia, 1862—65 peruanischer Gesandter in Bogota, gesannnelt und später in New- York durch Ignacio Game: verüffentlicht. Relaciones de los Vireyes del Xuevo Reino de Granada (Nueva York 1869). Dies ist die wichtigste histo- rische Quelle; andere Ausgaben iu den Anales de la Universidad de Colombia (Bogota 1873), sowie in Jose Felix Blanco, Documentos para la historia de la \-ida ])üblica del läbertador de Colombia, Peru y Bolivia (Caracas 1875). Früher galten diese Berichte in Europa als verloren. Für die Landesgeschichte von Neu -Granada sind als Hülfsmittel zu nennen: Jose Antonio de Pla:a, Memorias para la historia de la Nueva Granada desde su descubrimiento hasta el 20 de Julio de 1810 (Bogota 1850), ein Band. Jose Manuel Groot, Historia eclesiästica y civil de Nueva Granada, escrita sobre documentos autenticos (Bogota 1868); der Stoff der drei Bände reicht bis zum Jahr 1831. Jose Manuel Resfrepo, Historia de la revolucion de la repüblica de Co- lombia en la America meridional (Paris 1827); das AVerk. dessen Vorwort Bogota 3. Juni 1825 datirt, enthält in Band 1 eine Uebersicht über Colombia, in Band 2 bis 7 die Historia de la Revolucion de la Nueva Granada von 1741 bis 1819, und in Band 8 bis 10 Urkunden; vergl. über den Verfasser Anm. 97, und über ein dem obigen gleichbetiteltes späteres Geschichtswerk, das fortan ohne Aveiteren Zusatz citirt wird Anm. 118. Das Geographische betreffend, ist in erster Linie immer noch namhaft zu nuichen : Antonio de Alcedo, Diccioiiario geogräfieo-historieo de las Indias occi- dentales 6 America (Madrid 1786—89), übersetzt und conmientirt in G. A. Thompson, ITie Geographical and Historical Dictionary of America (London 1812—15); Alcedo war Amerikaner, geb. 1735 zu Quito, gest. 1812 zu Coruna. Speciell sind noch folgende Bücher zu erwähnen: «. Für das spätere Neu-Granada : Felipe Pere:, Jeografia fisica y politica de los Estados Unidos de Colombia I et II (Bogota 1862), undVeografia general de los Estados Unidos de Colombia (Paris 1863). Vergl. Anm! 168. Tomas de Mosquera, Compendio de Geografia general, politica, fisica y especial de los Estados Unidos de Colombia (Londrcs 1866), und Diccioiiario geogräfico de los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1868). Vergl. Anm. 119- Joaquin Esguerra Orti:, Diccionario jeogräfico de los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1879). />. Für die Nebenländer sind zu verzeichnen: Agustin Codazzi, Resümen de la Geogi-afia de Venezuela (Paris 1841), vergl. Anm. 135, und - 425 — Manuel Vil/fii'ircnvio, Googriifiii tlc In Repiihlicu del Ecuador (New-York 1858), vorjrl. Amii. lÜÜ. V'uii i'uropaisi'lii'ii Arlifilcii dicHiT Art .»tolil nin huchAvu Jc/i'uni l-'.ilitiird Wappaeiis ^ I'iiiiamä. Nfu-Ciraiiada. Vcnoziiela , (•ua3'aiia, KiMiadi>r etc. j^eu- {^rapliisc'li und statistisch dargestellt in (7//'.v llaiulljuch dor Clcugrapliic und Ötutiötik (Leipzig IHG'i). •2. Vicekönig Pedro Mejia de la Zerda regierte in Neu-C.raiiada langer als irgend einer .-einer NOrgiinger oder Naelil'ulger. nanilich vorn 21. Februar iTfU l)i< 22. April 1773. Mejia's vom 14. Septeniher 1772 datircnder .Scheidebericlit, die frischeste und einfacliste unter allen gleichartigen Arbeiten, weist auf die in Aiiin. 15 erwähnte Denkschrift iiin und ist abgedruckt bei Garcia a. O. S. S3 — lOIK sowie bei lilaiiio a. 0. TV. Ü. 215—228. Bemerkenswerth ist folgender Satz: -De las rentas la nias i'itil y pingue es la de aguardiente de eaiia que puedc calcularse ä 20()(X)0 pesos; pero al nüsmo tiempo es una de las que padeccn nias fuertes contradicciones con los pretestos de cpie es. nociva ;'i la salud publica la bebida de este licor y de que ä ella se atril)uye en niucha parte la embriaguez y desordenes que la subsiguen. el desarreglo en los ])iieblos de Tndios y cl acabainiento de estos " Der Vicekönig veraidasste eine Unter- suchung des Getriinkes, welche das Resultat ergab: ,que el uso no dana sino cl abuso". MJia sandte Kiiuirijide nach Spanien; vergl. Rui: y Pavon, Suplemento ä la Quinologia (Madrid 1.S01) S. 13. Er starb, 83 Jahre alt. in Madrid. 3. Jose Cclestino Mütis hat. obwohl jetzt fast vergessen, schon bei Lebzeiten einen Biographen gefunden. Ca/7 Kocniy, Some account of Don .Josei)h Cele.stine .Mi'itis, chief of llie SpaJiish expedition to Santafe de Bogota iji South America, Vjy Charles Koinitj and John Sims. Annais of Botany \. (London 1805) S. 490— 5(X). Da heisst es: ,"\Ve should not have been enahled to give the following account but for the kindness of Don Pedro de Uribe y Vdrgas, a gentleman well known to the English reader by an ingeiuous memoir of the remarkal)le efficacy of certain plants against the bite of serpents and who, as a pupil and friend of Mütis, is be.st qualitied to furnish the materials for his life." Vergl. Anni. 38. Francisai Jose de (Mldas, Articulo necrolögico del Senor Mütis im Senui- nario del Nnevo Reino de Granada (Bogota 1809) No. 53 vom 1. Januar. Vergl. Anm. 93. James Edward Sniifh, Biography of Jose Coele9';ino Mütis in Ahraham Rfiis, nie cydopaedia or universal dictionary of arts, sciences and liti'rature, XXV. (I'hiladelphia 1818) ad vocem Mütis. Alexander von Humboldt, Jose Celestino Mütis in der Michmutscheix Bio- graphie universelle ancieiuie et moderne, XXIX. (l'aris 1823) S. 658 H". — 426 — Manuel Hervandez de Gregorin, Yidu dcl Doctor Jos6 Celestino INIiitis im rruldgi) iltl iirciiiio de la (iiiiiiii (Madrid lH-28). Vergl. Aiini. 45. Miiliicl l'ithiu'ini, \ai liofänica y los hotänicos de la iiciiiiisida Hispaiio- lussitaiia (Madrid 185^). Florentino Vezga, Memoria >olirc la liistoria del eslüdio de la botänica en la Nueva Granada (Ijondres y Bogota 1860). Clcmcntn R. Markhnm, So7iie accouiit of Dr. Jose Mülls and of tlie resiilts üf his labours, in dessen SeliriCt: The (Jliincliona Species of New Granada (London 18(57). Joae. Maria Venjara y Vergara, Ilistöria de la literatiira en la Nueva Granada (Bogota 1867). ■Jose M. Ni/ncz, Memoria liistörica del sabio naturalista Espaiiol Don Jose Celestino Mütis (Bogota 1873). ITinsiclitlieli der Abstammung von Mütis steht Folgendes fest: Francisco Mütis (t 1730) aus Palma auf Mallorea verehelichte sich mit Maimela Almeida aus Gil)raltar (f 1722); ihr Öolni Julian heirathete in (Jadix Gregoria Bossio. Das älteste Kind dieses Ehepaares, Jose Bruno, später Jose Celestino (geb. am 6. April 1732), begann 1749 die lTun\aniora in Sevilla zu studiren; er wurde Baccalaureus derselben am 17. ^März 1753 und Baccalaureus der ^Nledicin am 2. ]^lai 1755. Ueber die Mütis'sche Familie in Neu-Granada vergl. Anm. 16, 4. Die Stadt Cartajena de Indias, früher San Sebastian de Cartagena, ist zuerst von Moreno l)esclirieben worden: La ])laza de Cartajena (Bogota 1772) und zwar in dem Werke, von dem Anm. 15 handelt. Vergl. Garcia a. 0. S. 54-59. Die neueren Beschreibungen von Cartajena, z. B. Elisee Rech/s Voyage ä la Sierra Nevada de Sainte Marthe (Paris 1861) S. 47 ff. treffen für die frühere Zeit nicht mehr zu; ältere sind nicht bekannt. Manyd Escudero, Cronica y noticia de la poblacion de Cartajejia (M. S. 1707) ist werthlos. Juan Jose Niefo, Geografia liistörica, estadistica y local de la ])rovincia de Cartagena (Cartajena 1839) enthält auch nur wenige brauchbare Daten; nach S. 76 hatte die Stadt (entre umros) 1835 eine Bevölkerung von 12 0(X) Seelen, während für das Jahr 1772 Moreno 15Ü00 angiebt, und jetzt nur 8600 aufgeführt werden. Zu beachten sind die bei Ezequiel üricoechea, Mapoteca Colorabiana (London 1860) § 10 No. 22—45 verzeichneten Pläne uiul Karten. Für den Negerhandel Cartajenas ist charakteristich das Traktätchen: L'apötre des negres ou la vie du B. Pierre Claver (Liege 1852). 5. Die Stadt Bogota (vollständig Santafe de Bogota) liegt auf 4° 35' 48" n. Br. und 76° 34' 8" ö. Lg. von Paris. Bei dieser Angabe bemerkte Alexander von Humboldt: ,Le cclebre botaniste Mütis, dout la grande acti\ite a eiu- — 427 — brassö toutes Ics hranclies de sciences pliysic|ncs, fixa par scs observations la lutitiuli' de SaiitiilV' ;l 4° IMY 0" ; il crut puiivoir (Iciliiiri- la loiifj^itude de rec'Iipse d'iiii satellite de Jupiter observe siiiiultaiieiiieiit pur lui et par J)oii Jorje Juan ;'i Cadix. II supposa lu loiigritude de Saiitafe de 75° 43' ü Touest de Paris. Yerfrl. ./'//'/"< O/fmnnns Recueil d'observations astroiioiMif|ues, d'operations triiroiionu'tritiue.s et de inosures Jiaroim'tntpies, faites peiidaut Ic courö d'uii voyuge aux regions equiiioxialeci tlu Nuuveau Cuiitiiient II. — Band XXII des Huniboldt'selien Reisewerks — (Paris 1S08), S. 218. Pere:, Estados (Jnidos de IJoloinltia I. (Bogota 18(J2) S. 1 (a. O. I. 8. 1, Note 1) Iiält es für erlaubt, die lluniboldt-Oltmanns'sehe Breitebereclinung, obwohl die.selbe aueh von .späteren Autoritäten angenonunen ist, einer Be- rechnung von Caldas nachzustellen, deren Elemente unklar sind. Espuerra (a. O. S. 25) giebt S. 25 ff. die neueste Beschreibung der Stadt, ül)er deren Einwohnerzahl folgende annähernd richtigen Daten vorliegen: 1794: 17 40.'); 1dri()uez Fresle, Conquista y descubrimiento del Nuevo Reino de Granada, (Bogota 1859) wissenschaftlich bisher nicht verwerthet; 1636 ff. verfasst. Ueber Piedrahita's Verwandtschaft mit den Incas vergl. Clements R, Markliam, Travels in Peru and India (London 1862) die genealogische Tabelle zu S. 134. — 430 — 9. Ursprachen des nördlichen Südamerikas siiul erst spät irosammelt worden; abgesehen von denen, welelie, wie Ayinar;l-Keeluui in Peru und Caribe-Galibi auf den Antillen, ihren ursprünglichen Sitz in anderen Gebieten gehabt und eigene Literaturen erlangt haben. Von den im engeren Sinne neugranadinischen Indianer-Sprachen sind die der Ciübchas und die der Goajiros am l'rüliesten behandelt worden; erstere meist als Sprache der Muiscas oder Moscas, was jedoch keine nationale Be- zeichnung ist. lieber die Ghibelia-Sjtrache vergl. lieriHirdo de Luyo, Gramätica en la lengua general del Nuevo Keine de Granada, llamada Mosca (iMadrid 1G19). Der Verfasser, Lehrer für die Indianer - Mission in Bogota, stellte auch Vocabularien her; seine Materialien sind bearbeitet in Kzequiel Uricoechea, Gramätica, vocabulario, catecismo i confesario de la lengua Chibcha (Paris 1871). Julian (Santa Marta etc. a. 0. S. 193) sagt: He leido las gramäticas 6 artes de la lengua Mozca, que compusieron y dieron ä la estampa los primeros padres misioneros de Santafe. Beachtenswerth erscheint, dass die Ghibcha- Sprache keineswegs eine Lengua jeneral gewesen ist, wie auch Uricoechea a. O. S. XV, XXXIV und LIV andeutet; 11. Ternavx-Cinnpaiis, Essai sur l'ancien Cundinamarca (Paris 1842) S. 9 sagt mit Recht: II parait qu'on parlait sur le plateau de Bogota plusieurs langues entierement dif- ferentes. Joaqnin Acosta, Compendio histurico del descubrimiento y colonizacion de la Nueva Granada en el siglo decimo sesto (Paris 1848) S. 437 erwähnt eine Gramätica de la lengua Mosca-Chibcha, que es diferente de la del Padre Lugo; dies Manuscript ist nicht mehr nachzuweisen. Lvcian Adam, Etudes sur six langues Americaines (Paris 1878) S. 29— G3 enthält den ersten Versuch, diese Sprache wissenschaftlich zu erörtern. Einzelnheiten bei William liollaert, Antiquarian, ethnological and other researches in New- Granada, Ecuador etc. (London 1860) S. 60 ff. Mythologisches bei ./. G. Müller, Geschichte der amerikanischen ürreligionen (Basel 1867) S. 415 ö"., wo jedoch nur die gewöhnliche Version wiedergegeben ist. Was zweitens die Goajiros anbelangt, so ist Rnfael Celedon, Gramätica, catecismo, vocabulario de la lengua Goajira (Paris 1878) das einzige ein- schlagende Buch vonWerth; es beruht übrigens ganz auf neuen Sammlungen. Der Verfasser wurde zu San Juan de Cesar 1833 geboren und wusste gar nichts von früheren Versuchen, die Sprache der Goajiros verstehen zu lernen, obwohl Julian, Santa Marta etc. a. O. S. 193 erklärt: Yo tenia de la lengua Goajira un diccionario, que nie liabia regalado el buen eclesiästico, hermano del cacique Don Cecilio, pero me hizo en Santafe tantas instancias para que se lo diera un amigo, medico de profesion y academico de Suecia. Im Allgemeinen sind noch zu berücksichtigen. a. Juan de Vesasco, Historia del i-eino de Quito (Quito 1844), geschrieben 1789 in Faenza, im Auszuge übersetzt von //. Fernavx-Compans (Paris 1840) Vergl. über Velasco Bullaert a. 0. S. 73 fT. — 431 — h, Lorevzo IleiTfis, Catulopo de Ins leiifnins de las naciones conocidas I. (Madrid 1800) S. 222-230 und S. 27(5; «las Vorwort datirt Rom. 15. Fe- liruar 1798 verirl. aiicli Amn. 3!*. r. AriKlidis Rojas, Estudios indijenas (('ur;k-as 1K7S) S. l.'JJ} 11". Litera- tura de las lenguas iiulijeiias de Venezuela mit .Spracdiprobeii. 10. Acltere Beschreibungen von Neu -Granada oder von Tlieilen dieses Landes, nämlich solciic aus der ersten Hälfte uili-r :ius der .Mitte des 18. Jahrhunderts, sind selten. Jose Nicolas de la Rum, Floresta de la Santa Iglesia catedral de la eiudad de Santa Marta (1741) ist besonders wegen der Nachrichten über die Indianer-Stänune al)gedruckt Valencia 1833 und Paris 1856. Jiisi' de JS(''/is Fulclt de Caidoud, llelaciun del estado del vireinato de Santafe (1760) ist der erste vicekönigliclie Scheidebericht, der sich erhalten hat; abgedruckt bei Qarcia a. O. S. 1—17 und liliuu-o, a. O. IV. S. 166—174. Jianilio Vivente de Oviedo, Del Nuevo Keino de (iranada, sus ri(|U<'za.s y demas cualidades y de todas sus poblaciones y cunitos con especifica noticia de sus gentes y gobierno (1761) ist bis jetzt nicht gedruckt, aber von Spä- teren ergiebig benutzt worden. 11. Linn^'s Verkehr mit Mütis bestand in einem Briefwechsel und in Ueber- sondung von Naturalien oder Abbildungen. Vergl. IJcnna/m A. Srlnniiacher Linne's Beziehungen zu Neu-Granada in Abhandlungen des naturwissen- scbaftlichen Vereins zu Bremen VT. (1880) S. 559— ö76. Der Verkehr Murde durch Besorgung von Liime'schen Büchern in Spanien durch C. Alstroemer und F. Logie angebahnt Vergl. über letzteren Systema Naturae (Kditio X a) 1758 unter Turbu auriscalpium (eine kleine Conchylie des Mittelineeres). Von Mütis an Linnö gerichtete Briefe finden sich, aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt, bei James Edward Sm/'t/i, A selection of the cor- respondence of Linnaeus and other naturalists II. (London 1821) S. 510 — 535. Hiernach Antin'ne Laurent Apulliitaire Fee, Vie de Linne (l'aris 1832) S. 192 — 196. Die Briefe lassen sich folgendermaassen ordnen: Bogota, Juli 1761, März 1762 und Juli 1762, sämmtlich verloren; Cartajena, Mai 1763, ebenso; Bogota 6. October 1763, erhalten; Januar 1764 verloren; 24. September 1764 erhalten; Cäcota, 19. Mai und 3. October 1767 erhalten; 3. März 1768 verloren; Bogota, 15. Mai 1770 und 6. Juni 1778 vorhanden und Ibague, 8. Februar 1777, ebenso. Briefe von liimie an Mütis sind noch in den Sannnlungen des Madrider l)Otanischen Gartens aufbewahrt; Jose Triana sagt z. B. 1874: En Madrid existen varias cartas de Linneo a Mütis en que le pide principalmentc informes sobre objectos de botänica e historia natural. Vergl. Abhand- — 432 — langen etc. V. (Bremen 1878) S. 29 fF. Mütis empfing das erste Schreiben von Linne sclion vor April 1761 ; denn sein Brief vom 6. October 1763 be- zeugt, dass Lijnie die C'orrespondenz anfing. Er besass ferner Anfang October 1767: tlie long expected letter. Dann ist ein Linne'sclier Brief vom 10. April 1769 erwähnt und zwar im Mai 1770. Was die Sammlungen anbetrifft, die Limie aus Bogota erhielt, so werden die Naturalien zuerst 1774 in den Linne'schen Schriften erwähnt. Bei Adam Afzeliuft, Egenhtendiga anteckningar af Carl Linnaeus om sig sjelf (Upsala 1823) S. 67 heist es: Mütis sände ifrän Carthagena och Nova Granada en myckenhet rara inlagde och äfwen ritade wäxter samt (i spiritu vini) indlagde foglar. Diese Sendungen sind zum selben Jahre genannt in Dielricli Heinrich Stöver, C'oUectio epistolarum quas scripsit Carolus a Linne (Hamburg 1792) S. 94, 97, 111 und 114, vergl. auch den Brief von Joseph Banks an den jüngeren Linne, d. d. 5. Deeember 1778 bei Smith a. 0. II. S. 575. lieber den Inhalt zweier Pflanzensendungen finden sich Details ebenda, S. 527 — 532 und 533-535. Die Sammlungen von Abbildungen, die Mütis scliickte, sind noch jetzt im Besitz der Linne'schen Gesellschaft zu London; vergl. Georg A. Pritzel, Thesaurus literaturae botanicae (Lipsiae 1872) S. 229: Icones ineditae plan- tarum Novo Granatensium servantur Londini in bibliotheca societatis Linneanae. Eine derartige Sammlung ist besprochen bei Smith ü, a. O. S. 532 und 533. 12. Der Bogotäer Mathematik-Unterricht, den Mütis unternahm, bildet für Neu- Grauada das Characteristicum einer neuen geistigen Aera; dies Lehrfach hat aber, ausser einem momentanen Impuls, keine praktischen Folgen gehabt; Mütis war nämlich zu keiner Zeit ständiger Lehrer der mathematischen "Wissenschaften, wemigleich mehrere seiner Biographen solchen Unterricht als besonders wirksam hervorheben. Seit 1782 war sein A^ertreter Fernando de Vergara y Caicedo, für den 1806 Francisco Cäldas eintrat. Der Vicekönig sagt Dezember 1803: Se lialla establecida con real aprobacion en el colejio del Rosario una cätedra de matemäticas y fisica moderna bajo la direccion del Dr. Don Jose Celestino Mütis. Sus vastas ocupaciones no le permiten desempenar personalmente esta cätedra y ultiraamente ä propuesta suya nombre un sustituto, que la sirviese, segun lo hizo el Senor Arzobispo Viray, Carece de rentas y aun discipulos. Vergl. Garcia a. 0. S. 487. Die Inschrift eines am 14. Dezember 1801 gewidmeten Portraits von Mütis lautet: El Colejio Mayor de Nuestra Seiiora del Rosario dedica esta memoria a su primer catedratico de matemäticas. — Establecido en esta capital y ejercitado siempre en su principal profesiou de raedicina, tomö a SU cargo el 13. de Marzo de 1762 la enseiianza de las matemäticas, dictando dos cursos completos de ellas. 433 T^ ). Neu-Granadas Mineralien-Reichthum ist vidfacli ültersdiätzt worden, wie heute, so nucli IVülier. Wiis die Mi'talle anlichiiiu^t, liat lltimlmlilt über Gold- Prodnction Daten iresammelt: Essai püliti(|ue sur le royaiune de la Nouvelle Espagne (Paris l.sil) II. S. 602 — G(j2 (Band XXVr des Reisewerks) Le royuume de la Nouvelle (Jrenade produit, unnee moyemie (1789 — 1795) — 18500 niarc-s d'or. Depuis 1782 jusqii'en 1789, ia fpiantite d'or nionnoyee ä Bof^otä etoit, annee niDyeinie. audessous de 7(X)0 niarcs. Pendant oette epocpie, Tauiiee la plus abondaiite a ete celle de 1787, oii le produit Tut de 7218 marcs: en 1778, on moiiiioya pour la valeiir de 093 438 piastres. Pendant mon scyour a Bogota, on estiniait le produit des deux huteis de monncde de Bogota et de Popayan ä 2100 0110 piastres, et a 400 0(10 piastres Texportation en lingots et en objets d'orfevrerie. Vergl. auch -hm- Manuel Restrepo, Memoria sobre amonedacioii etc. S. 11. Der Gewinn an Silber, der im vorerwähnten Bueho aiicli bes])rt>e]ien wird, ist im 18. Jahrlnnidorl, trotz vieltaclier Fiirderungsversuehe, mir niedrig geblieben, Yicekönig Sölis schreibt 1760: En las celebres minas de plata de Mariquita. aunque se ha solicitado su valor, no .se hu adelantado cosa al modo con (pie, eon mueho despreeio eojei) poeo 6 nada: porcpie no habiendo, como no hay, intelijeiites ni caudales que es lo que requieren las de este metal, toda dilijencia es frustrada. No ha nmcho que se concediö a uno registro de las de plata de la Montuosa en las vetas de Pamplona, y por lo dicho es de temer sneeda lo que siempre se ha observado , que no se consiga adelantamiento alguno. Vergl. Garcia a. O. S. 12. Ueber andere Mineralien sagt Moreuo im Jahre 1776: El cobre se en- cuentra abundamente, y modernamente en la provincia de Velez se trabajaba, pero se ejercitcn poco en su estraccion. El plomo li poca dilijencia se saca en diferentes lugares copiosamente y se ha verificado en las provincias in- mediatas ä esta ciudad: Vergl. Garcia a. 0. S. 81. Piatina erscheint zuerst 1784 iii Antioipiia. Das Bild, das Julia/t vom Mineral -Reichthum entwirft, ist viel günstiger; er sagt z. B. (Santa Marta etc. S. 47): En la ]\rontuosa alta y baja de Pamplona estan las celebradas vetas de plata; en el rio de Oro, junto :i Giron, eontinuan los arenas de oro; en Somondoco las canteras de diversas hermosisimas piedras (?) preciosas se crian y se encuentran to- davja; en ^fariquita las famosisimas minas de plata se trabajan aun ahora. En Simiti, Caceres, los Remedio.s, en el Chaparral, en el (üioeo y en Antio- quia de las vetas y minas se .sacau los oros (a O. S. 46). 14. Die Müfis'schen Kina-Studien erscheinen bis zum Beginn der botanischen E.xpedition (vergl. Aiun. 2H) mir selten; folgende Daten sind für sie be- achtenswerth : .Scliuiiiacbtfr, .Siiilaini>rik. StuiUt>n. oq — 434 — 1704, 24. September. Brief an Liniie: Tliat my present letter may not seem eiitirely unprofitable, T send you a figure with some flowers of the Peruvian bark; [Smith a. 0. S. 513 setzt 1821 liinzu, dass Abbildung und Proben in der Linne'schen Sammlung nocli vorlianden seien); I a7u not cer- tain wlietlier tlie celelirated M. de la (Jondainine has given any figure along with his description, iior wliether you have had any opportunity of exaniining a dried specimen, as I find no mark indicative of tliis in tlie generic de- scription of ("incliona in your Stockholm edition of 1754. Der Name f'hin- cliona oflicinalis erscheint zuerst in Liiiiiani.'^, Species plantarum T. (llolmiae 1753) S. 172 mit dem Zusatz: habitat in Loxa Peruviae. Mütis bezieht sich in obigem Briefe auf: Cliartes Marie de la Condamine, L'arbre du Quinaquina, abgedruckt mit zwei Tafeln in Histoire de rAeademie Royale de sciences; anne 1739 (l'aris 1740) S. 226 — 244. Die spanische Uebersetzung dieser Schrift bildete den Text eines Manuscriptes, welches Nicolas Osorio, Estudio sobre las ciuinas de los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1874) S. 35 falsch beurtheilt hat. 1707, 3. October. Brief an Linne: Your last long expected letter informs me of the receipt of the ("inchona. Vergl. Linne, Systema naturae per regna tria naturae II. (Holmiae 1767) S. 164, No. 227: Cinchona officinalis mit Beschreibung, welche schliesst: Misit dominus Mfitis. Auf diese AVorte war Mütis später besonders stolz. 1770, 15. Mai. Brief an Linne: As far as I am able to judge, I conceive this valuable plant to grow in the province of Quito upon mountains, whose height scarcely seems eredible to Europeans. The Cincliona officinalis is asserted by Mr. Santistevan to grow also in the second degree of N. L. near Popayan; I have often heard this gentleman declare that he had there gathered the Cinchona in flower; he gave me some of the leaves, which are twice as large as those of the Officinalis. Sniitl) a. 0. S. 516 S. Diesem Brief liegt die Beschreibung der Chin- chona gironensis bei, wozu Smif/i (a. 0. S. 521 — 523) bemerkt: Specimens of this plant do not occur among the Communications of Mütis to Linnaeus, by the fruit, a berry of 5 cells, it appears to be no Cinchona. J770, 14. August: Gutachten an den Vicekönig über zwei Proben von Kinarinde; in gleichzeitiger Abschrift auf der Bogotäer Bibliothek zweimal vorhanden; gedruckt in Rui: i/ Pavon , Suplemento ä la Quinologia (Madrid 1801) S. 27 ff. Mütis sagt: Por haber dirijido todas mis escursiones bota- nicas fuera de los 5 grados de Ij. B., no pudo conseguir la quina liasta que el aüo de 72, viajando en compania de Pedro Ugarte, logre liollarla en el monte de Tena y el ano siguiente en el de Honda; teniendo entonces el honor de presentarla al Bxcelentisimo Seüor Don Manuel Guirior. 1777, 8. Februar. Brief an Linne nebst drei Anlagen, von denen die erste, ein Verzeichniss von eingesandten Pflanzen, besagt: No. 89. In my list this specimen is Cinchona Bogotensis, the same with the peruvian er officinalis, observed by me about the town of Bogota ever since the year 1772. r have had a most beautiful drawing made of it. Smifh (a. 0. S. 530) setzt liinzu: Mütis's specimen, with flowers and fruit, scarcely seems the same with the true officinal plant, brought by Mr. de la Condamine. — 435 — 1778, 30. Juni. Brief von Mfitis an den Yiceküni«;, nieht erhalten; der Tnhalt desselben wird jedoch von Lopez in der Cnmohgiu anfjeliihrt (vergl. Anni. 22). 17 7 ü, 12. .September. Briet" an Linne jr.: 1 um situated at a very great distance froni the place where I niet with the Perwvian Bork, C'inchonu officinalis, growing wild, where also grows the Mntisia; I sent all my spe- cimens of the CinelMma before iny departure. along with a most elegant draw- ing, to the Royal Museum, bringing with ine a still l>etter figure; whenever I go to the town of Bogota, 1 will forward the latter as well as a specimen to you. Smith a. O. S. 545. Für das botanische Verständniss der Mi'itis'schen Kina-Studien und der eingeschlichenen Irrtiiiimer sind Folgende moderne Schriften von Wichtigkeit: Ah'.raii(ler ron Hiim/jo/d/, Ueber die Kina-AVälder in Südamerika, ^fagazin der Gesellschaft naturforschender Freunde (Berlin 1807) S. 57 — G3 und S. 104—120, Hermann Karsten, Die medicinischen Kinarinden Neu-Granadas (Berlin 1858). Clements R. Markham, The Chinchona Species of New-Granada, containing the botanical descriptions of the species exaniined by Drs. Mütis and Karsten (London 18G7). Vergl. desselben Verfassers Travels in Peru and Tndia (London 18G2) S. 1—59, Jose I, Triana, Commission chorographiciue des fitats Unis de la Colombie — Nouvelles fitudes sur les Quinquinas accoinpagnöes de Facsimile des dessins de la Quinologie de Mütis (Paris 1870). Vergl. Anm. 146, Triana sagt in diesem sehr bedeutenden AVerke (a. 0. S. 10): Humboldt in- sista sur le fait que Mütis n'avait point envoye ä Linne le vrai Chinchona officinalis, mais bien son Chinchona cordifolia ou Quinquina jaune, et que le Chinchona macrocarpa autiucl Valil avait rapporte le Chinchona officinalis, etait certainement le Chinchona ovalifolia de Mütis lui-meme, ajoute Hum- boldt, me l'a verbalement et plusieurs fois affirme Der Irrtlnun von Mütis, dass seine Chinchona cordifolia mit Linne's Chinchona officinalis in der Species plantarum identisch sei, ist am schärfsten von J. K. Howard ausgedrückt, welcher sagt: 1 dircct particular attention to this iniportant admission, that the celebrated Linnaeus followed Mütis, whose specimens — one of which I have recently seen in the Museum of the Jardin des Plantes at Paris (Kxtrait de riierliier-Barbier) — represent any- thing rather than the true Ciiinchona officinalis. All the identifications of Mütis are incorrcct. Vergl. Markliam, Chinchona species etc. S. 27. 15. Francisco Antonio IVIoreno y Escandon, der Begründer der Bogotäer Bibliotliek, ist unter mehreren Vicekönigen Fiscal und Protector der Indianer gewesen; seine Biograi)hie hat Manuel Marrorjuin in der Bogotäer Zeitschrift bEI Mo-saico", IV. So. 7 U". , veroiientlicht. Der in dieser Biographie be- sonders besprochene Studienplan von Moreno bildet eine Fortsetzung der durcli den Mütis'schen Mathematik-Unterricht gegebenen vVnfänge. Der vice- 28* — 436 — königliche Bericht vom 18. Januar 1776 {Garcia a. 0. S. 145) sagt über dies Programm : Ilabieiulolo verificado co» total acierto y muy conforme ;i las reales iiiteiiciones, fue oxaminado en la Junta superior y aprobado con universal aplanso. Vergl. auch Mendinueta's Urtheil von 1803 bei Garcia a. 0. S. 486. Moreno's Schi-ift von 1772 ist vollständig in den „Anales de la Univer- sidad de Colombia", IV. S. 34 ff., und der Hauptsache nach bei Garcia a. O. S. 19—81, sowie bei Ulanco a. 0. IV. S. 174—214, abgedruckt; sie ist be- titelt: Relacion del estado actual del Nuevo Reino de Granada, comprensiva de lo militar, politico y civil. In Zerda's Scheidebericht (a. 0. S. 107) heisst es über die in dieser Sclu'ift erwähnte Karte: „Para el raas cabal desempeiio de esta relacion se propuso la formacion de un piano geognifico, ü que cor- respondiese la especifica noticia de todo el reino, cada una de sus provincias, plazas y principales ciudades.'" Die Karte ist nie vollendet worden; ein Stück von ihr findet sich in Bogottä unter folgendem Titel: Descripcion geogräfica que comprende la visita practicada por el seiior doctor Don Franscisco Antonio Moreno a consecuencia de Real Cedula, fechii ä 3 de Agosto de 1774; levantado y delineado en Bogota ä 26 de Marzo de 1781 por Francisco Javier. 16. Die amerikanische Familie Mütis hat einen Bruder des Professors, Manuel Mütis, zum Stammvater. Dieser war verheirathet mit Ignacia Consuegra und ertrank 1793 während einer Geschäftsreise im Magdalena -Strome. Nach Familienangaben wurde von den Kindern dieses Mütis — Jose am 8. Januar 1772, Sinforoso am 18. Juli 1773, und Facundo am 25. November 1775 ge- boren. Sinforoso, 1817 von den Spaniern freigegeben (vergl. Restrejjo a. O. III. S. 54), starb zuerst, nämlich 1825, Facundo 1839, Jose 1858. Die beiden Letzterwähnten nannten je eines ihrer Kinder nach dem Grossohm Celestino. Von den Töchtern wurden zwei, Bonifacia und Justa, Nonnen; die älteste, Micaela, heirathete Miguel Valenzuela, den Bruder des in folgender An- merkung erwähnten Geistlichen, und starb am 12. Januar 1841, 58 Jahre alt; die jüngste, Dominga, heirathete Pedro Canal und starb 1834. Für diese Familienverhältnisse bildet die Hauptquelle eine handschrift- liche Briefsammlung, welche Adolph Harker in Ambalema besitzt; sie ent- hält folgende von Mütis an seine Schwägerin geschriebene Briefe: 1793, 12. Januar, 14. Mai, 6. und IG. October; 1794. 21. April, 6. und s. d. Mai; 1795, 11. Februar und 6. Juni. Es ist nicht aufzuklären, ob und wie zwei Personen, die später genannt werden, mit Professor Mütis verwandt waren; in der Schlacht bei der Cuchilla de Tambo soll nach Groot, a. 0. II. S. 426, ein Jose Mütis, mit dem Bei- namen Cejirucio, gefallen sein, während Ancizar 1852 in Rosario de C'ücuta eine Manuela Mütis getroffen hat. Einige Nachrichten über die Familie finden sich in Saluniino Verf/ara y Leonidas Scarpetta, Diccionario biogräfico de los campeones de la liliertad de Nueva Granada, Venezuela, Ecuador 1 Peru (Bogota 1879); z. B. S. 381 und 382. — 437 — 17. Juan Eloy de Valenzuela y Conde, geboren /.ii.Tiioii um 20. .Juni 1750, Sului von Pahlo A. de Yulenzuelii und Nicoliisa Miintillii, ward am 20. October 1770 in das Colejio del Rosario aufgenommen Biograjiliisehe Notizen bei Ver(/ara a. O. S. 290 IT. mid 8. 4<>0 fT. und 40S. sowie Ve:(ja a. 0. S. 178 ff. Der Pfarrei Buraramanga, die 1778 errichtet wurde, .stand er seit 1792 vor; ein Sehreiben von ihm. d. d. 22. September 1799, an den Rector Caicedo findet sieh im Ifumboldt'sehen Naehlass. IJci den Vorarbeiten für eine Flora Bogotanu wurde ein Genus Valenzuelia geiiaiuit: Dedieatum Domino Eloy Valenzuela, cpii prinnis discipulus Domini .Josephi C. Mutis in ereetione expeditictnis botanieae l'uit, eonsors et conlaborator. Gegen Valenzuela richtet Cäldas in seiner Memoria 7« eine kritische Bemerkung, deren Anlass nicht ganz verständlich ist, Ueber eine Wege-Anl.age von Valenzuela vergl. Acosta, Semanario S. 285. Nach Ausbrudi der politischen Bewegung bekleidete Valenzuela zuerst unter dem Titel ..('apellan'' die Präsidentschaft einer Provinzial-Junta von Jiron. Vergl. Restrepo a, (). I, S. 90 u. 94. Er starli 1821 durch Räuberhand. In den Unabhängigkeitskriegen zeichneten sich noch aus: Eloy's Bruder Miguel sowie deren Vettern Crisante und Jose Ignacio. 18. Jose Ruiz y Rocha ist zwiefach verwechselt worden; erstlich mit ,Ruiz Pavon", d. Ii. mit Hipolito Ruiz oder mit Jose Pavon, vergl. Smitli a. 0. II. S. 525, sodann mit Sebastian Jose Lopez de Ruiz, vergl. Aimi. 22; z. B. vergl. Pere: a. O. I. S. 432. Ruiz studirte in Upsala bei Johann Gottschalk Wallerius, der am 16. No- vember 1785 starb; über diesen handelt Dietrich SlSver, Leben des Ritters Carl von Linne L (Hamburg 1792) S. 236 ff. Carl Degenhardt (Anm. 153) bestätigt, dass nach „dem Schüler Linne's" der Päramo gleichen Namens genannt sei; Pere: (a. 0. IT. S. 513) sagt: El päramo de Ruiz deriva su nombre del de un Espaiiol ([ue tuvo un liato por alli, abandonado luego al sobrevenir la guerra de independencia: circunstancia (pie ocasionö el alzamiento de los rebanos. Ins cnales desde entönces vagan por aquellas rejioiies en plena libertad. 19. In Linne's Werken erscheint Mütis als Mitarbeiter erst spät, nändich in der Mantissa altera plantarum generum (TTolmiae 1771), und zwar im Ver- zeichniss der genera bei Acaena (No. 1293), Bcfaria (1310) und 'I'rilix (1313) sowie unter Characteres reformatae bei Brabejum (No* 160) und unter den Speeies bei Acaena elongata, Krameria aftinis, Tradescantia nervosa, Trilix lutea und Hypericum bacciferum zweimal mit dem Zusatz Mejico; diese Pflanzen muss Mütis schon vor der Rückkehr nach Bogota abgesendet haben. — 438 — Ijinne nennt noch am 20. Deccmbcr Mejico als Aufenthalt von ^[ütis; vergl. iSmith a. 0. I. S. 275. Aiu-h in dem Supplementuni phintarum systeniatis vegetabiliiim (Brunsvigiie 1781), das nach Ijinne's Tode erschien, wird auf Mejico hingewiesen bei Hydrocotyle ranunculoides (S. 177), Atractylis Mexi- cana (S. 350), Cacalia lauriflora, corditolia und asdepiadca (S. 351 und 352), Erigeron tricuneatuin, Ferraria i)avonia (y. 407), Urtica rliombea (8. 417). Diese Stellen werden also noch aus Linne's eigener Feder stammen und vor der Anwesenheit von Ruiz niedergeschrieben sein. Humboldt erwähnt in der Biographie von Mütis (a. O. Ö 658 und 6(J0), dass Linne folgende Aussprüche über Letzteren gethan habe: Nomen immortale, cpiod nuUa aetas delebit und Phytologorum Americanorum priuceps. Bei Beschreibung der Mutisia clematis (a. 0. S. 57) sagt Limie: In memoriam Josephi Celestini Mutis, Americes summi botanici, qui historiam plantarum Americanarum, imprimis ])almarum, pulcherrimam parat. Der jüngere Linne, dessen Briefwechsel mit Mvit.is bei Smith a. 0. S. 535 bis 550 sich findet, nahm in das Supplementuni etc. noch andere Beschrei- bungen von Mi'itis auf (z. B. S. 17, 21, 3!), 42, 47, 53); er machte ihn als Einsender namhaft (S. 43, 86, 129, 134, 144, 145, 150, 156, 158, 168, 173, 207, 216, 227, 231, 233, 236, 237, 238, 246, 247, 250, 261, 264, 266, 268, 269, 280, 287, 288, 291, 293, 309, 315, 335, 345, 348, 349, 354, 355, 358, 368, 373, 378, 369, 393, 394, 408, 419, 420 und 422). Die von Mütis mit Namen be- legten Genera finden sich unter No. 1397, 1398, 1401, 1402, 1408 und 1419. Vergl. über die Details Schumacher , Limie's Beziehungen etc. a. O. S. 572 bis 574. Ausführlichere Hinweise auf Mütis bei der Psychotria emetica (Ipecacuanha), dem Myroxylou peruiferum, der Alstonia tlieaeformis, Begonia und Cocos butyracea (a. 0. S. 145, 233, 264, 419 und 450). Bei letztgenannter Pflanze heisst es: In America calidiori etiam dari palmas sebiferas et ceri- feras audivit Mutis : pulcherrima palmarum historia, botanice elaborata, bota- nicis exspectanda ab acutissimo observatore D. D. Mutis, qui per plures annos in ipsa palmarum patria vixit. Das Manuscript dieser Abhandlung über die Palmen findet sich noch in Madrid. 20. Francisco Requena y Herrera war drei Jahrzehnte lang in Aonerika, obwohl er bloss dahin ging, um die fünf Colonial-Dienstjahre abzumachen, welche in seinem Berufe zur Erlangung der höheren Stellen in Spanien nöthig waren. Er beschäftigte sich zuerst mit dem Umbau der Festungen Chagres und Portobello, machte darauf in Darien Aufnahmen und kam 1768 nach Cartajena, um die Festung zu zeichnen; sodami erhielt er den Auftrag, die Provinz Quito zu vermessen; es folgte die erste Erncniuing für die Grenzbestimmung im Amazonas-Gebiet, gegen die er remonstrirte, da er nicht Astronom sei; er wurde Gouverneur von Maynas und im April 1780 erster spanischer Grenz- Commissar. Für diesen Posten waren entscheidend: die Staatsverträge vom 1. October 1777 mid 11. März 1778 nebst der Ausführungs- Verordnung vom 6. Juni 1778. — 430 — AiiitliclR' iuricliti' ik's (ireiiz-C 'i)imnissar> l{t'i|ii('iiii liiidcn siili im IJouoläc'r Arcliiv. Folgende, die theils an dtii Viceköing von Xeii-Cininiidii . llicils an rriisidcntin von Quito sich richten: 1780: Onnip^uas, 12. Juli, 15. September, 15. Novrndxr und "J. Dt^ciMnlicr. — 17S1: Tahatiniia. 17. März, 1. Mai, 8. und 12, Juni unil i». An<,ni.st; Efjti, i». und 30. OctulKr. — 1782: 11. Februar; Cupiiti, 28. März und 18. April; K,i?a, 25. und 28. August, 13. September und 29. Novend)er. — 1785: Kgu, 1. Juni. — 1787: Iv^ii, 1 1- Januar — .-^ind auszugsweise ndtgctiieilt in -hsi} Mariti Qiiijaim ()., .Mcninria liistin-jca sobre liniites entre lii repüblicii de Colombia y el iniperio del Brasil (Hogota 18G!»). Von Rec|uena's Gehülfen, Felipe de Arcchua werden Berichte vom 10. Mai und 20. Juli 1782 sowie vom 28. April 1783 erwähnt. Ausserdem liegen die (Jrenzdocunientc vom 5. Juli 1781 und 2(j März und KJ. December 1782 {Qiiijoiiii a. O. S. 137. 183 inid 204) vor, ferner ein Diario del viaje, hecho al Yupurä para su reconocimiento por las dos partidas de Sus Maje- stades Catolica i Fidelisiina, destinadas para la demarcacion de los limites entre las dos Coronas; die Reise dauerte vom März bis Angu.st 1782; endlich Fraiuidci) Rci/twiia i Vicente Aguilar, Memoria de las demarcaciones de limites en America. Die Absätze dieser Denkschrift uidjekannten Datums sind numerirt und \\iit Quijauo a. 0. folgende abgedruckt. No. 46 — 56 (S. 135 — 138), No. 59-(33 (S. 140-141),. No. 218—225 (S. 138—139), No. 226-229 (S. 141 und 142), No. 248—300 (S. 163-170). Ke(|uena, dessen Secretär Gaspar Santistevan war, wurde 1790 aus Ega abberufen, wo an seine Stelle Diego Calvo trat. Er ging 1794 nach Spanien zurück; vergl. auch Agustin Codazzi, Nota sobre el viaje del injeniero Fran- cisco Beciuena bei Perez a. 0. I. S. 490, sowie Blanco a. 0. II, S. 51. Hunil)()ldt copirte in Quito eine Karte von Requena, die folgenden Titel trug: Mapa del rio Maraiion para acompaiiav ä la relacion sobre las ope- racioncs proyectadas en la demarcacion de limites, construida ])or el Tcniente f'oronel y Injeniero ordinario D. Francisco Rocpiena. 1783 Vergl. Ihimholflt, Relation histori([ue du voyage aux regions equinoxiales du nouvean conti- nent etc. IL Paris 1819 (Band XXIX des grossen Reisewerks) S. 442 Anni.: J'ai tirö de cette carte des renseignemens geographi(|ues entierement inconnus sur les pays entre le Napö, le Putumayo, le Yupurä et Ic Rio Negro. Andere zumTlieil sehr wichtige Karten von Requena sind in Bogota erhalten; vergl. Anales de la instruccion publica IV. (Bogota 1882): Catälogo de los mapas, plaiios, cartos hidrogräficas etc., existentes en la Biblioteca luicional, z. B. S. 68, 129, 145. •21. Vicekönig Manuel de Guirior regierte vom 22. April 1773 bis 10. Februar 1776 in Bogota; er unterschrieb am 18. Januar letzteren Jahres seinen Scheidebericht , eine schwerfällige , bis in die ELuzelnheiten eingehende Canzlei- Arbeit, welclie übrigens als historische Quelle deshall» werthvoll ist, weil sie eine grosse Menge von Urkunden anführt und viele rersönlich- — 440 — keiti'U iKimliaf't iiuiclit. Abgodrue-kt hei Blanco :i. 0. IV. S. 228 — 263 uiul Garcia ji. O. S. 111 — 180. Humboldt erhielt Abschrift 1801 in Bogota. Guirior bliel) l)is 1782 Vicekönig von V('y\\ und starb in Madrid 1788. 22. Sebastian Jose Lopez', geboren PananKi 1738, Sohn von ^Manuel Jose Lopez und 3Iaria de Kuiz, ist erst spät durch die Botaniker der peruanischen Expedition (Anm. 28.) in Anlass seiner Gegnerschaft gegen Mi'itis bekannter geworden. Quellen, die auf ihn speciell sich beziehen, sind erst nach seiner zweiten spanischen Reise, auf der er mit ITipolito Ruiz zusammentraf, vor- handen; es ist nämlich seine am 27. Januar 1778 geschriebene Streitschrift über die Missbräuche im Bogotäer Medicinalwesen ohne jeden Werth. Alle folgenden Schriften von Lopez richten sich gegen Mütis, enthalten meist thatsächlich richtige Angaben und schlagen einen sehr scharfen Ton an. Es sind zu nennen: 20. Mai 1784; Bogota: Cronolojia del hallasgo de la ([uina de Santafe de Bogota (handschriftlich); Lopez erklärt, kein Botaniker zu sein, und l'iilirt seine Kina - Entdeckung auf Juni 1774 zurück. Die Schrift kritis'irt ein Ministerial-Erlass vom 17. März 1785, dessen Original im Besitz des Herrn Jose Maria Quijano 0. sich findet. 30. Juni 1789; Bogota: Suplemento ä la cronolojia (handschriftlich). Am Schluss von anderer Hand die Notiz, dass Mütis diese Schrift sofort gelesen, aber nie beantwortet habe. 1793; Madrid: Relacion del viaje hecho de Bogota ä las montaiias de OS Andaquies y misiones de los rios Caquetä y Futumayo para inspeccionar y cultivar los ärboles de Canela silvestre im Memorial literario. 1793, October; Madrid: Descriptio plantae, Toluifera dictae in der an- gegebenen Zeitschrift. 1794, Mai; Madrid: Carta sobre la quina, ebenda. 19. November 1794; Madrid: Relacion de los meritos y sei'vicios de Don Sebastian Jose Lopez Ruiz. Wegen dieser Druckschrift vergleiche auch Memorial literario II. (Madrid 1794) S. 278—284. 19. October 1801; Madrid: Defensa y demonstracion del verdadero des- cubridor de las c[uinas del reino de Santafe de Bogota. Darüber schreibt Humboldt zu Quito an Cavanilles in Mejico am 22. April 1803 de la Rn- quette, Corresijondence inedite, scientifique et litteraire (Paris, s. a.) I. S. 165 — Mr. Jjopez m'a communique son memoire sur le quinquina avant de l'imprimer, et je lui dis alors que ce mcfnoire prouvait evidemnient que Mr. Mütis avait decouvert le quinquina sur le montagnes de Tena cn 1772, et que lui (Lopez) l'avais vu pres de Honda en 1774. Durch Erlass vom 4. Mai 1805 wurde Lopez als Erheber des Indianer- Tributes nach Quito versetzt; die letzte dortige Nachricht über ihn gehört dem Jahre 1809 an. — 441 — '23. Vicekönig Manuel Antonio de Flöres hatte seinen Sclieidebericlit vor dem 1. Miirz 17iS2 un Jiiun de Turrcz:il Diaz l^iniienta, di-n InyliLTiirt^"!! Oouvernoiir von Cartajena, zu ül)er^:el)en; es liegt jedocli kein solche.s .Scinüftstiick vor. Diejicr llegiorung.siibergang ist dunkel, wie die Regierung selbst, auf welche der Nachfolger Torrezal's einen Rückblick von selir zweifelhaftem Werth wirft. Yergl. Garcia a. 0. S. 181 — lf)t. Flores ist der einzige neugrana- dinische Vicekönig, der die Auszeichnung erfuhr, nach Mejico versetzt zu werden; er erhielt bei dieser Gelegenheit den 'J'itel ('oiuU^ de C'asa Flöres und ist schwerlich bisher richtig beurtheilt worden; jedenfalls verdient er, als Urheber der ersten Statistik von Neu-Granada Beachtung; er suchte auch die Cochenille-Zucht auf der Hochebene von Bogota einzubürgern, nmsste aber meist in Cartajena residiren. '24. Der Mütis'sche Aufenthalt im oberen Magdalena-Thale begann Anfang 1775 und schluss Ende IT'Jl, die llaujjtpunkte desselben sind folgende: IhagiK', vollständig San Bonifacio de Ibague, durch wiederliolte Feuers- brünste sehr mitgenommen, ist nicht selbst ein Bergwerksplatz, vielmehr ein Ackerbau treibendes Oertchen; 1870 wurden 10346 Einwohner angegeben, worunter jedoch die Passanten einbegrifien waren. Ibague estä situado al pie de los Andes de Quindio, region que abunda en palmas, disfruta de un eielo sereno y del mas delicioso clima: niliil quietius, nihil muscosius, nihil amoenius; altura 1368 metros; sagt Acosta, Semanario de la Nueva Granada (Paris 1849) S. 359. Sopo, vollständig Real del Sapo, ist ein jetzt kaum noch geiuinntcF Minenort am Cuello-Fluss. Väryua schreibt (Konig and Sims a. 0. S. 496): The spot whiclv ^lütis chose for his ordiiuiry residence was truly romantic. His dwelling house stood upon an acclivity coramanding the enchanting prospects over that extensive valley through which the river Luisa winds its devious course; the groves of palm-trees and all the rural scencry in the vale below surrounded by a chain of hills that gradually rise one abovc the other tili they are lost among the clouds, atford a spectade at once pleasing and majestic. Maiii/i/ita, urspriinglich San Sebastian del Oro de Marequetä, ist 1776 Regierungssitz geworden. Pnrc a. O. II. S. 66 sagt: Nada le queda de su antiguo esplendor. Zweifelhaft ist es, ob der Ort jemals neimenswerthe Be- deutung gehallt hat. Man zeigt in ihm noch jetzt, ausser dem Sterbehause von Gonzalo Jimenez de Quesada, auch das Haus der botanischen E.xpedition, dessen wissenschaftliche Bedeutung die noch von Mi'itis herrührenden Zimmet- bäume und eine höchst primitive Sonnenuhr in Erinnerung bringen. .Mari- (iiiita iiatte 1870 2094 Einwohner. — 442 — 25. Erzbischof Vicekönig Antonio Caballero y Gongora ist' unter allen Erzbischöfen von H(),i;()t:i der l)e(ieiiten(lste; sein Vor^-änger war Af^-iistin Avarado y Castillo, der 1778 Jüseliüf von Rodrigo in Spanien wurde. Caballero <>ründetc die Bisthiinier von Merida und Cuenca und setzte es durch, dass die von Popayan und Panama aus dem Verbände mit dem Erzstift I.ima ausschieden. Ueber seine Regierung als Vicekönig sind handschriftliche Quellen vor- haiuleu. Ein wiclitiges Actenstiick lindet sich bei Groot a. O II. S. 471) auszugsweise mitgetlieilt; der von Ignacio Cavero verfasste Scheideberidit ist bei Garcia (a. O. S 181— '280) abgedruckt. Er bildet die beste Type für die Urkunden gleicher Art; Espeleta (a. 0. S. 282) nennt ihn aber 1796 mit Recht: una relacion ([ue puede tenersc como una apolojia. Als Rechtfer- tigungs- und Vertheidigungs-Schrift ist die umständliche und gelehrte Arbeit charakteristisch fiir den Kirchenfürsten, dessen Regierung von Bogotäer Schriftstellern vielfach missverstanden ist, weil diese dem Bericht kritiklos gegiauljt haben; der alte wackere Jose Maria Lozano sagte zu Caballero, sein Koch sei Gouverneur, sein Kutscher Correjidor, sein Neveu der erste aller Schmuggler. Die Arbeit von Cavero enthält bei ihrer Ausführlichkeit und guten Disposition viele Daten von Bedeutung, namentlich auch geo- graphische und statistische, letztere meist nach den von Flures angeordneten Aufiuihmen. Im AlKb-uck bei Garcia steht S. 220 Matiz irrthümlich für Mütis, der sonst vielfach im Berichte erwähnt wird; anderer Abdruck bei Hlancü a. O. IV. S. 263—300. Humboldt erhielt 1801 in Cartajena Auszüge aus diesem Bericht von dessen Verfasser selbst und darauf in Bogota das ganze Schriftstück. Für die Geschichte des Erzstifts Bogota ist die einzige Quelle Fernando Caicedo y Flöres, Memorias para la historia de la santa iglesia metropolitana de Santafe de Bogota (Bogota 1824). Ueber die Geschichte des Bürger- und Bauern-Aufstandes von 1781 vergl. Manuel Briceiio, Los Comuneros (Bogota 1880); die hier abgedruckten Urkunden sind sehr lehrreich, während die Einleitung der Kritik bedarf. 26. Die Arzneiwissenschaft zu Bogota hat Mütis wohl angeregt, aber nicht, wie oft Ijeliauptet ist, als Lehrer gefordert. Von Mütis stanunen übrigens ver- schiedene weitläufige medicinische Schriftstücke: eine für Caballero 1780 verfasste Abhandlung über die Diät im heissen Klima (handschriftlich), Vor- schläge von Mitteln gegen Dysenterie, erwähnt in der Cäldas'schen Me- moria 8'' (Bogota 1810) S. 19 ff.; eine Instruction über die Behandlung der 1782 durch die Expedition von Panfilo de Narvaez eingeschleppten Blattern, abgedruckt im Correo curioso (S. 108 u. 109 ff.) vom 25. August 1801, sowie ein gemeinsam mit Miguel de Isla, Honorato Vilo und Ignacio Daran abge- fasstes Gutachten über Impfung resp. Impfzwang; ausserdem ein Bericht über — 443 — die seit IfiU? In'obaflitele Lepra liizariiia, iilter die nur die Notizen liei Plaza a. O. 8. 351 und Wzya a. O. S. 77 erlialten sind ■ Im Colojio del Rosari(» zu Bogota bekleidete Mi;;iiel de Isla die erste Professur der Medicin; über diese sagt Mendinueta im Decendjer 1803: la eätedra, estableeida con real aprobacion. iio haee mueho tiempo, era una de las eonslitueionales 6 de runilarion del ("olejio del Rosario y alguna vey hubo quien la rejentase; pero i^tr la niayor parle lia estado vacante y per- maneceria sin profesor, si el bueu celo del maestro Don Miguel de Isla, medico de la tropa, no le hnbiese estimnlado ;i servirla gratnitamcnte. Sobre foudos e arbitrios para la dutaeiuii liai expedieiite; vease la real orden de 20 de Novembre de 18(X). Siehe Qnrvia a. O. S. 4H7. UeV)er Isla's Tod vergl. Gruot a. O. II. S. 144. Die Oriraiiisation eines öfTentliclien Mcdieinahvesens in Neu-Granada ist mehrlaeh geplant, namentlich infolge einer künigliehen Verordnung vom 16. October 171I8; die oberste Gesundheitsbehörde , der Mi'itis angehörte, ein Bogotäer l'rotomedieat, kam aber nie in Gang. Der Nachfolger von Isla (t Juni 1S04) in der Professur war Yicente Jil de Tejada, Laienbruder des Franciscaner-Ordens. 27. Juan Jose d'Elhuyar, gebürtig aus Logrono, ist weniger bekannt als sein jüngerer Bruder Fausto; die Grundlage des Rufes, den Beide genossen, bildet die Schrift: Jone // Fausto d'K/Jiuijar, Analysis ipiimica del Wolfram (1783); englische Uebersetzung von Cullen, deutsche von Gren. Ueber Jose ist die Rede in Hirster, Neue Berlinische Monatschrift (1802) S. 456 fl'., und Gi/kert, Annalen der Physik XVI. (Halle 1804) S. 454 Anm. ; an erstgenannter Stelle fügt Geheimratli Karsten dem Ilundioldt'schen Brief vom 21. Septeiidjer 1801 einige biographische Bemerkungen hinzu. Eine t'orrespondenz zwischen Mütis und d'Elhuyar aus den Jahren 1785 bis 1790 befindet sich im Besitz von Jose Maria Quijano Otero zu Bogota. D'Elhuyar heirathete in Mariquita Josefa de Bastidas, sein Sohn Tjuziano zeichnete sicli im Unabjiängigkeitskriege aus; vergl. Jose Maria liaraija, Bio- grafias militares (Bogota 1874) S. 52 — 64. Sein Tod ist dem Datum nach nicht genau festzustellen; denselben erwähnt Espeleta bereits 1796, vergl. Garcia a. 0. S. 345. Die Vorwürfe gegen d'Elhuyar fasste Mendinueta 1803 folgendermaassen zusammen: Juan Jos6 d'Elhuyar pudo haber desempenado la direccion de las minas del reino, pero en lugar de emplearsele en este objecto, se le destinö al laborco de las minas de plata de Marif|uita por cuenta de la real hacienda. Ver":l. Garcia a. O. S. 494. '»' •28. Spaniens botanische Expeditionen gehören zu den grossartigsten Unter- stützungen, welche den Wissenschaften vom Staate gewährt worden sind. Hum- boldt, Essai politique sur le royaiune de la Nouvelle Espagne I. (Paris 1811) — 444 — S. 120, sagt: Dc'[)uis la fiii du rrgne de Charles IIT et depuis celui de Charles IV l'etude de sciences naturelles a fait de grands progres dans toutes les colouies espagiioles. Aucun goiivernement europeen n'a sacrifie de sommes plus con- siderables pour avancer la coiuiaissance des vegetaux, que le gouvernement espagaol. Trois expeditioiis botaniques, celles du Perou, de la Nouvelle Grenade et de la Nouvelle Espagne, dirigees par MM. Ruiz et Pavon, par Don Jose Celestino Mütis, et par MM. Sesse et Mocino, ont coüte ä l'etat l)res de deux niillions de francs. En outre, des jardins de botaniciue ont ete etablis ä Manille et aux iles Canaries. La comnüssion destinee a lever les plans du canal de les Guines, tut aussi chargee d'examiner les productions vcgOtales de Tile de Cuba. Toutes ces recherches faites pendant vingt ans dans les regions les plus fertiles du nouveau continent, n'ont pas seulement enrichi le domaine de la science de plus de quatre mille nouvelles especcs de plantes, ils ont aussi contribue beaucoup a repandre le goüt de l'histoire naturelle parmi les habitans du pays. Le public ne jouit encore des decou- vertes faites par l'expedition de l)otanique du Perou et du Chili; les grandes herbiers de M. Sesse, et l'innnense collectio)i de dessins de plantes mexi- caines faite sous ses yeux, sont arrives ä Madrid depuis l'aiuiee 1803. On attend avec impatience la publication de la Flore de Santa-Fe et de Bogota, La derniere est le fruit de quarante ans de recherches et d'observations faites par un des plus grandes botanistes du siccle, par le celebre Mütis. lieber die peruanische Expedition — Ruiz und Pavon erwähnen 1801 varias cartas que Mütis nos escribiö desde Santafe al Peru und speciell una con fecha de 2 de Agosto de 1770 — ist Markham, Travels ete. a. O. S. 30 fif. zu vergleichen. Ueber die mejicanische Expedition vergi. Anales de la historia natural II. (Madrid 1800) S. 54, V. (1802) S. 288 ff. VI. S. 304, sowie Alaman, Historia de Mejico I. (Mejico 1849) S, 115. Ueber die neugraiiadinische Expedition handelt die königliche Verord- nung vom 1. Novemljcr 1783, welche Ezequid Uricoecliea in der Bogotäer Zeitschrift El Mosaico I. No. 19, S. 145 vom 30. April 1859, zuerst ver- öffentlicht hat. Wiederabdruck bei Vezga a. 0. S. 69 und Nunez a. O. S. 41- Der erste Bericht von Caballero d.d. I.März 1783 ist ebenso wenig erhalten wie das von Mütis am 27. März 1783 unterzeichnete Programm dieses Unter- nehmens, das Ruiz und Pavon später anfidu'en; es finden sich jedoch in der National-Bibliothek zu Bogota zahlreiche handschriftliche Materialien, welche die Expedition betreifen, namentlich Erlasse und Berichte aus den Jahren 1785 — 1788, sowie zwei Schriftstücke aus dem Jahre 1791. Die drei von einander ganz selbstständig dastehenden Expeditionen sind von Specialforschern wie von Geschichtschreibern vielfach verwechselt worden, indem Mütis sowohl mit der peruanischen wie mit der mejicanischen in Ver- l)indung gebracht wird. Charakteristisch für diese Verwirrung ist die fol- gende Stelle aus Antonio Feirer (kl Rio, Historia de Reinado de Carlos III en Espana (Madrid 1856) IV. S. 498: AI Peru, Nueva Granada y M6jico, fueron las (expediciones) dirijidas por D. Hipolito Ruiz, D. Jose Pavon y D. Jose Celestino Mütis acoinpanado este ultimo por los Senores Sesse y Mocino, discipulos todos 6 correspontientes del Jardin Botänico de la Corte. — 445 — 29. Die ersten Mütis'schen Schriften, soloiie vor 1783, sind nicht siclier nach- zuweisen; es finden sich jedoch kleinere Arbeiten, welche dieser früheren Zeit anh la Roqveffe a. O. I. S. 165): Les idees qu'on a repandues en Europe sur le caractere de cet homme celebre sont on ne peut plus fausses. II nous a traites ä Santafe avec cette franchise qui avait de l'analogie avec le caractere particulier de Banks; il nous a commmiique sans reserve toutes ses richesses en botanique, en Zoologie et en physique; il a compare ses plantes avec les nötres, et nous a permis enfin de prendre toutes les notes que nous desirions obtenir sur les genres nouveaux de la flore de Santafe de Bogota. II est dejä vieux, mais on est etonne des travaux qu'il a faits et de ceux qu'il prepare pour la posterite: on admire qu'un seul homme ait ete capable de concevoir et d'executer un si vaste plan. 58. Jorje Tadeo Lozano, geboren zu Bogota am 30. Januar 1771, Sohn von ^larques Jose Maria Lozano de Peralta und Tadea Gonzales Manrique, hat keinen eigenen Biograplien gefunden; Notizen über sein Leben bei Vcnga a. 0. S. 108 und Vt-rijam a. O. S. 387 ff. Er ward am 14. October 1781 ins Colejio del Rosario aufgenommen, um Medizin zu studiren und kam 1797 aus Spanien zurück. Humboldt nennt ihn une personne tres eclairee in den Yues des Cordilleres etc. I. S. 11. Seit dem 17. Februar 1801 gab er ein halb politisches, halb wissenschaftliches Blatt heraus, das 4(j Nummern erlebte : Correo curioso, erudito, ecouömico y mercantil ; eine Zeitschrift, der Vergara a. 0. S. 356 mit Unrecht grösseres Interesse abspricht. Eine zur fauna Cundinamarquesa gehörende Abhandlung von ihm in Cäldas, Semanario (1809) No. 49 ff. S. 355 fl'.; vergl. S. 386. — 465 — Unter der Bcsclireibung Lozania stand in der Flora Bo<]rot;ina: Cenus dicatum 1). Georgio Tliadeo Lozano, Aniericaiiae naturae scrutiitori et iio.strae exjjeditionis socio, ((ui Faunae Ciindinaniar(|uensis priiiiain centuriam iconibiis splendidissimis propriis expensis optiine absolvit; utinain in lucem publicani prodiret et zoolosriani Novi Regni Oranatensis iiieeptani autor conipleret. Auf dem im Culrjii) del Rosario vorhandenen l'ortrait, einem EriKstbilde. das einen weisshaarigen Kopf darstellt, steht neben der Unterschrift vom 9. März 18;] 7: tem('i(|Ue la barbaries de sus enemigos haya »piemado los maiiuscritos d»' este hoinbre observador. Im Todesurthcil wird als licsonders ersi'liWfriMide Thatsachc die Rfdactimi der Zeitung Antcujo hervorgehoben. 59. Die Fische der Bogotäer Hochebene, le eapitan de Bogota et le Guapacha de Bogota, sind von Humboldt bereits im Tagebuch beschrieben und später liehaiidelt im Memoire sur rErcm()])liilus et Astroble])ns, deux nouveaux genres de l'ordre des Apodes ])ar A. de Humboldt 8. 17—21 Recueii d'obser- vations de Zoologie et d'anatomie coinparee, faites dans l'ocean Atlantiiiue. daus l'interieur du Xouveau continent et dans la nur du Sud. 1. (BandXXIIl des Reisewerks). Der Astroblepus gehört uacli dem Palaee-Fluss bei Po- payan. Vergl. dazu a. (). TT. 8. 3-11—348: .1. Valenciennes, Nouvelles obser- vations sur l'Eremojthilus Mutisii. Ueber den Guapacha siehe auch a. O. II. S. IM. m. Spaniens wissenschaftliche See -Expeditionen aus dem Ende des vorigen Jahrhundert.^ sind hydrographisch-geogi'aphiscli sehr bedeutende Leistungen, aber trotzdem nur wenig bekannt geworden. Die hervorragendsten Träger derselben sind: 1) Jowjuin Francisco Fidalgo, welcher behufs Aufnahme der atlantischen Küsten des mittleren spanischen Amerikas am 4. Juni 1792 abfuhr. An die.ser Expedition betheiligten sich u. A. Cosme Danüan de Churruca, Ma- nuel de ("astlllo und Fernando Maria Xoguora. TTumlioldt sclireil)t im Tage- l)Uch: „Fidalgo ist ein sehr einfacher, bescheidener, ruiiiger und liebens- würdiger Spanier, voll eigener Thätigkeit. Kurz vor Valdez's Sturz waren vier Brigantinen ausgeschickt, um einen Atlas hydrogräfico de America zu beschaffen; sie trennten sich schon vor der Insel Trinidad. Ueberhaupt fanden die Arbeiten Schwierigkeiten, weil die Gelehrten sich nicht vertragen konnten und der Krieg ausbrach. Die Piloten starben; der Hof antwortete nicht." Fidalgo's erste Karte: Carta jeneral del Atläntico, erschien 1800 in Madrid; riumltoldt sah sie er.st in Veracruz, gleichzeitig mit der 1802 ver- öffentliciiten Carta esf'erica de las Islas Antillas con parte de la costa del continente de America, trabajada por Don Cosme Churruca y Don Joaiiuin Francisco Fidalgo. Die bedeutendste der Fidalgö'schen, Karten i.st betitelt: Carta esferica de las costas de Tierra Firme desde la longitud de 53° 45' Occidental de Cädiz hasta 73° 50'; levantada de orden del Rey desde 1793 hasta 1802 por la 2" division de bergantines. Empresa al mando del bri- Schumacher, Sadamerik. Studien. oq o — 466 — gadier de la Real Armada Joaqiiin Francisco Fidalgo etc. Madrid 1816, vier Blätter. Es sind auch Specialausgaben dieser Karte erschienen, z. B. : de la Isla Margarita y sus canales con el Golfo de Cariaco en la Costa Finne (Madrid 181G) und de la costa del Darien del Xorte con las islas Miilatas liasta la punta San Blas (Madrid 1817). Durch diese Arbeiten sind die älteren neugranadinischen Küstenkarten vollständig wertldos geworden, namentlich die 1785 bis 17c>7 erschienenen vier Karten von Juan Lopez über die KiKsten von Veragua, Panama, Darien und Baraquete (sie), Cartajena Santaniarta, (Caracas und Venezuela. 2) Alejandro de Malaspina; er fuhr schon 1789 behufs Aufnahme der amerikanischen Westküste aus; seine Hauptarbeit fällt in das Jahr 1791. Vergl. Martin Fernande: de Navarrefe, Viajes apöcrifos in der Coleccion de documentos para la historia de Espaiia, XV. (^ladrid 1849) S. 93 — 101, S. 228 — 250 und S. 268 — 320. Eine Biographie des Marques de Malaspina ist nicht bekannt; 1795 ward er als politisch verdächtig gefangen gesetzt. Wie Humboldt am 5. Juni 1799 im Hafen Coruna Europa verliess, schrieb er: „Unsere Augen blieben auf das Schloss San Antonio geheftet, wo der unglückliche Malaspina in Staatsgefangenschaft schmachtete." Er starb wahr- scheinlich im Gefängniss. 3) Von den Brüdern Espinosa, die Humboldt beide 1799 in Madrid kennen lernte: Jose de Espinosa y Tello luid Juan, folgte Ersterer 1790 der Malaspina'schen Expedition, über Mejico gehend; er verliess dieselbe, als sie Oetober 1793 mit Scorbut in Lima ankam, und ging über Buenos Ayres nach der Heimath zurück. Wichtig ist sein Buch: Memorias sobre las ob- servaciones astroiiömicas, hechas por los navegantes Espanoles (Madrid 1809) 2 Bände. PjS entliält mehrere Anhänge, darunter auch Observacioues de la velocidad del sonido, de latitud, longitud y variacion, hechas en Santiago de Chile por el Teniente de navio D. Jose de Espinosa y alferez de navio D. Felipe Bauzä en 179-4. Eine Biographie dieses Espinosa (f 1815) bei Martin Fernande: de Navarrete, Biblioteca maritima Espaüola IL (Madrid 1851) S. 60 — 66. Humboldt schreibt an Juan de Espinosa schon von Mejico aus, z. B. ungedruckter Brief vom 8. November 1803. 4) Felipe lkiu:ä, der vorher erwähnte Begleiter Espinosa's, später lange Zeit Director des hydrographischen Amtes in Madrid, ist 1823 als Ver- fassungsgetreuer des Landes verwiesen und 1833 zu London gestorben. In Bogota finden sich an ihn gerichtete , ungedruckte Briefe von Humboldt, welche Tomas C. de Mosquera 1848 in London ankaufen Hess, und zwar Schreiben vom 1. Juni 1824, 17. Februar, 24. Mai, 30. Juni, 27. Juli und 13. September 1825, 23. März und 2. December 1826, sowie vom 16. März 1827. Robert Fit:roy sagt im Journal of the Royal Geographica! Society XXIII. (London 18 . . .) S. 178: Bauza brought copies of all the Spanish American documents to this country with many original maps. Veröffentlichte Arbeiten von Bauzä, die Hervorhebung verdienen, sind: Carta del Oceano meridional comprendida entre el cabo de Hörn y el cabo de la Buena Esperanza (Madrid 1804); Discurso sobre el estado de la geografia de la America del Sur (Madrid 20. Juli l.-^Ol) ; gedruckt nebst deutscher, von W. Fr. von Kar- winsky herrührender Uebersetzung in den Denkwürdigkeiten der königlichen — 467 — Akademie der Wissenschaften zu Münclien VIF. (1821) S. 87— 124; Derrotero de las Islas Antillas (Madrid 1820). Auf lIun)l>oldt's zweiter Karte von Cuba, der von 182(3, findet sich folgende Notiz: La partie interniediaire (depuis Ion«,'. K3° 3' jus(|u'ii 8eben von t'äldas bildet: Jutn/i/in Aie Saciilage ergiel)t sich aus dem ersten Schreibcji, das Cäldas an Mütis riciitet; am 5. August 18(JI sagt er: J{ecii)i la primera carta de Vd: no pueoIdt an Mütis empfidden sei; er beginnt nämlich 1808 eine ver- trauli(die Eingabe ndt den Worten: Los inIVirmes oficiosos del Banui de Humboldt y algunos trabajos que yo habiu niandado al Senor >[i'itis comen- — 470 — zaron a hacerme conocer de este botänico. In obig-em Briefe von 1801 erklärt Cäldas, dass Mi'itis nicht von ihm selber, sondern von seinen Freunden seine Arbeiten erhalten habe: nämlich die gedruckte Messung der Guadalupe- Capelle bei Bogota und die handschriftliche Grenzkarte zwischen den Juris- dictionsgebieten von Timanä und Laplata: un rasgo que remiti ä mis amigos . . . sospecho que mis amigos deslumbrados por el amor ([ue por me tienen, hau ]ioderado demasiado mis conocimientos etc. In dem astronomischen Berichte vom 1. Juli 1809 sagt Cäldas, dass er März 1802 in das Personal der botanischen Expedition aufgenommen sei ; die dazu erforderliche königliche Genehmigung ist nicht erfolgt, auch wohl nie nachgesucht. Zu Humboldt hatte Cäldas ein wissenschaftlich -freundliches Verhältniss, das jedoch meist unrichtig aufgefasst ist. Falsch ist es, dass Humboldt nicht vollständig dem Cäldas'schen Wesen gerecht geworden sei; die wärmste Anerkennung wird durch zahlreiche Stellen der Humboldt'schen Schriften erwiesen. Humboldt's Brief vom 20. November 1801 ist von Cäldas selbst 1810 abgedruckt worden. Siehe Memoria 8a S. 21—23. Cäldas Hess beim Abdruck einen Satz dieses Schreibens aus und zwar mit der Bemerkung: Suprimos este lugar, porque nos liace honor. Was an der Stelle etwa ge- standen haben mag, zeigt folgender Satz aus einem von Humboldt zu Huayaca, 2. August jenes Jahres geschriebenen Briefe: Quien percibia que la civili- zacion Americana estä tan adelantada c(ue en la ultiina Tule, en Popayan, hemos visto mäs instrumentos y encontrado mas conocimientos que en la Habana? que en Popayan hai cuartos de circulo y que un Cäldas observa los satelites de Jupiter. Falsch abgedruckt in der Revista etc. S. 394 — 396. Humboldt's Tagebuch-Bemerkung findet sich 1808 in folgenden Worten bei OÜmanrCs a. 0. H. S. 273 wieder: Cäldas, dont on ne saurait trop louer le zele pour les progres de la geograiihie, se servit pour prendre les hauteurs correspondantes du soleil d'un quart de cercle de bois; l'observateur avait ete oblige de construir lui-meme ses instrumens d'apres les descriptions incompletes qu'il trouvait dans les ouvrages d'astronomie. Diese Daten beweisen, dass Humboldt lange vor der Katastrophe von 1816 dem strebsamen Cäldas vollste Anerkennung zu Theil werden Hess. Seitdem jene ihm bekannt geworden, nennt er Cäldas nie, ohne die Hin- richtung desselben in ernsten Ausdrücken zu tadeln. Bei aller Befriedigung über die Cäldas'schen Pläne und Vorsätze darf nicht vergessen werden, dass diese nur wenig Früchte gezeitigt haben und dass die besten auf Humboldt's Einfluss zurückzuführen sind. Das Cäldas später den Verkehr mit seinem Meister fortzusetzen suchte, wird dadurch bewiesen, dass unter den Humboldt- schen Papieren eine Cäldas'sche Denkschrift von 1803 und eine Cäldas'sche Karte von 1805, sowie viele andere Manuscripte noch jetzt sich finden. Das Pensionsgesetz für die Cäldas'schen Töchter, Juliana und Carlota, datirt vom 27. Mai 1849; vergl. Antonio de Plaza, Apendice ä la Recopilacion Granadina (Bogota 1850) S. 16. Ein Gesetz der Vereinigten Staaten von Colombia d. d. 7. April 1880 verfügt, dass in Popayan eine Bronze -Statue öffentlich errichtet und im Versammlungssaale des colombischen Senats ein Bildniss desselben angebracht werden soll. In dem Gesetze heisst es: La — 471 — Repüblica rinde honieiiajo ä los eselarccidos talentos de Cäldas, le reconoce el titulo de sabio cjue le ha discernido ya la ciencia, i lioiira los servivios (lue presto a la Patria hasta sellar ooii su saiigre en el patibulo la causa iiacional. Ueber den Schwager von CJäldas, Dr. Wallace, vergl. ./. /'. Ilcunilton, Reise durch Columbien (Jena 1827) S. 199 ff". Ein Miguel Cäldas, der bei Vijes wohnte, ist durch J. 7'^ lloUon, New-Granada, Twenty months in the Andes (New-York 1857) S. 23, 90, 526, 536 etc. bekannt geworden. 64. Humboldt's Selbstbiographie von 1800—1801 ist nur in dem Theile erhalten, weU'lier zu Bogota am 4. August 1801 entstand. „Ich begann in Cuba die Geschichte meines Lebens zu schreiben; ungewiss, ob ich im Stande sein werde, mein jetziges Unternehmen zu Ende zu führen, will ich niederschreiben, was die unmittelbaren Beweggründe für meine Reisen waren, in der FToff'iiung, diese Zeilen in meinen alten Tagen mit Vergnügen zu lesen." Humboldt fand den Entwurf seines in Bogota gebliebenen Manuscripts im November 1839 in Berlin wieder und bemerkte auf demselben, nachdem er die Ueber- schrift weggeschnitten hatte: ,,Nie drucken zu lassen." Diesem Befehle ist zu gehorchen. 65. Die Humboldt'schen Kina-Studien ergeben sich zunächst aus der Sendung, welche von Bogota an das Pariser Institut ging und iji drei Humboldt'schen Briefen besprochen wird. Ueber sie schreibt Humboldt in Lima am 8. November 1802 an Delambre: J'ai adresse successivement ä la Classe de Physique et de Mathematiques deux lettres de Santa Fe de Bogota, accompagnees d'un travail sur le genre Chinchona ; c'est-ä-dire des echantillons, d'ecorce de sept especes, des dessins colories qui representent ces vegetaux, avec l'anatomie de la fleur si diö'erente par la longueur des etamines, et les squelettes seches avec soin. Vergl. Annales de Chimie (Paris 1806) S. 113—169. An Cavanilles schreibt Humboldt, Mejico, 22. April 1803 [de la Rüfjuelte a. 0. I. S. 166): Nous avons envoye ä l'Institut national de France une collection curieuse des quinquinas de la Nouvelle-Grenade, qui consistait en ecorces bien choisies, en- beaux exemplaires, en fleurs et fruits, et en magni- fiques dessins enlumines, grand en folio, dont nous a gratifie le genereux Mütis. Quoique j'ai regu de l'Institut une lettre honorable un peu de temps avant de sortir de Quito, je ne sais, si la collection ci-dessus mentionee est parvenue a sa destination. Der Herausgeber dieses Briefes setzt hinzu (a. 0. S. 405): La collection des objets, dont ])arle Humboldt, est parvenue ä Paris, et se trouve actuellement deposee au Museum , ainsi que cela resulte d'une note des Annales du Museum d'Histoire naturelle, IV. p. 477. Drittens schreibt Humboldt am 21. Juni 1803 in einem Briefe, der bei de la Ruquette (a. O. I. S. 120) falsch datirt ist, dem französischen National- Institute: Nous vous avons envoye de Santa Fe de Bogota via Carthagene — 472 — des Indes deux caisses accompagnees de lettres dutees de messidor au IX.; l'nne de ces caisses contient un travail sur le quinquina du royaurae de la Nouvelle Grenade, savoir: des dessius enlumines de sept especes de Chin- clioiui, avec raiiatomie de la fructification , des ecbantillons d'herbiers eu fleurs et en graines, et les ecorces seches de ce produit preeieux digne d'uiie nouvelle analyse cliimique. Iliernacli bestand die Bogutaer Clnnfhonen-Sainnilung aus einer Ab- handlung, einer Anzahl von Bildern, einem Herbarium und verschiedenen Rindenproben. Die Abhandlung ist zweifelsohne die Mvitis'sche Kina-Schrift die Bilder sind später verloren gegangen; denn Triana (a. 0. S. 2) sagt: II semble avere que ses dessins n'ont pas ete donnes ä l'herbier du Museum; des ecorces seules et des echantillons ayant ete remis par Humboldt. Die wissenschaftliche Verwerthung dieser Sendung ist in Louis Nicolaus Vauquelin, Experiences sur les diverses especes de Quinquina enthalten; vergl. Annales de Chimie etc. (Paris 1806) S. 113— 169; da ist auch (8.141) eine Mütis'sche Kina-Tabelle wiedergegeben. Was Humboldt's eigenes Kina-Studium anbelangt, so bietet sich keine Spur eines solchen vor dem Bogotäer Aufenthalt. Später zeigen sich in mehreren Briefen Aeusserungen, welche die Arbeit von 1807 vorbereiten. 1802 im September, Trujillo an Cäldas: La quina de Loja, la fina, es verdaderamente diferente de la naranjada ö Chinchona lancifolia de Mütis, por el tamauo de los estambres y los tuberculos axilares : glandules in axillis venarum folii. Yergl. Acosia, Semanario S. 517. 1802 am 3. November, Lima, an Mütis, verloren gegangen. Cäldas sagt: AI seüor Mütis Humboldt dice en una carta, cuyo sentido me lo retiriö varias veces el mismo, que la naranjada es una variedad de la de Loja (a. 0.) 1802, 7. November, Lima, an Mendiimeta: Las quinas de Uritusinga y otras especies de Ijoja son las mismas que la naranjada, roja y amarilla que el celebre Mütis descubriö y determino en Bogota. Crescen en las mismas alturas, en el mismo clima y rodeadas de los misraos vegetales; de modo que dudo mucho que las cortezas de Loja tengan otra ventaja sobre las del Vireinato que la ([ue le ha querido atribuir la charlataneria medica. (Vergl. Groot a. 0. II. S. 499.) 1803, 22. April, Mejico,. an Cavanilles: Quant ä l'arbre, ijui doune le quinquina fin de Ijoxa, nous devons dire, que Tayant examine dans son pays natal et l'ayant compare avec le chinchona, que nous avons vu dans le Royaume de Santafe, de Popayan, de Peru et de Jaen, nous croyons qu'il n'a pas meme ete decrit: il se rapproche du chinchona glandulifera de la Flore du Perou quant ä la forme de ses feuilles, mais il en dififere par sa Carole. Vergl. de la R.oqitette a. 0. I. S. 165. Im Essai sur la geographie des plantes sagt Humboldt 1805: Je publierai dans la relation de mon voyage aux tropiques une carte botanique du genre jL'hinchona. Elle indiquera les sites des deux hemispheres, dans lesquels se trouve cet arbre interessant. On verra qu'il se prolonge dans la Cordillere des Andes sur plus de sept cent lieues de long. On y suivra le chinchona depuis le Potosi et la Plata, jusqu'aux montagnes neigees de Sainte-Marthe. II suit presque sans Interruption par les Andes de Quindiu, la Vega de — 473 — Supiu, lös c'olliiies fertiles de Arariquita, Guadnas et Painplon.i , jiis(|n'anx nioiitaj^iics de Merida et de Sainte-Martlie, oh des sources bouillaiit'es et liydro-sulfureuses meleiit leurs eaux ä Celles des neiges fondues. Beaditeiiswerth ist die Note in Gö/iel und Kunze, Waarenkimde (1. S. 59), dass ,iii der bekannten Drüguen-Hannnlung der Frau Kolilniuscli ein Packet sich fand, das von Humboldt bezeichnet war: (^)iiina orange de Santafe, le meilleur de toiites las especes conmies contre les nialadies interniittentes ; c'est le plus aroinati(|ue." 66. Pflanzen-Geographie ist ein von ITinnboldt erfundenes, für einen grossen Theil seiner amerikanischen Reisestudien charakteristisches Wort, dessen volle Bedeutung dargelegt worden ist im Essai sur la geographie des plantes (Paris 1805): Band XXVII. des Reisewerks. Band XX. desselben Werkes, der den gleichen Titel trägt, enthält keinen Text, sondern einzig und allein das Ideal))ild des Chimljorazo. Neben dieser Ausgabe und abgesehen voir späteren Zusätzen war bisher nur die an Goethe gewidmete, deutsche Bear- beitung bekannt: „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen" (Tübingen 1807). Beide Ausgaben enthalten vor der Pflanzen-Geographie noch „ein Natur- gemälde der '^rropenländer: Tableau phvsique des regions e(|uinoxiales." Die gleiche Verliindung zeigt sich schon in dem ersten Entwurf. Dieser ist im Semanario No. IG vom 23. April 1809 S. 121 ft". in spanischer Uebersetzung von Cäldas veröff'entlicht worden unter dem Titel: „Geografia de las plantas 6 cuadro fisico de los Andes Equinocciales y de los jiaises vecinos, dedicado con los sentiniientos del nuis profundo reconocimiento al ilustre patriarca de los botänicos, Dr. Jose Celestino Mütis, por Fredei-ico Alejandro Baron de Humboldt." Die dazu vini Cäldas verfasste Vorrede bespricht besonders das Idealbild des Chimborazo, dessen . Original-Skizze noch lange Zeit in Bogota vorhanden gewesen ist. Cäldas sagt in Bezug auf den Text: Mütis maiituvo el orijinal inedito hasta su muerte y aliora se publica una traducion fiel y conforme al manuscrito del autor. In dem 1803 nach Bogota gesandten Entwürfe bietet das Tableau phy- sicjue nur ganz geringfügige Abweichungen von der Vorlesung, die Humboldt am 7. Januar 1805 im Pariser Institut gehalten hat; dagegen ist die zweite Arbeit, die eigentliche Pflanzen-Geographie, keineswegs mit der Veröffent- lichung von 1805 übereinstimmend. In Ar-ox/a, Semanario finden sich beide Abhandlungen mit der Einleitung von Cäldas (S. 245— 248), sowie not den Noten von Cäldas (S. 339—355); dazwischen ist aber nur der ursprüngliche Text des „Naturgemäldes" mit der Ueberschrift „Prospecto" (S. 249 — 264) eingeschaltet und im Inhalts- Verzeichniss Cäldas zugetheilt. Statt der Pflanzen-Geographie von 1803 er- scheint (S. 2G5 — 339) eine Acosta'sche Uebersetzung der Ausgabe von 1805. Dann folgen Cäldas'sche Noten zu der Arbeit von 1803 (S. 339—355). Diese. Zusammenstellung ist um so störender, als noch (S. 355 — 373) moderne Acosta'sche Glossen nach der Humboldt'schen Schrift von 1817 sich an- schliessen und endlich wieder (8.373 — 381) Cäldas'sche BcTiierkungen über das Humboldt'sche Reisewerk. — 474 — üeber die Widmung des Werkes an Mi'itis sagt Humboldt 1805: J'ai dessine ce tableau pour la premiere fois dans le ixjrt de Guayaquil, en Fevrier 1803, revenaiit de Lima par la mer du Sud, et nie preparant ä la navigation d'Acapulco. J'envoyai une copie de cette premiere esquisse ä Öanta-Fe de Bogota, a Mr. Mi'itis, qui m'honore d'une bonte particuliere. Personne n'etait plus en etat que lui de ])rononcer sur la justesse de mes observations , et de les etendre, au moyen de celles qu'il a faites lui-meme pendant quarante annees de eourses dans le royaume de la Nouvelle Grenade. Ce grand botaniste, qui malgre son eloignement de l'Europe, a suivi les progres de notre physique, Mr. Mütis a observe les vegetaux des tropiques ä toutes les liauteurs. Hierbei sei erwcähnt, dass Mi'itis in den beiden ersten Bänden der Humboldt -Bonpland'schen Botanik mehrfach angeführt wird, z. B. I. S. 183, 190, 203, 220 und II. S. 13, 80, 113, 144 u. s. w. Die falsche Behauptung, dass Oäldas zuerst den Gedanken einer Pflanzen- Geographie gefasst habe, ist vielfach in Neu-Granada aufgestellt und noch 1874 in Paris von Adriano Päez wiederholt worden. Vergl. Revista etc. I. S. 382. Dieser Päez erkühnt sich zu sagen: A Cäldas merece el titulo de verdadero autor de la Geografia de las plantas y Humboldt se apropiö, sin mencionar el nombre del sabio Colombiano, de quien tuvo conocimiento de la ideal! 67. Humboldt's neugranadinische Karten sind noch heute maassgebend. a. Die Karte des Madalena-Ötromes bildet No. 24 des grossen Atlas. Das mit Bleistift gezeichnete Original der vier Blätter ist in Humboldt's Nachlass noch vorhanden: premiere esquisse du Rio grande de la Magdalena. Die Bearbeitung für den Druck erfolgte erst im Juli 1816 in Paris unter Benutzung von Hülfsmitteln , die Restrepo, Cäldas und Fidalgo geliefert hatten, sowie unter Hinweis auf das Pombo'sche Kina-Werk von 1814. b. Die Karte vom Meta-Fluss ist als Carte du cours du Rio Meta et d'une partie de la chaine Orientale des montagnes de la Nouvelle Grenade unter No. 19 im grossen Atlas enthalten und wurde 1813 zuerst gestochen; die Darstellung beruht auf Journaux de route recueillis ä l'Orenoque et ä Santa Fe de Bogota. Schon 1817 war eine zweite Ausgabe dieser Tafel nothwendig: c[uant au Meta d'apres une carte de Don Jose Cortes Madariaga de 1811. Journal und Karte ei-hielt Humboldt durch den am letzteren Orte wohnenden Manuel Palacio Fajardo; er sagt (Relation historique II. S. 451): Lorsque j'etois ä Santa-Fe de Bogota, on connaissoit ä peine le chemin qui conduit par les villages d'Usme, d'Ubaque ou de Caqueza ä Apiay et ä l.'erabarcadere du Rio Meta. Humboldt's Abhandlung über den Meta-Fluss ist verloren gegangen; ein Auszug derselben ist aber in der Schrift über die Salzwerke von Zipaquirä bewahrt. Ueber die erste Dampferfahrt auf dem Meta, bei welcher der Bremer Seecapitän Treviranus eine Rolle spielte, vergl. Juaqtäii Diaz Escobar, Bosquejo estadistieo de la rejion oriental de Oolombia (Bogota 1879) S. 7 fi". e. Die Karte vom Bogotäer Tafellande ist nicht aufzufinden. Humboldt's Tagebuch enthält nur materiaux pour former le plan topographique du Llano — 475 — de Bogota, citirt über iiicliil'ueh die bereits vollendete Arbeit. Dass Huiubuldl wirklich alle topographischen Details des Hochlandes genau kannte, beweist seine Darstellung des Fluss-Systenis als Einleitung zur Beschreibung des nach dem Wasserfall von Teciuendaina unternommenen Ausfluges. 6. Pedro Yicente Maldoiuido sobre la apertura del nuevo Camino ([ue ha descubierto ä su costa y expeiisas. Die Schrift enthält 5 Abschnitte: a. Descripcion del nuevo camino S. 27 — 60; h. Auto de la audiencia de Quito de 17 de Noviembre de 1741 (8. (50 — 61); c Noti- cias puntuales de las posicioncs y distancias de la ciudad de Quito y de la costa, rios, pueblos y camino de la Provincia de las Esmeraldas (S. 62—82); (I. Relacion de los frutos de la provincia de Esmeraldas (S. 82—87); r. Pro- posicion de las providencias 8. 87 — 110. Beim Fehlschlagen dieses Planes ging Maldonado nach Frankreich und Hess in Paris 1750 eine Carta de la provincia de Quito y de sus adyacentes stechen; damals wurde er Mitglied der Pariser Academie der Wissenschaften und der königlichen Societät von Ijondun; er starb indesg^ bevor er die Rück- fahrt nach Amerika angetreten hatte, in letztgenannter 8tadt. Die Maldonado'schen Arbeiten bilden, so unvollkommen sie heute er- scheinen mögen, noch jetzt den Ausgangspunkt für alle Karten der Republik Ecuador. Ihimboldt, Essai polifique sur la Nouvelle Espagne etc. 8. X sagt: le travail le plus exact que l'on ait sur aucune possession continentale des Europeens hors de l'P^urope est la carte du royaume de Quito, dressee p.'ir Maldonado. Ausserdem erklärte Felipe Bauzä in den Denkwürdigkeiten der königlich Bayerischen Academie der Wissenschaften VIII. (1824) 8. 117; das hydrographische Amt in Madrid habe 1814 noch die Kupferplatten be- sessen, welche für die Herausgabe der Maldonado'schen Karten angefertigt worden seien. Heutzutage ist es schwer, einen Abdruck derselben zu er- langen; Alphons Stübel vermochte in Quito nur ein Exemplar zum Durch- zeichnen zu erhalten; eine gute Wiedergabe der Karte von dem zwischen Am- bato und Cuenca gelegenen Landstriche findet sich bei Markham, Travels etc. zu S. 313. Yergl. auch Catälogo de los mapas a. 0. 8. 134 und Anm. 166. 81. Zwei Reise-Programme von Cäldas liegen vor; beide sind in Quito während der Anwesenheit von Humboldt und Bonpland entstanden, deren Abreise von dort am 14. Juni 1802 erfolgt ist. Die ältere 8chrift ist abgedruckt in Acosta, 8emanario etc. (8. 546—567), wo sie irrthümlich ins Jahr 1801 verlegt wird. 8ie trägt den Titel: 8obre el plan de un viaje proyectado de Quito ä la America setentrional, presentado al celebre director de la espedicion botänica de la Nueva Granada, Don Jose Celestino Mütis, und entwickelt in 16 Abschnitten die Zwecke des Reise-Unternehmens. Die Zeit der Abfassung ergiebt sich aus den Worten: Bonpland, este jöven botänico — er war nur zwei Jahre jünger als Cäldas — va ä desaparecer (a. 0. S. 555) und aus der Beilage, der bereits erwähnten Denkschrift über Höhenmessung mittelst des Thermometers, welche vom April 1802 datirt. Die jüngere Schrift trägt den Titel: Proyeeto de un viaje cientifico 6 ideas acerca del metodo de medir por medio del temnömetro las montailas. Sie ist abgedruckt in der Revista mensual de filosofia, literatura y ciencias — 488 — de Sevilla V. (Sevilla 1873) S. 159 — 171. Dieser Aufsatz zeigt, dass die vorgenaiuite Denkschrift bereits abgesandt war, er bezieht sich auf el plan de mi anterior proyecto und sagt, dass Humboldt beschlossen habe, nicht den Verfasser, sondern Carlos Moutüfar mitzunehmen. Bei Bonpland's Er- wähnung wiederholen sich die Worte: que va ä desaparecer (a. 0. S. 160). 82. Carlos Moniüfar, der zweite Sohn des auch von Cäldas in rühmenden "Worten erwähnten Marques von Selvalegre, begleitete Humboldt nicht auf dessen Kosten, wemigleich er erhebliche Vorschüsse empfing. Humboldt er- hielt nach dem Tagebuch für die Reisekosten des jungen Herrn 2000 Pesos in Lima und 2000 Pesos in Guayaquil; er schrieb am 12, August 1802: Je dois fin 1803 ä Charles Montüfar regu 2600 Thlr. de Prusse, am 31. December 1805: le Marquis de Selvalegre ä Quito me doit 3300 Thlr; sowie später: j'ai perdu 5000 Thlr. en avance pour Don Carlos Montüfar. Vergl. Bruhns, a. 0. I. S. 467—469. Montüfar, der von August 1804 bis August 1810 in Frankreich und Spanien blieb, ging September 1810 als Bevollmächtigter der spanischen Zwischenregierung nach Neu-Granada und griff dann vielfach in die Kämpfe gegen die Spanier ein, worüber Stevenson, a. 0. IH. S. 36 ff. Einzelnheiten mittheilt. Dort auch (S. 11. ff.) Beiicht über die politische Rolle, die der Vater Montüfar's seit der Volkserhebung vom 10. August 1809 gespielt hat; der mehrfach genannte Pedro Montüfar war dessen Bruder. Der Tag der in Popayan erfolgten Hinrichtung von Carlos ist der 3. September 1816; während in vielen Todtenlisten zwei verschiedene Todestage stehen. Die Angaben bei H. Kletke, Alexander von Humboldt's Reisen in den Aequinoctial-Gegeuden Amerikas H. (Berlin 1855) S. 300 sind nicht richtig. 83. Aeltere Vulcan-Besteigungen in Neu-Granada, die wissenschaftlichen Zwecken dienen sollten, sind selten. Die früheste bekannte unter ihnen ist die des Purace, welche von Cäldas in Begleitung von Antonio Arboleda und Juan Jose Hurtado im Jahre 1800 unternommen wurde. Dami folgt nachstehende Reihe: 18. November 1801: Purace von Humboldt und Bonpland; 16. März 1802: Antisana „ „ „ „ 14. April 1802: Pichincha „ „ , » 26. Mai 1802: „ „ „ „ , 28. Mai 1802: „ „ „ „ „ und Cäldas; 23. Juni 1802: Chimborazo „ „ „ „ im Juli 1802: Cotopaxi » » » » im August 1802: Cotacachi „ Cäldas; 15. September 1802: Imbabura - „ Jene Purace-Besteigung hat Cäldas in einer eigenen Schrift besprochen: Memoria sobre el volcan de Purace; diese hat sich jedoch nicht erhalten. — 489 — Die Humboldt'sclie Besteigung des Purace ist in den Vues des Cordillieres zu Tafel 30 geschildert. Die drei Ilumboldt'sclien Piehincha-Touren s^ind in [lumholdt, Kleinere Schriften etc. (S. 23 — 70) ausführlich besprochen; die Chimborazo-Tour ebenfalls (S. 136—162). Im Jahre 1804 unternahm Cäldas noch zwei Besteigungen des Pichincha, über die Näheres nicht bekannt ist, was Humboldt (a. O. S. 78) ausdrücklich bedauert. Die späteren Besteigungen, bei denen wissenschaftliche Zwecke maass- gebend waren, erfolgten erst mehrere Jahrzehnte hernach. 84. Die Imbabura-Gegend, d. h. der Umkreis von Ibarra, bildete den Aufenthalt von Cäldas sechs Monate lang, vom Juli bis Dezember 1803. Ueber diese Zeit handelt am ausführlichsten ein bisher ungedruckter Brief von Cäldas, der im Humboldt'schen Nachlass sich findet. Er datirt Otabalo, 17. November 1802 und ist eine Antwort auf das Humboldt'sclie Schreiben, d. d. Trujillo, 30. September 1802, aus welchem nur zwei Stellen bekamit geworden sind: Acosta, Semanario etc. S. 530 Anm. und S. 547. Im Jahre 1808 sagt Cäldas über seine erste von Quito aus unternommene rein wissenschaftliche Reise: Sali de Quito y me traslade a Ibarra y ä Ota- balo , recorri estos dos corregimientos, levante la carta, apoyada sobre obser- vaciones astronömicas y geodesicas, medl las montanas de Cotaeachi, Mojanda e Imbabura, entre en el cräter de este ultimo volcan, y sobre todo colecte cuantas plantas se me presentaban, las describi y desene por mi mano. Seis meses gaste en esta correria, y volvl ä Quito en diciembre de aquel aiio. Yo habia observado el solsticio de junio antes de mi partida para Iljarra, y necesitaba observar el de diciembre para fijar irrevocablemente la latitud de Quito. Die Stadt Ibarra, dieser Lieblingsaufenthalt von Cäldas, ist durch das Krdbeben vom 16. August 1868 vollständig zerstört worden; sie war aber infolge der Bürgerkriege schon lange, bevor dies Unglück eintrat, von ihrer früheren Höhe herabgesunken; das benachbarte Otabalo ist damals ebenfalls schwer geschädigt worden. 85. Das Cäldas'sche Pflanzen ■ Nivellement ist eine interessante Vorstufe der Humboldt'schen Pflanzen-GeogTaphie, aber Nichts mehr. Cäldas will freilich die Höhe über dem Meeresspiegel nicht allein in Betracht ziehen, aber doch vorzüglich und ist weit entfernt von Humboldt's Geobotanik. Seine Ideen sind nur in Bezug auf die Cultur- Pflanzen ausgeführt, für die sie auch am ehesten zutreffen. Siehe Memoria sobre la nivelacion de algunas plantas que se cultivan en las cercanias del ecuador, Quito, Abril de 1803; abge- druckt in den Anales de la Sociedad Espanola de Historia Natural I. (Madrid 1873) S. 278 ff. nebst Höheutafel und Profil. Den Hauptgegenstand bildet der Weizen, wie denn Cäldas 1809 die Arbeit als eine Memoria sol)re la geografia del trigo bezeichnet; la remiti 1803 ä la aprobacion del venerable — 490 — Mütis; yo la mereci y nie aiiiniö ä llevar esta materia muclio raas adelaute de lo que nie liabia propuesto. Vergl. Acosta, Semanario S. 354. Das Hauptziel der Arbeit war: Dado el terreuo deutro la zona de trigo senalar el lugar en que se da mas blauco, inas gustoso y mas propio para nuestro alimento. Vergl. Acosta, Semanario etc. S. 138. Als später im Mi'itis'scheu Naclilass der erste Entwurf der Humboldt- scheu Pflanzen-Geograpliie entdeckt wurde, erweiterte sich die Anschauung von Cäldas, die Veröffentlichung dieser Arbeit begann, nachdem Lozano sie übersetzt hatte, am 23. April 1809; ihre ersten Einflüsse zeigen sich Ende 1808. 16. Deceniber 1808 sagt Cäldas: Fuc en las montanas de Cotacachi, Mojandu e Imbabura que comence a recojer los materiales para la obra, que debo intitular: Geografia de las plantas del Vireinato de Santafe, obra in- mensa, complicada y original: obra que exije profundos conocimientos en la geografia, en la astronomia, en los meteoros y sobre todo en el barömetro y sus medidas. Si hallo apoyo y tengo el tiempo necesario, verä la nacion una carta botänica del Reino {jicosta, Semanario S. 512). 1. Juli 1809 erklärt Cäldas, er arbeite an einer Geografia de las plantas del ecuador, comparadas con las producciones vegetales de todas las zonas y del globo entero; el fondo de esta obra for7na la carta botänica del Vireinato; vergl. Pombo a. 0. S. 191. Davon kann keine Rede sein, dass Cäldas selbstständig den Gedanken einer Pflanzen-Geographie im Humboldt'schen Sinne erfasst habe; trotzdem sucht schon Acosta, a. 0. S. 557 Anm., die Originalität der Cäldas'schen Idee herauszustreichen: Recuerdese que cuando Cäldas escribia esto, aun no conocia el cuadro de la geografia de las plantas; der Umgang mit Humboldt war aber doch vorangegangen. Ein missverstandenes Wort von Triana a. 0. S. 18, der die obige Denkschrift von Cäldas irrthümlich ins Jahr 1803 verlegt, hat dazu geführt, dass leichtfertiger Weise Cäldas zum Urheber der grossen Idee gemacht ist, die Humboldt sein ganzes Leben lang gepflegt und gefördert hat. Vergl. August Griesebach, Humboldt's Pflanzengeographie und Botanik bei Hruhns a. 0. III. S. 232 ff". 86. Quito's Verbindung mit der See ist noch heute ebenso mangelhaft, wie früher. Die zu Anfang dieses Jahrhunderts schwebenden Wegfragen sind weder von Stevenson, noch von Viliavicencio übersichtlich geschildert worden. Die Maldonado- Linie (vergl. Anm, 80) wird nach dem Esmeraldas - Strom genannt, die Carondelet- Linie nach der Malbucho-Wildniss. Vergl. auch Mercurio Peruano III. (Lima 1791) S. 307 ff". Im Humboldt'schen Nachlass findet sich ein Cäldas'sches Manuscript: Paralelo entre los dos caminos de Esmeraldas y Malbucho y la utilidad de la apertura del segundo por F. C. Der Esmeraldas - Weg ist Mitte 1809 von Stevenson a. 0. IL S. 356—395, bereist und beschrieben worden, wobei zu bemerken ist; dass der Piti-Fluss auf den vorliegenden Karten fehlt, ebenso die von Viliavicencio a. 0. S. 138 genannten Orte Bola und Canigue; weil vor der Mündung des Santiago oder Tota - Flusses eine Sandbank liegen soll , ist der Malbucho- — 491 — Weg sjiäter als wenig brauchbar bofuiuleii; die Bodega Caroiidelet liildet jetzt den Negerort Coiieepcioii, zu dessen Sprengel die Grubenplütze Caeliavi, Guinibi, Playadeüro und Guallupi gehören sollen; der reissende Uta- Strom, der keine Bnieken duldet, bildet für den Landweg das Haupthinderniss; vergl. ViUavicenciu a. ü. S. 137 und 340. Auch diese Linie ist 1809 von Stevenson bereist; siehe a. O. 11. S. 423—42^». lieber die Cäldas'sche Reise, auf die bei Acoshi, Senuinario S. 130 und 131 die Noten sich beziehen, giebt hinsichtlich der Zeit die Denkschrift von 1808 Auskunft; in ihr heisst es, nachdem davon gesprochen ist, dass der Juni 1803 in Quito verbracht sei, zum Schluss: restituido ä Quito, levante la carta del camino de Malbucho. Diese Rückkehr geschah, bevor Cäldas October 1803 langanhaltende Fieber in dem Intac-Gebirge sich zuzog. Vergl. Avosta, Semanario S. 16 und 513. lieber die Verbindung Quitos mit dem Meere vergl. auch Ch. Wiener, Routes dans l'interieur de la Republique de 1' Equateur in Bulletin etc. XX- (Paris 1880) S. 456 ff. 87. Die Kinaforschungen von Cäldas liegannen September 1803. Er sagt: Yo me hundi en lus bosques de Intac en busca de quinas, levante la carta, colecte nnichas plantas, halle mi priniera especie de quinas, contraje la ter- ciana en Intac en Octubre 1803. Diese Studien, über deren Verlauf die Cäldas'schen Angaben bei Acosta a. O. S. 450 ff., S. 470 ff., S. 481, S. 514, zu vergleichen sind , empfingen vorläufigen Abschluss Anfang 1805 in einer Memoria sobre las quinas en jeneral y en particular sobre la de Loja, fecha Quito. Die Arbeit v^^ird von Cäldas mehrfach erwähnt, ist aber nicht er- halten. Dann geschah die Reise von 1806 para completar los conocimientos sobre el ramo de las quinas. „Ahora", sagt Cäldas 1808 ,,puedo afirmar que he visto todas las quinas del Vireinato, vivas y en sus lugares nativos, que todas las he studiado ciudadosamente y que a este punto hago ventajas al mismo Mütis" (vergl. a. 0. S. 517). In demselben Jahre schreibt Cäldas: He visto que los cuatro especies de quinas oficinales del celebre Mütis, las cuatro especies ünicas que hasta hoy conocemos, tienen igualmente limites. Este nümero de cuatro alarmarä ä los botänicos, que se lisonjean de poseer ya 60 especies en el genero Chinchona; pero cuando la Eurojja vea las obser- vaciones profundas y detenidas del ilustre Mütis, cuando sienta la confusion y el desorden en la nomenclatura, cuando los sabios se vean precisados ä implorar la ciencia de Edipo para distinguir las especies — estas especies formadas no por la naturaleza, sino por la temperatura y por el nivel — entonces confesarä que no existen sino cuatro primitivas. Trabajamos una memoria sobre estas materias que el püblico verä bien presto: la chinchografia ö geografia de los ärboles de la quina. Las quinas han sido el objeto favorito de nuestras espediciones botänicas; su altura sobre el mar, la presion atmosferica, la temperatura, la estension que ocupan sobre los Andes, nos ha llamado la atencion. Tal vez raas felices en este particular que Humboldt liemos sena- lado el limite ä que estä reducido cada especie; el termino su])erior estä ä — 492 -^ 1679,97 toesas sobre el mai-, el terraino inferior ä 183,71 toesas; el ancho de la gran zona ä que estä reducido la vejetacion de todas las especies, es de 1496,26 toesas. Vergl. Acosta a. 0. S. 137 und 345; auch Pombo a. O. S. 190. Cäldas verspriclit aucli eine Karte der Chinchonen- Verbreitung; darüber sagt Markhain, Travels etc. (S. 23) mit Recht: It is to be regretted that his botanical chart of the chinchona genus, which he promised in one of his memoirs, has never seen the light. Beachtenswerth ist folgende Notiz in Potnbo's Biographie (a. 0. S. 191): Ignoramos el estado en que la chinchografia quedö y presi'iniimos que con titulo cambiado es la Quinologia puesta en limpio por su propia niano y firmada con su norabre que fue vendida despues de su muerte ä un estranjero por la senora su viuda en momentos de necesidad extrema y que rescatada corao reliquia preciosa existe hoy en poder de un compatriota nuestro, el seiior Manuel Maria Mosquera. Dies Werk, das nicht mit der Quinologia Bogotana identisch ist, hat sich nicht auffinden lassen, würde aber nur von historischem, beziehungsweise biographischem Werthe sein, da jetzt die Cäldas'schen Grundansichten als irrig nachgewiesen sind. 88. Die Cäldas'schen Reisen des Jalires 1804 bilden die bedeutendsten Forschungs- Unternehmungen, denen in Neu-Granada vor Codazzi Einlieimische sich ge- widmet haben. Dieser Reisen sind, wie es scheint, drei. Die erste Reise ging zum Corazon; ein Bruchstück der Beschreibung, Yiaje al Corazon de Barnuevo, ist erhalten; vergl. Acosta a. O. S. 435— 437; es betrifft den 22. und 23. Mai 1804 und den Ritt nach Chillogallo und Chin- sinche, einer Hacienda. Hierauf scheint in der Denkschrift von 1808 der »Satz sich zu beziehen : visite el hello valle de Chillo, aumente mi herbario etc. Von einer Besteigung des Corazon ist niemals die Rede ; es wurden die Ort- schaften Aloac und Aloas, die Gehöfte Chianchi und Aychapichu berührt. Vergl. Acosta, Semanario etc. S. 150 und 514. Die zweite Reise ist vielleicht nur eine Fortsetzung der Corazon-Tour; Cäldas sagt zum 13. Juli 1804: del palacio de Callo hemos hablado ya en nuestro viaje de Quito ä Mulahalö [Acosta a. 0. S. 441); dieser Besuch scheint in den Juni zu fallen. Die dritte Reise begann am 10. Juli 1804 und endete am 25. December. Das auf ihr von Ccäldas geführte Tagebuch hat Acosta a. O. S. 437 — 504 unter dem Titel: Viajes al Sur de Quito veröffentlicht. Der Abdruck zeigt wenig Sorgfalt, die Ortsnamen sind nicht festgestellt; eine ganze Seite des Manuscripts ging in der Druckerei verloren etc. Acosta hat auch nicht erkamit, dass das Tagebuch, so wie es vorliegt, keineswegs originale Reise- Aufzeichnungen enthält, sondern später überarbeitet ist, wie denn S. 481 astronomische Beobachtungen vom 27. August 1808 erwähnt, S. 487 Bemer- kungen aus der noch im April 1809 zu Bogota unbekannten Veröffentlichung der fluniboldt'schen Pflanzen-Geographie angefülirt und S. 465 die Madrider Anales de ciencias naturales (No. 13) citirt werden. Das Tagebuch ist bloss — 493 — vom 10. Juli bis 9. October 1804 ausgearbeitet, die Zeit vom 10. October bis 25. Dezember nur flüchtig skizzirt. Abgesondert vom Tagebuch schrieb Cäldas seine botanischen und astronomischen Beobachtungen nieder; im Her- barium ist 88 die höchste Nunnner, die angeführt wird. Jose Ignacio Pombo erwähnt in seiner Eingabe vom 10. Mai 1805 el servicio que actualmente hace, unido con Don Jose Celestino Mütis, de costear el viaje cientifico que ejecute Don Francisco Jose de Cäldas. Lino de Pombo liehauptet 1852 in seiner Biographie: El curioso itinerario de esta peregrinacion existe integro en la Biblioteea Pinedu, hoy Biblioteca de obras nacionales; seitdem scheint dies Manuscript verloren zu sein. Ausser den durch Humboldt bekannt gewordenen, der Provinz Quito angehörenden Reste aus vorspanischer Zeit nennt Cäldas noch folgende, bisher wenig beachtete : Nabon : Aqui vimos muchos trozos de los antiguos caminos de los Incas y dos ruinas 6, en idioma del pais, dos Inca-Pircas. Ona, entre Nabon y Cochapata: Cerca de este lugar existe un palacio de los Incas mejor conservado que los anteriores, semejante en la forma al de Callo que medimos y disenamos. Uäuchapa: hay dos restos de edificios de los Incas, casi enteramente arruinados; hay otro palacio que seguramente fue tan suntuoso como el de Callo Uamado Villamarea; no queda sino un nümero prodijiose de piedras cortadas en paralelipipedos perfectos y luia serie muy larga de perqueiios cuartos algo distantes del centro del palacio. Las Juntas: es otro Inca-Pirca. Vergl. Acosta, Semanario S. 502 — 504. 89. Vicekönig Antonio Amar y Borbon erreichte Bogota am 10. August 1803, übernahm die Regierung aber erst später, da sein Vorgänger noch in Guaduas war. Zwei seiner Verwandten, Felipe Fuertes Amar und Juan Aguirre, machten durch ihre amtliche Thätigkeit bald sich verhasst, ebenso seine Frau Francisca Villanova. Den Umschwung im öffentlichen Leben Neu-Granadas bezeichnen folgende Daten : 5. September 1808: Notablen- Versammlung in Bogota, behufs Aner- kennung der Junta de Sevilla, als Trägerin der spanischen Souveränität. 11. September 1808: Huldigung des Königs Fernando: erster Act dieser Art, der in Neu-Granada vorgekommen ist. 4. September 1809 : Notablen- Versanmilung in Bogota, beliufs Bekämpfung der Junta de Quito. Die erste Pflanze des Prodroums Florae Bogotanae, deren Vorwort Cäldas am 25. Februar 1810 unterzeichnete, hiess Amaria und enthielt in ihrer Beschreibung an den Vicekönig gerichtete Schmeicheleien persön- licher Art. Die Abberufung von Amar wurde bei Ankunft des Commissars der Regencia Antonio Villavicencio in Bogota als Gerücht behauptet; am 26. Juli 1810 berieth die provisorische Regierung darüber, ob der angebliche Nach- — 494 — folgei' Francisco Javier de Venegas als Vicekönig anzuerkennen sei. Be- schlossen nach Cartajena zu schreiben: Luego que llegue ä aquel punto se le haya presente el estado de esta capital y se le detenga alli decorosamente hasta nueva resolucion. Vergl. Groot a. 0. II. S. 200. Nach einigen Pöbel -Excessey wurde Vicekonig Amar am 15. August aus Bogota weggeschafft; mit ihm gingen Manuel Pardo, Joaquin Höyos und Ignacio Umana, ob als Ehrenbegleiter, als Beschützer oder als Gefangenen- führer, klärte sich erst auf, wie die Wache in der Citadelle von Cai'tajena dem Vicekönige die liergebracliten Ehrenbezeugungen nicht gab. Vergl. Groot a. 0. II. S. 20(3. Amar ging am 12. October 1810 von Cartajena nach Havana; sein H^r- meller Nachfolger wurde nicht Venegas, sondern Benito Perez. 90. Die Sternwarte von Bogota ist zweimal von Cäldas besprochen worden und zwar in folgenden Aufsätzen: Descripcion del observatorio astronömico de Santafe de Bogota im Se- manario vom 14. Februar 1808 (No. 7, S. 56) ; auch abgedruckt bei Acosta a. 0. S. 44—48 und Groot a. O. II. S. 496 — 498. Elevacion del pavimento del salon principal del observatorio de Santafe de Bogota, 1809 geschrieben, abgedruckt bei Acosta, a. 0. S. 417 — 429 uiul auszugsweise bei Groot a. 0. II. S. 498. Ausser Cäldas hat die Sternwarte keinen Director gehabt; die Berichte des Directors vom 1. Juli und 1. November 1809 sind bis jetzt nur theil- weise veröffentlicht, von Pombo a. O. S. 190, Vesga, S. 140 und besonders A. Vargas Reyes, Memorias sobre las quinas de la Nueva Granada (Bogota 1850) S. 22 ff. Uebrigens besitzt die Bogotäer Bibliothek noch verschiedene auf der Sternwarte gemachte Claddenbereehnungen von Cäldas'scher Hand, z. B. über den Cometen vom 30. September 1807, während Humholdt, Relation etc. X. S. 434—439 Cäldas'sche Beobachtungen' aus der Zeit von 1807 — 1809 mittheilt. Vergl. Oltmanns a. 0. Tl. S. 289—294. Auf der Sternwarte entstanden auch die meteorologischen Beobachtungen, welche für die Zeit vom Januar — Juni 1808 in vollem Umfange veröffentlicht sind. Aus 1807 befinden sich in den Memorias Zusammenstellungen, während Boussingault noch sämmtliche Original- Aufzeichnungen sah; im Januar 1810 sagt Cäldas : Varias causas nos obligaron ä suspender las tablas ineteoro- lögicas las volvemos ä presentar reducidas no al periodo civil de menses, sino ä la revolucion de la luna; es folgt eine Tabelle über die Zeit vom 10. bis 24. Januar 1810. Vergl. über die meteorologischen Arbeiten von Cäldas auch E:equiel Uricoechea , Meteorolojia Granadina in Mosaico I. (Bogota 1859) S. 116 ff". Pombo schenkte der Sternwarte den Bird'schen Cirkelquadranten von Humboldt, die arithmetischen Tafeln von Delambre und von Mendoza, sowie viele Jahrgänge Ephemeriden; vergl. Vergara a. 0. S. 345. Die Sternwarte war 1874 vollständig ohne Instrumente; es sind aber nicht bloss diese nicht mehr da, auch der Denkstein von 1742 fehlt. Er ist — 495 — in Anlasa des ersten neugninadiniseheii Freuiulachafts- und Handels- Vertrages und infolge des Gesetzes vom 24. April 1857 an die Republik Ecuador ge- schenkt worden. Eine Abbildung der Sternwarte in VVestermanns Illustrirten Monatsheften. 91. Die neugranadinische Wochenschrift ist das bedeutendste literarische Denk- 7nal, das im spanisi-lien Amerika während der Colonialzeit von einem Creolen geschaöeii wurde. Die Zeitschrift führt den Titel: Francisco Jose de Caldas y Tenorio, Semanario del Nuevo Reino de Granada. Von ihr sind zwei Jahre lang (1808 und 1809) Wochen-Nummern in regelmässiger Folge zu Bogota erschienen. Die meisten gingen früh verloren; einzelne Nummern bewahrt der Humboldt'sche Nachlass. Anfang 1810 schliessen sich die später zu er- wähnenden Meniorias an, deren Nebentitel lautete: Contimiacion del Sema- nario del Nuevo Reino de Granada. Das oftmals angeführte Semanario von Acosta ist kein Wiederabdruck dieser Wochenschrift; Vergara (a. O. S. 406) empfiehlt einen solchen mit Recht. Acosta's Buch enthält vielmehr: a. Cäldas'sche Artikel aus dem Semanario, S. 1—48, 109—155, 161—169, 191—193, 242 und 243, 381 und 382, 427—429, 433 und 434. b. Semanario- Aufsätze anderer Mitarbeiter, S. 49 — 108, 156 — 160, 169 bis 190, 194—241, 244 und 245, 383—426, 430-432, wobei zu bemerken ist, dass die Abhandlung über Erziehung, welche Cäldas zugeschrieben wird, Diego Martin Tanco zum Verfasser hat. c. Die moderne Acosta'sche Bearbeitung der Humboldt'sclien Pflanzen- Geographie (S. 245—381). d. Die erste der Cäldas'schen Memorias (S. 523 — 546). e. Bisher ungedrnckte Schriften von C'äldas, nämlich Tlieile aus 'i'age- büchern von 1804 und 1805 (S. 435 — 511), eine amtliche Eingabe vom 16. October (30. September) 1808 (S. 511—522) und Reise-Programme vom Jahre 1802 (S. 546-567). Das Cäldas'sche Semanario ist nur wenig bekannt geworden; übrigens hat aus demselben G. MuUien, a. 0. I. S. 289—297, Artikel übersetzt. 92. Die Cäldas'schen Karten-Projecte, deren Ausführung der Lauf der politischen Dinge verliinderte, wai'en folgende: a. Karte von Neu-Granada. Im Arbeits-Programm vom 3. Januar 1808 sagt Cäldas: Reunidos mis cuadros producirän una carta soberljia y digna de la Nueva Granada; aqui vendräji el politico, el magistrado, el filusofo, el negociante, el viajero, el botänico, el mineralogista, el qne se ocupa con los seres vivientes, el militar y el agricultor. Cada provincia copiarä su depar- tamento etc. Acosla, Semanario etc. S. 30. Schon 1802 verweist Cäldas auf — 496 — . eine Memoria sobre uiia carta politica del Reino. In einem, Bogota, 3. De- cember 1815 clatirten Aussclireiben der Regierung, das in der zu Cartajena erscheinenden Zeitung „El Arges de la Nueva Granada" sich findet, wird auf diese Idee, als bereits annähernd verwirklicht, Bezug genommen. Vergl. Ve::ga a. O. S. 153. b. Karte einiger Pacific -Länder. In demselben Programme erwähnt Cäldas: una corografia del Choco, Costa, Barbacoas, Esmeraldas y Guayaquil. Vergl. Acosta, Semanario S. 13. Ueber dies Vorhaben ist Weiteres nicht bekannt. c. Karte von der Bogotäer Hochebene. Cäldas sagt 1809: preparamos una memoria sobre la importancia y necesidad de una carta corogräfiea de la bella explanada de Bogota y presentamos los medios mas fäeiles para su ejecucion; tendrä lugar en el Semanario este trabajo {Acosta a. 0. S. 532 Anm.). Dieser Plan ist ebenfalls nicht weiter verfolgt worden. d. Karte vom Quellgebiet des Meta-Stromes nach den 1811 von Jose Cortes Madariaga eingesandten Materialien. Dieselben erhielt auch Humboldt, vergl. Relation historique II. S. 277 und 286: „La relation du voyage du Chanoine Don Jose Cortez Madariaga a non seulement conforme mes premiers aper^us sur les sources du Meta, il m'a aussi' fourni des materiaux precieux pour perfectiomier mon travail." Ueber den Einsender dieser Karte vergl. Aristides Rojas, Los hombres de la revolucion 1810 - 1826 (Caracas 1878) S. 24 fi". 93. Der Tod von Jose Mütis hat am 2. September, nicht am 11., stattgefunden. Der Nekrolog von Cäldas findet sich bei Acosta, Semanario S. 161 — 166, und trägt das Tacitei'sche Motto : Finis vitae ejus nobis luctuosus, patriae tristis, e.xtraneis etiam ignotisque non sine cura fuit. Die Quellen, die Cäldas für diesen Nekrolog besass, können nur sehr dürftig gewesen sein. Wichtig sind folgende Urkunden: a. Die letzte Vorstellung, die Mütis an den Vicekönig richtete, ist zuerst von NuTiez (a. O. S. 80 ff.) veröffentlicht, jedoch nicht vollständig, da das Original verstümmelt gewesen sein soll; der Abdruck ist nach einer von Jose Manuel Groot genommenen Copie erfolgt. b. Das sogenannte Mütis'sche Testament im Auszuge bei Vezgn a. 0. S. 130 ; der dortige Abdruck beruht auf dem Docuraente des dritten Bogotäer Notariats, Jalu-g. 1808, S. 319, das 1874 nicht zu finden war. c. Die Cäldas'sche Beschwerde, zuerst in der Bogotäer Zeitschrift El Dia (No. 204) abgedruckt und datirt vom 16. December 1808; dies Datum ist glaubwürdiger als das 1849 von Acosta (Semanario S. 522) angegebene. Ein Auszug dieses Geheimberichtes findet sich 1819 im Anhange (S. 37 ff.) zu der Bordeauxer Ausgabe der Cäldas'schen Schrift: Nuevo metodo etc. Drei Bilder von Mütis sind in Bogota vorhanden. In der unter b. an- geführten Urkunde werden zwei als zum Mütis'schen Nachlass gehörig erwähnt, ein drittes befand und befindet sich im Eigenthum des Colejio del Rosario; es ist von Pablo Antonio Garcia gemalt und trägt das Datum 9. December 1801. Während die beiden anderen Porträts Brustbilder sind, stellt Garcia — 497 — die lebensgrosse Fia:ur .'un Arbeitstisch dar. Von diesen Bogotäer Gemälden weicht das an der Spitze des Humboldt'schen Reisewerkes veröffentlichte erheblich ab. Die Unterschrift desselben lautet: A Don Jose Celestino Mütis, directeur en chef de l'expedition botanique du Royaunie de la Nou- velle Grenade, Astronome Royal a Santa Fe de Bogota, comme une faible marque d'admiration et de reconnaissance. A. de Humboldt, Aime Bonpland. Dies Bild erschien gerade im Todesjahre von Mütis. 94. Die Flora Quitonensis, an der Cäldas arbeitete, ist nie vollendet worden. Proben ii.us derselben sind nur in den Cäldas'schen Anmerkungen zur Hum- boldt'schen Pflanzen-Geographie erhalten; vergl. Acosfa, Semanario S. 339 ff. Die dort angezogenen Arten sind: Ullucus tuberosus, eine Culturpflanze (No. 147), Ranunculus Gusmani (No. 189) und Genciana (No. 371); die letztere erhält in einer Species, deren alter Volksname Calpachina yuyu ist, eingehende Besprechung. In dem Tagebuch der Quitoer Reise wird mehrfach eine Cordovea prolifica erwähnt, die nach dem Bisthums -Verweser genamit war; über die Pombea vergi. Anm. 40. Bei einer Consuegria heisst es: Domino Sinforoso Mütis et Consuegra, qui Chinchonarum historiam et mono- graphiam perfecit, absolvit et Floram Bogotanam assiduo labore et studio. Am 16. December 1808 sagt Cäldas: El resumen de mis trabajos botä- nicos, hechos desde 1802 hasta fines de 1805, se reduce ä un herbario respe- table de 5 ä 6000 esqueletos disecados en niedio de las angustias y de la velocidad de un viaje, dos volümeues de desripciones, muchos disenos de las plantas mas notables hechos de mi propia mano, semillas y cortezas de las utiles. A esto debe anadii'se la numerosa coieccion de eptipas 6 impresiones de las plantas vivas sobre el papel con el auxilio de la prenta portätil que lleve ä todas partes. Vergl. Acosta a. 0. S. 518. 95. Das erste Programm des Humboldt'schen Reisewerkes, in Paris 1806 ausge- geben und von Cäldas am 18. Juni 1809 in Bogota abgedruckt, ist wenig bekannt; es zeigt ein gut gegliedertes, frisches Unternehmen grossartigsten Styles. Primera parte : Fisica jeneral y relacion histörica del viaje, 5 Vol. findet sich später in Band XX (leer) und in XXVIII bis XXX unvollendet. Von den Anlagen dieses Theiles bildet hiernach der Atlas pittoresque unter dem Titel: Vues des Cordilleres etc. Band XV und XVI, während der Atlas physique mit dem Atlas geographique zu Band XVII verschmolzen ist. Segunda parte: Zoologia y anatomia comparada; (ein Band) ist später als Band XXIII und XXIV erschienen, abgeschlossen 1833. Tercera parte: Ensayo polltico sobre el Reiuo de Mejico, 1814 mit be- sonderem Atlas herausgegeben als Band XIX, XXV und XXVI. Quarta parte: Astronomia y magnelismo ist als Band XXI und XXH erschienen. Kclniiiiiiclier, Südamerik. Studien. 39 _ 498 — Quinta parte: Pasigrafia geolögica 6 ensayo sobre el modo de representar los fenömenos de la estratificacion por signos muy multiplicados, im späteren Reisewerk nicht vorhanden, bildet den Anfang des 1823 in Paris veröffent- lichten: Essay geognostique sur le gisement des roches dans les deux heraispheres. Sesta parte: Botänica erscheint später in den berühmten Bänden I— XIV. In dem ursprünglichen Programm fehlt etwas dem späteren Band XVIII Analoges; letzterer sollte ursprünglich eine Analyse des in Band XVII ent- haltenen Atlas sein, wurde aber zu einer historischen Special-Untersuchung ohne Ende: un portrait sans cadre, woran 1806 gar nicht gedacht wurde. Merkwürdig, dass Humboldt 17. Mai 1810 an Willdenow schrieb: „Mein "Werk ist der Vollendung nahe, bis auf die Botanik" ; es existirt als Ganzes nur ideal und is't ausserdem sehr selten, soweit es erschienen, vollständig erhalten. Cäldas hat nichts von ihm zu Gesicht bekommen. Vergl. Acosta, Semanario etc. S. 373—381 ; auch Julius Loevenberg, das amerikanische Reise- werk bei Bruhns a. 0. II S, 496 ff. 96. Die O"'"0'oj'3 Bogotana wird zuerst von Mütis selber 1793 in einer Note zu seiner ersten Kinaschrift erwähnt, indem er sagt: Nos heraos visto en la dura suerte de mantener nos en esta reserva hasta poder concluir la Quino- lojia de Bogota, cuyas suntuosas läminas no pudieron recibir toda su per- feccion en medio de los afanes y quiebras de salud. Vergl. Hernandez a. 0. S. 108 Note. Im Semanario de agricultura y artes IV (Madrid 1798) S. 101 Note, ist sodann von der Quinolojia die Rede, als wäre sie vollendet. Sie ist nicht in ursprünglicher Form erhalten. In späterer lieber arbeitung findet sie sich zu Madrid. Lagasca schreibt an Humboldt unterm 30. April 1827: „El manuscrito de la Quinolojia 6 sea del tratado de la Quina forma un gran tomo en folio y estä precedido de un Prologo escrito por Don Sinforoso Mütis, ä quien parece encargö la publicacion de esta obra el Gobierno de la Repüblica de Cundinamarca. Venian dos copias en limpio de este manuscrito y de los dibujos correspondientes ä el que eran 122 6 sea 61 duplicados, mitad en negro y mitad ilnminados, los cuales representan 7 especies de quina y diferentes variedades de las raismas segun el modo de ver del autor." Der Irrthum, als habe die republikanische Regierung Sinforoso zur Redaction beauftragt, erhellt aus dem Verlauf der Thatsachen. Das eine Exemplar der Quinolojia ist vor 1837 verschwunden, wahr- scheinlich bei einem Banditen -Ueberfall, dem Lagasca am 13. Juni 1823 ausgesetzt war. Vergl. Commissionsbericht vom 23. December 1869 im Boletin -. Revista de la Universidad (Madrid 1870) S. 557—560. Die lateinische Einleitung von Sinforoso hat Triana noch gesehen, denn er theilt aus derselben mit, dass Sinforoso erkläre, mehr als 500 Be- schreibungen, deren Genauigkeit nur durch Vergleichung mit den Tafeln sich feststellen lasse, von seinem Oheim ererbt zu haben. — 499 — Der Text der nach Spanien überarbeiteten Qninolqjia ist von Clements R. Markham , The Chincliona ete. 8. 17 — 42 irrtliinnlicli für die originale Mütis'sche Arbeit gehalten, obwolil die Buchstaben S. M. und V. C. deutlich auf Sinforoso Mütis und Francisco Cäldas hinweisen. Die allgemeine wissen- schaftliche Bescin-eibung ist betitelt: Cliaracter genericus reforniatus und endet mit der Bemerkung: Eum assunipsi a speciebus generis legitiinis, quas in praeliminari discurso satis ostendi. S. M. (a. 0. S. 18). Was vorliegt, ist betitelt: Tabula synoptica ad specierum generis Chinehonae determina- tionem, continens descriptiones generis specierum et varietatum. Die Arbeit nennt nur den Director INLütis als Verfasser, obwohl Cäldas 1808 schreibt: No tengo la menor duda que sin mis trabajos la quinolqjia de Mütis con- tendria mil dudas y se liabria reducido ä menos de la mitad; ä pesar de su prevcncion y de los dereehos de la sangre para eon su sobrino, ha mandado que se publique este tratado en nombre de Mütis, de Cäldas y del sobrino Vergl. Acosfa, Semanario S. 517. Das wichtigste Werk ist Jose Triana, fitudes sur les Quinquinas (Paris 1870), in welchem die Tafeln der Quinologie wiedergegeben sind, aber ver- kleinert und zusammengedrängt. Tafel I, ein Tableau der verschiedenen Hauptklassen, scheint leider zu fehlen; zwei Tafeln XX sind dafür vorhanden No. II ist die lype der Lancifolia, (III — XV Varietäten); No. XVI die der Cordifolia (XVII — XXa Varietäten) ; No. XXI die der üblongifolia, (XXII — XXIV Varietäten): No. XXV die der Ovalifolia (XXV — XXVIII Varietäten) ; No. XXIX — XXX die von Longi-, Dissimili- und Parvi-folia. Triana's Veröffentlichung bildet das einzige Denkmal, das dem Wirken von Mütis gesetzt ist; in ihr heisst es jedoch (a. 0. S. 4): Le texte de la Quinologie nous fait connaitre par des initiales placees au bas de chaque article des personnes qui ont decouvert les especes ou les varietes de Chiii- cliona decrites ou cataloguees dans cette ouvrage. On y voit que sur les 31 Varietes mentionnees, Mütis n'en a decouvert que 8, qui toutes appar- tiennent aux genres Macrocnemum , Cosmibuena et Cascarilla et qu'aucune d'elles ne constitue un vrai Chiuchona. Des 19 CMnchona proprement dits, attribues comme varietes au lancifolia, 13 ont ete trouves par Cäldas dans son voyage d l'Equateur; les autres sont dus aux explorations de Sinforoso Mütis et enfin les varietes du Chinchona cordifolia repondent plus ou moins exactement au Palo de Requeson, decouvert par Santisteban. 97. Jose Manuel Restrepo, geb. zu Envigado 1780, gest. zu Bogota, ist der einzige Mitarbeiter von Cäldas, welcher weiteren Kreisen bekannt geworden ist; er ist der in diesen Anmerkungen vielfach genannte Historiker. Die von Restrepo beschriebene Chinchona- Art bei Markliam a. 0. S. 36. Restrepo's Schrift über Antioquia ist betitelt: Ensayo sobre la geografia, producciones, industria y i)oblacion de la provincia de Antioquia; der Anfang erschien in No. 6 der Wochenschrift vom 12. Februar 1809. Vei-gl. AcostQ, Semanario etc. S. 194—226. Obwohl manche ihrer Ausgaben längst veraltet waren, wurde die Arbeit noch 1824 für die NouvcUes Annales des 32* — 500 — Voyages übersetzt; vevgl. deren Band XXI. S. 317 — 339: Essai sur la geographie, les produits, l'industrie et la population de la provinee de Antioquia. Ueber Eestropo vergl. auch Acnsta, Semanario etc. S. 19. Die Restrepo'sche Karte von Antioquia wird von Humboldt in der Relation liistorique III (S. 205 Note) mit den Worten erwähnt: J'ai tente de tracer en 1816 d'apres les travaux du M. Eestrepo la premiere carte de cette provinee, sowie im Memoire sur la provinee d' Antioquia etc in Nou- velles Annales des Voyages XXXV (Paris 1827) S. 49 — 53, wo es heisst: Mr. Restrepo a dresse une carte de sa patrie (Antioquia); j'en ai sous les yeux un dessin qui s'etend depuis Honda jusqu'au confluant du Cauca et du Rio Magdalena et de Nare ä Murri, Vergl. über Humboldt's Schrift Berghavs, Hertha VII (1826) S. 261—276; und Pocjgendorfs Annalen etc. VII (1826) S. 515 — 524. Die erste Veröffentlichung dieser Karte hat fol- genden Titel : Mapa de la provincia de Antioquia en la republica de Oolombia y de sus minerales, formada con arreglo ä observaciones aströnomicas, rumbos y operaciones geodesicas por el Dr. J. M. Restrepo, Secretario de Estado en el ano 1822. Publicado por Carlos Hauswolfif, vecino de Antioquia (Londres 1824). -Der Titel der englischen Ausgabe ist wörtlich übersetzt. Hinsichtlich des ursprünglichen Geschichtswerkes von Restrepo sagt Bolivar in einem Schreiben vom 3. Juni 1827: Es una de aquellas obras qua producen efecto i que causan rivalidades, pero que refirendose a la poste- ridad, esta se encarga de lavar las manchas de la columnia. Yo nie coloco allä y animado del sentimiento de la justicia de que me siento arrebatado, pronuncio: el autor ha procurado acercarse ä la verdad y la ha publicado con intrepidez. Restrepo hat später den Bogota besuchenden Ausländern ganz besonders gefallen; so sagt z. B. Holton 1852: Fortunately Manuel Restrepo never feil into Morillo's power, and he still lives, the geographer of Antioquia, a historian of his country, the director of the Mint and the very model of a gentleman. 98. Vicente Talledo y Rivera, Oberstlieutenant im spanischen Genie-Corps, ist der Verfasser der einzigen für die Küstenländer Neu-Granadas brauchbaren Karte; sie bildet auch die Grundlage für den betreffenden Theil des Codazzi'schen Atlas; das Manuscript findet sich in der Bogotäer Bibliothek und ist ge- zeichnet: por disposicon del escelentisimo senor D. Antonio Amar y Borbon ano 1808. Die Veröffentlichung trägt den Titel: Mapa corogräfico de la provincia de la Cartagena de las Indias y parte de Santa Marta, Giron, Socorro, Velez, Antioquia, Chocö del norte y sus confines (Londres 1820). Ein kleines Stück der Karte hat Anthnine de Gogorza, Canal interoceanique Sans eclus ni tunnel ä travers du territoire du Darien (Paris 1876) copirt. Talledo wird von Humboldt zuerst 1803 als Revisor seiner Karte vom Magdelena-Strom erwähnt, von Cäldas zuerst 1808 und zwar in Verbindung mit Francisco Javier Caro und Manuel Alvarez, deren geographische Lei- stungen unbekannt geblieben sind. — 501 — Vicckönisi' Montalvo siigt ;un 30. Jiuiuar 1818: Qaeda proiito ä finalizarse el plan jeneral del Rc-ino f[iie me lia pronietido cl injejüero Doii Yicente Talledo, entregarlo, coiicluido antes de auseiitarme; el cual lo poiidrä eii maiios de Vuestra Excelencia el coronel de nülicias, secretario del Vireinato, Don Jose M. Ramirez. — Vergl. Qarcia a. 0. S. 702. 99. Die Cäldas'schen Memorias bilden elf Hefte vom 9, März 1810 bis Mitte 1811; auch das letzte Jteft trägt noch den Zusatz: Aiio de 1810. Beachtens- werthe Artikel sind, ausser dem von Acosta a. 0. S. 523—525 abgedruckten, die drei Cäldas'schen Referate über Humboldt's Werke (No. 8 — 10), sodann die Noten über den Tequendaraa-Fall und die Naturgeschichte des Condor. Eine Eingabe an den Vicekönig, d. d. 9. März 1810, mit welcher die Memoria la überreicht wird, ist in sehr höfischem Tone abgefasst. Die letzte Nummer, in der ein Correspondent aus der venezuelanischen Provinz Barinas seine ersten Mittheilungen macht, bespricht ausserdem das Gefecht am Palace, das am 28. März 1811 stattfand, und widmet dem tapferen Miguel Cabal würdigen Nachruf. Neben den Memorias Hess Cäldas bisweilen lose Blätter drucken, von denen eins bei Groot a. 0. II S. 506 veröffentlicht ist: Descripcion del Tolima. 100. Das Amtsblatt der Bogotäer Revolution sollte zuerst vom Bibliothekar Manuel del Socorro Rodriguez — seit 6. Dezember 1806 Herausgeber der amtlichen Zeitung Redactor Americano — veröffentlicht werden. Von dieser Zeitung erschienen auch unter dem Titel : La Constitucion feliz einige Nummern; ihr Erfolg wurde jedoch für ungenügend erachtet. Darauf ward El Diärio politico de Santafe de Bogota begründet : ein amtliches Agitations- Blatt, dessen Nummern nicht mehr vollständig vorhanden sind. No. 1 er- schien am 27. August 1810; No. 3 beweist auf Seite 3, dass Cäldas als eigentlicher Redacteur arbeitete, während Jose Joaquin Camacho, als Mit- glied des Regierungs- Ausschusses, der Hauptsache nach Censor und Aufsichts- beamter blieb. Aus No. 8 (18. September) und No. 25 (20. November) giebt Groot a. 0. H. S. 184 und 196 einige Beispiele, die den Cäldas'schen Styl vollständig ausprägen; der von Cäldas geschriebene Artikel über die Quitoer Vorgänge vom 2. August 1810 ist besonders beachtenswerth. Das Blatt erschien dreimal wöchentlich etwa 5 Monate lang. 101. Die Anfänge der Republik Neu-Granada (1810 — 1816) sind vom Standpunkt der Verfassungsgescliichtc aus bisher nicht genügend gewürdigt worden, auch nicht in folgenden Schriften: Justo Arosemena, Constituciones politicas de la America Meridional (Havre 1870). Vergl. besonders II. S. 223 fi". — 502 — Hermann A. Schumacher , Geschichte" der Verfassung der Vereinigten Staaten von Colunibien in Si/bePs historischer Zeitschrift XXXIII. (Bonn 1873) S. 287 fif. Die von Camilo Torres redigirte Verfassung . der Vereinigten Provinzen von Neu-Granada datirt vom 27. November 1811 und ist bei Restrepo a. 0. I. S. 124 ff., sowie bei Schumacher a. 0. S. 297 — 301 besprochen; sie wurde aber imr von den Vertretern weniger (5) Provinzen unterzeichnet. Ueber den Verlauf der historischen Ereignisse ist auch zu vergleichen Georg G. Oervinus, Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen III. (Leipzig 1858) S. 178 ff. 102. Der erste neugranadinische Almanach ist betitelt: Almanaque de las Pro- vincias Unidas del Nuevo Reino de Granada para el aiio bisiesto de 1812; tercero de nuestra libertad. Calculado por Don Francisco Jose de Cäldas y Tenorio, Director del Observatorio astronömico de Santafe de Bogota, ATio de 1811. Die Arbeit ist nach den Anzeigen in anderen Bogotaer Blättern October 1810 begonnen. Eine Art Programm enthält die Cäldas'sche Memoria Y\l^. Pombo a. 0. S. 371 sagt: La prefacion es mui interesante acerca de las noticias, que debe contener un buen almanaque j contiene articulos sobre meteorolojia, sobre astronomia y sobre la geografia del Vireinato, sobre aritmetica politica, tomado del almanaque de Gotha. Spätere Almanachs gab in Bogota Benedicto Dominguez heraus, doch wurden dieselben mehr und mehr interesselose Kalender, 103. Von den Cäldas'schen Reisebriefen des Jahres 1812, die für die Veröffent- lichung bestimmt waren, ist nur einer handschriftlich erhalten: Viaje al norte de Santafe de Bogota, por Francisco Jose de Cäldas: Carta 1». Er ist Tunja, 28. März 1812 geschrieben. Sechs nicht für die Oefifentlichkeit be- stimmte Briefe, die Cäldas zur selbigen Zeit verfasste, sind noch vorhanden, d. d. 16. März, 15. und 28. April, 27. Mai, 6. und 12. August, gerichtet an Benedicto Dominguez und Francisco Uriquinaona, meist überschrieben: Seriös Lacedemonios. Vergl. Groot a. 0. II. S. 106 und 128 auch über andere Freunde von Cäldas. Für das Verständniss jener Schreiben sind folgende Ereignisse wichtig: 25. Mai 1812: Pronunciamiento von Sogamoso, unter dessen Unterschriften der Name von Cäldas gleich auf die Namen der Commandanten folgt; der zu dieser Urkunde gehörende Begleitbrief vom 29. Mai ist aus der Feder von Cäldas. Vergl. Restrepo a. 0. IX. S. 49—57. Juni und Juli: In der Umgebung von Tunja, namentlich in der Schlucht von Barona Befestigungen, deren Bau Cäldas leitet; Groot a. 0. II. S. 301. 24. November: Der Congress in Leiva klagt Narino als Usurpator und Tyrannen an; dabei heisst es: El mismo gobierno intruso que ha cautivado — 503 — las imprentas para no liallar obstacnlo cii la ilustracion de los i)ueblos, iio Imbiese reteiiido la de! eiudadano Cäldas, ccdida temporalineute ä beneficio de la Union, ;'i pesav de haberla pedido cl cuerpo, cubriendo con su respon- sabilidad cualesquiera de que estuviese afeeta. Vcrgl. Resfrepo a. 0. IX. S. 103 fl'. ]\Iit dieser Druckerei gedachte Cäldas seine Reisebriefe an die Oeffentlichkeit zu bringen. 'o^ 104. Ueber den Aufenthalt von Cäldas im Staate Antioquia sind ziemlich aus- reichende Quellen vorhanden; folgende erscheinen als die wichtigsten: 5. Mai 1813 aus Cartajo und 25. October aus Rionegro handschriftliche Briefe über die Flucht. 23. September: Bericht über die Fortification der Cauea-Pässe. Pombo sah noch die bezüglichen Papiere: Tenemos a la vista los planos y perfiles de los fortificaciones eonstruidas, sus descripciones y la nota remisoria al Gobierno de Antioquia, todo de puno y letra de Cäldas; levanto tambieu la carta militar de la linea fronteriza. Hierüber sagt Resfrepo a. 0. IV. S. 74: El coronel de injenieros Cäldas niarchö ä Bufi'i para fortificar aquella gar- ganta meridional de la provincia, donde 100 hombres parapetados pueden impedir el paso del räpidd y caudaloso Cäuca ä 2000 enemigos. Ausser Bufü wurden auch mehrere andere Punkte befestigt, namentlich Cana. I. Januar 1814: Cäldas era director de los fabricas (fundicion de artilleria, nitreria, molino de pölvora, fabricacion de fusiles y casa de amonedacion) y en 1** de Enero de 1814 se le confiriö el empleo efectivo de coronel con el sueldo de 2400 Pesos. II. April: Discurso preliminar que leyö el coronel Francisco Jose de Cäldas el dia, en que diö principio al curso militar al cuerpo de los inje- nieros de la Repüblica de Antioquia (Medellin 1815); Druckschrift. 4. October: Anfang des Cadetten-Unterrichts. Dazu gehört: Libro del curso de fortificacion, dictado por el coronel Cäldas: ein bis § 650 gehendes, von einem Zuhörer niedergeschriebenes Heft, dessen Beilagen (Zeichnungen) sich nicht erhalten haben. (j. März 1815: Aviso oficial de Cäldas al gobierno que en 7 de Febrero un molino de pölvora, en obro edificio nuevo, inmediato ä la nitreria quedö corriente. 8. August: Cäldas informa al Gobernador que podian ya taladrarse diariamente dos canones de fusil y acompaiiaba por via de nmestra 4 fusiles completos de los de la fäbriea acabada de establecer. Die letzterwähnten Urkunden von 1815 werden von Pom/io a. O. S. 377 ff. angeführt. Der Correo del Orinoco behauptete, die Fortificationen etc. seien eine Leistung von Venezuelanern; Santander schrieb deshalb diesem Blatte am 6. Juli 1818: Los puntos fortificadas lo hau sido por officiales, hijos de la misma provincia, educados en la escuela de injenieros ((ue tenia ä su cargo el ilustre Cäldas. Vergl. Bianca a. 0. VI. S. 18. Zu den Schülern von Cäldas gehörte auch Jose Maria Cördova, vergl. Scarpettn y Vergara a. 0. S. 112. — 504 — 105. Simon Jose Antonio Trinidad Boifvar, Sohn von Juan Vicente Bolivar und Maria Concepcion Palacio y Sojo, geboren zu Caracas am 24. Juli 1783, gestorben bei Santamarta am 17. December 1830, war dreimal in Europa: als Student, als Wittwer und iils diplomatischer Agent. Die Angaben über nähere persönliche Beziehungen zu Humboldt sind irrig; letzterer sah ihn in Europa nur einmal und trat erst später mit ihm in eine sachliche Corre- spondenz, über die bisher keine directen Nachweise aufzufinden waren. Die Geschichtsquellen über die Unabhängigkeits - Kämpfe von Chile, Ecuador, Neu-Granada, Peru und Venezuela sind zugleich Quellen für Boli- var's Leben; besondere Erwähnung verdienen zwei Urkundenbücher , obwohl die Persönlichkeit Bolivar's in ihnen selten hervortritt: Coleccion de documentos relativos ä la vida publica del Libertador de Colombia y del Peru, Simon Bolivar (Caracas 1826 ff.) XX IT Bände. Documentos para la historia de la vida publica del Libertador de Co- lombia, Peru y Bolivia (Caracas 1875 ff.) VI. Bände. Ausserdem sind anzuführen: Ducoudray-Holstein, Histoire de Bolivar; continuee jusqu'ä sa mort par Alphonse Viollet (Paris 1831) zwei Bände, deren Angaben oft fehlerhaft sind. Felipe Larraznbal, Correspondencia jeneral del Libertador Simon Bolivar, wovon aber nur die Einleitung vorhanden ist: Vida de Bolivar (New-York 1871). Zwei Bände. Der enthusiastische und durchaus subjective Verfasser ist mit seiner, auf mühevollen Reisen beschafften Documenten-Sammlung im Schiff- bruch an Bord des französischen Dampfers Ville de Havre, der am 13. No- vember 1873 New-York verliess und nie ankam, untergegangen. Tomas C. de Mosquera, Los Partidos en Colombia; estudio politico (Po- payan 1874) erwähnte mehrmals „Mis memörias sobre Bolivar"; dieselben scheinen jedoch nicht veröffentlicht zu sein. Der Name Bolivar scheint auf Biscaya hinzuweisen; vergl. Aristides Royas, El elemento Vasco en la historia de Venezuela (Caracas 1874) S. 25, auch S. 37 Anm. 106. Viceltönig Benito Perez, Brigadier, landete am 19. Februar 1812 in Porto- bello und erklärte Panama für seine Residenz, nachdem er bereits im Jahre 1810 von Havana nach Santamarta gerufen worden war und abgelehnt hatte; seine Amtsführung endete bereits am 1. Juni 1813 und war lediglich formeller Natur, da es nicht gelang, den Stützpunkt des sinkenden Vicekönigreichs nach Quito zu verlegen. 107. Juan Maria Luis Ceferino Cespedes, Sohn von Carlos Cespedes und Josefa de Vives, geboren am 25. August 1776 zu Tuluä, wurde am 19. November 1804 zum Priester geweiht. Eine Biographie desselben veröffentlichte J. J. Ortiz, im Mosaico IL (Bogota 1860) S. 126 ff. ; vergl. auch Groot a. 0. IL S. 440 ff. — 505 — Von Cespedes bewahrt die Bogotäer Bibliothek einige Correspondenzen mit wissenschaftliclieii Instituten in Caracas, London, New-York und T\iris, welche den zwanziger Jahren angehören. Eigene Leistungen sind nicht erhalten. 108. General Pablo Morillo's Expedition verliess Cadix Mitte Februar 1815 luid landete am 3. A])ril am uuRTikanisclicn Festland zu Can'ipano im Cumanä- Gebiete. Am 11. Mai nahm Morillo formell Besitz von der General-Capitanie Caracas und übertrug den Oberbefehl an Juan ISLanuel Cagigal, vergl.' Anm. 129. Menioires du General Morillo, Comte de Cartagcne ote. (Paris 1826), Uebersetzung aus dem Spanischen, sehr gefärbt. In einem Bcrielit, den die ^Madrider Zeitung Diario Mercantil am 6. Jamiar 1817 veröflentlichte , soll Morillo sich gerühmt haben, wider seine Gegner in derselben Weise verfahren zu sein wie ehedem die Conquistadores; vergl. William Miller, Memoirs of General William Miller in the serviee of Peru I. (London 1829) S. 50. Morillo stand wahrend der Expedition über den anderen Obrigkeiten; eine königliche Ordre vom 25. November 1814 bestimmte: Si alguna des- avenencia se suscitase entre Vuestra Excelencia y el Jeneral Morillo, no se olvidaran de que los intereses que se les ha* confiado no son individuales suyos, sino loS del Soberano. Siehe Garcia a. 0. S. 704. Am 8. Juni 1817 ward Morillo's Alleinherrschaft gebrochen und am 18. eine Amnestie erlassen. Erst am 17. December 1820 ging Morillo nach Europa zurück und übertrug den Befehl der bereits hoffnungslos gewordenen Expedition auf Marschall Miguel de Latorre. Vergl. Restrepo a. 0. III. S. 79 ff. Morillo ist am 5. Mai 1778 in Fuentes Secas geboren und am 27. Jv;li 1837 zu Bareges gestorben. Vergl. auch Blanco a. 0. VII. S. 516—519. 109. Louis Aury, der Corsar, erscheint zuerst 1815, vergl. Viollet a. 0. 1. S. 270 ff.; er heisst nicht Thomas, wie Esguerra a. O. S. 204 sagt, und ist während seiner Lebzeiten nicht als columbischer Offizier anerkannt, wie z. B. Kieto a. 0. S. 159 irriger Weise berichtet. lieber die Besetzung der Insel Amelia durch Aury \erg\. Blanco a. O. VI. S. 566— 569, über die von Alt-Providencia Restrepo a. 0. I. S. 461. Ain 8. Juni 1818 schreibt Bolivar an Admiral Brion: Un oficio de Vuestra Excelencia con fecha de 11 de Mayo me eomu- nica de que nuestra escuadra se ha aumentado considerablemento con la reunion de algunos buques Ingleses y de otros de Aury. Vergl. Blanco a. 0. VI. S. 385. Den jetzigen San Andres- Archipelagus hat Aury für Neu-Granada nicht annectirt; die Inselgruppe gehörte vielmehr schon seit 1803 zum Vicekönig- reiche Santafe. Vergl. auch Blanco a. O. II. S. 69. Für Aury's Ti-eiben ist höchst charakteristisch ein Schreiben von Jose Cortes Madariago an den „Director von Chile", d. d. Kingston, 25. August 1818, das bei Scarpetta y Vergara a. 0. S. 594 ff. unter dem Namen Luciano Sojo sich findet. Eine Proclamation von Aury, d. d. Santa Catalina, 10. Juli — 506 — 1818, bei Blanco a. 0. VI. S. 412. Edvard Barvett, Tlie West Iiidia Pilot I. (London 1872) S. 277, erwälmt noch auf Old Providenee: the sniall fort nearly in ruins on tbe south end of Santa Catalina Island, named Aury, from a leader of note in the war of independence. Ueber Amy's sontige Occupationen vergl. die Urkunden von 1823 und 1824 bei Fraucisco de P. Borda, Limites entre Colombia y Costarica (Bogota 1880) S. 3, 45 und 64. Dass Aury die gegen Portobello gerichtete Expediton von Gregor Macgregor unterstützt habe, ist eine unbegründete Behauptung "des Kingston Chronicle vom 22. April 1819. Ueber Aury's Ende vergl. Carl Gosselmann, Reise in Columbien in den Jahren 1825 und- 1826, aus dem Schwedischen übersetzt von A. 0. Freese (Stralsund 1829) S. 95 und 96. Die erste Zeit der Codazzi'schen Soldatenlaufbahn steht in der Bogotäer Dienstrolle folgendermaassen verzeichnet: Recibido en la Fernandina, Isla de Amelia, Capitan graduado de Artilleria 18 de Febrero 1818 ; Capitan efectivo 8 de Agosto en las islas de S^ Catalina y Vieja-Providencia; en la Vieja- Providencia Sarjente mayor graduado efectivo y Teniente Coronel hasta 8 de Novembre de 1820. 110. Admiral Louis Brion, geb. zu Ourazao am 6. Juli 1782, gest. daselbst (nicht Caracas) am 20. September 1821, war seit 1804 Kaufmann, in seinem Heimaths- orte etablirt, nachdem er in Holland erzogen worden und da die europäischen Kriege in der Nähe gesehen hatte. Er leistete dem Bolivar'schen Heere mehrfach grosse Dienste durch Beschaffung von Waffen und Munition. Vergl. Viollet a. 0. H. S. 255 ff., Groot a. 0. III. S. 66 ff., Scarpetta und Vergara a. 0. S. 64 ff., wo übrigens die letzten Lebensjahre von Brion falsch dargestellt sind. Charakteristisch ist, dass die ausführlichste, auf Brion bezügliche Nach- richt, die in den Geschichtsbüchern sich findet, seine Leichenfeier betrifft; Groot a. 0. (III. S. 153) berichtet: El 20 de Noviembre de 1821 se celebraron en Bogota honras funerales en la iglesia de San Agustin por örden del go- bierno en sufragio del alma del almirante Brion ; pronunciö la oracion fünebre el padre fray Ignacio Quiroga y asistieron al funer al el presidente y vice- presidente etc, etc. 111. Die neugranadinische Patrioten-Verfolgung von 1816 hat ihren dunklen Hinter- grund in der Bolivar'schen Proclamation vom 15. Juni 1813, in welcher es heisst: Espanoles y Canarios. Contad con la muerte, aun siendo indiferentes! Americanos. Contad con la vida, aun cuando seäis culpables. Vergl. Larra- zahal a. 0. I. S. 176. Dies verkündigt nicht, dass Kriegsgefangenen kein Pardon gegeben werden soll — guerra ä muerte — sondern weit Aergeres: Rassenbekriegung furchtbarster Art, die noch durch Bewaffnung der Sclaven verschlimmert ward. Die siegreichen Spanier rächten sich blutig. Ihre Hinrichtungen wurden zu Bogota in dem Amtsblatte „El Pacificador" registrii't unter der Rubrik: Belacion de los principales cabezas de la rebelion de este Nuevo Reino de — 507 — Granada que despues de foriuados sus procesos hau sufrido por sus delitos la pena capital eii hi forma que se expresa. Danach die Zusammenstellungen im Mosaico 11 und TTT (Bogota 1860 und 1864) S. 70 und 240, sowie alle üebrigen. Die Verurtlieilungen zu Strafarbeiten sind nicht registrirt; die meisten betreffen Wegebauten, über welche der vicekönigliche Bericht vom 30. No- vember 1816 Folgendes sagt {Garcia a. 0. S. 666): Se ha proyectado abrir caminos de Antioquia para Bogota, el Chocö, Mariciuita, el Socorro y l'o- payan; en estas obras se emplean, solo en la primera, 2000 hombres, sin contar los que se han sacado para completar los cuerpos del ejercito y formar otros nuevos. Un terreno naturalmente montuoso ofrece rauchas mas dificul- tades, casi insuperables y para vencerlas no es preciso fatigar, maltratar y cometer violencias sobre los infelices in]iul)itantes." Der Vicekönig fährt fort: „A esto se agregan las ejecuciones de mas de 7000 individuos de las principales familias del Vireinato, que han sido pasado por las armas, por senteneia del consejo permanente ä las ördenes del Jeneral Morillo, unos delincuentes y otros no tanto, los cuales quizas, hubiera convcnido mas al servicio del Key deportarlas para siempre de su pais ä donde no pudieran perjudicar, despues de haber hecho algunos ejemplares en cabezas principales de la revolucion. Ueber die hier erwähnten Deportationen sind ebenfalls keine Verzeich- nisse vorhanden. Für die Flucht der Gefangenen ist die von Cespedes charak- teristisch, die bei Groot a. O, II. S. 440 ff. sich beschrieben findet. 112. Die Hinrichtung von Cäldas geschah am 29., nicht am 30. October 1816. Vergl. Pombo a. O. S. 46 und Vergara a. 0. S. 450. Die Erinnerung an die- selbe ist in Neu-Granada unverkennbar zur Legende geworden ; dies Vorrecht der Märtyrer scheint, soweit wirkliche Tradition und keine Dichtung sich zeigt, unantastbar zu sein. Für jene beruft sich Grool a. 0. 11. S. 424 auf einen noch zu seiner Zeit lebenden Zeugen, der 1816 Ordonnanz-Offizier von Morillo gewesen sei, ohne denselben zu nennen. Ein handschriftliches Verzeichniss der w'enigen nocli im Cäldas'schen Nachlass gefundenen Bücher besass Jose Maria Quijano zu Bogota im Jahre 1874. Beachtenswerth ist folgende Notiz bei Jose Antonio Pnez, Autobiografia I. (Nueva York 1871) S. 100: El jefe expedicionario decia al Ministro de la Guerra en carta que se hallö ä bordo de \\\\ buque apresado por un corsario de Buenos Ayres que los sabios de Nueva Granada eran los que habian dirijido la revolucion y fiue los patriotas de Venezuela los ayudaban en la empresa eon la espada. HnUaort (a. O. S. 7) berichtet: Morillo burut twelve cart-loads of manu- scripts of Cäldas, ohne irgend eine Quelle anzugeben. Der in Anm. 153 erwähnte Professor Holton sagt über die Hinrichtung: Thus died nobly and honourably the wisest and perhaps the best man that South America has ever produced, the Granadian Franklin; for he resemljled — 508 — Franklin in many respects, only he was raore Mglily honoured; for lie not only risked his life for bis country, but died for her on the banquillo. Ueber eine Sage, die das Grab von Cäldas betrifft, vergl. Max von Thlelmann, Vier Wege durch Amerika (Leipzig 1879) S. 364; das Naturgebilde, eine wunder- liche, südlich vom Rio China mitten in der Savana belegene Sandstein- Formation, erwähnt auch Eduard Steinheil, Reisen in Columbien in Petei'- mami's Mittheilungen, Jahrgang 1877, S. 224. 113. Die Räumung des botanischen Hauses, über dessen Beschädigung im Jahre 1814 Grooi a. 0. IL S. 386 zu vergleichen ist, ergiebt sich aus den Bogotäer Zeitungen, soweit die äusseren Yorgänge in Betracht kommen. Die Manu- scripte und Sammlungen der botanischen Expedition wurden als Regierungs- eigenthum besonders behandelt: Hay en el jardin botänico de Madrid un inventario de los trabajos de la espedicion de la Nueva Granada, firraado en Santafe con fecha de 1816, escrito por Sinforoso Mütis. Vergl. Colmeiro a. 0. S. 172. Ueber den Inhalt dieses Inventars findet sich Genaueres in folgenden Urkunden : Mariano Lagasca, Zwei Briefe an Humboldt, d. d. London, 30. April und 3. Mai 1827, handschriftlich im Huniboldt'schen Nachlass. Ezequiel Uricoechea, Mittheilung in der Zeitschrift El Mosäico IL (Bogota 1860) S. 42. Jose Triana, Denkschrift an das spanische Ministerium vom 18. Januar 1866; deutsche Uebersetzung veröffentlicht in den Abhandlungen des Natur- wissenschaftlichen Vereins in Bremen, V. (1876) S. 29 — 33. Bei der Räumung des Hauses fanden sieh zwei Sammlungen vor, welche Jahre lang unbeachtet geblieben waren, nämlich erstlich das schon in Pamplona begonnene Original-Herbarium, das in etwa 60 Kisten nach Madrid kam und schon vor der Verpackung etwas beschädigt gewesen zu sein schien. Lagasca sagt: Ni un solo exemplar vi denominado completamente ; ä mas tenia alguno de ellos, un papelito con un m'imero 6 con un nombre vulgär y muy rara vez el nombre generico; solo las plantas Europeas estaban denominadas por los sujectos. Im Februar 1818 erfolgte die Aufstellung in einem eigenen Zimmer des Botanischen Gartens zu Madrid. Zweitens ein ganz unbearbeitetes Tage- buch aus der Mariquita-Zeit ; Lagasca erwähnt: una cantidad muy considerable de manuscritos y los diarios de los viajes de Mütis, escritos todos de su propia mano, forman una gran parte de la coleccion. Lo voluminoso de los diarios de Mütis, las observaciones varias que se ven en ellos apuntadas, mani- fiestan claramente en mi concepto que acumulaba materiales escribir muchos volumenes sobre diversas raaterias. Cördova's Befehl über die Verpackung, d. d. 7. März 1817, ist zu Bogota noch im Original vorhanden; die verpackten Schätze überbrachte nach Madrid Antonio von Haien. Vergl. über ihn Pedro Chamorro y Baquerizo, Estado Mayor Jeneral del Bjercito Espaiiol, Seccion de tenientes jenerales (Madrid 1852) S. 177 fl". — 509 — 114. Vicekönig Francisco de Montalvo, ein Cubaner, der in TTavana am 28. April 1813 mit einer Expedition sich einscliiffte, übernaluii formell die Regierung von Neu-Granada am 1. Juni 1813 zu Santamartii. Die spanische Regent- schaft verlieh keine viceköniglichen Aemter, so dass Montalvo zuerst nur General-Capitän war, dies aber zugleich auch fiir Venezuela. Er kam nie nach Bogota, wo übrigens am 27. Mai 1817 die königliche Audiencia wieder errichtet wurde; vergl. Bianca u. 0, VI. S. 25. Sein Scheidel)eric]it ist von Jose M. Ramirez verfasst, Oartajena, 30. Januar 1818 unterzeichnet, und findet sich nebst einer Finanz-Statistik, d. d. Bogota, 13. Januar 1818, bei Garcia a. 0. S. 577 ff., ohne diesen Anhang in den Anales de la Universidad de Colombia (Bogota 1872 und 1873) No. 45, 47 und 50, sowie in lUaitco a. 0. VI. S. 262—328. Das Schriftstück enthält Wiederholungen aus laufenden Berichten vom 1. Februar 1815, 27. Juni, 29. August, 23. September und 30. November 181 G, 24. October und 14. December 1817. Für die politische Lage ist das Schreiben Montalvo's an die Regierung des aufständigen Cartajena, das Oroot a. O. II. S. 536 ff. abgedruckt hat, charakteristisch; dasselbe datirt vom 29. März 1815 und ist beantwortet am 18. April; vergl. Nieto a. O. S. 239. 115. Die Stadt Santo Tomas de Angostura, 1764 gegründet, zuerst Santo Tomas de la Nueva Guayana, seit einer Verordnung vom 31. Mai 1846 Ciudad BoRvar genannt, bildet das Herz des bisherigen Orinoco- Handels. Der Ort hat nie wieder eine solche politische Bedeutung erlangt, wie er während des ersten venezuelanischen Congresses besass. Dieser hielt in der heutigen Aula des Colejio nacional de Guaj'ana seine Sitzungen: einem Räume, der jetzt vergrössert und verschönert ist; das Gebäude liegt an dem Hauptplatze, auf welchem am 28. October 1868 eine Statue von Bollvar enthüllt wurde. Das interessanteste literarische Product von Angostura ist die Zeitung el Correo del Orinoco, welche vom 27. Juni 1818 bis 4. August 1821 in 112 Nummern erschien und das Gegengewicht gegen die von Jose Domingo Diaz redigirte Gaceta de Caracas bilden sollte; es scheint kein vollständiges Exemplar dieses revolutionären Blattes anders vorhanden zu sein, als in Verona das Geschenk C'odazzi's an Carlo Vicentini. 116. Giovanni Battista Agostino Codazzi, Sohn von Domenico Codazzi und Con- stanza Bartolotti, ist am 10. Juli 1793 zu Lugo geboren. Die ersten biogra- phischen Nachrichten über ihn sind veröffentlicht worden zu Caracas, als das venezuelanische Geographie-Werk vollendet war — im Promotor vom 17. Juli 1843 — und zu Bogota, als das neugranadinisclie Werk gleicher Art be- gonnen werden sollte — Flugblatt von 1849 ohne Datum. — Manuel Ancizar schrieb nach Codazzi's Tode eine Biographie, die im Mosaico Jahrgang IL — 510 — (Bogota 1859) S. 5 ff. abgedruckt ist; diese Schrift, deren Wiederholung in der Revista Latino Americana II. (Paris 1874) S. 378 — 386 nicht vollendet werden konnte, erscheint mehr als der Nachruf eines Freundes, denn als historische Arljeit. Zu vergleichen sind: Jose Maria Samper, Notice biographique sur M. le General Codazri, ge- schrieben in Paris und der dortigen geographischen Gesellschaft am 1. Juli 1859 vorgelegt. Vergl. Bulletin de la Societe de Geographie IV'"*" Serie, Band XVIIT. (Paris 1859) S. 49 ff. Hermann Schumacher, Agostino Codazzi, ein Nachruf in der neuesten Folge der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde (Berlin 1874) IX. S. 22—39. Dornenico Magnani, Biografia di Agostino Codazzi (Lugo 1880), wo die erste Note folgendermaassen lautet: „Per questo lavoro ci giovammo special- mente di una biografia del Signor Ville, Console d'Italia a Caracas, inserita nel libro Volere e portere del Professore Michele Lessona; e di un discorso sul Codazzi del Dottore Vincenzo Testi." Magnani's Schrift ist ins Spanische übersetzt von Constanza Codazzi de Convers (Bogota 1881), welche einige originelle, aber bedeutungslose Noten über Oodazzi's früheste Zeit hinzu- gefügt hat. Das wichtigste Material für vorliegende Biographie ist ein handschrift- liches, das theils von der Familie Codazzi, namentlich von Lorenzo Codazzi in Bogota und von S. G. Gaspari in Marseille geliefert ist, theils aus dem Bogotäer Archive stammt. In Caracas scheint die Erinnerung an Codazzi's Persönlichkeit ganz verschwunden zu sein. Codazzi's Familie bestand aus acht Kindern, welche ihm seine Frau Araceli Fei'nandez de la Hoz aus Cumanä (geboren 18. Januar 1808, ver- ehelicht 29. April 1834) gebar. Es waren Augustin (21. März 1885), AraCeli (30. December 1837), Domingo (8. Mai 1839), Lorenzo (28. October 1841), Constanza (10. Februar 1843), Jose Antonio (10. April 1845), Rosario (28. April 1847) und Ines (15. October 1850). Zwei Bildnisse von Codazzi sind vorhanden. Das eine findet sich vor der Schrift von Magnani, besser vor deren spanischen Uebersetzung, und gehört ins Jahr 1850: das andere ist eine Photographie von 1856, die nur in Bogota sich erhalten liat. Codazzi's Andenken ist in seiner Vaterstadt wieder aufgefrischt. An die Wittwe Codazzi's schrieb der Syndicus von Lugo, G. I. Bertazzo, am 24. April 1876, es werde an dem Geburtshause eine vom Dichter Ferruci verfasste Inschrift angebracht werden: In Questa Oasa Nacque Agostino Codazzi, Noto a Due Mondi Per Valor Militari, Viaggi Scientifici Ed Opera Utili, Neil' Atlante di Venezuela E Nel Bene Accotto Concetto Per Taglio dell' Tstmo di Panama, — 511 117. Vicekönig Juan Sämano überiuihm, bereits liochbetugt, als Naclifolg'er von Montalvo, die Iiei;ionino- von Neu-Granuda am 9. März 1818 zu Bogota. Sein Bericht über die beim Boyacä-Fluss am 9. August 1819 erlittene Nieder- lage findet sich d. d. Nare, 12. August, bei Groot a. 0. III. S. G08 und G09. Er verliess Bogota am 10. August 1819 und C'artajena schon am 21. März 1820. angeblich, weil er die spanische Verfassung von 1812 nidit beschwören wollte, und ging danii nach Jamaica, um alsbald zum Istlunus sich zu ))e- geben; von Portobello aus hatte er mit dem General- Comnumdaiiten von Panama, Ruiz de Pörras, res[). mit der dortigen Junta, längere Verluuul- lungen über die Anerkenimng seiner viceköniglichen Rechte. Er starb, nachdem er . dieselben durchgesetzt hatte, Ende 1820 in Panama. Vergl. Restrepo a. O. III. S. 62 ; Grool a. 0. III. Ö. 73. 118. Die Republik Colombia, deren Name zuerst als poetische Wendung von Miranda gebraucht ist, wurde als politischer Begriff von Pedro Gual in Car- tajena 1814 hingestellt. Vergl. Restrepo a. 0. V. S. 37 Anm. Der Staat erlangte ein Alter von etwa zehn Jahren, wie denn sein Amtsblatt, die Gaceta de Colombia vom 6. September 1821 bis 29. December 1831 — in 566 Nummern — erschien. Als über diese Republik handelnde Geschichtsbücher sind zu nennen: a. Jean M. Lalkment, Histoire de la Colombie (Paris et Bruxelles 1826), sowie deutsche Uebersetzung von „E. S." Quedlinburg und Leipzig 1827 und 1828. b. Jose Manuel Restrepo, Historia de la revolucioii de la repüblica de Colombia: die in Anm. 1 angeführte Schrift vom Jahre 1827, sowie deren nach Ablauf von etwa 20 Jahren begonnene Erweiterung, welche zu Besangon 1858 erschienen ist. Dies grosse vierbändige Werk trägt deuselben Titel wie das erste; das Vorwort ist unterzeichnet Bogota, 13. September 1848; der Text besteht aus drei Theileu, nämlich: a. aus der Revolucion de la Nueva Granada (I. S. 1 — 471), einer Fmarbeitung der Schrift von 1827, welche dort in Note 19, I. S. 585 besprochen wird; b. aus der Revolucion de Venezuela (I. S. 473—569, sowie II.), für welche als Hauptquellen Monte- negro, Baralt, Diaz und der Spanier Torrente angegeben werden ; c. aus der Historia de Colombia {III. und IV.), welche die Zeit von 1819 bis 1830 umfasst, aber im letzten Abschnitt bis zum Jahre 1839 geht, weil Columbien nach der thatsächlichen Auflösung in Grenzfragen und Schuldangelegenheiten noch fortlebte. c. Georg Gottfried Gervinus, Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts III. und IV. (Leipzig 1858 und 1859) : Der Unabhängigkeitskampf im spanischen Amerika IH. S. 1 — 338, und die Unabhängigkeit im spanischen Amerika IV. S. 441— 672, Abschnitte des berühmten Geschichtsw^rkes, die nach wenig genügenden Quellen mit meisterhafter Klarheit gearbeitet sind. — 512 — d. Justo Arosemena, La autigua Colombia in dessen Constituciones etc. II. S. 132 — 151, vorzüglich die Yerfassungsprobleme besprechend. e. Jose Anto/i/o Pacz^ Autobiografia (Nueva York 1871): ein Gegenstück zu den Schriften über Bollvar und besonders der mitgetheilten Urkunden halber wichtig. Bei der Zersplitterung von Columbia, resp. dem Abfall der Süd- und der Ost-Provinzen von Bogota, hafteten naturgemäss die meisten Schwierig- keiten am Oentrum, nicht bloss hinsichtlich des Namens, indem Neu-Granada statt Columbia nur mit einer Stimme Mehrheit am 10. November 1831 von der constituirenden Versammlung beliebt "wurde, sondern auch hinsichtlich des Territoriums, indem eine Vertheilung desselben unter verschiedene Staaten drohte. Den Namen zu retten, kamen eine Zeitlang eigenthümliche amtliche Doppel -Bezeichnungen vor, wie „Colombia, Estado de la Nueva Granada" oder „Ecuador en la Colombia". Ueber Versuche, Columbien nach 1831 wieder herzustellen, siehe Restrepo a. O. IV. S. 571 ff. 119. Tomas Cipriano de Mosquera, geb. zu Popayan, 26. September 1798, gest. auf dem Gehöft Coconuco, 7. October 1878, ist der einzige neugranadinische Freiheitskämpfer, der in neueren Jahrzehnten noch wirkungsvoll in die Ge- schicke seiner Heimath eingegriffen hat; am 12. Mai 1879 beschloss der columbische Congress, ihm im Capitol zu Bogota ein Denkmal an hervor- ragender Stelle zu errichten. Codazzi's erste Bekanntschaft mit Mosquera ergiebt sich aus Familien- Andenken, welche bis zum Jahr 1819 zurückgehen: Rechnungen, Reise- notizen u. s. w. Im genannten Jahr stellte Mosquera bereits an verschiedenen Orten des Cauca- Thaies meteorologische Beobachtungen an; veröffentlicht sind solche aus Bogota in der Zeitschrift El Neogranadino (Bogota 1848) S. 72 ff. Gleich seinem Bruder Joaquin stand er damals unter Polizei- Controle; vergl. die Urkunde vom 20. November 1818 bei Scarpetta und Vergara a, 0. S. 366. Von Mosquera's zahlreichen, meist dilettantischen Schriften sind zu nennen : a. Memoria sobre la jeografia'fisica y politica de la Nueva Granada, dedicada ä la sociedad jeogräfica y estadistica de Nueva York 1852; mit einer Karte. Eine englische Uebersetzung ist von Th. Dwight 1853 in New- York, eine holländische von A. Goldberg in Amsterdam (1856) veröffentlicht; eine deutsche von F. H. Hesse ist nicht zum Druck gekommen. Mosquera's Beziehungen zu der genannten New- Yorker Gesellschaft beginnen Juni 1852. Am 16. Januar 1853 schickte er seine Arbeit der neugranadinischen Ge- sandtschaft in Washington ein, damit sie zur Vertheidigungvon Grenzansprüchen amtlich benutzt werde, , was auch geschah. Mosquera fasst die 36 Provinzen in 7 Sectionen zusammen ui!d schlägt vor, Südamerika künftighin als sechsten Erdtheil Columbia zu nennen, welchen Namen er später für Neu-Granada durchsetzte. Die Karte, die keinen besonderen Werth hat, stammt aus Codazzi's venezuelanischem Werk: El ätlas se ha correjido en cuanto ä — 513 — Nueva Granada y sus limites, direccion de Cordilleras, curso de muehos rios ; eii cuaiito al territorio de Venezuela nada se ha variado como que es el trabajo mas completo que se conoce. b. Conipciidio de geografia general, politica, fisica y especial de los Estados Unidos de Colombia (Londres 186G) und Diceionario geogräfico de Ips Estados Unidos de Colombia (Bogota 1868) , wo die Vorrede vom 1. Januar 1867 datirt. Mosquera's Angrifle gegen andere Geograplieu er- hellen aus: R(^plicas geogräfieas; el Dr. Felipe Perez contesta las censuras que le liizo el Gran General Mosquera ä la obra publicada en Paris. (Bogota 1865.) Codazzi wurde erst nach seinem Tode von Mosquera ange- griffen, und zwar unbefugter Weise; vergl. Anm. 168. Die kleineren Veröffentlichungen von Mosquera sind ausschliesslich Parteischriften zweifelhaften Werthes. Die erste Karte findet sich in einer Streitschrift gegen Jose ]Maria Obando (Bogota 1843); die interessanteste ist November 1849 in Barranquilla herausgegeben: Carta geogräfica plana del curso del rio Magdalena; vergl. Catälogo de los mapas a. 0. S. 70. Mosquera's vielfach citirte Memörias sobre la vida del Libertador Simon Bolivar scheinen nicht veröffentlicht zu sein. Wappaeus (a. 0. S. 416) urtheilt riclitig, wenn er sagt, dass die Schriften Mosquera's „nur halb- wissenschaftliche sind und grosses Selbstgefühl zeigen, aber wenig gediegenes Wissen." 120. Francisco de Paula Santander, geb. zu Rosario de Cücuta, 24. April 1792, gest. zu Bogota, 5. Mai 1840, war ein Sohn von Juan Augustin Santander und Manuela Omafia; er gehörte nicht zu den Schülern der Rosario-Hochsehule, sondern zu denen des Bartolomaeus-Collegiums ; 1809 erhielt er den juristischen Doctorgrad und ging im folgenden Jahr als Unterlieutenant unter die Soldaten, verrichtete jedoch in der ersten Zeit meist Secretariats-Geschäfte. Restrepo sagt (a. 0. I. S. 419) über Santander: No poseia los dotos corporales necesarios para mandar a, hombres semibarbaros , ellos solo apre- ciaban ä los jefes que tenian, un valor y fuerza corporal superiores ä los demas; Santander era solo un buen oficial de estado mayor instruido y civilizado. Santander soll der Verfasser der in der 6. Auflage der britischen Cyclopaedie enthaltenen Geschichte von Columbien sein, welche 1829 Lorenzo M. Lleras ins Spanische übersetzt und mit Noten versehen hat, er war Jahre lang von Neu-Granada abwesend, als er 1832 zum Präsidenten be- rufen wurde. 121. Eine Reiseliferatur über Columbien aus der Zeit von 1820 — 1830 ist vor- handen, aber meist arm an originalem Werth; es sind zu nemien: a. Carl Richard, Briefe aus Columbien an seine Freunde, von einem hannoverschen Offizier im Jahre 1820 (Leipzig 1822). Der Name des Ver- fassers findet sich dort auf S. 196, nicht auf dem Titel. Scliumaclior, SiUlainciik. Studien. gß — 514 — h. Francis C. Hall, Letters, written from Colombia dm-ing a joiu'ney fi'om Caracas to Bogota and tlience to Santa Martha in 1823 (London 1824). Der Verfasser ist nicht genannt aber ausser Zweifel, sowie Franci>i C. Hall, Colombia, its present state in respect of climate, soil etc. and indueeinents to emigration (London 1827) mit Vorrede d. d. Maracaibo 5. Februar 1824, an Jeremy Bentham gewidmet, dessen Schulsystem in Columbien eingeführt werden sollte. lieber Einwanderung daselbst S. 59 fif., S. 74 ff. c. George F. Mollien, Voyage dans la Republique de Colombia en 1822 et 1823 etc. (Paris 1824); englische und holländische Ausgabe ohne Angabe der Uebersetzer; deutsche von F. Schoell (Berlin 1825). Le voyage de Mollien, sagt Humboldt in einem Brief an de la Roquette, renferme des notions tres utiles et precieuses sur des contrees d'Amerique, qu'il a visitees le premier, et le noble courage qu'il avait deploye sur les bords de la Gambia, le rend bien digne de l'interet public. De la Roquette a. O. L S. 243. d. Ch. Stuart Coclirane, Journal of a residence and Travels in Colombia during the years of 1823 and J824, 2 Bände (London 1825). e. W. A. Duanc, A visit to Colombia in the years of 1822 and 1823 (Philadelphia 1826). /. James P. Hamilton , Travel througli the interior provinces of Colombia, 2 Bände (London 1827). Die Eeise dauerte vom 30. December 1823 bis 22. Mai 1825. Deutsche Uebersetzuug Jena 1827 aus dem Ethnographischen Archiv abgedruckt. g. Thomas Bache, Notes on Colombia, taken in the years 1822 — 1823 with an itinerary of the route from Caracas to Bogota and an appendix (Philadelphia 1827). Der Verfasser war Offizier der Vereinigten Staaten und schrieb zum Theil in Tagebuchform. h. C. A. Gosselmann , Resa i Colombia, aren 1825 och 1826 2 Bände (Stockholm 1828) mit Karte. Zweite Auflage daselbst 1830; deutsche Ueber- setzung von A. G. F. Frese (Stralsund 1829). Die spätere Schrift desselben Verfassers (Stockholm 1842) beschreibt eine Reise der Jahre 1836—38. /. Charles Friend, Notes and observations made during a visit to Co- lombia in the years of 1825, 26 and 27; nur auszugsweise veröffentlicht. Ein wichtiger Abschnitt: Notes of an excursion from the banks of the Atrato to the Bay of Cupica in the year 1827, in dem Journal of the Royal Geographical Society. (London 18 . .) XXIII S. 193—196. 121a. Uebersichtskarlen von Columbien sind in der ersten Zeit meist ohne originale Bedeutung. Zu nennen wären: A. H. Brue, Carte de Colombie d'apres Humboldt (Paris 1823). Colombia from Humboldt and other recent autho- rities (London 1823). Carte de la republique de Colombia, formee de la Vice-Royaute de la Nouvelle Grenade et de la Capitainerie generale de Caracas (Paris 1824); ausserdem //. A. Culburn, Map of Colombia (London 1825). Wichtig ist dagegen A. H. Erve, Carte generale de la Colombie (Paris 1825), denn diese Kai'te beruht auf Blatt 22 des zweiten Humboldt'schen Atlas, die Januar 1825 durch Brue fertig gestellt wurde: d'apres l'ensemble — blb — des observatioiis astronomiques et des renseignemens topograpliiques de Mr. de Humboldt. ITierauf folgen wieder Arbeiten niedrigeren Ranges, wie z. B. : J. M. Darmd, Carte geograpliique, statisticpie, liistorique et politiquc de la Colombie. (Paris 182G.) L. Vivien, Carte de la Republique de Colombie. (Paris 1826.) A. H. Urne, Carte generale de la Colombie et des Guayanes. (Paris 1826.) Die erste amerikanische Karten - Ausgabe dieser Art stammt von /:'. L. Tanner, New- York 1828. Ueber einen Atlas' von Colombia vergl. Aimi. 130. 122. Die Bogotäer Akademie der Wissenschaften, deren Gründung Zea (vergl. Anm. 47) in Europa betrieb, kam nicht zur Durchführung, da Geldmittel fehlten. Ihre Hauptmitglieder sind Boussingault und Roulin; vergl. Ve:ga a. O, S. 179 ff. Die Reise des Ersteren war mit vielen Enttäuschungen und Widerwärtigkeiten verknüpft; eine Beschreibung derselben ist nicht vor- handen. Boussingault schloss seinen Vertrag mit Zea am 28. Mai 1822 ab und war Mitte November in La Guayra; 1. August 1823 begann er in Bogota, nachdem das Gesetz vom 28. Juli die Errichtung einer Bergwerksschule vorgeschrieben hatte, meteorologische Beobachtungen; seine Meta-Fahrt fällt ins Jahr 1824; Juli und August 1826 befand er sich in Mariquita; dann ging er nach Antioquia. Dort war er abermals im September 1830 auf der Reise nach Ecuador; December 1830 in Anserma-Nuevo, 1831 April am Purace, Mai in Pasto, August am Antisana und December am Chimborazo; 23. December bricht er von Riobamba auf, um über Guayacpiil nach Peru zu gehen; Juli 1832 ist er in Santa Marta. Einige Auskunft gewährt Acosta's Sammlung von Boussingault's Schriften in A^iajes cientlficos ä los Andes Ecuatoriales 6 Coleccion de memörias sobre Fisica, Quimica e Histöria Natural de la Nueva Granada, Ecuador y Venezuela (Paris 1849); die fran- zösischen Originalarbeiten finden sich grossentheils in den Pariser Annales de Chimie etVhysique XXUI, XXV, XXVH, XXVIH, XLl — XLIV und LIH. Von Roulin's neugranadinischen Arbeiten enthält Acosta's eben an- geführte Sammlung (S. 225—266) nur drei: über die Veränderungen der europäischen Hausthiere in der neuen Welt vom 29. September 1828, über den Tapir vom 7. Februar 1829 und über den Brand im Mais s. d. Die- selben sind zuerst veröffentlicht in den Memoires presentees par divers savans etrangers ä l'Academie Royale des Sciences etc. Yl (Paris 1835) S. 819, 557 und 710. Die im Humboldt'schen Atlas unter No. 31 befindliche Karte der Umgebungen von Honda, Mariquita und Santana hat die Unter- schrift: Dessine par F. Roulin 1825. Die Zeichimngen in Mollien's Reise- beschreibung scheinen auch von Roulin zu stammen. Der mit Rivero abge- schlossene Vertrag datirt vom 1. Mai 1822. 33* — 516 — 123. Jose Antonio Päez, der Gönner und Freund von Codazzi, war ein Sohn von Juan Antonio Päez und Maria Violenta Herrera, geb. bei Acarigua am 13. Juni 1790, gest. in New-York am 6. Mai 1873. Er gab an letzterem Orte 1871 eine bis zum Jahr 1853 gehende Autobiografia heraus, in der er auch (IL S. 228 — 231, 239, 261 und 262, 300) über Codazzi redet; er sagt dort (II. S. 334) in einer Note: Seria ingratitud imperdonable en un Venezolano no dar una resena de los servicios que presto ä la causa Americana un hombre tan distinguido por sus talentos y por su consagracion ä las ciencias. 124. Die Venezuelanische Landes-Vermessung beruht auf einer Congressacte vom 14. October 1830, gegeben in Valencia; die Urkunde findet sicli abgedruckt in Oonstitucion y demas actos legislativos, sancionados por el Oongreso con- stituyente de Venezuela en 1830 (Caracas 1832) S. 39 IF., sowie in dem Vor- wort zu Codazzi's Atlas; sie beginnt mit den Worten: Considerando que el levantamiento de planos, formacion de itinerarios y cuadros estadisticos del Estado, es una empresa de la primera importancia para Venezuela, cuyos ütiles efectos sei'ian trascendentales ä la mejor direccion de las operaciones militares, al conocimiento de los limites de las provincias, ä la exactitud en el establecimiento de las contribuciones y el fomento de la agricultura, porque facilita la apertura y mejora de los caminos el desagnie de los lagos, y pantanos y la limpieza y navegacion de los rios. Die Ausführung dieses Auftrages ist nur nach spärlichen Materialien chronologisch zu verfolgen, obwohl einige wichtige Privatbriefe Codazzi's vorliegen. Vermessungs- und Reise-Berichte von ihm scheinen in Venezuela nie veröffentlicht zu sein, mit Ausnahme des Berichtes vom 14. März 1838, welcher mehrfach abgedruckt ist. Reise-Tagebücher sind nicht erhalten ; das Itinerarium ergiebt sich annähernd aus dem späteren Werke; dort heisst es z. B. (S. 172 — 174): el nümero de los animales que segun los cälculos del autor habia en cada provihcia en los anos que estuvo trabajando en ellas para hacer los planos corogräficos y dar al gobierno los noticias mas exactas posibles sobre la estadistica del pais u. s. w. Die Tabelle auf S. 174 ent- hält die Resultate einer Viehzählung nebst Angabe der Reise-Jahre. Die Details seiner Fahrten hat Codazzi später in bescheidener Weise zu ver- wischen gesucht; so dass sie anderen Quellen entnommen werden müssen. 124a. Codazzi's Kriegsdienste für Venezuela werden in der Bogotäer Militärrolle kurz abgefertigt: „Mobil 1835 und 1836 zusammen 8 Monate und 22 Tage; gegen Farfan 1 Monat und 24 Tage; Apure -Feldzug 1 Monat." Natürlich lag eine grössere Mühe im Mobilwerden, als im Mobilseiii. Vergl. über Codazzi's militärisches Eingreifen Montenegro a. 0. IV. S. 630; Baralt y Dias a. 0. IL S. 362, 363, 368 ff. — 517 — Charakteristisch ist folgendes von Päez herriilirendcs Document d. d. Maracaibo, 27. März 1836, welclies im Arcliiv zu Bogota handschriftlich sich findet: AI retirarme del mando del ejercito por disposicion del gobierno eumplo con el grato deber de felicitar a Vd por la paz de Venezuela en que tuvo tanta parte. Desdc el retiro piüvado recordare con gusto la eficaz cooperacion que Vd presto para salvar ä la patria de sus conflitos. Cuando Venezuela nö presentata mas que araeuazes, cuando no ofrecia sino peligros, Vd te resignö ä correr los todos y a vender su existencia ä caro precio ä restituirla la tranquilidad que le habia robado la espantosa revolucion de Julio. Vd volö el primero ä reunirsenie y desde entonces niarchando de riesgo en riesgo y de ^^ctoria en victoria no se separö un instante hasta que la nacion quedö libre y respetada. Tan honoroso comportaniente le hace aereedor ä la gratitud de la nacion y yo que he observado de cerca su exactitud en el cunipliniiento de mis ördenes y que su puntual observancia salvö ä Venezuela de un segundo golpe tan terrible como el primero, me congratulo en haberle escojido de las Sias, eleva con sigo el aprecio del gobierno y la mui particular estimacion del Jeneral en Jefe del Ejercito que se suscribe de Vd obediente servidor Jose A. Paez. Die nächsten Einzeichnungen in der Militärrolle betreffen schon das Jahr 1854. 125. Jose (Judas) Tadeo Monägas, geb. am 28. October 1784 in Matiain, gest. am 18. November 1868 zu Caracas, hat sehr verschiedene Beurtheilungen erfahren, absprechende zum Theil bloss als Anhänger des Föderalismus. Bei seinem Tode erschien zu seinen Ehren eine amtliche Veröffentlichung (El Federalista, Caracas 1868), deren erster Abschnitt eine Biographie bildet (S. 1 — 40). Dort heisst es (S. 17) : En 1847, el sufragio de sus conciudadanos y el voto del Congreso lo claniaron ä ejercer la primera magistratura de la Repi'iblica, durante la cual, la marcha ascendente e irresistible del movimiento democratico en el pais le impuso una politica cuyo juicio pertenece ä la Kistoria! Eine Rede, die Mosquera gegen Monägas am 14. December 1854 in Bogota hielt, drohte Venezuela und Neu-Granada in Krieg zu verwickeln. 126. Jos6 Maria Värgas, geb. zu La Guaira am 2. März 1786, gest. zu New-York am 13. Juli 1854, wurde feierlichst im Pantheon von Caracas beigesetzt am 27. April 1877. Vergl. über ihn Jesris Maria Morales Marcano, Apoteösis del eminente ciudadano, doctor Jose Maria Värgas (Caracas 1877), namentlich S. 189 ff. Die wissenschaftlichen Leistungen in Botanik, Chemie und Minera- logie sind daselbst S. 163 — 188 angedeutet. Im Besitz der Familie Codazzi finden sich mehrere intime Briefe, deren Wiedergabe verboten ist. — 518 — 127. Feliciano Montenegro de Colon, Compendio de la historia de Venezuela desde su descubrimiento y conquista hasta que se deelarö estado indepen- diente (Caracas 1840) ist der Hauptsache nacli ein Wiederabdruck von Band IV. der in Caracas 1833—1837 in vier Bänden erscMenenen Geografia general para el uso de la juventud de Venezuela. Dies Weii sollte mit einer Geogi-aphie von Venezuela abschliessen. In der Vorrede zum vierten Bande heisst es: En el tomo quinto se describira geogräficamente cada pro- vincia por separado; allein dieser fünfte Band ist nie veröffentliclit worden und Band IV liat den Charakter einer historischen Darstellung erhalten, indem die Geographie ganz in den Hintergrund tritt. Für letztere ist viel- fach von indirecter Wichtigkeit, was Montenegro in Band III (Caracas 1834) S. 315 — 615 über Neu-Granada sagt, wobei die Arbeiten von Zea und Re- strepo benutzt worden sind. Für die ältere Geschichte von Venezuela ist Montenegro's Hauptquelle J. de Oviedo y BaTios, Historia de la conquista y poblacion de la provincia de Venezuela (Madrid 1723). Montenegro's Colejio de. la Independencia wurde in Caracas am 19. April 1836 eröffnet. 128. Die Stadt Valencia, vollständig Nueva Valencia del Rey, wurde 1812 für die Hauptstadt des ersten"republikanischen Venezuelas erklärt, dessen älteste grössere Ortschaft sie war. Das Gleiche geschah 1830; dann machte jedoch ein Decret vom 30. Mai 1831 Caracas zum Regierungssitz. Die in Valencia herrschende Ameisenplage, deren Verwüstungen unglaublich sind, hat einen grossen Theil der Codazzi'schen Schriften und Briefschaften vernichtet. Neuere Beschreibungen der Stadt in Henry Desparmet Fitzyerald: Va- lencia (Venezuela), im Bulletin de la Societe de Geographie coramerciale (Bordeaux 1879) No. 22, S. 417 ff. und in den Apuntes estadisticos del estado de Carabobo (Caracas 1875) S. 13—16 und S. 74—82. 129. Juan Manuel Cagigal, Codazzi's erster Censor, ist eine in der Geschichte der venezuelanischen Revolution bekannte Persönlichkeit. Vergl. Larrazähal a. 0. I. S. 105, Gervinus a. 0. III. S. 173, Garcia a. 0. S. 584, 606, 607, Bar alt a. 0. II. S. 355. Codazzi sagt: El plan jeneral de la obra ha sido aprobado por el seiior commandante de injenieros, profesor de matemäticas en la academia militar de Caracas, ä quien fue consultado de antemano. Ueber Cagigal's Wirken vergl. auch Montenegro a. 0. IV. S. 576. 130. Der erste Atlas von Colombia erscheint als eine historisch werthvolle, aber wissenschaftlich unbedeutende Leistung. Restrepo's Antheil an dieser Zugabe z;u seinem Geschichtswerke von 1827 ist nur ein äusserlicher , so dass er für — 519 — die Blätter des Atlas nicht verantwortlich sein kann; er sandte als Vertreter des Staates was er fand, an den Pariser Verleger, iiiclit mehr noch minder; die Karte von Antio(iuia ist nicht einmal die von Restrepo selbst auf- genonmiene. Das Kartenwerk, dessen Vorrede von Bogota, 11. October 1825 datirt, giebt die zwüll' Departements nach der Tcrritorial-Eintheilung vom 25. Juni 1824: Istmo, Magdalena, Zulia, Venezuela, Orinoeo y Maturin, Oauca, Cun- dinamarca, Boyacä, Apure, Ecuador, Guayaquil und Asuay, sowie eine Total- karte; der Zeichner war Joseph Lanz. Die Vorrede, die wahrscheinlich von Restrepo stammt, führt die sämmtlichen Quellen an: Confesamos francamente que los mapas del intcrior de esta parte de la repüblica (es decir Caracas- Bogota) estan plagados de dcfectos en los rios, lugares y provincias en que no anduvo el Baron de Humboldt. Ausser Humboldt's Karten und den Ver- öffentlichungen des Madrider hydrographischen Amtes werden die Arbeiten von Maldonado, Talledo, CiUdas und Boussingault citirt. Beachtcnswertli sind auch die anderen Kartenzeichner, die genannt werden. Es sind dies erstlich Roche und Rafael Arboleda — Lo interior de la provincia del Chocö y parte de la de Popayan estä considerablemente mejorada, siguiendo los mapas particulares de estos senores; sodann Manuel Anguiano, nach dessen Karte die Provinz Cartajena gezeichnet ist, ein Brigadier der Ingenieure in Cartajena selbst, der zu den Republikanern übertrat, weshalb ihn Morillo 1816 er- schiessen liess; die Karte ist jetzt verloren. Vergl. Restrepo a. 0. I. S. 395. Am wichtigsten ist der Hinweis auf John Arrowsmith: En donde los trabajos del Baron de Humboldt han faltado se hau seguido en los departamentos que componian la antigua capitania Jeneral de Venezuela los mapas de Arrowsmith. Gemeint ist folgendes Werk: Outlines of the physical and poli- tical divisions of South America partly from scarce and original documents, published before 1806, but principally from manuscript maps and surveys made between 1771 and 1806 (London 1811 und 1819). Die im Besitz von Arrowsmith befindlichen Materialien sind, soweit sie das Darienland betreffen, noch 1853 von Fitzroy empfohlen worden. Vergl. Journal etc. XXIII. S. 182. 131. Südamerikanische Grenzfragen sind, wenn neuere Verträge fehlen, aus- nahmslos sehr schwierig zu beantworten, da meist der Besitzstand ebenso zweifelhaft ist wie das geltende Recht. Bei Begründung des ehenuiligen Columbien waren alle Grenzen zweifelhaft: die gegen Englisch- Guayana, gegen Brasilien, gegen Peru und Costarica ; lieim Verfall der Republik führten auch die Scheidelinien zwischen Venezuela und Neu-Granada, Neu-Granada und Ecuador zu Streitigkeiten, die noch nicht ihr Ende erreicht haben. Codazzi maasste über diese Angelegenheiten kein eigenes Urtheil sich an, weder was Venezuela, noch was später Neu-Granada betraf. Hinsichtlich A^'enezuelas sagte er selbst: En la demarcacion de las fronteras politicas estä especificada toda la linea de acuerdo con los mapas y la obra del säbio Humboldt; er giebt auch alle Ausnahmen an, die er von dieser Regel gemacht liat. Hin- sichtlich Neu-Granadas berichtet Luis Carlos Rico in Francisco de P, Bordn, — 520 — Cuestion de liinites eiitre Colonihiii i Costa-Ricii (Bogota 1880) 8. 115: Los Senores Miuniel J'once de Ijcüii i Aranuel Maria Paz me hau iiifonnado qne el jeneral Codazzi, para trazar lo8 liinites de la Repüblica pedia al gobierno los datos oficiales que tuviese, y solicitaba inforines de los altos funcionarios i de todas personas eapaces de darlo luz en lu materia, entre ellas al senor doctor Pedro Fernändcz Madrid. Hinsichtlich der Grenzen Columbiens gegen das Ausland, die auf Vene- zuela, Neu-Granada und Ecuador übergegangen sind, ist etwa Folgendes hervorzuheben : a. Gegen Briiisch-Gvayana ist die Grenze weder vor noch nach 1831 vertragsmässig festgesetzt. Codazzi's Angabe ist ohne inneren Werth. Auf Tafel 10 seines Atlas von Yenezuela finden sich freilich die Worte: „Terri- torio que se considera usur])ado por los Ingleses" zweimal am Essequibo, und zwar sowohl am oberen Lauf als auch an der Mündung; Codazzi stellte aber die englischen Ansprüche nicht so weit dar wie Schomburgk's Karte; er folgte auch den Humboldt'schen Angaben nicht ganz, sondern nur escep- tuando en la embocadura del Kupununi, (jue hemos toniado jior raj'a; pues segun los Ultimos viajes del S'' Schomburgk alli estcä la Sierra de Mara- capans, de que habla Humboldt. Vergl. Anm. 133. Diese Differenz ward nicht geschlichtet; die ilu'erhalb geführten Verhandlungen mit England er- wälmt Päe:, Autobiografia (II. S. 345 — 347); Francisco Michelcna y Rojas, Esploracion oficial de los rios y valles de la America del Sur hasta Nauta etc. (Bruselas 1867), ein höchst geschwätziges Bucli, bildet die wichtigste Quelle für die Geschichte der englisch-spanischen Grenzfragen. h. Gegen Brasilien ist die Grenze zur Zeit von Columbien nicht in Er- örterung gezogen worden; die Frage schwebte alsdann zu gleicher Zeit für alle drei Staaten, in die Columbien zerfiel. Die venezuelanisch-brasilianische Scheidelinie war noch streitig zur Zeit von Codazzi, dessen Karte auch in dieser Hinsicht wesentlich von der Schomburgk's abweicht. Erst am 17. November 1860 wurde in Caracas ein Grenzvertrag gebilligt, welcher sagt (Art. 2): Comenzarä la linea divisoria en las cabeceras del Rio Memachi y siguiendo por lo mas alto del terreno pasarä por las cabeceras del Aquio y del Tomo y del Guaicia e Iquiare e Issana (de modo que todas las aguas que van al Aquio y Tomo queden per- teneciendo ä Venezuela y las que van al Guaicia, Xie e Issana al Brazil) y atravesarä el Rio Negro en freute ä la isla de San Jose (jue estä pröxima ä la piedra de Cuoui. Uebrigens hiess es in dem Vertrage unter Artikel 6: AI tratar con la Repüblica de Venezuela relativamente al territorio situado al Poniente del Rio Negro y bafiado por las aguas del Tomo y del Aquio, del cual alega posesion la Repüblica de Venezuela, pero que ya ha sido reclamado por la Nueva Graiiada, no es la intencion de Su Majestad el Emperador del Brasil perjudicar cualesquiera derechos que esta ultima repüblica pueda probar .ä dicho territorio. Letzterer Satz führte zu Depeschen, welche Juan Antonio Pardo, der Staats-Secretär von Neu-Granada, sowohl nach Caracas als auch nach Rio de Janeiro richtete. Die neugranadinisch-brasilianische Grenze ist äusführlicli behandelt in Jose Maria Quijana 0., Memoria histörica sobre liraites entre la repüblica de — 521 — (lolomMa y el ini])ori(> de Brasil (Hojjdtil IN)!»), vergl. aiu'li Mnnutl Anrhar, Apfudico iil texto uiiiver.sit!iriij de dtTeclio iiitiTiiafiiniuI (HojTotii 1872) H. G. Hierliei ist zu heufliton, dass die im Juni und .Iiili iHbS erfolf^los in Bogotii jrefülirteii Veriiandlun|xeii liinsielitlieh der Greiizfrage nicht einmal zu einer Verstandiirung der Bevollniiiclitiirten Ix'ider Staaten fiilirtcn. Vergl. Lorenzo Maria IJuan, Esposieion sül>re lo.s tratados eou el Brasil (Bogota 1H54); dazu gehört Amjiistin (hilac-i, Mapa para denionstrar los limited de la Nueva Granada con el Brasil segun el nuevo tratado y la linea (pie le dalia el Jeneral Aeosta en su ina])a de 1847 (Bogota 185;3). Neue Grenzverhandlungen eröH'nete für Brasilien Joatpiin Maria Nascentes deAzamhuja Ende l>eecnd>er ISCkS in Bogota: no se jjuede poner en duda el dominio del Brasil en el territorio eomprendido en el triängulo formado por el Auiazones, por el Yupurä (Ca(iueUi) y per la linea de Tahatinga hasta la boca del Apoporis. Der Bogotäer Congi'css Hess damals die alten hrasilianisch-portugiesisehen Grenzverträge von 1750 und 1777 im Amtsl)lutt verölVentliclien; die Verhand- lungen zerschlugen sich jedoch abermals. Die Grenze Ecuadors gegen Brasilien ist vollständig dunkel geblieben, namentlich weil die Frage hinzutrat, wie weit in dieser Richtung die An- sprüche von l'eri'i berechtigt sind. Villavicencio a. 0. S. 27 erklärt nur: Los verdaderos limites con las naciones vecinas no estan aun determinados; pues se esperan tratados speciales quo los fyen definitivamente. c. Gcyen Peru ist die Grenze des alten ('olumbion ebenso unsicher wie die des späteren Ecuador, da bis auf die neueste Zeit an eine vertragsniässige Feststellung derselben iiielit gedacht ist. Eine Uebersicht über die in Be- tracht kommenden Punkte, deren Erörterung nicht hierher gehört, bei Wappaetis a. O. 8. ö35 tf. Vergl. auch K //. Nnvoa, Cuestion de limites entrc Peru y el Ecuador in Revista del Pacifico V (Valparaiso 18ül) S. 121 11", sowie Padre Moncat/o, Colombia y el Brasil, Colombia y el Peru: cuestion de limites (Valparaiso 1862). (/. Grge/i Costarica ist die Grenze ebenfalls streitig, aber doch meln-fach erörtert, da für deren formelle Feststellung eine spanische Kronverordmuig, d. d. San Lorenzo, 30. November 1803, maassgebend zu sein scheint. Vergl. Martens, Nouveau Recueil de traites d'alliance, de pai.x etc. Goettingeu I. S. 561. Costarica verlangt cinestheils das pacifische Land bis zur Burica- Halbinsel, anderntheils die ganze atlantische Seite der ehemaligen Provinz Ciiiri(iui und selbst noch ein Stück der Nachbar-Provinz Veragua. Grenz- verträge sind verabredet, aber nie rechtsverbindlich geworden; Neu-Granada ergriff 1836 Besitz von der Gegend am Rio Dorccs; vergl. Moritz \Va N., entre le Rio Meta et Cliocö. Cette coupe est eu meine temps geologique ; eile est tracec d'apres les obser- vatious de M. Boussingault. Dieser Durcbsclinitt ist später vielfach repro- ducirt Avorden. f). Coinpendio liistörico del descubriniieuto y coloiiizacioii de la Nueva Granada eii el siglo Kjto (Paris 1848), ein Werk, das Humboldt's Beifall ge- funden hat und quelleninässig gearbeitet ist, dessenungeachtet aber bei Gebrauch vorsichtige Kritik erfordert. Der Verfasser dachte zuerst an eine Herausgabe der Quellenschriftsteller und wollte dann noch eine Fortsetzung seiner Arbeit erscheinen lassen; eine von G. Lafond de Lurcy geschriebene Besprechung findet sich Bulletin etc., Serie 3, Band XII (1849) S. 94—105. c. Seraanario de la Nueva Granada, miscellanea de ciencias, literatura etc. publicada por una sociedad de patriotas Granadinos bajo la direccion de Francisco Jose de Cäldas (Paris 1849); vergl. oben Anm. 91. Der Verleger sagt im Vorworte: „ofresco mi agradeciiniento al Sr. Colone! Acosta por el sacrificio desinteresado de su trabajo, su saber y su tiempo." cl. Viajes cientificos ä los Audes Ecuatoriales ö coleccion de ineinorias sobre fisica, quimica e historia natural de la Nueva Granada, Ecuador y Venezuela, presentados por Boussingault y Roulin (Paris 1849). Dieser Arbeit, welcher einige Abhandlungen von Rivers, yalenciennes, Cäldas, Gros und Acosta selbst angeschlossen sind, sowie ein von Letzterem herrührender Excurs über Geologie vorangeht, war nach dem Vorwort von 1844 dem Präsidenten Mosquera zu amtlicher Herausgabe überreicht ; letzterer lehnte das Gesuch ab, angeblich wegen Geldmangels , wahrscheinlich aber, weil er wissenschaftliche Arbeiten, bei denen er nicht betheiligt war, wenig liebte. Kleinere Schriften von Acosta sind die folgenden: Noticia sobre la jeografia politicia de Columljia (Bogota 1825); das Exemplar trägt von Humboldt's Hand die Notiz: Escrito mui raro en Europa. Itinerario de- scriptivo del Magdalena al uso de los viajeros en el vaper acompanado de un diseno del rio (Bogota 1850); Karte ohne Werth. Lecciones de Jeologia (Bogota 1850); nur drei Lieferungen sind erschienen. Alinanaque para cl ano bisiesto de 1852 (Bogota 1851). 143. Das neugranadinische Geographie-Werk ist bereits in der Congressacte vom 15. Mai 1839 vorgesehen und zwar, wie die Vorverhandlungen zeigen, auf besonderes Betreiben von Mosquera. \''ergl. Uno de Pombo, Recopilacion de las leyes de la Nueva Granada (Bogota 1845) S. 25. Ueber Mosquera's — 534 — spätere dilettiuitisclieii Vorbereitungen für eine solches Werk durch Samm- lung der verschiedenartigsten Karten u. s. w. , siehe dessen Compendio etc. Introduccion S. 2 ff. Der Congressbescliluss erlangte eine praktische Form erst durch das Gesetz vom 29. Mai 1849, wobei zu bemerken ist, dass zwei Tage zuvor den Töchtern von Oäldas, mit Rücksicht auf des letzteren karto- graphische Leistungen, eine kleine Pension bewilligt wurde. Vergl. Antonio de la Plaza, Apendice ä la Recopilacion Granadina. (Bogota 1850) S. 16. Das Progi'amm des Werkes, das in der Zeitschrift der Gesellschaft für Brdkunde N. F. IX. (Berlin) S. 33 sich findet, stammt von Mosquera; das erste von Codazzi aufgestellte, das übrigens später vielfache Modificationen erfahren hat, findet sich als Manuscript unter der Ueberschrift: Jeografia de la Nueva Granada y de sus 36 provincias. Die Verträge wegen der Herstellung des Werkes resp. der Vornahme der verschiedenen dafür erforderlichen Arbeiten datiren vom 20. December 1849, 22. December 1852 und 17. April 1855. Der erste dieser Verträge bestimmt der Haupsache nach die Vermessung, der letzte naturgemäss die Karten; sie gehen sämmtlich davon aus, dass Ancizar der Präsident einer eigenen Com- mission ist und für dieselbe handelt, obwohl von einer derartigen Organisation, abgesehen von dem Namen, Nichts zu finden ist. 144. Jose Jerönimo Triana, geb. in Bogota am 22. Mai 1829, hat noch nach Codazzi's Tode an den Aufgaben der chorographischen Commission fest- gehalten, obwohl er seit 1858 nicht in der Heimath lebte. Seine Lebens- beschreibung von Hermann A, ScJniinacher in den Abhandlungen des Natur- wissenschaftlichen Vereins in Bremen (1873) HI. S. 393 fi"., deren spanische Bearbeitung in den Anales^de la Universidad Nacional de los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1874) VIH. S. 164 ff. erschien: la traduccion ha sido aumentada por el autor con algunos datos nuevos. Triana's erste Publication ist betitelt „Plantas utiles" und 1852 in der Zeitschrift El Neo-Granadino erschienen. Dann folgte als Wiederabdruck aus der Gaceta oficial die Schrift: Nuevos jeneros i especies de Plantas para la Flora Neogranadina (Bogota 1854), wo es in der Vorrede heisst: Habiendo tenido la jenerosidad de unir ä nuestro nombre oscuro el suys, respectable por los descubrimientos conque ha enriquecido la ciencia, nuestro araigo, el Doctor Hermann Karsten, naturalista Aleman bastante tenemos que oponer ä la desconfianza con que se haria mirar este ensayo nuestra notoria insufi- ciencia. Unter den Pflanzen, die nach Endlicher geordnet sind, findet sich eine Codazzia, eine Loevigia: al honor del famoso quimico Aleman Loevig, conocido por su obra de quimica orgänica — auch eine Matizia ist vor- handen. Das Bogotäer Bibliothek-Exemplar ist noch jetzt eingewickelt in Papiere deutscher Handelsgärtner und Blumenzüchter. Codazzi schreibt am 7. Januar 1852 über Triana, auf sein Herbarium ein- gehend: Jose J. Triana ha concluido el arreglo del herbai'io recojedo en las provincias del Norte y en el penoso viaje que acaba de liacer por una parte de las del Sur; asimismo acompaiio los cuadros de clasificacion que consti- — 535 — tuyen el indii-e del hcrburiü, on ol ctial se liiilhui deniostrudas todas las refe- i-^ncias con los respectivos esqueletos de plantas etc. Vergl. Gaceta oficial vom 10. Januar 1852, No. 1304. Triana's A^ertrag- ülier eine cnroi)äisclie Ausgabe der Flora NcojrrniKidiua datirt vom 25. Juli 1855; verg-l. Manifiesto del niicmbro de la Coinision coro- gräficii Jos(5 J. Triaua (Paris 1860) S. 21. Die verschiedenen Veröffent- lichungen Triana's erinnern lange Zeit hindurch an die Codazzi'sche (Jom- missioii. Unter ihnen ist die älteste Leistung: Clioix de Plantes de la Nou- velle Grenade in den Annalcs des sciences naturelles, 4" Serie, Tome IX (Paris 1858). Am 12. Februar 1858 hielt l\-iana in Paris einen Vortrag über die Clüca, bei dessen Veröffentlichung biographische Nachrichten ge- geben wurden. Das Hauptwerk ist betitelt: Commission chorogra])liique de la Nouvelle Grenade; Partie botanique — Prodromus Florae Novo-Grana- densis par Jose Triana et J. E. Planchon. Paris 1862 ff.; bis 1876 waren drei Bände erschienen; in demselben Jahre gab er ebenfalls mit Planchon zusammen heraus: Memoire sur la famille des guttiferes. Die in Anm. 14 erwähnte Bearbeitung der Mütis'schen Quinologie zeigte, dass Triana einer der ersten Kenner der Chinchonen- Arten sei; eine inter- essante Besprechung der Triana'schen Classification, welche auch über die Geschichte der Kina-Kunde Manches beibringt, ist: E. Chevreul, fitudc sur les Quiaiquinas in Memoires, publies par la Societe Centrale d'Agriculture de France (Paris 1873) S. 197—240. Im Uebrigen vergl. Anales de la Uni- versidad etc. S. 176 ff. 145. Codazzi's Vermessungs-Reisen in Neu-Granada sind übersichtlich zusammen- gestellt von Elisee Reehis im Bulletin etc. (Paris 1860) S. 141 — 145: gräce ;l Tobligeance de quelques coufreres; die Arbeit hat mehrere erhebliche Fehler. Hauptquelle ist eine Urkunde des Bogotäer Archivs, überschrieben: Fechas en que estuvo el Jeneral A. Codazzi en varias poblaciones de la Nueva Granada. Dies nach Codazzi's Tode amtlich zusammengestellte Itinerarium ergiebt fol- gende Reisen: 1) 3. Januar bis 6. August 1850; 2) 4. Januar bis 16. Mai 1851; 3) I.Januar bis 3. Aug-iist 1852; 4) 1. Februar bis 12. August 1853; 5) 2. Januar bis 8. Juli 1854; 6) 17. Mai bis 5. Juni 1855; 7) 6. December 1855 bis 12. März 1856; 8) 8. December 1856 bis 18. Juni 1857; 9) 10. December 1858 bis 7. Februar 1859. In obiger Urkunde ist nicht die volle Strecke der Reise angeführt, sondern nur diejenige, auf welcher neue Vermessungen vor- zunehmen waren; dagegen umfassen die vorstehenden Zahlen die gesammte Zeit von Abreise und Heimkehr, ausgenommen ad 5, da die Reise mit dem Eintritt ins Heer, und ad 9, da sie mit dem Tode endete. Einige wenige Angaben des Itinerariums stimmen mit Berichtsdaten nicht überein; letztere liegen dann immer etwas später als jene. Diese Verschiedenheit erklärt sich daraus, dass Codazzi an grösseren, mit Post-Stationen versehenen Orten wichtigere, während des Rittes nicht ins Reine zu schreibende Arbeiten im Concept zurückliess nebst Blanco-Unterschriften für die Ausfertigungen, und diesen später das Datum des nächsten Posttages gegeben wurde. Beschrei- bungen dieser Reisen sind von Codazzi nur gelegentlich angefertigt; was von — 536 — seinui Sclirit'teii vurli:iiiilt,-ii ist, tr;ifi,t iia-ist .sclioii den CliurukUT der teeh- nist'lieii Verarbeitung. Zwei seiner Begleiter liaben Reisebesclireibungen ver- öffentlicht : a. Manui'l Aiu-izar, Percgrinucion de Alpha ])ur las provineias del Norte de la Nueva Granada en 1H50 i 1851 (Bogota 1853). Vergl. Ainn. 141. Diese Feuilleton-Artikel handeln von den Codazzi'sclien Reisen der Jahre IböO und 1851 unter Heranziehung von historischen und statistischen Materialien sowie von anekdotenartigen Intermezzos. Es fehlt die chronologische Reihen- folge. Der Anfang trägt das Datum des 21. Januar 1850, an welchem Tage Ancizar in Velez sich auf dem Wege der Genesung befand; in die Beschreibung der Reise bis Vt4ez sind Artikel über Muzo (8. 48 — 69); gleich darauf ist zwischen Velez und Socorro (21. Januar bis 8. Februar) ein Abschnitt über Oiba (S. 125 — 127) eingefügt; (Jodazzi war in Muzo und üiba erst im März und April des nächsten Jahres. Der 43. Artikel, der letzte, schliesst (S. 523) so, als habe damit die gesanimte Bereisung der Nordprovinzen Ende Juli 1851 aufgehört; es muss Ende Juli 1850 heissen. Ancizar beschreibt ziemlich zusammenhängend die erste Reise Codazzi's, nämlich die Fahrt vom 3. Januar bis 10. März 1850 auf S. 1 — 218 und die von da bis zum 1. August desselben Jahres auf S. 383 — 523; nur wenige Verschiebungen finden sich: z. B. bei Onzaga, Piedecuesta und Puerto de los Cachos. Dann ist aber zwischen diese beiden Theile des Buches, mitten in Artikel 17 beginnend und mitten in Artikel 30 endigend (S. 211) — 383), eine mit der zweiten Reise zusammenfallende Beschreibung eingerückt (Soatä bis Guatetpie), welche auf die Chronologie der Codazzi'schen Fahrt gar keine Rücksicht nimmt, vielmehr Partien, die dort dem Januar angehören, hinter März oder April einschaltet und die Tour von Nemocon nach Pacho und Palma ganz unerwähnt lässt; wahrscheinlich war Ancizar nicht überall und nicht während der ganzen Expeditionszeit Codazzi's Adjutant. Lücken von grosser Bedeutung sind nicht vorhanden, nur fehlt die Beschreibung von Pamplona, die nach S. 471 vorher sich finden soll. Die letzten Worte des letzten Artikels lauten: Permitäseme concluir la primera serie de estos arti- culos. Eine Fortsetzung ist nie erschienen; die letzten Artikel ausAncizar's Feder sind offenbar flüchtig geschrieben. Vergl Anm. 141. h. Santiajio Perez, Apuntes de un viaje ä las provineias del Sur: Zei- tungsartikel aus dem Ende des Jahres 1857, welche Reise-Eindrücke ent- halten, aber eine Beschreibung der Fahrt durchaus nicht geben. Der Verfasser, geboren zu Cipaquirä im Mai 1830, Redactcur der Zeitung El Tiempo im Jahre 185G, ist Schwager von Triana. Die Original« der Codazzi'schen Karten finden sich jetzt im Besitz des coluinbisclien Finanz-Ministeriums; vergl. Catälogo de los Mapas a. O. S. 65, 70, 71, 131—133, 139, 140. 145a. Die Zeichenfeisen des nördlichen Südamerikas sind seit langer Zeit bekannt, wenn man darunter Felswände oder Felsstücke versteht, welclie mit schrift- ähnlichen Zeichen bemalt sind. Diese rocas pintadas oder ])iedräs pintadas f^ind l)isher ebenso behandelt worden, wie die mit Sculpturen vei'sehenen — mi — «xliT in iluri'ii Nacliiiliiiiuiiu; mit t-iilsiiri-rliL-iidcii l''i;,airt.'ii (llausj;vr;iili. .lagtl- tliiere, Scliluii'i.t'u u. s. w.) heinaltiii. Von (Icii U'tzU'i'en, die scltfii vor- koniiiieii, ist das \vicliti<;ste Exi'inplar der 'IVpii Mereine bei KiieHrainadu; Vf'r^l. Ri>jiens, in der Zeitselnüft der Gesellseliaft für Knlkunde XIII. (Berlin 1878) Tulel 1, No. 2. In Neu-(Jranada ist der Stein von Sahoya weffen seiner Laie benilnntesten dieser bemalten Steine linden sich im Orinoeo-fieliiet, wie an dem Ilauptflusse selbst, so auch am Guarico, Cojedes, l'ortufruesa .sowie zwischen liranco und Kseiiuil)o. Von Steinen, welche Scnlpturen tragen, ist der bekannteste aus neugranadinischem Gebiet der von (Caldera bei David, den Codazzi nicht gesehen zu haben scheint und zuerst von /*'/•///(//»/ SriiiKiiiii allgebildet ist: Reise um die Welt und drei Fahrten der kiiniglicii britischen Fregatte Herald I. (Ilanuover 1853) S. 326. 14(). Tropische Landschaftsbilder sind erst in den lünfziger Jahren in dem Siinie, wie Humboldt sie wünsclae, entstanden, als Gharakteristiken der Typen troi)ischer PHanzen-, Gestein- und Boden-Formationen. Derartiges war bei den Illustrationen zur neugraiiadinischen Ijandosbeschreibung, die nach ein- ander C'armelo Fernandez, Henry I'rice und Manuel Maria Paz anvertraut wurden, gar nicht geplant gewesen. Sie sind verloren, obwohl Manuel Ancizar noch hofft, sein Reisebuch mit 400 Bildern versehen zu kömien, und Felipe Perez noch in einem Berichte vom 31. Deceniber 1862 erklärte: El archivo de la Gomision posee 200 y 300 magniticas vistas de nuestros puntos mao interesantes. Die wenigen Proben, die zu Bogota in Privatbesitz sicli erhalten haben, staunuen von Price und sind ohne kün.stlerischen Werth und luimentlich (dnie charakteristische Züge. Paz hat die Al)bildung des San Agustino-Tiiales, die als erste Tafel den Zeichnungen der dortigen Alterthünier vorangehen sollte, entworfen und ausgeführt; die Arbeiten von Fernandez, der 1874 noch in Paris lebte, sind ganz vergessen. Gegenstücke zu diesen Dilettantenversuchen bilden einestheils die ein- fachen, aber getreuen Illustrationen der 'l'rautwine'schen Reisebeschreibung (vergl. Ainn. 155), die Codazzi nicht gesehen zu hal)en scheint; anderntlieils die grossartigen Blätter von Albert Berg, von denen eines, das aus dem ( 'odazzi'sdieii N'aehlass stannnt inid L'odazzi's Anmerkungen trägt, noch vorhanden ist. Die Berg'schen Zeichnungen werden im Kiiniglichen Museum — 538 — zu Berlin aufbewahrt; 13 Tafehi giebt folgendes Praclitwerk wieder: Albert Berg, Physiognomie der tropischen Vegetation Südamerikas, dargestellt durch eine Reihe von Ansichten aus den Urwäldern am Magdalenen-Strome und den Anden von Neu-Granada (Düsseldorf 1854). Das Werk enthält eine Vor- rede von Friedrich Klotz und ein Bruchstück aus einem Briefe Alexander vonHumboldt's; englische und französische Ausgaben erschienen in London 1854. 147. Die Alterthlimer der Tunzas sind wissenschaftlich weder gesammelt noch untersucht; ebensowenig ist es die Vorgeschichte oder Cosmogonie dieses Volkes, welche bisher nur aus später in Bogota niedergeschriebenen, vielfach verworrenen Mythen, Allegorien oder Traditionen combinirt worden ist. Die Amiahme von einem grossen Reich der auf der Bogotäer Hochebene lebenden „Muiscas" hat die Beachtung jener Cultur, welche in den Bergen der Tunzas lange vor der spanischen Eroberung bestand, in den Hintergrund gedrängt. Somit finden sieh einschlägige Bemerkungen nur nebenbei in der Anm. 69 angeführten Literatur über die Chibchas; Codazzi verstand z. B. unter Hun- zahua einen Sohn von Bochica, dem Somiengotte, dessen Geschlecht 2000 Jahre, auch über die „Muiscas" geherrscht habe ; über den alten Gott Fomagata vergl. Müller, Urreligionen etc. S. 435. Alterthümer von Hunzahua sind selten verzeichnet; es finden sich nur folgende: o. Die Säulenreste bei Ramii-iqui, zuerst beschrieben von Manuel Velez Barrientos, Notice sur les antiquites de la Nouvelle Grenade; es ist dies ein an Boussingault gerichteter Brief, veröffentlicht von Acosta im Bulletin etc. (Paris 1847) Serie 3, Tome VIH. S. 97— 109; er datirt Bogota, 10. December 1846, und wird übersetzt von Anchar a. 0. S. 338 — 341 angezogen, sowie von Bollaert a. 0. S. 35—38. Die Zeichnungen von Velez scheinen in Paris verloren gegangen zu sein; vergl. auch Eduard Hotschick in der Zeitschrift für Erdkunde etc. (Berlin 1878) XIII. S. 20—23. Velez sagt : Je me dirigeai ä Ramiriqui pour voir les gTandes colomies, appellees communement les poutres de pierre ou poutres du diable; je trouvai trois gi'andes colonnes. Les contoui's des deux premieres sont parfaitement arrondis et travailles avec art. L'autre colomie se trouve ä ciuelque distance des precedentes. Le eure de Ramiriqui me fit connaitre ensuite que dans un autre lieu de sa paroisse existaient 5 ou 6 colomies, en tout semblables ä Celles que je venais de voir. b. Der behauene Stein von Gämeza, beschrieben von Codazzi, Geogi'afia fisica etc. bei Ancizar a. 0. S. 297 ff.: En la confluencia del Gämeza i el Sogamoso, mui cerca de la rotura del ultimo dique, en medio de una muche- dumbre de rocas desprendidas . . . se encuentra una roca de arenisca micacea de 8 metros de largo i 6 de ancho en forma de piraniide. Numerosos ca- racteres i jeroglificos esculpidos ä cincel la cubren; alli liai figuras de hombres cou los brazos levantados, alli signos cuya significacion se ignora. Vergl. Rojas, Estudios etc. S. 23 ff.; weitere Nachrichten scheinen zu fehlen, ebenso Abbildungen. — 539 — f. Ruinen von Inliornilu; l)esclirieben von Arosta (bei Anchar n. O. S. 338): Ell la parte inas llana del valle sc ve uii catnpo cultivado, llamado por los lialtitantes „el infieriiito" i cn el davadas alguiias colnmnas sin cornisas iii pedestales . . . liai dos filas de colnnmas parakttas de diänietro ignal . . . . se encueiitran todavia 34 coluinuas . . . ä pöcos pasos una coluiinia (|ue parece entera. Am nahen Coiivent von Eccelionio finden sicli 32, an der Pfarrkirche von Leiva 12, in dem Orte Sutamarchan 2 derartige Säulen. Vergl. Veles a. 0. S. 97, wo die Oertliclikeit bezeichnet wird: Dans le canton de Leiva aux euvirons de Monitiuirä en suivant la direction de Gachantivä. Velez berichtet noch über allerlei scheinbar bearbeitete Felsstücke, z. B. über les cousins de diable, jedoch ohne Näheres anzugeben; ebenso Hastian, die Culturländer des alten Amerika I. (Berlin 1878) S. 317. P^in angeblich zu Sogamoso gefundenes Bildwerk ist von Sajf'raij veröfl'entlicht: le Tour du Monde XXV. 2 (Paris 1873) S. 87. 148. Peruanische Smaragden heissen im Juwelengeschäft seit vielen Jahrzehnten die aus Bogota nach Paris kommenden grünen Edelsteine ; darüber das Nähere bei Hermann A. Schumacher: Die columbischen Smaragden, Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde X. (Berlin 1875) S. 38 ff. Diese Arbeit ist für die ältere Zeit ungenügend; über die Smaragden-Entdeckung in den Anden vergl. Juan de San Martin y Antonio de Lehrija, Relation de la conquete du Nouveau Royaume de Grenade bei Ternaux Com.pans, Recueil de documents et memoires originaux sur l'histoire des possessions espagnoles dans l'Amerique (Paris 1840) S. 146 ff., besonders S. 153 ff. — Gon:alo Fer- nandez de Oviedo y Valdes, Historia general y natural de las Iiidias etc. II. (Madrid 1852) S. 384 ff., besonders S. 393 ff., wo der Bericht des Nicolaus Federmann aus Ulm sich findet. BoUaert (a. 0. S. 84) giebt zu, dass in Peru niemals Smaragden vorgekommen, glaubt aber, dass sie an der Küste von Ecuador ehedem angetroffen sind: I was surprised not to see emeralds at Guayaquil. Emeralds were obtained in considerable quantities from the district of Tucamez, and the River Esmeraldas is said to be so called from the ancient quarries of this stone. Velasco says, the Beryl, sky-blue and green emerald, is found in the cordillera de Oubillan; Stephenson says, he did not Visit these mines ; the locality of the emeralds may be arrived at by the river Bichele; these mines were worked by the Jesuits. Das Vorkommen des Pluss-Namens beweiset nichts; ebensowenig das von grünen Steinen, die überall in Südamerika für Smaragden gehalten sind. Bearbeitete Smaragden sind selten; Velez (a. 0. S. 108) sagt jedoch: J'ai vu en possession de docteur Garcia, eure de Guateque, quelques emeraudes, parmi lesquelles une grande, noir ouvragee, et autres portants l'empreinte d'un assez mauvais travail. Aeltere Bearbeitung der Smaragden und ausge- dehnter Tausclihandel mit denselben ist nachweisbar; vergl. wegen Smaragden- Cultur BoUaert a. O. S. 21 und 85. — 540 — . 149. Karl S. de Greift (ein Scliwede, nicht ein Schweizer, wie mehrfach behauptet worden), gehört zu den tüclitigsten Europäern, die in Neu -Granada sich niedei'gelassen haben. Ueber sein erstes Auftreten vergl. Go-iseimami a. O. S. 79. Er scheint immer neuen Unternehmungen technischer Art sich ge- widmet zu haben und zwar ohne Erfolg; siehe Carlos de Greif, La Grenadine iSociete de sables, Ferrains et filons auriferes des provinces de Cördova Medellin et Antioquia. (Paris s. d.): eine Schrift, die Codazzi nicht kannte; eine von ihm verfasste Karte der Gegend von Chinchona findet sich auf der Bogütäer Bibliothek. Ein englischer Consulats- Bericht, datirt Bogota, 24. September 1850 übersetzt Greifi''sche Angaben über den Atrato; vergl. Journal etc. XX. S. 182. SeäiUot, des travaux entrepris pour etablir une commimication entre l'ocean atlantique et la mer du Sud im Bulletin etc. Serie 4, Band I. (1851) S. 257 sagt: Un recent rapport de M. de Greiff, ingenieur suedois, employe par le gouverneraent de la Nouvelle Grenade, donne les explications les plus favorables sur la contree que baignent l'Atrato et le Napipi et fortifie les arguments de M. le capitaine Fitzroy eu faveur de la ligne de Cupica. De Greiif' s Schrift: Memoria sobre los Indios de Antioquia, auszugsweise bei Pere: a. 0. II. S. 550 — 554 ist zu Medellin 1861 gedruckt worden, aber vergriffen. Andere Angaben aus der Schrift bei Perez a. 0. I. S. 316, a. 0. II. S. 504 ff. 548, 556, 564. Eine eigenthümliche Erinnerung an de Greiff findet sich in Peterma/m\s Mittheilungen (Gotha 1880) S. 80 ff.: Friedrich Sehenck's Reisen in Antioquia, wo die Kartenskizze für die spätere Weiter- Entwickelung der Codazzi'schen Kartographie bezeichnend ist. Ueber Altern thümer, die der de Greiff'schen Sammlung angehörten, vergl. Saffray, Voyage ä la Nouvelle Grenade in Le Tour du Monde XXIV. 2 (Paris 1872) S. 134, sowie XXV. (Paris 1873) S. 102. 150. Carl Degen hardt's Andenken ist besonders durch Acosta's und Codazzi's Aufzeichnungen in Neu-Granada der Vergessenheit entzogen worden ; Codazzi interessirte sich besonders deshalb für ihn, weil auf mehreren handschrift- lichen Karten im Toliniagebirge die Bezeichnung „Cerro de Degen - liardt" stand. Degenhardt, der sonst vergessen zu sein scheint, wird von Humboldt „ein aufmerksamer und scharf beobachtender Reisender" genannt; er berichtete über den vulkanischen Ausbruch in der Tolimakette vom 17. Juni 1826. Vergl. Humboldt, Fragmens asiatiques etc. I. S. 157, IL S. 602; als Degeuliardt 1836 die Gegend von Marmato verliess, meldete er, dass wieder Rauch aus dem Tolima emporsteige. Seine Beschreibung der bei El Quarzo am Rio Negro in Antioquia aus Granit hervorströmenden Salz((uelle war nach Uinnhnldt, kleinere Schriften etc. S. 128 von Zeiclmungen begleitet. Von Degenhardt gesammelte Alterthümer aus Neiva und Sonson sind 1854 bei Uricoechea, Antiguedades etc. auf Tafel III. und IV. abgebildet; nach einer dortigen Notiz (S. 37) soll Degenhardt auch ein bei Cartass ge- fundenes Ruder besessen haben. Die Petrificationen . die Degenhardt au — 541 — Leopold von Buch gab, stammen aus Antioquia. Vergl. von Buch, Petri- fications i-ecueillies en Araerique par Mr. de Humboldt et par Cb. Degen- liardt (Berlin 1839). Von Degenhardt, den aucli l'erez (a. 0. 11. S. 32) erwähnt, sagt Aeosta 1849 (Yiajes etc. S. 188 Anm.): Carlos Degenhardt, cuya muerte prematura privö ä la Nueva Granada de importantes trabajos cientificos, rae comunicö sus observaciones meteorolöjicos, hechos eu Santa Marta en los meses de enero y febrero del aiio de?? — 151. Projecte für einen amerikanischen Isthmus-Canal sind in zahlreichen Schriften übersichtlich durgestellt worden; als besonders wichtig erscheinen folgende: a. Robert Fitzroy, Considerations on the great Isthmus of Central America. Zwei Vorträge vom 11. und 25. November 1850 im Journal etc. XX. S. 161 fi". nebst Nachtrag vom 14. iMärz 1853, der im Journal etc. XXIII. S. 171 ff. veröffentlicht ist. b. Karl Neumann, Uebersicht der Projecte einer interoceanisehen Canal- Verbindung durch den mittel amerikanischen Isthmus in der Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde N. F. II. Berlin 1857. S. 434 ff. Zum dritten Artikel : „Das Gebiet von Neu-Granada" (a. 0. S. 518 ff.) gehört eine Verkleinerung der Codazzi'schen Karte von 1855; die an Humboldt eingesandten hand- schriftlichen Materialien sind hier zu völliger Unkenntlichkeit verarbeitet. c. Charles II. Davis, Report on interoceanic canals and railroads between the waters of the Atlantic and Pacific oceans (Washington 1866); der namentlich auf Darien hinweisende amtliche Bericht sagt über Codazzi's Arbeiten gar nichts, enthält aber von anderen Vermessen! 13 Karten. d. Jose Maria Quijano 0., Informe sobre la esploration de los Istmos de Panama y del Darien im Diario oficial de los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1875) S. 2785 ff 152. Edward Cullen, in der einschlägigen französischen Literatur meist Mac Cullen genannt, ein Irländer, hat drei Tendenzschriften über die Anlage eines das Darienland durchschneidenden Canals veröffentlicht. a. Isthmus of Darien Ship Canal with a füll history of the Scotch colony of Darien, several maps, views of the country and original documents. (London 1852), ein allgemeines Programm mit verschiedenen Angaben über Darienische Indianer, verschieden von der nächstjährigen Schrift, die als zweite Auflage bezeichnet ist. b. Isthmus of Darien Ship Canal etc.; Second Edition much enlarged, (London 1853); ist Lewis H. und Edward Haslewood gewidmet, vergl. Zeit- schrift für Allgemeine Erdkunde N. F. (Berlin 1857) III S. 71 ff Am 1. Juni 1852 erlangte Cullen den Bogotäer Congressbeschluss (S. 81.), am 13. Juli 1852 war er in Portobelo (S. 75.), am 20. Juli in Panama. In der Schrift, deren Vorwort vom 23. Februar 1853 datirt, zeigt der Verfasser sich als einen Doctrinär, der eine bunte Menge ganz verschiedenartiger Kenntni.sse an einander reiht; Fälschungen sind nicht nachzuweisen. Die in demselben — 542 — al)gedruekte)i spanischen Urkiuulen siiul zu Bogota 3. Juni 1852 beglaubigt. Cullcn sagt (S. 40, 51 und 64): Of many documents, existing in tlie archives of Bogota, I liave copies, wliicli I owe to tlie kind permission of Don Patro- cinio Ouellar; they are certifled by Jolin Oscar Levj', kee2)er of the arcliives. — Mr. Vincent, a gentleman of great talents, wlio has cooperated with me for t\vo years in the promotion of this project and accompanied me to Bogota, remained there after I left, copying the documents relative to the history of Darien, and coUected a vast amount of interesting Information, which he will no doubt publish on his return. To reach the gold-mines on the banks of the Andagada and Bebara (branches of the Atrato) from Bogota, Mr. Vincent ci'ossed the pass of Quindiu and traversed the Valley of the Cauca and the province of Antioquia. AVeiteres ist über Vincent nicht zu erfahren gewesen. Die von Cullen verölfentlichten Urkunden bilden nur einen Theil vom Bogotäer Darien- Archiv. Die englischen Documente , die Cullen giebt, hängen mit der Edinburglier Ausgabe der Darien-Paper (1849) zusammen; wie denn Cullen's Unternehmung durch die neueren Geschichtsforschungen ül)er William Paterson's amerikanisches Project unterstützt ist. Die geo- graphisch wichtigste Urkunde von Paterson findet sich Li dessen Central Amerika 1701: der von S. Bannister in London 1857 veranlassten Ausgabe einer Denkschrift, welche Paterson am 1. Jaimar 1701 an König William III. richtete. Die Ausgabe dieses Buches steht, wie Schlusswort und Umschlag- titel bezeugen, in directer Verbindung mit den Isthmus - Canalprojecten von 1857. Das Gleiche gilt von der Paterson-Biographie , die jener Bannister 1858 zu Edin)3«rgh drucken Hess, und sogar von dem Sammelwerk: Writings of William Paterson, with a biographical introduction II Vol. (Etlinburgh 1858.) Cullen's Karte findet sich bei Davits a. O. unter No. 9; auf Cullen's Unternehmen beziehen sich auch folgende Schriften seines ersten Ingenieurs: Lionel Gisborne, Darien Sliip Navigation (London 1852); wieder abgedruckt von Cullen (a. 0. S. 103 — 114); sowie The Isthmus of Darien in 1852, Journal of the expedition of inquiry for the jmiction of the Atlantic and Pacific Oceaus (London 1853), besonders S. 137 — 160; S. 175-203, wo sich ein Tagebuch des Verfassers findet. Fitzroy sagte 1853 (Journal etc. XXIII. S. 184) Mr. Gisborne's examination of the principal features of the line across Darien, however incomplete, is a material advance towards certaiuty. Gumprecht bezeichnet noch 1854 Gisborne's Urtheil als „\'ollgültig" ; vergl. Zeitschrift etc. II (Berlin 1854) S. 7 und 174; zehn Jahre später hatte das Urtheil sich geändert; denn beim Wiederabdruck des Gisborne'schen Berichts sagt z. B, Fun (a. 0. S. 155): Mr. Gisborne is since dead and therefore I have abstained from making any comments on his work. Die dem Gisborne'schen Berichte beigefügte Karte ist von Davis (a. 0. No. 8) reproducirt. 153. Isaac F. Holton berichtete über Neu -Granada vom 21. August 1852 bis 11. Mai 1854 und vcröüentlichte dann seine Reisebeschreibung: New Granada: Twenty months in the Audes with maps and illustrations (New- York 1857): ein — 543 — gutes Buch. In Bogota war der Verfasser October bis Deeemher 1852 und Jauuar bis März 1854; in den letzterwälniten -Monaten war Codazzi von der Hauptstadt abwesend, llolton benutzte (/'odazzi's und Aneizar's Arbeiten, vergl. /.. \i. a. (). S. (Ut, 71, 2-49, 2(3.'? und verkehrte sowohl in Bufifota, wie aueli in Cali mit Triuiui, s, tlass der l)riick dir iliiii vorgi-Icfften Arbeit nur durch eine in Neu-Granada ausgebrocliL-ne l'ovolutiuii vcrlilndt-rt worden sei. Die Veriiflentlidiun};; war eine Indiscretion gegen Oodazzi. der lediglieli in momentaner Stimmung und ganz vertraulich ge- schrieben hatte. Da der Aufsatz Strain's Zuü: fast in jeder Ik-zieliung miss- billigte, rief er nüt Recht in Nordumerika Erbitterung hervor. .Strain gal) sich den Anschein, als halte er Codazzi , von dessen Leistungen er nichts wusste, für den Einsender: Oodjizzi's artide was ingeniously invunulgated in the intcrior of Europe in a language. with which T am utterly unuc»|uaintedl! Die bitteren Worte, welche nun über Codazzi folgen, sind nicht zu recht- fertigen. Thatsächlicli falsch ist die Bemerkung von Strain (S. l!l): „Our Information in regard to the isthmus was drawn priucipally froni the narra- tives of the expeditions, to which Colonel Codazzi alludes and others, of which he is probably still in ignorance." Die den Isthmus, betrelleiiden >Iaim- scrijjte des Bogotäer Archivs sind vor 1860, abgesehen von Cullen, Nie- mandem verabfolgt worden. Ist die Strain'sche Antwort auf jenen Zeitungs- Artikel schon bedenklich, so erscheint vollends als tadelnswertli, was ein ganzes Jahr später ('arl Nci/manii, ohne irgend welche sacliliche Kritik, in der Zeitschrift etc. a. 0. II. S. 569—572 mit der Ueberscin-ift: „Strain's Zug durch den Isthmus von Darieu" veröflentlichte. Z. J>. sagt Neumanii, von Codazzi würde mit schonungsloser Kälte eine Anschuldigung erhoben, gegen welche die menschliche Natur sich sträube; er habe zu der Behauii tung sich hinreissen lassen, dass die Amerikaner in der äussersten Notli die Leichname ihrer verstorbenen Kameraden verzehrt hätten. Codazzi erwähnt dies; aber wie die falsche Nachricht aufgekommen ist, zeigt Ihadlnj ganz klar, indem er schreibt: March 3'' (1854): Lombard, Parks and Johnson ma- tured a plan to lüde away, tili Holmes died and the party left, and tlien to return and dig up the corpse and filling tlieir haversacks with the flesh. start to the Atlantic coast (a. O. S. 602] . An Karten, welche diese Expedition hervorgebracht hat, sind zu nennen: .h)lin Arruwsinit/i, A map showing the route of Commander l'revost iVom Raneho No. 1 to Rancho No. 12, to which are added the survcys and sections of the Isthmus by Lionel Gisborne 1854. Dieselbe findet sich im Journal etc. Band XXVII. William ('. Ikiiiidt, A map of the Chncunaque river, nicht veröH'entlicht. Gisborne sagt (Journal etc. S. 107] : It agrees most remarkably with a map given to me by Colonel Codazzi out of the archives ofBogotil, niade in 1788 by a Spanish ofticer, who ascended it as far as the Isola de la Paz al the mouth of the Sucubdi. William Parsims, A nuip of the Caledonia Bay and of the Puerto Escoces; der Verfasser war der Coumiandant des Le Scorpion. Zu beachten ist endlich noch //f«(//ny'.s Notiz (a. O. 44S): Colonel Cotiazzi in his recent majjs has shown the Asnati to be a brauch of the Sucubdi, upon information compiled from old Sjianish nnmuscripts and from conversations held with Indians. — Eine Karte von Codazzi, die bereits 1855 in den Ver- einigten Staaten vorgelegen hätte, i.sl nicht weiter bekannt und ollenbar Maniiscript geblieben. 35* — 548 — 158. Codazzi's Kriegsdienste in Neu-Granada bescbräiikeii sich iiuf den Felilziig vuii 1854, der üi zwei amtliclieu iSclirii'teii dargestellt ist. a. Äugustiii Coda::!, Resümeu del diurio histörico del ejercito del Atlan- tico, Istiiio y Monipos, llamado despues ejercito del Norte (Bogota 1855). h. Tomas C. de Mosguera, Resümeu histörico de los acontecimientos que hau tenido lugar eii la Nueva Graiiada (Bogota 1855). Dies vom 31. Januar 1855 datireiide Buch umfasst nicht bloss die Operationen der Nord-Armee, sondern auch die übrigen. Hinsichtlich jener sagt der Verfasser: En gran parte no hare sino repetir lo ([ue dijö nii Jefe de Estado Mayor Jeneral Augustin Codazzi en el Resümeu en que mande dar cuenta al Poder Ejecu- tivo de la mayor parte de mis operaciones. Von den beigefügton 'J'abcUen sind 1 — 12 am 22. Januar 1855 in Bogota von Codazzi unterzeichnet, der besonders häufig S.*133 ff. vorkommt. ^o rp 159. Die neugranadinische Landesbeschreibung ist von Codazzi imr theilwei.se vollendet worden, zwar bloss für den die einzelnen Provinzen betreuenden heil, nicht für den allgemeinen, der ein Gesammtbild des ganzen Landes geben sollte. Reste finden sich in folgenden Quellen: a. Geografia fisica y politica de las Provinci as de la Nueva Granada (Bogota 1856); ein vorzügliches Buch, das die Art und Weise keniizeiclniet, wie Codazzi jede Provinz behandeln wollte. Die Rubriken lauten: Situacion; poblacion; limites; serranias; rios; cienagas; islas; aspecto del pais; clima; estaciones; division territorial; comercio y producciones; minerales; maderas; plantas medicinales etc.; tintas; resinas y gomas; agricultura; animales sil- vestres; particularidades. Dazu kommen Tabellen über Ackerbau, Berghöhen, Ortsentfevnungen, Ortsbestimmungen und Weglängen; endlich schliessen sich Vorschläge über Wegverbesserungen und neue Wegbauten an. Das Buch umfasst nur die Provinzen Socorro, Velez, Tunja und Tundama oder die Cantone Socorro, Barichara, Charalä, Oiba, Sanjil, Zapatoca, Chiquinciuirä, Moni(luird und Velez, Tunja, Leiva, Garagoa, Guateque, Miraflores, Turme(iue, Santarosa., Soatä, Cocui und Sogamoso. Es ist wegen Brandes der I^ager- stätte gleich den ihm entnommenen Separatabdrücken über die genannten Provinzen, sehr selten geworden, liegt aber späteren Arbeiten noch zu Grunde, z. B. Eladio Moiitdlu, Geografia especial del Estado de Santander (Socorro 1880). I>. Geografia fisica i politica de la provincia de Ocana (Bogota 1850) nach obiger Anordnung verfasst nebst Karte ; handschriftlich noch in Bogota vorhanden, was Perez nicht erfahren zu haben scheint. c. Bruchstücke, welche Perez in seine Geographie meist ohne Quellen- angabe aufgenonmien hat und zwar über die Provinzen Antioquia, Barbacoas, Buenaventura, Casanare, Cauca, Choeö, Cördova, Mariquita, Medellin, Pasto. l'opayan und Tü(iuerres. Um die Urhelierschaft Codazzi's zu erkennen, braucht man imr die Aspecto del i)ais überschriebenen Abschnitte zu ver- üleichen, die nach obiger Reihenfolge der Provinzen bei !*cic: a. O. an 'o"- — 541) - IuIuvikI.-m Slellfii si.luii: II. I,s:l- IHT: I. S. 2.S^I— -JiM): I. S. 2!li; - :J(»S: II. S. 27<;— 301; I. .S. -JTl— 2S1; I. S. :}OS--;;n ; ll.S. 512-5l'(t; II. S. 1!I7— 512: I. S. 239—200; I. S. 250—271; I. S. 225 — 231». Aii.lcrc Jiiiic-li.stiicki-. '/iiiii 'riii'il unter Aiil'iilirmig von ('i)iluzzi, limloii hiii-li im •xaii/.fii PöiT/Aschrii Wi'rke, iiiiiiu'iitlifli lii'i IJi'spn'cliiiiijj: (liT fJcl>irp:i' iiml »k-nni lliilifii, des Cliiiia-s uml ik-r Vcgc-Uition; z. IJ. l. S. 2ÜH — 270; 8. 335, :;I3, 39»; — 4()U; II. H. 4G3, 504, 522 u. s. \v. Ueberall, wo Perez auf die frülieren Proviiizeii sich bezieilt, sclireiltt er Codazzi aus; deini diese waren, als die jetzt vor- lirjfende Retlac-ti. 355, 350 — 3G4 al)gedruckt; Ancizar (a. O. 8. 191 Anin.) wollte auf dieses 8chrirtstück zurückkommen , was jedoch nicht geschah. Das Resultat fasste sich folgendermaassen zusammen: En 1851, por las observaciones de Codazzi, (|uedö resueltn el problema de la communicacion entre Pamplona y Casanare e indicada la linea del deseado cainino niercantil entre los dosestados; esta liiica sc encuenti'a trazada en el mapa, determinando los puntos por doude puede abrirse el Camino de Morgua ä la villa de Aranca. Vergl. Päe: a. (). 387. Note. Einzelne sehr lebhafte Terrain-Darstellungen finden sidi in den auf Weganlagen in dem eiiemaligen Gouvernement Antioipiia Itezügüchen €odazzi'schen Berichten; siehe z. B. Gazeta Üficial de Bogota vom 11. .luni (No. 1387), 17. Juli (No. 1405), 10. August 1852 (No. 1412). 160. Gencral-Consul Hesse's Bericht über Verkehrs- und Handels- Verhältnisse ^\c:• sudamerikanisclicn Freistaats Neu-Granada. iler erste Consulatsbericht solchen Inhalts, ist in der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde N. F. VI. (Berlin 1859) 8. 12—41 und 8. 110—124 veröfl'entlicht. Der Aufsatz ist „von einem intelligenten, dem neugranadinischen llandels- stande angehiirenden Eingeborenen, Miguel 8amper in Bogota" vcrfasst. Finanzrutil Hesse übersetzte iim zu Guaduus üctoljer 1854 ins Deutsche und sagte dabei: -Indem ich dieses schreibe, lausche ich auf den Kanonendonner der entscheidenden 8chlacht, die auf der Ilocheliene dieser östlichen Cordillera dem Dictator Melo in diesen Tagen geboten werden soll; der ("ongress hat sich in ll)ague, einer Landstadt, vollzählig versanunelt" (a. (). 8. 37). Die 8chlaciit wurde erst zwei Monate später geschlagen. Hesse's Uebersetzung von Mosqucra's erstem Geographiebuch ist nicht gedruckt worden; in der Vorrede des Manuscriptes heisst es: -Von den 3(j Provinzen dieses ausgedehnten Landes hat Codazzi die meisten schon — 550 — vüi'iiiessuii iiud zum Tlicil kartirt. Der Druck seines für die Kciiiitiiisö der Aequatorial-Gegendeu höchst wichtigen Werkes soll in Paris erfolgen und ist dort bereits dm-cli Vertrag vorbereitet; zur Zeit liat aber die jetzige Militär-Revolution die Gelder der Regierung und die Hülfsmittcl des Landes dergestalt geschwcäclit, dass die Vollendung der Arbeiten vielleicht für längere Zeit hinausgeschoben werden muss." Hesse correspondirte für die Augsburger Allgemeine Zeitung. 161. Codazzi's Sendung an Humboldt, die April 1855 in Berlin eintraf, umfasste Folgendes : a. Die Karte vom Chocö -Lande nebst verschiedenen Erläuterun"'en : nämlich Table geographique et statistique de la province de Choco (1853); Lidianer der Provinz Chocö; vergl. Zeitschrift für allgemeine Erdkunde N. F. I. (Berlin 1856) S. 257 ff.; die drei grossen Flüsse der Provinz Chocö: Atrato, San Juan und Baudö, vergl. dieselbe Zeitschrift II. (1857) S. 580 und 581. Die obige Karte ist unter Codazzi's Namen imr mit der folgenden zu- sammen veröffentlicht; ihr oberer Tlieil wurde jedoch nach einer späteren Zeichnung von Codazzi in Washington als Copy of a very old Spanish map herausgegeben ; es ist dies eine in Thomas 0. Selfridge, Reports of explorations and surveys to ascertain the praeticability of a ship-canal between the Atlantic and Pacific Oceans by the way of the Isthmus of Darien (Washington 1874) Tafel 14 sich findende Photolithographie, deren Original Selfridge in der Stadt Panama erhielt. h. Die Karte vom neugranadinisclien Isthums; sie ist mit der voran- gehenden in Berlin herausgegeben unter dem Titel: Carte de ITsthme de Panama et de Darien et de la Province du Chocö, reduite d'apres le dessiii original de Mr. Augustin Codazzi , Colonel au corps des Ingenieurs de la republique de la Nouvelle Grenade, auteur du grand atlas de la republique de Venezuela, redigee par Henri Kiepert (Berlin 1857). Dabei lieisst es: Le dessin original de cette carte, execute sur une echelle 272 fois plus grande que celle de la presente reduction, a ete envoye ä Mr. le Baron Alexandre de Humboldt par Mr. Pastor Ospina, rainistre des affaires etran- geres au Service de la republique de la Nouvelle Grenade. Der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Jahrgang 1856) S. 346 wird Ende 1855 von Bogota geschrieben: „Die im vorigen Jahre ausgebrochene, erst nach acht Monaten gedämpfte Militär-Revolution hat die Fonds der Regierung und die Hülfs- mittel des Landes so erschöpft, dass die Vollendung des Codazzi'schen Werkes vielleicht für lange Zeit unterbrochen sein wird; indess ist sichere Aussicht vorhanden, dass die Küsten- und Isthmus-Karten dem deutschen Publicum schon in wenigen Monaten zugängig gemacht werden." Ausser obiger Se- parat-Ausgabe lieferte Heinrich Kiepert zu Band 11. der neuen Folge der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde als Tafel VIII von dem Isthmus eine verkleinerte Tafel, „nach dem Originale A. Codazzi's, Obrist im Ingenieur- Corps der Republik Neu- Granada;" sie erschien Juni 1857. Im folgenden Jahre (Band IV der genannten Zeitsclu-ift, S. 166 und 167) hat Karl Neu- % F — 551 — iiKiiiii die Codazzi'sehc Karte besprochen. ,,Das Original hat (Jodazzi im Auftrage der Regierung der Republik auf zwei grossen Blättern im Maass- stabe von 1 zu 300 000 ausgeführt; bis jetzt wird man Codazzi's Karte im Allgemeinen als die reichlialtigste und treueste betrachten können." Hum- boldt hat der Karte selbst eine Note hinzugefügt, in welcher er drei Punkte mit Recht hervorhebt, erstlich, dass Codazzi's Ausdruck „astronomische Positionen" nicht für das Ganze wörtlich zu verstehen sei; zweitens, dass Codazzi's Küstenlinie nicht ganz mit der Kellet'schen übereinstimme, was aus der Benutzung von Copien der Manuscriptkarten und von alten Bauza'scheu Materialien sicherklärt; drittens, dass die von Garella, Hughes und Kennish vermessenen Weglinien genauer seien, als Codazzi's Angaben. Trotzdem trifl't Codazzi's Arbeit im Ganzen für den Isthmus das Richtige. Moritz Wagner, Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Amerika (Stuttgart) S. 379—381 hat sie z. B. zur Hauptgrundlage seiner Hydrographie des Isth- mus-Gebietes gemacht, üeber Codazzi's Darstellung der Provinz Chiriqui sagt Wacjner, der Anfang April 1858, von Panama kommend, David erreichte, Folgendes (a. 0. S. 255): „In David fand ich bei Jose de Obaldia, eijiem durch Bildung und Charakter ausgezeichneten Manne, gastfreundliche Auf- nahme; von ihm wurde mir eine handschriftliche Specialkarte der Provinz nach den Aufnahmen des Obersten Codazzi mitgetheilt. Im Laufe meiner verschiedenen Ausflüge in das Innere hatte ich Gelegenheit, dieselbe zu er- gänzen und einige Unrichtigkeiten hinsichtlich der Hauptrichtung des Ge- birgszugs und der hydrographischen Verhältnisse zu verbessern." Hin.sichtlich des Golfo dulce am Stillen Ocean und des prächtigen Naturhafens, den die Bahia del Almirante und der Golf von Chiriqui auf der atlantischen Seite bilden, äussert Wagner: „Codazzi's Specialkavte giebt die Umrisse dieser beiden Golfe richtiger und anschaulicher, als die von Bailey." Die Correc- turen des deutschen Forschers finden sich veranschaulicht auf einer Karte, welche als Tafel II in den Petermann'schen Geographischen Mittheilungen (Jahrgang 1863) sich findet, vergl. dort S. 16 fi". lieber Codazzi's Darstellung der Chepö-Gegend, deren Original fast ganz nach alten Karten angefertigt ist und sogar das seit langer Zeit verschwun- dene Fort Alderete noch verzeichnet, sagt Wagner: „Die von Codazzi mit- getheilten Höhenangaben der Cordillere von Chepö scheinen auf Wiukel- raessungen zu beruhen, welche in Gegenden ausgeführt wurden, wo die Be- schafienheit des Terrains Operationen dieser Art nicht begünstigt; die eigent- liche Wasserscheide zwischen den Flüssen Mamoni und Mandingo ist vom Chepö-Tliale nicht sichtbar; in das Gebirge selbst ist Obrist Codazzi mit ^[essinstrumenten nicht ebigedrungen. Wenn Codazzi's Angabe von dem alten spanischen Fort Alderete gegründet ist, so kann die Beschiffung dieser oberen Flussgegeiulen nicht allzu schwierig sein. Codazzi verlegt nach meiner Ueber- zeugung die Quellen der nördlichen Zuflüsse des oberen Bayanö-Flusses um wenige Minuten zu weit nach Norden. Vei'gl. Wagner's Karte, welche als Tafel 7 in den Petermann'sdieu Mittheilungen (Jahrgang 1862) sich findet, auch daselbst S. 128 ff. Um die in den AViedergaben Codazzi'scher Karten viel- fach vorhandenen Irrthümer zu illustriren, möge ein Beispiel genügen: Luden de Puydl sagt: It was on my second visit to Bogota (in 1866), that I dis- — 552 — fovered uinoiii^st tlie iminevous maps und docuineuts of tlie ob.servutoiy a lurge muiiuscript )iuip of tlie Isthmus of l'antimä, drawii up by tlie Coloiiel Codazzi .... One of iny countrynien, who is settled in Coloinbia, inade me a present of a map entirely in tlie liandwriting of Colonel Codazzi and sig'iied by liini under date Marcli 31, 1854; tliis map lias special reference to the explorations of Captain Prevost and Messrs. Straiii, Gisborne and St. Jolm. Vergl. Journal etc. (London 1868) XXXVIII. S. 71 ff. mit Karte. c. Uebersiclit über die projectirten Oanalrouten, die im Preussisclien Handels- Archiv I. (Berlin 1855) S. 437 ff. mit der Bezeichnung Bogota, 23. März 1855 auszugsweise mitgetheilt ist. Vergl. auch Augsburger Allge- meine Zeitung 1856, S. 347 und Petermann's Mittheilungen (Jahrgang 1856) S. 74. — Humboldt sagt auf der soeben angeführten Karte in einer Glosse: L'auteur a ajoute ä sa carte des notes detaillies sur les differents projets de canalisation autant qu'ils concernent la Nouvelle Grenade; tout ce que ces uotes contiennent de vraiment interessant a ete public dans une serie d'articles de la Societe Geographique de Berlin, redigee par M. Karl Neu- mann. Vergl. a. 0. N. F. II. (1857) S. 518 — 563. Durch diese üeber- arbeitung ist das von Codazzi gelieferte Material fast unkenntlich geworden, so dass der in Bogota erhaltene Entwurf von Werth ist. d. Die Abbildungen der Steine von Saboyä und Gämeza nach Mitthei- lungen der Familie Codazzi in Bogota, wo 1873 noch flüchtige Copien auf- bewahrt wurden. Im Nachlasse Humboldt's haben sich die Bilder bis jetzt nicht gefunden. Als Dank für diese Sendung bewirkte Humboldt resp. Kiepert Codazzi's Ernennung zum Ehren-Mitgliede der Berliner Geographischen Gesellschaft; das vom 18. April 1858 datirte Diplom hat Codazzi nie erreicht, weil auf ihm Venezuela mit Neu-Granada verwechselt ist. 162. Alterthümer der Aymaräes, die in dem alten Tiinanä-Lande , namentlich in der Gegend von San Agustiu, sich finden, sind seit 1708 bekannt. Einzelne Stücke sind von Tschudi und Rivero, sowie von BoUaert erw.ähnt und auch al:)gebildet; aber erst Codazzi hat die Umgebung des jetzigen Timanä genauer untersucht und die Funde bei San Agustin dargestellt: Aijiistin Codazzi, Ruiiias de San Agustin (Bogota 1857); auch bei Pircz a. 0. II S. 76 ff. abgedruckt , wo , ausser einer Localkarte , einer Landschaftsansicht und dein Bilde von dem Zugang einer Höhle, Zeichnungen von 37 Sculpturen sich zeigen. Die Original- Aufnahmen sind noch vorhanden. Codazzi schrieb diese Gebilde irrigerweise den Andaquies zu; vergl. über letzere Manuel Maria Alhis , The Indians of Andaqui, New-Granada. Notes of a traveller. Published by Jose Maria Vergara y Vergara and Evaristo Delgado. Translated by J. S. Throscher im Bulletin of the American Ethnological Society (New -York 1860) Vol. I. S. 137 ff. Das Original ist in Popayan 1855 gedruckt worden: M. M. Älbis, Los Indios del Andaqui. Der bis jetzt nicht erklärte Name erscheint auch in Texas [BuUaert a. 0. S. 39 Anm.); bezieht sich aber auf eine verhältnissmässig junge Völkerschaft — 553 — der Wildeil, die mit doli grossen von (Jodiizzi hesprurla'iit'ii Ruinen Nichts zu tliuii liiiben kann. In ;uiti(iuarisclien Dingen unerraliren, kannte Cudazzi nicht die Bemerkung von Ve/ez, der diese Reste schon 184(j in eint} der Entdeckungszeit lange vorangehenden Periode verlegt; (Bulletin etc. Serie 3, Tome VIII S. 105.): Je suis arrive li, me convaincre quo ces puys ont ete haliites par des peuples plus unciens et plus civilises tpie ceiix qu'ont reii- contres les Espagnols au temps de la conquete, pur exemple sur le territoire de Saint Augustin. Er kannte auch nicht Anci:ar''s Notiz, in welcher sie am i?8. December 185G der {'ranzösischen geographischen Gesellschaft gegenüber (Bulletin etc. 1857 Ö. 311) bezeichnet werden als: ruines tres aiitiques, receniniont decouvertes au centre d'une montugne voisine de l'Equateur; aucune histoire du pays jusqu'ici n'a fait mention de ces ruines. Ebenso war es Codazzi unbekannt, dass Rivero (Antiguedades etc. S. 322 und 325) die Bauten und Sculpturen den sogenannten ]\tuiscus zugeschrieben hatte. Bollaert (a. 0. S. 42) sagt: The ruins of Timaiiä are in all probability of an earlier date than Chibcha remains and of another nation. They uppear to have some analogy with tlie earlier ones of Tia-Iluanacu as conipared wilh Incarial. The inonuments of New Granada require detailed exaniinatioi). Das Vorkommen der Hundezähne oder Eberhauer weist auf die Zeit hin, welche meist die Periode der Aymaräes genannt wird. Alterthümer von ähnlicher Art scheinen die Codazzi unbekannt geblie- benen bei Neiva zu sein, über welche Bollaert (a. 0. 8. 38) nach Mittheilungen von A. Seider und J. H. Lopez berichtet: Near Neiba is a cavern, at the entrance of which stood, as a guardian, a colossal tiger (Jaguar); a short distance from this cavern General Lopez has niade excavations and (Vom the dei)th of 2 to 5 metres has extracted colossal statues, of great beauty, representing horses — rather say of the Lama or Cervus Peronei — monkeys, toads and of men and woinen. Neur to this spot was discovered a large stone table, which fifty men could scarcely lift; this table was well polished, 011 4 feet in the form of paws coniing from a central pillar. Upon some of these inonuments are still to be seen remains of inscriptions. Vergl. auch Velc:: a. 0. S. 105. Hierher gehört auch der Stein der Aipe, der auf Tafel I bei Bastian, die Zeichenfelsen etc. a, ü. abgebildet ist. 163. Jean Jacques Elisee Reclus, geb. in Saint-Foy-la-Grande 15. März 1830, ist Carl Ritter's Schüler und berühmt durch sein grosses Geographiework. viel erwähnt während des deutsch -französischen Krieges als (Jl'lizier im Nadar'schen Ijuftballon-Corps, wie auch während der Zeit der Commune als Zeitungs-Herausgeber, ist Sohn eines jirotestantischen Geistlichen; er ward in Rheinpreusseii erzogen, studirte zuerst in Montaubon und dann in Berlin. Nach dem Pariser Staatsstreich vom 2. December 1851 aus Frankreich verbannt, durchreiste er England, die Vereinigten Staaten, Central- Amerika und Neu-Granada bis Anfang 1857. lieber diese Reise, die ihn im Juli 1855 nach Colon-As])inwall führte, veriUlentlichte er in verschiedenen Zeitschriften Artikel, von denen der erste auf Neu-Granada bezügliche im Bulletin etc., — 554 — 4- Öerie XVIII (Paris 1859) 8. 111—152 sich findet: Quelques luuts suv Ui Nouvelle Grenade. Die Neu-Granada betreffenden Abschnitte sind verarbeitet in der Schrift Voyage a la Sierra - Nevada de Saint - Mar the (Paris 1861); neue Ausgabe mit Illustrationen und guter Karte (1881). Es selieint, dass in dem letzten Abschnitt dieses Buches der von Mier eingesandte Bericht, der unter Codazzi'schen Papieren 1873 noch vorhanden war, eingefügt ist, obwohl Ancizar denselben im Nekrologe nicht erwähnt. Letzterer sagt (a. 0. S. 125): De la Sierra Nevada Codazzi proponia publicar una descripcion nünuciosa, tanto por el interes que ä los ojos de la industria eneierran aquellas imnca examinadas raesetas , ricas en minerales, cuanto por la ira- portancia capital de los fertiles valles y variados climas que alll se contienen para establecer el nucleo de futuras colonisaciones de Europeos. — Reclus folgend: hat Jolm May, ein abenteuernder Projectenmacher, über Ansiedlungen in den Santamarta-Bergen Einiges geschrieben, was Pere: a. 0. II S. 56o — 566 abgedruckt hat: Una inspeccion del mapa del Nuevo Mundo monstrarä que suponiendo que sea el clima de la Sierra tal como lo he represcntado, ella es el lugar pröpio i natural para empezar la colonizacion de Suramerica por los Europeos. 164. Die zweite nordamerikanische Isthmus -Expedition beruht auf dein Washing- toner Congressbeschluss vom 3. März 1857 betrefiend: Exploration and verification of the surveys already made of a ship-canal near the isthmus of Darien to connect the waters of the Pacific and Atlantic by the Atrato and Truundö rivers. Präsident James Buchanan hatte schon als amerikanischer Gesandter in London Kelley's Pläne lebhaft unterstützt. Beide Expeditions- führer haben berichtet. Nalhaniel Michler „Topographical Engineers U. S. A." überreicht seine Arbeit erst am 6. Mai 1859 in Washington, da er gleich nach seiner Rück- kehr eine neue Vermessung in den Vereinigten Staaten vornehmen musste. Der Bericht findet sich in Band VII und VIII der Executive docurnents of the Senate of the United States for the 2'i session of the 36*1' Congress and tlie special session 1860/61. Diese Bände erschienen erst 1861, der zweite derselben enthält mehrere Karten, von denen zwei in der Zusammenstellung von Davis unter No. 11 und 12 mit der Jahreszahl 1858/9 wiedergegeben sind. Michler's werthvollster Begleiter war Arthur Scott, der Naturforscher und Geologe, dessen Berichte denen von Michler angeschlossen sind (a. 0. I. S. 148 ff.) Der hauptsächlichste ist der erste: Report on the physiography of the isthmus of Chocö; er ist deutsch im ,. Ausland" 1859 ersehieiien: Physiograpliische Bemerkungen über die Landenge von Chocö. Es braucht wohl nicht bemerkt zu werden, dass der Ausdruck: Isthmus oder Landenge von Chocö unzutreffend ist. Thomas A. Craven, Lieutenant United States Navy, war Michler nicht untergeordnet; von seiner Arbeit empfing Humboldt 1857 einen die Haupt- saclien zusammenfassenden Bericht, welcher in der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde N. F. (Berlin 1858) V. 174—178 enthalten ist. Neumaim wirft Craven „bedenkliche Verworrenheit" vor; er meint, dass „die minutiöse — ooo Sorgfalt'', mit welcher Craveii „kaum in die Waagschale talleiule" ITiiuleriiisse beschreibe, über den Maassstab, den er überhaupt bei seinem Urtheil über die Terrainschwicrigkeiten anlege, aufkläre und kommt zu dem Resultat, dass Craven von IMichler so sehr abweiche, „als handle es sich um ein ganz ver- schiedenes Torrain.'* Der Bericht von Craven scheint amtlich nicht gedruckt zu sein; das Forsclmngsgebiet bildete die Pacificküste, namentlich die Ilumboldt-Bai, Kelley's Inlet, Candelaria-Bai. Vergl.'die genannte Zeitschrift N. F. (Berlin 1857) TV. 8. 267. 165. Die letzten Schriften von Codazzi gehören dem Ende des Jahres 1857 an und beziehen sich auf Indianerfragen: ihrer sind zwei. a. Descripcion jeneral de los Indios de la Nueva Granada ist eine 1857 nicht ganz vollendete Arbeit und nur in Bruchstücken erhalten, die meist etwas überarbeitet sind, aber doch noch deutlich die Schreibweise von Codazzi zeigen; dieser hat sie original angefertigt, niclit so wie die von Antioquia etc. nach der Arbeit eines Andern niodellirt. Was den Isthmus und das Küsten- gebiet des Stillen Meeres anbelangt, so wusste Codazzi Einiges über Citaräes, Cunas, Chocoes, Chucunaques, Darienes, G-uaimies, Irraiques, Knapas, Man- dingas, Noanamas, Paparros, Terevis und Tules; allein seine Keinitniss beruhte meist auf Hörensagen und ist niedergelegt in einer unvollendeten Skizze bei Perez a. 0. I. S. 149—155 und 391—395, ohne Angabe des Verfassers, von dem nur Kladde-Aufzeichnungen erhalten sind. Die Indianer des Orinoco- Gebietes, d. h. der Territorien Caquetä, San Martin und Casanare, hat Codazzi ausführlicher besprochen, weil er sie besser kannte oder doch besser zu kennen glaubte. In den Aufzeichnungen, die Perez a. 0. I. S. 468—477, II. S. 210—220, 360—364 wiedergiebt, sind folgende Namen genannt: Achaguas, Agustinillos, Airicos, Amaguajes, Amarizanos, Amoruas, Andaquies, Aza- nenis, Betojes, Cabaeabas, Cabres, Cafuanes, Correguajes, Cuilotos, Chiri- ((uoas, Chucunas, Eies, Enäguas, Guahibos, Guaiguas, Guaipamibis, Guaques, Guaripenes, Guitotos, Macaguajes, Macos, Macueuis, Manivas, Maquiritares, Mariates, Mayaties, Mitüas, Moroquenis, Moruas, Oi'ejones, Orelludos, Oto- macos, Paseses, Picunas, Salivas, Tamas, Tunebos, Vaupes, Yaruros, Yaconas, Yuries. Die einzelnen Angaljen haben schwerlich ethnographischen Werth. Ebenso wenig scheint dies bei der offenbar auf Erzählungen von Miguel Mos- quera beruhenden Descripcion jeneral de los Indios de Caquetä der Fall zu sein, der Einleitung zu einer grösseren Schrift, welche das Datum November 1857 trägt und bei Perez a. 0. I. S. 477 — 488 als selbstständige Arbeit von (Jodazzi veri'»ffentlicht ist. h. Descripcion del territorio del Caquetä: aspecto del pais (Bogota 1857) nebst Karte. Die Schrift ist abgedruckt bei Perez a. 0. I. S. 426 — 442, Die jetzt verlorene Karte hat nach der Versicherung von Qvijano Ijimites etc. (a. 0. S. 194) für die neugranadinisch-l>rasilianische Grenzfrage wichtige Noten enthalten; Quijano wiederholt deren einige S. 194, 212 ff., 221, 226. Hierbei ist zu beachten, dass Letzterer hinsichtlich des Caquetä-Gebietes sagt (a. O. S. 549): Los datos de la Jeogralia de Don Felipe Perez tienen la ;iut<)ridad de Codazzi. Des Letzteren grosse Original-Karte enthielt einen — 556 — Carton uns der 1775er Ivarte von De la Cruz „parii dcmonstrar (|ue los jeö- gnifos Espaiioles creian, que el Caciuctä y el Putuiiiayo sc coiiiuiiicabaii por Uli brazo llamado Jaaia" y (juc cl iiiismo Caquetä coinmuiiicaba mas abajo con el Rio Negro por luedio del Rio Padavida, ciiyo brazo se creia ser el Oriiioco. Vergl. Percz a. O. I. S. 492. Ucbrigeiis sagt Codazzi selbst (a. O. I. S. 416 Note) : El curso del rio Amazonas, desde la boca del Napö liasta la prineipal del Yupura 6 Caquetä, freute de la ciudad de Kgas, ha sido situado segun los trabajos lieclios en 1852 por W. Herdoii. Gemeint ist Linas lierndon, Exploration of tlie Valley of tlie Amazon, made under direetion of tlie Navy Department (Washington 1854). Der Verfasser brach am 21. Mai 1850 von Lima auf und langte am 11. April 1851 in Parä an. Der Washing- toner Veröfi'entlichung ist eine Kai'te des Amazonen-Stromes nicht beigegeben. The eminent New-Granadian statesman, den Herndon (a. 0. S. 405) erwähnt, ist Manuel Ancizar; dass dieser eine Herndon'sche Karte au Codazzi sandte, sagt Letzterer selbst. Ausser Herndon benutzte Codazzi auch William Jameson, Excursion made from Quito to the river Napö, veröffentlicht im Journal etc. (London 1858) XXVIII. S. 337 ff. Neuere Aufschlüsse von einiger Wichtig- keit, Angaben des Rafael Heyes, eines Popayanensers, in Petcrmann's Geo- graphischen Mittheilungen XXII. (Gotha 1876) S. 15 ff. Dass Codazzi nicht das ganze Territorium Caquetä bereisen sollte,, ist im Vertrage vom 20. De- cember 1849 folgendermaassen ausgedrückt: El senor Codazzi se obliga ä penetrar en el territorio del Caquetä liasta los puiitos en que haya autoridades ö misiones Granadinos, ä fin de acumular ä los datos que ya tiene ad([uiridos en la parte que recorriö para levantar la carta de Venezuela los demas que puedan adquirirse de aquel pais, que por su estension es casi equivalente al resto de la repüblica etc. 166. Manuel Viilavicencio war ein Arzt in Quito, der seit 1850 an einem Buche über die Republik Ecuador arljeitete; dieses bekam den Titel: Geogratia de la Repüblica del Ecuador (Nueva York 1858). Die Karte, die dem Buch beigegeben ist, nennt sich Delineata en vista de las cartas de Pedro Maldonado, del Baron de Humboldt, del Seiior Wisse y las particulares del Dr. Manuel Viilavicencio (Nueva York 1854). Ueber sie sagt Edward Wliympcr: It is very generally ridiculed in the country and it is well known that it is scarcely raore than a bad copy of the earlier map by Maldonado with alterations, which in maiiy cases are not iinprovements. Vergl. A Jouriiey among the Great Ajides of Ecuador in Proceedings etc., New Monthly Öeries III (London 1881) S. 449 ff. Da- gegen sagt Hollaert (a. 0. S. 74): Villavicencio's volume is a Standard autho- rity for the geography of Ecuador and deserves to be translated. Viilavicencio war längere Zeit Gouverneur der Provinz Canelos, hatte aber keine Vorbildung für ein geographisches Werk. Orion a. 0. S. 58 sagt mit Recht: His work abounds with erroneous and exaggerated Statements, but it is nevertheless a valuable contributioii to Ecuadorian literature. Jetler AVerth ist dem Buche abzusprechen, sobald es generell von den alten Indianer- Stämmen redet. — 557 — Villaviceiicio veröttentliclite 1859 eine Schrift über die Grenzen Ecuadors gegen Pen'i und sclilug dort den Amazonas als Scheidelinie vor. Clements R. Mttrkham, Kxpoditions into thc Valley of tho Amazonas (London 1859) S. XXXVI. Note, bcsass diese jetzt unerlangbare Schrift. 167. Codazzi's Tod war 1873 dem Augenzeugen Manuel Maria Paz mit allen Einzelheiten in der Eriimerung. Als Sterbeort wird bald Camperncho, bald V'aledupar, bald Espiritu Santo genannt. Die ersterwähnte Angabe ist schon wegen der Lage des Ortes an der linken Seite des Cesar-Flusses unannehmbar ; Valledupar beruht auf einer Verwechselung des Ortes mit dem Thale des Eupari (Upar-) Flusses, in welchem der Tod wirklich stattfand. Die Angalie. dass Espiritu Santo der Sterbeort sei, kommt der Wahrjieit am nächsten; sie findet sich auch bei dem letzten deutschen Reisenden, der diese Gegenden genau durchforscht hat; siehe Ludwig Striffkr, Esploracion miueral, practicada en el Estado del Magdalena (Cartajena 1876) S. 1: Codazzi, al empezar su cai'ta jeogräfica del Estado del Magdalena muriö en el pueblito de Espiritu Santo, situado al pie de la cordillera que divide ä Venezuela del Estado del Magdalena nebst Abbildung. Es läuft hier aber der Irrthum unter, dass Pueblito der Name einer nahe bei Espiritu Santo belegenen Rancheria ist. lieber Codazzi's letzte Messung sagt Frederik A. A. Simons: On the Sierra Nevada of Santamarta and its water-shed (Proceedings etc. New Monthly Series IIL London 1881) S. 713: On the banks of the lake, formed by the ■ Ariguani, is the ti.shing village of El Paso, forraerly a large port; on the other side of a small stream lies a large cattle-corral : Las Cabezas; it was here that General Codazzi took up liis headquarters and determined its Position; through the kiudness of its owner' Don Oscar Trespalacios, I am enabled to give the gener al's observations etc. Nach Codazzi's Tode theilte sich die Familie. Die Wittwe verliess Bogota-, ebenso ihre beiden ältesten Söhne, Agustin (geb. 21. März 1835) und Domingo (geb. 8. Mai 1839). Es blieben in Bogota: Araceli (geb. 30. Dc- cember 1837), die am 20. December 1872 verstarb; Lorenzo (geb. 28. October 1841), dem Vater gleich Ingenieur geworden; Constanza (geb. 10. Februar 1843), die Uebersetzerin der Biographie von Magnani, und Rosario (geb. 28 April 1848). 168. Posthume Ausgaben Codazzi'scher Werke sind vorhanden, aber zum Theil nicht unter dem richtigen Namen und s"ännntlich nicht sachgemäss veranstaltet. Weder die Kartographie, noch die Lantlesbeschreiltung von Neu -Granada ist in ihnen mit Verständniss, geschweige denn mit l'ietät, verönentlicht. Die Karten-Zeichnungen haben in I'aris durch Manuel Ponce de Leon zwei Ausgaben gefunden, aijcr mit der Angabe: Bogota 18(54, und zwar der llauptsaclie nach in dem uiivoUkonmienen Zustande, in welchem Codazzi sie hinterliess. — 558 — Elisk Recfiis, Atlas de Coloinbie, ])iihli('' pnr ordre du f^ouveriiemeut Colombieii im Bulletin etc. (Paris ISGO) S. 140 (T. sagt mit Recht: Des le l)remier coup d'oeil, ou s'aperQoit (lue. les differcntes parties de ces cartes n'oiit pas toutes une egale valeur. Les regioiis populeuses des plateaux sout traitees avee le plus grau soiu et reiifermcnt un ensemble de liiieameuts et de positioiis geographiques, que l'on iie trouve sur aucuue carte precedente, Ell revanche, d'autres coiitrees neo - grenadines u'offreut guere, ä rexception des cötes, (ju'uii dedale de lignes tracees comme au hasard. Dieser Mangel fällt nicht Cüdazzi -zur Last, sondern den Bearbeitern, von denen übrigens Paz in die Pariser Geographische Gesellschaft aufgenommen wurde. Die Ausgaben sind folgende: (i. Carta jeogräfica de los Estados Unidos de Colombia, antigua Nueva Granada coiistruida de örden del gobierno jeneral con arreglo ä los trabajos corogräficos del Jeneral A. Codazzi y ä otros documcntos oficiales. Vier Blätter mit zehn Darstellungen von ITöhenvcrhältnissen. h. Atlas de los Estados Unidos de Colombia, antigua Nueva Granada ijue comprende las cartas jeogräficas de los estados en que esta dividida la repüblica, construidas de orden del Gobierno jeneral con arreglo ü los trabajos corogräOcuR del Jeneral A. Codazzi y ä otros documentos oficiales. Die einzelnen Karten des Atlas, welche auch für die grosse Wandtafel die Grundlage bilden, tragen Codazzi's Namen nicht. El mapa oficial de Codazzi' se ha publicado en Paris por nn comisionado del gobierno de Colombia quien lo ürmö como pröpio, omiticndo el nombise del autor, el infatigable explorador de las regiones desde Guayana hasta Ecuador: sagt ürlcoeclwa, Vocabulario Päez — Castellano etc. S. XVI. Die Wiedergabe der Oodazzi'schen Arbeiten ist im Einzelnen sehr fehlerhaft, wie schon eine Vergleichung der verschiedenen Blätter zeigt; die Behandlung der Nomenelatur ist so ungenau, dass für wissenschaftliche Arbeiten die grosseste Vorsicht nothwendig zu sein scheint, eine Correctur der Original-Karten hat nur hinsichtlich der südlichen Theile vom Staate Cauca stattgefunden, welche Mosquera von Kindheit auf bekannt waren, nach einigen Angaben von John May ist der Lauf des Magdalena -Stromes geändert und die Staatsgrenzen sind vielfach willkürlich gezogen. Die Er- gänzungen der Codazzi'schen Arbeiten entbehren jeden Werthes; Rechts sagt (a. 0. S. 141): Le littoral est trace d'apres les cartes de Tamiraute Anglaise. Quant aux plans et aux leves de terrain, publies recemment a l'etranger sur les isthmes de Darien et de Panama, ils n'ont point ete utilises dans li! construction de les grandes cartes. De toutes les cartes que nous coniuiissons, colombiennes, allemandes ou frangaises, il n'en est pas une seule qui, pour la partie de la Nouvelle Grenade entre Valle Dupar et Rio Ilaclia, une i-egion de plus Je 12 000 kilometres carres, ne seit beaucoup plus fidele et plus complete. Das Gebirge von Bantamarta nebst den Ausläufern nach Valle Dupar ist jetzt am besten dargestellt in der Karte zu /''. A. A. Simons, Notes on the topography of the Sierra Nevada of Santamarta in l'roceed- ings etc. New Monthly Series I (London 1879) S. 689 ff. Was den beschreibenden llieil der Codazzi'schen Arbeiten betriiVt, j^o ist derselbe in noch uneründlicherer Weise veröffentlicht worden und zwar — 559 — unter dtin 'l'iti'l: FcIIjh: l'inz, Jeüfrratin fisicn y politicii de los Kstiulos Uaidos (k- Colomliia I iiiul II (Hoprotü 18(52 und 18(0). Der Ilcrauspi-ber. der sifli niiemhri) de la imeva eoinisidii eiieargada de los trubajos enni- «(räficos fle la ReiMililiea nennt, saj^t freilleli: hemos trabajado con niateriales ajenos: allein er hat nie anjregeben, was von ihm selber hinzuf^esetzt ist und nur selten Coda/.zi's ei,!>:ene Worte so anfifefuhrt. dass sie erkennl)ar sind; er hat ohne Kritik von dem, was er vorfand, ila.s iinn l'assende, z. IJ. Notizen von 1854, die 1861 längst veraltet waren, aufgenonunen. Was fort- gelassen ist. lässt sieh nicht ersehen, da bei der Bearijeitung viele Originale vi'rl)raueht zu sein seheinen. Die als selbstständig nachzuweisenden Beiträge von Perez sind werthlos. Vergl. auch Päe:, Jeografia fisica i i)ulifira del distrito federal, del estado de Panama, de (Jundinamarca, del Tolima, de Holivar, del Cauea. de IJoyacä, de Santandcr, de Antioquia, del Magdalena; (•t»n la constitueion politiea para los Estados Unidos de Colombia (Bogota 1802 und 18(;;5): eine veränderte Zusannnenstellung der Theile des obigen Uuehes. FlUiw l'aez, Jeografia jeneral de los Estados Unidos de Colombia (l'aris 18(33) hat keine dirccte Verbindung mit Codazzi's Arbeit; deshalli ist es auch unzutrellend, wenn Mosi/itera Compendio ete. S. 3, um den erenliselien Nationalstolz und die Gefühle seines Güiistlings Perez zu schonen, die Scluild für die vielen Fehler und Ungcnauigkeiten des Buches auf den todten Codazzi wirft. Ueber Herausgabe der verschiedenen C'odazzi'schen Werke datirt der letzte Vertrag vom 25. Juni 18G4; er findet sich im Diario Oficial No. 150 und betriirt gegen Aei(uivalent von 10000 Pesos die Lieferung von je "^.Exemplaren des Atlas und der AVandkarte, einer allgemeinen Geographie ^nes Catecismo de la geogralia lie la Union y de los Ksl.nln-;. p.ir:i \-A^. I7ie""5p**