This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project to make the world's books discoverable online.

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world's books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web

at|http : //books . google . com/

über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.

+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.

Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.

3^44 106 313 018

HARVARD UNIVERSITY LIBRARY

OF THE

GRAY HERBARIUM

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Sitzungsberichte

der

köiiigl. bayer. Akademie der Wissenschaften

zu München.

Jahrgang 1867. Band II.

München.

Akademische Baohdraokerei too F. Stranb.

1867.

0 Ib CommlHion bei G. FraBs.

Digitized by

Google

iJi

H^

Digitized by

Google

Uebersicht des Inhaltes.

Die mit * beieichneteii Y«rtrig« lind ohne Aonng.

Philosqphißch-philol. Classe. Siteung vom 1. Juni 1867.

* Maurer: Die QuellenzengniBse über das erste Landreoht nnd die Ordnung der BezirksYerfassung des isländischen Freistaates 1

K e i n z : Eine mitteldeutsche Beschwörungsformel (Nachtsegen)

aus dem XIII./XIY. Jahrhundert 1

Plath: Chronologische Grundlage der alten chinesischen Ge- schichte 19

Lauth: Ueber den ägyptischen Ursprung unserer Buchstaben

und Ziffern (mit einer Tafel) 84

Mathematisch-physikal, Classe. Siüupg vo^n 1. Juni 1867,

Bachner: Neue chemische Untersuchung des Mineralwassers

zu Neumarkt in der Oberpfalz 125

Digitized by

Google

IV

Seite

Buhl: 1 ) Ueber die Bildung von Eiterkerp.ern in Gefassepithelien 1 39

2) Notiz über primäre ästige Osteome der Lunge . . 144

Gümbel: Weitere Mittheilungen über das Vorkommen von

Phosphorsäure in den Schichtgesteinen Bayern's 147

Historische Classe. Sitzung vom 1. Juni 1867.

*Roth: üeber Keltische und Germanische Wehrverfassung . 158

*Kluckhohn: Erzählung Ton der Verschwörung zu Bayonne

im Jahre 1565 158

Nachtrag eur Sitzung der phüos.-philol. Classe vom 1, Juni. Hofmann: Bemerkungen zum NachtsegeB 159

Phüosophischrphildl. Classe. Sitzung vom €. Juli 1867.

P r a n 1 1: üeber die Literatur der Auctoritates in der Philosophie 1 73 Hof mann: 1) Zum altromanischen Leiden Christi und zum

Leodegar 199

2) Zur Gudrun 205

,, Berichtigender Nachtrag zu Heft I. S. 171 der

Sitzungsberichte 336

Digitized by

Google

Seite

Mathematisch'physiJcalische Glosse. Sitzung vom 6. Juli 1867.

Seidel: Ein Beitrag zur BeBtimmung der Grenze der mit

der Wage gegenwärtig erreichbaren Genauigkeit . 231

Kuhn: Bemerkungen über Blitzschläge 247

▼. Kobell: üeber den Glaukodot von Hakansbö in Schweden 276

Yoit: üeber das Zustandekommen der Hamsäuresedimente . 279

A. Steinheil: Ceber Berechnung optischer Construktionen 284

, Historische Glosse. Sitzung voin 6. Juli 1867.

Rockinger: Ueber drei mit einem Anhange zum Landrechte vermehrte Handschriften des sogen. Schwaben- Spiegels auf der Staatsbibliothek zu München 297

*Riehl: Ueber Sebastian Bach und dessen Stellung zu den

theologischen Parteien seiner Zeit 336

^Klnckhohn: Die Wittenberger Theologen nach Melanch-

thon's Tode 836

Oeffentliche Sitzung zur Vorfeier des Allerhöchsten Gehurts- und Namensfestes Seiner Majestät des Königs Ludwig IL am 25. Juli 1867 .... 837

Neuwahlen 837

Digitized by

Google

TI

8«ite

Einaenduogen von Drackichrifien .^ 840

Philosophisch'^hilol. Glosse. Sitzung rcwi 9, November 1867.

Hofmann: Zar Gadran 857

I, Zeugnisse über Berthold Yon Regensbnrg . . . 374 Nachtrag daza 459

* Pia th : Ueber Krause's ünsterbliohkeitslehre 894

* Müller: üeber mehrere Nummern des türkischen in London

erscheinenden Journals 'Mukhbir* 894

Mathematisch'physikal. Glosse. Sitzung vorn 9. Nov. 1867.

Büchner: üeber die Bildung von Schwefelarsenik in den

Leichen mit arseniger Säure Yergifteteter . . . 895 Yoit: üeber die Fettbildung im Thierkörper 402

* Wagner: üeber die Entdeckung von Spuren des Menschen

in den neogenen Tertiärschichten von Mittel- frankreich 407

* S e i d e 1 : üeber eine Darstellung des Kreisbogens, des Loga-

rithmus und des elliptischen Integrales erster Art mittelst unendlicher Produkte 407

Historische Glosse. Sitzung vorn 9. November 1867.

Rockin ger: Zur näheren Bestimmung der Zeit der Abfassung

des sogenannten Schwabenspiegels 408

Graf V. H u n d t : Beiträge sur Feststellung der historischen Orts- namen von Bayern, insbesondere des ursprüng- lichen Besitzers des Hauses Wittelsbach ... 450

Digitized by

Google

VII

SeiU

Einsendungen Ton Druckschriften , 451

PkUosophiscJhphüol. Glosse. Sitzung vom 7. Dez. 1867.

Zingerle: Bemerkungen zum Nachtsegen 461

Meraner Fragmente der Eneide von Heinrich von

Veldeken 471

Hofmann: Eine Anzahl altfranzösischer lyrischer Gedichte

aus dem Berner Codex 389 486

Lauth: Die Achiver (Achäer) in Aegypten 528

Maihematisch'physikal. Classe. Sitzung vom 7. Dezember 1867.

T. Martins: Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde

Amerika's, zumal Brasiliens ....... 559

T. Kobell: Ueber die typischen und empirischen Formeln in

der Mineralogie 563

T. Pettenkofer: Ueber den Stoffverbrauch eines Zuckerharn- ruhr-Kranken von ihm und Hrn. Carl Voit 572 Bachner: Ueber die Beschafifenheit des Blutes nach einer .

Vergiftung mit Blausäure 591

Vogel: Gerding's Geschichte der Chemie 601

G um bei: Ueber die geognostischen Verhältnisse des Mont- Blanc und seiner Nachbarschaft, nach der Dar- stellung von Prof. Alph. Favre und ihre Bezieh- ungen zu den benachbarten Ostalpen 603

Digitized by

Google

vni

SoiU

Historische Glosse, Sitzung vom 7. Bejsemher 1867.

*Bockinger: Zur äassem Geschichte der Entwicklung der bayerischen Landesgesetzgebung von Kaiser Ludwig's oberbayeriscben Landrechten bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts . . * . 637

Digitized by

Google

Sitzungsberichte

der

ligl. bayer. iUiadenüe der ^ isseuschal'teu

zu München.

IL Heft I.

München.

Akutl^miiiilie BnplidrD«k«t«i von F. SiratiU

1867.

U C^rmmltiNQ Hl O* fr«»».

V

Sitzungsberichte

der

kOnigl. bayer. Akademie der Wissenschaften,

Philosophisch -philologische Classe.

Sitztmg vom 1. Juni 1867.

Heir Maurer behandelte:

„Die Qaellenzeugnisse über das erste Land- recht und die Ordnung der Bezirksye;r- fassung des isländischen Freistaates*'.

Diese Abhandlung wird zum Druck in den Denkschriften genehmigt.

Herr Hofmann bespridit eine von Herrn Director Halm entdeckte und yon Herrn Keinz bearbeitete

„mitteldeutsche Beschwörungsformel (Nacht- segen) aus dem XUI./XIV. Jahrhundert

Bei den Vorarbeiten für die seinerzeitige Drucklegung des Katalogs der lateinischen Handschriften der hiesigen I1867.il 1.] 1

Digitized by

Google

2 Sitzung der phüos.-phüol. Classe fxm 1, Juni 1867.

k. Hof- und Staatsbibliothek war vor kurzer Zeit Herr DirectorDr. Halm so glücklich, ein merkwürdiges deutsches Stück zu entdecken, welches nach den vorliegenden Ver- zeichnissen bisher der Aufmerksamkeit der Beschreibenden entgangen^) und daher gänzlich unbekannt war. Eine ge- naue Untersuchung des zum Theil schwer lesbaren Teactes ergab, dass hier eine durch ihren verhältnissmässig reichea Inhalt sehr beachtenswerthe Beschwörungsformel aus dem Ende des XIH. oder Anfang des XIV. Jahrhunderts vorliege. Die Handschrift trägt jetzt die Bezeichnung Cod. lat. monac. 615 und zählt 127 Blätter meist glatten und ziem- lich starken Pergaments in klein Quart. Der feste alte Einband, etwa aus dem XV. Jahrhundert herrührend, be- steht aus Holzdeckeln, mit weichem grüngefärbtem Leder

1) Üeber die (700) Handschriften der alten churfarstlichen Bib- liothek ist ein, was die lateinischen Stücke betrifft, ungemein aus- führlicher Katalog von dem kgL Bibliothekar Ign. Hardt vorhanden. Zu bedanem ist dabei nur, dass Hardt, wie es scheint, für die kleineren hie and da vorkommenden deutschen Stücke kein Interesse hatte; wenigstens sind dieselben in den meisten Fällen höchst un- genügend behandelt, nicht selten gar nicht erwähnt. Leteteres ist nun auch bei * dem hier in Betracht kommenden Stücke der Fall. Schmeller aber fand, als er an die ungeheure Arbeit der Beschreib- ung sämmtlicher hiesigen Handschriften gieng, diesen Katalog vor und glaubte bei der Genauigkeit, die demselben in obenerwähnter. Weise eignet, von einer erneuten Durchsicht der Handschriften Um- gang nehmen und sich für den von ihm anzulegenden Katalog mit einem blossen Auszug aus dem genannten Yerzeichniss begnügen zu können. Für diese auch sonst feststehende Thatsache liefert ge- rade die hier zu besprechende Handschrift einen Beleg. Hardt giebt nämlich die Anzahl der Blätter verfehlt an: 101 statt 127 Blätter, während er den Inhalt der Handschrift bis zu Blatt 126^ beschreibt; genau derselbe Mangel kehrt bei Schmeller wieder. Daraus erklärt sich von selbst, dass unsere Formel, nachdem Hardt sie nicht er- wähnenswerth gefunden hatte, auch in dem Schmeller^schen Yer- zeichnisse fehlen muss.

Digitized by

Google

Keing: Eine miUddmt8che Besehwörungsformel. 3

aberzogen, das durch eingepresste Linien verziert ist. Von den Beschlägen sind nur mehr zwei kleine messingene Schiiessen yoriianden.

« Ueber die Herkunft des Codex fehlen alle genaueren Anhaltspunkte. Für das hier zu behandelnde Stack indess ist die Heimat wenigstens durch die Mundart festgestellt, welche es als dem mittleren Deutschland angehörig erweist. Derselben Mundart dürften auch die weiter zu erwähnenden lat.-deutschen Vocabularien angehören und da diese von andern Händen, als die Beschwörungsformel sind, so kann man wohl schiiessen, dass wenigstens der grössere Theil der Handschrift aus jenen Gegenden stamme. Weniger möchte sich daraus entnehmen lassen, dass eine Hand des 15. Jahr- hunderts auf f. 125 a den Namen henricus d' prusia (nebst einigen nicht mehr deutlich lesbaren Buchstaben) einge- tragen hat.

Der Codex ist zusammengebunden aus vier (resp. 5) Ton einander unabhängigen , von verschiedenen Händen her- rührenden Handschriften (f. 1—39, 40—73, 74—102, 103—127). Davon enthält das 1. Stück *Aristotölis secre- tnm secretorum ad Alexandrum Johanne Patrizii filio inter- prete*; das 2. Medizinisches, darunter (f. 68** 72') ein lat.- dentsches alphabetisches Vocabular von Kräutern; das 3. Physikalisches und Naturwissenschaftliches. Das 4. Stück soll als das zunächst vncbtige in folgendem seine besondere Beschreibung finden.

Dasselbe besteht aus 3 Lagen, von denen die erste 6 Bl. = 3 Doppelbl., die zweite 10 Bl. == 5 Doppelbl., die dritte 9 Bl. = 3 Doppelbl. mit 3 einzelnen durch Falze innen in die Lage eingenähten Blättern enthält. Die erste Lage kann wieder als ein besonderes Stück betrachtet werden, da sie eine für sich bestehende Abhandlung *Ameti (Amati) filii Abraham epistola' de variis arcanis (ohne Schluss), femer anderes Pergament, andere Hand, nur zwei

Digitized by

Google

4 SitimHf der pMas.-jffMol. Ckum vom t imi 1967.

Spalten zeigt. Die Anzahl der Linien ist zwar die gleiche, wie bei den zunächst folgenden Seiten (38), aber es fehlen die in den beiden folgenden Lagen am obersten Rande ge- zogenen DoppelUnien, und ist nur die erste und letzte Lini| jeder Seite bis ans Ende gezogen, was bei der Mehrzahl der folgenden Seiten auch mit der Dritten geschehen ist.

Die 2. und 3. Lage zeigen gleiche Pergament und gleiche Liniirung, nur zählen die ersteren Seiten 38, die späteren 39 Linien. Die Blätter 109* 119^ sind dreispaltig, die übrigen vierspaltig. Die dreispaltigen Blätter enthalten das lat. Vocabular Xirca instan8\ die Blätter 119^ 124* ein lat.-deutsches Vocabular von Kräutern, EL 124* 125* mor- borum nomina, Bl. 125* 126^ nomina herbarum, corticum, florum, salium etc. (lat). , die erste Seite des letzten Blattes (127*) endlich unsere Beschwörungsformel, die zweite Seüe desselben ein lat. Verzeichniss von gewissen Fasttagen and einige Zeilen anderer Schrift, die aber so sorgfaltig radirt ist, dass auch nach Anwendung eines chemischen Reagens ausser einzelnen- Buchstaben nichts mehr zu erkennen war.

Auch auf diesem letzten Blatte sind die 5 doppelten Verticallinien, durch welche die 4 Spalten b^p'änzt werden, gezogen, so dass es also ursprünglich für die Vocabularien bestimmt war, und dann, als leer gebliebenes Blatt für den erwähnten Zweck benützt wurde.

Nach dem Vorausgeschickten erübrigt für die ausser- liehe Beschreibung dieses Blattes nur wenig. Von den 39 Linien liess der Schreiber die oberste in beiden Spalten ganz frei; in der zweiten Spalte ißt auch die zweite Linie frei, zeigt aber Rasur, welche indess mit ziemlicher Sicher- heit noch erkennen lässt , dass der Schreiber Mer die erste Zeile zweimal schrieb und dann die obere radirte. Die Zeilen 8 10 zeigen dunkle Flecken, deren Ursache sich erst bei genauer Betrachtung mit Sicherheit herausstellte. Der gegenüberliegende leere Raum liess nämlich eine sorg-

Digitized by

Google

KeinB: Eine mitteldeutsche Beschwörungsformd, 5

flUtige Rasur erkeimeB, ans der eki Reag^s die nrspriing- Hehe Schrift zum Vorschein brachte. Es stand da die be- kannte Formel sator arepo tenet opera rotas, einmal in ge- trennten sjrmmetrisch geordneten Buchstaben, dann in den Yollen Worten; letztere hatten sich, wie ans dem Platze and selbst aus einzehen Bachstabenumrissen hinlänglich er- kennbar, übergedmckt.

Das ganze in sich abgeschlossene Stach wurde von dn^ besondem Hand auf die leere Seite eingetragen. Die phimpe Schrift, welche hie und da die Lesung einzdner Buchstaben und Silben sehr erschwerte •), die ungleiche Orthographie, die mehrfachen Gorrecturen, lassen einen wenig getibten Schreiber vermuthen; die Schrift weist auf die erwähnte Zeit, einzelne Reime wie 41 : 42 mutir : gute, 51:52 sugen : schuhen deuten selbst auf fHihere Ueber« liefemng.

Die Verse sind abgesetzt und die Anfangsbuchstaben nur in einzelnen Fällen durch einen geringen Unterschied der Grösse, nicht durch besondere Form ausgezeichnet. In letzterer Beziehung findet sich eine Ausnahme nur bei V. 18, der mit dem Eigennamen Truttan beginnt und in diesem die gewöhnliche Form der Majuskel T zeigt.

Die mitteldeutsche Mundart erhellt zur Genüge aus der Art einzelner Vocale in den Stämmen und Endungen, sowie aus einzelnen Reimen.

Eine genaue Beschreibung der Handschrift habe ich bei der Wichtigkeit des mitzutheilenden Stückes sowie aus andern naheli^enden Gründen für nöthig gehalten, damit Forscher, die nicht in der Lage sind, den Codex selbst ein-

2) Dahüi gekoren namentlich die Buchstaben m und n, deren Striche häufig unten verbunden sind, die Aehnlichkeit von c, e, o, Ton c, r und t, die Schreibweise cz und zc für das harte z u. s. w.

Digitized by

Google

6 Sitzung der phüo8,-phüdl, Gasse vom 1. Juni 1867,

zusehen, sich eine möglichst genaue Vorstellung davon bilden können. Zu erklären bleibt noch yerschiedenes an dem Inhalt unserer Formel und es wäre daher zu wünschen, dass sich unsere bewährten Sagenkenner näher damit be- schäftigen möchten.

Im Nachfolgenden gebe ich nun den Text des Stückes nach getreuer Abschrift, auch mit Beibehaltung der offen- baren oder wahrscheinlichen Fehler, deren Beseitigung sich fiir den ersten Abdruck nicht empfahl, da sie grösstentheils entweder sehr leicht ist oder gefahrlich sein könnte. Von den wenigen Abkürzungen habe ich als störend au%elÖ8t: Z. 1 d's = deus 10 b'ge 19 h' 24 leng' 38 m' 41 h'brant 71 t'nitat Z. 57 profudis (auch mit der gewöhnlichen Ab- kürzung für pro). In der 10. und 38. Z. des Originals ist die letzte Silbe in die obere Zeile hinaufgeschrieben. Von Angabe der erwähnten Correkturen ,* welche sich in Z. 15, 73 und 57 finden, glaubte ich Umgang nehmen zu dürfen. Den Abdruck habe ich mehrmals mit der Handschrift ver- glichen und daher die Beigabe der üblichen 'so' für ent- behrlich gehalten.

Hinter dem Texte lasse ich zu einigen Stellen noch Bemerkungen folgen, welche sich auf ihr Ausdehen in der Handschrift beziehen; ausserdem eine Anzahl Erklärungen, diese jedoch, um nicht blosse Abschriften geben zu müssen, in den meisten Fällen nur in Form von Verweisungen auf bekannte tüchtige Werke, welche über die betreffenden Ge- genstände hinlänglich Aufschluss ertheilen. Für manchen Hinweis in dieser Beziehung bin ich Hrn. Prof. Hofmann zu Dank verpflichtet, welcher auch am Schlüsse dieses Heftes über die in den Versen 14-18 vorkommenden Ausdrücke besondere Erklärungen bringen wird.

Digitized by

Google

Keim: Eine mitteldeutsche Beschwörungsformel,

daz faltir deus bruniibon, dazhoyfte num' djunion, daz heylige fancte fpiritus, daz falns fanct^ dominus,

5 daz mize mich noch hint bewam vor den bofen nach vam Yn .müze mich bicrizen Tor den fvarcen ynd' wizen, dy di guten fin genant

10 vnde zu dem brochelfberge (In gerant. Tor den pilewizze, vor den mon ezzen, vor den wege fchriten, vor den zcun riten,

15 vor den clingeden golden, vor allen yneholden, gloczan ynde lodowan, Truttan Tude wutan, wutanes her vn alle line man,

20 dy di reder vn dy wit tragen geradebrech vn irhangin, ir fult won hinnen gangen, alb vnde elbelin ir fult nich lenger hüben hin:

26 albes fveetir vi vatir ir fult uz varen obir de

gatir: albes murir trute Vn mar ir fult uz zu de virfte vare:

noc mich dy mare druche,

80 noc mich dy trute zeiche, noc mich dy mare rite, noc mich dy mare befcrite. alb mit diner crummen

nafen, ich vorbithe dir aneblafen.

So ich vorbite dir alb ruche cruchen vn anehucchen. albes kind' ir withdin lazet vwer taftin noch mir

sin. Vn du clage mutir

40 gedenke min zu gute, herbrote vi herbrant vart uz in eyn andir laut, duvngetruwe molken ftellen du faltminir turvorvelen,

46 daz biner Vn daz vuz fpor daz blibe mit dir do vor: du salt mich nich beruren, du salt mich nich zuwuren, du salt mich nich enfcehen,

50 de lebenden fuz abemehen, daz herce nicht uz fugen, eynen ftrofwizs dorin fchu-

ben; ich vorfpige dich hüte vn

alle tage, ich trete dich bas wan

ich dich trage;

65 nv hin balde du vnreyniz getuaz,

Digitized by

Google

8 SiUmng der fMoi.-phüoL CUuse wm 1. Juni 1867.

wan da weafenr hj nkht bi dem Toce mein,

haf ; bi dem de profimdis,

ich befuere didi yngehare bi dem baben cohoun-

bi dem wazzeir Yn bi de tas,

fiire, bi dem nüc dimittis,

vn alle dine genozen 70 bi dem benedictosi

60 bi de namen grozen bi dem magnifica£,

des filTes^ der da zelebrant bi den aller trinitat^

an der messe wirt genant. bi dem refalin alfo her:

ich befaere dich vil sere daz da yares obir mer

bi dem miserere, 75 Tn midii gerares nim'mer*

65 bi dem laadem deas, amen

Bemerkangen. -

V* 1 Saltir wohl = Psalter. Das 1 ist höher als gewöhnlich (eben so das d yon daz und das b in brunnon) und oben nach links gezogen, während es sonst die gerade Linie hat. Hinter jedem dieser drei Bachstaben ist oben der r-Hacken angebracht, bei dem ersten in bedeutender Grösse, was in allen drei Fällen wohl nur die Bedeutung von Verzierungen haben soll. In andern Zeilen als der ersten würde diess mehr aufifallen.

1--8 Von den ungewöhnlichen Worten der beiden ersten Zeilen ist nur hoyfte (das für hdhiste stehen könnte) ganz sicher; in brunnon könnten die 6 Striche von unn viel- leicht auch anders zu verbinden sein; von num' ist die Zahl der geraden Striche nicht bestimmt zu behaup- ten, da nur die ersten 6 leicht erkennbar sind, der 7. sich aber nur sehr schwach zeigt: auch ihre Verbindung, besonders bei den letzten, ist nicht deutlich; das letzte Wort der Z. 2 scheint dyuuion zuheissen, das i ist aber nachträglich eingefUjgt. Die Wotte sind vielleicht, wie die

Digitized by

Google

EdfUf: Eine mUddeutsche Beschivärung^onmL 9

in V. 64 71 stehenden lat. Worte Anfange von Psalmen oder damals bekannten Gebeten, möglicher Weise aach sonst fremdsprachliche Benennungen d^ Gottheit. Nach der dritten Zeile zu schliessen, dürfte sich die erste auf Gott den Vater, die zweite auf Gott den Sohn beziehen. Anhaltspunkte für die Erklärung konnte ich weder aus sonst bekannten Formeln, noch aus den vielen Exords-, men entnehmen , welche im 'Malleus maleficarum' (ich benützte die Frankfurter Ausgabe von 1598) im dritten *Flagellum daemonum' überschriebenen Abschnitt des zweiten Bandes enthalten sind. 6 mize wohl Schreibfehler für muze vgl. V. T; hint = heute Nacht, dagegen V. 53 hüte = heute.

6 nach Tarn wohl = nahtvam. Ueber die Hezenfahrten (nahtrarä) s. Grimms Myth. 1011.

7 bicrizen. Die Bedeutung des Wortes ist hier jedenfalls 'sdiützen^ sicher stellen'; die Etymologie aber ist unklar; weder an kreiz noch an criuz erlaubt der durch den Reim gesicherte Vocal zu denken. Für bi als Vor- sjlbe hat der Schreiber sonst immer be (V. 5, 32, 47, 57, 63).

S Ueber die swarzen und wizen vgl. Myth. 412 ff.

10 brochelsberg. Grimm sagt über ihn im Wörterbuch : 'Zu- erst taudit der name gai in einer geistlidien abhandlung ans der mitte des 15 jh«, die sidi in Breslauer Weimarer und Amorbacher hss. erhalten hat und in Hoffmanns sdiles. monatsschr. s. 753, in Kellers fastn. sp. s. 1463 und in Wolfs myth. zeitschr. 1,6 ausgezogen i8t\ Mit obiger Stelle hätten wir also ein etwa anderthalb Jsirr- hunderte älteres Zeugniss 'für den sicher in weit ältere Zeiten reichenden Volksglauben' (Myth. 1004).

Eine Zusammenstellung des wissenswerthesten über den Blocksberg bietet die Inaugural- Dissertation von Heinrich Pröhle: De Bructeri nominibus et de &bulis

Digitized by

Google

10 Sitzung der philos.-phüol. Classe vom t Juni 1867,

quae ad eum montem pertinent, Wernigerodae MDCCCLV woza noch die Recension darüber in Wolfs (and Mann- hardts) Zeitschr. für deutsche Mythologie III, 319 £f. ver- glichen werden kann.

11 pilewiz. lieber den Bilwiz vgl. Gr. Mythol. 441 ff., Schmellers Wörtb. I, 168 und IV, 187 f., SchönwOTth (Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen) I, 426—448. (Letzterer behandelt indess nur eine besondere Art der Bilwize, den im sädöstlichen Deutschland sehr be- kannten Bilmesschneider). Einen sehr beachtenswerthen Versuch über die Ableitung des Wortes hat Jul. Feifalik in der Zeitschr. für die österr. Gymnasien 1858 p. 406 ff. niedergelegt^ in welchem er für die slavische Abstammung des Wortes und Gedankens eintritt.

12 mon ezzen (o hier für kurzes, wie in V. 38 für langes a) = Mann -essen, Menschenfresser. Im Nordische ist die mannaeta bekannt, im eigentlichen Deutschen möchte ausser der bekannten Notkerischen Stelle die vorliegende der einzige Bel% für das Compositum sein. In jener Stelle^ die Grimm Myth. S. 1034 (sie steht au6h in Graffs Sprachschatz I. p. LH.) anführt, fugt Notker, die ambrones und anthropophagi erwähnend, bei ^alsö man chit, taz ouh hazessa hier in lande tuen*. Vgl. übrigens auch die zu V. 51. 52 ausgezogenen und die übrigen Myth. 1. c. angeführten Stellen.

13 wege schriten = die an den Kreuzwegen hausenden? Unter den Namen des Teufels führt Grimm (Myth. 1015) auch 'Wegetrit' auf, freilich mit Beziehung auf die Pflanze dieses Namens.

14—18 Deber die zun riten, die dingenden golden, sowie über die Namen Gloczan, Lodowan^ Truttan. vergleiche die Erklärungen am Schlüsse des Heftes. (Das Wort zun ist nur yermuthet; man könnte die schlechten Buch- staben auchzoim oder zeun lesen, ich nahm sie fiir zcun).

Digitized by

Google

Keinz: Eint mitteldeutsch^ Beschiwörungsformel. 11

18 über Wutan und Wutanes her (wüthendes Heer, wildes Heer il b. w.) im Sinne unsrer Zeilen &• Myth. 871 ff., Schönwerth IL 143 ff.

ao 11.21 Die Geräderten und die Erhängten gehören zum wüthenden Heer, da, wie Grimm (Mjth. 872) nach Geiler Y. Eeisersberg anfuhrt, alle eines gewaltsamen Tod^ ge- storbenen in dasselbe kommen. ,

28 üeber die Elbe s. Myth. 411 ff.

26 gatir s. Schmeller H, 80 f.

2711.80 trute. üeber die Truden s. Myth. 993 (u. 394). Schmeller I, 476 ff. Schönwerth I, 208— 232.— In V. 30 sieht der erste Buchstabe, weil etwas zerflossen, einem y ähnlich, doch wird diess kaum zu Zweifeln berechtigen, murir in Z. 27 Schreibfehler für mutir.

27ti.80 mar. Die älteste Belegstelle für das Wort dürfte wohl die des Emerammer Codex Glm 14804 f. 112% aus dem 9. Jhd. sein, wo sdtropodes ((fxv&QwndTr]g) mit mara, truta glossirt ist (Graff II, 819). Jetzt ist das Wort nur mehr erhalten in 'Nachtmahre*. Die in V. 29 erwähnte Thätig- keit der Mahre, heisst jetzt gewöhnlich das 'Drud-drucken' hd. das Alpdrücken, das schon im Vocab. theuton. v. 1482 (Graff 1. c.) auf natürlichem Wege erklärt wird.

80 zeiche dem Beime nach wohl Schreibfehler für zuche (zudce).

88 'Erumnmäsig* ist nach Myth. 1028 ein gewöhnliches Prä* dikat der 'Hexen'. 'Krumme Nase, spitzes Kinn, sitzt der Teufel ganz darin . Myth. 1029 Anm. 1. Ein an- deres Seitenstück wäre etwa die Frau Precht mit der langen nas. Myth. 255. (Von dem vorderen m in crum- men ist der erste Strich oben und unten gegen den zweiten gezogen, so dass sie zusammen ein schlechtes o bilden. Es wird indess an obiger Lesart kaum zu zwei- fehi sein.)

Digitized by

Google

12 . Siimmg der pMo$,'pka6l, Chase wm 1. Juni 1867.

84 aneblasen. Zu diesem, wie zu V. 38 tastin, 47 beraren vgl. Myth. 429. 'Ihre (der Elbe) berührung, ihr anhauch kann menschen und thieren krankheit oder den tod ver- ursachen'.

86aT36 ruche = rauher, behaarter: Grimm führt Myth. 447 besonders die Bilwize als die behaarten, struppigen Elbe an; cruchen = mit einer Krücke, einem Hacken fangen? anehucchen = aufliocken also wohl auch das Alpdrücken.

87 withelin oder wichelin wohl Schreibfehler für wihtelin. IV, 18. Ueber die Wichtel s. Myth. 408 ff. 428 Anm., Schmeller IV, 18.

88 tastin s. 34.

89 dage mutir. Ueber die Elagemutter, die Elagefrauen, Holzweiblein und ähnliche Wesen s. Myth. 403 a. 1088, Schönwerth I, 266 f. Aus dem Althochd. gehört hieher die holzmuoja = lamia, ulula deren Name sich als Moi, Moije nach Panzer (Bayer. Sagen I, 66. 67) noch bis jetzt erhalten hat. (Das d von du ist nur aus dem obem schrägen Strich yermuthet; der übrige Theil des Buch- staben ist yersdiwunden).

41 Die beiden Wörter sind wohl nur als Namen aufzufassen. Schwierig dürfte aber dann die Erklärung sein, wie diese Namen der Heldensage (Herbrot für Herbort) in solche Gesellschaft gerathen sind.

48 molken stelen = Milch Diebin, nach Myth. 1026 über- haupt ein Name der Hexen. In der zu V. 10 erwähnten Stelle des Grimmischen Wörterbuchs sind unter den zum Brocken fahrenden Unholden eigens die 'Mülkenstelerin- nen' aufgeführt. Dass die liGlch ein Hauptgegenstand der Wirksamkeit der Hexen ist, kann als weit verbreiteter Aberglaube angegeben werden, wovon z. B. bei Sdiön- werth viele Fälle gesammelt sind. Selbst ihre besondem Abzeichen erhalten die Hexen davon, z. B. 'Wer in der Ghristnacht während der Metten auf einem Schämmel

Digitized by

Google

Mmmx Eine miüeUkutiehe Betehnoönrngsfarmel. IB

?(m neoDwley Hole fanied;, sieht alle Hexen, die Milch- mdtern aaf dem Kopf. (Sohönw. I, 366.)

46 biner. So wie das Wort in der Hs. aassieht^ ist an der richtigen Lesung desselben nidit zu zweifeln. Eine Er-^ klärong davon kann ich zur Zeit nicht geben. Möglicher- weise könnte es das Milchgeschirr der Hexe bezeichnen. Auch aber die genaue Bedeutung von vuz spor habe ich keine mit Sicherheit zu begründende Vermuthung. Wenn es sich auf einen Zauber bezieht, den die H^xe an den Füssen des Viehs ausübt, so wäre vielleicht zu spor Schmellers *spör' (III, 575 f.) zu vergleichen.

47 berur^n s. oben V. 38.

48 zuwuren wohl für da« sonst gewöhnliche zefüeren, wozu auch der Reim: beruren stimmt (auch in V. 22 setzte der Schreiber ein w statt v). lieber die Neigung der Elbe^ don Menschen das Haar zu verwirren, zu verfilzen (Widitelzopf Weichselz<q){), oder in Knoten zu wickeln 8. Myth. 433. Dasselbe vom pilwiz s. Myth. 442.

49 ensceh^ halte ich für Schreibfehler statt des gewöhn- lichen entseh^ von dem Grimm (Myth. 430) sagt 'gleich dem anhauch hat der blosse blick der elbe bezaubernde kraft: das nennt unsere alte spräche intsehan (torve intueri, gramm. 2,810) mhd. entsehen'. Vgl. auch Myth. 1053 f. der böse Blick. Den letztem Gegenstand in der Ansdiauungsweise der Alten behandelt 0. Jahn in den Berichten der k. sädis. Ges. der Wiss. (PhiL-hist. Gl.) Bd. Vn.^, 28-111.

60 den lebenden fuz abemehen , ein Analogen zu dieser Stelle ist mir nidit vorgekommen. Dass der Bilmes- Schneider mit der am Fusse unter dem Knie angebun- d^en Sichel durdi die Felder schreitet, ist bekannt, dürfte sich aber mit dieser Redensart nidit in Verbindung bringen lassen.

6l«.52 Dass die Hexen den Leuten das Herz aus dem Leibe

Digitized by

Google

14 SiUfung der pküo8,-pküoL (Rasse ^am 1. Juni 1867.

essen, bezeichnet Grimm Myth. 1034 als in imsern Hezen- sagen schon znrücktaretend , dagegen in der alterthüm- lichen serbischen Volksansicht als ganz voranstehend. Als Beispiele giebt er indess:

Unsere Berchta, die den Enediten den Leib auf- schneidet und mit Heckerling füllt, und die besonders zu obigen Worten stimmenden Stellen a) aus Burchard (Anh. S. XXXIX.) ut credas te . . . homines interficere et de coctis camibns eorum vos comedere et in loco cordis eorum stramen aut lignum aut aliquod huiusmodi ponere . . . b) aus einem Gedicht von Stricker oder einem seiner Lands- und Zeitgenosse'): wie zaeme daz einem wibe, daz si snite 6z einem libe ein herze, und stieze dar in strö c) die Anspielung auf diesen Aberglauben von Seiten eines Verliebten (Herbort 9318 ff.) si h&t min herze mit ir . . idi hau niht in dem libe, da min herze solde wesen, d& trage ich eine lihte vesen, oder ein strö, oder einen wisch; und andere mehr.

58 Yorspigen = yerspeien, kaum als Zeichen der Veracht- ung zu nehmen, sondern wohl nach Myth. 1056 als Ge- genmittel gegen Zauber au£sufassen, wofür Grimm Be- l%e aus Gebräuchen yerschiedener Völker anführt. Aus

' Osterode am Harz führt er in der ersten Auflage der Myth. Anh. Aberglauben Nr. 756 an: Vird die kuh yor dem haus einer hexe hergetrieben, spuke der treiber drei- mal aus.'

54 baf statt baz wie umgekehrt 55 getuaz statt getuas. Der Sinn wird sein: ehe ich midi bequeme dich zu tragen, oder mich von dir drücken zu lassen, will ich dich lieber treten. Vielleicht galt treten auch als Sicherungsmittel

8) Ans der Wiener Hs. 428(8. die Stelle Myth. S. 1901 Z.19— 21).

Digitized by

Google

I Keinz: Eine nntteldeuUche Beschwörungsformel, 15

gegen die Gewalt des anehuochenden elbes, wie ja Grimm auch erwähnt, dass 'man unbedenklich die Hexe schlagen soll, dass Blut fliesst'.

55 getuas führt Grimm Myth. 433 als eine nachtheilige Be- nennong eibischer Wesen (und ^äter den Teufels) auf; ebenda S. 867 vergleicht er dazu litthauisch dwase Ge- spenst«

56 weusens wohl Schreibfehler statt wesens wie in Z. 58 wazzeir statt wazzer.

61 Die mystische Bezeidinung 'Fisch' wird hier wahrschein- lidi im Sinne der alt^ christlichen Symbolik auf Christus zu beziehen sein, wozu auch der Beisatz ('celebrant^ stimmt, da Christus der oberste Darbringer des Mess- opfers ist

Vgl. hiezu Wolfgang Menzels 'ChristUche Symbolik (Regensburg 1854)' Bd. I S. 286—292 und besonders S. 288 'Christus selbst wird unter dem Sinnbild des Fisches dargestellt' u. s. f. und S. 289 In der Eart- hause von Granada befindet sich ein Bild des Abend- mahles, auf welchem statt des Lammes ein Fisch in der Schfissel liegt'; femer J. B. Pitra's Spicilegium Soles- mense (Parisiis MDCCCLV) Tomus III p. 499—584 ^IX&YJS sive de pisoe allegorico et symbolico', wo sämmt- liche vorchristliche und altchristliche Anschauungen und Sagen über diesen Gegenstand quellenmässig zusammen- gestellt und behandelt sind.

64—71 Die in diesen 8 Zeilen folgenden Wörter sind gross- tentheils Psalmenanfange, das nunc dimittis der Anfang des bekannten Gebets Simeons; laudem deus und voce mens mögen (vielleicht fehlerhaft verstanden) Anfange von bekannten Gebeten gewesen sein.

Unklar bleibt nur V. 68, an dessen haben cohountus alle Deutungsversuche erfolglos blieben. Das erstere Wort steht deutlich genug da, das zweite dagegen viel

Digitized by

Google

16 Siiamg d$r phOas^^üol. Oasse wm 1, Juni 1897. «

weniger; andeutlich ist schon dar erste Bachstabe des- selben, ferner das h, welches allenfalls . auch li gelesen werden konnte (olio untus = unctus macht den ersten Buchstaben überflüssig und scheint auch nicht zu den Pssdmenan fangen zu passen); am undeutlichsten ist das zweite u, dessen zweitem Striche eine Erümmuag beige- fügt ist, als ob der Schreiber daraus ein e oder ie hätte machen wollen. Doch betradite ich gerade die Endung US hier als sicher und den Vers als mit den folgenden verstellt, da auf das sichere profundis das ebenfalls un- zweifelhafte dimittis reimt, wodurch dann ein Reim auf benedictus nothwendig wird.

72 Der letzte Buchstabe von *aller' ist ganz mideutlich, weil yerklext, man kann n, u, r, o vermuthen, für keines aber ist besondere Berechtigung zu erweisen.

78 resalin. Ich las das Wort anfangs irsalm = Jerusalem; aber eine genaue Betrachtung und Vergleichung erwies diese Lesart als falsch. An dem re der ersten Sylbe ist nidit zu zweifeln; hinter dem 1 stehen drei Stridie und über diesen, vom ersten an etwas nadi aufwärts gezogen ein Querstrich, wie ihn der Schreiber regelmässig über das i macht, was dann in (oder iu) ei^bt Für dieses Wort habe ich keine Deutung: vielleicht könnte auch so die erste Vermuthung nicht ganz zu verwerfen sein.

76 in nim' mer hat das zweite m einen Strich zu viel

Aus einer andern Handschrift der hiesigen Bibliothek möchte ich bei dieser Gelegenheit einen Wurmsegen mit- theilen, dessen Unbekanntheit ich daraus schliesse, dass er in der Sammlung altd^tscher ^Denkmäler von Müllenhof und Bcherer' bei der Besprechung des Grazer Wurmsegens

Digitized by

Google

Xskur: Süu nUikUifäBche BmkwömngsfomeL 17

Nr. 48,2 (Tort p, 1401 AbUftdlong p. 412 ff.) niobt er- wäfaolrist) tu dem #r ein SeiteBBtöck bildet. Er laatet

Job läge in de mifte. er rief ze crifte. er chot. du gnadige/ crift. da Sr in demo himile bift. da baoze dema mennif/ kea.def wrmif. N. Dardi die iobef bete, dier zao dir tete./ doer in demo miste lag. doer in demo mille rief, zao/ demo heiligin crist der wrm iH tot. tot ift der wrm./ Eiriel X E Fat. n. t^b* nicib;. or . Actionef nraf. qs. dne. a.

Der Segen ist enthalten in einer Handschrift der frSheren charfurstBdien Bibliothel:*), jetzt Clm. 536, XU. Jhd. 4^ 137 Bll. Er enthält anter andern Stücken eben lat. Physiologus f. 82*— 83* eine deutsche Abhandlang Ton yerschiedenen Steinen und ihren Kräften, f. 86* 87 eine eben solche von Kräutern und f. 89* eine deutsche Diebsbeschwörang, diese von späterer Hand (XHI. Jhd.). ' Die 3 deutschen Stücke sind in der Oermania VUI, 300—303 abgedrudct. Obiger Segen findet sich f. 84* also zwischen dem enteil and zweiten Stück. Zu der erwähnten Diebsbeschwör- ang ist zu bemerken, dass sich bei der Mittheilung ein Versehen eingeschlichen hat. Die Worte nämlich, welche der Beschwörende zu sprechen hat, folgten unmittelbar nach dem Text. Nach den darüber angebrachten Kreuzen waren es 7 Worte. Davon sind aber die ersten 6, in der zunächst folgenden Zeile stehend, so Tollständig radirt, dass auch chemische Reagentien ausser dem letzten Worte keine er- kennbaren umrisse mehr zum Vorsdiein brachten: dieses scheint aleruba gelautet zu haben; darauf folgt in der

4) Die aber nach einer Eintragung aof p. 102* Xiber sancti Viü Praole* onprünglich aus dem Kloster Prühl bei Begensborg giammt.

[1867. n.l.] 2

Digitized by

Google

18 SitHmg der phHoe.-pkOol. Oom wm 1. Juni 1867.

nächsten Zeile *ij^ + calcat^. Die im Drook angogebeueo (ungenau gelesenen) Worte pedo perdo peoho * pedio perdo pedo stehen am untersten Rande der Seite, während die deutsche Beschwörung oben anfangt und darauf noch eine lat. derartige Formel folgt. Nach ihrem ganzen Aussehen kann ich diese abseits stehenden 6 Worte nur für eine Federprobe halten. (In der gedruckten Formel selbst ist hinter enspin das Wort *stech.' zu ergänzen.) Dass die nämliche Handschrift, ebenso wie derXegemseer C^ 18546.2 auch die Visio Wettini monachi in der Bearbeitung yon Haito enthält, mag als Ergänzung zu dem bei Potthast, Wegweber etc. p. 565* gegebenen VerzeidmiSBe der Hand- schriften über diesen Gegenstand erwähnt werden.

Digitized by

Google

Plath: Chnmolog. Ormttage der äUm eMnee. QesMckU. 19

Herr Plath tragt yor:

„Chronologische Grandlage der alten chine- sischen Geschichte/'

Unter der alten chinesisdien Gesdiidite yerstdien wir die von Yao und Schfin und die der drei ersten Dynastien; über die frühwe Geschichte fehlen znverlässliche Ueberlieferongen und die sjäteren Angaben über diese erfordern eine beson- dere üntersachong.

Wir haben in onsem bis jetzt gedmckten Abhandlangen, wo einzelne Zeitangaben za madien waren, diese immer nach der gewöhnlidien Annahme gegeben, dabei aber aach adion bemerkt, dass diese nicht darchaas zarerlässig sei. Es ist nöthig, sich über die Orandlage der alten chinesischen Chronologie klar za werdai , am so mehr, als Sinologen einerseits allzusehr auf die Zuverlässigkeit der chronologi- schen Angaben in der alten chinesisdien Geschidite pochten, anderseits sonst achtbare Geschichtschreiber sie allzusehr herabsetzten. Und doch hatte schon früher Fröret schätz- bare Untersuchungen desshalb angestellt und besonders der gelehrte Jesuit P. Gaubil das schatzbarste Material aus den chinesisdien Quellen fast yoUstandig geliefert Ideler in seiner in der Berliner Akademie der Wissenschaft vor- getragenen Abhandlimg konnte ohne Kenntniss des CSbinesisdien nur einen Auszug aus ihm geben. Legge^) hat jüngst den

1) N. Fröret De l'aniiqoit^ et de la o^itude de la ohronologie ChinoiM, inMdm. de P Acad. R. d. Inacr.P.l T.X p. 877 Paris 1786 P.n T.XV p. 696. Ptiris 1768 a. P. HI ib. T.XVIU Mim. p. 178 Par. 1778, auch in Frtret'a Oeuvree; Paris A*. 4 (1796) 12« T. 18. p. 116—881 and T. 14 p. 1—268. P. Ganbil in Obseryations mathemaiiques,

2*

Digitized by LjOOQIC

20 'Sünmg d9r phihs.-phOU. Oasfe V€m t. Jktm 1847,

Gegenstand aber nqr karz behandelt. Da die GhineBeo nächst den Aegyptern das älteste historische Volk mit sind, so ist es schon Ton allgemeinem Interesse auch für die universal - Geschichte zu wissen^ wie hoeh die traditionelle Gesdiichte derselben Ijunaufreicht.

Man moss aber zu dem Ende auf die chinesischen Quellen selbst zurückgehen. Freret konnte nächst den Ab- handlungen Ton Qaubil und andern in der Handschrift nur die mangelhaften Uebersetzungen der älter«) MissioBäre^ die, wie P. Noel, Texte und Scholien sieht Unterschiedes, benutzen; Gaubil benutzte die Quellen selbst, fuhrt, wie Btot schon bemerkt, die chinesischen Autoren aber nur im allge- meinen, z. B. Meng48eu, Yo-^tseuu. s. w. an, scheint auch mA- rere zu hoch anzuschlagen. Wir haben daha* die von ihm angezogenen Stellen zunächst nadi den chinesischen Quellen Terifizirty*) dann die einzelnen Autoren ihrer Bedeutung nach genauer zu würdigen gesucht und zuletzt, was die astrono- miechen Data betrifft, die er für die Chronologie brantst,

iftstronomiqnes , geographiqnes , duronologiques et phyriques tob P. Soociei Paris 1729— 1782. 8 R in 4; dann seine Hiftoire derAstrenoBde chinoiM in Lettres edifiuitet 1788 X 26, neue Aufl. I^on 1819 T. 14 und besonders sein Traite de la Chronologie, publie par S. de Sacy. Paris 1814 4^, auch in d. Mem. oona la Chine T. XYL Ideler über die Zeitrechnung der Chinesen in den Abhandlung, d. BerL Akad. aas d. J. 1837 Bist. Cl. p. 199—869 und sehr vermehrt Berfin 1889 in 4. vgl darüber 6 Artikel von Biot im Journal des savants 1889 nnd 1840 von Dezonber bis Mai, und Stern Götüng. gel. Aas. 1940 Nr. 201 204. The Chinese Classics by. James Legge. Hong-kong 1865 VoL ni P. 1 Proleg. p. 81—90.

2) IKeses ist sehr mühsam , da die Av^gabea der ohiaesischen Originale zwar gute Inhaltsanseigen der einselpen Büchw, aber keine Indices haben, so dass manV um eine einselne Angabe an&ufinden, ganze Theile dee Werkes wiederholt durohgehcn moss.

Digitized by

Google

Ifadk: ChfWBio^. GrufMeufe ier Mm ehine^ Ge$ehk^te, 21

die ExfebiMBse der späteren Forsdurogen in (fieser Hinsidit berücksichtigt

Wir müssen znaachsi einige Bemerkungen über die Geschiehtsehreibang und die Chronologie der alten Chinesen, namentlich über ihre Cjrden und deren Altar nad Anwendung vorausschicken und werden dann 1. die allgemeinen Angaben über die Dauer der drei ersten Dynastien discutiren, 2. die yerschiedenen Angaben^ über die Folge und die Dauer der Regierungen der einzelnen Kaiser der drei ersten Dynastien kurs er* firtem, und 3. die einzelnen astronomischen und Cyclus-Angaben, mittelst welcher man eine feste Gbrund* läge für die mite chinesische Chronologie gewinnen zu können, geoMini hat, besprechen.

Was zunächst die Geschichtschreibung derOiinesen bolriffit, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die Ghmes^, im Besitze einer alten Bilder* und Zeichenschrift, wie die alten Aegjpttr, schon früh historische Aufzeichnungen gemachb haben werden und viel früher al^ die Völker, welche, wie die Inder u. a«, erst später eine ans der Bildersdbrift her- vorg^angene Budistabenschrift erhielten. Unter der dritten D]maBtie Tscheu, seit dem Anfange des 11. Jahrhunderts vor Christo gab es nach dem Tscheu -li u. a. besondere Aemter von verschiedenen Annalisten oder Histöriographent die alles aufzeidineten, nidit nur am Kaisarhofe, sondern später auch bei den einzelnen Vasallenfnisten. Für die drste und zweite Dynastie nahmen die chinesischen Kritiker dergleichen audi an, so Ma-tuan-lin in B. 51 sdion seit Hoang'ti und er erwähnt des Annalisten (Tai-sse) Tsdiinig-ku unter der 1. Dynastie Hia und Hiang-sdie unter der 2. Djma- stie Behang. Legge Pr. p. 12 meint aber, diese Namen hätten nv die Chronik des Bambubnches und Liu-schi's T^dihÜQ- thsien aus der Zeü Thsin Schi-hoang-ti's, diese seien aber zu neu uBil ksine gen inende Autorität. Das Bambubuch berichtet:

Digitized by

Google

22 - 8Wmhg der phOot-phOoL Oam vom 1. Jwm 1867.

„unter dem letzten Kaiser der 1. Dynastie Knei anno 28 verliess der Tai-sse Tschong-ka ihn und floh nach Sdiang'* and ebenso heisst es sfäter anter dem letzten Kaiser der

2. Dynastie Ti-sin anno 47 : „der Nai-sse Hiang*t8ohi ging weg von ihm and floh zo Tsdieo«'' Dasselbe sagt Liu-sdii im I-sse B. 20 f. 17 t. and Ton dem Gesdiichtsdureiber dar ersten Dynastie im I-sse B. 14 f. 17 y. Wichtiger sdieint Legge die Stelle im Scha-king V, 10, 13, wo Fang die frühere Beamten der 2. Dynastie Yn and daranter aach den Tai-sse and den Nai-sse yot der Trankenheit warnt; ihre Thätigkeit als Geschiditschreiber erhelle freilich aas dies^i Stellen nidit and Legge T. III p. 410 möchte den Titel daher lieber Veoorders* als 'annalists' übersetzen. Unter der

3. Dynastie kommen dieselben Aemtemamen and nodt mehrere andere wiederholt vor, and wenn wir von ihrer damaligen Thätigkeit anf die frühere Zeit scfaliessen könnten, so fänden wir eine grosse geschichtlidie Thätig^t, obwohl ihr Amt nicht anf die Geschichtschreibang speziell besdirinkt war. Es gab anter der S. Dynastie mehrere Arten: den Grossannalisten (Tai-sse), den Gesdiichtsschreiber der Rechten and Linken (Tea-sse nnd Tso-sse). „Wenn der Kaiser sich bewegt (etwas that) heisst es im Li-ki Cap. Yü-tsao 13 f. 2 (12 p. 6») schreibt der Ge- schichtsdireiber der Linken es anf, wenn er etwas spricht, Terzeichnet es der der Rechten/' Ausser dem grossen An- nalisten (Tai*s8e) gab es aach einen kleinen (Siao-sse), der nach dem Tschea-li 26 f. 11 fg. die Dokamente imter sidi hatte, welche sich aaf die Geschidite and Genealogie der Vasallenf&rsten bezogt* Der Annalist des Innern (Nai-sse) hatte nach 26 f. 27 fg. es mit den 8 Attribaten der kaiser- lichen Gewalt, der Emennang za Aemtem, der Anssetzong der Gehalte, Absetzangen Bestätigungen, Hinrichtangen, Begnadigungen, Gratifikationen und Reduktiolien zu thon; Ton allen Reglements bewahrte er Kopidn auf, nahm Ver»

Digitized by

Google

PUM: Chr&nolog, Orundlage der aUm chines. Oeschichie. 23

siellaiigeD an, registrirte die Verleihimg von Fürsten- und Beamtentiteln, las alle Eingaben and schrieb alle Erlasse des Kaisers in Daplo. Der Annalist des Aenssem (Wai-sse) hatte nach 26 f. 3 alle Schriften unter sich , welche die Oeschichte der 4 Theile des Reiches betrafen, auch die Ordonnanzen, die sie angiengen. Ausser diesen kommen aach noch andere vor. Wir wollen aber hier darüber nicht weitläufiger werden, da wir in unserer Abhandlung über die Verfassung und Verwaltung China^s nnteac den 3 ersten Dy- nastien (Abb. d. 1. Gl. d. k. Akad. d. Wiss. X. Bd. 11. Abth. S. 579 582) über diese Aemter. bereits des Weitere mit- geUieilt haben. Wir erwähnten auch schon, dass seit dem Verfalle der Kaisermacht alle oder doch mehrere dieser Aemter auch in den einzelnen Vasallenreichen vorkommen; so erwähnt der Sse-ki B. 5 f. 6 y. , dass in Thsin unter Wen*kung A. 13 (753 y. Chr.) man anfing Annalisten zu haben, am die Begebenheiten zu verzeichnen.

Dass die Erlasse der Kaiser und Minister auch unter den zwei ersten Dynastien bereits aufgeschrieben wurden, sagt Legge, ergiebt sich aus Schu-king IV, 8,. 1, 2, wo Wn-ting (1321 v. Chr.) seinen Traum seinen Ministem in einer Schrift mittheilt (Wang yung tso schu i kao) und aus IV, 5, 1,2, wo schon über 400 Jahre früher, Y-yn dem jungen Kaiser der 2. Dynastie Thai-kia schriftlidi Vor* Stallungen macht (tso schu yuei) und schon unter dem Kaiser Tschnng-khang (seit 2158 v, Chr.) der 1. Dynastie Hia heisst es III, 4, 4: die Regierungsstatüten bestimmen (tsching tien yuei), und im Gesänge der 5 Söhne (in, 2, 8) „erleuditet war unser Ahn (Yü), er hatte Statuten und Regeln, die er seinen Nachkommen überlieferte (Yen tien, yea tse, i kue tseu sün)''; der Ausdruck § 6 hiün yeu tschi konnte freiUdi aiibh bloss auf eine mündliche üeberlieferung gehen.

Dass man Kunde vom Alter thume hatte, ergiebt

Digitized by

Google

24 SiUmg det pMos.-pkiM. Clam wm 1. Jumi 1867.

schon die Einleitang m den 4 ersten Kapiteln des Scho-ldiig: „die den alten Kaiser Yao, Schün n. e. w. untersacht habeOi sagen''; ohne vorhandene Denkmäler ging das nicht. Nach SchuJcing V, 27, 7 wnsste Kaiser Mu*wang ron der 3. D. selbst von den Unordnungen Tsohi-yea's (unter Hoang-ti, vor Tao) nach alten Belehrungen (jo ku yeu hiün) und nach Schtt-king V, 15, 4 7 hatte Tscheu-loing zu Anfange der der 3. Dynastie Kunde von den früheren Kaisem der 2. Dy- nastie und wusste z. B., dass Tschung-tsung 75 Jahre, Kao* tsung 59 Jahre, Tsu-kia 33 Jahre, splUiere Kais^ derselben nur 10, 7—8, 5—6, 3— 4 Jahre regiert hatten. AusV, 16, 2, 7 sehen wir, dass derselbe nicht nur die Folge mdbrerer Kaiser der 2. Dynastie, sondern auch ihre Minister kannte, Der Stifter der 2. Dynastie Tsching-thang hatte den Y-yn, Kaiser Thai-kia den Pao-heng , Kaiser Thai-meu den Y-tschi, Tsdiin-hu und Wu-hiai, Kais^ Tsu-i den Wu-hien und Kaiser Wu-ting den Kan-puan zu Ministem. Sie werden da nodi weiter diarakterisirt , was wir hier aber übergeben mfissen. Da das Paj^er in China damals noch nicht erfunden war, schrieb man auf Bambu-Tafeln, wie die Schriftzeidieii schon andeuten. Confudus im Tschung-yung 20, 2 sagt aber ausdrücklich: „die Regierung von Wen- und Wu (den Stiftern der 3. Dynastie) ist entfaltet auf Bambu-Tafeln (Pu tsai fang tse) ; der letzte Charakter, aus Bambu und Dom zusamneo- gesetzt, zeigt, dass man ursprünglich die Nachrichten a«f Bambu einritzte; Fang sollen hölzeme Tafeln sein, Tse, was sonst Kien, Bambustreifen , die zusammen gebunden wurden, bezeichnen. Meng-tseu VII 2, 3, 2 q>richt von 2 3 Tse des Ki^itels Wu-tsching im Schu-king (V, 35). Der Chara)cterSchu: Schrift, Buch, aus Cl. 129, der Pinsel und Cl. 73 Mund , Wort gebildet , weiset darauf hin , dass die Nachriditen auch aufgeschrieben oder aufgezeichnet wurden. Es wurden aber auch Begebenheiten in Erz eingegraben« 554T.Chr.8agtTso-ohiSiang-kungA.ld£38Y.,S.B. 18S. 150fg.

Digitized by

Google

Balh: Chmohg. Grundhgt dm äUm dfm€$, ffesMMe, 25

▼eHSertjgte maa ans der Beute Geräthe des Ahnentempels and grob in Erz die glänzendai Verdienste ein, sie zn ver- kündigen den Söhnen und Enkeln/^ Siehe weiteres in unserer Abhandhog über die Glaubwürdigkeit der alt chin. Ge« Mliiehte <Sitz.-Ber. 1866 I, 4 S. 563 fg. (42.)

So sollte man denken, dass wir vi^ geschiohtliche Nach- riditea, selbst aus den ältesten Zmten Ghina's überliefert erhalten hätten ; aber bei den Kriegen und Unruhen ist fast alles aus der ersten Zeit Terloren gegangen und zum Theil absichtlich Bentört worden. Meng*tseu V, 2, 2, 2 klagt schon „dass die FmdaUSrsten zn seiner Zeit aus Interesse viele alte Denkmäler ▼ernichtet hätten, daher er das Detail der alten Einrieb- tnngen nicht mehr wissen könne, doch kenne er den Umriss derselben (Tschu heu wu khi hai khi ye, eul kiai kiü khi tse"). Der letzte Qiaiakter ergiebt, dass sie auf Bambu- ta£^ veizeidmet waren und naoh VI, 2, 8, 5 waren diese Statuten im Ahnensaale aufbewahrt (Tsung miao tschi tien). Zn Ckmfnoius Zei^regierten in dem kleinen Reidie Khi noch Madikommen des Stifters der 1. Dynastie Tu und im Reiche 8nng Nadikommea des Stifters der 2. Dynaeitie und es hatten sich noeh Institutionen derselben, aber nur fttigmen- tuiscfa, dort erhalten; diese genügtet ihm daher nidit. Er sagt im Lün-iü 3, 9 „Hia's Gebräudie, ich kann davon reden, aber Ki ist kein graögendes Zeugniss dafür; Yü's Oebränche, ich kann davon reden, aber Sung ist kein genü- gendes Zei^aiss dafiir". Yergleidie auch Tschung-jrung 28, 5 u. Sse-ki B. 47 f. 24. So haben wir denn aus der 1. und 2. Dynastie nur sehr spärliche Nadirichten , die Nachrichten über Yao, Sdiän und ausgenommen, fast nur die über den Sturz der Dynastien und das Aufkommen der neuen.

Es ist überiiaupt zwar öfter von deft geschichtUchen Au&eidinung vdS Gesetzen, Verträgen und Aktenstücken der Archive die Rede; es mögen audi mit der Zeit geschichtliche Aufzeichnungen in ehrondogischer Folge, Annalen oder

Digitized by

Google

26 HiUmng der phüoß.'phtM, Gasse vom 1, Juni 186T.

Chroniken verfasstworden sein, wir wisseQ aber wenig darüber. In der Chronik des Bambubuches P. 151 heisst es: „Kais^ Ma-wang A. 24 befahl dem Geschichtschreiber der Linken (Tso-sse) Jung-fu eine Chronik abzufassen; so fibersetzt man die Worte „tso ki'' und meint, es sei eine Geschichte über das Emporkommen und den Verfall der Staaten bis zum Anfange der 3. Dynastie Tscheu gewesen. Die älteste diinesische Chronik, die wir haben, ist Confucius Tsohhim* thsieu, eine Chronik seines Vaterlandes Lu, in Schan-tung. Von seinem Zeitgenossen Tso-kieu-ming hat man noch zwei Werke, den Tso-tschuen, den man unpassend einen Com- mentar dazu nennt es sind vielmdir einzelne, ausführliche Geschichten nach der Folge seiner Chronik und dann den Eue-itL Nach Meng-tseu IV, 2, 21, 1 gab es zu seiner Zeit auch eine ähnliche Chronik, wie die des Conftacius Ton Lu, so vom Reiche Tsin, das Viergespann (Tsching) und yom Reiche Tschu eine ?on einem wilden Thiere Tao-uo genannt. Nach dem Tso-tschuen hätte es 532 v. Q|»r. noch alte Ge- schichtwerke, selbst aus der Zeit vor Yab gegeben. Untmr Lu Tschao-kung A. 12 f, 61 v., W- Sitz-Ber. 21 S. 203 rühmt Ling-w^g, der König von Tschu, da „seinen Ge- schichtschreiber der Linken (Tso-sse) I-siang;') er könne lesen die San-fen, ü-tien, Pa-so und Khieu-khieu'^ Es sind diess alte Bücher, die dort nicht weiter bezeichnet werdai. Nach Eung-ngan-kue bei Legge Prol. T. III p. 14 vergl. Gaubil Tr. p. 97 handelten die San-(3)fen von den 3 Hoang (Fn- hi, Schin-nung und Hoang-ti); die U-(5)tien waren Büch^ über die 5 Kaiser (Schao-haö, Tschuen-hiü, Ti-ko, Taound Schün); die beiden letztem sollen noch in den beiden ersten Kapiteln des Schu-king, dem Yao- und Schün-tien erhalt^i sein^ Die Pa-(8)so sollen von den acht Kua's gdiandelt

8) Dm «rw&hnt auch der Kae-iü 6 f. 4, 6 ▼. und 9.

Digitized by

Google

lUOh: Chromiog. OrunOage der äUm ehmes. ßeeehieMe, 27

liaben; die Khiea-khien endlich, d. i. die 9 Hi^el, sollen eine Beschreibung der 9 Provinzen China'B enthalten haben.

Nach dem Tsdiea-li 26 fr. 31 fg hatten die Annalisten des AeuBsem der Dynastie Tschen anter sidi die Oeschichte^ der 4 Theile des Beidies und die Bücher der San-(3)Hoang und U-(5)Ti (Kaiser). Diese sollen nach den Schol. der San-f^ und D-tien gewesen seb. Im ersten Jahrhun- derte n. Chr. wurde ein kleines Werk unter dem Titel SaD*fen entdeckt, man wagte aber nicht, es für das alte zu halteiL De Onignes Pref. zum Chou<king p. XX spricht dayon. Nach P. Premare disoours preL zum Chou-king p. LXXXVn erwähnt Lo-pi es öfters; es erschien erst nadi Pan-kn und er giebt p. CXVII fg. einige Auszüge daraus. Der I-sse B. 3 1 3 y. giebt die Stelle über Fu-hi , B. 4 £ 3 y. fg. über Schin*nung und B. 5 f. 6 y. fg. üb^ Hoang-ti.

Das älteste chinesische Oeschichtswerk , welches sich theilweise ehalten hat, der Schu-king, ist nicht, wie man yielfach nodi meint, eine alte chinesische Greschichte, sondern nur eine Sammlung einzehier alter geschichtlidier Dokumente Yon Kaiser Tao bis Ping-wang, nadi der gewöhnlidien Zeit- beetimmmig yon 2357 720 y. Chr. £r giebt also keine chronologisdie üebersidit, sondern nur bei einzeben Kaisem die Dauer ihrer Begierungsjahre an. Confudüs' Chronik, der Tschhün-ihsieu, giebt, wie gesagt, die Chronik seines Vater- landes Lu yon 721—480 nach den einzelnen Fürsten, Jalir für Jahr, mit Angabe merkwürdiger gleidizeitiger Begeben- heiten in den andern kleinen Reichen des damaligen China's.

Wir müssen jetzt die chronologische Bezeichnung der Chinesen spezieller ins Auge fassen. Sie haben, wie einst die Griedien, ein Mondjahr, das sie durch einen yon Zeit zu Zeit eingeschalteten Monat mit dem Laufe der Sonne ausgleichen. Zu diesem Ende bedienen sie sich eines Sonnen* Jahres, yon wddi^n sie im bürgerlichen Leben aber fast

Digitized by

Google

38 SjMn^ pMof.-pM9L OtofN wm i. dmi 1867.

keinen Qebraudi machen. Sie haben seit den alterten Zeüeii durch' Beobachtung des Mittagschattens mit drai GnooMii den Tag der Winter -SonDenwewie zu bestimmen gesucht, andi lange ihr Mondjahr in der entq>redienden Gegend der Sonnenbahn angefangen. Den bürgerlichen Tag fing^i »6 nach Ganbil Lettr. edif. p. 330, 337 o. Tr. p. 34 nnter der

1. Dynastie Hia mit Sonnenaufgang, unter der 2, Dynastie Behang mit dem Mittage, sdt der S. Dynastie Tbcheu mit der Mittemacht, ihren Monat mit dem Tage des neuen Moih> des an. Ihr Monat hat bald 29, bald 30 Tage; der SdiaU>- monat wird unter der Nummer des TOihergehenden Monate mitinbegriffen. Die Einschaltung war nach Chalm^rs bei Legge p. 99 unter der 3. Dynastie Tsoheu sehr unregel* massig ; sie sollte zwisdien deai 22. November und 22. De* zember begannen; er zeigt aber, dass sie in den Jahren 719, 703, 688, 685, 658, 626 den 16., 20., 4., 1., 3., 8. Januar, in den Jahren 605, 583, 556, 540, 529, 526 dm 18^ 16., 17., 19., 18., 15. November stattfand. Man rechnete nach Decaden, (Silin), wie wir nach Wochen Schu-kingl §8, (Ü, 2, 21, UI, 3, 1. u. V, 9, 12.) Nadi dem Schol. zum Tsohen-li 26, 4 soH Sui das Sonnenjahr von 365 Tagen, Nien das Mondjahr von 354 Tagen ursprüngUeh bezeichnen. Der Eul-ya Sehe* thien 8 f. 16 v. sagt : Unter Thang und (d. i. Yao und Scbän) sagte man Tsai; unter der 1. Dynastie Hia Sui; unter der

2. Dynastie Schang Sse; unter der 3. Dynastie Tscheu Nien. Aber man kann nur sagen, Tsai kommt im Schu4dng in der Gesdiicfate Yao's und Sdmn's (B. lundll), Sse im Sdiang- schu (B. III) vorzugsweise vor. S. den Index von Legge. Gewöhnlich sagt man: Die Dynastie Hia begann das Jahr mit, dem 2. EVühlingsmonate (yn), die Dynastie Sohang mit dem letzten Wintermonate (tscheu), die Dyna* nastie Tscheu mit dem 2. Wintermonate (tseu), (Legge m, p. 192 und 282). Dies bezweifelt aber Qialmers ib. p. 93. Der Calender gerieth in grosse Unordnung; 775 v. Ohr«

Digitized by

Google

Pktlk: ChNmolog. Qftmdlage äUm Mim. GeiMAU, 29

daa Jahr im Dezember, fiO Jahr ^ater mit Januar. Man sidit leicht, weldie Sdiwierigkeiten in beiden Fällen dacans for die C!hronologie entstehen.

Die Zeit wird gewöhnlich nach den Begiernngdjahren der Kaiser beetismit; das Todesjahr derselben wnrde nach Tachai unter der S. Dynastie Tschen ganz dem verstor« benoi Kaiser zug^redmet und die Regierung seines Nach- fblgers datirte erst vom folgenden Netyahr an; anders soll es aber unter der 2. Dynastie Sohang gehalten worden sein (Legge p. 192).

Eine sidiere Chronologie zu erl^ten, haben die Qii- BiBen später den 60theiligen Cyklus eingeführt^ der aus dem 10* und 12 thaligen zusammengesetzt wird. Die Gbandctere des ersten heissen die 10 Stämme^) (Kan), die des 2. die 12 Zweige^) (Tscbi); verbindet man beide, so ksbren sie zu derselben ersten Qmppe Kia-tseu erst zurück, nachdem der Dezimal Cyklus 6 mal und der Duodezimal- Cyklus 6 mal abgelaufen ist; man nennt den 60theiligen ClyU» nach dem ersten Charakter audi Kia-tseu.

Dieser 60theilige Cykhis, der jetzt k den dunesischen Geschichtswerken allgemein angewendet wird, kommt aber zur Bezeichnung der Jahre in alter Zeit noch nicht vor. Im Schu-king wird er nur zur Bezeichung der Tage verwendet and zwar zuerst im Kapitel Y-hiün IV, 4, 1 unter Kais^ Thio-kia von der 2. Dynastie (1753—21 v. Chr.) der Charakter Y ^tsdbeu; früher scheint, wie Chalmers bei Legge T. ni]Prol. p. 96 bemerkt, im Kapitel Y-tsi U, 4, 1, 8 der Cykhis von 10 allein zur Bezeichnung der Tage verwendet worden zu sein. Da sagt : „Als ich auf dem Berge Thu-schan heurathete,

4) Der 10 theilige CykloB ist: 1. Eia, 2. Y, 8. Fing, 4. Ting,

5. Mao» 6. Ki, 7. Keng, 8. Sin, 9. Jin, la Koei.

6) Der 12 iL Cyklna irt: 1. Tteo, 2. Ttokhea, S. Yn, 4. Mao,

6. TbcWb, 6. Sse, 7. W«, 8. Ww, 9. Behin, 10. Yeu, 11. Sit, 12. Hai.

Digitized by

Google

30 Bitmmg der phOm.'phMloL CUme vom L /tm» 1867.

(blnb ich zur Hanse nur die Tage) Sin, Jiii, Eaei und Eia. Diess sind 4 aufeinander folgende Zeichen des Gyklus Ton 10. Be- nrerkenswerth ist, dass im Sdin^dng Gap. Pi«ming V, 24, 3 Tschen-kung einmal sagt: 3 Ei seien yerflossen; diess soll eine Periode Ton je 12 Jahren, also 36 Jahre, seb nnd es eine Umlan&eit des Planeten Jupiter be2eidmen.*) Von der Benntznng des Cyklus Ton 60 zur Bezeichnung der Jahre, sagt Gaubil Tr. p. 271, sieht man noch kerne Spar in der Geschichte der Thsin, in der Chronik von Liä*pa-wei (etwa 240 y. Chr.), im J^ue-tseu, im Eue-iü, im Tsö-tschu^, im Tschhün-thsieu und im Schu-king. Was den Tsefahün-ihsiea Ton Confudus betrifft, so sagte P. Visdelou zwar, dass C<»i- fncius in dieser seiner Chronik bereits den 60jährigen Cjkliis zfia Bezeichnung der Jahre angewandt habe, aber Gaulnl t'r. p. 144. bemerkt, dass die CyUuszeichen daselbst erst Tom Astronomen Tu-yä aus der Dynastie Tsin (266—422

6) Stern Gott. g. A. 1640, p. 2011 meint, dass nrsprfingliob die Zahl der Tage, wie noch jetst in China naohDecaden mit dem Qrkhu ron 10 und die Jahre mit dem von 12 beseichnet worden seien, nnd bezieht sich ausser Gaubil Tr. p. Y dabei auf Biot Joum. de Sayans 1840 p. 143, der 2 Stellen anzieht aus dem Tscheu-li B. 26, 15 und B. 87 t 40. Jene lautet: „Der Fung siang schi beschäftigt sich mit den 12 Jahren, den 12 Monaten, den 12 Stunden, den 10 Tagen und der Lage der 28 Sternbilder^. Die 2. Stelle lautet: „Der Thi-tso-edhi schreibt auf Tafeln die Namen der 10 Tage, der 12 Stunden, der 12 Monate, der 12 Jahre und der 28 Sternbilder*'. Wir haben schon bemerkt, dass für die Tage in der ältesten Stelle des Schu-king der 10 tägige Cyklus allein angewandt wurde, den 12 theiligen f&r Jahre könnte man nur einmal in den 8 Ei s^en, aber sonst wird im Schu-king nur der 60 jährige Cyklus und zwar bloss zur Bezeichnung der Tage angewandt. Chalmers p. 96 meint, der 12 theilige Cyklns sei erfunden, to distinguish the 12 Spaces, into which the horizon is divided ; Ton ihrer Anwendung auf die 12 Monate dann auf die 12 (Dop- pel-)Stunden des Tages scheine nur ein Schritt; aber diese kam nach den Chinesen erst unter der Dynastie Han Tor. Vgl. Gaubil Tr. p 24S.

Digitized by

Google

FUah: Chrandog. Cfrtmdlage der aiUn ehme». OetehicMe. Sl

n. Chr.), der einen guten Commentar dazosdirieb, hinzngesetet worden seien.

Die 80g. Chronik des Bambubnches (Tschu-schn-ki-Dien), welche 284 n. Chr. im Grabe der Fürsten von Wei gefun- den wurde, und wie man annimmt, eine Kaiser-Chronik der Geediichtschreiber von Wei ist, die von Hoang-ti bis Tscheu Yn-wang A. 20 (293 v. Chr.) geht, hat neben der Zeitangabe nach Jahren der Regierung der Kaiser von Yao A. 1 an zu Anfang der Regierung eines jeden Kaisers auch noch die Bezeichnung mit dem C/kluszeichen und zwar zuerst mit dem Zeichen Ping-tseu. Damach müsste die Anwendung des 60jährigen CjUus älter als die 5 Dynastie Hau sein.

Aber die Zeitangabe nach C/kluszeichen stimmt da nicht mit den Angaben der R^erungsjahre im Einzebien und im Ganzen. Dass die Annalen des Bambubnches tmtergeschobeft seien, wie mehrere Chinesen meinten, glaubt auch Legge nidit, nimmt aber mit Gaubil Tr. p. 221 eine Verderbniss des Textes, namentlich in der Chronologie an, und meint, dass die CyUuszeichen von Yao an auch hier erst später zu- gesetzt seien , Fröret T. 14 p. 95 fg. hielt sie für acht und alt da sie auch qftch seiner Annahme erst seit den wpUetü Han angewendet worden ; mehrere Cyklusdaten (z. B. 8. 120) ständen nur in den Noten und diese seien daher wohl jedenfalls erst in verschiedenen Zeiten hinzugesetzt worden; die ältesten Citate der Annalen aus der Dynastie Tsin und noch spätere enthielten die Cyklusdaten noch nicht ; das sei entsdieidend. Hung I-hiuen, aus der Zeit der jetzigen Dynastie, sage bestimmt, ,^die Bächer, weldie die Bambu- anualen anführten, thäten es alle ohne die Cykluszeichen ; erst in der Geschichte der Dynastie Sui (Sui-schu) in der Chronologie fände man das erste Jahr Yao's mit dem Qyklus- seidien King-tseu und erst später unter der Dynastie Sung in einem Commentare zur Nachgeschichte des Lu-sse (Lu- 0se heu-ki-tschu) sei das erste Jahr Yao's mit dem Cykluszeichen

Digitized by

Google

32 aiUmg der phito$.'p1dM. Oam XHm 1. Jmi 16^.

Pbg-tsdu bezeiehnet, wie jetzt im Bambabvolie. Lqigep. 181 giebt den chinesisdieQ Text der Stelle.

Die Angaben, welche die Anwendung des 60 jährigen Cyklns schon dem Ta-nao, einem Beamten des eib&B Kaisers Hoang-ti, zuschrieben, bemerirt Legge p. 82 sei^ alle sehr neu, erst aus der Zeit der 4. und 5. Dynastie Tshin and Hau, abo 2000 Jahre nach seiner Zeit. Er giebt die Stellen aus dem Schi-pen, die Stelle findet sidi attch in I-sse B. 5, f. 6 T. aus LiU-schi's Tschhün-thsieu, Hoang-ti's Nui Tschuen und dem Yuei Lmg tschang ken ehmesisch. Der Thung-kien-kang«mu B. 1 f. S sdireibt die Anwen^mg derselben sogar schon Fn-hi zu (tso kia li), aber Ku-yenrwu aus der jetzigen Dynastie sagt aosdrficklich: Die Alten hätten den 60 jährigen Qylclus nicht zur Bezdchnnng der Jahre angewandt. (Kn jin pu kia^tseu ming sui) und bbA der Vor- rede zum Wai-ki, einem Supplemente zu Sse-ma-kuang*« Abriss der chinesischen GeschichtCi fing man erst «nter dem Usurpator Wang-mang (9 22 v. Chr.) m, ihn anzuwaiden. Sse-ma-kuang setzte die CyUuszeichen aufwärts nur bis zur Regentschaft Eung-ho (840 t. Chr.); bis zu Yao's erstem Jahre erst Schao-khang-tsie. Auch Sse-ma-tsien's Weric hat später Zusätze erhalten. Der Art sind die grkKschen Zeiche« in seinen chronologisdien Tafeln (Sse-ki B. 12 f. 4 v.X aber auch da stehen sie nur Tom Jahre 840 ¥. Chr. ab- wärts. Das 1. Jahr hat den Qiarakter Keng^chin. Sie kommen vor unter der Dynastie Tsin (265— 419 a. Cär.) hei Sifi-kuang und Torher sdion bei Hoang^fu-mi (starb 283 n. CktJ) (Ghalmers bei Legge Prol. 98); nach Gaubil Tr. 148 gibt er Yao's 1. Jahre dea Charakter Eia-tsdiin zuerst S. die Stdie aus seinem Ti-wang Sdii-ki im I-sse B. 9 f. 9.

Wir haben uns über die Anwendung des 60 jährigen Gyklus in der chinesisdien Oesdiichte weitläufiger ausgelasaeo, da noch Bunsen (Aegyptens Weltstellung B. 6y & &276) meint, der 60 jährige üyklus m uralt im chinesischen Systane

Digitized by

Google

PkUh*. Okronölog, €hundlage der alten ehines, OeetMchte, 33

und Ae ftlteste Form einer uralten, sehr einfachen Gleichung 4le8 Bonnen- und Mondjahres, die audi bei den Aegyptem, Ghaldäem und Juden vorkomme. ^)

Bemerkenswerth ist noch , dass nadi dein -erwähnten Kn-yen-mn statt der jetzigen Gykluszeiöhen zur Bezeichnung der Jahre erst andere fremdartig lautende und erst später die jetzigen angewandt wurden.- Chalmers bei Legge Pr. p. 97 giebt die Liste derselben aus Sse-ma-tsien's^) Tafeln für die Interkalation für 76 Jahre von 103 v. Chr. an. Er meint, sie müssten aus einer fremden Sprache sein, wie auch die Qöttemamen da, ob indisch? und legt darauf ein beson- deres Gewicht, dass im 2. Jahrhunderte v. Chr. die Chinesen ihre Verbindung mit dem Westen eröffneten. Da diepe Zeichen aber in der chinesischen Geschichte nie angewendet worden sind, können wir sie hier füglich übergehen.

Wir kommen nun nach dieser Einleitung zur Abhand- lung selbst, und zunächst 1) zu den allgemeinen An- gaben über die Dauer der 8 ersten Dynastien. Dieall- gemeinste und älteste ist wohl die bei Meng-tseu (VII, 2, 38): „Von Yao und Schün bis Thang, sagt er da, waren über

7) Dass zwischen der Astronomie und Zeitreohnnng der Chinesen and derChald&er ein noch yiel innigerer und älterer Zusammenhang •tatigefonden habe, sacht Stern Götting. g. A. 1840 S. 2026—88 zu zeigen und zwar meint er 8. 20S3 schon vor 1766 v. Chr., da die Chinesen nur unter der 1. Dynastie, Hia (2205 y. Chr.) den Tag mit Sonnen- aufgang begonnen, wie die Chaldäer, unter der 2. Dynastie Schang seit 1766 nicht mehr, sondern mit Mittag. Wir müssen das Weitere iiBserer Abhandlung: Ueber die Astronomie der alten Chinesen Torbehahen.

8) Sse-ki Li-schu B. 26 f. 5 t. fg. ; sie kommen schon in dem alten Wörterbuohe £ul-ya Kap. Schi-thien:8, f. 16 t. mit einigen Ab- weichtugea vom Sse-ki, wo der Soholiast es auch oitirt, Tor. Auch 4er I-aee B. 151 f. U f. g. giebt die StoUe des £ul-ya.

[1867. IL 1.] 8

Digitized by

Google

34 SiUung der phüos.-phiM. CUuse vom 1. JtOM 1867.

500 Jahre. und Eao-yao*) sahen sie Qeue) seibat und kannten sie so; Thaog hörte von ihnen (ihren Prinapien) und kannte sie so*\

„Von Thäng bis Weu-wang waren (wieder) über 500 Jahre; Y-yu und Lao-tschu sahen ihn (Thang) und kannten ihn (seine Prinzipien) so. Wen-wang hörte Ton ihm und kannte sie so'**

„Von Wen-wang bis Confucius waren (wieder) über 500 Jahre; Thai-kung Wang und San-i-seng sahen ihn nnd kannten sie so. Confucius hörte von ihm und kannte sie so."

„Von Confucius bis jetzt sind über 100 Jahre. (Meine) Entfernung von des Heiligen (Confucius) Zeitalter ist nidit so weit; sein Aufenthaltsort war (dem meinigen) nahe; ist denn nicht einer (bin ich nicht) da im Stande, seine Lehre zu überliefern?"

Gaubil Tr. p. 250 nennt Meng-tseu: un ecrivain d'ane tres-grande autorit6 et qui parlait en consequence de ce qn'il lisait dans Thistoire. Was dann die Bedeutung der Stelle für die Feststellung der alten Chronologie betri£Et, so bemerkt er p. 92, Meng-tseu werde zwischen 372 bis 74 v. Chr. geboren sein, er kam 336 v. Chr. an den Hof von Wei and zog sich 314 vom Hofe des Fürsten von Tsi zurück (seinen Tod setzt Legge Prol. T. II p. 17 in das Jahr 288 v. Oir.) Von seiner Zeit bis Yao rechnete Meng-tseu über 1600 Jahre; es sei das allerdings keine sehr sichere Angabe, aber sie gewähre doch im Allgemeinen eine ziemlich klare Anschauung der Zeitverhältnisse.

Wir müssen aber dag^en bemerken, Meng-tseu ist kein Qeschichtsforscher , sondern ein Moralist und Politiker. Es

9) Diese nnd die im Folgenden Genannten waren Minister der Kaiser; s. Legge P II p. 878; den San-i-seng erwähnt des Sobn-king V, 16, 12.

Digitized by

Google

Plath: Chranolog, Grundlage der aUen chines. OescMehte, 35

Bind durchaus nur ganz allgemein gehaltene runde Zahlen; man weiss weder, von wo er den Anfang, noch wie er das Ende einer Periode rechnet, ob von der Geburt, dem Tode oder dem Regierungsantritte der Kaiser an. Confudus Geburt fallt nach dem Sse-ki B. 47 f. 2 unter Lu Siang-kung a. 22, sein Tod nach 1 28 y. unter Lu Ngai-kung a.16, d.i. jene in das Jahr 551, sein Tod 479 nach Legge Prol. T.I p. 59; Meng-teeu's Geburt, wie gesagt, 372. Von 479 (Con- fiicius Todesjahr) bis 372 (Meng-tseu Geburtsjahr) sind 107 Jahre. Wenn Meng-tseu also sagt: von Confucius bis jetzt sind über 100 Jahre, so versteht er wohl, wie audi Freret Oeuvr. T. 14 p. 65 annimmt, von Confucius Tode bis zu Meng-tseu's Geburt und so wird man dann ähnlich auch bei den andern Angaben rechnen müssen, und so rechnet auch Freret p. 109 die 500 Jahre von Wu-wang (der Text hat aber Wen-wang) bis zu Confucius Geburt. Aber Meng- tseu will die Dauer der beiden erst^ Dynastien gar nicht angeben,^) sonst hätte er nicht von Yao und Schün, sondern von Yü's und Wu-wang's Begierungsantritt rechnen müssen. Dessen Vater Wen-wang regierte nur in seiner Herrschaft Tscheu und Wu-wang gelangte auf den Kaiserthron der 3. Dynastie erst seit seinem 13. Uegierungsjahre im Beiche Tscheu. ^) Die Dynastie Tscheu war zu Confucius und Meng-tseu's Zeit in Verfall. In gewissen Zeitperioden, meinten sie nun,, erstanden immer grosse Kaiser, die mit ihren weisen Ministern die ächten Prinzipien, die in Verfall gerathen waren, wiederherstellten. Soldie waren Yao und

7) Irrig sagt Legge Prol. T. III p. 85 wohl von König Wen bis Ck>nfacio8 solle Keissen: vom Anfange der Dynastie Tschen; von Tao und Sohün bis Thang, meint er p. 66, solle die 150 Jahre jenes and die 481 oder 439 Jahre der Dynastie Hia in sich begreifen.

8) So wird die Stelle im Scha-king Kap. Thai-tschi Y, 1, 1, 1 SU verstehen sein, s. Legge.

Digitized by

Google

86 Sibnmg der j^Uh$.-phaöL Ckuu wm L JmU 1867.

Sdiin^ Wen-wang imd Wu-waog, tj^ Schi-king IV, 1, 1. Die Zei^Mriode, sagt er nun« wäre schon mehr als Yerflossen; sollte ich nnn nicht der Mann sein, der zur WiederhersteUang der ächten Prinzipien bestimmt wäre? Dass diess sein Ge- dankengang ist, zeigt deuth'ch die SteUe Meng-tseu II, 2, 13 : „Als Meng-tseo Thsi yeiliess, heisst es da, fragte ihn Tschhnng- ytt auf dem Wege: Meister, dein Aussehen erscheint unbe- friedigt; vordem hörte ich den Meister sagen, der Weise murrt nicht gegen den Himmel, grollt nidit d^i Mensdieo. Meng-tseu erwiederte: das war zu einer Zeit, diess ist eine andere: in 500 Jahren erstand immer ein grosser König (Wang), und in der Zwischenzeit g9h es sicher berühmte Geschlechter (Ming schi) ; seit dem Beginne der Dynastie Tseheu bis jetzt sind nun sdion über 700 Jahre; was die Zahl (der Jahre) betrifft, ist sie schon vorbei; was die (jetzigen) Zeitverhältnisse betrifft, wenn man die untersudit, so könnte man wohl (das Auftreten solcher Männer erwartei), aber der Himmel will (offenbar) noch nicht, dass das Reidi Bur Ruhe gelange : wollte er das in dieser Zeit, wer könnte das bewirken als ich; wie sollte ich darum nidit beküm- mert sein/^

Hier rechnet er über 700 Jahre von seiner Zeit bis zum Anfange der Dynastie Tscheu, aber man weiss nicht, welchen Zeitpunkt in seinem Leben er meint. Legge Prol. P, II p. 24 meint, es gehe auf seinen ersten Weggang ans Thsi Und setzt diesen 323 v. Chr., aber nur nach der an- gegebenen Dauer der Dynastie Tscheu von 700 Jahren ; seinen zweiten Aufenthalt in Thsi setzt er p. 34 in das Jahr 311 V. Chr., weil das Reich Yen damals gegen Thsi aufstand, Was Meng-tseu I, 2, 10 fg. und II, 2, 8 fg. erwähne. Meng- tseu verkehrte damals nach dieser Stelle mit Thsi's König Siuen-wang; nach dem Sse-ki fand aber der Aufstand erst unter dessen Nachfolger Min-wang 323 bis 282 statt Diese

Digitized by

Google

JPMh: Chranohg. Grundlage der aUen chines. Ge$ehichte. 37

SteUe gewährt uns also auch keine sichere Angabe auch nur über den Anfang der 3. Dynastie Tscheu.

Eine 3te Stelle bei Meng-tseu IV, 2, 1, 3 hilft auch nicht yiel. Er sagt da: „Schün wurde geboren in Schu-fung, sog fort nach Fu-hia und starb in Ming-thiao, ein Mann unter den Ost-Barbaren; Wen-wang, wurde geboren am Berge Ehi in Tsoheu und starb in Pi-yng, ein Mann nnter den West-Barbaren. Die Entfernung der Länder betrug über 1000 Li, das Zeitalter des letzteren war über 1000 Jahr später, aber ihre Absicht beim Walten im Reiche der Mitte war wie wenn man 2 Siegelhälften zusammenfügt; der frfihem und der spätem Heiligen Principien waren ein- und dieselben (i)".

Wenn in der ersten Stelle von Yao und Schün bis Wen-wang über 1000 Jahre gerechnet werden, so hier von Schün allein, aber die 1000 Jahre, die sie von einander ent- fernt gelebt haben sollen, möchten keine viel sichere Be- stimmung sein, als die Angabe der Entfeinung ihrer Geburts- oder Sterbeorte auf 1000 Li s. Legge p. 192 und die verschiedenen Angaben über den Ort, wo Schün starb, im I-sse B. 10 f. 14 V. Man kann daher aus diesen Stellen nur im Allgemeinen entnehmen, dass Meng-tseu von Yao und Schün, vielleicht von Schün's Tode bis Thang, dann von diesem bis Wen-wang und von diesem wieder bis Confudue iber je 500 Jahre, also zusammen über 1500 Jahre und von da bis zu seiner Zeit nodi über 100 Jahre, also im Ganzen über 1600 Jahre, an einer andern SteUe aber von Sdiün bis Wen-wang 1000 Jahre und an einer 3ten Stelle von der Gründung der Dynastie Tscheu bis zu seiner Zeit, 323 oder 311 V. Chr., über 700 Jahre rechnete; welchen Glauben er aber verdient, bleibt dabei immer noch dahingestellt. Legge T. II p. 378 sagt: Von Anfang der Regierung Schün's bis ZQ der Thang's waren nach der recipirten Annahme 489 Jahre,

Digitized by

Google

38 Sitßung der phüoB.-phOol Clasae vom 1. Juni 1867,

von da bis zur Gründung der Dynastie Tscheu 644 Jahre. Wir werden die andern Angaben weiter unten prüfen.

Der 2te Autor ist der Verfasser des Tso-tschuen. Qaabil Tr. p. 252 sagt: L'antorite du Tso-tschouen est d'on grand poids et bien au-dessus de celle du Tchou-chou. Er lege nun der Dynastie Scbang eine Dauer von 600 Jah- ren bei, vielleicht rechne« er aber den Anfang von W^- wang an«

Aber Tso-schi ist auch kein kritischer Geschichts- forscher, sondern das Werk unter seinem Namen, wie schon erwähnt, nur eine Sammlung von Gesdiichten aus der Zeit des Tschhün-thsieu in chronologischer Folge. Die obige chronologische Angabe beruht aber auf gar keiner eigenen Angabe von ihm selbst. Man muss die Stelle*) wieder im 2iU8aramenhange mittheilen, was Gaubil immer nicht thut. Ein Gesandter des Königs Tschuang-wang von Tschu fragt da 606 v^ Chr. nach den Urnen Yü's, deren Besitz, wie wir schon anderswo erwähnt haben, (Sitz.-Ber. 1866 1, 4 S. 564 (42) für ein Palladium der Herrschaft über das Kaiserreich galt, und der Kaiser-Enkel Muan ant- wortete ihm: „Kie (der letzte Kaiser der 1. Dynastie) besass keine Tugend und die Urnen gingen über an die (2. Dynastie) Schang. Es vergingen (dann) 600 Jahre. Scheu (der letzte Kaiser der 2. Dynastie Schang) war gewaltthätig und grau- sam und die Urnen gingen über an (die 3. Dynastie) Tsdieu (Ting tshien Schang, tsai ki lo pe. Scheu pao nio, ting tshien Tscheu). Einst gab Tsching-wang (der Nachfolger Wu-wang's) eine bleibende Stätte den Urnen in Kia-jo, er brMinte die Schildkrötenschale (po) und befragte sie hinsidits

9) Tso-schi Siuen-kung A. 3 f. 5, S. 6. 17 S. 23 (auch bei Bazin im Joum. As. 1839 Ser. III T. 8 p. 368 und Legge Prol. T. III p. 67 not) und daraus wohl in Sse^ki Tschu Schi-kia 6. 40 f. 9 Tm S. B. 44 p. 85.

Digitized by

Google

FUUh: Chronohg. Grundlage der (dien eMnea: Oeechiehte. 39

der Geschlechtsalter, (welche die Dynastie Tscheu dauern würde) and erhielt deren 30; er brannte sie (und befragte aie) nach der Zahl der Jahre . und erhielt 700 Jahre. So wurde es durch den Himmel bestimmt; ist^ nun auch die Tagend der Tscheu jetzt geschwunden, so ist das Mandat des Himmels doch noch nicht geändert/' Letzteres, eine blosse Weissagung, die auch nicht eintraf, wie wir sehen werden, hat gar keinen chronologischen Werth und die Angabe über die 600jährige Dauer der 2. Dynastie ist wenigstens sehr problematisch. Die Uebertragung der Urnen fond auch wohl nicht gerade im 1. Jahre der neuen Dynastie statt ; erst Tsching- wang (Wu-wang's Nachfolger) gab ihnen so eine bleibende Stätte, nach dem Bambubuche p. 146 erst in seinem 18. Jahre in Lo, 24 Jahre nach der Gründang der Dynastie Tscheu nadi der Note p. 158.,

Als eine andere Autorität für die mehr als 600jährige Daaer der 2. Dynastie führt Gaubil Tr. p. 253 den Yo-tseu an, der vom ersten Jahre Tsching-thang's, des Stifters der 2. Dynastie, bis zum^ ersten Jahre des letzten Kaisers dieser D, 576 Jahre rechne, des letzteren Herrschaft währte noch 52, nach andern 32 Jahre, die Dauer der ganzen Dynastie betrug darnach also an oder über 600 Jahre. Die ganze Stelle Yo-tseu's steht im I-sse B.14, f. 16y. und lautet so: „Als Tbang das Kaiserreich regierte, erhielt er den Khing-fu, den Y-yn und Hoang-li, am Ostthore den Hiü, am Südthore den Yaen, am Westthore den Tseu und am Nordthore den Tse und besass so 7 Grossbeamte (Ta-fu), ihn bei der Re- gierung des Reiches zu unterstützen und das Reidi war wohl regiert 27 Generationen hindurch, zusammen 576 Jahre, bis auf Scheu/' Die Dauer ?on dessen Regierung, bemerkt Gaubil, giebt er nicht an.

Hier fragt sich nun yor allem, wer ist dieser Yo-tseo und welche Antoritit hat seine Schrift Gaubil p. 96 sagt: er gut ffir einen Naohkonunen Kaiser Tschoen-hifi's, lebte zur Zeit Wen- und Wu-wang's

Digitized by

Google

40 Sitzung der phüos.-phOdl. CUu9e vom 1. Jumi 1867.

(1122 V. Chr.) und beide befragten ihn über die Regierung und hörten ihn gerne über das Alterthum nnd die Wissenschaften reden ', er galt für sehr gelehrt. Man habe TOn ihm nnr das Fra^s^ent eines Buches über die Moral und die Regierung. Er setzt aber in der Anmericung hinzu, die Tao-sse rechneten ihn zu den ihrigen, obwohl er nftchr Obigem vor Lao-tseu gelebt und hätten das Fragment, welches tou seinem Buche erhalten sei, herausgegeben. Diess könne verdächtigen^ was man ihn über die Moral sagen lasse, er sehe aber nicht ein, wie auch das wenige, was er Chronologisches anführe, da es keine Be- ziehung zur Sekte der Tao-sse habe. P. 25S sagt er aber, obwohl das Bruehstüdc des Buches unter dem Namen vielleichl nicht von dem Zeitgenossen Wen- und Wu-wang's sei, habe es doch einige Autorität für die Chronologie , da es aus der Zeit yor dem Bücher- brande herrühre.

Ich vermisse bei ihm aber jeden Beweis für dieses Alter des- selben. Lie-tseu im I-sse B. 19 f. 9 fGhrt ihn als Yo-hiung und Yo- tseu auf; nach den SchoKen schreibt man den Namen auf beide Aite», er gehöre zur Secte der Tao, wie auch LieHeeu, dessen Werk nadi einigen obinesischen Ajitoren im i Jahre von Tscheu Ngan-wang (398 V. Chr.) herauskam.

Dieser Yo-hiung-tseu wird unter den Vorfahren der Könige von Tschu aufg^hrt, die ihr Geschlecht vom alten Kaiser Tschuen-hiü herleiteten. Der 8se-ki Tschu Schi-kia B. 40 f. 2 v., S. B. 44 S. 72 sagt: „Siitr Zeit Tsoheu Wen-wang's lebte von den IJackkommen Ki^lien's einer, der hiess Yo-hiung Tseu, der diente Wen-wang und starb früh," und im Tscheu Pen-ki B. 4 f. 4 nennt er den Yo-tseu unter den Grossen, welche sich Wen-wang alsbald anschlössen, vgl. auch I-s6eB.Sflf.llu. 17. Die Schrift, in welcher seine Oesprüche mit Wen* wang enthalten sind, ist aber offenbar ein späteres untergeschobenes Werk; der I-sse B^ 19 f. 7—9 enthält solche ai^ebüchen mooralisehe Gespräche desselben mit Wen-wang» B. 22 f. 32 v. führt aus ihm einen Ausspruch . Tscheu-kung's an und B. 25 f. 1 2 v. werden aus dem Sin-schu Gespräche Ton ihm mit Tscheu-kung und B. 20 f. 3 v. mit Wu*wang angeführt.

Et koointe nun freiHcb auch ein «ntergesehobeties späteres Werk immerhin historisobe Notizen von Werth enthalten. Wir müssen also diese specieller untersuchen. Gaubil Tr. p. 95 sagt: er spreche von den 5 Kaisern (ü-ti) vor Yao, die er einzeln nicht nenne und den 3 Königen (Saa^wdng) Yfi, Tsohing^tkang und Wu^ang. Im I-sse finde ich folgende Auszüge aas ihm^ £ 1 sagt er: „Hoang-ti kannte im 10. Jahre Sohin^nto^'s ae^leohiigkeit umd refbraiirte nin^

Digitized by

Google

HaUh: Chranolog, Qrunilagt der alten cktna. Geschickie. 41

Begiermog." B. 7 f. 1 t/' einst, da der Kaiser Tsohüen-^iü 15 Jahre alt war, unterstützte er Hoang-ti, im 22. Jalire regierte er das Reich. Seino Kegiemng des Reiches war so: nach oben befolgte er Hoang- ii*8 Prinzipien (Tao) and übte sie ans (hing), er studirte Hoang-ti's Prinjipien vnd machte sie mm beständigen Gesetze (enl tschang todüV* Aehnlich heisst es dann B.8 1 1: „einst, da Ti*ko 15 Jahre alt war, unterstütze er Tschnen-hiü und in^ SO. Jahr regierte er das Beich. Seine Regierung war so: nach oben befolgte er Hoang-ti's Principien und stellte sie in's Licht; er studirte Kaiser Tshuen-hiü's Prinzipien, um sie. auszuüben/*

Man sieht, in diesen Stellen ist wenig reell geschichtliches. Noch

^lantatiseher ist, was er 6. 12 f 5 t. von Kaiser sagt. Die erste

Stelle ist zu lang, um sie hier ganz mitzutheilen. „Tü's Regiemng

des Reiches beginnt er, war so: auf die 5 Tonarten zu hören,.

hing er am Thore auf die Glocken die Trommeln, die grosse Glocke

(Tho) und den Musikstein (Khing) und regelte sie mit der Hand-

tvononel (Thao), um za erlangen die Beamten (Sse) innerhalb der

4 iMeere des Reiches n. s. w/* Die 2. Stelle giebt positirere Angaben.

„Yü's Regierung des Reiches war so: er erlangte den Kao-yao, den

Tu-tseu-nie, den Ki-tseu, den Schi-tseu Ngan, den Ki-tseu-ning, den

Tan-tseu Schin nud den King-tseu-yü ; nachdem er diese 7 Ta-fu

erlangt hatte, ihn bei der Regierung zu unterstützen, brauchte er

sie, das Reich zu regieren.*' Die Stelle To-tseu*s über Tsohing-thang

and die 7 Ta-fu, die ihn bei der Regierung nach B. 14 1 16 y. nnter-

stütdEten , ist schon oben S. 89 angeführt. Wir wissen nicht, woher

er diese Namen hat, da im Schu-king und bei Confuoius und seinen

Schülern von jenen Beamten Yü's nur Kao-yao, von denen Thang's

nur Y-yn vorkamen. Von Wu-wang sagt er B. 20 f. 25: „Wu-wang

führte die Kriegswagen an (so), am Scheu anzugreifen; der Tiger-

oohorten (Hu-liü, von je 500 Mann) waren eine Million (Pe*wan)

und er stellte sie auf in Schang's Yorstadt (Kiao) ; er begann mit

dem gelben Vogel bis zur rothen Axt. Die Soldaten der 3 Heere,

die zerstreut waren, verloren nicht ihre Haltung. Wu-^ang befahl

Thai-kung, sich zu bemächtigen der weissen Fahne und sie als Signal

zn verwenden und Sdieu's Heer kehrte allein zurück/^ B. 21 f. 11

iei noch eine Stelle über Tsoheu-kong. Doch genug zur Charakteristik

des Autors. Wir haben die historischen Stellen aus ihm, auf welche

Gaubil sich nur im Allgemeinen bezieht, genau mitgetheilt, da man

so erst sich ein ürtheil über ihn bilden kann. Wir glauben nicht,

dMs es günstig aosflllt.

Digitized by

Google

42 Sitgung der phüos.-phiM. dam vom 1. Juni 1867.

Gaabil Tr. p. 96, 104 und 268 erwähnt noch aus dem Kue-iü von Tso-schi einige mehr genealogische An- gaben aber die Kaiser der 3 ersten Dynastien.

Idi finde folgende Stellen; im Tscheu-iiil f. 30 v. heisst es: „Einst brachte Kung-kia die (I.Dynastie) Hia in Unordnung und in der 4. Generation ging sie zu Grunde. Hiuen-wang^^) strebte für Schang und in der 14. Generation von ihm er- hob es sich (unter Tsching-thang). Kaiser Ti-kia (d. i. Tsa- kia) verwirrte es und in der 7. Generation unter Scheu-sin ging (die 2. Dynastie) zu Grunde. Heu-tsi (der Ahn der 3. Dynastie) strebte für Tscheu; in der 15. Generation er- hob sich (die 3. Dynastie); Yeu-wang, der 12. Kaiser der Tscheu, brachte sie in Verwirrung. Dass bis zur 14. Genera* tion ein Schatz bewahrt wird (Scheu-fu), ist viel : so konnten (die neuen Dynastien sich erheben).** Die Stelle, sieht man, giebt keinen chronologischen Anhalt, sondern nur die Genea- logien, deren Unhaltbarkeit, was die Anfange bis zu den Stiftern der Dynastien betrifft, de Guignes diso, prel z. Gbou- king p. CXXXin schon gezeigt bat.

Die 2. Stelle unter Tscheu Ling-wang 1 f. 27 sagt: „Von Heu-tsi bis jetzt gab es bald Ruhe, bald Unruhen (Ning loen). Bis Wen- Wu- Tsching- und Khang-wang wurde mit Mühe gekämpft, das Volk zu beruhigen.**

yySeit Heu-tsi begann, den Grund zu legen, dem Volke Ruhe zu schaffen (Tsing min), und nadidem 15 Konige gewesen waren, begann Wen-wang es zu beruhigen (Ping- tschi), und der 18. König (von Heu-tsi) Khang(-wang) erlangte es ersti es völlig zu beschwichtigen (Khe ngantschi): so schwer war das. Li (-wang) fing an, die Gesetze zu ändern (Ke tien). Seitdem sind wieder (bis Ling-wang) 14 Könige

10) D. iSie, der Minister Tao's nndSchüo's und der aBgebliche Abn der Dynastie Schang, s. Schi-king Schang-sang IV, 8, 4 p. 216.

Digitized by

Google

lUUh: Chronolog. OrutuUage der, aUen chines, GeichiehU. 43

gewesen. Nachdem der Orund zur Tagend gelegt war, begann anter dem 15. Könige erst die Ruhe and als der Grund zum Verfalle gelegt war, war erst unter dem 15. keine Hilfe.'^ Man sieht, es sind hier mehr Spekulationen aber den Anfang des Aufkommens und Verfalles der Dyna- stien nach einer bestimmten Anzahl yon Geschlechtem, als chronologische Data.

Auch der Sse-ki yon Sse-ma-tsien hat keine sichern chronologischen Angaben, sondern nur einige Angaben nach den Generationen und in runden Summen. So sagt er B. 13 f. 5 San Tai Schi Piao : von bis Kie (dem letzten Eaber d^ 1. Dynastie) seien 17 Generationen (Schi), von Hoang-ti bis Kie 20 Generationen, von Hoang-ti bis Thang sind nach der Anmerkung 17 Generationen, von Thang nach f 6 v. bis Scheu (dem letzten Kaiser der 2. Dynastie) 39 Genera- tionen, von Hoang-ti bis Scheu 46 Generationen (vgl. Gaubil Tr. p. 125), nach der Anmerkung ganz unwahrscheinlich yon Hoang-ti bis Tscheu Wu-wang nur 19 Generationen.

Nach Tsiao-tscheu beim Scholiasten zum Sse-ki zum Tn Pen-ki B. 3 f. 11 y. dauerte die 2. Dynastie Yn über- haupt 31 Generationen über 600 Jahre. Ob Gaubil Tr. p. 129 diese Stelle nicht meint, wenn er sagt: Sse-ma-tsien sage, die Dynastie Schang habe 600 Jahre gedauert? denn diese Angabe finde ich im Sse-ki selbst nicht. Seine Angabe, Sse- ma-tsien sage: seit dem Tode Tscheu-kung's bis zur Geburt des Confucius seien 500 Jahre yer flössen, steht im Sse-ki B. 130 f. 8 V. ; er setzt da hinzu : „von Confucius Tode bis jetzt seien wieder 500 Jahre, und man könne verketten die klaren Generationen (schao ming schi), d. h. die Folge derselben angeben.'^

GaubiPs Angabe: Sse-ma-tsien sage yon Heu-tsi (dem Ahnen der Dynastie Tscheu), bis Wen-wang seien 1000 Jahre yerflossen, steht B. 13 f. 8 y. fg. Die ganze Stelle lautet: „Yao wusste, dass Sie (der Ahn der 2. Dynastie) und Tsi

Digitized by

Google

44 Süinmg der pMos.-phüoL CUuu wm 1. Jwn 1867. ^

alle beide weise Männer seien, die der Himmel schuf. Daher belehnte er Sie mit 70 Li und nach mehr als 10 Genera- tion^ ward sein Nachkomme Thang Kaiser über das ganze Reich (Wang thien-hia). Yao wusste, dass die Nachkommen der Söhne und Enkel Heu-tsi's Kaiser w^den würden; daher belehnte er auch ihn mit 100 Li und sein späteres Geschlecht nach 1000 Jahren gelangte an Wen-wang, der das ganze Reidi inne hatte/' * Diese weniger chronologischen Angaben, sieht man, kommen nur gelegentlich und zerstreut vor und es sind immer nur runde Zahlen.

Wie Sse-ma-tsien, der eigentlich der erste genauere chinesische C^eichicht-Forscher und Schreiber ist, den wir haben, nur chronolo- g^he Angaben in runden Summen giebt, seigt besonders noch seine €»eschiohte der Hiung-nu (Hiung-nu li tsohoen B. 110 f. 2 5), die Gaubil nicht anfuhrt. ^,Al8 Hia's Prinzipien in Verfall g eriethen, gab Kung-lieu (? 1797 v. Chr.) sein Amt als Aufseher über den Ackerbau (Tsi-kuan) auf, begab sich unter die Westbarbaren (Si Jung) und gründete eine Stadt in Pin. Von seinen Nachkommen, mehr als 300 Jahre darnach, -- griffen die West- und Nordbarbaren den Thai* vang Tan-fa (1327 v. Chr.) an; dieser zog weg und kam an den Fuss des (Berges) Ki. Die Leute von Pin aber folgten ihm Alle zu- sammen und er gründete da eine Stadt. Einer seiner Nachkommen, Aach mehr als 100 Jahren (1168), Tscheu, der Führer des Westens, (SiPe) Tschang(d.if Wen-wang) schlug dann die Eiuen-I (Barbaren). Nach mehr als 10 Jahren X? 1122) schlug Wu-wang (den letzten Kaiser der 2. Dynastie) Soheu. Mehr als 200 Jahre, darnach (967) geriethen Tscheu's Prinzipien in Verfall und Mu-wang griff die Kiuen- Jung (Westbarbaren) an Mu-wang's Nachkomme nach mehr als 200 Jahren (771) Yen-wang überwarf sich aus Anlass der Pao^sse mit dem Schin-heu ; der g^ff mit den Eauen-Jnng ihn an, Tbfdn Siang-kung kam den Tsoheu zu Hilfe und schlug die Jung (770); 66 Jahre später (706) griffen die Berg-Jung Thsi an; 44 Jahre spater (664) dieselben Ten. Thsi Haan-kung schlug sie. üeber 20 Jahre spater (649) kamen die Jung und Ti bis zur Stadt Lo (-yang) und schlugen den Kaiser Tscheu Siang-wang. Nach mehr als 100 Jahren, da die Jung sich getheilt hatten, waren Ae geschw&cht und Termoch- ten nichts* Von da an und (wieder mehr) als 100 Jahren sp&ter

\ Digitized by

Google

ItaUhi Chrtmolog. Grundlage der dltm chines. QeBchiehte, 45

•ftndte Tmn Tao-laing den Wei-khiungf, die Jnng nnd Thi su ver- emigen^^) und sie kamen an den Hof (von Tsin). Wieder nach mehr als 100 Jahren (475)'') überschritt Tschao Siang-tseu den Berg Ken nnd bemächtigte sich des (barbarischen Reiches) Tai/' Um zu zeigen, wie yiel oder wenig diese Angabe in ninden Sommen mit den beatimmien Angaben nach der recipirten Annahme übereinstimmt, kaben wir diese in Parenthese hinengeaetst

Ueber die Dauer der 1. and 2. Dynastie nadi dem Bambabache im Ganzen hat nur die Schluasnote bei der 1. and 2. Dynastie eine Angabe. Von Yfi bis Kie (der 1. Dynastie) waren nach p. 124 17 Geschlechter oder Genera- tionen (Schi) und die Könige regierten mit den Inteiregnums (Wang pu wang) 471 Jahre. Die Cykluszeidien er- geben nach Legge p. 181 aber nur 431 Jahre. Freret B. 14 f. 101 vereinigt beide Zahlen, indem er die 471 Jahre von Yü's Erhebung zum Fürsten eines abhängigen Reiches durch Schün a. 13 an rechnet. Das Bambuboch p. 115 sagt aber nur: in Schün's 14. Jahre befahl er Yü, statt seiner die Geschäfte zu führen (ming Ytt tai Tu (d. i.Behfin's) sse).

Die zweite Dynastie betreffend, sagt die Note p. 141 „Von der Vernichtung der Dynastie Hia bis Sehen (dem letzten Schang) waren 29 Könige in 496 Jahren, die Cy- kluszeichen aber ergeben 508. Freret B. 14 pagina 102 fg. und Biot Journal As. B. 12 pagina 578 bringen beide Zahlen wieder in Uebertinstimuiung durch die Annahme, die Note rechne nur bis zur Absetzung Scheu's a. 41 und Wen-wang's Ei-hebung zum Regenten, 12 Jahre ror der gänzlichen Besiegung Scheu's, aber A. 41 ist im Bambubodie nur Tom Tode Tschhang's (d. L Wen-wang's) die Rede. D^r

11) Nach 8ee-ki Ttin Pen-ki B. d9 nnter Tnn Tao^mog a. U, das ist aber 561 y. Chr.

12) Sse-ki Ttchao Sofai-kia B. H f. 18 ▼. Pfinnai«r's C^eNhiohta ▼on Tschao 8. 15.

Digitized by

Google

46 SitiWig der phäos.-phüos. Classe vom 1. Juni 1867.

Ti^wang Sdii-ki im I-sse B. 19 f. 22 y. bs^ zwar sdion Aehnliches : „Als Wea-wang 42 Jahre auf dem Throne (von Tscheu) war, erhielt er das Mandat und es war das l. Jahr, wo er anfing, Kaiser (Wang) betitelt zu werden/' Aber der Schol. setzt schon biezu : „Eine ganz falsche Erklärung (Eiai wang schue)'*. Legge p. 181 bemerkt noch, dass auf- fallender Weise in der Geschichte von Schu-se (He tschuen B. 1 21) angegeben werde, dass im Bambubuche^der Jahre der Dynastie Hia mehr seien, als die der 2. Dynastie Schang oder Yn (Hia nien tho Yn), während es jetzt umgekehrt sei. Ich finde noch im I-sse B. 19 f. 12 zu Ende der 2. Dy- nastie aas dem (Tschu-schu) Ei-nien die Notitz, die Legge und Biot nicht haben, von Pad-keng bis zur Vernichtung (des letzten Kaisers der 2. Dynastie) Scheu waren 273 Jahre. Von der Dauer der 3. Dynastie kann das Bambubuch die Summen nidit angeben, da es nicht bis zum Ende der- selben hinabgeht. Aber zu Ende der R^ierung Yeu-wang's, des 12ten Kaisers, ist p. 158 die Note: Als Wu-wang die Dy- nastie Yn yemichtete, war das Jahr Keng-yn; 24. Jahre (später) (im Jahre) Kia-yn**) wurden die (9) Urnen in der Stadt Lo fest aufgestellt. (Von da) bis Yeu-wang waren 257 Jahre, zusammen (mit den 24) 281 Jahre; vom Jahre Ei-mao^^), dem 1. Jahre Wu-wang's, bis zum Jahre Keng-u, (dem letzten) Yeu-wang's, waren 292 Jahre. Freret R 14 p. 106 fg. bespricht die Stelle, und bemerkt, das Jahr Ki-mao entspreche Ti-sin's A. 41, wo Wen-wang's Tod ber merkt werde imd die Summen stimmten mit dem Oyklus-

13) Eia^yn ist aber das 4te Jahr, das 24 te Eia-siü. 8. Ideler S. 64. Die Aufistellung der Urnen in Lo setzt das Bambubuch p. 146 indess auch unter Tschhing-wang A. 18 und da Wu-wang 6 Jahre regierte, ist das 24 Jahre nach Yemichtung der 2. Dynastie Tn.

14) So p. 158. Das Bambubuch p. 144 hat aber Sin-mao und so Legge in der Uebersetzung.

Digitized by

Google

/

Math: Chranöhg, Otu/nälage der äUen chines. Oeichiehte. 47

seichen und der Dauer der einzelnen Regierungen nach dem Bambabuche, werde also acht sein und stimme mit Meng- tsea's und Sse-ma-tsien's Angaben, die Wu-wang's erstes Jahr nur 500 Jahre vor Confucius Geburt (550 v. Chr.), also 1050 T. Chr. setzten. Dies möge also damalige Annahme gewesen sein; dass sie aber darum richtig, glaubt er selbst nicht.

Pan-ku, der unter Han Ming-ti (58—70 n. Chr.) an der Spitze des Tribunals der Geschichte stand, gibt mit Benatzung von Schriften, die der Astronom und Geschicht- schreiber Lieu-hin kurz Tor Christi Geburt hinterlassen hatte, seine Geschichte der früheren Dynastie Han (Tsien Han Schu). B. 20 Ku kin jin piao giebt die Namen der Kaiser Ton Tbai-hao oder Fu-hi an mit ihren Frauen, Ministern u. s.. w., unter der 3. Dynastie auch die der Vasallenfursten, berühmten Männer, Weisen, wie Confucius und seiner Schüler, aber ohne alle weitere Zeitangabe. B.21 (Liu li tschi hia) f. 16 fg. giebt er nur die Gesammtdauer der Dynastien, nicht die Liste der euzelueo' Fürsten und nur einzelne ausnahmsweise mit d^ Begierungsjahren. Vgl. Gaubil Tr. p. 135 137 und 237. So regierte nach ihm Tao 70 Jahre, Schün darauf 50 Jahre; gründete dann die erste Dynastie Hia, die 17 Kaiser in 432 Jahren zählte. Tschhing-thang besiegte den letzten Kaiser derselben Kie und gründete die 2. Dy* nastie Schang oder Yn, die unter 31 Kais^n 629'^) Jahre dauerte. Fälschlidi, sagt er f. 16 v., rechne man sie nur zu 446 Jahren. Gaubil Tr. p. 187 sagt, er glaubte irrig die Zeit Tai-kia's durch Vergleichung der Winter-Solstize bestim- men zu können. Tschhing-thang regierte nach ihm 13 Jahre, Wu-wang, der Sohn Wen-wang's, besiegte den letzten Kaiser dieser 2. Dynastie Scheu und gründete die 3. Dynastie Isdieu. Wu-wang regierte 7 Jahre, dann «rar Tscheu-kung (sein Bruder) 7 Jahre Regent und darauf folgte Wu-wang*s

15) Nicht 529 Jahre, wie Legge ProL T, m p. 85 sagt

Digitized by

Google

48 Siteunp der pküos.-phüdl. Classe vom 1. Juni 18^,

Sohn Tßching-wang 80 Jahre; die 3. Dynastie Tscheu datierte anter 36 Kaisem 867 Jahre nach f. 21 t. Die Dana* der 3. Dynastie Tscheu, sagt Gaubil Tr. 136, entnahm er, wie er sagt, den Annalen der Fürsten von Lu die er voll- ständiger, giebt, als der Sse-ki bis zum Stifter. Vom Anfange des Tschhün-thsieu oder Lu Yn-kung A. 1 (722 v. Chr.) bis Wu-wang A. 1 rechne er 400 Jahre; wie der Sse-ki, setzte er den also 1122 v. Chr. B. 21 f. 19 sagt er: „Von Pe-kin in Lu, dem Sohne Tscheu-kung's, bis zum Tsclihün- tiisieu sind 386 Jahre. Vom 1. Jahre (Yn-kung's) auf- wärts bis zum Angriffe auf Scheu sind 400 Jahre.^^ Thsin Tsdiao-wang A. 51 begann nach f. 21 v. die Vernichtung Tscheu's. 5 Jahre war kein Kaiser. (Thsin) Hiao-wen-wang regierte 1 Jahr; nach dem Ende der Tscheu Thsin Tschuang «img-wang 3 Jahre, Schi hoang-ti dann 37, sein Sohn Eul««ehi noch 3 Jahre, im Oanzen die D. Thsin 5 6e- fiohlediter 49 Jahre ; mit ihm ging die 4. Dynastie zu Grunde, auf welche die 5. Dynastie Han folgte.

In der Geschichte der Ost-Han wurde Pan-ku vorge- worfen, ^e Dauer der 3 Dynastien zu lang angesetzt zu haben, man sagt aber nicht, in wie ferne und aus welchem Gründe das behauptet wurde; es scheint, dass man seine Annahme der Dauer der 2. Dynastie zu lang fand. Dem Pto-ku folgten unter den Ost-Han Tschao*ki in seinem Com- mentar zum Meng-tseu, im Ganzen nach Gaubil auch Hoang- f^-mi (1282 n. Chr.), nach p. 145 Tsiao-tscheu zu Ende der S Reidie; nach p. 155 Sse-ma-kuang (f 1086), nach p. 161 6tt-tseu aus der Dynastie der spätem Sungu. s. w.

Hoang-fu-mi, der kurz vor der Entdeckung desBambu- buches starb, schrieb nach Gaubil Tr. p. 142 einen Abries des Lebens m^rerer berühmten Chinesen von Yao bis auf seine Zeit (Kao 8se tschuen) und eine Chronik der Kaiser und Könige (Ti-wang Schi-ki); ein Anhänger der Tao-sse habe er deren Fabeln über £e Geburt der Kmser, aber

Digitized by

Google

IHaih*: Ckronchg. Orunähge der alten chinee. GeachickU. y 49

nidit ihre phantastische Chronologie; er gebe die meisten Regierangsjahre yom Ende der 3. Dynastie Tscheu aufwärts bis Schinnung, man wisse nicht aus welcher Quelle und eben- sowenig, auf welche^ Grund hin, er das erste Jahr Yao's zuerst mit dem Cykluszeichen Kia-tschin bezeichne; die Stdle hat der I-sse B. 9 f. 1 die Cykluszeichen der Regierungen, die man von ihm anführe, stimmten nicht mit den Totalsummen dieser Regierungen; dies letztere Werk desselben existire jetzt nicht mehr, sondern nur Fragmente davon bei andern Geschichtschreibern; sein anderes Werk existire noch, enthalte aber nichts dironologisches. Die Dauer der 3. Dynastien ist nach Gaubil bei ihm , wie bei Pan-ku, nur einige Jahre länger. Ich finde yon ihm nur die Dauer der Dynastie Tscheu beim Scholiasten zum Sse-ki B. 4 f. 33 y. angegeben: 37 Könige in 867 Jahren, wie bei Pan-ku. Vor Yao nimmt er viele Regieiimgen an, darunter Fu-hi mit 110 Jahren (im I-sse B. 3 f. 4), Schin-nung mit 120 Jahren (B. 4 f. 5 v.), Hoang-ti und Schao-hao jeden mit 100 Jahren (6. 5 f. 30 y. und 6 f. 20) u. s. w. Dodi brauchen wir in die Einzelheiten dieser Vorzeit hier nidit einzugehen. Legge Prol. T. III p. 77 hat seine Angabe über die angebliche Bevölkerung China's unter schon der Kritik unterworfen, und wir haben anderweitig in unserer Abhandlung über die Glaubwürdigkeit der ältesten diinesi- schen Geschichte Sitz.-Ber. 1866 I 4 8, 571 fg. davon schon gesprochen. Auszüge aus dem Eao sse tsdiuen hat der I-sse B. 119 f. 22 V. u. s. w.

Spätere Angaben über die Dauer der 3 erßten Dy- nastien beruhen wohl, wie schon zum Theil die Pan-ku's, nur auf astronomischen Annahmen, auf welche wir unten noch zu sprechen kommen. Zur Zeit von Tsin Hoai-ti, sagt Gaubil p. 145, hatte man eine Steintafel, auf der die Jahre von Yao bis Hoai-ti (309 n. Chr.) zu 2721 Jahren angegeben waren. Der Astronom Yü-hi, der Zeitgenosse Tu-yü's, unter der D. [1867. n.l.] 4

Digitized by

Google

50 SÜBung der ph%lo8,'phüol. (JlasBe vom 1, Juni 1667.

Tsin (266 420), rechnete von Yao bis zu seiner Zeit 2700 Jahre ; der Bonze and Astronom Y-h an g unter Thang Hiuen-tsuog (seit 713) setzte das erste Jahr von Yao 2320 v. Chr., das erste Jahr Yon Yfi oder der Dynastie Hia 2170 v.Chr. Der Dynastie Hia gab er 432 Jahre, der 2. Dynastie Schang 628, nur 1 Jahr weniger als Pan-ku. Wu-wang's erstes Jahr zu Anfange der 3. D. Tscheu setzte er 1111 v.Chr. s. S. 68.

Schao-yung (f 1077) gab nach Gaubil der Dynastie Tscheu dieselbe Dauer wie Pan-ku. Der 1. und 2. Dynastie gab er einige Jahre mehr.

Hiü-heng unter Eublai (seit 1280) folgte ihm nach Gaubil Tr. p. 165 in det Chronologie und rechnete die Dynastie Hia vom Tode Schün's 441 Jahre, von Yü's An- nahme zum Mitregenten aber 457 Jahre, die Dauer der der 2. Dynastie Schang 644 Jahre, die der 3. Dynastie Tscheu 874 Jahre, immer nach astronomischen Annahmen. Ihm folgte Ma-tuan.lin(t 1322). DerTseu tschitungkien kang mu, aus der Zeit der Dynastie Ming, rechnet B. 4 f. 35 v. (vgl. Gaubil p. 173) die Dynastie 1 Hia 439 Jahre, von 2205 V. Chr. mit dem Cykluszeichen Ping-tseu an, die Dynastie 2 Schang B. 6 f. 35 zu 644 Jahre, seit 1766 v. Chr. mit dem Cykluszeichen (Y-wey) an, die 3. Dynastie Tscheu 874 Jahre seit 1122 v. Chr. mit dem Cykluszeichen Y-mao.

Deberblicken vnr alle diese Angaben über die Dauer der 3 ersten Dynastien, so finden wir -keine sichern Angaben, Die ältesten Angaben sind nur runde Summen von Nichthistori^em. Sse-ma-tsi^, der erste bekannte Geschichtschreiber China's, hat gar keine Angabe über deren Dauer. Pan-ku giebt nur gelegentlich eine, man weiss aber nicht, worauf sie beruht. Im älteren, aber erst später auf- gefundenen Bambubuche giebt nur eine Note die Summen der 1. und 2. Dynastie, und sie stimmen weder mit den Jahren der einzelnen Regierungen, noch mit den, wie man meint, erst später zugesetzten Cykluszeichen und alle di^e

Digitized by

Google

Flaih: Ckronolog. Orundlage der äUm ehina, Oesehiehte. 51

T^rBchiedeneD Angaben weichen von einander ab, sa aadi spätere, die zum Theil erst auf astronomischen Bestimmungen bemhec. Wir müssen nun 2. die Jahresangaben der ein- zelnen Regierungen vergleichen.

Wir beginnen mit der 3. Dynastie. In der spä- ten Zeit lassen die gleichzeitigen Geschichtswerke keinen Zweifel übrig. Auch die Regierungsjahre der 4. Dynastie Thsin stehen fest. Die Jahre sind schon oben S. 48 angegeben.

Wir geben zunächst die Liste. der Kaiser mit den Jahren ihrer Regierung a) nach der recipirten Annahme des Thnng kien kang mu b) nadi dem Bambubuche.^*)

a) Wu 7 Jahre, Tsching 37, Ehang 26, Tschao 51, Mu 55,

b) 6 37 26 19 55

a) Kung 12, T 25, Hiao 15, I 16, Li 51, Siuen 46, Yen 11,

b) 12 25 9 8 16 46 U

a) Phing 51, Huan 28, Tschuang 15, Hi 5, Hoei 25,

b) 51 23 15 Li 5 25

a) Siaug 33, Ehing 6, Khuang 6, Ting 21, Kien 14,

b) 33 6 6 21 14

a) Ling 27, King 25, King 44, Yuen 7, Tsdiing-ting 28,

b) 27 25 44 7 28

a) Khao 15, Wei*lie 24, Ngan 26, Lie 7, ffien 48,

b) 15 24 26 7 48

a) Schin-tsing 6, Nan 59.

b) 6 Yn

16} Nachdem de Guignes dasBambabnch sumScha-king schon bis sum Ende dieses 697 v. Chr. ausgezogen hatte, hat Biot Journ. As. 1841 Ser. ni. T. 12 und 13 nach 2 Sammlongen es übersetzt und Legge Prol. T. m p. 108 176 den chinesischen Text dann mit den An- merknngen und einer Uebersetzang Tolistandiger heraosgegeben. Wir benatzten noch eine kleine Ausgabe der Staatsbibliothek. Der I-sse giebt Auszüge daraus unter dem Titel Ei-nien, scheint B. 26 f. 1 bei Tschao-wang aber ein noch vollständigeres Exemplar benutzt zu haben. Der Schluss der Chronik ergiebt seine Abfiusung naieat Yn- wang s. S. 52.

4*

Digitized by

Google

52 Siimmg der phOos.-ffML Cla$9€ wm t J%im 1S67.

Was nun zmiädist die Nam en und die Folge der Kaiser betrifft, 80 sieht Daan, dass die des Bambabucbes fast überall mit den recipiiten, wie sie schon im Sse-ki yorkommen, über- einstimmen; im Bambubuohe haben wir nur Li statt Hi, was aber auch im Sse^ki B. 4 f. 23 v. sich findet, und der Sdio- liast sagt: jenes laute hiei* Hi. Dann lautet der Name des letzten Kaisers Yn statt Nan im Sse-ki. Eine Note zum Tschu-schu p. 175 bemerkt, diess müsse daher kommen, dass beide Charaktere ähnlich lauteten.

Was dann die Regierungsjahre betrifft, so endet die ChronikdesBambubuches mit dem 20. Jahre „unser es jetzigen Kaisers [Yn] (kin-wang)''. Der Sse-ki B.4f. 33fg. giebt dem letzten Kaiser Nan 59 Jahre und lässt dann die Dynastie Tscheu 7 Jahre darauf vernichtet wei-den. Was die früheren Kaiser betrifft, so stimmen, wie man sieht, bis Siuen-wang aufwärts auch die Regieruugsjahre im Bambubuche mit der redpirten Annahme und auch mit den Sse-ki ganz oder bis auf eine unbe- deutende Differenz, wie Gaubil Tr. p. 234 bemerkt, überein.

Der Sse-ki giebt Siang 32 Jahre, King 42, Yuen 8, das Bambubuch 33 44 7;

das erste und letzte Jahr gleichen sich aus ; der Unterschied ist also nur 2 Jahre. Auch die Gykluszeichen stimmen überein.

Weiter hinauf gibt der Sse-ki die Regicrui^sjahre der Kaiser der 3. Dynastie eben so wenig als die der 1. und 2. Dynastie an, nur Wu-wang giebt er 2, Mu 55 und Li 37 Jahre. Gaubil p. 127 sagt, er wisse nicht, woher er diese 3 fahlen genommen habe. Wenn er Wu nur 2 Jahre giebt, so ist dies offenbar falsch und beruht auf Schu-king V, 6, 1: ,,2 Jahre nach der Eroberung Schang's erkrankte der König (Wu)", da das Folgende ergiebt, dass er nachdem wieder genass. Ueber die 37 Jahre Li-wang's s. S. 65.

Von den Begierungsjahren der ersten 10 Kaiser der Dynastie Tscheu weichen nun aber namentlich 4 bedeutend ab.

Digitized by

Google

JPfath: Ckronoloff. Grundlage der äken ehmee. (}e$MfMe. 53

Nach der recip. Annahme a) Wo 7, Tsehao 51, Hiao 16, im Bambabache b) 6 19 9

a) I 16, Li 51 Jahre.

b) 8 26.

Wir wissen weder, worauf die Angabe des Bambabnches, noch worauf die später recipirte Angabe sich stützt. 7 Jahre geben Wu Pan-ku B.21 f. 17 v (vgl Gaubil Tr. p. 135), ebenso Euan-tseu ond Y-hang später nach Tr. p. 228.

Einige dieser Abweichungen könnte man durch einen Ausfall oder eine Verwechslung der zum Theil ähnlichen chine* sischen Zahlzeichen ausgleichen, aber man weiss nach Ver- gleichung der blossen Kegierungsjahre nicht, welcher Zahl man den Vorzug geben soll. Die Cykluszeichen stimmen natürlidi hier im Bambubuche mit der redpirten Annahme auch nicht. Von Gaubils Aushülfe s. unten S. 66.

Seit der Regentscbaf t K u n g h o war die Kaisermacht geschwächt ; mehrere gprössere YasaUenreiche bildeten sich. Sie hatten, wie bemerkt, auch eigene Qeechiditschreiber und so begreift sich, wie wir in Sse-ki neben der Kaiserchronik B. 1 bis 5 eine Chronik der voroehmsten einzelnen Yasallenforsten B. 31—47 vgl. I-sse B. 28, nüt Angabe der Begienmgsdaaer einer jeden haben. Da in der Geschichte der ein* seinen Beiche immer auf andere Bezug genommen wird^ so gew&hren diese Angaben in der Geschichte der yerschiedenen Reiche eine Con* trolle und Bestätigung der einzelnen chronologischen Angaben nach 841 y. Chr. So bemeikt Gaubil Tr. p. 209, dass wenn im Sse-ki Lu Pen-ki B. 83 f. 21 Y. Confucius Tod unter Lu Ngai-kung A. 16, d. L 479 v. Chr., im Tshin Pen-ki B. 5 f. 15 aber desselben Tod unter Tshin Tao-kung A. 12 gesetzt werde, diess wieder das Jahr 479 ergebe, und so wird namentlich die Zeit der Regentschaft Kung-ho in den einzelnen Chroniken wiederholt übereinstimmend angegeben. Der Ai^^g, wo den Namen der einzelnen Fürsten, deren Ursprung meist bis auf den Stifter der 3. Dynastie hinaufgeht, die Jahre ihrer Regierung beigesetzt sind, ist in yerschiedenen Reichen yerschieden. Am weitesten gehen sie hinauf im Reiche Lu in Schan-tung. De Mailla's Regententafel T. 1 giebt die sammtlichen Fürsten von Tscheu-kung mit 7 Jahren und seinem ^hne Pe-kin mit 53 Jahren an; der Sse-ki B. 33 f. 7 hat für beide keine Angabe der Jahre ; nur die Note sagt; Tsching*

Digitized by

Google

54 SüMung der fMos.-phiM, Claase vom 1. Juni 1867. *

wsDgA. 1 belehnte Pe-kin und dieser starb im 46 Jahre unter Eüser Eang-wang A. 16; 87 und 16 Jahre geben 58 Jahre nnd so hat der Ti-wang Schi-ki und Han-soha im I-sse B. 28 f. 1. Am Schlosse der Chronik von La, sagt der Sse-kiSS f. 28 nur: von Tschea-kong bis sam letzten Fürsten Khing-knng waren 84 Generationen; Pan-ku B. 21 hia f. 18v. 21 v. giebt, wie gesagt, die Reihe der Fürsten von La mit den Jahren ihrer Regierang vollständiger als der Sse-ki, nämlich von Anfang an, nach Ganbil Tr. p. 185 wohl nach später noch erlangten Qaellen ; s. oben S. 48.

Im Reiche Thsin in ^chen-si giebt de Maiila dem Thsin-Tng 40 Jahre; der Sse-ki B. 5 f. 4 fg. hat aber erst beim folgenden Thsin- hea 10 Jahre.

Im Reiche Thsi in Schan-tnng war der Stifter der Dynastie Thai-kang; seinen Tod setzt das Bambabach anter Khang-wang a. 6. Die Regierangsjahre seiner Nachfolger giebt anch de Maiila nicht, bis anf Hn-kang mit 19 Jahren; der Sse-ki B. 82 f. 5, S B. 40 hat erst dessen Nachfolger Hien-kang mit 9 J. and dann die folgenden. Hier mag noch bemerkt werden, dass nach Ganbil Tr. p. 112 To-y, der Feldherr Ten's, als er 280 v. Chr. dis Hanptstadt Thsi's einnahm, in einer Denkschrift an den Fürsten von Yen sagt: man habe die Schätze genommen, die dort seit 800 Jahren anfgehäuft worden- Darnach fiele die Gründang der Stadt onter Thai-kong 1080 v. Chr. Ich habe die Stelle noch nicht gefanden, indess sieht man, ist aof diese ronde Zahl in einer militärischen Denkschrift nicht viel zo geben.

Das Reich Yen in Pe-tschi-li nahm im Ganzen wenig Antheil an den Begebenheiten China's. Der Sse-ki B. 84, S. B. 41 kennt den Stifter Eang-scho , aber erst von dessen 10. Nachfolger Hoei-kong mit 88 Jahren führt er die Jahre an, in seinem 28 Jahre fiel die Flacht Kaiser Li-wang's ond der Anfang der Regentschaft Eong-ho, von welcher überhaopt erst die genaoeren chronologischen Angaben datiren. Pan-ktf B. 20 f. 82 68 fg. giebt bei der Zosammenstellong der Kaiser ond VasaUenfürsten der 8ten Dynastie ond zwar nor bei Yen bei jedem Fürsten die Zahl der Geschlechter an; der Letzte ist fbr 48te.

Der Stifter des Reiches Tsin in Schan-si war Thang-scho, Wo-wang's Broder, aber von seine 5 ersten Nachfolgern gibt der Sso-ki B. 89, S. B. 48 wieder bloss die Namen, ohne Angabe ihrer Re- gierangsjahre. Der erste mit solchen ist Tsin-heo mit 18 Jahren, da in seinem 17. Jahre die Flocht Li-wang's fällt. Snäter traten an Tsin's Stelle die 8 Reiche Tschao (Sse-ki B. 48), Wei (B. 44) ond Ban (B. 45). Das Geschlecht der Fürsten von Tschao wollte nach

Digitized by

Google

Pkak: Clwonolog, Grundlage der alten cMnes. Geschichte. 55

#

dem Sae-ki vom alten Kaiser Tsohnen-hiü (2800. v. Chr.) abstammen ;

einige Ahnen werden genannt, so Tsao-fu, der Wagenlenker nnter Tscheu Mn-wang (950 y. Chr.); sein 6ter Nachfolger rettete Kaiser Siaen-wang das Leben. Abhängig von Tsin, worden die Fürsten dieser 3 Reiche erst später selbstständig; es ist daher nicht nöthig, in ihre Chronologie weiter einzugehen.

Ein anderes Wei, verschieden geschrieben, (Sse-ki B. 37 Sitz.-Ber. B. 41) lag in Ho-nan und stand anter Nachkommen Khang- scho*8, eines Bruder Wu-wang's. Auch hier sind die 6 ersten Nach- folger im Sse-ki ohne Angabe der Regierungsjahre, erst iChing-heu hat solche mit 22 Jahren.

Wir brauchen 'in die Chronologie der andern kleinen Reiche Tsai, Tschin (Sse-ki B. 48), Khi, Sung(B^38), Hiü und Tsching (B. 42), aUe in Ho-nan und Tsao in Schau- tung u. s. w. hier nicht weiter einzugehen; es genügt die Bemerkung, dass die Angaben der R^erungsjahre ihrer Fürsten alle nicht höher hinauf gehen.

In Hu-kuang war später das bedeutende Reich Tschu oder Tsu (Sse-ki B. 40, S. B. 44),dessenFürsten auch ihr Geschlecht vom alten Kaiser Tschuen-hiü durch Hiung-yn, dem Zeitgenossen des Stifters der 8. Dynastie, herleiteten. Seine 4 Nachfolger sind ohne Angabe der Regierungsjahre; erst der öteHiung-khiü hat bei Maiila 10 Jahre, im See-ki f. 4 aber erst dessen 8 ter Nachfolger Hiung-yung 10 Jahre und dann die folgenden.

Die Fürsten des Reiches ü in Kiang-nan leiteten nach dem Sse-ki B. 31 ihr Geschlecht von Thai-pe, dem Oheime Wen-wang's, ab, aber sie treten erst sehr spät in der chinesischen Geschichte auf, nemlich mit Bcheu-mung (585 bis 560) und schon unter dessen 6ten Nachfolger Fn-tscha Wurde das Reich von Yuei erobert. Von den Vorgängern Scheu-mung*s hat man nur die blossen Namen. Der Sse-ki B. 31 f. 8 rechnet vouThai-pe bis Scheu-mung 19 Generationen. Pan-ku B. 20 f. 44 v. rechnet von Scheu-mung bis Tsohung-yung, dem Nachfolger Thai-pe's, aufwärts nur 15 Generationen.

In Tsche-king war das Reich Yuei (Sse-ki B. 41, Sitz.-Ber. 44). Der Ahn der Fürsten soll ein Sohn von Schao-khang von der ersten Dynastie gewesen sein. Das Reich tritt aber auch erst spät in die Geschichte ein. Von Wn-yü giebt der Sse-ki 20 Generationen bis Tün-tschang; bedeutend wurde es aber erst unter dessen Nachfolger Keu-tsien seit 496 v. Chr. Erst von ihm und seinen Nachfolgern werden die Regierungsjahre angemerkt. Pan-ku B. 20 f. 65 rechnet ▼om letzten Könige Wu-kiang bis Keu-tsien 10 Geschlechter,- der

Digitized by

Google

56 SUeung der phüos.-phüol. Classe vom 1 Juni 1867,

% Sse-ki B. 41 f. 6 giebt yon 5 Nachfolgern bis Wn-kiang die blossen Namen; das Bambubnoh auch ihre Regiemngsjahre.

Nach Tschao-hao, dem Verfasser der Geschichte vonU undYnei Yuei Tchhün-thsieu) aus der Zeit der Ost-Han (25—220 n. Chr.) bei Gaubil Tr. p. 140 endete das Reich Yuei 224 Jahre nach dem 27ten Jahre von Keu-tsien, d. i. nach der Geschichte von Lu 470 v. Chr., also wurde das Reich vernichtet 246 v. Chr. Nach Tschao-hao hatte Kaiser Schhao-khang (der 6te der Dynastie Ilia) das Land Yuei seinem Sohne Wu-yn gegeben und dessen Nachkommen regierten es nach ihm 1922 Jahre. Vom ersten Jahre Schhao-khang's bis zum ersten Jahre von Kaiser Tschuen-hiü waren nach ihm 424 Jahre verflossen, also bis zum Ende des Reiches 2346 und Tschuen-hiü erstes Jahr wäre darnach 2592 v. Clfr. Der Sse-ki B. 41 f. 1, Sitz -Ber. 44 p. 198 fg. sagt, dass Keu-tsien's Vorfahren Nachkommen Yü^s waren, und dass der Kaiser der Dynastie Hia Schhao-khang seinen Sohn mit Hoei-ki belehnt habe, um die Opfer, die dargebracht wurden, fortzu- setzen und über 20 Generationen später habe Yün-tschang gelebt. Der Scholiast fuhrt dasselbe aus den UYuei Tschhün-thsieu an, vollständiger steht die Stelle im I-sse B. 13 f. 3 v. Der Sohn Schhao-khang's heisst da Wu-yü^ aber beide haben nicht die Zeitangabe Gaubils. Nach der Geschichte von Hoei-ki hiess dieser SohnYü-yuei; das ist aber der Name des Landes. Nach einer andern Nachricht beim Scholiasten zum Sse-ki f. 1 v. waren über 30 Geschlechter (Ye, eigentlich Blätter) der Fürsten von Yuei bis unter Kaiser King-wang (518 bis 474) der Sohn von Yün-tschang (starb 495) bedeutend wurde. Auch in I-sse B 96 Yuei mie U finde ich die Zeitangabe Gaubils nicht und sie hat wohl wenig Werth, da, wenn die Abstammung der Fürsten von Yuei von Schhao-khang auch sicher wäre, die Zeit- angabe wohl erst aus der angenommenen Zeitbestimmung Schhao- khang's abgeleitet ist.

Wir kommöi nun zur 2. Dynastie Schang oder Yn. Die wenigen Stücke im Schu-king betreffen nur den Stifter Thang (IV 1—3), seinen 2. Nachfolger Thai-kia (IV 4—6), den 19. Pan-keng (IV, 7), den 22. Wu-ting (oder Eao^song) (IV, 8 und 9), endlich den letzten Ti-sin oder Scheu, unier welchem die Dynastie von den Tscheu vernichtet wurde (IV, 10).

Wir geben wieder erst die Liste der Kaiser liiit den

Digitized by

Google

Ii<äh: Chronolog. Grundlage der dten chine». Geschichte. 67

Jahren ihrer Regierung a) nach der recipirten Annahme im Tong-kien-kang-ma B. 5 f. 1 fgg. und b) nach dem Bambu- buohe.

a) Thang 13, Thai-kia 33,

b) 12^0 Wai-ping2,T8chung.jin4, 12

a) Yo-ting 29, Thai-khang 25, Siao-kia 17, Yung-ki 12,

b) 19 Siao-keng 5 17 12

a) Thai-meu 75, Tschung-ting 13, Wai-jin 15, Ho-than-kia 9,

b) 75 9 10 9

a) Tsu-y 19, Tsu-sin 16,Yo-kia 25, Tsu-ting 32, Nan-keDg25,

b) 19 UEhai-kiaS 9 6

a) Tang-kia 7, Puan-keng 28, Siao-sin 21, Siao-y, 28,

b) 4, 28 3 10

a) Wu-ting59,T8u-keng7, T8n-kia33, Lin-8in6, Keng-ting21,

b) 59 11 33Fung-8in4 8

a) Wu-y 4, Thai-ting 3, Ti-y 38, Scheu-8in32.

b) 35 Wen-tingl3 9 Ti-sin 52.

Was zunächst die Namen der Kaiser und deren Folge betrifft/ so sieht man, sind diese bis auf wenige wieder über- einstimmend, nur zwischen dem Stifter Thang und Thai-kia hat das Bambubuch, wie der Sse-ki nach Meng-tseu, noch die 2 kurzen Regierungen Wai-ping 2 Jahre und Tschung» jin 4 Jahre. Der Schu-king erwähnt siB nicht und desshalb hat man sie später wohl ausgelassen. Die Stelle des Meng- tsen V, 1, 6, 5 lautet: „Yü stand Thang bei, so dass er Kaiser (Wang) wurde über das ganze Reich. Als Thang gestorben war, war Thai-ting (bereits todt) nicht auf den Thron gelangt, Wai-ping 2 Jahre, Tschung-jin 4 Jahre."

17) Wenn das Bambubuch p. 129 Tschhing-thang in seinem 18. Jahre Kuei-hai den Thron besteigen lässt, so sind die Jahre da nach dem Antritte seiner Herrschaft in seinem Fürstenthome Schang gerechnet

Digitized by

Google

58 Siieung der philos.'philol Glosse f>om 1. Juni 1667,

Einige verstehen nun: so lange regierten sie, andere ab^:: sie waren erst 2 und 4 Jahre alt und desshalb folgte der ältere Thäi-kia. Meng-tseu fährt fort: „Thai-kia stürzte die Verordnungen und Gesetze von Thang um. Y-yn entfernte ihn daher 3 Jahr in den Palast Thung/^ Die Chinesen sind selber nicht einig, welche von beiden Erklärungen die bessere sei. Von den andei-n Namen sind eigentlich nur Thai- khang und Siao-keng, Yo-kia und Ehai-kia, dann Li n -sin und Fung-sin, diese 2 nur im ersten Charakter ab- weichend. Was Siao-keng betrifft, so könnte das Siao im Bambubuche statt Thai aus dem folgenden Siao-kia ver- dorben sein, wenn nicht einer zur Unterscheidung der beiden Siao in der recipirten Annahme statt Siao klein, Thai gross ge- setzt hat. Khang und Eeng, im 2. Gliede, liessen sidi bei der Aehnlichkeit der beiden Charaktere (2535 u. 2512) und Laute leicht verwechseln. So mag auch der Unterschied zwischen Wen-ting und Thai-ting bloss auf einer Ver- wechslung der beiden ähnlichen ersten Charaktere (Cl. 67 und Nr. 1799) beruhen. Wenn der letzte Kaiser im Bambu- buche Ti-sin statt Scheu-sin heisst, so ist diess keine Ab- weichung ; Ti heisst bloss der Kaiser, Scheu war sein Name. Welcher von den abweichenden Namen der richtige ist, ist schwer zu sagen, auch von keiner grossen Bedeutung. Der Kue-iü I f 30 v. sagt Ti-(Tsu)-Kia vei-wirrte Schang und in der 7 ten Generationen (ihn inbegriffen) ging die Dynastie zu Grunde. Diess stimmt zu beiden Angaben. ' Aber sehr abweichend ist die Zahl der Regierungs-

jahre in beiden Listen, wie man sieht. Der Sse-ki giebt bis auf den Stifter, wie bemerkt, gar keine Regierungsjahre und woher die abweichende Jahresangabe in der recipirten Annahme genommen ist, weiss man eben so wenig, ab wo- her die des Bambubuches. Gaubil Tr. p. 120 sagt, die Liste der Kaiser des Bambubuches von Nan-wang aufwärts bis Hoang-ti ist conform der des Buches Schi-pen aus dem

Digitized by

Google

PMh: Chronolog. Orundiage der äUen ehines. Oeschiehte, 59

Ende der Dynastie Tsoheu, aber er sagt, er habe das Bndi selber nicht gesehen und kenne es nur aus Gitaten; es ent- halte Q^iealogien von Kaisern, Fürsten und angesehenen Per- sonen ; die Oenealogien kritisirten die Chinesen , aber die Listen der Kaiser habe noch keiner in Zweifel gezogen; der Schi-pen gebe Schao 84 Jahre, setze den Gyklus von 60 Jahren schon unter Hoang-ti, vor dessen Zeit Schin-nung and Fu-hi regiert hätten/' Oiess Alles spricht nicht beson- ders für dessen Glaubwürdigkeit. Uns steht dieses Werk auch nicht zu Gebote. Der I-sse giebt eine Menge kurze Stellen daraus; B87, 1 f. 3 y. u. 101 f. 1 wohl Genealogien, aber nur B. 28 f. 8 ▼. Zeitangaben der Regierungen der Fürsten von Khi; ich webs also nicht, ob Gaubil recht berichtet war, seine histo- risdien Angaben bewähren sidi sonst immer. Im Schu-king V, 15, 4 und daraus wohl im Sse-ki B. 33 f. 5 fg. giebt Tscheu-kung, wie schon gesagt, dem Kaiser Tschung-tsung oder Thai-mcu eine Regierung von 75 Jahren, Kao-tsung (Wu-ting) von 59 Jahren, Tsu-kia von 33 Jahren und die- selben Jahreaangaben haben beide Listen. Spätere Kaiser, sagt er, ergaben sich den Vergnügen und regierten daher nur 10, 7—8, 5—6, 4 3 Jahre. Welche diese sein sollen, ist aus den Listen nicht ersichtlich, eher frühere.

Einige Abweichungen in Zahlen könnten leicht verschrieben sein, indem ein Zahlzeichen (2 5 10) hinzugesetzt oder weg- gelassen worden; so wenn Yo-ting29 und 19, Thai-khang (oder Siao-keng) 25 und 15, Wai-jin 15 und 10, Yo- (oder Khai-) kia 25 und 15 Jahre, endlich Thai- oder Wen-ting 3 und 13 Jahre beigel^ werden; es ist aber aus den beiden Listen allein nicht zu entnehmen, welche Zahl die richtige sei, und das om so weniger, als die Summen der Jahre der ganzen Dynastie, wie wir sahen, so verschieden, von Meng-tsen zu mehr als 500, bei Tso-schi zu 600, von Yo-tseu ohne dem letzten Kaiser Scheu zu 576, von Pan-kn zu 629 Jahren angegeben wird ond die CyUuszahlen des Bambubnches und die Jahre der

Digitized by

Google

60 SiUmg der philoa.'philol Glosse wm t Juni 1867,

einzelnen Regienmgen mit der Gesammtsiünme der Noten auch nicbit stimmen, indem jene 508, diese nnr 496 Jahre angeben. GaubilTr. p. 237 fg. meint es seien im Bambnbache auch bei der Dynastie Schang die Jahresangaben verdorben.

Es bleibt uns noch die erste Dynastie Hia. Im Schu-king haben wir wieder nur wenige Dokumente , aus der Zeit der ersten Dynastie; ausser den ersten Kapiteb, die Yao, Schün und betreffen, geht ni, 2 auf seinen Nach- folger Khi, m, 3 auf Thai-khang und HI, 4 auf Tschung- khang.

Wir stellen auch hier erst wieder die beiden Listen, die recipirte nach dem Thung kien kang mu B. 4 f. 7 25 und die des Bambubuches einander als a und b gegenüber; da die Gyklnszahlen bei dieser Dynastie aber von den Be* gierungsjahren im Bambubuohe abweichen, und an diese Fre* ret T. 14 p. 97 sich liält, setzten wir diese noch als c hinzu.

a) Yü8, Khi 9, Thai-khang 29, Tschung-khang 13, Siang27,

b) 8 . 16

c) 11 20

4 7 28 6 9 28

a) üsurpatien 40,

b) 40

c) 40

Schao-khang 22, Tschu 17, Hoai 26, 21 17 Fen 44 23 19 44

a) Mang 18, Sie

b) 68

c) 59

16, Pu-kiang 59, Pien 21, Kin 21, 25 59 18 8 28 59 21 46

a) Ehung-kia 31, Kao 11, Fa 19, Kuei 52.

b) 9 Hao 3 7 31.

c) 35 5 7 31.

Die Namen der Kaiser, sieht man, stimmen auch hier wieder fast bis auf einen Hoai, wofür das Bambubuch Fen hat, überein. Kao und Hao lauten so ähnlich, als die beiden Charaktere (8670 u. 3888) es sind ; welcher der rechte sei, lässt sich aber schwer sagen. Auch die Folge der Kaiser steht fest. Der

Digitized by

Google

Plaffi: ChroHoiog, Grundlage der dltm ahines. Oeschichte. 61

Ebmü I, f. 30 y. sagt: Khnng^kia verwirrte Hia und in der 4ten Generation (ihn inbegrifif^) ging die Dynastie zn Gninde. Diese stimmt wieder mit den Listen.

Was aber die Regierungsjahre der einzelnen Kaiser betrifft, 80 ist hier die Uebereinstimmung der beiden Listen noch gmnger als bei der 2. Dynastie. Sie findet sich nur beim Stifter Yä, bei Tschn^ bei Pu-kiang und der Usur- pation. Bei Siang ist der Unterschied von 27 und 28 Jahren gering und gleicht sidi aus durch Schao-khang's 22 und 21 Jahre; wenn Mang 18 und 58 Jahre hat, könnte eine Zahl verschrieben sein. Aber diess genügt nicht zu zu einer sichern Herstellung der Listen, da im Bambubuche, v^ie Legge p. 181 bemerkt, die üykluszahlen^^) und die einzelnen Regierungen nidit stimmen und eben so wenig die Summe, weldie die Note angiebt. Diese hat p. 127: 471 Jahre, die GyUuszeidien geben nur 431 , die Regierungsjahre nur 403.

18) Zn bemerken ist, dass im Bambabnehe and zwar nur bei der L Dynastie Hia nach Freret's Bemerkung B 14 p. 92 fg. bei 15 Re- gierangen die cyklische Note des Regierangganfanges eines Kaisers nicht die aaf der des letzten Jahres seines Vorgängers folgende ist, sondern ein Zwischenraam bei 8 Regierongen von je 8 Jahren, bei den andern Ton 1—2 4 Jahren stattfindet. S. ^ei de Mailla B. I p. CXLIX die Tafel, z. B. starb nach p. 118 im 8. Jahre Jin-isea (das ist 1981), das 1. Jahr seines Nachfolgers Ehi ist aber erst das Jahr Eaei-hai (1978). Die Note sagt: Dieser trat die Herrschaft an, als die 8 jährige Trauer yorüber war, und eben so bei Schun und Tu, und so erkl&rt es auch Freret Bei Tao's Tode sagt dasselbe von 8chün Meng-tseu Y, 1, 4, 1 u. 5, 7 und bei Schftn's Tode von derselbe Yll, 1, 89 und 40, 2. Wurde die Trauerzeit nicht immer gleiohmässig eingehalten oder gerechnet? In der 2. und 8. Dynastie enthielt der neue Eaiser die 8 Traueijahre über sich auch der Re- gierung, die der Premier-Minister führte so nach Lün-iü 14, 48 unter Kao*t8ang (1828—1268), aber sie werden nicht abgerechnet

Digitized by

Google

62 Sitßung der phihe.-phOol, Claase vom 1. Juni 1867.

Pan-ka giebt der 1. Dynastie 432 Jahre, Meiig*tsea in ninder Samme über 500 Jahre.

Yao's and Schän's Regierung vor nehmen beide Listen zu 100 und 50 Jahre nach dem Schu-king an.

So sehen wir, ist durch Vergleichung der einzelnen Be- gierungßjahre der Listen zu einer sichern Chronolc^e im Einzelnen und im Ganzen jnoch weniger zu gelangen, als durch die der blossen Summen. Es bleibt uns nur 3. noch zn sehen, ob die astronomischen Data und Cyklusangaben uns nicht zu sicheren Resultaten verhelfen können , wie die Chinesen schon vielfach versudit haben.

Zur Bestätigung der bestimmten Epochen dienen nim die Sonnenfinsternisse, die in der spätem Zeit, wie Gaubil Tr. p. 198 ig. bemerkt, fast immer genau nadi Jahr, Monat und Tag bemerkt sind, so dass wir sie verifi- ziren können.

Wir übergehen die, welche Gaubil aus der Zeit der Ost-Uan am 10. Mai 31 v. Chr. und aus der Zeit der West- Ilan am 7. August 198 v. Chr. anführt; wir haben gleich- zeitige Geschichten, welche über die Chronologie dieser Zeit keinen Zweifel übrig lassen. Da die Geschichte der 4. Dy- nastie Thsin sich erhalten hat, ist auch deren Chronologie sicher. Das Ende der 3. Dynastie Tscheu wird 249 y. Chr. gesetzt. Im Jahre nachher (248 v. Chr.) setzt der Tong kien kaug mu eine Sonnenfinsterniss im Jahre Kuei-tschea im 3. Monat; aber diese kann nach Gaubil Tr. p. 206 nicht zur Bestimmung des Endes dei* Dynastie Tscheu dienen, da wir keine astronomische Angabe aus der 4. Dynastie Thsin haben, der Text nicht den Stand der Sonne in den Stern* bildern angiebt und man auch nicht weiss, in welchem Grade einer Constellation das Wiuter-Solstiz angesetzt wurde.

In der 3. Dynastie giebt der Sse-ki, wie bemerkt, von Kaiser Li-wang an die RegierungGJahre und von der darauf- folgenden Regentschaft Kung-ho an stimmt das Bambubuch

Digitized by

Google

Ftath: Ohronöbg. Grundlage der alten chines. Geschichte, 63

ganz mit dem Sse-ki and der recipirten Annahme, auch bei den einzelnen Regieinngen. Diese lassen sich nun auch durch die von Confudus in seinem Tschhün-thsieu angeführten 36 Sonnenfinsternisse sicher stellen. Sie werden nach den Jahren der Fürsten von Lu, deren Residenz in Yen-tscheu- fu in Schan-tung war, bezeichnet und da wir aus dem Sse-ki auch die Namen der andern alten Fürsten kennen, so können wir auch die Jahre dieser und der Kaiser angeben, in welchen sie erfolgten. So soll die erste im 3. Jahre von Lu Yn-kung am Gyklustage Ei-sse sich ereignet haben. Diess war unter Kaiser Ping-wang A. 51 oder 720 v. Chr. am 22. Februar und da ist Morgens 10 Uhr und einige Minuten wirklich eine bedeutende Sonnenfinsterniss in Schan-tung ein- getreten, s. Gaubil Obs. T. II p. 156 fg. Tr. p. 210 fg. Die zwischenliegenden führt Gaubil Obs. T. III p. 239 fg. und Lettres ed. T. 14 p. 37 1 auf und verificirt sie. Chalmers bei Legge Proleg. Tr. m p. 103 giebt eine üebersicht der- selben,, aber mit einigen Abweichungen ; einige wären darnach freilich in Schan-tung nicht sichtbar gewesen.

Mit dem 14ten Jahre Ngai-kung's von Lu endet die Chronik des Confucius, sie beginnt mit Yn-kung A. f, 242 zuvor; in dessen 3te8 Jahr fällt der Tod Kaisers Ping-wang 720 v. Chr.

Aber über das gedachte Jahr hinaus fehlen Angaben von Sonnenfinsternissen fast gänzlich, so dass die hin und wieder ausgesprochene Behauptung, die Geschichte der Chi- nesen beruhe durchgehens auf der Gewährleistung aufgezeich- neter Sonnenfinsteinisse, nur bis zum 8. Jahrhunderte v. Chr. richtig ist. Aus den 2000 Jahren vor der Zeit des Tschhün- thsieu sind nur 2 aufgezeichnet, von denen eine noch dazu ziemlich problematisch ist. Die andere wird in Schi-king Siao-ya U, 4, 9 in einer Ode aus der Zeit des Kaisers Yeu- wang , des Vorgängers von Ping-wang den das Lied aber nicht nennt, erwähnt. Es heisst da: „Kiao des 10. Monats, am 1. Tage Sin-mao war eine Sonnenfinsterniss.^'

'oigitized by LjOOQIC

64 Siteung der phüos.'phäol. Classe vom 1. Juni 1867.

Eiao bezeidmet nach Gaubil Obs. T. II p. 151 ^. und Tr. p. 21 5 fg. in der älteren chinesischen Astronomie die Knoten der Mondbahn, in deren Nähe sich die Fipsternisse allein ereignen können. Nadi dem Kue-iü I, f. 9 und Sse-ki re- gierte Yeu-wang 11 Jahre und nach der Geschichte der Thsin (Sse-ki B. 5 f. 5) fiel er in einer Schlacht gegen die Tataren im 7. Jahre von Thsin Siang-kung 771 v. Chr.); er kam also 781 zur Regierung. Während dieser Zeit war aber in Si-ngan-fu , in Schen-si , der damaligen Residenz der Dynastie Tscheu, nur eine Sonnenfinstemiss sichtbar and zwar nach Gaubil den 6. September 776, am ersten Tage des 10. Monats nach dem Kalender der Dynastie Tscheu, gleich dem 8. jetzigen Mouate, der wirklich der Tag Sin- mao war; diese müsse also gemeint sein. Diess bestätige auch das Bambubuch, das am Tage Sin-mao den ersten des 10. Monats im 6. Jahre von Yeu-wang im Winter die einzige Sonnenfinstemiss erwähnt. Diese Berechnung nach P. Adam Schall, P. Kegler und Gaubil haben auch Lacharme zum Schi-king p. 284 und de Maiila T. 2 p. 57 ; ich weiss nicht, wie Ghalmers p. 103 und nach ihm Legge p. 85 sie auf den 29. August 775 v. Chr. berechnet und dann sagt, dass sie früh Morgens kaum sichtbar war.

Vor Phing-wang regierte nach beiden Listen Yeu-wang 11 Jahre und vor diesem Siuen-wang 46 Jahre; bei der Regierung der 10 Vorgänger Siuen-wang's weichen die Be- gierungsjahre in beiden Listen aber, wie S. 53 bemerkt, sehr ab, namentlich was die Regierung des 4ten Tschao (51 und 19), des 8ten Hiao (15 und 9>', des 9ten J (16 und 8) und des loten Li (51 und 26) betriflEl.

Die Geschichte yon Thsin geht bis 857 v. Chr. hinauf wo Thsin-heu zur Regierung gelangte. Bis Li-wang giebt der Sse^ki die Regierungsdauer der Kaiser übereinstimmend mit dem Bambubuche an und da die zahlreichen Angaben über Sonnenfinsternisse im Tschhün-thsieu seit 720 diese bestätigen,

Digitized by

Google

Fiath: Chronölog. Grundlage der alten chines. Geschichte. 65

80 kann man auch ohne Bedenken die Chronologie der 3. Dy- nastie Tscheu von der Regentschaft Kung-ho abwärts als wohl begründet betrachten; sie trat 841 v. Chr. ein, nach- dem Li-wang im 37. Jahre seiner Regierung wegen seines schlechten Betragens entthront worden war-. Die beiden Minister Tschao- und Tscheu-kung retteten nach der Flucht des Kaisers den Erbprinzen vor der Wuth des erbitterten Volkes und führten 14 Jahre die Regentschaft, Kung-ho ge- nannt, d. i. Eintracht und Harmonie, und übergaben dann die R^ierung seinem Sohne Siuen-wang. Die 14. Jahre zu den 37 Jahren Li-wang's im Sse-ki geben die 51 Jahre des- selben in der redpirten Annahme.

Die Regierungsjahre der Vorgänger Li-wang's sind aus der Liste zu ersehen. Eine Stelle, um diese controliren zu können, findet sich nur in Schu-king im Kap. Pi-ming (V, 24, 1) aus der Zeit des 3 ten Kaisers Khang-wang. Da heisst es: „in seinem 12. Jahre, im 6. Monate, am Tage Keng-u erschien die Helligkeit (die erste Mondphase); der 3te Tag nachher war Jin-schin.*' Lieu-hin und Pan-ku nehmen den Ausdruck, die Helligkeit erschien, wie die Chinesen allgemein für den 3. ^Tag des Monats; der Charakter Pu oder wie Legge lieset. Fei kommt im Schu-king auch V, 12, 2 vor und ist zusammengesetzt aus Cl. 74 Mond und Tschu her- vorgehen. Die recipirte Meinung lässt Khang-waug 1078 bis 1052 regieren. Damach wäre diess im Jahre 1067 v. Chr. den 16. Mai gewesen, aber da war der Cyklustag Keng-u kein 3ter Monatstag. Der chinesische Astronom Y-hang, im 8. Jahrhunderte n. Chr., nahm daher das Jahr 1056 v. Chr. den 18. Mai an, wo der Neumond den 16. und der Cyklus- tag Keng-u der 18. Mai war und ihm folgt Gaubil Tr. p. 223 fg. Daiiiit stimmt aber gar nicht die Chronologie des Bambubuches. Dieses setzt das erste Jabr Khang-wang's 1007 V. Chr. und sein 12. Jahr ist also 996 (60 Jahre später). Diess reimt sich aber durchaus nicht mit dem [1867. IL 1.] 5

Digitized by

Google

66 SüMung der pküoB.-phüol, CUme wm 1. Jmi 1867.

Schu^king und Gaubil Tr. p. 225 und ebcoso Freret T. 14 p. 113 meinen daheri man müsde einen ganzen Cyklus von 60 Jahren hinzusetzen, und zwar dieser in den 4 Re- gierungen zwischen Eung- und Siuen-wang, so erhalte man dasselbe Jahr 1056 y. Chr. Das Bambubudi erwähnt da dieselbe Begebenheit so: „im 12. Jahre im Sommer im 6. Monat, am Tage Jin-schin kam der König nad^ Fang und ertheilte ein Amt dem Pi-kung.'^ Le^e m p. 570 hebt hervor, dass dieses Kapitel des Schu-king nur im alten Texte sich finde und bezweifelt werde, aber ein Gitat in Pan-ku's Geschichte der Han (Liu-li tschi B. 21 hia £ 18) scheine den Text im Wesentlichsten zu bestätigen.

Wenn diese Annahme richtig, wäre das erste Jahr Khang-wang's 1068 y. Chr. (statt 1078 oder 1007) und man müs^ die Regierungsjähre darnach ändern, in der redpir- ten Chronologie abwärts bis zur Regentschaft Kung-ho 10 Jahre absetzen, im Bambubuche aber 60 Jahre hinzu- setzen und zwar wohl bei den oben angeführten Regierungen, wo die Regierungsjahre beider Listen yon einander ab- weichen.

Die 2te Stelle des Schu-king's, die man zur GontroUe der Listen benutzt, im Kap. Tschao-kao (V, 12, 2) lautet § 1 : „im 2. Monate, am Tage Y-wei, dem 6. nach dem Vollmonde, ging der König Morgens yon Tscheu aus und kam nach Fung" und § 2: „im 3. Monate, nachdem am Tage Ping-wu der Neumond erschienen war, am Tage Meu-schin kam der Thai-pao Morgens nach Lo.'' Es handelt sich hier um das 7. Jahr der Regentsdiaft Tscheu-kung's unter Kaiser Tsching- wang. Pan-ku und Lieu-hin deuteten es auf das Jahr 1109 y. Chr., aber nach Y-hang, dem Gaubil p. 226 und Freret p. 75 fg. folgen, entspricht es dem Jahre 1098 y. Chr. ; denn der 2. Februar 1109 könne nicht der SteTag des 3. Monats nach dem Kalender der Tscheu sein, wohl aber der 4. Fe> bruar 1098 der Tag Pmg-wu und der 3te des 8. Monats; in

Digitized by

Google

PMk: CktomHog. Onmilage der dUm chmes. Oesehkhie, 67

dieMm Jahre war im 2. M. den 18. Januar Vollmond und 6 Tage spater da* Tag Y-wei, was beides viele Jahre vor und nacbher nicht wieder Torkomme. Dieses stimmt aber wieder dcht mit dem Bambubnche. Nach diesem regierte Tsching- wang 104S bis 1006 mid sein 7tes Jahr wäre demnach 1038 (neUnehr 1037), diese passe aber in keiner Weise. Das Jahr habe den Q^ns-Charakter Kuei-mao, denselben habe aber andi das Jidir 1098 ; es scheine also wieder ein Cyklns von 60 Jahren da ausgelassen. Diess zeige sich aber auch bei semer Angabe des Todes Tsdiing-wang's. Das Bambubuch p. 148 lasse ihn, wie die recipirte Meinung, 37 Jahre regie- ren und im Sommer im 4. Monate, am Tage Y-tschheu sterben; der Schn-king im Kap. Ku-ming V, 22, 1 setze auch seinen Tod am Tage Y-tschheu, im 4ten Monate, aber den Tag nach dem Vollmonde. § 1 heisst es: „im 4. Monat, da der Mond begann abzunehmen, war der Kaiser unwohl; § 2 am Tage Kia-tsen wusdi sich der Kaiser Hand und Gesicht, die Be- amten srtzten ihm den Hut auf, zogen ihn an u. s. w. und § 10 am nächsten Tage Y-tschheu starb der Kaiser." Im Jahre 1008 y. Chr., sagt Oaubil, war der Tag Y-tschheu der 2te März zwar im 4. Monate, aber mehrere Tage vor der Opposition; es passt also das Jahr nicht, wohl aber war in China 1068 den 16. März die Opposition im 4ten Monate und im 4 den 17. März war der Tag Y-tschheu; beide Jahre hätten den GyUus-Charakter Kuei-yeu und es werde wieder im Bambubnche ein Cyklus von 60 Jahren ausgefallen sein. Das erste Jahr Tsdiing-wang's wäre demnach 1 104 y. Chr., dieses Jahr hat das Cykluszeichen Ting-yeu; dieses giebt ihm audi das |Bambubudi p. 145, aber im unkorrigirten Texte ist es da das Jahr 1044.

Auf die Regierung Wu-wang's, des Vaters und Vor- gängers yon Tsching-wang, rechnet der Sse-ki (wie schon bemerkt, wohl irrig) nur 2 Jahr; Pan-ku B. 21 f. 17 y. und Lieu-hin, audi Kuan-tseu 7 Jahre, so auch die recipirte

Digitized by

Google

68

Sitewng der phüoe.-phildl. Cla9S€ «pm 1: Juni 1867,

Anudime. Dieses simmt auch Qanbil imt XrhaQg an. J)aim wäre sein erstes Jahr wahrscheiülidb» meint er p. 231, aber nicht gewiss 1111 v. Chr., statt nach d^ recipirten Meinung 1122. Das Bambubuch rechnet 6 Jahre. Im Schu-king im Kap. Wu-tsching (V, 3, 1) heisst es: ,.™ ersten Monate am Tage Jin-tchin war der Tag nach der Conjunktion; den folgenden Tag Kuei-ki zog der Kaiser des Morgens von Tsdiea aus, Schang anzugreifen und zu bestrafen.'' § 2 : im 4ten Monate, als der Mond zuerst wieder erschien, gieng der Kaiser tod Schang nach Fung; § 3 am Tage Ting-wei opferte er im Ahnentempel der Tscheu und 3 Tage darauf am Tage Keng-siü brachte er ein Brandopfer dar und verkündete das Ende des Krieges; § 4 als der Mond begann abzunehmen, erhielten die Vasallenüirsten ihre Anstellung von Tscheu. (Der Kaiser hält dann § 5 8 eine Anrede an diese). § 9 heisst es ; „am Tage Meu-wu ging das Heer über die Furt von Meng, am Tage Kuei-hai hielt er eine Revue über dasselbe in der Vorstadt oder an der Grenze (Kiao). von Schang und er- wartete des Himmels ruhigen Befehl; am Tage Kia-tseu b^ Tagesgrauen führte Scheu sein Heer heran, wie einen Wald und versammelte sie in den Gefiielden von Mu, aber es leistete keinen Widerstand ünserm Heei-e." Diess sind die Gjklus- zeichen, die in diesem Kapitel erwähnt werden. Gaubil sagt, es muss damals zwischen dem ersten und 4. Monate einen Schaltmonat gegeben haben; es handelt sich hier von dem Jahre, wo Wu-wang den letzten Kaiser der Dynastie Schang schlug, also im 1. Jahre seiner Regierung. Lieu-hin und Pan-ku nahmen nach Gaubil irrig dafür das Jahr 1122 an, 1123 (1122) sei der Tag Sin-mao (27. November) der erste des 1. Monats, der Tag Jin-tschin der 2., der Tag Ki-wei (25. December), der des Solstizes, der Schaltmonat zwischen dem 1. und 4. Monat gewesen, aber da müsste man sich 1123 um 3 Tage geirrt haben, denn die Conjunction fand den 30. November statt. Gaubil nimmt daher mit Y-hang

Digitized by

Google

Plaih: Ghronolog. Ch^wuUage der alten chines. O^schichte. 69

dafor das Jahr 1112 an. Am Tage Keng-yn sei da die Con- janctioD gewesen, es ti'offe diess nidit ganz geifau zu, doch hat es nach Gaubil Wahrscheinlichkeit. Nach dem Tschhün- ti^sien Ton Liü-pu-wei (im I-sse B. 146 hia f. 5) war Wu-wang schon 12 Jahre Fürst von Tscheu, als er Kaiser wurde ntid damit stimmt der Schu-king Kap. Thai-tschi (V, 1, 1): „im iSten Jahre im FrühUnge war die grosse Vereinigung an der Fürt von Meng(-tsiü)." Nach Gaubil starb sein Vater Wen-wang, also 12 Jahre vor 1111, d. i. 1123 v. Chr.; er regierte aber (in seinem Lande Tscheu) nach dem Schu-. king Katp. Wu-i V, 15, § 11 : 50 Jahre.

Wenn na<^ diesem Systeme QaubiPs Tr. p. 233 die Jahre der Regentschaft Kung-ho (841 v. Chr.) bis zum ersten Jahre Tsc&ng-wang's (1104) und auch bis zum ersten Wu- wang*8 (1112) im Ganzefn sicher sind, so ist diess nicht so der Fall mit der Vertheilung der Jdire zwischen den ein- z^en Regierimgen/Tsdiing-wang r^ierte nach allen Nach- riäiten 37 Jahre, Kfaang-wang nach beiden Listen 26, ebenso Mu-wang auch nach dem Sse-ki 55 Jahre, Kung-wang nach beid^Lkten 12 Jahre, und sein Nachfolger Y-wang 25 J^ire; aber wegen der Anderen 4 bestehen zwischen beiden Listen Abweichungen und die Entscheidung über die Dauer der einzelnen Regierungen hi schwierig.

Bine Note zum Bambubuche p. 149, welche lautet: „von König VITii^wang bis Kaiser Mu-wang wurde das Reich 100 Jahre, (wie man meint von Tschen) besessen*' scheint einen Anhalt zu gewähren zu der Annahme, dass von Wu- wang ins Mu-wang 100 Jahre verflossen waren; allein hier wird bloss die Stelle des Schu-king im Kap. Liu-hing (V, 2*7, 1) zu Grunde liegen, wo derselbe Ausdruck hiang- kue vorkommt. Legge übersetzte es da: „der Kaiser hatte das Reich iane 100 Jahre alt (mao),'* obwohl nach V, 15, 4, 5 und 6 (ohne mao) näher läge die Uebersttimng : „er hatle den Thron •100 Jahr inne,^^ wie auch lUid^e ehineaische Andrer annehmen.

Digitized by

Google

70 SiUung der pMos.-phiM. GloMe wm 1. Jtim 1S67.

während der Sse^ ihn 50 Jahre alt den Thron bestehen lässt. Nun sagt die Geschichte Ton Tsin (TBrn-sdia) im I-B8e26 £ 1 y. »^Ma-wang lebte nicht 100 Jahre lang*^ und es scheint daher, dass der Notenschreiber, der Unwahrsdieiii- lichkeit der langen Lebensdauer desselben zn entgehen, die 100 Jahre nur auf die Zeit von Wu-wang bis Mu-wang g^ deutet habe; dann kann die Note natürlich nichts belfen. Die Note des Bambubuches hinter den 12ten Kaiser Teo-waag p. 158, die vom 1. Jahre Wu's Sin-mao bis zum leisten Yeu's Eeng-u 292 Jahre rechnet, ist oben S. 46 scium an- gezogen. Die Summe stimmt nidit zu den einzelnen Regie- rungen ; die einzelnen Regierungsjahre des Bambubuches geben nur 269, die GyUuszeichen 279 Jähre, also 23 oder 18 Jahre weniger. Die Regierungsjahre Tschao's, Hiao's, J's und LPs sind im Bambubuche geringer, als in der redpirteo Annahme, aber weldien Regierungen die Jahre zul^en? Bis Siuen- wang A. 826 stimmen beide Listen. Auf seine Vorgänger rechnet die redpirte Annahme bis 1121: 295 Jahre, das Bambubuch nur 223 Jahre, wie Legge Ph>l. T. m p. 85 hat; bei 5 dieser Regierungen stimmen beide Listen iibereiB, bei 5 nicht. Man sidit aber keinen Grund, sich f&r die An- gabe der einen oder andern zu entsdieiden. Wenn Meng-taeo, sagt Legge, die 500 Jahre und mehr Ton Gonfudus Hb Wen bis zum AnfEmge der Dynastie Tscheu rechne, (was aber nicht anzunehmen,) Halle dieser 1051 1161; die redpirte An- nahme möge sich der Wahrhdt nahem, die des Bambubuches sd zu spät. 51 Jahre werden Tscfaao-wang, mit dem Namen Hia, auch in dnem Werke Tao-kien-lo, wdches Deba^etz- ungen von alten Insdiriften auf Sdiwertem zu enthalten schdnt, im I'^e B. 26 f. 1 beigdegt, aber da die Insdirift aus dem 2. Jahre des Kaisers sein soll, ist diese Angabe des unb^annten Autors wieder von keiner Bedeutung. Es lässt dch also die Dauer der Regierungen, bei welchen bdde Listen Yon einander abwdchen, nidit genau bestimmoi.

Digitized by

Google

IftM: Ghrondhg. Chnmdlage der aUen ehinea, Geschichte, 71

Was die 2te Dynastie betri£Et;, so steht damit die Sache noch schlimmer. Wir haben gesehen, wie verschieden die Summe der Dauer der ganzen Dynastie angegeben wird, von Meog^tseuzumehr als 500 Jahren, bei Tso-schizu 600 Jahren, von To-tsea bis zum letzten Kaiser Scheu exclusive zu 570 Jahren, Ton Pan-ku zu 629 Jahren. Die Summe dei^ Note des Bam- bubaches p. 141 496 Jahre stimmt nicht mit den Jahren, welche die einzelnen Regierungen und die Gykluszeichen er- geben. Die redpirte Annahme rechnet 644 Jahre bis 1765 T. Chr. Von den einzehien Eiusem fuhrt der Schu-king im Kap. Wu-i (V, 15), wie gesagt, nur an Tschung-tsung mit 75, Wn-ting mit 59 und Tsu-kia mit 33 Jahren, andere nach diesen hätten nur 10, 7—8, 5—6, 4—3 Jahre regiert; sie werden nicht genannt Diese Zahlen möchten aber för die kleineren Zahlen der Regierungsjahre der 5 nächsten Nachfolger Tsu-kia's der Listen S. 57 sprechen. Die Stelle des Kue-iü I, f. 30 y., oben S. 42 sagt nur: von Ti-kia bis zum VerfiEille der Dynastie sind 7 Generationen; Meng- taeu n, ly 1, 8 sagt: „vom Stifter Thang bis Wu-ting gab 68 6—7 weise und heilige Fürsten. Scheu, der letzte, war nidit weit von Wu-ting. Dass Meng-tseu (V, 1, 6, 5) zwischen dem Stifter Thang und Thai-kia noch zwei Regie- rungen der Brüder Wai-ping 2 Jahre und Tschung-jin 4 J. setzt, wahrend andere sie weglassen, ist S. S7 schon erwähnt. Diese stützten sich auf den Schu-king im Kap. Y-hiün (IV, 4, 1) ; da heisst es: „in Thai-kia's erstem Jahre, im 12. Monate, am Tage Y-tschheu opferte Y-yn dem Könige Vorfahren und prasentirte respektvoll den König-Nachfolger seinen Ahnen,^' und dann auf <Üe Vorrede zum Schu-king § 18: „Nachdem Thaiig gestorben in Thai-kia's Istem Jahre, verfasste Y-yn (das Cap.) Y-hiün/' Nach dem Tso-tschuen war der erste Monat der Dynastie Schang der 12te im E[alender der Hia und der 2te in dem der Tscheu.

Pan-ku B. 21 hia f. 16 %. wollte aus dieser Stelle das

Digitized by

Google

72 Sitzung der phüos.-philoh Glosse vom 1. Juni 1867,

Jahr 1738 y. Chr. als das erste Jahr von Tfaai-kia und da Tsching-thang 13 Jahre regierte, 1751 v. Chr. als das erste Jahr desselben ermitteln. Es stimmt aber nicht damit, dass er an einer andern Stelle (B. 20 f. 18 v.) Wai-ping und Tschang- jin zwischen beiden annimmt und Gaubil Tr. p. 240 bemerkt, der Scho-king sage nicht, dass der Tag Y-tschheu der Tag des Winter- Solstizes, noch dass e^ der erste des Monats gewesen sei, ^worauf Pan-ku sich stützte. Gaufoil nimmt mit dem Bambubuche 52 Jahre für den letzten Kaiser (der 2. Dy- nastie) Scheu an, rechnet mit Yo-tseu bis zu diesem 576 Jahre, lässt Thai-kia unmittelbar auf ThlEUig folgen, nimmt so 628 Jahre für die ganze 2. Dynastie an und setzt daher ihren Anfang Tr. p. 242: 1739?. Chr.; aber so wenig sicher, dass er später in seiner Geschichte der Astronomie Lettr. edif. T. 14 p. 332 dafür das Jahr 1760 annahm. Weitere Cykluszeichen zu einer Controle der Jahre der 2. Dynastie giebt es nicht, daher man über ihre Dauer oder die der ein- zelnen Regierungen derselben bei der verschiedenen Angabe der Listen nicht entscheiden kann. L^ge Prol. III p. 86 sagt : aus der Summe von 600 Jahren bei Tso-tschuen und 500 und mehr bei Meng-tseu lasse sich nur schliessen, dass die re- cipirte Annahme von 644 Jahren zu gross, die des Bambu- buches von 508 Jahren (die Note hat nur 496) zu gering seL Gleiche üngewissheit herrscht über die Dauer der ersten Dynastie Hia. Der Schu-king im Kap. Yn^-tschiog (III, 4, 4) gedenkt einer Sonnenfinsterniss, die sich unter dem 4ten Kaiser derselben Tschung-khang ereignet haben soll. Die Stelle hat der Tso-tschuen Tschao-kung A. 17 f. 10. Liesse sich das Jahr derselben mit Sicherheit bestimmen, so würde sie ein Lichtpunkt für die älteste Chronologie Ghina'b sein. Die Worte sind aber zu unbestimmt, sie lauten: „am ersten Tage des letzten Herbstmonats waren Sonne und Mond in ihrer Conjunktion nicht in Harmonie

Digitized by

Google

Plath: Chronolog. Grundlage der cdten chines^ Oeschichte. 73

ih Fang (tschin fei tsi Fang)^^); der Blinde rührte die Trommel (wie bei einer Sonnenfinstemiss üblich), die untern Beamten und das Volk rannten bestürzt umher". Nach dem Tso-tschuen ist eine sichtbare Finsterniss hier , gemeint. Der Hof war damals in Ho-nan, bei dem jetzigen Thai-kang hien 34® 4' der Br. 8' westlich von Pe-king. Der cyklische Tag der Finsterniss wird aber nicht angegeben und ihre Epoche steht daher keineswegs fest. Der Thung kien kang mo B. 4 f. 13 setzt sie in Tschung-khang's A. 1, das Bambubuch in A. 5 ; diese und andere sind aber alles spätere will- kürliche Bestimmungen. Gaubil, der sie mehrmals in Unter- suchung gezogen hat (Observ. T.II, p. 140, hinter s. üeber- setzung des Schu-king p. 372—380, Traite p. 242 fg. und Lettres edif. T. 14 p. 3l6) meinte, sie habe im ersten Jahre Tschung-khang's stattgefunden und zwar den 12. October 2155 V. Chr.*^ wo sie nach Flamsteeds Tafeln beim Aufgange der Sonne 3V«2oll betrug; diese sei die einzige, aufweiche die Angabe des Schu-king passe. Das Winter-Solstiz war damals den 7 oder 8. Januar 2154, das Herbstaequinoctiura den 8. oder 9. October 2155 nach chinesischer Bestimmungs- weise, so dass sich' nach ihnen die Sonne am 12. October 3—^4^ östlich vom Herbstpunkte befand.

Die Finsterniss ereignete sich nach ihm also wirklich im 9. Monate und zugleich in der Station Fang , wenn diese schon damals, wie später, bestimmt wurde. Aber Delambre

19) Dieser Ausdruck für eine Sonnenfinstemiss, bemerkt Chalmer's p. 101, ist ungewöhnlich; später heisse es immer: Ji yeu schi tschi; der Charakter Fang im Tso-tschuen sei sichtlich nicht das Sternbild, das jetzt so heisse, sondern dis jetzige Sehe, und hiess früher Ho (Scorpion), Fang nur im Li-ki genannt.

20) Legge T.IU p. 167 sagt irrig 2169 oder 2168. Der Unter- schied eines Jahres hier und sonst rührt nur daher, ob man das Jfthr Ton Christi Geburt als erstes mitrechnet oder nicht.

Digitized by

Google

74 Sitnmg der pkOos.^hM, ClofU vom 1. Jum 1867.

Histoire cle Pastronomie T.I p.353ij;. wendet dagegen sehoa ein, dass die angenommene Finsterniss nur klein war und nidit geeignet, das Volk zu erschrecken. Eben so sagt Usüer S. 324, sie betrug nur 1. Zoll und nach Largeteau bei ^ot Journal des Savans 1840 avril, der sidi der verbesserte Mondtafeln bedient bat, war sie in China gar nidit siclit» bar und so auch nach Chalmers bei Legge T. 3 p. 168. Die Chinesen schwanken selber in ihrer Bestimmung. Das Bambubuch p. 119 setzt sie, wie gesagt, unter Tschnng-Ubai^ A. 5 im Herbste, im 9. Monate, am Tage Keng-siü, nadi den Cykluszahlen des Jahres und Tages den 28. October 1948, wo es aber gar keine Conjunktion, geschweige denn eine ecliptische gab. Y-hang unter der Dynastie Thang und Ko- scheu-king unter der Dynastie Yuan behielten die CyUuEBeioheB von Tag und Jahr des Bambubuches bei, nahmen aber an, dass 3 Cyklus von 60 Jahren ausgefallen seien, ebe, wie sdion oben angenommen, unter der Dynastie Tscheu und 2 unter der Dynastie Schang und erklärten sidi für d^ 13. October 2128. An diesem Tage war eine Finsterniss. Chal- mers p. 102 fand, es gab Sonnenfinsternisse in oder beim jetzigen Fang, d. i. dem Scorpion,2135 (oder 2136), 2127 (oder 2128) und 2108 (oder 2109), daron war die im Jahi« 2127 (oder 2128) in China sichtbar. Bothmann, der sie 1837 in den Trans, of the Astron. Soc. T. XI berechnete, glaubte die Angabe der chinesischen Astronomen bestätigt zu sehen, aber Largeteau bei Biot Joum. d. Sar. 1840 p. 241 , der sie nochmals berechnete, hat gefunden, dass sie in China unter 34^ oder 35^ Br., wo der Kaiser seinen Hof haben mochte, eben so wenig sichtbar war, als die Sonnenfinstemiss vom 28. October 1948.

Mit dem Zusätze eines Cyklus von 60 Jahren zu den Jahren des Bambubuches kommt man auf das Jahr 2007 (oder 2008.) Die bedeutende yon Cassini berechnete Fin- sterniss vom Morgen des 25. October 2007 y. Qir. im

Digitized by

Google

Haih: Cknmolog, Chnmdlage der aHtm ehinea. Oesehichte. 75

6. Jaliret*8chiing-Uiang'B, welcheFreretOeavT. T.Up.US— 173 far die richtige hält, und die noch Bimsen (Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte B. 5 Abth. 4 S. 285) annahm, verwarf Ganbii p. 249 sdion aas mehreren Gründen, besonders weil sie sich nicht in der Station Fang zutrag, wobei er aber bemerkte, dass die jetzige Bestimmung der Sieu oder Su, die ans den Zeiten der Dynastie Han herrührt, auf die frShere Zeit m'cht sicher schliessen lasse. Auch diese war aber, wie Largeteaa sagt, der sie nadi den jetztigen Tafeln rerificirt hat, in China nicht sichtbar. Nadi allem diesen weiss man keine Sonnenfinstemiss , auf die die Angabe des Sdku-king passte. Biot ^tudes 377 fg. bemerkt, die secu- lare Besdileanigimg der mittleren Bewegung dieses Satel- liten, die einen so grossen Einfluss auf die Berechnung alter Ortsangaben habe, sei nach den Mondtafeln Damoi- Setups and den Sonnentafeln Delambre's, die bisher die genaoesten waren, neuerdings ron Adams in England und Belaimay neuen Untersuchungen unterzogen und er hofit yon soldien künftig noch eine Bestimmung der im Schu-king an- gefBhrteo Sonnenfinstemiss. Aber sie stimmen unter sich und mit Hansen noch nicht völlig überdn und ehe diese nicht feststeht, ist nadi Lamoqt an eine sichere Anwendung auf ahe öhroBologisdie Data ni^ht zu denken. Dennoch hat J. v. Gompadi'^) neuerdings den 22. October 2156 v. Chr. für diese flnstenuBS angenommen; in jenem Jahre falle der Winter- anfang aof den 21. November und ebenso der Neumond. Der ▼orhergehende Neumond des 22. October sei also in der That der. letzte des Herbstes und der erste Tag des 9. Monats des Jahres; die Sonne stand [am Ende der Aequatorial- Abtheilung Fang, sie fiel in das 4. Jahr Tschung-khang's, ereignete sich

21) Ueber die älteste in der chinesischen Geschichte erwähnte Sonnenfinstemiss, in dessen Qmndzügen einer neuen Weltlehre. Mtbichen 1860 B. 1 Anhang 8. S. 890—462. Sein Bach hat aber hekaimiUdi Fiasoo gemacht

Digitized by

Google

76 Sitzung der phüos.-phüol Classe vom 1. Juni 18C7,

in der Höhe des Mittags zu Tschen-siin und war jedenfklls sehr bedeutend und beglaubige so die überlieferte Chronologie bis an das 23. Jahrhundert vor Chr., Es fehlen so bisher uns die Mittel, die Dauer der I. Dynastie Hia zu bestimmen. Die recipirte Annahme rechnet 439 Jahre auf die Dynastie Hia, das Bambubuch 431, die Note 471. Der unterschied, bemerkt Legge p. 86, ist nicht gross, obwohl sie nur in der Öauer von 3 Regierungen übereinstimmen; Meng-tseu's Angabe, von Yao und Schün bis Thang seien über 500 Jahre, begreife deren Zeit wohl nicht mit. Rechnete er auf diese auch 150 Jahre, so seien es mit den 431—439 Jahren unter 600; die gewöhnliche Annahme der Dauer der Dynastie Hia zu 439 möge daher von der Wahrheit nicht ferne sein. Was die beiden Vorgänger des Stifters der ersten Dynastie betriflft, so sagt der Schu-king I, § 12, dass Yao 70 Jahre regiert hatte, als er Schün zum Nachfolger be- stimmte, er prüfte ihn nach II, 1 § 3 : 3 Jahre, nahm ihn dann zum Mitregenten an und starb nach II, 1 § 13 und Meng- tseu V, 1, 4, 1: 28 Jahr später und 50 Jahr später dann Schfin. Die Regierung beider soll also 150 Jahr gedauert hab^. Darin stimmen Sse-ma-kuang und das Bambubuch p. 113 und 116 überein. Pan-ku (Tsien Han schu Liü li tschi hia B. 21 f. 15) rechnet nur 70 Jahre auf Yao's Regierung und 50 auf Schün's und lässt die 30 Jahre gemeinsamer R^erung ausfallen. Diese lange Regierung und das hohe Alter, wel- ches ihnen beigelegt wird, ist schon bedenklich, noch mdir sind es die Genealogien der Stifter der 3 Dynastien, die alle von Hoang-ti abstammen sollen. De Guignes (Mem. de Vacad: des inscr. T. 36 p. 178) hat schon auf die UnWahrschein- lichkeiten da^in aufmerksam gemacht. Wir brauchen aber liier m'cht weiter darauf einzugehen. Der Schi-king Tscheu- sung (IV, 4, 2, 4) feiert zwar schon den Heu-tsi, den Mini- ster Yao's und Schün's, als den Ahn der 3 Dynastie Tschea und im Schang-sung (IV, 3, 4) ebenso den Hiuen-wang (d. i.

Digitized by

Google

Plaih: Chronolag. Grundlage der alten chines. Geschichte 77

«

Sie) als den Ahn der 2. Dynastie Schang, aber ohne Angabe der Generationen, die man erst später hinzugesetzt haben mag.

Ganbil Tr. p. 255 setzt das erste Jahr der Dynastie Hia 2191 V. Chr. und demnach das erste Jahr Yao's 2341 V. Chr., Lettr. ed. T. U p. 307-320 aber 2361; die reci- IHTte Meinung setzt es 2357, das Bambubuch 2145 v. Chr.

Gaubil bezieht sich für Yao's Zeit und deren Bestim- mung noch auf die Stelle im Schu-king Kap. Yao-tien I. § 3 fgg., wo Yao die beiden Solstizien und die beiden Aequi- Qoctien nach den Constellationen, das Frühlings- Aequinoctium nach der Constellation Niao, das Sommersolstiz nach der Constellation Ho, das Herbst- Aequinoctium nach der Constel- lation Hiü und das Wintersolstiz nach der Constellation Mao bestimmt, aber Gaubil Tr. p. 258 sagt selbst, wenn diese Stelle für ein hohes Alterthum der Himmelsbeobach- tongen der Chinesen spreche, könne man aus ihr doch keine bestimmte Zeitepoche gewinnen, denn es sei nicht gesagt, in welchem Jahre der Regierung Yao's diese Bestimmung ge- stroffen sei, und man könne nicht sicher sein, dass man in so alter Zeit bereits im Stande gewesen sei, genaue Beob- aditongen zu machen, welche eine so grosse Prädsion er- forderten. Biot Etudes p. 363 fg. giebt die Uebersetzung der ganzen Stelle von St. Julien. „Yao befahl dem Hi und Ho, sorgfältig die Bewegungen von Sonne und Mond und die Zwischenräume zwischen den Sternen zu beobachten und die Zeiten und Jahreszeiten dem Volke kennen zu lehren. Er befahl dem Hi-tschung zn weilen in Yü-i, genannt das glänzende llial, und da respektvoll wie einen Gast zu em- pfangen die heraustretende Sonne und gleichmässig zu r^eln die Arbeiten des Ostens (Frühlings). Es ist da der Tag von mittlerer (Länge), der (culminirende) Stern ist Niao (der Vogel), um genau zu bestimmen, die Mitte des Frühlings. Das Volk zerstreut sich da; Vögel und Wild brüten und paaren sich."

Digitized by

Google

78 Sttetmg der phOos.'phüoL dorne wm i, Jwni 1867.

„Er befahl weiter dem Hi-tscho, za weOen in Nan-ldao (an der Südgrenze), um genau zu regeln, die VeränderungeD des Südens (Sommers) und ehrfurchtsvoll zu beobachteQ den äussersten (höchsten) Punkt der Sonnenbahn. Man sieht da (das Sternbild) Ho (das Feuer), um genau zu bestimmen des Sommers Mitte. Das Volk zerstreut sidi da noch weiter; Vögel und Wild haben da ein dünnes Fell."

„Er erliess den Befehl an Ho-tschung, zu weileii im Westen, in dem das dunkle Thai (Mei-ku) genannten Orte, respektvoll zu geleiten die einkehrende (untei^ehende) Sonne und zu regeln die Schlussarbeiten des Westen (Herbstes). Die Nacht hat da eine mittlere Länge ; der Stern Hifi dient zur Bestimmung der Mitte des Herbstes. Das Volk fühlt sich wohl. Der Vögel und des Wildes Haare und Felle sind in gutem Zustande."

„Weiter befahl er dem Ho-tscho, zu weilen in der Nord- gegend, genannt die dunkle Residenz (Yeu-tu), und dort sorgfaltig zu untersuchen den Wechsel des Nordens (Win- ters). Der Tag ist da der kürzeste, der Stern Mao dient zur Bestimmung der Mitte des Winters. Das Volk zieht sich zurück, die Vögel und das Wild haben ein dichtes Oe- fieder und FeDe.''

„Der Kaiser sagte: 0 ihr Hi und Hol ein volles Jahr hat 366 Tage (eigentlich 365 % das 4te Schaltjahr dann 366); mittels des Schaltmonats stellt fest die 4 Jahreszeiten und bestimmt genau das Jahr u. s. w."

Wir haben die Stelle vollständiger mitgetheilt als Biot, was nöthig war; er lässt die populären Bezeichnungen der 4 Jahreszeiten nach dem Paaren, Mausem der Vögel u. s. w. wog; die zeigen aber gerade, wie Legge Pr.p. 89 bemerkt, dass hier nur von einer populären Anweisung, nicht von einer exacten astronomischen Bestimmung die Rede ist Wir fugen nur das Nothwendigste zur Erläuterung hinzu. Was die Sternbilder betrifft, so ist Niao nach den Astronomen der

Digitized by

Google

PUah: Ckronolog. Ormdlage der älUn ehines, Oeschichtei 79

Dynastie Han das damals Sing genannte Sternbild, nicht der Name dnes Sternes, sondern eines Himmelsraumes, welcher sich über 1 12 Orad erstreckt und 7 Sternbilder des Sfid-Quartieres begreift; man kann aber nur einen Stern in der Mitte daraas hier annehmen. Ein gelehrter Chinese verstand darunter den Stern Sohin-ho, nach Legge das Herz der Hydra. In der Anmerkung zu seiner Uebersetzung des Schu-king's p. 4 sagt Medhurst: wenn beim FrühUngs*Aequinoctium zu Yao's Zeit das Herz der Hydra bei Sonnenaufgang culminirte, so musste die Consteilation im Meridiane Mittags, die PIeja- den im Taurus (Stiere) sein. Da nun nach dem Zurückgehen der Aequinoctien die Sterne des Thierkreises in 2000 Jahren nur um ein ganzes Zeichen zurückgehen, so musste es vor 4000 Jahren sein, dass die Sonne beim FrühL'ngs-Aequi- nocthim in den Plejaden stand, und diess bestätige die Glaubwürdigkeit der redpirten chinesischen Chronologie; denn 1800 n. Chr. waren die Plejaden 56 Vt Grad von dem Punkte entfernt , wo das Aequinoctium die Ecliptik durch- schnitt, da das Aequinoctium jährlich 50Vio Minuten zurück- gehe, erfordere das 4050 Jahre. Yao^s Regierung endete nadi den Chinesen aber 2254 y. Chr.; dazu 1800 gebe: 4054 Jahre.

Der 2te culminirende Stern am Sommer-Solstiz Ho**) (das Feuer), das Sternbild Fang unter den Han, war nach Lq^ge der Gentralstem im azurnen Drachen (Tsang-lung), der 7 Sternbilder des Ostquartieres begriff und dem Herze des Scorpions entspreche. Nach einem chine8.Schol. in der Ausgabe des Schu-king ron 1730 n. Chr. war die Sonne am Sommer-

22) Chslmers p. 92 bemerkt, dass noch unter der 8. Dynastie Tschea der Ho ein wichtiger Führer zur BestiminQng der Jahreszeiten war; dies sehe man aus dem Tso-tschuen, Eue-iü und Sohi-king Pin-fong (I, 15, 1 p. 66).

Digitized by

Google

80 Sitzung der phüos.-phüci. Glosse vom 1, Juni 1867.

Solstize zu Yao'sZeit im Sing (a. Hydrae Alphard), während 1730 n. Chr. im Tsui (X Orion).

Der 3te culminirende Stern Hiü war in der Mitte des Hiuen-wu (des dankein Kriegers), der die sieben Constella- tionen des Nordquartieres begriff und entsprach dem ß des Wassermannes. Nach dem chin. Schol. stand am Herbst- Aequinoctium unter Yao die Sonne in Fang S n q des Scorpions), 1730 n. Chr. dagegen in J (a Crateris (Alkes).

Das 4te Sternbild Mao war im Ceutrum des Pe-hn (weissen Tigers), welcher die 7 Sternbilder des Westquartieres begreift und entspricht uasern Plejaden. Am Winter-Solstiz stand nach dem chinesischen Schol. unter Yao die Sonne in Hiü des Wassermannes), dagegen 1730 n. Chr. in Ei (/ des Schützen^'). Es wird aber immer die Frage sein, ob diese Bestimmungen richtig sind ; nur 2, Mao und Hiü, finden sich unter den Sieu wieder; Niao und Ho identifidren nur die Ausleger aus der^ Zeit des Hau mit dem damaligen Sing und Fang**).

Die geograpliischen Angaben sind noch vager und noch schwerer zu bestimmen. Die erste Yu<i kommt auch im Kapitel Yü-kung (HI, 1, 1, 23) vor. Einige setzen es nach Teng-tscheu in Schan-tung, Legge p. 18 meint aber, es müsse weiter östlich (?) in Corea liegen. Nan-kiao, der 2te Ort^ wird wohl mit Unrecht auf Annam oder Cochinchina 'ge- deutet, weil diess auch Kiao-tschi hiess, allein diesen Namen Querzehe hatten früher auch die Bewohner von Süd-China. Den 3ten Ort, das dunkle Thal, im Westen setzt man nach

23) Diese Bestimmungen nach John Reeves Chinese Kames of Stars and constellations in Momson's chiu. dict. P. II VoL 1 p. 1068—1090.

24) S. A. Weber die vedischen Nachrichten von den Naxatra. Abh. der Berl. Akad. 1860. 4 S. 287 fg.;

Digitized by

Google

PUUh; Chrondog. Qrunäiage der alten chines. Geschichte. öl

Schen-si und die dunkle Hauptstadt (Yeu-tu) im Norden nach Pe-tschi-li.

Biot £tud. p. 363 fg. meint auch noch, die 4 angegebenen Sternbilder seien gerade die gewesen, worin 2357 v. Chr. die Frühling- und Herbst-Aequinoctien und Sommer- und Winter- Solstitzen sich befunden haben müssten. Erfunden kpnne Confucius sie nicht haben, da zu seiner Zeit (500 v. Chr.) die 4 Steinbilder des Schu-king nicht mehr die 4 Cardinal- Puukte der Sonnenbahn bildeten. Das Winter-Solstiz z. B. hatte das Sternbild Hill (das22ste) verlassen, war durch das 21. Niü, worin es sich unter Tscheu-kung befand, gegangen und stand damals im 20. Sternbilde Nieu und so waren auch die 3 andern dieser Bewegung gefolgt. Confucius und seine Zeitgenossen und eben so wenig die Astronomen der Dynastie Han seien aber nicht im Stande gewesen , die frühere Stel- lang derselben rückwärts zu berechnen. Ideler S. 104 sagt: Ich habe die gerade Aufsteigung, welche die 4 Sterne vor 2000 Jahren hatten, berechnet indem ich, die Vorrückung der Nachtgleichen wie oben , und die Schiefe der ^Ecliptik auf 24 Grad gesetzt habe. Hiernach trafen das Sommer- und Winter-Solstizium wirklich auf Sing und Hiü, das Früh- lings- und Herbst - Aequinoctium gingen nahe vor Mao und Fang her. Aber natürUch lässt sich umgekehrt auf eine so schwankende Basis eine Berechnung der Epoche des Yao nicht gründen, da es sich nur um ganze Stationen handelt u. s. w. Eben so urtheilt auch Stuhr Untersuchungen über die Ursprüng- lichkeit und das Alterthum der Sternkunde unter den Chinesen and Indern. Berlin 1831 S. 28. Auch Chalmers p. 92 meint als Bestätigung der Chronologie sei der Werth dieser astrono- mischen Angabe sehr überschätzt. Eine Tradition der Art müsse der Verfasser des Kapitels Yao-tien wohl vorgefunden haben. Yao möge die Bestimmung als Tradition überkommen haben, denn sehen hätten 3 der Astronomen jene Sterne zu Yao's Zeit nicht können, nur der nach Norden gesandte etwa. [1867. IL 1.] 6

Digitized by

Google

82 SitMung der phüo8,-phüol. Classe vom 1, Juni 1867,

Weiter als Yao, wie schon zu Anfang bemerkt, wollen wir hier nicht hinaufgehen. Wir wollen daher nur noch hinzufügen, dass wenn Bunsen p. 281, wie de Mailla T. I p. ÜXXVUI, noch sehr viel auf die angeblich überlieferte Beobachtung einer Gonjunction der 5 Planeten, unter welchen Sonne und Mond genannt werden, unter Tschuan-hiü, die nach Bunsen auf das Jahr 2375 v. Ghr^ zutreffe de Mailla T. I p. 34 setzt sie aber 2461 v, Chr.l giebt, Gaubil Tr. p. 269 und auch Ghalmers bei Legge Prol. p. 101 schon bemerken, dass nur neuere chinesische Geschichten von einer solchen Gonjunction der 5 Planeten unter Tschuan- hiü das Jahr werde nicht angegeben am Tage des Li-tschün (15^ des Wassermannes) im Sternenbilde Sehe sprächen ; weder Pan-ku noch Sse-ma-tsien, noch irgend ein Werk aus der Zeit vor dem Bücherbrande erwähnten sie, sie sei nicht historisch, sondern eine erdichtete Epoche, die man nicht verificiren könne; Kirch und Gassini hätten sie daher vergeblich zu berechnen unternommen. Ich finde sie im I-sse B. 7 fol. 1 nur aus dem Werke Ku-sse-kao er- wähnt; es ist aber nicht nöthig, hier weiter darauf ein- zugehen.

Ueberblicken wir die ganze Untersuchung, so ergiebt sich, dass .man bis zum 1. Jahre der Regentschaft Kung-ho (841 v. Ghr.) eine auch im Einzelnen sichere Chro- nologie hat, und den Anfang der 3. Dynastie nach der re- cipirten Meinung 1122 oder, wie Gaubil annimmt, 1111 V. Ghr. noch mit ziemlicher Sicherheit wird annehmen können und die Jahre der einzelnen Regierungen nur einzeln einige Schwierigkeiten bieten, obwohl Legge p. 89 meint, das älteste sichere Datum gehe nur bis 775 v. Ghr., das bestimmte Jahr des Anfanges der 3. Dynastie Tscheu wisse man nicht. Anders aber ist es mit der Chronologie der 1. und 2. Dynastie und der Zeit Yao's und Schün's bei den grossen Abweichungen in den Angaben der Summen der Dauer der

Digitized by

Google

Hath: Chronolog. Grundlage der alten cJnnes. Oeschichte. 83

ganzen Dynastien und der der einzelnen Regierungen derselben und dem Mangel an sicheren astronomischen und cjklischen Anhaltspunkten, welche zur Feststellung derselben dienen könnten. Legge meint, man könne nur den Anfang der 1. Dynastie Hia in das 19. Jahrhundert und Yao und Scbün in das 20. Jahrhundert v. Chr. setzen. Man wird daher am Sichersten gehen, wenn man, wo das genügt, bei solchen all- gemeinen Zeitangaben stehen bleibt. Wenn wir, wo eine bestimmtere chronologische Angabe nöthig ist, bei der reci- pirten Annahme bleiben, so ist es daher nicht, weil wir sie für sidier halten, sondern nur, um irgiend eine relative An- gabe zu geben, da wir ja wissen, dass auch unsere Zeit- rechnung nach Christi Geburt nicht ganz riditig ist, sondern freilich nur um mehrere Jahre fehlgeht.

' Das Resultat unserer Untersuchung ist freilich ein mehr negatives. Aber zu wissen, was man weiss und was nicht, und auf welchem 'Grunde unser Wissen beruht, ist auch wissen. Wo keine sichere Geschichtsüberlieferung ist, kann man keine geben. Abweichende Angaben künstlich zu vereinigen, wird oft viel Zeit und Kraft verschwendet ; das Gebiet der sichern Geschichte ist aber so weit und gross, dass beide besser auf deren Anbau verwendet werden.

/Google

Digitized by ^

84 SiUw^ der phUoa.-phüol. Classe wm 1. Jum 1867,

Herr Ptof. Lanth trägt tot:

„Ueber den ägyptischen Ursprung unserer Buchstaben und Ziffern". (Mit einer Tafel.)

In unserer bewegten Gegenwart, wo die wichtigai Er- findungen der Photographie, Telegraphie und Stenographie Bild und Schrift mit früher nie geahnter Schnelligkeit ver- vielfältigen und räumlich verbreiten, dürfte ein Rückblick auf die Entwicklung der graphischen Kunst überhaupt am Platze sein, um, wo möglich, der Genesis unserer Buch- staben und Ziffern auf die Spur zu kommen. Schon der äiisserliche Umstand, dass wir bis jetzt keine älteren Schrift- denkmäler kennen und besitzen, als die ägyptischen, spricht zu Ghusten der Herkunft unseres Alphabets und unseres Zahlensystems aus dem merkwürdigen und uner- schöpflichen Nilthale.

Bereits im Jahre 1855 hatte ich in meinem Werke „das vollständige Universalalphabet, auf der physiolo- gisdi-historischen Grundlage des hebräischen Systems zu erbauen versucht^' an mehreren Stellen den ägyptischen Ur- sprung unserer Schriftzeichen wahrscheinlich gefunden z. B. pp. 8 lin. 21—23, 151 lin. 3, 158 lin. 23, besonders p. 55 „das alte Buchstaben-System, (das ich den Aegyptern -— nicht wegen der Pyramidenform Forml einstweilen zuschreiben möchte etc.)'^ In meinem „Germanischen Runen- fudark" (1857) konnte ich mich, weil bereits mit den Hiero- glyphen beschäftigt, noch bestimmter ausdrücken p. 185: „Diese (Griechen) aber empfingen die Schrift von den semi- tischen Phoenikem, welche ihrerseits selbst wieder nicht die ersten Erfinder der Schrift und (Ordner?) des Alphabets

Digitized by

Google

Lauth: Der ägypt Ursprung unserer Buchstaben etc. 85

gewesen sind, sondern Beides von den tiefsinnigen Aegyptern empfangen haben'*.

Das letzte Jahrzehend hat diese von mir zuerst ausge- sprochene Ansicht hauptsächlich durch den Fortschritt in der Entzifferung der hieratischen Papyrus so ziemlich zur all- gemeinen Ueberzengung erhoben, wenigstens unter den Aegyptologen. So hat z. B. Brugsch in der Zeitschrift fär Stenographie (1864) die ägyptischen Buchstaben mit denen des phoenikischen Alphabets zusammengestellt, nachdem schon vorher Vicomte de Roug6 1859 in der Academie des Inscriptions unter dem Titel: „Memoire sur l'origine egyptienne de V aiphabet ph6nicien'' die nämlichen Grund- sätze veröffentlicht hatte. Letzterer stützte sich hiebei vor- nehmlich auf die phoenikischen Schriftzüge des Sarkophages von Aschmunezer im Zusammenhalte mit den sehr alter- thümlichen Zeichen des hieratischen Papyrus Prisse, welcher der XI. Dyn.. d. h. mindestens dem 25. Jahr- hunderte vor unserer Zeitrechnung angehört. Die neueste Arbeit des Herrn Fran^ois Lenormant über den Ursprung des phoenikischen Alphabets, meines Wissens mit dem priz Volney belohnt, geht von dem nämlichen Standpunkte aus.

Die genannten Versuche genügen wohl, um die Ableit- ung der phoenikischen Schriftzeichen aus dem Hieratischen plausibel erscheinen zu lassen; allein zur Begründung einer wissenschaftlichen Ueberzengung sind sie bei Weitem nicht ausreichend. Icli werde daher meine Untersuchung da, Wo ich sie vor zehn Jahren gelassen, wieder aufnehmen, die auf der beifolgenden Tafel (A) befindliche Zusammenstellung im Einzelnen besprechen, hiebei auf das Koptische die ge- bührende Rücksicht nehmen, nach den Schriftcharakteren die Frage wegen des ägyptischen Alphabets behandeln und am Schlüsse auch die ohnehin naheliegenden Zahl- zeichen beiziehen.

Wird durch meinen detaillirten Nadiweis die Herkunft

Digitized by

Google

86 SitMung der pküos.-phüdl, Clasae vom 1. Juni 1867,

des phoenikischen Alphabets aus der hieratischen Schrift der Aegjpter, wie ich hoffe, unzweifelhaft dargethan, so lässt sich die Frage : was man von den vielgeplagten Namen Aleph, Beth etc. zu halten habe, leicht dahin entscheiden, dass sie nur Gedächtnisswörter mit deu betreffenden Anlauten sein können^ und dass die Gestalt der ihnen ent- sprechenden Schriftzeichen nichts mit ihrer Bedeutung zu schaffen hat. Nach dieser nicht uniiöthigen Vorbemerkung gehe ich zur Erklärung der einzelnen Buchstaben über, wobei ich, wie auf der Tafel, die Ordnung des koptischen Alphabets beobachte. Bekannth'ch ist dieses, analog dem Gothischen, das sich aus den Runen ergänzte, nichts weiter als das griechische^), aber um sieben Buchstaben vermehrt, welche, weil ihre Laute dem Griechischen mau- gelten, aus der demotischen Schriflart beigezogen wurden, a. Prototyp ist der hieratische Adler oder Falke. Welchen Namen dieses Schriftzeichen bei den Aegyptem gefuhrt habe, lässt sich jetzt noch nicht bestimmen; aber so viel ist sicher, dass er nicht Schom (aquila) geheissen haben kann, weil dieses Wort stets mit dem vertieften ä (dem Arme) anlautet. Eher liese sich an das koptische atrodj falco denken, wenn man es nur in älteren Texten nachweisen könnte. Indess, die Frage nach den Namen der Buchstaben wird weiterhin noch ausführlicher besprochen werden, wo es sich um das ägyptische Alphabet handelt. Für jetzt genügt die Thatsache, dass die Schreiber kopti- scher Handschriften*) das aus dem griechischen Alphabete entnommene A (a^) durch Randverzierungen zu einem Adler oder Falken gestalteten. Hiezu konnte sie nicht der

1) Daher die unverkennbare Aehnlichkeit des gothischen Alpha- bets mit dem koptischen beider An/ange fallen der Zeit nach fast Eosammen.

2) Schwartse: „das alte Aegypten'S am Ende.

Digitized by

Google

Lau(h: Der ägypt Ursprung unserer Buchstaben etc. 87

griechische Name aXg)a^ wohl aber die ErinDerung an den Vogel ihres einheimischen Alphabetes veranlassen. Dieser Umstand beweist, dass die Aegypter eigentliche Buchstaben mit Eigennamen besassen.

b, Herr B rüg seh hat das Zeichen mit der Lautung va dem b gegenübergestellt, sowohl aus palaeographischem Grunde, als weil das koptische ß^ta (Bida) die Lautung Vida behaupte. Allein das fragUche Zeichen, schon in den Hieroglyphen äusserst selten, hat sich im Hieratischen und Demotischen fast ganz verloren. Palaeographisch empfiehlt sich ebensowohl der hieratische Ba-vogel, mit dem z. B. das Wort Ja die Seele (Horapollo's ßat) geschrieben wird. Was mich zu dieser von De Rouge zuerst aufgestellten An- sicht besonders bestimmt, ist die Thatsache, dass in der akrophonisdien Litanei an die Hathor, welche Herr Mariette zu Denderah entdeckt hat und die ich weiterhin wegen der Alphabetsfrage näher betrachten werde, der (Laut durch eben diesen io-Vogel vertreten ist. Uebrigens ist die Er- weichung des b zu V eine ziemlich allgemeine Erscheinung in der Linguistik.

g. Dem semitischen Gimel fand Brugsch meist ein ägyptisches Zeichen entsprechend, welches eine Art Eimer vorstellt. Die characteristischen Striche dieses Zeichens finden sich in derselben Reihenfolge und Symmetrie, sämmt- lich in dem Ghiiuel der Quadratschrift wieder, welche in diesem speciellen Falle eine sehr alterthümliche Form dar- zustellen scheint. Wenn man aus dem Verschwinden des yc^fAfUJc-Lantes in koptischen Wörtern bis auf wenige Spuren (z. B. ang = anok ich) den Schluss gezogen hat, dass den alten Aegyptem der ^-Laut überhaupt fremd gewesen, so ▼ergisst man, dass sehr viele Gutturalen in die Quetschlaute djandjia und c'ima übergegangen sind. Für die constante Vertretung unseres Zeichens durch ^ citire ich bloss De

Digitized by

Google

88 SitMung der phüos.-philol, Classe iHMn 1. Jtmi 1867.

Rouge'ß') Ausspruch: „^ ©* ^ (S^) so^t presque toujours renclus par" (folgt die Hieroglyphe, welche unserem dritten Buchstaben entspricht).

d. Dieser Laut wird dem Altägjptischen ebenfalls ab- gesprochen, weil er nur in griechischen Wörtern und Namen nicht aber in eigentlich koptischen erscheine. Allein mit grösserem Rechte als die Media ä, könnte man die Tenuis t ihm absprechen, da die Kopten, obgleich Tav schreibend, den Buchstaben doch Dau^) benennen. Es ist eben im Koptischen, wie in vielen andern Sprachen, Media und Tenuis in einen Zwischenlaut übergegangen, den auch die Süd- deutschen besitzen ist aber desswegen der Unterschied dreier Dentalen im Gothischen (d, t, th) ein willkürlicher, oder nicht lautlich vorhanden gewesen? Zum Beweise aber, dass bei den alten Aegyptern die Media d bekannt und üblich war, erinnere ich bloss an die Bemerkung De Rouge's:') „le 1 est transscrit par (die Hieroglyphe Hand) avec ane preference marquee**, sowie an die weitere Thatsache von höchster Wichtigkeit für die Palaeographie, dass die hierati- sche Hand (tot oder dod) mit dem hieratischen Mund (ro) graphisch so sehr zusammenfallt, dass die gründlichste Kenntniss der Gruppen dazu gehört, um sie nicht beständig mit einander zu verwechseln. Wem ßllt hiebei nicht die Aehnlichkeit von Dalethl mit Resch nein? Diese einzige That- sache dürfte genügen, den Ursprung der semitischen Buch- staben aus dem Aegyptischen und speciell dem Hieratischen, bereits als sehr wahrscheinlich zu empfehlen. Das Delta heisst im Aethiopischen Dent.

S u. e. Die Kopten nennen diese zwei Buchstaben H u. hida^

8) Chrestomathie 6gyptienne p. 80.

4) Taki: Radimenta linguae coptae sive Aegyptiacae (Rom. 1778).

6) pag. 88 seiner Chrestomathie. -

Digitized by

Google

Latah: Der ägypt Ursprung unserer Buehstahen ete. 89

genau dem Altgriechisohen entsprechend und mit einer Andeut- ung, dass ihnen die ursprüngliche Bedeutung des H als einer Gutturalis, (wie im latein. Alphabete H) noch nicht entschwun- den war. Die palaeographische Herleitung desphoenikischenA^ and chet aus den hieratischen Zeichen (der maeandrischen Figur und des sogenannten Siebes) kann daher, nachdem der laut- liche üebergang im Vocale durch anderweitige Analogieen vermittelt ist, um so weniger einer Beanstandung unter- liegen. Aber die Frage, ob die alten Aegypter untÄr ihren phonetischen Hieroglyphen auch eine für den e-Laut gehabt und gebraucht haben, ist damit noch nicht beantwortet. Uebrigens ist dieser Punkt dahin zu erledigen, dass dem e ein 0 parallel zu gehen pflegt und dieses letztere in der älteren Zeit eben so wenig sich ausgebildet hatte, als das erstere. Die alten Aegypter kannten und dieser Um- stand spricht sehr zu Gunsten der Alterthümlichkeit ihres Sdiriftsystems nur die drei Grund vokale a, i, u, deren pyramidale Entstehung ich am Schlüsse etwas gründlicher, als es bisher geschehen ist, untersuchen werde. Die Zwischen- Yokale e und o inhaenrten entweder gewissen Gonsonanten, oder sie blieben, weil in der Sprache nicht anlautend, unbe- zeichnet, oder sie wurden in Ausnahmsfallen durch eigene Zeichen ausgedrückt. Auf das ^ zurück zu kommen, muss man es dem Altägyptischen einerseits absprechen, anderer- seits ein Analogon dazu in dem Rohrblatte erkennen, welches desshalb in gewissen Wörtern (z. B. atef im Vergleiche mit tef Vater) als leichtester Vocal stehen und wegfallen mochte. Verdoppelt ergiebt dieses Rohrblatt den Laut t wie im Englischen ee = i*). Auch im Devanagari wird das ursprünglich allen Gonsonanten nachschlagende a später

6) De Roüg6 findet et p. 26 seiner Chrestomathie wahrtchein- lieh, dass das Rohrblatt allein schon dem i-Laate nahe gestanden.

Digitized by

Google

90 Sitzung der phüos.-phüdl. Glosse wm 1. Juni 1867.

zu ^ oder o, während e und o als Diphthonge zu betrach- ten sind. Wie wandelbar die ägyptischen Vokale gewesen, ergiebt sich aus der Präposition au (ad), die im Koptischen zu 6 (?) geworden ist. Ob ein langes e allenfalls durch Verbindung eines a'mit i zu ai = e oder sonstwie hervor- gebracht wurde, lässt sich jetzt noch nicht bestimmen. Das 7) von *AQ0iv6r] wird wenigstens einmal (Lepsius: Königs- buch Nr. 695) durch ai bezeichnet

so und jBida. So nennen die Kopten den 6. und T.- Buchstaben ihres Alphabets; in der Sprache selbst ist ersteres nicht, sondern nur als Zahlzeichen für 6 gebräudi- lich. Aber es verdient Beachtung, dass der Anlaut s, den sie diesem Zeichen geben , ähnlich wie das griechische Oft {oST)^ dem semitischen sajin noch entspricht. Was das Zeichen betrifft, das sogenannte eniorjfiov ßav y so werde ich unten beim fei darauf zuriickkommen. Das dem Laute des so (sajin) zu Grunde liegende hieratische Zeichen ent- spricht palaeographisch dem Z; es ist nämlich der junge Adler, welcher nach Horapollo (II, 2) unter anderen Be- deutungen auch die von äqqevoyovov hatte, was durch die Texte bestätigt wird. Es wechselt dieses Zeichen häufig mit den dem zade constant entsprechenden Homophonen, die ich unter Djandja besprechen werde, gerade wie im Semitischen sajin und eade'^) sich beständig gegenseitig vertreten.

thida. Dieser neunte Buchstabe, aus dem zangen- artigen Werkzeuge entstanden, wechselt bisweilen mit dem sogenannten Halbkreise (t) und dem Zeichen für den Laut th^ erscheint dagegen in gewissen Gruppen constant, also

7) Wenn im koptischen anzSbS (schola) ausnahmsweise ein z erscheiDt, so lehren alte Inschriften z. B. das Ostrakon des Münchner Antiqoariums, dass dieses Wot in a-nt-sebe ,,HaQ8 des Unterrichts*^ zu zerlegen und also z = ts zu lesen ist.

Digitized by

Google

Lauth: Der ägypt Ursprung unserer Bttchstaben etc. 91

als eigenthüoilicher Laut, deu ich mit dh umschreibe. Er nähert sich palaeographisch dem d (Hand) r (Mund) so wie dem aus dem segment de sphere entstandenen hierati- schen Zeichen für t. (Dass letzteres nicht ins phönikische Alphabet übergegangen ist, erklärt sich aus seiner Rolle als Artic. femin. postpos. und weil es bisweilen stumm oder expletiv ist). Desshalb ist der an der Biegung angebrachte Strich, wenn auch nicht willkürlich, doch in gewissem JSinne diakritisch und hat sich derselbe bis in's Demotische ^) herab erhalten. Am deutlichsten zeigt sich dieser Strich in dem dh des Peschito und des Kufi, weniger im phönikischen und hebräischen dh CO, weil in diesen beiden die Zange nach oben gerichtet erscheint.

jcmda. So nennen die Kopten das 7a7Ta ob aus Reminiscenz an den Namen des i in ihrem einheimischen Alphabete? Wie schon oben bemerkt, entsteht das i^p- tische i durch Verdoppelung des Rohrblattes, im Demotischen sind es drei senkrechte Striche, und erst aus dieser Form scheinen sich das phoenikische , aramaeische und samara- tanische i mit je drei Strichen zu erklären. Dagegen weisen alle anderen Entwicklungen auf das Doppelblatt, beziehungs- weise sogar auf das einfache Rohrblatt zurück, weil dieses durch einen schrägen Querstrich in drei Theile zerlegt wird. Es gab übrigens schon im Altägyptischen der Hieroglyphen ein vereinfachtes i, nämlich zwei kleine schräge Striche (so gestellt, um die Verwechslung mit dem Numerale für ^ zu vermeiden) und diese bildeten in der mehr cursiven hierati- schen Schreibweise einen zusammenhängenden Schriftzug, aus dem sich alle andern Formen mit Leichtigkeit ableiten

8) De Rouge Chrestom. 6gypt. pag. 60. pl. II unter t hat dieses demotisobe Zeichen nicht, sondern dafür das aus th entstandene.

Digitized by

Google

92 SiUtmg der phüos.-phüdl. Claase vom t Juni 1867.

lassen. Das aethiop. jaman „rechte Hand'S hängt ver- mutlich mit dem Eöpt. ionam dextra zusammen.

Ä;, genannt kabba. Man hat bisher zwischen dem 'so- genannten Henkelkorbe und dem hebräischen Kaph keine rechte Aehnlichkeit entdeckt, die doch wegen der Laut- congruenz zu erwarten stand, weil man die bekannten Ke- phuloth oder Endbuchstaben nicht gehörig berücksichtigte. Sobald man diess thut, entsteht eine nicht zu rerkennendc Identität zwischen beiden. Im Koptischen &ima (siehe weiter unten) ist der E-Laut gequetscht, wie das italienische c und daher die Entlehnung dieses Zeichens aus dem einheimischen Alphabete, während für den Laut k das griechische Tuxnna verwendet wurde. Dieses K mit seinen zwei Winkelstrichen, wo man nur einen erwarten sollte, erklärt sich aus der Quadratschrift, wo eine Basis hinzugefügt wurde, die dann etwas höher hinaufrückte, z. B. schon im phoenikischen K. In den älteren Inschriften z. B. der Pyramidengräber bilden die beiden erhobenen Arme eine häufige Variante des Henkel- korbes; später wechselt, dieses Tc mit dem winkelartigen Zeichen für g. Dieser, obgleich seltenere Wechsel, sowie die Gruppirung qh ist aus der Vermengung der gutturalen Liquida mit der Tennis gutturalis zu erklären, wie man sich schon aus der Schreibung des Namens Scheschaq überzeugen kann, der im Aegyptischen als Scheschaq und Scheschanq erscheint, während ihn Manetho mit Siaoyx^^ umschreibt. Wenn daher das ägyptische hoqer (fames) mit unserm .^Hunger*^ stammverwandt sein sollte, so Hesse sich der Mangel des n leicht aus der Natur der gutturalen Liquida begreifen. Eben so erklärt sich das allmälige Ver- schwinden dieser gutturalen Liquida aus dem Alphabete durch die Neigung der Liquida n, sich selbständig zu machen. Daher ward xonna im Griechischen nur als noch Zahl- zeichen {inCoriiiov) für 90 gebraucht; die Kopten verwende-

Digitized by

Google

Lauih: Der ägypt, ürtprung unserer Buchstaben etc. dS

ten zu diesem Zwecke ihr /W , weil es palaeographisch mit xonna zusammenfiel.

l m n r. Diese vier Liquidae, von denen die erste ofid letzte sich im Aegyptischen so häufig lautlich gegen- seitig vertreten, liefern d^n augenscheinlichsten Beweis für die Herkunft des phoenikischen Alphabetes aus dem Aegyp- tischen. Was zuerst das l betrifft, so ist kein Zweifel, dass der hieratische Löwe das Vorbild des Lamed Xä^ßda etc. gewesen und es möchte sogar der koptische Name laula so wie das aethiopische Lawi noch eine Andeutung enthalten, dass den späteren Aegjptem der Ursprung des betreffenden Zeichens noch geläufig war. In der That mussten die 6e- bildeteren, welche nach Clemens mit der demotischen Schrift anfingen und durch die Bitittelstufe des Hieratischen zu den Hieroglyphen selbst aufstiegen, die ursprünglichen Bilder wohl kennen und da Idbi oder l(m der Name des Löwen war, so konnte mit Rücksicht darauf Xdfißia zu laula werden. Dass die Nacht eule (kopt. muladj) den m-Laut bezeichnet, ist bekannt; ob aber der Name iiv (Eopt. mi) aus dem semitischen mem verkürzt oder aus einem älteren mu entstanden ist, lässt sich noch nicht entscheiden. Nadi Horapollo bezeichnet der wxT^xo^a^ unter andern auch &ävaTog und die Denkmäler bestätigen diese Angabe, indem die Nachteule, mit den Deutbildern der Erdscholle und des abwehrenden Mannes oder dem Determinatice desUebels be- gleitet, stets Tod oder sterben bedeutet (kopt. intt = mors und mori). Die palaeographische Vermittlung zwischen der hieratischen Nachteule und dem semitischen m ist einfach und leicht zu finden; man braucht nur die ältesten Formen, die im Papyrus Prisse nebeneinander vorkommen, in ihrem oberen Theile zu combiniren und zu bedenken, dass das m der Quadratschrift, (sogar das Eephuloth-m) einen unteren Querstrich als Basis erhalten hat. Dasselbe gilt vom ntm, nur dass das Eephuloth-n diesen unteren Querstrich nicht

Digitized by

Google

94 Sitzung der phüos -phüol. Ckme vom 1. Juni 1667.

aufweist, wie es auch in der Ordnung ist. Denn das n ent- steht palaeographisch aus der Wellenlinie, die im Hierati- schen zu einer wagrechten Geraden wird, nur dass Anfang und Ende gewahrt sind, woraus dann ein gezogenes M sich mit Nothwendigkeit ergab, unser deutsches Schreib-« ist sogar zufallig wieder zu der wellenförmigen Linie zu- rückgekehrt. Der Name nun (vv kopt. ni) könnte daher recht gut altägyptisch sein, da nach Horapollo (I, 21), den Denkmälern und dem Koptischen vovv oder vov den Nil*) oder abyssus überhaupt bedeutet. Ueber r als Vertreter des l habe ich schon oben gesprochen und werde weiter unten darauf zurückkommen.

exi und ebsi. Diese beiden Doppelkonsonanten, dem J und xp entsprechend, finden sich natürlich im Altägypti- schen nicht; sie sind ja auch im griechischen Alphabete eine ziemlich späte Erscheinung. Aber J nimmt die Stelle des samech ein, dessen Name {oiyfia) das alte odv yer- drängt hat, und es fragt sich daher, welches hieratische Zeichen dem alten Samech entspricht Lässt man vom samech der Quadratschrift die Basis weg, so entsteht ein Zeichen, das dem hieratischen siphon genau entspricht und sich dem aramäischen samech auflfallend nähert. Anderer^ seits wird das hieratische Zeichen zu dem sogenannten nXdxafjtog oder S neben 2. Auf einen ähnlichen Vorgang weist der Gebrauch eines Schluss0/yji*a g neben a, so wie unser langes f neben s.

s. Für den 5-Laut verwendeten die Kopten das afyfm lunatum (C) unter der Benennung sima. Es scheint, dass die graphische Verwandtschaft des G mit dem c'ima auch

9) Mit Hinznfagung von hei (her = superior) wird daraus Nuhel, Nahal, N^iXos. i

Digitized by

Google

Lauih: Der ägypt Ursprung unserer Buchstäben etc. 95

die Namensformung beeinflusst hat. Hier will ich nur noch darauf hinweisen, dass der Vorschlag eines Vokales vor Sibilanten am Anfange eines Wortes, wie er im Koptischen so häufig erscheint, auf eine alte Gewohnheit zurückgehen könnte, nach der wir den Buchstaben ebenfalls es, nicht se zu benennen pflegen.

0. Dem semitischen Ain (Oin) y entspricht in Trans- scriptionen von Namen constant der ägyptische Arm, dessen Biegung am Ende zu der runden Form unseres o geführt hat Das Wort äni, dem hebr. yy entsprechend, erscheint mit der nämlichen Bedeutung (Auge) schon sehr frühzeitig. p. Alle Formen des semitischen pe entstammen dem hieratischen Bilde der Matte, besonders wenn* man das Kephuloth-j) berücksichtigt. Es ist nicht ein conventionelles Bild des Himmels, wie ich selbst früher*^) mit Anderen angenommen hatte, weil jpe (im Koptischen „der Himmer*) durch seine Gestalt an das 17 der Griechen erinnert, sondern ein Geflecht mit Abtheilung in der Mitte, wie man es unter den Bast arbeiten noch antriflFt. Der homophonisch dafür eintretende Vogel mit ausgebreiteten Flügeln wurde dem hieratischen &a- Vogel zu ähnlich, als dass nicht daraus schon in uralter Zeit Verwechslungen entstanden sein sollten. Ueber die nach pe folgenden aade und qoph vergleiche man das oben Gesagte und das weiterhin unter c'ima Beizu- bringende.

ro. So nennen die Kopten mit den Griechen (^(o) den dem semitischen resch entsprechenden Buchstaben. Es ver- dient gewiss Beachtung, dass der Mund, dessen Bild die Hieroglyphe und das daraus entstandene hieratische Zeichen darstellt, im Koptischen noch ro heisst. Ueber die graphische Verwandtschaft dieses Buchstabs habe ich oben gesprochen,

10) Ulliversal-Alphabet p. 61.

Digitized by

Google

96 SiUfung der phOos.'phildl, Clasie vom 1, Juni 1867.

ebenso über die gegenseitige Vertretang yod { und r. Im Demotischen wird der Löwe, als einfacher schräger Strich gebildet, auch zur Bezeichnung des Wortes re (pars) ver- wendet und erzeugt zuletzt den Bruchstrich, dessen wir uns fortwährend bedienen, wie denn auch ein hieroglyphisches = ist.

t. Der Name tcw wird von den Kopten däu lautirt, woraus aber gegen die ursprüngliche Geltung des t als einer tenuis nichts gefolgert werden darf. Denn das hiera- tische Zeichen, welches ich dem n gegenübergestellt habe, entspricht diesem palaeographisch und phonetisch zu r^el- mässig, als dass man ihrer Identität zweifeln dürfte. Mit den sonstigen Uebergängen in verwandte Dentalen habe ich mich hier nicht zu befassen, nachdem ich oben unter ÜUda das Nöthige beigebracht habe. Dass Thav nicht das Kreuz bedeutet hat, wenigstens nicht im Aegyptischen, und dass es daher nicht nothwendig den Schluss bezeichnet, um, wie man gemeint hat, die Signatur des Alphabet-Erfinders vor- zustellen, lehrt ein Blick auf das betreffende hieratische Zeichen. Es scheint eine Art Beutel zu sein, und dann liesse sich das koptische thevi (loculus) zur Erklärung bei- ziehen.

V. Das V xpdov benennen die Kopten he, wohl nur dess- halb, weil v als Anlaut im Griechischen nie ohne den Spi- ritus asper auftritt. Dass v ursprünglich die Lautung u gehabt, beweist die Stelle dieses Buchstabs im lateinischen Alphabet hinter ^, nicht minder aber auch die sprachliche Analogie, wonach u zu ü {v) wird, so dass man dann geuöthigt ist, aus o -f t; = ot; sich ein neues Zeichen für den U-Laut zu formiren. Dieses nahmen die Kopten mit dem griech. Alphabete herüber obgleich ihre einheimische Schrift ein eigenes and einfaches Zeichen für den u-Laut gehabt haben muss, da er noch im koptischen Lexikon statistisch der häufigste Vokal ist. In der That zeigen die altägyptischen Wärter fast

Digitized by

Google

Lauih: Der ägppt, Urspnmg unserer Buchstäben etc. 97

sämmtlich den Vocal u und zwar unter der Gestalt des Pharaonenhühnchens, wie ich schon früher ^^) behauptet hatte. Vergleicht man nämlich die hieratische Form dieses Vogels mit V und Y, so wird die grosse Analogie derselben einleuchten. Wie es gekommen, dass dieser Vokal aus dem semitischen Alphabet verschwunden ist und in dem akro- phonischen Psalme durch eine Wiederholung des pe nur schwach angedeutet ercheint, habe ich ebendaselbst erörtert: die nahe lautliche Verwandtschaft mit dem Faf (ßav) be- wog dazu ; sie ist auch Schuld, dass wir dem v noch immer den Namen vcm beilegen.

Ueber phi^ chij ebsi (xf)C) und £ fAiya brauche ich hier nichts zu sagen : ihre graphische Entstehung durch Differen- zirung, Entlehnung der Zahlzeichen oder Verdoppelung habe ich im Universal-Alphabete zur Genüge behandelt. Es ver- stdit sich Ton selbst, dass wir die Prototype dieser Buch- staben nur im semitisch-griechischen, nicht aber im alt- ägyptischen Alphabete zu suchen haben.

Es folgen nun die sieben letzten Buchstaben des kopti- schen Alphabets, d. h. diejenigen, welche, weil specifisch ägyptische Laute vertretend, die das Griechische nicht be- sass, aus dem einheimischen Alphabete entnommen wurden. Wie sicher man hiebei verfuhr, beweist am besten das zu- nächst folgende schei. Die Griechen hatten diesen breiten Zischlaut aufgegeben, aber das dorische odv^ das später als inCörjiiov für 900 verwendet wurde, was ist es anders als V? Die Kopten griffen auf ihr sehet zurück, weil sie ein Zeichen für diesen in ihrer Sprache so häufigen Laut nöthig hatten, gerade wie Gyrillus für die slavischen Idiome das hebräische schm entlehnte. Dass dieses slaviscbe seh an Gestalt dem koptischen schei so identisdi ist, rührt daher^

11) Üniversal-Alphabet pag. 17. [1867. n.i.]

Digitized by

Google

98 SiiMm^ der phaot-^phihL OUuse omi 1. JmU 1367.

weil auch das semitische sch^ wie das koptische, aus dem hieratischen entDommen war. Dieser Bodistabe bildet dnen starken Beweis für die Herkunft des phoenikischen Alphar bets aus dem ägyptischen.

Nicht minder das nun folgende fßi. Ans der gehäm* ien Schlange {xßqdawrjg) entwickelte sich ein hieratisdieB Zeichen, welches dem Faf (>), dem sogenannten Digamma (richtiger Bav)^ dem lateinischen jP, dem ronisdien /e^ ebenso za Grunde liegt, wie dem koptischen fei. Dagegen iet der nächste Buchstab, nämlich das chei (khei), zum Ausdrucke der starken Aspirata gutturalis bestimmt , t<» %l etwas verschieden, und da die Aspiraten sich auch im Griechischen erst spät entwickelt haben, auf das ägyptiedie Sprach- und Schriftgebiet eingeschränkt gewesen. Hier aber treffen wir das Zeichen in doppelter Geltung: als Buchstab und als Zahlzeichen fGr 1000 mit der Lautung scho, ako sibilirt. Auch palaeographisch erleidet es in letzterer Be- ziehung eine grössere Veränderung, sobald die Zahlep 2000—9000 dadurch ausgedrückt werden. Aber als Buch- stab hhei ist es fast unyerändert aus dem ägyptisdien ia das koptische Alphabet übergegangen.

An dieses hhei schliesst sich h mit dem Namen Aori Es ist vorderhand noch zweifelhaft, ob das koptische hon aus der maeandrischen Figur oder aus dem sogenannten Stricke sich entwickelt hat; vielleicht verhilft uns in der nächsten Abtheilung sein Name auf die richtige Spur.

Nunmehr kommen zwei Quetsdilaute: djandja und c'tma. Ihre nahe Verwandtschaft wird durch ihren häufig^i Wechsel nahe gelegt; da£S aber ursprünglidi eine grössere Verschiedenheit zwischen beiden bestanden hat, beweisen die älteren Inschriften, wo ihre Prototype niemals wechseln. Es ist nämlich die Hieroglyphe, aus der das djandja entsprun- den ist (Champollion übersetzt den Namen mit „Demoiselle de Nubie*') der constante Vertreter des. eade. Aber palaeo-

Digitized by

Google

Lauih: Der ägypt üraprung unserer Buchstaben de. 99

graphisch ist aade, besonders in seiner Eephuloth-Form y^ die Schlange (djalfi) ^ welche als Homophone für eben jenes djandja, sowie für das oben erläuterte Prototyp des sajin einzutreten pflegt. Erst in der jüngsten Epoche steht bisweilen, z. B. gerade in dem Namen der Schlange (djatfi) der Anladt & (c'atfi), aus welchem ursprünglichen K-Laute, wie im Italienischen, der Quetschlaut geworden ist. Daraus erklären sich alle gegenseitigen Yertauschungen in befriedi- gender Weise.

Den Schluss des koptischen Alphabets bildet das dei^ ein Sylbenzeichen, analog dem thav des semitischen Alphabets, aber durch seine Syllabität auf den alten Cha- rakter des ägyptischen Alphabets als eines Sy Ilabariums noch deutlich hinweisend. Die Aussprache di, welche Tuki dem Zeichen giebt, wird jetzt allgemein angenommen gegen die frühere ^, welche aus der unrichtigen Annahme einer Ligatur aus T + I entstanden war. Dieses Sylbenzeichen di ist das nämUche, von welchem Diodor (III, p. 101 Steph.) spricht mit den Worten: „vwy S^dxqfunriQioav 17 fi^v is^^d vodg dcaavXovq ixrerafiävovg ^%ov(ia arjfux^vei ßCov no» Qiüiiov''. In der That bedeutet di (früher da) beständig darCj oder vielmehr iiiövcu und TU^^vai zugleich , wie ja auch das lat. do beide Bedeutungen enthält (z. B. in ab- flcondo).

Mit der Annahme des griechischen Alphabets haben also die Kopten nur ein uraltes Eigenthum ihrer Vorfahren wieder an sich gezogen und mit den nöthig gewordenen Zu- sätzen aus eigenem Schatze versehen, sich daraus ein Al- phabet gebildet, das auch uns bedeutsame Winke für das gäyptische Alterthum gibt.

Digitized by

Google

100 Sitzung der phüos.-phildl. Glosse vom 1, Juni 1867.

Indem ich nunmehr zur Beantwortung der Frage über- gehe, ob die alten Aegjrpter ein Alphabet, wenn auch vor- erst nur in dem Sinne eines Syllabar's, gekannt haben, ver- hehle ich mir die Schwierigkeiten des Unternehmens keines- wegs, üebrigens dürfte der Umstand, dass uns zuletzt sieben Buchstaben mit Eigennamen begegnet sind, ein günstiges Vorurtheil für die bejahende Entscheidung bilden. Von dem letzten Zeichen dei ist es gewiss ^ dass es der alten Schrift entnommen ist; nur der Punkt bleibt zweifel- haft, ob zur Zeit der Entlehnung des gi-iechischen Alphabets durch die Kopten die media dentalis nur noch mit dem in- haerirenden Vocale i vorkam, oder ob sie auch sonst noch gebräuchlich war. Der auf speciell griechische Wörter ein- geschränkte Gebrauch des ^ {<i) beweist, dass ein da, de^ dOj du nur in dem Sinne gelten konnte, als sie, wie vav zu daUy von der Tenuis zur Media gesunken waren. Weit entfernt also, dass die koptische Sprache der Media entbehrt hätte, besass sie dieselbe sogar in grösserem Umfange, als das Altägyptische. Um die verwickelten Erscheinungen des Wechsels der Dentalen etwas besser zu begreifen, darf man auch nicht vergessen, dass sich frühzeitig dialektische Ver- schiedenheiten ausgebildet hatten, so dass z. B. dem the- banischen (sahidischen) p, k, t oft ein memphitisches g> %, -& entspricht, während die baschmurische Mundart dem r der beiden andern Dialekte fast regelmässig ein l gegen- überstellt

Es wird uns jetzt vielleicht der Name hori etwas ver- ständlicher werden. Unter den Neuem hat Lepsius") dieses hari auf den Namen des Horus gedeutet und Adi war früher selbst^') geneigt, diess anzunehmen, weil auch

12) Zwei spraohvergleichende Abhandlangen p. 68.

13) Universal-Alphabet p. 168, 169.

Digitized by

Google

Lauth: Der ägypt Ursprung unserer Buchstaben etc. 101

im Aethiopischen der erste Buchstab h&i heisst. Allein ich yerhehlte mir nicht, dass im Armenischen das Alphabet mit aib oder ipe beginnt, welches zu nahe an den von Plutarch als ersten Buchstab des ägyptischen Alphabets genannten Ibis anklingt. Allerdings treffen wir den Namen Horus auch phonetisch geschrieben, aber meist wird er durch sein Sym- bol, den Sperber^ vertreten, der nicht zu den alphabetischen Zeichen gehört. Ich glaube desshalb, dass wir, wie beim (7ei, den Namen hori als das nomen proprium des Zeichens selbst zu betrachten haben. Unter dieser Voraussetzung bietet sich das in den koptischen Compositis Äre-schi, (tor- ques) eigentlich funis mensurae und aschie-Am (catena) eig. longitudo funis erscheinende hrei als passendes Substrat für das strickartige Zeichen, aus dessen demotischer Form sich das koptische hori leicht entwickeln mochte.

Halten wir diesen Gedanken fest, dass die Namen der Zeichen von der bezeichneten Sache hergenommen wurden, 80 wird sich jetzt auch cHma erledigen. Im Koptischen be- deutet c^oome tortum esse und wirklich ist der Henkel- korb, das Prototyp des Buchstabs c'ima, ein Geflecht, ge- rade wie der Halsschmuck nebt (nebti = implexio filorum, opus contextum) dargestellt wird, der bekannUich die Sylbe neb in Nexraveßcig ausdrückt. Dieser Parallelismus gereicht dem c'ima zu einiger Euipfehlung.

Schwieriger ist die Herleitung des Namens djandja. Die „demoiselle de Nubie*' kann natürlich nicht befriedigen. Der Gegenstand selbst, den die Hieroglyphe vorstellt, scheint ein Gewächs zu sein, das sich aus einer Ebene mit Seitenlappea erhebt. Sonderbarerweise klingt hier das C^C^cviov (lolium) yerführensch an, und wenn auch das nämliche Kraut im Koptischen entedj (djentedj) lautet, so wäre es immerhin denkbar, dass CiC^'^^ov für ein älteres C<^vCiov stünde, wel- ches dem djandja sehr nahe kommt.

Das mit diesem djandja homophone c^atfi (Schlange), das

Digitized by

Google

102 SitMung der phOos^-phtM, dasae wm 1, Juni 1867.

Vorbild des semitischen actde^ erscheint im koptischen Al- phabete nicht mehr, theils weil es durch djandja schon Yor- treten ist, theils wegen seiner partiellen Ersetzung durch jrida (f^a).

Der Name fei für die gehörnte Schlange (xs^danjg) ist mir Im Demotischen ^^) und zwar in der Verbindung sechi en fei = fei (bilis) serpentis**, unter der Reduplicatiy- form fetfet **) als Variante zu c^atfi und hofi {pg>^) begegnet. Die nasalirte Form, welche die häufigste ist, lautete fewl (vermis). Alle drei Gruppen sind durch die gehörnte Schlange determinirt. Es scheint mir daher, dass der ältere Name dieses Buchstabs fent gewesen ist.

Das schei stellt eine mit Blumen und Knospen bewach- sene Fläche dar. Da nun scM und scM planta und hortus bedeuten, so brauchen wir nach einem andern Etymon nicht weiter zu suchen.

Eben so sicher ist Ichei (chei) eine Pflanze mit riegel- haubenartiger Biüthe. Der Umstand, dass dieses Zeichen, wo es für die Zahl 1000 gebraucht wurde, in die Sibilation übergetreten ist {scho = mille), während es als Buch- stabennamen constant hhei lautete, bestimmt mich, es in dem so häufigen hhaui (vegetabile) wieder zu erkennen, welches in den ägyptischen Kecepten, besonders bei der Summirung der Ingredienzien, regelmässig getroffen wird.

Sind die bisherigen Ableitungen der Namen aus den bezeichneten Gegenständen nicht von der Hand zu weisen, so wird es nunmehr gestattet sein, die Gesammtheit der phonetischen Hieroglyphen nach Art eines Alphabets mit ihren Eigennamen vorzuführen. Ich befolge hiebei immer noch die koptische Ordnung.

14) Papyr. gnost. Leydens. col. XVII.

15) Todtenbuoh cap. 154 col. 8.

Digitized by

Google

LamÜki Der äjffj^. Ursprmng umenr BucMabm etc. 103 .

0. ä. Das Rohrblatt ahi (kopt. ake = calamas) zur BezeidmuDg des kurzen Uryokales, das Prototyp des dcurdi Verdoppelung daraus entstehenden i. Ich habe ihm dess- halb keine eigene Nummer gegeben.

1. ä. Der Falke atrodj, oft durch das Rohrblatt ein- geleitet: äi.

2. b. Der jBcT- Vogel, als dessen Vertreter und £in*> leiter oft das Bein, manchmal auch der Hauswidder (bor em-pe) erscheint. Von den in der jüngeren Epoche auf- tretendai Varianten für diese und andere Hieroglyphen ist hier nicht der Ort zu handeln. Ich habe in einem Auf- satze ^^ gezeigt, dass sie einer sehr alten aenigmatischen Sdiriftart entnommen sind.

3. g. Der Gegenstand gat^ in dem demotischen Texte der Inschrift von Rosette öfter für vaög gebraucht. Er könnte übrigens auch einen £imer^^) Yorstellen, und dann wäre das koptische Jcadji situla zu vergleichen.

4. d. Die Hand dod. Im jüngeren Dialekte^*) sogar zu dßdj gequetscht. So ist z. B. sim-en^gHg^ mit der grie^ chisdi sein sollenden üebersetzung N TAKT versehen, wel- ches man zu „sim N idanvXoq^^ zu eiigSnzen und zu ver^ bessern hat. Es ist nämlich die Pflanze Digitalis gemeint. Man sieht, wie dem koptischen Schreiber sein erstes ^ai = d lautete.

5. e. Die maeandrische Figur mit dem Namen Aa«) kopt hye = mansio.

6. dj. Der junge Adler mit der Aussprache dje («f if9V0Y6v9q\ dem sojin und eida entsprechend.

16) Zeitschrift f&r aegypt. Sprache und Alterthumswissenschaft. AprU 1866.

17) Wie Pap. d'Orbiney: „ein Eimer (gai) frischen Wassers", wo Chabas M^langes II, 245 „plat d'eau fratcbe" übersetit.

18) Papyr. gnost. Leyd. CoL YIII lin. 6.

Digitized by

Google

104 iSiUung der phüos.-phüol, CUisse vom i. Juni 1B67.

7. eh. Das Sieb oder der Rost eher (chera hei Kir- cher craticula).

8. dh. Dieser Laut wurde später fast immer gequetsdit, daher dhi (capere) zu dji ward und das Instrument dhi (forceps die Zange) im Koptischen zu edjo, edju, edjau.

9. i. Der Anlaut i kommt eigentlich nur in den zwei Zeitwörtern i(u) gehen und waschen* vor ; denn Wörter wie iuma = mare (Dl^) sind entlehnt. Aber eine Stelle des Todtenbuchs (c. 102,4) und ein geschichtlicher Text^*) bieten ein Substantivum iu^ determinirt durch die Aehre, ein Holz oder ein Gerüst. Da nun iot im Koptischen hör- deum bedeutet und die Soldaten das Doppelgewächs des i, wenn auch in symmetrischerer Ordnung, auf dem Kopfe tragen, so scheint dieses iu mit der Bedeutung insigne der Name des Buchstabs gewesen zu sein.

10. q (ng). Der Winket Kopt. Jcoh (kenhe, keldje)» Vergleiche weiter unter Nr. 25 c'ima,

IIa. l. Der Name lahi (Löwe) klingt noch im kopt laula nach.

12. m. Die Nachteule fntdag\ vielleicht ein Composi- tum mit dem einfacheren und älteren mu.

13. n. Die Wellenlinie mit der Lautung nu oder nutu

14. s. Entweder as der Sitz, oder die Stuhllehne, die im kopt. soi dorsum erhalten sein könnte, für das siphon- artige Zeichen. Für den Riegel sbe pessulus. VergL das Aethiop. sät.

15. 0. Die Phonetik des Armes ist noch nicht er- mittelt. Doch könnte oreb concludere, vergl. mit armt^, zu Grunde liegen.

16. p. Der mit pa oder pu bezeichnete Gegenstand^

19) Dümichen: Histor. Inschriften. Taf. V, col 62.

Digitized by

Google

Lau(h: Der ägypt. Ursprung unserer Buchstaben etc. 105

eine Art Matte aus Bast, könnte mit pars oder prisch storea zusammenhangen.

IIb. r. ro „Der Mund" hat offenbar dieser Buchstabe

17. t. Ich habe oben thevi loculus vermuthet. Der Halbkreis tritt sowohl für t, als (2, als die Aspiraten dh und th ein. Seine ursprüngliche Bedeutung noch unermittelt, vielleicht ihba tumulus.

18. u. Das Pharaonenhühnchen mit der Aussprache ui, vielleicht in ui „alere" educare des Koptischen der Wurzel nach bewahrt.

19—26. Die sieben oben ausführlich erläuterten Namen von scTiei bis dd. Da letzteres ein Sylbenzeichen , und l mit r homophon, so ergiebt sich die Zahl von 25 eigent- lidien Articulationen oder Buchstaben.

Die hier unabhängig gewonnenen Laute, 25 an der Zahl, werden sofort die Stelle Plutarch's *®) in das Gedächt- niss rufen, wo er sagt, „die Fünf (aber) bildet ein Quadrat (25), so gross als die Menge der Buchstaben bei den Aegyp- tem ist''. Man^hat dieses Zeugniss auf das Alphabet der christlichen Kopten bezogen, ohne zu bedenken, dass der Schriftsteller diese Zahl von 25 Buchstaben mit den Lebens- jahren des Stieres Apis, also eines heidnischen Götzen, zu- sammenstellt. Auch zeigt das kopt. Alphabet 31, nicht 25 Buchstaben. Nach meiner oben gegebenen Untersuchung wird man daher um so geneigter sein, die Stelle Plutarchs auf das altägyptische Alphabet zu beziehen, als ohnehin

20) De Ib. et Osir. c. 56. Vergl. mein Univ. Alphabet p. 167.

Digitized by

Google

1«6 SiUnmg der phüeß.^phOöl. dme vom i. Jwd ia$7.

ausser den 25 pkoaetischen Hiero-glyphen meines Verzeichnisses keine weiteren Zeichen Yorkommom die man eigentliche Buchstaben nennen könnte. Hatte Champollion noch mehrere Hundert angenommen, so wurde diese Ueberzahl durch Lepsius'^) auf ein beschei- denes Maass zurückgeführt. Wenn aber dieser Forscher und andre Aegyptologen in neuerer Zeit die altägyptiscbea Articulationen auf 16 oder 15 reduciren, so kann i<^ aus obigen Gründen ihnen nicht folgen'*).

Hiemit ist die Frage, ob die alten Aegypter ein wirk* liches Alphabet gekannt haben, so ziemlich in affirmativem Sinne entschieden, selbst wenn man die Herleitung der phoenikischen Zeichen aus den hieratischen nicht gelten lassen wollte. Mit der Existenz des Alphabetes ist aber zugleich eine gewisse Ordnung der Budistaben bedingt Ks erhellt diess zunächst aus einer andern Stelle Plutarch's*'), wo er sagt, dass y,die Aegypter dem Hermes (Thod) als dem ersten Erfinder der Schrift zu Ehren den Ibis (sein Symbol) als ersten Buchstab schreili)en'^

Diese Worte haben eine mehrfadie Auslegung erfiahren. Birch, der verdienstvolle Aegyptologe '^), erklärte sie aus der Schreibung des Wortes (wh (kopt. ioh) Lunus, wie der Gott Thod so häufig genannt und alsdann mit einer Mond- scheibe oder Mondsichel auf seinem Ibiskopfe ausgezeichnet wird. Jenes ädh wird geschrieben mit Rohrblatt Arm Kette. Allein das ist nicht der Name des Ibis. Ueberhaupt ge-

21) In seinem Briefe von J. 1887 an Rosellini in dem Bnlletino.

22) Aehnlioh hatte man frfther das nordischa Futhork von 1% Bnnen f&r älter gehalten als das von 24, bii ich den entgegea- gesetzten Sachverhalt anfiseigte.

' 28) SympoB. IX. 8.

24) In seiner Introdnotion to the stndy of hierogl. Anhang zu Wükinson's „Egypt in the ttme of the Pharaoks*^

Digitized by

Google

Lauth: Der ägypt. Ursprung unserer BuchiUihen eie. 107

h5rt der Ibis nicht zu den phonetischen und alphabetischen, sondern zu den symbolischen Hieroglyphen. Dazu kommt, dass die Auffassung des ägyptischen Hermes als einer Mond* gottheit (Lnnus) sich nicht sehr hoch in^s Alterthum zurück verfolgen lässt. Auch aus diesem Grunde muss man also den äah als ersten Buchstab aufgeben.

Die zweite Ansicht, welche H. Deveria aufgestellt hat, bezieht sich auf die hieratische Schreibung des Ibis, näm- lich mittels eines Zeichens, das dem hieratischen Rohrblatte identisch zu sein scheine. Sie kommt der Wahrheit sdion um desswillen näher, weil wir bisher die hieratischen Zeichen massgebend gefunden haben. Deiyinach würde also Platarch entweder gesagt haben: „Das Alphabet beginnt mit dem Rohrblatte, welches die Lautung a hat'*, oder: „An der Spitze des Alphabets steht der hieratische Ibis'' ob aber als Buchstabe? Wenn irgendwo in einem Texte das ägyptische Alphabet als solches aufgeführt wurde, so igt kein Zweifel, dasa es als Erfindung des Ibis-Thod dar* gestellt wurde, der ja beständig „Herr der göttlichen Worte'^ betitelt wird.

Eine dritte Ansicht hat neulich'^) H. Mari et te ver- deutlicht. Er entdeckte nämlich am Tempel zu Denderah eine Art Litanei an die eponyme Gottheit Hathor, deren Prädikate in dem bekannten bombastischen Style in ein- zelnen Reihen von Gruppen aufgeführt werden, je mit an- derem Anlaute versehen. Die Ordnung nun, in welcher diess gesdiieht, ergiebt folgende 16 Budistaben:

t s 0 u V f h a p m n ch h n 8ch b

Damit man nicht wieder meine, die alte Hypothese von einem IGtheiligen Uralphabet erhalte hiedurch eine neue Stütze, bemerke ich, dass h und n sich wiederholen, sowie,

25) Revue aroh6o1. Arril 1667.

Digitized by

Google

108 Sitzung der philos.'phüol. Glosse vom 1. Juni 1867.

dass wesentliche Buchstaben, wie: l r s Je i etc. fehlen. Es scheint also, auch mit Hinzunahme der folgenden Columnen, die nach Mariette keine durchsichtige Ordnung mehr dar- bieten, kein eigentliches Alphabet beabsichtigt zu sein, sondern nur eine Reihe von Alliterationen, welche jia€ür- lich indirekt für das Bewusstsein eigentlicher Buchstaben zeugen. Um nun wieder auf den Ibis als Anfang der Buch- staben zurückzukommen, so meint Mariette, der Umstand, dass der erste Anlaut ein t sei, lasse sich auf obige Stelle Plutarch's beziehen. Dass der Ibis Taaud lautirt werden konnte, beweisen die vielen Eigennamen, in denen der Name 0(ov& als Gräcisirung des Ibis erscheint. Allein diese An- sicht entfernt uns wieder zu weit von dem Wortlaute der Stelle rc5v ygafifiartov ÄifiTtttoi, TtQcSiov Ißiv yqdqtovO^j da ein Buchstabe, nicht ein Name damit gemeint ist. Wollte inan zweifeln, ob Plutarch überhaupt von einem Al- phabete spreche, so belehrt der weitere Zusatz ovx oQ'&cSg xarä y€ tijV i/xrfv d6^cev, dvavdfp xal d^^oyyfjji nqoed^iav iv YQdfifiaaiv dnodövrsg^ dass es sich um den Vorsitz unter den Buchstaben, also um eine alphabetische Reihenfolge handelt. Mich wundert, dass Mariette sich nicht auf die 6 (7) Zusatzbuchstaben des koptischen' Alphabets berufen hat, da dieses ckei und hori benachbart zeigt, wie die Akro- phonien der Hathor. Freilich beweist dieser einzelne Fall nichts und andererseits sind ja auch sonstige Verwandte, wie 0 u f V, h a^ m, n, zusammengruppirt. Dass t und s beisammen stehen, deutet wenigstens auf physiologisches Verfahren *•).

Die phonetische Schreibung des Namens Taaud ^'') (en

26} Wie ich es im Üniversal-Alphabet p. 54 lin. 1. and 2. von unten, ausgfesprochen habe.

27) Bnigsch Geogr. I Nr. 580 verglichen mit 541—548.

Digitized by

Google

Latdh: Der ägypt, Ursprung unserer Buchstaben etc, 109

Poabs) ist bis jetzt nur ein einziges Mal getroffen worden. Ich habe diesen Namen zuerst mit dem semitischen H? cor, Thaddaeus' = Lebbaeus identifizirt, nicht nur, weil die Be- deutong ,,Herz'' als der Sitz der Intelligenz nach Orientalin sdier Anschauang, zusagt, und so das „Taautes Phoenix litteras invenit^* bestätigt, sondern weil die Alten einstimmig dem Ibis in einer gewissen Stellung, Aehnlichkeit mit einem Herzen zuschreiben. So sagt HorapoUo I, 36: Ka^dCav ßovXofievo^ YQdyeiVy Iß^v ^(äyqa^ovOt' rd ydq ^wov ^JSQfiiJ fxsüara^y ndarjq xaqdiaq tuxC XoyiCfAOv SeGnoTrjy insi nal rj Iß^q avTo xa&* avrd Tg xaqdCtf iorlv ifAg>€Qijg' ne^l ov Xoyoq iorl nXeiotog naq JlyvTtzioig ^eQofievog^^). Neuere Legenden, die man gefunden, bestätigen, ausser den herz« förmigen Mumien der Ibis, durch die Phonetik selbst die Nachricht der Alten in dieser Beziehung. Herr Plejte hat nämlich statt der gewöhnlichen Gruppe het (cor) mehrere- mal ab angetroffen und ich habe^*) den Namen der Stadt Athribis auf Grund dieser Wahrnehmung nach allen seinen Bestandtheilen zu erklären vermocht. Während nämlich das Etymologicon magnum den vofidg ^A^Qißijg wegen seiner Lage inmitten des Delta mit xccqita übersetzt, zeigt die hierogljrphische Schreibung die Gruppe Hat-to-her-ab „Haus des Landes der Herzensmitte^S woraus "A^Qißilg entstan- den ist. Hier haben wir bereits den Uebergang des- a&, mit dem vagen Vocale des Rohrblattes geschrieben, in t&, woher ihis und damit zugleich einen Beleg für die Gleich- ung Rohrblatt = i.

28) Anch Aelian. I o. n. die Schollen zu Platon's Phaednu p. S56 sprechen von der herzförmigen Gestalt des Ibis.

29) In einem fOr die aegyptologische Zeitschrift bestimmten Aufsätze.

Digitized by

Google

110 Sitzung der phüos.-phüoL Clane wm 1. Jmm 1897,

Aber der constante Name des Ibis lautet hab(%i) (mäan- drische Figur, Aar, Bein) was nicht befremden kann, wenn man bedei^t, dass das Rohrblatt selbst aake (an zweiter Stelle mit dem Aar geschrieben) lautete, und dass die Ad- spiration des maeandrischen Zeichens eine sehr gelinde, ein wirklicher Spiritus lenis war, wesshalb es in die semitischen Alphabete als Ae, in das griechische als I überging. Ein Zusammenhang beider Wörter ist also sehr wahrscheinlich und als Verbalwurzel habe ich früher schon'*) das so häu- fige ab vermuthet, dessen Verwandtschaft mit dem latein. avere und . npX (velle , cupere) jetzt yielleicht nicht mehr beanstandet wird. Ich war eine Zeit lang geneigt, in diesem hahu^ ah (Ibis, Herz) eine Bestätigung für das System meines Universal- Alphabetes zu erblicken, welches mit Spi- ritus lenis und ürvokal, als den Vertreten! der (Konso- nanten und Vocale, beginnt. Damit ich mir aber nicht den Vorwurf der Rechthaberei zuziehe, muss idi schliesslich noch einer andern Möglichkeit gedenken, das Plutarchische Uns- zeichen an der Spitze des ägyptischen Alphabets zu er- klären.

Der ägyptische Hermes heisst bekanntlich TQigj^ufwog^ in der Inschiift von Rosette f*^g xal /läyag. Das Cap. 125 des Todtenbuches, ein sehr wichtiges und sehr altes Haupt- stück dieser Sammlung, führt den Gott Thod coli. 61, 62 mit den Worten ein : „Nicht lasse ich dich (den Verstorbenen) passiren duich meine Wacht, bevor du genannt mir meinen Namen". Der Verstorbene sagt hierauf: „Kenner der Hersen, Prüfer der Eingeweide (Leiber) ist dein Name**. Man fragt ihn weiter: „Wer ist der Gott in seiner Stunde, welcher ist es?*' Die Antwort lautet: „Der Gott in seiner Stunde, den du genannt hast, ist der Grosse (tennu) der beiden Welten.^

80) Manetho und der Toriner-Eönigspapyras pp. 46, 63, 64.

Digitized by

Google

L<mäh: Ikv^ ägypt, Tfinp¥%m§ w^senr Budkstahen etc. HI

„Wer ist der Grosse der beiden Welten?" „Es ist TAorf" (geschrieben mit dem Ibis). Die demotische Redaction dieses Capitels, welche die Bibliotheque Imperiale zu Paris® ^) be- sitzt, bietet unter vielen andern werthvollen Varianten statt des Wortes fenwM das Wort oa, dessen Bedeutung gross längst erhärtet ist. Femer heisst Thod in den bilinguen Rhind-papyri, im Papyrus Senkowsld und in vielen anders Quellen A^tenmu „der grosse As." Damit wir wegen der Vieldentigkeit des Wortes as nicht lange zu suchen brauchen, erinnere idi an das kopt. as antiquus, woher auch Isis nadi Diodor als naXatä erklärt wurde und an die Stelle Horapollo's 1,30: 'Aqxaioyovlav dk yqäqiOVTsqj nanvQOv t^yqa^oviH SäCfAfjv, Also eine Papyrusrolle bedeutet dqxcci^oyovCal In der That erscheint das Rohrblatt und der Siphon(aÄ), womit jener Name As-(tennu) geschrieben wird, häufig mit dem Deut- bilde der Papyrusrolle, um den Begriff alt auszudrücken, so z. B. in der „Bauurkunde von Denderah",**) wo gesagt wird, dass „derürplan von Anet (Denderah) gefunden wai*d in alter Schrift". Eine solche Papyrusrolle hält aber der Gott Thod als beständiges Attribut in seiner Hand, und so (mag denn) As-tennu ihn als den „grossen Alten" bezeichnen. Daraus wärde auch sein hieratisch es, dem Rohrblatte gleiches Siglum, vielleicht als Abkürzung des Namens Astennu er- klärlich werden. Thatsächlich steht das hieroglyphische Rohrblatt a mit dem Zeichen für Gott über dem Ibis;^') also ist das eigentliche a der Anfang des Alphabetes, nicht das Siglum des Ibis. Die Stelle Plutarch's veihilft uns somit, wegen ihrer Vieldeutigkeit, höchstens zu der Wahrscheinlidikeit, dass der leichte Vokal a den Anfang des ägyptischen At-

31) YergL Bragsch.: DemotiBche Urkunden Taf. YII.

82) Dümiohen Taf. XV coL 87.

88) Düiniehen: Ealender-Insohrülen Taf. 0X7111,2.

Digitized by

Google

112 8iUmng der phOos.-phüol, CUuse vtm 1. Juni 1^67.

phabets gebildet habe. Mariette's Akrophonien beweisen nur, was schon die altägyptisohen Wortspiele nahe leg^, dass die Aegypter das Bewusstsein alphabetisdier Zeichen hatten« Es fragt sich, ob uns keine andern Quellen za Gebote stehen.

Der gnostische Papyrus von Leyden enthält in Coli. XVIil und XX drei oder vier Alphabete, theils griechischen, (kop- tischen?) theils ganz willkürlichen Charakters. Sie scheinen, wie die bei den Ingredienzien im Texte angewendeten Zeichen, einer Geheimschrift anzugehören, wie ja auch die gnostischen Scarabäen solche Spielereien aufweisen. An ein altägyptisdies Alphabet ist dabei überall nicht zu denken , weil schon die Reihenfolge der übergesetzten Buchstaben beweist, dass man das griechische Alphabet geben wollte. Mehr Wichtigkeit dürfte der Papyrus Grey**) beanspruchen, wenn die auf seiner Vorderseite befindUchen 24 oder 25 Zeichen wirklidi ein demotisches Alphabet vorstellen sollen. Die Urkunde ist datirt vom 28. Jahre des Ptolemäus Philometor (118 V. Chr.) und das fragliche Alphabet beginnt rechts mit dem demotischen a (Aar) und schliesst links mit einem t^ so dass die Vermuthung nahe gelegt wird, als ob Aleph-Thav^ also wesentlidi das phoenikische Alphabet gegeben sei. Allein eine nähere Betrachtung lässt die Sache in einem andern Lichte erscheinen. Schon das zweite Zeichen gehört nicht zu den alphabetischen, sondern ist das Sylbenzeidi^i ru, Nr. ^, 4 und 5 entsprechen allenfalls einem jp, das 4. dem syllabischen to^ das 5. einem o (?), Nr. 7 einem 6, Nr. 9 einem jf, 10 einem &, 11 wie 2 = ru, dann folgen ziemlich deutlidi n, w, n^ ch (?), w, s, ch, f, a, n, A, a, t. Man sieht, dass sich mehrere Buchstaben wiederholen, während andere gar nicht vertreten sind, so dass also aus dieser

34) Young, Hieroglyphics pl. XXXIY.

Digitized by

Google

Lauih: Der ägypt Ursprung unserer Btuihstahen etc. 113

ZusammenstelluDg von Buchstaben sich keine Folgerung auf das altägyptische Alphabet ziehen lässt.

Gleichwohl dürfen wir an der dereinstigen Entdeckung des ägyptischen Alphabets auf irgend einem Denkmale oder in einem Papyrus nicht verzweifeln. Die Aegyptologie hat schon manche Ueberraschung gebracht, so z. B. die Phonetik der Zahlwörter im Pap. Leydens. I, 350, wovon ich weiter- hin noch zu sprechen habe. So gut nun in diesem Pocumente die Zahlen nach ihrer natürlichen Ordnung aufgeführt sind, ebensowohl könnte etwas Achnlich^s in Betreff der Buch- stabai stattgefunden haben. Ausserdem liegt die Möglichkeit nahe, dass die Aegypter ihrem Flange zum Symbolismus nachgebend, heilige Embleme zu Repräsentanten der ngcSza awoix^ta gewählt haben. Die Vignette zu Cap. 1 15 des Todtenbuches zeigt analog Schakal («), Ibis (ab), Sperber (teuk), Stier (Äa), Geier (cfliretui kopt.), die Locke (Äolk), die Doppelfeder, erinnernd an den häutigen Titel djauchni, Träger der Fahne, endlich die Adlermuune. Ich behaupte nun nicht, dass hiemit die ersten acht Buchstaben gegeben seien; denn eine Vergleidiung mit vollständigeren Listen dieser Embleme'*) würde den Versuch, obgleich 24 solcher auftreten, bald scheitein machen. Aber etwas Analoges dürften wir, unter der Aegide des Thod, irgendwo an- zutreffen erwarten.

Dass die Aegypter eine gewisse Ordnung der Buchstaben kannten und befolgten , möchte sich auch aus Folgendem ergeben. Das Berliner Museum besitzt unter andern einen griechischen Papyrus, der mit allerlei mystischen Figuren bedeckt ist und besonders den Vocalen eine geheime Wir- kung beilegt. Da die sieben Vocale des griechischen Alpha- bets darin erscheinen, so wird man nicht fehlgreifen, wenn

36) Z. B. Toong, Hierogl. U, 67. [1867. n.i.]

Digitized by

Google

114 Sitzung der phiU>8.'phüol. Gasse wm 1. Juni 1867.

man ihn als gnostisch bezeichnet; in der That ist darin von einer Zauberlampe (Ivx^^^) die Rede, gerade wie in dem demotischen Papyrns von Leyden gnostischen Inhalts. Ich setze die neun ersten Zeilen her, mit dem Bemerken, dass die Urkunde stellenweise zerrissen ist.

7ioc^OaQix(0g nqog waO€ av%a fjtrjwOt] Goi

QtjTtog X sirai Goi Kai Gv y

naoag Oov tag tQixag , . . rjvtjg xcu laßav $€fccxa xiQ

xaiov aTVoSwOov eig vrjg OVfu^aOav

X(o fi€V va Tixoi devOov avrov qocxs

axQCDTiOToog noOi avxovg ovvxag Oov Ow Taig

'd'Qi^i xai Xaßiov yQaq>€ avx ? o xsifieva

xai %i^€ig ccvTovg x^Qi^i xcu TOig ovv^ixca avanla^

Oov avTOV hßctvfo .... cuutp a €€ rjrjTj i$ii ooeoo

Man sieht, dass es sich um die Anbiingung magischer Charaktere handelt. Unmittelbar daran schliessen sich die zuletzt in arithmetischer Progression aufgeführten sieben Vocale noch einmal, aber in folgender Doppelfigur: a (0 €9 €0 ta a> (0 m

V V V vv V

riTjTj O O O 0 o

l $ $ l fii»

0 0 0 0 0 VW

V vv V V V

(o (o 00 w (a fa fo a

Begleitet sind diese Figuren von den Worten : xai laßmv %o faXa Ow TAo . . . vTi anoßl xsSqivov und anderen minder lesbaren. Es folgt: xai Xeys tov nqoxsififvov loyov, ver- bunden mit der oben Zeile 9 gegebenen arithm. Prog. der 7 Vocale und dann heisst es : fixe fwi aya'd^e FeaDqye txya^g « . . (UV aqns q>i, ßQiVTarTjvw^Qi^^) ßQiOxvXfuz xtqova

86) Dieser Name findet sich öfter im gn^st. Papyrus von Leyden.

Digitized by

Google

Lauth: Der ä§^ypt. Urspmnj^ unserer Budistaben etc. 115

lofs . . , giiv , . Tov fuxfMVfJUicfo^. r]x8 fioi ctywg ÜQ^en f i-

lASVog €v T<a ßeoQxodfjXe xcu xvhvSovfJtevog etc.

Diese Stellen, so wertblos sie sonst auch sein mögen, bestätigen doch im Allgemeine die Nachricht: iv Älyvm^ ii Mal Tot)s ^£Ot)g vfivoikU iid vcSv STVsd gHovtjäwwv,^'^)

Als ich Obiges zu Berlin 1863 copirte, war mein Uni- yersal-Alphabet bereits seit acht Jahren erschienen. Um so mehr war ich von der pyramidalen Anordnung der Buch- staben überrascht. Dass nur die Vocale in der Figur Ter- treten sind, erklärt sich zur Genüge daraus, dass diese Cha- raktere Yorschriftsmässig gerufen^^) werden sollten, was bei den Consonanten eben nicht möglich ist.

Aber auch die altägjptische Bezeichnung der drei Hauptvokale führt zu dem pyramidalen Systeme, wie ich es in meinem Universal-AIphabet zuerst aufgestellt habe. Es er- scheint nämlich als Vertreter oder als Vereinfachung des Rohrblattes a der senkrechte Strich | , für die Verdoppelung desselben der Doppelstrich, entweder schräg gestellt, um die Verwechslung mit der Ziffer 2 zu vermeiden, oder auch senkrecht 1 1 ; als beständiges Aequivalent des u der dreifache Strich III, so dass die drei Hauptvocale das Grundschema

|l|l| d. h. die pyramidale Figur prototypisch u. deutlich aus- drüeken. Nach der staticftischen Häufigkeit des Vocalesu im Aegyp-

87) Jabloneki Prolegg. p. LV—LIX.

88) Darauf beeiehen aioh wahrscheinlioli auch die 7 Hexame- ter CoL V:

'ÖQXiCiü n€<paXaue ^€ov onsQ €&tty OXvfinos 'OQX^i^a^ a<pQaxi&a d-sov on€Q koxi^ oqaaig

\)^inCa> xqffffiqa d-Bov nXavroy xore/oi^a X)^xiCti) d-ioy mtarioy aiawa re nayrofy 'OQxtiCio (pvaiy avTOfpmi xQatunoy Adüfyai(py) 'O^^Cio dvrayta xai ayisXXona EXumi{ay)

8*

Digitized by

Google

116 Sitgung der phOos.-phüol. CUuse vom 1, Juni 1867.

tischen könnte man den alten Aegyptern einen gewissen Labialismus eigenthümlidi finden, wie der Gutturalismas (a) den Semiten und der Gerebralismus (i) den Europäern eignet. Dieselben 1. 2. 3. Striche dienen auch zur Bezeichnung Yon Singularis, Dualis und Pluralis. Hiemitist der üeber- gang zu den eigentlichen Ziffern gegeben, von denen idi schliesslich noch Einiges beibringen will, um die üeber- Zeugung zu b^ründen, dass auch unsere sogenannten arabi- schen Ziffern aus Aegypten stammen.

Die aegyptischen Ziffern.'*)

Der senkrechte Strich, schon im Hieroglyphischen für die Zahl 1 (ua, auch unbestimmter Artikel) gebräuchlich, bleibt es auch im Hieratischen. Wird er verdoppelt und verdreifacht, wagrecht gelegt und durch Schleifung zu einem Ganzen gestaltet, so entstehen die Ziffern 2'(snau) und 3 (schomt). Auch die Ziffer 4 verläugnet diesen Ursprung aus Strichen noch nicht und man könnte behaupten, dass unsere vier ersten Ziffern eben so gut aus dem Chinesischen als aus dem Aegyptischen gezogen sein könnten« Das ent- sprechende Zahlwort für 4 lautet afdu.

Allein mit der Ziffer 5 befinden wir uns entschieden auf ägyptischem Boden. Der Stern, nach Horapollo und den Denkmälern für 5 gebraucht, und regelmässig mit 5 Strahlen dargestellt, wird hieratisch zu einer Figur, deren nahe Be- ziehung zur Ziffer 5 unverkennbar ist. In dem uralten Pa- pyrus Prisse z. B. wird in dem Worte sebait (Unterweisung) die erste Sylbe schon durch diesen Stern (Kopt siv) be- zeichnet. Wie es gekommen, dass das. Zahlwort 5 dennodi eine andere Wurzel darbietet, mag hier unerörtert bleiben; genug, dass dem koptischen Hu (quinque) entsprechend, der

89) Yergl. die Tafel B.

Digitized by

Google

Lawih: Der ägypt Ursprting unserer Biichstäben etc. 117

Pap. Leydens. I, 350**^) dafür die phonetische Gruppe tiau bietet Da nun auch die Hand (tot) vor der Zahl 5 als phonetisches Zeichen erscheint, so hatte ich doch Recht, in meinem Buche „les zodiaques de Denderah^' zu behaupten, da88 der Ausdruck teytero in* teyt-hro zu zerlegen und auf die fünf Epagomenen zu deuten sei. Wird nicht auch pantscha {näijuis) von Einigen als Hand (mit fünf Fingern) auigefasst?

Die Ziffer 6 findet sich so, wie wir sie haben, im De- motischen; das hieratische Zeichen hat gewöhnlich noch zwei Striche daneben , zum deutlichen Beweise, dass diese Ziffer aus 2X3 Strichen zusammengesetzt gedacht wurde. Ihre Phonetik war sas und sasch (sex, schesch). Bei der Ziffer 7 sehe ich mich genöthigt, von Lepsius und Pleyte in der Er- kläruog abzuweichen. Letzterer nimmt nämlich an, der in den Hieroglyphen dafür eintretende Kopf en profil sei eine irrthümliche („fautive^O Transscription des hieratischen Zeichens. «Allein unter dieser Voraussetzung müsste man den Irrthum fast als Regel erklären, da der Kopf für 7 so häufig getroffen wird. Mehrere Stellen beweisen, dass die hieratische 7 eben so gut als der hieroglyphische Kopf mit dieser Zahlbedeutung auf einer altägyptischen Anschauung beruht, wonach dem Kopfe sieben Mündungen (ro) zuge- sehrieben wurden, wohl keine andern als Augen, Ohren, Nüstern, Mund. So beisst es im Pap. Leydens L 345 6 3: seine 2 Lippen, welche zum Sprechen; seine 2 Augen, welche zum Sehen; die Siebenheit der Mündungen seines Kopfes'^ Die nämlichen 7 ouvertures de la tete b^egnen uns in den Rhind-papyri V, 6^^). Mit der Phonetik des

40} Von Herrn Goodwin (Zeitschrift für Aegyptologie 1864) su- erst in seiner Wichtigkeit far die Zahlwörter erkannt Vgl. in denelben Zeitschrift Pleyte 1867, 1—3. Heft.

41) Tgl. Bmgsoh: Mat^riaox p. 51.

Digitized by

Google

118 S^ung der ph%lö8,-phfldk Ctaese vom 1. Juni 16ß7.

Zi^wortes liat dieser Kopf niohts zu schaffen. Die Biblio- Uieksgöttin Safchj häufig mit dem siebenstrahligen Sterne geschHeben, wird im Pap. Leyd. I 350 durch die phoneti- sche Gruppe safch vertreten, deren Verwandtschaft mit dem kopt. saschfe und dem indogertnanischen, ja dem semitisdien Zahlworte für 7 ziemlich einleuchtend ist.

Die Ziffer 8, noch in den beiden aufemanderstehenden Rauten unserer älteren Quellen **) als 2 X 4 erkenntlich, yerläugnet ihren Ursprung aus Strichen nicht. Namen mit griechisdien Transscriptionen ergeben die Lautung X^M^t kopt. sibilirt zu schmun = octo, aber in chemne octoginta, noch getreuer erhalten. Merkwtirdig ist, dass in der so häufig erwähnten Achtstadt (Aschmunein = Hermopolis) die hiero- glyphische und die hieratische Schreibung des Zahlwortes (auch im Leydens. I 350) constant ^e^ennu lautet. Wie mochte dieses sesennu zu schmoun (semit. schmoneh) werden? Ich habe längst die Zahlsymbolismen: „2. der Isis, 3. der Neph- thys'^ auf die Phonetik gedeutet. Snau 0;)U^) heisst zwd und 8on „Bruder"; (s)chom (t) drei und schom (DH) „Schwager", so dass also die Stelle besagen würde: „Ick (Osiris) bin Bruder der Isis, Schwager (olxeTog) der Neph- thys". Aehnliche ZahlsymboHsmen z. B. 5 oder 9 Striche für die Wörter ticm und pest Ruhm , Glanz* sind auch sonst mcht selten. So könnte auch sesennu^ das bisweilen in der Schreibung sensennu gefunden wird, „die Verbrüderungen, Versohwägerungen" bedeutet haben. Der Wechsel des n mit ifi ^erklärt sich, wie der Monatsname Pharmuti aus PharenmUi.

Ein ähnlicher Lautwandel scheint bei dem Zahlwort (Qr 9 stattgefunden zn haben. Drsprnngiich paut^ durch ein Opferbrod vorgestellt, das auch den ersten Tag des Monats oder den Neumond bedeutet, lautet es im Kopti-

42) Z. B. des Codex BatisbonenBis der Man ebener 'BibKMkck, von dem ich p. 45 meines Runenfddark geeprooben ht^>e,

Digitized by

Google

Lau^: Der ä§yfi, Ür9pmng Mnetrer Buchstaben etc 119

scheu psit und wird schon in der jüngeren Periode der Hieroglyphen durdi die strahlende Sonne vertreten, weil fiset = strahlen. Aber ein drittes Zeichen, eine Ai-t Sense, aas welchem offenbar das hieratische Zeichen für 9 und unser 9 entstanden ist, erscheint als Determinativ zu paut. Merkwürdig ist nun, dass diese Sense (n(n;acula das Scheer- Äesser?) häufig zur Schreibung des Woiies neu (maut) ver- wendet wird, und dass in den indogerman. Sprachen eben- &Us ein Zusammenhang zwischen neu und neun (novus, novem) zu bestehen scheint. Sollte vielleicht die Verwandt- sdiaft von paui und matä zur Wahl des Zeichens für 9 geleitet haben?

Die Aegypter kannten die Null nicht, desshalb trennen sich von hier an die beiden Systeme, indem das unsrige (indische?) für 10 schon eine Zusammensetzung anwendet, während die Aegypter**) für 10, 100, 1000 etc. eigene Zeichen gebrauchten.

Man hat das hufeisenförmige Zeichen, mit dessen Hülfe alle Ziffern von 10 90 incl. gebildet werden, für die Half te- eines Eönigsschildes gehalten und daraus das kopt. meii (decem und dimidium) erklären wollen. Allein dies scheitert an der Unmöglidikeit , das eckige Zeichen fl zu erklären, das z. B. in der Inschrift von Rosette für 10 vorkommt. Ich glaube, dass die alte Bedeutung und Laut- ung der Hand (ma geben) Dual mati^ das koptische Zahlwort meti decem, besonders in Rücksicht auf teut = quinque (una manus) besser empfiehlt. Was sodann die Figur der Ziffer 10 (fl) betrifft, so ist sie nichts anderes als ein po- tenzirtes 1 1 mit einem Querstriche, gleich als wenn man hätte ausdrücken wollen, dass es die zweite Stufe der Zahlen vorstellt, wie HorapoUo II, 30: FgafifAfl oq^ fu^ S/jux YQ^f^f^^ intxsxafifi^vr] iina yqaiA^g imniiovq Or^fAaivovO^ andeutet

43) Vgl. die Tafel C.

Digitized by

Google

120 SiiMung der phaaa.-phüos. Cloßae txm 1. Jtmi 1867.

Diese Erklärung erhält ein bedeutendes Gewicht durch das Zeichen für 100. Es ist nichts Anderes als das für das Pharaonenhühnchen eintretende u. Wie konnte aber u = 100 bedeuten? An sich wohl nicht; aber mit Rücksicht auf 1 1 1 = ti. In der Absicht der Aegypter lag es, so die Zahl 100 als die dritte Stufe darzustellen, ohne damit das Zahl- wort sehe ausdrücken zu wollen. Im pap. Leydens. I 350 ist schao als die Phonetik von 100 angegeben; ich habe das Zahlzeichen für 100, mit dem phonetischen Werthe 5CÄ6**) in dem Woite äsche (Ceder) angetroflfen. Sollte letztere etwa wegen ihrer sprüchwörtlichen {Erhabenheit den Namen asche (kopt. multa, abundans) empfangen haben?

Behalten wir die gewonnene Scala bei, so erledigt sich auch das Zeichen für 1000, nämlich die oben schon bei dem Buchstaben (khei) besprochene Pflanze khcmi. Das kopt. Wort für 1000: scho ist durch Sibilation daraus entstand«!. Mit dem Stamme multus (ascho) ist es, wie aus dem eben über asche bemerkten zu ersehen ist, nicht verwandt; II. Pleyte vermengt beide Bedeutungen, wei^n er es für möglioli hält, qu'on a pris la plante comme symbole du nom de nombre mille, a cause de la muUitude des vegetaux. Das Zeichen ist eben kein Symbol, sondern phonetisch und seine ursprüngliche Bedeutung messen. Wäre es nicht möglich, dass das Messen mit vier Fingern oder der Fausthöhe dieses Tcha veranlasst habe, als wollte man sagen, daae 1000 die vierte Stufe der Zahlen sei?

Der Finger oder vielmehr der Daumen (in dea grösseren und ausführlicheren Darstellungen) mit d^ Laut- ung tah^ steht für 10,000. Wenn H. Pleyte sagt: ,je ne connais pas de point de rapport entre la signification du signe et la prononciation'% so hat er nur der allgemeinen

44) Dümichen Kai. Ina. Taf. LXVII, c. 7; Brugsch, Geogr. IH, Np. 188, 189.

Digitized by

Google

Lauith: Der ägypt, Unprung unaerer Bw^utaben etc. 121

bisherigen Unkonde Aosdriick g^eben. Nimmt man mit mir an, dass nach der Faust, als fünfte Stufe der Zahlen, der Daumen gewählt worden sei, so schwindet das Dunkel in jeder Beziehung.

So hatten also die Aegypter mittels der zehn Finger der Hand und allenfalls mit Hinzunahme der Fusszehen, weil 20 eauty (djuot) 30 mapu (map) 40 June nicht als Mnltiplicate yon 10 in der Phonetik erscheinen, ihr Zahlen- system bis zu 10,000 resp. 99,999 zu führen vermocht Jenseits dieser Grenze treffen wir noch drei Zeichen: die Kaulquappe (hefennu) = 100,000; den Mann mit er- hobenen Armen (hah) = 1'000,000 und den Siegelring (chen) für 10'000,000. Diesen drei Begriffen ist die Bedeut- ung einer grossen Menge (hah z. B. = multus) gemeinsam. Durch Zusammensetzung mehrerer dieser Zeichen war es möglich) alle denkbaren Grössen auszudrücken.

lieber die Herkunft unseres Bruchstrichs / aus dem demotischen re Theil habe ich schon oben gesprochen;

selbst hieroglyphisch erscheint z. B. die Gruppe Theil = '/4,

lieber die Aussprache der Brüche, die oft durch wun- derliche Znsammeusetzungen (z. B. */e = 4* V* + ^M gebildet werden, gebricht es uns bis jetzt an monumen- lalen Haltpunkten; einige Winke des kopt. Lexicon's z. B. misi = pars quarta, . deuten darauf hin, dass sie Eigen- namen einfacher Art gefuhrt haben. Dagegen besitzen wir in dem papyrus Leydens. I 350 für die Zehner und Hun- derter ziemlich durchsichtige Ausdrücke, die vor allem die wichtige Thatsache darthun, dass (wie im Semitischen) die Zahlen 50, 60, 70, 80, 90 als Plurale der Zahlwörter für 6—9 erscheinen, während die entsprechenden Zahlzeidien als Mnltiplicate (5 X 10 etc) gebildet sind und insofeme den indogermanischen Zahlwörtern quinquaginta (= quinque* decemta) vergleichbar sind. Das nämlidie Verfahren wiedei^

Digitized by

Google

122 Si^Mimg der pha(».^hM. (Mofee v<m 1. Juni 18$7.

holt sich bei den Hundertern und Tausenden in Spradie and Zeichen. Um so auffallender ist es, dass die Zahl- wörter für 20, 30 und 40, obschon die entsprechenden Zahlzeichen ebenfalls «Is 2 X 10, 3 X 10, 4 X 10 sich dar- stellen, weder als Plurale der betreffenden Einer, noch als Compositionen mit meti (zehn) erklärt werden können« Der Papyrus giebt für 20 die Phonetik zcmt (Kopfe djuot) und zwar als Participium des Verbum's jsfa peragrare, mit dem Deutbilde des Schiffes begleitet. Es versteht sich von selbst, dass damit nur die Lautung, nicht die Ursprung* liehe Bedeutung des Zahlwortes eatU geboten werden sollte.

So viel ist klar, dass die ägyptischen Ziffern und Zahl- wörter auf dem uralten Decimalsysteme beruhen. Nehmen wir nun an, dass, wie bei einigen andern Völkern, mit Hin- zunahme der zehn Fusszehen (digitus, idiavXog^ Jäxa) eine höhere Einheit von Zwanzig (score im Englischen) begründet wurde, so würde sich in dem Verbum djte, djto = sopire, reclinare, eigentlich „alle Viere von sich strecken*' ein passendes Etymon zu dem oben räthselhafl er- schienenen djuot (zaut) vermuthen lassen.

Die Phonetik des Zahlwortes für 30 lautete fMapw(kopi. fnap)f wie H. Chabas sdiarfsinnig in dem Pap. Anastasi L wiederholt geAinden hat. Da nun nach Diodor I, 75 das Richtercollegium der „Dreissig'^ (3X.10 aus Theben, Mea- phis und Heliopolis) in Uebereinstimmung steht mit den in ägyptischen Texten so häufig erwähnten „Dreissigern'S so ist an dieser Phonetik mapu für 30 nicht zu zweifeln, wenn gleich uns hier der Pap. Leyd. I 350 im Stiche lässt Aber die Erklärung dieses mapu? Das einzige hier an* Uingende kopt Wort ist mpo mutus und man könnte v«^ muthen, dass Horapollo I, 28, wo er dgxovia n= frW, o( cfiffctv^ i(fT^ XqovQv aQt&fAog schreibt, missverständlidi MB «aer älteren Quelle entnommen habe, wo mpo = %qw^

Digitized by

Google

Xatifh: Der ägypi. Ursprung unserer Buchstaben etc, 123

wccBTijg gestanden. Dadurch wäre aber höcheteHs die Laotang mapu bestätigt, nicht das Wort erklärt. Wenn es erlaubt ist, das Griechisdie beiznziehen, so dürfte das He* siodische /MTtm „taste, berühre^' mit mapu stammyerwa^dt sein, und dieses dann die dreimalige Wiederholung der beiden Hände, also 3 X 10 um so passender ausdrücken, ate die Endung u ohnehin pluralisch ist und der Plural im Aegyptischon durch Verdreifachung ausgedrückt wird. Viel- leidit hat sich in m^ouosch desiderium, verglichen mit auosch^ Toluntas (Wunsch) der alte Stamm mapu als Verbal- wurzel noch wirksam erhalten.

Nun ist es auch gestattet, das bisher unerklärte hme s: 40 in Angriff zu nehmen. Im Pap. Leyd. I, 150 ist die betreffende Gruppe undeutlich, wenigstens in ihrem Anfange; der Schluss wird dardi ein aricheres m gebildet. So viel därfte. schon hieraus erhellen, dass das altägyptische Zahl- wort ' für 40 dem kopt. hme identisch gewesen. Ich habe in einem Denkmal des Pharao Uophra (Otfa^^i^, *JnQ(r)g)^^) die Stelle „ar ham renpetu^' getroffen, welche bedeutet „Es sind 40 Jahre^^ wenn die Gruppe kam^ determinirt durch den Pelikan, mit 40 übersetzt werden darf. Leider ist der Text sehr lückenhaft, so dass uns der Zusammenhang und der daraus zu entnehmende Beweis entg^t. Was aber meine Auffassung empfiehlt, ist der UmstMid, dass der Pelikan im Kopt. eben auch Am^.heisst. Die dialektischen Varr^ hmS, h^mi, hymS, fähren auf das Verbum hami cal- eare, so dass demnach die Zahl vierzig ägyptisch entweder von der Wiederholung des Auftretens mit den zehn Zehen der Füsse oder zugleich dem Tasten der Hände benannt wäre^*).

45) Bmgsch Becueil PL 111, lin. 4 von tmten.

46) H. Pleyte, in der oben citirten Abhandlung, denkt beizaut, mapu, hme. an Entstehung aus fremden Sprachen; allein bis jetzt zeigen sich diese Zahlwörter sonst nirgends.

Digitized by

Google

124 Süstmg der phOoa.-phiM. dam vcm 1. JwU 1867.

Die Zahlwörter von 50—90 sind Pluralformen der entr i^rechenden Einerbenennnngen. Für 60 erscheint statt der sechsmaligen Wiederholung des Zehnerzeichens ein Quadrat, für 80 die sonst schep gelesene Hieroglyphe. Beide sdieinen Bückbildungen aus den hieratischen Zügen zu sein, deren Composition aus 6 X 10, 8 X 10 wenigstens wahrschein- lidi ist.

Für 200 bietet der Pap. Leyd. I 350 scheta^ während er für 100 schao giebt, gerade wie im Eopt. sehe und schSt aufeinander folgen. Wir werden nicht fehlschliessen, wenn wir das letztere für den Dtwl des ersteren ansehen.

Wie sonderbar die Aegypter bisweilen ihre Ziffern phonetisch verwendeten, ergiebt sich z.B. aus der Schreib- ung des herodotisdien TcotofAipfö. In einer Ptolemaeer-In- schrift, die sich auf deii Jmd€xdo%owog bezieht,^^) ist die Entfernung von Suen (Syene) bis Takamsu zu 12 or an- gegeben. Die letzte Sylbe dieses Namens {su^Cm) ist durdi sechsmalige Wiederholung des Zahlzeichens für 100 bezeichnet, während das koptische soursche sex-centi bietet. Der ägyp- tische Schreiber spielt mit dem Doppelsinne des Zeichens der Schlinge, welches als Vocal = u, als Zahlzeichen sehe lautet und hundert bedeutet, so dass er su, (OeS) gelesen ¥rissen wollte, obgleich er su-sche geschrieben hatte. Solche Spielereien sind in der jüngeren Epoche nicht selten und bisweilen von bedeutendem Werthe für die Ermittlung der Phonetik. Aber auch die älteren Texte wimmeln von Wort- spielen, sei es zu dichterischen Zwecken, oder dem Hange zur Symbolik nachgebend, die in dem ägyptischen Schrift- systeme, wie in keinem andern, ihre Blüthen getrieben hat«

47) Brugsch: Geogr. I, 70 Nr. 356.

Digitized by

Google

Bwihner: Minerähoasser au Neumarkt i. d. Oberpfälz. 125 Mathematisch -physikalische Glasse*

Sitzung vom 1. Juni 1867.

Herr Buchner theilt mit:

,,Neue chemische Untersuchung des Mineral- wassers zu Neumarkt in der Oberpfalz^*.

Das Mineralwasser des eine Viertelstunde von Neumarkt in der Oberpfalz entfernt liegenden altbekannten Wildbades ist seit mehr als vierzig Jahren kein Gegenstand genauer chemischer Beobachtung mehr gewesen. Der verehrte Senior der k. Akademie, Hr. A. Vogel der Vater, hat es zuletzt im Jahre 1826 untersucht und das Resultat seiner Analyse, welche uns zuerst die Natur dieses Wassers genau kennen lehrte, in seiner Schrift „Die Mineralquellen des König- reichs Bayern. München 1829^' bekannt gemacht.

Einer an mich im verflossenen Jahre ergangenen Ein- ladung, genanntes Wasser einer neuen chemischen Unter- suchung zu unterwerfen, habe ich schon desshalb gern Folge geleistet, weil, abgesehen von den jetzigen verbesser- ten chemisch-analytischen Methoden, welche eine genauere qualitative und quantitative' Bestimmung der in einem Mineralwasser aufgelösten Stoffe gestatten, gerade die so- genannte Trinkquelle, welche ich als die gehaltreichste von den dortigen Quellen erkannt habe und welche, lange ▼erschüttet , erst in neuerer Zeit wieder besonders zur Trinkkur benutzbar gemacht wurde, bisher noch keiner ge- nauen chemischen Untersuchung unterworfen worden war.

Es entspringen nämlich mehrere Heilquellen im Nen- markter Wildbade. ^ Einige davon , fünf an der Zahl , ver- einigen sich am Grunde der im Eurhause unter der Kapelle befiBdlichen gezimmerten Brunnstube. Eine andere Quelle, die sogenannte Eapuzinerquelle, entspringt in einem oberhalb des Bades, am Fusse des sogenannten Weinberges

Digitized by

Google

126 SiUfung der math.-phy$. Classe vom 1, Juni 1867.

befindlichen Felsenkeller und wird ebenfalls in die Brann- stube des Kurhauses geleitet und mit den zuerst erwähnten Quellen zum Baden verwendet. Wieder eine andere Quelle, die Waldquelle, liegt in einem Wäldchen unweit dem Bade und wird nur zum Trinken benützt, zu welchem Zwecke das Wasser aus einem zdin Fuss tiefen Brunnen, worin eigentlich zwei Quellen zusammenfliessen, gepumpt wird. Die gehaltreichste Quelle endlich, womit die nachstehende Analyse Torgenommen wurde und welche vorzugsweise zum Trinken benützt wird, in welcher Hinsicht sie unstreitig den mdstan Werth hat, oder richtiger gesagt, der Zusammenfluss von drei solchen Quellen in einem 15 Fuss tiefen, auch mit einem Pumpwerke versehenen Biiinnen, befindet ^ch in einer neben dem Eurhause erbauten bedeckten Bahn.

Das Wasser der genannten verschiedenen Brunnen zeigt bei ungleichem Gehalte an darin aufgelöst^i Stoffen doch keine wesentliche qualitative Verschiedenheit. Es gehört zu jenen sonderbaren Wassern , welche Eisen und Schwefel- wasserstoff zugleich enthalten. Kaum ist das ursprünglich klare und farblose, stark nach Schwefelwasserstoff riechende Wasser geschöpft und der Luft ausgesetzt, so färbt es sioh unter schwadier Trübung grünlich-schwarz, was von der Bildung von Schwefeleisen herrührt. Der am Grunde da Brunnstube befindliche schwarze Schlamm entwickelt daher beim Uebergiessen mit Salzsäure Schwefelwasserstoff, er- kennbar sowohl durch den Geruch als auch durch die schwarzbraune Färbung eines über die Flüssigkeit gehaltenen mit Bleiauflösung befeuchteten Papiers. Bei längerem St^en an der Luft verschwindet diese grünlich-schwarze Färbung des Wassers und die Wände des Gefasses bedecken sidb mit einem bräunlichen ockerigen Absätze nebst zahlreichen Ga»- bläsehen. Dies rührt daher, dass das gebildete Sohwefel- eisen durch den Sauerstoff der Luft zu schwefelsaurem Eisen- ozydul und dieses dann nobh weiter zu basiach-scbwefel-

Digitized by

Google

Büchner : MineraUMSser su Neumarht t. d, Oh&rpfdU, 127

saurem Eisenoxyd oxydirt wird, welches sich nebst dem darch Olgrdation des überschüssigen kohlensauren Eisen- oxyduls entstehenden Eisenoxydhydrat nach und nach aus- scheidet.

Ich bin überzeugt, dass auf dieser Art der Zersetzung zum Theil die schon oft beobachtete wohlthätige stärkende Wirkung des Neumarkter Mineralwassers auf den Darm- kanal beruht, denn das getrunkene Wasser wird sicberlioh im Darmkanal auf gleiche Weise und ebenso rasch, wenn nicht rascher zersetzt werden als ausserhalb desselben und das hiebei im Zustande feinster Zertheilung sich aassch^- dende und wieder oxydirende amorphe Schwefeleisen und Eisen oxydhydrat werden, indem sie mit der Schleimhaut des Darmkanales in Berührung kommen, auf diese gelind ad- stringirend wirken.

Die Beobachtung der Schwärzung des Neumarkter Mineralwassers an der Luft ist schon längst gemacht worden, denn schon der dortige Stadtphysikus Dr. Conrad Rumel sagt in seiner 1598 auf Befehl eines löblichen Magistrates herausgegebenen und 1682 Ton dem Physikus Dr. Scheffler neu aufgelegten Beschreibung des neu erbauten mineralischen Bades der churfürstlichen Stadt Neuenmarkt in der Obern Pfalz, dass das Wasser den Sand, da wo es sich heraus begibt, schwarz mache. Allein die richtige Erklärung dieser Erscheinung hat erst Herr A. Vogel sen. gegeben; dieser Chemiker hat zuerst gefunden, dass der schwarze Nieder- schlag, welchen das Wasser nach kurzer Zeit absetzt, sich grösstentheils wie Sehwefeleisen verhalt; bei Erwähnung dieser Beobachtung in seiner oben erwähnten Schriffc macht er darauf aufmerksam, dass ein freiwilliges Niederfallen von Sobwefeleisen aus einigen Mineralwassem in Frankreich auch sdion von LoBgchamp, Henry und Vauquelin beobachtet worden sei.

Der soeben geschilderten Erscheinung will ich, um din

Digitized by

Google

128 Siitmng der matK-phys. Glosse vom 1. Juni 1867.

weseDtlichen Charakter des Neumarkter Mineralwassers vor- läufig weiter za kennzeichnen, sogleich hinzufügen, dass .das- selbe ausser Eisen und Schwefelwasserstoff eine ziemlich grosse Menge schwefelsaurer Salze, namentlich schwefelsauren Kalk, schwefelsaure Magnesia und schwefelsaure Alkalien, femer verhältnissmässig viel kohlensauren Ealk nebst etwas kohlensaurer Magnesia, die beiden letzteren mit Hülfe freier Kohlensäure aufgelöst, enthält.

Das frisch geschöpfte Wasser von der Trinkquelle hatte im April 1866 eine Temperatur Ton nur + 6,4* R. oder + 8^ G. Es schmeckt daher, an der Quelle getrunken, kühl, übrigens hepatisch, dann schwach bitterlich-salzig und zu- sammenziehend, eisenartig.

Das specifische Gewicht des Wassers von der Trink- quelle wurde als Mittel mehrerer bei einer Temperatur von -+• 14 bis 16® R. vorgenommener und sehr genau überein- stimmender Versuche = 1,0021 gefunden. Ein Liter dieses Wassers wiegt demnach bei mittlerer Temperatur 1002,1 Grammen.

Das Wasser von der Waldquelle zeigte ein' spedfisches Gewicht von nur 1,00041, woraus sich schon ergiebt, dass dasselbe viel ärmer an fixen Stoffen ist als das Wasser von der Trinkquelle.

Eine Auflösung von Gerbsäure erzeugt im frisch ge- schöpften Wasser von der Trinkquelle schon im ersten Augen- blick eine röthlich-violette Färbung und unmittelbar darauf eine geringe Trübung. Später setzt sich in der Flüssigkeit ein violett-rother flockiger Niederschlag zu Boden.

Das Wasser von der Waldquelle (auch Stahlquelle ge- nannt) giebt mit Gerbsäure auch eine solche, aber weniger intensive Färbung, was beweist, dass dieses Wasser weniger Eisen aufgelöst enthält als dasjenige von der Trinkquelle.

Das Wasser von der Kapuzinerquelle wird durch Gerth säure nur sehr sdiwach violett goförbt.

Digitized by

Google

Buthner: Minerälwasier m Ntumarkt ü d. Oherpfälz. 129

Beim Schütteln perlt das Wasser, aber in der Ruhe yerschwinden die Perlen sogleich wieder. Beim Erwärmen bilden sidi ziemlich viele, an der Wand des Gefässes ad- härirende Gasbläschen von Kohlensäure.

Beim Eindampfen trübt sich das Wasser zuerst schwach bräunlich und scheidet Eisenoxydhydrat aus. Hierauf schlägt sich unter weiterer Entwickelung von Kohlensäure kohlen- saurer Kalk und kohlensaure Magnesia nieder. Der Ver- dampfungsrückstand sieht bräunlich-weiss , . krystallinisch aus. Beim Glühen schwärzt er sich vorübergehend wegen der Zerstörung einer darin befindlichen organischen humusartigen Substanz.

Die einzelnen Bestandthdie , welche bei der näheren Untersuchung sowohl des Mineralwassers als auch seines Verdampfungsrückstandes aufgefunden werden konnten, sind:

Basen: Säuren oder diese vertretendeElemente:

Kali,

Schwefelwasserstoff,

Natron,

Chlor,

Lithion,

Sdiwefelsäure,

Ammoniak,

Salpetersäure,

Kalk,

Phosphoi-säuie,

Magnesia,

Kohlensäure, sowohl freie als auch

Thonerde,

chemisch gebundene,

Eisenoxydul,

Kieselsäure,

MagaBoxydul.

organische humusartige Substanz.

Es War mir daran gelegen, die Frage bestimmt beant- worten zu können, ob das Eisen im Mineralwasser zu Neu- BiBrkt als schwefelsaures oder als kohlensaures Eisenoxydul aufgelöst sei? Aus den geognostischen Veriiältnissen der Neomarkter Gegend glaube ich schliessen zu müssen, dass das Eisen als schwefelsaures und nicht als kohlensaures Sahs [1867.il 1.] . 9

Digitized by

Google

130 Sitßung der nuxtK-phys, vom Clasae 1, Juni 1SQ7,

in das Wasser gelange* Es ist nicht meine Angabe, diese Verhältnisse hier näher zu schildern. Der frühere Gewehr- fabrikdirektor im Amberg, Herr Oberbergrath J. von Voiti hat dieselben klar beschrieben in der 1840 erschienenen vor- züglichen Badschrift y,Das Mineralbad zu Neumarkt in der Oberpfalz des Königreichs Bayern. Nürnberg, J. A. Stein'sche Buchhandlung" des Hm. Dr. J. Bapt. Schrauth, welcher sich überhaupt um Neumarkt und dessen Mineralbad sehr verdient gemacht hat, und Hr. Gümbel hat in neuester Zeit die Neumarkter Qegend ebenfalls zum Gegenstand seiner genauen geognostischen Forschungen ge- macht. Ich will zum Verständniss der Sache nur erwähnen, dass der Thalkessel, in welchem Neumarkt liegt, in die liasformation eingesenkt ist und dass dei' 6rand| worin die Bildung des Mineralwassers vor sich geht, aus mergeligem Kalkstem besteht, welcher ausser Bitumen und anderen organischen Ueberresten Schwefelkies in greiser Menge beigemengt enthält. Der in dieser Gegend so häufig sich findende, leicht verwitternde Schwefelkies muss als der Ausgangspunkt der Bildung nicht nur des in Nestern dort vorkommenden Gypses und anderer Mineralien, sondern auch der wesentlichen Bestandtheile des Mineralwassers angesehen werden. Indem er bei seiner Verwitterung in schwefelsaures Eisenozydul verwandelt wird, gelangt das Eisen zunächst als dieses Salz in das hinzukommende Wasser, um dann weiter zersetzt zu werden und andere Zersetzungen zu be- wirken.

Zu diesen Zersetzungen gehört besonders die Umwand- lung des schwefelsauren Eisenoxyduls in kohlensaures Salz mittels des im Wasser mit Hülfe frder Kohlensäure auf- gelösten kohlensauren Kalkes. Dass diese Umwandlung erfolgt und dass das Eisen im Neumarkter Mineralwasser als kohlensaures und nicht als schwefelsaures vorhanden ist.

Digitized by

Google

Budmer: MinerakooBaer eu NeufMrU ». ä. Oherpfabt. 131

^nbe ich durch folgende Wahrnehmangen aaf das Bestimm« teste beweisen zu können:

Setzt man eine Anflöenng von schwefelsaurem Eisen- ozydul der Luft aus, so bleibt die Flüssigkeit ziemlich lange klar und ÜEtrblos; erst nach mehreren Stunden färbt sie sich schwach bräunlich und trübt sich unter Ausscheidung TOn basisch-schwefelsaurem Eisenozyd. Eine Flüssigkeit, welche kohlensaures Eisenozydul enthält, trübt sich hingegen an der Luft sehr rasch und scheidet gelbbraunes Eisenoxyd- hydrat aus.

Wird eine frisch bereitete Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul mit Gerbsäurelösung vermischt und an die Luft gestellt, so ist anfangs gar keine Veränderung sichtbar ; erst nach einigen Minuten kommt eine schwache röthlich-violette Färbung zum Vorschein, deren Intensität nach und nach in dem Masse zunimmt, als die höhere Oxydation der Eisen- lösung fortschreitet. Wird aber zu einer Auflösung yon kohlensaurem Eisenoxydul Gerbsäure gesetzt, so färbt sich die Flüssigkeit so zu sagen augenblicklich violett und die Färbung erreicht hier schon nach wenigen Secunden eine grössere Intensität als diejenige der Auflösung des schwefel- sauren Eisens nach mehreren Minuten.

Schwefelwasserstofif bringt in einer Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul in reinem Wasser keine Ver- änderung hervor, setzt man aber zu einer Auflösung von kohlensaurem Eisenoxydul Schwefelwasserstoff -Wasser, so färbt und trübt sich die der Luft ausgesetzte Flüssigkeit in kürzester Zeit grünschwarz unter Ausscheidung von Schwefeleisen.

Vermischt man eine reine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul mit Brunnenwasser, welches doppeltkohlensauren Kalk au^elöst enthält, oder löst man Eisenvitriol in solchem Wasser auf, so verhält sich die Flüssigkeit genau so wie eine Auflösung von kohlensaurem Eisenoxydul : sie trübt sidi

Digitized by

Google

132 Süsung der matK-phye, Glosse vomJ, Jtmi 1867.

an der Luft ungemein rasch und scheidet einen ockerigen Niederschlag ab ; mit Gerbsäure wird darin sogleich die vio- lette Färbung erzeugt und auf Zusatz von Schwefelwasser- stoff wird sie unter Bildung von Schwefeleisen schwarz gefärbt.

Aus diesen Reactionen muss also gefolgert werden, dass schwefelsaures Eisenoxydul, wenn es mit einem Wasser zu- sammenkommt, welches, wie das mit den meisten Quell- wassern der Fall ist, doppelt-kohlensauren Kalk in genügen- der Menge enthält, nicht unzersetzt vom Wasser gelöst wird, dass schwefelsaures Eisenoxydul und kohlensaurer Kalk in wässerigen Lösungen nicht neben einander bestehen können, sondern sich in äquivalenter Menge in schwefelsauren Kalk und kohlensaures Eisenoxydul umsetzen, welches letztere mit Hülfe freier Kohlensäure, so lange die Luft abgesdilossen ist, gelöst bleibt.

Das Neumarkter Mineralwasser enthält, wie bereits er- wähnt, eine ziemlich grosse Menge kohlensauren Kalkes aufgelöst; es zeigt femer ganz entschieden die Reactionen des kohlensauren Eisenoxyduls, das Eisen ist mithin als Gar- bonat darin vorhanden trotz der nicht besonders grossen Menge freier Kohlensäure, welche in diesem Wasser nicht mehr oder kaum mehr beträgt als zur Umwandlung der darin befindlichen Garbonate in lösliche BicarbcMiate erfor- derlich ist

Dass übrigens nicht aller im Wasser aufgelöste schwefel- saore Kalk nebst den übrigen Sulfaten erst im Wasser selbst durch die besprochene Umsetzung des schwefelsauren Eisend seine Entstehung findet, somlern grösstentheils auf solche Weise schon vorher gebildet in das Wasser gelangt, eipbt sich aus der grossen Menge dieses und der andern schwefel- sauren Salze im Vergleiche zu der verhältnissmässig geringen Eisenmenge. Die Bildung der im Wasser aus dem Gesteine sich auflösenden schwefelsauren Magnesia ist sicherlich auf

Digitized by

Google

Buchner: Mineralwasser gu Neumarkt i, d. OherpfaU. 138

ähnliche Weise erfolgt wie diejenige des schwefelsauren Kalkes, nämlich durch die zersetzende Einwirkung des yer* witternden Schwefelkieses resp. des daraus entstandenen schwefelsauren Eisens auf die im dolomitischen Kalksteine enthaltene kohlensaure Bittererde.

Was die Bildung des im Neumarkter I^ineralwasser vor- handenen Schwefelwasserstoffes betrifft, so unterliegt es kaum einem Zweifel, dass dieser aus dem schwefelsauren Kalke entsteht, denn es ist bekannt, dass dieses Salz im Wasser unter dem Einflüsse ilarin befindlicher und in Verwesung begriffener or- ganischer Stoffe (Humusstoffe) neben Bildung von Kohlensäure zu Schwefelcalcium reducirt und dass dieses durch die im Wasser gelöste Kohlensäure unter Entbindung von Schwefelwasser- stoff zersetzt wird. Wäre während der Bildung des Schwefel- calciums schon Eisen im Wasser gelöst vorhanden, so müsste dieses als Schwefeleisen ganz oder theilweise, je nach der Menge desselben, wieder ausgeschieden werden. Aber amor^ phes Schwefeleisen wird, wie ich mich iiberzeugt habe, von kohlensäurebaltigem Wasser seinerseits wieder zersetzt und io kohlensaures Eisenoxydul verwandelt. Trägt man frisch präcipitirtes und hinlänglich ausgewaschenes Schwefeleisen noch feucht in freie Kohlensäure enthaltendes Wasser ein und schüttelt die Mischung in einem verschlossenen Gefässe nur kurze Zeit , so wird man in der filtrirten Flüssigkeit kohlensaures Eisen oxydul in mehr oder minder grosser Menge, je nadi der Quantität der vorhandenen Kohlensäure, auf- gelöst finden.

Aus der Tbatsache, dass Schwefelcalcium oder Calcium- sulfhjdrat und ein Eisensalz nicht unzersetzt neben einander bestehen können, ergibt sich schon, dass der im Neumarkter Mineralwasser enthaltene Schwefelwasserstoff nicht im ge- bundenen, sondern nur im freien Zustande vorhanden ist« Diess muss auch daraus geschlossen werden, dass man aus diesem Wasser allen Schwefelwasserstoff austreiben kann,

Digitized by

Google

184 Sibmng der math-phys, CUuse wm U Jum 1867.

wenn man hinlänglich lange Wasserstofi^as hindurch Idtet, und da88 Ifitroprussidnatrium nicht die geringste blaue Fär- bung darin bewirkt.

Frühere Beobachtungen sprechen dafür, dass eisenhaltiges und schwefelwasserstofiEhaltiges Wasser am genannten Wild- bade gesondert entstehen und sich erst in der Brunnstube oder im Brunnenschachte vereinigen. So sollen eine eisen- haltige Quelle von Süden und zwei schwefelhaltige von Nordost her aus den Seitenwänden der Brunnstube zum Vorschein kommen und sich in dieser mit zwei anderen, auf dem Qrunde entspringenden eisenhaltigen vermischen.

Nach der im Vorhergehenden gemachten Beschreibung des Neumarkter Mineralwassers ist es kaum mehr nöthig zu erwähnen, dass, nachdem während des Eindampf ens dieses Wassers Eisenoxyd, kohlensaurer Kalk und kohlensaure Ma- gnesia nebst geringen Mengen von Thonerde und Kieselsaure und Spuren von Mangan und Phosphorsäure unter Entwiche- lung von Kohlensäure niedergefallen sind, sich bei weiterem Verdampfen Kryställchen von Gyps und darauf schöne Pris- men von Bittersalz auscheiden, während die übrigen schwefel- sauren Salze nebst einer sehr geringen Menge Ghlomatriums und Spuren eines salpetersauren Salzes in der Mutterlauge bleiben, welche durch einen humusartigen Bestandthdl gelblich gefärbt ist. Letzterer wird auch von kochendem Weingeist au|g;elöst.

Die quantitative Bestimmung der in diesem Mineral- wasser in wägbarer Menge vorhandenen Stoffe wurde nach bekannten bewährten analytischen Methoden vorge- nommen.

100 C. G. Wtoser von der Trinkquelle hinterliessen beim Eindampfen als Mittel mehrerer Bestimmungen 0,2410 6rm. scharf ausgetrockneten und 0,2226 Grm. schwach geglühte Rückstandes.

100 CG. Wasser von der Waldquelle gaben aber nur

Digitize'd by

Google

Büchner: Mmerdkoasser eu Neumarkt i, d. Oberpfdle, 135

0,040 Ghm. angeglühten nnd 0,039 Grm. schwach geglühten BSckstaades.

Die Menge des Schwefelwasserstoffes wurde mittelst einer wässerigen Jodlösung, die in einem Liter 1,27 Grm. (= 0,01 Mg.) Jod enthielt, bestimmt. Hiebei ergab sich, das8 das Wasser von der Trinkquelle nahezu 22 Mal mehr Sdiwefelwasserstoff enthält als das Wasser von den Quellen in der Brunnstube und fast 26 Mal mehr als dasjem'ge' von der Eapuzinerquelle. Am ärmsten an Schwefelwasserstoff ist das Wasser von der Waldguelle.

Die Quantität der im Wasser der Trinkquelle vorhan- denen freien Kohlensäm-e wurde nach der nun hinlänglich bekannten vortreffUchen Methode v. Pettenkofer^s ^) fest- gestellt, nur wurde das Mineralwasser wegen etwa vorhan- dener grösserer Eohlensäuremenge mit mehr Ealkwasser und wegen der ziemlich grossen Menge Magnesia mit etwas mehr Salmiaklösung^ vermischt, als v. Pettenkofer für die Bestim- mung der freien Kohlensäure im gewöhnlichen Trinkwasser nehmen lässt.

In 100 G.G. frischen Wassers wurde 0,0182 und in der gleichen Menge Wasser nach mehrwöchentlichem Stehen in einer verkorkten Flasche 0,0166 Grm., mithin für 1 Liter 0,182 nnd 0,166 Grm. freier Kohlensäure gefunden. Da nun die in einem Liter gefundene Menge der an Kalk, Ma- gnesia und Eisenoxydul gebundenen Kohlensäure 0, 16888 Grm. 4>eträgt, so ergibt sich, dass dieses Mineralwasser kaum mehr fireie Kohlensäure enthält als nothwendig ist, um diese kohlen- sauren Salze als Bicarbonate aufgelöst zu halten.

Die Menge der in diesem Wasser vorhandenen orga- nischen Substanz konnte nur auf approximative Weise geschätzt werden. Ich nehme nämlich an, dass der gelind

1) S. Sitznngsbericbte 1860. Heft TU, S. 389,

Digitized by

Google

136

SiiBung der wuttK-phya, CUuse vom 1. Jmi 1867.

geglühte VerdapapfuiigBrückstand des Wassers bestehe aas dem bei 180^ G. ausgetrockneten VerdampfungbruGkstande minus der Kohlensäure der kohlensauren Magnesia, dem Hydratwasser des im Rückstande befindlichen Eis^ozydes und der Thonerde, dem schwefelsauren Ammonozyde, wel- ches sich indessen schon während des Eindampfens in flüchtiges kohlensaures Ammon umsetzt, und der organisdieB Substanz. Die Menge der letzteren ergiebt sich mithin an- nähernd genau aus der Differenz zwischen der Menge des ungeglühten und derjenigen des geglühten Rückstandes, zu welcher man die Grössen der oben erwähnten Stoffe mit Ausnahme der noch zu suchenden für die organische Sub- stanz addirt hat.

Zusammenstellung des Resultates der chemischen Analyse des Wassers von der Trinkquelle.

Die folgende Zusammenstellung enthält die Menge der in 1 Liter (= 1002,1 Grammen) des Wassers von der Trinkquelle aufgefundenen wägbaren Stoffe in Grammen aas- gedrückt.

Es wurden gefunden: SchwefelwassOTstoff . . . 0,00500 Grm.

Chlor

Schwefelsäure Kohlensäure, freie

gebundene

Kieselsäure Thonerde . Eisenoxydul Kalk

Kali . Natron

0,00765 1,11468 0,18200 0,16888 0,00118 0,00104 0,00953 0,54474 0,30190 0,01860 0,01496

Digitized by

Google

Buelmer: Minerähoomr su Newm^kt i. d. Oberpftde. 137

Ammottoxyd . . . 0,00175 Gnu.

Organische bumusartige Substanz 0,15638

In unwägbarer oder nicht genau wägbarer Menge wurden gefunden :

Salpetersäure, Phosphorsäure, Manganoxjdul, Lithion.*)

Folgende Tabelle gibt die in diesem Wasser enthaltenen Bestandtheile , die Basen und Säuren zu Salzen verbunden, sowie deren Menge sowohl in 1 Liter in Grammen als auch in 1 Pflmde zu 16 Unzen (= 7680 Granen) in Granen berechnet an. Bei der geringen Di£ferenz zwischen dem spea Gewichte von reinem Wasser und demjenigen des untersuchten Mineralwassers kann man, ohne einen erheb- lichen Fdiler zu begehen, die in 1 Liter enthaltene Menge der ein2;eluen Bestandtheile auch für 1000 Grammen Wassers gelten lassen.

Es sind enthalten:

In 1 Liter: In lPfd.=7680Grn.

A. Gasförmige Bestandtheile:

Schwefelwasserstoff . 0,00500 Grm. 0,03832 Gran

= 3,38 CG. = 0,llCubik2oll Freie Kohlensäure 0,18200 1,39483 Gran

= 95,03 C. C. = 3,04Cubikz.»)

2) Es brauRlt kaum erwähnt zu werden, dass das zur quantiUr- tiren Bestimmung des Kalis hergestellte Ealinmplatinohlorid besonders anoh auf Caesinm nnd Rubidiom mittelst der Spectralanalyse und dass der eisenhaltige Schlamm ans dem Brunnen auf Arsenik untersucht wnrde. Aber es war nic^ möglich, Spuren dieser Stoffe deutlich zu erkennen.

8) Die oben angegebenen Zahlen f&r das Yolumen des Schwefel- wasserstoff« nnd kohlensauren Qases sind berechnet für die Qnellen- tetadperatnr (=+8**C.) und 700"» Barometerstand.

Digitized by

Google

138

Sitmng der math.-phys. (3<me vom 1. Jvmi 1897.

InlLiter: IiilPfd.=76806m.

0,01261 Grm. 0,09664 Gran

0,01896

»

0,14531'

0,03439

1)

0,26356

0,00444

0,03403

0,88944

H

6,81658

0,84348

9)

6,46435

0,01535

»

0,11764

0,31875

».

2,44287

0,04355

»

0,33376

0,00104

n

0,00797

0,00118

Ji

0,00904

0,15638

1,19848

B. Fixe Bestandtheile:

a. In wägbarer Menge:

Chlomatriam

Schwefelsaures Natron .

Schwefelsaares Kali

Schwefelsaures Ammonoxyd

Schwefelsaurer Kalk

Schwefelsaure Magnesia

Kohlensaures Eisenoxydul

Kohlensaurer Kalk

Kohlensaure Magnesia .

Thonerde ....

Kieselsäure ....

Organische humusartige Sub- stanz ....

Summe der wägbaren fixen Bestandtheile . . . 2,33957 Grm. 17,93023 Gran.

b. In unwägbarer oder nicht genau wägbarer Menge:

Schwefelsaures Lithion,

Salpetersaures Kali,

Phosphorsaurer Kalk,

Kohlensaures Manganoxydul. Das untersuchte Mineralwasser muss demnach zu den schwefelwasserstofiFbaltigen Eisenwassem mit schwefelsauren und kohlensauren Salzen, worunter die schwefelsaure Magnesia, der schwefelsaure und kohlensaure Kalk vorherrschen, gezählt werden. Die darin vorhandene Menge kohlensauren Eisea- oxyduls, in einem Pfunde nicht viel über V^o Gran betragend, ist zwar nicht so gross als in manchen anderen Eisenwassem, aber immerhin gross genug, um, wie die Erfahrung hinläng- lich gelehrt hat, bei gehörigem Gebrauche des Wasser» eine heilkräftige Wirkung in mehreren Krankheiten auszaüboi.

Digitized by

Google

BüM: Bildung von EUerkörpern. 139

Herr Buhl macht Mittheilong:

1) „Ucber die Bildung von Eiterkörpern in Gefässepitbelien/*

Vor Kurzem wurde mii* ein Stück Leber von einer an Pylephlebitis verstorbenen Person zur Ansicht überbracht. Leider kann ich über den Fall weiter nichts mittheilen, als eben das Resultat der mikroskopischen Untersuchung, welche ich an dem Leberstücke ausführte.

Das Lebergefüge war brüchiger als gewöhnlich, gelblich tingirt, wie bei akuter Atrophie und die sämmtlich darin ▼erlaufenden Pfortadergeiasse mit dickflüssigem Eiter gefüllt. Thrombose oder überhaupt Gerinsel fanden sich nicht. Gallengänge, Arterien und Venen waren ohne erwähnens- werthe Veränderung. Die Leber entsprach auch mikrosko- pisch einer in akuter Atrophie b^riffenen, denn ihre Zell^ waren reichlich mit gallegefärbten Fettkömchen gefüllt, klein, dem Zerfalle nahe oder wirklich zerfallen; aus letzterem Umstände dürfte sich die Anwesenheit einer grossen Menge freier Fettmoleküle erklären. Zvvischen diesen fanden sich auch kuglige cytoide Körper von der Beschaffenheit der Lymph- oder farblosen Blutkörper oder wenn man will der Eiterkörper. Denn der Inhalt der Pfortaderäste würde von Niemanden für etwas anderes, als für Eiter ausgegeben worden sein und so mögen die cytoiden Körperchen in der Lebersubstanz obgleich sich solche nach meinen Erfahr- ungen bei jeder akuten Atrophie finden denn auch für Eiterkörper genommen werden.

Der Eiter der Pfortaderäste enthielt ausser den Eiterkörpem, d. h. ausser cytoiden kughgen Körpern von der Grösse der Eiterkörper mit einem durch Essigsäure

Digitized by

Google

140 Sitsung der math.-phys. Classe vom 1 Juni 1867,

deutlich hervortretenden Inhalt von 1 3 Kernen, mit Fett- * kömchen im Protoplasma, auch noch andere relativ grosse Körper, nämlich Zellen von Spindelform mit ungewöhnlichem Breite-Durchmesser, gewöhnlich in starker Fettdegeneration, die keine anderen sein konnten und waren wie unmittel- bares Abkratzen von der Innenwand des Gefässes erwies als Epithelzellen^ der Pfortader. Weniger aber durch die Fettdegeneration war das dickbäuchige Ansehen hervor- gebracht, als vielmehr durch Eiterkörper, welche zu 1—5 und mehr innerhalb derselben beherbergt waren. Da die Eiterkörper mit den Fettkömern der Zellen umhüllt waren, so fiel der eigenthümliche Inhalt zunächst in solchen auf, wo die Fettdegeneration unbedeutend war. Hier liess sidi auch hie und da bei guter Lagerung der Zellenkem er- kennen. Es war somit kein Zweifel, dass eine endogene freie Bildung von Eiterkörpern in Epithelien vorlag.

Die Sache hat ein mehrfaches Interesse. Sie ist nicht bloss ein neuer Beleg für die Wahrheit des angegebenen Modus der Entstehung der Eiterkörper in Epithelzellen überhaupt, sondern bekömmt, wie ich zu zeigen versuchen will, Bedeutung für die Vorgänge im Innern der Gefasse uüd namentlich auf deren abnormen Inhalt.

Glaubt man den Eiter von Blut und Lymphe wohl trennen zu können, weniger durch den Mangel an gefärbten Körpern, die zufällig auch dem Eiter beigemischt, weniger durch die absolute Menge der weissen Körper, die ja zu- sammengedrängt sein können, und weniger auch durch den Mangel an gerinnbarem Stoff, der im Blute fehlen könne, und endlich weniger durch das emulsive, rahmige, gelblich- weisse Ansehen, ein Produkt der rasch sich geltend machen- den Fettdegeneration der Körperchen, die in Thromben auch beobachtet wird: so war man doch nur dann sicher über- zeugt davon, dass «ine fragliche Flüssigkeit Eiter sei und nichts anderes sein könne, wenn dieselbe ausserhalb der

Digitized by

Google

BuM: Bildung von Eüerkörpem, 141

Gefasse gelegen war. 'Innerhalb der geschlossenen Blutbahn gestaltet sich die Sache im entgegengesetzten Sinne. Denn da man keine mikroskopischen Unterscheidungsmerkmale zwischen Eiterkörpem und farblosen Blut- oder Lyniph- körpem wusste, so durfte hier auch die eiterähnlichste Flüssigkeit fiir keinen Eiter angesehen werden; denn hier waren es die £EU*blosen Blutkörper, die sich massenhaft zu- sammen- und die gefärbten verdrängt hatten, hier war der sie zusammenhaltende Faserstoff durch Fettdogeneration zer- fallen, welche letztere Degeneration auch dem Ganzen ein emulsives milchiges Ansehen, selbst die gleiche. Farbe gab. Innerhalb der Blutbahn war also die bezeichnete Flüssigkeit immer nur verändertes Blut, ausserhalb der Blutbahn war sie immer Eiter.

Die Anschauung war neu und bequem, ob aber richtig, ist eine andere Frage. Immer taucht einerseits auch. ' doch ohne besonderen Anklang zu finden der Gedanke wieder auf, die Eiterkörper ausserhalb der Blutbahn nicht nur ihrer mikroskopischen Identität, sondern auch wegen ihrer Entstehung und ihres Sitzes eigentlich für Lymph- körper anzusehen, obgleich man nicht nur den Entstehungs- modus, sondern auch den Entstehungssitz der Lymphkörper viel weniger kennt, als den der Eiterkörper. Und immer behauptet man andrerseits „unter gewissen Umständen*' wieder, es sei Eiter in den Gefässen und nicht Blut, wenn man sich auch keine Rechenschaft darüber geben konnte, wie denn der Eiter darin entstehe. Gerade die Entzündung und damit bezeichnet man ja den Process, unter dessen Wirksamkeit Eiter erscheint, gerade die Entzündung der Gefasswand, deren gefässhaltige bei der Entzündung beson- ders bethätigte Schichte nach aussen liegt und deren Höhle nach innen durch eine feste Epithelschichte geschützt sei, war ein Hinderniss, die Entstehung d^ Eiterkörper inner- halb der Blutbahn zuzulassen.

Digitized by

Google

142 SiUung der maih.-pkys. Glosse f>om 1, Juni 1867,

Durch meine oben mitgetheilte Beobachtung ist man jedoch gezwungen, die Funktion des Gefassepithels nicht nur als schützende Decke zu betrachten, die bloss durdi Imbibition, sei es vom Blute, das in der Gefassröhre strömt, sei es vom Blute in der Adventitia der Gefässwand, nur nutritiv erhalten wird, sondern das Epithel tritt, wie das Epithel überall im Körper, auch hier bildend, producirend auf, seine Zellen sind fähig durch einen im osmotisch angenommenen Safte enthaltenen Reiz ihre lebendige Thätigkeit zu entfalte und zur Bildung neuer zelliger Körper zu verwenden. Diese Körper sind im gegebenen Falle Eiterkörper; allein einmal eine bildende Thätigkeit in ihnen thatsächlich erwiesen, so ist damit der Anstoss gegeben, in allen Vorgängen inner- halb des Gefässrohres nach der aktiven Theilnahme der Gefässepithelien zu fragen.

Ausser dem pathologischen Interesse tritt uns auch ein physiologisches vor Augen; denn im gesunden Zustande giebt es schon Körperchen im Blute, welche histologisdi von sämmtlichen Forschem mit den Eiterkörpem identifizirt werden und desshalb histogenetisch auf den gleichen Ursprung denken lassen. Manche Autoren haben auch wirklich den Gefässepithelien. insonderheit der Milz, die Bestimmung zu- erkannt, die farblosep Blutkörper zu erzeugen. Analoga dürfte vom Epithel der Lymphgefässe in Bezug auf die Ent- wicklungsstätte der Lymphkörper gesagt werden. Die Schwank- ungen in der Menge dieser Körperchen und noch im Be- reiche des Normalen (im nüchternen Zustande und in der Verdauungszeit) dürften auf vorübergehende normale Reize bezogen werden. Vielleicht giebt die Untersuchung eines Falles von Leukaemie die nöthigen Anhaltspunkte, ob nicht die absolute, krankhafte Vermehrung derselben wirklich von abnorm gesteigerter Bildungsthätigkeit der Gefässepithelien herrührt, die hier in Bezug auf die Milz, Leber, die Lymph-

Digitized by

Google

Buhl: Büdmg von Eiterkörpem. 143

drttsen nichts andei'es als die Mittheilnahme der gesteigerten Bildongsthätigkeit im ganzen Organe ausdrücken würde.

Die Pfortader und ihre Aeste, von welchen obige Be- obachtang stammt, gehören zum Venensysteme. Eiter findet ffldi fast nie in Arterien. Man dürfte daher schliessen, dass die Eigenschaft, farblose Blut- und Eiter- körper zu erzeugen, fast ausschliesslich dem Venen- und dem Lymphgefässepithel, nicht aber , dem Arterien- epithele zukomme.

Der Zweifel, ob man gegebenen Falles Eiterkörper oder angehäufte Lymph- oder farblose Blutkörper vor sidi habe, könnte somit gehoben werden, wenn man sich zu der Anschauung bequemen wollte, dass die Bildung sämmtlicher genannter Eörperchen ausser- wie innerhalb der Blutbahn auf gleichen Bedingungen beruht. Bei übermässiger Ver- mehrung wird da, wie dort die sie enthaltende Flüssigkeit Eiter .zu nennen sein, d.h. es giebt zwischen Eiter- körpern und farblosen Blut- oder Lymphkörpern (auch Schleim*, Speichelkörper etc. gehören hieher) keinen anderen und keinen schärfer zu begrenzenden Unter- schied als einen quantitativen; ursprünglich sind die Eörperchen qualitativ identisch, weichen aber durch die Menge, in der sie vorhanden sind un(| dadurch in ihren weiteren Schicksalen von einander ab.

Die gesicherte Thatsadie, dass innerhalb der Adventitia der Gefässe, wie im übrigen Bind^ewebe des Körpers, sich auch Eiter bilden könne $ wird damit weder bestritten noch beeinträchtigt. Gleichwohl ist in Acht zu nehmen, dass im Bindegewebe Venen und Lymphgefässe verlaufen. Es käme in Frage, ob ausser der Milz und anderen blutbereitenden Oi^^en, nicht jedes Organ und Gewebe durch den Besitz an Venen und Lymphgefässen geeignet wäre, farblose Blutr köxper zu erzeugen und kann man meines Erachtens darüber tttcbt absprechen, ob bei eiterndem Bindegewebe nicht ein

Digitized by

Google

144 SiUung der math.'jplhys, Clane wm X, J^tn 1867.

Theil des Eiters im Epithel der Venen nud Lymphgefisee gebildet wwde.

Im normalen Zustande mag allerdings die Bildnog d^ farblosen Blutkörper auf kleine bestimmte venöse Gapillar* bezirke (auf die Milz z. B.) beschränkt sein; unter patfao* logischen Verhältnissen aber kann die gleiche Thäti^eit in yielen Punkten des Körpers erweckt werden und vom capillaren Lymphgefass- und Ven^systeme aus sich fiber die Lymphgefässe selbst und die grösseren Venenäste aus- dehnen. Die fortgesetzte Phlebitis und Lymphangitis ond die damit Hand in Hand gehende Thrombose sowohl wie die Pyaemie und ihre multiplen Herde würden einer sftdi- gemässen Erklärung zugängig werden.

2) „Notiz über primäre ästige Osteome der Lunge^^

Kalkige, eine Knochenstruktur nicht besitzende Qebilde der Lunge sind häufig zu sehen; wirkliche Knochen in diesem Organe immer eine Seltenheit. Letztere kommen in der Regel nur sekundär vor; es sind bald Narben, welche nachträglidi verknöchem, bald sind es yon einem Körper- theile aus in die Lunge transportirte, mit Knoohengaüste y ersehene Neubildungen (sogenannte Osteoide), nämlidi Krebse, Enchondrome, Fibrosarkome. Die grösste Seltenheit jedoch sind primäre Knochenbildungen im Lungengewebe.

Von den 2 Formen, der ästigen und knotigen, hatte ich jüngst bei einem 58jährigen Manne, der an croupöser Pneumonie starb, Gelegenheit, die erstere zu beobaditeo und will ich sofort den Befund der verehrten Glasse mit- theilen.

Verästigte Knochenbildungen in der Lufige wurden Wohl von Lmchka (Virchow's Ardiiy 10 Bd. p. 500) zuenft g4-

Digitized by

Google

Bühl: Primäre äsHge Ost&me ^ Lunge. 145

Buer' beeohrieb^ wenn» aie attdh scboa: Anderen vor ihm Mcuni waren. Ich kann seiner getreuen Beschreibung kauiD etwas' beifügen. Bei meinem Falle wären es indess nicht die Dntarlappen der Lungen (Rokitansky, Virchow, Förster geben als stetigen ^itz den Unterlappen an), in welchem beim Befühlen die spitzigen Knochenäste sich be- merklich maditea , sondern einzig und allein der rechte Oberlappen, dessen Pleuraüberzng glatt, glänzend, nur unbe- deutend verwachsen war. Das ödematöse Lungengewebe coUabirte beim Einschneiden schwer, war etwas dichter, pigmentreich, seine Bläschen ungleich erweitert, die Bron- chien mit starkem Catarrh versehen. Von den anderen Or- ganen ist nichts Erhebliches mitzutheilen ; das Herz war etwas fettig degenerirt, der Magen in seinem Pförtnertheile hypertropisch (etat mammelonne), der Bauchfellüberzug von Leber und Milz verdickt. Der grösste Theil der ästigen Lungenknochen wurde herausgeschnitten und der Maceration . unterworfen und erhielt ich auf diese Weise eine ziemliche Anzahl grösserer und kleinerer Präparate. Die kleineren hatten oft nur 2—- 3 spitze gerade Ausläufer der Aeste, andere verliefen gebogen; wieder andere endigten anstatt spitz in ein granulöses, blumenkohlähnliches Kölbchen. Die grösseren bildeten geschlossene, einfache und mehrfache Bogen und verzogene Kreise grösseren oder kleineren Durch- messers. Die Hauptbalken massen dabei 2 5 m/m im Durchmesser. Luschka hat schon jene blumenkohl-ähnlichen Kölbchen mit den Lungenbläschen, die Kreise und Bogen mit den Alveolarwänden verglichen in der That dieser Vergleich triflft zu.

Unter den verschiedenen Methoden, welche behuft einer mikroskopischen Untersuchung angewandt wurden , erwiesen sich die wenn auch schwierig auszuführenden Schliffe am besten. Man sieht die schönsten Knochenkörperchen, lamel- löse Anordnung derselben, meist der Länge nach, seltner [1867. ILl.] 10

Digitized by

Google

146 SiUung der math^-phys. dasse vom 1, Jtmi 1867.

concentrisch mn einen obliterirten oder offenmi Haaen'sdieil Kanal hernm. An die Hohlwand des letzteren war meiat eine ziemliche Menge schwarzen Pigments eingelagert Audi die Yon Loschka mit dem Himsande vei^lichenen EaDdramer (mikroskopisch durchsichtige glänzende Ringe mit dunklen körnigem Inhalte) fanden sich ; sie lehnten sich' unmittelbar an die Enochenbälkchen an. Auf sie erst folgten die Weidi« theile, d. h. farblose oder pigmentreiche Bindegewebzüge.

Wie Luschka, Förster etc., bin auch ich der Meinung, dass die beschriebenen Osteome ursprünglich auf einer Ver- knöcherung des interstitiellen Bindegewebes, der Alyeol^i- und Bronchuolenwände beruhen und von den etwas grosser^i Gefässzweigen ausgehen. Doch bleibt die Bildung nidit dabei stehen ; denn anstatt der r^elmässigen, nur zu Enodien umgewandelten Zeichnung jener Theile sieht man vielmehr die grösste Unregelmässi^eit und insbesondere mikros- kopische epostosenähnliche Verdickungen ; auch in den durcli die Enochenkörperchen augedeuteten Lagerungen und Zügen wird es deutlich, dass eine wirkliche Enochenneubild- ung vorliegt. Wie die Hirnsand-ähnlichen Bildungen zu er- klaren sind, möchte ich nicht wagen zu entscheiden.

Digitized by

Google

OümM: Vorhmmen von Phosphorsäure, 14*/

Herr Oümbel gibt:

f^WeitereMittheilangeh über das Vorkommen Yon Phosphorsäure in d^ Schichtgesteinen Bayern's/*

In einer früheren Mittheilung (Sitzungsber. d. k. Akade- mie d. Wiss. in München 1864 Bd. ü. S. 325) wurde von mir zuerst auf den hohen Phosphorsäuregehalt gewisser knolliger Concretionen in verschiedenen jurassischen Sdiichten der fränkischen Alb aufmerksam gemacht und nachzuweisen versucht, dass diese Eigenthümlichkeit sich nicht nur innerhalb eines sehr mächtigen Schichtencomplexes vielfach wiederholt, sondern auch über sehr ausgedehnte Länderstrecken verbreitet zeigt. Die Eenntniss dieses Vor- kommens hat sich inzwischen beträchtlich erweitert und wir wissen nun, dass ein mehr oder weniger hoher Gehalt an Phosphorsäure namentlich an Kalkerde gebunden abgesehen von der Knochen-reichen Bonebedlage der rhätischen Stufe der Trias bereits in den Knollen der Augulatus-Schichten des untersten Lias beginnt, durch die verschiedenen Stufen des unteren und mittleren Lias fortdauert, in den Knollen der Mergel mit Ammonites margaritcUus sehr reichlich an- gehäuft vorkommt, dann fast in gleicher Menge in den obersten Uasschichten mit Ätnmonites radians wiederkehrt and ganz insbesonders die Concretionen innerhalb der sog. Omatenthone ausgezeichnet. Dergleichen Knollen finden sich nach meinen Beobachtungen während der vorjährigen Qe- birgsuntersuchung überall im fränkischen Jura; wo die ent- sprechenden Mergellagen zu Tag ausgehen. Sie haben aber nicht bloss eine ganz allgemeine Verbreitung in unserm Frankenjura, sondern lassen sich in ganz gleicher Weise

10*

Digitized by

Google

148 ' Sitzung der fna^.-phy8. Glosse vom 1. Juni 1867.

auch in den jurassischen Ablagerungen von Württemb^, Baden, im AUgäuer Jura, femer bei Braunschweig, im Wesergebirge, auf beiden Seiten des Teutoburger Waldes, endlich auch in den ausgedehnten Zügen der Juraformation Frankreichs und Englands nachweisen. Dadurch, dass sie in den etwa der Stufe mit Ammoniies macrocephdlas entspre- chenden Ablagerungen des Himalaya-Gebirgs, von woher sie die Hm. Gebrüder v. Schlagintweit brachten, gleichfalls reich an Phosphorsäure vorkommen, scheint die Annahme, dasB derartige Phosphorsäure-reiche Enollenausscheidungen den jurassischen Ablagerungen in allen ihren Verbreitungs* gebieten dgenthümlidi ist, eine wichtige Unterstützung zu gewinnen.

Die Häufigkeit und allgemeine Verbreitung dieser Phos- phorsäure-haltigen Knollen legen uns zunächst die Frage nahe, ob man dieselben nicht mit Vortheil für Agrioultar- zwecke verwenden könne. Bei Beantwortung dieser Frage dürfen hauptsächlich zwei Punkte, welche von entscheidendem Einflüsse sind, ins Auge zu fassen sein:

1) ob diese Phosphorsäure hauptsächlich als phosf^or- sauren Kalk (3 GaO, PO^) enthaltenden thonigen und zugleich auch an kohlensauren Kalk-reichen Knollen die thonigen Phosphorite für die Landwirthschaft nutzbar und mit Vortheil verwendet werden können, ohne erst den phoa- phorsauren Kalk vor seiner Verwendung in Saper- phosphat zu verwandeln und

2) ob diese thonigen Phosphorite sich in der Natur in zureichender Menge und in einer Weise gelagert vor- finden, dass ihre Gewinnung eine andauernde, massaihafte und wohlfeile d. i. eine ökonomisch lohnende sein kann.

Bezüglich des ersten Punktes ist zu bemerken, dass bekanntUch der basische phosphorsaure Kalk, wie er in der Natur vorkommt, um grössere Löslichkeit zu erzielen, fwc

Digitized by

Google

Qümbel: Vorhmmen von Phosphanäure. 149

die Zwecke der Landwirthsohaft, vor seiner Verwendong erst in Superphosphat verwandelt wird.

Bei unserem thonigen Phosphorit ist dieses Verfahren ökonomisch unstatthaft. Denn da derselbe neben phosphor- saurem Kalk zugleich auch kohlensauren Kalk in beträchtlicher Menge ^enthält, so würde die zur Herstellung des Super- phosphats verwendete Schwefelsäure zuerst den kohlen- sauren Kalk angreifen und in Gyps verwandeln , der auf diese Weise erzengt, viel zu theuer wäre. Die darauf ver- wendete Schwefelsäure wäre gleichsam verloren und bei dem hohen Preis der Schwefelsäure würde das weiter erzeugte Superphosphat kaum ein entsprechendes Werthäquivalent geben. Es sind mir zwar keine direkten Versuche hierüber bekannt , indess scheint diess schon von vorneher mehr als wahrscheinlich.

Die rentable Verwendung der Knollen des thonig-kalkigen Phosphorites für Agrikulturzwecke dürfte demnach davon ab- hängig sein'y ob das bezeichnete Phosphorsäure - haltige Gestein an sich schon, ohne vorher mit Schwefelsäure be- handelt worden zu sein, entweder einfach zu feinem Pulver gepocht, oder erst gebrannt und dann gepulvert und der Adcerkrume beigemengt, einen dem Aufwand für Herstellung dieses künstlichenf Düngermittels entsprechenden günstigen Einfluss auf die Vegetation auszuüben im Stande sei oder nicht. Versuche, welche man mit dem Phosphorit (nicht Su- perphosphat) angestellt hat, sprechen für einen sehr geringen und sehr langsamen Einfluss. Vielleicht würden grössere Quantitäten aus möglichst feinem Pulver günstiger wirken. Audi durfte der Gehalt an Thon und kohlensaurem Kalk unseres Knollenphospborits güostig auf seine raschere Zer- setzung einwirken. Das Brennen und nachherige Zerkleinern möchte ganz insbesonders ins Auge zu fassen sein, weil durch das ]foennen der kohlensaure Kalk kaustisch und die ganze Masse aufgeschlossen wird, zugleich auch, weil die Knollen

Digitized by

Google

150 Sitzung der math-phys, Glosse vom 1. Juni 1867,

im ungebrannten Zustande sehr zäh und schwierig zu pochen oder mahlen sind. Vielleicht würde auch das Einstreuen des Pulvers in den Dünger günstig auf einen rascheren Aufschluss wirken. Es wäre sehr zu wünschen, dass in diesen Richtungen praktische Versuche von Landwirthen oder landwirthschaft- lichen Versuchsstationen angestellt würden, weil von der Lösung dieser Vorfrage alles Uebrige abhängig ist.

In Bezug auf den zweiten Punkt, welcher sich auf die Häufigkeit des Vorkommens des thonigen Phosphorits bezieht, habe ich Gel^enheit genonmien, in den Sommermonaten der zwei letzten Jahre eingehende Untersuchungen innerhalb des ganzen Gebiets der fränkischen Alb anzustellen. Das Resultat ausgedehnter Gebirgsbegehungen hat zwar das reidi- liehe Vorkommen des thonigen Phosphorits in dem Obligo- nannten Ornatenthon an sehr vielen Stellen ausser Zweifel gestellt. Indess glaubte ich mich nicht damit beruhigen zu dürfen, sondern direktere Versuche vornehmen zu sollen. An einem der dem äusseren Ansehen nach ergiebigsten Fund- punkte unseres Gebirgs, am sog. Zogenreuther Berg bei Auerbach (a. 0. S. 344) in der Dberpfalz am Ostfusse der fränkischen Alb, da, wo auf der Hohe des nördlichen Bei^- gehängs die Atmosphärilien den die Knollen einhüllenden Mergel durch Jahrhundert lange Einvnrkung weggewaschen und auf diese Weise die Knollen an der Oberfläche sich massenhaft ange- häuft haben, liess ich die frei auf einer Oedung liegenden Knollen aufsammeln. Ein Arbeiter konnte hier durchschnittlich in einer Zeitstunde zwei Zenlner solcher Knollen sammeln. Von diesem eingesammelten Material hatte Hr. Prof. Vol- hard die Güte, durch den Assistenten bei der landwirth- Bchaftlichen Versuchsstation in München, Hr. Dr. Röttger, eine vollständige Analyse herstellen zu lassen und die Re- sultate derselben mir gefälligst mitzutheilen. Um den durdi- schnittUchen Gehalt dieser Knollen zu ermitteln, wurde zu

Digitized by

Google

6Himhd: Vorkommen von Pkosphorsäure, 151

dieser Dordischiiittsanalyse aus 65 Pfd. Knollen die Probe genommen.

Demnach enthalten die Knollen des thonigen Phos- phorits von Auerbach im Dorchschnitt :

Fhosphorsäure 22,92

Schwefelsaure 1,62

Chlor . 0,03

Fhior 2,92

Kohlensäure . . . 11,64

Kalkerde 44,22

ffittererde 0,77

Eiseoiozyd 4,85 ^

Eisenozydul 0,86

Unlösliches, Thon, Kieselerde etc. . 9,97

99,80

Die Untersuchung auf Jod hat dessen Abwesenheit 'ergeben. Der hohe Gehalt an Fluor ist besonders bemerkens- werth. Es scheint demnach der thonige Knollenphos* phorit aus einem dem Fluorapatitentsprechenden Kalkphosphat za bestehen, das mit Thon und kohlensaurem Kalk nebst geringer Menge ^ kohlensaurer Bittererde und Eisenozydul verunreinigt ist. Die Schwefelsäure hat ihren Ursprung in einem schon mit dem Auge zuweilen erkennbarem (behalt an Schwefelkies.

Die Arbeitsleistung eines Mannes, welcher die an der Oberfläche ausgewaschenen Knollen sammelt, entspricht mit- hin in der Stunde dem Werthe von 23 Pfd. Phosphorsäure. Es scheint diesem nach kaum zweifelhaft, dass ein solches Aufsammeb ein yerhältnissmässig äusserst lohnendes Ge* Schaft wäre. Es bedarf aber kaum der Bemerkung, dass schon nach wenigen Stunden der Aufsammelarbeit die Knollen fühlbar seltener zu finden sind, dass der Vorrath an Knollen, welchen die Arbeit des Regens von Jahrhunderten erzeugt

Digitized by

Google

162 Sittimg der math.'phys, Ckme wm 1. Juni 1867.

hat, sidi in ganz karzer Zeit anf weitere Fläche erschöpft und damit die Aufsammelarbeit ihr Ende erreicht. £b ist an sich klar, dass nach diesem Versudie die Frage der lohnenden Gewinnbarkeit sich nicht beurtheilen lässt.

Man muss die Versuche auf die Gewinnung der Knollen in ihrer ursprünglichen Lagerstätte, wo sie zerstreut im Mergel eingehüllt vorkommen, ausdehnen. Hiei*i^ scheinen vor Allem solche Stellen sich zu eignen, wo die Knollen- führenden Mergelschicbten unmittelbar an der Oberfläche ausgebrdtet liegen und eine weitere Abdeckarbeii darüber liegender Schichten nicht nothwendig ist. Ein unterirdi- scher Abbau dürfte wegen seiner Kostspieligkeit ohndiin nicht in Betracht kommen.

Der thonige EnoUenphosphorit bildet nämlidi kein geschlossenes Flötz oder Lager, sondern findet dch zwar lagerweise auf gleichen Schichten, abei immer mehr oder weniger zerstreut in unregelmässig-länglich runden Con- cretionen im Mergel eingebettet. Man muss desshalb behufs seiner Gewinnung die gesammte Mergelmasse hereinhauen und die Knollen einzeln aus der bröckliohen, zähen, thonig- mergeUgen Hauptmasse herauslesen. An der genannten, ffir diese Art der Gewinnung vergleichsweise günstigen Stelle bei Auerbach kann ein Arbeiter in 10 Arbeitsstunden durch- schnittlich Vs Zentner Knollen rein gewinnen und sammeln; mithin nur den V^o Theil der Arbeitsleistung beim Zusam- menlesen der auf der Oberfläche ausgewaschenen Knollen zu Stande bringen. Jedoch ist anzunehmen, dass diese Ge- winnung nachhaltig stattfinden könnte.

Ob diese Menge von Phosphorsäure , welche durch Ge- winnung der Knollen auf urspriingh'cher Lagerstätte durch eine tägliche Arbeitsleistung auljgebracht werden kann, die durchschnittlich etwa 13 Pfund Phosphorsäure entspridit, hinreichend gross ist, um die Kosten für den Taglohn, Ent- schädigung an den Grundbesitzer, Verbringung des Boh-

Digitized by

Google

Oünibd: Vorkommen eon Phosphorsäun. 163

matarial zur Stampf, des Pochens oder des Brennens und Pochensy endlich der Verfraditung des Pulvers bis zum Orte der Verwendung zu decken und einen kleinen Gewinn in Aussieht zu stellen, ist natürlich abhängig von der Braudi* barkeit des erzeugten Produkts für die Landwirthschaft und lässt sich erst nach Feststellung der letzteren sicher beur- theilen. Jedenfalls abe^r scheint es eine wichtige Aufgabe zu bleiben, noch weitere Versudie behufs AuflSndung von Phos- phorsäure-haltigen Gesteinslagen, welche etwa in geschlossenen und mächtigen Lagen auftreten, anzustellen.

Die. Wahrnehmung, dass die knolUgen Ooncretionen der jurassischen Gebilde fast durchgehends reich an Phosphör- säure sind, legt die Vermuthung nahe, dass ähnliche Ge- bilde auch innerhalb anderer Formationen sich ähnlich zu- sammengesetzt zeigen würden.

Ich habe bereits in meinem ersten Aufsatze (a. a. 0. S. 330 und 331) das Vorkommen von Phosphorsäure- haltigen Knollen in Silurschichten Eanada's, sowie in den Kreidesdiichten Englands und Böhmens angeführt, welches Vorkommen die obige Annahme zu bestätigen scheint. In der nach allen Richtungen hin so reichhaltigen und im höchsten Grade belehrenden Pariser Internationalen-Aus- stellung von 1867 sah ich in der französischen Ab- theilang der V. Gruppe 40 Klasse Nr. 23 von dem Mini- stmum für Agrikultur, Handel und öffentlichen Arbeiten eine Sammlung von KuoUen imd Steinkemen aus sehr zahl- reichen Orten Frankreichs aufgestellt, welche als sehr reich an Phosphorsäure bezeichnet sind und durch die Menge der ausgestellten Proben den Beweis liefern, welch* hohen Werth man bereits auf dieses Rohmaterial in Frankreich legt. Es sollen sehr grosse Mengen dieser Knollen bereits an vielen Punkten gewonnen und zur Herstellung von Super- phosphat verwendet werden. Es wurde behauptet, dass sie sogar bereits nach England oud.ins Ausland den Weg ge-

Digitized by

Google

154 Sitzung der mcUh.'phya, Clasae vom 1, Juni 1867.

fanden haben sollen, und als Snperphosphat, gemengt mit reichhaltigeren Stoffen, von England aus wieder weiter in den Handel gebracht werden. Vielfach hört man diese Knollen als Koprolithen bezeichnen. Diess ist aber ganz falsch; es sind nur Concretionen und die Ausfiillnngsmasse von Schalthieren sog. Steinkeme.

Eine beigesetzte Analyse giebt die Zusammensetzung dieser französischen thonigen Phosphorite eines Vorkommens von Apremont in folgender Weise an:

Phosphorsäure .... 27,76 Thonerde, Eisenozjd und an Phos- phorsäure gebundene Basen « 46,64

Kalkerde 7,80

Wasser, Kohlensäure etc. . 10,60 Bäckstand in Säuren unlöslich . 7,20

100,00 Diese Knollen, welche bereits Verwendung^ finden, ent* halten also nur tim weniges mehr Phosphorsäure, als unsere jurassischen Concretionen aus Franken im Mittel. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Mittel bei den firanzösischeii Knollen auch nicht höher geht, da ja einzelne unsem fränki- schen Knollen einen Gehalt an Phosphorsäure bis zu 36,1 und 40,0 ^/o aufzuweisen haben.

Ein aus der Lahngegend gleichfalls in Paris ausge- stelltes, dem Amberger Phosphorit sehr ähnlich aussehendes Material enthält nach der beigesetzten Analyse:

mithin gegen

Phosphorsauren Kalk

65,00

Eisenozyd .

3,00

Fluor ....

2,00

Kohlensaurer Kalke

16,00

Bittererde und Alkalien

2,00

Wasser, Jod und Silikate 12,00

.

100,00

13«/o mdir phosphorsaaren Kalk,

dagegen

Digitized by

Google

Gümbel: Vorkommen wm Phosphorsäure. 155

weniger, aber doch immerhin eine betriUshtliche QoantitSt kohlensauren Kalks, so dass immerhin die ökonomische Möglichkeit der Benützang unseres fränkischen Phosphorits noch im Auge zu behalten wäre.

Die Substanz der französischen Knollen, welche dem in Frankreich so weit verbreiteten sog. Galtgränsand- stein der unteren Procän- oder Kreideformation angehören, gleicht in auffallender Weise einer Masse, welche auch bei ans in dem geognostisch gleichstehenden Galtgrünsandstein unseres Alpengebirgs vorkommt. Ich durfte daher auch in diesen einen Inhalt an Phosphorsäure vermuthen. Diess hat sich in der That bestätigt.

Auch der in den bayrischen, vorarlbergischen und namentlich schweizerischen Alpen so weit ver- breitete und in mächtigen Felsen anstehende Galt- grünsand ist in gewissen Lagen verhältnissmässig reich an Phosphorsäure.

Ich habe mehrere derartige Gesteinsproben, wie sie gerade zufällig als versteinerungsfUhrend von mir in den Allgäuer Alpen gesammelt worden waren (natärlich ohne Rücksicht auf den damals noch unbekannten Gehalt an Phos- phorsäure-haltigen Concretionen) untersucht. Diese Proben stammen von der sog. Schanze am Fusse des Grünten bei Sonthofen und aus der Nähe von Langenwang und Tiefeii- b'ach bei Oberstdorf und ergaben einen Phosphorsäuregehalt von 5,7—16^/0 im ganzen Gestein ohne Sonderung der knol- ligen Concretionen.

Es ist diess jedoch bloss die Phosphorsäure, die im Gestein an Kalkerde gebunden ist, da ja nur diese bei der Frage über die Verwendbarkeit zu Agrikulturzwecken zu berücksichtigen sein dürfte. Ausserdem enthält das Gestern noch Phosphorsäure, welche an andere Basen gebunden ist.

Obwohl der Gehalt vom 6 16^/o ein anscheinend ge- ringer ist, so musa doch bemerkt werden, dass die zur

Digitized by

Google

156 Sitzung der math.-phys, Claase vom 1. Juni 1867,

Analyse verwendeten Proben rein zufallig und ohne Rücksicht auf die yorliegeude Frage gesammelt waren. Ich zweifle nicht y dass, wenn man die in unsern Allgäu^ Alpen an so vielen Orten zu Tag ausstreichenden Galtgrünsandstdnlagen (vgl. mein Alpenwerk S. 530 und ff. und Kartenblatt Sont- hofen) näher zu dem Zwecke untersuchen würde, um mög* liehst reichhaltige Schichten oder Stellen aufzufinden, es gelingen wird, Gesteinsproben von weit grösserem Gehalt an Phosphorsäure als die oben angeführten ausfindig zu machen. Diess dürfte schon nach dem blossen äusseren Aussehen des Gesteins leicht zu beurtheilen sein. Denn ich habe gefunden^ dass der Gehalt an Phosphorsäure in dem Galtgrünsandstein wesentlidi gebunden ist an die dunkelfarbigen Goncretionen, Flecken und Steinkeme, weldie der Grünsandstein einschliesst und die sich sehr deutlich von der Hauptgesteinsmasse unter- scheiden lassen. Je häufiger diese Goncretionen eingeschlossen sind, desto stärker ist der Phosphorsäuregehalt des ganzen Gesteins oder je mehr dunkelfarbige Flecken zum Vorschem kommen, desto reicher erweist sich das Material. Diess läset sich leicht nach dem Augenmaass beurtheilen.

Diese Gesteinsbildung besitzen wir namentlich in den Allgäuer Alpen in weiter Verbreitung und in grossen Felsmassen, welche oft in hohen Riffen aufragen and eine möglichst einfache und wohlfeile Gewinnung des Gesteins mittelst Steinbrucharbeit gestatten. Ich glaube daher nidit unterlassen zu sollen, auf diese neue Quelle von Phosphor- säure die Aufmerksamkeit namentlich unserer rationellen Allgäuer Landwirthe hinzulenken, um praktisch zu versuchen, ob die Landwirthschaft Nutzen aus diesem Vorkommen schöpfen könne. Insbesondere gewinnt dieser Gegenstand für die Schweiz grosse Wichtigkeit, weil dort solche knollen- reiche Galtschiditen in besonderer Mächtigkeit und Ausd^- nuag vorkommen und eine sehr ausgebreitete Benützung gestatten würde. Es verdient dabei noch erwähnt zu werden,

Digitized by

Google

CHimhd: VorJummen von Phosphorsäure. 157

dass dieses Material zugleich vielen Glauconit enthält, der bekanntlich ziemlich reich an Kali ist, so dass durch dessen Zersetzung ' wahrscheinlich dem Boden auch Kali zugeführt werden könnte.

Die eigenthümlich charakteristische Beschaffenheit der Masse, aus welcher die Phosphorsäure-haltigen Steinkeme dieses Galtgrünsandsteines und gewisse Knollen des Omaten- Morgels bestehen, leiteten mich weiter auf die Untersuchung von Steinkernen aus anderen Gesteinslagen, welche aus einer ähnlichen, stets dunkelfarbigen, im Vergleiche zu Kalk här- teren, spröderen und schwereren Substanz zusammengesetzt sind. Solche Steinkerne trifft man in den Procän« oder Kreidegebilden von Regensburg häufig, sie kehren besonders aasgezeichnet in den Kressenberger Nummulitenschichten wieder. Es muss ausdrücklich bemerkt werden, dass nicht alle Steinkerne die beschriebene Beschaffenheit besitzen, son- dern nur ein Theil derselben. Meistentheils bestehen sie bloss aus kohlensaurem Kalk, namentlich die Nummuliten und die noch mit Schale versehenen Schalthierüberreste und aoch viele Steinkeme der Eisenerzflötze.

Die diditen schweren Steinkeme aus dem Nebengestein der Kressenberger Eisenerzflötze ergaben mir in der That einerr Gehalt an Phosphorsäure von 5,68®/o und gleichartige Steinkeme aus dem Grünöandmergel des Galgenberges südlich von Regensburg 8,19®/o.

Fortgesetzte Versuche werden, wie ich bereits zu ver- muthen Grund habe, lehren, dass nicht nur die meisten C!on- cretionen namentlich die Galtschichten in Norddeutschland, am Harzrande, selbst die Gooden und Steinkeme aus den Kreidebildungen Indios Phosphorsäure in grösserer Menge enthalten, sondern dass wir auch noch andere an dieser Säure reiche Niederlagen in verschiedenen Schichten der Sedimentformationen besitzen, die wir vielleicht nutzbar machen können.

Digitized by

Google

158 Sitwung der hittcr, CUme wm t Jum 1867.

Historische Classe.

Sitsnng vom 1. Juni 1867.

Herr Roth hielt emen Vortrag:

„üeber Keltische und Germanische Wehr- verfassung^S

Herr Elnckhohn machte Mittheilang über die

9,Erzähliing von der Verschwörung zu Bayonne im Jahre 1565".

Die Abhandlung wird für die Denkschriften der Classe bestimmt.

Digitized by

Google

Hafnicmni Bemerkungen eum NaehUegen. 159

Nachtrag zur Sitzung der philos.-philol. Classe vom 1. Juni.

(Vgl oben Seite 6.)

Herr C. Hofmann äbergibt folgende

„Bemerktingen znm Nachtsegen'^

Ich habe seit der Sitzung, in welcher idi die Hand- schrift und die Arbeit des Herrn Eeinz der Classe vorlegte, über manches weiter geforscht und das Manuscript selbst noch einmal genauer angesehen, als ich beides in der Eile de& ersten Fundes thun konnte. Früher hatte ich nur den Nachtsegen berücksichtigen können, jetzt bei Einsicht des übrigen manchfaltigen Inhalts finde ich allerlei, was der Mit- theilnng werth sein und die Forschung weiter fuhren dürfte. Zuerst in dem unmittelbar vorausgehenden lateinisch-deutschen Pflanzenverzeichniss finde ich S. 119 V^ Modillns golde Adera idem. In dem ersten Krauterglossar S. 69 V^ wird affodillns erklärt durch goldewrz, und da schon Frisch Goldwurz mit Asphodelus bulbosus, dann chelidonium erklärt (I. 361), so wissen wir also jetzt, dass golde = asphodelos, die bereits mythologische Earto£fel der Hellenen ist. Ich kann freilich nicht behaupten, dass die dingenden golden in Vers 15 des Nachtsegens damit identisch -seien; aber wenn man er- wägt, dass ein anderes Knollengewächs, die Mandragora oder Alraun im Aberglauben eine hervorragende Rolle spielt, so kann man Zusammenhang vermuthen ; denn, wenn die Alraun menschlich aussehen, leuchten und reden kann (vgl. Grimm DU. 1163—5), so darf wohl der Affodill auch „klingen"'.

Digitized by

Google

160 Sitgung der phüos.-phüci. Ciasse wm 1. Juni 1867.

Ich enthalte mich, die Sache jetzt irgend weiter zu yerfolg^, da es immer höchst misslich ist, auf blosse Wörter hin mytho- logischen Dingen nachgehen zu wollen. So masste sich ja z. B. der Bernstein auf Grund eines einfachen DrudsfAlers zu einem Zauberstein erheben lassen. Frisch citirt-aus dem Vocabular von 1482 unteir Zöber (II. 480) Zoberstein, Bern- stein alyeus lapideus. Wackemagel in Haupts Zeitschrift IX. 567. fand in diesem Zoberstein einen Zauberstein und mit dieser Erklärung ging der Bernstein in das mhd. WB. II. II. 617 ein, welches glücklicherweise das richtige börn- stein unmittelbar daneben setzt. Ein alreus lapideus ist einfach ein Brunnenstein, Zuberstein oder deutlicher, steinerner Brunnentrog. Alrun = mandragora kommt übrigens in unserem ersten Kräuterverzeichniss (S. 70, v®, b) ebenfalls vor.

Die Sprache des Nachtsegens ist, wie man deht, mittel- deutsch; so ist auch die der beiden Glossare. Aber die Handschrift gibt uns Anhaltspunkte, die noch viel weiter fuhren. Auf Seite 125 r^ (also bloss ^m ein Blatt vom Nachtsegen entfernt) steht, wie schon oben von Hrn. Eeinz bemerkt ist, von einer Hand des 14/15 Th. Henricus de Prusia vid. de Bado oder Gado (das letzte Wort undeutlich) und das erste der Pflanzenglossare enthält im Anfang neben den deutschen Namen eine Anzahl polnischer, wo bei einem ausdrücklich noch zugesetzt ist, es sei in polom'co und bei einem zweiten polschy (= polski), nämlich bei anetum, tille, polschy copr S. 68 v^ a, Z. 10 von oben (polnisch Eopr z^ Dillkraut). Die polnischen Glossen lauten in ihrer Gesammtheit so:

S. 68 v^ Incipiunt non^ina herbarum, quarum sunt latina quaedam, barbara uero alia, ut patz (patet od. patebit?)

Artemisia uel matricaria ast mater herbarum, quae vocatur biwz, inpolouicabiliza (polnisch bylica=Beifus8.)

Abrotanum. ebireyce« böse dreuno. (poln. bozydrzwka

Digitized by

Google

Eßfmöim: Hemerhmgm gum NaekUegen. 161

StabwnrZy eig. Oottesbänmchen, weil die Eberesche bekannir lieh heilig gehalten wird.)

Absintiam. werrnut. polyn. (poln. piolan = Wermath.) Am Rande roth eberwrc.

Azarabaeara. hasdwrc. copitnik (poln. Eopytmk =: Haselwurz.

Amoglossa. plantago. centenma vocatur wegebreit, scorocel.

Am Rande roth vegede.

Anetum. tille. polschy copr (s. oben).

AUaim. scordiam. Knoblach. Zosnek (poln. czosnek Knoblauch).

Acant. igrida. nesle. copriui. (yersdirieben für pocriui, poln. pokrzywa Nessel).

Atrapassa holnnder. bezona (poln. bez. Hollunder (f® 69. a) Baldemonia. berwrz. olesnik (pob. olesnik Bär- würz) , ebenso wird mit olesnik (70 v®) herba thuris erklärt 71?^, mit olesnik peuoedanum.

Das ist, was ich an polnischen Wörtern bemerkt habe. Der Theil der Handschrift freilich, welcher den Nachtsegen' enthalt, ist von anderer Hand geschrieben, als der, in wel- chem die polnischen Glossen stehen. Die verschiedenen Theile der Handschrift wurden erst später zusammengebunden ; denn dem ersten Glossar sind an den Rändern von jüngerer Hand Glossen zugefügt, die zum grossen Theil vom Buchbinder beim Beschneiden beschädigt wurden. Auch ist die Zurich- tung des Pergaments bei beiden Pflanzenglossaren eine verschiedene. Das erstere hat zwar 39 Querzeilen, wie das zweite, dagegen stehen sie um vieles enger beisanlmen und sind in vertikaler Richtung nur durch 5 Linien geschieden, bei letzterem durch 10. Doch ist der Charakter der Schrift- zuge homogen und gleichzeitig und wir werden also nicht weit irren, wenn wir die Entstehung der beiden Glossare nebst dem zum zweiten gehörigen und natürlich etwas jüngeren [1867. IL 1.] 11

Digitized by

Google

162 Siisfung der pkihs.-pkäol. Oam tom 1. Jmd 1867.

Kachtsegen in die Gegeaci setzen, wo im 13/14. Jh. das deutsche und das polnische Sprachgebiet sich berührtoiL Dass sie audi längere Zeit dort geblieben, scheint die schon erwähnte Einzeichnong , Henricus de Pmsia, zu beweisen, die nm vieles jünger ist, als die beiden Qlossare and unge- fähr gleichzeitig mit der Hand, welche auf S. 71v^ gani unten am Rande eingeti'agen hat scrophalaria est nomen herbae contra vermes. Zwischen dieser Hand und der des ersten Glossars finden sich Einträge von 4 yerschiedenen anderen Händen. Wie das Arznei- und Zauberbuch (s.. Note auf pg. 169), so lässt sich sein Gesammtinhalt am kürzesten bezeichnen, aus den Häbden des Henricus de Pmsia in die dhnrfürsti. Bibliothek nach München gekommen, wer dieser Henricus de Prusia selbst gewesen, das wäre weiterer Aufklär- ung eben so werth als bedürftig.

Wenn es schon an sich interessant isA, hier Reste äUeeter pohlischer Sprache zu finden, so wird der umstand beson- ders wichtig für den Nachtsegen und die fremdartigen, sicherlich aus anderer Sprache entlehnten Wörter, die er 1)ietet. Wir haben nach aller Wahrscheinlichkeit ihre Er- klärung im Polnischen zu suchen. Gloczan, Lodowan, Truttan bieten in der That polnischen Stammesausgang. Das Suffix an kömmt im Poln. z. B. in balwan Block, Götse, bocian Storch buzdygan Streitkolben roztruchan grosser Pocal u. s. w. yor. (lieber das sehr häufige Suffix an TergL MiUosich Personenname S. 10.) Sie sind Masculina. Für Lodowan bietet sich der Stamm lod (in allen anderen slawischen Sprachen led, altslawisch ledü xQvavccXlog vergL Miklosich Lex. palaeosloven. p. 335) = Eis, und Bildungen daraus mit w, lodowatj eisartig, lodowaciec zu Eis weisen, lodowiec Eisstein, lodownia Eisgrube. Dahin könnte audi unser Lodowan (der Eiskalte?) gehören. Gloczan könnte zum Stamme glöd Hunger (= goth. gredus) oder der Ab- leitung nadi wohl noch eher zu gol (unser kahl) gehören

Digitized by

Google

Bofma/m: Bemerhmgm ßum Na^vteeffm. 163

(altal. golu YVfMHSg goloti xqvfhaXX^g Mild. p. 135) and für goloean stehen. Andere Bildungen des Stammes sind golocic entblössen, berauben, golota armer Teufel, goly nackt, arm o. s. w. Auffallend ist, dass beide in der Bedeutung Eis zusammentreffen. Truttan, ebenso gebildet, wie die xwei andern, macht Bedenken, weil es durch das reimende Wutan verändert sein kann. Das Pohlische bietet trut Furgirkraut, trutka Gift, truten Drohne, Tölpel^ trud Mühsal, letzteres gleidi latein. trudo, goth. ^rjutan, deutsch driezen {in verdriessen) ^ruts-fill länqa. Letzterer Stamm dürfte am ehesten hier zur Anwendung kommea. Auch altsl. finden sich diese Wörter (bei Mikl. p. 1019) tratü crabro, tradü dvOevxeqia troudü (p. 1005) növog^ trouditi vezare.' Truttan würde also etwa der Quäler heissen. Man muss hier die Frage aufwei-fen , ob unsere deutsche Drud (Trud) nicht überhaupt aus dem Slawischen entlehnt ist An die Druiden wird heutzutage Niemand mehr denken uüd eine genügende Ableitung aus dem Germanischen gibt es meines Wissens nicht, während die von slaw. trud quälen mir sehr passend erscheint. Die germanische Form wäre druz. Was schliess- lich das verschiedene Geschlecht des Truttan und der Trut angeht, so führe ich als Analogon an, dass Jungmann (ich entnehme das CÜtat aus Hanuscb Slaw. Mythus S. 333), einer der grössten böhmischen Gelehrten, den Mox&s für dasselbe erklärte, wie die Mura oder Mara (die Mar) dei) drückenden Alp, nur männUch gedacht. (Auch in Thelle- mark^ heisst die Mar Muro.)

So stünde denn unser Naohtsegen mit dnem Fusse auf slawischem Boden, währoid er anderseits mit seinen Zaun - ritten (zcunriten) in Vers 14 bis an die alte Edda hinauf- reicht, wo diese luftreitenden Wesen im H6vam&l Str. 158 zum erstenmale als tunriSur vorkommen, in einer sonst isoUrten und schwierigen Stelle, deren grammatische Gon- •tructi<m dadurch bedenklidi ist, dass auf das Feminin tun-

Digitized by

Google

164 SiUung der phUosrpMkl Ooise vom 1. Jmi 1867.

ri&ni das Pronomen und Adjectiv im Mascalinnm folgen« nämlich ^eir yillir. Was in der grossen Copenhagener Aus- gabe lU, 140. zur Erklärung beigebracht wird, yerstehe ieh nicht. Es heisst: ^eir yillir in gen. masc. omnes Codices, etsi praecessit Ri^r faeminina terminatione, nempe com re constructio fit non cum yerbo, uti interdom alias. Wenn das etwa heissen soll , dass die t6nri6ar männliche Wesen mit weiblidier Bezeichnung gewesen seien, so erscheint das höchst bedenklich, da die nächstyerwandten kyeldriSa und myrtcriSa unabänderlich Feminina sind und auch im fjcxicon mythch logicum p. 754 ist von einer constructio cum re weiter kein» Rede. Sveinbjöm Egilsson beruft sich im Lezioon poeticom wie gewöhnlich leider nur auf die Copenhagener Ausgabe und setzt bloss hinzu: quod vertunt sublimes equites id non secundum etymologiam est. Petersen (Nord. Myth. S. 150) übersetzt tünriSur einfach mit Hexen nnd bringt weiter Nichts zur Erklärung der Stelle bei. Fritzner s. y. sagt: „einer der Oeister, yon denen man annahm, dass sie zu gewissen Zeiten durdi die Luft ritten und die Höfe (ton) zur Nachtzeit besuchten , gleich der Aaske oder Aas- gaardsreid nach dem nordischen Volksglauben.'^ Dabei ver- weist er noch auf Flöamanna Saga Cap. 22, wo aber weder das Wort tünriSa noch sonst etwas yorkömmt, was zur Auf- klärung sonderlich beitragen könnte. Es ist dort yon dem Winteraufenthalt einiger Isländer in Grönland die Rede, zur Jolzeit hören sie Nachts einen grossen Schlag an der Thüre, einer springt hinaus, wird wahnsinnig und stirbt am folgenden Morgen. Am anderen Abend geschieht das Gleiche, es wird ein zweiter Mann wahnsinnig und erzählt nodi, dass er den Verstorbenen gegen sich habe springen sehen. Was der zuerst im Wahnsinn Gestorbene gesehen, wird nicht ge- sagt So stirbt ein grosser Theil der Gesellsdiafb und alle Todteu werden Wiedei^änger oder gehen um, bis endhdi ^rgils, der überlebende Hausherr, ihre Leichen gegen den

Digitized by

Google

Hafinaum: Bimerhingm mm Nachtsegen, 165

FraUing auf einem Scheiterhaufen verbrennen lasst, worauf es ruhig wird. Man sieht, dieser Bericht ist zwar für den Volksglauben recht interessant, lehrt uns aber nichts über die tönriSur, Fritzner müsste denn angenommen haben, der zuerst gestorbene Mann hätte sie draussen in der Luft &hren sehen oder hören und sei davon wahnsinnig gewor- den. Indess steht nichts dergleichen im Bericht, mit dem wir uns daher auch nicht weiter beschäftigen wollen. Die andere Verweisung auf Aaskereia trifft näher zur Sache, denn diess ist ein&ch die wilde Jagd, die aus den Seelen nichtsnutziger Leute besteht, die für den Himmel zu schlecht und für die Hölle zu gut sind und ihr Fegfeuer im Lufir ritte, hauptsächlich um Weihnachten, durchzumachen haben. Was nun für unseren Fall passt, ist dieses : in einem Bezirk von Norwegen , in Saetersdal , herrscht der Glaube, dass, wenn einer sich nicht niederwirft, sobald er das Lufgereite hört, sein6 Seele mitfahren muss, während sein Körper liegen bleibt. Wenn die Seele zum Leibe zurückkehrt, ist dieser ganz abgemattet und bleibt nachher immerfort kränk- lieh. Auch Pferde werden mitgenommen und kehren übel zugerichtet zurück (Faye S. 71). Das letztere stimmt insofeme gut zu unserer Eddastelle, als hier OSinn offenbar nichts anderes sagt, als: „wenn die tünriSur ihren Leib und ihre Heimath verlassen haben und über mir in der Luft reiten, so verwirre ich ihre Seelen, dass sie ihre Körper und Woh- nungen nicht wieder finden hönnen.'*

So weit gut, aber damit ist immer noch nicht erklärt wie das Fem. tünriSur und das Masc. ^eir villir ueben- einandet bestehen können. Lüning findet freilich einen leichten Ausweg, indem er (S. 293) sagt: „Entweder muss es tünriSar oder ^aer villar heissen.*^ So viel hätten die früheren Schreiber, Herausgeber, und Erklärer der Edda wohl auch gewusst ; aber es ist keinem eingefallen , mit einem so wohlfeilen Mittel der Schwierigkeit abhelfen zu

Digitized by

Google

166 8Ugung der pkaos.-phOöL Cläm vom L Jmd 1867,

wollen. Die Sache mass tiefer aDgegriffen werden. Zwischen Entstehung und Aufzeichnung der Eddalieder liegt ein mehr oder weniger grosser Zeitraum, in weldiem die norroenische Sprache fortschreiten und manche Form erst archaistisch y dann unverständlidi werden musste, die bei Abfassung der Lieder noch der lebenden Sprache angehört hatte. Hier ist der' entscheidende Punkt , wo die allgemein germanische Philologie der specifisch nordischen zu Hülfe konmien kann und muss. Das viel höhere Alter der gothi- schen, angelsächsischen, althochdeutschen und altsächsisdieQ Denkmäler, denen der Norden nur einige der ältesten Buneninsdiriften (vor Allem die Blekinger) an die Seite zu setzen hat, lässt gewisse Erscheinungen in vollkommener Klarheit erkennen, die vom Standpunkte des nordisdien Sprachbetriebes verdunkelt und unlösbar ersdieinen« JA beschäfldge mich seit längerer Zeit mit einer kritisch- exegetischen Arbeit über die alte Edda hauptsächlich in dieser Richtung, und hebe hier anticipando zwei Fälle nur darum aus, weil das plötzliche und überrasdieode Auf- tauchen der zünriten im Nachtsegen midi fast dazu zwingt Archaismen der alten Edda sind für uns natürlich am fiass- barsten, wenn sie sich auf Flexionsverhältnisse beziehen, and werden am leichtesten erkannt, wenn der überlieferte Text eine aufiEallende Sinnstörung zeigt, wie hier und in dem zweiten analogen Beispiele. Nehmen wir das Adj. villr^ so wissen wir, dass es das gothische vill>eis, althochd. uoildi, altsächs. uuildi, ist, dass es folglich ein dem Worte selbst allgehöriges radicales i hat, zur i-Deklination gehört und so zeigt sich denn ganz consequent, dass das Femininum im Plural auch der i-Deklination folgt und viUir (nidit vOlar) hat. ^eir kann dann gar kein Bedenken machen, da die graphische Verwechslung von ae und ei bekannt und kon* statirt ist , vgl. Eonrä^ Gislason, um frumparta p. 183 £F., wo gerade ^eir hervorgehoben wird. Es ist also in Wirk-

Digitized by

Google

H&fmanni Bemerhungm »um Kachtsegen. *167

lidiimt an unserer Stelle gar nichts m ändern und einfiush ^aer villir zu. lesen. Die zweite yollkommen analoge Stelle fiiMlet sich AtlakyiSa, 18. vinir Borgunda, ein Unsinn, wenn man Tinir als Nom. plnr. auf die Hunnen bezieht, die (nach Liining) desswegen so heissen sollen, „weil Atli durch Oudrun mit den Burgunden verwandt jst/^ Wie schwierig die Sadie den gewissenhaften Herausgebern früherer Zeit vorkam^ sieht man aus der langen Anmerkung, welche die Amamagnäanisdie Ausgabe (U, 383) zur Stelle hat. Nun hat vin oder vinr ein radicales i gehabt; denn es heisst althocfad. uuini, alts. nuini, ags. vine. Der archaistische Accusativ von yinr hiess natürlich vini, und das mussten die Schreiber noth wendig als vinir missverstehen, wenn ihnen einmal die Formen der i-Deklination ausser Gebraudi gekommen waren, vini Bor^ gunda ist also Aoc. und Apposition zu Gunnar. vine Borgenda heisst nun bekanntlich der ags. Dichtersprache gemäss Gunnarr (GdShere) im Valdhere II, 14 und wenn im Nordischen zu- fällig vinr mit folgendem Genetiv des Volkes nicht als Königs- bezeichnnng erhalten ist, so findet sich vinr drengja, gaeSinga, gotna, alda, skatna und hoUvinr (Holdfreund) herjar, lofSda, 8. Gröndal p. 235. Die Stelle der AtlakviSa Str. 18 heisst also sehr einfach: die Hunnen banden Günther, d^ König der Burgunden (wörtlich, den Freund der Burgunden).

Der Nachtsegen lehrt uns den Namen des Hezenberges in der ältesten bis jetzt vorgekommenen Form kennen, die wir für ebenso authentisch halten dürfen, wie die des hoch* sten Göttemamens, gut mitteldeutsch Wütan, Gen. Wütanes. Wir ersehen nun, was J. Grimm DM. 1004 schon ausge- sprochen, dass r statt 1 der urpriinglithe Laut ist, wie bereits Leonhard Frisch bezeugt (I, 111): „Blocksberg, besser Brocksberg, wie er in und an den Braunschweigischen Landen heisst'S wobei allerdings zu vermuthen, dass er das r nur wegen der falschen, auch heute noch nicht ganz auf-

Digitized by

Google

168* Sitzung der phdos.'phiM, Claase vom 1. Jwu 1867.

aufgegebenen Ableitung von mons Brncterus für richtiger ge* halten habe. Unter den bisher versuchten Deutungen ist meines Wissens keine, die besonders besser wäre, als die genannte und ich erlaube mir daher zum Schlüsse meine eigene yoT" zutragen. Dass der Name mehreren Bergen in Deutsdiland gemeinsam ist, hat J. Grimm DM. S. 1004 u. 1232 nach- gewiesen. Die Erklärung darf also nicht den Ausdrack des Hezenconrentikels in dem Worte suchen, wofür sich sonst das edd. broka=k7inna anbieten würde. Esmuss vielmehr ein natürlicher Grund der Benennung gesudit werden, und diesen finde ich in einem Worte, welches sich im Isländischen er- halten hat. Nach Björn Haldorsen bedeutet das Neutrum brok nubes albidae, juga montium tegentes. Die Berge, welche die höchsten ihrer Gegend sind, sammeln bekanntlich an ihrem Gipfel die Wolken, was namentlich beim Brodcen der Fall ist und so scheint der Name Wolkenberg passend für unsem, wie für manchen andern. Im Schwedisdien ist das Wort gleichfalls vorhanden, Bietz im Dialektwörterbuch hat unter brok m. 2. die Bedeutung dunkler Fleck (mörk fiäck), brok 1, heisst bei ihm so viel als brokig hast (= geflecktes Herd), brokug, (bei Ihre I, 272) variegatus. Auch das Dänische hat broget, bunt, verschiedenfarbig, ge- fleckt. Wegen des Begrifisübergangs verweise ich auf den identischen mhd. Fall, wo sphkchel Abschneidsei ahd. sprehhiloht mhd. spreckeleht gefleckt bedeutet, Mhd. Wb. S. 521. Man wird brock einfach von der Wurzel brik ab- leiten dürfen, also = fragmentum, Stück einer grösseren Wolke, brochel ist davon das Deminutivum , welches ober- deutsch wohl brüchel heissen würde. Brochelsberg hiesse also wörtlich = Wölkchenberg. Man wird hiebei von selbst an den schwedischen Hexenberg BläkuUa in der Meerenge zwischen Smäland und Oeland denken, der seinen Namen ebenfalls von seiner physischen Erscheinung hat (= die blaue Kuppe), und nodi passender an den schweizerischen Pilatosi

Digitized by

Google

Hofmann: Bemerkungen zum Nachtsegen. 169

den Behüteten (Pileatus), wie mau ihn, sei es mit Recht oder nicht, wegen seines oft umwölkten Scheitels deutet, was neben der Zerrissenlieit seines Gehänges (daher der alte Name Fragmunt = fractus mons) der hervortretendste Zug an ihm ist.

(Note sn pag. 162.) Es ist wohl der Mühe werth, den Inhalt der merkwürdigen Sammelhandsohrift, nach sachlichen Gmppen ge- ordnet, etwas genauer zn charakterisiren. Sie enthält (abgesehen von dem Eintrag über Fasttage anf der allerletzten Seite) 18 Num- mern, die sich inhaltlich in folgender Weise ordnen. I. Als Ein- leitung zum Ganzen, gewissermassen als Encyclopädie geht voraus ein Pseudo-Aristotelioum, Secretum Secretorum, aus dem Arabi- schen übersetzt und in dieser Sprache wahrscheinlich auch ui*sprüng- lich verfasst. Die hiesige Staatsbibliothek besitzt den arabischen Text, Tgl. Flügel, Handschriften der Münchner Bibliothek im An- seigeblatt der Wiener Jahrbücher XLVII. Bd. 8. 28, und Aumer, Catalog der arab. HS8. S. 285—6. Das Werk ist auch für die ger- manische Literaturgeschichte von Bedeutung, denn Jakob von Maer- lant, der „Vater der niederländischen Dichtkunst*', hat es in seiner Heymelichede der heimelicheit bei v. Kausler, Denkmäler ü, S. 483 556) poetisch verarbeitet, „vorausgesetzt, dass er nach den Bedenken, die Ciarisse gegen seine Urheberschaft vorbringt, noch als der Verfasser gelten kann". Da Kausler ebendas. III S. 289 ff. gründlich und gelehrt, wie er pflegt, den ganzen Gegenstand be- handelt hat, so kann ich auf ihn verweisen, und will nur noch über die Herkunft unserer HS. eine Vermuthung äussern. Sie scheint mir aus Südfrankreich zu stammen, wenigstens stimmt sie mit allen provenzalischen Handschriften, die ich kennen gelernt habe, in de^r Rundung der Schrift, Weisse und Glätte des Pergaments, Blässe der Tinte, dann in besonders charakteristischen Zügen, wie z, vollkom- men überein. Die Zahl der Capitel ist, wie in dem von Kausler angeführten Drucke 72.

An dieses einleitende Werk, eines jener absurden, aber allge- mein studierten Gompendien, welche das nach manchen Richtungen 80 gewaltige und achtun gswerthe Mittelalter gerade für naturwissen- •ohafUiche Dinge in unwürdigem Aberglauben erhielten, reihen sich Unsere oder kürzere, botanische, astronomische und medizinische [1867. IL 1.] !!♦♦

Digitized by

Google

170 SUsfung'der philos-phüdl. Glosse vom 1 Jui*i 1867.

Tractate, endlich das weitaus merkwürdigste Stück der g^naen Sammlung, ein arabisches Zanberbuch, leider unvollständig, da es mitten in der ,,Wunderlampe^^ abbricht. Auf das Pflanzenreich be- ziehen sich Nr. 8, das erwähnte Pflanzen glossar mit deutschen und polnischen Erklärungen, (N^ 4 (f^ 72) lateinische Homonymen der Pflanzennamen, N^ 14, das zweite deutsche Eräuterglossar (f9 119 v^ 124 r^.) Am umfangreichsten und wichtigsten ist in diesem Zweige der Naturkunde das Obst- und Weinbuch (f^ 88 101\ ein ganz der Praxis angehöriges Compendium, unter dem Titel In- cipit liber de insertione arborum et earum fructuum. Von wem Grundlage und Weiterfuhrung der Arbeit stamme, zeigen die ein- leitenden leoninischen Verse an:

Palladii librum breviatum per Godefridum

Aocipe curta volens rustioa rura oolens

Palladium tantum non hio sequor aut Galieni^n

Pingitur et cespis floribus iste meis

Ordine sub certo nullo pereunte reperto

Scita prius religo munus et hoc tibi do. Das Ganze hat 4 Tractatus. 1. de plantationibus arborum 2. de vitibus. 8. de conservatione fructuum. 4. de vino. Der erste Tractat ist durch zwei Federzeichnungen, den geraden und den schielen Oculirschnitt vorstellend, illustrirt. Im vierten Tractat finden sich die interessanten Paragraphe, wie man erkennt si aqua sit in vino und wie aqua de vino separetur, dann de deceptione gustus (nicht durch Gallisiren), endlich de reformatione vini corrupti. Die zweite Gruppe bilden Astrologica. N^ 8 (F 76) de efifectibus planetarom (^ 80, v^ die sogenannten arabischenZiffem, N^ 9 (f^ 81) Capitniam in narratione Satumi (am Rande von jüngerer Hand Tractatus Sem filii Haym). N^ 10 (f^ 83) Tractatus alius, von den Monaten und ihrem Einfluss auf das Schicksal der Geburten in physische und psychischer Richtung bei beiden Geschlechtern. Die dritte am zahl- reichsten vertretene Gruppe ist die medizinische, zuerst N^ 2. Petri Hispani medicina {P 41—68), 5 (f^ 78). üeber Arzneidoaen, woran sich ironisch N.^ 6 Signa morientium unmittelbar anschliestt Diess ist ein Stück deutscher Herkunft, denn vom üringlase heisst es in summo staupo (=-: stouf Becher^ poculum malus.) N*^ 7, ein einzelnes Blatt de phlebotomia N^ 13 (f^ 109) Circa instans, ein Stück eines mediziuisch-pharmakologischen Glossars, N^ 15 (f^ 124) Definitionen von Krankheiten, N^ 16 (f^ 127) Vegetabilische Arznei- dosen NÖ17 ({^ 126) eine Pharmakopoe in 14 Abtheilungen. 1. Ver- schiedenes (26 Species), 2. Kräuter (108), 8. Rinden (10), 4. Blüthen (14>,

Digitized by

Google

Hofmann: Bemerkungen sum Nachteegen. 171

5. Hölzer (6), 6. Wurzeln (53), 7. Säfte (58), 8. Harze (28), 9. Knochen (6), 10. MetaUe (7), 11. Steine fSOX 12. Salze (8), 18. Fleisohsorten (18) dftranter Löwen- nnd Seepferdfleisch und Wolfsleber. 14. GonfSec- tiones dnrae (18). Man sieht also, 380 Simplicia enthielt diese älteste Pharmacopoea borassica, deren vollständige Mittheilong fSür Fachgenossen ebenso belehrend wie unterhaltend sein dürfte. Dem Gebiet der Zauberei endlich gehört ausser unserem Nachtsegen noch ein Spruch yon jüngerer Hand an, (^ 109 am unteren Rand : Contra piroil stribraras f iob traezon zcorobon connubiaiobfetpone eqy, hier ist das Uebrige vom Buchbinder abgeschnitten darüber tesa . . . Wegen des Uebels pircil, gegen welches der Spruch ge- richtet ist, vgL man Frisch unter bürzel Seuche und besonders unter gunbyrzelen, wo der merkwürdige Aufschluss gegeben wird, dass im Jahre 1387 die in Augsburg von dieser Epidemie Befallenen unter heftigen Schweissen (moleetissimis destillationibus) 4 5 Tage gerast hätten und dann in den meisten Fällen Genesung eingetreten sei Besonders ausgiebig vertreten ist es durch das aus dem Arabi- schen übersetzte Zauberbuch f^ 103—108 mit der üeberschrift Epi- stola Amati filii Abraham qui dignus est vocari filius Macellarii wie zu lesen ist, wiewohl ein Ahmad ihn Ibrahim ibnul Qa^b, wie der Autor auf Arabisch heissen müsste, sich nicht bei Hac^ji Khalifa, dem moslimischen Jöcher, findet. Zahlreiche arabische Wörter, be- sonders Namen von Hölzern, die zu Räucherungen verwendet werden, dann die Anfahrung arabischer Autoren, der Styl endlich, selbst im lateinischen Gewände von unverkennbarer Fremdartigkeit, lassen in- dess keinen Zweifel übrig, dass wir es hier wirklich mit einer arabi- schen Schrift zu thun haben. Der absonderliche Inhalt, so wie der zufällige Nebenumstand, dass das Stück mit sehr zahlreichen und starken Abkürzungen geschrieben ist, die Beschädigung mehrerer Blätter durch Schmutz und Abreibung machen die Abschrift ungemein schwierig. Das Ganze theilt sich wieder in zwei Theile, der 1. handelt von Heilungen durch Zauberei und Sympathie, der zweite von eigent- lichen Zaubereien. Ich begnüge mich, den Inhalt dieses letzteren Theiles anzugeben, und ein paar charakteristische Stellen auszuheben. Die Kapitel handeln 1. Vom Bienenmachen. 2. Von einer Räuoher- ung, die bewirkt, dass videbis orientem totum jam esse rubeum et aerem totum igneum aut videbis equites cum hastilibus atque equos et super eos homines ex igne. 3 Eine Räucherung: quando tu fumi- gabis in die manifeste cum ea, obtenebrabitur mundus et videbis Stellas omnes et lunam doneo timeat mundus ex illo. 4 fumig^um ut videatur luna dividi per medium. 5. operatio fumigii ad eolipsim

Digitized by

Google

172 Sitzung der phüos.'fhildl, GHasse vom 1. Juni 1867,

lanae fiM»endam. 6. operatio ut in coelo yideantor forme stdpe- ' faoientes. 7. soffamigfatio ut in coelo videantor gigantes. 8. enffu- migfatio ut in ooelo sint formae magnae. 9. ad fiaciendam plnviam. 10. ad flAoiendam pluviam. 11. de remotione plaviae. 12. Modüa domorom qui est facientibns mirabilia, d. h. ein Haus durch Bäucher- ung so Bozarichten, dass die Eintretenden nach Verlauf einer Stunde seheintodt werden und sie dann wieder zu erwecken. Es wird bei- gefügt, der Messias solle nach der Aussage einiger nach diesem altum capitulum Wunder gewirkt haben, sed non est ita. Am Rande Inquid Hunayn. 18. Operation um die Sonne oder ein Licht grösser als die Sonne bei Nacht su sehen, angewandt von solchen, die sich fclr Propheten und Weissager ausgeben. 14. Operatio um die Sonne in Flammen stehend zu sehen. 15. cum volueris convertere formam hominis in formam symii. Hiebei noch ein capitulum mirabile; quam volueris ut vidas homines'et non videant te, et tu ambulabis in medio eorum, et per hoc capitulum operantur ilH qui attribuunt sibi prophetiam et qui ascribuct sibi divinationem. ib. si vis videre ut homines at invicem sint nigrarum speoierum, d.h. dass die Leute einander schwarz voricommen. 17. Lampas mirabilia. Hier bricht, wie gesagt, das MS. ab. Obige Auszüge und Inhaltsangabe werden für den vorliegenden Zweck wohl genügend sein.

Zum Schlüsse habe ich nur noch eine Beobachtung mitzutheilen, die sich auf die Geschichte der HS. bezieht. Auf dem Rücken ist ein rundes blaues Schildohen aufgeklebt. Diess bedeutet, dass Docen sie untersucht und Glossen in ihr geAinden hat, die er sich für künftigen eigenen (Gebrauch in solcher Weise zu notiren pflegte. Ob er den Nachtsagen übersehen oder gleich dem Muspilli für einstige rfierausgabe zurückgestellt, kann ich nicht entscheiden.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Sitz.] liitroql

qn>rh>

A*^/?/*. ^atein.^

T \

0

p

l

^

^

1 '

\

1

A

1

/

/T

^

8t

>^:a

b.A

Jl

^

i^

Q

^1^

B B

5

ö

5

^

>

A

r c

4

^

*! ^

AD

^

^

6

Ol

tii

^

Jll3

6

fr

r

«o

X

^

6

^

^

\

T

^^

Z

?

#

0

^

H

1

0

H 0

H

3

ts

^

t;

[o]

r

iT)

9

Pß*

(!•'

^3

i

l

J

Jr

<r

»

4

2

> 4

1?

4V

9

A

Q

rtr

m

1

L

rc

r4

1 i

^^

Ob

^

XI

M

'l

1

K

N

M

Digitized by

Google

Glfliaivdlurta vorvTroft Zo-utAy poM. &J^fZ¥,

h'eroifh^ncraf^honifjj^ Ivehr. \ffritck\ hopt.

9

n

i

zo IS

tf

m

M

\s

y 0

« ki

^■n

M

1

W

In

^

V

TD

o

Zo&t'nr

s

n

Y

7

£fZ:

^

ü

^a—A

fl

r

)\

•^'-/

*t

■^

o

R

^

ÄJ

T

M

»v^tf.

d

F

3«1

W

Ä

*iTr

M

Kff-

ir

M

■«

^

W^

M

Digitized by

Google

Digitized by

Google

t <

.U 1

, - aber P"tn«

JA*/

^^ ,.t« in den ««^* '^

v.„^.* Ol«., s.'""" I^-J^'

c_iiMnnir VOi'

»l'^'

Sitzungsberichte

dar

MngL bayer. Akademie der Wissenschaften

ZQ München.

1ÖÜ7. JJ. Heft n.

Mänohdn

Sitzungsberichte

der

königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch -philologische Classe.

Sitzung vom 6. Juli 1867.

Herr Prantl trägt vor: „üeber die Literatur der Aactoritates in der Philosophie".

Schon in den ersten Jahren einer reichhaltigeren Ent- &ltnng der Buchdrückerknnst und in den nächsten darauf- folgenden Jahrzehenten treffen wir eine ansehnliche Zahl von Drucken, meistens ziemlich kleinen Umfanges, welche unter dem Titel „Auctoritates" oder „R^pertorium" oder y^Dicta notabilia** u. dgL eine Blumenlese philosophischer Sätze, zumeist aus Aristoteles, enthalten und sich in manig- fachen Wiederholungen oder Variationen sogar bis in das 17. Jahrhundert fortsetzen. Versuchen wir nun, diesen ganzen Zweig der Literatur im Interesse der Geschichte der Philosophie zum Gegenstande einer näheren Untersuchung zu machen, so wird hiebei selbstverständlicher Weise von den gleichzeitigen „Auctoritates theologiae" und den gleich- üüa auftauchenden „Auctoritates Galeni" völlig abgesehen. [1867.il 2.] 12

Digitized by

Google

174 Sitzung der phüos.'phÜd, Glosse vom S. Jtdi 1867.

Was das Material selbst betriflFt, so standen mir 38 Drucke zu Gebote, welche sich in folgender Weise in Gruppen bringen lassen:

A. 1) Repertorium sive tabula generalis auctoritatum are- stotelis cum commento per modum alphabeti et philosophorum. Nürnberg 1490. Petrus Wagner 4.

2) Repertorium sive tabula generalis auctoritatum are- stotelis et philosophorum cum commento per mo- dum alphabeti. Coloniae 1494« Henr. Quentel. 4.

3) Ebenso ebend. 1495. 4.

4) Auctoritates Aristotelis et aliorum philosophorom per modum alphabeti cum notabili commento. Liptzk. 1503. Wolfgang Monacensis. 4.

5) Ebenso ebend. 1510. 4.

6) Repertorium sive tabula generalis authoritatum Ari- stotelis et philosophorum cum commento per mo- dum alphabeti. Paris 1513. Officina Ascensiana. 4.

7) Axiomata philosophica Venerabilis Bedae ex

Aristotele et aliis praestantibus philosophis etc. studio Joannis Kroeselii. Ingolstadt 1583. Wolfg. Ed6r. 8.

8) Axiomata philosophica Venerabilis Bedae ex

Aristotele et aliis praestantibus philosophis

Quibus accessere theses in diyersis Academiis

disputatae. Coloniae 1605. Bemard Gualtherus. 8.

9) Reverendi et clarissimi viri Bedae Piresbyteri Axio- mata philosophica ex Aristotele aliisque praeclarissi- mis Philosophis. etc. S. 1. 1608. 8.

10) wie 8) Colon 1616. Bern. Gualtherus.

11) ebenso ebend. 1623.

12) Bedae Vener. Opera omnia. Basel. 1563. VoL I.

13) desgleichen Colon. 1612. Vol. I. . 14) und ebend. 1688. Vol. I.

B. 1) Incipit prologus de propositionibus aniyersalibos

Digitized by

Google

PranÜ: Literatur der „Äucioritatea^*. 175

f>'

Aristotelis. S. 1. et a. 4. ein äosserst alter Druck aus einer oberitalischen Offizin). Am Schlüsse sind beigedruckt Notabilia artis physionomice, und unter W^lassung dieser ist gleichlautend:

2) Ebenso. Bononiae. 1488. Ugo Bugerius. 4.

3) Propositiones Aristotelis. Yenetiis. S. a. 4.

1) Autoritates Arestotelis, Senece, Boetii, Piatonis, Apulei Affricani, Porphirii et Gilberti Porritani. S. 1. 8. a. 4 (äusserst alt aus einer deutschen Offizin).

2) Ebenso. S. 1. s. a. 4. (etwas jünger).

3) Ebenso. S. 1. s. a. 4. (wieder aus einer andern Druckerei).

4) Ebenso. Goloniae. 1487. Joh. Guldenschaeff. folio.

5) Ebenso. Reutlingen. 1488. Michael Gryflf. 4.

6) Ebenso. Spirae. 1496. Conrad Eist. 4.

7) Ebenso, mit dem Beisatz denuo summa cum dili- gentia fevise et correcte. S. I. 1498. 4 (sicher Goloniae bei H. Quentel).

8) Ebenso. S. I. 1503.4 (gleichfalls sicher bei Quentel).

9) Autoritates Aristotelis omnium recte philosophan- tium facile principis, insuper et platonis, Boetii Senece, Apulei Aphricani, Porphirii, Averrojs, Gil- berti Poritani nee non quorundam aliorum novis- sime castiori studio recognite et pigmentate. Go- loniae. 1504. Henr. Quentel. 4.

10) Ebenso ebend. 1507. 4.

11) Ebenso ebend. 1509. 4.

1) Repertorium dictorum Aiistotelis, Averoys, aliorum- que philosophorum (in der Dedications-Epistel an Hyeronimus Tostinus de Florentiola nennt sich An- dreas Victorius Bononiensis als Verfasser). Bononiae. 1491. Impensa Benedict! de Hectoreis .... et dili- gentia Bazalerii de Bazaleriis. 4.

12*

Digitized by

Google

176 Sitzung der phäos.-phüol, Ck^ vom 6. Jtäi 186^.

2) Prepositiones [sie] ex omnibus Arktotelis libris philo- sophie. Moralis. Naturalis, et prime. nee non dia- lectice. Rhetorice. et poeticae. diligentissime ex- cerpte. et ad certa rerum capita pulcherimo ordine per tabellam additam redacte. (Zuerst folgt das alphabetische Register von Benedictus Soncinas Ter-

fassty dann die Propositiones collectae per

' iratrem Theophilum de Ferrariis Gremonensem.) Venetiis. 1493. Joannes et Gregorius de Gregoriis. 4.

E. 1) Dicta notabilia, et in thesaurum memoriae reponenda,

Piatonis. Aristotelis. Commentatoris. Porphirii. Gil- berti Poretani. Boetii. Senece. Apulei, recens im- pressa Quibus addita sunt stupenda Aristo- telis problemata philosophis ac medicis roultum utilia etc. Venetiis 1532. Sebastianus Vincentinus. 8.

2) Dicta notabilia Aristotelis et aliorum quam pluri-

mum [sie] Quibus de recei^ti Addita sunt Mar-

eiantonii Zimarae Problemata, uoa cum CCG ArisL et Averr. propositionibus etc. Venetiis 1536. Divas Bernardinus. 8.

3) Ebenso ebend. 1541. 8.

4) Aristotelis, et philosophorum complurium aliorum Sententiae omnes undiquaque selectissimae. Basileae. 1541. Robert Winter. 8. (Ein Nachdruck von 1 mit Weglassung der Problemata.)

5) Dicta notabilia sive^ illustriores sententiae ex

Piatone, Aristotele, et aliis quam pluribus selectae etc. Venetiis. 1551. Hieron. Calepinus. 8.

F. 1) Florum illustriorum Aristotelis ex universa eins

philosophia collectorum libri tres.. Per Jaco-

bum Bouchereau Parisinum. Paris 1563. Hier, de Marnef. 8.

2) Ebenso. Francofurdi. 1585. Joannes Wechel. 8.

3) Ebenso. Ai|;entinae. 1598. Lazarus Zetzner. 8.

Digitized by

Google

PranÜ: Literatur der ^,Auctoritates'*, 177

Betrachten wir nun an diesen Drucken . vorerst die ausserlichen literarischen Momente, um hernach auch ein paar Blicke auf Eigenthümlichkeiten des Inhaltes zu werfen, 80 ergibt sich aus juanigfacher Vergleichung zunnchst, dasa der Gruppe A eine andere Entstehung zu Grunde Hegt, als den Gruppen B und C, aber doch die beiden ur- sprünglich verschiedenen Sammlungen alsbald wechsel- seitige Entlehnungen und Interpolationen erfuhren, und ausserdem erhellt, dass der Gruppe ' A die zeitliche Priorität gebürt.

Nämlich die alphabetisch geordneten Auctoritates ent- halten einen ursprünglichen Kern, welcher offenbar bi^ in das 14. Jahrhundert zurückfallt. Ja dieser Kern beruht nicht einmal auf Lektüre der aristotelischen Schriften selbst, sondern ist aus der Controvers-Literatur des genannten Jahr- handertes entnommen, d. h. Wer sich in jene Periode der Geschichte der Philosophie vollständig eingelebt hat, erkennt sofort, dass nur diejenigen Stellen-Citate aus Aristoteles, welche seit Thomas und Scotus am häufigsten in den zahl* reichen Gontroversen benützt und als „Auctoritäten'* den Gegnern gleichsam an den Kopf geschleudert wurden, hier in «in kleines Büchlein zusammengetragen sind. Und des- gleichen erweisen sich die kürzeren oder längeren Erläuter- ungen, welche den einzelnen Auctoritates oder Axiomata beigefugt sind, als Excerpte aus den betreffenden Stellen, in welchen z. B. Albertus. Magnus oder Thomas v. Aquin oder Robert v. Lincoln u. A. ein aristotelisches Gitat besprochen hatte. Eine gewisse Tendenz aber ist hiebe! darin bemerk- bcir, dass die Richtung, welche mit Dnns Scotus beginnt und durch Occam einen gewissen Abschluss erhält, bei dem Gompilator der Auctoritates keineswegs Beifall gefunden haben muss, sondern derselbe im Gegentheile mehr der thomistischen Strömung folgte. Der Gedanke, aristotelische Auctoritäts-Stellen auf solche Weise zu sammeln und dann

Digitized by

Google

178 Sitzung der phüos.-phüol Classe vom 6. Juli 1867,

alphabetisch zu ordnen, war für jene Zeit gewiss nicht un- praktisch; denn so konnte nun zum Behufe einer Schal- Disputation auch der Unbelesenste in geschwindester Manier eine staunenswerthe Gelehrsamkeit zur Schau tragen (ähn- lich wie es für die Parlaments-Redner Englands noch jetzt Zusammenstellungen von loci communes gibt^ aus welchen der Glanz einer ausgedehnten Belesenheit in classischer Literatur geschöpft werden kann). '

In Folge solcher Entstehung enthielt die alphabetische Sammlung ursprünglich auch nur solche Auctoritäts-Stellen, welche schon vor der Renaissance-Periode zugänglich und in Umlauf waren. So sind es natürlich vor Allem Citate aus Aristoteles, zu welchen erklärlicher Weise das Organen (mit Einschluss des Porphyrius und des Gilbertus Porre- tanus), die Metaphysik, die Physik und die Bücher De anima das grösste Contingent liefern, während die Bücher De coelo bereits eine geringere, die Bücher D. gener. et corr. wieder eine geringere und Meteor. Die geringste Ver- tretung finden. An diesen Bruchtheil der Gesammtsdiriften des Aristoteles mussten sich nicht bloss das Buch De causis, sondern hauptsächlich auch die Gommentare des Averroes zu den genannten aristotelischen Werken und auch die Schrift De substantia orbis anreihen. Ausserdem aber finden wir, um von einigen Dutzend herrenloser Citate od» solcher, welche als „communis regula^' bezeichnet sind, ab- zusehen — noch angeführt : Aristoteles D. gener. an., Probl., Pseudo-Arist. D. propr. elem., Secreta secr., Boethius D. divis., D. defin. D. difif. top., Euklides, Priscianus, Augu- stinus, Anastasius, Isidorus, Anseimus, Hugo v. S. Victor, Alanus, Avicenna, die „Alchimisten'*, Wilhelm v. Paris, Robert v. Lincoln, Albertus Magnus, Thomas v. Aquin, Petrus Hispanus, A^idius Romanus, Sacroboscus (jedoch sämmtliche nur je Ein, höchstens zwei Mal, und Avicenna fünf Mal). Und sowie wir bedenken müssen, dass all diese

Digitized by

Google

JPranÜ: Literatur der „Äuctaritates''. 179

Autoren im. 14. Jahrb. als Auctoritäten äusserst geläufig waren, so ist auch sehr zu beachten, dass in sämmtlichen übrigen Gruppen dieser Auctoritates-Literatur kein einziges von diesen letzteren Citaten wiederkehrt. Dass übrigens der Verfasser einer Gompilation, welche auch die genannten Schriftsteller des 13. und 14. Jahrhunderts anfuhrt, nicht Beda Venerabilis, welcher im Jahre 735 starb,- sein könne, bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung ; auch hat schon der äusserst fleissige Oudin (Scriptt. eccl. Vol. I, p. 1687) dieses chronologische Missverhältniss bemerkt. Möglicher Weise war es irgend ein „Presbyter Beda'*, welcher im 14. Jahrb. ein solches Schriftchen zusammenstoppelte und hiedurch die Verwechslung hervorrief, vermöge deren auch in den Drucken A, 1—6 auf der nach dem Titelblatte folgenden Seite stets venerabilis Beda presbyter als Heraus- geber genannt ist; aber mir wenigstens ist ein Autor dieses Namens aus jener Zeit nicht begegnet.

Aber dieser ursprüngliche Kern der alphabetischen Auctoritates, welcher nur mittelalterlich-aristotelische Litera- tur enthielt, wurde zur Zeit der Renaissance allmälig durch neue Zusätze bereichert, wahrscheinlich schon in Hand- schriften, sicher aber in den ersten Drucken. Und sowie wir Grund zur Vermuthung haben, dass die primitive Ge- stalt dieser Auctoritates in den Thomistischen Schulen zu Paris und namentlich zu Cöln entstanden, so dürften wir schwerlich irren, wenn wir annehmen, dass die Bereicherung und Interpolation von Oberitalien aus stattfand. Zunächst schon äusserlich kündigen sich Zusätze dadurch an, dass am Schlüsse der einzelnen Buchstaben noch zahlreiche Auc- toritäts-Stellen beigefügt sind, welche im Gegensatze gegen die übrigen eines Commentares entbehren und zuweilen auch unter der üeberschrift „Sequuntur auctoritates simpliciter verae" eingeführt sind. Der Buchstabe 0 ist der letzte, welcher eine solche Vermehrung zeigt, und bei den folgen-

Digitized by

Google

'180 Sitzung der phOos.-phüdl. Clam wm 6. JuU 1867.

den war der Interpolator offenbar schon etwas «rmüdet. So- dann aber bestätigt sich der Charakter der Interpolation durch den Nachweis der Herkunft dieser Zusätze, weldier durch folgende Erwägung sich ergiebt : Die Gruppe A, d. h. die alphabetischen Drucke, enthält nahezu 1100 Auctoritäts- SteHen, während die Gruppen B und C deren gegen 2700 aufzeigen ; dabei aber ist es selbstverständlich, dass mehrere Stellen beiden Sammlungen gemeinsam sind, und zwar ist diess in dem ursprünglichen Kerne der alphabetischen Sammlung bei ungefähr 175 Stellen der Fall; hingegen die erwähnten Zusätze, welche am Schlüsse den einzelnen Buch- staben beigefügt sind, und deren Zahl zusammen 210 be- trägt, kehren nahezu sämmtlich (d. h. 207 unter den 210) in der anderen Sammlung wieder. Und es wird dieser Um- stand um so entscheidender, da ein kleinerer Theil dieser Zusätze -aus Schriftwerken excerpirt ist, welche genau in der nämlichen Stellen-Zahl in den Gruppen B und G ver- treten sind, nämlich aus des Aristoteles Hist. an., Oecon. und Poet., aus den pseudo-aristotelischen Schriften De bona fortuna. De pomo et morte, De regimine prindpum, aus dem platonischen Timäus (d. h. Ghalcidins) und aus Apa- lejus D. deo Soor, zusammen sind es 36 Stellen, deren Auf- treten in der alphabetischen Sammlung sdilechterdings da- mit zusammentrifft, dass dieselben auch der nicht-alphabeti- schen Sammlung gemeinsam sind. Und bei einer anderen Classe von Citaten besteht das nämliche Verhältniss, nur in geringerem Grade, indem von ungefähr 245 Stellen, welche aus des Aristoteles Pary. nat., Eth. Nie, Polit., Rhet., aus Seneca, aus Boethius D. cons. phil., und aus Pseudo-Boethius D. diso, schol. zusammen entnommen sind, etwa sieben Zehntel (d. h. ungefähr 170) zur Zahl der späteren Zusätze gehören, welche den beiderseitigen Samm* lungen gemeinsam sind.

So nöthigt uns gleichsam eine statistische Betrachtung

Digitized by

Google

Prana: LUeratur der ,,ÄueU}r%tate8". 181

der Stellen beider Sammlungen zu dem Sdilusse, dass der ursprüngliche Kern der Gruppe A schon früh aus den Gruppen B und C bereichert wurde, indem man von dort her einen neuen Umkreis aristotelischer Werke und anderer bis dahin nicht benutzter Autoren behufe der „Auctoritates'^ beizog. 1Seit einer solchen ersten Verschmelzung zweier ur- sprünglich verschiedener Sammlungen wurde dann in einigen ziemlich unbedeutenden Einzelnheiten auch wieder die nicht- alphabetische Sammlung aus der alphabetischen bereichert, so dass die vorhin erwähnten Zahlen-Verhältnisse in ein- zelnen Drucken kleine Schwankungen zeigen.

Diese Gruppen B und C nun, welche unter sich in ver- WMidtschaftlichem Zusammenhange stehen,, weisen örtlich auf Italien und inhaltlich auf ein von der Gruppe A ver- schiedenes Entstehungs-Motiv hin. Nemlidi innerhalb der Gruppe B gehört der älteste Druck (Bl) ebenso gewfss einer sehr frühen Periode der Typographie als einer italieni- schen Offizin an, und er ist überhaupt die älteste unter den nidit-alphabetischen Sammlungen, in welchen die ,,Auctori- tates^' oder, wie man sie in Italien lieber genannt zu haben scheint , die „Propositiones universales*' nach einer gewissen Reihenfolge der Büdier, denen sie entnommen waren, geordnet erscheinen. So finden wir in diesem und in dem mit ihm gleichlautenden Bologneser Drucke (B2) Auctoritäts-Stellen aus: Arist. Metaph., Phys. ausc., D. coel., D. gen. et corr., Meteor., D. an., Parv. nat., wobei nach jedem einzelnen dieser Bücher, mit Ausnahme der vier Bücher Meteor., jedesmal einige Stellen aus dem betrefiFen- den Gommentare des Averroes folgen, dann aus dem Buche De causis, dann Arist. Eth. Nie, D. bon. fort., Oecon., Polit., Rhet., Poet, nach welch letzterer wieder Averroes, hierauf aus Pseudo-Arist., Secr. secr., D. reg. princ, D. pomo et morte, sodann aus dem Organen mit Einschluss des Porphyrius und des Gilbertus, hernach aus Arist.

Digitized by

Google

182 Sitsung der phOos.-phiM. (Masse vom 6. JM 1867.

Eist, an., Averr. D. sahst, orb., Seneca ad. Lac, de mor., d. form, vit., d. beaef., d. remed. fort., Boeth. D. oons., D. disc. BchoL, Plato Tim. and aas Apul. d. deo Socr. Der Druck B 3, welcher von Farv. nat. an die Reihenfolge mehr- fach ändert and insbesondere Poet., Bhet., and das Organon an den Schlass des Ganzen stellt, fügt aach noch Arist De mot. anim. and Fs.-Arist. De plantis and De proprietatibas elementoram ein. Und mit diesem letzteren Drucke ist nun die ganze in Deutschland gedruckte Gruppe C wes^Üicfa identisch, nur ist die Schrift D. propr. elem. wieder weg- gelassen und die Reihenfolge der Bücher in einige Punkten geändert, sowie auch Averr. zu Meteor beigezogen und ausser- dem kehrt hier die Titel-Bezeichnung des Ganzen als „Aoctori- tates'' wieder. Es sind nemlich die sämmtUchen Drucke, welche zur Gruppe G gehören, in Zahl, Reihenfolge und Formulirung der Autoritäts-Stellen unter sidi völlig gleidi, und die in dieser Beziehung waltende Uniformität ist da- durch nicht gestört, dass die bei Heinrich Quentel erschie- nenen Drucke, d. h. C, 8 11, einige Eigenthümlichkeiten zeigen. Nemlich in denselben ist die erklärende Begründung der einzelnen Stellen manchmal durch kleine Zusätze be- reichert, und am Schlüsse des Ganzen eine Commendatio philosophiae Aristotelis cum eiusdem vita et moribus nebst einem (gräulichen) Carmen de operosa virtute beigefugt; und jener thomistische Aristotelismus, dessen hauptsächlidie typographische Stütze damals QuentePs Offizin war (— mehrere anderweitige Drucke Quentel's zeigen auf dem Titelblatte ein Bildniss des Thomas v. Aquin, aus dessen Munde sidi ein Zettel mit der Aufschrift entfaltet, dass ausschliesslidi nur Thomas die Quelle aller philosophischen Wahrheit sei ), zeigt sich hier darin, dass vor den der Politik des Aristoteles entnommenen Auctoritäts- Stellen eine zienüich heftig geschriebene „Ezplosio Platonis^' eingefügt ist; aber auch die anerkennenswerthe Neuerung finden wir in diesen

Digitized by

Google

FranÜ: Literatur der „Äuctoritates^'. 183

Drucken, dass als Verfasser der Schrift De disdpl. scho- lariam hier nicht mehr Boethius, sondern Thomas Braban- tinns genannt ist.

Jener schon erwähnte Umstand aber, dass innerhalb der Gruppen B und C der älteste Druck aus einer ober- italienischen Druckerei hervorgieng, ist weder zufällig noch yereinzelnt, sowie überhaupt für das Ende des 15. und den Anfang des 16. Jahrhui^derts die Beachtung der Druckorte manchen interessanten Blick auf die örtliche Verbreitung verschiedener Partei- Ansichten werfen lässt. Italien, die früheste und hervorragendste Oertlichkeit der Renaissance, lieferte die ersten Gesammt- und Special-Ausgaben der aristotelischen Werke, und hier zuerst lernte man, ab- gesehen vom Organen , den Aristoteles nicht aus den Gommentaren und Controversen eines Thomas und Scotus und Anderer, sondern aus dem Texte selbst kennen. So auch schuf man sich zum Behufe der üblichen Schul-Dispu- tationen eine Sammlung aristotelischer Auctoritäts-Stellen, welche unmittelbar aus den Drucken aristoteUscher Schriften selbst geschöpft war, ein Geschäft, welches damals jeder Setzer oder wenigstens jeder Vorsteher einer Di-uckerei be- sorgen konnte, denn diese Leute standen hinreichend auf der gelehrten Bildung ihrer Zeit, um sich während des Druckes oder der Gorrectur hauptsächliche und hervor- stechende Stellen des Autors, welchen sie druckten, zu notiren und zusammenzuschreiben. Für den Leser solcher Sammlungen war allerdings auch diess eine wohlfeil errun- gene Belesenheit, wenn er in etwa 3000 Zeilen den ganzen Aristoteles, Averroes, Boethius, den halben Seneca und noch ein paar andere vielgenannte Schriftwerke beisammen hatte. Aber während hierin an praktischer Brauchbarkeit die Gruppen B und G dem alphabetisch geordneten Stoffe der Gruppe A nicht nachstanden, hatten sie den Vorzug, dass sie aus den betreffenden Quellenschriften selbst geschöpft

Digitized by

Google

184 Sitgung der phOos.-phiM. Classe vom ß, JuU 1867.

waren. Ja man hat es in italienischen Druckereien (z. B. in der Offizin dw Gebrüder de Gregoriis zu Venedig) zu- weilen auch zweckdienlich gefunden, dem Text- Abdrucke einer lateinischen Uebersetzung eines aristotelischen Werkes noch die betreffenden „Auctoritates" aus demselben nach- folgen zu lassen, welche dann im Ganzen so sehr mit den Stellen in den Gruppen B und C übereinstimmen, dass man auf den Gedanken kommen könnte, diese letzteren seien überhaupt nur Abdrücke solcher Zusammenstellungen, weldie am Schlüsse einzelner Text-Ausgaben sich finden. Jedoch erscheinen derartige „Auctoritates'' in den Drucken der aristotelischen Texte viel zu selten, um eine solche An- nahme möglich zu machen, und weit eher ist an das um- gekehrte Verhältniss zu denken, d. h. dass die Sammlungen der Auctoritates benützt wurden, um die Ausgabe eines ein- zelnen Buches am Schlüsse mit den es betreffenden Aucto- ritäts-Stellen zu schmücken.

Unter Bewahrung einer gewissen Selbstständigkeit knüpfte an die Gruppe B, d. h. an die italienischen Drucke, der Bolognese Andreas Victorius (D, 1) an, welcher nicht bloss die Schrift De reg. princ, sondern auch Boeth. D. cons. und De disc schol. und den platonischen Timaeus bei Seite liess, und ausserdem das Uebrige in einer zuweilen umge- stellten Reihenfolge vorführte. Und gleichfalls auf der italienischen Grundlage baute Theophilus de Ferrariis (D, 2) fort, welcher unter Wiederaufnahme des dort üblicheren Titels „Propositiones** nun ausser Boethius und Plato auch den Seneca und den Apulejus hinwegliess und somit sich wesentlich auf die eigentlich aristotelische Literatur (d. h. mit Einschluss des Averroes, Porphyrius und Gilbertus Por- retanus) beschränkte, wobei uns nur auffallen mag, dass die Poetik hier unberücksichtigt blieb, während sogar die sog. grosse Ethik beigezogen ist. Eben aber innerhalb der Beediränkung auf Aristoteles ist diese Auotoritäten-Samin-

Digitized by

Google

iVontZ: Literatur der „AuctoritiUet'. 185

lang bei weitem die reichhaltigste von allen; und indem gleichsam säramtliche citirbaren Kemstellen in der Reihe, wie sie in den Texten nacheinander folgen, zusammengestellt sind, kann man das Ganze, welches nahezu 10,000 Stellen enthält (z. B. aus dem Organon bei 2100, aus Metaph., Phys. ausc, Eth. Nie. ungefähr je 1100 u. s. f.), als einen ziemlich vollständigen und auf Text-Lectüre beruhenden Auszug aller aristotelischen Werke bezeichnen. Zugleich aber wurde mit diesem Vorzuge grösster Ausführlichkeit auch das praktische Moti? der alphabetischen Sammlungen verbunden, indem Benedikt Soncinas jene 10,000 Stellen nach ihren Schlagworten in alphabetische Ordnung brachte, und somit zur Bequemlichkeit des Auffindens brauchbarer Auctoritäts-Stellen ein Register, welches allein 102 Seiten fällt, vorangedruckt wurde. Dass die philosophische Partei« Stellung auch bei dieser Sammlung dem Thomismus zu- gewendet war, erhellt aus mehreren Stellen derselben; ja auch Gratiadei von Ascoli findet hier eine reichliche Ver- wendung. •

Hingegen wieder oine Rückkehr zur Gruppe B hat stattgefunden in der Gruppe E , wo wir die sämmtlichen anderweitigen Autoren wie dort aufgenommen finden. Nur ist die Reihenfolge der Abschnitte darin wesentlfch geändert, dass mit Poet, und Rhet. begonnen wird und dann sogleich das Organon folgt; auch sind bei einigen aristotelischen Sdiriften nicht sämmtliche Stellen aufgenommen, welche in jener älteren Sammlung sich finden, hingegen z. B. bei Seneca ein paar neue Stellen hinzugefügt.

Endlich insoferne in Bouchereau's Sammlung (Gruppe F), welche sich wieder ausschliesslich auf Aristoteles beschränkt, eine Auswahl aus dem reichen Materiale des Theophilus de Ferrariis in inhaltliche Gesichtspunkte zusammengestellt ist, entfernt sich dieselbe bereits einigermassen von dem eigent- lichen Charakter der früheren „Auctoritates'^ und nähert

Digitized by

Google

186 Siieung der phüos.-phüöl. Classe vom 6. Juli 1867.

sich eher einem selbstständigen Werke, welches nach Mass- gabe und Fähigkeit des 16. Jahrhunderts eine Darstellaag der g^ammten aristotelischen Philosophie genannt werden könnte.

In literargeschichtlichcr Beziehung aber muss noch be- sonders hervorgehoben werden, dass der ganze Gomplex der Auctoritates in yerwandtschaftlicher Weise mit zwei and^- weitigen. Zweigen von Schriften zusammenhängt. Vorerst nemlich ist es die Literatur der damals sogenannten Pro* blemata ( oder wie die Schreibweise häufig lautete, „Pro- bleumata^O Aristotelis^ welche ja auch in obigem Drucke £, 1 eine Aufnahme unmittelbar neben den Dicta notabilia gefunden hatten. Und in der That war diess nidit due bloss äusserliche Zusammengehörigkrit, sondern diese Pro« blemata bildeten wirklich eine Ergänzung der üblichen „Auctoritates^S insoferne jenes eigenthttmliche Sammelwerk, welches unter dem Titel ^,Problemata'' in den aristotelischen Schriften enthalten ist, durchaus nie zu den Sammlung^ def Auctoritäts-Stellen benätzt worden war. Aber diese aus dem Alterthume überlieferten Probleme des Aristoteles waren nur die äussere Veranlassung der sog. „Probleumata Aristotelis*', und diese letzteren, welche in der Incunabel- Zeit und den nächstfolgenden Jahrzehenten äusserst häu% gedruckt wurden (— mir kamen 34 Drucke, darunt^ 4 deutsche üebersetzungen, vor ), sind Nichts w^ger, als etwa Ausgaben der aristotelischen Probleme, sondern es sind Fragen, deren wohl sehr viele dorther entnommen werden konnten, aber deren wieder ein grosser anderer Theil aus anderweitigen naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles geschöpft ist. Und die Beantwortung dieser Fragen, welche zuweilen aus Aristoteles selbst, aber häufiger aus Avicenna, Averroes, Galenus, einige Male auch aus Albertus Magnus entlehnt ist, zeigt uns deutlich, dass diese ganze Ergänzung der Auctoritates von der damaligen medi«

Digitized by

Google

PrmÜ: LiUratwr der ^uetaritate^'. 187

cinischen Wissenschaft ausgieng. Aber eine erklärliche Rück- anknüpAing an die Richtong der Aactoritates erkennen wir darin, dass in einem Theile dieser Ausgaben der Problen- mata die oben erwähnte Abhandlung de Aristotelis vita et moribus aus den Köhier^Drucken in metrischer Bearbeitung Aufiiahme fand und hinwiderum in mehreren anderen Aus- gaben die Problemata des Marcus Antonius Zimara nebst der von eben demselben veranstalteten Sammlung von 300 Sätzen des Aristoteles und des Averroes beigefugt wurden.

Ein zweiter Zweig aber, mit welchem im damaligen Schulbetriebe die ,^Auctoritates'' zusammenhiengen, war die höchst ausgedehnte Literatur der sog. Thesen, und sowie die oben erwähnten Drucke A, 8, 10 und 11, welche auf dem Titelblatte das bekannte Jesuiten-Zeichen tragen, un- mittelbar an die Axiomata eine lange Reihe von Thesen anknüpfen, welche seit 1592 in verschiedenen Jesuiten- Schulen verhandelt worden waren (— Theses disputatae ), so treffen wir in der That fast eine Unzahl von Thesen- Drucken, welche bald Proposita, bald Assertiones, bald Positiones betitelt sind, und disputable Sätze aus aristoteli- sdier Logik, Physik und Ethik in näherem oder entfern- terem Anschlüsse an die übUchen „Auctoritates^' enthalten. Dass diese Praxis der Schul-Disputationen sich allmälig in abgesdiwächter Form zu den noch jetzt üblichen Promo- tions-Thesen umgestaltete, ist ebenso selbstverständUch, als dass auch die protestantische Universitäten, welche als Universitäten überhaupt den Scholasticismus der Vorzeit nur in das Protestantische übersetzten, an dieser formellen Tradition sich reichlich betheiligten. Hingegen ein tieferer cnlturgeschichtlicher Faden liegt darin, dass der Standpunkt der Jesuiten, ans deren Schulen im 16. und 17. Jahrb. bei weitem die grössere Zahl der Thesen-Literatur hervorgieng, im Allgemeinen nur eine getreue Fortsetzung des Thomis- mus (d. h. der Dominikaner) war. Und diese Erwägung

Digitized by

Google

188 Sitzung der phOosrphiM. CUme vom 6. JuU 1867.

mag uns den üebergang zu einigen inhaltlichen Betracht- ungen machen, welche dem Leser der Literatur der ,^ac- toritates*^ sich aufdrängen.

Insoferne nemlich in dem Paris-Kölner und dem ober- italienischen Thomismus, welch letzterer in manchen Ponk- ten auch mit dem Averroismus einen ziemlidi unvorsichtigeii Frieden eingieng, der inhaltliche Qrundton der sämmtlidien Auctoritates-Literatur liegt, kann dieselbe einen kleinen Beitrag zur Kenntniss der Renaissance-Zeit und des 16. Jahr- hundertes, d. h. äberhaupt einer Periode liefern, deren Detail-Erforschung bezüglich der Philosophie immerhin noch als eine der Wissenschaft erst obliegende Angabe beseich- net werden darf. Denn sowie man bisher in der Geschichte der Philosophie selbst bei ausführlicherer Darstellui^ den Üebergang von Occam oder etwa auch von Johannes Gerson und Raimund von Sabunde bis zu Baco v. Verulam und Descartes etwas allzu rasch zu bewerkstelligen pflßgt, und auch nur sehr wenige Monographien üb^r einzelne der da- zwischen hegenden zahlreichen Mittel-Formationen yerfasst wurden, so liegen überhaupt noch (-^ ohne üebertreibung ) Hunderte von Drucken aus jener Zeit vor, welche wohl ein lautes Zengniss über den damaligen eigenthümlichen Zu- stand der Philosophie ablegen, aber bis jetzt für die ge- schichtliche Wissenschaft noch nicht benützt wurden. Einen grossen Theil derselben wird allerdings die Geschichte der Logik noch verwerthen müssen, aber indem dieselbe die Gränzen ihres speziellen Gegenstandes nicht überschreiten darf, kann sie gewissermassen nur eine Probe oder eine Anreizung zur Behandlung des übrigen Restes darbieten. Ein unscheinbarer Nebenpunkt aber, welcher in seiner be- schränkten Weise sich auf die ganze Philosophie (d. h. auf Logik, Metaphysik, Physik, Psychologie, Ethik, Politik) er- streckt, beruht in der Literatur der Auctoritates.

Im scholastischen Mittelalter war theologisirende Sdiul-

Digitized by

Google

iVofiil; Literafur der ^^Äudaritates'*, 189

Philosophie die einzige Existenzweise der Philosophie über- haupt. Diess äijderte sich hernach, insofeme von dem wied^^rwachenden Alterthüme und von Mathematik und Naturstadium her in freierer Strömung eine anderartige Zett-PhiloBophie danebentrat; aber die Aendernng bestand nidit darin, dass etwa, wie mai) gemeinigh'ch anzunehmen Bdieint, seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts die Scho- lastik zu Orabe getragen sei (oder, wie eine beliebte Phrase lautet, dass der Tübinger Gabriel Biel der letzte Schola- stiker gewesen sei). Den besseren Theil hatten in jener denkwürdigen Periode der Renaissance jedenfalls die Hu- manisten erwählt, aber sie übten vorerst keinen unmittel- baren Einfluss auf die Zeit-Philosophie aus, geschweige denn überiiaupt irgend einen Einfluss auf die Schul-Philo- sophie; und auch die platonische Akademie der Mediceer bradite in der Tradition des philosophischen Schulunter- richtes noch weit weniger eine Aenderung hervor, als ehe- dem das analoge Unternehmen des Julianus Apostata. Andrer- seits war in Naturkunde und insbesondere Arzneiwissenschaft bereits während der scholastischen Periode neben Avicenna auch Oalenus getreten, und die Renaissance fügte sofort die Werke des Hippokrates hinzu (allerdings vorerst in lateinisdier Uebersetzung und erst 3 4 Jahrzehente spater im griechischen Originale), so dass in der That eine Reihe reformatorischer Bestrebungen in der Philosophie auf Chemie und hippokratische Humoral - Theorie zurückweist. Aber während es häufig unser Staunen erregt, mit welch aus- gedehnter medizinischer Belesenheit im 16. Jahrhundert z. B. die psychologischen Fragen von Averroisten und Anti- Averroisten, von Nioht-Aristotelikern und auch einigen Ari- stotelikem besprochen wurden, so erfuhren alle dergleichen Qrundsätze und Meinungen, welche sich von den aristoteli- schen vier Elementen abwendeten und neue phTsikalische Kategorien-Tafeln oder anderweitige Grund-Elemente auf [1867. IL 2.] 13

Digitized by

Google

190 Sitzung der phüos.-phiM. Gasse ^com 6. Juli 1867.

zustellen versuchten, seitens der Schul-Philosophie nar eine gänzliche und principielle Nichtbeachtung. ^

Die Katheder-Philosophie War nun nicnt mehr, wie im Mittelalter, zugleich die Zeitphilosophie, und die Inhaber der philosophischen Lehrstühle waren nicht die Träger des allmäligen Fortschrittes der Philosophie, sondern nur die Vertreter einer älteren und bereits stagnirenden Tradition. Und indem sich der fortschreitende Aufischwung der Philo- sophie gerade ausserhalb der Hörsäle in indiyiduell gefärb- ten schriftlichen Schöpfungen vollzog, erklärt sich sowohl die Polemik der erwachenden Selbstständigkeit g^en den Schul-Schlendrian als auch die Verfolgungswutii der Ka- theder-Philosophen gegen die kühnen Neuerer. Was der studirenden Jugend, welcher z. B. auch Plato verschlossen blieb, als philosophischer Unterricht dargeboten wurde, be- stand immerfort noch entweder in thomistischcm oder in scotistischem Aristotelismus oder in sonstigen geistlosen Ez- cerpten aus Aristoteles auf Grundlage der verschiedenen sog. Parvuli (Parvulus philosophiae naturalis, Parvulos phi- losophiae moralis). Und solch magere und verschrobene aristotelische Tradition schleppte sich an den protestanti- schen Universitäten ebenso sehr wie an den katholischen fort, während und nachdem bereits Baco, Descartes, Spinoza und Leibniz in der Literatur aufgetreten waren; nur in Frank- reich fand der halbaugustinische Cartesianismus ^ne Auf- nahme in den Hörsälen und Schulbüchern der Philosophie bis weit über Port-Royal hinab. In Deutschland aber war erst seit Wolflf der Fortschritt der Philosophie selbst im die Universitäts-Lehrstühle geknüpft, und jene nemliche Zeit war es auch, in welcher ei*st eine gründlichere Beseitigung der Scholastik eintrat.

Aber eben zu jener nach dem angeblichen Tode der Scholastik noch lange fortlebenden Scholastik gehört auch die Literatur der Auctoritates. Bedenkt man, dass damals

Digitized by

Google

Pranü: lAterahtr der ^Äuctoritatea'^, 191

Didit das gesohiditliche Interesse der Forschung der Be- stimmungsgrand war, Etwas durch den Druck zu ver- vielfaltigen , sondern dass man eben druckte, was irgend- wie im Gebrauch war, so trifft mit der langen Dauer der Zeit, in welcher „Auctoritates^* gedruckt wurden^ eine ebenso lange fortgesetzte praktische Benützung derselben zusammen^ und wir werden sicher keinen Fehlschluss machen, wenn wir annehmen, dass auch bereits längere Zeit vor dir Praxis der Buchdruckerkunst Aehnliches hand- sdiriftlich in Umlauf war. Im Gebrauche aber war diese Literatur bei den thomistischen Prädikanten sowohl zum Behelfe der Prediger als auch zur philosophischen Dressur der Studirenden, wie diess in der Vorrede der nicht-alpha- betischen Sammlungen deutlich ausgesprochen wird: „In-

cipit prologus compendii auctoritatum pro usu intro-

ductionis thematum ipsorum praedicatorum ad populum simul ac in artibus studere volentium. Cum enim aristote- licae sententiae tam ad populum praeflicanti (an einer anderen Stelle wird hiefur auch das Wort arenga gebraucht) quam in )irtibus studenti non modicum fulgentioris cogni* tionis cuiuslibet scientiae praebeant robur et fulcimen, ideo in praesentiarum pro magistralibus brevibusque sermonum introductionibus*' etc. etc. (d. h. der Satz ist ein in allen in Deutsdiland erschienenen Drucken gleichlautendes Ana- koluth). Reichen sidi so der homiletische und der Schul- Zweck gegenseitig die Hand (s. z. B. die Verbindung des Predigt-Stiles und der Logik bei Antonius Andreas; m. Gesch. d. Log. Bd. III, S. 277), so verhielt sich inhaltlich diese ganze Richtung aus Grundsatz spröd gegen die Renaissance und deren Wirkung auf die Philosophie. Dmiu wenn auch einige rhetorische „purpurei panni" aus anderen classischen Autoren allmälig in diese Schul-Literatur Eingang gefunden (z. B. die allbekannten horazischen Worte „ampullae^' und „sesqüipedalia yerba")> »o springt in philosophischer Be-

18*

Digitized by

Google

192 SiUung der phHos.-phüol. Classe vom 6, Juli 1867,

Ziehung vor Allem die grundsätzliche Nichtberäeksichtigang der Schriften Plato's in die Augen. Indem die Auctoritäts- Stellen ,aus dem Timäus (d. h. aus Ghalcidius) hi^egen wahrlich keinen Einwand liefern, da ja bekanntlidist die Uebersetzung des Ghalcidius dem Mittelalter vom ersten Anfang an bekannt war, sa verbleiben die „Auctoritates'^ bezüglich Plato's gerade vollends bei der mittelalterlich^i Tradition, obwohl die platonische Dialoge bereits seit 1483 in der lateinischen Uebersetzung des Marsilius Ricinus ge- druckt vorlagen (Drucke des griechischen Original-Textes erschienen erst 30 Jahre später), und obwohl in sehr be- nachbarter Nähe der venetianischen und der bologneser Druckereien die platonische Akademie der Mediceer eine ]:eichhaltige und fast erschütternde Bewegung in der Philo- sophie hervorgerufen hatte, piese thomistischen Prädicanten wiederholten unbeirrt nur dasjenige, was seit dem Einfluss der Araber die Majorität des ganzen Mittelalters stets ge- than hatte; denn alle thomistischen und halb-thomistischen, sowie alle scotistisch^ und halb-scotistisdien Aristoteliker stimmten in logischer Verwerfung der platonischen Ideen- Lehre überein (s. m. Gesch. d. Log. Bd. III, S. 125, 236, 240, 249, 292 f., 309, 316 ff., 325, 358). Auch wurde ja als brauchbare Beisteuer zur antiplatonischen Tendenz dem Kölner Buchdrucker Queutel von irgend Jemandem jene oben erwähnte „Explosio Platonis^' aus Firmianus (d. h. Lactantius) zur Verfügung gestellt, in welcher die platonische Ehe- und Eindergemeinschaft vom christlichen Standpunkte aus verurtheilt ist.

Indem man somit in den „Auctoritates'^ die platonische Philosophie überhaupt grundsätzlich ignorirte, sdiöpfte man nicht einmal die vier Cardinal-Tugenden aus der ursprüng- lichen Quelle, sondern merkwürdiger Weise ans jenen apo- kxTphen Briefen an den Apostel Paulus, welche im ganzen Mittelalter schon seit Johannes von Salesbury für ein Er-

Digitized by

Google

Prantl: Liierafur der .,Auctor%tates^^. 193

zengniss des Seneca gehalten wurden. Nemlich während man die Lehre von den Oardinal-Tugenden natürlich aus Augustinus hätte entneiimen können, welcher bekanntlich der Urheber dieser christlichen Wendung der platonischen Ethik war, scheint man die Auetoritat eines „Philosophen" der- jenigen eines Kirchenvaters vorgezogen zu haben und so mochte sich neben Boethius, welcher gleichfalls als Christ und als Verfasser der Sdirift De trinitate galt, ganz be- sonders der vermeintliche Christ Seneca empfehlen, auf dessen übrige Schriften von den Pseudonymen Büchern her, deren wirklicher Verfasser wahrscheinlich der Portugiese Martinus von Braga im 6. Jahrhundert war, der christliche Nimbus übertragen wurde. Wenn somit <iie Beiziehung des Seneca bei oberflächlichem ersten Blicke wie eine Ausnahme von der Verschmähung der Renaissance erscheint, so klärt sich die Sache durch die im Mittelalter über Seneca all- gemein verbreitete Meinung völlig auf, und wir dürfen^ mit Entschiedenheit behaupten, dass die Vertreter der Aue- toritates-Literatur von den vorhergegangenen und gleich- zeitigen Strömungen der Renaissance überhaupt schlechter- dings Nichts wissen wollten, und sowie unter allen Drucken nur der einzige jüngste Venetianer (E, 5 aus d. J. 1551) es ist, in welchem den üblichen aristotelischen Auctoritäts- Stellen einige Bruchstücke aus Plato unter dem Titel „Gem- niae Piatonis'' vorangeschickt sind, so müssen wir beachten, dass, wie oben erwähnt, in anderen Drucken das sichtliche Bestreben obwaltete, auch den platonischen Timäus und den Boethius sowie den Seneca u. s. f. zu entfernen und so das reine Fahrwasser des scholastischen Aristotelismus zu ge- winnen.

Während aber die früheren Scholastiker in den Werken des Aristoteles, welche sie auch grossentheils mit einläss- lichen Commentaren versahen, wirklich selbst belesen waren, ( mag man von der Art und Weise, wie sie lasen, denken

Digitized by

Google

194 Siimng der phüoi.'phüöl. Crosse vom 6, JüU 1867.

was man wolle ), so sind die Drudce der „Aoctoritaies", wenn aach die Eine Glasse derselben aus selbsteig^er Lee- türe hervorg^angen war, doch nur darauf berechnet, dase der Leser sich nicht mehr der Mühe zu unterziehen brauche, den Aristoteles selbst zur Hand zu nehmen, und es ge- staltet sich die im Mittelalter überhaupt eingebürgeite Ab- hängigkeit von vorli^ender üeberlieferung hier förmlich zu einem Auctoritäts-Schwindel, welcher namentlich im Unter- richte der Jugend bezüglich eines jeden geistigen Auf- Schwunges, geschweige denn eines Fortschrittes, nur lähmend und niederdrückend wirken konnte.

Und hiemit hängt zusammen, dass die „Auctoritates*^ in manchen Punkten nur eine stagnirende Tradition jener Unwissenheit und Halb-Barbarei waren, welche bei Albertus Magnus noch Terzeihlich war, aber in den Jahrzehenteu der Renaissance keine Entschuldigung mehr erwarten darf. So wenn wir in der Einleitung über Aristoteles lesen: „Eius

ortus primum carpsit huius vitae auras in straguma,

civitate tradae, fuit autem filius nichometi (an einer

anderen Stelle „nichometi vel anthomaci*') et festiae, qui ab esculapio descenderunt^' ; oder in dem Epiloge des Ganzen : „Philippus .... mittit. Alexandrum grammatice tuiic loquentem certis cum oratoribus Athenas ad Lyceam in asianum gymnasium enixius mandato regis Aristoteli suppli- cantibus, ut suam philosophiam in hoc adolescente dignare- tur experimento comprobare*^ oder ebendaselbst: „In re-

gionem secessit Euboicam, ubi .... in urbe Calchide

peripatum instituens reliquum vitae in optimo mentis

vigore gloriose transegit, in quo exilio rerum naturae con- templationem transcendens stupendum opus Metaphysicen .... usque ad duodecim libros absolvit". Aehnlich über Flato als Einleitung zu den Stellen aus dem Timäus: „Fuit

autem Plato ci?is Atheniensis patre ariston de genere

neptuni, matre pardon de genere supiuutisbimi Salomonis '.

Digitized by

Google

Franü: lAteratur der ^,ÄuctorUateft''. 195

Ausserdem sind nebeu häufiger Nachlässigkeit der Gi- tate (z. B. die allbekannte Stelle aus An. post. I ,,Gau* deant universalia, quae, ^i sunt, moustra sunt** wird dem Porphyrius zugeschrieben) in manchen Drucken einzehie Auotoritäts-Stellen durch so grobe Druckfehler entstellt, dass mancher Prädicant und mancher Student hierüber in die grössten Verlegenheiten gerathen konnte. Z. B. aus Me- taph. V : Aliqua (statt Aqua) est materia omnium liquefacti- bilium; ausD. vitaet m. : Animalia reapirantur (statt suffo- cantur) in humido; aus Polit. VII: Bonum est, pueros esse sine vitio (statt vino); aus Polit I: üonsilium muliemm est invalidum, pium (statt pueri) autem imperfectum ; ebend.: Desiderium dubium (statt divitiarum) yadit in infinitum; aus Metaph. XII: Entia volunt (statt nolunt) male disponi; aus Polit V: Magnae civitates sunt plus (statt plus sedi- tiosae), quam parvae, aus Phjs. ausc. I: Quod uon (statt yere) est, nuUi accidit; aus Apul. d. deoSocr. : Gonversatio mntua (statt perpetua) contemptum parit; u. dgl. m.

Aber auch wenn man auf solche Dinge als auf Zu- fälligkeiten kein Gewicht legen will, so ist hingegen you grösserem Belange, dass der Inhalt überhaupt in specula- tiver Beziehung eine bedauerliche Schwäche zeigt, und dass aus einer Jagend, Welcher solche Nahrung des Geistes ge- boten wurde , wahrscheinlich keine klaren Denker hervor- gehen konnten. Jene thomistische Denkweise , welche so trefflich darauf eingerichtet war, Kamele zu verschlucken und Mücken zu seihen, blickt in den „Auctoritates ^ bei jeder Gelegenheit durch, da ja die unnatürliche Verbindung des Aristotelismus und der Principien des Christenthumes in den Thomisten^ohulen überhaupt einmal zur süssen Ge- wohnheit geworden war. Es ist nur der scholastisch (oder auch jesuitisch) verstandene Aristotelismus , welchen jene Leute für eine „vegeta solida^ue philosophia'^ hielten , ver- möge deren man sich „vel contra Socratem nihil scientem

Digitized by

Google

196 Sitzung der phüos.-phüos. Cktsse vom 6, Jtdi 1867.

Tel Platonem enygroata cadeutem aut Tbaletoa igaiVomam aut Democritam atomis drcumfusum et item omnigeoas

philosophorum hereses andeqaaque contogere et vin-

dicare*' könne (so im Epilog). Und wenn sonadi jede andere Philosophie als Häresie galt, so erschien Aristoteles als jener Philosoph, „qui unum deum, qui entiam imiTersi- tati ut antor et cnstos sempiternae vigiliae praeesse, ratiooe docere tentaret^'j woran dann folgende Erzählung geknüpft wird: „Tanta eins philosophia paucia labe&tibos annis cei»t auctoritate complecti, quod Athenienses ex ea anfScieiiter persuasi in honorem unius dei, quem ignotum appeUitabant, statuam publice «»-igerent ; quam cum .... Paulus Uiristi apostolud coram gentibus nomen dei portaturus Athenis offenderet, illum esse diebus suis pro salute humani geneiis

jiatum et orudfixum illi populo gentili salubriter ez-

pondbat^' (ebend.). Bei solch letzterer Ansicht ist es dann nicht zu wundern, wenn ferner gesagt wird: „In dubinm a nonnulis est quandoque revocatum, an Aristoteles . de &6ta

fuerit in statu salutis vel damnationis aeternae

Quod autem Aristoteles poterat sub lege naturae salutem aeternae beatitudinis consequi, non videtur probatu diffi- cile, si modo advertamus, deum pro omni temp<Hre suffi* cienter generi humano de illo, quod ei matinre neoessarium

erat, providisse^; et Paulus vas declionisTimothei

secundo clamat: Dens vult, omnes homines salvos fieri et

ad cognitionem veritatis, i. e. dei, pervenire Hie yero

philosophus vitam suam a teneris unguiculis ad supremam usque diem pio ea re et cognitione veri et boni electione flagrans ineffabili studio consumpsit. Taceo oiq>robria, quae pro unius dei cultu accepit, taceo ezilium, quod pro eodem tam fortiter pertulit, taceo frequentes elehemosynas usque ad sui inopium indigentibus erogatas, taceo item tot gentes, tot urbes, quas vel fib excidio sua sapientia prae* servayit vel disiectas et proatratas .... restituit .... Neo

Digitized by

Google

ProiUl: LUerahir der ,,ÄiteU>ritates*'. 197

obstat, 81 quippiam 8ub' lege scripserit natarae , quod fides

non habet orthodoxa Gentes siquidem, at yas eleo-

tioiiis Paulus ad Romanos capite sccundo testis est, noa habentes legem naturaliter ea, qnae sunt legis, faciont (diess die bekannte neutestamentliche Stelle, welche für die 6e- schidite der Rechtsphilosophie eine so grosse Rolle spielt); 810 Aristoteles ipse sibi erat lex ostendens opus legis, qu^m in corde siio soriptam habebat.

Von diesem Philosophen nun, welcher in solcher Weise gegenüber allen übrigen Heiden mit einer schlechtliin unpro- portionalen Milde behandelt wird und förmlidist das theo- logische Prädicat „beatus^^ zugetheilt erhält (so dass zur Heiligsprechung nur nodi Ein Schritt übrig war), nahm die thomistische Schul-Tradition in unbeschreiblicher Naivetät auch Grundsätze auf, welche der christlichen Theologie ge- radezu widersprechen; und aus den „Auctoritates^^ lässt sich eine ziemlidie Blumenlese von Stellen erholen, welche ent* weder in ihrem Wortlaute oder in ihren Gonsequenzen nothwendig zum Scheiterhaufeh hätten ^führen müssen. So «. B., um nur Einiges anzuführen, die oft wiederholte Be^ hauptung betreffs der Ewigkeit der Welt, nemlidi: Munrius est aetemus (Phys. ausc. VIU.) , Goelum est ingeneitübile et inoorrnptibile (D. coel. I), Non est timendum, quod coe- lum stet i. e. a motu quiescat (Metaph. IX), Motus coeli est aetemus (Metaph. XI u. Averr. Gomm. D. gen. et oorr. U), Stellarum natura est aeterna (Metaph. XI), oder der entschiedene Grundsatz, dass aus Nidits Nichts wird: Ex nihilo nihil fit (Phys. ausc. I und D. gen. et corr. I) Impossibile est, aliquid fieri ex non ente (Metaph. III), oder die Hinweiäung auf den bekannten tief-philosophischen Aus- sprudi Homo generat hominem (z. B. Phys. ausc. II), in welchem das Princip des Generatianismus verkündet ist, oder die aristotelische Definition der Seele: Anima est actus corporis organici physici (D. an. II), sogar unter Be-

Digitized by

Google

198 Sitzung der phihs.-phüöl. CUuae vom 6. Juli 1867.

nätzung der Stelle: Anima est unum entium naturalium rerum (D. an. III), oder der ebenso acht antike als anti- christliche Grandsatz Impossibile est, indigentem operari bona (Eth. Nie, I).

Nun lag allerdings darin, dass dergleichen Sätze als Auctoritäts-Stellen gedruckt wurden, nicht etwa gleichsam dne kirchliche Approbation derselben, sondern man war eben in Folge der Auctoritäts-Sucht und der so lange dau- ernden Geltung des Spruches „Ne quid adversus Aristote- lem'^ gegen Aristoteles unverhältnissmässig nacfasiditiger als gegen jeden anderen Philosophen. Aber solche Halbheit war dem Mittelalter überhaupt eigenthümlich , bis gegen Ende desselben Gocam (nicht ohne Anknüpfungspunkte an Dans Scotus) mil aller Entschiedenheit den Aristotelismus neben der von ihm getrennten Dogmatik hinstellte. Jedodi Occam's Lehre wurde aus manchen, hauptsächlich politisdien Gründen von der Kirche verdammt, und die scholastische Halbheit gewann in den Schulen auf lange Zeit wieder festen Boden und consei-rirte sich von Generation zu Ge- neration, so dass aus derlei Schulen und Universitäten dei Geist der Neuzeit nicht hervorgieng, sondern der Renaissance und den Naturwissenschaften die Aufgabe der Umbildung vorbehalten blieb.

Aber, eben jenem noch lapge sich fortspinnenden Tho- mismns der Schul-Philosophie dienten die „Auctoritates", welche somit wahrlich kein erfreuliches Bild, aber einen Beitrag zur geistigen Culturgeschichte des 15. und 16. Jahr- hundertes darbieten.

Digitized by

Google

Hofinann: Zum aUrtnnan. Leiden ChrisH. 199

Herr Hofmano giebt Bemerkangen:

1) „Zum altromanischen Leiden Christi und zum Leodegar*^

Die hohe Anerkennung, welche der Gründer und Meister der romanisohen Philologie jüngst (im Jahrbuche für romanische und englische Literatur) meinem vor 12 Jahren in den Gelehrten Anzeigen unserer Akademie er- schienenen Versuche zu Theil werden liess, ermuthigt mich, einen Nachtrag zu veröffentlichen, die Frucht wiederholter Beschäftigung in meinen kritisch-exegetischen Gollegien über altromanische Sprache und Literatur. Da Diez den grössten Theil meiner Conjecturen gebilligt hat^ so bleibt mir nur Doch eine Nachlese, die sich freilich meist auf die schwierig- sten Stellen bezieht, und daher mit um so grösserer Nach* sieht aufgenommen zu werden wünscht.

Leiden Christi.

Str., 19,1 1. lo ssa tdlanty nach der gewöhnlichen Ver- dopplung des anlautenden Consonanten zwischen zwei Vocalen verschiedener Wörter.

Str. 24 glaube ich dem Sinne entsprechender umsetzen zu dürfen

que faire cove a trestoz per remembrar sa passiun.

Str. 33,3 lies Judas für Judeus.

Str. 29,3. aduned. Hier ist zu bemerken, dass Ede- lestand du Mml (Formation de la langue frantaise 1852), der die ersten 18 Strophen des Leodegar mit den abweichen- den Lesarten des Hrn. Desbouis, Bibliothekar von Glermont- Ferrand mittheilt, in der 16. Stiophe statt advuat, der

Digitized by

Google

200 Sitzung der phüos.'phüdl. Glosse fxm 6. Juli 1867.

Lesung des Hrn. Valet de Viriville, gleichfalls adunat gibt, wodurch die Lesart vollends sicher gestellt wird. Ich habe die Erklärung von Henschel (aus idoneare) angeführt, bin aber jetzt vollkommen fiberzeugt, dass die ursprüngliche Deutung von Diez (aus ahd. sih einön) die allein richtige und in jeder Hinsicht passende ist. Erstens in formeller Beziehung; denn adunare ist = aduner. Zweitens für den Sinn; d^n genau dieselbe Bedeutung, welche in unsem Stellen für s'aduner passt, hat sih einon und gaeinon in mehreren der zahlreichen von Graff I> 331 ff. angeführten Belege, sogar in Verbindung mit sprechen, gerade, wie in unseren romanischen Denkmälern, Leod. 16. dist et adunat So N. Psalm. 38,2. ih chad in minemo herzen, unde eindia mih sus. N. 101,8. die einoton sih üuider mir jurabamL Mart. gevnun jurasse« N. 118,106. ih suuör unde geeinata mih, Em. 8. kaeinot adunat. Offenbar ist aus dem Begriffe: eine Vereinigung beschwören, die allgemeinere Bedeutung schworen, versichern, hervorgegangen, die in unseren beiden Stellen so vorzüglidi passt, während P. Chr. Str. 43,3 in adunovent das Wort in der gewöhnlichen Bedeutung stdit. Es ist diess einer der vielen Fälle, wo germanischer and romanischer Ausdruck zusammenstimmen.

Str. 44,4 fehlt eine Sylbe, deren Ergänzung auf dop- pelte Weise versucht werden könnte, einmal, indem man neül (zweis.) für nul, oder fedre (fecerat) für feist setzte; dieses fedre erscheint nemlich in der Str. 47,4, wo die Handschrift to hat, was ich in f o trenne und fedre, (nach Analogie von medre = miserat) als fecerat fasse (nicht als ferit), also = wer dir diess gethan hat?

Str. 76,8,4, lese und ergänze ich:

ohi per humila (= humla) oonfession colpa perdones al ladrun.

Dass in hum va humil stecken müsse, hat Diez schon gezeigt; ich glaube nun dnrch humila auch den Sdiriftsfigen

Digitized by

Google

^ Eoflnann: Zum äUroman, Leidin CkrUH. 201

voUkommeo geredit zu werden, indem ich anndime, dass bnmila als humua (hum va des französischen Herausgebers) verlesen wurde. Die Aussprache war natürlich zweisylbig, wenn auch humila geschrieben wurde.

Str. 83,4. Es scheint durchaus nicht , dass für inls eine andere Besserung gefunden werden könnte, als die yoo Diez vorgeschlagene vils^ man müsste denn den ganzen Beim und damit murir in der vorausgehenden Zeile ändern wollen.

Str. 86,2 1. que lli dones.

Str. 88,4 lese ich ant acel temps st. anc a cel, wie 90, 1 fuc für fut steht.

Str. ^3,0 regnet pociofuf $€ fena. Wohl die verzweifeltste Stelle des ganzen Denkmals. Was ich früher hingeworfen, war nur ein flüchtiger Einfall, dem ich selbst nicht den geringsten Werth beilegte. Der Fehler muss, wenn wir uns nor an die französische Ausgabe halten, in pocianz ver- muthet werden; denn dieses hat Champollion-Figeac mit einem Fragezeichen versehen, also stund nidit so in der Handschrift oder es stund Doch etwas dabei, was er nicht herausbringen konnte. Da der Sdiluss des Verses fena = fine auf aucise reimt, so lässt sich auch daraus schliesseui dass die fehlenden zwei Sylbeu vor fena gesucht werden müssen. Indem ich diess erwäge und darauf ausgehe, ohne Aenderung eines einzigen Buchstaben den Vers zu eorgänzen, kann ich das Ausgelassene nur in Abkürzungs- zeichen finden, die wieder um pocianz herum gestanden haben müssen. Annehmend also, dass in p ein Queerstrichelchen unten, femer über dem i eines oben zu ergänzen ist, er- halte ich perocmana, dann lese idi ne statt se und er- halte so:

regnet peroc inana ne fina, d. h. (obwohl Christi Leib getodtet ist) sein Reich darum fortan nicht endet, peroc (per hoc) und inanz (in ante) werden kein Bedenken finden,

'Digitized by

Google

202 Siieung der pkOos.-phüdl. Claase wm 6. Juli 1867.

ebenso wenig die Aenderung ne fdr se. Die Weglassnng des Artikels oder des Pron. possess. Tor regnet ist ein Ar- chaismus, den folgende Strophen bestätigen, 7. prophetes, wenn diess, wie ich yermuthe, der Singular ist, wo dann das Verbum in avie oder aveit zu ändern ist, 31 marrimenz. Da indess eigentlich sos bei regnet zu ei^gänzen wäre, so liesse sich, wenü man regnet (= sein Reich) beanstandet und nicht annehmen will, dass das de lui der vorangehen- den ^eile auch nodi für diese Wirkung habe, sehr dn£ach SOS rengs (Str. 74 en ton reng) setzen. Was den Sinn der von mir emendirten Stelle betrifft, glaube ich, dass er mit dem vorausgehenden Verse in so nothwendiger Folge steht, als diess nur bei einer Conjectur gewünscht werden kann: wiewohl Christus getödtet ist, so hört sein Reich darum doch nicht auf.

Str. 98,2 8oes scheint mir für foes verlesen, wddies offenbar = fues ist, wie es in 78,4 steht und dort sdion von Diez in fwret gebessert ist. Auch an unserer Stelle ^bt füret einen ganz richtigen Sinn und Vers.

Str. 105,1. In diesem seinhe scheint die Urform des späteren fi-anzösischen sire zu stecken, nämlich sinre^ wdches in seinhe bis auf das schliessende r provenzalisirt wurde.

Str. 107,2 lese ich für 80% dd im Anschlüsse an Lucas, 24,13.

Str. 111,3,4. Bei der Verwechslung von e und o, die in unserem Stücke nadi Ausweis des Facsimile sehr leidit vor sich gehen konnte, glaube ich, dass der früheste Vor- schlag von Diez: sa passion peisons testat ganz unbedaik- lich aufgenommen werden muss, so trefflich auch die Er- klärung von Delius sonst für tostas passt; denn das Haupt- gebrechen dieser Strophe, der Mangel des Verbums wird dadurch beseitigt. Ich gehe noch weiter und finde auch im 4. Verse ein solches, indem ich statt signa de lese sig* nave = bezeichnete. Ein solches Imperfectum kömmt zwar

Digitized by

Google

Hofmann : Zwn cMnman, Leiden Ckristu . 203

zufalliger Weise nicht in unserem Gedichte vor; aber im Plural erscheinen die Formen auf avent = event neben- einander, jene in der Mehrzahl, annavent, nomnavent, porta- vent, menaven, neben eswardevet, estervent. Ein zweites Verbom aber in diese letzte Zeile der Strophe einzuführen, scheint mir darum unerlässlich, weil sonst die Verbindung noihwcndig wäre signa testat d. h. bezeichnete das Zeichen, was logisch schwerlich zu dulden wäre.

Str. 113,2 möchte als Ergänzung des 2. Verses am- verseif ü = verkehrte er, sich am besten empfehlen. Das in dieser Str. V. 4 vorkommende reguum darf ich vielleicht auch noch als Stütze für meine Auffassung von Str. 98,4 anführen.

Str. 114,1 ist eine der Stellen, die durch Mangel eines Verbums das meiste Bedenken erregen. Da dieses nur in cool gesucht werden kann, so vermuthe idi roa Is = rogat (oder rogavit) illos. 1 für Is, me in 113,1 fidel für fidels, Verwechslung von r und c, hat kein grosses Bedenken. Dass man roar sagte, bewebt roazo. ,

Str. 125,1 ist eine sehr schlimme Stelle, der ich jetzt dordi einfache Emendation von lui abhelfen zu können glaube. Die 4 Striche scheinen mir verlesen und sin in der HS. zu stehen, also: sm qu^e aiude nuls vendra = ohne dass Jemand (ihnen) zu Hülfe kommen wird, wachsen die Christen um so mehr, je schlimmer es ihnen der Teufel macht.

Str. 126,4 könnte man auch sos fidels lesen für los den fidels.

Hiemit smd, so viel ich sehe, alle Stellen behandelt, die im Leiden Christi noch bedeutenden Schwierigkeiten unterlagen. Im Leodegar ist nur eine einzige noch nicht aufgeklärt, nämlich Str. 34,1: il mio fraire, miedra mei beuure. Wenn man medre = miserat, fedre = fecerat, erwägt und daneben die Formen fisdra ^ fedre, misdrenfr

Digitized by

Google

204 SiUtung der phOaB.-phaol, CUuh vom 6. JuU 1867.

= medrent, so ergibt sieb, dass das d in dieseo Fällen vor r einem romaniseben z oder sd, und einem latdnischen s oder c entspricht, miedra wäre also = misera ond miedra me = misera me d. h.. miserere mei. Somit wäre miedra eine Uebergangsform zwischen mizra und medra, entsprediend den Torhandenen misdrent und medre. beuure beseitigt sidi einüach als Wiederholung aus dem folgenden Verse. Nim bleibt nur noch die Schwierigkeit einer fehlenden Sylbe, wenn miedra, wie wahrsoheinlichi zweisylbig ausgesprochai wurde. War es dreisylbig, so braucht der Vers keine Er- gänzung, und auch der Reim me: porter genügt; sonst könnte man vor miedra etwa cor (das precative doch) ein- schalte.

Hiemit habe ich alle wichtigen Fälle (nebst einigen unwichtigen) behandelt, die in beiden Gedichten nach ihrer bis jetzt bekannten Lesung noch übrig geblieben waren. Ich hielt mich überall so nahe als möglich an den Buchataben der Ueberlieferung, da ich überzeugt bin, dass bei~ einer so grossen und deutlichen Haudsdirifl; der Fehler immer nur in wenigen missverstandenen Buchstaben li^en kann. Was den Sinn der vorgeschlagenen Emendationen angeht, wird man mir, glaube ich, zugeben, dass sie sich Sberall unge- zwungen dem sonst sicheren Zusammenhange einfügen. Der Schluss der ganzen Untersuchung, wissen wir, kann erst dann erfolgen, wenn eine neue kunstgerechte Lesui^f, oder noch besser, ein (wo möglich photographisches) Facsimile voi^liegt, wie wir sie von ähnlichen wichtigen Denkmälern unserer alten Sprache längst besitzen. Gleichwohl müssen wir in Deutschland uns damit beschäftigen, wäre es audi nur, weil wir diese altromanischen Denkmäler in den Kreis unserer akademischen Lehrthädgkeit aufj^enommen haben «nd darin eine beständige Nöthigung finden, aus inneren Mitteln zu ersetzen, was äussere Verhältnisse uns ungünstig verweigern.

Digitized by

Google

Bofmann: Zulr Gudruti. 205

2) Zar Gadrnn«

UtA Drtheil xiber den ästhetischen Werth der Gudnm- dichtiDlg' steht seit langem fest und* an dem, was W. Grimm 9 Jahre nach der ersten Bekanntmachung des Gedichtes (deüfsche Heldensage S. 370) mit feinem Sinne vorgezeich- net, hat sich seitdem in der Hauptsache durch keinerlei Forschutkg oder Erwägung etwas Wesentliches geändert. Anders mit der Texteskritik und dem Urtheil über die Ent- stehung d'äs Wer&es. Je unsicherer der fioden, desto schroffer steiietf sich hier die Ansichten gegenüber, an deren Ver- söhnung nieüials gedacht werden kann. Dazu kömmt, dass die Böffiiung, welche man lange auf W. Grimms treue Pflege des Werkes setzen durfte, sich am Ende hinfällig gezdgft hat. Schon J. Grimm sagte mir bei seiner letzten Anwiesenheit ift München, dass nichts Fertiges für die Gudrun Yörge^üdeti sei und durch Ernst Martin (Bemerkungen S. 6) wird diess jetzt weiter bestätigt.

Ich bin hiei', wi6 überall, meine eigenen Wege gegan- gen', d. h. ich habe den Hagenschen Abdruck vorgenommen, and tii Wiederholten Malen durchgearbeitet, ohne eine der Ausgäbeü odbr Uebersetzungen aufzuschlagen. Ak ich später zur Vergleichnng (am, fahd ich, dass meine Itritik viel rad^taler woi", als die meiner Vorgänger. Ob darin Ver- dienst oder Tai^el liegt, hat sich zu zeigen. Mein Absdien war übrigens, wie sich voii selbst värstehi, ebenso ein exe- getisches, Wie ein kritisches, da mir vorkömmt, dass die Gudrtin £'eslät Hülfe so bedürftig sei, wie der anderen, und beide Thätlgkeiteü ja auf das eine höchste Ziel hinarbeiten, den geistfgen GenüSs, wie wir ihn an unseren besten mittelhoch- deittdcüeü G^diditen haben , mehr und' mehr zu verfeinem, zu vertiefen und dWch diese Läuterung den harmonischen [1867. U. 2.] U

Digitized by

Google

206 biUung der philos.'j^hilol. Classe vom^ 6, Jidi 1867,

Eindruck des einzigen Werkes auch für Laien nnd Lernende zu erhöhen, falls nämlich überhaupt Jemand noch so be- scheiden sein sollte, sich zu diesen zu rechnen, bei dem kolossalen Aufschveung, den die deutschen Studien, wie man sagt, seit ihrer Emancipation von den früheren verdriess- lichen und für geniale Köpfe nur störenden Methoden ge- nommen haben.

Dass ich meine Bemerkungen auf alle Theile der Gudrun ausdehne, wird wohl Niemand so verstehen, als ob ich das Werk in seiner vorliegenden Gestalt für einheitUch oder ursprünglich hielte.

Wie die Nibelunge ist es durch öde und weitschweifige theils einer manirirt höfischen, theils einer niedern Ge- schmacksrichtung schon des 13. Jahrhunderts zur Last fallende Erweiterungen das geworden, was dem modemi- sireuden Schreiber der Ambraser Handschrift vorgelegen, verzerrt und verschwommen, aber auch so ein schwer zu beklagender und zu ersetzender Verlust. Diese Vorlage wieder herzustellen ist die noch immer ungelöste Aufgabe, zu der ich hier einen Beitrag gebe.

Ehe ich zu den einzehien Stellen übergehe, habe idi ein bisher in Deutschland unbeachtetes, vielleicht unbekannt gebUebenes Zeugniss über Verbreitung und Fortleben der GudruDsage einzutragen und meine Folgerungen daraus vor- zulegen. Es findet sich bei Barry, History ofthe Orkney Is- lands, London 1808, S. 489—95 unter dem Titel: a bailad, taken from the mouth of an old man in the samo island (nämlich Fula), the subject of which is a contest between a king of Norway and an Earl of Orkney, who had married the kings daughter, in her fathers absenco, and without his consent. Diese „Ballade^' in 35 vierzeiligen Strophen wurde im Jahre 1774 dem schottischen Reisenden Low von einem alten norsischen Bauern (Udaller) in der norsischen Spradie diktirt, die damals noch von einigen Personen auf dieser

Digitized by

Google

Hofinmm: Zur Ouänm. 207

SBietiands- Insel gesprochen wurde. Ein BKek auf die Karte zeigt, wamm die alte Sprache sich hier am längsten erhalten konnte. Fula oder Fonl, (norw. Fagl oder Fngley) li^ mit seinen 5 konischai Sandsteinhügeln weit draossen in der Westsee mid ferne Ton der eigentlidien Shetlands- gruppe, weshalh man auch seinen Namen (Vogel) von der AehnUohkdt mit einem in weiter Ferne schwimmenden See- Togel ableitet. Da der Au&eichner indess der Sprache nicht kundig war, liess er sich auch noch eine Inhaltsangabe des Gedidites von dem Erzähler mittheilen, die sich glücklicher Weise erhalten hat und gedruckt ist, denn das norsische Original ist so unverständlich, dass ohne diese Paraphrase sein Inhalt vielleicht für immer verdunkelt bleiben müsste. Diese weitere Mittheilung findet sidi bei Samuel Hibbert, description of Üie Shetland islands, Edinburgh 1822 p.&6l£ Hibbert berichtet : It was not many years b^ore Mr. Low's vifflt to Shetland in the year 1774, that numerous songs, under ihe name of Visecks, formed the accompaniment to dances that would amuse a festal pariy during a long win« ters evening. When the com waters of Hamburgh had gone merrily round, when the gue, an andent two-stringed vio« lin of the country, was aiding the conviviality of Jule, thea would a number of the happy sons and daughters of Hialt- land take each other by ihe band, and while one of theim sang a Nom (= norrönisch) vise<^, they would perform a circular dance, their steps continually changing with tite tnne. Dazu der melancholische, aber in allen Ländern gleiche Schluss: In the middle of the last Century, little of the Norwegian language remained in the country, and these visecks being soon lost, they were followed, as a clergyman of ünst informed Mr. Low, by playing at cards all night, by drinlcing Hamburgh waters and by Scotish dances. Von diesen Tanzliedern nun, die sich auf den Färöern zahlreich und bis auf den heutigen Tag erhalten

Digitized by

Google

SQ8 Siteung der phUmrfbUA Clam tm 6. Juli 1867.

b^beni^ wüßflta dat: Baoer William Heiugr voa GtottMw afld Fttla gan^ allein am 1774 noch einige^ aiiiwaacUs^X <ut^ diesen onsre Gudrunsage, mi welche werat P. A. Munob im Jahre 18ä9 auimerksam machte (Samlinger til dei Norske Folkß Sprog og Historie 6. Bd. Ghris4ianiaX i^ seia^ grosaeQ Abhaodluog: Geograpbiske^ og bistoriske Notitaev om Ovfc* nöerue og HetlsAd. £r theilt die Ballade- mit^ sacht aj# «• gpit es geht» in einigen Stelleui za emfeodiren,. kommt abat «u dem Resultate: ,y£ine genüeeftde Erkläfung, dea Crediditaa au gehen, ist wohl unmöglidai, aJwp die folgenden Andeoi* ungeut werden dooh eine Idteei von de^s^ eigentliehem In- halte geben^'. S. 120 Note 1. £r erkaanfae natürljch;,. dasa hier die Hedinsage vorliege,, woimnii sich, weder der PCEunser Barry noch der Geognost Hibb^ noch det Reisande lAm UiiKua^m konntout und brachte dea etwas« altmodtach si^It- sirten. englischien» Prosainhalt üi die Form, wetehe aidi fSv eine germaniaobe Sage eign«^ und die ioh hier iriedaigebe» Es heisst also: „Hiluge,. ein vornehmer Mann am oar^ weipschen Hofe freite um die Königstoiehter Hildina, arbidt aber einen Korb, obwohl deü Vatf9r ihm hold w^r.. Ala ein- mal der König und Hiiluge auf. eii^m Kriegsauee fort wareft, landete der Orkney^Jarl in Nonwegen, tiraf Hüdina,. verliebte sioh in sie und sie In. ihn,, sie; wurden, eins undi flücbtetea auf die Orkneys, wobiA ihnen naeh ihrer BJkikkehir von Kriegszuge der erbitterte Vater und Hiluge mit. groasem Heere folgten, um den ßs«b zu rächen* Hildina übecced^ den Jarly unbewafihet dem Könige entgegenzugehen und um

1) Low sagt: It (the Norse) was evidently mach mised with English« None the Nativss. conld write the aaoient langoagia sitd few conld speak it. The best phrases were lost;, and Utile more re- mained than the names of a few objects and two ar three romnanis of songs, whioh an old man (William Henry) of Guttorm ooold re* peaty thoagh indistinoily*

Digitized by

Google

(huide ZQ bitten; ^r liess b!c9i röhreti, vertsieh und p!h di^ar iseine Einwilügnikg. Kiium war 4er Jarl fort, iMi Bttdn» die frolie Ktaide za brmgeD, als Hitugo, iüdete el* des Jiaarfa V^rmessenlmt vah Schlimmste sdiaH, den Kötiig ai neuem Grimme reizte uod dahin brachte, alle Beine Qte'- Ittbde zorückzanebmieB. Es kam nun zum Zweikampfe zwi&Dhen Hifaige ^nd dem Jarl nnd dieser fiel. Sem Haupt warf Hilnge mit den härtesten Schmähnngen Hildina t^r di<d FiBM^ die ihm mit scharfer Oegenrede im Herzen blfttife fiaobe gdobte,' Sie musste ihm nun nach Norwegen folgen, wo ear seine Freitmi wieder anfing. Lsrnge weigerte de ihre Hand; aber der Vater setzte ihr mit Bitten zn und endlinh gab sie äir Wort) noter der Bedingung, dass sie selber beim Braatfeste den Wein in die Becher schenken dürfe. Dieas wurde Eogestanden« Als die Hocheeitgäste beisamunen waren und zn Tische kamen, schenkte ihnen Hildina mfit BeUafkräntem vereetzton Wein und bald lagen Alle in tiefem Schlimmer. Da Hess sie ihren Vater hinaustmgen omI warf Feuer ins Gästdians. AUe wurden darin Ter- braimi HIluge, der beim Krachen der Flammen^ erwachte, bat um Gnade; aber BQldina antwortete ihm so hart, wie er, als er ihr des Jark Haupt brachte und Hess ihn in der Ldie sterben^^ Munch bemerkt dazu: „Wenn man hier den Jarl Hedin nennt, und annimmt, was nidit so unwidir- sdieinUch ist, dass Högnis Person in zwei getheilt ist, den König und Hiluge^ um die Erz^lung romantischer zu madien, finden wir den ersten Theil des orkneyisohen Berichtes bis zum Kampf in hohem Grade mit der Sage Übereinstimmend. Hiluge kann leicht eine Entstellung von Högni ') sein, wi^

8) Vom Standpunkte der Gudroa aus mtato wir es nstfitlioh wslirscbsiaUcher finden, dsss Hiinge ar Ludwig sei Ein Bolslier Ludwig (LÖdyer) kömmt anoh in der erdadisohen Gesoliiohte Ter (Munch II, IdS); allein noch n&her liegt, Hiluge einfiboh als Dlugi

Digitized by

Google

210 SiUung der pKOoB.'phiM. Glosse txm 6. Jtdi 1867.

Hfldina offenbar eine von Hilde ist. Der Sohlass sdieint dagegen eine Naobahmang der Ritterromane des 13. und 14. Jahrhunderts, wie es denn üb^haupt nicht nnwahrediein- Uch ist, dass die Sage benätzt wurde, um als Gnmdli^ für ein damals verfasstes romantisches Lied zu dienen. Uebrigens ist das Gedidit äusserst merkwürdig, denn ans den wenigen Stellen, die man verstehen kann, erhellt, dass es in ziemlich gutem Norwegisch war ond Ihs auf das ge- meinsame Versmaass der Eämpevise fast ganz nbereinstim*

,mend mit den faröischen Liedern.'^ Munchs BemerknngeD sind in der Hauptsache vollkommen riditig; es ist die alte Hedeningensage, erweitert durch ein jüngeres, „romantisches^^ Element, wie er es nennt Gerade dadurch bildet es den Uebergang zu unserer deutsdien Dichtung. Wir haben hier den gewaltigen Stoff der Gudrunsage, nur mit tragisdiem Aus- gange und in jener Gedrungenheit, die wir an den besten epischen Romanzen der Spanier bewundem. Die tragis^ Wendung entspricht der um viele Grade düstreren Grund- Stimmung der nordischen Dichtung, wie ja auch die Sage von Hildebrand und Hadnbrand, die in der späteren deut- schen Fassung so erheiternd ausgeht, im Nordischen, wie Uhland zuerst nachgewiesen, mit dem Falle des Sohnes und später des Vaters durch den eigenen Blutsverwandten einen erschütternden Ausgang nimmt. Freilich ist das keine durdi-

'greifende Regel; denn die Tristansage, naturalisirt und ra- tionalisirt im zweiten Theile der Sage von Grettir dem Starken, bekömmt einen frohen, und sogar frommen und erbaulichen Schluss in der Geschidite von Thorsteinn und Spes. Das „romantische" Element ist in Wiriciichkeit das

= nihugi ::^ der Bossinnige zu deuten. Aach für die böse Gerlint, Ludwigs Frau, würde es aaf den Oroaden nicht am Yorbild fehlen, nehmen wir nur Erich Blatazts Wittwe Gonnhüd und ihre Tochter Bagnhild, die beide der römischen Kaiserzeit Ehre gemacht hätten.

Digitized by

Google

Hafniarm: Zur Owhrun. 211

christliche, weldies in der Gudrun, wie in den Nibelungen an die Stelle des heidnischen und fatalistischen getreten ist. Ich verstdie hier unter christlich nicht den christlichen Glauben, wovon in die Gudrun so wenig wie in die Nibe- longen etwas Anderes eingegangen ist als äussere Züge, die zum Kostfim der Zeit gehören; sondern die christliche Lebensanschauung, welche, auf Dichtung angewandt, sich mit der fatalistischöi Führung der Geschichte, die dem HadenÜium adäquat ist, ästhetisch nicht mehr befriedigen konnte und dafür eine freiere Selbstbestimmung als letzten Grund der Peripetie verlangte. Die fatalistische Fühlung ist die frühere und wo sie sich jetzt noch findet, die archai- stische. Sie herrsdit im Indischen, Arabischen (1001 Nacht) und überhaupt in den orientah'schen Literaturen^ die unter nKlis<^en Richtungen und Einflüssen stehen, im Occident in den altnordischen Dichtungen, den kymrischen der Mabino- gion, obgleich deren Aufzeichnung tief in die christliche Zeit fallt, und überall im Volksmährchen , welches ohne Prfide*» stination gar nicht zu denken ist, und seinen Haupttypus Terlieren würde.

Um nun auf die Gudrun zurückzukommeUi so sind die sammtUchen nordischen Fassungen der Sage fatalistisch, 1. das betreffende Capitel der jüngeren Edda. 2. Sörla l^ttr (in F. S. N. I, 391 ff. und Flateyarbök I, 275 ff.) mit angeflicktem christlichen und historisch sein sollenden Schluss. 3. Die Erzählung des Saxo Qrammaticus, obwohl schon zur Hälfte in seiner euhemerisirenden Weise. Ich werde später noch einmal auf sie zurückzukommen haben. Das Wesentliche, worin diesen drei Fassungen unsere Gudrun und die Shetlandballade gemeinsam entgegenstehen, ist die Einführung eines Nebenbuhlers, für den in der alten Sage noch kein Platz war, den aber die jüngere noth wendig hatte, um das veraltete fatalistische Motiv zu ersetzen und somit wieder ein Ganzes hervorzubringen. Auf

Digitized by

Google

9^2 Siinmg der pha^.-phOijl Ome um 6. Juli 1867.

iWe pahfn*e V^ek^ng t>^er luiter eich wiU idk der ^^rze wegei^ nicht eingebion, auob w$r^ m i^am OT weitor^Q sich^r^P Resultatoo lühren, al^ d«ii90, dia sieh m- fort aogezwimgen dargehpien haben. Dßß BwpbnkiiMg^i^ die älbepro Gudrimdic^^tuDg, wie sie der W&rfsmar deo AlemoAnr kannte, Cehlt ja ;^ Vergleichung , wie^ol^ so Till siehor scheint, dapa es in dar Epnfechheit der ^aAdlwe «if Seite des Liedes, nicht das Gedichte^ stjopd^ denn, wenn ich die SteUe im Alexander recht rersteh^, sq sagt sie nnr: a«f dem Wolfenward^ wurde 0Uden Vater Hagene von Wate« er- schlagen, wägend daaeben ihr Bräutigam Serwidi mit ihrem Bruder Wolfwin kämpfte. DagagW hat mich die Dorw^psohe Ueberliefejmng Ferimlaa^, da« Oeog^phiscjbe der Gudrun mit Rücksicht auf dia Orpaden 9u UAtemnclMSii und idk hßbe da eine Reihe von Thats^han gafeadea, die in historischeir ui^d gepgraphisc^ier Hiafii^ bq W^ sasam- mepstimm^, daas idi sie als Tbaais agfefeBtte» dSbrfim g^ube').

Ich nähme also an, dass O^inai^i? ^ Orqanie, mkt die Normandie, sondern die Orcaden bedeutet» deren Iffune Orcania schon in d^ h^stap Haadschriften das Nannios Torkömmt und daqn durch 4aa gan^ Mittelalter Miidiirch- geht. Nicht daraus, dass die Gudrunsage sid^ auf ShaDaud bis 1774 erhalten bat, folgere icli, dass die Nachbfuiiia^ ei^ Haupt^ieil des ursprünglichen 3diianplatzes aipd, depn schon i^ dar nordischen ^abarIi^r9I|g die OrfaieyUifld

8) Wenn ieh hUbsi auf dii nenetten UntertnoiMiiigMi tber die GadruDgeographie nicht näher eingehe , so möge Hr. Josep)^ Haupt nicht glaaben, dass ich sein Booh nicht gelesen habe. Ich achte •einen Scharfsinn, seine Gelehrsamkeit ^nd vor Allem seine mann- hafte Veraohtnng aller Clique und Reclame, aber eu seinen Resul- taten kann ich nicht gelangen.

Digitized by

Google

Hofimmm: Zmr Qnänm, 218

li&qr^ (das beatige Hojr, aHein durch seine Beige liervor« «gend, daher sein Name Hodiinsel) als Stelle des Kampfes eu Högni imd Heftüm (statt des späteren Wülpen- aa der fioheldemimdiuig) vorkamt, so wSre das

4) lp8 ist k^ Zweifel, das« in ^eder kritiktosen und pbaMi^ie- vollen Zeit avs ein paar grammaUsqh miafyerstandeneji Worten nkih Sagen nnd Legendea entspinnen können, deren ers^ Keim ein Irr- Üram, deren entwickelnde Kraft die Logik der Phantasie ist. So haben wir swei öhvistlidhe Krenzlegenden, die nnr auf diese Art entsprungen nad- Pif eppe yom KKeazstamme, der nrsprünglioh ein Zweiglein vom B<mipe des ]Lteb^DS vrar^ welches dem sterbenden Adam in den Mond ge- steckt wurde, geht auf eine Stelle des Epiphanius zoröck, die bloss erst sagt, Christus sei über dem Grabe Ad^ms gekreuzigt worden. Das ist noch nicht das erste Missverst&ndniss ; 6 Xquttos iatavQtS^ij vnkq tov Udä/i wie wir uns die Urstelle etwa denken dürfen, heisst ebensowohl, Christiis wnrde ftr Adam (zn seiner £rlösnn|^ als er wurde über Adam (i)ber seinem Grabe) gekreuzigt. Wenn wir bier die letzte Quelle des Irrthums nur mit Wahrseheinlichk^t vermuthen können» so dürfen wir im folgenden Falle mit dem Finger auf die ipsissima ▼erba des Neuen Testaments deuten, die zur Longinuslegende ge- worden sind. Longinas heisst es, war der römisehe Hauptmann, der die Beite Christi mit der Lanze durchbohrte. Er war blind nsd wiirde sehend, ale das Blut am Schafte herab a«f seine Angea troff. Pa wnrde er der pr^ta Christ In n^odemer rationaUstiseher Zeit hat man die Legende vernünftig machen wollen, indem man sagte, Longinus sei nidht blind, sondern schielend gewesen. Sehen wir nun die Stelle Job. 19, 84 85 genauer an, so zeigt sich, dass man zun&ohst ^fyxv ^^ ^^' kfoBtng oder ^Syx9 ^^^ ^ die volle Form von Aoyyijrof AoyyVtr^ s lionginas genommen und iU ^^^ otqatwnwf ^xti überset«t hat unus militom, Longinue. Was der Evangelist im nächsten Satze von sich selbst sagt: x«i o itt^axias (AifMtqtvqrptif bezog man nun ebenfalls auf Lon- ginus und übersetzte: und dieser, gesehen habend, gab Zeüg^ niss. Wenn er gesehen hat, so muss er vorher nicht gesehen haben, war die Consequenz, also war er blind gewesen. Was konnte ihn von der BUndheit heilen, als das Blut Christi? Er gab Zeugniss, also Zeogaiss von Christi Gottheit, folglieh wurde er Christ. IHess iet gewiss ein schlagendes Beispiel von dem, was ioh oben Logik der Phantasie im nennen mir erlaabte, «ad wobei ioh nnr bedaore, dass ioh

Digitized by

Google

214 Sitzung der pMas.-pMM. ClMse vom 6. JvHi 1867.

gentigend gewesen, um den Schlass des Liedes doitiun xa verlegen. Vielmehr ziehe ich meinen Sohluss aas einer Reihe von Thatsachen, die ich eben nor nm die OiimeyB herum zusammentreffend finde. Dass Cassiane, die Haupt- stadt von Ormanie auf einer Insel liege, wird nicht gesagt, daher denn überhaupt die Ansicht durch das Gedicht geht, Ormanie liege auf dem Festlande. Die Jarls der Orkney- inseln waren nun bekanntlich norwegischer Abkunft und norwegische Vasallen geworden durdi Harald Schönhaar, der es der Mähe werth fand, seine flüchtigen Laadeddnder in eigner Person auf diesen Inseln zu unterwerfen und hier das Jarlthnm einzurichten (um 872), den Stock des grossen und merkwürdigen Colonialreichs des nordischen Mutter- landes, welches Hjaltland, Orkneys, Färöer, Hebriden, Man, Theile von Irland und Schottland begriff. Zunächst unter den Jarls stund nun die Nordostspitze von Schottland, die eigentlichen Reste des Pictenthums gegen das von Süden und Westen vordringende Reich der aus Irland eingewan- derten Südschotten oder des Eenedischen Stammes. Diesai Picten, zu deren berühmtesten Häuptlingen Macbeth gehörte, verdankt ihren Namen die stürmische Meerenge zwischen der Südspitze der Orkneys und der Nordspitze Schottlands der Pentlandfirth oder Frith, welches für Pettland = Peht- land steht, dem ags. Peohtas = Picti entsprechend. Die Nordostspitze Schottlands besteht aus der Grafschaft Caitb- ness, norwegisch Eatanes und im lateinischen Namen dieses pictischen Wortes finde ich unser Cassiane. Munch theilt in seiner zweiten ausflihrlichen Arbeit über diese zwei Insd-

unBem Mythographen , die germanischee Heiden thmn überall, nnr nicht, wo es wirklich ist, finden, das Vergnügen geraubt habe, den blinden Looginus mit dem blinden Hod'r, and folglich Christus mit dem durchbohrten Baldr zusammensnstellen , was sonst ein ao hübscher und besonders so wahrscheinlicher Einfall wäre.

Digitized by

Google

Hcfmmn: Zwr Qudfun 215

grnppen (Aonaler for Nord. Oldk. 1857) bisdiöfliche Ur- konden mit, die sich aaf die vereinigten Grafschaften Ea- tanes und Sntherland beziehen, deren Eathedralkirche in Domoch in Sntherland lag, während der Bisdiof selbst doch episcopus Cathanensis oder ep. Gaihannie hiess. Ca^ ihannie und Cassiane, wird man zngeben, liegen nicht weit auseinander. Ob die Aussprache von th als s in Anchlag SU bringen, bleibt fraglich; doch verweise ich auf J. Grimms Abhandlung über das Necrologium Augiense (in Ant. Tid* skrift 1848 S. 67—75) wo das nord. t durch z (Thörr durch Zor, Zur 1852, daneben Dur und Tur, auch Thur und Ohur) wiedergegeben wird. Ebenda finden sich auch Olaf, Volaf, Wolf nebeneinander, was ich bei meiner Er- klärung der Bletdnger Runen hätte anfuhren können und S. 73 Z. 3 von unten der ahd. Name unserer Heldin, Gundrnn^). Die Urkunden sind von 1223—45 und 1275.

6) Der Name Gandran findet sich auch auf der letzten Seite der Füssener HS. der Regnla S. Benedicti ans dem Anfange des IX. Jh. Im sogenannten Strengalthochdeatscheli laatet diess allerdings Knntran oder Enndmn , die jetzt beliebte Schreibung Eadran aber entspricht gar keinem wirklichen Sprachstande; denn im Nieder- deatsohen, woher unser Name gekommen, heisst es Gudhrun oder GÄdrftn und das anlautende 6 ver&nderte sich nicht mehr, wenn im 12. Jhd. ein solches Wort ins Oberdeutsche übergieng, Die Schreib- ung Ghautrun der Ambraser HS. beweist für uns gar nichts, als dass vir Eütrün schreiben müssten, wenn wir consequent sein wollten. Man wird sich darauf berufen, dass Zingerle den Namen in Tirol gefunden habe: (Pfeiffers Germania 1866 S. 476) der swai- chof ze Cautrawn von dem rdten burggraven giltet 16 phunt aigen. Aber ich bin überzeugt, dass wir hier entweder eines der vielen rhatieohen Wörter auf uua haben, deren massenhafte Sammlung ein Haaptverdienst Steubs ist, oder vielleicht Umsetzung aus Caurtawn ursp. Curtun d. h. romanisch cortone = Hof, welches in der Form Eardaon bei Steub S. 125 aus der Gegend von Bozen nachgewiesen ist, und dass dieses Cautrawn so wenig aus dem deutschen Sprach-

Digitized by

Google

216 Sttgung der phikm.-pMol, dam fWM 6. Juli 1867.

ia OHttiinahi hatten ^war nicht ausschliesBlioh, aber ^&a Jtflt äuren Site ond eo masste der Name hinttngikfc bekftBsli Bein, nm endlidi auch in die Dichtung einingeheii, Bit der sehr yerzeihlichen Modifioation, dass der Naae einer (hegend mm Namen einer Bnrg wurde. Die Fride- Bchotten sind dann die am Frith sitzenden iSchotten, d. h. eben die mit Norwegern ?ermiechten Pioten von KaithiieBS und Sotherland, deren Stellung übrigens nicht mehr Uar fßüng aas den Angaben der Gudrun faerrorgeht Str. 611 mtrt Ludwig richtig in Frideecbetrtiea.

Ein Zug hat sich fest erhalten, der unseren poetischen Herrn von Ormauie mit den historisdien Herrn von Or- cania gemeinsam ist, ihr Vasallenthum. Freilich wird es vom wirldichen König von Norwegen auf den norw^schen König in Irland fibertragen, indem zu wiederholten Malen

schätze erkl&rbar ist, als Hrn. Pro£ Sohneller's Yersnchf die soge- oannten rhfttisohtii Insohriftea aus d«m Orieohischen sa deuten, wirklichen Bestand haben kann bei allem „Spraohwiis'S den er «n- läogbar darauf verwendet. Dagegen ftndei skih in biaäbrnok «elbii ein Name des OudrankreimB. Die Vorstadt Jenseits des heisst Hötting, alt IXIL Jh.) fieteoingen, also die Urform Hegeliage, altn. Qja^nfngar. Freilieh braooht hier, wie bei benaehbarten Mieming (XI. Jh. Mieminga) und fieiming die Heldensage nacht direkt voraasgesetst tu werden » denn Hedin (nnsor Hetel) oberdeutsch HetUn, altn. Hed'inn, bei Sazo HiihimB ist ein Wort allgemeiner Bedeatnng und heisst bloss ElUnpte, von derselben Wurzel, von der hadn = Kampf k^mt, doreb das aotive Participialsaffix ana-e (goth. n*s, altn. in^, alte, nnd ags. en) ge- bildet und vielleicht schon im Yölkernamen Xat&tund vorbanden, (welche Ptolemaevs in lnav^ia neben ^tm6va^ ^%^nUoi^ Toirat, dwt^ xttoysf und Atvmyoi nennl^ wenn man dessen «i als in e gebroofaeMS i fiMsen darf und nicht vielmehr mit Zeus (D.N.8t 159) von heit m Heid'mörk u. s. w. ableitet, welchem widerspricht, dass d* hier ndi- cal ist (goik. baiM, ags hae^, engl heath) und Mgück Ptoi— iiefls Xof^fw^ hatte schreiben müssen.

Digitized by

Google

Bo^ffioiiii^* 2Sm Qnni/mik. 21T

gerade der Umfitaad dem HartmiuM; ^ finmd seiner Uib ebfiQbiIrtigkeit yorgeworfai irird,. dass sein Vater Ldlena* flpttan ¥Mi HageBe dem König von bland gewesen sedi.. AUein die Jaila der Orcaden stunden: mit dieseni isiscL-norwegiadiidn Eäeigen in vielfacher Verbindung, wie denn gleich der iweite Jarl Signrd mit König Thorstein dem Rodaßn von Doblao; Mx im Vereine bedeutende Landstreeken unter- warf and unter andern einen schottischen HänptHug eder ItfaoirmQr^ Maeldun ersohlug. Es ist klar, iam man etnen Jarl, wenn er mit einem König zusaman^ in den Krieg zog, ab den Gtoi-mgeren ansehe» musste , obwiohl historisch, das Beich d^ Orknejjarle sich z.B. im 11. Jb. unter Tftorfinn sogar lyber einen grossen Tbeil von Irland bis nach Dublin nnd über 9 schottische Ora&ebaften erstreckte. Ganz genau genoiunen stiotmt die Geschichte sogar audh darin mit dem Gedichte iiberan, dass Thorfinn der Orkney-Jarl Katanes und SuiheriaaDid: von seinem Grossvater mütterMdier Seite König Malcolm II. von Soboitland zu Lehen enhaltahi hatte (vgk >Iimch il, 649).

Wie hätte- maa auf der anderen Seite dem Herzog von der Normandie als einai irischen Vasallen behandeln können, wwn Ormanie wirklich die Normandie wäre? So viel miiflBte doch audi ein mhd. Dichter wisseni, dass die Nov* maodie in Frankreich, lag und man^ dahin cibenso wen^ 1Q60 Meilen zu Wasser hatte, ab nach Polen. Für poetisdle Zwecke mag das Zusammentreffen mit der WirkUchkeil immechiA gentigen. So> wird in dem verwandten Gedichte von Havieloc der Held zum Sohn eines dänischen Königs Biriiabeyn gemacht, während die Birkebeiner man könnte es jait Sansculotten übersetzen in Wirklichkeit eine po- litische Partei in Norwegen waren , an deren Spitze Kömg Sverriiv der norwegische Napoleon, auf den Thron gelangte-, ihn behauptete und vererbte.

Eine zweite Reihe ron Thatsachen ergiebt sich aus dem

Digitized by

Google

218 aitmng der phOos.'phaol. CUme wm 6, Juli 1867.

Seezuge der Hegeliuge und ihrer Verbfindeten nacbOrmanie. Zu Weihnachten lässt Hilde das Aufgebot ergehn. Als das Ileer, 70,000 Mann, beisammen ist, sieht sie es von ihrer Borg Matelane aus, ab£EÜiren. Etmüller hat für Matelane ein ur- kundliches Matellia (jetzt Metelen) zwischen Rhein und Maas angeführt, was sehr gut passen würde. Es ist Heteb Burg in den Niederlanden , wohin der Wülpsensand an der Scheldemünduug noth wendig weist und durch weldie die Sage ihren Durchgang genommen haben muss, um nach Mittel- und Oberdeutschland zu gelangen. Zu Matelane stimmt die Flottenrevue, die vor der letzten Abfahrt vor dem Wülpensande gehalten wird. Dann verschlagen sie Südwinde (Str. 1125) und sie treiben vor den Berg zu Givers, in das finstere Meer, wo sie yon den Magnetsteinen angezogen werden. Nun beginnt Wate ein Sdiiffermährcfaen zu erzählen, ein wazzermaere, von dem Berge (j^ivers, den die Darstellung in der Gudrun mit dem wirklichen Berge, vor dem sie lagen und von dem sie nicht loskomme konnten, confundirt. Suchen wir zuerst das faMhafte Giyers auszuscheiden. „Zu Givers in dem Berge, erzählt Wate, ist ein weites Königreich bewohnt, so reich, dass der Sand silbern und die Mauersteine von Gold sind; wen die Winde wieder von dem Lande heim fUhren, der ist sein Leben lang ein reicher Mann'^ Schlagen wir in der Fundgrube mittel* elterlicher Gelehrsamkeit, im Isidorus nach, so finden wir diese Gold- und Silberinsel oder vielmehr Inseln im XIV. Buch 6 Cap. Chryse et Argyre insulae in Indico Oceano sitae, adeo foecundae copia metallorum, ut pleriqae eas auream superficiem et argenteam habere prodiderint, ande et vocabula sortitae sunt. Dass diese Gold- und Silberinsel wirklich im Norden bekannt waren, beweist nun weiter eine Stelle aus der ungedruckten Sage von Kirjalax {xt^^iog IdX^ iiog)y von welcher Konr. Gislason (in 44 Proever af, Old- nordisk Sprog, Kjöbeub. 1860 p. 400—406) gerade das

Digitized by

Google

ll^^iiMiitii: Zwr QMä/rm. 219

fitfiok inittheiH, welches wir brauchen. Es heisst doit: Etwas spater rüstet sich Kirjalax Tom heiligen Lande (Jörsala- laadi) fortznsegeln und wendet seine Fahrt nach der süd- lichen Erdbälfte. Und eines Tages sehen sie im Meere zwei Inseln, die ihnen wunderbar vorkamen; denn Nachts erhob sidi von ihnen grosse Helle, von der einen weiss, von der andern roth. Als sie den Inseln nahe kamen, da fielen sie steil gegen die See ab und waren mit Felsen umschlossen, so dass sie nicht hinein kommen konnten. Diese Inseln nennt Isidorus in seinem Buche Chrisen und Argiren, darum^ weil die eine Gold in so grossem Ueberfiusse wie Steine auf den Bergen hat, die andere ebenso grossen Ueberfluss an Silber, and davon entstund die grosse Helle am Firmamente,- welche das glänzende Metali von sich gab. Von da segeln sie an Indiens Seeküsten^'. Das Weitere braucht nicht mehr übersetat zu werden, es handelt vom indischen Golde, welches ebenfalls so gemein, wie Bei*gsteine ist, von Drachen und Greii'en, vom Phönix, von den Zimmetvögeln (fuglar sein ciunami heita), Papageien, endlich einem mörderischen Kampfe der Ritter mit Greifen. Dieser Kirjalax hatte die ganze Welt ausgefahren, Asien, Afrika bis zu den Säulen des Herkules.

Kein Zweifel, dass wir hier das Original unseres Givers vor uns haben; sehen wir etwas genauer zu, so stellt sich auch das Wort ein. Argiren wurde missverständlich in ar und giren getrennt, indem man ersteres für die noi*dische Präposition at = zu hielt und giren als givers verlas. Die Zahl der Züge ist gleich und die Möglichkeit des Irrthums so naheU^end, als man es in einem solchen Falle nur wünschen kann. Das ist also das wazzermaere Watens. Fassen wir nun den übrigen Inhalt des Gudrunberichtes, nach Aus- scheidung der Gold- und Silberinsel, schärfer ins Auge, so enthalt er gar nichts, was nicht ganz genau mit den wirk- lichen Meeresverhältnissen an der Ostseite der Siietland und

Digitized by

Google

220 SiUfung der phOeB^-fhOoL CUmt «MH 6. Jfdi 1867.

OrkDeyiasaln übereittBtimttte. Die Ftokte der Bdgsiüngo M in der Nordsee, will nach Cassian^t b. an dk» Nonkst- spitze von Schottland segeln, da wird sie tob einem SSd* wind (Str. 1125 sunderwiade) rersdilageu, (die dnogeos ftf den se) und koflunen in ein Nebelneery wo sie nicht vor* wärts und rüdcwärts können,, was sie dem Einfloase d)0r unterseeischen Magnetsteine zuelchreibe» (Str. 1124). Eine solche Stelle findet sich nun gerade an der Siödspitse d^ Hauptinsel von Slietland (Mainland). Sie beisst inr nor- wegischer Zeit Djmrastarness, jetat Dunrossnes, hat flwei Land- spitzen, den hohen Vorberg Fitfulhead) firiiher Fitfo^^ialri^ im Westen, und SunnboejarhöÜi (Südbauspitro), jetzt Stfsi- burgh Head im Osten. Letzteres ist. von jeher jkarch säao Strömungen und Stürme berüchtigt, daher der Name &fih röst =s brausende Strömong. Man> lese iWgettde* Sbbilder- ung eines Rasenden, der selbst jene Strönmngien iw einem SegeUohiffe befahren hat (bei Hibbert S. 240). Es heiast: ,)Ein Gentleman theiltemir mit, dass er fünfTage ifr eioter Schaluppe zwischen Fitful Head und Sumbni^h Head, die bloss drei M«ilea von einander entfemt sind^ Windstille ge* habt habe' (had been becalmed^ ohne die eide oder andere Spitze passiren zu können, indem die eine Stritainilg dato Schiff in den westlidien, die anderer in^ den* öetHchen Ooean trieb. Oft wurde die Schaluppe von der FInth ganfl nahe an die Küste getrieben, aber die Strömung führte sie imtiMf wieder ab. Wiewohl von* Sumburgh bis Fair kle (kleine Insel gerade in der Mitte zwisdien Shedand' und" Orktiey) und ohne Zweifel auch von dort bis Orkney immev^ en<l- gegengesetzte Strömungen herrschen, so ist doch dar Ronst derjenige Theil des Stromes, der in geringer Entfernnng vom Voi^birge liegt und< dessen Oewalt wahrsdheinMeh durch die Nähe der Küste und die Seichtheit des WasseM vermehrt wird".

Man vgl. damit Str. 1132 (die Wind^stiiH«) und besen*

Digitized by

Google

Höfmam: Zur Oudrun. 221

ders 1133, wo es beisst: vier Tage lang and mehr standen die Schiffe an einer Stelle, dass sie nicht von dannen konnten. Oaza hatten sie Nebel, der in jenen Gegenden aaf der See sehr gewöhnlich ist and schrieben ihre schlimme Lage dem Einflasse von Magneten za, was die Shetländer noch jetzt than (vgl. Hibbert S. 564); Felsen nämlich, die mehr oder weniger nahe an die Oberfläche des Meeres heraafreichen, den Flathstrom anterbrechen and dadarch die Anstaaang riesiger Wellen verarsachen, wird eine mag- netische Anziehangskraft zageschrieben , and in dieser An- sicht war der Beschreiber der Shetlandsinseln, Debes, (1673) derselben Meinang mit den Eingebomen: Ihavebeen assared, sagt Hibbert, that the Shetlanders, whose imaginations have conceived stränge wonders, entertain similar notions of the existence of submarine magnetic rocks.

In Str. 1134 kommt nan der Westwind und befreit unsere Gadranfahrer; natürlich, denn der Ostwind hätte sie in den atlantischen Ocean hinaas getrieben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass, wenn wir die Orknefs und .Eatanes als Ziel der Fahrt annehmen, sie durch einen Süd- wind gerade an diese Stelle getrieben werden mussten, wo die Gegenwirkung des aufeinanderstossenden Golfstroms und Polarstroms die „brausende Strömung*' macht und dass nur ein Westwind sie wieder losbringen konnte. Sie s^eln nun gerade auf Ormanie los, fallen aber in neueNoth (Str. 1137 39), indem sie in einen Weststurm gerathen; d. h. sie kommen dem immer stürmischen Pentlandsfrith zu nahe und ihr Glück ist nur, wie Fruote Str. 1139 sagt, dass der Wind aus Westen bläst, sie vom Frith abtreibt, und ihnen so gestattet, ihr Ziel an der Nordostspitze Schottlands, Gas- siane, Cathannia endlich zu erreichen. Ich habe diese Partie ausführlicher behandelt, weil sich hier eine Reihe von zu- sammenhängenden Thatsachen verfolgen lässt, während die übrigen geographischen Angaben der Gudrun meist wirr [1867.il 2.] 16

Digitized by

Google

222 Sitzung der philos.-phüol Glosse vom 6. Jtdi 1867.

and lose durcheiaandergeheu, was ohne Zweifel der Ueber- tragung aus Norwegen nach Nieder-, von da nadi Ob^- deutscfaland zuzuschreiben ist. Earadg, Earadie kann Caidigan sein, Salme vielleicht Solway, Hortland, Ortland dürfte das norwegische HörSaland, Moren das norw. Moere sein, Cam- patille hatte ich für Entstellung von Eongahella, dem alten norwegischen Königssitz am nördlichen Ufer der Gaatelf und hart an der ostgautischen Gränze. Bei der Uebertrag* ung nach dem Niederlande kam dazu die zweite Hauptstadt Matelane zwischen lihein und Maas, wie denn auch ish Niederlande ein, zweites Nortmore gefunden ist (Plönnies S. 308) und die Verwechslung der dänischen Hauptinsel Seeland mit der Inselgruppe Zeeland an der Scheidemünd- ung kein Bedenken hätte. Sehen wir somit die Sage im Umkreise des norwegischen Reiches sich abspielen, so dürfen wir annehmen, dass sie dort auch ihre Weiterentwicklung gefunden hat, als deren Reflex die shetländische Ballade erscheint, die absolut keine andere als norwegische Herkunft haben kann; wir dürfen ferner annehmen, dass sie durch niederdeutsche Eaufleute aus Norwegen an die Scheide- und Rheinmündungen gekommen. Bergen war der Hauptsitz der deutschen Kaufleute, und wahi*scheinlich durch diese ge- langte die norwegische Gudrunsage nach dem Süden, wie umgekehrt die deutsche Dietrichssage durch sie nachweislich dem Norden vermittelt wurde. Ist meine Gleichung Cam- patille = Kongahella richtig, so muss die Bildung der Sage vor 1135 fallen; denn in diesem Jahre wuide Kongahella von einer grossen wendischen tlaubflotte überfallen, geplün- dert und verwüstet, worauf es zur Unbedeutendheit herab- sank. Damit stimmt denn auch die Erwähnung der Sage im Alexanderliede. Ich gehe nun zu unserer Gudrun über. Die erste und zweite Strophe sind durch die dreimalige Setzung von rieh in 5 Zeilen entstellt. Diess ist bis jetzt von Niemand hervorgehoben worden; hielt man es nicht

Digitized by

Google

Hofmann: Zur Oudrun. 223

für auffallend oder glaubte man, für den Zadichter der Greifengeschichte seien solche Strophen gut genug? Ich könnte den zweiten Grund nicht gelten lassen, denn wenn auch diese Vorgeschichte für das eigentliche Gudrunwerk viel zu fabulos und poetisch zu unbedeutend ist, und daher von ihm getrennt werden muss, so darf sie doch mit anderen mhd. Produkten verglichen, nicht so gering geachtet werden, dass wir nicht yersuchen sollten, sie von elenden Strophen zu befreien. Hier ist nun die Hülfe noch dazu äusserst einfach. In der zweiten Strophe ist riehen ohnehin zu viel, der Vers verlangt nur: Gire dem Jcünige, In 1,4 lese idi riche fiir ricJien^ d. h. der Majestät ziemte ihre Minne, ein nicht ungewöhnlicher Ausdruck, für den ich zum Ueberflusse noch Gerhart 115, Grane 119 anführen kann. Im ersten Falle steht Jcrane unserm rtche entsprechend (vgl. roemisck riche V. 112) ein uAp diu hinein Ifbe / gejgam und euch der hrdne. riche in diesem Sinne m u s s t e derSchreiber missverstehen.

Str. 2,2. lese ich, er het streichend:

siben fürsten lant dar inne het er recken . .

Str. 3,4. 1. da£f ers möhte deste baa genieeen.

Str. 6,4 1. den edelen hüniginnen was nach Sige^ bände v}i.

Nicht seine Mutter kann gemeint sein; denn wenn Bartsch erklärt: „sie konnte ihn nicht entbehren'^ so wider- legt das die nächste Zeile, wo sie ihm selber räth, ein Weib zu nehmen.' Den Königstöchtern , die er ^er^ rehter ^ner i minnen mochte, war nach ihm weh.

Str. 11,1. bedecket ist nicht zu dulden, es steht im vorausgehenden Verse von der strdze und kann nicht in dnem Athem wieder von bluomen und gra^ gebraucht werden. En Wort, welches zertreten bedeutet (vgl. Str. 183), und dem Abschreiber als ein ausschliesslich mittelhochdeutsches nidit mehr geläufig war, muss hier gesucht werden. Ein

15»

Digitized by

Google

224 SUzung der pkHos.-phCM, Clam vom 6. Juli 1867.

solches ist geweten od«r gewetet, vgl. Otn. 383, dd sath et äaiB grüen gras geweten and überhaupt Mhd. WB. 111,535.

Str. 21,3. Hier das Komma zu tilgen und latU zum Genetiv zu madien, kann nicht angehen, ist auch gar nidit nöthig, denn es ist einfach als Accusativ zu fassen, von gergaebe regiert.

Str. 22,1 1. inner drien jdren. Dass die drei Jahre die nächsten sind, versteht sich von selbst und ist ein Zusati des Abschreibers.

Str. 23,4 1. sah für säKen^ vergl. Grimm DG. IV. 198 ff. und Str. 141 ja Unet im n^n vater und nOm nmoter.

Str. 38,2 1. daa man ^von wildem wcdde muose dar ge- tragen, wilden und walde zu trennen, geht nicht an, nooh weniger, den ganz spezifischen und bezeichnenden Ausdruck zu entfernen. Die Menge der zu fertigenden Sitze, will der Dichter sagen, war so gross, dass man im offenen Walde grünes Holz dazu schlagen musste.

Walt bedeutet eben auch, wie das gr. vXtjy das lat maieria (daher der Name Madeira) Nutzholz, wie eiM zweite Stelle der Gudrun klar zeigt, wo freilich erst der aus Vollmers Phantasie gewachsene, dann in Bartscfas Ver- zeichniss der Eigennamen gewanderte WestenvaU als mo- dernes Verderbniss zu beseitigen ist. In der Handschrift Str. 945 steht fraw man sol wenden da su dem vesten wdd. Da von Schiffbauen die Rede ist, wozu man Hob braucht und da Holz schlagen im Mhd. ausgedruckt wird durch: den walt swenden^ so dürfte wohl auch ein An&nger eingesehen haben, dass es sich hier nicht um Erfindung eines geogra^ischen Namens, sondern nur um die Restitu- tion des mhd. technischen Ausdrucks handeln kann, vesten walt wäre dann gar nicht unbedingt zu verwerfen, es wurde einfach festes Holz bedeuten. Allein, da sich von selbst versteht, dass man zum Schiffbau festes und nicht weidies

Digitized by

Google

Sofmofmx Zwt OudrwL 226

Holz nimmt, der Ausdruck somit nichtssagend wäre, was wir in der Gudrun wo möglich vermeiden müssen ^ so lese ich besten, also: vroutcey mau $61 stvenden dd euo den besten waU.

Str. 40^4 ist etwas zu ergänzen, nicht ir, was sich auf die Ritter beziehen würde, sondern dervrQUwen^ Tgl. Str. 36: sd gib ich besunder ßpf hundert vrouwen kleit. vrawen hat schon V.

Str. 48,3. Hätten die Herausgeber die hässliche Woii- stellung doch wohl ändern sollen in: die vamde diet des mohte Uieeel da verdrießen. Die Wortfolge, die der Ab- schreiber des 15./16. Jhd. seinem Red^ebrauch gemässer &nd, kann uns bei Herstellung fliessender Verse, und solche verlangt die Gudrun durchaus, doch nicht im W^e stehen.

Str. 52,4. Der Absdireiber hat hier durch Gleich- machung des Reimes m&gen^ phlagen den Sinn tief zerrüttet. Vergleichen wir alle übrigen Stellen des Gedichtes, wo von dem Verhältnisse edler Kinder zu ihren m&gen dia Rede ist, so zeigt sich, dass sie immer von ihnen oder bei ihnen erzogen werden, eine Sitte, die besonders tief im altnordi- sdien Leben wurzelt und dort auf Schritt und Tritt be* gegnet. Man vergl besonders Str. 98. Hagene erzog sich selber, denn er was aUer stner mäge eine = er mnsste sich seine sämmtlichen Mage ersetzen, femer Str. 198, Q. 8. w. Es darf also in unserer Stelle nicht gesagt sein, dass die Freunde das Kind den Magen erziehen, denn beide zusammen erziehen es nur denEltei^, sondern es kann bloss von den m&gen als Erziehern die Rede sein, folglich muss der Nom. mäge stehen, was den Reimen der Gudrun be- kanntlich auch sonst entspricht. Nun ist die Emendation einfach: sus eugen ee mit vliee ^ne mäge.

Str. 85,2 braucht grözesf nicht getilgt zu werden, wie E. V. B. thun. Man lese:

Digitized by

Google

226 iS^fUfi^ der phüos.'phüöl, Glosse vom 6, Juli 1867.

Ine weist von weihen enden geßoeeen über mer

Jcom zen steinwenden ein grdzeis gotes her.

Str. 91,3 1. den wolte er an der eite gerne hon vers- lunden. ZU als Datiy möchte ich der Gudrun nicht zu- trauen.

Str. 99,2. Alle Herausgeber haben hier die reihen fische^ ein Nonsens, von dem noch dazu nichts in der HS. steht und der wahrlich nicht besser wird, wenn B. ihn auch noch erklärt: „rauh wegen der Schuppen'^ Im Binnenlande gibt es keine Fische mit rauhen Schuppen, und die dorti- gen Fische kann man ihrer Schuppen wegen nur glatt nennen. Sollte man dem Dichter der GveMtnavenHure etwa die Spitzfindigkeit zumuthen, er hätte die Seefische im Gegensatze zu den glatten Süss wasserfischen sich rauh vor- gestellt? Aber wir brauchen ihm gar Nichts zuzumnthen, denn er hat uns hier das richtige Wort in richtiger mittel- hochdeutscher Form überliefert , rawhen d. h. rdwen = rohen. Die rohen Fische konnte Hagene nicht gemessen, weil seine Küche selten rauchte, d. h. weil er noch kein Feuer hatte, welches er erst Str. 104 aus dem Felsmi schlägt.

Str. 108,4. Den Frauen bringt die Noth des Schifltes, welches sie im Sturme erblicken, die Rettung; ich möchte daher statt frouwen lesen ferjen = den Schiffern.

Str. 116,3. Diese Strophe hat das Schicksal gehabt, ganz ausdrücklich missverstanden zu werden, wiewohl sie einem der allgemeinsten mittelalterlichen Bräuche ihre Ent- stehung verdankt. Gästen, die man ehren wollte, gab man Kleider der Hausgenossen zum Wechseln gegen ihre eigenen. Der Dichter kann also nicht mit B. gemeint haben: - „sie würden mir weise erscheinen, wenn sie diese ungewohnte Umgebung als eine ihnen angethane Ehre betrachteten'^, son- dern er will einfach einen Witz machen: wären sie welt- Eufig (wise) gewesen, so hätten sie die männlidien Pilger-

^_ Digitized by

Google

Hofmann: Zur Gudrun. 227

kotten, die ihnen so ungewohnt vorkamen and welche sie sich ächämten, anzuziehen, als eine ihrem hohen Stande er- wiesene Ehre (toirde) hingenommen.

Str. 121 lese ich Do Sprech der ritter edele: ,^got hat vil tool getän^ stt er iuch U den mägen niht enwolte län; ir ^ mit Mnen gnaden Hz grozer ndt entbunden, sU ich iuch^ meide^ so schone hän an disem Stade fanden.

Str. 127,1 1. ist 80 stark din Up.

Str. 130,4 wohl am einfachsten: in herten stürmen siechen unde vähen.

Str. 134,4. Hier darf nicht geholfen werden, indem man für Jceret umbe das gleichbedeutende, aber metrisch richtige wendet setzt, was ausserdem auch noch widersinnig wäre, weil man ein Segelschiff nicht wie einen Wagen oder einen Dampfer plötzlich wenden kann. Der Hauptgrund ist übrigens noch der, dass der Schreiber der Ambraser HS. sicherlich wendet ebenso gut verstanden hätte, als kiret umbe. Entfernen wir den unerlaubten Auftakt kiret^ so erhalten wir das Richtige der volge mtner Urelunibe iuwer segele^ daa man gegen Irlande kire; denn das Schiff ist wieder ein tautologisches Einschiebsel des Abschreibers, der den mhd. Gebrauch des absoluten Mren nicht mehr recht kannte, wiewohl er es zwei Strophen weiter unangetastet gelassen hat: die selben schifliute muosten gSn Irlande kSren.

Str. 138,4 1. tüme driu hundert,, was einen wohlklin* gendem Vers gibt.

Str. 143,4 l. v6r an miner brüstS bevinde. vir dn ist zu hart.

Str. 148,1 1. Do Uoten der vrouwen ditze wart geseit im Anschlüsse an die HS.

Str. 151,3 1. wer im ein grüezen taete, fliessender.

Str. 162,1 sin in sin lant ist besonders hässlich. Ich

Digitized by

Google

328 Siisrng der phthe.-phiM. Classe vom 6. Juli 186^.

lese der hünec in willekomen hkz wesen m ^n lani^ da ich mich nicht an dem stumpfen Schiasse des ersten Halb- yerses mUehamm stosse, der ja durch Stellen bewiesen wird, wo maa z. B. statt nem ein yermeintlicfaes nerjen setzen mussi um einen scheinbar klingenden Ausgang zu bekommen. Es ist das sicher einer der Punkte, wo man besser thäte, bei dem, was Lachmann gesagt, stehen zu

Str. 163,2. Zu gemach bemerkt B. „Bequemlichkeit, bequeme Gelegenheit; der Begriff der Absonderung liegt darin''. Ich bezweifle, ob dadurch der Sinn der Stelle deutlich werde. Der König sollte die Leute zurücktreten heissen, damit sein Sohn Hagene mit Anstand seine Brust entblössen und seine Mutter das Ereuzzeichen auf der Haut sehen konnte.

Str. 155,3. Die Herausgeber £• V. B. haben hier wieder das Adjectiv vom Substantiv durch die Cäsur ge- trennt, was auf jede Weise zu vermeiden ist. Man leae von stnes herzen liebe I üa sinen ougen vlöe;

im viel der heizen trahene / da eeUü genuoc.

Str. 159,4 1. Sit tourden sie ze tknde / den von Irlande nimmer mSre. Ob man die nhd.' Wendung: mit einem Feind odßr Freund sein, schon im Mhd. gebraucht hat , be- zweifle ich einstweilen.

Str. 177. sie sprächen^ sie fragten ist eine unerträg- liche Tautologie, zudem steht sprach am Anfange der vori- gen Strophe und im dritten Verse der vorliegenden noch einmal. Man lese:

Wer diu vroutve waere^ des fragten sine man^ diu vor stnen helden ze hove solde gän.

Str.'jl96,3.4. Da,' [vorgetane bis jetzt nicht gefunden ist, so darf man wohl eine kühnere Vermuthung wagen. Ich lese, indem ich er hiez aus der letzten Zeile, wo es über- flfissig steht, heraufziehe:

Digitized by

Google

HofmoMn: Zwt Gudrun. 229

er hiee von ^nm varktm nähen unde fferren Volant (Mer himge . . .

vorhten ist die Furcht, welche man vor Hagenen hatte, ▼gl Mhd. WB. III. 385, b. Noch näher läge verhtsame.

Str. 208, L Der zweite Halbsvers ist ebenso schlecht bei y. im dient waeeer tmde lant als bei B. wasseer unde Umt^ die ausser der Construction stehen sollen und dgl. Statt waesier ist einfach mer zu setzen, im diente, mer wnt lantj vgl. Str. 1669. Dass ich hier unt setze, gründet sich aaf Lachmann, der zu den Nibel. 934,2 bemerkt: „Die Lesart von A darf man aussprechen an uns sarge unt leit. Denn gerade vor l wird unde auch an dieser Yersetelle verkürzt, bei Walther v. V. vor keinem anderen Qousa* nanten als 2".

Str. 233. 1. JEr fragte^ ob er fiteren solde wH im dm hehn unäe brünne od iemen stner man. der boten sprach do einer: wir enhdrten niht dag er bedorfte recken u. s. w.

Str. 246,4 finde ich nur eine kleine Aenderung des Ueberlieferten nothwendig:

der mins gemaches värett der sol die selbm trimve von mir dulden = dem will ich Gleiches mit Gleichem ver- gelten, darum müsst auch ihr beide als Boten mit mir fahren.

Str. 249,2. ein schif von ciperboumen kömmt mir ver- dächtig vor. Warum sollte ein Schiff vom Trauerbaum fest und gut sein? Ich lese ciderboumen^ denn d^ Ceder wird die Eigenschaft beigelegt, nicht von Würmern angegriffen zu werden, gerade was ein Seeschiff am meiste braucht. Dass sie im Lande der Hegelinge weder Zedern noch Cy- pressen zum Schiffbau hatten, braucht den Dichter nicht zu kümmern.

Str. 260,3. Für unnters braucht nicht meien gesetzt zu werden, man lese nach des winters atten oder vielleicht dem Texte näher: von des w. ^f» v<m in temporalem Sinne.

Digitized by

Google

230 Sitzung der pMoa.-phtlöl. Gasse vom 6. Juli 1867.

Str. 264,4. 1. tourden wol mit süber gebunden.

Str. 271,4. 1. ja wären sie des Mnec Hetelen künne.

Str. 281,2.3. möchte ich lesen: da^f man dae magedin mit strite erwerben solde, ob Stn geschaehe not.

üeber den Ausdruck not geschiht vgl. Mhd. WB. II, 408 Nr. 4. Mit List und Streit zugleich konnten die Ge- wa£Eheten doch die Maid nicht erwerben sollen. Z. 4 könnte man willige lesen, um den eigenthümlichen metrischen Bau der 8. Halbzeile herzustellen, vgl. Grimm DG. III, 115.

Str. 288. Diese Strophe ist sehr wichtig, denn in ihr deutet der Dichter auf eine andere Fassung der Sage hin, die er verwirft. Es handelt sich um die richtige D^tung von Pölay. Erwägt man, dass im 15. Jhd. n mit dem zweiten Striche nach unten verlängert vorkömmt, so ergibt Polay Pdany wohin also die andere Sage den Eönigssitz Hagenes verlegte, tobelichej meint der Dichter, denn nach Polen hätten die Hegelinge nicht 1000 Seemeilen zu fähren gehabt, wie nach Irland. Lassen wir Polan gelten, so dürfte die ganze Strophe so zu lesen sein: Sie het wol tüsent mUe dae waBJser dar getragen hin sse Hagenen bürge^ swie wir hoeren sagen^ dae er herre waere ee Pöldn lasterliche, sie liegent tobeHiche^ ee enist dem maere niht geUche.

Eine Andeutung, wie die Sage den Hagene nadi Polen verlegen konnte, findet sich bei Saxo Grammaticus. Er macht den Höginus^ einen jütischen Unterkönig (regulus) zum Vasallen des Frotho III, dem er im Kriege gegen die Slaven hilft, nach deren Besiegung Frotho ihr Land an seine Unterkönige vertheilt. Es wäre mögKch, dass man auch dem Höginus eine slawische Provinz zugetheilt und dass daraus in einer weiter fortgesponnenen Erzählung Polen geworden. Diess wird wohl die einzige Stelle sdn, in der ich von Haupts Gudrunemendationen abweiche.

(Der Schluss im folgenden Hefte).

Digitized by

Google

Seiidi €f€gemoärHg4 Gmauigkeii der Wägmgen. 231

Mathematisch-physikalische Classe.

Sitzung vom &. Juli 1867.

Herr Seidel hielt einen Vortrag, betr.:

„Einen Beitrag zur Bestimmung der Grenze der mit der Wage gegenwärtig erreichbaren Genauigkeit".

Die Beurtheilung der Sicherheit, weldie den aus Be- obachtungen abgeleiteten Zahlengrössen beigdegt werden darf, bildet bekanntlich in den vei-schiedenen Zweigen der Messkunst keine leichte Aufgabe, sofeme man überhaupt darauf ausgegangen ist, die Hilfsmittel der Beobachtung und ihrer Reduction bis zu der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit wirklich in Anspruch zu nehmen. Es ist eine notorische ErfSahrung, dass aufeinanderfolgende Messungen ein und und derselben Grösse, oder überhaupt Beobachtungen, welche mit einerlei instrumentalen Bütteln, unter ähnlichen Um- ständen gemacht sind, fast jederzeit genauer unter sich -stimmen, als, nach Berücksichtigung aller Reductionen, ihre Resultate mit denjenigen zusammengehen, welche man mit andtt-en Hilfsmitteln oder nach Verfluss ttngerer Zeit erhält; so dass die Zuyerlässigkeit der Zahlen beinahe gewiss überschätzt wird^ wenn man sie lediglich nach dem „wahr- scheinlichen Fehler'' taxiren will, wie er aus dem einseitigen MateriaJe nach der Methode der kleinsten Quadrate sich er- giebt. Natürlich folgt hieraus nicht, dass die Wahrschein- liehkeitsrechnnng, in welcher die genannte Methode begründet ist, das Urtheil irre führt; denn es ist ja eine ausdrück- liche Voraussetzung, die bei der betreffenden Probabilitäts-

Digitized by

Google

232 8änm§ der nuUh.-ffifi. Omm wm e. JM ISer.

üntennohimg za Orande gelegt wird, dass positiTe imd negative Beobaohtangsfehler mit gleicher Leichtigkeit sidi ergeben können, oder mit andern Worten: daes con- 8tante Fehler aosgesdüoasen aind. In Wirklid^eit ist es kanm jemals möglich, . diese Bedingung genau za realistreo: Einflüsse untergeordneter Art, welche während gewisser Zeit oder bei dem Oebraoche der gleichen Instrumente etc. in constantem Sinne agiren, werden sidi, wenn die Badie genau betrachtet wird, fast immer nicht nur als möglidi, sondern selbst als höchst wahrscheinlich yorhanden erkennen lassen; und wenn wir, ungeachtet der Einsicht hievon, doch die Methode der kleinsten Quadrate auf derlei Fälle anwenden, die ihrm Voraussetaungen nicht entspredien, so gesdiieht es deshalb, weil uns die Mittel fehlen, die geseti- mässige Art des Werkens jener Einflüsse su verfolgen, oder aaoh nur zu benrtheilen, ob in dem einzelnen gerade vor- liegenden FaUe die Wahrsdieinlidikeit der positiven oder die der negativen Beobaditungsfehler durch sie ein lieber^ gewicht erhalten hat Es würde überdies unmöglich sein, jedesmal je nach der besonderen Bedingtheit der voriiegeii- den Beobachtungen die ihr individuell entsprei^ende Wahr- soheinlidikeits-Aufgabe strenge zu lösen, so wie sie fir jenen einfachsten und gevnssermassen normalen Fall durch die Aufetellung der Methode der kleinsten Quadrate gdöst ist. Immerhin mag man auch da, wo entstellende Einwirk- ungen oonstanter A^t nicht undei^bar sind, den sogenannten ),wahrscheinlichen Fehler*' ableiten und ihn auffffliren als einen bequemen und allgemein verständlichen Gradmesser für die Uebereinstimmung der einzelnen Messungen unter sich: nur darf man nicht sich der Täuschung hingeben, (von welcher Niemand entfernter war, als die grossen Ur- heber jener Methode), als ob seine Herldtung die soig- fiUtige Würdigung der Umstände der Messung und der für ^ EUminatioo owstanter Fehler getroffenen Cautelen un-

Digitized by

Google

Seidd: QtgemoärHgB Qmam§k%U ätf Wügmtgm. 283

nothig machte. Der Fall ist sehr woU denkbar, dass tinier zweierlei Beobachtnngsresultaten , die durch yeischiedene M^oden für dieselben Grössen erlangt worden sind, die- jenigen, welche einseitig baredmet den kleineren wahrsdiein- lichen Fehler zeigen, gleich von vornherein nnd sogar wegen der Kleinheit dieses Fehlers für die schlediteren zu halten sind: nemlich dann, wenn Verdadit besteht, dass ihre ge- nane Uebereinstimmong desshalb zu Stande kam, weil Fehlerursachoi oonstant wirkten, die in dem besser ein- gerichteten Beobachtongsqrstem bald auf die eine bald anf die andere Seite fallen und so den apparenten wahrscfaein- Uchen Fehler vei^^össwn mussten; ganz so wie unter Umständen, ebenfalls nach den Principien der Wahrschein- lickkeitsldire, die Aussagen zweier Zeugen darum verdächtig werden können, weil sie gar zu genau übereinkommen. Massen- Vergleichungen mittelst der Wage gehören in Tielem Betracht zu den einfachsten und desshalb b^ünatigten Beobachtungen. Dennoch ist es schwer, wenn man die letzte Genauigkeit anstrebt, beslimml festzustellen, wie weit sie eigentlidi geU. Mach einander gemadite Messungen derselben Gewiditsdifferenz zeigen leicht einen hdien Grad von Uebereinstimmong: ebenso leicht trifft es sich aber, dass man an einem andern Tage aus nicht minder gut unter sich harmoairenden Bestimmungen ein Resultat erhält, welches nach allen Beductionen um das Zehn&che des ein- seitig abgeleiteten „wahrscheinlichen Fehlers'' von dem erst gefundenen abweicht. Sehr häufig wird eine Unsicfaerfaeit über das genaue Gewidit der von den aufgelegten Massen verdrängten wasserhaltigen Luft die Entstehung solcher Differenzen erklären. In diedem Falle hat man ein<9n Theil der Genauigkeit, die d6r Akt der Wägm^; an sich gewährt, verloren durch -ihre nothwendig unvollkommene Reduotion. Wollte man aber zur Vermeidung dieses Uebelstandes die Wage in ein Vacuum bringen, so wird man in den meistea

Digitized by

Google

234 SitMung der maih.'fiky$. Ckme vom 6. Juli 1867.

Fällen durch die Unbeqnemliohkeit der Einriohtimg yeran- lasst sein, die Vergleidiang nicht so oft, als sonst leicht geschehen könnte, zu wiedeiiiolen, und so auf anderer Seite einen Theil der erreichbaren Genauigkeit aufzuopfern. Dazu kommt, dass es äberhaupt schwer ist, sich der Unveräader- lidikeit der Massen bis in die letzten Grössen, fiir welche die Wage sensibel ist, zu versichern, dass man also, während der Zeit nach sich nahe liegende Beobachtungen leicht toh Constanten Fehlern entstellt sind, zwischen solchen entf^n- terer Epochen eine Veränderung an den gewogenen Körpern als möglich in Betracht ziehen muss. Die beiden französi- sdien Kilogramme-Etalons yon Piatina, der Archive und der Sternwarte, sind bekanntlich von der mit ihrer Herstellung betrauten Gommission iiir identisch erklärt worden, waren also ui'sprjingUch jedenfalls um weniger als ein Milligramm verschieden: im Jahre 1837 ergaben sieben auf Arago's Veranlassung von Gambey, Steinbeil und von ihm sdbst an vier Tagen vorgenommene Vergleichungen übereinstimmend einoi Untersdiied von 4,5 Milligrammen^), der wahrschein- lichsten Annahme nach herrührend von einer allmählich eingetretenen Verunreinigung der Oberfläche des Eilogram- mes der Sternwarte (als des öfter benutzten) durch adhaii- rende fremde Theilchen, die wegen der Weichheit der Piatina nicht ohne Gefahr zu entfernen sein wurden. Ge- wichte aus anderen Metallen sind aber ähnlichen Aender* ungen aus anderer Ursache ausgesetzt. Ein genau aus- gewogener Kilogramm-Einsatz,/ der aus 13 Stücken besteht^ die zusammen einen Würfel bilden, und mit welchem Stein« heil und ich 1843)4 viele sorgfaltige Wägungen ausführten, verlor vom 9. November 1843 bis 6. Januar 1844 6,9 Milli- grammen; weiter von da bis Ende Juni, während weldier

1) S. SteinheiPs Abhandlung in den Denkschriften der Münchner Akademie. 1844 p. 77.

Digitized by

Google

Seidel: GegentoärHge Genauigkeit der Wägungen. 235

Zeit das specifische Gewicht seiner einzelnen Stücke be- stimmt worden war, 7,6 M.; dann durch einmaliges Ab- waschen seiner Stücke wieder 4,3 M.; im Ganzen also in drei Vierteljahren 18,8 M. Ein anderer ähnlicher Einsatz, dessen Oberflächen sämmtlich zu genauen Ebenen geschliffen, dann auf galvanischem Wege stark vergoldet und zu Spiegeln poliert worden waren, nahm zu von 1844 Juli 12. bis Novbr. L um 3,2 M. Am 27. Juli war das specifische Ge« wicht des Halbkilogramm-Stückes (zum zweitenmale) bestimmt worden^ sonst aber der Einsatz unberührt und wohl ver- wahrt gestanden. Durch absichtlich vorgenommenes Ab- waschen verloren diese Gewichte am 3. November nur 0,5 M., dann am gleichen Tage durch ein wiederholtes Waschen mit Seifenwasser noch 0,6 M.; also zusammen 1,1 M., so dasä noch immer von 3Vs Monaten eine Gewichts- zunahme um 2,1 M. übrig blieb, welche nicht von Unreinigkeit der Oberfläche herrühren konnte (die einzelnen Stücke waren beim Gebrauch stets ganz blank und spiegelnd),* und die vielleicht am ersten auf Rechnung einer unter der Vergold- ung vor sich gehenden Oxydation des Messings zu setzen ist. Diese und noch einige ähnliche Erfahrungen über die Veränderlidikeit der Metallgewichte gaben damals Veran- lassung, in der VVerksätte der mathematisch-physikalische Sammlung einen vollständigen Einsatz aus Borgkrystall her- stellen zu lassen, bestehend aus einem Kilogramme-Stücke (welches direct mit dem vorher in Paris durch das Original der Archive bestimmten und später nach Neapel verkauften Repsold'sehen Bergkry stall -Kilogramme verglichen worden ist), zwei halben Kilogrammen etc. bis herab zur Gramme^ in Allem 15 Gylinder (die Kanten durch KugelfiEtcetten ab- gerundet) , von höchst vollkommener Gestalt und Politur der Oberflächen. Da wir allen Grund hatten, diesen Ge- wichten, die man vor dem jedesmaligen Gebrauche unbe- denklich mit Weingeist waschen darf, viel grössere Unver-

Digitized by

Google

236 Siimmg der math-ph^g. Ciasse vom 6. JvHi 1867.

änderliohkeit als den metallenen zuzuschreiben, so wurden dann im Jähre 1846 durch eine grosse Beobachtangsreihe} die wesentlich yon mir herrührt , ihre Werthe moglidist sorgfältig bestimmt, damit für weitere Gewichtsontersach- ungen der Apparat ein für allemal hergestellt sei. Ich setzte mir damals znm Ziel, die relativen Werthe dieser Stücke, d. h. ihre Verhältnisse zum grössten, bis auf ein paar Hundertmilliontel des letzteren zu bestimmen. Die Unsicherheit in Betreflf der Luftgewichte, von welcher vorher die Sprache ^ar, fallt nämlich vollkommen fort, wenn man Bei*gkrystall mit Bergkrystall vergleicht, weil hier gleiche Massen auch gleiche Volumina bedingen. In dieser Beziehung lagen uns, schon als der Einsatz hergestellt wurde (dessen Stücke übrigens alle von demselben Erystall-Blocke her- rühren) die Bestimmungen der specifischen Gewidite von sechs verschiedenen Krystall-Eörpem vor, deren Einer aus Brasilien, ein zweiter aus Madagaskar stami^te, vrährend die übrigen wahrscheinlidi europäischen Ursprungs sind; für diese alle hatten wir, auf so viel Stellen als überhaupt verbürgt werden können, gleiche specifische Gewichte er- halten, indem die grösste gefundene Abweichung vom Mittel- werth sich auf 0,00005 stellte, welche Differenz, wenn sie selbst reell wäre, doch bei der Masse von 1 Kilogramm das Gewicht der verdrängten Luft noch nidit um 0,01 M. verändern würde"). Die weiteren Untersuchungen, für welche die Herstellung jenes Einsatzes als Vorarbeit dienen

3) Unmittelbare Wägangen im Wasser von der grössten Dichtig- keit geben das speoifische Gewicht des Bergkrystalls = 2,65479. Aas den Wägungen bei höherer Temperatur hatten wir mittelst der Hallström^ohen, von Bessel reproducirten Tafel für die Ausdehnung des Wassers zuerst einen kleineren Werth abgeleitet (vgl. Steinheil a. a. 0.) in Folge der Unrichtigkeit dieser Tafel

Digitized by

Google

Seidsl: Oegemoärtige Oenauigkeii der Wägungen. 237

sollte, sind nar zum Theil ausgeführt worden: bei ihrer Unterbrechung durch SteinheiPs damaUge Uebersiedelung nach Wien blieben die mit bedeutenden Kosten hergestellten Gewichte sein Privat-Eigenthum. Neuerlich, als die Verhand- lungen wegen eines gemeinschaftlichen deutschen Maasses und Gewichtes dem Gegenstand ein erneutes Interesse gaben, bat die betreffende Gommission der IL Glasse der k. Akad. d. W. Anlass genommen, der k. Staatsregierung die Er- werbung dieser Stücke für Bayern anzuempfehlen, jedoch ist den desfallsigen EntSchliessungen das Oesterreichische Gouvernement zuvorgekommen, und hat die Wiener Aka- demie in den Besitz derselben gebracht. Sie wurden Ende März an den österreichischen Bevollmächtigten übergeben; ehe dies geschah, hat mir auf meinen Wunsch das bereit- wilb'ge Entgegenkommen des Hrn. Professors Schrötter, General-Sekretärs der kais. Akademie, und des Hm. Ministerial- Raths Steinheil die Gelegenheit verschafft, einige meiner alten Gewichtsvergleichungen zu wiederholen. Es lag mir daran, ehe diese Stücke für immer von hier fort kamen, mich selbst von der Genauigkeit meiner früheren Arbeit noch- mals zu überzeugen, und es schien mir, dass es, gegenüber den mit Metallgewichten gemachten Erfahrungen, von wesent- lichem Werthe sein würde, wenn der positive Nachweis einer viel grösseren ünveränderlickeit unserer Krystallkörper durch eine nach zwanzig Jahren vorgenommene Controlbestim- mang geführt werden könnte. Dazu kommt noch, dass das Eine der zur Vergleichung gebrachten Stücke auch noch für uns in München die Gontinuität mit dem Original-Ge- widite der Archive in Paris erhalt: das Halb-Eilogramm- Stüok war nemlich in Bergkrystall deshalb in duplo her- gestellt worden, weil das erste Exemplar in Folge zu rascher Erkältung nach dem Poliren im Innern einen irisirenden Sprung erhalten hatte, der sich bis an die Oberfläche erstreckt, [1867. n. 2.] 16

Digitized by

Google

238 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6. JuU 1867.

obgleidi an derselben nicht die geringste Unterbrechung der Gontinuität mit dem Nagel zu spüren ist; es wurde darum dem jetzt verkauften Einsätze nicht einverleibt, war aber schon in die alten Vei^leichungen von mir mit hineingezogea worden, weil sich bald zeigte, dass der Sprung seine Un- veränderlichkeit auf der Wage nicht beeinträchtigte. Die Summe der beiden halben Kilogramme hatte ich 1846 be- sonders sicher, durch 45 Abwägungen, mit dem ganzen Kilogramme verglichen: für ihre Differenz (die allerdings bei kleinerer Belastung, also grösserer Empfindlichkeit, der Wage gemessen und deshalb schneller mit der gleidien Genauigkeit erhalten wird) lagen viel weniger Beobachtungen vor, und die Wiederholung dieser Vergleichuug, zu möglichst sicherer Bestimmung der beiden Halben durch das Ganze, war deshalb zunächst angezeigt. Für die zweite Controle wählte ich die erneute Vergleichuug des Stückes von zwei Hektogrammen mit den beiden von ein Hektogramm, weil ich in den Originalpapieren der alten Wägungen eine 1846 gemachte Notiruug gefunden hatte, dass diese Verbindung, als etwas unsicherer bestimmt, gelegentlich zu wieder- holen sei.

Meine diesmaligen Beobachtungen fielen in die Tage vom 13. bis 27. März 1867; es war mir dazu der südliche Saal der mathem.-physikal. Sammlung des Staates, in wel- chem der Heliostat angebracht ist, eingeräumt, und in dem- selben die Steinheirsche Schneidewage an der Wand gegen den südöstlichen Arbeitssaal in ihrem Kasten aufgestellt worden. Beide Säle blieben ungeheizt, und ich hielt die Läden desjenigen, in welchem die Wage stand, grössteu- theils geschlossen, und verweilte in ihm nur, während es zum Ablesen und dann zum Umsetzen der Gewichte nöthig war: in Folge dieser Vorsicht zeigte das Reaumur'sche Thermometer am Barometer kaum Schwankungen von Vxo Grad während der Beobachtungen eines Vor- oder

Digitized by

Google

Seidel: GegenwärHge Genauigleit der Wägungen, 239

Nachmittags. Die yortreffliche mit drei auf Achatplatten spielenden Schneiden versehene Wage, die schon zu den früheren Bestimmungen gedient hatte (Eine von mehreren ganz ähnlich hergestellten) ist von Steinheil an anderem Orte beschrieben; ihr Balken trägt über seiner Mitte einen kleinen Planspiegel, der auf eine etwa 12 Fuss entfernte Scala weist, an welcher die Ausschläge nach dem Poggendorf-Gauss'schen Principe durch das auf den Spiegel gerichtete feststehende Fernrohr abgelesen wer- den. Es galt mir, mefnen früheren Erfahrungen nach, als Regel, die Wage stets nach Umsetzen der Gewichte eine Viertelstunde lang frei schwingen zu lassen, während sich Niemand im Zimmer befand, damit im Innern ihres Kastens die Luftströmungen sich beruhigen und die Temperaturen sich ausgleichen könnten; nach Ablauf dieser Zeit zeigte sich im Femrohre die Ruhe und Gleichmässigkeit der Schwingungen nur beeinträchtigt durch vorübergehende in dem Lokale nicht zu vermeidende Ersdiütterungen von vor- beifahrenden Wägen; wenn zwei nach derselben Seite er- folgende Ausschläge bis auf ein paar der geschätzten Zehntel eines Scalentheils gleiche Ablesung gaben (wie dies bei ruhigem Gange der Wage immer der Fall war), so wurde der Mittelwerth beider mit der der Zeit nach zwischen sie fallenden Ablesung der entgegengesetzten äussersten Elonga- tion zu einem Mittel verbunden , welches als die Ablesung der Gleichgewichtslage der Wage galt. Die Abwägungen selbst wurden nach der Methode von Gauss gemacht, indem die beiden zu yergleichenden Körper sich gleichzeitig auf den beiden Schalen der Wage befanden, und zwischen den- selben alternirten. Der Werth des Ausschlags von einem Sealentheil wurde mittelst der sehr genau bekannten kleinen Gewichte von Piatinadraht bestimmt, über welche ich zu- letzt noch Einiges beibringen werde, natürlich zu wieder- holten Malen und zwar bald durch Umsetzen des kleinen

16*

Digitized by

Google

240 8U0ung der nuUh'phys, Crosse vom 6. JuU 1867.

Gewichtes allein, bald auf die Art, dass durch Hinzufugnng eines solchen zu der leichteren der beiden grösseren Massen die Differenz auf die entgegengesetzte Seite gebracht wurde. Dieses letztere Verfahren ist etwas unbequemer als das erste, giebt aber eine vollkommnere Elimination der y<m Unsicherheit des Scalenwerthes herrührenden Fehler, üebri- gens ist bei derselben Wage der Scalenwerth natürlich ab- hängig von der Entfernung zwisdien Scala und Wage und von der Grösse der Belastung; diesmal wurde er für Be- obachtungen nach dem Gauss' sehen Princip gefunden wie folgt :

r ^ - . , o -x Gewichtsdifferenz, welcher der Aus- Last auf jeder Seite. , , «• a i xi. i x i.^ "* schlag Yon Em Scalentheu entspricht.

0,5 Kilogramm 0,0403 Milligramm.

0,2 . . 0,0200

0,191 ,, . . 0,0184

Für den Gewichtsunterschied der beiden Erystall- Cylinder yon 0,6 Kilogramm (unter welchen der mit dem Sprung der schwerere ist) lagen mir folgende alte Beob- achtungen vor:

1) 4 direkte Vergleichung^ vom Jahre 1846

hatten ergeben 3,503 MiUigr.

2) 2 noch früher yon Steinheil angestellte

(etwas weniger sichere) . . . ' 3,542 ,,

3) 10 weitere, in den ersten Monaten 1847

von mir gemacht 3,431

4) Aus 10 Vergleichungen des nicht gesprun- genen Stückes mit der Summe aller kleineren Erystallgewichte und aus 5,5 solchen des andern mit derselben Summe folgte indirect, mit dem Gewichte von

3,55 direkten Vergleichungen (1846) . 3,410 Im Hauptresultate dieser 4 alten Beajbim- mungsreihen (20 Messungen) ergab sich, mit Rücksicht auf ihre Gewichte . . 3,453 Milligr.

Digitized by

Google

8eidd: GegemoärUge Qtnamgkeit der Wäfftmgen. 241

Am 3. März des laafenden Jahres machte M.-R. Stein- heil mit einer in seiner Wohnung angestellten Wage die ersten neuen Beobachtungen: die Gewidite waren zuvor sorgfältig abgewischt, aber nicht, wie es mir als Regel galt, auch mit Weingeist abgewaschen worden; sie schienen ganz rein. Der Unterschied fand sich jetzt aus 5 Abwägungen = 3,557 M. Da diese Vergrösserung seines Werthes auffiel, so untersuchte Steinheil die Oberflächen nochmals genau, und fand jetzt auf derjenigen des schwereren Stückes zwei kleine, wahrscheinlich Ton Fliege herrührende Flecken, welche weggewaschen wurden; ein paar vorläufige Beobacht- ungen zeigten sogleich, dass diese schwer wahmehmbsure Verunreinigung die Ursache der Differenz gegen das alte Mittel gewesen war. Die Gewichte kamen jetzt in meine Hände ; es ergaben mir

5) 12 Vergleichungen von März 13. bis 16. 3,394 Milligr.

In den nächstfolgenden Tagen wurde vom Mechaniker noch eine Justirung am Sperrwerk vorgenommen, durch welches jedesmal zwischen zwei Beobachtungen der Wage- balken von den Achatplatten, auf welchen seine Schneide ruht, und die Wagschalen, die ihrerseits mit Achatplatten . über den beiden Endschneiden des Balkens spielen, von diesen letzteren sich abheben. Beim Lösen dieser Arretiruug hatte nemlich zuweilen die eine Schale durch eine Reibung zwischen dem Arme des Sperrwerks und der Fassung ihres Steines einen Anstoss erhalten, der die Regelmässigkeit der Initialsdiwingungen beeinträchtigte. Unterdessen unterzog idi auch die Erystalle nochmals einer sorgfältigen Reinig- ung mittelst feiner Seife, die vom Ballen der Hand aus nass aufgerieben und dann mit reinem Wasser abgewaschen wurde, und mit Weingeist. Die hiemach am 21. und 22. März vorgenommenen neuen Wägungen ergaben

6) mit dem Gewichte von 14,5 Bestimmungen 3,455 Milligr. Daher im Mittel aller 26,5 neuen Wägungen 3,431 '„

Digitized by

Google

242 SiUmng der math.-phys: Glosse wm 6. Juli ISe?.

wenn man den Einzelbeobachtangen der Reihe 6, bei wel« eher die Wage in besserer Ordnung war, gegenüber den- jenigen der Reihe 5 ein im Verhältnisse von 4 : 3 grösseres Gewicht beil^.

Das Hauptmittel aus allen alten und neuen Beobacht- ungen' wird dann (da ihre Gesammtgewichte sich sehr nahe wie 20 : 25 oder wie 4 : 6 verhalten) :

3,440 M.; Yom Mittel der alten allein abweichend um 0,013, yon dem der neuen allein um +0,009. Man bemerkt noch, dass unter den alten Wägungsreihen die sicherste (Nr. 3) ein Resultat giebt, welches mit dem Mittel aller neuen (3,431) genau übereinstimmt; umgekehrt trifft das Ergebnise der sichersten unter den beiden neuen Reihen (3,455) bis auf 0,002 M. überein mit dem Gesammtmittel der alten Reihen.

Es haben also hier Wägungen, welche um 20 Jahre auseinanderliegen, für die gesuchte Ge- wichtsdifferenz Zahlen gegeben, die keine Spur eines constanten Unterschiedes erkennen lassen, und völlig ebenso gut zusammenstimmen, als die einzelnen bald nach einander erhaltenen Reihen unter sich. Zugleich darf man, da das definitive Mittel bis auf +0,01 MilNgrammen mit den beiden Separatmitteln übereinkommt, demselben einen hohen Grad von Sicherheit beilegen. Der wahrscheinliche Fehler, nach den Regeln der Methode der kleinsten Quadrate berechnet, findet sich für eine einzelne Bestimmung 0,0265 und für das allgemeine Mittel der sechsundvierzig Wägungen 0,00391 ; wenn man aber auch annimmt, (wie ich es thue), dass das letzt^^ noch um + 0,01 Miligrammen unsicher sein kann, d. h. um soviel als es von jedem der beiden einseitigen Mittel abweicht, so macht dies nur den 50 Millionsten Theil einer jeden der beiden mit einander verglichenen Massen

Digitized by

Google

Seidel: GegenwärHge OenaulgJceit der Wägungen. 248

aus. Man verdankt die Mögliohkeit, solche Genauigkeit zq erreichen; der chemischen ünveränderlichkeit und der Härte des Materiales der Gewichte, durch welche allein die uner- lässlich nothwendige scrupulöseste Reinhaltung der Ober- flächen unbedenklich gemacht wird. Wo die günstigsten umstände, wie in unserem Falle, vorhanden sind, ist man in der That berechtigt zu sagen, dass die Genauigkeit der Wägungen weiter geht, ah die irgend welcher anderer Messungen. Ein fünfzig Millionstel des Ganzen würde z. B. auf die analytische Einheit des Winkels, nemlich denjenigen, dessen Bogen dem Radius gleich ist, nur ausmachen 0,004 Bogensekunden, d. i. eine Grösse, bis zu welcher die Un- sicherheit in der Messung eines solchen Winkels durchaus nicht herabgehracht werden kann.

Für die zweite Controle war, wie schon oben erwähnt, die wiederholte Vergleichung äes Cylindei's von 0,2 Kilo- gramm mit den beiden von 0,1 Kilogramm ausgewählt worden. Aus drei Wägungen von 1846 war das erstere Gewicht leichter gefunden worden als die Summe der beiden anderen um 1,787 Milligramme. Sieben neue Bestimmungen (vom 22. März 1867) . ergaben identisch dieselbe Differenz, wobei natürlich der Zufall mit im Spiele ist.

Da jede Wage nur bei einer bestimmten Belastung das Maximum ihre Leistung gewährt, und da überdies bei ge- ringer Last und grosser Empfindlichkeit der störende Ein- fluss von Luftströmungen und anderen Fehlerursachen, zu- nehmen muss, so werden nothwendig die Unsicherheiten in der Bestimmung sehr kleiner Massen verhältnissmässig grösser, als bei massig grossen. Die absoluten Werthe der Unsicherheiten aber nehmen allerdings, auch bei unserer Wage, für kleinere Gewichte noch weiter ab. Zum Beweise kann ich diß Zahlen anfuhren, welche durch drei verschie- dene und von einander ganz unabhängige Auswägungen für die Gewichte der Platin-Drahtstücke erhalten worden sind,

Digitized by

Google

24:4 Sitzung der m<ah.-phy$. v(m Clas»^ 9, Juli 1S$7.

welche zu unserem Bergkrystall-Einsatz die Theile abwärts von der Gramme repräsentiren , and die jetzt auch mit nach Wien gekommen sind.

Zum erstenmal wurden die betreffenden Stücke im Januar 1844 auf die Art bestimmt, dass sie einzeln ab« gewogen wurden gegen Stücke eines ähnlichen Einsatzes yon Platindraht, der dem Staatsrath Schumacher in Altona gehörte und, dem Dedmalsystem entsprechend, Vielfadie und aliquote Theile von dänischen Grains repräsentirte. Seine Stücke waren von Schumacher 1836 und wiederholt 1838 bestimmt worden; die durchschnittliche Differenz zwischen beiden Bestimmungen (die zusammengestellt sind in der schon citirten Abhandlung Steinheil's von 1844, p.55) war 0,013 Milligr.: Einmal erhebt sich der Unterschied auf 0^039 M. und Einmal ist er 0,032 M. Diese Gewichte, welche auch schon bei Steinheil's Vergleichungen der Pariser Originale gedient hatten, waren durch Schumacher's Güte nach München geliehen worden. Ihre Vergleichung mit den unsrigen wurde noch nicht mit der Schneidewage vor- genommen, sondern mit der von Steinheil Anfangs der vierziger Jahre construirten Bandwage, bei welcher statt der drei Schneiden Suspensionen an kurzen und schmalen, oben und unten festgeklemmten Stückchen von dünnem Seidenband angeordnet waren. Bei der zweiten Ver- gleichung, im Juli 1844, diente bereits die Schneidewage; diesmal wurde die Summ^ der vier die Ordnung der Deci- grammen repräsentirenden Stücke unserer Platin-Drähte in Verbindung gesetzt mit der Gramme des oben erwähnten Kilogramm-Einsatzes von vergoldetem Messing, dessen Ge- wichte damals genau bestimmt worden waren, und durch Vergleichung zwischen den einzelnen Stücken der Uebergang zu den kleineren Theilen gemacht. Nach demselben Principe und gleichfalls mittelst der Schneidewage wurde die dritte Bestimmung 1846 ausgeführt ^ nur beruht sie auf den

Digitized by

Google

8cidd: OigemoärHge OmawigMi der Wägmgeiu

24S

Grammen des Bergkrystall-EiiiBatzes. In den drei ersten Colomnen der folgenden Tabelle sind die Werthe neben einander gestellt, welche durch diese verschiedenen Beob« achtungsreihen für dieselben Gewichte gefanden worden : die vierte Golumne enthält die defiuiti? angeuonoimenen Werthe:

I.

n.

m.

Def.

M.

M.

M.

M.

399,868

399,789

399,780

399,780

299,690

299,587

299,580

299,580

199,370

199,354

199,340

199,314

100,676

100,661

100,665

100,662

40,100

40,099

40,097

40,098

30,381

30,390

30,397

30,394

20,118

20,126

20,126

20,126

10,292

10,265

10,257

10,261

3,877

3,901

3,907

3,904

2,921

2,909

2,905

2,907

2,005

1,978

1,969

1,973

0,902

0,920

0,931

0,926

- Die Zahlen der ersten Reihe können mit denen der zweiten und dritten nicht concurriren: denn die Bandwage, die sich durch die Wohlfeilheit ihrer Herstellung empfiehlt, stand entschieden hinter der Schneide wage zurück., Andrer- seits waren die Schumacher'schen Gewichtchen selbst nicht mit det Sicherheit bestimmt, wie die nnsrigen es durch die zweite und dritte Reihe sind, da in diesen die Differenz nur Einmal den Werth 0,0 14 M. erreicht, und es ist auch die Methode der Bestimmung, von den grösseren ge- wichten allmählich herabzugeheu, besser als die, Stück für Stück durch Vergleichung mit bekannten Massen selbst- ständig zu bestimmen, üebrigens wird die Uebereinstim- mung der Zahlen sub I. mit den übrigen in der Ordnung

Digitized by

Google

246 8Umng det maÜL^phifi. CIomh wm 6. Jiläi IQ^.

der Dedgrammen, wo die ersten durchweg etwas za gross sind, sehr bedeutend erhöht, wenn man durch einen an allen Zahlen dieser Reihe anzubringenden corrigirenden Factor die Summe der vier grössten Stücke auf ihren besst- bestimmten Werth 999,366 M. (wie er der dritten Reihe zu- gehört) reducirt: denn die Verhältnisse der einzelnen Gewichte kommen in allen dreien noch näher überein als die absoluten Werthe '). Die definitiv angenommenen Zahlen in der vierten Columne wurden aus den angeführten Gründen blos aus n. und III. abgeleitet: sie sind einfache Mittel aus den directen Werthen III einerseits und den durch eine kleine Reduction der eben bezeichneten Art verbesserten Werthen II. andrerseits. Nach dieser Reduction der Zahlen II. (im Verhältnisse von 399,391: 399,366) beträgt ihr Unter- schied, sowie derjenige der Zahlen III., von den definitiven Werthen in sechs Fällen kein Tausendtel eines Milligrammes, zweimal nur ein Tausendtel, etc., und nur Einmal im Maximum sechs Tausendtel; der durchschnittliche Werth für die Abweichung der definitiven Zahl^ von den beiden, deren Mittel sie ist, beträgt 0,0026, oder ein Vierhun- derttel Milligramm. Bis auf diese Grösse bei den Unter- abtheilungen der Gramme, und bis auf ein Hundertel Milli- gramm bei verglichenen Massen von ^|s Kilogramm kann also die Unsicherheit der Bestimmung zurückgedrängt werden, und es ist demnach eine berechtigte Forderung, dass bei Gewichten, die nicht allein dem öffentlidien Veilehr dienen, sondern auch für wissenschaftliche Präcisionsarbeiten zur Grundlage geeignet sein sollen, für die faktisch erreich- bare Unveränderlichkeit innerhalb so kleiner Grössen künftig immer vorgesorgt werde.

8) Es versteht sich, dass bei Berechnung der Reihen U. n. IH die Loftgewichtsonterschiede von Platin gegen Messing und Berg- krystaU in Rechnung gezogen sind.

Digitized by

Google

Knhn: Bmerhmgen iiber BLiU^cMge. 247

Herr Kuhn trägt vor:

„BemerkuDgen über Blitz8chIäge'^

Vor einem Jahre hatte ich die Ehre, der hoohverehr« liehen Glasse über zwei Blitzesereignisse zu berichten ^), die als geeignet erschienen, um die gewöhnlichen Vorstellungs- weisen über die Wirkung von Gewitterwolken gegen irdische Objecto und über die Entstehung eines sogenannten Blitz- schlages in sachgemässer Weise zu berichtigen.

Bei jener Gelegenheit habe ich die wesentlichen jener Grundsätze hervorgehoben, durch welche die Wirksamkeit der Blitzableiter und die Beschädigung irdischer Objecto durch Blitzschläge ihre sachgemässe Erklärung finden kann. Ich zeigte dabei, dass bloss die von Seite der Gewitter- wolke gegen die unterirdische Wasserstrecke ausgeübte In- fluenz als primitive Ursache eines Blitzschlages angesehen werden müsse, und dass diesen Influenzwirkungen, die be- kanntlich entweder selbst wieder die Entstehung von Neben- wirkungen erzeugen, oder von solchen im Augenblicke der Entstehung des Entladungsstromes begleitet sein können, alle Erscheinungen zugeschrieben werden müssen, welche während des Blitzereignisses an irdischen Objecten beob- achtet werden können; mögen diese Erscheinungen dabei als noch so complicirt auftreten, so müssen dieselben, wenn alle Umstände gehörig erhoben wej*den können, den- noch ihre einfache und naturgemässe Erklärung nacii den gedachten principiellen Grundlagen finden können.

Bezüglich der Anordnung der Blitzableiter wurde unter

1) Siteungsberichte der k. b. Akad. d. W. 186«, Bd. H, p. 192. (Aosf&hrlioher im Polyteohnischen Joamal, Bd. GLXXXII^ S. 291.)

Digitized by

Google

248 aummg der maih.'ph^i. Oam wm 6. JuU 1897.

Anderm bei jener Gelegenheit von mir besonders henror- gehoben / dass vermöge der gedachten Prindpien anf die unmittelbare Aasleitnng in das Grundwasser zunächst Be- dacht genommen werden müsse, dass es fiir einzehie Ge- bäude, die sämmtlich auf der gleichen Terrainstrecke sich befinden, keinen Blitzableiter gibt, der alle übrigen odeat auch nur' eines derselben selbst kleineres Gebäude gegen Blitzschläge zu schützen vermag, dass man vielmehr in allen solchen Fällen und diess sind gerade die häufigsten ein Blitzableiter-System für eine jede der Gebäudegruppen gemeinschaftlich in sachgemässer Weise hei-zustellen habe, dass femer die noch herrschende Ansicht, als ob ein Blitz- ableiter mit hoher Auffangstange einen sogenannten Sdiuti- kreis für die umgebenden Objecto darbiete, als nicht stich- haltig bezeichnet werden müsse, dass es vielmehr eine Wirkungssphäre in dem Sinne, wie man eine solche ge- wöhnlich anzunehmen pflegt, gar nicht geben könne.

Obgleich eine grosse Anzahl von Blitzesereignissen auf- gewiesen werden kann, durch welche jene Folgerungen be- stätiget werden können, so erscheint es dennoch als uner- lässlich, durch fortgesetzte R^strirung von authentisch nachgewiesenen Blitzschlägen an irdischen Objecten die er- wähnte principielle Erklärungsweise und die daraus entnom- menen Folgerungen wiederholt zu prüfen, und die in Rede stehende Angel^enheit nunmehr in gründlicher Weise zur Erledigung zu bringen. Hiefiir erscheint es aber als uner^ läsdich, nicht bloss die Bahn der Entladung an allen Stellen des getroffenen Objectes zu verfolgen, sondern auch und zwar insbesondere den discontinuirlichen Leitungsbogen auf- zusuchen, den die Entladung vom Boden aus bis zur unterirdischen Wasserstrecke einschlug, so weit als thunlich zu verfolgen..

Unter den im Laufe der gegenwärtigen Gewitterperiode mir bekannt gewordenen Blitzesereignissen dürften einige

Digitized by

Google

Kukn: Bmerhungen Übtr BUt$$M&g4. 249

ab interessant genog erscheinen, am an dieselben die oben gedachten principiellen Grundlagen gleichsam als Prüfstein anlegen zu dürfen. Auf das erste der Ereignisse, die hier betrachtet werden sollen, wurde ich durch eine Notiz*) auf- merksam gemacht, in welcher, die Verheerungen geschildert wurden, welche die am 24. und 25. Juni im Odenwald, am Bhein und Main bis an die Lahn stattgehabten Gewitter zur Folge hatten und wobei unter Anderfii erwähnt ward, dass zahlreiche Blitzschläge in der Umgebung von Darm« atadt und mehrere in Darmstadt selbst vorkamen. Die Umstände, unter welchen letztere eintraten, veranlassten mich zur näheren Erholung der Sachverhältnisse. Von den 15 Fragen , welche ich zu diesem Zwecke durch gefällige Vermittelung der Redaction der Bayerischen Zeitung an den Verfasser jenes Artikels richten konnte, Jconnten mir zwar die wesentlichsten nicht näher erörtert werden; ein Thdl aber wurde in ausreichender Weise beantwortet. Da jener Herr Gorrespondent selbst Interesse genug daran fond, um die mir mitgetheilten Schilderungen in mehreren Artikeln zum Gegenstand einer öffentlichen Besprechung (in mehreren deutschen Zeitungen) zu machen, so mag es ausreidien, aus dem mir zugekommenen umfassenden Beridtte*) so vid hervorzuheben, als zur Beurtheilung der in Rede stehenden Ereignisse als nöthig erscheint.

Die (von unserem Oewährsmann) beobachteten Gewitter zogen von Osten nach Westen, und traten am 24. und 25. Juni in grosser Ausdehnung und mit grosser Heftigkeit auf. Derlei Gewitter geboren immer su den seltenen Erscheinungen; der normale Zug ist &8t in

2) Bayerische Zeitung, Morgenausgabe Tom 80. Juni 1867.

8) Hief&r habe ich sowohl dem Herrn H. B. in Darmstadt, ala andi den Herren: Director Dr. Hügel, Ingenieur Zaubita, sowk den Fnd. Dr. Bender und Dr. Dreser, welche bei den £rmkte- longen eich freandlieh betheüigtea, meinen Dank ausi«Bpveeh«n«

Digitized by

Google

250 SiUtung der mafh^-phys. Oasse vom 6, Itdi 1867.

ganz Mitteleuropa aas 8W. und W. gen NO. and 0. ^In Dannstadt erschien das erste jener Qewitter am 24. am 7 Uhr Abends. Ich sah es Tom grossen Wog ans, einem kleinen See, den der Darmbach östlich von Darmstadt bildet üeber das Darmtb älchen kam ein Wolkenzug, der lagerte sich (bachstablich) tintenschwarz in einCTi grossen Bogen über das Thal. Unter ihm her zogen leichtere weisse Wolken dicht wie der Dampf in einem Dampfbad, wie lange Bftrta herabhangend; sie schienen herunter in den Wald ^a reichen. Lang- sam ging das Wetter vorwärts. Anf einmal ein nngehearer Blitz, der den ganzen Bogen von S. nach N. spaltete (im Winkel von etwa 70^), dann in den Wald herein schlag. Bald darauf mehrere gleiche Schiige; der Himmel wurde immer schwärzer; die Blitze leoch- teten wie rothglühende Strahlen von geschmolzenem Eisen, die vom Himmel sprühten; oft spielten sie ins Violette und beleuchteten die Gegend weithin, wie mit bengalischem Feuer. Nach einer Yiertel* stunde kam ein sanfter Wind, der den See kräuselte, darauf ein^ leichter, dann ein heftiget strömender Regen, der < erst zwischen 9 und 10 Uhr aufhörte, währenddem fortwährend heftige Schläge, ich zählte deren 6 8, die in der Nähe vorkamen. Um 12 Uhr kam ein zweiter Gewitterzug, der bis nach 2 Uhr (den 25. Juni) an- dauerte. Die Blitzschläge waren noch stärker wie am Abend; sie gingen meist senkrecht wie am Abend, sie schienen bläulich. Ich zählte wieder etwa 6, die in nächster Nähe einschlagen (in Nieder^ Ramstadt und £berstadt). Am folgenden Morgen und am die Mittagszeit donnerte es fortwährend im Westen; es war ein Gewittar in Oppenheim, Mainz und Wiesbaden. Am Abend um 10 Uhr kam der dritte Gewitterzug, gleichfalls aus Osten. Gleich ein furchtbarer Schlag, wie wenn ein ungeheurer hohler Thurm in sich zusammen- stürzte; darauf noch mehrere, alle in unmittelbarer Nähe . . . Etwa fünf Minuten nachher ein neuer Schlag, wie ein heftiges Rotten- feuer . . . Ich spürte es wie einen Schlag mit der flachen Hand anf den Kopf. . . . Ich hatte d6m offenen Fenster zunächst gesessem und gegen eine Commode gelehnt; vielleicht mag ich dadurch die Erschütterung stärker gespürt haben. Diess war der letzte Schlag; dann fiel ein Platzregen, wie ich ihn nur einmal in ähnlicher Starke in dieser Gegend gesehen habe. Ich wohne fast auf dem höchsten Punkte von Darmstadt; kaum ein Dutzend Häuser stehen bis zu dem Höhenpunkte der hier kreuzenden Strassen Sand- and Stein- strasse — , die ziemlich rasch abfallen. Südöstlich von meiner Wohn- ung — in einer Entfernung von 200 Fuss ^ hatte der Blitz ein- geschlagen. Der Blitz war zu gleicher Zeit in zwei Häuser gefahren,

Digitized by

Google

Kuhn: Bmerhungm üher BlitMscKläge. 251

in das katholische Pfarrhaas und in das Schulhans, die 80 Fnss von einander entfernt stehen. Ausserdem schlug der Blitz in das Haus der barmherzigen Schwestern und in einen Hof in der Waldstrasse, im Ganzen zweimal in auffallender Weise dicht neben Blitz- ableitern. Das Sohwesterhaus und das Pfarr- und Sohulhaus liegen auf derselben Anhöhe, einem hier von Osten nach Westen gehenden Ausläufer des Neunklrcher Höhenzuges, auf der südlichen Seite des Darmbaches; das Haus in der Waldstrasse am Ende dieser Anhöhe in der Ebene. Die drei Blitzorte sind je 6 700 Schritte von ein- ander entfernt. Das Schwesterhans liegt etwa 300 Schritte Tom Wog und ebenso weit von der Gewerbschule. Letztere ist mit gut construirten Blitzableitern versehen; auf dem Schwesterhause, dann aof dem Pfarr- und Schulhause ist kein Blitzableiter, hingegen ist das Nachbarhaus nach Süden, das (an das Pfarrhaus?) angebaut ist, mit einem Blitzableiter versehen, und ebenso steht auf dem Hause in der Waldstrasse ein 12 Fuss hoher Blitzableiter. Auf der Kirche (im Westen) steht ein Blitzableiter, in horizontaler Richtung bis zum Pfarrhaus auf 160 Fuss Entfernung. Ferner stehen ringsum nach N., 0. und S. drei Blitzableiter auf 150 bis 200 F., noch zwei nach 0. und W. auf 300 F. , einer auf 400 F., und auf 600 F. (in der Hügelstrasse) eine ganze Reihe, fünf nebeneinander und einer gegenüber. Die s&mmtlichen Häuser sind fast alle 50 bis 60 Fuss hoch, die Kirche mit der Kuppel ungeföhr 150 F., der Blitzableiter darauf 30—40 F. hoch. Ueberhaupt ist dieser Stadttheil wie fast die ganze Neustadt mit Blitzableitern reichlich versehen. Die Blitz- ableiter bestehen fast alle aus 1 bis IV* Zoll breiten und Zoll dicken Eisenstangen; oben ein vergoldetes Kreuz, dann läuft aber meist nur ein einziger Ast über das Dach nach dem Boden hin. Auf dem Palais des Prinzen Ludwig läuft ein kupferner Blitzableiter über das ganze Haus; nach 3 Seiten gehen 4 Aeste von V^ Zoll starkem Kupferdraht in den Boden.'*

Von dem, was über die Spuren der Blitzesemtladungen an den angeführten vier Objecten mitgetheilt wurde, mag Nachstehendes hervorgehoben werden:

„Das Pfarrhaus steht an der Wilhelminen-Strasse 60 Fuss von der katholischen Kirche; das Schulhaus hinter diesem getrennt im Hof. Das Pfarrhaus hat ein vierseitiges Dach; der Blitz schlug in die östliche Wand. Das ^chulhaus hat ein zweiseitiges Dach, mit dem Giebel nach dem Pfarrhaus; der Blitz schlug in diesen west- lichen Giebel. Das auf der südlichen Seite an das Pfarrhaus an« gebaute und mit diesem von gleicher beiläufig 60 Fuss Höhe ist,

Digitized by

Google

262 Sitzung der maak-phffs, Clam wm 6. JvU 1867.

wie erwähnt, mit einem Blitzableiter verseilen; hinter dem nörd- lichen Nachbarhaose (des Pfarrhauses) steht ein mit Zink gedeckter kleiner Anbaa, dessen Dach mit einem Ban verbunden ist, an wel- welchen das Schalhaas mit seiner hinteren östlichen Seite anstössi. Das Zinkdach, von beiden Einschlagpunkten im Vorder- nndHintor- hans 80 40 Fnss entfernt, ward als anbeschädiget befanden. Von dem Pfarrhaus fuhrt vom Treppenfenster zwischen dem 2. und 3. Stocke ein Schellenzug nach dem Fenster der Wohnung des Küsters im Dachgeschosse des Schulhauses. Beide Fenster sind 40 Fuss vom Boden; an beiden Punkten schlug der BHtz zugleich ein. Am Vorder- haus fuhr er gerade an der Oeffhung, durch die der Glockenzag geht, hinein, am Treppenbau hinab, Zickzack hin und her, dann durch eine Seitenwand an dem Gassrohre hinab in die Goake. Am Hinterhaus fuhr er eine Spanne von dem Schellendrahte entfernt durch ein kleines Loch in dem Fensterbalken in das Zimmer nadi dem gegenüberstehenden Ofen, von da schlug er ein kleines Loch durch die Seitenwand, ging durch die untere Wand durch die zwei Stockwerke, an der senkrechten Wand die Verkleidung los schleissend und, wie mir scheint zur Hausthüre (?) hinaus. Der Küster und •eine Frau (kamen mit dem Schrecken davon, denn sie) waren in der an die Dachstube anstossenden Dachkammer gesessen. Die Frau ■ah den Blitz am Boden sich hinbewegen; sie will die Erscheinang in Gestalt eines Apfels oder einer Birne, als Feuerkugel gesehen haben. Von dem Schrecken, den diese Erscheinung in ihr erregte, haHe sich die Frau erst nach acht Tagen wieder erholt. Die beiden Blitzhäuser haben keine Gas- und keine Wasserleitung; ein einfacher verdeckter Brunnen ist im Hof . . ." An dem Blitz- ableiter des Nachbarhauses sowie auch an dem der katholischen Kirche waren k^ne Spuren der Entladung wahrzunehmen. Nachträglich wird aber im Berichte bemerkt, „dass der Blitzableiter des (angebauten) Nachbarhauses vor dem Einschlagen gerasselt habe".

„Das Haus der barmherzigen Schwestern ist zweistöckig, etwa 50 Fuss hoch, steht von Süden nach Norden und ist neu aus Steinen gebaut. Der Blitz schlug auf der Westseite ins Dach, in das nörd- liche Daohzimmer, spaltete sich dort, ging mit einem Zug von einem Balken herab, den er vom Speis entkleidete und wobei einige Wäsche an einem Nagel gezündet wurde, und gelangte in das untere westlich gelegene Schlafzimmer der Schwestern, wo die Sparen in Zickzack an den Betten her wahrgenommen wurden, und von wo IMis der Weg in das untere Zimmer der Oberin und nach dem

Digitized by

Google

SMn: Bemerhmgm Über mitiBcUäge, 253

Keller ging. Ein «weiter Zag ging nach der andern Seite dnrob die Wand nach dem Treppenhans, theilte sich da wieder; ein Theil ging am Treppenhaus herab, ein anderer nach dem Gkissrohre in die Cloake. In den unteren Stockwerken geschah ausser dem Zer- stören des Schellendrahtes und dem Abschleissen der Speis kein weiterer Sehaden ... An dem Einschlag war nichts Anssergewöhn- liohes, als dass er nicht auf die Spitze, sondern die Seite des Hauses trau Merkwürdig aber war, dass bei diesem augenscheinlich von Korden kommenden Strahl (?) eine Feuerflamme in dem s&dlichen Theil des Hauses gesehen wurde, der von dem Strahl sonst gar nicht getroffen war. Die Frau Oberin welche wfthrend des Er- eignisses in der Kapelle auf der en^egengesetsten südlichen Seite sieb aufhielt will ganz deutlich eine züngelnde Flamme um die heilige Lampe gesehen haben, ehe sie den Schlag hdrte".

,,In der Waldstrasse fuhr der Blitz etwa 12 F. yom westlichen und 4 F. von dem südlichen Flügel herab in den Basen, beschrieb im Zickzack einen 6 F. langen, 4 F. breiten Dreiviertelovalring imd rerschwand in die Erde. Die Furchen, die er zog, sind V«— 1 F. tief, an einzelnen Stellen sind V/t 2 F. tiefe Löcher. Die Richtung geht Ton W. nach 0., vom Blitzableiter her. Der Einschlagpunki ist von der Auffangstange kaum 24 F. entfernt; diese sch&tzte ich auf 12 F. Höhe . . . Die Theorie (hier meint unser Qewährsmann die Charles'-Arago'sche Regel für den sogenannten Schutzkreis) wurde nicht Tollkommen entkr&ftet, weil der Blitzableiter ziemlich gerostet ist, und nur in trockenes sandiges Erdreich abgeleitet wird, während unter dem Einschlagpunkt ein Senkloch sich befindet| das den Blitz anziehen konnte**.

Vergehen wir es mm, an die eben erwähnten BUtzea- ereignisae unsere bei früheren Gelegenheiten auseinander- gesetsste ErUämngsweise als Prüfstein anzulegen, so können wir zunächst bestätigen, dass die am Eingange des vorstehen« den Berichtes angegebenen Erscheinungen zu den wirklichen Bliteschlägen gehörten. Vermöge der für solche Vorgänge äusserst günstigen Terrainbeschaffienheit konnten durch die langsam vorwärts von 0. gen W. ziehenden und immer dichter gewordenen elektrisirten Wolkenmassen weit aus- gedehnte unterirdische Wasserstrecken der Influenz ausgesetzt werden, mit denen sicherlich einzelne an Abhängen gelegene (1867.il 2.1 17

Digitized by

Google

254 Sitsmng der mafK-phyM. CHasae wm 6. Juli 1667.

Bäatne oder Baumgraj^en des getroffenen Waldes in dia- continuirlicher leitender Verbindung stehen mussten, da die Blitzesentladnng nicht direct gegen den Wald, sondern in einem langen Bogen statt fand. Erst als die Wolken- gebilde auf ihrem Zage sidi tiefer gesenkt hatten, konnte die Bahn des kürzesten Leitnngswiderstandes mittelst der tief herabhängenden Wolken zwischen dem elektrisirten Ge- bilde und der unterirdischen Wasserstrecke durch die her- vorragendsten und am tiefsten wurzelnden etc. Bäume her- gestellt und die Ausgleichung zwischen dar negati? mit der Wolke geladenen oberirdischen Strecke und einem Theile der Ladung 'der Wolke als eigentlicher Blitz auftreten. Da diese Blitzeserscheinungen —- nach der oben gegebenen Be- schreibung — nicht von momentaner Dauer waren, so müssen dieselben als eine Folge tou discontinuirlichen rasdi auf einander folgender Entladungen bei jedem der am An- fange statt gehabten Vorgänge betrachtet werden*). Von den während der Nacht von 12 bis 2 ühr aufgetre- tenen Ereignissen wurde ohnehin 'die directe Entladung der Gewitterwolken gegen die Erde durch unmittelbare Wahr- nehmung constatirt; dieselbe war viel heftiger, „die Blitze gingen meist senkrecht, wie am Abend (?)", es waren näm- lich die Umstände durch den schon im Voraus stattgehabten starken Regen noch ginstiger vorbereitet, wie am 24. Abends. Diesen Vorgängen mag es auch zuzuschreiben sein, dass die innerhalb jener zwei ersten Perioden durch die gleichen Gewitterzüge ^) aufgetretenen Entladungen an oder in der

4) In einem der uns vorliegenden Zeitongsberiolite heisst es unter Anderm (ans Nidda) bezüglich dieser Gewitter: „Dits elek- trische Licht, welches oft 8 10 Sekunden daaertCi war so stark und dicht, dass man in weiter Ferne beinahe den kleinsten Gegenstand unterscheiden konnte*\

5) Am 24. und 25. Juni kamen in den gedachten Gebieten mehrfiRch Blitsschläge ?or. Ob aber diese s&mmtlichen Erscheinungen

Digitized by LjOOQ IC

Kmkn: Bm^erhrnigm Über BUUsMäge. 255

Nahe yoQ Qebäiiden im AUgemeineD keine bedeatendm Wirkangen ziun Vorsoheiii kamen, da die Gewitterwolken

den gleichen Gewitterziigen Engeschrieben -werden dürfen, oder ob letztere von einander unabhängig auftraten, lässt sich wohl erst durch eine nähere UnterBuchung entscheiden. Yorlänfig dürften wohl einige Notizen hierüber nicht uninteressant sein; so wird aus Nidda Yom 25. Juni geschrieben: „Der gestrige Tag Johanni- tag wird Vielen lang im Gedächtniss bleiben. Gestern Yormittag a^ion um 9 Uhr donnerte es stark und viele schwere Wetter stiegen im Westen auf und bewegten sich über das Niddathal nach Osten bin. um 4V4 Uhr verkündete starker Donner und Blitz die Rück- kehr der über unsere Stadt hingezogenen Gewitter .../'—* Aus Lang-Göns (16 Stunden nordwestlich von Nidda) wird unter Anderm geschrieben: „Unser Ort wurde am 24. d. Mts. von sehr starken Gewittern heimgesucht; Dieselben währten fast ununterbrochen von Morgens bis tief in die Nacht Fast alle kamen von Nordosten her* angezogen und schienen sich nur so einander abzulösen. Der Blitz schlug bei dem ersten Gewitter, das nur aus drei Schlägen bestand, und sich in unmittelbarer Nähe entwickelt haben muss, in das hiesige Stationsgebäude (an der Main-Nekar-Bahn, 2 Stunden

südlich von Giessen) ein" In Neuwied 8 Stunden unterhalb

der LahnmÜndung, etwa 80 Stunden östlich von Nidda ^ kamen die Gewitter mit Verheerungen zwischen 8 und 4 Uhr vor. Gleich- zeitig finden wir aus den vorliegenden Berichten über die Gewitter im Odenwalde, in der Wetterau, u. s. w., dass an dem gleichen Tage starke Gewitter im Schwaben, in der Rheinpfalz, im Thüringer»- wald, dann im bayerischen Oberfranken, femer in Mähren u. s. w. «tatUiatten; es dürfte daher vorläufig anzunehmen sein, dass diese •ämmtlichen Gewittererscheinungen, welche im entferntesten Osten noch am 28. Juni noch nicht zu Ende waren, wohl einer und der- •elben oder vielmehr einem Gomplexe primitiver Entstehungsquellen mgesdirieben werden dürfen, dass hingegen von dem Zuge eines and desselben Gewitters innerhalb der Periode vom 24. mit 29. Juni keine Rede sein kann. Eine spätere nähere Untersuchung wird viel* mehr vermuthlich herausstellen, dass jedes einzelne jener Gewitter hauptsächlich durch locale Wirkungen beding^ wurde, und dass daher letztere auf eine und dieselbe Grundursache zurüokzufiihren i^in dürften«

17*

Digitized by

Google

256 SiUumg ätr maA.-pfi^ Chtsse «m» 6, J$M 1867.

achon vorher auf ihrem Wege über Wasserflaehen, Flass- Aäler nnd Waldungen einen grossen Theil ihrer Ladung verloren hatten*).

6) Unter den am 24. Juni am Tage und vom 24. auf den 25. Jnai vorgdsommenen Blitzsohlägen mögen mehrere hier blose kors ani^ gezählt werden: In Lang-Göns wurde beim ersten Gewitter daa Stationfgeb&ade getroffen und der Telegraphenapparat serstdrt, beim sweiten wurde eine Soheuer getroffsn; in beiden F&llen ebne am m ziUiden. bi Neuwied „schlug ein kalter BlitMtrabl geigen halb

4 Uhr in den Thurm der katholisohen Kirche" In Grivea«

wiesbach (4 Si westl. von Wetzlar, 9 St. östl. von Nidda an der westl. Abdachung der Taunuahöhe) „brannte eine vom Blitze ge» troffme Scheune ab und wurde ein Wohnhaus beschädigei, eine K«k verunglückte dabei In Echzell (2 St. südweeiweatlioh von Nidda) ^fiahr ein Blitzstrahl mit furchtbarem Krachen auf den Kr^thurm*' ohne zu zünden; in Melbach (3 8t. südwestwestlich von Niddm) wurde eine Scheuer vom Blitze in Brand versetzt, eine Wohnung von einem anderen Schlage getroffen ohne weitere Beschädigungen. in der bei Eberstadt (1 St sudl. von Dannstadt) gelegenen Krugs^ Mihle ist durch den Blitzsehlag eine Scheuer in Brand vacsetst worden. In Nieder-Ramstadt (gleichfalls im Modauthal^ 1 St von Darmst-adt) schlug der Blitz in den Kirchthurm, ohne zu zfinden. In der Nähe von Därmstadt wurden mehrere Bäume vom Blitze ge- iroffen'*. In nächster Nähe von Nidda wurden während der beiden Gewitterzuge 8 versohiedene Bäume getroffen. In Weiterstadi (1 St von Darmstadt nordwestl. von der Eisenbahn nach Mann) schlug der Blitz bei Abgang des letzten Eisenbahnzugea am 24. Joni in eine Signallateme ... Im Walde nahe bei Wiesbaden wurde am 24. Nachmittags ein junger Mann vom Blitze getroffen uud bedeutend veiietzt. In Günsheim (eine halbe Stunde vom linken Bheinufer,

5 St von Darmstadt) hat der Blitz am 25. Juni Vormittags 11 Uhr in das Pfarrhaus eingeschlagen; die Bahn ging vom Schornstein sqbi geheizten Heerd und von der Kfiche in die Erde; dabei heisst es n. A.: „es scheint, als ob sich die Kraft des Blitzes getheilt habe, denn hie und da im Hause findet man kleine Beschädigungen^. Weiter kamen Blitzschläge vor, in Speyer und Neustadt (Pfalz), in Ettenbeuem (Schwaben), in Ebersdorf (in der Bhön), fouckenaut

Digitized by

Google

Kulm: Bmerhmgen über BhkficKläge. 257

Was noB die in Rede stehenden BUtaesereignisse vom 25. Juni 10 Dhr Abends betrifft, so mnss zunäohst ein Umstand herroirgehoben werden, der mis ab besonders wichtig erscheint. Die beiden in der vorausgegangenen Nacht ▼orgekommenen Gewitter hatten nämlich dieselbe Biditong und waren von nicht geringerer Intensität als das am Abend des 25., and dennoch worden bei letzterem solche Objecto von Blitssehlägen hdmgesadit, welche vorher verschont blieben, «nd selbst diessmal hat man kein Blitzesereigniss an den*- jenigen benachbarten Gebäuden wahrnehmen können, deren Blitzableiter weit über die getroffenen hervorragen. Die Ur^ sache des sogenannten Einsdilagens darf also wie wirbd einer früheren Gelegenheit ausführlich erörtert haben nicht bloss in der Anordnung und Besdiaffenheit etc. der Ge- bände und anderer irdischer Objecto gesucht ¥rurden, über welche die Gewitterwolke hinwegzieht, sondern sie muss bauptsächlich von der Terrainbeschaffenheit und von der Lage des Objelctes bezttglich der Gewitterwolke und der ausgedehnten unterirdischen ^^asserstrecken abhängig sein. hk der That finden wir auch ans der vorliegenden Beschreib- ung, dass Gebäude von geringer Höhe vom Blitzschlage be- rührt wurden , und dass selbst an jenen die Spuren der Entladung nicht an den hervorragendsten Stellen, sondern nur da sich vorfanden, wo sich Strecken von Constructions* iheilen etc. befinden, die der elektrischen Influenz etc. fähig sind. Ausserdem finden wir aber nodi darin den wesent- lidisten Umstand, dass vermöge der uns vorliegenden Zeitungsberidite vom 24. Juni Nachmittags bis 25: Morgens 2 Uhr massenhafte Niederschläge in jenen Gebieten stattgefunden haben, und zwar in solcher Menge, dass tief

Grossostheim (bei Aschaffenburg); Gräfenberg, Forchheim und Selb (Oberfranken) u. s. w., die wir för jetzt bloss vorübergehend an- fläurGH; übw den in Forchheim wird unten berichtet werden.

Digitized by

Google

258 SiUung der maih,'phif9, CUme vmn 6. JM 1867.

gelegeoe Wohnungen nd. Keller sdion während der B^n- güsse anter Wasser standen; am so mehr darf also an- genommen werden, dass nicht bloss die ob^en Erdsdiichteii an den Abhängen wdi am Abend des 25. Joni reichlidi dorchnä^st waren, sondern dass auch das Ki?eaa des onter- irdischen Wassers auf eine bedeutende Höhe gestiegen sein musste und vielleicht sogar noch nicht ^nmal seine grösste Höhe erreicht hatte, als der dritte Gewittmrzug herankam. Jene Anomalie kann daher nur dadurch ihre erkleoklidie Erklärung finden, wenn wir annehmen, dass die ui der ge- dachten Anhöhe und an ihrem Ende befindlidien Gebäude die günstigsten Umstände fdr die bei der gegen das Grund- wasser von Seite der Gewitterwolke ausgeübten Influenz ein- getretenen Entladungserscheinungen dargeboten haben ^ dasa also jene Objecto in nächster Communication mit der unter- irdische Wasserstrecke standen. Dass übrigens jene An- höhe auf Grundwasser ruhen müsse, zeigt uns schon die Terraingestaltung jenes Gebietes. (In der Käie eines der getroffenen Häusa: befindet sich ein selbstständiger Brunnen, wie oben erwähnt wurde, und vermuthlidi sind deren noch mehrere an jenem Abhänge au&ufinden.)

Unsere Erklärung der oben angeführten Blitzesereignisse auf der von Osten nadi Westen gehenden Anhöhe des Darmthaies besteht daher beiläufig in Folgendem; Die von Osten nadi Westen gezogene elektrisirte Wolkenmasse hat in einer grossen Ausdehnung die unterirdischen Gewäss^« mit welcher die Thalsohle in leitender Verbindung stand, nebst der ganzen darüber befindlichen Erdstredce durdi Influenz in den polarisch elektrischen Zustand T^Betzfc; in Folge der gegenseitigen Anziehung der Ladung der Wolke und der mit ihr ungleichnamigen an der Wasser- oberfläche etc. angehäuften Elektricitätsmenge wurde letztere über den ganzen Complex der oberirdischen Objecto, die selbst, je nach ihrer Leituugsfiihigkeit an der Influenz An*

Digitized by VjOOQ IC "

iheil DaKmeQ, verbreitet und über dieses discontinairlidie Leitungssystem in der Art angesammelt, wie es die Ver- theilong anter den herrschenden oomplicirten Umständen erforderte. Fand nun die Entladung der Wolke durch einen wirklichen Blitzschlag statte so musste die Bahn des kürze*- Bten Leitungswiderstandes , welche sdion während der In« floenz gewählt wurde, als Schliessungsleiter die ungeheuren £]ektricität8mengen Yon dem zugewendeten Theile der Wolke aus bis zum Grundwasser aufnehmen und zur Ausgleichung liringen, da man für alle hier vorliegenden Fälle wohl an- nehmen darf, dass die indi£ferente Stelle an der Wasser« Oberfläche selbst oder in deren nächster Nähe sich ver- muthlich befinden musste. Geschah aber die Entladui^ der Wolke in der Atmosphäre selbst; so musste in diesem Mo* fliente die ganze durch Influenz nach Oben gedrängte und au den äuss^rsten Stellen der Gebäude etc. angehäufte Eleclricitätsmenge in die unterirdische Wasserstrecke sich ergiessen. Ob nun die Vorgänge in der einen oder anderen Art statt fanden, kann aus den hierüber bekannt gewordenen Mittheilungen nicht beurtheilt werden. In dem einen wie in dem anderen Falle würden keinerlei Wirkungen im Gebäude selbst etc. wahrgenommen worden sein, wenn die für die Influenz ausgewählten Strecken continuirlich und von hin- reidiender Leitungsfähigkeit gewesen wären. Dieser Beding- ung wurde aber in keinem der vorliegenden Fälle Genüge geleistet, und gerade hierin ist die Ursache der bei den Blitz- •dilägen aufgetretenen Erscheinungen zu suchen.

Die Bahn des kürzesten Leitungswiderstandes lässt sich weder bei dem Blitzesereignisse am Pfarr- und Schulhause oodi an dem im Schwesterhause mit Hülfe der oben m- gegebenen s. g. Spuren des Blitzes angeben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann vermuthet werden, dass am Pfan> hause diese Bahn direct vom Grundwasser aus durch die durchnässten Erdsdiichten an der Cloake und endlich durch

Digitized by

Google

260 SUeung der mtOL-fit^. Ckmm V0m €, MU 1867.

das eiserne Qnssrohr und die oberen Theile der östiidieB Manerwand des Hauses Yermittelt wurde. Da diese Bahn wie es sdieint -— nur ram geringsten Theile aas guten Leitern .((^u^i'obr, Klammem in den Wänden etc.) be- stand, die selbst durch die übrigen Stredcen Ton einander gleichsam isolirt waren, so konnten die in der disoontinur- lichen Leitungsstrecke befindlichen elektrisirten Leiter selbst wieder Influenzerscheinangen hervi^bringeni welche ihrer- seits die anderen, der beobachtete Nebenwirknngea sur Folge hatten. Nach den Sparen zu urtheilen , die sidi im Schalhause vorfanden und mit Rücksicht aof die discotttinair«* liehe leitende Verbindung , welche Yom westlichen Giebd dieses Gebäudes aus theilweise auch von dem Zinkdache nadi dem ösüidimi Giebel des Pfarrhauses geht, dürfte ea übrigens nicht unmöglich sein, dass in dem Aagenblidce, in welchem der eigentliche Entladungsstrom aof dem ge* nannten (yermatheten) Wege eintrat, auf der zwmten Bahn g^en das Schalhaas hin eine SeitenenUadang Torkami welche oben als ein Zweig des Blitzstrahles bezeidmet wuide^ und welchem alle auf diesem Wege wahiigenommenen Wirk- ungen dann zuzuschreiben wären. Jedenfalls aber ist das ganze System in der Nähe dieser Gebäude und daher auch das Nachbarhaus mit seinem Blitzableiter auf directe oder indirecte Weise in den influencirten Zustand Tersetzt worden, so dass Entladungsströme der yersdiiedensten Art dabei vorkommen konnten; diediAei beobaiditeten physiologischen Wirkungen deuten darauf hin, dass Bäckschläge auf einem grossen Theile der beti*effenden Erdstrecke stattgefondm haben müssen. Jener einzige Blitzableiter des an das Pfim> haus angebauten Nachbarhauses würde das Eintreten jemat BlitzeswirkuDgen verhütet haben, wenn seine Ausleitong in die unterirdische Wasserstrecke voilianden gewesen and durch Zweigleitungen der obere Theii desselben mit den Giebeln und Dachkanten der angrenzenden Hmsct in ge-

Digitized by

Google

lioriger Weise verband^ gewesen wäre; die H$he der An^ üuigstaiige selbst hatte dabei im Allgemeinen keinen maasa* giebend^i Eiaflass.

Die im Hanse der barmherzigen 8ehwestem beobachte« ien Encheinungen sind nac| der obigen Sdiilderang rid m complioirt, als dass es ohne nähere Eenntniss jener Ränmlidikeiten mögiidi wäre, die Bahnen des eigentlichen Entladangsstromes von denen der durch diesen sowie durch Influenz ^erzeugten Seiton- und getrennten Entladungen etc. var- folgen zu können. Die eigentliche Ausleitung oder vielmebr der Weg des kürzesten Leitungswiderstandes , auf weldiem TW dem Einsdilag^ die Influenzelektricität vom Grund* Wasser aiK durch di^ Erdschiditen sich verbreitete, kann sowohl an der Cloake als auch am Keller angenommen werden; ob die ungeheuren hier frei gewordenen Elektridtäts- mengoi beide Wege längs der an den Wänden und im Treppenhat» sowie am Dache sich vorfindenden metallischen und Halbleiter etc. gleichzeitig ai^^ommen haben, lasst sich wobi v^rmuthen, aber nicht mit Sicherheit behaupten. Alle fibrigen im Sdiwesterhause beobaditeten Erscheinungen dürften ledq^di den durch Influenz in grösseren oder kleineren Entfernungen gegen isoHrte disoontinuirliche Metall- strecken entstandenen Entladungsströmen zuzuschreiben sein, deren nahwe PräcisiruBg weitere Detailuntersuchungen an den betreffenden Orten selbst erfordern würde.

Die Lichtersdieinungen , weldie an den beiden soge- nannten Blitzhättsem am Boden und äba:4iaupt in den onteren Räumen der Gebäude etc. beobachtet wurden, tneten nichts Sonderbares, sie mussten sogar in nodi grösserer Zahl zum Vorschetn kommen, da an jeder Unterbrechungs- stdie, welche einem der eingetretenen Entlachingsströme dar- geboten wurde, solche Lichterscheinungen unter sonst gleichen Umständen in um so höherem Grade auftreten, je grösser die Menge und Didite der an ihren Enden influencirtea

Digitized by

Google

262 Sitzung dir tnath.-phsfs, Claase txm 6. Mr 1867.

Eldktcicität und je grösser diese Sdilagweite ist. Ob hiebei zoglekh materielle Substrate im feinst vertbeilten Zustande innerhalb des stark erhitzten Luftstromes von einem EiiÄe der Unterbrechungsstelle zum anderen als leuchtende Materie geführt werd^ konnte, dürfeif wir bekannter Thatsaehen halber nicht in Abrede stellen ; es kann dah^ all^dings die Frau Küsterin eine derartige Ersdieinung am Boden der genannten Dachstube zwischen dem eisernen Scharnier am Fenster oder irgend einem anderen metallischeo Ob- jecto in der Nähe des Bodens und einer kleineren oder grösseren Metallstrecke am Ofen gesehen haben, über dereo Gestalt wohl schwerlich eine genaue Angabe zu liefern fet; eine „TeuerkugeP' in gewöhnlichem Sinne dieses Ausdrookee war es nicht. Ebenso ist die Möglichkeit Yorhanden, dasa bei einer Ladung von so mächtiger Dichte und Menge wie si^ an der Umfassung des ganzen Hauses der barmherzigen Scbwefitem vorkam, unmittelbar vor dem Einschlagen alle isolirt angehängten oder sonst wie angeordneten und iso* lirten metallischen Objecto durch Influenz eldEtrisirt wurden, und in diesem Zustande elektrische LichtbüBchd an Ketten und anderen metallischen Obj^cten wahrgenommen werden konnten. Die züngehde Feuerflamme , welche die Fram Oberin an einer Lampe in der südlich liegend^i Kapelle vor dem Einschlagen ^geseh^ hat, möchte daher einer der- artigen Erscheinung zuzuschreiben sein; leistete musste auch in dem Augenblicke wieder verschwinden, in wekhem die Entladungsströme als Blitzschlag auftraten.

Aus den mechanischen Wirkungen und den Detona- ti<men, wie sie oben geschildert wurden, können wir bloss entnehmen, dass nicht allein die Menge und Didite der zur Ausgldchung gekommenen Elddiricitäten von mächtiger Stärke gewesen sein müsse, sondern dass auch gleidizeitig Entladungsströme an sehr vielen Stellen über schlechte lidter Stein- und Sandschiditen etc. -r von der v«r-

Digitized by

Google

Ktihni Bmerhmgm über OUMdMAge. 268

sehiedensten Beschaffenheit und grosser Ausdehnung üth^ Terbreiten mussten. Es lässt sich daher yermuthen, dass auch die nächst liegenden Gebäude in der Sphäre der In* fluenz sich befanden, dass jedoch bei diesen die Wirkungen sich lediglieh auf die (im Boden wahrschdnlidi Torgekom- menen Durchbohrungen u. dgl. und) heftige Erschütterungen und Schallerscheinungen sich beschränkten, weil die an den^ sdben befindlichen Blitzableiter den Ladungen und Ent* ladungen die Bahn schon yorgeschrieben hatten.

EinfSeu^her erscheint das Ereigniss an der Waldstrasse; hier lässt sich mit grosser Wahrsdieinlichkeit vermuthen, dass die Bahn des kürzesten Leitungswiderstandes von dem oben erwähnten Senkloche aus das yermuthlieh dem Niveau des Grundwassers am nächsten lag in den feuchten £rd- und Sandschiditen unmittelbar zum unteren Theile des Blitzableiters selbst ging, der nidbt mit dem Grundwasser in Communication , stand , und weshalb jene mechanischen Wirkungen und Erdaushebungen den fkitladungsstrom be» gleiteten.

Die Yorli^enden Thatsachen über die in Darmstadt vorgekonmienen Dank der Vorsehung äusserst seltenen Blitzesereignisse haben unsere Betrachtung insbesondere des^ halb in so umfassender Weise in Anspruch genommen, weil dieselben zu den wichtigsten Belegen gegen die Annahme gehören, als ob der Blitzstoff wenn wir uns dieses Aus- druckes bedienen dürfen von der Wolke g^en die Erde ströme und hier in der verschiedenartigsten Entladungsweise durch die im Wege stehenden irdische Objecto gehra müsse, um ^ndlidi in den Boden selbst gelangen zu können. Unter Anwendung der einfachsten und längst bekannten Lehren hingegen lässt sich mittelst jener Thatsachen von Neuem zeigen, dass die Ursache eines jeden Blitzschlages in der Influenzfähigkeit der Terrainschichten, über welche die Ge« Witterwolke hinwegzieht, zunächst gesucht werden, also von

Digitized by

Google

264 SÜMung der mafh.-phgt. CUme vom 6. JuH 1867.

der AasdehnoDg und der Lage des Kiyeaa^ der Waner- strecken abhängig sein moBs, auf oder an welchen die be- tre£fende Erdstrecke sieh befindet; daas hingegen die an der Erde selbst in Folge des BUtJsschlages zu Stande ge- kommenen Wirkungen an (Gebäuden, Blitzableitem etc. ledig- lich den EntladongserscheinuDgen zugeschrieben werden müssen, welche jene Influenz zur Folge hatte. Wenn wir so unser« bei früheren Gelegenheiten erörterte Anschauungsweise und die dort daraus gezogenen Folgerungen wiederholt als be* stätiget ansehen, so dürfte nunmehr auf die Umstände selbst, Yinter welchen die ihrer Entstehungsweise na(£ als bekannt anzusehenden Blitzesentladungen an irdischen Objeoten auf- treten, besonders aufmerksam zu machen sein. Die Wirk- ungen nämlich, wdcfae hiebei zum Vorschein kommet können, sind zum Theile noch so räthselhafter Nator, dass für manche dieser Erscheinungen eine genügende Erklärung nicht gegeben werden kann, ohne dabei HypoÜiesen zu Hülfe zu nehmen, welche durdi Analogien bis jetzt noch nicht gerechtfertiget werden können. Zu diesen Erscheinungen gehören namentlu^ die mechanisdien und Wärmewirkungen, und die sie begleitenden Schallerscheinungen, deren Auf- trd^n an eine Quelle von Explosionskräften unwillkührlidi erinnern muss, für welche uns alle Anhaltspuidcte für jet^ noch zu fehlen scheinen. Es ist wohl bekannt, dass alre Wirkungen eines Entladungsstromes von seiner Stärke, von der Art und Weise der Entladung, ybn der Beschaffenheit und Natur der im Schliessungsbogen enthaltenen Stoffe, von der Anordnung des letzteren u. s. w. abhängig sein müssen; die hierüber bekannt gewordene UntersuchungsresoHate reidien jedoch nicht aus, um die bei Blitzesentladungen zu- weilen vorkommenden Erscheinungen genügend erklären zu können, abgesehen davon, dass wir über die Vertheihing und Anordnung der Elektricität an den durdi Influenz von

Digitized by

Google

JMm: B$merhmgin Üher mUtsMäge, 266

Seite einer Gewitterwolke elektrisirten Körpern wohl nie- mals präcise Aufschlüsse erhalten werden.

Unter den mir bekannt gewordenen während der Ge- witter des Monates Juni eingetretenen Blitzschlägen verdient mn in Fordiheim vorgekommenes Ereigniss hier noch be- sonders hervorgehoben zu werden, theils deshalb, weil es unserer gedachten Anschauungsweise abermals einen wesentlichen Be- leg liefert, nicht minder aber der Wirkungen halber, welche die Entladung begleiteten. Ueber diesen Fall lasse ich hier einen sdir gründltdien Bericht ^) im Auszuge folgen, welcher die Beantwortung mehrerer Fragen enthält, die über die stattgehabten Vorgänge genügenden Aufschluss zu geben ge- stattet; leider konnten die Spuren im Boden selbst nicht näher verfolgt werden:

„Das Hans za Forchlieim, in welches der Blitz am 24. Jani 1867 Abends 4 Uhr einschlug, wird von einem Fallmeister mit Familie bewohnt, und steht, wie es schon des Fallmeistergesch&ftes wegen sein mnss, ganz isolirt auf einem Anwesen , das Yon anderen Woh- nungen ferne liegt In der Nähe des Hauses 72 bi^. Fuss davon entfernt vereinigen sich zwei Arme des Flüsschens Wiesent, das sioh dann in der Nähe in die Regnitz, die in einer Entfernung von 810 Fttss an diesem Hause vorbeifliesst, ergiesst. Der Donau-Main- Eanal dagegen ist 2080 und die Eisenbahn ist gegen 2790 F. von diesem Hause entfernt Das Bezirksamtsgebäude, welches innerhalb der B'estungsmauem liegt und mit Blitzableiter versehen ist, ^ die übrigen Gebäude daselbst haben keine Blitzableiter ist nördlich vom Hause des Fallmeisters und in gerader Linie 1210 bis 1260 F. davon entfernt Auf die gestellten Fragen wird Folgendes bemerkt:

7) Diesen Bericht habe ich meinem Freonde, dem kgl. Herrn Bau* beamten Hatzel in Bamberg su verdanken. Mein Freund bemühte •ich auf mein Ansuchen selbst nach Forchheim, und nahm hier in saehgemftsser Weise die Untersuchung so weit vor, als es die herr* Behenden Umstände erlaubten. Die mir freundlichst angelegten vier graphischen Darstellungen lassen über die Spuren der Entlad« nsg nidit den mindesten Zweifel übrig.

Digitized by

Google

366 Siteung der miO^.'fh^. Clam wm 6. JüU 1867.

1) üeber Biobtang, Zng and Dauer des Gewitters am 24. Jani 18^ konnte man keine genauen und zuverlässigen Mittheilungen mehr erhalten. 2) Das vom Blitz getroffene Gebände des Fallmeisters ist nicht mit Blitzableiter yersehen. 3) Dieses (Gebäude ist zweistöckig, und hat bis zum First eine Hohe von etwa 27 Fnss. Die an der Westseite angebauten Nebengebäude sind um 10 F. niedriger, zw« isolirt südlich davon stehende Nebengebäude sind nur 10 bis 12 F. hoch. Die östliche oder vielmehr etwas südöstliche Giebelseite des Hauses wurde allein vom Blitze getroffen. 4) Der Haussockel liegt circa 6 Fuss über dem Niveau des jetzigen Wasserstandes der Wiesent und Regnitz (vom 18. Jidi). Das Terrain um das Gebände besteht aus Sand (Alluvium). 5) Im Boden sind keine Spuree dee Blitzschlages bemerkt wordmi. 6) Die Bewohner wurden vom BUta- schlage betäubt, konnten daher keine Aufschlüsse über die Licht- erscheinungen geben. Von anderen Personen wurde der Bli£zschl&g nicht bemerkt, da das Gebäude ganz isolirt liegt. (Die beiden ver- schont gebliebenen Kinder s. unten dürften jedenfigtlls durch die Lichterscheinungen verscheucht worden sein)'*.

„Die Umfangswände des Gebäudes bestehen aus Riegelwerk von 0,5 Fuss starkem Holze, deren Fache mit Backsteinen und Sand- steinen ausgemauert und mit Mörtel verputzt sind. Die Bahn des Blitzschlages zeigt sich an allen Stellen der Giebelwand an der inneren Seite der Wandfläche, nur zwischen dem zweiten und ersten Stock ist die Spur an der Aussenseite der Wand sichtbar. Der Blitz schlug unter dem Giebelbrett in das Haus ein, zertrümmerte daselbst das Giebelfenster vollständig, wovon nur i\och kleinere Splitter übrig geblieben sind, fnhr dann an dem rechtseitigen Fensterpfosten von Holz herunter bis zu einer eisernen Klammer und versengte das Holz es sind schwarzbraune Brandflecken von 8 bis 4 Zoll vor- handen — . Die eiserne Elammer circa 1 Fnss lang ist mit beiden Spitzen in das Holz geschlagen, sodass der Zwischentheil 1 Zoll weit vom Holze absteht; auf der Höhe dieser Klammer sind weder Brandflecken noch sonstige Beschädigungen des Holzes bemerkbar, vom unteren Ende dieser Klammer abwärts ist jedoch die Bahn des Blitzstrahles wieder durch Brandflecken bezeichnet. Die Yerkohlung beschränkt sich jedoch an allen Stellen nur auf die Oberfläche des Holzes und dringt nirgends tief in dasselbe ein. Das Holzwerk ist auch nicht in Brand gerathen. Der Blitz fuhr dann durch eine Fuge zwischen Giebelwand und Dacbgebälk hindurch; an der unteren Fläche des Dachgebälkes werden die hinterlassenen Spuren desselben wieder sichtbar, indem hier ein quadratförmiges Stück Deokenverpota

Digitized by

Google

Kuhn: Bemerhingen iOm SütMsMäge. 207

der Laitendecke von 0,2 Fiiss Seitenl&nge seharfkantig wie heraus- geschnitten, abgesprengt, die Latte darunter stark gesohwftrst und «ine kleine Vertiefung eingebrannt ist. Ausserdem ist an dem recht- seitigen Fensterpfosten oben an der Decke ein Stückhok 0,65 F. hoch, 7^ Zoll breit und tief in Form einer scharfkantigen Rinne berausgesplittcirt, deren Flächen jedoch keine Spuren von Verkohlung zeigen. Von hier aus fahr der Blitz durch den zwischen zwei Fenstern hängenden Spiegel im ersten Stocke, schlug an der oberen Ecke desselben ein Loch 0,4 F. breit, 0,96 F. hoch in denselben, ging hinter dem Spiegel diagonal herunter, hinterliess Brandflecken auf der hölzernen Spiegelwand und auf der Hauswand daselbst, fuhr an der uilteren Ecke des Spiegels durch das Glas heraus und schlug daselbst ein Loch 0,1 F. hoch und 0,7 F. breit in denselben. Die lUkider dieser beiden Löcher sind in unregelmftssig^n Linien aus- gesplittert, die vorstehenden Spitzen auswärts etwas aul^gebogen, und das Glas auf 0,05 F. bis 0,15 F. Breite sehr stark angeschmolzen, so dass es auf diese Breite blind, d. h. nicht mehr durchsichtig ist. Die Fenster beiderseits des Spiegels sind mit eisernen Winkelbändem beschlagen, die an den Spitzen ebenfalls Spuren von Schmelzung zeigen. Auf dem Tische vor dem Spiegel (der Tisdi befand sich ebenfalls an der Wand des Zimmers) lagen einige Eleidungfsstücke, welche in Brand geriethen und ein tellergrosses, Zoll tidfes Loch in den Tisdi brannten. Der Blitz fuhr an der Ecke zwischen Tisch und Fenster durch eine Fuge zwisdien dem Bmstriegel des Fensters und der Fachausmauerung hindurch , splitterte dabei ein Holzstüok . ab und darunter einige Feustersplitter aus; nahm dann seinen Weg ai:tf der Anssenfläche des Hauses bis zum Fenster des Erdgeschosses'S [„An dieser Stelle der von der Blitzesentladung durchbrochenen Wand soll eine rinnenformige Vertiefung, und der Mdrtel derselben wie geschmolzen oder salpetrig gewesen sein. Diese Stelle ist aber inzwischen wieder verpatzt und übertüncht worden^'.] „Durch das Fenster (des nordöstlichen Zimmers) des Erdgeschosses ging die Entladung hindurch, schmolz das Blei an verschiedenen Stellen, splitterte Glasstücke aus, fuhr in das Zimmer, wo sich die Familie befiind, hinterliess am Tisch und am Fussboden mehrere kleine Brandflecken, und fuhr durch die östliche Wand an einer Stelle hindurch, wo am Hause selbst die (aus einer schräg an das Haus anliegenden Steinplatte bestandene) Hundshütte war. In letzterer lag ein grosser Haushund, an einer 7 Fuss langen starken Eisen- kette angebunden, der erschlagen wurde. Weitere Spuren des Blitzes vom Httude weg am Boden etc. sollen (?) nicht bemerkbar gewesen

Digitized by

Google

268 Sügung dar mäO^-fhfs. Otme vom S. JuU 1867.

sein"« *— ^fio weit gehen die Beobadhtnngen, die icli btf der Loeal- erhebumg machen konnte. Ferner hat mir der Fallmeister Folgendes ober die Wirkung des BUtescUages erzählt. Er lei mit seiner Familie bei Feier seines Namenstages am Tisch (im nordöstHcfaen Zimmer des Erdgeschosses) gesessen, und Z¥rar: eine 16j&hrige Tochter nnd ein 10t}ihriger Knabe seien unmittelbar am (letc^ erwähnten) Fenster auf der (an der östlichen Zimmerwand befind* liehen) Bank geeessen, nnd vom Blitz, der - wie gesagt dorch dieses Fenster fnhr, getödtet worden; die Kleider des Knaben h&ttoi gebrannt (derselbe sei auch schwarz gebrannt gewesen, während beim Kädchen nur eine geringe Spur am Arme orsichtlieh war). Seine Fran sei anf dem sddlichen Stahl, er auf dem Stahle gegraüber der Kinder and ein Gast anf der Bank an der nördlichen Wand des Zimmers und zwar alle drei nm den Tisch herum mit ihren Kindern gesessen. Alle drei Mutter, Vater nnd Gast seien vom Blitzschlag betäubt worden und in gleicher Richtung (Ton Norden gen Süden) auf den Boden gefallen, seine Frau habe eine Lähmung am linken Bein, wovon jetzt schwache Spuren zurOek- geblieben, er eine visr Tage dauernde Lähmung am rechten Arm erlitten. Zwei auf der Bank an der (dem- Fenster gegenüberliegen- den) Rückwand des Zimmers sitzende Kinder Ton 3 und 13 Jahren seien nicht vom Blitze beschädiget worden, sondern nach dem Blitz- schlage zur Thüre hinausgelaufen. Unter der Bank am Fenster, aof welcher die von der Blitzesentladung getödteten zwei Kinder sassoDi .seien drei Hunde gelegen, die ebenfolls vom Blitzsdilage ersdilagea worden seien. Ausserdem wurde, wie bereits bemerkt, der Haus- hund ausserhalb des Hauses der unmittelbar unter diesem Fenster am Boded lag und mit der gmannten Kette (an der Wand (?)) an- gebunden war in der Hundshütte erschlagen'^

Wenn wir die Sparen der Entladungen nach der eben Torgefährten Beschreibung (und mittelst der uns vorliegenden Abbildungen) genau durchgehen, so zeigt es sich, dass der eigentliche Entladungsstrom nicht am Dache, sondern erst unterhalb des Giebelbrettes seinen Ausgangspunkt hatte; ▼on da aus ist seine Bahn durch die Metalltheile am Dadi» lenster, durch mechanische Wirkungen bis zur Klammer des Gebälkes^ von hier abermals durch mechanische Wirk- ungen und Unterbrechungsfunken bis zur Spiegelfolie und

Digitized by

Google

Kuhn: Bemerkungen üher SUUschläge. 269

den dünnen eisernen Fensterbeschlägen, hierauf durch eigen- fhümliche mechanische, Wärme- und Lichterscheinungen in und an der Mauerwand, dann durch die Metalltheile und -die starken mechanischen Wirkungen am Fenster des Zimmers, am Erdgeschosse und endlich durch die vermuthlich an der Aussenseite des Hauses befestige lange starice Kette des Haushundes und durch letzteren selbst, der auf dem Boden lag, bezeichnet. Tfenn wir nun in Erwägung ziehen, dass die nächste Umgebung yon Forcfaheim ein auf grosse Ausdehnung flacher Wiesengrund (mit vielfachen Bewässer- ongskanälen) ist, dass femer jenes Haus ohnehin fast un- mittelbar an gross^en Bächen sich befindet, deren Niveau selbst am 18. Juli noch 5 Fuss unter dem Hause lag, wenn wir femer erwägen, dass die im Juni stattgehabten mehr- fiachen Regengüsse einen weit hölieren Wasserstand am Johannitage vermuthen lassen, feiner berücksichtigen, dass in diesem Sommer das Grundwasser in den Bmnnen auf einem grossen Gebiete in unseren und yennuthlicfa auch in den Main- etc. Gegenden einen ungewöhnlich hdien Stand zeigt, so müssen wir schon daraus vermuthen, dass die Ursache jenes Ereignisses nicht in einer geringen Entfemung des unglücklichen Hauses von der Gewitterwolke oder gar am Hause selbst, sondern lediglich in den Terrain* Verhältnisse jenes Stückes Land, über welches die Gewitter- wolke gezogen und in der vermuthlich äusserst starken elektrischen Ladung der letzteren gesucht werden müsse: Die über die Bahn der Entladung berührten Umstände so- wie die Localerhebungen zeigen uns aber, dass am Dache adbst keinerlei Beschädigungen vorkamen und dass die In- flttenflffihigkeit der am Hause und an seinen Wänden eta vorkommenden Materialien und Objecte hier gar nicht fai Anschlag gebracht werden kann: es muss also die unge- heure Elektricitätsmenge, welche beim Blitzschlage zur Ent- ladung kam, sich lediglich aus der durch Influenz elektri- [1867. IL 2.] 18

Digitized by

Google

270 SiUung der mcAhr^hyB. Classe vom 6. Juli 1867.

sirten unterirdischen Wasserstrecke an den genannten TheOen des Hauses von unten nach oben verbreitet haben; von einem directen Einschlagen der Gewitterwolke oder des Blitzes dürfte vermuthlich hier nicht die Bede sein^). Allem Anschein nach zog letztere von Osten her, die ausgedehnte Orund- wasserstrecke konnte eine starke influencirende Wirkung er- fahren; letztere war vermuthlidi an der Stelle, wo der Kettenhund lag, dem Boden am nächsten, und durch diesen verbreitrte sich nun die in Bezidiiung auf die Wolke nega- tive Ladung über die bereits beschriebenen Strecken, um nach genügend grosser Entfernung der influencirenden Wolke oder nach der Entladung der letzteren in der Atmosphäre als Entladungsstrom innerhalb der disconlinuirlidien Leitungs- bahn bis zum Grundwasser hin aufzutreten. Das ganze £r- eigniss scheint bloss ein sogenannter kalter Schlag, also eigentlich ein Rückschlag gewesen zu sein, deren ausserdem noch mehrere andere in secundärer Weise gleichzeitig ein- getreten sein konnten^). Die vorher beschriebene Bahn ist nämlich augenscheinlich der Weg des kürzesten Leitungs- Widerstandes für den Ladungs- und Entladungsstrom ge-

8) VergL Polytechn. Joum. Bd. CLXXXÜ, S. 295.

9) Ein ähnliches jedoch von anwesentlichen Wirkongen und Von keinerlei Unfall begleitetes Blitsesereigniss kam bei einem schwachen von West gen Ost ziehenden C^witter am 22. Jnli d. J. Abends 10 Uhr am neuen Gottesacker an der Thalkirohner-Strasae zu München vor. Die Gewitterwolken zogen dabei über das mit Grundwasser reichlich versehene kleine Thal zwischen Ober- sendling und der Isar und der Blitzschlag kam an dem west- lichen Thorbogen der Umfassungsmauer vor. Die Sparen an den unteren beiden Enden des Sockels, an dem Bogen, sowie die Zer- störung des aus Backsteinen bestehenden Kreuzes liessen erkennen, dass alle hier befindlichen Metalltheile Gitterthor, eiserne Stange des Kreuzes etc. die discoptinuirliche Leitungsstrecke für die in- fluencirte Ladung bildeten. Diese Entladung soll von einem starken (dektrisohen oder Ozon-) Gkruoh begleitet gewesen sein.

Digitized by

Google

Kuhn: Bemerhwigen Über BliUsehläge, 271

wesen; b^i einer soldi ungehenren Elektrioitätsmenge von 80 bedeutender Dichte, die unmittelbar vor der Entladung an den verschiedenen Theilen der östlichen Giebelwand also auch an der untersten Fensterwand, an der Fensterumfassung und den hier befindlichen Metalltheilen sich anhäufte, konnte die influencirende Wirkung gegen die beiden unmittelbar am Fenster gesessenen zwei Kinder sowie gegen die übrigen in deren Nähe befindlichen Personen und Objecte nicht unter- bleiben; theilweise durch ihre Verbindung mit der östUchen Wand, theil^ mit dem Boden selbst, konnten die getrennten Entladnngsströme zu Stande kommen, welche natürlich mit Bücksicht auf die Entfernung von der Wand bei den ver- unglückten Kindern die am stärksten influencirt waren stärker ausfallen mussten, als bei den übrigen Personen. Betrachten wir jedoch die Anordnung und Gruppirung der getrofifenen Personen (nach dem uns vorliegenden Grund* plan) im Erdgeschosse, so möchte es nicht unmöglich sein, dass die beiden unmittelbar an den Schliessungsbogen an- gelehnt gewesenen zwei Kinder, sowie die drei Hunde unter der Bank, auf welcher jene sassen, durch eine Seitenent- ladung getödtet wurden, dass hingegen der Entladungsstrom, weldier die drei älteren um den Tisch herum an der abgewendeten Seite in einer discontinuirUchen Kette l}efind- lichen Personen betäubt und oberflächlich verletzt hat, viel* leicht ein secundärer oder inducirter war. Mag nun die Natur dieser Ströme, durch welche das unglückb'che Er- eigni&s sich manifestirte, von der einen oder anderen Art gewesen sein, so können wir immerhin noch ausserdem mit der grössten Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der ganze Boden, auf dem das Haus ruht, an der Influenz Antheil nehmen musste; der Rückschlag selbst konnte daher auch starke erschütternde Wirkungen am ganzen Gebäude und selbst an den unverletzt gebliebenen zwei Kindern, die an der Rückwand des Zimmers vermuthlich mit herunter«

18*

Digitized by

Google

272 Sitzung der math^-phys. Oasse vm 6, Juli 1867.

hängenden Beinen sassmi, auftreten: -sowohl die im Zim- mer wahrgenommenen Entladnngsftmken alsanch eine etwas nngewöhnliche Erschütterung verscheuchte dann die erschreck- ten Kinder aus dem Hause. [Auffallend ist es, dass bei diesem sowie bei den oben beschriebenen Blitzesereignissen der eigenthümliche Ozongeruch selbst in der nächsten Um* gebung nicht wahrgenommen worden ist.]

Sowohl die physiologischen, als auch die mechaniecheii und die mit diesen verbunden gewesenen äusserst intensiven Wärmewirkungen, welche das in Forchheim am 24. Juni stattgehabte Blitzesereigniss begleiteten, sind so eigenthäm- licher Natur , dass dieselben emer näheren Untersuchung wohl unterworfen werden dürften, wenn noch weitere Er- hebungen hiefür mögUch gemacht werden könnten; wir müssen uns auf einige Bemerkungen hierüber besdiränken« Die im Zimmer der Familie des Fallmeisters vorgekommenen physiologischen Wirkungen dürften uns zunächst zeigen, dass [was wir übrigens an vielen der schon früher vorgekom- menen Fälle dieser Art nachweisen könnten] die Tödtung durch einen sogenannten Blitzschlag bei verschiedenen Per- sonen im Allgemeinen nicht auf ein bestimmtes Alter oder Geschlecht sich beschränkt, und dass überhaupt von einer Auswahl, die eine Blitzesentladung in dieser Beziehung treffe, keine Rede sein und dass ebenso wenig ein derartiger Unter^ schied zwischen Menschen und Thieren gefunden werden kann; es sind lediglich die Umstände, unter welchen die Influenz- und die diese begleitenden Nebenwirkungen ^c., sowie die aus diesen verschiedenartigen Vorgängen ent- springenden Entladungssströme zu Stande kommen können, bei der physikalischen Beurtheilung eines derartigen Falles ins Auge zu fassen ^<^). Statistische Nachweise solcher Art,

10) Die Untersuchung , welche an der Leiche des 16jährigen Mädchens und derjenigen des lOjährigen Knabens an der Unglücks-

Digitized by

Google

Kiuhn: Bemerkungen üibef BUUsMägt. 273

wie sie för vorgekommene Fälle von Tödtongeu von Per- sonen dorch Blitzschläge in den verschiedensten Gebieten etc. noch häufig zusammen gestellt werden, dürften wohl ihren eigenthiimlichen Werth haben; in rein physikalischer sowie physiologischer Beziehung aber dürfte ihre Bedeutung als zweifelhaft erscheinen. Als besonders aufiiallend möchten die Producte der Wärme- und mechanischen Wirkungen her- vorzuheben sein, welche nach dem Blitzschlage in dem Wohnzimmer der Familie aufgefunden worden sind, sowie jene, welche in der Mauer zwischen dem ersten Stockwerke und dem gedachten untersten Fenster vermuthungsweise sich noch vorfinden sollen. Der mir zugekommene Bericht meines Freundes spricht sich hierüber in ^adistehender Weise aus : „Von anderen Personen, die das Haus am darauf folgenden Tage besuchten, hörte ich sagen, dass sie form- lidie Bohren, die der Blitz durch Holz und Maueiwerk ge- bohrt habe, gesehen hattm (s. o. S. 267); allein dieses be- ruht auf Täuschung oder falscher Auffassung der Sachd; denn es sind nur ausgesplitterte Rinnen am Holzwerk, und AusspUtterungen an den Fugen zwischen Holz und Mauer- werk bemerklich. Ferner soll am Fussboden des Wohn^ Zimmers Sand gestreut gewesen sein nach ländlicher Sitte geschieht diess in Oberfranken am Vorabende eines jeden ^ Feier- oder Festtages , der in der Richtung des Blitz- schlages geschmolzen und sich in eine Röhre verwandelt haben soll .... An den Fussbodenbrettem sind übrigens

Btätte Yorgenommen wurde, hat sieb, wie es den Anschein hat, bloss anf eine oberfläohliche am Leibe u dgl. beschrankt. Die Spuren der Entladung an beiden Kindern möchten wohl am Kopfe —• unter den Haaren oder selbst an anderen blossgelegten zarten Organen rieh vorfinden; nur dürfte zu deren Unterscheidung, da sie vermuth- lich in schwachen siebarüg^i Durchbohrungen bestehen, mindestens die Anwendung einer Loupe Apthig gewesen sein.

Digitized by

Google

274 aHzung der fnaüh.'phys, dasse wm 6, JuU 18€7.

nur ein oder zwei Brandflecken in Ereuzergrosse^' (also km. Loch in Thalergrösse wie diess von anderer Seite angegeben wurde) ,,and am Tische unten nur einige Stellen, kaom merklich versengt, aber kein Strahl mit Brandflecken, wie er an der Wand im oberen Stocke yorhanden, zn bemerken i8t'^ Die Entstehungsweise des am Zimmerboden der Un- glücksstelle Yorgefundenen ,, röhrenförmigen Concrements", von welchem durch ein Fragment ^^) nachgewiesen worden ist, dasB diess eine wirkliche BHtzröhre war, muss vor- läufig als ein in ein Dunkel verhülltes Phänomen angesehen werden; ein ähnlicher Fall ist meines Wissens bis jetzt noch nicht bekannt geworden. Jenes Fragment ist beiläufig 1 bayer. Dec. Zoll lan^ ganz unregelmässig gestaltet, seine Gnind- form dürfte etwa als ein stumpfer Kegel mit ovalen Omnd- flächen angesehen werden,- von welchen die Hauptazen der grösseren beiläufig 6'" und 2'" (b. Dec. M.), jene der kleineren 3^^' und l^lt"^ sind; dieses Röhrenstück ist sehr dünnwandig (an der stärksten Stelle etwa V^ bayr. Dedmal- linie dick) an verschiedenen Stellen mit Ausbiegungen und Zacken versehen, im Innern vollkommen verglast, an den Aussenflächen rauh und mit weissen Sandkörnern (?) besetzt. Unwillkührlich taucht beim Anblicke dieses Gebildes das mit den gewöhnlichen Blitzröhren volle Aehnlichkdt zeigt der Gedanke auf, es müsse auf der angeblidi zwei Fase langen Strecke der dünnen Sandschichte am Zimmerboden ein bis zum höchsten Glühgrade erhitzter Luftstrom die Bahn der elektrischen Entladung bezeichnet haben. Eine Nachgrabung im Boden ausserhalb des Hauses wurde bia

11) Pieses Fragment befindet sich im physikaliachen Gabinete des Lyceum's in Bamberg; es Wurde mir darob die Göte meine« ge- ehrten Gollega Herrn Prof. Dr. Hob zur Ansiebt zugesendet; durch Yermittelung des Untersucbungsriobters Herrn Rath Miltner iat dasselbe in seinen Besitz gelangt.

Digitized by

Google

Kuhn: Bemerhungm Über BUUsMäge, 276

jetzt nicht yorgenommen; ob man hier nicht auf Blitzröhren bei vorsichtiger Bohrung kommen dürfte, könnte natürlich nur als eine Vermuthung hingestellt werden.

Durch die über die herrorgehobenen Blitzesereignisse im Vorstehenden angestellten Betrachtungen dürfte nunmehr die Anschauungsweise über die Entstehung yon Blitzschlägen ak hinreichend begründet angesehen werden. Praktische Folgerungen aus den durch jene Ereignisse gewonnenen Er« fidirungen zu ziehen, dürfte hier als unnöthig erscheinen; ^ oben (S. 247) angeführten Sätze erlangen ohnehin hie- durch eine neue Bestätigung ^*). Hingegen mag zum Schlüsse noch angeführt werden, dass unsere Erörterungen yielleicht auch für die Häufigkeit der Blitzschläge neue Anhaltspunkte liefern können. Es scheint uns nämlich daraus hervorzu- gehen, dass in solchen Jahren, in denen durdi massenhafte Niederschläge während der eigentlichen Gewitterperioden die Gewässer überhaupt sowie namentlich die unterirdischen einen hohen Stand annehmen, die Zahl der Blitzschläge unter sonst gleichen Umständen also auch bei gleicher Frequenz und Stärke der Gewitter grösser sein müsse, als in Frühlings- und Sommermonaten von geringer Regen- menge. Ebenso scheint aus den obigen Betrachtungen die Folgerung gezogen werden zu dürfen, dass bei periodisch an einem und demselben oder an unmittelbar auf einander folgenden Tagen auftretenden Gewittern die Wahrscheinlich- keit des Eintretens von Blitzschlägen bei den folgenden Ge- wittern um so grösser werden müsse, je grösser die Regen- menge war, welche die vorausgegangenen Gewittererschein- nngen als Begleiter und zur Folge hatten.

12) Die bei meiner Besprechung über die neue französische In- Bimetion für Blitzableiter an Pulvermagazinen [s. Polytechn. Joum. Bd. CLXXXiy, S. 469, Jani 1867] erhobenen Bedenken werden durch die eben beschriebenen BHtzesoreignisse von Neuem gereoht- fertiget.

Digitized by

Google

276 SiUung der mM.-pTii/s. Ga$H wm 6. JuU 1867.

Herr y. Eobell hält einen Vortrag:

^,Ueber den Glaukadot von Hakansbo in Schweden".

Ich habe kürzlich den Glaukodot von Hakansbo unter- sucht, welcher sich in der KrystalUsation von dem Glauko- dot Breithaupts nur dadui*ch unterscheidet, dass die Spaltbarkeit ^ nach der basischen Fläche bei diesem als be- sonders deutlich angegeben wird, während sie bei jenem wenig deutlich ist. Die Erystallisation ist bekanntlich die des Arsenopyrits und konnte ich an den Erystallen von Hakanbö ein neues Doma 2 P oo beobachten. Meine Analyse war bereits vollendet, als eine Abhandlung von Tschermak über dasselbe Mineral erschien, worin auch eine Analyse von E. Ludwig mitgetheilt wird. Der Inhalt dieser Abhandln]]^ könnte gegenwärtige Publication als überflüssig erscheinen lassen, denn ich &nd wesentlich ihre Angabe nur bestätig^ gleichwohl hat die Uebereinstimmung zweier unabhängig geführten Untersuchungen immer einigen Werth und nament- lich in Bezug auf die chemische Analyse, welche nicht so leicht zu revidiren ist als die krystallographischen Verhältnisse. Ich stelle daher hier die bdden Analysen 1. von Ludwig und 2. von mir zusammen.

1.

2. ^

Schwefel

19,80

19,85*

1,24 S

Arsenik

44,03

. 44,30

0,59 Ab

Eisen

19,34

19,07

0,681 Fe

Kobalt

16,06

15,00

0,508 Co

Nickel

0,80

0,027 Ni

Kieselerde

0,98

99,23 100

Digitized by

Google

V. KobOtx Der OkmMht van müta^h^, 377

Die Formel ist 4C?{S;. + 5 Fe{8;.

Die Differenz betrifft nur ein gerriDger von mir gefun- dener Nickelgehalt. Ich habe darauf ein besonderes Augen- merk gerichtet, weil es seltsam ist, dass die bisherigen Ana«- lysen kobalthaltiger Arsenopyrite, eine einzige vonPh. Eröber ausgenommen, kein Nickel angeben, wie auch keines in dem analog zusammengesetzten Kobaltin, während im Smaltin Aist immer eine Vertretung des Kobalt durch Nickel vor« kommt. Ich trennte die beiden Metalle durch salpetrioht- saores Kali. Das erhaltene Nickelozyd löste sich in Salpeter- säure mit gräner Farbe und gab mit Ammoniak im Ueberschuss die himmelblaue Lösung. Die Kieselerde fend sich, als das mit Wasserstoff reduoirte Kobalt in Salpetersäure gelöst wurde.

Vor dem Löthrohr auf Kohle entwickelt das AGneral anfuigs starken Arsenikrauch, ohne zu sdimelzen, nach längerem Erhitzen aber schmilzt es ganz leicht zu ^er stafalgrauen magnetischen Perle, welche beim ersten Zu- sammemchmelzen mit fiorax ein grünlidiblaues , hm län- gerem Behandeln im Reductionsfeuer ein schön kobaltblaues Glas giebt. Dieser Glaukodot ist wie der Arsenopjrit ein guter electrischer Leiter und überläuft, mit der Zink- kluppe in Kupferyitriol getaucht, sogleich mit glänzendem metal%chem Kupfer.

Als Pulver mit Eisenpulver gemengt entwickelte er mit Sakssäure reichlich Schwefelwasserstoff.

Mit Salpetersäure erhält man, unter Ausscheidung von Sdiwefel, eine schön rothe Lösung.

Der Erwähnte von Kröber analysirte nickelhaltige Ar- senopyrit stammt von La Paz und Yungas in Bolivia und enthält 35 Procent Eisen, 4,74 Nickel und nur eine Spur von Kobalt. Das spec. Gewicht 4,7 ist auffallend gering.

Digitized by

Google

278 SUeung der mafk-phifi. CUuie vom 6. JüU 1867.

Der Glaakodat von Hakansbö hat nach Tschermak 5,973, nach meiner Wägang 5,96.

loh stimme der Ansicht Tschermak's bei, das Ifinend Yon Hakanbö zum Glaokodot za stellen und die wen^er Kobalt ^thaltenden Verbindungen dieser Art Danait zu benennen. Wo bei diesen das Kobaltblau mit Borax nicht mehr sichw wahrzunehmen, da kann man sich Tom Kobalt- gdialt äberzeugen, wenn man eine feingeriebene Probe yon etwa 1 Gramm in Salpetersäure löst und die staik ?er* dünnte Lösung mit c^em. bereitetem kohlensaurem Kalk fallt Man filtrirt den Niederschlag des ärseniksauren Eisen- oxyds und yersetzt das Filtrat mit Schwefelammonium; er* hält man kein oder ein blass gelblich aussehendes Präcipitat, so ist kein Kobalt vorhanden, ist aber die Trfibung oder der Niederschlag graulich oder schwarz, so säuert man die Flüssigkeit mit Salzsäure an und lässt sie durch einFiltrum laufen. Ohne weiteres Auswaschen trocknet und vmrbrennt man dieses Filtrum und schmilzt den Rückstand im Platin- drath mit Borax zusanmien. Man kann so die kleinsten Mengen von Kobalt in den Arsenik und Eisen eotlialteft- den Erzen nachweisen.

Digitized by

Google

Voii: ü^er Hams^liureBedimente. 279

Herr G. Voit berichtet über eine in seinem Labora- torium und unter seiner Leitung von Hm. stud. med. Frz. Hofmann ausgeführte Arbeit

„Uebcr das Zustandekommen der Harnsäure- sedimente".

Ein Niederschlag von Harnsäure oder hamsauren Salzen entsteht^ wie schon länger bekannt ist, nur in seltenen Fällen dadurch^ dass der Harn wegen Wassermangels mit diesen Ver- bindungen bei der Temperatur des Körpers gesättigt ist und sie beim Erkalten herausfallen lässt, oder dadurch, dass er aus irgend welchen Ursachen mehr davon enthält als gewöhnlich. Das erstere findet nur selten statt, weil der Miederschlag meist erst längere Zeit nach der Erkaltung entsteht und beim Er- wärmen auf 38^0. sich nicht wieder löst; das letztere nicht, weil sich beim Auftreten yon Sedimenten meist keine grössere Quantität Harnsäure findet. Und doch macht man sich nicht immer von diesem Vorurtheil los, denn man schliesst nur zu oft, wenn man den Boden des Harnglases mit dem bekannten Ziegefanehl bedeckt findet, auf eine yer- mehrte Hamsäureabscheidung. Aber auch bei dem reichlich- sten Sedimente darf man diesen Schluss nicht machen, dasselbe sieht nur voluminös aus, denn sobald man zum Harn etwas Säure zugiesst, verschwindet alles bis auf wenige Hamsäurekrystalle. Die Menge der Harnsäure, die ein gesunder. Mensch im Tag liefert, kann zwischen 0.4—2.0 Gramm schwanken; ich habe bei Krankheiten nie mehr beobachtet, als normal auch auftreten kann. Schon vor Jahren habe ich einmal den 24stüudigen Harn eines Arthritikers erhalten, welchem kalte Ein Wicklungen gemacht worden waren; der Harn war durch seine ganze Masse trüb, voll des reichlichsten amorphen

Digitized by

Google

280 Sitzung äw maih.'phj^. Classe wm 6. Juli 1867.

Sedimentes; man wollte mir damit beweisen, dass unter der angegebenen Behandlung die Harnsäure aus dem Körper zur Ausscheidung/ gebracht werden könne; als ich aber die quantitative Bestimmung machte, war die Menge der Harn- säure unter dem Mittel.

Die Harnsäure kann nicht als solche aus der Niere abge- schieden werden, da sie in Wasser nahezu unlöslich ist, sie kann nur als harnsaures Satz im frischen Harn enthalten sein, und muss also irgend woher ihre Basis, meist Natron, nehmen. Dadurch ist die Menge der in den Harn äbergdienden Harn- säure eine sehr beschränkte, während von dem in Wasser leicht löslichen Harnstoff unbegrenzte Mengen fortgeschaffl; werden können; jeder Mensch kann im Tage, je nach der Menge des im Körper verfügbaren Alkali's nur eine begrenzte Harnsäuremenge ausscheiden, und wenn mehr erzengt wird, »als entfernt werden kann, so muss sie zurück- bleiben.

J. Scherer hatte vor längerer Zeit eine Theorie ^t- wickelt, die auf die Art der 3ilduDg der betreffenden Sedi- mente und der Harnsteine das hellste Licht zu werfen schien und die noch heute allgemein acceptirt ist Man war da- mals von dem allgemeinen Vorkommen der Milchsäure im Thierkörper überzeugt. Man dachte nicht an anorganische Säuren und man hatte die Gegenwart der Milchsäure in der sauren Milch erkannt und so musste überall, wo man im Organismus eine saure Reaktion traf, Milchsäure die Ursadie sein. Die saure Reaktion des Harns leitete man daher auch von der Milchsäure ab; und da man wusste, dass auf Zu- satz einer Säure zum Harn Harnsäure niederfalle, so lag nidits näher, als anzunehmen, die Sedimentbildung käme von einer Vermehrung der Milchsäure im Harn nach der Entleerung, von einer sauren Gährung des Harns.

Nun kann man aber im Harn weder Milchsäure finden, noch eine Vermehrung der Säure beim Stehen.

Digitized by

Google

Voü: Ueber EamsiktresedimenU, 281

Man ist nicht im Stande, Milchsäure im Harn nachzu« weisen. Pettenkofer bemühte sich, die angebliche Milchsäure darzustellen, er fand dieselbe nicht, jedoch statt ihrer das Kreatinin. Audi Liebig sagt in seiner berühmten Abhand- lung über den Harn des Menschen und der Thiere, dass er nicht eine Spur Milchsäure entdecken konnte; er that aber dar, dass die saure Reaktion des Harns von sauren Salzen herrühre, sauren phosphorsauren Alkalien und alkalischen Erden, sauren harnsauren und hippursaueren Salzen, welche durch Einwirkung der letztgenannten organischen Säuren auf das basisch phosphorsaure Alkali des Bluts entstan- den sind.

Prüft man direkt die Säuremenge des Harns durch die Menge Alkah*, die zur Neutralisation erforderlich ist, so sidit man die Menge der Säure stetig abnehmen und zu keinem Zeitpunkte sich steigern; es existirt keine saure Gährung des Harns.

Es ist das saure phosphorsaure Natron, welches das im Harn gelöste hamsaure Alkali allmählich zersetzt. Wenn man ausserhalb des Körpers die Lösungen beider Salze in äquivalenter Menge zusammenbringt, so fällt nach einiger Zdt Harnsäure krystallinisch heraus und die Flüssigkeit reagirt alkalisch, d. h. es nimmt das saure phosphorsaure Natron ein Aequivalent Natron von der Harnsäure weg und wird zu basisch phosphorsaurem Natron, wie es im Blute vorhanden war und die unlösliche Harnsäure muss' heraus- fftllen. Dieser ümlagerungsprozess geht um so schneller vorwärts, je concentrirter die Lösung des sauren phosphor- sauren Natrons ist.

Diese Thatsachen erklären die Entstehung der ham- sauren Sedimente vollkommen. Gleich nach der Bildung des sauren Harns beginnt die Einwirkung des sauren phos- pborsauren Natrons auf das hamsaure Natron; es fällt ham- saures Salz und dann Harnsäure aus und zwar um so eher,

Digitized by

Google

282 SiUung der maih,'phy8, Glosse vom 6. Jtdi 1867.

je mehr der Harn saures phosphorsaares Natron enthält Die Faltung kann schon in den Hamwegen oder der Blase ge- schehen, and so zu Harngries oder Steinen Veranlassung geben oder sie geschieht erst ausserhalb des Körpers.

Es kann eine raschere Umlagerung entwed^ durch reichlichere Auscheidung von saurem phosphorsaurem Natron ^tstehen oder durch eine Concentration des Harns. Das erstere tritt seltener ein und kann wohl nur bei reichlicher Zersetzung eiweissartiger Sto£Fe im Körper stattfinden; so sieht man z. B. immer nach reichlicher Aufiiahme stickstoff- haltiger Nahrung, ohne dass weniger Harn entfont wird, ein Sediment von Harnsäure auftreten, nur veranlasst durch die grössere Menge des sauren phosphorsauren Natrons im Harn,

In den meisten Fällen handelt es sich aber nur um eine Concentration des Harns und der Lösung des sauren phosphor- sauren Natrons durch eine geringere Wasserausscheidung. Bei allen Umständen, bei denen dem Harn Wasser entzogen wird, treten Sedimente von Harnsäure auf, ohne dass irgend eine pathologische Veränderung vorhanden zu sein braucht. Haben wir eine Nacht durch getanzt, so bemerken wir im Morgenham ein reichliches Ziegelmehlsediment, ebenso wenn vnr geschwitzt haben, oder wenn durch die Haut durch Vorbeiströmen kalter trockner Luft , wie bei uns in München , viel Wasser in Dampfform weggeht. Geht bei Krankheiten auf anderen Wegen Wasser verloren, so bemerken wir die Niederschläge; bei jedem Nasenkatarrh zeigt sich ein saturirter Harn und ein Sediment; ebenso wenn bei Entzündungen sich Wasser in Organen oder Höhlen anhäuft oder wenn dabei durch die Haut bei reichlichem Schwitzen Wasser entfernt wird; in früherer Zeit hat man in diesen Fällen von kritischen Sedimenten gesprochen.

Aber jeder Harn sedimentirt zuletzt. Eline rasche Wirk- ung des sauren phosphorsauren Salzes bewirkt den amorphen

Digitized by

Google

Vait: Ueber HarnBänreseämmte. ^ 288

Miederschlag, eine langsamere sohddet die Harnsfiare kry- stallinisch aus, was nur keine so aii£fallige Erscheinung ist.

Durch die beschriebene Umwandlung nimmt die saure Reaktion des Harns nach und nach ab. Es kann schon bald ohne Zersetzung des Harnstoffes und dhne Entstehung von Ammoniak eine alkalische Reaktion auftreten, wenn nur gerade so viel saures phosphorsaures Natron Torhanden ist, um mit dem an die Harnsäure gebundenen Natron basisches Salz zu bilden. Ist einmal auf diese Weise der Harn alka* lisch oder schwach sauer geworden, dann beginnt auch die weitere Zersetzung desselben unter Einwirkung der Pilze und greift rasch um sich.

JÄe Ursache der Bildung der Harnsäuresedimente wird somit in jedem speciellen Falle leicht zu finden sein; ee handelt sich um Prozesse, die in jedem Harn vor sich gdien und nur manchmal schneller yerlaufen, was aber bei ganz normalem Körper ebenso geschehen kann, wie bei er- kranktem. —

Die näheren Ausfuhrungen werden in einer eigenen Ab- handlung Ton Hrn. Hofmann gegeben werden.

Digitized by

Google

284 Sitzung der iiMttft.-i%«. Crosse voik ß. Juli 1867.

Herr Seidel berichtet über einen Anfeatz von Hrn. Dr. Adolph Steinheil:

„Ueber Berechnujig optischer Construktionen" indem er zugleich Instrumente (Camera obscura und Mi- kroBCop-Objektiv) vorzeigt, welche von Herrn Adolph Stein- heil nach den in dem Aufsatz dargelegten Principien con* struirt worden sind, sowie auch Probe-Photographieen , die damit erhalten wurden.

Nachdem der berühmte Frauenhofer durch Entdeckung und Anwendung der fixen Linien im Sonnenspektmm ge-' zeigt hatte, me sich die Eigenschaften der Glassorten pracis durch Zahlen ausdrücken lassen und dadurdi die strenge Rechnung in der Optik möglich gemacht, hatte ^ verwendete er diese in der Art für optische Construktionen, dass er die Lichtstrahlen durch strenge trigonometrische Rechnung auf ihrem Wege durch ein Linsensystem verfolgte, den Ein- fluss der Halbmesser und Dicken auf die Vereinigungsweit^i verschiedener Strahlen bestimmte und diese Eenntniss zur Feststellung derjenigen Dimensionen benutzte, welche für gegebene Olasarten ein möglichst deutliches Bild eines in der Axe gelegenen leuchtenden Punktes ergeben.

Seine Untersuchungen bezogen sich zunächst auf das Fernrohrobjektiv, welches er in zwei Construktionen aus- führte, sowie auf das einfache Mikroskopobjektiv. Bei letz- terem und dem für kleinere Dimensionen angewendeten Fernrohrobjektive (mit ineinanderpassenden inneren Flächen) waren es 3 Bedingungen, die er erful[te; nämlich: Herstell- ung einer vorher bestimmten Brennweite bei gleichzeitiger Hebung des Kugelgestalt- und Farben-Fehlers.

Bei dem Femrohrobjektive für grössere Dimensionen

Digitized by

Google

kam noob eine veitere Ba^ngong und die Wahl <kr Ölaa- sorten in Bezug atif Becuidäres Spektram dazu. WekHice die Tieite Bedingung war, die Frai^nhofer zur Anaahme die$6r (uater d/9m Namen Frau^ihofer's^ibe Constraktion so berühmt gev^rdeiaen) Form des Objektives bestimmte, konnte, trotz der gediegenen Untersoolmngea in dieser Richtung, leider nieht mit Sidierheit ^) festgestellt werden, da seine hinterlassenen Arbeiten, soweit sie nicht vor seinan Tode poblicirt waren, ate Geheimaiss behandelt wurden und anderweitige direkte Angaben von ihm fehlten. Vielleicht aber sind gerade durch diesen Umstand die Eigenschaften des Objektives genaper untersucht nnd besser bekannt ge- worden.

Das Objektiv erföUt:

1) Wie Herschel ^ nachwies , sehr nahe die Bedingung der Hebung des Eugelgestaltfehl^s fBr nahe und ferne Objekte.

2) Wie Biot') zeigte, ist es stabil achromatisch; d. b. Strahlen von zweierlei Farben, welche vor der Brechung an der ersteii Fläche des Objektives demselben weissen Strahl angehorten, treten nach der letzten Brechung nicht nur Qach demselben Punkte zielend , sondern auch unter dem« selben Winkel und an derselben Stelle aus (wieder einen weissen Strahl bildend). Diese Bedingung ist für einen

1) Ein Ausspruch Utzsohneider^s, dass Frauenhofer die Fehler über das g^nze Gesichtsfeld möglichst zu heben bestrebt gewesen •ei, l&sst die snb 8) angrefthrto von Prof. Seidel gefundene Eigen- sohafii mit tm netten Wahncheinliohkeit als die Bedingung eir- Boheinen, welche Frauenhofer erfällte.

2) Herschel, Dioptrik.

8) Traii^ 4UnMii4aire d'attronomie pbysi^t^ par J. B. Biot, Paris 1844^ Tome 4«U»^nie p. 82,

[1867. II. 2.] 19

Digitized by

Google

2d6 SüMung der molT^-pM- ^^^'«m« vmi 6. JuU 1867.

Punkt der Oeffnong streng eifiillt und bedingt zti{^dch die Hebung des Farben&hlers ausser der Aze.

3) zeigte Prof. Dr. Seidel^) dahier, dtss bd dem Fraoenhofer'schen Objektive die Bedingung d^ gleidizätigeo Hebung der Kugelgestalt in der Mitte und un Rande des Gesiditsfeldes sehr nahe erfüllt ist.

4) fand Hr. Prof. Seidel (und theilte es mir mit der Erlaubniss zur Veröffenlichung in dieser Abhandlung mit) dass das Frauenhofer'sche Objektiv, so definirt, wie er ea in den astronom. Nachrichten Nr. 1029 angenommen hat, Tor allen anderen die Auszeichnung geniesst, dass es keine Brennflächen erzeugt, so dass die kleinen Lichtscheibdien, welche man je nach der Stellung des Okulares sieht, gleichmässig erleuchtet erscheinen, während sie bei jedem andern Objektive (auch abgesehen von dem Effekte der Diffraktion) helle Lichtsäume (die Durchschnitte der Brenn- fläche mit der jedesmaligen Ebene des deutlichen Sdiens) haben; und endlich

5) ergab mir die trigonometrische Rechnung, dass für den Lichtbüschel parallel zur Axe der Kugelgestaltfehler (sekundärer Ordnung) für Strahlen, die bei '/s der Oeffinung des Objektives auffallen, bei dieser Construktion ein Mini- mum ist; wenn man Dicken und Abstand der Linsen als Elemente ausschliesst.

Diese grossen Vortheile erreichte Frauenhofer, ohne dass er mehr als 2 Linsen anwendete. Dadurch war dieses Objektiv ein Triumph der Wissenschaft, indem es bewies, dass diese eine zuverlässigere Fahrerin ist, um unter vielen Möglichkeiten die günstigste zu wählen, als die Empirie.

4) Gelehrte Anxeigen der k. bayr. Akademie der Wiseensdiaften 1665 Nr. 16 und 17. Astronom. Nachricfaten Nr. 1027—1039.

Digitized by

Google

SukiheO: Berechmmg ept, CmärukUonm. 287

Bei den von Franenliofer gerechneten Fällen handelte ^8 sich am Instrnmente ^ welche einen geringen Oeffnongs- winkel (Verhaltniss der wirksamen Oeffnung znr Brennweite) hatten nnd bei welchen nur ein kleiner Gesichtsfeldwinkel (Veribfiltniss der benutzte Ansddinang des Bildes znr Brenn- weite) 2ar Anwendung kam.

Leider ward Franenhofer durch seinen frühen Tod yer- hindert eine beabsichtigte gründlidie Bearbeitung der Oku- lare durdizuführen; durch welche die Bedingungen für ein grosses Gesichtsfeld festgestellt und erfüllt worden sollten.

Trotz der grossen Fortschritte, welche die Theorie der Optik seit Frauenhofer's Tod durch die Arbeiten yon Gauss, Bessel, Biot, Petzwal, Seidel etc. gemacht hat, wurde sie doch in Bezug auf Construktionen Ton der Empirie überholt.

Es wurden zusammengesetzte Mikroskopobjektive mit sehr grossen Oeffnungswinkeln und Photographenapparate mit ausgedehntem Gesichtsfelde construirt. Mikroskopobjek- tive sowohl, wie Photographenapparate wurden in den ver- sdiiedensten Construktionen hergestellt, ohne dass behauptet werden kann, dass die einfachsten und günstigsten Möglich- keiten dadurch ermittelt worden waren. Es hat eben Frauen- hofer keinen Nachfolger gefunden, der die Lust und Aus- dauer besass, auf dem sicheren aber mühsamen Wege der trigonometrischen Rechnung, die Eigenschaften der Bilder genau kennen zu lernen und auf diese- Eenntniss gestützt unter den Möglichkeiten zu wählen.

Dass die Theorie nicht direkte Vorschriften zur Berech- nung von Construktionen geben kann liegt in der Natur der Angabe. Während schon alle Gleichungen, die den 4^" Grad fibersteigen direkte Lösung ausschliessen , ist die Zahl der variabeln Elemente und der zu erfällenden Bedingungen so gross, dass eine Orientirung sehr schwierig wird; zumal weuQ man bedenkt, dass die Werthe der variabeln Ele-

19*

Digitized by

Google

^6$ SiUmg der math.'ph^8. doise vom 6. Jtilt 1867.

iBüeüte ^) iimerbalb vorgeschriebener QreQzea gehalten' werden mÜQsen und das» die zu. erffilleDden BeiUngungw Fehl^r- grenj^eo^) gest^tieq, die sich nur für den spedeUaa Fall "bclBtinutien la^en.

Bei Berechnung optischer Systeme , die grossen Oe& nungswinkel besitzen, ist es nicht genä([dnd, die paraUol WLc Axe auf an STStem fallenden Strahlen streng in einen J'unkt au vereinigen,: selbst wenn ein niir sehr kleiner Ge- aiohtsfeldwinkel benutzt wird, wie. z. bei des Mikro* skop^; denn es kann der Fall vorkommen, dass das Bild •^i^ea ausser der A^e gelegenen Punktes so grossen Durch- messer erhält, dass es den Bildpmkt in der Axe deckt «ad dadurch undeutlich macht; es diuf also in solchen Falle» nicht ohne Bäcksicht auf einen zweiten Bildponkt voeg«^ gangen werden; in Fällen, die grosses Gesichtsfeld verlangen, natürlich noch viel weniger.

Aus Obigmn folgt nun, dass, um sichere Resultate zu ^aielen, die trigonometrische Rechnung auch auf einen isweiten Bildpunkt ausgedehnt werden muss; und es sollen nachfolgend die Bedingungen zusammengestellt werden^ welche an die beiden Bildpunkte zu stellen sind.

Der Bildpunkt in der Axe, von einem parallel zu dieser

5) Die BrechtiBgs- und Zerstreuungscoeüficienten müflsen sioli innerhalb der Grenzen halten, welche durch die Anforderungen der Dauerhaftigkeit und Farblosigkeit der Gläser gesetzt sind. Die Längen der Halbmesser sind durch die nöthigen Oelftiangsmaasse beschränkt: die Dicken einerseits durch diese, andererseits dnndi den Kostenpunkt, das Gewicht, die Lichtabsorbtian etc*

6) Es ist die En^pfindliobkeit des Aagies (oder besser dessen Unempfindlichkeit gegen kleine Winkelfehler), welche diese Grenze bildet, je. nachdem das Auge ein Bild direkt oder durch eine Loupe bowafFnet, betrachtet; es ist der absolute Massstab der Instrumente, der ihre grossten Fehler über oder unter die Empfindliehkeitsgrense des Auges bringt.

Digitized by

Google

Skinheüi Berechntmg apt Gönstrukiionm. ^89-

auf das System falJea Jen Llehtbüecbel gebildet, bedingt 2u* nächst die Br^nwtite des Systemes. Ein, in diesem Liebt-» bfcühel liegender, ganz nahe der Axe einfallender Strahl' ergibt den Brennpunkt als Ende nnd den Hauptpunkt ab AnflEUig der Brennweite; ersteren durch seinen Durchschnitt mit der Aice, letzteren durch eine sdir einfache Construk-» tSon. Verlängert man nämlich den einfallenden Strahl vor der ^ediung an der ersten Fläche in der Hichtung seiner* Bewegung und denselben austretenden Strahl nach der Mtftea Bt^buug gegen die Richtung seiner Bewegung, bis sich beide schneiden, so ergibt ein Perpendikel von diesem lenkte auf die Axe den Hauptpunkt^) (oder wahren An- fengdptn^ der Brennweite). Hat mit diesem Stiele ein gteidifarbiger in grosserem Abstände von der Axe einfallen- der denselben ft^nnpunkt, so ist der Eugelgestaltfehler ge- hoben und es ist diess mit dem Farbenfehler der Fall, wenn dies^ nämlicbe Brennpunkt, auch einem Strahle von aiklerer Brechbarkeit zukömmt.

Das Bild eines Punktes ausser der Axe muss untersucht werden:

1) In B^Bug auf semen Abstand von der Axe,

3) in Besug auf seine Form,

3) in Bezog auif seinen Abstand vom Hauptpunkte (oder Knotenpunkt).

Die Bedingungen betifiglich des Abstandes des Bild- pmiktos von der Axe ergeben »ich aus den Eigenschaften

7} Wie Gauss in seinen „dioptriflohen Untersuchungen*' nach-' gewiesen hat, heeiivt jedes optisobe System 2 Haupt- und Ü Brenn- punkte, je nachdem der zur Axe parallele Lichtbüschel von der einen oder von der andern Seite auf das System fallt. Für die Bildpupkte in der Axe haben die Hauptpunhte die Bedeutung der Anfangspunkte der Brennweiten, wahrend die Brennpunkte deren Enden beseiöhiten. -

Digitized by

Google

290 . SiiMung dtr malih.^hffs. Oam vom 6, JuU 1B67.

der Haaptstrahlen. Ein Hauptstrahl ist jeder Strahlt der vor dem Eintritt in ein Linsensystem denselben Winkel ntft dessen Axe bildet, wie nach seinem Austritte aus draaselbea. Ist bef einem Systeme das erste und letzte brechende Ife- dium das gleiche, so werden die beiden Punkte, auf welche ein, nur sehr wenig geg^ die Axe geneigter, Hauptstrahl vor der ersten und nach der letzten Brediung zielt, mit denjenigen zusammen£aUen , welche die Anfangspunkte der beiden Brennweiten bilden; diess ist die zweite Bedeutong der Gauss'schen Hauptpunkte, dass sie die virtuellen Kreua- ungspunkte eines Hauptstrahls mit der Axe sind.

Ist jedoch der Brechungscoeffident des ersten und letzten Mediums verschieden, so heissen die An&ngapnnkte der Brennweiten die Hauptpunkte; die virtuellen Ereuzungs- punkte eines Hauptstrahls die Knotenpunkte; und £aUen nicht zusammen.

Die Verzerrung ist üun bei einem optischen Sjrsteme gehoben, wenn bei einem Hauptetrahl, der einen grossen Winkel gegen die Axe bildet, die virtuellen Kreuzungspunkte mit der Axe mit den Hauptpunkten (oder Knotenpunkten) zusammenfallen. Die beiden Haupt- oder Knotenpunkte haben in einem solchen Systeme die Eigenschaft, dass vom ersten aus die Objekte unter denselben Winkeln erscheinen, wie vom zweiten aus deren Bilder.

Haben zwei Hauptstrahlen von verschiedener Brechbar- keit, welche denselben Winkel gegen die Axe bild^, ge- meinsame Haupt- oder Knotenpunkte, so sind die Farben ausser der Axe gehoben; und werden hierdurch, wenn gleidi- zeitig der Farbenfehler fiir den Brennpunkt in der Axe ge- hoben ist, die verschieden farbigen Bilder gleich gross sein und an derselben Stelle liegen, also sich decken.

Um die Form des Bildes eines Punktes zu bestimmen, ist es nöthig, in dem Lichtbüschel, der den Bildpunkt ausser der Axe bildet , ausser dem Hauptstrahle no<di 3 weiter«

Digitized by

Google

äteinkeü: Beredmmg opt, VonefnMkmen, 291

Sirahlen auf ihrem Wege diird^ das optische System za verfolgen mid ihren Durchschnitt mit einer zum Hauptstrahl senkrechten Ebene in dem Punkte zu bestimmen, in welchem sie sich einander möglichst nahe gekommen sind, d. h. im Bildponkte.

Von diesen 3 Strahlen, welche in gleichem Abstände vom Hanptstrahl anzunehmen sind, liegen zwei in einer Ebene^ die sich durch die optische Aze des Systemes und den Hauptstrahl legen lässt. Die Ebene, in welcher der dritte liegt, enthält ebenfalls den Hanptstrahl und steht senkrecht zur yorher angenommenen. In dieser Ebene ge« nügt ein Strahl, da der gegenüber vom Hauptstrahl liegende mit ihm symmetrisch geht.

Li^en im Bildpunkte diese 3 Strahlen symmetrisch gegen den Hauptstrahl, so ist kein Astigmatismus vorhanden. AU Bildpnnkt ist stets der engste Querschnitt des Licht- bäsdi^ls anzunehmen; und es bedingt der Abstand dieses Bildponktes yom Haupt- oder Knotenpunkt die Form der Bildfläche. Ist dieser Abstand dem entsprechenden des Axenbildpunktes gleich, so liegt das Bild auf einem Eugel- segmente, das aus dem Hauptpunkte mit der Brennweite als Radius beschrieben werden kann; und das Bild ist ein ebenes, wenn die Distancen vom Hauptpunkte im Verhältnisse zur Sekante des Winkels wachsen, den der entsprechende Haupt- strahl mit der Axe bildet.

Der Kugelgestaltfehler ausser der Aze kann als gehoben betrachtet werden, wenn der Bilddurdimesser vom Haupt- punkte aus unter keinem grösseren Winkel erscheint, als der- jenige ist, welcher beim Azenbildpunkte unvermeidlich bleibt.

Die Bestimmung der 3 letzten Elemente : Astigmatismus^ Kugelgeetaltfehler ausser der Axe und Form der Bildfläche, wurde mir erst durch die Ton Herrn Prof. Seidel ent- wickelten:

„Trigonometrisdi^ Formeln fSr den idlgemeinsten Fall

Digitized by

Google

992 8Wfm§ iar wtOi^^h^ dkm wm «. /uli i9S7.

^^r BreoboBg doa Lichtes an «entrirtea apbärisdMa FUudteo'* mögUok

Bdi B^reohnuDg eiuer opüschea Construldkm mossen somit fQlgeoda Pvnkte berück&iohtigt werden: Bei dem ßildpunkte in der Axe:

1) Brennweite.

2) Hebung des KugelgestaltfeUers. 8) Hebung des Farbenfehlers.

Bei dem Bildpunkte ausser der Axe:

4) Hebung der Verzerrung.

5) Hebung der Farben ausser der Axe.

6) Bestimmung der Form der Bildfläche.

7) Hebung des Astigmatismus.

8) Hebung des Kugelgestaltfehlers ausser der Axe.

Für Fälle» in denen ein oehr grosser OefiFnuogswinkol verlangt wird, müssm den 3 Bedingung^ ffir dbn liohV büscbel in der Axa noch 2 weitere beigefiigt werden; esi ist nämlich nöthig, den FarbeofeUer und dep Eug^estalt- fdiler noch für einen weiteren Punkt der Oe&ung heben.

Die Uauptschwierigkeilen bei der Bereefanung optiseher Coustruktionen liegen darin, die richtige lUibenfolge zu finden, in welcher die Bedingungen erfüllt werben müsseU) sawie für die Auswahl direkt vergleichbare Fälle herzustellen; beob* achtet man diese beiden Punkte nicht, so triä sfiur XwjA der Fall ein, dass einzelne Fd^er wieder wachsen, während man der Meinung war, alle zu verkleinern.

Es dürfte kaum giehngen, die Bedingungen 7) and 8) streng zu erfüllen, wenn ein ebenes Bild von grosser (Winkel-) Ausdehnung verlangt wird; während diese nicht schwierig ist, wenn das Bild auf eiuer mit der Brennweite als Radius beschriebenen Kugelflädbe liegen daif»

Schliesslich sei es mir noch gestattet, einige. eipfndN^ Coustruktionen «u erwäbneni* w^che durdi tr^Eonom^sche

Digitized by

Google

8leinh9il: BeMskmmg opt. Con^itruMkrm, £98

Bedmimg festgeeteik wnrdea und die Elemente ansafUhren^' welche dabei als veränderliche Grössen in Spracht kamen.

BekantttHoh ^äre es umnögltd^ , achromatische Linsen mit poshken Brennweiten hensustellen, wenn bei den beiden ▼erweadoten Glasarten das Verhältniss der Brecbungsktäfte dem dtr Zeretreaungski-afte gleidi wäre; wenn z. B. ein Flintglas, das bei gleichem. Prismenwinkel die Ausdehnung dee Spektrum'$ noch einmal so gross, gibt eAs ein Crown-' gU») aach einen noch einmal so grossen Bre(dmngscDefficien« ten hätte.

Es ist ferner unmöglich, ein achromatisches Objekti?^ am zjwei verkitteten Luisen bersustellen, welches glek^h^iseitig dio Kugelgestalt und Farbenfehkr hebt, wenh diejenige Olas- art, welche die stärkere Zerstreuuügskraft bei^tzt. eine achwächere 'Brechungskraft hätte ^).

Hieraus iblgt die grosse Wichtigkdt, weldie die Wahl dei* Olasarten in Bezug auf ihre Brechungs- und ^ersi^reu«* Hiigskräfte für <^tiBcfae Construktionen haben muss.

Beräeksichtigt man nun zur Bestimmung der günstige stea Form raies Doppelobjektives die Wahl der Glasarten i& der angedeuteten Wdse und den Einflusa der Reil>onlblge der Olafiarten, so wiid man auf:

1) mn Doppelobjektiv geführt, bei welohom die FUnt* glasBuae vorausliegt und das den Kugelgesialtfehler für 2 vertchiedefie Distancen streng fadbi. Dieses Objektiv erfüllt sämiutliohä^ Bedingungen, denen das Frauenhofer'sche genügt und ist ia Bezug auf die Form der Bildfläche besser. Zum

8) Bevfk .mc^sohliobeu Auge, ist die Aaorduang der brechenden Flächen und die Reibenfolge der Medien eine solche^ dass d^bei der Kagelgestaltfehler nicht gehoben werden kann; denn alle Ablenk- ungen, die ein parallel Kur Axe ehiftiilender Strahl erleidet, liegen in itaraeikwi Sidiiangi; er wird iteti aar Ake gebroohen.

Digitized by

Google

294 SUem^ der maih.'phfg. CHam fxm 6. JüU 1867.

Gebrauche der opi und aatron. WeikstStte ist dasselbe in Tafeln gebracht worden.

2) Das monocentrische Objeoti?, bei welchem das Bild auf einer |Cugelfläche liegt , deien. Radius die Brennweite, deren Mittelpunkt der gemeinschaftliche Haup^unkt ist (es fallen nämlidi die beiden Hauptpunkte in einen zusammen). Es erfüllt sämmtlicbe 8 oben gestellten Bedingungen und es ist hiebei nur über 2 Radien, die Wahl und die Reihen- folge der Glasarten verfügt. Es besteht aus einer Kugel und zwei gleichen Menisken, in deren innern Flädien die Kugel eingekittet ist, währ^d die aussäen mit einem (um die Dicke) längere Radius aus dem Mittdpunkte der Kugel gezogen sind. In dem Meridian der Kugel, der senkrecht zur optischen Axe des Systemes steht, ist eine Blendung eingeschliffen. Ein parallel zur Axe einfallender Büschel erfüllt die Bedingungen 1) bis 3); alle Hauptstrahlen gehen ungebrochen durch das System, alle gegen die Axe geneig- ten Lichtbüschel erleiden gleiche Bredmngen wie der pa- rallel zur Axe. Für Fälle, in welchen kein grosseres Ge- sichtsfeld verlangt wird, als beim Fernrohr- oder Mikroskop-^ objektiv ist die Kugelform der Bildfläche kern Nadithdl, da die Sicherheit der Einstellung geringer ist als die Verstell- ung, welche der Rand eines solchen Bildes gegen die liGtte erfordert. Bei schlechten Construktionen von Mikrodcop- objektiven ist die Krümmung der Bildfläche eine ausser- ordentlidi viel stärkere. Das Objektiv , welches der dasse voigdegt wurde, hat einen Oeffiiungswinkel von 14^ == ^/i der Brennweite und 4f" Aequivalentbrennweite.

3) Das aplanatische Objektiv mit ebenem Bilde erfüllt die Bedingungen 1)— 6) streng; 7) und 8) sehr nahe; ist symmetrisch gegen den optischen Mittelpunkt und jede Hälfte wird gebildet von einem verkitteten Doppelobjektive, das aus einem positiven und einem negativen Flintglasmapiskus besteht

Digitized by

/Google

SMnheii: BeredMimg opi, CamtrukHönm. 295

Zur BereohiiiiDg deBselbeo wurde über 3 Radien, einen Abstand, sowie über die Wahl und Reihenfolge der Glas- arten als Teränderliohe Elemente verfugt. Es gestattet bd einem Oeffnungswinkel von 9^ 10' (gleich ^/r Brennweite) die Benutsung eines Gesichtsfeldwinkels von 36^; und durch Anwendung einer kleineren Gentralblende bei einem Oeff- nungswinkel von ca. 2 ^gleich V'o Brennweite die Benutzung eines Gesiöhtsfeldwinkels von 60^.

Bei diesem Objektive sind ausser den für die Richtig- keit des Bildes nothwendigen 8 Bedingungen noch 2 weitere erfüllt, welche die Praxis fordert und zwar:

9) möglichste Vermeidung von Lichtverlusten und 10) Vermeidung störender Reflexbilder.

Da das apianatische Objektiv zunächst zu photographi- schen Zwecken bestimmt ist, so sind die Helligkeit und die Tiefe*) der Bilder zwei sehr wichtige Eigenschaften, welche beide hauptsächlich vom Verhältnisse der Oeffnung zur Brennweite abhängen. Mit der Vei|;rÖ8serung der Oeff- nung im Verhältnisse zur Brennweite nimmt die Helligkeit zu, die Tiefe der Bilder jedoch nothwendig ab; desshalb ist es wesentlich den Einfluss derjenigen Ursachen zu ver- mindern, welche, ohne die Tiefe zu erhöhen, die Helligkeit der Bilder verkleinem. Es sind diess hauptsächlich die Lichtverluste durch Reflexion an den Glasflächen und die Absorbtion des Lichtes durch die Masse des Glases. Da die Verluste durch Reflexion mit der Grösse der Einfalls- winkel und derjenigen des Brechungsunterschiedes der Medien wachsen, so bietet die Verkittung der inneren Flächen,

9) Ein Apparat gibt tiefe Bilder, heisst^ er besitzt die Fähigkeit Ton ongleioh entfernten Objekten gleichzeitig ein deatliches Bild in derseiben Ebene zu erzeugen.

Digitized by

Google

396 Sitzwtg der math.'phy», dasee wm ß, Juli 1667,

welche viel stärker gekrttmut sind als die äusseren and der geringe Unterschied des Bi-eohuugscoeffiüienten der b^den Tiötwendeten FlintgUlser in dieser Beziehung bedeotendeu. Vortheil. Der geringe Brechungsantersdiied der Tei-wepde- ten Glasarten bediugt überdiess noch eine Form der Linsen^ die bei Herstellung eines ebenen Bildes einen nur geringen Abstand der beiden Objektive erfordert;, diess gewährt den Vortheil, dass auch bei Benutzung eines grossen Sehfeldes die Linsen nur um Weniges grösser za sein brauchen, als es der Oeffnungswinkel (die Helligkeit des Bildpuuktos ia der Axe) erfordert; und es ist leidit einzuBehen, dass kleinere Liuseu mit geringereu Dicken ausgeführt werden können; dadurch ist eine Verminderung der LichtverLuste durch Absorbtion erzielt. Schliesslich bietet die Menisken- form der beiden Objektive den Vortheil, dass die Reflex- bildfer, welche von Strahlen gebildet werden, die eine gerade Anzahl von Reflexionen erlitten haben und desshalb in der Richtung gegen das Bild weiter gehen, sammtlich zwischen oder ganz nahe an den Linsen liegen, so dass das von ihnen ausgehende diffuse Licht in der Bildebene keine störende Litensität mehr hat, zumal diese Reflexbilder sehr kleinen Brennweiten entsprechen. Während alle bis jetzt ge- bräuchlichen Construktionen , bei welchen der Kugelgestalt- fehler gehoben ist, wenigstens 6 Brechungen von Luft in Glas haben, hat das aplanatische Objektiv deren nur 4 und in Folge dessen auch weniger reflektirtes Licht.

Die beiden als Muster der Classe vorgelegten Photo- graphien sind mit einem solchen Apparate von 19"' Oeff- nung und 10" Brennweite aufgenommen; der gleichfalls vorlag.

4) Die aplanatische Landscbaftslinße, für Landschaften und Architekturen bestimmt ist, hat als grösste Helligkeit nur ^124, Brennweite; gewährt aber dabei ein ebenes dent- Uches Bild von 80^ und gestattet, bei kleineren Blendungen

Digitized by

Google

Soek^ger: Band$chriften zum Schiöahen^egd. HfVI

Geaicbt^fetdWkdc^l Yon 105 Giraden. Es ^t. bei 7''' Oeff- mmg und 6'^ Brennweite Bilder bis 16^^ Diir<;hflaeaser. . Es erfiillt die gteicben Bedingjangen wie das lichtstarkere apla» natische Objektiv, ist aber aus anderen . Glasarten, deren Brecbungsooefficienten nicht ^/s Procente von einander ver^ Bchi^d^ sind*

Historische Classe.

Sitsang vom 6. Juli 1867.

HeiT Rockinga r spricht:

,,Ueber drei mit einem Anhange zum Land- rechte vermehrte Handschriften des soge^ nannten Schwabenspiegels auf der Staats- bibliothek zu München/^

In den deutschen Reditsbüchem des Mittelalters und ihren Handschriften S. 38 und 44 bemerkt Homeyer, dass in einer heidelberger Handschrift des sogenannten Schwaben- epiegete (a. a. 0, Num. 817, und in dem der Ausgabe des Freibenm v. I^assberg vorstehenden Verzeichnisse der Hand>- sobriAen Num. 61) das bekannte Buch der Könige mit einer ,,Herrenlehre'' endigt, das ist der Geschichte von der Zählung Israels durch David, welcher sich dann noch Rechtasätze in 11 §§ anschliessen. Femer dass in Hand- sdmftea zu Fulda» Königsberg, und einer aus dem Stifte Weingarten stammenden aber nun zu Stuttgart nicht mehr Tc^haadenen (a. a. Q. Num. 206/ 364, 649; in EIndemann's

Digitized by

Google

298 Sitmmg der Mtior. Oam fxm 6. JuU 18er.

Einleitaiig zum Eaiserreoht 8. XLIX« Nnm. 6; beiFreihemi T. Lassberg Nam. 160) diese 11 §§ ein dgenes iwätes Stüdc nach dem Buche da* Könige bilden. Weiter, dan die Handschrift zu Herisan, der cod. germ. 553 der Staats- bibliotiiek zn Mündien, und zwd der öffentlidien BiblioÜiek zu Stuttgart (ä. a. 0. Num. 328, 476, 643, 644; bei Frei- herm v. Lassberg Nnm. 69, 105, 146, 147) die Herrenlehre mit den 11 §§ ohne das Buch der Könige enüialten, die erstere im Eingange, die äbrigen am Schlüsse des Land- rechtes.

Zu den zuletzt aufgeführten zählen von Handsdiriften der Staatsbibliothek zu München neben dem cod. germ. 563 noch zwei weitere, weldie um so mehr einer kärzeren Erwähnung werth sein dürften als eigentlich nur der eben bezeichnete bisher aus der Beschreibung des Freiherm Ton Lassberg Num. 105 näher bekannt ist, der cod. germ. 3967 sogar am eben bemerkten Orte Num. 25 als hier nicht mehr vorhanden bezeichnet wird, des cod. germ. 4929 aber nirgends sonst genauer gedacht wird.

Gleich der zuletzt aufgeführte = I, mit Ausnahme des ersten und zwölften wie des (nunmehr ausgeschnittenen) sechsten und des siebenten Blattes, also der äusseren und der inneren Lage des ei*sten Sezternes^ welche Pergament sind, sonst auf Papier in Folio zweispaltig wohl nodi in der ersten Hälfte des fSnfzehntcn Jahrhunderts geschrieben, im Jahre 1770 dem „Joseph Bernhard Parth Stattsdireiber in Mospurg*^ gehörig, enthält von fol. 1—63' Sp. 1 das Landrecht, welchem unmittelbar bis fol. 64 Sp. 1 die gute Herrenlehre in nachstdiender Fassung folgt.

Nu sült ir edeln tugentlichen herren an £sem pudi pesserung lernen an tugentliöhem leben, vnd sült alle zeit in ewerem herzen tragen ditz vorbilde das ew der almäditig got an disen kunigen vnd an disen herren vnd richtern hat erzaiget, das ir recht gerichte habt vnd eäch arm lewt lat

Digitized by

Google

Boekk^^er: Häniichriftm mm Schwabmfpieffd. * 299

erpanneal die kain vbel ymb euch dienen, jst hallt das si ainoaltigklu^en schuldig gen ew werdent, dannoöb sifllen si euch erparmen, so^ erparmt sich got vber euch an eweren leiten zeiten. ynd ir sült got yor augea haben ^ \nd süH in mynnen ynd fdrchten, so wachset ewer sälde an leib ynd an sei, ynd alle ewer lewte ynd das land ist dester saliger, als- an disen herren oflte schein ist worden di an disem bfidie sind, wann das hat der almächtig got an manigen enden erzaiget in der heiligen schrift, alls der herre gottes willen tet, das alles sein lewt ynd alles sein land dester säliger was. ynd als der herre wider got icht tet, so war er selb des ersten an leibe ynd an seile ynsalig, ynd dar- nach alle di m an horten, lewt ynd gnt ynd land.

Das hat yns got erzeuget an dem edelen heiUgen knnig Danid. der tet ein klaine sünd wider got. ynd mästen seiner lent manig tansent menschen den pitem tod dar ymb leiden, ab andi hieaor yon maniges kttniges schulde gesdiach.

Her Dauid der Ininig hies im niwan ze einem male sein lewte zelen wie yil er stritber lewte betet in seinem lande, dar- ^ nmb wolt got des m'cht enpem, er mäst dreyer püsse aine dar- nmb Idden, gern oder yngem. wie yil herre Dauid sprach : herre got| genade, yergib mir dise sfinde, ich getun es nymmeimer, ynd yber heb mich dirrer drder püsse, das half nicht, er mfiszte ynd miize dirrer dreier püzze aine nemen, das siben iar hunger in seinem lande wäre, oder das er ynd alle die sein drey moneyde yor semen yeinten fluhtich mästen sein, oder das drey tag grosser lantsterbe in seinem lande wäre, do der edel ynd der weise herre das yemam, das es de- hain rat was, er mäst der dreier püsse eine nemen, do sprach der tugendreiche ynd der heilige Dauid also, nym ich nu di siben hunger iar, so trawt ich doch wol etwas yinden das ich mich hungere nerte. owe, herre, so starben awer alle mein lewte ynd die gar ynschuldig sind an dirre

Digitized by

Google

300 ' SUsiwiff derMstor. aaiü fsoik $. JM 1997.

sände. näin ich di dridy mbnede, so entninne idt «ttwo wol meinen v^ndeu, idb hab g«t pör^ das ieb di drcf moaede wol genäse vor mein^ veinden. owe, herre, m ivardan alle mein lewte erslagen di äa «einer moA va* «chuldig sind, hcnre got , ieh wil der swaier pasae lucbL seid 68 kain radl isti» so wil ieh, herre, ««f dein gemA vad auf dein erbärjyide di drei tag den lewt aterbdn nemmen. so triffest du, herre, midi selben als sehir als. di freqfcjdiB, iraM ich pin der recht $chuldig< henre, ieh pio det di aünde getan hat, dauon lassen aooh d^in g^cht ynd.dein radie vber mich armen nach deinen genad^n gden. . ab do got aeifi trewe also lauter vnd l^lso raine sftcb, do tet er im di genade: der lewtsterbe der di drqr tag aotte haa gewerki der Werte niw«a von prima vntc her zfi tersie seit

Als genädig ist der almächtig got sioch hentei wer also beschaiden rew geiu im hat vmb eein sünde« vod also ?er dinent di herren npoh hewte mit iten sitfideki, das in irea lande yrleuge wirt, oder viehe sterbe, oder hunger iar, oder akuier vngeläkie. dauon sütlen si sich dester halter hüten durch ir säliohait leibes vnd seile tnd durch di eäUffiiait irer lewte und ir landes, daß si hia vnd dort herren s^in.

Des helfe vns. der ahnädhitig got. a^^en.

Hieran reiht sich nach einem kleinen leeren Zwisehea^ räume vpo fol. H Sp. 1 auf fol. 64 Sp. 2 der aus 11 Ar- tikeln bestehende Anhang zum Lapdrechte, d^ wkr am Schlüsse in seinem ganzen Umfange nuttbeüen,* bis lol. 68 Sp. 2. Ihm folgt, wiederum nach einem kleinen le^ieu Zwischenraum von fol. 68 Sp. 2^ mit fol. 68' Sp. 1 das Lehenrecbt bis fol. 93' Sp. 1, wovon die letzteren Blatter wie es scheint durch anhaltende Feuchtigkeit gel^ocben und vermodert sind , wie deren Schrift theilweisa ganz und gar unleserlich geworden ijind auch ' d^r mit rotbem Leder überzog<Hie Holsrdeckelband durch und durch vnrnaaticiog und an manchen Stellen ganz gebröckelt ist

Digitized by

Google

ßockinger: Sanäsehriften zürn Schwahenspiegel. 30 1

Der cod« germ. 3967 = 11, aus dem Stifte St. Em- meram stammend, von woher dem Reichsfreiherm Heinrich Christian v. Senkenberg die Beschreibung zuging welche er in seinen visiones diversae de collectionibus legum germani- camm S. 188—190 mittheilte, am 31. Juli des Jahres U44 loa „Johannes die czeyt kyrchner czu Weysselstorff ge- besen^' auf festem Papiere in Folio in zwei Spalten vollendet, enthält von fol. 1—68' Sp. 2 das Landrecht, welchem sich ohne alle und jede Unterbrechung unmittelbar bis fol. 73' Sp. 1 der Anhang hiezu anschUesst, worauf wieder ohne Zwischenraum bis fol. 74 Sp. 2 die gute Herrenlehre folgt, welche sogar nach den aiff ihrem Schluss roth hinbemerkten Worten „dictum est explicit'* nochmal bis zu den Worten „dy kein vbel vmb euch dynen^' angefangen ist, woran ohne jede Unterbrechung der Zeile unmittelbar der zu Punkt 9 des Anhangartikels 3 über die Handfestenfälschnng gehörige Satz „Ist ein czinser an ein goczhawsz'^ bis zu den Worten „vber Bvmeliche sache der man nicht verkeret'^ gereiht ist. Nachdem noch auf fol. 74Spi 2 der kleine leere Raum durch die rothe Ueberschrift des Lehenrecfates „Hye hebet sich das leben buch an'* und den gleichfalls roth geschriebenen Vers

Amen solamen.

Si deficit fenum, accipe stramen ausgefüllt ist, beginnt das Lehenrecht selbst mit fol. 74' Sp. 1 und reicht bis fol. 102' Sp. 2, an dessen Schlüsse sich die Verse

Hie hat dicz puch ein ent.

Got vns seinen gotlichen segen sent.

Explicit, expliciunt

Sprach dy kacz czu dem hunt:

dy fladen sein dir vngesvnt and die Angabe des**Schreibers sammt der Datumsbezeich- nang finden wovon bereits die Rede gewesen. [1867.112.] 20

Digitized by

Google

302 Sitjnmg der histor. Classe vom 6. JuU 1867.

Der cod. germ. 553 endlich = III, ia Folio auf Papier aach noch in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zweispaltig geschrieben, enthält von foL 1— 83 Sp. 1 das Landrecht; woran sich unmittelbar bis fol. 83' Sp. 2 die gute Herrenlehre anschliesst, worauf nach kleinem leeren Zwischenräume der Spalte 2 des fol. 83 mit fol. 84 der bemerkte Anhang zum Landrechte bis fol. 89' Sp. 2 folgt, welchem sich abermals nach kleinem leeren Zwischenräume der Sp. 2 des fol. 89 von fol. 90 an das Lehenrecht bis fol. 122^ Sp. 2 anreiht, wie in l und II alles unter rothen Kapitelüberschriften und mit rothen Initialen des Textes d^ Kapitel.

Vergleichen wir nunmehr genauer den Inhalt des Land- wie des Lehenrechtes unserer Gruppe^) mit der vom Freiherm v. Lassberg besorgten Ausgabe des so- genannten Schwabenspiegels, so stellt sich folgendes Ergeb- niss heraus.

#

Das Landrecht.

L. L n. HL

L.

I.

n.

in.

Yorw. a

Vorw. g

1

1

1

b

c

Vorw. Vorw. Vorw.

-.-}

2

2

2

d

2

3

3

3

e

3

4

4

4

f 1 1 1

4

5»)

5

5

1) Vgl. hierüber F ick er über einen Spiegel deutscher Leate und dessen Stellung zum Sachsen- und Schwabenspiegel S. 150 (266) unter IV c. 3.

2) Die üeberschrift fehlt hier, indem der dafür leer gelassen gewesene Raum für die wie es scheint anfönglich vergessenen ScLluss* Worte des vorhergehenden Kapitels verwendet worden.

Digitized by

Google

Eoekinger: HoMdschrifteH tum Sckwabenspiegel.

303

L.

L

n. . m.

L.

I.

n. TiT

5 6

{??)«

16 17

12 13

13 13 14

;.

- '•)

18

}"

6 ]

19

14 15

7

*

20

8

7

8 8

21

15

15 16

9 10

22

16

f 16») \ 17

]l) »

9 9

23

(17)*]

18 18

U

(18)*]

19 19

13 9

10 10

25

(19)

20 20

14 10

11 11

26

(20)

21 21

15 11

12 12

27

21

22 22

1) Die Abtheilang dieser beiden Kapitel ^egen den L-Druck 5 S. 8 ist folgende.

Ersteres reicht unter der Ueberschrift „Wie die muter mit den kinden teylt, sagt das capitel'' bis zu den Worten: ynd darnach gleich teylen unter weyp vnd vnter kint dy vn aus gestewret sein.

Dann folgt das andere unter der Ueberschrift: Von geystlicher gab sagt das.

2) l)urch ein Verweisungszeichen ist als hieher gehörig nach* stehender von gleicher- Hand auf einem besonderen beigehefteten Streifen geschriebener Artikel eingetragen:

Von prüdem beyrat. Kernen t zwen prüder zwo swesster, vnd nymbt der dritt prüder ein fremdes weib, jre kind sind doch geleich nahen an der sippe, jr yetweders des andern erb ze nemen, ob sy ebenbürtig sind.

3) Die Scheidung dieser zwei Kapitel gegenüber dem L-Drucke 22 S. 14 ist nachstehende.

Das erstere reicht unter der Ueberschrift „Wy ein man gut schaffen schol seinen frewnden'^ bis zu den Worten: ader sy mngen rieh versawmen.

Dann folgt das andere unter der Ueberschrift: „Was ehafit not sey.

4) Die in Klammem gesetzten Kapitel fehlen gänzlich, indem das sechste Blatt aus der Handschrift ausgerissen ist.

Das fünfte schliesst mit den Worten L 22 S. 14 Sp. 2 : das ri

20*

Digitized by

Google

304

Sittung der Mttor.

CtatH mm i

S. JM 1867.

L.

I.

U.

m.

L.

L

IL

m

28

22

23

23

59 1

29 .

30 \ 81 '

60

23

24

24

61

42

43

43

62

32

24

25

25

63

33 ^

34 }

35 ' 86 \ 37 /

25

26

26

64 1

65 J

43

44

44

26

27

27

68a 45

45 46

4S 46

38 39

27 28

28 29

28 29

68b 1 680 1

46

47

47

40 41

29 30

30 31

30 31

69 ^ 70a 1

47

48

48

42 1

43 / 44

31 32

32 33

32 33

70b

71

72

48

49

49

46

33

34

34

73 J

46 47

34 35

35 36

35 36

74 1

75 J

49

50

50

48

76

50

51

51

49

60 \

61 J

36 37

37 38

37 38

77 1

78 J 79

52

53

52 53

52 \

53 /

38

39

39

80 1

81 J

53

64

54

64 \

65 /

39

40

40

82 83

54 55

55 56

55 56

56 1

57 ;

40

41

41

84 1

85 J

56

57

57

58

41

42

42

86

57

68

58

im sleohtes ledig wirt als bie vor geschriben ist. Das siebente be- ginnt mit den Worten L 27 S. 17 Sp. 1 nnten: bat das selb recbt so si kombt vber zwelf iar.

1) Beim Beginn von L 67 findet sich keine Uebersdmfly aber eine rothe Initiala

Digitized by

Google

UmMn^ct: EmäuShirifitn nm 8duedben$piegA

305

L.

I.

IL

111.

L.

I.

n.

m.

87

58

59

59

120

79

81

80

88

59

60

60

121

80

82

81

89 1

61

122

81

83

82

90 91

61

62

61

123 124

82 83

84 85

83 84

92

93 1 94

63

62

125 126 127

}

84 85

86 87

85 86

96

62

64

68

128

86

88

87

96 1

97 J

68

65

64

129 130

87

89

88

98

64

66

65

131

88

90

89

99 1

100 J

101 1

102 1

65 66

67 68

66 67

132 133 134 135

89 90

91 92

90 91

103a 103b

67 68

69 70

68 69

136 137a

91

98

92

104 1

105 ]

[ 69

71

70

137b 137c

92

94

93

106 107

70 71

72 73

71

72

138 139a

93

95

94

108 ,

[ 72

139b

94

96

95

109

74

78

140a

95

97

96

110 '

140b

96

98

97

111

73

75

74

141

97

99

98

112

74

76

75

142

98

100

99

118

75

77

76

143

99

101

100

114 1

76

78

77

144

100

102

101

115 J

145

101

103

102

116 1

117 j

118 1

119 i

77 |78

79 80

78 79

146 147 148 149

}

102 103 104

104 105 106

103 104 105

}) Beim Beginne ron L 90 findet sich keine Uebersohrift , aber der Text föngt mit einer neuen Zeile nnd einem rothen Anfangs- boohftaben an.

Digitized by

Google

306

■Sitzung der histor. Ckute «om 6. JuU 1887.

L.

I.

IL

ni.

L.

i:

IL

HL

150 105

107

106

187

\

151 1

188

}

132

137

133

152 153

106

108

107

189 190

133

138

134

154

191

134

139

135

155 107

109

108

192

135

140

136

156 108

110

lO»

193

136

141

137

157 109

111

HO

194

137

142

138

158 110

112

111

196

138

143

139

159 111

160 112

113 114

112 . 118

196 197

'

139

144

140

161 \ 113

162 /- 1^

/ 115 l 116

}i»

198 199

140

145

141

163 .

164 \ 114 165

jll7 \ 118

} 115

200

ur

146

142

201

142

147

148

119

202

-

143

148

144

1^? } »»

168a 116

120 121

116 117

203 204 205

}

144

145

149 150

145 146

!?} '"

122

118

206 207

146 147

151 152

147 148

i?? ) -

123

119

208 209

}

148

153

149

1*^2 ) 119 173 / ""

124

120

210

211

149 150

154 155

150 151

174 120

125

121

212

151

156

152

175 121

126

122

213

152

157

153

176 122

127

123

214

153

158

154

1?I ) -^

128

124

215 216

154 155

159 160

155 156

179 124

180 125

129 130

125 126

217 218a

}

156

161

157

181 126

131

127

218b

}

182 127

132

128

219

157

162

158

183 128

133

129

220

184 129

134

130

221

158

163

159

185 186

130 131

135 136

131 132

222 223

}

159

J64

160

Digitized by

Google

Boekinger:

Eandsehriftm tum Sehwahenspiegel.

307

L.

I.

n.

IIL

L.

L

II.

in.

224

159

164

160

252 ,

175r

225

253a

180

176

226

253b'

227 228

160

165

161

253c 254

176 177

181 182

177 178

229

255

178

183

179

230

256

179

184

180

231 \

232 1

161

166

162

257 258

180 181

185 186

181

182

233

162

167

163

259

182

187

183

234

163

168

164

260 1

235

164

169

165

261 1 183

188

184

236

165

170

166

262

237 .

238 1

239 '

263

184

189

185

166

171

167

264

185

190

186

265

186

191

187

240 .

241 [

242 '

266

187

192

188

167

172

168

267

188

193

189

268 ,

243 \

244 /

168

173

169

269 \ 189

270 '

194

190

245

169

174

170 >)

271a

190

195

191

246 247

170 171

175 176

171 172

^?.''}'»'

196

192

248 \

249 1 250

172 173

177 178

173 174

273 274 275

192

197

193

251

174

179

175

276a J

1) Zur Geschichte der Gaefumia hat eine flüchtige Hand des sechzehnten Jahrhunderts , yon welcher sich auch sonst an anderen Stellen Bemerkungen finden, an den oberen Rand yon fol. 55' Sp. 2 beigeschrieben:

Nota, non obtenta sententia a Ealfulnea judioj et ceteris asses- soribus nuda fuerunt ostensa ab eadem posteriora. ob quod inter- dictum ex post est omnibus mulieribns officium postulandi. nee in iUo casu cesante causa cessat et effectus. etc.

Digitized by

Google

308 Sitzung der histor, Glosse vom 6. JuU 1867.

L.

I.

n.

III.

L.

I.

n.

m.

276»' l 193 276c / ^^^

198

194

308 .

304 [

305 '

212

217

213

277

194

199

195

278 279 .

195

200

196

306 \

307 ]

213

218

/ 214») l 215»)

280 ) 196

201

197

308

214

219

216

281 ^

309

215

220

217

282

197

202

198

310

216

221

218

283

198

203

199

311

217

222

219

286 200

204 205

200 201

312 313

218 219

223 / 224 l 225

220 1 221

28"^ I2OI 288a / ^^^

206

202

314 3141

220 221

226 227

222 223

288b \ 202 289 / ^"^

207

203

314n 315

222 223

228 229

224 225

290

203

208

204

316

291 1

317

224

230

226

292

318

225

231

227

293

204

209

205

319

226

232

228

294

3191

•)

»)

*)

295 J 296

205

210

206

320 \

321 /

227

233

229

297

206

211

207

322

228

234

230

298

207

212

208

323a

229

235

231

299

208

213.

209

323b

230

236

232

300

209

214

210

324

231

237

233

301

210

215

211

325

232

238

234

302

211

216

212

326

233

239

235

1) Das ersiere dieser zwei Kapitel reicht bis zu den Worten L 307a S. 181 Sp. 1: der sol im, raten als auch an dem buche stet

Ohne Unterbrechung der Zeile wird dann weitergefahren. Aber an den Rand ist hiezu mit kleinerer Schrift roth als Uebersdirift beigesetzt: Von ayden.

2) Vgl. unten Kapitel 280. 8) Vgl. unten Kapitel 287. 4) Vgl. unten Kapitel 282.

Digitized by

Google

Bodtingcr: Hanäsehriftm Mum Sckwahenspiegd. 309

L.

I.

IL

in.

L.

I.

IL

in

327 234

240

236

350 \

351 /

244 ')| 245 ')\

250 >)\

251 >)j

246

3271 235

241

237

' 247

328 236

329 .

330 } 237

331 '

242

238

352 \

353 /

246

252 \ 253«)/

248

243

239

354

247

254

249

355

248

255

250

332 238

244

240

356

249

256

251

333 1

357

250

257

252

334

358

251

258

253

335

359

252

259

254

336

360

253

260

255

337

361

254

261

256

338

239

245

241

362

255

262

257

339

368a

256

263

258

340

363b

258

265

260

341

3631

257

264

259

342-

364

259

266

261

343 J

3641

260

267

262

Ilt}^«>

246

242

365 366

261 262

268 269

263 264

Itt } ^"

247

243

367 3671

263 264

270 271

265 266

348 -

367n

265

272

267

349 242

248

244

368

266

273

268

3491a

3681

267

274

269

3491b 243

249

245

369

268

275

270

1) Die Abtlieilnng dieser beiden Kapitel gegen L 850 nnd 861 ist folgende.

Enteret reicht bis za den Worten L 851 S. 150 Sp. 3: danunb das si nicht mit ein ander sünde tftnt.

Dann folgt das andere unter der Ueberschrift: Dem geoangen lewte entrinett (II: entrienen sint. III: entrinnent).

Zu bemerken ist yielleioht noch, dass sich in I nnd III beim Beginne von L 851 ein rother Anfangsbuchstabe findet.

2) Die Ueberschrift fehlt hier. Der Text beginnt aber mit einer neuen Zeile und rother Initiale-

Digitized by

Google

310 BiUwng der histor. Classe vom 6. JuLi 1867,

L. I.

II.

m.

L.

I.

II.

m

370 269

278

271

3751

276

283

278

3701 270

276

2V2

375n

277

284

279

370II 271

277

273

375IV

278

285

280

371 273

280

275

375V

279

286

281

^^2 \ 274 373 J ^^*

281

l 276

376

280 282

287 289

282 284

374

377

281

288

283

3741 272 279 274 3771 283 290 285

375 275 282 277 Herrenl. ») Herrcnl.

Anhangzum Landrechte.

111 79IID 7(a) 7(a) 7(a)

2 2 2 79III 7(b) 7(b) 7(b) 3691 3 3 3 221 7(c) 7(c) 7(c)

444 —888

5 5 5 314IV 9 9 9 79nAl 363II 10 10 10 79IIB> 6 6 6 377IV 11 11 11

79ncj

- Das Lehenrecht.

1 / 23)/ 2»)/ 2») 4b/ ^ J ^ ( ^

3333 4c 555

1) Vgl. oben Kapitel 819 I.

2) Die Herrenlehre ist hier erst nach dem sogleich folgenden Anhange zum Landrechte gesetzt, wie oben S. 301 des näheren be* merkt worden ist.

3) Die Abtheilung dieser beiden Kapitel gegenüber L 1 und 2 ist folgende.

Ersteres schliesst gegen L 1 b S. 171 Sp 2: Darnach geet dew sibende zal an. da mues dew werlt ein ende mit nemen. weder der sibenden zal noch tausent iar werden, oder mer oder minder, das wais nieman.

Digitized by

Google

BockiHger: Ecmäx^riftm mm ScKwabenspiegel 311

I. IL m. L. I. u. m.

5

6

- 6

6

14

20

20

20

6

7

7

7

15

21

21

21

8a

8»)f 9»)l 10

8»)/ 9»)\ 10

8»)

16a

22

'22

22

9») 10

16b \ 16c/

23 1

23 }

23

8b

11

11

11

17

24

24

24

9a

12

12

12

18

25

25

.25

9b

13

.13

13

19

26

26

26

lOä .

14

14

14

20

27.

27'

27

10b \ 11 /

-}

15

15

21 22

28 29

28 29

28 29 .

12a

. 16

16

16

23a

30

30

30

12b

17

17

17

23b

31

31

31

,3{

18«)/ 19»)\

18«)/ 19 «)\

18«)

24a

32

32

32

19«)

24b

33

33

33

Hierauf folgt als zweites Kapitel die nachstellende Fassang : Di des herschiltes darbent.

Na hat man ew genant alle di des herschiltes darbent.

Ynd ist das ein herre ir einem ein lehen leihet, der hat als gut recht daran als der in dem sechsten herschilt vert. vnd erbeut dew lehen an ire kinder.

Awer vmb alles lehenrecht mügen si nicht vrtail vinden di des' Herschiltes darbent wann Yor iren herren von dem si lehen haut.

Iren gezeugen den verlegt man wol vmb lehenrecht vor andern herren on vor jren herren.

1) Die Abtheilung dieser beiden Kapitel gegen L 7 S. 172 Sp. 2 ist folgende.

Ersteres reicht bis zu den Worten : der hilfst im wol mit rechte, den mag der herre nicht verwerffen

Dana -folgt das andere unter der Ueberschrift : Wie der man den herren eren sol.

2}' Die Abiheilung dieser beiden Kapitel gegen L 18 S. 175 Sp. 1 ist folgende.

Ersteres reicht unter der Ueberschrift „Sprechent zweri ain gut an dy der gewer darbent** bis zu den Worten: das müs er erzeugen zu im mit zwain des herren mannen.

Dann folgt das andere über der Ueberschrift: Gedingde.

Digitized by

Google

312

SitMtmg der httor. CUme wm 8. JuU 1867.

L.

L

n.

m.

L.

I.

n.

HL

26 26

34 35

34 35

34 36

43c 1 42d|

61

52 } 51

27

36

^

36

86

43 1

[ 11^

, 58»>

52»)

28

37

37

87

44 j

\ 64»)/ 53»)

29

88

38

38

46

64

56

64

30 31

39 40

39 40

39 40

J? } " 1

56 \ 55

32 .

33 [

34 '

41

48 49

50a J

i

41»

1

42

41»)

66

57 I 66

36 36

42 43

48 44

42 43

^}"1

58 } 57

37

44

45

44

62

68

59

58

38

46

46

46

68' 1

59 ]

60

69

39

46

47

46

64

69

60

69

40 1

47»)/

48»)/

47»)

65

-*)

48

l

49

l

48

66

59

60

69

41

49

50

49

57

60

61

60

42a \ 42b;

60

}

61

}

60

58 59

61 62

62 63

61 62

1) Beim Beginne von L 88 findet sich hier der roihe Anfuigt« boohstabe N.

3) Die Abtkeilnng dieser beiden Kapitel gegenüber L 40 S. 181 Sp. ji und 182 Sp. 1 ist folgende:

Ersteres reicbt nnter der Ueberschrift „Wem der kerre Uäbaa 9oV^ bif sa den Worten L 40c: Wem der herre gut geUken bat, dee kinden mag er nicht veneihen.

Dann folgt das andere unter der Uebenchrift: An welker etat man nicht leihen soL

3) Die Abtheilong dieser swei Kapitel gegen L 48 und 44 ist folgende:

Ersteres reidit bis sa den Worten L48b 8.184 8p. 2 mrtea: der tage sol ie ainer sein rber yiersdien nacht

Dann folgt das andere anter der Ueberschrift: Dem dreistand tag gegeben wirt.

4) YgL anten die Not^ sa Kapitel 187,

Digitized by

Google

SoeUitgir: Bmämkrlfim am SehwtAeiupiegd.

318

L.

L

n.

HL

L.

L

IL

m.

60 61a

63 64

64 65

63 64

82 \

83 /

S4}

86 1

84

61b

65

66

65

84

85

87

85

62

66

67

66

85 {

86 /

87 l

88 /

89 l

86

63

67

68

67

87

64

68

69

68

86

88

90

88

65

69

70

69

87

66 67a

70 71

71

72

70 71

88 \

89 /

89 }

.1}

89

67b

72

78

72

90

90

92

90

68a

73

74

78

91

91

93

91

68b,

74

}

75 J

74

92

92

94

92

68c 1

93

93

95

93

69 '

74

74

94a

94

96

94

70

75

76

75

94b

95

97

95

71

} }

77 78

95a

96

98

96

72a 72b

73 J

76

76«)

95b 950 96

97

99

97

74

77

79

77

97

75

78*)

80»)

78»)

98

98

100

98

76

79

81

79

99

99

101

99

77 1

78 J

80«)}

82«)

80«)

100 \

101 /

lÖO j

192 j

100

79

81

88

81

102

101

103

101

80 81

82 83

84 85

82 83

103 \ 104a 1

102 j

104 j

102

1) Beim Beginne von L 72 b findet sich ohne besondere Ueber* johrift in neoer Zeile die rothe Initiale 0.

2) Naoh dem Schlnsie von L 76 findet sich hier no<^ der Znsati:

Vnd kom der man nicht dar, vnd das in des ehi^ not latite, das müs er selbdritte erzeagen di das wars wissen, damit hat er awer behabt.

Digitized by

Google

314

SittuMg dtr hiator. Claate mm 6. JuU, 1867.

h. I.

n. in.

.L.

L

H

m.

104b 103

105 103

125

120

122

120

105 104

106 104

126

121

123

121

106 105

107 105

127

122

124

122

107 106

108 106

128a

123

125

123

108 , 107

109 108

109 107

110 108

128b 1 128c/

124 j

126 }

124

110 109

111 109

129

125

127

125

111 HO»)

112 }

113 '(111)»)

.112») 110») 'll8»)' 111»)

180 \ 131 /

126 j

126

126

132a

n5 }(ii2)«)

[ll4 } 112

132b 133

127 128

129 130

127 128

116 113

115 113

134

129

131

129

!1J } '" }

119 115

116 } 114

117 115

135

136 \

137 /

130 131 j

132 133 j

130 131

120 . 116

118 116

138 139

132

134

132

121 . 117»)

119») 117.»)

122

123 118

120 118

140 141

133*)

•135*)

133*

124 119

121 119

142

1) Die AbtheiUng dieser beiden Kapitel gegenüber L lll 113 ist folgende.

Ersteres reicht anter der Ueberschrift „Lehen an manschaft** bis zu den Worten L ll^a S. 204 Sp. 1: on in kirchen Tnd in kirchhöuen.

Dann folgt das andere anter der ueberschrift in I und TU: Lehen t&dingk lang vnd vil, in II: Lehen teiding lang ist daz.

Die in I in Klammern geschlossenen Kapitel sind dnrch Aa^ fiss des Pol. 85 nicht m^r ganz vorhanden. Kap. 111 bricht näm- lich mit den Worten L 112a S.204 Sp. 2 ab: wo dew stat oder das 4orff sey da er in. Fol. 86 sodann beginnt mit den Worten L 115 b 'S. ^Q6 Sp. 2 : schulde als im der herre gedinget ist.

2) Vgl. den Schlussabsatz der vorhergehenden Note.

8) Dieses Kapitel schliesst schon mit den Worten: vnd gibt ienem dehein losung, in II: vnd g^bt jenem losvnge.

i) Der Schlussatz von L 142 über den Thorwart fehlt hier.

Digitized by

Google

L.

I.

n.

III.

151

140

142

140

152

141

143

141

153

142«)

144»)

142«)

154

143

145

143

155

144

146

144

156

145

147

145

157

146

148

146

158

147

149

147

159

148

150

148

Bockinger: Handschriften zum Schtoabenspiegd^ 315

L. I. n. HL

\ll I 134 ( 136 ) 134

145 135 137 135

146 136 138 136

147 137 139 137^)

U9a 1 1^^ 1 1^0 ) 138 149b 139 141 139 150 140 142 140

Wir sehen hier im Ganzen von einer ausführlichen An- gabe der Abweichungen ab welche unsere drei Handschriften in der Trennung einzelner Kapitel des L-Druckes in mehrere wie umgekehrt in der Zusammenziehung von 80 und so vielen Kapiteln jenes Druckes in nur eines darbieten, oder von einer genauen Verzeichnung der in unserer Gruppe vielfach anders lautenden Ueberschrif- ten der Kapitel.

Im übrigen stellen sich bei der Betrachtung unserer vergleichenden Zusammenstellung nachfolgende mehr oder weniger wesentliche Punkte heraus.

Zu den letzteren zählen etwa Versetzungen von Kapiteln, wie im Landrechte von 1257 und 258 = II 264 und 265 = 111259 und 260 gegen L 3631 und 363 b; oder von 1 272 bis 275 = II 279 bis 282 = III 274 bis 277 gegen L 371 bis 375; oder von I 281 und 282=11288 und 289 = 111283 und 284 gegen L 376 und 377; oder noch besonders von II 276 bis 278 gegen L 370

1) Hiezu ist ein kleiner von der gleichen Hand beschriebener Zettel eingeklebt, welcher das oben fehlende Kapitel L 55 ohne Ueberschrift mit rother Initiale enthält.

2) Der erste nicht daher gehörige Satz L15Sa fehlt hier, wo- selbst der Text richtig beginnt: Der man sol dem herren nicht wider sagen, noch der herre dem man, wann si paide etc.

Digitized by

Google

316 SüMimg der histor. Clam tom 6. JM 18$7.

bis 870 II; oder im Lehenrechte Ton I und III 69 und 70 gegen L 65 und 66.

Wichtiger ist sodann, dass gegenüber der yom Freiherrn y. Lassberg seinem Drucke zu Grunde gelegten Haupthandsdirift aus allen drei Gliedern unserer Gruppe die Kapitel 48, 316, 349, 374 des Landrechtes, und die Kapitel 55, ^68c, 87, 122, l32a des Lehenrechtes fehlen, und ausser- dem noch in II das Kapitel 17 des Landrechtes.

Dagegen bietet unsere Gruppe gegenfi^ber der bemerkten Handschrift nicht blos nach einer Seite hin sondern in mehr- facher Beziehung ein Mehr.

Ein solches findet sich einmal in lU in der Ein- Schiebung des Artikels 7 zwischen L 5 und 6, wovon S. 303 in der Note 2 die Rede gewesen. Es mag hiezu das Kapitel 5 der Handschrift von Härrenchiemsee verglichen werden, welches wir im Belichte der Sitzung vom 26. Jänner S. 220 mitgetheilt haben.

Sodann finden sich in allen drei Handschriften unserer Gruppe gemeinschaftlich in dem mit Art. 314 des L-Druckes beginnenden dritten Theile des Land- rechtes noch die in der Züricher, ebner'schen, wie anda-en Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels vorkom- menden Kapitel des L-Druckes 3141, 314 U, 3191, 3271, 3491b, 3631, 3641, 3671, 367 H, 3681, 3701, 370 II, 8741, 3751, 375 H^ 375 IV, 375 V, 377 L

Dieses letzte Kapitel „Von huren kinden'' weist auch in seiner Fassung gegenüber dem L-Drucke die bedeutend weitere Gestalt der Handsdirift Basel-Fäsch ^) auf, wie hier folgt:

Hat ein ledig man pey einem ledigen weibe ein kind, oder mer dann eines, vnd nimbt er darnach ein eweib vnd gewinnet pey der ekind, was er dem vnelich gibt pqr dem

1) In der Ausgabe Wackemagel's Kapitel S34 a 296 und 297.

Digitized by

Google

Bockinger: Sandschriften zum Schwabenspiegel. 317

gesunden leibe , das mugendt dew ekind nymmer wider siurechen mit rechte, noch eninögen in es mit recht nymer genemen. an seinem todpette gibt er in wol varend güt.on erbe gut

Hat awer er das yneUch kinde pey einen^ eweibe, oder ^as er selb ein eman ze den zeiten do si des kindes pey im swanger ward, dew kind haissent hürkind, ynd habent kain recht, wenn welherlay gut der vater den kinden gibt, das chan noch eomag er in mit nichtew gesteten, im nemeut es seinew ekind mit allem rechten wol.

Hat awer er das vnelich kind pey einer seiner niftelen dew im an der vierden sippe sein mag ist oder näher, wann so ie näher so ie sUnder ynd auch schäntlicher, oder hat er es pey ainer dew im swagerlichen sippe ist, das ist also gesprochen: wolich weib einen man hat zu der ee oder ze vne, was dew niftel hat vntz an dew vierden sippe zal, vnd ligt ein man bey der ainer dew seiner vnelichen frewn- din oder seiner elidien hausfrawen niftel ist von der vierden sippe oder näher, der ist ein sippe precher, gar ein grosse sünde. vnd was ein man also pey den selben fraweu kinde hat di im fleischliche sippe oder swägerlich sippe sind, dew kind habent dasselbe recht als dew hür kind, weder minnder noch mer.

Hat awer er si pey einer geuatern oder pey seiner toten di er aus der tauffe erhaben hat oder dew in aus der tauffe erhaben hat, dew kind habent alle geleiches recht sam dew hurkind.

Vnd hat ein man ein kind pey einer nunnen dew orden in einem kloster empfangen hat, vnd kompt si holt wider aas dem orden, vnd ist si ausserhalb des Ordens lang oder kürtz, darumb hat dehain man dester pesser recht an ir. wann wer pey ir niwann ze einem male ligt süntlichen mit seiner wissen, der ist sozehannt in dem aller höchsten panne den got enhimel vnd enerde hat. ob man in halt [1867.112.] 21

Digitized by

Google

318 Sitmng der Mstar. Glosse vom 6. JuH 1867.

nymmer ze panne tut, noch ob man in nimmer in keinen pann gekündet, so ist er doch in den höchsten pann körnen niwan [ymb] di ainig sünde den got in himel ynd in erde hat. ynd was auch ein man pey den selben nünnen kinde hat| dew habendt auch dew recht als dew hären kind, ynd si haissen halt yon allem recht hürkind.

Weiter schliesst sich dann dem Landrechte noch der ans den mehr berührten 11 Kapiteln bestehende Anhang zu demselben iCnter der Ueberschrift „Das sind auch landtrecht^' an.

Wir haben uns zur Zeit nicht yorgesetzt, des näheren aber ihn zu handeki. Immerhin aber durfte abgesehen yon an- derem die Bemerkung nicht überflüssig erscheinen, dass seine Kapitel 6 und? zu denKapitehi88a und 88b des Deutschen- spiegels = Kapitel 89 und 90 der jetzt so bedeutsam ge- wordenen freiburger Handschrift, wie nicht minder za den Kapiteln 71a theilweise und 71b bis f des Deutschenspi^eb = den ihnen entsprechenden Kapiteb der freiburger Hand- schrift, wozu noch Ficker über einen Spiegel deutscher Leute S. 25 (137) und 134 (250) yerglichen werden mag, stimmen. Auch ist sodann beachtenswerth, dass die übrigen -— mit einer kleinen Ausnahme bei 10 sich in einer bisher nicht genaaer berücksichtigten Gruppe der systematisch geordneten Hand- schriften des sogenannten Schwabenspiegels in die betrefifen- den Abtheilungen aufgenommen finden. Insoferne nun die genauere Kenntniss seiner Beschaffenheit im Ganzen für den Behuf der Beuriheilung anderweitiger Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels nicht ohne Bedeutung ist, glauben wir selben in seinem Zusammenhange nach der Fassung yon I mittheilen zu sollen, welcher wir die ent- sprechenden Abweichungen yon H und HI je unter B ond C in den Noten beifügen.

Digitized by

Google

Böekinger: Handgchriften iwH SchoabeMpiegd. 319

1. Ob ein') herre ein kirchen leihet.

Vnd ist das ain werltlich herre den gewalt hat das er ein kirchen leihen sot oder zwo oder mer, vnd pitet in ein p&ffe oder ein schüler das er im ain kirche leihe, vnd der herre leihet im di kirchen, vnd kompt dann ein ander pfaffe oder schüler an den selben herren vnd pitet in auch das er im di kirchen leihe di er da ienem hat gelihen, das tut der here wol mit rechte, ob im dirre lieber ist dann iener, oder ob in des tänkchet das dew kirche an disem pas be- statet sey dann an ienem, so leihet er si disem wol mit recht.

Hat awer im der bischof den alter gelihen dem der herre di kirchen des ersten lech, so mag er si niman mer geleihen di weile der lebt, dem mag si weder leye herre genemen noch der bischof.

Alle di weile ein pfaffe oder ein schüler den alter von dem bischone nicht empfangen hat, wie wol im der werltlich herre di kirchen gelihen hat^ vnd leihet si der herre einem anderen, vnd wirt auch dem der alter von dem bischofe gelihen e ienem, er hat si mit rechte.

Ist awer ein dingk das der werltlich herre dem erern pffafen ') oder schüler seinen brief mit insigelen gibt an den bischof das er im den alter leihe , vnd gereuet den herren das, vnd sendet« dem bischof einen andern brief das er disen man auf hallte an der geistlichen gäbe, er hab sich eines wägem bedacht, das hat dehain kraft, wann wem der herre seinen brief mit insigel an den bischof gibt, dem müs der bischof den altar leihen, vnd wäre halt der bischof dem selben veint, er müs im in doch leihen mit rechte.

Vnd hat auch der herre ^) di kirchen in seiner gewalt

2) B: der.

8) B: dem ersten pfatrer.

4) B: der ielbe herre.

21«

Digitized by

Google

320 Sttetmg der Mstor. Oamvam 6. JmU 1S67.

ynaerlichen^) sedis möned od^ lenger, so hat er den ge- walt verloren der lehenonge, vnd sol si der bischof leihen wem er wil, baiden Idrchen vnd altar.

Wirt awer si darnach ledig, so leihet der herre si awer wol. er yerleuset niwan®) das aine lehen daran.

Dise sache ist werltlichen herren gut zewissen. man müs awer vor geistlichem gerichte darumb rechten. Tnd gehört auch gaistlich vnd werltlich herren an.

2. Wie man kloster gut kauffen^ soL

Vnd ist das ain abbt oder ein brobst oder ein abb- tSssin oder ein priorin ®) oder wie er so •) gehaissen ist der hauptman oder ein maister oder ein pfleger da ze einem kloster ist, Ynd wil der selb dem kloster ein gut an werden das vrbor^®) haisset vnd nicht varend gut ist, das mag er mit recht nymmer on werden dem kloster wie gewaltig ct ist, er bewer dann des ersten drew dingk Yor der samnonge des klosters. vnd ist dew samnunge nicht gar d% also das man ir nicht gar zu samen pringen mag, so sol zum aller minsten doch der samnunge das merer tail da sein: vor denn sol er bewaren ee das er das gut on werde.

Des ersten sol er bewären, das man das gilt von dem kloster gelten süU da durch man das gut on werden müsse.

Zum andernn mal sol er bewaren^ das er nindert wisse dehain varend gut das des klosters sey damit er di gülten^*) vergelten müge.

Zum dritten mal sol er bewam, das er nindert vnsse

5) B und G: vnverlihen.

6) B: nicht wann.

7) 6: yerkanfien.

8) 6: ein brior.

9) C: wie so er.

10) B: erber.

11} B: galt. G: gölte.

Digitizefl by

Google

Bockingeri Hai%d$chtiften aum SehwabenspUgd. 321

dehain ander gät das des klosters sey das mau dem kloster als Yuschedlich an werde als das selb gut.

So wird er das gut an mit rechte.

Vnd der das gut da kauffen wil, der sol pey dem ersten fragen^') das es der merer tail der samnungc höre, ob des kloster hauptman dise drej. sache bewärt hab. ynd sind si nicht bewärt, so sol er es nicht kauffen. sind si awer bewärt, so kauffet er das gut mit recht, vnd nem darüber hantneste der samnunge vnd auch des pflegers. so kauffet er das gut mit rechte an kriegt').

3. Ob ein hantneste valsch sey^^), wie man das kiesen**) sol**).

Man yelschet ein hantneste mit manigen dingen der di trieger vnd die velscher vil künnen. vnd darum b süllen wir di getrewen vnd di geweren leren wi si die valschen hant- ueste kiesen vnd schauen sülleu, das man si dest.erbas er- kenne, das di rechten lewte damit nicht geäffet noch") be- trogen werdent.

Ein hantneste wirt entwicht von dem gedichte enmani- gen ende*®), das kan ein wolgelert man wol erkennen, vnd ettwenne von der geschichte. nennet man yns an einer stat des ersten, vnd sprich ich das es dew saronung gelobt*') hab, vnd si des nicht getan bat, so ist dew hantuest valsch.

12) A: sagen.

13) 6: an allen kriock. U) B: ist

15) B: bessern.

16) Aus dem cod. germ. 558 ist dieses Kapitel abgedruckt in der Ausgabe L 3691 S. 157 Sp.2 und S. 158, in der Aasgabe W 419 S. 340—342.

17) B: lewte loht da mit ge efft vnd. G: vnd.

18) B: an mangen enden.

19) B: sammenonge gar gelobet C: samnunge gar gelobt

Digitized by

Google

322 Siknmg der histar. Classe «om 6. JM 1867.

Das ander ist, wann man oben ynd niden das insigel auf clozzet'^), vnd man ein ander seiden darein tat» ynd das enmiten nicht enist.

Das dritte ist, das man an ettlicher hantueste di seiden oben Yon ein ander sneidet, ynd sleusset si durch ein ander hantueste dew nach seinem willen geschriben ist, und man zaizet«^ di seiden dann klaine ausz ein ander vnd trädt") si dann ze samen ynd machet si wider gantz. das mos awer ron gefügen frawen bannden geschehen.

Das yirde ist awer meistic an den newen jnsigelen, das man etwenne mit hitze di seiden gar aus zeuhet, ynd tot newe dar ein durch ein ander hantueste di er auch nach seinem nuze geschriben hat.

Das fünfte ist da'') man ein hantueste mit yelschet, wenn man si geschahen sieht an der stat da man das da '^) schreibet da si yber gegeben ist. jst aber si geschahen anderswo dann an der ' stat da man das da triffet vnd nennet da si yber geben ist**), als ettwo da di maister ir kunst legent, wie nutz ynd wie gut es sey das si gegeben ist: ist si da geschahen, das wirret nicht.

Das sechste ist, das man ettwenne machet yon weine ynd yon wasser das dew schrift gar ab geet, ynd gibt es einem büchueller '^) der es mit seiner kunst gar ab tut, ynd scribet dann wider daran nach seinem willen ynd nach seinem nutze, das sol man gen der sunnen haben, so mag

20) B: cloesset.

21) B: czeyset C: zeyiet.

22) B: drei C: dr&t. 28) B: ist das da.

24) B: stat do man do.

25) In B ist dieser Sati dorch ofKuoriXtvioy bis hieher aus- gefallen.

2e)B: back yeller.

Digitized by

Google

Sockinget: Handschriften zum Schwäbensj^egel. 323

Biao 68 wol erkennen, so eicht man der allten schrifft immer *^) etwe uil in dem pirmit in*^) der newen.

Das sibend ist, das man ettwenn auch ein klaines per- mit donne'^) auf di schrift leimet mit einer hausen pla- teren*®), vnd sneidet es dann geleiche als es nywan**) ein permett sey, ynd schreibet dann auf das chlaine permeit was im geuellet.

Das achtende ist, so das merrer tail der hantueste ge- zeugen wider di hantueste sind, so ist si awer yalsche.

Das neunte ist, so man an der hantuest leuget also: das ich mich ze ainem ekind erbewte, ynd ich des nicht enpin; oder das ich sprich ich sey armm, vnd das ich ain kirchen han dauon ich mich wol betrage; oder ob ich sprich ich sey frey, vnd ich aigen pin, oder ein zinser an Üü gotzhaus; oder an manigen dingen wann man gicht des nicht war ist ; vnd wenne idh der rechten forme nicht enhan di der stül ze Rome gibt yber solich^') sache der man nicht yerkeret.

Das zehende ist, das man an neuen hantuesten bewäm mfis das es des herren Schreiber geschriben hab des insigel daran ist, ob leicht einer ein insigel stäle ynd brächte es zU ainem Schreiber der im schrib das in gilt deucht, oder ob er des herren insigel sunst funde da sein ainer yergasse ein kamerer oder ein Schreiber, oder im ^st empfiele'^), als ofift geschieht.

Das aihdleffte ist, ob man ein ander insigel grebt nach

27) A: inner.

28) B: perment bey. C: permit jn.

29) B: perment dynnz.

80) B: blatem. C: platem.

81) B: nicht wann.

82) B: syemlich. 88) B: enphile.

Digitized by

Google

324 SiUmg der histar. Chese vom &. Jtäi 1867.

disem. das ist awer leichte ee erkennen der sein wol nimpt vnd es zu dem rechten jnsigel Imbt.

Das zwölfte ist^ wa man ein hantueste schreibt vnd num ze letzt üidit vDsers herren jar daran schreibet wie manig iar yon vnsers heren Jesu Gristi gepurd sey vntz an den tag das dew hantueste gcschriben ward.

Das dreyzehende das ist, das man ettwas noacht das linde ist als ein wachs, vnd truket das auf das wachsen'^) insigel^ vnd machet das dann herte vnd das es sich doch nicht erheuet ^^). das ist gar mülich ze erkennen, vnd sülIen wir es njman leren machen.

4. Der in dem panne ist.

Vnd ist das ein man in dem panne ist, ob der mit seinen aigen lewten icht rett'^) oder schaffet, di sind dar- umb nicht in dem panne, ob das in ir herzen ist das si sein gern vber waren '^) das si mit im nicht ze schaffen hieten die weil er in dem panne ist.

Der im awer also gedenket, we ich wil nur*^) dester mer mit im reden vnd schaffen das ich im dester lieber sey, der kompt in den selben panne da der herre innen ist. wann man sol got den himelischen herren harter furchten dann den irdischen herren.

Sein weib vnd seine kind mügen des nicht wol enbern: si müssen mit im reden.

6. Von der gemeine*'). Wer ein gemaine an spricht, das ein man sidi der ge*

34) B: wechseln. G: wähsin.' 86) B: erhebet. 86) A und C: reit. 37) B: vberich wem.

88) B: wil nicht wann.

89) C: gemein ist daz.

Digitized by

Google

Boekinger: HanäBcMften zum Schwabenspiegel. 325

maine mder windet, eintweder ze wismade*®), oder äker daraus machet, oder welherlaye er darauf pauet vnd es m sein nutz zeuhet, ynd sol dooh ein redite gemaine seil), ynd spricht jn ein einig man darumb an das er - es ze ynrecht I\ab, dem sol er ze recht darumb nicht antwiirten, er seze im dann gut porgen, ob er im enbreste**), das im ymb clas gut nymermer kain man angespreche, wann es ein ge- maine ist. enprest^^) er dann heut einem, so spiäche alle tag ein itnewer**) an, wann des landes herre, der sprichet in wol mit rechte an.

Was gemaine ist, das süllon auch di lewte gemaine**) ansprechen di es an get**).

6. Wie di kempfen") auf den ringk süllen komen**).

[a]

Wer einen seine genos kampflichen wil an sprechen» der sol den richter pitten, das er sich vnder winde eines fridbrechen mannes. das sol mit vrtail geschehen.

Vnd ob er sich sein vnderwunden hat,, so sol in der richter vragcn im welher weise er den frid an im geprochen habe, da mag der klager gespräches vmb begern*^), oder er mag dem richter ze hant wol antwurten. er sol sagen

40) B: entweder wyszmat.

41) B: enbreohe.

42) B: ein newer.

43) B: dy gemein lewte.

44) A: geendt

45) B: kemppffer.

4^ Dieses Ki4)itel entspricht den Kapiteln 88 a, 88 b, iheil^eise 71, 71b, 71 0 des Deutschenspiegels und den hiezu stimmenden Ea* piteln der freiborger Handschrift^ deren Text die Ausgabe W Ka- pitel 350, 851, 346 bietet, wozu noch der QrossfoHodmok (in Sinken- berg^s Ausgabe Kapitel 167 § 8 15) verglichen werden mag.

47) B : vmb fenu

Digitized by

Google

826 SiUmg der hislor. CUme wm 6. JuU 1867.

in welher weise, ob er in beraabet hab auf der Strasse mit raube oder mit wanden, oder wo es jm geschehen ist, oder in welher weise er den frid an im geprochenn hab. in der selben weise sol er auf in klagen.

Schuldiget er in, er hab in gewunndet, vnd ist die wunde hail, er sol beweisen di masen. dew weisunnge hat doch^^) nicht Ipafit. er müs di wunden erzeugen selb- dritte, ob iener seinen aid bewtet. hat er nicht gezeugen, so sol er im di baut ab ziehen, Ynd sol also sprechen: herr, berr richter, mit ewerem vrlaub so wer ich im d^i aid, vnd zeuhe im di haut von (fbm aide, vnd wil das he- berten mit meinem leibe auf seinen leib das ich recht hab. so sol der richter yon in baiden porgschaft nemen.

Den kämpf sol nian in gepieten ze laisten yber sechs Wochen.

Sprichet man einen man kämpflichen an nach mitem tage, er gewaigert sein wol.

Sprichet ein man den andern an kämpflichen der wirs geporen ist, der waigert sein wol.

Sprichet ein hochgeborn man einen kampflichen an der nyder geborn ist, der**) mag im nicht gewaigern.

Vnd sprichet einer den andern an ze kämpfe, ynd sind si also nahen mage, so mag ir ietweder mit dem andern kempfen^^), ob di mage gereiten^^),mügen das si zu der fünften sippe ein^') ander sippe sint. des müs ir vater mage sibene vnd ir müter mage^') zu den heiligen sweren. ettwenne was es zu der sibendß sippe. nu habent di bäbst

48) In B fehlt doch.

49) In A und C ist Ton „waigert*' angingen bis hieher aus- ge&llen.

50) B: gekemppfen.

51) B: mage ein ander gereiten.

52) B: sipp ozu ehu

58) B: ir vater mage vnd ir muter mage silmu

Digitized by

Google

SoMnger: Handa^iriften mm Schwabm^piegd. 827

weib erlaubet ze nemen an der fünften sippe, ynd darumb hant auch die kunig gesezet das ain ieglich man mit dem andern wol kempfen sül der im sippe sey vber di fünften sippe.

Der riohter sol Idhen dem den* man schuldiget auf den man dar^^) klaget einen schilt vnd ein swert.

So man da hin kompt da der kämpf da ist, so sol der richter geben zwen poten zu in baiden^^) di das selben das man si nach rediter gewonhait an gelege vnd in gärbe'*).

Leder vnd leinein dingk süUen si an legen als Vil als si wellent, haubt ynd fusz^^) sulienn in blos sein, ynd an den hennden sullen si dünne hantschüch ^^) haben lidrein, ynd in der' hant blos, ynd einen schilt da nicht dann holtz an sey. ettwo ist gewonhait das si an schilte yehten mit pngkeleren di eisnein sind, si^^) süllen roke an tragen on ermel.

Auch sol man lewten*^) frid gepieten pey dem halsse, ynd das si nyman irre an*^) ir kämpfe.

Ir ietwederm sol der richter einen man geben der ein Stange trage, di sol der yber den haben der da geuellet. ynd gibt er, so ist er yber wunden*^), mag er auf, man sol in auf lan. weder*') der stange mutet, dem sol man si ynderstossen. das sol der richter erlauben.

Einen ringk sol man in machen, der sol sein zwainczig fiisse oder fünf ynd zwainzig weit, weder*') daraus fleuht, der ist siglos.

64) A und C: da.

65) B: richter czwen boten czu yn beydeu senden.

66) B: geyerbe. C: gaerwe.

67) C: fuzze.

68) B: qr bloz hantschne.

69) B: ynd.

60) B: man den lewten.

61) A: dann.

62) A: ist erwnnden.

63) B: welcher.

Digitized by

Google

328 Sitzung der histor. Glosse wm B. Juli 1867.

Di awert di si tragendt suUen ön ortband ^^) sein.

Vor dem richter süllen si baide engegeawert*^) sein^ ynd sol der ain sweren das es war sey das er auf in hat geklagt ^^), so sol der ^der des sweren das er msohuldig sey, vnd das in got also helfe zu irem kjttnpfe.

Di sunnen sol man in mit ^^) tailen^ geleidie so man si des ersten an einander ze samen lät^^).

Wirt der vber wunden auf den man da klagt, man sol vber in richten, wirt auch der siglos der auf in da klagt, man richtet auch vber in.

Vnd wer den andern an sprichet vmb den todslag, weder ^^) da siglos wirt, dem geet es an das haupt. Yüd ist es vmb ein läme, es geet im an die hant.

Vmb ander wunden di nicht ze uerch geend vnd auch nicht ze läme gendt, da sol niman vmb vehten: man sol nicht vmb klain wunden kempfen.

Jst das ein man di notwer bereden wil, der sol also bereden mit seinem aide, das er da getan habe das hab er getan in rechter notwer seines leibes. vnd hat der tod man niman der im den aide mit kämpfe were, so sol der richter den man behalten sechs wochen vnd einen tag der di notwer da hat berait. kompt in der weil nimant der in an spreche, er sol ein ledig man sein vor den di ienner landes sind, di ausser lanndes sind, den müs er antwurten vber zehen iar. da sol er dem richter porgen vmb setz^i vntz an das selb zil. vnd stirbet der richter, oder kumpt sust ein ander richter an sein stat, dem ist er der borg- schaft auch schuldig als ienem vntz auf das selb zO. vnd

64) B: an ortbant.

65) B; in gewer. C: in gegenwüri.

66) C: in da hat.

67) B: mite.

68) B: ein ander let.

69) B: welcher.

Digitized by

Google

Sodsinger: Handiehriften zum SchwahmBpiegti. 32d

iÜ6 dew zeben iar für kömment, so ist er ein ledig mau vor allen lewten.

^ia yeglich man waigert wol das er nicht kempfet mit seinem vndea^enossen. ein ieglich man müs Icempfen mit seinem gaios.

[b]

Es ist manig man rechtlos, ?nd mag doch ein weib^*^) genemen, vnd ekind pey ir gewinnen, si miizzen awer ires yater recht haben, si sein dann eines herren aigen oder eines gotzhauszes.

Dew kiud di nicht eh'ch geporen sind di erbent nicht ir Tater noch^^) ir müter gutes noch dehain irs mages gutes.

7. Auch von kempfen^*).

. [a] Ein freyew frawe mag gewinnen fiinfhande kinde der ie sdns des anderen genos nicht enist, eins das ir geiios ist. also ob ir man ir genos ist. si mage gewinnen einen mitereu freyen, ob ir man mitterfrey ist. si mag gewinnen ein lantsässen freyen, ob si einen lantsässen freien zu ir legt, si mag gewinnen einen dienstman, ob si einen diensteman nimpt^'). emen aigen man dasselb.

[b] Welich semper freye ^*) einen seinen genos ze kämpfe

70) B; ein eweyp.

71) B: vnd.

72) Dieses Kapitel entspricht den Artikeln 71 d, 71 e, 71 f des Deutsch enspieg^els und den hiezu stimmenden Kapiteln der frei- bnrger HandschrüFt, deren Text die Ausgabe W Kajpitel 847, 348, 849 bietet

78) B: dinstman czu ir leget 74) B: freyer herre.

Digitized by

Google

330 aWfwng der histor. CUms tarn 6. JüU 1667.

an sprichet, der mos wissen wer sein vier anen sind ge- wesen, er müs si audi nennen, ob ienner wil den er an- gesprochen hat« vnd nennet er ir^^) im nidit, er ge^pdgert im mit recht wol das er mit im nicht kempfet

Wer den ander kempflichen an sprichet, vnd enget er im mit rechte, er müs im das ze recht büssen das er in angesprochen hat, vnd müs auch dem richter püssen.

Ditz entsprich ich nicht vmb denn todslag. wann da gehört nicht wann leib wider ^^) leib.

[c] ,

An elich dingk mag nieman sein- aigen verkaoffen das es krafft hab. es antwurt auch dehain man nieman vmb sein aigen ob man in beklagt e in vogtes dinge, ob er es in der gewer hat. ettwa haisset es paudingk.

Gibt ein man sein aigen hin wider seiner erben willen vnd ön vogtes dingk, si süllen es vor dem richter in seiner gewalt han versprochen^^), vnd der lichter sol es den erben antwurten. etwa ertailt man, es süll der richter in seiner gewalt han. das stet an des lanndes gewonhait

8. Der einen man pey seiner konen^®) vindet'*).

Diso vrtail gehört geistlich gerichte vnd werltliches ge- richte an®®).

Vnd ist das ein man den andern ®0 bey seiner konen^*)

75) In B fehlt ir. «

76) B: an.

77) B: in seiner versprochen haben.

78) G: koenen.

79) B fügt nocli bei: sag das.

80) B : gericht halt an.

81) B: man einen andern man»

82) B: ekonen vindet vnd.

Digitized by

Google

Bockinger: Hanäeehriften zum Schwäbm^egA 831

bereiftet in der weise das in sein gut gewissen nicht eriät er müsse im des gedengken das si ir ee mit im geprochen habt ^i^d pringet in sein zoren daran das er si baidew ze tode siecht, er sol si weder got noch der werlte nicht pfüssen. er mag gen got von im selber wol in einer passe erscheinen, das ist nicht verloren, wann das tut ainer der nie mensch ertotte. jn sol awer nieman darzu twingen als vmb ander schnlde. noch^') dehain werltlicher richter mag im mit recht nimmermer^^) pfenning dammb nemen^^). weder mannes frewnd noch weibes freunde mügen in darumb nymmer an gesprochen vor kainem gerichte.

Mag man awer vier dinge eins auf in bewaren ^*), so müs er si got vnd der werlt püssen als ander tod slag.

Der ist eins, mag man bewären auf in das er sein ee auch ze prochen '^ hat seid 'er di selben fraun zu der ee nam die er da entJeibett hat, so müs er den leib verlorn han, vnd richtet vber in als vmb ander ^^) todslag. hat awer er sein ee ^^) haimlich zeprochen als hieuor gesprochen ist, das man jn sein nicht vberzeugen mag, so mus er si dodi dem almächtigen got püssen zu allem ^ rechten, wann er ist an irem tode schuldig.

Das ftnder ist, ob si in des geindert hat mit warten oder mit gepärden das si geren hette gesehen das er pey ir gelegen wäre, vnd er das wol weist vnd sein wol innen wirt das si es es geren sähe, vnd er sein nicht tun wil. vindet er si damadi pey einem manneV er sol ir an dem

83) In ß fehlt noch.

84) In C fehlt mer; in A scheint es dorchstrichen.

85) B: mag ym auch nymmef mit rechte pfening d»x vmb genemen.

86) B: bewem.

87) B: auch gebrochen. C: auch ^erprochen.

88) B: vmb einen andern.

89) B: er sy.

Digitized by

Google

832 SiUmg der histor, Ohme wm 6. JuU 1867. -

leib nicht tun. nimpt er ir den leib darüber; er aol ai got vnd der werlte püsseD» er ist vor got schuldig, awar vor den lewten nicht, wann es ways nieman wann er ynd got

Das drite ist, ob ein man aus dem lande varen w3 vnd dew frawe sprichet: vil lieber wirt, wenne körnest da her wider baim? oder ob er ir vngefragt ein zil gibt, so das er sprichet: ich kumm yber sechs wochen, oder vber achtag ^®), oder vber zwelif, odar welichs zil er ir benennet langk oder kurtz, das er ir gehaisset er komm bor wider haim jnuen des selben zils, vnd ist -er einigen ^^) ganczen tag vber dasselbö zil das er ir gehies do er ans für, vnd kompt er darnach vnd vindet einen man bey ir, er sei ir niclites nicht tun an d^m leibe, vnd ist das er ir den tod tut darüber,' vnd hant ir freunde des gezeogen siben man das er ir das zil gab ze komen, sy gewinnent im den leib an. möchte awer er das selb sibende erzeugen das si vor dem zil ir e geproehen hette di weil er vnder wegen was, er ist ein ledig man. hat awer si ir ee behalten vntz nach ^em zil als hieuor gesprochen ist, vnd tut er ir den tod, er ist got schuldig au irem tode.

Das vierde ist. ob ein herre mit g6walte zu einer fraun sprichet oder ir es empeutet das si in zu ir le^ oder er verderbe si vnd iren wirt an leib vnd an gut, ob er vber si gewaltig ist, vnd sagt das di fraue dem^') wirte ee das ir der herre pey*') gelige, vnd vindet er si darnach bey dem selben herren, er sol ir awer nicht tun, oder er wiri schuldig au ir vor got. oder ob ein man so bösse an seinem mute ist das sein e kon gut darumbe nymmet mit

90) B: echte. C: äcbte. 91} B: einexL

92) B: irm.

93) B: e das der herre bey ir.

Digitized by

Google

Bookmger: HandBt^riftm gum Sehwabenspiegel. ^33

semem willen, dew sol gftr pilUchen sich^ sein vor allem Tbel, vnd hallt der man darzü der ir das gut da gibt.

Vnd ist der man dirre vier ^inge ynschnldig, so pfisset er nieman^^) ze recht.

Geschlecht es auch ettwenn yber einer**) fraun willen das si ein man notzogt, der sol ir wirt auch an irem leibe nicht tun. der man wäre im kehen tode schuldig wo er in begreiff^ möchte.

9. Ob zwen man vmb ein sache klagent.

Vnd ist das ein man yor geridbte gelobt ein gewiszhait ymb ein sache, ynd komt ein ander ynd klagt dem richter auch vber den selben man ymb di selben sache da er di gewiszhait ymb gelobt hat, er sol im nicht antworten e das er ienem empristet*^ der in da d)38 ersten ansprach, oder wirt er schuldig, er pfisset awer niewan*^) dem einem der in hey dem ersten an sprach.

Vnd enbristet**) der*®) im, ynd ist dew sache dann ienes der in da anderstand angesprochen hat, er sol im antwnrten.

Vnd ist dew schulde halbe sein, er sol sich an ienen haben der da behabt hat

10. Wie man pfenning slahen soL

Ditze ist yon yalschen münzzen. es stet noch mer an disem puche yon yalschen münssen.

Ditz püch**) hat der heilige ynd der sälige kaiser Karlt geseczet yber die di yalsch pfenning slahent.

94) B: nicht.

95) B: der.

96) B: enbrichet

97) C: er.

98) B: nicht wann.

99) B: recht

[1867. II.2.] 22

Digitized by

Google

334 SÜBimg der Mstor. Ckme wm 6. JüU 1867.

Welicher monsser valsch pfeniUBg sledit, dem sol man di bant abslahen.

Wir haissen das valsch pfenning di in dem redit nicbt stendt als si gesezet sind, si sullen also weis sein das von der markch nicht eo^e wann ein setin. die pfenning süllen pftindig sein, na machent si di h^ren ettwo ringer. wie si di berren haissen machen ringer oder swärer, also sollen si di monzer machen, vnd dehain herre hat des nicht ge* walt ze rechte, das er die pfennig an der weise icht anders machen süU wann das ein setin von der marchk gee so man si ze silber prennet. vnd sind di pfenning icht^^*) anders, so sind si valsch.

Weliche herren si haissen anders slahen wann als hie geschriben stet, so hat er des ricfaes bald verlorn.

Vnd ist er ein p£affen forste, so sol es der römisdi könig dem pabst haissen klagen, der sol im sein recht ton. na was ist sein recht? da sol in der pabst degradiren. das ist also gesprochen: er sol im all sein pfafiBidi ere nemmen. vnd sol darnach der römisch künig vber in richtoi als vber einen välscher. dem gerichte ist also: er sol im das haabt absiahen.

Vnd ist er ein laie der di münsse also geaelsch^ hafc, dem sol man auch das haabt abslahen.

Man sol di herre dirre sache vberzengen nicht anders wann^®^) mit den Pfenningen, der Pfenninge so sol man ein mark nemen, vnd sol di^®^) sezen in einen tegel in ein glfit. vnd süUen im das tun vor seinen angen das er es gelaaben müsse vnd sein nicht gelangen möge, vnd sei man di pfenning prennen. vnd hant si ir recht nicht» das mer dann ein setin von der markt get, so sind si schuldig.

Vnd welich münsser si siecht, dem sol man die hant

100) B: ichtes icht. G: ichte iht.

101) B: nicht wann.

102) B: sy.

Digitized by

Google

Soßkinger: H<imd$ehrifUH tum Sehwäbenspiegd, 335

absiahen, oder welicher Wechsler oder hausgenos si mit wissen hin wechselt, der hat awer die hant verloren.

Vnd wer auch einen gäben pfenning ?erwirffet der sein rächt hat vnd als gut ist als ich iezo gesprochen han, der ist dem gerichte^^') schuldig vierzig Schillinge ^^^). diselben Pfenning sällen dem richter halb werden, vnd ienem halbe des dew münsze da ist. das ist recht, wann wer einen guten Pfenning velschet und verwürffet, der hat den mänser gefelschet. seit nu der münsser so hohe püssen müs ob er einen valschen pfenning sledit, so wil auch er das man im püsse der in einen velscher haisset vnd er des vnschuldig ist. ye doch geschiecht es einem ainualtigen menschen das ^^^) nicht pessers wais noch ksm, da hört genade vber.

Welich gemälde ein herre an sein Pfenninge sezet, vnd sezet ein ander herre dasselb gemeide an sein pfenninge, di Pfenninge sind valsch, vnd ist der herre ein väkcher. vnd sol man vber in richten als vber ein välscher.

Vnd ist das iener nicht pfenninge hat der den pfenning da verwürflfet, so sol man vber in richten ze haut vnd ze har bey dem höchsten, das sind vierzig siege sol man im Blähen*®*) oder an einen vierzig.

11. Ob zway dorffer kriegent.

Ob zwai dorffer kriegent vmb ein marche, das nächst dorf das da bey ligt das sol sy beschayden mit getzeugen. das sällen sein di eltisten vnd di besten, weders dorf der getzeugen mer hat, das behabt sein marche.

Mag man der nicht gehaben di also alt sind das si darmnb nicht enwissen, so sol man diso marche beschaiden als das lantrecht puch sagt.

103) B: richter.

104) 6: eschillinge.

105) B: einveltigen man der.

106) B Bchliesflt schon hier das Kapitel.

r— 22*

Digitized by

Google

336 8ümng der hktar. (Hobh vm 6. JtOi 1867.

Herr Riehl hielt einen Vortrag: „Ueber Sebastian Bach und dessen Stellang zu den theologischen Parteien seiner Zeit^^

Herr Elnckhohn trag vor: „Die Wittenberger Theologen nach Melanch- thon's Tode".

Herr G. Hofmann: Berichtigender Nachtrag za S. 171 dieses Bandes der Sitzangsberichte.

Darch die Güte des Hm. Bibliotheksekretars Anmer bin ich jetzt in den Stand gesetzt, befriedigenden Anfsdiloss über den Verfasser des arabischen Zaaberbachs za geben. Er theilte mir aaf mein Ersuchen Folgendes mit: „Der arabische Verfasser des besprochenen Zaaberbaohes dürfte wohl der von Hadji Kh. an vielen Stellen erwähnte, von Wüstenfdd in seiner Geschichte der arabischen Aerzte p. 60 and 120 besprochene bekannte Arzt Abu Dschafar Ahmed b. Ibrahim Ibn-al-Dschezzar (Dschezzär hat nämlich dieselbe Bedeutang wie Qa^gäb) sein. Im Verzeichnisse seiner Schriften a. a. 0. ist auch ein „Liber experimentorom*^ and weitors „Experimenta medica^' angeführt"

Digitized by

Google

OeffMlU^ SUMUt^ vom S6. JmU 1867. S87

Oeffentliche Sitzung der k. Akademie der Wissen«

Schäften

zur Vorfeier des Allerhöchsten Qeburts- und

Namensfestes Sr. Majestät des Königs Ludwig U.

am 25. Juli 1867.

Nach den einleitenden Worten des Vorstandes der k Akademie der Wissenschaften, Herrn Geh.-Rathes Baron y. Liebig wurden folgende Wahlen verkündet:

A. Als Ehrenmitglied:

Seine Kaiserliche Hoheit Herr Herzog Nicolaus von Leuchtenberg, Präsident der mineralogischen Gesellschaft in St Petersburg.

B. Als auswärtige Mitglieder: a. Der philosophisch-philologischen Glasse:

1) Dr. Eduard von Kausler^ Vicedirector des k Württemberg. Haus- und Staats-Archives in Stuttgart.

Digitized by

Google

388 OeffmUHche Süsung vom 25. JvHi 1B67.

2) Ga?ali6re Giovanni Battista de Rossi in Rom.

3) Wilhelm Henzen aus Bremen, Professor in Rom.

4) Charles Newton, Archäolog in London.

b. Der mathematisch-physikalischen Classe:

1) Carlo Mattencd, Professor der Chemie in Florenz.

2) Arcangelo Scacchi, Professor der Mineralogie in Neapel.

c. Der historischen Classe:

1) Marchese 6ino Gapponi in Florenz.

2) Franz August Mignet, Sekretär der Akademie der Wissen- schaften in Paris.

3) Dr. Wilhelm Röscher, Professor in Leipzig.

4) Alexandre Herculano de Garvalho in Lissabon.

C. Als correspondirende Mitglieder: a. Der mathematisch-physikalischen Classe:

1) Don Ramon Torres Munoz de Lnna, Professor der Chemie an der Central-Universität in Madrid.

2) Pater Angelo Secchi in Rom, Vorstand der Sternwarte des CoUegium Romannm.

3) Henri Hureaa de Senarmont, Professor der Mineralogie an der ecole des mines in Paris.

4) Friedr. Ant. Wilh. Miqnel, Professor der Botanik in Utrecht.

5) Filippo Pariatore, Professor 3er Botanik in Florenz.

Digitized by LjOOQIC

Neuwahlm. S39

b. Der historisohen Glasse:

1) De Leva, Professor in Padua.

2) Dr. Georg Voigt, Professor der Geschidite an der Uni- versität zu Leipzig.

3) Dr. Ottokar Lorenz, Professor der Geschichte an der Universität zu Wien.

4) Dr. Max Budinger, Professor der Geschichte an der Uni- versität zu Zürich.

Hierauf hielt Herr Brunn, ordentliches Mitglied der philosoph.-philologischen Glasse, einen Vortrag über

„die sogenantite Leucothea der Glyptothek Sr. Majestät des Königs Ludwigs L".

Diese Rede ist im Verlage der Akademie erschienen.

Digitized by

Google

S40 Einwiäw^m von Druckschriften.

Einsendungen von Druokscliriften*

Von der Univemtät in KUH: Schriften der Universität ans dem Jalire 1866. Band 18. 1867. 4

Von der kcneerl Leopcidino-Üaroliniechen deiUschen Akademie der Naturforscher in Dresden:

Terhandinngen. 82. Band. 2. Abtheilong. 1867. 4

Vom Hennehergischen äUerthumsforschenden Verein in Meiningen:

Neue Beitrage zur Qesohichte deatsoken Alterthumi. 8. Liafenug. 1867. 8.

Vom Oewerhe-Vereinj naturforschenden (hsdlschaft und bienenwirih' schafüichen Vereine in JUenburg:

Mittheilongen aus dem Osterlande. 18. Bd. 1. und 2. Heft 1867. &

Von der pfälzischen OeseRschaft'^ für Fharmacie in Speyer:

Neues Jahrbuch für Pharmacie und verwandte Fächer. Zeitschrift. Bd. 28. Heft. 1. 2. JuU und August. 1867. 8.

Von der deutsc^itn morgenländischen Gesellschaft in Leipzig:

a) Zeitschrift. 21. Bd. 1. und 2. Heft. 1867. 8.

b) Indische Studien. Beiträge für die Kunde des' indischen Alter-

thums. 10. Bd. 1. Heft. 1867. 8.

Digitized by

Google

Einsendmigm von BrucktShrifUn, 341

Von dir devisehm geotogisehm Oe^Jbchaft in Berlin: Zeitschrift. 19. Band. 1. Heft. Novbr, Dezbr. 1866. Jan. 1867. 8.

Vom Verein für siehenbiJirgische Landeshunde in Hermannstadt:

a) Archiv. Nene Folge. 6. Band 8. Heft. 7. Band 1. und 2. Heft.

1866. 8.

b) Jahresbericht Yereinsjahr 1864. 65 und 1865. 66. 8.

c) Siebenbürgisch- sächsische Yolkslieder, Sprichwörter, Kathsel,

Zauberformeln und Einderdichtungen. Von Friedr. W. Schuster. 1866. 8.

d) Siebenbürgische Chronik des Schässburger Stadtschreibers Georg

Kraus. IL TheiL Wien. 1864. 8.

e) Die Bömischen Inschriften in Dacien. Von Michael Ackner und

Friedrich M;üller. 1865. 8

f) Flora transsilvaniae excursoria. Auetore Miohaele Fuss. Cibinii.

1866. 8.

g) Plan 2u den Vorarbeiten für ein Idiotikon der siebenbürgisch-

sächsischen Volkssprache. Kronstadt 1865. 8.

Vom physikäliscfien Verein in Frankfurt a. M, : Jahresbericht ftLr das Rechnungsjahr 1865.66. 8.

Von der geologischen Beichsanstäli in Wien: Jahrbuch. Jahrg. 1867. 17. Bd. Nr. 2. April, Mai, Juni 1867. 8.

Von der k, preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin: Monatsbericht Mai Juni 1867. a

Von der Universität in Heiddberg :

Heidelberger Jahrbücher der Literatur. Unter Mitwirkung der vier Fakultäten. 60. Jahrgang. 4. 5. 6. und 7. Heft. April— Juli.

1867. 8.

Digitized by

Google

342 EinsenAmgm wm DruekMhfifUn,

V(m Verein fu/r OesSchichU und JUerthumehmde Wes^pHuüen» m

Müngter:

a) Zeitschrifi für yaterlandische Geschichte and Alierthamskiincle

3. Folge. 5. und 6. Bd. 1865. a

b) Beitrage zur Geschichte Westfalens. Paderborn. 1866. 4.

Von der Bedahtion des CorrespondenzblaUes für die gelehrten und Bealachulen Württembergs in Stuttgart:

Ck)rre8pondenzblatt Nr. 6. 6. 7. 8. 1867. a

Van der naturforschenden Geseüschaft in Emden: 62. Jahresbericht. 1866. 1867. 8.

Vom Museum Franeisco Carölinum in Line: ürkundenbuch des Landes ob der Ens. 4. Bd. Wien 1867. 8.

Von der Gesellschaft der Äerzte in Wien: Medizinische Jahrbücher. 14. Bd. 28. Jahrg 4. Heft 1867. 8.

Von der physikaUsch-medizinischen Gesellschaft in WikrsJmrg: Würzburger medizinische Zeitschrift. 7. Bd. 4. Hft. 1867. 8.

Vom k. sächsischen Verein für Erforschung und Erhaltung vater- ländischer GeschichtS' und Kunstdenkmaie in Dresden:

Mittheilungen. 17. Heft. 1867. a

Vom Verein för Geschichte der Ma/rk Brandenburg in BeHin: Märkische Forschungen. 10. Bd. 1867. a

Vom thiiTingisch-sächsischen Verem für Erforschung des vaterländi- schen Jkerthums und Erhaltung seiner Denkmäler in Halle:

Keue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forsch- ungen. 11. Bd. 1. 2 1865. 67.

Digitized by

Google

EineenättHgen von Drucksdtfiften. 848

V(m der PoUichia, naturwissenschäfüieker Verein der BkeinpfäLs in

Dürkheim :

a) 22.-24 JahreoJbericht. 1866. 8.

b) YerzeicliDisfl der in der Bibliothek der PoUichia enthaltenen

Bücher. 1866. 8.

Vom Mährischen Landea-Äusschuss in BrOnn: ürkondenbuch der Familie Teofenbach. 1867. 4. '

Vom VoigÜändischm-alterthumsforschenden Verein in HohenUnhen: '87. Jahresbericht. Weita 1867. 8.

Vom historischen Verein für Niedersachsen in Hannover: ft) Zeitschrift. Jahrgang 1866. 1867. 8. b) Urknndenbuoh. Heft. 7. 1867. 8.

e) Katalog der Bibliothek des historischen Vereins f&r Niedersachsen. 1866. 8.

Von der Jandwirthschafüichen Centrälschüle in Weihenstephan: Jahresbericht 14. pro 1866. 66. 15. pro 1866. 67» Freising 1867. 8.

Von der Je. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königsberg:

Schriften. 6. Jahrg. 1865. 2. Abthlg.

7. Jahrg. 1866 1. und 2. Abtheilung. 1865. 66. 4.

Von der k. k. mährisch-schlesischen Oesdlschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde in Brunn:

a) Schriften der hisior.-statistischen Sektion. 15. Bd. 1866. 8.

b) Zur Geschichte des Bergbaues und Hüttenwesens in Mähren und

Oesterr. Schlesien. Von Ritter Delyert 1866. 8.

Von der sMesischen OeseOschafl für vaterländische Kultur inBredau: 44. Jahresbericht vom Jahre 1866. 1867. a

Digitized by

Google

844 EinsendutigeH vim DrudcBtimften,

Vom historischen Verein ßr Steiermark in CfratM:

a) Mittheiltmgen. 15. Heft 1867. 8.

b) Beiträge zur Kunde steiermärkisclier Geeohichtsqnellen. 4. Jahrg.

1867. 8.

Von der Acadhnie des edences in Farie:

a) Comptes renduB liebdomadaires des Beances.

Tom 64. Nr. 20—25. Mai Juin 1867.

Tom 65. Nr. 1-^ JuiUet 1867. Vol. 65 Nr. 8. 9. 1867. 4.

b) Tables des comptes rendos des s^ances. Deozieme Semestre 1866.

Tom 63. 1867. 4.

Von der geologischen Commission der schweizerischen naturfarschenden GestMschaft in Bern:

Beitrage zur geologischen Karte der Schweiz.

8. Lieferung. Die südöstlichen Gebirge von (rranbünden.

4. Lieferung. Geologische Beschreibung des Aargauer-Jura und

der nördlichen Gebiete des Canton Zürich. Von C. Moeech. 6. Lieferung. Teztband. Tafeln und Karte zur 5. Lieferung.

1866.67. 4.

Vom Istihito technico in Fakrmo :

Giomale di scienze naturali economiche.

Yol. 2. Anno 1866. Fase. 2. 8. und 4. 1866. 4.

Von der Äccademia deUe sdence in Turin:

a) Memorie. Serie seconda. Tom. 22. 1865. 4.

b) AttL Vol. 1. Disp. 8—7 gennaio e giugno 1866.

2. ,, 1. 2. 8. novbre e decembre 1866. gennaio, febraio 1867. &

Von der SociM impMcde des naiwrälistes in Moseau:

Bulletin. Ann6e 1866. Nr. 2.^ 8. 4. ,, 1866. Nr. l. 8.

Digitized by

Google

ian$enditnge» van Druckschriften, 345

Vom der Jcaäimie in^ßSriaU des seieneeaAn 8t* PeUrsburg:

a) Mdmoires. Tome 10. Nr. 8—16. 1866. 4.

b) BuUetm. Tom 10. Nr. 1—4.

11. Nr. 1 imd 2. 1866. 4.

c) M^langes phjBiqaee et chimiqaes. Bulletin. Tom. 6. 1865. 8,

Von der Accademia ponHficia di^ nuwi Uncei in Born:

Atti. Anno 19. Sessione I. Decbr. 1865.

19. 1.— 7. Gennaio— Giugno 1866. 4

Von der Stermoa/rte in Bern: MeteorologiBche Beobachtungen. Septbr. Oktober. Noybr. 1866. 4.

Von der natwrforschenden GeHUe6haft in Zürich:

TierteljahrsBchrifb. 9. Jahrg. 1.— 4. Heft. 1864.

10. 1.— 4. 1666.

11. 1.— 5. 1866. 8.

Von der Acadtmie roydle de midecine de Bdgique in Briissel: Bulletin. Ann^ 1867. 8. S6rie. Tom. 1. Nr. 8. 4. 5. 6. 1867. 8.

Von der Acadtmie royäU des sciencea des lettres et de$ beaux-arls de Bdgique in Brüeeeli

Bulletin. 86. ann^ 2. S6rie. Tom. 24.

Von der hietoriechen Qeeeüechaft in Basel:

Die Schlange im Mythus und Cultus der dassischen Völker. Von J. Maehly. Der naturforschenden Gesellschaft von Basel zur Feier ihres 6(]Sjahrigen Bestehens. 1867. 8.

Von der onH^piarischen Oesdlsehaft in Basel:

üeber die Minerven Statuen yon Dr. Bemvalli. Der naturforschen* den Gesellschaft von Basel cur Feier ihres 6€jfthrigen Bestehens. 1867. 8. '

Digitized by

Google

346 Eimenäungen' von Druck$ehnfteH.

Von der anUquariachen GesdUehaft für vateHändisehe JUefikümer m

Zürich:

a) Mittheilungen, Bd. 15. Heft 7. P&hlbaaten. 6. Bericbt. 1866. 4.

b) ,y 31. Aventicam Helyetiorom. 1867. 4.

Vom historischen Verein des Cantons Bern : Archiv. 6. Bd. 1. 2. 8. Heft. 1867. 8.

Von der Äsiattc Society of Bengcd in CoIcm^:

a) Proceedings. Title, index and appendix for 1865.

Nr. 4—12. May— Dec. 1866. Nr. 1. Jannary 1867. 1866. 8.

b) Bibliotheca Indica a coUeotion of oriental works.

Nr. 216. 217. New Seriee, Nr. 8a 98. 96. 97. 98. 1866. &

Von der geologicäl Survey of India in Cdleutta:

a) Memoirs. Palaeontologia Indica. 8. 10 18. The fossil Cephalo- poda of the cretaceous Roks of Soutliern India. 1866. 4.

b). Memoirs. Yol. 5. p. 2. Wynne. On the Geology of the Island of Bombay. 1866. 8.

c) Memoirs. YoL 5. p. 8. Haghnes. T W. H. On the stmctnre of

the Jherria Coal-Field. Stoliczka, Ferd. Qeologioal obsenrations in Western Tibet 1866. 8.

d) Annual Report. Tenth year 1865. 66. a

e) Catalogne of the meteorites. In the moseom of the geologicil

survey of India. 1866. 8.

f) Catalogue of the organic remains belonging to the Cephalopoda.

1866. a

Von der SocUti roydle des sciences in LüUich: Memoires. 2. S^rie. Tom 1. 1866. 8.

Von der SociHi d' Anthropologie in Paris:

Bulletins. Tom 1. 2. S4rie; 5"« Fascicule. Juillet— Decembro 1866. Tom IL 2. S6rie. 1 Fascicule. Jan.— Mars 1867. A

Digitized by

Google

Einsendmtgen vm Drueksehriften. 347

Van der Chemiedl Society in London :

JoornftL Ser. 2. Vol. 4. Octbr.— Decbr. 1866.

2. 6. January—June 1867. 8.

Von der BoycU OeograpT^al Society in London: Proceedings. Vol 11. Nr. 2. 1867. 8.

Von der Oedlogicäl Society in London:

Qoarterly Journal Yol. 28. Pari. 2. Nr. 90. Mai 1867. 1. 8.

« Von der SociiU Vaudoise des eciences naturelles in Lausanne:

Bnlletin. Yol. 9. Nr. 56. 67. Deoembre 1866. Join 1867. 8.

Von der dänischen Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen:

ForbandÜDger og dets Medlemmers Arbeider i Aaret 1865. Nr. 4

1866. Nr. 2-6 1867. Nr. 1—8

Von der Brovinciaal Utrechtsche Oenootschap v€M Künsten an Weten^ Schoppen in Utrecht:

a) Aanteekeningen van het verhandelde in de Soctie- yergaderingen,

gehoaden in hei jaar 1866. 8.

b) Yerslag van het verhandelde in de algemeene Yergadering ge*

houden den 17. Oktober 1866.^ a

c) De wettelgke Bew^sleer in Strafzaken iloor Mr. W. Modderman.

1867. 8.

Vom Surgeon Oenerai's Office in Washington:

Beports of Rvt Brig. Qen. D. C. Mc. Callum and the proTOSt mar* shal Generals. Part. 1. 2. 1866. 8.

Von der Umversität in Leyden: Annales Academid 1862. 63. Lngdani-BataTonim 1866. 4.

Digitized by

Google

348 Eimendimgen wm DrudcaaSurtfUn.

Von der SoeiM Hdüandaüe des seienees HarUm:

a) Aroliiyes Neelandaises des seienoes exactes et naturelles.

Tom 1 und 1 5"« livraison. 2 1 und 2. livraison. 1866. 67. 8.

b) Natuurkundige Yarhandelingeo. 20. 22. 24 Deel. i.

c) Beitrage zur Eenntniss der Feldspathbildung yon C. F. Weiss. Ge-

krönte Preisschrift. 1866. 4

d) Untersuchungen über die Form des Beckens javanischer Frauen

von Dr. T. Zaayer. 1866. 4.

e) Die Basaltbildung in ihren einzelnen Yerb&nden erUutert von

L. Drossel. Preissohrift. 1866. 4.

Von der B. Accademia economico-agraria de^ Georgoßi in Ftorem:

a) C!ontinuazione. Nuova Serie YoL 18. Disp. 3 und 4. 1866.

b) Parte istorica 1867. Dispensa 1. 2. 1867. 8.

14. 1. 1867. Nr. 47-'4a a

Vom Verein für Oeschichte und ÄUerthümer in Odessa:

Sapiski Odesskago obschtschectwa. Denkwürdigkeiten des Yeroins. Bd. 6. 1867. 4.

Von der SociHi de Fhysique et d^histoire naturdle in Genf: Memoires. Yol. 19 p. 1. 1867. 4.

Von der SociStS d^histoire de-la Suisse Bomande in Lausanne: Memoires. Yol. 22. 1867. 8.

Vom Lyceum of Natural History in New-York: Annais. Yol. 8. Nr. 11. 12. 18. 14. 1867. a

Von der Califomia Axademy of Natural Seienees in San Francisco: Proceedings. YoL 8. p. 2. 3. 1864--66. 8.

Digitized by

Google

Einsendungm von Drucl^hriften, S49

Von der Hiatoriedl Society af Penneylvania in New-Tork:

Thirty eight annual report of tlie Inspectors of tlie State Peniten- tiary. 1867. 8.

Vom Office of the American Ephemeria and NauHcal Älmanac in Washington-

Schabert. Tables of Eunomia. 1866. 4.

Vom Bureau of Navigation in Washington:

The American Epbemeris and Nautical Abnanac for the year 1868. 1866. 4.

Von der American Academy of Arts and Sciences in Boston: Proceedings. Vol. 7. Bogen 13—23. 1866. 8.

Von der Academy of Natural Sciences of Philadelphia:

a) Proceedings. Nr. 1—5. Jan.— Decbr. 1866. 1867. 8.

b) JourDaL New Series. Vol. 6 p. 1. 1866. 4.

Vom Observatory of Harvard College in Cambridge: Annais. JTol. 2. p. 2. 1864--1855. 1867. 4.

Von der National Academy of Sciences in Washington: Memoirs. Vol. I. 1866. 4.

Vom Ohio State Board of Agriculture in Cohmbus Ohio: 20. Jahresbericht für das Jahr 1865. 1866. 8.

Vom Essex Institut in Salem, Massach.:

Proceedings. Vol. 4. Nr. 1—8. Jan. -Decbr. 1866. 5. Nr. 1. 2. 1865—66. 8. [1867. U. 2.] 28

Digitized by

Google

350 Ein$endungcH von Drt^cksehrißen,

VoH der Boston Society of Nc^wral Hietory in Boston:

a) Memoire. Vol 1. p. 1. 2. 1866—67. 4

b) Prooeedings. Vol. 10. Bogen 19—27. Schlüss.

11. 1—6. 1866. 8.

c) Gondition and Doings May 1866. 8.

Von der Connecticut Academy of Ärts and Sciences in New-Haven:

a) Transactions. Vol. 1. p. 1. 1866. 8.

b) The American Journal of Ärts and Sciences.

Vol. 42. Nr. 124—126. 43. Nr. 127—129. 1866—67. 8.

Von der Smithsonian Institution in Washington:

a) Smithsonian Misoellaneons Collections. Yol. 6. 7. 1867. S.

b) Annual Report of tbe Board of Regents of the Smiihsonian In-

stitution for the year 1865. 1866 8.

c) Pumpelly, Geological Researches in China, Mongolia and Japan

during the years 1862 to 1865. 1866. 4.

Vom United States Naväl Ohservatory in Washington: Astronomical Observations during the year 1851 and 1852. 1867. 4.

Vom Secretary of War in Warhingtoni

Report, witli accompany in papers. 1866. 8.

Von der Natural History Society of Montreal: The Canadian Naturalist New Series Vol. 8 Nr. 1. 1866. a

Von der Commission hydromitrique in Lyon:

Resume des Observations recueillees dans les bassins de la Saone, du Rhone et quelques autres r^gions. 1866 23"*« Ann^e. 8.

Vom Beale Istüuto Lombardo di sciente e lettere in Mailand:

a) Memorie. Classe di scienze matematiche e natorali. Vol. 10. 1. Della Serie 8. Fascicolo 8. 1866. 4.

Digitized by

Google

Einsendungen yon Druckschriften. 351

b) Meraorie. Glasse di lettere e scienze morali e politiche. Yol. 10.

1. Della Serie 3. Faso. 3. 4. 1866. 4

c) Rendiconti. Classe di scienze matcmaticbe e naturali.

Vol. 2. Fase 9—10. Septbr.— Decbr. 1865. 3. ,, 1—9. Gennajo— Novbr. 1866. 8.

d) Rendiconti. Classe di lettere e scienze morali e politiche.

Vol. 2. Fase. 8—10. Agosto- Decbr. 3. 1—10. Gennajo— Decbr. 1866. 8.

e) Solenni Adonanze del 7. Agosto 1866 6. f> Annuario 1866. 8.

g) II secondo congresso intemazionale sanitario ed il regno d'Italia. 1866. 8.

Vom Herrn Bruno Hüdebrand in Jena:

Statistik Thüringens. Mittheilungen des statistischen Bureaus ver- einigter thüringischer Staaten. Band 1. 2. und 3. Lieferung. 1867. 4.

Vom Herrn Christ. Lassen in Bonn: Indische Alterthumskunde 1. Bd. 2 Hälfte. Leipzig 1867. 8.

Vom Herrn A. Orunert in Greif «wald:

Archiv der Mathematik und Physik. 46. Thl. 4 Hft.

47. 1. u. 2. Hft. 1866. 67. 8.

Vom Herrn B. Clausius in Braunsclnoeig ;

Abhandlungen über die mechanische Wärme-Theorie. 2. Abthlg« 1867. 8.

Vom Herrn H, Knoblauch in Halle:

a) Ueber die Interferenzfarben der strahlenden W&rme. Berlin.

1867. 8.

b) üeber den Durchgang der Wurme und Lichtstrahlen durch ge-

neigte diathermane und durchsichtige Platten Berlin 1866. 8.

23*

Digitized by

Google

352 Einsendungen van Druckschriften,

Vom Herrn C. Nett in Frankfurt a. M,:

Der zoologische Garten. Zeitschrift für Beobachtung, Pflege und Zucht der Thiere. 8. Jahrg. 1867. Nr. 1—6. Jan.— JunL 8.

Vom Herrn J, B. Mayer in Stuttgart: Die Mechanik der Wärme. 1867. 8.

Vom' Herrn Äug. Mar. Franke in Dresden:

Neue Theorie über die Entstehung der krystallinischen Erdrinde- schichten. 8.

Vom Herrn Theodor Pyl in Greifswald: Pommersche Geschichtsdenkmäler. Zweiter Band. 1667. 7.

Vom Herrn J, Dienger in Braunschweig: Grundriss der Varia tions-Rechnung 1867. 8.

Vom Herrn C. H Davis in Washington:

Astronomical and meteorological obsenrations made at the nnited states naval observatory during the year 1864. 1866. 4.

Vom Herrn Gustav Hinrichs in Jowa:

Atomechanik oder die Chemie eine Mechanik der Panatome. Jowa- City 1867. 4r

Vom Herrn Boucher de Perthes in Paris: Des idSes innres: de la memoire et de Pinstinct. 1867. 8.

Vom Herrn F, J. Pictet in Genf:

Melanges Pal6ontologique8. Deuxiöme Livraison. Faune de Berrias. 18C7. 4.

Digitized by

Google

Einsendungen von Druckschriften. 353

Vom Herrn C. Tiazzi Smyth in Edinburgh:

Life andworth at the grcat pyramid daring the months of January, Febniary, Marcb, and April with a discussion of the facts ascer- tained. Vol. 1. 2. 8. 1867. 8.

Vom Herrn Bobert Main in Oxford:

Astronomical and meteorological obserrations made ad the radliffe observatory Oxford in the year 1864. Vol 21. 1867. 8

Vom Herrn P. Duchartre in Paris:

Elemens de Botaniqne, comprenant Panatoroie, rorganogTraphie, la Physiologie des Plantes, les familles naturelles et la geographie botanique. 1867. 8.

Vom Herrn C. M. Marignac in Paris:

Essais snr la Separation de TAcide Niobique et de TAcide Titanique analyse de l'aeschynite. 8.

Vom Herrn G. J, Adler in New- York:

a) Wilhelm von Humbold t's linguistical studies. 1866. 8.

b) The poetry of the Arabs of Spain. 1867. 8.

Von den Herren W. Fischer, H. Schweizer-Siälcr und Kiessling in

Basel:

Neues schweizerisches Museum. Zeitschrift für die humanistischen Studien und das Gymnasialwesen in der Schweiz. 6. Jahrgang. 8. Vierloljahr'.eft. 1866. 8.

Vom Herrn Baidassar e Poli in Mailand:

a) Del lavoro messe a capitale e della sua applicazione agli scienzi

ati e letterali italiani 8.

b) Suir insegnamento dell economia polilica e sociale in Inghil-

terra. 8.

Digitized by

Google

354 Einsendungen von Druckschriften.

Vom Herrn Luigi Magrini in Mailand:

Salla importanza dei cimelij scientifici e dei manoscritti di Ales- sandro Volta 1864. 8.

Vom Herrn K W. Ludeking in Heidelberg:

Natuur en Geneskundige Topographie van Agam (Westkust yui Sumatra). Sgravenhage 1867. 8.

Vom Herrn Emest Trumpp in FfuHngtni

SindhiLiterature. The divan of Abd-Al-Latif. Shäh, known by Ihe name of Shaha J<J Risal9. Leipzig 1866. 8.

Vom Herrn Giuseppe Milani in Mailand: Sulla scrofola. 1862. 8.

Vom Herrn Studer in Bern:

Die Chronik des Mathias von Neuenburg. Nach der Berner- und Strassburgerhandschrift mit den Lesarten der Ausgaben von Cuspinian und Urslisius. Zürich 1867. 8.

Von den Herren Hirsch und Plavtamour in Genf: Nivellement de precision de la Suisse. 1864. 4.

Vom Herrn A, Scacchi in Neapel:

a) Sulla poliedra delle faccie dei cristalli. 1862. 4.

b) Meraorie geologiche sulla Campania e relazione deir incendio ac-

caduto nel Vesuvio nel mese di Fobbrajo dei 1850. 4.

c) Della polisimmetria dei cristalli. 1867. 4.

d) Sülle combinazioni della litina con gli acidi tartarici. 1866. 4

e) Esperienze sul cambiameuto dei cristalli di nitrato di strontiana

idrato in cristalli anidri e di questi in quelli. 4.

f) Prodotti chicaici cristallizzati spediti alla esposizione universale di

Parigi. 1867. 4.

g) Dei Bolfati doppi di manganese e potassa. 1867. 4.

Digitized by

Google

Einsendungen von Druckschriften. 355

h) Della humite e del peridoto del Yesuvio. 1850. 4.

i) Della polisimmetria e del polimorfisnio dei cristalli. 18ii5 4.

k) Dei tartrati di stroDziana e di barite. 1863. 4.

1) Del paratartrato ammonico-sodico. 1865. 4.

Vom Herrn Cristoforo Negri in Florenz :

a) La storia politica dell' antichitii peragonata alla modern a. Vol. 1.

2. 3. 1867. 8.

b) Memorie storico^politiche sugli antichi greci e romani. 1864. 8.

Vom Herrn M, A. Quetelet in Brüssel:

a) Memoire sur la temp^rature de l'air a Bruxelles. 1867. 4.

b) Meteorologie de la Belgiquo comparee a celle du globe. 1867. 8.

c) CommuDications. Sor le 17. volume des annales de Tobservatoire

royal de Bruxelles. 1866. 8.

d) Deux lettres de Cbarles-Quint a Francois Rabelais. 1866. 8.

e) De lois mathematiques ooncernant les etoiles filantes. 8.

f) Communications. Observations des etoiles filantes periodiques de

Novembre 1866. 8.

g) Etoiles filantes. Publication des annales meteorologiques de Tob-

servatoire royaL Sur Theliographie et la selenographie. Orages observes a Bruxelles et a Louvain du 7. Fevrier jusqu'ä la fin du Mal 8.

Vom Herrn Emilio Boncaglia tu Modena: ninsioni commedia. 8.

Vom Herrn Oiorolamo Oalassini in Modena:

Del miglioramento delle condizioni fisiche e morali del proletario specialmente rurale etc. 1865. 8.

Vom Herrn Domenico Mochi in Modena:

Gon quali mezzi, oltre i religiosi, possa neir odiema societä re- staurarsi il principio di autorita eta 1865. 8.

Digitized by

Google

356 Einsendungen von IhuchicJirifl&i.

Vom Herrn Ä, Sprivß Lüttlch:

Symtomatologie ou traite des accidents morbides. Tom. l. I il t. Fase. 1866. 67. 8.

Vom Herrn Casimir Bichaud in Eom:

a) Sur la resolution des equations x"— x* = L 18C0. 4.

b) Note sur la resolution de Tequation x'-|-(x~hr)"-|-x-|-2r)^,.

+ [x+(ii l)rf=:yl 1867. 4

Vom Herrn Eughne Ciiiahm tn Rom:

a) Note sur un probleme d'analyse indtterminee, ItH^ti 4,

b) Sur quelques questiones relativesaux. f€inctionsdlipUi|iia«. 1807.

Vom Herrn Ottav. Fdbriiio Momoti in Mttmt

Intorno ad un passo della divina comniedia di Dantö AlLighien. 1865. 4.

^ Vom Herrn M. Aristide Wöepcl'e ift Bm$:

Introduction au calcul Gobari etHawäl trnite d^üiritlimeUqiie Irtdoil de rarabe. 1866. 4

Vom naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen uml Thürifi*jw» im

Halle:

Zeitschrift der Naturwissenschaften, Jalrgang 1S67. 2^J. BaniL 1867. 8.

Von der deutschen geologischen GeuUschaft in Bertin: Zeitschrift. 19. Bd. 2. Heft. Februar^ Mäi-Ä, April imi. 8.

Digitized by

Google

Q h a

Pmnih Üeb€rdi#Ut<?r^tttrdcr Aiict*^ i

Hofsittiti: 1} Zqiii »lU^mftiiiMilien Ltttdco Cbriiti uu

3) Zur Gudntf) ,, r der BiAcbUmir ^ ^«^ ^ ^' 1^

MiifhfPHiiisch'phjifsikülisckc Clame, Sitrmtff t^

Seiilel: Etn Beitmg tur ß^nlitiuiiiinf der Omn:

dor W*ge gteg«t>«rir% ermelibftrea Oenaiyg« Kuhur BeiiNTkiuigcQ über BUt»K!liliigo .....

Voii: üelw i

Jii$toriscke Claue. BÜMmig Dom i7. J.^

KuckiDgBr: Uebor dr

^Ktttokliolia: IHa Witten l»«r|ref Tliistilc)f^«n oeeli Ut\ he Sitxuntj mtr Vorfeier ties Ali

t;i£ii^^diu}fen Ttia DrüUutiLrifU-

«itzungvsb^Heife

.fei-

''■"" ^^Henm

zu Münche«.

i /J. JJ n.

•'^SY'I^

>f Oi,,ibor».

Sitzungsberichte

der

kOnigl. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch -philologische Classe.

Sitzung vom 9. November 1867.

Herr H o f m ann übergiebt den Schloss semer Bemerkungen : „Zur Gudrun".

Str. 297,4 ist wohl nicht guotes zu ergänzen, sondern WM sie da veüe hiten.

Str. 299,4 1. schapei unde vingerl, um die vierte Heb- ung zu beseitigen, die, von Eigennamen abgesehen, immer eine sehr störende Wirkung macht

Str. ß08,4. gewiBBet mit golde heisst nicht: mit Otold angefüllt, wie B. deutet, sondern wie das Mhd. WB. richtig erklärt, bedeckt, überzogen. Der Ausdruck kömmt noch in der technischen Sprache vor, einen Altar fassen = das Sdmitzwerk daran vergolden. An einer andern Stelle der Gudrun muss vaa^en allerdings die Bedeutung füllen haben, 1131,2 8. Mhd. WB. sub voc. Nr. 6. [1867. n. 8.] 24

Digitized by

Google

358 SiteuHg der phüoa.-phikl Qa89e wm 9, November 1867.

Str. 3^2,3 1. ufkse sie besaezen bt im fürsten ridie. Der Vers bedeutet nicht, so lange sie in seinem Furstenreiche sich aufhielten, wie B. und Simrock ihn fossen, sondern, bis sie von ihm die versprochenen fürstlichen Lehen (y{^ Str. 316) in Besitz bekommen würden, so lange sollten sie seine Tischgäste sein.

Str. 333,2 1. dir = daa er d. h. gegen Horant konnte Niemand aufkommen, der behauptet hätte, besser als er ge- kleidet zu sein.

Str. 346,3. Die Wiedörhohing von bürge aus der vori- gen Zeile ist ungesdiickt. Die Stelle ist corrupt; denn Weib u^d l(iad «itsen^ nicht blosa in dar Burg^ sondern in dem besonderen Theile derselben, welcher in allen germanisdien Sprachen bür = das Frauengemach, heisst. Man lese da- her oder MU er in büre oAp unde hint?

ich waene sie getriidet von Mner hende seilten sint

In dieser Bedeutung war fiir das Mhd. das Wort bür schon veraltet, daher der Sdireiber bürge dafür setsen musste.

Str. 350,4 1. von den mUien erben bdibe ich irnier jdres friste staete. B. und Simrock haben die Stelle nicht verstanden. B. erklärt: Innerhalb Jahresfrist will ich da- heim sein. S. ungefähr ebenso: mir wird mein Land wohl wieder binnen Jahresfrist und" wenig Tagen. Bs hftidelt Mh hier um die Anwendung einer land*- und lehtereobtlidien SatBHng. Binnen Jahr und Tag konnte» Erbe und Lehen nicht rechtsgültig dem Besitzer und seinen Erben eotsogen werden, vgl. Sachsenspiegel I. 38 §. Die Sk jitr unde duck in dea r^es ächte stn^ die dSU man reehOis^ unde verdSU in igen unde Un^ dat I6n den herren lediähj ded (gen in die Jcomnglikm gewoiU. Ne Üet de erwn nickt üt üt der hmingUken gewaU binnen j6r unde Sage mit itme ide^ se verleset it mit scment jeneme, it ne neme in eokttidt^ dat se nicht vore hörnen ne mögen. Diess ist die HauptsteUe,

Digitized by

Google

Hofmcmn: Zur Gudrun. 359

feniOT ni, 34 §. 3 (von der Abdacht) U, 41 §. 2 n. s. w. Im ßehwabenspiegd findet dch die gleiche Stelle Landrecht, 45 (Lassb.), aasserdem Tgl. Lebenrecht 11, 26 Schluss, 42Schla88, 62 Anfang, 76 Anfang, 85. Deatsch. Spieg. S.58.

Str. 351,1 1. D6 sie von dannen giengen, u. s. w. um die Verbindung mit dem folgenden herzustellen. 3 1. titzens Ton stat regiert oder Be sitzen.

Str. 364. äo2^ so geradewegs mit B. zu verwerfen, weil es sonst nicht vorkömmt, ist schwerlich erlaubt. Wenn wir es ▼on toi ableiten, so können wir es einfach im Sinne unseres herumtollen = herumtreiben, jagen, nehmen. Ln zweiten Verse gibt begozzen brant einen sdilechten Vers und ein barockes Bild; denn einen schwitzenden Menschen mit einem begossenen Feuerbrand zu vergleichen, ist schwerlich dem Dichter eingefallen. Ich halte brant für verlesen für bräte^ demi das ist bekanntlich das Qimile, welches heute nodi wenigstens in ganz Süddeutschland allgemein vom Schwitzen gebraucht wird und zwar ein £Euiiiliärer aber durchaus kein- unedler Ausdruck ist. Hatte der Schreiber einmal brat für hrant genommen, so musete er den Brand natürlich aadi begiessen, um ihn dampfen zu lassen.

Ich lese also die ganze Strophe so: Hagenen sSre tolte der Jcünstdose man^ daz (üsam ein br&te riechen began der meister von dem jünger, ja was er starc genuoCj der wirt ouch st$iem gaste siege unmaezltchen duoc.

Uebrigens will idi nicht in Abrede stellen, dass die Vergleichung eines Zornigen, Erhitzten mit einem Brande zulässig ist. Biterolf V. 11123

Dieterich roch sam ein kolj dd diz Wolf hart gesprach.

Freilich darf man hier an Dietrichts Feuerathem denken und der Zusatz begozzen findet sich audi hier nicht; mit brani allein aber lässt sich der Vers nicht herstellen. Am

24*

Digitized by

Google

360 SUgung der phüoe.'phiM. Glosse vom 9, November 1867.

weitesten in der Anwendung des Vergleiches geht das gro- teskobscöne Turney von dem caers (v. Keller, Erzähhmgen S. 443—459), wo es S. 456 Z. 35 heisst: die apHssyn dünst reckt als eyn smytte. Findet man übrigens meine Erklärung von tolte zu gewagt, (und ich muss selbst zuge- stehen, dass sie es ist), so lässt sich mit Hülfe der hand- schriftlichen Lesung doch eine Emendation gewinnen, die dem Ueberlieferten die wenigste Gewalt anthut und sich in- nerhalb des bekannten mhd. Sprachgebrauches hält. Fasst man nämlich dolte in seiner gewöhnlichen Bedeutung, so kann der dazu gehörige Accusativ nicht wohl in den künste- losen man gesucht werden; er niuss vielmehr in sere stecken. Man kann diess vielleicht als Accus, des st. Fem. sere (Leid, Betrübniss) fassen und dann lesen: der künstdöse man d. h. der arglose Hagene. Doch würde ich in diesem Falle lieber annehmen, dass sere für swere = stoaere (molestiam) verlesen ist, wodurch jede vom Buchstaben der Ueberliefer- üng weiter abgehende Aenderung unnöthig würde, auch vom für den wegfiele. Ich schlage also vor: Hagene swaere dolte der künstdöse man. Fasst man dagegen stoaere als Adverbium und bezieht dolte auf den Mnsteldsen mctn^ so wäre die Sache noch einfacher: Hagano aegre stiStinuU virvm armorum imperitum.

Bei unserer noch immer so lückenhaften Eenntniss des mhd. Sprachschatzes und Sprachgebrauches ist es nidit zu verwundem, wenn sich für eine Stelle selbst im engste Anschlüsse an die HS. zwei, drei Emendationen bieten, zwischen denen die Entscheidung schwankend bleibt.

Das Wort brant kömmt an einer zweiten Stelle der Gudrun vor, wo es nicht minder unglücklich erklärt worden ist. Str. 514,2 schlägt Hagene auf Watens Helm und um- gekehrt, dass da sack manic degen das fiwer üs hdmen stieben sam die röstbrende. „Gleich lichten Feuerbrän- den^' übersetzt Simrock, und Bartsch erklärt: Feuerbrand,

Digitized by

Google

Hofinann: Zur Chtdnm. 361

ein angebranntes Stück Holz. Wieder eines jener barocken und naturwidrigen Bilder, die nicht wirklichen Dichtem, sondern nur modernen Uebersetzem und Erklärem gut genug sind. Funken, die aus Helmen stieben, sehen nicht aus, wie herumfliegende angebrannte Holz^tücke, sondern' wie die Fanken, die unter dem Schmiedehammer aufstieben, d. h. die rostbrende = der sog. Hamm erschlag, wie sie nach der Erkaltung genannt werden. In dei* Schweiz wird rdst = strues und rost = aerugo in der Aussprache heute noch scharf geschieden.

Str. 368,2 1. ir sprächet, ir weit lernen u. s. w. Der Wechsel des Tempus ist hier logisch nicht zu beanstanden.

Str. 372,1 an einem äbent, wie die HS. und alle Her^ ausgeber, auch Wackemagel im LB. bis ajQf B. haben, ist grammatisch falsch; denn der Dativ von ähent heisst ähende oder äbunde. B. setzt üf einen äbenty unnöthig; denn an einen ähent ist vollkommen richtig, da man sagt eine jbU oder üf eine ztt, an oder üf eine stat u. s. w.

Str. 372,3 L mit hirlicher stimme. s6 ist unnöthig.

Str. 380,4 1. der gast was wol beraten. Es heisst nicht, wie B. erklärt: etwa mit Zuhörern oder allgemeiner: dem Gaste ging Alles nach Wunsche, sondern: der Gast hatte richtig gerechnet, indem ihn die Königstöchter nun vnrk- Uch hörte. Simrock lässt vorsichtig stehen „war wohl be- rathen^', worunter sich jeder denken kann, was ihm am besten scheint.

Str. 381,2 daa muss in da geändert werden; denn dass die entzückten Zuhörer neben Hörants Stimme auch auf das Verstummen der Vöglein horchen sollen, heisst ihnen zu viel zugemuthet. Z. 3 1. doene vergäaen.

Str. 382,1. 2. 1, Do im wart gedanket van wtbenundeman, dd sprach von Tenen Fruote: min neve mohte Idn stn ungefüege doene u. s. w.

Ich will hier eine allgemeine Bemerkung einflecbten,

Digitized by

Google

368 SiUung der phaoB.-pkM, CUuBe vom 9. November 1867.

die an jeder Stelle passt. Ein besonderer poetischer Vor* zog der Gndrun besteht darin, dass die Strophe wo mög- lich nur einen Satz bildet, wodurch dem Staocato, welohei jede Strophentheilung nothwendig und nachtheilig in dem q>i8chen Flusse hervorbringt, ein natürliches Gegengewidit gegeben wird, dessen Wirkung für mein Gefühl wenigstens eine höchst melodische bt. Die alte vierzeilige Strophe der Nibelungen war für den reicheren, der typischen Form ent- wachsenen Ausdruck der klassisch werdenden mittelhodt* deutschen Sprache zu eng, ebenso wie der Stabreim einer freieren und tieferen Entwicklung des Gedankens geopfert werden musste. Daher ihre von richtigem Kunstgefiihl ge- leitete Erweiterung einerseits in der Gudrunstrophe, und ihrer Fortbildung im Titurelmetrum , auf der andern Seite in den längeren Sätzen der späteren Volksepik, die einen ganz anderen künstlerischen Eindruck machen. würden, warn sie von Dichtern ersten Banges gehandhabt wären, wie die Ariosto- und Spenserstanze zeigen. Ganz kurze Sätze im Gesänge wie in gebundener und ungebundener Bede ver- langen zu voller Wirkung eine Mächtigkeit des Inhalts, die bei breiter und ruhig fliessender Darstellung nicht in jedem Momente sich ansammeln kann, daher der öde Eindruck, den zerhackte Strophen und Melodieen auf tms machen. Deshalb suche ich in der Gudrun wo möglich in jeder Strophe eine syntaktische Einheit mit Entfernung d^Zwischeoi- schlusspunkte.

Str. 386,2 ist E. Martins Emendation unbedingt anzu- nehmen, nur dürfte statt triutecUchen zu lesen sein trüä^ Itchen, welches im Alt- und Mittelhochdeutschen wirUidi belegt ist, vgl. Graff V, 473, Mhd. WB. III, 112., während für jenes ein Nachweis zu fehlen^ scheint.

Str. 391,2. mifmert braucht nicht angetastet zu werden, dagegen ist charen, wie mir scheint, verlesen für cehoren] also sich oder sin minnert in ze hoeren da van der pfaffen

Digitized by

Google

aam =? Pfaffensaog und GlockenUang aobteteo sie geriog, vwsassen sie über Hdranto Lied, dd von 4er pfuiffe sanc halte ich daram für Qpstatthaft, weil es nur auf den Inhalt dessen, was der Pfaffe singt, gehen kann. Von dem ist aber hier keine Rede, sondern von der schönen Stimme und dem kunstreichen Gesänge, minmem ist ahd. nnd mhd. hinlädi^ lieh bel^

Str. 392,4 I. B'äbenis oder des 4beHt8, da der Vers sonst eine Hebung zu viel hat.

Str. 897,1. 2. kristen darf nicht durch die Cäsur von menscke getrennt werden, man lese die nie hristen mensche gdenUe stt noch L Was AmiU ist, hat man bisher nicht gewosst, doch vermuthet, es sei ein orientalisches Wort. Ich kann es nun wirklich im Arabischen nadiweisen, wie- w<^l damit freilich nicht gesagt ist, dass beide Namen sich decken müssen. Unter den südarabischen Stäaunen der kehl&nischen Familie heisst einer Amüeh^ wie drei Autoren, welche davon handeln, Ihn Eoteibah, Ibn Doreid und Ibn Abd BabbiM^ übereinstimmend angeben. Man sehe die Tafel bei v. Kremer Südar. Sage S. 30. Wie ein solches arabisches Wort in die Gudrun kommen konatOi wer wird das ergründen? Dass es möglich, will ich an einem andern nachweisen, von dem mit Sicherheit behauptet werden kann, dass es seinen Weg von Südarabien nach Norwegen gefunden hat Unter den norwegischen Volks* märohen (Norske Folkeeventyr von P. Chr. Aslqömsen and Jöigen Moe, Christ. 1852) handelt das 27te S. 145 vom Soria-Moria-Schloss, webhes so weit entfernt ist, dass der Held Halvor Mond und Westwind befragen muss, um den Weg zu erfahren, und mit letzterem hinzureisen. Nun liegen wirklich im Südosten von Arabien der Weihrauch- käste gegenüber zwei Inseln, die Cooria Mooria heissen und zu denen von Aegjrpten aus, dem Lande, wo 1001 Nacht seine letzte Gestalt, gewonnen hat, ganz richtig der Nord-

Digitized by

Google

364 Siimng der philö$.*pMM. CUum v<m 9. November 1867,

Westwind führt. Hier wird man die Identität der Namen za- geben müssen und dass Soria Moria nur aus dem Arabisdien kommen kann^ wfthrend das Märdien sonst eine ganz nationale norwegische Färbung hat. In 1001 Nacht stdit dafür die Insel Wäkwäk im indischen Ooean, „wo die Mädchen aof Bäumen wachsen^', deren reale Grundlage Humboldt in dem Essai critique nachgewiesen hat.

Es bleibt nun noch der 3. und 4. Vers von 397 zu betrachte. Dass kein Christenmensch die Weise von Amile jemals anders als auf der wilden Fluth gelernt habe, ist eine Sonderbarkeit, die, wie mir scheint, nidit dem Dichter zur Last fällt. Bezieht man das Lernen auf Hörant, so schliesst sich auch der 4. Vers ungezwungen dem einheit- lichen Bau der Strophe an, wobei die hässlidie Vier- hebigkeit der ersten Hälfte durch Umsetzung sehr leicht be- seitigt wird. Ich ändere also: waefiy er sie gehörte üf dem toilden fluote^ da mite ise hove diente Horant der sneüe degen guote.

Hörant^ meint der Diditer, habe die Weise auf einer seiner weiten Meerfahrten gelernt. Die mythologische Be- ziehung auf Meerfrauen, Sirenen, Strömkarl, Nix und wie alle die dämonischen Tonkünstler heissen, wird dadurdi freilich sehr zurückgedrängt, bed^iken mr indess, dass diese Strophe mit ihrer weithergeholten (Gelehrsamkeit doch ohne Zweifel eine jüngere ist, so wird ihr Ausfall weniger zu be- deuten haben.

Dass die primitive Anschauung, welche antiiropomar* phisch in den wilden und geheimnissvollen Tönen des Meeres die Quintessenz menschlicher Sing- und Saitenkunst yerkörpert, nicht bloss im Norden zu Hause war, zeigt ausser den im Altfr. häufig Torkommenden Seraines Sirenen besonders schön die spanische Romanze vom Urafen Amaldos (Primär ▼era von Wolf und mir, Nr. 153), der an einem Johannia-

Digitized by

Google

HefiiMim: Zwr Ouärm. 366

morgen das Glück hatte, die Galeere mit dem Zaabersänger za erblicken,

marinere que la manda diciendo viene un cantar que la mar facia en calma^ los vientos hace ammnar, los peces que andan 'nel hondo arriba los hace andar las aves que a/ndan volando en d mastel los face posar. Der Dichter schildert hier schön die Wirkung des Wanderliedes, ein ungeschickter Foijbsetzer (a. a. 0. Note 10) wollte den Text dazu erfinden.

Str. 415,3 1. Das doppelte krdne ist verdächtig. loh schlage vor:

sune er nicJU entrüege^ er dienet im die hrdne. Str. 416,2 1. des gie dem rechen ndt Str. 417,1 1. des recken.

Str. 418,1 1. Dem recken wart in sorge ein teil ^ heree unint.

Der Vers moss sich auf den Kämmerer und sein Heim- weh beziehen, wie die zunächst folgenden Verse beweisen« Str. 420,3, 4 sind im Grunde genommen durch die Wiederholung von EKlden vollkommen tautologisch. Dem wird abgeholfen , wenn man mit leichter Aendenmg in V. 3 liest:

daz sie durch fromoen huide koemen muo dem lande. Str. 421,3 1. von dem künige.

Str. 428,2 3,4 und 429,1 beginnen alle mit sie. Um dieser Geschmaddosigkeit abzuhelfen, lese ich:

und sagtenz ouch den degenen: die in den schiffen lägen, Mrtene niht ungeme.

So wird das sechsmaUge ^ in 4 Versen wenigstens zweimal beseitigt.

Digitized by

Google

Siimng der pMM.<fMol. Gamt mm 9. November 1867.

Str. 43&. Viermal dar. Ich lese:

daz uns ere dunket^ ob ir ez gerne tuot, daz ir sehet sMe.

Str. 447. Die HS. liest

waz ir ir durch eireyten vnns immer efßendi. nach da/im wöl gewaffent tausent ewr hdde, was die Heraasgeber aaf ▼ersolmdeiie, wie mir scheint, durchaus verungläckte Weise verändert hab<a. Nadi meiner Ueberzeuguug handelt es sich bloss um Entdeckong imd Be8ei%ung eines ganz unbedeutenden und naheli^enden Lesefehlers, um in der Vorlage einen sehr gutai äan an finden, immer ist verlesen für mtimer,* also swaz ir Mtt ämch sMten minner üet nach danne wol gewäfent Hisemt iuwer helde d. h. mit weniger als tausend wohlbewaffiieteii Kämpfern dürft ihr uns gar nicht zu verfolgen wagen; denn eine geringere Anzahl werfen wir ohne weiters ^ in die Fluth. Hagene wusste ja nichts von der Menge der im Kielranme versteckten Recken, deren mit den andern nach Str. 455 gerade tausend waren.

Str. 475,2. Die Herstellung von so grözem gwalde^ die B. versucht, scheint mir unglücklich. Ich nehme gewalte hi^ als Fem. und lese : von groezzer gewalte.

Str. 474,4 etwa: ich waene^ dem iegene etc.

Str. 484,2. dtu, womit auch d^ erste Vers beginnt, ist zu tilgen, ebenso dürfte statt der Wiederholung von sim in 483,4 und 484,4 besser uni stehen , wodurofa beide Strophen zur syntaktischen Einheit gelangen.

Str. 486,4 1. in statt nü.

Str. 500 I. Do stuonden wider wehs0l mit den hertm

die sich unter schüden einander woltenw$im wider ist offenbar als under verlesen, wider wAaei ist zu fassen, wie wider strit.

Digitized by

Google

Hafimim: Zur GMmn. 367

Str. 503,3. Diese schöne Stelle scheint mir im strengen Anschlüsse an die HS. einfacher zu erklären, als die Her- aosgeber geihan. Dass der Schreiber schneeweiss für den ihm wahrscheinlich unverständlichen Genetiv sniwes gesetzt hat, ist klar genug; aber warum hätte er für flocken, was er ganz gewiss verstund, flog setzen sollen? Ich glaube, er hat nur flog fiir flügen gesetzt und vor sich gehabt: swn sniwes flügen urinde = als ob Winde mit Schnee einher- sausten. Das Fliegen der Winde ist ein natürliches Bild, welches ich im Augenblicke zwar nur durch ein einziges Citat belegen kann, weldies jedoch genügen wird. Im Tristan des Eilhart von Oberge hat Dresd. die winde wordin her gevlogen, Pdlat. der wind kam dar in geflogen. Ich wüsste nicht jsu sagen, ob mir weitere Belege des Aus- druckes nie vorgekommen oder von mnr als nicht auffallend ▼ergessen sind.

Str. 504,2. slahen scheint mir ein verdeutlichendes Ein- schiebsel der dem Abschreiber beliebten Art zu sän. die ^fn da begerten genügt vollkommen und darauf führt auch zunächst das die sy der HS. Der Ausdruck ist nebenbei gesagt, einer der vielen, in denen deutsche und französische Sprechweise zusammaafällt. Im Altfr. heisst requerre oder requerir^ wenn von eiuem Manne die Rede ist, feindlich an- greifen, wenn von einem Weibe, um Liebe werben. Im Mhd. scheint der Ausdruck in der Falknersprache am ge- wiSmlichsten, gern ist da technischer Ausdruck für angreifen. ▼gl. Mhd. WB. I. 532.

Str. 505,1 ist in der Vorlage einer der übelklingend* stco Verse der Gudrun. Ich lese statt als diu buo(^ uns hmt tuont als Zwischensatz diu buoeh uns künde Uumt, Das Adj. künde bedeutet dasselbe, was hmt. Dann scheint mir der Sinn auch nodi einer feineren Modification &hig. Wie die Strophe jetzt liegt, heisst es: Da die Bücher uns melden^ wie stark Hagene gewesen, so war es ein Wunder,

Digitized by

Google

368 Sitzung der phOos.-philol Glosse vom 9. November 1867,

dass Hetel vor ihm bestund. Aber warum sollte sich der Dichter auf die Bücher berufen, um eine Thatsache zu er- härten, die im ganzen Verlaufe des Werkes fortwährend im Vordergrund steht, Hagenes Stärke? Ich meine, er wollte das Zeugniss des Buches speciell für den vorliegenden Zwei- kampf anführen, und dann muss man im zweiten Verse Hetele lesen, im natürlich auf Hagene beziehend^ also E0 was ein michel wunder, diu buoch uns künde tuoniy sune starc Hetele waere^ daz vor im ie gestuont der Hegelinge herre.

Str. 509,1 1. Bi im gevriesch dd Hagene. Str. 510,4. Hier scheint mir ein evidenter Fall vor- zuliegen, • wo der Abschreiber einen ganz geläufigen mhd. Ausdruck nicht mehr verstanden und durch das dem Laute nach 'nächstliegende Woii; seines Sprachschatzes ersetzt hak Das rüeren hätte den Ringen der halsberge nicht viel ge- schadet ; der terminus technicus ist gerSret =■ auf den Bod^ gestreut, und das wird gestanden haben. Str. 517 vermuthe ich:

Hagenen hrasi diu stange^ die er ee strite truoCy üf dem Waten Schilde^ der was starc genuoc, ouch enkunde vehten in allen den riehen recken bae deheiner oder mit Beibehaltung der handschriftlichen Ordnung ouch enkunde ba^ vehten recken deheiner.

Str. 518. Dass der alte Wate einen SchwertscUag durch das Haupt aushalten soll, das heisst bei aller Recken- haftigkeit ihm zu viel zugemuthet. Es genügt üf doB houbei vgl. Str. 864 oder durch die haben c= dordi die Helmhaube auf die Schwarte. Im dritten Verse sdieint mir der Zusammenhang der Strophe schön hergestellt, wenn wir lesen dae (das fliessende Blut) kuolten im die winde, im für nu ist die einfachste Verlesung.

Digitized by

Google

Hofmofm: Zur Oudrun. 369

Str. 519,3 1. bauge statt hougen^ denn ein Helm hat nur einen houc (franz. cercle).

Str. 524. In dieser Strophe ist der Sinn vor Aliens herzustellen. Hagenen hier, wo er besiegt ist, den Uebermüthigen zu nennen, geht nicht an, ihn sagen lassra, er habe vor Helels Leuten Respekt bekommen, als er er- fahren, dass sie mit reichem Gute nach seiner Tochter ge- fahren, ebenso wenig, denn dazu gehörte weder Witz no<di Math, der dritte Vers endlich, wie er in der HS. und bei den Herausgebern steht, ist grammatisch falsch, endlidi war, was den zweiten Vers angeht, das Kunststück nicht, nach seiner Tochter zu kommen, sondern ihr nahe zu kommen. Aus allen diesen Gründen lese ich die Strophe so: Do sprach der ungemuote: sM ich hon vemomen, dae sie mit maniger huote ir wären nähen kernen, ^ ist iu grözer Sren von helden unzerruwnen\ ir habt mit schoenen listen mtne lieben tochter gewannen. Str. 329. Von einem arzät «fn, glaube ich, konnte man im Mhd. nicht sagen, wenn man ausdrücken wollte: von Jemand die Arzneikunde gelernt haben. Am nächsten käme hier wohl Str. 156,4 ; genügt aber nicht zum Beweise für Yorli^enden i^'all. In areet waere scheint mir nun die Verlesung zu liegen und zwar für arsetie laere = dass Wate die Arzneiki;nst von einer Waldfrau gelernt habe. Ich möchte die Strophe dennoch so lesen:

si heten in langer sAte da vor wol vemomen

daz arzette laere von einem wilden wibe

Wate der vil maercj desgefrumte er manigem an dem libe

oder daz gefrumte manigem an dem libe.

Diesen Gebraudi von lesen belegt Biterolf V. 83. Admlidi bedeutet nema im Nord, lernen.

Str. 533,1 \. idi bin ir arzät nichts denn Wate will ja nicht sagen, dass er überiiaupt kdn Arzt sei, sondern nur,

Digitized by

Google

8T0 Sitzung der phüos.-pküoe. Game vom 9, November 1867.

daes er die Stthne zbt Vorbedingoi^ seiner EuaBtobang mache.

Star, 584,», 4 l. deich minen vrmni den besten wiht getar enphäh^ in und auch den stnen, min grüezen waene, karte müge cer-

emdhen,

Str. 535,4 1. diu woW den iuwem teunden keifen A irz hUet ze minne.

Bei V. hat der zweite Halbvers eine Sylbe zu wenigt bei B. ist zu weit and annöthiger Weise von der Voriage abgegangen.

Str. 547,8 1. vor dem Jcünige statt von, denn die Krönung wurde ja in der Regel nicht von den Fürstoi selbst, sondern von Bischöfen vollzogen, bei einer Königin natürlidi in Gegenwart des Königs.

Str. 549,2 1. maget diu tnl kire. Bf, verändert un- Böthig daz magettn vil kire, V. hat, wie E. und Z. vor flun, den falschen Halbvers diu maget vU k&re beibehalten, der nur zwei Hebungen hat, da vA bekanntlich nur dann Tor emem Adjeotivum betont sein kann, wenn dieses mit im zusammengesetzt ist oder eine tonlose Vorsylbe hat.

Str. 555. Eine feine Strophe, die aber and^^ hergt- stellt werden moes, als die Herausgeber gethan haben. Hildeburg, bittet Hagene, soll Hilden ihr grosses Ingesinde regieren helfen; dann ist aber die Aufforderung, sie solle selbst ihre zukt zeigen, unmotivirt, ich lese daher: ez gewirret Ithie fromoen cm grvzem ingeeinde; nu tue genaedidtcken daz man dine zuhi an ir bevinde.

Str. 562,8 1. unser junofrouwen. tokter ist annöthiger Zusatz. Im 4. Verse wohl besser durch sie wart der brünr nen vil verhouwen, da durch ir ein überhäufler Anflakt ist und man leicht sieht, dass der Absdirefl>er durch sie darum änderte, weil es nach seinem wie unserem Spradigebraoebe bedeutete, die Jungfrauen hätten die Brünnen verhauen.

Digitized by

Google

Sir« 566. Diese Strophe iMsst sich üi einen Satz bringen, wenn man liest :

8¥fd Sskie in dm Icmden diu 9ehoenen magedin geffiesch von edelem hänne^ getiuret tvolte er Hn, so er ze hüse bradUe im ae ingeainde oSe die dienern tjoittmhäen des toädenBagenenhindi^ oder aUe die toiUen hOsn se dienen des wilden Hagenen Jcinde. Str. 585,1. Die Aenderang von höher mt$et in hoch- gemüete^ die nach Z. alie Herausgeber angenommen haben, ist onnöthig nnd nnwahrscheinKch, da der Absdirdber hoch gemüete wohl verstanden hStte nnd daher nicht zu ändern brandite. Ich schlage vor Eetelen fhuot der hdhe^ wo ihm nnr die Wortstellung anstössig war.

Str. 592,2 1. schaz uM ouch gewant; denn auch weg- zulassen, ist kein^ Grund und £e gewöhnliche Lesung otich schas imd gewant gibt einen falschen Vers. Im 4. Verse möchte ich die Ergänzung nidit, vrie ß. durch Verlegung von 3 Bebungen auf KüdrAnen versuchen, sondern lieber annehmen, dass vor hüniginne ein Ädjectiv, wie hiren oder riehen ausgefallen ist.

Str. 594,2 erde unde mer hätte ich oben zu Str. 208|1 noch als Beleg für meine Conjectur anfuhren sollen.

Str. 599,4 halte ich die Briefe für einen Zusatz des Schreibers und vermuthe:

t ddß sie'z wol mohten vollebringen.

Str. 605,4 möchte ich, weil der dritte Vers auch mit sie anfangt, und weil das zweite se überflüssig ist, lesen: sm kämen sie se hove dem Mnige so sie aller beste hunden.

Str. 606,4. Man könAtö das Ueberlieferte hier wohl anangetestet lassen und durdi Umstellung helfen:

künec Hitde^ toäen, JSartmüote I iht guötes willen wdere mich iferj4ehe

Digitized by

Google

372 Siteung der pMlos.-phOöl, Ckuse vom 9, November 1867.

Str. 619,19 2 1. Si€ie der helt gebarte^ swaz hokn drumbe reit, daß man der da vdrtci doM was im grimme leit Str. 626,3 \. der ir in herzen gerte. Str. 6Sl,2,Sl. haete er tüsend stunde eins tages dar gemmt^

er vOnde da niht anders u. s. w. Str. 632,1 1. Hetele bat in läsen das werben um sinhiM

4 1. das im schade toaere. Str. 642,2, 3 1. da waere üngeme gewesen dar vor

Gudrunen tater, stoie küene er dochtcaere

oder wenn man lieber einen klingenden Ausgang hat, vater

der Cfüdrünen. Meine Aendernng bezwedct einen volleren Satz.

Str. 644,341. Chädründiuschoenedashetes'augenweidej

der hdt sie dühte biderbe. Str. 649,4. Die Lesart der HS. ir vater vnd dem gaste sg wünschte des sy gedachten in beiden wird schwer- lich eine erträgliche Erklärung zulassen. ,.Sie wünschte ihrem Vater und ihrem Liebhaber das, woran sie beide gedachten". An was dachten sie denn sonst, als einander zu erschlagen? Das war ja gerade, was Gudrun nicht wollte. Der einzige Ausweg, den sie fand, um den Streit zu scheiden, war vielmehr, dass Vater und Geliebter an sie dächten. Ich schlage daher vor:

do es diu frouwe anders mähte niht gescheiden, ir vater und dem gaste siu uoünschte das sie ir gedachten

beide was nachher auch wirklich geschieht, da sie aus Rüdcsidit auf sie (durch der frouwen liebe) vom Kampfe abstdien.

Str. 651,4 1. habere sf die sine beste mdge oder was mir noch viel wahrscheinlicher ist, habe die sine aüer beste e. Str. 654,2. Die HS. hat getswayet mit ir muate^

Digitized by

Google

Hofmam: Zur Gudrun. 373

die Herausgeber bis auf B. stehen liessen, der in foi mit setzte, wodurch die Lesart muote allerdings besser motivirt wird. Allein gerade in muote liegt der Fehler, denn Gudrun war nicht zwiespältigen Sinnes, sie wusste im Gegentheile sehr bestimmt, was sie thun wollte und setzte es rasch ins Werk. Eine viel leichtere Emendation und ein sehr pass^i- der Sinn ergibt sich, wenn wir statt mttote einfach muoter lesen, gejsweiet mit einem ^n heisst bekanntlich = selbander mit Jemand sein, und nun zeigt sich, dass in diesem Verse eine feine und wohlbegründete Rücksicht auf die Schicklich- keit, nicht bloss des Mittelalters, genommen ist. unschick- lich wäre es für Gudrun gewesen, unbegleitet mit dem Manne, der eben noch ihrem Vater im Kampfe auf Leben und Tod gegenüber gestanden, Zwiesprache zu halten , um ihm ihre Hand anzubieten; ganz anders, wenn es in Gesell- schaft ihrer Mutter und Damen geschah. Ich lese daher unbedenklich

Mit hundert ^ner helde gieng er da ers vant^

gezweiet mit ir muoter von Hegelingelant

Oüdrun empfieng in mit anderen vrouwen^

der eäele ritter guoter moht in volUcltchen getrouwen, denn niht im 4. Verse muss als geradezu sinnwidrig aus- gestossen werden, da es dem ritterlichen Herwig ja gar nicht in den Sinn kommen konnte, seiner Sühne bietenden Geliebten zu misstrauen,

Str. 655,2 1. daz HeruAges eUen geliebet sieh ir sint. Str. 656,2. Die Verwandlung des handschriftlichen mich in iuchj welche V. und ihm folgend B. .vornahmen, scheint mir ungerechtfertigt und der Sinn dadurch weit weniger passend, als mit Beibehaltung des Ueberlieferten. Ettmüller scheint derselben Ansicht gewesen zu sein, wenig- stens li^ in seiner Emendation dt^ch für von ungefähr angedeutet, was Plönnies in seiner Uebersetzung in deutlicher und wie ich glaube richtiger Umschreibung sagt:

[1967. IL 3.] 26

Digitized by

Google

&74 SiUung der phüoM,'pka6L Clatm «rai 9. November 1867.

yJÜBxt wars voQ Der za hören, um die ich Tiel gewagt^' Str. 657,4 1. holder dtmn' ich %u waere ist d^heinuik die

ir ie gesähet, mayt ist Einschiebsel des Schreibers , dem entgieng, dass sich deheiniu auf vroutoe zurückbezieht, ich iu in i'u zu- sammenzuziehen, scheint mir in dieser Stelle ganz unzulässig, da auf ich der emphatische Ton liegt, der durch die Ver- kiirzung nothwendig verloren gienge. Dagegen hindert uns, um den Vers richtig zu lesen,, Nichts, auf J^lder schwebende Betonung anzunehmen.

Str. 658,4 1. siu truoc in in ir herzen.

Zu Gudron Str. 249,2 Heft ü. S. 229 ist die Anmerkung ganz zu streichen. Naohdom mich Hr. Staatsrath von Hermann darairf anfmerksam gemacht, dasa man in Amerika ganze Cypressenwälder zum Schiffbau abgehauen, habe ich auch im Konrad von Megenberg (•d. Pfsiffer S. 81^) folgende entsoheideade Stelle geladen: des cf- pressen holz ist gar guot guo pälken in JUröhen vmd suo grosem get pöM und Ist gar vest^ älsd daz ez groz und swaer pürd mag aiuf ge- htdkn und getragen.

Derselbe übergiebt: „Zeugnisse über Berthold von. R^geaaborg".

Roger Baqon (opera. quaedanik hactenw iafidit» Vol, I. ed. Br^wer. London 185d, im ^jp^a tertium p^. 310) s]^ht aia SchJuase des Werke« von der rechten. Weia^ zu pvedigcoi und fährt dann fort:

Qme forma praediccmdi non tenektr o^ vtdgo theciogo^ rum, sed sunt elongati ab ea his diebus. Et qma praeMii ut in pluiribusy non simt nmUnnk instrmti in th$6logia, nee in praedicatione y dum sunt in studio , ideo postguam sunt jpraelatir cum eis incumbü opus praediccmdi, mutuantur ri mendicant quatemos puerorum, qui adiamefneruint ouriositatBm infmitam praediccmdij penes divisiones et consonantias ^ concordantias vocdles, ubi nee est subMmitas ^rmomsy nee sapiewtiae magnitudo^ sed infinita puerüi» ^uUitia et vüifir catio sermonum Bei; sicttt praedpuß esfposui in Fnceatuf Septime studii theohgiae, in Opere SecundQy et in Feceat»

Digitized by

Google

Hafinann: Zu BerthM von Begenshurg. 375

o^avo in hoc Opere Tertio; quam curiositatem Deus ipse auf erat ab ecdesia sua, quia nutta utüitas praedicationis poteat fieri per hunc modum. Sed excitantur audientes ad omnem curiositatem inteUectus^ ut in nullo affectus elevetur in botmm per eos qm talibus modis utuntur in praedicatione. Sed licet vtdgus praedicantium sie t^atur, tarnen aliqm modum almm hahentes^ infinitam faciunt uUlitatem^ ut est JFrater Bertholdus AlemannuSy qui solus plus facit de utilitate magnifica in praedicatione^ quam fere omnes alii fratres ordinis utriusque.

Ein glänzeDderes Zeugniss über unseren grossen Prediger dürfte wohl das gesaromte Mittelalter nicht aufzuweisen haben. Gleichwohl wird es durch Umfang und VVichtigkeit der Mittheilungen noch übertroffen durch das des italienischen Zeitgenossen Salimbeue de Adam in dessen Chronica Or- dinis Minorum (in Monumenta historica ad provincias Par- mensem et Placentinam pertinentia tom. III. Parmae 1857 p. 325—329). Diese Chronik geht von 1212—1287 und giebt über Berthold den ausfuhrlichsten Bericht, der bis jetzt überhaupt gefunden worden ist und sowohl wegen seiner Wichtigkeit als der ohne Zweifel geringen Verbreitung der Monumenta in Deutschland einen vollständigen Abdruck verdient. Beide verdanke ich J. v. Döllinger.

„I. Nunc ad fratrem Bertholdum de Alamannia accedamus. Hie fuit ex ordine fratrum Minorum sacerdos et praedicator, et honestae et sanctae vitae, sicut religiosum decet: Apocalypsim exposuit, ex qua expositione non scripsi, "nisi de Septem episcopis Asiae, qui in Apocalypsis principio sab angelorum nomine inducuntur, et hoc ideo feci ad cog- noscendum qui (sie) non fuissent illi angeli, et quia exposi- tionem abbatis Joachym super Apocalypsim habebam, quam super omnes alias reputabam. Item per anni circulum fecit magnum volumen Sermonum, tarn de festivitatibus quam de tempore, id est de dominicis totius anni ; ex quibus non-

25*

Digitized by

Google

376 Sitzung der phüos.-phüol, Clasae vom 9, November 1867.

nisi duos scrlpsi, pro eo quod optime de Antichristo trac- tabat in Ulis. Quorum primus sie iuchoabat; Ecce posi- tus est hie in ruinam, alius erat: Ascendente Jesa in naviculam, secuti sunt eum discipuli ejus: in quibus plenissime continetur tarn de Antichristo, quam de tremendo judicio. Et nota quod frater Bertholdus praedicandi a Deo gratiam habuit specialem; et dicunt omnes, qui eum audi- verunt, quod ab apostolis usque ad dies nostros, in lingua theotonica non fuit similis illi.

n. Hunc sequebatur multitudo magna virorum et mu- lierum, aliquando sexaginta vel centum millia, aliquando civitatum pt^urium simul maxima multitudo, ut audirent yerba melliflua et salutifera, quae procedebant ex ore ejus .... Hie ascendebat bettefredum sive turrim ligneam quasi ad modum campanilis factam, qua pro pulpito in campestribus utebatur quando praedicare volebat, in cujus etiam cacu- mine ponebatur pennellus ab his qui artificium collocabant, ut ex vento flaute cognosceret populus in qua parte ad melius audiendum se ad sedendum collocare deberet. Et, mirabÜQ dictu, ita audiebatur et intelligebatur a remotis ab eo sicut ab his qui juxta eum sedebant; nee erat aliquis qui a praedicatione sua surgeret et recederet, nisi praedicatione finita. Et, cum de tremendo judicio praedicaret, ita treme- baut omnes, sicut juncus tremit in aqua: et rogabant eum amore Dei ne de tali materia loqueretur, quia eum audire terribiliter et horribiliter gravabantur.

ni. Quadam die, dum in quodam loco frater Berthol- dus praedicare deberet, accidit ut quidam bubulcus dominum suum rogaret ut ad praedicationem fratris Bertholdi audien- dam eum amore Dei ire permitteret. Gui dominus suus respondit: ego ad praedicationem ibo, tu vero ibis ad agrum ad arandum cum bobus ... Cum autem bubulcus quodam die summo diluculo arare inchoasset in agro, mirabile dictu I statim primam vocem fratris Bertholdi praedicantis

Digitized by

Google

Eofmcmn: 2^ BerthcHd von Begensburg, 377

aadivit, qui illo die per triginta milliaria distabat ab eo; et statim bübulcus boTes disjunxit ab aratro ut boves come- derent, et ipse sedendo praedicationem audiret. Et facta Bunt ibi tria miracula relata dignissima: primum, qoia sndivit eum et intellexit, cum ita remotas esset et per tri- ginta milliaria distaret ab eo; secundum, quia totam praedi- cationem didicit et memoriter tenuit, tertiam, quia tantum aravit, praedicatione finita, quantum aliis diebus continue arare solebat. Cum autem bübulcus postea a domino suo de praedicatione fratris Bertholdi requireret, et ille eam nesdret repetere, eam totaliter bübulcus repetiit, addens quod eam totam audivisset et didicisset in agro. Tunc do- minns suus, cognoscens hoc ex miraculo accidisse, dedit babnlco plenariam Ubertatem ut, quotienscumque vellet, ad praedicationes fratris Bertholdi audiendas libere posset ire qoantumcumque servile opus faciendum instaret.

IV. Erat autem consuetudo firatris Bertholdi ut, modo ' in ista civitate, modo in alia, praedicationes quas facere intendebat, diversis temporibus ordinaret et locis, ut popu- las, qui conTcniebat, sine defectu victualia posset habere. Quodam autem tempore quaedam nobilis domina, magno et feryenti desiderio inflammata audiendi praedicantem fratrem Bertholdum, eum per sex annos continuos, per dvitates et castra cum quibusdam suis sodalibus .... (man ergänze pro habenda indulgentia secuta) cum eo potuit habere se- oretum et familiäre colloquium. Cum autem finitis sex an- nis, et finitis et consumptis suis expensis, in festo assump- tionisbeataeVirginis cum sodalibus suis non haberet domina illa quid comedere posset, accessit ad fratrem Bertholdum, et haec omnia quae dicta sunt, per ordinem retulit sibi. Quae com omnia frater Bertholdus audisset, misit eam ad quemdam campsorem^), qui inter omnes civitatis illius

1) D. h. Wechsler, Bankier.

Digitized by

Google

878 Sitzung der phOoa.^hOol CUme txm 9, Nmember 1867,

ditior habebatur, imponens ei ut ex parte sua diceret sibi quod daret ei tot denarios pro victualibus et expensis, quantum valebat una dies indulgentiae , pro qua habenda fiierat sex annis fratrem Bertboldum secuta. Quod cum audisset campsor, subrisit et dixit: et quomodo scire potero quantum valeat indulgentia diei unius, quo fratrem Berthol- dum secuta fuistis? Gui illa respondit: dixit mihi ut di- cerem vobis, quod poneretis denarios ex una parte in sca- tellam staterae, et ego ia alteram scutellam sufflarem, et hoc siguo poteritis cognoscere quantum Talet. Posuit igitor denarios larga manu et implevit scutellam staterae; ipsa yero insufflavit in alteram, et statim praeponderaTit, efc denarii subito sunt elevati, acsi conTersi faissent in plumeam levitatem. Quod videns campsor, mira4;us est vehementer, et pluries ac pluries denarios ex parte sua supijiposuit in statera, nee sie potuit flatum dominae elevare, quia tanto poudere eum fixit Spiritus Sanctus, ut scutella lanceae, quae erat ea parte dominae plena flatu, eleyari denariorum poii« derositate nullatenus posset Quod videntes tam campsor, quam doraina et aliae mulieres quae erant praesentes, statim yenerunt ad fratrem Bertboldum, et ei per ordinem quae acciderant, retuleruut. Gui etiam dixit campsor: paratus sum restituere aliena et amore D^ propria pauperibus ero- gare, et desiderio [lies desidero] effici bonus homo, quia revera mirabilia vidi hodie. Gui frater Bertholdns imposoit ut illi dominae, cujus occasione ista viderat, et sociis suis yictualia tribueret larga manu. Quod diligenter et lib^* tis»me adimpleyit ad laudem domini nostri Jesu Christi, cui est gloria et honor in saecula saeculorum, amen.

V. Alio quodam tempore, cum frater Bertholdus per quamdam yiam cum fratre layco socio adyesperascente jam die transiret, captus est ab assassinis cujusdam castellam et ductus ad castrum et nocte illa incatenatus et male ho- spitatus servabatur ibidem. Castellanus vero usque adeo

Digitized by

Google

Bofinmn: Zu Befthold txm Segefobutg. ^79

«ooncites suos offttxlerat , tit ^in palfttio Communis depicttts esset, quali poena, si caperetur, pumri deberet, scilicet ad saspendium jadicatus. In crastinnm antem drca dilucuhim acHsessH magister camifex ad castellanum domintim stnim et dhdt ei: quid jnbet dominium vestrum ut fiat de fratribus illis, qui heri sero ducti fuerunt ad nos? Cui castellanuÄ 4^t: „quod eipedias eos". quod erat dicere: interfice eos. . Sic erat de castellano isto et assasinis suis, qni aliqnos praedabantur, aliquos intei'ficiebant, aliquos ?ero ducebalit ad castrum et ponebant in carcere, quousque, pecania data, redimi possent; alios interfidebant omnino. Cum antem frater Bertholdus dorm ir et et socins suus f rater laycuö vigi*- laret, qui matutinum suum dicebat et sententiam mortis super se a castellano datam intellexisset, eo quod non esset inter utrosque nisi paries intermedius, coepit frater laycus fratrem Bertboldnm plüribns vicibus inclamare. Cum atktetti castellanus nomen fratris Bertholdi audiret, coepit cogitare ne forte iste £amosus ille praedicator esset, de quo mira- bilia dicebantur; et statim revocato camifice praecepit ei, ne laederet fratres, Sed ante conspectnm suum duceret eos. Qui cum perducti faissent, interrogati sunt ab eO, qtdbus nominibus vocarentur. Cui frater laycus respondit; nomen meum tale est; iste veto est frater Bertholdus, fitmosüs et gratiosus ille praedicator, per quem Dens tot mirabiliä operatur. Cum autem castellanns talia auditisset, statim prostravit se ad pedes fratris Bertholdi et amplexatus et osculatus est eum: insuper rogavit enm at amore Dei ipsum praedicantem audiret, qnia ex molto tempore desideräbat ab eo yerbum salutis audire. Cui frater Bertholdus con- sensit hoc pacto, quod omnes malefactores, qaos secum ha- bebat in Castro, ante suum conspectum congr^aret in unom ut omnes simul praedicationem audireut: quod ille Ubenter 86 factorum promisit. Dum igitur- castellanus soos maleficos congregaret, et frater Bertholdus aliqaantulum teoesBiwet

Digitized by

Google

380 Sitzung der phüoa.-phücl Glosse wm 9. November 1867.

ad dominam exorandum, accessit ad emn sooios sims et dixit ei: noveritis, frater Bertholde, quod super nos mortis sententia ab isto homine data fuit, quapropter, si umquam bene praedicastis de poenis infernalibus et de gloria para- disi, nunc tali magisterio indigetis. Audiens haec frater Bertholdus totum se contulit ad rogandum Deum, et reyersas denuo Ulis congregatis ita splendide peroravit et verbum salutis proposuit, ut omnes amarissime provocarentur a!a flendum, et, antequam inde recederet, omnes in confessione audivit et praecepit eis, ut a Castro Ulo discederent et male ablata restituerent, et toto tempore vitae suae in poenitentia perseverarent et sie vitam aetemam haberent. Castellanus Tero prostravit se ad pedes fratris Bertholdi et cum multis lacrymis rogavit eum, ut amore Dei eum ad ordinem beati Francisci redpere dignaretur: qui recepit eum, sperans quod a ministro^) hanc gratiam obtineret. Cum autem fratrem Bertholdum sequi vellet, prohibuit eum frater Ber- tholdus propter furorem populi quem offenderat, et [qui] de conversione ejus nihil audiverat. Cum autem pervenisset ad civitatem frater Bertholdus, voluit ipsum populus praedi- cantem audire et congregati sunt omnes in glarea cujusdam fluminis, ubi e regione pulpiti latrones in furcis pendebant. (Cum talia audis, pone tibi exemplum glaream fluminis Reni de Bononia d. h. stelle dir den Sand am Reno in Bologna vor) Castellanus igitur supradictus post discessum fratris Bertholdi inflammatus amore divino et attractus desiderio audiendi fratrem Bertholdum, oblitus est omnium malomm quae umquam intulerat civitati, et veniens solus, ut iret ad locum ubi praedicabatur , statim fuit cognitus et captus et sine mora ad suspendium ductus. Currebant autem omnes post ipsum clamantes et dicentes: suspendatur et morte

2) minister ist entweder generalis (Ordensgeneral) oder proTin-^ dae (Proyindal).

Digitized by

Google

Hofmawn: Zvk Berthold van Begmuburg, 381

turpissima moriatar iste pessimns inimicus noster . . Cum

antem videret frater Bertholdus populum concorrentem et a

praedicatione sua recedentem, miratus est valde et dixit:

nomquam accidit mihi qaod .aUquis a praedicatione mea

«reoederet, m'si praedicatione finita et benedictione accepta.

Gui anus de residentibus dixit : pater, non miremini ex hoc,

quia captus est talis castellanus, qui erat noster pessimos

inimicus, et ducitur ad saspendium. Audiens hoc frater

Bertholdus, totus contremuit et cum dolore dixit: noveritis

qaod confessionem ejus audivi et omnium sodorum suorum,

qaos misi ut poenitentiam facerent; et istum ad ordinem

beati Francisd receperam, et modo veniebat ut me prae-

dicare audiret: quapropter curramus omnes et liberemus

eum. Coeperunt igitur omnes velodter currere; cumque

pervenissent ad furcas, jam erat tractus superftis et expira-

yerat. Depositus est igitur ad jussum fratris Bertholdi, et

inyenerunt chartam drca coUum ejus aureis litteris scriptam

et hanc scripturam habentem: Consummatus ia brevi ex-

plevit tempora multa; pladta enim erat Deo anima ejus:

propter hoc properavit educere illum de medio iniquitatum.

Sap. lY. Tunc misit frater Bertholdus ut venirent fratres

Minores de conventu dvitatis illius et portarent crucem,

feretrum et habitum et viderent et audirent mirabilia Dei.

Et factum fuit ita et retulit eis et omnibus totam hystoriam

supradictam, et portaverunt corpus ejus et honorifice sepe-

lierunt illud in loco fratrum Minorum, laudantls Dominum

qui talia operatur.

Hier schliesst leider Salimbenes Bericht, der ausfuhr- lichste und in seiner Art merkwürdigste, den das Mittelalter uns überliefert hat Der gute Minorit von Parma (er ver- abscheute diese seine Vaterstadt wegen ihres gottlosen Be- nehmens gegen die Mönche und die Diener Gottes überhaupt so sehr, dass er in den 48 Jahren seines Mönchthums nicht em einzq^es Mal dort wohn^ mochte, ygl. p. 353) ist eben

Digitized by

Google

862 Sitzung der fhHoe.-pMci. Classe vom 9. Iffmember 1867'.

kein grosser Geist; hat aber eine so belehrende nnd an- siebende Chronik geschrieben, wie nnr irgend einer seiner Zeitgenossen. Er kümmert sich um sehr kleine Dinge; so erzählt er S. 222, dass im Jahre 1250 ein GardiniUlegat aus dem (mit dem seinigen rivalisirenden nnd von ihm an mandien Stellen angestochenen) Dominikanerorden, ein junger und spindeldürrer Mensch (jnvenis et uiacilentinus) den Damen durch das , V^bot der überlangen Schleppkleider (caudae mulierum, mhd. swanz) grossen Verdruss bereitet habe, im Jahre 1285 eine schredcliche Epidemie unter den Katzen gewesen sei, anno so und so dagegen die Flöhe besondere überhand genommen hätten. Wunder- und Teufelsgeschich- ten beriditet er mit Vorliebe und so darf uns denn nicht überraschen, ^j^enn der grösste Theil dessen, was er von unserem Berthold zu sagen weiss, auch schon so weit in das Gebiet der Wnnderlegende streift, dass es aller Forsdi- ong schwer fallen wird, den historischai Kern von der Ein- kleidung zu senden. Gleichwohl bleibt sein Bericht auch nach Abzug alles Wunderhaften einzig und unschätzbar durdi^ die Fülle der Einzelheiten, die Lebendigkeit der Schilder- ung und endlich besonders dadurch, dass es gerade ein Italiäner ist, der mit so begeistertem Schwünge Ton seinem gefeierten ultramontanen Ordensbruder spricht. Geistig steht freilich Boger Bacons Zengniss nodi höher, der Ton Berthold ohne alle Ordensrücksichten geradezu sagt, er leiste in der wahren und rechten Predigtkunst mehr, als beinahe alle Dominicaner und Franciscaner zusammen; denn es ist das Zengniss eines umfassenden und tiefdenk^d^ Gelehrten, dessen überraschend sdiarfer nnd klarer Blick in vid^ Dingen, die wir als die Domäne d^ neueren Wissenschaft i>etraditen, auf so manchen Seiten seiner bidier unedirten Werke in Erstaunen setzt. So verdanken wir ja ihm die merkwürdige Stelle über die Eintiieilung der französischen und englisdien Mundarten (Opera inedita p. 438, 439, 467).

Digitized by

Google

Hefimmn: Zu Bmihold van Begemburg, S83

Und auch für die europäische Berühmtheit Bertholds ist Bacons ZeugDiss höher anzuschlagen, da bei den Verkehrs- TerhättBiweB des 13. Jahrhunderte ein Bekanntwerden von Oberdeutschland aus in Oxford unendlich schwieriger ist, ak im benachbarten Oberitalien, wo der deutsehe Kaiser HeiT war und die deutsche Sprachgränze viel tiefer nach Süden fieng, als wir heutzutage uns vorstellen kchmen, wo die italienische Sprachgränze uns durch die selbstmörderische Indolenz der zum Schutze deutscher Mark im Südosten Be- rufenen und Verpflichteten uns Deutschen im Reiche täglich näher auf den Leib rückt und rücken wird, so lange jedes Wehen deutschen Geistes von den Machthabern im Alpen- lande als Pesthauch der Häresie verpönt und* nach besten Kräften exorcisirt wird. Salimbene selbst giebt uns in seiner Franziskanerchronik, ohne daran zb denken, einen höchst schätzbaren Wink über die Fortdauer deutscher Zunge in Bergamo in Mitte des langobardischen Alpenvor- landes zwischen den Seen von Gomo und Iseo, somit weit westlich von Vicenza's vielgenannten deutschen Sprachinseln. Salimbene also berichtet unter dem Jahre 1287. Quidam hamines de Bergamo ^ de maioribus civitatis suae, propter homicidium, quod fecerant, fuenmt de dvitate eua forbatmiH et posUi in confinibus sempitemis sine spe tdterius redeundi. Cum ergo Begium (Reggio zwisdben Parma und Modena^ devenissenty petierunt a Communi Regino locum, in quo ' possent habitare securi. Regini vero ha/nc eis gratiam con- cesseru/nt, ut drcuirent totum episcopatum eorum et ubi wr vemrent locum non ab aliis occupatum et ydoneum sibi, ibi suam nmnitionem construerent et habitarent; et sie feoerunt roketam, quae ab eis dicta est Tiniberga. Wenn verbannte bergamaskische Patrizier dieses roketa (Bei-gschloss), 10 Meilee von Reggio und eine Meile von Sassolo (Saxolo)» wie Salim- bene ebenda S. 394 ff. weiter ausführt, mit einem off^bar deutschen Namen belegen konnten, so Hegt die V«rmnÜinng

Digitized by

Google

384 SiUung der phOos^-phüol Classe vom 9. November 1867.

wohl unabweislich nahe, dass sie selbst Deutsche gewesen; denn ein Wort wie Tiniberga für ein schon im Italienischen eingebürgertes deutsches zu halten, geht kaum. TinibergannD^ wenn wir uns an den Wortlaut halten, wäre zunächst aus alt- hochdeutschem ^inna, mittelhochdeutschem tinne Stime, Zinne abzuleiten und hiesse so viel als Zinneberg. Allein es ist auch möglich, dass der Abschreiber hier gefehlt und das Wort liniberga vor sich gehabt, welches im Ahd. hinlänglich oft vorkömmt und einen guten Sinn an unserer Stelle geben würde. Es steht bei Graff III. 174 und heisst fulcrum^ pinnaculum, reclinatorium^ cancelli^ also ein eingeschlossener Ruhe- oder Zufluchtsort; gewiss ein passender Name für das Felsennest der verbannten Bergamasken. Verschreib- ungen dieser Art finden sich auch sonst, so in dem weiter unten zu erwähnenden Stücke in Versen Esttians intrinsecus Strophe 7, Vers. 4 Älachie für Äleihiae (vgl. Carmina JBu- rana Nr. 172 Str. 9, wo ebenso unrichtig Grolatiae steht). (An einer andern Stelle steht in hihliotheca^ wo offenbar in hiblia tota das Richtige ist.)

Ich habe mich natürlich bemüht, über die Mittheilungen Salimbenes nähere Aufschlüsse zu gewinnen und wo ge- druckte Werke solche nicht ergaben, zu Schmellers Real-? katalog, der im 25. Cahier Blatt 59—80 von Berthold han- delt^ meine Zuflucht genommen, sowie zu seinen so überaus wichtigen Initien. Bis jetzt habe ich xias, was idi zunächst suchte, nicht gefunden, nämlich die beiden Predigten über den Antichrist und den Commentar über die Apokalypse. Die Bibliothek der Franziskaner in Regensburg enthielt zwar, wie Sanftls Catalog angiebt, einen solchen Commentar, aber ohne Angabe des Verfassers. Dagegen habe ich bei Durchgehen der Schmeller'schen Blätter einiges gefanden, was den Spezialforschem auf diesem Gebiete vielleicht ent- gangen sein dürfte. Erstens eine authentischere Quelle über seinen Todestag, als die bisherigen, nämlich das Todten-

Digitized by

Google

Hofmafm: Zu Berthold von Begenahurg. 385

buch des Franziskanerklosters in Regensbarg, wo Berthold gestorben ist. Es findet sich in der Münchner Hof- und Staatsbibliothek Glm. 13030 (Cim. 4) und wird nächstens Ton Hm. Reichsarchivsfunctionär Primbs in den Schriften des historischen Vereines von Regensburg herausgegeben werden. Der Eintrag lautet:

XIX. K. J. (14. Dec) 0, fr. perhtold^ magn^ 'idir cator. M.CCLXXIL Am Rande sein Miniaturbild knieend and betend. In demselben Todtenbuche stehen auch seine Schwester und sein Schwager.

6 Jd, Junij 0. Elisahet sechsin soror fris perch- toldi a^. d, 1. 2. 93.

D, V. J. Oct. Item obitus Merkelini Saxonis gut hahuit sororem fratris Perchtoldi magni predicatoris a. d. 1. 2, 82.

Demselben Gelehrten verdanke ich noch folgende Mit- theilungen.

^,Das antiquum mortilogium der Franziskaner in München (Cod. bav. 755 11. pag. 143) gedenkt seiner unter dem 14. Dec. Frater Bertholdas doctor gentium in Batis- pona. Ebenda wird auch seines Lehrers Frater David in Augusta am 15. November gedacht.

Das Necrologium des Klosters S. Clara am Anger in München (Cod. 4,) gleichfalls am 14. Dec. 1272. Frater JBertholdus doctor gentium in ratispo^.

Die Necrologien von S. Clara und den Franziskanern in München wurden von Herman Sack, Gardian des letztem circa 1404 angefertigt. Die Necrologien der Fran- ziskaner in Eelheim und Nürnberg, sowie Landshut haben seinen Todestag nicht^^

Von Bruder Berthold war die Rede in einem Perga- ment-Codex der Heilsbronner Bibliothek, welcher leider nicht mit in die Erlanger gekommen und dessen jetziger Aufenthalt mir unbekannt ist M. Joh. Lud. Hocker in

Digitized by

Google

386 Siteung der phüo8.-phüöl. üka$e vom 9, November 1867,

seiner Bibl Ueilsbr. Norib. 1731.2^ p. 35 giebt darüber folgendes: (302) Opera fratris Bertholdi s. Extra/vaganies Busticanü toi. Sermones hie canünentur CCXGVm. prae- fixa hdbentes primo Prologum fratris Heinrici cujusdam manachij quo operose BerthoMum commendat aique ah aemu^ Us Btisticani nomen ipsi impositum vindicat; deinde tripUr cem indicem u, s. w. Es wäre vor Allem dieser Hand- schrift und dem Prolog des Frater Henricus nachzuforschen. Unsere Hof- und Staatsbibliothek besitzt nun einen Codex von S. Emmeram, Saec. XIV. (Cod. lat. 14093) mit dem Titel Sermones gui dieumtur rusticani de Sanctis per circth lum anni, 318 Blätter in 4®. Am Schlüsse steht roth: Iste Über est fratris Hermaumi de ordine fratrum minarum. Dann schwarz die Verse:

Magni praelati Ulier explicit atque beati De Vriberch lati nuper et bene morieratu Ein Blatt von Hoheneichers Hand (Rep. 25/61 bemerkt: Audor est Berfholdus Batisbonensis ^ Ordims Minorum. Sanftl in seine» beriihmten Gataloge der S. Emmeramer Bibliothek (HI 1540) (ihm hat Hi^eneicher seine Notiz entr nommen), bemerkt zu demselben Codex: Semumes qui di- cuntur rusticani etc. Äuctor est Bertholdus Batisbonensis vide KßboU Baier. Geh Lex. p. 86. In Catalogo Codd. Ms8, Bibliothecae fratrum Minorum Batisbonaey quem stgpra pag. 1020 retuli^ notatmr: Nota de Bustieano novo et antiquOf scilieet fratris Bertholdi^ welcher Eintrag sich denn auch richtig am ang^ebenen Orte des Sanftl'- schen Catalogs ohne weiteren Zusatz findet Im Original- Catalog, welchen Sanftl abgeschrieben und der sich ebeiu falls noch auf unserer Bibliothek befindet, (Em. B. XX.) heisst es No de BusHcano nouo. et a/ntiq. s. fris. phtoldi. Die Codices der Reg^isburger Franziskaner sind nicht alle in die hiesige Staats-, aus der Regensburger Stadtfaib- liothek übergegangen, wo nun weitere Nachforschungen aa-

Digitized by

Google

^fl/won»; Zu BerihoU vm Begm^mg. 387

zustellen sein werden. Den hiesigen Codex der Sermones Bosticani habe ich bis jetzt noch nicht durchlesen können, enüialte mich also hier vorläufig jeder weitern Bemerkung und Yemiuthung. Dagegen kann ich das folgende Werk nieht nur anführen und dabei Hockers Bemerkungen wiederholen, son^ dem es li^ mir durch die gefällige Güte der Vorstände der hiesigen Staats- und der Erlanger Universitätsbibliothek der Codex selbst vor. Die Pergam^thandschrift, welche bei Hocker die Nummer 384, in der Erlanger Bibl. 407 trägt, enthält Sermones ad reUgiosos. Auf dem 5 Blatte findet sich die Rubrik, in welcher der Name des Verfassers der Predigten genannt ist, den Hocker Bertholdi, Irmischer da- gegen im Cataloge der Erl. Hss. S. 118 (Nr. 407) Gerholdi las. Beide haben falsch gelesen; aber der Grund, weshalb zwei so tüchtige und achtbare Gelehrte in ihrer Deutung des Wortes so weit auseinander gehen konnten, ist paläo* graphisch so interessant, dass ich ihn naher besprechen muss, so weit diess ohne Facsimile möglich ist In der Handschrift selbst steht nämb'ch onzweifelhafi; berholdi er ist oben rechts am b durch einen Hacken abbrevirt, der von oben nach unten geht , und den Irmischer . für den oberen Zug eines grossen 6r hielt, welcher Zug aber in der HS. sich nicht in vertikaler, sondern in horizontaler Biehtr ung schlingt. Nachdem Irmischer das b mit seinem abbre- virten er für G genonuaea hatte,, musste er nun auch die Ahkürzui^ für er suchen, denn sonst hätte das Wort Gholdi gelautet. Er fand sie in dem Häckchen, mit welchem k oben ansetzt und welches gerade so aussieht, wie der An- fang der gewöhnlichen Abkürzung für er. Um aber wirklich die Abkürzung er' zn sein, müsste das Häckchen für sich stehen und dürfte nicht den obem Anfeng des folgenden k bilden. Leider sind von der Hand des Bubricators sonst zu wenige Einträge vorhanden, um die Frage mit absoluta Sicherheit entscheiden zu können, namentlich findet sich kein

Digitized by

Google

388 Sitzung der phüos.-phildl. Glosse vom 9, November 1867.

zweites O und kein zweites h. Irmischers Lesung erklärt und rechtfertigt sich nach allem Gesagten sehr leidit, wäh- rend Hocker einfach herholdi gelesen und das t als selbst- verständlich hinein ergänzt haben wird. Ich selbst, meiner eigenen Erfahrung misstrauend, habe vier der geübtesten hiesigen Handschriftenleser zu Rathe gezogen. Einer davon las Cl^holdi, die drei andern unbedenklich herholdi^ was also für jetzt die Majorität für sich hat. Der Name Ber- hold scheint auch nicht vorzukommen, wenigstens findet er sich nicht bei Förstemann.

Die ganze Rubrik heisst nun so:

Iste est rmnerus et ordo et materia Sermonum fratris herholdi ad religiöses et quosdam älios. Dieses Verzäch- niss enthält nun unter Nr. 91 Begula selbhardi cum ofß- dalibus et ofßciis suis, also ist' kein Zweifel, dass die von Wackernagel LB. 811 nach R. von Raumers Abschrift mit- getheilte Regula Selphardi dem Verfasser der ganzen lateinischen Predigtsammlung zugeschrieben wurde. Hocker, der nicht an Bertholds Autorschaft zweifelte und die Regula Selphardi als Spedmen des Codex S. 36 37 vollständig abdrucken liess, bemerkt dazu: Cur ab aemulis fratribus Rusticani tituium Berthdldus iste r^portaverit^ ex hisce 94 sennonibus hinc inde conjectari potest, quanta enim libertate mores claustralium perstrinxerit, vd sola Regula Selphardi nomine insignita, quam totam Sermoni 94. praemisit^ docet.

Ich kann die Frage, ob diese Predigten und Predigt- entwürfe (die meisten gehören wohl der letzteren Kategorie an) von unserem Berthold sind oder sein können, hier aus Mangel an Hülfsmitteln nicht weiter verfolgen, dass Berthold Sermones rusticanos geschrieben, sagt auch Job. Vitodur. (Pfeiflfer Zeugniss 17).

Ein Zeugniss über die Berthold zugeschriebene Oabe zu prophezeien, liefert uns Bruder Ghunrad in den Randbemerk- ungen des altehrwürdigen Missale von Andechs (And. 5), wo es

Digitized by

Google

Hcfmann: Zu Bertholä von Eegensbwrg. 389

£. 79 b heisst : Noverint xpi fideles, quod ego fraierCh(imradu8) eonventtcs de monte 8, Teiri qui dicitur Madron (d. h. die Kirche in monte Madarauo oder auf dem Petersberg bei Brannenburg), cum ediftcavimus eapellam 8, Caterine, in- venimt^s plures Tcartas, inter quas tma erat, quae sie dics' bat, quod quadam vice praedieavit frater Perchtoldus prae- dicator ordinis fratrum Minorum in monte et Castro Ändess in praesentia comitis, qm frater Perchtoidus multum dili- gebatu^' et commendabatur a praedicto comite. Inter cetera prophetisavit sibi in quodam sermone, castrum suum esse destruendum et . , . (uu lesbar) redificandam (sie) tempore tri- btäationis et pads. tunc revelabitur gloria domini in loco isto et veniet eonsolatio popuH et qma prope annus grade et magnificabitur locus per edificationem u. s. w.

Das Uebematüi'liche spielt hier wie in so manchen andern Erzählungen von Berthold eine Rolle, die immer grösser wird, bis sie endlich gipfelt in dem Berichte, den Hottinger nach der Chronik des Johann Ulrich Krieg wieder- holt, dass er nämlich einen Todten wieder lebendig gemacht habe. Nach dem, was in der Helvetischen Bibliothek Zweites Stück S. 129—182 Zürich 1735 über diese soge- nannte Krieg'sche Chronik gesagt ist, gehört sie einer so späten Zeit an, dass wir in ihrem Berichte einen der letzten Ausläufer von Bertholds legendenhaft gewordener Geschichte erblicken dürfen, wie sie sich wahrscheinlich auf sdiweizeri- 6(diem Boden und unter dem Einflüsse des Zeugnisses von Johannee Vitoduranus gebildet hat, wie denn auch die irrige Notiz^ B. sei in Winterthur geboren, aus den Angaben des Wioterthurer Chronisten erschlossen sein wird. ,

Dagegen ist uns in neuester Zeit ein zwar sehr kurzes und mageres, aber durch seine Gleidizeitigkeit wiehtiges Zeugniss von Lamprecht von Regensburg durch Franz Pfeiffer (Altdeutsches Uebungsbuch S. 71 Z, 75) zum ersten Male mi^c^eilt Lamprecht, der unsem Berthold aller Wahr- [1867. n. 8.] 26

Digitized by

Google

390 Siteimg der phOos.'pMM. Classe vom 9. Navewiber 1867,

scheinliohkeit nach persönlich gekannt hat, sagt von ihm und einem (schottischen?) Ordensbruder, der wohl aadi in Regensburg lebte:

bruder Johan von Engelant

Vn der svzze Perhtoli

habent der genaden solt

von Jesu enpfangen,

waer ee mir sam ergangen^

dcus nem ich vur die richeit

die diu werlt eUiu treit. Zum Schlüsse muss ich noch einmal auf Salimbene zu- rückkommen, dessen Chronik, abgesehen von ihrer hohen Bedeutung für Kirchen-, Kloster- und Reichshistorie sdion in Bezug auf Literatur- und Gulturgeschichte einer beson- dem systematischen Behandlung i?riirdig wäre.

Man sieht, dass die Sage vom ' gewogenen Ablass, die ich mit Nr. 4 bezeichnet habe, ihren Weitererzahler gefun- den hat im 37. Zeugniss Pfeiffers von Marianus aus Florenz (15./16. Jh.), worauf schon das seltene, beiden Berichten gemeinsame campsor hindeuten könnte. Wir dürfen an- nehmen, dass die erste italienische Quelle hier Salimbene war, dass aber zwischen ihm und dem Erzähler des 16. Jhd. noch mehrere Berichte in der Mitte gelegen haben werden, die uns bis jetzt nur noch nicht bekannt sind, denn dass Marianus aus einem um mehr als 200 Jahre älteren Werke direkt geschöpft habe, ist im Allgemeinen unwahrscheinUctt Bei der ethischen und ästhetischen Würdigung dieser Le- gende müssen wir uns erinnern, dass das Wägen von Im- ponderabilien durch das ganze Mittelalter bis auf die neueste Zeit geht und ohne Zweifel einer der vielen Züge geistlicher Symbolik ist, deren Ursprung wir im Orient zu suchen haben. Hier ist es Alexanders Fahrt zum Paradiese, (Alex M. iter ad parad. ed. J. Zacher, Königsberg 1859 S. 22—29), die wir als Quelle unserer Bertholdlegende ansehen können,

Digitized by

Google

Hafimum: Zu Berthold wm SegeiUburg. 391

da dieser Zog bekanntlich in den deutschen Alexander über- gegangen ist. Wie dort der einem menschlichen Auge gleichende Edelstein ans dem Paradiese das sichtbare Symbol der nners&ttlichen Qier des Menschenherzens, die nur ruht, wenn Staub das Auge deckt, so ist in Salimbenes Darstell- ung noch des Blasen der Dame auf die Wagsohale der materielle Faktor , während ein solcher bei Marianus ganz fehlt, ebenso wie in der modernen Erzählung, wo vom Pabst bestimmt wird, wie schwer ein Vaterunser wiegt.

üeberhaupt darf bei Entstehung religiöser Sagen und Legenden angenommen werden , dass die einer bestimmten Zeit, wie die eines bestimmten Landes auch einen gemein- ^men Zuschnitt haben und zwar um so markirter, je mehr die geistige Entwicklung eines solchen Gebietes eine isolirte ist, wie man diess sehr deutlich an den so charakteristischen irischen Legenden studiren kann. Dass eine solche Legendenwelt dann ihrerseits zurückwirkt auf die AufiFassung der Vorgänge des wirklichen Lebens hat schon sehr richtig Karl Schmidt (Nicolans von Basel, Wien 1866 S. 54 £F.) ausgeführt, indem er genau die für solche Erscheinungen fundamentale Distinction zwischen objectiver und subjecttrer Existenz -festhält, jene verwirft, diese zugibt. Er hätte da wohl in einigen Punkten noch weiter gehen und in der frühsten Jugendgeschichte des Nicolaus (S. 4) den realen Reflex der Alecduslegende in Anschlag bringen können, deren ethische Wirkung zu allen Zeitep eine ge- waltige gewesen sein muss, wenn wir bedenken, dass sie nicht bloss in alle/ christlichen Sprachen des Mittelalters, sondern auch in verschiedenen Fassungen in die arabische übergegangen ist (s. W. Lane Anmerkungen zu der grossen Ausgabe von 1001 Nights), in einer dem Ali, Sohn des GhaUfen Harun AI Raschid zugeschrieben wird, und noch in unserer Zeit auf den jungen Qöthe einen solchen Emdruck machte, dass er sie nach der Erzählung einer alten Frau in

26*

Digitized by

Google

382 Sitgung |iMi9.-pM>l «Mi €lat» Sl NmmU)er 1867.

9Qiiien Skdiweiser Biais^brietai. (Anhang su Wet^r» Leidoo) TQTitwigkeu Admlich dürfte in dem myatiscbe« und aUar W^, seibat ibxm gdtr^EViten Anhäjigero verborgcfteo 2i^ mmiamiehm dßt Qot^editwnde in tiefster WaldeiA9Amk€Bt (SL 44i E &1^53> einBeflesL des poet^dken CönobiletntlMuas der Gn^iUlieiapleifien im unnahbaren Walde von Muqstd- v^iSßGiM skh darateUea.

Unter den UtevayiscdienMittheiluQgenSaliaibenesdtuiton fol^^de zn den wichtigeren gehöreu« Von Yordantischen Dichtern, die sonst nicht bekannt sind, nennt er S. «189 einen Pelavicino (==Rapf den Nachbar) vonPanna ala^m- ti&mm wwentor; von sioiHaniscdieB Diohtem S. 245-^6 einen auch in der politischen Geschichte bedeutenden coMes ff 00Merurit4Si das Königs Manfred («elchoff seinen Bcod^ König GcArad doroh Giovanni da Procida vergiften liess, wie man nach S. 245 erzählte), out Namen Manfredo MaUtta, optimüs et petrfeotus in rnnUombus inneni^ndi» et caniüems excogitandisy et in somMdis in^tmmmfik nm ert- dilur habere parem m nrnndo^ Am öftesten aber (6 Mal) citirt er von itslienisdien Dichtem den matter Geratdis Pateclus (auch Pateoelus geschrieben) vieUaicht von CiMsona vgL S. 21, der ein Bach de Taediis geschrieben ^^ zn dorn Salivibene selbst im Jahre 1260 ei»e Fortsetaang dichtete, wia er S. 238 sagt: Jn stif^ffadkt» miUesima (IMO) habitar hom in Bürge Scmcti JDemni et (^nnpesui et seripei alium li^rum Taediorumy ad ei^Uiudinem Fatedi. TiTots. diis lateinischen Titels sind alle Citate italienisch und das Bmdi 8(d)Qint moralischrsatirisohen Inhalt» gewese» zu sein» so dase sein Verlust nm so mehr zn bedanern ist^ als fast aUe vordantisi^Q Poesie^ bekanntUoh in IdebeaUed^m besteht. £ine allgemeine itaUenisdie Sprache kennt er natürlich noeh nicht; eor untets^^^det S. 3^1 zwisi^ben tumke et hmbar" diee et g^ice loqui. Hervorzuheben ist auch sein Bericht über die Geissler und ihre Lieder (S« 238), cMUto Xa^ <ie-

Digitized by

Google

fUtmii t^erft^AlOfdJ? p& ^mw&rdum i>rhem et . . . ^d&ntpmu^ hemi kmdes divinas ad hwiorem Bei et becUae Vtrgims quas ecmtabant, dum se ^ferbemAdo inoed^rmit^ ^ über did MtMlendiS und se^pneiniias des frater Bemriem S. 64, üty^ das naohher Terbrannte Buch des frater Qkirardinus de Borpo Sdmcti DamHi (S. 233. 235), und besonders der über den näheren Inhalt des Commentars über die A{>olmlyt)Be Tom Abbas Joaohym, den wir schon oben hi seiner EraKhl'- ong von Berthold erwähnt fanden. Er hiess liber fiffurartm Und deatete auf die Saraoenen) atif Mat^hometh, MträMel- fiinins, Saladinus nnd Kaisidr Friedrieh n., (S. 224)> wahrend ein anderer Zeitgenosse d«n König von Gastilien für d&a Antichrist hielt (S. 234). Ein wahrer historische Roman m tmee ist das Leben des Cardinall^aten Phih'pipo von Raventia, ans Pisloja, der in seiner Jngend als aruier Scholar die Ho<4tediule der schwarzen Kunst, Toledo, h&^ sachte, aber von seinem Professor, einem berühmten Meister (eapcUus, senex^ aspectu deformis) als nnßMg entlassen werden mnsste, weil, wie er sagte: voB LcmbimU nen eetie pro arte ista^ et ideo diinüt(»H$ eem nobis Hy^peni^^ l{#i h^mines fereces H eimüeedaemmibm emms^ tuüfero^ fiUy i^äde ParieioB et etude in scriptura diiivinOf gmia in eedeeia Bei dtdhuc futurus es fnagims (S. 200), weld^es t^etimimifuin er indess später als Cardinallegat zu Schanden machte, wo sie timebant eum sicut didbolum und selbst der schreckliche Eegdino di Bamano nur parum plus Hmebaiur (8. 204—5). Von noch allgemeinerem und eum Theile attuellem Interesse wären die ürüieile unseres freimüthigen , .charakterfesten und löblichster Unparteilichkeit (vgl. S. 245) beflisseMU Minoriten über Kirchen- und Staatsverhältnisse, wie z. B. das über die Erwerbung der Romagna S. 282. HaM (Ro- magHohtm) Ecclesia romtma dono obünuit tt dtniino Bodulfo, qui tempere dönrini Qregerti papae X. a)d imperium fuit eUetus. Sttepe enim Somäni PenOfices de repnblieä äliquit

Digitized by

Google

394 SiUung der pMoa.-pMol Olasse um 9. November 1867.

volunt emungercy cum Imperatores ad Imperium casumuntur. Da indess mein Absehen hier kein hi8tori8ch^litisdie8 sein kann, so schliesse ich mit dem Zeugnisse Salimbenes über eine Persönlichkeit, die in der Literaturgeschichte nicht minder berühmt ist, als selbst Bruder Berthold, ich meine den Archipoeta Waltharius oder, wie v. Giesebrechts Unter- suchungen herausgestellt haben, Walthcr von Lille (Oudl- terius ab Instdis). Unser Autor kennt ihn genau, dtirt ihn öfter, theilt S. 42 45 sein grosses Gedicht, Äestuans inr irinsecus (^ Carmina burana p. 67^-71) ganz mit, und berichtet von ihm, was kein Zeitgenosse weiss (S. 41): Fuil hier temporibus Primas canonicus ColoniensiSy magnus irutannus (franz. trucm^ engl, truant) et magnus trufatar et' maximus versificator et vdox^ gut, si dedisset cor suum ad diUgendum Deum^ magnus in Utteratura divina fuisset et utiUs vdlde Ecclesiae Bei. Cujus Äpoealypsim, quam fece- rai, vidi ei aUa scripta plura. Darauf folgen 6 seiner Epigramme mit Angabe der Veranlassung, endlich das Äe- stuans intrinsecus mit folgender Motivirung : Item Mc ao-^ cusatus fuit arcJU^nscopo suo de tribus, sciUcet de apere venereo, id est de luxuria^ et de ludo et de tabema. JBt excusavit se rithmice hoc modo. S. 357 erwähnt er noch sein Gedicht De vita mundi und theilt überhaupt 131 Verse von ihm mit.

Herr Plath trägt vor:

„Ueber Krause^s Unsterblichkeitslehre*^ Deirselbe behält sich die Verfügung über die Abhand- lung vor.

Der Classensecretär Herr M. J. Müller berichtet: „Ueber mehrere Nummern des türkischen in London erscheinenden Journals *Mukhbir*'S die der Akademie von der P^daktion geschickt worden sind.

Digitized by

Google

Buc^mtr: Südung van Schwtfdarsemk in den Leichen etc. 395

Mathematisch -physikalische Classe.

Sitzung vom 9. November 1867.

Herr Bnchner hält einen Vortrag:

„Ueber die Bildung von Schwefelarsenik in den Leichen mit arseniger Säure Vergifteter."

Die Umwandlung der arsenigen Säure in gelbes Schwefel- arsenik in faulenden Eingeweiden ist schon öfter als einmal nachgewiesen worden.

Ich selbst habe eine solche Veränderung vor einigen Jahren zufallig beobachtet, als ich Theile des Magens und Darmkanales aus der Leiche eines Menschen, den man für vergiftet hielt, nachdem dieselben zerschnitten und mit Koch- salz gemengt waren, der zersetzenden Einwirkung concentrirter Schwefelsaure unter Mithülfe der' Wärme unterwarf, um etwa vorhandene arsenige Säure in flüchtiges Ghlorarsen überzu- führen. Es fiel mir auf, dass während der Entwicklung des Salzsäuren Gases sowohl in der Wölbung und im Halse der Retorte, worin die Zersetzung vor sich gieng, als auch in dem Recipienten, der das zur Absorption der salzsauren Dämpfe nöthige Wasser enthielt, ein gelber Anflug zum Vor- Bohein kam, welcher nichts anderes als feinzertheiltes Schwefel- arsenik war. Das vorgeschlagene Wasser enthielt arsenige Säure in nicht unbedeutender Menge.

Es ist mir nicht erinnerlich, dass die Schleimhaut dieser mitersuchten Eingeweide, welche trotz der Gegenwart von Arsenik in starker Fäulniss begriffen waren, einen gelben Ueberzug hatte, allein es ist eine von mir und Anderen

Digitized by

Google

3M Bitztmg wmth.-phff€. Omm vom 9. Nct^mb&r t8^.

schon öfter beobachtete Thatsache, dass Schwefelarseiik durch heisse concentrirte Salzsäure vermöge chemisäier Massenwirkung zersetzt und in Ghlorarsenik und Schwefel- wasserstoff umgewandelt werden kann, dass hingegen die beiden letzteren wieder Schwefelarsenik bilden, wenn, indam sie sich gleichzeitig mit einem Deberschuss von Salzsäure verflüchtigen, der Dampf in kalte Luft oder in Wasser gelangt, wodurch Salzsäure und Chlorarseuik stark verdüint und geschwächt werden. Jener gelbe Anflug musste &uf solche Weise entstanden sein; er rührte ohne Zweifel von in den untersuchten Eingeweiden vorhandenem Schwefelarsenik her, welches den zur Hervorrufung der erwähnten reciproken Yerwandtschaftsäusserung nöthigen Sdiwefelwasserstoff lieferte.

Durch den Ende Januars 1862 in Darmstadt öffentlich verhandelten Process gegen Jacobi, welcher des Giftmordes, begangen an seiner Frau, angeklagt war und dieses Ver- brechens überwiesen zum Tode verurtheilt wurde, wurden wir von einem weiteren Fall einer Verwandlung der arse- nigen Säure in Schwefelarsenik unterrichtet. Frau Jaoobi starb im Monat August des Jahres 1861 in Folge einer Vergiftung mit arseniger Säure, welche ihr, wie sich bei der Untersuciiung herausstellte, von ihrem Manne als Pulver beigebracht worden war. Zwei Monate darauf, nämUch im Oktober, nachdem der Verdadit einer Vergiftung rege ge- worden, vrurde die Leiche wieder ausgegraben, und bei der vorgenommenen Obduction und Section fand man in den Eingeweiden eine gelbe Masse und namentlich auf der Schleimhaut des Magenmundes einen gelben Ueberzug, welcher bei der von Hrn. Obermedicinalrath Dr. Winckler ausgeführten chemischen Untersuchung als Schwefelarsenik erkannt wurde. Uebrigens war die Umwandlung der arsenigen Säure in Schwefelarsauk in dieser Leiche nur eine partielle, wie die nähere Untersuchung dargethan hat.

Einen ebenfalls ganz sicheren Beweis der Umwandlung

Digitized by

Google

Buehmtr: BiUm§ v&n JSohwtfdaraimik in 4m Leiekm «tc. StT

der ar86iiig6n S'iurfi in Schwefelarsenik in CanleDden Ein- geweiden lieferte mir vor zwei Jahren die chetnisdie Unter- sochang der Eingeweide der Baaersfrau M. T. yod G. Dieselbe erkrankte nach kaum viermonatlicher Ehe plötilich sehr heftig und starb kurz darauf am 19. Juli 1864. Dass man damals trotz der auffallenden Krankheitserscheinungen und des schnellen Todes an keine Vergiftung dachte, ergibt sidi daraus, dass die Leiche unsecdrt und ohne das geringste Hindemiss nach zwei Tagen beerdigt wurde. Erst einige Monate später wurde das Gerächt, dass M. T. durch ihren Ehemann vergiftet worden sei, so laut, dass gegen diesen die gerichtliche Untersuchung eingeleitet werden musste.

Die Exhumation der Leiche fand am 12. Juni 1865, also 47 Wochen nach der Beerdigung statt. Das ober dem Sarge befindliche Erdreich war sdir trocken und steinig und der fichteneSarg, obwohl er nur 3Vt Fuss tief mit Erde bedeckt irar, noch vollkommen gut erhalten.

Aus dem Sectionq)rotokolle entnehmen wir, dass das Gesidit der Leiche mumienartig geschwärzt und eingetrocknet war, ebenso die oberen Extremitäten in ihren Fleisditheilen; die Glieder der Finger waren nur mehr in einem lodceren Verbände. An der Brust sowie an der vorderen Bauchdecke zeigte sich die Oberhaut gleichfalls schwärzlich, während das darunter liegende Fettgebilde noch ziemlich ^t erhalten war. Auch die Haare am Kopfe und an den Genitalien so- wie die Nägel an den Zehen und Fingern waren noch gut erhalten.

Aus der Brust- und Unt^leibshöhle quoll bei der Eröffnung ein höcht übelriechender Dunst heraus; die Mosculatur an der votderen Brustwand sowie an der Bauch- decke bot noch eine gut kennbare Böthe danund in den Achselhöhlen sowie in den beiden Leistengegend^ und in den noch aemlich gut erhaltenen Kleidungsstücken hatte sich bereits viel Ungeziefer eingenistet.

Digitized by

Google

398 Sitmmg der math.-pkif8, CHae9e vom 9. November 18ß7.

Als Gnrnd der noch ziemlich guten Conservimng der Leiche gibt der Sectionsbericht ausdrücklich das trockene sandige Erdreich und die hohe Lage des Leichenackers an.

Die mir zur chemischen Untersuchung äbersohickten Eingeweide dieser Leiche fand ich sehr weich, faulig und trotzdem, dass sie der Vorschrift gemäss mit Weingeist über- gössen waren, im hohen Grade übelriechend. Beim OefiFnen der unterbundenen Speiseröhre war nichts Besonderes zu beobachten, aber beim Aufschneiden des unterbundenen leeren Magens und Dünndarmes und Besichtigen der inneren Fläche fiel es mir im hohen Grade auf, dass ein grosser Theil der blass und wenig geröthet aussehenden Schleimhaut, beim Magen besonders gegen das Duodenum zu, mit einer lebhaft gelben Schicht eines zarten Pulvers bedeckt war, was sich mit Wasser theilweise von der Schleimhaut wegspülen Hess. Gegen den unteren Theil der Schleimhaut und auf der Mucosa des Dickdarmes konnte gar nidits davon bemerkt werden.

Es bedurfte nur weniger Versuche, um über die Natur dieses gelben Ueberzuges ins Reine zu kommen. Das w^- gespülte Pulver löste sich in Ammoniak; die ammoniakalische Lösung hinteriiess beim Verdampfen in einem Schälchen gelbe Ringe; beim Ansäuern dieser Lösung entstand ein gelbe Trübung. Beim Erhitzen in einer Glasröhre verflüchtigte sich das Pulver vollkommen ; es bildete sich oberhalb der erhitzten Stelle ein rothbraunes Sublimat, welches während des Er- kaltens blassgelb wurde. Als der Dampf in einer zu einer Spitze ausgezogenen Röhre über glühende Kohlensplitterchen, welche mit Soda imprägnirt waren, geleitet wurde, legte sich im weiteren Theile der Röhre ein Spiegel von metall- ischem Arsenik an.

Diese Erscheinungen bewiesen hinlänglich, dass der gelbe Ueberzug auf der Schleimhaut aus Drei&ch-Schwefelarsenik bestand. Es war nun die Frage zu erörtern, ob diese

Digitized by

Google

Buehmer: BUdtmg von Sf^mefelarsemk iti den Leichen etc. 399

Yerbindimg als schon gebildet in den Magen und Dannkanal der M. T. gelangt sei, d: h. ob die Verstorbene Sdiwefd- arsenik bekommen habe, oder ob sie mit arseniger Säure Tergiftet worden sei, welches dann erst in den genannten ]^iigeweiden dorch den während der Fäolniss entwickelten Sdiwefelwasserstoff in Schwefelarsenik umgewandelt wurde?

Diese Frage war leicht mit Hülfe folgender Thatsachen zu beantworten:

Das auf der Schleimhaut liegende gelbe Pulver zeigte ganz das Aussehen und die Feinheit des aus einer Lösung der arsenigen Säure durch Schwefelwasserstoff präcipirten Schwefelarseniks. Hätte M. T. gepulvertes Auripigment be- konmien, so wäre dasselbe jedenfalls nicht so fein gewesen wie das hier vorgefundene Pulver.

Als ein Theil des Magmis und Dünndarmes in einer Retorte mit Salzsaure gekocht worden war, fand sich in dem vorgeschlagenen Wasser, in welches man die salzsanren Dämpfe leitete, so viel' arsenige Säure, dass Schwefelwass^- Stoff sogleich eine starke gelbe Trübung darin hervorbrachte. Diees wäre gewiss nicht der Fall gewesen, wenn diese Ein- geweide das Arsenik nur als Schwefelarsenik und nicht auch als arsenige Säure enthalten hätten. Sehwefelarsenik wird, wie schon vorhin erwähnt, durch heisse concentrirte Salzsäure wohl auch zersetzt und in Ghlorarsenik übergeführt, aber doch nur in geringer Menge, jedenfalls nicht der verhältniss- massig grossen Quantität Ghlorarsenik entsprediend, das sidi mit den salzsauren Dämpfen entwickelte und durch das vor- geschlagene Wasser wieder zu arseniger Säure wurde. Dass auch hier wieder eine theilweise Zersetzung des in diesen Kngewdden enthaltenen Schwefelarseniks stattfand, ergab sich daraus, dass besonders gegen das Ende der jBinwirkung Wölbung und Hals der Retorte sich aus der schon angegebenen Ursache mit einem gelben Anfluge bedeckten und auch das

Digitized by

Google

400 BUmmg der mmth.-fih^. (3mm «m ». N§9Mtßer 1867.

die saksauren Dämpfe aofiaehmendd Wasser dvofa die auf« tretendeü Spuren Scliwefelwaseerstoff gelblich getrübt ward«.

Beines Sohwefelarsenik wird wegen seiner Unlöslidikeit in Wasser und schwach sauren Flüssigkeiten vom Magen und Darmkanal aus nicht oder kaum absorbirt und in das Blut übergeführt. Hätte M. T. Schwefelarsen bekommen, sO wären in deren Leber und Mili kaum mehr als Spuren von Arsenik übergegangen. Allein diese Organe enthielten, wie die chemische Untersuchung bewies, ebenfalls eine Yerhält- nissmässig grosse Menge Arsenik, woraus gesdilossen werden muss, dass dieses als arsenige Säure in die genannten Ein- geweide gelangt ist.

Aber den sichersten Beweis, dass in in den untersuditen Eingeweiden noch arsenige Säure y(H:handen w€ur, lieferte der dialytische Versuch. Klein eersohnittene Theile des Magens und Dünndarmes mit Wasser, wekhes nur sdiwach mit Salz- säure angesäuert war, in den Dialysator grturaöht, gaben binnen 24 Stunden an das vorgeschlagene Wasser so viel arsenige Säure ab, dass Schwefelwasserstoff darin eine deut- liche gelbe Trübung hervorbrachte. Diese wäre gewiss nicht der Fall gewesen, wenn die Eingeweide bloss Sdiwefelarsenik enthalten hätten, denn dieses wird, wie schon erwähnt, durch schwach angesäuertes Wasser bei gewöhnlidier Temperatur kaum zersetzt und au%elöst.

Aus allen diesen Beobachtungen sowie aus den dem Tode vorausgegangenen Erscheinungen muss mit Gewiseheit geschlossen werden, dass die Bauersfrau M. T* an den Folgen einer Vergiftung mit arseoiger Säure gestorben und dass das im Magen und Dünndarm der nach fast eilfinonatlicher Be- ^-digung wieder ausgegrabenen Leiche vorgefundene Sohwefel- arsenik das Produkt der Einwirkung des währ^d det* Eäulniss entwickelten Sohwefelwaeserstofiies auf die arsenige Säure ist

Digitized by

Google

B$ukmrt MUkmg wm 9ehmfBhr$mik tu am Leiern $tc, 401

Die Bildung von Schwefelarsenik in den Leichen von mit arseniger Säure Vergifteten ist der sicherste Beweis, dass die arsenige Säure in der Menge, ija welcher sie ]i>ei damit bewirkten Vergiftungen gewöhnlich in den Leichen bleibt, die Fäulniss derselben nicht zu verhindern im Stande ist. Idi werde meine Erfahrungen über diesen Gegenstand sowie über die sogenannte Mmnification solcher Leichen später aas- ftthvlioh mittheilen; vorläufig sei nur erwähnt, dass der Ver- bmf der Fänhiiss und überiiaupt der Zersetzung von Leiehea, welche Arsenik enthalten, und von solchen, die frei davon siftd, vorausgesetzt, dass sie sich unter sonst gleichen Um- ständen befinden, ganz derselbe ist.

Aber es bleibt noch die Frage zu lösen übrig, warum man die Umwandlung der arsenigen Säure in Sdiwefelarsenik in füllenden Eingeweiden bnher nidit häufiger wahrgenommen hat? ich habe sie, wie sdion erwähnt, nur zweimal bieob- achtet trotz meiner zahlreidien Untersuohmigen arsenhaltiger Eingeweide, wdche aus den Leichen in den verschiedensten Stadien der Zersetzung, vom zvreiten Tage nach dem Tode bi» zum üinft^ü Jahre nadli der Beerdigung, genommen worden waren.

Beiläufig will idi no<^ orwäbnen, dass der Bau^ T., dea Giftmordes, begangen an seiner Frau, angeklagt, in der öffentliehen Verhandlung Yor dem Schwurgerichtshofe zu Straubing dieser That für schuldig befimden und zum Tode rerurtiieilt wurde. ^

Digitized by

Google

402 SiUmng der ifkiti^.-|%«. Chuae wm 9, Nofomber 1867.

Herr C. Voit spricht:

„lieber die Fettbildung im Thierkörper."

Ehe man mit den Umwandlungen der organisdhen Sub- stanzen näher bekannt war, meinte man, das im Thierkörper aufgespeicherte Fett könnte nur aus dem Fett der Nahrung hervorgehen; man musste sich eibet bald überzeugen, dass das in der Nahrung eingeführte Fett in vielen Fallen nicht hinreicht, um das bei der Mästung von Schwdnen angesetzte, oder das in der Milch von guten Milchkühen abgeschiedene, oder von fiienen im Wachs producirte Fett zu liefern. Es war nicht zu verkennen, wie unter dem Einflüsse von Kohle- hydraten die Thiere Fett ansetzen, und man wurde um so mehr auf die Mc^lichkeit der Erzeugung von Fett aus Kohle- hydraten hingewiesen, als unter den Zersetzungsprodukten der Kohlenhydrate niedere Fettsäuren gefunden wurd^. Allerdings dachte man audi an die Bildung von Fett aus eiweissartigeü Substanzen; man hatte allerlei Erfiahrungen gesammelt, die einen solchen Vorgang wahrscheinlich machten, so z. B. die Entstehung des Leidienwaohses , das Auftreten von Fettsäuren bei der Zerstörung des Ei weisses, die fettige D^eneration eiweisshaltiger Organe, die Umwandlung von in die Bauchhöhle von Thieren eingebrachten, an Eiweiss reichen Organen in eine Fettmasse etc. Aber diese Be- obachtungen waren zum Theil nicht beweisend, zum Theil zweifelte man, ob aus Eiweiss hinreichend Fett entstehen könne, um die beobachtete Fettbildung zu decken; nament- lich dachte man sich bei Pflanzenfressern den Eiweissumsatz wegen des geringen procentigen Stickstofigehaltes des Futters für viel zu gering zur Hervorbringung einer grösseren Fett- menge. Die Sachlage stand so, dass man den Uebei^ang von Eiweiss in Fett für sehr wahrscheinlich, aber für unzureichend

Digitized by

Google

VoH: FeUbüdmg im TMerkörper. 403

hielt, und dass man die Umwandlung yon Kohlehydraten in Fett zwar nidit für bewiesen, jedoch für änsserst wahr- scheinlich erachtete.

Nach den von Pettenkofer und mir am fleischfressen- den Hunde gemachten Versuchen konnte der Körper auf Kosten von reinem Eiweiss fetter werden, denn bei Fütterung grosser Fleischmengeü erschien sämmtlicher Stickstoff der Einnahmen in den Excreten, während vom Kohlenstoff beträchtb'che Mengen nicht zum Vorschein kamen; bei Dar- reichung von Fett speicherte sich ein Theil desselben auf, während bei Darreichung von Stärke allein oder mit Fleisch ein Ansatz von Fett nicht zu constatiren war. Wir hielten es nach unsem damaligen Untersuchungen für wahr- scheinlich, dass jeder Ansatz von Fett beim Fleischfresser nur durch Fett mißlich ist, entweder aus dem in der Nahrung aufgenommenen Fett, oder aus dem bei der Zersetzung von Eiweiss im Organismus neu entstandenen.

Eine Reihe von Erfahrungen hielt mich ab, eine prinzi- pielle Verschiedenheit in den Umsetzungsmöglichkeiten eines fleisch- und pflanzenfressenden Körpers anzunehmen, ich erblickte hierin vorzüglich nur quantitative Aenderungen, veranlasst durch den verschiedenen Bau des Darmes und die ungleich zusammengesetzte Nahrung; ich wusste ferner, dass Pflanzenfresser mit eiweissarmer Nahrung sich nicht mästen lassen und ich kannte den gegenüber den gewöhn- lichen Vorstellungen höchst bedeutenden täglichen Eiweiss- Umsatz dieser Thiere. Diese Gründe bewogen mich in einem bei der in München im Jahre 1865 tagenden Ver- sammlung deutscher Agriculturchemiker gehaltenen Vortrage es nicht für undenkbar zu erklären, dass auch beim Pflanzen- fresser die Kohlehydrate nicht in Fett übergehei;!, sondern nur das aus dem Eiweiss abgespaltene oder als solches ein- geführte Fett vor der Verbrennung schützen und so einen Fettansatz ermöglichen. Damals schlug Herr von Liebig

Digitized by

Google

404 Sitzung der wuM.-fhys, C^m vom 9, November 1867,

ein GKperim^tum cracis vor und emp&hl Versuche an Mildikühen znr Entscheidang der Frage, ob die eiweisa- artigen Stoffe and das Fett der Milch darch das Eiweiss und den meist geringen Fettgehalt der Nahrnng gedeckt werden.

Ich hatte mir damals voi-genommen, die gestellte Frage za beantworten. Zunächst machte ich Versuche an einer Hündin bei yersckiedener Nahrung; das Ergebniss derselben war, dasB hier unter allen Umständen das Fett und der Milclizucker der Mildi durch das aus dem Stickstoff des Harns gerechnete zerstörte Eiweiss gehefert werdoi könne; der Fett- und Milch- zuckergehalt der Milch bei Fütterung mit viel reinem Fleisch war grösser als bei Fütterung mit Fleisch und Kohlehydraten. Aehnliche Resultate haben sphon Ssubotiu und Kemme- rich bei der Untersuchung säugender Hündinnen erhalten. Idi musste miclt aber entschliessen , den Versuch an einer Milchkuh zu machen. Da mir meine Mittt;! die Anschaffung einer solchen nicht gestatteten, sowandte ich mich im vorigen Jahre an die Vorstände der hiesigen Veterinärschule, die mir mit der grössteh Bereitwilligkeit eine ihrer besten Race- kühe zur Verfügung stellten. Ich liess die Menge der Mildi und des entleerten Harns während 6 Tagen bestimmen, aber e& setzten sich dem genauen Aufsammeln des Harns so grosse Schwierigkeiten entgegen, dass höchstens die Angaben der 4 ersten Tage auf einige Genauigkeit Anspruch machen konnten. Das im Körper zersetzte Eiweiss konnte den Fett- gehalt der Milch bis auf 18^/o Hefern; rechnete ich audi das nach einem Ueberschlag im Futter sdion enthaltene Fett hinzu, so war es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass weder für das Fett noch für den Milchzucker der Miich die Kohlehydrate der Nahrung eiu^ Beitrag zu liefern brauchen. Es war mir lange nicht möglich, den Versuch mit allen Vorsichtsmassregeln zu wiederholen ; vor einigen Wodien

Digitized by

Google

FmT; We¥MUIßm§ im XkierUrper. 405

übet UflM mir einer nnaer6r besten Mitbürger, flerr Fabrikant Biemersebmidt, mit gewohnter Opferwilligkeit seine Milch- keb gir AßBuSähmmg des Versuchs nnd meine Assistenten und 8«häiap, die Herren £. Bis ehe f£, Fr. Hofmann, X. Petten- kofer «nd P. Ajcbberger unterzogen sich, inErforsdiung der 'Wahi^eit beiohwerliohe Arb^t nicht achtend, der Aufgabe 6 Tage und Nächte bei dem Tbiere zu wachen, um sämmtiüchen Harn and Koth aufeufangen. Das Experiment ist auf diese Weise vollkommen geglückt, jund ich kann das Resultat des- aeiben ale sicher iunsteUen*

Die Kuh verzehrte in den 6 Tagen im Mehl und Heu 1407 Qtm. Stickstoff; im Harn, dem Koth und der Milch warden dagegen 1440 6rm. entleert, d. h. der Stickstoff der Einnehmen nnd Ausgaben stimmt auf 2^/o überein, am Thier befand sidi also im Stickstofigleichgewicht. In 80.6 Kilo Heu nnd 14.7 ^o Mehl waren 2663 Grm. Fett, in 178 Kik) Koth befandien sich 1044 Grm., es wurden also 1619 Grm. Fett in die Säftemasse aufgenommen. In lS0.7EfloHam waren 562.4 Grm. Stickstoff ; berechnet man letztere auf £iweis8 nnid zieht den Kohlenstoffgehalt einer dem StidcsUtf eiatspE^end^ Harnstoffmenge ab, so erhält man daraus deo Eehlenatoff von 2220 Grm. Fett oder nach Abzug ven 4*6 ^/o K<^enstoff, welche den nach der Abtrennung des HamatoffeB vom Eiweiss überschüssigen Sauerstoff bi&den, 2120Grtn. Fett Die 57.3 Eik> Milch enthielten aber 1S77 Grm. eiweissaiüge Sobätanz, 1976 Grm. Fett und 8177 Grm« Miteh^ncker» Das im Körper zersetzte Eiweiss kann also 144 Grm. Fett mehr erzeugen, als in der Milch sich fanden; d^ Kohlenstoff des Milchzuckers entspricht 1670 Grm. Fett, während vom Eiweiss 144 Grm. und von dem Fett der Nahrung 1619 Grm. = 1763 Grm. zur Ver- fugung stehen. Man braucht somit weder für das Fett, noch für den Milchzucker in der Milch die Kohlehydrate in Anspruch zu nehmen und es ist dadurch im höchsten Grade wahrscheinlich, [1867. IL 8.] 27

Digitized by

Google

406 8itgung der m(Uh.-php8. Ctowe vom $. Nm)€mher 1867,

dass auch beim PflanzenAres&er die Eohl^ydrate moht das Material für die Fettbildimg abgeben , sondern nur dieselbe ermöglichen, indem sie statt des Fettes rerbreimen. Bm deiä grossen Sanerstoffreiditham der Kohlehydrate müsste zur Erzeugung von Fett eine grosse Menge Sauerstoff austrete oder, da ein solcher Vorgang nidit wahrscheinUch ist, ein beträchtlicher Theil Kohlenstoff mit dem Sauerstoff sich zu Kohlensäure vereinigen, so dass nur ein kleiner Theil des Kohlenstoffs zum üebergang in Fett übrig bliebe; \m der Bildung von Fett aus Eiweiss braucht nur V* so viel Sauer- stoff auszutreten.

Die Struktur der kleinsten Theile einer MHdidruse zeigt uns auch, dass es sich hiar um eine Werkstätte zur Zersetsoiig von Stoffen handelt und nicht um ein einfaches Filtrations- organ. Es findet sich dort vorzügHdi eine fettige Degeo^ra- tion eiweissartiger Substanz und vielleicht, wie ich es auch für die Leber annehme, ein Üebergang von Fett in Zucker. Sobald eine Milchkuh Fett und Fleisch am Kdrpeir ansetzt, nimmt die Milchabsonderung ab. Eine gute Milchkuh mnss in ihrem Darm viel Eiweiss, Fett und Kohlehydrate aufiiehm^i können und bei möglidist geringer Sauerstoffanfhahme wen% davon verbrennen, sie muss aber auch eine entwickelte Milch- druse haben, um aus dem grossen Vorrath von Material die Bestandtheile der Milch abzuscheiden und theilweise zu be- reiten. Ich glaube, dass ein grosser Theil des Eiweisses in der Drüse selbst zersetzt wird. Die ausführliche Mittheilung der Ergebnisse des Versuchs werde ich demnächst in der Zeitschrift für Biologie geben.

Digitized by

Google

8Ummg 4&r mgih.-phya. CUme vom 9. November 1867, 407

Herr Moritz Wagnfr macht unter Vorzeigung ver- sdiiedener Fandstücke einige Mittheilungen

^yUeber die Entdeckung von Spuren des Menschen in den neogenen Tertiärschichten von Mittelfrankreich^^

Ein umfassender Vortrag darüber wird von ihm nach- träglich gebalten werden.

Herr Seidel macht Mittheilung:

,, lieber eine Darstellung des Kreisbogens, des Logarithmus und des elliptischen In- tegrales erster Art mittelst unendlicher Produkte", in welchen die unendliche Vieldeutigkeit der genannten Funktionen durch algebraische Vieldeutigkeiten wiederge- geben ist.

27*

Digitized by

Google

408 SUtmg 4er hiHor, aam «om d. Ifiwmlm t$$7.

Historisehe Classe.

Sitsnng vom 9. KoTember 1867.

Herr Rockinger gab Erörterungen

„Zur näheren Bestimmung der Zeit der Ab- fassung des sogenannten Schwabenspiegels'^

Wenn wir für heute die weitere Mittheilung der Untei> suchungen über die hiesigen Handschriften des sogenannt^i Schwabenspiegels und ihre Gruppirung unterbrechen, so ge- schieht dieses in Berücksichtigung eines Wunsches geehrter Freunde, welche die Veröffentlichung eines für die Frage nach der Zeit der Abfassung unseres Kechtsbuches nicht unwichtigen Ergebnisses nicht länger hinausgeschoben sehen wollten.

Es enthält nämlich eine der Handschriften welche der Gruppe des vom Herrn von Berger seiner Ausgabe vom Jahre 1726 zu Grunde gelegten Codex des Beichsgrafen Ton Wurmbrandt angehören Randbemerkungen aus zwei anderen Handschriften des sogenannten Schwaben- spiegels, wovon die eine besondere Beaditnng für die an- gedeutete Frage in An^prudi nimmt.

L

Die Handschrift selbst um weldie es zunächst sich bandelt ist gegenwärtig im Besitze unseres geehrten Collegen Föringer, welcher selbe am 25. April 1833 Yon dem seither verstorbenen Hofrathe Hoheneicher käuflich an

Digitized by

Google

BwMnger: Zur AJbfas$ung€Meit des Schwdbenapiegelß. 409

oieh gebracht und uns seinerzeit zur Vervollständigung unserer Forsohangen über die hiesigen Handschriften des söge- Qamiten Sdiwabenepiegels und ihre Gruppirung in zuvorkom- mendster Weise überlassen hat, in einer Güte wofür wir ihm in gegenwärtiger Untersuchung den sprechenden Be- weis unseres Dankes zu liefern nicht verfehlen.

Nicht durch hohes Alter zieht diese Handschrift an. Auch nicht durch die Anlehnung an eine der hervorragenden Gestalten unseres Bechtsbuches, indem sie' vrie schon bemerkt nur zur Gruppe des v. wurmbrandt'schen Codex zählt. Auch nicht durch besondere Güte des in dieser Form Tertretenen Textes» Die Bandbemerkungen dagegen welche ihr aus zwei anderen Handschriften, und vorzugsweise jene welche ihr aus einem alten Pergamentcodex des sogenannten Sdiwabenspiegels angefügt sind, sie verleihen Uir einen Werih ganz besonderer Art.

Was ihre äussere Beschaffenheit anlangt, ist sie aof sedizehn je unten auf der zweiten Seite des letzten Bkttes der entsprechenden Zahl bezeichneten Sextemen in Folio auf Papier einspaltig mit Ausnahme des in zwei Spalten geschriebenen Iiüialtsverzeichnisses von einer nicht sonderlich schönen Hand der zweiten Hälfte oder wohl eher des letzten Viertels des 15. Jahrhunderts gefertigt, und in helles aussen schön geglättetes Sdiweansleder in der Weise gebunden dass über ihren Bücken ein mit dunkelbraunem Leder überzogenes Holzblatt befestigt ist, welches gegen oben und iinten dn Lederknöpfchen zeigt, während das Sdiwemsleder der hinteren Seite nodi zum Umschlage über jenes dar vorderen bis in die Mitte reicht und gegen oben wie unten mit fein gedräiten Spagatschnürchen von deren <d)erem. die Enden schon län^^re ISeit abgerissen zu sein sdieinen behufs besseren Yersdilusses ohne Zweiflsl zum Eäihängen in die beiden Lederknöpfchen am Bücken ver* geben ist. Der erste der genannten Sesteme war urqsrüng-

Digitized by

Google

410 Sitzung der histor. Classe vom 9. November 1867.

Uch weder foliirt Doch paginirt, während vom zweiten an bis einschliesslich dem dritten Blatte des sechzehnten die Seitenzählung 1—350 angebracht war. Jetzt ist sie von der Hand des gegenwärtigen Besitzers foliirt.

Ihren Inhalt bildet zunächst ein Verzeichniss der Kapitel des Buches der Könige alter E wie des Land- und Lehenrechtes des sogenannten Schwaben- spiegeis, dann diese drei Stückei in folgender Weise.

Nachdem auf der ersten Seite des ersten anfängHdi leeren Blattes la der Titel des ganzen Werkes als „Kaiser Karls dess Grossen Landtgerichts Buech dess Landess zu Schwaben" sich eingetragen findet, beginnt auf Fol. Ib Sp. 1 bis Fol. 6 Sp. 2 das Verzeichniss der Kapitel der drei vor- hin bezeichneten Bestandtheile, und zwar sind den Kapitda des Land- und Lehenrechtes des sogenannten Scfawaben- spiegels die je entsprechenden Seiten des nadifolgenden Textes beigeschrieben.

Auf Seite 1 der alten und Fol. 8 der neuen Bezeidmung beginnt das Buch der Könige alter E in dem Um&nge wie es uns die Ausgabe Massmann's in des Herrn ▼. Daniels RQchtsdenkmälem des deutschen Mittelalters III. Sp. XXXIII bis CXXn zugänglich gemacht hat, und reicht bis 8. 98 beziehungsweise Fol. 66'.

Nachdem das nächste Blatt, urspriingh'ch mit S. 99 und aus Ueberzählung 101 bezeichnet, leer gelassen worden, beginnt mit S. 102 beziehungsweise Fol. 58 ohne besondere Ueberschrift das Landrecfat des sogeoannteQ Schwaben- spiegels bis S. 284 beziehungsweise Fol. 148', woran sioh ohne Unterbrechung der Seite sogleidi „kayser Karls lehen recht puch*' bis S. 349 beziehungsweise Fol. 181 anreiht.

Den Schluss dieser Seite und die folgende fiiUt eilM Anzahl von kurzen Rechtssätzen, wie über ehehafte Noth und anderes, unter dem Rubrum : Secnntur articuly generaks.

Beim Ldienrechte kt der Haupttitel, und bei all den

Digitized by

Google

Bockmger: Zur AbfassungsMeit des SchwäbeMpiegds. 411

geaannten Bestandtbdlea sind die Ueberechriften der Eapitd rotb ek^etragen. Beim Buche der Könige alter E finden sidi überdiess je am Anfange der Kapitel rothe Initialen, welche von da ab auslassen, so dass sie für das Landrecht des sogenannten Schwabenspiegels zum grossen Theile gänz- lich fehlen, während sich gegen den Schluss des Lehen- redites die betreffenden Anfangsbuchstaben schwarz einge- zeichnet finden.

Was des genaueren insbesondere aber das Land- und Lehenrecfat unseres Bechtsbuches zu bemerken ist, behalten wir uns für die seinerzeitige Besprechung von fünf weiteren hiesigen Handschriften, welche zu dieser Gruppe ge- hören, vor.

Theils an den vom Texte der genannten Bestandtibeile nicht ausgefüllten Blättern wie theilweise an dem Bande des Textes selbst begegnen nun noch von einer gewand- ten Hand des Anfanges des 17. Jahrhunderts ver- schiedenartige Bemerkungen, von Anfang an zahl- reicher, weiter gegen die Mitte oder gar das Ende zu sparsamer.

Die einen bilden Verweisungen auf das sächsische Landrecht nach einer der bis dahin erschienenen Aasgaben ZobeTs, welche*) jener Schreiber sich aus irgend

1) Wir lassen sie hier in ihrem Zosammenhaoge folgen.

Aof fol. 69 ist sa den Worten der Vorrede ,,dar nmb so liesz er away swert" u, s. w. bis za den Worten „vnd ander wemtlich forsten betwingen mit der acht^* an den Band bemerkt: Conoordat Artia 1. Landreoht

Was biebei insbesondere den Satz „das swert des wemtliohen rechtens das leichet der pabst dem kayser" anlangt, finden wir an deA Rand beigeschrieben:

Haec non habentur in articnlo.

Aof foL 59^ begegnet ans weiter in den Worten der Vorrede (in der durch Freiherm v, Lassberg besorgten Dmekaosgabe Absatz g)

Digitized by

Google

412 BiUung der histor. Cku8e wm 9, Nimmber tß$7,

welchen Grunde beigezeidüiet halt. Die anderen bietM eine Vergleichung einer einem aioht näker gekemi-'

„ynd 8ol ain yeglich ohristeii mensoh" bi» n den Woctan ^a m gutt jnne hatt'' die Bemerkung :

Concordat Landrecht art. 2. Yide ibi latias. Sodann ist zu Artikel 1 = L Vorwort h an den Rand bei- gefugt:

Im Landrecht art. 2 werden sie genannt ScböppenbaM fireyen seu Banniti; Pfleghafften sen Proprietär^ $ Landsesibn isder laaiex^ PaganL

Auf fol. 60 zu Artikel 3 = L^ 2 bis. zu den Worten „ob der sibende herschilt lehen muge gehaben oder nicht, den sibenden her- sohilt hat ain yeglich man der nicht aigen ist vnd der aid ee kind ist" finden wir die Bemerkung:

CJonoordat Landreoht art 8. Insbesondere zu dem Sätze dass die LaienfÜrtten den dritten Heerschild heben ist noch an den Rand beigefugt;

Nota im Landtrecht stehet dabey: seit sy der Bischoff Mann worden sind.

Zu Art. 4 = L 3 ist bemerkt: Concordat Landrecht art 3. Auf fol. 61 ist zu Artikel 5 = L 4 beigesetzt:

Concordat Landrecht art. 5. Auf fol. 61' finden wir zu den Worten des Artikels 6 = L 5a „geswistergeit taylent nicht mit jm chain varendei gutt wie Til er gult haben suUe'* an den Rand bemerkt: Concordat Landrecht art. 5. Sogleich zu den Anfangsworten der gegen den Sohluss dieses Artikels gegen L 6 a weiteren Fassung ,,Dot plaffe erbet aigen mit anderen seynen geswistergeitten^ vnd dy lehen nicht, da von tat das ainem yeglich man der lehen hat des heren man haisset der jm das lehen leihett. ynd wan all p£BKffen frey sind, da von stdlent sy auch dy erben nicht erben*^ ist an den Rand beigesebrieben: Landrecht ibidem. Zu Artikel 7 == L 5b ist an den äusseren Rand bemerkt:

Concordat Landrebht art 5 et art. 6; und zu den Worten „als erb gutV* an den inneren: es sey denn lehen.

Digitized by

Google

BticU^g^: Zvtr AbfammgBaeit äet ßehtodb&nBpiegels. 413

Zeichneten Gabriel Mair gehörigen Handschrift des sogenannten Schwabenspiegels. Wieder andere endlich ^d ans als Nachrichten über eine alte Pergament- handschrift desselben ungemein willkommen.

Sie sind es denn, mit weldien wir allein fortan uns beschäftigen wollen.

n.

Der zunächst vor allem wichtige Eintrag findet sich auf dem früher leeren Blatte zwischen dem Inhaltsverzeich- hisse der Handschrift und dem Beginne des Buches der Könige, nunmehr Fol. 7, in deutscher Schrift, während die Anfiihr- «ngen aus der alten Pergamenthandschrift mit lateinischen Buchstaben gegeben sind, und lautet in seinem Zusammen- hange:

Nota bene. Jn einem alten pergamen buch darein

Zu den Worten „selb sibent^' daselbst ist beigeschrieben: Nota. Jus Saxonicnm reqnirit 72 Bannitos testes oder Schöp- penware leute. ibidem.

Auf fol. 62 zu dem Artikel 8 = L 6c ist bemerkt:

Concordat Landrecbt art. 6. Auf fol. 62^ 2u Artikel 12 = L 10 steht am Bande:

Concordat Landreoht art. 6 Üb. 1. Sodann zu Artikel 13 = L IIb und c von den Worten „oder an dem franpotten'^ an:

Concordat Landrecht art. 8 lib. 1. Auf foL 64' zu Artikel 19 = L 17 zu den Worten „Swäbischew recht zwayent sich nichte zw Sachsen wan an erb zw nemen vnd an vrtail zw geben'* ist am Rande bemerkt: Concordat Landrecht ari 19 lib. 1. Zu Artikel 20 = L 18 bis zu den Worten ,^y sol es aber Ton erste den erben an pietten zw losen nach erber lewt rat" finden wir am Hände:

Concordat Landrecht art. 20 lib. 1.

Alda stehet: Ein ieglich Mann der Sitters arth ist.

Digitized by

Google

414 8Ummg d^ hiitor. CUm$ vom 9. November 18$7,

▼olgend rechtbuch gantz schön vnd sanber geechriben worden, weldies mir herr Nicomad Schwäbl den 7. febniar 1609 zu ergehen commonicirty sonst herm A gehörig, darinn auch herm Vrban Trinkhls etwo dess raths vnd cammerers alhie wappen im anfang m sehen, stehen vomher volgende wordt:

Diss pergamene recht puech hab ich Hein- rich der Preckendorffer, zne dem Prek- hendorff vnd Erebliz doheim, mit mir anss Schweyttz gebracht.

Schankht vnd vererdt mir ein ritter ynd burger auss Zürikh als ich der zeyt hej graff Rudolf f vonHabspurg mit vier heim edler knecht gewesen, vnd er damals sambt andern rittern vnd knechten auss Zürich meinem hern dem graffen zu hilff ge- schikht ward, der dan disser zeit wider di hern von Regensperg den bischoff von Bassel vnd zwayen grafen von Toggenburg krieg gefürth hat

Vnd bin anno 1264 zu graff Rudolff Ton Habspurg komen, vnd anno 1268 yff zu- schreiben meines prueder Georgen dem Prekhendorffer abgezogen, laut meines schrifftlichen redlichen vnd gnedigen ab- schidt, wie auch in meinem raysbu^ch verzaichnet

Auff der andern Seiten diss blats ist obermelter Prekhendor£Fer abgemahlt zu sehen, in gantzem kiriss kniendt vor einem gemaltem crudfix, mit aufgerekhten henden, blossem grauen haubt vnd bardt, sein heim auf der erden ligent, gegen vber volgendes wappen:

Digitized by

Google

Bockinger: Zur* Abfammgsseit de9 SehwaheMpieffßls, 415

Unter der figur vnd Wappen stunden volgende reimb:

Ein edelkhnecht vnd krieger ich XXXI jar war in V schlachten gnanden, schirm Scharmützeln

one zal, dorin mich gott liebt vnd Hess genesen. Achtet besser, ich wer auch todt gewesen, dan yil bluts ich mein tag tett vergiessen. Trag sorg, mein kinder Werdens lützel ge-

niessen. Doch der barmhertz gottz ich vertrau, vnd allein auf gott durch Christum bau. Fünff sprachen auss meinem mund ich reden

khunt, Wie man solchs in meinem raysbuch finden

thuet

Was haben wir hieraus zu entnehmen? Dem Besitzer der jetzt unserem verehrten Collegen Föringer an-

Digitized by

Google

41d SiUmng der histor, Gasse wm 9. November 1S67,

gehörenden Handschrifti welche wir fortan als die Hand- schrift F bezeichnen wollen, gewährte am 7. Februar 1609 ein Herr Nicomed Schwäbl die Einsicht einer denj Hein- rich dem Preckendorfer yon einem Ritter und Bärger aus Zürich zwischen den Jahren 1264 bis 1268 ge- schenkten und von ihm aus der Schweiz mitgebrachten Per- gamenthandschrift des sogenannten Schwabenspie-v gels, für den weiteren Verlauf unserer Erörterung als Hand- schrift P getauft, in welcher sich das Wappen eines Käm- merers und Mitgliedes des inneren Stadtrathes Urban Trinkl fand, und welche einem Herrn A gehörte.

Fragen wir zunächst nadi dem erwähnten Heinrich dem Präckejjdorfer oder Preckendorfer, zu dem Preckendorf und Ereblitz daheim, so werden wir in die baierische Oberpfalz geführt, in deren Landgerichte Neun- burg yorm Wald die beiden genannten Orte liegen, heute Prackendorf und Eröblitz geschrieben.

Weniger einfach ist die Sache bezügUch der übrigen Persönlichkeiten gelagert welche namhaft gemacht worden* smd. Doch dürfen wir uns aus 'Gründen, die von selbst einleuchten, dieser Frage nicht entziehen. Und insofeme bei Erwähnung des Urban Trinkl die Bemerkung „alhie" beigesetzt ist, kennzeichnet sich einmal der Besitzer unserer Handschrift als am T.Februar 1609 an demselben Orte be- findlich, und wird auf der andern Seite auch der damalige Besitzer der in Frage stehenden Pei^amenthandschrift wie nicht minder Nicomed Schwäbl schwerlich anderswo als eben daselbst zu suchen sein.

Unsere Nachforschungen haben in diesen Beziehungen auf Regensburg geführt. Die aus dieser ehemaligen deutschen Reichsstadt in das baierische allgemeine Reichs- archiy gelangten Urkunden und Akten führen uns nämlich zu folgenden Ergebnissen.

Was zonächst den bemerkten Urban Trinkl od^

Digitized by VjOOQIC

Boekin§0t: Zwr AbfasaungsgeU äes S^mabenij^iegds. 417

Trankl anlangt, von welchem eben ganz einfach die Untersnch- mig ausgehen kann, findet er sich urkundlich in den zwanziger und dreissiger Jahren des 16. Jahrhunderts zu Regensburg. In einer Urkunde vom Donnerstage nach Katharina des Jahres 1524, an welcher auch sein Sigel hängt, erschemt Vrban Trunckl des rates. In einer anderen vom Mittwoche nach Leonbart des Jahres 1630 begegnet uns Vrban Trunckl des rates als Zeuge. Nach einer weiteren vom Mittwoche nach Maria Himmelfahrt des Jahres 1582 ist Vrban Trunckl des jnnem rates als Schiedsrichter von Kämmerer und Rath von Begensburg verordnet. An einem Aktenstücke vom Montage nach Lätare des Jahres 1533 sigelt her Vrban Trunekl burger zu Begenspurg des jonem rates vnd der zeit stat camerer. Am Donnerstage nach Jakob des Jahres 1586 sigelt Vrban Trunckl burger vnnd des jnnem rates zw Re- genspurg als Schiedsrichter des Käthes eine Urkunde. Weiter begegnet er uns in einer vom Montage nach Bartolomäus 1537. Im Jahre 1540 wird er als verstorben erwähnt.

Gehen wir zu Nicomed Schwäbl über, für welchen von vornherein der T.Februar 1609 feststeht, so finden wir ihn als Sohn des Nicomed Schwäbl, welcher uns gegen Ende des zweiten Viertels, und als Mitglied des inneren Bathes und Kammerer von Begensburg mehrfach mit Dionjs von Preokendorf in Aktenstücken des dritten Viertels des 16. Jahrhunderts*) begegnet, in einer Urkunde vom 6. Febr. 1584

2) -Bei der Erbschaf tsaaseinandersetznBg unter die Kinder des Mitgliedes des inneren Rathes zu Begensburg Siiiäon Schwäbl am 18. Februar 1542 ist er noch unmündig.

Am 19. Mai 1543 erscheint er als Lehenträger für seinen Bruder Alexander.

Aus einer Urkunde vom 20. Februar 1548 haben wir Kunde über die sohwäbrsche Behausung in Scherer straaz.

Digitized by

Google

418 Sittnmg der hiator. Classe vom 9. November 1667.

worin dem Christof Schwäbl als Lehenträger seiner Mutter Elisabet und für sich selbst wie anstatt seiner Bräder Sieg- mund nnd Nicomed der Schwäbl von dem confirmirten Bi- schöfe Philipp von Regensburg Güter verliehen werden. Von seinem Vetter dem älteren Wolf von Asch und Paindlkhofen erhielt Nicomed Schwebl des jnnem rhats zw Regenspurg einen Weingarten nach Urkunde vom Nicolausab^ide des Jahres 1586, zu welcher ein Lehenbrief des confirmirten Bischofs Philipp vom 14. Juni 1588 verglichen werden mag. Weiter erscheint in einer Urkunde des Herzogs Wilhelm vom 7. August 1592 Nicomed Schwäbl burger vnnd dess jnnem raths als Lehenträger seiner Vaterstadt. In einer Yom 19. August 1599 wird Nicomed Schwäbel barger vnnd des jnnem raths auch statt camerer zw Regenspurg vom Bischöfe Siegmund belehnt. Wieder treffen wir in einei- vom Herzoge Maximilian zu München ausgestellten und unterschriebenen Urkunde vom 15. Jänner 1600 als Lehen- träger des Kammerers und Rathes von Regensbui^ Nicomed

Am 81. Jänner 1551 wird er für sich und als Lehenträ^er for seinen Bruder Tünotheus vom Bischöfe von Regensburg belehnt.

Bald finden wir ihn jetzt in Verbindung mit Dionys von Precken- dorf. So beispielsweise in einer Urkunde vom Mittwoche dem 1. Februar 1658 über die Erbschaftsauseinandersetzung des Alexander Schwibl, welche Dionisi von Präckendorf des jnnem ratts vnd burger su Re- genspurg sigelt.

Am 25. Oktober 1555 vergleicht er und einige andere Raths- freunde sich wegen einer ihnen von Kammerer und Rath von Re- gensburg bewilligten Abwasserbenützung.

Nicomed Schwäbl vnnd Dionisi von Präckhendorff, bede burger vnnd des jnnem raths zu Regenspurg, erscheinen als Vormünder über des Dionisi Schiltl Kinder in einem Briefe vom 2i. Juni 1565.

Auch war er Lehentrager seiner Vaterstadt, wie wir einer Urkunde vom 16. März 1557 entnehmen, und leistete nach seinem Absterben Haubold Flettacher als solcher dem Herzoge Albrocht am 16. Juni 1571 den Eid.

Digitized by

Google

Bockinger: 2Swr JJbffummgszeit des Schtoabentpiegdg. 419

Schwäbl barger vnd dess jnnem rhats daselbs. In zwei Urkunden vom 9. Februar 1604 belehnt Bischof Wolfgang Ton Regensborg den Nicomed oder Nicomedt Scfawäbel barger vnd des jnnem raths auch Stadt camerer zu gemel- ten Regenspnrg mit verschiedenen daselbst näher bezeich- neten Gätem. Nach einer Urkunde vom 4. September 1609 gehört er nicht mehr den Lebenden an, indem weillundt Micomeden Schwäbeis gewesten jnnem raths vnd statcam- merers zue R^ensporg hinderlassenen wittib Vrsola vom Bischöfe Wolfgang mehrere der früheren Ldien ihres ein- stigen Eh^atten durch ihren Lehenträger Friderich Beitmor zh Perckhausen (und nach einer Urkunde vom 1. Juli 1615 vom bischofe Albrecht durch ihren Lehenträger Andreas Beitmor zu Deidenhouen) übertragen wurden.

Weniger sichere Anhaltspunkte stehen uns für den da- malige Besitzer der Pergamenthandschrift P, wie für den des Codex F, welcher die Nachricht darüber enthält, zu Gebote. Sehr natürlich, indem der erstere blos als Herr A bezeichnet wird, der letztere aber nirgends in der Handschrift selbst genannt ist. Doch dürfen wir wohl auch über beide einige Muthmassungen äussem welche nicht allen Grundes ent- behren möchten^ insbesondere wenn wir noch den Gabriel Mair für diesen Punkt herbeiziehen, welcher auch eine Handschrift des sogenannten Schwabenspiegels besass über welche in unserem Codex F Mittheilungen gemacht sind.

Steht fest, dass Nicomed Schwäbl, dessen Vermittlung am 7. Februar 1609 der Besitzer der uns erhaltenen Papier- bandschrift F die Benützung der sonst oder wie wir uns jetzt vielleicht genauer ausdrücken könnten eigentlich dem Herrn A gehörigen Pergamenthandschrift P verdankte, Mitglied des inneren Käthes und Eammerer zu Begensburg gewesen, so wird der Herr A kaum anderswo zu suchen aeiD. Auch liegt sidier die Annahme sehr nahe, dass er eine Persönlichkeit war welche mit Nicomed Schwäbl in

Digitized by

Google

420 ßiUnmß der hMoff CImu vom d. JSovember XB67^

gewissen 8di es freuadscbaftUchen sei es geschüftli^ea Bd- Ziehungen stand. Nun b^egnet uns in der Zeit um welche es sich handelt Christof Adler sicher im erstem Decennium dieses Jahrhunderts als Mitglied des inneren Rathea zu Begensburg. £r erscheint in zwei Urkunden vom 4. Mai 1607, wovon er eine sigelt, als burger md dess jonern rathes zuBegenspurgvnnd dissorts verordneter wacht- herr. In einer vom Herzoge Maximilian zu Miüichen aoe* gestellten und unterschrieb^ien Urkunde vom 12, Mäcz 1610 begegnet er uns als Ldienträger des Kammerers und Bathes von Begensburg. Als solchen treffen wir nach seite^n Ab- leben') das Mitglied des inneren Rathes Hanns Ja](x>b Aiehinger in einer gleichfalls vom Herzoge Maainulian ^a München am 3. Juli 1616 auagestellten und uaterschrieb^nen Urkunde. Auch begegnet er uns „des jnn^m geheimen ratfas^' als Zeuge bei ein^n Kaufe d^ Stadt Begaiaburg in einer Urkunde vom 13. April 1622.

Aus derselben Zeit haben wir dann Kpnde von dem schon berührtoi Gabriel Mair. In einer auf dem Rath« hause zu Regensburg am 14. Oktober alten und 24 neuen Kal^ders 1613 vorgenommenen Verhandlung erscheint als Zeuge Gabriel Mayer burger vnd eines e(rbern) stattgeridits beysitzer vnnd assessor. In einer Urkunde vom 6. Oktober 1614 sodann begegnet uns als Zeuge bei einem Kaufe in Regene- burg Gabriel Meier eines e(rbem) Stattgerichts assessor.

Haben wir es auf solche Weise selbst wenn Christof Adler nicht als uothwendig aftnehmbar erscheint mit an- gesehenen Bürgern der ehrwürdigen Beichsstadt zu thun, io

8) Aus erster Ehe wie es scheint hatte er eine Toöhter Sosanna, welche an den Bürger und Stadtgerichtsbeisitzer zu Begensburg Daniel Eder verheiratet war, wie aus der Urkunde übw denVerkflof ihrer zwei anereibten «n dem uaterea Wdrth su Eegensbuig ^^ legenen PalvennlÜileQ u. & w. vom 17. Juni 1622 hervorg«kt.

Digitized by

Google

BöMnger: Zmr Äbfammgeg^t du Sehwabempiegüa, 421

wird vieileieht nunmehr auch ein Sdüuss auf den Besiizer der Handschrift F erlaubt sein, welche uns die Einträge ans dem alten Pei^amentexemplare P des sogenannten Sebwabenqnegels erhalten hat. Dass er in engen Bezieh- ungen namentlich zu Nicomed Scbwäbl und Gabriel Mair gestanden^ unterliegt keinem Zweifel, indem beide ihm Hand- schriften unseres Rechtsbuches zur Benützung gaben. Dass er selbst ein Mann gewesen der dafür reges Interesse ge- habt, beweisen die Einträge welche er daraus in sein eigenes Exemplar machte. Dass wir wohl nicht mit Unrecht einen rachtsgelehrten Mann in ihm yermuthen dürfen, gründet sich auf die Betrachtung der verschiedenen Anmerkungen welohe namentÜdi vom Anfange an neben den schon bemeirkten Einträgen aus den beiden Exemplaren des so- genannten Schwabenspiegels bezüglich der Uebereinstim- mung mit dem von ihm so bezeichneten Landrechte den Rand fällen. Nun finden wir gerade in der Zeit welche in Frage kommt einen Doctor beider Rechte, Paul Dins- peckh, als Stadtsdiultheissen von Regensburg. Er wurde als soldier nach der im baierischen allgemeinen Reichsarchive aufbewahrten Designation derer Herren Stadt Schultheissen löblicher Reichs Stadt Regenspurg von Johann Georg Gölgel im Jahre 1600 bestellt, und sigelte^) mehrfach Urkunden über verschiedene an Kämmerer und Kath daselbst vorge- -Bommene Verkäufe, beispielsweise vom 20. Februar und 3 1 . März 1602, vom 80. Juli und 25. September 1607. Gorade in dem Jahre in welchem die Einträge in unserer Haodschrift ge- nadit worden sind, am 21. August 1609, kaufte er einen Adc^ SU Regensburg vor dem prepronner Thore. Zuletzt begegnen wir ihm in Urkunden vom 3. Oktober und 24. Jänner

4) Die Umschrift seines Sigels lautet: Pftnlns Dinspeocius L v. d. vnd schvlibais cv Regensparg. [1867.il 8.] 28

Digitized by

Google

422 Sittfimg der JUtUr. Oam um 9- N$9mlm IWZ.

1616. Warum soll er nicht Besitzer der Handschrift F g«* wesen sein können?

Doch gleichviel , ob dem Christof Adler die nel er* wähnte alte Pergamentiiandsdirifb P ^örte, gleiohTiel ob Paul Dinsbeck der Besitzer unseres Codex F gewesen, Be- gensburg ist jedenfalls der Ort an welchem beide Hand- schriften sich am T.Februar 1609 be&nden, denn wenn £e letztere auch nidit dem Paul Dinsbedc gehört haboi sollte, kann nach den obigen Ergebnissen in dem Beisatie „alhiö'* kein anderer Ort als Regensburg yerstanden werden.

Wie nun dahin die für uns so wichtige Pergamenthand- sdirifb P gelangt, vermögen wir nicht sich^ zu bestimmeiL Ohne Zweifel durch die Pr ecken dorf er. Auf weidiem Wege aber, wir haben darüber so vrenig bestimmte Naohriehten als über die ältere Qmiealogie dieses Oesdilechtes. Oerade über den Heinrich wie über seinen Bruder Georg und seine eigene Familie, welche man annehmen muss da er selbst von seinen Kindern spricht, fehlen uns im Ai^enbliobe weitere Anhaltspunkte als was sic^ aus dem bereits be- rührten Eintrage in der Pergam^tbandschrift P entnehmen lässt. So interessant sein Beisbudi gewesen sein mag, so wichtig es nicht allein für die nähere Bekanntschaft nut dem Manne sondern auch für die in manchen ^inzelheiteB noch kdneswegs ganz und gar aufgehellten Fdiden des Grafen Budolf von Habsburg mit den Herren von Begena- berg, dem Bischöfe von Basel, den beiden Grafen von Tog- genburg in den Jahren 1264 bis 1268^) sein dürfte, so vielfadi willkommene geschichtlidie und andere MitthefloBgen es ausserdem aus der Feder eines Edelknechtes bieten

6) Wir können far unseren Behuf hier ganE kmrz auf Lich- nowsky's Geschichte des Hanses Habshni^ I. 8. 69 ff. und beaser Eopp'sGesohiehte der eidgenössiaQh^ ^üodA iL S.6d9E verweisoi

Digitized by

Google

BadBkigär: Zmt Abfcummguäi de$ SchwtAempiegds. 423

miisste der Herr übdr fiinf Sprachen war und nicht weniger als ein und dreisaif Jahre im Kriegsgetümmel umherzog, es liegt uns nicht vor. Muthmasslich blieb es wohl zunächst im Besitze der Preckendorfer, über welche insbesondere um die Mitte des 14. Jahrhunderts^) die urkundlichen Belege

Q) Wohl noch zienlicb ttber sie hinauf reicht der Heinrich Pr&lEendorier dessen im secbaten Absätze Erwähnung zu geschehen hat.

Jaeob der Prakkendorfer stiftet sich am Nicolaustage des Jahres 1358 einen Jahrtag im Gotteshause Maria Magdalena auf prukker Yorst. Moa. boic. ZKYH S. 164 und 165.

Auch treffen wir am diese Zeit hemm Glieder unseres Ge- iohlechies als Lehei^sleate des Landgrafthums Leuchtenberg.

So bei^egnet uns in dem &lteeten wohl noch im dritten Viertel ^mm Jahiiionderts geschriebenen leuohtenbergisohen Lehenbuche imter der AbtbeiluBg „daz sind di leben di gehom zum Lewtem- berg in die hersöhafb*' a«f fol. 18' der Eintrag: Stephan vnd Yhrich di Prechendorfer haben zu leiten zwen hof zu Prechendorf mit irr svegehorang.

Weiter finden wir daselbst unter, der Abtheilung „daz sind di 'leben der pürger zu der Weyden" auf fol. 41 bemerkt: Wolfhart Pregendorffer vnd sein prüder Jacob habent zu Pregendorf y^ gut ▼nd einen zehent ze Pemhof vber viiij gut.

Heinrich und Hanns die Roshawpper mit ihrer Mutter Alhayt ^rgleidien sich Über die Erbschaft ihres Oheims Haynreiohs dez Prikkendorfert mit dem Kloster Schönthal und ihrer Muhme Agnes der Liqhtenekkerin laut Urkunde vom Freitage in der ersten Fasten- woebe de* Jahd^es 1883 , in welcher Steffen der Präkendorfer unter deo Zeugen ersdieint. Mon. boio. XKYI S. 219 und 220.

Der Registratur über das Lehenbuoh des Landgrafen Johann des jüngeren Ton Leuehtenberg entnehmen wir nachstehende vier Einträge zu den Jahren 1408 und 1416.

Abbo 1406 feris fmnta ipsa die sanctj Jordanj et Epimaolj martjraii Ylnehen Preekendorffur den sitz zu Preokendorff mit aller rag^onmg an veUL wismad darauff er sitzet.

Anno 1408 €ena vj** proxima Niolassen Preokendorffer den sitz ^aaauff er aititt aw Preokendoarff mit aller zugehörung an veld wis- ■ttd vnnd hoHM.

28*

Digitized by

Google

424 8itg^tlg der histar. CHosh vorn 9. Nü9ewi>er i8$T.

reichlicher fliessen. An welche yon den betreffenden Fa- miliengliedem es gelangte, wissen wir nidit Ob und von

Anno 1416 feria quiuta octana bealj Stepbanj Lorentss Baschawer bürg er zw Yichtag ij leben zw Preckendorff gelegen die er von Niclasen Preckendorffer gekauffb hatt. derselb Preckendorffer hatt den sitz zu Preckendorff darauff er sitzet mit seiner zugeböning.

Anno et die ut snpra Hannseti Raschawer zw Yicbtag bey Ma- racb gelegen gesessen zwey leben zn Preckendorff jnn newnburger gericht dietrichskürchner pfarr die sein vatter Rascbawer yon Ni- lasen Preckendorffer gekanfft bat.

Andre Prakendorffer oder wie er nnten in der Urkunde ge- scbrieben ist Brakendorffer zne Prakendorff stiftet einen Jabrtag im Kloster Scböntbal am 24. Juni 1431. Mon. boic XXTI S. 891—398. Die Umscbrift in seinem Sigel lautet: Andre Predcendorier. Ibm übergab am Franciscustage des Jabres 1433 Landgraf Leopold tob Leucbtenberg drei iBinstmals dem Niclas Braokendorffer Yerliehm gewesene Güter zu Brackendorff welcbe heimgefallen waren. Auch als oberpfälziscben Lebenmann finden wir ibn, indem nach Herzog Jobanns Lebenbucbe foL82' dem Endres Praeckendorffer am Dienstag nacb Lucia des Jabres 1484 yein verfallenee Lehen eiüer l>ei Prae* ckendorff gelegenen Wiese übertragen wurde.

Albrecbt Präkkndorffer zum Sigenstaiu erscheint in einem Hof- gericbtsbriefe vom Freitage nacb dem Gilgentage des Jahres 1446 in den mon. boic. XXVÜ S. 433—435.

Auf den Montag nacb -Gall des Jabres 1448 fällt ein« land- gräflich leucbtenbergiscbe Belebnung des Sigmund des Prackena- dorffers mit dem Sitze Prackenndorff.

Peter Prackendarffer, Richter zu Camb, sigelt eine Urkunde Tom 9. August 1464. Mon. boic. XXYL S. 476 und 477. Die Umschrift im Sigel lautet: Peter Prackendorffer.

Wir könnten in solcher Ai^zäblung bis in die zweite H&lfte des 17. Jahrhunderts fortfahren. Doch genügt es uns hier, ans einer zu Anfang des genannten Jahrhunderts amtlich Torgelegten arbor consanguinitatis praeckhendorffianae, welche wir mit genauen Be- legen yerseben in der Sitzung der historischen Klasse vom 7. Dezember mitzutheilen gedenken, die nächste Naohkommenschafl des «oletst genannten Peter und jene seines Sohnes Georg vorzaf&hien, inec^ ferne wir hiemit über das Geschlecht der Preckendorfer bis m

Digitized by

Google

Sadtinger'i Zur AJbfammgmeU de» SehwabeMpiegds. 425

wddiiem derselben es vielleioht mit der Pergamenthandschrift P des sogenannten Schwabenspiegels , welche sie nach der heraldiadien Erscheinong des Wappens in ihr ^) zu schliessen wenigstens bis g^en das 16. Jahrhundert besessen haben müssen, nach Regensburg gelangte, woselbst wir sie in den zwanziger oder dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts im Eigenthume des Urban Trunkl wissen, wir vermögen das nicht zu entscheiden. So viel übrigens können wir sicher

UeberBiedloDg des (Georg und seines Sohnes) Dionys nach Regensborg soweit als vorerst nöthig nnterricbtet sind.

Petter

I I I i I

Matthes Stefian Albrecht Wolff Georg I .

Wolff Wolf Sigmundt

Georg

Georg Christoff Wolff Johannes Dionisi Johannes

7) Wir haben es oben S. 416 genau nach dem Eintrage in der Handschrift F mitgetheilt.

Man möchte sich hienach der Ansicht zuneigen , vorausgesetzt nämlich dass die Zeichnung in der Handschrift F wirklich ganz genau ist, es sei nur eine ältere Darstellung desselben durch ein späteres Glied des Geschlechtes, in welchem sich der 8chatz des Ahnherrn aus dem 18. Jahrhunderte fort vererbte, übermalt worden, wie sich von selbst versteht in der heraldischen Form der betreffen- den Zeit.

Wenigstens zeigt uns das prachtige Aquarell gemäldchen in der einst im Besitze der Preckendorfer befindlich gewesenen Pergament- handschrift von des Konrad von Megenberg berühmten Buche von den natürlichen Dingen, welche uns die oben im Eintrage der Handschrift F geschilderte bildliche Darstellung in einer Fertigung etwa aus dem Beginne des letzten Viertels des 14. Jahr- hunderts erhalten hat, cod. germ. raon. 88, insbesondere den Schild nicht allein ganz und gar frei und nicht vom Mantel oben auf beiden Seiten überdeckt, sondern auch in der alten spitzen Form.

Digitized by

Google

426 Sitetmg der hittor. 0h$$9 vom 9. NwmiHwr iWr.

den FamilienaofzeichnuDgen entnehmea wdche sich in d€r einst im Besitze der Preckendorfer befindlicb gewesenen herrlichen Pergamenthandschrift TOn des Konrad tob Megan- berg berühmten Bache yon den natürlidien Dingen^ irib- ^ehr cod. germ. 88 der Staatsbibliothek zxx München, ein«- getragen finden, dass ganz am Schiasse des 15. Jahrhaoderts Georg Ton Preckendorf sich mit Agnes yermählte, der Tochter von Kaiser Friedrichs Rath Konrad Trinkl za Hauteendorf, welche nach dem Tode ihres Gatten noch 36 Jahre lang als Wittwe lebte and in Regensbarg wohnte, woselbst sie kurz nach der Mitte des 16. Jahrhauderts als die letzte ihres Geschlechtes starb. Auf solche Weise möchte für den Uebergang der fraglichen HMSids^shrift^ oder wenig- stens der Pergamenthandschrift des sogenannten Schwaben- spiegels sowohl dahin als auch in die Hände des Urban Trunkl ein sehr natürlicher Weg gefunden sein. Auch liess sich vielleicht um die Zeit yon welcher es sich handelt, abgesehen von dem berührten Eheverhältnisse, der eine oder andere aus der predcendorferischen Familie überhaupt in Regensburg nieder, woselbst wir wenigstens im Jahre 1553 den Dionjs von Preckendorf als Mitglied des inneren Ratbes und im Jahre 1559 wie 1572 als Kämmerer wie gegen den Ausgang der siebenziger Jahre dieses Jahrhunderts sogar als obristen Kriegsherrn^) finden. Doch mag dem so oder so

8) Vgl. über die Urkunde vom 1. Febraar 1558 oben S. 418 Note 2. Die Umschrift des Sigels lautet: S. Dionisi. von. Frecken- dorfif.

Herr Dionysi von Praegkbendorff des jnnem ratbs erscheint als Zeuge bei einem von Kammerer und Rath von Regensburg ge- machten Verkaufe am Sonntage den 10. Oktober 1557 nach der darüber unterm Mittwoche den 16. Febr. 1558 ausgestellten Urkunde.

Herr Dionysi von Pragkhenndorff etc. des jnnem ratha der zeit

Digitized by

Google

SöMBgiri Zm AJkfammgsgtU da Schwäbenspiegds. 427

sein, es hat am Ende fiir die Frage welche uns beschäftigt keine unmittelbare Bedeutung, wiewohl möglicher Weise etwa aber den Ritter und Bürger von Zürich, mit welchem unser Krieger jedenfalls in innigen Verkehr getreten sein muss, wenn j&oßT ihm eine so werthvolle Handschrift zu verehren sich veranlasst gefunden, nicht zu verachtende Auf- schlüsse aus dem fraglichen Tagebuche zu schöpfen sein dürften.

Was schliesslich noch gerade diese schweizer Per- sönlichkeit betrifft) dürfen wir uns nicht wie allenfalls beim Herrn A und beim Paul Dinsbeck lange in Muthmass- ungen ergehen, sondern ein Eintrag welchen uns die Hand- schi'ift F aus P über deren Besitzer erhalten hat bietet die erwünschteste Auskunft. Es heisst nämlich dortselbst auf Fol. 182, dass nach dem den Schluss des sogenannten Schwaben- spiegels bildenden Endartikel c= L 159 des Lehenrechtes und nach der Angabe des Schreibers welcher die Hand- schrift gefertigt*) noch nachstehende Bemerkung gefolgt sei:

Disz buch höret einem herren an

der vnreoht ze rechte kau

bringen, ob ers gerne tut.

Gott gebe im ehre vnd gut

hie vntz vf sin ende,

statt camerer ist Zeuge und Sif^ler f&r eine HeiratsTerabredong am Samstage den 28. Dezember 1559.

Ueber die Urkonde yom 24. Juni 1565 ist oben S. 418 Note 2 m yergleichen.

Herr Dionisius Ton Pr&gkhendorff dess jnnem raths begegnet ans als Zeoge bei einem Verkaufe Samstags den 11. Mai 1566.

Herr Dionisius von Prackendorff erscheint als einer der Kam- merer Yon Regensburg bei einem Vertrage der Stadt mit dem Bi- schöfe Tom 15. Juni 1571 , yom Kaiser Maximilian am 23. August 1572 bestätigt

9) Vgl. unten S. 486.

Digitized by

Google

428 SUzting der hUtor. Clam wm 9. Nmßmbtr 1867.

vnd dort oq alle missewende teile mit im froliche sin ewig himelriche.

Amen. Herre, were iht bessers gewesen danne daz ir hie hant gelesen, daz hette ich gewünschet yf minen eid iv ze einer selikeit. Swer mir nu gelikes bitte, dem müsse gott wesen mitte hie vnd dort mit wunne. Swer mir anders gunne, dem müsse oech also geschehen. Anders kan ich nicht veriehen: Gott vns müsse wesen bi durch sine*®) heyligen namen dri. Aber nu der herre müge genesen den wir hievor haben gelesen den disz buch anbohret. Es ist ein man der gerne stoeret daz ynrecht zallen ziten. Nicht lang ich will biteh. Ich wil iu hie sa ze hant den ere gernden tun erkant e daz ich sin vergesse. Herr BndigSr der Manesse von Zürich^ ein ritter, ist er genant. Vmb ine ist es so gewant, daz er vf die rehtekeit zallen ziten svnder leit setzet gar den sinen muet.

10) In der Handflchrift steht: siner.

Digitized by

Google

Da Ton im ehre vnd guet gott soll geben zallen zit an aller slabte widerstrit.

Keinem anderen demnach als dem berühmten Rudiger dem Manessen dem älteren gehörte die fragliche Per- gamenthandschrift an. Am 1. Juli 1264 erscheint er als der fünfte unter den bürgerlichen Käthen des in glücklicher Entwicklung begriffenen Zürichs. Am 15. März 1268 ist er der zweite unter den Beisitzern des Rathes aus dem Ritter- stande. Es ist eine bekannte Thatsache, wie mitten uoter dem Waffengeräusche einer ki*iegerischen Zeit und den Sorgen des aufstrebenden und bewegten städtischen Gemein- wesens, woran Rudiger der Manesse^^) eifrigsten Antheil genommen, auch friedlichere Bestrebungen, eine schöne der Wissenschaft und Kunst gewidmete Müsse in seinem Leben Raum gefunden. Wie frühe dieses der Fall gewesen, die fragliche Pergamenthandschrift woran wir vor der Hand keine weiteren Folgerungen knüpfen liefert einen spre- chenden Beweis hiefür.

Wir könnten sie hienach mit vollem Fuge als manes- sische mit der Abkürzung als Handschrift M bezeichnen. Wenn wir diesen Buchstaben oben nicht gewählt haben, sondern sie nach ihrem nächsten Besitzer als precken- dorfer'sche unter der Abkürzung als Handschrift P vorführen, hat dieses seinen Grund lediglich darin, dass auf solche Weise Verwechslungen mit der seinerzeit auch zur Besprech- ung zu bringenden Handschrift des Gabriel Mair = M leichter vermieden werden.

m.

Sind wir auf diesem Wege über die Schicksale der in- teressanten Pergamenthandschrift P wenigstens bis zum

11) Vgl. Wyss Beitrage zur Geschichte der Famüie Maness t-lO.

Digitized by

Google

4S0

Siimmg det histor. (Xame wm 9, Nmom^ber IWf,

7. Februar 1609 ausreicliend genug unterrichtet, so gehen wir nunmehr auf sie selber ttber, soweit sich nämlich näheres über sie herausbringen läset. Die Mittel hiezn bieten uns die Einträge in der Handschrift F. In diese hat sich nämlich, wie bereits oben S. 411— 413 bemerkt worden, aus ihr wie aus Gabriel M^'s Exemplar Paul Dinsbeck oder wer eben der Besitzer der noch erhaltenen Papierhandsdirift F gewesen sein mag einfach was ihm bemerkenswertb dünkte verzeichnet oder vielleicht richtiger gesprochen verzeichnen wollen. Es scheint ihm nämlich hiebei im albnäligen Verlaufe der Yergleichung die Arbeit über den Kopf hinaus gewachsen zu sein. Denn von Anfang an ging insofeme die Sache leichter als die Handschriften des soge- nannten Schwabenspiegels welche d^ alten und noch nicht einer so zu sagen systematischen Ordnung folgen in einer gewissen Weise regelmässig zusammenstimmen, abgesehen von der Zusammenziehung mehrerer Artikel in einen oder von der Trennung: eines Kapitels in mehrere. Unglücklicher Weise bot nun aber sein Exemplar die Gestalt jener Gruppe welche von Artikel 27 des durch Freiherrn v. Lassberg be- sorgten Druckes an eine hübsche Reihe hindurch jene starken Versetzungen aufwdst welche aus der auf der Handschrift des Beichsgrafen von Wurmbrandt besorgten Ausgabe des Herrn v. Berger = B leicht zu ersehen sind. Gleich die erste :

L F B

26 27 27

27 39 37

28 40 38

29 41 39

30) 42 31

]%}

40

L F B

32 44 41

33 45 42

34 46 43

35 47 44

86{ ^H *^ l 491 46

L F B

37 50 47

38 51 48

39 52 49

40 53 50 »«) 117 106

41 118 107

L F B

42 54 51

43 55 52

44 28 28

45 56 53

46 61 58

47 62 59

12) Tgl. Artikel 18.

Digitized by

Google

Boekinffers Zwr Äbfassunsfmfeif des 6ehtoäbm$pieffd8. 48 i

ü. 8. w. Hier scheint sich im ersten Augenblicke der gute Mann nicht mehr recht ani^ekannt zn haben. Efi hört näm- lich jetzt die einlässlichere Vei^leichung nicht blos aus der Pergamenthands($hrift P. sondern auch aus Gabriel Mair's Exemplare auf, von welchem indessen die bis zum Artikel 44 des L Druckes reichenden Verstellungen angemerkt sind, während bezüglich P auf fol. 67^ mir bemerkt ist:

Nota bene. dise ynd yolgende titnl sein im pergamenen

rechtbuch tU änderst gesetzt vnd geordnet. Leider ist ihre genaue Folge nicht beigesetzt worden^ während das Verzeidmiss der Artikel der Haodsdirift de& Gabriel Mair vollständig auf den leeren Blattern der Hand- schrift F nachträglich noch eingefügt wurde. Hört indessen auch wie bemerkt am angegebenen Orte die eigentliche Ver- gleichung auf, so wird doch auch fortan an verschiedenen Stellen noch dieses oder jenes bald mehr bald minder wichtige theils am Rande theils auf anfänglich leeren Blatten angemerkt

Die Nachricht über den ursprünglichen Besitzer Heinriph den Preckendorfer und die späteren Schick- sale der Handschrift P, soweit sie bis zum 7. Februar 1609 bekannt sind, sie ist bereits oben S. 413—416 mit- getheilt worden.

Wir lassen nunmehr die übrigen Einträge folgen.

Auf fol. 6' Sp. 2 nach dem Schlüsse des Verzeichnisses der Kapitel sowohl des Eönigebuches als auch des Land- und Lehenrechtes des sogenannten Schwabenspiegels findet sich nachstehende Bemerkung:

In dem pei*gamenon Buch stunden nachvolgendeRaimen: Hie hat daz lehenbuch ein ende. Gott vns sich selben sende ze einem suessen*') tröste.

13) In der Handschrift steht: saellen.

Digitized by

Google

432 SiUimg der higtor. Ghsee wm 9. November 1S67.

Wann er vns eine erloste von der helle pine, da Ton er vns ze schine sich selben iemer geben wil, des ist im heren nicht ze yil. In gottes namen^^) snn wir sprechen Amen. Auf Fol. 8 zum Eingange des Eönigebuches lautet in der Handschrift F der Text : durch den rechten fride, durdi den raynen fride, durch den schadhaften fride, durch staten fride. Dieser ist dann theils durch Randbemerkung theils gleich durch Einsetzung in die betreffenden Zeilen selbst folgendennassen geändert:

durch den rechten fride, ynde durch den seide- haften fride, durch den raynen fride, durdi den schadhaften fride, ynde durch den staten fride, wonach eben in den Worten „durch den seidehaften fride" der sinnlose erst weiter unten stehende und daher beim ersten Lesen nicht allsogleich schon bemerkte Ausdruck „durch den schadhaften fride'^ aus der Pergamenthandschrift P yerbessert erscheint.

Auf Fol. 38 ist zu der Ueberschrift : Von dem chunig Daiö, in welch letzterem Worte über dem i das Abkürz- ungszeichen angebracht ist, die aufgelöste Form „Dario*' an den Rand bemerkt.

Auf Fol. 62' zu Art. 11 = L 9 des Landrechtes tritt uns der Eintrag entgegen:

Im pergamenen buch stehet der titul also: Der man ist der frowen maister, wobei über dem o in „frowen" noch ein kleines y über- gesetzt ist.

Auf Fol. 63 zu Art. 16 = L 14 des Landrechtes ist

14) In der Handschrift steht; In gottes namen amen.

Digitized by

Google

BoMnger: Zwr ÄbfoiiimgsMeit äe$8ehwabeMpieg^. 438

anstatt der Ueberachrift ,.de8 sxxns gat" als solche ans der Pergamentbandschrift P angeführt: dess kindes guet. Auf Fol. 64' za Artikel 19 = L 17 des Landrechtes ist uns folgender Text yon P am Rande angemerkt:

Die Swabe setzent wol ir vrteil vnder in selben, yf swebischer [erde] ist daz recht, ynd ziehend si euch wol an ein höher ge- richte. [daz gerichte] myotzen sie nemen, ynd band si oech die minren yolge. swe- bisch**) recht zweyen sich etc. ut hie**). Auf Fol. 67 zu Artikel 27 = L 26 ^es Landrechtes ist in den für den rothen Anfangsbuchstaben W leergelas- senen Raum ein schwarzes S undW eingeschrieben, so dass es den Anschein hat, es stand anstatt „Wo" in der Per- gamenthandschrift P: Swo.

Von der auf Fol. 67' zu Artikel 39 = L 27 des Land- rechtes eingetragenen Bemerkung ist yorhin S. 431 die Rede gewesen.

Auf Fol. 75' zu Artikel 64 = L 52 des Landrechtes ist zu den Worten des Textes „mit aynem schilt ynd mit aynem sper gositzen mag'' an den Rand als Lesart der Pergamenthandschrift P beigeschrieben:

mit schilte ynd mit schaffte gesitzenjnag. Auf Fol. 98 zu Artikel 145 = L 122 des Landrechtes ist zu dem falsch geschriebenen Worte Jmselsuchtig die Cor- rectur aus der Pergamenthandschrift P

miselsuhtig an den Rand bemerkt.

Auf Fol 100' zu Artikel 155 = L 130a des Land-

16) In der HAiidschrifi stellt: sweL 16) Vgl. oben S. 418 Note 1 cu fol 64'.

Digitized by

Google

iH Ska%m0 der hktar. €Uu$e wm 9. Narnnbar IßßT.

rechtes ist zu den Worten des Textes ^der ?ierd an der wall das ist der herczog yon Beyren des reiches sobenok** an den Rand abgesehen von dem m (Gabriel Mair's Exemplar vorfindltchen Texte *^) bemerkt :

Goncordat daz pergamen rechtbuoh so aono 1264 schon geschribn gewesen, aberdarinn radürt ynd dafür gesatzt worden:

der könig von Beheim. Auf fol 116 zu Artikel 207 = L 377 11 des Land- rechtes begegnet uns die Bandbemerkung:

Nota bene. diser gautz titul ist im pergamenen puch hieher nicht gesetzt, sonder volgt der titul: der dess nachtes körn stilt. Aber folio c vnter dem buch von lehen da wird er erst gesetzt.

Auf Fol. 123 zu Artikel 222 = L219 des Landrechtes finden wir an dem untern Rand bemerkt:

Im pergamen buch steht zu ende dess tituls von müHnen vnd von zöln vnd von münzen: Hie ist das landrecht buch vsz. Voigt ein figur eines richters dem einer ein briof mit ßigl vberreicht, vnd volgend titul:

Hie hebt an das edel buch das da haisset daz buch von lehenrechte.

Das erste. Jn nomine patris et filij et .Spiri- tus sancti. Ob ein kind etc. Auf Fol. 148' ist zum Anfange des Lehenrechtes am unteren Rande bemerkt: . Ln pergamenen buech:

Hie hebt sich das edle vnd recht lehen buch an, daz das dritte stukh ist diss buchs.

17) Der vierd ist dor hertzog in Bftyni, den r«£ehs sdienkh. der soll dem könig den ersten bacher trageft.

Digitized by

Google

Baekm^er: Zur Ähfassungmteii des SehwsbenspkgeU. , 435

Von reohten leben:

Ja nomine patris et filij et Spiritus sancti. Anf Fol. 150 ist zu den Worten des Artikels 7 = L 8 des Lehenrechtes „ynd der herczog Ton Bayren'^ an den Rand gesohrieben:

GoQCordat das pergamenen. bier ist aber widerumb etwas corrigirt, ynd der konig vonBebeimb gesetzt. Auf Fol. 182 begegnet uns zum Scblnsse des Leben- recbtes = L 159 nacbstebender Eintrag:

Nota bene. Im pergamenen Bncb post § ultimum „Leben^' etc. post uerba postrema „da von daz er desz beerscbildes darbet^' volgt bernach: Hie bat daz lebenbucb ein ende.

Hie bat daz lebenbucb ein ende, elliu^^) leben rebt ban icb zu ende bracbt diu^^) von leben rebte sint.

Vnd wissent das lebenrebt libt were ze bescbeidene, were der so vil nibt di^ des vnrebten. varent ynd vnrebt tbun durcb gutes willen das sie ie zu ze rebte sagent durcb ir selber munt. ynd werdent ai des selben sa ze bant geyraget dar nacb, das yerkerent si, vnde sagent ein anders. Es ist nieman so vnrebter, in dunke yn- billicb ob man im ynrebte tbut. darumbe bedarff man wiser rede ynd guter künste wol wie man sie an di rebt bringe.

Swer zallen ziten yf das recht spricbet der gewinnet mangen yient. des sol sich der biderman gerne bewegen durcb gott ynd durcb sine ehre ynd durcb siner seele beil.

18) In der Handschrift iffi das i ober das u gesetzt.

Digitized by

Google

436 SitMung der histar, Classe vom 9. N&veniber 1867.

Gott durh sine gute der gebe tds sine genade, das wir das reht also minnen in dirre weite, Tnd daz vnreht krenken in dirre weite, das wir sin da geniessen da sich lip ynde sele schaident. das yerlihe vns der vater vnd der sun vnd der heilige geist. amen, daz werde war. Qui wole^*) mich geschriben hat, Wilt schriber nomen habebat. Die Verse welche hiemach noch über den ursprüng- lichen Besitzer der Pergamenthandschrift P angereiht sind haben wir bereits oben S. 427 429 mitgetheilt.

Die Bemerkung welche dann noch weiter über Kaiser Friedrichs II. mainzer Landfrieden folgt werden wir unt^i S. 437 berühren.

Auf Fol. 181 endlich ist bezüglich einer Anzahl Ton kurzen Rechtssätzen, wie über ehehafte Noth und anderes, welche in der grossen Mehrzahl der der Gruppe der Hand- schrift des Reichsgrafen von Wurmbrandt angehörigen Co- dices als „Generalartikel" noch nach dem Schlüsse des Lehenrechtes des sogenannten Schwabenspiegels angehängt erscheinen, ^ie Bemerkung gemacht;

Nota bene. diso general articul sein im pergamenen exemplar nit gesetzt.

IV.

Hienach sind wir jetzt in den Stand gesetzt, uns ein gewisses Bild von der Pergamenthandschrift P zu machen.

Sie hat zunächst das Buch der Könige wenigstens der alten E enthalten. Ihm folgte das Land- und das Lehenrecht des sogenannten Schwabenspiegels.

19) In der Handschrift steht: wele.

Digitized by

Google

Bdckinger: Zur ÄhfasMngszeii des Sckwäbenspiegds. 437

Weiter fitnd sich in ihr auch Kaiser Friedrichs ü. be- rühmter mainzer Landfrieden. Letzteres entnehmen wir noch dem Eintrage der Handschrift F auf Fol. 182' nach den Versen über den ursprünglichen Besitzer der Hand- schrift P:

Voigt jm pergamenen Buch Kaiser Fridrich des andern Landfridt verteutscht, aber nicht gar. Dessen Eingang ist:

Dirre fride wart gesetzet von dem an« dern kaiser Fridriche mit der fursten vnd anderer hohen herren rate ze dem grossen hofe ze Megenze ze vnser frowen mes ze mittem ovgesten do von gottes ge* bürde M^ CC^ vnd 36 jaren warent.

Wir setzen vnd gebietend von vnserm keiserliohen gewalte etc. Betrachten wir uns nun einzeln die vorgeführten Ein- träge näher, so gestatten sie uns leider ob ihrer nur ge- ringen Anzahl keineswegs einen Schluss darüber, zu welcher der bekannten älteren Formen des sogenannten Schwabenspiegels ein näheres Verhältniss besteht Immerhin aber ergeben sich doch einige nicht unwichtige Folgerungen. Es versteht sich hiebei von selbst, dass wir vor allem den Deutschenspiegel ins Auge fassen, soweit uns eben Anhaltspunkte dafür vorliegen, insofeme wir in ihm zunächst den Ausgangspunkt für den sogenannten Schwaben- Bi»^el und den unmittelbaren Vorläufer seiner ältesten Ge- stalten zu Erkennen haben.

Was zunächst die beiden Bemerkungen auf fol. 62' zu Artikel 11 = L 9 und auf Fol. 63 zu Artikel 16 = L 14 des Landrechtes hinsichtlich der Ueberschriften dieser Artikel anlangt; sdiliessen sich selbe eng an deu Deutsehenspi^gel an, für dessen Artikel 13 und 19 sie lauten: Der man ist der frowen maister vnd vogt; Der vater erbet des chindos [1867. IL 8.] 29

Digitized by

Google

438 SiUung der histor, Glosse vom 9. November 1867,

guot. Es erscheint fast UeinUch auf die EmzeichnuQg yon Fol. 67 Rücksicht zu nehmen; doch beginnt auch im Deut'^ Bchenspiegels der entsprechende Artikel 28 mit Swa. Nicht minder stimmt der Eintrag zu Fol. Ib' mit dem Texte des Artikels 49 des Deutschenspiegels, worin es heisst: mit einem sdiilte vnd mit einem Schafte gesitzen mag. Das- selbe lässt sich zu Fol. 98 anfuhren, woselbst auch im ent- sprechenden Artikel 295 des Deutsdienspiegels miselsuchtig steht.

Entschieden dagegen weichen die Einträge auf Fol. 100' und Fol. 150 bezüglich der vierten weltlichen Eurstimme von der jetzt allein bekannten erst dem 15. Jahr- hunderte angehörigen Handschrift des Deutschen- spiegels ab, indem . dessen Artikel 303 des Land- und 11 des Lehenrechtes den in der Pergamenthandschrift P anstatt des Herzogs Ton Baiern erst durch Coriectur eingesetzten König Ton Böhmen aufführen.

Insofeme nun nach Ficker's Untersuchungen der Dent- schenspiegel nicht lange vor aber auch nicht lange nadi dem Jahre 1260 entstanden ist, mödite man yielleicht bei Berücksichtigung des Sachverhaltes dass die in Frage stehende Pergamenthandschrift P zwischen den Jahren 1264 und 1268 unserem Preckendorfer geschenkt wurde, also in einer Zeit welche ungemein an das vorbezeichnete Jahr der Abfassung des Deutsdienspiegels angränzt, nicht unschwer auf den Gedanken verfallen, ob wir es nicht vielmehr mit einem Deutschenspiegel als mit dem sogenann- ten Schwabenspiegel zu thun haben.

Wir sind dieser Meinung nicht. Sind auch die An- haltspunkte welche uns zu Gebote stehen ihrer Zahl nadi verhältnissmässig nur wenige, so dürfte sich doch daraus diese Frage entscheiden lassen.

Einmal ist vor allem nicht zu übersehen, dass der Be- sitzer der Handschrift F gleich in dem Eintrage wovon oben

Digitized by

Google

Bqckinger: Zur AbfatsungsMCü des Schwahenspiegds. 439

S. 413—415 die Rede gewesen von der Pergamenthandschrift P mit dürren Worten sagt, dass „darein volgend recht- buch gantz schön vnd sauber geschriben" gewesen» Insoferne nun die Handschrift F den mit dem Buche der Könige alter E verbundenen sogenannten Schwabenspiogel enthält, welches Werk ihm das „volgend rechtbuch^^ ist, erscheint eine andere Annahme als dass die Pergament- handschrift P auch diesen Inhalt hatte ganz unthunlich. Denn wenn in ihr etwas anderes gestanden wäre, wie hätte ihm das wohl bei der Genauigkeit welche wir bei den einzelnen Einträgen aus ihr finden entgehen können?

Uebrigens ganz abgesehen hievon stehen uns noch andere Gründe zu Gebot. Zunächst ersehen wir aus der den Ein- gang des Buches der Könige berühiendea Stelle auf Fol 8, dass dieser nicht in der gekürzten Form des Deutschen^iegels'^) gestanden hat, sondern der volleren, welche wir aus Massmanns Ausgabe in des Herrn v. Daniels Bechtsdenkmälern des deutschen Mittelalters III Sp. XXXIU snr Genüge kennen.

Ohne Zweifel dürfen wir auch daraus, dass zum ganzen Buche der Könige alter E wie es in der Handschrift F steht ausser der Auflösung der wie es scheint in der Ab- kürzung ihrem Besitzer nicht verständlichen Foi-m des Namens Darius keine Bemerkung gemacht ist welche das Vor- handensein grösserer Veränderungen andeuten würde, nicht ohne Grund den Schluss ziehen, dass es in der Pergament- handschrift P in demselben Umfange vorhanden gewesen.

Auf das Buch der Könige folgt im Deutschenspiegel eine Umarbeitung der Präfatio rhythmica des Sach- senspiegels wie des Prologus und des sogenannten Teztus prologi dieses Bechtsbuches. Wären diese

20) Vgl liiemi F ick er über einen Spiegel deutscher Leute und dessen SieUnng com Sachsen- vnd Sohwabenspiegel S. 14 (126).

29*

Digitized by

Google

440 SUmng der hiikfr. Cksse wm 9. No^miber 18$7.

Stacke in der Handschrift P vorhanden gewesen, die An- deutung darüber vmrde sicher nicht fehlen. Wir ersehen also hierin einen ferneren Omnd für unsere Annahme.

Scheint dann die einzige areprüngliche Eintheilnng des Deutschenspiegels nur die in eine nngezählte Reihe kleiner Abschnitte gewesen zu sein, and ist in ihm noch von keiner Scheidung in bestimmte Abtheil- ungen die Rede, so dass nicht emmal der Beginn des Lehen- rechtes äusseriich mehr hervortritt als der eines andern Ar- tikels, 80 tritt uns in der Pergamenthamdschrifb P bereits die Sonderung des Land- und Lehenrechtes gans scharf entgegen, vnd wird weiter auch das Landrecht selbst durch eine auch sonst in verschiedenen Handschriften aof- tauchende Abtheilung nadi L Artikel 219 als aus zwei Theilen bestehend vorgeführt.

Hatte weiter der Deutschenspiegel aller Wahrschein*- lichkdt nach keine Artikelüberschriften; und bietet er auch in der uns erhaltenen Form solche in sdnem spat^-en Verlaufe nicht, so) entnehmen wir aus den Einträgen auf Fol. 62' wie 63 und 116, dass in der Pergamenthandscfarift P sidi selbe bereits fanden.

Dass umgekdirt in ihr die beiden im Deutschenspiegel zu den Artikeln 29c und 80b aufgenommene Gedichte des Strickers nicht vorhanden gewesen, aitnehmen wir wohl nicht mit Unrecht dem Schweigen das in dieser Be- ziehung hierüber obwaltet.

Sdien wir uns näher nach dem Inhalte einzelner Ar^ tikel um, so können wir wohl die Theorie von den zwei Schwertern nicht umgehen, ^er Deutschenspiegel weist noch das weltliche dem Kaiser unmittelbar zu. Wäre diese Auffassung in der Pergamentiiandschrift P vertreten gewesen, unser Gewährsmann hätte unmöglich eine Anm^kung zu dem Texte von F, welcher als sogenannter Schwabensjaegel beide Schwerter dem Pabsto zuzuweaden für gut findtt^

Digitized by

Google

Boehmger: Zur Abfa$9mg8M$H des Schwc^eiMfriegeU. 441

nnterschlagen können, um so weniger als er gerade bei der Stelle dass erst der Pabst dem Kaiser das Schwert des weltiioben Gerichtes leihe die ausdrückliche Bemerkung an den Band setzt dass diese im sächsischen Landrechte nicht vorkomme. Man miisste nur geradezu annehmen, er habe im vorliegenden Falle die Pergamenthandschrift P einzusehen vergessen.

Findet sich sodann von der langen Abhandlung über die Ehe im Deutsehenspiegel keine Spur, wohl aber in aa- ^rka^nt alten Hatidschriften des sogenannten Schwäbenspiegels, wie dem cod. germ. 90 der münchner Staatsbibliothek, der uber'sdien Handschrift zu Breslau, der französischen Ueber- setzung des sogenannten Schwabenspiegels zu Bern, und bereits in gekürzter Fassung im Cod. Fäsch zu Basel, and berichtet uns der Eintrag auf Fol. 116 dass sie in der Pergamentbandsohrift P gestanden, so ist wohl nicht zu bezweifeln, dass wir es mit einem Codex des sogenannten Schwäbenspiegels zu thun haben.

Auch nach einer andern Seite hin ist gerade dieser Eintrag nicht ohne Werth. Insofeme nämlich die berührte Abhandlung auf FoL 100 des Codex P am Ende des Land- rechte$ ihren Platz hatte, ergibt sich für diese Handschrift in welcher von FoL 100 an eben diese lange Abhandlung und dann erst noch das Lehenrecht folgte ein Umfang welcher über den des Deutschenspiegels weit hinausgeht

Was noch eben das Lehen recht betri£ft, welches im DeutBcheaspiegel der Schlussartikel L 157 und 158 und ins* besondere des Sdilusswortes = L 159 des sogenannten Sdiwabenspiegels ^tbehrt, vernehmen wir aus dem Eintrage auf Fol. 182, dass s^n Text in der PergamenihandschriftP mit den Worten „da von daz erdeszheerschildes darbet'' des im Deutschenspiegel gar nidit vorhandenen Artikels L 154 ge- endet hat, und das Schlusswort = L 159 in der dem söge- Dannteo Schwabenspiegel angehörigen Form in ihr gestanden.

Digitized by

Google

442 Sitzung dtr histor. Cla89e t>om 9, November 1867.

Steht auf solche Weise fest, dass diese keinen Dentschen- Spiegel sondern den sogenannten Schwabenspiegel enthalten, so ist nunmehr bei Berücksichtigung des Sachverhaltes dass sie zwischen den Jahren 1264 und 1268 unserem Precken- dorfer geschenkt wurde die Zeit der Abfassung des sogenannten Schwabenspiegels gegen die bisherige Annahme um etwas hinaufzuriicken.

Welches ist der gegenwärtige Stand dieser Frage? Jo- hannes Merkel, welcher noch vor der Auffindung des Deut- schenspiegels in seinen Commentarien de republica Alaman- norum XVI S. 22 24 mit den einschlägigen Noten ausfuhr- lich über diese Frage handelte, gelangte zu dem Ergebnisse dass unser Rechtsbuch zwischen den Jahren 1276 und 1281 vollendei worden. Als es Ficker gegönnt war, den glücklichen Fund der innsbrucker Handschrift des Deutschen- spiegels mit der ihm cigenthümlichen geistreichen Sdiärfe zu verwerthen, stellte sich ihm auf Merkels Forschungen fussend in seiner akademischen Abhandlung über einen Spiegel deutscher Leute und dessen Stellung zum Sachsen- iind Schwabenspiegel S. 164 und 165 das Ergebniss heraus, dass die Abfassung unseres Rechtsbuches nach seinen staats- rechtlichen Bestimmungen nicht vor das Jahr 1275 fallen könne, und sein Alter sich etwa dahin bestimmen lassen möchte, er könne nicht lange vor und nicht lange nach 1280 entstanden sein* Dem entgegen machte Laband in seiner Arbeit über den Ursprung des sogenannten Schwaben- spiegels geltend, dass es in ihm auch nicht^an Andeutungen fehle dass er unter der Regirung König Richards verfasst worden, worüber er insbesondere in seinen Bei- trägen zur Kunde unseres Rechtsbuches S. 23 und 24 handelt. Es war zu vermuthen, dass nach den Untersuchungen welche 'er abgesehen gerade von dieser Frage nodi am bemerkten

Digitized by

Google

Boehinger: Zur ÄbfasrntigsgeH des BchwabenspiegeU, 443

Orte veröffentlicht hat Ficker sich weiter in der Sache ver- ^ nehmen lassen würde. Das geschah denn auch in seiner akademischen Abhandlung zur Genealogie der Handschriften unseres Bechtsbuches , worin er. glaubt, an der bisherigen Ansicht die Abfassung desselben dürfe wegen der staats- rechtlichen Sätze nicht vor die ersten Jahre König Rudolfs gesetzt werden auch nach Erwägung der von Laband aufgestellten Gegengründe festhalten zu müssen, worauf er bei anderer Gelegenheit zurückzukommen denke, wogegen er der Beweisführung des Verfassers, dass das Verhältniss zum augsburger Stadtrechte eine Ab- fassung nach 1276 nicht nöthig mache, bereitwilligst beistimmt, wie er das ja auch schon früher nur bedingt für diesen Zweck geltend gemacht.

Fragen wir diesen so zu sagen ausschliesslich ans in« neren Gründen gewonnenen wissonschaftlichen Ergebnissen gegenüber nach allenfallsigen Datirungen der zunächst in Betracht kommenden ältesten Handschriften, so stehen' die zwei Jahrzahlen welche hier vor allem ins Auge fallen mit jenen Ergebnissen in keinem Widerspruche. Einige Hand- schriften beziehen sich nämlich auf eine Vorlage vom Jahre 1282. Die lassberg'sche gibt uns den Beweis, dass im Jahre 1287 der sogenannte Schwabenspiegel be- reits vorhanden gewesen. Allerdings sind wir hiedurch um keinen Schritt für eine nähere Bestimmung der Zeit seiner Abfassung als die schon aus den eben berührten Er- gebnissen hervorgehende weiter gefördert.

Wichtig werden in dieser Beziehung die aus einem zu Anfange des 16. Jahrhunderts gefertigten Einbände eines Werkes der königlichen Bibliothek zu Berlin abgelösten Bruchstücke einer Pergamenthandschrift des soge- nannten Schwabenspiegels, über welche Pertz in der Sitzung der historisch-philosophischen Glasse der Akademie

Digitized by

Google

444 SiUung der hUtor. Classe v&m 9. Nwmber 1SS7,

der Wissenschaften daselbst Tom 4. Februar 1850 und im Ardiive der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtkunde X S. 415—425 Nachricht gegeben, insoferne nadi seiner Mittheilung „die Schrift noch mehr gegen die Mitte als den Schluss des 13. Jahrhunderts, mithin in die für jetzt wahrscheinliche Zeit der Entstehung dieses Rechts* buches gesetzt werden muss." Eine nähere Bestimmung ist natürlich bei der geringen Anzahl dieser so interessanten berliner Bruchstücke nicht möglich.

Sie wird es nunmehr durch den in ui^^serer Handschrift F erhaltenen Eintrag, wonach der oberpfälzische Edel- knecht Heinrich der Preckendorfer von dem be- rühmten Rudiger dem Manessen aus Zürich eine Pergamenthandschrift unseres Rechtsbuches zwi- schen den Jahren 1264 und 1268 zum Geschenke er- hielt

In welchem der genannten Jahre das der Fall gewesen, vermögen wir nicht zu behaupten, da eine nähere Angabe hierüber nicht gemacht ist, und uns das Reisbuch des be- neidenswerthen Besitzers' der Handschrift nicht vorliegt, aus welchem vielleicht bestimmtere Anhaltspunkte zu gewinnen wären.

Von dem Eintrage auf Fol. 100' der Handschrift F, dass der Pergamentcodex P bereits im Jahre 1264 geschrie« ben gewesen, machen wir keinen Gebrauch, weil wir nioht> wissen, ob und welcher verlässige Grund für diese Bemerk- ung den Besitzer von F geleitet haben mag, uns jedenfalls ein solcher nicht zu Gebote steht.

Sicher ist nur, dass das Geschenk spätestens im Jahre 1268 gemacht worden, in welchem Jahre unser Edelknecht mit seinem Schatze aus der Schweiz in seine Heimat zu- rückzog. Bedenkt man nun, dass die jetzigen Annahmen die Abfassung des Deutschenspiegels wie des sogenannten

Digitized by

Google

Bodßinger: Zur Ahfassun^smi des Sehwahenspiegela. 445

Schwabenspiegels nach Augsburg ^^) verlegen, dass von da - Yiellekht nicht gleidi die allerersten Abschriften nach Zürich gelangten, dass wahrscheinlicher Weise auch Rüdiger der Manesse sein Exemplar nicht schon im ersten Augenblicke des Empfanges unserem Preckendorfer verehrt, so werden wir immerhin auf einige Zeit noch vor 1268 oder auch 1267 oder vielleicht 1266 oder am Ende 1265 oder gar 1264 hingewiesen. Muthmassungen in der Beziehung hängen vor der Hand in der Luft; Wir nehmen daher hierauf keine Rücksicht, sondern constatiren zur Zeit nur gegenüber den bisherigen Ergebnissen das urkundliche Zeugniss dass spätestens im Jahre 1268 der soge- nannte Schwabenspiegel vorhanden gewesen.

VI.

Es ist uns wohl nunmehr noch gestattet, einige Folger- ungen vorzuführen, welche sich nach der bisherigen Unter- Buchung aus den Mittheilungen über den leider mr Zeh für Valoren zu erachtenden ohne allen Zweifel zu den ältesten der bisher bekannte Handschriften des sogenannten Schwaben- spiegels zahlenden Pergamentcodex für die früheste oder wenigstens eine der frühesten Gestalten dieses Rechtsbuches selbst ergeben.

Was zunächst das Buch der Könige anlangt, hat Ficker mit guten Gründen ausgeführt, dass es urspiünglicb mit dem sogenannten Sdiwabenspiegel verbunden^) gewesen. Dennoch bemerkt er erscheint es, abgesehen von den berliner Fragmenten, in keiner der ältesten Handschriften, und auch im 14. Jahrhunderte überhaupt nur in fünf Hand- schriften. Der Pwgamentcodex P bietet nun einen ausreichenden

21) A. a. 0. a 167 (283) - 172 (288).

22) Ebendort 8. 12 (124) ff.

Digitized by

Google

446 SUiung der hUtor. ClasH vom 9. November 18ß7.

Beleg dafür, dass das Buch der Könige wenigstens der alten E bereits in einer spätestens in das Jahr 1268 fallenden Handschrift des sogenannten Schwabenspiegels mit unserem Bechtsbuche verbunden gewesen.

Dass in ihr die im Deutschenspiegel wie in der homeyer'- schen Handschrift des sogenannten Sdiwabenspiegels num. 330 ersdieinende Umarbeitung derPräfatio rhythmica des Sachsenspiegels wie desPrologus und des sogenann- ten Teztus prologi dieses letzteren Bechtsbuches nicht vorhanden gewesen, davon haben wir oben S. 439 und 440 gesprochen.

Dasselbe ist nach den Andentungen auf S. 440 bezüglich der beiden im Deutschenspiegel wie noch in der ireiburger und der bemerkten homeyer^schen Handschrift des sogenannten Schwabenspiegels begegnenden Gedichte des Strickers wie des in der herrenchiemsee'sdien Handschrift erscheinen- den Gedichtes des Freidank der Fall.

Fassen wir näher den Inhalt einzelner Artikel ins Auge, soweit darüber die verhältnissmässig so geringen Einträge in d^ Handschrift F einen Schluss gestatten, so erscheint nach ihnen zu Artikel 155 des Land- und Artikel 7 des Lehenrechtes die vierte weltliche Kurstimme im Besitze des Herzogs von Baiern, weldier erst durch Rasur und Gorrectur getilgt ist, und auf diesem Wege im sogenannten Schwabenspiegel ob schon vor dem Ja^re 1268, können wir bezweifeln, vermögen es aber nnch dem Wortlaute der Einträge auf Fol. 100' und Fol. 150' nicht bestimmt zu entscheiden dem Könige von Böhmen hat Platz machen müssen.

Betrachten wir einen anderen nicht unwichtigen ArtikeL Hat Laband bereits *') die lange aus Bruder Berchtolds von

23) In seinen Beiträgen zur Kunde des Sohwabenspiegels S. 30 bis 82, 45 nnd 46.

Digitized by

Google

Boehinger: Zwr Abfa99ung8zeU des SchwabmspiegeU, 447

Regensborg Predigten oitlehnto Abhandlang über die Ehe ak ursprünghch für den sogenannten Schwabenspiegel in Anspruch genommen so erwächst dieser Annahme ein bedeutendes Gewicht dadurch dass gerade die in Frage stehende spätestens dem Jahre 1268 angehörige Pergament- handsdirift P selbe bereits enthalten hat.

Nicht ohne Bedeutung ist sodann die Frage nach der Eintheilung des gesammten sogenannten Schwaben- spiegelwerkes sowohl im grossen Ganzen als in seinen etwaigen Unterabtheilungen.

Was hier zunächst das Landrecht betrifft , machen viele Handschriften, darunter die im Jahre 1287 gefertigte oder wenigstens auf einer Vorlage Tom Jahre 1287 fussende lassberg'sche, ohne alle und jede Rücksicht auf einen innern Scheidungsgrund welcher eine Dreitheilung in L Artikel 1 bis 117, 118 bis 313 b, 314 bis zum Schlüsse rechtfertigen wärde nach L Artikel 219 eine Abtheilung, wonach das ganze Landrecht in zwei Theile zerfällt Der Eintrag in der Handschrift F auf Fol. 123 erweist diese Scheidung als bereits in der Pergamenthandschrift P yorhanden.

Was sodann die Frage nach den Ueberschriften der in diesen Hauptabtheilungen erscheinenden Artikel anlangt, ist nicht nur durch den Eintrag auf FoL 62' und 63 zu den L Artikeln 9 und 14 erwiesen, dass die Pergament- handsdirift P solche für den ersten Theil des sogenannten Schwabenspiegels L 1—117 hatte, sonderä belegt auch der Eintrag auf FoL 116, dass sie für den zweiten von L Artikel 118— 313b reichenden Theil vorhanden waren.

Was weiter die Frage nach der gleichzeitigen oder späteren Entstehung des dritten Theiles betrifft, adhuc sub judice lis est Bekanntlich hat Ficker sich von der letzteren Ansicht gegenüber Laband auch noch in seiner akademischen Abhandlung zur Genealogie der Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels nicht losgesagt. Entgegen hält aber auch

Digitized by

Google

448 SitMung der histar. Glosse wm 9. November 1867,

Ldband die erstere seinerzeit von ihm in den Beiträgen znr Kunde des Schwabenspiegels geltend gemachte Anschauung noch fortwährend fest, indem er in der Zeitschrift für Bechts- geschichte III S. 154 bemerkt^ obgleich er gestehe in manchen Punkten berichtigt worden zu sein, beharre er doch gewissenhafter Prüfung der Streitfrage noch heute bei seiner Ansicht. Die Einträge welche uns die Handschrift F über P erhalte hat können uns für eine Entscheidung in dieser Beziehung keinen Beleg liefern. Es findet sich unter den leider schon bald nach dem Anfange immer spärlicher er- scheinenden Bemerkung^ zu der ganzen Partie von L Ar- tikel 314 an bis zum Schlüsse des Land- und Anfange des Lehenrechtes gar keine. Allerdings dürfen wir wohl annehmen, dass das Auffallen des Mangels dieser ganzen Partie zu einer Mittheilung hierüber Veranlassung hätte bieten müssen, ins- besondere da sich eine solche bezüglich des Anfanges des Lehenrechtes findet. Und insofeme liegt uns wenigstens ein Grund zu der Annahme Yor. dass wenigstens spätestens im Jahre 1268 der dritte Theil des Landrechtes bereits fest mit den beiden ersten verbunden ge- wesen.

: So widitig eine Entscheidung des berührten Punktes für die Möglichkeit einer näheren Bestimmung der Zeit der Hauptentwicklungsstufen des sogenannten Schwabenspiegel Werkes wäre, die eben beklagte 'so geringe Anzahl 9er noch dazu im allmäligen Verlaufe fort und fort sich mindernden Einträge, wie sie einerseits die scharfe Erkennung, der Gruppe hindert welche die Perga- menthandschrift P vertreten hat, tritt sie auch dort nicht fördernd in den Weg.

Was endlich das Lehenrecht anlangt, erscheint das- selbe nach dem Eintrage auf Fol. 148^ neben dem wie bemerkt in ewd Theile geschiedenen Landrechte ausdrücklich als

Digitized by

Google

Bockingir: Zur ÄbfasBungseeit des Schtüobenspiegds, 44§

80 bezeichneter dritter Theil des gesammten söge« nannten Schwabenspiegelwerkes.

Auch über den Schluss des Lehenrechtes selbst entnehmen wir dem Eintrage aaf FoL 182 , dass der letzte Artikel desselben L 154 bis za den Worten „da ^n daz er desz heerschSdes darbet'^ entsprochen hat, während uns jenw Eintrag weiter das Schlusswort in der spätestens in das Jahr. 1268 fallenden Pergamenthandschrift P in dem auf S. 435 und 436 mitgetheilten namentlich vom vorletzten auf den letzten Absatz zu gegen die Fassung von L 159 nicht anmerklich gekürzten und in dieser Rücksicht mehr zu den alten Codices germanici 21 und 23 der münchner Staats- bibliothek wie theilweise zur ambraser Handschrift stim- menden Wortlaute vorführt.

VH.

Wie erfreulich nun nach verschiedenen Seiten die Er- gebnisse sind wozu wir in der vorhergehenden Untersuchung durch die Einträge geleitet wurden welche die Hand- schrift F aus der Pergamenthandschrift P erhalten hat, mit im so grösserem Schmerze muss auf der andern Seite er- füllen, dass dieses Kleinod selbst nicht zu Gebot steht. Wenn es nicht die Ungunst der Zeiten vollends vernichtet hat, wo es allenfalls noch zu suchen und zu finden sein dürfte, wir vermögen darüber nichts zu bestimmen. Der letzte Anhalts- punkt welcher uns zur Verfügung steht ist nur, dass es am 7. Februar 1609 sich zu Regensburg und zwar in Privathänden befand. Ob die Wogen des dreissigjährigen Krieges schon es von dort oder überhaupt hin weggespült? Ob es späterer Zeit zum Opfer fiel? Ob es am Ende noch gegenwärtig irgendwo innerhalb der Mauern der einstigen Reichsstadt oder anderswo verborgen weilt und endlicher Erlösung harrt? ^

Nachforschungen in dieser Beziehung möchten im In-

Digitized by

Google

450 SUiung der hkUnr. Cla$8e wm 9. November 1867.

teresse des gegenwärtig mehr als je za einem gedeihlichen Abschlüsse drängenden sogenannten Schwabenspiegelwerkes gewiss in hohem Grade angezeigt erscheinen. So wird man nns denn schwerlich verargen wollen, dass wir mit dem nicht ungerechtfertigten Wunsche schliessen, es möge den Männern der Wissenschaft welche hier oder dort hiezu Gelegenheit und Masse haben gefallen, ihr Augenmerk hierauf zu richten.

Herr Graf von Hundt gab: „Beiträge zur Feststellung der historischen Ortsnamea von Bayern, insbesondere des ursprünglichen Besitzes des Hauses Wittels- bach."

Digitized by

Google

Einsendungen wm Druchschriften. 451

EinBendungen von Druckschriften.

Vom Herrn August Grunert in QreifewM: Arohiv für Mathematik and Physik. 47. TheiL 8. Heft. 1867. 8.

Vom Herrn M. A. Stern in Qöttingen:

üeber die Bestimmmig der Gonstanten in der Yariationsrechnnngf. 1864. 4.

Vom Herrn Hermann von Meyer in JVotrifc/wrl a. M, :

Palaeontographica. Beiträge znr Naturgeschichte der Yorweli. 17. Band. 1. Lieferang. Kassel. 1867. 4.

Vom Herrn v. Ettinghaueen in Wieni

a) Die fossile Flora des Mährisch-Bchlesischen Dachsohiefers. 1866. 4.

b) Die Kreideflora von Niedersohoena in Sachsen, ein Beitrag zar

Kenntniss der ältesten Diootyledonen-Gewächse. 1867. 8. o) Die fossilen Algen des Wiener and des Karpathen-Saodsteines. 1863. 8.

d) Die fossile Flora des Tertiär-Beckens von Bilin. 1. Theil. 1866. 4.

Vom Herrn Moritß BMmamn in Leipzig:

TJntersaohang Aber die Aenderang der Fortpflanzangsgeschwindig- keit des Lichtes im Wassir durch die Wärm& 1867. 8.

Digitized by

Google

452 Einsendungen van Druckschriften.

Vom Herrn Matthew Byan in Wctshington:

Tbe oelebrated theory of paralleles. Demonstration of the celebrated theorem. Euclid 1. Axiom. 12. 1866. a

Vom Herrn E, Begd in 8t, Petersburg:

a) Enumeratio plantarum in regionibus eis- et transiliensibus a Se-

menovio 1857 collectarum. Moskau 1866. 8.

b) Intemational-Aasstellang von Gegenständen des Gartenbaues im

Frühlinge 1867 in St. Petersburg. 8. o) Index seminum,. quae hortus botanicus imper. Petropolitanus pro mutua oommutatione offert. 1866. 8.

Vom Herrn Carlo Änsdm in Piacerusa: Quadratura del ciroolo sooperta. 1867. 8.

Vom Herrn Gustav Hinrichs Jowa, State Jowa: On tbe speotra and composition of the elements. 1866. 8.

Vom Herrn BmOdf Wolf in Z6ri(A: Afltsonomiaobe Miitbeihuigen. 22. und 28. 1867. 8.

Vom Herrn Ä. T. Kupffer in St, Petersburg: Compte-Rendu-Annuel. Ann^e 1894. 1865. 4.

Vom Herrn Giovanni Cheiodini m Böhgna: Di alcuni sepolcri della necropoli^felsinea ragguaglio 1867. 8.

Vom Herrn F. J. Pielet in Genf:

Notioe sur les caloaires de la porte de France et sur quelques gise- ments yoisins. 1867. 8.

Digitized by

Google

Emenäimgen von DfHeJc9chriftm. 459

Vom Vereki fikr OesekiehU der Detdschen in Böhmen in Prag:

a) Mittheilnngen des Vereins. 6. Jahrg. Nr. 2 6.

6. 1. 2. 1866. 67. 8.

b) Fünfler Jahresbericlit. Vom 16. Mai 1866 bis 15. Mai 1867. 8.

c) Statuten. 1866. 8.

d) Mitglieder-YerzeichnisB. Gesohlossen am 7. März. 1867. 8.

Von der deutsdien morgenländiachen Oeaeüsehaft in Leipzig:

a) Zeitschrift. 21. Bd. 8. Hft. 1867. 8.

b) Indische Studien. Beiträge für die Kunde des deutschen Alter-

thums. 10. Bd. 2. Hft. 1867. 8.

Vom statistisch-geographischen Bureau in Stuttgart:

Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahr« gang 1866. 1867. 8.

Von der Societd italiana di scienze naturaU in Mailand:

Atti Vol. 8. Fascic. 3. 4. 5.

9. 1. 2. 8. 1866. 66. 67. 8.

Vom Fondazione scientifica Cagnola in Mailand: AttL Vol. 4. Pari 1. 2. 3. 1866. 8.

Von der allgemeinen geschiehtsforschenden Oesdlschaft der Sehweit in

Zürich:

a) Archiv für Schweizerische Geschichte. 15. Bd. 1866. 8.

b) Schweizerisches .Urkunden-Register. 1. Bd. 3. Hft. Bern 1866. 8.

Vom Musie Teyler in Harlem: Archivee. Vol 1. Fase 2. 1867. a

Von der SociiU des seienees physigues et na^eües in Bordeaux:

H^oires. Tom. 4. 1. cahier (suite)

., 5. 1. 1866. 67. 8. [1867.11. 8.] 30

Digitized by LjOOQIC

454 Einsendungen von Druckschriften.

Von der SoeiHi impSridle des naturälistes in Moskau: Bulletin. Ann6e 1866. Nr. S. 4. 1S66 8.

Von der Acadhnie imphriaU des sciences, arts et heUes lettres in Dijon : Memoires. 2. Serie. Tome 12. 13. Annee 1864. 1866. 8.

Von der SociHS Bc^nique de Frmiee in Paris: Bulletin. Tom. 14. 1867 (Revue bibliographie) C. 8.

Von der Historisch Genootschap in Utrecht:

a) Kronijk. 22. Jaargang. 5. Serie. 2. Deel 1867. 8.

b) Werken. Nieuwe Serie Nr. 7. 1867. 8.

Von der American phOosophicäl Society in Phüadelphia: Proceedings. Vol. 10. 1866. Nr. 76. 76. S.

Von der Accademia di scienze moräU e pcHitiche in Neapd: Rendiconto. Anno sesto quademi di Luglio e Agosto 1867. 8.

Vom historischen Verein der fünf Orte Luzem, Uri, Schwys, Unter- wälden und Zug in Einsieddn:

Der Gescbichtsfreund. 22. Band. 1867. Q.

Von der Acadimie impiriale des sciences in St. Petersburg:

a) Bulletin. Tom. 11. Nr. 3. 4.

12. 1. 4.

b) Memoires. Tom. 10. Nr. 16.

11. 1.—8. 1867. 4.

c^ Melanges matb^matiques et astronomique. Tom. 4. 8. d) Jabresbericbt am 20. Mai 1866. Dem Comit^ der Nikolai-Haopt- Stemwarte abgestattet vom Director der St«rnwarte. 8.

Digitized by

Google

Einsendungen van Drucksehfiften. 455

Von der Äcademie des sciences in Paris: Gomptes rendus hebdomadaires de seances. Tom. 65. Nr. 6. 7. 10. 11.

Van der metearolagischen CenirälrÄnstält der schweizerischen natur- forschenden Gesellschaft in Zürich:

Meteorologische BeobachtuBgen. Dezember 1866. Januar Februar 1867. 4.

Vom kaninJdijk Nederlandsch meteorologisch Instituut in Utrecht: Meteorologisch Jaarbock yoor 1866. 2. Deel. 1867. 4.

Von der kaiserlichen Üniversitäts-Stemwarte in Dorpat: Beobachtungen von Dr. H. Maedler. 16. Bd. 1866. 4.

Van der ZocHogicai Society in London:

a) Transactions. Yok 6. Part. 1. 2. 8. 1866. 67. 4.

b) Proceedings. Part. 1. 2 8. 1866. 8.

Von der SociHi des sciences de Firdande in Hekingfors :

a) Acta Societatis scientiarum Fennicae. Tom. 8. Pars. 1. 2. 1867. 4*

b) Bidrag tili Finlands naturkännedom. 10 Heft. 1867. 8.

c) Bidrag tili kannedom af Finlands natur och folk 7. 8. 9. 10 Hft.

1866. 67. 8.

d) Oeversigt af Finska Yetenskaps-Societetens. Förhandligar 6.

7. 8. 8. .

Vom Istituto technico in Palermo:

Giornale di scienze natural! ed economiche. Anno 1867. Yol. 8. Faso. 1. 2. 8. 1867. 4.

Von der Royal Society in London:

a) Philosophical transactions. For the year 1866. 1867. YoL 156. 157. Part. 1. 2. 4.

30*

Digitized by

Goog^e

456 Einsendungen von DrueUekriften.

b) Proceedings. Vol. 16. Nr. 87—93.

., 16. 94. 1866. 7. 8.

c) Fellows of the Society. November 80. 1866. 4.

Von der AcaMmie roycde des sciences des lettres et des beaux-arts de Beigigue in Brüssel:

a) Memoires. Tome 86. 1867. 4.

b) Balletins. 85. Annee. 2. Ser. Tom. 22. 1866.

86. 2. 23. 1867. 1866. 8. * 86. 2. 24. Nr. 9 et 10. 1867. 8.

c) Annuaire. 1867. 8.

d) Tables generales et analjtiqueB du recaeil des bulletins. 2. Serie.

Tom. 1. a 20. 1867 a 1866. 1867. 8.

e) Biographie nationale Tom. 1. 2. Partie. Lettre 13. 1867. 8.

Vom Observatoire royal in Briüssei:

a) Annales. Tome 17. 1866. 4.

b) Annuaire. 1867. 34. ann6e. 1866. 8.

Von der Begia Äccademia di sdeme, Vettere ed arti in Modena: Memorie. Tom. 7. 1866. 4.

Vom B. Osservatorio in Modena: Bulletino meteorologico. Vol. 1. Nr. 4 7. 4.

Vom Äteneo Veneto in Venedig: Atti. Serie seconda. Vol. 4. 1867. 8.

Von der h k, Akademie der Wissenschaften in Wien:

a) Denkschriften. Philosophisch-Historische Classe. 15. Bd. 1867. 4.

b) Sitzungsberichte. Philosophisch-Historische Classe.

54. Band. Heft 1—8. Jahrgang 1866. Oktbr. Novbr. Dezbr.

55. 1 1867. Januar. 8.

o) Denkschriften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe. 26 Bd. 1867. 4.

Digitized by

Google

EiMmdunffen wm DrueltsehrifUn. 457

d) Siizongsberichte. Matbematiscli-iiatarwissenscbaftliclie Glasse.

54. Band. 4, und 5. Heft Jahrg. 1866. Novbr. Dezbr.

56. 1 2. 1867. Januar. Februar.

Erste Abtbeilung. Enthält Abhandlungen aus dem Grebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, Anatomie, Geologie und Pa- läontologie. 1867. 8.

e) Sitzungsberichte. Mathematisch-natorwissenschafbliche Classe.

54. Band. 5. Heft. Jahrg. 1866. Deaember.

65. 1. u. 2. Heft. Jahrg. 1867. Januar. Februar.

Zweite Abtheilung. Enthält Abhandlungen aus dem Gebiete

der Mathematik, Physik, Chemie, Physiologie, Meteorologie eto.

1867. 8

f) Archiv für österreichische Geschieht^. 87. Band. 1. und 2. Hälfte.

1867. 8.

Van der Je. premsischen Akademie der Wiseensehaften in Berlin: Monatsbericht. Juli 1867. 8.

Von der physikaUsch-medieinischen GeeeOeehaft in Würibmg:

Würzburger medicinische Zeitschrift. 7. Band. 6. und 6. HefL 1867. 8.

Von der Oeeckichie- und aUerihumsforschenden OesdUchaft des Oster' landes in Mtenburgi

Mittheilungen. 7. Band. 1. Heft. 1867. 8.

Von der pfälsischen Gesdlschaft für Phamuicie etc. in Speier i

Neues Jahrbuch der Pharmacie und verwandte Fächer. Zeitschrift. Bd. 28. Heft. 4. Oktober. 1867. 8.

Von der Philomathie in Neisse:

a) 15., Bericht vom März 1865 bis zum Juli 1867. 8.

b) Geschichte der Stadt Neisse mit besonderer Berücksichtigung dea

kirchlichen Lebens in der Stadt und dem Fürstenthume von A. Kastner. 1866. a

Digitized by

Google

158 EmHAämgm wm JDrucksckriftm.

Vom Verein für Natuirhmde in Mannheim:

33. Bericht. EnUttet am 23. Februar 1867. Nebst wissenschaft- lichen Beiträgen. 1867. 8.

Van der SenJcenbergischen naturforschenden Oeseflschaft in Frankfurt

am Main:

Abhandlungen. 6. Bd. 3. und 4. Heft 1867. 4.

Vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde in Kasseli

a) Zeitschrift Statistische Mittheilungen. 9. Supplement 2. Liefg.

1867. 4.

b) Mittheilungen. Nr. 23. 24 und 1. 2. Dezember 1866 April

1867. 8.

c) ZeiUchrift Neue Folge. Erster Band. Heft 2. 3. 4. 1867. 4.

Von der naturforschenden Oeseüschaft in Freihurg: Berichte über die Verhandlungen. Band 4. Heft 1. 2. 8. 1867. 8.

Von der Oherlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in GöHiU: Neues Lausitzisches Magazin. 44. Bd. 1. Hft. 1867. 8.

Von der Universität in Heiddberg: Jahrbücher der Literatur. 60. Jahrg. 8. Heft. August 1867. 8.

Von der BedahUon der Sitzungsberichte der Gdehrten und Bealschulm Württembergs in SttUtgart:

Correspondenzblatt. Nr. 9. 10. Septbr. Oktbr. 1867. 8.

Digitized by

Google

Nachtrag. 459

Nachtrag zu S. 392 (Berthold).

Aus dem eben ausgegebenen Heile des Jahrbuches f. romän. und engl. Liter. (YIII. 213) sehe ich, dass Patedus nicht mehr ganz unbekannt ist, und dass sein verlornes Werk Enueg (eben unser liber de tediis) schon im Jahr- buche VI. 223 224 erwähnt wurde, femer von seiner metrischen Paraphrasirung der Proverbia Salomonis in der Bodleiana in Oxford (Man. Canonici 48) ein Bruchstück von 38 Hexametern existirt, von welchen A. Mussafia a.a.O. einen neuen Text aus dem in Venedig aufbewahrten hand- schriftlichen Collectaneen des Apostolo.Zeno mitgetheilt hat. Wir sehen aus diesem der ehemaligen Saibantischen Biblio- thek in Verona entstammenden Fragmente, dass der Name des Autors Girard Pateg (da Cremona) geschrieben ist, was nach Mussafias Ausfuhrung als mundartliche Form (Patey auszusprechen) für toskanisches Patecchio, latinisirend Pateclo und gutlateinisch Pateculus, angesehen werden muss.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

¥T

TJii

rfofmai

v'^\h r-n-r I'

Ifnthfjiin t( Htfi-t, h r/.s v\1 /t/ . f ^r

i\\

in-laT* l

hin

iitziinosberiehte

dt?r

kuiu^i. ba> ti . AJcademie der Wissensdiiifteii

zu München.

11. Heft IV.

A « iiiiimn<2Hfl nurDiirii

^^

Sitzungsbericlite

der

kömgl bayer. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch-philologische Classe.

Sitzung vom 7. Dezember 1867.

Herr Hofmann legt vor von Herrn Zingerle in Inns* brück :

„Bemerkungen zum Nachtsegen/'

Die Sitzangsberichte äet k. bayer. Akademie tbeilten den in mehrfacher Beziehung merkwürdigen „Nachtsegen^^ mit und gaben sowohl bei dem Erscheinen desselben (1867. IL 1, p. 1 16), als später ebenda (p. 159) höchst dankens* werthe Erläuterungen dieses namentlich in culturhistorischer Beziehung wichtigen Denkmals. Wenn ich mir erlaube, nochmals darauf zurückzukommen, so möchte ich nur einiges zur Bestätigung des schon gesagten beibringen; denn wo eine so tüchtige Hand schon gearbeitet hat, bleibt einer zweiten nur eine karge Nachlese über.

Zu V. 1 „das saltir deus bimnnon^' bietet eine Parallele die Beschwörung in der Erzählung „Irregang und Qirregang^' mit dem Verse:

[1867. n. 4] 81

Digitized by

Google

462 Sitzung der phüoB.-phüol. Oasse vom T. Degemher 1867.

„61 deus salter ich dich swer^'^).

Wenn „brunnon^' berechtigt ist, dürfte damit der 49. Psalm: „Quemadmodum desiderat cervus ad fontes aquarom etc." oder der 136. : „Super fiumina Babilonis'^ gemeint sein. Ist aber Tielleicht nicht zu lesen: „Daz saltir deus benedictum, daz hoyste namen divinum"?

Zu V. 6 verweise ich auf „Der Seelen Trost" 3*) und Geilers Emeis.') Einen der interssantesten Berichte über die Nachtfahr giebt Vintler in seiner „Blueme der Tugend", wo er die schon aus Grimms Mythologie p. 1011 mitgetheilte Legende vom heiligen Germanus erzahlt. Da seine Dar- stellung meist unbekannt sein dürfte, theile ich dieselbe zum Theile hier mit. Am Schlüsse des Abschnittes über den Aberglauben seiner Zeit sagt er:

So varen etleich mit der var auf kelbem und auf pöcken durch staine und durch stocken und fahrt dann fort:

Von dem schreibt also Gr^orius

in seinem puech dyalogus,

das ain pischolf was,

der hiez Germanus, als ich las,

und was gar ains hailigen leben«

nu was dem selben pischolf geben

ain ander pistum ze Ravencf

als man noch wechselt ettewenn

umb die pistum ietzund.

nu ward dem selben pabest kunt,

1) HGA. LV V. 89.

2) Zeitschrift für dentsche Mundarten I. 183.

8) Stöber. Zar Geschichte des Yolksaberglaubeiifl. Basel 1856 p. 18.

Digitized by

Google

ZingwU: Zum NacUsegen. 463

er solt den pischolf von Ravenn

schicken in die'stat ze Senn,

da er vor pisdiolf was gewesen

und das er da solte lesen

Christenleichen glauben drat.

also für er in die stat

zn ainem wirt, der was unfro

und sprach zu dem pischolf do:

,,herre mein, ich wolt dass ir

heint die nacht nicht wärt pei mir,

wann wir haben heint ze schaffen,

darzu wir nicht bedürfen pfaffen/^

do sprach der pischolf: „sage an,

was haben dir die p&ffen getan,

das du si nicht leiden wilt?^^

„herr do hob wir hdnt ain spil.

das wir sicher alle sampt

varen mit der var zehant/'

do sprach der pischolf: „sag mir war,

was ist das, das man die var ^

haisset hie, mein lieber frewnt?''

„herr das tuen ich ew wol kunt,

unser semd hie in der stat

wol zwainzig, die da in dem rat

sein die pesten sicherlich.

herr, die yaren all als ich/'

„nu sag, mein frewnt, wo vart es hin?"

„herr, wir yaren nach gewin.

wo uns nuer der will hin get,

da sei wir für sich an der stet."

„yart es danne ainen steg?*'

„nain, es yert iederman sein weg.''

„nu wann kumpt es herwieder?"

„zu mittemacht lass wir uns nider

81*

Digitized by

Google

464 Sitssung der phüö$.-pkiloL C^oBse «m» 7. Veumher 1867.

wider in das selbe hans^

da wir sein gevaren aus."

„und wie gesecht es auf der strass?'^

„herr, wir gesechen pass,

dann ob wir füren ze mittertag."

^,na sag an frewnt, wes ich dioh frag:

esset es xmdev wegen nicht ?'^

^,herr, wir haben allen gericht,

der man nuer gedenken kan.

wo wir wissen ain reichen man,

der do hat kost und wein,

da selbs da vam wir alle ein

und essen was wir bedürfen da."

„na sag mir, lieber freant, wa

weit es heinte yaren hin?"

„ich sag eachs, herr, als ichs yernim:

wir wellen heinte ain verzeren

des mag er sich nicht erweren,

des sei wir worden in ain,

das er mussrsterben an aim pain."

,^na underweisl» mich auch -des:

was habet nuer ze reiten es?"

„herr, wir haben ze reiten gnug

iederman nach seinem fug.

ainer reit ain kue, der ander ain hoat,

der dritt ein kalb, dem vierden pald ain gais kamt,

der fünft ain pock, der sedist ain swein»

der sibent ain stul, der acht ain schreiii"

„nu sag mir, zarter wirt mein,

möcht ich nicht ewr geverte sein,

das ich auch sagen kunt davon.*'

der wirt der sprach: „ia trawn,

ob ir sein euch biet bedacht,

ir möcht halt yaren heinte nacht."

Digitized by

Google

ZingerU: Zum NachUegm, 465

nmb die zeit als tag unt nadit sich schait und amb die ersten hanen krait, 80 Bolt ir komea in mein kamer, da yindet ir ans pei emander^^ etc. Bei bicrizen y. 7 möchte ich das dialectische kritzen (Schöpf 347) eine Kerbe machen -- herbei ziehen. Ohne Zweifel hatte es die Bedeutung durch einen Einsdmitt be* seiohnen, und dann bezeichnen überhaupt. Vielleicht wurde es auch mit dem Begriffe „zum Schutze, schützend bezeich«^ nen^' wie segnen gebraucht

y. 9. Dient das „die Guten*^ schon zur Bezeichnung der Eiben. ' Noch heutzutage ist der Name „Gütchen^'^) ein fast so allgemeiner Name fUr elbische Geister wie „gute Holde/' Simrock Myth. 462. In derselben Bedeutung kommt „guoter*' auch schon in der früher genannten Erzählung Iiregang und Girregang vor:

£r eolde stn ein guoter und ein pilewiz geheiz^^) Zu r. 14 bemerke ich, dass in Mahren der Name Skritek') gleichbedeutend wie skreti vorkommt Jedenfalls möchte ich hier Schrite für gleichbedeutend mit Schrat, Schrätle nehmen, somit für Kobolde, die auf den Wegen eidi umtreiben und den Wanderer necken und bdästigen.

Zu Y. 19. Vergleiche Meiers Sagen aus Schwaben Nr. 140—158. Birlinger Sagen I, 33 fiF.

V. 20. 21. Geüers Stelle lautet Tollständig: Also redt der gemein man darren, das die, die vor dei Zeiten sterben

4) Den frommen Gütchen nah verwandt. Göthes Faust U, 51. Daemones, qoi qnotidie partem laboris perficiont, corant jomenta, et qnof, qnia generi homano mites sunt aut saltem esse videntnr, Ger- mani Gatelos appellant. Georg Agricola de remetallica (1561, Xn. p. 492).

6) H G A. LV, 1002.

6) Grokmann, Aberglauben und Gebrinebe Nr. 80.

Digitized by

Google

466 Sitzung der phüoa.'phM. OkUBe wm 7. Deseniber 1867.

ee den das innen got hat off gesetzt, als die, die in die reisz laoffen und erstochen werden, oder gehenckt und ertrenckt werden, die müszen also lang nach irem todt lanffen bysz das das zyl kumpt, das innen got ges^zet hat, und dan so würckt got mit innen waz sein göttlicäier will ist Und die, die also lanfifen, die lauffen aller meist in den fronfasten, und Yoransz in den fronfasten vor weinnacfaten; das ist die heiligest zeit. Und lanfft yetlicher als er ist , in seinem deide.

Zu Y. 23 „alb unde elbelin*' vgl. den Anfang emes Alpsegens: „Alp oder Elbin'S den Qrohmann in seinen Ge- bräuchen Nr. 114 mittheilt.

V. 27 u. 30. Das Wort „Mahr" lebt noch in der Volkssprache fort, s. Kuhn mark. Sagen Nr. 185. Kuhn nord- deutsche Sagen p. 418. Wolf niederl. Sagen Nr. 249 ff.

Vgl. über Mahr Wolfs Beiträge 11, 264 ff.

Ueber Trute vgl. Zingerle Sitten 36, 62, 139, 148, 166, 190. Sagen p. 337, 347, 348, 426, 427.

Truden oder Mahrsegen finden sich häufig: Grohmann Gebräuche Nr. 113, 114, 130. Kuhn westfälische Sagen II p. 191. Pröhle Harz -Bilder p. 80. Kuhn nordd. Ge- bräuche Nr. 458. Grimm Mythologie 1194«

Zu y. 31 und 32 yrgl. die Verse eines Fiebers^ens: Hat dich überritten ein Mann, so segne dich Gott und S. Gyprian; hat dich überschritten ein Weib, so segne dich Gott und Mariae Leib.

Wolfs Beiträge p. 256.

Zu 31 YgL „dich hat geriten der mar.*' HGA. LV, 646.

36. .Wenn hier cruchen = mit einer Krudce, einem Hacken fangen bedeutet, ist wohl an den oftgenannten Hackemann (Curtze Nr. 61. Meier I, 149. Müller, nieder- Sachs. Sagen Nr. 90 und Anm. Stöber Nr. 324) zu denken.

Digitized by

Google

ZingerU: Zmn-^Naektsegen. 467

In der Erzählimg Irregang und Girregang kommt in der Be« sehw&rong vor: „und bi Getanis krükken/^ H G A. LV, 1320.— Vielleieht steht aber hier „chmchen^' für chriechen?

^^anehnchen^' bedeutet hier wohl aufhocken, aufsitzen. Kobolde nnd Geister lieben es, Wanderern au&uhocken und sidi von ihnen tragen zu lassen , vgl. Lütolf Sagen p. 126, Zingerle Sagen Nr. 250, 251. Pröhle Harzsagen p. 77, 117. Orimm Sagen I, 129. Panzer I, 178. Bechstein, thüringer Sagenbuch I, 105. Kuhn, norddeutsche Sagen p. 120. Groh- mann Gebräuche Nr. 58.

V. 39. Der Volksglaube von der Klage, Klagemutter (Ulula) lebt heute noch fort, vgl. meine Tiroler Sitten Nr. 367. 366. Grohmann Gebräuche Nr. 31.

V. 41. Herbrant, vrgl. Kuhn westfäl. Sagen II, 26. „Den Dräk nennt man in Freckenhorst Herbrant. Wenn der Hiärbrand in ein Haus fallt, so brennt dasselbe nach sieben Jahren ab.'^ Vrgl. Wöste Volksüberlieferungen p. 40 und Hontanus p. 39. £s yertritt dies Herbrant den tirol- leohen Alber. Herbrote ist wohl nur als Feipinin zu Her- brant zu fassen, wie yermuthlich y. 23: „alb unde elbelin^' letzteres für eibin st^t. Vrgl. in einem Segen (Wolf Bei-^ trage I. 254) „do mutten ihnen Alf medi Alfinne/'

Zu „Molkenstellen'' y. 43 ygl. Lütolf Sagen p. 575. Zingerle Sagen Nr. 545. Vonbun p. 20. Müller, sieben- bfirgische Sagen p. 106. Wolf, niederländische Sagen p. 370. Rochholz II, 167. Vintler sagt:

und yil ieohen, man stele der chue die milch aus der wammen. und Geiler predigte über diesen Glauben (Stöber p. 62).

V. 45. yuzspor ist wohl eine Krankheit an den Füssen, ygL das yolksthümliche : Maulsperr, herzgespor, herzgespör. Schöpf Idiot. 687.

Zu y. 49 entsehen, ygl. Geiler: Item wir sahen men- Bohen, die mit dem gesiebt sollen ein Ding yergiften; als

Digitized by

Google

468 Sitzung der phüaa.-phiM. Ckuse vom 7, Desember 1867,

dick beschicht, dasz zauberer oder hexen ein kind ansehen« 80 sol es nimer guot mee thuon, und dorret und verdirbt etc. Stöber zur Qeschidite d. V. A, p. 45. lieber das Entsehen theilt Grohmann viele Aberglauben mit p. 165 ff.

Zu V. 50. In Patznaun schreckt man die Kinder mit dem Waldmännlein Märzhackel und sagt: Geht nicht allein in den Wald, sonst kommt das Märzhadcel und schneidet euch die Schinken ab. (Meine Gebräuche Nr. 18.) Hieher beziehen kann man auch Vintlers Stelle: So sein ettleich als behend, das sew varen hundert meil gar in einer klmen weil; sunderleich die preohen leuten ab die pain, als ich geboret han. V. 51. Vom Saugen der Trude sagt Vintler: so spricht maniger tummer leib, die trutte sei ein altes weib und chunne die leut saugen. Der Glaube, dass Truden, Hexen eta das Blut aus« saugen, lebt nodi fort. Zingerle Sag^ Nr. 750. Vonbon p. 23. Schön werth I, 211. Grohmann Gebräuche Nr. 117, 118, 124. Vgl. auch dort das Bluttrinken in den Zauber- Segen Nr. 1144, 1248. 1300. Zu V. 55 vgl. die Verse:

dich h&t geriten der mar, ein elbische2 äs, du solt daz übele getw&s mit dem kriuze vertrü>en HGA. LV. 646 und

sagä mir, elbisohez getwäs. Ebendort v. 1310.

V. 68 ist vermuthlich „bj dem babes olio untus == oleo unctus" zu lesen. Der babes, wahrscheinlidi steht bäben für

Digitized by

Google

Zin§tHe:, Zum Naehieegen. 469

b&bes, oleo anotas würde yermnthlich Aaron iein, tgü dem Rudolf in seiner Reimchronik »agt:

daz heilic öl er im do goz

üf daz houbet sin, daz ran

anz an den part dem reinen man,

als an dem salter noch da stat.

Dädt d& von gesprochen hat:

als diu salbe, diu 86 schöne

ran nider Aärone

von dem houbet in den part,

und Türbaz ran nädi siner art

nnz an sin gewandes ort Es wäre dann der 32. Psalm gemeint, in dem man liest: ,^sicut unguentum in capite, quod descendit in barbam, barbam Aaron, quod descendit in oram vestimenti ejus/^ V. 65. 66. Unter laudem deus ist yermnthlich der 106. Psahn mit dem Anfange : „Deus laudem meam ne ta- cueris", sowie „bi dem voce mens" der 76.: „Voce mea ad dominum clamavi^' gemeint.

V. 78 ist ohne Zweifel „Jerusalem^' zu lesen und dabei das Himmelrei(^, das Jerusalem der Apocalypse zu ver- stehen. Auch die Stadt Jerusalem wird in Segen und Be- schwörungsformeln öfter genannt z. B. Kuhn westfälische Sagen n, 198, 207. Birlinger I, 204. Meier Sagen 525.''

Zu V. 74 „daz du vares obir mer'^ vgl. die Verse in den Alpsegen: „Alle Wasser sollst du waten" (Grohmann OebräuoheNr. 119) „011a Wosser woten" ebendort Nr. 114. „Bevor du nicht gezählt den Sand im Meer" ebendort Nr. 130 und ähnl. Orimm Myth. 1194. Haupt Zeitschrift III, 350. Kuhn westfäl. Sagen II, 191 oder im Spruche gegen den Rothlauf, „Kommst du aus dem Wasser, geh ins Meer. Im Meere schöpfe das Wasser, zähle den Sand, diesian Leib aber lass in Ruh." Ebendort Nr. 1138 und ähnliche Stellen bei Orohmann Nr. 1143, 1256, 1300.

Digitized by

Google

470 SiUmg der phaw.-phM. Qam wm r. Daember 1867.

Seit dem Erscheinen des Naditsegens habe ich bi Eonrads von Megenberg Buch der Natur (ed. Pfeiffer S. 107) eine auf V. 61 bezägliche Stelle entdeckt, die merkwürdig genug ist, um hier noch mitgetheilt und besprochen zu werden. EoDrad handelt im 33. Capitel von dem Erdbeben und sagt: Nun wissen gemeine Leute nidit, woher es komme; darum dichten alte Weiber, die sich gar klug dünken, es sei ein grosser Fisch, der Gelebrant heisse and auf dem das Erdreich stehe. Er habe seinen Schwanz im Maule, und wenn er sich bewege oder umwende, so erbebe das Erd- reich. Das ist ein kiesenmärchen und nicht wahr und gleidit wohl der Sage der Juden von dem Ochsen Vehemot.

Man sieht hier die Verquickung der germanischen Welt- schlauge (miSgarSs ormr), die zu einem Fische geworden, mit dem symbolischen christlichen Ixdvq^ der für die obige Stelle des Nachtsegens gewiss feststäit. Das Mittelalter war bekanntlich immer sehr darauf bedacht, „das Kind beim Namen zu nennen.'* Woher er kam, und ob er passte, war Nebensache. So wird man hier zugeben müssen, dass der Name Gelebrant nur aus einer mit dem Verse des Nacht- segens inhaltlich identischen Stelle dem Weltungeheoer des heidnischen Mythus aufgebracht sein kann.

Herr Dr. R. Hildebrand hat mir zu bicrisen in Y. 7 fol- gende Aufklärung mitgetheilt. „daz selbe schülkint ging> in di cap- pella der heiligen lantgr&vin onde nam .... eine rebe (Bippe) um dem grabe unde bekreiz sine ongen unde sine kel in spotte unde in unglouben da mite. Eoediz von Saalfeld, Leben des heil. Ludwig 78,17. Ich denke, es ist Alles klar, w.e nicht oft: der lareiiwar eine heilige Form, mit einer Beliquie beschrieb man nm das zu heilende Glied, um eine zu bezaubernde Stelle einen Kreis oder Kreise. Zu Y. 86, cruchen bemerkt er: Es bedeutet mitteldeutsdi nock jetzt und bis ins 16. Jahrhundert bezeu^^ kriechen, genauer sich ducken, sich einziehen und so wo hineingehen, zu Y. 10, dass im 16. Jahrhundert Brockel bezeugt ist, „MeUbocus mons der brookel quod latine dicitur mons mpium vel oonfragus". Bald. Troohns Ascaniensis yocabulorum rerum promptuarium Lpzg. 1517. d. 6^ Noch bemerke ich, dass Herr Jafifö in Yers I deus bravium, in 2 numen divinum und in 68 haben cox^unctus gefunden hat, endlich, dass in Y. 58 wazzere, und in Y. 75 numermer zu lesen ist

C. Hofmann.

Digitized by

Google

SSingerk: ZfHr Endde Hetnrich$ vcn Vdäekm. 471

Von ebendemselben:

„Meraner Fragmente derEneide von Heinrich von Veldeken," jetzt in der Münchner Staatsbibliothek.

Ich bin so glücklich dem neuen Quellenmateriale , das unlängst Professor Dr. Pfeiffer zur Eneide (Wien, 1867) veröffentlicht hat, die spärlichen Bruchstücke einer sehr alten und werihvoUen Handschrift anzuschUessen. Am 3. Oktober d. J. sdirieb mir mein Freund Dr. David Scbönherr, dem ich schon so oftmals liebevolle Förderung meiner Forsch- ungen zu danken hatte, dass er im Stadtarchive zu Meran auf einem Gerichtsbuche des 14. Jahrhunderts drei mit Versen beschriebene Pergamentblätter gefunden habe und hatte die Qüte, mir dieselben zur Ansicht zu übermitteln. Es war ein Doppelblatt und ein Einzelblatt mit Versen aus der Eneide. Dies enthält ein Fragment, das nach Ettmüllers Ausgabe mit V. 204,17 begmnt, jenes giebt nach Ettmüller die Verse 240,15 244,10 und 260,13 264,7. Leider haben die Blätter theils durch Verschneiden, theils durch Abnützung und Feuchtigkeit so sehr gelitten, dass viele Verse selbst nach Anwendung von Reagentien unleserlich bleiben. Dennoch sind uns im Ganzen circa 340 Verse einer Hand- sdirift erhalten, die jedaifalls, das Regensburger Bruchstück ausgenommen, die übrigen an Alter übertrifft. Höchstens könnten Pfeiffers Bruchstücke ihr den Vorrang noch streitig ' machen. Die Blattei: in Quart sind doppelspaltig beschrieben, je die Spalte mit beiläufig 38 Versen. Die Schrift ist durch- aus sehr sorgfaltig, schön, ja zierlich und kann noch in das Ende des 12. Jahrhunderts zurückreichen, spätestens gehört sie noch dem Anfange des 13. Jahrhunderts an. Durchaus hat de nur langes s, nur in Eigennamen und im Anfange

Digitized by

Google

472 Sitgung der pMM.-fhUöl dam vm r IMmbtr 1867.

der Verse macht sich manchmal grosses S bemerkbar; n wird immer durch y oder & bezeichnet, w durch yy, för z steht noch immer das alte Zeichen 7 oder 7, das im 13. Jahr- hundert nur selten mehr begegnet. 0 Di^ schUchten Initialen sind rotL Der erste Buchstabe eines jeden Verses ist etwas hinausgerückt und durch ein rotlies Pünktchen ausgezeichnet. •Die Eigennamen sind öfters durch grosse Schrift herror- gehoben z. B. PALLAS, ENEAS etc. Von andern Eigen- thümlichkeiten ist nur die Doppellung de^ z und f tfl bemerken z. B. liezzen 205,16, 240,18, lazzen 205,6, ebenmazzen 205,5, geheizzen 242,9, grozzen 262,25, begriffet 262,22, Waffeü 262,27, slaffen 262,28. Statt ge findet sich oft gi z. B. gi- waltUch 207,32, giwalt 207,29, ginesen 207,83, ginuodi 207,36, gitun 241,1, ginutzen 243,26, ginomen 260,24 u. a. m. V. 242,31 ist, „waeren" für wem geschrieben. In V. 262,16' feteht „entswebet" für entsebet, welch letzteres Wort ünserm Schreiber nicht verständlich sein mochte, da es wohl xmr im „Mitteldeutschen*' gebräuchlich war. V. 262,24 ist „sel- went" Schreibfehler fürt selwet. Unser Text stimmt mit dem der Berliner, noch mehr aber mit der Münchner Handsdirift überein, theilt aber nicht die Wortschreibung der letztem, welche das i manchmal schon in ei und ü m au auflSst z. B. 241,7 smaechleiche , 241,16 stetechleichen , 261,14 saelichleiche, 244,6 durchlauchtet, 244,8 lauchte. Wie ifl den Handschriften B und M fehlen auch hier die Verse = Ettm. 205,' 21— 26 und 262, 27—28 und sind die folgenden V. 27 und 28 umgestellt. We in M sind die Verse 244, 7 und 8 auch hier verwechselt. Ich stelle, um die Ueberein- Stimmung zu zeigen, noch folgende Belegstellen zlisammen. 205,10 dar quam BMG. 206,14 stunt er B M. 206,21 der herre Pallas B M. 240,39 onzalihaft B. 240,40 Kamille

1) Germafttft in, 844.

Digitized by

Google

^ yaht BGM. 242,38 has B 6 H M. 343,16 do eonam B M. 243,19 prister 6. priester M. 243,20 meister BGH M. 26},2$ ao6gen|;e BGM. 261,32 niemen enmach B M.

962.33 tU misliobe B M GH. 262,37 enkan enmaoh fi G H M. 262,39 du iob B G H M. tobter da erch^mest B M. 264,1 t&t dicohe B M* ze groz M B. Mit B allein hat sie die Imw^m 204,17 Tud^r dem halsperge 243,9 ritterliche, gemein.

Viel zahlreicher sind die Fälle, wo unsere H S. meist mit der Münchner allein stimmt z. B. 205,14 nnd 242,3 ors. 205,34 der herre P. 206,21 lac der herre Pallas erslagen. 206,23 yeige G H M. 207,30 dt yil sere. 240,17 erstochen. 241,1 siz wol torste getan. 241,16 stetedileichen M. 242,4 selbe räch si. 242,21 niemer me M G. 242,32 harte wol G M, 242,40 ein ritter der. 243,1 Trojanen H M. 243,2 alze na. 243,33 andere. 243,39 er mohte bezzer. 244,3 yfi yor an dem. 244,4 ein granate iochant. 244,6 darchlaachtet 260,21 schonia. 260,31 als /als.

260.34 dir wol aller M G. 261,14 saelichleiche. 261,19 denne. 262,12 den andern gewisenGM. 263,3 denne M H. 263,24 grozzer. 263,34 iesliche. 263,37 mage di. Za andern Hand- schriften neigt sich anser Text selten yrgl. z. B. 204,28 wan er H. 207,34 niwan darch daz G. 242,26 in anschone H. 243,26 genazzen G. 261,6 deheine H. 261,37 bechennen H. 262,36 yon ir G H. 263,19 wie ich dir b. H. 263,20 yon leide G. Manchmal weicht nnsere Handschrift yon den übrigen Texten ab and ich gebe hier die wichtigeren Fälle. 204,24 wol geneset. 204,12 a^der delk^n sin schalde. 207,31 do der herre Eneas. 267,36 entgalt (mch ers. 240,19 anz an (bis an G H). 240,38 helide die da« 242,21 ensprach. 242,23 in daz. 242,24 des ir. 242,29 bieten. 242,39 geschehen. 243,15,17 enheinen. 243,18 herre. 260,28 din wol wert. 260,30 da tasent stant. 260,36 ^chennest. 261,4 rechter 8olt 261,23 ob erz. 261,33 dehein. 262,4 weder ich tno. 262,23 begarwe. 262,40 denne. 263,18 erforhte.. 263,34 ze

Digitized by

Google

474 Siiiung der pJUhi.-pKM, Clame vom 7. Deamher 1867.

allem Dinge i. 263,40 da vorn. Wir haben in den Meraner Fragmenten somit einen Text, der der Mündmer Handschrift an Alter vorangeht, ja yielleicht dieser %l8 Vorlage gedient hat, und ein neuer Herausgeber der Eneide wird desshalb auf unsere Fragmente inmier vorzugsweise Rubksidit nehmen müssen. Zum Schlüsse theilen wir dne diplomatisch genaue Abschrift mit. (Was oarsiy eingesetzt ist, hat Herr Hofoaann sp&ter gefanden.) A. d. R.

(= Ettmüller 204,17—205,32.)

. ..... fliehen 1*

y nt . . . lieben ziehen

d iv wol . . . denden swert, 20 ob ir des libes iht gert,

vnt slaht, die iuch wellent.

daz dvnchet mich baz getan,

daz ir g&te knehte weset

ynt mit eren wol geneset 26 ynt r&m erwerbet,

. . . . sdianden sterbet.

Do sp'oh aber Pallas,

wann er ein helt was:

„ich wil . . . verzaget 30 der ivch da her hat geiaget, "*

ich wil des g^dingen

vnt Wil in dar z& bringen,

daz ers niht me ent& .

.... wider sten nfi, 35

den andern^ lege . . . (Lücke yon Vers 87-^205,8.)

getorste 1**

5 . . ebenmazzen ..... lazzen,

Digitized by

Google

Zmgerk: S^w Eneide Hemriehs von Vddekm. 476

Do sagte im Pallas

. . rehte, wer er was

vnt daz er im waere gram 10 vnt daz er durch daz dar qvam,

daz er im schaden wolde,

dyroh ander dehein^ sin [dorchstr.] schvlde.

daz was Tymo vil zom,

daz ors r&rt er mit den sporn. 15 alse tet ouch Pallas .

daz sine vil snel was

er wolte im niht entwichen.

si liezzen dare strichen,

die zwene degen riche 20 . fhten sich riterliche

. w . he . geliehen

si griifen . den swerten,

des si sere gerten.

die helde vil milte 25 zerhiewen die schüde

ze spaenen vil chleine.

si zwene waren da eine,

daz niem da bi in was .

do slfich der herre Pallas 30 einen solhen slach^ r nider ladi. . innen .

dannnochReime . . erte ...ch... Ifieft (= Ettmüller 206,9-208,5.)

der maere helt lyssam 1*

10 yf diy knie ar nider qyam

yor Pallas an den sant.

daz swert behielt er in der hant,

er moht deheinen slach er zien.

alda stynt er yf knieb,

Digitized by

Google

476 Sitzung der phOoß.-phM. Ckme wm 7. Ik§mber 1867,

15 er het sich gerne erwert, ' er stacli Pallas daz swert

ynder dem halsp-ge in den lip,

so daz er im lant mt wip

immer me mit fride liei: 20 toten er in der nider stieE«

Do lach der herre Pallaa erslagen,

den sine frivnt wol m&sen chlagen,

daz er also veige was,

der ivnge kfinich Pallas. 25 d 0 was der iamer vil groi^

daz er des Tbele ginoz,

daz er dvrch ere dar q?am.

der maere helt Ivssam,

ez was ein vil ybel zit, 30 eme was in st&rm noch in strit

da bevor nie chomen e

noch getet sint nimmer me«

dennoch was ez im ze M.

er greif vil manlichen su 35 der helt vnbescholten.

er hete sich vergolten

da bevor allen d .

daz er mit ...

wan er het . . .

h vndert m 207 daz half in . .

wan daz man

vnt div < .

waere er m . . 5 d az al verswi^^e» waere

Digitized by

Google

ZingerU: Zur Eneide Heinrichs von Veldeken,

477

D . .

10 daz . .

vnt , .

ein . .

den . .

daz . .

15 dvr . .

dvr . .

daz . .

ez .

vnt . .

20 mit . .

daz was ein sma . . . Tvrn^der helt chfine Tergaz sin selbes sere dar ane. e danne er eher . . dane, 25 abe dem vinger . ^r. im nam, daz im sit ze ynstatten gva. er tet ovch bösliche Tvrnus der riebe vnt harte sinen giwalt, 30 des er sit yil sere engalt, do der herre Eneas sin so giwaltlich was, daz 6r wol ginesen mohte sin, nivwan dvroh daz vingerlin 35 daz er in darvmbe slfioh. damit engalt oueh ers gin&ch. Do TvmYs da mit vmbe giench . sin dinch ane viench, . im selben geviel, . . was da bi in eime kiel . 208 . . schytze mit eine pogen.

schoz Tvmü den herzogen [1867. IL 4.]

82

Digitized by

Google

478 Sitzung der philos.-phOol. Ckuae vom T, Desmber 1867.

. . den halsp'ch in die sit . . . . elben ze vbeln zite . . , 5 . erz mit dem Übe g . U. (= Ettmüller 240,15-244,10.) 15 ze Lavrent hin wider 2*

do gelag ir vil da nider erstochen und erslagen. also liezzen si sich iagen yaste vnze an daz wichfis

do sprancte s

(Lücke von Vers 20—31.) . michel gedranch . witen gevilde. hiwen si die Schilde 35 . . helme g&te

von dem bl&te . ne gras al rot. die helide, die da lagen tot, die waren ynzalhaft. starche Gamille da yaht, 241 wan siz wol torste git&n. do was de riter Darcvn ein harte hobsch Troian vnt ein riter wol getan, 5 hofsch vnt g&tes willen, er sp'ch ze fröwen Camillen ein teil smäeheliche Dorcon der riche: „waz meinet daz, fröwe maget,

10

Digitized by

Google

ZingerU: Zur Eneiäe Heinrieha von Vddekmk 479

ich waene ez ubd ende ... 2"*

15 daz ir svs gerne stritet

vnt staetichlichen ritet.

ich sage iv waerlichen daz,

ein ander stvrm zaeme iv baz,

waere daz irs pflaeget

daz ir . . . laeget

(Lücke von Vers 20—80.)

242 Darcvn eweich do stille. de rfirte frowe Camille d az ors vaste mit den sporn, selbe räch si ir zorn 5 den ir Darcon sprach, d vrch den lip si in stach daz er schiere tot lach, ein sin neve daz gesach der was geheizzen Flemin. (Lücke von Vers 10—15.)

15 har

, . de einiv giwar

. . . Tarpite,

diu het in deiti strite

riterschefte vil getan. 20 8 i stach den einen troian,

daz er nimmer me wort ensp'ch.

Camille den andern stach,

daz er tot viel in daz gras.

si sp'ch, des ir ze mfite was 25 ze dem riter Darcone.

si grfizte in vnschone.

si sprach: „nv lige hiel

wie getorste dv mir ie

boese* rede bieten? 30 dyne darft mich niht mieten.

82»

Digitized by

Google

480 Sitzung der philös.'phtlol. Claase vom 7. Dezember 1867,

s vs sol man chlaffaer waeren.

ich mach harte wol enbörn

diner phenninge.

nv hastv din gedinge 35 V ergolten mit dem lebene.

nvne hast dv niht ze gebene

weder rede noch schaz.

dv bist givarn in gotes haz.

Do daz also geschehen was,

do was ein riter, der hiez Arras 243 mit den Trojanen da.

Camiilen reit er al ze na

verre allen den tach.

der marchte vnt sach, 5 wie si sluch vfi wie si stach,

vnt wie si ir sper brach.

vfi wie si ivstierte,

vnt wie si pvngierte

vnt wie riterliche sie sluch. 10

dajsf er

15 eme hetes enheinen willen. 2*

do ennam frov Camille

enheiner slahte war des.

do reit der herre Chores,

der Trojaere priester 20 V nt ir .e meister,

vnt was doch riter vil g&t

vnt hete manlichen mut.

vfi chfinde wol an riterschaft.

groz was sin giaelleschaft

Digitized by

Google

Zingerle: Zur Eneide Heinrichs von Yeldeken, 481

25 riter vnt schvtzen.

er chvnde wol ginvtzen

beidiv buch vnt swert.

daz ross was manges pfvAdes wert,

da der helt vflfe saz. 30 e r was gewafifent baz

danne lernen da waere

vnder den troiaere

ode in andere site

in allen dem strite. %b ze den selben stvnden

hjet er vf gibvnden

einen heim schoene y& so lieht,

d . . . man vns niet,

daz er mohte bezzer sin.

ze Oberst stunt ein rvbin 244 vnt al vmbe an der liste

Smaragde un amatiste

vfi vor an dem nasebant

ein granat iochant, 5 gin&ch groz vnt g&t,

dvrchlvhtet rot sam ein bl&t.

er ivhte engegen dem tage.

waz mag ich iv me sage?

d iv kuniginne Gamille

10

m.

(= EttmüUer 260,13—264,7.)

. . . was div

eins abendes spate 3*

in ir chemenate . 15 ir tohter si fvr sich nam, ein frowen lussam.

Digitized by

Google

482 aiigung der phOoa.-phüol, Glosse vom 7. Dezember 1867.

einer rede si begvnne,

die si vil wol chfinde,

mit micheltn sinne. 20 do sp'ch dir kvnneginne:

„schoeniv Lavine,

liebiv tohter mine,

ny mag ez lihte so chomen,

daz dir din vater hat ginom 25 michel gut vnt ere.

Tvrnvs der helt here,

der diner minnen starche gert,

d er ist din Wol wert.

daz ist mir wol chvnt 30 vfi waerest dv tfisent stvnt

als schoene vfi als g&t,

80 ... st dv wol dinen m&t

gerne slu in che . . .

ich gan dir wol aller eren 35 vnt wil daz dy in minnest

vnt daz dv wol erchennest,

daz er ein edel fvrste is.

darvmbe warn ich dich des

vmbe den helt Ivssam

vnt wis Eneäse gram, 261 dem unsaeligen Trojan,

der in ze tode wil erslan,

den, der dir ist von hercen holt.

dar zfi hastv rehten solt, 5 daz dv im vngenaedich sis

vfi im deheine wis

(Lü<*6 von Ver« 7—11.)

vfi wil erben 3*

dines väter riohe .

ob dv saelichliche

Digitized by

Google

ZmgerU: Zur Eneide Heinrieha wm VMekm. 483

15 vfi wol wellest tfin,

tohter 80 minne TvrBvm."

wamit 8ol ich in minnen?

„mit dem hercen vfi mit den sinnen/'

Bol ich im denne min herce geben? 20 „ia dv/' wie sol ich denne gileben?

„dvne solt ez im so geben niht/'

waz ob ez nimmer geschiht?

„vfi waz, tohter, ob erz tfit?"

f rowe, mie mohte ich minen m&t 25 an einen man gecheren?

„div minne sol dichz leren''

dvrch got, wer ist div minne?

„si ist von anegenge

gewaltlich vb" die werlt al 30 vnt immer me wesen sal

vnze an den ivngisten tach,

daz ir niemen enmach

dehein wis widerstan,

wan si ist so gitan, 35 daz mans enhoeret noch ensiht"

f rowe, der erchenne ich niht

„dv solt si bechennen noch/'

wan mvgt irs erbeitten doch.

ich erbeitte es gerne, ob ich mach.

„lihte gilebe ich noch den tach, 868 daz dv vngebetea minnest.

Bwenne du beginnest,

dir wirt vil liebe darz&/'

ich enweiz, fröwe, weder ich tu

6 dv mäht . . wesen gewis'' (Lücke von Vers 6—10.)

80 gitan

daz ez rehte nieman 3*

den andern gewisen chan.

Digitized by

Google

484 Sitzung der phüo8,'phüol. Claaae vom 7, Dezember 1867.

dem Bin herce so stet,

daz 81 drin nine get, 15 der so steinliche lebet:

swer aber ir rehte entswebet

vnt ir cheret,

vil si in des leret,

daz im e was ynchvnt. 20 si machet in schiere wünt,

ez si man ode wip,

si begrififent im den lip

vfi die sinne begarwe '

vS selwent im die farwe 25 mit vil grozzer gewalt.

si machet in vil diche ehalt.

solich sint ir waffen

si benimt im daz slaffen

vfi ezzen vn trieben. 30 si leret in ge(|enchen

vil misliche.

niemen ist so riebe,

der sich ir mvge erwern

ode sin herce von ir ginern 35 noch enchan noch enmach.

nv ist des vil manich tach,

daz ich nie so vil dar abe gisp'ch^^

fröwe ist denne minne vngimach?'* 268 „nein si, niwan nahen bi.^'

ich waene, daz si stercher si,

denne div suht ode daz fieber.

si waeren mir beidiv lieber, 5 wan man . . . dem sweizee

minne tut ehalt ufi heieze

der denne . . . tage rite. (Lücke von Vers 8=13.)

Digitized by

Google

Zingerie: Zur Eneide Heinrichs von Vddeken. 485

. ... . mich mvzze 3*

15 . en ynt vermiden.

wie solt ich die not . . erliden?

Div m&ter aber wider sp^ch:

„niht enfvrhte daz vngemach,

merche wie ich dir besdieide: 20 michel liep chymt von leide,

räwe chymt nach vngimache.

daz ist ein trostHch sache.

gemach chvmt von der arbeit

diche ze grozzer staeticheit. 25 von röwe chvmt wfinne

vnt frovde manger chynne.

tr&ren machet hohen m&t,

div angest machet die staete gfit.

d az ist der minne zeichen : 30 lieht varwe chvmt nach der bleichen,

div vorhte git guten trost,

. . . re . . . erlost.

daa darben int daz herce riebe.

z e disem dinge ieslidie 35 hat div minne solhe b&zze.''

si ist aber von erst vil vnsuzze,

e div senfticheit mäge chom". *

„t ohter, dv erchennest ir niht ze from*

Si sfinet selbe den zom^'

div qvale ist ze groz da vorn. 264 „si t&t diche vnder st&nden,

daz si heilet die wänden

ane salben vfi ane tranch.*'

div arbeit ist aber e vil lanch. 5 „t ohter, daz stet an ds gelfich,

so man geqvilt ein l^nch stfich

vn mit arbeiten gilept

Digitized by

Google

486 SiUfung der phüoB.-phOol. Olam vom 7, De$mber 1867,

Herr Hofmann legt vor: „Eine Anzahl altfranzösischer lyrischer Ge- dichte aus dem Berner Codex 389".

Ich gebe hier den yorläofigen Schluss meiner Mittheil- ungen aus dem Bemer altfranz. Codex 389, dem ich die vor zwei Jahren publicu*ten 20 Pastourelles entnommen habe. Noch mehr Stoff liegt im Pulte und soll seiner Zeit verar- beitet werden. Aber, dass ich es hier schon sage, dieser grosse Trouverecodex, die Perle der kleinen, aber unschätz- baren Bongarsischen Sammlung, verdient vollständige und baldige Herausgabe. Er ist für die altfranzösische Lyrik der klassischen Zeit, was der Manessische Codex für die Minnesinger, eine Quelle, die, wenn auch der grossen Masse wegen nicht immer an Reinheit, so doch an Reichheit alle andern weit übertrifft. Was ich hier gegeben, was W. Wackemagel in den Altfranzösischen Liedern u'nd Leichen (Basel 1846) mitgeüieilt, ist doch nur ein klein- ster Theil dieser einzigen burgundischen Liederhandschrift» deren Fülle man am besten aus dem Verzeichnisse aller Liederanfänge ersehen kann, die mein Freund Paulin Paris dem VI. Bande seiner Manuscrits frangois de la Bibliotheque du Roi S. 48 100 beigegeben, und das, nebenbei gesagt, die beste existirende Vorarbeit für das Studium der Trou- veres, wie sein Romancero fran^ois (Paris 1833) noch immer die wichtigste Publication lyrischer Texte ist. ^ Mehrere Ver- besserungen sind mit Cursiv gleich in den Text au^eDomiaea.

L

C. Bern. 389. f. 2'.

Jeus partis. Cunes de Betunes. (was offenbar falsch ist.)

1 Amis Bertrans, dites moy le millor d'un jeu partit, de vos le veul oir:

Digitized by

Google

Hofinann: AUfrcmösüche CMiiMe, 487

ki de s'amie anroit Tamor

et parlement de li a son plaisir,

et c'elle adonc sens forfait s'en partoit

por autre ameir et pues paix refaisoit

por lui tenir de samblant sens plux mais,

li keis valt muelz, tous jors guerre, ou teil paix?

Sires Guichairs, saichies^ ceste dolor,

ke je V08 oi resconteir et jehir,

ont autre fois tost [1. tuit] li pluxor.

scYent Yoit on ceste chose avenir,

teil dtoie lait son boen amin seus droit,

ke s'en repent, quant eile s'en persoit.

gaerre en amors n'est prous, por ceu m'en tais.

la paix yalt muels, seryir a caer verai.

Amis Bertrans, li cuers urais [1. verais], por yoir,

est per tout bons, ceu sai certaiDnement,

et eil est fols selonc le mien savoir,

ke fauce dame aimme a son essiant,

ke bien saveis, k'en reprovier dist on,

ke leires est li compans a lairon,

crt eil est folz et fait gabeir de lui,

c'on sert de bordes et on festoie autrui.

Sire Guichart, or puet en bien savoir, ke Yos d'amors savois pouc ou noiant; car je yeul muelz toz jors de li avoir k'elle m' esgairce bien debonairement a bei semblant et a douce raixofi, c'ayoir a li mellee ne tenson. soffrirs atrait amors, certains mi sui, et orguels fait a mainte gens anui.

Digitized by

Google

488 Sitzung der phüos.-philol. Claase vom 7. Dezember 1867.

5 Amis Bertrans, vostre sens n'est pais grans, ou on vos ait, espoir, en vaia chargie,

ke tout prandreis a greit com peneans. aiDS ne vi home de si pou apaier; quant d'iin samblant et d'uu trespovre ris Yos puet tenir, trop estes vrais amis. celui eembleis, cui on tolt son chaistel, ke pues en prent decoste. 1. bei juel.

6 Sires Guichairs, jai nulz saiges amans ne me tanrait por ceu mal afaitie,

86 j^en greit pran doulz mos et biaul [1. biauls] semblantz

ains ke tot laisse, se seroit malvoistie.

aincor valt muelz avoir, ce m'est avis,

pou, ke mans [1. rians], car de ceu seux toz fi8,

ke per dousor fait on savaige oxel

saige et priveit et guerpir son rivel. (riuel) = Wildheit,

rebellion) per deu, Bertran, vos permenteis molt bei; mais n'i aurai avant [1. auan] talent novel.

IL

C. Bern. 389 fP, 3. r^ Jugemans d'amors. (Von GiUebert de Berneville nach Paris.)

1 Amors, je vos requier et pri, ke vos me faites jugement d'une amie et de son amin ki entreameit s'ont longuement des pues k'il furent jovencel, or sont si grant, ke del donsei alt on piece ait fait chevelier, et c'est prous, mais j'o tesmoignier, ke il ne poroit barbe avoir. puet I'amor dureir ne valoir?

Digitized by

Google

Hofmann: Ältfraneösische Gedichte, 489

2 „Guillebert, por verteit vos di, ke la chose est si faitement,

ke^ pues ke Tuns Tautre ait choisi, je veal, k'il aince loiaulmant. quant il est [1'] un et l'autre bei Pamor ferme de mon saiel, et quant li dui euer s'entr'ont chier, je les veul ensemble laissier. eil iront outre mon voloir, ki les en voront removoir."

3 Amors, se ne doutoie si vostre ire et vostre maltalent, jai auries la tenson a mi, quant obeissies a teil gent. ne sont digne d'avoir juel,

k'a dame seit, nes .1. chaippel,

ne de roze ne d'auglentier [1. aiglentier]

ne lor devroit dame baillier,

et Celle ferait grant savoir,

86 celui met en nonchaloir.

4 „Gillebers, por vostre mercil pairleis un pouc pluz bellement. tuit ne sont mie si joli

com vos estes, mien esciant.

s'une dame aimme .1. garsencel,

se li semble il peirs de chaistel,

lai fais je mon droit avancier

et ma signorie enforcier,

ke pues c'on aimme ou blanc ou noir,

tuit semble [= semblent] boen, si com je croy."

5 Amors, je croy et sai de fi, k'elle n'ait desir ne talent

Digitized by

Google

490 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 7. Dezember 1667.

ne euer, ki puist ameir celui

per enfance a comancement.

sens tricherie ou sans rivel

on ne poroit .1. sac [1. secj paxel (= paxillas pr. paisselli

P&hl) faii*e florir ne verdoier; niant plux puet montiplier l'amor de lui, je V sai de Yoir, ne il ne doit amie avoir.

6 „Gillebers, vos parieis ensi com uns hom sens entendement. se j'avoie celui trai

et vers lui ovreit faucement, je sembleroie lou rainxel ki se ploie a chascun oixel, . B^en feroie moins a proixier. TOB me Yoleis mal consilier, b! com je croi a mien espoir. querons, ki nos en die voir."

7 Amors, la contesse en apel,

se nuls hom, ki ait teil musel, doit per amors dame enbraiscier. chaistelains, veireis moy aidier! de Biaume, tost fereis paroir lou droit et le tort encheoir.

m.

C. Bern. 289. f9. 11, V>.

1 An .1. florit vergier jolit

Tautf^ jor m'en entroie. dame choisi

Digitized by

Google

Hofmatm: Mifiranzöa%$ehe Gedichte. 491

leis 80Q mari ki forment la chaistoie, se li ait dit: „vilains floris," la dame simple et coie, , j'ai bei amin coente et joli a cai mes cuers s'otroie. ne soies de mois jalous, maix altis vostre voie; car, per dea! ?os sereis coas, por riens ne m'en tenroie/' „C'est grans folors et desonors, dame, ke m'ayeis ^te; car Yostre amor aveis mis tout dou tont en yostre eslite. jai en nnl jor n'en serez [1. vos] certes per moi despite; maix des plasors et des millors en sereis vos desdite. et se je 'pois, per mon chief 1 TOS n'en sereis pais kite, mavaixe robe en aureis et livrexon petite." Vilains bossus et malestros

et toz plains de graipaille, 708 croUeis toas, reposeis yoos, seeis sus vostre celle.

Digitized by

Google

492 Sitzung der phüos.'phüol. Classe vom 7. Dezember 1867.

je ne quier maix

avoir per vos

ne sorcot ne cotelle.

vezsi le dous tens ou vient,

ke renverdist la pree,

s'irons moi et mon ami

coillir la flor novelle."

IV.

C. Bern. 389. f>- 30 v«.

Blondelz.

1 Bien c'est amors trichie, quant eile m'ait ocis,

ki m'ait fait sens amie ameir tant com fui vis. mors ßui, se m'est avis, por ceu ke je n'ain mie ne jaimaix en ma vie ne serai fins amis.

2 La joie m'est faillie, ke m'ait faite toz dis amors per tricherie, ke tout avoit conquis. laisl je m'estoie mis dou tout en sa baillie; er c'est de moy partie, ja maix ne serai pris.

3 Pris? je per coy seroie, quant je sui eschaipeis? ne sai maix teil folie, ke pues revient aisseis lai, dont il est greveis.

Digitized by

Google

Hofmann: JJtfranzösische Gedichte, 493

denst se jeu seu faissoie, plux douce mort auroie; maix trop m'en sui blaimeis.

4 Je m'en repcntiroie, se j'estoie eschaipeis. per foit, ke je parloie, com hom desespereis. amors, cor m'ocieisl certes, je le voldroie, la force n'est pais moie yers tos, bien lou saveis.

5 Dame, cest donls martyre doi je bien endareir,

ne jaimaix nostxe sire ne me puist amandeir, se je m'en quier oster. se me devies occire, je ne pnis pais elire millor mort ne trouveir.

6 D'amors ne sai ke dire; ^qaant muels i veul penseir,

Tune hoore me fait rire, r^atre me fait ploreir. jai ne m'en doit blasmeir, maix malz talens et ire me fait dire et desdire et folement pairleir.

V.

C. Born. 889. f. 81. i^.

1 Bels m'est Tans en may, qnant voi lou tens florir,

ozel chantent doucement a Tenserir.

[1867.IL4.[ 33

Digitized by

Google

494 Sitzung der philos.'phüol. Glosse vom 7. Dezember 1867.

toute nuit veil et tressaul, ne puis dormir,

car a cen [1. ceu] ni'estuet penseir ke plux desir.

molt hei ina vie, s'a teil tort me fait morir Dia douce amie.

Lais, poT coy me fait la belle quaDt del tout seux atorneis je ne veul ne se ne puis car ne puis de mes dolors

molt hei ma vie s'a teil tort me fait morir ma douce amie.

mal sentir, a li servil? de li partir,' sens li guerir.

3 Nuls ne seit, a keil dolor je m'en consir; ains ne li osai mon euer del tout gehir. siens seux et fui et serai sans repentir, tous jors veul lou sien Service maintenir.

molt hei ma vie s'a teil tort me fait morir ma douce amie.

4 Deuxj com sont en grant doutance de faillir

eil ki aimme de boin euer losenjor, ke por noient fönt bone auior remenoir

molt hei ma vie s'a teil tort me fait morir ma douce amie.

et sans trai'rl suellent mentir, et depairtir.

5 Nuls ne puct de fauce amor a bien venir,

car chascuus veult pouc ameir et bien joiir.

li malvaix fönt les cortois avelenir,

Digitized by

Google

Hofmann: AUfranzösische Gedichte. 495

dqIs ne seit maix cui ameir ne cui servir.

molt hei ma yie s'a teil tort me fait morir ma donce amie.

Tresor veul ma retrowange defineir [I. definir],

Gontier pri molt k'il la chant et faice oir.

QU pascor, quant on vairait lou bruel florir,

cheveKer la chanteront per esbaudir.

or aim ma vie;

car del tout m'ait afieit

ma douce amie.

VI.

C. Bern. 889. f>. 68 r».

Kreuzlied ohne Bezeidmmig.

Douce dame cui j'ain en bone foi,

de loiaul euer sens jamaix arier traire,

mercit, dame^ a mains jointes vos proi.

se seux croixies, ne vos doie desplaire;

desoremaix ai talent de bien faire,

aleir m^en veul a glorious tornoi

outre la meir, ou. la gent sont sens foi,

ke Ihucrist firent taut de mal traire.

„Biauls dous amis, certes, se poise moi, ains maix mes cuers ne fut si a mesaixe, c^outre la meir vos en irois sens moi, j'amaixe muels tous jors vestir la haire; maix pues k'il veult a deu et a vos plaire, je ne veul pais k'il remaigne por moi. a mains jointes a la meire deu proi, ke TOS ramoinst et vos laist grant bien faire/^

Molt me mervoil, se del sen ne mervoi, quant je dirai : „a deu jusc'a repaire,'' a ma dame, ke taut ait fait por moi,

83*

Digitized*y VjOOQ IC

496 Sitzung der phüos.-phüol. CUisse vom 7, Dezember 1867.

ke loa dime n'en sauroie retraire;

maix nals ne puet trop por damedeu faire.

quant me menbre, que il morit per moi,

tant ai en lui de pitiet et de foy^

riens, ke je laisse [1. lais], ne me poroit mal faire.

vn.

C. Bern, 389. f>. 69. ^. Li cuens de Cousit. (fehlt bei P. Paris.)

1 De jolit euer enamoreit chansonete comencerai,

por savoir, sMl vanroit a greit celi, dont jai ne pertirai, ains serai en sa volenteit. jai tant ne m'i aurait greveit, ke ne me truist amin verai.

2 Quant son gent cors et son vis cleir et sa grant yalour acoentai,

lors la trovai si a mon greit, ke toute autre amor obliai; si ne fut pais por ma santeit, aincois cuit bien tout mon aie languir, ke jai ne li dirai.

3 Baixons me blaime durement et dist, ke ne Tai pais creü, quant d'ameir si tres hautement ai trop mavaiz consoil eü;

maix pities ki le [1. les] vrais amans

fait estre iries li6s et Joians,

et [1. ce] dist, c'ancor m'estrait rando«

4 Dame, se j'ain plux hautement. ke mestiers ne me seit eü,

Digitized by

Google

Eofmann\ AJtfranzösiscTie Oediehte. 497

la grant bialteis, c'a vos apent, ait si mon couraige meü, 86 vos pri mercit doacement.

vm.

Cod. Bern. 389. f^ 69 v<>. (alte Foliinmg 71). Adefrois li baistairs.

Ed novel tens pascour ke Aorist Taube espine, espousoit li coeDS Gnis la bien faite Aglentine. tant jnrent doucement brais a brais soz cortine ke .VI. biaus fils en ot, pues li moustrait harne por ceu ke muels amait sa pncelle Sabine.

ke covant ait a mal marit,

trop sovent voit son euer marrit.

Li coens por sa biateit l'ama tant et tint chiere, ke de li ne se pot partir ne traire ariere. tant li semont ces caers ke s'amor li reqniere, ke per devant li vient por faire sa proiere. ke covant ait a mal marit etc.

„Sabine, fait li coens, vostre amor m'atalente, la vostre vös requier, la moie vos presente; et se vos me faillies, mis m'aveis en tormente.'^ et. la belle respont: ,Jai deus ne le consente, k'en soignantaige soit usee ma juvente.'^ ke covant ait a mal marit etc.

,,Sabine, dist li coens, tant vos voi debonaire, ke de vos ne me puis partir ne arrier traire, et se vos me voleis et mes boens voleis faire, n'ait home en mon pooir, s'il en voloit retraire malvaix mot, ke les euls ne li feisse traire." ki covant ait etc.

Digitized by

Google

498 Sitzung der phüos.-philöl. Glosse vom 7. Dezember 1867,

5 Tant ait li coens doneit et promis a la belle, ke il li ait tolut le douls nom de pucelle, toutes ces volenteis fait de la damoiselle. Aglente s'en persoit, son seiguor en apelle,

por pouG ke ne li pairt li cuers sous la mamelle. ki covant ait a mal etc.

6 La dame en sospirant ait monstreit son coraige: „sire, por den mercil trop m'aveis en yiltaige, ke devant moi teneis amie en soignointaige;

se me mervoil coment me faites teil hontaige, car onkes en moi n'ot folie ne outraige." ki covant etc.

7 „Aglente, bien aveis vostre raixon moustree. 8or les euls yos comant ke veudies ma contree et gairdeis ke n'i soit seüe la rentree;

car raaintenant seroit la vostre vie outraie." ki covent ait a mal marit etc.

8 Aglente c'est en pies, vosist on non, drescie, en plorant prant congie, dolente et correcie, de ces enfans aidier a tous les barons prie, pues les baisse en plorant et il Tont embraissie. quant pertir Ten covient, a pouc n'est enraigie.

ke covent ait a mal marit etc.

9 La dame, a duel k'elle ot, est cheüe sovine. quant redrescier se pout, dolente s'achamine, del euer vait sospirant et de ploreir ne fine« les lairmes de son euer corrent de teil ravine ke ces bliaus en moille et ces mantels hermine.

ke covant ait a mal mari,

trop sovent voit son euer marrit.

Digitized by

Google

Hofmann: Altfranzösische Gedichte, 499

IX.

C. Bern. 389 f>. 73. r^.

1 E amerouse, belle de biaul semblant, deignies chanteir la chapson vostre amin ki angoissons et pensis et tramblans

a euer dolaüt de vos se departi.

bien me peüstes veoir esbahi,

goant je vos dix: „male riens sens merci,

n^a deu n'a sains vostre cors ne comans,

ains vos demant ma mort et bien vos di,

k'en grant torment m'aveis mis, mar vos vi."

2 Laie moi chaitifl mar la vi voirement, mar la conu, mar m'i de1itai> si

en remireir sod cleir vis bei et gent et ces vairs euls ke m'ont mort et trait. trop durement laissiet m'ont et saixit. quant en seux Ions, nulle houre ne m'obli, tous jors m'est vis k'elle me soit davant. dormant vaillant la reclam et depri, nes en sonjant son nom sovent escri.

3 Li deus d'amors m'ait pris a lais coursour, 88 ne li puis de son lais eschaipeir;

maix tost auroit en ris tomeit mon plour, se per amors fait de celi ma peir, ke deus formait por cuers de gens embleir. nuls ne puet riens en li a droit blameir, tant i ait sen, cortoisie et valour. muels ain doloir por li en grief penseir, ke d'autre avoir lou desduit ne le greit.

4 Dame plaixans, trop belle a pouc d'ator, molt vos avient a rire et a pairleir. vostro biaulteis voint roze et lis et flours,

Digitized by

Google

500 Siteung der phüos.-pMlol. Glosse vom 7. Deeeniber 1867.

ne je m'en puis recroire ne laissier de TOS samblans amerous recordeir ne des biaus euls ke tant peox compareir, k'en esgairdeir moi firent tant bei tour. plains de dousor les vi vers moi torneir, mil fois le jonr m'en covient sospireir.

5 Je V08 ain, dame, et bien i ait por coy je doie estre vostre loiauls amins; car en yos sai trestous les biens et voi ke puissent estre en cors de dame aissis. gens cors, frans cuers, belle bouche et der vis, ki seroit dont vers vos faals ne faintis, tant eüst mal ne folie en soi? molt m'en coentoi, quant de vos seox sospris, k'en noble poent m'ait li deuz d'amors mis.

X.

C. Bern. 389. f>. 76. De nostre daime.

1 Fins de euer et d'aigre talent veul un serventois comencier per loweir et regraicier

la roi'ne dou firmament. de sa loenge et de son nom muevent tuit mi lai e mi son, ensi yeul useir mon juvent en li servir en boen espoir de tant, com j'aurai de savoir.

2 Gabriel gloriousement alait ceste dame noDcier, k'en li se devoit herbegier et panre chameil vestement

Digitized by

Google

Bofmann: Ältfranzösiache Gedichte. 501

eil ki fist Adam purement. la virge, ke fat en frison, loa creit et fut errammant paroUe chairs, et consut Toir ki poissance ait a son voloir.

Nes plux *ke li aire se mue, qaant on i giete an esprevier, ne moait eile a renchairgier ne a naistre de 8on enfant. yirge portait son enfanson, yirge le tint en son giron, virge li vit mort recevoir et yirge en paradix seoir.

S'en ceste dame eüst noient, ke trop ne feist a preixier, jai dl, ki tont puet justicier, n'i fast enclos si longaement. mais, se tuit ierent Salemon^ home et oixel^ beste et poixon, et la loescent boneroent, ne porroient dire le voir de s'onor et de son pooir.

Tres douce dame, a tos me rant.

se TOS me voleis consillier,

je n'ai gairde de perillier

*)de ne^citeit [= pr. nesdetat] ne de torment.

meire a Taignel, meire a lion

meire a vrai [1. yerai] fil Salemon,

meire, ou tres toas li biens resplant,

meneis nos en vostre menoir,

oa nals malvais ne paet menoir.

*) HS. da nerdteit.

Digitized by

Google

502 Sitzung der phüos.-pMol vom Gasse 7. Dezember 1867.

XI.

C. Bern. 889 ft 80 v^.

Adefrois li baistars.

1 Fine amor en esperance m'ait mis et doneit voloir de chanteir por aligence des mals, que me fait avoir Celle, ke bien ait pooir d'amenuisier ma grevence; maix paour ai et doutasce, ke per felon losengier

ne me veuUe justicier.

2 Tant me piaist sa contenence et ces gens cors a veoir

et sa tresdonce semblance, ke veul en greit recevoir kan ke m'i ferait doloir, c'ades en ai remenbrance, ke biaus' servirs et soasirance fait fins amans avancier et sevoir croistre et haucier.

3 Per sa tresdouce acoentance et per son bei defeevoir

fist mes cners de moi sevrance et prist leis le sien menoir, tant li piaist a remenoir, k'il aimme la demonrance; maix ains n'i out retenance, ains crien orguel et dongier, ki me fait coloar chaingier.

4 Sovent ai ire et pesence d'amors, ke tant suelt savoir.

Digitized by

Google

Hofmarm: Alifranzösische Gedichte, 503

or ai torneit en enfance. sa coeutixe et son savoir, guant ceaulz met en nonchaloir, ki por 11 ont mesestance, et ceauls done recovrauce, ki se poennent de boixier et de faulz cuers renvoixier.

Dame debonaire et franche,

bien me faites persevoir,

ke fins cuers sens repentence

ne m'i puet mais riens voloir [1. valoir].

Yostres seux, saichies de yoir,

se per vos n'ai delivrance,

coi je ne pois eslongier

ne ma dolour aligier. [fehlt ein Vers.]

\ Chancon, vai ramentevoir a la plux belle de France, de pair moi li fai moustrance, ke ne me sai revengier fors ke per mercit proier.

XU.

C. Bern. 889 f>. 87.

C'est dott conte de Bair et d'Ooenin son ganre (nach P. Paris le conte Henri de Bar).

Gantiers, ki de France veneis et fostes aveuc ces barons, cor me dites, se vos saveis^ keilz est la lor entensions? dnrrait maix tous jors lor tensons, ke jai ne s vairons acordeis ne jai ne s vairont si melleis, ke percies en soit uns blasons?

Digitized by

Google

504 SUsung der phüos.-phüol, Clasae vom 7. Dezember 1867,

2 Pieres, se nostre coens Henris en est creüs et li Bretons,

et li Bretons k^est si ozeis, et li sires des Borgignons, ansois ke paissent rouvexons, yaires Baicles si raüsseis, ke lors bobans serait mateis. jai rois ne lor iert guerixons.

3 Gautiers, trop dure longuement eist meneciers et si valt poo, mal semble, k'il aient talent d'ous Yengier, si ont il per foit. chascun jor asembleis les voy de loing venir atout grant gent» bien perdent honor et argent, quant il ne fönt ne ceu ne coi«

4 Pieres, on ait yeüt sovent mesayenir per grant desroi. honor ont fait a esdant

et li chardenal et li roi, ki les ait moneis en besloi per lou consoil dame Hersant; desore irait la paille ayant, ceu puet chascons penseir de soy.

5 Gautier, je ne m'i os fieir, trop les yoi lens a cest mestier. loa bei tens ont laissiet paisseir tant com doit ployoir et negier, et quant plux les yoi correoier et de la cort por mal tomeir, s'en fönt 11. ou 111. demoreir por truwe en coyert raloignier.

Digitized by

Google

Bofmann: Altfranzösische Gedichte, 505

Piere, ne fönt pais a blameir eil, ki en partirent premiers, Fains pues ne vorent demoreir, maix nostres coroneis ligiers per loa chardenal losengier, cui il n'oserent rien yeeir, et por cenls de blame geteir, firent la ferne an poa laissier.

xm.

Aidefroi. Kant je yoi et fuelle et flor colar maeir, c'oisilloz por la froidor n'osent chanteir, adonkes sospir et plor, car conforteir ne m^i sai, tant sent dolor por bien ameir,

car soffiir ne pais sens morir cors, ki sent teil mal longaement, car la nait, qaant me despeal et dormir veul, sovent moil [HS. moal] mon lit, tant ploarent mi enl.

Trop me piaist et nait et jor a remireir

son gent cors et sa faisson et son yis cleir. 6 laisl je caidai en li merdt trover. por coi j'apris la folor, ke je compeir. goant jehir

C. Bern. 889 P. 115. V>.

Digitized by

Google

506 Sitzung der phtlos.'phüol Classe vom 7. Dezember 1867,

osai mon desir,

folement a son bei cors gent,

lors me heit et moustre orgael

et mon acnel^

c'avoir suel,

ai perdnty dont trop me duel.

3 Son gent cors mar acoentai, ou faut mercis,

sa biaulteit mar regardai^

por coy languis.

grief poene et dolor entrai

et asseis pis,

et sai bien, jai n'en guerrai,

ke bien m'est vis,

k'en pensant sa chiere riant

davant moi et nuit et jor voj.

li tres bei eul de son front

en mon euer sont

et seront,

je cuit, tant ke mort m'auront.

4 De mo7 nul consoil ne sai, tant seux sospris,

fors en vos belle, ke j'ai

mon penseir mis.

mercit tant vos proierai

com serai vis,

et bonement atandrai

com fins amis;

maix itant vos veul dire avent,

se de moj pities ne vos prent,

certes trestuit eil del mont

vos blameront

et tanront

a cruel quant lou sauront.

Digitized by

Google

Eofmarm: JltfratiMösische Gedichte, 507

5 Mors seux, de mercit li pri, car certains sui, jai n'aurai de li confort de mon anai, car folement m'enbati lai ou ne dai, et a mon pooir choisi ceu, qu'iert autrui, dont movoir ne puis mon yoloir, ke piece ait retint et laissait

mon euer per moi ostaigier. a comeucier ke laissier le peüsse de legier.

XIV.

C. Bern. 889. f>. 123. r».

Cunes de Betunes (bei P. Paris Rom. fr. S. 89 fehlt die 4. Strophe).

1 L'autrier ua jor apres la saint Denise iere a Butunes, ou j'ai est ei sovent. remenbrait moi des gens de male guisse. ke m'ont sus mis mensonge a esciant, ke j'ai chanteit des dam es folement;

mais il n'ont pais ma chanson bien aprise, k'ains n'en chantai fürs d'une soulement, ke me fist tant, ke vengence en fiit prise. ^

2 n n'est pas drois d^an home desconfire, se Yos dir^ bien la raixon, coroent:

s'on prant per droit d'un lairon la justice, k'en afiert il a loiaul de noient? mant, per deu! ke raixon i entent; mais la raixon est si ariere mise.

Digitized by

Google

508 Siteung der phüas.-phüol CZasse fxm 7. Detember 1867.

ke ceu, c'on doit loweir, blaiment la gent et lowent ceu, ke li saige moins prisent.

3 Dame, lonc tens ai fait vostre servixe. la mercit deul or n^en ai maix talent, c'une autre amor m'est el euer si asisse, ke tons li cors m'en alume et enprant et me'semont d'ameir si hautement.

et j'amerai. ne puet estre autrement, k'en moy ne truis ne orguel ne faintixe, se me metrai del tout en p. sa] franchixe.

4 En la millor del roiame de France, Toire del mont, metrai tont mon penseir; maix cen me fait sovent estre en doutance, ke sa yalor ne me taigne en vilteit.

mais cen m'en ait mainte fois conforteit, k'el monde n^ait nnlle si grant fierteit, c^amors ne pnist plaissier per sa ponxanoe.

XV.

C. Bern. f>. 129. r^.

Gavaron Grazelle (am Rande von anderer Hand als die ge- wöhnliche und unsicher ; es ist dieselbe Hand, welche die zwei letzten Zeilen beifügte).

1 L'autrier lou premier jor de mai jueir m'alai dehors Parix con dl ki est en grant esmai d'une amor ou j'ai mon euer mis, s'oi' chanteir a haute voix

dame amerouse, se m'est vis: y^mes peires ne fut pais cortois, quant vilain me donait marit

Digitized by

Google

Hcfmomn: ÄltfranzöaUche OeäichU. 509

2 Si tost com la dame escoutai, vers li m^en voix et pues li diz: „daine, deus sault yo cors loa gaü k'aveis, porcoi ploreis ensi?"

eile moi dist: „sire, per foil j'ai un vilain ki m'ait trait/^

3 „Dame, jai ne vos quier mentir, en moy ait lin euer amerous. loiaul de euer sens repentir, sens tricherie et sens folour

vos servirai com fins amis/' „bianl sire, et je vos doing m'amor,' mes cuers vos est a bandon mis sens penseir nulle autre folour/'

4 Tout mainteoant Talai saixir, si la jetai sor la verdor. trois fois li fix sens defaillir lou jeu c'on appelle d'amors. eile moi dist: „biaus douls amis, onkes mes maris a nul jor

ne fist vers moi, je vos plevis, por coi deüst avoir m'amor.^'

5 Per grant solaus, per grant deduit me dist la belle et per^^amor: „faites le moy aincor, amis/* lors rencomensai sens demor

loa jea, k'elle m'avoit requis ; et g'i failli, s'en fui irous.

6 Et eile dist: „sire, per foi! vos estes fols et jangleos.

il £ait trop malvaix acoentier [l867.n.4.] 84

Digitized by

Google

510 Siteung der phüas.-phUol. CUtsH vom 7. DeMember 1867.

home ke si est vanteous.

fueis de ci. faulz cuers faillisl

je ne vos pris un yies taboar.

honie soit dame de prix

ke a yilain done s^amor/' dann folgt von anderer jüngerer Hand auf der leergeblie- benen Stelle der Zeile

certes dame ne m^en chaut,

qae ge en ai purtei la flour. was offenbar ein müssiger Zusatz ist.

XVI.

C. Bern. 389. f>. 139. V>. Anonym.

1 Lors quant l'alaelle et la quaille crie, chante l'arondelle, la rose est florie, lab 1 dont sospir, ke plux desir

la tresplax belle del mont sens mentir,

mout me satelle [1. sauteile] li puers et oxelle, quant la cuit tenir. deux, k'en apelle, m'en doinst la novelle de joie a oir.

2 Se mon fol couraige me convient a plaindre, si baie a outraige,

n'i porai ataindre nes por morir.

Digitized by

Google

Hofmann: Mtfranzösiache Gedichte. 511

bien doi hair icelle raige ke me fait languir, et cest damaige k'ai per mon folaige, quant ne Tos jehir ne a messaige jor de mon eaige ii'ou ferai o'ir.

Prieir la voloie,

non ferai eiocore,

k'aiseis tost anroie

pix ke n'en ai ore;

ains la remir

a mes eols aisseis m'otroie

Bon cors a sentir

s'or la metoie de 8'amor envoie;

bien sai sens mentir,

k'iere sens joie avoir en poroie.

muels m'en veul soa£Erir.

Molt est debonaire,

ceu me resconforte,

bien me sait atraire

ces cleirs vis ke porte.

longae^ souffrir et esbaudir

moy covient üaire.

por gent signorir

Ten ne vaut gaire,

cui joie n'esclaire

sens mal soustenir.

n'en sai ke faire,

tant ain son repaire.

deox m'i doinst venir!

84*

Digitized by

Google

512 Sitzung der phHos.-phüöl. Gasse vom 7. Dezember 1867.

5 Deuxl com dure vie est en moy enclose, cor ne 1 seit m'amie ne dire ne Pose, ke je m^esmai et si ne sai ke Celle pense, dont j'ai lou euer gai.

molt me tortnente

Celle k'est plus gente *

ke la rose en mai. bone fiance i ai sens doutance, ke s'amor aurai.

XVII.

C. Bern. 389. f^. 151 j9.

Robers de TEpiz a Maheus de Gan. (sie) Jeu parti.

1 Maheus de Gans^ respondeis a moi com a vostre amin: chanoneä d'Ares sereis

tot vo vivant per ensi,

ke jai amie n'aurais

awan; maix Q. ou] toute vo vie

sereis sens la chanonie.

dites lou keil vos prand^is.

2 Robers, bien seux apenseis de respondre a jeu parti. prevendes et richeces [1. richeteis] ne tien je pais en despit;

maix muels ameroie aisseis d'estre ameis la [1. ke] signorie.

Digitized by

Google

Hafiiiann: Ältfranaösische Oediehte. 513

ki ke lou tiengne a folie, iteille est ma yolenteis.

Maheus, riches et moules fait boen estre, je 1 vos di, molt est eil bieneüreis ki est issus de merci. toas riches ameir poeis, ceu est trop d'ayoir amie. ki aimme sens tricherie, tout son sen ait oblieit.

Robert, d'amors recreeis, pues c'aveis moible choisi. caers ki est enamoreis, doit tout ceu meitre en obli, et d^antre pairt bien Saveis, c'amors ait en sa baillie sen, honor et cortoixie, ke muelz valt k'estre renteis.

Maheu, mal tos deffendeis, a muels prendre aveis failli. se d'amie est fais vos greis, jai pues, n'aureis euer joli. vos desirs est achieveis, ceaus recroit, ke maix ne prie. requise ne defifent mie, c'on aint trop, grant tort aveis.

Robert, ains pues ke fui neis,

si esbahit ne vos vi,

ou la raixon n'entendeis.

avoirs vos ait si sougit,

ke jamaiz bien n'amereis.

amors loiaul dru n'oblie, [HS. loiauls oblieis]

Digitized by

Google

514 Sitzung der phaos.-phiM. Gasse vom 7. Dezember 1867.

ne ne veult, k'en velonnie chiece ne en poyreteit.

7 Boutilliers, or i penseis, U keils ait millor partie, oa ricbes, ki merci krie sa dame, ou povres ameis. Coppin, lou keil muels loeis, on avoir sa druerie del toat sens mal acomplie, ou estre riches dameis?

xvm.

Anonym.

1 Or cuidai yivre sens amors des or en paix tout mon aie, maiz retrait m'ait en la foloor mes cuers, dont l'avoie eschaipeit. enpris ai grignor folie

ke li fols enfes, ki crie por la belle cstoile avoir, k'il Yoit hault el ciel seoir.

2 Coment ke je me desespoir, bien m'ait amors gueridonei cea, ke je Tai a mon paoir servie sens desloiaulteit,

ke roi m'ait fait de folie. se si gart bien, ki Q. s'i] fie, de si baut merite avoir.

3 S' [1. N'] est mervelle, se je m'air

vers amors [1. amor], ke si m'ait greveit.

C. Bern. 889. f>. 17B.

Digitized by

Google

Hofmann: AUfiraneoHsche Gedichte. 515

deus! cor la poisse je tenir

nn Bonl jor a ma volenteit;

eile compairroit sa folie,

si me faice deas ai'e!

a morir la covenroit,

ce ma dame ne m'ooit [HS. odt].

Haj, frans cuers! ke tani; covoit,

ne beies a ma foleteit.

bien sai, k'en vos ameir n'ai droit,

B^amors ne m'i eilst doneit;

maix efforcies fais folie,

si com fiait neif ke vans goie,

ke vait lai, ou il renpoent,

si ke toijte et [zu tilgen] esmie et fraint.

Dame, ou nuls biens ne souffraint, merci per franchise et per grei! pues k'en vos sont tuit mal estaint et tuit bien vif et alumey, cognoissies, dont la folie me yient, ke me tolt la vie? k'a riens n^oz faire damour B^a vos non de ma dolour.

Chanson, ma belle folie me salue et se li prie, ke por deu et por s'onor n'ait jai enls de traätor, ke bien seivent li pluxor, ke Judas fist son signor.

Digitized by

Google

516 Siteung der pMos.-phiM, ^Clasie vom 7, Dezember 1867.

XIX.

C. Bern 389. f>. 182.

Le dachaise de Loraiane.

1 Per maintes fois aurai estei requise, ke ne chantai ensi com je soloie, ke tant per seox aloignie de joie, ke je Yodroie estre maels entreprise.

p. jai] a mien veul moroie en etail goisse com fist Celle, cui resembleir roldroie, Dido ke fut por Eneam occise.

2 Biaus donls amins, tout a vostre devise ke ne fix jeu, tandis com vos avoiel gens vilainne, cui je tant redoutoie, m'ont si greyeit et si ariere mise, c'ains ne vos pou merir vostre servise. s' estre pooit, plux m'en repentiroie, c'Adam ne fast [1. fist] de la pome c'ot prise.

3 Per den, amors! en grant dolor m'ait mise mort vilainne, ke tout le mont gueitoie. tolut m'aveis la riens ke plux amoie;

or seox Fenix, laisse, soale et eschive, dont il n'est c'ons, si com on le devise. or veul doloir en leu de moneir joie, poene et travail iert maix ma rante asise.

4 Ains por Forcen tant ne fist Anfelixe, com je por vos, amis, se vos ravoie; maix se n'iert jai, se aincois ne moroie, ne je ne puis morir en itel guisse, c'aincor me rait amors joie promise. maix a mien veul se m'en repentiroie,

se por tant n'iert, c'aimors m'ait en jostice.

Digitized by

Google

H^fmann: AHfrantösiachs Gedickte. 517

XX.

C. Bern. 889 R 190.

Anonym.

1 Per une matineie en mai por moi dedoire et' soolaicier a nne fontenelle alai,

s'oi* chanteir en [un] vergier

loa rosignor si doucement

ke tous li caers d'amors m'e8i»*ent,

et 86 vi leans consillier

nne dame et nn chevelier.

arrier me traiz seleement,

ke ne lor yoloie anoier.

2 Ensi com je m'en retomai per an estroitelet sentier, nne damoiselle trovai seant en Tonbre d'un rozier.

lou Chief ot blond e loa cors gent, ans enls por traire caers de gent, boache bien faite por baissier. deasl ke la poroit enbraissier, et tenir nne a son talent, jamaiz de maels n'aarait mestier.

3 Cortoisement la salaai,

car molt me piaist a acoentier, et li dix: „belle, je serai Tostre amis de fin caer entier. a TOS m'otroi et doing et rent, faites Tostre comandement de moi com de vostre amin chier. mains jointes merctt tos reqoier,

Digitized by

Google

518

SiUung der phüos.-phäol Qasse vom 7. Dezember 1867.

de voB ma grant honor atent, ke d'autre avoir ne la quier."

4 „Certes, sire, de cest present V08 doi je savoir molt boen grei; maix uns autres a moi s'atent,

et cui j'ai euer et cors donei, n'autre ke lui je u'amerai; , car si fin et franc le trovai et del tout a ma volenter, ke jai nul jor de mon ae de m'amor ne lou boiserai, ains li porterai loiaultei."

5 „Belle, Pamor ke me souprant, vient de vostre fine biaultei,

si me fait perleir folement. or me seit por deu perdone, ke ja maix ne vos proierai, ne jai jor ne me recroirai de vos ameir sens faucetei, aincor m'aies vos refnseit, et sai ke tout cest duel moinrai ke jai ne m'iert gueridonei."

6 Quant yi ke n'en auroit [I. ne vauroit] noient li proiers, si la rant a dei.

n^o gaires aleitjonguement

fors c'un palis ou trespaissei

et vers lou vergier resgairdai,

et ?i la tresbelle a cors gai

ke son amin ot acollei

et si li fist une bontei

davant moj, dont je grans duels ai;

maix jai per moi n'iert rescontei.

Digitized by

Google

Hofmann: JUfirangösiaehe CMUekU, 519

XXI.

C. Bern 889. f». 202.

Messires Ferrifl de Fenjerez (bei P. P. anonym aus 1989 und nur 4 Str.)

1 [Quant li roisignors jolis

chante sor la flor d'estei, ke naist la rose et 11 lis et la rousee el yert prei, plains de bone yolentei chanterai com fins amis; maix de tant seus esbaihis, ke j^ai si treshaut pensei, c'a poenes iert acomplis li servirs dont j'aic grei.

2 Leiement ont entrepris

bU ke tant m'auront grevei, mi fol eul volenteis, ki tant auront esgairdei lai| ou je n'ai mie osei dire ke j'estoie amins. ieul, per vos seux je trufs, voirs est, mal avais errei; maix, or en aies merci et tout vos seit perdonei.

3 Tout ce n'est poent ke noiant, je ne vos puix mal voloir; car la belle, cui j'am tant, est si plaizans a veoir. soyent m'en estuet doloir,

car trop me secorreis lent;

maix li rasuaigement

des grans biens, k'en cuis avoir,

Digitized by

Google

520 SiUung der phUoL-phücH. Claaee vom 7. Dezember 1867.

me fönt doableir mon talcDt et servir en boen espoir.

4 Benois soit li herdemens ke m'ait doneit teil pooir, amors, eürs et talens

me poroient Wen valoir. tout ceu doie je voloir, k*a li soie, ke g4 pens YOire, 86 j'ai tant de san, c'on ne s'en puist persevoir, aincor vanrait leus et tens de ma tres grant joie avoir.

5 He deus ! qoant vanrait li jors, ke j'ai tous tens desireit,

ke ma dame per amor m'acomplist ma volenteit? lors anroie conquesteit lou gueridon a estroos de trestoutes mes dolors, ke j'ai ades endureit lors auroie boen secors, c'elle me doignoit ameir.

XXII.

C. Bern S89. f». 226. V.

Colins Muzes.

1 Sospris seuz d'une amorete, d'one Jone pucelete, belle est et blonde et blanchete plux ke n'est ane erminete, s'ait la color vermoillete ensi com ane rosete«

Digitized by

Google

Hofmatm: JMfranzösische Gedichte. &21

2 Iteile est la damoiselle, fille est a roi de Tudelle, d'un draip d'or ke restancelle ot robe frexe et novelle, mantel sorcot et gonelle molt siet bien a la donselle.

3 En son chief sor [zu tilg.] ot chaipel d'or ki reliiist et estancelle,

saiffirs, rubis i ot entor

et maintes [1. mainte] esmerande belle,

et m [he mi?] ke fuise jeü

amins a la damoiselle.

4 Sa seinture fut de soie, d'or et de pieres ovreis toas li cors li reflamboie •si com fast enlnmineis.

or me doinst deus de li joie, k'aillors nen ai ma pensee.

5 Jen esgardai son cors gai, ke trop me piaist et agree. j'en morirai, bien lou sai, tant Tai de euer enamee. non ferai, se [a] deu piaist, aincois m'iert s'amor donee.

6 En trop biaul vergier la vi Celle matinee jueir et solacier.

jai per moi n'iert obliee, car bien [1. par mien] cuidier jai si belle n'iert trovee.

Digitized by

Google

522

Sitzung der phOos.-phüoe, Gasae «om 7. Dezember 1867.

7 Leis UD yergier c'est asise la tresbelle, la senee.

eile resplant a devise com estoile a Tanjornee. 8*amor m'anprant et atixe ke ens oa caer m'est entree.

8 A li resgardeir m'obliai tant k'elle s'en fut aleie. deus, tant mar la resgardeil qnant ei tost m'est eschaipeie ke jamaix joie n'aurai,

se per li ne m'est doneie.

9 Tantost com Po esgardeie, bien cuidai, k'elle fuist feie, ne lairoie por rien nee, k'aincor n'aille en sa contree tant ke j'aie demandeie s'amor, oa mes fins cuers beie.

10 Et c'elle devient m'amie ma grant joie iert asevie, ne je n'em penroie mie le rouame de Surie,

car trop moinne bone yie ki aimme teil signorie.

Deu pri, k'il men faice aie, ke d'aatre nen ai envie.

xxin.

C. Bern 389. P. 247. V. Colins Musez.

1 Une novelle amorete, ke j'ai

me fait chanteir et renvoizier,

Digitized by

Google

Hofinann: AUfranzösische OeäichU. 523

lou euer enamoreit et gai,

ne jai de ceu partir ne quier.

rose ne lis ne floretes de glai

ne le me fait comencier

förs la blondete, por cui je morrai,

se merds ne m'i puet aidier.

2 Merdt dement^ mercit reqaier, merdt venl et merd desir.

a la blonde(te) le veul proier, c^autre ne m'en poroit guerir, n'autre ne m'en poroit aidier, n'aatre n'est tant a mon plaixir. je la servirai sens dongier, se tost ne le me veult merir.

3 Beile et blonde, je vos amerai de fin euer loiaul et entier,

ne jai de vos ne me departirai; muels me lairoie depeder. en ceste bone pensee serai, nols ne m'en puet geteir; maix trop me tiennent en esmai li felon mavaix losengier.

4 Je redout tant lor encombrier, k'ades se poenent de trair

seaus ki bien aimment sens tridiier,

et jai ne s en vaires jo'ir.

bien s'en doit blondete alongier,

c^ades venllent d'ami servir.

ne moy ne li nen ont mestier

por nostre joie departir.

Digitized by

Google

524 Sitzung der phüös.'phikil. Glosse vom 7. Dezember 1867.

5 L'autrier un jor a l'entree de mai Toi chanteir en un vergier;'

maix onkes mais si belle ne trovai,

cea vos poroie fiancier.

deos, tres dous deusi et keille amorete ai,

se de s'amor puls esploitier,

ne jamaix jor sens joie ne seroie,

c' eile la me veult otroier.

6 Je desir tant li embraissier et li veoir et li oir,

se de li ai un douls baixier, ne me poroit nuls mals venir, 'ne me poroient forjugier mavaixe gent per lor mentir. coi k'il m'en doie avenir, je Tatandrai tout a loisir; car fine amor me fait cuidier: boens senrixes ne puet perir.

XXIV.

Le duchase de Lourainne (sie).

1 Un petit davant lou jor me levai l'autrier sospris de novelle amor, ke me fait yellier. por oblieir mes dolors et por aligier,

m'en allai coUir flors «

dejoste un vergier. lai dedans en un destor Ol un Chevalier, desor lui en haute tour

Digitized by

Google

Hofmcmn: JMfranzöswche Oeditihte. 525

dame ke molt l'ot chier.

eile ot frexe color^

et chantoit per grant dousor

uns dols chans pitons

melleit en plor,

pues ait dit com loiauls drue :

„Amins, vos m'aveis perdue,

li jalous m'ait mis en mue/*

Quant li cheyaliers oit

la dame a vis cleir,

de la grant dolor, Vi\ ot,

comance a ploreir,

pues ait dit en sospirant:

„mar vi enserreir,

dame, vostre cors lou gent,

ke doie tant ameir.

or m^en covient durement

les dous biens compaireir,

ke Yolentiers et sovent

me solies doneir.

laisl or me vait malement,

trop ait d aipre torment.

s'il nos dure longuement,

tres dous deusl ke deyanrons nos?

je ne puis dureir sens tos

et vos sens moy, comant durcreis vos?"

Dist ^a belle : „boens amis, amor me maintient. aisseis est plus mors ke vis, ki dolor soustient. leis moi geist mes anemis, faire le covient, [1867. IL 5.] «5

Digitized by

Google

526 Sitsung der phOoe.-pkiki. Obme wm 7, DeMember 1867.

et 86 n*ui joie ne ris,

86 de Yos ne vient.

j'ai 81 mon euer en yos mis,

tout ades m'en sovient.

86 li cors YOS est eschis,

li cuers a yos se tient.

si faitement Tai empris,

ke je serai sens repentir

Yostre loiaul amie.

por ceu, 86 je ne vos Yoi,

ne YOS oblierai mie/'

4 „Dame, je 1 cuit bien saYoir, tant Tai esproYci, k'en YOS ne poroit aYoir euer de fauceteit; maix ceu me fait molt doloir, ke j*ai tant estei, dame, de si grant Yalor, er ai tout pansei. deuB m'ait mis en nonchaloir et de tout oblieit, ke je uQ puisse cheoir en gringnor poYreteit; maix jeu ai molt bpen espoiri k'enoor me puet molt bien Yaloir. drois est, ke je lou die, 86 den piaist, li jalous morait.

5 „Amins, se yos desireis la mort a jalous, aincor la desire jeu Cent tens plux de yos.

Digitized by

Google

mfmafm: AUfimMStiiche GMMm. hVf

il est viels et rasoteis

et gloos comme lous,

et si est luaiges [1. maigresj et pailea

et si est lais, -

tant putes taiches ait aisseis

li deloiatts, li rons.

la gringnor bonteit k'il ait,

c'est de ceu k'il est cous,

et dist: „laist tant mar fu neis,

c'aitres «i ait ces volenteis.**

drois est, ke je m'eü plaing,

coment guerirait dame sens amin?^'

^fiiMÄ amins, vos eo ireis,

car je voi le jor.

desormaix i poeis

faire trop Iodc sejor.

vostre fia euer me laireis,

n'aies pais paour,

c'aveac yos en portereis

la plox fine amor.

Am ke T08 ne me poets

getetr de ceste tor,

plus soYant la resgairdeis

por moi per graot dousor/*

et Sil s'en part toz iries

et dist: ,ylai8, tant mar fa neisl

dolans m'en pairt,

a den comans je mes amors,

ki les me gairf

86*

Digitized by

Google

^528 Sit/mng der fMaa.-f>MoX. Cläm wm 7. Degember 1867.

Herr Lanth trägt vor:

„Die Achiver (Atshäer) in Aegypten".

Es sind erst sieben Jahre her, seitdem ich auf dnem Bruchstäcke (Nr. 1 12) des Turiner Königspapyrus die Spuren der Hykschos-Dynastie ausfindig machte, weldie bis dahin als solche nur auf dem Zeugnisse Manetho's beruhte und daher von der Kritik bald angezweifelt, bald ganz und gar als ungeschichtlich verworfen worden war. Meine Vennuth- ung, soweit sie sich auf das Fragment einer so arg zer- bröckelten Urkunde stützte, schien allerdings schwach be- gründet und weiterer Bestätigung dringend bedürftig; allem im Zusammenhalte mit den andern vierzehn Dynastieen jenes Papyrus ergab sich die Dynastie der Hirtenkönige mit zwingender Nothwendigkeit als die funfeehnte, wie sie in dem Auszuge des treuen Africauus wirUich beziffert ist. ^) Die Inschrift des Schiffsobersten Aahmes inEl-Kab'), welche

1) Wie trotzdem Hr. Knoetel in seinem „Cheops der Pyramiden- Erbaaer" und in seinem Aufsätze im Rhein. Mos. 1867 fortfiiliren kann, alle Könige Aegyptens von der IV. XZYIIl. Dynastie sa Hyksch6s zu stempeln, ist unbegreiflich. Wenn Herodot ü. 128 Ton den Pyramiden-Erbauern sagt: rovrovc ^6 f^üfsog ov xa^ra ^iXovüi JiyvnruH wof^aCeiy, aXXd xai tag nv^fMag xaXiowfi notftirog ^$Xl(if)Tiog, og rovtoy rov jjf^oi^or ir€fju KT^rsa xtnd ratka ra/t»^, so unterscheidet er ja ganz bestimmt die Könige Cheops und ChephrSn von den Hirten.

2) Hr. Ghabas hat die Richtigkeit des Aasdmcks '7xtfa>f. (Eoseb. ^Txovaciig cf. Jos. «x wc =: alxfJiaXiaTOi es ist die mit der Nord- pflanze ablautende Gruppe haq vincire) bezweifelt, weil sie hier mena kopt. mone = pastor genannt seien, Tergessoid, dast schasu ein acht &gypt. Wort ist und den Wandernden oder No- maden bedeutet. Das Szepter haq ist noch in unserm Bischofs- stabe getreu erhalten.

Digitized by

Google

Lauth: Die Achiver in AegypUn. 529

De Rouge schon vorher äbersetzt hatte, lieferte das Binde- glied zwischen dem Schlosse der Fremdherrschaft and dem Haupte des Neuen Reiches: Amosis, der nach einer Stele im Mokattamgebirge (von seinem 22. Jahre datirt) die Stein- brüche von Rofui (Kopt. Liui das ägypt. Troja-Tura) zur Wiederherstellung der Tempel von Memphis und Theben ausbeutete y also wieder im Vollbesitze des Landes sich be- finden musste. Der wichtige Papyrus Sallier I. bestätigte dieses Ergebniss, indem er einen zuerst gesandtschaftlichen Verkehr zwischen Seqenen (Soikunis desEratosthenes), dem unmittelbaren Vorgänger des Amosis, und dem letzten Hirtenkönige Apophis erzahlt, woraus zuletzt der Ent^ Scheidungskrieg und die Vertreibung der Hykschös aus Aegypten erfolgte.

Seitdem hat Mariette durch seine Ausgrabungen in Tanis, durch die Porträtsphinxe mehrerer Hirtenkönige, durch die Auffindung eindb vollständigen NamenprotokoUes von Apophis, den Beweis erbracht, dass ich Recht gehabt hatte, die ausländische Herrschaft der Hirten als eine ge- schichtliche in vollem Sinne des Wortes aufzustellen. Ja, eine von ihm aufgefundene Stele enthält, ausser andern werthvollen Angaben, die bis jetzt einzig dastehende Er* wähnung einer Aera. Ein Beamter, Namens Seti, stiftet unter der Regierung Ramse's U. (Sesostris) das betreffende Denkmal und datirt es mit dem Jahre 400 eines Königs Set-Nubti, in welchem ich den Vorgänger des Apophis erkennen zu dürfen glaubte. Man begreift so auch, warum auf einer Statue des grossen Ramses II. dieser König ein „Liebling des von Apophis in Havaris durch einen Tempel geehrten Sutech^' (Baal) genannt werden konnte. Wir bo* sitzen somit eine annähernde Bestimmung des Zeitabstandes zwischen den Hirten und dem Ende der XVIIL Dynastie, und da die Dauer der Hyksdidsherrsohaft in runder Summe 260 Jahre betrug, so ergiebt sich für den Anfang ihrer In*.

Digitized by

Google

530 SitMung der phihe-^phOol Olasse 9&m 7. Detstmher 1867.

YasioQ das Jahrhandert 2100-^2000 ror unsrer Zeitrech» nang. In der That bemerkt Manetho bei dem erst^WaU» fiirBien der Hirten: Salatis, er habe Havarie (Ha-vare „Haqs ^^ Fladit^O hauptsächlich gegen die damalige Ob» maehl der Assyrier befestigt.

War somit dieses Ergebniss für den nationalen Ge- schichtschreiber Manetho und die Aegjptologie ein äusserst- günstiges zu nennen, so zeigte eine Entdeckung des H. Chabas, dass auch die Bibelerklärung aus der neuen Wissen» sdiaft Nutzen ziehen kann. Dieser scharfsinnige Forsdier identifizirte nämlich die dreimal genannten „Aperiu, welche Steine schleppen zu dem Baue der Stadt Ramses^' mit den Ebräern, welche nach Exodus I bei den Arbeiten der Städte Pithom und Ramses Frohndienste leisten mussten. Eine Steinbrudiinschrift von Hamamat zeigte die nämlichen Aperiü als ziemlich zahlreiche Bergbaueolonie und ein noch unedirter Papyrus (im Besitze des Herrn Harris) spricht von ., Aufsehern oder Edlen (marina) der Aperiu".

Man glaube nidit, dass dieses Resultat, so natürlidi ea jetzt auch scheinen mag, ganz muhelos zu erreichen war. Es mussten zuerst durch gesunde Kritik die Hindernisse be- seitigt werden, wekhe der unbesonnene Eifer von Enthu- siasten wie Lenormant und Heath aufgethürmt hatte. Dieser waren nämlich der Ansicht, das Volk Israel werde durch die so häufig erwähnten Semat-Leute als Semiten be- zeichnet. Allein Hr. Chabas hat siegreich nachgewiesen, und ich konnte in meinem Vortrage zu Augsburg 1862 sowie in mehier Abhandlung über den Bokendions der Münchner Glyptothek seinen Fund bestätigen, dass jene Semat-Leute nichts anderes waren als Tempelhörige, also nidit ein- mal nothwendig Ausländer, abgesehen davon, dass der Name Seiniken eine ganz moderne Formation der Gelehrten ist, welche danut die Abkömmlinge des biblisdien Sem im GflgeneatKe m den Cbamiten und JapheCiten bezeichnen.

Digitized by

Google

Lauth: Die Aehiver in ^^g^^vUn. . 531

Eine ähnliche Barre war durch missFerständh'qhe Än* wendung einer Hieroglyphe Tor die Erkenntniss des wahren- Namens der Griechen oder Jon i er') in ägyptischen Texten gelegt worden. Weil nämlich in dem Namen der Königin Arsinoe der Vokal i auch durch das Auge (iri) Tertreten erscheint , so glaubte man den Volksnamen, der mit Auge Hase Adler geschrieben wird, Juna lesen und auf die Jdnier deuten zu müssen. Das fragliche Volk bildet einen Bestandtheil der grossen vorderasiatischen Confoedera- tion gegen Ramses II, dessen Heldenthaten gegen dieselbe im Papyrus Sallier III. von dem Dichter Pentaur besungen werden (auch die ägyptische Ilias genannt). An und für sich betrachtet, würden zu den Joniern, als Bewohnern Kleinasiens, die folgenden Völker als Verbündete nicht übel passen: Die Cheta und Kaschkasch (anderwärts Kar- kischa, entsprechend den Chithi und Girgaschi (Josue 24,21), die Masa oder Maausa den Mas-Mysiern (1 Moses 10,20), Ghirabu dem Chalybon, Qadesch dem häufigen Qodesch (Heiligthum), Luka den Lykiern, Aradhu den Bewohnern yon Aradus, die Dardani auch Dandani, (Dodanim?) den Dardanern, P^tasn dem i7i^<faaog, Qar- qamascha dem Karkemisch (Circesium). Ueber die Akerit oder Aktera, die Qazawatana und die oben an- gedeuteten Ariuna, die vermeintlichen Juna, fehlen uns bis jetzt Anhaltspunkte zur Vergleichung mit biblischen oder dassischen Völkernamen. Ich habe in einem Aufsatze der „Zeitschrift für ägyptische Sprache imd Alterthumskunde*^ nachgewiesen, dass die Verwendung der syllabischen Hiero- glyphen zu Buchstaben nur in der aenigmatischen Schreib- art vorkommt, dass somit jener Volksname Ariuna, nicht Juna zu lautiren ist. Damit fallen nun zwar die Jonier

8) Die jonisohen Hirtenkönige ChampolHon's berabten auf einer fUfchen LesMrt von Goar, dem ersten Henrasgeber de» SyuoeUtit. >

Digitized by

Google

532 Sttiung der pkOoB^-phüd Oasu vom 7. Duember 1867.

hinweg; aber es fragt sich, ob wir sie nicht unter einer andern Namensform doch antreffen, die sogar bis in die Zeit der XI. Dynastie (2600 y. Chr.) zurüclo^eicht

In dem Programme, dessen Abfassung mir für das eben abgelaufene Sdiuljahr zugefallen war, habe ich, unter dem Titel „Homer und A^ypten'^ die Beziehungen zwischen dem ältesten Dichter der Hellenen und dem Pharaonenlande nachzuweisen gesucht. Wenn idi in Betreff des Namens der Jonier und anderer im Verlaufe dieses Aufsatzes mich öfter auf diese meine Untersuchung berufe, so wird man mir diess nicht als den Versuch einer Redame für ein Buch miss* deuten. Denn das gedachte Programm ist nur in der bei den Anstalten üblichen Auflage erschienen, dem eigentlichen Bttchermarhte also von vornherein entzogen. Aber gerade dieser Umstand möchte es rechtfertigen, dass das grössere Publikum, welches sonst nicht leicht damit bekannt werden dürfte, mit Hülfe der wissenschaftlichen Sitzungsberichte der kgl. Akademie auf die Resultate der neuesten Forschungen aufmerksam gemacht wird.

Unter dem vorletzten Könige der XL Dynastie: Sanch« kera, den mir in meinem •yjManetho^^ sowohl der Turinef Eönigspapyrus als die jüngst entdedden Tafdn von Abydos und Saqqafah urkundlich an die Hand gaben, erscheinen die fremdländischen Haunebu (so las man bisher) als eine be* siegte Völkerschaft zum ersten Male. Von da an treffen wir sie in allen Perioden der ägyptischen Geschichte in feind* lieber Berühining mit den Pharaonen, bis sie zuletzt durch Alezander den Grossen und die Dynastie der Ptolemäer als siegreiche Eroberer im Nilthale erscheinen und sidi drei Jahrhunderte hindurch b^aupten. Aus dieser Zdt stammea die zweispradiigen Inschriften von Rosette und Tanis, aus denen wir die Gewissheit schöpfen, dass jene Haunebit nichts anderes sind als die Hellenen. Der demotische Text des Decretes von Rosette gebraudit die Namensform

Digitized by

Google

Lau^: Die Achiter in AegyptetL 533

Uinen^ woraus dann das koptische Ueinin abgeleitet ward. Da die jüngere Schriftart des Demotischen sich an die Hiero- glyphen anschliesst, so musste die Voraussetzung entstehen, dass Uineü aus Haunebu durch Abschleif ung sich gebildet habe. Ich übergehe die verschiedenen Versuche, die man* angestellt hat, um beide Formen mit einander zu ver* mitteln, und wende mich sofort zu dem Ergebnisse, zu wel- chem ich in meinem oben erwähnten Programme gekommen bin. Auf Grund einer alphabetischen Litanei an die Uathor (Venus) zu Denderah, wo der streitige zweite Bestandtheil (nebu) unter den Anlaut v gestellt ist, nahm ich eine alte Metathesis bei der Aussprache des Sylbenzeichens nebu an und fand mich dazu durch das Dinkawort ben (Herr) = neb (dominus) sowie durch analoge Fälle bestärkt. Der aus dem Papyrus Grey bekannt gewordene Name eines Grabes: ^waßowovv zerlegt sich, wie neuere Denkmäler beweisen, in T-hy-nab-unun „das Haus des Nabunun'* (Priesters der Hathor). Daraus würde, mit Zulassung der Metathesis, die 80 häujQg sich geltend macht, für das "fragliche Zeidien sich die Lautung ban oder van ergeben. Die Bedeutung an- langend, so erhielten wir für Hau-vanu „die hinter den Wassern'^ Die Vermittlung mit Javan, Javones, Jones unter* liegt alsdann keiner weiteren Schwierigkeit.

Aber wozu, könnte Jemand fragend einwerfen, der müh« same Nachweis eines classischen Namens mit Hülfe ägyp- tischer Texte, zumal das Ergebniss doch noch zweifelhaft genannt werden muss? Was letzteren Einwand betrifft, so ersehe ich aus einem erst unlängst ausgegebenen Werke: „Die Chronologie des Manetho^^ von 6. F. Unger p. 145, dass auch ein Anderer unabhängig, und vielleicht aus anderen Gründen auf die nämliche Ansicht in Betreff der Hauvann = ^läfovsg gerathen kann. Anlangend den Zweck dieses Kachweises, wird es hoffentlich vor gebildeten Lesern, wie ich sie bei diesen Blättern voraussetze, nicht erst einer Ent-

Digitized by

Google

534 SiUung der phOos.'pMloL CUuse vom 7. DeMember 1667.

8chuldigung bedürfen, wenn ich versuche, dem Stamme der Jon i er, dem wir so Vieles verdanken, seine Stelle anter- den von den uralten Aegyptem gekannten und genannten Völkern anzuweisen. Auch erheischt die neue Fackel, welche die Pfahlbauten*) über die Ureinwohner Europa'a angezündet haben , eine gründlichere Prüfung d^r ältesten Monumentalquellen, die uns zu Gebote stehen.

Mit Uebergehung des Danaos und der and^n zu Ägypten in Beziehung gesetzten Einwanderern Griechenlands und mit Beiseitelassung des für mythisch geltenden Zuges der Argonauten nach Kolchis, wende ich mich gleich zu d^ Frage: Lässt sich in den vor den trojanischen Krieg fallen» den Zeiten auf einem ägyptischen Denkmale ein griechisdier Stamm genügend nachweisen? Selbstverständlich kann hierauf nicht ein mehr oder minder wahrsdieinlicher An* klang von Namen, sondern nur ein zusammenhängender Text die Antwort geben. Es trifft sich für die allgemeine Orientirung recht günstig, dass das betreffende Denkmal^ dem Meneptah angehört, d. h. jenem Pharao, unter den man den Exodus der Kinder Israels anzusetzen vielfach be* rechtigt ist, so dass über den Zeithorizont des geschilderten Ereignisses kein Zweifel besteht, wenn auch dio spezielle Chronologie dieses Königs bis jetzt nicht endgültig bestimmt werden kann").

In einem für die Zeitschrift der Deutsch-Morgenländi* sehen Gesellschaft nach Leipzig eingesendeten und jetzt er» sdiienenen Artikel hatte ich schon zu Ostern dieses Jahrea

4) Vergl Herodot. V, 16. .

5) Von Lepsitifl, Bmgsoh und jetzt vollständiger von Domioheii veröffentlicht in seinen Histor. Inschr. Taf. I VI

6) Meneptah ist der 13. Sohn und unmittelbarer Nachfolger des Ramses IL Miamun Sesostris, von dem Aristoteles Polit VIT. 9 sagt:

Digitized by

Google

Lentth: Dk Aehwer in Atgyptm. 536

die ganze Inschrift analysirt und übersetzt; einzelne Tfaeile, zum Beispiele gerade die fremden Völkernamen, habe ich meinem Programme „Homer und Aegypten'* einverleibt. Je widitiger diese neuen Namen für die Ethnographie und Ge- schichte der sog. vorhistorisdien Zeiten mir erscheinen mussten, desto grössere Vorsicht glaubte ich anwenden und desshalb meine Identifikationen vorerst nur als Vermuthungen bieten zu sollen. Wenn ich sie heute mit etwas grösserer Zuver^ sieht ausspreche, so veranlasst mich dazu der Umstand, dass unterdessen ein französischer Aegyptologe ersten Ranges, kein Geringerer als Herr Vicomte de Rouge ^) selbst, in ▼ollkommen unabhängiger Wdse, wie ich meinerseits, zu den nämlichen Lesungen und Deutungen jener Völkemamen gekommen ist. Und zwar nicht auf Grund des lautlichen Anklanges, sondern geleitet von dem Inhalte und Zusammen- hange des Textes. Wo sich Abweichungeu finden, röhren sie von der Verschiedenheit der Copien her, die wir beide dabei benutzten. De Rong6 konnte seine eigne an Ort und Stelle gemachte Abschrift zu Ratho ziehen, während mir Dümichen's „Historische Inschriften" vorlagen.

War der Einfall der Hyksehos von Osten her erfolgt, und zogen sie, wie später die Kinder Israels, die man nicht mehr, wie es früher geschehen ist, als identisch mit ihnen ansehen kann, in derselben Richtung nach Asien zurück, so versetzt uns der 77 Columnen betragende Siegesbericht Me- neptah's an das entgegengesetzte Ende des Delta, nämlich in einen Memphis benachbarten Gau auf dem westlichen Ufer des Niles. Der Pharao spricht in den sechs ersten Vertikal- streifeo von der Conföderation der feindlichen Völker, die wir der Reihe nach später zu betrachten haben werden ton seinem Siege über dieselben mit Hülfe Amon's und

7) In der Revue arch^ol. p. 45 des Jaliheftes.

Digitized by

Google

536 SiUung der phüos.-phOol, dam vom 7. Deeember 1867.

aller andern Scbut^ötter, sodann von der grossen Gefahr, welche das Land Aegypten bedroht hatte, indem die Invasioa d^ fremden Eindringlinge Schutzmassregeln für Memphis und Heliopolis nöthig gemacht hätte. Die Erwähnung der letztem Stadt unter der Form Nu-n-Tum ,,Stadt des Tum*^ woher audi, beiläufig bemerkt, die Variante Nov&wfi fiir Etham bei den LXX erklärlich wird, muss auffallen, da der Angriff von Westen aus geschah. Allein eine weitere Stelle des Textes belehrt uns(col. 19), dass die Feinde nicht bloss zu Lande die Gefilde von Eemi (Aegypten) betraten, sondern auch durch den Flnss (atur) in das Innere zu gelangen wussten. Schon dieser Umstand setzt voraus, dass den Ver« bündeten Schiffe zu Gebote standen, ein Postulat, das durch den weiteren Verlauf mehr als befriedigt wird.

(Col.7) Die Feinde lassen sich nieder unter Zelten ^) im An- gesichte der Stadt Pabari auf einem Terrain, das w^en der Einfalle der Neun Völker schon seit alter Zeit öde nnd d^i Viehheerden als Weideplatz überlassen war; die Bevölkerung hatte sich daraus zur Zeit der unterägyptischen Könige (d. h. des Hykschoseinfalles?) in die Mitte ihrer festen Plätze zurückgezogen und cRirch einen Wall abgesperrt, aus Mangel an Soldaten und Miethlingen. Aber der Pharao „Meneptab, sitzend auf dem Throne des Horus, schützte seine Unterthanen mit mächtigem Arme; er entsandte Fuss- truppen und Streitwagen und Kundschafter nadi allen Ridit- ungen, er der Gepriesene im Munde der Mensdien, der nicht nöthig hat Hunderttausende am Tage der Schlacht^.

Die Kundschafter bringen die Meldung, dass „der nichts- würdige und verworfene Grosse des Landes Lebu (Libyen); Marmeriu, Sohn des Dide sich dem Lande der Tha^ hennu (westlich vom Delta) nähere mit seinen MietUingea

8) ahel (^ntj(). De Boag6*8 Copie bietet dafür Chennu.

Digitized by

Google

Laufh: Die Achiver m Aegypim, 537

und den Frerndvölkern: Schardana, Schakalsoha, Aqai- wascha, Leku, Tuirscha. In der Lücke des Textes standen Termuthlich die später erwähnten Maschawascha und Qahaqa. Diese 8 Völker also begannen die Feind- seligkeiten, und dass es hiebei nicht auf einen yorüber- gehenden Raubzug, sondern auf förmliche Ansiedelung in Aegypten abgesehen war, beweist der Znsatz, dass ein Theil der Bundesgenossen, die Tuirscha, Weiber und Kinder mit- gebracht hatten (col. 14). Die Verbündeten machten rasche Fortschritte: eine neue Meldung berichtet, dass sie die West- grenze des Reiches auf den Gefilden Ton Paari (IL Gau des Delta) erreicht hätten. „Da ward seine Majestät wüthend wie ein Löwe*' gegen seine Grossen, die es an Wachsam- keit hatten fehlen lassen, und er richtet an sie die strafen- den Worte: „Vernehmet meine Reden und beobachtet, was ich euch zu wissen thue, nämlich: Ich bin der Fürst, der euch leitet und meine Kurzweil ist aufzufinden (die Mittel- Lücke) um euch zu erhalten, wie ein Vater seine Kinder, ernährend eure Leiber wie die von Mastgänsen. Aber ihr erkennet nicht das Gute, das er euch erweist, erwiedert nicht (seine Sorgfalt) I Das Land wird y^wüstet, offen steht es dem Angriffe einer jeden Fremdra^e; die Neunvölker (Heiden) plündern* seine Grenzbezirke, die unreinen über- schreiten sie jeden Tag; die Seeräuber (?)*) berauben die Stationen, dringen ein in die Gefilde von Kemi durch den Strom (c. 19). Siehe sie verweilen Tage, ja Monate lang ruhig sitzend darin. So haben sie erreicht den Berg von Heseb (sonst auch Uta gelesen, und als weinreioh ge- schildert) — und zerstreuen sich auf dem Bezirke von Toahe (Heptanomis); wohl nie hat man aber solches, seit es Könige des Oberlandes gibt, in den Annalen der anderen

9) Leider in einer Lücke des Textes versokwonden !

Digitized by

Google

^dS Siteung dtr pkOog.-phiM. dam mm f. Jkgember 1867.

Zeiten gekannt: sie kriechen wie die Schlange, mcbt #fat eS) die mehr in ihren Baach thnn; sie begehren nach Tod (MiOrdX hassend das Leben; ihre Verwegenheit ist höh^r als das Firmament. Ihr Grosser besdiaftigt sie mit Ver- wüstong des Landes, indem sie kämpfen, um ihren Bauoh zn füllen allezeit. Sie ziehen wider das Land Eemi, om m suchen den Unterhalt ihrer Mäuler; ihre Herzen verlangen nach meinen Tributen, wie ein Netz ns/dk Fischen, ibr Grosser (Führer) benimmt sich wie ein Hund (wim^ioaUj onomatopoetisch ^^) , ein verwünschtes Individuum, ohne Herz."

Der König rühmt sich sodann seiner Wohlthaten gegen das Volk der Wüste (Petischu), das er habe Getreide holen lassen auf Schiffen „um zu beleben dieses Land Chet .'^ vielleicht Scete bei den Natronseen. Der Zusammen- hang dieser Stelle mit dem Vorhergdienden ist leider dvanh mdirere Lücken unterbrochen.

Von hier an (col. 24) spricht der König sein Vertauub aius auf den Beistand Amon's in Theben, und die Drainng, das« er die Maschawasoha und Thamabu (Vertreter der libyschen oder weissen Menschenrage) heimsuchen und xüfifa- tifen werde^ sowie die Lebu: „indem seine Soldaten aas- aehen wider die Feinde, ist die Hand des Gottes mit ihnen, Amon-Ra als ihr Schild. Und er sprach zum Lande Kemi: Haltet euch bereit auszuziehen in 14 Tagen 1 Siebe, da eohaate Seine Majestät ein Traumgesicfat im Schlafe, wie wenn ein Bild^O ^^ P^&h stünde am Lager des Pliarao

10) In Dümichens Zeiohnunfjf ool. 2B «in Schakal, aber bei Bragsch nnd nach De Rouge ein deutlicher Hund von der Art^ wie die wau-wau, denen Anepa sein der Frau Putiphra in allem gleichendes Weib wegen Yerläamdang seines Bmders Batu, eines Seitenstücks zam Joseph, vorwarf (Roman der „zwei Brüder^*.).

11) De Roogi abertelst hier: „coniflie M le (fils'P) imiqae de

Digitized by

Google

Lauth: Die Aehiver in Mg^tm, 538

mit Leben Heil and Kraft. Es sdiien zu erheben seine Stimme und zu ihm zu spi-echen: „0! beendige das Zau- dern I'* und ihm die SiegeswafiFe reichend: „Du beseitige die ünentsdilossenbeit aus dirl^' Da ^wachte der Pharao mit Leben, Heil und Kraft und sofort entsendete er seine Fuss- truppen und Wagenstreiter, vor denen Niemand sich halt^ kann, auf den Weg ausserhalb Paari. Alsdann wurde der niederträchtige Grosse der Lebu handgemein mit ihnen; 4ie8e Begegnung fand statt am 1. Epiphi früh Morgens (das Jahr ist in einer Lücke verschwunden). Mit den Soldaten und Wagenkämpfern Seiner Majestät war Amon-Ka, Nubti ^Baal) reichte ihnen die Hand. Daher wälzten sidi die Feinde bald in ihrem eigenen Blute ; keiner blieb übi-ig von ihnen; die Bogenschützen Seiner Majestät verbrachten sechs Stunden im Kampfe mit ihnen ; dann wurden sie (die Feinde) der Schneide des Schwertes überantwortet.

Während nun die Fremdvölker so bekämpft wurden, fiiehel da erschrack der niedertiäditige Grosse von Lebi, sein Herz ward muthlos. Sidiel er wandte sidi zu eiligtr Flucht mit Hinterlassung seiner Sandalen, seines Boge&s, «einer Köcher (aspatha = t\lB}^ti), kurz alles dessen, was er bei sich gehabt., in dem Wunsche, seine Glieder zu be- schleunigen. Grosser Schrecken durchbebte seine Glieder. Er verlor all seinen Besitz an Spangen (manudatha = ^ninBO")>) Silber und Gold, seine GefSsse aus Metall, den Schmuck seines Weibes, seine Bogen, seine Waffen, kurz Alles, was er mit sich geführt hatte. Diese Gegenstände

Ptah 80 tenait debout und bemerkt in der Note, das« ua ,,iiii, ttni- c|iie'* aooh dard bedeuten könnte. Aber es folgt aaf ua ein tut find dies bedeutet sicher ,,Bild*'.

12) Oesenius bemerkt bei diesem Worte eigens, daas es trans- ponirt sei aas n1"üy|p von der Wureel ^}y (chald.) binden.

Digitized by

Google

540 SiUung der jpAOcM.-pMoZ. Claase wm 7. Degetkber 1867.

wurden zu dem Palaste gebracht, am aufgeführt zu werdoi mit den Gefangenen. Unterdessen war der niederträchtige Häuptling der Lebu auf dliger Flucht in sein Land. Und das Verzeichniss der Feinde, so getödtet wurden durch die Schläge der Schneide, ward überreicht den Offizieren, welche auf den Streitwägen Seiner Majestät sich befand^, und nadi ihnen das Verzeichniss der lebend Gefangenen. Gross war die Zahl der Feinde gewesen : man hatte Nichts Solches ge- sehen zur Zeit der Könige ünterägyptens , als dieses Land in der Feinde Gewalt war und das Unglück so lange fort- dauerte, als die Könige Oberägyptens nicht die Kraft be- sassen, sie auszutreiben'^

Herr Vicomte de Roug6 sieht in letzterer Stelle eine Anspielung auf den Einfall und die Herrschaft der Hyk- schös gerade wie ich es ebenfalls in meinem Aufsätze zu Ostern gethan ; eine um so merkwürdigere Uehereinstimmung, als die betreffende Golumne sehr lückenhaft ist. Der Text fahrt fort: „Das habe ich gethan aus Liebe zu den Be- wohnern, um zu schützen Kemi als Herr des Landes, mn zu retten die Tempel des Deltagebietes. Darauf sprachen die Leute der westlichen Stationen in einer Botschaft zu dem Palaste des Auserwählten mit Leben, Heil und Kraft mit den Worten: „Sintemal der gestürzte Manrmeriu flüchtig gegangen in Person und seine Wenigkeit entronnen ist den Menschen mit Begünstigung der Nacht auf abge- legenen W^en, verfolgt von jedem Gotte in Kemi die Prahlereien, so er geäussert, in Nichts zerstieben, und alle Worte seines Mundes zurückfallen auf sein eigenes Haupt; da man nicht kennt die Art seines Todes: so überlasse ihn seinem Schicksale; sollte er noch leben, so wird er sidi nicht wieder aufrichten: er ist gestürzt, ein Spott seiner Soldaten. Du aber, o König, bist es, der uns mitgenommen, um zu vollbringen die Tödtung der Feinde im Lande der Thamahu. Setzen die Lebu einen andern an seinen Platz

Digitized by

Google

Lauth: Die Jehiver in Aegypten, 941

▼on seinen Verwandteu (Bradem) , welche beim Kampfe waren, so sieht er gebrochen die Grossen wie die Kleinen/^

„Alsdann brachten die Hülfstmppen , die Soldaten und Wagenkämpfer, die Veteranen alle des Heeres und die Jung- mannscbaft (Narnna = yn^^^) gefesselte Feinde vor sich her; Lasten von nnbeschnittenen'*) Phallen der Lebu und abgehauenen Händen aller Fremdvölker, die mit ihnen gewesen waren, in Häuten auf Brettern, endlich allerlei Beute, die man genommen aus ihrem Lande.

Alsdann ward das ^anze Land Aegypten aufjubelnd bis zum Himmel; die Flecken und die Städte waren in Wonne über jene Wunderthaten. Die Flüsse führten Festfeiemde. Alles ward vor den Balkon gebracht, auf dass schauete Seine Majestät die Ergebnisse seines Sieges: das Verzeichniss der Gefangenen, herbeigeführt aus diesem Lande der Lebu und den übrigen Fremdvölkem, sowie der Beute zu dem „Neuen Hause*' des Pharao Meneptah, des lieber wältigers der Tha- hennu, welches in Paari.^'

Ton col. 50 an, die jetzt folgt, bis zu col. 62 erscheinen die detaillirten Angaben über die Verluste der Feinde. Vor allen werden die Phallen von sechs Individuen aufgeführt, die „Söhne der mit dem Lebufürsten verbündeten Häupt- linge^' genannt werden. Dann getödtete Lebu, deren Phallen eingeliefert wurden: 6359: Zusammen (6365)".

Die Zahl der getödteten Scharda(i)na, Schakalscha, Aqaiwascha „von den Gegenden des Meeres'^ ist nicht ganz

13) Der Ausdruck ist zweifelhaft; de Rouge übersetzt: „dresses en oomes** wohl desshalb, weil ihn das offenbar unftgyptisohe Wort qarenatha an n.i?. oorau mahnte •— soUte es aber nicht eriaubt

$em, an ^"^j;; imrein, nnbesohnitten zn denken, da l auch in Ujhü

= lanohem locnstae ein aegypt. n vertritt, and das y h&ufig för anlautende Gutturale steht?

[1867. a 4.] 86

Digitized by

Google

542 Süeung der phüos^-phiM. Ckase vorn 7. Daeniber 1867.

erhaHen; nur die der Schakalscha: 222 ist vorhanden mit dem Beifügen: Betrag an Händen: 250. Von den Tuirscha fielen 742, Betrag an Händen: 790, Die nädiste Sarame 6111 scheint sich auf die Maschawascha zu beziehen.

Man sieht aus diesen Verlosten, dass die Schlacht bei Paari (ZTo^i^ bei Steph. ?) eine mörderische gewesen sein moss. Die Zahl der lebendig Gefangenen steht dazu in einem gewissen Ver- hältnisse: „218Lebu, die Weiber des verworfenen Häuptlings der Lebu» die er mit sich geführt hatte, lebendige weibliche Lebu 12. Summe der Gefangenen 9376. Wafifen und Fahnen, welche in den Händen der gefangen Eingeführten waren, Schwerter der Maschawascha: 9111.^^ Es folgt die ungeheure Zahl 120,214, die sich auf einen Theil der Beute bezieht, der in einer Lücke verschwunden ist. „Pferde, die das Eigen- thum des Fürsten der Lebu und seiner Söhne gewesen, wurden 14 Gespanne erbeutet.^' Den Schluss des Verzeich- nisses bilden 1314 Stück Grossvieh, Ziegen (zerstörte Summe) sodann 54 verschiedene Gefasse aus Gold ; an Silber, Kruge zum Trinken (Zahl zerstört); an Erz, Schwerter, Dolche, Kürasse und Schienen, verschiedene Geräthe: 3174, offenbar den Meeresvölkern angehörig,

„Nachdem diese weggeräumt waren , legte man Feuer an ihr Lager und an das Zelt (qairmatiha ?) ihres Herrn.** Den Schluss macht die schmeichelhafte Selbstbe- lobung des ägyptischen Pharao Meneptah: (ool. 70) „Die Lebu hatten Schlimmes gesonnen wider Kemi; aber siehe, sie sind gestürzt; ich tödtete sie und machte sie zu einem ' Wahrzeichen. Ich versetzte das Deltagebiet in Sicherheit und Frieden : es lieben mich die Bewohner, wie ich sie liebe, indem ich ihnen gewähre den Lebensathem. Es jubeln ihre Städte auf bei meinem Namen, als des Oberen der Länder, Man wird meine Zeit als eine glückliche preisen im Munde der Geschlechtej; der Menschen, gemäss der Grösse der Wohlthaten, die ich ihnen erwiesen. Und All dieses ist Wabr-

Digitized by

Google

Lauth: Die Achiver in Aegyyten. 543

heit dui'chatis." Die fünf letzten Coluinnen (73—77) ent- halten die Bestätigung des eben vom Pharao Gesagten aas dem Munde seiner Unterthanen.

Das ist weit ausgeholt, wird mancher denken, um die Anwesenheit von Achivem in Aegypten zur Zeit des Pharao Meneptah wahrscheinlich zu machen. Der billig Urtheilende wird aber, abgesehen von dem sonstigen Interesse des In- haltes der historischen Inschrift, anerkennen, dass ohne einen Bolchen Znsammenhang der Beweis für meine neue^^) Thesis völlig in der Luft schweben würde. Was die Uebersetzung anbelangt, so möchte der Umstand, dass zu gleicher Zeit zwei Aegyptologen, einer zu München, der andere in Paris, unabhängig den nämlichen Text auf gleiche Art aufgefasst haben, jener noch immer bestehenden Zweit'elsucht endlich den letzten Stoss versetzen. Mit denjenigen, die sogar die Richtigkeit der gelesenen Völkemamen bezweifeln, will ich mich nicht aufhalten; sie haben es ihrer eigenen Bequem- lichkeit zuzuschreiben, wenn sie über die Elemente einer der wichtigsten Entdeckungen unseres Jahrhunderts auch jetzt noch in Unkenntniss verharren, w(f die gesteigerten Hülfs- mittel es jedem Wollenden ermöglichen, sich in einem halben

14) In der bekannten Stelle von Platon's Timäus, wo Eritias das Gespräch des Selon mit „dem Kundigsten der ägyptischen Priester- schaft^^ erzählt, ist gesagt: oaa dk ^ naq* vfAiv ^ %j^d$ . . xaXoy 9 l^iya yiyoviy, närta yeyqa^ifUya ix naXawv tJcT iariy iv toi^ h^oig xai Hiöioiffxiya. Das rgcTc bezieht sich auf Sulg^ in dessen' Naohbar- Bchaft Paali (Paali, I7<^A«;?) und der Neubau des Meneptah lagen, wo also der erwiesenermassen wiederholte Text ebenfalls angebracht sein konnte. Nimmt man noch die weitere Sage Über die Atlantis, Über die Inva- sion Aifvti^ und Evqtanm f^XQ'' TvQQtiyiag hinzu, besonders: nMa lAiy ovy v/Ä&y xai /ÄCyäXa f^ya r^ff noXtwg (Athens) TJcT« y^y^a/Äfiiya ^avftaCtTUi so wird man geneigt sein , darin geradezu eine Bestät- igung unserer Inschrift und der Anwesenheit der Achiver in Aegypten zu erblicken. Herr CoUega Christ hatte die Güte, mich auf diese auch sonst merkwürdige Stelle aufinerksam zu machen.

Digitized by

Google

544 Sitzung der pkäoa.-phüol Clasne vom 7. Dezewiber 1867.

Tage von der Sicherheit des ägyptischen Alphabets zu über« zeugen. Mögen sie also sich nicht mehr hinter der Maske der kritischen Zweifels verstecken dürfen!

Ich habe mit H. Vicomte de Rouge die gleiche Ansicht in Betreff der vier Völkemamen Tuirscha, Schakalscha, Schardaina und Aqaiwascha^^) ausgesprochen, dass sie nämlich den klassischen Turs kern (lyrrhenern), Sikelern, Sardiniern und Achivern entsprechen. Die Mascha- wasch a hatte schon Brugsch mit den Md^veg Herodots, einer libyschen Völkerschaft, verglichen, üeber die Qafaaqa haben wir noch keine Anhaltspunkte iu den Klassikern gefunden; es müsste denn allenfalls der Name Kijv^^ den ein König von Trachin in Thessalien und später mancher Sclave in Rom geführt, hieher zu ziehen sein oder Caicns (Verg.)? Oder vielleicht Herodots (IV, m)Zavrjxeg? Wenn ich bei den Luka diesmal an dieLucanier (bosLucae) oder an die Ligurier (Ligys) dachte, während de Rouge sagt: ^,nom qui designe probablement lesLyciens" so ist die Entscheidung über diese Frage noch offen; die Luka Asiens habe- ich ebenfalls mif den Lyciern identificirt

Es ist nicht der äusserliche Anklang dieser Völkemamen, welcher uns zu den betreffenden Gleichstellungen bestimmt hat, sondern der innere Zusammenhang des Textes, der den Schardana, Schakalscha und Aqaiwascha wörtlich die Herkunft Ton den Gegenden des Meeres zuschreibt. Ffir die ersteren wusste man aus andern Texten bereits, dass sie mit Inseln des grossen Beckens d. h. des Mittel- meeres in Beziehung stehen und darum hat auch H. Chabas in seiner meisterhaften Arbeit über den Papyrus Anastasi I die ^chardana mit den Sardiniern identifizirt. Abgesehen davon, dass unser Text auch die Varianten Schardina und

16) In meinem Aufsätze der Z. d. DMG habe ich dabei auch an AequuB erinnert.

Digitized by

Google

Lauth: Die Achter In AegypUn, 545

Schardaina liefert, stimmt Schardana zu dem homerisoben Caq* idvMV mid zu ]"11U^. Sollte f&an in Betreff der beiden andern das kritisch sein sollende Bedenken vorbringen, dass in 2iiteX6g und *Ax(uf6q die Endung og nicht zum Stamme gehören könnei so. erinnere ich an den sichern Namen Ntari wusch =r JixQcTog, wo das grichische og ebenfalls einer wurzel- haften Stammsylbe entspricht. Das Digamma in *A%aip6g anlangend, so wird es schon durch die lateinische Form Achivus verbürgt.

Endlich dürfte selbst der Accent dieser beider Völker* namen einen Fingerzeig enthalten, da^ die Endsylbe als Stamm mit eigener Bedeutung gefasst wurde und die ägyptische Schreibung beweist jetzt, dass in älterer Zeit diese Endung wie osch d. h. mit der Geltung des dorischen Oav^^) (schin) ausgesprochen wurde.

Was ferner den umstand betrifft, dass die Aqaiwascha von den Gegenden des Meeres herkamen, so lässt sich diess ebensowohl auf eine Insel, als auf ein Küstenland beziehen: die Bezeichnung Peloponnesus, die „Pelops-InseP^ die Lage der Landschaft Achaja am korinthischen Meerbusen, die Anwesenheit von Achajem auf Ithaka, wie an der gegen- fiberliegenden Küste, endlidi die Ausdehnung der Benennung Achaja auf ganz Griechenland unter der römischen Herr- schaft — alle diese Einzelheiten, auch von Homer's Gebranch der *Axaipot abgesehen, fuhren auf den Schluss, dass Aqai- wascha ein uralter Name für einen zahlreichen hellenischen Stamm gewesen. Während aber Javan und Dan&os sich aus dem Aegyptischen ohne Zwang, sogar mit einer gewissen Nothwendigkeit als „die hinter den Wassern'^ und als „die

16) H. de Rongö brauchte die Belebmng über den „son ohoin* taut** des dorischen cäy nicht erst ans Lenormants Preiswerk zu flutaelunen; das Wesentlichste darüber sieht schon in meinem üni- versal-Alphabete p. 67 vom Jahre 1865.

Digitized by

Google

546 Sitzung der phihs-phüol. Ckase vom 7, Deeemher 1867, ,

Ausländer (tanaa)'* erklären, widersteht der Name Aqai* wascha einer Herleitung aus dem Aegyptisclien. Wir haben daher die Etymologie dieses Namens auf griechischem Boden selbst zu suchen. Hier bietet sich der Stamm aiyuxXog^'^) Compos. von aXq (die Salzfluth) mit der Bedeutung „Ufer, Küste*^ ziemlich ungezwungen dat, und da es nach Herodot (VIII, 94) lleXaayol cdyiaXäsg gab, so wäre ihre Verwandtschaft mit den Achäern wahrscheinlich gemacht und wir bekämen für beide die Gesammtbedeutung „Küstenbewohner".

Vielleicht verhilft uns diese, allenfalls pelasgisch zu nennende Wortformung zu einer befriedigenderen Etymologie des bisher so räthselhaft gebliebenen Namens der Pelasger selbst. M;in hat sie in dey Pulista der ägyptischen Texte finden wollen. Allein diese entsprechen denn doch eher den Philistera {^vha%6i^\ und der angenommene Wechsel zwischen t und g (T, r), wenn er auch paläographisch leicht zu erklären wäre, ist sonst durch Nichts belegt. Auch hat der Pulista (Brugsch Georgr. II Taf. XI, 26) eine Kopf- bedeckung (Federkrone), die nur bei semitischen Stämmen getroffen wird. Es sieht Pelasgos doch ziemlich griechisch aus und wenn wir auch die Spielerei der Alten, welche den Namen dieses Volksstammes wegen seiner Züge in die Ferne mit neXaqyoi „die Störche'* (schwarz-weiss) zusammenbrachte, nicht weiter beachten, so drängt sich doch pelas „nahe" mit fast unabweisbarer Nothwendigkeit auf. Die neuere Zeit bietet ein Volk, dessen Namen auf den nämlichen Stamm zurückgellt: die Preussen. Sie sind nicht, wie man weg^n des lateinischen Borussia gemeint hat, die an Rnssland grenzenden oder unter Russland stehenden, wie Pomerania von po und mor „am Meere*" vgl. des celtische Armorica

17) Herr Gollega Chriflt denkt an sanskrit Sghavyfe, „Strtit, Kampfruf.

Digitized by

Google

[Lauth: Diejichiver in Äegypten, 54Y

und Morea, den slav. Namen des Peloponneses sondern nach nnseres gründlichen und nach seinem Tode besser anerkann- ten Landsmannes Zeuss Ansicht von dem slavischen prus (vgl. plesion) „der Nachbar" abzuleiten. Aehnlich mögen die Preussen des Alterthums, nämlich die Pelasger, ihren Namen von der Nachbarschaft am Lande der Achiver er- halten haben und die Lautverhindung Oy eben jener breiten Aussprache des oäv als Ueberbleibsel zu danken sein.

Dem sei indess, wie da wolle: wie ich in meinem Pro- gramme ,,Ho^6^ und Aegjpten" weder die Phaeaken noch ihr Land (nicht Insel) Scheria {Ox^Qog = xäQQog^ X^QOog trocken) mythisch gefunden, sondern in Epirus, dem Festlande xor' i^oxilv mit Bezug auf das platanenblattfSrmig gespaltene peloponnesische Griechenland, wieder getroffen habe, so sind mir die Pelasger kein mythischer Name, sondern ein wesen- haftes, den Hellenen benachbartes, und vielleicht für ihre Sprache und Cultur vorstufiges Volk, dessen Existenz nicht später als die der nunmehr monumental erwiesenen Aqai* wascha zu setzen ist.

Hr. de Rouge bemerkt zu col. 60, dass die letzten 17 Golumnen ihm an Ort und Stelle wie eine Restauration aus späterer Zeit erschienen seien, woraus sich die leeren Stellen erklären würden. Sicherer ist, und aus Dümichen^s pl. I A mit fünf oben nicht zerstörten Columnenanfangen, die den coli. 37 41 entsprechen, ersichtlich, dass ein Duplicat des Textes in Karnak selbst existii-t hat. Ja ein.Dichter jener Zeit hat uns im Papyrus Anastasi H pag. 3, 4 anter andern die Verse geliefert: „Die Lehn stürzen von seinem Schlage -\- sie werden getödtet von seiner Schneide.^' pag. 5, 2: Die Schardana fuhrst du her durch dein Schlachtschwert :- es züchtigt sie das Volk der Mähautu (Beduinen, ähnlich den Gensdarinen Mazaiu lin. 2 und den Naruna (Recruten) des Textes) „Gar erfreulich ist dein Kommen nach Theben —.- %v\\xwr phirend wird dein Wagen gesogen von Händen die Hänpt*

Digitized by

Google

5^B SiUvng der pkaQi,-phiU>l, CUute vom 9. Difember 1867.

ÜDge wandeln gefesselt vor dir her -^ da fiihreBt sie vor deinem Vater Amoa."

Ist es nun zufallig, dass Herr Vic. de Rouge in seinem Ajrtikel auf diese nämliche poetische Production verfallen ist» wie ich in meinem zu Ostern nach Leipzig eingesend^en Auf satze, worin ich noch ein weit^*es DupUcat (Pap. Anast. IV, 5) aufgezeigt habe, zum Beweise, dass der zu Theben ange* schriebene Sieg des Meneptah über die Libyer und die mit ihnen verbündeten Schardana, Schakalscha, Tuirscha, Aqai* wascha, Mascha wascha , Leku und Qahaqa von den Zeitge- QMsen anerkannt und dichterisch besungen wurde.

Wie? wird Mancher denken, konnte man hieroglyphisdi oder hieratisch^') dichten?! Unglaublich I und doch verhält es sich 80. Je zwei durch rothe Punkte in dem Papyrus unterschiedene Halbverse bilden einen Gedanken und da der Hexameter, ohnehin durch die Hauptcäsur in zwei Stüdce zerfallend, in alten Schriften wiricUch zweitheilig getroffen wird, so wäre am Ende anch diese Blüthe der klassischen Sprache aus ägyptischem Boden erwachsen? Dieser Oediuoke lHaBt sich nicht gerade desshalb abweisen, weil man bisher noch nicht darauf verfallen war.

Die oben dargelegte Inschrift des Menq>tah wird auch noch in anderer Beziehung, abgesehen von der Gleidiung Aqaiwascha = ^^xcufdg ^^^) von hoher Wichtigkeit ab geschichtlicher Hintergrund des trojanischen Krieges« So z.B. für den bekannten Schiffskatalog derllias (B494 sqq.) Es ist nicht zufällig, dass die Reihe durdi die Boeoter eröAiet wird; denn es heisst v. 496:

18) Mit Kamen „qoas versa dioere non est" (Horst.)

19) Die in der Inschrift des Meneptah aufgeführten Beinschienen gehören vennuthlich zu den Aqai wascha und hestätigen an£i Schönste Homers t^xrnfu&nc jij^tciovf. Kommt einmal eine bildlich e Dar* Stellung SU Tage, so darf man sicher sein, auch seine nä^ti tffU" •Hfftic mnd x^^f'^X^^^^^f illistrirt xu sehen.

Digitized by

Google

Lauih: DU Äekiver in Äe^yptm. 549

oV ^^ Yfftrjv iväfMovtQ mi Avlida mt^T/J^aOav. In Anlis war aber der Sammelplatz aller Schiffe and von da lief die vereinigte Flotte za ihrem Unternehmen aas. Die fünfzig Schiffe der Boeoter mit je 120 Mann (also im Ganzen 6000) scheinen sogar einem aothenthiscfaen Verzeichnisse entnommen za sein, welches zu Aolis vor Antritt der Fahrt alle Sdiiffe omfSasste. Die Zahl 6000 stimmt za den analogen Ziffern der Contingente der libyschen Gonföderation and ihre spe- zielle Angabe gerade*^) bei den Boeotern and bei Achil- leas (II, 168—170:50x50) dürfte ebenfalls anf Aulis als die Qaelle des Katalogs hinweisen. Daher die Ueberschrift : BouSxsitt f] xatäXoyog vcmv. Die zanächst folgenden Völker- stämme: Orchomenier, Phoker, Lokrer, Euböer etc.**) bestätigen diese Annahme, dass Aalis, wie der Aasgangs- pankt für die Fahrt nach Troja, so anch der Ursprang des Sdiiffiskatalogs gewesen.

Noch eine andere Erwägung dfirfte gerade die später wegen Zurückbleibens in der Cultur so oft bespöttelten Boe- oter als Urheber dieses Verzeichnisses empfehlen. Es ist bekannt und ausgemacht, dass die Griechen ihre Buchstaben YdäiA/uxta g>oivixrjHa und xaiiifjXa (Herodot.) auch q>owCiua^ g>oiwtxtxä, wegen der durch den Phöniker Kadmus geschehenen Uebermittelung genannt haben. Auch zeugt die Paläographie selbst für diese Thatsache. Wenn bisweilen die Benennung Y^äfA/Accva nsXaffytxä vorkommt, so steht diess im schönsten

90) Auch bei den sieben Sohifien des Pbiloklet t. 719, wo je 60 i^tm$ sQgleioh ak BogentdiOtzea erwähnt sind. Thnoydid. I, 10.

m) Wem die öfter (sehnmsl) vorkommende Zshl 40 wegen der biblitohen nnd erabitchen arbainat(40) verdftehtig ist, der bedenke, ÖBM die 1186 Sdiiffe, doroh die 29 Sttaune dividirt, gerade die Parch- MbnittisahliO ergeben. Thaoydid. 1, 10 bat 1200, was aber bei ds» dann noibwendigen Divisor 80 wieder die DnrohsobnitUsahl 40 blank srgibi. Somit wire das gesammte Grieehenbeer etwa 60,000 Mam stark aninnebmen.

Digitized by

Google

550 Sitzung der phOos^-philol, Gasse vom 7. Besemher 1867,

Einklänge mit der Vorstufigkeit der Pelasger in Bezug auf die Griechen und mit ihren speziellen Wohnsitzen in Dodona und Epirns (Scherie), wie ich sie oben wahrscheinlich gefun- den habe.

Eine schöne Entdeckung vonBrandis**) über die sieben Thore Thebens fügt ein neues Glied in die Kette der Bewebe. Dieser Forscher hat nämlich nrit siegreichen Gründen dar- gethan, dass die sieben Thore Thebens,*') wie die sieben Mauern von Ecbatana und der siebenstuöi^e Baltempel Ba- bylons (Herodot I, 98, 181), nach den fünf Planeten mit Sonne und Mond gebildet und benannt waren. Dadurch erhält die Deutung des Namens KdSfiog^ von Dlp. der Orient, eine nicht unerhebliche Bestätigung und Buttmann's Ver- muthung, dass in der Sage von Kadmus und Europa (2^)2 Abend cf. ^geßog dunkel) uralte Beziehungen zwischen Morgöi- und Abendland enthalten sind , wird dadurch wesentlich empfohlen.

Wenn daher Aeschylos in seinem Stücke irtrd sttI &iijßag Y. 159 165 mit dem ^ÄTröXXmv die juaxfi^* ävaooa *'Oyxa als Hauptschutzgötter der siebenthorigen Stadt an- rufen lässt, so erhält diess jetzt einen vollgültigen Sinn, seit- dem uns die ägyptischen Denkmäler die beiden Gottheiten Baal und Anuqa**) als speziell phönizische wie bei (Pau-

22) Zeitschrift Hermes II, 2 1867 Vergl. Allgemeine Zeitung Beilage Nr. 282, 9. Oct 1867.

23) Cf. II. J 378 Uqd nqo^ rtCx^a e^ßTjg, Dass die '^yxa U^va der Venus (Freitag) entspriobt, ist um so sicherer, als die ägyptische Yenns, nämlich Hathor, geradezu auch mit der Anuqa identificirt wird (DömiohenRecueillV, XXXVI, 12 b, unmittelbar hinter /Lnatha.)

24) Diese vom Auslande in. das ägyptische Pantheon frühzeitig aufgenommene Göttin bildet als *'Jyovxtf mit der JSart^ und dem XvovpH (Kneph, Chnnm) die Triade der Katarakten ; auf dem Thier« kreise Ton Denderah habe ich 'die Annqa sweimal ak Wasserfrau getroffen.

Digitized by

Google

Lauth: Die Äehiver in Äegypten, 551

sanias) kennen geldbrt haben. Ersterer ist sogar, wie ji-TröXr 2mv (n oder N sem. Artikel) mit dem bestimmten Artikel versehen: Pe-Baal*^), und letztere erscheint mit einem eigen- thümlichen Kopfputze, den man die Philisterkrone genannt hat, weil die Abbildungen der Chanaaniten sie aufweisen. So viel über den phöni zischen Ursprung gewisser Einrichtungen im kadmeischen Theben. Da nun jedenfalls der Zug der Sieben gegen Theben vor die Troica fällt, so lässt sidi das Dasein schriftlicher'^) Verzeichnisse, also auch die Möglichkeit und Wirklichkeit eines geschiiebenen Schitfskatalogs für diese Zeit recht wohl begreifen um 80 mehr, als uns die ägTptischen Denkmäler dieser und viel älterer Zeiten nicht nur Schrift in Ueberfdile, sondern auch bildliche Darstellungen zeigen. Besonders will ich hier noch der Pulista mit ihrer Federkrone, die auch die Da n- au na tragen und der Schardana*^) erwähnen, welche seit Sethosis I als Gefangene oder als Bundesgenossen in pitto- resker Tracht auftreten. Es verdient gewiss Beachtung, dass auch Vicomte de Rouge den Verso des Papyrus Anastasi II, wie ich selbst in meinem Aufsatze für die Zeitschrift der DMG, auf diese Tracht bezieht. Der Text besagt: „Die Schardana des grossen Beckens, welche zu den Gefangenen seiner Majestät gehören, sind geschmückt mit Waffen allerlei, in den Hallen ; sie bringen die Tribute an Getreide und ent- laden den Inhalt ihrer Gespanne.'* Ihr Helm gleicht einer Pickelhaube, nur dass er oben zwei lunulae zeigt und in eine

. 26) DQmichen Hist InBch. Taf. XXIV col.48; Taf. XIX col. 88, 84 sind dem Baal die Ctöttinen Anatha ^Aydlx^i^ und Astartha (^Acxdqxri) beigesellt.

26) Der Vers Ilias B, 340 iy nv^ <fj} ßwXai n ytrUaro fi^diä T* (iwdq&y lässt sich kuoh auf geschriebene Beschlüsse deuten (?) of. J 158: aXiov niXi^^ als Erläuterung hieso.

27) Vergl. Brugsch Geogr. II, Taf. IX und X.

Digitized by

Google

562 SiUung der pMoB.-phüoL Clane wm 7. Degember 1867.

Scheibe oder Kugel, statt in eine Spitze ^ ndigt. Das Sdiwert ist pyramidal geformt, der Schild mit (11) Buckeln ▼ersehen und die Gewandung nicht gar einfach, sondern dnrdi Streifen Linien und Punkte gegliedert. Langen Bart und Locke zeigt das Bild des Mascha wascha (Mä^vsg Herodot IV, 191), während das des Tuirscha (Thiras D^O, Tursce, TV^- Ofjvot)^^) bartlos und ohne Locken erscheint.

Wenn daher von den euboeischen Abantes IL B 542 gesagt ist, sie seien omd^sv xo/Aoeavteg gewesen, so findet dieser Zug, sowie ähnliche andere, die sich auf Besonderheit der Tracht und der Bewaffnung beziehen, nunmehr seine Tollgültige Erklärung in den ägyptischen, treu porträtirenden Darstellungen der auswärtigen Völker und braucht daher nicht gerade als ein poetischer Schmuck angesehen zu werden. Liess ja doch Hamilton den Homer seine Schlachtberichte geradezu nach den ägyptischen Darstellungen gestalteul

Der griechischen Conföderation steht die trojani- sche feindlich gegenüber. Es gereicht mir zu besonderer Geougthuung, auch in diesem Betreffe constatiren zu konneui dass Vicomte de Rouge gleich mir, und ebenso unabhängig, auf die Gleichung Dardani = Jdqiccvo^^ die Yon Brugsch (Geogr.) noch ausdrücklich verworfen wurde, gekommen ist,'*) nicht aber wegen des verführerischen Gleichklangest scmdem gestützt auf die Inschriften und Texte, namentiidi das Gedicht des Pentaur über die Grossthat des Ramsea II Sesostris, welcher die Gheta und ihre Verbündeten bd Qadesch besiegte. In dieser grossen vorderasiatischen Con- föderation erscheinen neben den Dardani auch die Pidasa {nHiaoog), die Leku (Lykier), die Tekkaru'*) {Tsmfot)^

28) Bmgsch l a

39) Revua «reh. Aogast 1867.

80) Auch Tekari geacbriebMi (Bmgteh Geogr. II, Tau XI Fig. 25X Sie tragen die Philister kröne, und erweisen lioh dadurch als StammetgenoMen der Pulieta (^Ai#r<^). In der Thai wfirde ihr

Digitized by

Google

Lauth: Die Ächiver in Aegypten. 553

die Mausa {MvooC) und einige andere, noch nicht identifi- cirbare oder hieher gehörige Völker. Die Analogie gebietet demnach, auch in den Versen des Ilias (B 816— 877), welche die Troer und ihre fremdsprachigen (IL B. 804) Bundes- genossen behandeln, nicht blos die Möglichkeit, sondern auch die Wirklichkeit eines geschichtlichen Kernes anzuer- kennen. Der Ort, Wo die Troer und ihre Verbündeten sich aufstellten: BatCs^a ((yq/Jia noXvOxäqd-iAOio MvgCvrjg^^) in der Göttersprache) hat einen durchsichtigen Namen. Er bedeutet eine dornichte Höhe, wie üitifeia (y. 829) eine mit Fichten bewachsene.

Auf die Frage: wie es komme, dass auch auf troja- nischer Seite üeXaOyoC (B 840) erscheinen: dass TsvxQog auch ein griechischer Name ist, dass der hellenischen ^EXivrj auf trojischer Seite ein '^levog entspricht kann hier nicht eingegangen werden. Nur so viel möchte zu bemerken sein, dass, sowie uns da« kadmeische Theben eine Amalgamation pfaönikischen und pelasgisch - griechischen Wesens darstellt, 60 auch analog Pelasgerin Vorderasien ihr Larissa {Aäqtöa B 841) gründen und zu den Dardanern in das Verhältniss von Bundesgenossen gerathen mochten.

Habe ich durch die bisher ermittelten Symptome die Geschichtlichkeit mancher Angaben der Ilias darzuthun ge- sucht, so erhält der trojanische Krieg selbst dadurch einen historischen Boden von ziemlicher Mächtigkeit.

Schon die Alten betrachteten, wie Herodot I 1 5 aus- führt, den trojanischen Krieg unter demselben Gesichtspunkte,

Käme regelrecht aus *13J mas, ä^^^t^ entstehen oud die „Männlichen'* oder „Martialischen'* bedeuten. Diese eigenthümlicke Kopfbedeckung erklärt uns das xo^v^kIoXo^ '^xtw^ besser, als die bisherigen lieber- sateungen: „helmbuscfasch&ttelnd** und „cristatns**.

81) Man vergl. den Hügel n'HtD Morijah mit dem Salon onisohen Tempel, wenn auch nur zu mnemotechnischem Zwecke.

Digitized by

Google

554 Sitzung der pJulos.-phüol, Glosse vom 7. Deeember 1867,

wie den Raub der Jo durch die Phöuiker (Punt-Poeni, Punier), die Entführung der Europe durch Hellenen, (Kreter?) vergl. oben Kadmus und Europa den Zug der Argonauten nach Kolchis unter Jason, um das goldene Vliess und die Mijdeux zu holen; auch in der Sage über ^qC^og und ^AAi; scheint eine alte Beziehung zwischen Phry- giem und Hellenen angedeutet zu sein. Der pragmatisirende Thycydides I 1 12 hebt das Seeräuberwesen des alten Hellas gebührend hervor und erklärt ziemlich nüchtern die lange Anwesenheit der Griechen auf trojanischem Boden (c. 11) unter andern auch daraus, dass sie sich nq6g yetof- ylav rqg Xc^^ovijoov tqanöiuvoi Ttal XjjOteiav nicht mit aller Gewalt auf die Troer warfm, wesshalb diese ihnen zehn Jahre Widerstand leisten gekonnt. Vergleicht man hiemit Verse wie IL r 72, 93, 255 etc.

StijlAa&^ iXiüV SV nävTOy yvvalxä %€ oXxai^ dy4o^m so fühlt man sich versucht, die "EX^rj selbst als eine Per- sonification des Raubes (ßlstv) aufzufassen und den Namen ndqig von np „der Trenner"'*) zu erklären, wie Hero- dot I 1 die Phöniker nach persisdier Quelle als t^^ i^a- g>0QfJg altlovg darstellt. Daher ruft Hector F 86, 87 xäxXvrä fuv^ TQoieg xal ivxvijixideg U%mj:o(^ /Av&ov UXs^ävfQOto, Tov sTvexa vetxog oqmQsv. und Menelaos spricht V 100: ^AXsidviqov Svsk" asijg^ wie auch Helena Z 356. Näher scheint mir auf die Etymo- logie des Namens angespielt zu sein in den Versen F 321 sqq:

82) AuB dem Semitischen würde sich auch J^c/f^ioVi;; , der p6^os vlog des UqittfAQQ U 788 erklären; denn gebar (*lt3a) bedeutet Held nnd wird das Wort im Texte Ramses HI Kepur geschrieben (yergL Apria = 'EßQaPot). Demnach soheint Homer U 751 in K§p^i4r$ niftoi Namen und BedeutuDg nebeneinander ta geben.

Digitized by

Google

La$itth: Die Äehiver in AegypUn, 555

6nn6v€Qog xdds Sfya )u«t* dfAqxyfäQo^aiv i-^xsv,

%6v idg dno(p^ifA€VOv dvvai d6(Aov **A'idog eiom womit nur Paris gemeint sein kann, um so bemerkens- wertber, als diese Ansicht den Achäern und Troern ge- meinschaftlichbeigelegt wird, wie auch 2^455 Jcov ydq Oipiv näOiv dn/jx^^o ^(fi lAsiMlvjj.

Paris ist eigentlich nur eine menschliche Nachbildung der *fe^*^, wie sie besonders A 73 sqq. erscheint (Vergl. <I> 359, 360); F 100: rfv^x' iju^^ iq^dog xal "AXa^dviißOV Svex ätrjg. Wenn wir nun gegenwärtig in der oben behan- delten Inschrift des Meneptah ähnliche Verhältnisse berichtet finden: einen Raubzug ausgeführt von einer Conföderation verschiedensprachiger Stämme {aXkrj rf' dXhov yXcSoah tto- Xvan^qäwv dv&QoSncov IL B 804) mit eigenthfimlidier Phy- siognomie, Haltung, zum Theil pittoresker Kleidung, Be- waffnung; wenn gesagt wird, dass sie, wie zu bleibender Niederlassung ihre Frauen und Kinder mitbrachten (U. K 420 heisst es von Bundesgenossen der Trojaner, offenbar im Sinne einer Ausnahme:

ov ydq Cg>iv naXdsg 0%€dSv sVcctai ovdk ywatxeg ) wenn, wie natürlich zu erwarten, die Besiegten, soweit sie nicht getödtet waren, sammt ihren Weibern und Kindern gefangen genommen und als Sciaven behandelt oder ver- kauft wurden wenn der ägyptische Pharao bei Nennung seiner Feinde niemals vergisst, beschimpfende Beiwörter zu gebrauchen, die aus analogen Vergleichen hergenommen sind, wie die Schimpfreden der homerischen Helden: so bildet dieses Gemälde, in welchem ebenfalls Schiffe figu- riren, einen Hintergrund für die trojischen Ge- schichten, wie er zu der Erklärung Homers nicht besser herbei gewünscht werden kann. Ich habe mich schon in meinem Programme: „Homer und Aegypten'^ p. 6 gegen die Sucht, die homerischen Völkernamen als mythische hinzustellen, offen ausgesprochen. Die dort angeführte Be-

Digitized by

Google

&56 SiUmg der i^MöB,'phiM, Chsse twfi T, Dezember 1867,

merkung von Amei« ra v 383: „JwötAm^, mytMscher Name einer Völkergchaft, dfe einen berQciitigteil Sclavenhandel t^ieb" veranlasst mich, an den Sikelem noch etwas dns- fQhrlicher zu zeigen, dass Homer acht geschichtliche Volker- nftmen äberüefert.

Dass die Siculer vor der nach ihnen benanuten Insel einen ziemlichen Theil des hesperischen Festlandes bewohn- ten, wissen wir aus Thucydides, welcher meldet, dass sie vor ihrem Üeberschreiten der Meerenge (300 Jahre vor der Ankunft griechischer Colonien auf Sicilieu) und noch zu seiner Zeit, Italien bewohnten, wo sie Spuren der ursprüng- lichen Anwesenkeit ihres Stammes gelassen hätten. Der Betrieb des Sclavenhandels, welcher ihnen nach Homer") nicht abgesprochen werden kann, setzt eine Seemacht vor- aus. Wirklich erscheinen sie im Texte des Meneptah mit den Schardana und Aqaiwascha als Völker, „die gekommen von den Landein des Meeres**, womit augenscheinlich Küstenstriche gemeint sind. Waren sie diesmal gegen Meneptah in ihrem unternehmen unglücklich 222 abge- schnittene Phallus und 250 ditto Hände bezddmen ihren Verlust an Todten; die Zahl der aus ihren in Gefeingen- schait und Sklaverei gerathenen steckt in der Gesammt- summe 9376, sowie ihre Waffen auch gemeinsdiafUich mit der übrigen Beute aufgefühi-t wird so konnten sie ein ander Mal Erfolg haben und selbst Schlaven und Schätze erbeuten. Wir treffen sie wirklich wieder unter BamsesIU. unter der angreifenden Coalition, leider wieder ohne Zahl, doch mit Abbildung. Was nun den Namen betrifft, soist Scha- kalscha mit Sixsldg leicht zu vereinigen , wenn man das Vage des ägyptischen a es ist = 6 im Namen der KXBondtqa und die von mir frühzeitig entdeckte Gelt- ung des altgriechischen Gdv = seh fiberlegt. Dieser breite

88) Cf. Ottlr. Muller £tru8ker p. 10.

Digitized by

Google

Lau(h: Die Achiver tu Äeffffp$en. 557

Zischlaut, den die altorthfimlidien Darier am längsten bei- behieltad und der noch heute bei den Palikaren von Aeolien gehört wird, ist, wie ich nachgewiesen^ auch palaeographisch aus dem ägyptischen seh ei entstanden, wie nicht minder das semitische uf. Dieser breiten Sibilante schlägt "im Aegyptisdien gewöhnlich ein a nach, das, nach Mascha* wascha = Mä^vsgj zu schliessen, nicht nothwendig lautirt werden muss. Es könnte aber auch, wie so häufig, nur eine graphische Metathesis für Schakelasch sein, womit man dem JkxsXog (man bemerke den Accentl) bedeutend näher kommt. Dabei bemerke man, dass der Schakalasch (Brugsch Geogr. II. p. 85) ganz dieselbe Federkrone trägt, wie der Pulista, Tekuri, und Daanauna, deren semiti- sches Gepräge augenfällig ist (Gf. Daneon portus maris rubri bei Plinius VI c. 29). Für den semitischen Ursprung der Sikeler spricht auch Sicania (vgl. Sicca Venerea = Succoth benoth) nach den Höhlen nl3P, welche jetzt noch bei Syraeus zu sehen sind (Seume Spaziergang p. 232.).

Welcher Sprache dieser Name angehört, ist demnach ziemlich leicht zu beantworten. Beachtet man den gleichen üebergang der Vokale, wie er in ofylog aCxXog siclus im Vergleidie zu JixsXög, Siculus, vorUegt, so ist man fast ge- nöthigt, Schakalscha mit dem semit. b\>\ff Schekel zusammen- zustellen. Dieser Name eines Gewichtes yon V* Loth oder eines Werthes von dem tevQddQax(iög^ stammt von der Wurzel Schakal „wägen*' was für ein handeltreibendes Volk eben keine unpassende Benennung abgeben würde.

Da uns unser ägyptischer Texji auch das Prototyp, von Tursce an die Hand gegeben hat, so wird es nicht überr flüssig sein, etwas bei diesem Namen zu verweilen. Die Tuirscha'*) verloren in der Schlacht von Paari 742 Phallus,

84) Das 8 0 ha anlangend, vergleiche men das Rexuscha = Rezns bei Monmisen: ünteritalisch. DialL p. 6. [1867. IL 4.] 87

Digitized by

Google

S68 SiUung der fi^ihsrpMlcl Ola$8e wm 7. Dezember 1867.

790 fläojde und eine eatsprecheiide Anzahl Gefangeoe. Es heiBst von ihnen, dass sie von den Ländern des Meeres ge-; kommen, dass sie den ganzen Krieg begonnen und ihre Weiber and Kinder mitgebracht hatten. Anf dem Schladrt- getbälde von Ramses UI. hat der Tuirscha eine feine, geradfvtehende Nase, langen Spitzbart; sein Helm gleidit den etrudrisohen Casketen, nur ist er etwas höher nnd spüi- zulaufend.

Schon hieraus ddrfte erhellen, dass die Tuirscha den tyrrhenischen Pelasgern entsprechen) wie Ton Ott! Mfiller und Lepsius schon längst behauptet worden ist. Da*- mit wird zugleich die alte Etymologie etwas bestätigt, wekhe diesen VoUfisnamen mit turris svQü&g Tharm m- sammenbrachte, weil die Tursker frühzeitig mit Mauern und Tkürmen befestigte Städte gründeten und bewohnten. Diese Gleichstellung verhiift uns vielleicbt zu der früher ^') ecken von mir ausgesprochenen Ueberzengttng , den die Tursker Indogermanen , also die etruskischen Inscbriftea demgemäss zu erklären sind. Indess, w^ui audi solche sprachliche Vergleichungen noch zu wünschen iibrig lassen, so werden ans dodi Texte der ägyptischen Denkmäler, wie der des Meneptah, zu einer ungleich besseren EenntmsB des Bealeu im Alterthume und bm den Klassikern Terhelfen, als sie mit den bisherigen Mitteln zu erreichen war. Möge Vorstehendes zu weiteren Forschungen auf diesem grossen Gebiete anregen.

85) „Die Gebart der Minerva auf der Cospianiscben Schale'' Progfamm des Wilhelms-Gymnaaiiiin« in Miknehen 1B52.

Digitized by

Google

e. Mofüm: B^ir^Lg» mr Elhnogva^Me etc, Ämenka*8, 668

Mathematisch-physikalische Olasse.

Siizuiig vom 7. Dezember 1867.

Der GlaBsensecretär Herr Geheimrath v. Martius 1^ der Qlasse seine:

jfBeiträge zur Ethnographie und Sprachen« kande Amerika's, zumal Brasiliens^' Tor, und bemerkt nach Anderm Folgendes:

Bei mir war durch die Ebrfahining von der ansser« ordentlichen Zersetzung und Vermischung der amerikanisdien BeiFölkerung die Annahme gewaltiger Katastrophen voibereitcit worden, welche gegenwärtig ihre Bestätigung in den merk* würdigen antiquarischen Entdeckungen in Guatemala , Hoa« duras und Mexico findet Die neuerlidi gewonnenen Thatsachen soheinen die Hypothese zu rechtfertigen : dass die Amerikaner, als ein grosses Ganze aufge&sst, sich dermalen bereits nicht blos in einem secundären sondern Tielmehr in einem tertiären Zustande befinden.

Da anthropologische Resultate, dergleichtti Torzugsweise in den Bereich der mathematisch-physikalischen Glasse fallen, bttt meiner ethnographischen Darstellung nothwendig in den Hintergrund treten müssen , so wage ich nicht ausfuhrlidier i9ber meine Arbeit zu referiren.

Nur das Einzige sei mir erlaubt hi^ noch auszufuhren, dass mir die Tupi-Sprache , welche g^enwärtig, mehrfaltig abgewandelt, zu einer Lingua franca geworden ist, ein Mittel aQ die Hand gegeben hat, yiele sogenannte Völkerschaften (Na^oes) als das zu erkennen , was sie in der That v sind, •ämlicfa einzelne Familien oder kleine Gemeinschaften, die

87»

Digitized by

Google

560 SiiMung der math-phys. Classe vom 7. Dezember 1867.

ohne eine abgeschlossene, ihnen eigenthüm liehe Sprache, in beständiger Vermischung mit Andern und in einem fort- währenden Umguss der Leiber begri£feD, in ihren Sitten und Gebräuchen aber zu einer gewissen Gleichförmigkeit mit vielen andern nivellirt sind.

In vielen Flussgebieten, deren jedes seine Natureigen- thümlichkeiten hat und dadurch das Leben der Indianer beeinflusst, haben sich die Nachbarn zu einer gewissen Ge* meinschaft zusammengelebt, und werden desshalb auch oft als ein grösserer und mächtiger Stauim mit einem Namen bezeichnet, so z. B. die Pamauris oder Purupurus am Pnruz, die Arinos und Guaupea an den Flüssen gleichen Namens. Sie sprechen aber nichts destoweniger in jedem Gau, im Gebi^ eines jeden Nebenflusses einen mehr oder weniger verschiedenen Dialekt (oder richtiger ein Kauderwälsch, Geri- gonza, Giria), worein Worte der Tupi-Sprache in versdiie« denem Verhältniss eingemischt sind. So schwinden die Hunderte von Nationen, die man nennen hört, in wenige grössere Gruppen zusammen; aber auch diese darf man nicht als Völker in historischem Sinne betrachten. Während des „todten^^ Schraubenganges, in welchem die Geschicke der amerikan- ischen Menschheit seit Jahrtausenden begriffen sind, hat keiner der gegenwärtig angenommenen Stämme ein hohes Alter. Es ist an diesen regellos umherschweifenden oder die Sitze wechselnden Menschen nichts so alt als ihre sich stets erneuernde Vermischung. Daher kommt es Huch, dass ein und derselbe Volks- oder Stamm-Name an Menschengmppen ertheilt wird, die weit von einander entlegen sind und in keinem näheren Verhältniss der Abstammung zu einander stehen. So ist z. B. der Name Gi-uara, d. i. obere Männer oder Leute die (weiter) oben wohnen, eine am hohen Ama- zonas und seinen südlichen Boiflüssen (dem Guallaga, Ucay- ale u. s. w.) weitverbreitete Bezeichnung für eine sehr gemischte Bevölkerung, und das Wort, in Jivaros, Jeveros, Jeberos

Digitized by

Google

V. MarUus: Beiträge swr Ethnographie etc, Amerika* e. 661

BiDgewaiidelt , bezeichnet oft auch keine reine Indianer-Ge« meinschaft, sondei-n Mischlinge von Negern and Gafusos (aus Indianer und Neger). Die Guajpunavis der Spanier am Orinoco und die Maquiritar^s , welche Alex. v. Humboldt als eine Yon den yier weissesten Naticmen am obem Orinoco nennt, lassen sich auch auf keine selbstständige Nationalität zurückfuhren. Der erstere Name bedeutet die Sperber-Männer (guibo, Sperber; aba zusammengezogen aus apiaba Männer), eine Bezeichnung, die vielen nomadisirenden Indianer gegeben und in der französischen Colonie in Emerillons übersetzt wird. Die Maquintares sind die Hangmatten-Diebe, die Ta- rianas die Diebe überhaupt, die Miranhas die herumstreifenden (nhanhe) Leute (Myra), die Giporocas, jene, welche ihre Häuser (oca) oben haben. Unter Birapugapara, die in Matto Grosso und am Tapajoz angegeben werden, ist keine Nation zu verstehen : es sind Vogelsteller nnd ebenso die Parapitat&s solche, die Nachts mit Feuer in den Kähnen zu fischen pflegen.

Der Tupi-Sprache angehörende Namen von Indianer^ Gemeinsdiaften kommen weit jenseits der Grenzen Brasiliens in der Guyana und in Venezuela vor, wie z. B. Gir4o-u4ra, Pfiohlbauten-Männer (Warraus).

Ausser den hie und da in Brasilien auftauchenden Tra* ditionen von den Wanderungen nach Norden und dem sieg- reichen Eindringen der kriegerisch wohlorganisirten Tupis zwischen die dort wohnenden Stämme, lassen viele Ortsnamen und Worte in der Sprache der Caraiben auf den antillischen Inseln unter dem Winde kaum einen Zweifel darüber, dasa man diese Tupis in nächste Beziehung mit dem sogenannten Volke der Caraiben bringen muss. Ja, noch mehr, ich halte mich zu der Annahme berechtigt, dass es ein einheitliches. Volk der Caraiben nicht g^eben habe, sondern dass die Tupis zwischen die dort hausenden Horden eindringend und sie unterwerfend oder zu Theilnehmem ihi*er Raubzüge

Digitized by

Google

888 SfUMwng der inath.-phys, Classe vom 7. Dtitmber 1867.

maohend Veranlassung gegeben haben, zu jener UntersoheidaiiK cwischen einer friedfertigen Bevölkerung und graneaaiea Anthropophagen (Caraiben, d. i. Cariaiba, böse Männer), welche schon Golumbns antraf. Sie setzten den überwandeneü Horden Häuptlinge (Porocotö, von Pora Volk und cotac ordnen), und die Bezeichnung von Cnmanacotes , Pariaccrtes für die Bewohner von Cumana und Paria, u. s. w. ist ein Best jener Hegemonie, während die Verbindung der sieg« reichen Eindringlinge mit andern Stämmen den Verlast ihrer Sprache und eine tiefgreifende Vermischung der leib* liehen Typen zur Folge gehabt hat. Aud^ in der Sprache der Insel - üaraiben finden sich Beweise fOr diese Annahme, indem sie viel^ Tupi- Worte verdorben enthält. So ist z. B. der-Amazonenstein, ein Amulet oder „Zauberstein'^ Jta carao EU Tacaoua oder Taculoua geworden. Auf Trinidad und mehreren der kleinen Antillen stiessen diese kriegerischen, sich t\x Wasser und zu Land ausbreitenden Tupis unter an- deru Stämmen auch auf die milderen Arawaken (Aruac), welche fleissig Mandioccamehl (Arn) breiteten, und desshiüb die „Mehlmänner'' genannt wurden. Bis in das Mosqoitos- Land drangen diese Tupis vor, und zahlreiche Ortsnamen bezeugen, dass sie hier, an der Küste, zur Zeit vorherrschten.

Digitized by

Google

V. KobtM: Tjfp. %Hd empir. Fonnelm in d$r JtfMfilcyif. M3

Ikrr T. Kobell liest

„tJ6ber die typischen und empirischen For- meln in der Mineralogie^'.

Die Typentheorie wählt bekanntlich gewine chemisdi« Vco'bindungen als Typen fiir andere, welche mit Auslausch ihrer Elemente nach Atomen oder auch Atomgruppen jeuen glsichgebildet eascheineji. Dia wichtigste Bolle spielt nament- ligh für die Oxyde und Ozydverbindungen dar Typvu des Wafisea*», indem dessen Wasserstoff durch die Elemente aolcher Verbindungen, welche nicht Sauerstoff sind, in der Art ei-satzt wird, dass von diesen entweder 1 Atom auch 1 Atom Wasserstoff ersetzt, oder dass l Atom 2 Atomf Wasserstoff ersetzt oder 3, 4, 6 etc. Diese Stsetzungs* fahigkeit veischiedaner Elemente hat man deren Atomig* keit genannt. So sind Chlor und Fluor dnatomig, weil 1 Atom derselben 1 Atom Wasserstoff ersetzt, ebenso Kalium, Natrium u. a,; dagegen sind Sauerstoff, Schwefel, Calcium, Magnesium etc. zweiatomig und ersetzt 1 Atom derselben 2 Atome Wasserstoff; Silicium ist yieratomig, Aluminium sechsatomig u. s. w.

Die neuere Chemie hat die Atomigkeit der verschie- denen Elemente oder auch gewisser Gruppen derselbe (Ra- dikale) ausgemittelt und danach chemische Formeln ent- worfen und sind die in der Matur vorkommenden Silicate von ihr dem Typus des Wassers zugetheilt oder auf analog gebildete Kieselsäuren (Kieselsäurehydrate) bezogen worden.

Es entsteht nun die Frage, ob es für die Mineralogie zweckmässig sei, ihre bisherigen chemischen Formeln auf- zugeben und die neuen der Typentheorie einzuführen« Eine Betrachtung der Silicate in dieser Beziehung dürfte zur Be» antwortttog dienen.

Digitized by

Google

564 SiUf^t^g der maiK-phys, (Mue vom 7. BtMmber 1667.

Was zunächst das Hypothetische an den älteren und neueren Formeln betrifil, so haben beide daran gleichen Antheil, denn in welchem Zustande die Elemente in einer chemischen Verbindung wirklich yorhanden^ wissen wir nicht, und die Begriffe der Atomigkeit und die Aufstellung der Radikale haben das Gebiet der Hypothesen eher erweitert als verringert*).

£s handelt sich daher bei den Formeln wesentlich darum, mit Hilfe von Hypothesen solche zu geben, welche der Art und dem Verhalten der betreffenden Verbindung möglidist entsprechen und geeignet sind, eine Vergleichung mit andern in einfacher Weise zu vermittelo, auch Anhalts- punkte zur Beurtheilung der Analysen isu geben und an« wahrscheinliche Verhältnisse als solche zn kennzeichnen. Dabei offenbaren sich gewisse Gesetze, welche an den ein- facheren Verbindungen zunächst erkannt, in den complicir- teren wiedergeftinden werden und die Gombinationen regeln und beschränken.

Wenn die Mathematik angiebt, wie aus einer bestimm- ten Krystallform alle übrigen, die man kennt oder die man haben will, abgeleitet werden können, so offenbart sie da- mit kein Naturgesetz, und wenn jedes Silicat, auch ein ganz willkührlich erdachtes, auf eine Siliciumsäure bezogen und dem Typus des Wassers zugethdlt werden kann, so ist da- mit ebensowenig ein Naturgesetz angezeigt. Das ist aber nach den neueren Anschauungen bei den Silicaten der Fall.

Weltzien*), welcher den grössten Theil der bekannten Silicate berechnet und nach der Anzahl der Siliciumatome classificirt hat, fuhrt über 100 SiUciumsäuren (Eieselerde-

1) Yergl. Wittfltein pWiderlegang der chemisohen Typenlehre. München 1862.''

2) Systematische Uebersioht der Silicate. GieMen 1864.

Digitized by

Google

V. KoiHÜ: Typ. und empir, Formdn in der Minerätogie. 665

hydrate) an und darunter Reihen von gleichem Silicinm- gehalt, deren gesammte Sanerstoffatome sich in fortlaufen- den Zahlen von 15 bis 28 und von 19 bis 36 steigern; diese Säuren sind, ein Paar ausgenommen, ^sämmtlich hypo- thetisch und da keine Schranke besteht, dergleichen noch mehr anzunehmen, so erscheint jedes Silicat als gesetzmässig gebildet, wenn es auch ganz beliebig construirt ist. Da nämlich die Atomigkeit der in den Silicaten vorkommenden Elemente doppelt so gross genoipmen ist, als die Zahl der Sauerstoffatome, welche sich mit ihnen im Silicat verbinden, so muss immer eine Mischung vom Typus des Wassers ent- stehen. So ist AI + 30 = 6H + 30;

Ca + 0 = 2H + 0; + 0 = 2H + 0 u.s. w.

Die Kieselerde wird Si gesetzt und ihre Atomigkeit als IV angenommen, es verbinden' sich also n At. Silidum mit 2n At. Sauerstoff und da n At. Si = 4nAt. H, so stellt sich der Wassertypus her, da 4 At. H + 2 At. 0 = H =

Wasser. Es ist noch streitig, ob die Kieselerde Si oder Si, wenn letzteres angenommen wird, so müsste die Atomigkeit der Kieselerde auf VI erhöht werden, dann wäre es wieder das Nämliche. Ich habe mehrmals daran erinnert, dass wenn man sich für Si auf den Isomorphismus gewisser Fluoride mit Zinn und Silicium beruft, doch die zunächst liegende und überall zu beobachtende Thatsache, dass der Quarz und der Zinnstein nicht entfernt isomorph sind, auch in Betracht zu ziehen sein dürfte und dass dieses Verhält- niss mehr für eine verschiedene als für eine analoge Zu- sammensetzung der betreffenden Oxyde spreche. Um ein Beispiel zu dem oben Gesagten anzuführen, so ist die typische Formel des Leucit

Digitized by

Google

fi66 SitMung der matK-phifs. CUs8$ vom 7, Dumber 1S$7.

AI Ö"*)

entsprechend: Kieselerde 54,9 Thonerde 23,6 Kali 21,5

.

100

Wenn

man diese

Mischung

um

ein

Kleines

verändert^

. Batst:

Kieselerde 56,4

Thonerde

23,8

Kali

20,8

100

so giebt die Typentheorie ohne Schwierigkeit die Formel

Si"l ▼I In*«

K^

Bei einer Reihung der Silicate nach der Zahl dar Silicium-Atome kämen diese Mischungen weit auseinander, obwohl sie sich so nahe stehen , dass die Differenz als un- wesentlich betrachtet werden muss. Dieses Nahestehen tritt aber beim Anblick der Formel nicht sogleich hervor. Sucht man dagegen, nach der bisher üblichen Weise eine Formel für das letztere Silicat, wie es vorliegt, so gelangt man zu keiner annehmbaren und hat keinen Grund eine solche Ver- bindung als eigenthümliche Species anzue^-kennen. £s ist gewiss, dass das Vertheilen der Kieselerde unter die Basen nach den üblichen Formeln sehr verschiedene Ansichten zu- lässt und schwer zu erweisen, ob diese oder jene berech- tigter sei, das Umgehen solcher Schwierigkeit, indem man

•) 8i = 28, Al = 65, K = 89, 0 :;= 16.

Digitized by

Google

r. KobeR: Typ. unü tmpir, Form^ in der Mineraiopit, 867

wmt die Zahl der Atome der oonslitilirendeii Elemente an« giebt, egitspricht aber noch weniger, denn bei jener Ver* theilang wird^ man wenigstens auf gewisse Unwahrsclieinlich- keiten der Auffassung aufmerksam gemacht, bei der blossen Angabe der Zahl der Atome und des höchst elastischen Typus aber nicht.

Was die Reactionen und die Vorgänge bei chemischen Zersetzungen betrifft;, so lassen sich diese mit den typischen Formeln in vielen Fällen einfacher erklären als mit den nichttypischen und bieten auch jene mannigfaches Material zu interessanten Speculationen , gleichwohl stehen sie in anderen Beziehungen den letzteren nach. Die nichttypischen Formeln zeigen die näheren Verbindungen der Elemente, wie sie durch die Analyse zur Charakteristik der Verbind- ung in Betracht kommen, während man sie aus den typi- schen meistens erst herstellen muss und wie dieses txt g^ schehen habe, muss man anderswoher wissen und giebt das Zeichen darüber keinen Aufschluss. Wm* den Leucit ftls «it Silicat erkennen will, muss aus ihm Kieselerde darstellen

und die Formel KaSi + AlSi» oder Ka^Si* + 3AlSi* zeigt diese Kieselerde unmittelbar an; nach der typischen Formel muss er wissen, dass dem Siliciuro, welches sie an- giebt, so viel von dem Collectiv-Sauer^toff der ganzen Ver- bindung angehört, dass es zur Kieselerde wird und während die gewöhnlidien Formeln ohne weitere Betraditungeü und Erwägungen sagen ob in der Kieselerde 2 oder 3 Atome Saaerttoff angenommen seien, ist dieses bei den typischen Formeln nicht der Fall und muss erst mit Berücksiditigaog der anderen Oxyde ersehen werden. Ebenso iet es bei den sog. empirischen Formeb, weide wie die typiscfacO) nur ohne Bücksicht auf das Getets eines Typus , das relativ« Verhältniss der Zahl der Atome verbundener Elemente an* geben; ein Verhättnis6| welches sich auch aoi den gewöhn-

Digitized by

Google

568 SUäung der math.-phfs. Clasae t<m 7. Deuwiber 1867.

liehen Formeln leicht herausfinden lässt, indem man die Zahl der gleichartigen Atome addirt. So ist die ältere

rationelle Formel desPIagionit i^b^*§^b* nnd man erhält die empirische leicht = Pb^*S-b*S^'; die letztere Formel zeigt aber nicht wie die erstere an, dass das Mineral einer Ver- bindung von 4 At. Galenit nnd 3 At. Antimonit gleich- komme und dass, wie es der Fall, das ^h des letzteren durch Kalilauge extrahirt und an dem durch Ansäuren ent- stehenden charakteristischen Präcipitat leicht als solches er- kannt werden kann.

Aus den bisher angeführten Beispielen ersieht man auch, dass weder die typischen noch die empirischen For- meln in Beziehung auf Kürze einen besonderen Vorzug vor den gewöhnlichen haben und wenn auch Rammelsberg's

Formel für den Nosean = NaCl + 3(NaSi + JÜSi)

+ 10(NaS + 3(NaSi + AlSi) lang genug ist, so ist die typische

Si"

(SO») "

AI" Na»»

Ot84 Cl»

auch nicht viel kürzer oder einfacher zu nennen.

Strengt) hat in einer sorgfältig gearbeiteten Ab- handlung die angenommene Atomigkeit der Elemente für das Verhältniss der Isomorphie mehrerer Silicate bespro- chen nnd ist, indem er auch die Atom- Volume berücksieb- tigte, zu dem Schlüsse gekommen, dass in gleichgestalteten Verbindungen sich die Bestandtheile nicht nur nach einzeben Atomen yertreten und ersetzen, sondern an die Stelle Ton

4) Neues Jabrbueh Üar ttineralogis von 6. Leonhard und B. GeiniU 1866 p. 411.

Digitized by

Google

V. Kobeüi ^yp. und empir, Fwmefn tu der Mmerälogis. 569

a Atomen des einen Körpers können b Atome eines anderen

treten ohne Aenderung der Form, wenn die sidi ersetzenden

Mengen chemisch gleichwerthig oder äquivalent sind, n IV So ist nach ihm R^Si'O^ isomorph oder isomorpher

n Ti IV VI

Vertreter von R'APO* und werden 3Si durch 2 AI ersetzt,

indem beide 12 chemische Einheiten repräsentiren , ebenso VI VI n n VI

ist 3K isomorph mit ^e; 3 Fe isomorph mit 9R; RAl isom. IT n VI IV

mit Si«; R«AI* = 7Si etc.

Die Formeln für den Anorthit und Albit schreibt Streng, um eine allgemeine üebereinstimmung derselben zu erzielen, wie folgt:

n VI \

iit = n VI > Si4 0 RAl J

^.. RAl I IV n

Mt = nr V Si4 0

Si2 I

Anorthit = n vi [ Si4 0 16 Albit = IV > R-^ n jg

und leitet die zwischenliegenden Feldspathe ans der Ver-

n VI IV

tretung von R AI und Si 2 in verschiedenen Verhältnissen ab. Für den Mejonit, Sarkolith und Hnmboldtilith , welche isomorph, schreibt Streng:

Mejout = rt \ Ai2 8i9 036 A12|

R6

SarkoUth = po

TI

AI

VI IT n AI2 Si9 036

n X

Hnmboldtilith = n > Al2 Si9 086 R6 I

Digitized by

Google

S90 Sämmff der fnath.'*ph9$. Otnse «om 7. Beamter JMf .

Dem Epidot aad Oiibit, irelcke mit dem Mejonit toi analoger Zasammenartznng aber toq sehr teisdiiedflDar Krystallisation, giebt er nachstehende Formeln, obwohl sie unter die vorhergehenden eingereiht werden können:

Epidoth = VI } Al3 Si9 036 AI

iit = „'^ i^ R3 )

IV n

Orthit = n > A13 Si9 036

£8 sind dieses Anwendungen bekannter in der Typeit^ lehre aufgestellter Vertretungen, welche sich aber, einfacher so bezeichnen lassen, ^»m man sagt, Oxyde und Ozyd- verbindungen vertreten (ich isomorph, wenn die Zahl ihrer Sauerstoffatome gleich ist, wie das schon von Laurent and

Dana*) ausgesprochen warde; 2 Al = 3 Si; 3 R = Fe;

3 Fe = 9 R; RAl = 2 Si; R^Al* = 7 Si etc. So hat Dana aufmerksam gemacht, dass man die Formel des

Granats R«Si + AlSi auch schreiben kann (VtR'+ VtAl)Si und hat in dieser Weise den Isomorphismus von Augit und

Spodumen erklärt Augit = R»Si*, Spodumen ;= (R»,Ä)Si\

genauer (V6R*+*/6Ä)Si«,

Die Räthsel des Isomorphismns seheiBen seh gleichwohl mit den Versuchen ihrer Lösung nur zu mehren und die Verhältnisse des JPseudodimorphisn)U8 von Descloizeaux*), wonach kalkhaltiger Pyrozen klinorhombisch, kalkfreier rhombisch und dior iPMgaohaltige Rhodonit klinorhomboi- disch krystallisiren , wonach da« schwefelsaure Kali rhom-

5) James D. tena ^ Spt«n of M ineralogy tS54^. p. 90a

6) M6m. 8ur le Psendodimorfhisme etc. Ann. de Cbimie et da Phyrique. 4. ser. t. L

Digitized by

Google

V. Kobdl: Tffp, und empir, Formeln in der Mineralogie. 571

bisch, mit theilweiser Vertretang durch Natron aber hexa- gonal; diese Veiiiältnisse werden zn emem neuen Hinder- niss der Erkenntniss , denn danach können Mischnngstheile unter Umständen vollkommen isomorph und doch auch wieder, und sogar in dreierlei Krystallsystemen heteromorph sich zeigen, wie denn ihrerseits die Typentheorie in manchen Fällen dasselbe Atom zwei- vier- und sechswerthig auftreten lässt oder das einfache Atom zweiwerthig, das doppelte aber sechswerthig, die Radikale CIO, CIO« und CIO» gleich- werthig u. s. w.

Aus dem Gesagten aber dürfte genügend heryorgehen, dass es zur Zeit kein Bedür&iss sei, die typischen oder auch die empirischen Formeln dtatt der bisherigen in die Minera- logie einzuführen.

Digitized by LjOOQIC

572 ßitzung der math.-phya. Classe vom 7. Dezember 1867.

Herr v. Pettenkofer trägt vor:

„Ueber den Stoffverbrauch eines Znckerharn- ruhr-Kranken von ihm and Herrn Prof. Dr. Carl Voit."

Schon in der Sitzung am 10. November 1865 haben wir über das Resultat eines Versuches berichtet, den wir' mit einem Zuckerharnruhrkranken angestellt. Die wdtwe Untersuchung führte uns auf die Nothwendigkeit von Stoff* wechselversuchen mit dem normalen Menschen, worüber wir in den Sitzungen vom 10. November 1866 und 9. Februar 1867 der Glasse Bericht erstattet haben. Wir theilen nun einiges von den weitem Ergebnissen unserer Untersuchungen mit dem Diabetiker zum Vergleidi mit dem normalen Menschen mit.

Vom August 1865 bis "August 1866 haben wir an dem- selben diabetischen Individuum sieben 24stündige Beobacht- ungen im Respirationsapparate unter Berücksichtigung aller Einnahmen und Ausgaben des Körpers angestellt und haben zwei davon in 12stündige Abschnitte getheilt. Ausserdem hat einer von uns, (Voit) noch eine Anzahl von einzelnen Bestimmungen nur der Ausscheidungen durch Darm und Nieren im Zusammenhalte mit dem Genuss verschiedener Kost gemacht, die iii der Zeitschrift für Biologie mitgetheilt werden sollen, in der überhaupt eine ausführlichere Dar- stellung unserer Untersuchungen demnächst erscheinen wird.

Die folgende Tabelle enthält die Zahlen über die in der Respiration ausgeschiedenen Menge (Gramme) Kohlensäure, Wasser, Wasserstoff- und Grubengas und über die aus der Luft aufgenommene Menge Sauerstoff; dann die sogenannte Verhältnisszahl, nämlich den Quotienten, wie viel Procent« des aufgenommenen Sauerstoffes in der Form von Kohlen- säure wieder ausgetreten sind, ferner über die im Harn ausgeschiedenen Mengen Harnstoff und Zucker; endlich das Körpergewicht des Kranken zu Anfang und am Ende jeden Versuches in Kilogrammen.

Digitized by

Google

«. FttHtOoofer: ■ßtoffm^raueh bei Zmeksilumtnaif.

578

3:i

i«2

.K.2

.6

><^

39

CO CO

o

^11 i

kOkO < ;d ooc

s

00^

wo«

00 00

SS

00 C9 CD

o e^oo

t* t* 05

sss

Si

ooS

il:

eoe^iH

SS

SS

t^eo mici

tO kO

2to

SS

3»!

kO

g

s

^ i

i

I r

CO

IP'^

!

I

I

1%

I

DQ

I

SS 1^1

^

^

[1867.

IL4.[

a0pen|O0a&ii« { ""^^

ii9pen[OM80ii«

uoi)«jndM|[ Jap vi

nng im

Digitized by

Google

574 SiiMm^ der wmth.-phyi. CUme vom 7. Deämiber 1867.

Die Versiiche wurden ebenso wie beim Gesunden bei verschiedener Emä^ung, ja einer selbst bei Hunger ange- stellty wozu sich der Kranke, der noch lebt, bestimm^i liess, obschon ein fast unersättliches Verlangen nach Speise zu den constanten Symptomen seiner Krankheit gehört. Um ihm den Hunger erträglicher zumachen, reichten wir ihm in seinem Getränk, das nur ans Wasser bestand, in 24 Stunden eine geringe Menge Fleischeztrakt, was #ir auch bei den Hungerversuchen mit dem normalen Menschen gethan hatten.

Ueberblickt man die Zahlen der einzelnen Versuche und vergleicht man sie mit denen des normalen Menschen , so treten gewisse Unteisdiiede mit aller Bestimmtheit hervor. Betrachten wir vor Allem die Grösse der Stickstoffausscheid- nng im Harne, so finden wir mit Ausschluss der beiden Versuche bei Hunger und bei eiweiss- (Stickstoff-) freiar Kost im Mittel 65 Grmm. Harnstoff in 24 Stunden, währ^id unsre Tabelle vom normalen Menschen nur ein Mittel von 44 Grmm. ergiebt. Man sieht, dass die Siweisszersetznng im Körper des Diabetikers eine viel grössere als beim Ge- sunden ist, was auch schon Houghton ^) und Andere beobachtet haben. Die mittlere Kost, welche den normalen Menschen im Stickstoffgleichgewicht erhielt, und ^obei er etwa 28 Grmm. Harnstoff ausschied, reichte dem Diabetiker (Versuch m), nicht aus, welcher dabei 48 Grmm. Harnstoff entleerte.

Er scheint eine reichliche Zufuhr von Eiweiss audh viel schneller und leichter zu zerstören, als der Gesunde, und damit sein Vorrathseiweiss nur sehr wenig oder nur auf sehr kurze Zeit, sein Organeiweiss gar nicht vermehren zu können; denn seine Hamstoffausscheidung steigt und fallt mit der Eiweisszufuhr viel rascher, als beim Gesunden. Die eiweissreiche Kost des Gesunden (Versuch X) enthielt 43 Gnnm. Stickstoff, die Fleischkost des Diabetikers (Versuch V) 46. Davon schied der Gesunde am ersten Tage nur 67, der

1) On Diabetef mdlitus. Dublin 1861.

Digitized by

Google

V. TtlUntofer: Staffoerbmueh hei Zuekerhammkr. 575

Diabetiker schon 74 Procent wieder ans. Ebenso verhalt sich andi das Fallen bei mangelnder Zufuhr. Wenn man bei den Hungeryersnchen den Harnstoff, welcher dem Stick- Btoffgehalt des gereichten Fleischextraktes entspridit, in Ab- rechnung bringt, so schied der normale Mensch am ersten Hungertage (Versuch I) noch 24.3, der Diabetiker nur mehr 20.5 Harnstoff aus, obwohl dieser unmittelbar vor dem Hunger eine viel grössere Hamstoffzahl hatte als der Ge- sunde. Hiemit stimmt auch ganz das Resultat überein, welches die Versuche mit eiweissfreier E'ost ergeben haben. Der Gesunde, dessen Hamstoffzahl 40 selten überschreitet, schied bei diesem Stickstoffhunger (Versuch XII) noch 27.7 Harnstoff aus, der Diabetiker, der für gewöhnlich viel mehr Harnstoff ausscheidet, nur mehr 19.4.

Diese Thatsachen lassen also von zwei entgegengesetzten Richtungen her nur zu deutlich das gleiche Resultat er- Icennen, dass nämlich der Diabetiker das in der Nahrung enthaltene Eiweiss nicht wie der Gesunde zur Vermehrung seines Vorrathes im Körper und seiner Organe, sondern nur zur raschen Zerstörung und Ausscheidung zu verwenden vermag. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass damit theil- weise auch das unaufhörliche Gefühl der Erschöpfung und der Ermüdung und des Hungers zusammen hängt, wor- über diese Kranken beständig klagen.

Beim Gesunden steigt mit der Zufuhr und dem Um- sätze von Eiweiss auch die Menge Sauerstoff, welcher aus der Luft aufgenommen wird, (Banting-Gur) beim Dia- betiker ist die Sauerstoffaufhahme bei gleichem Eiweiss- Umsätze wesentlich geringer, wie beim Gesunden. Das geht übereinstimmend aus allen Versuchen hervor. Es finden sich unter den am normalen Menschen angestellten einige, weldie nahezu den gleichen Stickstoffumsatz nachweisen, wie in entsprechenden Fällen beim Diabetiker, z. B. das Mittel der beiden Versudie X und XI mit eiweissreicher

38*

Digitized by

Google

576 SiUvng der math.'phys. OoBse vom 7. Desemher 1867.

Eo9t beim Gesunden und der Versuch V mit reiner Fleisch- kost beim Diabetiker. Das Mittel der Versuche X und XI ergiebt in 24 Stunden 61 Grmm. Harnsto£Fy der Versuch mit dem Diabetiker 62. Unter diesen Umständen zeigt dox Gesunde eine Sauerstoffaufnahme von 863, der Diabetiker nur von 613. Ebenso lehrreich sind die Versuche mit mitt- lerer Kost, bei denen der Gesunde durchschnittlich 830 Grmm. Sauerstoff, der Diabetiker, nur 680 au&ahm, ob- schon er einen noch hohem Eiweissumsatz hatte, als dar Gesunde. Nicht minder beweisend sind die Versuche mit eiweissfreier Kost, bei welcher der Gesunde 850, der Dia- betiker nur 610 Grnmi. Sauerstoffaufnahme zeigt.

Am schlagendsten aber ist der Hungeryersuch. Der Ge- N Sunde schied im Mittel nach Abzug des auf das Fleisdi- extrakt treffenden Harnstoffs 23 Grmm. Harnstoff aus, der Diabetiker nach Vornahme derselben Gorrektion nahezu 21. D^ Gesunde nahm dabei 760, der Diabetiker nur 344 Grmm. Sauerstoff auf, mithin weniger als die Hälfte.

Wir haben in unsrer ersten Mittheilung schon die An- sicht ausgesprochen, dass die verringerte Sauerstoffaufnahme zu den wesentlichsten Momenten der Zuckerhamruhr gehöre. Kühne meint in seinem jüngst erschienenen yortrefftichen Lehrbuch der physiologischen Chemie, diese Ansicht könnte ein Zirkelschluss sein, die Sache verstehe sich aus der ge- steigerten Zuckerbildung überhaupt von selbst. Wir glauben aber, dass den nun vorliegenden Thatsadien gegenüber jeder Zweifel schwinden muss. Man weiss ausserdem mit aller Bestimmtheit, dass nur. die Eiweisskörper (wesentlich die Blutkörperchen) das Geschäft der Condensation des in der Atmosphäre enthaltenen Sauerstoffes und dessen Einfuhrung in den Kreis des Stoffwechsels besorgen: wenn man niin thatsächlich wahrnimmt, dass der Diabetiker bei einem gleichen, ja selbst bei einem grösseren EiweissstoCwedisel viel weniger Sauerstoff aufnimmt, als der Gesunde, dalBr

Digitized by

Google

«. P^ttetikafkr: Sioffverbrauch bei Zmekerhamn^. 577

aber Produkte des Stoffwecbsels, wie den Znoker, deu der Gesunde nur zu Kohlensäure und Wasser verbrannt aus« 8<dieidet, unverändert von sidi giebt, so wird man wohl Bidit leicht anders schliessen können, als wir gethan haben.

Es wäre nur denkbar, dass nicht die verringerte Sauer- stoffaufhahme, sondern nur eine vermehrte Zuckerbildung die nächste Ursache der Zuckerausscheidung sei, wenn man annebmen dürfte, dass unser Organismus bestimmte Vorrichte ungen^ besässe^ welche von dem aufgenommenen Sauerstoff nur einen bestimmten Theil zur Zuokerverbrennung , den ibrigen au andern Verbrennungen in Bereitschaft setzten. Dieser Ansicht steht aber die Thatsache entgegen, dass der Gesunde die verschiedensten und wechselndsten Mengen Zocker, Fett u. s. w. zu verbrennen im Stande ist, wie aus uisem Versuchen an dem normalen Mensdien hinreichend hervorgeht. Mit andern Worten, wenn wir einem Gesunden verhältnissmässig dieselbe Menge Zucker reichen, die ein Diid)etiker erzeugt und unverbrannt im Harn entle^, so wnrd der Gesunde bei dem ent^rechenden Eiweissumsatse dieeen Zucker doch verj^rennen, mit noch andern Worten: selbst der reichlichste Zuckergenuss ist nidit im Stan^y Diabetes mellitus zu verursachen, denn es treten nur Spuren von Zucker in den Harn über, wenn auch sehr grosse Mengen auf einmal genossen werden, und somit ist auch weht denkbar, dass eine blosse Steigerung der normalen Zucker- bildung einem Menschen Zuckerfaarmruhr verursachen könnte, wenn diese Steigerung nicht zugleidi mit einer verhältniss-* massigen Verringerung der Saueretoffauftiahme zusammenfällt.

Wie das nun zugehe, dass beim Diabetikter der Zucker« sowohl der von Aussen eingeführte, als der im Organismuss erzeugte, den Sauerstoff zu seiner Verbrennung nicht findet^ sondarti im Harn austritt^ darüber wagen wir vorläufig keine bestimmte Meinung su äussern : aber wir glauben durch «nsere Antidit auf keinen ^Irrweg sn leiten und glauben.

Digitized by

Google

S78 SUnmg der maith,-ph^$, Gkmse v&m 7. De9mber 1$67.

isM in der von ans eingeschlagenen Biditong die Antwort anf die Frage zu finden sein mässte.

Der Stofiweohsel des Diabetikers im Hungerzn^ande ist so lehrreich nnd wichtig, dass wir noch näher daraif eingehen müssen. Wir wissen dnrch imsere Untersadumgen, dass der normale Mensch im Hongerzostande aasschliesslich von Fleisch (Eiweiss) und Fett seines Körpers and vom Sauerstoff der Luft lebt Wir vermögen nun aoch für den hongemden Diabetiker eine Stoffwediselgleidiung ante- stellen, aus der sich anf den ersten Anblick zu ergeben scheint, dass er ebenso von vorräthigem Eiweiss und Tvaubenzucker lebt, wie der hungernde Gesonde von seinem Eiweiss- und Fett-Yorrath. Aus der StickstofiMis* Scheidung beim Hungerversuche ei^^iebt sich, dass der Kranke so viel Eiweiss zersetzt haben musste^ alsSlTOrmm. Fleisch entspricht. In der Kohlensäure der Respiratioo wurden 137 Qrmm. Kohleostoff entfernt, wovon 35 dem Eiweiss entstammen konnten, nachdem sich die Elemente des HamstofilB abgetrennt hatten. Denkt man sich die übrigen 102 Kohlenstoff als Zocker, so waren zur Verbrenn- ung der beiden Gruppen 114 + 272 Sauerstoff ndtMg. Vergleicht man die auf diese Art berechnete (886) mit der durch den Versuch gefundenen Menge (344) Sauerstoff, so reicht der angenommene Sauerstoff nicht einmal ganz zor Bildung der Kohlensäure aus, die theilweise anf Kosten des SaoerstoffiB im Wasser, durch eine Art Gährong, bei welcher H oderCH| auftritt, entstanden gedacht werden könnte. Die Mloiden 42 Grmm. Sauerstoff erforderten das Airftreten von etwa 5 Grmm. Wasserstoff, einer Menge, die in den Versm^eU; wo sie wirklich bestimmt worden ist, viel mAt als erreidit wurde.

Wir können aber auch annehmen, dass der Kohlenstoff der Kohlensänre in der Respiration nicht von Flrisdi imd ZndKT, sondern wie beim bogeiiidan Gesonden von Fleisdh

Digitized by

Google

imd Fett geliefert worden sei, imd daan sehen, wie bei dieser Annahme Rechnung und Versuch zosammenstimmen. In diesem Falle wäre zur Bildung der Kohlensäure 486 Grmm. Sanertoff nöthig gewesen, was also die wirklich beobachtete Menge um mdir als 140 Qrmm. hinter sich lässt.

Dieses Verhältniss tritt audi nodi bei, einer andern Rechnungsart des Hungenrersuches hervor, zu welcher wir die Daten in der Zeitschrift für Biologie mittheilen werden. Stellt man sämmthche Einnahmen und Ausgaben einander gegenüber, so findet man, dass der Körper in 24 Stunden

161,8 Kohlenstoff \ , .

10,8 Stickstoff »verloren und

um

63,7 Wasserstoff \ zugenommen hat (wesenüidi yom ge- 479,4 Sauerstoff I trunkenen Wasser).

Rechnet man nun aus der Stickstoffausgabe den Ei- weiss- (Fleisch-) Umsatz, so ergeben sich 72 Grmm. trocknes FMsdi mit 89,6 Kohlenstoff,

6,4 Wasserstoff, 10,8 Stickstoff und 16,2 Sauerstoff. Setzt man die Elemente des Fldsdies in Einnahme, so bleibt noch eine Abnahme von 122,2 Kohlenstoff und dne Zunahme yon 68,3 Wasserstoff und 468,2 Sauerstoff. Diese 122,2 Kohlenstoff lassen sidi nun in einem Falle ids Zucker, im andern als Fett in die Redinung einfthren. Sttokstoff und Kohlenstirfr der Einnahmen und Ansgabea heben sieh hiebei auf, es bleibt ein Ueberschuss yon Wasserr Stoff und Sauerstoff, die sich naturgemäss zu Wasser er- g&nzen sollten. Je näher dieser Rest oder Ueberschuss der beiden Elemente mit der Zusammensetzung des Wassers stimmt I desto grosser ist die Wahrsdieinlichkeit Uhr die* Bichtigheit der hypothetischen Annahme. löh lasse die Rech- noBg niit den beidta Aonahmen folgen :

Digitized by

Google

Erster Füll mit Znoker.

Einnahmen.

c.

H.

N.

0.

Wasser, FleisoheKtrakt und

SanerstofF aus der Luft

7,0

2»0»4

3,4

2062,4

Eiweiss vom Körper

39,e

32,1

10,8

290,1

Zucker

122,2

20,3

162,5

168,8

342,8

14,2

3055,0

Ausgaben.

Hartt, Koth und Respiration

168,8

226,7

14,2

2183

Di^renz

110,1

872

116 Wasserstoff erfordern 928 Sauerstoff zur Wasser- bildung, also 56 mehr als die Hypothese mit Zucker ergiebt.

Zweiter Fall mit Fett.

. ; . ^innahiuen.

C.

H.

N.

0.

Wasser,, Fleischestrakt und

Sauerstoff aus der Luft

7,0

290,4

3,4

2662,4

Eiweiss vom Körper

39,6

32,1

10,8

230,1

Fette

122,2

17,0

15,5

168,8

339,5

14,2

2908,8

, ,. Aasgaben.

Harn, Kpth und Respiration

168,8

226^7

14,2

2182

Differenz

112,8

725

112,8 Wasserstoff erfordern 902 Sauerstoff, um Wasser ztt bilden«

Mao sieht, wie viel mehr die Be^nung stimmt, wichet a^ die Hypothese geigründet ist^ dass die 122 Gtrmm. KoUeo-^ st^ in der Form von Zucker, als in der Form Tcn Feit^ beim Stoffwechsel betheiligt waren. Jm eisten Falle differirt B^hnang und Hypothese nur um 54, im xweitan Falle wm 1;7:7 Sauerstoff, so dass der Unterschied mehr als ein dreir fa^er kt.

./. i)asf(, in. jedem Falle Waseerstaff im UebeprschiiBs ec^ scheint, könnte auffallep^ e?kläjri sich aber s^ eiii&«h m%:

Digitized by

Google

dem Umetande, Abb» die Bestimimuig des gasförmig aag- tretenden Wassjerstoffs bei diesem RespirationsTersuche nichi gemacht wurde und zwar aas dem Grande, weil wir zur Sidierheit die Eohlensäare- und WasserbesUmmting doppelt maoben mussten, woza wir aller 4 Untersucfaungspumpeii des Apparates benöthigt waren, von denen sonst 2 zur Be^ Stimmung yon H und GH, dienten. Für den Fall nämlidi, dass die einfache CO^ oder HO-Bestimmang durdi einen Zufall verunglückt wäre, hätten wir den ganzen Versuch wiederholen müssen, und wir hatten Ursache za zweifeln, erstens ob der Kranke mh nochmal dazu entschliess^ würde und zweitens, ob wir den Hungerversuch mit ilua überhaupt nochmal wagen dürften, da er der Natur seinee Krankheit so sehr widerstrebt. Es gieng übrigens besser als wir vermutheten, er befand sich während und nach dem Versuche nicht schlechter wie sonst. Wenn man nun an- nimmt, dass während der 24 Stunden 7 Grmm. Wasser- stoff ausgeschieden worden sind, eine Annahme, die nadt den sonstigen Bestimmungen gar nichts unwahrscheinliches an sich bat, so stimmen Rechnung und Hypothese im eistett Falle vollkommen überein, im zweiten aber fehlt es noch am 121 Grmm. Sauerstoff. Man könnte somit mit allw Zuversicht annehmen, dass der Diabetiker im Hunger von einem Vorrathe an Eiweiss und Zucker in seinem Körper zehrt.

So sehr alle Zahlen mit der Annahme stimmen« dasa der Diabetiker im Hunger nicht wie der Gesunde vorräthige» Fetty sondern einen Zuckervorrath verbrennt , so unwi^*. Sfiheinlich wird diese Annahme, wenn man bedenl^, wo dßpßQ Zackennenge (im gegebenen Falle 305 Grmm.) im Körper irg^aod aafgespeidiert sein sollte. Man weiss, dass der gebildete Zucker, soweit er nidit zu Kohlensäure und Wasser verbrennt^ beständig und raseh dnroh den üam ent* femt wird, g^mde s^ wie der Harnstoff, und es ist nidit.

Digitized by

Google

582 8iimm§ der math.'pkyi. Qmsh wm 7. Degember 1867,

ZU glauben, dass sämmtliohe Organe «ines Diabetikers zn- sammen, wenn sie audi alle als etwas zudcerhaltig ange- nommen w^dea, je einen Vorrath von 300 Grmm. enüialten könnten. Wir müssen desshalb uns auch noch nach einer andern Erklärung umsehen. Die Annahme, dass ein Vorraith Ton Zucker rerbrannt sei , beruht tbeils auf einer Beobadit- ung, theils auf einer Voraussetzung; auf der Beobachtung der in 24 Stunde aufgenommenen Menge Sauerstoff, und auf der Voraussetzung, dass während dieser Zeit kein anderer Sauerstoff in den Stoffwechsel eingriff. Nun haben wir in unsem Versudien am ncmnalen Mensdien mehrüach geelehen, wie sehr in gleichen Zeiträumen die Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff divergiren können, und es könnte sehr wohl sein, dass der Diabetiker im Hunger ebenso Ton dem Ei- weiss und Fett seines Körpers zehrt, wie der Gesunde, dass er aber nicht genug Sauerstoff aus der Luft aufiiehmen kann, dafür aber von dem vorhandenen Sauerstoffvorrath in seinem Körper verbraucht. Im vorliegenden Falle hätte diese Menge gerade so viel betragen, als das Fett zu seiner Umwandlung in Zucker bedarf, etwa 100 Grammen.

Je mehr man alle Umstände erwägt, um so wahr- sdiemlidier wird diese zweite Annahme. Der Vorgang ist durchaus nicht ohne Beispiel beim Gesunden. Vergleichen wir die Hungerversuche mit dem normalen Menschen bri Ruhe und Arbeit, so zeigt sich, dass derselbe zwar in der Buhe sogar etwas m^r Sauerstoff aufiiahm, als zur Ver- brämung des umgesetzten Eiwdsses und Fetted nöthig war, dass er hingegen bei der Arbeit beträchtlich Sauerstoff von seinem Korper hergegeben hab^ musste. Diess spricht sieh am ein- fadtften m der Verhaltnisszahl aus, welche in der Ruhe 68 und 69, bei der Arbeit aber 80 beträgt. Sribst bei den Veiv suchen mit mittlerer Kost zeigt sidi an den Arbeitstagen noch eine Erhöhung det Verhältnisszahl, wenn audb in viel geringerem Maasse, bei d^ Versudien im August von 94

Digitized by

Google

«. FeUenkofer: Stoffvmrbraueh hei Zuekerhamruhr. 583

ftaf 98, bei denen im Desember 1866 von 74 und 78 auf 82. Der Diabetiker wttrde sieb daher im Hungar und bei Rohe ähnlich yerfaalten, wie der Gesunde im Hunger und bei anstrengender Arbeit, es wäre nur die Differenz noch grösser, indem die VerhSltnisszahl im Mittel aller Versudie, bei denen der Diabetiker Nahrung eihielt, zwisdien 75 und l06 im Hunger schwankt«

Nimmt man beim hungernden Diabetiker die Sauerstoff- abgabe vom Eörpervorrathe und damit die Verbrennung Ton Fett an, so hätte er im Ganzen etwa 100 Grmm. Sauer- stoff zusetzen müssen. Diese Zahl erscheint nidit gross, wenn man bedenkt, dass der hungernde Gesunde beim Ar- beitsyersuch eine nodi grössere Menge rerloren hat. Wir haben mit dem Diabetiker allerdings nur einen Versuch bei Hunger gemadit, aber wir halten das Resultat nichts desto weniger für sicher, weil wir die Kohlensäure- und Wasser- bestimmung der Perspiration doppelt maditen, und beide Bestimmungen sehr genau zusammengehen.

Unsere zweite Erklärung ist daher nicht nur möglidi, sondern yiel wahrscheinlicher als die erste; sie stimmt auch sehr gut mit der Thatsadie, die sich bei allen übrigen Ver- suchen in den Vordergrund drängt, nämlich dass der dia- betische Organismus in der Fähigkeit, Sauerstoff aus der Atmosphäre zu ziehen, irgend eine wesentliche Besdiränkun^ erleide«

Was die Zuckeraossdiddong anlangt, so richtet siok' üt Menge hauptsädilich nach der Grösse und Besdiaffeiiheifc der Nahrung. Bei reiner Fleischkost sowohl als bei Hanger scheidet der Diabetiker bekanntlich immer noch Zucker aus, obsdion betraditlidi weniger, als bei einer Kost, welche aus Fleisch (Eiweiss) Fett und Kohlehydraten gemischt ist Bei reiner Fleisdinahmog haben wir nahezu das gleiche

Digitized by

Google

584 SÜMim§ der maü^.-phyg, (Rmut vom 7, Dawnber 1867,

Verhältniaa zwischen FleisdieimiahiDe und ZuckerauBsch^diiiii;» wie Griesinger') beobachtet Die Kohlehydrate der Nahrung scheinen im Leibe des Diabetikers einfach in Traubenzucker ver* wandelt und als solcher aus^schiedeu zu werden, vorausgesetzt» dass daneben so viel Eiweiss und Fett zur Disposition ist, um die Menge Sauerstoff zu belegen, Welche sein Körper über« haupt aufzunehmen vermag. Es ergiebt sidi aber in soldien Fällen, dass bei einer Kost, wenn sie auch an Kohlehydra- ten bereits sehr reich ist, immer auch noch Zucker aus Ei- weiss oder Fett gebildet wird. Beim Versuch II am S.August 1865, in welchem die grösste Zuckerausscheidung zu be- obachten ist, genoss der Kranke, soviel er nur mochte. In seiner Tageskost waren so viel Kohlehydrate enthalten, dasa daraus 529 Grmm. Zucker gebildet werden konnten, er sdiied aber 644 aus, also 115 Grmm. noch mehr.

Fehlt es aber in der Nahrung an Eiweiss und Fett, sa wird auch von dem aus den Kohlehydraten gebildeten Zucker verbrannt, wie das neben dem Hungeversuche auch noch der Versuch mit eiweissfreier Kost gelehrt hat. Im letztem war die Nahrung so zusammengesetzt, dass die Einnahme an Kohlenstoff 354 Grmm. betrug. Aus den Kohlehydraten konnten etwa 670 Grmm. Zucker gebildet werden; ausser- dem genoss er noch 105 Grmm. Fett und IV« Liter Bier. Er schied nur 429 Zucker im Harn aus. Die Stoffwechsel^ bilanz zeigt ferner, dass der Kranke an diesem Tage über- diess nodi 72 Grmm. Kohlenstoff in irgend einer Form von seinem Körper zugesetzt hatte, während der normale Mensch der in seiner eiweissfreien Kost (XII) im Ganzen nur 229 Grmm. Kohlenstoff zugeführt eAielt, nur 18 Grmm. 0 rtm seinem Körper hergab. Man sieht, um wie viel mriur der

( 3) W. Gtiesinger, Studien n^ Diabetes. AvdiiT für phynolog. Heilkonde 1869. S. 1.

Digitized by

Google

V. FttUnkofer: 8kifverhrauc^ hei Ztuikerharwnthr, 586

Organiftmus im einen and im andern Falle verbraucht, und wie wenig dem grossem Stoffanfwand des Diabetikers aücli nach dieser Riditung hin ein grösserer Nutzeffekt entspricht.

In den sieben Versuchen mit dem Diabetiker haben wir Tiermal auf die Ausscheidung von Orubengas und Wasserstoffgas untersucht. Beim Versuch HI erreichten beide Gase ihr Maximum. Bei dem Versuch V mit reiner Fleischkost ergab sich nur H, kein CH^. Wir sind nidit im Stande, bestimmte Ansichten aber die Ursachen der vorgekommenen Sdiwankungen aufzustellen, aber das Au^ treten dieser Gase überhaupt in so grosser Menge (15 Grmm. Wasserstoff nehmen den Baum von 166 Litern ein) scheint uns von Bedeutung für den Prozess des Stoff- wechsels bei dieser Krankheit zu sein. Neben der unvoll- kommenen Oxydation gehen beträchtUche Gährungserschein- UBgen im Darm, vielleicht auch in andern Organen einher. Bei unserm Kranken machte sich die auffiallend starke Gas- entwicklung auch nodi durch eine Nebenwirkung, durch Verbreitung y sehr übler Gerüche bemerkbar. Er hatte seine Verpflegung für gewöhnlich in dem Krankenziinmer des «Reisingerianum's, welches er meistens mit noch 2 andern Kranken theilte, die sidi nicht selten über die Ansdüns^ ung des Diabetikers ernstlich beklagten.

Was endlich die Verhältnisszahlen, die Quotienten aus dem der Luft entzogenen und in der ausgeschiedenen Kohlen- .säure wieder enthaltenen Sauerstoff anlangt, so überrasdien ne in der Mehrzahl der Versuche durch ihre niedrigen Ziffern, als ob die Nahrung nur aus Fleisch und Fett be- stände. Wann Fett allein, aber vollständig verbrennt, sollte die Verhältnisszahl 73, bei Fleisch allein 82 , bei Zucker (Kohlehydraten) allein 100 sdn. Mit Ausnahme des Hunger- versudieB bewegt sich die Verhältnisszahl sogar etwas unter der Grösse, die sie bei gleicher Nahrung beim normalen Ifensoheii erreidit. Das ist eine nothwendige Fol^ der

Digitized by

Google

586 SiUmng der ma^.'fh^. Ckme wm 7. Dtamiher 1867.

ZockerbilduDg aus Eiwttss and Fett, wozu Sauerstoff aoa der Luft nöthig ist und dann des Nichtverbr^mens des ge- bildeten Zuckers, d. h. eine Folge des Austretens eines Theiles des aus der Luft aufgenommenen Sauerstoffs nidit in der Form von Kohlensäure durch die Lungen, sondern in Form von Zucker durdi den Harn. Die höchste Zahl (106) zeigt sich beim Hungerversuche* Aehnliche Zahlen haben Regnault und Reiset ba ihren Versuchen mit Gras- fressern und wir bei Fütterung des Hundes mit Fleisdi und Zucker gefunden, und man kann, wie ich oben auseinander gesetzt, die niedrige Zahl beim hungernden Diabetikers so auffassen, dass er entweder wie die Grasfresser von Eiweiss und überwiegend von einem Kohlehydrat, von Zucker lebt, oder dass er Sauerstoff von seinem Körper verliert.

Die Wasserverdunstung durch Haut und Lungen ist im Ganzen geringer als beim Gesunden und gleichraässiger, was wahrscheinlich nur eine Folge der trockenen Hautbescbaffen- heit und der geringen Wärmeentwicklung des Kranken ist. Wie sehr eine gesteigerte Verbrennung, eine dadurdi vermehrte Kohlensäurebildung sonst die Wasserverdunstung steigere» geht aus unsern Versuchen am normalen Menschen hervor, wenn man Buhe- und Arbeitstag vergleicht. An den Arbeits- tagen wurde durchschnittlich eine doppelt grössere Menge Wasser verdunstet, ab an den Buhetagen. Einen Arbeits- versudi mit dem Diabetiker zu machen, war natürlich wegen seiner völligen Kraftlosigkeit eine Sache der Unmöglichkeit, da er sich in der Buhe schon viel müder fühlt, als der Ge- sunde nach dem anstrengendsten Tagwerk.

Auch die Theilung der 248tündigen Stoffwechselversuche in zwei Hälften, in Tag und Nacht lässt eim'ge weitere in- teressante Gesichtspunkte erkennen. Diese Theilung wurde bei den Versuchen VI und VU vorgenonmien. Diese sind zunädist vergleichbar mit den Versuchen V, VI, VU und XIV am normalen Menschen. Es wurde dafür gesoigt, dass

Digitized by

Google

V, PUimtköfer: Stoffverbrauch hei Zuekerhamrtihr,^ 587

bei dieseu Versuchen der Kranke am Tage sich nicht der Rohe im Bette hingeben konnte; er sass den Tag über auf dem Stuhle, strickte, las und sprach oft laut, gieng auch in der Kammer zeitweise auf und ab. Am 10. August (VI) nahm er seine Kost zu gewöhnlichen Zeiten, wesentlich am Tage; am 14. August (VII) erhielt er sie in zwei gleichen Hälften, Moi^ens zu Anfang des Versuches die erste, und 12 Stunden darnach die zweite. Man ersieht, dass der unterschied in der Kohlensäureausscheidung zwischen Tag und Nacht nie so gross ist, wie beim normalen Menschen. Es ist auch kein wesentlicher Unterschied, ob man dem Diabetiker die Kost in einer Abtheilung oder auf zwei gleiche Zeithälften vertheilt gab.

In der Sauerstofifaufhahme zeigt sich, dass auch der Diabetiker in der Nacht mehr als am Tage aufnimmt. Auch beim Diabetiker wird der Unterschied durch Vertheilung der Kost auf zwei gleiche Tageshälften grösser, ebenso wie beim Gesunden (XIV).

Noch auf einen andern, wie uns scheint, nicht unwich- tigen Umstand wurden wir durch die in zwei Abschnitte getheilten Versuche aufmerksam, nämlich auf die in gleichen Zeitabschnitten und bei einer analog zusammengesetzten Nahrung ausgeschiedenen Mengen Harnstoff und Zucker, mit andern Worten auf den gleichzeitigen Gang der Eiweisszersetz- ung und der Zuokerbildung im Körper. Sie gehen, was die Zeit anlangt, auffallend parallel. Wir wollen dem Ergebniss der Versuche VI und VII vom 10. und 14. August, die in der Tabelle aufgeführt sind, noch das eines andern am 11. August angestellten hinzufügen, wo die Nahrung ähnlich wie am 10. war, aber die Produkte der Respiration unberücksichtigt blieben. Es wurde an diesen 3 Tagen ausgeschieden

Digitized by

Google

688 Sittung der math.-phys. dasae vom 7. Detmiher 1867.

-

a.

b.

c.

Hnrnatoff bei Tag

2»,7

20,7

35,4

Nacht

20,1

22,4

30,5

Zucker bei Tag

246,4

167,6

275,4

Nacht

148,1

188,2

259,9

Ein gewisser Parallelismus ist unverkennbar, und es lässt sich bei diesen drei analogen Versuchen aus dem Harn- stoff nicht nur die Zuckermenge im Ganzen, sondern auch fiir die einzelnen Zeithälften ziemlich annähernd berechnen. In diesen 3 Tagen wurden 157,8 Harnstoff und 1285,6 Zucker entleert, was im Mittel auf 100 Harnstoff 814 Zucker entspricht.

Es ergiebt nun

für 24 Stunden a. b. c. die Rechnung 405 350 536 Zucker der Versuch 394 356 535

femer für den Tag die Rechnung 242 168 288 der Versuch 246 167 275

für die Nacht die Rechnung 163 182 248 der Versuch 148 188 259

Diese Uebereinstimmung zwischen Rechnung und Ver- TOch ist gewiss kein Zufall und deutet auf eine innige Be- ziehung zwischen Eiweisszersetzung und Zudcerbildung bei analoger Nahrung hin.

Vergleichen wir zum Schluss noch einen Augenbtiok den Diabetiker mit dem Manne Nr. II in unseni Normal- Versueben, mit dem wir nur einen einzigen Versudi (XV) angestellt haben. Wir hatten den Mann Nr. U ausgewählt, weil derselbe für gewöhnlich sehr scbledit und kümmerlidi sich nährte, klein und mager, aber sonst gesund war. Wir

Digitized by

Google

V, FBUmkoferi Skffverbrmuch M ^^ttk&rhamrttkt. 589

woUtea o«r aeben, wie ein soldier Körpar mk der mittleraQ Kost, die dea kräftigen und wohlgenihrten Maim Nr. ( fpatt auf seinem Beelande erhiek, haushaliben würde. Es war Foraaseusehen , daas er eeiae Nahrung niobt sofort in 24 Stunden umsetzen, nidit bo viel Saveretoff Aufnehmen und nicht 80 viel Sohlensäwe erzeugen wftrde, wie Nr» I, weil alle seine Organe kleiner und mangelhafter ernährt sein mussten; wir wollten nur sehen, wie nel Ansatft und fn welcher Form ^ sunachst erfolge. Die in der Zeitschrift fiir Biologie bereits mitgetheilte Stoffwedisdlgleichung ') zeigt deutlich, dass Nr. II. wohl in's Stidcsto^leidhgewidit mit seiner Nahrung gekommen war, aber 90 Qrmm. Kohlen- etoff nicht ausschied, die er nach dem Erg^aiss der<31each- nttg als Fett (114 Grmm.) zuraekbehalten hat.

Bei derselben mittleren JKost aeigte der Diabetiker nicht nnr kein Stickstol^eichgewieht, eradero gab noch 24 Pro- Cent darüber von seiaem Körper her. Er setzte anch keinan KobJoBstoff an, wie der Mann Nr. 11 , sondern verlor bei dieser Kost noch 67 Grmm. von seinem Körperkohiensteff- ▼orrath dazu. Merkwürdiger Weise schied dw kleine Ihnn Nr. II bei einer Aufnahme von nur 594 Grmm. Sauerstoff mehr Kohlensäure aus, als der Diabetiker der 680 Grmm. 0 aufnahm «nd setzte noch 114 Grmm. Fett an; er würde sich mit derselben Kost also, mit der der Diabetiker seine Ausgaben nicht entfernt bestreiten konnte, in kurzer Zeit gemästet haben.

Hätte man nur den Versuch XV am normalen Mensdien und den Versuch III am Diabetiker zum Vergleiche, so könnte man der Ansicht Raum geben, dass der wesentliche unterschied darin bestehe, dass der Gesunde das Eiweiss in Harnstoff und Fett umsetze und letzteres, wenn es keine

2) ZeitMhrift för Biologie. Bd. IL S. 614. [18e7.IL4.] 89

Digitized by

Google

590 Siigumg deriHaih,-phif8. C^asH v<m 7. Dezember 1867.

Qelegenheit zu Terbrennen findet, im Körper anfepeicbere, der Diabetiker aber es in Harnstoff und Zocker verwandle, und grossentheils im Harn aussdieide. Diese Anschauung wäre im Sinne der Schi ff sehen Hypothese, dass die nächste Ursadie des Diabetes meUitus nur eine gesteigerte Zudcer- bildung sei, eine Ansdiauung, der auch Kühne huldiget, der wir uns aber aus den oben angeführten thatsächlichen Grün- den nidit anschliessen können.

Wir halten durch unsere Untersuchungen, in weldien wir die ersten vollständigen, von allen hypothetischen Zahl^i freien Stoffwechselgleichungen für eiuen kranken Menschen geliefert haben, für constatirt, dass beim Diabetiker ein grösserer und schnellerer Eiweissumsatz stattfindet, femer dass der Kranke bei gleichem Eiweissumsatz weniger Sauerstoff aufnimmt, als ein Gesunder; dann dass er im Hungerzustande entweder von einem Vorrath an Eiweiss und Zucker in seinem Körper lebt, oder, wae wahrscheinlicher ist, eine beträchtliche Menge Sauerstoff von seinem Körper verliert, und endlich, dass die Bildung und Ausscheidung von Harnstoff und Zucker einen gewissen Zusammenhang sowohl nach Zeit als nach Menge verrathen. Diese vier Thatsadien scheinen uns feste Grundlagen fin* weitere Forschungen über diese Krankheit abzugeben.

Digitized by

Google

Buchner-. Vergiftung mit Blausäure. 591

Herr Buchner sprach: ;,üeber die Beschaffenheit des Blutes nach einer Vergiftung mit Blausäure".

Beobachtungen über die Beschaffenheit des Blutes von Thieren, welche mit Blausäure getödtet worden waren, sind in neuester Zeit mehrere gemacht worden. In München hshea hierüber die Herren Collegen Voit und Heinrich Ranke genaue Versuche angestellt und in Bonn hat Hr. Dr. W. Preyer die Blausäure zum Gegenstand einer aus- führlichen physiologischen Untersuchung gemacht, deren bis- herigen Ergebnisse er in seiner vor wenigen Tagen er- schienen Schrift: ,>Die Blausäure physiologisch unter- sacht. Erster Theil. Bonn 1868" bekannt gemacht hat.

Der am 21. November dieses Jahres in München geschehene Mord an der Frau Gräfin Chorinsky Ledske, welcher, wie schon die Section yermuthen liess und wie die darauf von mir vorgenommene chemische Untersuchung ausser Zweifel stellte, mittelst Blausäure verübt worden war, hat mir Gelegenheit verschafft, die Beschaffenheit vonmensdi- lichem Blute nach einer solchen Vergiftung näher kennen zu lernen, denn unter den mir zur chemischen Untersuchung übergebenen Objecten be&nd sich auch das bei der Section der Leiche der genannten Gräfin gesammelte Blut, dessen Menge 285 Gramme, mithin etwas über Vs Pfund betrug.

Meines Wissens ist man über die Art und Weise, wie der genannten Gräfin das Gift beigebracht wurde, noch voll- kommen unaufgeklärt. Der Rest des Thee's, den die Un- glückliche unmittelbar vor ihrem Tode in Gesellschaft ihrer angeblichen Mörderin getrunken,, so wie die übrigen auf dem Tische vorgefundenen Flüssigkeiten, nämlich Milch,

39*

Digitized by

Google

592 8iUnmg der math.-phys, CUme vom 7. Desmber 1867,

Barn und Trinkwasser, dann der Inhalt des Nachttopfes ent- hielten weder Blausäure noch Gyankaliuni ; auch die anderen zur Untersuchung gebrachten G^enstände aus der Wohn- ung der Gräfin waren mit Ausnahme «ines Gläschens mit Kirschlorbeerwasser; welches aber noch ganz voll war und dessen Inhalt der Au&cfafift zufolge als ein Ifittel gegen Leibsdineiden benutzt werden sollte, vollkommen frei von dies^ Giften.

Die aufgeworfene Frage, ob Gräfin Ch, mit fr^er Blau- säure oder mit Gyankalium yergiftet worden sei, könnt« durch die chemische Untersuchung nicht bestimmt beantwortet weorden, wohl aber kann ich mit Gewissheit b^aupten, daM jnar Tage nach dem Tode das Cjran im Mageninhalt und aiuch im Blute nur ab fireie Blausäure und nidit als Cyan- kalium vorhanden war und dass iolgUch, wenn auch Gräfia Ch. Gyankalium bekommen hätte, dieses durch cbenitolie Zersetzung vollkommen in Gjanwasserstoff (Blausäure) ver- wandelt worden wäre. ""

Der dickbreüge Mageninhalt, welcher hauptsächlich ao zerkleinertem Schinken und Kartoffelresten bestand, rock «twas iaulig, aber ausserdem so auffallend nach Blausäme, dass man schon dadurch auf die Vermuthung einer Blao- fifture*Vergiltung geführt ivurde. Dieser mit Wasser gehörig verdünnte Magenbrei röthete Lackmuspapier ziemlich stark; ^ ein Theil davon destillirt wurde, gieng gleidi kaüagß 80 vid Blausäure über, dass das Destillat mcht nur dm charakteristischen Blausäure-Geruch im hohen Grade btsaaa, aoadem auch die bekannten chemisdien Beactionen derBlan* säure in unverkennbarer Weise zeigte.

Dass der Mageninhalt ausser Blausäure nicht auch Gyankalium oder eine derartige Gyanverbindung enthalte, konnte schon aus der sauren Eeaction dessdben geechloseen werden, indessen wurde, um den Beweis davon voiyandig zu liefern, die Destillation des Magenbreies mit Wasser so

Digitized by

Google

Budmer: Vergiftung mit Blausäure. 693

hmge fortfesetst, bis keine Bhmäare mehr überging, woratlf ttmi den Destillationsrückstand mit Phosphorsäure rermischte rxnA abermals destillirte. Aber diessmal konnte im De- fiiällat keine Spur von Blausäure mehr entdeckt werden.

Ich habe, um die Menge der im Mageninhalt am 9. Tage nach dem Tode der Gräfin Gh. noch vorhandenen Blausäure beiläufig m bestimmen, die Quantität dieser Säure in jenem Destillat, welches aus ungefähr einem Drittel des Magenbreies erhalten worden war, ausgemittelt. Es ergab sidi hiebei eine Menge, weldie auf den ganzen Mageninhalt berechnet nahezu 0,075 Ormm. oder 1,2 Oran wasser- freier Blausäure entspricht. Eine solche Menge ist in einem Quentchen der officmellen Blausäure und in ungefähr zwei Unzen Bittermandel- oder Eirschlorbeerwassers enthalten. Gräfin Gh. musste aber eine grössere Menge Blausäure er- halten haben, weil ein Theil des Giftes, abgesehen ron der Verdunstung, in das Blut und in andere Organe überging und desshalb nicht mehr im Magen gefunden werden konnte.

N6b^bei will ich bemerken^ dass das wässerige De- stfllat aus dem Speisebrei Lackmuspapier nicht röihete und dass demnach dieser Chymus ausser Blausäure keine andere tüchtige freie Säure und namentlick keine freie Salzsäure enfiiidt. Die das Lac^muspapier röthende Substanz blieb im Deetillationsrückstand und ist demnach fixer Natur; dieser saure Rückstand lieferte nach dem FiKriren und durdi Eindampfen auf ein kleines Volumen eine gelbliche Flüssige keit, welche bei der Dialyse an das vorgeschlagene Wasser hauptsächlich die Säure und einige Salze abgitb. Diese FHissi^eit wurde bis zur Syrupsconsistenz eingedampft und dann ein paarmal mit warmem Weingeist behandelt, wobei ndi ein Theil auflöste. Der Verdampfungsrückstand der weiageistigen Flüssigkeit röthete Lackmus sehr stark, zeigte aich aber frei ?on Phosphorsäure; die darin Torhandene fixe Säure war vielmehr organischer Katm* qnd Terluelt sich

Digitized by

Google

594 Sitzung der matK-phys. CUuse vom 7. Deaember 1867.

wie Mjlchsäure; die Asche, welche beim Verbrennen zurück« blieb, reagirte nicht mehr sauer, sondern im Gegeniheä schwach alkalisch; Kali war darin in nur sehr geringer^ Menge und, wie es scheint, als Chlorkalium vorhanden; der Hauptsache nach bestand diese Asche aus Chlomatrinm.

Der in Weingeist unlösliche Theil des Dialjsirten rea- girte schwach sauer und war reich an Phosphorsäure and an Kali; ausser phosphorsaurem Kali konnte darin nidits Beiuerkenswerthes geiunden werden.

Das ganze Verhalten der in Wasser löslichen Stoffe aus dem Destillationsriickstande des Mageninhaltes stimmt also mit demjenigen des Fleischsaftes überein; dasselbe unterstützt keineswegs die Annahme, dass Gräfin Gh. durch Gyankalium vergiftet worden sd.

Was nun die Beschaffenheit des Blutes aus der Leidtfi der Gräfin Ch. betrifft, so bot dasselbe einige auffallende Verschiedenheiten von gewöhnlichem menschlichen Leiohen- blute dar. Es fiel zunächst auf, dass dieses Blut eine helle kirscbrothe Farbe hatte und diese Farbe mehrere Tage lang behielt, so wie dass dasselbe am fünften Tage und auch noch längere Zeit nach dem Tode nidit gerönne, sondern vollkommen flüssig war. Erst nach einigen Wochen fand man denjenigen Theil des Blutes, welchen man in ein^n lose bedeckten Gefässe bei ziemlich niedriger Temperatur der Luft ausgesetzt hatte, in eine dünne Gallerte verwandelt Der hohe Grad der Unveränderlidikeit dieses Blutes gab sidi femer durch seine lange Unfähigkeit zu faulen «i er« kennen. Am füuften Tage nach dem Tode roch es, obwohl vor dem Zutritt der Luft nicht geschützt, wie ganz frischea Blut; später nahm es einen etwas ranzigen Geruch, dan* jenigen alter Butter nicht unähnlich, an; ein Theil des Blutes, welcher in einem verschlossenen Glase aufbewahrt wurde, zeigte erst nach mehreren Wochen schwachen Fäulnissgeruch. Auch konnte an dem der Luft ausgesetzten

Digitized by

Google

Buchner: VtrgifUmg mit Bk^Mömre. 595

Blute laoge keine Schimmelbildong beobachtet werden; erst ab das Blat etwas geronnen war, waren auf seiner Ober- fläche einzelne Scbimmelpartien za bemerken. Ich habe diesem noch hinzuzofiigen, dass bei einer wenige Tage nadi der Secdon vorgenommenen mikroskopisohen Beobachtung des Blutes die meisten rothen Blutskörperchen darin zer- stört waren.

Um zu sehen, ob sich in diesem Blute, welches, wie vorhin erwähnt, wie ganz frisches Blut aber durchaus nicht nach Blausäure roch, diese Säure am fünften Tage nach dem Tode chemisch nachweisen lasse» wurde ein Theil des- selben gehörig mit Wasser verdiinnt und der Destillation unterworfen. Die erste Portion des Destillats, welche be* sonders aufgefangen wurde, besass den Geruch nach Blau- säure ganz unverkennbar. Silberlösuug brachte darin so- gleich eine weisse Trübung hervor, die sich beim Schütteln zu einem flockigen, sich wie Gyansilber verhaltenden Nieder- schlag zusammen begab. Das mit Kalilauge und hierauf mit ein Paar Tropfen Eiseoozydulozyd-Lösung vermischte Destillat wurde beim Ansäuern mit Salzsäure intensiv blau und bildete nach einiger Zeit einen Niederschlag von Ber- linerblau. Mit einigen Tropfen Schwefelammonium ver- mischt und auf ein kleines Volumen eingedampft, gab es mit Eisenchlorid eine intensiv blutrothe Färbung, die bewies, dass sich hier Rhodanammonium gebildet hatte, weldies nur aus der im Destillat vorhandenen Blausäure entstanden sein konnte.

Durch diese Versuche ist also der Beweis anf das B6* stimmteste geliefert, dass sich noch am fünften Tage nach dem Tode Blausäure in dem Blute damit Vergifteter sicher erkennen lässt. Es ist mir diess selbst ein paar Wochen später nodi gelungen, ja sogar in dem fast vertrockneten Blute, welches sich aus der Mundhöhle der Leiche über den oberen Theil der Kleidung und auf die Stelle des Zimmer-

Digitized by

Google

596 SiUung der malh.-phfs. Cümm tmn 7, DeMtmber 1867.

bod«n8, auf welcher Gräfin Gh. am zweiten Tage nac^ ihrer En»erclinig' lieg^d geinnden wurde, ergossen hatte, konnte ich auf die vc^rhin besdiriebene Weise Sparen von Blansäure deoüioh nachweisen, diienso in den mir zor UntersodHmg fibeFBeh]<^ten Eingeweiden nnd namentlich in der Leber und Mih.

Als die empfindlichste Methode, um geringe Spuren von Blausäure zu entdecken, hat sich hiebei die von Hm. T. Liebig ausgemittelte ^) gezeigt, welche auf der leichten Umwandlung der Blausäure in Bhodanammonium durdi Schwefelammonium und der Reaction des Eisenchlorides auf das Bhodanammonium beruht. Dieser Metiiode am nächsten steht hinsichtlich der Empfindlichkeit die Umwandlung der Blausäure in Berlinerblau. Aber man muss, um bei sehr geringen Spuren von Blausäure die blaue Färaung sichtbar zu machen, das mit KaHlauge versetzte Destillat zuvor auf ein kleines Volumen eindampfen, ehe man sie mit einem oder zwei Tropfen Eisenoxyd-Oxydullösung vermischt und mit Salzsäure ansäuert. Audi kommt der Niederschlag von Berlinerblau in Form blauer Flöckchen oft erst zum Vorschein, wenn man die Flüssigkeit in einer Probirröhre ein Paar Tage lang massiger Wärme ausgesetzt hat. Spuren von Blausäure werden auch durch Silberlösung angezeigt, allein da das Cyansilber keine charakteristische Farbe hat und Spuren desselben von Chlorsilberspuren nicht wohl unterschieden werden können, so würde natürüdi diese Reaction allem nicht hinreichen, um eine sehr geringe Menge Blausäure sicher zu erkennen. Idi habe mich übrigens jüngst bef der Untersuchung des mir von Hm. Collegen Voit zur VerfÄg- uug gestellten Blutes von einem Hunde, der mit einer Mini-

1) AnaleB der Gfaemie «nd MimnMie 1847. LXl, 137.

Digitized by

Google

Buekner: VßrgifUmg mit BkHMAwff. 597

maldoBis tod CyankaMmn getSdiet worden war, übeizeiigtf dam in dem DegtiHat eines soldien mit Phoeirfiorsäare an^ gefliwerten Blutes weder dnrdi Silber- noch durdi Eisen- lösong, sondern nur durch dieRhodanreaction an der Gränze chesaiseber WiArnekmong sAehende Blaiasäurespiiren wahr- genommen werden konnten.

In nenester Zeit hat Hr. Schonbein in Basel ein sehr interessantes Verhalten der Blausäure zu den Blutkörperchen beobachtet und in der Zeitschrift fiir Biologie ') beschrieben^ welches, wie auch ich midi überzeugt habe, als das em- pfindlichste Reagens auf Blausäure und namentlich zur Naehweisung derselben im Blute bezeichnet werden muss. Dieser Chemiker hat schon vor einigen Jahren gefunden, dass die Blutkörperchen in einem ausgezeichneten Grade die F&igkeH besitzen ^ nach Art des Platins das Wasserstoff- hyperoxjd in Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff umzu- setzen. Diese Fähigkeit, welche offenbar von dem wesent- lidien Bestandtheil der Blutkörperchen, dem sauerstoff- saugenden Hämaglobin herrührt, hat auch, das mit Wasser verdünnte entfaserte Blut, worin die Blutkörperchen aufgelöst sind, denn auch dieses katalysirt das Wasserstoffliyperoxyd mit stürmischer Lebhaftigkeit. Fügt man aber nach Schön- bein eine nur sehr geringe Menge wässeriger Blausäure zu solchem mit zwei Raumtheilen reinen Wassers verdünnten Blüte, so wird die katalytische Wirkung der Bludrorperchen oder vielmehr des Hämaglobins so sehr geschwächt, dass bei der darauf fblgenden Vermischung mit Wasserstoffhyper- oxyd eine kaum noch merklidie Entbindung von Sauerstoff- gas bewirkt wird.

Sehr bemerkenswerth ist die weitere von Schönbein festg^tellte Thatsache, dass das verdünnte blausäurehaltige

3> JUirgmog 18S7. HL 8. Hefk.

Digitized by

Google

598 Sitßung der maihrphys. Clagie vom 7. Dumber 1867.

Blat durch WasBerstolQifperozyd bis sar Undurdidriiiglidi* keit gebräunt wird, was auf eine tief gehende Veränderung hindeutet, welche das Hämaglobin unter diesen Uuständea erleidet.

Dass die Blausäure für sich allein auf das Hämaglobin weder chemisch noch anderweitig einwirkt, ergiebt sich schoa aus dem Umstände, dass die Färbung der Blutflüss^keit nach Zusatz von Blausäure unverändert bleibt (bei mehr Blausäure sich höher röthet) und dass blausäurehaltiges, mit Wasser gehörig yerdünntes Blut im Spectrum die zwei so charakteristischen Absorptionsstreifen des sauerstofifhaltigen Hämaglobins (Oxyhämaglobins) zeigt. Bchönbein hat ge* funden, dass solches Blut seine frühere katalytisdie Wirk- samkeit wieder äussert, nachdem man aus ihm die Blau- säure hat verdampfen lassen. Die blausäurehaltige Blut- flüssigkdt, welche man mehrere Stunden lang in einem flachen Gefässe und an einem massig erwärmten Ort offen an der Luft hatte stehen lassen, yermochte das Wasserstoff*- superoxyd wieder lebhaft zu zerlegen, ohne durdi Letzteres im Mindesten gebräunt zu werden , während die gleiche in einer luftdicht versdüossenon Flasche Tage lang gehaltene Flüssigkeit Wasserstoffhyperozyd immer nur sdiwach kata- lysirte und durch dieses stark gebräunt wurde.

Die Eigenschaft blausäurehaltigen Blutes, durch Wasseiy stoffhyperoxyd tief gebräunt zu werden, macht es möglich, in jener Flüssigkeit noch eine verschwindend kleine Menge von Clyanwasserstoffsäure nachzuweisen. Um dieses zu be* weisen, hat Schönbein 50 Gramme ent&serten Ochsen- blutes mit 450 Grammen Wassei-s und 5 Milligrammen Blausäure (auf die wasserfreie bezogen) versetzt Dieses Gemisch wurde durch Wasserstoffhyperozyd noch tief ge- bräunt, obgleich darin nur ein hunderttausendtel Blausäure enthalten war. Ja es konnte die Mischung noch mit der' siebenfachen Menge Wassers verdünnt werden, so dasa es

Digitized by

Google

Büchner: Vorgifttmg mit Skmäure. 599;

nur Dodi Vsooo^o Blausäure enthielt, um beim Zufügen von WasserBtofiQijperozyd noch immer auf da$ Deutlichste ge- bräunt zu werden.

Schönbein konnte bei Anwendung dieses V^'fohrena in gewöhnlichem Kirschwasser noch augenfälligst Blausäure, nachweisen) die darin durch kein anderes Reagens mehr 2U erkennen war; ^ bezeichnet deshalb die Blutkörperchen in Verbindung mit Wasserstoffsuperoxyd als das empfindlichste. Reagens auf Blausäure. Uebrigens ist es, um die beschrie- bene Reaction zu erhalten, keineswegs gleichgiltig, in welcher Aufeinanderfolge man Blausäure und Wasserstoffsuperoxyd zu der Blutflüssigkeit fugt; denn wird das Superoxyd in einiger Menge zuerst beigemischt, so verursacht die Blau- säure mcht die geringste Bräunung und wird das Wasser- Stoffsuperoxyd ebenso lebhaft katalysirt, als wenn keine Blausäure in dem Blute vorhanden wäre.

Ueber das Absorptionsspectrum des durch Wasserstoff* hyperoxyd gebräunten blausäurehaltigen Blutee hat Hr. Ptof* Hagenbach in Basel Versuche angestellt Er hat gefunden, dass in eben dem Masse, als die rothe Farbe der Blut-' flttssigkeit in die braune übergeht, die beiden charakteristi- schen, zwischen £ und D liegenden Absorptionsstreifen des Oxyhämaglobins im Spectrum verschwinden, ohne dass dafür ein neuer Streifen aufträte. Es erstreckt sich dann die Ab- sorption ziemlich gleichmässig üb^ das Speotralfeld , das Roth ausgenommen, welches bei einiger Concentratioa der Blutflüssigkeit allein noch durch dieselbe dringt. Dadurdi kann man das blausäurehaltige durch Wasserstoffhyperoxyd gebräunte Blut von demjenigen, desaen Bräunung durch Schwefelsäure bewirkt ist, und welches jenem bi$ zum Ver« wrechseln gleicht, unterscheiden, denn die schwefelsaure« haltige^ Blutflüssigkeit zeigt einen deutlichen Absorptions-» streifen im RoÜi, welcher dem durch WasserstofiiByperozyd g€»bräanten blansäiurahaltigen Blute vollkommen fehlt

Digitized by

Google

600 Sitzung der math.-pkyB, Cläsae wm 7. Dezember 1867,

Der aa Gräfin Chorinsky begangene Giftmord tot mir eine ganz passende (Gelegenheit dar^ die TaogKdikeit des Schön bein 'sehen Verfahrens zur Nadiweisimg der Kaosäure im Bhte eines mit Blansäore vergifteten Menschen 211 erproben. Ich brancbe kaum zu sagen, dass ich hiebft die Angaben Schönbein's ToUkommen bestätiget gefunden habe. Das Blut aus der Leiche der Gräfin Gh. hat sich auch bei dieser Prüfung als ein verhältnissmässig stark blausäurehaltiges erwiesen. Ich habe seitdem schon öfter ^eees Verfahren an blausäure- sowie an cyankaliumhaltigen Blute geprüft und mich dabei von dem hohen Grade seiner Empfindlichkeit überzeugt. Das Blut von dem Hunde, welchen Hr. CoUega Voit mit einer sehr geringen Menge Cyan- kaliums vergiftet hatte, wurde beim Vermischen mit Wasser- stofiFhyperozyd auf das Deutlichste gebräunt, obwohl sidi aus der Flüssigkeit ziemlich viele Sanerstoflfbläschen ent- wickelten, während in demselben Blute, wie oben erwähnt wunk, bloss noch durch die Rhodanreaction an der Gräaze cllemischer Wahrnehmung stehende Blausäurespuren entdeckt werden konnten. Das durch Wasserstoffsuperoxyd erfolgende Ihinklerwerden eines Blutes, welches nur Spuren von Blaa- säure enthält, nimmt man am besten durch einen verglef* chonden Versudi wahr, indem man von gleidien Hälften de9 zu prüfenden Blutes die ''eine mit Wasserstoffhyperozyd und die andere mit demselben Volumen reinen Wassers Termisoht und dann die Farbe der beiden Flüssi^eiten be^ traditet; wenige Tropfen Blutes genügen zu diesem Versud^e.

Idi halte das Schönbein'sche Ver&hren für das be* quemste und empfindlichste zur Nachweisung der Blausior» im Blute. Aber damit man die Ek^heinung des DunUw^ Werdens durdi Wasserstofifhyperoxyd wahrnehmen können darf das Blut nicfat schon b^ alt sein, dass es durch frei- wittige Zersetzung dunktev gewordm nt, denn em sok^e» blausäurebaltiges^ Blut wird durch Waaserstofibyperosyd

Digitized by

Google

Miim Farbe oicbt mehr vertodert lim Blute aas der Lekhe 4«r Gräfin Cfa. habe ick noch laage, nachdem Wasaeretoff* hjperoxjd keioe FarbenTeräaderug mehr daria bewiriote* mittelst der anderes Beagentien Blausäare nachweiaeo köaaeD.

Herr Vogel legt

„Gerding's Geschichte der Ghemie^S (Leipsrig 1867) im Auftrage des Verfassers der Glasse vor nnd berichtet darüber Fdgendes:

Gerdii^'s Geschichte der Qhewe omfiMst die historische Entwicklttüg der gesummten (^mische» Wisaenaeh^ft in 0we{ Theilen ; der erste Theil behandelt die allgemeine Geschichte der Chemie in vier Hauptperioden, chemische Kenntnisse des Alterthums, Zeitalter der Alchemie und medicinischen Chemie, das phlogistische Zeitalter und das quantitative Zeit- alter, mit Rücksicht auf die hervorragendsten Chemiker und deren Leistungen. Der zweite Theil b^eift die specielle Geschichte der Chemie oder die Geschichte der wichtigsten Lehren, Theorien und einzelnen Stoffe.

KoppV Geschichte der Chemie dieses anerkannt dassische Werk hat dem Verfetsser als leitendes Muster gedient und es möchte vorliegendes Compendium neben jener unübertrefflichen Geschichte der Chemie beinahe als ein ge- wagtes Unternehmen . erscheben. Dieses Bedenken ver- schwindet indess bei der Erwägung, dass jenes vier Bände umfassende Werk während der Jahre 1843 bis 1847 er- schienen ist und seitdem eine ausserordentliche Menge neuer Thatsadien, welche ihre Verzeichnung in den Annalen der

Digitized by

Google

602 Sit9ut%g der mM,-fhy8, Oam vom 7. Dezember 1867.

Oeschidite wohl verdietiBi, za Tage gefordert warde. Ausser- dem bietet Kopp's Gesdiichte der Chemie ein so nmfang- reidies ausführlich behandeltes Material, dass neben der- selben eine gedrängtere Bearbeitung des reidihaltigen Gegenstandes als eine nicht unwillkommene Erschemung betrachtet werden dürfte. Die au historischen Quellen so glänzend ausgestattete Bibliothek der Georgia Augusta ist dem classisch gebildeten, mit gründlichen philologisdien Kenntnissen ausgerüsteten Verfasser bei seinen mühsamen und tief eingehenden Vorstudien wohl zu Statten gekommen; es ist ihm gelungen, aus den ältesten historischen Werken ihe schönsten Gitate und Belege zu einem entspredienden Ganzen zu vereinigen« Der durch zahlreiche literarische Leistungen schon rühmlichst bekannte Verfasser hat siöh mit seiner vorliegenden Arbeit, welche die Forschungen der neuesten Zeit selbstverständlich nur aphoristisch behandeln konnte, vollen Anspruch auf Anerkennung erworben.

Digitized by

Google

Oikmbel: Die geognost. Verh6Hni$s€ des Mont-Blanc etc. €03

Herr Günibel trägt vor:

,jUeber die geognostischen ' Verhältnisse des Mont-Blanc und seiner Nachbarschaft nach der Darstellung von Prof. Alph. Favre und ihre Beziehungen zu den benachbarten Ost- alpen."

Wenn es richtig ist, dass mit der Arbeit unsere Kraft wSdist, so muss man es ebenso natürlich als erklärb'ch finden, dass in der Schweiz, dem Lande der Hochgebirge und der mannidifaltigst^ Felsmassen, welche diese zusammensetzen, der menschliche Geist sich schon frühzeitig mit allem Kraft- aufwand an der Lösung der grossen Probleme versuchte, welche die gewaltige Alpennatur hier in so reicher Fülle uns unmittelbar vor die Augen gestellt hat.

Hier war es daher audi, wo ein Saussure, gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts unter wenigen Gebirgsforschem einer der Ersten, welcher mit der bis dahin vorherrschend speculativen Richtung brach, und mit einer Unermüdlichkeit, Unbefangenheit und Treue, die uns in Staunen versetzt, und mit einer Beobachtungsgabe und mit einem Scharfblick, die den ächten Naturforscher kennzeichnen, sich der dirccten Naturbeobachtung zuwandte und den fruchtbaren und sicheren Weg exakter Forschung mit kühnen Schritten betrat. Eine lange Reihe glänzender Namen seiner Landsleute hat die Wissenschaft zu verzeichnen, welche die von Saussure ein- gesehlagene Richtung in den heimathlichen Bergen weiter verfolgten und geleitet von dem Lichte der unaufhaltsam fbrtschreitenden Wissensdiaft mit steigerndem Erfolge das Räthsel des Gebirgsbaues der Alpen zu lösen strebten. Wenn hierbei ein grosser Unterschied zwischen den Ergebnissen

Digitized by

Google

^04 SitMung der matk'^k^. OoäU vom 7. Dezember 18$7.

der Forschungen früherer Zeit und der Gegenwart sich be- merkbar macht, so entspncht dieses eben dem Standpunkte der Wissenschaft von damak und heute und es ist von hohem Interesse, diesen Unterschied zu erkennen und uns des grossartigen Fortschritts zu freuen.

Saussure hatte ganz besonders die Umgegend Ton Genf und den Stock des Mont-Blanc-Gebirges zum Gegen- stand seiner bewunderungswürdigen Forschungen gewählt und eine Fülle von Thatsachen festgestellt, welche uns eine un- yeränderliche Errungenschaft für die Wissensdiaft bleiben werden. Die allgemeine Aufmerksamkeit der Gebirgsforscher war seit dieser Zeit auf diesen TbeU der Alpen gekokt worden und fast alle bedeoteoden Geologen der neueren Zeit haben sich an der Fortfiihning der Gebirgsuntersuobiing im Gebiete des Moot-Blaoo's betheiligt Der jüngsten Zeit ^ aber war es vorbdialten, ein umfassendes Werk über die geognostiscben Verhältnisse jenes riesigen Alpenstocks und seiner Umgebung an's Licht treten m sehen, welches gMS m Sinn und Geist eines Saussure gehaltoi, sich den Vor^ zug zu eigen gemacht bat, auf der Höhe der fortgeschrittoneii Wissenschaft unserer Zeit zu stehen. Es sind diess die ,,Recherches geologiques dans les parties de la Sayoie, du Piemont et de la Suisse voisines du Mont-Blano" toii Alphonse Favre, Professor der Geologie aa der Akademie zu Genf, 1367 in 3 Bänden mit einem Atlas von 32 Blättern. Mit grosser Freude begrüssen wir ein Werk, in welchem der berühmte Verfasser die Ergebnisse seiner vieljähiigen mit Saussure^schem Fleiss, Unermüdlichkeit und Gründlich- keit angestellten und bis ins kleinste Detail ausg^ihrten Untersttdiungen , welche immer die Feststellung von That- sachen mit grösster Unbefangenheit und unbekümo^rt um jede theoretische Erklärung als höeMte Aufgabe eich gestdlt hatten und mit einer der grosse Au^abe vollständig gewach-

Digitized by

Google

Gümbd: Die geognM^ Verhmmm cki Mtm^Skmt ek, 605

«enen scharfen Beobaobtongsgabie angedteUt wurden, ans so eben vorgelegt hat.

Die Fülle der Detailbeobachtung, die Richtigkeit in der BenrtiieilQng der Gebirgsveriiältnisse und die Klarheit der Darstellung muss uns mit Bewunderung erf&llen, wenn man die Sdiwierigkeiten erwägt, welche den Alpenforschungen nach allen Seiten sich in den Weg stellen, und wenn man die y erwickelten Verhältnisse b^ücksichtigt, welche wir in den Alpen &st Sdiritt für Schritt begegnen. Der kühne Alpengeologe hat seine schwierige Aufgabe glücklich und meisterhaft gelöst. Wenn derselbe sich aber nicht blos darauf beschränkt, uns mit den Thatsadien bekannt zu machen, welche er durch Beobaditung feststellte, sondern auch 'aus diesem Detail mit seiner fest verwirrenden und den Ueberblick ersdiwerenden Ausführlichkeit heraus sidi auf den höheren Standpunkt des Zusammenfassens und der Folgerungen erhebt, soweit sie sich aus der grossen Menge von Einzelheiten mit Sicherheit und nach den Erfahrungen der Wissenschaft unserer Tage vorurtheilsfrei gewinnen lassen, 80 können wir dem Verfesser nur Dank wissen fbr die vielen und höohstwichtigen Schlüsse über die Entstehung der Qe- steine und die Bildungsweise jener Oebietstiieile der Alpen, wdche er zum Gegenstand seiner Studien gewählt hat.

So sehen wir durch diese Meisterarbeit, welche durch die Beigabe einer äusserst zahlreidien Menge von sehr klar dargestellten Profilen, Qebirgsansichten und Abbildungen von eingeschlossenen organischen Ueberresten sehr an Verständ- lichkeit gewinnt, und einer schon früher publicirten sehr gelungenen geognostischen Karte der betreffenden Gegend (Carte gßologique des parties de la Savoie, du Piemont et de la Suisse voisente du Mont-Blanc, Winterthur 1862) rieh aosohliesst, ^e fühlbare Lücke in der Reihe der in neuerer Zeit ersdiienenen monographischen Schilderungen der geogno- stischen Verhältnisse einzelner Alpengebirgsglieder in West [1867. a 4.] 40

Digitized by

Google

64M/ Simmß Jr mä0h.iihy$k <B«Ma mm 7. B$9emf» ism^

und 0^ aof die wüifdigBte Weide aosgef&llt und eine passende Gelegenheit gegeben, aas dem reichen Inhalt dieser Sduift einiges Weüige hervoarzaheben, irdohes dnrdi Vergleiehong mit, den geognostiscben Veriiältniseen unseres baTerischea. Aqth^ls . an dw grossen Alpenkette erhöhies Interesse ge«- winnen dürfte.

Es sch^'nt diese um so melir gereiohtfertigt, ak d«r Verfasser, der mit einer üussersträ Gewissenhaftigkeit die gesaonmte flranzösisdie , englische und italienisehe Litieratnc znE(athe ssieht, vergleicteweise seltener Veranlassung mmmt|. auf deutsche Arbeiten sich zu beziehen.

Prof. Fayre führt uns zuerst in die Bbene des Genfer See's und macht uns hier ndt einer Menge von geogno- stisohea Ersdieinungen in einer Ausführlichkeit bdannt, welche diese Untersudwng über die jüngeren Ablagemngea ▼oUständig zu erschöpfen scheint. Besonders ausfuhrlick werden die Verhältnisse der Gletscher und der Glacial- gebilde im Allgemeinen besprochen. Er glaubt keine feste Grenze zwischen den Gebilden d^ gegenwärtigen Zeitperiode, der sogenannten historiddhen Zeit und den zunädist vorana* gebenden Ablagerungen der sonst wohl auschliesslich als quatar oder diluvial bezeidmeten Periode ziehen zu dür£8n. Er fassi beide als Quatärsohichten der Ebene (tenraims quaternairee) auf und unterscheidet vom jünger» zum älteren fortsdireitend:

1) Modernes Alluvium,

2) Teirassen Alluvium (naehglaeiale Bildung), a) Glacial-Gebilde,

4) Alte Alluvionen mit Mergel und Lignit. Das Interesse, welches sieh an diese gründlichen Unter* sttchuagen Favre's über den Boden der Ebene Aschen dem Alpenzug und der Jurakette für uns idsbesondere knupfk» beaäeht sieh auf die geognostische Beschaffenheit der soweit ausgedehnten Hochebene» wdche sich bei uns vor dem Hoch- gebirge nordwärts ausbreitet und es entstdit. die Finge» ob

Digitized by

Google

Oibnbel: Dk geognost, VerJUtttnisH des Mont-Bkine ete, 607

ifir anc^ bei uns gleiche Erscheinungen als das Resultat gleicher Ursachen , wie in jener äussersten S W. - Ecke der grossen nordalpinen Verebnung wahrnehmen. Ich habe in meiner Beschreibung des bayerisdien Alpengebirges und seines Vorlandes') eine Bildung der Quatärzeit beschrieben, welches ieh Terrassen-Diluvium nenne (S. 800), und ich glaube, dass dieses Gebilde dem Favre 'sehen Terrassen Alluvium entspricht. In den bayerischen Alpen findet sich dasselbe ziemlich hoch über dem jetzigen Wasserstand 60 75 Fuss ttber den Thalsohlen und liefert, wie bei Genf, den Beweis eines früheren höheren Laufs der Gewässer, die nun nach und nach ihr Bett sich eingetieft haben. Da solche Gebilde 4n nnsem Alpenthälem vorkommen, darf man mit Grund schKessen, dass zur Zeit ihrer Bildung das Alpengebirge bereits £e Hauptform angenommen hatte, die es jetzt besitzt und die Thalungen bereits, wenn auch weniger tief als jetzt, ihre Furchen zu ziehen begonnen hatten. Indem solche Terrassen StaffelfSrmig an den Thalgehängen bis zur jetzigen Sohle sich herabziehen, verbinden sie die Erzengnisse einer älteren Periode durch allmählige Uebergänge mit den AUuvionen dar Jetztzeit. Bei uns fehlen darin organische Einschlüsse, welche bei Genf vorkommen. Wenn hier neben Elephas pru migenius und Cervus tarandus Oeberreste von Mastadon gänzlich fehlen, so scheint diess ein neuer Beweis dafür zu sein, dass letztere Art in Europa früher ausstarb, als in Nordamerika.

Von ganz besonderer Wichtigkeit auch für uns sind die Erzeugnisse der sogenannten Glacialzeit, welche Favre mit besonderer Vorliebe und Gründlichkeit beschreibt. Er giebt zugleich in grosser Vollständigkeit eine geschichtlidie

1) Geogn. Beschr. d. bayer. Alpengebirges und seines Vorlandes von C. W. Gümbel 1861.

40*

Digitized by

Google

608 SUgvng der math-phys vom Gasse 7. Desember 1867.

Entwicklung der sogenannten Eiszeittheorie, um de danneiü* zeln kritisch zu beleuchten und um endlich für dip Annahme die schlagendsten Gründe aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen aufzuhäufen, dass die ungeheure Ausdehnung der Gletscher, selbst bis über den (lenfersee hinaus einfach aus dem Zusammentreffen einer Reihe nasser Jahre mit reichem Schneefall, wie sie bisweilen jetzt noch eintreten, (1816 1818), wie sie früher einmal yielleicht im verstärkten Maasse und länger andauernd sich gezeigt haben können in Verbindung mit der grösseren Höhe, welche das Alpengebirge bei Beginn der Quatärzeit ohne Zweifel eingenommen haben musSy als alle Gesteinsmassen, welche jetzt die weitausge- dehnten Ebenen vor den Alpen als Geröll und Schutt erfüllen» noch nicht aus demselben fortgeführt worden war, zu er- klären seL Auch mag die gesteigerte Verdunstung der bei der Alpenerhebnng aus der Wasserbedecknng aufgetauchten ausgedehnten Ländermassen viel zur Depression der Tem- peratur beigetragen haben. Wir finden kaum irgendwo eine lichtvollere, ruhigere und vollständigere Darstellung aller hierher gehörigen Ersdieinungen und deren ErkllUrungsweisen als in dem diesem Gegenstand gewidmeten 10^ Gapitel, nachdem der Verfasser in den vorausgehenden Abschnitten vorerst die Thatsacfaen genau beschrieben hatte, welche im Gebiet seiner Darstellung zu beobaditen sind. Es sind hier eine Menge der interessantesten Beobachtungen zusammengehäufb, auf Grund derer er sich gegen die Annahme mehrerer Eiszeit- perioden ausspricht und das Vorkommen von geschichteten Lagen oder von Lignitflötzen zwischen zwei Glacialsdiutt- massen, wie bei den Lignitflötzen von Dümten und Utznach, nur als Folgen einer Episode eines Gletscherruckzuges und erneuten Vordringens zu erklären versucht. Wenn nun die allgemeine Vergletscherung unseres Alpengebirgs während* der Diluvialzeit schon längst keine blosse Theorie mehr ist, sondern zu einer wisssenschaftlich festgestellten Thatsache

Digitized by

Google

€Hkmbd: Die geognoH. VerhöAtnisse des Mont-Blanc etc. 609

sich erhoben hat, so sind doch mit derselben an verschiedenen Stellen des Hochgebirges und seiner Vorländer so vielfach Terschiedene Erscheinungen verknüpft, dass es gewagt er- scheint, den Verhältnissen eines Theils derselben zum all- gemein gültigen Muster für die Glacialerscheinungen aller übrigen Theile aufstellen zu wollen. 'In der Gegend des Genfer See^s und im benachbarten Alpenstock lassen sich die Glacial- -erscheinungen an jetztnoch bestehenden Gletschern bis in die Ebene herabverfolgen: GletscherschlifiFe, Moränen, erratische Blöcke, Glacialschutt und es scheint mit Recht hier angenom- men werden zu dürfen, dass einst der Rhonegletscher oder vrie diese Quatärgletscher sonst heissen mögen, bis zu einer Beefläche herabgereicht, diesen selbst bedeckt und dadurch möglich gemacht habe, nicht nur, dass erratische Blöcke, -welche unzweideutig aus- dem Mont-Blanc -Uigebirgsstock stammen, über die Seefläche hinüber bis zum Jura transportirt wurden, sondern dass auch die Vertiefung des Seebeckens, weil mit Eis bedeckt, nicht mit Schutt ausgefällt worden sei, sondern sich als Seevertiefung nach dem Wegschmelzen des Eises bis in die Neuzeit erhalten habe. Die Persistenz vieler Voralpenseen ist unzweifelhaft durch diese Vergletscher- ung bedingt; ohne sie würden dieselben mit Gebirgschutt eingeebnet worden sein, vne der übrige Theil der alpinen Hochebenen. Auch von dem Bodensee glaubt man das Er- fiilltsein mit Gletschereis als Grund annehmen zu müssen, dass er sich bis in die Gegenwart erhielt, obwohl ringsum 80 grossartige Geröllmassen angelagert wurden, die ihn aus- zufüllen vollständig ausgereicht hätten. Der höchst merk- würdige Fund von Steinwaffen und Rennthierknochen bei Schussenried am Rande einer Moräne, oder doch einer Qlacialschuttmasse, welche von Fr aas eingehend geschildert wurde, spricht sehr zu Gunsten dieser Annahme. Auch liegen erratische Blöcke weit verbreitet in dem Hügelland nördlich Tom Bodensee. Besonders sdiwierig wird es, die Glacial-

Digitized by

Google

610 8it9ung der mtUh--phif$. CScMa» wm 7, BtMember tW7.

arscfaeinungeoi weiter östlich vom Bodensee in jenM^ bergigevi Vorlande zu verfolgen, in weldiem die weichen Molasse-Sand- steine, Conglomeraie und Mergel so sehr vorherrschen. Fehlt es auch hier nicht an einzelnen »eher erkennbaren Moränen, wie z. B. bei Iromenstadt von der Hier seitwärts vor d^ breiten Mundung des Thals, wo dasselbe aus dem Hoch- gebirge heraustritt^ so scheinen doch wed^ die Ealkgebirgs- schichten noch die Molasse fest genug oder gegen die Ober- flächenverwitterung zareichend widerstandsfähig , um die Streifeneindrücke, wenn ületscher über sie hinweg fort- BClireitend ihre Furchen gezogen haben^ bis jetzt sichtbar 9a erhalten. Ueherhaupt ist es sehr bemerkenswerth, wie selten man in diesen allerdings fast blos aus kalkigen Gestdnsarteu aufgebauten Alpengebirgstheilen auf glatte oder gestreifte Flächen stösst, die sich mit einiger Sicherheit als Gletscher- schlifife deuten liesseu.

Die zweite Reihe der Glacialerscheinungen, die

confuse Gemenge von meist scharfkantigen und gestreiften

Gesteinsbrocken mit Lehm, welche als Ueberbleibsel der

Moränen beim Rückzüge der Gletscher zu betrachten sind,

erlangen in unseren Alpen ebenfalls nicht den so sdiaif

ausgeprägten Charakter, wie in den westlichen Alpen. Wir

begegneten auf unseren geognostischen Wanderungen sehr

zahlreichen Ablagerungen wirr durch einander gelagerter

Brockengesteiue in den verschiedensten Gegenden. In den mH

Molassegebilden erfüllten Ebenen, in welchen neben Sandstein

,and Mergel die aus Urgebirgs- und Ealk-Rollsteinen gemis<^

.zusammengesetzte Nagelfluhe ungemein häufig ein mächtigem

Glied der Tertiärformation ausmacht, unterliegt es ganz b9-

wnderen Schwierigkeiten, bei solchen Geröllschuttmaasen aa

unterscheiden zwischen ächten Glaciatgebilden und den durch

Auflockerung der benachbarten Nagelfluhschichten und dorob

Vermengung mit verwittertem Mergel der nächsten Nabe

.entstandenen Schutt- und Trümmermassen, weil denselben die

Digitized by

Google

8wei charakteristischen Keniweidieii des ächtet GUettdw- adiuttesy „scharfkantige und gestreifte Gesteinabrodcea^^fiahlcii, TOkndir deren Bollstiu^e toUständig abgenmdet und glatt ersoheiiien. So begegnet man in den Allgäuer Vorbergeli Ewisohen Bodensee, Immenstadt und Kempten ziemlich häufig Bolchei^ Schttttmassen mit abgerundeten BoUstüdcen Ton sweüelhaftem Charakter. Die Schwierigkeit der Unt^raeheid- «ag wird hier noch durch den umstand vermehrt, dasa die zanächst diesem Distrikt angeschlossenen Hochalpen aus Mo- laase mit zahlreichen Nagdfluhbänken , (Kadalphom fi6180 bestehen, und dass man in deren Voriand ^iheimischet Yon weiter aus den Molasse-^Alpen hergebrachte Qesteioe nidit unterscheiden kann« Auch im Kempter* Walde dehnen eich swisohen mächtigen Versumpfungen Lagen von Lehm jnit Ge- reuen z. B. bei Bodelsberg aus, die für Qlacialgebilde gdludtto werden können^ während am Südgehänge desPeissenbergs eine sehr mächtige Schuttmasse von wirr durcheinander gemengter Ballstüoke und von Lehm mit grösserer Wahrscheinlichkeit als ein Zersetzungsprodukt der dort unter steilen Winkdn a«f- l^richteten Holasse und Kagelfluh des Untergrundes au be- trachten sein dürfte.

Eine andere Ersdieinnng in unseren Alpen, die ich ontfltr der fiezeichnnng Hoohgebirgsschotter (S. 802 meiiies Werkes) zusammengeiasst habe, nimmt unsere Anfindrkaaia- keit in gesteigertem Maasse in Anspruch. An zahlreicliin - sehr hochgelegenen Orten unseres Kalkalpengebirgs breiten eidi meist confuae Sehuttmassen mit stark abgerollten Urgebirgs« und Kalkbrocken aus, die nach ihier hohen Lage (bis 5000^ ü. M.) und ihrer Unabhängigkeit von dem Bestände der jetzigen Thalungen unbedenklich als Gletscher- gebilde angesehen werden müssten, wenn sie nicht nur abgerollte Gesteinsfragmente in sich schlössen. Besonders ausgedehnt ^ipd diese 3<^ttmassen S. vom Zqgapitsgehii;ge an de^ Len^ aseh gegen daa Innthal utA ül J#Mr OerimiafB aaf don Sattal

Digitized by

Google

612 SiUmig äw •M^«|>Jb9<. üloMvom 7. DeMembar IBST.

der Hoohalpe im WiIden*Eaifiergebirge (42000 mit TÖllig ah- gemadeten Urgebirgsfragmenten. Mag auch noch mandie dieser AblagerongeB bei genaueren Untersuohangen als Olacialg^ilde gedeutet werden können, immerhin bleibt der Charakter in den Ostalpen gegen jenen in den Westalpen auffallend verschieden. Gleidiwohl begegnen wir%uf der andern Seke wieder ganz übereinstimmenden Verhältmasen, z* B. in den Lignitlagen der lllerthalgehänge bei Sonthofen, der Terrassen bei Gross Weil und Ohlstadt, in denen wir die Analogie mit Dornten und Utznach nidit verkeonen köDQen (S. 804 m. W.). Leider Milen bei uns Thierreste in denselben, das Holz der Lignite dagegen besteht aus Art^, welche auch jetzt noch hier yegetiren: Pinus sylTe- stris, P. Pumilio (Pinus uliginosa?) Betula und das Gänse der kohligen Bildung weist auf tor&rtige Versumpfungen hin. Die erratischen Blöcke erfreuen ach hauptsächlich auf Veranlassung Favre's jetzt einer besonderen Aufmerk- samkeit, weil man bei der Gefahr, dieser so wichtigen geo* gfiostiscfaen Dokumente durch den Verbraudi derselben zu Bauzwecken, als Strassenmaterial etc. vollständig beraubt zu werden, es für nöthig hielt, genaue Karten über ihr Vor- kommen herzustellen und einzelne der wichtigsten als National- eigenthum für unantastbar zu erklären*') Auch ich habe 1861 in meinem Alpenweirke (S. 800 Anm.) auf die Dring- lichkeit genauer Verzeidmisse der erratisdien Blöcke hin- gewiesen. Solche genaue Au&eichnungen werden jetzt in einem grossartigen Maassstabe mit Unterstützung der R^pe- rung sowohl in den französischen Alpendqiartementen ale auch in der Sdiweiz durch die geologische Commission her-

2) Appel aux Suissea pour les esgager, s conserver les blocs-em-

tiquCB par la commiBsicu g^ol. suisse, suivi d'iin project & une carte

de la dittriimtion des blöcs erratiqttes en Snisse 1867, und Rapport

'tor Im travaux de la loo. de pbyfeiqve de GenÖTe par ¥%yr%, 1867«

Digitized by

Google

Cfl^nM: Bit gtognati, VerhiOtnme des Mmi-BUme eUs. 61$

-geetellt und sind nach den neaestea Mittheilangen Favre' s -mm Theil sdion ToUendet. Es scheint sehr angezeigt, das» anch wir in Bayern uns diesem wissenschaftlichen Unter- nebmen unserer westlichen Nachbarn in entsprechender Weise anzuschliessen haben. Es sind zwar auf meiner Alpenkarte die hery(»Tagendsten erratischen filöcke Yom Bodensee bis zur Salzach eingezeichnet, allein diese Einzeichnungen köni^n und wollen nicht als vollständige gelten.

Viele dieser erratischen Blöcke der bayerischen Hochebene, Ton denen mehrere eine auffallende Abrundung an den Kanten und Ecken zeigen, sind in Bezug auf ihre Verbreitungslinie zu- weilen reihenweise geordnet und meist auf den die benachbarten Thalungen begleitenden S.-N. verlaufenden Höhenzügen abge- setzt, wie längs des Starnberger^Sees, des Inn's u. s. w. Man nimmt gewöhnlich an, und Favre theil t diese Ansicht für die Westalpen, dass die erratischen Blöcke unmittelbar in Form von Gletschertischen auf die Stelle geschoben worden seien, wo siejetzt noch liegen. Trotz des Widerspruchs dieses erfahrungs- reichen und vorurtheilsfreien Forsehens glaube ich gleidiwobl für die Verbreitung wenigstens einer Reihe der erratisdien Blöcke des mittleren und östlichen bayerischen Alpenvorlandes die Beihilfe von schwimmenden Eisblöcken, welche die auf ihnen liegende erratischen Blöcke auf einer damaligen Seefläche nordwärts transportirten, anrufen zu müssen. Es bestimmen mich zu dieser Annahme sowohl eines Eisschollentransportes, als des Vorhandenseins einer Seefläche vor den Alpen noch andere geognostische Ersdieinung^, die ich später anföhren werde.

Favre macht uns in dem Abschnitt seines umfassenden Werkes über die Quatärgebilde noch mit einer vierten vor- glacialen Ablagerung der Genfer Ebene bekannt, die er „alluvion ancienne^' nennt. Diese bestehen aus geschich- teten Lagen ovaler, abgerollter und abgeplatteter fiollsteine Qjbne Ltihmzwisöhenmittel, ohne Beimengung gestreifter Broclc-

Digitized by

Google

814 BitMung der maih.*ph!f$. Ohne vom T. DeMember iS$9^.

gesteine and ohne erratisohe Blöcke, dagegen nit Sand- zvischenlageu lose aufgehäuft oder mit Ealksinter fest tot- Ittindeü.

Eb ist wohl nicht zweifelhaft, dass dieses alte A.llii- Tiam voUstäi^g identisch ist mit dem DiluviaUSchotter, mit dem, was wir bei uns Diluvial-Nagelfluh (sieheS^t'Si m. W.) nennen. Die Entstehung dieses fär unsere Hochflädie mächtigsten Gliedes der Dilurialseit denkt sich Fayre cmier deir Vermittlung Ton Wassei^trömen gebildet, welche das von den Gletschern bei ihren beginnenden Vorrücken gelieferte Gladalnlaterial mit sich fortführten, dabei abrollten und end- lidi absetzten. Dass hierbei die schon vorher bestandmeQ Vertiefungen der See'n z. B. des Genfersee's, nicht mit diesem Rollmaterial ausgefällt wurde, erklärt si^ daher, dass dieses Material in Form von Gletscherschutt oder erratischen Blödren über die Seen gefuhrt, zur Zeit als letztere noch von Eis erfallt waren und erst abgerollt wurde, als es jenseits der Seevertirf- ODg am Fusse der Gletscher in die Strömung der Giessbäche gelangte« Diese geistreiche Theorie, welche die Möglidikeit der Persistenz der alpinen Seen so Tollständig erklirt, dürfte wohl fiir eine grosse Anzahl von Gebirgsseen ihre Richtigkeit haben. Dag^en leuchtet die Schwierigk^t' dieser Eridärong von selbst da ein, wo Seen weit von dem Alpen« Tande entfernt ringsum gleichsam mitten in dieses alte Alla- viom eingekesselt vorkommen.

Wenn die Seeflächen vom Eis ausgefällt waren, ao können doch die Gletscher nicht stromaufwärts das Material geliefert haben, das schon stundenweit oberhalb der Seen als altes Alluvium abgesetzt sich findet. Wir wollen nur dieses -einzige Bedenken, dass übrigens bloss auf unsere Verhältnisse tick bezieht y nicht for die Westalpinen -Ebene gelten soll, -berühren. Ein Blick auf die südbajerische Hodieb^ie, die 4*-^5mal so breit als jene am Genfersee und ftmal so breit als durdMchnittUdi das Vorland der Sdiwaia ist, wird

Digitized by

Google

enrnd: Die §^ognogt. VsNMnisH di9 Mani-Biam Oc, 616

4f«D||gen, Hm zu bemerken, dass hier ganz andere \'erbält- Jiisse geherrscht haben mässen, abweichend von jenen in der Westschweiz. Hier stand den Alpen die hohe Jurakette ganz nahe gegenüber, bei den mittleren Alpen erheben sich da- gegen erst weit nördlich ganz niedere Gegengebirge. Diese weite Ebene in Bayern ist über der Molasse, welche die UiUerlage bildet, hoch erfüllt mit jenem wohlgeschichtet^ PUnvialgeröll mit auf weite Strecken regelmässig fortstreioh- eoden Lagen, wie sie unmöglich durch Ströme abgesetet werden können. Wir glauben hierfür eine allgemeine Süss* wasseranstaunng seeartig aas der Bodenseegegend bis nach Niederösterreich reichend annehmen zu müssen, welche die Ausbreitung der ihr allerdings von strömenden Wassern zo- geluhrten Rollsteine besorgte. Man setzt dieser Annahme gewöhnlich das Bedenken entgegen, dass der Damm dieses SUsswassersee's fehle. Dagegen Ininnen wir mit Zuverlässigkeit auf die Thalenge zwischen EisenwnrE und Greinerwdd bei Linz hinweisen , wo Alpen- und Urge- gebirge sich auf eine Meile genähert haben, und einen ganz Batürlichen Damm bilden, der einen obem Donausee abza- achliessen die zureichende Höhe besitzt. Unter dieser Annahme, dass die obere Donauhochfläche in der Quatarzeit theilweise noch mit Süsswasser erfüllt war, erkläi-t sich dann auf be- friedigende Weise die reihenweise Vertheilung der errat- ischen Blöcke mit Hilfe schwimmender Eisblöcke und audi die Persistenz vieler Seen in Mitte der Hodiebene. Es ist wohl kaum zu zweifeb, dass auch diese alle den sogenannten orographischen Seen angehören , d. h. dass sie nidit Ero- .aionen ihren Ursprung verdanken, sondern gleich den Gebirgs- seen in Folge der Gestaltung des Hoohgebirgs durch Schichten- Alten oder Qnerspalten ihre ersten Gestaltungslinien aus- 4(eprägt erhielten und zwar bereits in der vorquatären Zeit. Die Zahl solcher Eintiefungen in der Melasse, deren Schichten damals noch die unbedeckte Oberflädie der Hocii-

Digitized by

Google

616 SHmmg der ma^-ph^9. CUuie wm 7. DeMmber 1867.

dbene nasmachte and in den Bachtangen zwidcben den zu- sammengefalteten Schichtenpartieen den Grand zu Wasser- anetaaungen legte, ist in der südbayerischen Hochebene eine ^erstaunlich grosse, ^enn, wie es vollständig gerechtfertigt ist, alle jene Vertiefaagen mitgezählt werden, die jetzt zwar nidit mehr in Form von Seen existiren, sondern mit Torf und Allavionen ausgefällt and ausgetrocknet erscheinen , aber unzweideutig noch während der Quatärzeit oft sehr grosse Seebecken darstellten wie z. B. das Mamauer-Eschenloher 'Moor, die Rosenheimer Filze u. s. w.

Der Umstand, dass während der Neuzeit (Noyärperiode) ein Theil dieser alten Seevertief ungen eingeebnet, ein Thefl -trotz den Alluvionen bis jetzt wenigstens noch nicht aus- gefüllt worden sind, deutet auf ähnUche Fälle in der Quatär- zeit hin, dem viele Seen der bayerischen Hochebene ihre Persistenz verdanken, obgleich die Alpen der Ebene im* «rmesslichen Oesteinsschutt zugeschickt haben. Viele unserer Seen sind nichts anderes, als die Ueberreste unausgefiillt gebliebener Seetiefen, flehen welchen hundert andere dem Andrang der Schuttbedeckung weichen mussten, wie es jetzt noch in den Seen verschiedene Stellen giebt, die den Absatz der Sedimente gestatten oder verhindern. Es sdieint -für die Persistenz dieser Seen die Annahme einer üeber- gletscherung als absolut nothwendig nidit vorausgesetzt werden zu müssen.

An die Ebene schliessen sidi bei Genf nun zunädist die Molassehügelu. Indess verbietet hier schon der beschränkte Raum zwischen dem Hodigebirge und dem Jura eine beson- ders reiche Entwicklung dieser Molassegebilde zu erwarten.

Desto reichlicher und interressanter sind die älteren Tertiärgebilde, welche Favre in die 2 grossen Gruppen der eigentlichen Nammulitenschichten und in jene des al- .pinen Macigno und des Sandsteins von Taviglianaz, wek^ wir gewöhnlich unter der Bezeichnung Fly seh zusammenfassen,

Digitized by

Google

Qikmbd: DU geogno8t. Verhäkn%9»e de$ Moni-BUmc «te. 617

theilt. Der Nachweis, dass NocomBliteiisdiiditeii im Innern des Chablaia, am Mont Saleve and im ganzen Juragebiet fehlen, während sie in den innem Alpen sehr verbreitet Tor* kommen, ist von grossem Interesse , weil er zum Beweis dient, dass vor ihrer Ablagerung bereits die genannten Gebietstheile aus dem Meere hervorragten, also relativ höher waren, als die inneren Alpen in umgekehrten Yerhältniss zu ihrer jetzigen Höhe. Aehnliches bemerken wir auch in den bayerischen Alpen, wo die Nummulitenschichten vom Kresaea- berg und Grünten grosse Berühmtheit erlangt hab^. Diede halten sich immer an den äussersten Hochgebirgsrand, scheinen aber älter als alle die angeführten Nummulitenschichten der Westalpen , welche wahrscheinlich verschiedenen Stufen und -vorherrschend den jüngeren Eocänsdiichten angehören. Jene älteren Nummulitenschichten dringen im bayerischen Gebirge nie ins Innere vpr, wohl aber finden wir, dass jüngere Nnmmulitengebilde in einzelnen Buchten etwas tiefer ins Innere reidien, wie jene bei Reut im Winkel (S. 602 m. W.), welche ich im Alter den NummuUtenschichten des Balligstock's in der Schweiz und dem Sande von Beauchamp gleichstelle. Ihr Vordringen in Buchten beweist; dass schon damals wenigstens dnige thalähnliche Einschnitte im Massiv des Kalkgdbirgs bestanden. Eine dritte jüngste Nummuliten- führende Schicht in de» Ostalpen und endlich die Schichten von Häring (S. 608), deren Alter nach meinen Untersuefa* ungen der Thierreste nur zwisdien den oberen Lagen der ligorischen Stufe und den tiefsten Sdiichten der tragrischen Stufe gestellt werden kann, steht jedenfalls den Bildungen von Diablerets gleich« In diese Reihe scheinen nun die meisten der von Favre aus den Westalpen so trefflich ge* schilderten Nummulitenschichten stellenweise mitLignitfiötzen, wie bei Häring, zugehören, z.B. jene von Montmin, Entre- vemes, Petita Bomand und Fanden. Damit stimmt freilich picht, dass Favre die alpinen Macigno stets über den Nummu-

Digitized by

Google

618 8if9%mg 4ef iiiiUh.-fhyi9, C^Eemm von» 7. lKr«eM^ 1^#7.

litensohichten wenn in normaler Lagerung toriiandm ^^ find. Vicdldcht ist in den Westalpen die Dmstümmg ssmr Regel geworden.

Da in den Ostalpen diese jüngste Nummnlitenstiife afsf ennen einseinen grossen Thaleinschnitt den des Inn's sich beschränkt, während sie in den Westalpen so weit vsrbreitet selbst mit ächten Steinkohlensdiiditen zosamnien«^ gefaltet yorkommt> so leuchtet der bedeutende Unterschied hervor, der während der älteren Tertiärzeit zwischen beidoi Alpengliedem bestand^ haben mnss.

Bezüglich des Flyschs (Macigno*iJpin) hat Farre die höchst interessante Thatsache festgestellt, dass derselbe in 2 En- des auftritt ähnlich den beiden Neocomenfades im Jura und in den Alpen, bezüglich des Flysches jedoch zeigt sidi die Ver* sohiedenheit, je nachdem er auf Jurakalk, wie im GhaUais, oder atfNummulitenschichten auf ruht. Wir kennen eine solche Scheid^ ung in den bayerischen Alpen nicht, wohl aber die wenigstens analoge Bildung des sogenannten Taviglianaz-Sandsteins, von dem Favre nachweist, dass an seiner Zusammensetzung vulkanische Asche sich betheiligte. Ich habe die analc^ Mdnng als Beiselsberger Sandstein (S. 621) besehrieben woA obwohl an am die Betheiligung vulkanisdien Tuft weniger deutilidi, ab an den Schweizer Sandstein kennbar ist, bin ich nunmehr au(& der Ansicht, dass die Feldspaili* Ol&nmer- uüd grünen Mineraltheilchen , in welch letzterem idi ein ümwandlung&produkt von Augit zu erkennen glaube, von vulkanischen Gesteinsmassen herstammen. In unserai Gebirge liegen diese Sandsteine meist in den tiefsten, älte- sten Schichtenreihen und treten mit jenen RresenconglooMM raten in nähere Beziehung, die ich (S. 621) vom Böigen besdirieben habe, und deren kolossale UrgebirgsblÖdte mügUeber Weise tertiär-erratischen Ursprungs sind.

Auf dem ersten Berg, mit dessen höchst interessanten geegnostischen Verhältnissen uns Prof. Favre zunächst bekaa»!-

Digitized by

Google

Oümbd: JH$ gtognosk VeMOtmm äea MmU'Mamc «to. 619

madity dem Mont-^öre, treffen wir liereits eine mannick^. iadie Schichtenreihe jängerer nad bes^mders jaraadscher: Gebilde neben NeoeonUagen , welch letztere merkwürdiger Weise nadi ihrem paläontologischen Charakter mehr 2nr al«*^ pinen als jurassischen Facies hinneigen. Wir sehen daraus^ dass die Gestaltimg und Qlkderung dar festen Srdrind» Mher eine vielfisch andere war, als 2nr Jetztzeit. Von hier fiihrt nns der onermfidliche Gtebirgsforscher durch die yer« schiedenen Gebirgsketten und Massen bis hinüber zmn Mont Jovet und den beiden Bernhard-Stöckai, um nns in allen mit gleicher AusführUdikdt , Genauigkeit und Klarheit die vor- kommenden Gebirgsglieder kamen zu lehren und ihre Struktur^. Verhältnisse deutlich zu madien. Zur besseren Uebersicht folgen wir unserem unermüdlichen Führer zuerst in der Setuldenmg der cretazischen Bildungen , weldie durch die reiohp Entwicklung derNeocom- (Valanginien, Neocomien et UrgonienX d^ OriHtoliten» und der Galt-Schichten in diesen Gebirgsgegenden ganz besonders glänzen , durch^ alle die nacheinander geogriq)hisch geordneten einzdnen Stocke hin*« durch. Die Uebereinstimmung zwischen diesen Gebilden der Westalpen sowcdil nach Gliederung, Gesteinsbeschaffenheit, ab Petrefaktenführung mit jenen , welche wir in den AU« ganer Alpen und in Voralberg kennen gelernt und besehrie- ben haben (S. 517 579), ist so gross, dass wir bei den so prächtigen Beschreibungen Favre's uns öfters nach Vor* adberg oder in die koppenformigen Gewölbe westUdi von der Hier versetzt glaubten. Diese Darstellung gewinnt noch dadurch ganz besonders an Werth, dass eine grosse ApzaU VOB oiganischen Einschlüssen dieser Sdiichten von dem als sorgfältigen Paläontologen geschätzten H. de Loriol sehr vor» trefiOsoh besdirieben und deren Erkennen durch gelungene Abbildungen <»leichtert ist eine würdige Beilage zu dem Atlas der Profile.

Diese Ueberdn^timmang zwiscboi dem Genfer und

Digitized by

Google

620 aUtump der math^phi^9. GUu8B wm 7. Dmeif^ber 1907,

Algauer Gebirge An den Weetgrenzen Bayerns erstreckt sidi al>er nooh weiter auf die ober dem Galt folgenden jängeren Glieder der Krdde- oder, wie ioh vorgeschlagai habe^ Pro« oän-Formation. Denn mit allem Recht hält Favre den auf dem Galt zunächst liegenden Kalk für ein Aequivalent des sog. Sewen-Ealks, mit dem jene Ealksehidit die Spär- lichkeit und den schlediten Erhaltungsznstand der organischen Einschlüsse besonders Inoeerameni theilt loh glaube d)er noch weiter aufs bestimmteste in den Gebilden von dem Gebirge der Banges SW. von dem Annecy-See das Aequi- valent der sog. Sewen- Mergel (S. 534) mit Bdemnües? Mkraster cor anguinum der Ostalpen wieder zu erkennen, wodurch die Zugehörigkeit dieser östlidi so entfernter Alpen- tfaeile zu einem gemeinsamen engverbnndenen Entwicklnngs- gebiet mehr als wahrscheinlich gemacht wird. Denn gleich ostwärts von den Algäuer Alpen beherrschen vollständig ab- weichende Verhältnisse die Schichtenreihe der Kreideformation und ihre organischen Einschlüsse (siehe S. 578) und hiermit beginnt ein neues Verbreitungsgebiet, das ostwärts zu den Gosaufacies hinführt.

Bezüglich der Schrattenbildung, der sog. Flatterte des bayerisdien Gebirgs, kann ich mich auf meine Erklärung (S. 541) beziehen, welche mit denen Favre' s in Einklang stehen. Diesen Ausnagungen der Atmosphärilien, die sich an den Gesteinsklüften zunächst wirksam zeigen, unterliege alle mehr oder weniger horizontal liegende und nackte Kalk- platten des Hochgebirgs, der Dachsteinkalk (steinernes Meer), die Piättenkalke wie die Schrattenkalke.

Mit den jurassischen Ablagerungen treten wir in dn Gdbiet, welches die brennendste Frage der Gegenwart in sidi sdiliesst, die Frage nämlich über die naturgemässe Abgrenzung der Jura- und Neocomschichten, mit deren Lösung unser nn« vergesslicher Freund Oppel sich eben zu beschäftigen b^ann, als ein vorzeitiger Tod es veiiünderte, das so erfolgreidi

Digitized by

Google

Sigoftiieiie ^ lolleiidcte» loBwiscbeB ist die Frage ton anderta McisterhiiideB in Angriff genommen worden ; wir dürfen ilife 4efmtive Beantwortung baldigst ToraossdiOL Fayre hat dürdi aeineStndien nid^t wenig zn ilurerFördenuig beigetragen. Was ^ber den Scduldemngen der jaras8i8<Aen Sohiohtea in der Üngebnng vom Mont*BIanc no(di erkälte Wichtigkeit TerleOit, ist der Umstand, dass gerade in diesem Gebirgstheüe awei 4er merkwürdigsten Entwieklongsformen, die alpine nnd die 4es Jaragebirg^sidi berühren, gleicksaia Tersdimeben, wesi- halb gehofft weardai kann , dass der Gmnd dieser verschiedenen Facies y wekAe hier so nahe nebeik einander auftreten t am ksehtesten hier erkannt weiden könne.

Mont Salife und die Berge der Voirons schliessen snh als Vorposten geographisch an die Alpen an. Im ersten treten nn- mitMbar unter den tiefsten Lagen der Valenginienstnfe (mit Natica Leviathan) Coralloolithe und Korallenkalke auf, weiche im Allgemeinen den sog. Neriaeen und Diceras-Kalken deir ausderalpinen Jorafaeies eiitq[>rechen. Ihre Fanne mm&sst merkwürdiger Weise aber bereits einige charakteristische Arten der alpinen Eütwidklnng, wodurch ein allmähliger Uebergaag, keine scharfe Trennung beider Entwicklungsreihen aageseigt SU werden scheint. In den Voirons fehlen diese Korallenkalke imd es erschebt hier eine Kalksteinbildung (s. B. bd He- minal), die der Verfasser früher för ein Glied der Ozford- stufe hidt, jetzt aber geneigt ist, als {^chzeitige Faciesbildung mit den Korallensohichten des Moat-Saleye der Oppersdien Titonstufe suzutheilen. Die Mehrzahl der aufgeführten or- ganischen Einschlüsse namentlich: Ammanites pUeaüU&i JEratOf (der tjrpisdie A. armatuSy Bdemmtes hastaius nnd Scuwohauius lassen jedoch darüber keinen Zweifel, dass wenigstens die diese Arten umschliessende Bänke der Oxford- stufe und zwar den tieferen Lagen den sog. AmmonÜes iransversariuS'Schiobt&i^ wie die Kalke von Ch&tel St Denis, angehören. ^Wenn aber damit auch Terebratula jamt$r^ [1867. H 4.1 ' 41

Digitized by

Google

fi^ dUmmff dtt ma^.'fkifB. Ohm vcm 7. Iktmßiber iWT.

(nicht d^Aya, wie nach späteren MittheiliingeiiFayre's sidi h^ansgestelit hat,) zogleioh sidi dnstelHy so ist es woU erlaubt, zu yeminthen, dass hier, ähnlich wie an der Port de France nach Pictet's') neuesten entscheidenden Aasein- andersetznngen die strittigen Grenzschichten mit TerAraMa janitar über den üei&^eia Joragliedem getrennt Yorhanden

Was nun die Streitfrage aber die natnrgemässe Ab- grenzung zwischen Jura- und Neocomschiditen anbelangt, deren Lösung durch die unzweifelhafte, bei Porte de France ^mittelte Auflagerung einer Korallen-Brecde (Nr. 4 Pictet's) mit einer zwischen entschiedenen Neocomarten (Bdenmäes latus, Minaret und Orbigntfanus , Ammonües privasensis^ CdlistOy Terebratula Etähymi aus den Berriasschichte, und Peltastes spec.) und unzweideutigen Jnraspecies (Terdfftk^ ttUina substricUa, Megerlea pectuncidaides und eine Rdfae Yon Echinodermen , die &st ansschliesslich jurassisch sind) getheilten Faune über den Lagen mit Terebratula janitar und einer Reihe von Ammonites-Arten mit Neocomcharakter (Nr. 2 und 3 Pictet's) auf neue Schwierigkeiten zu stossen scheint, so dürfte diese Vermengung einer älteren und jüngeren Faune in den Orenzschichten gewisser Gegenden kaum befremden, wenn man die natürliche Entwicklung der Faunen in den aufeinander folgenden Perioden im Auge behält und nicht der Ansicht huldigt, dass die Fauna eine ältere Schiditen- reihe plötzlich vertilgt und eine neue Fauna für die jüngere Schichtenreihe geschaffen worden sei. Solche strenge Scheid- ungen existiren allerdings da oder dort, aber sie sind T<m nur örtlicher Bedeutung. Die Bildung von Sedimenten ist auf der Erde stetig fortgegangen, wie die Entwicklung im

S) Noticd 0iir les oalcaires de la porte de France in d. AreliiTQt d. tc. de biblioth^ae iiii.-de Gen^e, Oot 1867. .

Digitized by

Google

OümM: Die geognoH. VerhäKmaee de$ Mont-Blane etc. 628

Thier- und Pflaozenreich. Wo dieser Bildoogsprocess unge- stört und ohne gewaltsame Unterbrechnngen an dem Orte der Ablagerungen oder in der Nähe fortschreiten konnte» werden weder discordante Uebereinanderlagerungen zu sehen, noch eine plötzliche Aenderung in den Arten der organ<» ischen Einschlüsse, als Repräsentanten der jeweiligen Fauna, zu bemerken sein. Die Fauna ändert sich allmählig mit der allmähligen Vermdirung der Schichtenlage« Wo wir strenge and plötzliche Formationegrenzen beobachten, ist diess ein Zeichen yon Störungen und Aenderungen in Vertheilung yod Land und liieer, welche in der Nähe eingetreten sind. Strenge Formationsgrenzen sind doch nur localer Natur, auch wenn 816 über ganze Gontinente hindurehreichen sollten. Auf der Erde als Ganzes reihen sich hier oder dort dieGebirgs- glieder unmittelbar mittelst allmähliger Uebergänge an ein- ander an; für die Erde als Ganzes giebt es keine strengen und plötzlichen Formationsgrenzen. Aber gleichwohl verlieren diese, wo sie existir^ und innerhalb gewisser Territorien nichts an ihrem hohen wissenschaftlichen Werthe, welchen wir ihnen mit Recht beimessen.

Wie aber ist es möglich, dass selbst innerhalb Schicbten- reihen, welche keine Diskordanz zeigen, sondern das Zeichen des ruhigsten stufenmsässigen Entwicklungsganges an dch tragen, denn doch plötzlich neue Arten, wie nicht zu läugnen ist, auftauchen? Wir wollen hier ganz absehen von der möglichen Umgestaltung der vorher vorhandenen Arten. Die Vertheilung der einzelnen Formationen oder einzelner Glieder von Formationen über verschiedene Theile der Erde, die Störungen in der Lagerung, die sie erlitten haben, setzen 68 ausser Zweifel, dass fortwährend auf der Erde Disloka- tionen der festen Rinde, Senkungen und Hebungen statt- fimden, bald von geringerer, bald von grösserer Ausdehnung und Erstreckung. Damit erlitten die Meere, die Hauptträger- innen der Sedimentärgebilde, in ihrem Umiang und in ihren

41*

Digitized by

Google

624 tiitmmf der fliiatii-p%#. Oasse vom 7. Dtsmuker 18er.

Verbindungen vielfache Aenderungen ; früher verbnockne Meere wurden in einzelne Becken getrennt, früher getremte Becken in Verbindung gesetzt and vereinigt Ehirch solebe Aesdernngen , welche selbst auf sehr grosse Entfernungen hin ihre Wirkungen fühlbar machten, .erhielteu gewisse MeeresK theile neuen Zuwachs an den ihnen vorher fremden Arten, sie verloren unter Umständen einige der früheren Beding- ungen, unter welche diese oder jene Art in ihnen \ebeai lM>nQte, ihre Niederschläge dokumentiren innerhalb der Grens- gebiete dieser Aenderungen in der Vermengung alte typischer und neuer fremdartiger Formen solche Vorgänge' der ver- änderten Oberflächengestaltung, welche an andern SteHen der Erde nicht oder in anderer Weise eingetreten sind. Auf diese W^ise scheint uns die Thatsaohe eine Vermengung von typiaehen Arten verschiedener Formationen in Grenzschichten an gewissen Stellen der Erde nicht nur nicht auffällig, sondern vielmehr nothWendig.

Aehnlidie Betrachtungen gestatten vidleicht auch die eigentbümlichen Verhältnisse bei den Grenzgebilden der Jur»- und Neocomschichten der westlichen Alpen, die wir so eben berührt haben, zu erläutern.

Wie schwierig und verwickelt diese Untersuchungen über die jurassischen Gebilde des alpinen Gebirgssystems sind, das deuten schon die petrographischen und paläontologischen Differenzen an, weldie bisher in den gleichen oder doch nahe entsprechenden Schichtenreihen an den v^schiedensten Stellen der Alpen beobachtet wurden. Selbst in den femst^i E[arpathen taucht auf einmal wieder ein Facies in den sog. Stramberger-Schichten auf, welche die merkwürdigsten Analogien mit den Kalklagen der Westalpen besitzen.

Die Spuren dieser Bildungen an der oberen Grenze der Juraformation führen uns durch die ganze östliche Schweiz, durch Voralberg, wo bei Au und an der Gamsflofa ein leider trostlos armer schwarzer Kalk, nach Oppel mit

Digitized by

Google

Gümbd: Die geognost. Verkmni^Be de9 MwP^Blmme €U, 625

einem Ammomtes Ccüsto^Shrdichea Cephalopoden die an» nittelbare Unterlage der Neocomscbichten aosmadit (an der Wurzeralp m prächtiger Entblössung) und sidi mit den für die bayerischen Alpen so charakteristischen Aptjrchen-reichen Ammergaoer- Wetzsteinschichten in Verbindung tritt, dass weiter zum rotheu Ruhpoldinger Kalk bei Traunstein, in velchem das glücklidie Auge Oppels eine Reihe seiner titonischen Ammamten^) neben einer Terebratula aus der Gruppe der diphya entdeckte, gleichfalls mit den Aptychen- Bcfaichten als Haugendes verbunden bis zur Salzach, wo graue, den Aptjdienschichten ähnliche, hornsteinreiche Oebilde, die sog. Oberalmer-Schichten, oft mit äusserst dichten, dem lithograj^schen Kalk ähnlichen Lagen und Gementmergel anmittelbar unter den sog. Rossfeldschichten (Neocombildung) durch zweifurchige Bdemniten^ Aptychen mit knieförmig gebogenen Rippen , und Ammonites subfimbriatui neben ju- rassischen Formen unzweifelhaft dieselben Uebergangsglieder repräsentiren, welche in unsern Alpen hier am ehesten weitere Ao&chlüsse über diese Grenzschichten zu geben versprechen. Es ist höchs auffallend, dass in dem ganzen Alpenzog die ältereren jurassischen Stufen unter dem sog. Oxford* kalk nur dürftig entwickelt sind. Eine Ausnahme macht der Kalk mit den ckarakteristischen Kellovray- Versteinerangen, dem unser sog. Vilserkalk , und die Kalkschicht mit der so bezeichuenden Fosidonomya dlpina. Fayre war so glück* lieh, diese Bildungen an zahhreichen Orten zu entdecken, in jenen von Ghanaz, bei Seyssel mit einer glänzenden Reihe Ton Ammoniten. Von noch grösserer Wichtigkeit ist dae Auffinden noch älterer Schiditen (Bath- und Unter-Oolith) mit dem in den Alpen so seltenen AmmtmUes Parhimom, Mwnkisanae^ Humphre^immi n. A. Alle diese Stufen bilden

4) Geogn. palaeont. MittlMiL Ton BeneokeL &2^

Digitized by

Google

626 Sitnmg der moOk^hs^. dam vom 7, De§ember 1867.

din fast untrennbares System von schwärzlichem Schieferthon, von grauen und schwärzlichen Kalken oder Mengelschieier and dunkelfarbigen Sandsteinlagen, in welchen man weitere Schichtensysteme nicht zu antersdieiden im Stande ist Dieser Nachweis ist eine namhafte Errungenschaft für die Alpengeognosie.

Dieser tiefere Dogger verbindet sich stellenweise mh noch tieferen Lagen Ton ähnlicher petrographisdier Be- soha£Penheit, die jedoch durch organische Einsdilüsse sich ak liasisch kennzeichnen. Die dunkelfarbigen Mergelschiefer der oberen Lias8tufe stimmen aufs genaueste mit den Schiefer- bildungen, welche ich Algäuschiohten nenne (S. 435 m. W.). Ich habe bei denselben bemerkt, dass, da in den bayerisdben Alpen bisher keine Spuren von älterem Dogger beobaditet werden konnten, in der Reihe dieser ein scheinbar untheil- bares Ganzes ausmachenden Algäuschiefer wahrsdieinlicfa die Aequivalente der Doggerforroation mit eingeschlossen sind. Diese genauen Schilderungen der oberen Liasschichteo in den Westalpen (mit Ammonites Aalensis und Inocera$mts Folgen) macht mir diese Ansicht nur um so wahrscheinlicher. Ueberhaupt scheint der Lias des Genfergebirgs viele Ueber* ainstimmung mit der Lias in unseren Alpen zu haben, ob- wohl die Fauna ganz ausseralpinen Typus an sich trägt und nur Ammonites Boberti^) Hauer (nicht Ooster) als ausschlieas- lich alpine Art beherbergt.

Auch die rhätischen Stufe, für welche Favre odi der Stoppani'schen Bezeichnungsweise Infra-Lias bedient^ (obwohl wir uns sonst in Vielem in höchst erfreulidier Weiae mit unsem Ansichten in Uebereinstimmttng befinden,) ist in ihrer grossartigen Verbreitung inneriialb der Westalpen deai scharfen Blicke Favre's nicht en^angen. Seine Mittheilungon

5) Ammonitei dieeoheUx Stol. ist mir nicht bekannt.

Digitized by

Google

Gümbd: Dk §0ogiMk VerkäiMm 4«i Mtmit'Bkm ete. 627

Ueräber sind sehr nmÜEMBend und bdehrttid. Beziii^di der organisohen EinsohliUse hall sich der Verfasser ganz an die Bestimmongen Stoppani's. Wir wollen desshidb, obg^ieh sie nicht in Ueberstimmnng sMien mit unserer Anifasanng, nichts weiter bemerkoi. Wenn aber der Verfasser, die An- siditen Stoppani's nnd die der meisten französischen Qeo-^ logen thdlend, als mit bestimmenden Grand der Zntheilang der rhätischen Sdiiehten zur Liasformatioa das Voricommen Ton einer Belcfnmien^ und räier Mßtcporhmua -SpecieB an- föhrty so sei mir erlaubt, obgleich diese Frage sdion so vielfach discatirt worden ist, hier noch einmal mit wenigai Worten darauf zuräck zu kommen. Znm Voraus sei bemerkt, dass das Auffinden eines so sdiledit erhaltenen Steinkem's, über dessen Natur man überhaupt noch in Zweifel sein muss, wie jener eines unsymetrischen Ediinodermea Mekp^rhiHus^ bei der Entscheidung der beregten Frage wohl in Ernst nidit in die Wagsdiale gelegt werden darf. Audi das erst- malige Erscheinen eines Bdenmiten kann nicht befremden« so wenig wie das Vorkommen Ton Orffioeeratiten im Lias Ton Adneth. Wenn man bisher die Gründe angeführt hat, weldie zu Gtmsten einer Zutheilung der rhätischen Schich- ten zur Liasformation nach der Vei^leichttng der beiden graieinseliaftlichen oder analogen Spedes zu sprechen scheinen, hat man immer Tcrgessen^ mit gleichem Maass zu mes* sen. Man zählt auf der dnen Seile die gleichen oder ?«> wandten Arten in zwei Sdochtoureihen, die unmittelbar aufeinanderliq;en, welche mithin in der Zeit ihrer Entstelrang unnuttelbar und in demselben Meere entstanden aufeinander Mgten, während man auf der anderen Seite zu esnor Ver« ^eichung mit älteren triasischen Faunen wenigstens bis in cUa Lettenkohle oder gar bis in den Masdielkalk hinabsteigea muss, in FaunengebietCi die, yergteichsweise zu spredien, iMe famderttausend Jahre, früher exiBtirCen und den tltätischeü Torausgiengen* Die- liasische Fauna dagegen rekiit dies«

Digitized by

Google

628 MMNf 4tr «iA.rfM» <^>«m» «<mi 7.

mmitlellHur die Hand, ist eine selehe Vergleidi nngleick* werüngeii Verhiltnitee wiasenadiaftUch exakt und zoläaBig? loh e^Mrt>e nicht. Es fUlen damit angleich andi alle die Grande def Zttlheihmgder rliätmchen Siafe cur Liaef oimatioB.

Wenn man richtige Zahlen gewinnen will, so mnss man Vergldohnngen der Fauna zidien, die nahezu gleich weit in der Zeit ihrer Bildung von dem Vergleiohsoentrum abstehen, and diess wäre nur möglich, wenn wir eine Fauna benutzen, kannten, die so tief ~ idi gebrauche diesen Ausdruck nur figür^ lidi— untor dem rhätischen Schichtencomplez läge, wie die der unteren liaschichten darüber, also etwa die Fauna des rothen Bdodon^Keaper's« Aber würde man sich nur die Muhe nehmen, die rfaätiaohe Fauna der tieferen Keuperschiditen in den Alpen mit jener der sog. Raibler Sdiiehten oder des Kalks vom Eeino in Vergleich za teten, ohne dabei zu veigessen, daea zwischen beiden die ungeheure Masse des Hauptdolomite, der einer unermesslich langen Bildungszeit entspridit, liegt, so wärde man den triasischen Charakter der rhätischan Fauna, im Sinne meiner Erläuterungen über die Grenz* schichten der Jura* und Neooombildungen gewiss nidit ver- keimen können. Wer die ausseralpinen Verhältnisse, weleke «wischen dem ^fione-bed und den tiefen Eeuperlagen so nn» zweideutig bestehen, kennt und würdigti wird ausserdem nicht im Zweifel sein, dass dieses ganze Sduchtensjostem ein auMmmengeböriges , Ganzes ausmache und am naturgemäase» sten als eine besondere Stufe der triasischen Formatien auMreihen sei.

Die Entdeckung und der Nachweis ?on oberen Trias* aehlchten, welche dens Keuper an Alter zu iwrgleidien sind, in den westlichen Alpen ?erdankt die Winwinsfhaft gittehfdhi den U^^erandiungen Farre's. Derselbe haMa diese SehAehton schon ?or mdnrercn Jahren kennen gelehrt. Mit liegt uns Uerüher eine volktindige und ausflihrlichn in idbn Einadheiten des VorikonunsM Tor^ die

Digitized by

Google

SiknMt Jh€ geogntmt VmkOtmm dm Mtmt^mßme Hc 629

uns aae sdir klare Eiyncht gestattet. Wir finden namea*«^ lidhi di^ als wesentHeheB Glied Gyps mit Ranchwalke an-^ geführt; neben Arkose, Qoarzit, rothen nnd gränen eiaen«^ haUigen, thonigen Schiefem, die, weil ohne VersteineningeB, nidit mit Sidierheit den alpinen Bnntsandstein oder Werfener Schiefern der Ostalpen gleichgestellt werden können. Ebenso fdilt es an deutlichen Spuren der Muschel«- kalkbilduDg. Die auftretenden Dolomiten entsprächen eine- dar mäditigen Dolomitenreihen in den Ostalpen^ wekhe hier zwisdien dem unteren Trias und der rhätischen Stufe eingelagert yorkommen. Auch die Vergesellschaft von OTps- und Bauhwacke lässt eine nähere Vergleichung mit den Ver*^ h^Unissen in unserem Hochgebirge nicht sm, da wir hier drei wesentlich verschiedene Gyps-führende Horizonte im obersten Buntsandstein (Böth), zwischen Baibier Schichten und Haupidolomit und endlich in den rhätisdien Schichten eelbst haben. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat e^ für sich, die Oypsbildnng der Westalpen dem mittleren Horizont anangleidien, welcher ziemlich mit den Gjpeablagerungen im den tiefsten Stufen des bunten Keupers «tisserhalb der Alpen (Gangyps-Stufe) über oder mit den dortigen SfeeU* Tortretern der BaiUer-Fauna das gleiche Alter theiit.

Wir gelangen so abwärts m der Schichtenreihe steigend an jene sogenannte Anthracitbildung der Westalp^i, wekbe seit ihrer ersten wissenschaftlidien Entdeckung chireh H. Elie de Beaumont (1828) das Interesse aller Geog-* Bosten dadurch auf das Lebhafteste für sich in Anspruflh nahm, weil daselbst ächte Steinkohlenpflanzen mit ächten Lias-* sogar mit tertiären Ueberresten zusammen- gelagert vorkommen sollen. Man hat, um diese Anomalie gegen alle sonstige Beobachtungen in den Sdiichten, welch» UBtsr der Beseidmimg Anthrazitbildung der Taren* taise bekannt sind, zu erklären, viele Theorien aufgsstelk «nd SU den wirkUob abenteuerhckstra Auskunftemittein Mem^

Digitized by

Google

680 BiiUnmg der maf^-pAyf. CUaae vom 7. Ihäember 1S67.

Zoflucbt genommeD. Sdbst die Barrande'Bchen Kolonin hatten kaum das Licht der Weh erblickt, als sie zur Er^ länterung der Anomalie in der Tarentaise herbeigezogen wurden. Favre behandelt diesen Stoff sachlich und ge- scdiicfatlich mit einer Gründlichkeit, die diesem Forscher zur höchsten Ehre gereicht. War er es ja, welcher zuerst (1858) nicht bloss behauptete, sondern deutUdi nachwies, daes die unzwdfelhafi; ächten Steinkohlenpflanzenreste- enthal- tende Lagen getrennt sind von den Liasyersteinerungen- führenden Schichten und dass bdde Systeme nur dundi Sdiichtenstörungen, Zusammenfaltelungeo und Ueberkippungea in scheinbare Wechsellagerung versetzt und stellenweise so übereinander gelagert vorkommen, dass die äditen Carbon- schichten oben und die Liasschichten unten liegen.

Der verdienstvolle Alpenforscher hatte die (Jenugthaung, dass die Versammlung von Qeognosten, weldie 1861 zur Prüfung dieses so vriditigen, wie sdiwiaigen geognostiscfaen Problems unter Studer's Leitung in einer ausserordent- liehen Sitzung der geologischen Qesellsohaft zu St; Jean Maurienne zusammengetreten war, nach sorgfaltiger Prüfung an Ort und Stelle sich ganz den Resultaten FaTre's an- schloss und Studer die Streitfrage für definitiv erledigt erkläroi konnte. Wenn aber irgend noch eine Spar von Bedenken übrig gd>liebeQ sein könnte, so würde diese durch die neue, klare und erschöpfende Darstellung Farre's, die von zahlreichen deutlichen PtofilzeichnungeB erläutert wird, vollständig verscheucht sein. Dieser Abschnitt ist ein wahres Muster für die Behandlung geognostischer Fragen.

Die Kohlengebirgsschichten lageni zum Tfaeil wenigstens auf noch älteren, den krystallinisohen Schi^isrii oft ähnlichen ScUefergebilden , ' die in den inneren Theüea des Hodigebirgs mächtige Verbreitung gewinn«!. Da sidiero Andeutungen der präcarbonischen Reihen des Ber^calka der Devon- und SifatrformationcB bisher hier nodi nicht erkannt

Digitized by

Google

Qiknbd: JH$ geognoO. VirhäÜmm des Mont-BUmc ete. 631

worden sind, so köante man solche alpine Thonschiefer für Aequivalente solcher älterer Oebirgsglieder halten; in- dess fehlt jede Spnr organischer Einschlüsse, die eine solche Annahme rechtfertigen würde.

Die grosse Reihe dieser thonigen Schiefer ?on Ton mehr oder weniger krystallioischer Tertur, die man als Moni üenis- oder Casenna- oder graue und grüne Schiefer bezeichnen kann, wie zwischen Flumat und dem Thal der Isk'e und um Megene, yerlaufen in kalkige, chloritische Olimmer-führende Schiefer und in wahren Glimmer- schiefer, die ihrerseits wieder aufs innigste dem Gneiss sich anschliessen. Alle diese krystallinischen Schiefer bilden ein Ganzes, in welchem einzelne Graphit-reiche Lagen, dann häufig körniger Kalk stets nur in deutlichen Zwischenlagen, wie der Serpentin, eingeschaltet sich finden. Fayre war auch so glücklich in dem serpentinhaltigen Kalk im Mattenbach bei Lauterbrunn in der Juugfraukette zwischen Gneisslagen Eoeocn aufzufinden. Wir erkennen aus diesen Schilderungen das Abbild der Verhältnisse, welche sich auch in den Urgebirgstheilen des bayerischen Gebirge N. der Donau beobachten lassen. Selbst Eklogit- Einschlüsse hat Favre in der Nähe des grossen Gletschers von Trient be- obachtet

Der Gneiss, namenüidi die Gndssabänderungen mit grünem Glimmer, die sogenannteo Protogingneisse Ter- binden sich so innig mit gewissen granitisch^ Gesteinen, dass man beide blos für Formen derselben Gebirgsart halten Bu»s. So erscheint der Granit, den man wegen seiner eharakterischen Gemengtheile Protogin nennt, mehr gegea das Centrum des Mont«Blanc Stock's, die geschichtete Ab- änderung mehr gegen Aussen. Dieser Protogin selbst in ■einer Granitform ist stets in dicken Bänken gesondert und gehört mithin denjenigen krystallinischen Bildungen an, die ich als Li4(«i?granit& beaetehne. Meine Unteiauchangs-

Digitized by

Google

632 Sfüsmtg def mMh-ph^. Ckme «mi 7. Dmewtber 1S€7.

resaltate stehen in dieser fiemhaDg in ?olIer UebereinttiiD* miing uiit deB ADsichten FaTre's, wenn er die herrsdiende Paratlelstniktar der krystallinisohen Schiefer fSr ädiie Sdiiohtung, and nicht für Folge einer Schieferong hält, deren wahre Ursache itad Wirkung der Verfasser sehr wohl kennt und an den Schiditen zwischen Tete noire und den grossen Tunnel trefflich besdireibt. Die stale Aufrichtung dieser Schichten und Lager verursacht das Wildzackige dieses Oebirgs und das häufige Vorkommen von Spitzen und Nadeln, während andere Granitgebirge sich durch abge^ rundete Formen auszeichnen. Auch unsere nordbayerischeo Gebirge beherbergt einen Protogin-artigen Granit, bei dem jedodi die weiche talkähnliche Beimengung nicht aus Tafle best^t, sondern dem Onkosin und dem Steinmark entspricht. Bei den allerdings wenigen Mustern von Protogin ans dem Mont-Blanc Stock, die mir zur Verfügung stehen, zeigt es sich äusserst schwierig, die grünliche für Talk- anzusprechende Substanz ganz lein von Feldspath oder Glimmerschüppchen zu befreien. Die erhaltenen Beaktionen und daher nicht zuverlässig genüge um über die Natur dieser Beimengung volbtändig ins Klare zu kommen, kh fand indess, dass möglichst reine Splitterchen vor dem Löthrohr nicht völlig unschmelzbar sind, dunkler werden und mit Kobaltlösung Spuren von blauer Färbung anndunen. £s möchte daher diese Substanz ebenfalls zu den Steinmarb' ähnlichen Beimengungen zu rechnen sein.

Wir folgen dem Verfasser aus dem Bereidi zahlloser einzelner Beobachtungen, die er in der Natur augestellt und bezüglich de r Richtigkat seiner Auffassung durch hundert ähnlicho Profile coutroUirt hat, endlidi auf das Gebiet der Sehlussfolgemngen, welche er auf höchst geistreiche Weise ab das Resultat aus seinen Eiuzelforschnngen ziehen zuAdörieB geglaubt hat Es ist von hohem Interesse hier die Aa* siditen etaes Mannes zu hören, welcher' durch die Ruhe

Digitized by

Google

MmM: DU gmgmU. VmhmniMU dm Um^Bktm m. 688

wd Klarhrit der AaschaoangeA bei seinen tausend und ^ tausend Beobachtongen in der Natar Bärgschuft dafür leistet, daBS auch seine Schlüsse sich nicht ¥om Wege exakter Forschang durch kühne Phantacnen werden fortreissen lasseHi kurz die durch unsägliche Mühe während vieljährltehen Forschungen erworbenen Erfahrungen eines Feldgeologen zu /veradimen. Nach sorgsamer Piüfatig aller VerhäUnisfle kommt Favre zu dem Schlüsse^ dass:

1) nur unter dem Einflüsse von Feuchtigkeit, Druck und Wärme die Granit-artigen Gesteine des Moni-Blaac*s ent- atanden sein können,

2) dass sie geschichtet sind,

3) dass sie in festem Zustande auf die Oberfläche dar Erde gelangt sind und

4) dass sie nicht dem llelamorphisaius unterworSm waren.

Um die Verhältnisse deatlicbar begreiflicher zu machen, unter welchen bei dieser Voraussetzung etwa die Ent- stehung soldier Graoitmassen gedacht werden -kann, ver- weist der «Verfasser auf jene ältesten Perioden der Erd- bildung zurück, wo das Wasser noch in Dampfform in der Atmosphäre verbreitet war und sich zu condensiren begann. Der dadurch und durch das Vorhandensein anderer Gas- arten in der damaligen Atmosphäre verursachte enorm^e Druck zwang die Dämpfe trotz der hohen Temperatur^ die damals herrschte, in flüssigen Zustand überzugeben und auf vorhandenes Material, welches sich der Verfasser in Form Lava-ähnlicher Masse die Obei-fläche der Erdfeste bedeckend denkt, auflösend einzuwirken. Dieser aufgenommene Stoff krystallisiiie wieder aus und lieferte das Material zu dem granitischen Gestein. Mit Abnahme der Wärme verringerte sich diese Einwirkung und die Krjstallisationskraft und so entstanden die krystallinischen Schiefer. Die Gesteinsgänge

Digitized by

Google

684 8Uinm§ d$r maih.-f^M. CUuse vom 7. Degember 1667.

dagegen, die TOn dem Verfasser auch vielfaeh oonstatirt worden , wie z. B. die Gänge porphyrartigen Granits yon Valorsine, leitet er Ton grossem Druck her, weldier das Magma des Granites in die Risse benachbarter Gesteine eingeführt habe.

Wenn wir an die Stelle bereits aus der Wasserlösnng fertig aasgebildeter Kristalle die Bildung eines amorphen Niederschlages setzen, aus dem sich erst nach und nach die einzelnen Mineralien am Boden selbst entwickelten, so Vlurfte diese Darstellung ungefähr der Vorstellung gerecht werden, welche wir uns nach dem jetzigen Standpunkt der Erfahr- ungen naturgemäss von der Entstehung der granitischen Gesteiüe machen können.

Besonders scharf fertigt Favre den Metamorphismns in Bezug auf die Entstehung der krystallinisdien Sdiiefer ab? Der Glaube an den so mysteriösen Metamorphismn stamme hauptsächlich von der Angabe der firanzösisehen Karte eines „terrain jurassique modifie^* her. Seitdan jedoch dieses terrain modifi6 theils als carbonisch, theils als acht jurassisch sich erwiesjsn hat, ist der Metamorphismus unnöthig geworden. In dem Kalk vonMagaz dicht am Protogin finden sich die best erhaltenen Versteinerungen ohne irgend eine Aenderung. In Bezug auf das Vorkommen Von Eguisetum Sismcndae^ im Gbeiss von Veltlin, das man für einen un- umstösslichen Beweiss zu Gunsten der Bildung des Gndisses durch Metamorphose angefahrt habe, glaubt Favre, dass bei einer Umänderung der Schiefer in krystallinisches Gestein die feinen Theilchen der zarten Pflanze sich unmög- lich hätten erhalten können. Metamorphismns ist dem Ver- fasser eine verborgene, unbekannte Kraft, der man die Erfolge zuschreibt, von denen man sich keine Rechenschaft geben könne, von der man jedoch wünschen miisse, dass ihr Name bald ans dem Wörterbuch der Wissenschaft gestrichen werde.

Digitized by

Google

€HtmM: Die geogmM. VerhäUmm des Mmii-Blmc ete, 695

Man miiBs wemgstens bezügb'ch der krystallinischen Sdiiefer dieser Ansicht anbedingt beistimmen oder überhaupt alle Gestmne, weldie nach ihrer Sedimentation oder Erstammg irgend eine Aendenmg erlitten haben, und das sind alle, selbst Sedimentgesteine, ausnahmslos als metamorphische erklären. Selbst der gewcHmlidiste Kalkstein hat seit seinem ersten K&mer- oder Staub-artigen Absatz bis zum Zustande einer festen Felsmasse grosse Metamorphosen durchgemacht Wir stimmen insofern der oben ausgesprochenen Ansicht bei, als jeder Metamorphismus zu verwerfen ist, bei dem man sich über die yerändemden Vorgänge nicht Rechenschaft geben kann. Indessen bleiben immerhin eine Reihe Ton Er- scheinungen übrig, die sich durch eine materielle Umänder- ung früher Torhandener Felsarten vollständig exakt erklären lassen. Idi erwähne nur die Verwandelung von Enstatit- oder von Olivinfels in Serpentin. Doch beschränken sich derartige Metamorphosen auf Infiltrationserscheinungen und Umänderung nach Art der Pseudomorphosen. Es dürfte daher geeignet sein, statt des allerdings vielfach missbrauchten Wortes Metamorphose den Begriff Pseudomorphose auch auf ganze Felsmassen anzuwenden.

Es erübrigt noch die Erklärung zu erwähnen, welche Amt VerfEisser nach dem Vorgange Lory's im XXIII. Kapitel seines Werkes über die Fächerstruktur des Mont-Blanc Massiv's, welche mit gewisser Modifikation auf den ganzen Gebirgsbau der Alpen Anwendung finden kann, giebt Sie stützt sich auf die Annahme einer wahren Schichtung der krystallinischen Schiefer und einer lagenweisen Ausbildung des Protogin's. Man muss annehmen, dass die krystallinischen Schiefer beim Beginn des letzten Hauptgestaltungsaktes der Alpen von einer sehr energischen Pression ergriffen , eine sehr vorspringende Falte bildeten und durch das Uebermaass der Krümmung auseinander brachen, so dass der zuerst

Digitized by

Google

€96 §itmm§ A&r maUk.'-fihißt. OUm& vom 7. Bewember 1997,

nuter den Schiefern in der Tiefe IngerndeProtogin hm MitM- ponkt der Berstnng zum Vorsdiein kaju. Die obere* Pariieen der so gehobenen Kette erlitten eine nur sohwache Seitot- preesang, wihrend die tieferen mit grosser Gewalt doroh 4ie Wirkung der benachbajrten, weaiger henrorragenden Falten saeammengedrückt worden und eine Lage annehmen muMten nach Analogie der Halmen in einer Garbe. Auf ähnUoheii Vor- gängen beruht aodi die Struktur der angeachlossen^ jüngeren Sedimentäiißchichten in ihren halbfacherfcHtnigen , gew3lb- ajrtigen oder eelbet überstürzten Lagerungen^

Wenn der Verfasser annimmt , daas der Ursprung der Gebirge nicht eiaer Erhebung (soulevement) im vertikalen Sinne zugeschrieben werden könne« weü dann die Schic^teo ein&ch antiklinal aufgerichtet und zersprengt worden wären, so ist dodi nicht abzusehen, wenn ich recht rerstehe, wie die erflte Wirkung der Pression in der GentraBcette entstanden aei« Mir sdieint in der That eine Emporheboag gewisser fester Gebirgstheile in der Gentralkette angenommen werden SU müssen, welche, indem durch dieses Emporpressen fester Massen zwischen die früher auflagernden Schiefer ein Ratnn geschaffen werden musste, welcher die eingescbobenea Massen einn^men konnte, ein AuaeiQandjsrdrängen der seitlich ge- lagerten Schichten verursachte und auf diese nur in Fofm eines Seitendrucks wirken konnte, wie ich bereits ausfühiüeh (S. 855 m. W.) ausgesprochen habe. Im grossen Ganzen glaube ich jedoch die Ueberstimmung unserer Ansicht^ «ber den Gebirgsbau der Alp^ in zwei so entfernt liegenden Theilen derselben constatiren zu dürfen.

So sehen wir durch dieses Meisterwerk der descriptiv«n

Geologie eine jener grossen Lücken auf die würdigste Weise

ausgefüllt, welche die bisher ^schien^^ Monographien über

' einzelne Theile der Alpenkette noch gelassen hatten und

wir begrüssen mit grosser Freode die UebereinstimmuDg

Digitized by

Google

Sitzung der histor, Classe vom 7. Dezember 1667. 637

der Resultate der Forschungen im Osten und Westen der Alpen, die der Hoffnung Raum geben, dass das so schwierige Gebiet der Alpen bald in allen Theilen gleichmässig geogno- stisch untersucht und in seinem verwickelten Gebirgsbau klar aufgeschlossen vor Augen gestellt sein werde.

Historische Classe.

Sitzung vom 7. Dezember 1867.

Herr Rockinger machte Mittheilungen:

„Zur äussern Geschichte der Entwicklung der bayerischen Landesgesetzgebuog von Kaiser Ludwig's oberbayerischen Land- rechten bis in den Beginn des 16. Jahr- hunderts",

[1867.11. 4.] 42

/Google

Digitized by ^

Digitized by

Google

Sach-Kegister.

JLchäer 528. Aegrypten 84 628.

Alpen, die West- und Ostalpen 606. Altfranzösische Lieder 486. Atomigkeit 568.

Auctoritates (in der Philosophie) 173. Drucke 174

Bach Sebastian 336.

Bayern, Ortsnamen 450.

Landesgesetzgebung 637.

Bergkry Stallgewichte 235.

Bemer Bibliothek 486.

Berthold von Regensburg 374.

Blitzschläge 247.

Influenzfabigkeit der Bodenschichten mechanische Wirk- ungen 263.

Blausäure- Vergiftung 591. Wirkung aufs Blut 594.

Brasilien 559.

Buchstaben^ ihr ägyptischer Ursprung 84. ein Alphabet? 100. 103.

China 19.

42*

Digitized by

Google

640 Sach'Begister.

Danait 278.

Eiterkörper in Gefassepithelien 189. Erlanger Bibliothek 385.

Favre Alphons, recherches geologiques etc. 604. Fettbildang im Körper 462.

Formeln, typische und empirische in der Mineralogie 568. Fütterangsarten 404.

Oaltgrünsandstein 155.

Oeologie 407. 603.

Oerding's Geschichte der Chemie 601.

Geschichte, ägyptische 528.

chinesische 19. Gewitterereignisse 249. 265. Glankodot von Hakansbö 247. Griechisches auf ägyptischen Denkmälern 584. Gudrun 205. 857.

Hamsauresedimente 279. Heilsbronner Bibliothek 385. Heinrich von Yeldeken Eneide 471.

Island 1.

Knoohenbildungen (primäre) in der Lunge 144. Krause ünsterblichkeitslehre 894.

Leiden Ghristi-Leodegar (altromaniscb) 199. Leucothea der Glyptothek 339.

Digitized by

Google

Sach-Begister. 641

Litteratur

mitteldeutsche 1. 205, 357. 384. 461. 471. romanische 199. 486.

Mathematik 407.

Menschenspuren in den neogenen Tertiärschichten Frankreichs 407.

Meteorologie 247.

Milchkuh, eine gute 406.

Mineralogie 276. 563.

Mineralwasser zu Neumarkt (Oberpfalz) 125

Montblanc, dessen geognostische Verhältnisse 603.

Mukhbir, türk. Journal 394.

Münchner Staatsbibliothek 2. 297. 884. 425. 471.

Nachtsegen (mitteldeutsch) 1. 159. 461.

"Oyxa 550.

Optische Constructionen 284.

Pateclus 392. 459.

Pelasgcr 546.

Philosophie des Mittelalters 178.

Phosphorsäure in Schichtgesteinen Bayerns 147.

Photographie 284.

Piatons Timäus 543.

Polnische Sprache 160.

Roger Bacon 374.

Rüdiger von Manesse in Zürich 429.

Salimbene's Chronica 375. 30O. Schmeller's Realkatalog 384. Scholastik 173.

ihre Nachwirkung im 16. Jahrhundert 189.

Digitized by

Google

642 Sach-BegiHer,

Schwabenspiegel 297.

dessen Abfassangszeit 408, eine höhere 442.

eine Handschrift desselben im Besitze des Herrn Föringer 408.

eine Pergamenthandschrift Heinrich des Preckendorfer 413. 416.

SchwefelarsenikrBildung in den Leichen mit arseniger Säore Ver- gifteter 895.

Sprachgränze, die deutsche im Süden 383.

Stoffverbrauch Stoffwechsel 572. beim Gesunden und Kranken 575.

Terschwörung in Bayonne (1565) 158.

Wage erreichbare Genauigkeit 231. Waliher von Lille (Waltharius) 394. Wehr Verfassung keltische-germaniftohe 158. Wittenberger Theologen 336. Wnrmsegen (mitteldeutsch) 16.

Ziffern, ägyptisch 116. Zuckerhamruhr 572.

Digitized by

Google

Namen -Eegister.

Brunn 339.

Büchner 125. 396. 691. Büdinger (Wahl) 339. Buhl 139. 144.

Cappino Marchese (Wahl) 338. Carvalhao (Wahl) 338.

flümbel 147. 603.

Henzen (Wahl) 338.

C. Hofmann i. 159. 199. 205. 836. 357. 374. 461. 486

Frz. Hofmann 279.

V. Hondt, Graf 450.

V. Kaosler (Wahl) 887. Keinz 1.

Kluckhohn 158. 336. y. Kobell 276. 563. Kuhn 247.

Laath 84. 52a

de Leva (Wahl) 839.

T. Leachtenberg, Nicolaos Herzog Ehrenmitglied (Wahl) 887.

y. Liebig. 837.

Lorenz (Wahl) 389.

de Lnna (Wahl) 888.

Digitized by

Google

644 Namen-Begister.

y. Martius 559. Matteucci (Wahl) 338. Maurer 1.

Mignet (Wahl) 330. Miquel (Wahl) 338. Müllor M. J. 394. ,

Newton (Wahl) 338.

Pariatore (Wahl) 338. V. Pettenkofer 672. Plath 19. 394. Prantl 173.

Biehl 336.

Rockinger 297. 408. 637. Röscher (Wahl) 338. de Rossi (Wahl) 358. Roth 158.

Scacchi (Wahl) 338. Secchi (Wahl) 338. Seidel 231. 284. 407. Senarmont (Wahl) 838. A. Steinheil 284.

Yogel 601. Voigt (Wahl) 339. Voit 279. 402. 572.

Wagner Mor. 407.

Zingerle (in Innsbruck) 461. 471.

Digitized by

Google

QDftniit

Mafh*fmiHffrh'ph^kf*l

fft^fnrl^hv ^

Digitized by

Google

lA

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

^s^