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Satfiaili CoUfge Itbrars

JOHN AMORY LOWELL,

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Sitzungsberichte

der

philosophisch -philologischen

nnd der

historischen Klasse

der

K. B. Akademie der Wissenschaften

zu JMüincheii.

Jahrgang 1903.

Mfinchen

Verlag der K. Akademie 1904.

In KommiMioii dM 6. Franz'sehen Verlags (J. Roth).

M^

▲kademiaehe Buchdruckerei von F. Straub in Mflochen.

Inhaltsübersicht.

Seita

I. Sitzüng8l)erichte.

3. Januar: Spengel; v. Heigel, Traube 1

7. Februar: Muncker; Prutz 64

7. März: Schlagintweit, v. Bechmann, v. Amira; v. Riezler,

V. Heigel 117

Oeffentliche Sitzung am 11. März: Ansprache des Präsidenten V. Zittel, Nekrologe (v. Maurer, Paris; v. Cornelius, V. Oefele, Lord Acten, v. Ficker, Dümmler, Müntz), Festrede von G. P. Knapp 241

2. Mai: Goetz, Petzet, Furtwängler, Krumbacher; Grau-

ert, Friedrich 257

13. Juni: Furtwängler, v. Christ; v. Rockinger, Riehl, Rig-

gauer 261

4. Juli: Simon, Furtwängler, Lipps; Brentano 264

7. November: Furtwängler; Pöhlmann 513

Oeffentliche Sitzung am 25. November: Ansprache des Präsidenten V. Zittel, Statut der Samson- Stiftung, Wahlen (Crusius, Lenel, Dilthey, Mitteis, Wolters; Doeberl, Meitzen, Gierke, Pester, Vischer), Festrede von K. v. Amira 514

5. Dezember: Sandberger; v. Riezler, Traube . . 528

IL Abhandlungen.

K. V. Amira: Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm

\*y 1 ai. j ........... ^Lo

W. V. Christ: Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte . 381

J. Friedrich: Die sardicensischen Aktenstücke der Sammlung des

Theodosius Diaconus 321

A. Furtwängler: Der Ostg^ebel des olympischen Zeustempels

(4 III. im Text) 421

lY Inhältsüberaicht.

Seite A. Furtwängler: Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von

Epidauros (2 Taf.) 439

G. Goetz: Papias und seine Quellen . . 1 . . . 267

K. Th. V. Hei gel: Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrats

Georg Ludwig v. Maurer 471

K. Krumbacher: Das mittelgriechische Pischbuch (1 Taf.) . . 345

K. Krumbacher: Die Akrostichis in der griechischen Kirchen- poesie 551

F. Muncker: Wielands „Pervonte* 121

£. Petzet: Ueber das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel

(2 Taf.) 287

H. Prutz: Ueber des Gautier von Compiegne ,Otia de Machomete*. Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittel- alter und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge ... 65

R. Simon: Die Notationen des Somanätha (2 Taf.) . . . 447

A. Spengel: Zur Geschichte des Kaisers Tiberius ... 3

L. Traube: Acta Archelai. V^orbemerkung zu einer neuen Ausgabe 533

III. Protokolle der Kartellversammlang des Verbandes wissenschaft-

licher Körperschaften in München am 5. und 6. Juni 1903 ' (darin S. 9 f.: Kommission zur Erörterung der Vorarbeiten für eine kritische Ausgabe des Mahäbhärata) . . 1—13

IV. Verzeichnis der eingelaufenen Drackschriften 1*^50*

' / ,-

/ A . . C,/ " \r

/

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Sitzungsberichte

der 1 ;.-•

philosophisch -philologlBchen

und der

historisehen Klasse

der

K. B. Akademie der Wissenschaften

zu M^ünchen,

1903. Heft L

Mflnchen

Verlag der E. Akademie 1903.

In Kommission des 6. Franz'schcn Verlags (J. Ruth).

Sitzungsberichte n^ c.

der

Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.

^' MI

l''?"tiC.

Sitzung vom 3. Januar 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Herr Spenoel hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius,

in dem die Glaubwürdigkeit einzelner Ereignisse aus der Kegierungszeit dieses Kaisers nach den Quellen untersucht wird, um Folgendes zu erweisen:

1. Der Befehl zur Ermordung des Agrippa Postumus kann nicht von Tiberius ausgegangen sein.

2. Die Legionen am Rhein haben den Oermanikus nicht zum Kaiser ausgerufen.

3. Aus dem Bericht des Tacitus über die Feldzüge des Oermanikus in Deutschland ist manches als unhistorisch auszuscheiden.

4. Oermanikus starb natürlichen Todes.

5. Ebenso Drusus, der Sohn des Tiberius.

6. Seianus hat keine Verschwörung angestiftet.

•M'

190a SitzgBb. d. pbil<Ni.-phUo1. n. d. faiat. Kl.

Sitzung «om 3. Januar 1903,

Historische Klasse.

Herr von Heigel erörtert in einem für die Denkschriften bestimmten Vortrage:

Preussen und die Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1796

an der Hand von Wiener, Berliner und Nürnberger Archivalien den Versuch Hardenbergs, die Reichsstadt Nürnberg in den Besitz Preussens zu bringen und zum Mittelpunkt noch weiterer Erwerbungen in Süddeutschland zu machen.

Herr Traube hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Nomina sacra, ein Beitrag zur christlichen griechischen und römischen Paläographie

und spricht darin, von der Ueberlieferung des Cyprianus und anderer früher christlicher römischer Schriftsteller ausgehend, über die Schreibung der Nomina sacra in der griechischen und römischen Paläographie. Er stützt damit eine Verbesserung seiner Theorie von der Geschichte der Abkürzung.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius.^)

Von A. Spengrel.

(Vorgetragen in der pbilos.-pliilol. Klasse am 3. Januar 1903.)

Dass die Taten und der Charakter des Tiberius von den alten Geschichtschreibern nicht ohne Parteilichkeit dargestellt sind, wird heutzutage wohl niemand mehr leugnen. Gar manches H in Programmen und grösseren Schriften behandelt, manches auch von selbst so augenscheinlich, dass es sich einem vor- urteilslosen Blick schon bei flüchtigem Lesen nicht entziehen kann. Aber abgesehen von einzelnen Werken hat es immer noch den Anschein, als ob sich die Geschichtschreibung scheute, den Justizmord, den sie einst an der Ehre dieses hochbedeutenden, von bestem Streben erfüllten Kaisers begangen hat, einzu- gestehen und wieder gut zu machen.

Wir sind in dem Abscheu aufgewachsen, den uns die Schule vor dem Namen Tiberius eingeflösst hat. Und was wir dort gelernt haben, das hat die Literatur in Prosa und Poesie

') Ich veröffentliche diese Untersuchungen so wie sie aus der Lektüre der Schriftsteller selbständig entstanden sind, ohne mich im einzelnen um den Nachweis zu bemühen» wo andere ähnliche Ansichten losgesprochen haben. Nur soviel möchte ich beifugen, dass ich mich i'ifrichtig gefreut habe mit der Abhandlung meines unvergesslichen Vaters ,Ueber das erste Buch der Annalen des Tacitus von Leonh. Spengel, Abt. d. B. Akad. d. W. 1855*, die ich erst nach Abschluss dieser Arbeit nieder einsah, in der Auffassung der Feldzüge des Germanikus mehrfach ^äammengetroffen zu sein.

1*

4 A. Spengel

in uns gefestigt und gesteigert. Gregorovius, dessen , Wander- jahre in Italien* immer noch mit Genuss gelesen werden, nennt im ersten Bande, „Capri* betitelt, Tiberius den Dämon, den furchtbarsten Namen der Geschichte, das moralische Ungeheuer. Tiberius, sagt er, versprach nicht, er schwor nicht, er log nicht, er war vielmehr eine fortwährende Lüge.

Und die Poesie! Allen voran leider das meisterhafte Gedicht Geibels „Der Tod des Tiberius*, das in weite Kreise ein Zerrbild getragen hat und noch trägt. Es schildert die letzten Augenblicke des greisen Herrschers; er liegt im Fieber, verflucht das Denken und kann es doch nicht lassen. Wie Gespenster erscheinen seiner Phantasie die drei grossen Toten:

„Dort wälzt sichs wieder schon heran Wie Rauchgewölk und ballt sich zu Gestalten Sieh, von den Wunden heben sie die Falten Und starren mich gebrochnen Auges an, Germanikus und Drusus und Seian Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten? Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren. An meinem Blut und dörrt mir das Gebein? 's ist wahr, ich tötet' euch; doch musst' es sein. Wer hiess im Würfelspiel euch auch verlieren! Hinweg! Weh mir! Wann endet diese Pein!*

So ergreifend dieses Bild ist, ebenso unwahr ist es. Erstens hat Tiberius den Seianus nicht gemordet, er liess ihn nur aus schwerwiegenden Gründen verhaften. Der Senat berief aber noch an demselben Tage eine zweite Sitzung, verurteilte ihn ohne Befehl und Wissen des Tiberius zum Tode und vollzog die Hinrichtung. Ferner hat Tiberius an dem Tode seines Neffen und Adoptivsohnes Germanikus nicht den geringsten Anteil, und den leiblichen Sohn Drusus zu ermorden, wäre reiner Wahnsinn gewesen. Allerdings gab es ein solches Ge- rücht, aber selbst Tacitus, der ungünstigste Beurteiler des Tiberius, weist es ausführlich als falsch und widersinnig nach. So zerfliessen die drei grossen Mordtaten in nichts.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 5

Durch die nachfolgenden Erörterungen ist nicht beab- sichtigt, eine Apologie des Tiberius zu geben, sondern es sollen nur einzelne Ereignisse aus der Regierungszeit dieses Kaisers nach ihrem geschichtlichen Wert untersucht und soviel als möglich festgestellt werden. Dabei wird sich allerdings viel- fach Gelegenheit geben, sowohl die Denkungsart des Kaisers als die Urteile und Darstellungsweise des Tacitus beizuziehen und zu prüfen.

Die Ermordung des Agrippa Postnmus.

Gleich nach dem Tode des Augustus wurde sein Enkel Agrippa, der Sohn der Julia, der auf der Insel Planasia in Verbannung lebte, ermordet. Von wem der Befehl ausge- irangen, war schon im Altertum zweifelhaft. Die meisten neueren Geschichtschreiber bezeichnen den Tiberius als Urheber, einige wenige die Kaiserin-Witwe Livia oder Augustus. Dass Tiberius der Sache Yollkommen fern stand, lässt sich meines Erachtens bei genauer Erwägung der Umstände leicht erweisen.

Cassius Dio erzählt:

,Den Agrippa liess er sogleich von Nola aus umbringen. Er erklärte zwar wiederholt, es sei nicht auf seinen Befehl ^^eschehen, und drohte auch dem Täter, strafte ihn aber doch in keiner Weise, sondern liess die Leute reden, was sie wollten, die einen, Augustus habe ihn unmittelbar vor seinem Ende umbringen lassen, die anderen, der Centurio, der ihn bewachte, habe ihn, weil er sich auflehnte {xaivoxofJLovvxd it), aus eigenem Antrieb getötet, wieder andere, Livia, nicht Tiberius, habe seine Ermordung befohlen."

Es lag sehr nahe, den Tiberius dafür verantwortlich zu machen, weil ihn der Tod des Agrippa von einem Verwandten befreite, der möglicherweise sein Nebenbuhler werden konnte. Von dem Bericht des Dio wollen wir uns einstweilen nur anmerken, dass der Kaiser wiederholt die Schuld ablehnte, und werden diese Behauptung nur dann als unwahr bezeichnen dürfen, wenn sie sich durch triftige Gründe als solche erweisen lässt.

6 A. Spengel

Genaueres erfahren wir durch Suetonius c. 22: „Das Hinscheiden des Augustus machte er nicht eher bekannt, als bis der junge (25 jährige) Agrippa ermordet war. Diesen tötete der Kriegstribun/) der ihm zur Wache bei- gegeben war, nachdem er das Schreiben, das den Befehl ent- hielt (codicilli), gelesen hatte. Es ist zweifelhaft, ob Augustus dieses Schreiben bei seinem Tode hinterliess, um den Ausbruch von Unruhen nach seinem Ableben zu verhüten, oder Livia im Namen des Augustus den Befehl schreiben Hess, und wenn diese, ob mit oder ohne Wissen des Tiberius. Als der Tribun dem Tiberius die Meldung brachte, es sei geschehen, was er ihm befohlen habe, erwiderte dieser, er habe nichts befohlen und der Tribun müsse vor dem Senate über seine Tat Rechen- schaft ablegen. Er wollte nämlich nur für den Augenblick die Missgunst ablenken; später brachte er die Sache durch Stillschweigen in Vergessenheit.*

Das Wichtige an dieser Darstellung des Suetonius ist, dass er dem Tiberius in der Angelegenheit überhaupt kein selb- ständiges Handeln zuschreibt. In erster Linie wird Augustus als Urheber genannt, dann Livia; nur dass diese im Ein- verständnis mit Tiberius gehandelt haben könnte, wird noch als dritte Möglichkeit angenommen. Ein eigenmächtiges Vor- gehen des Centurio (vergl. Dio) ist ausgeschlossen. Denn der schriftliche Befehl wird sowohl hier als bei Tacitus ausdrück- lich bezeugt.

Sehr ausführlich und bedeutsam, wenn auch in ihren Schluss- folgerungen nicht zu billigen ist die Schilderung des Tacitus Annal. I, 6. Er beginnt mit den Worten:

„Die erste Untat, die in die neue Regierung fiel, war die Ermordung des Postumus Agrippa, den, wiewohl er ahnungs- los und unbewehrt war, der sehr beherzte Centurio mit harter Mühe überwältigte.'*

^) Oder, was genauer gesagt wäre : der Kriegs tribun Hess ihn durch den Centurio töten; vergl. die obige Stelle des Cassius Dio und unten die des Tacitus. Zur Berichterstattung werden wohl Tribun und Centurio zugleich vor Tiberius erschienen sein.

Zur Oeschichie des Kaisers Tiberius, 7

Letzterer Umstand, dass nämlich Agrippa nur mit harter Mühe überwältigt wurde, ist wahrscheinlich eigener Zusatz des Tacitus. Denn es ist seine Art, die Ereignisse lebhaft zu ver- anschaulichen und die handelnden Personen zu charakterisieren. Da Agrippa ungewöhnliche Eörperstärke besass, schien es stil- gerecht, wenn der Genturio über den Kraftmenschen kaum Herr zu werden vermochte. Freilich hat diese Detailausschmückung wenig innere Wahrscheinlichkeit. Der Centurio müsste es sehr ungeschickt angefangen haben, wenn er den Ahnungslosen und Unbewehrten nicht mit einem wohlgezielten Schlag oder Stoss aus dem Leben befördert hätte. Oegen einen unvorhergesehenen Todesstoss bot die Eörperstärke keinen Schutz.

Es heisst dann bei Tacitus weiter:

«Tiberius sprach über diesen Vorfall nichts im Senate, '^patris ius^a simulabat, quibus praescripsisset tribuno custo- diae apposito, ne cunctaretur Agrippam morte adficere, quan- doque ipse supremum diem explevisset.' Diese Verordnung des Augustus hält Tacitus für unglaubhaft und sucht seine An- sicht auf folgende Weise zu begründen:

, Allerdings hat sich Augustus über die Aufführung des jungen Mannes offc und bitter beklagt und hat es sogar durch- gesetzt, dass seine Verbannung durch einen Senatsbeschluss bestätigt wurde, aber so hartherzig war er doch nicht, dass er über ein Mitglied seiner Familie den Tod verhängte (in nullius unquam suorum necem duravit). Auch konnte man nicht glauben, dass er das Leben seines Enkels der Sicherheit seines Stiefsohnes opferte.**

Aber Augustus war tatsächlich hartherzig, wenn er sich überzeugt hatte, dass das Staatsinteresse es erforderte. So gegen seine Tochter Julia, bezüglich deren Suetonius Oktav, c. 65 ausdrücklich bemerkt: 'etiam de necanda deliberavit.' Und doch handelte es sich hier um die eigene Tochter, nicht den Enkel, um ein Weib, nicht einen Mann. Auch ist gerade die verschiedene Behandlung, die Julia und Agrippa im Ver- lauf ihrer Haft erfuhren, für Agrippa belastend. Während Julia anfangs auf eine Insel verbannt, dann nach 5 Jahren

8 Ä, SpengeH

auf das Festland von Italien versetzt und ihre Haft gemildert wurde, musste Agrippa, weil er nicht gefdgiger geworden war, den zuerst angewiesenen Aufenthalt in Sorrent mit der ödon Insel Planasia vertauschen, und Augustus liess durch einen Senatsbeschluss festsetzen, dass die Haft für immer gelten solle und der Ort nicht mehr geändert werden dürfe (Oktav, c. 65). Gar schlimme Dinge mögen da vorgefallen sein, wenn der Kaiser es für nötig hielt, so vorzugehen und durch Senats- beschluss die Familienangelegenheit zu einer Staatssache zu machen. Der 'iuvenis rudis bonarum artium et robore cor- poris stolide ferox* (Tac. I, 3), der durch den Zwang gereizt 'in dies amentior' geworden war, wird es an Drohungen nicht haben fehlen lassen und wird namentlich in Aussicht gestellt haben, dass er dereinst nach dem Tode des Augustus als der einzige unmittelbare Nachkomme desselben sein Erbrecht auf den Thron geltend machen und seine Gegner vernichten werde. So konnte tatsächlich die 'securitas privigni* zugleich 'secu- ritas civitatis' sein. Hat sich doch noch zwei Jahre nach dem Tode des Agrippa ein ihm ähnlich sehender Sklave für Agrippa ausgegeben und in italischen Städten und selbst in Rom Anhang gefunden, bis der Betrüger von Tiberius durch List unschädlich gemacht wurde (Tac. H, 39).

Bei solchen Erwägungen werden wir die Urheberschaft des Augustus nicht als unmöglich abweisen dürfen, zumal, wenn wir annehmen, dass der Mordbefehl vielleicht nicht bedingungs- los gegeben war und nur dann ausgeführt werden sollte, wenn Agrippa auf die Nachricht von dem Ableben seines Grossvaters frohlockend erklärte, dass der Thron jetzt ihm gebühre.

Hören wir, was Tacitus weiter sagt:

„Wahrscheinlicher ist, dass Tiberius und Livia, jener aus Furcht, diese aus stiefmütterlichem Hass den verdächtigen und verhassten jungen Mann eilig beseitigten. Als der Centurio nach Soldatenbrauch meldete, es sei geschehen, was er befohlen habe, antwortete er, er habe nichts befohlen und jener müsse seine Tat vor dem Senate verantworten. Nachdem Sallustius Crispus, der in das Geheimnis eingeweiht war er hatte das

Zur Geschichte des Kaisers TiberitM. 9

Schreiben an den Tribun abgeschickt dies erfahren hatte, fürchtete er, die Schuld möchte ihm zugeschoben werden, wobei es für ihn gleich gefahrlich wäre, ob er lüge oder die Wahr- heit spreche, und ermahnte die Livia, dafür zu sorgen, dass nicht die Geheimnisse des Hauses, die Ratschläge der Freunde, die Diensie der Soldaten bekannt würden, und dass nicht Tiberius das Ansehen des Kaisertums dadurch schädige, dass er alles yor den Senat bringe; eine notwendige Bedingung der Alleinherrschaft sei, dass nur einem Einzigen Rechenschaft abgelegt werde."

Tacitus nimmt also an, dass Tiberius und Livia den Mord veranlassten. Den Namen des Tiberius setzt er voraus, weil er ihn für den eigentlichen Urheber hält. Aber wenn Tiberius die Tat befohlen hätte, wäre sein Verhalten in der Sache unbegreiflich. Vergegenwärtigen wir uns den Vorgang! Der Centurio oder Tribun kommt vor Tiberius und meldet, der Befehl sei vollzogen. „Welcher Befehl?** muss Tiberius ge- fragt haben. „Dass Agrippa ermordet werde.** »Wer hat dies befohlen?" „Ein kaiserliches Schreiben.** „Ich habe dir nichts befohlen und du wirst dich vor dem Senate verantworten.** Spricht so einer, der sich schuldig weiss? Er droht mit der Verhandlung im Senate und weiss doch, dass er die Verhand- lung nicht wagen darf, weil sie ihn vor dem ganzen Volke hiossstellen würde! Hat Tiberius in der langen Zeit, in der er gemeinschaftlich mit Augustus die Staatsgeschäfte führte, so wenig gelernt, dass er seine Regierung mit einem solchen Missgriff einleitet? Hätte er die Klage durchgeführt, und nach dem Bericht des Tacitus muss man annehmen, dass er dazu entschlossen war, weil erst die Bitten der Livia ihn davon abbrachten, wie wäre sie verlaufen? Der Tribun wird ange- klagt, den Agrippa eigenmächtig getötet zu haben. Er ver- teidigt sich, zeigt das Schreiben vor und ist dadurch voll- ständig entlastet. Der Kaiser stünde als Mörder da und als Feigling dazu, weil er für seine Tat nicht einzustehen wagte.

Wäre die Bluttat von Tiberius ausgegangen, so wäre der Verlauf der Ereignisse ein ganz anderer geworden. Entweder

10 Ä. Spengd

hätte er dem Tribunen erwidert: «Du hast recht getan, dass du meinen Auftrag yollzogen hast" und hätte dann im Senate gesagt: «Den Agrippa habe ich auf Befehl meines Vaters umbringen lassen*, oder, was weit wahrscheinlicher ist, er hätte die Sache ganz im Stillen abgemacht, einer Begegnung mit dem Vollstrecker des Mordes in Gegenwart von Zeugen hätte er voi^ebeugt nichts leichter als dies , den Agrippa hätte ein Unglücksfall betroffen, eine Krankheit hinweggeraffb, und ohne alles Aufsehen wäre er aus den Reihen der Lebenden verschwunden. Aber zuerst den Mord zu befehlen, dann sich durch den Mörder kompromittieren zu lassen, ihm öffent- liche Bestrafung anzudrohen und sie dann doch zu unter- lassen, das tut kein Tyrann der gewöhnlichsten Sorte, am wenigsten ein Regent wie Tiberius, dessen Regierungshand- lungen alle den Charakter der reifen Überlegung und Klug- heit an sich tragen.

Nach der Schilderung des Tacitus könnte man Verdacht gegen Sallustius schöpfen. Denn er ist es, der die Livia zur Vermittlung bestimmt, damit die Verhandlung unterbleibt. Sollte er wirklich den Befehl allein im Namen des Kaisers ausgestellt haben, sei es in der Meinung, sich dadurch den neuen Herrscher zu verpflichten oder aus Privatfeindschaft gegen Agrippa, wozu letzterer bei seinem jähzornigen Wesen (Tflf de doyfj ngonerei IxQ^^o Cass. Dio 55, 32) in früherer Zeit Veranlassung gegeben haben konnte? Ganz undenkbar wäre es nicht. So wurde z. B. Messalina, die Gemahlin des Klaudius, als sie in Ungnade gefallen war, auf Veranlassung des Höf- lings Narcissus umgebracht, der vorgab, dass es der Wille des Kaisers sei (Tac. Annal. XI, 37). Dann hätte allerdings Sal- lustius die Senatsverhandlung sehr zu fürchten gehabt.

Aber mag nun Augustus, um Unruhen nach seinem Tode zu verhüten, diese Anordnung getroffen haben, mag Livia ihrem Sohne dies Angebinde zur neuen Herrschaft gebracht haben, wie z. B. nach Tac. XHI, 1 Agrippina, die Mutter des Nero, den Junius Silanus, weil er ein Nachkomme des Augustus war, gleich nach dem Tode des Klaudius ohne Wissen des Nero

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 11

aus dem Wege räumte, oder mag gar Sallustius die Tat allein auf sich genommen haben, in keinem Fall hat Tiberius darum gewusst. Er wurde vielmehr durch die Meldung des Tribunen peinlich überrascht und war sogleich fest entschlossen, die Angelegenheit dem Senate zu unterbreiten, um den falschen Verdacht von sich abzuwehren. Als ihm dann Livia ihre Mitteilung machte, musste er notgedrungen von einer Unter- suchung, die gegenstandslos geworden war, abstehen. Anderen gegenüber war er vollkommen berechtigt, die Tat als 'patris iussum* zu bezeichnen. Denn auch wenn Livia oder Sallustius aus eigenem Antrieb gehandelt haben, ist es selbstverständlich, (lass sie sich zu ihrer Rechtfertigung auf einen mündlichen Auftrag des Augustus beriefen, an den er glauben musste, ob er wollte oder nicht.

Germanikas. Der Aufstand der Legionen am Bhein.

Nach dem Regierungsantritt des Tiberius brach bei zwei römischen Heeren ein Aufstand aus, in Pannonien und am Rhein. Das höchste Kommando über die Rheinarmee hatte Germanikus, der Neffe und Adoptivsohn des Tiberius. Es wird allgemein angenommen, dass einer der Gründe für die Empörung der Rheinarmee war, weil die Legionen mit der Übernahme der Regierung durch Tiberius unzufrieden waren, indem sie ihren eigenen Feldherrn, den Germanikus, auf den Thron bringen wollten, und dass sie diesen auch wirklich zum Kaiser ausriefen. Wiewohl dies von Suetonius und Cassius Dio ausdrücklich bezeugt ist, hält die Annahme doch bei genauer Prüfung nicht stand.

Suetonius Tib. c. 25 sagt:

9 Das Heer in Germanien lehnte auch einen Kaiser ab, den es nicht selbst gegeben, und wollte den Germanikus, der damals an ihrer Spitze stand, mit aller Gewalt zur Über- nahme der Herrschaft drängen, wiewohl dieser entschieden Widerstand leistete.* Ähnlich Kai. c. 1.

12 A. Spengel

Cassius Dio 57, c. 5:

„Sie sahen, dass Germanikus auch dem kaiserlichen Hause angehörte und weit tüchtiger war als Tiberius (noXv tov TißeQiov xgetTTco), schmähten den Tiberius und riefen den Qermanikus als Kaiser aus.*'

Glücklicherweise haben wir bei Tacitus eine ganz aus- führliche, nicht weniger als 34 Kapitel umfassende Beschreibung dieser Aufstände (I, 16 49), wovon 19 Kapitel (31 49) den Aufstand der Rheinarmee behandeln. Daraus können wir, wenn auch, wie meistens bei den rhetorisch geerbten Schilderungen des Tacitus, Einzelheiten zu beanstanden sind, doch im allge- meinen den Verlauf der Ereignisse feststellen.

Des Vergleiches halber müssen wir, ehe wir die Empörung der Rheinarmee besprechen, zuerst die Hauptmomente des Auf- standes in Pannonien vorführen. Die Soldaten greifen ihren Legaten Bläsus an, treiben die Tribunen und den Lagerpräfekten aus dem Lager und plündern deren Eigentum, den Centurio Lucilius töten sie, die anderen Centurionen retten sich, indem sie sich verstecken. Zwei Legionen sind nahe daran, über einander herzufallen, weil sie sich über die Hinrichtung des Centurio Sirpikus nicht einigen können. Die Frage, ob Tiberius oder ein anderer Kaiser sein soll, wird nicht berührt. Sie erkennen vielmehr den Tiberius tatsächlich als ihren recht- mässigen Herrn an, indem sie Gesandte an ihn schicken. Sie verlangen nur Abhilfe in Betreff der vorhandenen Missstände. Sie fordern, dass die bisher willkürlich behandelte Dienstzeit der Soldaten geregelt werde, dass nach 16 jährigem Dienst Ent- lassung folge, die Ausgedienten Belohnung erhalten, die täg- liche Löhnung auf einen Denar erhöht werde, und endlich, dass die Veteranen nicht mehr zum ausserordentlichen Dienst zurückbehalten werden.

Dann geht Tacitus auf die Empörung der Rheinarmee über, c. 31: 'isdem fere diebus, isdem causis Germanicae legiones turbatae, quanto plures, tanto violentius.' Die Gründe sind also auch hier dieselben, die Missstände, deren Abschaffung sie verlangen. Wenn dann beigefügt ist: 'et magna spe fore

Zur Geschickte des Kaisers Tiberius. 13

ut Germanicus Caesar imperium alterius pati nequiret daretque se legionibus yi sua cuncta tracturis,' so ist damit nur gesagt, wenn Qermanikus sich an die Spitze gestellt hätte und als Gegenkaiser aufgetreten wäre, so hätte der Aufstand sehr gefahrlich werden können. Zwar berichtet auch Tacitus von einem solchen Anerbieten der Soldaten, während Germanikus zur heftig erregten Versammlung spricht, aber die Art, wie er sich ausdrückt, zeigt, dass er kein planmässiges Vorgehen des Heeres annimmt, sondern nur von Einzelnen ausgehende ge- legentliche Zwischenrufe. Die Stelle lautet I, 35: 'fuere etiam qui legatam a divo Augusto pecuniam reposcerent faustis in Germanicum ominibus et, si vellet imperium, promptos osten- tavere.* Es ist zu beachten, dass 'fuere qui' „Einige'' dem Sinne nach auch Subjekt zu ostentavere ist, indem der Satz et ostentavere die Erklärung zu ''faustis ominibus' gibt, so dass der Relativsatz durch den selbständig angefügten Hauptsatz erweitert wird, somit gleichbedeutend mit fuere qui reposcerent et oetentarent. Als gelegentlich hingeworfene Aeusserungen, die als solche keine Beachtung verdienen, behandelt auch Tacitus das Vorkommnis in der ganzen Schilderung des Auf- standes. Die Frage der Regentschaft bleibt ganz beiseite, er lässt die Soldaten nirgends einen Tadel gegen Tiberius oder ein Lob des Germanikus aussprechen oder beide mit einander vergleichen, wiewohl sich vielfach Gelegenheit dazu bot und er sonst die Stimmung und Absichten der handelnden Personen durch die eingefügten Reden zum Ausdruck bringt. Die Legaten und Tribunen können sich an diesem Anerbieten nicht beteiligt haben; ^) denn das hätte Tacitus nicht verschwiegen* Aber auch das Verhalten der Soldaten selbst wäre ihrem Feldherrn gegenüber ganz anders gewesen, wenn sie ihn zum Kaiser haben wollten. Vergegenwärtigen wir uns nur die Haupt-

*) Und doch würde man dies vor allem erwarten, wenn behauptet wird, das Heer habe den Germanikus zum Kaiser ausgerufen. So heisst ea z. B. Hist. I, 57, als dasselbe Heer dem Vitellius die Kaiserwürde anbietet: 'promptissimus e legatis Fabius Valens . . imperatorem Vitel- liiim consalutavit/

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momente des Aufstandes! Bei dem unteren Heere bricht die Meuterei zuerst aus, und zwar in Abwesenheit des Germanikus. Die Soldaten greifen die Centurionen an, schlagen sie zu Boden, werfen die einen verstümmelt, die anderen tot über den Wall oder in den Rhein, keinem Vorgesetzten gehorchen sie mehr, Wachen und Posten verteilen sie selbst unter sich. Sind das Handlungen eines Heeres, das seinen Feldherm als Gegenkaiser aufstellen will? Nun kehrt Germanikus aus Gallien, wo er sich censui agendo aufgehalten, zurück. Er betritt das Lager, will zu ihnen sprechen und verlangt, dass sie sich vorher nach Manipeln ordnen sollen. Sie gehorchen nicht. Ihrem künftigen Kaiser? So sollten sich wenigstens die Kohorten zusammen- finden. Nur zögernd tun sie es. Als er endlich sprechen kann, hören sie ihn schweigend oder mit leisem Murren an. Wie er ihnen aber die Meuterei vorwirft, entblössen sie die Brust, zeigen ihre Narben, die Striemen von den Schlägen, klagen durcheinander schreiend über die hohen Kosten der Dienst- befreiung, die geringe Löhnung, die harten Arbeiten. Das wildeste Geschrei erheben die Veteranen, die 30 und mehr Dienstjahre haben: er möge ihnen endlich Erlösung von so angestrengtem Dienste, ein Leben in Ruhe und ohne Ent- behrung verschaffen. Man sieht, der Aufstand ist eben- sowenig gegen Tiberius gerichtet als der in Pannonien; er richtet sich gegen den langjährigen beschwerlichen Dienst, die geringe Bezahlung, die harte Behandlung durch ihre Vor- gesetzten, ganz wie in Pannonien.

Bei Tacitus reiht sich nun an die oben besprochene Stelle 'fuere qui . , et, si vellet imperiuni, promptos Osten tavere* die Erzählung einer beabsichtigten Handlung des Geimanikus, die sich, wenn das angegebene Motiv das richtige wäre, schwer begreifen Hesse: 'tum vero, quasi scelere contaminaretur, prae- ceps tribunali desiluit. opposuerunt abeunti arma, minitantes ni regrederetur. at ille moriturum potius quam fidem exueret clamitans ferrum a latere diripuit elatumque deferebat in pectus, ni proximi prensam dextrara vi attinuissent.* Ein Selbst- mord, weil einige ihm zurufen, er könne selber Kaiser werden.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 15

wenn er wolle? Das ist unglaublich. Tacitus hat hier in dem Bestreben, seinen Helden möglichst edelmütig zu schildern, den Beweggrund der Tat geändert. Nicht wegen dieses Zu- rufes wollte er sich töten, sondern, weil er trotz der eifrigsten Bemühung den Aufstand nicht bewältigen konnte, weil die Soldaten auf ihren Forderungen beharrten, und er sah, dass er alle Gewalt über sie eingebüsst hatte. So hat sich mancher römische Feldherr selbst den Tod gegeben, wenn er entweder eine entscheidende Schlacht verloren sah oder der Empörung des eigenen Heeres machtlos gegenüber stand.

Dass dies der Beweggrund war, geht auch aus Gassius Dio 57, 5 hervor, der sagt:

,Als aber Germanikus, da er sie trotz langen Zuredens nicht beschwichtigen konnte, sein Schwert zog, um sich selbst zu töten, antworteten sie ihm mit (höhnenden) Weherufen, und einer hob sein Schwert in die Höhe und rief ihm zu: „Nimm dieses da! das ist schärfer !** Als er nun sah, wie weit es schon gekommen war, wagte er nicht, sich zu töten, sowohl aus anderen Gründen, als weil er voraussah, dass der Aufstand damit nicht beendigt sei (oder, wie Zonaras sagt, Tva fiij ßiäX- kov oraoidocoai)."^ Hier sind es nicht die Freunde, die ihn an der Ausführung des Selbstmordes hindern, sondern er lässt selbst davon ab, offenbar, weil ihn der Hohn, den er fand, zur Besinnung brachte.

Besonders wichtig für die Frage, ob das Heer dem Ger- manikus den Thron anbot, ist eine Stelle des Zeitgenossen Velleius U, 125, bei der es auf die richtige Erklärung ankommt:

«Das Heer, das in Germanien stand und von Germanikus persönb'ch befehligt wurde (praesentisque Germanici imperio regebatur), und zugleich die Legionen in Illyrien verlangten in einer Art von Raserei und in wilder Begierde, alles in Ver- wirrung zu bringen, einen neuen Feldherrn, neue Zustände, eine neue Staatsordnung (novum ducem, novum statum, novam quaerebant rem publicam).^) Sie wagten sogar zu drohen, sie

^) Mit novus statas und nova res publica ist wohl die Neugestaltung der militärischen Verhältnisse mit ihrer Rückwirkung auf den Staat zu

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würden dem Senate, würden dem Kaiser Gesetze vorschreiben (daturos principi leges); die Höhe des Soldes, das Ende des Kriegsdienstes erkühnten sie sich selbst zu bestimmen u. s. w/

Versteht man unter 'novum ducem' einen neuen Kaiser, einen anderen als Tiberius, so hätten wir die Bestätigung, dass sich der Aufstand auf die Thronfolge bezog. Aber dies kann novus dux unmöglich heissen. Weder novus wäre in diesem Fall richtig, weil Tiberius selbst die Regierung erst angetreten hat, somit novus ist; der Sprachgebrauch würde alius verlangen; noch kann dux vom Kaiser gesagt werden; es würde princeps heissen, wie gleich darauf daturos principi leges. Schon die unmittelbar vorhergehenden Worte 'exercitus Germanici imperio regebatur' zwingen dazu unter novum ducem einen anderen Feldherm als ihren bisherigen Feldherrn Germanikus zu ver- stehen. Somit ist der Aufstand auch gegen die Person des Germanikus gerichtet, das gerade Gegenteil von der Über- tragung der Kaiserwürde. Damit stimmt auch die Schilderung bei Tacitus insofern überein, als hier die Soldaten durchweg feindlich gegen Germanikus auftreten.

Wir werden daher annehmen müssen, dass Suetonius und Cassius Dio die späteren Verhältnisse, wo von den Heeren Soldatenkaiser aufgestellt werden, irrig auf die damalige Zeit übertrugen. Auch kann man ein so verkehrtes Urteil wie Peg- juavixov nokv tov TißeQiov xgeiriü) ögcovieg ovxa den Legionen in ihrer Gesamtheit nicht zutrauen. Wir dürfen uns nur un- befangen fragen, was damals der 28 jährige Germanikus und damals der 55 jährige Tiberius war. Ohne dem liebenswürdigen Prinzen von seinen sonstigen Vorzügen etwas zu nehmen, muss man doch sagen, dass er als Kronprätendent in jeder Beziehung weit hinter Tiberius zurückstand, und wenn zwischen ihm und Tiberius die Wahl war, kein Einsichtiger in seinem Urteil schwanken konnte. Hinsichtlich der Kriegskunst, die an einem

verstehen. Denn an den Plan einer Wiederherstellung der Republik zu denken, verbieten sowohl die Worte daturos principi leges aln das Schweigen der übrigen Schriftsteller.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 17

Beherrscher des römischen Reiches besonders geschätzt wurde, war äermanikus bei seinem Oheim in die Schule gegangen, aber, wie seine späteren Kriegstaten und schon sein Auftreten beim Soldatenaufstand bewies, verhielt er sich zu ihm wie der Schüler, der angehende Schüler zum Meister. Sein Gemüt war von weicherer Art, noch lange nicht genug gestählt für die Wechselfalle des Lebens. Wer hätte sich der zarten, unge- übten Hand eines solchen Lenkers anvertrauen wollen, wenn er statt dessen die feste, sichere Zügelführung, den scharfen, alle Verhältnisse beherrschenden Blick des erprobten Fürsten haben konnte? Tiberius hatte sich durch seine kriegerischen Erfolge in Germanien, Pannonien und Dalmatien als der erste Feldherr seiner Zeit bewährt, hatte seine überlegene Einsicht auch dadurch gezeigt, dass er das kostbare Soldatenmaterial zu schonen verstand, hatte ebensoviel durch diplomatische Kunst als durch das Schwert erreicht, war von Augustus zum Nach- folger bestimmt, hatte sich durch lange Teilnahme an den >itaaisgeschäften für den Beruf des Herrschers vorbereitet und, was nicht das Geringste war, er hatte ein durchaus tadelloses Privatleben geführt, da er, wie Tacitus VI, 51 sagt, bisher egregius vita famaque* gelebt hatte. Diese Worte aus dem Munde des Tacitus sind das grösste Lob, das ihm für diese Zeit gespendet werden kann. Darum mussten ihm seine Mit- bürger neben vollem Vertrauen auf seine Herrschergaben auch die höchste pei'sönliche Achtung entgegenbringen, und deshalb unng die Regierung von Augustus auf Tiberius ohne jede Störung über als eine selbstverständliche, längst geordnete Tatsache. Wie Augustus schon durch die Adoption des Tiberius zu er- kennen gab, dass er ihn zum Nachfolger wünsche, so musste Tiberius auf Veranlassung des Augustus den Germanikus adop- tieren, wodurch ausgesprochen war, dass auch dieser Adoptiv- sohn nicht vor dem Adoptivvater zur Herrschaft gelangen solle. Es gehört zu den groben Missverständnissen der alten ^if'schichtschreiber, dass sie annehmen, Tiberius habe den Ger- manikus als Nebenbuhler gefürchtet. Tdv de reg/uavixdv dfi- y(Os Iffoßmo sagt Cassius Dio 57, 4. Die Tatsachen bezeugen,

1%3. SiUgsb. d. pliiIo8.-pbiloI. u. d. liist. C1. 2

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dass dies nicht der Fall war. Tiberius behandelte seinen Adoptivsohn immer wie ein wohlwollender Vater, verschaffte ihm alle möglichen äusseren Ehren, übte Nachsicht gegen seine Misserfolge, und wie ein Vater, dem es ernst ist mit der Er- ziehung seines Sohnes, ersparte er ihm auch einen strengen Tadel nicht, wenn er ihn für nötig hielt. Wie aber 6er- manikus, der allen Grund hatte, seinem Oheim dankbar zu sein, gegen ihn weder etwas unternehmen wollte noch konnte, so fürchtete Tiberius, dem beides wohl bekannt war, an ihm am allerwenigsten einen Nebenbuhler. So wird denn auch in der Unterredung, die Augustus in seiner letzten Lebenszeit mit Tiberius über die Persönlichkeiten hatte, die nach seinem Tode möglicherweise dem Tiberius den Thron streitig machen könnten und die entweder wirklich befähigt wären, die Herrschaft zu führen, oder den Willen dazu hätten, der Name des Qennanikus unter keinen von beiden genannt (Tac. I, 13).

Betrachten wir kurz den weiteren Verlauf des Militär- aufstandes! Die Kraft des Germanikus war gebrochen. Er ent- schloss sich, nachzugeben, suchte aber seine Schwäche durch eine Täuschung zu verbergen, indem er ein Schreiben abfasste, als ob es von Tiberius käme, worin den Soldaten nach 20 jäh- riger Dienstzeit völlige Entlassung, nach 16 Jahren Übertritt in die Reserve gewährt und das von Augustus ausgesetzte Legat verdoppelt wurde. Dadurch trat einstweilen Ruhe ein. Als aber eine Gesandtschaft vom Senate kommt und sich das Gerücht verbreitet, sie bringe den Beschluss, dass die Zuge- ständnisse zurückgenommen werden sollten, da erbrechen sie in der Nacht die Türe der Wohnung des Germanikus, reissen ihn selbst aus dem Bette und zwingen ihn unter Androhung des Todes, das vexillum auszuliefern. Den Führer der Gesandt- schaft, Plancus, wollen sie töten, er flüchtet sich in das Lager der 1. Legion und rettet sein Leben nur, indem er hier schutz- flehend die Fahnen umfasst und vom Adlerträger verteidigt wird. Den nächsten Tag verlässt Plancus das Lager unter Bedeckung von Reiterei der Bundesgenossen.

Bei dieser Gelogonhoit können wir einen interessanten Ein-

Zur Oesehkhie des Kaisers Tiberius. 19

blick in die Werkstätte des Tacitus machen. Wir wissen näm- lich aus Cassius Dio 57, 5, dass die Soldaten, um die Zurück- nähme der Zugeständnisse zu verhindern, sich jetzt der Agrippina, der Gemahlin des Germanikus, und seines zweijährigen Sohnes Gaius bemächtigten, dass sie dann zwar seine Gattin, weil sie hochschwanger war, auf seine Bitten {dsti^ivri) wieder frei gaben, aber den Knaben als Geisel behielten. Wie ganz anders lautet dies bei Tacitus! Er bietet uns eine weit ausgesponnene, mit rhetorischem Schmuck reichlich versehene, dramatisch gehaltene Szene. Er erzählt, wie Germanikus von seiner Umgebung (ab omnibus) bestürmt wird, er solle, wenn er auch sein eigenes Leben gering achte, doch wenigstens seine Gattin und sein Kind aus dem auf- rührerischen Lager entfernen. Aber die tapfere Enkelin des Augustus kennt keine Furcht und will ihren Gatten nicht ver- lassen; 'postremo uterum eins et communem filium multo cum fletu complexus ut abiret perpulit.' Da ziehen sie hin, fahrt Tacitus fort, die edlen Frauen, ein trauriger Zug! Die Gattin des Feldherrn, das kleine Kind auf den Armen, als eine Flüchtige, mit ihr die Frauen der Freunde unter Jammern, und nicht minder traurig sind die Zurückbleibenden. Die Soldaten kommen aus den Zelten. „Was ist das für ein Weinen? Wie? Die vornehmen Frauen? Keine Centurionen, keine Soldaten als Ehrenbegleitung? Und wohin ziehen sie? Zu Auswärtigen? Zu den Trevirem?** Da kommt Scham- gefühl und Mitleid zugleich über sie, und nichts kränkt sie so sehr, als dass die Trevirer ihnen Schutz gewähren sollen. Sie treten dem Zug entgegen, suchen ihn aufzuhalten, bitten <lie Agrippina, sie möge umkehren, möge bleiben. Nun hält Germanikus eine eindringliche Rede, deren Wirkung nicht aus- bleibt. Sie gestehen, die Vorwürfe verdient zu haben und bitten ihn inständig, er möge die Schuldigen strafen, den Ver- führten verzeihen, möge Gemahlin und Sohn zurückrufen und daa Heer gegen den Feind führen. Germanikus lehnt die Rflckkehr der Agrippina ab mit der Entschuldigung, dass es Winter sei und ihre Geburt bevorstehe, den Sohn aber

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werde er kommen lassen; das Uebrige sollten sie selbst besorgen. Darauf schleppen sie die Rädelsführer vor den Legaten der 1. Legion, wo Gericht gehalten wird und die schuldig Befundenen sofort von den Soldaten niedergehauen werden. Auch über die Centurionen wird Gericht gehalten und alle die- jenigen des Dienstes entlassen, die der Habsucht oder Grau- samkeit überführt werden.

Schon dieser Auszug wird zeigen, wie hier der Teig der Geschichte geknetet ist und trotz aller Kunst doch ein unnatür- liches Bild zum Vorschein kommt. Denn dass die Soldaten, diese rauhen und rohen Gesellen, deren Handwerk das Morden ist, die ihre Centurionen erschlagen, ihren Feldherrn aus dem Bette gezerrt und mit dem Tode bedroht haben, plötzlich von einer empfindsamen Herzensregung erfasst und umgestimmt werden, weil sie ein Weib mit ihrem Kinde das Lager ver- lassen sehen credat Judaeus Apella!

Tatsache bleibt das auch von Dio überlieferte Strafgericht, das schliesslich die Soldaten an den Empörern vollziehen. So hat also die Nachgiebigkeit des Germanikus zuletzt noch einer strengen Massregel Platz gemacht. Denn wenn auch die Sol- daten die Handelnden sind, so ging doch der Befehl oder Bat jedenfalls von Germanikus aus, wie auch Tacitus andeutet: 'cetera ipsi exsequerentur.' Suchen wir nun nach einem greif- baren Grunde dieses Umschlages, so müssen wir uns nur fragen, was inzwischen Bedeutsames vorgefallen ist, das diese Ände- rung veranlassen konnte. Nur Eines, die Gesandtschaft der Senatoren mit Aufträgen des Tiberius. Wie diese gelautet haben mögen, ist nicht schwer zu erraten. Tiberius, der den Aufstand in Pannonien von seinem Sohne Drusus, den er mit Prätorianern ins Lager schickte, durch die Hinrichtung der Hauptschreier rasch unterdrücken liess, wird auch dem Ger- manikus durch die Gesandtschaft mitgeteilt haben, dass weder sich selbst umzubringen noch alle Forderungen zu bewilligen die richtige Massregel sei, sondern die Aufrührer durch die Treugebliebenen mit Gewalt beseitigt werden müssten. Das- selbe Verfahren schlug denn auch Germanikus bald darauf

Zur QeaMchte des Kaisera Tibenus. 21

gegen die 5. und 21. Legion ein, die in CastraVetera stationiert waren und sich nicht unterwerfen wollten. Nachdem die Auf- forderung, zum Gehorsam zurückzukehren, fruchtlos geblieben war, werden die Schuldigen nach einem geheimen Befehl, den Germanikus an den Legaten Gäcina schickt, mitten in der Nacht in ihren Zelten auf ein gegebenes Zeichen von den treu ge- bliebenen Soldaten niedergemacht (Tac. I, 48).

Dass Tiberius durch die Zugeständnisse des Germanikus sehr wenig erbaut war, sagt nicht nur Tacitus (I, 52), sondern lässt sich auch aus einer Stelle des Yelleius II, 125 schliessen, der bekanntlich nur sagt, was im Sinne des Kaisers ist. Dabei müssen wir die handschriftliche Überlieferung gegen die Kon- jekturen der neueren Herausgeber wiederherstellen. Sie lautet nämlich: quo quidem tempore ut pleraque ignave Germanicus, it^ Dnisus . . prisca antiquaque severitate usus . . obsidentes coercuit. Der tadelnde Ausdruck ignave, mit schwacher Nach- giebigkeit (den man in das Gegenteil gnave oder in ignovit geändert hat), ist ganz in der Ordnung. Denn Velleius will dem Verfahren des Germanikus die lobenswerte Strenge des Drusus gegenüber stellen, wie er gleich nachher jene Zuge- ständnisse exemplo perniciosa nennt. Bezeichnend ist auch pleraque: seine Massregeln beim Aufstand waren grössten- teils, namentlich am Anfang, von tadelnswerter Schwäche, erst zuletzt entwickelte er die nötige Strenge.

Übrigens würde man dem Germanikus bei Beurteilung seines Charakters unrecht tun, wenn man nicht auch seine persönliche Tapferkeit vor dem Feinde erwähnen wollte. Vel- leius II, 116 sagt, dass er im dalmatinischen Kriege grosse Beweise von Tapferkeit gegeben, und Suetonius Cal. 3 rühmt Ton ihm 'fortitudinem egregiam' und 'hostem cominus saepe percussit,* was sich mit dem oben besprochenen Mangel an Energie den eigenen Soldaten gegenüber und mit der An- wandlung von Kleinmut und Verzweiflung im Unglück, in der er sich zweimal das Leben nehmen wollte, sehr wohl Tereinigen lässt.

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Die Feldzüge des Germanikus in Deutschland.

Mit der Empörung der Legionen steht der erste Feldzug nach Germanien im Zusammenhang. Die Soldaten wünschten den Krieg, wenn auch nicht, wie Tacitus sagt, weil sie ihn als Sühne für den Aufstand, als 'piaculum furoris' ansahen (nee aliter posse placari commilitonum manes quam si pecto- ribus impiis honesta vulnera accepissent I, 49); so feinfühlend war der römische Soldat nicht, aber Krieg war die grosse Ein- nahmsquelle für ihn, Plündern und Morden seine Lust. Auch konnte Germanikus, der, wie Cassius Dio sagt, neue Unruhen befürchtete, das Heer dadurch von der Vergangenheit ablenken und mehr an sich ziehen. So unternahm er noch im Jahre 14 einen Raubzug in das Gebiet der Marsen. Die Expedition glückte. Von 4 Kolonnen wurde das Land in einer Ausdeh- nung von 50000 Schritten mit Feuer und Schwert verheert, Weiber, Kinder, Greise niedergemacht. Beute gewonnen und trotz einiger feindlichen Angriflfe beim Rückzug der Rhein wieder glücklich erreicht (Tac. I, 50 f.). Das plötzliche Er- scheinen im Feindesland und die Raschheit der ganzen Ope- ration hatten den Erfolg gebracht. Obwohl damit kein eigent- licher Sieg über die Germanen erfochten war, Hess Tiberius dem Germanikus durch den Senat einen Triumph zuerkennen 'manente hello,' wie Tacitus I, 55 sagt. Der Kaiser wollte damit wahrscheinlich andeuten, dass er den Krieg nun auch wirklich beendigt wünsche. Denn wie er in jeder Beziehung die Regierungsgrundsätze des Augustus zur Richtschnur nahm,') hielt er sich auch streng an seinen Rat, keine weiteren Er- oberungen zu machen: 'coercendi intra terminos imperii' (1, 11). Wir können uns die Gedanken des Kaisers, der durch seine eigenen Erfahrungen in Germanien die Verhältnisse am besten beurteilen konnte, leicht vergegenwärtigen. Er wird sich ge-

^) Tiberius sagt Tac. IV, 37 von sich selbst: 'qui omnia facta die- taqae eius (seil, divi Augusti) vice legis observem * Auch Strabo IV, 4, 2 a. Ende hebt hervor, dass sich Tiberius in der Staatsverwaltung und in seinen Verordnungen den Augustus zum Vorbilde nahm,

Zur OescMehte des Kaisers Tiberius. 23

freut haben, dass Gennanikus nach den ersten Missgriffen in der Behandlung des Soldatenaufstandes nun einen wirklichen Erfolg zu verzeichnen hatte. »Aber**, wird er gedacht haben, «wenn er sich dadurch nur nicht zu grösseren Feldzügen in das Innere Oermaniens verleiten lässt! Ständige Eroberungen sollen und können dort nicht gemacht werden, und nur das Land zu durchziehen, lohnt die Verluste an Mannschaft nicht, die auch bei der vorsichtigsten und besten Führung unver- meidlich damit verbunden sind. Dass aber mein Neffe wirk- fich die Fähigkeit besitzt, das Heer vor grösseren Niederlagen zu bewahren, das wollen wir einstweilen nur hoffen.** So un- geföhr mag er gedacht haben und für das Urteil des Tacitus 'bellica quoque Oermanici gloria angebatur' hätte er höchstens ein Lächeln gehabt. Ihm mussten Siege, die durch grosse Verluste erkauft wurden, als Niederlagen gelten. Denn die Legionen zu ergänzen, war schwer. Hatte doch schon Augustus nach der Niederlage des Varus, weil es ihm nicht gelang, die nötige Mannschaft aufzubringen, zu dem für den Kriegsdienst sehr wenig geeigneten städtischen Pöbel greifen müssen.

Aber den Germanikus reizte der erste Erfolg und das An- denken an seinen Vater Drusus zu grösseren Unternehmungen. Nachdem im Frühjahr ein plötzlicher Einfall in das Land der Chatten gemacht, der Hauptort Mattium niedergebrannt, die offenen Strecken verwüstet worden und die Rückkehr an den Rhein ohne eigentlichen Kampf erfolgt war, wurde der wohl vorbereitete Feldzug in das Land der Cherusker ausgeführt. Vier Legionen führte Germanikus selbst zu Wasser in die Mün- dung der Amisia, die 4 anderen unter Cäcina zogen zu Lande und vereinigten sich dann mit den ersteren. Als man in die Nähe des Teutoburger Waldes kam, entschloss sich Germanikus, das Schlachtfeld des Varus zu besuchen und die seit 6 Jahren unbestattet liegenden Gebeine der Gefallenen zu beerdigen. Tiberius missbilligte dies, weil der Mut der Soldaten dadurch gelähmt werden konnte und Germanikus aus religiösen Rück- sichten als 'auguratu et vetustissimis caerimoniis praeditus' keiner Leichenbestattung habe anwohnen dürfen (T, 62). Joden-

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falls wird er auch die Unvorsichtigkeit und Verwegenheit niiss- billigt haben, mit der das Heer in die nämliche ungünstige Lokalität geführt wurde, die schon einmal das Verderben her- beigeführt hatte. Wie leicht hätte eine zweite Niederlage die Stätte doppelt denkwürdig machen können! Denn, wie un- sicher und gefährlich hier die Wege waren, zeigt die Bemer- kung des Tacitus 'praemisso Caecina, ut occulta saltuum scruta- retur pontesque et aggeres umido paludum et fallacibus campis imponeret.' Doch die Germanen griffen hier nicht an; sie Hessen die Römer weiter ziehen und brachen an einer anderen Stelle aus den Wäldern hervor. Sie bringen die Reiter in Verwirrung, die Kohorten der Bundesgenossen kommen der Reiterei zu Hilfe, werden aber in die Flucht mit fortgerissen. Nun rücken die Legionen vor und 'manibus aequis abscessum.' Da unmittelbar auf dieses 'manibus aequis abscessum* folgt 'mox reducto ad Amisiam exercitu,' ist damit gesagt, dass das römische Heer unterlag, d. h. am weiteren Vordringen ge- hindert und zum Rückzug gezwungen wurde.

Dieser Rückzug sollte einem Teil des Heeres verhängnis- voll werden. Germanikus befahl dem Legaten Caecina, mit seinen 4 Legionen den Weg über die pontes longi einzuschlagen und diese in möglichster Eile zu überschreiten. Dies war frei- lich leichter gesagt als getan. Die pontes beschreibt Tacitus: 'angustus is trames vastas inter psiludes et quondam a L. Do- mitio aggeratus. cetera limosa, tenacia gravi caeno aut rivis incerta erant. circum silvae paulatim acclives, quas tum Ar- minius impleverat.' Schon die geringe Breite des gangbaren Weges (angustus trames) musste den Marsch ungemein ver- zögern. Dazu stellte sich heraus, dass die pontes vielfach schadhaft und unpassierbar geworden waren. Das war für die Germanen ein Schlachtfeld, wie sie es nicht besser wünschen konnten. Wohl mag da, als nun von allen Seiten die Angriffe erfolgten, mancher Germane und auch mancher Römer ge- sprochen oder gedacht haben, was Tacitus dem Arminius in den Mund legt: 'en Varus eodemque iterum fato vinctae legiones!' Die Wagen, die das schwere Gepäck fuhren, blieben stecken,

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 25

die Reihen gerieten in Verwirrung, die Soldaten gehorchten den Führern nicht mehr, Cäcina selbst, dem das Pferd getötet wurde, wäre verloren gewesen, wenn nicht die Beutegier der Feinde und die Hilfe der 1. Legion ihn gerettet hätte. Wie gross die Verluste der Römer waren, ist wie gewöhnlich nicht angegeben, jedenfalls waren sie unter solchen Umständen sehr beträchtlich. Dass auch die Wagenladungen und die Werk- zeuge und andere Habe grossenteils verloren ging, deuten Be- merkungen des Tacitus an wie 'iuvit hostium aviditas praedam sectantium' (c. 65), ferner 'struendum vallum, petendus agger amissa magna parte per quae egeritur humus aut exciditur caespes, non tentoria manipulis, non fomenta sauciis.' Und in welcher Stimmung die Soldaten waren, schildern die Worte : 'infectos caeno aut cruore cibos dividentes funestas tenebras et tot hominum milibus unum iam reliquum diem lamentabantur.* Schliesslich gelang es den Römern doch, durchzukommen und den Rhein zu erreichen, während hier das Gerücht verbreitet war, das ganze Heer sei vernichtet und die Germanen schickten sich an, in Gallien einzufallen.

Es ist für den Laien oft schwer, taktische Massregeln in der Kriegführung der Alten zu beurteilen, zumal die Angabe der näheren Umstände und bestimmenden Verhältnisse bei den Schriftstellern vielfach fehlt. Aber hier werden wir doch kaum irren, wenn wir sagen, die 4 Legionen über die pontes longi ziehen zu lassen, war ein strategischer Fehler des Germanikus. Diese pontes konnten wohl im Frieden oder bei unvorher- gesehenem Anmarsch, wenn der Weg frei war, gute Dienste leisten, aber bei erzwungenem Rückzug, wo nach den voraus- gegangenen Ereignissen heftige AngrifiFe zu erwarten waren und der Feind die waldigen Höhen besetzt hielt (circum silvae paulatim acclives, quas tum Arminius compleverat), waren die schwersten Verluste vorauszusehen, auch wenn der Damm un- versehrt gewesen wäre. So aber war dieser vor Dezennien angelegte Holzweg an vielen Stellen abgefault und zerfallen (ruptos vetustate pontes), und während nur möglichst eiliger Durchzug die Nachteile einigermassen hätte ausgleichen können,

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sah sich das Heer bei jeder auszubessernden Stelle zum Still- stand gezwungen. Wir können nicht glauben, dass Germanikus von diesem Zustand unterrichtet war und trotzdem den Befehl gab, wohl aber, dass er es an der nötigen Aufklärung fehlen liess, wenn nicht etwa Cäcina (entgegen der Angabe des Tacitus) von den Germanen mit Gewalt in dieses ungünstige Terrain gedrängt wurde.

Unterdessen war Germanikus mit der anderen Hälfte des Heeres an die Mündung der Aroisia gekommen. Um die Schiffe bei der Meerfahrt zu entlasten und ihr Auflaufen zur Zeit der Ebbe zu verhindern, liess er die 2. und die 14. Legion unter Vitellius zu Lande der Küste entlang ziehen. Dieser Marsch ging anfangs gut. Als aber ein starker Nordwind zu wehen anfing, überschwemmte das Meer die Küste und die Soldaten befanden sich mitten im Wasser 'modo pectore, modo ore tenus exstantes.* Ausser Menschenleben (aliquando subtracto solo disiecti aut obruti) gingen, wie es scheint, alle Wagenladungen und Gerätschaften verloren. Denn als die Truppen endlich höher gelegenes Land erreichten, befanden sie sich in kläg- lichem Zustande: 'pernoctavere sine utensilibus, sine igni, magna pars nudo aut mulcato corpore, haud minus miserabiles quam quos hostis circumsidet' (I, 70).

Auch diese Verluste werden wir auf Rechnung der Ober- leitung setzen müssen. Dem Germanikus war, wie es scheint, nicht bekannt, wie verschieden die Verhältnisse der Nordsee und seiner Küsten von denen des mittelländischen Meeres sind, und er versäumte es, bei den anwohnenden, zum Teil befreun- deten Völkerschaften die nötigen Erkundigungen einzuziehen. Auch von diesen Legionen hatte sich das Gerücht verbreitet, dass sie vollständig verloren seien, „und nicht eher glaubte man an ihre Rettung, als bis man den Germanikus und sein Heer zurückkehren sah."

Stellen wir das Ergebnis dieses Kriegsjahres mit Ein- fügung der im Vorhergehenden nicht angeführten Nebenereig- nisse zusammen! Verwüstungszug in das Land der Chatten. Infolge einer Gesandtschaft des Segestes wird dieser von der

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 27

Umlagenmg beireit 'magna cum propinquorum et clientium manu* und unter anderen Tornehmen Frauen gerät auch die Gemahlin des Arminius, Tochter des Segestes, in die Gewalt der Römer. Stertinius, von Oermanikus gegen die Brukterer geschickt, findet den Adler der 21. Legion, der unter Yarus verloren gegangen war. Die Gegend zwischen Amisia und Lupia wird verwüstet. Besuch des Schlachtfeldes im Teuto- burger Walde. Weiteres Vordringen durch die Germanen ge- hindert. Ständige Eroberungen nicht gemacht. Auf dem Rück- zug die schwersten Verluste an Material und Mannschaft. 'Ad supplenda exercitus damna' (I, 74) werden Gallien, Spanien und Italien beigezogen; sie liefern Waflfen und Pferde, während Oermanikus selbst die pekuniären Verluste der Soldaten von seinem Gelde ersetzt. Auch gab er sich alle Mühe, durch Trost, den er den Verwundeten spendete, durch Lob für tapfere Haltung u. dgl. dahin zu wirken '^ut cladis memoriam leniret.' Ja clades, das ist der wahre Erfolg des Feldzuges, und hinzu- fügen kann man: nicht zum geringsten Teil verschuldet durch strategische Fehler des Germanikus.

Was mag Tiberius von diesen Erfolgen gehalten haben? Tacitus sagt II, 5, die Wirren , die um diese Zeit im Orient entstanden, kamen dem Kaiser nicht unerwünscht, um den Ger- manikus vom Rhein abberufen zu können. Gewiss werden wir dieses Urteil billigen, nur müssen wir die Begründung des Tacitus 'ut ea specie Germanicum suetis legionibus abstraheret novisque provinciis impositum dolo simul et casibus obiec- taret* als eine hässliche Verdächtigung zurückweisen. Es ist dies einer der vielen Fälle, wo Tacitus spätere Ereignisse oder Urteile, die er sich über diese Ereignisse gebildet hat, grund- los auf frühere Zeiten überträgt und als Beweggrund einer Handlung des Kaisers hinstellt.

Es spricht für die Kühnheit des Germanikus, dass er sich durch die schlimmen Erfahrungen des letzten Feldzugs nicht abschrecken Hess und für das Jahr 16 den Plan fasste, noch weiter nach Osten voi-zudringen. Wie im vorigen Jahre wurden die kriegerischen Unternehmungen mit kleinen Streifzügen be-

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gönnen, dann, als der Bau der Flotte von 1000 Schiffen vollendet war, das Heer durch die fossa Drusiana und die Nordsee bis zur Mündung der Amisia befördert. Zu beachten ist, dass Tacitus, der sonst nicht leicht etwas Ungünstiges über Ger- manikus berichtet, hier über eine seiner Anordnungen einen offenen Tadel ausspricht 'erratumque in eo quod non subvexit.* *) Dieses Urteil, das Tacitus jedenfalls in seiner Quelle vorfand, wahrscheinlich in dem Geschichtswerk des I, 69 genannten G. Plinius Gernianicorum bellorum scriptor, zeigt, dass die Heerführung des Germanikus schon von Seiten der alten Schrift- steller nicht unbeanstandet blieb.

Dem Berichte über diesen Feldzug, den letzten, den Ger- manikus in Deutschland unternahm, glaubte Tacitus einige luraina einfügen zu müssen, Episoden, die sich wie Geschichte ausnehmen sollen, aber deutlich den Stempel der Erfindung an

^) Die Stelle lautet im Zusammenhang: . . 'lacus inde et Oceanum usque ad Amisiam flumen secunda navigatione pervehitur. classis Ami- siae relicta laevo amne, erratumque in eo quod non subvexit. transpo- suit militem dextras in terraa iturum. ita plurea dies efficiendis pontibus absumpti.* Ich verstehe dies so: Es war ein Fehler, dass er mit der Flotte auf dem Meere nur bis zur Mündung der Ems fuhr und nicht weiter ostwärts an der Wesermündung landete, da doch die Weser und Elbe sein Ziel war. Denn jetzt musste er (ausser der später nötigen Brücke über die Weser) auch schon beim Erscheinen in Feindesland eine Brücke über die Ems schlagen, während er Zeit und Mühe nicht aufzu- wenden brauchte, wenn die Landung weiter östlich erfolgt wäre. Inner- halb dieser plures dies musste sich die Kunde von seiner Ankunft bei den Germanen verbreiten, konnten sie sich sammeln und zur Abwehr rüsten, so dass der Einfall nicht mehr unvermutet kam. Ich erkläre daher: Die Flotte wurde schon in Amisia verlassen und zwar wurde (wie es in diesem Fall natürlich und richtig war) auf der linken westlichen Seite des Flusses gelandet; es war ein Fehler, dass er nicht weiter auf dem Meere nach Osten fuhr, da die Soldaten nach den östlichen Ländern ziehen sollten. Daneben möchte ich noch die Möglichkeit oflFen halten, dass Tacitus die Worte laevo amne in seiner Quelle nicht vorfand und sie nur aus Missverständnis beifügte, indem er meinte, die Flotte hätte auf der rechten Seite des Flusses landen sollen. 'Transposuit' haben manche als Erklärung zu 'subvexit* getilgt, was sehr wahrscheinlich ist. Sachlich bleibt übrigens der Sinn derselbe, wenn das Wort beibehalten wird.

Zur Geschichte des Kaisers IHberius, 29

sich tragen. Am schlimmsten steht es mit der Szene Armi- nias und Flavus. Als die Römer an die Weser kamen, so erzählt Tacitus, tritt auf dem anderen Ufer Arminius mit den übrigen Vornehmen zum Fluss heran und fragt nein, setzen wir gleich den richtigen Ausdruck, der allein schon den Mass- stab zur Beurteilung bieten kann er schreit hinüber (denn über einen grossen Strom kann man nur schreien), ob 6er- manikua gekommen sei. Die Römer schreien ihm zurück, ja, er sei da. Nun stellt Arminius die Bitte, mit seinem Bruder Flavus, der auf Seite der Römer steht, sprechen zu dürfen. (Vielleicht hat er auch gleich hinzugefügt, er wolle ihn be- reden, zu ihm tiberzugehen.) Germanikus erlaubt es. (Höchst liebenswürdig!) Flavus reitet an das Ufer, Arminius begrüsst ihn von der anderen Seite des Flusses, und nachdem die romischen Bogenschützen etwas zurückgetreten, beginnt die Redeschlacht. Arminius spricht, nein, schreit herüber von Freiheit, Vaterland, einheimischen Göttern und ermahnt seinen Bruder, lieber Führer als Verräter seiner Landsleute zu werden, Flavus dagegen schreit über die Grösse des römischen Reiches, die Macht des Cäsar, die harte Bestrafung der Widerspenstigen, die grosse Milde bei freiwilliger Unterwerfung. Die Redner ereifern sich immer mehr, gehen zu Schmähungen über (hier ist das Schreien am Platz), und während Flavus wutentbrannt zum Kampfe mit Arminius auf seinem Rosse in den Strom sprengen will und nur mit Mühe von seiner Umgebung zurück- gehalten wird fallt der Vorhang.

Gegen diese Erzählung sprechen folgende Gründe:

1. Die Begegnung des Arminius und Flavus ist zwecklos. Denn keiner sagt dem anderen etwas, was er nicht schon weiss.

2. Das Hinüber- und Herüberschreien von längeren Reden über einen breiten Fluss ist absurd. Man ruft wohl, indem man etwa auch noch die hohlen Hände an den Mund hält, »Iberfahren!* und dergleichen, aber nicht Rede und Gegen- rede, nicht einen Sermon, der einen Kämpfer bestimmen soll, die Partei, für die er die Waffen trägt und der er seit Jahren angehört, mit der Gegenpartei zu vertauschen.

30 A, Spengel

3. Flavus, der sich bei den Römern befand, hatte keine freie Wahl seiner Partei. Hätte er wirklich übergehen wollen, so wäre er von den Römern niedergehauen, von den Bogen- schützen durchbohrt worden.

Möglich, dass die Römer, die die Rhetorik gewissermassen schon mit der Muttermilch einsogen, selbst noch an solchen ungereimten Deklamationen Gefallen fanden, wir Deutsche aber müssen uns dagegen verwahren, dass Arminius vor dem heiligen Kampfe für das Vaterland solches Possenspiel getrieben habe.

Was wird Tacitus in seinen Quellen hierüber vorgefunden haben? Gewiss nichts anderes als die Bemerkung, dass sich Flavus, der Bruder des Arminius, beim römischen Heere befand. Alles andere ist erfunden. Ein Lehrbuch der Geschichte darf daher meines Erachtens diese Unterredung nicht als Tatsache erwähnen, wie dies neben anderen auch L. Stacke, Römische Geschichten, Oldenburg 1898, tut, der sogar den ganzen Inhalt der Reden wie historisches Material behandelt. Man könnte ebensogut das Gedicht „Hermann und Flavus* zur Geschichte rechnen, zu dem der Dichter Martin Greif (Gesammelte Werke, I, S. 237 f.) von dem Dichter Tacitus begeistert wurde.

Unmittelbar an diese Beigabe reiht Tacitus ein zweites Intermezzo, das zu Gunsten seines Lieblings Germanikus er- funden ist. Nachdem Germanikus die Weser überschritten hatte, erfuhr er nach dem Bericht des Tacitus durch einen Überläufer, dass Arminius einen Platz zur Schlacht bestimmt habe und noch in dieser Nacht ein Sturm auf das Lager aus- geführt werden solle. Um nun die Gesinnung der Soldaten zu erforschen, sucht er ihre Gespräche während der Abend- mahlzeit zu belauschen. Einen Pelz über die Schultern ge- worfen schleicht er sich mit nur einem Begleiter an die ver- schiedenen Zelte heran und hört ungesehen, wie die Soldaten ihn alle loben, der eine seinen Adel, der andere seine Schön- heit, die meisten seine Ausdauer, seine Leutseligkeit, sein in Ernst und Scherz immer gleich bleibendes Wesen preisen, und wie sie sagen, für alles dieses müssten sie ihm in der bevor- stehenden Schlacht den Dank abstatten. Die innere Unwahr-

Zur Oeschiehte des Kaisers Tiberius, 31

scheinlichkeit liegt wieder auf der Hand. Dass die Soldaten gerade Ton Germanikus sprechen, als dieser an die Zelte tritt, ist die bekannte Theatermache, die die Personen immer gerade das sagen lässt, was der Dichter für seine Zwecke braucht. Wenn die Soldaten tapfer kämpften, so taten sie das sicher nicht wegen der Schönheit und anderer VorzUge des Germanikus, sondern weil sie sich hier mitten im Feindesland ihrer Haut wehren mussten. Auch wird ein Feldherr, wenn er weiss, dass in derselben Nacht ein Sturm auf das Lager bevorsteht, nicht bei den Zelten herumschleichen und auf die Gespräche der Soldaten lauschen, sondern seine ganze Aufmerksamkeit der Verteidigung des Lagers zuwenden. Die Anekdote, die wohl in Erinnerung an Xenoph. Cyrop. 3, 1, 41*) entstanden ist, hat einerseits den Zweck, die sachlich magere Darstellung dieses Feldzuges etwas zu füllen und Leben und Abwechslung in die Erzählung zu bringen, anderseits dem Leser wieder ins Ge- dächtnis zu rufen, wie beliebt Germanikus beim Heere war. Denn der Geschichtschreiber wird gefühlt haben, dass die Art, wie die Soldaten mit ihrem Führer beim Aufstande umgingen, wo man ihm zurief, er solle dieses Schwert nehmen, um sich zu toten, das sei schärfer, wo sie ihn mitten in der Nacht aus dem Bette zerrten und unter Todesdrohungen zwangen, die Fahne auszuliefern, keine genügende Beweiskraft für seine Be- liebtheit enthielt. Darum wird es hier nachgeholt und durch ein besonderes Bild illustriert.

Der gefttrchtete nächtliche Überfall wurde, wie Tacitus weiter berichtet, nicht ausgeführt. Die Feinde rückten wohl an das Lager heran, als sie aber sahen, dass alle Yerteidigungs- massregeln getroffen waren, zogen sie sich wieder zurück. Nachdem uns Tacitus dann noch einen glückverheissenden Traum des Germanikus als Einleitung zu dem folgenden Sieg vorgeführt, auch den Inhalt der Reden verraten hat nicht nur des römischen Feldherrn, sondern auch, was Arminius 'et ceteri

*) *£jrei S* fjX^ov oTxade, iXeyoy rov Kvqov 6 (aev rtg rt^v aorplav, 6 de ^v xaoTfgiaYf 6 de Ttfv jtQaÖTfjra, rJ rV rig xai to xdV.og xal t6 fieyedog.

32 A, Spengel

Germanorum principes' zu den Ihrigen sagten, scliildert er uns die Schlacht bei Idisiaviso, in die die Legionen um so freudiger zogen, als 12 Adler siegverkündend vor ihnen her dem Walde zuflogen. An eine Gesellschaft von 12 Adlern zu glauben, ist allerdings eine starke Zumutung, da dieser Vogel bekanntlich nur einsam oder zu zweien fliegt. Aber wenn wir den Tacitus auch auf die Naturkunde verweisen, so wird er uns entgegnen, das sei eben das prodigium gewesen, dass der sonst einsam fliegende Vogel sich in 12 Exemplaren zusammenfand, um den 12 Legionen den Sieg anzudeuten. So werden wir es also gelten lassen und der Vermutung, dass die Geschichte entweder ganz erfunden ist oder vielleicht einige Raben oder Saatkrähen aufgescheucht dem Walde zuflogen, keinen Raum geben.

Die Schlacht, die in einer Ebene zwischen der Weser und einer Hügelreihe stattfand, endete nach Tacitus mit einem voll- ständigen Siege der Römer: "^magna ea victoria neque cruenta nobis fuit. quinta ab hora diei ad noctem caesi hostes decem milia passuum cadaveribus atque armis opplevere.' Das Heer drückte seine Freude dadurch aus, dass es 'Tiberium imperatorem salutavit' und ein Siegesdenkmal errichtete. Diesem folgte noch ein zweiter Sieg. Die Errichtung des Siegesdenk- mals erbitterte nämlich nach Tacitus die Germanen mehr als Wunden und Verluste; sie greifen jetzt die Römer auf ihrem weiteren Marsche mit aller Macht an '^plebes primores iuventus sones agnien Romanum repente incursant turbant.' Schliesslich wählen sie als Kampfplatz 'locum flumine et silvis clausum arta intus planitie et umida.' Die Entscheidung fallt wieder zu Gunsten der Römer aus: 'iamque sero diei subduxit ex acie legionem faciendis castris. ceterae ad noctem cruore hostium satiatae sunt, equites ambigue certavere.' Germanikus spricht den Legionen seine Anerkennung aus, lässt die Waff'en der Germanen vom Schlachtfelde sammeln und unter das Sieges- denknial die, wie Tacitus sagt, stolze Inschrift setzen: 'debel- latis inter Rhenum Albiraque nationibus exercitum Tiberii Caesaris ea monimenta Marti et Jovi et Augusto sacravisse.' Darauf wurde der Rückzug angetreten.

^ur Geschickte des iCaiaers Tiberius, oo

Waren das wirklich zwei so bedeutende Siege, wie sie der Geschichtschreiber hinstellt? Wir werden es glauben, wenn die darauf folgenden Ereignisse damit stimmen. Nach der ersten Schlacht sollen die Leichen und Waffen der Cherusker einen Raum von 10000 Schritten, das ist 4 Wegstunden, be- deckt haben. Man sollte denken, nach einer solchen Nieder- lage wäre die Kraft des Stammes gebrochen und suchten die wenigen Überlebenden ihr Heil in der Flucht. Aber jetzt setzen sie dem römischen Heere erst recht zu. Wieder erleiden sie eine schwere Niederlage. Nun wird ihnen wohl jede Krieg- fuhrung auf eine lange Reihe von Jahren unmöglich gemacht sein? Vielmehr führen sie im nächsten Jahre mit Marbod einen gewaltigen Kampf, von dem Tacitus H, 46 sagt: 'non alias maiore mole concursum.* Da liegt denn doch der Gedanke nahe, dass es sich mit den zwei grossen Niederlagen der Cherusker nicht ganz so verhielt, wie uns der römische Qe- schichtschreiber glauben machen will. Die Leichen, die nach der ersten Schlacht das Feld in einer Ausdehnung von 4 Stunden bedeckt haben sollen, haben wahrscheinlich zum grösseren Teil romische Namen getragen, indem die Legionen auf ihrem Marsch einen so langen Weg die Seiteuangriffe der Feinde auszuhalten hatten. Ln allgemeinen suchte die Taktik der (jermanen bei diesen Feldzügen der Römer dem marschieren- den Heere durch wiederholte plötzliche Überfölle an geeigneter Stelle möglichst grossen Schaden zuzufügen, mied aber stationäre Kämpfe und Entscheidungsschlachten, so dass grossartige Ver- luste oder gänzliche Vernichtung fast ausgeschlossen waren, zumal sie sich auch bei vollem Gesamtangriff derart sicherten, dass ihnen für eine ungünstige Wendung des Kampfes der ßückzug in die Wälder oder anderweitig geschütztes Terrain ^ffen blieb. Der grosse Sieg bei Idisiaviso wird sich wohl in der Hauptsache auf den glücklichen Durchbruch beschränkt liaben, der den Römern schliesslich an einer vom Feinde anfönglich gesperrten Stelle gelang. So konnte der Marsch fortgesetzt werden, bis sie an den zweiten Kampfplatz kamen, *o ihnen die Germanen mit Erfolg Halt geboten, so dass

IWl Sitegsb. d. phUos.-pbilol. n. d. bist KL 3

34 Ä, Sptngtl

nichts übrig blieb, als den Rückzug anzutreten. Denn die Reiterei konnte ihre Aufgabe, den Weg für die Legionen frei zu machen, nicht erfiillen, was der Geschichtschreiber euphemistisch durch die Worte 'equites ambigue certavere' andeutet. Wir müssen uns erinnern, dass auch auf dem Feld- zug des vorhergehenden Jahres der abgeschlagene Angriff der Reiterei und der damit in Verbindung stehende Misserfolg des weiteren Kampfes, was in ähnlicher Weise mit 'manibus aequis abscessum' bezeichnet war, den Rückzug zur Folge hatte. Die Trophäe aber, die Qerraanikus vor dem Rückzug errichtete, galt nicht einem Siege, sondern sollte für die Romer als "fxn Zeichen, wie weit man im Feindesland vorgedrungen war, den sichtbaren Abschluss des Feldzuges bilden. Ganz ebenso be- richtet nämlich Cassius Dio 55, 1 von Drusus, dem Vater des Germanikus, im Jahre 9 v. Chr. ,Er drang bis zur Elbe vor und wollte auch über diesen Fluss setzen; da es ihm aber misslang, errichtete er Trophäen und trat den Rück- zug an."

Übrigens braucht kaum bemerkt zu werden, dass solche Trophäen im Feindesland ein kurzes Dasein hatten und auf die Kriegführung selbst keinen Einfluss übten, obwohl uns Tacitus glauben machen will, der hartnäckige Widerstand der Germanen sei hauptsächlich eine Folge der Errichtung der ersten Trophäe nach der Schlacht bei Idisiaviso gewesen. W^enn sich die Römer das Vergnügen machten, die Waffen der Ger- manen vom Kampfplatz zu sammeln und aufzuschichten, so werden sich die Germanen am nächsten Tage, wo die Römer abgezogen waren, ihrerseits das Vergnügen gemacht haben, das Denkmal verschwinden zu lassen und aus der congeries armorum ihre eigenen Waffen zu weiterem Gebrauche dankbar entgegenzunehmen.

Über den langen Rückzug bis zur Mündung der Ems finden sich bei Tacitus keine Angaben. Da er es aber I, 56 als bei den Germanen üblich bezeichnet, dem abziehenden Feinde zuzusetzen ('terga abeuntium lacessere, quod illi moris, quotiens astu magis quam per formidinem cessit'), werden die

Zur Gesckichte des Kaisera Tiberius, 35

Römer kaum ganz unbehelligt geblieben sein.^) Während nun ein Teil der Legionen zu Land in ihre Winterquartiere zurück- kehrte, wählte Germanikus mit der Mehrzahl von Amisia aus den Seeweg, auf dem ihn schweres Unglück erwartete. Ein heftiger Sturm schien die ganze Flotte vernichten zu wollen: 'equi iumenta sarcinae, etiam arma praecipitantur, quo leva- rentur alvei, manantes per latera et fluctu superurgente.' Ein Teil der Schiffe ging unter, mehrere wurden auf Inseln ver- schlagen, selbst bis nach Britannien, nur das des Germanikus konnte bei den befreundeten Ghauken landen. Da spähte er Tag und Nacht nach den anderen Schiffen und konnte mit Mühe von seinen Freunden zurückgehalten werden, sich ins Meer zu stürzen, weil er sich als den Urheber des Unglücks anklagte. Endlich kamen die Schiffe nach und nach, soweit sie gerettet waren, arg beschädigt, mit wenigen Rudern, viel- fach Decken statt der Segel aufgespannt, die schwächeren im Schlepptau der stärkeren. In die grossen Verluste, die die Römer durch die Ungunst der Elemente erlitten haben, wird wohl in diesem Feldzug wie auch im vorhergehenden alles ein- gerechnet sein, was sie durch Feindeshand verloren haben.

Um jedoch zu zeigen, dass der Mut der Römer durch diese Unglücksfalle nicht gebrochen sei, zugleich, um den Soldaten Gelegenheit zur Plünderung zu geben, Hess Germanikus den Legaten Silius einen Einfall in das Chattenland machen, er selbst überfiel die Marser und gewann durch Vermittlung ihres Führers Mallovendus den zweiten der drei Adler, die unter Varus verloren gegangen waren, zurück.

Die Feldzüge des Germanikus sollten eine allerdings spät ausgeführte Rache für die Niederlage des Varus sein und hatten insofern, namentlich auch durch die Wiedergewinnung von zwei Legionsadlem einen gewissen idealen Wert. Eroberungen

^) Man vergleiche, was Caasius Dio 54, 33 über den Rückzug des l^tis von der Weser berichtet, dasa ihm die Feinde überall Hinterhalt ^«irten und Schaden zufügten, und dass sie einmal in einer von Bergen umgebenen schmalen Ebene beinahe das Heer vernichtet hätten.

3*

36 A. Spenget

wurden nicht gemacht,^) kein Oebiet dauernd behauptet. Man wird an des Tacitus Urteil über die Züge des Paetus im Orient erinnert Ann. XV, 8: 'longinquis itineribus percursando quae obtineri nequibant.' Denn von einer vollständigen Nieder- werfung der Volksstämme zwischen Rhein und Elbe bis zur Elbe kam er überhaupt nicht wie der superbus titulus der Trophäe besagte (debellatis inter Rhenum Albimque nationibus)-) konnte keine Rede sein. Wie wenig vor allem die debellatio der Cherusker geglückt war, ist bereits oben gezeigt worden.

Jetzt drängte Tiberius crebris epistulis (II, 26), dass 6er- manikus zum Triumphe nach Rom zurückkehre. Tacitus teilt den Inhalt dieser Briefe mit. Der Kaiser ist darin ebenso anerkennend gegenüber den Erfolgen, ^) als schonend und rück- sichtsvoll bezüglich der Misserfolge seines Neffen. Zugleich spricht seine überlegene Einsicht aus dem Hinweis auf seine eigenen Taten in Germanien: 'se plura consilio quam vi per- fecisse,' sowie aus seiner Mahnung, die Germanen ihrer inneren Zwietracht zu überlassen.

Dieses internis discordiis relinqui müssen wir aber richtig verstehen. Wir würden sehr irren, wenn wir annehmen wollten, Tiberius habe sich darunter ein ruhiges Zusehen und Abwarten

^) Wenn Geschichtebücher von den „Eroberungen des kriegstüch- tigen Germanikua* reden, so beruht dies auf Irrtum.

2) Wenn Gornianikus seinen Bericht an den Kaiser in demselben grosssprecherischen Tone abfasste wie diese Inschrift, so müsste man auch die Fortsetzung der oben zitierten Tacitusstelle über die Züge des Paetus auf ihn anwenden: 'reduxit exercitum coniposuitque ad Caesarem litteras quasi confecto hello verbis magnificis, rerum vacuas.'

^) Darum nennt auch Velleius II, 1*29 den Germanikus 'domitorem Germaniae* und sagt, der Glanz des Triumphes habe der Grösse seiner Taten entsprochen. Dies galt nämlich für die Öffentlichkeit. Wenn dagegen Suetonius c. 22 bemerkt: »Dem Germanikus war er so wenig günstig gesinnt, das» er seine herrlichen Taten als überflüssig bezeichnete und seine glorreichen Siege als dem Staate schädlich herabsetzte,* so ist damit das Urteil ausgesprochen, das Tiberius im intimen Verkehr und namentlich dem Germanikus selbst gegenüber nicht zurückgehalten haben wird, dass nämlich tatsächlich nichts gewonnen, wohl aber sehr viel Material und Mannschaft verloren worden sei.

Zur Geschichte des Kaisers Tibenus, 37

gedacht, bis die Germanen ihre Waffen gegen sich selbst kehren. Viehnehr beginnt jetzt der zweite Teil des Feldzuges. Der offene Kampf ist zu Ende, er hat versagt; jetzt kommt das consilio perficere, jenes Mittel, das den geföhrlichen Feind unschädlich macht, ohne die Legionen aufs Spiel zu setzen. Das hat der Markomannenfürst Marb od zu seinem Unglück erfahren. Da ich in keinem der neueren Geschichtswerke, die ich zu Rate zog, über Marbod etwas anderes finde, als dass er von den Seinigen verlassen wurde, zu den Römern flüchtete (also freiwillig) und bei ihnen Aufnahme fand, bringe ich hier die Belege bei, dass der Sturz des Marbod durch die Hinter- list der Romer und zwar des Tiberius mit Hilfe seines Sohnes Drasus bewerkstelligt wurde. Ann. U, 62 sagt Tacitus: 'haud le?e decus Drusus quaesivit inliciens Germanos ad discor- diam utque fracto iam Marboduo usque in exitium insisteretur.' Im Jahre 20 beschloss der Senat dem Drusus einen Triumph 'ob receptum Marboduum et res priore aestate gestas (HI, 11).' Und dass Tiberius auf das Gelingen seiner List stolz war, zeigt II, 63: 'exstat oratio (seil. Tiberii), qua magnitudinem viri, violentiam subiectarum ei gentium et quam propinquus Italiae hostis, suaque in destruendo eo consilia extulit.' So preist auch Velleius II, 129 die Tat als besonderes Verdienst des Tiberius : 'qua vi consiliorum suorum ministro et adiutore usus Druso filio suo Maroboduum inhaerentem occupati regni finibus, pace maiestatis eius dixerim, velut serpentem abstrusam terrae salu- bribus consiliorum suorum medicamentis coegit egredi! quam illum ut honorate sie secure continet!' Hieraus ist ersichtlich, daas zum Verderben des Marbod besondere Hinterlist und Tücke angewendet wurde. Wenn man die Angabe des Tacitus, dass der Qote Catualda mit starker Mannschaft ins Markomannen- i^eich einfiel, die Vornehmen bestach und durch plötzlichen Iberfall Marbod verjagte (II, 62), mit der obigen Bemerkung Drusus inliciens Germanos in discordiam* zusammenhält, so ergibt sich als höchst wahrscheinlich, dass nicht nur Catualda Ton den Römern gegen Marbod aufgestachelt wurde, sondern *^r ganze durch Bestechung und Verrat zustande gekommene

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Überfall ein wohl vorbereitetes Manöver der Römer gegen den Markomannenfürsten war, mit dem sie äusserlich in Frieden und Freundschaft lebten. Die bei ihm anwesenden 'lixae ac negotlatores nostris e provinciis' werden dazu beigetragen haben, den Betrug zu erleichtern.

Daran reihte sich noch eine zweite Hinterlist. Es ist nümlich schon an sich nicht glaublich, dass Marbod, wenn er auch zunächst aus seinem Oebiete weichen musste, sich ganz hilflos an Tiberius wendete und nur für seine Person Auftiahme in Italien erbat. Vielmehr muss er noch an der Spitze einer nicht unbedeutenden Streitmacht der Markomannen gestanden sein^) und scheint beabsichtigt zu haben, mit den Römern, seinen vermeintlichen Freunden, über Wiedereroberung seines früheren Besitzes oder Anweisung eines anderen Landstriches im Grenzgebiet der Römer für sich und sein Volk zu unter- handeln. Nun lockten sie ihn aber 'per blanditias atque pro- missa,* wahrscheinlich auch unter dem Vorwande, er müsse persönlich mit dem Kaiser verhandeln, allein auf italisches Gebiet und Hessen ihn, nachdem er in die Falle gegangen, nicht mehr los. Dies sagt nämlich ausdrücklich Suetonius Tib. c. 37: 'quosdam (reges infestos suspectosque), per blanditias atque promissa extractos ad se, non remisit, ut Maro- boduum Germanum, Rhescuporim Thracem, Archelaum Cappa- docem, cuius etiam regnum in foniiam provinciae redegit.* Dass Marbod nicht hilflos war, sondern eine grössere Volks- menge hinter sich hatte, lässt sich auch aus der Angabe des Tacitus schliessen, wonach dem Gefolge des Marbod imd dem des CiituaUla jenseits der Donau zwischen den Flüssen Manis und Ciisus Wohnsitze angewiesen und ihnen Vannius aus dem Stamme der Quaden zum König gegeben wurde, 'ne quietas provincias inuiiixti turbarent' (II, 63). Dem Tiberius kam es darauf an, den Markoniannenfürsten, den er fürchten gelernt hatte, von seinem Volke zu trennen. Auch Catualda, der bald

*^ Aijoh der Ton seines Briefes deutet daraufhin Tac. II, 63: scripsit Tiberio non ut profui;us tiut ^u^>plex.

Zur Oeaehiehte des Kaisers Tiberius, 39

wieder yerjagt wurde, sollte nicht bei den Seinigen bleiben und erhielt Ton den Römern für seine guten Dienste Aufnahme in Forum Julium in Gallia Narbonensis.

Ein anschauliches Seitenstück, das uns zeigt, wie Tiberius mit den auswärtigen Fürsten verfuhr, gibt die Beseitigung des Thrakerfürsten Rheskuporis, die in dasselbe Jahr 19 fallt. Der Statthalter Mösiens erhielt den Auftrag, Rheskuporis zu be- wegen, die römische Festungslinie zu betreten und es ver- lohnt sich, das Folgende im Original zu lesen (Tac. II, 67): 'circumdata hinc regi specie honoris valida manus, tribunique et centuriones monendo suadendo et quanto longius abscede- batur apertiore custodia, postremo gnarum necessitatis in urbem traxere . . Alexandriam devectus atque illic fugam temptans aut ficto crimine interficitur.'

Zur Beseitigung des Archelaus von Kappadokien musste sogar des Kaisers Mutter Livia durch ein Schreiben bei dem Betrüge mithelfen Tac. II, 42. Über die Ermordung des Parther- königs Vonones vergl. Suet. c. 49.

und Arminius? 'Dolo propinquorum cecidit' (II, 88). Sollten die Romer dabei nicht auch mitgewirkt haben? Meiner Überzeugung nach gewiss. Tacitus erzählt in demselben Kapitel, in dem er den Tod des Arminius berichtet, ein Chattenfürst habe ein Schreiben an den Senat gerichtet, worin er versprach, den Arminius zu töten, wenn man ihm von Rom aus das Gift dazu schicke. Er erhielt die Antwort: 'non fraude neque occoltis sed palam et armatum populum Romanum hostes suos ulcisci.' Ähnliche tugendsame Sprüche finden wir öfter bei den lateinischen Schriftstellern. Die Römer hörten sie ofienbar in der Theorie gerne, ohne darüber zu vergessen, dass sie in der praktischen Anwendung dem Feinde gegenüber jede Nieder- trächtigkeit für erlaubt hielten. So wird auch hier der Senat, das heisst in diesem Fall Tiberius, trotz der unschuldvollen Miene dem ChattenfÜrsten, der so plump den Antrag stellte, ^ ob dergleichen schon jemals vorgekommen wäre, entweder selbst oder irgend einem anderen insgeheim die richtige Weisung gegeben haben, wie das zu machen war, dass die Römer ganz

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aus dem Spiele blieben und es nur hiess: 'dolo propinquorum cecidit' Nach der Tat wurde dann zur Erklärung und Be- schönigung der Vorwand erfunden, Arminius habe nach der Konigsherrschaft gestrebt, worunter sich die Homer in Er- innerung an ihre eigenen reges etwas ganz anderes dachten, als das germanische Königtum bedeutete.

Auch hier brauchen wir nicht lange nach einer Parallele zu dem von den liömern angestifteten dolus propinquorum zu suchen. Flavius Josephus, Jüd. Altert. 18, § 96 f. N (IV, 4) erzählt, was Tiberius gegen den Partherkönig Artabanus, den er für sehr gefährlich hielt, unternahm. Der Kaiser schreibt dem Statthalter von Syrien, Vitellius, er solle zunächst mit demselben Freundschaft schliessen. Zugleich sucht er die Fürsten der Iberer und Albaner jueyAkaig ddaeoi XQVI^^^^^ ^um Kriege gegen ihn zu bestimmen. Diese reizen die Skythen zum Ein- fall in das Partherland, Artabanus verliert Armenien, sein eigenes Land wird verwüstet, sein Sohn fallt im Kampfe und beinahe hätte er auch selbst das Leben verloren infolge von Bestechung seiner Verwandten und Freunde durch die Römer: Ttojunfj xQ^f^^''^^'^ ^^^ ^^ ovyyeveTg xal (plkovg rovg ixeivov yevo/iiev]] iuekXrjoe jukv xiivvveiv diä tcov dcbga eikrjq^o- Twv. Aber er entkam glücklich und eroberte sein Reich wieder. Darauf schloss Tiberius mit ihm Bündnis und Freundschaft.^)

Germanikus im Orient und sein Tod.

Im Jahre 18 übernahm Germanikus die ehrenvolle Mission, die Angelegenheiten des Orients im Namen des Kaisers zu ordnen. Der wissbegierige, feingebildete Prinz benutzte die Gelegenheit der Reise, um die berühmten Orte des Altertums kennen zu

^) Übrigens stand Tiberius mit dieser Politik gegen die auswärtigen Fürsten nicht allein. M. Antonius z. B. nahm den König von Armenien Artavaades durch Hinterlist gefiingen und Hess ihn, damit seiner Würde nichts vergehen werde, mit goldenen Ketten fesseln (Vell. II, 82). Ihrer- seits zahlten die Orientalen dann auch mit gleicher Münze. So wurde in demselben Armenien Gaius Caesar bei einer Unterredung mit dem Feinde, in die er sich unvorsichtig einliess, schwer verwundet (Vell. II, 102).

Zur Oeschxchtt des Kaisers Tiberius. 41

lernen, Athen, Bjzanz, Uium u. a., ging dann nach Armenien und entschied den Thronstreit ohne Schwertstreich. Tiberius war über diese friedliche Beilegung der orientalischen Wirren hocherfreut. Dagegen zog sich Germanikus entschiedenen Tadel seines kaiserlichen Oheims zu, als er im nächsten Jahre ohne seine besondere Erlaubnis Ägypten besuchte (II, 59). Denn Augustus hatte verordnet, dass kein vornehmer Römer vom Senatoren- oder Ritterstande ohne seine Genehmigung Ägypten, die Kornkammer Roms, betreten dürfe, und Tiberius verlangte Ton seinen Familienmitgliedeiii strenge Beachtung der Gesetze, die für die Bürger verbindlich waren.

Schlimme Verwicklungen brachte das Verhältnis des Ger- manikus zu dem Statthalter von Syrien Cn. Piso. War der kaiserliche Prinz infolge seiner Generalvollmacht dem Statt- halter übergeordnet, so lag doch die eigentliche Verwaltung der Provinz in den Händen des Piso. Gerade ihn hatte Tiberius an diese Stelle gesetzt, weil er erwartete, der erfahrene, be- jahrte Eonsular, der auf eine 45 jährige Tätigkeit im Staats- dienst zurückblicken konnte, der die Gunst des Augustus be- sessen hatte und ihm selbst befreundet war (III, 16), werde den Prinzen mit seinem Rate günstig beeinflussen. Wie dem Sohne des Kaisers, Drusus, beim Militäraufstande Seianus als Berater beigegeben worden war (rector iuveni I, 24) oder dem Gaius Caesar in Armenien Sulpicius Quirinus (III, 48) und vorher M. Lollius, mit dem es Zerwürfnisse gab (Suet. Tib. 13), so wurde wahrscheinlich Piso beauftragt, in unauffälliger Weise eine gewisse Aufsicht über den Prinzen zu führen, der zwar nicht mehr jung genug war, einen förmlichen Berater neben sich zu dulden, aber nach seinen Proben beim Militäraufstand und bei den Feldzügen in Germanien in der Wahl der richtigen Massregeln nicht immer zuverlässig schien. Dahin zu wirken, dass bei politischen Verwicklungen unnötiges Blutvergiessen vermieden werde, dass keine kostspieligen Feierlichkeiten beim Empfang und während des ganzen Aufenthalts die Provinzialen drücke und den Prinzen hochmütig mache, und Ahnliches konnte den Inhalt der 'occulta mandata Tiberii' bilden, die im

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Interesse der Sache gegeben waren und später mit unrecht von manchen verdächtigt wurden.

Aber Germanikus war nicht gesonnen, sich beraten zu lassen. Schon beim Zuge nach Armenien kam es zu Zwistig- keiten, indem Germanikus den Piso beauftragte, einen Teil seiner Legionen nach Armenien zu führen oder durch seinen Sohn führen zu lassen, und dieser keines von beiden tat. Die Gründe sind uns nicht bekannt (II, 57). Als beim Gastmahle eines arabischen Fürsten dem Germanikus und seiner Gattin Agrippina schwere goldene Kronen und auch dem Piso und den übrigen leichtere überreicht wurden, äusserte Piso: 'prin- cipis Romani, non Parthi regis filio eas epulas dari, abiecitque simul coronam et multa in luxum addidit (II, 57).' Auch der Tadel, den Piso gegen die Athener über den Empfang des Germanikus aussprach (II, 55), scheint sich auf zu grosse Ehrenbezeugungen und übermässigen Prunk bezogen zu haben. Bekanntlich war keines von beiden dem Tiberius angenehm und nahm er oft Veranlassung, für sich und die Seinigen dergleichen abzuweisen. Dazu kamen arge Differenzen in militärischen Dingen, sowie anderseits Zwist der Frauen, der Gemahlin des Piso, Plancina, die mit der Kaiserin Mutter Livia befreundet war, und der Gattin des Germanikus, Agrippina, welch letztere bei ihrem von Tacitus mehrmals erwähnten hochmütigen und herrschsüchtigen Wesen wohl hauptsächlich dazu Veranlassung gab. Die Folge war, dass Piso entweder freiwillig oder auf direkten Befehl des Germanikus seine Provinz verliess. Schon war er auf der Heimfahrt begriffen, als ihn die Nachricht von dem Tode des Germanikus bewog, die Fahrt zu unterbrechen. Obgleich nun die Legaten in Syrien und anwesende Senatoren den Cn. Sentius zum einstweiligen Statthalter der Provinz wählten, glaubte Piso doch sein Recht auf die Provinz geltend machen zu können und wagte in verhängnisvoller Verblendung den offenen Kampf. Er besetzte ein Kastell in Kilikien, dieses wurde von den Truppen des Sentius erobert, und Piso erhielt freien Abzug, um sich in Rom zur Verantwortung zu stellen.

Die Teilnahme an dem frühen Tode des in Jugend und

Zur Oesehiehte des Kaisers Tiberius. 43

Macht prangenden Prinzen war begreiflicherweise gross und bei seinem offenen Zerwürfnis mit Piso konnte leicht die Ver- mutung entstehen, er sei seinen Feinden zum Opfer gefallen. In der Tat benutzten die Gegner des Piso bei der nun folgenden unvermeidlichen Anklage auch diesen Umstand, Gemianikus sei von Piso und Plancina vergiftet worden. Böse Zungen behaupteten sogar, dass der Kaiser am Morde mitschuldig sei. Sehen wir, wie sich die Geschichtschreiber dazu verhalten!

Suetonius Tib. 52: 'Tiberius etiam causa mortis fuisse ei per Cn. Pisonem legatum Syriae creditur.' Ebenso im Cali- gula c. 2 mit dem Beisatz ^ut opinio fuifc.' Obwohl an ersterer Stelle noch beigefügt ist, die harte Behandlung, die Tiberius später der Gattin und den Kindern des Germanikus zuteil werden liess, habe diesen Verdacht bestärkt, ist doch zu be- achten, dass durch die Wahl des Ausdrucks "creditur' und opinio fuit' diese Annahme von dem rein geschichtlichen Material geschieden ist.

Cassius Dio 57, 18 weiss nichts von einer Mitwissenschaft des Kaisers und erzählt: „Germanikus starb in Antiochia durch die Hinterlist des Piso und seiner Gemahlin Plancina.* Er setzt den Kaiser in einen gewissen Gegensatz zu Piso durch die weitere Angabe, Tiberius selbst habe den Piso dem Senate zur Aburteilung übergeben.

Flavius Josephus Jüd. Alt. 18, § 54: ävt]Q€&rj (pagjudxcp vjto Ueioiovog.

Ausführlich und zugleich äusserst kunstvoll, aber leider nicht ganz ehrlich, hat Tacitus die Sacbe behandelt. Dem Leser wird sofort klar, dass der Geschichtschreiber von dem Vorhandensein des Verbrechens und der Mitschuld des Tiberius überzeugt ist, was auch ganz mit der Art übereinstimmt, wie Tacitus sonst über Tiberius urteilt. Allerdings stellt er es nirgends als historisches Faktum hin, aber alle einschlägigen Verhältnisse sind von diesem Standpunkt aus betrachtet. Er läast nicht nur den Germanikus selbst an Vergiftung glauben, sondern sorgt auch durch gelegentlich eingestreute Bemerkungen dafür, dass man aus diesen Gedanken nicht herauskommt und

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beständig in Spannung erhalten wird. Anerkennung würde das Zugeständnis verdienen, das er bei dem Bericht über die gerichtliche Verhandlung macht. »Von den verschiedenen Klagen gegen Piso habe nur der Giftmord als widerlegt betrachtet werden können, den die Ankläger selbst nicht mit Bestimmtheit vertraten, weil die Beschuldigung, Piso habe in Anwesenheit so vieler Zeugen während des Mahles die Speisen des Germanikus, der neben ihm sass, vergiftet, allzu unwahrscheinlich war (III, 14)", wenn er nicht am Schluss (c. 19) doch wieder von der Unsicherheit der geschichtlichen Ereignisse mit ausdrücklicher Beziehung auf den Tod des Ger- manikus spräche, wodurch er zeigt, dass er nach wie vor an das Verbrechen glaubt und glauben lassen will. Wie ein unparteiischer Richter sollte der Geschichtschreiber vor allem keinen Beweis verschweigen, wenn er ihm auch noch so un- erwünscht ist. Tacitus aber unterschlägt zwei der wichtigsten Momente, erstens, dass die Krankheit eine langwierige war (Suet. Cal. 1: diutino morbo Antiochiae obiit), was den Ge- danken an einen Giftmord ohnehin nicht leicht aufkommen lässt, zweitens, dass die Krankheitserscheinungen andere waren. Plinius führt nämlich XI, § 187 bei Erwähnung des Prozesses des Piso aus der Rede des Anklägers Vitellius eine Behauptung an, der er die bedeutsamen Worte gegenüber stellt: 'contra genere morbi defensus est Piso.' Es versteht sich, dass sich die Verteidigung in dieser medizinischen Frage auf das Zeugnis der Sachverständigen stützte, und diese konnten im gegebenen Fall nur die Arzte sein, die den Germanikus behandelt hatten. Wenn aber diese erklärten, die Art der Krankheit, d. h. die Krankheitserscheinungen seien andere gewesen als bei Ver- giftungen zu Tage treten, so war die Sache damit ein für allemal abgetan, und so gut sich die Richter damit begnügt hätten (veneni crimen visus est diluisse) und den Piso wenig- stens von dieser Schuld freigesprochen hätten, wenn er nicht der Verurteilung wegen des Bürgerkrieges durch Selbstmord zuvorgekommen wäre, ebensogut musste sich auch der Geschicht- schreiber damit begnügen und die unangenehme Wahrheit ein-

Zur Geschichte des Kaisers THberius. 45

gestehen. Aber freilich, das hätte die ganze so schön aus- gearbeitete Geschichte ihres sensationellen romanhaften Charak- ters entkleidet und der Leser hätte mit Bedauern bemerkt, dass er Zorn und Mitleid an ein leeres Nichts verschwendet hatte. Auch die in einem modernen Geschichtswerke vertretene Auffassung, wenn Germanikus vielleicht auch nicht vergiftet wurde, so habe er doch jedenfalls selbst daran geglaubt, ist nicht haltbar. Denn sie stützt sich auf die bei Tacitus II, 71 f. vorgeführten Reden, die Germanikus kurz vor seinem Tode an seine Freunde und an seine Gattin gehalten haben soll, in denen er sich als 'insidiis circumventus' und 'scelere Pisonis et Plancinae interceptus' u. dergl. bezeichnet. Solche Reden haben keinen historischen Wert. Sie sind, besondere Fälle ausgenommen, Erfindungen der Geschichtschreiber, die sich in die Lage der sprechenden Personen versetzen, und es ist aus ihnen nur ersichtlich, wie sie nach den vom Verfasser gegebenen Voraussetzungen gelautet haben könnten. Keinem Römer fiel es ein, dergleichen für bare Münze zu nehmen. Was man im allgemeinen von den Reden der alten Historiker zu halten hat, das zeigt wohl am besten die Abhandlung des Lukian »Wie man Geschichte schreiben muss*. Wiewohl näm- lich Lukian in allem die Forderung der strengsten Wahrheit verficht und sagt, die Geschichte vertrage nicht einen Gran Lüge, nicht mehr als die Luftröhre es duldet, wenn etwas beim Schlucken hineinkommt, der Geschichtschreiber solle ein Spiegel sein, der die Bilder der Gegenstände so zurückgibt, wie er sie aafgefasst hat, ohne das Geringste an ihrer Farbe oder Gestalt zu ändern, so erlaubt er doch bei den Reden, wenn sie nur der Person und Sache entsprechend erfunden seien, die ganze Starke der Redekunst walten zu lassen. So sind auch hier die Reden des Germanikus, wenn man nach Geschichte fragt, von Anfang bis zu Ende zu streichen. Denn sie sind zwar kon- sequent nach den Voraussetzungen des Tacitus, aber im Wider- spruch mit den Tatsachen erfunden. Es ist ja unmöglich, dass sich Germanikus für vergiftet hielt. So wenig heutzutage je- mand, der z. B. an einer Lungenkrankheit oder einem typhösen

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Fieber lange Zeit damiederliegt, an Vergiftung glauben wird, ebensowenig ist es bei Germanikus anzunehmen. Und wenn die Arzte vor Gericht die Krankheit konstatierten, so werden sie doch vor allem den Kranken selbst während der Behandlung über seinen Zustand nicht im Unklaren gelassen haben.

Fassen wir also zusammen, was wir über den Tod des Germanikus wissen! Er starb an einer langwierigen Krank- heit; an welcher, ist nicht bekannt. Sichergestellt ist nur eines, dass es nicht Vergiftung war, und zwar sichergestellt durch das beste aller Zeugnisse, das 'genus morbi.'

Die Verschwörung des Seianus.

Hat es eine solche wirklich gegeben? Fast könnte es vermessen scheinen, daran zu zweifeln, wenn man liest, was Flavius Josephus Jüd. Alt. 18, § 181, N. (VI, 6) sagt:

„Eine gi'osse Verschwörung wurde von seinem Freunde angestiftet, der damals die grösste Macht besass, weil er an der Spitze der Solduten stand. Die meisten Senatoren und Freigelassenen hielten zu ihm und das Heer wurde gewonnen. Schon war das Vorhaben weit gediehen und Seianus hätte es ausgeitihrt, wenn nicht Antonia klug und kühn die Schlech- tigkeit des Seianus zu nichte gemacht hätte. Denn als sie den Anschlag gegen Tiberius erfuhr, schrieb sie ihm alles genau, übergab den Brief ihrem treue>ten Sklaven Pallas und schickte ihn zu Tiberius nach Caprea. Als es dieser erfahren, Hess er Avn Soiunus und seine Mit verschworenen hinrichten.*

Suetonius Tib. G5 gebraucht die Worte 'Seianum res novas niolieuteur und ^'oppressa seditione Seiani.* Bei Tacitus i^t dieser Absclmitt leider nicht erhalten. Doch bezeichnet er VI, 47 den Satrius Socundus als coniurationis index, erwähnt VI, 14 coniurationis crimen und ähnliches V, 8, V, 11, VI, 3.

Von BoiKutung wird vor allem sein, ob Tiberius selbst in dvüi ScluvÜK'n an den Senat, in dem er die Verhaftung des St'iamis anordnete, Verschwörunjx und Hochverrat als Grund anijt^ijrben hat. Dies ist entschieden zu verneinen.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius» 47

Da Suetonius die Sache nur kui*z erwähnt,^) ist der Bericht des Cassius Dio zu Grunde zu legen, der den Sturz des Seianus mit den damit unmittelbar zusammenhängenden Be- gebenheiten der Wichtigkeit der Sache entsprechend eingehend schildert in der Teubnerschen Textausgabe nicht weniger als 9 Seiten. Trotz dieser Ausführlichkeit ist kein Wort über eine Verschwörung gesagt. Von dem Schreiben des Kaisers berichtet er 58, 10: „Nun wurde der Brief vorgelesen. Er war lang und enthielt nicht zusammenhängende Vorwürfe gegen Seianus, sondern zuerst etwas anderes, dann einen kurzen Tadel gegen ihn, dann wieder etwas anderes und wieder eine Bemerkung gegen ihn; am Schluss den Auftrag, zwei Sena- toren, die vertraute Freunde von ihm waren, zu bestrafen und ihn selbst zu verhaften {h (pQovga yeveo&ai),^'^) Unter einem kurzen Tadel und wieder einer Bemerkung gegen ihn kann man doch unmöglich HochveiTat verstehen. Wenn es sich um eine Verschwörung handelt, drängen sich unwillkürlich die Fragen auf: Mit wem hat er sich verschworen? Welchen Plan hatten die Verschwörer? Bei welcher Gelegenheit wollten sie ihn ausführen? u. dergl. Nichts von all dem weiss der Ge- scfaichtschreiber zu erzählen. Er erzählt darum nichts, weil er in seinen Quellen nichts fand, und diese enthielten nichts.

') Tib. 65: * inopinantem eriminatus est pudenda miserandaque oratione, eum inter alia patres conscriptos precaretur, mitterent alterum e consulibus qui se senem et solum in conspectum eorum cum aliquo militari praesidio perduceret.'

2) Ausdrücklich fügt Cassius Dio bei, daas der Kaiser nicht seine Hinrichtung befahl und zwar, wie er meint, weil ein Aufstand zu be- f&rchten war. Es entspricht vielmehr der Gepflogenheit des Tiberius, übereilte Todesurteile zu verhindern und der regelmässigen gerichtlichen Verhandlung ihren Lauf zu lassen. Vergl. z. B. den Prozess des Piso bei Tacitas. Hiernach sind Wendungen wie: «Tiberius Hess den Seianua durch den Senat zum Tode verurteilen", Pütz, Grundr. d. Geogr. B. Gesch., I, 1897, S. 268, nicht zu billigen. Ungesetzlich w^ar auch die Eile, mit der das Urteil an Seianus vollstreckt wurde. Denn der Senat hatte sich auf Veranlassung des Tiberius selbst verpflichtet, keinen Verurteilten vor dem 10. Tage hinrichten zu lassen.

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weil nichts Tatsächliches vorlag. Daher schliesst auch Cassius Dio seine Erzählung mit einer allgemeinen Betrachtung üher die Unbeständigkeit des GlUckes, in der deutlich ein ge- wisses Mitleid mit dem Gefallenen zu erkennen ist. Wäre Hochverrat vorgelegen, so hätte er wohl eine andere Nutz- anwendung gemacht, er hätte den Fall als Beispiel gerechter Strafe für ein nichtswürdiges Verbrechen hingestellt.

Den nämlichen Standpunkt nimmt Juvenalis Sat. 10 ein. Zum Beweis des Satzes, dass mancher gerade durch die Macht und die Ehren, mit denen er überhäuft wird, infolge des Neides zu Fall gebracht wird (Vers 56 f.), erzählt er den Sturz des Seianus. Bezeichnend ist besonders die Stelle, wo die Bürger zuerst die Nachricht erfahren und der eine zum anderen sagt:

'sed quo cecidit sub crimine? quisnam Delator? quibus indiciis, quo teste probavit?' 'Nil horum. verbosa et grandis epistula venit A Capreis.* 'Bene habet, nil plus interrogo. .'

Also nil horum, er ist eben in Ungnade gefallen. Für ent- scheidend aber halte ich folgenden Umstand. Suetonius Tib. 66 erwähnt eine Stelle aus der Selbstbiographie des Kaisers, die dieser jedenfalls in seinen letzten Lebensjahren verfasst hat: 'Seianura se punis.se, quod comperisset furere adversus liberos üermanici filii sui.' Somit nicht Verschwörung, nicht der Plan, selbst Kaiser zu werden, sondern seine schonungslose Agitation gegen die Söhne des Germanikus! Die Wahrheit dieser Be- hauptung zu bezweifeln, ist durchaus kein Grund. Denn oflFen- bar wollte Tiberius damit sein Vorgehen gegen den verdienten, früher so hoch geschätzten Minister vor der Nachwelt recht- fertigen. Diese Rechtfertigung wäre aber ungleich wirksamer gewesen, wenn er hätte sagen können, er habe ihn darum gestürzt, weil er eine Verschwörung gegen ihn anstiftete. Wenn er es nicht sao^te, so ist dies ein sicherer Beweis dafür, dass er es nicht sagen konnte, weil es der Wahrheit nicht entsprach.

jiur QeschichU des kaUera tiJberiua. 49

Gegen das Vorhandensein einer Verschwörung spricht auch das Verhalten der Prätorianer im entscheidenden Momente. Da es ganz natürlich ist, dass Seianus, wenn er einen Umsturz beabsichtigte, sich vor allem seiner Prätorianer versicherte, wird berichtet, die Prätorianer seien von ihm bestochen worden und seines Winkes gewärtig gewesen. Ja Tacitus weiss schon bei der Vereinigung der Prätorianer in einem Lager im Jahre 23, also 8 Jahre vor der Katastrophe, auf das künftige Ereignis voizubereiten, indem er schreibt IV, 2 : 'ut perfecta sunt castra, irrepere paulatim militares animos adeundo appellando."* Aber das sind Hirngespinste, falsche Schlüsse, die aus der irrigen Voraussetzung entstanden sind, dass Seianus nach der Kaiser- würde strebte. Bei der Verhaftung und Hinrichtung desselben rübrt kein Prätorianer eine Hand für ihn. Sie nehmen die Mitteilung des Makro, dass Seianus nicht mehr ihr Befehls- haber sei, ruhig hin, weil sie sich als Soldaten des Kaisers, nicht des Seianus fühlen. Ja, sie fassen es sogar als belei- digendes Misstrauen auf, dass bei der verhängnisvollen Senats- sitzung ihre Wache vor der Kurie durch eine Abteilung der Nachtwache ersetzt wurde (Cass. Dio 58, 12).

Noch ein weiterer Beweis! Im Jahre 26 speiste Tiberius mit seinem Oefolge in der Grotte einer Villa bei Neapel. Plötzlich fallen grosse Steine, wahrscheinlich infolge eines leichten Erdstosses, herab und erschlagen viele Gäste und Diener. Alles flüchtet, um sich zu retten, Seianus bleibt und deckt den alten Kaiser mit seinem eigenen Leibe. Ist es nicht widersinnig, zu behaupten, Seianus habe schon 3 Jahre vorher seinen Umsturz- plan gegen den Kaiser vorbereitet und ihn trotzdem mit eigener Lebensgefahr beschützt? Wenn er Kaiser werden wollte, so var damals der geeignetste Zeitpunkt. Denn Drusus, der Sohn äes Tiberius, war tot, dessen Sohn, sowie die drei Söhne des Germanikus noch nicht in dem Alter, um die Regierung über- nehmen zu können, so dass er sich nur mit Claudius, dem Bruder des Germanikus, hätte abfin«len müssen, der selbst nicht nach der Herrschaft strebte. Die wahre Gesinnung des Seianus hat dieses unvorhergesehene Ereignis in der Grotte an

IMl Sitzgsb. d. pbU(M.-pliiloL n. d. hist. Kl. 4

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den Tag gebracht. Wer so handelte, der war kein Verräter, er war ein treuer Diener seines Herrn und rechnete sich zur Ehre, fUr ihn zu sterben.

Die Schuld und der Sturz des Seianus hängen mit der ihm gestellten Aufgabe eng zusammen. Er hatte als Oberst der Leibgarde vor allem über die Sicherheit des Kaisers zu wachen. Es kam ihm zu, Verschwörungen aufzuspüren und dem Kaiser anzuzeigen. Da nun innerhalb des kaiserlichen Hauses selbst eine feindliche Strömung herrschte, die von Agrippina ausging, ist es natürlich, dass sich seine Aufsicht auch auf Agrippina und ihre drei Söhne, nämlich Nero, Drusus und Oaius (Caligula) bezog. Die Sorge für die Sicherheit seiner eigenen Stellung fiel damit zusammen. Denn, wie er sich in einem Briefe an Tiberius beschwert, hatte er von Agrippina heftige Anfeindungen zu dulden (Tac. IV, 39: 'firmari domum adversum iniquas Agrippinae ofiPensiones'), was der Kaiser in seinem Antwortschreiben (c. 40) nicht widerspricht, also an- erkennt. Wenn nun die Darstellung des Suetonius (Tib. 55) und Tacitus (IV, 60, 67, 70, V, 3 f.) richtig ist, wurden gegen die Prinzen heimtückische Mittel angewendet, um sie zu trotzigen Äusserungen und zu Schmähungen des Kaisers zu verleiten, die dann sofort diesem hinterbracht wurden. Suetonius meint, diese Tücke sei von Tiberius ausgegangen, was aber ganz unwahrscheinlich ist, da dieser seinen Enkeln anfanglich auf- richtig zugetan war und sie nach dem Tode ihres Vaters Germanikus mit den wärmsten Worten dem Senat empfohlen hatte. ^) Tacitus bezeichnet jedenfalls mit Recht den Seianus wiederholt als Urheber. Es kam so weit, dass sowohl Agrip- pina als Nero in die Verbannung geschickt wurden, in der Nero, später auch Agrippina, starb. Auch den zweiten Enkel

^) Die Vermutung des Suetonius c. 55, dass Tiberius es darauf abgesehen hatte, die Söhne des Germanikus zu vernichten, um seinem Enkel Tiberius Gemellus die Thronfolge zu sichern, wird schlagend durch den Umstand widerlegt, dass der Kaiser vor seinem Tode den Caligula, den Sohn des Germanikus, nicht den Tiberius, zum Nachfolger bestimmte.

Zur Geschichte des Kaisers fibertus. 51

Drusus klagte Seianus beim Kaiser an und als dieser den Drusus nach Born zurückschickte, bewog Seianus den Cassius, im Senate als Ankläger gegen ihn aufzutreten (Cass. Dio 58, 3). Dass Tiberius seinen dritten Enkel Gaius im Jahre 30 zu sich nach Capri nahm (Suet. Cal. 10), wird seinen Grund hauptsächlich darin gehabt haben, dass er ihn gegen die Nachstellungen des damals in Rom anwesenden Seianus schützen wollte. Bei Tacitus VI, 3 heisst es auch, der gewesene Prätor Sextius Paconianus sei yon Seianus vor seinem Sturze dazu ausersehen gewesen 'cuius ope dolus Gaio Caesari pararetur.'

Wenn auch Nero und Drusus, wie es scheint, nicht ohne Schuld waren unter den Vorwürfen, die Tiberius dem Drusus macht, ist auch 'infestus rei publicae animus' Tac. VI, 24 so sind sie doch Verbrecher, die durch das Spioniersystem and Denunziantentum des Seianus künstlich gezüchtet wurden. So hat dieser durch sein 'furere adversus liberos Germanici' schweres Unglück über das Kaiserhaus gebracht, und Tiberius sah sich gezwungen, ihn fallen zu lassen, um nicht auch noch den Qaius, den letzten der Söhne des Germanikus, zu verlieren.

Gefehlt hat Seianus ferner dadurch, dass er sich in seiner Eitelkeit nicht entschliessen konnte, die ausserordentlichen Ehrungen abzuweisen. Er duldete z. B., dass ihm allenthalben Standbilder errichtet und vor diesen Opfer dargebracht wurden, wiewohl er das Gebot des Kaisers kannte, dass keinem Sterb- lichen geopfert werden solle. Er liess sein Brustbild an den hegionsadlem anbringen, jedenfalls ohne Wissen und Willen des Kaisers; denn die syrischen Legionen erhielten von Tiberius nach dem Tode des Seianus ein Geldgeschenk, weil sie allein von allen Legionen dieses Bild nicht angenommen hatten. Das Übermass der Ehren wird von den Schriftstellern überein- stimmend hervorgehoben*) und Cassius Dio lässt 58, 3 die Möglichkeit offen, dass Asinius Gallus, der die meisten und grössten Ehrenbezeugungen im Senate beantragte, dieses nur

*) z. B. CassiuB Dio 68, 18: taie xe vJiegßolaTg xai raig Haivottjai xwv "/luw' :io6g tov oXe&QOv nQoiqyayov.

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zu dem Zweck tat, um ihn zu verdächtigen und zu stürzen. Als nun seine Verhaftung ausgesprochen war, da fielen alle die Kreaturen über ihn her, die ihm nicht verzeihen konnten, dass sie bisher vor ihm gekrochen waren. Wie er früher manchen Adeligen als staatsgefahrlich dem Henker zugeführt hatte, manchen seiner Feinde gewiss nicht immer mit den ehr- lichsten Mitteln zu Fall gebracht hatte, so kehrte man jetzt den Stiel um und erhob gegen ihn das crimen coniurationis, wozu sich Scheingründe leicht finden Hessen. Da man ihn verurteilen wollte, war er verurteilt, ehe der Prozess begann. So kam es, dass die Angelegenheit offiziell als seditio Seiani galt, während Seianus keinen Umsturz herbeiführen wollte, sondern sich nur in seiner Stellung zu behaupten suchte.^)

Übrigens darf man sich die Macht des Seianus nicht über- trieben vorstellen. Es würde der Wirklichkeit nicht entsprechen, wenn wir annehmen wollten, er habe während der Abwesen- heit des Tiberius den Staat geleitet. Vielmehr besorgte der Senat seine Angelegenheiten in gesetzmässiger Weise alle selbst. Seianus hatte nur insofern Einfluss, als ein grosser Teil der Senatoren und Beamten ihn bei wichtigen Dingen um Rat fragte, bei der Abstimmung sich nach seinen Wünschen richtete und bei gerichtlichen Verhandlungen verurteilte und freisprach, wie er es wollte. Daneben fehlte es auch nicht an Gegnern. So war von den beiden Konsuln des für Seianus verhängnis- vollen Jahres 31 der eine, Trio, sein Freund, der andere, Regulus, sein Gegner. Die Mehrzahl fand es allerdings am bequemsten, mit dem Günstling des Kaisers zu halten. Aber auch nur dem Günstling galt diese Unterwürfigkeit, nicht der Person.

') Ähnlich wurde unter Nero der Gardeoberst Burrus f&lschlich einer Verschwörung angeklagt. Aber den Ankläger traf die Verbannung. Tac. Ann. 13, 23. Wie leichtfertig die Klage wegen einea Anschlage auf das Leben des Kaisers erhoben wurde, zeigt ana besten das Beispiel des hochbetagten Senators Lentulus, eines Mannes von sehr sanfter Gemütsart, der angeklagt wurde, dass er dem Tiberius nach dem Leben strebe. Lentulus lachte laut auf und Tiberius sagte: «Ich bin nicht wert, zu leben, wenn auch Lentulus mich hasst.* Cassius Dio 57, 24. Dies war bereits 6 Jahre vor dem Sturz des Seianus.

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, . 53

Sobald die Sonne der kaiserlichen Gunst erblichen war, war auch seine ganze Herrlichkeit zerstoben. Das wusste Seianus wohl und darum üel es ihm nicht ein, nach der Kaiserwürde zu streben. Als Kaiser hätten ihn die altadeligen Familien nie geduldet; sie hätten sich wie ein Mann erhoben gegen den Provinzialen , den Tusker, dessen Vater nur römischer Ritter gewesen war. Schon als eine Tochter desselben mit einem Sohne des Claudius verlobt wurde, empfand man es, wie Tacitus (III, 29) sagt, als eine Befleckung des kaiserlichen Adels, und derselbe Geschichtschreiber nennt es (IV, 27) ein betrübendes Ereignis, dass eine Tochter des Drusus sich als Witwe später mit Rubellius Blandus verheiratete, dessen Gross- Tater aus Tibur stammte und von gar manchen noch gesehen worfen war, wie er als römischer Ritter einher ging. Dass Seianus auch auf dem Gipfel seiner Macht von den altadeligen Familien als unebenbürtig betrachtet wurde, sieht man am besten aus dem Lobe seines Zeitgenossen Velleius (II, 127 f.), der ausführlich die historischen Beispiele aufzählt, wie unadelige Männer durch eigenes Verdienst empor gekommen sind. Das hätte er nicht getan, hätte es vor allem vermieden, länger dabei zu verweilen, wenn er es nicht für nötig gehalten hätte, die Wahl des Kaisers zu rechtfertigen und sich des Ministers gegen die aristokratische Geringschätzung anzunehmen.

Auch dürfen wir nicht glauben, dass der Kaiser von seinem Minister vollkommen abhängig wurde. ^) Tiberius gebrauchte seine Dienste, so lange sie ihm erspriesslich schienen, handelte aber in allen wichtigen Angelegenheiten nach eigenem Ermessen. Ausdrücklich sagt Gassius Dio 59, 5 : Tißegiog /.ikv yäg amög

') Ganz haltlos ist die Ansicht des Tacitus, der am Schluss der Lebensbeschreibung IV, 51 zum Teil im Widerspruch mit seiner eigenen Darstellmij? verschiedene Zeitabschnitte annimmt, während deren der Kaiser durch Rücksichtnahme auf die betreffenden Personen sein Ver- dien bestimmt hätte, und zwar nicht nur einen Abschnitt bis zum Tode des Seianus, sondern auch einen bis zum Tode des Germanikus, <i«i Dnisus und seiner Mutter Livia. Keine dieser Persönlichkeiten hat einen bestimmenden Einfluss auf den Kaiser ausgeübt.

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JE fiQxt xal vTteghatg roTg äkXoig nqog ye to aviov ßovlrjpia iXQ^^o, ^) Eine Beeinflussung kann nur für solche Fälle ange- nommen werden, wenn, wie in der Klage gegen die Prinzen Nero und Drusus, die Grundlagen des Urteils ron Seianus so vorbereitet waren, dass der Kaiser nicht umhin konnte, eine bestimmte Entscheidung zu treflfen. Im allgemeinen war der grosse Unterschied zwischen Seianus und den Günstlingen der späteren Kaiser der, dass Seianus dem Tiberius, wie er oft Ton ihm genannt wurde, socius laborum war, jene dagegen ihren Kaisem socii voluptatum.

Die Entfernung von Rom und den Aufenthalt in Capri soll Seianus veranlasst haben! In einer so wichtigen Sache, die vor allem sein körperliches Wohlsein betraf, soll Tiberius nach der Ansicht eines anderen gehandelt haben, er, der schon durch den Ausspruch, wer 30 Jahre alt geworden sei, brauche keinen fremden Rat, um zu wissen, was seiner Gesundheit nützlich oder schädlich sei, die Selbständigkeit seines Urteils in solchen Dingen an den Tag gelegt hatte. Nachdem uns Tacitus ganz genau die Gründe angegeben hat, die Seianus beim Kaiser vorbrachte, um ihn zu diesem Entschluss zu be- wegen (IV, 41), sagt er selbst noch in dem nämlichen Buche (IV, 57), es sei doch wahrscheinlicher, däss es des Kaisers eigener Entschluss gewesen sei, weil er auch nach dem Tode des Seianus noch 6 Jahre auf Capri verweilte. Verschiedene andere Ursachen bringt der Geschichtschreiber dann vor, die die Entfernung von Rom veranlasst haben könnten, indem er den nahe liegenden Gründen absichtlich aus dem Wege geht. Tiberius, der im 67. Lebensjahre stand, und in seiner Familie von schweren Unglücksfällen betroffen worden war, auch sonst manche trübe Lebenserfahrungen gemacht hatte, sehnte sich nach Ruhe; zwar sollte es keine untätige Ruhe sein, aber so,

*) Auch in der Kriegführung pflegte er durchaus selbständig zu handeln und Suetonius c. 18 erwähnt es als eine besondere Ausnahme, dass er bei einem Feldzug nach Germanien einen Eriegsrat berief: 'semper alias sui arbitrii contentusque se uno tunc praeter consuetudinem cum pluribus de ratione belli communieavit.'

Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 55

dass er sich auf die wichtigen Geschäfte beschränken konnte, fem von den vielen lästigen Verpflichtungen des Hoflebens, fern auch von der Speichelleckerei, die ihm beim Austritt aus dem Senate oft in griechischer Sprache die Worte auf die Lippen lockte: '0 homines ad servitutem paratos!' (III, 65). Dazu der Umgang mit wenigen ausgezeichneten Männern, die ihn begleiteten, die Schönheit der Natur auf dem reizenden Capri, mitten in der nervenstärkenden Meeresluft, hier konnte Geist und Körper noch gesunden!

An dem Tage, an dem er 12 Jahre vorher im Senate nach längerem Zögern die Regierung zu übernehmen erklärte, 'mise- ram et onerosam servitutem,* wie er sie nannte, fügte er die Worte bei: 'dum veniam ad id tempus, quo vobis aequum possit videri dare vos aliquam senectuti meae requiem' (Säet. 24). Dass diese Zeit jetzt gekommen war, dass er ali- quam senectuti requiem jetzt bedurfte, konnte nur er fühlen; was Seianus dazu dachte, war gleichgültig.

Der Tod des Drusus, des Sohnes des Tiberius.

Die Zeit krankte am Yergiftungswahn. Augustus starb im hohen Greisenalter, nachdem er immer mit seiner Gattin Liria im besten Einvernehmen gelebt hatte, 'et quidam scelus uioris suspectabant' (Tac. I, 5), eine der unsinnigsten Aus- geburten der Phantasie. Sein Enkel Gaius, Sohn der Julia, wurde in Armenien schwer verwundet und starb auf der Rück- reise 'morbo' Vell. II, 102, wohl an den Folgen dieser Ver- wundung, was den Tacitus nicht hindert, sowohl von ihm als von seinem Bruder Lucius zu bemerken: 'mors fato propera Tel novercae Liviae dolus abstulit' (c. 3). Für Tiberius, der wie Augustus im hohen Greisenalter natürlichen Todes stirbt, stehen bei Suetonius drei gewaltsame Todesarten zur Auswahl, darunter eine der Vergiftung. ^) Und erst Germanikus! Welch

*) Nor der Bericht des Seneca (bei Suet. Tib. c. 73), dass beim Tode <1^ Kaisers niemand zugegen war und man ihn neben seinem Bette tot ^^gen £EUid, hat Anspruch auf Glaubwürdigkeit ; das Übrige sind Fabeln.

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grossartiger Yergiftungsskandal ! All dies erweist sich als hin- fällig.^) Wird es vielleicht bei Drusus ebenso sein? Hören wir die Nachrichten der Überlieferung!

Acht Jahre nach dem Tode des Drusus, unmittelbar nach dem Sturze des Seianus, machte die frühere Gemahlin des letzteren, Apicata, als sie sah, dass die Kinder, die sie dem Seianus geboren hatte, tot auf der Gemonischen Treppe lagen, dem Tiberius, ehe sie sich selbst entleibte, die schriftliche Mit- teilung, sein Sohn Drusus sei nicht natürlichen Todes gestorben, sondern von seiner Gemahlin Livilla und Seianus vergiftet worden. Das Gift habe ihm der Verschnittene Lygdus gereicht und der Arzt Eudemus bereitet. Beide legten dann auf der Folter das Geständnis ab (Tac. IV, 8 und 11). Aus Cassius Dio kommt dazu, dass Tiberius Livilla und die anderen Schuldigen töten Hess. „Doch habe ich auch gehört', fügt Dio bei, «dass Tiberius die Livilla ihrer Mutter Antonia zu lieb verschonte und Antonia später aus eigenem Antrieb ihre Tochter den Hungertod sterben Hess.*

Schon bei dieser letzteren Variante beginnen die Zweifel. Bei Suetonius Claud. c. 3 ist nämlich überliefert: 'Soror (seil. Claudii) Livilla quum audisset quandoque imperaturum (seil. Claudium), tam iniquam et tam indignam sortem popuH Romani palam et clare detestata est.* Da Claudius bei Lebzeiten des Tiberius Gemellus, des Sohnes des Drusus, keine Aussicht auf den Kaiserthron hatte, sollte man denken, dass diese Äusserung der Livilla erst nach dem Tode dieses Prinzen, also unter der

Tacitiia hat die für seinen Tiberius passende Erzählung mit Unter- drückung aller übrijjen Nachrichten anj^enomnien und dramatisch auf- geputzt.

*) Ein Sohn des Claudius, mit Namen Drusus, erstickte in sehr jusrondlichera Alter, indem er eine Birne, die er spielend in die Luft warf, mit offenem Munde auffing. Da er wenige Tage vorher mit einer Tochter des Seianus verlobt worden war und dies dem Seianus zur höchsten Ehre gereichte, 8ollte man es für unmöglich halten, dass jemand auf den Oedaiiken kam, Seianus habe den jungen Mann umgebracht. Und doch wunle es von manchen behauptet, 'Quo magis miror,' s»^ Suetonius Claud. 27. 'fuisse qui traderent fraude a Seiano necatnm/

Zur Geschichte des Kaisers Tiberitis, 57

Kegierung des Caligula gemacbt worden sei. Ist dies der Fall, so hat Livilla unter Caligula noch gelebt, ist von Kaiser Tiberius nicht hingerichtet worden und kann auch nicht von ihrer Mutter Antonia mit dem Hungertode bestraft worden sein. Denn welchen Sinn hätte es gehabt, sechs Jahre nach Ent- deckung des Verbrechens, vierzehn Jahre nach seiner Aus- fuhrung sie nachti*äglich noch Hungers sterben zu lassen? Man müsste sich bei obiger Stelle des Suetonius mit der Erklärung helfen, dass jemand früher einmal bei Lebzeiten des Kaisers Tiberius vor dem Jahre 31 zu Livilla sagte, Claudius könne, wenn auch jetzt keine Aussicht sei, doch noch einmal auf den Thron kommen, und sie daraufhin jene Ausseruni? machte. Freilich, die ganze Fassung der WorL spricht meh" für den Ernstfall als fOr eine femliegende Eventualität. Dass Livilla nach dem Sturz des Seianus wirklich bestraft wurde, muss man aus Tac. VI, 2 schliessen: 'at Romae principio anni (das Jahr 32), quasi recens cognitis Livillae flagitiis ac non pridem etiam punitis, atroces sententiae dicebantur in effigies quoque ac memoriam eins.' Entweder muss das Todesurteil über sie ver- hängt worden sein oder, wie es bei anderen weiblichen Mit- gliedern des Kaiserhauses der Fall gewesen war, die Verbannung. Letztere konnte, wenn sich der Zorn gegen die Anhänger des Seianus gelegt hatte oder ihre Schuld an dem Tode des Drusus nicht mehr geglaubt wurde, später aufgehoben worden sein, so dass sie unter Caligula wieder in Rom gelebt haben konnte. Zwei Jahre nach dem Tode des Drusus wünschte sich Seianus mit dessen Witwe Livilla zu verheiraten, nachdem er sich von seiner früheren Gattin Apicata getrennt hatte. Der Plan kam nicht zur Ausführung, weil Tiberius ihn widerriet. Nach dem Sturz des Seianus wäre dies der Livilla auch ohne weitere Anklage als Verbrechen angerechnet worden, da fast alle, die mit Seianus irgendwie in Freundschaft gestanden waren, sein Schicksal teilen mussten. Wenn sie aber auch wegen Gatten- mord verurteilt wurde, so bleibt ihre Schuld trotzdem zweifelhaft. I Denn die Tat ist, wie man sie auch betrachten mag, unbe- greiflich. 'Hanc (Seianus) ad coniugii spem, consortium regni

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et necem mariti impulit* sagt Tacitus IV, 3. Also die Ehe mit Seianus war ihr Ziel und durch diese die Herrschaft, die gebietende Stellung. Letztere besass sie bereits. Als die Gattin des Prinzen, der im besten Einrernehmen mit seinem Vater stand, bereits dreimal das Konsulat bekleidet hatte, zum Mitregenten und Nachfolger bestimmt war, nahm sie die viel- beneidete erste Stelle unter allen Frauen des römischen Reiches ein. Und was tauschte sie dagegen ein? Den tief darunter stehenden Rang der Gattin des praefectus praetorio. Eine solche Stellung konnte sie sich allenfalls spater, als sie Witwe geworden war, gefallen lassen, um einen kleinen Ersatz für den Verlust des Höchsten zu finden, aber nicht anstreben durch die Ermordung ihres Gatten. Auf die Kaiserwürde konnte sich Seianus keine Hoffnung machen und er war klug genug, es nicht zu tun. Das hat er bewiesen, wie wir gesehen haben, indem er in der Grotte bei Neapel das gefährdete Leben des Kaisers mit dem eigenen Leibe schützte. Also das Streben nach Herrschaft müssen wir von den Beweggründen zur Mordtat ausschliessen. Es bleibt noch 'coniugii spes.' Vielleicht schien ihr die neue Ehe und die Lösung der vorhandenen an sich des Verbrechens wert, wenn sie auch ihren Rang dabei einbüsste? Dies Hesse sich namentlich dann begreifen, wenn ihre Ehe mit Drusus eine unglückliche, lieblose war. Als im Senate der Antrag gestellt wurde, dass die Statthalter ihre Frauen nicht mehr in die Provinzen mitnehmen sollten, sprach Drusus dagegen und sagte: 'se quoque in lUyricum profectum et, si ita con- duceret, ad alias gentes iturum haud semper aequo animo, si ab uxore carissima et tot communium liberorum parente divelleretur' (Tac. lU, 34). Gewiss ein Zeichen von ein- trächtigem Zusammenleben! Oder suchte sie einen jüngeren Gatten einzutauschen? Drusus starb in der Blüte der Jugend mit 33 Jahren, Seianus war wenigstens um 10, wahrscheinlich mehr Jahre älter. Den 33 jährigen Prinzen ermordet sie, um dem zwischen 40 und 50 stehenden Gardeoberst die Hand zu reichen? So ist die Mordtat in jeder Beziehung psychologisch unerklärlich.

Zur Geschichte des Kaisers Tiherius, 59

Acht Jahre blieb das Verbrechen verborgen. Das ist noch nicht so befremdend als die Sorglosigkeit und Einfalt des Ver- brechers, der die zwei Sklaven, die einzigen Mitwisser seiner Tat, in diesem Zeitraum nicht längst von der Erde verschwinden Hess oder wenigstens weit vom Schauplatz entfernte. Wie leicht konnte irgend ein Verdacht entstehen, konnte sich einer von ihnen in der Trunkenheit verraten und ihm den sicheren Tod bringen !

Diese Gründe lassen vermuten, dass Apicata die Anklage aus Rachsucht erfunden hat, um einerseits ihren treulosen Gemahl blosszustellen, anderseits und hauptsächlich, um ihre verhasste Nebenbuhlerin zu vernichten. Warum sollte in einer Zeit, in der falsche Anklage und erlogene Zeugschaft geschäfts- massig betrieben wurden,^) nicht auch ein Weib dieselben Waffen geführt haben? Sie hat dann nichts anderes getan, als diejenigen Angeklagten oder Verurteilten, die, ehe sie sich töteten, durch schriftliche oder mündliche Schmähungen gegen den Kaiser oder andere wirkliche oder vermeintliche Urheber ihres Unglücks ihre Rache befriedigten (z. B. Tac. VI, 38, Suei c. 66).

Von dem Geständnis der beiden Sklaven werden wir dann dasselbe annehmen, was Tacitus bei anderen Gelegenheiten sagt, dass auf der Folter erzwungene Aussagen kein sicheres Zeugnis für die Wahrheit sind. *) Wir werden uns erinnern, dass auch in unseren Ländern früher eine barbarische Justiz den Ange- klagten alle möglichen Geständnisse erpresste, die der Henker wollte, wenn sie auch noch so sehr der Wahrheit und selbst dem gesunden Menschenverstand widersprachen.

Tacitus IV, 10 f. und Cassius Dio 57, 22 erwähnen daneben noch ein anderes Gerücht, dass nämlich Tiberius selbst den Drusus vergiftet habe. Man traut seinen Augen kaum, wenn

*) Vergl. z. B. Tac. VI, 48 : Laeliua Balbua truci eloquentia, promptua adTersua inaontes.

*) So Hessen sich z. B., als Nero seiner Gattin Oktavia eine Lieb- »chaft mit einem Sklaven andichten lieas, mehrere Sklavinnen durch die Folter unwahi'e Zugeständnisse erzwingen. Tac. Hiat. XIV, 60,

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man es liest. Drusus, der sich bei der Unterdrückung des Militäraufstandes in Pannonien, bei der Beseitigung des Marbod und ebenso bei der Verwaltung der Staatsämter die Zufrieden- heit und das Vertrauen seines kaiserlichen Vaters in yoUem Masse erworben hatte, der dem ruhebedürftigen Greise die Last der Regierung abnehmen sollte, auf dessen Leben damals zu- nächst die Hoffnung auf ungestörte Fortsetzung des Kaisertums in der Julisch-Claudischen Familie beruhte, von seinem Vater vergiftet! So albern das Gerücht ist sowohl Tacitus aLs Cassius Dio weisen es mit Entschiedenheit zurück, letzterer mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass Drusus von seinem Vater aufrichtig geliebt wurde ^) so zeigt es doch, da es sich bis auf die Zeit des Tacitus, wie dieser bemerkt, erhalten hat, dass das Verbrechen der Li via und des Seianus nicht allgemein oder nicht mehr geglaubt wurde.

Flavius Josephus, Jüd. Alt. 18, § 206 (IV, 8), der erzählt, dass Tiberius vor seinem Tode die Seinigen zu sich kommen liess, gebraucht die Worte: fjaav S^ avxco naideg yvi^oioi fiiv ovxhr Agovoog yag di] 6 /lovog avrcß ysyovcog Irvyxovev le&vedk. Er hätte gewiss statt hvyxcivev redveojg einen anderen Aus- druck gewählt, der das nichtswürdige Verbrechen andeutete, wenn er es gekannt oder geglaubt kätte.

Nach Suetonius Tib. 62 war Tiberius bis zur Anzeige der Apicata der Ansicht, sein Sohn sei 'morbo et intemperantia' gestorben. Bei Regenten und ihrer Familie darf man immer annehmen, dass die bekannt gegebene Krankheit auf der Diagnose der behandelnden Arzte beruht. Da Drusus bereits andert- halb Jahre vorher schwer krank und dem Tode nahe war ein römischer Ritter hatte bereits ein Gedicht auf seinen Tod in Bereitschaft (Tac. III, 49) erlitt er wahrscheinlich einen Rückfall in dieselbe Krankheit, wobei er sich durch 'intemperantia,' durch arge Diätfehler, den Tod zuzog.

*) Flavius Jo8ephii8, Jüd. Altert. 18, § 146 (VI, 1) sagt, dass Tiberius nach dem Tode seines Sohnes den Freunden desselben verbot, vor ihm zu erscheinen, damit nicht ihr Anblick seinen Schmerz erneuere.

Zur GesekicfUe des Kaisers Tiberius, 61

Noch ein Wort über die Lektüre des Tacitus in der Schule! Wiewohl die alten Geschichtschreiber im allgemeinen den Kaiser Tiberius ungünstiger beurteilen, als er verdient, so ist dies doch in ganz besonderem Grade bei Tacitus der Fall, der die Gelegenheit zum Tadeln sozusagen mit den Haaren herbeizieht und in seinem Urteil nicht immer unsere Billigung finden kann. Femer ist gerade die erste Hälfte der Annalen, die am häufigsten in der Schule gelesen wird, am wenigsten streng historisch gehalten. Wo dem Autor die Ereignisse zu trocken, die Bilder zu kahl scheinen, greift er selbst zum Pinsel und hilft nach. Soll nun der Lehrer darauf keine Bück- sicht nehmen und nur das Verständnis des Textes anstreben? Dann würde sich der Schüler manches Unrichtige einprägen, manches schiefe Urteil zu eigen machen. Oder soll überall Halt gemacht werden, wo sich ein Anstoss ergibt? Lbjrall wohl nicht. Aber an Stellen, die zur Kritik herausfordern, auch Kritik zu üben oder den Schüler darauf hinzuleiten, dass er sie selbst übt, dürfte sehr zu empfehlen sein. Denn ge- sundes unparteiisches Urteil braucht der Mann in jeder Lage des Lebens und schon in der Schule auf Beispiele aufmerksam zu werden, dass selbst hochbegabte Männer, wenn sie sich von Torgefassten Meinungen nicht fern halten und alles vom Partei- standpunkt aus betrachten, in ihren Urteilen fehlgreifen, kann manchem ein Gewinn fttr das Leben werden.

Ich wähle einige Stellen heraus, an denen meines Erachtens eine Erörterung wohl angebracht ist.

1. Zu den wichtigsten Bestandteilen eines geordneten Staats- wesens gehört eine unparteiische Rechtspflege. Das antike Gerichtswesen hielt sich an den Grundsatz, dass neben der Gerechtigkeit der Sache auch die Fürsprache anderer, also Protektion, auf das Urteil Einfluss haben dürfe. Um solche Fälschung der richterlichen Urteile zu verhindern, nahm Tiberius oft an den Gerichtsverhandlungen auf dem Forum teil. Seine Anwesenheit hatte gute Wirkung. Denn Tacitus sagt I, 75 'multaque eo coram adversus ambitum et potentium preces constituta.' Aber die Anerkennung des Geschichtschreibers

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bleibt aus. Vielmehr lautet sein Urteil, wiewohl dies im Interesse der Wahrheit geschah, sei doch die freie Entschliessung der Richter dadurch beeinträchtigt worden. Man sieht, der Kaiser urteilt einsichtsvoll und selbständig, er vertritt den modernen Standpunkt, der Blick des Tacitus ist beschränkt und durch das Herkommen getrübt.

2. Im Jahre 15 trat der Tiberfluss aus seinen Ufern und richtete grossen Schaden an. Daraufhin beantragte Apinius Gallus im Senate, man solle die Sibyllinischen Bücher einsehen lassen. In diesen hofifte man nämlich zu finden, durch welche Opfer und Zeremonien der Zorn der Götter abgewendet und einer Wiederholung des Unglücks vorgebeugt werden könne. Tiberius hielt dies nicht für angezeigt, weshalb ihm Tacitus I, 76 vorwirft, dass er Göttliches und Menschliches in gleicher Weise verachtete. Und was tat der Kaiser in seiner Gottlosigkeit? Er erteilte dem Ateius Capito und L. Arruntius den Auftrag, statt dessen eine Korrektur des Flussufers vorzunehmen. Während also dem Tacitus, der nach Ann. XI, 11 im Jahre 88 selbst dem Kollegium der 15 Männer angehörte, dem die Einsicht der Sibyllinischen Bücher übertragen war, die Angelegenheit in das Kapitel „Religiöse Sühnungen '^ zu fallen schien, registrierte sie Tiberius unter der Rubrik Flussbauamt '^. Auf wessen Seite werden wir treten?

3. Tiberius pflegte in der Öffentlichkeit langsam und ge- messen zu sprechen, gewissermassen mit dem Worte ringend 'compositus et velut eluctantium verborum* (Tac. IV, 31). Daran tat er recht. Er wusste, dass die Worte eines Herrschers bedeutsam sind und dass bei flüchtiger Rede leicht ein und das andere Wort mit unterläuft, das der Redner später gerne nicht gesagt hätte und nun doch nicht mehr zurücknehmen kann. Darum ist auch alles, was von seinen Reden erhalten ist, ebenso trefl^end im Ausdruck wie in den Gedanken. *) Nur in dem einen Fall pflegte er freier und rascher zu sprechen,

*) Ein eh reiui 09 Urteil über Tiberius als Redner fallt auch Tacitus Ann. XllI, 3.

Zur Oeschichte des Kaisers Tiberius. 63

wenn er verteidigte: 'solutius promptiusque eloquebatur quo- tiens subveniret.' Wir sind dem Tacitus dankbar, dass er diese Worte beifügte. Er hätte es yielleicht nicht getan, wenn er ihre Bedeutung erkannt hätte. Sie widerlegen nämlich seine wiederholte Behauptung, dass Tiberius von Natur aus grau- sam gewesen sei. Wenn jemand nur in dem einen Fall, dass er einem Unschuldigen helfen kann, die gewohnte Vorsicht vergisst und warm wird, so dass ihm die Worte mächtig aus dem Herzen und dem Munde quellen, so werden wir seine Naturanlage nicht als grausam bezeichnen, sondern als edelmütig und gutherzig, mögen die Geschichtschreiber sagen, was sie wollen.

Dies sind einige der Stellen, an denen man in der Schule meines Erachtens nicht ohne aufklärende Bemerkung vorüber- gehen sollte, und ich meine, wenn anderseits auch die unleug- baren grossen Vorzüge der Geschichtschreibung des Tacitus dargelegt werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Anforderungen, die an ein Geschichtswerk gestellt werden, nicht fiberall und zu allen Zeiten die gleichen sind, wenn ferner gezeigt wird, wie Tacitus zu solchen Urteilen kam und teil- weise kommen musste, so wird sein Ansehen nicht besonders Schaden leiden. Wenn aber auch, amicus Tacitus, magis amica ventas.

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Sitzung vom 7. Pebraar 1903.

Pbilosophisch-philologiBche KlaBBe.

Herr Muncker hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten

Vortrag:

Wielands Pervonte.

Gleich Beinen Zeitgenossen sonst ohne Sinn für das richtige Yolksmärchen hat Wieland nnr einmal im ^ Pervonte^ ein solches nach dem in Deutschland damals fast unbekannten ^Pentameron'^ von Basile neu gedichtet. Eingehende Yergleichung seines ^PerTonte* mit dem Texte Basiles und dem einer französischen Nacherzählung in der ^Biblioth^que universelle des romans*^ zeigt, dass Wieland höchst wahrscheinlich nur die letztere benützte und die ursprüng- liche Fassung des Märchens in neapolitanischer Mundart überhaupt nicht kannte. Den letzten Teil seiner Dichtung yerfasste er viel später ohne fremde Vorlage, doch mit Verwertung verschiedener Märchenmotive, in moralisierender Tendenz; auf die endgültige Ausgestaltung gewann Herder bedeutsamen Einfluss.

Historische Klasse.

Herr Prutz hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Über desGautier vonCompiegne „Otia de Machomete*. Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittel- alter und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge.

Als Verfasser des in einer Pariser Handschrift erhaltenen, bis- her unedierten Gedichtes wird der auch durch andere literarische Arbeiten bekannte Gautier von Compi^gne nachgewiesen. Was er darin von Mohammeds Anfängen erzählt, geht zurück auf die Mit- teilungen eines ehemaligen Genossen im Kloster Marmoutier za Tours namens Garnier, welcher als Abt des letzteren im Jahre 1155 gestorben ist. Derselbe verdankte seine Kenntnis den Erzählungen des Paganus, der 1119 und 1125 als Abt von ]^tampes in der Erz- diözese Sens urkundlich vorkommt und längere Zeit einen jungen bekehrten Sarazenen als Zögling bei sich gehabt hat. Daraus erklärt sich die verhältnismässige Unbefangenheit des Gedichtes, welches dann dem 1258 entstandenen „Roman de Mahomet^ des Alexandre du Pont als Vorlage gedient hat.

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»»

über des Gantier von Gompiögne „Otia de HachoIIlete'^

Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittelalter und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge.

Von H. Fratz.

(Vorgetragen in der historischen Klasse am 7. Februar 1903.)

Wenn die hohe Klasse, als sie mich durch die Berufung zur Teilnahme an ihren Arbeiten den ordentlichen Mitgliedern 'lieser als Hüterin der höchsten wissenschaftlichen Interessen Stellten und um ihre Pflege hochverdienten Genossenschaft zugesellte und mir so eine Ehre zuerkannte, in welcher ein der Wissenschaft geweihtes Leben den schönsten Lohn findet, ^ich dabei namentlich hat leiten lassen von einer wohlwollenden Würdigung dessen, was ich in nahezu vier Jahrzehnten histo- rischer Studien, die sich unter dem Einfluss wechselnder äusserer Verhältnisse auf sehr verschiedene Gebiete erstreckten, für die deutsche Geschichte und für die Geschichte der Kreuzzüge etwa )?eleistet habe: so darf ich aus diesem Umstände wohl den Antrieb dazu entnehmen, was mir an Kraft zur Förderung der historischen Wissenschaft noch geblieben ist, auch in diesem Kreise Torzugs weise dem Anbau jener beiden Gebiete dienstbar zu machen. Ich gebe demselben um so lieber nach, als ich nur bewusst bin, mich, indem ich das tue, in einer Richtung zu bewegen, welche in unseren Tagen nicht die herrschende ist. Wird sich doch niemand darüber täuschen können, dass die ^j«ichichte des Mittelalters zur Zeit nicht blos in den weiteren Kreisen der Gebildeten wenig Teilnahme und Verständnis findet,

1«4 Sifczgsb. d. philoB.-philol. a. d. hiist. KI. 5

66 //. Prutx

sondern auch bei den Fachgenossen sich nicht mehr entfernt der Gunst erfreut, welche ihr ehemals in so reichem Masse beschieden gewesen ist.

Gewiss liegen die Ursachen dieses Wandels, welchen die Richtung des geschichtlichen Interesses bei uns erfahren hat, nicht in dem historischen Stoff. Denn man wird nicht be- haupten können, dass dieser auch nur fUr die am häufigsten behandelten Abschnitte des Mittelalters erschöpft sei. Überall wird er da auch heute noch durch neue Funde bereichert, welche das bisher gewonnene Bild der Vergangenheit teils wesentlich umgestalten, teils im einzelnen berichtigen, teils ergänzen, teils in ein anderes Licht rücken. Bezeichnender- weise macht sich dabei im Gegensatz zu der zeitweilig viel- leicht allzustark betonten und gelegentlich mit übertriebener Schärfe geübten Kritik nicht selten eine sozusagen konservative Neigung geltend, welche in einem eigentümlichen Kreislauf der Entwickelung früher als unhaltbar aufgegebene oder doch stark angefochtene Anschauungen als die historisch besser be- gründeten wieder in ihr Recht einsetzt. Anderseits ist ja zu einer erschöpfenden Durchdringung der so vielgestaltigen Ver- hältnisse des späteren Mittelalters, obgleich sie vielfach un- mittelbar auf die Probleme hinführen, an deren Lösung die neuere Zeit und selbst noch die Gegenwart arbeitet, doch immer erst nur ein Anfang, wenn auch ein viel versprechender, gemacht worden.

Entscheidender für das Schwinden des Interesses am Mittel- alter dürfte die Anziehungskraft geworden sein, welche die grossen Ereignisse des letzten Menschenalters auf alle Kreise des deutschen Volkes ausüben mussten: unter ihrem Eindruck erschienen auch die sie vorbereitenden und anbahnenden Epochen eingehender Erforschung und ausführlicher Darstellung ganz besonders wert. Andererseits aber wird man die unverkenn- bare Vorliebe, mit der sich die jüngeren Generationen unserer Historiker der neueren Geschichte zuwenden, zu einem Teile doch auch darauf zurückführen dürfen, dass die Quellen für diese besonders reich fiiessen und verhältnissmässig leicht neue

tlber des Qauixer von Oompiigne Otia de Machomeie, 67

Ergebnisse gewinnen lassen. Zudem liegen diese Stoffe der leicht beweglichen Betrachtungsweise des modernen Menschen, bei dem sich unausgesetzt der Einfluss der verschiedenartigsten und selbst ihm scheinbar ganz fremder Verhältnisse unruhig reflektiert, im allgemeinen näher als die Probleme der mittel- alterlichen Entwickelung, zumal wir für diese nur eine sehr unvollständige oder zum mindesten sehr ungleiche Überlieferung besitzen, bei deren ursprünglicher Gestaltung obenein ganz andere Gesichtspunkte massgebend gewesen sind, als unter ähn- lichen Umstanden heute irgend geltend gemacht werden würden. Will man diese dennoch darauf anwenden oder gar als die allein berechtigten zur Anerkennung bringen, so führt das leicht zu einer Art Ton Vergewaltigung des in dieser Hinsicht doch eigentlich meist unergiebigen Quellenmaterials oder verleitet zu dem Versuche, die dem modernen Denken geläufigen Kate- gorieen der historischen Betrachtungsweise auf das Mittelalter anzuwenden, obgleich sie diesem selbst fremd waren. Von diesem Fehler wird man, so glücklich ihr einzelnes gelungen sein mag, doch die so zuversichtlich aufstrebende wirtschafts- geschichtliche Richtung ebenso wenig freisprechen können wie diejenige, welche sich anspruchsvoll als die sozialpsychologische bezeichnet und das eigentliche historische Problem erst recht erfasst und richtig formuliert haben will. Von einem solchen ^ erfahren kann die historische Methode, wie sie Ranke ent- wickelte und seine Nachfolger in strenger Schule zur höchsten Leistangsfahigkeit ausbildeten, schliesslich nur nachteilig be- einflusst werden. Gern würde ich mich des Irrtums überführt sehen, wenn ich beobachtet zu haben glaube, dass ein Rück- gang in der Übung der historischen Methode, die sich der Grenzen ihres Könnens allezeit bewusst bleiben und daher auch den Mut haben wird, ihr Nichtwissenkönnen offen einzugestehen, bei uns nicht blos bereits begonnen hat, sondern gelegentlich »U schon bedenklich weit gediehen zu Tage tritt. Zu einem Teile dürfte diese Erscheinung trifft sie, wie ich fürchte, w der Änderung zuzuschreiben sein, die in dem Betrieb 4«T hirtorischen Studien während des letzten Vierteljahrhunderts

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68 H. PrutM

insofern eingetreten ist, als unsere angehenden Historiker sel- tener, als das sonst üblich war, die eigene Forschung in dem Gebiete des Mittelalters beginnen, wo die Natur des Stoffes und die Art seiner Überlieferung zu möglichst nüchterner Prüfung, peinlicher Genauigkeit auch im Nebensächlichen and vorsichtiger Selbstbeherrschung in der Kombination mahnen. Die Zeit, so scheint es, ist fürs Erste demnach vorbei, wo die deutsche Geschichtschreibung wegen der Strenge ihrer kri- tischen Methode als massgebendes Beispiel und nicht leicht erreichbares Vorbild für die der übrigen Kulturvölker gelten durfte. Wenn sie sich gerade im Gebiet des Mittelalters seit längerer Zeit namentlich von der französischen Geschieht- Schreibung in manchen Stücken überholt sieht, so darf dabei freilich nicht ausser acht gelassen werden, dass der moderne Franzose der mittelalterlichen Geschichte seines Volkes doch wesentlich anders gegenüber steht als der Deutsche der ent- sprechenden Epoche der seinen. Bringt er ihr doch ein viel unmittelbareres Interesse entgegen, weil er für sie ein in der Sphäre lebhaften nationalen Gefühls wurzelndes leichteres Ver- ständnis besitzt. Während man bei uns, nicht unbeeinflusst durch die politischen Kontroversen der Gegenwart, heftig dar- über gestritten hat, ob dem Kaisertum der Sachsen, Salier und Staufer um die nationale Entwickelung Deutschlands ein Ver- dienst zuzuerkennen sei oder ob es als Träger der Idee einer Universalherrschaft, die an nationale Grenzen nicht gebunden sein sollte, im Gegenteil nicht vielmehr nachteilig darauf ein- gewirkt habe und für die spätere politische Zerrüttung Deutsch- lands verantwortlich gemacht werden müsse, sah und sieht der Franzose in dem französischen Königtum des Mittelalters be- reits die Verkörperung seines Volkstums: in seiner an Wechsel- fallen so reichen Geschichte verfolgt er mit lebhafter Teilnahme die vielfach behinderte und oft schwer bedrohte Entwickelung seines eigenen Volkes, die trotz aller Wechselfalle und lebens- gefährlichen Krisen frühzeitig zur Bildung einer festgeschlos- senen und sich ihrer Einheit mit Stolz bewussten Nation ge- führt hat. Der Deutsche dagegen steht heutigen Tages der

über des GaiUier von Compihgne Otia de Machomete, 69

grossen Zeit der mittelalterlichen Kaiser gewissermassen fremd gegenüber und entbehrt für sie jener gemütlichen Teilnahme, ohne die ein volles Verständnis dafür nicht zu gewinnen ist. Im Gegensatz dazu sieht das französische Volk in den Taten und Leiden seiner nationalen Könige im Mittelalter auch heute noch ein Stück nationaler Heroenzeit, an dessen fesselnder Farbenpracht es sich freut, unbeirrt durch kirchliche und politische Gegensatze späteren Ursprungs.

Ganz besonders gilt dies nun von der Geschichte der Kreuz- zflge, so fremdartig die geistigen und sittlichen Kräfte, die sich darin vornehmlich betätigten, den modernen Menschen anmuten mögen. Durch die hervorragende Rolle, zu der sie vrährend der zwei Jahrhunderte, welche die grosse Bewegung dauerte, und dann auch noch während ihres Nachspiels im 14. Jahr- hundert und bis hinein in das 15. berufen waren, haben die Franzosen für die allgemeine Entwickelung der abendländischen Kultur eine ähnlich zentrale Stellung erlangt, wie für die poli- tische das römisch-deutsche Kaisertum während seiner Blüte eingenommen hat. Denn an dem Austausch zwischen Morgen- und Abendland, den die Kreuzzüge herbeiführten und der für die Entwickelung der Kultur neue Grundlagen und neue Formen schuf, haben die Franzosen weitaus den grössten Anteil gehabt. Von den vielen ritterlichen Fahrten, aus denen die Kreuzzüge <ich zusammensetzen, erscheinen die meisten geradezu als fran- zösische Unternehmungen. Dem französischen Adel und den ungeheuren Opfern, die er, wenn auch immer in der Hoffnung auf endlichen reich lohnenden Gewinn, Generationen hindurch jenseits des Meeres brachte, war es zu danken, wenn das nie lebenskräftige christliche Königreich im heiligen Lande seine taglich bedrohte Existenz wider Erwarten so lange fristete. In viel höherem Masse als die seefahrenden Italiener, für die immer nur merkantile Interessen massgebend waren, sind die Franzosen die Träger des Einflusses geworden, den die fort- ^hreitende Bekanntschaft mit dem Morgenlande, seinen Pro- dukten, Gebräuchen und Einrichtungen auf die Völker des bestens ausgeübt hat und der doch schliesslich dafür ent-

70 H. Prutz

scheidend geworden ist, dass bei ihnen die engen Schranken der kirchlich gebundenen Kultur durchbrochen und fQr eine ganz neue, unendlich mannigfaltige und erstaunlich fruchtbare neue Kultur Licht und Luft gewonnen wurden ein Vor- gang, der auch darin seinen Ausdruck fand, dass das Fran- zösische damals als eine Art von Weltsprache das bevorzugte Organ wurde für die Vermittelung des internationalen Verkehrs in den Kolonien jenseits des Meeres. Diese Tatsachen erklären vollauf die unverkennbare Vorliebe, welche wir in Frankreich nicht blos in dem romantisch denkenden Zeitalter der Restau- ration, sondern auch heute noch für die Geschichte der Kreuz- zQge herrschend finden. Trotz aller Wandelungen, die im Denken und Fühlen vor sich gegangen sind, betrachtet man dieselben auch heute noch gewissermassen von dem Standpunkte der Gesta Dei per Francos, besonders seitdem Frankreich durch sein entschlossenes Eingreifen zur Rettung der durch die Mas- sakres von 1862 mit dem Untergänge bedrohten syrischen Christen von Neuem die Rolle einer Schutzmacht des christ- lichen Glaubens im Osten übernommen hatte. Auch fUr die Erforschung der Denkmäler aus dem Zeitalter der Kreuzzüge hat die damalige französische Expedition nach der syrischen Küste reichen Gewinn ergeben. Das alles macht es begreif- lich, dass gerade die Geschichte der Kreuzzüge in Frankreich alle Zeit besonders gepflegt worden ist und von Michaud und Beugnot bis herab auf Mas Latrie und Riant hochverdiente und opferfreudige Bearbeiter gefunden hat.

Doch ist gerade da wieder eine gewisse Einseitigkeit nicht zu verkennen. Weil man in Frankreich die Kreuzzüge auch heute noch als einen integrierenden Bestandteil der französischen Geschichte betrachtet und wie ein Stück nationalen Heldentums im Herzen trägt, wird man dort ihrem sozusagen internationalen Charakter weniger gerecht als anderwärts, obgleich doch ge- rade er der grossen Bewegung der abendländischen Völker ihr eigentümliches Gepräge gibt und ihre welthistorische Bedeu- tung begründet. Nach dieser Seite hatte schon im Anfang des 19. Jahrhunderts Heeren ergänzend eingegriffen, indem er

über des Gautier von Compibgne Otia de Machomete. 71

die Folgen der Ereuzzüge fUr Europa zu entwickeln versuchte.^) Dass er, und wer sich weiterhin mit diesem grossen kultur- geschichtlichen Problem beschäftigte, über allgemeine Betrach« tungen, welche der sicheren Begründung in der Fülle be- glaubigter Einzeltatsachen entbehrten, nicht hinaus kam, war unTermeidlich zu einer Zeit, wo die Spezialforschung von den dafür in Betracht kommenden verschiedenen Gebieten kaum eines recht in Angriff genommen hatte. Erst im Laufe der folgen- den Jahrzehnte sind die Voraussetzungen allmählich geschaffen worden, ohne die kulturhistorische Arbeiten der Art immer sozusagen in der Luft schweben werden. Denn nur durch eine Zusammenfassung der kritisch gesichteten Ergebnisse, welche zunächst unabhängig von einander neben der eigentlichen Geschichtsforschung die Sprachforschung, namentlich die roma- oische, dann das Studium des Schauplatzes der Ereignisse und besonders der Denkmäler, weiterhin aber auch die Tergleichende Rechtswissenschaft und die Erforschung der Literatur und der Sagen und endlich namentlich die fortschreitende Erschliessung der morgenländischen Quellen zu Tage gefordert haben, wird man unter steter Berücksichtigung der allgemeinen geschicht- lichen Verhältnisse und der wechselnden geistigen Strömungen Ton den hierher gehörigen Vorgängen ein einigermassen ein- heitliches und wahrheitsgetreues Bild gewinnen können.

Seit ich in meiner „Kulturgeschichte der Kreuzzüge* (BerHn 1883) die eben skizzierte Aufgabe nach dem damaligen Stand unserer Kenntnis zu lösen versucht habe, sind die Be- dingungen für das völlig befriedigende Gelingen eines solchen Intemehmens einerseits bessere, andererseits weniger günstige geworden. Das Letztere ist namentlich insofern der Fall, als eine planmässige Erforschung und vollständige Inventarisierung der im Osten erhaltenen Denkmäler der „fränkischen" Misch- kultur, wozu die Franzosen einen vielversprechenden Anfang gemacht hatten,*) nicht durchgeführt worden ist eine Unter-

*) Versuch einer Entwickelung der Folgen der Kreuzzüge für EöTopa. 1807.

') E. G. Rey, £tade sur les monuments de l'architecture inilitaire

72 H, Prutz

lassung, die bedauerlich ist, weil die fortschreitende Zerstörung der betreflFenden Bauwerke, die nicht blos von den Umwohnern, sondern auch von den türkischen Behörden häufig einfach als Steinbrüche benutzt werden, ein Nachholen des Versäumten inzwischen fast unmöglich gemacht hat. Günstiger geworden sind sie insofern, als sowohl die abend- wie die morgenlän- dischen Quellen heute in beträchtlich grösserer Zahl und in wesentlich brauchbarerer Gestalt vorliegen, das urkundliche Material sehr bedeutend vermehrt worden ist und die bessere Einsicht in die Entwicklung des Kunstgewerbes und der Technik eine Reihe von neuen und sehr fruchtbaren Gesichtspunkten für die Beurteilung gewisser kulturhistorischer Vorgänge er- geben hat. Am schwierigsten bleibt die zu lösende Aufgabe auch heute noch überall da, wo es sich um ausschliesslich geistige Beziehungen handelt und der Versuch gewagt werden muss, aus den Ergebnissen, die uns späterhin hie und da ent- gegentreten, auf den Verlauf und die Natur des Prozesses zu schliessen, der sie hervorgebracht hat. Einen bescheidenen Beitrag zur Lösung einer der hierher gehörigen Fragen ver- suche ich im Nachfolgenden zu geben.

Vollzog sich der Tauschverkehr zwischen Ost und West, der den Boden bereitet hat für die grossartigen kulturgeschicht- lichen Wirkungen der Kreuzzüge, in der Hauptsache und am unmittelbarsten natürlich in den Kreuzfahrerstaaten selbst und den ihnen nächstbenachbarten mohammedanischen Gebieten, so ist es doch auch vereinzelt vorgekommen, dass Träger der morgenländischen Kultur infolge der über ihre Heimat herein- gebrochenen Ereignisse nach dem Westen verschlagen wurden und, dort heimisch geworden, für einen kleinen Kreis die viel- fach angestaunten Vertreter der Wunderwelt von jenseits des Meeres blieben. Den Spuren solcher Vorgänge begegnen wir gelegentlich in Sage und Dichtung. Die kulturgeschichtliclien Wirkungen freilich, die davon ausgingen, blieben naturgeraäss

des Croises en Syrie. Paris 1871 und de Vogä(^, Les figlisee de la Terre Sainte. Paris 1857.

über des Gautier va^i Compihgne Otia de Machomete, 73

sunächst auf eiuen sehr engen Ereis beschränkt und können nicht entfernt mit denen verglichen werden, welche die zahl- reichen Mohammedaner ausübten, die wir im Dienste der nor- mannischen und staufischen Könige von Sizilien finden und um derentwillen noch die Anjous von Neapel Gesetze und Er- lasse auch arabisch veröflFentlichten. Ganz vereinzelt aber sind die Fälle, wo von der Anwesenheit eines solchen versprengten Orientalen im Westen später sogar noch gewisse geistige Spuren Zeugnis ablegen. Von einem solchen will ich berichten, zumal die genauere zeitliche und örtliche Feststellung, die dabei mög- lich ist, auch noch nach anderen Seiten hin Anknüpfungen ergibt und bisher vereinzelt liegende Stücke der Überlieferung als zusammengehörig zu erweisen erlaubt.

Da.ss die Kreuzzüge nicht hervorgerufen wurden durch den religiösen Gegensatz zwischen Christentum und Islam, der die Bekenner beider mit einer Art von Naturnotwendigkeit zum Kampfe wider einander getrieben hätte, darf heute wohl als allgemein zugestanden gelten. Die Unhaltbarkeit einer solchen Annahme erweist namentlich auch die Entwickelung, die das Verhältnis der beiden Religionen während des 200 jährigen Kampfes erfahren hat. War anfangs die Möglichkeit gütlicher Verständigung und friedlichen Nebeneinanders gegeben, wie sie bisher sowohl in christlichen wie in mohammedanischen Staaten vielfach bestanden hatte, so schwand sie allmählich vollkommen durch die Entfesselung eines religiösen Fanatismus, wie er ursprünglich nur in vereinzelten Fällen sich offenbart hatte, und durch die Anhäufung eines tötlichen Hasses, wie sie ein Menschen alter hindurch von beiden Seiten mit steigender Grausamkeit geführter Vernichtungskampf zur Folge haben musste: erst durch die Kreuzzüge sind Christen und Moham- medaner unversöhnliche Gegner geworden. Dem entspricht namentlich auch die Entwickelung des Bildes, welches sich die Ersteren von dem Stifter des Islam machten, und die Art, wie sie den Inhalt seiner Lehre geflissentlich entstellten, indem sie sich durch absichtliche, möglichst schmähliche Erdich- tangen immer weiter von dem Wenigen entfernten, was ihnen

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ganz schattenhaft von der historischen Wahrheit bekannt ge- worden war.

Bereits der älteste christliche Bericht über Mohammed und seine Religionsstiftung, der des Byzantiners Theophanes (gest. 817/18), welcher in der Bearbeitung des römischen Bibliothe- kars Anastasius (gest. ca. 886) mit dessen Kirchengeschichte ^) durch die ganze mittelalterliche Literatur Verbreitung gefunden hat, ist voll grober Missverständnisse und tendenziöser Ent- stellungen und enthält dem Keime nach bereits fast all die Züge, welche späterhin für die Mohammedfabeln des christ- lichen Mittelalters charakteristisch geworden sind. Planmässig ausgesponnen erscheint dieses gehässige Lügengewebe dann zu- erst bezeichnenderweise zu Beginn des 12. Jahrhunderts in der Kreuzzugsgeschichte des Guibert von Nogent, welcher aus- gesprochenermassen bestrebt war, den Hass der Christen gegen die Mohammedaner möglichst zu entflammen, um neue Scharen zum Zuge nach dem Osten zu veranlassen. Da kann es denn freilich kaum Wunder nehmen, wenn wir ziemlich um dieselbe Zeit selbst einen Mann von der gelehrten Bildung Hildeberts, des Bischofs von Le Mans und 1125—1133 Erzbischofs von Tours, die Zierde der französischen Kirche, eine an klassischen Reminiszenzen reiche Geschichte des Propheten in tadellosen Distichen abfassen sehen, in welcher ohne jede Ahnung von dem geschichtlichen Verlaufe die unsinnigsten Lügen zusammen- phantasiert werden, um Mohammed nicht blos als Zauberer und Betrüger, sondern sogar als Räuber und Mörder darzu- stellen, und derselbe auch ein dem entsprechendes Ende findet, indem er von Schweinen gefressen wird. Dem gegenüber muss es auf den ersten Blick einigermassen befremden, wenn wir in eben dem Kreise, dessen geistliches Oberhaupt und geistiger Mittelpunkt Hildebert gewesen war, nur wenig später eine ähnliche Arbeit entstehen sehen, welche sich zwar nicht frei hält von den zur Verunehrung des Propheten in Umlauf ge-

1) Anastasü Hist. ecclesiastica ex Theophane II, 511 ff. (Corpus hist. Byzant. ed. Bonn.)

über des Oautier von Compiegne Otia de Machomete. 75

setzten LügenmärclieD, auf der anderen Seite aber sofort eigen- tümlich gekennzeichnet wird und auf einen besonderen Ursprung hinweist durch das ungewöhnlich günstige Bild, das sie im übrigen von dem Menschen Mohammed und seiner Stellung zu seinen Volksgenossen entwirft.

Im Jahre 1831 veröffentlichten Reinaud und Michel den «Roman de Mahomet*^/) die Dichtung des Jongleurs Alexandre du Pont, welche dieser nach einem Vermerk am Schluss*) im Jahre 1258 auf dem «Berge bei Laon* verfasst hat. Als Vor- Iji^e benutzte er dabei, wie er im Eingang ausführlich be- richtet, ein lateinisches Gedicht, welches ein Mönch Gautier auf Grund der Mitteilungen des Abtes Gravier es ist zweifel- los Qranier oder Garnier zu lesen angefertigt hatte. Des Letzteren Kenntnis von Mohammed ging darnach zurück auf die Erzählungen eines Geistlichen der Kirche von Sens in Burgund, der sarazenischer Abkunft gewesen und als Moham- medaner geboren sein soll.^) Diese von Alexandre du Pont benutzte Vorlage ist, wie schon ein oberflächlicher Vergleich zeigt, erhalten in der Handschrift der Pariser Nationalbibliothek Fonds latin N. 11332. Alexandre du Pont folgt ihr nicht blos genau in der Anordnung des Stoffes, sondern schliesst sich ihr vielfach fast wörtlich an, so dass sein Werk zu einem grossen Teile nur als eine Übersetzung des älteren lateinischen Ge- dichtes erscheint. Wo er davon abweicht, geschieht das wohl im Hinblick auf die anders gearteten Ansprüche seines Publi- kums: er führt dies und jenes weiter aus oder fügt Zutaten hinzu, welche dadurch interessieren sollen, dass sie den Gegen- stand zu seiner Umgebung in Laon in lokale Beziehungen setzt. So meint er die ebenfalls aus seiner Vorlage übernommene angebliche aussergewöhnliche geometrische Begabung Moham-

^) Roman de Mahomet et Livre de la Loi au Sarrazin. Publies par Reinaud et Michel. Paris 1831. «) S. 84. •) S. 1: Uns clers avoecques j. chanoigne,

Ki Sarrasins avoit est^,

Mais prise avoit crestiente.

76 H. Prutz

meds, der bei ihm ebenfalls als ein Mann von hoher Bildung und vertraut mit den sieben freien Künsten dargestellt wird, anschaulicher zu machen durch die Bemerkung, derselbe würde die Entfernung von Montaigu nach le Sauvoire (Salvatorium), einem seit 1246 auf befestigter Höhe bei Laon gelegenen Frauenkloster, ^) auf den ersten Blick richtig geschätzt haben und als ausgezeichneter Arithmetiker im stände gewesen sein, alsbald zu sagen, wie viel Steine in einem Turm oder einer Mauer verbaut seien. Auch greift er, während seine Vorlage in solchen Fällen gern die ihrem Verfasser von der Kloster- schule her geläufigen klassischen Reminiszenzen verwertet, bei der Schilderung von Festlichkeiten u. s. w. für die Ausmalung des Einzelnen zu dem, was da in seiner Zeit und in seiner Heimat üblich war. Wenn er aber gleich im Eingang aus dem Gewährsmann, dem Abt Gravier oder vielmehr Garnier die in dem Werke Gautiers benutzten Angaben über Moham- med verdankt, einen als Heide geborenen, d. h. ursprünglich sich zum Islam bekennenden Mann macht, welcher in der Taufe Dieu-donn(^ genannt, nachmals Geistlicher geworden und zum Kanonikus in Sens aufgestiegen sein soll, so ist ihm da ein Irrtum begegnet, indem er, mit dem Lateinischen offenbar nicht allzu vertraut, seine Vorlage missverstand und den Namen Paganus als Heide deutete.*^)

Die Handschrift, welche das von Alexandre du Pont be- arbeitete lateinische Gedicht enthält, zählt 28 auf beiden Seiten beschriebene Blätter und gehört dem 13. Jahrhundert an. Die Fehler, die sich in ihr finden Schreibfehler (V. 48, 138,

*) Labbe, Bibl. nova manuscr. I, 135 und Galiia Christ. IX, 640, E. *) S. 1: II fu clera quant il fut paiens,

Et clera apries fu crestiens.

A 8on signour conta la guile

Ki ä .j. abe de la vile,

Lequel on apieloit Gravier,

Le conta, et chil ä Gautier,

Ki moignes estoit de s'abbie.

Li moignes lues en versifie,

J. livret en latin en fist.

über des Gautier van CompUgne OHa de Machomete, 77

149, 168, 540, 782, 892, 955, 1034), irrige Wiederholungen und die Auslassung eines Pentameters (V. 190) kenn- zeichnen sie als Abschrift. Obgleich sie bereits von den Be- arbeitern der Histoire littäraire de la France^) gekannt war und ihr Inhalt als Werk eines Mönches Wautier besprochen wurde unter Mitteilung der Verse 1 6 und 11 26, hat sie bisher doch keine weitere Beachtung gefunden. Einen Titel trägt sie nicht: dass er Waltheri Otia de Machomete gelautet hat, beweist gleich der Eingang des Gedichts:

Quisquis nosse cupis patriam Machometis et acta, Otia Waltheri de Machomete lege.

Das Missverständnis, welches dem französischen Bearbeiter in Betreff der Herkunft des von Walther, französisch Gautier, bearbeiteten Stoffes begegnet ist, erklären die Verse 5 und 6 und 11—19:

5 Nam si vera mihi dixit Warnerius abbas,

Me quoque vera loqui de Machomete puta. 11 Abbas jam dictus monachus monacho mihi dixit,

Immo testatus est mihi multociens, Quod quidam, cui nomen erat Paganus, honestus

Clericus et Seuonum magnus in ecclesia, Secum detinuit aliquanto tempore quendara,

Qui Machomis patriam gestaque dixit ei, Qui de progenie gentili natus et altus

Christi baptismum ceperat atque fidem. Ergo se puerum didicisse legend o professus,

Quicquid scripture de Machomete sonant.

Walther verdankte also seine Kenntnis von Mohammeds An- fingen den Mitteilungen eines Abtes Warnerius oder Garnerius, französisch Garnier oder Granier, der, ehe er Abt wurde, mit ihm als Mönch demselben Kloster angehörte. Was er ihm erzählte, beruhte auf den Mitteilungen des Paganus, eines sehrenwerten Geistlichen^, der in der Erzdiözese Sens eine

M Band XII, S. 516.

78 Ä Prutt

hervorragende Stellung einnahm und einen zum Christentum übergetretenen Mohammedaner, der fttglich doch nur mit einem heimkehrenden Kreuzfahrer nach Frankreich gekommen sein konnte, längere Zeit als Zögling bei sich gehabt hatte. Durch ein glückliches Zusammentreffen können wir nun die drei hier genannten Persönlichkeiten nach Zeit und Ort ihres Lebens und Wirkens genau bestimmen und erhalten dadurch auch über die Herkunft der Otia de Machomete sicheren Aufschluss.

In dem der Kirche von Sens als hochangesehene Persön- lichkeit angehörigen Paganus haben wir ohne Zweifel den gleichnamigen Abt des Marienklosters zu Etampes^) zu sehen, dem Papst Calixtus IL auf Fürbitte König Ludwigs VI. von Frankreich am 4. Dezember 1119 in Sens för sein Kloster das Recht bewilligte, dass ohne Zustimmung der Mönche dessen Pfarrkinder, Kitterbürtige und andere, von niemand sollten be- graben werden dürfen,*) und der 1125 in einer Verleihung desselben Königs an die Kirche von S. Victor als Zeuge vor- kommt.^) Sind wir auch über das Wesen jenes Marienklosters es wird auch als monasterium im Sinn von Münster be- zeichnet und ist als wirklich mit Mönchen besetzt nicht sicher nachweisbar*) nicht ganz im Klaren, so wissen wir doch, dass seine Vorsteher, vielleicht als Laienäbte, im Range sehr hoch standen. Nach dem Tode des Paganus, dessen Zeitpunkt nicht bekannt ist, haben nacheinander zwei Söhne König Lud- wigs VL, Heinrich (1146) und Philipp (1155),^) diese Würde bekleidet.

In ganz ähnlicher Weise wie im Eingang der Otia de Machomete finden wir ferner einen Mönch Walther, Qalterius oder Gautier und einen Abt Warnerius oder Garnier anderwärts mit einander verbunden. Von dem Traktate „De miraculis beatae Virginis Mariae**^) haben bereits die Bearbeiter der

») Gallia chrisliana XII, 128.

2) Jaffe-Löwenfeld, Reg. pontif. N. 6790.

'•*) Gallia Christ, a. a. 0.

*) Ebend. 5) Ebend.

^) Labbe, Bibliotheca nova manuscr. I, 650 66.

Vber des Gautier von Compihgne Otia de Maehomete. 79

Histoire Uttäraire de la France') nachgewiesen, dass er nicht, wie die Handschrift will, von einem Cluniacenser Qautier her- rOhrt, sondern von öautier von Gompiegne (öauterus Compen- diensis), einem Insassen des Klosters Marmoutier (Maius mona- sterium) zu Tours, der später dem von dort aus gegründeten Kloster des heiligen Martin im Tal (en Yalläe) zu Chartres als erster Prior vorstand. Denn der Traktat ist von dem Autor, der nach 1141 ~ (diesem Jahre gehört eine der von ihm erzählten Wundergeschichten an) in Chartres schrieb, einem Mönche des heiligen Yenantius in Tours gewidmet. Auch sollen mit Ausnahme des letzten, das dem heiligen Martin zuge- schrieben wird, die berichteten Wunder alle in Chartres vor- gekommen sein nach mündlicher Mitteilung des Bischofs Geof- froi II. von Chartres (24. Januar 1116 24. Januar 1149), bei dem sich Gautier in einer Urkunde vom Jahre 1131 als Zeuge findet. Von demselben Gautier von Compiegne gab es auch eine Geschichte von Marmoutier, von der bisher nur ein Frag- ment bekannt geworden ist.^) In diesem findet sich ausser- dem eine Erzählung von einer Vision des Grafen Fulco von Anjou, die derselbe vor seinem Aufbruch nach dem heiligen Lande in Marmoutier gehabt haben soll. Sie kehrt wörtlich wieder in den Gestis consulum Andegavensium,^) deren Autor in der Widmung an König Heinrich 11. von England Gautier von Compiegne ausdrücklich unter seinen Quellen nennt. ^) Demnach wird man annehmen dürfen, dass der Abt Garnerius und der Mönch Gautier, welche in dem Traktate des Letzteren über die Wunder der heiligen Jungfrau zu Chartres als ver- banden erscheinen, identisch sind mit den gleichnamigen und in gleicher Stellung befindlichen Personen, die im Eingang der Otia de Maehomete erwähnt werden. Dieses Gedicht ist dem- nach ein Werk des Gautier von Compiegne, der vor 1131 Mönch in Marmoutier war. Einer seiner Genossen daselbst

») XII, 491, 92.

«) AA. SS. 0. S. Ben. IX, 392-402. 3) d'Acbery, Spicileg. X, 606. «) Ebend. 399.

80 K Prute

war Garnerius oder Garnier, der dann erst als Prior zwei Tochterklöstern von Marmoutier vorstand*) und 1137 als Abt an die Spitze des Mutterklosters zurückkehrte. Auch er erscheint als eine bedeutende Persönlichkeit: dem am 31. Dezember 1137 von ihm gehaltenen Kapitel wohnten drei aus derselben Ge- nossenschaft hervorgegangene Bischöfe, Geoffroi IL von Chartres, Donoald von St. Malo und Evenus von Vannes bei.*) Femer erscheint er mehrfach als Vermittler und Schiedsrichter in Streitigkeiten geistlicher Stifter. Er starb am 23. Mai 1155. Daraus ergibt sich, dass Qautier von Compiegne die Otia de Machomete jedenfalls nach der Erhebung seines Freundes zum Abt von Marmoutier, also nach 1137 geschrieben hat, während er den darin verarbeiteten Stoff, den ihm jener auf Grund der Erzählungen des Paganus von Etampes übermittelte, bereits vor 1131, wo er schon in Chartres heimisch ist, erhalten haben muss. Seine Übermittelung kann also spätestens im dritten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts stattgefunden haben. Dazu stimmt es, dass in den der erhaltenen Abschrift des Gedichtes angehängten Versen, die offenbar aus der von dem Kopisten benutzten Vorlage mit übernommen sind, wohl der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer, aber keines späteren Ereig- nisses und namentlich nicht des zweiten Kreuzzuges gedacht wird. Wir werden demnach des Paganus Bericht ungefähr um das Jahr 1115 ansetzen dürfen. Er gibt also eine ältere Fas- sung der Mohammedfabel als die übrigen während der Kreuz- züge in Umlauf gekommenen Werke ähnlicher Art und erhält dadurch für die Kenntnis der Entwickelung der hierher ge- hörigen mittelalterlichen Vorstellungen eine besondere Bedeutung.

Für den Versuch, in ähnlicher Weise, wie es mit den drei in den Otia de Machomete genannten geistlichen Personen möglich war, auch den Zögling des Abtes von Etampes, ver- mutlich den Sprössling eines vornehmen arabischen Hauses in Palästina, ausfindig zu machen, fehlt jeder Anhalt. Doch darf

^) Prior Raraeruci et Spanionis. 2) Gall. Christ. XIV, 218, 19.

ijber des Gautier wm Oompihgne Otia de Maehomeie, 81

wohl, freilich ohne dass bestimmte Folgerungen daraus gezogen werden sollen, darauf hingewiesen werden, dass in dem Sprengel TOD Troyes, also innerhalb der Erzdiözese Sens, noch um das Jahr 1300 eine Familie mit dem Beinamen Sarrazin urkund- lich vorkommt. ^) Wie dieser Name zu deuten sein wird, dürfte sich aus der Parallele dazu ergeben, dass in Palästina in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Familie den Namen Baptizatus führt, welcher dem Orte, wo sie begütert ist und nach dem sie sich nennt, vorangesetzt wird.^)

Wenden wir uns schliesslich zu dem Werke des Gautier von Compiegne oder Marmoutier selbst, so kann dasselbe zu- nächst in formaler Hinsicht als ein neuer Beweis gelten für die gute klassische Schulung, die in den Kreisen der franzö- sischen Geistlichkeit damals herrschte. Ist es auch nicht frei Ton sprachlichen Härten und metrischen Verstössen, so zeigt es doch ansprechende Gewandtheit und Rundung des Ausdrucks. Mehr noch fesselt den Leser die frische Lebendigkeit der Dar- stellung, welche durch die häufige Auflösung der Erzählung in Wechselreden der beteiligten Personen stellenweise etwas geradezu Dramatisches bekommt, hier und da auch eines gewissen anmutenden Humors nicht entbehrt. Vornehmlich aber wird diese Bearbeitung der Mohammedfabel, die mit dem schwülstigen und schmähsüchtigen Gedicht Hildeberts von Le Mans und dem gehässigen Lügengewebe des Guibert von Xogent derselben Zeit angehört, vorteilhaft gekennzeichnet durch das Fehlen jedes fanatischen Zuges und den Verzicht auf die Entfesselung des christlichen Glaubenshasses. Gibt natürlich auch Gautier auf des Warnerius und des Paganus Autorität hin, da des Letzteren Zögling nach Lage der Dinge Schriften über den Propheten doch wohl kaum gelesen haben

*) La Lore, Inventaire des cartulaires du diocese de Troyes II, 327: 'jaülemin, Sohn des Herbert de Pougy, escuyer, verkauft ein Grundstück ui Jean dit Sarrazin am 20. August 1299, und Jean Sarrazin de Chamagnil am 23. November 1308.

*) Delaville Le Roulx, Cartulaire de TOrdre de St. Jean I, no. 537 pag. 366): 1178 Willelmus Baptizatus de Blancaguarda.

190SL Sitzgsb. d. pbno£.-pbilol. u. d. hist Kl. 0

82 H, Prutz

dürfte,^) nur das wieder, was in mündlicher Überlieferung damals bei den Christen des Abendlandes über Mohammed umlief, und teilt er infolge dessen die da eingebürgerten falschen Vorstellungen, die zum Teil bereits auf Theophanes und seinen Bearbeiter Anastasius zurückgingen, so fasst er doch den Stifter des Islam, dessen unheilvollste Tat er in der Einführung der Vielweiberei sieht, mehr von einem sozusagen unbefangen menschlichen Standpunkte aus auf und steht nicht an, seine guten Eigenschaften und die verdienstlichen Seiten seines Wirkens hervorzuheben. Ihm ist Mohammed nicht ein dem Bösen oder seinen Werkzeugen verbundener Betrüger, nicht ein von den Juden verhetzter oder von einem Apostaten ange- stifteter Todfeind des Christentums, der von Anfang an nur auf dessen Vernichtung und den Umsturz der bisher geltenden Weltordnung ausgegangen sein soll, sondern er wird bei ihm zu seiner Keligionsstiftung zunächst zwar veranlasst durch das Bemühen, sein ei)ileptisches Leiden vor der entsetzten Gattin zu beschönigen, dann aber weiterhin dabei geleitet durch die Einsicht, das christliche Glaubensgesetz stelle an den unvoll- kommenen Menschen unerfüllbare Anforderungen. Daher wird seiner Lehre denn auch ein gewisses moralisches Verdienst und eine unter Umständen gute Einwirkung auf ihre Bekenner nicht abgesprochen. Freilich denkt sich Gautier den Propheten ebenfalls als im Christentum geboren, ja er rühmt ihm trotz seiner Unfreiheit eine hohe Bildung nach.'^) Jedenfalls schlägt er, indem er von den in der umlaufenden Mohammedfabel gebotenen Motiven die einen unbenutzt lässt und die anderen eigenartig verwertet, einen ganz anderen, unbefangeneren und duldsameren Ton an, als er sich sonst bei irgend einem der Bearbeiter dieses Stoffes damals und während der nächsten Menschenalter findet. Man niuss schon bis zu dem Prediger- mönche Wilhelm von Tripolis gehen, welcher 1273 eine Dar- stellung des Islam schrieb, um den Gegenstand wieder mit einiger Sachkenntnis und namentlich mit einer gewissen Vor-

1) V. 17. 2) V. 23, 24.

über des Gatttier von Compihgne Otia de Machomete.

Urteilslosigkeit behandelt zu finden, welche ohne Vertrautheit mit Land und Leuten unmöglich ist. Auch in dem Berichte, den Gautier von diesen Dingen gibt, möchte man noch einen leisen Nachklang spüren von dem nicht ganz geschwundenen Respekt, den des Paganus Zögling und Gewährsmann sich selbst als Christ vor dem Glauben bewahrt hatte, in dem er geboren war.

Obgleich Geistlicher, lässt Gautier doch von einem solchen in seiner Dichtung überhaupt wenig erkennen. Frei von dem seinem Stande sonst eigenen Eifer, der sich gerade in der Behandlung solcher Stoffe besonders kräftig und selbstgefällig zu betätigen liebte, vermeidet er, von den poetischen Zügen seines Stoffes gefesselt, fast ganz das übliche theologische Bei- werk: selbst biblische Anklänge finden sich bei ihm nur ganz vereinzelt. Auch bringt er über manche Dinge eigenartige Anschauungen vor, wie z. B. Vers 359 ff. über die Erbsünde und die dadurch in die Welt gekommene Unfreiheit. Vers 843, 4 heisst es geradezu:

Principio nuUus servili conditioni

Subditus est: omnis tunc homo liber erat

ein Satz, der, obgleich einem Araber in den Mund gelegt, doch auch eine weitere Deutung zuliess, zumal Gautier nachher den Propheten sagen lässt, erst durch den von Noah über Cham ausgesprochenen Fluch sei nicht blos dessen Geschlecht zur Unfreiheit verurteilt worden, sondern überhaupt die Herr- schaft eines Menschen über den anderen eingeführt:

Ex hoc cepit homo causas homini dominandi, Ex hoc servile sumpsit habere caput (V. 367, 8).

Mit einem Wortspiel, das in der doppelten Bedeutung von fidelis beruht, heisst es dann V. 378: Liber erit merito quis- quis fidelis homo, d. h. jeder Gläubige oder auch jeder treue Diener soll der Freiheit teilhaftig werden.

Unwillkürlich erinnern derartige Ausdrücke und die sich in ihnen möglicherweise offenbarenden Anschauungen, wie sie

G*

84 n. Prutz

hier im Zusammenhange einer doch immerhin noch stark phan- tastischen Dichtung vorkommen, daran, dass nicht ganz zwei Jahr- hunderte später das französische Königtum im Fortgang einer von ihm gelegentlich begünstigten, dann aber selbständig weiter entwickelten sozialen Bewegung in der französischen Bauern- schaft, die es sich, sie aufzuhalten unfähig, wenigstens ander- weitig nutzbar machen wollte, selbst den Satz verkündigen Hess, alle Menschen seien frei geboren und es widerstreite dem Naturrechte, dass einer dem andern gehören, einer des andern Herr sein solle.

Im Nachfolgenden bringe ich nunmehr des Qautier von Compiegne Otia de Machomete nach der Pariser Handschrift Fonds lat. 11332 zum Abdruck, indem ich die als solche erkennbaren leichteren Irrtümer des Abschreibers berichtige, grössere Versehen aber, zu deren Verbesserung die Vergleichung einer zweiten Handschrift nötig wäre, bei dem Mangel an einer solchen unverändert wiedergebe.

[Otia Waltheri de Machomete.]

Quisquis nosse cupis patriam Machometis et acta,

Otia Waltberi de Machomete lege. Sic tarnen otia sunt, ut et negotia credas:

Ne spernas, quotiens otia fronte legis. 5 Nam si vera mihi dixit Warnerius abbas,

Me quoque vera loqui de Machomete puta. Si tarnen addidero vel dempsero, sicut et ille

Addidit aut dempsit forsan, ut esse solet: Spinam devita, botrum decerpere cura. 10 Botrus enim reficit, vulnera spina facit.

Abbas iara dictus mouachus monacho mihi dixit,

Immo testatus est mihi multociens, Quod quidam, cui nomen erat Paganus, honestus

Clericus et Senonum raagnus in ecclesia, 15 Secum detiuuit aliquanto tempore quendam.

Ober des Gautier von Campügne OHa de Machomete. 85

Qui Machomis patriam gestaque dixit ei, Qui de progenie gentili natus et altus

Christi baptismum ceperat atque fidem, Ergo se puerum didicisse legendo professus,

Quicquid scripturae de Machomete sonant. 20

Dixit eum genitum genitoribus ex Ydumeis

Et Christi doctum legibus atque fide. Rhetor, arithmeticus, dialecticus et geometer,

Musicus, astrologus grammaticusque fuit. Qui licet ut liber excelleret artibus istis, 25

Ex servis servus ortus et altus erat. Servus erat domini cuiusdam nobilis atque

Castellis, opibus divitis et populo. Qui licet omnibus hiis et pluribus esset habundans,

More tarnen gentis illius et patrie 30

Merces mutandas, species quoque pro speciebus

Longe per servos mittere suetus erat. Sed magis arbitrio Machometis queque fiebant:

Utilior reliquis plusque fidelis erat. Ulis temporibus et in illis partibus unus 35

Vir fuit egregius nominis et meriti, Conversans solus inter montana rogansque

Pro se, pro populo nocte dieque Deum, More prophetarura gnarus praenosse futura,

Totus mente polo, carne retentus horao. 40 fol. 2.

Yicinis igitur de partibus atque remotis

Multi gaudebant eins adire locum, Consilio cuius, prece, dogmate quisque refectus

Regrediebatur letior ad propria. Sic etiam Machomes devotus venit ad illum, 45

Recte vivendi discere dogma volens. Quo viso sanctus admoto lumine mentis

Intus possessum demone novit eum Et cruce se signans: „Possessio demonis, inquit,

,Vis immundicie, fraudis amice, fuge! 50

,Quid luci tenebre vel que conventio Christi

86 H. Prutz

„Ad Belial?^) Tecum portio nuUa mihi!* His Macbomes motus et scrutans intima cordis Et manuum, talem se reperire nequit. 55 Unde satis humilis supplexque requirit ab illo, Quare tarn gravi ter corripuisset eum. Sanctus ei: ^Vere possessio denionis es tu:

„Lex Sacra, sacra fides te tribulante ruet. „Coniugium solves, corrumpes virgiiiitatem Go „Judicioque tue castus adulter erit

„Et lex legitimum dampnabit, iniquus aroicum

„Justicie, pietas inipietate cadet. „Tu facies, mentis ut circumcisio *'*) non sit, „Ut redeat carnis, ut sacra cesset aqua, 65 „ütque loquar brevius, Adam veterem^) renovabis „Atque novas leges ad nihilum rediges." Tunc Macbomes constanter ait se malle cremari

Quam per se leges ad nihilum redigi. Tunc vir ille celi nihilominus increpat illum 70 Eque sua facie iam procul ire iubet.

Abscedens Macbomes et sancti dicta revolvens

Innumeras animo fertque refertque vices. Nam de se sancto quam se sibi credere cepit, Et sicut mentem, sie variat faciem, 75 Jamque satis posset advertere quilibet, illum Non propra iuris esse, sed alterius. Deraon enim ducebat eum, quocunque volebat,

Permissoque Dei prospera cuncta dabat. Qui proprium tunc ad dominum de more reversus 80 Exequitur solitum sedulus obsequium.

fol. 3 Conservos ad se vocat: adsunt. Imperat ille:

Illius imperiis accelerando favent. Serica cum Tiriis et murice pallia tincta, Plurima preterea, que preciosa putant,

1) 2. Korinth. 6, 75.

2) Vgl. circumciaio cordis Rom. 2, 29.

3) Vgl. vetus homo noster Rom. 6, 6.

Ober des Gawtier von Gompiegne Otia de Machomete, 87

De domini sumunt thesauris atque camelos 85

Ex ipsis honerant. Sic iter arripiunt. Ethiopas igitur, Persas Indosque petentes

Merces inutandas mercibus instituunt. Non sie ad votum Machometis cesserat umquam

Nee tantum domino proderat ante suo. 90

Nam rediens commissa sibi duplicata reportat,

Quedam multo magis quam triplicata refert. 0, divinorum scrutator iudiciorum

Quis queat esse? Malis plus sua vota favent. Sed si credamus rationi christicolarum, 95

Quam Sacra lex firmat, quam tenet alma fides: Retribuit Deus ista malis propter bona quedam,

Qua, quamquam mali, parva licet faciunt. Econtra nemo tarn sancte vivit ad unum,

Quin aliquando manu, mente vel ore cadat. 100

Hie igitur premitur, ut et hie deponat amuream,

Quam de peecato eontrahit exul bomo. Sic Job, sie Maehomes, bonus hie, malus ille, fecerunt:

Nunc habet hie requiem, sustinet ille erucem. Taliter Antiochus, Maehabei taliter: nunc 105

Felices gaudent, nunc miser ille dolet. Pressuras sancti sie omnes pene tulerunt,

Ut dolor iste brevis gaudia plena daret. Jam non turberis, Domino si iudice iustis

His mala proveniunt vel bona sepe malis. 110

Divitis esse memor, quem Lazarus ille rogubat,

Cuius lingebat uleera lingua canum: Dives inhumanus modo tormentatur in igne,

Nunc Abrahe gaudet Lazarus in gremio. Sic Nero, sie Deeius, Daeianus, Maximianus 115

Presserunt Christi tempore membra suo, Et Caput ipsorum, Christum loquor, in cruce misit

Gens, cui promissus et eui missus erat. Ille resurrexit, aseendit, regnat et illue

Membra trahit seeum iugiter ipsa sua. 120

88 H. PruU

fol. 4 Sic antichristos vermis, que non morietur,*)

Rodet et inferni flamma Yorabit eos. Talibus exemplis stes firmus, cum mala iustis Vel bona non iustis sepe venire vides. 125 Nam quod de Domino testatur lectio sacra, ludicium iustis exeret hie patiens. Quod quia tangendum visum fuit utile, noster Est intermissus ad medium Macfaomes.

His intermissis redeuntes ad Macbometem 130 Texere propositum iam satagemus opus.

Tempus adest, quo mortuus est dominus Machometis

Et sine prole mähet uxor et absque viro. Sed sicut domino Machomes fuit ante fidelis, Sic etiam domine subditur imperio. 135 Servit ei, dat consilium, procurat agendum: Plus solito domine multiplicantur opes. Postquam post domini decessum transiit annus,

Disponit iuveni nubere iam domina,^) Secretoque vocaus Machometem tempore dixit: 140 „Sum iuvenis, sexu femina, res fragilis,

„Possideo servos, ancillas, predia, villas,

„Sunt castella mihi, sunt etiam proceres. ,Suni viduata viro, natis et utroque parente: ,Ignoro prorsus, qualiter ista geram. 145 »Ergo tu, qui consilio callere probaris,

„Premeditare mihi, que facienda probes. „Utile consilium, rogo, provideas et honestum:

„Numquam laude carent hec duo iuncta simul. „Sit persona decens, sapiens et strenua sitque, 150 »Non minuat nostrum nobilitate genus.

„Deuique ut^) sit talis, ut esse per omnia dignum „lUum me nemo iure negare queat".

*) Vgl. Jesaias 66, 24 et vermis eorum non morietur. ') Ms. domine. 3) Ms. ubi. .

über des Gautier von Cmnpi^ne Otia de Machaniete. 89

Respondet Machomes: «Operam dabo nocte dieque.

^Forsitan inyeniam, qui deceat dominam. ,Sed quia tIx talis in multis invenietur, 155

,Quod queris, longi temporis esse reor. ,Non diffido tarnen: nam si Deus ista futura

«Providit, non est, cur remanere queanf*. His dictis Machomes discedens pervigil instat,

Si quo forte modo ducere posset eam. 160 fol. 5

Transierant vix octo dies, cum subdolus ille

Veracem simulans premeditatus adest. Yultum dimittit, oculos gravat, afficit ora,

Mentitur facie religionis opus. Pallidus apparet, ut quilibet hunc hereroitam 165

Aut anachoretam iudicet aut monachum. Talern se simulat, ut dicere vera putetur,

Cum dominam fallit falsa loquendo suam Rhetoricosque suis yerbis miscendo colores

Cum domina tamquam TuUius alter agit: 170

gSi iuyeni nubas, quem nobilis ordo parentum,

.Quem decus atque decor strenuitasque levet, ,Depopulator erit rerum fortasse tuarum,

«Yastabit villas, predia destituet, «Omnia consumet yivendo luxuriöse: 175

»Que modo dives eras, ad breve pauper eris, «Quodque puto gravius, te spemens fiet adulter,

,Unde timens capiti non eris ausa loqui. „Quare consilium domine me iudice non est

«Nobilis et iuvenis quaerere coniugium. 180

aSed iam de senibus tecum, puto, mente revolvas:

„Ille yel ille senex est bonus et sapiens. «Congruit ille mihi, bene me reget et sapienter

„Omnia disponet: nubere quero seni. ,Sed non hoc queres, quia non sibi convenienter 185

«lunguntur iuvenis femina virque senex. ^Illa calore viget, nitida cute, corpore reeta:

, Pallidus, incurvus, sordidus ille tremit.

90 U. Prule

^lUa iuventutis amplexus factaque querit:

190 ^)

„nie dolet, tussit, emungitur, execrat ille; ffSanior et iuyenis pene nihil patitur: „Auditus, gustus, olfatus, visio, tactus, „Integritas mentis in sene deficiunt. 195 „Sed nisi turbatur casu natura, iuyentus „Sensibus bis sanis leta vigere solet. „Cum sibi dissimiles ita sint iuvenesque senesque,

„Cum sene quo pacto copula stat iuvenis? „Non igitur iuveni, qualem prediximus ante, 200 i,Nec cuiquam vetulo conveniat domina.

„Ut vulgare loquar: presurao docere Minervam, fol. 6 «Non presumo tarnen, actito iussa mihi,

^Et solet hoc multis contingere, res alienas „Multociens melius quam proprias agere, 205 „Et quod non fallat haec in me regula, nosti. „Namque tuis semper postposui propria. „Dum tibi vir vixit, me nemo fidelior illi.

„Nemo tibi vidue me fuit utilior, „Cumque tibi maneam tam commodus atque fidelis, 210 „Cur dubites nostro credere consilio?

„Quodque loquar, doraine non mentem, non gravet aures,

„Cum cupiam tibi plus quam mihi proficere.* lUa refert: „Constat, Machomes, te vera locutum, „Et debere tibi credere me fateor. 215 „Die igitur quodconque placet, quodconque videtur „Consilium: credo, credere non nequeam.* Tunc Machomes solito factus securior, illi Jam reserare parans abdita cordis ait: „Que modo sunt domine dominique fuisse probantur, 220 „Ancille, servi, predia, prata, domus,

„Villarum reditus, terrarum commoda, cuncta „A puero semper nota fuere mihi.

') Es fehlt im Ms. ein Pentameter.

über des Gautier von Compibgne Otia de Mackomete. 91

«NuIIus de servis domine sie omnia novit,

«Nullus in tantum commodus esse potest, ,Et nisi servili sub conditione teuerer, 225

,,Nobilium nulli nuberet utilius''. Talibus auditis ut prudens atque modesta

Responsum tali temperat illa modo: «Consiliuro, quod das, nee prorsus dico probanduiu,

,Nec prorsus dico, quod reprobare velim. 230

,Nani quod de iuvenum dixisti nobilitate,

,üt patet in factis, nemo negare potest. ,Yix etenim videas cum nobilitate iuventam,

„Quin sit contemptrix, prodiga, vana, loquax. «Sic etiam constat, te vera fuisse locutum, 235

«Quod senis et iuvenis copula non deceat, «Et bene monstrasti disconvenientia, quare

«Jungi non debeant: id placet idque probo. «Sed quod me dicis tibi nubere, convenienter

«Nulla mihi ratio persu ädere potest. 240

«Si domine servus iungatur, nemo tacebit:

«Ridendi causas omnibus ipsa dabo. fol. 7

«Clamabunt omnes, simul omnes improperabunt

«Et dicent omnes, femina virque simul: «Que solet esse super, nunc subiacet, et dominari 245

«Que solet, ancille nunc gerit officium. .,Quod magis timeo, quantum magis pudibundum,

«Dicent me quondam succubuisse tibi. «Quod si vel leviter submurmuret unus ad unum,

«Id quoque si sciero, me puto malle mori. 25ü

«Est etiam procerum mihi copia, qui mihi debent

«Certis temporibus reddere servicia, «Quos pudeat servire mihi, si nupsero servo.

«Sic bonos et nostre sie minuentur opes. «Quin etiam servi conservum despicientes 255

«Nee tua curabunt nee mea iussa sequi. «Sic et, quae spondes ex te mihi, commoda perdam,

«Queque putas per te damna cavere, feram,*^

92 U, PruU

Cautus ad hoc Machomes aurem patienter habebat, 260 Cordis in arcano singula verba locans,

Oreque corapresso modicum silet, ut videatur

Responsura magni ponderis esse suum. Inde levans oculos, sed et oris claustra resolvens: ^Crede mihi, dixit, non nisi vera loquar. 265 ,,Si libertati me te donare placebit,

„Que metuis, poterunt nulla nocere tibi. „Nobilis aut servus tibi vel mihi nemo resistet,

„Aut timor hos subdet aut sociabit amor, „Atque tuam nemo presumet ledere famam. 270 „Sic benedicetur nomen ubique tuum,

,,Divitiae crescent, augmentabuntur honores

„Et procerum subito maior erit numerus, „Multiplicabuntur reditus, augebitur omne, „Quod minus esse solet, yillula, vicus, ager, 275 „Et quod promitto, si non erit, excute dentes „Aut fodias oculos aut mihi tolle capuf Tarn magnis igitur promissis illa ligata,

Si proceres laudent, nubere spondet ei. Tunc Machomes gaudens festinus exit ab illa, 280 Ad proceres abit, munera magna parat.

Hunc trahit in partem, secreto postulat illum, fol. 8 Hunc sibi promissis allicit, hunc precibus:

Aurum proraitit, argentum, pallia, vestes,

Quicquid amat mundus, quicquid habere potest. 285 Rem tarnen occultat, nisi qui firmaverit ante, Quod ferat ex toto corde iuvamen ei. Postquam per partes Machomes sie quemque ligavit,

Ut nuUi retro cedere iam liceat, Consilio prudens omnes conduxit in unum, 290 Et quo res tendat, omnibus innotuit,

Scilicet ut liber fiat laudantibus illis

Et per eos domine possit habere thorum. Jamque manumisso sibi reddere non gravet illos, Antea que domino debita reddiderant,

über de8 Gautier von Compikgne Otia de Machomete, 93

0 cecum Tirus, quo turget iniqua cupido, 295

Quo semel imbutus se quoque nescit homo! Hos ita cecavit nunimi species, rubor auri,

Quod faciunt, dominam duceret ille suam. Cuius erant domini, fiunt ob munera servi,

Libera supponunt colla manusque iugo. 300

Ad dominam properant et quod Machometis ab ore

Audierant, illi persuadere student. ,Si dominus noster, dicunt, tuus ille maritus

«Nobilis et sapiens, non moreretur adhuc, «Non tibi ricinus presumeret uUus obesse, 305

«Externos etiam subderet ille tibi, ,Omnia curaret, disponeret omnia, nulla

„Morderet mentem soUicitudo tuani. „Sed quia mortuus est et te sine prole reliquit

yAtque remanserunt multa gerenda tibi, 310

»Est opus, ut nubas, quia non potes absque marito

,Pondera curarum femina ferre diu. «Sed vivente yiro constat, quod casta fuisti,

«Post obitum cuius hec quoque fama man et. ,TJnde timebamus, ne forte tibi statuisses 315

«Sic semper vitam ducere velle tuam. ,Hac igitur causa convenimus, ut verearis

«Tot vel tantorum spemere consilium. «Nube viro, quia si de te non venerit heres,

«Qui teneat terram te moriente tuam, 320

«Omnia, qua tua sunt, miserabiliter rapientur

«Particulamque yolet quisque tenere suani. fol. 9

«Immo si fuerit quis fortior, omnia tollet,

«Si quis ei contradixerit, ense cadet, «Et nos aut penis aut morte peribimus omnes, 325

«Si non ut servi subiiciemur ei. «Que mala iure tibi vertentur ad impietatem,

«Si nos contempnens nubere nolueris.'' Illa refert: «Etsi non nubere proposuissem,

«Propositum pietas vinceret et ratio, 330

/

94 n. Prutz

„Sei constat mecum me nil proponere magnum,

nQuod non ex vestro pendeat arbitrio. „Ergo personam mihi querite convenientem, „Que mihif que vobis utilis esse queat. 335 „Si tarnen ille mihi fuerit minus utilis, opto

„Consilium vestrum non minus omne sequi.* Hoc verbum statim rapuere loquentis ab ore,

Quod procerum placitum spondeat illa sequi. Tunc quidam fortasse senex, cui credere dignum 340 Monstrabat gravitas canaque cesaries,

Antiquos annos memorans et gesta priorum, Alloquiis dominam talibus aggreditur: Principio nullus servili conditioni

ffSubditus est: oninis tunc homo über erat. 345 „Sed quia primus homo peccavit transgrediendo, „Pene peccati subditur omnis homo. ^Inde recens natus si vivat nocte vel una,

„Primi peccati sorde nee ille caret, „Et nisi mundetur sacri baptismatis unda, 350 „Semper ei celi ianua clausa manet.

„Huc quoque mandati transgresio contulit illa,

„Quod peccare, mori nemo carere potest. „Qui nisi peccasset, potuisset utroque carere „Et modo sub neutro posteritas gemeret. 355 „Sed sub utroque gemit et Cham contraxit ab illo, „Quod legitur . . . non tacuisse patrem. „Sed quia fortasse domine non venit ad aures,

„Non reor indignum, si referatur ei. „Cum gen US humanum Dens ob peccata sub undis 360 „Delesset solis octo superstitibus,

„Obdormisse Noe legitur, detecta pudenda fol. 10 „Cuius erant. Videt Cham sine veste patrem.

„Detulit ad fratres. Fratres doluere, pudorem „Patris texerunt. Nota fuere patri. 365 „Qui contristatus Cham subposuit maledicto „Et servum semper fratribus instituit.

über des Gautier van Compihgne Otia de Machomete. 95

,Ex hoc cepit homo causas homini dominandi,

,Ez hoc servile sumpsit habere caput. ,Sed quia peccavit Cham et Chanaan modo servit,

,Quod sequitur, Japhet, Sem quoque über erit. 370 ,Nam si quis peccat, peccati seiTus habetur,

,Eque Deo natus crimina cuncta fugit. «Non peccando Dei iam filius es^se docetur

,Nec servus dici iure nee esse potest. „Hoc Jesus dicit et apostolus ille Johannes. . 375

^Uuic evangelio non mihi quero iidem. «Hos quoniam constat testes non posse refelli,

,Liber erit merito quisquis fidelis homo. «Est autem domine servorum copia multa,

«Inter quos unus omnibus est melior, 380

,Qui bonus et sapiens, qui strenuus atque fidelis,

«Qui validus membris, qui specie nitidus. ^Digno rex posset vel princeps quilibet esse,

,Si non ex servis eius origo foret". Tunc velut ignorans, quod de Machomete loquantur, 385

Callida responsum dissimulando dedit. „Quem mihi laudatis, ignoro, sed exhibeatur

,Et fiat über: sim sua sitque mens'' Presentant proceres Machometem. Suscipit illa.

De servo liber protinus efficitur. 390

Tractatur de coniugio, consentit uterque

Et modico lapso tempore conveniunt. Grandia prandia, fercula, vasa, ministros^)

,^) cytharas, cimbala, sistra, liras,

Pallia, cortinaa, aurum, lapides preciosos, 395

Omamenta domus quis numerare potest? Auceps, venator non deficit: ardea, cignus,

Grux, pavo, mergus adest, ursus, aper, caprea. FestiTos egere dies, dum festa fuere.

Sed dolor infestat festa repente gravis. 400

M Unvollständiger Vers. ') Unleserlich.

96 Ä Pruii

Nam Machomes morbo, qui dicitur esse caducus, fol. 11 Arreptus domine corruit ante pedes.

Membra voluptat humi, decurrunt ore salive: Jam quasi defunctum flet domus et domina 405 Peneque deficiens, immo confecta dolore,

Quod spes, que fuerat de Machomete, perit. Ad thalamum properat et claudens ostia post se,

Ut dare solamen nemo yaleret ei, Ingeminat luctus, yestes a pectore scindit, 410 Abrumpit crines, unguibus ora secat.

Interea Macbomes animo äatuque resumpto

Tristicie causas querit et audit eas

Et doroinam querit: thalamos intrare docetur.

Precipit, ut veniat: hostia clausa vetant.

415 Tunc per se Machomes accedit et ostia pulsat,

Que pulsata diu vix reserantur ei.

Ingressus dominam solari temptat, at illa

NuUum solamen ex ratione capit. Blandiri Machomes domine molitur, at illa 420 Pro blandimentis evomit opprobria.

Commendat Machomes illius nobilitatem:

Uli de servis exprobrat illa genus. At Machomes, quamquam sibi sit patiencia falsa, Parte tarnen domine sustinet opprobria, 425 Scilicet ut longo tandem saciata furore, Vel sie suscipiat, que rationis erunt. Res ita provenit: domine deferbuit ira,

Unde fit in Machomem iam minus ipsa gravis. Letatur Machomes: supplex accedit ad illam 430 Atque salutantem taliter alloquitur.

„Si servum velles audire tuum pacienter

„Nam Machomes domine non nisi servus erit „Si velles, inquit, mihi credere, protinus oranis „Ira dolorque tuo cederet ex animo/ 435 „Sic, inquit, patiar, tantum si vera loquaris, „Si me non temptes fallere more tuo.*"

über des Gautier von Compihgne Otia de Maehomete. 97

Respondit: «Nisi vera loquar, si fallere queram,

^Linguam fallacem gutture yelle suo.'' Post posite prebens assensum conditioni

Annuit ore, manu. Protinus ille refert: 440

,Quod me spexisti nuper tormenta tulisse,

«NuUa fuit morbi passio, crede mihi. fol. 12

,De celo virtus in me descendit et illam

^Immensam fragilis ferre nequivit homo. «Propterea cecidi spumans et membra yoluptans, 445

»Non quia passio me leserat uUa mali. «Sed nunc mandatis prebe celestibus aurem,

«Que mihi de celo nuncius explicuit. ,Sicut enim Gabriel archangelus ille Marie

^Adventus Christi nuncius ante fuit, 450

«Sic Ventura Deus reserat mihi nunc per eundem

,Et pietate prius et pietate modo. »Naturalis enim primos transgressio legis

,Infecit patres et genus omne suum. ,Postea scripta Dei digito Moysi data lex est, 455

»Quam mandante Deo detulit ad populum. ,Promisit populus domini se iussa teuere,

«Sed cito desiluit transgrediendo viam. ,His igitur causis moriendi lege tenemur,

«Exilium patimur tartareasque cruces. 460

sSed Deus has hominum penas miserando recepit

«Naturam nostram virgine matre satus, ,In cunis positus intra presepe locatus,

,Contectus pannis vilibus et modicis, .Esuriens panis, siciens fons, dives egenus, 4G5

»Preter peccatum cuncta gerens hominis, „Ex infante puer, set ex puero iuvenescens,

»Denique vir factus discipulos habuit. «Vitandum vitium, virtutem dixit amandam,

«Respuit erectos suscipiens humiles. 470

,Coniugio docuit preferri virginitatem,

,De qua preceptum non tarnen ipse dedit

19Q3. Sitzgsb. d. phfloa.-pb{Io1. n. d. bist. Kl. 7

98 K Pruie

„Goniugium castum mandavit, ut unus cum una .GoDsociarentur federe legitimo. 475 „Nam reliquo quocunque modo se quisque fedaret, „Turpis eum dixit criminis esse reum. , Omnibus impendi sincerum iussit amorem,

^Omnibus ut cupiat, quod sibi quisque cupit. „Hunc circoncidi carnem vetuit genitalem, 480 „Usque modo dicens: Ista figura fuit.

„Re presente figura yacet: baptismatis unda fol. 13 lyTsti succedat: hec stet et iila cadat.

»Agnus, Ovis, vitulus et cetera signa recedant: 9 Quo sol resplendet, non habet umbra locum. 485 ^Jam Phariseorum procul absint tradiciones. »Lex vetus impletur lege vigente nova »Talia dum mandat, constant homo et Deus idem,

»Servit Judeus et Phariseus ad hec: »Insidiantur ei, verborum retia tendunt, 490 „Se verbo verbum fallere posse putant.

»Quod quia non possunt, intendunt crimina falsa:

»Sed nisi cum voluit, fraus nihil illa fuit. »Nam contra Dominum non est sapiencia, non est »Consilium, virtus, sermo vel ingenium. 495 »Ergo cum voluit, tentus fuit, aspera lenis

»Sustinuit, clavos, verbera, probra, crucem. »In cruce defunctus, terre mandatus adivit »Tartara, confregit, cum spoliis rediit, »Discipulis Visus est quadraginta diebus, 500 »Thome palpandum prebuit ipse latus

»Corporeumque cibum sumpsit cernentibus illis,

»Ut monstraretur vivere vera caro. »üenique iussit eos totum transire per orbera »Et veram populis insinuare fidem, 505 »Ut credant, ut agant, ut sacro fönte laventur »Et salvi fiant: sin alias, pereant. »Uis dictis benedicit eis celoque receptus »Promissoque patris munere firmat eos.

über des Gautier von Compiegne Otia de Machomete, 99

, Spiritus inter eos in unguis venit et igni,

«Ut per verba fluant, quos sacer urit amor. 510

«Ergo muniti Unguis et amore calentes

„Securi Christi nomen ubique ferunt. ,ünde flagella, cruces, ignes, gladios paciuntur,

,Sed penis illos yincere nemo potest, «Quin sibi magnarum yirtutum munere reges 515

9 Et populos Christi supposuere iugo. ,0 nova res! Morum mutatio tanta fiebat,

«üt qui maior erat, gaudeat esse minor, ,Qui fuerat quondam nutritus deliciose,

«Cum modico modicam pane requirit aquam, 520

«Qui prius ornari preciosa veste solebat,

«Nunc vili sacco rigida membra tegit. fol. 14

«Hie cibus, hie vestis, ita strinxerat ille pudenda,

«Quod vix inter eos quis nisi castus erat. «Virginis hec Votum sibi fecerat, ille maritus 525

«Servabat facti federa coniugii. «Tantam cbristicole tenuerunt religionem,

«Dum data lex noviter, dum novus ordo fuit. «Sed quod habere solet noviter novus ordo statutus,

«Ut primo vigeat, inde tependo ruat: 530

«Sic quoque religio decrevit christicolarum,

«Ut que summa fuit, postea corruerit. «Invidie surgunt, sibi quisque requirit honorem

«Et f rater fratrem ledere non metuit. «Ebrius efficitur, qui sobrius esse solebat, 535

«Et parcus venter solvitur ingluvie. «Fedantur mentes et corpora commaculantur,

«Virgo ruit vicio, castus adulterio, ,Nemo fidem Christo nee fidum servat amorem,

«Nemo castum se, ruit omnis homo,^) 540

«Et quem iam Christus cruce, sanguine, morte redemit,

«Ut redimat rursus, non morietur item.

^) So im Ms.

100 m Prutz

,Sed tarnen ex ipsa, qua preditus est, pietate ,,Gonsilium statuit, ne penitus pereant. 545 «Legis onus minuet, tollet baptLsma decemque »Uxores unus dulcere vir poterit. ,,Scibere mandavit Deus hoc me per Gabrielem,

, Cetera iussurus tempore queque suo. „His mihi de causis Gabriele superveniente, 550 «Sicut vidistif concido, spumo, tremo.

,,Qui simul abscedit, ego mox virtute resumpta

,,Gratulor archani conscius angelici. «Tu quoque congaude, quia femina sola mereris „Divinum mecum noscere consilium.* 555 His Machomes dominam se decepisse putabat, Ut quicquid dicat, credere non dubitet. Sed nihil illa putans verbis fallacius istis

Conviciis illum talibus aggreditur: «Mendax, plene dolo, te sustinui pacienter, 560 „Expectando diu te mihi vera loqui.

„Sed quia nunc video non nisi falsa locutum fol. 15 „Contra promissum, quo mihi vinctus eras,

„Me vix abstineo, quin excutiam tibi dentes, „Quin oculos fodiam, quin caput ense cadat.' 5G5 liespondit Machomes: „üt credas, profero testem, „De cuius dictis sit dubitare nefas. „Nos omnes scimus, quod in certo monte propinquo

„Est quidam magni nominis et meriti, „A quo si quisquaro, que sunt Ventura, requirat, 570 „Quicquid respondit, indubitanter erit.

„Non prece, non precio nuUove timore moveri

„A vero poterit: firma columpna manet. „Hie tibi, que dixi, si denegat, omnia membra „Per minimas partes, annuo, tolle mihi.* 575 Illa rapit verbum, sanctum commendat et: „Illum „Cras, inquit, dicta conditione petam." Laudat et hoc Machomes et eum de nocte requireus Cuucta refert et post talia comniemorat:

über des Gauiier von Compihgne Otia de Maehomete. 101

,Praeteriere, puto, iam tres aut quatuor anni,

«Ex quo sancta domus hec mihi nota fuit. 580

,Tunc mihi dizisti, quod me faciente peribunt

9 Lex nova, sacra fides, coniugium, lavacrum. gHis adiunzisti quam plurima more prophete,

vAntequam veniant, notificata tibi, ,Et si previdit per me Deus ista fiitura, 585

,üt predizisti, res ita perveniet. ,Sic igitur Christi destructa lege fideque

9 In baratri penas corruet omnis homo. ,Nam nisi quis fuerit baptismi fönte renatus,

,Ad Christi regnum nuUum habebit iter. 590

„Attamen hec aliter fieri fortasse valerent,

«Si nostris velles credere consiliis: «Christicolis aliis destructis, tu superesses

«Et templum tecum discipulique tui «Et miserante Deo modico de semine posset 595

«Christicolarum surgere magna seges/ Sanctus ad hec: «Jura te non evertere templum

«Quodque mihi parcas discipulisque meis, «Et faciam quecunque Yoles, tantummodo non sint

«Adversus Domini iussa sacramque fidem/ 600

Et Machomes: «Christo contraria multa videntur,

«Que dispensantur, sepe licet fieri. *^ fol. 16

Sanctus ait: «Sic est. Die, quod placet: impleo. Tantum

«Servetur semen christicole populi.^ Juravit Machomes et subdidit: «Est mihi coniunz 605

Ezcellens forma, divitiis, genere. Qua nubente mihi venerunt prospera cuncta,

Sed cito turbavit gaudia nostra dolor. Improvisus enim morbus mihi contigit et nie

Seminecem stravit ante pedes domine. 610

lila repentino casu turbata simulque

Tota domus flentes unguibus ora secant. «Sic iacui similis defuncto pene per horam

«Et rursus sumpto flamine convalui,

102 H, PrutB

615 „Et satagens mestos solari dissumulabam, «Affirmans passum me nihil esse mali, ,Sed secreta Deus mittit mihi per Gabrielem,

«Guius virtutem ferre nequiret homo. „His iUa non dante fidem, te nomino testem: 620 «Laudat et idcirco cras tua tecta petet.

„Hec tibi confiteor, hec antea dicere veni

i^Quam veniat, ne tu dicta negare queas. „Hec et in occulto teneas, cum venerit illa, „Que si testaris, tuque tuique vivent, 625 „Et, quod iam dixi, sie christicole perimentur, „Ut iam non valeat surgere vestra fides.* Tunc sanctus Christi plus quam sua commoda pensans

Dicere promittit, que Machomes monuit. Regrediens Machomes aurore prevenit ortum, 630 Ne quis eum videat et referat domine.

Jamque die facto montem petit illa prophete,

Nescia, quod Machomes nocte fuisset ibi. Omnia narrat ei. Querit, cur veniat. lUe Que fuerat doctus a Machomete refert. 685 Illa redit gaudens tanto nupsisse marito, Qui mundi mutat iura iubente Deo. Jam yeniam poscit, iam se peccasse fratetur,

Quod iussis eius improba restiterit. Jam veneratur eum, iam prorsus subditur eius 640 Imperiis, cum se non reputet dominam.

Letatur Machomes ita se vicisse prophetam, fol. 17 Ut per eum dominam sie sibi subdiderit,

Et dixit „Nosti, tibi me non falsa locutum, „Certam me fecit ille futura videns. 645 „Nunc igitur quid agas te doctam convenit esse, „Quando superveniet angelus ille mihi. „Sicut iam dixi, virtutem ferre nequibo,

^Sed tremulus, spumans protinus ipse cadam. „Tu vero statim me veste tegas preciosa, 650 „Donec item redeat angelus ad superos.

über des Gautier von Compihgne OUa de Machomete, 103

,Si quis enim yideat me talem, nescius alti

«Consilii morbo me cecidisse putet/ lila refert: .Pro posse geram, quecunque iubebis.

„Intendent in te mens, manus, os, oculi. ,Gontrastare tibi presumet nemo meorum 655

,Nam tua sunt melius quam ea, que mea sunt/ Hie simulat Machomes vultum solito graviorem

Et velut e celo venerit, alta sonat. Sic risum vitat et verba moventia risum,

üt stupeat, quisquis antea nosset eum. 660

Sub terra Machomes cameram fieri sibi fecit,

In quam preter eum nuUus haberet iter, Quam Machomem coniunx ideo fecisse putabat,

Ut Domino posset vivere liberius. Sed yitulum iuvenem Machomes absconderat intus, 665

Cuius erat potus Bachus et esca Ceres. Qui sie doctus erat studio Machometis, ut eins

Se genibus flexis stemeret ante pedes. Et persistebat in terra sicut adorans,

Donec surgendi signa daret Machomes. 670

Contigit, ut fierent illinc sollemnia quedam,

Atque convenit patria tota fere. Per se magnates, per se plebs et muliebris

A maribus sexus dissociatus erat. Femineus sexus in yerbis semper habundat: 675

Dixeris archanum, yix reticere potest. Sic uxor Machomis conyentu dixit in illo,

Que celanda sibi crediderat Machomes. Namque sui dum queque yiri laudes memoraret,

Omnibus ipsa suum preposuit Machomem, 680

Dicens: „In yestris quicquid laudabile constat,

„Longe precellit in Machomete meo. fol. 18

„Quin etiam noya si qua Dens proponit agenda,

„Angelus illa meo nunciat ante yiro, „Et quia coniugii nos castus amor facit unum, 685

104 H, PrutM

n

,Nulla putat Machomes non retegenda mihi. ,Unde fidem mihi facitis secreta tenere,

«Que vobis dicam, mira futura loquar/ AffirmaDt omnes se nuUa prodere causa, 690 Donec eis Maohomes ipsave precipiat.

TuDc quicquid Machomes secretum dixerat illi,

Ipsa revelat eis ordine queque suo. Omnes mirantur, omnes hanc esse beatam Dicunt, quod tanto sit sociata viro. 696 Finito festo redeunt ad propria quique

Atque domi referunt dicta vel acta foris, Cumque referretur quorundam plurima virtus,

Yirtutis Machomis mentio maior erat. Nee tamen uUus adhuc procerum secreta sciebat, 700 Que dominabus erant tradita de Machome.

Que licet illarum fidei mandata fuisent, Una nocte tamen non tacuere viris, Scilicet archanis Machomem celestibus uti Et Ventura prius noscere quam veniant, 705 Quod lex a Christo data dura nimis moderanda Per Machomem Domino precipiente foret, Multaque preterea, que supra diximus atque

Sunt retegenda suo tempore sive loco. Mirantur proceres super his secumque revolvunt, 710 Quidnam portenti talia significent.

dubitant fieri tot tantaque per Machometem,

Hi dubitare putant de Machomete nefas. Nam dum respiciunt virtutes anteriores,

Coguntur per eas his quoque ferre fidem. 715 Ne vero quisquam remaneret pendulus ultra, De se dicturus ille vocatus adest. Excipiens illum summo conventus honore Äuget et in primo dat residere loco. Tunc Machomes causam conventus querit et unus, 720 Quem commendabat lingua, genus, probitas,

Cignea canicies quis enim presumeret alter

über des GauHer von Comjpiegne OHa de Machomete, 105

Aut scire aut tanto reddere verba viro? fol. 19

Hie igitur talis ac tantus supplice voce,

Vultu demisso sie reverenter ait: ,0 patrie custos, o spes et gloria nostra! 725

«Nos omnes servos noveris esse tuos, ,Nec servos, durum qui te dominum patiamur,

«Sed quos more patris corripiendo foves. .Propterea quotiens audivimus grandia de te,

,Quisque velut proprio gaudet honore tuo. 730

«Que yero de te miranda modo referuntur,

„ExtoUunt celi nomen ad alta tuum. ,Nam si consiliis celestibus partieiparis

«Et Deus arbitrio tractat agenda tuo, „Angelus aut deus es humano corpore tectus: 735

,Jam tibi diyinus exhibeatur honor, ,Jam tibi donentur thumiamata, tura crementur,

,üt te pacatum mundus habere queat.*^ Respondit Machomes: «Ne me iactare viderer,

«Propositum fuerat ista silere mihi. 740

vSed que vult fieri per me divina potestas,

«Per me non fieri criminis esse reor. «Ergo locus certus et terminus instituatur,

,In quo conveniant cum populo proccres, «üt referamus eis, que sit divina voluntas, 745

«Qualiter infirmis parcere provideat. yLonginquas igitur percurrat epistola partes

„Nuncia conventus temporis atque loci/ Dictum laudatur, edictum mittitur. Omnes

Tam Machomis nomen quam nova fama movet. 750 Conventu facto Machomis facundia captat

Aures et mentes gestibus, ore, manu. Inde satis miror, si vel fuit unus in illis,

Qui Machomis verbis noUet habere ßdem. Dixit, que supra iam me dixisse recorder,^) 755

^) V, 455 ff.

106 H, Pruts

Propter quod breviter sunt memoranda mihi: Quod Moyses redeat Christo cedente vetusque

Ritus agatur item, lege cadente nova; Quod sacramentum cesset baptismatis et quod 760 Circumcidendi mos iterum redeat;

Quod licite denas uxores ducere posit fol. 20 Unus et una decem possit habere viros.

Hec postquam dixit Machomes et cetera, que se Dicere dicebat precipiente Deo: 765 „Ascendamus, ait, montem, quem cemitis illic: 9 Fortassis nobis celica verba sonant. ,Sic etenim quondam Moyses de monte refertur

„In tabulis legem dante tulisse Deo.* Ilec pretendebat Machomes verissima, verum 770 Sub specie veri decipiebat eos.

Nam prius occulte montem conscenderat ipsum.

In quo mel multum lacque recondiderat. Montis enim culmen qua nescio foderat arte, XJt tecto liquidum quid retinere queat. 775 Mel igitur Machomes foyeae commiserat uni, Altera lac tenuit, dum Machomes voluit. Sic quoque cespitibus fovearum texerat ora,

Ui nuUus fosse posset habere notam. Preterea taurus, quem me meminisse recordor, 760 Cuius erat potus Bachus et esca Ceres/)

Haud procul a foveis lactis mellisque latebat,

Leges confectas a Machomete ferens. Huc igitur postquam Machomes, proceres populusque Venerunt, Machomes quemque silere iubot. 785 Quo facto quasi consilium domini manifestat, Quid de mutandis legibus instituat. Sed cum nonnuUos super his dubitare yideret,

Inimo perpaucos his exhibere fidem, Sic ait: „A domino devote signa petamus,

») V. 661 ff.

über des GattHer txm Compiegne Otia de Machomete, 107

Que yaleant servos certificare suos/ 790

Tirnc genibus fiezis stementes corpora terre

Ex desiderio cordis ad astra volant, Cumque rogata diu pietas divina fuisset,

Surgens surgendum significat Machomes. Post hec assumptis secum senioribus, illuc 795

Ducit eos, quo mel lacque recondiderat. Erectis igitur oculis manibusque refertur

Ad dominum tales exhibuisse preces: ,0 pater omnipotens, qui verbo cuncta creasti

»Quique creata regis cuncta, manens stabilis, 800 9 Qui de te genitum fecisti sumere carnem,

«Qui mundo yitam mortuus ipse dedit, fol. 21

«Quique noye legis per eum mandata dedisti,

,Que si quis serret, vivere semper habet! «Sed quia iam senuit mundus, yix illa teuere 805

«Quis yalet, unde prope iam perit omnis homo. ,Si placet ergo tibi legis moUire rigorem,

,Quod te facturum me docuit Gabriel, «Digneris preter solitum mundo dare signum,

„Per quod noscat in hac te sibi parte pium/ 810 Sic prece finita Machomes inquirere cepit

Nunc hunc, nunc illum dissimulando locum, Post tamquam casu fossas diyertit ad illas,

Mel ubi lacque prius ipse recondiderat. Porro cespitibus nunc hinc, nunc inde remotis, 815

Altera fossarum mel dedit, altera lac. Quo magis indicio pietas diyina placeret,

Dulcia mel superat, lacte quid altius est? Attamen ut dubius Machomes probat ore saporem,

Post illum gustant, ordine quisque sua. 820

Tunc extoUentes yoces et corda manusque

Grates diyinis laudibus accumulant, Et Machomes lacrimis ficta pietate profusis

Atque diu tenso pectore sie loquitur: ,Ecce yidetis, ait, quanta dulcedine mundus 825

108 H. PnUz

„Et mundi leges conditor orbis agat. „Melle figuratur, quod legis amara recedant,

„Laote, quod ut genitos nos alet ipse sugs.*" His dictis rursus ita flesse refertur, ut omnes 830 Illius ezemplum moverit ad lacrimas.

Tunc ait: „Oremus, ut sicut montis in alto „Chnstum discipulis iura dedisse liquet „Et sicut legem Moyses in monte recepit, „Que fertur digito scripta fuisse Dei, 835 „Sic quoque nos scripto dignetur certificare, „Qua genus humanuni vivere lege velit/ Quo facto Machomes tanto clamore replevit

Aera, quod celos contremuisse putes. Tunc taurus, quem nutrierat, quod iam memoravi^ 840 Qui iuxta gracili fune ligatus erat,

Exilit ad vocem Machometis, vincula rumpit fol. 22 Et domini pedibus stratus adorat eum.

Hie igitur leges cornu gestabat utroque Fictas et scriptas arte manu Machomis. 845 Quo viso Machomes cepit simulare stuporem, Acsi non alio tempore nosset eum. Tunc propius plebs et proceres accedere iussi

SoUerte yitulum scriptaque perspiciunt. Inveniunt illic ea, que confixerat ille 850 Astutus Machomes mente, dolo, manibus,

Ut sacramentum baptismi destituatur, Circunicidendi lege levante caput, Ut Christi carnis et sanguinis occidat usus Et redeant aries, hircus, ovis, vitulus, 855 Ut ducat denas uxores masculus unus, Ut pereant casti federa coniugii. Plurima^^preterea Machomes scripsisse refertur, Que mihi certa minus*duco tacenda magis, Multaque multociens^non est replicare necesse, 8G0 Que scio sepe suis me meminisse locis.

Verum quis poterit exponere suf&cienter,

über des Oautier von Gompügne OHa de Machomete. 109

Quas laudes dederint plebs proceresque DeoP Virtutes etiam Machometis ad astra leyabanty

Quod sibi par hominum nuUus in orbe foret, Et satis atque super tauri mirando decorem, 8G5

De celo missum quisque putabat eum. Hinc quae detulerat legis mandata probantes

Obsequium spondent nutibus ore, manu. Exactis igitur solenniter octo diebus

Letus et admirans ad sua quisque redit. 870

Taurus cum solo solus Machomete remansit,

At Macbomes illum clausit, ut ante iuit, Et pascebat eum, dum yixit, ut ante solebat,

Se tarnen ezeepto nemo videbat eum, Cumque rogaretur Macbomes, quo taurus abisset, 875

Per quem de celo lex nova missa foret, Ad superos illum Macbomes dicebat abisse,

Unde petisse prius una docebat eum. Credebant quicquid Machometis ab ore sonabat,

Ac si celestis numinis ille foret. 880

Credebant igitur, quia taurus ad astra regressus

Yirtutum numero consociatus erat. fol. 23

Credebant Machomem terris ideo superesse,

üt presit mundo, cum Deus astra regat.

His ita transactis modico post tempore, cum iam 885

Gens sua tuta satis sub Machomete foret, Insurrexerunt in eos gens effera Perse,

Omnia vastantes igne, fame, gladio. Namque querebantur Idumeos fraude teuere

Juris Persarum predia, castra, domos, 890

Que nisi restituant, possessa minantur eorum

Subiicienda modis omnibus exicio. Talibus auditis turbatur gens Idumea,

Et contra Persas bella movere parant. Attamen inter eos qui consilio meliores 895

Esse videbantur, corde vel ore graves,

fol. 24

110 H. PnUz

Ante requireadum persuadent a Machomete,

Quam contra Persas tale quid suscipiant. Qui respondit eos non posse resistere Persis, 900 Cedendum potius, quod sibi iure petunt.

Tunc quidam iuvenes ingenti corde, lacertis

Foiiibus, instructi spicula dirigere, Muniri clipeis, etiam fugiendo sagittis

Hostes Partorum more ferire suos, 905 Sic aiunt Macbomi: ,Si sie dimittimus ista,

„Que repetunt Perse, tollere cuncta valent. „Nam velut infirmos nos et pavidos reputantes

„A modicis tendent ad potiora man um, ,,Nostraque libertas periet: sie nostra manebunt 910 «Kegis Persarum subdita coUa iugo.

„Sed Deus avertat, ut vi vi sie pereamus

„Et nostre gentis vivat ad opprobrium. «Nam cur portamus pharetras? Cur tela tenemus?

»Cur clipeis tegimur? Spicula cur gerimus, 915 „Si sie uxores, si sie sine sanguine terras,

,,Si sie servitio pignora nostra damus? ,,Per gladios veniant! Sit eis transire per hastas!

„Mors gentem nostram vincere sola potest. „Si vinci tarnen est, ubi non animus superatur, 920 „Sed caro sola iacet, dum caput ense cadit.**

Omnes collaudant dictum Machomemque precantur,

üt contra Persas dux sit et auctor eis. Opponit Machomes etatis tempora longa,

Vires consuraptas corpore iam vetulo: 925 Se bello modicum vel nuUum ferre iuvamen

Quin magis ut senior ipse iuvandus erit. Preterea celi dicebat abesse favorem,

Quo sine nil vires, nil valet ars hominum. Ilas propter causas dixit se bella cavere, 930 Ne, quibus esse velit utilis, bis noceat.

Ad quod dum victi tamquam ratione silerent,

Sic Machomi quendam verba dedisse ferunt:

L'ber des Oautier von Compiegne Otia de Machamete. 111

,Quod dominus noster Machomes excusat inire

yPrelia, ne iuvenes impediat senior! «Dicimus contra iuvenum minus acta valere, 935

,Si non consilium dirigit iUa senum. ,Unum necesse reor, ut sis quoque corpore presens,

sUt gens nostra tuum currat ad arbitrium. ^Preterea scimus te tot non esse dierum,

«Quin bene, si sit opus, arma movere queas. 940

«Scimus et audacem, melior te nemo fuisse

«Creditur: hec semper fama tui maneat. ^Quodque negas celum nobis ad bella movere,

„Ut culpam nostri criminis esse reor. ,Sed constat quoniam, Dens est summe pietatis, 945

«Parcens peccanti, si bene peniteat. ,Sic de flente Petro, sie de latrone beato,

«Sic de Matheo pagina sancta docet. «Hi peccaverunt graviter» sed poenituerunt,

«ünde Dei pietas cuncta remisit eis. 950

«Sic et nos culpas nostras punire parati

«Omnia spondemus, quae facienda doces: ^Camem torraentis quantislibet afßciemus

«Extensis sursum mentibus et manibus. 9 Sic Niniyitarum non deprecamur ad instar, 955

«Placanda nobis si qua sit ira Dei «Si magis hircorum, taurorum vel vitulorum

«Yictima delectat, sacrificemus et hec. «Quod cum fecerimus, qua te ratione retardes

«A servis dominus, a genitis genitor? 9G0

«Si placet, uxores, infantes, tota supellex

«Sit commissa tibi! Cum pueris sedeas: fol. 25

«Des modo consilium, nos prelia sustineamus!

«Nos feriant faostes, nos feriamus eos! «Si superemus eos, laus sit tua; si superemur, 9(>5

«Stulticie nostre deputet omnis homo.'* Hoc laudant omnes: Machomes plorasse refertur,

Quod sie quisque suum tendit ad meritum.

112 H. PruiM

Attamen assensum faciens, se spondet iturum, 970 Sicque datur pugne terminus atque locus.

Dicitur hoc Persis: verum nihilominus ipsi Insistunt, rapiunt, excutiunt, perimunt. Terminus advenit: locus insinuatur. Adesse Perse non metuunt. Hostis uterque mit. 975 Pugnant, oppugnant telis, mucronibus, hastis: Sed socios Macfaomis bella premunt gravius. Porro cernentes Idumei se superari

A Persis hello viribus et numero, Dimittunt Machomen loculos aurumque ferentem, 980 Que natis reddat coniugibusque suis,

Ne si forte patres perimantur sive mariti, Paupertas matres opprimat et pueros. Dumque sedit Machomes, quorundam templa deorum Temporis antiqui cemit et intrat ea, 985 In quibus argentum, loculos aurumque reponens, Que sibi servanda gens sua tradiderat, Exiit accludens et signans hostia post se

Et sie ad dominas tendit et ad pueros, Tendit et ad reliquum vulgus, quod inutile hello 990 Dimissum fuerat haud procul in casulis.

Eius enim gentis mos dicitur iste fuisse, Et fortassis adhuc istud idem faciunt, üt si quando procul vadant ad bella gerenda, Ducant et portent mobile quicquid hahent. 995 Ergo dum Machomes et vulgus inutile hello Stat procul, eventum nosse rei cupiens, Astute Machomes cunctis hlanditur, ut etas,

Ut genus, ut sensus huius et huius erant, üicens: ,0 comites, vestri mihi cura relicta 1000 „Et iuyenum pietas debilitasque senum,

„Et fragilis sexus monet et movet intima cordis, „Usibus ut vestris commoda provideam. fol. 26 „Scitis, quod nostris ad bellum volentibus ire

„Adversus Persas, ut facerent, vetui.

über des GatUier von Compiegne Otia de Machomete. 113

„Quod non fecissem, ai noo divimtus illud 1005

gPrescisseiQ vetitum preeipiente Deo, ,Et quaniam Yetitum divinum preterierunt»

«Omnes, ut tinyso, destruet ira Pei. ,Sed Yoa insontes quid peoe promenüstisy

^Infans^ mater, aau9, TÜrga, p«eUa, seaez? 1010

,Ergo Deus Yobis paroat Yestreque puelle

,Et pueri talami federe conYeQiant »Taliter, ut dena3 sibi oopulet unus et una,

,Si libeat, denos eopulet ipsa sibi. ,Nec tarnen iUe Deo mandante putetur adulter» 1015

,Nec putetur ob hoo criminis iU% rea. gCultor euim terre si multos seminat agros^

^Messibus e xaultis horrea multa repjet» ,Sic et ager quoniam multis Yersatur aratris,

«Si fuerat sterilis, fertilia effioitur. 1020

«Sic geminet multos multis e matribus ille,

«lila Yel ex uuo semioe eouoipiet. ,Xam si de tot erit natura £rigidus unus,

«Alter erit calidus et sobolem faeiet, ffSicque Yolente Deo sine fructu nuUa manebit 1095

«Nee sterilis metuet arboris ulla ix)gum/ Dum sie sermonem Machomes pretendit ad omnes,

Nuncius unus adest solua et ipse malus: Omnibus oooisis se olamat ab hostibus unum

Esse resenratum tanta referre mala, 1030

Exoritur luctus, damor tentoria replet.

Plorant, ad celos tollitur usque sonus. Vir, matrona sonat, pater, infana, sponsa, marite,

Flet genitor genitum, aervula flet dominum. Tunc Machomes inquit: «Deua hoc preYiderat esse: 1035

Non aliter decuit! Pareite iam laorimis! qQuin magis oremus omnes domini pietatem,

«IJt nos et nostros cunctaque nostra regat, «Et quibus abstraxit solacia tanta virorum«

«Vobis Yel loeulos reddere sustineat«* ^040

t^ Sftzgsb. d. pbfloc-philol. n. d. hist. Kl. B

114 H. Pruie

His dictis precedit eos ad templa deorum, fol. 27 In quibus ipse prius abdiderat loculos.

Tunc velut ignorans girabat, denique tamquam Munere divino repperit introitum. 1045 Ingrediens reperit loculos, et signa quibusque In loculis monstrant, singula cuius erant. Femina queque sui cognoscit signa mariti Et recipit, iuris quod potest esse sui. Inde maritantur iuxta legem Machometis 1050 Et vivunt omnes eius ad arbitrium.

Plurima pax illis viguit Machomete vigente,

Pacatis cunctis faostibus arte sua. Unde deum Machomem putabant atque per illas Partes illius nomen erat celebre.

1055 Transactis igitur in tanta pace diebus,

Qui spacium yite Machomis extiterant, Mortuus est Machomes et premia digna recepit

Infemi penas, ut tenet alma fides. At sua gens credens, quod Spiritus eius ad astra 1060 Transisset, metuit subdere corpus humo.

Instituens igitur operis mirabilis archam, Intus eum posuit melius quam potuit. Nam sicut fertur, ita vas pendere videtur,

Inter quod Machomis merabra sepulta iacent, 1065 Ut sine supposito videatur in aere pendens, Sed nee idem rapiat uUa cathena super. Ergo si queras ab eis, qua non cadat arte,

Fallentis Machomis viribus hoc reputant. Sed vas revera circumdatur undique feri'O 1070 Quadrateque domus sistitur in medio

Et lapis et adamas per partes quatuor edis

Mensura distans inde vel inde pari, Qui vi nature feretrum sibi sie trahit eque, XJt vas ex nuUa cadere parte queat. 1075 Sic igitur Machomem divo venerantur honore

über des GatUier von Compiegne Otia de Machomete. 115

Et yenerabuntur, dum Deus ista sinat. Urbs, ubi dicuntur Machometis membra sepulta,

Non sine portento Mecha vocata fiiit. Nam Macbomes immundicie tocius amator

Mechiam docuit, mechus et ipse fuit. 1080

Sic ob preteritos actus vel signa futura

Multis imponi nomina sepe solent. fol. 28

Sic est dicta Babel, quod eam qui constituebant,

Dum per eam yellent scandere summa poli, His Deus indignans linguas confundit eorum, 1085

Ut linguam nemo nosceret alterius. Sic reor Egiptus tenebre sonat ob tenebrata

Et ducis et populi corda, futura docens. Plenius hoc dieit Moyses: ego tedia vito,

Tu Moysen, si vis cetera nosse, lege.^) 1090

1) In dem Ms. folgt, als ob sie noch zu dem Gedichte Gautiers gehörte, diese Reihe von Versen:

Litera nona datur, partim si prima rimatar,

Ostendit numerum, sapiens quo reperit unum.

Altera virgineum designat nomine fructum:

Tot fuerant anni per tempora pene peracti,

Ex quo conceptum verhum fuit et caro factum, 1005

Jerusalem cum capta fuit sub preside Christo.

Idus adhuc Julii renovantur signa triumphi,

Post bis quingentos et centum circiter annos,

£x quo virgineus de neumate floruit alvus:

Anno centeno Julii quinto duodeno 1100

Jerusalem nostris cesserunt menia Francis. 1101

Inhalt.

Seite

Sitzung der phüosophisdh^üologischen und der historieeken Klasse

vom 3, Januar 1903 .... 1

A. Spengel: Zur Geschichte des Kaisers Tiberius ... 3

Sitzung der phüosophischrphilologischen und der historischen Klasse

vom 7. Februar 1903 .... 64

H. Prutz: Über des Gautier von Compiegne «Otia de Machomete* 65

Die Abhandlungen sind auch in Separatabzügen hergestellt imd erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademischen Verlags in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlung (J. Roth).

Akademische Bacbdruckerei von F. BtrAub in HUnebeo.

^^'^llk.liS'-io

I

1 -

SitÄungsherichte

der

philosophisch- philologischen

und der

historischen Klasse

der

K. B. Akademie der Wissenschaften

zu Jid!üiichen.

1903. Heft IL

Mttnehen

Verlag der E. Akademie 1903.

In KommiMiOD dep G. Franz'scben Verlage (J. Roth).

^ -

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Sitzungsberichte

der

Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften,

Sitzung vom 7. März 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des kor- respondierenden Mitgliedes Dr. E. Schlagintweit in Zweibrücken :

Die Lebensbeschreibung von Padma Sambhava dem Begründer des Lamaismus. IL Teil. Leben und Wirken in Indien. Aus dem Tibetischen übersetzt.

Dieselbe wird als Fortsetzung des 1899 veröflPentlichten I- Teils in den Denkschriften erscheinen.

Herr von Bechmann hält einen Vortrag:

Das geschichtliche Verhältnis der condictio fur- tiva zu den Eigentumsklagen des römischen Rechtes.

Der Vortrag, welcher das Verhältnis sowohl nach der irozessualen als nach der materialen Seite sowie in chrono- gischer Beziehung erörterte und zur Vergleichung auch die •^10 rerum amotarum heranzog, ist ein Bruchstück aus umfassen- deren Studien über die Geschichte der römischen Eigentums- ^en und zu selbständiger Veröffenthchung nicht bestimmt.

^«tt. Slticsb. d. phücc-philol. a. d. hiat. KI. 0

118 Süeung vom 7. März 1903.

Herr von Axira hält einen fUr die Sitzungsbericht bestimmten Vortrag:

Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm.

In verschiedenen Pergamentblättern zu Heidelberg um! München werden Überbleibsel einer zerstörten Handschrift vom Willehalm des Wolfram von Eschenbach nachgewiesen, dk genau so wie die grossen Bilderhandschriften des Sachsen- spiegels den Text in Parallelkolumnen mit einer ununter- brochenen Reihe kolorierter Federzeichnungen, etwa 1380 an der Zahl, begleitete. Sie wurde um 1250 in Ostmitteldeutsch- land gefertigt und stellt sich sonach als das Mittelglied zwischen den Werken der älteren Buchillustration und der Illustration des Sachsenspiegels dar.

Historische Kla.8Be.

Herr von Riezleä hält einen für die Denkschriften be- stimmten Vortrag:

Kriegstagebücher aus dem ligistischen Haupt- quartier 1620.

Herzog Maximilian I. von Bayern betraute seinen Sekretär Mandl während des österreichisch -böhmischen Feldzugs von 1620 mit der Führung eines genauen Tagebuchs. Nach Mandls Erkrankung von einem oder zweien Beamten des Hauptquartiers fortgesetzt, wurden diese Aufzeichnungen die Grundlage des offiziellen bayerischen Berichtes über den Feldzug, der unter dem Titel: Böhemisch Journal in München im Druck erschien. Es verlohnt sich aber, auch die Abweichungen der ursprüng- lichen Rezension kennen zu lernen, die, unter den ersten Ein- drücken im Feldlager selbst entstanden, noch nicht gleich dem Journal durch politische Rücksichten beeinflusst ist. Ausser diesen Varianten gedenkt der Vortragende drei weitere, bisher unbekannte Tagebücher aus demselben Feldzuge und dem ligi-

Sitzung vom 7. März 1903. 119

stiscilen Hauptquartier zu veröffentlichen und zu erläutern, verfasst von Maximilians Beichtvater Buslidius, seinem Hof- prediger Drexel, beide S. J., und von einem Karmeliter aus Siena, Pietro von der Muttergottes, dem Begleiter des bekannten R Dominikus. Der Vortragende hebt einiges hervor, was sich aus diesen neuen Quellen für Maximilians Charakterbild und für die Rolle des P. Dominikus ergibt. Weitere Ausbeute bezieht sich auf die Stärke des ligistischen Heeres und seines Trosses, die ausserordentliche Sterblichkeit, die eine Lager- seoche. das sogenannte „ungarische Fieber", verursachte, das &af diesem Feldzuge zum erstenmale organisierte Feldspital, las Verpflegungswesen , endlich die Plünderungen , die trotz Miiimilians und Tillys strenger Abwehr auch seitens des ligbtiscben Heeres einen grossen Umfang annahmen.

Herr von Heiqel macht Mitteilungen über:

Handschriftliche Memoiren aus dem Nachlass des bayerischen Staatsrats Oeorg Ludwig von Maurer.

Die eigenhändigen Aufzeichnungen zerfallen in drei Teile, t^er erste bezieht sich auf die Geschichte der Bildung der jnechischen Regentschaft im Jahre 1832 und die Geschichte iiirer Auflösung im Jahre 1834; der zweite erzählt von Maurers N^üdung nach Griechenland, 1854 beabsichtigt, 1858 ausge- füllt zur Feststellung der Thronfolge des Prinzen Adalbert von ßayern; der dritte Teil berichtet über das Ende der bayerischen l^ynastie in Griechenland 1862 und seine Ursachen.

Das Manuskript wird später der Egl. Hof- und Staats- »ikliothek in München überlassen werden. Der Vortrag mit iöTxen Auszügen aus den Memoiren wird in den Sitzungs- ^■^richten erscheinen.

9'

121

Wielands „Pervonte".

Von Franz Mancker.

(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 7. Februar 1903.)

Unter den kleineren Erzählungen in Versen, die Wieland ZOT Zeit seiner vollen künstlerischen Reife im ersten Jahrzehnt seines Lebens in Weimar verfasste, nimmt „Pervonte" einen eigenartigen Platz ein. Während die vorausgehenden Dichtungen t-fils morgenländischen Märchen, teils mittelalterlichen Ritter- geschichten der französischen Literatur nachgebildet sind, wandte sich Wieland mit , Pervonte*, dem unmittelbaren Vorläufer seines Meisterwerks, des ,Oberon*, wieder zur italienischen Poesie, von Äer er schon oft fruchtbarste Anregung empfangen hatte, und trug zugleich hier zum ersten und einzigen Male während seiner ganzen, reichen dichterischen Tätigkeit seinen Lesern ein richtiges Volksmärchen vor.

Der Stoff seiner neuen Geschichte, die zuerst unvollendet, ^e sie im März und zu Anfang Aprils 1778 entstanden war,^) in drei aufeinander folgenden Heften des „Teutschen Merkur" '"m November 1778 bis zum Januar 1779 unter der Überschrift »Die Wünsche oder Pervonte* erschien, stammte aus dem »Pentamerone" des Neapolitaners Giambattista Basile, eines 211 seiner Zeit nicht unberühmten Dichters aus dem Kreise

^) Vgl. Wielands Briefe an Merck vom 12. April und vom Oktober l'^Sund vom 22. Februar 1779 (Briefe an Johann Heinrich Merck, heraus- ^ben von Karl Wagner, Darmstadt 1835, S. U7 und 156; Briefe an ^ TOD Merck, Darmatadt 1838, S. 130).

122 Frang Muneker

Marinis, der von 1608 an bis in sein Todesjahr 1632 allerlei lyrische und epische Versuche veröfiFentlichte, meist Gelegenheits- dichtungen im schlimmsten Modegeschmack voll künstlicher Spielereien und Tüfteleien, ohne eigenartige Bedeutung oder künstlerischen Wert, die längst der verdienten Vergessenheit anheim fielen. Wirklich lebendig erhielten sich von seinen literarischen Erzeugnissen nur die derber und possenhafter ge- arteten, die er neben den anscheinend wichtigeren, in der gemein- italienischen Schriftsprache verfassten Leistungen als nächster Nachfolger seines Freundes Cortese, des Neubegründers der neapolitanischen Dialektdichtung, unter dem Namen Gian Alesio Abbattutis in der Mundart seiner Heimat geschrieben hatte. Unter ihnen aber steht weitaus am höchsten die Sammlung von fünfzig Märchen, die nach Basiles Tod ein sonst unbe- kannter Herausgeber Salvatore Scarano in den Jahren 1634 bis 1636 zu Neapel nach und nach erscheinen liess, ,Lo Cunto de li Cunti overo Lo trattenemiento de' Peccerille", in eine Rahmenerzählung nach dem Muster des auch sonst mannigfach nachgebildeten Boccaccio eingefasst, in fünf „jomate'^, jede zu zehn Geschichten, eingeteilt und schon vom ersten Herausgeber (wenn auch nicht auf dem Titelblatte) mit dem bequemen und daher auch später beibehaltenen Namen ,Pentamerone" be- zeichnet. Es war nicht der erste Versuch in Italien, alte Märchen, die vorher nur mündlich im Volke erzählt worden waren, in der Literatur auch für die gebildeten Leser festzu- halten; aber es war die reichhaltigste und urwüchsigste, in ihren Stoffen wie in der Vortragsweise echteste und treueste Sammlung von Volksmärchen, die nach dem massgebenden Urteil der Brüder Grimm nicht nur Italien, sondern auf manches Jahrhundert hinaus überhaupt irgend ein europäisches Land hervorgebracht hat.

In der Heimat hochberühmt, oft gedruckt, in andere Mund- arten wie in die gemeinitalienische Sprache übersetzt, von Pompeo Samelli in neapolitanischen Dialektgeschichten, aber auch von Lorenzo Lippi in seinem „Malmantile riacquistato", von Gozzi stellenweise in den dramatischen Märchen „L- Amore

Widanda „Pervonte", 123

dclle tre melarance'^ und »II Corvo* nachgeahmt,^) wirkte der «PenUmerone'* doch bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts nur wenig über die Grenzen Italiens hinaus. In Deutschland ins- besondere scheint vor Wieland kein Schriftsteller aus diesen Kirclien Anregung zu eignem dichterischem Schaffen gewonnen zu haben. Auch in den nächsten Jahren, nachdem er von Penrontes wunderbaren Schicksalen berichtet hatte, traf der ihm persönlich nahe stehende und künstlerisch durch ihn mannig- fach bestimmte weimarische Märchenerzähler Musäus nur ver- tinzelt einmal mit Basile im Inhalt einer Geschichte zusammen; fe 3ücher der Chronica der drei Schwestern* im ersten Teil seiner „Volksmärchen der Deutschen* (1782) wiederholen in der Hauptsache die dritte Erzählung des vierten Tags aus dem »Pentamerone*.*) Doch bleibt es trotz aller Ähnlichkeit noch ^ fraglich, ob Musäus unmittelbar aus dem Märchen Basiles jfhöpfte. Bekannter wurde in Deutschland der „Cunto de li iQDti' erst im Zeitalter der ausgehenden Romantik. Clemens Brentano, der das Buch als eine besondere, seinen Freunden noch ganz ft'emde Seltenheit besass, begann schon um Weih- nachten 1805 mehrere Geschichten daraus frei nachzudichten, >chob ihre Veröffentlichung dann aber immer weiter hinaus nnd änderte noch nach Jahrzehnten mancherlei an seiner Arbeit, Ü£ in der Hauptsache erst 1846, mehrere Jahre nach seinem Tode, den deutschen Lesern mitgeteilt wurde.') Inzwischen iiatten, durch ihn zuerst über Basile unterrichtet, die Brüder firimm 1812 im ersten und wieder 1822 im dritten Bande der

^) Vgl. die inhaltsreiche Einleitung von Benedetto Groce zu seinem Nf'jdruck des „Cunto de li Cunti", Neapel 1891, in der „Biblioteca ^ipioletana di Storia e Letteratura", Nr. II, Bd. 1.

*) Vgl. Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, 2. Aufl., Bd. III, ^^9 (Berlin 1822); auch Richard Andrae, Studien zu den Volksmärchen '^^ Deutschen von J. K. A. Musäus (Marburg 1897), S. 13, und Erich ß'äcb, Die Märchen de« Musäus, im Archiv für das Studium der neueren ^^hen und Literaturen, Bd. CVIII, 8. 283 ff. (1902).

') Vgl. die gründliche, aber im Urteil gegen Basile nicht immer treckte Untersuchung von H. Gardauns, Die Märchen Clemens Brentanos, ^•l» 1895 (dritte Vereinsschrift der Görresgesellschaft für 1895).

124 Frans Muncker

„Einder- und Hausmärchen^ mit nachdrücklichem Lob auf die neapolitanische Sammlung hingewiesen und zugleich einen guten Auszug aus allen Märchen derselben gegeben.^) und nun be- mühte sich um ihre Einbürgerung bei uns neben andern Über- setzern und Bearbeitern^) besondei*s auch Julius Mosen durch seine dichterisch freieren Nacherzählungen von mehreren dieser Geschichten im „Gesellschafter" (seit 1827),') bis endlich Felix Liebrecht 1846 den ganzen „Pentamerone'^ mit ausserordent- lichem stilistischem Geschick treu im Inhalt wie im Ton ins Deutsche übertrug.

Aber nicht nur für Basile, sondern überhaupt für das Volksmärchen zeigte die deutsche Literatur des achtzehnten Jahrhunderts recht wenig Liebe und Verständnis. So wollte denn auch Wieland von ihm im allgemeinen nichts wissen, so leb- haft ihn auch jederzeit kunstvoll ausgestaltete Feenmärchen anzogen, in denen das geistreiche Spiel einer zügellos kühnen Phantasie schliesslich einem moralischen oder satirischen Zwecke diente, so mannigfach er auch solche Feenmärchen, die ihm meist aus der französischen Literatur zukamen, letzten Endes aber ofb in das Morgenland zurückwiesen, in seinen verschieden- sten Dichtungen bald genauer, bald freier nachbildete.*) „Ammen- märchen, im Ammenton erzählt," wollte er, wie er 1786 in der Vorrede zu „Dschinnistan" erklärte, nur durch mündliche Über- lieferung fortgepflanzt, aber nicht durch den Druck literarisch festgehalten wissen. Mochte sich daher auch vereinzelt das eine oder andere Mal ein wirkliches VolksmärchenmotiV in seinen Dichtungen einstellen, so stammte es doch nicht un- mittelbar aus einem echten Volksmärchen, sondern aus jenen

1) Bd. I, S. XVII f.; Bd. III, S. 276-371.

2) Die wichtigsten von ihnen nennt Liebrecht im zweiten Bande seiner Übersetzung, S. 336 f.

^) Vgl. Philipp Henss, Beiträge zur Kenntnis von Julius Mosen s Jugendentwicklung, München 1903, S. 46 ff.

*) Vgl. darüber besonders K. Otto Mayer, Die Feenmärchen bei Wieland, in Bernhard Seufferts Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte, Bd. V (Weimar 1892).

Wielanda „Pervante*', 125

kunstvollen Feengeschichten orientalischen oder französischen Ursprungs. Einer einheimischen yolkstümlichen Überlieferung Terdankte er nur einmal den gesamten Stoff einer Erzählung in Versen, bei dem Gedicht «Sizt und Elärchen oder der Mönch und die Nonne auf dem Mädelstein '^v das er zuerst im März und April 1775 im ,pTeutschen Merkur^, dann noch einige Haie mit unwesentlichen Veränderungen in seinen poetischen Werken yeröffentlichte. Aber das war nicht sowohl ein Volks- märchen als vielmehr eine an einer bestimmten Örtlichkeit haf- tende volkstümliche Sage. Dagegen lag dem «Pervonte^ in der Tat ein echtes Volksmärchen zu Grunde aus der bunten Gruppe jener Geschichten von einem dummen Burschen, dem unver- mutet ein grosses Glück zuteil wird,^) ein bei verschiedenen Völkern verbreitetes Märchen, dessen eigentümliche Ausge- staltung, wie sie Wieland für seine Nachdichtung verwertete, aus der italienischen Literatur stammte.

Mit wenigen Worten deutete Wieland selbst im „Teutschen Merkur* (November 1778, S. 99) auf die Herkunft seines „Per- Yonte* hin: »Wer gern aus der Quelle schöpft, kann das Original dieses Gedichts, welches eigentlich ein uraltes Neapo- litanisches Ammen-Mährchen ist, finden in dem Pentamerone del Cavalier Giovan Battista Basile, overo, lo Cunto delli Cunti, trattenemiento de li Peccerille, di Gian Alesio Abbatutis. Napoli 1674. (conf. Biblioth. Univ. des Romans. Juin. et Septembre. 1777.)* Damach sollte man wohl meinen, Wieland habe sich aus Basile selbst den Stoff seiner Geschichte geholt. Das wäre an sich schon auffallend; denn vor dem „Pervonte* hat Wieland niemals den Inhalt einer grösseren Dichtung im ganzen un- mittelbar aus dem Italienischen genommen, sondern hielt sich immer zuerst an deutsche und englische, dann vornehmlich an antike und französische Vorlagen. Auch nachher wurde das nicht anders. Zwar berief er sich 1783 bei «Clelia und Sini-

^) Fügten 68 doch auch die Brüder Grimm unter der Aufschrift -Hans Dumm" ihren deutschen „Kinder- und Hauamärchen" ein (Bd. I, 5- 250 ff., Nr. 54 der ersten Ausgabe von 1812).

126 Frwus Mundier

bald'' nur auf Gaviceo als seinen Oewährsmann fttr den wunder- baren Traum, auf dem sich diese Novelle zum guten Teile aufbaut; aber, wie schon verschiedene sprachliche Anmerkungen zu derselben Dichtung vermuten lassen, hatte er Giacopo Cavieeos 1508 erschienenen Roman „II Peregrino*, aus dem er den Stoff zu der ironisch-satirischen Legende gewann, nur in der verkürzten französischen Bearbeitung im zehnten Bande der „M^langes tirds d'une grande bibliotheque^ (Paris 1780) benutzt.

Desto fleissiger spielte er dafür in seinen Werken auf einzelne Charaktere und Begebenheiten der italienischen Literatur an, zitierte Verse und Gedanken italienischer Dichter, bildete gewisse Motive von ihnen nach, suchte sich den Ton und Stil ihrer Poesie anzueignen. Fast bis auf die Anfange seiner literarischen Entwicklung reicht dieses Bestreben zurück. Während das Schulheft aus dem Sommer 1748, das uns von dem damals noch nicht fünfzehnjährigen Zögling des Klosters Bergen erhalten ist, noch keine Spur von Kenntnissen in der italienischen Dichtung zeigt, weist das im Anfang des Jahres 1751 ausgearbeitete Erstlingswerk der Wielandischen Muse, das Lehrgedicht „Die Natur der Dinge*, schon einige Male deutlich auf Ariosts und Tassos grosse Epen hin. An den Abschied Rinalds von Armida im sechzehnten Gesänge des « Be- freiten Jerusalem" und die Verwandlung des Wunderreichs der Zauberin nach der Flucht des Geliebten (ebenda Stanze 69 f.) erinnern die Verse im zweiten Buche des Lehrgedichts, die das Erwachen des Menschen, den die Wollust in ihren Bann ge- zogen hatte, aus seinem Wahne schildern:*)

„Wo lauter Anmuth war, sieht er erstarrte Klippen Und gelben Sand gehäuft; Armidens süsse Lippen, Und was er kaum genoss, ist mit dem leichten Schwärm Der Liebesgötter fort; er sieht vom dürren Arm Des Ekels, von der Reu begleitet, sich umfangen."

*) S. 46 f. des eraten Druckes (Halle 1752), in den späteren Aus- gaben nur wenig verändert.

Wieland8 „Pervawte". 127

Im dritten Buch aber (S. 61 der ersten Ausgabe) nennt der junge Dichter „Ariostens Mond* neben « Piatons Staat*', um das Reich des unwirklichen zu bezeichnen. Beim späteren Abdruck der , Natur der Dinge* im ersten Band seiner , Poe- tischen Schriften* 1762 und wieder 1770 fügte Wieland hier eine erläuternde Anmerkung über die phantastische Erdichtung des .eben so anmuthigen als abentheurlichen Italiänischen Poeten* bei und mehrte auch noch durch eine weitere An- merkung zum zweiten Buch die Anspielungen auf Tassos Rinald.^) Jene älteren, bereits aus dem Jahr 1751 stammenden Anspielungen setzen freilich noch keine Vertrautheit mit dem italienischen Text der Dichtungen voraus, denen sie galten: Wieland mochte sich an deutsche Übertragungen halten, deren ja seit Dietrich von denl Werders Versuchen einige vorlagen das ^Befreite Jerusalem* hatte erst 1744 wieder Johann Friedrich Kopp (in paarweise gereimten Alexandrinern) über- setzt — ; ja den kurzen Hinweis auf Ariost konnte er am Ende auch aus zweiter Hand haben und brauchte dazu den „Rasenden Roland* nicht einmal in deutscher Nachbildung gelesen zu haben.

Auch in den wenige Monate nach dem Lehrgedicht ver- fassten , Moralischen Briefen* verwertete Wieland seine Lektüre Tassos. Wieder spielte er auf den sechzehnten Gesang des italienischen Epos an, auf den er diesmal in der Anmerkung ausdrücklich verwies, und wieder zwingen uns seine Verse durch nichts zu der Annahme, dass er die „Gerusalemme* da- mals schon italienisch gelesen haben müsse. In dem später Tollig gestrichenen neunten Briefe der ersten Ausgabe von 1752 (S. 118) versicherte er der schwesterlich mit reinster Liebe ge- liebten Freundin Doris, dass die Vereinigung mit ihr ihm auch eine Wüste zum Paradiese machen würde:

«Mich darf das Schicksal nicht in Paradiese setzen. Mit dir soll mich der Sand Numidiens ergötzen. Ich darf der Insel nicht worein mit Zauberkraft Den Reitz der gantzen Welt Armid herbey geschaft,

^) 1762: Bd. I, S. 72; 1770: Bd. I, S. 101.

128 Franä Muneker

Wo jugendlich die Flur in stetem Morgen lachet, Ein zauberischer West die Blumen ewig machet, Wo ein nectarscher Duft aus allen Krautern raucht, Und alles lebt und fühlt und matte Wollust haucht/

Im elften Brief aber (der in den späteren Ausgaben als zehnter gezählt ist) nahm der achtzehnjährige Dichter, um die entsetzliche Angst des Gottesleugners yor dem Tode zu malen, seine Zuflucht gar schon zu Dante :^)

„In welchen Schauem starrt sein nie erschüttert Hertz, Wenn sich der Tod ihm naht? Wie marternd ist sein Schmertz? Mein Geist erliegt bestürtzt den jammervollen Bildern, Ihr Schatten schrekt ihn schon; sie mag ein Dantes schildern!'

Die erst 1770 beseitigte Anmerkung zu dem Namen des damals in Deutschland noch sehr wenig bekannten Florentiners „Ein berühmter Italiänischer Dichter des 14. Jahrhunderts, der in einem Epischen Gedichte Himmel, Fegefeuer und Hölle ge- schildert hat* bewe^^t in ihrer Dürftigkeit, Farblosigkeit und verkehrten Reihenfolge bei der Nennung der drei Teile der „Divina Commedia" nahezu sicher, dass Wieland das ewige Gedicht damals nur vom Hörensagen oder etwa aus einer kurzen Angabe darüber in einem Gelehrtenlexikon oder einer Zeitschrift kannte.^)

Derartige Anspielungen, in diesen ersten Versuchen Wie- lands noch selten und besonders in den grösseren Jugend- dichtungen, in denen er sich als unmittelbaren Nacheiferer Klopstocks verriet, fast gar nicht anzutreffen, mehrten sich nach einigen Jahren, als er auch in der Erlernung der italie- nischen Sprache weit genug fortgeschritten war, um Ariost und Tasso und ihre Landsgenossen im Original zu lesen. Wie wir aus dem kurzen Abriss seiner Lebensgeschichte schliessen

*) S. 149 der Ausgabe von 1752; in den .»Poetischen Schriften" von 1762 Bd. II. S. 98; 1770 Bd. II, S. 91, stets mit unverändertem Wortlaut.

*) Vgl. Emil Sulgor-Gebing, Dante in der deutschen Literatur: Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte, Neue Folge, Bd. VllI, S. 475 ff. und Bd. IX, S. 453 ff.

Wielands „Perwmte". 129

dürfen, den er am 28. Dezember 1787 für den Schweizer Ästhe- tiker Leonhard Meister niederschrieb, war das schon in Zürich der Fall ; bei Bodmer, dem reich belesenen Kenner ausländi- schen Schrifttums, war auch er, wie mit der französischen und englischen, so mit der italienischen Literatur „sehr bekannt' geworden. Das zeigten sogleich italienische Verse über oder unter einigen Oden, die er bereits im ersten Jahre seines Züricher Aufenthaltes im engsten Anschluss an Klopstockische Vorbilder seiner Sehnsucht nach der fernen Geliebten widmete. Nicht minder gaben davon die Neubearbeitungen der grösseren Jugendwerke fÖr die Sammlung der „Poetischen Schriften« Ton 1762 und wieder von 1770 Zeugnis. Die Anspielungen auf italienische Literatur wurden in den Jugenddichtungen selbst wie in gelegentlichen Anmerkungen zu ihnen etwas zaUreicher; hie und da stellte sich jetzt sogar ein italienisches Zitat als' Motto ein (so z. B. seit 1762 hinter dem „Lobgesang auf die Liebe* drei Verse über die Allmacht der Liebe).

Seit dem Entwurf des unvollendeten „Cyrus** (1759) be- mühte sich Wieland auch, wie er in den Vorberichten zu diesem Heldengedichte selbst und zu der eng damit verbundenen dialo- gischen Geschichte „Araspes und Panthea** (1760) bekannte, Grandeigenschaften der Hauptcharaktere aus den Epen Ariosts und Tassos auf den Helden seiner Phantasie zu übertragen und überhaupt die künstlerischen Vorzüge dieser italienischen Dichter in dem eignen Werke zu vereinigen. Cyrus sollte die Tugenden des kühnen Achill, des klugen Odysseus, des weisen Gottfried von Bouillon, des hochherzigen Leonidas in seinem Wesen verbunden zeigen, sollte grösser imd besser erscheinen als Achill, Aeneas, König Artus und der rasende Roland; der Dichter wünschte in diesem Epos, je nachdem es sein Gegen- stand oder seine künstlerische Absicht forderte, sich bald der feinfaltigen Grösse und der wilden Schönheit Homers und Ariosts, Wd des blühenden Kolorits und des sanften Feuers Virgils und Tassos, bald wieder der Mischung von Stärke und Lieblich- keit bei Thomson und der nervichten Schönheit Qlovers zu ^«meigtem.

130 ^yanM Muncker

Ein neues, gründlicheres Studium italienisclier Dichtungen begann Wieland in Biberach, als er in seiner eigpien Poesie Bahnen einschlug, die ihn in Nachbargebiete des romantischen, ungebunden aus Phantasie und scherzhafter Laune entsprunge- nen Epos der Hochrenaissance führten. Am 4. Mai 1764 erbat er sich von Oessner neben einer guten Ausgabe des Petrarcii auch 9 eine artige kleine Edition vom Ariost^, den er dem Freund als einen der angenehmsten Dichter rühmte. Vier Jahre später bekannte er in der Vorrede zum ^Idris', dass Ariost um seiner eigentümlichen Schönheit willen schon lange sein gewöhnliches Taschenbuch sei. In dem Ton eines leicht und übermütig hervorsprudelnden Geplauders, den kein früherer Epiker so meisterhaft wie Ariost anzuschlagen wusste, verfasste Wieland zunächst, doch ohne unmittelbare Anlehnung an den Sänger des „Orlando furioso*, die «Komischen Erzählungen' und andere Dichtungen verwandten Charakters. Bald bildete er auch, wenn schon mit allerhand Freiheiten, den Ariostischen Strophenbau der ottave rime in seinem „Idris" nach. Ja, er wollte geradezu, wie er am 3. Dezember 1767 an Zimmermann schrieb, mit diesem Werke einen Versuch machen, „ob man in unserer Sprache nicht auch Ariost seyn könne, wenn man wolle'', freilich nur „in Absicht der Laune, des Stjls, der Lebhaftigkeit und der Versification*', nicht auch, was die aben- teuerliche Verwicklung und Ausdehnung der Handlung durch zahllose Gesänge betreffe. Aber selbst nach dieser Seite hin lockte ihn Ariosts Muster schon im „Idris" und noch mehr einige Jahre später im „Neuen Amadis'^ zur Nachfolge: auch Wieland erprobte sich gern als Meister in der Kunst, zahl- reiche Fäden der Handlung in der mannigfaltigsten Weise durcheinander zu schlingen und untereinander zu verknüpfen und als Erzähler mit grösster Leichtigkeit und zugleich mit drastischer Wirkung von einem Abenteuer seiner Geschichte auf das andere überzuspringen, die Schicksale des einen Helden im spannendsten Augenblick durch die Taten und Erfahrungen anderer Helden und Heldinnen humoristisch zu unterbrechen. Die Handlung selbst in ihrem hauptsächlichen Gange wies

Wtdands „Pervonte'', 131

zwar mehr auf französische Feenmärchen als auf das roman* tische Epos der Italiener zurück; einzelne Nebenmotive aber, wie z. B. gelegentlich einmal die Ausmalung eines Kampfes oder Liebesabenteuers, stammten doch aus der Nachahmung des .Rasenden Roland", und so spielte denn Wieland auch im Text wie in den Anmerkungen des «Idris* und des , Neuen Ämadis* mehrfach in aller Kürze auf Personen und Vorgänge aus den Dichtungen Ariosts, Tassos, Marinis oder anderer Italiener an. Mit manchen unter diesen Dichtern gab er sich freilich nur flüchtig ab; so bekannte er z. B. ausdrücklich 1771 in der Vorrede zu seinem ,Amadis*, dass er von dem gleichnamigen Epos des Bernardo Tasso auch nicht einmal den zehnten Teil zu durchlesen vermocht habe. Dass ihm aber andere, durch eigenartigen Reiz lebhafter anziehende Dichtungen der italienischen Literatur in jenen Jahren genauer vertraut wurden, zeigen auch seine Briefe, in denen sich von da an die Anklänge an derartige Lektüre mehren und nament- lich seit etwa 1767 die Einflechtung italienischer Worte in seine ohnedies schon buntfarbig genug aus französischer, deut- scher, lateinischer und englischer Sprache zusammengewobene Bede häufiger wird.

Auch als Wieland nach dem , Neuen Amadis" die Ario- stische Laune und Erzählungstechnik in seinen Dichtungen wieder weniger nachbildete, blieb er sich doch in der Liebe zu den italienischen Meistern, deren Epen ihn entzückt hatten, getreu und las diese und verwandte Werke bei Gelegenheit noch öfter im Wortlaut der Originale. So hätte ihm denn auch höchst wahrscheinlich das Verständnis des «Pentamerone* im italienischen Gewände keine Schwierigkeit bereitet, wenig- stens nicht, wenn ihm die freilich sehr schlecht geratene Bearbeitung dieser Märchensammlung in gemeinitalienischer Sprache von 1754 oder 1769 in die Hand gefallen wäre. Aber CT selbst führte in der oben erwähnten Anmerkung im »Teut- acben Merkur' ausdrücklich eine Ausgabe des ursprünglichen, mundarthchen Textes an, die wegen ihrer sprachlichen Korrek- turen philologisch merkwürdige, auch wegen ihrer massgebenden

132 Frang Muncker

Bedeutung für die folgenden Drucke geschichtlich wichtige, Yon Pompeo Sarnelli besorgte Ausgabe von 1674, die erste, die den Namen .11 Pentamerone* schon auf dem Titelblatte trug. Dass nun aber Wieland imstande gewesen wäre, die Märchen Basiles im neapolitanischen Dialekt ohne Beihilfe einer Übersetzung zu lesen, und namentlich, dass bei einer derartigen, mit allerlei Schwierigkeiten verbundenen Lektüre diese Märchen ihm einen so mächtigen künstlerischen Eindruck hätten machen können, dass er sich dadurch zu eigner dichte- rischer Tätigkeit getrieben fühlte, ist an sich schon im höchsten Grade unwahrscheinlich.

Zwar, dass Wieland sich von den füni^ig Geschichten Basiles gerade nur die von Peruonto zur Nachbildung ausge- sucht hat, dürfte auch in einem solchen Falle nicht befremden. Denn die übrigen Erzählungen des Neapolitaners passten in der Tat fast alle nicht für den gesellschaftlich und künstlerisch gerade in den letzten Jahren strenger geläuterten Geschmack des Weimarer Dichters. Die meisten waren zu urwüchsig derb, ihre Grundmotive oft von einer plumpen Unanständigkeit, mit der selbst die nichts weniger als schüchterne Kunst Wielands kaum etwas anzufangen gewusst hätte. In andern wieder war die märchenhafte Erfindung so kindlich naiv, so verstandes- widrig wunderbar, dass der aufgeklärte Dichter des achtzehnten Jahrhunderts, der in seinen tollsten Feenmärchen stets eine philosophische Wahrheit oder sittliche Lehre zu veranschau- lichen trachtete, keinen nutzbaren Sinn in ihnen zu entdecken vermochte und darum auch keinen Sinn für sie hatte. Schon auffallender könnte es aber scheinen, dass Wieland in seinen Briefen oder sonstigen Schriften nie etwas von einer unmittel- baren Bekanntschaft mit dem „Cunto de li Cunti*, besonders wenn sich diese auf die ganze Märchensammlung erstreckt haben sollte, verraten hätte, dass er vornehmlich 1805 in der Einleitung zum „Hexameron von Rosenhain*, wo doch die ähnliche Benennung seines Buchs einen Hinweis auf Basiles Werk nahe legen musste, zwar den „Decamerone* des Boccaccio und den ,Heptameron" der Königin von Navarra, nicht aber

Wielands „Pervante''. 133

den «Pentamerone* erwähnte: hätte er ihn einst mühsam und vollständig im Original gelesen, so würde er damals wohl nicht vergessen haben, ihn mit anzuführen.

Aber schon 1778 im »Teutschen Merkur* nannte Wieland neben der italienischen Ausgabe der Märchen Basiles, freilich nur nebenher und nicht eigentlich als Quelle seiner Dichtung, den franzosischen Auszug daraus in der vom Grafen Tressan herausgegebenen gBibliotheque universelle des romans*' Tom Juni und September 1777. Das reichhaltige, vielfach von Wieland benutzte französische Sammelwerk brachte zunächst im Juni 1777 einige kurze, nicht eben tief gründende Be- merkungen über Basile sowie über den literarischen Wert und ib schwierige Verständnis seines »Pentamerone*, der auch nicht eine vernünftige, tragische oder interessante Novelle, miem nur tolle Ammenmärchen enthalte, an denen höchstens kleine Kinder Spass finden könnten. Daran schloss sich eine ^ie, im einzelnen mehrfach verändernde und selbständig aus- <$chn)ückende Nacherzählung der die neapolitanischen Märchen als Einleitung und Schluss umrahmenden Geschichte. Im Sep- tember darauf bot die .Bibliotheque* ihren Lesern ausführliche Bearbeitungen der Märchen von Peruonto (Tag 1, Geschichte 3), ^oa Sapia Liccarda und der Puppe aus Zuckerteig (Tag 3, ^^escbichte 4) und von Bosella (Tag 3, Geschichte 9), um dann ausdrücklich auf weitere Mitteilungen aus den lustigen und narrischen Einfallen der süditalienischen Sammlung zu ver- öcbten. Von diesen Nacherzählungen gab die des , Peruonto* (S. 162— 180 der »Bibliotheque*) den Inhalt des neapolitanischen ilärchens noch verhältnismässig am getreuesten wieder, obwohl 3«b der französische Bearbeiter auch hier manche Abweichungen ^om Original erlaubte. Überall aber, wo er dies tat, finden ^irnemlich dieselben Abweichungen auch bei Wieland. Es steht ^ber ausser allem Zweifel, dass der deutsche Dichter den fran- zösischen Auszug aus dem „Pentamerone" als Vorlage für seine Arbeit benutzte. Fraglich könnte nur sein, ob er daneben auch aoch gelegentlich einen Blick in den italienischen Grundtext tat. Wt wenig spricht für eine solche Annahme, viel dagegen.

l«tt. Stttpb. d. pUloSL-phUol. Q. d. hist Kl. 1 0

134 Frang Muneker

Den Titel der neapolitanischen Märchensammlung zunächst schrieb Wieland wortgetreu^) aus der ^Bibliotheque" (Juni 1777, S. 207) ab, die sich gleichfalls nur auf die Ausgabe von 1674 berufen hatte. Auch der Doppeltitel der deutschen Dichtung wies auf den französischen Auszug zurück, wo die Geschichte „Pervonte, ou les Dons des F^es* tiberschrieben war. Nur aus dem Französischen ferner lassen sich die gegen das Italienische mannigfach veränderten Namensformen der Hauptpersonen bei Wieland erklären. Aus Basiles »Peruonto* hatte schon der französische Bearbeiter „Pervonte* gemacht; genau so nannte Wieland den Helden seines Märchens. Dessen Partnerin in der drollig-wunderbaren Geschichte, die Königstochter, hiess im Italienischen VastoUa. Der Franzose hatte den Namen im Grunde unangetastet gelassen, aber in einer Kleinigkeit, die überdies für die französische Aussprache gleichgültig Trar, anders geschrieben: ,Vastole". Aus dieser Form bildete nun Wieland mit veränderter Betonung, so dass der Hauptton jetzt auf die erste Silbe fiel, ^Vastola**. Peruontos Mutter, im Grund- text Ceccarella geheissen (wohl nach einer Figur aus der alten neapolitanischen Posse), blieb ebenso wie der schon im Ita- lienischen unbenannte König im Französischen namenlos; dem- gemäss wusste auch Wieland die beiden nicht zu benennen und machte sich über diesen Mangel gleich zu Anfang seiner Dichtung im Übermut seiner Laune selbst lustig. Im italienischen Märchen wohnt Peruontos Mutter zu Casoria, einem kleinen, etwa zwei Stunden von Neapel entfernten Orte; der König residiert natürlich zu Neapel selbst. Der französische Bearbeiter machte die wackere Mutter des Tölpels in einem Häuschen auf dem Lande, nicht weit von der Stadt Salem, heimisch; den königlichen Palast verlegte er dem entsprechend nach Salem und machte aus dem Herrscher selbst einen ,Prince de Salerne%

*) Nur schrieb er ^lo Cunto delli Cunti*, während die .Biblio- thociue* im Juni ,de li cunte" zitierte. Im September (S. 162) ab^r brachte sie dafür ^delle Cunte*. Daraus konnte Wieland leicht seine Lesart gewinnen, wenn er, was nicht unwahrscheinlich wäre, da« e in den Maskulinformen für einen blossen Druckfehler hielt.

dem er doch auch wieder oft genug den königlichen Titel gab, und Ton dessen Keich er an manchen Stellen sprach, wie wenn es sich um das Königreich Neapel handle. Gleich ihm be- richiete Wieland nur von einem König von Salern, doch ohne sich auch jene unbestimmten Hinweise auf Neapel anzueignen, und dachte sich Fervonte in der nächsten Umgegend Salems wohnhaft; der Name Casoria begegnet bei ihm so wenig wie bei dem Franzosen.

Ebenso wie die Namen ist die Charakteristik der Per- sonen in Wielands Dichtung fast durchweg von der fran- xosischen Darstellung abhängig. Basile hatte, wie es sich fiir den Erzähler eines richtigen Volksmärchens gebührt, nur mit wenigen kräftigen Strichen seine Figuren gezeichnet. Beinahe ganz ohne charakterisierende Züge Hess er Peruontos Mutter: sie war ihm nur «na magna femmena de Casoria" und im Hinblick auf ihren tölpelhaften, faulen Sohn eine „scura mamma*, eine »sfortunata*. Der französische Bearbeiter wusste schon viel mehr von ihr zu berichten. Er machte sie zu einer kniYen Frau, die von ihrem kleinen Vermögen in einem Häuschen anf dem Lande lebt; sie ist keine grosse Dame, hat aber, was i^ie mit ihrem Sohn und einer Dienerin zum Leben braucht, ^d wäre bei ihren bescheidenen Ansprüchen glücklich und ^frieden, wenn ihr dieser Sohn nicht so schweren Kummer ^eniTsaehte. Wieland fand mit Recht diese Schilderung etwas ni vornehm; er eignete sich aus ihr hauptsächlich den ersten Satz an ,elle n'^toit point grande dame" und malte demnach iübsch die kleinen Verhältnisse der »guten Frau* aus,

»die manchen Winter schon im Wittibstande sich und ihrem Sohn das Leben mit Spinnen fristete ein braves flinckes Weib, das früh und spat sich Müh zu geben gewohnt ist, keinen Zeitvertreib als ihres Haspels Knarren kennet, und sehr zufrieden ist, wenn auf dem kleinen Hcerd ein wenig dürres Reiss zur Mittagssuppe brennet,

10*

1 36 Fram Muncktr

wirthschaftlicli dann den Rest zusammenkehrt und in den Ofen trägt, der in der engen Hütte dem scharfen Frost nur sparsam wehrt.* ^)

Die Dienerin, die der Franzose ganz unnötiger Weise dem kleinen Haushalt beigesellt hatte, verabschiedete Wieland mit gutem Grunde wieder. Sicherlich kam auch seine Auffassung der Vorstellung näher, die Basile sich von der wackem Frau zu Casoria gemacht hatte; aber diese Auffassung ergab sieh für den deutschen Dichter ohne weiteres aus der Geschichte selber, aus der Arbeit etwa, zu der Pervonte von der Mutter in den Wald geschickt wird, aus den bescheidenen Wünschen, die er nachher beim Besuch des Volksfestes in Salem yerfolgt: eine Bekanntschaft mit dem italienischen Text ist daraus in keiner Weise zu schliessen. Dass die Sorge um den blöden, zu nichts zu brauchenden Sohn die .einzige Plage'' der Mutter war, hob Wieland übrigens auch wieder im Einklang mit dem französischen Bearbeiter hervor.

Enger schloss er sich an ihn in der Schilderung dieses Sohnes selber an. Kurz genug hatte Basile ihn bezeichnet als ,lo chiü scuro cuorpo, lo chiü granne sarchiopio, e lo chiü soUenne sarchiapone, c^avesse crejato la natura ... che no era buono pe no quaglio de cane*. Des weiteren malte der Italiener die Trägheit, Kohheit und Dummheit Peruontos nicht in ruhiger Schilderung aus, sondern zeigte sie vielmehr in der bewegten Handlung selbst. Auf eine genauere Be- schreibung der Hässlichkeit seines Helden wollte er zwar nicht verzichten; sehr geschickt vei*schob er diese aber auf eine spätere Gelegenheit, wenn der König den missgestaltet'en Burschen zum ersten Mal erblickt und voll Entsetzen in ihm den Vater seiner Enkel erkennt. Da zählt uns der Dichter alles der Reihe nach auf, wodurch schon die blosse Erscheinung Peruontos Ekel erregen muss: „otra che aveva lo capo de velluto, Tuocchie de cefescola, lo naso de pappagallo, la vocca de cernia, era scauzo e vrenzoluso, che, senza leggere lo Fio- ravante, potive pigliarete na vista de li secrete.* Auch der

1) Teutacher Merkur, November 1778, S. 103.

Wielands „Pervonte", 137

franzosische Bearbeiter hielt sich bei den abstossenden Gemüts- und Geisteseigenschaften des Märchenhelden nicht lange auf, desto mehr jedoch bei seiner äusseren Missgestalt ; aber auch diese schilderte er schon am Anfang der Geschichte, gleich bei der ersten Erwähnung Pervontes. Wieland folgte ihm darin. Die Aufgabe selbst, um die es sich dabei handelte, war für ihn weder neu noch schwer; hatte er doch seit dem Gemälde der Donna Mergelina im «Don Sylvio" (Buch U, Kapitel 2) schon manche Probe von seiner Kunst gegeben, körperliche Hässlichkeit drastisch zu beschreiben. So hielt er sich denn auch jetzt im einzelnen nicht allzu streng an das Bild, das m nächster Vorgänger von dem widerlichen Ausseren des Barschen entworfen und selbst völlig frei gegenüber der Zeich- Dimg des Italieners ausgeführt hatte. Um Augen, Lippen und Zähne kümmerte er sich weniger als der Franzose; auch die Ungleichheit der Schultern und Beine ersetzte er durch andere rnscfaönheiten derselben Körperteile. Immerhin blieb mehr als ein Zug von Hässlichkeit, den er unmittelbar der ^Biblio- theque' verdankte. Hier hatte es von Pervonte geheissen: ,11 aToit le teint fort noir et les cheveux tres-roux, un oeil petit ^t verd, Fautre plus grand et bleu; son nez etoit gros, ses Inres 4toient tres-^paisses, et deux longues dents jaunes comme ieui d^enses de sanglier, sortoient de sa bouche, d^ailleurs nial gamie: il avoit une ^paule plus haute que Tautre, et la .smbe plus courte du cöt^ oppos^." Wieland stellt uns den Jungen Kerl* vor, wie er sich im Kopf kratzt, •im dicksten Kopf, den je der weite Sund von einem Ochsenmaul in zwoo Halbkugeln trennte, mit rothem Haar garniert, das borstenweise stund, und um die schmale Stirne rund wie angezündte Stoppeln brennte, die Ohren ellenlang, die Nase kurz und dick wie Hals und Leib, die Schultern breit, die Beine wie Pfosten kurz, der Kruditäten eine des alten Mütterchens . . ."^)

^) Teutscher Merkur, November 1778, S. 102 f.

138 Frang Muncker

Aber auch die Dummheit und die gegen alles gleichgültige Trägheit Pervontes, der wie ein Tier nur den Trieb nach Nahrung in sich ftühlt, schilderte Wieland mit ausführlicheren Worten. Dabei klang namentlich ein Satz seines französischen Vorgängers in seiner Darstellung nach: «Ignorant en toui, b^te jusqu'ä ne rien comprendre: si c'est ^tre bon garjon que de n' avoir aucune volonte ä sei, et de ne former aucune espece de desirs, il avoit cette qualite.* Nur umständlicher spracli Wieland ungefähr den gleichen Gedanken aus und yerbramte ihn überdies mit ironischen Einfallen und Anspielungen, auf die weder Basile noch der Verfasser des französischen Auszugs gekommen wären:

„Da war auch keine Spur von Neugier noch Verstand;

nichts gieng in seinen Kopf, nichts gieng ihm von der

Hand . . . ... im TJebrigen ein gutes Vieh,

den nie der Kitzel stach, nach wann, warum, und wie,

bey irgend einem Ding zu fragen,

und den, ist nur sein Wanst, womit es sey, gefüllt,

nichts weiter in der Welt bekümmert;

das wahre Seitenstück zum Bild

des Wdsen beym Horae, dem's mächtig gleichviel gilt

wozu die Oötter wohl diess schöne Rund gezimmert,

dem Sonne, Mond und Stern stets unbewundert schimmert,

kurz, der fein warm und dicht in Dummheit eingehüllt,

nichts liebt noch hasst, nichts billigt und nichts schilt/ ^)

Noch freier verfuhr Wieland mit seiner Vorlage in def Charakteristik der fürstlichen Personen. Das Wesen des Königs hatte ßasile überhaupt nirgends mit besondem Worten ange- deutet, sondern liess es nur aus seinen Reden und Handlungen erkennen; ganz ebenso der Franzose. Wieland dagegen zeich- nete mit manchem Wortaufwand den König als einen ausser- ordentlich schönen Mann, der jedoch allmählich zu altern be- ginnt. Von seinen Charaktereigenschaften erfahren wir zu-

') Ebenda S. 104.

Wielands „Pervante". 139

nächst auch im deutschen Gedichte nichts; nur hören wir, dass er sich eben nicht sehr beeilt, seine Tochter, die in ihrer Schönheit ihm täuschend ähnlich ist, zu vermählen. In Wie- laads Vorlagen stand kein Wort von dieser Ähnlichkeit; ja Basile erwähnt nicht einmal die Schönheit VastoUas ausdrück- lich: sie versteht sich für ihn wohl von selber. Er erzählt ans nur, dass die Prinzessin „pe naturale malenconia*^ noch niemals gelacht hatte, bevor sie Peruonto erblickte. Diesen angeborenen Trübsinn verwandelte schon der französische Be- arbeiter in masslosen Stolz, dem er nun auch verschiedene rühmlichere Eigenschaften entgegenzustellen sich verpflichtet fühlte. So schilderte er die Fürsten tochter als , belle, char- cante, qui avoit de Tesprit et des talens, mais de la hauteur, de la fiert^, et d^daignoit tous les amans qui se pr^entoient tn foule pour lui faire la cour.* Wieland entwarf das näm- liche Charakterbild von seiner Vastola; nur malte er sowohl die Schwärme ihrer Anbeter wie auch neben der Schönheit der Prinzessin, des „Abgotts von Salem", die Koketterie der stets «Eiskalten*' und ^ Kieselharten** gegen ihre Werber breiter aus, ihr «Zauberlächeln'', das die Freier „zum Nichtermüden trischt*, zugleich aber ihren Trotz und ihre Verachtung, wo- mit sie die eben Ermutigten wieder von sich stösst und jeder Hoffnung beraubt. Dazu fügte er etwas später, bei der Er- zählung nämlich, wie Vastola zum ersten Male den Pervonte sieht, noch einen weiteren Charakterzug, mürrische Launen- liäftigkeit, die ihr den Gegenstand des allgemeinen Spasses nur zum Verdruss und Ekel gereichen lässt.

Nicht so bedeutsam wie die Charakteristik der wichtigeren Personen bildete Wieland die überlieferte Handlung des Xärcbens um, auch hierin seinem französischen Vorgänger «blich. Nur breiter machte zuerst dieser und dann noch ein- ßial der deutsche Dichter alles, Einzelheiten schoben sie beide '^m. auch die Anordnung der Teile der Geschichte, die Reihen- tolge der erzählten Vorgänge änderten sie hie und da ein wenig.

Basile hatte seinem Märchen einige kurze moralische Be- ^rkungen vorausgeschickt, wonach es zeigen sollte, wie keine

140 Frone Muneker

gute Tat in der Welt unbelohnt bleibt. In der «Bibliotheque" war diese Erörterung gestrichen worden ; der Bearbeiter begann hier sofort mit dem ,11 y avoit une fois*. Wieland, der ge- rade den kürzeren epischen Gedichten aus dem ersten Weimarer Jahrzehnt eine philosophierende oder moralisierende Betrach- tung vorauszusetzen liebte, deutete in dreissig einleitenden Versen so ziemlich auf dasselbe «Nil admirari'^ des Horaz, auf das er einige Seiten später bei der Charakterzeichnung Pervontes wieder anspielte,^) um den Gedanken des alten Lehr- meisters in der Lebenskunst ganz ähnlich fortzuspinnen wie dort: Wie der Weise, zufrieden mit den Gaben des Geschicks, in seiner Weisheit nichts wünscht, so wünscht auch der Dümmste nichts, aus Dummheit; so gleicht sich in der Welt alles gegenseitig aus, und darum mögen Weise und Narren in brüderlicher Liebe nebeneinander als Kinder Einer Mutter friedlich leben. Mit unbedingt zwingender Gewalt ergibt sich diese Lehre nicht aus dem folgenden Märchen ; es wäre darum doppelt befremdlich, dass Wieland sie, ohne auch nur mit einer Silbe der Moral Basiles zu gedenken, an deren Stelle gesetzt hätte, wenn er eben diese Moral in dem neapolitanischen Druck gelesen haben sollte.

Die eigentliche Geschichte beginnt im Italienischen wie im Französischen mit der Schilderung Peruontos und seiner Mutter; Wieland schiebt die Charakteristik des Köni^ und seiner Tochter voraus und springt dann ziemlich unvermittelt zu der Beschreibung des bäuerlichen Paares über. An sich bedeutete diese Umstellung keinen Vorzug des deutschen Dich- ters; bei der Umständlichkeit aber, womit er seine Figuren auszumalen pflegte, konnte er sich nicht wohl anders helfen. Er vermied es so, seine Erzählung gerade da, wo die Hand- lung ohne grossen Schaden unmöglich stillstehen durfte, durch die Schilderung des Fürsten und der Prinzessin ungebührlich lang zu unterbrechen. Für seine sehr viel kürzer charakterisie- renden Vorgänger bestand diese Gefahr überhaupt nicht.

^) Vgl. oben S. 138.

Widands „Pervante''. 141

Eine unwesentlichere Verschiebung in den ersten Vor- gängen der Geschichte selbst hatte schon der französische Be- arbeiter Yorgenommen, dem Wieland hier getreulich folgte. WieBasile erzählte er den Auftrag der Mutter an ihren müssigen SohOf aus dem Walde Holz für die Küche zu holen, und dessen Vollzug durch Penronte. Das im Italienischen anschaulich und breit dargestellte langsame Einhertrödeln des faulen Schlingels beachtete er zunächst nicht, liess ihn nach zwei Worten im Wald angekommen sein, sein Reisigbündel zusammenlesen mi nun erst ,en niaisant et en dandinanf sich auf den Heimweg machen. Wieland fühlte hier, wie sonst öfters, die Last und die Pflicht, den Vorgang in seine einzelnen Teile zu zergliedern, so dass wir Schritt vor Schritt die Handlung sich eotwickeln sehen, gleich als ob er die Abschnitte des «Laokoon*^, welche dieses Verfahren bei Homer rühmen, neuerdings gelesen Iiatte, vielleicht aber auch nur in unbewusster Ausübung der einst den Fabeln La Fontaines und ähnlichen Mustern abge- lernten Technik. So hatte er schon vorher Pervontes Mutter sagen lassen: ,Nimm deinen Hut, lauff in den Wald!*^ Nun erzahlte er Zug für Zug, wie der Bursche sich aufrafft, in den Wald .schlendert'', hier zuerst stehen bleibt und nach den Bäumen herumgafft, dann ans Werk geht, in die Hände spuckt, unter den Bäumen herumkriecht und sein Bündel dürres Holz sammelt, sich vergebens nach Hause getragen wünscht und endlich sich das Bündel auflädt und den Heimweg antritt. Wenn sich Wieland bei dieser epischen Ausführlichkeit seines Vortrags auch in gewissem Sinne der Darstellung des italieni- ^hen Textes näherte, so bedurfte er dazu doch keineswegs einer unmittelbaren Kenntnis dieses Textes. Gegen eine solche Annahme scheint es vielmehr zu sprechen, dass er gleich dem französischen Bearbeiter Pervonte erst nach getaner Arbeit 4ie Feen erblicken liess, wie er aus dem Wald wieder auf das *reie Feld heraustritt. Bei Basile begegnet er den drei mit Wunderkraft begabten Wesen bereits auf dem Wege zum Wald. Hier sind es aber Jünglinge, Söhne einer Fee, die da mitten 31 der heissesten Sonne schlafen. Nur die der neapolitanischen

^ (

142 Frane Muneker

Mundart eigene Bildung des männlichen Plurals auf e (.tre guagnune", ,ste poverielle*, «chille giovane* und in einigen Ausgaben auch »figlie de na fata" u. s. w.) führte den fran- zösischen Bearbeiter irre, so dass er die Schlafenden für Mäd- chen nahm. Wieland schloss sich um so unbedenklicher an ihn an, als ihm Feen zweifellos geläufiger waren als zauber- kräftige Söhne von Feen.

Auch die Art, wie Pervonte die der Sonnenglut ange- setzten Frauen, deren Schönheit ihn rührt, durch ein Laub- dach schützt und endlich erweckt, nahm er in der Hauptsache aus dem Französischen, das hier durch manche kleine Züge die italienische Vorlage erweitert hatte. Schon in der »Biblio- theque* breitet der mitleidige Bursche über die drei Laub- dächer, die er hier errichtet, seine Schürze, seinen Rock und sein Schnupftuch. Bei Wieland nimmt er zum selben Zwecke sein Wamms und Halstuch. Dann lacht er herzlich über seinen guten Einfall und «yahnt aus vollem Rachen

so laut als eine Eselin, bis unsre Nymfen dran erwachen."

Sein Gelächter, hatte es im Französischen geheissen, „etoit eclatant, et ressembloit beaucoup au braiement d'un äne". Im Italienischen fehlte das Lachen überhaupt und somit auch der drastische Vergleich. Die drei Jünglinge erwachen hier von selbst, sehen, wie gefällig sich ihnen der Bauembursche er- wiesen hat, und sagen ihm ohne weitere Zwischenreden sogleich, dass ihm alles zuteil werden solle, was er wünsche. Im Fran- zösischen fragen ihn die Feen zuerst, ob sie ihm für die liebens- würdige Aufmerksamkeit verpflichtet seien, und Pervonte ant- wortet auf diese Frage wie hernach auf die Mitteilung der Dankbaren, dass sie ihm ein Geschenk machen wollen, mit Reden, die trotz der Unbeholfenheit und Plumpheit des Aus- drucks zu viel Zartgefühl verraten, auch zu verständig und besonders zu wortreich sind, als dass wir sie dem Tölpel zu- trauen sollten. Viel richtiger schweigt er bei Wieland mit gesenktem Blick und schmunzelt bloss und dreht den Hut. In den Reden der Feen klingt übrigens auch hier mehrfach

Widcmds „PenotUe", 143

das Französische nach. Ebenso in den Versen, in denen beim Vetschwinden der drei Wunderfrauen Pervonte, der von allem oiclits begriffen hat, sein Befremden ausspricht, dass sie ihn trotz aller guten Worte nicht mit klingender Münze belohnt lütten; auch davon steht bei Basile nichts.

Wieder genau nach dem Französischen auch in jenen die Handlung Schritt vor Schritt uns vorführenden Einzel- zQgen, über die der italienische Verfasser achtlos hinwegge- gangen war, erzählt Wieland den Ausruf des heimkehrenden Perronte, dass das Reisigbündel, das er tragen soll, lieber ihn tragen möchte, die augenblickliche Erfüllung dieses Wunsches und den Ritt des bald von einer johlenden Menge begleiteten Barschen auf dem Bündel am königlichen Schlosse zu Salem vorbei. Vor dem Schlosse macht das Bündel, wie Basile in l^ungenster Kürze sagt, Volten und Kurbetten zum Er- staunen (,fece rote e crovette da stordire*). Der französische Bearbeiter hatte es schon auf dem Wege zum Schloss die ver- schiedenartigsten Sprünge machen lassen («le fagot . . . se met ägambader, ä pirouetter, et ä caracoUer"), die Wieland gar nicht alle nachbilden konnte. Vor den Fenstern des Fürsten aber machen in der «Bibliotheque* Pervonte und das Bündel gleich- falls absichtlich Halt und zeigen alle ihre Künste: «le cavalier et le fagot m6me jugerent ä propros de s'arr^ter quelque temps dans cet endroit, et d' y faire tous leurs exercices." Diese Übertreibung, die überdies für den gedankenlosen, auch jetzt den Zusammenhang der Dinge noch nicht begreifenden Pervonte in keiner Weise passte, liess Wieland mit Fug und Recht beiseite. Ebensowenig eignete er sich die ungeschickte Zutat des Franzosen an, dass vom Schloss aus die Prinzessin in Gesellschaft ihres Vaters dem lächerlichen Schauspiele zu- sah. Nur ihre Damen befinden sich bei ihr, im Deutschen ^e un Italienischen, das aber durch diese Übereinstimmung «ieder nicht als notwendige Vorlage Wielands zu erweisen ist: sein eigner künstlerischer Sinn konnte ihm schon sagen, dass <ler König vor dem Volksfest Pervonte nicht zu Gesicht be- kommen darf.

144 Frans Muneker

Bei Basile lacht die trübsinnige Fürstentocliter beim Anblick des seltsam springenden Bündels mit seinem Beiter zum ersten Mal in ihrem Leben laut auf, und der Bursche, ärgerlich über diese Verhöhnung, ruft ihr alsbald zu: ,0 Va- stoUa, ya, che puozze deventare prena de sto fusto!" Der fran- zösische Bearbeiter führt die Szene weiter aus: die Königs- tochter lacht zuerst tüchtig, dann ruft sie laut, dass Pervonte es hören muss: «Assuräment le cheval n^est pas beau; mais le cavalier est encore plus vilain, plus mausade, et plus ridi- cule.* Nun erst, durch diese Worte gereizt, schreit der Bursche ihr seinen groben Wunsch zurück, auch wieder um- ständlicher und im einzelnen genauer bestimmt als im Italie- nischen: ,Ah, ah, Mameselle la Princesse, vous ne me trouvez donc pas ä votre gr^? Eh bien, je souhaite que vous soyez grosse de moi de deux enfans, afin de Yoir, apres cela, comment vous me trouverez/ Wieland hält sich durchaus, manchmal fast wörtlich, an den Franzosen, erweitert und verstärkt ihn aber überall und strebt nach genauerer Begründung des Ein- zelnen. Die Prinzessin ist gerade schlechter Laune und lacht deshalb überhaupt nicht über Pervonte, der ja so, wie ihn Wieland zeichnet, ein herzhaftes Lachen nicht leicht übel nehmen würde; sondern

Sie rümpft die Nase, wirft sich in die Brust,

und ruft: „Seht doch den Bärenhäuter,

„den Vogelschreck! Sein Pferd ist freylich schlecht,

„und doch ists noch zu schön für einen solchen Knecht.)

„Das missgeschafne Thier!"

Pervontens lange Ohren,

wiewohl sein Witz so dick war als sein Fell,

verlohren

kein Wort von diesem Lobe „So? Mamsell

Princessin, ruft er, bin ich nicht nach ihrem Schnabel?

Gut! War' ich auch der grosse Bei zu Babel,

so wünsch ich, dass sie auf der Stell

mit Zwillingen, versteht sie, schwanger gienge,

und das von mir!

Wielanäs „Pervanie*'. 145

Dann wollten wir doch sehn, eh sie von Thür zu Thür

mit ihren Krabben betteln gienge,

ob sie dem missgeschafnen Thier

mit Freuden nicht sich an den Gürtel hiengel^^)

Nach diesem Zomesausbruch reitet er stracks nach Hause. Iber seine Ankunft daselbst berichtet Basile nur, dass die Mutter vor den nachfolgenden Gassenjungen schleunigst die Türe zusperrt. Ob sie auch ihren Sohn über seinen seltsamen Ritt befragt, wird uns nicht verraten ; das Märchen kehrt sofort zum Schicksal der Prinzessin zurück. Erst der französische Bearbeiter, und in engem Anschluss an ihn Wieland, erzählt Ton den Fragen der erstaunten Mutter, von Pervontes ver- worrenen Antworten, aus denen niemand klug wird, und von meinem ferneren müssigen Leben, während man das ganze Abenteuer allmählich vergisst: ohne Zweck und Plan, lebt der trage Tölpel auch ohne Wunsch weiter, so dass er Jahre lang nicht dazu kommt, die unbewusst ihm eigene Feengabe zu erproben.

Etwas rascher ging die „Bibliotheque" über die im Italieni- schen mit naiver Derbheit geschilderte wunderbare Schwanger- schaft und schliessliche Niederkunft der Prinzessin hinweg: nur betonte sie, dass Vastole beständig ihre Unschuld ver- sichert und in diesem Gefühle gerade jetzt doppelt spröde gegen alle Bewerber ist. Wieland folgte seinem französischen Vorgänger hier in allem und jedem; doch malte er selbständig in grösster Breite das Gerede am Hofe und in der Stadt über den unerklärlichen Vorgang aus. Den Zorn des Königs, der •Tor Gift und Galle gelber als eine Quitte wird*, deutete er dagegen ebenso wie der Franzose nur mit wenigen Worten »n. während sich bei Basile der Wütende in langen Reden ^oll der spitzfindigsten Wortspiele ergeht, den Tod seiner Tochter schon vor ihrer Entbindung und ebenso unmittelbar ^mach verlangt und sich nur durch die gleichfalls wort- und 'Ortspielreichen Vorstellungen seiner Räte bestimmen lässt zu

*) TeatBcher Merkur, November 1778, S. 109 f.

146 t)ran$ Muncker

warten, bis er mit der Verführten auch ihren jetzt noch un- entdeckten Verführer bestrafen kann. So wachsen die Kinder der Prinzessin inzwischen unbehelligt heran. Basile bezeichnete sie ausdrücklich als „dui mascolune, comme a dui pomme d^oro^; der Franzose machte daraus „deux petites fiUes'*, und so erzählte auch Wieland von zwei , holden Töchterchen*, über deren im Französischen als selbstverständlich nicht besonders erwähnte Schönheit er ein paar allgemeine Worte beifügte.

Auf das erneute Drängen des Königs nach sieben Jahren schlägt im Italienischen ein Ratgeber vor, ein grosses Festmahl zu veranstalten, zu dem ^ogne tetolato e gentelommo de sta cetate* oder, wie es hernach heisst, „tutte le perzune de ciappa e de cunto^ zu erscheinen haben; aber die herbeigeholten Zwillinge verraten zu keinem der Anwesenden die geringste Zuneigung. Aus dem einfachen Ratgeber machte der fran- zösische Bearbeiter ^un sage Ministre du Roi'^, Wieland, der nur bis zum sechsten Jahre der beiden Kinder wartete, einen Seneschall, den er ironisch als «Mann von grossem Kopf* bezeichnete. Die ausführliche direkte Rede des Ratgebers bei Basile hatte der Franzose in einen kurzen Satz zusammen- gedrängt und sich dazu der Form der oratio obliqua bedient. Wieland griff wieder auf die direkte Rede zurück, legte aber seinem Seneschall Worte in den Mund, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Italienischen aufweisen. Die Gesamtheit des Adels, die der Franzose ungefähr ebenso wie Basile aus- gedrückt hatte („toute la Noblesse'^, «tous les grands Seig- neurs du Royaurae, jeunes et vieux"), umschrieb er eigen- artig: „vom Hübnerstopfer an bis zu den ^) Herrn mit Stäben, was königlich sich schreibt. Erst die späteren Ausgaben seiner Dichtung (seit 1785) brachten dafür: „Vom kleinsten Junker an bis zu den Herrn mit Stäben, Was Ahnen hat*.

Nun lässt bei Basile der König auf den Vorschlag seiner Räte sogleich ein zweites Gastmahl, an einer langen langen Tafel, für die niedrigen Leute und alles Gesindel der Stadt

1) Im „Merkur" (Dezember 1778, S. 190) steht verdruckt: dem.

Wieländs ,,Perv<mte'', 147

geben (das im Italienischen weitläufig aufgezählt wird), um hier Tielleicht den Vater der Zwillinge zu entdecken, „perche la femmena s'attacca sempre a lo peo*'. Zu diesem Gastmahl begibt sich auf Zureden seiner Mutter auch Peruonto, und hum erscheint er, so laufen die beiden Kinder auf ihn zu und Qberbäufen ihn mit Liebkosungen. Der französische Bearbeiter setzte an die Stelle eines regelrechten Gastmahls „une cocagne' für das Volk von Salem und schilderte nach Berichten solcher, die Süditalien bereist hatten, einzelne Einrichtungen eines der- artigen Volksfestes, besonders die „Pyramide**, die man dabei dem Pöbel zur Plünderung überlässt, einen auf offnem Platze iioch aufgerichteten, mit allerlei Esswaren umsteckten Mastbaum. Wieland folgte wieder dem Franzosen, schob aber vor der - genau nach seiner Vorlage, nur etwas breiter geschilderten .Cöcagne", deren Namen er sogar beibehielt, noch einen zweiten, erfolglosen Versuch, einen Ball für die Bürger von Salem, selbständig ein und leitete sowohl zu diesem zweiten wie dann zu dem dritten Versuche durch lebhafte Reden zwischen dem König und seinem Seneschall hinüber.

Zu dem Volksfest treibt in der „Bibliotheque" die Mutter itn Pervonte: ,Vas-y ... tu m'en rapporteras du moins un cervelas*. Fast die nämlichen Worte spricht sie bei Wieland:

,. . . geh, du auch; du wirst doch eine Wurst zum wenigsten von diesem Spass erhaschen; lauf was du kannst!''

Die letzte Ermahnung, die den bei der Trägheit Pervontes nicht recht wahrscheinlichen Erfolg hat, dass der „Rothkopf beuchend angelauffen" kommt, stammt aus der kurzen, auch ^oU nicht so buchstäblich zu nehmenden Bemerkung des fran- zösischen Bearbeiters „et le ben6t y court". Wie im Italie- nischen und Französischen, eilen auch bei Wieland die Kinder .mit offnen Armen* (»les bras ouverts") auf Pervonte zu. Das Jnder »Bibliotbeque* nur ganz allgemein angedeutete Erstaunen Hofes und den Zorn des Fürsten drückte aber Wieland j*hr glücklich mit humoristischer Wirkung durch ein kurzes

148 Frans Muneker

Gespräch zwischen dem über den Erfolg seines Vorschlags erfreuten Seneschall und dem wütenden König aus. Damit näherte er sich wieder der Darstellungsweise Basiles, der hier gleichfalls zur direkten Rede gegriffen hatte. Auch aus der im Italienischen hier erst eingefügten Schilderung der äusser- lichen Hässlichkeit des Burschen, die Wieland gleich dem Franzosen ja schon viel früher gebracht hatte, scheint doch noch ein Zug hier in das deutsche Gedicht herüberzuwirken und zwar ohne Vermittlung der französischen Nacherzählung. Barfuss und zerlumpt (^scauzo e vrenzoluso*') kommt Basiles Peruonto zu dem Gastmahl; und Wieland beschreibt ihn

„. . . . so schmutzig als er da

in seiner Jacke steht, mit ungekämmten Haar

und ohne Schuh*.

Doch beschränkt sich auch hier die Ähnlichkeit auf einen ein- zigen, nebensächlichen Zug, auf den der deutsche Dichter sehr leicht von selbst ohne jede fremde Anregung kommen konnte. Die Worte aber, die er dem König in den Mund legte, unter- scheiden sich so sehr von den italienischen, dass man auch hier kaum auf eine unmittelbare Benutzung des neapolitanischen Textes wird schliessen dürfen.

Ein weiterer, gleichfalls selbständig ausmalender Zug Wie- lands ist es, dass der erzürnte Fürst, sobald die arme, sich keiner Schuld bewusste Vastola anfangen will, sich zu ver- teidigen, „ihr Arm und Bein zu brechen" droht. Die Strafe, zu der er die Prinzessin samt dem Burschen und den beiden Kindern verurteilt, dass sie zusammen in ein Fass gesteckt und ins Meer geworfen werden sollen, und der sofortige Vollzug dieser Strafe wird im Italienischen, Französischen und Deutschen ziemlich gleichmässig dargestellt. Nur fallen bei Basile die Räte, bei dem Franzosen und bei Wieland, der sich auch hier wieder der direkten Rede bedient, der König selbst in seiner Leidenschaft den Spruch, und bei ihnen steht auch schon das Fass bereit von dem Volksfest her, wo man es, mit Wein gefüllt Wieland nimmt an, mit „ziemlich saurem Wein*

WuHanda „Pervonte". 149

dem Pöbel preisgeben woUte. Dagegen fiel schon in der .Bibliotheque' die Bemerkung Basiles weg, dass einige jam- mernde Hofdamen der Prinzessin in das Fass noch ein kleines Fi^Iein voll Rosinen und getrockneten Feigen werfen, damit ihiv unglückliche Herrin wenigstens für eine kurze Zeit zu leben habe. Der Satz fehlte demgemäss auch bei Wieland.

Im Zusammenhange damit entwickelte sich denn auch die nächste Szene formal verschieden im neapolitanischen Märchen und in seinen beiden Bearbeitungen. In jenem fragt die ver- zweiflungsvoll weinende YastoUa, die vorläufig an kein Wunder denkt, nach dem eben Erlebten aber an der Vaterschaft Peruon- t')s nicht mehr zweifelt, diesen in der naiv -unanständigsten ^^eise, wie er es angestellt habe, sie in diese entsetzliche Lage K bringen. Der Tölpel antwortet auf diese wie auf jede folgende Frage und Bitte regelmässig: „Si vuoie che te lo <üco, tu dämme passe e fico'', und als seine Esslust befriedigt i< erzählt er die ganze Geschichte. Der französische Bearbeiter des achtzehnten Jahrhunderts konnte die urwüchsigen Derb- leiten des Italienischen seinen Lesern unmöglich zumuten. So hielt er die Frage nach dem Wie, auf die sein Pervonte keine Antwort weiss, ganz allgemein, doch so, dass sie zugleich ien vollen Unglauben zeigte, mit dem die Königstochter ä:e Losung des langjährigen , Rätsels aufnimmt, und Hess un- fliittelbar darauf die Versicherung der Prinzessin folgen, dass sie den mit ihr verurteilten Burschen überhaupt noch nie ge- lben habe, wofern er nicht etwa jener Geselle sei, der vor ^twa acht Jahren auf dem Reisigbündel am königlichen Schlosse Y^jrbeiritt. „Eh! mais vraiment c'etoit moi-mßme**, erwidert 'ia Pervonte, ,a telles enseignes que vous me trouvates vilain, ^^- que, piqu^ de cela, je souhaitai que vous fussiez grosse de W de deux enfans tout d'un coup. Oh Dame! Tout ce que ]^ i^uhaitois dans ce temps-lä, arrivoit sans faute; parce que jüTois rendu service ä trois Fees qui m'avoient dit que je ^avois qu'ä desirer.* Das in seiner regelmässigen Wiederkehr ^r das echte Volksmärchen so bezeichnende gereimte Sprücli- >in mit dem Verlangen nach Rosinen und Feigen konnte bei

l'«a. 3itigBb. d. phUot.-phi]ol. n. d. bist Kl. 1 1

150 Fron» iiunelur

einer derartigen lebhafteren Gestaltung des GeBprächs keine Stelle mehr finden; darum strich der Bearbeiter das ganze Motiv.

Wieland folgte hier durchweg in freier Weise der ,Biblio- theque". Hatte diese das Entsetzen und die VerzweifloDg der Prinzessin eben auch nur genannt, so malte er die fürchterliche Lage der mit Pervonte zusammengesperrten, dem Tode preis- gegebenen Fürstentochter mit kräftigen Stricheln genauer aus und legte dabei den Nachdruck besonders auf das Widerliche und Schmachvolle der Situation fClr die spröde, stolze Yastola. So zeugen denn auch ihre Reden von einem Ekel und einer Verachtung ihres Schicksalsgenossen, die im Französiseheu nicht wahrzunehmen sind. Mit Abscheu und unbedingtem Un- glauben weist sie den Gedanken an seine Vaterschaft zurück. Breiter und derber als in der ganz abgeblassten Darstellung der „Bibliotheque*, zugleich jedoch noch lebendiger und natür- licher in Rede und Gegenrede gegliedert, entwickelt sich hier ihr Gespräch mit dem plumpen Burschen. Auf ihren Ausruf „Ich, die dich nie in meinem Leben sah!' unterbricht sie dieser:

,Was das betrift Frau Donna Vastola,

da möchtet ihr die Wahrheit ziemlich sparen.*

Und nun entspinnt sich zwanglos mit dramatischer Munterkeit der Dialog:

Ach! nun besinn ich michs an deinen rothen Haaren

und an dem weitgespaltnen Maul

Bist du vielleicht der Schuft, der auf dem Steckengaul

hey unserm ScMoss vor siAen Jahren

vorbeyyeritten ham?

„Ey freylich, bin ich der! Ich weiss es noch als wärs von gestern her; besinne mich gar wohl, wie ihr das Naschen rümpftet, und wie ein Sperling auf mich schimpftet, und hiesst mich Vogelschreck und Zeidelbär, und was vors Maul euch kam Es kroch mir übern Magen, das läugn^ ich nicht; und, mit Respect zu sagen, da wünscht^ ich euch, ihr möchtet straks von mir

WUüandM „Pervonte''. 151

mit Zwillingen ein wenig schwanger gehen:

Ihr solltet, dacht ich, Spass verstehen;

Wie ihr Ernst draus gemacht und zu den Püppchen hier

gekommen seyd, da möcht ihr selber sehen.

Ich, wie ihr wisst, weiss weder Gicks noch Gacks

davon. Das weiss ich nur: ich hatt^ es Ton den Feen

dass damals, was ich wünschte, stracks

geschehen musste.*

Wie? das hattest du von Feen? .Nieht anders! Meine Keuterey auf einem Bündel Reis bey euerm Schloss vorbey kam bloss daher. '^)

Daran schliesst sich dann im Deutschen wie im Fran- »«schen ganz von selbst, und zwar mit beinahe wörtlicher Uereinstimmung, die Frage, ob Pervonte diese Feengabe noch inimer habe, und seine Antwort, dass er dies nicht wisse, da & bei seiner Mutter immer genug zu essen, also nichts zu wünschen gehabt habe. Im Italienischen fehlt auch diese Er- wägung; VastoUa hat hier kaum vernommen, wie vor acht lahren alles vor sich ging, so bittet sie den noch eben Ge- scbmahten mit den freundlichsten Worten sie nennt ihn .Frate mio* und ,Bello giovane mio** , dass er das Fass in ein schönes SchiflF und, als es Abend wird, das SchifiF in ^ herrliches Schloss, endlich sich selbst in einen schönen, Unen jungen Mann verwandelt wünsche. Und Peruonto ver- engt jedes Mal seine Handvoll Feigen und Rosinen; dann sj'richt er den Wunsch aus, der sich alsbald erfüllt. Die über- ^'Mihende Vollkommenheit dieser Erfüllung, das geschäftige Tmben auf dem Schifife, die prächtige Einrichtung des Pa- 1^, die nunmehrige Schönheit Peruontos, schildert Basile 2iit wenigen, aber bezeichnenden und durchaus genügenden Strichen.

Der französische Bearbeiter wandte schon beträchtlich c^ehr Worte auf, obgleich bei ihm Pervonte ohne jede Gegen-

') Teutscher Merkur, Janaar 1779, S. 5 f.

11*

152 Dräne Muncker

forderung sogleich den Bitten der Prinzessin Gehör schenkt. Zuerst wünscht er hier nur Lebensrettung überhaupt, worauf das Fass flott und sicher auf den Wogen dahinschwimmt, dann erst ein schönes, mit allem Nötigen bequem ausgestattetes Schiff, hernach in einem anmutigen, aber unbewohnten Tal am Ufer ein prächtiges Schloss mit Park, Obstgarten, Weide- plätzen, allerlei Tieren, dazu Diener, Dienerinnen und sonstiges Gefolge. Die beiden letztem Wünsche spricht ihm die Prin- zessin Wort für Wort vor. Im Schlosse setzen sich die Ge- retteten zu Tisch, begeben sich dann, müde von den Auf- regungen des Tages, bald zur Ruhe, und erst beim nächsten Mittagsmahl wünscht sich Pervonte der Prinzessin zuliebe persönliche Schönheit.

Obgleich fast doppelt so umfangreich wie das Italienische, verhält sich doch die Erzählung in der „Bibliotheque* zu Wielands Darstellung dieser nämlichen Vorgänge wie eine knapp andeutende Skizze zur breitesten Ausführung. „Mon eher Pervonte*, hatte auch im Französischen die Prinzessin sogleich begonnen, als sie von der Feengabe hört, die ihr sonst nur Abscheu erweckender Geföhrte besitzt. Wieland lässt sie zuerst noch grob auf seine Dummheit schimpfen, die ihn die ganzen Jahre her nie zu einem Wunsch hat kommen lassen; dann sucht sie ihn nicht ohne Ironie zum Wünschen zu bewegen. Und nun weigert sich der durch ihre Schmähungen gekränkte Pervonte und gibt ihren Bitten erst nach, als sie ihm „einen derben Schmatz* gewährt, dessen Widerlichkeit für die stolze Vastola Wieland nachdrücklich hervorhebt. Also auch hier lässt sich der Tölpel seine Bereitwilligkeit zu wün- schen durch eine Gegengabe abkaufen wie bei Basile, im Gegen- satze zur französischen Fassung. Doch scheint auch dieses Motiv nicht aus dem italienischen Texte zu stammen: der Ver- fiisser der „Komischen Erzählungen* und der folgenden, geistig verwandten Dichtungen brauchte keinen fremden Lehrmeister, um zu schildern, wie eine spröde Schöne sich in der Not gegen den, der sie retten kann, nachgiebig erweist.

Die beiden ersten Wünsche der französischen Bearbeitung

Wi^ands „PervofUe". 153

drängte Wieland in einen zusammen : sein Pervonte muss sich sogleich «die schönste kleine Barke* wünschen, wohl versehen mit allem Nötigen und bemannt mit rüstigen Matrosen. Auch liier kehrte der deutsche Dichter doch wohl unbewusst zu der Fassung des italienischen Originals zurück. Sie ergab sich üun ganz natürlich von selber: wenn die Prinzessin die £r- liorung ihrer Bitte so teuer, durch einen Euss, bei dem wider- lichen Gesellen erkaufen muss, kann sie sich auch nicht mit der Kleinigkeit begnügen, zu wünschen, dass sie in dem Fasse nicht ertrinken möchten, sondern darf sogleich mehr, ein ^hunes Schiff, begehren. In der Ausmalung des «Feenwerks^, üas auf den kaum ausgesprochnen Wunsch erscheint, verfuhr Wieland ganz selbständig, mit behaglichster Breite und mit Aufwand aller möglichen Anspielungen auf geschichtliche Vor- güige und philosophische Lehrsätze. Wenn die Matrosen bei üim «belebten Bildern gleich* unermüdlich ihre Arbeit «nach dem Takt in tiefster Stille'' tun, so ist dies das gerade Gegen- teil von der lärmenden Geschäftigkeit der Schiffsleute bei Ba.vile, die freilich auch dem süditalienischen Yolkscharakter hesser entsprach: hätte Wieland den neapolitanischen Text g'-bnnt, so hätte er wohl auch das Leben auf der Barke soehr im Einklänge mit ihm geschildert. Sicherlich unab- ^gig von Basile, bei dem auch nach der Verwandlung des Uvses in ein Schiff und in einen Palast die getrockneten feigen und Rosinen ihre Rolle weiter spielten, obgleich sie ioch nur in dem sonst an Vorräten leeren Fass eine Bedeutung hatten, kam Wieland auf den Einfall, dass Pervonte sich ^cptsachlich an die .Mundprovisionen" hält, die natürlich •- dem wohl ausgerüsteten Schiffe nicht fehlen und ihm, der ja in der deutschen Erzählung bisher nichts zu essen be- ■^"inmen hat, erwünschter als alles andre sind. Die Frage, ^* verschieden das Wunder auf ihn und auf Vastola wirken ^lle, musste den Dichter naturgemäss auf diesen Charakterzug "•^ines plumpen Helden biingen.

Auch im folgenden führte Wieland den Gegensatz zwischen ▼as Pervonte und die Prinzessin empfinden und wünschen,

154 Frans Muneker

wirksam fort. Im wörtlichen Anschluss an den französischen Text schilderte er zunächst, wie die Barke ein Vorgebirge .dubliert" (»eile doubla ensuite heureusement un petit cap*^) und »vor Abend noch am schönsten Ufer* anlangt. Noch bevor aber Yastola hier ihren neuen Wunsch formulieren kann, fällt ihr Pervonte, dem der Sinn nur nach Essen steht, mit dem drolligen Ausdruck seiner Begierde ins Wort. Ärgerlich unterbricht sie ihn und spricht ihm ihr Verlangen nach dem 9 schönsten Schloss*, dessen Einrichtung und Umgebung sie nach allen Einzelheiten beschreibt, so langatmig vor, dass Per- Yonte in der Tat mit einem gewissen Recht ihr Einhalt gebietet:

»He! ists noch nicht vorbey? die Feen können's ja nicht all im Eopf behalten: Ihr wollt auch gar zuviel auf einmal!*

unmittelbar an die Erfüllung dieses Wunsches schliesst sich auch bei Wieland das Abendessen in dem durch seine Herrlichkeit immer neues Staunen erregenden Schlosse an. Aber statt, wie im Französischen, müde die Ruhe zu suchen, bringt im deutschen Gedichte Pervonte schon beim Nachtisch durch seine plumpe Zärtlichkeit Yastola zur Einsicht, dass ihr, wie die Dinge einmal liegen, nur die Vermählung mit ihm übrig bleibt, und so bestimmt sie ihn auch sogleich dazu, sich Schönheit zu wünschen. Bei Basile hatte das Eine Wort „Narciso* die Schönheit des Verwandelten ausgedrückt. Schon im Französischen aber hatte es geheissen, die Erfüllung dieses letzten Begehrens habe Pervontes eigne Wünsche übertroffen, sich aber vollkommen im Einklang mit denen der Prinzessin gehalten. So veränderte denn Wieland schon das Wort Per- vontes ,Je veux bien fetre beau* in den Ausruf: „Lasst, vom Ballen zum Schopf, mich seyn wie ihr mich haben möcht!'' Zugleich entwickelte er sorgfaltig die Gedanken Vastolas, die den hässlichen Burschen zwar zu einem Adonis umgeschaffen, aber mit der Muskelkraft eines Milon von Eroton ausgestattet sehen möchte, und schilderte mit lebendigen Zügen, wie sie alsbald errötend sich in ihren geheimsten Wünschen von den

Wiaandi „Ferwmte*'. 155

Feen ertappt und Pervonte in ,ein Ideal, yoUkommem in der Mitten vom Herkules und rom Antinous'* verwandelt erblickt.

Mit der Schönheit des Jünglings sind bei Basile alle Wunsche der Königstochter befriedigt: vor Freude ausser sich scbüesst sie den Verwandelten in ihre Arme. Auch der fran- ztlsische Bearbeiter berichtete, wie verliebt sich nunmehr die Prinzessin gegen den erweist, den sie vorher als verächtliches Scheusal behandelt hat. Ausdrücklich fügte er aber noch hinzu: «Elle ne se presaa pas de lui faire desirer de Tesprit". Wohl aber beeilt sie sich, von einem durch Feenkunst in das Schloss geführten Priester sich mit Pervonte rechtmässig trauen zu lassen. Erst nach einigen Tagen weist sie ihren Gatten u. sich auch Verstand zu wünschen, aber genau so viel davon, ak er brauche, um glücklich zu werden und seine Frau glück- lich zu machen, und kaum ist auch dieser Wunsch erfüllt, so erklärt ihr Pervonte, dass sie nun zufrieden sein und die Feen künftig nicht mehr beunruhigen wollen. Und so leben sie, mit sich selbst und der Erziehung ihrer Kinder beschäf- tigt, glücklich und wunschlos in ihrem Schlosse weiter.

Auch Wieland machte sich den Zusatz der aBibliotheque* ^ohl zu Nutze. Nur die kirchliche Trauung, die zu dem ganzen ^.liarakter des Märchens wenig passte und nur wie eine äusser- liche Formalität erschien, liess er mit Recht beiseite. Aus- führlich schilderte er die Verliebtheit der Prinzessin in ihren verwandelten Geföhrten, über dessen Schönheit sie volle acht Tage lang seine angebome Dummheit ganz und gar vergisst. Efst wie der einförmige Oenuss sie zu langweilen beginnt, ^•ittet sie ihren Freund, sich auch Verstand von den Feen zu wünschen. Aber erst nach längerem Widerstreben, durch das gerade die Albernheit Pervontes noch einmal hell beleuchtet ^, entschliesst er sich, ihre Bitte zu erfüllen; er ruft:

„Nun wohlan, so gebt mir dann Verstand, ihr lieben Feen, und zwar vom guten! Denn es heisst, es sey nicht alles Gold, was gleisst.** ^)

*) Teutscher Merkur, Januar 1779, 8. 18.

156 Fron» Muneker

Wie sehr ihn auch diesmal die Feen erhören, beweist er gleich seinem französischen Vorbilde sofort durch den Entschluss, nun keine neuen Gaben von seinen Wohltäterinnen mehr zu erpressen:

yLass durch Oenuss uns nun verdienen, was wir haben!

uns lieben, Yastola, und alles um uns her

mit unserm Glück erfreuen und beleben,

sey unser Loos! Was könnten wir noch mehr

uns wünschen, oder was die Feen mehr uns geben?*

Mit diesen Versen bricht Wielands »Pervonte* im ,Teut- schen Merkur* 1779 ab, und stünden darunter nicht ausdrück- lich die Worte .Die Fortsetzung künftig", die wenigstens die Absicht des Dichters bekunden, sein Märchen noch weiter zu führen,^) so könnte die Rede des glücklichen und zufriedenen Titelhelden recht gut als Schluss des Ganzen gelten. Jedenfalls war für den dichterischen Eindruck der Ausgang des Märchens entbehrlich, wie ihn Basile und breiter, aber sonst nichts weniger als glücklich der französische Bearbeiter erzählte, die Einkehr des in der Nachbarschaft jagenden Königs im Schlosse seiner Tochter, seine Begegnung zuerst nur mit seinen Enkelchen, dann mit ihren Eltern und endlich die fröhliche Versöhnung aller. So fehlte denn auch beim Wiederabdruck des ,Per- vonte* im fünften Bande von Wielands , Auserlesenen Ge- dichten* 1785 (und wohl ebenso in der mir nicht zugänglichen neuen Auflage von 1791) jede Andeutung einer beabsichtigten Fortsetzung: die Verse, in die 1779 die Dichtung nur vor- läuiig ausgeklungen war, erschienen jetzt als der volle, end- gültige Abschluss des Ganzen.

^) Vgl. auch Wielands Brief an Merck vom 22. Februar 1779 (Briefe an Merck, Darmstadt 1835, S. 156f.): ^Fervonte ist, soweit er fertig ist, im März und den ersten 8 Tagen des Aprilfl 1778 gemacht worden. Die hernach plötzlich eingetretene Kälte unterbrach die Voll- endung, und seit dieser Zeit ist es mir unmöglich gewesen, das Ding fertig zu machen. Denn das Denouement fehlt noch, wiewohl es rur Noth auch da, wo ichs abgebrochen habe, aufhören könnte.*

Widohds ,^ervonte", 157

Der Hinweis auf die italiemsche Quelle lautete übrigens iu diesem spätem Abdruck noch bestimmter als früher im deutschen Merkur": «Das Sujet ist aus dem Pentamerone oder CufUo ddli Cunti di Gian Alesio Abbatutis genommen, woroQ sich in der Biblioth. ünivers. des Romans vom Jun. nni Septemb. 1777 ein Auszug befindet/ Dass trotzdem Wieland aller Wahrscheinlichkeit nach nur diesen französischen Auszug, jedoch nicht den italienischen Orundtext zur Vorlage hatte, lässt sich nun aber auch noch durch gewisse Unterschiede zwischen seiner Dichtung und dem neapolitanischen Märchen in der stilistischen Form beweisen.

Bei aller Treue gegen den alten Inhalt der Märchen und gegen die derbe Ausdrucksweise der untersten Klasse unter den Einwohnern Neapels war doch Basile kein volkstümlicher Erzähler im strengsten Sinn, der nur die einfache, unver- künstelte Sprache des Volkes redete. Vielmehr verrät seine Darstellung mit ihren vielen Anspielungen auf Geschichte und Literatur schliesslich immer den gelehrt gebildeten Schrift- steller. Besonders aber weist sie eine bestimmte stilistische Manier auf, die Basile der italienischen Kunstliteratur seiner Zeit abgelernt und für den drastisch-witzigen Vortrag seiner Märchen in eigner Weise ausgebildet hatte. Gleich allen Schülern Marinis hebte auch er Antithesen und Wortspiele, überhaupt eine bildhche, künstliche, uneigentliche Ausdrucks- weise. Prächtige Beispiele dafür bieten in unserm Märchen vor allem die Reden des erzürnten Königs: die Gesuchtheit der Einfalle und Redewendungen verschwindet hier stellen^ weise fast völlig hinter der urwüchsigen Derbheit und un- mittelbaren Wirksamkeit des muntern Witzes. So, wenn der ^onig, nachdem er in einigen recht gezwungenen Bildern ^inen Räten den Zustand VastoUas angedeutet, auch in die ärgerliche Klage ausbricht: »Giä sapite, ca pe carrecareme la fronte, s'ha fatto carrecare lo ventre", oder wenn er bei dem abschreckenden Anblick Peruontos wütend seiner Tochter zu- nift: ,Ah, nfamma, cecata fauza, che metamorfose so eheste? ifttentare vacca pe no puorco, azzö ch'io tomasse piecoro?*

158 Frang Muneker

An solchen Stellen müsste Wieland seine helle Freude gehabt haben; wären sie ihm bekannt geworden, so hätte er sie sich für seine Nachbildung gewiss nicht entgehen lassen. Denn während der nüchterne, wenig naire franzosische Be- arbeiter derartige Spuren eines kräftigen, wenn auch nicht eben sehr feinen Witzes erbarmungslos beseitigte, liebte Wie- land sie ebenso sehr, wie er andrerseits die Freude Basiles an gelehrten Anspielungen teilte, die der Franzose gleichfalls samt und sonders unterdrückte. Wob doch Wieland deren noch ungleich mehr als der italienische Erzähler in seine Dichtung ein, von der Schilderung der Schönheit Vastolas an gleich am Anfang der Geschichte bis zu den verschiednen Wünschen Pervontes, mit deren wunderbarer Erfüllung sie schliesst, Anspielungen auf antike Sage und Geschichte, Lite- ratur und Kunst, auf alte und neue Philosophie, ja selbst auf abgelegene geographische Namen (z. B. auf die Marianeninsel Tinian), Anspielungen, die hauptsächlich zur sinnlichen Ver- deutlichung und zum rednerischen Schmucke dienen sollten, mit denen Wieland aber auch bisweilen ironische oder humo- ristische Absichten verfolgte. Doch gerade die Anspielungen, die sich bei Basile finden, sucht man bei Wieland vergebens, und ebenso wenig triifft man bei ihm die für den Italiener bezeichnenden Derbheiten und volkstümlich -niedrigen Wen- dungen an, soweit sich nicht etwa ein schwacher Rest davon in die französische Bearbeitung hinüber gerettet hatte. Auch jene derb -witzigen Wortspiele und Antithesen, die ja im Deutschen leicht genug nachzubilden gewesen wären, begegnen uns nicht bei Wieland; an die bildlich-uneigentliche Ausdrucks- weise Basiles erinnert bei ihm so gut wie nichts.

Dagegen traf er unbewusst mit glücklichem Takte den von dem Italiener angeschlagenen und von dem Franzosen fast durchweg verfehlten humoristischen Ton. Er brauchte ja nur im grossen und ganzen wieder die Sprache zu reden, die er erst vor wenigen Monaten mit grosser Geläufigkeit im , Schach Lolo* und viel früher schon nicht ganz so fliessend in ein- zelnen Abschnitten seines „Urteils des Paris* und anderer

WMamäs „Pirwnte*'. 159

Gedichte, desgleichen hie und da in den komischen Kapiteln seiner Prosaromane gesprochen hatte. So würzte er denn auch jetzt seinen dichterischen Vortrag überall mit derbem, yolks- tümlichem Witz, wählte gern niedrige und plumpe Ausdrücke, gelegentlich sogar mundartliche oder yeraltete, nur noch land* schaftlich hie und da im Gebrauch erhaltene Worte und Formen,^) sparte auch charakteristische Schimpfwörter, Wen- dungen des Unmuts, des Zorns, der Geringschätzung nicht, trug bei Schilderungen die Farben etwas dick auf und gab den Reden seiner Personen mit Vorliebe etwas Polterndes, Dummdreistes oder Hochfahrendes. Ja selbst, wo eine gut- mQtige Regung Perrontes Seele beschleicht, wie beim Anblick der schlafenden Feen, drückt er sein Gefühl äusserlich plump aus:

,^s ist Schade doch für diese Dirnen da, so in der Sonne, wie die Kälber, zu liegen, unbeschirmt !'^)

Um aber seine Hässlichkeit und Trägheit zu beschreiben, ver- wendet Wieland gleich im Anfang des Märchens neben allerlei karikaturenhaften Zügen auch mehrere zweifelhafte Ehren- namen wie 9 Lümmel", »Faultier", »gutes Vieh* und dergleichen, und diese Liste erfahrt im weiteren Verlauf der Geschichte, so oft von dem Titelhelden die Rede ist, eine ganz beträcht- liche Vermehrung.

Wo etwa schon der französische Bearbeiter einen derberen Ausdruck braucht, vergröbert ihn Wieland oder malt den Sinn anschaulicher, wirksamer, nur freilich mit nichts weniger als zarten Farben, aus. »On s^apperfoit que son ventre grossit", heisst es in der »Bibliotheque* von der Prinzessin, nachdem Pervonte im Arger ihr Zwillinge gewünscht hat. Stellenweise mit wörtlichem Anschluss an diesen Ausdruck und doch breiter, deutlicher und derber schreibt Wieland:

1) Teutscher Merkur 1778, Bd. IV, S. 110 mein Laur, flacken; 1779, Bd. I, S. 7 bis 80 gut, S. 10 durchniatem, lüstern (als Zeitwort), u. s. w.

*) Teutscher Merkur, November 1778, S. 106.

160 FranM Muneker

,Fünf Monden waren kaum Yorbey, so muss bereits der Kammerschneider der schönen Vastola ganz ingeheim mehr Raum für Ihrer Hoheit Weichen machen . . . . . . Bej allem dem schwillt ihr der jungferliche Bauch/ ^)

Nach der Geburt der Kinder berichtet der Franzose farblos genug: ,Le Prince est dans la plus grande colere". Viel an- schaulicher nnd volkstümlich-lebendiger schildert Wieland die hilflose Wut des Fürsten:

«... und dass der Grosspapa vor Gift und Galle gelber

als eine Quitte wird, und sich nicht trösten kann,

von einem ungenannten Mann

so grob vexiert zu seyn versteht sich von sich selber.*^)

Ahnliche Beispiele bietet der Druck der Dichtung im „Teut- schen Merkur" nahezu auf jeder Seite dar, und die späteren Ausgaben haben gerade in dieser Beziehung nichts Wesent- liches geändert, wenn auch etwa in ihnen der eine oder andere mundartliche Ausdruck einem hochdeutschen den Platz räumen musste.

Sonst aber wies die Dichtung schon 1785 eine im ein- zelnen sorgfaltig durchgefeilte und umgebildete Gestalt auf. Zunächst wurde die lange und nicht sehr geschickt philosophie- rende Einleitung gestrichen, so dass nunmehr das Ganze richtig mit dem üblichen ,Es war einmal" begann. Auch auf den unmittelbar folgenden Seiten kürzte Wieland viel, besonders bei der Charakteristik des Königs von Salem. Was ihm nun ein blosses Spiel nichtigen Witzes und leeres Geplauder schien, fiel weg; inhaltlich und künstlerisch war dabei nichts verloren. So gründlich übrigens wie auf den ersten zwei bis drei Seiten ging er im weitern Verlauf der Dichtung nicht mehr mit seinen Änderungen und Strichen vor. Noch immer feilte er fleissig und fast ausnahmslos mit Einsicht und Geschmack;

M Teutscher Merkur, Dezember 1778, S. 193. 2) Ebenda S. 195.

Widandf „Perwmte". 161

aber seine Verbesserungen bezogen sich von nun an meistens nur auf einzelne Worte und Formen. Änderungen, die eine, wenn auch nur kleine, Wörtergruppe, einen ganzen Vers und dergleichen betrafen, wurden, je weiter die Dichtung vorrückte, desto seltener.

Wieland ersetzte 1785 mehrfach landschaftliche und ver- altete Wort- und Flexionsformen durch die gemeinüblichen hochdeutschen Formen. Statt den Mehrheitsbildungen „Daume*, .Stangen* schrieb er ^ Daumen*, .Stangen'; «Pflaum* ver- tauschte er mit »Flaum*, , gelüstig* mit »lüstern*, »zwo* mit jZwei*, »so hättens wohl* mit »so hätten sie* u. s. w. ; für .mein Laur* setzte er, wohl hauptsächlich, weil er das Wort doch nicht in seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht hatte, das viel weniger sagende »mein Krauskopf*. Überflüssige Worte, besonders Eigenschaftsworte, die nicht viel bedeuteten, doch auch sonst kleine, entbehrliche Flickwörter, strich er öfters, nicht immer. Auch aus Pervontes ungefüger Anrede an die Prinzessin »Frau Donna Vastola* (Merkur 1779, I, 5) musste das mittlere Wort entfallen. Von etwas grösseren Satzgliedern wurde nur eines vollständig getilgt, bei dem Garten, den Vastola sich rings um ihr Schloss wünscht, die Worte »noch schöner als der beste im Homer* (ebenda I, 11); ganz unmöglich wäre es übrigens nicht, dass dieser Vers 1785 nur übersehen worden wäre. Auch von den reichlich in den Text eingestreuten Fremdwörtern beseitigte Wieland nach und nach wenigstens die, die unverändert in ihrer fremdsprachUchen Gestalt geblieben waren. Nur selten konnte er sie einfach wegstreichen^) oder bequem mit deutschen Worten vertau- schen;^) meistens musste er den ganzen Satz anders wenden. Hatte es von dem Lächeln, mit dem Vastola am Hof ihres

1) So im Merkur 1779, I, 8 ,Che gusto!"

^ So z. B. ebenda I, 13, wo er aus der , präsumtiven Braut" ohne ^dc Mühe eine , künftige* machte, oder I, 10. wo er ,to be or not tf) be* vortrefflich dem Sinn der Stelle gemäss mit dem Wort „die Möglichkeit* übersetzte.

162 Fram Muneker

Vaters zahllose Verelirer an sieh kettefc, früher geheissen (Merkur 1778, IV, 101):

«Doch immer war in dieses Zauberlächeln, in diesen Blick, der sie zum Nichtermüden frischt, ein Trotz, der freylich ihr gar schön Hess, eingemischt, mit zwey, drey Gran Verachtung, quantum satis, versetzt, womit sie euch ganz sachte von sich stiess, und, jemab anders ihr als gratis zu dienen, wenig Hofnung liess*

so wurde nun die ganze weitschweifige Beschreibung in vier Verse zusammengezogen (Auserlesene Gedichte, Bd. V, S. 216):

.doch immer war darein ich weiss nicht was gemischt, das ihm die krafb, die anmuth, kurz, was lächeln zum lächeln macht, auf einmal wieder nahm, so dass den Herren nicht viel davon zu gute kam.*

Namentlich strebte Wieland 1785 nach grösserer Präg- nanz des Ausdrucks; viele Änderungen, die sich nur auf ein Wort oder auf ein paar Silben erstreckten, dienten dem Zwecke, die oder jene Kleinigkeit bezeichnender auszumalen. Pervontes Stirne biess nun nicht mehr , schmal'' (Merkur 1778, IV, 102), sondern platt *'; das Reisig, das der Bursche seiner Mutter holen soll, lag jetzt nicht bloss „schon abgebrochen' (ebenda IV, 105) im Wald, sondern »vom Sturm gebrochen*; bei dem Volksfest sollte, statt »an Zierlichkeit und Pracht' (ebenda IV, 198), nunmehr »an Überfiuss und Pracht' nichts fehlen; bei der letzten Bitte Pervontes an die Feen, ihm Ver- stand zu geben

»und zwar vom guten! Denn es heisst, es sey nicht alles Gold, was gleisst*

wurde nun ausdrücklich hervorgehoben:

»Ihr seht, beym ersten wort, erhörten ihn die Feen,*

während früher viel allgemeiner dafür nur gesagt war, dass sie ihn »auch diesesmal*" erhörten. Durch das ganze Gedicht

WiOandi „Pervonte". 163

hindun^h begegnen immer wieder Verbesserungen dieser Art. Auch dem Wohllaut zuliebe, um die rasche Wiederkehr des nämlichen Wortes zu yermeiden, änderte Wieland hie und da. Das Reisigbündel trug 1778 (IV, 108) seinen Reiter «so schnell als einen kaum der schnellste Klepper tragen konnte'^ ; 1785 wurde, um mehr Wechsel in den Ausdruck zu bringen, das ei^ , schnell'^ mit «hurtig' vertauscht.

Auch Ton den derben Worten und Wendungen des ersten Druckes mussten 1785 einige weichen. Aus der höhnenden Rede der Prinzessin Ober den auf dem Reisigbündel reitenden Penronte, die überhaupt etwas verändert wurde, strich Wieland die Schimpf Worte , Vogelschreck " und «das missgesqhaffne Tier*' und setzte dafür die zahmeren Ausdrücke «Wechselbalg'' und »Unhold*. Die gleiche Milderung des Wortlauts musste dann natürlich auch in der Antwort des gekränkten Burschen durch- geführt werden. So schwoll denn auch hernach der verwünschten Prinzessin nicht mehr «der jungferliche Bauch* (vgl. oben S. 160), sondern bloss «zusehends ihr Gontour^. Wenn da- gegen Pervonte die mit ihm dem Tode preisgegebene Vastola an jenes erste Zusammentreffen erinnert, wari^ er ihr 1785 derber als 1779 vor, dass sie damals auf ihn «wie ein Rohr- spatz', nicht bloss «wie ein Sperling", geschimpft habe.

Ein paar Male feilte Wieland prosaische Redewendungen recht glücklich weg. Der schlecht gelaunten Prinzessin macht 1778 sder Gegenstand der allgemeinen Lust* Verdruss und Ekel; 1785 verdriesst sie «die allgemeine Lust* selber. Als Pervonte nach ihrem Wunsch Schönheit von den Feen erhält, erscheint er ihr 1779 als «ein Ideal, vollkommen in der Mitten Tom Herkules und vom Änünom*. Viel kunstreicher und edler leisst es dafür 1785:

«ein Ideal, worin Antinous

und Hercules so um den Vorzug stritten,

dass jeder siegt und keiner weichen muss.*

Wie hier, so wandte auch sonst noch ein und das andere Mal Wieland 1785 geringfügige Zusätze auf, um eine Rede

164 JFVafMr Muncker

oder Handlung lebhafter auszumalen. Verlegen schmunzelt Pervonte 1778 vor den erwachten Feen und ,, dreht den Hut*; nun lässt er viel anschaulicher .den abgegrifnen hut im kreis um seinen daumen treiben*'. Der Seneschall, dessen Rat den König zur Veranstaltung des Volksfests bestimmt, tragt 1778, nachdem er sich zu Anfange seiner Rede öfters unter- brochen hat, die Hauptsache ziemlich fliessend vor (IV, 196):

,es sey so ein Instinchts von Doctoren „genannt, den Kindern angebohren'' . . .

Viel besser wird 1785 das Zögernde, Stammelnde, aber zu- gleich mit falscher Gelehrsamkeit Prahlende seiner Rede, wie in den vorausgehenden Versen, so auch hier gemalt:

,es sey wie hiessen's doch auf griechisch die Doctoren so ein so ein insünct den kindern angebohren".

Einen etwas grösseren Zusatz brachte 1785 nur die das Gedicht beschliessende Rede Pervontes, in die vor den letzten fünf Zeilen die lehrhaften Verse neu eingeschoben wurden:

„Nichts ist nunmehr uns noth als die begnügsamkeit; allein mit dieser muss der meusch sich selbst begaben*.

Verhältnismässig viele Änderungen erfolgten endlich aus metrischen Gründen. Wieland hatte den „Pervonte* wie seine meisten kürzeren Erzählungen in sogenannten vers irreguliers geschrieben, in Jamben von verschiedener Länge und will- kürlicher Reimstellung. Er war dabei über die sonst meistens üblichen Freiheiten noch um einen Schritt hinausgegangen und hatte nicht nur zwei- bis sechsfüssige Verse bunt mit- einander wechseln lassen, sondern zweimal sogar einen Ein- füssler eingeschmuggelt (Merkur 1778, IV, 98 und 109), gern auch denselben Reim über drei und mehr Verse erstreckt, während nur äusserst selten eine Zeile reimlos geblieben war. Jetzt ging er augenscheinlich darauf aus, die grosse Anzahl der kurzen Jamben zu beschränken, namentlich die häufige Wiederkehr solcher kurzer Verse unmittelbar hintereinander zu beseitigen. Die beiden Einfüssler und mit ganz ausser-

Wielanda „Pervonte**. 165

ordentlich wenigen Ausnahmen auch die zahlreichen Zwei- und Dreifüssler wurden entfernt, die Vierfüssler oft um zwei oder vier Silben vergrössert und, wo sie blieben, wenigstens mehrfach durch längere Jamben unterbrochen, so dass ein bunterer Wechsel von verschieden langen Versen eintrat und, wo dieser Wechsel nicht völlig durchzuführen war, doch lieber längere als kürzere Verse, namentlich Fünf- und Sechsfüssler (auch die letzteren gegen die erste Ausgabe sichtlich vermehrt), nebeneinander standen. Ein Beispiel unter vielen! Nachdem Pervonte Schönheit erlangt hat, war im „Merkur" (1779, I, 15) die Schilderung von Vastolas dankbarer Freude über das Feen- geschenk mit den vier Versen eingeleitet worden:

»Wir wollens nur gestehn,

(bedungen, dass ihr guter Nähme

nicht drunter leiden soll) die liebe Dame

schien in der Dankbarkeit beynah zu weit zu gehn/

Bei der verschiedenen Länge der vier Zeilen war von seiten des Wohllautes an ihnen schwerlich etwas auszusetzen; dass die Jamben in regelmässigem Fortschritt von Vers zu Vers um je einen Fuss zunahmen, dürfte auch ein empfindliches Ohr kaum verletzen. Aber Wieland wollte 1785 die Drei- fiissler, wo es nur irgend anging, ausmerzen und überhaupt die Verse breiter, voller gestalten und änderte daher ohne Rücksicht selbst darauf, dass seine Jamben jetzt an Länge gleichförmiger wurden:

„Wir wollen 's nur geradezu gestehn

(bedungen, dass ihr guter nähme

nicht drunter leiden soll) die liebe junge Dame

schien in der dankbarkeit beynah zu weit zu gehn/

Zugleich mit den kurzen Versen suchte Wieland nun aber auch die allzu häufige Wiederkehr des gleichen Reimes zu be- ^bränken. Manchmal ging das sehr leicht Hand in Hand und machte sich wie von selbst: die Zeilen brauchten bloss ^usserlich anders abgeteilt zu werden, ohne dass auch nur

1908. Sitsgsb. d. pbiloa.-phUoI. u. d. bist El. 12

166 Prang Muneker

ein Wort Terändert werden musste, Hatte er 1779 (I, 11)

geschrieben:

. Begnüge dich

mir nachzubeten'',

so schrieb er die vier Worte 1785 einfach in Einer Zeile und hatte damit zwei Verse kürzester Art und von vier gleich- klingenden Reimen wenigstens einen weggeschafft. In andern Fällen musste er freilich auf ein neues Reim wort sinneD. Dann und wann fielen aber beim Entfernen der kurzen Verse auch Reime weg, die keineswegs über mehr als zwei Zeilen sich erstreckten und nichts weniger als Gleichförmigkeit des Klangs bewirkt hatten; so, als 1785 von den folgenden Versen des ersten Drucks (Merkur 1778, IV, 105) der zweite und dritte und wieder der fUnfte und sechste in je Eine Zeile zu- sammengezogen wurden:

.... so wenig Lieb* und Lust

er auch zur Arbeit hat, so raft

er doch am Ende

sich auf, und schlendert in den Wald;

steht da und gaft,

als ob er gar besonders fände ..."

Wurde auf solche Weise die Dichtung 1785 um mehrere Reime ärmer, so tilgte Wieland andrerseits damals doch auch die wenigen Verse, die in der ersten Fassung ohne Reim ge- blieben waren. Nur eine reimlose Zeile ^) blieb, vielleicht bloss durch ein Versehen, unverändert, und wohl durch weiteres Versehen schlichen sich nun neuerdings zwei solche Verse ohne Reim ein, der eine gleich zu Anfang in die Charakte- ristik Vastolas,'^) der andere in die Schilderung von Pervontes Rückkehr zu seiner Mutter.^)

^) Merkur 1779, I, 17 »Izt endlich merckt die Dame, wo es fehlt'. 2) Auserlesene Gedichte, V, 216 .stand ihnen frey; mit unter wurden sie*.

*) Ebenda V, 226 „auf seinem bündel reis in ihre hütte ein*.

Wielands „Pervonte'*, 167

Als Wieland 1796 den sPervonte' in den achtzehnten Band seiner «Sämmtlichen Werke" aufnahm,^) stattete er weder die» drei Verse nachträglich mit Reimen aus noch brachte er jetzt überhaupt an Vers und Reim nennenswerte Verbesse- raogen an. Nur sehr selten wurde durch Ausfall oder Ein- Ogung eines Versfusses die Länge einer Zeile verändert. Er- wähnung verdient fast nur, dass in dem einzigen Falle, wo Wieland auch 1785 noch zwei besonders kurze Verse hinter- einander hatte stehen lassen, er nunmehr wenigstens einem Ton ihnen eine grössere Länge gab. Als Perron te keuchend zum Volksfest nach Salem gelaufen kommt, hatte es 1785 genau wie 1778 geheissen (Auserlesene Gedichte, V, 235):

.Kaum werden sein, so schmuzig als er da

in seiner jacke steht, mit ungekämmtem här

und ohne schuh,

die kinderchen gewahr,

so laufen sie zu aller weit erstaunen

mit ofnen armen auf ihn zu."

Bei der letzten Ausgestaltung seines Werks wiederholte der

Dichter im vierten Vers die Anfangs worte des Satzes „Kaum

werden sein die Kinderchen gewahr* und erweiterte so den

•IreifÜssigen Vers zu einem Fünffiissler von tadelloser Länge.

Die Änderungen, die der Text des „Pervonte** in dieser

Ausgabe letzter Hand erfuhr, waren überhaupt spärlich und

beschränkten sich durchweg auf Kleinigkeiten. Dann und wann

wurde ein entbehrliches Wort gestrichen, einmal freilich auch

ein Adjektivum eingefügt, das gleichfalls als entbehrlich gelten

^änn, um so mehr, als genau an derselben Stelle die Ausgabe

T^m 1785 ein früher hier bereits stehendes Eigenschaftswort

getilgt hatte. Für die Barke nämlich, in die sich die alte

Tonne verwandeln soll, wünschte sich Vastola im „Merkur"

1779 (I, 8) , zwanzig junge starke Matrosen", 1785 (V, 244)

Dw „zwanzig starke Matrosen", 1796 (Bd. XVIII, S. 153)

M In wie weit die neue Auflage der auaerleaenen Gedichte von l^^l Textänderungen enthielt, muss ich dahin gestellt sein lassen, da nur diese Ausgabe nicht vorliegt.

12*

168 Franz Muncker

wieder „zwanzig tüchtige starke Matrosen*'. Sonst beseitigte Wieland nunmehr einige Fremdwörter sowie etliche ältere oder mundartliche Formen, die 1785 noch Gnade vor seinen Augen gefunden hatten. So wurde z. B. einmal (Auserlesene Gedichte, V, 243) «aut aut' einfach gestrichen, ein andermal (ebenda V, 229) , vexiert* durch „gefoppt" ersetzt, wieder an einer andern Stelle (V, 219) das Wort Apathie ** durch eine andere Wendung des Satzes vermieden. Aus Wittibstand wurde „Wittwenstand**, „früh und spat'' in „früh und spät', , Rei- sich t** in „Reisig", „bis so gfut" in „sey so gut" verwandelt. Wieder mussten auch ein paar volkstümlich-niedrige Ausdrücke weichen (z. B. V, 240 „Ich . . . weiss weder giks noch gaks davon"); auch „spie" jetzt Pervonte bei der Arbeit im Walde nicht mehr in die Hände, sondern durfte nur noch darein „spucken". Hie und da wurde der Ausdruck prägnanter, be- deutender, so wenn Y, 214 das nichtssagende „allenfalls" in dem Satze

„Was mancher allenfalls vor seinem Spiegel dachte gieng zoUfrey durch"

in das sinnreichere „in geheim" verbessert oder kaum vierzig Verse später von der stolzen Sprödigkeit der Prinzessin gesagt wurde, keiner ihrer höfischen Bewerber sei schön genug ge- wesen, um als Gemahl „zur Rechten" (statt nur „zur Seite") ihr zu stehn. Weniger glücklich freilich berief sich der rat- gebende Seneschall jetzt nicht mehr beide Male (wie früher V, 230 und 232) auf Terenz, sondern an der zweiten Stelle auf Ovid. Auch den Wohllaut endlich sollte es vermutlich befördern, wenn es nunmehr gleich im Anfange von Vastola hiess, sie schien dem Vater „aus den Augen ausgeschnitten" (statt „aus dem aug' herausgeschnitten").

Doch alle diese und andere Verbesserungen der Ausgabe von 1796 waren an sich geringfügig und verloren vollends jede Bedeutung gegenüber der einschneidenden Veränderung, die hier der Schluss des , Pervonte" aufwies. Den beiden Teilen, aus denen die Dichtung bisher bestanden hatte, war

Wielands „Pervonte". 169

nun ein dritter angehängt, der an Umfang den zwei voraus- gehenden beinahe gleichkam.

Schon 1779 hatte Wieland ja im , Merkur* eine Fort- setzung seines Märchens für künftig versprochen. Hätte er damals gleich sein Wort eingelöst, so wäre er wohl, wie in dem bisherigen Qang der Geschichte, so auch in ihrem Schluss inhaltlich genau der Erzählung in der .Bibliotheque'' gefolgt. Hier war nun freilich gerade das Ende des Märchens, das Wiedersehen Vastolas und ihres Vaters, recht unlebendig ge- mildert, und die breiten, gekünstelten Reden der Kinder, die naiy sein sollten, es aber durchaus nicht waren, konnten einem Qatürlich gearteten und wahrhaft künstlerisch gebildeten Ge- sehmacke nicht zusagen. Sollten diese Mängel seiner Vorlage Wieland abgestossen haben, so dass er die versprochne Fort- setzung damals nicht lieferte? Oder, was beinahe wahrschein- licher ist, drängte ihn nur die Arbeit am ^Oberon", für die er alle Kraft anspannte, von der geplanten Vollendung der kleineren Dichtung ab? Als er fünfzehn Jahre später zu dieser zurOckkehrte, hielt er sich von der französischen Bearbeitung des Märchens vöUig frei und erfand einen ganz neuen, weder hier noch bei Basile irgendwie vorgebildeten Schluss zu seinem jPerronte*. In gewissem Sinne war es eine novellistische Ver- anschaulichung der Lehre, die in den letzten Worten der bis- berigen Dichtung lag, dass Genügsamkeit und gegenseitige Liebe das durch Feengunst geschenkte Glück erst zum wahren, dauernden Glücke mache. Pervonte war nach seiner ganzen Charakteranlage geeignet, ein Beispiel solcher Genügsamkeit larzubieten , während Vastola, ,die alles gleich verliert, so Wld sie's hat* (wie Wieland sie schon früher gekennzeichnet l^tte), ihm gegenüber zeigen konnte, wie ihre stets nach Reuen Wünschen lüsterne Unzufriedenheit ihren Gatten und schliessüch sie selbst um alles Glück bringt.

So schilderte denn Wieland, wie die Königstochter, des idyllischen Landlebens bald überdrüssig, nach rauschenderen •ö»d prunkreicheren Vergnügungen begehrt und Pervonte, der ü» der glücklichen Weltabgeschiedenheit und seiner Liebe die

170 Fran$ Muncker

höchste Befriedigung gefunden hätte, wider Willen ihretwegen neue und immer unbescheidnere Wünsche an die Feen richten muss. Unerkannt in prächtigster Verkleidung besucht er mit ihr ein Hoffest in Salem; dann entfalten sie während eines längeren Aufenthaltes in Neapel und Venedig einen alles blen- denden yerschwenderischen Olanz. Und kaum sind sie in ilir paradiesisches einsames Tal zurückgekehrt, so lädt Vastola Herren und Damen aus Neapel in ihr Schloss, um mit ihnen in beständigem Wechsel und unnatürlicher Steigerung wieder alle Genüsse der Stadt durchzukosten. Während Pervonte sieb mehr und mehr von diesem tollen Jagen nach Vergnügungen, die ihm widerwärtig sind, zurückzieht, gewinnt einer der lebensfrohen Gäste Vastolas Gunst. So verzichtet sie gern bei neuen Lustfahrten, die sie nach verschiednen Städten Italiens plant, auf die Begleitung ihres von solchen Absichten schlecht erbauten Gemahls und erbittet sich als letzte Feengabe durch ihn nur noch ein Beutelchen, das sich von selbst immer wieder mit Goldstücken füllt. Allein zurückgelassen aber fleht Per- Yonte inbrünstig zu den Feen, deren Güte er nun so oft hatte missbrauchen müssen, ihm alles wieder zu nehmen, was sie ihm bescherten, und ihn in seinen alten Stand zurückzuversetzen, worin er vor allen Wünschen war. Wieder erscheinen ihm die drei Feen und gewähren ihm diesen letzten, besten aller seiner Wünsche: arm und hässlich steht er wieder in der Hütte seiner Mutter, wie ein wunderlicher Traum liegt das im Feenzauber verlebte Jahr hinter ihm, und von allen Gaben, die es ihm gebracht hatte, ist ihm nur der Verstand geblieben. Vastola aber, durch seinen letzten Wunsch natürlich auch mit einem Schlage aller Feengaben beraubt, ist wieder die jung- fräuliche Tochter des Königs von Salem denn auch die Zwillinge verschwinden wieder ; nur eine schmerzliche Er- innerung an das Zauberglück, das sie durch eigne Schuld ver- loren hat, lassen die Feen ihr zur Strafe.

Mit dem Schluss des »Pervonte* in der »Bibliotheque* hatte dieser letzte Teil des Wielandischen Märchens höchstens ein Motiv gemeinsam, die Pracht, in der Vastola und ihr

Widands „PerwMe". 171

Gemahl mit dem König von Salem wieder zusammentreffen, und das ungläubige Staunen des Königs über diese Herrlich- keit. Aber jenes Wiedersehen von Vater und Tochter ist im Denischen ganz anders geschildert als im Französischen und zudem ziemlich nebensächlich behandelt. Dass Wieland zu dieser Episode durch die Darstellung in der «Biblioth^que" angeregt worden sei, ist daher zum mindesten sehr zweifelhaft. Das plötzliche Erscheinen und Wiederverschwinden der beiden Feengünstlinge am Hofe zu Salem stammt wohl ebenso wie das sich stets neu füllende öeldbeutelchen aus der Fortunatus- sage. Die im schönsten Glück unbefriedigte Begierde der Frau, die endlich sie samt ihrem Gemahl aus dem Wunderreiche treibt, kann vielleicht auf die biblische Erzählung vom Sünden- fall zurückgeleitet werden, und Wieland selbst scheint sogar gleich auf den ersten Seiten ein wenig daran erinnern zu wollen, wenn er die Frage aufwirft, wie Yastola allein mit einem Gatten zufrieden sein könnte, „wär^s auch im Paradies*. ÜDTerhaltnismässig näher ist aber die yei*wandtschaft zwischen Wielands Erzählung und dem plattdeutschen Märchen «Von den Fischer und sine Fru'' (in den , Kinder- und Hausmärchen* der Brüder Ghimm Nr. 19). Auch hier wünscht die Frau immer neue und höhere Dinge zum Yerdruss des Mannes, der gleichwohl ihre Wünsche dem wunderwirkenden Wesen vor- tragt, und auch hier ist diese Masslosigkeit des Begehrens zuletzt schuld, dass der Zauber aufhört, 'der unbegreifliches ausserUches Glück gebracht hatte, dass die, die ihn erfuhren, plötzlich aus dem höchsten Glanz und Reichtum in ihre ur- sprüngliche Armut und Niedrigkeit zurückversetzt werden und überhaupt das Geschehene am Ende ungeschehen gemacht *ird. Freilich ist der Inhalt der einzelnen Wünsche, der aossere Verlauf der ganzen Geschichte und so besonders auch die Art, wie die Katastrophe herbeigeführt wird, durchaus Tersehieden in den beiden Märchen. Nur das Grundmotiv Wielands scheint aus dem plattdeutschen Volksmärchen zu stammen, das er irgendwie durch mündliche Überlieferung l^ennen gelernt haben muss denn gedruckt lag es damals

172 Frans Muneker

noch nirgends vor ; die Ausführung im einzelnen war ganz und gar sein Werk. Auch aus den vielen sonstigen Märchen und Erzählungen, die er zu andern Zeiten fleissig genutzt hatte, entlehnte er hier nichts. Fttr die Schilderung von Neapel und Venedig begnügte er sich mit dem Allgemeinsten, und so brauchte er auch hiefbr aus keinen besonders reichen Quellen zu schöpfen. Auch nur etwa auf eine erneute Lektöre der Anfangsseiten von Heinses .Ardinghello* deuten die paar Zeilen über das Vermählungsfest des Dogen von Venedig nicht.

Vielleicht hätte durch eine emsigere Ausnutzung der älteren Märchen- und Erzählungsliteratur der letzte Teil des yPervonte" an Leben und bunter Fülle gewinnen können. Denn Wielands Erfindung ist nicht sonderlich reich und mannig- faltig. Das nämliche Motiv kehrt zu wiederholten Malen wieder und zwar ohne wirksame Steigerung. Daraus erfolgt eine ge- wisse Gleichförmigkeit der Handlung, ja sogar auch der ziemlich häufigen Beschreibungen. Es fehlt inneres Leben, wechselnde Bewegung, sichtbarer Fortschritt der Entwicklung.

Dazu kommt nun noch der gegen die früheren Teile der Dichtung merklich, aber nicht glücklich veränderte Ton der Darstellung. Zwar, wie sich Wieland einmal den Grundgedanken dieses Schlusses zurecht gelegt hatte, konnte er den derb- volkstümlichen Ton nicht mehr so keck und unbedingt an- schlagen wie ehedem. Denn seitdem Pervonte mit Verstand begabt ist, steht er geistig wie gesellschaftlich auf einer zu hohen Stufe, um in seinem Reden und Tun noch etwas von dem früheren ungehobelten Lümmel zu verraten. Der Gegen- satz zwischen seiner Ausdrucksweise und der der Prinzessin musste nunmehr aufgehoben sein; die Darstellung wurde da- durch notwendig feiner, aber auch wieder einförmiger. Gleich- wohl hätte Wieland noch immer Gelegenheit genug gehabt, durch den frischen, derben Humor der älteren Gesänge auch den letzten Teil des Werkes zu beleben. Aber dem alternden Dichter scheint dazu die Fähigkeit noch mehr als die Lust gemangelt zu haben. Denn hie und da sieht es doch so aus, als ob er wenigstens vereinzelt den ehemaligen Stil nachzu-

Wielanda „Pervonie", 173

bilden gesucht hätte. Da flocht er drastische Ausdrücke und Wendungen wie .Lümmel*, «Mund und Augen aufsperren ''^ ,den Kragen sich abschneiden* und ähnliche, auch ein ver- altetes Wort wie »zwier* in seine Sprache ein und schraubte einmal eine kurze Bede des Fürsten von Salem beinahe freilich doch nur beinahe auf den früheren niedrig-plumpen Ton zurück. In der Hauptsache jedoch bediente er sich jetzt einer gesellschaftlich feineren, aber auch gleichmässig ruhigeren, konventionelleren , weniger frischen und charakteristischen Sprache; alles klang buchmässiger und näherte sich nun im Stil und Ton so ziemlich jener französischen Nacherzählung Basiles in der ^Biblioth^que des romans*, von deren Dar- Mungsweise sich Wieland vordem so glücklich entfernt hatte. Zugleich wurde sein Vortrag nun immer breiter und lehr- Iiifter. Je ärmer an unmittelbar treffendem Witz sich der Er- zähler fand, desto eifriger jagte er jetzt der Moral nach, an die er trotz aller subjektiven Betrachtungen in den früheren Teilen der Dichtung doch kaum recht gedacht hatte. Auch Satire stellte sich nun reichlich ein, auf launenhaft begehrende, mit kluger Berechnung heuchelnde und schmeichelnde Frauen, auf junge, in der Yerführungskunst erfahrene Stutzer, auf vergnügungssüchtige Toren, die auch auf dem Lande nur die Freuden der Stadt wiederfinden wollen, und dergleichen. Aber diese Satire war in den meisten Fällen gerade herausgesagt, nicht künstlerisch verkleidet und in Handlung eingeschlossen. Mit allem dem kam Wieland wieder weit ab von dem Charakter des echten Volksmärchens, zu dem er immerhin einst mit dem »Pervonte'* einen erfreulichen Anlauf genommen Wte. Aber vielleicht traf er gerade damit den Geschmack ^iner Zeitgenossen, deren Mehrzahl eben gleich ihm für das richtige Volksmärchen noch nicht reif war.

Für die frühere Fassung seines Gedichts hatte er neben dem Beifall anderer Freunde das warme Lob von Goethes Mutter geemtet, die ihm am 12. März 1779 schrieb: »Gestern Abend . . . W ich Pervonte oder die Wünsche, hatte darob eine solche Freude, fühlte so ganz, was Ihr vor ein herrlicher Mensch,

174 Framt Muncker

Yor ein lieber Wieland sejd, und dass keiner vor Euch und schwerlich einer nach Euch seyn wird, der in solcher Art von Oedichten und Erzählungen den Orad erreichen wird, den Ihr von Gottes Gnaden und der Mutter Natur empfangen habt."^^) Jetzt sprach dem Dichter des «Peryonte** vomehndicli Herder seine freudige Anerkennung aus in einem bisher ungedruckten Briefe, der auch noch von einer andern Seite her ein helleres Licht auf die späte Fortsetzung unsers Mär- chens wirft. Er befindet sich in einem Sammelband yod «Damenbriefen an Wieland ^ unter den Handschriften der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden^), in den er wohl wegen einer kurzen Nachschrift von Herders Gattin ge- raten ist. Er füllt die beiden Seiten eines grossen Quartblattes weissen Papiers und ist mit säubern, hübschen, deutlichen Zügen geschrieben. Das Datum fehlt; doch stammt der Brief, wie sich aus einem Schreiben Wielands ergibt, das ziemlich bestimmt als seine Antwort darauf gelten muss, vom 9. Januar 1795 oder aus den unmittelbar vorhergehenden Tagen. Er lautet:

Empfangen Sie meinen besten Dank, lieber holder Jugend -Dichter für Ihr vollendetes Mährchen. Es ist mit so reifer Weisheit, so angenehm-täuschend vollendet, dass man in ihm die ganze Geschichte des menschlichen Herzens, des Charakters beider Geschlechter, insonderheit die ganze Fabrik des prinzesslichen Herzens zu sehen und zu lesen glaubt.^) Die Begebenheiten sind im letzten Gesänge etwas gedrängter, aber sehr natürlich herbei- geführt. Ist es eine Täuschung gewesen? oder es stockt etwas im Gange der Begebenheiten ohngefahr um die Gegend des Nachtbesuchs auf dem Schloss zu Salem; vielleicht würden sich da einige Züge wegbringen lassen, die den sonst durchaus raschen Gang aufzuhalten scheinen. Doch kann dies auch der Irrthum des Moments seyn,

*) Cotta'sches Morgenblatt 1855, S. 759 f.

*) Genaueres über diesen Sammelband s. nnten S. 184 ff. im Anhang.

^) Diu Wort ist in der Handschrift nachträglich eingefügt.

Wi€land9 „Penonte". 175

im Hören und Lesen. Das Qleichniss vom Gähnen und der Hyäne will mir auch nicht recht ein; das Gähnen in solchen Augenblicken ist nicht tröstlich; aber doch der Rachen der Hyäne?

Nun aber hätte ich eine Hauptbitte für den braven Pervonte. Er kann unmöglich hinter diesen Erfahrungen, auch nur im Feentraum durchlebt, uns ' als der alte Lümmel dargestellt werden. Verstand, noch dazu vom bessten, den er vor unsem Augen so oft und lange er- wiesen hat, der ihm also, wenn auch nur im Traum, eigen geworden ist, ist eine zu edle und innige Gabe, als dass sie sich mit der Zauberruthe einem braven, noch dazu durchquälten braven Menschen nehmen liesse. Auch im philosophischen Mährchen, mein lieber H. und Freund, muss Becht und Billigkeit herrschen. Die Princessin muss von den Narrheiten der durchträumten Nacht Eindrücke behalten, die ihr ausgewünschtes und ausgebrauchtes Herz in ihrem neu-alten Zustande sich^) und^) andern*) noch unerträglicher machen; und Pervonte kann vor seiner Mutter durchaus nicht als der alte Lümmel dar- stehn, oder Sie arbeiten selbst Ihrer Kunst entgegen. Wenigstens müssten Sie im Anfange des Gedichts einige Züge an^) ihm*) mildem: oder wenn es auf diese zu erst angelegt war. Dichter des Feenlandes, so müssen Sie ihn hinten nach mit etwas entschädigen. Er muss gewinnen, und Yastola die Kosten bezahlen; Compensation findet hier nicht statt.

Guten Morgen, lieber. Machen Sie uns noch mehr solcher Mährchen; es ist in ihnen die Summe der Philo- sophie und Lebensweisheit. H.

Ich darf nur noch hinzusetzen, dass wir das Gedicht mit einer eigenen, lange nichtgenossenen Freude gelessen haben und dass Sie uns aufs neue theuer und lieb ge- worden sind, freundlicher, wohlthätiger Genius! Ihre C. H.

*) Das Wort ist in der Handi>)cbrlft nachträglich eingefügt.

176 . Frang Muncker

Da Herder den letzten Gesang des ^Pervonte" zu Anfang des Jahres 1795 zu lesen bekam, so wird ihn Wieland ver- mutlich unmittelbar vorher im Herbst oder Winter 1794 ge- dichtet haben. Dieser Gesang muss aber in der Handschrift, aus der ihn Herder kennen lernte, noch nicht ganz die Fassung gehabt haben, in der er hernach veröffentlicht wurde. Denn was Herder in seinem Briefe über eine Stockung im Gang der Begebenheiten ,um die Gegend des Nachtbesuchs auf dem Schloss zu Salem" schreibt, trifft auf das gedruckte Gedicht nicht mehr zu. Wieland scheint also in der Tat hier einige hemmende Nebenzüge weggebracht zu haben. Vielleicht war gerade in ihnen auch das Nächtliche des ganzen Abenteuers stärker betont: jetzt findet der Besuch in Salem zwar auch noch zur Nachtzeit statt; aber mit ausdrücklichen Worten ist das nirgends gesagt, und der Leser denkt demgemäas auch kaum daran, dass er es mit einem « Nachtbesuch " zu tun hat.

Auch das Gleichnis vom Gähnen und dem Rachen einer Hyäne, das Herder tadelt, sucht man in dem gedmckten »Pervonte" vergebens. Wo es, wahrscheinlich nicht ganz ohne Schuld des Reims, früher gestanden haben mag, lässt sich nicht einmal bestimmt behaupten. In dem gedruckten Schlussgesang ist zweimal vom Gähnen die Rede, gleich auf den ersten Seiten dicht hinter dem Selbstgespräch, in welchem Yastola ihre Unzuiriedenheit mit dem zärtlichen Schäferleben zuerst verrät, und wieder später, als Pervontes Unbehagen bei dem Besuch der Gaste aus Neapel auf seinem Landgute ge- schildert wird. Der Rachen der Hyäne kann natürlich aber auch an einem andern Orte erwähnt gewesen sein, da Wieland möglicherweise mit dem Gleichnis auch das Gähnen selber weg- gelassen hat.

Deutlicher lässt sich aus Herders Worten der ursprüng- liche Ausgang des Märchens erkennen: Pervonte kehrte nicht bloss arm und hässlich, sondern auch plump und dumm wie früher in die Hütte seiner Mutter zurück, und Yastola blieb ohne quälende Erinnerung an das verscherzte Glück. Es fehlten also in der Handschrift, auf die sich Herders Brief bezieht,

Wielanda „Penmte''. 177

sicher die letzten neunzehn Verse des Druckes; das Gedicht schloss hier höchst wahrscheinlich mit den Worten : «Kurz alles setzet sich in seinen alten Stand. *'• Ebenso fehlten zwei oder drei Seiten vorher die Verse, in denen es ausgesprochen war, (iass Pervontes Verstand nicht mit den übrigen Feengaben ver- schwinden sollte, also das die Bede der Feen abschliessende Reimpaar :

,Nur den Verstand, den du gehörig zu verwalten Gelernt hast, sollst du, uns zu Ehren, noch behalten I'^

und femer die letzten vier oder auch fünf Zeilen in den Worten, mit denen der heimkehrende Pervonte die erstaunte Mutter begrQsst. Alle diese Verse lassen sich ohne jegliche Störung i^ Reimgefttges und ohne eine auffallige Lücke im Sinn oder im Fluss der Darstellung aus dem gedruckten Texte weg- streichen, so dass wir am Ende nur ihr Fehlen anzunehmen brauchen, um die ursprüngliche Gestalt des Schlusses unsrer Dichtung aus der spätem Fassung herauszuschälen. Doch dürfte damit bloss bei den auf Vastola bezüglichen Sätzen das Richtige getroffen sein. Dagegen möchte man nach Herders Brief vermuten, dass in den dem Pervonte selbst gewidmeten Schlusszeilen dieser ausdrücklich wieder als der alte Lümmel geschildert, ja wohl auch wörtlich so bezeichnet war; Wieland hätte demnach hier, als er dem Rate des Freundes folgte, nicht nur einige neue Verse einzusetzen, sondern auch ein paar über- flüssig gewordene ältere zu streichen gehabt.

Augenscheinlich auf Herders Brief über den , Pervonte** antwortet Wielands Schreiben vom 9. Januar 1795, das im vierten Band seiner , Ausgewählten Briefe* (Zürich 1816, S. 34 f.) üngst gedruckt vorliegt: «Aus vollem Herzen danke ich Ihnen, Diein innigstverehrter Freund, für Ihren aufmunternden Beyfall, ^nd noch mehr für die Erinnerungen, deren Richtigkeit ich so ganz fühle, und die ich gewiss nicht auf die Erde fallen lassen werde. Mündlich nächstens das Mehrere hierüber. Jetzt DiBss ich Ihnen nur mit zwei Worten sagen, wie glücklich mich üeser Beweis Ihrer Liebe macht. Ich fühle unbeschreiblich

178 Frans Muncker

mehr hierbey, als ich sagen kann und will. Möchten Sie in meine innerste Seele blicken können ! Doch gewiss Sie können^s und sonach kein Wort weiter von einem G^fQhl, das zu rein ist, um ausgesprochen zu werden. Ich möchte Ihnen meine Dankbarkeit gern sichtbar darstellen können, und weiss mir nicht anders zu helfen, als dass ich Ihnen und meinen nach- sichtsToUen Freunden nun auch die Wasserkufe vorlege.*

Dass dieser Dank ehrlich gemeint war, bewies der Dichter am besten dadurch, dass er die kritischen Bemerkungen des feinsinnigen Beurteilers samt und sonders sich zu Herzen nahm und bei den Verbesserungen, an die er sich alsbald gemacht haben dürfte, sich durch die Winke des Freundes auch im einzelnen geradezu leiten Hess. Auffallend bleibt an Herders Brief nur, dass er die Begebenheiten im letzten Gesang , etwas gedrängter" herbeigeführt fand; wir empfangen heute vielmehr fast den entgegengesetzten Eindruck, dass, wenn auch ein grösserer Zeitraum in diesen dritten Teil eingeschlossen ist als etwa in den zweiten, doch die Begebenheiten nicht so gedrängt aufeinander folgen wie dort, wenigstens nicht so wie dort einen ununterbrochenen Fortschritt der eigentlichen Handlung be- wirken. Schade, dass kein Wort Herders diese zunehmende Breite der Darstellung im Schlussgesange rügte ; vielleicht hätte ein solcher freundschaftlicher Tadel den Verfasser angespornt, bei der letzten Durchfeilung des Gedichts zum Besten der künst- lerischen Gesamtwirkung noch an verschiednen Stellen gewisse Züge «wegzubringen*, die den raschen Gang allzu sehr auf- zuhalten scheinen.

In das Lob Herders stimmten die übrigen Weimarer Freunde ein. Johannes Falk rühmte den „Pervonte* als Wielands , genialischestes Product**, in welchem er „unvermuthet selbst schaflFend geworden* sei.*) Er hat uns auch die schönen Worte aufbewahrt, mit denen Goethe am Begräbnistage des befreun- deten Dichters (25. Januar 1813) an die Vorzüge des .Per-

') Karl August ßöttiger, Literarische Zustände und Zeitgenossen, Leipzig 1838, Bd. I, S. 257.

Widanäa „Perwmte''. 179

Tonie' erinnerte.^) Gbethe hatte, um sich von den trüben Gedanken der letzten Tage zu befreien, gerade zu dieser Dich-» tong des Verstorbenen seine Zuflucht genommen und pries nno sie und, von ihr ausgehend, Wielands poetische Eigenart ai)eriianpt mit warmer Begeisterung: „Die Plastik, der Muth^ wille dieses Gedichtes sind einzig, musterhaft, ja yöUig un- schätzbar. In diesem und ähnlichen Producten ist es seine eigentliche Natur, ich möchte sogar sagen, au& allerbeste, was uns Vergnügen macht. Der unvergleichliche Humor, den er b€sass, war, sobald er über ihn kam, von einer solchen Ausgelassenheit, dass er mit seinem Herrn und Gebieter hin- ging, wohin er nur wollte .... Ich möchte Sie wohl auf- Dontern, dergleichen Gedichte wie 'Pervonte' und andere öfters in Gesellschaft vorzulesen. Es fodert indessen einige Vorbe- reitung. Wieland's Verse wollen mit einer prächtigen Lebendig- keit vorgetragen seyn, wenn man sich einer augenblicklichen Wirkung davon versichern will. Es ist ein unvergleichliches Natural, was in ihm vorherrscht. Alles Fluss, Alles Geist, Alles Geschmack! Eine heitere Ebene ohne den geringsten Anstoss, wodurch sich die Ader eines komischen Witzes nach allen Richtungen ergiesst und, je nachdem die Capricen sind, ^OTon sein Genius befallen wird, auch sogar seinen eigenen Urheber nicht verschont. Keine, auch nicht die entfernteste Spur von jener bedachtsam mühseligen Technik, die Einem die (testen Ideen und Gefühle durch einen verkünstelten Vortrag ^Qwidermacht, oder wol gar auf immer verleidet . . .■

Übrigens war Wieland selbst mit seiner Arbeit wohl- zofrieden. Seinem Schwiegersohn Karl Leonhard Reinhold he- chtete er in einem langen Briefe vom 25. und 26. Dezember nSi mit stolzer Freude, wie fleissig er im letzten Jahre ge- ^^nsei: ,Auch hab' ich zum Pervante, einem meiner besten ^■(^hen, das aber mit dem 2. Theil noch nicht vollendet ^ar, den dritten Theil hinzugefügt, wodurch er nun ein Ganzes,

^ Johannes Falk, Goethe ans nähertn persönlichen Umgänge dar- ?^^llt, Leipzig 1832, S. 156 f.

180 Franjf Muneket

und (wenn ich selbst eine Stimme dabej hätte) eines meiner besten Machwerke geworden ist. Ich habe bej dieser Gelegen- heit die Entdeckung gemacht, dass ich noch Verse machen kann, und ich stehe nicht daftir, dass mich dieser wenigstens eingebildete Success nicht noch zu einigen Thorheiten in diesem genre verleiten könnte.** ^)

Auch in den weiteren Kreisen der Leser scheint «Pervonte'' den verdienten Beifall gefunden zu haben. Ein jüngerer, in gelehrter und schöner Literatur gleichmässig tätiger Schrift- steUer, Oeorg Gustav Fülleborn in Breslau, verfasste sogar im letzten Jahre seines kurzen Lebens (1802), nachdem er eben Wielands morgenländische Erzählung «Hann und Gulpenhee' zu einem komischen Nachspiel umgearbeitet hatte, eine komische Oper in drei Aufzügen «Pervonte oder die Wünsche*. Über ihren Inhalt berichtete ausführlich Johann Gottlieb Schummel in der kleinen Schrift ,Qarve und FüUebom* (Breslau 1804, S. 33 51) und teilte bei dieser Gelegenheit zahlreiche Bruch- stücke daraus im Wortlaut mit; später wurde noch fast der ganze erste Aufzug in dem von Kotzebue und August Kuhn herausgegebenen Unterhaltungsblatt „Der Freimüthige' vom 30. Juni und 1. Juli 1808 abgedruckt.

Fülleborn musste aus Rücksicht auf die Bühne und auf die musikalischen Erfordernisse eines regelrechten Opemtextes von der Wielandischen Dichtung, die er seiner Arbeit durch- weg zu Grunde legte, mehrfach abweichen. Um den Szenen- wechsel möglichst zu beschränken, setzte er erst mit der «Cocagne" ein und schob der eigentlichen Darstellung des Volksfestes nur eine Szene im Königsschlosse voraus, die uns über den Grund dieser Veranstaltung, über die unerklärliche Geburt der Zwillinge vor mehr als sieben Jahren, unterrichtet, in der zugleich die Prinzessin dem ungläubigen Vater ihre Unschuld versichert. Dabei machte er es sich freilich in jeder

*) Vgl. die Dresdener Abendzeitung vom 29. Dezember 1825, Nr. 311, S. 1242; dazu Alexander Meyer Cohn, Katalog einer Autographen Samm- lung zur Geschichte der deutschen Literatur, Berlin 1886, S. 18,

Wielands „Pervonte*', 181

Beziehung sehr bequem. Er lieas einen von Yastolas höfischen Bewerbern, einen Grafen Imperiali, der seinen Namen vermut- licli nur dem .Fiesco' Schillers verdankte, von einer langen Reise gerade zurückkehren, und ihm, der in seiner Liebe zu der spröden Königstochter schon fürchtet, das Volksfest möchte die Feier ihrer Vermählung bedeuten, setzt nun der Seneschall, meist mit Wielands eignen Worten (und zwar nach den Les- arten der späteren Ausgaben des Gedichts), das Geschehene auseinander. So wiederholt er z. B. ziemlich silbengetreu die Verse, in denen Wieland die Bemühungen der Gelehrten von Salem verspottete, die unbegreifliche Herkunft der Zwillinge n erklären, und namentlich die Schilderung Wielands von den "wden dem Volksfest vorausgehenden Versuchen, den Vater k Kleinen unter den Herren des Hofes oder unter den fiS^m der Stadt zu entdecken. Wenn die Szene von Anfang ^ für die musikalische Komposition berechnet war, sind die wurtlich von Wieland herübergenommenen Versgruppen nicht immer glücklich ausgelesen; mehr Beifall verdient dagegen üreWahl, wenn FüUebom, was auch in der Tat wahrschein- licher ist, sich die Szene nur gesprochen dachte. Die von ihm bleibst hinzugefügten Partien des Dialogs jedoch und besonders <lie Arie der Prinzessin und die des Seneschalls über die Kraft •les Instinkts fielen recht schwach aus; jene ist ganz konven- tionell gehalten, dichterisch ohne jeden Wert, und diese wirkt laicht komisch, wie sie nach der Meinung des Verfassers sollte, andern nur äusserst läppisch. Auch die Ghorgesänge bei dem Volksfest zeichnen sich weder durch Geist noch durch Humor ^'>is. Dagegen ist das Erscheinen Pervontes, den die Kinder i^bkosend begrüssen, das Entsetzen aller über seine Hässlich- -^it. der Urteilsspruch des Königs, ebenso das von Fülle born I^^agedichtete allgemeine Flehen für Vastola und Imperialis *^rgebliches Anerbieten, ihr seine Hand zu reichen, endlich der Wllzug des Urteils zwar in konventionellen, poesielosen Versen ie übrigens im Wortlaut nur ganz selten an Wielands Dichtung iaklingen) und ohne jede schärfere Charakterisierung im ein- zJnen, aber theatralisch nicht ungeschickt und namentlich im

lyjl SitzgBb. cL pbUo8.-pbUoI. n. d. bist. KL 1 3

182 Pranz Muncker

Hinblick auf die musikalische Behandlung einer bewegten, perso- nenreichen Ensembleszene äusserlich wirkungsvoll ausgeführt.

Der zweite Akt beginnt mit der Landung der Tonne, in der die Verurteilten staken, an einem öden Pelsenstrande. Hier erst klärt Pervonte die Prinzessin über die Herkunft der Kinder auf und bewirkt alsbald, nachdem sie seine Willfährigkeit durch einen Kuss erkauft hat, die Verwandlung der wüsten Gegend in ein herrlich ausgestattetes Schloss mit Garten, Meierei und allem Zubehör. Um aber dem Musiker Gelegenheit zu mehr- stimmigen. Gesängen zu verschaffen, lässt sich Vastola gleich nachher auch zwei Zofen und den Grafen Imperiali herbei- wünschen. Dann dringt sie mit einer grossen Arie, die sich in den banalsten Gedanken und Versen bewegt, in den heftig und angeblich komisch widerstrebenden Pervonte, dass er sich Schönheit wünsche. Er gibt endlich nach, bedingt sich aber augenscheinlich aus bühnentechnischen Gründen , dass die Metamorphose erst in der Nacht, das heisst in der Pause zwischen dem zweiten und dritten Aufzug, erfolge.

Diesen dritten Aufzug eröffnet eine erneute, leidenschaft- liche Werbung Imperialis um die Liebe der Prinzessin. Sie aber fühlt sich durch „heil'ge Bande** an Pervonte gefesselt und umaimt voll Entzücken den zum Adonis Verwandelten, der zum frohen Erstaunen aller jetzt hereintritt. Seine albernen Reden, mit denen nur leider Fülleborn keine witzige Wirkung zu verbinden wusste, bestimmen Vastola gar bald. Verstand für ihren Gatten von den Feen zu erbitten. Sobald ihm auch diese Gabe zuteil geworden, wünscht er sich mit den Seinigen an den Hof von Salem zurück, wo der trauernde König sie mit „namenlosem Entzücken" begrüsst, ohne dass diese plötzliche Wandlung seines Herzens auch nur mit einem Worte begründet würde. Er erhebt Pervonte zu sich auf den Tron, ernennt Imperiali zum Herzog, und alle stimmen moralisch-lehrhafte Gesänge, denen nur die Poesie fehlt, über das weise und gnädige Walten der Vorsehung an. Da erleuchtet plötzlich ein Zauberglanz den Saal, und in ihm lassen sich von weitem die Stimmen der Feen hören, die, weil nun Pervonte glücklich

Wielanäs „Pervante**. 163

am Ziele ist, die Gabe des Wünschens ihm wieder nehmen, and jubekd fallen alle in die Verse des Feengesanges ein.

Während Füllebom für den zweiten Akt seiner Oper noch einige Male Wielands Dichtung wörtlich benutzte, scheint er im dritten Aufzug dazu fast keine Gelegenheit mehr gefunden zu haben. Mehr und mehr suchte er selbständig seinem Vor- bilde gegenüber zu treten ; zuletzt erfand er für die märchen- hafte Handlung einen neuen Schluss, der beinahe wie eine Veischmelzung des Ausgangs im ursprüngb'chen Märchen (auch in der ,6ibliotheque des romans'') und des flüchtigen Besuchs im Schloss zu Salem bei Wieland aussieht. Von Wieland )Ummt dabei auch die erneute Erscheinung der Feen, die jejoch nach FüUeboms Meinung nicht auf die Bühne selbst leraustreten sollten. Aber wie diese Stimmen der Feen bei 'iun ohne rechten Grund und tieferen Sinn ertönen, so ver- misst man auch vorher in dem, was nicht unmittelbar aus ^Welands Dichtung herübergenommen ist, und oft auch in der Art, wie das wortgetreu Entlehnte theatralisch verwertet wird, jede wirklich künstlerische Begabung. Die allerbescheidensten Forderungen psychologischer Wahrheit und lebendiger Charak- teristik bleiben unerfüllt; von einer auch nur notdürftig drama- ti^hen Gestaltung des Stoffes und dichterischen Ausführung fe Einzelnen in Vers und Sprache kann nicht die Rede sein, bas ernste Pathos missglückt dem Verfasser ebenso sehr wie der komische Witz ; selbst die äusserliche theatralische Wirkung iiätte er mit Leichtigkeit viel höher steigern können. Aber liDter den trivialen Opemtexten, mit denen sich die deutschen Toosetzer um jene Zeit fast ohne Ausnahme behelfen mussten, ^te sich Fülleborns Arbeit immerhin als ein besserer Ver- «ch ausnehmen; das überschwängliche Freundeslob freilich, ^ ihr der Herausgeber Schummel spendete, verdiente sie in keiner Weise.

Schummel komponierte auch in seiner Begeisterung, ob- wohl er sich nur als Dilettanten fühlte, sogleich probeweise -mige Verse des ersten Aktes und teilte den nicht übel ge- lungeneD, nur recht unselbständigen Versuch 1804 im Anhang

18*

184 FranM Muncker

zu seiner Schrift über FüUebom mit. Die ganze Oper setzte kurze Zeit darauf vor dem Abdruck des ersten Aufzugs im »Freimtithigen" von 1808 ein Mitglied des Breslauer Theaters, J. Miller, in Musik. Ob sie hernach auch zur Aufführung ge- langte und mit welchem Erfolge, darüber ist nichts bekannt. Auch von späteren musikalischen oder sonstigen drama- tischen Bearbeitungen des Wielandischen Märchens verlautet nichts. Ein Jahr nach dem Druck des vollendeten «Pervonte* traten Tiecks Volksmärchen ans Licht; damit kam die neue Gattung des romantischen Märchens auf, dessen unvergleicbhch kühnere, oft dazu mit Satire und Ironie gewürzte Phantastik mit den andern einfacheren Märchen der Aufklärungszeit auch Wielands anmutige, aber in ihrem letzten Teile gleichfalls einer aufklärerischen Moral dienende Feengeschichte für die nächsten Jahrzehnte aus der Gunst des deutschen Publikums verdrängte.

Anhang.

Unter den Handschriften der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden befindet sich ein Sammelband von 205, zum grössten Teile beschriebenen Blättern mit der Aufschrift , Damenbriefe an Wieland, besonders von S. La Roche*. Er enthält im ganzen 97 Briefe von 12 Verfasserinnen und 3 Verfassern, die meistens aus irgend einem äusserlichen Grunde in die weibliche Gesellschaft geraten sind: neben Herder, dessen Schreiben ich oben S. 174 f. mitgeteilt habe, sind nämlich auch Georg Michael Frank von La Roche, Sophiens Gatte, mit zwei Briefen und der Dechant Damian Friedrich Dumeiz in Frank- furt a. M. mit einer kurzen Nachschrift zu einem Briefe So- phiens vertreten. Dazu kommt ein mittelmässiges Gedicht des Prinzen August von Sachsen-Gotha an Thümmel (»An den Verfasser der Reise in die mittäglichen Provinzen von Frank- reich, im Jahr 1785 bis 1786*'), ein grösserer Abschnitt aus Sophiens Roman „Rosaliens Briefe* (Bd. ü, S. 1 ff., Brief 64, aber mit mehrfachen, grösseren Abweichungen vom gedruckten

Wielands „Pervonte^*. 185

Texte), eme schwärmerische Betrachtung Sophiens über Joseph IL (wohl in der Hauptsache identisch mit dem mir nicht zugäng- lichen Schriftchen , Joseph IL nahe bei Speier im Jahre 1781"), endlich eine dürftige Probe aus den Gedichten Julie von Bech- iohheims.

Für die literargeschichtliche Forschung sind diese Hand- schriften bisher nur wenig benutzt und nur selten einmal das eloe oder andre Blatt daraus abgedruckt worden. Und doch bieten sie nicht nur für die Geschichte von Wielands Leben und Werken manchen beachtenswerten Aufschluss, sondern ge- währen uns auch mehrfach einen belehrenden Einblick in das Treiben seiner Freunde und namentlich in die Weimarer Ver- idltnisse. Nicht alle Briefschreiberinnen zwar vermögen noch leute unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Verschiedne sprechen Dar ihre Verehrung für den Dichter und Menschen in begei- sterten Worten aus oder berichten über eigne literarische Versuche, für die sie Wielands Rat und Urteil, gelegentlich auch die Aufiiahme in den ,Teutschen Merkur* oder eine Äusserung des berühmten Mannes als Vorwort erbitten; so Julie von Bechtolsheim, Susanne von Bandemer, geb. von Franklin, Gräfin Tina Brühl, Madame de la Fite und andere. Auch ein langes, um Unterstützung in bitterster Not flehen- des Schreiben von Julie Penz, die später einen Sprach- lehrer de Roquette heiratete, sich übrigens auch gelegentlich in Gedichten versuchte, befindet sich unter den weniger an- ziehenden Stücken des Sammelbandes. Dagegen lohnen einige andere Briefe aus Wielands Weimarer Zeit eher eine genauere Betrachtung. Sie rühren von Damen der Weimarer Hofgesell- ^haft, von der Herzogin Anna Amalia selbst und von der Sarschin her. VeröflFentlicht wurde bisher darunter nur das zeitlich erste Schriftstück, der lange, französische Brief der Herzogin vom 29. März 1772, den Karl Freiherr von Beaulieu- Marconnay 1874 in seinem Buche „Anna Amalia, Karl August iüd der Minister von Fritsch* (S. 242 ff.) mitteilte. Die übrigen Jnogen hier teilweise oder vollständig, je nachdem sie des Ab- irucks würdig erscheinen, genau nach dem Wortlaute der

186 Franz Muncker

Handschriften folgen,^) mit allen Verstössen gegen Grammati1[ und Rechtschreibung, an denen mehrere von ihnen nur allzu reich sind.

Bei chronologischer Anordnung machen zwei Briefe ohne Unterschrift den Anfang, aus ^Steden'^ datiert, worunter Stedten bei Erfurt oder der gleichnamige, von Weimar ziemlicb gleich weit entfernte Ort bei Kranichfeld verstanden sein kanL Nach einer bibliothekarischen Bemerkung aus neuerer Zeit, die freilich durch keine Angabe genauerer Gründe gestützt ist, wäre als Verfasserin vielleicht eine Gräfin Hatzfeld zu vermuten, die selbstverständlich nicht dieselbe Person wie die in den Briefen Wielands an Frau von La Roche erwähnte Gräfin Luise von Hatzfeld sein könnte. Ich glaube jedoch die beiden Briefe vielmehr der Freifrau von Keller, Gemahlin des gothaischen Staatsministers von Keller, zuweisen zu sollen, die auch im Subskribentenverzeichnis zum ,Agathon* von 1773 als „Frau Geheime Räthin von Keller, geb. von Bechtolsheim. zu Stedten" Stedten bei Erfurt ist hier gemeint und zwar als Bestellerin von vier Exemplaren erscheint. Ihre Tochter Julie, von Wieland als Psyche besungen, war mit dem Bruder ihrer Mutter, dem gothaischen Oberamtmann Johann Ludwig Freiherrn von Bechtolsheim, der dann als Vizekanzler der weimarischen Landesregierung nach Eisenach kam, ver- mählt — im zweiten der folgenden Briefe ist mehrfach darauf angespielt und ist dieselbe Dame, die in einigen viel spä- teren Briefen unsers Sammelbandes (vgl. oben S. 185) Wieland um Rat über ihre eignen dichterischen Versuche bittet.

Der erste Brief der Freifrau von Keller, auf die beiden ersten Seiten eines in 8^ gebrochenen Quartblattes mit flüchtigen, nicht immer ganz deutlichen Zügen geschrieben, redet von einer unmittelbar bevorstehenden, schweren Operation, deren

^) Für die bereitwilligst gewährte Erlaubnis, diese Handschriften längere Zeit in München zu benutzen und nach Belieben Briefe daraof mitzuteilen, sei dem Direktor der königlichen öffentlichen Bibliothek in| Dresden, Herrn Geheimen Hofrat Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld, auch hier der ergebenste Dank ausgesprochen.

Widands „Pervonte". 187

zweifelhaftem Ausgange die Dame mit ruhiger Ergebung ent- gegcDsieht, nur von Sorgen für das Olück ihrer Kinder erfüllt. Diesen Gedanken fügt sie erst am Schluss des Briefes einige literarische Bemerkungen bei, die sich auf Gotters ,, Epistel über die Starkgeisterey'' im ,,Teutschen Merkur" vom Juli 1773 (S. 3 38), auf Mendelssohns „Phädon* und auf die letzten Kapitel des soeben in zweiter Auflage erschienenen „Agathon" beziehen. Ich beschränke mich auf die Mitteilung dieser Sehlusssatze:

a St. ce 27. d'Oct. 1773.

Je me ferai lire demain l'admirable Epitre de Gotter, et je reviendrai apres a mon Cher Phaedon, pourquoi h^las cette Philosophie d'Argitas dont nous avons tant parl^ ne se trouve-t eile pas en Agathon, ou plutot pourquoi n'etes ?ous pas a meme de venir en nourir mon ame.

Der zweite Brief (ebenfalls ein in gebrochenes Quart-

biatt, das auf allen vier Seiten mit flüchtigen, aber deutlichen

Zügen beschrieben ist) knüpft an den Weimarer Schlossbrand

Tom 6. Mai 1774 an, spricht mit grösster Verehrung von dem

Grafen Johann Eustach von Görtz, dem Erzieher Karl Augusts,

uiit schwärmerischer Begeisterung von dem Prinzen selbst und

haudelt in seiner zweiten Hälfte, von der ich im folgenden

nur die Schlusssätze mitteile, von Familienangelegenheiten der

Schreiberin, bei denen sie gelegentlich Wielands Rat und Hilfe

in Anspruch nimmt.

a Steden ce 7. Juin 1774.

11 y a un Mois d'ecoule, Cher Ami, depuis le malheur arrive a notre Cher Weimar, trop discrette pour vous ecrire dans les premiers jours de cette Calaniite, je me suis contentee des peu de mots que mon Gendre a pris sur lui, de vous dire de ma part. Vous saves ce que je pense pour vous, pour notre Ami le C^, et pour votre jeune Maitre c'est vous dire, ce que je dois avoir senti a cette affreuse nouvelle. Je knis Dieu de ce que la Sant^ de tout ce qui nous est eher, n'a pas souffert de cette cruelle Catastrophe, et

188 Frane Muncker

penetree d^admiration de tout ce que j^ai oui dire de Totre jeune Heros, je me suis ecriö, avec Tenthousiasme du Sentiment (lorsqu^un me racontoit une ancienne prediction. que Weimar trouveroit un immense tresor quand son Chateau seroit consumc^ par les flammes) Le tresor est tout trouvt^. c'est son Prince.^) Que Dieu vous conserve ce tresor inestimable dont Pexistence fait les delices de son Peuple. et dont Sa vie, fera la Gloire et le bonheur. Heros pai le Sang qui coule dans ses veines, Sage par principe, Prim Ami de VhumanitCt Pere de ses Sujets et Legislateur PUlo- saplie, il etonnera son Siecle, et les suivants citerons^) ses vertus comme un exemple a suivre par les Dieux de la terre. Je vous felicite Cher Wieland d'avoir 6t6 elu Da- nischmende de cet imcomparable jeune Souverain, etj'admire, et je benis le Comte, d'avoir porte*) a ce degres de perfec- tion TEducation d'un Prince Hereditaire au milieu de sa Cour. C'est bien lui qui est cet Architecte Athenien, auqiiel vous m'aväs fait l'honneur de me comparer, lorsqu'a votrt Satisfaction j'avois fini un Ouvrage d'une bien moindre im- portance que celle que notre Comte vient de finir aussi glorieusement. Dites lui si vous en trouv6s le moment que je le nomme notre Comte, parceque je le crois mon Ami, et parceque je compte') gouter les fruits de ses traveaux en partageant avec mes Enfants, s'ils vont s'etablir a Eisenach le bonheur de vivre sous les douces et Sages Loix du Lycur- gue Son Eleve.

Pardon de la peine que je Vous donne, mais vous etes mon Ami, ce titre, cette qualit^ precieuse, est mon excuse,

^) Vgl. dazu auch Wielands Brief an Zimmermann vom 3. Jnni 1774: „Wünschen Sie mir zu meinem Prinzen Glück. Er hat rieh am sechsten May und in den folgenden Tagen wie ein Held und wie ein Menschenfreund aufgeführt. Was ist ein halb abgebranntes Schloss gegen die herzliche Liebe seines Volkes, die er durch sein ganzes Be- tragen in diesem Unfall gewonnen hat."

2) So in der Handschrift.

^) In der Handschrift ist das Wort verschrieben: compter.

Widanda „Pervonte". 189

Qu^elle soit mon egide contre tous mes Ennemis, et pour tous les tems de ma vie la Consolation de mes jours, comme eile a fait la felicite d'une des plus heureuses ann^es de mon existence.

Aus den folgenden Jahren enthält der Dresdener Sammel- band zwei zum grössten Teile gereimte Briefe von Anna Luisa Karschin, die vielleicht auch wegen der wiederholten Bezugnahme auf Goethe Beachtung verdienen; dem ersten dieser Briefe war ja auch die Antwort der Dichterin auf Goethes Schreiben vom 17. und 28. August 1775 beigeschlossen. Im übrigen klärt uns dieser nämliche Brief der Karschin noch etwas genauer über die Gründe auf, aus denen Wieland seit 'lern Beginn des Jahres 1776 keine Theaterberichte mehr in seinem , Merkur ** brachte, als dies bisher aus seiner eignen Erklärung im Januarheft seiner Monatsschrift von diesem Jahre (S. 92 f.) zu ersehen war. Er rechtfertigte hier seinen Ent- schluss durch die Beschwerden und Klagen, die ihm die früheren Berichte zugezogen hatten, und durch die eigne, beständige Furcht vor ungerechten Urteilen, zu denen ihn etwa die unzu- verlässigen Mitteilungen seiner Korrespondenten veranlassen könnten, und führte als Probe für diese ünzuverlässigkeit das allerdings grausame Verdikt an, das er auf Grund solcher Mitteilungen im September 1775 (S. 280) über die Schauspielerin Frau Henisch bei der Döbbelinschen Truppe in Berlin gefallt hatte: , Madam Henisch, die in Berlin wegen wegen ich ^eiss selbst nicht was gefallen ; vielleicht wegen ihrer Figur und Jugend. Sie hat noch den schleppenden langweiligen Ton, '^nd das nichts sagende Gesicht, das sie als Demoiselle Gieranek hatte.* Nun, im Januar 1776, berief er sich auf das ganz ungemeine Lob, das in einem Privatbriefe an ihn derselben Frau Henisch wegen ihrer alles bezaubernden Kunst wie wegen ihres sittlichen Charakters gespendet werde, und erkannte dieses Lob als ein .ganz vollgültiges Zeugnis ** vor allem deshalb an, veil es ,von einer Frau* herrühre, ,die, in Sachen worüber Genie und Gefühl zu erkennen haben, unter den Männern eine

190 Franz Muncker

Stimme hat*. Wir erfahren jetzt, dass dieser Brief, aus dem das Januarheft des , Merkur '^ einen grösseren Abschnitt mit- geteilt hatte, von der Karschin verfasst war. In demselben Aufsatz über das Berliner Theater aus dem September 1775 (S. 279) hatte es nun aber auch geheissen: «Demoiselle Huher ist der Abgott des Berlinischen Publikums, und ist es mit Recht. Besonders glaub ich, dass sie in den lebhaften KoUen. und in der Operrette uns die ehemalige Demoiselle Steinbrecher ersetzen wird. * Auch dagegen verwahrt sich in unserem Briefe die durch Wielands Nachgiebigkeit gerührte und durch sein Lob geschmeichelte Dichterin, doch wohl in der Meinung, dass er jetzt auch dieses Urteil in seiner Zeitschrift widerrufen solle. Doch erwies ihr Wieland diesen Liebesdienst nicht; vielleicht vermutete er als letzten Beweggrund zu ihren absprechenden Worten über die Huberin doch ihre einseitig-persönliche Vor- liebe für deren Nebenbuhlerin, die auch in unserm Briefe mehr- mals erwähnte Madame Henisch. Auch das Lied auf diese Freundin, von dem am Schlüsse des Schreibens die Rede ist, druckte er im , Merkur" nicht ab.

Welchen , edlen Basler Mann* der zweite Brief der Karschin bei Wieland einführen sollte, vermag ich nicht mit Bestimmt- heit zu sagen.

Beide Briefe sind mit deutlichen (der zweite auch mit ziemlich grossen) Zügen, die stets alle vier Seiten füllen, ge- schrieben, der erste auf ein in 8^ gebrochenes Quartblatt, der zweite auf einen halben Bogen in 4^. Mit der Orthographie und oft auch mit der Grammatik nimmt es die Verfasserin sehr wenig genau; besonders verwechselt sie gern Dativ- und Akkusativ- Endungen. Ich gebe im folgenden beide Briefe möglichst genau wieder; Majuskel und Minuskel las.sen sich aber manchmal in der Handschrift der Karschin kaum sicher unterscheiden.

1.

Lass dich den Stolz nicht übermeistern

inn der entzükung die du hast

Ja lieber Wieland ja der Schönste vonu den Geistern

Wielands „Pervonte". 191

die Schöngeschaffen sind ist dieser Theure Gast

den Weymahr froher auffgenommen

als Syracus den weisen Mann

der aus Athen dahin gekommen

0 dass Ihm^) doch dein Arm nicht zu uns bringen kann

Versuche deine Macht imm Überredungszwange

und komme mitt Ihm ann die Spree

und wenn du kommen willst dann bleibe mir nicht lannge

Beginne deinem^) flug so bald der frische Klee

dass Junge Veilchen will versteken

Bring auch dein Süsses Weib und deine Kinnder mitt

Die Musen sollen Euch hier Ihre Taffei deken

und Flora soll vor Eurem Tritt

auss unssrem feuerheissen Sannde

mitt nie gesehner wunder Krafft

so schöne Blumen ziehn als gingt Ihr in demm lannde

wo Sulzem die natur zwoo neue lungen schafft,

Dass wäre doch Ein Götterfest für mich, und für viele,

bester Wieland, machen Sies möglich. Gleim kömmt gewis

nach Berlin imm May Mond, und ich würde wieder jung

wenn Er, und Wieland und Göthe mitt mir im Hayn

gingen, geben Sie doch Ihrem Gastfreunde mein beyge-

schlossnes schuldopfer ab, ich binn Ihm anntwort schuldig

seit den ersten Tagen des Traubenreichen Herbstes, Er

wird die Verhinndrungsuhrsache finnden im Brieffe, und

sehn dass mein Schweigen nicht Einmahl zu den untter-

lassungs Sünden gehört, Ihr Jüngsterhaltnes Brieffchen hatt

mir viel freude gemacht, lies michs vergessen dass Sie mir

so lannge nicht schrieben, ich habs abgeschrieben meiner

Cloee geschikt, dass wird Ihr gut gethan haben, Sie wird

Ihren Sohn oder Ihre Tochter nun mitt leichtteren ^) schmerz

bringen, ich hoffe davon alle Tage nachricht, Sie war schon

vorher entzükt, über Einem ^) Kopf der Calliste, den mir Co-

dowieky so leicht, so meisterhafft, und so getroffen auff milch-

weissen ') Dafftband hinnwarff, dass michs staunen machtte,

^) So in der Handschrift.

192 Franz Muneker

ich Mahlt Ihm in drey oder vier Zügen den Kopf meiner Cloee vor, und der Treffliche Künstler behielt die Idee, machtte keinen fehler, als Einern^) worann ich selbst schuld war, ich hatte vergessen, ich hatt Ihm nicht gesagt dass mein original etwas schmalwanngicht wäre, dass gesiebt ward ein wenig zu voll, aber dass äuge, der Mund, die gannze Seele in die^) Miene, imm Blik ausgegossen, alles war da, war so lebhafft hinngetuscht dass mann die Henischin erkantte, Sie mein liebster Wieland verdienen noch Ein halbes Duzend Brieffchen, und zwannzig lieder wenn ich Sie Sinngen könntte wegen der Güthe des herzens die aus Jeder Zeile Ihres Brieffchens hervorleuchttet, Dank Tausend Dank davor, ich hätte nicht verlangt dass Ihr mercur dem^) Theaterarttikel künffttig weglassen soltte, aber dieser geflügeltte Bohtte müsstte Wahrheitsliebhaber wählen die weder zu viel noch zu wenig sagtten, die unparteisch wären, und selbst die fehler Ihrer lieblinge, selbst die vol- kommenheitten Ihrer wiederwärttigen annzeigtten, ich habe den arttikel über unssere bühne nicht gelesen, find aber dass man Ihnen die Huberrin als die volkommenste Ac- trice vorgemahlet, ich habe mirs sagen lassen, man log Ihnen, Sie ist lebhafft im comischen, aber Sie heult im hohen Tragischen Spiel, und ward seit der Zeitt schlechtter dass mann Sie zu sehr lobtte, Ihre Figur hatt nichts ann- ziehendes für die Kenner des feinen, für den Lieber der schönen natur, doch genug hiervon, ich wiederhohle meine erkäntliche aussruffung, haben Sie Dank Tausend Dank liebe gutte männliche Seele, behaltten Sie mich im freundes- anndenken, grüssen Sie alles was Ihnen anngehört von mir, ob ich gleich allen cörperlich unbekant binn, leben Sie schäfferfrölich, geben Sie der wellt bald wieder Eine neue Geistgebuhrt, und denken Sie sehr herzlich auff die reise nach Berlin wegen Ihrer herzlichsten freundin

Berlin den 17 feb. 1776. meine Tochtter grüsst Sie Ehrbiettig, A. L. Karscbin

^) So iu der Handschrift.

Wielands ,,Perwmte". 193

und ich bitte, wenns noch Zeit ist: im liede auff Madam Henisch an stat Gärtner Mädchen rosen Mädchen zu sezen, doch ists erste auch gut.

2.

Dir lieber Wieland muss mein Herz noch Grüsse sagen

durch Einem ^) Edlen Basler Mann

der sich bey uns ergözt inn schönen Blumentagen

und es nicht möglich machen kann

noch lännger hier zu sein wo Er mannch Herz gewan

Er ist Ein liebenswehrt Geschöpfe

aus Jenem lannde bergverschannzt

wo sich die dennkart freyer Köpfe

Ton Sohn zu Sohne fortgepflannzt

Du kennst diss lannd, bist da gewesen

Kennst Seine Bürger, hast alda

dir mannchen ireund von Herzen ausserlesen

dem*) dein verstand des Wahlrechts würdig sah

must auch gewis den Schweizer lieben

sonnst würd Er nicht nach Weymar hinn

mitt so viel schneligkeit getrieben

Er kömmt und saget dir dass ich offb kränklich bin

amm cörper, aber nicht am Geiste

Ich aber sage dir durch Ihn

dass ich schon monndenlanng mich mitt der hoffhung Speisstte

du kämst ann Götens Hand von Weymar nach Berlin

Ihr kommt nicht, lasse mich doch wissen

ob Gleim den rosen Monnd bey Euch genoss

ich hab auff Briefe lauren müssen

und dennke dass Er sich entschloss

auff Eures fürsten flur Sich rosen abzubrechen

Die Süsser dufftten, und vielleicht

nicht so wie anndre rosen stechen

^) So in der Handschrift.

194 Franz Muneker

weill Ihr durch Süsgesang die Flora habt erweicht

Sie ohne Dom herrorzubrinngen

Ich möchtte gern für Eurem ohr

mein unnharmonisch liedchen sinngen

vielleicht käms Euch doch lieblich vor

denn selbst die Grasemüke reizet

Zum horchen nächst der nachttigall gesanng

Ich käme mitt den^) Mann der sehr nach liedern geizet

und bliebe bey Euch wochenlanng

Ich käme warrlich aber frage

nur nicht was mich zurük kann ziehn

was hülst es dass ich dirs erst sage

Genug mich lässt ein Gott nicht von der Stelle fliehn

ich binn gefesselt ann Berlin

und hoffe dennoch eh mich Cahron überkahnet

Euch und die schöne Schweiz zu sehn

mir ward schon manncher weg gebahnet

den ich vorher nicht sah, mir ist schon viel geschehn

was ich mir nicht geträumt imm Schlummer

und nicht imm wachen mir gedacht.

Die Götter ordnetten des Mennschen lust und kummer

Sie haben Ihren Plan gemacht

und schlagen Einem ^) auff die finnger

wenn mann zu naseweiss Ihn selber künnsteln will

und davor fürchttete mein Herz sich als ich Jünnger

und grambeladner war, ich schwieg geduldig Still

und sähe weitter nicht als wie Ein wanndrer Siehet

der grades weges geht, nie auss dem gleise weicht

und wenn Er über Berg und Thäler sich bemühet

Die Herberge zulezt erreicht

Berlin den 27 Juny 1777

A. L. Earschin.

Aus der ersten Woche des Jahres 1781 stammt ein kurzer, undatierter Brief der Herzogin Anna Amalia an Wieland,

*) So in der Handschrift.

Wielands „Pervonte". 195

auf die erste Seite eines in 8^ gebrochenen Quartblattes mit deutlichen und sauberen Zügen ganz eigenhändig geschrieben. Er bildet die dankende Antwort auf die Verse ,An Olympia. üeber eine Handzeichnung von Oesern, die H. Marie Magdalene Dach Cignani vorstellend', die nach Seufferts Angabe') vom 4. Januar 1781 stammten, übrigens auch im Januarheft des »Merkur* von 1781 (S. 41 f.) veröffentlicht wurden. In der Oeserschen Zeichnung, die die Herzogin besass, wollte Wieland keine fromme Büsserin mehr erkennen, sondern vielmehr ein .Xjmfchen*, ein »Griechsches Mädel", ja »Amors Schwester* selbst, ,die lieblichste der Charitinnen*, welche die , Grazien Apells* dem von ihnen stets umschwebten, begeistert seinem Wügen Urbild nachzeichnenden Künstler neckisch unterge- schoben hätten. Darauf erwiderte Anna AmaUa, doch wohl ^gleich nach dem Empfang der anmutigen Verse:

Ich solte zwar hübsch höflich und Galant seyn und auf so schönen*) Reimelein, durch die schöne Magdalene, Ihnen lieber Wieland und den Grazien ein Opfer bringen; wenn meine Fantasie, die mir leider nur zu öfters dume Streiche spielet, nicht auch jetz*) den Possen thät und nichts in dem Bilde des Freund Oesers zeigte als eine anne Sünderin . der*) ich änhlich*) werden möchte und sie darum in meinen*) Cabinet hängen habe.

Solte aber jemals meine Fantasie das in dem Bilde sehn, was Ihnen die Musen so schön sagen lassen; so werd ich nichts eiliger zu thun haben als es von meinen Augen weg unter Ihre Obhut zu geben.

Bis dahin hoffe ich der Schönen Sünderin desto öffters*) Ihre Gegenwart zu verdancken, wodurch sie mir nur um so lieber wird.

Amelic.

*) Wielands höfische Dichtungen, im Euphorien, Bd. I, S. G98 (1894).

*) So in der Handschrift.

') In der Handschrift verbessert aus: die.

*) In der Handschrift verbessert aus: öffterer.

196 Franjs Muneker

Fast anderthalb Jahrzehnte später, in den Spätsommer oder Herbst 1795, fallt ein gleichfalls undatierter Brief von Frau Caroline Herder, auf die beiden ersten Seiten eines in 8^ gebrochenen Quartblattes mit grossen, deutlichen Zügen geschrieben. Das Datum ergibt sich aus dem Abdrucke des in dem Briefe genannten Gedichts von Friedrich von Eöpken , An Teutschlands Horaz des vorigen Jahrhunderts", dem Wieland eine grössere, mit wärmstem Lob auf Herders ^Terpsichore* verweisende Anmerkung beigab, im Oktoberheft des , Merkur^ von 1795 (S. 202 ff.). Karoline Herder schreibt:

Theuerster Freund. Da mein Mann eigentlich nicht selbst Ihnen eine Ode zusenden kann, worinnen seiner in Ehren gedacht wird, so nehme ichs auf mich und übersende sie Ihnen zutrauensvoll, mit unsrer beider Bitte, sie gefällig in den Merkur einzurücken, wenn Sie nichts dagegen haben. Ein H. 7on Köpken aus Magdeburg, den Sie vielleicht kennen, ist der Verfasser; er wünscht dass Sie sie auf- nehmen möchten.

Vielleicht finden Sie es auch, dass diese Ode ihrem Ver- fasser nicht zur Unehre gereicht und nicht unwerth sey, auf den patriotischen Altar gelegt zu werden. Vielleicht gefallt es Ihnen, in einer Note, zur Verständlichkeit des Gedichts, mit wenigen Reihen, das Daseyn der Terpsichore zu bemerken, das denn flir Ihren Freund sehr erfreuend seyn würde. Wir wünschen Ihnen alles Gute, Glückliche, was Sie erfreuen kann. Meine liebe Freundin küsse ich

herzlich.

Ihre

C. H.

Endlich findet sich auf einem kleinen Quartblatte, djis nur auf einer Seite mit säubern, deutlichen Zügen beschrieben ist, folgender undatierte, wolil dem Jahre 1799 angehörige Brief von Henriette von Knebel:

Sie haben mir, mein verehrungswerthester Freund, durch die gütige Mittheilung Ihres Agathodämon ein ganz unbe-

Wielands „Pervante^*. 1Ö7

schreibliches Yergnügen gemacht und ieh weiss kaum wofür ich Ihiien zuerst dancken soll: vor diese süssen Früchte Ihres Geistes selbst, welche, wie unter einem griechischen Himmel erzogen, den schönsten und unvergänglichen Samen in sich tragen oder vor die liebreiche und gefallige Art womit Sie solche meinen Händen anvertraut haben.

Jedes Opfer des Dancks und der Verehrung, das ich Ihnen bringe, wird mir so leicht, weil es zugleich aus dem Herzen kommt; daher hoffe ich auch, dass Sie, mein vortrefflicher Freund, dieses mit Güte und Wohlwollen annehmen werden !

Ihre

ergebenste Freundinn Henriette von Knebel.

Den Hauptbestand der Dresdener Sammelhandschrift bilden aber Briefe von Wielands Cousine und Jugendgeliebten Sophie von La Koche. Nicht weniger als 76 Briefe, darunter zwei an Johann Georg Jacobi, rühren von ihrer Hand her. Sie beginnen mit den Jahren 1759 1761, setzen nach längerer Pause dann wieder 1767 ein, werden überaus zahlreich in den Jahren 1769 1772, besonders solange Sophiens Sohn Fritz in Wielands Hause zu Erfurt weilte, und stellen sich endlich nach einer neuen Unterbrechung wieder, doch nicht so häufig ne zuvor, von 1777 bis 1784 ein. Zwei Briefe ihres Gatten und eine kurze Nachschrift von Dumeiz sind, wie bereits be- nierkt wurde, zwischen Sophiens meist umfangreiche Episteln angeschoben.

Diese letzteren sind zum grossen Teil Antworten auf längst '♦kannte Briefe Wielands; mehrere von ihnen lassen sich aber äiich in den Zusammenhang der bisherigen Yeröfifentlichungen dieser Art nicht eingliedern, so z. B. gleich die beiden ersten, ergebnisreichen Briefe unsers Sanmielbandes, die zusammen mit ^mem verlorenen Schreiben vom 12. Juni 1759, das herbe Vor- würfe gegen Wielands Mutter enthalten zu haben scheint, die durch Sophiens Vermählung 1754 abgerissene Verbindung mit ^Vieland wieder anknüpfen sollten und Sophie liebevoll ent-

IWtt. Sitcgsl». d. p]iUo8.-phUoI. n. d. bist CI. 14

198 FranB Muiuiker

gegenkommend, Wieland dagegen zunächst in verletzender Zurückhaltung zeigen. Ob an dieser etwa nur äussere Zufällig- keiten, die mit seiner fast gleichzeitigen Übersiedelung nach Bern zusammenhingen, schuld waren, lässt sich vorläufig nicht erkennen. Jedenfalls aber löste sich die Spannung zwischen ihm und der einstigen Geliebten bald wieder, wie die folgenden Briefe unseres Bandes, übrigens auch schon früher veröffent- lichte Briefe Wielands aus jener Zeit beweisen.

Auch in den späteren Blättern der Dresdener Handschrift ist noch mehrmals von vorübergehenden Missverständnissen und Zerwürfnissen zwischen Wieland und Sophie die Rede. Fast immer aber fleht sie dann leidenschaftlich-innig den ver- stimmten Freund um Versöhnung an. Überhaupt zeigt fast jedes Schreiben von ihrer Hand, wie warm und treu ihr Gefühl für Wieland ist. Ihre wiederholte Versicherung, dass seine Briefe vornehmlich das Glück ihres Lebens ausmachen, ist keine leere Redensart. Beständig beschäftigt sie die Sorge um seine Gesundheit, um sein geistiges und gemütliches Wohlbefinden, um sein äusseres wie um sein seelisches Glück, und dann und wann mischt sich in die Beteurungen aufrichtigster Freundschaft auch eine elegische Erinnerung an die ehemalige schwärmerische Liebe ein. Offen spricht sie von ihren eignen Verhältnissen und Familiensorgen mit dem alten Freunde. Ebenso handeln die späteren Briefe mehrfach von Sophiens schriftstellerisclien Arbeiten und enthalten lobende Urteile über Wielands neuer von ihr stets mit freudigster Teilnahme aufgenommene Werke. Auch seine Freunde und literarischen Beziehungen kommen ge- legentlich zur Sprache. So sucht z. B. 1771 Sophie vermittelnd in einen Zwist zwischen Wieland und den Brüdern Jacobi ein- zugreifen, und tief erschüttert schreibt sie ihm 1778 nach dem Tode Julie von Bondelis.

Diese Briefe Sophiens verdienten aus mehr als einem Grunde eine nahezu vollständige Veröffentlichung. Da mir eine solche vor der Hand nicht möglich ist, teile ich hier wenigstens die beiden ersten Briefe ganz und von den folgenden einige vorwiegend literargeschichtlich ergiebige Proben

Wietanäs ,>P«iTon«e". 199

mit, natürlich genau in der regellosen Schreibung der Originale, die zudem zwischen Minuskel und Majuskel, Acutus und Gravis Ott kaum unterscheiden lässt. In den Anmerkungen beschränke ich mich auf das Allemotwendigste.

Mayence ce 26 Juin 1759. n y ä quince jour, que je vous ai*) ecrit; il faut que la letire vous soit parvenüe, et il faut aussi, que vous en soyes indign^, parceque vous ne me repondes pas malgr^ les instantes, que je vous en fit. Soit, cest un coup que je me suis porte, nioi meme, ma triste ma cruelle maladie, etoit donc destin^, le me montrer, non seulement, toutes les malignit^s Cachees •le raon sang, mais aussi Celles de mon coeur, j'en profiterai, jiour Fun, et pour L^auttre, j'en rens grace a Dieu, en le (iemandant, une guerison aussi parfaite, pour mon Coeur, et Esprit, quil a don^ ä mon corps; je ne seroit donc plus ^aine, ni presomtueuse, sur une lettre, ou j'aurois montr^ mon coeur, avec ses merites, et ses desflfauts, je ne dementirai plus, mon Caractere, qui apres Cinq ans et plus, d^ soufiranfe coura- gease, et suportable (parceque j'avois bien d^ Tinocence devant nioi) fait une demarche, qui detruit le fruit, de tout cela, enfin Jen suis punie, par votre silence, peutetre encore par un nou- ^eau') sacrifice, a faire de ma reputation, ä Mad: votre Mere. Si vous lui comuniques ma lettre, je ne m'en plaindrai pas, et si je le faisois, ce seroit injustement, j'ai trop dit d'elle, pour ne vous pas faire souhaiter, quelle soit justifide, et que j'aye M; ah pourquoi, ma pauvre raison, a feile tant souffert de cette Couche douloureuse avant terme, pourquoi mon Imagination Hf»it eile trop vive, trop agisante. Dieu ä permis tout cela, iw me humüier, il me faloit encore perdre, les restes de votre amitie que la piti^, et Tincertude,*) si j'etois aussi coupable qu'on

') Ein Foliobogen, auf den drei ersten Seiten mit säubern, deut- <i(lieQ, etwas verblassten Zügen beschrieben.

^ ai (nachträglich in der Handschrift eingefügt). ') Verbessert aus: nouvelle. *) So in der Handschrift.

200 FroHM Muneker

me faisoit/) m'avoit conservö,*) je me soumet, toujour destine ä souffi'ir, dans la partie, la plus sensible de mon Coeur, desonuais je me defierai des agremens, que je croirai pouvoir me procurer, par ma droiture, par un epanchement de Coeur, je n^ai d^auttre consolation, que de ne vous avoir ecrit, aucun mensonge, Mad: votre Mere, dusse t^elle m^en donner le defi milles fois. mon coeur ne sera plus donn^, ä juger ä aucun homme au monde, Dieu, Dieu seul, le verra et le jugera ä l'avenir et de Tautrt Cot^ du tombeau, come dit mon eher Joung. je vouloit avoir le plaisir, de vous voir justifie, dans FEsprit de la Roche, qui me croyoit prevenüe, pour vous, et contre votre Mere, je ne vouloit pas me venger, mais rentrer dans votre Estime, en vous laissant le juge de mes actions de Tannee 1753, depuis le Juin jus qu^a mon mariage. il est bon, il est salutaire que je reconoisse, tous les plis, et replis de mon coeur, je me renfermerai en moi meme, et mes devoirs, de mere, et d^Epouse, rien pour ceux, dont j^ambitionai TEstime, et les auttres n'etant rien pour moi adieu Wieland, dans l'auttre monde, vous me reveres, vous ne') me meconoitres plus, vous nie rendres plus de justice, et je ne ferai plus de fautes, car gpra^e, ä Dieu, je n^ai pas^) comis des crimes. Faites de ma lettre du 12, et de celleci, tout ce qui bon vous semblera je ne contredirai pas ä rien.

Dieu vous Benisse, Dieu recompense votre vertu, je lis, vos Empfindungen des Christen, come on les doit lire; oublies moi, ne vous faites au moins point d^image, de ma Conduite, de mes sentiments vous etes si loing, de me prendre au juste que je vous prie, de me laisser; ne me voyes plus, que come je suis, en ce moment, j^ai ma petite Louise sur mes genoux, Frizle, mon charmant beau Frizle est ä mes pieds, et joue, la Max est ä deux pas, de^) moi pres de la Cousine et court

*) Verbessert aus: m'avoit fait.

2) Verbessert aus: garde.

^) ne (nachträglich eingefügt).

*) Verbessert aus: je ne.

^) Vorher ,ches* durchstrichen.

Wielands „Pervante", 201

pour sa poup^e, et me demande, mama pourquoi pleures vous? je prie Dieu, de tous donner un Coeur vertueux, et une destinäe, plus heureuse que la miene. cest le seul Goupd'oeil que je vous permet; je suis sur, que plusieurs moments de ma rie, plusieurs sentiments, de mon coeur, qui vous regardent, seront consery^, et que vous les verräs dans Tauttre monde, et les aprouveres pour me recompenser, de tout les maux, que les Totres m'ont fait soufirir. adieu!

Sophie La Roche.

2.»)

Mayence ce 18 Juillet 1759. Monsieur, et tres Estime Cousin.

Yoici une lettre, que je voulois envoyer a Zürich je n'en

ferai rien, je suis resign^e sur vous, ainsi ne craignes rien de

L'avenir, car c'est la demiere fois, que vous verres de mon

odieuse ecriture; je ne vous demande plus reponse, ä mes

lettres precedentes, mais seulement la Complaisance de faire

dire par Mad: votre Mere, ä ma soeur de Hillern, que vous

les aves recües. Souvenes vous s'il vous plait, qu'un jour,

vous m'aves dit bien de ChosBS au desavantage de mon Pere,

^ans quil me soit venu dan L'Esprit, d'en faire la mine, encore

moins aurois je et^ capable, de marquer une haine, et un

mepris aussi complet, dont vous venes de me traitter, mais il

faut, que vous ne soyes plus, ce meme Wieland d'auttrefois,

vous n'aures Jamais en agir de cette facon sur ma premiere

lettre, encore*) moins sur la seconde. enfin c'est le dernier

trait, de mon sort, je suis sur, de n'en plus eprouver de pareil.

Soyes heureux mon Cousin, autant qu'on le peut etre, tranquilises

vous, en oubliant la facon, dont vous venes de me traitter bien

Jnjustement.

Sophie La Roche.

*) Ein Foliobogen, nur auf der ersten Seite mit säubern, deutlichen Zügen beschrieben.

*) Das Wort ist verschrieben: encorce.

202 FranM Muneker

3.»)

Ifayenoe ce 7 8br: 1760. Monsieur et tres Estim^ Frere.

Toujours nion Frere n^oublies pas, que je n^ai plus ases de vaniy, pour faire des pretensions, et que je regarderai, tout ce qui me viendra de vous, come des preseos genereux.

je vous ai ecrit au mois d^aout, que notre TOjage poui Warthause, etoit recul^ jusque au printems prochain, je tous ai marquä le deplaisir, que cela me Causoit; la datte du mois d^apresent m^a don^ un rajon de plaisir en me montrant, que nous somes deja avauc^ d^un mois vers le terme de mon depart. et de la satisfaction de me retrouver ches moi, de corps et d^Esprit. vous qui ne conoisses que trop, le sauvage de mon imagination, representes tous*) les douceurs quelle me fait envisager, du voisinage d'un frere et d^une soeur, come j'ai a Biberac. Dieu vous Consenre, et laisse ä ma soeur la Con- solation, de votre amitiä, et de votre Comerfe. on m^ä mande toutes les bonnes intentions, que vous aves pour mon pauvre frere Cadet, je yous en remereie millions de fois. ajes toujour ce Coeur unique dans son Espefe, ce Coeur auquel je doit iant et tant. nourisses y toujour quelque sentiment d^amiti^ pour moi. adieu penses quil n'est pas possible de Considerer, et d'Estimer quelqun plus parfaitement que tous L^etes, de')

4.*)

Majence ce 10 Novembre 1760 quelle Lettre m'ecriTcs tous mon Frere. Sans L^anglois quil y a au bout, je ne croyrais jamais, que tous L'aTes ecrite.

M Ein Foliobogen, auf den ersten drei Seiten mit säubern, deut- lichen Zügen besehrieben; vom zweiten Blatt ist ein Stück mit der Unterschrift weggeschnitten. Im Anfang des Briefes bittet Sophie um Aus- kunft über die Gesundheit ihrer Schwester Cateau von üillem in Biberach.

2) vous (nachträglich eingefügt).

*) Hier fehlt die Unterschrift.

*) Ein kleiner Foliobogen, auf 2^/2 Seiten mit säubern, deutlicben. nur etwas verblassten Zügen beschrieben. Im weiteren Verlauf des

Wielanda „PervotUe''. 203

TOus etes donc persuades, quil y a des moments ou la Philo- sophie s'en ya, au Nües pour nous laisser faire, tout ä notre aise, un petit tour terestre, materielle, tout ä fait; et vous en parles meme, dans un ton liaturel, satisfait de cette de- converte. j^en suis bien aise, et meme j^en suis Charm^e plus que vous ne penses peutetre; je vous verrai plus souvent, car je ne doute point, que cette jolie humeur, dans laquelle vous m^ecrivies cette Lettre, ne vous reprenne de tems, en tems et dans ces moments la, vous aimeres, L'Esprit, de Warthause, on osera vous prier ches nous, ou on vous Estime, et ou on craignoit seulement, votre austerit^, mais nous parlerons de iVla au mois de Mars plus amplement

5.0

ce 16. Juillet 1761.

je suis bien charm^e de L^impression que La Roche ä fait sur vous, croyes toujour mon Frere, que L'agrement de sa Figure, et de sa conversation, sont ses moindres merites, vous le dires avec moi, quand un jour vous le conoittres mieux du cot6 du caractere.

vous ne reves pas si juste que moi, car Mos. le Gomte Taut vous voir, et pense meme vous voir souvent, mais je derine qu^on veut avoir la Biblioteque arangcS pour etre sous les Armes, a votre premiere aparition.

Briefes, der auf Wielands Schreiben vom 25. Oktober 1770 (bei Robert H&ssencamp, Neue Briefe Wielands, Stattgart 1894, S. 9 ff.) antwortet, brakterisiert Sophie unter anderm ihr eignes, in seiner Schönheit nun- ^hi verblichenea Aussehen, von dem ihr ehemaliger Liebhaber nichts aiehr zu furchten habe.

^) Ein kleiner Foliobogen, auf allen vier Seiten mit säubern, deut- lichen Zügen beschrieben. In demselben Briefe bittet Sophie unter uiderm dringend, Wieland möge ihr sein Lustspiel (die Übersetzung '1^ •Sommemachtstraums'*) zum Lesen geben. La Roche pflege niemals ihre Briefe neugierig zu durchstöbern; Wieland könne ihr also ganz gut etwas anvertrauen, was nur für ihre Augen bestimmt sei.

204 Frang Muncker

6.')

Warthause 11 fevrier 1770

Diogene atiendu come le Messie, est arive vendredi. vous auries du voir, avec quelle yitesse je dechirai les envelloppes et parcourait les vignettes. mais avec quel regrett, je pensois a mes yieux qui ne me permirent pas de lire. La Roche qui attendait ces plaintes, me dit quil m^en ferait la lecture, et se mit ä rinstant a Cot^ de ma petite table, a la plafe que tous occupies du tems de mon heureux voisinage avec vous; et juges si Diogene nous plait. La Roche en ä continu^ la lecture jus qu^aujourdui ou nous sommes rest^ a la Republique. Tout est bon tout nous plait. mais N™ 33 jus qu'ä la Republique*) nous enchantait preferablement, parceque nous y croyons voir Wieland avec son Genie et son Coeur, L'histoire de Lamon;') la preface, et cent traits dans les N^*' 32. qui precedent, nous charmaient, et nous delectaient, mais le detail est impossible a rheure quil est, ou nous devorons le tout avec avidite. la Comtesse vous fais milles remerciements, eile est toucb^ de rhoneur que vous lui aves fait, eile vous ecrira eile meine, chaque feuille L^enchante. il y ä un seul mot quelle n^aimait point, et dont L. R. ä pris la defense en disant quil falait que Diogene parle sans macher les expressions. le mot est dans l'article des diferentes facons d'aquerir des richesses.*)

Lamon m^a touchee. Clicerion m^ä rapellä un tems que vous passies heureusement, eloign^ de tout le monde, ou votre maison etait l'univers pour vous. me suis je trompöe? je crois que non. vos tableaux du bonheur d'une Ame sensible pour les beauti^s de la nature. j'aurais voulu m'y trouver ä cot^ de vous.

1) Ein kleiner Foliobogen, auf drei Seiten mit deutlichen, säubern Zügen beschrieben ; auf S. 4 die Adresse. Die zweite Hälfte des Briefes enthält verschiedne persönliche Mitteilungen von geringerer Bedeutung. Wielands Antwort auf diesen Brief ist schon von Franz Hörn (Wielands Briefe an Sophie von La Roche, Berlin 1820, S. 116 ff.) veröffentlicht.

2) In der Handschrift verschrieben: Replublique. ^) Kapitel 7—9 des , Diogenes*.

*) Wohl im 28. Kapitel.

Wielands „Perwmte''. 205

adieu Wieland je vous remercie de votre ecriture dans Dio- gene, je vous remercie que vous y ayies mis mon nom Sophie. ah si les riens ne faisaient, le bonheur des ames sensibles toates les richesses de mots et de biens ne le feroient pas. vous me conoisses vous voyes mon coeur dans cette Pha- tasie.')

Warthausen d. 25. Februar 1770 Sie wollen in Zukunft lautter teutsche Briefe von mir baben; und Sie sagen mir so gute Ursachen dazu, dass ich diesen Vorschlag, um mein selbstvrillen annehmen muss.

Ar Diogenes mein Freund, Gefält der Geistlichkeit nicht und bn den meisten nach dem , Esprit de leur Corps ** nicht ganz gefallen, ich bin froh das Wieland als Wieland nicht so von der Liebe, und andren Bewegungen unsrer Seele denkt, als er, als Diogenes davon spricht. Die Gräfin und ich v^aren ein paarmahl böss über Sie, da Sie uns bey dem vorlessen erröthen machten, weil wir nicht so geschwind waren als La Roche es gewessen, Wieland und Diogenem zu unterscheiden. Eine Be- trachtung kam mir dabey, die zu einer Frage wurde, ich war sicher dass die rothmachende Züge in Ihrem Diogenes, eben so viel mühe und Überwindung gekostet hätten, als mich der Character meines Bössewichts: Woher konit aber dass eben «liese stellen in Ihrem Buch, und diesse Briefe in meinem die Lebhafteste sind, und stärkere eindrüke, als die übrige Diachen.

^) So in der Handschrift.

^) Ein kleiner Foliobogen, auf allen vier Seiten mit säubern, deut- 'ichen Zügen beschrieben. Die hier nicht mitgeteilten Abschnitte des Briefes handeln anter anderm von der .Geschichte des Fräuleins von ^ternbeim*, an der Sophie gerade arbeitete; auch Wieland hatte Mehre- ^ davon schon gelesen und wahrscheinlich der Freundin nur darum Sttaten, ihre Briefe deutsch zu schreiben, damit sie so für ihren Roman »•me grössere Leichtigkeit im deutschen Stil gewinne.

206 Franz Muneker

Warthausen d. 18 Merz 1770 Sie plagen mich Wieland, mit Ihren deutschen Briefen. ohngeachtet ich fühle dass Sie recht haben, aber es dünkt mich, alles was ich Ihnen zu sagen habe, und für Sie empfinde liegt in dem gefach meiner francösischen Wörter, und, dass ich es erst übersezen muss, daher finden Sie auch meine Briefe troken und kalt.

(Von Georg Michael Frank von La Koche.)

Warthatuen ce 4 Join 1770. Tlantlaquacapatli, Aboulfaouaris etc. et Gombabus sont ar- riv^s sains et saufs. Je les ai devor^. Voulez vous que je vous dise la Veritä? Je prefere ces geheime Beyträge mftme ä Diogene. II y a bien long temps que je n'ai rien lu qui fut plus ä mon Gout. Et il n'y a que vous qui soyez en etat de parier Nature. il semble que vous Fayez pris sur le fait, et que vous Payez forc^ a vous decouvrir le fort et le foible de ses Ressorts. Enfin c'est une production qui doit vous faire honneur parmi tous les Etres pensants. Nargue a Bavus, KoUbomius *), et autres vermisseaux, qui ne manqueront

^) Ein kleiner Foliobogen, auf drei Seiten mit säubern, deutlichen Zügen beschrieben; auf S. 4 die Adresse. Meist handelt es sich in dem sehr herzlich gehaltenen, halb deutsch, halb französisch abgefassten Briefe um weniger bedeutende persönliche Mitteilungen. Derselbe bunte Wechsel der Sprache findet sich auch noch oft in den folgenden Briefen; ja selbst ganze Briefe schreibt Sophie später noch französisch, besonders wenn ein leidenschaftliches Empfinden in ihr nach Ausdruck verlangt.

'^) Ein kleiner Foliobogen, nur auf den beiden ersten Seiten mit säubern, deutlichen Zügen beschrieben. Da Sophie mit der Gräfin Maximiliane Stadion gerade einen Ausflug gemacht hatte, schrieb dies- mal statt ihrer ihr Gatte, obgleich auch er nur wenig Zeit hatte, da er den Umzug nach Schloss Bönnigheim vorbereitete.

*) Abbe Kolborn, Kanonikus von Mainz, Erzieher de« Grafen Philipp Stadion.

Wielanda „Pervonte". 207

point d'y trouver ä redire, parceque ce n'est pas le ton du

Schulzen-Stofel.

Je suis de Coeur et d^ame

Votre Amy Cousin et tres

humble serviteur

La Roche.

10.^)

UXbr 1770

vous saves que je possede vos gracieuses fiUes de genie, je les ai lu deux fois, elles sont charmantes, et je me loue, d^avoir devine votre Danae*). Phillis la simple et modeste Phillis^), ne tient eile pas les graces, de sa naivet^, des doutes de son ambilit^, du Caractere de votre Epouse, Ces yieuz rempli de lanDes de joye ce sentiment de vous*), qui lui tient lieu de toat, la sincerite avec laquelle, eile loue les Charmes de ses Compagnes, tout est tire de Tarne de mon Amie Wieland, dites lui, que si en lisant les Graces, j^eusse et^ ches vous, je me serait leve, et L^aurais pressä contre mon Coeur, et la eile aurait vu aussi des larmes de tendresse, dans mes yieux ä demie eteint.

11.*)

Ehrenbreitstein 28 Juin 1771

Wissen Sie das meine Sternheim dem Herder gefält, diesses hätte ich mir nicht vermuthet, und es freut mich nicht wenig.

M Ein kleiner Pojioboj^en, auf allen vier Seiten mit grossen, deut- -fhen Zügen beschrieben. Wie Sophie in den vorausgehenden Briefen ^brfach mit gespannter Erwartung von den „Grazien'' spricht, so lobt das Werk auch nochmals kürzer in dem folgenden Schreiben vom 18. Dezember 1770.

') Die ganze Erzählung in Wielands „Grazien" ist an Danae gerichtet.

^ Die schönste der arkadischen Hirtinnen in den „Grazien*.

*) In der Handschrift verbessert aus: de votre Mere.

^) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten mit säubern, deut- üehen Zügen beschrieben.

208 FranM Muncker

12.^

18 Juillet 1771

j^ai recü une lettre de Merk, et de la petite Flachsland Amie de Herder, qui me comunique toutes les Poesies du dernier, et les louanges quil donne au ton Melancholique de ma Sternheim, et a la verite morale quil y trouve, Taprobation de cet homme me fait plaisir.

13.«) (Von Damian Friedrich Dumeiz.)

[27. September 1771.]

je pense m'arreter encore vne huitaine de jours ici,') et puls aller retirer votre Agathon des mains dVn moine ä qui je Tai pret^, et qui en fait des extraits pour precher votre evangile au peuple, jugez par de Texcellence de votre ouvrages,*) puisque le gros sens monacal le*) sent.

14.*)

(l. 16 Juny 1772

aber den golden*) Spiegel habe ich doch schon durchblättert, und mit trähnen dess danks, mit überfliesenden Thränen der besten empfindung habe ich Sie meinen Wieland geseegiiet. 0 wie schön werden Ihre Männliche Jahre mein Lieber

^) Ein in 8*^ gebrochenes Quartblatt, auf allen vier Seiten mit flüchtigen, mitunter nicht recht deutlichen Zügen beschrieben. Der Brief enthält noch weitere Mitteilungen über die freundliche Aufnahme der , Geschichte des Fräuleins von Sternheim".

2) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten beschrieben, grossen- teils von Sophie; am Schluss fügte Dumeiz eine kurze Nachschrift bei, aus der ich hier nur die auf den „Agathon" bezüglichen Sätze mitteile Die Unterschrift von Dumeiz' Namen fehlt in dem Briefe.

^) Nämlich bei Sophie in Ehrenbrei tstein.

*) So in der Handschrift.

^) Ein in gebrochenes Quartblatt, auf allen vier Seiten mit grossen, deutlichen Zügen beschrieben.

Widands „Pervonte''. 209

theurer Wieland Gott belohne Ihre mühe, durch den eindruk den es, auf Fürsten, und rathgeber Seelen machen soll, dass schöne f&rtrefliche Meisterbuch

La Roche ist über Ihre Scheschianische 6e- mählde entzükt, Sie wissen das ers nicht oft ist

Ihre Sophie 15.»)

Goblenz d. 6 aprill 1780..

Ihr Oberon, Lieber Wieland ist gekommen etlichen recht guten Menschen freude zu geben La Roche war just an einem bössen hässlichen geschwür im Naken sehr krank, und wmuthig, seine beste freunde wussten ihm nichts zerstreuendes mehr zu sagen seine Bücher, und sein Naturalien Gabinet latten auch ihre reize für ihn verlohren da kam Oheron ^ilig bring ich ihn hinauf, la Roche lächelt ihn mit Hofiiung eines Vergnügens an, lässt mich gleich wieder gehen und liesst biss kein Buchstabe mehr zu lessen ist den Abend komt unsser minister von Hohenfeldt^) dem sucht er diese

jene stelle nach und erzählt auch mir und den zwejten tag liesst er nochmals ganz so dass ich ihn erst den vierten bekam und noch dem minister lassen musste. Nun soll ich Ihnen für das vergnügen danken, das beyde durch Oberen genossen. Ihre Jahre sollen so viel, und so glüklich seyn als die minuten die Oheron ihnen beyden gaab. nur eine trage entstund warum machen die Protestanten so oft spot- tende anspielungen auf Theile der Catolischen Religion

Oberon gefiel Ihnen doch? Sein Bau der Geist der in ihm lebt, wie soll das nicht 9-fallen? und ich helfe doch auch Souscripenten für die schöne aiissgaabe samlen, zu deren betrieb ich Sie aufmuntren solle,

*) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten mit deutlichen, meist ?o»eii Zügen beschrieben.

^ Christoph Philipp Wilibald Freiherr v. Hohenfeld, Generalvikar m FürBtbiachofs zu Speyer, 1777 1780 auch Konferenzminister und wirk- iicbcr geheimer Staatsrat des Kurfürsten Clemens Wenzeslaua von Trier, gestorben 1822.

210 Franz Muncker

da die frage mehr aass besorgnis entstanden sey es möchten, die religions artikel Ihrem Buch schaden weil das CatoHsche Teutschland doch auch viele menschen zählte aber ich weiss viele Catoliken, die im Ernst ärgerliche Sachen sagen und schreiben das ist wahr man erlaubt sich selbst aber mehr als einem Fremden Oberon hat jede vorspräche in sich und in guten köpfen so weit zwey Männer.

Mich lieber Wieland! freut, der reich tum und die heiterkeit Ihres Geists der Himmel lass Sie diese guter lange gemessen, und möchte ich die hofnung haben &e und Ihre Famillie beysamen zu sehen ich wäre sehr glüklich wenn ich Sie die liebe würdige Mutter Ihrer Kinder die Gross- mutter davon, und das rührende gewühl von Wielands Kinder um mich her sähe, in Weimar wo ich doch die nähste ver- wandtin von Ihnen allen wäre, und also auch antheil an Hen und Blut fühlte es freute mich mehr als ich sagen kan aber die beste freuden, sind erscheinungen eines ideals er- heben den Geist, machen dass Herz wallen und entfliehen, ic die Welt dess vollkommenen auss der sie herunter steigen, uns einige stunden recht süss recht schön zu machen

die herrliche zerreissende Bilder dess 9. und 10 gesangs, die Sie meinem Herzen gönten habe ich auch ich kan sagen geherzt ein Geist voll obermacht hat Sie dass schmerzliche und süsse der liebe malen machen, dank Wieland! tausend dank, dass Sie mir es gönten und eigneten

Göthens Billet^) ist seiner und Ihrer würdig er hat alles in sich was durchdringende einsieht fodert der Zufall mag ihn, allem ansehen nach gegen mich böss gemacht haben ich bin nur Weib aber ich werde nie ungerecht und nie klein seyn aber wenn verstunden Sie unter pro- pJianen Menschen? und wo liegts? das Klopstok und die Stolberge und Göthe die alle so glühend zusamen

^) Es ist wohl das Briefchen vom Grünen Donnerstag (23. März) 1780 gemeint, das Goethe mit einem Lorbeerkranz für den « Oberen' an Wieland sandte.

Wielands „'Perwnte", 211

waren nun kalt sind und die Jacobis Ach Wieland wo liegt das in Männern voll kentnissen voll Seele sagen Sie mirs ich bitte Sie lieber Theurrer Wieland! wo iiegts. Lessen Sie doch, es liegt meinem Herzen daran Lessen ^ meine Rosalie Widand soll meine Rosalie lessen, und die gute haben (üte und neue gute mir was darüber zu sagen, ich bitte bitte Herder war meiner Sternheim gut ich weite er war es auch Bosalien seiner Frau die ich so liebte der ich anders dargestelt wurde 0 Wieland! was uoterschied zwischen Feinheit des gefühls der Seele die zu Terwunden fürchtet und Feinheit dess geists der nur dolche schleift adieu Sie alle *) mein Friz ist Lieute- liant, im Francösischen Reg*. Zweibrüken und schift nach amerika vogue la galere sagte der alte Graf.

^) Das Folgende ist am obem Rand der letzten Seite des Briefes nachträglich noch beigefugt.

<

ü. Amira, Willehalm-Ha.

Tafel I.

1903. Sitzb. d. pbilos.-philol. u. d. histor. El.

0. Amira, WUlehalm-Hs.

Tajel III.

a.

r

9. SItzb. d. philoL-plilIol. n. d , biilor. Kl.

213

Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm.

Von Karl r. Anitra.

(Mit 3 Tafeln.)

(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 7. März 1903.)

In der kürzlich veröflFentlichten Einleitung zu meiner Ausgabe der Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels iabe ich als eine der nächsten Vorläuferinnen der Sachsen- fcpiegelillustration eine grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm genannt, die zwar nicht mehr vollständig, doch in Bruchstücken zu Heidelberg und München erhalten sei. Nach diesen Bruchstücken habe ich a. a. 0. auch in aller Kurze eine Beurteilung der Willehalm -Illustration gegeben. E< konnten jedoch dort nur Behauptungen aufgestellt werden. Ibre Begründung nebst Ergänzungen und einer genaueren ' liarakteristik des bedeutenden Werkes sollen jetzt nachfolgen.

Keines jener Bruchstücke war bisher unbekannt. Das zu Heidelberg besprachen schon F. J. Mone in dessen ^Anzeiger /''r Kunde der teutschen Vorzeit' V 1836 Sp. 177 ff. und Fr. Kugler in seinen ^Kleinen Schriften und Studien zur ^mtgescJüchte' I 1853 S. 6. Beide begleiteten ihre Mit- telungen mit Proben der Bilder in Umrissen. Mone bot auch •willen, allerdings sehr ungenauen, Abdruck des Textes. Ohne 'lie Monesche Veröffentlichung zu kennen gab 1872 K. Bartsch ^'^lige Notizen über das Fragment in Pfeiffers Germania -^VlI 434 (recte 443), und in seinen ^Altdeutschen Hand- ^'hriften der UniversitätsbibliotheJc zu Heidelberg* verzeichnet er

1901 Bitxgsb. d. philoa-philol. n. d. htst. Kl. 15

214r Karl V. Äwira

es unter Nr. 443.^ Die Münchener Bruchstücke sind zuerst von B. J. Docen in der Oberdeutschen allgem. lAteraturzeitung ISlo Nr. 127 Sp. 1021 erwähnt, dann in der Willehalni-Ausgak von Lach mann benützt und dort mit w bezeichnet. Ausser- dem hat Fr. Pfeiffer in seinem .QueUenmaterial' 11 186^ S. 83 f. einen Teil des Textes abgedruckt.

Nirgends jedoch war von Beziehungen zwischen den Heidel- berger und den Münchener Bruchstücken die Rede. Nirgend* auch waren diese so beschrieben, dass sich ohne weiteres Be- ziehungen hätten erkennen lassen. Eine genaue Beschreibung ist aber schon darum nötig, weil sich vielleicht mit ihrer Hilfe noch andere zugehörige Bruchstücke auffinden lassen.

Das Bruchstück auf der Heidelberger Universitätsbibliothek Cod. Häd, 362a, 86 {2% hier mit H bezeichnet, besteht aus einem ursprünglich in zwei Blätter gefalzten vollständigen Pergamentbogen, der nach Auflösung des Codex zum Überzug eines Buchdeckels von 21,5 x 31,5 cm verwendet wurde. Xm 1820 hat Mone den Bogen abgelöst. Er berichtet aber nicht, was das Buch enthielt oder woher es stammte. Nach niug- liebster Glättung der durch das Überziehen entstandenen Falten ergibt sich ein Umfang der beiden Blätter von 30 30,4 cm Höhe und 20,8 22,4 cm Breite. Die grösste Breite des ganzen Bogens misst 43 cm. Die Bruchstücke auf der Hof- und Staats- bibliothek zu München Cgm, 193 [e 13], hier mit M bt- zeichnet, bestehen aus zwei stark zugeschnittenen Blättern eines Pergamentbogens, der ebenfalls als Überzug eines Buchen dienen musste. Letzteres war ungefähr 6 cm dick und hatte eine Decke von ca. 15 x 20 cm Umfang. Auch von diesem Bogen lässt sich die Herkunft nicht über das 1 9. Jahrhundert zurück verfolgen. Docen gibt a. a. 0. an, er habe ihn von Reinwald in Meiningen erhalten.*) Gemeint ist W. Fr. Rein-

M Als Ms. .Bartsch* figuriert es in dem Verzeichnis der Willehalm- Hss. bei P. Piper Wolfram v. Eschenhach I (1890) S. 196.

') Auf diese Angabe geht wohl die Bemerkung von Schmeller in seinem Fragmentenverzeichnis S. 17 zurück, daas der Bogen ,aus Bein- walds Besitz* stamme.

Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Wülehalm. 215

wald, Schillers Schwager, Bibliothekar zu Meiningen, f 1815. Aus Docens Besitz ist dann das Bruchstück in die Staats- bibliothek gekommen. Bis 1809 scheint es übrigens Docen Doch unbekannt gewesen zu sein, da er es unter den Wolfram- fragmenten seiner ^Miscdlaneen^ II 114 ff. nebst Anhang (1809) nicht erwähnt. Nur schwache Spuren führen weiter zurück, bis etwa ins 16. Jahrhundert. Auf dem vorderen Deckel (=foI. 2a) stehen rechts^) oben in der Ecke mit schwarzer Tinte von fester Hand geschrieben die Worte:

nOIKIAQN AEKTQN

Vol. n

Ein griechisches Buch unter einem solchem Titel ist auch den Waten Kennern der spätgriechischen Literatur unbekannt. Ver- mutlich deckte der Einband überhaupt kein griechisches Werk, sondern die ,bunten Aufnahmswürdigkeifcen' oder m. a. W. das Notizbuch eines Humanisten, der es nicht in seine Bibliothek einstellte, sondern beständig vor sich auf dem Pult oder Schreib- tisch liegen hatte. Hierauf deuten auch die vielen Klexe, die mit derselben schwarzen Tinte, womit der griechische Titel geschrieben ist, auf die Titelseite gespritzt wurden. Durch die Ablösung von dem Buchdeckel haben die Münchener Pergament- Wätter im Gegensatz zu denen von Heidelberg neue und zum Teil sehr schwere Verletzungen erlitten, so dass sich ihre Masse nur annähernd bestimmen lassen: Höhe etwa 24 und -0,7, Breite ungeföhr 18 und 22 cm, wobei aber zu bemerken, iass der untere Rand und von fol. 1 auch der äussere Seiten- r^nd weggeschnitten ist. Die grösste Breite des wieder zusammen- setzten Bogens misst jetzt noch 41 cm. Dass die Münchener Walter einst das nämliche Format wie die zu Heidelberg hatten, ^ird sich alsbald im Zusammenhang mit der Lineatur ergeben. Die Einteilung ist in H und M im wesentlichen die Ähe. Eine Vertikallinie spaltet jede Seite in zwei Kolumnen,

^) Rechts und links sind in dieser Abhandlung heraldisch zu nehmen.

15*

216 Karl V. Amira

wovon stets die innere und die schmalere von der Schrift, die äussere und fast doppelt so breite von der Illustration ein- genommen wird. Eine zweite Vertikallinie grenzt die Schrift- kolumne gegen den inneren Seitenrand hin ab. Die Breite der so begrenzten Schriftkolumne beträgt in H 7 7,2 cm, in M 7 7,5 cm, die Breite des inneren Randes zwischen Schrift- kolumne und Falz in H 1,2—2 cm, in M ungefähr 1,8 cm Horizontallinien hat nur die Schriffckolumne. Es war aU» jede Seite von vornherein dazu angelegt, neben dem Text fort- laufende Illustrationen aufzunehmen. Die Zahl der Horizontal- linien in den Schriftkolumnen beträgt stets 30 mit einem gegen- seitigen Abstand von 8 9 mm. Die gesamte Lineatur ist mit brauner Tinte hergestellt. Die Breite des Randes über und unter den Schriftlinien lässt sich nur für H feststellen, da in M diese Ränder teils weggeschnitten, teils abgerissen sind. Der obere Rand misst in H 1,5 2 cm, der untere 4,8 5,4 cm. Ergänzt man den Fuss der Münchener Blätter mit diesem unteren Rand von H, so erhält man eine Blatthöhe von unge- fähr 29,4 30,5 cm, woraus die ursprüngliche Übereinstimmung der Formate von H und M erhellt.

Die Bogenlagen des Codex, wozu H gehörte, waren signiert. H selbst war zufolge der am Fuss von fol. 2 b erhaltenen Sig- natur der äussere Bogen von Lage XIH.

Die Schrift steht über den Linien,, rührt von kräftiger Hand und ist mit derselben braunen Tinte wie die Lineatur mit Sorgfalt ausgeführt. Die Buchstaben sind gotisch, sehr deutlich und gleichmässig und innerhalb der Verszeilen etwa 4 mm hoch. Höhere Buchstaben eröflFnen die Verszeilen, Abwechselnd rote und blaue Initialen stehen am Beginn der einzelnen Abschnitte, zu denen Bilder gehören. Der Schreiber hat sie dem Miniator in feiner und kleiner Schrift angegeben. Eine Verschiedenheit der Scbreiberhand zwischen H und W vermag ich nicht zu erkennen und ebensowenig einen Unter- schied unter den Initialen. Auch die Schreibregeln, die in H und M beobachtet wurden, sind, soweit feststellbar, die nämlichen. Über i steht gewöhnlich der Strich, doch nicht

Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs WilleTuUm, 217

Tor langen Buchstaben und nicht vor c. Rundes r folgt auf 0, d, 6. Langes f im Wortauslaut findet sich selten, wohl zu- fällig nur in H (tcaf, dinf, tmf). Bogen verbin düng pflegt ein- zutreten zwischen d oder h und folgendem e oder o, zwischen p und folgendem p oder o; zuweilen kommt sie auch vor zwischen t; oder w und folgendem o oder e. u^) steht häufig and zwar nicht nur vor oder nach m oder n, sondern auch zwischen v und r, w und r, r und r, h und r, i und r, 5 und jst, vs und 5, 2 und er, Z und i, X; und r, r und e2, v und 2, 2 und t^ ( und ^. Anderseits kommt aber sogar vor oder nach m und n 4Qch blosses u vor. i; =s u gebraucht der Schreiber oft neben K Utets in tmd^) oder m oder z und nach i, v = u in A:vm, ^, 5WI, genvCf aber auch in xriJ, nw, ^. m = v setzt er zwi- schen y und y (fyuyansf), abwechselnd mit v vor a (uater und öJ^, 96tiaren und gevam^ varen, vant, vanen)^ vor o (uor, fwfc/en, geiiOchUcken, aber auch wr, wn, t;ö^cy, vor e (uelt, ^mt, uestCf aber auch veste, veder, vetter, und regelmässig ver), Tor i (iiü, virgufU), femer gewöhnlich vor r und Z. y oder y liebt der Schreiber in Fremdwörtern und im Diphthongen cy. Die häufigsten Abbreviaturen sind s = er (so regelmässig in ff v\ femer in Ä*, m6*, a«ef , tveff, hesuncP, tocht^, itslich^, framere) und über n in tm (= vnde). Ausserdem findet sich Q<>ch übergeschriebenes a =^ ra in spch. Ein Punkt pflegt il^n Schluss eines Verses zu bezeichnen. Selten dagegen dient "r zur syntaktischen Interpunktion.

Der Textinhalt von H und M besteht ausschliesslich aus Stücken von Wolframs Willehalm und zwar stehen, verglichen wit Lachmanns Text, auf H fol. 1 die Verse 220, 24-222, -^. auf H fol. 2 die Verse 235, 15—237, 15, auf M fol. 1 die W 388, 21—390, 21, auf M fol. 2 die Verse 403, 13— ^^h 14. In der Kegel beginnt mit jedem Vers eine neue Ärile. Nicht selten jedoch, in H fünfmal, schliesst sich ein '^R an den vorausgehenden noch in derselben Zeile an. Unter ß^rücksichtigung dieses Umstandes berechnet sich aus den zwischen den beiden Heidelberger Blättern fehlenden 377 Versen

^) Woraus Mona immer uo gemacht hat.

218 Karl V. Amira

und aus den 382, die zwischen den Münchener Blättern fehlen. der Ausfall von je drei Bogen. Wahrscheinlich haben wir es also auch in M mit dem äusseren Bogen eines Quatemio zu tun.

Die 18986 Verse des ganzen Gedichtes würden, das Blatt nur zu 60 Versen gerechnet, rund 233 Blätter erfordert haben. Bringt man die Zeilen mit Doppelversen in Anschlag, so er- mässigt sich die Zahl der erforderlichen Blätter, womit dk Bemerkung ,230 hlletter* übereinstimmt, die mit einer Cursiv^ von alter Hand in H fol. la den inneren Rand entlang hin- geschrieben ist. Sie scheint den Umfang des Codex anzugeben, dem H entstammt.

Eingeteilt ist der Text in bald längere, bald kürzere Ab- schnitte, die ausschliesslich durch das Bedürfnis der Illustration gegeben sind und mit den dreissigzeiligen Abschnitten des Lachmannschen Textes nichts zu schaffen haben.

Die Sprache ist sowohl in H als in M mittelhochdeutsch, aber dort wie hier durchsetzt mit mitteldeutschen, ja nieder- deutschen Einsprengungen. Sowohl M als H bieten i = c in ir- (irhabcn, irwarj), irgienc, erhis, teils) und gewöhnlich tm-n = itian, se nel)en siu, sie, de neben diu, sowie regelmässig an- lautendes sc (scon, scar, scartc, scaltc, scaffe, -scaft), ausserdem H regelmässig licr = er, ferner tcl neben teil, warf = xvurf, vor = filr, truwe, wunde neben sonst regelmässigem iu (stiure), verterhen, durc, sie, niarhrahe, itslich, itswa, we = iver, we, swf = wie, sivie, dazu dann M i^ = es, ode = oede, hokgeniut, nach = nacht, und das niederdeutsche dat.

Die Abschrift enthält verschiedene Fehler. So steht in

222, 1 irtvarp anstatt der uarp, in 222, 10 se für siz, in 236, 9 de kandcn für die kumenden, in 236, 19 der kvninc marroch, anstatt der Jcvninc von marroch, in 236, 21 anders statt ander, in 237,10 den zeme oth diu seihe spräche für den zeme ein tin- schin spräche, in 338, 26 men anders gicht statt man dort ähf, 389, 10 heret statt erret, in 389, 11 der kuninc statt rois, in 390, 1 siner thioste statt sinen tjost-en, in 390, 6 wenet für wan Jat, in 403, 22 aJäsanz für alitschanz, in 404, 27, 28 Um- stellung der beiden Verse, 404, 30 des endes statt den mdes.

Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs WillehaJm. 219

Bis hieher ergibt sich Übereinstimmung zwischen M und H in Bezug auf Material, Raumein teiluug, Anordnung des TeiteSf Schrift und Sprache. Dieses Zusammenpassen wieder- holt sich im illustrativen Teil.

Sowohl in M wie in H stehen regelmässig drei Bilder in einer Kolumne übereinander. Nur wo, wie in M fol. 2, figuren- reiche Kampfschilderungen einen grösseren Raum beanspruchen, «ird die Kolumne von zwei Darstellungen ausgefiillt. Zuweilen (M fol. la) zieht sich zwischen zwei Bildern eine wagrechte sdiwarze Trennungslinie hin. Die Beziehungen des einzelnen Bildes oder auch einer Bildergruppe zum illustrierten Text- abaclmitt zeigt die Initiale des letzteren an, die in gleicher 6estalt und Farbe innerhalb der Bildfläche wiederkehrt.

Die lUustrationen bestehen aus schwarzen Federzeich- noDgen, die teils mit Lasur- teils mit Deckfarben koloriert ^iod. Sie wurden nach Vollendung der Schrift angelegt, da 2>ie mehrmals (in M), diese umgehend, in die Textkolumne über- greifen. Anderseits reichen sie, wo vollständig erhalten, bis zum äussersten Blattrand und erstrecken sich nötigenfalls auch noch über den Band unter dem Text.

Dargestellt sind auf H 1 a in 3 Bildern die Unterredungen

ier zu Orange eingeschlossenen Gyburg mit ihrem Vater Ter-

wner (Beispiele bei Kugler Kleine Schriften und Studien S. 4

Jöd Taf. I zu gegenwärtiger Abhandlung), auf 1 b zunächst ein

^Jtspräch zwischen ihr und ihrem früheren Gatten Tybald, dann

& Belagerung von Orange (bei Mone a. a. 0. Taf. III) und der

^iriegsrat Terramers, auf H 2 a, b das Heranrücken der franzö-

^•j^hen Entsatztruppen und deren Lager vor der Stadt, auf

^^.2 verschiedene Szenen aus der zweiten Schlacht auf Ali-

^W, insbesondere die Taten des starken Rennewart und das

*«ranstünnen der Heidenkönige vor dem Wagen der Götzen

Taf. n und HI zu gegenwärtiger Abhandlung).*)

^) Von photomechaniacher Reproduktion des OriginalB war wogen ^'f Falten und der vielen Flecken im Pergament Abstand zu nehmen. ' ' nju^'jte mich daher auf Strichntzungen nach meinon Bansen bo- -^i.-iiiken.

220 Karl t\ Amira

Die Zeichnung beschränkt sich meist auf die umrisse. Den Erdboden lässt sie grundsätzlich unangedeutet. Auf Ein- zelnheiten an den Figuren wie das Gefölte der Gewänder, Zier- raten der Kronen geht sie nur mit Zurückhaltung ein. Doch vergisst sie nie das Geflecht der Kettenpanzer durch jene kunen Striche zu charakterisieren, die auch sonst in der Malerei des 13. und 14. Jahrhunderts diesem Zweck zu dienen pflegte Was Kugler an den figuralen Partien von H herrorhob, derbe Zug, die kurzen, schweren Verhältnisse, der Mangel feineren Lebensgefühls, das alles trifft auch bei M zu. Dort wie hier auch die gleiche schematisch steife Seitenansicht der Rosse, die in der Regel vorspringende Schädel, gerade Kaseo, zurückliegende Augen, dicke Beine mit heraldisch zugespitzten Gelenkknochen haben und selbst im Kampfgetümmel im Trab oder gar nur im Schritt gehen, sowie der Reiter, die kerzen- gerad sitzen bleiben, auch wenn sie zum wuchtigsten Hieb ausholen, und denen fast immer der Steigbügel fehlt, in dec sie die weit vorgestreckten Beine stemmen könnten. Dort wie hier die stereotypen Gewandmotive an den Schössen derWaffen- rocke, die mit einer vorderen und einer hinteren Falte an den Seiten des Pferdes herabhängen, die gleiche Bildung der breiten menschlichen Gesichter mit überragenden Stirnen, starken und meist steilen Nasen, grossen und weitaufgerissenen Augen unter normal wagrechten Brauen. Dort wie hier die fast gänz- liche Gleichgültigkeit des Zeichners gegen das Minenspiel das sich höchstens im veränderten Zug eben jener Augen- brauen kundgibt.

Die Farben, deren sich die Illumination bedient, sind soweit bei dem schlimmen Zustand von M noch erkennbar, Mennige, Zinnober, Krapprosa, Smalte, Okergelb, Permanent- grün, Schwarz, Gold. Gewöhnlich sind sie flächig und stark deckend aufgetragen. Der Hintergrund bleibt stets weiss. Aus den weissen Gesichtern sind Lippen, Wangen und Stirnen, öfters auch die Nasenbeine mittels leichter mennigroter Tupfen und Linien hervorgehoben. Die Haare wurden gelb angetuscht. Modellierung kommt nur bei den Eisenteilen der Rüstungen

Die grosse Büderhandachrift von Wolframs Willehalm. 221

Tor, deren Glanzlichier man freigebig aus dem Blau der Schatten aufsparte. Über der deckenden Farbe der Kleider zog man die Trarisse in kräftigen tiefechwarzen Linien nach. Die Topfhelme erscheinen allemal gelb, ebenso die Parierstangen und Knäufe der Schwerter, das Zaumzeug, die Sattelgurten, die Sattelbogen und alles sonstige Holzwerk. Die Pferde sind bald rot, bald blau, bald grau geapfelt, Gebäude und Zelte rot oder grün, Gold zeichnet nur (in H) den Nimbus um das Haupt Christi und den Stern auf Schild und Brust Willehalms aus.

Alle unsere bisherigen Beobachtungen führen uns zu dem Schluss, dass H und M einem und demselben Codex des Wolframschen Gedichtes angehört haben. Nicht dagegen sprechen gewisse Unterschiede, die zwischen H und M hin- sichtlich der Zeichnungen obwalten. Allerdings nämlich haben in M die Pferde meist kürzere Beine als in H, mitunter sogar bis ins Abbreviaturmässige verkürzte, laufen femer die Striche, welche das Panzergeflecht charakterisieren, in H nach der Längs-, in M nach der Querrichtung, haben endlich die Schilde dort noch durchgängig die sogenannte normannische Form ohne Wappen, hier dagegen stets die Dreiecksform mit heraldischer Bemalung und sind auch die Topfhelme dort anscheinend etwas anders konstruiert als hier. Diese Unterschiede würden jedoch bei der sonstigen Übereinstimmung in den Zeichnungsmanieren Ton M und H nicht einmal dazu ausreichen, um die Annahme zu sichern, dass am nämlichen Codex zwei verschiedene Zeichner beteiligt gewesen seien, wenn auch freilich diese Möglichkeit nicht bestritten werden kann. Denn ebensogut liesse sich denken, dass ein und derselbe Zeichner beim Fort- schreiten seiner Arbeit von H bis zu M in nebensächlichen Dingen gewisse Abänderungen seiner Gewohnheiten sich ge- stattet habe.

Die Blätter H und M sind nicht die einzigen Überbleibsel jener illustrierten Willehalm-Handschrift, von denen wir Kunde haben. Zuerst im Jahre 1839 gab Karl Roth in der Vorrede zu seiner Ausgabe ,Deutscher Predigten' S. XXI Nachricht von zwei Pergamentblättern mit andern Stücken aus dem Text

222 Karl V, Amira

von Wolframs Willehalm und mit zugehörigen Bildern. Er glaubte auch zu erkennen, dass diese Blätter mit M einem und demselben Codex entstammten. Nun sind sie freilich seit ge- raumer Zeit wieder verschwunden. Wenigstens war es mir trotz vieler Bemühungen ^) unmöglich, die Schicksale zu ermitteln, die ihnen seit etwa 1850 beschieden waren.^) Immerhin be- sitzen wir eine, wenn auch knappe Beschreibung von ihnen, die Karl Roth a. a. 0. und in seinen DenkmäKlem der deutschen Sprache (1840) S. XIV gegeben hat, femer einen Abdruck ihres Textes in eben diesen BenkmäMern S. 73 76. Seine Mit- teilungen reichen aus, um den Schluss auf die Zusammen- gehörigkeit der Rothschen Blätter mit M und H zu recht- fertigen. Das Format war ,EleinfolioS die Einteilung die gleiche wie in H und M, insbesondere wie hier der Text auf 30 Zeilen der inneren Kolumne und zwar teilweise in Doppel- versen, die «ausgemalten Figuren* auf der breiteren äusseren Kolumne jeder Seite und zwar wiederum in ,drei Reihen' über- einander untergebracht. Die Schrift war ,8tark' und ,deutlich' und wurde von Roth in die ,Mitte des 13. Jahrhunderts' ge- setzt. Die Initialen der einzelnen Abschnitte waren ,abwech- selnd rot und blau'. Die Textstücke entsprechen den Stücken 161,20-163,26 und 210,9—212,14 von Lachmanns Aus- gabe. Demnach entstammten die beiden Blätter verschiedenen Bogenlagen des Codex. Die Mundart war nicht, wie Roth meinte, ,thüringisch', sondern genau so wie in H und M mittel- hochdeutsch mit Beimischung mitteldeutscher und niederdeutscher Elemente, wovon hier anzuführen sind: i = e (iz, ailiz, lihiz, ir-Jy sc = siy de = die, vor = ver- (unvorlom, vordroz), vorstcn = vilrsten, anlautend sc (gescach, scur, marscalc, ^scaft), her

^) Neuerdings (April 1903) auch einer öffentlichen Anfrage im Lüeraturhiatt für germ. u. rom. Phihl XXIV Sp. 141 f. und im Ceniral- hlatt für Bibliothekswesen XX S. 208.

2) Die Angabe von Piper Wolfr. v. E, I 193, wonach die Roth- schen Bruchstücke mit den von Lachmann mit w bezeichneten in München seiu sollen, beruht auf einem Irrtum.

Die grosse BilderlMndsehrift von Wolframs Willehiilm. 223

= er, uch, tmer, truwe neben sonst regelmässigem iu, ferner dttrCj nakdmr, marJcrabe, prubet, die Schreibweisen inä^ery impfen.

An Fehlern der Abschrift sind zu vermerken : der Mangel der Verse 27, 28 in 161, femer vraivede anstatt helfe in 162, 5, :'d anstatt sjnl in 162, 23, alle de sint für die halt sint in 162, 28, makliisin für malvesin in 163, 16, ich ne er statt ja möcht ich in 163, 22, der Mangel von mit in 210, 13.

Über die Herkunft seiner Fragmente macht Roth keine genaueren Angaben. Er bemerkt nur, sie stammten ,aus Sachsen^ und seien ihm 1838 von Freundeshand aus weiter Ferne zugesandt worden. Wahrscheinlich hatten auch sie so wie H, M und N als Bucheinband gedient. Denn die Hälfte der Gemälde des zweiten Blattes war der Länge nach weg- ^hnitten. Die Schrift war an mehreren Stellen unleserlich xler abgerieben.

Teils besser teils schlechter als mit den Rothschen Frag- menten steht es mit zwei Pergamentblättern, von denen A. Essen wein in einem Aufsatz über mittelalterliches Waffen- wesen im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1882 Sp. 117 120 Mitteilungen machte und Zeichnungsproben ver- öffentlichte.*) Besser, denn diese Blätter, die ich mit N bezeichne, liegen noch heute vor im Germanischen Museum zu Nürnberg unter Hz 1104, 1105.^) Schlechter, denn sie ermangeln alles und jeden Textes. Sie befanden sich früher in der Sammlung des Grafen Botho v. Stolberg und sind, wie die durch beide Blätter laufenden Längsfalten beweisen.

^) Letztere wiederholte er teilweise in seinem Kulturhistorischen ^üderatlas Taf. XXXXIII.

*) Mit Unrecht habe ich also in meiner zitierten Einleitung S. 22 '^ie Angabe von Essenweins Bilderatlas über den Fundort für falsch ^rWärt. Ich kannte damals nur diese, wendete mich mit einer Aufrage *^gen der Handschrift ans Germanische Museum und erhielt von dort •iie Antwort, das Museum besitze keine derartige »Handschrift'. Erst ils ich mich auf Essenweins Aufsatz im Änzeifjer berufen konnte, wurden lüir die beiden Blätter nach München überschickt, wofür ich hier meinen ^ank abstatte. In der Tat stellen sie sich heute nicht mehr als ,Hand- =ichriff dar.

224 Karl y. Amira

von Buchdeckeln abgelöst. Über ihre weitere Herkunft ist nichts bekannt. Jedes der beiden Blätter ist der Länge nach wohl schon vom Buchbinder so durchschnitten worden, dass selbst ein Teil der Bilder verloren ging. Es lässt sich also ihre ursprüngliche Breite nicht mehr bestimmen; die heutige beträgt bei N 1 (= Nr. 1104) 11,5, bei N2 (= Nr. 1105) 11,7 cm. Die Höhe misst bei beiden Blättern jetzt 30,1 cm, was der ursprünglichen Höhe nahe kommen mag, da eine Ver- kürzung nur durch Zusammenschrumpfen des Pergaments ein- getreten sein kann. Der Grösse nach würde also N zu H passen. Die Blätter sind auf beiden Seiten mit leidlich gut erhaltenen, kolorierten Federzeichnungen bedeckt. Von irgend einer Lineatur ist nichts zu bemerken. Dass einst neben den Bildern ein Text stand, ist schon darum wahrscheinlich, weil von den Bildern nur sehr kleine Stücke fehlen, die Blätter aber sehr viel breiter gewesen sein dürften als ca. 12 13 cm. Lief nun ein Text nebenher, so kann er wie in H und M nur die innere Kolumne eingenommen haben. Wie in H und auf den Rothschen Fragmenten, wie ferner der Regel nach auch in M, so stehen auf jeder in N vorliegenden Illustrations- kolumne drei Bilder übereinander, und zwar, wie in H und teilweise auch M, ohne durch Querlinien voneinander getrennt zu sein. Zeichnung und Kolorit verraten auf den ersten Blick die allerengste Verwandtschaft mit M und insbesondere mit H. Die kurzen menschlichen Leiber von knapp fünf Kopflängen und mit den weit aufgerissenen Augen in den breiten Gesichtern, die kräftigen schwarzen Umrisse, die Beschränkung des Farben- vorrats auf Mennige, Snialte, Permanentgrün und Gold ist die gleiche wie dort. Wie dort, so sind auch hier die Farben flächig und stark deckend aufgetragen, die Umrisse über den Farben der Kleider schwarz nachgezogen, aus den weissen Gesichtern Lippen, Wangen, Stirnen und Nasenbeine mittelst mennigroter Linien hervorgehoben,^) die Eisenteile der Rü-

*) Dieselbe rote Modellierung ist auch auf allen andern nackten

Körperteilen durchj^eführt.

Die grosse BUderhandschrift von Wolframs Wülehalm, 225

stuDgen blau modelliert, die Hintergründe weiss gelassen. Der Boden, worauf die Figuren stehen, ist bloss auf N 2 a^) an- g^eben. Die Bilder auf N 1 gehören, wie schon Essen- wein bemerkte, zu der gleichen Szene wie die von von H 1 a. Sie zeigen denn auch genau das gleiche Kompositionsschema, die gleichen Kostüme, die nämliche Zeichnung der Gesichter, der Pferde, der Gebäude, die nämliche Charakterisierung des Panzergeflechts. Wahrscheinlich aus diesen Übereinstimmungs- merkmalen hat denn auch Essenwein auf die Zusammen- gehörigkeit von N und H geschlossen, ein Schluss, worin er »ch nur bestärkt gesehen hätte, wenn er M gekannt hätte. Denn die aus M bekannte Figur des Rennewart tritt genau äo in N 2 a auf, während hier ausser dem allgemeinen Cha- rakter von Zeichnung und Malerei weitere Vergleichungspunkte fehlen. Jedenfalls beziehen sich die Dlustrationen auf Szenen aus Wolframs Willehalm. Die sechs Bilder auf N 1 (un- vollständige Beispiele bei Essenwein a. a. 0.) schildern die oben S. 219 erwähnte Disputation zwischen Gyburg und Ter- ramer etwa von 216,6 219,16, so dass sich an N 1 un- mittelbar H 1 anschliesst. Auf N 2 dagegen sind die letzten Begebenheiten zu Orange vor dem Ausrücken Wille- halms und seiner Gäste zur Schlacht von Alischanz dar- gestellt, wie sie die Verse 311, 10 312,28 beschreiben. Man sieht, wie der alte Heimrich den Tischgenossen ihre Plätze anweist, wie Willehalm allein es fertig bringt, Rennewarts Stange wenigstens bis über seine Knie aufzuheben, wie aber dann Rennewart die Stange mit einer Hand über sein Haupt schwingt »wie eine Sommerlatte". Man sieht ferner in zwei bunten Reihen die Tischgenossen an den Tafeln, an der ersten i^n Rennewart neben der Gyburg, nur stückweise erhalten, aber kenntlich gerade noch an dem erhaltenen Stück seines Eisenhutes, man sieht endlich, wie die Fürsten unter Heim-

^) Sowohl Nr. 1104 als Nr. 1105 sind Jetzt auf den Untersatzkartons verkehrt aufgeheftet, so dass die Rektoseiten, die ich mit a bezeichne, ^ie Rückseiten bilden.

226 Karl V. Amira

richs Führung Urlaub nehmen. N2 ist also nach H2 zu setzen. Was nach all dem vielleicht noch einen Zweifel daran wecken könnte, dass wir es in N wirklich mit Bruch- stücken desselben Codex zu tun haben, von dem H und M herrühren, das ist das Fehlen von Buchstaben in den Bildern. Auch auf den weggeschnittenen Innenrändern der letzteren können Buchstaben kaum gestanden sein, weil diese Ränder zu schmal waren. Man wird aber auf diesen Mangel kein Gewicht legen dürfen. Denn die Anfange der einschlägigen Abschnitte des Gedichtes können auf verlorenen Blättern illu- striert gewesen und dort mögen auch ihre Initialen gestanden sein. Man wird vielmehr ruhig annehmen dürfen, dass uns in N 1 das letzte Blatt von Lage XII erhalten ist, während N 2 etwa der XVIII. Lage angehörte.

Damit ist nun aber der Vorrat an Bruchstücken des zer- störten Buches, die bis jetzt ermittelt werden konnten, auch erschöpft. Er ist kümmerlich genug, reicht aber doch aus. um uns wenigstens eine deutliche Gesamtvorstellung von dem Codex zu verschaffen. Es war ein Band von ungefähr 30,4 cm Höhe und 22,4 cm Breite, zusammengesetzt aus 2S bis 29 Lagen zu je 4 Pergamentbogen. Den einspaltig und wahrscheinlich ganz von einer und derselben Hand geschrie- benen Text zu regelmässig 30 Zeilen abgesetzter Verse be- gleiteten ohne Unterbrechung breite Kolumnen mit kolorierten Federzeichnungen, gemeiniglich je 3 auf einer Kolumne. Die Wiederkehr der abwechselnd roten und blauen Initialen der Textabschnitte erhielt die Verbindung der letzteren mit den zugehörigen Bildern oder Bildergruppen aufrecht. Die Illumi- nation hat wahrscheinlich nicht der Zeichner selbst ausgeführt. Denn in N finden sich Korrekturen der Zeichnung, die von des Malers Hand herrühren. Dreimal hat er auf 1 b fehlen- des Zaumzeug ergänzt. Auf 2 a hat er die Stellung eines Fusses verbessert. Die Zahl der Bilder muss sich auf rund 1380 belaufen haben, wenn der Kodex, wie wir annehmen müssen, aus 230 Blättern bestand. Es war wohl die reich- haltigste Bilderhandschrift, von der wir zwischen 1200 und

Die grosse Büderhandschrift von Wolframs WÜlehcdm, 227

1350 Kunde haben, reichhaltiger insbesondere als selbst die grossen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, deren Dar- stellungen an Zahl um mehrere Hunderte hinter denen der Willehalm-Handschrift zurückblieben. Wir dürfen daher den zerstörten Kodex ohne weiteres als die ,grosse* Bilderhand- schrift des Willehalm bezeichnen.

Zu einem Vergleich mit den eben genannten Sachsen- spiegel-Handschriften fordert aber unsere Willehalm- Handschrift auch noch in mehreren andern Beziehungen auf. Xur mit ihnen hat sie die ununterbrochene inhaltliche wie räumliche Parallele zwischen Text und Illustration gemein, insbesondere die Aufreihung der Bilder in Kolumnen Seite für Seite,^) wobei durch die ausschliessliche Anordnung der Bilder in der äusseren Kolumne der Oldenburger Sachsenspiegel- codex die nächste Verwandtschaft zum Willehalm-Codex zeigt. Durch diesen Parallelismus von Wort und Bild unterscheidet sich unsere Willehalm-Handschrift von andern illustrierten Handschriften desselben Gedichtes ebenso wie die Codices pic- torati des Sachsenspiegels von den sonstigen mit Bildern ge- zierten Handschriften dieses Rechtsbuches. Gemeinsam ist femer allen jenen Handschriften und nur ihnen die Verbindung der Illustrationen mit dem Texte durch die Initialen. Gemein- schaftliche Charakterzüge zeigen sich aber auch im Stil der Illustration. Schlachtschilderungen freilich mit einem solchen Menschengedränge wie in M (z. B. Taf. II, III), werden wir unter den Sachsenspiegelbildern vergeblich suchen. Abküi*zende Darstellungen femer, wie sie H 2 vom Herannahen der frän- kischen Heerscharen entwirft, auch das lebhafte Geberdenspiel der Hände, wie wir es in N und H antreffen. Hegen durchaus im Geiste der Malerei des hohen Mittelalters überhaupt. Anders verhält es sich jedoch mit der vorwaltend symbolisierenden Richtung dieser Illustrationen. So summarisch zeichenhaft wie

^) In dieser Beziehung hatte schon Mono H mit der Heidelberger Bilderhs. des Sachsenspiegels verglichen, Teutsche Denkmäler I 1820 ^p. XII und ÄmeUjer f. Kunde d. deut. Vorzeit 1836 Sp. 178.

228 Rad V. Ämra

hier ist die menschliche Gestalt und insbesondere das mensch- liche Antlitz nicht nur nicht in den Bildern zu Werinhers Marienleben, sondern auch nicht in solchen Zyklen wie der Berliner Eneidt oder dem Münchener Tristan, dagegen durch- aus in den Bildern zum Sachsenspiegel behandelt. Gemütsbe- wegungen finden lediglich in Handgeberden ihren Ausdruck, die, wenn man aus N weitergehende Schlüsse ziehen darf, ziemlich mannigfaltig waren. Es kommen dort vor: der be- kannte Trauergestus (bei Essenwein Sp. 119), das Pingerauf- strecken als Gestus der Aufmerksamkeit und des Befehls, das Übereinanderlegen der gesenkten Hände an den Gelenken zum Zeichen der Bescheidenheit. Tieferem Eingehen ins Individuelle, wie es doch bei den Grössenverhältnissen der Figuren möglich gewesen wäre, war wohl die Massenhaftigkeit der Produktion hier ebenso hinderlich, wie bei den Zeichnungen zum Sachsen- spiegel. Eine Ausnahme macht der Zeichner nur bei Renne- wart, dem er wenigstens in M riesenhaften Wuchs verleiht. Aber bei dieser Gestalt symbolisiert eben die individuelle Grösse die riesenhafte Leibeskraft, womit das Gedicht den Rennewart ausstattete. So symbolisiert in M und N der Bart das Alter von Terramer und Heimrich, ein Symbol, das genau die gleiche Be- deutung auch in den Sachsenspiegelbildern hat. *) So symbolisiert ferner den Gegensatz von Heiden und Christen die Form des Kopf- schutzes. Die Heiden tragen den altmodischen eisernen Spitz- helm über der Halsberge, die das Gesicht frei lässt, die Christen den modernen Topfhelm. Eine gekrönte Frauengestalt be- deutet Gyburg, diu kiiner/inne, ein alter Mann mit der Grafen- mütze auf dem Kopf den Grafen Heimrich von Narbonne. Be- sondere Beachtung aber verdient ein symbolisches Stück der Tracht, das wir genau in der nämlichen Form und in der nämlichen Bedeutung wie in N 2 auch in den Zeichnungen zum Sachsen- spiegel der Y- Gruppe wiederfinden, die Bundmütze, über deren hinteren Teil ein schwarzer Reif mit drei lilienartigen

^) S. die Einleitung zur Dresdener Büderhandschrift des Sachsen-

Spiegels S. 25.

Die growt SUderhandtehrift mm Wotfranu WOlAalm. 229

Blumen oder BlätterD gelegt ist Man vergleiche mit dem unten gegebenen Beispiel aus N 2 Taf. XXV Nr. 1, IV Nr. 2-5, V Nr. 8 der Teutsehm Lenkm^er und Taf. 62 a Nr. 2—4, fi?»Nr. 4, 68b Nr. 2, 74a Nr. 3, 85a Nr. 3, 86 a Nr. 2—4, SH Nr. 2, 91b Nr. 1 5 meiner Ausgabe der Dresdener Bäderkmdsehrift.^) Dort wie hier charakterisiert die mit einem solchen Schapel gezierte Bundmtltze den .Fürsten', und von J'Disten' redet denn auch im Gedichte der zu N 2 gehö- rige Text

Dem symbolisierenden Grundzug der bildnerischen Erfin- iwg entspricht nun durchaus jene naive Wortinterprotation, '\k alle kom Position eilen KUcksichten beiseite setzt und gleich "eit eigentlich nur wieder in den Zeichnungen zum Sachsen- spiegel getrieben ist.^) Es ist als besonderer Glücksfall zu Wtrachten, dass uns hierüber N 1 und H 1 mit einer Reihe ^^bster Beispiele belehren, zunächst in den Bildern zur Dispu- tation zwischen Gjburg und ihrem Vater Terramer. Oben ins dem rundbogigen Fenster eines Turms beugt sich in Hals- «tge und Waffenrock eine gekrönte Frau, Gyburg, die in

') An den vielen andern Stellen der Dresdener Ha. ist die Zeichnung ^ Sduipel durch übermalnnfr unkennttich geworden. ') 8. hierllber die dtierte Einieitung 8. 23 ff.

'NL Utitib. d. rbUsK-ldillaL n. d. hM. KL 16

230 Karl V. Ämira

Abwesenheit ihres Mannes die Verteidigung von Orange gegen Terramer leitend selbe dicke wäpen truc. Unten hält ein Reiter, ebenfalls in voller Rüstung und so gross, dass sein Kopf sich auf gleicher Höhe wie Oyburgs Fenster befindet. Eine Krone um seinen Helm will ihn uns als den König Terramer zu er- kennen geben. So neunmal. Das erste Mal (bei Essenwein Sp. 117) deuten beide mit Fingern auf einen zwischen ihnei schwebenden grossen Stern. Er ist der Repräsentant de: Sterne, denen nach den Worten Gyburgs ,Äliissinius* seinen Lauf gab. Unten am Fuss der Feste wälzt ein Fluss seine Wogen, weil Ojburg von ,Altissimus* sagt, dass er (d ^n dinc so sprehet, mit fluzze ursprinc der brunnen. Auf dem zweiten Bilde deuten die Beiden auf das in Oold nimbierte Haupt Gottes, das innerhalb eines grösseren roten Nimbus zwischen ihnen erscheint. Der Beschauer soll sehen, auf wen sich 6y- burg beruft und wessen Kräfte Terramer anzweifelt. Das dritte Bild zeigt uns nur Vater und Tochter in leidenschaftlicher Gestikulation. Auf dem vierten dagegen deutet Terramer rück- wärts auf ein Götzenbild, unterhalb dessen noch ein Stück von einer auf ihn zeigenden Hand erhalten ist. Das Götzen- bild stellt ,Mahumet* vor, auf den sich in seiner Erwiderung Terramer beruft. Die Hand gehörte entweder dem Tybald oder dem fiäruc\ auf die Terramer die Schuld an der Heer- fahrt schiebt. Auf dem fttnften Bilde deuten Vater und Tochter wieder auf das in Gold nimbierte Haupt Gottes, Gy- burg zugleich auf die unten am Fusse der Feste stehende nackte Gestalt der Eva, die sich mit der Rechten, wie in mittelalterlichen Darstellungen allgemein üblich, einen Laub- büschel vor die Scham, die Linke aber vor die Brust hiilt Damit will der Zeichner den Vorwurf der Gyburg veranschau- lichen, daz du mich scheiden wUt von dem, der frouwen Eva] gap die schem daz si alrerst verdact ir brust. Das nächste Bild zeigt die gleiche Gestikulation von Gyburg und Terramer. Aber diesmal deuten beide auf eine gelbe Scheibe, worin eng beieinander drei Häupter, das mittlere mit Goldnimbus, sieht« bar werden. Das ist die tnnitat von der Gyburg behauptet,

Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Willehalm, 231

Terramer bestreitet, dass sie Adam und sein Qeschlecht auB Hollenbanden erlöst habe. Eben darum deutet Gyburg gleich- zeitig noch auf eine Szene am Fusse ihrer Burg, wo ein Teufel einen Menschen in den Höllenrachen hinabstösst, die hdlediche mrt, die Adams geslöMe fuor um Evas Schuld. Die unmittelbar folgende Bildergruppe (H 1 a) führt sich zwar mit der Initiale Ton 221, 1 {Mines taufes scone ich gerne) ein. Doch gehört das erste Bild noch zum Vorausgehenden von 219, 18 an. Die Geberden von Gyburg und Terramer sind die gleichen wie zuTor. Aber beide zeigen jetzt auf das in Goldnimbus zwischen ihnen schwebende Haupt Christi, weil Terramer bezweifelt, iier am Kreuz gestorbene Jesus von Nazareth habe die Höllen- pforte gebrochen, und weil Gyburg erwidert, während Jesu Menschheit am Kreuze den Tod erlitten, sei sein Leben aus der göttlichen Stärke erblüht und habe die Gottheit der Menschheit das Leben erworben. Am Fusse der Burg aber Imt der Zeichner den Schild Willehalms angebracht, weil Cjbarg erklärt, dem treu bis in den Tod bleiben zu wollen, den man ^dienestUchen sach under schiitlichem dache hl si'ihem ungemache da man den lip durch wirde sierV. Man sieht ferner dort ein mächtiges Schliesseisen mit Kette, weil Gyburg sich rühmt: ;von pogen (Fesseln) unde von andrem i'ersmiden (geschmiedeten Banden) machete ich in ledkh an öffe» Uden.' Wie in der vorigen Szene auf Christi Haupt, so zeigen in der nächsten (bei Kugler a. a. 0.) Vater und Tochter auf eine zwischen ihnen schwebende Krone, weil Gyburg g^z beiläufig einfliessen lässt, in Todjerne habe Terramer sie gebönt. Auf dem dritten Bilde derselben Kolumne, dem beteten dieser Gruppe (Taf. I) deuten die beiden auf ein zwischen iWn hingezeichnetes Oval, worin man ein befestigtes Gebäude eri)lickt; es ist das Land Todjerne, Gyburgs Heimsteuer, worauf sie zu Gunsten ihres früheren Gemahls Tybald verzichten will, öder aber überhaupt eines der verschiedenen Länder, auf die nach ilifer Aussage Tybald Anspruch erhebt. Auf der nächsten Ko- lumne (bei Mone a. a. 0.) macht die Unterredung zwischen Gyburg ind Tybald den Anfang. Wieder schaut Gyburg, diesmal jedoch

16*

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ungerttstet, aus dem Turmfenster berab. unten halten zwei gewaffhete Reiter, deren Helme von Kronen umgeben sind. Wir sollen in ihnen Tybald und seinen und Ojburgs Sok Echmereiz erkennen. Beide reichen wieder mit ihren Köpfen bis zum Burgfenster hinauf. Tybald hält der Gyborg eine starke Schlinge hin, die ,mde% womit er ihr nach dem Text drohte, während Echmereiz ihn beschwichtigend am link» Arm packt. Auch auf den beiden andern Bildern derselben Kolumne erscheint Oyburg im Turmfenster. Das zweitemal liegen am Fusse des Burgberges zwei Krieger, die Toten, deren snuic da grojs tvas. Auf der linken Hälfte desselben Bildes, wo Terramer Kriegsrat hält, erblickt man hinter d^r Szene, auf dem Rande unter dem Text, die Zeichnung eines Schiffes, weil das her in cd gemeine bat, er scite Iceren gm der habe. Bis ins einzelne stimmt also in der symbolisierenden Interpretation des Wortes die Willehalm-Blustration mit der Sachsenspiegel-Illustration überein. Dort wie hier die bild- liche Darstellung von nur gedachten Oegenständen; dort wie hier die Handgeberden, womit die Menschen ihre Brede nicht begleiten, sondern dem Beschauer des Bildes symbolisieren; unter den Symbolen des Redeinhalts endlich eines, wozu sich Seitenstücke gerade nur wieder in den Bildern zum Sachsen- spiegel finden, das Zeichen für ein bestimmtes Land oder Gundstück.1)

Diese Belege subjektiver Symbolik des Künstlers liefern zugleich wieder den Beweis dafür, wie wenig auf derartige Illustrationswerke die Bilderschrifttheorie zutrifft.*) Weit ent- fernt, auf lesensunkundige Beschauer zu rechnen, setzen die Bilderreihen zum Willehalm gerade so wie die zum Sachsen- spiegel die Lesung des Textes voraus, ohne den sie gar nicht verstanden werden können und auf den die Bildbuchstaben verweisen. Sie beleuchten aber auch die ganze Haltlosigkeit der- jenigen Theorie, wonach die Möglichkeit der deutschen Ulustra-

1) Vgl. die angeführte Einleitung S. 23.

2) Vgl. die angeführte Einleitung S. 20 f.

Die grosse BÜderhandschrift von Wolframs Wälehälm. 233

tionstechnik des späteren Mittelalters auf dem Reichtum der

überlieferten nationalen Bechtssymbolik beruhe und erst auf

der Grundlage der Bechtssymbolik ein Verständnis der Eigen*

tflmlichkeiten dieser Technik erwachse.^) Nichts deutlicher

n'elmehr als die Leichtigkeit, womit noch am Ende des Hoch-

mittdalters die Phantasie naiver Zeichner sich ihre eigenen

Symbole erfindet, sobald sie im Dienst des obersten Zweckes

der Illustration, des Yeranschaulichens, symbolisierender Dar-

steliungsmittel zu bedürfen glaubt.

Bei der nahen Verwandtschafb, die sowohl hinsichtlich des Zwecks und Stils der Zeichnungen als auch in Bezug auf die äussere Anlage zwischen den grossen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels einer- und jener des Willehalm andererseits obwidtete, muss der Versuch, Zeit und Heimat der letzteren gaiauer zu ermitteln, ein besonderes Interesse gewinnen. Wir seilen uns da allein auf Schlussfolgerungen aus dem Inhalt der Bruchstücke angewiesen. Vorweg sei darum bemerkt, dass in diesen nicht etwa eine Kopie, sondern das Original der lUostrution vorliegt, was sich zweifelsfrei aus der Art ergibt, wie in M die figurenreichen Schlachtenbilder grossenteils in den Yon den Schrifbzeilen freigelassenen Raum hineinkompo- niert sind.

Zur Begrenzung der Heimat haben wir Anhaltspunkte nur in den mundartlichen Eigenheiten des Textes. Diese sind, ^e schon erwähnt, überwiegend mitteldeutsch. Eine sorg- Slügere Sichtung ergibt, dass es sich nur um ostmitteldeutsch Wdeln kann. Die Substitution von vor für ver und für, von wrsten, warf für vursten, wurf, von ia, ir- für es, er- der Ab- fall von t in nackt ^ die Schreibungen ndkebur, hockgemut, ^krabe, frühen, dann aber auch durc, sie sprechen mit Ent- ^luedenheit dafür. Gleichwohl dürfte die Annahme, der Schreiber sei ein Ostmitteldeutscher gewesen, ausgeschlossen sein, dat und swe = swie, femer auch de, se, men, die anlautenden sc

^) So E. Lamprecbt im Bepertorium für Kunstwissenschaft VIT 1Ö84 Seite i08.

234 Karl v, Amira

erklären sich weit eher in der Feder eines Niederdeutschen, der im übrigen dazu neigte, gewissen Schreibgewohnheiten seines ostmitteldeutschen Aufenthaltsortes zu folgen. Dann aber dürfen wir um so sicherer auf ostmitteldeutschen Entstehungsort schliessen, eine Annahme, der das wenige, was wir von der Herkunft der einzelnen Bruchstücke wissen, nur zustatten kommen kann. Die münchener Blätter befandet: sich, bevor sie an ihren jetzigen Verwahrungsort gelangten, in Meiningen. Die Rothschen Fragmente stammten ,aus Sachsen'. Was das Alter betrifft, so behauptet Mone, H gehöre dem , Anfang des 13. Jahrhunderts' an, ebenso wie vermeintlich die heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, und er glaubte, sie sei für den Landgrafen Hermann von Thüringen gefertigt, der den Dichter des Willehalm mit seiner französi- Quelle bekannt gemacht hat. Essenwein wäre sogar geneigt, wegen gewisser Waffenformen in N und H die Handschrift noch ins 12. Jahrhundert hinaufzurücken und eine Bemerkung auf den Untersatzkartons zu N gibt denn auch an : ,12. 13. Jhrh/ Bartsch dagegen nennt, ohne Gründe anzuführen, als Zeit von H das ,XIV. Jahrhundert'. Gegen eine so späte Datierung würde nun freilich schon der Schriftcharakter sprechen: offenes a, z ohne den mitten durchgehenden Querstrich, der noch ziemlich gerade Unterscheidungsstrich über dem i, langes s am Wort- ende, alle diese Merkmale kommen miteinander schwerlich noch in einer mitteldeutschen Schrift nach 1300 vor. Andererseits er- weisen sich die Mone-Essenweinschen Zeitbestimmungen als ver- früht. Sie lassen ausser acht, dass das Gedicht nicht vor dem Tode des Landgrafen Hermann^) (April 1217), ja kaum vor 1220*)

*) Lachmann, D. Oedichte Wältkera v. d, Vogelw.^ S. 139 (zu 17, 11 f.). San Marte in Ersch t*. Qruber I Bd. 38 S. 32. P. Piper Wolfram v. E, I S. 30. Vofft in Paula QrundriBs^ II S. 197.

2) In 240, 241 erzählt Wolfram, seine Vorlage umdichtend, es hätteu Heimrich le chOtif und Giselbert sich im Dienst des Patriarchen von A<,'lei an einem Krie^ pregen Venedig beteiligt. Ein solcher Krieg lässt sich zu Wolframs Zeit in den Jahren 1220 und 1221 nachweisen. Auf der einen Seite standen der Patriarch Berthold von Aquileja und die

Die grosse Büderhandechrift Don Wolframs Wiüehalm, 235

yollendet wurde. Die Verwandtschaft der heidelberger Bilder- handschrift des Sachsenspiegels aber, wenn sie überhaupt einen sicheren Schluss zuliesse, würde auf eine sehr yiel spätere Ent- stehuDgszeit des Willehalm-Codex führen, seitdem wir wissen, dass jene frühestens dem Ausgang des 18. Jahrhunderts an- gehört ^) Jedenfalls müssen wir mit der Zeitbestimmung tiefer herabgehen. Dazu nötigt schon die Fehlerhaftigkeit des Textes. Eine so grosse Menge von Verderbnissen ~ neben einer nicht minder grossen Menge von z. Z. nicht näher zu beurteilenden Varianten --, wie sie die wenigen Bruchstücke aufweisen, yer- tragt sich nicht nur nicht mit einer Art von offizieller Ab- schrift, sondern auch schwer mit einer Abschrift, die der Ab- fassungszeit sehr nahe stehen würde. Auch die nicht mehr sehr festen Schreibregeln deuten auf eine spätere Zeit als die ersten Jahrzehnte nach 1200.

Etwas genauere Schlüsse gestatten die Bilder. Unter den Werken der thüringisch -sächsischen Malerei in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wie wir sie jetzt aus Haseloffs Darlegungen kennen, und ebenso unter denjenigen vom Schlag der Hamerslebener Bibel im Domgymnasium zu Halberstadt oder der illuminierten Federzeichnungen im Cod. Heimst. 425 2u Wolfenbüttel würde die Willehalm-IUustration fast ebenso isoliert dastehen wie die heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Höchstens die Zeichnung der Haare in Parallel- linien und der überwiegende Gebrauch deckender Farben er- innert an jene ältere Eunstweise. Dazu stimmen nun auch kostümliche Beobachtungen. Unter den verschiedenen Formen des flachen Dreieckschildes, die in M vorkommen, herrscht diejenige vor, die an den geradlinigen Oberrand die rein sphärischen Seitenränder rechtwinkelig ansetzt. Diese Form findet sich zwar schon auf einem Hennebergischen Siegel von

^tadt Padoa, aaf der andern Venedig im Bunde mit Treviso. Die Feind- 'cligkeiten waren so heftig, dass im September 1221 der Patriarch als ineendiarius bezeichnet werden konnte. Rolandinus Patav. Chrofi. II 1 l^on. Oerm. SS. XIX 47 f.), Winkelmann Jahrh, Friedrichs II. 1 S. 176, ^) S. die dtierte Emleitung S. 17.

236 Karl o. Amra

1212,^) hat aber weitere Verbreitung erst im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts erlangt. In der grossen Sammlung der ^Westfälischen &egd*, die eine ausreichende Menge von Yer- gleichsobjekten aus einem geschlossenen Oebiet enthält, trifil man sie nicht vor 1241') und auch yon da an bis zum dritten Drittel des Jahrhunderts nur selten.') Sogar die wahrend dieser Zeit herrschende Form, bei der die sphärischen Seiten- ränder in spitzem Winkel ansetzen, reicht unter jenen Siegeln nicht über 1240 zurück.^) Bis dahin und noch später waren vorzugsweise der verkürzte normannische Schild mit sphärischem Oberrand und abgerundeten Oberecken,') wie man ihn auch in der Berliner Eneidt-Handschrifb sieht, und der Dreieck- schild') mit geradlinigen Rändern in Gebrauch. Zum nämUchen Ergebnis gelangt man aber auch, wenn man die Beispiele in Seylers Geschichte der Siegel durchmustert. Abgesehen von dem oben genannten Hennebergischen ist dort das älteste Siegel, das einen Dreieckschild mit rechtwinklig ansetzenden Seiten- rändem zeigt, von 1233, die nächsten von 1242 1254 und

M Bei A. Seyler Gesch. der Siegel Nr. 237.

«) Westfäl. Siegel IV 1 Taf. 167 Nr. 1.

•) Westfäl Siegel IV 2 Taf. 205 Nr. 1 (1264), II 1 Taf. 45 Nr. 9 (a. 1261). S. dagegen IV 3 Taf. 263 Nr. 4 (a. 1274), IV 2 Taf. 195 Nr. 1 (a. 1275), IV 3 Taf. 263 Nr. 1 (a. 1280), 247 Nr. 3 (a. 1284). 24i Nr. 1 (a. 1286), 262 Nr. 1 (a. 1287) u. 8. w.

*) Westfäl. Siegel I 2 Taf. XXIX Nr. 2 (a. 1240). IV 2 Taf. 184 Nr. 8 (a. 1240) I 2 Taf. XXVI Nr. 6 (a. 1250), XXXII Nr. 10. 11 (a. 1251), IV 3 Taf. 263 Nr. 3 (a. 1251), I 2 Taf. XXXII Nr. 9 (a. 1254). XXIV Nr. 11 (a. 1254), IV 2 Taf. 217 Nr. 1 (a. 1256), IV 3 Taf. 231 Nr. 1, 2 (a. 1258, 1259), 222 Nr. 1 (a. 1259), IV 1 Taf. 149 Nr. 1 (a. 1260, 1 2 Taf. XXIX Nr. 3 (a. 1260), I 2 Taf. XXXIV Nr. 3 (a. 1261). XXXII Nr. 8 (a. 1261) u. 8. w.

^) Westfäl Siegel I 2 Taf. XXXV Nr. 2 (a. 1217), XXXI Nr. 1 (a. 1218), XL Nr. 1 (a. 1220), XXXV Nr. 5 (a. 1229), XXXIX Nr. 1 (a. 1240), IV 2 Taf. 220 Nr. 1 (a. 1244), I 2 Taf. XXIV Nr. 10 (a. 1247). XXVI Nr. 5 (a. 1250), IV 2 Taf 220 Nr. 8 (a. 1251), IV 1 Taf. 142 Nr. 1 (a. 1270).

6) Westfäl Siegel 1 1 Taf. X Nr. 1 (a. 1213), I 2 Taf. XXXV 8 (a. 1221), XXXVII Nr. 7 (a. 1229), 10 (a. 1238), Taf. XXX Nr. 8 (a. 1246), IV 3 Taf. 236 Nr. 1 (a. 1250), 2 Taf. 184 Nr. 1 (a. 1263) u. s. w.

Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Wülekalm. 237

1250.^) Auf Siegeln kommt der Dreieckschild mit rechtwink- ligen Oberecken seit 1225 vor,^) doch im 13. Jahrhundert seltener als die Form mit spitzwinkligem Ansatz der Seiten- ränder.') Die Siegel der thüringischen Landgrafen kennen iräiireDd derselben Zeit neben dem verkürzten normannischen Schild und seinen Varianten nur den Dreieckschild mit spitz- winkligen Oberecken/) wogegen allerdings der noch erhaltene Schild des Landgrafen Eonrad (f 1241) in der Elisabethkirche zu Marburg rechtwinklige Oberecken hat.*) Wie die Form ies Dreieckschildes, so führt uns auch die des Topfhelmes in die Nähe des Jahres 1250. Er reicht fast ebenso tief im Gaiick wie unter das Kinn herab und hat die Barbier, wie ^ sie noch in der Berliner Eneidt-Handschrifb sehen und wie sie nach Ausweis der Siegel noch gegen 1250 hin in Deutsch- land getragen wurde,^) yöUig verdrängt. In Mitteldeutschland iut er sich in dieser Gestalt erst während des zweiten Viertels des 13. Jahrhunderts verbreitet.'^ Eben die Gestalt des Topf- helms in H und M verbietet uns nun aber auch, dass wir mit unserer Zeitbestimmung um ein erhebliches über 1275 herabgehen. Der Helm steigt hinten ganz geradlinig und vom ^ geradlinig auf und schliesst mit völlig flacher Scheitel- platte ab, ist also nahezu zylindrisch gestaltet, entbehrt auch

^) Sejler a. a. 0. Nr. 206, 304, 204 a, 198.

2) Posse Die Siegel der Wettiner Taf. III 4 (a. 1225), 6 (a. 1231), IV i (a. 1256), X 6 (a. 1285).

') Posse a. a. 0. Taf. XII 3, 4 (a. 1224, 1233), X 1 (a. 1242), V 4-6 (a. 1261, 1268, 1267), IV 6 (a. 1268), X 4 (a. 1269), XVI 5 (a. 1269, 1271), VI 4 (a. 1279).

*) Posse a. a. 0. Taf. XIII 3, 4 (a. 1233, 1234); ferner Taf. XI 5 a^ 1216), XII 3, 4 (a. 1224, 1233), XIII 3 (a. 1233), XII 5 (a. 1241).

^) F. Warn ecke, Die wittelälterh heraldischen Kampfschüde in ^ Bisabethkirche su Marburg Taf. 1.

^ z. B. nach einem Anhaltischen Siegel von 1243 bei Posse »• a. 0. Taf. XXVII 3.

^ Posse a. a. 0. Taf. XII 3(?) 5 (a. 1224? 1241), III 6 (a. 1231), Xni 3 (a. 1233), X 1 (a. 1242), V 4—6 (a. 1261—68), IV 4, 5 (a. 1266, ^m, X 3 {a. 1267). Nach Philippi Westfäl, Siegel I 1 S. 7 kommt *ier Topf heim in der westfälischen Sphragiatik erst gegen 1250 auf.

238 Karl v. Ämira

der Decke. Die Verjüngung des Topfhelms in seiner oben Hälfte soll um 1267 begonnen haben.^) Die Helmdecke kommt in Mitteldeutschland ungefähr um ein Jahrzehnt später in Gebrauch.*) Freilich wurden damit der zylindrische und der deckenlose Topfhelm nicht sogleich ganz und gar yerdräogt. Aber der Zeichner des Willehalm-Codex beabsichtigt doch, die Franzosen mit dem mcrdemsten Kopfschutz auszurüsten, k er kennt. Auch die schwarzen Beinlinge, wie sie in N2i zur Haustracht des Marquis gehören, sind in der zweiten Hüfte des Jahrhunderts als Kleidungsstück der Vornehmen abge- kommen. In der Mode waren sie zur Lebenszeit Neidharts von Reuen thal (f um 1240) und zur Abfassungszeit yon Ulriclis von Lichtenstein Frauendienst (um 1255).') Die älteste unserer Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, die zu Heidelberg, kennt diese schwarzen Beinlinge nicht mehr. Dem Allen nacb empfiehlt sich die Zeitgrenze 1250 1275. Hiezu stimmt auch die noch etwas altei*tümliche Heraldik, die ausser dem Stern im Wappen Willehalras, soweit wir zu sehen vermögen, nur sehr einfache Heroldsfiguren verwendet (Schrägbalken, Kreui, Pfahl, Sparren), die Einfarbigkeit der WaffenrDcke, während doch schon die Berliner Eneidt-Bilder den heraldisierten Waffea* rock zeigen, der dann in der zweiten Hälfte des 13. Jahr- hunderts allgemein üblich wird, insbesondere aber das Vor- kommen des rein normannischen Schildes als einer nicht nur ,heidnischenS sondern sogar noch französischen Waffe in H. Die letzten Siegel wettinischer Fürsten mit diesem Schild sind von 1200 und 1205, das letzte derartige Siegel eines thüringi- schen Landgrafen von 1216, das letzte anhaltische von 1243.*) An westfälischen lassen sich einige wenige noch bis 1251 an-

1) A. Schultz D, höfische Leben^ II 67.

2) Sie<7ol von 1279 bei Posse a, a. 0. Taf. VI 4.

») S. die Stellen bei M. Heyne Fünf Bücher deuticher Hausaltef tümer III 283 Note 126, ferner Hottenroth Handbudt d. detUsfhen Tracht 203 f.

*) Posse a. a. 0. II 5, 6, XI 5, XXVII 3.

Die grosse Büderhandsckrift von Wolframs Wülehdlm, 239

fuhren,^) wobei wir berücksichtigen müssen, dass eine Schild- form sich noch im Siegeltypus erhalten konnte, nachdem sie im Waffenwesen ausser Gebrauch gekommen war.

FäUt nun die grosse Büderhandschrift des WiUehalm ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts, vielleicht eher noch um 1250, so ist damit das Mittelglied gefunden, das die grosse Sachsenspiegel-Illustration (1291 1295) mit der älteren pro- fanen Buch-Illustration verbindet. Die Beziehungen zur kirch- lichen, wovon ich in der citierten Einleitung S. 30 sprach, brauchen wir darum nicht in Abrede zu stellen. Dass aber in der Gesamtanlage wie in Einzelheiten, namentlich auch solchen der subjektiven Symbolik, die Willehalm-Handschrift dem ersten Dlustrator des Sachsenspiegels zum Muster diente, werden wir jetzt um so weniger bezweifeln, als wir wissen, da&s auch er in Ostmitteldeutschland arbeitete.

An kunstgeschichtlichem Ruhm allerdings erleidet damit die Illustration des Rechtsbuches einigen Abbruch. Betrach- tangen darüber, warum ,die neue Illustrationstechnik sich sofort dem anscheinend schwierigsten Gegenstand, den sie wählen konnte, der Erläuterung von Rechtsbüchern, zuwendetS^) werden iregenstandslos, und auch der ,Eroberungszug in die Welt der Wirklichkeit^ worin man*) die Bedeutung der Sachsenspiegel- Illustration für die Entwicklungsgeschichte der Malerei finden voUte, verliert einigermassen an der ihm nachgerühmten Kühn- heit, wenn wir auch zugeben werden, dass den Illustrator des it^^htsbuches im Vergleich zu seinem Vorgänger die Vielseitig- keit begünstigte, wodurch sein Stoff den des ritterlichen Epos übertraf, und dass sie den Zeichner zu entschlossenem Weiter- fahren der subjektiven Symbolik antrieb. Dafür aber gewinnt die ^leschichte der Malerei selbst, insonderheit der mitteldeutschen, an Reichtum des Inhalts. Wir sehen, wie schon um ein

M Westfäl. Siegel I 1 Taf. X Nr. 2 (a. 1226), XIII Nr. 1 (a. 1233), IV -2 Taf. 220 Nr. 1 (a. 1244), 220 Nr. 8 (a. 1251).

^ So K. Lamprecht im Repertorium f. Kunstwissenschaft VII 407. ') Janitschek Gesch, d. deut. Malerei S. 118.

240 Karl v. Ämira, Die gr. Büderhdsehr. v. Wolfram WQlMin,

Menschenalter yor dem grossen juristischen Bilderwerk m ganz ähnliches, aber viel umfangreicheres Unternehmen inner- halb der nämlichen Oesellschaftskreise zur Ausführung gelangt ist, ähnlich nicht nur in äusserer Anlage und Technik, sondern auch durchaus in der künstlerischen Denkweise, das uns obendrein auch zu einer deutlicheren Vorstellung tod der Eunstweise des verlorenen ürcodez der Sachsenspieg»- Illustration verhilft, wenn wir die von diesem abgeleiteta Handschriften zur Yergleichung heranziehen. Um 1250 keb^ mit der grossen Bilderhandschrift des Willehalm eine zweit« sächsisch -thüringische Illustratorenschule an, deren jüngste Arbeiten nach anderthalb Jahrhunderten die BilderhandschrifieB des Sachsenspiegels zu Dresden und Wolfenbüttel sind.

Wann die grosse Bilderhandschrift des Willehalm zerstört wurde, lässt sich nur mutmassen. Wahrscheinlich befand sie sich im 16. Jahrhundert in den Händen eines Humanisten, der in ihr nur den verabscheuungswürdigen Nachlass eines barba- rischen Zeitalters erblickte und nichts besseres mit ihr anzu- fangen wusste, als sie zum Einbinden seiner Bibliothek uM seiner Notizbücher zu verwenden, ein anschauliches Beispiel dafür, wie selbst umfangreiche und kostbare Bilderhandschrifi;en während der Neuzeit fast spurlos verschwinden konnten. Hier- nach lässt sich aber auch hoffen, dass beim Ablösen von Über- zügen alter Einbände noch andere Bruchstücke des merk- würdigen Denkmals zutage kommen werden.

241

öffentliche Sitzung

zur Feier des 144. Stiftungstages am 11. März 1908.

Die Sitzung eröffnete der Präsident der Akademie, Oeheimrat Dr. K. A. y. Zittel, mit folgender Ansprache:

Die Kgl. Akademie der Wissenschaften begeht heute ein Doppelfest. Wir feiern zunächst den 144 jährigen Bestand unserer Korporation und sodann die 100 jährige Wiederkehr des Geburtstags von Justus von Liebig. Aus berufenstem Munde werden Sie durch unser korrespondierendes Mitglied Professor Dr. Knapp aus Strassburg ein Lebensbild des grossen Mannes erhalten, welcher mehrere Jahrzehnte unserer Akademie als Mitglied und Präsident angehörte und ihr Ansehen durch den 61anz seines weltberühmten Namens vermehrte.

Dank der unveränderten Huld unseres hohen Protektors und der wohlwollenden Unterstützung durch die Kgl. Staats- i^erung und den Landtag kann die Akademie mit Befriedigung nieder auf ein Jahr fruchtbarer Tätigkeit zurückblicken. Wie »^ dem Umfang und dem Inhalt unserer Druckschriften her- Toigeht, herrscht ein reges wissenschaftliches Leben in den i^i Klassen und auch die der Akademie angeschlossene histo- rische Kommission, die Bearbeiter des Thesaurus linguae latinae ^d die Kommission für die Erforschung der Urgeschichte Bayerns haben im verflossenen Jahre eine Fülle verdienstlicher Arbeit geleistet.

242 V. Zittel

Aus unseren Stiftungen konnten eine Anzahl wissenscliaft- licher Unternehmungen unterstützt und angeregt werden.

So wurden aus den Renten der Münchener Bürger- und Cramer-Klett-Stiftung bewilligt:

1. 3000 M. für eine Sammel- und Informationsreise Garteninspektors Bernhard Othmer in die Tropen, femer

2. 1500 M. zur Erforschung des Kretinismus in Frank an den Privatdozenten der Kgl. Universität Würzburg Dr. Wilhelm Weygandt.

Aus der Eönigs-Stiftung für chemische Forschungen wurden verliehen:

Herrn Professor Karl Hof mann 330 M. für Untersuchung radioaktiver Stoffe und 470 M. Herrn Professor Piloty für Untersuchungen über Murexit.

Aus den Renten der Savigny-Stiftung, welche für da^ Jahr 1903 unserer Akademie zur Verfügung stehen, wurde ad Vorschlag der Savigny-Kommission bewilligt:

1. 600 M. zur Unteratützung des Honorarfonds der Savigny- Zeitschrift,

2. eine Summe bis zu 2500 M. für einen zweiten Band der von unserer Akademie angeregten Magdeburger Schöffen- sprüche, welche die Herren Liesegang und Friese herausgeben,

3. 300 M. an Herrn Oberlehrer Knod in Strassburg i. E. zur Unterstützung und Herausgabe seines Werkes »Die deui^n-he Nation zu Orleans*.

Aus dem Thereianos-Fond wurde zunächst ein Preis von 800 M. verliehen an Herrn Dr. Boll, Sekretär der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek, für dessen jüngst erschienenes Werk »Sphaera*.

Ferner wurden genehmigt:

1200 M. an Professor Spyridion Lambros in Athen für seine Arbeiten über Theodoros von Kyzikos, über das soge- nannte Chronicon breve und über die Geschichte des Deepotats der Palaeologen im Peloponnes,

Ansprache, 243

1500 M. zur Unterstützung der Byzantinischen Zeitschrift,

1000 M. als zweite und letzte Rate für den Index der ersten zwölf Bände der Byzantinischen Zeitschrift,

200 M. fUr die Ausarbeitung eines Programms zur Heraus- gabe eines Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der neueren Zeit, welches der Internationalen Association der Akademien im Jahre 1904 vorgelegt werden soll, femer

2300 M. zur Fortsetzung des von den Herren Furtwängler und Reichold herausgegebenen Werkes über „Oriechische Yaseninalerei*.

Leider hat im vergangenen Jahre der Tod eine reiche £rnte unter unseren einheimischen und auswärtigen Mitgliedern g^iialten und uns einige der angesehensten und berühmtesten Forscher entrissen. Über diese Verluste bitte ich nunmehr die Herren Klassensekretäre des Näheren zu berichten.

Darauf gedachten die Elassensekretäre der seit März 1902 verstorbenen Mitglieder.

Die philosophisch-philologische Klasse verlor das ordentliche Mitglied Eonrad von Maurer (gest. am 16. September 1902), welchem in der öffentlichen Sitzung im November 1903 eine besondere Gedächtnisrede wird gewidmet werden, und das aus- wärtige Mitglied Gaston Paris, Professor der romanischen Philo- logie am College de France, den hervorragendsten und viel- artigsten Vertreter dieser vaterländischen Wissenschaft in Frank- reieh (gest. am 6. März 1903).

244 J. Friedridi

Die historische Klasse rerlor am 10. Februar 1903 ihren Senior, Ka&l Adolf von Cornelius, auf den in einer späieFeii Sitzung eine Gedächtnisrede gehalten werden wird.

Am 24. November 1902 starb das ausserordentliche % glied der historischen Klasse Edmund FBEmEBR yon Öfele.

Öfele, der Urenkel des berühmten Herausgebers der Scrip- tores rerum Boicarum, wurde am 6. Dezember 1843 geboren, besuchte das Gymnasium zu Regensburg und studierte an der Universität München Jurisprudenz und Geschichte. Trotz seiner inneren Neigung zur geschichtlichen Forschung ergriff er die juristische Laufbahn, verliess sie aber nach bestandenem Staais- konkurs und trat 1870 als Praktikant in das E. ReichsarcUr ein. Seit 1874 Ereisarchivsekretär in Würzburg, Bamberg \d. München, stieg er dann rasch zum Assessor und Rat, 189^ zum Direktor des E. Reichsarchivs empor.

Öfele erweckte schon als Studierender grosse Ho£fhungeiL Denn bereits als solcher gab er im 26. Band des Oberbaye- rischen Archivs (1865 6) das im Nachlass seines Urgross?aters gefundene , Rechnungsbuch des oberen Yizedomamtes Herzog Ludwigs des Strengen 1291 1294*, d. h. Oberbajems südlich der Donau mit dem Hauptsitze München, heraus. Die Ver- öffentlichung nach den neueren Editionsgrundsätzen und mit trefflichen Erläuterungen bedeutete in mancher Hinsicht eine willkommene Erweiterung unserer historischen Erkenntnis. Im nächsten (27.) Bande des Oberbayerischen Archivs (1866—7) folgte „Otto von Erondorf. Ein Beitrag zur Eritik Aventins.'

Grosses Aufsehen erregte Ofele, als er 1867 in dem urgross- väterlichen Nachlass Aventins Abschrift der Annales Altahen^ maiores fand. Seit Aventin verschwunden, hatte Giesebrecht im Jahre 1841 sie aus späteren Zitaten grossen teils wieder herzustellen versucht, und begreiflich war die Spannung gross, wie sich diese Restitution zu den wirklichen Annalen verhalte.

Nekrolog auf Edmund Freiherr von Öfele, 245

Der Fund wurde aber nicht blos eine glänzende Bestätigung ^on Siesebrechts scharfsinniger Arbeit, er trug Ofele auch die Ehre ein, mit seinem Lehrer die Annales für den 1868 erschienenen XX. Band der Monumenta Germaniae historica ^arbeiten und edieren zu dürfen.

Daneben löste Öfele zugleich die 1867 von der hiesigen philosophischen Fakultät gestellte Preisaufgabe ,,Die Geschichte der Grafen von Andechs. urkundliche Feststellung der Genealogie und ihrer Besitzungen sowie Aufhellung ihrer Tätigkeit im Beiche. *

Man darf sagen, dass nicht oft eine Universität in der läge sein wird, einen Schüler zu entlassen, der sich bereits em«Q wissenschaftlichen Namen gemacht hat, wie Ofele. Er blieb aber auch später der historischen Forschung treu, obwolil er alles den kargen, vom Amte freigelassenen Stunden und eioein schwächlichen und kränklichen Körper abringen musste. Zunächst arbeitete er mit einem Bienenfleiss seine Preis- sclirift zu einer erschöpfenden Geschichte des einst so mäch- tigen und einflussreichen Geschlechtes der Andechser aus (1877). Ein Jahr darauf veröffentlichte er „Leonhard Widmanns Chronik ron Itegensburg^ in den „Chroniken der deutschen Städte *" ^Bd. 15, 1878), welche die Historische Kommission bei unsei-er Akademie herausgibt.

Als eine wahre Festgabe zum Witteisbacher Jubiläum darf

lun Ofeles Ausgabe der bis dahin ungedruckten „Topographie

T<m Bayern Philipp Apians, des ausgezeichneten Lehrers der

Mathematik an der Universität Ingolstadt in der zweiten Hälfte

its 16. Jahrhunderts, bezeichnen. Sie ist ein ausführlicher

"^läuternder Text, den Apian, nachdem er längst Bayern aus

^'ogiösen Gründen hatte verlassen müssen, zu der von ihm im

Auftrag Herzog Albrechts V. aufgenommenen, 485 Quadrat-

schühe grossen, künstlerisch ausgestatteten Karte von Bayern

»om Jahre 1563 schrieb, und der, in sämtliche hiesige Archive

zerstreut, gänzlich unbekannt war, wie auch diese Karte selbst,

«ach mancherlei seltsamen Schicksalen gegen Ende des 18. Jahr-

iiunderts zu Grunde gegangen, nicht zur Kenntnis der Geographen

l«t. Sitigib. d. philo«.-philoL ü. d. bist. Kl. 17

246 /. Friedriek

gelangt zu sein scheint. Kein Land war im 16. Jahrhundert so getreu kartographisch dargestellt und wohl auch topograpliiscli beschrieben, als Bayern durch Philipp Apians Karte und Topo- graphie. Nunmehr hat die Topographie nur noch einen histo- rischen Wert, indem sie uns die damalige Gerichtsbarkeit vieler Orte erst kennen lehrt und insbesondere die Übergangsfonoa der Ortsnamen aus dem Mittelalter in die Neuzeit zeigt. Damf wandte sich Öfele hauptsächlich dem berühmten bayerischn Geschichtschreiber Aventin zu und wurde, nachdem er k Kloster St. Peter in Salzburg neues Material entdeckt un4 einiges daraus in seinen Aventiniana (Oberb. Arch. XLIV, 1887) veröflFentlicht hatte, von der Aventin-Kommission unserer Aka- demie mit der Bearbeitung eines Ergänzungsbandes zu den von ihr herausgegebenen Werken Aventins betraut. Leider konnte er unter dem Drucke des Dienstes und bei dem zunehmenden körperlichen Übelbefinden die Aufgabe nicht mehr lösen. Und ähnlich ging es mit der von ihm übernommenen HerausgaW der Monumenta boica. Nachdem er einen Band (46) bearbeitet hatte, musste er den beinahe vollendeten zweiten Band andereii Händen überlassen. |

Öfele, der sich in seinen Schriften und zahlreichen Ab- handlungen und Mitteilungen als einen überaus sorgfältigen und zuverlässigen Arbeiter bewährt hat, wird stets eine ehren- volle Stelle unter den Forschern auf dem Gebiete der baye- rischen Geschichte behaupten.

Es sind ferner gestorben die auswärtigen Mitglieder Lord Acton in Cambridge, Julius von Picker in Innsbruck, Ernst Dümmler in Berlin und das korrespondierende Mitglied Eugen Müntz in Paris.

Am 19. Juni 1902 starb auf der gräflich Arcoschen Villa am Tegemsee Lorp Acton, früher Sir John Dalberg Acton» von mütterlicher Seite Sprössling und Erbe des Hauses Dal- berg, Rheinischer Linie.

Nekrolog auf Lord Äcton. 247

Seboren am 10. Januar 1834 in Neapel, wo mehrere Actons in hohen Staatsämtern gestanden, erhielt er seine erste Bildung in dem katholischen College St. Mary Oscott und kam 1850 nach München, um unter der Leitung DöUingers, bei dem er auch wohnte, die üniyersität zu besuchen. Mit ungewöhnlichen Geistesgaben ausgestattet und von mächtigem Wissensdrange getrieben machte er glänzende Fortschritte, und kaum nach England zurückgekehrt verrät er in seinen fortlaufenden Briefen an Döllinger eine Weite des Blickes und Reife des Urteils, Terbunden mit einem Umfange des Wissens, die man in so jungen Jahren selten finden wird. Sein Wissensdurst war damit aber keineswegs gestillt; er drängte ihn immer weiter, und bald bestand sein Verhältnis zu Döllinger in einem gegen«- seitigen Geben und Empfangen, wie dann meistens die Ergeb- nisse seiner unermüdlichen Forschungen in Bibliotheken und irchiven erst durch die Hände DöUingers gingen, ehe sie in ildenham niedergelegt wurden.

Im Görreskreise, soweit er damals noch bestand, hoffte

man zwar, dass „die katholische Partei in England an ihm

dereinst eine hervorragende Stütze finden könnte*; es kam aber

flicht so. Durch DöUingers Einfluss hauptsächlich der kirchen-

kistorischen Forschung zugewandt, wollte Acton mit einigen

engUachen Freunden im Rambler auch seine kirchengeschicht*

liehen Anschauungen zur Geltung bringen. Es dauerte jedoch

nur kurze 2jeit, und der englische Klerus, der das „bei seinem

Mangel an aller historischen Bildung und folglich an allem

historischen Urteil überhaupt' nicht begriff, stand gegen ihn

und seine Mitarbeiter auf. An Sambiers Stelle trat 1862 Home

ud Foreign Review, das der gleiche Hass verfolgte, weil man

äoeh in ihm «die germanisierende Schule unter den jüngeren

Katholiken in England' tätig sah und „die Germanisierung

'l^r Kirche als ihre tötlichste Gefahr' betrachtete. Auch dieses

lienew ging nach wenigen Jahren wieder ein. In dieser Be-

^rin^is mochte Acton wohl klagen: ,,Sie (Döllinger) sehen,

2an ist nicht impune Ihr Schüler', aber niederbeugen liess

ach der Mann nicht. Er zog wie viele andere während des

248 J, Friedrkh

Konzils 1869/70 nach Rom, und, nachdem es offen ausg^ sprochen, kann ich es bestätigen, dass der Hauptteil des Materials, aus dem Döllinger die „Briefe Tom Konzil' für die Augsburger Allgemeine Zeitung redigierte, von ihm stammte. Nach dem Konzil schrieb er ein Sendschreiben an einen deutschen Bischof des ratikanischen Konzils*" (1870) und iio North British Review in gedrängter Übersicht eine «Geschick des vatikanischen Konzils" (1870, auch ins Deutsche übersetzt von der jedoch ein deutscher Beurteiler nicht mit Unrecht bemerkt hat, „dass er an Stelle des diplomatischen Silbersüfts, dessen sich Lord Acton bei seinen Au&eichnungen bedient hat, durchweg eine dunklere Farbe und einen härteren Griffel ge- wünscht hätte *". Lord Acton liebte es überhaupt, manchmal wie Döllinger in einem Briefe an Gladstone es bezeichnet ^otxovofitxcbg zu schreiben*.

Als Hauptverdienst Actons in jenen Jahren bezeichnete Döllinger, als er ihn 1876 zum auswärtigen Mitglied unserer Akademie vorschlug, dass „er in den Zeitschriften Rambk Home and Foreign Review North British Review m anderen die nicht-englische historische Literatur und mit b^ . sonderer Vorliebe und ebenso gründlich als umfassend die deutsche dem britischen Publikum bekannt gemacht habe. Die kritisch referierenden Artikel von seiner Hand dürften, gesammelt, wohl zwei Bände füllen, und man könne sagen, Acton habe mehr als irgend ein lebender Engländer oder Amerikaner für Bekanntwerdung und gerechte Würdigung der deutschen Geschichtsliteratur im Bereiche der englisch lesender. Nationen geleistet ''. Er befähigte sich dadurch zu dem Artikel German Schools of History (deutsch von Imelmann 1887), der das von ihm, Stubbs, Freeman, Döllinger u. a. 1886 gegründete English Historical Review eröffnete und in Deutschland grosses und berechtigtes Aufsehen erregte.

Acton gehört zu den Männern, denen es in erster lAvix^ um die Förderung ihrer eigenen Erkenntnis zu tun ist, und die meistens nur durch äussere Umstände veranlasst werden, Mitteilungen aus dem Schatze ihres Wissens an andere zu machen.

Nekrolog auf Lord Äeton und Julius von Ficker, 249

Was er aber schrieb eine kritische Geschichte der Bartho- lomäusnacht (meist nach handschriftlichen Quellen) der Krieg 7on 1870 Geschichte der Freiheit im Altertum und das Christentum George Elliot der Kardinal Wolsey u. s. w. rollt auf den gründlichsten und umfassendsten Studien, ist stets tief durchdacht und hat nur den Fehler, dass es für uns Deutsche oft schwer verständlich ist, was Döllinger, der es ebenfalls fand, dem umstände zuschrieb, dass «es nicht das gewöhnliche Englisch ist, sondern unter deutschem Einfluss zu stehen scheint".

Den Lehrstuhl der Geschichte, den Acton seit 1895 als Regius Professor an der Universität Cambridge inne hatte, und um den er, wie mir vor einigen Jahren von dort gemeldet vsrde, von Jahr zu Jahr mehr Zuhörer sammelte, konnte er Tegen Kränklichkeit schon einige Zeit nicht mehr besteigen, irad auch die Veröffentlichung der auf zwölf Bände berechneten Allgemeinen Geschichte der modernen Zeit, die er im Verein mit hervorragenden Historikern unternommen, sah er nicht mehr.

Acton galt zuletzt als der erste Gelehrte in England, was Geschichte, Nationalökonomie und dergleichen betrifft, ein Ruhm, den sich meines Wissens noch keiner seiner Standes- genossen erworben hat.

Am 10. Juli 1902 schied Julius von Ficker, einer der ersten deutschen Geschichtsforscher, zu Innsbruck aus dem Leben.

Von Geburt Westfale und wie viele seiner engeren Landsleute mit dem preussischen Wesen unversöhnt, wurde Ficker (geb. 30. April 1826) nach Annahme eines Rufes an die damals noch ^ToUständige Universität Innsbruck (1852), wie ich aus meinem läufigen Verkehr mit ihm weiss, fast österreichischer als die leisten Österreicher, ohne dass dieser Umstand auf die Objek- tivität seiner Forschungen einen besonderen Einfluss gewonnen iiätte. Ficker ist aus keiner historischen Schule hervorgegangen, »her schon nach seinen ersten Schriften: De Henrici VI. imperatoris conatu electiciam regum in imperio Romano 6er- ffianico successionem in haereditariam mutandi (1850), einer

250 /. Friedrieh

Promotions- und Habilitationsschrift zugleich, , Rainald toh Dassel, Reichskanzler und Erzbischof yon Köln 1156—1167' (1850), „Engelbert der Heilige, Erzbischof von Köln und Reicb- yerweser'' (1853) und „Die Münsterischen Chroniken des Mittel* alters* in den „Geschichtsquellen des Bistums Münster', I. Bi. (1851) nannte Döllinger ihn bei seiner Wahl in unsere Aka- demie (1855) „einen der tätigsten und hoffhungsToUsten unte den jüngeren Geschichtsforschern in Deutschland*^ und „einen gründlichen Quellenforscher''. Die Beschäftigung mit einer Geschichte Ludwigs des Bayern fahrte ihn, ab er den dabei zu lösenden verfassungsgeschichtlichen Fragen nachging, in ganz andere Bahnen und zu den wichtigsten, oft grundlegenden Ergebnissen, die er in seinen Schriften „Über einen Spiegel deutscher Leute'' (1857), „Über die Entstehungszeit des Sachsen- spiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem deutschen Spiegel" (1859), „Vom ReichsfUrstenstande' (1861) und „Vom Heerschilde'' (1862) niederlegte. Man kann über- haupt sagen: wo Ficker die Hand anlegte, förderte er neue Erkenntnisse zu Tage. So auch in seinem Zusammenstoss mit H. V. Sybel, der 1859 in seiner Festrede „Über die neueren Darstellungen der deutschen Kaiserzeit " andere Anschauungen ausgesprochen hatte, als Ficker in seiner aus Vorträgen im Ferdinandeum in Innsbruck entstandenen Schrift „Das deutsche Kaisertum in seinen universalen und nationalen Beziehungen' (1861). Dem Angriff Sjbels „Die deutsche Nation und das KaiseiTeich*^ (1861) setzte Ficker entgegen „Deutsches König- tum und Kaisertum. Zur Entgegnung auf die Abhandlung H. V. Sybels: Die deutsche Nation und das Kaisertum (1862)» und so heiss der Kami)f und so gross die daraus hervorgegangene Spannung damals war, die Historiker auf beiden Seiten haben aus dem Streite gelernt.

Mit seinem Übertritt in die juristische Fakultät und der Übernahme der Reichs* und Rechtsgeschichte (1863) nahmen Fickers Forschungen wieder eine neue Wendung. Die Er- scheinung, dass unter den staufischen Königen in Itidien in oberster Instanz nach den römisch-kanonischen Kechtsformen

Nekrolog auf Julius wn Fieker. 251

Teifahren wurde, nahm sein Interesse in Anspruch, und seine eindringenden Untersuchungen fährten zu vier Bänden « For- schungen zur italienischen Reichs- und Rechtsgeschichte'' (1868 —1874), der ersten Geschichte der Reichsverfassung Italiens von der Karolingerzeit bis ins 14. Jahrhundert und einer ganz neuen Grundlage für die Geschichte der Stauferzeit. Daneben be- schäftigte ihn das literarische Vermächtnis Johann Friedrich Böhmers, unter dessen Einfluss er bei einem längeren Aufent- halt in Frankfurt im Jahre 1848 gekommen war, und der ihn zugleich mit W. Arnold und J. Janssen zu seinem Testaments- ToUstrecker eingesetzt hat. Während er einen Teil der Arbeiten seinen Schülern überliess, bearbeitete er selbst ein drittes Erganzungsheft zu den Regesten Ludwigs des Bayern (1865), die Acta imperii selecta (1866 1870) und die «Regesten des Kaiserreichs von 1198—1272- (1880-1883), in deren Ein- leitung er eine wesentlich neue, von der Darstellung Böhmers Jarchaus abweichende Auffassung Kaiser Friedrichs II. be- gr&ndete, eine Leistung, auf die er stolz sein konnte und aach stolz war, wie ich selbst wahrnahm, als er mir die Ein- leitung überreichte.

Bei diesen Arbeiten stiess er nach zwei Richtungen auf Schmerigkeiten, einmal in Bezug auf die Behandlung und Wertbeurteilung der Urkunden, dann in Bezug auf das ger- Qianische Eherecht, die ihn zu den scharfsinnigsten Unter- aichungen fortführten, und das Ergebnis hinsichtlich des ersten Punktes, das er in zwei Bänden „Beiträge zur Urkundenlehre '^ (1877/8) veröffentlichte, war so durchschlagend, dass man ihn ^tdem auch zu den ersten Diplomatikem zählte. Aus den Forschungen über das germanische Eherecht, die seine letzten Jahre ausfüllten, gingen aber die fünf Bände „Untersuchungen ^ Erbenfolge der ostgermanischen Rechte'' (1891 1902) iterror. Mit Begeisterung sprach er mir oft davon, und die ToIIstäudig neuen Ergebnisse, die er gewonnen zu haben über- ^gt war, schienen seine Arbeitskraft zu verjüngen. Doch ^ er voraus, dass er .auch auf vielfachen Widerspruch stossen ^erde. Es ist aber dennoch vieles davon schon bleibendes

252 J, If\Uäriek

Gut, und auch die von ihm angeregte Diskussion wird zur Förderung der Wissenschaft dienen.

Ein anderes unschätzbares Verdienst erwarb sich Ficker durch sein 1854 eröffnetes historisches Seminar. Hier brauche ich aber statt aller Worte nur an die Namen seiner hen^or- ragenderen Schüler, der Reichsdeutschen v. Druffel, Scheffer- Boichorst, Stieve, Busson, und der Österreicher Alf. Huber Mühlbacher, Jung, v. Ottenthai, Redlich, Hirn, v. Zallinger, Wiesinger, zu erinnern, und jedem ist sofort klar, was das bedeutet, und wie viel die Oeschichtswissenschaft Ficker auch wegen der Ausbildung dieser Männer verdankt.

Ein rastloses, aber auch mit seltenem Erfolge gekröntes Leben im Dienste der Wissenschaft ist mit ihm erloschen.

Einen gleich schmerzlichen Verlust erlitt die Geschichtswissen- schaft durch den Tod Ebnst Domjclebs am 11. September 1902.

In Berlin am 2. Januar 1830 geboren und wissenschafÜicli gebildet, bekleidete Dümmler lange Jahre die Professur der Geschichte in Halle, bis er im Jahre 1888 als Waitz^ Nach' folger in der Leitung der Zentraldirektion der Monumenta Ger maniae historica in seine Vaterstadt zurückkehrte.

Von Rankes Schülern war Dümmler vielleicht derjenige, der die methodischen Grundsätze seines Lehrei*s am strengsten durchführte. Das Arbeitsfeld aber, das er sich wählte, war das ostfränkische Reich unter den Karolingern, und schon seine ersten Arbeiten darüber: De Arnulfo Francorum rege. Com- mentatio historica (1852), ^Uber die südöstlichen Marken des fränkischen Reichs unter den Karolingern 795 907" (Archiv für Kunde österr. Geschichte, Bd. X, 1853), waren muster- gültige Leistungen. In dem Buche „Piligrim von Passau und das Erzbistum Lorch* (1854) zerstörte er für immer den Spuk, welchen das angebliche Erzbistum Lorch in der Passauer und Salzburger Geschichte bis dahin getrieben hatte. Dieses Werk und »Das Formelbuch des Bischofs Salomo III. von Konstanz' (1857) sind die Vorbilder geworden für die Behandlung ähn- licher Aufgaben. Daran reihen sich „Beiträge zur Geschichte

Nekrolog auf Ernst Dümnäer, 253

des Erzbistums Salzburg im 9. bis 12. Jahrhundert" (Archiv für Kunde österr. Geschichte, Bd. XXII, 1859) und ,St. Gal- Ksche Denkmale aus der Karolingischen Zeit* (1859). Es ist daher begreiflich, dass die damals neu begründete Historische Kommission bei unserer Akademie Dümmler als den geeignetsten Mann erachtete, fQr die von ihr unternommenen „Jahrbücher der deutschen Geschichte" eine Geschichte des ostfränkischen Reichs unter den Karolingern" zu schreiben. Sie hatte sich in ihm nicht getauscht; denn die Leistung Dümmlers, zuerst in zwei Bänden 1862 erschienen, 1887 auf drei Bände erweitert, war auch nach iem Urteile von Männern, wie Giesebrecht, ausserordentlich". In den tiefen Verfall der römischen Kirche und die schmäh- licbn Vorgänge nach dem Tode des P. Formosus führt die atijgezeichnete Schrift „Auxilius und Vulgarius. Quellen und Forschungen zur Geschichte des Papsttums im Anfange des 10. Jahrhunderts" mit ungedruckten Schriften beider (1866). In die italienische Geschichte gehören auch die verdienstlichen Schriften .Gesta Berengarii imperatoris. Beiträge zur Geschichte Italiens im Anfange des 10. Jahrhunderts" (1871) und „Anselm der Peripatetiker nebst Beiträgen zur Literaturgeschichte Italiens ün 11. Jahrhundert« (1872).

Nachdem Dünunler noch für die „Jahrbücher" den von Köpke begonnenen „Kaiser Otto der Grosse" vollendet hatte, ^dmete er seine Kraft fast ausschliesslich den Monumenta 8ermaniae historica, für die er 1881 84 die Poetae latini aevi Carolin! I. 11 und 1892—1899 die Epistolae Merovingici et Carolini aevi 1. II. III mit seiner gewohnten Sorgfalt und Exaktheit bearbeitete. Als Vorstand der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae wird ihm nachgerühmt, dass er leitend 'Ji4 anregend im Verkehr mit seinen Mitarbeitern die Gesamt- ajögabe der Quellen in fruchtbarer Weise zu fordern wusste, Jind wenn nach seinem Tode ein Streit über die Art der Leitung '^nd den Umfang des grossen Nationalwerks entbrannte, so werden wir uns, soweit Dümmler dabei überhaupt in Frage Itonmien kann, die Freude an dem vortrefflichen und gründ- lichen Forscher nicht vergrämen lassen.

254 J. Friedrich

Am 30. Oktober 1902 verschied in Paris das Mitglied des Institut de France Eugen Müntz.

Müntz, einem geachteten Hause im Elsass angehörig, wurde 1845 in Sulz geboren und bezog, mütterlicheraeits mit dem berühmten Romanisten Hugo verwandt, das von diesem p- stiftete Familienstipendium in Karlsruhe. Nachdem er in Fhs die Rechte studiert und den Orad eines Lizentiaten erworb«i widmete er sich, einer entschiedenen Neigung folgend, in Kunstgeschichte, reiste in Deutschland und England und wurde 1878 Mitglied der Ecole fran^aise d'Athenes et de Rome. NacIi dreijährigem Aufenthalt in Rom kehrte er 1876 nach Paris zurück und wurde der Ecole nationale des Beaux Arts suge- wiesen, an der er später Konservator und Substitut Taines wurde und auch Vorlesungen über Kunstgeschichte hielt.

Sein dreibändiges Werk Les Arts ä la cour des Papes (1878—1882) ergänzte und berichtigte durch genaueste archi- valische Forschungen nicht nur die Angaben Yasaris und seiner Nachfolger, sondern zog auch viele Urkunden ans Licht, weldu die Wiederbelebung der Künste unter den Päpsten, die Tätig- keit von Künstlern jeder Art und die Entstehungsgeschichte: von Monumenten und Kunstwerken während des wichtigen kulturgeschichtlichen Jahrhunderts von Martin V. bis Leo X. neu beleuchten. Raphael, sa vie, son oeuvre et son temps (1881) kann zwar nach Passavant keine grundlegende Bedeutung mehr beanspruchen, aber das Werk nimmt gleichwohl durch erschöpfende Kenntnis des Stoffs und das künstlerisch gebildete Urteil des Kenners eine ehrenvolle Stellung neben neueren Biographieon Raphaels ein. Auch in Les Pr^curseurs de la Renaissance (1882) mit dem Katalog der im Museum, in der Bibliothek und dem Palast der Medici enthaltenen Kunstobjektf und Bücher des 15. Jahrhunderts zeigt sich der Verfasser sk vorzüglichen Kenner der Renaissance. Dazu kommen zahl- reiche andere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der Künste, von denen ich erwähne : Histoire g^n^rale de la tapi^ Serie, Fresques in^dites aus dem Schlosse der Päpste in Avignon

Nekrolog auf Eugen Müntz, 255

u. 5. w., La bibliotheque du Yatican au XY® siede, Les anti- quit^ de la ville de Rome au XIV«, XV« et XVP siecles.

Müntz wird mir nicht nur als einer der tätigsten, sondern der geschätztesten Forscher auf dem Gebiete der Geschichte der künstlerischen Renaissance bezeichnet.

Zum Schluss hielt Professor Dr. G. F. Knapp aus Strass- Wrg, korrespondierendes Mitglied der historischen Klasse, die inzvnschen im Verlag der Akademie erschienene Festrede:

Justus Ton Liebig nach dem Leben gezeichnet.

n-"

Inhalt

Sitzung der pküosophiseh-phUologischen und der historiseken Klasse

vom 7. März 1903 . . IK

F. Muncker: Wielands .Pervonte* 121

K. V. Amira: Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Wille- halm (mit 3 Tafeln) 213

Oeffentliche Sitzung zur Feier des lH. Stiftungstages

am 11. März 1903 241

Einsendung von Druckschriften 1'

Die Abhandlungen sind auch in Separatabzttgen hergeetellt and erscheinen einzeln nnter den Publikationen des akademisclien Verlags in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlung (J. Roth).

Akademische Bachdruckerei tod F. Straab in Xünehaa.

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Sitzungsberichte

der

philosophisch -philologisßhen

und der

historischen Klasse

der

K. B. Akademie der Wissenschaften

zu JVtünchen.

1903. Heft IIL

Mfinehen

Verlag der E. Akademie 1903.

In Kommission des G. Franz'achen Verlags (J. Roth).

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Sitzungsberichte ' 'A^ 1^^

der ^^^^'•■'^'''(A^L^

Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.

Sitzung vom 2. Mai 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des »rrespondierenden Mitgliedes Professor Dr. G. Goetz in Jena:

Papias und seine Quellen.

Das in zahlreichen Handschriften und vier Drucken vor- i^ende, früher in der Regel überschätzte, aber auch heute ttht immer richtig beurteilte elementarium doctrinae erudimen- des Papias wird auf seine Quellen hin untersucht und der icbweis erbracht, dass die meisten Quellen uns noch heute weniger getrübter und nicht kontaminierter Form erhalten Der Wert des Lexikons ist also ein rein historischer. )ias ist eine Durchgangsstelle zahlreicher Überlieferungen, alsdann in der bei ihm gegebenen Form auf spätere Werke pnfluss geübt haben.

Herr Munckeb legt vor eine Abhandlung des Sekretärs an •^K. Hof- und Staatsbibliothek Dr. E. Petzet:

Über das Heidelberger Bruchstück des ^Jüngeren Titurel«.

Das 1835 nach einer älteren Abschrift von Sulpice Bois- *ree in den Abhandlungen der Münchener Akademie veröffent- Wite, damals aber schon wieder spurlos verschwundene Bruch-

IMI BHxgsb. d. p]ino8.-philoL o. d. bist Kl. 18

258 SiUung vom 2. Mai 1903.

stück, dessen in keiner andern Handschrift wiederkehrende - Verse eigenartige Aufschlüsse über den Dichter des ,Titurel' gewähren, wurde vor kurzem von Professor Dr. Franz M wieder aufgefunden und wird nun genauer als 1835 in seinem Wortlaut mitgeteilt und vielfach neu im einzelnen erkläii Dabei wird gegenüber der Anschauung Lachmanns, an k auch spätere Forscher festhielten, die Vermutung Simmb dass der Titureldichter, der unter der Maske Wolframs sprick und der, welcher sich Albrecht nennt, nur eine Person stL nunmehr zur Gewissheit erhoben, das Heidelberger Fragment akr als Bruchstück einer im Spätsommer 1273 verfassten Widmung des damals aber nur zum grössten Teil vollendeten Werkes au Herzog Ludwig den Strengen von Bayern nachgewiesen.

Beide Abhandlungen werden in den Sitzungsberichten erscheinen.

Herr Furtwängleb gibt einen kurzen vorläufigen Bericlit

Über die unter seiner Leitung mit den Mittel; der Stiftung des Herrn Bassermann-Jordanic Orchomenos ausgeführten Ausgrabungen.

Dieselben setzten sich die Aufgabe, über die Eigenart der Kultur der Minyer, die in der Frühzeit der hellenischen Ge- schichte eine so hervorragende Rolle spielen, Aufschlüsse zu gewinnen. Diese Aufgabe wurde durch die Ausgrabungen der befriedigendsten Weise erfüllt. Es wurde der Königspalist derjenigen Epoche entdeckt, welcher auch das schon langt bekannte Kuppelgrab, das sog. Schutzhaus des Minyas ang^ hörte, d. h. der sog. mykenischen Zeit, in welcher auch ic Orchomenos die sog. mykenische, besser kretisch zu nennende Kultur herrschte. Es fanden sich Reste der Wandmalereien des Palastes, darunter besonders interessant ist ein Stück mit zwei in lebhaftester springender Bewegung befindlichen niann- liehen Figuren, welche in ihrer Haltung völlig übereinstimmen mit einer im vorigen »Tahre in Knossos auf Kreta entdeckten Elfenbeinfigur. Die Malereien in Orchomenos sind sehr wahr- scheinlich von kretischen Meistern ausgeführt. Auf einer Vase

SUsung vom ^. Mai 1903, 25d

fand sich in grossen aufgemalten Buchstaben eine Inschrift derselben noch nicht entzifferten Schriftart, die auf den kre- tischen Funden erscheint. Die Vase ist wahrscheinlich aus Kreia importiert. Unter der sog. mykenischen Schicht fand sicli in Orchomenos eine überaus mächtige und tiefe Schutt- ablagerung Yormykenischer Epochen mit merkwürdigen Bund- bauten aus Lehmziegeln und sog. Hockergräbern und mit einer Menge interessanter Tonvasen und Geräte. Von besonderer historischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Funde dieser Tormykenischen Schichten mit denen der Niederlassungen neoU- thlscher Epoche in Thessalien die allernächsten Beziehungen aufweisen. Unter den Funden späterer Zeiten in Orchomenos ^Q<I die reich ausgestatteten Qräber sog. geometrischer Epoche (9.-8. Jahrh. vor Chr.) und eine grössere Bronzeinschrift aus Rassischer Zeit hervorzuheben.

Herr Krümbachee berichtet über das Programm des von der Bayerischen Akademie angeregten und bei der ersten Sitzung i^r internationalen Assoziation der Akademien in Paris 1901 uuter die gemeinsam auszuführenden Untersuchungen aufge- nommenen Planes eines

Corpus der griechischen Urkunden des Mittel- alters und der neueren Zeit.

Dieses Programm wird mit einem Verzeichnis des bisher ^kannten Urkundenmaterials besonders gedruckt werden und ^11 bei der für das Jahr 1904 festgesetzten zweiten Sitzung i^r Assoziation als Basis der Verhandlungen dienen.

Herr Kbukbacher hält einen für die Sitzungsberichte ^^timmten Vortrag:

Das mittelgriechische Fischbuck

Es handelt sich um ein in einer Escurialhandschrift erhal- ^nes vulgärgriechisches Prosastück, in welchem eine von Fischen Qöter dem Vorsitz des Königs Walfisch abgehaltene Gerichts- verhandlung erzählt wird. Die seltsame Geschichte, deren Text

18*

260 SUiung vom 2. Mai 1903.

leider sehr verdorben ist, erscheint als eine Parodie des byzan- tinischen Hof- und Beamtenwesens und ist eng verwandt mit zwei anderen eine ähnliche satirische Tendenz yerraiendeo byzantinischen Werkchen, dem Yogelbuch (Pulologos) und des Obstbuch (Porikologos). Eine entfernte Analogie bietet ^ lateinische «Testamentum porcelli*'.

Historische Klasse.

Herr Qbauebt hält einen fUr die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Aus römischen Bibliotheken und Archiven.

Der Vortragende geht aus von einer Besprechung des Cod. 739 der Bibliotheca Angelica in Rom und stellt fest, da.^s in dem neuen Handschriften -Katalog von Enrico Narducci Schriften des Engelbert von Admont, Johannes von Paris b;J Johannes Gerson mit Unrecht dem bekannten Augustiner-&r- miten Augustinus Triumphus von Ancona zugeschrieben isl Er bespricht sodann die im Vatikanischen Archiv verwahrte"- Aktenstücke zur Geschichte des von Ludwig XIV. im Jahre V""^^ am Rhein geführten Feldzuges und schliesst mit einem Hinweis auf einen in der Vatikanischen Bibliothek vorhandenen, bis- her ungedruckten, wichtigen kirchenpolitischen Traktat z^r Geschichte Ludwig des Bayern.

Herr Friedrich weist in einem für die Sitzungsbericht bestimmten Vortrag:

Die sardicensischen Aktenstücke der Sammlung des Theodosius Diaconus

die Behauptung, Cyrillus von Alexandrien habe diese Akte»' stücke 419 nach Carthago gesandt, als irrig zurück.

261

Sitzung vom 13. Juni 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Herr FuBTwÄNaLEB macht eine für die Sitzungsberichte bestimmte Mitteilung:

Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels,

in welcher eine neue Aufstellung der bezüglichen Giebelgruppe in Vorschlag gebracht wird.

Herr von Christ hält einen für die Sitzungsberichte («stimmten Vortrag:

Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte.

Ausgehend von der alten Annahme, dass uns von jenem Liebling der alexandrinischen Dichter nur eine Auswahl der Wliebtesten Gedichte erhalten sei, wird zu ermitteln gesucht, ^^i welche Weise diese Anthologie entstanden und allmählich 2u dem Umfang von dreissig Gedichten angewachsen sei. ^D einer Heptas von sieben Kapiteln werden auf Grund der verschiedenen Äste der handschriftlichen Überlieferung mehrere wichtige Fragen über die Teile der Sammlung und die fremden Elemente derselben besprochen und gelöst.

262 Sitzung vom 13. Juni 1903.

Historische Klasse.

Der Elassensekretär legt vor eine Abhandlung des Herrn VON Rockingeb:

Deutschenspiegel, sogenannter Schwabenspiegel. Bertolds von Regensburg deutsche Predigten in ihrem Verhältnisse zu einander.

Die gewöhnliche Meinung hierüber neigt dahin, dass Ber- told den Deutschenspiegel benützt hat, dass dagegen seine Predigten im Schwabenspiegel verwertet sind. Gegen das letztere hatte der Verfasser in der Sitzung vom 9. Februar 18S9 Bedenken geäussert. Die nähere Untersuchung hierüber ist nicht veröffentlicht worden, da sie nur als Vorarbeit zu je entsprechender Verwendung da oder dort in der Einleitung zur Ausgabe des Kaiserlichen Land- und Lehenrechts dienen sollte Diese Zerstückelung führt aber mehrfache Nachteile mit sic^. so dass die Erörterung nun doch als Oanzes erscheint. ^ Verhältnis zwischen dem Deutschenspiegel und den Predigwi^ hat sich bestätigt. Bezüglich des Schwabenspiegels aber stelk sich, soweit es sich um das Recht handelt, als Ergebnis heraus dass Bertold, wie in den früheren Predigten den Deutschen- spiegel, so später den Schwabenspiegel benützt hat. Daraus folgt von selbst, dass dieser, da der gefeierte Minorit an: 14. Dezember 1272 gestorben, vorher verfasst worden ist

Die Abhandlung wird in zwei Abteilungen in den Denk- schriften gedruckt werden.

Herr Riehl hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Nationale und internationale Züge in der Ent" Wicklung der deutschen Kunst.

Der gleiche Stil der Kulturvölker Westeuropas beweist festen Zusammenhang ihrer künstlerischen Entwicklung, deren nationale Eigenart dagegen selbständiges Vorgehen der einzelnen

SUgung vom 13. Juni 1903. 268

Völker und Gh-uppen. Die Untersuchung über Art und Ver- lauf internationaler Bewegungen, sowie über die Gründe der Sonderentwicklung der Gruppen führt zu der Erkenntnis, dass bei den massgebenden Völkern eine selbständige Entwicklung vorliegt, die sich jedoch mit jener der anderen Nationen in parallelen Bahnen bewegt hauptsächlich wegen der gleichen Kirche, desselben künstlerischen Stoffes und verwandter Tra- ditionen. Daraus erklären sich auch die oft überraschenden Ähnlichkeiten annähernd gleichzeitiger Werke, zwischen denen sicher kein direkter Zusammenhang besteht, andererseits aber gewinnt auch gerade, weil die Völker neben einander nach Terwandten Zielen streben, das vorauseilende oft wesentlichen, fordernden Einfluss auf die übrigen. Speziell für die deutsche Kunstgeschichte erscheint wichtig, dass ihr selbständiger Ent- wicidungsgang mehr betont und festgehalten wird, dass die italienischen, französischen, niederländischen Einflüsse auf den- st'Iben zwar fordernd und anregend wirken, aber keineswegs, wie man so oft glaubt, die grossen Stilwandlungen begründen.

HerrRiGOAUEB hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Über den sogenannten Vierschlag auf den bai- rischen Pfenningen des Mittelalters

und erklärt auf Grund einer genauen Untersuchung von vielen Hunderten dieser Münzen diese technische Eigentümlichkeit durch einen Walzvorgang, der zum Zweck hatte, den Schröt- üug runder und für die Prägung widerstandsfähiger zu machen. Tiiter dem Welleisen, das in einer Ordnung für die Grazer Münze aus dem 14. Jahrhundert erwähnt wird, haben wir ein solches ^alzeisen zu verstehen. Derselbe gibt dann ein Richtstück i h. Probiergewicht Ottos I. von Pfalz -Mosbach für seine Münzen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts bekannt.

264

Sitzung Yom 4. Juli 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des Herrn Dr. K. Simon in München:

Die Notationen des Somanätha.

Mit Hülfe der in der Bombayer und Oxforder Handscbiift des Somanätha enthaltenen Angaben wird zuerst sein Alt^^ das bisher gewaltig überschätzt wurde, endgültig festgelegt, sodann die Notationen, die er in seinen fUr die indische Laute komponierten Stücken zur Anwendung bringt, im Einzeineo behandelt und versucht, die ihnen entsprechende Technik aul der Laute zu bestimmen. Der Kommentar, den Somanätha selbst zu seinem Text verfasst hat, wird einer genauen Be- sprechung unterzogen und schliesslich dargelegt, dass sowohl die Kompositionen des Somanätha nichts mit dem Gltagovinda des Jayadeva zu tun haben, als auch überhaupt die Art der indischen Musikpraxis den Begriff von , Original* -Melodien zu den Gedichten des Jayadeva ausschUesst.

Die Abhandlung wird in den Sitzungsberichten erscheinen.

SiUung wm 4. Jtdt 1903, 265

Herr Fubtwanoleb macht eine für die Sitzungsberichte bestimmte Mitteilung:

Zu den Skulpturen des Asklepios-Tempels von Epidauros,

in welcher er eine bisher nicht beachtete zu den Giebel- skulpturen dieses Tempels gehörende Statue eines liegenden Jünglings nachweist und femer die Beste der Akroterienfiguren einer Besprechung unterzieht.

Herr Lipps hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag:

Psychische Vorgänge, Bewusstseinsinhalte und Gegenstände. Psychologie und Logik.

Für die Zukunft der Psychologie wie der Logik ist ent- scheidend die sichere Unterscheidung der Bewusstseinsinhalte und der in ihnen gedachten, dem Bewusstsein transcendenten Gegenstände. Die Gegenstände sind das Anerkennung Fordernde. Das Bewusstsein der Notwendigkeit der Anerkennung ist das ßeltungsbewusstsein. Alle Wissenschaften ausser der Logik untersuchen, was die Gegenstände fordern. Die Logik befasst sich mit der Tatsache des Forderns. Ihr einziges Thema ist das Geltungsbewusstsein. Von ihr streng zu scheiden ist die Psychologie des Denkens und Erkennens. Die Psychologie hat eine doppelte Aufgabe. * Sie ist Phänomenologie der Bewusst- seinserlebnisse, und sie erklärt d. h. fasst die Bewusstseins- erlebnisse unter das Kausalgesetz. Dies Letztere schliesst üe Betrachtung der Bewusstseinserlebnisse als Erscheinungen ^ines in ihnen gedachten psychisch Realen, insbesondere real- psychischer Vorgänge, notwendig in sich. Der psychische Lebenszusammenhang ist fttr die Psychologie ein Zusammen- klang solcher realer Vorgänge, die nur da und dort in Bewusst- seinserlebnissen erscheinen. Wie dies psychisch lieale zum Gehirn und den Gehimprozessen sich verhalte, ist eine ausser-

266 SUßung wm 4. JuU 1903.

psychologische Frage. Sofern auch das Geltungsbewussisein | in die Sphäre der Bewnsstseinserlebnisse gehört, ist die Logik j ein abgegrenzter Teil der psychologischen Phänomenologie. |

Historische Klasse.

Herr Bbentano berichtet über eine von ihm unternommene grössere Arbeit:

Über die Entwicklung des englischen Fidei- kommissrechts im Zusammenhang mit der Ent- Wicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse

und erläutert die Auflösung des Unterschieds in der fidei- kommissarischen Vererbung von Grundbesitz und beweglichem Gute im Zusammenhang mit dem steigenden Bedarf an Betriebs- kapital zu intensiverer Bewirtschaftung des Bodens, mit der foi*tschreitenden Demokratisierung der englischen Verfassung und dem Sinken der Getreidepreise.

267

Papias und seine Quellen.

Von Oeorg Goets.

(Vorgelegt in der pbilos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)

Das Lexikon des Papias hat in der Literatur eine höhere Schätzung gefunden, als ihm seiner Bedeutung nach zukommt. Hat doch Du Gange in seinem Glossarium zahlreiche Notizen aus ihm entnommen, teils aus dem gedruckten Exemplar, teils aus Handschriften, und noch der Bearbeiter der lateinischen Lexikographie im MüUerschen Handbuche hat S. 498 eine Charakteristik gegeben, die der wirklichen Bedeutung nicht entspricht. Die im Nachstehenden gegebene Analyse des Werkes hat die Aufgabe, die Forschung zu entlasten, d. h. die Ver- pflichtung, auf Papias Bücksicht zu nehmen, auf ein Minimum zu beschränken. Seit dem Bekanntwerden des liber glossarum hört dieser Eompilator auf, eine Fundgrube älterer Gelehrsam- keit zu sein, und selbst die mittelalterlichen Zutaten sind zu unerheblich, um sein Ansehen zu retten. Im Ganzen und Grossen wird nur d e r Veranlassung haben, Papias einzusehen, der die Geschichte einzebier Überlieferungen verfolgt: für ihn ist er eine Durchgangsstelle, die mitunter auf spätere Fas- sangen Einflufls geübt hat.

L

Drucke. Gedruckt wurde dieses Lexikon zum ersten Male im Jahre 1476 in Mailand (per Dominicum de Ves/polate Anno domini MCCCCLXXVI die XIL/mensis decembris). Die beiden Exemplare dieses Dinickes, die mir bekannt geworden sind,

268 Georg Goetz

weichen nur in einigen unwesentlichen Änderungen ab, die Yor dem Abzug weiterer Exemplare Torgenommen wurden. Aus der Mailänder Ausgabe stanmien die drei übrigen, die vorhanden sind: 1. die Yenediger von 1485 (per Andream de Bonetis de Papia. Anno domini MGCGGLXXXY. Die ultimo lunii. loanne mocenico inclyto Venetiarum principe regnante); 2. die von 1491 (per Theodorum de regazionibus de asula die XV mensis Martii); 3. die von 1496 (per Philippu de pincis Mantuanum Anno domini MCCCCXCYI die XIX Aprilis. Regnante Serenissimo Augustino Barbadico Venetiarum duc« felicissimo). Auf dem ersten Blatte steht der Titel: PAPIAS VOCABVLISTA. Dass alle diese Drucke trotz der Differenzen im Einzelnen von dem Mailänder Drucke wie unter ein- ander unterscheiden sie sich nur durch abweichende Inter- punktion, kleine Auslassungen, Zusätze und Verbesserungen sowie durch orthographische Eigentümlichkeiten von der editio princeps abhängen, beweist die gemeinsame Lücke zwischen pecuosus und placikim^ die durch den Ausfall von acht in der princeps noch vorhandenen Blättern entstanden ist. Damit ist zugleich die Minderwertigkeit der späteren Drucke der princeps gegenüber dargetan. Ich werde im weiteren Ver- laufe dem Mailänder Drucke folgen, ausser wo ich direkt die handschriftliche Lesart zu Grunde lege.

Handschriften. Die Zahl der Papiashandschriften ist eine sehr beträchtliche, wenn sie auch nicht so bedeutend ist, wie es nach Loewes Angabe (Prodr. S. 235: HnnumeraMlibus paene codidbus servatum^) der Fall zu sein scheint. Altere Zusammenstellungen finden sich bei Montfaucon Bibl. mss. S. 751, 754, 760; Loewe a. a. 0. S. 235 Anm. 4; Berger de gloss. et compend. exeg. p. 12. Im nachstehenden notiere ich die mir bekannt gewordenen Exemplare, ohne aber den An- spruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben. Die grössere Anzahl gehört dem 13. und 14. Jahrhundert an; das 15. Jahr- hundert ist nur schwach vertreten, schwächer jedenfalls als das 12. Aus dem 12. Jahrhundert stammen folgende Hand- schriften: 1. cod. Paris, lat. No. 9341 (suppL lat. 22, mit

Papias und seine Quellen. 269

Grammatik); 2. in Douai No. 751 (mit Grammatik); 3. in Trojes No. 539 (Zeitangabe nach dem Katalog); 4. in Mont- pellier No. 107 (nach dem Katalog); 5. ebenda No. 108 A P, nach dem Katalog); 6. in Laon No. 427 (P Schluss, mit Srammatik); 7. in Darmstadt No. 909 (ohne Grammatik); 8. in Florenz cod. Ashbumh. No. 63 (mit Granunatik); 9. in Madrid cod. bibl. Nat. Y 191 (nach Loewe-Hartel p. 447); 10. in Rom cod. Casanat. 464 (A. I. 22, Zeitbestimmung nach Gundermann; cf. Loewe Prodr. 235; mit Grammatik); 11. cod. Yat. Ottobon. lat. 2231 (Zeit nach Loewe, anders Prodr. p. 235); 12. in La Cava cod. No. 14 (Zeit nach W. Meyer); 13. in Lucca, Kapitels- bibUothek (Zeit nach Ewald); 14. in Gand (nach Katalog p. 238, ohne Granunatik). Aus dem 12./ 13. Jahrhundert habe ich notiert 15. in Montpellier No. 38; 16. in Auxerre No. 70 (mit Grammatik). Aus dem 13. Jahrhundert: 17. in Paris cod. lat. No. 17162 (mit Grammatik); 18. No. 7609 (ohne Gram- matik); 19. No. 7610 (mit Grammatik); 20. No. 7611 (mit Grammatik); 21. No. 7612 (ohne Grammatik); 22. No. 8844 (ohne Grammatik); 23. No. 11531 (mit Grammatik); 24. No. 10296 (A— 0 Mitte, ohne Grammatik); 25. No. 13030 (ohne Gram- matik); 26. No. 14744 (mit Grammatik); 27. No. 17878 (ohne Grammatik); 28. No. 17879 (N-Z,ohneGrammatik); 29. No. 7642 (A— M, ohne Grammatik); 30. No. 7645 (0— Z, ohne Gram- matik); 31. No. 7622 A (ohne Granamatik, nicht Hugucio); 32. No. 12400 (ohne Grammatik, A— D Mitte); 33. im Arsenal No. 1225 (mit Grammatik, Zeit nach Gundermann, Katalog: 12. Jahrhundert); 34. cod. Mazar. No. 3790 (453), Sammelhand- schrift, unyoUständig; 35. in Montpellier No. 109; 35 a. Rouen Xo. 1020—1021 (ohne Grammatik); 36. ebenda No. 1022 (mit Grammatik); 37. in Douai No. 752 (mit Grammatik); 38. in Arras No. 345 (mit Grammatik); 39. in Boulogne-sur-mer No. 182 (mit Grammatik); 40. ebenda No. 183 (mit Grammatik); 41. in St.Omer No. 193 (mit Grammatik); 42. in Troyes No. 160; 43. in Valenciennes No. 396, 397 (in 397 ein Stück im 15. Jahr- Hundert ergänzt); 44. 46. in Alcoba^a (nach Haenel p. 1027); 47. in London cod. Harlei. 2355 (Epitome); 48. in Monza

270 Georg Ooeit

cod. 229 (vgl. Memorie storiche di Monza e la sua corte rac- colte ed esaminate da A. F. Frisi t. III p. 233 sq.); 49. in Flo- renz cod. Laur. 27, 3; 50. in Madrid Bibl. Nat. B b 126 (Loewe- Hartel S.389); 51. ebenda K. Privatbibliothek 2D5 (Loewe- Hartel S. 466; ohne Grammatik); 52. in Bern No. 1 (mit Grammatik); 53. ebenda No. 2 (mit Grammatik; über beide vgl. Hagen, Anecd. Helv. CLXXIX); 54. ebenda No. 27C (Loewe Prodr. S. 235; Anecd. Helv. CLXXX; nach Hagen 13. 14. Jahrhundei-t). Aus dem 13./ 14. Jahrhundert stammen 55. in Rom der cod. Chisianus LVII 244 (olim 2065; ohne Grammatik); 56. in London cod. Harl. Addit. No. 8244 (in mehrfach veränderter Fassung). Handschriften des 14. Jahr- hunderts sind 57. in Paris cod. 7613 (A— I); 58. No. 7614 (ohne Grammatik); 59. No. 7615 (ohne Grammatik); 60. No. 7616 (A— P); 61. No. 7617 (A— P); 62. No. 7618 (F— Schluss; ohne Grammatik); 63. No. 7619 (N— Z; mit Grammatik); 64. No. 7598 (ohne Grammatik); 65. in Douai No. 753 (ohne Grammatik):

66. ebenda No. 753 (^elementarium Papiae abbreviatum'):

67. in London Harl. 2610 (Fragment); 68. ebenda Harl. 48W (ohne Grammatik); 69. ebenda Addit. No. 14806 (mutilus);

70. in Cambridge (Univ. Bibl. K k IV 1 (ohne Grammatik);

71. in Cheltenham cod. Phillipps. No. 212 (A— I); 72. in Leiden bibl. publ. No. 17 (mit Grammatik); 73. ebenda No. 120 (abgekürzt); 74. in Neapel 5 C 31 (a. 1338, ohne Grammatik):

75. in Rom cod. Chisianus L VIH 288 (ohne Grammatik);

76. ebenda cod. Vatic. Reg. Christ. No. 1482 (Loewe Prodr. 235; Wilmanns Rh. M. XXIV S. 379, ohne Grammatik):

77. ebenda cod. Vatic. Ottobon. No. 2331 ; 78. ebenda Vatic. Ottobon. No. 1757; 79. in Madrid bibl Nat. B b 125 (Loewe- Hartel S. 389, ohne Grammatik); 80. in Erfurt No. 28 (Papias, novus Comutus). Dazu kommen endlich aus dem 15. Jahr- hundert noch hinzu: 81. in Paris No. 7620 (ohne Grammatik);

82. in Valenciennes No. 379—380 (vgl. auch oben No. 43):

83. in London cod. Harl. Addit. No. 14807 (ohne Grammatik):

84. in Rom Vatic. No. 1465 (vgl. Loewe Prodr. 235; Wil- manns Rh. Mus. XXIV p. 379, aus einem Original von 1264);

Papiaa und seine Quellen. 271

85. ebenda No. 1466 (Loewe a. a. 0., Wilmanns a. a. 0.);

86. ebenda ürb. No. 304 (Loewe a. a. 0., Wilmanns S. 380);

87. ebenda Vat. No. 5228 (Loewe a. a. 0., Wilmanns S. 379). Zam Schluss erwähne ich noch einige Handschriften, über die ich nichts näheres weiss: nach Hänel p. 405 aus Reims Xo. 714; nach Thurot Notices et extr. XXII p. 45 eine Pariser Handschrift.

Die mir zu Gebote stehenden Notizen über diese Hand- schriften sowie aus einigen darunter zeigen, dass die einzelnen £iemp}are sich von andern zuweilen ganz erheblich unter- scheiden; es finden sich Zusätze und Auslassungen, Yeibesse- ruDgen und Verschlechterungen, kurz Änderungen mannig- faltiger Art. Hätte das Glossar des Papias eine Bedeutung als originale Quelle, so würde ich es für nötig gehalten haben, die Erforschung dieser Varianten bis zu dem Punkte fortzu- fuhren, von dem aus eine Klassifikation möglich wäre. Allein da Papias fast ausschliesslich nur für die Geschichte der Glossographie in Betracht kommt, würde ich es für eine Zeit- verschwendung halten, darauf dieselbe Mühe zu verwenden wie etwa auf den liber glossarum. Zu einer Analyse des Werkes reichen meine Notizen sowie der durchgängig heran- gezogene cod. Darmstad. völlig aus, um so mehr als der älteste Druck, von einer Anzahl von Zusätzen abgesehen, eine durch- aus befriedigende Grundlage zu bilden geeignet ist.

H.

Persönliches und Chronologisches. Dass Papias ein Lombarde sei, ist eine alte Tradition, die über Trithemius zurückreicht (vgl. Berger S. 11). So viel ich sehe, hindert Qns nichts, diese Tradition festzuhalten. Wenn man zu ihrer Bekräftigung auf einen möglichen Zusammenhang seines Namens mit der Stadt Pavia hinweist, so liegt nichts vor, was einen solchen Zusammenhang auch nur wahrscheinlich machte. Im übrigen wissen wir über seine Zeit und persönlichen Verhält- oisse nichts, als was sich aus dem Werke selber entnehmen

272 Otorg QoeU

lässt. Das wichtigste finden wir in dem Briefe, der an seine Söhne gerichtet und dem ganzen Werke vorausgeschickt ist Er beginnt nach der editio princeps, die ich an einigen wenigen Stellen nach einer Pariser Handschrift (vgl. No. 33) und dem cod. Darmstad. berichtigt habe, folgendermassen:

Fili uterque carissime,^) debui si potuissem, potui si meae voluntati Christus suae gratiae pondus adhibuisset, earundes quas novi litterarum disciplinas^) in praesentia vos edocuisse. At quia aut nostri causa peccati aut melius providentis divinae dispositionis gratia ad praesens sumus remoti, ne noi; videa* mini filii, si non viva voce ut debui, saltem eiusdem signi- ficatione ut potui, Interim quaedam disciplinae') elementa ad vestra erudimenta invenire disposui: nee vobis solum filiis, sed, si arrogantiae non detur, patribus vel fratribus quibosdam iam satis olim a me petentibus, quibusdam autem, etsi non petentibus, tamen cupientibus, omnibus vero quibus proficere debeat, talentum non occultandum, sed usuris erogandum sus- cepi. Opus quidem a multis aliis iam pridem elaboratum, a me quoque nuper per spatium circiter decem annorum proiil potui adauctum et accumulatum: ad confertum igitur et coagi- tatum eiusdem exornationis et perfectionis cumulum quantum deus donaverit adhuc superaddere pertentabo. Erit enim qui- busdam perspatiosum ac mare magnum innumerabilibus et di- versis plenum reptilibus naufragantibus et in tranquillitatem tutissimi ecclesiae portus redire et quiescere volentibus firraa stabilisque receptio et a violentissimis ventorum flatibus ?era defensio. Qui si malivoli non fuerint, leni suavissimoque do- cente magistro per hanc ad veram poterunt provehi sapientiam dognmtizante*) spiritu sancto. Nolentes igitur nuUo modo cogo, volentes vero per Christum obnixius *) omnes rogo, immo

1) Filii utique carissimi ed. princ.

*) disdplinis cod. Paris.

') Fehlt im cod. Paris.

*) So der Darmstad. u. Paris.: docevte ed. princ.

^) obnoxius cod. Paris.

Papias und seine Quellen, 273

adiurando per eundem cogo, [et]') ut, quoniam ad utramque TiaiD, arrogantiae scilicet vanam philosophiam et Christi veram omnibusque communem sapientiam, hoc quidem ex omnibus quas myenimus scripturis electum atque compositum opus de- spicere*) approbatur, aut ad idem pertractandum ne aspirent aut in Christo id habere nitantur, posteaquam*) susceperint. Contra id vero qui fecerit aut alteri faciendi occasionem dederit, ipse quidem exterior homo ad praesens sit ana- ihema, ut interior ne pereat in die iudicii. Insuper autem id solum ab omnibus peto remunerationis, ut cum ad legendum knc librum susceperint, nostri quoque cum caritate memine- rint et pro me PAPIA multiplicibus .obsito peccatis ad huma- natampro nobis deum exorent, ut perfecta omnium meorum*) delictorum Tenia percepta divini spiritus gratia purificatus et eiosdem ardentissimo amori inseparabiliter copulatus deum (leorum in Syon videre et in Hierusalem perpetuo laudare uno k corpore cum ipsis omnibusque orthodoxis coniunctis valeam. Amen.'

Nach dieser Widmung besass Papias zwei Söhne, war aber ?on ihnen getrennt. Er lebte unter Klerikern; das be- weisen einmal die Worte patribus vd frcUribus quHmsdam iam «/w ciim a me peientibus, sodann folgender Passus im Nach- wort: qucUenus vestris oraüombus et elemosynis ceterisque 'hrUuaiibus auxUiis perpetuo adiutus onmiumque meorum per- «pfei venia peccatorum vobiscum ad aetema valeam pervenire 9^udia\ Etwas weiteres wissen wir über seine Persönlich- keit nicht.

Die Zeit der Entstehung des Lexikons ist bereits vor TttW Jahrhunderten festgegestellt worden. Schon im chron. Wbrici (Pertz Mon. Germ. Script. XXIII p. 790) heisst es zu ^^'^'3: 'Anno 1053, 13 imperaioris Henrici ßii Conradi, Papias '^TKm suum, seilicet Elementarium doctrinae rudimentum, edidit,

^) om. codd. Parii. et Darmstad. *) inspieere ed. Venet.: an respieere? 1 poitquam cod. Paris. *) Fehlt im Paris.

1»». Sitzgsb. d. pbUoa.-pbUol. n. d. Usi. KL 1 9

274 Oeorg Ooett

quod pröbatur per numerutn annorum, uU agit de aädäm scieculi in prima littera et enumerando perüngit usgue ad hnc annum\ Die Stelle, die der Verfasser im Auge hat, findet sich unter Aet(xs und lautet nach dem cod. Darmstad. folgender- massen: Otto minor XXII Otto puer sex Henricus mm ' XXIII Conradus XVI - Henricus minor XIII' Das 13.Jilr der Begierung Heinrich lU. war also bereits zurückgelegt ik diese Worte geschrieben wurden. Dass sie nicht von Pap stammen, sondern von einem Fortsetzer, ist kaum anzunebmeii. ! Wenn wir nun mit Loewe Prodr. S. 235 berücksichtigen, das> jene Worte gleich im Anfang des Werkes stehen sowie dass Papias nach dem Widmyngsbriefe 10 Jahre mit der Arkit zubrachte, so kämen wir auf das Jahr 1068. Doch hätte ja Papias die Zahl leicht abändern können. Halten wir also zq- nächst an der Zahl 1053 fest.

Die älteste Spur des Papias, auf die ich gestossen bii. weist auf das Jahr 1173. In seinem commentarius de Script eccies. II p. 621 erwähnt C. Oudin ein Gedicht, das aus d^' Papiaseiemplar von Aquicinctum (= Anchin) stammt, ^^ i unter anderem heisst: 1

Instar apis mella coUecta labore decenni Cunctis Papias ista legenda dedit. At eibus ut noster de diuite ditior esset, Apposuit nobis has Rainaldus opes. Ne tali nostra dulcedine mensa careret, Exstitit eins in hoc ofßciosa manus.

Dann weiter unten:

Scripti tempus habet, qui Jhesu copulat annis TJndecies centum septuaginta tribus.

Daraus ergibt sich, dass der Schreiber dieses Exempltfs Rainaldus hiess und dass er den Papias im Jahre 1173 abge- schrieben hat. Einige Daten aus späterer Zeit gibt Wilmanns im Rhein. Mus. XXIV S. 379. Über die Benutzung des Papias in jüngeren Glossaren wird anderwärts zu handeln sein.

/

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Papias und seine QueÜen. 275

Nach dem 'elementarium doctrinae erudimentum' hat'

Papias noch ein zweites Werk yerfasst, eine aus Priscian

kompilierte ärammatik, aus der Hagen Anecd. Helv. p. CLXXIX

sqq. einige Ezcerpte gegeben hat. Auch diese Grammatik

ist in zahlreichen Exemplaren überliefert; ich habe oben darauf

hingewiesen: doch lassen mich meine Notizen bei nicht wenigen

Haadschrifben im Stich. Dass das ganze Elaborat aus Priscian

zusammengestöppelt ist, beweist das Nachwort des Lexikons,

das Hagen p. GLXXX in verbesserter Form mitgeteilt hat.

Die Grammatik beginnt mit den Worten: Petistis a me, Ica-

rlssimif ex arte grammaüca vobis competentes regulas dari aut

componL Das Werk ist, wie diese Worte beweisen, ebenfalls

ien Söhnen gewidmet. Für uns hat es keinen andern als

historischen Wert.

Nach Eckstein in der AUgem. Encyklop. sollen auch Briefe des Papias yorhanden sein. Indessen weisen die Hand* Schriften keine Spur von Briefen auf. Ich vermute, dass diese Annahme lediglich auf den Abschnitt 'formatae epistolae* im Glossar zurückgeht, der, wie ich noch genauer dartun werde, aus der Schrift des Albericus de dictamine entlehnt ist.

m.

Die hauptsächlichsten Quellen des Glossars. Wie Papias selber hervorhebt, ist sein '(^ms a multis aüis iam pridem ^ahoratum^ a me quoque nuper per spaüum drciter decem anno- rum prout potui adauctum et accumulatunC. Über die Quellen, die er bei seiner Arbeit benutzt hat, macht er in der Ein- leitung Mitteilung in den Worten, die ich nach dem cod. l>'<innstad. mit leichten Besserungen wiedergebe : At uero quorun- d^m etiam auctorum nomina ad eonmdem verborum aucten- ticum primis quibusdam litteris quorum quosdam subnotabimus praescribentur: Isidorus Is., Augustinus Aug., Hieronymus Hieron., Ambrosius Amb., Gregorius Gre., Priscianus Pris., Bfietius Boet. quicquid autem in omnibus paene libris Pris- ciani Boetii aliorumque invenimus iisdem notatur apicibus ,

commentum super Boetium com. Boet., Bemigius Rem., Beda

19*

276 Georg OoeU

Be., Origenes Orig., Horatius Hör., Cicero Cic, Hippocrfties Hip. etc., de gestis Longobardoruiu, Romanonim, de lusioria Eusebii ecclesiastica, Orosius, Galienus, Placidus, Eucberius, Virgilius, commenta Virgilii, Horatii, lurenalis, Hartiani et ceierorum quos supersedemus. Aimo. Plato. Fulgentius. In der Tat tragen noch verschiedene Papiashandschriften die Quelleo- notizen am Rande. Bei genauerem Zusehen jedoch verschwiniit der Schein umfassender Gelehrsamkeit, mit dem unser Aaüs sich zu umgeben gewusst hat. Weitaus der grösste Teil des Materials sowohl als der Quellenangaben ist ein und demselben Fimdamentalwerk entnommen, dem über glossarum, wie bereits Hildebrand Muetzells Zeitschr. YU (1853) S. 113 fi. gesehen hat. Vgl. Usener Rh. Mus. XXIV S. 390, Loewe Prodr. S. 236, meine Schrift über den liber glossarum S. 24>. woselbst ich nachgewiesen habe, dass nicht sowohl die Parisinos- klasse dieser Encyklopaedie als vielmehr die Elasse des Vati- canus Yon Papias zu Grunde gelegt worden ist. Nach Loewes Ansicht hat Papias ein verkürztes Exemplar benutzt; ici glaube indessen kaum, dass sich der Beweis dafür erbringe lässt. Denn wenn auf die zahlreichen Fälle von Zusanuneo- Ziehung und Kontamination hingewiesen wird, so kann recbt gut Papias selber der Urheber sein; denn er ist nachweisbar sehr frei mit seinen Vorlagen umgesprungen. Dass er dabei nicht selten die Glossen, die er korrupt vorfand, erst recht verballhornt hat, so dass er für die Kritik des liber glossarum einfach wertlos ist, darin stimme ich mit Loewe voHständig überein. Vgl. Usener a. a. 0. S. 391. Zur Illustrierung der Sachlage führe ich wenigstens ein Beispiel an. In A bietet Papias folgende Reihe:

Actolera urbs argirippa quam Diomedes et Olus

in Appulia condidit. Actor defensor, patronus, causidicus, aduocatus. Actualia nomina ab actu dicta, ut dux, rex, Cursor. Actuariae naues remis et uelis actae. Actualis scientia tres habet partes, moralem, dispen-

sativam et ciuilem.

T

Fapiaa und seine Quellen. 277

Actuarius scriptor publicus, qui facit acta. Actum interuicinale quattuor pedes latum, puo iumenta agi possunt.

Sämtliche Glossen hat der über glossarum fast in der j^leichen Anordnung. Die erste gehört zu Virgil und ist von Papias verkürzt; die zweite ist aus den' Synonyma Giceronis', die dritte aus Isidor, ebendaher die vierte und fünfte; die sechste bat im über glossarum das Vorzeichen ''de glossis' (Actuarius aäa qui facit imd Actuarius scriptor publicus hat Papias zu- sammengezogen); die letzte endlich stammt aus Placidus. Diese sieben von dem Verfasser des liber glossanmi aus fünf verschiedenen Quellen entlehnten Glossen kann unmöglich der Zafall ein zweites Mal genau in derselben Weise zusammen- geiährt haben. Da nun aber hunderte von solchen Reihen Torliegen, ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Man kann getrost sagen, dass das Material zu zwei Dritteilen aus dem liber g/r)ssarum entlehnt ist, teils wörtlich, teils in zusammenge- zogener, verkürzter oder auch sonst veränderter Fassung. In allen diesen Fällen ist Papias für die Glossographie wertlos, es sei denn, dass jüngere Überlieferungen bei Hugucio, Johannes deJanua, Brito und andern Sammlungen durch ihn aufgehellt ond des Scheines entkleidet werden als enthielten sie altes, wertvolles Material.

Mit der Klarstellung dieses Zusammenhanges fallt auch laicht auf die Quellenangaben des Papias, von denen oben die Kede war. Wer meine Analyse des liber glossarum S. 256 ff. vergleicht, wird finden, dass der weitaus grösste Teil der bei Papias genannten Autoren auch dort benutzt ist, so Isidor, Augustinus, Ambrosius, Hieronymus, Gregorius, Eucherius, Fulgentius, Origenes, Orosius, Hippocrates, Virgilius, Galenus, i^Jacidus, Cicero (d. h. die Synonyma). In andern Fällen ist es auch wohl nur ein einziges Zitat, dessen Quelle im Index figuriert. Über die meisten habe ich deshalb nichts weiteres zu bemerken.

Die zweite Hauptquelle neben dem liber glossarum i4 das grammatische Lehrbuch desPriscian, das Papias

278 Georg Ooetz

auch in einer besonderen Schrift ausgebeutet hat. Oft wird Priscian ausdrücklich als Quelle genannt; so z. 6. Bdlantur passivum pro activo hellant profertur, Priscianus (vgl. 6Ii. L. II p. 393, 16); Buxtis arbar est apicibtis i. lUteris apta: haechum arbor, hoc btixum liffnum: buacuspro nv^og Priscianus (öR. L.II 20, 19); Campester in campo se Habens: Priscianus hie canifeslfr vel Jiaec campestris et hoc campestre (GR. L. II 230, 22). Xicit selten ist Priscian nicht einfach ausgeschrieben, sondern m\ fremdartigen Bestandteilen aus dem liber glossarum kontaminiert. In allen solchen und ähnlichen Fällen ist die Oberlieferune des Papias wertlos.

Neben der Grammatik des Priscian scheinen auch die Scholien zu Priscian herangezogen zu sein, über die ich an anderer Stelle das nötige gesagt habe. So findet sich folgende Glosse: Scaena axrjvi^ theatri locus, nunc arbonm ca- cumina vel densitas ordinata, locus qua^ lobia. Prise, pro »; longa graeca ae ponitur s. q. s. Die Stelle geht auf GR. L. II p. 38, 4 zurück: ponitur pro e longa, ut scaena pro axi]vi], Zusatz (quasi lobia) ist aus einer erklärenden RandbemerkuBS genommen : so haben die Leidener Glossen (Voss. 37) fol. 3 ^ folgendes: scena umbra interpretatur et in ampMteatro fidml quae barbare louba dicitur. In qua ludi ea:crccbantur et pnm ramis, deinde tabulis, postrcmo etiam lapidibus a^dificabafur. Vgl. thes. gloss. S. 630. Aus gleicher Quelle stammt die Glosse sflata genus navigii latum et a latitudine dictum: inih Purpura stlataria dicitur, i marina vel nams piratica. Denn das Leidener Glossar hat zu stlattaria (GR. L. II p. 74, 24) das Scholion: stlatta genus navigii latum magis quam altum et a latitudine sie appellatum, sed ea consuetudine qua stlocum pro locum et stlitem pro litem dicd^ant. Inde dicuntur stlattarin instrumenta navium (vgl. Festus Pauli p. 312 b), woraus sHatta . . dicebant herstammen. Die deutschen Glossen dieser Handschrift finden sich grösstenteils bei Steinmeyer AHD. GL. II p. 37S.

Eine dritte Quelle ist nach den Worten des Papias Boethius und ein commentum super Boetium. Aus dem letzteren stammt z. B. der Abschnitt über die 'carminum varie-

Papiaa und seine Quellen, 279

tates*, wie schon Peiper Vorrede S. XXIII bemerkt hat. Der unmittelbar darauf folgende Tractat über die Metra des Horaz stimmt im wesentlichen mit Keil OR. L. IV 468 ff. überein. Der Urheber des Gommentum super Boetium ist nach Peiper Serratus Lupus, der im Jahre 861 gestorben ist. So ist der grosse Tractat über subsistentia und substantia aus der Schrift contra Eulychen et Nestorium, um wenigstens ein Beispiel hervorzuheben. Auch dieser Teil des Lexikons hat für uns keine Bedeutung mehr.

Unter den Quellen, deren Papias selber in der Einleitung gedenkt, ist auch Remigius Autissiodorensis, der im liber glossarum nicht benutzt sein kann. Ich habe das Gommentum in Artem Donati, das Fox herausgegeben hat, verglichen und gefunden, dass in der Tat gar manche Notiz aus dieser Quelle geflossen ist. So z. B. die Erklärung der Gasusnamen. Ein vreiteres Beispiel möge zum Beweis wörtlich angeführt werden. Persona wird bei Remigius p. 33, 10 ff. ausführlich erklärt; an Stelle dieser Erklärung findet sich bei Papias ein offenbares Excerpt aus Remigius mit folgendem Wortlaut: Persona did- tur qtaa per se sonat, id est per se sonando se ipsum denum- sirat: ^uae graece prosopon ngöacDnov cUcUur Ituäa d^niüonem soni dkta est a concavUaie larvarum, quibus comoedi utdnintur: ex qua prolixiar prolixiari redd^KUur sonus. Secundum vero sttb^ntiam persona est individua rei repraesentatio. Bei Papias folgt darauf noch: Persona est naturae rationaiis idividua sub- stantia. Die Worte stammen aus Boeth. contra Eut. et Nest. UI (p. 193, 4 Peiper). Wenn P bei Fox, d. h. die Ausgabe des Kollegiums in Feldkirch, dieselben Worte hat, so ist sie offen- W aus Papias interpoliert. Die Rezension, die Fox mit x bezeichnet, scheint basonders enge Beziehungen zu Papias zu Weten.

Auch Fulgentius ist von Papias herangezogen worden. Auf Beispiele einzugehen kann ich mir erlassen, da die Be- ziehungen zwischen Papias und Fulgentius durch Wessner Comment. Jen- VI 2 S. 107 ff. unter den einzelnen Artikeln gewissenhaft und gründlich erörtert worden sind.

280 Georg Qoetn

Aus Beda sind eine Anzahl Differenzien geflossen, während andere aus Isidor genommen sind.

Über die wie es scheint nicht gerade zahlreichen Ent- lehnungen aus Martianus Gapella habe ich nichts zu be- merken.

Eine weitere Hauptquelle, die Papias in der praefaiio nicht genannt hat, muss ein liber derivationum sein, uf den bereits Loewe S. 237 hingewiesen hat. Dem Beispiel, ^ Loewe abgedruckt hat, füge ich noch ein zweites hinzu:

Facere est neutrum, sed tamen vim habet actiTam, ut facio te et calefacio te. Sed in compositis cum paene omnibus praepositionibus est activum, ut officio, or, perficio, or, con- ficio, or, reficio, or, afficio, or, efficio, or, praeter praeficio, deficio, sufficio. Nam calefacio, tepefacio et similia calefio et tepefio loco passivorum habent. Sic quoque 'defio'. Componi- tur etiam inde gratificor, aris, ludificor, aris. Excamifico vero et yilifico et amplifico activa sunt, quae omnia coniugaüonein mutant. Facio facis, unde facesso desiderativurn et factito fre quentatiTum. Facesso, is, factum, factura; factor autem cois- ponitur omnifactor, superficies, facinus, orosus, facilis, facilitas; facultas componitur difficultas; difiicilis, factio, factiosus. Com- ponitur conficio, of. inter. de. ef. per. prae. inficio. sufScio, reficio, mansuefacio, consue. pingue. calef. made. tepe. are. dissuefacio, floccifacio, commonefacio. perfectus. perfectio, offi- cium. Componitur officiperdi. affectus. affectio ctum. profi- ciscor. inficior. refectorium. pacificus co cas. aedifico cas. bene- fico cas. aedifico cas aedificium. fructifico. gratifico aris. factum et fictum et similia e coniungunt sequenti syllabae.

Man sieht aus diesem Beispiel, dass die Derivationen des Papias sich noch in leidlich vernünftigen Grenzen halten, wenn man sie beispielsweise mit Osbern und Hugucio ver- gleicht. Sie haben zum Teil ihre Wurzel in dem grammati- schen Lehrbuch des Priscian, sind aber im Laufe der Jahr- hunderte immer weiter ausgesponnen worden. Offenbar war diese Seite der Grammatik samt all ihren Wunderlichkeiten im Mittelalter sehr beliebt. Es finden sich heute noch in den

Papi<u und seine Quellen, 281

yerschiedensten Bibliotheken Derivationssammlungen, die oft unter sich eng verwandt sind. Ein Beispiel besserer Art bietet dasMOnchener Qlossar, das durch drei eng verwandte Codices repräsentiert wird: Clm 17151, 17153, 17194 (ähnlich ist der Laurent. XVI 5 saec. XII), worüber sich einige Mitteilungen finden in Aretins Beitr. 7, 288 ff. von B. J. Docen. Genauer erforscht ist diese Literatur noch nicht. Ich werde bei Be- sprechung von Osbern und Hugucio darauf zurückkommen.

IV.

Gelegentliche Quellen. Ausser den Hauptquellen, die ich im vorausgehenden Abschnitte behandelt habe, sind bei Papias allerlei Traktate herangezogen, deren Verfasser ihm zum teil ebensowenig bekannt waren wie sie es heute sind. Za diesen anonymen Traktaten gehört z. B. der über Ab- kürzungen, der sich zu dem Artikel Notatio an den aus Isidor entlehnten Abschnitt über kritische Zeichen anschliesst (Isid. I 19 25, doch ist die Reihenfolge mehrfach verändert). Diese Notae sind bei Lindenbrog (S. 152—175) und Put- schius (S. 1639 1666) herausgegeben, genauer und im Zu- sammenhang mit dem übrigen Material von Mommsen bei Keil GR. L. IV S. 315 ff. (in Verbindung mit den eng ver- wandten Notae Einsidlenses). Eine weitere Handschrifk dieser Notae ist der cod. Paris. 4481 (Colb. 3603. Reg. 5960. 5) aus dem X. Jahrhundert (auf S. 27 " , 31 " ). Der Verlust am Schlüsse (es fehlt das Ende von Quatemio lAT) muss schon sehr früh erfolgt sein (saec. XI XII?), da die jetzige Lage und deren Bezeichnungen in Ordnung sind. Mit dem jetzigen fol. 32 liat wohl ursprünglich eine selbständige Handschrift begonnen ; denn 32^ ist leer gelassen als Deckel. Erst eine manus saec. XI/XII schrieb darauf A auris B brachium .... V uenter. Mit fol. 32^ folgen Gedichte. Ich gebe im nachstehenden einige Varianten, die einen besonderen Wert beanspruchen können: 317, 7: CS, credimus; 318, 2: dare responsum; 318, 17 : ^ohue male; 318,18: opera; 318,35: postestcUem; 318,47:

282 Georg CheU

BGM.; 319,26: exigitur; 319,3: faü munus infievU; 319,9: esse dicetar; 319,21: recundis (h. e. rcffundis); 321, 13 sq.: in dominio in possesmne; 322, 20: KD cajnte damnatus. KD ea- pite diminutus; 322,32: alius maximus uel numtius; 322,4: romatü; 323,39: locus imperialis. LIÄDF. locus itUer adfines; 323,2: ud miites; 324,38: mihi dan oportet; 324,44: nüi- tum ager; 324, 47: morte punii; 324, 53: mons; 325, 24: osik fenestra; 326, 78: pupiüus pupiUe.

Von andern Traktaten beansprucht der über die Formatae epistolae ein besonderes Interesse, wie bereits von Loewe Prodr. S. 287 Anm. 2 bemerkt worden ist. Ich gebe den ersten Teil nach dem cod. Darmstad. (mit Auflösung der Ab- kürzungen und Übergehen yon Kleinigkeiten) hier wieder:

Formate epistola GGGXVIII patribus inniceno consilio in- stitute feruntur. ne uidelicet quicumque clericorum in trans- ferendo se qualescumque litteras confingeret aproprio episcopo comeandi licentia (!) accepisse.- Oportebit igitur in epistolis que formate habebuntur litteras has et earum subputationem ex- primi. Primas litteras grecas patris et filii et spritus sancti. que uidelicet sunt r. j. a. Pater enim grece patros filius yos Spiritus sanctus agios pneumatos dicunt. quarum subputatio est CCGGLXXXI. addenda erit preterea Prima littera nominis petri apostoli cum subputatione sua sicut aliorum que sequun- tur hec est T. que littera significat LXXX. Nominis quoque episcopi qui relegat epistolam prima ponenda erit. clerici cui licentia data secunda episcopi ad quem dirigitur tercia ciui- tatis de qua raittitur. quarta et earum subputatio erit addenda subputatio indictionis eiusdem anni. horum igitur elementorum subputatio erit describenda u. s. w.

Der Abschnitt, der in den Drucken auf die Lücke folgt fehlt im cod. Darmstad., nach Berger a. a. 0. S. 12 überhaupt in den älteren Handschriften; er findet sich aber in jüngeren Handschriften, so z. B. im cod. Paris. 7598 (oben Nr. 64), im Madr. Bb 125 (oben Nr. 79), im cod. Gavensis (oben Nr. 12, nach Meyer allerdings saec. XII). Der ganze Abschnitt über formatae epistolae findet sich bei Albericus de dictamine (vgl.

Papias und seine Quellen, 283

fiber ihn Bresslaa, Handbuch der ürkundenlehre I S. 625), wo freilich der Text in Einzelheiten abweicht. Aus andern Handschriften wird der Text mitgeteilt bei Rockinger, Quellen und Erört. IX S. 29 ff. Die Fassung des cod. Gay. scheint mit der des cod. Darmstad. enger übereinzustimmen. Die yoU- ständige Fassung scheint erst später in das Lexikon hinein* gebracht worden zu sein.

Auch sonst finden sich einige grössere Traktate heran- gezogen, Yon denen ich nur wenige erwähnen will. In I findet sich ein Abschnitt über die Provinzen Italiens aus der historia Langobardorum des Paulus Diaconus (11 cap. 14 sqq.): die gesta Langobardorum werden neben den gesta Bomanorum ausdrücklich als Quelle bezeichnet. Die regulae Tichonii unter R sind in verkürzter Fassung gegeben. So wird sich in den allermeisten Fällen die Herkunft der grösseren Stücke er- mitteln lassen: ich halte es aber für zwecklos, hier weiter darauf einzugehen.

Einzelglossen. Die Mehrzahl der wirklichen Glossen iät4#m liber glossarum entlehnt. Doch sind zweifellos auch andeni^uellen herangezogen, weshalb im thesaurus glossarum allerleiExcerpte aus Papias Aufnahme gefunden haben. Glossen, die ein rein mittelalterlictfs Ansehen haben, sind dabei in der Regel absichtlich übergangen worden. Gar manche Glosse, die Papias allein oder doch als ältester Gewährsmann überliefert, erweist sieb durch die Vergleichung mit der Quelle als purer Schwindel; andere sind mehr oder minder willkürlich verändert oder kontaminiert; statt der casus obliqui steht nicht selten der Nominativ, statt irgend einer Verbalform die der ersten Person Praesentis. Ein paar Beispiele mögen als Beweis dienen. Der liber glossarum hat : Stefadium ab stibus (= mlßog) dictum quasi süpadiuin (= stibadium): sie enim prius scriptum {ceptum codd.) erat Dafür hat Papias zwei Glossen: l. Stephadium dktum quasi Stipendium: sie enim prius caeptum est; 2. Stipha- dium, a stipitibus qtuisi stipiadium prandium. Der liber glossa-

284 Georg GoeU

rum hat ferner: Lydae sortes AppoUinis respansa; Papias: Liciatores Apoilinis rcsponsa. Der über glossarum hat: iSuper sua de saa; daraus macht Papias supersuadere dissuadere. Der- gleichen hat dann Du Gange getreulich übernommen. Unter solchen Umständen wird es im allgemeinen geraten sein, den Sonderglossen des Papias gegenüber, deren Quellen nicht mehr auffindbar sind, recht vorsichtig zu sein. Nichtsdestoweniger wird manche Überlieferung zu beachten sein, wie ich im the- saurus glossarum öfter auf Papias Bezug genommen habe. Ich gebe hier einige Nachträge, die sich mir bei Gelegenheit der abermaligen Durcharbeitung darboten, darunter auch einige, die bloss der Kuriosität wegen erwähnt werden. Sie finden sich sämtlich im cod. Darmstadiensis.

ÄÜimeter quo meüuniur altUudineSf quoddam instrunwntum.

Äntelucare ante lucem mrgere.

Carptare saticiare, ferire (wahrscheinlich aus corparare ver- dorben).

Canßnitis urhanus (auch Mai VU 556).

Cavistercus vacttum et inane vd ülud intestinum quod sterais capU (die Quelle ist Vulg. 4 lieg. 6. 25 : danec quarta jKirs cabi stercaris colunibarum venundaretur quinque argenteis: daraus Cabi stercus, was zusammengenommen und ent- weder mit cavus oder mit cajm in Verbindung gebracht wurde).

Dextraridae armilla^.

Dividiosum molestum.

Docticanus qui docte canit.

Exefnplare assunilare.

Freda id est bannum.

Landula alauda genus avis.

lAnitepia lineus pannus tegcns pedes, hoc ünitepium (so der cod. Darmstad.). Hierin steckt wohl ümpedium, was Johannes de Janua hat.

Marca dicitur pondus argenä minus libra.

Jßscitare frcquenter miscere.

Papias und seine Quellen, 285

Mutaioriae vesks mutanda, ut camisiae hrctcae (so nach dem

cod. Dannstad.). ifisare impUcare (nexare?).

Naupreda genus fisds (= lampraedaP). Cf. Anthimus 47. Obuncare obiurgare, Petaso bafOf petasunculus. Fiüssare polare (sputare? Vgl. jedoch De- Vit). Papare (und Pupare) crescere, Eegister über qm rerum gestarum memoriam continet, unde et

dicUur quasi rei gestae statutio. Scdenhdus iam sine dentibus (cf. edentuhis), Sopa siipa.

Squüla genus piscis ddicaü. haec mdgo Iota dicitur. Tendmcari tenabras facere vd pati. Thescua loca in quibus pecora castrantur, unde et castratores

thescuatores dicuntur. Tostatum siccatum. Tostant siccant

Triscurrium multiplex scurrüitas. Truncarius devorator, Veditis Pluto vd Orchus, id est malus divus.

Unter den Einzelstellen, die Interesse erregen können, ist noch die Glosse über Lateranum hervorzuheben, in der eines der ältesten Zeugnisse über die beispielsweise in der Kaiserchronik 4151 (Monum. Germ. Deutsche Chroniken I S. 157) behandelte übel berüchtigte Mutterschaft des Nero vorliegt (fast ebenso wie der Druck hat der cod. Darmstad.): Lateranum palatium fuit Neronis, quod dictum est vd a latere septenlrioncUis plagae qua situm est vd a lata rana quam Nero dicUur peperisse, cum tradidit se viro, in quo pcUlatio nunc magna est ecclesia Bomae. Vgl. H. F. Massmann, Eaiser- chronik DI 689 691; A. Graf, Roma nella memoria e nelle imaginazioni del Medio Evo, Turin 1882 I 338, auf den mich £. Y. Dobschütz hingewiesen hat.

Dass freilich auch manche Interpolation ihren Weg in die Papiasausgabe gefunden hat, darf nicht übersehen werden.

286 Oeorg Ooetz, Papias und seine Quellen.

Sa bietet die editio priuceps unter Bidena ein längeres Exc^rpt aus Qellius ('de bidente apud Au. Gel. IIb. XV ca. VI'); diese Worte fehlen aber in der handschriftlichen Überlieferung. Dass bei dem Artikel Decrevit das nämliche der Fall ist, hat Sabbadini Stud. Ital. V S. 300 hervorgehoben. Hinzu- fügen ist der Passus unter Charites mit der Hesiodstelle, wo- rüber Loewe Prodr. S. 238 gehandelt hat. Sollte deshalb ein- mal eine Stelle für irgend eine Untersuchung besonderen Wert haben, so würde es sich empfehlen, eines der zahlreichen älteren Exemplare einzusehen. Doch dürfte die Zahl der Fälle, bei denen sich eine solche Notwendigkeit ergibt, eine sehr beschränkte sein. Im allgemeinen wird man mit dem Text der Incunabel ausreichen.

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287

Ober das

Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TitureL

Von Ericil Petzet«

(Mit 2 Tafeln.)

(Vorgelegt von F. Muncker in der philos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)

I.

Seitdem der Glaube ins Wanken gekommen war, dass Wolfram von Eschenbach der Dichter des ganzen Jahrhunderte lang unter seinem Namen gepriesenen Titurel sei, stand die Bedeutung des Heidelberger Fragmentes fest, das über den wirklichen Verfasser einige Aufklärung zu geben versprach. Ein seltsames Schicksal aber hat es gefügt, dass dieses Bruch- stück gerade in dem Augenblicke spurlos verschwand, als die Wissenschaft daraus Belehrung zu schöpfen suchte: die erste literarische Erwähnung davon, die wir finden, ist die Fest- steUung seines Verlustes in Lachmanns Wolfram -Ausgabe (1833 S. XXXI): ,|Ich habe gehört, auf einem Vorsetzblatte des Heidelbergischen Titurel n. 141 habe ehemals eine Notiz über Albrecht von Scharfenberg gestanden: aber als ich im Herbst 1819 die Handschrift; abschrieb, war nichts der Art darin/ Um so wichtiger war die Mitteilung, die Sulpiz Boisseree noch in demselben Jahre in der Münchener Aka- demie der Wissenschaften machte, dass er im Jahre 1817 von dem nun verschollenen Stück eine Abschrift genommen habe, die dann im Jahre 1835^) als Beilage zu seiner Arbeit „Über

^) Im L Bande der Abhandlungen der philos.-philol. Klasse der K. B. Akademie, S. 384—392.

288 Erich PeUet

die Beschreibung des Tempels des heiligen Grales in dem Heldengedichte Titurel Kap. III' abgedruckt wurde. Mass- mann machte noch vor dem Drucke in Mones «Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters'' (1834, Sp. 43 f.) auf den hohen Wert des Fragmentes aufmerksam; San Marte wieder- holte den Abdruck der Strophen in seinem , Leben und Dichten Wolframs* (1841; Bd. H, S. 277— 290) mit Einfahrung von Interpunktion und Hinzufttgung von Untersuchungen, die im wesentlichen die Resultate Boisser^es bestätigten. In dieser Gestalt ist dann der Text bis heute in Giltigkeit geblieben.

Nicht aber die Interpretation. Karl Simrock hat in den Erläuterungen zu seiner Übersetzung von Parzival und Titurel*) bei der Verwertung des Fragmentes eine ganz andere Erklärung gegeben, der sich Wilhelm Wackemagel in seiner Literatur- geschichte^) vollständig anschloss, und seine Darlegungen bilden die Grundlage für alle späteren, die des umstrittenen Bruchstücks Erwähnung tun, wenn sie auch nur zum Teil als gesichert, zum andern Teile aber als mehr oder minder an- sprechende Hypothese Annahme gefunden haben. Neue Bei- träge zur richtigen Würdigung der schwierigen Strophen finden wir nicht mehr, so oft auch das Heidelberger Fragment bei Besprechung des jüngeren Titurel herangezogen wurde, weder bei Hyazinth Holland,') noch bei Franz Pfeiffer,*) Goe- deke,*) Gervinus,*) Koberstein'') oder Karl Bartsch.') Auch Reinhold Spiller und Conrad Borchling sind in ihren ergebnis- reichen Dissertationen (1883 und 1897) in eine neue Kritik

1) 1842 ; 2. Aufl. 1849 I, 499-504.

«) 1848—1865, S. 196.

3) Geschichte der Dichtkunst in Bayern. 1862; S. 231, 238 f.

*) Germania VI, 246 f. Anm.

ö) Deutsche Dichtung im M. A. 1854, S. 760.

«) Geschichte der deutschen Dichtung. 5. Aufl. 1871. Bd. IT, S. 160.

^) Grundriss der Geschichte der deutschen Nationalliteratur. 4. Aufl. 1847. Bd. I, S. 213 Anm.

®) In der 6. Aufl. von Kobersteins Grundriss 1884. Bd. I, 184, Anm. 97; vergl. auch Die altdeutschen Hss. der Univ.-Bibl. in Heidel- berg. 1887. S. 35.

über cUu Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 289

des Bruchstückes nicht eingetreten, obwohl sie beide den Text benutzen. Nur Friedrich Zamcke hat bei seinem Versuche, eine klare Übersicht und Gruppierung in die Fülle der Titurel- handschriften zu bringen, die ersten Zweifel an der Zuver- lässigkeit Boisser^es geäussert.^) Indem er die eigenartige Stellung der Heidelberger Handschrift 141, die er als H be- zeichnet, charakterisiert, spricht er auch von „jenen berühmten, jetzt verschwundenen Blättern, die allein eine sichere Auskunft über die Entstehungszeit des Gedichtes gewähren, und die nach Boisser^e von derselben Hand geschrieben waren, der unsere Handschrift verdankt wird/ „Es ist sehr zu bedauern,* be- merkt er dazu in der Anmerkung, «dass sich Boisser^e nicht genauer über diese Blätter ausgesprochen hat. Denn in man- cher Beziehung müssen sie von dem Aussehen der Handschrift sehr abgewichen sein. Sie waren zweispaltig geschrieben, während die Handschrift H einspaltig ist; auch muss die Schrift m\ kleiner oder das Format viel grösser gewesen sein als bei H, denn in H pflegen 8^/4 bis 8^/4 Strophen auf die Seite zu gehen, die aufgeklebten Blätter aber enthielten resp. 11 und 12 Strophen auf der Seite." So war ein Gedächtnisfehler Boisser^s bezüglich der äusseren Beschaffenheit der vielge- nannten Blätter sehr wahrscheinlich gemacht. Da lag aber auch der Gedanke nahe, dass der Text, den er geboten, aus dem Original manche Berichtigung erfahren könnte.

Beide Vermutungen erhalten unerwartet ihre Bestätigung durch einen glücklichen Fund meines Freundes Prof. Dr. Franz BoU, der in einem mittelhochdeutschen Fragmente, um dessen Bestimmung er von Herrn von Rozycki in Pasing bei München gebeten wurde, das verschollene Bruchstück er- kannte. Prof. BoU veranlasste den Besitzer, das wertvolle Stück seinem ursprünglichen Eigentümer, der grossherzogl. Universitätsbibliothek Heidelberg, anzubieten, die es dann auch erwarb und dem Wunsche des Finders entsprechend in ent-

M Der Graltempel. Leipzig 1876. S. 378 fif. in den Abhandlungen <ier phUo8.-philol. Erlasse der K. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften.

IMl BHigib. d. pbil<M.-pbUol. a. d. bist. KI. 20

290 Erich Petzet

gegenkommender Weise mir zur näheren Untersuchung zur Verfügung stellte. So verdanke ich ihm und der Direktion der Universitätsbibliothek Heidelberg die Möglichkeit, im fol- genden von dem wichtigen Blatte in München, wo es zuerst gedruckt und nun nach 85 Jahren des Yerschollenseins wieder entdeckt worden ist, nähere Kunde zu geben.^)

Es ist nur ein Blatt, nicht zwei, wie Boisseree berichtet; so erfahrt sein Text auch keine Vermehrung durch Ent- zifferung der nach seiner Angabe aufgeklebten Rückseiten, sondern nur durch wenige Worte, die sich, wiewohl halb durch- schnitten, noch lesen Hessen. Das Blatt ist nicht «oben und unten durch Beschneiden verstümmelt,* hat vielmehr oben und an beiden Seiten seinen stattlichen Rand, während der untere Teil da Folio-Format als wahrscheinlich anzunehmen ist, wohl die grössere Hälfte glatt abgeschnitten ist. In der Mitte, des breiten Randes wegen etwas in die rechte Spalte der Vorderseite eingerückt, geht von oben nach unten ein 7 8 mm breiter Bruch durch das Blatt, der deutlich seine Verwendung als angehefteter Umschlag, aber nicht als fest- geklebtes Vor- und Nachsetzblatt verrät. Hält man die Heidel- berger Handschrift 141 daneben, so ergibt sich sofort, dass beide Stücke sicher nie etwas mit einander zu tun gehabt haben. Die Papier - Handschrift 141 hat ein Format von 29,5:19,3 cm und eine einspaltige Schrift aus der Mitte des 14. Jahrhunderts; das Pergamentfragment misst 34:21 (bis 21,3) cm und zeigt zweispaltig eine schöne Minuskel Tom Ende des 13., spätestens Anfang des 14. Jahrhunderts. Voii derselben Hand bei beiden kann nicht die Rede sein. Dieser Irrtum Boisserdes erklärt sich nur daraus, dass er offenbar den Cod. Palat. 141 mit der zweiten Heidelberger Titurelhandschnft, dem Cod. Palat. 883 in der Erinnerung verwechselte. Dieser

M Des weiteren habe ich vor allem Herrn Dr. Friedrich Wilhelm in München für seine scharfsinnigen Bemerkungen zum Texte, sowie der K. Landesbibliothek in Düsseldorf, der K. K. Hofbibliothek und Herrn Dr. A. L. Jellinek in Wien für gefällige Auskünfte meinen besten Dank auszusprechen.

Ober das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 291

letztere besitzt tatsächlich in der Schrift Ähnlichkeit mit dem Bruchstück; doch auch hier stellt ein genauerer Vergleich die Verschiedenheit ausser allen Zweifel. Die Schrift des Frag- mentes ist älter, kleiner und hat breitere Spalten; die des schonen Pergamentfolianten, dessen schlechten Text K. A. Hahn leider so kritiklos abgedruckt hat,^) braucht für eine Strophe meist 7 Zeilen, das Fragment nur 6 oder 5. Die Initialen der Strophen sind in dem Fragmente gleichmässig rot, in dem Codex regelmässig abwechselnd rot und blau. Die Linierung, die in dem Codex mit Sorgfalt durchgeführt ist, fehlt in dem Frag- mente gänzlich. Charakteristisch ist bei dem Fragment auch, dass die Versenden durch verschiedene Zeichen und nicht blos den gewohnlichen Punkt kenntlich gemacht sind und zwar regel- mässig 1 und 3 durch ! , V. 2 und 4 durch •, 5 und 7 durch :, während die sechste, reimlose Zeile ohne Kennzeichen bleibt. Ich habe diese Eigentümlichkeit, durch welche die yon Franz Pfeiffer^) vorgeschlagene sechszeilige Schreibung der Titurel- Strophe eine Stütze erhält, in keiner anderen Handschrift ge- funden. Im Format passt das Fragment in den Cod. Palat. 383, der 45:30 cna misst, so wenig wie in 141. Eine etwa aus dem 16/17. Jahrhundert herrührende Inschrift am Rande der Vorderseite bietet über die Herkunft des Blattes ebenfalls keine Auskunft. So muss es dahingestellt bleiben, aus welchem Codex das Fragment wirklich stammt, und nur das Eine können wir TOD Boisser^es Angaben als sicher annehmen, dass es Heidel- berg gewesen sein muss, wo er die Abschrift gemacht hat.

Da es aber von jeher dem Heidelberger Cod. Palat. 141 eine besondere Bedeutung verliehen hat, dass ihm jene be- rühmten Bruchstücke als zugehörig zugeschrieben wurden, so war nun die Frage naheliegend, ob keine andere Titurel- Handschrift mit dem wieder gefundenen Fragmente zusammen gehöre und somit für die Textkritik des ganzen Epos diese besondere Wichtigkeit beanspruchen könne. Zarncke gibt

1) 1842 als Bd. 24 der Bibliothek der gea, dt. Nat.-Lit. Quedlinburg und Leipzig.

^ Der Dichter des Nibelungenliedes. Wien 1862. S. 16.

20*

292 Erich Petzet

a. a. 0. S. 379^383 ein übersichtliches Verzeichnis der dahin (1876) bekannt gewordenen 35 Handschriften und der ihnen gewidmeten Besprechungen; Piper konnte dem*) noch weitere 5 hinzufügen. Keine von ihnen allen aber stimmt mit dem Heidelberger Fragmente zusammen, wie mich bei 8 der Augenschein, bei den übrigen die vorliegenden genauen Be- schreibungen oder direkte Auskunft der befragten Bibliotheken überzeugten. Es liegt uns also in dem Fragmente der einzige bekannte Rest einer verlorenen Handschrift vor, die ihrem Alter nach dem Originale des Dichters sehr nahe gestanden und einen ganzen Abschnitt sonst nirgends überlieferter Verse enthalten haben muss.

Ein Vergleich des Textes mit dem Abdruck von Boisscree zeigt, dass auch hierin die Unmöglichkeit, die erste Abschrift nochmals genau zu revidieren, eine Reihe von Irrtümern ver- ursacht hat, die für die Erklärung des Inhalts schwer ins Gewicht fallen. Hat doch z. B. Boisser^e, ganz abgesehen von anderen Lesefehlem, die Zeichen an den Versenden ab Interpunktion aufgefasst! Ich gebe daher im folgenden den Text mit allen Eigentümlichkeiten des Originals, nur mit Auf- lösung der Abkürzungen und Einführung der mir richtig scheinenden Interpunktion. Die beigegebenen Facsimiles beider Seiten des Fragments im Masstabe von 1 : 2, für deren Bewilli- gung ich der K. Akademie noch besonderen Dank auszusprechen habe, ermöglichen im übrigen jede weitere erwünschte Nach- vergleichung.

1. Spalte der Vorderseite.

1.

. . . . enborte

Titurel dem wisen,

di tschionatvlander angehorte

vnd sigvne. owe daz er niht lebende

was, vntz er werdeclichen

wer der aventivre ein ende gebende!

») Höfische Epik II, 460 in Kürschners dt, Nat.-Lit. 1893 und im Nachtrag dazu 1898.

Ober das Heidelberger Bruehetück des Jüngeren Titurel, 293

2. Yenezzer vil riebe

ein tempel hant erbowen.

Yon den, di meisterlicbe

gestein kmden graben vnd erbowen,

der nam den ende vil vnd mvsten sterben:

ir wercb daz edel tivre

liezzen si dar ymb nibt verterbn.

3. Ander si da namen

ze meister disem tempel,

di mvsten eben ramen,

ir wage mez gabn si ezempel

?f elliv ort vnd worbten sam di erren.

ist witze, swer daz ninner

lobt, swenne er hat gebrechen an dem merren.

4. Sol des div werlt engelten vnd kvnst sin verdorben, daz der von plivelden

her Wolfram nv lang lit erstorben? ich wen des wol, daz mvter ie getruge den lip vf tevscher erde, der mit getiht an Worten wer so chlvge.

5. Und wer aber iemen lebende so chlvg an richer witze, dem wer doch niemen gebende

daz zehende lop. sin was solher spitze, daz er div wort ergrup so wnder wehe, daz ez noch gebe stivre, swer sinniclicb vf sin forme sehe.

6. Durch daz bin ich im iehende von erste hin der mere,

si sin von im geschehende,

wan ez mir immer fromde vnd tivre were

danne siner zvngen witze ....

div wazzer baz ....

294 Erich Petut

2. Spalte der Vorderseite.

. . m . . durch mich lazze

der auentivre niht w[e]rdicheit al gebende

vnd di sliht an allen orten chrvmben,

so ker ich ze den wisen;

waz solt al solhiv rede bi den tvmben?

8. Mille artifez

get in al solhes chrigen,

der yipper nater lex,

di sus mit yppicheit sich selben trigen,

daz si durc valsch di blenche wellent trüben

vnd mit ir tarant varbe

ie daz chrvmbe gen dem siebten vben.

9. Swer chvppher gar ze golde mit kvnste machen chvnde, den beten si vil holde,

swaz halt er ynselden dran erfvnde, ir golt si chvppher chesselbere. getihte niemen brvfen solt wan der getihtes meister were.

10. Dvrchlevhtich guter merche ist melden wol erlovbt

mit witzzericher sterche.

di aber solher chvnst sin berovbet,

wi man diy wort zerfuret vnd samiliert,

blumet vnd roselt,

di lazzen meister vngeparatiert.

11. Bleich rosen vnd ir trehen ist edel vnd wunnebere. swer di wolt versmehen

durch daz ir vater ein linde breit niht were, der dovht mich der witzze in chranchem rvme, wan cheiser vnd keiserinne, den ist div rose ein edel werdiv blvme.

12.

Über das Heidelberger BruehHüek des Jüngeren Titurel. 295

1. Spalte der Rückseite.

mohtz aber phant erlosen

ynd hetz ein wolf, ez devht gut vnde reine.

13. Ich Albrecht niemen swache, daz ist mir immer wilde, wer der yon eschenbache

von himel chomen her in engeis bilde mit fingen, smnen var von got bechront, sin edel höh getihte kynd ich mit lob niht richer han bedonet.

14. Er was in menschen modele ynd niht ein engel hilich. gotes gebe ze mangem rodele

ist noch yil richer chvnst mit witzen teilich.

alle edliy chynst sich bezzert, vnd niht bosert, vnd wehet:

chvnst diy edel hohste,

dast rein getihte, wi wer diy so yersmehet!

15. Ez wart nie baz gesprochen yon deheins leien mynde, daz lob im niht zebrochen

wirt yon mir albrehte ze keiner stynde. ob immer bezzer rede werde gehorte in teysch yon einem leien, swvr ich da fur^ so wer min sin betorte.

16. Swer einer frowen schone niht wan ein wengel sehe, ynd man ir lobes chrone

an werdicheit in allen riehen iehe,

ynd wer si furbaz nimmer mer gesehende:

ein mytich mannes hertze,

ich wen, dem wer niht lip daran geschehende.

296 Erich FeUet

17. Dise auetivr geliehen

sol man der werden frowen gar vil der tugende riehen

2. Spalte der Rückseite. 18

hat in

phlege der phalntzgraye ordenliche.

19. Sin sloz die rigel grosten sol dar vnd danne slizzen. nv wil ich mich des trösten,

man giht, ich svlz von reht wider in genizzen, daz ich so mange wirde von im gebende bin der werlte ze chvnde, des er vnd al sin frvht in wird ist lebende.

20. Got werdeclichez grvzzen, gen seiden höh geplvmet, mit diner milt der svzzen

dem fursten gip, der christentvm wol tvmet!

sin salvte der paier prinz in nennet,

duc loys et palatinus;

min lop im zehen fursten er bechennet.

21. Hat Romisch phaht ir mere, dem fursten lobe von adele? di haben gein frvhte chere,

so daz vro selde mit ir grozzem wadele vf geluches rade im wer vor aller smehe! swaz hi vnd dort kan prisen, der höhst im daz vnd sinen liebsten nehe!

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TUureL 297

22. Er, ädlar hob gedelt, er cleidet Tiid spiset,

sin gevider witen wedelt,

da mit er valchen, spaerber, hebche priset

vnd ander TOgel in swaben, paiern, franchen :

von osteriche biz flandem

siht man siniy chleider herlicb swanchen.

23. Dem adlar cban icb ho wen lop zweier ere bemde,

so daz in ritter vnd frowen

dest Werder babent, di wile div werlde ist werende

Anmerkungen zu Strophe:

2. *der: dieser Genitiv nimmt das vorangehende ^von den wieder auf, das Boisser^e waren verlesen hat.

3. 'eben ramen: Boisser^e und San Marte erklären dies als «glatt, fertig machen, richten', ramen ohne Objekt heisst aber nach Lexer 11, 337 zielen, trachten, streben, hier also mit eben verbunden: gleichmässig auf das Ziel hinstreben. ^/s übersetzt San Marte nach Boisser^es Vorgang: Sie gaben an allen Ecken (ort) Beweise von ihrer Wage und ihrem Mass. Ist aber mea nach Herrn. Pauls mhd. Gram- matik § 264 Anm. 2 als flexionslose Form aufzufassen, die einen Genitiv vertreten kann, wenn ein anderer Genitiv von ihr abhängig ist, so heisst es: Von dem Mass ihrer Wage u. s. w. ^ninner: Schreibfehler für minner.

4. ^des: Boisser^e hatte den verlesen.

5. ^sin: Herr Professor Paul empfiehlt die einleuchtende Kon- jektur 5Yn sin fiir das einfache sin: Dadurch entfallt die ge- zwungene Erklärung von s^pize als Grabstichel, die Boisserce und San Marte vorschlugen, und ergibt sich die einfache Übersetzung: Sein Geist war von solcher Schärfe. ''forme: Vorbild; vergl. Benecke-Müller-Zarncke Hl, 387.

298 Eridi PeUet

6. Boisser^s Lesefehler TAnder maere hat die richtige Über- setzung dieser entscheidenden Strophe bisher unmöglicli gemacht; ebenso macht es das Fehlen eines Teiles Ton Zeile 5 und 6 und des ganzen Verses 7 unmöglich, den Rest der Strophe mit Sicherheit zu konstruieren. Herr Dr. Fr. Wilhelm schlägt die Konjektur vor üurre für üure und übersetzt demgemäss: weil es mir immer fremd- artig und seltsamer, schwieriger wäre als der Weisheit seiner Zunge.

8. ^ Mille artifex *lez: Beides hat bereits Boisser^ auf Grund von Du Fresnes Glossarium richtig erklärt als den tausend- fach listigen bösen Feind und als die leza, lexia, franz. laisse, die Koppel, die Schar. ^vppicheit: wohl kaum, wie San Harte will, Übermut, sondern vielmehr Eitelkeit, Nichtigkeit; vergl. Lexer 11, 199. *durc = durchs nicht dirre, wie Boisser^e las. ^erklärt San Marte: das Krumme gerade machen wollen. Der Sinn ist aber dem entgegen- gesetzt: gegenüber dem Schlichten, Geraden, Redlichen bedienen sie sich immer krummer, unredlicher Mittel.

9. 'chesselbere: zu Kesseln tauglich, wie es zu Kesseln ver- wendet wird; das Wort habe ich sonst nicht belegt gefunden.

10. ''vngeparatiert: San Marte übersetzt ungetäuscht und leitet das Wort von altfranzösisch barat, barate Trug, Täuschung ab. Als weitere Bedeutung dieses Wortes belegt Lexer 11, 206 und das Grimmsche Wörterbuch (VII, 1459) Kunststück, Posse, Kurzweil, und hievon abgeleitet muss paraiierm im Titurel Str. 887 einen Spass machen, zum besten haben heissen. ungeparaMert lässt sich daher am besten etwa mit „unbehelligt durch nicht ernst zu nehmende Yorspiege- lungen* übersetzen.

11. ^trehen: = draehen duften; vergl. Schmeller, Bayer. Wörter- buch, 2. Aufl., I, 560. *Für San Martes unglückliche Konjektur schoten für vater ist kein stichhaltiger Grand einzusehen. *rvme = mome^ Ruhm, Ansehen, Geprange, schon des Reimes wegen nicht, wie San Marte will, r&me Raum.

über das Heidelberger Brmchstück des Jangeren Titurel 299

12. Für fnoMs hatte Boisser^e molUe, für hetz here gelesen.

13. 'flugen: nicht fugen^ wie Boisser^e verlesen hatte.

14. ^Er steht in der Handschrift, nicht Da, wie Boisser^e ab- geschrieben, noch Der, wie er als richtig vermutet hatte. modele: Form, Oestalt. 'rodele: wohl mit Boisser^e mid Lezer von rotulus Rolle, Buch abzuleiten, kaum, wie San Marte will, von rotte. ^ wehet: verstärkt nochmals das vorangegangene hezjsert^ verherrlicht, vervollkommnet sich. 'dast = äas ist, wi wer = uAe toaer\

15. ''swfir ich da für: wollte ich darauf schwören liest, wohl unzweifelhaft richtig, Herr Dr. Wilhelm, nicht so wer, wie Boisseräe las.

19. ^Sin: Boisser^ hatte Ein gedruckt.

21. Boisseräe sagt: «Die zwei ersten Verse sind wieder (wie Str. 20) sehr dunkel'; San Marte: «^ und ^ scheinen fehler- haft. Der Sinn ist wohl: Gibt es im römischen Reich mehr Fürsten von solchem Lob und Adel, die mögen für Nach- kommenschaff sorgen, so dass Frau saelde (Heil) auf dem ßlücksrade mit ihrem grossen Wedel sie schütze vor aller Schmach*. Indem ich es nun unentschieden lasse, ob Y. 1/2 richtiger als Fragesatz oder als Konditionalsatz zu erklären ist, fasse ich jedenfalls in Y. 2 lobe als gen. plur., der appositionell das ir in Y. 1 erklärt und in Y. 3 durch di, wie so oft im jüngeren Titurel (vergl. z. B. oben Str. 2, V. 5; Str. 11, Y. 7; Str. 16, Y. 7) nochmals aufgenommen wird, also: Hat das römische Recht (d. i. Reich) für den Fürsten ihrer noch mehr, nämlich Lobpreisungen, Aus- zeichnungen von hoher Art, [oder?] die sollen (haben ist optativischer Konjunktiv) auf Früchte die Richtung nehmen d. h. sich vermehren, Frucht bringen, so dass Frau Saide ihn beschütze vor aller Schmähung mit ir grozisem wadele vf gduches rade.

Wieso nun die Glücksgöttin zu einem grossen Wedel kommen soll, wie Boisser^e und San Marte übersetzen, ist schwer erklärlich. Karl Weinhold weist in seiner Abhand- lung über Glücksrad und Lebensrad (Philosophische und

300 Erich Fettet

historische Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissen- schaften 1892) nichts der Art nach, wohl aber (S. 12), dass sie den am Olücksrade hinaufklimmenden hilft, während sie neben dem Glücksrade steht, oder aber, häufiger, dass sie das Rad in irgend einer Weise umtreibt (S. 13, 14, 18). Was bedeutet aber voadd? Hier führt vielleicht ein Sprucli auf die richtige Erklärung, den Weinhold (S. 19) aus einer Darstellung des Glücksrades in dem Berliner Ms. germ. 4^ 284 (letztes Blatt) mitteilt: Est rota fortunae variabilis ut rota lunae. Denselben Gedanken finden wir, noch reicher ausgeführt, auch in den Carmina burana, deren erstes Blatt zu einem Bilde der Frau Saide mit dem Glücksrade er- klärend ein Gedicht bringt, das mit den Worten beginnt: 0 fortuna velut luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis etc. Wir ersehen daraus, dass diese Ideenver- bindung dem Mittelalter geläufig war, und so dürfen wir wohl mit gutem Rechte zur Erklärung des wadel oder wedel beim Glücksrade seine Bedeutung für den Mond heranziehen. Nach J. Grimms Deutscher Mythologie (4. Aus- gabe von Elard Hugo Meyer, U, 593) ist der wedel ,ein weit verbreiteter und vermutlich alter Ausdruck, der schwan- kend für die wechselnden Phasen des Mondlichts, meistens für plenilunium, zuweilen aber auch für interlunium ge- braucht wird*. Da nun weiter von R. v. Liliencron in Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. 6, S. 368 (1848) der gute wedel als der zunehmende, der böse als der abnehmende Mond nachgewiesen wurde, so ergibt sich zwanglos für den grozzen wedel der bestimmte Begriff des Vollmondes, und übertragen auf den Gang des Glücksrades, der Stand desselben, wo der aufsteigende Mensch seinen Höhepunkt erreicht hat. Somit soll also in den vorliegen- den Versen Frau Saide den gepriesenen Fürsten auf dem Höhepunkte des Glücksrades vor jeder Anfeindung schützen.

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren l^urel, 301

n.

Um eine zutreffende Erklärung und Wertung des Heidel- berger Fragmentes zu gewinnen, dürfte es zweckmässig sein, sich die Entwicklung der ganzen Kontroverse über den jüngeren Titurel kurz zu vergegenwärtigen.

Docen gebührt das Verdienst, die schwierigen Fragen nach der Entstehung des Titurel in seinem » Ersten Sendschreiben* (1810) zuerst aufgeworfen zu haben, wenn er auch in ihrer Beantwortung völlig in dem alten Irrtum von der Verfasser- schaft Wolframs befangen blieb. Seine Schrift gab den Anlass zu August Wilhelm Schlegels glänzendem Nachweis (in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1811), dass die alten Fragmente dem Wolfram, das jüngere Epos einem späteren Bearbeiter Albrecht angehöre. Dabei blieb freilich die Annahme bestehen, die auch Jakob Grimm noch 1812 teilt, dass das alte Lied kein blosses Fragment, sondern ein Ganzes gewesen sei, dessen Anfang und Ende verloren gegangen.^) Demgegenüber räumte Karl Lachmann die bisherige Hochschätzung des grossen Epos, das er , langweilig und albern" nennt, gründlich hinweg und entwickelte seine Auffassung von der Entstehung des jüngeren Titurel 1829 in seiner Besprechung von Rosenkranz, Titurel und Dante*) folgen dermassen : »Der Dichter (Wolfram) selbst hatte angefangen, die Vorgeschichte des Parzivals in einer vier- reimigen Strophe zu behandeln; erst in seinen letzten Jahren, nach 1215, wenn eine Stelle des jüngeren Titurels (7, 61) wie Docen meinte . . . von Eschenbach ist und nicht dem Verfasser des Titurels. Der Verfasser dieses Gedichts (, Titurel" wird es 15, 32 genannt) hatte von Eschenbach eben nicht mehr als auch uns erhalten ist, zwei unverbundene Abschnitte, wenig mehr als 170 Strophen. Er nahm in sein neues Werk, das er nach demselben französischen Buche dichtete, die beiden Bruchstücke Eschenbachs auf, und zwar unverändert: seinen

') Vergl. J. GrinniiB Besprecbnng des Docenschen Sendschreibens in seinen Kleineren Schriften Bd. Vi, S. 118 ff. *) Kleinere Schriften 1, 351-357.

302 Erich PeUet

eigenen Strophen gab er eine künstlichere Form, indem er den Einschnitt der ersten zwei Zeilen ohne Ausnahme mit Reimen versah. Über sich selbst und seine persönlichen Ver- hältnisse lässt er uns nichts wissen, weil er durchaus in der Person Wolframs spricht. Er liess aber das Werk ebenfalb unToUendet: ein Albrecht dichtete den Schluss und arbeitete Wolframs Strophen um. Albrecht hielt nicht allein diese, die ihm nur von den Abschreibern entstellt zu sein schienen (4, 61), sondern das Ganze für ein Werk Wolframs, wie nach ihm Ottokar von Horneck, Ulrich Füterer und Püterich von Reicherz- hausen. Er dichtete fünfzig Jahre nach Wolframs Tode (10, 2) d. h. um 1270, zu einer Zeit, da (40, 143) Wolframs heiliger Wilhelm, den Ulrich von Türheim längst fortgesetzt hatte (nach 1247), nicht mehr für unbeendigt galt, aber für unvoll- ständig am Anfang, d. h. ehe die Vorgeschichte, von TJlricli von dem Türlein gedichtet und König Ottokar von Böhmen (st. 1278) zugeeignet, bekannt geworden war*.

Auch in seiner Vorrede zu Wolfram (1833, S. XXX f.) unterscheidet Lachmann den Dichter, der in Wolframs Namen spricht, und Albrecht, der sich zum ersten Male in Strophe 5883 nennt, als zwei verschiedene Personen: „denn dass der Dichter des ganzen Werks, der sich bisher so oft Wolfram genannt hat, nun auf einmal ohne Veranlassung vor dem Schluss seinen wahren Namen entdecken sollte, scheint mir geradezu unmög- lich". Diese Anschauungen hat auch Haupt*) mit solcher Über- zeugung festgehalten, dass er es nicht für nötig erachtete, in den späteren, von ihm besorgten Auflagen der Wolfram-Aus- gabe Lachmanns auch nur ein Wort hinzuzufügen. Da ausser- dem Jakob Grimm ausgesprochen hatte (a. a. 0 S. 119), dass „noch kein Beisi)iel vorhanden ist, dass ein späterer Meister sich so gering achtete, dass er seinem Werk nur durch Vor- schiebung eines berühmten Namens allein Ansehen zu geben vermeint hätte*, so blieb bis in die neueste Zeit die Ansicht bestehen, dass zwischen Wolfram und Albrecht noch ein dritter

*) Vergl. Beiger, Moriz Haupt als akademischer Lehrer. S. 293.

über das Heidelberger Bruehstüek des Jüngeren Tiiurel, 303

nnbekannter Dichter am Werke gewesen sei freilich gar vielfach angezweifelt und bestritten. Im Sinne Lachmanns ent- schieden blieb aber die Frage nach Wolframs Anteil an dem Epos, und hierüber ist nach den Abgrenzungen Albert Leitz- manns^) ein Streit kaum noch möglich.

Auch Lachmanns Datierung des Jüngeren Titurel wurde durch die spätere Forschung und besonders den Nachweis Simrocks be- stätigt, dass sich schon bei Berthold von Regensburg Strophen daraus (528/529) einer Predigt^) zugrunde gelegt finden, und dass ferner in dem Epos von Richard von Comwallis als einem Leben- den gesprochen wird (St. 2946); somit war die Richtigkeit der Zeitangabe der bei Hahn fehlenden Strophe, die in dem alten Druck (10, 2) dem zweiten Wolframschen Bruchstück vorangeht und „die lenge wol von fünfzic iären' von Wolframs Tode bis zu der neuen Bearbeitung verflossen sein lässt, ganz ausser Zweifel gestellt. Dagegen wurde Lachmanns Ansicht von der Benützung des Eiot durch den Titurel-Dichter und der Zwei- heit der Fortsetzer Wolframs von Simrock entschieden be- stritten; er formulierte sein Ergebnis: ^der jüngere Titurel ist spätestens in den ersten siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts, mit Einschaltung und Überarbeitung der Wolframschen Bruch- stücke von Albrecht von Scharffenberg gedichtet, der nicht um zu betrügen, sondern um den Eindruck des Werks zu ver- starken, den Namen Wolframs annahm, dessen Quelle aber, den Kiot, nicht kannte, daher er bei Untersuchungen über die Orals- sage mit Vorsicht zu gebrauchen isf*.

Diese Ausschliessung des Kiot als Quelle hat durch Konrad Borchling in seiner Göttinger Preisschrift über »den jüngeren Titurel und sein Verhältnis zu Wolfram von Eschenbach* (1897) einen zwingenden Beweis erhalten, wie er für die Behauptung der Einheit der Fortsetzer Wolframs bisher fehlt. Die weitere, bis dahin allgemein angenommene Meinung aber, dass Albrecht

') In Panlfl nnd Braunes Beiträgen zur Geschichte der deutschen Spnurhe (1900 Bd. XXVI, S. 93-166).

') Der XL in Franz Pfeiffers Ausgabe: von dem wagen.

304 Erich PeUei

von Scharffenberg der Verfasser des Jüngeren Titurel sei, stiess Reinhold Spiller in seiner Inauguraldissertation^) völlig um durch den Nachweis, dass der Albrecht des jüngeren Titurel mit dem von Ulrich Füterer so hoch gepriesenen Albrecht von Scharffenberg unmöglich identisch sein kann. Wir besitzen keine nähere Kunde von jenem Albrecht, ausser dass er seine Dichtung einem Herzog Ludwig von Bayern widmen wollte mit eben jenen Strophen, von denen uns das Heidelberger Fragnient einen so wichtigen Teil erhalten hat.

Welche Kolle hat nun das verschollene Heidelberger Frag- ment bei diesen ganzen vielverschlungenen Untersuchungen ge- s))ielt? Welche Folgerungen, Berichtigungen und Bestätigungen bietet uns der wiedergefundene gesicherte Text? Den ersten Finder und seine Nachfolger hat es zunächst völlig in die Irre geführt, und von ihren Ausführungen hat fast nichts der bis- herigen Kritik Stand gehalten. Boisser^e betrachtete die ge- retteten Strophen als einen Teil der Einleitung und gelangt« bei seinem Versuche, sie mit den anderen einschlägigen Stellen des Titurel in Einklang zu bringen, zu der Anschauung, der als Oönner des Dichters genannte Ludwig von Bayern sei Kaiser Ludwig der Bayer; die Fürsten, über deren Kargheit der Dichter (St. 5767/r)8) klagt, seien Kaiser Ludwigs Söhne; der Verfasser Albrecht sei Albrecht von Scharffenberg; die Zeit der Vollen- dung des Gedichtes erst nach Ludwigs Tode, also erst nach 1347. San Harte glaubte auch den Beginn der Dichtung aus dem Fragment erschliessen zu können imd setzte ihn zwischen 1322 und 1329. Diese Erklärungen legte dann 1860 Hyazinth Holland einer Schrift über „Kaiser Ludwig und sein Stift zu Ettal" zu Grunde, in der er die Ettaler Kirche als das Vorbild des Gnilstempels zu erweisen suchte. Freilich berichtigte er bald, von Franz Pfeiffer in der Germania VI, 246 f. Anm. (1861) belehrt, seine Hypothese^) dahin, dass nicht der Dichter nach

1) 1883; auch in der Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. 27.

2) In seiner .Geschichte der Dichtkunst in Bayern* (1862; S. 23K 238 f.).

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Tüurel, 305

dem Vorbilde der Ettaler Kirche, sondern Kaiser Ludwig nach dem Muster des Gralstempels in dem Epos sein heiliges Stift in der Wildnis geschaffen habe. Das wirkliche Vorbild des Dichters f&r seinen berühmten Wunderbau, soweit er überhaupt ein solches vor Augen hatte, dürfte wohl in der Liebfrauen- kirche zu Trier, der ältesten deutschen Kirche gotischen Stils (erbaut 1227—1243), richtig erkannt sein.*)

Es ist sehr zu bedauern, dass Lachmann es nicht fdr not- wendig gehalten hat, sich mit den Ausführungen Boisser^es und San Martes auseinander zu setzen. Simrock verdankt die neuen Resultate, die er über Lachmann hinaus gewann, sehr wesentlich mit seiner kritischen Untersuchung des Heidelberger Fragmentes. An die Stelle des Kaisers Ludwig des Bayern setzte er mit überzeugender Begründung Ludwig den Strengen. Die Schwierigkeit aber, die sich daraus ergab, dass derselbe Dichter, der dann durch fast 6000 Strophen unter der Maske VVolframs spricht, sich schon am Anfang genannt haben sollte, beseitigte er scharfsinnig dadurch, dass er in dem Fragmente nicht mit Boisser^e und San Marte einen Teil der Einleitung erblickte, die den Beginn der Dichtung bildet, sondern viel- mehr eine Widmung, die nach Beendigung des Werkes ver- fasst sein muss. Der berichtigte Text und seine richtige Erklä- rung gibt Simrocks Ausführungen, mit geringer Einschränkung, eine glänzende Bestätigung.

Der Dichter beginnt mit der Klage, dass Wolfram sein begonnenes Epos, das mit Titurel dem Weisen anhob, in seinem Kerne aber Tschionatulander und Sigune gewidmet war, nicht hat zu Ende führen können, und rechtfertigt sich dann (2 6), dass er das unvollendete Werk fortführe, unter Berufung auf die Markuskirche in Venedig, bei deren Bau auch viele Meister wegstarben und durch andere ersetzt wurden, die gleichmässig weiter arbeiteten wie ihre Vorgänger nach dem gegebenen Vor- bilde. Wenn man das Bessere nicht haben kann, ist es immer

*) Vergl. E. Drojsen, Der Tempel des hl. Grals nach Albrecht von ^charffenberg. Bromberg 1872.

IMS. SitxgBb. d. pba<M.-pbilol. o. cL bial KI. ^1

306 Erich PeiMtt

noch klüger, das minder Gute zu nehmen anstatt gar nichts (3). Soll das begonnene Kunstwerk deswegen ganz verderben, weil Wolfram darüber gestorben ist? Freilich ein Mensch, der so geschickt im Dichten wäre wie er, wird wohl nie wieder geboren (4).

Und sollte wirklich ein solcher Dichter wieder erscheiDen, dem würde doch bei dem überragenden Ansehen Wolframs niemand auch nur den zehnten Teil von der Anerkennung zukommen lassen wie jenem. Er besass eben solchen Scharf- sinn und prägte so wunderbar charakteristisch und tiefsmnig die Worte, dass sein Vorbild und seine Art noch jetzt einem ver- ständnisTollen Nachahmer Stütze und Bichtung geben können (5).

Deshalb d. h. also seines unerreichbaren Ansehens wegen und weil er mir ständig Vorbild ist, deshalb, gesteht der Dichter offen ein (6), spreche ich ihm von Anfang an die Mähren (des Titurelepos) zu, sie seien von ihm , geschehende '^ d. h. also verfasst. Albrecht sagt nicht, wie Boisser^ Text glauben liess, seine ersten Kindermähreu hätten Wolfram zum Gegen- stande gehabt; wir haben hier vielmehr das direkte offene Ein- geständnis des von Lachmann für « geradezu unmöglich* er- klärten Vorganges, den auch Haupt nicht glauben wollte, und dem J. Grimm kein anderes Beispiel an die Seite zu setzen wusste. Durch diese Strophe 6 wird jetzt die Annahme Sim- rocks, dass der Dichter, der unter der Maske Wolframs spricht« und Albrecht nur eine Person seien, aus dem Gebiet der Hypothese zur Gewissheit erhoben. Nun ist es aber dem Dichter um Anerkennung und Belohnung für seine eigene Per- son sehr zu tun und so spricht er sich auch in den folgenden Strophen noch eingehender über sein Verhältnis zu Wolfram aus. Mit grossem Selbstgefühl weist er unberufene Kritiker ab. Wenn man seinetwegen d. h. wohl, weil er nun seinen Namen genannt hat und nicht mehr durch Wolframs Autorität ge- deckt wird, wenn man deshalb seiner Dichtung nicht ihr Recht werden lasse, so wende er sich von den törichten Leuten zu den Kennern (7). Die Schlechtigkeit seiner etwaigen Wider- sacher und Verkleinerer kann er nicht übel genug charak-

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TitureL 307

terisieren (8); nicht blos Schlangen, sondern der Teufel selbst muss zum Vergleich mit diesen falschen Kritikern herhalten. Freilich, meint er (9), wer minderwertiges Zeug wie Kupfer kunstvoll zu Gold machen könnte, dem würden sie gar schön ton, wenn er auch Unheil darin finden würde, dass ihr Oold im Grunde nur Kupfer ist, zu Kesseln tauglich. Gedichte sollte niemand prüfen als wer selbst Meister darin ist. Nur wirk- licher Kennerschaft ist Kritik erlaubt; wer aber das Hand- werkszeug des Dichters nicht beherrscht, der soll auch Meister der Dichtkunst unbehelligt lassen (10). Wenn San Marte in diesen Versen 10*"'' einen Ausfall auf die allzu kunstreiche Manier Gottfrieds von Strassburg und seiner Nachahmer er- blickt, so übersieht er dabei völlig, dass Albrecht sich gerade gegen diejenigen wendet, welche „solcher Kunst beraubt'', also ohne solche Kunstfertigkeit sind. Es spricht sich hier selbst- bewusst der Stolz des Dichters auf seine Kunst aus, ganz im Sinne der Meistersänger: diejenigen, welche nicht die Kunst verstehen, wie man die Worte auseinander und zusammen gruppiert und mit rosigen Redeblumen ausschmückt, die sollen ihre trügerische Scheinweisheit echten Meistern gegenüber für sich behalten.

Dies Selbstbewusstsein spricht auch im folgenden klar genug zu uns. Albrecht vergleicht sein Epos (11) mit duf- tenden hellen Rosen, die von jedermann, selbst den Vornehmsten, hoch geschätzt würden. Wer die verschmähen wollte, weil sie nicht von einem stattlichen Lindenbaum, sondern nur einem bescheidenen Stämmchen herrühren, der däucht ihm an Klug- heit mit unberechtigter, übel angebrachter Anmassung aufzu- treten. Er will das Verdienst seiner eigenen Dichtung durch den grossen Vorgänger nicht verdunkeln lassen, und so bewegt er sich in den folgenden Strophen mit dem Reste von 12 ist nicht viel anzufangen hin und her zwischen der Ver- teidigung der eigenen Leistung und dem Lobe Wolframs. Feierlich verwahrt er sich dagegen (13), irgendwie Wolframs Verdienst schmalem zu wollen, er könne ihn gar nicht höher verherrlichen; aber daneben betont er doch (14), dass er eben

21*

308 Erich Petzet

auch nur ein Mensch gewesen sei und kein vollkominener Engel, und wieder wird der meistersangerliche Stolz auf die «Kunst* yemehmbar. Albrecht erblickt in der Entwicklung der Poesie nach den Meistern der Blütezeit keine Verbreiterung und Yerflachung, sondern wie in allen anderen Künsten Fort- schritte zum besseren. Wenn wir erkennen wollen, was er dabei unter den Yervollkommnungen seines Epos verstanden hat, so gibt uns die treffliche Schrift Borchlings darüber den besten Aufschluss: gerade in dem Übertreiben Wolframscher Eigenheiten ist Albrecht gross, und sicher hat er auch die Verkünstelung der Wolframschen Strophenform durch Ein- ftihrung des dritten Keimes zu den verdienstlichen Fortschritten gerechnet.

Nach dieser Betonung der Entwicklungsfähigkeit der Poesie, wie er sie verstand, kehrt aber der Dichter noch einmal zum Lobe Wolframs zurück (15) mit dem aus dem Wigalois des Wirnt von Gravenberg (V. 6346) stammenden geflügelten Wort: Laien munt nie baz gesprach, dessen unbedingte Geltung er nicht antasten will. Aber nun knüpft er wieder an das Fragmentarische des Wolframschen Titurel an: der Vergleich mit der schönen Frau (16), von der man nur ein Wänglein gesehen, soll wieder zu der Aventiure leiten, von der Wolfram nur ein so kleines Stückchen gezeigt, während er, Albrecht, sie nun in ihrer ganzen Herrlichkeit wieder heraufbeschworen habe (17).

Die Tendenz dieses Teiles des Widmungsgedichtes ist also eine Rechtfertigung des Dichters, dass er sich das Ansehen Wolframs hat zu nutze machen wollen, und sein Wunsch, daneben nun auch sein eigenes Verdienst ins rechte Licht zu rücken. Wie verhält sichs damit aber in dem Gedichte selber? Hier finden wir wohl auch wiederholt ein selbstbewusstes Rühmen der eignen Leistung, aber diese geht immer bis zur Strophe 5883 auf Rechnung Wolframs, der allein die Verantwortung und den Ruhm der Dichtung trägt. Der innere Gegensatz, die Rivalität, die sich in dem Heidelberger Fragment ausspricht, tritt nur an zwei Stellen zu Tage und

über das HeidMerger Brud^atilck des Jüngeren Titureh 309

zwar dicht vor den echten Wolframschen Bruchstücken. Vor dem ersten der beiden, als Strophe 476, ist die bei Hahn als Xr. 885 abgedruckte Strophe einzureihen, welche lautet:

Mit rlmen schön zwlgenge

sint dise lieder worden

gemezzen rehter lenge

gar in ir dön nach meistersanges orden:

ze vil, ze klein, des werdent liet yerswachet.

her Wolfram sl unschuldec,

ein schrlber dicke reht unrihtec machet.

Dies ist die einzige Stelle vor Str. 5883, wo Albrecht aus seiner Rolle als Wolfram fällt ^) und die anschliessenden Strophen bringen ganz ähnliche Gedanken, teilweise sogar mit denselben Worten, wie das Widmungsgedicht:

Hie mit so sint yers&chet

die wlsen und die tumben.

vil manger sieht unr&chet

und habt sich gar mit alle zu dem krumben:

ist ieman solch geticht als ungemezzen

ze rehter kttnste lobende,

der ist an spehender merke der versezzen.

Swer edel riebe borten

mit baste vil fiirrieren,

der wil zu allen orten

mutwillec durch gespötte pärätieren:

waz solden mir bl rösen genseblfimen?

für ziser und visöle

nim ich muscät vnd edel kardam&men.

Ean ich die slihte riuhen,

daz ist hie niht erzeiget.

künd ich die lösen diuhen,

daz ir unrehte höchfart würd geneiget,

unreht gewalt, der müest ouch sin verdrücket,

') Vergl. Borchling a. a. 0. S. 183 Anm. 2.

310 Erich Petzet

als ich daz ungerihte

an disen Heden hän ze reht gerücket.

Niht wan durch die l6sen,

die sich der merke rüement

und dabi reht verb6sen

künnen gar und swache tihte blüement.

daz wirt an den gehofden dick erfunden:

her Nithart waerz der klagende,

und lieten sichs geboren underwunden.

Diese Verse konnte Albrecht unmöglich schreiben, so lange er beabsichtigte, Wolframs Autorschaft glauben zu machen. Sowie ihm aber darauf ankam, selber hervorzutreten, lag es sehr nahe, die beiden Wolfraraschen Bruchstücke klar kenntlich zu machon, und so finden wir auch vor dem zweiten Wolfranischen Fragmente in der Gruppe II der Titurel-Hand- schriften die weitere Strophe:

Rime die zwivalten

dem brackenseil hie wären

vil verre dan gespalten:

dar nach, die lenge wol von fttnfzic jären,

zwivalter rede was diz maere gesümet.

ein meister ist üfnemende,

swenn es mit töde ein ander hie gerümet.

In der L berlieferung der Handschriften sind diese Verse an ganz falsche Stellen geraten, und Zarncke, der sie*) ein- leuchtend zurecht gerückt, weiss keine Erklärung dafür, son- dern rechnet das „zu jenen verwickelten Vorgängen, die bei schwieriger Überlieferung sich öfter zeigen uud die den, der gerne von allem eine klare Vorstellung gewinnen möchte, in gelinde Verzweiflung versetzen können." Immerhin wäre eine Ursache für die Verwirrung der Handschriften gefunden, wenn wir annehmen dürfen, dass diese Strophen von dem Dichter selbst erst nachträglich eingeschoben worden sind zu

n In Tauls und Braunes .Beiträgen" 18Ö0 VII, 606-609.

über das Heideiberger Bruehatüek des Jüngeren TUurel, 311

der Zeit, als er die Widmung zu seinem Epos dichtete und seine Pseudonymität aufgeben wollte. Dann haben wir einen einleuchtenden Grund für das auffallende Aus-der-Rolle-fallen, das aus Unachtsamkeit des sonst so peinlichen Dichters nicht überzeugend erklärt werden kann; dann haben wir auch eine Erklärung flir das völlige Fehlen in rielen Handschriften, denn das Epos ist sicher nicht erst als abgeschlossenes Werk, sondern schon vorher bruchstückweise bekannt geworden, und so haben die ersten Niederschriften und die Abschriften davon die besprochenen Strophen noch nicht enthalten. Dass dann der nachträgliche Einschub sich im weiteren Fortgang der ['berlieferung leichter an falsche Stellen verirren konnte als andere Strophen, ist wohl einleuchtend. Ein zwingender Beweis dafür ist ja nicht möglich; doch gewinnen wir mit unserer Annahme die ununterbrochene Einheitlichkeit des Grundtones der Erzählung bis Str. 5883 oder wenigstens 5767/68, wo sich das Bedürfnis nach einer einträglichen Förderung durch einen hohen Protektor geltend zu machen beginnt. Auf wessen Protektion dabei der Dichter rechnete, als er mit seinem Namen hervortrat, das sprechen die Strophen 18 23 des Heidelberger Fragmentes mit all der Deutlichkeit aus, die bei den mittelalterlichen Sängern in solchen Anliegen immer üblich war. Nur hat wie bei dem vorhergehenden Teile falsche Text- überlieferung, so bei dem folgenden irrtümliche Übersetzung bisher die volle Ausnutzung des Fragmentes verhindert.

Die fehlenden Verse zwischen Str. 17 und 18 müssen von dem dichterischen zu dem fürstlichen Beschützer der Dichtung übergeleitet haben: Str. 18 spricht bereits von dem Pfalzgrafen, der ordnungsgemäss in seiner Obhut hat etwas, das in den vorangegangenen, jetzt verlorenen Worten genannt gewesen sein muss. Und von dem Pfalzgrafen sagt nun die Strophe 19 weiter: Sein Schloss soll die grössten Riegel hin und her schliessen. Das kann kaum etwas anderes heissen als: er kann die grössten Hindemisse beheben und in den Weg legen, er hat die grösste Macht in Händen. San Marte will darin nach Boisseräes Vorgang den Sinn des Sprichwortes: Wie Du

312 Endi PeUet

mir, so ich Dir finden eine Erklärung, die ohne die falsche Lesung Ein statt Sin wohl unmöglich ist. Von ihm, diesem mächtigsten Fürsten, fahrt nun der Dichter fort, gebe er der Welt so manche Würde, Auszeichnung kund, wovon er und alle seine Nachkommen in hohem Ansehen leben. Und dann wünscht er ihm noch weitere Ehren. Boisseree übersetzt die Strophe 20: „Oott, Dir sei ein würdigliches Grüssen, der Du in der Seligkeit hoch verherrlicht bist, mit Deiner süssen Milde gib sein Heil dem Fürsten, der das Christentum wohl befestigt. '^ San Marte: ,Gott, gib würdiglichen, zur Seligkeit hochgeschmückten Qruss in Deiner süssen Gnade dem Fürstei., der Christenheit wohl ordnet. Der Bayer nennt ihn im Gross: ,duc Louis et Palatinus*. Simrock spricht von einem Fürster, „den der Bayern Prinz sin salute nenne, und den der Dichter selbst als Duc Loys et Palatinus und wiederum Str. 18 ah phalatzgrave bezeichnet." Richtig ist offenbar im wesentlicher. San Martes Übersetzung von V. 1 4. Sin solide aber, was anderweitig nicht belegt ist, übersetze ich im Hinblick auf salvieren, später salutieren = grüssen mit seine Begrüssung, Anrede, Titulatur, fasse es also einfach als eine andere Be- zeichnung desselben Begriffs, den der Dichter in V. 1 mit grtizzen bezeichnet hat. Somit heisst V. 5/7: seine Titulatur nennt ihn der Bayern Fürst, Herzog Ludwig und Pfalzgraf; mein Lob erkennt ihm die Ehre von zehn Fürsten zu.

Sinngemäss schliesst sich dieser Lobpreisung der weitere Wunsch an (21): wenn das römische Reich noch mehr Aus- zeichnungen hoher Art hat, so mögen sie für den Fürsten Frucht bringen, dass er im Zenith des Glückes vor jeder Ver- kleinerung bewahrt bleibe! Alles ersinnliche Gute wünscht der Dichter von dem Höchsten dem Herrscher, der, wie ein Adler (22) alle anderen edlen Beizvögel, die übrigen Fürsten und Herren hinter sich lässt und als edler Beschützer kleidet speist und auszeichnet in Schwaben, Bayern und Franken ; von Osterreich bis Flandern sieht man Leute, die seine Kleider tragen, die ihm Untertan sind. Und diesem weitgebietenden Herrn will nun Albrecht noch zweifache Auszeichnung zurüsten

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TUurel, 313

(23), so dass ihn Ritter und Frauen desto werter halten, die- weil die Welt gewährt hier bricht das Fragment ab.

Dass dieses Lob für Herzog Ludwig den Strengen von Bayern nicht zu hoch gegriffen ist, erhellt aus der Tatsache, dass er neben Ottokar von Böhmen der mächtigste BeichsfÜrst seiner Zeit war und vom Inn bis an den unteren Rhein Terri- torien sein eigen nennen konnte. Wie kam da aber der Dichter dazu, diesem Fürsten werdecliches gruzzen zu wünschen? Welche höheren Ehren noch konnte das römische Reich ihm bieten? Ich meine, diese Formulierung seiner Huldigung gibt uns ziem- lich genauen Aufschluss darüber, wann der Dichter diese Verse Yerfasst hat. In der Titulatur des Fürsten kam seine über- ragende Stellung nicht zum Ausdruck, so lange sie ihn nur als «Herzog Ludwig, Fürsten der Bayern und Pfalzgrafen ^ bezeichnete. Eine höhere Würde war nur die des deutschen Königs und römischen Kaisers sie also wünscht der Dichter seinem Fürsten. Das konnte er aber nur nach dem Tode Richards von Cornwallis (2. April 1272) und Yor der Wahl Rudolfs von Habsburg (1. Oktober 1273). In dieser Zeit hatte Ludwig der Strenge als Pfalzgraf ordnungsmässig die Verwesung des Reiches in Händen so erklärt sich also die fragmentarische Strophe 18. Seine Anwartschaft auf die erledigte Königswürde war allgemein anerkannt oder gefürchtet und hat in Eventualverträgen mit dem Kurfürsten von Mainz urkundlichen Ausdruck gefunden.^) Und wenn auch die Eifer- sucht der Fürsten auf den allzu Mächtigen die Wahl Ludwigs schliesslich unmöglich machte, so kam doch in der Form der Frankfurter Königswahl sein Ansehen glänzend zum Ausdruck, indem er als gemeinsamer Stimmführer aller Kurfürsten Rudolf von Habsburg als den neuen König nominierte. Wer ihm also ergeben war, der konnte und musste in diesem letzten Jahre des Interregnums, noch bis in den September 1273, wünschen und hoffen, dass ihm als dem Berufensten auch die äussere Würde zu teil werde, die später seinem Sohne wirklich be-

') VergL S. Riezlers Bayrische Geschichte II, 137 ff.; Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg 8. 133— 1C9.

314 Erich Petget

schieden sein sollte, und in dieser Zeit muss also das Widmungs- gedicht des Titurelepos entstanden sein, wahrscheinlich in den Monaten, in denen seine Aussichten am besten standen, alsbald nach Ludwigs Lösung vom Banne (Juli 1273).

Durch diese Bestimmung gewinnen yerschiedene Aufstel- lungen grössere Sicherheit, verschiedene Dunkelheiten einige Klarheit; doch ergeben sich auch wieder neue Fragen. Als völlig gesichert erscheint nun die Vermutung Simrocks, dass das Heidelberger Fragment erst nachträglich dem Gedichte selbständig als Widmung vorgesetzt wurde und nicht irgend- wie einen Bestandteil der Einleitung bildete; wir brauchen blos an die Erwähnung Richards von Gomwallis und das Zitat bei Berthold von Regensburg zu erinnern. Dies Zitat Bertholds beweist aber auch ziemlich bestimmt, dass Teile des Epos schon vor dem Abschluss der ganzen Dichtung bekannt geworden sind. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass wir hier gerade die letzte Predigt des am 13./14. Dezember 1272 gestorbenen grossen Franziskaners vor uns haben; vor Ende 1272 kann aber nach dem oben gesagten das Epos gar nicht vollendet worden sein wenn es überhaupt schon bei Abfassung der Widmung fertig war. Aber auch das ist keineswegs sicher; wir müssen vielmehr mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, dass zu diesem Zeitpunkte nur der grosse Teil bis gegen Str. 5883 fertig vorlag, den Lachmann dem „ersten Bearbeiter'' Wolframs zugeschrieben hat. Denn der letzte Teil des Epos, in dem sich also Albrecht nennt, bietet der Erklärung sonst manche Schwierigkeiten .

In den Strophen 5767/68 wird zum ersten Male die Klage des Dichters über mangelnde Förderung laut:

Wie Parzival nu werbe

und Ekunat, si beide,

ob daz allhie verderbe,

daran geschehe den edelen fürsten leide,

die sich da lazent kosten disiu maere

gein mir als rehte kleine.

ein esel davon trüege distel swaere.

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 315

Wer die fÜrsten waeren,

daz wil ich gerne swigen.

si länt sich nicht vermaeren,

wan ich ir gäbe nimmer darf genigen.

si sint der mitte wol üf tiutscher terre,

si sint den bergen nähen.

diu milte hat aber in gehüset verre.

Wer die knauserigen Fürsten dieser Strophen sein mögen, wissen wir nicht, und ich konnte keinen Anhalt für die An- gabe von der Hagens finden, dass hier kärntische Herren gemeint sind.') Jedenfalls aber müssen es, da sie im Plural stehen, andere sein als der Fürst, von dem der Dichter in Str. 5883 spricht :

Die aventiure habende

bin ich Albrecht vil ganze.

Von dem wal al drabende

bin ich, Sit mir zebrach der helfe lanze

an einem fürsten, den ich wol kund nennen

in allen riehen verre;

in diuschen landen möht man in erkennen.

Albrecht lüftet hier also sein Inkognito, in dem er bisher unter der Maske Wolframs gesprochen, in dem Augenblick, wo er seine Dichtung aufgeben will, da er die Unterstützung eines Fürsten verloren hat, den er nicht näher kenntlich macht, weil es ein ansehnlicher, in allen deutschen Landen bekannter Herr ist. Lange kann sich der Dichter dieser Unterstützung, wenn er sie überhaupt genossen und nicht blos erhofft hat, nicht erfreut haben; denn sonst könnte nicht kaum 120 Stro- phen vorher die vorhin angeführte Klage stehen. Der Tod des Fürsten kann nicht gut die Ursache des ^Zerbrechens von der Hilfe Lanze* sein; denn da würde Albrecht sicher offen um den Verlust trauern, wie Wolfram um den Landgrafen Her- mann von Thüringen, und nicht nötig haben, den Namen zu verschweigen. Wer also ist dieser Fürst, der an die Stelle

*) Vergl. Von der Hagens Germania II, 268. Berlin 1837.

316 Eridi PeUet

der früheren unzureichenden Beschützer des Dichters getreten war, um nach so kurzer Zeit schon dessen Erwartungen so gründlich zu enttäuschen?

Es ist vielleicht nicht zu kühn, ihn auf Grund des Heidel- berger Fragments mit Ludwig dem Strengen zu identifizieren; wenigstens erklären sich dann zwanglos alle Schwierigkeiten. Der Wunsch für den Fürsten, den der Dichter in seiner Wid- mung mit so viel Siegesgewissheit vorträgt, ist nicht in Er- füllung gegangen : Ludwig wurde nicht König. Ist es da nicht naheliegend, dass bei diesem politischen Fehlschlag auch der Lohn für den Dichter ausblieb und dieser es in seiner ersten Enttäuschung mutlos aufgab, sein Epos zu Ende zu ftlhren? Der Verpflichtung, weiter als Wolfram zu sprechen, war er überhoben, nachdem er sein Verhältnis zu diesem offen in der Widmung dargelegt hatte ; den Fürsten aber durfte er in seinem bitteren Abschiedsworte nicht allzu kenntlich machen, um sich nicht ausser seiner Abweisung auch noch seinen Groll zuzu- ziehen. Ludwig jedoch, der selbst schliesslich die Wahl Rudolfs vollzogen hatte und dafür sein Schwiegersohn geworden war, konnte bei der so veränderten politischen Lage unmöglich den Dichter auszeichnen, der so rückhaltlos seine von ihm selbst klug aufgegebene Kandidatur vertreten hatte. Es war also nur eine kurze Zeit, in der Albrecht auf die Gunst des baye- rischen Herzogs sich Hoffnung machen konnte, wie ja auch der Fortschritt des Epos von der Absage an die früheren Gönner zu der Klage über den Verlust des neuen Mäcens nur gering ist. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass die Widmung erst 1273 und nicht schon 1272 verfasst wurde und die Enttäuschung sehr bald darauf folgte. Die Strophe 5883 ist nach dieser Erklärung bald nach der Wahl Rudolfs am 1. Oktober 1273 verfasst worden.

Bei dieser Annahme bleibt freilich die Frage unbeant- wortet, was Albrecht dann veranlasst hat, das so feierlich aufgegebene Gedicht doch noch zu Ende zu führen. Wenig- stens ein äusserer Anlass ist nicht nachweisbar. Die inneren Gründe dafür sind aber doch wohl ausreichend, um die De-

über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 317

pression des Dichters als rasch yorübergegangen erscheinen zu lassen. Albrechts Selbstgefühl und künstlerischer Stolz spricht sich an vielen Stellen so kräftig aus, dass der Reiz, den grossen Wolfram zu verroUständigen und zu übertreflfen, ftlr ihn unmöglich damit aufhören konnte, dass der klingende Lohn der Mühe wieder ins Ungewisse entrückt war. Es klingt wie ein Nachhall des Grolls über die betrogene, auf den Königskandidaten gesetzte Hoffnung, wenn bei Wiederaufnahme der Dichtung alsbald die Macht und das Glück der Templeisen gerühmt wird (5890/91):

Hie tüsent kunige riebe

ir einem dort an 6ren niht geltchet.

Und wird da niht betrüebet

der alte noch der tumbe.

Urliuge da nieman üebet,

mit trügeheit fürt keiner den andern umbe.

So flüchtet der enttäuschte Dichter aus der verstimmenden realen Welt in das ideale Reich seiner Dichtung, jetzt nur darein seinen Ehrgeiz setzend, dass sie zu einem voll befriedi- genden Ende geführt werde (5887):

Sei dise aventiure

ein ende han mit rewe?

nein! sie ist so ungehiure;

ez waz ein tugent, die hohste heizzet trewe,

damit sich dise aventiure sol enden.

wan alle die trewe darben,

die wil der hohste an allen saelden phenden.

In dieser Absicht wird er auch von den wohlgesinnten Kritikern bestärkt, die er so oft gegen die übelgesinnten aus- gespielt hat und die nun den unharmonischen Schluss tadeln

(5884):

Die werden mich hie v^hen,

ob ich klagende läze

dirre aventiure flöhen.

so wil ich iuch bescheiden dirre mäze.

318 EriOi PeUct

Und auch der Tadel der Krittler, die an Wolframs Werken wegen ihrer ünvoUständigkeit zu nörgeln fanden, spornte Albrecht an (5910/11):

Ez jehent die merkerlchen,

daz mich an freuden phendet,

ez si unendelichen

ein buoch ganvenget und daz ander gendet,

also daz sante Wilhalm an dem houbet,

Parzival an dem ende,

sin beide an ir werdecheit beroubet.

Daz uns an disem buoche

alsam hie nicht gelinge,

daz uns dehein unruoche

unendelich von endikeit iht bringe,

altissimus der geb uns rehten ende

unib daz vor allen dingen

sol cristenheit ze gote valden hende.

Schliesslich muss aber neben diesen ästhetischen Erwä- gungen und dem begreiflichen Wunsche, sich selbst zu ge- nügen, auch der Gedanke dem Dichter nahe getreten sein, dass sein Werk vollendet ihm immer noch mehr Aussicht auf Lohn bieten konnte als so kurz vor dem Ende jäh abgebrochen. Hat er auch keinen bestimmten Gönner mehr vor sich, der ihn begaben soll, so bleibt doch seine Sehnsucht, aus der Armut herauszukommen, bestehen, wie sie noch die vorletzte Strophe des ganzen grossen Werkes (nach dem Druck von 1477) ausspricht:

Kyote Flegetanise,

der was hern Wolfram gebende

dise aventiure ze prise:

die bin ich Albrecht hie nach im üfhebende

darumbe, daz drier dinge minder waere,

der Sünden und der schänden:

daz drite, mich drücket armuot diu swaere.

über das Heidelberger Brudistück des Jüngeren IKturel, 319

Alle einschlägigen Stellen erklären sich also ohne Wider- spruch, wenn wir uns die Entstehung des Gedichtes so yor- stellen: während des Interregnums begonnen und bruchstück- weise, wie so manches andere mittelhochdeutsche Epos, yer- uifentlicht, war es zur Zeit von Richards von Comwallis Tode (1272) schon sehr weit (bis über 5700 Strophen) vorgeschritten; da sah sich der Dichter Albrecht, von seinen bisherigen Oönnern Dur mangelhaft unterstützt, nach einem neuen Mäcen um und setzte seine Hoffnung auf Ludwig den Strengen in der Er- wartung, dieser werde zum deutschen Könige gewählt werden. Diese Hoffnung trog ihn infolge der politischen Ereignisse, und nun gab er Ende 1273 zuerst sein Epos ganz auf in Str. 5883, fährte es dann aber doch noch ohne besondere Gönner etwa in den Jahren 1274/75, jedenfalls noch vor 1278,^) zu Ende. Wollten wir annehmen, das ganze Gedicht sei vollendet im Jahre 1273 dem Pfalzgrafen mit dem Wid- niungsgedichte überreicht worden, so befänden wir uns anstatt einmal (Str. 5767/68) zweimal (auch bei Str. 5883) völlig im unklaren über die Personen der ungenannten Fürsten; auch ist die Allgemeinheit der Klage über die Armut am Ende ganz gegen die Art des Dichters, wenn er dabei die bestimmte Person Ludwigs vor sich gehabt hätte, und ebenso ist in dem Schlussteile der Dichtung nichts zu entdecken, was den be- stimmten Lobpreisungen der Widmung irgend entspräche. Wir haben nicht den mindesten Anhalt für die Annahme, der Schluss sei im Hinblick auf die neue Hilfe hinzugefügt worden ; noch weniger aber kann man sich doch vorstellen, dass das Epos schon fertig gewesen sein soll, ehe Albrecht auf die Idee verfiel, es Ludwig zu widmen, und dass ein irgend grösserer Zeitraum zwischen dem Abschluss der Dichtung und ihrer Widmung verflossen sein könnte. Es bleibt also wohl dabei, dass die Verse des Heidelberger Fragments vor der Strophe 5883 gedichtet worden sind, und die Erfolglosigkeit der Widmung erklärt es auch einleuchtend, warum diese Verse in allen anderen Handschriften fehlen: sie haben ihr Ziel verfehlt und

*) Vergl. Lachmanns Ausführungen oben S. 302.

320 Erich Petzet, Über das Heidelberger Bruchsiüeh etc,

durften daher mit dem Epos nicht verbunden bleiben. Trotz- dem können sie manchmal einen Anhalt in den Wirrnissen der Textüberlieferung bieten, indem sie uns die Ursache ent- hüllen, die schon den Dichter selbst zu einzelnen Schwankungen und Änderungen veranlassen musste.

Über die Person des Dichters aber gibt uns auch das Heidelberger Fragment keine genügende Auskunft. Die breite Linde, unter deren Schutz er sich begeben, beschattete ihn so vollständig, dass er Jahrhunderte lang gar nicht mehr gesehen wurde, und ist auch das Ansehen seines Gedichtes dadurch in blindem Autoritätsglauben höher gewertet worden als es ver- dient, so war dann auch die Verurteilung um so schärfer. Auch jetzt, wo eine gerechtere Schätzung des verkünstelten und überladenen, aber doch neben einem Reichtum kultur- geschichtlichen Gehaltes auch manche wirkliche poetische Schönheit bergenden Gedichtes angebahnt ist, bleibt uns der Verfasser nicht viel mehr als ein Name. Wir wissen nichts von einem Dichter Albrecht aus jener Zeit ausser dem Meister Albrecht von Schwaben, den Heinrich von der Wiener Neu- stadt in seinem AppoUonius *) als vom König Rudolf reich beschenkt erwähnt. Mit diesem den Albrecht des Titurel zu identifizieren, ist nicht möglich, da alle Anhaltspunkte fehlen ausser der Stammeszugehörigkeit, die für den Dichter des Titurel sicher nicht nach Schwaben, sondern nach Bayern weist. Dem Schöpfer des „Messias* des Mittelalters, wie Zamcke ihn (a. a. 0. S. 377) nennt, war offenbar das Glück des Messiassängers des 18. Jahrhunderts nicht beschieden: wie der persönliche Ruhm ist auch wirksame Fürstengunst ihm versagt geblieben doch nicht ohne eigene Schuld. Und dass es wenigstens darüber einige Klarheit schafft, verleiht dem Heidelberger Bruchstück seinen hohen Wert; es bietet bis jetzt fast den wichtigsten Anhalt, um die mannigfach ver- schlungenen Fragen der vielbesprochenen Dichtung ihrer Lösung näher zu bringen.

*) V. 1B687 flF. der Ausg. von Jos. Strobl. Wien 1876.

321

Die sardicensisclieiL Aktenstücke der Sammlung

des Theodosius Diaconns.

Von J. Friedrich.

(Vorgetragen in der historischen Klasse am 2. Mai 1903.)

Im Jahre 418 sandte Papst Zosimus den Bischöfen Afrikas zwei, wie er sagte, nicänische, in Wirklichkeit bis dahin unbe- kannte, später sardicensisch genannte Canones, von denen einer das Recht der Appellation von den afrikanischen Bischofs- gerichten an den römischen Bischof begründen sollte. Die Äirikaner, welche diese Canones weder kannten noch unter den nicänischen fanden, beschlossen auf einer Synode im Jahre 419, die Bischöfe von Konstantinopel, Antiochien und Alexandrien durch Gesandtschaften bitten zu lassen, sie möchten aus ihren authentischen Exemplaren der nicänischen Canones erheben, ob die von Zosimus gesandten nicänische seien. Das geschah, wie man bis jetzt allgemein annahm, von Seite der Bischöfe Atticus von Eonstantinopel und Cyrillus von Alexandrien da- durch, dass jeder von ihnen eine lateinische Übersetzung der in ihren Eirchenarchiven vorhandenen griechischen Canones von Nicäa nach Carthago schickte. Nun plötzlich lässt man aber Cyrillus von Alexandrien noch weiter gegangen sein und den Afrikanern eine ganze Sammlung nicänischer und sardi- censischer Aktenstücke zur Beantwortung ihrer Frage gesandt haben, eine Annahme, die H. Duchesne in Rom im Bessa- rione (Rivista di studl orientali vol. III fasc. 68) folgender- massen zu begründen sucht:

1903. Sitzgsb. d. phil08.-phJlol. n. d. hist. Kl. 22

322 J. Friedrieh

Qu'advint-il des v^rifications pr^crites par le concile de Cartbage? Nous n^avons aucune nouvelle d^une enquöfce ä Antioche. De Gonstaotinople, T^v^ue Atticus se borna a envoyer aux Africains un texte des canons de Nic^, qui r^pre- sentait une coUation de leur Version ä eux, celle que Cecilien, ^vfeque de Cartbage et Tun des peres de Nic^e, avait rapporte de cette assembl^e, avec le texte grec dont on se servait dans la capitale de Tempire d'Orient II est du reste peu probable que les ^glises d'Antiocbe et de Constantinople, dont les ev^- ques ^taient, en 343, au plus mal avec le concile de Sardique, eussent conserv^ des documents de cette assembl^e. A Alexan- drie il en devait ötre autrement. Athanase avait du y envojer ou j porter lui-nidme un dossier tres complet, et, si nous Favions, nous serions en droit d^y cbercber les canons de Sardique. Or il se trouve que ce dossier s'est conserv^ et que tres probablement il nous est parvenu par la voie de Cartbage. M. C. H. Turner . . . a consacr^ a la collection canonique dite du diacre The^odose une interessante ötude,^) d'oü il r^^ulte que dans ce recueil s'est conserv^ toute une s^rie de pieces alexandrines de provenance, envoy^es par s. Cyrille a T^v^que de Cartbage, en r^ponse ä la celebre consultation. Au nombre de ces pieces figurent les canons de Sardique, indiqu^ comme tels. Tout le recueil alexandrin nous est donn^ dans une Ver- sion latine. Aussi le texte des canons n'est-il pas le texte latin de nos coUections occidentales, mais une traduction latine du texte grec que nous connaissons par les recueils byzantins. Ainsi, dans les deux grandes ^glises de Rome et d'AIexandne, nous pouvions nous attendre ä trouver les canons de Sar- dique, nous les trouvons en eflFet, en des r^dactions indepen- dantes l'une de Pautre au commencement du V* siecle (p. 4).

Diese überrascbende kategoriscbe Bebauptung, die noch Niemand aufgestellt bat, verdient eine näbere Prüfung. Da aber H. Duchesne sieb auf H. Turner stützt, als ob dieser die

M The Verona Manuscripts of canons: The Theodosian MS. and its connection with St. Cyrill. The Guardian, Dec. 11 (1895), p, 1921 sq.

Die sardieensisehen uäktenstüeke des Theodosius Diaconus, 323

Behauptung unumstösslich bewiesen hätte, so muss vor allem die «Hypothese* des letzteren, die ich nicht ohne Mühe erst jetzt aus England erlangen konnte, untersucht werden.

Der Ausgangspunkt und die Grundlage der Hypothese ist die Beobachtung, dass der Kern der Sammlung des Theodosius von einem alezandrinischen Gesichtspunkt aus angelegt sei (from an Alexandrine point of view), eine Beobachtung, die nicht einmal neu ist. Denn auch Maassen, um bei diesem stehen zu bleiben, sagt: ,dass eine der Quellen des Theodosius eine lateinische Übersetzung einer in der Diözese Ägyptus entstan- denen Sammlung war. In dieser Sammlung fanden sich auch die Canonen von Nicäa. . . . Die Übersetzung der Canonen ist aber nicht, wie die Ballerini noch annehmen konnten, von dem Interpreten der übrigen Stücke verfasst. Es liegt vielmehr bier dieselbe Version vor, welche Caecilian [von Carthago] nach Afrika gebracht hat. Es ist nicht notwendig, deshalb auf den afrikanischen Urspining der Version dieser griechischen Sammlung zu schliessen. . . . Auch das bleibt möglich, dass der Übersetzer der alezandrinischen Sammlung die Version der nicänischen Canonen den Akten des carthagischen Konzils vom Jahre 419, die früh ausserhalb Afrikas verbreitet wurden, ent- lehnt hat* (Quellen, S. 10). Bei der Beschreibung der Hand- schrift setzt er aber auseinander: «Die Überschrift und die Einleitung des Konzils von Nicäa weisen unmittelbar auf Alexandrien. Dahin gehören ferner folgende Stücke: das nicä- nische Synodalschreiben an die ägyptischen Bischöfe, die beiden Schreiben des h. Atbanasius [an die Priester und Diakone der Kirche von Alexandrien, sowie das an Priester, Diakone und Volk von Mareotis], das Schreiben des Konzils von Sardica an die Kirchen von Mareotis, die Notizen zur Biographie des h. Athanasius, das Schreiben Konstantins d. Gr. an die Kirche von Alexandrien, endlich die beiden Schreiben, welche auf das meletianische Schisma Bezug haben. Es liegt eben nicht fern, anzunehmen, dass die Sammlung, in welcher diese Stücke zuerst vereinigt waren, in der Diözese Alexandrien selbst entstanden sei'. Er vermeidet aber vorsichtig die Behauptung, dass diese

22*

324 /. Friedrieh

Sammlung in der Stadt Alexandrien selbst entstanden sei, und wagt es auch nicht, bestinmit zu ihr die sardicensischen Ganones zu reebnen. , Wahrscheinlich hat er [Theodosius] derselben Sammlung auch die Version der Canonen von Sardica nebst den übrigen auf das Konzil von Sardica bezüglichen Stücken, die sonst in Sammlungen nicht yorkommen, femer Konstantins Edikt gegen den Arianismus, das Symbol des Konzils von Konstantinopel [unter dem falschen Titel: Symbolus sanctae synodi Sardici], die eigentümliche Version der Canonen und einiger andern Aktenstücke des Konzils von Chalcedon ent- lehnt. Auch für die beiden afrikanischen Stücke, das Brevia- rium Hipponense und das Konzil von Carthago vom Jahre 421. hat ihm eine von andern Sammlern nicht benutzte Quelle zn Gebote gestanden, da er das erstere ohne die zwei Canonen des carthagischen Konzils Tom Jahre 397 und den Canon des carthagischen Konzils vom Jahre 401 bringt, die in keiner andern Sammlung am Schlüsse fehlen, und das Konzil Tom Jahre 421 nur in dieser Sammlung yorkommt*. Die Zeit der Entstehung der ganzen griechischen Sammlung fallt wahr- scheinlich nach dem Konzil yon Chalcedon, weil ,die jüngsten Stücke derselben die Canonen yon Chalcedon und die mit diesen verbundenen Aktenstücke desselben Konzils gewesen zu sein scheinen. Wann aber die yon dem Diakon Theodosius benutzte Version dieser Sammlung yerfasst sei, lässt sich nicht be- stimmen" (S. 549 flF.). Von einer Beziehung der Sammlung zu Cyrillus yon Alexandrien weiss er nichts.

Anders die Hypothese des H. Turner. Nach Ausstossung der offenbar nicht zu der ursprünglichen (alexandrinischen) Sammlung gehörigen Stücke (after the extrusion of certain apparently adventitious matter) bleiben die auf die Konzilien yon Nicäa und Sardica bezüglichen übrig. Dieser Kern der Sammlung des Theodosius weist aber nicht blos auf alexan- drinischen Ursprung hin, sondern Cyrillus yon Alexandrien hat, wie er es in seinem Begleitschreiben an die Afrikaner selbst ausspricht, gerade diese Sammlung nicänischer und sardi- censischer Aktenstücke als Antwort auf ihre Anfrage geschickt.

Die sardicensischen Äktengtücke des Theodosius Diaconus, 325

Xothing could be conceived better fitted than this coUection to clear up the issue between the Roman and African Ghurches. We niay well assume that the delegates sent from Carthago to the East were provided with copies of the Nicene canons, both as the Africans knew them in the version of Gaecilian and as the Romans claimed them in the tezts which included Sardica. At Constantinople the decisions of Sardica would pro- bablj be as little known as in Africa, for Constantinople had been as entirely as Carthago unrepresented in that Western and Alexandrian sjnod. Atticus, therefore, confined himself to bringing the translation of Caecilian into more exact accor- dance with bis Grec text. At Alexandria, on the other band, the Council of Sardica would be, through Athanasius^ parti- cipation in it, less unfamiliar and its canons would doubless be preserved in the archives of the church. There, then, the texts put forward by Rome would be identified, and Cyril or bis commissarj would see that the most satisfactorj settlement of the point in dispute would be to lay before the Africans as complete a set of documents conceming the two Councils as the library of the Alexandrine see could fournish, material which would naturally group itself round the life and writings of St. Athanasius.

Die Hypothese ist zweifellos schön ausgedacht. Es erhebt sieb nur sogleich die Frage, ob irgendwelche Gründe für sie sprechen. Da finde ich aber nur eine einzige Stelle angeführt, die sich wirklich auf Cyrillus bezieht. Die Hypothese fährt nämlich nach den oben angeführten Worten fort: Some confir- mation for this theory may be found in Cyril's own words, for be speaks of fidelissima exemplaria ex authentica synodo (wbile Atticus confines his statement to the canons only) and he appeals to the testimony of history, quod et in eccle- siastica historia requirentes invenietis, words which acquire additional point if we suppose that specimens of the bistorical material into which he invited them to inquire actually accompanied the letter. Aber diese Supposition em- pfängt nur dadurch einen Schein von Zulässigkeit, dass aus

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dem Schreiben Cyrills blos einige Worte hervorgehoben sind. Und auch angenommen, die auffallenderweise nur halb ange- führten Worte Cyrills hätten den ihnen von der Hypothese untergelegten Sinn, so wäre damit noch keineswegs bewiesen« dass sie sich auch notwendig auf die sardicensischen Akten- stücke der Theodosianischen Sammlung beziehen.

Wir wenden uns daher besser an die Worte Cyrills selbst, um zu sehen, was er sagt. Es zeigt sich dann aber auf den ersten Blick, dass die in der Hypothese versuchte Interpretation derselben auf Bestand keinen Anspruch erheben kann. Cyrillus schreibt: Scripta uenerationis uestrae multam habentia queri- moniam cum omni laetitia per filium nostrum Innocentium presbyterum suscepimus, quibus a nobis speratis, ut de scrinio nostrae ecclesiae uerissima exemplaria ex authentica synodo apud Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyuiae a sanctis patribus constituta atque firmata sub nostrae fidei pro- fessione uestrae dilectioni porrigamus. Unde, domini honora- biles fratres, salute praeeunte necesse habui per hunc latorem filium nostrum Innocentium fidelissima exemplaria ex authentica synodo in Nicaea ciuitate Bithyniae habita uestrae caritati dirigere: quod et in ecclesiastica historia requi- rentes inuenietis. Um was also die Afrikaner gebeten hatten (uerissima exemplaria ex authentica synodo apud Nicaeam),*)

^) Die Worte stammen eigentlich aus dem Beschluss der Synode von Carthago, durch den Bischof Autelius beauftragt wird, sich an die Bischöfe von Konstantinopel, Antiochien und Alexandrien zu weoden: scribere uestra beatitudo dignetur, ut exemplaria uerissima concilii Nicaeni sub adstipulatione literarum suarum dirigat, Mansi III, 707. 834. Ebenda sagt auch die Synode, was sie unter exemplaria concilii Nicaeni versteht: Omne concilium dixit: Exemplaria fidei et statuta Nicaenae synodi, quae ad nostrum concilium per b. rec. olim praedecessorem tiiae sanctitatis, qui interfuit, Caecilianum episcopum allata sunt, sed et quae patres ea exemplaria sequentes hie constituerunt. . . . Daniel notarius Nicaeni concilii professionem fidei uel eins statuta recitauit in condlio Africano . . ., worauf Bischof Aurelius schloss: Haec ita apud nos habentur exemplaria statutorum, quae tunc patres nostri de concilio Nicaeno secnm detulerunt . . ., Mansi III, 710.

Die sardicensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 327

das schickt er (fidelissima exemplaria ex authentica synodo in Kicaea), weiter nichts. Wie kann da nur der leiseste Ge- danke daran aufkommen, dass Cyrillus gar die sardicensischen Aktenstücke der Theodosianischen Sammlung geschickt habe?

Cyrillus hat also nicht mehr getan, als Atticus von Eon- siantinopel, in dessen Schreiben ganz so wie in dem Gyrills das Ersuchen der Afrikaner angeführt und die Erfüllung des- selben bezeugt wird: Scribitis sane, ut uerissimos canones apud Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyniae a patribus constitutos sub fidei adstipulatione dirigam: et quis est qui communem fidem uel statuta a patribus firmata suis fratribus deneget? Qua de re per eundem filium meum Marcellum sub- diaconum uestrum nimium festinantem, sicut statuti sunt in Nicaea ciuitate a patribus, canones integros, ut iussistis, direxi. . . . Denn dass uerissimos canones apud Nicaeam oder canones integros das nämliche bedeutet wie fidelissima exem- plaria bei Cyrillus, wird sich sogleich herausstellen.

Wir haben nämlich nicht blos diese Schreiben, sondern auch die eingeschickten exemplaria: Incipiunt exemplaria concilii Nicaeni directa sub die VI. kal. Dec. post consu- latum gloriosissimorum imperatorum, Honorii XII. et Theo- dosü Vni. augustorum, Bonifacio urbis Romae episcopo. Es folgt das nicänische Glaubensbekenntnis, worauf fortgefahren wird: Cui symbolo fidei etiam exemplaria statutorum^) eiusdem annexa sunt quae in magna et sancta synodo apud Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyniae constituta sunt et de Graeco translata sunt^'a Philone et Euaristo Constantino- politano; den Schluss bilden die nicänischen Canones. Da diese exemplaria aber die Schriftstücke sind, die Atticus von Kon- stantinopel gesandt hatte, so geht daraus hervor, dass die Afri- kaner selbst uerissimos canones apud Nicaeam constitutos oder canones integros bei Atticus mit uerissima exemplaria ex authen- tica synodo apud Nicaeam bei Cyrillus identisch nahmen.

*) Exemplaria statutorum sind die Worte des Bischofs Aurelius für die nicSniBchen Canoned, 8. den Schluss der vorausgehenden Anmerkung.

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Dass man von Gjrillus nicht mehr als Yon Atticus erhalten hatte, bezeugt auch die Überschrift vor seinem Schreiben: Incipiunt rescripta ad concilium Africanum Cjrilli Alexandrini episcopi, ubi authenticaNicaeni concilii translata de Graeco per Innocentium presb. transmiserit, quae et epistolae cum eodem concilio Niceno per memoratum presb. Innocentium et Marcellum subdiaconum ecclesiae Carthaginensis sancio Boni- facio episcopo Romanae ecclesiae, die sezta kal. Dec. sunt directe (Hinschius, Decret. ps.-isid. p. 311 314; Mansi HI, 835 838). Doch auch in denjenigen Sammlungen, welche die nicänischen Canones hier nicht wiederholen, heisst es, dass Cyrillus die nämlichen Schriftstücke wie Atticus geschickt hat: Huic symbolo fidei etiam exemplaria statutorum eiusdem concilii Nicaeni a memoratis pontificibus annexa sunt^ sicut superius per omnia continentur, quae nos hie iterum conscribi necessarium non esse credidimus (Mansi III, 839). Deutlicher könnte in der Tat nicht gesagt sein, was die Afri- kaner von Cyrillus verlangten, dieser ihnen sandte, und jene von ihm wirklich erhielten.

Mit der Sendung der aus Konstantinopel und Alexandrien erhaltenen authentischen nicänischen Canones nach Rom war der Streit zwischen diesem und Afrika keineswegs erledigt. Im Jahre 424 kam der nämliche Bischof Faustinus, der einst im Auftrage des Papstes Zosimus die angeblich nicänischen Canones überbracht hatte, als päpstlicher Gesandter nach Car- thago und forderte in sehr barscher Weise, dass der Priester Apiarius, der neuerdings nach Rom appelliert hatte imd von dem Papst in die Kirchengemeinschaft aufgenommen worden war, auch von den afrikanischen Bischöfen in die ihrige auf- genommen werde. Das gab diesen Gelegenheit, auf die von Papst Zosimus gesandten Canones zurückzukommen und in ihrem Schreiben an Papst Coelestin wiederholt Protest gegen die Anwendung derselben auf Afrika zu erheben. Aus ihm erfahren wir aber auch, dass sie noch immer von den sardi- censischen Canones nichts wissen, und dass auch Cyrillus ihnen nichts anderes als die nicänischen Canones geschickt habe: Nam

Die sardieensisehen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 329

ui aliqui tamquam a tuae sanctitatis latere mittantur [c. 5Sardic.], in Dulla inuenimus patrum sjnodo constitutum: quia illud quod pridem per eundem coepiscopum nostrum Faustinum tam- quam ex parte Nicaeni concilii exinde transmisistis, in con- ciliis uerioribus quae accipiuntur Nicaeni a s. Gyrillo coepiscopo nostro Alexandrinae ecclesiae et a uenerabili Attico Constantinopolitano antistite ex authentico missis, quae etiam ante hoc per Innocentium presb. et Marcellum subd., per quos ad nos ab eis directa sunt, uen. mem. Bonifacio episcopo deces- sori uestro a nobis transmissa sunt, in quibus tale aliquid non potuimus reperire (Coust. 1061). Denn wenn sie sagen: in keiner Synode der Väter haben sie den ihnen von Papst Zosimus gesandten Canon (5 von Sardica) gefunden, und auch die ihnen von Cyrillus und Atticus mitgeteilten authentischen nicänischen Ganones enthalten ihn nicht, so ist es klar, dass sie die sardieensisehen Ganones immer noch nicht kennen, auch Cyrillus sie ihnen nicht zugeschickt hat. Oder soll man etwa annehmen, Cyrillus habe zwar entgegen den Worten seines Schreibens den Afrikanern die sardieensisehen Ganones als sardicensische geschickt, diese aber hätten sie verleugnet?^) Nein ! Das Einzige, das wir aus diesem Schreiben der Afrikaner an P. Coelestin, ohne ihm Gewalt anzutun, noch folgern können, ist: nicht blos Atticus von Konstantinopel, sondern auch Cyrillus wusste über die ihnen vorgelegten Ganones des Zosimus keine Auskunft zu geben und kannte also die sardieensisehen Ganones nicht. *)

Es ergibt sich daraus zugleich, dass auch die Worte, auf welche die Hypothese sich femer stützt: quod et in ecclesia-

*) In der Begründung der Hypothese heisst es wirklich einmal: The Africans were, orpretendedtobe, ignorant of the origin of the Roman texts propounded to them: the Alexandrians could help them only by translating the Sardican canons from the Greek form in which they knew them into Latin.

') Anch Langen I, 798 schliesst ans diesem Schreiben an Coelestin: ,Die Ganones von Sardica waren ihnen unbekannt. Da die Bestimmungen dieses Konadls in dem ächten nicänischen Texte sich nicht fanden, wurden sie von den Afrikanern als apokryph und ungültig behandelt*.

330 J, Friedrick

stica hisioria requirentes inuenietis, nicht heissen können: in den von mir beigelegten nicänischen und sardicensischen Schrift- stücken werdet ihr die notwendige Aufklärung über euren Streit mit Rom finden. Doch auch abgesehen von der vorausgehenden Beweisführung, es können die Worte in Verbindung mit den unmittelbar vorhergehenden nur sagen: was ich euch aus dem authentischen Exemplar der Synode von Kicäa gesandt habe, das werdet ihr auch bestätigt finden, wenn ihr die Kirchen- geschichte nachschlagt. Zudem hat historia ecclesiastica, dem die Hypothese den Sinn unterschiebt: specimens of the histo- rical material . . actually accompanied the letter oder a set of documents concerning the two Councils, 419 bereits seine spezifische Bedeutung, von der ohne zwingenden Grund nicht abgegangen werden darf. Was man aber speziell 419 darunter verstand, das erfahren wir aus der gleichzeitigen Sendung des Atticus von Konstantinopel, dessen Übersetzer der nicänischen Ganones aus dem Griechischen ins Lateinische, Philo und Eva- ristus, ihrer Arbeit die Worte hinzufugten: Haec de ecclesia- stica historia necessario credimus inserenda. Igitur cum de bis Das was sie hinzufügten, ist aber der Kirchengeschichte des Rufinus entnommen,^) so dass sie also mit Ejrchengeschichte schlechthin die des Rufinus bezeichneten,^) und eine andere kann

1) Maassen S. 46. Uefele, der Maassens Quellen etc« in seiner später erschienenen zweiten Auflage nirgends benützt, lasst diese Stelle die afrikanischen Bischöfe hinzufügen, I, 358.

^) Aus Rufinus scheint auch sollicitudinem statt potestatem im 6. nicänischen Canon der Übersetzung des Atticus zu stammen. Rufinus can. 6: Et ut apud Alexandriam, et in urbe Roma, uetusta consuetudo senietur, ut uel ille Aegypti, uel hie suburbicariarum ecclesiamm solli- citudinem gerat. Atticus can. 6: Antiqui mores obtineant, qui apud Aegvptum sunt, Libjam et Pentapolim, ut Alexandrinus episcopus homm omnium habeat sollicitudinem, quia et urbis Romae episcopo similis mos est. Wenn man aber von Alexandrien und Konstantinopel aus anf Rufinus hinwies, von Alexandrien aus sogar mit dem Zusatz, die Afri- kaner könnten auch in der Kirchengeschichte (des Rufinus) die ächten nicänischen Canones, die man ihnen schicke, finden, so lag es nahe, ans Rufinus auch seinen Zusatz von den suburbicanae ecclesiae aufzunehmen. Caecilianus can. 6: Antiqua per Aegyptum adque Pentapolim consuetudo

Die sardieensischen Aktenstücke des Tkeodosius Diaconus. 331

auch Cjrillus nicht im Auge gehabt haben, weil 419 nur die des Rufinus die nicänischen Canones anführte.

Alle anderen Bemerkungen, die sonst für die Begründung der Hypothese geltend gemacht werden, können schon aus dem Grunde übergangen werden, weil sie mit Cyrillus von Alexan- drien nichts zu tun haben und weder beweisen, dass die sardi- censischen Aktenstücke in der Theodosianischen Sammlung von Cyrillus nach Carthago gesandt wurden, noch die Annahme unmöglich machen, dass wir eine nach 419 liegende Sammlung vor uns haben. Eine Bemerkung will ich aber doch hervor- heben, weil in ihr selbst auf die Schwierigkeit hingewiesen wird, die sardicensischen Aktenstücke des Theodosius mit Cyrillus in Verbindung zu bringen. Dieselbe lautet: The next point at which the contents of the MS. are such as to test the hypo- thesis I am putting forward is at the documents connected with the Council of Sardica. Of these the first is the Arian Creed of the secession synod; and it might be urged that Alexandria was the last place, and Gyril the last person, to put forward an Arian composition as emanating from sancta synodus congregata Sardicae. That Creed was, in fact, directed against Athanasius^ assertion that the Father begat the Son qwoeiy not simply ßovli^aei, of His Nature, and not only of His Will; non sententia nee uoluntate Deum patrem genuisse filium, quod neque consilio neque uoluntate pater genuerit filium, are the forms in which St. Hilary renders the doctrine they anathematised in this Creed. But on examination it appears that the Theodosian text, by simply omitting the negative, anathematises those who say

servetor, ut Alexandrinus episcopus horum habeat sollicitudinem, quoniatn et urbis Romae episcopo similis mos est, ut in suburbicaria loca sollicitudinem gerat (Maassen S. 905). Man schloss damit Rom aus Afrika am einfachsten aus. Aus der Caecilianischen Version scheint auch der Znsatz in c. 6 der Prisca zu stammen: ut suburbicaria loca et omnem prouinciam sua sollicitudine gubemet. Über die subur- bicariae eccleaiae vgl. übrigens auch Löning, Geschichte des Deutschen Eirchenrechts I, 448 ff.

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that aut uoluntate uel arbitrio pater genait filium, and thus removes the one single stumblingblock to Atha- nasian orthodoxy. It is not, I think, werj difficult to see how, in the course of a couple of generations, the tme historr of a Creed which claimed the august title of Sardican had been forgotten even in Alexandria, so that what was supposed to emanate from the orthodox Council was naturally assimilated (whether in the original or in the translation onlj) tho orthodox methods of expression.

Das ist denn doch eine gar zu grosse Zumutung, einer Hypothese zulieb annehmen zu sollen, Gyrillus habe, wozu er nicht die geringste Veranlassung hatte und nach seinem eigenen Schreiben sich auch nicht veranlasst gesehen hatte, den Afri- kanern auch das Glaubensbekenntnis der von Sardica nach Philippopolis entwichenen Arianer als acht sardicensisches ge- schickt unter dem feierlichen Titel «Sancta Synodus congre- gata est Sardicae . . . hanc exposuerunt fidem*'. Eine solche Gedankenlosigkeit, ein arianisches Bekenntnis der orthodoxen sardiceusischen Synode zuzuschreiben, kann man wohl einem späteren Sammler zutrauen, nicht aber Gyrillus, dem Nachfolger des Athanasius, der noch 362 mit einer Synode in Alexandrien feierlich bezeugt hatte, es gebe kein sardicensisches Glaubens- bekenntnis. Dazu hätte Gyrillus, wenn man ihm nach der Hypothese die sardicensischen Aktenstücke bei Theodosius nach Garthago schicken Hesse, noch ein zweites, sogleich zu be- sprechendes, unächtes Glaubensbekenntnis von Sardica gesandt, ja sogar ein drittes, falls man das sogenannte Eonstantino- politanische unter dem Titel: Symbolus sanctae synodi Sardici ebenfalls zu diesen Aktenstücken rechnet!^) Ich bestreite aber auch, dass man durch eine absichtliche Streichung der Ver- neinung (non) die arianische Glaubensformel der athanasia- nischen Orthodoxie anpassen wollte. Denn da die Formel des

^) Und nach der Hypothese müsste man dies in der Tat tun, da nach diesem angeblich sardicensischen Symbol noch einige, auf das Konzil von Nicäa sich beziehende Aktenstücke Konstantins d. Gr. folgen, Maasaen S. 549; Reifferacheidt I, 39.

Die sardicenaUchen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 333

Bekenntnisses bei Theodosius in den übrigen Teilen, einzelne unbedeutende Varianten abgerechnet, mit der von Hilarius zweimal gegebenen Formel desselben übereinstimmt, so muss man doch zunächst daran denken, dass „non*^ aus Nachlässig- keit eines Schreibei-s ausgefallen sein könnte. Es fordert aber auch die eigentümliche Erweiterung der Formel gegenüber der Hilarianischen (aut non sententia neque uoluntate Deum Patrem genuisse Filium: hos omnes , , .): aut uoluntate uel arbitrio Pater genuit Filium, fecit, siue creauit, uel demonstrauit, sed secundum intellectum omnia scientem Yerbum Dei, hos omnes anathematizat sancta catholica ecclesia ohne Zweifel die Verneinung: aut non uoluntate. . . . Jedenfalls bliebe aber, wenn man auch mit der Hypothese eine absicht- liche Korrektur zugunsten der athanasianischen Orthodoxie an- nähme, die Tatsache bestehen, dass das Glaubensbekenntnis den Ton Sardica nach Philippopolis entwichenen Eusebianem ange- hört, und bewiese die Korrektur nicht, dass sie vor oder im Jahre 419 gemacht worden sein müsse.

Die der Behauptung im Bessarione zu Grund gelegte Hypo- these ist also nicht stichhaltig, woraus folgt, dass es auch die Behauptung im Bessarione nicht sein kann. Ich will aber jetzt noch von einer anderen Seite her zeigen, dass die Behauptung hinföUig ist.

Die Hypothese im Guardian geht nicht auf die sardicen- sischen Stücke ein, die in der Theodosianischen Sammlung nach Keifferscheidt und Maassen unter dem Titel „Definitiones aput Sardicam** folgen: Das Schreiben des Osius und Protogenes an Papst Julius, das Rundschreiben des Konzils von Sardica an alle Bischöfe mit dem Zusatz derselben Glaubensformel, die sich auch bei Theodoret H, 6 mit diesem Schreiben verbunden findet, unmittelbar darauf die Canones von Sardica, nach einem Einschiebsel von zweiter Hand f. 94^ bis 99^ das Schreiben des Athanasius an die Priester und Diakone der Kirche von Ale- xandrien und Parembole, das Schreiben des Konzils von Sardica an die Kirchen der Mareotis, das Schreiben des Athanasius an Priester, Diakone und Volk von Mareotis u. s. w. (Reiffer-

334 /. IMeärieh

scheidt I, 39; Maassen S. 548). Gerade diese Schriftstücke bilden aber nach dem Bessarione den «sehr kompletten Dossier*, den Athanasius gesammelt und nach Alexandrien entweder geschickt oder persönlich gebracht haben soll.

Diese Aufstellung muss schon auf sehr ernste Bedenken stossen, wenn man nur rein äusserlich den Dossier betrachtet. Denn einmal ist er gar nicht „sehr komplett*, da er, yon den sardicensischen Canones abgesehen, nur ein einziges, auch anderswoher bekanntes sardicensisches Schriftstück, das Schreiben an alle Bischöfe, bringt, das aber verstümmelt wurde, um ein unächtes daranzufOgen. Es fehlt ferner das Schreiben der Synode von Sardica an die Kirche von Alexandrien, das Atha- nasius wohl bekannt und nur durch ihn erhalten ist, und wird durch ein besonderes Schreiben des Athanasius selbst an die Priester und Diakone der Kirche von Alexandrien ersetzt. Endlich findet sich auch nicht das vom Bessarione doch als acht in Anspruch genommene Schreiben der Synode an Papst Julius, woran ich aber keinen Anstoss nehme, weil es unächt ist.') Dagegen sind die Schreiben der Bischöfe Osius und Protogenes an Papst Julius, des Athanasius an die Kirche von Alexan- drien, der Synode von Sardica an die Kirchen in der Mareotis und des Athanasius an die gleiche Adresse ausser der Theo- dosianischen Sammlung nirgends bekannt. Sie scheinen also schon aus diesem Grunde da entstanden zu sein, wo auch die Sammlung entstanden ist, in der Diözese Aegyptus.

Prüfen wir aber die einzelnen Stücke, die nur die Theo- dosianische Sammlung bringt, so zeigt sich, dass sie sämtlich unächt sind.

Ich beginne mit den drei letzten Schreiben, weil sie bereits von anderer Seite für unächt erklärt worden sind, und ich dadurch einer besonderen Beweisführung überhoben werde. Da fällt nämlich vor allem auf, dass der angebliche Athanasius in seinem Schreiben an die Priester und Diakone der Kirche

1) Langen, Geschichte der römischen Kirche I, 448; Friedrich, Die Unächtheit der Canones von Sardica IT, S. 424.

Die sardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaeonus, 335

fon Alexandrien die eusebianischen Gegner Theodorus, Nar- cissus und ürsacius sagen lässt: Omitte: quid nobis et uobis hominibus Christi? Kouimus, quod ueri estis, et timemus conuinci; ueremur in personam recognoscere calumnias. Nihil est nobis et uobis: Christiani enim uos estis, nos uero Christo repugnantes (Baller. III, 613),^) eine Naivität, welche Hefele ausrufen lässt: „Wo in aller Welt werden die Eusebianer von sich selbst gesagt haben: (wir sind Feinde Christi P)** Dann macht er darauf aufmerksam, dass der Schluss in jedem der drei Briefe beinahe gleichlautend sei und sich wie die Kopie des einen von dem anderen ausnehme,^) und schliesst er seine Untersuchung mit den Worten: «Der ganze Inhalt dieser drei Briefe ist matt und lahm, die beständige Wiederholung der gleichen Worte unerträglich, die ganze Art und Weise geist- los und trivial. Dazu kommt, dass das ganze christliche Alter- ihum von diesen drei Aktenstücken nichts wusste, und sie nirgends anders als in jenem veronesischen Codex existieren,

^) Die ganze Stelle ist, wie ausdrücklich in dem Schreiben gesagt wird (quemadmodum tunc daemones de sepulcns), Math. 8, 28 f. nach- gebildet. — Im Widerspruch mit dieser Stelle heisst es in dem unftchten, dem Schreiben der Synode an alle Bischöfe angehängten Glaubens- bekenntnis von ürsacins (und Valens): qui gloriantur et non dubitant dicere se christianos, Baller. III, 605.

*) Nam Gregorii mentionem facere noluerunt, qui enim penitus episcopi nomen non habuit, hunc nominare superfluum putauerunt. Sed tarnen propter deceptos ab eo eius nominis mentionem fecerunt, non quia dignum erat eius nomen memorare, sed ut ab eo decepti cognoscant eius infamiam, et erubescant, quod tali communicauerunt . . ., Baller. III, 614. In dem ächten Schreiben der Sjnode an die Kirche von Alexandrien beisst es von Gregorius: Gregorium quidem, qui illegitime ab haereticis epiacopus constitutus est et in uestram ciuitatem ab illis deductus, ab uniuersa sacra synodo de episcopatu (tametsi reuera numquam pro epis- copo habitus fuerit) depositum esse, uestram unanimitatem scire uolumus. Valete igitur, et recipite uestrum episcopum Athanasium, quem ob idipsum cum pace dimisimus. Unde admonemus omnes, qui uel per metum, uel per dolum circumuenti, cum Gregorio communicarunt, ut nunc nostra admonitione, hortatu et suasu resipiscentes deinceps ab illius nefaria communione abstineant et sese ecclesiae catholicae agglutinent, Mansi III, 55.

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so dass wir sie nicht fUr acht anzuerkennen yermögen* (Kon- ziliengeschichte I, 612 ff.).

Es steht mit dem Glaubensbekenntnisse nicht besser, das nach Streichung der Schlussklausel des Schreibens der Synode an alle Bischöfe diesem angehängt ist. Denn es muss schon bedenklich erscheinen, dass Athanasius und Hilarius von Poi- tiers, die das Schreiben der Sjnode mit der Schlussklausel reproduzieren, die Glaubensformel nicht kennen, und dass diese erst bei Theodoret auftaucht. Dazu erklärt die alexandriniscbe Synode unter Athanasius 362 kategorisch, die Synode Yon Sardica habe sich entschieden geweigert, eine neue Glaubeos- formel aufzustellen. Diese Tatsache sowie andere Gründe haben denn Baronius einst auch bewogen, die in Frage stehende Glaubensformel für unächt und der Synode yon Sardica fremd zu erklären. Indessen haben gerade die später aufgefundenen Aktenstücke in dem angeblichen Dossier des Athanasius die Ballerini, dann Hefele und mit ihm Maassen veranlasst, sich eine neue Hypothese zu bilden, die von Hefele folgender- massen auseinandergesetzt wird: , Athanasius berichtet, dass Einige die Synode von Sardica zur Aufstellung eines neuen Symbolums durch das Vorgeben, das nicänische sei nicht hinreichend, zu bewegen gesucht hätten; die Synode sei jedoch nicht darauf eingegangen. . . . Dessungeachtet kam bald eine angebliche sardicensische Glaubensformel in Umlauf, welche jedoch Athanasius und die mit ihm im Jahre 362 zu Alexandrien versammelten Bischöfe für falsch erklärten und davor warnten. . . . Eine Kopie dieser sogenannten sardicen- sischen Formel gibt Theodoret*) am Schlüsse des encyklischen Synodalschreibens von Sardica." Doch erst durch die Vero- neser Sammlung des Theodosius Diaconus sei die Sache in klareres Licht gestellt worden. „Darin findet sich [nach dem Druck der Ballerini] gleich hinter den sardicensischen Canones ein kurzer Brief von Osius und Protogenes an Papst Julius^

1 Daas die Formel Theodorets mit der 362 der alexandrinischen Synode vorliegenden identisch sei, ist nicht ausgemacht, wie schon Fuchs, Bibl. der Kin^henvers. II, 144 bemerkt hat; es ist aber wahrscheinlich.

Die sardieenaisciien AJUenstüehe des Theodosius Diaconus, 337

und es ist dies sichtlich derselbe, von dem auch Sozomenus (in, 12) mit ziemlicher Ausführlichkeit redet. . . . Diesem kurzen Briefe folgt die lateinische Übersetzung der encyklischen Synodalepistel von Sardica, und dieser selbst ist eine Über- setzung der fraglichen sardicensischen Formel angehängt. . . . Wir können jetzt nach diesem Funde ohne Bedenken der Ver- mutung der Ballerini beitreten, dass wahrscheinlich Osius und Protogenes der Meinung waren, man sollte zu Sardica eine weitläufigere Exposition der nicänischen Formel aufstellen. In dieser Absicht hatten sie eine solche und auch einen hiezu passenden Brief an Papst Julius bereits entworfen. Aber die Sjnode ging auf ihren Plan nicht ein. Ihr Entwurf kam jedoch unter die Akten und wurde so von Manchen schon frühzeitig fBr eine ächte Synodalurkunde gehalten, so z. B. von der vierten allgemeinen Synode zu Chalcedon in ihrer AUokution an Kaiser Marcian (I, 554 ff. ; Maassen S. 64). ^)

Diese ganze Argumentation beruht auf einer unrichtigen Interpretation des Schreibens der alexandrinischen Synode vom Jahre 362, das sich über die Frage ausspricht, ob die Synode von Sardica eine neue Glaubensformel aufgestellt habe. Sie verneint das aber und fordert zum Festhalten am Nicänum auf: hortamur uos, ut istis conditionibus ineatur concordia, ita ut nihil alterius, quam dictum est, ab illis qui in ueteri urbe

^) Dass die Synode von Chalcedon mit den Worten: Uli qui apud Sardicam contra reliquias Arii conuenerunt, Orientalibus direxerunt sui constitata iudicii, wenn de diese constituta auch kurz vorher decretum de fide nennt (Baller. III, p. XXXIX), schon diese unächte Glaubensformel bezeichnen wollte, kann man bezweifeln. Sui constituta iudicii verträgt flch ganz gut mit der Aufgabe, welche die sardicensische Synode sich selbst zuschreibt: ut s. synodua in Sardorum ciuitatem conueniret, quo omnia controuersia praecideretur, et eiecto quidquid prauae fidei esset, aola in Christum pietas ab onmibus retineretur, Mansi III, 58; Baller. III, 599. Daa was die sardicensische Synode in dieser Sache beschloss, konnte die ( balcedonische aber auch decretum de fide nennen, ohne dabei an ein Glaabensbekenntnis zu denken. Sagt doch Hefele selbst (I, 556), dadurch «laärt die Synode von Sardica sich weigerte, eine neue Glaubensformel aufzustellen «und die nicänische für genügend* bezeichnete, »hatte sie sich über den rechten Glauben erklärt''.

190S. Sitzgsb. d. phüo8.-philoL n. d. hlat. Kl. 23

338 J. Friedrieh

conueniunt, ezigatis: uel illi qui cum Paulino sunt, aliud praeter- quam quod inter Nicaeni concilii decreta reperitur, proponant. Tabellam igitur quam uonnuUi iactant, quasi ex Sardicensi de fide conscriptam, ne legi quidem semel aut proferri sinaiis. Nihil enim tale sjnodus definiuit. Quamuis enim certi homines nonnulla, quasi quae deessent, Nicaeno concilio ascribere uel- lent, idque acriter contenderent, sancta tarnen synodus, quae Sardicae conuenit, indigne id tulit decretoque sanciuit, ne quid alterius de fide scriberetur, et sese contentos esse Nicaena fide, dcciarauerunt, ut cui nihil deesset, et quae plena pietatis esset: neque edendam esse aliam professionem fidei, ne illa quae Nicaeae sci'i})ta est, imperfecta crederetur, neue illis occasio huiusmodi suppeditaretur, qui saepenumero uolunt de fide defi- nire et scribere. Quapropter si quis haec aut aliud quippiam cauillabitur compescite illum, et ad Studium pacis inducit^: nihil enim est quod in his agnoscere possumus, nisi solum con- tendendi studium (Mansi III, 347). Hier ist mit keiner Silbe gesagt, dass auf der sardicensischen Synode einige die Aufstellung einer neuen Glaubensformel verlangt hätten, was die Synode verweigert habe. Vielmehr haben wir darin eine historische Reminiszenz an die Vorgänge vor der Synode von Sardica, z. B. 341 auf der Synode in encaeniis zu Antiochien, wogegen einzuschreiten ja Hefele selbst anderwärts als eine der Aufgaben der sardicensischen Synode bezeichnet: »Da aber die beständige Machination der Eusebianer, und namentlich der grosse Leichtsinn, womit sie innerhalb weniger Monate viererlei Symbole aufgestellt, alle Sicherheit und Festigkeit des kirch- lichen Bekenntnisses erschüttert hatte und den Glauben so ver- änderlich wie die Mode erscheinen Hess, so war jetzt dringendes Bedürfnis, dass auf einer grossen Synode auch über diesen Punkt wieder ein festes Resultat gewonnen werde* (I, 538). Dieses feste Resultat hat die sardicensische Synode in der Tat gewonnen und gibt die alexandrinische von 362 mit den Worten an : Die grosse Synode aber, die in Sardica zusammentrat, habe, indigniert über dieses Treiben, beschlossen, dass keine neue Glaubensformel aufzustellen sei.

Die sardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 339

Damit falli; auch die Annahme hinweg, dass gar Osius und Protogenes, „die Häupter** der orthodoxen Bischöfe, die Auf- stellung eines neuen Qlaubensbekenntnisses yon der Synode »mit Schärfe* (acriter) yerlangt und dadurch die „Indignation" der Synode herausgefordert hätten, oder dass sie auch nur auf die Forderungen anderer eingegangen wären. Liegt aber die Sache so, dann hatten beide auch keinen Brief an Papst Julius und kein Glaubensbekenntnis vorbereitet,^) sind beide Schrift- stücke erst später erdichtet*) und mit Unrecht diesen Männern zugeschrieben worden vielleicht zu der gleichen Zeit, als man das sardicensische Schreiben an alle Bischöfe verstümmelte und ihm das in Frage stehende Glaubensbekenntnis anfügte, um letzteres durch den Brief zu beglaubigen.

Es folgt weiter daraus, dass Athan&sius die der Synode von Alexandrien vorliegende Glaubensformel, die sich in seinem angeblich von Cyrillus 419 nach Carthago gesandten Dossier befunden haben soll, nicht blos nicht als sardicensische, sondern überhaupt in früheren Jahren nicht kannte, und dass er auch von einer anderen mit Sardica in Verbindung zu bringenden nichts wuaste.

Und sollen sich wirklich, um auch davon noch ein Wort zu sagen, in dem angeblichen Dossier des Athanasius die sardi- censischen Ganones befunden haben? Es ist dann nur auf- fallend, dass der Alexandriner, der doch in seinen Schriften öfter auf die Synode von Sardica zu sprechen kommt, nie auch der ihr später zugeschriebenen Ganones gedenkt, bei seiner Verteidigung, wie Langen gezeigt hat (I, 450), noch nach der Synode von ganz anderen Grundsätzen ausgegangen ist, als den in den sardicensischen Appellationsartikeln fixierten.

Es hat sich also gezeigt, dass der Inhalt des angeblichen

^) Der Brief an Julius gibt sich den Anschein, als ob er nach den Verbandlungen der Synode über den Glauben geschrieben sei, und er- zählt die Vorgänge in der Synode ganz im Gegensatz zu der Synode Ton Alexandrien 362.

') Auch Langen, Geschichte der römischen Kirche I, 448, nennt den Brief der Bischöfe Osius und Protogenes an Papst Julius „erdichtet*.

23»

340 J. Friedrieh

Dossier des Athanasius mit Ausnahme des absichtlicli ver- stümmelten Schreibens der Synode an alle Bischöfe lauter unächte Schriftstücke enthält. Und gerade diese soll Atha- nasius gesammelt und in seiner Kirche hinterlegt haben! Ja, darunter sogar das eben besprochene, unächte sardicensische Glaubensbekenntnis, obwohl er 362 noch beteuerte, es gebe überhaupt kein Glaubensbekenntnis der Synode Ton Sardica! Und dann die Behauptung, Cyrillus habe 419 diesen Dossier aus dem alexandrinischen Kirchenarchiv heiTorgeholt und nach Carthago mit einem Begleitschreiben geschickt, worin er diese Sammlung unächter Schriftstücke als ächte beglaubigt hätte! Zum Glück sind wir über diese Vorgänge so gut authentisch unterrichtet, dass alle diese Hypothesen und Behauptungen im Lichte der Geschichte sich in nichts auflösen.

Es findet sich darum auch bei den Afrikanern keine Spur davon, dass sie durch den ihnen angeblich 419 aus Alexandrien zugegangenen Dossier die sardicensischen Canones kennen ge- lernt hätten, dagegen die Behauptung noch im Jahre 425, dass sie den ihnen von Papst Zosimus zugesandten 5. sardicensischen Canon in keiner Synode, auch nicht in der Sendung des Cyrillus, gefunden haben (oben S. 329).

Es bedeutet daher schon aus allen vorausgehenden Gründen nichts, wenn im Bessarione mit besonderem Nachdruck gesagt wird: Au nombre de ces pieces figurent les canons de Sardique, indiqu^s comme tels, da diese Behauptung nur dann einen Wert hätte, wenn der Dossier wirklich von Athanasius gesammelt und von Cyrillus 419 nach Carthago geschickt worden wäre. Die Überschrift „Definitiones aput Sardicam" ist aber zweifel- los erst von dem nämlichen Sammler hinzugefügt worden, der auch nach Maassen wahrscheinlich schon „die eigentümliche Version der Canonen und einiger andern Aktenstücke des Konzils von Chalcedon" aufgenommen und ganz parallel zu dieser Überschrift die beim Konzil von Chalcedon geschrieben hat: Definitiones ecclesiasticae pronuntiatae a sancta et uni- uersali synodo, quae Chalcedone congregata est, dem näm- lichen, welcher auch dem sogenannten konstantinopolitanischen

Die aardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus, 341

Sjmbolum die Worte: Item symbolus sanctae synodi Sardici Torgesetzt hat und damit seine Unwissenheit und Unbeholfen- heit bezeugt.

Zu dem gleichen Resultat kommt man von einer dritten Seite. Ich habe in meiner zweiten Abhandlung ^Die Unächt- heit derCanones von Sardica** (Sitzungsber. 1902) nachgewiesen, dass der 4. sardicensische Canon erst nach dem Konzil von Chalcedon (451) entstanden sein kann. Da nun aber dieser Canon sich auch unter den sardicensischen Canones bei Theo- dosius Diaconus findet, so ist klar, dass diese Redaktion weder Ton Athanasius nach Alexandrien geschickt oder gebracht noch von Cyrillus 419 nach Carthago gesandt worden sein kann. Ja, die Redaktion der Canones bei Theodosius liegt sogar noch nach der endgültigen Fixierung des griechischen Yulgattextes, mit dem sie, auch hinsichtlich der später in der Obermetropolie Thessalonich gemachten Zusätze, vollständig, einen einzigen Punkt ausgenommen, tibereinstimmt. Der griechische Vulgat- text bringt nämlich den c. 18 der Lateiner (oder den Januarius- Canon) noch nicht, während die Redaktion des Theodosius ihn hat. Diese muss daher nach der endgültigen Fixierung des griechischen Yulgattextes entstanden sein. Wenn dem aber so ist, so können die sardicensischen Canones bei Theodosius auch von diesem Gesichtspunkt aus nicht von Athanasius in Alexandrien niedergelegt und von Cyrillus nach Carthago ge- sandt worden sein.

Ich darf hier vielleicht noch die Frage stellen: woher stammt in der ägyptischen Sammlung des Theodosius dieser 18. oder Januarius-Canon? Denn bekanntlich haben die Bal- lerini gerade aus dem Vorhandensein dieses Canon in der Sammlung des Theodosius geschlossen, es müsse ausser der griechischen Vulgatversion noch eine zweite griechische Version der Canones existiert haben, in der dieser Januarius-Canon sieb fand. In vulgato Oraeco tres canones desunt, qui leguntur in fjuovis textu Latino, uti sunt apud Isidorum canones X. XII, et XVIII.: et e contra duo canones absunt a quovis Latino textu, qui in Graeco inveniuntur can. XVIII. et XIX. Quod si

342 J, Friedrich

unus e tribus canonibus in vulgato Graeco deficientibus, nimi- rum canon apud Isidorum XVIII., qui incipit Januarius. exstabat in eo Graeco exemplo, ex quo sumpta fuit antiquis- sima eorunidem canonum versio hoc tomo edenda, nobisque conservata in memorato MS. 55 Gapituli Veronensis . . . (IQ, p. XXXI). Und später schreiben sie: Porro in laudato MS. Veronensi post praedictam Sjnodicam sine alio titulo sub- jiciuntur canones Sardicenses eodem ordine ac in vulgato Graeco, sed ex diversae originis Graeco exemplo ignota hactenus ver- sione traducti: inter quos enim canones unus exhibetur, qui etsi exstet in omnibus exemplaribus originalis Latini cum initio Januarius, in Graeco tarnen vulgato nequaquam legitur (III, p. XXXIX).

Mir scheint diese Folgerung der Ballerini nicht richtig zu sein. Denn ebenso gut könnte man sagen, dass der Januarius- Canon aus einer lateinischen Version in die des Theodosius eingeschoben wurde, eine Annahme, die sich durch die folgenden Jlrwägungen in der Tat nahezulegen scheint. Die sardicen- sischen Canones bei Theodosius sind aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt und stimmen deshalb sprachlich mit keiner anderen lateinischen Version. Nicht so ist es bei dem Januarius- Canon. Denn wenn er auch einige Besonderheiten hat, so stimmt er sonst sprachlich so sehr mit den lateinischen Versionen überein, dass an eine Übersetzung desselben aus dem Griechischen kaum gedacht werden kann. ^)

*) Es ist ähnlich wie mit der Caecilian -Version der nicäniscfaen Canones bei Theodosius. ,Sie ist von den andern Handschriften unab- hiinprr und entbillt zahlreiche kleine Abweichungen von ihnen« die ihr allein eifi^entümlich sind, die jedoch die Tatsache, dass überall die gleiche Übersetzung vorliegt, nicht berühren", Löning I, 450.

Die aardicenaiachen Aktenstücke des Theodosius Diaconus, 343

Isid. Yeron. Baller. UI, 525, n.78.

Januarius episco- pus dixit: Illud quo- que sanctitas uestra statuat, ut nulli epis- copo liceat alterius ciuitatis ecclesiasti- cum sollicitare et in sua dioecesi^) ordi- näre,*) quia ex bis contentionibus solent nasci discordiae, et ideoprohibetomnium sententia, ne quis hoc facere audeat.

Theodos. diac. Baller. III, 595.

Januarius episopus dixit: Et hoc dilectio uestra constituat, ne uUi liceat episcopo alterius ecclesiae ec- clesiasticum sollici- tare uel in parochia sua ordinäre. Omnes dixerunt: Maxime ex huiusmodi contentio- nibus consueuerunt nasci discordiae (et concupiscentiae) et ob hanc rem (ad desti- natas sibi clerici non pergunt ecclesias) om- nium sententia hoc prohibet fieri.

Dionys. Baller. III, 74.

Januarius episco- pus dixit: Illud quo- que statuat sanctitas uestra, ut nulli epis- copo liceat alterius ciuitatis episcopi ec- clesiasticum sollici- tare ministrum, et in suis parochiis ordi- näre. Uniuersi di- xerunt: Placet, quia ex bis contentionibus solent nasci discor- diae, et ideo prohibet omnium sententia, ne quis hoc facere au- deat.

Es hätte demnach der Übersetzer der griechischen Samm- lung ins Lateinische wahrscheinlich diesen Januarius-Canon aus einer lateinischen Version in die seinige eingefügt, wie er nach Maassen ja auch die nicänischen Canones nicht neu aus dem Griechischen übersetzte, sondern die Version des Caecilian von Carthago »mit einzelnen Abweichungen" in die Sammlung auf- nahm (oben S. 323).

^) In parochiis suis die anderen Codices.

*) Uniuersi dixerunt, das die anderen Codices haben, hier ausgefallen.

Zar Abkandliig toi änDbarker ^Dai mittflgr* Ffsfbkach^ Vgl. S. 861.

^'y*AfLmk*'^.4'i^!^J^^);^

AM / 'T" ' ff

Codex Escor, y^— lV-22, fol. 194^.

1908. Sitzgsb. d. pliilos.-philol. n. d. liist. KL Rcprod. ron J. B. Ob«ra«ftor. K«iieh«n.

345

Das mittelgriechische Fischbnch«

Von Kmmbacher.

(Mit siner T§UL) (Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)

I.

Die Überlieferung und literarhistorische Stellung

des Fischbuches.

Aus E. Millers Catalogue des Mss grecs de la bibliotheque de TEscurial, Paris 1848, S. 450, war ersichtlich, dass der Cod. Escor. !P IV 22 vulgärgriechische Poesien enthält. Die längst erwünschte Gelegenheit, Näheres über ihren Inhalt zu erfahren, bot sich mir, als im Jahre 1896 Herr R. Wünsch, Qiessen, nach Spanien reiste. Auf mein Ersuchen sandte er mir eine genaue Beschreibung des vulgärgriechischen Inhalts der Hs, die bald darauf unter dem Titel »Zur Escorial-Handschrift W -IV— 22« in der Byz. Zeitschr. 6 (1897) 158—163 veröffent- licht wurde. Es zeigte sich, dass die Hs ausser mehreren bekannten Stücken ein literarisches Unikum, ein mittel- griechisches Fischbuch, bewahrt. Nachdem ich auf diesen seltenen Fund in der Geschichte der byzantinischen Literatur* S. 884 Anm. 4 vorläufig hingewiesen hatte, war Herr C. de Boor, Breslau, so freundlich, im Frühjahr 1899 den kleinen Text für mich zu kopieren. Da jedoch, namentlich wegen der dunkeln und zum Teil verdorbenen Fischnamen, einige Zweifel übrig blieben, liess ich mir später durch Herrn C. Faulhaber, Wurzburg, noch eine Photographie des Textes besorgen. Allen

346 X". Krumbacher

drei Herren, die auf solche Weise zur Erreichung des Textes zusammengewirkt haben, sei fUr ihr liebenswürdiges Entgegen- kommen auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

Der Cod. Escor. !?— IV-^22, Papier, 228 Blätter, nach E. Miller saec. XV, in Wahrheit wohl saec. XVI, enthält eine von Demetrios Kydones verfasste Übersetzung der Schrift des hl. Thomas von Aquino über den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi, dann Auszüge aus Aristoteles, Augustin, Piaton u. s. w. (fol. 1 21). Mit fol. 22 beginnen die vulgärgriechischen Texte:

1. Eine von dem gedruckten Texte abweichende Redaktion des umfangreichen Romans Ljbistros und Rhodamne (fol. 22—193).

2. In diesen Roman scheint durch Blattversetzung ein anderes Stück eingeschoben zu sein, das ich leider nach den kleinen von Wünsch a. a. 0. S. 161 gegebenen Proben nicht zu identifizieren vermag.

3. Bruchstücke eines Prosatextes, einer ungedruckten Redak- tion des Porikologos (fol. 194); der Anfang des Stückes steht fol. 201^; es scheinen fol. 194 195 versetzt zu sein.

4. Ein zweites Prosastück, der Opsarologos (fol. 194^* —195^).

5. Der Pulologos (fol. 196^—201^). Auf fol. 20r folgt der Anfang des Porikologos, dessen Schlussteil fol. 194''""^ steht. Ursprünglich scheint also der Pulologos an erster Stelle ge- standen zu haben, an zweiter der Porikologos, an dritter der Opsarologos.

6. Über den Rest sagt Wünsch (a. a. 0. S. 163): ,Es folgen lauter Vogelerzählungen; inwieweit diese noch zu dem bereits bekannten Porikologos (soll heissen: Pulologos) gehören und inwieweit sie Neues bringen, kann ich nach meinen kärg- lichen Stichproben nicht mehr feststellen. Der Schluss ist fol. 213^ Z. 7: ejjiavaav rag vßgeig xal ueräg x^Q^^ ^^* juezdg rißidg inXrjQoyoav tov yäfxov xal ev(pQav&ivxa nai iyeQ&ivra xai i7if](p7]iLirjoavTa tov ßaodeav eincov 6jüio(p6v(og' elg nokXd errj

Das mütelgriecfUsche Fischhuch, 847

dionoxa xal oXxade ijiavteoav. Es folgt ein freier Raum von drei Zeilen, der Rest des Blattes ist weggeschnitten, die Rück- seite frei/ Es handelt sich offenbar um eine bisher unbekannte Prosaredaktion des Pulologos.

Nach den vulgärgriechischen Sachen folgen (fol. 214 228) noch einige religiöse Texte, ein ^E^ddiog v^vog elg rbv Xqiotov und ein Fragment der Passion. Vielleicht sind diese Stücke, wie auch der Anfangteil (fol. 1—21), erst später dem Codex beigebunden worden.^)

Wie sich aus dieser kurzen Analyse ergiebt, knüpfen sich an den yulgärgriechischen Inhalt der Hs noch manche Fragen. Xo. 2 und 6 müssten noch näher beschrieben bezw. identifiziert werden, Xo. 1, 3, 5 wären zu vergleichen und ihr Verhältnis zu den edierten Texten bezw. ihr Wert für die Texteskonsti- tution näher zu bestimmen. Hoffentlich finde ich bald Gelegen- heit, die Hs selbst zu studieren, um diese für die Geschichte der vulgärgriechischen Literatur nicht unwichtigen Fragen auf- zuklären. Heute muss ich mich auf das unter No. 4 ange- fahrte Stück beschränken.

Das Titel wort 'O S^faQoXoyoQt wofür natürlich 'O ^Chpago- loyog zu schreiben ist, ist von dem spätgriechischen oy^dgiov (ngr. V'^^O „Fisch"*) und Xoyog nach Analogie von ^vmoXoyog .Naturbuch, Naturgelehrter", IlovXoXoyog „Vogelbuch", IIoyQi- xoloyog „Obstbuch" gebildet und bedeutet also „Fischhuch". Den Inhalt des Werkchens bildet eine von Fischen und anderen Seetieren unter dem Vorsitze des Königs Wal veranstaltete

1) Die obige Inhaltsangabe beruht auf E. Millers Katalog und der oben zitierten Abhandlung von Wünsch.

^ Zur Bedeutungsgeschichte von oi/'ov vgl. die interessanten Belege bei Athenaeus VII 4 ff. Aus dymQiov wurde auch ein Familienname 'Oyanäg (, Fischer*) gebildet. Kedrenos ed. Bonn. II 621, 5. Georgios Akropolites ed. Bonn. 188, 21. Vgl. ed. Heisenberg (Bibl. Teubneriana 1903) I S. 178 Variante unter dem Texte. Zur Bildung vgl. H. Moritz, Die Zunamen bei den byzantinischen Historikern und Chronisten, I. Teil, Landsbut 1897, S. 16; TT. Teil, Landshut 189», S. 27.

348 E, Kruwibadker

Gerichtsverhandlung. Die magere Makrele wird einer Ver- schwörung gegen Seine Majestät angeklagt. Nach kurzer Untersuchung lässt sich König Wal von ihrer Schuld über- zeugen und schneidet ihr (im Griechischen ist sie männlichen Geschlechtes) den Bart ab und verflucht sie. Mit einer echt byzantinischen Akklamation der Fische an den König schliesst das Protokoll.

Wenn man die Absicht und die literarhistorische Stellung des Werkchens näher bestimmen will, so ist zunächst klar, dass es in die grosse Gruppe der mittelalterlichen Tier-, Pflanzen- und Steinbücher gehört. ^) Allerdings mit dem Hauptvertreter dieser Gruppe, dem Physiologus, hat es keine nähere Verwandt- schaft; denn sein wesentliches Kennzeichen, die religiös-sym- bolische Ausdeutung, fehlt. Auch mit den anderen mittel- griechischen Tierbüchern, wie den Erzählungen vom ehrsamen Esel, die sich als Bearbeitungen der Geschichte vom Keineke Fuchs erwiesen haben, zeigt das Fischbuch keinen engeren Zusammenhang. Dagegen haben wir drei andere mittelgrie- chische Texte, die nach Inhalt, Absicht und Einkleidung mit dem Fisch buch die engste Verwandtschaft aufweisen. Das sind die Kindergeschichte von den Vierfüsslern {Aiijyt]oig nai- di6(pQaoTog rwv TergaTTÖdcov ^coodv)^ das Vogelbuch ('O Hov- koXoyog) und das Obstbuch ('O II(OQi>coX6yog),^)

Das Vierfüsslerbuch, ein aus 1082 politischen Versen bestehendes Gedicht, gleicht einer vorausgreifenden Parodie der

^) In einer Zeit, in der die literarhistorisclien Querschnitte so beliebt sind, sollte, nachdem der Roman, der Dialog, der Mimus, die Biographie u. s. w. dargestellt sind, nun auch einmal das interessante, freilich unge- heuer ausgedehnte und zerklüftete Gebiet der allegorischen und satirischen Naturbücher in ihren Zusammenhängen mit der wissenschaftlichen Natur- kunde, der Kuriositätenliteratur, der Fabel, dem Sprichworte und in ihrer Wirkung auf die übrige Literatur und die bildende Kunst zusammen- gefasst werden. Ein hübsches Beispiel aus der lateinischen Literatur ist das »Testamentum Porcelli * (Petronii Satirae ed. Fr. Bücheier, Berlin 1895, S. 241 f.).

2) Über die Hss und Ausgaben dieser Werke vgl. meine Gesch. d. byz. Lit.2 S. 877 ff., 883 f.

Das mütelgrieekisehe Fisehbueh. 349

modernsten Weltfriedensidee. König Löwe, von seinem Hof- staat umgeben, yersammelt seine Untertanen und beschliesst, unter ihnen ewigen Frieden herzustellen. Der Plan scheitert aber an der unversöhnlichen Feindseligkeit der Tiere, die 43ich in langen Reden gegenseitig ihre Sünden vorwerfen; statt des ersehnten Friedens folgt eine blutige Schlacht der Fleisch- fresser gegen die übrigen Tiere. Das Gedicht stammt wahr- scheinlich aus dem Jahre 1356.

Das Vogelbuch, ebenfalls ein Gedicht in (650) reimlosen politischen Versen, enthält, wie die Vierfüsslergeschichte, eine Art Parodie der menschlichen Streitsucht. König Adler ver- sammelt alle Vögel zur Hochzeit seines Sohnes. Auf dem Freudenfest entspinnt sich ein heftiger Streit; er wird aber auf unblutige Weise durch heftige Schmähreden der feind- lichen Vögel ausgefochten; zuletzt gebeut der König Ruhe, und das Fest wird fröhlich zu Ende gebracht. Über eine Prosa- redaktion des Vogelbuches (s. o. S. 347) ist noch nichts Näheres bekannt.

Das Obstbuch unterscheidet sich von den zwei genannten Werken durch die prosaische Form. Wie jene an den modernen „Pacifismus" erinnern, so könnte man das Obstbuch zur neuesten Antialkoholbewegung in Beziehung bringen. Unter dem König Quitte versammeln sich verschiedene Früchte. Vor ihnen er- hebt die Traube gegen mehrere Beamte des Obstreiches die Anklage auf Hochverrat. Zeugenschaft leisten die Äbtissin Olive, die Hausverwalterin Linse, die Nonne Korinthe u. a. Herr Zwiebling dagegen schwört, die Anklage der Traube sei erlogen. Nun werden die Archonten und Hegemonen berufen; die Traube wird in der Tat der Lüge überführt und verurteilt, an ein krummes Holz gehängt, mit Messern geschnitten und von Männern getreten zu werden. Ihr Blut sollen die Menschen trinken, um ihren Sinn zu verlieren. Die Archonten klatschen Beifall und begrüssen den König mit der byzantinischen Akkla- mation: „Auf viele Jahre*. Ausser dem griechischen Texte ist eine serbisqh-slovenische Übersetzung und sogar eine tür- kische Bearbeitung des weinfeindlichen Stückes überliefert.

350 K, Krumhaeher

In allen drei Werkchen ist deutlich die satirische, paro- distische Tendenz bemerkbar. Gegenstand der Satire sind das vielgestaltige byzantinische Hof-, Beamten- und Titel wesen, fremde Völkerachaften, vereinzelt auch die römische Kirche und die Juden. Die obige knappe Analyse der drei Stücke genügt, um zu zeigen, dass das Fischbuch mit ihnen nahe verwandt ist. Der engste Zusammenhang nach Form und Inhalt besteht zwischen dem Fischbuch und dem Obstbuch. Beide Werkchen sind in Prosa abgefasst. Beide schildern eine hochnotpeinliche Verhandlung. In beiden handelt es sich um eine Verschwörung gegen den König. Nur der Ausgang des Prozesses ist ver- schieden. Im Obstbuch wird die Anklägerin Traube der Lüge überführt und mit schweren Leibesstrafen belegt; im Fisch- buch behalten die Ankläger liecht, und die Makrele wird wegen Hochverrats zu körperlicher Verstümmelung und Ehren- verlust verurteilt.

Die enge Zusammengehörigkeit der vier Parodien wird auch durch ihre Überlieferung bestätigt. Der berühmte Codex Vindob. theol. 244 bewahrt, neben vielen anderen Texten, die Vierfüsslergeschichte zusammen mit dem Pulologos und dem Porikologos und zwar den Pulologos und die Vierfüsslergeschichte unmittelbar aufeinander folgend (fol. 84 89; 90 98), den Porikologos durch einige andere Texte von ihnen getrennt (fol. 116 118). Im Codex Escor. V IV 22 fehlt die Vierfüsslergeschichte; dafür stehen hier die drei anderen Stücke (der Pulologos in einer doppelten Kedak- tion) und zwar unmittelbar neben einander. Die durch Blatt- vcrsetzung getrübte ursprüngliche Keihenfolge war offenbar: 1. Pulologos, 2. Porikologos, 3. Opsarologos, eine Folge, die der Bedeutung und dem Umfange der drei Werkchen ent- spricht. An vierter Stelle scheint die Prosaredaktion des Pulo- logos gefolgt zu sein.

Innerhalb der aus den vier Texten gebildeten Gruppe ge- hören, wie erwähnt, die zwei metrischen Stücke, das VierfÜssler- und das Vogelbuch, auch nach Inhalt und Charakter enger zusammen, ebenso die zwei Prosastücke, das Obst- und Fischbuqh.

Das mittelgrieckisehe Fischbuch, 351

Die Prosaredaktion des Pulologos bildete vielleicht eine Art Mittelstufe zwischen den beiden Gruppen. Das Verhältnis des Obst- und Fischbuches bedarf einer näheren Prüfung. Schon eine oberflächliche Yergleichung zeigt, dass das Obstbuch im logiseben Aufbau der Handlung, an Reichtum und Güte der Motive und vor allem in der Schlusspointe dem Fischbuch überlegen ist. Von störenden Unebenheiten des Fischbuches sei nur einiges hervorgehoben: Zuerst wird der Befehl ver- langt, dass die Archonten und Hegemonen erscheinen sollen; in Wirklichkeit kommen nur die ersteren. Nach Einberufung der Qerichtsversaramlung tritt neben Makrele und Sardine plötz- lich der noch gar nicht genannte Prätor Kabeljau als Mit- schuldiger auf. Der König fragt, ob Makrele wahr gesprochen habe, obschon sie noch gar nicht zum Worte gekommen ist. Recht unpassend ist auch, dass Graf Sardine, obschon er die Makrele durch sein Zeugnis ins Unglück gebracht hat, von dieser noch weiter freundschaftlich behandelt wird und ihr dann sein Mitgeflihl bezeugt. Dass das Fischbuch dürftiger ist als das Obstbuch, ist schon aus der Zahl der auftretenden Personen ersichtlich, die im ersteren nur 43, im letzteren 79 beträgt. Wie eng aber beide Texte verwandt sind, beweist nicht nur die grosse Ähnlichkeit des allgemeinen Ganges der Handlung, von der man sich durch Vergleichung der unten folgenden deutschen Übersetzung des Fischbuches mit der obigen Analyse des Obstbuches leicht überzeugen kann, sondern auch eine stattliche Reihe einzelner Motive und Ausdrücke, die beiden Texten gemeinsam sind. Vgl. die folgende Zusammenstellung:

Obstbnch Fisohbueh

(ed. Wagner, Carmina graeca (s. die unten folgende Ausgabe), medii aevi S. 199 ff.).

199, 1 ff. BaoilevovTOQ tov Baadevovrog tov TtavevdoSo-

navevdo^oxdxov Kvdcoviov 9cal rdrov Kyjxov xal SLv&vnaxevov-

^lyeiwyevovTog tov Tiegißkemov rog xov negißXinxov AeXfplvov,

Kagov, ovvedQtdCovxog dk 'Pco^ ovvedQidCovxog . . . KefpdXov

dlav xov Inixigyrj, . . . xov iTzixiQVTj. . . .

352

K, Krumhatker

3 MyjXov tov loyo^hov. . . .

4 'Podaxlvov xov Jigayroord- jOQog, . . .

5 ITioraxlov tov xalaagog

10 Ttagiorrj xal r} Zxdq?vXog ävayyiXovaa xavia. . . .

20 xazä rfjg ßaadelag aov uTOJia l7ntt]devovaiv. . . .

31 f. €v&vg dh i^ejirjöriae xal 6 xvQig KQOjXfxvdiog fiexä xox- xivrjg oxoX^g. . . .

33 xovg Xoyovg xovxovg Jigog xov ßaaiXea äTiexQtvaxo. . . .

35 fid xdv ddeXtpov fiovSxdg- dov . . . xal äveyfidv fxov xbv 'Pejidvtjv xal ov^iTiidegdv fiov Ilgdöov, . . .

44: o de ßaoiXevg Kvdwviog tq^t] ngbg xovg nageoxonag ' Zeßaoxe MagovXte . . . xal M v- xidiE nganoxa'&riinevE xov ßioxa- giov xal enag^ov (enag^c?) XgvooXdxavov. . . .

48 Ol xal xäg ß Xovg xga- xEize, xgivaxe Jigög iavxoifg, xa&cog 6 xvgiog (1. xvgig) Kgojn- juvdiog djiECf&ey^axo xäxivog yfEvdfj (verdorben)*,

ol dk eItiov „d) ÖEOTioxa ßa- oiXev KvdcüviEf xijv dixaiav xgi- oiv i^iXojüiEv, IxexEvofiEv ae xov jigoaxd^ai iXi^Eiv xovg ugxovxag xal {jyE/iovag.'^

rXaviov TOV loyo^hov, . . .

St<pl0V TOV 7igO}TOOTdTOg(K

(Hs: XoTogdTogog), . . .

Aaßgaxlov tov xaiaagog, . . .

xal ^X^ev ^ Svvaygida xal fl Aaßgaxoxovgva xal dvrjyyEi- Xav Tigbg xbv ßaoiXiav. . . .

IßovXevoavxo xaxd xrjg ßaoi- XEvag oov. . . .

evd^vg yovv iiejitjdtjaev xcu 6 xvgig *OfJLvdiog fietd /Aavgt^g axoX^g

Tovg Xöyovg änoxQiVOfjLtvog.

Md xbv dÖEXifov fxov xbv KaXafxdgiov xal xbv dvetptov fxov xbv Kxhiov xal xbv avpuiE- &eg6v fiov Tbv Fldyyovgov. . . .

6 dk ßaoiXsvg Kijxog ngbg xovg TiagEoxcoxag lq)ri' 2eßaoxi 2xdxe . . . xal Booxave ngo- xa&iifiEVE xov ßsaxiagiov . . . xal ^jiagxE Tovgva.

ot xal xdg ßißXovg xgaxeixe, xgivaxe jigbg avxovg, xa&vDg 6 xvgig *Ofivdiog Itf^iy^axo xoi iiexdaexe Tb dXrj&ig,

ol dk ehiov* *HfJLetg, (o dio- jioTa, del TT]v dixalav xgiair '^eXovTEg Xoinbv IxtievofJLh aoi TOV TcgooTa^ai xal iX&eiv TOvg ägxovrag xal fjyefjiovag.

Das mUielgriechiache Fischinuih.

353

Umg xai eioeX^övtcov icav ig- XOVTCDv nagloravtai xal oL . . .

80 TÖxe 6 ßaoiXevg Kvdwviog ojitHQlvaio fik ßiavlav fjteydXvjv xal fd 'dvfAov ixaxrjQa^ fieyd- IvDg TTjv Zxdtpvlov. . . .

89 xal äjiö roTxov elg toTxov vi fitjdh inoßyalvovv, xal äjid (pdxvrjy elg (päxvtjv vSl naqa- diovovv . . . xal xwlo&iag ygovow ek xa ndXfiaxa. . . .

100 ev'&vQ ovv ehiov ol äg- yoneg ^elg noXXä exrj, dlonoxa ßaadev Kvdcovie, elg noXXä

^rj. , , .

TiQoaxdSavtog ovv xov ßaai^ Xicog xal eloeX'&6vxa>v t&v &q^ xdvxwv nagloxavxo yovv oL . . .

äxovaag dk 6 ßaoiXevg Krjxog xal ÖQloag fietä &vßiov fxeyd- Xov . . . t6x€ xaxfjQaaaxo xov

TX^QOV, . . .

xal äjzd xXox^dxcov xal (bg xXox^dxo xal äjid ßqüifjuaglag fit] iyXvofjg. , . .

xal ev^vg xgd^avxeg ol l^- '&veg äna^ änavxeg elnav' Eig noXXä exrj, deonoxa!

In der ersten Hälfte der Erzählung stimmt der Porikologos mit dem Opsarologos mithin mehrfach auf längere Strecken fast wörtlich überein. Erst mit dem Beginn der feierlichen OerichtsTerhandlung gehen die zwei Texte völlig auseinander, um dann nur noch an drei Stellen (des Porikologos Z. 80, 89, 100) schwach aneinander anzuklingen. Dass ein genetisches Verhältnis zwischen den zwei Werkchen besteht, ist über allen Zweifel erhaben. Die Frage ist nur, welcher Text als das Original zu gelten hat. Wenn man die Stellen, wo P(oriko> logos) reicher ausgearbeitet ist als 0(psarologos) genauer ver- gleicht, so erkennt man, dass der Autor des 0 die etwas reicheren und langwierigen Ausführungen des P mit Absicht verkürzte und dabei weniger bekannte oder wenigstens zu seiner Zeit nicht mehr landläufige Titel und Würden unterdrückte. Dieser Modernisierung sind z. B. die charakteristischen Wa- rangen (56) zum Opfer gefallen und durch die farblosen Sekretäre und Leibwächter ersetzt worden. Die Aufzählung der Verwandten beim Schwüre (36 flf.) ist im 0 auf drei Per- sonen (BrudeV, Neflfe, Schwager) reduziert worden. Ein für

19Qa. Sltigsb. d. pbUoc-pliiloL a. d. hiai. Kl. 24

354 K, Krunibacher

eine richtige Oerichtsverhandlung unentbehrliches Element, die Zeugen, die im P ganz feierlich nach Name und Stand ein- geführt werden, erscheinen im 0 ganz unvermittelt beim Schlüsse der Verhandlung, ohne dass sie vorher auch nur erwähnt worden waren. £ine so ungeschickte Verkürzung und Vergroberung eines gegebenen Planes kann man dem Verfasser des Originals selbst nicht zutrauen. Für 0 ist sicher ein zweiter Autor verantwortlich, der den Grundgedanken des die Gerichtsverhandlung und Verurteilung unter dem Vorsitze des Königs, aus dem Reiche der Früchte auf das der Fische übertrug. Die Annahme von zwei Autoren wird auch durch sprachliche Differenzen unterstützt: P gebraucht die vulgäre Form tfcrdfot'v (Z. 65), 0 die regelmässige i^haoe (Z. 22), P sagt ixarrjQdfh] (Z. 81; 97), 0 iHaxrjQdoaTo (Z. 47).

Wenn sich der Autor 0 im allgemeinen Aufbau wie in vielen Einzelheiten eng an sein Vorbild anschloss, so hat er doch manches selbständig ei'funden. Fast ganz gehört ihm der zweite Teil des Berichtes, die Verurteilung der Makrele. Ziemlich erhebliche Abweichungen zeigen PO in ihrem wich- tigsten Elemente, in der Parodie des Beamten- und Titelwesens.

Gemeinsam sind PO folgende Amter, Titel, Funktionen u. s. w.: Baoikevg (ßaoilevcav) Ttavevdo^özttTog, ßaoileia (in P auch tj äyia ßaodeia), negißlemog (in P Beiwort des {lyt^io- vevcDv, in 0 des äv&vnaxevcov)^ owedgid^cov, imxiQvrjg, loyo- {^ET}]g, 7io(OTooTdT(OQ (iu 0 durch Konjektur hergestellt), xäioaot x6/ir]g, fiuQTVQFgt xvgig, deonoxrjg (vom König), naQ€Ot(buc, OFßaoi6gt ngoxa^/j/nevog (in P 7TQ(OToxa9rjßi€Vog) rov ßsaxiaglov (in P ßioingtox^)^ eTiagj^og, oi xal rag ßißXovg xQaxtixe, ägxoyv, ^ye/idv-

Nur in P kommen vor: fjyefJLOvevcov, TtQCoxovoxdQiog, noo}- xoßeaxidgiogf 71 gcüroßeXXiaijuog (lies (?) : ng(oxov(üßeUioifiog\ fäycig dgovyydgiog, fieyag ägx(ov, ygajußjiaxixol (= Sekretare), ngcDto- oißaoTogf jigMxooTiaddgiog, jigaxovxxcog (wohl verdorben aus 7igoTfxxü)ü\ dri^/uvtjxeoi (ob als Epithet gedacht?), xvgd ^yof- ßiht]f xvgd otxovojniaaa, xvgd xaXoygata, xovgojialdxtjg, xono- oxavlog, ßdgayyoi, 6 xou q^ovadxov xgixrjg, aaxeXXdgiog, al^div- T?/c (vom Kfinig), ol xgixai, fvyevtxog (vom König).

Das mittelgrieehisehe Fischbuch, 355

Nur in 0 finden wir: ävdvjiaTevcov , fxeyag do/iiariHog, AoyaQäg, Tiagaxoi/iKAßAevog, xaotQoqwXa^, ol vordgioi (durch Kon- jektur), ol Ttagdjuovai, jiQalrwQ.

Es sind also 19 Titel u. s. w. PO gemeinsam, 22 auf P, 8 auf 0 beschränkt. Der Autor von 0 hat mithin auch hier seine Vor- lage P nicht bloss verkürzt, sondern einiges Neue selbst erdacht.

Es bedarf keines weiteren Beweises mehr, dass 0 als eine von einem zweiten Autor stammende, wohl erheblich spätere Imitation von P betrachtet werden muss. Weniger sicher lässt sich die Entstehungszeit der beiden Werkchen bestimmen. Die durch das Alter der Hss gegebene Spätgrenze (16. Jahrh.) ist ohne Belang; denn erheblich älter sind PO sicher. In jener letzten Zeit des byzantinischen Reiches, in der die Landes- grenzen auf das Weichbild von Konstantin opel und einige Splitter in den Provinzen zusammengeschrumpft und damit die Kenntnis der Hof- und Staatsämter und das Interesse für sie dem allergrössten Teile des griechisch sprechenden Orients verloren gegangen war, sind unsere Parodien gewiss nicht geschrieben worden; sie setzen eine Zeit voraus, in der das oströmische Reich noch in einer erheblichen Ausdehnung und MachtfQlle bestand und sein komplizierter Beamtenapparat noch eine weitbekannte Tatsache war. Höher als in den Anfang des 13. Jahrhunderts dürfen wir aber nicht gehen wegen der allgemeinen Tatsachen der Geschichte der vulgärgriechischen Literatur. So gelangen wir ins 13. 14. Jahrhundert. Zu beachten ist, dass im 14. Jahrhundert (1356) wahrscheinlich auch eines der zwei verwandten metrischen Werke, der Pula- l^gos, entstanden ist. Die sprachlichen Eigentümlichkeiten ergeben keine sichere Basis; denn bekanntlich wurden die vulgärgriechischen Werke, wie man aus der Vergleichung der in mehreren Redaktionen erhaltenen Stücke sieht, vielfach, wenn auch nicht mit Konsequenz, modernisiert. Ausserdem hindert der geringe Umfang der zwei Werkchen und dei in beiden sichtbare Einfluss der Schule an sicheren Schlüssen.

24*

356 K. Krumbacher

Kurz, die sprachlichen Kriterien haben kaum mehr als eine negative Bedeutung: sie hindern uns nicht, die Originale von PO ins 13. 14. Jahrhundert zu setzen. Da nun P, wie oben gezeigt wurde, älter ist als 0, dürfen wir wohl P noch dem 13., 0 dem 14. Jahrhundert zuteilen.

Der im Escurialcodex überlieferte Text ist vielfach schwer verständlich, an einigen Stellen auch offenbar verdorben. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Herstellung und Er- klärung der zahlreichen Namen von Fischen und anderen See- tieren. Da sie teils dem alten, teils dem mittelalterlichen und neuen Wörterbuch angehören, habe ich alle Hilfsmittel bei- gezogen, die wir für die griechische Nomenclatur des Seegetiers vom Altertum bis auf die Gegenwart besitzen. Die durch ihre genauen Beschreibungen wertvollste Quelle für die Fischnamen und ihre Identifizierung ist des Aristoteles Tiergeschichte. Dazu der Index der Aristotelesausgabe der Berh'ner Akademie, dessen zoologischer Teil von Jürgen Bona Meyer und B. Langkavel bearbeitet ist. Für die Bestimmungsmethode der Fischnamen schöpfte ich reiche Belehrung aus der deutschen Übersetzung von »Aristoteles Tierkunde" von H. Aubert und Fr. Wimmer, 2 Bände, Leipzig 1868, und aus der unten genannten Abhandlung in den Proceedings von Philadelphia. Dazu kommen Aelians Werk IleQl ^c^mv Ididtr^Tog und als Spezialschriften das 7. und 8. Buch der Deipnosophisten des Athenaeus und das öde Lehrgedicht Halieutika des Oppianos. Viel Nutzen brachten des Xenokrates und Oalenos Schriften über die Wassertiere als Nahrungsmittel und besonders der ebenso durch umfassende Gelehrsamkeit als durch die schlichte Klarheit der Darstellung ausgezeichnete Kommentar zu diesen zwei Schriften, den wir dem grossen Chioten Ad. Koraes ver- danken: EevoxQOLXovq xal FaXrivov IIeqI xrjg änb x(bv hvÖQ(ov TQoq)rjg, Paris 1814. Seltsamer Weise ist dieses Buch, das in der auf die griechischen Fischnamen bezüglichen Literatur wohl die erste Stelle behauptet, von den neueren Bearbeitern des Gegenstandes, z. B. von Aubert -Wimmer, von den Autoren des Berliner Aristotelesindex, von Heldreich, Hoffman-Jordan

Das mUtelgrieehisehe Fiadibuch, 357

(s. u.) ignoriert worden; nur Bikelas (s. u.) hat das Werk seines Landsmannes benutzt.^) Auch andere Mediziner sind zu beachten, z. B. das Fragment des Markellos Sidites Ilegl ix9v<ov (bei Ideler, Physici et medici graeci minores, vol. I). Endlich bringt manches Material zu den Namensformen und den volkstümlichen Vorstellungen über die Seetiere die noch sowenig gesichtete und verwertete Weisheit der Kyraniden.^)

Für die byzantinische Zeit finden wir einige, zum Teil neue Namen in den leider zur Identifizierung wenig brauch- baren Notizen über die hygienischen und culinarischen Eigen- schaften der Seetiere in des Symeon Seth Büchlein ITegl xQo<p&y iwä/uecov, ') Auch in metrischer Form hat ein Byzan- tiner die Tiere beschrieben, Manuel Philes, in seinem über 2000 Verse umfassenden Lehrgedicht ITegl Ccofov IdiÖTrjxog, Während Oppian das heroische Versmass gewählt hatte, gab Philes dem bequemen byzantinischen Zwölfsilber den Vorzug.^) Als eine ganz unerwartete Quelle erwies sich das Klagegedicht des Theodoros Prodromos gegen die Abte.*) Wir erfahren aus ihm die im 12. Jahrhundert in einem byzantinischen Kloster meist beliebten Fische mit den damaligen volkstümlichen Namen.

Leider ergaben die aufgeführten Schriften wenig Namen- material, das nicht auch schon unsere Lexika wenigstens ver- zeichneten, und leider gar nichts für die Herstellung der völlig dunkeln oder verdorbenen Fischnamen im Opsarologos. Ausser dem Thesaurus und den Wörterbüchern von Passow, Pape,

^) Auch die Prolegomena der Ausgabe von Eoraes enthalten manche wichtige tmd namentlich in Anbetracht der Zeit der Publikation (1814) interessante Bemerkungen, z. B. über das dringende Bedürfnis eines guten Dgr. Wörterbuches (o«A. xa), Ober den literarischen Philhellenismus {X&') u. s. w.

*) Ich verweise auf die bei uns, wie es scheint, noch recht wenig bekannt gewordene Publikation griechischer Texte der Kyraniden mit französischer Obersetzung: F. de Melj, Les lapidaires de Tantiquite et da moyen äge. Tome II, fasc. 1— 2, et tomelll: Les lapidaires grees (avec coUaboration de M. Ch.-Em. Ruelle). Paris, E.Leroux 1898, 1899, 1902.

«) Vgl. meine Gesch. d. byz. Lit.« S. 615, 617.

*) Vgl. ebenda S. 775, 779.

*) Vgl. ebenda 8. 805 f.

358 K. Krumbadur

Jacobitz und Seiler habe ich für einige Vulgärnamen das Glos- sarium von Du Gange mit Nutzen beigezogen. Manche Auf- klärung, namentlich ftir die Identifizierung der Vulgämamen, brachten die neugriechischen Wörterbücher, besonders des Skar- latos Byzantios Ae(ix6v zijf xa&^ fjfAäi; iJiXijvixfjg diaüxrov, 3. Aufl., Athen 1874, und des A. Vlachos Ae^ocov 'EkXr^vO' yaXkixov, Athen 1897. Einiges auch in den Lexika von Legrand und llhousopulos. Recht arm an Fischnamen sind die kleinen Lexika von Kind und Petrares. Zum Zwecke der Identifizierung konsultierte ich auch wiederholt das „Deutsch- Neugriechische Handwörterbuch von A. Jannarakis*, Hannover 1S83, leider meist mit negativem Erfolg. Ein Beispiel: Ich wollte sehen, ob ror^^ra wirklich , Hecht" bedeutet, und schlug in diesem „unter besonderer Berücksichtigung der neu- griechischenVolkssprache'^ bearbeiteten Lexikon das Lemma „Hecht* auf. Ich fand 6 kvxog, 6 ioo$. Aber auf welchem neugriechischen Fischmarkte oder in welcher neugriechischen Haushaltung ist jemals der Hecht kvxog genannt oder gar der lateinische zoologische Terminus esox vernommen worden? Vom Verstehen gar nicht zu reden.

Weit mehr Nutzen als die erwähnten alten zoologischen Werke und die griechischen Lexika brachten einige wissen- schaftliche Abhandlungen über die griechischen Seetiere:

Eine nützliche auf eigenen Beobachtungen beruhende Zu- sammenstellung gab schon Dr. Erhard in seiner anregenden Schrift: Fauna der Cykladen. Erster Teil. Die W^irbeltiere der Cykladen. Nebst einem Anhange über deren Pflanzendecke. Leipzig, Voigt und Günther 1858.

Ebenfalls auf die Wirbeltiere beschränkt sich Th. de Held- reich, La faune de Grece. Premiere partie. Animaux vertebres. Athen 1878. Leider ist dem Verfasser die oben genannte deutsche Übersetzung der Tiergeschichte des Aristoteles entgangen.

Etymologische und dialektologische Beiträge zu der Schrifl von Heldreich gab D. Bikelas, Sur la noraenclature moderne de la faune grec(|ue, Annuaire de T Association pour Tencou- ragement des etudes grecques 12 (1878) 208 237.

Dm mütdgrieehisehe Fisehbu^h, 359

Die reichste Ausbeute gewährte eine Abhandlung, die an einem Orte versteckt ist, wo gewiss noch niemand Beiträge zur neugriechischen Lexikographie gesucht hat: Horace Ad- dison Hoffman and David Starr Jordan, A catalogue of the fishes of Greece, with notes on the names now in use and those employed by classical authors, Proceedings of the Aca- demy of natural sciences of Philadelphia 1892, S. 230— 285.^ Die Vorarbeiten von Aubert- Wimmer und Heldreich sind den Verfassern unbekannt geblieben.

Unzugänglich blieben mir: Jo. Büros, Ilegl tqiöjv Ix'&vodv mv ägxauov ovyyQatpicov, Athen 1840; Ed. deBetta, J rettili ed anfibi del regno della Grecia, Venedig 1868; Apostolides, La p^che en Grece, Athen 1883. Doch dürfte der daraus erwachsene Schaden nicht gross sein, da Bur&s und Betta von Heldreich, Apostolides von Hoffman -Jordan für ihre Listen benützt worden sind.^)

Mit Hilfe der angeführten alten und neuen Hilfsmittel habe ich die meisten Namen des Opsarologos wenigstens an- nähernd zu identifizieren und deutsch zu übersetzen vermocht. Eine vöUig sichere und genaue zoologische Bestimmung liess sich freilich nicht für alle Namen finden. Hiezu müsste ein naturwissenschaftlich geschulter Philologe oder ein Philologe zusammen mit einem Zoologen die griechischen Fischnamen auf den Fischmärkten der wichtigsten Städte feststellen und ausser- dem die Fischsammlung im naturwissenschaftlichen Museum zu Athen mit Rücksicht auf die heutige Nomenclatur studieren.^)

^) Ich verdanke die Kenntnis dieser wichtigen Arbeit dem unschätz- baren , Versuch einer Bibliographie der neugriech. Mundartenforschung* von G. Meyer, Wiener Sitzungsber. Band 130 (1894) IV S. 39.

^) Weitere naturwissenschaftliche Literatur ist im Berliner Aristo- telesindex S. VIII aufgeführt.

1 Mit Freude vernahm ich vor kurzem, dass der hochverdiente ^echische Mftcen Maraslis in Odessa zu seinen vielen patriotischen Werken die Gründung eines wissenschaftlichen Aquariums (es soll auf ^echisch hvÖQgiov genannt werden) in Phaleron zu fügen beabsichtigt. Kommt dieser schöne Plan zur Ausführung, dann wird auch das Studium der Fischnamen systematischer betrieben werden können.

360 K. Kfwkbaeker

Da die Fische zu den im Volke am besten bekannten Tieren gehören und wohl infolge dessen ihre alten Namen in weitem Umfange erhalten haben, so wäre eine derartige um&ssende Studie auch für die genauere Bestimmung der zahlreichen nocli dunkeln alten Namen von grösster Bedeutung.^) Dann müssten aus den Wörterbüchern (z. B. Passow, Pape, Jacobitz und Seiler) endlich Erklärungen verschwinden wie ^avvayglg ein Meerfisch S „xeqyalog Meerfisch mit grossem Kopf' u. s. w. Junge griechische Philologen könnten sich durch solche Studien ein höheres Ver- dienst erwerben als durch die übliche Anhäufung neuer Konjek- turen zu alten Autoren. Vor allem sind derartige spezielle Vor- arbeiten unerlässlich, damit ein wissenschaftliches neugrie- chisches Wörterbuch, eine Aufgabe von grösster nationaler Bedeutung, endlich einmal in Angriff genommen werden kann.') Manchem Leser wäre vielleicht auch ein Kommentar zu den im Fischbuch vorkommenden Ämtern und Titeln erwünscht Darauf musste ich verzichten. Das zum Verständnis Nötige findet man im Glossar von Du Gange, in Zachariae von Lingen- thals Geschichte des griechisch-römischen Rechts und anderen Werken, die ich nicht ausschreiben wollte, um über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse hinauszukommen, wäre eine völlig neue, tiefgreifende Untersuchung nötig; sie könnte aber nicht mit Beschränkung auf die in unserem Texte ge- nannten Termini, sondern nur im grossen Zusammenhange des gesamten römisch-byzantinischen Amter- und Titelwesens geführt werden.^) Für eine solche Arbeit habe ich jetzt nicht Zeit und für sie wäre in dieser bescheidenen Ausgabe auch kein Platz.

*) Vgl. Heldreich a. a. 0. S. 78, und Aristoteles Tierkunde, deutsch von Aubert und Wimmer, Bd. I, S. 57. Welche Vorsicht jedoch bei der Benützung der heutigen Namen für die Identifizierung der alten geboten ist, lehrt das Beispiel von ßeXövtf. Vgl. Aubert und Wimmer a. a. 0. S. 125.

*) Ich wiederhole mich hier. Vgl. Das Problem der ngr. SchrifV- Bprache, München 1902, S. 126. Aber an diese grosse nationale Pflicht können die Griechen gar nicht oft genug gemahnt werden.

^) Wie untunlich es ist, sich hier auf einen beliebig gewählten zeit- lichen öder sachlichen Ausschnitt zu beschränken, zeigt deutlich das letzte Wort auf diesem Gebiete, die Dissertation von Paul Koch, Die byzantinischen Beamtentitel von 400- 700. Jena 1903.

Das mittelgriechisehe Msehbuch, 361

U.

1. Text der Escarialhandschrift.

'O 'Oy^agoloyos» foL 194^

BaoiXevovTog tov naverdo^oxäTOV Ki^tov xal äv&VTtarevoviog tov 7i€QißXijnov Aei.q)ivov, awedgid^ovrog de 'Ogxvvov tov fjieydXov öouEoxixov, Eicplov tov TiQCOToardxoQog, KetpdXov tov inixegvrj, ^r]oaiov tov Xoyagäf Aaßgaxiov tov xalaagog, Flaviov tov Xoyo&eTov, 2vaxlov tov naQaxoifxwfiivov xal 'OoTgeidiov tov 5 xaargoqwXaxvg

xal ^X^ev i5 2vvaygida j xal fj AaßgaxoTOvgva xal dvYiy- fol. 195»^ yeiXav ngbg tov ßaoiXiav, Sti 6 TXijgog 6 Xeixpa^ovyyiog fiexä Tgi^iov TOV xojurjTog ißovXevoavTO xaTct Ttjg ßaaiXelag oov, äxovoag Ös 6 ßaaiXevg KfJTog ehze ngbg tr/v Svvayglöa' Wevöibg lo ävfiyyeiXeg, JSvvaygida, ngbg Tfjv ßaaiXelav /Jiov.

euMg yovv i^em^dtjoev xal 6 xvgig *Ofivdiog fJLerd juavgrjg oxoXrjg Tovg Xöyovg änoxgivöfievog' Mä, tov ädeXg)6v fJLov tov KaXafxdgiov xal Tbv ävetpiöv fxov tov Ktbviov xal Tbv av/me- &€g6v fjtov Tbv Tldyyovgov , äXrjd'CÖg E(p7j fj 2vvaygida xal fj 15 AaßgaxÖTOvgva ngbg ttjv ßaoiXeiav oov.

6 di ßaoiXevg KfJTog ngbg Tovg nageoTonag ecprj' Zeßaaxe ZTdxe xal Ovwa xal f BSoxave, ngoxa&ijfjLeve xov ßeoxiagiov, t Bagoafiixov[ivB xal Inag^e Tovgva, "Yoxa xal ^iXö/jirjXa, *A&egTva xal Tgvyöva, *Plva xal Bdxe, ot xal xdg ßißXovg xga- 20

Abweichende Lesung der Handschrift (von itazistischen Fehlem und falschen Akzenten ist nur notiert, was in irgend einer Beziehung von Bedeutung sein könnte): Titel '0 oxpaQoXoyog \\ 2 TxsX<plvov \ ogxivov |, 3 :iQ(OTootdtoQog] XoTogatagog | 4 yfijaiov \ xeoaagos \\ 5 otaxiov ; ootqo- iiw II 7 XavQ<v<6xovQva || 12 dfAldiog Ü 16 XavQanoxovQva |! 19 iiax^ | (pM- fwla \ 20 XQiyatva \\

362 K. Krumbaeher

Jette, HQlvare jiQog ainovg, xad(bg 6 xvgtg *0/jtvdiog iq^ey^oxo, xai l^exdoere x6 äXrj^ig,

ol dk ehiov' 'Hjueig, (b dionoxa, iel rt^v dixalav x^iv ^eXovreg Xoinov Ixerevofih ooi tov ngoaxd^ai xal iX&eXv toiv 25 ägxovrag xal fjyefiövag,

TiQoard^avxog ovv rov ßaoiXi(og xal elaeX^ovxmv rcbv igxov-

T(ov naQioxavxo yovv ol roxägioi xal ol nagdßiovai, 6 Kovßldig

xe xal FaXea, ^ Zagydva xal ^ TExyagig, ij "EyQaifXtj xal ^

fol. 195^ Kovx^ovgTva, fj Äaxigxa xal 6 Av^vog, ' Sxognidtv, 6 *Ayta'

30 xöaxvXog, xd Zavgtdiv, x6 *AxiXi xal fj *Oafiag(da.

xal Tigooxd^ag 6 ßaoiXevg Kfjxog S<pegav xbv T^fjgov fietä xXoxCdxcov xal f xv/ijiavioxgicüv, äXXä dt] xal xov ngaixoga Ma^bv xal Tgi^eov xov xd^rixa xal axa&evxeg elg xd fieaov o xe Tgix^og xal 6 MaCog ehiav xd dXtj&hg, öxi 6 TXfjgog nagib^vvev fifiäg. 35 eine de ngog avxovg 6 ßaoiXeug Kfjxog' *AXri&a>g ehuv 6

T^YJgog ö Xeitpa^ovyyiog, 8xi fj Zvvayglda {xal) fj Aaßgaxoxovgva y>evdcbg ävijyyeiXav xrjv ßaoiXelav aov;

exga^av xal ebiav ol judgxvgeg, öxi fxäXXov xpevdibg ivfiy- yeiXev 6 TCfjgog xfj ßaoiXelq, oov. iO äxovoag de 6 ßaaiXevg Kijxog xal dgioag ßAexä t^vjtwv

jtieydXov ijcpeQav tpaXidiov xal exoxpe xd yeveiov xov T^ijgov xal eßaXe (pojvi]v fieydXrjv fiexd xXav&fxov 6 TXijgog xal ehiey' \AvdüefJLd ae, Zvvaygida, xal dvd'^efxav xd yevog oov, xal ijidgag xd yeveiov avxov ijirjyev xal Idei^ev xo xdv ädeX(p6v xov xov 45 Tgixiov, Kai Idibv avxdv exXavoev Tiixg&g xal ddvvrjgibg xal eljie' 0ev xd xl ejia^ev 6 ädeXq)6g fiov 6 T^rjgog,

xöxe ixaxrjgdoaxo xdv T^fjgov 6 ßaoiXevg xal elnev' 'Ajid xov TiTcoxov xd oxojLia ßii] iyXvaijg, T^fjge, xal ^ re/ijj oov vd erat avxd, xd Xeyovv (pöXiv, xal ojid xXoxCdxayv xal cog xXoxCdxo 50 xal äjid ßgcofÄiageag jlit] lyXvof^ig, TCfjge, T^rjge!

xal ev&vg xgd^avxeg ol Ix&veg äna^ änavxeg ehiaV Elg noXXd exTj, deonoxa!

21 Sfiidiog 22 i^haoe | 23 ei Sk ehiov \\ 24 f. zovg ägz(ov ! 27 oi rovoLQioi \ 29 ftovrCovQi^va | dvtaxoaxv^^ I 30 oatpQtdrfv ', oafiagida 33 tqi- XaiMV I XQiHEoyg 34 fidl^og i| 36 nal habe ich erfifänzt \\ 45 xQtxoXov \ 66vvi}' Qog 48 eyXvoig 49 xXox!^diov xai d>g xXorCcLTco , 50 iyXi/jatg.

Das miitelgrieehisehe Fiachhuch, 363

2. Deutsche Übersetzung. Das Fischbuch.

unter der Regierung des allerdurchlauchtigsten Walfijsches und unter dem Prokonsulat des hochansehnlichen Delphins, unter dem Beisitze des Grossdomestikos Thunfisch, des Proto- stators Schwertfisch, des Mundschenken Meeräsche, des Schatz- meisters Scholle, des Eaesars Meerwolf, des Logotheten Wels, des Kammerherrn Steinbutte und des Schlosshauptmanns Auster

da kamen der Zahnfisch und der Wolfhecht (?) und ver- meldeten dem König: ^ Makrele, die fettlose, und Graf Sardine haben sich gegen Deine Majestät verschworen." Als König Wal das vernommen hatte, sprach er zum Zahnfisch: „Falsch hast Du, o Zahnfisch, meiner Majestät vermeldet **.

Da sprang sogleich Herr Miesmuschel im schwarzen Wams hervor und erwiederte also: „Bei meinem Bruder, dem Tinten-* fisch und meinem Neffen Kammmuschel und meinem Schwager Krabbe, wahrheitsgemäss hat der Zahnfisch und der Wolfhecht zu Deiner Majestät gesprochen**.

Nun sprach König Wal zu der Versammlung: „Sebastos (Erlauchter) Hummer und Thunfisch und Du, Obergarderobier t Boskanos, Du f Barsamos-chumnos und Du, Gerichtspräsident Hecht, Du Stör und Seebarbe, Aehrenfisch und Stachelroche, Meerengel und Punktroche, die Ihr auch die Gesetzbücher bewahret, erwäget bei Euch, wie Herr Miesmuschel gesprochen hat, und untersuchet die Wahrheit**.

Sie nun sprachen: „Wir, o Herr, wollen stets ein gerechtes Urteil und flehen Dich also an, zu befehlen, dass die Mag- naten und Oberrichter kommen!**

Als nun der König befohlen hatte und die Magnaten ein- getreten waren, stellten sich zur Seite die Sekretäre und die Leibwächter, Gründling und Neunauge, Meernadel und Squillen- krebs, Sardelle und Stumpfroche, Stöcker und Himraelschauer, Drachenkopf, Hundsstör, Stachelmakrele, Aal und Stint.

Und auf Befehl des Königs brachte man die Makrele mit Fusstritten und KnüttelschLägen, dazu auch den Prätor Kabeljau

364 JL Krumba^Aer

und den Grafen Sardine, und nun traten Sardine und Kabeljau vor und bekannten die Wahrheit: Makrele hat uns aufgewiegelt*.

Nun sprach zu ihnen König Wal: «Hat Makrele, die fettlose, mit Recht behauptet: ,Zahnfi8ch und Wolfhecht haben Deiner Majestät falsch vermeldet?^ "^

Da riefen die Zeugen laut: „Vielmehr hat Makrele Deiner Majestät falsch yermeldet*.

Da König Wal das hörte, befahl er in grossem Zorne, eine Schere zu bringen und schnitt Makrele den Bart ab. Und Makrele erhob unter Wehklagen ein grosses Geschrei und sprach: «Fluch Dir, o Zahnfisch, und Fluch Deinem Geschlecht*. Und sie hob ihren Bart auf und ging und zeigte ihn ihrem Bruder Sardine. Und da er ihn sah, weinte er bitterlich und schmerzlich und sprach: «Wehe, was ist meinem Bruder Makrele begegnet!'

Darauf verfluchte der König die Makrele und sprach: «Des Armen Munde sollst Du nicht entgehen, Makrele, und Deine Ehre (auch = Dein Preis) soll sein, was man einen FoUis nennt, und den Fusstritten auf Fusstritte und dem Gestank sollst Du nicht entgehen, Makrele, Makrele'.

Und sogleich riefen alle Fische zusammen: «Auf viele Jahre, o Herr!*

Mit Absicht folgt die Übersetzung, die eine aiisführlichere Erklärung ersetzen soll, dem Original ganz wörtlich. Daher habe ich auch das unbeholfene Gestammel des Griechen ohne Ketouche wiedergegeben und darauf verzichtet, durch künst- liche Mittel den durch die Verschiedenheit des Genus der Fisch- namen im Deutschen entstehenden Widerspruch zu beseitigen, öo mag man den «Herrn« Miesmuschel und die mit einem l*art ausgestattete Makrele entschuldigen. Der Grieche hat sicli einigemal geholfen, indem er Neutra ganz frei zu Mas- aürrV^'''''^'^^''*^ CO/^^'^^«^» KaXa^Ädgio^, Kxivio^, Kovßidi,); '.nZr.yir^^^^''' ^'^^^'^) is* als Masculinum gedacht. Bei nur ?m a T '"^ ^'' ^""^^^ ^^^^''^^ vermieden, dass sie Aber die r vorkommen (Wfjooiov, AaßQaxiov u. s. w.).

ihrer PorniT 1 ^"^ Feminina und Neutra hat der Autor in Männern besteh^rd^'gel'actt^^ Gerichtsversammlung als aus

Ba8 nnUelgrieehMehe Fischhuch. 365

m.

Bemerknngen zum Texte.

Hier werden folf^ende Abkürzungen gebraucht:

Apostolides Apostolides, La pßche en Grece, Athen 1883 (nur durch Vermittelung von HoflFman- Jordan benützt).

Aristotelesindex = Aristotelis opera edidit Academia regia Borussica. Vol. V. Index Aristotelicus. Berlin 1870. Auf die schon bei Hoff- man- Jordan verwerteten Stellen des Aristotelesindex habe ich nicht mehr verwiesen.

Aubert-Wimmer Aristoteles Tierkunde. Kritisch berichtigter Text mit deutscher Übersetzung, sachlicher und sprachlicher Erklärung und vollständigem Index. Von H. Aubert und Fr. Wimmer. Zwei Bände. Leipzig, W. Engelmann 1868. Die Zitate beziehen sich auf Bd. I.

Bikelas Sur la nomenclature moderne de la faune grecque par D. Bikelas. Annuaire de TAssociation pour Tencouragement des ^tudes grecques 12 (1878) 208^237.

Erhard Fauna der Cykladen. Von Dr. Erhard. Erster Teil. Die Wirbeltiere der Cykladen. Leipzig 1858.

Heldreich La faune de Gr6ce par Th. de Heldreich. Premiere partie, Animaux vert^br^. Athenes 1878.

Hoffm an -Jordan A catalogue of the fishes of Greece, with notes on the names now in use and those employed by classical authors. By Horace Addison Hoffman and David Starr Jordan. Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia 1892, S. 230—285.

Ideler Physici et Medici Graeci minores ed. J. L. Ideler. 2 voll., BcrUn 1841-1842.

KoraesXenokr. SevoxgdTovs xai raXrjvov TIsqI trjg cbio tc5v evvSqcov xQotpij^. Ed. A. Koraes. Paris 1814.

Kyraniden F. de M^ly, Las lapidaires de Tantiquitt^ et du moyen-ä-ge. Tome IL Paris 1898-1899 (s. oben S. 357).

366 K. Krumhacher

Legrand E. Legrand« Dictionaire grec moderne fran9ais, Paria 1^.

0 = Opsarologoa (vgl. S. 361).

P -- Porikologos (vgl. S. 348).

Prodromos Theodoros Prodromoa Gedicht gegen die Äbte ed. Legrand, Bibl. grecque vulg., vol. I (Paris 1880) 52-76.

Rhousopulos Rhousos A. Rhousopulos , Wörterbuch der neugrie- chischen und deutschen Sprache, Leipzig IdOO.

Seth Simeonis Sethi Syntagma de alimentonim facultatibua edidit BernharduB Langkavel. Bibliotheca Teubneriana. Leipzig 1868.

Vlachos Angelos Vlachos, Ae^inov 'ElXijvoyaXXixöv, Athen 1897.

Zeile 1. KrjTov, Bei der Wahl der vulgären Genetivendung 'Ov spielte wohl auch die Absicht mit, das Krjxog als Masculin zu personifizieren. Noch im vulgärgriechischen Physiologus (ed. Legrand, Annuaire de TAssociation pour Tencouragement des et. gr. 7 S. 251 f.) ist xfjzog nach der alten Weise dekliniert {IIfqI xov xi]Tovg). Zu 6 yivog, 6 'däggog u. s. w. vgl. Hatzi- dakis, Einleitung in die neugr. Gr. S. 354 ff.

Z. 2. 'Oq}{i'vov. Aubert- Wimmer 137 halten des Aristo- teles oQHvveg, über deren Identität mit oqxvvoi (Nom. 6 ÖQxtn'Os, z. B. Aelian I 40, Athenaeus VII 98, Koraes Xenokr. Index s. v.) kein Zweifel zu sein scheint, für unbestimmbar. Meine Über- setzung „Thunfisch" beruht auf Sostratos bei Athenaeus VII 66 und Hoffman-Jordan S. 256. Nach Apostolides besteht der Name noch heute in der Form oQKvvog, In den neugriechischen Wörterbüchern und bei Erhard und Heldreich fehlt der Name.

Z. 3. jiQcoToordroQog statt des ganz unsinnigen überlieferten XoxoQinaQog wird durch P Z. 4, wo der 7iQ(DTooTdToyQ ebenfalls in der Eröffnungsformel vorkommt, sicher gestellt. Die ursprüng- liche Form ist das in den byzantinischen Geschichtsquellen übliche jigonooTodKoo (wie orgaTcoo); aus ihr hat sich, wobei wahrscheinlich sowohl dissimilatorische Neigung als Anlehnung an 'OTUTijg u. s. w. mitwirkten, die bequemere Form jtqwto^ OTUTWQ gebildet. Einen steinernen Beleg der Form bietet die neulich von G. Soteriades, *EjiETf]oig rov UaQvaaoou 7 (1903) 211, edierte metrische Inschrift des Michael Zorianos (um das

Das miUelgrieehische Fisckbuch. 367

Jahr 1300). Über die Bedeutung des Wortes vgl. Du Gange s. T. üiQixiOQ^ der jedoch die sichere Nebenform TtQoyxoaxdxioQ nicht erwähnt. Die Verderbnis unserer Hs ist vielleicht durch Falschlesung der abgekürzten Schreibung aardroQog entstanden.

Z. 3. Ks<pdXov. Vgl. Seth 59, 15 ff. Manuel Philes, De anim. proprietate edd. Lehrs et Dübner V. 1623 ff. Heldreich 82. Hoffinan-Jordan 250 ff. Vlachos s. v.

Z. 3. Tov biLxeQvr}, Durch Anschluss an inl-'xeQdvvvjLLi (vgl. 6 btl TOV xegdofiaxog) volksetymologisch gräzisierte Form des älteren niyxeQvrjg (aus lat. pincema). Vgl. Du Gange s. v. myxiQyrjg.

Z. 4. WTjaoiov, Bei Seth 123, 15 ff. und anderen Späteren die nur orthographische Variante y^tjoiov. Daher auch ngr. besser mit Vlachos yjtjooi, nicht mit Legrand xprjol zu schreiben. Vgl.Aubert-Wimmerl44f. AthenaeusVII139. KoraesXenokr.48 u. ö. (s. den Index s. v.). Prodromos V. 99, 163, 236, 426, 433, 573. Hoffman-Jordan, Index s. v. iprjxxa,

Z. 4. Xoyagä, Das nirgends bezeugte Wort ist offenbar unmittelbar von koydgiv (Geld) nach Analogie von C^vagäg (zu CfovaQiv) u. s. w. gebildet, eine vulgäre Kurzform des offiziellen byzantinischen Xoyagiaaxi^g (xfjg avkfjg) mit gleicher Bedeutung.

Z. 4. Aaßgaxlov, Ngr. xo Xaßgdxi, Vgl. Aubert- Wimmer 134. Aelian ed. Hercher I 30. Athenaeus 86. Seth 63, 5 ff. Prodromos V, 87. Manuel Philes a. a. 0. V. 1813 ff. Erhard 87. Heldreich 80. Hoffiuan-Jordan 259.

Z. 4. rXaviov. Die Form setzt den sonst nur noch in den Kyraniden S. 106, 10 belegten Nominativ yXdveog voraus. Die alten Formen sind yXdvig, -idog -log -ecog. Als neugriechische Formen werden ykdvog, yXavög, yovXiavög, yXavldi notiert. Vgl. Aubert- Wimmer 126. Aelian XII 14. Koraes Xenokr. 78; 210. Heldreich 89. Bikelas 227. Byzantios s. v. yovXiavog, Über die I)eutung als Wels (franz. silure) vgl. Aubert- Wimmer 126 und Hoffman-Jordan 241. Legrand übersetzt, ich weiss nicht warum, yXdvog mit „carpillon aux yeux rouges".

i

368 JT. Krumbather

Z. 5. Zvaxiov. Agr. ava^. Das Deminutiv avAxiov z. B. bei Seih 100, 5 fiPl Ngr. avdxi. Nach Ylachos, Legrand, Rhou- sopulos = Steinbutte. Die Gleichung ovdxi = oeXaxi (Roche) bei Bikelas 229 ist demnach unrichtig. Bei Heldreich und Hoffman-Jordan fehlt das Wort.

Z. 5. *OaTQ£idiov. Vgl. Aristotelesindex s. v. öatgeov. So sehr bei der Herstellung vulgärgriechischer Texte, wo nicht selten wohlberechtigte Formen korrigiert werden, strenger Kon- servatismus geboten ist, so kann doch mit Sicherheit gesagt werden, dass das überlieferte ootQodlov unmöglich richtig sein kann. Es handelt sich um ein in alter wie neuer Zeit gemein- « griechisches Wort, in dessen Formen das -o- unerklärlich wäre. In den Beispielen bei Hatzidakis, Einleitung S. 340, handelt es sich durchwegs um Komposita. Die Brücke zwischen agr. ooxQEiov, SoTQEov Und ngr. axgeidi kann nur ootgeidiov sein.

Z. 7. Hvvaygida. Die ovvaygk, die in unseren Wörter- büchern noch immer in unverdienter Anonymität fortlebt (im Thesaurus „piscis nomen", darnach bei Passow, Pape, Jacobitz und Seiler u. a. „ein Meerfisch*), lässt sich so gut wie vöUig sicher bestimmen. Es ist der dentex vulgaris, Zahnfisch, dente. Vgl. Aubert- Wimmer 140. . Heldreich 185. Hoffman-Jordan 267. Vlachos s. V.

Z. 7. AaßQaxorovQva. Klar sind die Elemente {lAßga^ Meerwolf xovQva Hecht), nicht aber die Bedeutung des sonst nirgends belegten Wortes.

Z. 8. TCfJQog. Das schon bei Prodromos V. 199 vor- kommende Wort (xal xCiQovg dexanivxe) bedeutet heute die kleine getrocknete Makrele. Koraes Xenokr. 82, 210 erklärt das Wort aus agr. xriglg oder xiQig, Vgl. Koraes, "Atanra I 74 (über TOiQog = siero del latte, aus xiggog), Dr. Amantos ver- mutet Zusammenhang mit itjgog (Zurückziehung des Tones durch Substantivierung und f > ra wie in k^dxpXoiov > raanphy Mir nicht wahrscheinlich. Heute ist die Schreibung xoi}goQ üblich. Vgl. Byzantios s. v.

Z. 8. keiii^a^ovyyiog. Das mittel- und neugriechische Wort für „Fett* entstammt der latein. > Wagenschmiere*, «axungia*.

Das mitUlgrieckische Fischhuch, 369

Vgl. Du Gange s. v. ä^ovyyiov. Die ngr. Form ist ^vyyi. Unser Kompositum ist Hapaxeiremenon, hübsch gebildet nach Wörtern wie keixpoaiXtjvov, Xeiy^d'^gti, Xelxpavdqog. Über das von solchen Wörtern neugebildete Adjektiv Xeitpög = iilEiJiTJg ?gl. Hatzidakis, BZ. 2 (1893) 253.

Z. 9. Tgixiov, Dem alten tQtxlag steht ngr. tgtxidg ähnlich gegenüber wie xoxXtag zu xoxXiögj xoXlag zu xoXiög (Amantos). Unser Gknetiy jgtxiov setzt eine Zwischenform 6 tgixiog voraus, die in 0 selbst Z. 33 (xQixicog geschrieben) und in den Eyra- niden S. 272 belegt ist {TPIXE02, im Index wohl unrichtig ^iieog statt xQixiog akzentuiert). Ylachos bietet als ngr. Formen ij TQixla, 6 TQixiag» 6 tgixiog, Legrand nur 6 tqix^^\ ^i© wahre volkstümliche Form ist aber wohl nur TQixiog. Zur Bestimmung vgl. Aubert-Winmier 141. Hoffman- Jordan 243.

Z. 12. 'Ofivdiog. Dem agr. fAvg ,, Miesmuschel*' (vgl. Aristo- telesindez s. v.) steht ngr. rd javöi (in der gleichen Bedeutung) gegenüber. Als mgr. Form zitiert Du Gange aus £ustathios Od. J 89 oßivdiov, offenbar nur falsche Schreibung für djuvdiov, das bei Seth 81, 11 (rd dk Xeydfisva dfAvdia) richtig steht. Das Wort steckt auch im Kompositum iaxQeidofivdijl^ia bei Prodro- mos V. 344. Zum prothetischen o- vgl. Hatzidakis, Einleitung S. 329. Im Fischbuch ist öfiiöiov zur Verdeutlichung der Personi- fizierung masculinisiert wie 6 KaXafidqiog, 6 Kteviog, 6 Kovßidig, Z. 14. Kreviov. Vgl. Aubert-Wimmer 178. Seth 81, 8. Prodromos V. 345. Heldreich 84. Bikelas 226. Hoffman- Jor- dan 271. Es ist nicht klar, ob das Wort im 0 die Eammmuschel oder xyrichthys bedeutet. Vlachos, Legrand, Rhousopulos notieren für xxivi (sehr. ;uT€rt) nur die erstere Bedeutung.

Z. 15. ndyyovQov. Nasalierte Form des Wortes, das so- wohl agr. als ngr. gewöhnlich ndyovQog lautet. Eine strenge zoologische Bestimmung kann ich nicht geben. Aelian VI 31 betrachtet die ndyovQot als Seetiere; vgl. IX 43. Nichts hilft zur Bestimmung Athenaeus VU 108. Seth 83, 15 betitelt ein Kapitel flegl nayoiQuov^ beginnt UayovQia ijzoi xagxivot und unterscheidet dann sowohl See- als Yluss-xagxivoi, Dagegen unterscheidet Galen (s. den Thesaurus s. v.) die ndyovgoi von

1M8. aiUgsb. d. philos.-philo]. o. d. hist Kl. 25

370 JT. Krumbaeher

den xaQxiroi. Prodromos V. 342 stellt sie mit den doraxoi zusammen: ^oraxobg xal cüqdo. nayovgia. Im Aristotelesindei wird ,p Cancer pagurus* übersetzt. Für die entsprechenden ngr. Wörter werden verschiedene Bedeutungen angegeben: niyovgo; heisst heute nach Ylachos pagure, poupart (Taschenkrebs), nach Legrand aber homard; nayovgi nach Ylachos [crabe] tourteau (Taschenkrabbe), nach Legrand ecrevisse de mer, nach Rhou- sopulos Seekrebs, nach Byzantios cancre, poupart, pagurus. Eine übertragene Bedeutung von nayovgi ist Feldflasche.

Z. 18. 2!t(ixe. Die genaue Bedeutung des alten doroxoc scheint nicht völlig sicher zu stehen. Der Thesaurus übersetzt „homard*. Ebenso Aubert-Wimmer 152. Aristotelesindex: homarus sive astacus marinus. Vgl. Seth 25, 3 ff. Kyraniden S. 104 und 267. Das ngr. oiaxdg bedeutet nach Vlachos eigentlich die langouste, wird aber gewöhnlich falschlich Yom Hummer gebraucht. Legrand notiert nur die letztere Bedeu- tung, Byzantios: homard, ecrevisse de mer (la grande). Ganz falsch ist die Erklärung von Du Gange „piscis ex aspratilibus', wie schon der Zusammenhang zeigt, in dem das Wort in der von Du Gange angeführten Stelle des Prodromos (V. 342 ed. Legrand) steht: 6^ ßÄt] tpcofxitCiv xal xgaoCv, araxohc xal (bgtjä nayovQia. Die überlieferte Akzentuierung ZxdxB beruht wohl auf dem Bestreben, das Wort zum Eigennamen zu stempeln und htängt mit der bekannten Zurückziehung des Akzents bei der Substantivierung von oxytonen Adjektiven zusammen. Freilich ist in 0 Z. 84 auch jndCog (dagegen Z. 32 juaCdv) akzentuiert.

Z. 18. evvva. Vgl. Aubert- Wimmer 128. AelianXV3-6. Athenaeus VII 63 ff. Hoffman- Jordan 254 ff. Bezüglich der wahren ngr. Bezeichnung des Thunfisches herrscht in der Lite- ratur einige Verwirrung. Nach Heldreich 81, Bikelas 226, Hoffman-Jordan a. a. 0. ist sie xovviva oder roviva; dagegen notieren Vlachos und Legrand S &vvvog, Vlachos ausserdem Torroc, Logrand rj 'dvvvrj und xovira. Da aber Jannarakis s. V. Thunfisch als Vulgärformen nur xovvvog, xovvviva notiert wird man fhvvvoc:, {^vvv}] im Ngr. wohl als reine mots savant^ ansehen dürfen.

Das mittelgrieehische Fischbuch. 871

Z. 18. f B6axav€. Weder die zoologische Literatur noch die Lexika brachten mir eine befriedigende Lösung des Rätsels. Anastasieviö zog einen angeblichen ngr. Fischnanien ^fwaxdgi' 9 Meerkalb'* bei, den ich nicht kenne und in den Lexika nicht finde. AmantoB und Salomon verglichen agr. ßooxdq^ nach Dioskorides (s. den Thesaurus) ein klebriger Fisch.

Z. 19. f Bagoa/xixov/i^vs. Mir völlig dunkel. Nach dem Zusammenhang scheint in BdQoafie ein Amt zu stecken. Xovfivog ist ein byzantinischer Familienname, und man könnte vermuten, dass er von einem seltenen Fischnamen genommen sei. Amantos meint, vielleicht stecke im zweiten Wortteile der agr. Fisch- name x&wog (auch x6yvv\^ ;|rdvva; s. den Thesaurus).

Z. 19. inaQxe. Über die Stellung des Eparchen als Gerichts- beamten vgl. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griechisch- römischen Rechts* (1892) S. 365 ff.

Z. 19. TovQva, „Hecht*. Fehlt auffallender Weise bei Erhard, Heldreich, Hoffman- Jordan. Bikelas 230 zitiert das Wort aus einer alten Reisebeschreibung von Belon. Dagegen wird TovQva mit der Bedeutung „Hecht** (brochet) überein- stimmend von Ylachos, Legrand, Rhousopulos gebucht. S. die Notiz zu Z. 7.

Z. 19. ''Yaxa. „Stör* (?). An das Wort knüpfen sich ver- schiedene Fragen. Ln Thesaurus wie auch bei Du Gange er- scheint voxa mit der doppelten Bedeutung „Zunder** und „ein Fisch", der bei Du Gange nach Martinus Bogdanus als „Stör** definiert wird, ich weiss nicht, aus welchem Grunde; denn die Hauptstelle, das Kapitel Ilegl voxaq bei Seth 111, 10 ff., ge- währt keinen genügenden Anhalt für diese Übersetzung, deren Richtigkeit auch Eoraes Xenokr. 205 bezweifelt. Bei Erhard, Heldreich, Bikelas, Hoffman -Jordan fehlt das Wort. Eine weitere Frage ist, wie sich voxa „Zunder" zu vaxa „Stör" Terhält. Da auch lat. „esca" im Sinne von „Zunder" belegt ist, kann man vermuten, dass das griechische Wort in der Bedeutung „Zunder" aus dem Lateinischen genommen und also (mit Vlachos) ^oxa zu schreiben sei. Darnach ist bei Pro- dromos V. 99 und 426 voxag st. To;^«^ zu schreiben, wie schon

25*

372 K, Kfumbadker

Koraes a. a. 0. andeutet Das ox in dieser Schreibung wie in der des 0 (Escor.) (^o^a) beruht auf derselben Inversion wie vax<i in einem Codex des Seth a. a. 0.

Z. 19. 0ii.6fxriXa. Nach dem Thesaurus ist (pdofii^ia = xoxxv^ (piscis). Seth 118, 6 ff. hat die Form ipikofiißti, £me grosse Rolle spielen als leckere Klosterkost die tpdofirila und (fikofAfiXitlia im Gredicht des Prodromos (V. 87, 168, 236, 433, 574). Byzantios notiert <pdofirila espece de rouget. In den anderen ngr. Wörterbüchern und bei Heldreich u. s. w. fehlt das Wort. Den abweichenden Akzent in 0 wollte ich nicht ändern.

Z. 20. ^A^EQlva, Agr. A&eQiva und ä^egivj]. Nach den Wörterbüchern ein „schlechter, grätiger Fisch*, Aubert-Wim- mer 124 übei-setzen: atherina hepsetus. Ebenso der Aristoteles- index. Das Wort ä^egiva scheint noch heute volkstümUch zu sein. Vlachos notiert als Bedeutung ^perlan, Legrand halvet, ej)!, Khousopulos Ahrenfisch. Heldreich 82 bietet nur die Formen ä^^egirög und ä&egvog = atherina hepsetus. Hoffinan- Jordan 252 f. nur ä^egha mit derselben Erklärung wie Held- reich. Prodromos V. 176 erwähnt ßieydXaig äd-egiraig,

Z. 20. Tgvyova. Agr. rgvyciv, 6vog Turteltaube; Stachel- roclie. Vgl. Markellos Sidites Ilegl rgvyovog etc. (Ideler I 135 ff.). Manuel Philes IIeqI rgvyövcov 'äalaoolcov, De anim. propr. V. 1832 ff. Kyraniden S. 119. Hoffman-Jordan 235 ff. 240. In den ngr. Lexika fehlt TQvydvi in der Bedeutung , Fisch'; nur Byzantios notiert (eldog xpagiov) lie Agaxovi und s. v. dgaxövi: dragon de mer, Tgvyaw (17 ^alaoala) CÖky y^evoco, äVf xa&üjg Xeyei 6 raCfjg, övofidCstai xal tjyv arjjuegov äxo/itrf Igvyovi) raie (la venimeuse). Damach wäre also xgvydvi in der Bedeutung , Fisch* wohl volksetymologisch zu dgaxon geworden. Dass aber die Form jgvyova noch heute von einem Fisch gebraucht wird, bestätigt, worauf mich Amantos hin- weist, Protodikos, ^Ad/jvaiov 8, 285: ^xgvydva, ovtü} xaX^tai ir IJugcp xal ^LjuvQvtj elöog xi oekaxiov'*^ (also eine Rochenart). Auch Apostolides (bei Hoffman-Jordan 240) führt aus Faros diesen Fischnamen an, doch in der schriftsprachlichen Form xgvyihv.

Das mittelgriechische Fischbuch. 373

Z. 20. 'Piva. Aubert- Wimmer 147. Athenaeus VE 112. Koraes Xenokr. Index s. v. Bikelas228: §lva (ngr.) raja flos- sada. Ho£fman -Jordan 236: §lva (ngr.) squatina squatina. Bjzantios: §iva . . . raie (boucl^e), ange, angelot. Ylachos, Legrand, Rhousopulos geben nur ^ivrf (§ivi) = Feile.

Z. 20. Bäte. Vgl. Aubert- Wimmer 145 f. und 147. Athe- naeus VII 26. Koraes Xenokr. 196 ff. Ngr. 6 ßdxog und t6 ßaxL Bjzantios s. y. ßdxog: raie, ronce (Stachelroche). Hoffman- Jordan 237 f.

Z. 21. 7iQ6g avxovg ist wohl reflexiv = ngög iavxovg zu

fassen, ähnlich wie Z. 44 atfxov im reflexiven Sinne gebraucht ist.

Z. 24 f. Tovg ägxovxag xal fiyefiovag. Vgl. Du Gange s. v.

Zu den äQxovxeg auch Zachariae von Lingenthal, Qesch. d.

griechisch-römischen RecTits' S. 265, 267.

Z. 27. voxaQioi. Zur Not könnte man das überlieferte xovdotoi als eine volksetymologische Metathese von voxdgioi betrachten. Über voxdgiog = ygafAfjiaxevg vgl. Du Gange.

Z. 27. ol nagdfiovai. Scheint eine volkstümliche Mascu- linisierung statt al nagafxoval (Leibwache). Vielleicht hat der Autor ol jiagdßAovoi geschrieben.

Z. 27. Kovßidig. Agr. xcoßiog mit dem Demin. xwßldiov Gründling. Vgl. Aubert-Wimmer 134. Athenaeus VII 83. Seth 59, 21 ff. Prodromos V, 574 (xcoßidia). Eine sonst unbe- kannte Form in den Kyraniden S. 112, 7: Ilegl KQBIQN fjxoi KOBENQN (daraus im Index fälschlich ein Nominativ xoßEvg ou '^oßiog), Heldreich 86. Hoffman-Jordan 274 f. Als ngr. Form geben Vlachos und Legrand yovßldi, Heldreich ycoßiög und y^oxoßtdg^ Apostolides (bei Hofiinan-Jordan) xcoßiog und ycoßiog. Zur Form 6 xovßidig vgl. die Notiz zu Z. 12.

Z. 28. FaXia, Agr. 6 yaleog und t) yaUrj. Aubert-Wim- mer 146. Koraes Xenokr. Index s. v. yakeög und yaXea. Pro- dromos V. 574. Ngr. ij yaXeid Neunauge. Heldreich 91. Bikelaa 228. Hofiman-Jordan 234.

Z. 28. Zagydva. Agr. CcLoydvrj angeblich gleich oagydvrj. Thesaurus. Vgl. auch Du Gange s. v. Cf^gydvrj^ und Koraes Xenokr. S. 206. Ngr. ^ C^igydva Meeraadel. Vlachos. Legrand.

374 R, Krumbacher

Vgl. Hoffinan*Jordan 249. Das Verhältnis zu oagylvog und aagydg ist unklar.

Z. 28. ^ExyaQiq. Zur Deutung des Wortes hilft agr. xaw; Squillenkrebs. Vgl. Auberi^ Wimmer 152 f. Seth 60, 6 ff. Koraes Xenokr. 191; 193. Kyraniden S. 112; 306. Hoffman-Jor- dan 269 übersetzt xaglde^ richtig mit »shrimps". Ngr. yaoida crevette, ^crevisse, Krabbe, Flohkrebs (Vlachos, Legrand, Rhou- sopulos). Unklar bleibt nur die Vorschlagsilbe ix.

Z. 28. ^Bygavlt}, Offenbar = agr. SyyQavXig, ecog. Suidas: äq'vr]. ^ Ttagd tüjv jioXXdyv Xeyo^hvi iyygavXig. Koraes Xenokr. 168 f. Prodromos V. 98: fyygavXonaoxoqxiyov. Amantos ver- mutet Zusammenhang mit yavgog^ was in Kephallenia ,eine kleine Sardelle* bedeutet. NeoeXX. ^AvdXexra 2, 186.

Z. 29. KovT^ovgiva. Wohl komponiert aus xourCoc (xov- raog) = stumpf, verstümmelt und dem Fischnamen giva (s. c), nicht etwa aus x, -f- gig, giv6g; also etwa Stumpfroche. Das Wort fehlt aber in den Wörterbüchern und der Hilfsliteratur und ist also zoologisch nicht bestimmbar. Ein altes Kompo- situm von giva ist givoßaxog.

Z. 29. Aaxegia. Ein offenbar nur zufallig früher nicht belegtes (wenigstens im Thesaurus, bei Kumanudes, Sophocles, Du Gange fehlendes) lateinisches Lehnwort. Lacerta heisst ausser Eidechse auch ein der Makrele ähnlicher Seefisch, Stöcker. Ngr. Xaxigda thon sal(S. Vlachos. Xaxigda et Xaxiidga thon marinö. Legrand. Vgl. Koraes Xenokr. S. 60.

Z. 29. Avxvog. Agr. und ngr. in derselben Form. Held- reich 81 erklärt: Uranoscopus scaber. Näheres bei Hoffman- Jordan 272, wo das Wort, wohl ohne Grund, Xixvog geschrieben ist. Vgl. Koraes Xenokr. S. 69. Vlachos erklärt Xvxvog rat de mer.

Z. 29. 2!xogmdiv, Schon agr. oxognlog und axognk be- deuten ausser „Skorpion* auch einen Fisch (vgl. Aubert- Wim- mer 140), ebenso ngr. axogmog, axognlva und axögnaiva = scorpaena scrofa. Heldreich 86. Hoffman-Jordan 274. Vlachos s. V. oxöpTiaiva.

Das müiehjriechisclie Fisciibuch, 375

Z. 29. 'AvtaxooxvXos. Nirgends zu belegen und zoologisch nicht bestimmbar. Das Wort ist offenbar Kompositum aus ävraxmog (sturionum maxima species, acipenser huso. Thesaurus) und axvlog. Zur Schreibung -axtilog vgl. die Notiz S. 372 oben. Zum Begriff «Hund** in Fischnamen vgl. ngr. oxvlörpaQov chien-marin (Hundshai). Heldreich 91. Hoffman- Jordan 233 f. Z. 30. ZavQldiv. Zu agr. aavqog^ über den Athenaeus YU 120 handelt; auch oavglg, tdog, nach Suidas sldog Ix^dtoif, aavQog de 6 lx;dvg. Die Deminutivform schon bei Prodromos V. 222: yu^ vavgio xäv aavglöiv. Ngr. aavgldi saurel, Vlachos, Legrand; Stachelmakrele, Khousopulos; Trachurus trachurus, Hoffman-Jordan 257.

Z. 30. 'Axeit. Ngr. gewöhnlich t6 xiXi (agr. iyxii'Biov). Zur Erklärung des prothetischen a- vgl. Karl Foy, Griechische Vokalstudien, Bezzenbergers Beiträge 12 (1886) 38 ff.; Hatzi- dakis, Einleitung S. 325 ff. Vgl. Hoffman-Jordan 244 f.

Z. 30. *OajiAaQida, Agr. ij ofxaQig, löog „pusillus quidam piscis* etc. Thesaurus. Auch Aubert- Wimmer 140 geben keine sichere Bestimmung. Spätere Form fiagig z. B. Kyraniden S. 115; 270. Im Ngr. besteht die Form ajuagida neben /ixagida, Vlachos übersetzt picarel (= Stint), Legrand fretin, petit poisson, Khousopulos Stint. „Smaris vulgaris C. Sfiagida ou Magida (collectif pour toutes les especes)". Heldreich 85. Aehnlich Hoffman-Jordan 267. Vgl. Aubert-Wimmer 140. Zum pro- thetischen o- vgl. die Notiz zu Z. 12.

Z. 32. xXorCdTcov. S. Du Gange s. v. xkoT^äv, Die Ety- mologie ist, m. W., nicht gefunden. Vielleicht besteht irgend ein Zusammenhang mit it. calce, calza, wozu die Bedeutung («calcibus ferire*) gut passen würde. Orthographische Vari- anten sind xlan^cb, xXanacb. Dagegen beruht die Schreibung mit -öT- bei Prodromos V. 385 (ed. Legrand S. 66): nojg xorg- toi/fovv ißjLvoara xal xqovoiv xal xkiooTara (Hs: xkomdra) wohl auf einem Versehen des Schreibers und es ist xloTodia in den Text zu setzen.

Z. 32. TVfjmavioTQiayv, Diese Form als Gen. PL von tv/u- navirngia , Paukenschlägerin'' zu fassen, verbietet der Zusammen-

376 K, Krumbacher

hang. Zur Not könnte die Form als Gen. Plur. (mit Yer- schleifung) eines Substantivs * rvßmavlarQiov (etwa = rvfimi' via flog) erklärt werden; doch ist eine solche Bildung oline rechte Analogie und wenig wahrscheinlich. So wenig nun auch die überlieferte Form befriedigt, so bedenklich ist es« tiefer eingreifend zu ändern und etwa xvßiTidvayv, rv/jmavuffim oder Tvfjuiaviofxdxoiv zu schreiben. Leichter ist über die Be- deutung des Wortes ins Klare zu kommen. Wie die ursprüng- liche Form auch gelautet haben mag, das Stammwort xipi' navov ist hier offenbar nicht als Musikinstrument, sondern in jener schmerzlichen Bedeutung zu verstehen, die z. B. Lukian im Sinne hat, wenn er {Kaxanlovg fj TvQawog Eap. 6) xok ix tvßÄTzdvov nennt. Dass der Begriff , Prügeln* auch später noch mit Tvjümavov und tvjLmavlCü) verbunden wurde, zeigen die bei Du Gange angeführten Stellen.

Z. 32. MaCöv. Ein lehrreiches Beispiel dafür, welche Raritäten im ngr. Wortschatze verborgen liegen. In der alten Literatur konnte ich trotz allem Suchen keinen anderen Beleg finden als die schon im Thesaurus verzeichnete Stelle des E pi- charm (bei Athenaeus VII 119): ovvaygldag fia^ovg re m^v- ödoj'idg t' ^Qv^QOTioixUovg.

Bei Kumanudes, Sophocles, Du Gange und in den von mir benützten ngr. Wörterbüchern fehlt das Wort, und so stellte ich schon Betrachtungen über die Quelle an, aus der 0 das Epicharmische Wort geschöpft habe. Da stiess ich in der unerschöpflichen Fundstätte der alt- und neugriechischen Ichthyologie, im Xenokrates des Koraes (S. 86) auf den Nach- weis, dass fia^ög in der ngr. Volkssprache wenigstens noch zur Zeit des Somavera^) (also um 1700) als Fischname gebräuchlich war. Vielleicht besteht er dialektisch noch heute. Das alte

^) Die ungeheuere Seltenheit des unentbehrlichen Wörterbuchea von Somavera, das z. B. ich trotz zwanzigjähriger Bemühung mir nicht ver- schaffen konnte, trägt die Schuld, dass das in ihm gesammelte Sprach- material in der Foiachung viel zu wenig benützt wird. Leider kann ich es gegenwiirtipf auch nicht einsehen, weil es durch einen tückischen Zufall iu unserer Staatsbibliothek nicht zu finden ist.

Das mittelgriechisehe Fischbuch, 377

fiaCdg wird, wohl ohne genügende Gewähr, mit /mCtvtjg und fjiaCiag identifiziert und darnach „eine Art Kabeljau' übersetzt.

Z. 48. iyXvofjg. ^EyXvco wird im späteren Mittelalter in demselben Sinne , entrinnen* gebraucht wie heute (und auch schon damals) tyXvrcivco, yXvr(ov(o, Das letztere Wort kommt aber auch in transitiver Bedeutung „erretten* vor, z. B. im Spruche: 'Av fxe yXvxcborjg, vd, ßdXco rd Ifxdxidv aov, Krum- bacher, Mittelgr. Sprichwörter, München 1893, S. 83. Einige Beispiele für yXvoj zitiert Du Gange unter dem in yXvco zu korrigierenden Lemma yXvCco. Ebenso ist dortselbst das Lemma ylncovo) in yXvx<&v(o zu bessern. Zur Erklärung der Formen Ygl. Koraes, "Araxra 1 (1828) 294 f.; 2 (1829) 92 f. Chatzi- dakis, Uegl qy&oyyoXoyMwv vö/bicov, Athen 1883, S. 6. Über seine gegenwärtige Ansicht schreibt mir Ghatzidakis: /H yvcö/urj fiov eirat, Sri yXvr(6v(o nQorjX'&ev Ix rov jüteoaicovixov evXvröco xnl Tov ägxalov iyXvo), o xal arffAtgov hi Xeyexai SyXvaa, yXvaco, ijxoi evXxndct) (l)ßXvxcov(o + yXvco = yXvxcovco xaxä ovjUfptyQoiv'* .

Z. 49. g?6Xiv. Sowohl die Schreibung <p6Xig als die dem lateinischen foUis folgende g?6XXig ist berechtigt. Über diese und andere Formen des Wortes vgl. Du Gange und Sophocles. Der (oder die) FoUis ist in der ganzen byzantinischen Zeit als kleinster Münztypus (Heller) sprichwörtlich. So sagt Prodro- mos V. 555: xal negnaxib xal TiQoaaixcb xal cpöXiv ov Xajußävco. ^gL ebenda V. 272. Ein mgr. Sprichwort lautet: Olxovojutij&r] fj 'Ayla 2oq)ia fxk xfjg (poXiov x6 Xddiv, Krumbacher, Mgr. Sprichwörter S. 123; 192.

Z. 50. ßgcofiiagsag. Auffalliger Weise wird hier ^ ßgco- fiiaoia wie ngr. ^ ßq&fAa als Subst. = „Gestank'* gebraucht. Bei Prodromos steht die Form zweimal adjektivisch und zwar wie im 0 vom Übeln Fischgeruch:

xal t6 TtaXafitddxofifAav xal ff iWi^a fj ßgcofiiagea (V. 102). fj TiaXa/budav fj axav/umglr i} ^vvvav ßgco/niageav (V. 223).

Dazu noch als Masc.-Neutrum ßQcojLudgrjv, was aber richtiger ßqiüiudgiv geschrieben würde: äonaoxgov, ä^voxov, oaxXov,

378 K, Krumbacher

ävdXarov, ßgcojuudQfjv (sc. ^wydHOfifwv) (V. 225). Das ngr. Substantiv fi ßgeoßjia ist Postverbalbildung von ßgc^fub (TgL Hatzidakis, Einleitung S. 95). Andere ngr. Bildungen sind ßgco/ilCo), ßQWfuajuivog (schon bei Prodromos V. 321 iWmiy rriv ßQcoßiiaßiivrjv)^ ßgoo/xegdg u. s. w. Nirgends ist, soweit ich sehe, die schwankende Orthographie des Wortes näher geprüft worden. In der ältesten Hauptstelle, Aristoteles Tiergeschichte 6, 173 wird das Wort mit a> geschrieben (es heisst dort Tom brünstigen Hirsche: xal ßgoy^äxai äoneg ol rgäyoi). Dagegen bieten die Ausgaben an den zwei Stellen der LXX ßgoßio; (Job VI 7 ßgS^ov ycLQ ögci rd aiid fiov djaneg doßiijv Xiovxo; und Joel U 20 xal ävaßijoeTai ^ oangta amov xal ävaß^aexai, 6 ßgößiog airrov). Bei den Späteren aber herrscht wieder die Schreibung mit a>. Vgl. den Thesaurus, Sophocles, Du Gange, Bjzantios. Da es sich zweifellos um dasselbe Wort handelt, ist die Durchführung einer einheitlichen Schreibung geboten. Zunächst wäre zu untersuchen, wie es sich an den Stellen bei Aristoteles und in der LXX mit der handschriftlichen Über- lieferung verhält. Auf grund der Etymologie scheint eine Entscheidung nicht möglich.

Berichtigung. S. 355 Z. 8 ▼. u. ist statt: der Pulologos zu lesen: das Vierfusfilerbuch.

Das miUelgTieehMche FisMmeh,

379

Register.

Dio Zalilon bexiefaen sich anf dio Seitoo.

Ämter, byzantinische 854 f., 860.

Akzent 870.

Fuche, Autoren über 856 ff.

Koraes 856 f.

Kydones Demetrios 846.

Kjraniden 357.

Lexika, griecbische 857 ff.

Lexikographie, neugriechische 3G0.

Ljbistros und Rhodamne 846.

Maraslis 359, Anm. 8.

Phjsiologus 848.

Porikologos 846, 848 ff.

Pulologos 346 f., 348 f.

Thomas von Aquino 346.

Titel, byzantinische 354 f., 860.

Vierfösslerbuch 848 f.

Warangen 358.

a- prothetisch 875.

aOegtra, d^egirog u. s. w. 372.

arxcLx6oxvXog 875.

aQxorxts 373.

aoxoHdi 370.

hi^ 875.

t ßagoafiexovfive 871.

ßdxog 873.

t ßooHarog 371.

ßQ<o/i& u. 8. w. = ßgofAKo 877.

yalia, yaX€<k u. 8. w. 873.

Y^dvsog, yXdvog u. s. w. 867.

yXvo}, y^vrcüvco 877.

yovXiavög s. ylaveog.

dganovi 872.

eykvfo, iyXvr(ov(o 877.

eygavXrj 374.

exyagtg 374.

exagxog 371.

InixsQVTjg 867.

^aQydva 873.

fjaxa 871 f.

^wa 370.

taxa 371.

xaglg 374.

xEtpaXog 367.

xfjtog, 6 366.

xXox^dxov 375.

xXmaxdxa emendiert 375.

xoßevdg (?) 373.

xovßidig, xcoßidg u. s. w. 873.

xovx^ovQiva 374.

xxivtov 869.

Xaßgdxtoy 867.

XaßgaxoxovQva 368.

Xaxigxa, Xaxegda u. s. w. 874.

Xeitpa^ovyyiog 868 f.

XoyaQäg 367.

Xvxvog 874.

ixa^og 376.

380

K, KrumhaekeTf Da» miUelgrieMMhe Fischbueh.

/iagig, fiaglda 375.

fivdi 369.

voxdgioi 373.

o- prothetisch 369, 375.

dfivdiov 369.

Sgxvvog, dgxvvoq 366.

60/iaßida 375.

dcTQEldiov 368.

'OyfaQäs 347, Anm. 2.

^yfov 347, Anm. 2.

Jidyyovpoff = jidyovQog 369 f.

nagdfiovai 373.

jr^eoToordra)^ U. ;r^a)ro0T^dr€o^ 366 f.

Qiva 373.

oavQidiv 375.

axoQxi^iv 374. ofjiaßlQ 375. OToxdff 370. avaxiov 368. awayßida 368. rf^^of 368. toviva, xowlva 370. rov^va 371. TQtxeog = TQixidg 369. T^vydva 372. TVfixaviaxßtov (?) 376. vaxo 371 f. qtMfAtfla 372. ^d>le;, ^pojliliff 377. xfnjaoioVf yftfooi 367.

Inhalt.

Seite

1. Die Überlieferung und literarhistorische Stellung des Fisch- buches 845

II. 1. Text der Escurialhandschrift 361

2. Deutsche Übersetzung 363

III. Bemerkungen zum Texte 365

Register 379

381

Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte.

Von W, Christ.

(Vorgetragen in der phiIo8.-pliilol. Klasse am 13. Juni 1903.)

Die Reihenfolge, in der wir heutzutage die Gedichte des Theokrit lesen, war nicht die gleiche in den älteren Ausgaben und noch weniger in den Handschriften. Auch die Zahl der Gredichte war, selbst abgesehen von dem erst neuerdings durch Chr. Ziegler aus dem Cod. Ambrosianus 75 (c) ans Tageslicht gezogenen 30. Qedicht, nicht zu allen Zeiten die gleiche. Die Zahl von 30 Gedichten und die jetzt in den Drucken befolgte Ordnung rühren von der Ausgabe des Henr. Stephanus, 1566, her; in den vorausgehenden Ausgaben las man teils mehr, teils weniger Gedichte: die älteste zu Mailand 1480 erschienene Aus- gabe hatte 18 Nummern, die Aldina 30, 36 die von dem Griechen Kalliergos besorgte römische Ausgabe von 1516. Es kommt mir nicht in den Sinn, an der jetzigen Ordnung etwas zu ändern, so ungeschickt sie auch zum Teil ist. Derartige Änderungen erhöhen nur die Unordnung und erschweren die Benützung; aber es lohnt sich doch Einblick in den Ui*sprung der Ordnung und die dabei befolgten Gesichtspunkte zu erhalten. Dieses um so mehr, als mit der Ordnung und Zahl der Gedichte auch die schwierigen und verwickelten Fragen über die Echt- heit der einzelnen Gedichte zusammenhängen. Zur Losung dieser Fragen, deren Schwierigkeit in unserer Zeit durch die zunehmende Kühnheit und Willkür der Kritiker erheblich ge- wachsen ist, müssen freilich in erster Linie andere Dinge, die

382 W. Chnst

Eigentümlichkeiten der Sprache, die Besonderheiten der metrischen Kunst, die Anzeichen der Nachahmung, herangezogen werden, aber eine Rolle und eine nicht unbedeutende spielt dabei auch die Stellung und Reihenfolge der Gedichte in den verschiedenen Ilandschriftenklassen. Dabei lässt es mir die Schwierigkeit der Sache erwünscht erscheinen, nicht im Zusammenhang und gewissermassen abschliessend von der überlieferten Ordnung der Gedichte Theokrits und seiner Nachfolger zu handeln. Ich ziehe es vor, die Hauptfrage in mehrere Einzelfragen aufeu- lösen und so erst nach und nach festeren Fuss zu fassen. Der Heptas antiquarisch-philologischer Miszellen, die ich vor ein paar Jahren in diesen Blättern geliefert habe, lasse ich hier eine zweite nachfolgen, die sich aber ausschliesslich um eine Sache und einen Autor dreht. Möge es mir glücken, in der Theokritphilologie, die in unserer Zeit durch leichthin geglaubte Hypothesen stark ins Schwanken geraten ist, wenigstens einige Punkte sicher zu stellen.

1. Die Preisgedichte auf Ptolemaios und Hieron.

Ist der Lobpreis auf Ptolemaios (iyxcS/Luov elg TlroXtfxdioYy ecl. 17) vor der Anfrage an Hieron (XdQixEg, ecl. 16) gedichtet oder umgekehrt, ist eine Kardinalfrage für die Geschichte des Lebens und der Poesie Theokrits. Ihre Beantwortung hängt wesentlich von historischen Erwägungen ab, die vorzüglich die Agyptologen zu lösen haben.*) Aber auch die Aufeinander- folge der beiden Gedichte ist von einiger, wenn auch nicht entscheidender Bedeutung. Hatte also ursprünglich das Gedicht an Hieron seine Stelle vor dem an Ptolemaios oder umgekehrt? Zur Beantwortung dieser Frage sind die Ausgaben, in denen durchweg der Hieron vor dem Ptolemaios steht, bedeutungslos; in Betracht kommen nur die Handschriften; diese aber weichen

') Aus neuester Zeit Prott, Jas Enkomion «V nrolrfiaToy, Rh. M. 53, 460 ff.; Cholmeley, Ausgrabe 1901, p. 3.

Die überlieferte Auswahl iheokritiscker Gedichte. 383

in diesem Punkte stark von einander ab. Es steht, um nur die massgebenden Handschriften anzugeben,^)

Hieron vor Ptolemaios in a s, Ptolemaios vor Hieron in k L.

Getrennt von einander durch Zwischenglieder sind unsere beiden Gedichte in

28 M c: 16, 25, Mosch 4, Th 17, 9: 17, 1—14, 2, Mosch 3, Th 16,

D: 16, 29, epigr 17, 18, 15,

P: 17, Mosch 3, Th 16.

Es fehlen 16 und 17 ganz in 6 und G, blos 17 in 11. Es gehen also in der Folge der Gedichte 16 und 17 unsere Uss in zwei Hauptklassen auseinander, indem in der einen 16 vor 17, in der andern 17 vor 16 steht. Für die Frage, welches der beiden Gedichte ursprünglich den ersten Platz gehabt habe, führt die Berücksichtigung der Majorität nicht zum Ziel, da

^) Zum leichteren Verständnis {^ebe ich hier fiir die ganze Abhand- lung eine Deutung der angewandten Siglen, indem ich mich ganz an die Ausgaben von Ahrens und Ziegler halte:

k = Ambros. 222, saec. XIII, Kl. II, a = Ambros. 32, saec. XII I, Kl. I, c = Ambros. 75, saec. XV, Kl. IV a, p = Laurent. 32, 37, saec. XIV, Kl. la, s = Laurent. 32, 16, saec. XIV, Kl. la, 6 (h) =-- Vat. 913, saec. XIII = h Ziegl., Kl. III a, 9 (m) = Vat. 915, saec. XIII = m Ziegl., Kl. IV a, 11 = Vat. 1311, saec. XV, Kl. IVa, 23 = Vat: 1825 und 1826, saec. XIV, Kl. IV, D = Paris. 1726, saec. XIV, Kl. III, L = Paris. 2831, saec. XIV, Kl. la, M = Paris. 2832, saec. XIV, Kl. IV, P = Paris. 2835, saec. XIV, Kl. Ja,

Q = Paris. 2884 und 1298 unvollständig, zu Kl. la oder IV. lo der Nummerierung der Gedichte des Theokrit und ebenso des Moschoa und Bion folge ich gerade so wie vor mir Hiller der Vulgata, da die Abweichungen von Ahrens nur geeignet sind, Verwirrung zu stiften. Die Bedeutung der Klassen I— IV, denen die einzelnen Hss zugezählt sind, wird aus Kapitel 6 und 7 erhellen.

384 W, Christ

zwar etwas öfter 16 vor 17 als 17 vor 16 steht, aber für die zweite Stellung das Gewicht des besten Codex, des Mediol. k in die Wagschale fallt. Wollen wir daher sehen, ob zur Klärung nicht noch ein anderes Moment herangezogen werden kann. Dieses andei*e Moment finde ich in dem nachfolgenden Gedicht ecl. 18, 'Ekhrjg ini&ald/uog. Die Anthologie theokri- tischer Gedichte war nämlich ursprünglich, wie sich das gleich nachher noch klarer zeigen wird, von kleinem Umfang; sie wurde im Laufe der Zeit grösser und immer grosser, bis gegen Ende des Mittelalters der Umfang wieder abnahm, so dass wir im 15. und 16. Jahrhundert den vielen Handschriften mit nur 10 oder 8 Gedichten begegnen. Das Anwachsen nun geschah auf doppelte Weise. Die einfachste war, dass Freunde der theokritischen Muse noch ein und das andere Gedicht, das ihnen besonders gefiel, am Schlüsse ansetzten. Es konnte aber auch einer mit Kücksicht auf den Inhalt das neue Gedicht, statt es hinten anzufügen, in der Mitte, an der Stelle, wo es am besten hinpa&ste, einlegen. Unsere beiden Gedichte 16 und 17 nun sind gewiss erst sputer hinzugefügt worden; sie gehören ja nicht zu den Hirtenliedem, die den Theokrit zu seinem An- sehen bei Mit- und Nachwelt brachten. Sind dieselben nun, fragen wir, hinten zugesetzt, oder mitten eingeschoben worden? Ich habe schon gesagt, das hänge von dem 18. Gedichte, dem Epithalamius auf die Hochzeit der Helena, ab. Dasselbe ist hübsch, aber keineswegs so hervorragend, dass es für sich einen Ehrenplatz verlangen konnte, wie wir dieses von den Adoniazusen etwa begi'eifen würden. OflPenbar hat es mit andern zusammen einen Platz in dem Halsband der theokri- tischen Muse erhalten. An nachfolgende Gedichte hatte aber das achtzehnte keinen Anschluss, aus dem einfachen Grund, weil die alte Sammlung nur 18 Gedichte umfasste, und es so- mit selbst ehedem am Schluss der Sammlung stand. Auch das wird sich weiter unten noch klarer zeigen, es möge aber jetzt schon darauf hingewiesen werden, dass eine Anzahl von Hand- schriften und nicht die schlechtesten nur die ersten 18 Gedichte enthalten. Aber auch nachdem die Auswahl von 18 Gedichten

Die iU>erliefefie Atuwakl theokrüischer Gedichte, 385

erweitert worden war, schlug sich keine Brücke von dem 18. Oedicht zu dem neuen Ansatz. Der älteste Ansatz bestand nämlich aus Liedern (jiiXrj)^ die nach den Inhaltsangaben {vnoMoeiq) ehedem unmittelbar auf das 18. Gedicht folgten und in den jetzigen Ausgaben die Nummern 28 30 führen. Diese Lieder sind aber, entsprechend ihrer Anlehnung an die Poesie des lesbischen Dichterpaares, in äolischem Dialekt ge- schrieben, während der Dialekt des 18. Gedichtes der dorische ist. Also jedenfalls hatte das 18. Gedicht weder im Anfang noch später einen Anschluss an nachfolgende Gedichte. Kam also dasselbe auch nicht als ein fiir sich stehendes Gedicht in die Sammlung theokritischer Gedichte, so muss es einen An- schluss an vorausgehende Gedichte gehabt haben. Mit den aber jetzt unmittelbar vorausgehenden Gedichten 16 und 17 hat es ganz und gar keine Berührung; denn was hat ein Hoch- zeitsUed auf die Helena des Mythus mit Preisliedem auf Könige der Gegenwart, Hieron und Ptolemaios, zu tun? Wohl aber reiht sich das 18. Gedicht, wenn auch nicht eng, so doch ganz leidlich an die jenen Preisliedern vorausgehenden Gedichte der Sammlung an. Denn die Erotik spielt auch in den Adonia- zusen (15), der Kyniska (14) und noch mehr in dem Hylas (18), dem Aites (12) und dem Kyklops (11) eine Rolle. Ganz ver- ständlich also ist die Reihenfolge 11, 12, 13, 14, 15, 18. Ist dieses aber richtig, dann sind die Gedichte 16 und 17 so in die ältere Sammlung gekommen, dass sie nicht hinten ange- f&gt, sondern mitten eingeschoben wurden zwischen 15 und 18. Dafür haben wir nun sogar noch ein handschriftliches Zeugnis. In dem alten Yatikaner Cod. 6 stehen nämlich folgende Ge- dichte in folgender Ordnung: 1—15, 18, Mosch 1, Th 28, 29. Hier fehlen also die Gedichte 16 und 17 ganz^) und ich wage diesen Bestand auf eine Zeit zurückzuführen, in der die beiden Preislieder noch keine Aufnahme in die Sammlung gefunden hatten. Ich sehe zweifelnde Gesichter und muss selbst zugeben,

*) Ebenso fehlt 16 und 17 in dem jüngeren Par. G. Dass in p die Schollen zu 16 und 17 fehlen, bemerkt Ahrens II, p. XIV sq., was viel- leicht auch damit in Zusammenbang steht.

IMS. Bitsgsb. d. philo8.-phUoL iL d. bist. Kl. 26

386 W. Christ

dass der bezeichnete Tatbestand auch durch absichtliche Aus- scheidung der beiden Preisgedichte herbeigeführt werden konnte. Aber wenn auch nicht alle meinen Glauben teilen, so bleibt doch in der Hauptsache meine Argumentation unerschQttert; wir entbehren dann bloss eines äusseren Zeugnisses der Über- lieferung.

Nun erst können wir zu dem Punkt zurückkehren, Yon dem wir ausgegangen sind. Sind nämlich die Gedichte 16 und 17 zwischen 15 und 18 eingeschoben worden, so stellt sich von selbst die Frage, was war denn der Grund dazu? In der Bitte an Hieron (16) wird auch ein Argusauge keinen Grund erspähen können, aber hell zutage liegt ein solcher in dem Preislied auf Ptolemaios. Das 14. und 15. Gedicht be- ziehen sich auf ägyptische Verhältnisse und dienen der Ver- herrlichung des Hofes von Alexandrien. Was lag also näher als dass ein Grammatiker die Leser auch mit dem Gedicht bekannt machen wollte, durch das der Dichter sich Zugang zu dem Herrscher Ägyptens verschaffte? Er erweiterte also die Sammlung, indem er das iyxwjLuov ek Utolefialov (17) nach den Gedichten 14 und 15 einlegte. Dieses Preislied auf Ptolemaios hat dann erst das Gedicht an Hieron nach sich gezogen. Auch das ist leicht verständlich. Das Wirken des Dichters spielte sich an den Höfen des Ptolemaios und Hieron ab; Sizilien war sogar das Land, von dem der Hirtengesang ausgegangen war und in dem er sich auch nach dem Tode des Theokrit noch forterhielt. Was war da natürlicher als dass ein Redaktor das Gedicht an Ptolemaios nicht vereinsamt stehen liess, sondern ihm noch das an Hieron zugesellte? Und da nun einmal Sizilien der Hauptort der Hirtenpoesie war, so ist es auch nicht zu verwundeiii, dass einige Abschreiber sogar dem Gedicht an Hieron, den König von Syrakus, den Vorzucj gaben und es vor das Preislied auf Ptolemaios setzten, im weiteren Fortgang sogar das letztere ganz fallen liessen.^)

^) Das war der Fall im alten Teile von p und wahrscheinlich aucb in der Vorlage von 9 und P.

Die Überlieferte Auswahl iheokritischer Gedichte. 387

Wir wundem uns darüber um so weniger, da wir auch den dichterischen Preis dem 16. Gedicht vor dem 17. geben: dort beim Preis des schönen Heimatlandes pulsiert frisches Leben in dem Herzen des Dichters, hier im Lobe des Königlichen Herrn fDhlt man aus den geschraubten Versen den Zwang heraus, den sich der Dichter um der Hofgunst willen antun musste.

2.

Die Hymnen des Theokrit nnd die anechten

Heraklesgedichte.

Das Enkoraion auf Ptolemaios schliesst mit den Versen

XäiQ£ ayaf IIxokEfiaie' oi&ev S* iyo) loa xal äXlcov ßivdaojLiai y/jii&icDV, doxiü) S* enog ovx äjiößXrjrov q)&ey^ofxai looofievoig' äQexijv ye fiev Ix Aiog aixiaj.

Die Ausleger erklären dieselben als eine Reminiszenz an den häufigen Schluss homerischer Hymnen, insbesondere an den des Hymnus auf den pythischen ApoU

xal ov fxkv ovtco x^^Q^* ^'^^ '^^^ Arjrdog vli, avTCLQ iyä} xal oelo xal äXXi]g /nvTJoojbi* äotdijg.

Die Reminiszenzen und nicht bloss an Homer sondern auch an Pindar und Simonides nehmen allerdings einen breiten Platz in der theokritischen Poesie ein,^) aber die im Anklang an ältere Dichtung eingelegten Worte und Sätze sind doch keine blossen Zierstücke, panni purpurei late qui splendeant, sie müssen auch an der Stelle, wo sie stehen, Sinn und Bedeutung haben. Lä&st sich dieses nun auch für die Schlussverse unseres Gedichtes nachweisen? Ich sage ja, muss aber, um dieses zu begründen, weiter ausgreifen.

Unser Gedicht heisst in der tiberlieferten Aufschrift ey- xiofiiov. Wie die meisten Aufschriften so wird vermutlich auch diese von den Grammatikern herrühren. Der Dichter selbst

*) Zn ihnen gehört auch, was noch nicht bemerkt, VII 111 4, eine Nachbildung von Pindar Ja. II 41- 2.

26*

388 W. Christ

würde unser Gedicht eher als einen Hymnus bezeichnet haben; wenigstens gebraucht er dieses Wort V. 8

avraQ iyo) nroke/iiaiov iniotd/jievog xakd EbieTv vfxvr]oaiju\ v/uvoi de xal A'^avaTiov yegag avjcbv.

Die Schlussverse würden also einen ganz passenden Sinn haben, wenn sich nachweisen liesse, dass Theokrit mehrere Hymnen gedichtet und den auf Ptolemaios an die Spitze derselben ge- stellt habe. Für das zweite, oder wenigstens für eine bevor- zugte Stellung des Preisliedes auf Ptolemaios spricht gleich der Eingang des Hymnus

*Ex Aidg ägxci/jLso'&a xal lg Ala ki^yezs MoToai, ä&avdrcüv rbv ägiorov ijiyjv adojfisv äotdaig' ävögcov d^ av ITcoXeixalog M Jigcoroiai keyia&o),

Dass aber auch Theokrit mehrere Hymnen gedichtet, dafür haben wir vor allem das Zeugnis des Suidas in dem Artikel über Theokrit. Ich setze die Stelle gleich ganz her, da wir auf dieselbe noch öfters im Verlaufe der Abhandlung zurück- kommen werden. Bei Suidas also heisst es: omog iyoayye xaXov^ieva ßovxoXixd Ititj AcoQidi ÖiaXexTco' xivhg de dt*a<p€Qoiwtr elg avTov xal xavza' Ugoiridag, iXnidag, vjuvovg, tjgcoivagf im- xjjdeia, ßÄcXt], IXeyEiag, Idjußovg, iTnygdjujuara. Theokrit hat also mehrere Hymnen, sagen wir nach unserer Weise, ein Bändchen Hymnen gedichtet, unter denen der auf seinen Hauptgönner, den Heros Ptolemaios,*) voranstand, und mehrere andere, worauf eben der Schluss des ersten Gedichtes der Sammlung hinweist, nachfolgten. Ist nun vielleicht auch von den anderen Hymnen noch einer und der andere in unsere Sammlung auf- genommen worden?

Zunächst fällt da unser Blick auf das Gedicht an Hieron (ecl. 16). Dasselbe ist zwar Xdgixeg ^ 'legcov überschrieben und enthält zunächst eine Bitte oder Aufrage der Musen an Hieron, den Herrscher von Syrakus; aber das ist mehr nur

*) Vergleiche auch den fär einen Hymnus besonders passenden Aas- druck tjijcoeg V. 5.

Dte überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte. 389

eine geschickte Einkleidung, tatsächlich ist es ein Preislied, ein Hymnus auf den neu aufgehenden Stern des freigebigen Dichtergönners im westlichen Griechenland. Es gebraucht auch der Autor von dem Gedichte den Ausdruck vfivog und vfjLveiv wie gleich im Eingang

Ahl rovTo Aiog xovqaig fxeXei, atev äoidoigt vfivelv ä&avdrovg, v/uvelv äya'&ü)v xXea dvdQcbv

und ähnlich V. 50 und 103. Und auch den Gepriesenen be- zeichnet er mit dem für den Helden eines Hymnus speziell geeigneten Namen tJQOog V. 80

iv S* avtoTg 'ligcov Jigorigoig Toog ^Qioeaaiv,

um Yon dem Vergleich des Hieron mit den Heroen des alten Mythus, Aias und Achill, in V. 74 gar nicht zu reden.

Ekloge 16 war also auch ein Hymnus und hatte in der alten Gesamtausgabe des Theokrit in der Abteilung *T//vo« seinen Platz. Ebenso aber auch das AidoxovQot überschriebene 22. Gedicht unserer Sammlung. Auch hierfür haben wir, wie schon von Früheren erkannt wurde, deutliche Anzeichen in dem Gedicht selbst, vor allem in dem Worte v/nveTv, Gleich im Eingang lesen wir

'Yfxveo/iev Arjdag je xai afyioxov Aiog via>, Kdaxoga xai (poßeQov üolvdevxea Jiuf iQe&iCeiv

welche Verse wir um so mehr auf den Hymnuscharakter des Gedichtes deuten, als auch Kallimachos den dritten seiner Hymnen beginnt mit

^Agre/niv, ov yd.Q iXaq)Qbv äeidSvteaoi la&eo&ai, vfJLVBOfiev, rfj j6^a XaycoßoXiai re juiXovrai.

Auch am Schluss des Preisgedichtes auf die Dioskuren kehrt das Wort v/nvog wieder V. 214

Xdigeze Ai^dag rixva xal i'jjuereooig xXiog vjiivoig io9Xdv äel nifjLTioiTe^)

^) Ausserdem steht das Yerbum vfiveTv in V. 4, 26, 135.

390 W. Christ

und wiederholt, V. 22, 78, 92, 163, 216 werden die Dioskuren mit dem speziell für Hymnen geprägten Worte ffgcDe? bezeichnet Übrigens brauchen wir uns in unserem Fall nicht auf blosse Anzeichen des Wortgebrauchs zu berufen; ausdrücklich wird unser Gedicht unter dem Titel Hymnus angeführt in den Scholien zu Aristophanes Plut. 210: OeöxQirog h reo ek ^wö- xovQovg v^vcp.

Nun kommt aber noch eine zweifelhafte Frage; gehörte zu den Hymnen auch das 25. Gedicht 'HgaxXrjg Xeovrofdvog? An und fttr sich kann man das grosse Gedicht seinem Inhalt nach für eine Verherrlichung des Halbgottes Herakles ausgeben. Auch kann man dafür, dass sich Theokrit gern mit der Ver- f herrlichung des dorischen Helden abgegeben haben wird, sein Epigramm (Nr. 20) auf den Dichter Peisandros anführen, da dieser das erste grosse, damals vielleicht schon antiquierte Epos auf die Taten des Herakles gedichtet hatte und dem alexan- drinischen Dichter eine Wiederbelebung des alten schonen Sagenstoffes in einer neuen, dem veränderten Geschmack mehr zusagenden Form besonders zeitgemäss scheinen konnte. Auch daran, dass in dem Gedicht 25 nicht alle Taten des Herakles besungen, sondern nur zwei, der Besuch bei Augeas und die Löwenbezwingung, herausgegriffen sind, darf man keinen An- stoss nehmen. Denn Theokrit war, wie er 7, 47 bestimmt ausspricht, ein Feind der grossen langatmigen Epen und stimmte mit Kallimachos in der Hinneigung zu kleineren balladen- artigen Erzählungen überein. In der Auswahl aber, die unter den Taten des Herakles in dem 25. Gedicht getroffen ist, erkennt man sehr leicht den Gesichtspunkt des bukolischen Dichtei*s. Die Begegnung des Herakles mit Augeas gab dem Freunde des Landlebens und der Hirtenpoesie willkommenste Gelegenheit, den Herdenreichtum, die prächtigen Stiere und die grossartige Landwirtschaft des alten Königs von Elis zu besingen. Aber das reicht alles noch nicht aus, um die Autor- schaft des Theokrit sicher zu stellen. Jedenfalls gehörte der löwenwürgende Herakles nicht zu den Hymnen des Theokrit. Vergebens suchen wir im Anfang oder Schluss oder auch in

Die überlieferte Äustcahl theokritischer Gedichte. 391

der Mitte des Gedichtes nach dem Worte vfÄvog, dem wir doch in den drei anerkannten Hymnen des Theokrit öfters und be- sonders im Anfang und Schluss begegneten. Was aber noch mehr bedeutet, das ganze Gedicht hat den Charakter einer aus mehreren Teilen (1—84, 85 152, 153—281) bestehenden Rhapsodie, die einmal mit anderen ähnlichen Gesängen zu einem grossen Epos zusammengewoben werden sollte, tatsächlich aber Bruchstück geblieben ist. Gegen die Einreihung des 'HgaHXijg hovTotpovog unter die Hymnen des Theokrit spricht aber auch ein äusserer Moment. Der Dialekt des Gedichtes ist ebenso wie der des inhaltlich verwandten Gedichtes Meydga^ mit dem es in den Handschriften yerbunden ist und neuestens auch wieder von Cholmeley in seiner Ausgabe des Theokrit ver- bunden wurde, der episch-ionische Dialekt, während die drei anerkannten Hymnen des Theokrit (17, 16, 22) alle in der milderen Doris gedichtet sind.^) Ich weiss zwar wohl, dass in unseren Handschriften, auch den guten, die Dialektformen schwanken und sich hi/j,r]aav neben hlßiaoav, vfjag neben vang findet, aber das ändert an der Hauptsache nichts: es bleibt unbestreitbar, dass der Dialekt der Hymnen des Theokrit dorisch, der des Epyllion 'Hgaxlifjg Xeovrocpovog ionisch ist.

3. Die Heroinen des Theokrit.

Auf die Heraklessage beziehen sich in unserer Sammlung ausser dem Hylas (13) die Gedichte 24 und 25 und zwar steht der Sache entsprechend der 'HgaxXloxog (24) vor dem 'HgaxXfjg hovxo(p6vog (25), das Kind Herakles vor dem Manne Herakles. Aber diese Anordnung ist, so sachgemäss sie auch scheinen mag, nicht urkundlich. In den Handschriften sind die beiden Gedichte von einander getrennt. In der Klasse ^^) oder in dem

') In dem Hymnus auf die Dioskuren schwankt allerdings sehr der Dialekt, so dass es in der Überschrift der Aldina heisst Hoivfj 'Iddi^ worüber Hiller, Beitr. p. 77 f.

*) Diese Zusammenfassung verwandter Theokrithandschriften unter

392 W. Christ

Paris. M^) und Yat. 23 steht wohl das Gedicht 25, aber nicht auch 24; im Paris. D folgen aufeinander: Th 24 22 26 28 Mosch 4 Th 25; in der Klasse U, die yomehmlich durch Ambr.k repräsentiert wird, fehlen beide Gedichte; in dem Cod. c, der zu den Sammelhandschriften gehört und aus der ergänzenden Vereinigung von Handschriften mehrerer Klassen entstanden ist, stehen hinter den Epigrammen, offenbar also im Nach- trag, die Gedichte 24 26 27^) und dann erst aus einer Hand- schrift der Klasse *: 9—13 11 14— 16 25 Mosch 4 Th 17. Also 24 kam nicht zugleich mit 25 in unsere Anthologie, und die Geschicke beider Gedichte sind von einander zu trennen. Zusammen standen in dem Archetypus, aus dem D und der Nachtrag von c abgezweigt sind, die Gedichte 24 22 26 oder 22 24 26. Von diesen drei Gedichten gehörte das 22., wie wir oben in Kap. 2 gesehen haben, zu den Hymnen; das 26. mit dem Titel Arjvai fj Bdxxai erzählt die grause Tat der Kadmostöchter Ino, Autonea und Agaua, also der drei Frauen der thebanischen Heroensage, und wird deshalb um so eher zu den Gedichten, welche Suidas unter dem Titel ^qqhvoi auf- führt, gehören, als der Dichter selbst in dem V. 36

Xnlgoi S* eveidrjg Hs^eka xal ädeX(peal avräg KadfjLEiat nokkaig jueßxeXfj/iivai '^ganvai^)

auf den Namen der Dichtung anspielt. Denn gerade das Zusammentreffen des Yersausgangs fjQonvai mit dem von Suidas überlieferten Buchtitel fiQajiivai lässt uns das Gedicht lieber zu dieser Abteilung der Werke Theokrits stellen als mit Maa^ Herm. 26 (1891) 178 zu den Hymnen, wiewohl ich deshalb nicht der Vermutung des guten Kenners der alexandrinischen

dem Zeichen 0 rührt von Hiller, Beiträge zur Textgeschichte der griechischen Bukoliker, her und ist von uns beibehalten worden.

') Der Cod. M rührt von dem byzantinischen Grammatiker Triklinios her und hat drei unechte Gedichte weniger als Vat. 23.

2) Ahnlich steht in dem Vat. 11, der auf gleiche Weise aus mehreren Hs8 zusammengefügt oder ergänzt ist, das Gedicht 24 ganz am Schlüsse.

^) Die Hss haben TJgcoivai^, aber es ist unzweifelhaft mit Ahrens i/oonyai zu lesen.

Die überlieferte Auswahl theokritischer Oedichte. 393

Poesie entgegentreten möchte, dass das Gedicht von Theokrit zu einem koischen Fest des Gottes Dionysos bestimmt war.

Gehorten nun die mit dem Herakliskos in den Hss ver- bondenen Gedichte teils zu den Hymnen teils zu den Heroinen, so wird man von vornherein geneigt sein, dort auch den ur- sprünglichen Sitz des Herakliskos zu suchen. Denn ein Preis- gedicht ist derselbe ja jedenfalls. Stellt man sich aber die Frage, ob unser 24. Gedicht zu den Preisliedem auf Heroen oder auf Heroinen gehöre, so lasse man sich nicht durch die Aufschrift 'HgaxXioxog auf falsche oder doch zweifelhafte Wege führen. Denn schon im Allgemeinen ist die Echtheit der Auf- schriften Zweifeln unterworfen; sie rühren öfter von den Gram- matikern als von den Dichtem her; hier aber fehlt obendrein die Aufschrift in Cod. 11 ganz. Sehen wir aber von der Auf- schrift ab und halten wir uns lediglich an den Inhalt, so ist Amphitruo ganz zur Seite geschoben; er erwacht zuletzt und geht alsbald wieder zu Bett. Hingegen steht im Vordergrund vom Anfang bis zum Schluss die Mutter Alkmena: sie wird uns gleich in den ersten Versen des Eingangs vorgeführt, wie sie die beiden Kinder in der neuartigen Wiege, dem Schilde des Pterelaos, einschläfert; sie hört dann zuerst auf das Ge- schrei der von den Schlangen bedrohten Knaben; sie ruht auch nicht, nachdem die Gefahr vorüber ist, sondern fragt nun den Seher Teiresias nach einer Deutung des Wunders; sie bleibt dann auf der Bühne bis zum Schluss, wo von ihr mit den Worten

Code fikv 'HQaxXfja q)lXa naidevoazo fidrtjQ

eine Aufgabe gerühmt wird, die sonst mehr dem Vater als der Mutter zukommt. Freilich mehr Bewunderung als das Be- mühen der Mutter erregt der Heldenmut des kleinen Herakles, der unerschrocken die Schlangen packt und ihnen die Kehle zuschnürt. Aber Herakles ist noch ein kleines Kind, das erst ein Held werden sollte; zur Heldin des Gedichtes ward daher, so scheint es, die Heroine Alkmena von dem Dichter auserkoren. Ich wage also die Annahme, dass ausser dem 26. Gedicht auch das 24. ehedem unter den 'Hgonvat des Theokrit stund. Die

394 TT. Christ

Konsequenz ist dann, dass von den beiden Abfolgen 24 22 26 und 22 24 26 die letztere die richtigere ist, wenn sie auch durch die geringere Handschrift c vertreten wird.

Es fragt sich nun weiter auch hier, ob ausser diesen zwei Gedichten sich noch Spuren von anderen Heroinenliedem des Theokrit nachweisen lassen. Nahe liegt es, an die Berenike zu denken, von der Athenaios VII, p. 284 A einige Verse er- halten hat. Denn so gut Theokrit den Ptolemaios II unter die Heroen zahlen und ihm einen Hymnus weihen konnte, so gut konnte er auch die vergötterte Frau des Ptolemaios I unter den Heroinen besingen. Allerdings zitiert Athenaios einfach mit Iv rfj imygaipoßxivf) Begevlxfj und ist in den beigegebenen Versen nichts hymnenartiges enthalten, aber bei der Kleinheit des Fragmentes kann daraus kein entscheidender Einwand abge- leitet werden. Ausserdem freilich macht auch der Dialekt* Schwierigkeit; denn in den 6 Versen steht fünfmal ionisches i) statt dorischem ä. Aber auch das will nicht viel bedeuten, zumal uns die Verse nicht direkt, sondern durch einen Gram- matiker überliefert sind, der leicht in einem kurzen Zitat die Farbe des Dialektes verwischen konnte.

Von den vollständig erhaltenen Gedichten Theokrits hat noch in diese Klasse Ahrens Philol. 33, 582 das Hochzeitslied der Helena ('Ekevrjg hii^akdfAiog^ ecl. 18) stellen wollen. Das Gedicht preist allerdings auch die Schönheit und Geschicklich- keit der Helena, aber es entbehrt doch ganz und gar des Charakters eines Hymnus; es ist ein Lied der Gespielinnen, die am Hochzeitstag ihrer Freundin ein Ständchen in der Art der Sappho bringen. Wenn Ahrens sich darauf beruft, dass das Gedicht im Cod. M iyxw/Mov 'Elivrjg überschrieben sei, so ist dieser Überschrift des byzantinischen Grammatikers Tri- klinios, von dem die recensio des Cod. M herrührt, die rich- tigere Überschrift im&ald/uiog 'Ekivtjg der älteren Handschriften und der Hypothesis entgegen zu halten.

Ganz die Eigenschaften eines Preisliedes auf Heroinen der Sage hat das unter den Werken des Theokrit zusammen mit dem 'IlQaxXfjg keovroipovog auf uns gekommene Gedicht MeyaQa.

Die Überlieferte ÄtMwM tkeokritischer Gedichte. 395

Dasselbe ist benannt nach der unglücklichen Frau des Herakles und enthält die Jammerreden der Frau und der Mutter des Herakles, Megara und Alkmena. Dass dasselbe demnach in die Ton uns hier behandelte Klasse von Gedichten gehöre und auch Tom Autor als solches gedacht war, kann nicht zweifel- haft sein, aber ob es auch von Theokrit herrühre, ist eine andere, schwer zu bejahende Frage. Denn es ist nur in den mit Unechtem schwer beladenen Handschriftenklassen IH und IV überliefert und steht an künstlerischem Wert hinter dem löwen- erwürgenden Herakles weit zurück. Denn abgesehen von den vielen aus Homer entlehnten und ungeschickt zusammenge- flickten Fetzen, war es auch von vornherein ein unglücklicher Gedanke, die Megara, die selbst das Schwerste erduldet, ge- wissermassen als Trösterin einzuführen und ihre Schwieger- mutter, nicht die eigene Mutter, mit /ifjxeQ Ifirj xlxpd^ äyde <piXov xaiä dv/iov Idnxeig anreden zu lassen. Da überdies der ionische Dialekt ebenso wie bei dem 'Hgaxlfjg Xeovrotpövog gegen eine Verbindung mit den dorischen Gedichten Theokrits spricht, so denke ich nicht daran, die Megara zu den echten Heroinen- liedem Theokrits zu stellen, sondern glaube nur, dass ein Nachahmer im Geiste seines Vorbildes versuchen wollte, der Alkmena eine Megara zur Seite zu stellen. Vielleicht darf man Moschos für den Verfasser der Megara halten, da in dem guten Cod. s hinter den Gedichten des Theokrit und von den- selben durch ApoUonius Rhod., Hesiod, Oppian getrennt ein kleiner Nachtrag jüngerer bukolischer Gedichte steht, nämlich EvgdpTifj, ^Egiog dQanhrjg, Meydga, von denen die beiden ersten ausdrücklich als Werke des Moschos bezeichnet sind.

4. Die Ordnung der Bukolika.

Die Hypothesis des ersten Idylls beschäftigt sich mit der Frage, warum dieses Idyll die erste Stelle in der Sammlung einnehme, und findet den Grund in der Schönheit des Gedichtes: avTTf ^ vndd'eoig elg /ddrpviv yiyQanxai, bg diä juev lovxov xov

396 W. Christ

elövXiiov li&vrixe, öiä de xoyy iitjg wg l^dfVTog avxov jmvrj^orevei' 8ßA(og TOVTO TiQorhaxrai diä to ;|fapi^aT€^av xai TExvuemxEQov tcüv äklayv fiälXov ovvtetdx^Qi- IlivdaQog yäg ägxoßievov S* igYov qjTjai ngoacoTiov XQV ^if^^f^i Trjiavyig. Auch dio neueren Heraus- geber haben sich, wenn sie überhaupt die Frage berührten, dieser Auffassung angeschlossen. Und wer möchte leugnen, dass das erste Idyll, wenn auch vielleicht mancher, was Anmut und Zartheit anbelangt, dem Idyll Amaryllis den Vorzug geben möchte, vollauf seinen Ehrenplatz verdient? es ist eben nicht bloss ein schönes Gedicht, es ist auch ein grosses Gedicht und feiert den ersten Helden der Hirtenpoesie Daphnis. Es kommt aber doch zu diesen Vorzügen noch etwas anderes hinzu, was ihm die Stellung an der Spitze der Idyllen anweist. Dieses andere liegt in den Schlussversen 144 f.

<5 ;|ja/|geTe noXXdxig Möioai, X(ilQe^\ iyo) S* fj/ujuiv xai lg voregov ädiov ^oa>.

Denn hiermit wird ganz ähnlich, wie wir dieses oben an den Schlussversen des Hymnus auf Ptolemaios sahen, unser erstes Idyll als einleitendes Idyll bezeichnet, auf das eine Serie ähn- licher Dichtungen folgen solle.

Damit sind wir aber schon in die Diskussion einer anderen Frage eingetreten, die man erst in unserer Zeit bei der Kritik der Anlage eines aus mehreren selbständigen Einzeldichtuogen bestehenden Buches zu beachten und zu würdigen begonnen hat. Es macht nämlich einen grossen Unterschied, ob der Dichter selbst seine einzelnen Gedichte zu einem Band oder Bändchen zusammengefasst hat oder ob die Vereinigung von einem späteren Herausgeber oder Grammatiker ausgegangen ist. Ein blosser Herausgeber wird die Gedichte aufs Geratewohl, wie sie ihm eben unter die Hand kamen, zusammengelegt oder doch nur nach äusseren Motiven und Kennzeichen geordnet haben; vom Dichter wird man erwarten dürfen, dass er auch in der An- ordnung seiner Erzeugnisse höhere Gesichtspunkte befolgt und eine gewisse Kunst beobachtet hat, so dass es auch für uns eine der höheren Aufgaben der Interpretation ist, die leitenden

Die überlieferte Austßähl theokritiseker Gedichte, 397

Gesichtspunkte des Dichters wieder aufzudecken. Der be- zeichnete Unterschied hat sich so besonders offenkundig bei Pindar und Horaz herausgestellt. Die Epinikien Pindars sind nicht Ton dem Dichter selbst zu den vier überlieferten Büchern zusammengeordnet worden. Daraus erklären sich die offen- baren Irrtümer, wie wenn ein von einem sizilischen Lokal- dichter herrührendes Siegeslied 0. Y Aufnahme gefunden hat, oder unter den pjthischen Siegesliedern eines P. II steht, das sich gar nicht auf einen pythischen Sieg bezieht. Horaz hin- gegen hat seine Lieder (carmina) selbst herausgegeben und dabei allerlei feine Gesichtspunkte beobachtet, wie dass er die Sammlung mit einem Widmungsgedicht einleitet (I 1) und mit dem Preis des errungenen Lorbeers schliesst (III 30); dass er den Virgil allen anderen Freunden yoranstellt (I 3) und nur der Etikette halber hinter den Kaiser Augustus und den mäch- tigen Oönner Maecenas zurücktreten lässt; dass er zu den neun ersten Gedichten nur solche auswählt, von denen jedes in einem anderen Yersmass verfasst ist, damit sogleich im Anfang der ganze Reichtum seiner metrischen Foimen hervortrete.

Wenn nun bei Theokrit das Lied auf Daphnis voransteht, weil mit demselben das Bändchen Hirtenlieder eingeleitet wer- den sollte, so weist das darauf hin, dass auch Theokrit seine Gedichte, wenigstens die Bukolika, selbst herausgegeben hat, so dass auch uns die Aufgabe erwächst, nachzuforschen, ob nicht auch in der Anordnung der übrigen Hirtenlieder be- stimmte künstlerische Gesichtspunkte zutage treten. Dabei dürfen wir aber nicht bloss, sondern müssen geradezu von dem 2. Gedicht auf die Zauberinnen (cpaQfÄaxevTQiai) absehen, da dasselbe nicht zu den Hirtenliedern gehört und erst später, wie wir in dem nächsten Abschnitt bestimmter nachweisen werden, unter die Bukolika geraten ist. Im übrigen aber wird es, trotz der Abweichungen einiger Hss, in die eine nicht leicht erklärbare Unordnung eingerissen ist,^) erlaubt sein, die in

^) Am meisten Beachtung verdient k mit der Folge 17 3-6 8-13 2.

398 W. ChriH

unseren Ausgaben verbreitete Ordnung als die authentische anzusehen.

Steht in der Sammlung ein Einleitungsgedicht, wie wir vorhin nachgewiesen haben, voran, so dürfen wir auch ein Schlusslied erwarten. Ein solches ist das 9. Idyll; dasselbe ist zwar ohne hohen dichterischen Wert, so dass es sogar neuere Kritiker für unecht erklären und aus der Sammlung theokri- tischer Dichtungen ausscheiden wollten; aber ganz klar schUesst jedenfalls sein letzter Absatz

Bovxohxal Moioai, jnäXa xalQexe, q)alvcie S^ cSddg, *) rag nox* iyco xeivoioi jiqqmv äeioa vofievoi x. r. A.

die Sammlung der eigentlichen Hirtenlieder (ßovxohxä elövl- Xia) ab. Der Dichter gibt damit seine Idyllen dem Lese- publikum hinaus (ixdid(ooi) und widmet sie den Hirten, denen er sie einst auf den Weiden und Triften gesungen. Das Ge- dicht ist also in einer Stadt, wahrscheinlich in Alezandria« gedichtet, als der Dichter zu anderen Dichtungsarten über- gegangen war und seine früheren Gedichte, das waren eben seine Hirtenlieder, abschloss und herausgab. Dem steht nicht entgegen, dass noch ein Gedicht, die Schnitter (10), nachfolgt, das man seit Alters nach seinem ganzen Tenor auch noch zu den Idyllen zu rechnen pflegt. Ich will mich gegen diesen Einwand nicht dadurch schützen, dass ich das 10. Gedicht als Hirtenidyll preisgebe; denn Theokrit hat selbst VII 29

Avxlda q)il€, tpavxi rv ndvreg Sjiißiev avQixrav fiey^ vneiQOXOV Sv re vo/ievoiv Iv t' äfirjXYjQBoai

die Zusammengehörigkeit der beiden Dichtungsarten anerkannt. Aber ein Schlusslied, mit dem der Dichter von den Hirten der Weide Abschied nimmt, konnte nicht auf ein Schnitterlied folgen, so dass Theokrit, wenn er auch das Schnitterlied mit

^) Von den Varianten ^6dv und cfi^dg, beide durch die Scholien bezeugt, verdient entschieden die letztere den Vorzug, wenn sie auch in dem minderwertigen Codex p steht.

Die überlieferte Auswahl iheohritischer Gedichte. 399

den Hirtenliedem zu einer Rolle verbunden herausgab, das 9. Idyll nicht anders als vor das 10. stellen konnte. Indes wem diese Entschuldigung zu fadenscheinig zu sein scheint, der mag immerhin das 10. Gedicht abschneiden und annehmen, dass die von Theokrit besorgte Ausgabe der Bukolika nur 8 statt 9 Idyllen umfasst habe.

Gehen wir nim zu den übrigen Idyllen über, so haben

bereits die alten Scholiasten den Grund durchschaut, weshalb

das 4. Idyll dem 3. nachfolgt. Es wird nämlich IV 39 c5

XdQkaa^ 'Afiagvill, ix6vag oi&ev ovdk ^avolaag XaotvfjLeoda die

schöne Amaryllis als tot gedacht. Daraus wagt der Verfasser

der 4. Hypothesis den Schluss zu ziehen, dass der verliebte

Hirte des 3. Idyll Battos geheissen habe, weil Battos in dem

4. Idyll der Name des Hirten ist, der jene Worte spricht. Das

ist vielleicht zu subtil geschlossen, und jedenfalls verlieren wir

nichts, wenn uns der Dichter den Namen des zur Grotte der

spröden Amaryllis wallenden Schäfers vorenthält. Aber richtig

ist, dass Amaryllis in dem 3. Idyll lebend und in dem 4. tot

gedacht ist und dass demnach 3 vor 4 gedichtet und von dem

Dichter auch bei Herausgabe seiner Hirtenlieder gestellt wurde.

Eine ähnliche, wenn auch minder bedeutsame Beziehung

lässt sich zwischen 4 und 5 nachweisen. In 5, 6 sagt von

den zwei Hirten Komatas höhnend zu Lakon

t/ S^ ovxeri ovv KoQvdcovi aQKEi TOI xaXd/Liag avkov nonnvodev exovii;

Wer der Korydon sei, erfahren wir aus 5 nicht; aber in dem 4. Idyll ist der beschränkte Korydon der Hauptunterredner. Das wird wieder der Grund gewesen sein, weshalb der Dichter das 5. Idyll auf das 4. folgen Hess.

Wichtiger ist die Person des Aratos, durch die das 6. Idyll mit dem 7. verknüpft ist. Das 6. Idyll, dessen Echtheit ich ebensowenig wie die eines anderen Gedichtes der alten Samm- lung zu bezweifeln wage, ist durch die Anrede im Eingang

AafAokag x^ Adqjvig S ßovxoXog elg iva j(a)Qov Tuv äyiXav 7iox\ ^Agare, avvdyayov

400 W. Chrigt

dem Aratos gewidmet in ganz ähnlicher Weise wie das 11. dem Nikias. Dem Aratos gilt auch das hübsche Liedchen, welches Theokrit im 7. Idyll unter der Maske des Simichidas im Wettkampf mit Lykidas zum besten gibt. Der Arat ist hier V. 98

digaros S* 6 rd ndvra (piXaixazog Avigt rtjvq)

mit dem Artikel eingeführt, wohl zum Zeichen, dass hier der- selbe Arat zu verstehen ist, der uns schon aus dem Eingang des vorausgehenden 6. Idylls bekannt ist. Und da man doch ein Gedicht nicht einem beliebigen Mann aus dem Volke, son- dern einem hochstehenden Gönner oder berühmten Freunde zu widmen pflegt, so haben bisher die Ausleger unter dem Arat den berühmten zeitgenössischen Dichter der Phaenomena ver- standen, wie dieses auch bereits, wenn auch in sehr vorsich- tiger Weise, ^) der Scholiast zu VI 1 und der Verfasser der Hypothesis des 6. Idyll getan haben. Diese alte Annahme hat aber in unserer Zeit Wilamowitz in dem Aufsatz Aratos von Kos (Göttingische Nachrichten 1895) umzustossen gesucht, in- dem er an der Hand von Paton^s Inscriptions of Cos auf die weite Verbreitung des Namens Aratos auf der Insel Kos, wo das 7. Idyll gedichtet wurde, hinweist und den Anhängern der alten Meinung den Nachweis der Identität des Aratos des 7. Idylls mit dem bekannten Dichter zuschiebt (adfirmanti incumbit probatio). Das ist nun eigentlich nicht das her- kömmliche Verfahren, da sonst vielmehr der Vorkämpfer einer neuen Theorie die Unzukömmlichkeit der alten nachzuweisen pflegt. Aber ich greife den Handschuh auf und gebe in Kürze die Gründe, weshalb ich an der alten Meinung festhalte. Der erste Grund ist die Widmung, da wie Theokrit das 11. Idyll dem als Arzt und Dichter berühmten Freunde Nikias widmet, so auch das 6. nicht einem obskuren Bauer der Insel Kos, sondern dem berühmtesten Arat seiner Zeit, dem Dichter Arat,

*) Hypoth. 6 nach Anführung der beiden Stellen: Sirvarai de orro^ elvai 6 tcov ^aivofievcov jzoirjii^i. SchoL zu VI 1: «ixo» tov dargoroftov ^Agmov elvat, f<5 ovyyF/oovlxet 6 Se6xQtxog,

Die Überlieferte ÄuawM theokrüiseher Gedichte, 401

gewidmet haben wird. Ob dieses 6. Idyll dem 11. auf Kyklops

nachgebildet sei, weiss ich nicht; darauf kommt es auch in

unserer Frage nicht an. Aber auch aus dem 7. Idyll selbst

lässt sich die Identität des Aratos mit dem berühmten Dichter

wenn nicht beweisen, so doch sehr wahrscheinlich machen.

Theokrit nennt hier Y. 98 den Aratos 6 ndvxa (piXcuxaTog

ävigi xrjvq), das lässt uns doch nur an einen dem Dichter sehr

nahestehenden, auch dem weiteren Kreis der Leser bekannten

Mann denken, am ehesten an einen Dichter, dessen Liebes-»

lieder auf den schönen Philinos den Freunden nicht unbekannt

waren. Sodann lässt sich Theokrit durch den Eitharöden Aristis

Kunde von der verzehrenden Liebe des Aratos zukommen. Das

wird keine Fiktion, sondern Wirklichkeit sein; dann war aber

der Arat kein Eoer; denn um die Liebelei und das Feusterln

eines Eoers zu erfahren, dazu hätte Theokrit keines Vermittlers

bedurft. Wohl aber konnte Aristis, wenn Arat ein Fremder

war und damals in Athen oder Pella weilte, auf seinen Eunst-

reisen Eunde von der unglücklichen Liebe des Dichters erhalten

und nach Eos bringen. Ich bleibe also bei der alten Meinung

und finde eine fein berechnete Eunst des Theokrit darin, dass

er, bevor er in dem 7. Idyll von dem Liebesgram seines Arat

sang, denselben im 6. als seinen lieben Freund einführte.

Ein anderer Gesichtspunkt, den Theokrit in der Anord- nung seiner Idyllen befolgte, war der geographische. Das 1. Idyll spielt auf Sizilien, der alten Heimat des Hirtenliedes, das 3. und 4. in Eroton in Unteritalien, das 5. in Sybaris und Thurii weiter östlich in Unteritalien, das 7., wahrschein- lich das 6. und 7. auf der Insel Eos. Das geht also von Westen nach Osten. Nun bin ich nicht so beschränkt, zu glauben, dass der Dichter Theokrit in der Anordnung seiner Gedichte gewissermassen eine Probe seines geographischen Wissens habe geben wollen. Aber die geographische Ordnung gab sich ihm von selbst und deckte sich mit der Entstehungs- zeit seiner Oedichte, wenn wir uns von der neumodischen Hypothese, die Heimat des Theokrit nach Osten, nach Eos oder Alexandria zu verlegen, losmachen und denselben nach

1W8. SHxgsb. d. pbilo«.-phiIol. n. d. bist. Kl. 27

402 W. Christ

der alten, durchaus nicht widerlegten Anschauung von Sizilien und Syrakus, der dorischen Heimat des Mimus und Idylls, nach Osten, zuerst nach Kos und dann nach Alexandria, ge- langen lassen.

Es bleibt noch das 8. Idyll, der Wettgesang des Daphnis und Menalkas, übrig. Dasselbe hat einen ganz eigenen Charakter. An die Stelle der natürlichen, vor groben Zoten nicht zurück- scheuenden Derbheit der Hirten tritt hier zarte Unschuld, die aber hübsch durch das jugendliche Alter der beiden Hirten- knaben motiviert wird. Neu auch ist die Form der Elegie, in welche die Wettgesänge der beiden Knaben gekleidet sind. Als erster Meister der Elegie galt nach dem Tode des Philetas Kallimachos, der die Berufung des Theokrit an den Hof des Ptolemaios Philadelphos vermittelte, und wir werden kaum irren, wenn wir in der neuen Form des Hirtenliedes ein An- bequemen, vielleicht geradezu ein Kompliment an den mäch- tigen Gönner und Freund in Ägypten erblicken. Jedenfalls war es in der Sonderstellung unseres Idylls sattsam begründet, dass der Dichter es zwar nicht an den Schluss denn ein Schlussgedicht war es ja nicht wohl aber hinter die anderen verschiedenartigen Hirtenlieder setzte.

Blicken wir zurück, so werden wir in der Abfolge der 9 Idyllen des Theokrit nicht das Spiel launenhaften Zufalls oder gar die Plumpheit prosaischer Grammatiker finden, son- dern die feine planmässige Kunst, die man am ehesten von dem Dichter selbst erwarten durfte.

5. Die Zehnzahl der Idyllen.

Theokrit hat, wie wir im vorhergehenden Kapitel zeigten, 9 bukolische Idyllen gedichtet und wahrscheinlich auch zu einer Holle gesammelt herausgegeben. Die Zahl der Idyllen wuchs bald nach dem Tode des Dichters auf 10, wahrschein- lich durch den Einfluss 2)ergamenischer Rhetoren, die die Zehn- zahl liebten und auch für die attischen Redner die runde

Die überlieferte AuswaKL (heokritischer Gedichte, 403

Zahl 10 in Rom aufbrachten. Die Zahl von 10 theokritischen Idyllen war voll zur Zeit Vergils. Denn dass Vergil auch in diesem Punkt seinem griechischen Vorbild Theokrit folgte, kann an und für sich nicht zweifelhaft sein und wird obendrein auch von dem Vergilerklärer Servius überliefert, der in der Einleitung seines Kommentars zu Vergils Bucolica bemerkt: sane sciendum septem esse meras rusticas, quas Theocritus decem habet.

Fragen wir nun aber, welches Gedicht neu zu den alten 9 Idjllen hinzutrat, so wird unser Blick zunächst auf das 2. Gedicht der jetzigen Ausgaben gerichtet. Aber diese Stelle hatte dasselbe nicht immer und nie in unbestrittenem Besitz. In den meisten Hss folgt es allerdings unmittelbar nach dem ersten, aber in mehreren und dazu in den besten hat es eine andere Stelle: in k M 23 10 und in ed. lunt. steht es nach dem 13., in p C nach dem 14. Gedicht der heutigen Sammlung. Welche von diesen Stellungen die ältere war, kann nicht zweifelhaft sein. Das Gedicht von den Zauberinnen spielt nicht auf dem Lande, hat keine Hirten, ist kein Bukolikon; es ist mit den Hirtenliedern verwandt, insofern diese selbst zur Gattung der Mimen oder nachahmenden Dichtungen ge- hörten, wie dieses neuerdings so hübsch Reich in seinem Buch über den Mimus ausgeführt hat; aber es hat seine Stelle unter den mimetischen Gedichten im allgemeinen, nicht unter den bukolischen im besondem. Es wurde nur an die 2. Stelle, hinter das 1 . Idyll gesetzt, weil es mit demselben in der Form, insbesondere in dem wiederkehrenden Refrain, die grösste Ver- wandtschaft hat,*) wohl auch weil es besonders gefiel und nach dem Idyll von Daphnis die meisten Leser fand.

Wann wurde es nun aus seiner ursprünglichen Umgebung vor den städtischen Mimen Kyniska (14) und Adoniazusen (15) unter die Hirtenlieder versetzt? Darauf gibt eine sichere Ant- wort Vergil. Vergil zählte die Zauberinnen bereits zu den

*) Ausser in dem Refrain zeigt sich die Ähnlichkeit in der Häufig- keit der bukolischen Cäsur, wie nachgewiesen von Ahrens, Philol. 33, 387.

27*

404 W. Christ

bukolischen Gedichten; denn er gab von ihnen in der achten seiner Eklogen eine an eine Übersetzung anstreifende Nachahmiing. In seinem Exemplar der Bukolika Theokrits werden also die Pharmakeutriai schon an zweiter Stelle gestanden haben. Aber diese Versetzung ist nicht allgemein durchgedrungen; wäre sie das, so hätte sich nicht in mehreren unserer Handschriften die ältere Stellung erhalten. Es gab also andere Gelehrte, welche die Einreihung der Zauberinnen unter die Hirtenlieder miss- billigten und indem sie doch auch an der beliebten Zehnzahl festhielten, ein anderes Gedicht an die alten 9 Idyllen angliederteo. Welches dieses war und wann die Angliederung geschah, darQber geben uns die Hypotheseis Aufschluss. Um das zu yerstehen. dürfen wir einen kleinen Umweg nicht' scheuen.

Der Hypothesis des 12. Gedichtes iTiiygäfperai jtiev x6 eldvl- Xiov Mittag, yeyQanxai dk *Iddi diakixrq} ist der Vermerk voraus- geschickt: vTto&eoig ^Egazoa&ivovg. Eratosthenes war ein dich- tender Grammatiker des ausgehenden Altertums um 400 nach Ahrens PhiloL 33, 584, und wird mit jenem Vermerk als Ver- fasser zunächst der 12. Hypothesis, aber gewiss nicht nur dieser Hypothesis allein, sondern, wie Ahrens t. II p. XXXHI richtig sah, entweder von allen, oder doch von allen folgenden Hypo- theseis bezeichnet. Aber wie kommt es, dass der Name des Verfassers gerade an dieser Stelle angemerkt wurde? Das 12. Idyll und die Hypothesis dazu haben nichts, was eine Sonderstellung rechtfertigte. Denn dass es in ionischem statt dorischem Dialekt geschrieben war, hat doch nicht viel ver- schlagen und war für die Inhaltsangabe bedeutungslos. Eher könnte man daran denken, dass die Hypotheseis der 11 ersten Idyllen aus der guten Zeit der älteren Grammatik stammten und dass erst unter Justinian sich ein Grammatiker, eben unser Eratosthenes, fand, der auch zu den später angefügten Gedichten Hypotheseis verfasste. Aber auch diese Erklärung kann nicht aufrecht gehalten werden. Manche der Hypothesen zu den späteren Gedichten sind allerdings dürftig und scheinen mehr die Armseligkeit der Grammatik der Byzantinerzeit zu ver- raten. Aber es finden sich doch darin auch einige vorzüg-

Die überlieferte Auswahl theohritischer Gedichte. 405

liehe Bemerkungen, die nicht auf dem mageren Boden der spätgriechischen Grammatik gewachsen sind, sondern auf eine Zeit zurückgehen, wo man noch die alte Literatur in weiterem Umfang las und zur Erklärung heranzog, wie hyp. 15: Tiags- nlaae to TzoiTj/idxiov ix tqVv nagd 2!co(pQOvi ^a/iivcov "la&^ia^ hyp. 18 Tivä EiXrjTiTai ix xov 7iQ(oxov SxriaixdQOv ''EXivrjg ini^ ^alafxlov. Dazu kommt, dass auch in den späteren Hypo- tbeseis, wie hyp. 17, gerade so wie in den früheren (hyp. 3 7) gegen einen Vorgänger, einen gewissen Munatius, polemisiert wird. Es hat daher keine Wahrscheinlichkeit, dass die Hypo- theseis zu 12—18 von einem anderen verfasst sind als die zu 1 11. Zu allen Idyllen lagen aus guter alter Zeit ge- lehrte Hypotheseis vor, und es scheint derselbe Eratosthenes alle in der Zeit Justinians umredigiert und der Neuredaktion seinen Namen vorgesetzt zu haben.

Aber dann kehrt die Frage wieder, wie kommt es, dass der Verfassername gerade bei der 12. Hypothesis angemerkt ist? Ich weiss dafür keinen anderen Grund auszuiinden als den, dass mit dem 12. Qedicht ein neuer Abschnitt, ursprünglich eine neue Bolle begann. Dann umfasste das erste Bändchen die Gedichte 1 11 oder wenn wir das 2. Gedicht an seiner ursprünglichen Stelle belassen denken, eine Dekas, bestehend aus 1 3 11. Eine solche Dekas lässt sich aber auch recht wohl begreifen. Das 11. Gedicht KvxXcotp enthält allerdings keinen Dialog und ist kein Hirtengedicht im strengen Sinne des Wortes; aber es steht doch nahe an der Grenzscheide. Der Kyklop ist kein menschlicher Hirt, aber ein Hirt ist er doch, so dass auch das nach ihm benannte 11. Gedicht zu den bukolischen Gedichten zählen konnte. Wir werden daher nicht den Vorwurf phantastischer Kombinationen uns zuziehen, wenn wir die Vermutung aufstellen, es sei die alte Theokrit- ausgabe von 9 bukolischen Gedichten auf doppelte Weise zu einer Ausgabe von 10 Gedichten ergänzt worden, indem die einen zwischen dem 1. und 3. Idyll die Pharmakeutriai ein- schoben, die andern am Schluss den Kyklops zusetzten.

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6. Die Erweiterung der alten Sammlang.

Es ist allseits anerkannt und liegt auf platter Hand, dass unsere Sammlung theokritischer Gedichte eine Anthologie ist, so entstanden, dass an einen alten Kern bukolischer Gedichte von Freunden der theokritischen Muse nach und nach aus den anderen Dichtungen des Meisters weitere Perlen angereiht wurden. Dieser Prozess des Werdens fand im Anfang des 6. Jahrhunderts seinen Abschluss; das erhellt aus dem Artikel des Suidas über Marianos, wonach dieser Yerseschmied aus der Zeit des Kaisers Anastasius (491 518) eine Metaphrase des Theokrit in 3150 lamben schrieb, welche Zahl so ungefähr den 3262 Versen unserer Theokritsammlung entspricht.*) So alt ist nun zwar keine unserer Handschriften, aber da diese verschiedene, in weit ältere Zeit zurückreichende Stämme der Überlieferung repräsentieren, so lässt sich aus ihrer Vergleichung doch noch ein Einblick in das allmähliche Wachsen und die verschiedenen Stadien des Wachstums unserer Anthologie ge- winnen. Das Beste in der Aufhellung dieses Verhältnisses ist bereits geleistet in dem Aufsatz von Ahrens, Theokrits Ge- dichte, Philol. 33 (1834), und Hiller, Beiträge zur Text- geschichte der griechischen Bukoliker, 1886, doch so, dass noch manches teils nachzutragen, teils richtiger zu stellen ist.

Den Kern unserer Anthologie bildet die anfangs aus 9, später aus 10 Idyllen bestehende Sammlung bukolischer Gedichte (a). In ihnen beruhte der Ruhm unseres Dichters, und von ihnen ist also auch die Auswahl seiner Gedichte ausgegangen. Zu ihnen kamen zunächst einige nahe verwandte Gedichte erotischen und mimetischen Charakters, nämlich 10— 13 18, 2 14—15.*) Da für

*) Ganz entsprechen sich die beiden Zahlen nicht, und es hat viel- leicht in dem Exemplar des Marianos noch die besonders verdächtige 'OaQiarvg (Th 27) gefehlt oder es hat Marianos, wie Ahrens 586 vermutet, die fiFArj nicht in lamben umgesetzt. Vgl. Birt, Antikes Buchwesen S. 400.

'^) Möglicher Weise sind diese Gedichte nicht alle auf einmal, son- dern in verschiedenen Nachschüben (zuerst 11—13, dann 1-4 15 18,

Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte, 407

diese in dem Katalog der Werke Tbeokrits bei Suidas kein Platz gelassen ist, so vermute ich, dass dieselben zur Zeit, als jener Katalog aufgestellt wurde, keine Sonderexistenz mehr hatten, .sondern schon mit dem alten Kern der Sammlung unter dem gemeinsamen Titel ßovxoXtxd zusammen gefasst waren. In diese erweiterte Sammlung wurden sodann aus Gründen, die ich oben im ersten Kapitel dargetan habe, die Enkomien auf Ptolemaios (17) und Hieron (16) eingeschoben. Die Sammlung von 18 Gedichten (1—18) repräsentiert das zweite Hauptstadium in der Geschichte der Auswahl theokritischer Poesie; in derselben befindet sich schwerlich etwas, was nicht aus der Feder des Theokrit her- Torgegangen wäre. Wii- bezeichnen den Komplex der Dich- tungen dieses zweiten Stadiums mit a ß, weil er ausser dem ältesten Bestandteil, den eigentlichen Hirtenliedem (a), auch noch den aus verwandten, erotischen und mimetischen Gedichten bestehenden ältesten Zusatz (ß) enthält. Handschriftlich ist er vertreten durch Kl. I oder die Codd. a g 1 x 4 5 12 14 16 F N 0. Von diesen Hss stammt a aus dem 13. Jahrhundert, die übrigen sind jung, so dass man auch vermuten kann, sie seien erst durch Verkürzung der stärker angewachsenen Anthologie entstanden.^)

dann 17 16) hinzugekommen, wie dieses Ahrens, Philol. 33, 395 annimmt. Aber wenn ich auch oben in dem Verzeichnis der Handschriften, haupt- sächlich auf die Hss p und Q gestützt, die Klassen 1 und la unter- schieden habe, so halte ich doch, von den beiden Preisliedern abgesehen, den Ursprung des verschiedenen Umfangs der Hss ans allmählichen Nach- schöben für sehr problematisch. Es konnte auch eine vollständige Samm- lung 11 12 13 2 14 15 18 später durch Weglassung einer (18) oder mehrerer (14 15 18) Nummern verkürzt werden.

*) Die Form liegt auch den Hss s saec. XIII, 16 saec. XIV, P saec. XIV, Y saec. XIV zugrund, so dass nur in die 18 theokritischen <iedichte noch der unechte ejitraq^ios Bicovog (Mosch 3) eingeschoben ist. Ahnlich verhält es sich mit dem zu den besten Hss zählenden Laur. p, in welchem sich folgen: 15 6 4 7 3 8—13 15 14 2 Mosch 3 Th 16 and davon durch Zwischenlage getrennt Th 22 17, so dass ebenfalls zu den alten Gedichten Theokrits der unechte imr. Bi(ovog gelegt ist. ^♦^achtenswert für Erkenntnis eines älteren kleineren ürafangs der theo- tritiachen Anthologie sind auch die Hypotheseis im Cod. p, die nach 2iegler ed. III p. 192—197 nur umfas.sen 1 3-16.

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Zu dieser erweiterten Sammlung (a ß) fügte ein feiner Kenner noch dasjenige, was unter den anderen Werken des Theokrit den bukolischen und mimischen Gedichten am nächsten kam, die im Geiste und im Stil der Sappho gedichteten Lieder, jiiekrj, oder die Gedichte 28 30 (y) unserer heutigen Ausgaben. Man kann diese Stufe der Auswahl theokritischer Gedichte die eratosthenische nennen, weil zu ihr allein Hjpotheseis unter dem Namen des Grammatikers Eratosthenes erhalten sind. Sie ist repräsentiert durch die Klasse II unserer Hand- schriften, deren bester Vertreter der Mediolanus k ist,^) wenn auch, wie es scheint, infolge eines zufalligen Ausfalls die Ge- dichte 28 30 nicht mehr in k, sondern nur noch in jüngeren suppletorischen Hss D und c uns erhalten sind. Wir bezeichnen diese Klasse, die die Partien a ß y enthält, als die U., weil ihr eine ältere, welche nur a ß enthielt, Yorausgegangen sein muss; an innerem Wert für die Textkritik und auch nach dem Alter der zu ihr gehörigen Handschriften nimmt sie die erste Stelle ein. In den Handschriften dieser Klasse sind ebenso wie in Klasse III hinter den Mele auch noch die Epigramme hinzu- gefügt, aber dieser Anhang stammt nicht mehr aus alter Zeit, sondern ist auf einen byzantinischen Grammatiker zurückzu- führen, der mit grossem Ungeschick und mit starken Irrtümern aus der Anthologie des Konstantinos Kephalas diejenigen Epi- gramme auszog, die unter dem Namen des Theokrit liefen oder zu laufen schienen.

Die nächste Stufe der Erweiterung liegt uns in der Klasse III unserer Handschriften vor, die vorzüglich vertreten ist durch den Paris. D und zu der der verlorene Cod. Patarinus, aus dem durch Vermittelung der Abschrift des Griechen Musurus die Edit. luntina und teilweise auch die Callergiana geflossen sind, gehörte.*) Der Paris. D saec. XIV ist aus vier, sich

^) Daneben kommt hauptsächlich in Betracht der alte Vat. 6 saec. XIll^ in dem nur 16 fehlt und dafür nach 18 der imid<ptog Bi<ovoc (Mosch 3) eingeschoben ist.

2) Über den verwandten, aber weniger vollständigen Codex 9 werde ich erst unten handeln.

Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte, 409

gegenseitig ergänzenden und aus verschiedenen Vorlagen ent- Dommenen Teilen zusammengesetzt und enthält folgende Gedichte :

D;: 1—3 8—13 4—7») 14 16 29 epigr. D^: 17 18 15

D«: 24 22 26 28 Mosch 4 Th 25 D^: Mosch 3 Th 27.

Von dem Schreiber oder richtiger den Schreibern der Hand- schrift wollte offenbar D^ die Gedichte 17 und 18 an 16 an- schliessen und hat denselben dann noch nachträglich das in D' zwischen 14 und 16 durch Zufall oder Nachlässigkeit aus- gefallene Gedicht 15 zugefügt. Bis dahin nahm der Schreiber von D nur Gedichte auf, die in der alten Sammlung bereits stunden und uns sämtlich aus Klasse I und II der Hss bekannt sind. Neu kamen durch D* zunächst hinzu: 24 22 26. Wir haben diese bereits oben als echte Gedichte des Theokrit kennen gelernt und als solche, die aus den Abteilungen vjuvoi und fJQOHvai der Gesamtwerke des Theokrit stammten. Es folgt sodann das Gedicht 28 oder das erste der Abteilung juekrj(y). Daraus dürfen wir mit Zuversicht schliessen, dass die Gedichte 24 22 26 (d) bestimmt waren zwischen die alte mit Gedicht 18 abschliessende Sammlung a ß und die in der Handschriften- klasse n hinzugekommenen ßiilrj eingeschoben zu werden. Auch heutzutage noch stehen dieselben, wenn auch mit anderen Stücken vermehrt, vor den Liedern (jÄiXrj) oder zwischen ß und y. Woher diese Stellung? Das lässt sich mit Sicherheit aus dem durch Suidas uns erhaltenen Katalog der Werke Theokrits beantworten. Dort folgen sich ßovxohxä flgoindeg ihiideg vfAvoi ^Qwitvai Inixrjdeia ^eXrj, stehen also die vfjLvoL und YiQwivai^ aus denen die Gedichte 22 24 26 genommen sind.

*) Die anffällige Unordnung der Gedichte des ersten Teils der Sammlung, der wir eine ähnliche in El. IV zur Seite stellen, scheint aus einer VerateUnng der mehrere Gedichte (4—7 8 13) umfassenden Lagen (ob kleinen Rollen?) entstanden zu sein, so dass die dritte Lage vor die zweite gestellt wurde. Ein ästhetischer Grund, der in Kl. II zur Ver- letzung von Idyll 7 nach Idyll 1 geführt zu haben scheint, ist hier nicht ersichtlich.

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vor den /xikr]. Es hat demnach der Urheber der erweiterten Sammlung a/? dy, als er die Gedichte 22 24 26 der älteren Sammlung aßy hinzufügte, die neuen Gedichte nicht an das Ende nach y gesetzt, sondern dorthin, wohin sie nach dem Katalog der Gesamtwerke gehörten, zwischen ß und y. Wann dieses geschah, darüber erlaube ich mir keine Vermutung, wohl aber lässt sich das Interesse erraten, das zu dieser neuen Er- weiterung führte. Durch den epischen Kyklos oder die Hypo- thoseis des epischen Kyklos, die unter Proklos im 5. Jahr- hundert eine Neuausgabe erfahren hatten, war die Kenntnis der alten Mythen des troischen und thebanischen Sagenkreises allgemein verbreitet worden; die Argonautensage kannte man aus dem Epos des ApoUonios, das obendrein der oben genannte Marianos in byzantinische lamben umsetzte. Für die Herakles- sagc und den Mythus der Dioskuren und der Kadmostochter hatte man kein gleich geläufiges Hilfsmittel. Ein Grammatiker half diesem Bedürfnis ab, indem er der beliebten Anthologie des Lyrikers Theokrit aus dessen Gesamtwerken die epischen Gedichte diöoxovgoi (22), 'Hgoxkioxog (24), Bdxym (26) hin- zufügte.

Nun wird sich auch eine Erklärung der in D zunächst folgenden Gedichte Meyäga (Mosch 4) und 'Hgaxlrjg keovTO(p6voQ (Th 25) aufstellen lassen: sie dienten dem gleichen stofflichen Zweck. Die Herakleiai des Peisandros und Panyasis waren längst veraltet, wahrscheinlich kaum mehr in einer Bibliothek aufzu- treiben; ein Grammatiker ersetzte sie, indem er in einem Nach- trag (e) zu den epischen Gedichten des Theokrit auch noch die aus dessen Schule stammenden Erzählungen von dem löwen- erwürgenden Herakles und der unglücklichen Mutter der Herakles- kinder Megara fügte. Jetzt wird es auch klar, warum in den Handschriften unseres Theokrit die Heraklesgedichte nicht zu- sammenstehen: sie stammen nicht aus gleicher Quelle und sind nicht zu gleicher Zeit in die Theokritanthologie aufge- nommen worden. Der Hylas (13) mit den den schönen Jüng- ling in den Quell hinabziehenden Nymphen bewegt sich in dem Gedankenkreis der ländlichen und erotischen Gedichte (a ß);

Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte. 411

der Herakliskos (24) gehört zur Schicht <3 und ist wie der Hylas aus den echten Werken Theokrits ausgezogen; der Hera- kles leontophonos (25) bildet zusammen mit der Megara (Mosch 4) einen Nachtrag (c) und rührt nicht von Theokrit selber her.

Am Ende der Handschriftenklasse HI stehen noch der biad(piog Bicovog und die ^Oagioivg. Beide sind entschieden unecht und stehen daher passend in D am Ende, wo man nach verbreitetem Brauch dem Echten nach das unechte, aus anderen Quellen Entnommene anzuhängen pflegte. Das Liebes- geplauder (27), in dessen Unechtheitserklärung ich ebenso wie andere ganz mit Ahrens Philol. 33, 588 übereinstimme, be- rücksichtige ich weiter nicht, da es nicht bloss in EI. II, sondern auch in Kl. IV fehlt und kaum vor der Kaiserzeit entstanden ist. Dagegen muss ich noch, wenigstens mit einigen Worten von dem Epitaphios auf Bion handeln. In D stellt derselbe passend, weil anderwärtsher, wahrscheinlich nach Ahrens aus Cod. I entnommen, am Ende im Nachtrag; in Kl. IV steht er nach dem Enkomion des Ptolemaios oder nach Ekloge 17.^) Doch scheint er auch hier durch die Stellung als unecht be- zeichnet zu sein, indem mit Ekloge 17 die alte Sammlung ab- schloss und nur dieser Abteilung (a ß) statt der ganzen Samm- lung das unechte Gedicht angehängt wurde. Dass dasselbe nicht von Theokrit herrührt, bedarf keiner neuen Begründung; dass es aber auch infelicissima coniectura, wie Bücheier, Rh. M. 30, 40 sich ausdrückt, unter die Werke des Moschos ge- setzt worden sei, kann als ausgemacht gelten. Denn der Ver- fasser desselben gibt sich am Schlüsse mit unzweideutigen Worten als Schüler des Bion kund, Moschos aber war kein Schüler des Bion, sondern lebte, wenigstens nach den Zeug- nissen des Altertums, vor Bion. Auch spricht die Verstechnik

') Diese Stellung wird er auch in der Vorlage des mit Klasse I nahe verwandten Cod. p gehabt haben, wo auf 17 nach einem leeren Zwischenraum folgen: 1 6 6 4 7 3 8-13 15 14 2 Mosch 3 Th IG. ähnlich verhält es sich mit dem alten Cod. 6 saec. XIII, wo sich folgen 1-15 18 Mosch 3 Th 28 29.

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des Epitaphios, in dem mit erkenntlicher Absicht trotz des Zuges wehmütiger Trauer jeder Spondeus im 5. Fuss yennieden ist, gegen die Autorschaft des Theokrit wie Moschos, da diese in den epischen Gedichten den Spondeiazon ohne Bedenken anwandten. Aber wie kam dieser Epitaphios auf Bion in die Anthologie des Theokrit? Ich wage darüber eine Vermutung, die aber auch nichts weiter als Vermutung sein will. Nach dem Katalog bei Suidas schrieb Theokrit auch Trauerlieder (ijiiHi^dEia\ ein solches Imxrjdeiov ist auch der intxdiptog auf Bion. Als man nun gegen Ende der römischen Republik die Werke der Bukoliker sammelte, um die vereinzelten Ge- dichte vor dem Untergänge zu schützen, da mochte ein Be- wunderer des rhetorisch aufgeputzten Trauergesangs auf Bion auch diesem Spätling der bukolischen Muse die Erhaltung sichern, indem er ihn den Trauergesängen des Theokrit anschloss. War er aber einmal unter die Werke des Theokrit aufgenommen, dann ist es bei der Richtung der Zeit nicht mehr zu ver- wundern, wenn er gegen Schluss des Altertums auch Aufnahme in die Anthologie theokritischer Gedichte fand.

7. Die unechten Zusätze der Sammlung.

Die grösste Zahl von Gedichten enthält die Klasse IV der Theokrithandschriften, die von Hiller in seinen für dieses Gebiet bahnbrechenden Untersuchungen mit dem Buchstaben $ zusammengefasst wurden. Hauptvertreter dieser Klasse sind der Paris. M, der die Rezension des byzantinischen Grammatikers Triklinios enthält, und der Vatic. 23, der jetzt in 2 Teile aus- einandergerissen ist und zu verschiedenen Zeiten zwei Blätter- verluste erlitten hat, so dass er durch die 2 ältesten Apo* giaphaVat.il undLaur. w ergänzt werden muss.^) Von diesen Hauptvertretern der Klasse IV enthält M:

^) Der älteste Vertreter der Klasse IV ist der Paris. Q, (geschrieben 1298, aber derselbe ist unvollständig und enthält nur den Anf&ng: 1 5 6 4 7 3 8-13.

Die Überlieferte ÄuswM theohntiseher Gedickte. 413

15 6 4 7 3 8—13 2 14—16 25 Mosch 4 Th 17 Mosch 3 Th 22 18 20 21 Bi 1 Th 23 Bi 2 avg. ßcofi.

23 nach der Rekonstruktion von Hiller:

15 6 4 7 3 8—13 2 14—16 25 Mosch 4 Th 17 Mosch 3 Th 22 18 20 21 Mosch 1 Th 19 Bi 1 ek vehq6v 'Ad. Th 23 Bi 2.

Cod. 23 enthält also, wenn wir wie billig von dem Anhange IvQiyS und Bco/idg absehen, 3 Stücke mehr wie M, nämlich Mosch 1 oder ^Egcog öganEirig^ Th 19 oder KriQioxlejnrjg und Ek vexQÖv "AöcDviv. Man kann zweifeln, ob dieselben von Triklinios, dem Redaktor von M, weggelassen oder von dem Schreiber des Cod. 23 neu hinzugefügt worden seien. Ahrens p. 596 und Hiller p. 58 entscheiden sich für die erstere An- nahme, und in der Tat hat dieselbe die grössere Wahrschein- lichkeit für sich, da Triklinios schon so urteilsföhig war, um diese Ausscheidung des unzweifelhaft Unechten treffen zu können. Jedenfalls werde ich im folgenden von der vollstän- digen Reihe in Cod. 23 ausgehen. 0 also hat von den Gruppen der Gedichte Theokrits, die wir bereits aus den Klassen I, II und lU der Handschriften kennen gelernt haben, a ß e und von der Gruppe d das Gedicht 22; es fehlen ihr die Gruppe y und von der Gruppe d die Gedichte 24 und 26. Man könnte vermuten, dass diese fehlenden Gedichte ursprünglich auch in dem Archetypus von (P enthalten gewesen seien, da sie sich in den mit M imd 23 verwandten Codd. c und 11 finden. Aber diese Vermutung ist sofort wieder aufzugeben. Denn diese beiden Hss, die man als lYa- Klasse bezeichnen kann, sind aus verschiedenen, zur gegenseitigen Ergänzug dienenden Teilen zusammengesetzt, und diejenigen Teile, welche die frag- lichen Gedichte enthalten, haben zu $ keine Beziehung.^)

^) Zur Verdeutlichung gebe ich hier eine Analyse der beiden Hs8; es besteht c saec. XV aus: c*: Th epigr., 24 26 27 c*»: Th 1—3 5 4 6—13 c*: 11 iterum 14-16 25 Mosch 4 Th 17 Moach 3 Th 22 18 20 21

Bi 1 Th 23 Bi 2. avg. c*: Th 28 29 30 c*: «V rexQorZid. Mosch 1 Th 19.

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Bleiben wir also vorerst, bis wir eines Besseren belehrt werden, dabei stehen, dass in der Klasse IV einige Gedichte fehlen, die uns durch die beiden Klassen II und III erhalten sind, und wenden wir uns lieber zu den neu hinzugekommenen Gedichten. Neu also sind durch ^ oder Cod. 23 hinzugekommen:

Von diesen Teilen, die aber in der Ha nicht gesondert sind, decken sicli c^ und c*" wesentlich mit M, c* enthält eine Ergänzung aus Cod. 23, c* und c"* aus D, als das Original noch vollständiger war; denn Th30 ist uns nur durch unser c erhalten. Von den gemischten Ergänzungs- handschriften, wie auch c eine ist, sollte man erwarten, dass der erst« Teil den Grundstock enthalte und dann erst die Ergänzungen aus einer oder mehreren Hss folgen. Hier ist dieses nicht der Fall ; denn mit den Epigrammen Theokrits hat sicher nie eine Theokrithandschrift begonnen; aber in der Vorlage von c wird auch sicher nicht c* vorangestanden haben.

Cod. 11 saec. XV besteht aus:

!!•: Th 1—15 18 Mosch 3 Th 28 29.

n^i Th 16 25 Mosch 4 Th 22 18 20 21 Mosch 1 Th 19 Bi 1, tU vexQov "Ad. Th 23 Bi 2.

11«: Th24 avQ, Von diesen Teilen gehört 11»» oflFenbar zu Kl. III, 11» zu Kl. II ähnlich wie s und Y, nachdem in derselben bereits der unechte httzdtpiog Biwrog angeschlossen war, wie dieses tatsächlich in Cod. 6 geschehen ist; 11 'ist eine teilweise Ergänzung aus Kl. III.

In Cod. 18 saec. 15 ist nur die Sylloge ^ ohne die vorausgehenden Gedichte enthalten, nämlich Th 25 Mosch 4 Th 22 20 21 Bi 1 Th 23 Bi 2 Mosch 3.

Cod. 9 (m) saec. XII, wohl der älteste Codex des Theokrit, enthält nur 2,5—3,6 5,59-13,65 1^,71-17 22 25. Da er unvollständig ist, so lässt sich seine Einreihung nicht mit voller Sicherheit bestimmen: er könnte dem Inhalt nach zu Kl. III oder IV gehören. Durch Vergleichung seiner Lesarten hat Hiller S. 44 f. und 73 f. erwiesen, dass er eher zu Kl. IV als zu Kl. III zu stellen ist.

Die Evgcjjttj oder Mosch 2 ist in der Aldina und in dem daraus geflossenen (s. Hiller Beitr. 9) Cod. r durch Cod. m saec. XII und Cod. s saec. XIV in unsere Sammlung gekommen. In s stehen in einem Nach- trag jüngerer bukolischer Gedichte, getrennt von den Gedichten des Theokrit, Mosch 1 2 4, die beiden ersten ausdrücklich unter dem Namen Mooxov. Ähnlich ist die Sachlage in dem alten Cod. 9 (m), wo von den Gedichten des Theokrit getrennt steht Mooxov EvQioxi]. Mit Recht ist daher seit Stephanus die Europe wieder aus den Ausgaben des Theokrit verschwunden und in die Ausgabe des Moschos verwiesen.

tHe überlief erie AuswM theokritischer Gedichte, 415

Th 20 oder BovxoJiiaxog ^ Th 21 oder 'Alieig, Mosch 1 oder "Egayg dQajthi]g, Th 19 oder Kfigioxkenxfjg^ Bi 1 oder i7iird<piog 'Adcovidog, Elg vexgov ^Adcoviv, Th 23 oder ^Egaarijg, Bi 2 oder tn&aidfiiog ^AxdXecog xal Atjtda/Lielag. Von diesen neuen Ge- dichten sind entschieden mehrere nicht theokritisch, wie der "EgcDg dQa7ihi]g, der in Anth. Pal IX 440 dem Moschos beigelegt wird, und der inizdipiog *Ad(6ndog, der nach der Andeutung im bindtfiog Bicovog V. 70 von Bion herrührt. Unter diesen Umständen drängt sich jedem von selbst die Frage auf, sind auch die übrigen 6 Qedichte unecht, und wenn, rühren sie auch Ton Bion mid Moschos her und welche von dem einen und welche von dem andern? Ehe wir aber an die Besprechung dieser schwierigen Frage gehen, müssen wir zuvor die An- gaben über die alten Ausgaben des Theokrit und der Bukoliker erörtern.

Wir haben in den Prolegomena der Scholien des Theokrit ein Epigramm

'Aqts/hScjqov ygafjifiaTixov hil xfj d.'&Qoioei xlbv ßovxoXixcbv 7ioif]judT(ov' BovxoXixal MoToai anoQdÖeg jzoxd, vvv S* äjua näaai

evtI fxiäg fxdvögag, ivxl jxLäg äyiXag,

wonach der Grammatiker Artemidoros im I.Jahrhundert v. Chr. eine Sammelausgabe der Bukoliker, zunächst wohl der drei berühmten Bukoliker Theokrit Moschos Bion, vielleicht aber auch noch anderer weniger berühmten Dichter aus der Schule jener Meister veranstaltete. Jenem Epigramm steht ein anderes gegenüber

'AUog 6 Xiog' iyä) de OeSxgixog og xdd^ eyQaipa^)

elg änd xtbv noXX&v el/il 2vQaxooia>v, vii>g UgaSayogao JieQixXeixrjg xe ^iXivrjg,

ßxovoav d' d^eirjv oixiv^ IfpeXxvod/tirjv

') Den ersten Vers, dem man den Artikel des Suidas ,^ßs6HQtzog

Xiog oriKOQ ixa^XT}^ MrjxQodutQov tov 'looxQaxixov foxi xai etfqoc;

SioxQtxog IJga^ayoQOV xai ^tXirrjq* zur Seite stellen niusH, führe ich auf üen unter Cicero lebenden Literarhistoriker Demetrius M.aorneM zurück,

416 HT, Christ

das ich am liebsten im Gegensatze zu dem Yorausgehenden auf eine Spezialausgabe des Theokrit deute, in der jedes fremde Element, insbesondere jedes nicht in syrakusanischem Dialekt geschriebene Gedicht ausgeschlossen war.^) Von der Sammel- ausgabe sollte man nach dem Wortlaut des Epigramms allerdings erwarten, dass sie lediglich bukolische Gedichte enthielt Aber da schon Yergil über diesen engen Rahmen hinausging und da auch in der Sammlung des Theokrit mit den eigentlichen Hirtenidyllen verwandte Gedichte, Mimen und Erotika, verbun- den waren, so darf man wohl die Vermutung wagen, dass auch in jener Sammelausgabe der Bukoliker nicht blos bukolische Gedichte im strengen Sinne des Wortes standen, sondern auch verwandte Gedichte entweder gleich von vornherein aufge- nommen waren oder doch später zu den eigentlichen Hirten- liedern hinzukamen. In jedem Fall konnte leicht jemand am Ende des Altertums oder im beginnenden Mittelalter auf den Gedanken kommen, an die erweiterte theokritische Anthologie am Schlüsse noch hübsche Gedichte ähnlicher Art aus Bion und Moschos oder anderen Bukolikern zu fügen.*) Für diese Annahme haben wir einen festen Anhalt in der Tatsache, dass in der Handschriftenklasse lY mehrere nichttheokritische Gedichte gerade am Ende der Sammlung hinter den echten Gedichten des Theokrits stehen.

Aber wo beginnen die unechten? Ehe wir diese schwierigste Frage zu lösen versuchen, wollen wir zuvor mehrere leichtere erledigen. Fanden in jenen Anhang bloss Gedichte des Bion

der ein Buch tisqi Sficovvfieov jtoiijr&v xai avyygaipeayv geschrieben hakte, in dem recht wohl die beiden gleichnamigen Autoren, der Historiker und der Dichter Theokrit, unterschieden werden konnten.

i) Alfr. Croiset, Histoire de la litt. gr. V 184 deotet die Worte Moiaav vOveitjv auf die Nachahmer, schwerlich mit Recht, da d^eitj viel eher auf ein zu einem anderen Genre gehöriges oder in einem anderen Dialekt geschriebenes Gedicht geht. Ahrens Philol. 33, 391 will beide Epigramme, weil nie in k ohne Zwischenraum aufeinander folgen, dem- selben Artemidor beilegen. Aber ein Zusammenhang ist gar nicht ersirhtlich.

^) Tatsiuhlich steht in s und 9 Moschos nach Theokrit.

DU Überlieferte Auswahl iheohritiseher Gedichte. 417

und Moschos Aufnahme? Man möchte dies glauben, aber an schon war ein von keinem der 3 Bukoliker verfasstes Ge- dicht, der ijiird<piog Bicovog^ angeschlossen worden, und das in anakreontischen Versen verfasste Oedicht Elg vexgdv ^AdcDvir kann doch schon des Yersmasses wegen, das erst in der Kaiser- zeit beliebt wurde, nicht bis in die Zeit der drei berühmten Bukoliker zurückdatiert werden. Es heisst also vorsichtig sein, aber trotzdem bleibt es in jedem einzelnen Falle, wo man keinen Grund dagegen anführen kann, das wahrscheinlichste, dass entweder Bion oder Moschos der Verfasser des nichts theokritischen Gedichtes sei.

Auch das andere ist wahrscheinlich, dass in dem Anhange die Gedichte des Moschos und Bion nicht bunt durcheinander gewürfelt sind, sondern die eines jeden derselben zusammen stehen. Ich wage daher unbedenklich den Schluss, dass das Gedicht KriQioxkenxrig (Th 19), weil es hinter einem Gedichte des Moschos, dem ^Egwg dganirrig, steht, gleichfalls von Moschos herrührt, und dass der ^Egami^g (Th 23), weil ihm ein Gedicht des Bion vorausgeht und ein solches wahrscheinlich auch nach- folgt,^) ebenfalls dem Bion beigelegt werden darf. Meine Zuver- sicht wird dabei dadurch gesteigert, dass die Kritiker schon, ehe sie das Verhältnis der Anordnung durchschauten, den KrjQioxXejtrT]g wegen der Gleichheit des Tones neckischer Schel- merei demselben Dichter wie den ^Egcog dQonhrjg zuschrieben. Bemerkt sei nur noch, dass in diesem Anhang geradeso wie in dem Kanon der bukolischen Dichter Moschos vor Bion ge- setzt und somit die von Bücheier wieder zu ihrem Rechte ge- brachte Ordnung Theokrit, Moschos, Bion bestätigt wird. Aber nun komme ich wieder auf die Frage zurück, wo be- ginnt die Reihe der unechten Gedichte? Bei näherem Zusehen werden alsbald der Antwort engere Grenzen gezogen. An

^) Ich halte mit den Meisten es für wahrscheinlich, dass der 'Em- ^aXdfuog *Axi^^io}s >cai AfjtÖafieiaSf eine Nachahmung? des theokritischen 'Eievijg sjti&aXdfiios, von Bion herrühre, und dass das anakreontische Ge- dichtcfaen Eis vexQov'Adtoviv des ähnlichen Inhaltes wegen dem imjdqpiog 'Adüfptdoe angehängt worden sei.

1908L Sitsgsb. d. pbUo«.-phUol. n. d. bist. Kl. 28

418 W. Christ

sechstletzter Stelle steht der *^Qayg dgaTthrjg, dessen Verfasser nicht Theokrit sondern Moschos ist; an neuntletzter Stelle steht 'Elivtjg im&aXd^iog^ ein Gedicht, das zu den 18 ersten Gedichten der theokritischen Anthologie gehört, also sicher echt ist. Die Grenze des unechten Anhanges muss demnacli nach dem achtletzten und vor dem sechstletzten Gedicht ge- zogen werden; es handelt sich also nur darum, sind die an siebent- und achtletzter Stelle stehenden Gedichte, der Buko- liskos (Th 20) und die 'AXieig (Th 21) theokritisch oder nicht? Eine Entscheidung aus inneren Gründen ist sehr schwer, wenn man auch von vornherein bezüglich der Fischer den Eindruck hat, dass ihre feine Detailmalerei und ihre harte, weil die leichte Ware der gewöhnlichen Phrase meidende Sprache ganz zur Art des Theokrit passt. Aber da hilft uns ein hand- schriftliches, zuerst von Hiller, Beitr. 59, herangezogenes Zeug- nis. Es ist nämlich in Cod. 23 der Sylloge 0 den Überschriften der einzelnen Gedichte eine Notiz über den Autor, ob er Theokrit sei oder nicht, beigesetzt. Die Note Seoxglxov fehlt bei 'Hqaxkrig AeovTo<p6vog , hitxdcpiog Bloovog, *Adwvidog bii- Tdq)iog, ^EgaoTrjg, ijii&aXdjLUog *AxtXXi(og xal AfjidafJieiag, sie steht vor BovxoXlaxog und 'AXuTg. Nach diesem Zeugnis, gegen das die äjia^ Xeyö/ieva und die minimalen Versbauobsenra- tionen nicht aufkommen können, lasse ich also den Kuhhirten und die Fischer als echt und theokritisch gelten.^) Ich füge nur dafür, dass Moschos nicht der Verfasser sei, eine Kleinig- keit bei. Im Bukoliskos V. 19

Tioifiiveg, eXnaxe jJLOi x6 xgi^yvov ov xaXog ififu\

steht xQfjYvov im Sinne von dXtjdig. Das konnte sich ein Schüler des Aristarch, als welcher Moschos im Artikel des Suidas aufgeführt wird, nicht erlauben, nachdem der Meister in der Note zu Hom. II. I 106 im Gegensatze zu den Früheren

^) Hiller selbnt Hess sich durch jenea Zeugnis nicht bestimmen, son- dern bekennt nich p. 70 zur Überzeugung, dass beide Gedichte von theo- kritischer Manier weit entfernt nind.

Die Überlieferte Ätuwahl theokrüischer Gedichte, 41 d

aufgestellt hatte: äna^ slgt^rai x6 xqrjyvov hoX ovx {ottv älrj&ig äXr iya^6v.

Aus welchem Teile der Werke des Theokrit stammten aber die beiden Gedichte? Um hierauf antworten zu können, hat uns Birt, Antikes Buchwesen S. 399 und 507 den Weg gezeigt. Unter den Schriften des Theokrit werden von Suidas auch *Eljiideg genannt; unter diesen standen die 'AXieig und wahrscheinlich auch der BovxoXloxog, Wie in den Hymnen und Heroinen, so hat auch in den Fischern, Y. 66

£l jiikv äg' ov xviboawv rv id x^Q^ TQvra fiaxeveig, iJbilg rcbv vnvoyy' ^dxei xbv odgxivoy Ix'Ovv

der Dichter mit ihiig auf den Namen der Dichtgattung an- gespielt. Wir werden denselben im Deutschen mit ,Luft- scUosser' wiedergeben, oder lieber, wenn auch der Bukoliskos dazu gehorte, mit ,Einbildungen'.

Wir haben auf Grund der verschiedenen Handschriften- klassen die Entstehung und das Wachsen unserer theokritischen Anthologie verfolgt. Wir bleiben vorläufig dabei stehen; be- wahrheiten sich die Resultate unserer Analyse, so werden die- selben auch für die Textkritik und die Wertschätzung der einzelnen Handschriften von Bedeutung sein. Dazu wird es aber einer eigenen, spinösen Untersuchung bedürfen, die ich Jüngeren überlasse.

Zum Lückefüllen eine Konjektur und eine Deutung! Id. XXUI, 142 ist überliefert:

Tfl de x^^^- ^^ ngdoconov äjueißero, (pevye d^ äjio XQ^^ vßgiv xäg ögyäg neQixel/bievog,

Dass im zweiten Satz das Partizip nicht zu XQ^^ gehören kann, hat Wakefield mit seinem klaren Scharfsinn erkannt und demnach ntqixeifAevog in neQixei/JLevov man könnte auch ^iQixeifiivcp setzen gebessert. Aber jiegixeto&ai kann keinen Akkusativ bei sich haben. Vollende daher die Verbesserung

28*

420 TT. Christ, Die überlieferte ÄugwaM Üheohitiseker Gedichte.

durch die leichte Änderung jieQieljüievov nach der Analogie des homerischen dvaidelriv inieijuivos I 372.

Id. IV 26 klagt der Hirte Battos über den Weggang des nach dem Lorbeer eines olympischen Sieges lüsternen Herrn Aigon

(pev q>€v ßaoevnai xal ral ßöeg c5 rdlav Atycov elg 'Atdav, 8xa xal tv xaxäg fjQdooao vixag.

Der Witz der Stelle erhält erst seine Pointe, wenn man zu *Atdav^ in den die armen Rinder ziehen müssen, den Ort der Landschaft, wo die olympischen Siege gefeiert werden, stellt und zwar in der heimischen Mundart 'Akida. Der Dichter liebt das Wortspiel und hat es hübsch auch in Id. VII 100 angewandt oldev *AQiaTig, io&Xog än^Q, juiey'' ägioxog.

421

Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.

Von Fartw&ngrler.

(Vorgetragen in der philoe.-philol. Klasse am 13. Juni 1903.)

Seit einem Vierteljahrhundert bildet die Aufstellung der Statuen des Ostgiebels von Olympia ein Problem, an dessen Lösung Ton den verschiedensten Seiten und mit der grössten Anstrengung fast unablässig gearbeitet worden ist. Gross ist die Zahl der Gelehrten, die mutig in die Arena gestiegen sind und den Kampf mit dem dunkeln Rätsel aufgenommen haben. Ich selbst habe zu yerschiedenen Malen mich unter die Streiter gemischt. *)

Die monumentale Publikation der Ergebnisse der Aus- grabungen von Olympia, der 1897 erschienene dritte Band «Olympia* schloss mit einer Dissonanz, mit dem Gegensatze der zwei Aufstellungen von Ernst Curtius und Georg Treu, die beide ihre von Anfang an eingenommenen gegensätzlichen Stellungen unverrückt festhielten. Kurz darauf erschien die ausführliche Begründung einer neuen Anordnung von K. W er- nicke im Jahrbuch des Archäolog. Institutes Bd. XII, 1897, S. 169 194, die in Gomparetti einen Anhänger fand (Strena

^) Ich habe zuerst in den Preussiseben Jabrbücbern Bd. 61 (1882), S. 372 ff. die Aufstellung von £. Curtius n&her zu begründen und zu ver- teidigen gesucht. Später habe ich im Jahrbuch d. Inst. Bd. VI, 1891, S. 77—87 eine eigene neue Anordnung versucht und im Arch. Anzeiger 1891, S. 93 f. sowie in der Berliner Philol. Wochenschrift 1892, Sp. 1281 ff. und 13 U f. gegen Einwürfe verteidigt.

422 A, Furttoängler

Helbigiana S. 44 fip.). In dem 1901 erschienenen dritten Bande der grossen kommentierten Ausgabe des Pausanias von Hitzig und BlUmner findet man die verschiedenen Aufstellungen und Deutungen am übersichtlichsten zusammengestellt (S. 322 ff., Taf. 3, 4); die beigegebenen Tafeln sind aus dem Jahrbuch 1897 wiederholt, aber die Figuren sind hier in einheitlicher Weise mit Buchstaben bezeichnet, was die Benutzbarkeit erhöht. Wir gebrauchen im Folgenden der Kürze halber dieselben Buch- staben für die Figuren und wiederholen auf S. 424 die Ab- bildungen der drei letzten und wichtigsten Aufstellungen von Treu, Curtius und Wernicke.

Sicher ist bis jetzt nur Eines, nämlich dass alle bisherigen Anordnungen des Giebels nicht befriedigen. Darum dürfen wir das Suchen nach dem Richtigen nicht aufgeben. Am wenigsten darf es derjenige, der selbst eine Anordnung Torgeschlagen hat und die Unzulänglichkeit eben dieser nun lebhaft empfindet Und dies ist mein Fall; ich fühle die Pflicht, an der Frage weiter zu arbeiten.

Meine frühere Aufstellung war die, wie ich jetzt glaube, falsch gezogene Konsequenz eines an sich gewiss zweifellos richtigen Grundsatzes, von dem wir durchaus nicht abgehen dürfen, der aber bei allen anderen Aufstellungen mehr oder weniger verletzt wird, des Grundsatzes, dass diejenigen Figuren sich auf den beiden Seiten des Giebels entsprechen müssen^ welche die gleiche oder die nächst gleiche Höhe haben. Die Richtigkeit dieser Forderung liegt in der Natur der symme- trischen Komposition der Giebelfelder und wird insbesondere erhärtet durch die genaue Befolgung derselben, die wir an den Agineten nicht nur, sondern vor allem am westlichen Giebelfelde des Zeustempels selbst konstatieren können.

Ich muss daher an den in meiner früheren Abhandlung geforderten Paaren im Ostgiebel festhalten, da sie allein der genannten Bedingung genügen, dass die sich entsprechenden Figuren der beiden Seiten die gleiche oder die möglichst an- nähernd gleiche Höhe haben müssen. Indess jene Paare habe ich damals falsch verteilt.

Der Ostgiebel des olympisehen Zeustempels, 423

Erinnern wir uns zunächst der jener Grundforderung allein entsprechenden Paare unter den Figuren, deren Anordnung am meisten strittig ist. Wie ich im Jahrb. d. Inst. 1891, S. 80 hervorgehoben habe, sind der hockende Knabe E und das knieende Mädchen 0 von gleicher Grösse. Diese beiden Figuren müssen einst sich entsprochen haben. Sobald man einer der- selben ein anderes Gegenstück geben will, verstösst man gegen jene Grundforderung; man muss dann Gegenstücke bilden aus Figuren von wesentlich verschiedener Höhe, wie Treu, der den hockenden Mann L als Gegenstück zu E und den knieenden Jüngling B als solches zu 0 ansetzt, oder wie Wernicke, der umgekehrt B und E sowie L und 0 zusammenordnet. Während ein Paar van in der Höhe völlig übereinstimmenden und über- dies noch in Altersstufe und Bewegung vortrefflich zu einander passenden Figuren vorhanden ist, reisst man dieses evident gegebene Paar auseinander und verbindet die einzelnen Glieder mit Figuren, die wesentlich andere Grösse haben.

Auch an dem zweiten Paare strittiger Figuren, das ich damals aufstellte, muss ich durchaus festhalten: durch die über- einstimmende Grösse werden der hockende Mann L und der knieende Jüngling B als Gegenstücke erwiesen (vgl. Jahrbuch 1891, S. 81). Jede andere Zusammenstellung, wie die von L und N bei Curtius, von L und E bei Treu, von L und 0 bei Wernicke, sowie femer die von B mit C bei Curtius, B mit 0 bei Treu und B mit E bei Wernicke vereinigt Figuren von wesentlich verschiedener Höhe.*)

') Treu gibt im Olympiawerke die vermutlichen ursprünglichen Höhen der Figuren an. Danach differieren die von Curtius, Treu und Wernicke als Gegenstücke angenommenen Figuren um 10, 15, 20 und 25 cm in der Höhe (nur L und N bei Curtius differieren etwas weniger, nach Treu um 8 cm). Dagegen differieren die von mir aufgestellten Gegenstücke nach Treus Massen nur um je 5 cm, und auch diese 5 cm fielen vermutlich noch weg; denn bei B hat Treu offenbar eine zu ge- senkte Kopfhaltung angenommen, so dass die ursprüngliche Höhe der von L (130 cm) noch näher stand; und der fehlende Kopf von E mag ein wenig zu niedrig veranschlagt sein, so dass auch die Höhe von £ Jer von 0 noch genauer entsprochen haben wird. Aber auch wenn wir

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Der Ottgiebel des ciympiadun etc.

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Also die Oegenstücke, die ich da- mals aufstellte, müssen bleiben. Allein ihre Anordnung muss eine andere werden. Der sitzende Mann L kann nicht, wie ich damals vorschlug, rechts neben N gestellt werden; schon deshalb nicht, wefl die starre gerade Linie des von der linken Schulter herabfallenden Man- tels abscheulich und unmöglich wirkt, wenn sie nicht durch andere anschlies- sende parallele Linien gedeckt wird. Auch die Gründe, die Treu, Olympia III, S. 123 anführt, sind durchaus zutreffend. Die Zuspitzung des Grundrisses der Statue nach ihrer rechten Seite sowie die ge- drehte Körperhaltung wären an jener Stelle unverständlich; auch ist es rich- tig, dass die Figur dort „den ümriss des Gh'eises daneben in störender Weise wiederholte*; nur durfte Treu diesen Ghiind eigentlich nicht anführen, weil er selbst, worin ich ihm früher irriger Weise gefolgt bin, durch das Hinter- einandersetzen der zwei knieenden Fi- guren B und G in der linken Giebelecke eben den Fehler wiederholt hat, den er an meiner früheren Aufstellung der rechten Ecke mit Recht tadelte.

Ein ganz untrügliches Mittel, um die Stellung der Figuren im Giebel zu bestimmen, gibt uns der Grad der Aus-

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die 5 cm Differenz, die Treue Berechnungen geben, beibehalten, bleibt immer ein starker Unterschied dieser von den 10—25 cm, um welche die von den Anderen angenommenen Gegenstücke differieren.

426 A. Furttcängler

fÜhrung ihrer einzelnen Teile: in der Arbeit yemachlässigte, unausgeführte Partien können unmöglich der Hauptansicht der Figuren ausgesetzt gewesen sein. Aus diesem Grunde ist die Möglichkeit, den sitzenden Mann L in die linke Giebelhälfte zu stellen, einfach ausgeschlossen, da er hier gerade seine unausgeführte linke Kopfseite dem Beschauer zu und die sorg- faltig vollendete rechte von ihm abkehren würde. Man hat dagegen sagen wollen, bei der Höhe der Aufstellung würde dies dem unbewaffneten Auge von unten kaum aufgefallen sein. Allein darüber zu streiten ist unnütz. Die gesamte Arbeit der beiden Giebelgruppen lehrt es als unumstössliche Tatsache, dass die Künstler in der sorgfaltigen Ausführung Überall eben so weit gingen wie die Figuren von unten gut sichtbar waren, dagegen die Ausführung sich ersparten wo immer sie annehmen durften, dass dies nicht der Fall sei. Danach muss es als einer der sichersten Punkte der Ostgiebelau&tellung gelten, dass L nicht links hinter dem Wagen gesessen haben kann, wo er das unbearbeitete Ohr und die vernachlässigten hässlicben Falten unter dem linken Arme dem Beschauer zu, die fein aus- gefiihrten Teile aber abwendet (vgl. auch Treu, Ol. III, S. 122).

Da L nun nicht hinter dem Greis N gesessen haben kann, so bleibt für ihn nur der ihm von Treu angewiesene Platz vor den Rossen der rechten Hälfte. Und hier passt er in der Tat vortrefflich her. Nur hier findet seine verdrehte auffallende Haltung eine befriedigende Erklärung: er sitzt vor den Pferden, die Beine von ihnen abgekehrt, und dreht nun den Oberkörper nach ihnen um. Hier findet ferner jene jgerade Linie seines herabfallenden Mantels an den parallel daneben stehenden Pferdebeinen jenen Hintergrund, dessen sie notwendig bedarf. Dass die Figur ganz vorne an den Geisonrand herangerückt war, wie sie es eben an jenem Platze sein musste, hat Treu (Ol. in, S. 123) aus der Abmeisselung der Unterseite und der geradlinig abgeschnittenen Yorderfläche des linken Oberschenkels mit Recht geschlossen.

Da nun das Gegenstück von L der Grösse nach, wie wir sahen, B gewesen ist, so muss der knieende Jüngling B vor

Der Otstgiebel des olympischen Zeustempels, 427

die Pferde links. Doch bevor wir zu dieser Figur übergehen, beenden wir die Betrachtung der rechten Oiebelhälfte.

£s gibt noch einen festen untrüglichen Halt für die Auf- stellung der Giebelgruppe: das ist der Fundort der Figuren der rechten Ecke.

Seit in der PubUkation des grossen Olympiawerkes mit der ihm beig^ebenen Fundkarte der Giebelfiguren alles Material zur Beurteilung vorliegt, kann meines Erachtens kein Zweifel mehr sein, dass zwischen der Auffindung der Figuren N E P vor der Nordostecke und der Auffindung der übrigen Stücke ein fundamentaler Unterschied besteht. Jene Figuren lagen unverbaut unmittelbar unterhalb der Nordostecke; alle anderen Stücke sind weit entfernt und nicht in der Falllage, sondern verschleppt und in Hüttenmauern verbaut gefunden worden. Von jenen drei unterhalb der Nordostecke liegenden Figuren gehörten zwei, N und P, zweifellos in die Giebelecke darüber, und zwar in derselben Reihenfolge, wie sie unten lagen, P rechts und N weiter links. Der Schluss aus diesen Tatsachen ist ganz unab weislich: die zwischen N und P in zwei Stücke gebrochen gefundene Figur des hockenden Knaben E muss auch im Giebel oben zwischen N und P gesessen haben.

Das durch die Grösse gegebene Gegenstück von E ist aber, wie wir sahen, das knieende Mädchen 0; also wird nun auch dessen Platz bestimmt: es muss an die zweite Stelle der süd- heben Giebelhälfte von links rücken, da wo bereits E. Gurtius es eingeordnet hat.

Ausser den stehenden Mittel- und den liegenden Eckfiguren bleiben jetzt nur noch der sitzende Greis N und der knieende Mann C übrig; ihre Plätze können nur die einzig noch freien hinter den Rossen sein. Sie differieren etwas in der Höhe (N: 138; 0 wird von Treu auf 150 berechnet); allein dies ist hier notwendig motiviert dadurch, dass bei der Haltung mit nach der Giebelmitte hin ausgestreckten Beinen der Kopf von N wesent- lich näher der Giebelecke rückt, also niedriger sein musste als der Kopf des Mannes C, der bei seiner nicht am Boden sitzenden, son- dern knieenden Stellung näher nach der Giebelmitte zu fiel. Hier-

428 A, Furtwängler

durch ward die Höhendifferenz der beiden entsprechenden Figuren und damit eine kleine Abweichung von der Regel notwendig.

Während die Differenz von G und N in der Haltung be- gründet ist, so wäre die von L und N ganz unerklärlich, wenn diese Figuren Gegenstücke wären ; L würde ja dann die Beine von der Mitte Wegstrecken, während N sie der Mitte zustreckt, also könnte die Figurenhöhe von L, da der Kopf der Giebel- mitte näher gerückt wäre, doch nur höher sein, nicht aber, wie es tatsächlich der Fall ist, niedriger als N, und die nach- trägliche Abmeisselung der ünterfläche von L, welche die Figur niedriger machte, wäre ganz unerklärlich, während sie leicht verständlich ist, wenn L und B die Gegenstücke sind.

Endlich sei noch hervorgehoben, dass an G der Bücken unausgearbeitet, an 0 aber sorgfaltig ausgeführt ist, was sich bei unserer Aufstellung durch die Rücksicht auf den unten vor der Mitte stehenden Beschauer erklärt und sie bestätigt.

So ist denn die Aufstellung der strittigen Figuren fixiert. Auf der S. 425 gegebenen Skizze, die ich G. Reichhold verdanke, ist das Resultat deutlich gemacht. Zu derselben sei bemerkt, dass die Figuren der beiden Giebelhälfken streng symmetrisch ange- ordnet sind, d. h. dass alle sich entsprechenden Hauptpunkte der beiden Seiten in gleicher Distanz von der Mitte liegen. Dies scheint uns eine notwendige künstlerische Forderung, gegen die Treu verstösst, indem er in der rechten GiebelhälFte alles mehr nach der Ecke, in der linken alles mehr nach der Mitte zu schiebt. Die Punkte, deren Symmetrie so augenfällig ist wie die stehenden Gestalten neben Zeus, die Gespanne und Wagen, die Eckiiguren müssen unter allen Umständen beider- seits in genau gleichem Abstände von der Mitte angeordnet werden. Allerdings erscheint die linke Hälfte etwas lockerer und leerer als die vollere rechte; allein dies macht man nicht besser dadurch, dass man die Figuren links aus ihren durch die Symmetrie gegebenen Plätzen, wie Treu tut, mehr nach der Mitte schiebt. Der Unterschied der beiden Seiten ist, wie wir sehen werden, die notwendige Folge der verschiedenen Charakteristik der beiden Helden und ihres Gefolges.

Der OstgUhel des otympischen ZeusUmpeU. 429

fievor wir unser Resultat näher betrachten, müssen wir über die Fragen klar werden, welche die Aufstellung der Mittel- gnippe betreffen. Diese hat Wemicke von neuem angeregt, indem er die beiden Gruppen zu den Seiten des Zeus umstellte. £r glaubte dies auf Grund des Textes des Pausanias tun zu müssen.

Mit unrecht. Wemicke meint, h de^iq, xov Aiog bedeute nicht , rechts Tom Zeus* vom Beschauer aus, sondern «zur rechten Hand des Zeus**; Oinomaos müsse also zur Rechten von Zeus, links vom Beschauer aufgestellt werden. Wir wollen nun den Nachweis von Michaelis (Arch. Zeitg. 1876, S. 162 f.), dass Pausanias rechts und links regelmässig vom Beschauer gebrauche, nicht benützen, indem Wemicke obwohl mit Unrecht ihn anzuzweifeln versucht. Allein das folgende id ik ig ägiategä änd xov Aidg spricht durch das änd doch deutlich gegen Wemicke: „zur Linken von der Figur des Zeus ab' setzt zweifellos den Beschauer als bestimmenden voraus: der Beschauer betrachtet von der Figur des Zeus aus die Figuren nach rechts und nach links. Wenn nach des Zeus eigener Rechten oder Linken orientiert würde, dürfte nicht dno stehen. Den endgiltigen Entscheid in der Frage aber geben die Namen, welche Pausanias den liegenden Jünglingen der beiden Giebel- ecken gibt. Er bezeichnet den auf der Seite iv de(iq xov äiog als Kladeos, den ig ägiategä änd xov Aidg aber als Alpheios. Wer je vor der Front des olympischen Tempels gestanden hat oder sich die Situation durch einen Lageplan vergegenwärtigt, weiss, wie völlig unmöglich es ist, die Figur links, da wo wenige Schritte vom Beschauer der Alpheios in breitem Bette dahinrollt, für eine Personifikation des Kladeos, die der ent- gegengesetzten Seite rechts aber für Alpheios zu erklären. Das ist einfach undenkbar, weil absolut unsinnig. Damit aber ist entschieden, dass man, wie man es bisher auch fast allge- mein getan hat, den Oinomaos vom Beschauer rechts neben Zeus, den Pelops links neben ihn aufzustellen hat.

Alle anderen Umstände aber passen vorzüglich zu diesem Resultat. Vor allem die künstlerischen Forderungen. Die ge- hobenen Arme des Pelops und Oinomaos mit ihren Lanzen

430 A, FwriwängUr

wären unmittelbar neben Zeus schwer ertraglich. Die ganze Wirkung der majestätischen Ruhe in der Haltung des Zeus würde verloren gehen. Femer würden zwar die drei Männer zusammen eine Gruppe bilden; aber die Frauen würden dann in unerträglicher Weise isoliert stehen; ja Pelops und Hippo- dameia würden sich direkt von einander abwenden. Nun ist es aber offenbar sachlich notwendig, dass Pelops und Oinomaos mit den zu ihnen gehörigen Frauen Gruppe bilden, nicht aber mit Zeus, der nichts direkt mit beiden zu tun hat, sondern offenbar, den Sterblichen unsichtbar, nur in ihrer Mitte weilt Bei der Aufstellung von Treu gewinnen wir künstlerisch ab- gerundete Gruppen für Pelops mit Hippodameia (F G) sowie für Oinomaos mit Sterope (I E); Zeus steht dann isoliert in der Mitte, rechts und links von ihm bildet sich eine Lücke. Die lässige Ruhe seiner Haltung wirkt erst jetzt majestätisch. Man empfindet, er ist der Gott, der, den Sterblichen unsicht- bar, hier in ihre Mitte getreten und deshalb von ihnen isoliert ist.

Die beiden Helden sind ganz vom Gedanken an die bevor- stehende Wettfahrt erfüllt. Acht polygnotisches Ethos spricht aus ihren Stellungen: ruhig und völlig handlungslos, sprechen sie in der Art der Haltung ihren inneren Charakter aus: be- scheiden und gottergeben ist Pelops trotzig, auf die eigene Kraft bauend Oinomaos. Doch Zeus wendet sich leise, von den Sterblichen unbemerkt, dem Pelops zu; denn nach dem göttlichen Ratschlüsse soll dieser der Sieger bleiben. Die von mehreren Gelehrten, zuletzt von Wemicke, wieder versuchte Einführung einer Opferhandlung und eines Altares neben Zeus würde die ganze Absicht des Künstlers, wie wir sie fEissen, zerstören.

Auch die Frauen sind den Helden entsprechend charak- terisiert: die Haltung der Hippodameia (F) ist ganz Bescheiden- heit, ebenso wie die von Sterope (K) ganz Stolz.

Doch der Unterschied erstreckt sich noch weiter auf die beiden Giebelhälften: „auf Seiten des Pelops bescheidene Festig- keit und Freude, dort bei Oinomaos trotzige Unruhe und trübes Sinnen*. Diese von mir früher (Preuss. Jahrb. 1882, Bd. 51,

Der Ostgiehel des olympischen ZeustempeU. 431

S. 373) gegebene Charakteristik passt bei der neuen Aufstellung erst recht. Der vor den Rossen sitzende Mann L mit seiner gewaltsamen Bewegung drückt ünrube, der Greis E hinter den Rossen trübes Ahnen aus. Beide Gestalten, L wie N sind bärtige bejahrtere Männer, entsprechend ihrem Herrn, dem bärtigen Oinomaos. Dagegen auf Pelops Seite zwei jugend- liche Gestalten erscheinen, von denen die eine (B) sicher, die andere (C) wahrscheinlich unbärtig war, ') wie ihr Herr. Beide Figuren sind ganz schlicht und einfach mit ihrer nächsten Aufgabe, der Wartung der Pferde beschäftigt: „bescheidene Festigkeit*', ruhige frohe Tätigkeit charakterisiert die Beiden. Der hinter dem Wagen knieende jugendliche Mann hält, wie die erhaltenen Reste der Arme beweisen (vgl. Treu, Ol. III, S. 122), die nach hinten geführten Zügel der angeschirrten Rosse. Sein jüngerer Genosse, der vor den Rossen knieende Jüngling B ist, wie sein Gegenüber L, mit der Aufsicht über die Pferde beschäftigt. Wie die Vernachlässigung seiner linken Kopf- und Gesässseite beweist, waren diese Teile dem Beschauer ab-, die Figur also nach rechts gewandt. Doch ist der Rücken vollständig ausgeführt; die Figur war also nicht wie C, an welcher der Rücken zur grösseren Hälfte unausgeführt ist (Olympia Text HI, S. 62), in scharfem Profil nach rechts ge- stellt, sondern schräg, so dass der Rücken sichtbar war.^) Auch schliesst Treu (Olympia lU, S. 63) mit Recht, dass die Figur 9 weiter von der Rückwand des Giebels abgerückt war als die meisten übrigen*, was eben ^u unserer Ansetzung nahe dem Geisonrande vor den Rossen passt. Wie ihr Gegenüber L so wird auch B einen Stab, ein Kentron aufgestützt haben, woför die erhaltenen Reste der Arme sehr gut passen. Was den Kopf betrifft, so nehmen wir natürlich nicht die stark

^) Der Bart, den Treu C gibt, ist durch nichts indiziert; Gartins und Grüttner restaurierten ihn unb&rtig.

*) Die Aufstellung bei Curtius, wo die unbearbeitete linke Kopf- seite sich präsentiert, ist natürlich falsch und wirkt durch die verkürzte Ansicht der Glieder auch künstlerisch sehr ungünstig. Richtiger ist die ▼OD Six und Sauer der Figur gegebene Stellung.

432 A. Furtwängter

geduckte Haltung desselben an, die Treu (Olympia, Bd. III, S. 62), wegen der von ihm der Figur im Giebel angewiesenen Stelle, ihr gegeben hat, sondern wenigstens die aufrechtere, die Treu selbst früher (Athen. Mitt., Bd. XIV, 1889, S. 297) mit Benutzung der vorhandenen Dübelspuren dem Kopfe anwies. Das ruhige Yorsichhinblicken, in stiller Tätigkeit, wie dies die Figur nun zeigt, ist so recht in Übereinstimmung mit der Art des Pelops, wie sie uns der Künstler schildert.

Die Rosse sind beiderseits an die Wagen schon fertig an- geschirrt, wie aus den erhaltenen Resten bewiesen worden ist. Die Zügel liefen nach hinten. Ein Mann, der die Rosse wirksam von vorne beaufsichtigen sollte, müsste vor ihnen stehen. Dies ging hier aus künstlerischen Gründen nicht; denn neben den stehenden Hauptfiguren war kein Raum mehr für eine stehende Nebenfigur. Hier vor den Pferden konnte der Künstler nur am Boden sitzende oder kniende Gestalten brauchen. Diese konnten aber immerhin auch in dieser Stellung die Pferde be- aufsichtigend gedacht werden. Beide Figuren stützten, wie bemerkt, einen Stab auf, der zum Regieren der Pferde gehörte; vermutlich hielten sie aber ferner auch die herabhängenden Leitseile von einem oder mehreren Pferden in den Händen. Wie der Leitriemen häufig an fertig aufgezäumten Reitpferden zur Führung an der Hand vorkommt (vergl. Arch.-Ztg. 1880, S. 124, 1), so mochte er hier den angeschirrten Wagenpferden zum Teil belassen sein, weil der Künstler ihn hier brauchte. Man hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das linke Bei- pferd das vornehmste und wichtigste beim Rennen war. Es wäre gewiss ganz passend, wenn der Künstler eben das linke Beipferd jederseits dadurch ausgezeichnet hätte, dass es beson- ders am Leitseil gehalten würde. G. Körte hat dies schon vermutet und zwar bei Gelegenheit einer Verteidigung der der Aufstellung von E. Curtius (Berl. Phil. Wochenschr. 1892, Sp. 988). Diese Vermutung erscheint aber ganz anders passend, ja sie erscheint als evidente Erklärung der eigentümlichen Haltung der Figuren bei unserer neuen Aufstellung! Jetzt erst wird die verschiedene Bewegung der beiden Figuren klar:

Der Ostgiebel des ötympisehen Zeustempels, 433

L wendet sich herum zu seinem linken Beipferd, unter dessen Kopf gerade seine Hände zu stehen kommen und dessen Leit- seil er hält; B kniet deshalb so schräg nach der Giebelwand bin und zeigt einen Teil seines Rückens, weil er eben das Leitseil seines linken Beipferdes, welches das hinterste an der Giebelwand ist, hält.

Die Ton Tansanias wiedergegebene Erklärung der ojmpi- schen Exegeten sah in dem sitzenden Manne L den Wagen- lenker des Oinomaos Myrtilos. Dass Pausanias Worte xd^rjjai Ttgd xwv Xjukov so genau auf L passen, und nur auf diese Figur denn bei keiner anderen Aufstellung kommt ein sitzender Mann an dieser Stelle vor die Rosse ist eine ge- wichtige Bestätigung der Richtigkeit dieser Aufstellung. In seinem Gegenüber sah die olympische Exegese Eillas den Lenker des Pelops. Ob diese Namen der Absicht des Künstlers entsprachen, lassen wir am besten dahingestellt; sicher ist, dass der Künstler auf beiden Seiten die gewichtigere ältere Figur an den vornehmeren Platz hinter den Wagen, die weniger bedeutende vor die Rosse gestellt hat.

Hinter den zu den Wagen gehörigen Gestalten C und N folgt beiderseits ein Abschnitt in der Komposition. Es kommen Figuren, die mit der Szene in der Mitte nichts direkt zu tun haben. Auch hier wirkt aber noch der unterschied der beiden Giebelhälften nach: rechts stärkere Bewegung und gebrochene Linien, links Ruhe und einfache Schlichtheit. Der Jüngling in der Ecke links (A) stützt ruhig den Kopf in die Hand und lässt den anderen Arm auf dem Körper ruhen. Ihm ist ein Mäd- chen (0) zugewandt, das die Hände gehalten haben muss, als ob es an seinem Fusse spiele ; der Künstler liess dies wohl ab- sichtlich unbestimmt. Der Rücken der Figur ist besonders sorgfaltig ausgeführt, viel mehr als die Brustseite, was zur Be- stätigung unserer Aufstellung dient, weil bei dieser der Be- schauer von der Mitte her eben den Rücken der Figur sah.

Bei dem Gegenstücke, dem hockenden Knaben E, ist die vom Künstler wieder absichtlich unbestimmt gehaltene be- deutungslose, wie spielende Geberde der an den Fuss greifenden

1903. SiUgsb. d. phUoB.-pbUoL n. d. hisL Kl. 29

434 A, Furttoängler

einen Hand vollkommen erhalten. Es ist eine Haltung toq der Art wie die der Rechten des Zeus. Etwas Analoges haben wir bei dem Mädchen 0 vorauszusetzen. Der Knabe E bildet durch sein Motiv einen vorzüglichen Übergang zu der £ck- iigur, wie oft mit Recht hervorgehoben worden ist. Seine vordere, rechte und linke Körperseite sind vollkommen gleich- massig ausgearbeitet; dagegen ist sein Rücken ganz roh ge- lassen, ja es ist ein Teil des unteren Rückens und des Qesässes einfach weggelassen (vgl. die Abbildungen Olympia UI, S. 59). indem der aufs äusserste ausgenutzte, aber zu knappe Mar- morblock diese Teile nicht mehr hergab. Aus der Vernach- lässigung des Rückens geht mit Sicherheit hervor, dass iiese Seite parallel der Giebelrückwand gestanden hat. Dann zeigte sich der Körper der Figur gerade von vorne; der Kopf war etwas nach der linken Schulter gewendet. Nur in dieser Stellung des Körpers in voller Vorderansicht wirkt die Fipir auch künstlerisch richtig; sie ist ganz offenbar für diese An- sicht angelegt; ihre Wirkung ist dagegen eine schlechte und verkehrte, sobald man sie schräg aufstellt, wie es Treu tut, der sie vor die Rosse setzt. Wie bemerkt, sind die rechte wie die linke Körperseite voll ausgeführt, weil sie beide zu sehen waren; nur der ganze Rücken ist roh, weil er parallel der Rückwand aufgestellt war. Treu und ihm folgend ich selbst fi'üher hatte sich täuschen lassen dadurch, dass der unbearbeitete Rücken vor die Pferde links su passen schien.^) Die beiden Figuren, der Knabe E und das Mädchen 0,

^) Die Einwendungen von 6. Körte dagegen in Berl. Philolog. Wochenachr. 1892, Sp. 1046 waren durchaus richtig. Nicht die .rechte Seite", wie Treu (Olympia IH, S. 122) sagt, sondern nur der Rücken ist V ern ach 1 blasig t; wäre es jene, so würde dies ja bei der Treu'schen schrägen Aufstellung, wo die rechte Körperseite vorgedreht ist, erst recht sichtbar geworden sein. Aus der Art der Bearbeitung der Statue ist hier nicht, wie Treu will, auf Stellung in rechter oder linker Giebelhälfte, sondern nur auf die Art der Stellung vor der Giebelrück wand ein zwingender Schluss zu ziehen. Die Facestellung der Figur habe ich übrigens be- reits in dem Aufsatze in den Preuss. Jahrb., Bd. 61, 188Ü, S. 375 Anm. verlangt.

Der Ostgiehel des olympischen ZeustempeU, 435

bilden je eine lebendige Gruppe mit den Jünglingen in den Ecken. Es ist einleuchtend, wie sehr die Komposition dadurch kflnstlerisch gewinnt, ja wie sie allein bei dieser Anordnung Rhythmus und Leben erhält und nur bei ihr die Linien sich gefallig aneinanderschliessen ; während die Rückenlinie von B neben A unerträglich wirkt, ebenso wie die starre Wiederholung des Motives, wenn B und C hintereinander knieen, uner- träglich ist.

Es ist klar, dass es ein überaus feiner Zug der Kompo* sition ist, dass die drei Figuren der Ecken nicht gleichmässig alle nach der Mitte schauen, was gar einförmig wirkt, wie man bei Treus Anordnung sehen kann;^) sondern dass hier ein Knick, eine Unterbrechung in der Mitte der drei ange- bracht ist. Die langgestreckten symmetrischen Linien der liegen- den Eckfiguren A und P wirken um so kräftiger die Kompo- sition zusammenfassend und einschliessend, wenn die nächst folgende Figur jederseits nicht die gleiche Richtung hat. Der künstlerische Gewinn, das reiche rhythmische Leben, das die Komposition durch die zunächst nur aus äusseren Tatsachen (Fundstelle und Figurenhöhe) erschlossene Aufstellung gewinnt, ist ohne Zweifel eine schöne Bestätigung derselben.

Ich habe den Gedanken erwogen, ob A und 0 sowie E und P nicht durch irgend eine gemeinsame Handlung (etwa eine Art Ton Loose- oder Würfelwerfen oder dergl.) ver- bunden gewesen sein könnten; allein nähere Überlegung zeigte mir, dass dies nicht angeht. Der erhaltene Kopf von P blickt zweifellos nach der Mitte zu, und dasselbe ist für A voraus- zusetzen. Auch ist dies nach der Mitte blicken für die Kom- position notwendig; Hesse man A mit 0, P mit E sich be- schäftigen, so fielen die Figuren aus dem geschlossenen Ganzen als selbständig sich abtrennende Gruppen heraus. Ferner ist E seinen vollständig erhaltenen Gliedern nach unbeschäftigt, und das gleiche ist für das Gegenstück anzunehmen.

') Bei Wernicke*8 Aufstellung ist der Widerspruch der beiden Seiten aofßlllig: linka Richtung nach der Mitte wie bei Treu, rechts Knick.

29*

436 A, Furtwängler

Was nun die Bedeutung der Figuren anlangt, so gingen die olympischen Exegeten, denen Pausanias folgte, entsprechend dem gemeinen Laieninteresse, in ihrer Erklärung nur auf Namen aus. Diesem Streben verdanken die Eckfiguren ihre, wie jetzt wohl allgemein anerkannt wird, falschen Benennungen, wodurch sie zu Naturpersoniiikationen wurden, dergleichen das fünfte Jahrhundert ja überhaupt noch gar nicht kannte. Wir deuteten ferner oben an, dass die Deutung der Figuren Tor den Rossen als Hauptwagenlenker bei Pausanias wahrschein- lich irrig ist, indem die zu dem Wagen gehörige Hauptfigur jederseits hinter demselben angeordnet ist. Die olympischen Exegeten, die Pausanias Quelle waren, fuhren in der Namen- gebung von der Mitte aus einfach fort: nach den Haupthelden mussten ihre Wagenlenker kommen; für diese wussten sie noch Namen anzugeben; dann aber stockten sie; für die zwei Figuren, die jederseits folgten, fiel ihnen nichts ein; nur für die Eck- figuren hatten sie ihre schlechte Erklärung als Alpbeios und Kladeos parat, die ihrem an liegende Flussgötter allüberall ge- wöhnten Publikum gar sehr einleuchten mochte. Die Figuren aber, die sie nicht benennen konnten, waren ihnen ganz gleich- gültig; sie werden bei Pausanias beiderseits zusammengefasst als ovo ävdgeg, und es heisst von ihnen einfach, sie werden eben Innoxofxoi gewesen sein. Bei dieser gleichgültigen nach- lässigen Behandlung jener zwei Figuren jederseits kann es nicht auffallen, dass sich grobe Irrtümer in ihr verbergen: das Mädchen ward als Mann, und der Knabe mit dem Greis als ävögeg ovo bezeichnet, und es sind beiderseits zwei Figuren zusammengenommen, die gar nichts miteinander zu tun haben. Das war die natürliche Folge einer Exegese, die nur auf Namen ausging. Doch schlimmer und willkürlicher noch haben die modernen Exegeten gehaust, die jenen Figuren die abenteuerlichsten Namen verliehen haben. Sah man doch allzulange geradezu eine Hauptaufgabe der Archäologie darin, eben denjenigen Figuren gelehrte Namen zu geben, welche die alten Künstler ofi'enbar selbst unbenannt sehen wollten.*)

') Vgl. Furtwängler-Reichhold, Griechische Vasenmalerei, S. 117. 184.

Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 437

Zu diesen letzteren gehörten, wie wir glauben, auch die vier Eckfiguren des olympischen Ostgiebels. Sie sind zu beur- teilen wie die vier Eckfiguren des Westgiebels. Diese aber sind begleitendes Gesinde der Helden, nichts weiter; es sind greise Schaffnerinnen und lose Mägde,^) namenlose Gestalten, bestimmt als füllender Rahmen für die Haupthandlung zu dienen. Gleicher Art sind die entsprechenden, nur viel schöner komponierten Eckgruppen des Ostgiebels. Es ist Gesinde, Gefolge der Herren, die in der Mitte dargestellt sind.

Wie wir oben schon andeuteten, hat der Künstler den verschiedenen Grundton im Charakter der beiden Haupthelden je auf ihrer ganzen Giebelseite weiter klingen lassen. Wir Temehmen ihn noch leise darin, wenn links, auf Pelops Seite, ein Mädchen erscheint, voll schlichter bescheidener Anmut und in gefasster Haltung; während rechts ein Bursche hockt, in unbekümmert derb sich gehen lassendem Gebahren. und selbst Ton den Jünglingen in der Ecke ist der rechts (P) lebhaft unruhig, der linke (A) gehalten still.

Eine Folge der durchgeführten Charakteristik in den Figuren und ihren Haltungen auf beiden Giebelseiten war allerdings, wie wir oben schon andeuteten (S. 428) eine ge- wisse Ungleichheit, indem die linke Seite lockerer, die rechte voller wurde, eine Ungleichheit, die sich der Künstler aber bei der sonst festgehaltenen strengen Symmetrie und den gleichen Abständen, die alle Hauptpunkte von der Mitte zeigten, wohl gestatten durfte.

Die gleichzeitigen Vasenbilder geben uns Hunderte von Beispielen davon, dass namenlose, wesentlich künstlerischem Bedürfnis entsprungene Figuren als Bahmen um die durch die Sage gegebenen Helden- und Göttergestalten herum ange-

*) Vgl. meine Ausführungen im Jahrbuch d. Inst. VI, 1891, S. 87, und Arcb. Anz. 1891, S. 94. Treu ist neuerdings, Olympia III, S. 136 dieser meiner Auffassung beigetreten; nur zieht er für die jungen Mädchen den Ausdruck ,Lapithenfrauen' vor, der mir weniger passend erscheint; doch ist dies unwesentlich.

438 A. Furlträngler, Der Ostyiehel de$ clyntpischen ZeusUmpeh.

ordnet werden. Es war eine falsche Richtung unserer Wissen- schaft, wenn man auch da früher überall nach individuellen Namen gesucht hat.

Ich scheide von der Betrachtung des östlichen Giebels in Olympia mit dem Gefühle der Erleichterung und der Be- friedigung, Endlich, glaube ich, ist die Anordnung gefunden, bei der man sich wird beruhigen dürfen, bei der alle inneren wie äusseren Momente, alle Grundlagen berücksichtigt sind, welche durch äussere Indizien wie durch innere künstlerische Forderungen gegeben werden. Endlich eine Anordnung, die dem Meister des Giebels, mag er geheissen haben wie er wolle. alle Ehre macht und uns reine Freude an seinem Werke gestattet.

A. Furtwängler, Epidauros. Taf. I.

■03. SltlEsb.d. ptilloB.-pbilol. u. d. bisl. Rl.

A. Fuftwängler, Epidauros. Jaf, //.

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I0C3. Ri».^8b. d. philo

439

Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von Epidauros

Von A. Furtw&ngrler.

(Mit 2 TftfelD.)

(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 4. Juli 1903.)

Bei einem Besuche des wohlgeordneten Museums, das auf der Stätte des Hieron bei Epidauros errichtet worden ist, um die Funde zu bergen, die den so überaus ergebnisreichen Aus- grabungen von P. Kabbadias verdankt werden, fiel mir im Herbste 1901 eine liegende Jünglingsstatue auf, eine offenbar aus den Giebeln des Asklepiostempels stammende Figur, die in den bisherigen Publikationen und Besprechungen noch nirgends berücksichtigt worden war. Die besser erhaltenen Stücke der Giebelskulpturen waren schon seit langem in das Museum zu Athen verbracht worden. Jene Jünglingsfigur war später ge- funden worden und verblieb im Lokalmuseum. Doch wird sie auch in der grossen Publikation von Defrasse und Lechat, obwohl da auf p. 72 allerlei im Lokalmuseum gebliebene kleinere Fragmente der Giebelskulpturen abgebildet werden, mit keinem Worte erwähnt.

Ich verdanke es der vielbewährten Liberalität des Herrn F. Kabbadias, wenn ich hier (Taf.I) eine mir von demselben zur Verfügung gestellte Photographie der Figur wiedergeben lassen kann. Da die Statue die einzige vollständige unter den Resten der Giebelgruppen ist, die einzige, an welcher Kopf und Körper

440 Ä. Furtfcängler

erhalten sind, so kommt ihr eine besondere Bedeutung zu und sie verdiente schon eine bessere Publikation, als sie unsere Abbildung bietet. Doch soll diese nur erst einmal auf die Figur hinweisen. Wenn sie, wie ich hoffe, in das Museum nacl Athen gebracht werden wird, so wird sie dort besserer Publi- kation und allgemeinerem Studium zugänglich sein.

Die Figur, ein gefallener toter Jüngling, trägt jetzt ii dem Epidaurischen Lokalmuseum Nr. 42. Sie hat dieselben Grössenverhältnisse wie die übrigen Reste der Tempelgiebel. Die Distanz der Brustwarzen beträgt 0,13; die Gesichtslänge 0,11. Dies sind dieselben Masse wie an den Figuren in Athen. Auch der Marmor ist derselbe wie an jenen. Besonders ähnlich ist unter den Fragmenten in Athen Nr. 152 (Kabbadias, ylvma xov Idv. fiova, S. 133, Nr. 152), das Stück einer ebenfalls auf dem Boden mit den Füssen nach rechts liegenden nackten männlichen Gestalt; es ist nur der Teil vom Unterleib bisza den Knieen erhalten. Die Schenkel liegen ebenso übereinander in einer Fläche wie an unserer neuen Figur. Diese Stellung erklärt sich natürlich aus der Aufgabe des Künstlers, der die beiden Beine der liegenden Figur dem unten stehenden Be- schauer sichtbar machen musste. Er strebte danach, möglichst viel von der Figur in eine Fläche mit der Rückwand des Giebels zu bringen. Aus demselben Grunde fanden wir dieselbe Stel- lung der Schenkel an der griechischen Giebelfigur, die ich iu Sammlung Jacobsen zu Kopenhagen nachgewiesen habe und die in diesen Sitzungsberichten 1899, II, S. 280 und 1902, Taf. 2 zu S. 443 ff. abgebildet ist. Wenn es dagegen noch eines Beweises bedürfte, dass die Florentiner Niobidengruppe niemals in einen Giebel gehörte, so würde die von der eben beschriebenen so ganz verschiedene Lage des toten Niobiden dazu genügen; denn dieser liegt gerade auf dem Rücken, so dass in der Ansicht von unten nur ein Schenkel sichtbar wäre; er ist eben so deutlich für die Betrachtung von oben gearbeitet (vgl. meine Beschreibung der Glyptothek in München 1900, Nr. 269) wie die erwähnten Giebelfiguren für die Ansicht von unten.

Zu den Skulfduren des Aahlepioatempeh von Epidauros. 441

Betrachten wir den epidaurischen Jttngling näher. Er ist tot. Der Kopf ist zurückgesunken, das Auge ist gebrochen. Leider ist das Gesicht zum Teil zerstört. Die Stime zeigt eine starke horizontale Falte. Das kurze Haar föllt zurück. Ein Mantel ist um sein rechtes Bein geschlungen und zieht sich den ganzen Rücken entlang hinauf. Der linke Arm ist erhoben und greift an den Kopf; die Lücken hier herum sind geschickt durch den Mantel gefQlIt. Der rechte Arm ist ge- senkt, die Hand liegt am rechten Schenkel. Die beiden Hände sind leer. Das linke Bein greift über das rechte vor. Um- gekehrt tritt am Oberkörper die rechte Schulter vor, die linke zurück. Der Oberkörper liegt auf dem Rücken, der Unter- körper auf der Seite. Dadurch entsteht eine starke Drehung über dem Unterleib, die der Künstler meisterhaft wiederge- geben hat; die weichen Teile des Leibes mit der Hautfalte über dem Nabel sind mit grösster Sicherheit und Lebendigkeit gebildet.

Es ist ein leidenschaftlicher Zug in der Lage der Figur und viel mehr Unmittelbarkeit und Frische als in der Haltung des toten Niobiden der Florentiner Gruppe und unendlich viel mehr Freiheit und gelöste Leidenschaft als* in dem noch etwas ängstlich befangenen älteren Niobiden in Kopenhagen. In- teressant ist zu vergleichen, worin die drei Figuren abweichen und worin sie übereinstimmen. Bei allen drei ist das bei Ge- fallenen so häufige und alte Motiv des über den Kopf erhobe- nen einen Armes verwendet. Der Kopenhagener Niobide ist indes noch nicht tot, sondern nur tötlich getroffen wie die analogen Figuren der Äginetischen Giebel ; er stützt den Ober- körper noch auf den einen Arm; sein nach der einen Seite ansteigender Umriss ist mit Rücksicht auf den Platz in der Giebelecke gewählt. Die epidaurische Figur bietet keinen Anlass, in die Giebelecke gesetzt zu werden; gewiss gehörte sie nicht in die linke, eher in die rechte Giebelecke. Im Motive steht sie dem Florentiner Niobiden, wenn man davon absieht, dass sie, wie wir schon bemerkten, für einen Giebel und Unter- ansicht, jener aber für Oberansicht komponiert ist, näher als

442 A, Furtwängler

dem Kopenhagener. Allein der Rhythmus in der verscbraDkieB Haltung des epidaurischen Jünglings hat viel mehr Reicbtum und Schwung, als der milderen Schönheit des Florentiner liio- biden eigen ist.

Das Oewand der neuen epidaurischen Fig^r ist besondeis verwandt in der Arbeit dem Fragment Nr. 146 des Athenischen Museums, einer bekleideten knieenden Frau aus dem osÜicken Giebelfelde, und ebenso der Nr. 138, dem Unterteil einer Ama- zone des westlichen Giebels. Die tief eingeschnittenen und scharf gebrochenen Furchen und die etwas rundlichen nicht scharfeB Faltenrücken sind diesem Künstler eigentümlich. Die Giebel- figuren wurden, wie die bekannte Inschrift angibt, nach den Modellen des Timotheos, von verschiedenen Händen ausgeführt, was auch die erhaltenen Reste noch erkennen lassen.

Wir haben noch eines wichtigen TTmstandes zu gedenken, der definitiv bestätigt, dass die neue Statue zu dem Giebel- schmuck des Asklepiostempels gehörte. Die Giebelfiguren dieses Tempels haben keine angearbeiteten Plinthen; sie waren dirett auf den Giebelboden gestellt. An unserer neuen Figur isi aber noch etwas weiteres zu beobachten: der vordere ßwA derselben ist auch an der Unterseite skulpiert; er muss also über den Rand der Platte, auf welcher die Statue ruhte, heraus- geragt haben. Dies weist wiederum mit Bestimmtheit auf die Aufstellung in der Höhe, indem jene Ausarbeitung an der Unterseite der über ihre Basis herausgreifenden Figur eben für die Ansicht von unten bestimmt war.

Dass die Giebelfiguren des Asklepiostempels von Epidauros aber wirklich ganz vorne am Rande des Geisons ohne Plinthe aufgestellt waren und der vordere Figurenrand leicht auch über den Geisonrand etwas herausgreifen konnte, wie dies an der neuen Statue tatsächlich der Fall ist, dafQr liefert eine Geisonplatte den beweis, die ich 1901 im Hieron des Asklepios westlich vom Tempel liegend fand, und die mein Reisegefährte, der Architekt Herr Ernst R. Fiechter, aufgenommen hat« Er hat die Aufnahme (s. umstehend) mir zur Veröffentlichung freundlichst überlassen. Man sieht hier, wie das Qeison her-

Zu den SktUpturen des Äsklepiostempels von Epidauros. 443

gerichtet ist zur Aufnahme von Figuren, die nicht eine ein- zulassende Plinthe hatten, sondern die einen skulpierten vor* deren Rand haben mussten, der auch etwas über das Geison übergreifen konnte.

Unter den öiebelskulpturen im Museum in Athen steht auch eine kleine sitzende weibliche Gewandfigur, die von Kabba- dias im Kataloge Nr. 158 vermutungsweise den Giebeln zuge- rechnet worden ist, obwohl sie nicht beim Tempel gefunden

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wurde. Sie kann indes, wie wir jetzt sicher sagen können, schon deshalb nicht zu den Giebeln gehören, weil sie eine dicke Plinthe hat, die zum Einlassen bestimmt war. Indes stimmt sie auch weder in den Proportionen noch im Stile und der Arbeit mit den Giebelfiguren überein. ^)

') Sie ist viel zu klein. Die Arbeit ist gröber; die Raspelstriche sind stehen gelassen, was an den Giebeln nicht der Fall ist. Auch Lechat (Defrasse-Lechat p. 73 Anm.) hat die Figur ausgeschieden.

444 A, Furtwängler

Unter den Resten der Giebel nimmt nunmehr die neue Figur durch Motiv, Ausführung und Erhaltung einen hervor- ragenden Platz ein.

Feiner aber als alle Stücke der Giebel sind die uns er- haltenen Akroterien des Tempels. Sie sind in der Ausführung durchaus schärfer und noch sorgfältiger in allem einzelnen als die Giebelfiguren. Unter den Akroterienstücken aber ist wieder Abs beste Nr. 162 (früher Nr. 97; s. Taf. II rechts), der Torso der Nike vom Firste des einen Giebels. Dass diese Nike von dem einen Mittelakroter des Tempels stammt, habe ich bereits in der Berliner Philol. Wochenschrift 1888, Sp. 1484 bemerkt, und dies hat sich mir bei nachfolgenden Unter- suchungen nur immer mehr bestätigt. Dass der andere Torso einer Nike, die einen Vogel auf der Hand trägt, Nr. 155 (früher Nr. 89) vom einen Firste, und zwar nach dem Fund- orte von dem westlichen stammt, wie ich ebendort bemerkt hatte, wird jetzt, nachdem auch der untere Teil der Figur ge- funden ist (siehe Tafel II links), auch von Eabbadias (tö Ieqöv tov ^Aoxki]mov S. 42, Anm.) zugestanden und ist von Lechat (Defrasse-Lechat S. 76) näher begründet worden.^) Doch jener erstere Torso Nr. 162 wird auffallenderweise bisher all- gemein nicht zum Tempel gerechnet und späterer, sog. alexan- drinischer Zeit zugeschrieben*) evident unrichtig; nach Stil, Arbeit, Material, Art der Anstückung der Flügel, Ver- witterung kann an der Zugehörigkeit gar kein Zweifel sein.

*) Ich füge aus meinen Aufzeichnungen hinzu, dass am rechten wie am linken Flügel von Nr. 155 sich der Rest je eines grossen Zapfen- loches befindet zur Befestigung der oberen Fortsetzung von Flügel und Gewand. An Nr. 162 aber war der Oberteil des rechten Flügels mit einem Zapfen in der gleichen Weise angesetzt wie es an den beiden Flügeln von Nr. 155 ersichtlich ist. Femer ist noch hervorzuheben, wie ich schon in der Berl. Phil. Wochenschr. a. a. 0. bemerkte, dass hinten und oben zwischen den Flügeln Regenverwitterung deutlich ist, die auf die Aufstellung auf dem Firste weist.

*) Kabbadias im Kataloge und Fouilles d'Epidaure; Defrasse-Lechat p. 188 f.; Overbeck, Gesch. d. Plastik II*, S. 128 f.; Gollignon, griech. Plastik, deutsche Ausg. II, S. 214.

Zu den Skulpturen des Äaklepiostempels von Epidauros, 445

Timotheos hat nach der Bauinschrift die Akroterien des einen Giebels selbst ausgeführt. Es ist aber an und für sich gewiss wahrscheinlich, dass er als der erste leitende Künstler nicht die Akroterien der Rückseite, sondern die der Vorderseite als die über dem Eingang des Tempels im Osten gearbeitet haben wird. Da die Nike mit dem Vogel Nr. 155 auf die Westseite gehört, ebenso wie die beiden sog. Nereiden, welche die Eck- akroterien bildeten, so gehörte Nr. 162 auf den First der Ost- seite. Leider sind die Eckakroterien der Ostseite nicht ge- funden worden. In dem Torso Nr. 162, aber nur in diesem einen Stücke, dürfen wir also mit aller Zuversicht die Arbeit der Hand des Timotheos erkennen. Es ist überaus zu be- klagen, dass gerade von diesem Stücke so wenig erhalten ist; denn es ragt durch Frische und Schärfe der Arbeit ebenso wie durch die Kühnheit der Konzeption über die anderen empor. Das Motiv, dass der Wind von unten hinauf weht und sich im Gewände über der Brust fängt, ist hier in gross- artiger, mächtiger Weise durchgeführt; an der Nike der West- seite Nr. 155 und an der Nereide von derselben Seite Nr. 157 tritt dasselbe Motiv, aber nur in schwacher Andeutung auf.

Beide Niken schweben wie die des Paionios von oben durch die Luft herab; an beiden muss unten unterhalb der Füsse noch etwas gewesen sein, analog wie bei Paionios, aber wohl höher; der abscheuliche plumpe Untersatz mit Palmetten, den Defrasse hier ergänzt, ist natürlich gänzlich verfehlt.

Zu beachten ist noch an der Nike des Timotheos Nr. 162 die auffallend schwache, unentwickelte Brust, durch welche sie zunächst kleiner erscheint als die andere, was sie aber nicht ist. Der Künstler fasste die Göttin als ein ganz jugend- liches und noch nicht reifes Mädchen auf. Sehr ähnlich ist die in vielen Kopien erhaltene sog. Leda, die man mit Recht wohl auf Timotheos zurückgeführt hat (Athen. Mitteil. 1894, Taf. VI); und auch die jugendliche Athena mit der ganz flachen Brust des Typus Rospigliosi möchte ich jetzt lieber dem Timotheos als dem Skopas (Meisterwerke S. 527) zu- weisen.

446 A. Furttcängler, Zu den Skulpturen des AshUpiostempeU ete.

Wir besitzen also wenigstens einen Teil des von Timoiheos selbst ausgeführten einen östlichen Akroterions, und wir besitzen grössere Teile aus den nach seinen Modellen Ton . anderen Künstlern ausgeführten Oiebelskulpturen. Als eines der erheblichsten Stücke, ja als das einzige mit Kopf und Körper erhaltene haben wir die Figur des gefallenen Wen Jünglings im Museum zu Epidauros erkannt.

K. Simon, 8om€u>3tlm.

Taf. I.

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Reprod. Ton J. B. Obcnialter, Mflaehcii.

H8. B foll. 1261» 127» (V, 115)

1903. Sitzgsb. d. philos.-pbilol. u. d. List. Kl.

R, Simon, SomanStha.

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Reprod. von J. B. Obcmattsr, lUnchen.

IIs. B folL 127b i2Sa (V, 117 ff.)

1903. Bitzgsb. d. philos.-philol. u. d. List. Kl.

447

Die Notationen des Somanätha.

Von B. Simon.

(Mit 2 Tafeln.)

(Vorgelegt von E. Kuhn in der philos.-philol. Klasse am 4. Juli 1903.)

Durch die Liberalität der K. B. Akademie der Wissen- schaften, welche mir die Mittel zu einer Reise nach England gewährte, wofür ich sie hier meinen ehrerbietigsten Dank entgegen zu nehmen bitte, war es mir möglich, in Oxford ausser anderen Handschriften besonders die Handschrift von Somanäthas Rägavibodha^) einer genauen Prüfung zu unterziehen. Diese Handschrift (= 0) darf schon deswegen ein gewisses Interesse beanspruchen, weil sie bereits im Jahre 1784 von W. Jones für seine im 3. Bande der Asiatic ßesearches ver- öffentlichte Abhandlung On the musical modes of the Hindus^) benutzt worden ist. Zwar nicht die Handschrift selbst, die sich damals, wie in dieser Abhandlung berichtet wird, noch im Besitz des Colonels Polier in Indien befand, sondern eine Abschrift davon, welche mit Erlaubnis des Besitzers von einem seiner Schreiber angefertigt und von Jones selbst sowohl als auch von seinem Pandit sorgfaltigst mit dem Original ver- g^lichen wurde. Diese Abschrift ist nun zwar verloren gegangen, dafür befindet sich aber das Original in Oxford. Wie und auf welchem Wege es von Indien dorthin gelangt ist, wissen wir

1) Th. Aufrecht, Catal. Oxon. 1864, S. 200, No. 475. ^ Asiatic Researches or Transactions of the society instituted in Bengal, Calcutta 1792, vol. III, S. 55-87.

448 n. Simon

mit annähernder Bestimmtheit. Bevor Polier Indien yerliess, ^) yerkaufte er, wie ein von ihm an Wahl gerichteter und von Wahl zitierter Brief bezeugt, seine ganze Bibliothek mit Aus- nahme weniger seltener Handschriften einem Engländer.*) Eine unserer Oxforder Handschrift vorgedruckte Mitteilung, welche diese Tatsachen erwähnt,, stellt daher die Vermutung auf, dass zugleich mit der Bibliothek des Polier auch der Rägavibodha seinen Weg nach England gefunden habe.

Jones schätzte den Wert sowohl wie das Alter des Rägavi- bodha sehr hoch ein. Er erklärte dies Werk „für das wert- vollste, das er je gesehen, vielleicht das wertvollste im Be- sonderen, das uns über die Musik der Inder erhalten sei; es scheine von sehr hohem Alter, wenn auch jünger als der Sarngitaratnäkara zu sein; kein Pandit, weder in Bengalen, noch in Eääi und Kaämir habe von seiner Existenz bisher eine Ahnung gehabt**.*) Wenn sich auch heute noch an der schönen und edlen Begeisterung, mit der Jones*) wie alle lite- rarischen Dinge des Ostens, so auch das Thema der indischen

1) Im Jahre 1788, nach einem meist im Dienste der ostindischen Kompagnie verbrachten, 30jährigen Aufenthalt in Indien. Ihm ver- danken die Pariser Bibliothek und das British Museum eine Anzahl wert- voller arabischer, persischer und Sanskrit -Handschriften. Siehe auch C. Bendall, Catalogue of the Sanskrit Manuscripts in the British Museum, London 1902, S. 1, Anm. 1.

*) S. F. Günther Wahl, Altes und Neues Vorder- und Mittel-Asien, Leipzig 1795, I, S. 149. In diesem Brief verspricht der Engländer aller- dings, die von Polier erworbenen Schätze der Universität Cambridge anzuvertrauen.

^) 1. c. S. 66. Es versteht sich von selbst, dass diese Ansichten von den vielen Musikgeschichten älteren und neueren Datums ungeprüft über- nommen worden sind. E. David et M. Lussy, histoire de la notation musicale depuis ses origines, Paris 1882 meinen, S. 7, sogar, dass «Soma fait partie de la grande collection des Vedas*.

*) Eine treffliche und sehr lesenswerte Charakteristik von Jones verdanken wir H. Oldenberg, Aus Indien und Iran, Berlin 1899, S. 2 ff. Ob das hier entworfene Bild seiner Persönlichkeit jedoch durch eine stärkere Betonung des Geistes und Geschmackes der englischen Gesell- schaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts an Richtigkeit nicht noch ge- winnen könnte, möge allerdings eine offene Frage bleiben.

Die Notationen des SomanätHa, 449

Musik ergriff, jeder empfangliche Mensch wird erwärmen können, so wird man doch im Besonderen seinen Ausführungen über den Rägayibodha nur mit grossen Einschränkungen beistimmen dürfen. Auf den Wert der Oxforder Handschrift sowie die Zeit des Somanatha fällt nämlich erst volles Licht durch die Handschrift, welche sich im Deccan College, Bombay (= B) befindet^) und deren Benutzung E. M. Chatfield Esq., director of public instruction Bombay, mir gütigst gestattete. Eine Yergleichung Beider zeigt nun, dass die Poliersche Handschrift nicht nur unvollständig ist das hatte ja schon Aufrecht bemerkt^) und ihr als Schluss die Verse V, 168 225 fehlen, sondern auch dass sie nur ein Auszug des Textes aus einer anderen Handschrift ist, welche, wie B, diesen Text zusammen mit einem von Somanatha selbst dazu verfassten Kommentar enthält. Femer ist aber auch in den bei 0 fehlenden Versen V, 224 5 angegeben, wann Somanatha sein Werk geschrieben hat: Da- nach ist der Rägavibodha weder das älteste der erhaltenen Werke über Musik, noch, mit David und Lussy, ein Bestand- teil der vedasamhitäs, sondern im Jahre 1609^) abgefasst.^)

Eine weitere, angeblich undatierte Handschrift wird in dem Catalogue of Sanskrit Manuscripts in the library of bis Highness the Maharäja of Bikäner (Calcutta 1880) von Räjen- draläla Mitra auf S. 518 als No. 1105 aufgeführt. Ob sie Text und Kommentar enthält, lässt sich aus dem dort mitgeteilten Anfang und Schluss nicht ersehen.

Nach Angabe der Orientalischen Bibliographie *) sollen die 5 vivekas, in die der Rägavibodha zerfällt, im Jahre 1895 von Purushottam Ganesh Ghärpure in Poona, in 5 besonderen Heften gedruckt, herausgegeben worden sein. Die vier ersten Hefte

^) Shridhar R. Bhandarkar, a Catalogue of the collections of manu- scripts depodted in the Deccan College, Bombay 1888, S. 480, XIX, No. 276. «) 1. c. S. 200. •) kudahanatithiga^itasake. Komm. : ku^i prthivi dahanäh vahnayah

tithajas ca tadgapitadake 1531.

*) Bhandarkar führt 1. c. diese Handschrift ohne Jahreszahl auf. ^) Heransgegeben von L. Scherman, IX, S. 261, No. 4658.

1908L SiUgsb. d. phUoa.-pbUoL u. d. hiBt. KL SO

450 R. Simon

davon konnte ich mir aus Indien yerschaffen, während das 5. Hefb, welches den 5. viveka enthält, schon bald nach seinem angeblichen Erscheinen, trotz vieler Bemühungen meinerseits beim Drucker und Verleger, auf keine Weise mehr erhiltlici war. Dies Heft findet sich auch auf keiner der grosseren Bibliotheken in England, allerdings ebensowenig das 2. und 4. Heft.^) Es ist dies um so mehr zu bedauern, als gende der 5. viveka von besonderer Wichtigkeit ist. Er enthält näm- lich, unter anderem, zu Kompositionen des Somanätba dessen eigene Notationen, die den Gegenstand der folgenden Betrachtung bilden sollen. Ihr liegt danach zu Grunde der Text von 0 (ohne Schluss) und B, sowie der zu B verfasste Kommentar (= C). Die Natur der indischen weltlichen Musikübung, welche zwar die grossen, allgemeinen charakteristischen Umrisse eines Musikstückes in fester Tradition und Lehre übernimmt, die feineren Einzelzüge und Schattierungen aber durchaus dem individuellen Talent und der musikalischen Produktivität des Vortragenden überlässt, bringt es mit sich, dass man zunächst auch erwarten wird, nur jene g^röberen Umrisse durch Notation festgehalten zu finden, während diese feineren Linien, welche, nicht minder fUr den Inder wie für uns, als Ausdruck der Persönlichkeit dem allgemein Gegebenen erst die künstlerische Weihe verleihen, einer schriftlichen Fixierung ermangeln. Dieser Erwartung entsprechen denn auch die Tatsachen im Ganzen durchaus. Um so mehr wird daher der Zufall über- raschen, welcher uns zugleich mit Kompositionen des Soma- nätba auch eine dazu gehörige Notation aufbewahrt hat, durch die der individuelle musikalische Vortrag eines Künstlers, und eines kenntnisreichen Künstlers obendrein, festgehalten ist Hierauf beruht die einzigartige Bedeutung des 5. viveka des Rägavibodha. Und wenn Somanätba (V, 31) sagt, seine Nota- tionen seien ,pürvair anuktäni, mayä uktani^ so ist das daher wörtlich zu verstehen. Von ihm wurden die Notationen zu

^) In Anbetracht der Schwierigkeiten, mit denen der Druck gerade des 5. viveka verknüpft ist, wäre es nicht erstaunlich, wenn davon über- haupt Abstand genommen worden wäre.

Die IfoiiUianen des Somanätha. 451

bezeichnen versucht, die früher eben überhaupt nicht, wenig- stens, wie wir hinzufügen müssen, in dem umfange nicht, notiert wurden, wenn auch die Technik, auf die sich dieselben beziehen, selbstverständlich lange vorher bestand. Und so hatte uns vielleicht schon dieser Versuch des Somanätha allein dazu berechtigen dürfen, ihn einer späten Zeit zuzuweisen, einer Zeit jedoch, der die Traditionen noch nicht ganz verloren ge- gangen sind. Denn es lassen sich einige, wenn auch nur zarte Faden, weniger zwar in Bezug auf die Notationen selbst als in Bezug auf deren technische Namen, aufweisen, welche ihn mit einer näheren und ferneren Vergangenheit verbinden. Diesen soll jedoch hier nicht weiter nachgegangen werden.

Die Kompositionen des Somanätha, die uns im 5. viveka Vers 37 166 überliefert vorliegen, sind ausschliesslich Kom- positionen für die viuä. Es sind im Ganzen 50 Stücke, deren jedes zu einem besonderen räga in Beziehung gesetzt ist, in einem besonderen räga komponiert ist. Ihre Bestimmung für die Yi^ä bringt es mit sich, dass die Notationen, mit denen sie versehen sind, sich in ihrem weit überwiegenden Teil auf den Vortrag der vi^ä beziehen und besondere Eigen- und Fein- heiten beim Spiel derselben vädanavise§äh bezeichnen. Es liegt daher auf der Hand, dass, so sehr es auch undenkbar scheint,^) den Text wenn es gestattet ist, die Stücke nebst Notationen so zu nennen des Somanätha ohne Hülfe des begleitenden Konmientars richtig aufzufassen und zu deuten, zum vollen Verständnis Beider doch die Kenntnis der Kon- struktion und Verwendung einer vi^ä die Voraussetzung bildet. Alle Vortragszeichen, deren Besprechung im Einzelnen wir uns jetzt zuwenden, habe ich auf einer indischen Laute*) praktisch

^) Jones, dem der Kommentar ja nicht bekannt war, ist allerdings anderer Ansicht. Er sagt 1. c. S. 67: the strains are noted in figures wfaich it may not be impossible to decypher. David und Lussy dagegen L c S. 7: On ne tronverait pas a^jourd*liui de musicien hindou capable de d^chifErer la notation antique, ni de jouer quoique ce soit d'apres les ügnes.

^) Aus dem Mnsenm für Völkerkunde in Berlin. Eine Abbildung

30*

452 n. Simon

erprobt. Aber auch ohne eine solche kann ein Jeder leicht das Gleiche tun, wenn man bei einer {gewöhnlichen Guitarre die Saiten durch zwei am Halsende und vor dem Saitenlialier angebrachte Stützen hochlegt und darunter auf dem Griffbrett an Stelle der eingelassenen Bünde eben so yiele hohe Holz- stege, mit abnehmender Höhe nach dem Schallloch n, an- bringt. ^) Die nun bei Somanatha zur Anwendung kommenden, samketa genannten Notationen, die von ihm in den im Aryä- Metrum abgefassten Versen V, 14 29 kurz behandelt werden, sind die folgenden:

1. pratihuH^) (Gegenschlag): ,Ein gedämpfter Ton bei zwei Anschlägen, in deren Mitte sehr rasch ein Aufheben stattfindet*.') C:*) Bei zweimaligem Anreissen der Saite mit der Nagelspitze entsteht ein gedämpfter, hum-ähnUcher Laut, wenn nach dem ersten Anreissen sehr rasch, durch ein geringes Aufheben des Fingers, der Torhergehende Ton erscheint, immitteJ- bar darauf aber das zweite Anreissen erfolgt. Notation: w)

Die Technik, die hier gemeint ist, ist durchaus klar: Mit dem Mittelfinger der linken Hand wird die Saite auf einem beliebigen Ton niedergedrückt, zugleich der Zeigefinger der- selben Hand auf den diesem in der Leiter vorhergehenden Ton niedergesetzt. Darauf wird die Saite mit einem Finger der rechten Hand angerissen. •) Die hierdurch entstandene Schwingung der Saite wird benutzt, um durch Aufheben des Mittelfingers der linken Hand, ohne nochmaliges Anreissen nnt

siehe bei F. Fowke, an extract of a letter (on the vl^ä) Asiat. Researche«, Calcutta 1788, I, S. 295.

1) Es ist selbstverständlich, dass dann die Guitarre von dem Spie- lenden ebenso wie die vlnä der höchste Steg an der linken Schulter gehalten werden miiss.

2) In den alle samketas aufzählenden Eingangsversen V, U - 16 werden die ersten vier zusammengefasst mit: pratyänvapQrvahatayah.

^) antar drutam uechalanavato hatiyugäd gabhiraravah. *) Der meistens wortreichere Kommentar wird in jedem einielnö* Fall in sinnf^emüsser Verkürzung von mir wiedergegeben.

^} bindü (valayäkärau dvau) adhah (äryälikhitasarigädlnäm adbastatl. ^) Über das Niedersetzen und das Anreissen siehe S. 462.

Die Notationen des Somanätha. 453

dem Finger der rechten Hand, den yorhergehenden Ton erklingen zu lassen. Hierauf erfolgt zugleich mit dem Niedersetzen des Mittelfingers wieder auf den ersten Ton ein zweites Anreissen. Wir würden diese Technik mit ^Schleifung oder Bindung nach abwärts* bezeichnen. Ob sie auch sinngemässe Anwendung auf den Fall findet, wo dem zuerst angerissenen Ton eine leere Saite vorhergeht, darüber schweigt Somanätha.

2. ähaä (Anschlag): ,6eim Erklingeulassen eines Tones das Hörenlassen eines anderen Tones ohne Anschlagt ^) C: Nachdem ein Ton angegeben ist, lässt man ohne (noch- maliges) Anreissen mit dem Nagel durch eben dies Erklingen einen anderen Ton hören, und zwar kann beliebig beim Angeben eines Tones ohne neues Anreissen entweder der höher gelegene sei dieser nun vorgeschrieben oder nicht oder der tiefer gelegene Ton sei dieser nun vorgeschrieben oder

nicht hörbar gemacht werden. Notation: ^*).

o

Es ist bedauerlich, dass sich der Kommentator hier nicht deutlicher ausgesprochen hat. Doch werden wir auf Grund seiner Bemerkungen einerseits zu dem weiter unten erwähnten sparsa, andrerseits zu ahati nicht fehl gehen, wenn wir unter dem ähati-Ton den Ton verstehen, welcher dadurch entsteht, dass, nach einem vorher angerissenen Ton, der Finger der linken Hand erst hammerähnlich auf den in der Leiter ent- weder vorhergehenden oder folgenden Ton niederfällt und dann wieder aufgehoben wird. Hierdurch wird als Hauptton nicht nur der Ton hörbar, auf den der Finger niederfällt, sondern als Nachklang, durch das Aufheben des Fingers, auch die leere Saite bezw. der, im Verhältnis zu dem hammerähnlich ange- schlagenen Ton, tiefere Ton.^) Hierauf kehrt man zu dem zuerst angerissenen Ton zurück.^)

') anyadhvanane hatii;! vinänyasvaräärävah.

^) bindor (eko valayäkärah) adha^ (södinäm).

•) Über das Erklingenlassen der leeren Saite siehe auch F. Fowke, 1. c. 8. 299.

*) Ob dieser dann nochmals hörbar zu machen ist, darüber schweigt Somanätha ebenso hier wie in seiner Erläuterung zu sparsa.

454 B. Simon

3. anuhati (Nachschlag): «Wie pratihati, nur nach einem einzigen Anschlag^^) G: Ein gedämpfter, hum-ähnlicher Ton entsteht dadurch, dass man nach einmaligem Anreissen der Saite rasch den vorhergehenden Finger etwas in die Höhe hebt und dadurch den vorhergehenden Ton hörbar macht.

Notation: ^.*)

Ich kann mich hier kurz fassen, da die anuhati der Art nach nicht von der pratihati verschieden ist. Vielmehr stellt sich die pratihati nur als einen besonderen Fall der anuhati, nämlich als den Fall dar, wo einem anuhati-Ton derselbe wie der ihm vorhergehende folgt. Siehe ferner die weiter unten erwähnte mudrä.

4. ahaü (Ohne -Schlag): ,Wie anuhati, aber ohne einen einzigen Anschlag*. •) C: Hier entsteht ein gedämpfter Ton auch ohne Anreissen der Saite mit dem Nagel. Derselbe erscheint jedesmal so, d. h. ohne besonderes Anreissen, schwach nach- klingend als Rest der ähati oder des gharsa^a. Notation: ^.*)

Der Kommentator will sagen, dass hier ein gedämpfter Ton hörbar wird, ohne dass ein Anreissen der Saite, wie es bei der anuhati der Fall ist, vorhergeht. Der Ton entsteht durch Aufheben eines Fingers der linken Hand und bildet so eine Art Übergangslaut zu oder Vorschlag vor dem nächsten Ton und zwar nach allen Tönen, die, wie die ähati und das gharsapa (siehe weiter unten), ohne Anreissen der Saite hervor- gebracht werden. Einerseits beruht hierauf der Unterschied der ahati von der pratihati und anuhati. Andrerseits bildet so die ähati nur einen besonderen Fall der ahati, wie die anuhati nur einen besonderen Fall der pratihati darstellt.

5. jn4ä (Druck): ,Ein Loslassen nach einem Druck*.*) C: pi(}ä besteht darin, dass man einen Ton sehr fest drückt,

^) ekahateh pratihativat.

*) binduh sarekhayä (rekhopalaksitah) adhah (sädinäm). ') saiva (anuhatir eva) tv aghatät syat.

*) dvigui?ah (upari punar ävrttah) so (bindur valayäkärah) 'dhah (sädinäm).

^) äpT4ya vimuktih.

Die Notationen des Somanätha. 455

dann rasch loslässt und dadurch den (in der Leiter) vorher- gehenden Ton hörbar macht. Notation: ^o.^)

Durch den plötzlich in die Höhe schnellenden Finger der linken Hand nach vorhergegangenem starken Druck wird die Saite, gleichsam wie durch ein mit der linken Hand ausge- führtes pizzicato, in Schwingung versetzt und gibt den vorher- gehenden Ton an, auf den der Finger natürlich schon vorher niedergesetzt gewesen sein muss.

6. dcHana (ßcha,uke\n): ,Ein Anziehen und wieder Zurück- kehren'.^) C: Bei einem einzigen Anreissen nimmt man erst ein Anziehen vor, bis der (in der Leiter) folgende Ton um eine äruti vermindert ist und kehrt sodann langsam in den

früheren Zustand zurück. Notation: ^.^)

Gleich nach dem Anreissen der Saite drückt man den Finger der linken Hand auf dem soeben angegebenen Ton etwas stärker nieder, so dass die Saite starker angezogen bezw. verkürzt wird, und zwar um eine sruti des in der Leiter nächst- folgenden Tones. Darauf lässt man mit dem Druck nach, wodurch die Saite wieder verlängert wird und der zuerst ange- gebene Ton wieder erscheint. Es liegt hier, in der Wirkung, eine Art unseres Doppelschlages vor, wobei nicht vergessen werden darf, dass die Stege der vipä ziemlich hoch sind, so dass der Ausführung des dolana (vikarsa, gamaka) einerseits, der weiter unten erwähnten paratä (uccatä) andrerseits, nicht die geringsten Schwierigkeiten im Wege stehen.

7. vikarsa (Anziehen): ,Ein Anziehen*.*) C: Hierunter ver- steht man das dolana, aber ohne Rückkehr. Notation: ^.^)

Es ist hier das eben besprochene Anziehen der Saite bis zu einer Sruti des folgenden Tones gemeint, ohne dass man,

^) 80 (bindnh) 'gre (sädlnäiii parastat) öuddhah.

*) äkar^a^ägamane.

8) Qrdhvo (na tu tirjrak) gumr (dvivakrä rekhä) npari (sädinäm sirasi).

^) äkarsa^am.

^) sa (gumh) tirjag (tiradcinah) urdhyam (sädinäm upary eva).

456 R, Simon

wie beim dolana, darauf mit dem Druck wieder nacUässt und zum ersten Ton zurückkehrt.

8. ganuika (Trillern): ,Em wiederholtes dolana\^) C: Nach einem einzigen Anreissen führt man drei- oder viermal lang- sam das dolana aus. Notation: ^S-^)

9. hampa (Zittern): .Berührt*.*) C: kampa besteht, vie das Wort schon ausdrückt, in Zittern und zwar in zwei- oler dreimaligem raschen Zittern, bei einmaligem Anreissen, nni

ist (zeitlich) gleich dem 4. Teil des dolana. Notation: ^.*)

Aus dem Hinweis auf dolana erhellt, dass, nach ein- maligem Anreissen, diese Bebung in einem zwei- bis dreimal rasch hinter einander erfolgenden Druck besteht, welcher mit einem Finger der linken Hand auf die Saite, diese jedes- mal um eine 6ruti verkürzend, ausgeübt wird.

10. gharsana (Reiben): ,Ein Anreissen, welches in rascher Folge andere Töne hervorbringt*.*) C: Unmittelbar nach einem Anreissen werden rasch, vorgeschriebene oder nicht vorge- schriebene, folgende oder vorhergehende, Töne durch Beiben hervorgebracht. Notation: *.•)

Das Reiben erfolgt mit einem Finger der linken Hand und gleicht, in der Wirkung, einem schwachen, mit der linken Hand ausgefiihrton pizzicato. Bei jedem der so durch ghar^a^a in beliebiger Anzahl und in beliebiger, kadenzartiger Folge er- zeugten Töne klingt dann entweder die leere Saite oder der jeweils tiefere Ton, gleichsam als ,Rest*, schwach nach. Siehe oben ähati.

11. mudrä (Siegel)'): ,Nach einmaligem Anreissen des einen Tones macht man den vorhergehenden Ton erst hörbar

dolanam eva hi punah punah.

sa (gunih) ürdhvo 'gi-e (sädinäni purastät).

sprstali.

rekhordhvä (saralä rekha) ürdhvam (sädlnäm upari).

ekahatir dräk svaräntarakrt.

tiryak »ä (rekhä) äirasi (sädinäm upari).

So genannt wegen der hierbei erforderlichen mudra-Fingerstellong-

Die Notationen des Somanätha, 457

und yerHüllt ih& dann wieder.^) G: Nachdem man den einen Ton (mit einem Finger der rechten Hand) angerissen hat, hebt man den soeben gebrauchten (Mittel-) Finger (der linken Hand) in die Höhe. Dadurch wird der (in der Leiter) vorhergehende Ton hörbar, auf den sich vorher der (Zeige-) Finger nieder- gesetzt hat. Hierauf verhüllt man gleichsam diesen Ton wieder, indem man den (Mittel-)Finger (der linken Hand) wieder an seinen soeben verlassenen Platz setzt. Der Unterschied von der anuhati besteht darin, dass hier der (Mittel-) Finger lang- sam in die Höhe gehoben wird, während das bei der anuhati rasch geschieht und dadurch nur ein gedämpfter Ton ent- steht. Notation: S.^)

12. sparia (Berührung): ,Wie ähati, nur rasch losge- lassen") C: Hier ist das rasche Loslassen eines ähati-Tones gemeint. Nachdem man einen Ton angeschlagen und den fol- genden berührt hat, kehrt man rasch zum ersten Ton zurück.

Notation: ^.*)

Nachdem ein Ton angerissen ist, wird der in der Leiter höher oder tiefer liegende Ton durch hammerähnliches Nieder- fallen des Fingers der linken Hand angegeben, dieser Finger darauf rasch wieder gehoben, so dass der Nachklang nur ganz schwach hörbar wird, und schliesslich zum ersten Ton zurück- gekehrt. •) Wie gesagt, besteht der Unterschied des sparsa von der ähati nur in der Schnelligkeit, mit der der Finger nieder- fallt und wieder aufgehoben wird.

13. naimwya (Vertiefung): ,Starkes Anreissen*.*) C: Wenn man die Saite sehr stark mit dem Nagel (eines Fingers der rechten Hand) anreisst, so biegt diese nach unten aus und bildet so eine Vertiefung. Notation: ^.'')

KJ

^) paraikahananät pradaräya pürvam punas tadächädah.

') saiva (tiiyakrekhaiva) adhah (sädlnäm).

') ähatir eva dmtam muktä.

*) ardhacandra (ardhavalayäkärah) ürdhvam (sädinäm) syät.

&) Siehe S. 463, Anm. 4.

^ drtjhahati^.

'^) 80 (ardhacandrah) 'dhah (sädlnäm).

458 JB. Simon

Es ist dies der einzige Fall, wo sich einer der samketas auf eine Besonderheit der rechten Hand bezieht.

14. pluä (Auseinanderziehen): «Reiben von acht Tönen'. ^) C: Dies besteht darin, dass durch ein einziges Anreissen auf die eben besprochene Art des ghar^pa acht Töne hinterein- ander hervorgebracht werden. Notation: ^u«*)

Die pluti ist mit einer Kadenz Ton acht Tönen zu ler- gleichen, im Übrigen ganz wie ghar^aaa.

15. druH (Schnelle): »Rasches Spielen*.*) C: Die so be- zeichneten Töne werden rascher gespielt als andere, nicht so

bezeichnete. Notation: ^l<.*)

16. paratä (folgende Lage): ,Auf dem einen Ton das An- ziehen bis zum folgenden*.*) C: Durch Anziehen (der Saite) auf dem Steg des einen Tones bringt man den (in der Leiter) folgenden Ton hervor, also ri u. s. w. auf dem Steg von sa

u. s. w. Notation: ^.•)

Technisch ist dies nur möglich in Anbetracht der hohen Stege der vToä, welche es erlauben, durch starken Druck auf die Saite, ausgeübt mit einem Finger der linken Hand in der Richtung auf das Griffbrett, die Saite so zu verkürzen, dass auf der Stelle des einen Tones der folgende hörbar zu machen ist. Siehe auch oben dolana.

17. uccatä (hohe Lage): ,Dasselbe bis zum dritten*.') C: Durch Anziehen (der Saite) auf dem Steg des einen Tones bringt man den drittfolgenden Ton hervor, also ga u. s. w.

auf dem Steg von sa u. s. w. Notation: «.*)

y\

^) astasvaragharsah.

^) so (ardhacandrah) 'gre (sädlnäm).

^) tvarävädanam.

^) svaraärnkhalä (svarayoh BvaräQaqi adhoniga4anain)«

^) pürve 'gryasjäkarsavam.

®) gurur adhahsthäyl tirjak.

') tat tftlyaeya.

^) sa (tiryagguruh) ürdhvädha^ (apary adhaä ca).

Die Noiatianen des Samanätha, 459

18. 19. nijaie (die beiden eignen Lagen): ^Yon diesen Beiden die zwei früheren Zustände, manchmal mit nochmaligem An- rei88en\^) G: Von diesen Beiden dem durch Anziehen auf sa hervorgebrachten ri, sowie dem durch Anziehen auf sa herrorgebrachten ga kehrt man, die Saite wieder lockernd, in je den früheren Zustand (der Saite) zurück. Dies (Anziehen und Wiederloslassen, also die Verbindung von nijatä mit paratä oder uceata) geschieht mit einem einzigen Anreissen. Manch- mal jedoch erfolgt in der Mitte, d. h. nach dem Anziehen der Saite und dem darauf angerissenen ersten Ton (also nach der parata, bezw. uccata) ein nochmaliges Anreissen, welches dann den zweiten Ton (also den Ton, zu dem die Saite, gelockert,

zurückkehrt) hörbar macht. Notation: X{^) und Ji*)

Der Kommentar ist so ausführlich, dass die hier gemeinte Technik im Zusammenhang mit den Ausführungen zu paratä und uccata ohne Weiteres verständlich sein dürfte. Es sind demnach vier Fälle zu unterscheiden: 1. paratä, 2. uccata, 3. paratäyä nijatä, 4. uccatäyä nijatä.

20. iama (Kühe): «Verweilen'.^) C: Nachdem ein Ton angegeben ist, besteht der sama in dem ruhigen Verharren auf diesem Ton. Notation: ^q.*)

Der Ton soll also, ohne aufs Neue angegeben zu werden, ruhig ausgehalten und so sein Wert beliebig verlängert werden. Wir gebrauchen hierfür das Zeichen Fermate oder Halter.

21. m^du (zart): ,Hier die mandra-Lage'.*) C: Hier wird mrdu das genannt, was sonst mit mandra, der tiefen Lage,

bezeichnet wird. Notation: 5^.'')

1) tajo^ paarvye kväpi saghäte.

*) paratäjää cihnam (adhaatät tirjaggururupam) lamba (avartula1;)L lan) IfrdhTO (atiradcino) binduh (yasmin tat).

') nccatajää cihnam (ürdhvädha^tliitatirjagganinlpam) lambordh- Tabindu (adha eveti jnejam).

^) yilambah syät.

^) lambabindub puratah (sädinam agre).

^ iha mandram stbänam.

^) upari (Bädlnäm) sa (lambabinduh) türdhvah (atinuäcTnal^).

460 B, Simon

Oemeint ist von den drei Oktaven oder, wie sie der Inder vielleicht mit schärferer Logik nennt, von den drei sap- takas in denen sich jedes Spiel bewegen kann, die im Ver- hältnis zur mittleren Oktave, dem madhyasthäna, tiefer liegende, gewöhnlich mandra genannte Oktave.

22. kathina (scharf): ,tära-Lage*.*) C: Hier wird mit

kathina die tära-Lage bezeichnet. Notation: ^.^)

Die tära-Lage ist die im Verhältnis zur mittleren Oktave höher liegende Oktave.

23. padma (Lotus): ,Am Schluss eines angefangenen Stückes*.*) C: Zur Bezeichnung der Beendigung eines ange- fangenen Stückes dient eine vier- oder mehrblättrige Lotusblüte.

Notation: F^^.*)

Dies Zeichen wird nicht nur dort angewendet, wo ein wirklicher, authentischer Schluss vorliegt, sondern auch bei allen Halbschlüssen u. s. w.

Zu diesen 23 samketas kommen dann noch die sieben seit Alters her gebrauchten Notationen sa, ri, ga, ma, pa, dha, ni zur Bezeichnung der 7 Töne der Leiter hinzu (V, 30). Überblicken wir die Reihe der besprochenen 23 Notationen im Ganzen, so sehen wir, dass sich nur 19 derselben auf Besonder- heiten der Tonerzeugung beziehen. Aber auch diese Zahl Hesse sich, bei streng logischer Einteilung, noch verringern. So ist pratihati und mudrä nur je ein besonderer Fall der anuhati, sparsa ein besonderer Fall der ähati, pluti ein be- sonderer Fall des gharsapa, paratä ein besonderer Fall der uccatä. Neben den 19 besonderen Notationen bleiben noch 4 Notationen allgemeiner Art bestehen : Die druti zur Bezeich- nung des Tempos, kathina und mrdu zur Bezeichnung der höheren und tieferen Oktave die mittlere Oktave bleibt

^) täram.

2) tiryak (tirascinah san) sa (lambabinduh) ürdhvam. (sädinam upari).

•) prärabdharupapürtau.

*) caturädidalakamaläkärah.

Die Notationen des Somanätha. 461

nnbezeiciiiiet (Y, 29) und das padma zur Bezeichnung der Schlüsse. Viele der samketas können bei einem Ton nicht nur einmal, sondern zwei- oder noch mehrmal zur Anwendung kommen : In diesem Fall wird das betreffende Zeichen eben so oft gesetzt, als es gebraucht werden soll (Y, 28). Durch den öfters wiederholten Gebrauch einer Notation bei einem und demselben Ton und durch die dementsprechende Ausführung auf der vlpä wird, wie aus der Anmerkung des Somanätha zu y, 55. 101 zu ersehen ist, der rasa des betreffenden Stückes ?erstärkt. Es können sich aber auch auf einem Ton ver- schiedene, nach einander auszuführende Notationen vereinigen. Eine solche Häufung derselben oder verschiedener Notationen auf einem Ton bereitet nun allerdings einer richtigen Deutung oft erhebliche Schwierigkeiten. Im Besonderen möge in gra- phischer Hinsicht hier erwähnt werden, dass die Notationen fär paratä -f* p^ratä nicht neben-, sondern untereinander ge- setzt, die für ähati 4" ahati unter- oder nebeneinander gesetzt werden. Die Notation für paratäjä nijatä ist nicht zu ver- wechseln mit denen einerseits für ähati + paratä, andrerseits för ähati -|~ paratäyä nijatä. Bemerkenswert ist die Notationen- Ligatur \y, welche plutih ka^hinäntä d. h. eine pluti bedeutet, deren letzter Ton sich in der hohen Oktave befinden soll, im Gegensatz zu der plutir madhyamäntä, deren letzter Ton der Mittellage angehören soll. Dann ist noch zu erwähnen, dass ghar^^a und druti, sobald sie sich über mehr als einen Ton ergtrecken, in einer zusammenhängenden, graden bezw. ge- schlängelten Linie notiert werden, die nur durch die i-Haken von ri und ni unterbrochen wird. Weiteres siehe S. 463—4. Wie schon gesagt, bleibt die mittlere Oktave unbezeichnet. Ebenso werden die Erhöhungen und Verminderungen der ein- zelnen Töne von Somanätha nicht notiert, mit der Begründung, dass die Natur der einzelnen rägas ja allgemein bekannt und es daher Sache des vortragenden Künstlers sei, dieselbe richtig zum Ausdruck zu bringen (Y, 81). Ebenso vermissen wir irgendwelche Angaben über den täla, den Takt. Dafür folgen den eben erwähnten Bemerkungen (V, 28 31) noch Andeutungen

462 B. Simon

über den Gebrauch der linken und rechten Hand beim yi^a- Spiel, die aber aus der ja hinlänglich bekannten, sich zumeist grade bei den weiterer Ausführungen besonders bedürftigen Fragen einstellenden »Furcht vor Weitschweifigkeit* (V, 34) nur ganz ausserordentlich knapp gehalten sind. Danach kann mit den Fingern der rechten Hand das Anreissen nach Belieben erfolgen. Nur für die sthäja-prabandhas und den kartari- Anschlag bestehen besondere Vorschriften (V, 33). Und zwar sind im ersteren Fall die obere das ist nach U, 12 die vierte, der rechten Seite des Spielers zunächst liegende Saite erst mit der Unterseite des Mittelfingernagels, dann mit Unter- und Oberseite des Zeigefingernagels anzureissen und unmittelbar darauf drei ärutis^) mit dem Nagelrücken des kleinen Fingers (V, 32). Der kartari- Anschlag aber, welcher V, 138 zur An- wendung kommt, besteht in viermaligem, rasch hinter ein- ander erfolgendem Anreissen der Saite, die beiden ersten Male mit der Unterseite, die beiden letzten Male mit dem Rücken je nach einander des Mittelfinger- und des Zeigefingernagels aiisgeführt. Was den Gebrauch der linken Hand anbetrifPt, so beschränken sich die Vorschriften darauf, dass von den drei beim Spielen gebrauchten Fingern dem Zeige-, Mittel- und vierten Finger die ersten zwei nur in der hohen und mittleren Lage gebraucht werden sollen (V, 36), femer, dass das Hinaufsteigen am GrijBfbrett mit dem Mittelfinger zu er- folgen hat, wobei jedesmal der Zeigefinger ruhig auf den vorhergehenden Ton niederzusetzen ist. Nur um ähati, sparsa u. dergl. besonders gut ausführen zu können, ist hierbei auch der Zeigefinger gestattet (V, 35). Das Hinabsteigen soll meist immer mit dem Zeigefinger erfolgen.

Diesen Vorbemerkungen und Erklärungen schliessen sich dann von Vers 37 166 die Kompositionen des Somanätha für die viQä nach 50 verschiedenen rägas an, deren kritische und mit den oben besprochenen Notationen versehene Ausgabe

*) Ob hier drei beliebige oder vorgeschriebene srutis gemeint sind, geht weder aus dem Text noch aus dem Kommentar hervor.

Die Notationen des SomaniUha. 463

demnächst erscheinen wird. Wäre der Text, den uns die Handschriften B und 0 hierfür geliefert haben, auch noch um Vieles besser, als er es tatsächlich ist, wären selbst die Nota- tionen noch um Vieles lesbarer und deutlicher, als es sich ihrer Eigenart nach überhaupt erwarten lässt, so würde doch auch so eine Ausgabe nicht mögb'ch sein ohne den Kommentar, den Somanätha selbst yerfasst und zu B hinzugefügt hat. Er bedient sich dabei, mit Ausnahme ganz weniger FäUe, in denen er die jeweilige Notation mit ihrem ganzen Namen umschreibt, folgender Abkürzungen: pra"" = pratihati, ä*" =s ähati, anu"" =s anuhati, a** oder aha*" = ahati, pr = pi4ä, do"" =s dolana, Ti'syikari^, ga* = gamaka, ka** oder kam'' oder kamp*" =s kampa, gha** = ghar^apa, mu° = mudrä, spa** =s sparsa, nai*" = naimnya, plu** = pluti, dru* == druti, pa" = parata, u" oder ucca* = uccatä, pa'ni" = paratäya nijatä, u**ni" oder ucca**ni" ^ uccatäyä nijatä, ka!" =^ öama, mr" = mrdu, ka*" oder ka^hi"* =: ka^hina. Die Notation padma wird nie abgekürzt. Für die 7 Töne der Leiter treten im Kommentar der Reihe nach die Zahlen Ton 1 7 ein. Danach lautet der Kommentar z. B. toY, 122:

1 2 do" 6a* 5 6a" dva**») 5 6 do" sa' 5 6 ä" 5 anu" 5 ßa* dva" 3 dru" 2 dm** 1 dru" padmam 1 2 do" sa* 5 sa 4 do' Sa* . 3 gha" 2 gha«» 3 4 äMo** 3 sa** 2 6a" 1 padmam

2 . 7 rar" vi" 1 ä" 6 mr" 5 mi" pa" 6a" dva" 1 6a" 2 3 ä"

4 . 3 ä" gha" 2 gha" 3 ä" gha" 2 gha" 1 6a" 2 7 mr" vi"

1 ä" . 6 mr** 5 mr" pa" 6a" dva" 1 sa" 2 3 ä" 4 3 ä" gha"

2 gha" 6a" 1 6a" 2 7 mr" vi" 1 ä" 6 mr" 5 mr" pa" 6a" dva* 1 padmam II 122 II

So wertvoll, ja so unersetzlich ein solcher Kommentar ist, so liegt doch auf der Hand, dass dieser allein ebensowenig die Richtigkeit des Textes und der Notationen verbürgt als B und 0 allein. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden soll, dass in manchen Teilen 0 besser ist als B, so sind doch im Orossen und Ganzen B, 0 und C als gleichwertig für die Text-

^) Abkürzung für dvajam.

4r>4 B. Simon

gestalt zu betrachten, und eine Entscheidung fUr Einen gegen die beiden Anderen oder umgekehrt kann nur von FaU zu FaU getroffen werden. Im Besonderen muss man sich stets die Möglichkeiten folgender Verwechslungen und ündeuÜichkeiteD vor Augen halten:

1. BO können, teils auf Grund äusserer Formähnlichkeii, teils als Folge der Nichtbeachtung der fftr die einzelnen Zeickn an und für sich als auch im Verhältnis zu den einzelnen Tönen charakteristischen Stellungen und Lagen verwechseln: kampa- dvaya mit spar^, mrdu mit ka^hina, pi(}ä mit sama oder ähati, dolana mit vikar^a oder garoaka oder paratä. Hier war selbst- verständlich C entscheidend, ebenso wie für die Länge der ghar^aua- und druti-Linie, die die Schreiber von B und 0 mit grösster Nachlässigkeit hinzugefügt haben.

2. C verwechselt: mr" (= mrdu) mit mu" (= mudrä), dru" (= druti) mit dva** (= dvaya). ka* (= kathina) ist bei ihm identisch mit ka (== kampa).^) In diesen Fällen war BO massgebend.

Neben der Hülfe, die sich so B 0 G wechselseitig zu liefern im Stande sind, bringt ein weiteres kritisches Hülfenüitel det Umstand, dass die 50 Kompositionen des Somanätha im Aryä- Metrum (12 +17, 12 + 14 Moren) abgefasst sind. Ist die metrische Bearbeitung einer solchen Materie hier eigentlich nur eine äusserliche Spielerei, da es sich, mit Ausnahme der räga-Namen, durchweg ja um nur kurze Silben, nämlich san- gamapadhani, handelt, so bietet doch die so feststehende Silben- anzahl im Zusammenhang mit der in B und 0, natürlich mit mehr oder minderer Genauigkeit, durchgeführten Bezeichnung der jeweiligen Cäsuren durch senkrechte Striche der Kritik ein dankenswertes Mittel, die Fälle feststellen und verbessern zu können, wo sich in der einen Handschrift gegen die andere zu viel oder zu wenig Töne zeigen.

1) Wichtig zu bemerken ist, dass ka^dva*, falls hierfür nicht ka^dru* zu leHen ist, nur = kampadvaya sein kann, ebenso wie ka" ka" nnt kathina + kampa bedeuten kann, da, in beiden Fällen, eine doppelt« Notierung derselben Oktave sinnlos sein. würde.

Die Not<xUonen des Somanatha, 465

Des Weiteren Hess ich, unter BeihOlfe meines Freundes PatdMarc, eine photographische Au&ahme der Verse 37 166 der Handschrift B samt dem dazu gehörigen Kommentar an- fertigen, die mir hei der Feststellung des Textes die wert- Tollsten Dienste geleistet hat und die ich Fachgenossen gern zur Verfügung stelle.^) Eine lithographierte Nachbildung der Verse 46—48 (im rasanta- und hindola-räga) findet sich bei Jones, 1. c. zu S. 87, ebenso bei David und Lussj, 1. c. S. 8, welche nach der yon Jones gefertigten Abschrift der Polierschen Handschrift hergestellt sein muss.

Der Text des Somanatha liess sich nun in verschiedener Weise anordnen. Am klarsten für den Aufbau der Kompo- sition wäre wohl zweifellos die Anordnung nach den jedesmal durch das padma gekennzeichneten Schlüssen gewesen. Jede Reihe hätte dann mit einem padma abschliessen müssen. Dies verbot sich jedoch schon von selbst durch den Raum, den eine solche Anordnung beanspruchen würde. Femer hätte man ausschliesslich die metrische Einteilung zu Grunde legen und nach je 4 Reihen einen neuen Vers beginnen können: Hier- dxixch würde jedoch, da die Namen der rägas metrisch mit- g'ezählt werden, die Übersicht über die einzelnen rägas voll- ständig verloren gegangen sein. Ich werde den Text nach den rägas anordnen, dabei aber zur Erleichterung der Über- sicht in metrischer Beziehung die Cäsui-striche beibehalten. Eine Einsicht in den Aufbau der Komposition, die doch nur durch eingehende Beschäftigung mit dem Gegenstande ge- wonnen wird, wird hierdurch, wenn auch nicht erleichtert, so doch jedenfalls nicht verhindert.

Wie schon mehrfach bemerkt, besteht der Text des Soma- natha in Kompositionen zu 50 rägas, welche für die vTi?ä be- stimmt sind. Schon hieraus folgt, dass diese Kompositionen f&r die Laute nicht Gesangsmelodien zu den Gedichten des Jajadeva sein können, welche dieser in seinem Gitagovinda

») Eine lithographische Nachbildung von foll. 126»»— 128*, angefertigt nach dieser Photographie, siehe am Schlass dieser Abhandlung.

1903. Sitzg8b.d.pbilo8.-pUloLn.d.hi8tKL 31

466 n. Simon

zu 24 prabandhas vereinigt hat. Dieser Punkt ist deshalb hier noch zu berühren, weil Jones in seiner erwähnten Ab- handlung zwar nirgends die Behauptung aufstellt, dass die Kompositionen des Somanätha die Melodien zum ßitagoTioda seien. Davon hat ihn sicherlich allein schon der Grund abge- halten, dass es von den 12 bezw. 15 ri^as,^) zu denen Jaya- deva seine Gedichte verfasst hat, nur 5 bezw. 7 sind, die äch auch unter den 50 rägas des Somanätha wiederfinden. WoU aber äussert er die Vermutung und hat diese Yermutang ja auch in Noten umgesetzt dass dem nach dem vasanta- räga komponierten Stücke des Somanätha (V, 46) die Worte des zu demselben räga gedichteten 3. prabandha desJayadeva untergelegt werden könnten und von dem Musiker auch unter- gelegt würden.^) Dies ergäbe ein Vergleich Beider. Abgesehen davon, dass man sich doch vergebens fragen müsste, wie Somanätha dazu gekommen wäre, unter 50 rägas gerade eioeoi einzigen derselben Worte eines der 24, sonst in gar keiner Beziehung zu ihm stehenden prabandhas des Jayadeva unter- zulegen, so ergibt ein Vergleich jenes Stückes mit diesem

*) Die Anzahl der rägas bei Jayadeva schwankt, da die Angaben. nach welchen rägas die einzelnen prabandhas vorzutragen seien, teil- weise auseinandergehen. Die von Lassen für seine Ausgabe des Gita- govinda (Bonn 1836) benutzten Handschriften (siehe daselbst S. 68) und die verschiedenen Ausgaben (Calcutta 1808, besonders fol. 35*; mit der Padadyotini des Näräya^a, Bombay 1884; mit der Rasikapriyä de^ Kunibhakari^aräja und der RasamafijarT des Sankaramisra, Bombay 1899; mit der Bälabodbini des Caitanyadäsa Calcutta s. a.) stimmen nur in 14 prabandhas mit einander überein. und zwar geben sie übereinstim- mend an für: 2, 5, 7, 15: gurjarl; 3, 14, 20: vasanta; 4, 24: rämakari; 8: karniltii; 12: g»niakarl bezw. goodakarl; 17: bhairava bezw. bhsiran: 22: varädl; 2:J: vibhä.sa. Für die übrigen 10 prabandhas wechseln die Angaben. Und zwar für: 1, 6, 13: mälava mit mälavagauija; 9, 16: desäkhya (ho richtig) mit desavaräji; 10, 21: varä<jli mit desavarädi; 11: kedära mit gurjarl; 18: gurjarl mit rämakari und mit patamanjari; 19 : desavaräiJT mit asävarl (so richtig, statt des verschriebenen oder ver- lesenen asäturi der Hs. A bei Lassen).

*^) Siehe auch R. Pischel, Die Hofdichter des Lak^^^magasena S. 22 (39. Band der Abb. K. Ges. d. W. Göttingen 1893).

Die Notationen des Somanalha, 467

prabandha aber in Wirklichkeit folgendes: Der erste Vers des 3. prabandha, um den es sich bei Jones zunächst handelt, enthält zweimal 28 Moren zu je 22 Silben, dazu als Refrain 44 Moren mit 36 Silben, im Ganzen also 110 Moren mit 80 Silben. Das in Frage kommende Stück des Somanätha enthält nun 76 Töne. Um die Zahl der Silben in Übereinstimmung mit der Zahl der Töne zu bringen, fügt Jones einfach 4 Töne hinzu. Jetzt kann der 1. Vers im vasanta-räga, wie er meint, nach dem Stück des Somanätha im vasanta-räga gesungen werden. Aber Jayadeva hat seinen 14. und 20. prabandha ebenfalls im yasanta-räga vorgetragen wissen wollen. Der 1. Vers des 14. prabandha enthält in 58 Moren 49 Silben, der 1. Vers des 20. prabandha in 76 Moren 61 Silben. Wie viel Töne hätte Jones da auslassen oder wie viel Silben gar hätte er hinzu- setzen müssen, um hier Text und Melodie in Übereinstimmung zu bringen! Zu solch willkürlichen , Verbesserungen^ der Melodie» wie in unserem Fall, wäre Jones aber wohl schwer- lich gekommen, wenn er mehr Material zur Verfügung gehabt hätte, aus dem er hätte ersehen können, dass die Anzahl der Silben mit der der Töne sich nicht nur nicht zu decken braucht, sondern sich auch nur in seltenen Fällen wirklich deckt. ^) Abgesehen aber selbst hiervon ist ein Vergleich, wie der von Jones unternommene, hier überhaupt und unter allen Um- standen ausgeschlossen: Das eine sind Kompositionen, für die Laute bestimmt, und gehören zur Klasse der vädya-prabandhas, das andere sind Dichtungen, für den Gesang bestimmt, und gehören zu der Gattung der gita-prabandhas. Beide haben ganz und gar nichts mit einander zu tun. Wenn aber Jones schliesslich meint, ebenso wie für den vasanta-räga seien auch für den von Somanätha ebenfalls komponierten hindola-räga (V, 47 8) »die entsprechenden Worte bei Jayadeva mit Leichtigkeit zu finden*, so wird diese Behauptung schon allein dadurch gegenstandslos, dass Jayadeva den hindola-räga überhaupt nicht angewendet hat.

^) Ebenso willkürlich ist die Annahme, dass sich die metrisch langen Silben mit den musikalisch langen Tönen unter allen Umständen zu decken haben.

468 R, Simon

Mit der Zurückweisung dieser Yermutungen von Jones soll aber nun keineswegs die Möglichkeit in Abrede gestellt werden, dass, wie uns der Zufall bei Somanätha eine Anzahl von für die Laute bestimmten Kompositionen erhalten hat, der Zufall uns nicht auch gelegentlich Melodien in die Hand spielen könnte, nach denen die Gedichte des Jayadeva auch einmal gesungen worden wären. In solchen Melodien hätten wir dann ein Beispiel, zuföUig vor delen anderen, ebenso berechtigten Mög- lichkeiten ans Licht gekommen, zu erblicken. Aber, wie Jones, „die* Melodien^) zu suchen oder gar zu glauben, „die' Melodien gefunden zu haben, bedeutet eine Yerkennung dessen, was die indische Musikpraxis leistete und zu leisten hatte. Jayadeva war ein Dichter und wahrscheinlich ein Kenner der Musik- theorie, aber kein ausübender Künstler. Darüber schweigt sowohl sein Werk selbst als auch die Tradition, die sich ja sonst ausführlich genug mit seiner Person und jedem einzelnen seiner Vorzüge beschäftigt.*) Er dichtete seine prabandhas') und bestimmte für einen jeden derselben, je nach dem darin vorherrschenden rasa und je in Übereinstimmung mit der Situation, den dazu gehörigen r^ga und in Entsprechung mit diesem den täla. Damit war seine Aufgabe erfüllt. Den Musikern blieb dann zugleich mit dem Vortrag auch die Kom- position seiner Gedichte überlassen. Beides mag, wenn auch durch den jedesmal vorgeschriebenen räga gewisse Grenzen

^) Jones, 1. c. S. 84: ,the original mnsic*.

2) Pisctel, 1. c. S. 19. 23.

') Nach einem Original in irgend einer Volkssprache, wie Pischel, 1. c. S. 22, wohl mit Recht meint. Darauf weisen auch die teilweise dialektisch gefärbten räga-Namen hin. In Bezug auf die Strophenanzahl des 1., 2. und 10. prabandha sei hier zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass sich im Adi Granth, der ja auch ein von Jayadeva verfasstes Gedicht enthält (E. Trumpp, Die ältesten HinduT-Gedichte, Sitzungsber. der K. B. Akad. d. Wiss. 1879, S. 8), zahlreiche, astapadi genannte prabandhas finden, die durchaus nicht notwendig gerade 8 Strophen zu enthalten brauchen, sondern deren ebenso oft weniger als mehr aufweisen. Siehe The Adi Granth translated by E. Trumpp, London 1877, S. 74, Anm. 3, S. 75 ff., Einl. S. 132.

Die Notationen des Somanätha. 469

eiozulialten waren, doch je nach der Individualität des Künstlers verschieden genug ausgefallen sein.^) Indien kennt, was schon oben auch nur angedeutet werden konnte, in gewisser Hin- sicht eben nur schaffende, produktive Künstler und nicht das, was wir in unserem Sinne reproduzierende Künstler nennen. Und so erregt es nur das aufrichtigste Bedauern über so viel vergeblich aufgewandte Mühe, wenn wir Jones selbst erzählen hören, ^) wie er auf der Suche nach der Originalmusik zum Gitagovinda von den klugen Brahmanen, die es doch eigent- lich besser wussten oder jedenfalls besser hätten wissen können, im Süden zu den Brahmanen im Westen, von diesen zu den Brahmanen von Nepal und Kasmir, von diesen wieder zu den Brahmanen im Süden als zu der angeblich einzig möglichen Quelle der Erkenntnis gewiesen wird, und ihn, den verdienst- vollen Forscher, so auf der Jagd nach etwas sehen, was es nie gegeben hat und der Natur der Sache nach nicht geben kann.

^) Deutlich genug spricht in dieser Hinsicht die Bemerkung Soma- nätha« (V, 40, 103) zu uns: santy aparä^i (anyäni) rüpä^i! ^ Jones, 1. 0. S. 84.

Inhalt

Sitzungen der philosojihisvh- fjhihlogischen und der historischen Klasse

vom 3. Mai, 13. Juni, 4. Juli liK)3 257. 201. 2b;

^ G. (Joetz, l*ii]Ma.s und sf ine Quollen

E. Pct/et: Ut'b»»r «la^ Hi'idelberf^er Briirhstück des Jüngeren Titurel (mit 2 TiitVln)

'h\

i(

2^

J. Frieilrich: Die siinlicensisohen Aktenstücke der Sammluni? -les

TheoilosiiiM Diaconus . . . . . . . '-^

K. K riimbaclier: Das mittelgriecbische Fischbuch (mit 1 Tafel' f^-

W. Christ: Die überli<^f«'rte Auswabl theokritischer Gedichte '^'"^

A. Furt Wandler, Der Ostgiebel des olympischen Zeu'^tenipeis ^-^

A. Furt wäncjler. Zu den fSkulpturen des Asklepiostemi^ls ^'^'''

Epidanros (mit 2 Tafeln) '^■''*

R. Simon: Die Notati«>nen des Somanätha (mit 2 Tafeln) . ^'

Die Abhandlungen sind auch in Separatabzügen hergestellt c: erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademischen \tt^' in Kommission der Franz'schen Verlagshandlung (J. Roth).

Akadeniiache Buchdruckerei von F. Straub in MQocheo.

Sitzungsberichte

COLLEüf der .'>'^- -"-1,/

. JUN 841904

philosophisch -philolöl^$jBhe»!^

und der

historischen Klasse

der

K. B. Akademie der Wissenschaften

zu jyCünchen.

1903. Heft IV.

Mflnchen

Verlag der E. Akademie 1904.

In KommissioD des G. Franz'schen Verlags (J. Roth).

'^^^ JUN 241904!'' Sitzungsberichtö\£: wsr.dge, mk^^

der

Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.

Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrats Oeorg Ludwig von Maurer.

Von K. Th. Ton Heigrel.

(Vorgetragen in der historischen Klasse am 7. März 1903.)

Durch eine letztwillige Verfügung unseres verewigten Kollegen Konrad von Maurer wurde ich zur VeröflFentlichung der handschriftlichen Memoiren seines Vaters, so weit sie sich auf die griechische Episode beziehen andere Teile be- liaodeln Maurers Verhältnis zu Lola Montez und andere Vor- gänge in Bayern, ermächtigt. Es liess sich jedoch, obwohl ich an viele Türen pochte, kein Verleger bereitwillig finden. Ich war darüber, offen gestanden, nicht ungehalten, denn nach meiner Ansicht empfiehlt es sich noch nicht, das Ganze zu veröffentlichen, sind doch mehrere Persönlichkeiten, von denen in den Memoiren nicht gerade in glimpflicher Weise die Rede ist, heute noch am Leben. Die Handschrift soll nunmehr nach Beschluss der Familie der E. Hof- und Staatsbibliothek über- lassen werden, jedoch mit dem Vorbehalt, dass sie erst nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes der Benützung zugänglich gemacht werden darf. Nur ein kurzer Bericht über Inhalt und Bedeutung der Denkwürdigkeiten sei der historischen Klasse, welche den Verfasser 43 Jahre lang zu ihren eifrigsten Mit- gliedern gezählt hat, erstattet.

IMS. SlUgab. d. pbfloa..philoL n. d. hist KL 32

472 K. Th, r. Heigel

Georg Ludwig von Maurer, der Sohn eines reformierten Pfarrers, ist geboren ara 2. November 1790 in Erpolzheim bei Dürkheim. Nach Beendigung des juristischen Studiums in Heidelberg ging er nach Paris. Er war, wie er selbst seinem Freunde und Kollegen Brinz, dem Verfasser des trefflichen Artikels in der Allgemeinen deutschen Biographie,^) erzählte, gerade in die Schätze der Bibliothek des Eassationsgerichts- hofes vertieft, als die Verbündeten auf dem Montmartre ihre Kanonen lösten. Nach der Heimkehr trat er in den bayerischen Staatsdienst, wurde 1816 Substitut des Generalprokurators in Zweibrücken, 1818 Appellations- und Revisionsrat. Obwohl mit Berufsgeschäften überhäuft, versuchte er die Lösung einer 1821 von der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften gestellten Preisaufgabe: Wie war nach der altdeutschen und altbayerischen Rechtspflege das öffentliche Gerichtsverfahren sowohl in bürgerlichen als peinlichen Rechtsvorfallenheiten beschaffen? Maurers Bearbeitung wurde mit dem ersten Preise gekrönt. Die 1824 erschienene, heute freilich veraltete, für ihre Zeit epochemachende „Geschichte des altgermanischen und namentlich altbayerischen öffentlich - mündlichen Verfahrens* lenkte die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf den jungen pfal- zischen Staatsprokurator, und so erhielt er schon 1826 einen Ruf auf den Lehrstuhl für deutsches Privatrecht und deutsche Rechtsgeschichte an der von Landshut nach München verlegten Ludwig-Maximilians-Universität. Als ihn drei Jahre später der Begründer der neueren Reichs- und Rechtsgeschichte, Karl Georg Friedrich Eichhorn, zu seinem Nachfolger an der Georgia Augusta vorschlug, ernannte ihn König Ludwig L, um ihn für Bayern zu erhalten, zum Staatsrat im ordentlichen Dienste. Damit trat Maurer in eine Periode staatsmännischer Wirksam- keit, die ihn jedoch von wissenschaftlicher Arbeit niemals gänz- lich abzog. Als die Londoner Konferenz im Mai 1832 den Beschluss fasste, dem Zweitältesten Sohne König Ludwigs, Otto,

4 Allj^em. d. Biographie, 20. Bd,, 699. Im Wesentlichen Wieder- abdruck des Nekrologs in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jahr- gang 1872, Nr. 180.

Denkwürdigkeiten des hayer, Staatsrats G, L. v, Maurer, 473

die Krone des neu zu bildenden griechischen Staates zuzu- wenden, wurde festgesetzt, dass während der Minderjährigkeit des Prinzen eine aus bayerischen Beamten gebildete Kegent- schaft den Staat verwalten sollte. König Ludwig, dem die Wahl überlassen war, berief den ehemaligen Minister Josef Ludwig Grafen von Armannsperg, der auf dem Gebiet der Staatsfinanzen als Autorität galt, den Generalmajor Karl Wil- helm von Hejdeck, der am griechischen Befreiungskampf teil- genommen und dabei Beschaffenheit und Bedürfhisse des Heeres kennen gelernt hatte, und unseren M., dem insbesondere die Neuordnimg der Rechtsverhältnisse anvertraut sein sollte. Am 6. Februar 1833 hielt Otto, seit den mythischen Zeiten des Deukalion der erste König Gesamtgriechenlands, in Nauplia festlichen Einzug; die Szene ist von Meister Peter Hess im Bild verewigt worden. Stürmischer Jubel empfing den Jüngling und seine Begleiter, doch schon bald trat zu Tage, dass der Spott einer Flugschrift, welche die Lage der neuen Monarchie mit Lazarus verglich, dem die europäischen Mächte gebieterisch zuriefen: «Hebe dich auf! nimm dein Bett und geh!*^ nicht unbegründet war. Es war keine leichte Aufgabe, aus ver- schiedenartigen, durch den verzweifelten Befreiungskampf ver- wilderten Yolkselementen einen Staat zu bilden und die Wüstenei von Arta bis Volo in Kulturland umzuwandeln. Längst ist denn auch der Spott über die , neuen dreissig Tyrannen ** ver- stummt, und es wird auch in Griechenland bereitwillig aner- kannt, wie viel Gutes in jenen Jahren für Ordnung und Hebung des jungen Reiches gewirkt wurde. Leider wurde aber diese schöpferische Kulturarbeit durch die Umtriebe der Diplomatie der Grossmächte und die damit zusammenhängenden Zwistig- keiten im Schosse der Regentschaft gestört. Gegen Armann- ^perg, der sich der russischen Partei angeschlossen hatte, erhoben Maurer und Karl Abel, der Kabinettssekretär des Königs, die Beschuldigung, dass er selbstsüchtige Politik treibe und die Diktatur anstrebe, während Armannsperg die Kollegen als Vertreter ultraliberaler Grundsätze, sich selbst als den einzig getreuen Anwalt des monarchischen Prinzips hinzustellen

32*

474 K. Th, V. Heigel

suchte. Beide Teile appellierten an König Ludwigs Entscheidung. Da der Kurier Armannspergs früher nach Schloss Berg ge- langte, als der von Maurer entsandte Vertrauensmann, ^) glaubte der König den vom englischen Kabinett unterstützten Vor- stellungen des Grafen; im Juli 1834 wurden Maurer und Abel abberufen und durch die Staatsräte Kobell und Grüner ersetzt.

Anstatt den Griechen ein Lykurg oder Solon zu werden, sollte Maurer fortan im Appellgericht der Oberpfalz sitzen, doch lehnte er, auf seine Vorbehalte bei Übernahme der grie- chischen Mission sich stützend, den Amberger Posten ab, blieb als Mitglied des Staatsrats in München und verwendete die Müsse zu schriftstellerischer Arbeit. 1834 erschien aus seiner Feder ein dreibändiges Werk «Das griechische Volk in öffent- licher, kirchlicher und privatrechtlicher Beziehung vor und nach dem Freiheitskampfe bis zum 31. Juli 1834*. Die Ab- sicht des Verfassers ging in erster Reihe dahin, durch Recht- fertigung seiner eigenen Tätigkeit in Griechenland dem Urteil der Mit- und Nachwelt an die Hand zu gehen, doch begnügte er sich glücklicher Weise damit nicht, sondern gab auf Grund der in Griechenland gesammelten Erfahrungen eine Geschichte des Befreiungskampfes und der Gründung des neuen Hellenen- staates und im Anschluss daran eine Charakteristik der Schöpf- ungen und Pläne des Regentschaftsrates im Allgemeinen und der einzelnen Mitglieder im Besonderen. Wertvoll sind nament- lich die Erörterungen über das bürgerliche Recht der Griechen. Auf Anregung Maurers war von gebildeten Griechen aus ver- schiedenen Landesteilen aufgezeichnet worden, was ihnen als geltendes Recht bekannt war; Maurer selbst hatte in dieser Richtung insbesondere in der Maina nachgeforscht; auch Ge- richte und Demogeronten waren in zweifelhaften Fällen zur Beantwortung von Fragen aufgefordert worden. Auf Grund- lage des auf solche Weise gewonnenen Materials wollte Maurer ein neues bürgerliches Gesetzbuch für Griechenland schaffen.

0 Dieser Ansicht wird in einem Briefe Abels an Heydeck vom 18. Oktober 1834 Ausdruck gegeben.

Denhoürdigkeiten des bayer. Staatsrats G. L. v, Maurer. 475

was aber durch die unerwartete Abberufung vereitelt wurde. Maurer spricht darüber in einem Briefe an den Griechen Karatzas, der ihm 1871 ein juristisches Werk gewidmet hatte.^) «Wenn im Allgemeinen jede Widmung eine angenehme Hul- digung ist, so muss die Ihrige, die aus Griechenland kommt, mir doppelt angenehm sein, weil auch ich im Geist mit Griechen- land lebe und an Allem, was in diesem schönen Lande vor- geht, innigsten Anteil nehme. Ich freue mich deshalb, dass man auch dort fortwährend meiner gedenkt. Ja, ich habe viel für Griechenland getan, wurde aber verhindert, mehr zu tun, insbesondere den bürgerlichen Kodex zu verabfassen, wie ich beabsichtigte. . . .* Der Brief wurde in der griechischen Zeitung Eklektike vom 16. März 1871 veröffentlicht mit einem Begleit- wort von Karatzas: «Unter den Griechenfreunden sind es unseres Erachtens drei, welche die erste Stelle in der Dankbarkeit aller Griechen einzunehmen haben: der erste Platz gebührt dem grossen George Ganning, der zweite dem König Ludwig von Bayern, der dritte dem Verfasser unserer Gesetzgebung, Herrn Maurer, dem geachtetsten von den drei Mitgliedern der Regent- schaft unter König Otto. Diesen selbst lassen wir als Griechen- freund beiseite, weil er mit Leib und Seele Grieche war, der Kekrops der neuen Ära des griechischen Volkes*^. . . . Zur Vollendung gediehen dagegen das von Maurer verfasste Straf- gesetzbuch, das am 1. Mai 1834 veröffentlicht wurde, sowie die ebenfalls von ihm stammenden Gesetze auf den Gebieten des Kriminal- und Zivilprozesses. Auch an der Organisation der Gerichte, der Schulgesetzgebung und der Neuordnung des Klosterwesens hatte er hervorragenden Anteil.

«Abel ist über die griechische Sache ganz degoutiert'', schrieb Maurer nach seiner Abberufung an Heydeck, «und nach seiner bekannten Manier will er gar nichts mehr davon wissen. Nun muss ich ja auch gestehen, dass, wenn man an öffent-

^) Die von mir benützten Briefe stammen grösstenteils aus dem Nachlass des Generals v. Heydeck; einige wurden mir vor 34 Jahren, als ich an der Biographie Ludwigs I. arbeitete, von Staatsrat v. Maurer selbst zur Yerfagung gestellt.

476 K, Th, V. Heigel

liehen Geschäften Ekel bekommen könnte, dazu die griechischen Angelegenheiten sehr geeignet erscheinen. Dennoch verliere ich nicht den Mut und hoffe immer noch auf Rettung unseres trefflichen jungen Königs, wiewohl sich hier sehr schlimme Nachrichten über die Lage Griechenlands verbreitet haben und grossen Stürmen daselbst, wie die Griechen sagen, entgegen- zusehen ist. Ob diese Furcht gegründet ist, kann ich nicht beurteilen, da ich keine Nachrichten mehr aus Griechenland erhalte und die Allgemeine Zeitung nur Lob, aber keinen Tadel und keine Klage mehr aufnehmen darf. . . . Seyen Sie also doch so gut und schreiben Sie mir recht bald, denn ich habe eine ganz andere Natur, wie unser Freund Abel, der gar nichts mehr von Griechenland wissen will. Ich nehme mehr als je Anteil an dem mir lieb gewordenen griechischen Volke und dessen mir noch lieber gewordenem jungen König. Und je üblere Nachrichten ich vernehme, desto mehr wächst mein Anteil, weil ich stets glaube, dass nur einige dumme Streiche diesen unglückseligen Stand der Dinge herbeigeführt haben.'

In den Briefen an die in Griechenland zurückgebliebenen Freunde ist zwischen den Zeilen zu lesen, dass Maurer seine Rolle in Griechenland noch nicht für ausgespielt ansah und dass er in sich selbst den Arzt erblickte, der imstande wäre, den jungen Staat gesund zu machen. Noch war aber Armann- spergs Einfluss in Athen allzu mächtig, und König Ludwig verkehrte zwar mit Maurer in gnädiger Weise, liess ihm aber durch Herrn v. Giese eröffnen, dass das Gespräch niemals auf griechische Angelegenheiten gelenkt werden dürfe.

1839 gab Maurer das im Jahre 1328 von einem Für- sprech Ruprecht bearbeitete Rechtsbuch für die Stadt Frei- sing und das angeblich ebenfalls von Ruprecht herrührende Landrechtsbuch für das Freisinger Land heraus. Auch die wichtigsten Vorarbeiten für die rechtsgeschichtlichen Werke der fünfziger und sechziger Jahre fallen in diese Zeit. Plötzlich wurde er jedoch wieder auf das Feld politischer Tätigkeit gerufen.

Als unter dem Ministerium Abel die Klagen über Beein- trächtigung der Rechte der evangelischen Kirche, über eng-

Denkwürdigheüen des hayer. Staatsrats G. L. v. Maurer, 477

herzige Beyormundung der wissenscbaftlichen Tätigkeit und einseitige Bevorzugung der altbayerisch-katholischen Faktion sich häuften, konnte es nicht ausbleiben, dass Maurer als Pro- testant, als Pfalzer und als Mann der Wissenschaft in eine frondierende Stellung gegen den ehemaligen Kollegen geriet. Wiederholt nahm er im Reichsrat Gelegenheit, gegen die kirch- lich-politische Reaktion und die ministeriellen Übergriffe seine Stimme zu erheben. Als König Ludwig selbst seit den ärger- lichen YorßLllen nach dem Tode seiner Stiefmutter, der prote- stantischen Königin Karoline, gegen die herrschende Richtung Misstrauen fasste, besprach er sich wiederholt mit Maurer über die Notwendigkeit eines Systemwechsels. Der Bruch mit Abel lag also sozusagen schon in der Luft, und es war durch- aus nicht bloss dem Einfluss der ob der feindseligen Haltung der ministeriellen Partei grollenden Lola Montez zuzuschreiben, dass im Februar 1847 das Ministerium Abel aufgelöst wurde. In den neuen Kronrat wurde mit Zu Rhein, Zenetti und Hohen- hausen auch Maurer berufen, der ebenso wie Zu Rhein eine Erklärung abgab, « entschiedener Gegner jeden hierarchischen Übergriffes'* zu sein. Ausserhalb Bayerns wurde das «Mini- sterium der Morgenröte* von den Gegnern der Reaktion mit Genugtuung begrüsst, im eigenen Lande aber wurde es, weil der politische Umschwung nur auf Rechnung der Spanierin zu kommen schien, von Yorneherein von Vielen mit Misstrauen betrachtet; dass dem Systemwechsel in Wirklichkeit politische Erwägungen des Königs zu Grunde lagen, entzog sich der aligemeinen Kenntnis ebenso, wie die Bemühungen der neuen Minister, den Monarchen von der Ursache des offen tUchen Ärgernisses abzuziehen. Die Tatsache, dass sich Maurer zur Gegenzeichnung der Standeserhöhung der Tänzerin herbeiliess, wird Ton Brinz wohl mit Recht auf den schon für manchen Staatsmann verhängnisvollen hrtum zurückgeführt, dass man, um dem guten Prinzip zum Siege zu verhelfen, auch einen nicht einwandfreien Bundesgenossen nicht verschmähen dürfe. Auch war die Gunst des Königs nicht von langer Dauer. Als €s den Ministem nicht gelang, den nur zur Genehmigung der

478 K. Th, V. Heigel

Erhöhung des gesetzlichen Zinsfusses für Eisenbahnaktien ein- berufenen Landtag nach dem Wunsche des Königs auf den Standpunkt eines einfachen Postulatenlandtags zurückzudrängen, und als Maurer und Zu Rhein Miene machten, in den liberalen Elementen der Ständeversammlung eine Stütze zu suchen, wurden sie schon im Dezember 1847 wieder entlassen. Ausschlaggebend für den Entschluss des Königs war die Weigerung der Minister, der Gräfin Landsfeld ihre Aufwartung zu machen. Ja, als immer neue Streiche der Ounstdame den Münchnern Ärgernis gaben, wagte Maurer in Gegenwart des Königs die Äusserung, er werde die Frau Gräfin, wenn sie ihr Treiben nicht aufgebe, in die Frohnveste abführen lassen, worauf der König sich auf die Erwiderung beschränkte: „Ja, wozu wäre denn ich da?' Das freimütige Wort beweist zur Genüge, dass Maurers Be- ziehungen zu Lola Montez durchaus nicht so geartet waren, wie es seine „moralisch entrüsteten '^ Gegner damals hinstellten. Die in geschichtlichen Darstellungen des leidigen Skandals immer wieder auftauchende Angabe, dass die 1847 erschienene Schrift „Lola Montez und die Jesuiten^, eine freche Apologie der Tänzerin, aus Maurers Feder stamme, ist eine Lüge. Ich glaube den Manen eines Ehrenmannes die Mitteilung zu schulden, dass mir Maurer selbst auf Ehrenwort versicherte, weder an Abfassung, noch an Herausgabe der fraglichen Schrift Anteil gehabt zu haben.

Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Staatsdienst widmete sich Maurer wieder wissenschaftlichen Studien. Von seinen Arbeiten sei nur eine erwähnt, ein auf die gesamte deutsche Markenverfassung und das gemeindliche Leben in Hof-, Dorf- und Stadt Verfassung sich erstreckendes zwölfbändiges Werk, das in den Jahren 1854 bis 1871 erschienen ist. Die Ge- schichte der öffentlichen Gewalt in Deutschland sollte den Schluss bilden, doch wurde die Vollendung durch das Ableben des Verfassers vereitelt. „Man wird getrost aussprechen können* so urteilt ein von Brinz angeführter, leider nicht genannter „sachverständiger und unparteiischer Jurist* „dass das Erst- lingswerk Maurers, wenn auch durch spätere Arbeiten vielfach

Denkwürdigkeiten des bayer, Staatirats G. L. v. Maurer, 479

überholt und antiquiert, zu den grundlegenden Arbeiten der deutschen Rechtsgeschichte gehört, und dass das Schlusswerk, wenn auch im Einzelnen vielfacher Berichtigung bedürftig und vielleicht auch in der Grundanlage einseitig gehalten, doch noch immer als eine unerschöpfke Fundgrube reichen Stoffes nicht nur, sondern auch selbständiger und fruchtbringender Ideen vor uns liegt.*

Mit der Wiederkehr zur gelehrten Forschung hatte Maurer keineswegs das Interesse an der Politik verloren; insbesondere die Entwicklung des hellenischen Staates verfolgte er mit warmer Teilnahme. König Maximilian II. zog den Freund und Kenner Griechenlands in eyischlägigen Fragen gern zu Rate. Als es sich im Jahre 1858 darum handelte, dem für den griechischen Thron bestimmten jüngeren Bruder des Königs, Prinz Adalbert, bei der ersten Reise nach Griechenland einen welterfahrenen Begleiter mitzugeben, wurde Maurer dazu ausersehen. Es war für ihn eine tröstliche Genugtuung, dass er auf dem alten Schauplatz seiner Wirksamkeit mit hohen Ehren aufgenommen und von den Griechen als ihr „erster Gesetzgeber* dankbar gefeiert wurde. Um so schmerzlicher musste ihn wenige Jahre später (1862) der Zusammensturz der Schöpfung von 1832 berühren. Als die ün glücksbotschaft in München eingetroffen war, liess König Ludwig seinen alten Diener wieder zu sich rufen. Maurer wurde er selbst hat mir die Episode er- zählt^) — zur Tafel geladen mit dem Beifügen, er möge schon eine halbe Stunde vor Tischzeit sich einfinden. Sobald er in das Gemach eingetreten war, fuhr der König auf ihn los und ergoss sich, indem er einen Knopf am Frack seines Gastes hin- und herzerrte, in einer Flut von Vorwürfen gegen diesen und jenen, aber auch von bittersten Selbstanklagen. Als Maurer etwas Tröstliches sagen wollte, liess der König den Knopf los und eilte wehklagend im Zimmer umher; dann kehrte er wieder zu seinem Gast zurück und begann mit neuen Vorwürfen. Das

*) Ich gebe die Erzählung wieder, wie sie schon in meiner Biographie König Ludwigs I. 8. 362 mitgeteilt ist.

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Spiel wiederholte sich noch ein paarmal, bis zur Tafel gerufen wurde. Während der König sonst bei Tisch froh gelaunt die Unterhaltung beherrschte und allerlei Spässe und Schwanke zum Besten gab, sass er diesmal ganz still und schweigsam. Plötzlich sprang er auf und wollte sich entfernen. Da sich ihm aber ein Diener näherte und mit verlegener Miene heraus- stotterte, es sei ja noch gar nicht der Braten serviert, musste der König trotz aller Niedergeschlagenheit lachen, setzte sich wieder und gewann allmählich seine heitere Gelassenheit.

Maurer erlebte noch den Tod König Ludwigs, der von ihm so bitter beurteilt und trotzdem mit einer ganz persön- lichen Treue geliebt und verehrt wurde. Höfisches Wesen blieb dem echten PfUlzer sein Leben lang fremd. Auch im Verkehr mit Seinesgleichen hielt er an rücksichtsloser Offenheit fest, wodurch freilich die Zahl seiner Freunde nicht gerade vermehrt wurde. Es war ein Geist der Freiheit, der in Maurers reizender Behausung in der Gartenstrasse lebte, ein Geist echt wissenschaftlichen Strebens und nicht minder lebendiger Teil- nahme an Allem, was die Welt bewegte. Eine stattliche, hohe Gestalt mit hoch gewölbter Stirn, hellen, scharf blickenden Augen, vollem, weissem Haupthaar, um den Mund einen spöt- tischen Zug, trotz seiner siebzig Jahre ein Bild der Kraft und Gesundheit, so steht er mir noch vor Augen. Wenige Wochen vor seinem Tode entschloss er sich zum erstenmal seit 40 Jahren, von einer ßeichsratssitzung wegzubleiben. Er verschied ohne schweren Todeskampf am 9. Mai 1872.

Die von ihm hinterlassenen Aufzeichnungen über seine Beziehungen zu Griechenland zerfallen in drei Teile. Der erste, dem die Erklärung vorangesetzt ist: „Ich wünsche, dass dieser Nachtrag zu meinem Buche »Das griechische Volk etc.* nach meinem Tode nebst den Beilagen gedruckt werden möge. V. Maurer* enthält die Geschichte der Regentschaft von 1832 bis 1834; der zweite erzählt von Maurers zweiter Sendung nach Griechenland im Jahre 1858; der dritte behandelt das Ende der bayerischen Dynastie in Griechenland.

Der erzählende Text ist nicht besonders umfangreich; da-

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gegen liegen als Belege zahlreiche und teilweise umfangreiche Aktenstücke bei, Dekrete, Instruktionen und andere diploma- tische Urkunden, auch Privatbriefe, Zeitungsausschnitte u. s. w. Einzelne von diesen Beilagen werden für die Geschichte yiel- leicht wertvoller sein, als der Text.

In der Einleitung zum ersten Teil «Die Witteisbacher in Griechenland'* erklärt der Verfasser, er habe in seinem Werke über das griechische Volk Vieles, zumal das Skandalöse, nur leise berührt, teils weil er selbst, um nicht Ärgernis zu geben, nur das zur eigenen Verteidigung Notwendigste anführen, teils weil er sein Pulver nicht vor der Zeit verschiessen wollte; er habe ja doch erwarten müssen, dass der so heftig angegriffene Kollege eine Abwehr versuchen werde. Da aber Armannsperg geschwiegen habe, sei kein Anlass mehr geboten, auf die an- stössigen Vorgänge zurückzukommen. „Sanft ruhe daher seine Asche, insofern ein Mann zur ewigen Ruhe gelangen kann, auf dem die schwere Schuld lastet, durch sein Benehmen in Griechen- land den Hass gegen die Fremden und durch seine Mitteilungen an England den Hass gegen den König Otto selbst hervor- gerufen und dadurch vielleicht den Grund zum Untergang der Dynastie der Wittelsbacber in Griechenland gelegt zu haben. **

Da aber der Verfasser des Glaubens ist, dass er der bisher schlecht unterrichteten Nachwelt zwei Dinge schuldig sei, die wahre Geschichte der Berufung, sowie der Auflösung der grie- chischen Regentschaft, will er das Nötigste kui-z erzählen und die aktenmässigen Belege zu seinem Bericht an die Hand geben.

Doch trotz der bündigen Versicherung, dass es ihm fem liege, den alten Streit mit seinem Gegner wieder aufzurühren, liest sich das Ganze wie eine fortgesetzte Anklage gegen Armannsperg. Durch diesen Ränkeschmied soll König Otto systematisch zu würdevollem Nichtstun verführt und König Ludwig über die wahren Freunde und Förderer der griechischen Sache getäuscht worden sein. Sehr umständlich werden die Vorbereitungen zur Bildung der Regentschaft, die widerwär- tigen Streitigkeiten über Rang, Gehalt, Kompetenz etc. der einzelnen Mitglieder dargelegt. Man gewinnt beim Lesen den

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Eindruck, dass die Eifersucht und die Unverträglichkeit der zur Leitung Griechenlands berufenen bayerischen Beamten von vorne- herein das Ansehen der neuen Dynastie schädigten. Schon während der Überfahrt an Bord des „Madagaskar*^ kam es zwischen Armannsperg und Maurer zu Zwistigkeiten. Nach Maurers tendenziöser Darstellung träfe alle Schuld den herrsch- süchtigen ,, Herrn Orafen*', der den obskuren Emporkömmling nicht als gleichberechtigt dulden wollte. Ohne Zweifel verteilt sich die Schuld auf beide Seiten. Denn auch Maurer besass, wie es gerade bei Persönlichkeiten von staatsmännischer Begabung nicht selten anzutreffen ist, stark ausgeprägten Eigenwillen; er war empfindlich in Bezug auf Anerkennung seiner Ver- dienste und nicht frei von Härte in Beurteilung Anderer. So erklären sich die überraschend bitteren Ausfalle gegen viele Persönlichkeiten, mit denen er als Mitglied der Regentschaft in Berührung trat, und die prickelnden Scherze, die er über Auftreten und Verhalten der Bayern in Griechenland zum Besten gibt. An König Ludwig wird gerügt, dass er jederzeit Vergnügen daran fand, den einen von seinen Dienern gegen den andern auszuspielen und alle unter einander zu verhetzen. Für König Otto verrät der Verfasser warme Neigung, womit freilich die offene Geringschätzung der Begabung des hohen königlichen Herrn schwer vereinbar ist. Höheres Interesse bietet die Darstellung der Streitigkeiten mit dem englischen Gesandten Dawkins und anderen Vertretern der Londoner Vertragsmächte; das Hauptsächliche ist freilich schon aus Maurers Buch bekannt. In der Verfassungsfrage musste die Regentschaft nach Maurers Versicherung von vorneherein in eine falsche Stellung geraten, weil sich die bayerische Regierung eine unverzeihliche Täuschung erlaubte. Die von König Ludwig den Regenten mitgegebene, am 23. Juli 1832 unterzeichnete Instruktion enthält die Be- stimmung: „Da es der Regierung des Königreichs Griechenland ohnehin nach dem Begriff einer Regentschaft nicht zustehen kann, während der Minderjährigkeit des Königs dem König- reiche eine Verfassung zu erteilen, so wird sie sich hauptsäch- lich damit zu beschäftigen haben, dass die Rechte des Königs

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gewahrt und Ihm keines derselben vergeben werde/ Die Regenten mussten sogar vor der Abreise dem König die eid- liche Versicherung geben, dass sie sich auf konstitutionelle Experimente nicht einlassen würden. Um so peinlicher wirkte eine Überraschung, die ihnen nach der Ankunft in Nauplia zu teil wurde. »Hier präsentierte sich die griechische Regierung, welche wir vorfanden, mit einem Originalschreiben des Frei- herm v. Giese vom 31. Juli 1832 und begehrte von uns die von dem König von Bayern versprochene Berufung der National- versammlung zum Zweck der Abfassung einer Konstitution. Man bemerke, dass unsere Instruktion vom 23. Juli, das Schreiben Gieses aber vom 31. Juli datiert ist. Und da wir natürlich von diesem in direktem Widerspruch mit unsrer Instruktion stehenden Schreiben Gieses nichts wussten, so kann man sich unsere grosse Verlegenheit denken. Das Schreiben Gieses ist in einem von dem griechischen Ministerium offiziell heraus- gegebenen Werke wortgetreu abgedruckt, im Uecueil des traitäs, actes et pi^ces concernans la fondation de la Royaut^ en Grece (Nauplie, imprimerie Royale, 1833, pag. 62 und 63).*

Noch entschiedener als in seinem älteren Werke vertritt Maurer in den Memoiren die Ansicht, dass die englische Diplo- matie, um nicht eine neue Handelsmacht im Mittelmeergebiet aufkommen zu lassen, absichtlich das ohnehin ohnmächtige Staatswesen mit einem Netz von Intriguen umsponnen habe. Ais es den Vorstellungen des bayerischen Ministerialrats v. Flad in London endlich gelang, die Abberufung des hinterlistigen englischen Gesandten Dawkins durchzusetzen, kam an dessen Stelle Lord Lyons, ^um sodann für Griechenland und für Bayern noch weit lästiger zu werden, als dieses selbst Dawkins ge- wesen ist.**

Noch am 1. Mai 1834 schrieb König Ludwig, er sei vom festen Vertrauen beseelt, dass besonders Maurer Alles tun werde, lim den griechischen Thron zu befestigen. Durch die Vor- stellungen Armannspergs wurde aber erreicht, dass sich der König überraschend schnell zur Entfernung Maurers aus Griechen- land entschloss. Am 31. Juli 1834 trafen Staatsrat v. Kobell

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König selbst die Schriflstücke mit den Anträgen herausge- nommen und nicht wieder zurückgegeben hatte. Zwar wurde Maurer durch Königliches Signat vom 26. August 1835 «wegen Herausgabe einer Schrift über Griechenland' von seinem Amte als Staatsrat suspendiert. Als er aber geltend machte, dass die Strafe der Entfernung aus dem Staatsratskollegium, das auch richterliche Funktionen habe, nicht ohne vorausgegangene Untersuchung verhängt werden könne, wurde die Suspension wieder aufgehoben. Am 10. Oktober früh Morgens erhielt Maurer ein Handschreiben des Inhalts, dass der König, wie missvergnügt er auch über die Herausgabe des bewussten Buches sein müsse, Gnade für Recht ergehen lassen wolle und das Verbot der Teilnahme an den Staatsratssitzungen zurücknehme. Gleichzeitig wurde Maurer eingeladen, noch am nämlichen Tage der Enthüllung des Denkmals König Max Josephs beizuwohnen; deshalb war die Zustellung des Signats am frühesten Morgen erfolgt. Maurer glaubte sich jedoch mit dieser Genugtuung nicht begnügen zu dürfen und blieb der Feier fern.

Als im nächsten Jahre König Otto nach München kam, erbat sich Maurer eine förmliche Anweisung, wie er sich seinem früheren Landesherrn gegenüber zu verhalten hätte. Es wurde ihm befohlen, nur gleichzeitig mit den übrigen Staatsräten seine Aufwartung zu machen und sich jeder Besprechung über grie- chische Verhältnisse zu enthalten. So geschah es auch. Abel und Maurer waren auch die einzigen höheren Staatsbeamten, die bei der Massenverteilung griechischer Orden leer ausgingen. „Von dem Jahre 1833 bis 1839 befand ich mich daher in der einzigen, gewiss noch niemals vorgekommenen Lage, einen Orden selbst gestiftet zu haben, ihn aber dennoch nicht zu besitzen. '^ Ein Umschwung erfolgte aber, als der bis dahin allmächtige Staatskanzler Armannsperg hauptsächlich wegen des Misserfolgs seiner Finanzpolitik entlassen wurde und auch bei König Ludwig in Ungnade fiel. Bald darauf gelangte an Maurer aus Athen das Grosskreuz des Erlöserordens, nach Erklärung des Begleitschreibens in Anbetracht der Ver- dienste, die sich das ehemalige Mitglied der Regentschaft durch

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seine rege Teilnahme an den ßegierungsgeschäflen und ins- besondere bei Abfassung der Gesetzbücher erworben habe. Dagegen liess der Münchner Hof den gestürzten Armannsperg, wie in den Memoiren nur allzu ausführlich geschildert wird, in drastischer Weise fühlen, dass er das Vertrauen der beiden Monarchen verloren habe. Max U., so erzählt Maurer, sei einmal nahe daran gewesen, Armannsperg wieder auf einen leitenden Posten zu berufen, doch habe er verlangt, dass der Exkanzler vorher die im Buche ^Das griechische Volk* gegen ihn erhobenen Anklagen widerlegen müsse. „Allein der Graf wusste zu wohl, dass dieses nicht möglich sei, weil auch er mich sehr gut kannte. Der Graf starb daher, ohne dieses Ziel erreicht zu haben. Und ich will nichts tun, ihm die Erde, die ihn bedeckt, weiter zu beschweren. Sanft ruhe daher seine Asche. München aber ist nach wie vor der alte Ort. Erscheinungen wie Armannsperg sind darum auch künftig noch möglich. Sie werden sich sogar noch öfters wiederholen, solange wenigstens die Geschichte von Bayern eine fortwährende Geschichte der versäumten Gelegenheiten ist.**

Wenn Maurer, wie man sieht, nicht ohne Schadenfreude die Demütigung seines Gegners mit ansehen durfte, wurde ihm zwanzig Jahre später eine edlere Genugtuung zu teil.

Schon 1854 gaben die griechischen Majestäten, durch die wachsende Verwirrung im Lande beunruhigt, dem Wunsche Ausdruck, Maurer als bayerischen Gesandten in ihrer Umgebung zu haben, , wiewohl sie mich fürchteten*. Im zweiten Teil der Denkwürdigkeiten mit dem wunderlichen Titel: „Meine Sendung nach Griechenland in den Jahren 1854 und 1858, im Jahre 1854 beabsichtigt, im Jahre 1858 aber ausgeführt **, wird über die auf jene Berufung bezüglichen Verhandlungen mit Pfistermeister, von der Pfordten und König Max ausführlich berichtet.^)

^) Der zweite Teil ist unmittelbar nach der Heimkehr nieder- geschrieben. Der Schiusa lautet: ,Am 27. April (1858) feierten wir den Geburtstag meines Heben Lottchens, am 28. den Namenstag meiner Valerie und am 29. April den Geburtstag meines lieben Konrada. Wahr- acheittlich landete Konrad an diesem seinem Geburtstage in Island» dem

IMft. SHigBb. d. phaoa.-phl]ol. n. d. hiiit. Kl. 33

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Maurer stellte zur Bedingung, dass er zum erblichen Keichsrat ernannt und mit einer stattlichen Dotation begabt werde. Darauf ging die Regierung nicht ein, ^und der König, der mich bisher für unentbehrlich in Oriechenland gehalten hatte, hielt mich Yon nun an für entbehrlich und ernannte den Oberst Feder in ausserordentlicher Mission/ Als jedoch für den 6. Februar 1858 das Jubiläum der 25 jährigen Regierung König Ottos in Aussicht stand, ersah König Max trotz seiner Miss- stimmung den „verdientesten Griechenfreund" zum Begleiter des Prinzen Adalbert nach Athen. Der präsumtive Nachfolger des kinderlosen Otto sollte gewissermassen dem griechischen Volke vorgestellt werden, und nach Maurers Versicherung ent- ledigte sich der Prinz dieser Aufgabe mit Klugheit und VJTürde. Maurer bestand auch darauf, dass der Prinz dem Sultan seine Aufwartung mache. Die Schilderung der Reise nach Konstan- tinopel ist, um von der Erzählung wenigstens eine kleine Probe zu bieten, im Anhang mitgeteilt.

Einsichtsvollere Politiker billigten den Besuch in Stambul, während er von manchen stolzen Palikaren als ungebührliche Demütigung des Hellenenthrones getadelt wurde. Im Allge- meinen aber glich die griechische Reise des bayerischen Prinzen und seines Begleiters einem Triumphzug. In den Denkwürdig- keiten wird geschildert, wie häufig der ehemalige , Regent* Gelegenheit hatte, sich zu überzeugen, dass seine Arbeit in Griechenland eine glückliche Aussaat gewesen war. Die von ihm ausgearbeitete Gerichtsorganisation, wie seine Gesetzgebung hatten feste Wurzeln gefasst; auf vielen Gebieten des materiellen wie des geistigen Lebens war erfreulicher Fortschritt zu beobachten. Die von Maurer zwischen den Zuständen von 1833 und 1858 gezogene Parallele leidet kaum an Übertreibung. Interessant ist auch, was Maurer über die Zukunft der orientalischen Frage sagt, wenn er sich auch nicht gerade als Prophet bewährt hat.

Maurer lässt als seine Ansicht durchblicken, dass Königin

Lande seiner Sehnsucht. Möge er glücklich wiederkehren und stets glücklich sein und aeine Valerie ihm Glück und Segen biingen. München, den 29. April 1858. v. Maurer."

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Amalie unheilvolle Umtriebe angezettelt habe, um ihrem jüngeren Bruder, dem Prinzen Ton Oldenburg, die griechische Thronfolge zuzuwenden; sie selbst stellte solche Absicht, als Maurer im Gespräch darauf anspielte, entschieden in Abrede. Schädlich wirkte jedenfalls auch der Streit um die griechische Thron- folge innerhalb der königlichen Familie, worüber Maurer ein- gehende, freilich nicht ganz unbefangene Mitteilungen macht. Der zweite Teil schliesst mit Aufführung der Ehren und Aus- zeichnungen, die dem Verfasser aus Anlass der glücklich er- ledigten Mission zu Teil wurden. Die grösste Freude bereitete ihm ein Handschreiben König Ottos Yom 24. April 1858, das in warmen Worten der , ebenso einsichtsvollen wie rastlosen Bemühungen* Maurers um das Wohl Griechenlands gedachte. «Mit Freude und gerechtem Stolze muss es Sie erfüllt haben, zu sehen, wie die Gesetze, die Sie für Griechenland verfasst haben, sich durch eine fast 25jährige Anwendung bewährt haben und deren Anerkennung sich befestigt hat." «Dieses Handschreiben*', sagt Maurer, „gereicht nicht nur mir, sondern dem König Otto selbst zur grossen Ehre, denn nur ein edler Monarch weiss in dieser gemütlichen und herzlichen Weise geleistete Dienste zu ehren und für sie zu danken. '^

unmittelbar vor der Abreise von Athen hatte Maurer noch eine Unterredung mit Königin Amalie. Er war nicht wenig überrascht, als die hohe Frau mit aller Entschiedenheit der Überzeugung Ausdruck gab, dass es in kurzer Zeit in Griechen- land zum Aufstand kommen werde. Maurer suchte ihr vergeb- lich diese Besorgnis auszureden.

Die Unruhen im September 1861, das Attentat auf die Königin, der Aufstand in Athen im Oktober 1862, der Abfall der Truppen, die Absetzung König Ottos lieferten den uner- freulichen Beweis, dass die Königin schärfer gesehen hatte. Maurer sah sich durch die unerwartete Wende genötigt, seinen Aufzeichnungen noch einen dritten Teil zu geben: „Das Ende der bayerischen Dynastie in Griechenland". Er sieht die Haupt- ursachen des Zusammensturzes in der Unbeliebtheit der Königin und in der auf ihre Umtriebe zurückzuführenden Unsicherheit

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in Bezug auf die Thronfolge; um die Sukzession bayerischer Prinzen zu hintertreiben, sei die Königin sogar mit den in russischem Sold stehenden Napisten in Einvernehmen getreten. Maurer erzählt sodann, welche Anstrengungen von bayerischer Seite zur Befestigung des griechischen Thrones in den Jahren 1859 bis 1862 gemacht wurden, und der Wert seines Berichts wird erhöht durch Beifttgung wichtiger Aktenstücke, von welchen er, vielfach von König Max zu Rat gezogen, Abschrift nehmen konnte. Zur Katastrophe von 1862, meint er, wäre es wohl kaum gekommen, wenn man den von ihm im März 1860 er- teilten Kat, den Prinzen Adalbert mit einem englisch-franzö- sischen Geschwader nach Athen ziehen und dort die Erbfolge ein für allemal endgiltig regeln zu lassen, befolgt hätte. Da gegen diesen Vorschlag nicht bloss „die kleine Katharina", Königin Amalie, sondern auch König Otto, der nicht in , Aus- trag ** geschoben sein wollte, Verwahrung einlegten, stand König Max davon ab und Hess in Paris und London erklären, mit der griechischen Expedition habe es keine Eile. , Damit war aber der günstigste Moment zur Erhaltung der bayerischen Dynastie in Griechenland versäumt." Nach der Vertreibung Ottos wurde Maurer wiederholt von König Max zu gutacht- lieber Äusserung aufgefordert, was zur Rettung des Werkes Ludwigs I. noch geschehen könnte und welche Bedeutung dem griechischen Staat für die europäische Politik und das baye- rische Interesse zukomme. Aus den Antworten Maurers er- hellt, dass er die Erwartung König Ottos, den verlorenen Thron wieder zu gewinnen, nicht teilte. „Die Türkei", schrieb er am 20. Januar 1863 an Pfistermeister, „ist immer noch ein kranker Mann, der seit dem Kriege mit Russland und seit der intimeren Verbindung Frankreichs mit Russland noch kranker geworden ist, als zuvor, aber noch nicht krank genug ist, um mit Tod abzugehen. Daher wird der kranke Mann noch immer von England und Osterreich gehegt und gepflegt, bis dereinst seine letzte Stunde schlagen wird. Wann dieser welthistorische Moment eintreten wird, hängt nach der jetzigen Lage der Dinge im Orient hauptsächlich von England ab. Denn England ist

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in diesem Augenblick im Orient der vorherrschende Staat. Russland ist in diesem Augenblick im Orient ziemlich ohn- mächtig. Ebenso, seit der verunglückten Expedition in Syrien, Frankreich. Daher haben sich Russland und Frankreich ver- einigt, um gemeinschaftlich gegen England zu operieren. Sie waren aber bisher nicht sehr glücklich in ihren Operationen. Russland und Frankreich versuchten ihre gemeinschaftlichen Operationen zuerst in der Walachei, dann in Montenegro und zuletzt in Griechenland. Aber an allen drei Punkten endigten sie mit einer gewaltigen Niederlage. In der Walachei und in Montenegro waren England und das mit ihm verbündete Oster- reich siegreich, in der Art sogar, dass Frankreich, als es zur endlichen Entscheidung kam, Russland im Stich Hess und mit England stimmte. Noch weit grösser aber war die Nieder- lage in Griechenland. Die Revolution in Griechenland wurde bekanntlich von Russland und Frankreich gemacht, um den Prinzen von Leuchtenberg auf den griechischen Thron zu setzen. Darum rieten bei der Katastrophe zu Salamis im vorigen Jahre der französische Admiral und der französische Gesandte Seiner Majestät dem König Otto, nicht nach Athen zu gehen, sich yielmehr ein Asyl zu suchen. Und König Otto ging in die Falle und verliess sein Reich. Die Folge davon war, dass nun das 2ientrum für die zahlreichen Anhänger des Königs Otto fehlt, um welches diese sich scharen könnten, und dass daher von den Griechen selbst und von ihnen allein für die Erhaltung des Thrones in der bayerischen Dynastie nicht viel zu erwarten ist. Dagegen nahm nun England die Sache in die Hand. England proponierte bekanntlich den Schutzmächten Griechen- lands Anfangs November, einen bayerischen Prinzen auf den griechischen Thron zu setzen, und Frankreich und Russland stimmten ihm bei. Später änderte aber England seinen Operations- plan. Prinz Alfred ward der Thronkandidat und nachdem Russ- land auf den Prinzen Leuchtenberg verzichtet hatte, der König Ferdinand u. a. m. England hat nun das Heft in der Hand, ▼on einem russischen oder französischen Thronkandidaten ist gar nicht mehr die Rede. Russland und Frankreich sind in

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diesem Augenblick ohne allen Einfluss in Oriechenland und in der griechischen Sache. England wird über den griechischen Thron verfügen. Wer demnach auf jenen Thron Ansprüche macht, niuss sich mit England verständigen. Griechenland ist aber der Schlüssel zum türkischen Reiche. Daher die Wichtig- keit des griechischen Thrones und dessen so sehr bestrittener und beneideter Besitz. Griechenland in Besitz einer Gross- macht ist Herr der Türkei. Darum die Unmöglichkeit, den griechischen Thron einer Grossmacht zu überlassen. Ohne einen europäischen Krieg wird dieses auch niemals geschehen. Allein auch jeder andere Besitzer jenes Thrones, der das Land mit kräftiger Hand zu regieren vermag und die letzte Stunde der Türkei ruhig abzuwarten die Geduld hat, wird Herr von Kon- stantinopel werden. Selbst erobern kann er aber die Türkei nicht. Er wird zu dem Ende immer die Unterstützung Eng- lands notwendig haben. Das Schicksal des griechischen Thrones wird daher auch später noch mehr oder weniger in den Händen Englands liegen. Auf die jetzige Aktive Englands wird zwar nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge wieder eine Reaktion folgen. Allein es wird jedenfalls lange Zeit dauern, bis Russ- land und Frankreich sich wieder von ihrer völligen Niederlage im Orient erholen. Es ist dieser Umschwung der Dinge eine Frage der Macht. Und bis jetzt hat es nicht den Anschein, als werde sich im Orient die Macht so bald auf die Seite von Russland oder Frankreich neigen. Die Zukunft Griechenlands

liegt demnach in den Händen Englands In London,

nicht in Griechenland wird über den griechischen Thron ent- schieden, worauf ich schon im November vorigen Jahres Seine Majestät den König aufmerksam gemacht und damals gemeint habe, dass jemand nach London gesendet werden wolle. In diesem Augenblick ist eine Sendung nach London zu spät und auf der anderen Seite auch wieder zu früh. Zu früh, weil jetzt der in Paris stattgehabte Umschwung und seine Rück- wirkung auf London abgewartet werden muss, der vielleicht eine Sendung nach London unnötig macht. Da es aber dennoch gut wäre, wenn man wüsste, was man in London jetzt will,

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so rate ich Seiner Kgl. Majestät, bei der hiesigen englischen Gesandtschaft sondieren zu lassen, in wie weit England die bayerische Dynastie in Griechenland zu unterstützen gedenkt. Die Grenze, welche Ausgaben für die griechische Sache noch gemacht werden sollen, ist durch den neulichen Beschluss Seiner Majestät des Königs bereits gefunden. Seine Kgl. Majestät geruhten zu erklären, dass eine Erhebung der Griechen und eine Sendung der Griechen an den Kgl. Hof abzuwarten sei. Beides ist nicht erfolgt, ergo!!! Man sprach früher von der Wahl Rigas Palamides zum Präsidenten der National- Tersammlung, von der Erhebung der Mainotten, vom Los- schlagen anderer Primaten binnen 10 Tagen, von einer provi- sorischen Regierung in Tripolitza, von dem Nichtausschluss der bayerischen Dynastie von der griechischen Thronfolge u. s. w. Von dem Allen ist aber nichts oder das Gegenteil geschehen. Dadurch werden aber auch die weiteren Versprechungen ver- dächtig, und unter diesen Umständen begehrt der griechische Konsul neue 150,000 Fr. Wenn Seine Majestät der König auch diese Summe noch bewilligen wollen, so ist dies natürlich Sache der Allerhöchsten Gnade. Ich meines Orts kann aber nach Lage der Sache nur für höchstens 50 bis 100,000 Drachmen raten. Die dritte Frage, wie weit Seine Majestät mit Rück- sicht auf die bereits ausgegebenen Summen im Gesamtopfer noch gehen soll, kann erst dann beantwortet werden, wenn man der Unterstützung Englands sicher ist. Sichert England nicht klar und deutlich seine Unterstützung zu, so rate ich von jedem weiteren Opfer ab. Denn von England hängt in diesem Augenblick die Zukunft Griechenlands ab!*

Maurer war noch längere Zeit für die Wiedereinsetzung der bayerischen Dynastie in ihre von den Schutzmächten ge- währleisteten Rechte tätig, doch ohne Erfolg. Die einschlägigen Aktenstücke liegen bei.

Mit einer nochmaligen Erörterung seiner Verdienste um den hellenischen Staat vom Augenblick seiner Berufung in das soeben erst dem Türken, aber noch nicht der Barbarei abge- rungene Land bis zu dem traurigen Tage, da er am Grabe

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der bayerischen Dynastie stand, beschlieast der Verfasser seine Denkwürdigkeiten. , Wenn dereinst Griechenland, wie ich hoffe und auch glaube, grösser und blühender geworden ist, wird man auch dann noch seines alten Freundes und Wohltaters gedenken'.

Beilage.

Reise von Athen nach Eonstantinopel im Februar 1858.

Mein häufiger Verkehr mit den Griechen hatte fflr mich den grossen Vorteil, dass ich bald vollständig wieder orientiert, sogar besser orientiert war, als die hellenischen Majestäten selbst. Ausser der im Jahre 1840 erhaltenen, sehr mangel- haften Konstitution war seit meiner Abreise, also seit 24 Jahren, keine neue Einrichtung gemacht worden, war fast gar nichts geschehen. Meine zahlreichen alten Freunde knüpften daher bei ihren Gesprächen und bei ihren zahlreichen Desiderien an die alten Zeiten vor 24 Jahren an. Die in Mitte liegenden 24 Jahre waren ihnen wie gar nicht vorhanden. Denn va.^ nicht vor 24 Jahren geschehen war, war heute noch zu tun. Manches ist sogar rückwärts gegangen, so die von der Regent^ Schaft gebildete, ganz vortreffliche Gendarmerie soll durch ibrtu Gebrauch zum Spionieren bedeutend schlechter, ja sogar be- stechlich geworden sein. Auch sollen einige Wege, welche die Kegentscbaft hatte herstellen lassen, wieder eingegangen und keine neuen Wege gemacht worden sein. Was man bereits vor 24 Jahren veimisst und verlangt hatte, das verlangt man heute noch, das verlangte man nun von mir. Ich aber konnte nicht helfen. Ich versprach zwar, mit den Majestäten reden zu wollen, und tat dieses auch. Dabei ist es aber allzeit ge- blieben. Weiter konnte und durfte ich jedoch nichts tun. Denn die Majestäten durfte ich doch nicht kompromittieren. Dieses, verbunden mit dem Umstände, dass auch die Feier des 6. Februar wieder vorübergegangen war, ohne dass etwas für das Land selbst geschehen ist, führte zuletzt zu einer

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bemerkbaren Verstimmung gegen die beiden Majestäten. All- gemein hatte man nämlich erwartet, dass wenigstens bei dieser Gelegenheit irgend etwas geschehen werde, was dem Lande angenehm und nützlich sein werde. Es geschah indessen auch jetzt wieder nichts. Die Verstimmung war daher begreiflich. Aber eben deshalb war es hohe Zeit, dass wir an unsere Ab- reise dachten. Ich machte den Prinzen darauf aufmerksam. Da jedoch der König die Festlichkeiten in Nauplia beendigen wollte, zum Reisen aber noch nicht wohl genug war, so konnte noch nicht abgereist werden, unter diesen Umständen tauchte denn die Idee einer Reise nach Eonstantinopel auf.

Der türkische Gesandte, Chounil Bey, hatte mich bereits darauf aufmerksam gemacht, dass es den Sultan sehr freuen werde, wenn der Prinz, der als griechischer Thronfolger gelte, auch ihn besuchen wollte. Später sagte er mir sogar, dass es der Sultan übel nehmen werde, wenn der Prinz, der nun so nahe bei Konstantinopel sei, ihn nicht besuche. Er bot sogar sein im Piräus liegendes türkisches Kriegsschiff zur Über- fahrt an. Da nun der weitere Aufenthalt in Athen aus den angegebenen Gründen unangenehm zu werden drohte, der König Otto aber noch nicht wohl genug war, um nach Nauplia zu reisen, wo er die Festlichkeiten zu beendigen gedachte, so kam jetzt die Idee, die Zwischenzeit mit einer Reise nach Konstan- tinopel auszufüllen, wie von selbst. Der türkische Gesandte schrieb deshalb nach Konstantinopel. Auch der österreichische Geschäftsträger y. Heimerle schrieb dahin. Der Sultan selbst wünschte den Besuch. Da jedoch der Prinz nicht mit einem gewöhnlichen Dampfboot, yielmehr nur mit der österreichischen Fregatte, welche Ihm zur Disposition gestellt war, reisen wollte, so stand der Pariser Staatsvertrag entgegen, nach welchem kein grösseres Kriegsschiff, selbst nicht mit Zustimmung des Sultans die Dardanellen passieren darf. Indessen der Sultan wünschte den Besuch. Er benahm sich daher mit den fremden Botschaftern und Gesandten. Und so ward denn zu Gunsten des Prinzen eine Ausnahme von dem Staatsvertrag gemacht und der Ferman zur Durchfahrt erteilt.

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Die Wichtigkeit dieser Reise ward von JedermaDn, ron den Griechen wie von den Diplomaten begriffen. Nur die Königin und die ihr allzeit sekundierende Frau Obersthof- meisterin (Frau Y. Pluskow) war ganz entschieden dagegen. Anfangs meinte die Königin, es sei unklug und sogar eine Schande, wenn wir von Athen nach Konstantinopel gehen wollten. Es schicke sich nicht, dem kranken Mann einen Be- such abzustatten. Die Königin fragte mich sogar einmal, wie lange ich glaube, dass es noch dauern könne bis zum Ein- zuge der griechischen Majestäten in Konstantinopel. Und die Königin ward sehr ungehalten, als ich meinte, dass dieses noch einige Zeit anstehen könne. Da wir die vermeintliche Unklugheit und Schande nicht begreifen wollten, so sollten wir durch Schrecken von der Heise abgehalten werden. Man erzählte uns (das heisst die Königin und die Oberhofmeisterin erzählten uns) den einen Tag, es sei eine solche Kälte in Konstantinopel eingetreten, dass Alles am Erfrieren sei; am anderen Tage wusste man, der Schnee liege drei Fuss hoch in den Strassen, so dass alle Kommunikation unterbrochen, sogar der Zugang zu den Bäckern und Metzgern gesperrt und infolge dessen eine Hungei*snot ausgebrochen sei; an wieder einem anderen Tage hatte man erfahren, dass die Wölfe in Konstantinopel eingefallen seien und die Menschen aus ihren Wohnungen herausholten, so dass wir demnach die Aussicht hatten, in Konstantinopel zu erfrieren, zu verhungern und von den Wölfen gefressen zu werden. Wir liessen uns jedoch nicht irre machen. Denn bange machen, meinten wir, gelte ja nicht. Und der Erfolg hat gelehrt, dass wir richtig gesehen hatten. Unsere Erwartungen wurden sogar noch übertroffen.

Am 21. Februar morgens 10 Uhr verliessen wir nach einem Aufenthalt von 3 Wochen Athen, und um 11 Uhr be- fanden wir uns, begleitet von dem König Otto, auf der öster- reichischen Fregatte im Piräus. Ich mache auf diese Zeit und auf diesen Umstand deshalb aufmerksam, weil in demselben Momente jener heftige Erdstoss erfolgte, welcher die Stadt Korinth in einen Schutthaufen verwandelte. Wir selbst fühlten

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deshalb nichts, weil bereits die Anker gelichtet waren. Im übrigen Hafen und selbst in Athen hat man aber, wie wir später erfuhren, den Erdstoss verspürt. Die Abfahrt aus dem Piräus ging sehr gut von statten. Noch ehe wir aber das Kap Colonna mit seinen herrlichen Tempelruinen erreicht hatten, bekamen wir Qegenwind, der sehr bald in einen hef- tigen Sturm ausartete. Wir waren bereits über Ipsara hinaus, als uns ein heftiger Windstoss wieder sehr weit zurücktrieb und unseren trefflichen Schiffskapitän nötigte, einen anderen Weg, einen weiten Umweg einzuschlagen. Der Gegenwind dauerte jedoch fort. Wir waren daher genötigt, am Abend an der asiatischen Küste, am Kap blanc, hinter Tschesme, 60 Seemeilen von Smjrna, Anker zu werfen und hier drei Tolle Tage angesichts einer nackten Küste zu verweilen, in der Nähe von Chios, dessen Berge mit Schnee' bedeckt waren. Erst am 25. Februar (an demselben Tage, an welchem ;ich 40 Jahre vorher meine unvergessliche Mutter verloren hatte) konnten die Anker gelichtet werden. Wir fuhren an Mytilene (Lesbos) vorüber und sahen in der Feme Lemnos. Die Berge beider Inseln waren mit Schnee bedeckt. Am Kap Baba sieht man den Berg Ida hoch über den Wolken. Auch sieht man im Vorüberfahren die vermeintlichen Grabhügel bei Troja. Nach Troja selbst konnten vnr nicht gehen. Es würde uns dieser Abstecher mehr als einen Tag gekostet haben. Dazu hatten wir aber keine Zeit. In der Nacht kamen wir noch an das zweite Fort in den Dardanellen. Dort musste Anker geworfen werden. Denn in der Nacht darf kein Schiff in den Dardanellen einlaufen. Die Dardanellen sind durch 6 Forts (8 auf jeder Seite) und ausserdem noch durch Strandbatterien befestigt. Die Forts befinden sich an Stellen, an denen die Dardanellen nicht breiter sind, als der Rhein bei Mainz. Es kann daher jedes Schiff, welches die Durchfahrt erzwingen will, in Grund gebohrt werden. Die Durchfahrt zwischen den sich so nahe stehenden Küsten ist äusserst interessant. Der Anblick hat jedoch sehr viel dadurch verloren, dass die Berge auf beiden Seiten, auf der europäischen wie auf der asiatischen Seite, dicht

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mit Schnee bedeckt waren. Wir hatten bei unserer Durchfahrt durch die Dardanellen nur einen Grad über Null. Für diese Jahreszeit etwas Unerhörtes in jenen Gegenden.

Den 27. Februar des Morgens zwischen 10 und 11 Uhr kamen wir in Eonstantinopel an. Es hatte noch am Morgen etwas durcheinander geregnet und geschneit. Als wir aber an die Spitze des alten Serails an den Punkt kamen, an welchem man in das goldene Hom hineinfahrt, kam ein Sonnenblick, der uns gestattete, einen Blick über die ganze herrliche Stadt zu tun. Und derselbe Sonnenschein blieb nicht bloss an dem Tage unserer Ankunft, sondern auch noch an den folgenden Tagen, so dass wir bei dem schönsten Sonnenschein diese schönste und merkwürdigste Stadt in Europa wahrhaft ge- niessen konnten. Der Anblick von Eonstantinopel von der See aus gesehen ist ganz unbeschreiblich schön. Keine andere Stadt in Europa, selbst nicht Neapel, hält auch nicht entfernt einen Vergleich mit ihr aus. Konstantinopel besteht eigent^ lieh aus 5 Städten, aus dem alten Byzanz mit seinen noch ziemlich gut erhaltenen alten Stadtmauern, dann aus der Vor- stadt Eyoub mit seinen türkischen Gräbern mitten in der Stadt, sodann aus Pera mit seiner griechischen und euro- päischen Bevölkerung, aus Galata mit seiner aus Türken, Griechen und Europäern gemischten Bevölkerung, und aus Scutari, einer ganz türkischen Stadt. Alle diese Städte liegen um die See und um das goldene Hom (über welches seit einigen Jahren zwei Brücken führen) herum. Und sie können von der See aus mit einem Blick übersehen werden. Vergegenwärtigt man sich nun diese fünf auf Hügeln um die See und um das goldene Hom herum liegenden Städte mit ihren zahllosen Moscheen und schlanken Minarets, mit den zum Teile pracht- vollen Palästen, unter denen zumal der Palast der russischen Gesandtschaft hervorragt, mit den schönen Gärten des alten Serails und mit den Zypressen- Waldungen auf den türkischen Gräbern, so wird man nicht umhin können, dieser von fast einer Million Menschen bewohnten Stadt den ersten Rang unter den schönsten Städten Europas vielleicht in der Welt

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einzuräumen. Was aber Eonstantinopel weit über die übrigen Städte erhebt, das ist der Bosporus, der bis zum schwarzen Meere mit den schönsten Palästen, Dörfern und Städtchen, von denen sich Eines an das Andere anreiht, wie übersäet ist, und so gewissermassen eine grossartige Vorstadt von Eonstantinopel bildet, und im Sommer als Aufenthalt für die reichen Eon- stantinopolitaner, für die ersten Würdeträger und für die Ge- sandten dient. Diese prachtvolle Vorstadt von Eonstantinopel reicht allein schon hin, Eonstantinopel zur schönsten Stadt wenigstens in Europa zu erheben.

Unsere Fregatte warf dicht bei Topkhana, dem türkischen Arsenale, Anker. Wir wurden daher alsbald von dort her mit 31 Eanonenschüssen begrüsst, und dieser Gruss wurde von unserer Fregatte auf der Stelle beantwortet. Dadurch erfuhr die ganze kolossale Stadt die Ankunft des Prinzen. Das Ufer war daher sogleich mit einer zahllosen Menge von Griechen bedeckt. Eine Menge Barken setzten sich in Bewegung. Auf einer befand sich eine griechische Musikbande. Auch der Sultan selbst fuhr inkognito auf seiner schönen Barke an uns vorüber. Abgeordnete des Sultans, der türkische Hafenkapitän, die Kapitäne der im Hafen liegenden Eriegsschiffe u. a. m. fanden sich ein, insbesondere auch die griechische, sehr zahlreiche Gesandtschaft mit Herrn Conduriottis selbst an ihrer Spitze. Der Eönig Otto hatte gewünscht, dass der Prinz Adalbert bei dem griechischen Gesandten absteigen möge. Auch die öster- reichische Gesandtschaft hatte ihren Palast dem Prinzen ange- boten. Nach dem Wunsche des Eönigs Otto ward aber der griechischen Gesandtschaft der Vorzug gegeben. Und wir haben sieben volle Tage bei dieser liebenswürdigen Familie zuge- bracht, bei dem sehr gebildeten Herrn Conduriottis und bei seiner liebenswürdigen Frau Gemahlin, einer Tochter des griechischen Generals Ealergis.

Der Empfang des Prinzen von Seiten der Griechen in Konstantinopel war brillant. Die am Ufer versammelte Menge begleitete uns durch die ganze Stadt hindurch bis zur Wohnung des griechischen Gesandten in Pera. Und jeden Tag war die

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Wohnung wie belagert, indem alle Griechen herbeiströmten, um den Prinzen zu sehen. Auch ich selbst ward in Konstan- tinopel von Seiten der Griechen ebenso herzlich empfangen und begrüsst, wie es in Griechenland geschehen war. Die in Konstantinopel ansässigen Griechen gaben uns ein Festmahl, welches nicht prächtiger sein konnte. Für etwa 60 Couverts wurden 20000 Franken verausgabt (der Speisezettel in der Anlage Nr. 11). Die ganz gewaltigen Vorbereitungen zu diesem Festessen machten mich anfangs stutzig, weil ich nicht wünschen konnte, dass die Angelegenheit des Prinzen den Griechen grosse Unkosten verursachen, ihnen zur Last fallen möchte. Ich zog deshalb Erkundigungen ein und erfuhr zu meiner grossen Beruhigung, dass die Festgeber sämtlich reiche Leute, einige sogar Millionäre seien, denen daher diese Ausgabe nichts weniger als eine Last sein werde, um jedoch jeden Schein einer Demonstration zu vermeiden, wurde dafür gesorgt, dass nur solche Griechen, welche Untertanen des Königs Otto waren, Anteil an dem Festmahle nahmen. Aber nicht bloss bei den Griechen, auch bei den Türken ward der Prinz auf das alier- zuvorkommendste empfangen. Durch zum Voraus erteilte Fer- mane war dafür gesorgt, dass alle Moscheen und die übrigen Sehenswürdigkeiten für unseren Zutritt offen waren. Ein Oberst, ein Adjutant des Sultans, der sehr gut französisch sprach, war dem Prinzen zugeteilt, um den Prinzen zu führen und für den Vollzug seiner Wünsche zu sorgen. Die zahl- reichen, durch die ganze Stadt verteilten Wachen standen, so oft man vorüberging, unter dem Gewehr, das heisst, sie präsen- tierten das Gewehr und griffen zu gleicher Zeit mit der einen Hand an ihre Mütze. Ein Tochtermann des Sultans selbst erschien in der Wohnung des griechischen Gesandten, um den Prinzen namens des Sultans zu begrüssen. Doch die grösste Auszeichnung ward dem Prinzen von dem Sultan selbst zu teil, als wir unsere Audienz bei ihm hatten und bei ihm zu Mittag speisten. Denn er änderte sogar seine bis dahin beobachtete strenge Etikette ab zu Gunsten des Prinzen.

Am 2. März mittags 1 Uhr hatten wir unsere Audienz

Denktcürdigkeiten des bayer, SttuUsrats O. X. v. Maurer, 501

beim Sultan. Um uns abzuholen, schickte der Sultan mehrere Wagen. Für den Prinzen kam ein geschlossener ganz ver- goldeter Wagen, mit vier herrlichen Schimmeln bespannt, in welchem der Prinz mit dem griechischen Gesandten Platz nahm. Einige türkische Yorreiter eröffneten den Zug und vier prächtig gekleidete Diener gingen zu Fuss neben dem Wagen her. Im zweiten Wagen sass ich und hatte den griechischen Dolmetscher, Herrn Barozzi zur Seite. Mir hatte der Sultan einen offenen Wagen geschickt, der zwar ebenfalls vergoldet und mit zwei grossen prächtigen Braunen bespannt war, in welchem ich aber bei dem in den Strassen liegenden Schmutz über und über mit Kot bespritzt ward, und daher nicht ganz rein bei dem Sultan ankam, wiewohl ich mich, soviel es bei einer grossen Uniform, die ich anhatte, möglich war, in meinen Mantel gehüllt hatte. Im dritten und vierten Wagen sass das übrige Gefolge des Prinzen und das Personal der griechischen Gesandtschaft. Unser Zug ging fast eine halbe Stunde durch einen grossen Teil der Stadt bis zum herrlichen Palast, welchen der Sultan am Ein- gang in den Bosporus bewohnt. Als wir am ersten Tor seines Palastes ankamen, fanden wir ein ganzes Bataillon zu unserer Begrüssung aufgestellt. Im Innern des Hofes stand ein treff- liches Musikchor, welches europäische Opemstücke ausführte. An der Treppe zum Palaste selbst wurden wir von Fuad Pascha (dem Minister des Äussern) und von vielen Hof beamten empfangen und von ihnen die innere Treppe hinauf durch mehrere Gänge und Säle hindurch bis zum Sultan geführt. Im Innern des Ganges stand die eigentliche Leibwache des Sultans in mit Gold gestickten prachtvollen, roten Uniformen und mit weissen Federbüschen auf der übrigens europäischen Kopfbedeckung, einer Art Tschako, welche nach dem Aus- spruche von Sachverständigen aus den seltensten Federn be- standen. Die Treppen, die Gänge und die ersten Säle, durch welche wir geführt wurden, waren rot beleuchtet, so dass alles was auf uns Europäer einen sonderbaren Eindruck machte uns etwas barbarisch und wie eine Spielerei vorkam. Der Sultan kam dem Prinzen bis auf den oberen Gang entgegen,

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eine Abänderung seiner früheren Etikette, nach welcher er niemals entgegen gegangen war, die fremden Prinzen vielmehr in seinem Empfangssaale erwartet hatte. Nach der ersten Begrüssung wurde der Prinz von dem Sultan in das eigent- liche Empfangszimmer geführt, während wir Anderen in dem Vorsaale warten mussten. Erst nach einiger Zeit wurden auch wir Anderen eingeführt. Wir fanden den Prinzen neben dem Sultan sitzend. Wir Anderen stellten uns um sie herum. Auch in unserer Gegenwart fuhr der Sultan fort, sich mit dem Prinzen zu unterhalten, der sichtbar einen tiefen Eindruck auf den Sultan gemacht hat. Der Sultan richtete auch an mich einige freundliche Worte (er fragte mich, ob ich zum erstenmal in Konstantinopel sei), was von allen anwesenden Türken und Griechen als eine grosse Auszeichnung betrachtet worden ist, indem der Sultan nur äusserst selten einen Fremden, der nicht Prinz oder Botschafter sei, anzureden pflege. Später ward ich von den anwesenden Türken und Griechen wegen dieser ganz besonderen Auszeichnung sogar förmlich bekomplimentiert und von manchen, wie man mir sagte, geradezu beneidet. Der Sultan selbst sprach immer türkisch, der Prinz und meine Wenigkeit sprachen französisch. Und der Minister des Äussern (Fuad Pascha) machte den Dragoman. Der Sultan verstand jedoch das Französische und konnte demnach, ehe der Dragoman geendet hatte, seine weiteren Fragen und Antworten einstweilen vorbereiten. Ehe Fuad Pascha die Fragen und Antworten übersetzte, griff er jedesmal an sein rotes Fess, das er trug, und bückte sich in dieser Stellung bis auf den Boden. Und diese demütige Verbeugung nahm er nicht bloss vor dem Sultan vor, wenn dieser etwas sprach, sondern auch vor dem Prinzen und vor mir, wenn der Prinz oder ich gesprochen hatte, das von uns Gesprochene also zu übersetzen war. Der Sultan trug eine mit Brillanten gestickte Uniform. Und auch auf dem Kopf hatte er ein kleines, mit Diamanten besetztes Fess. Die Uniform war (wie die heutigen Uniformen der Türken über- haupt) eine Art Waffenrock, der jedoch auch unten nicht ganz schloss, vielmehr wie bei unseren Fracks etwas auseinanderging.

DenkwürdigkeUen des hayer, StacUsrats (r. L, v, Maurer. 50S

Der Sultan selbst machte einen guten Eindruck auf uns. Er hat ein sanftes, jedoch bereits abgelebtes Gesicht, wiewohl er erst 31 bis 32 Jahre alt ist. Er hat schon in seinem 16. Jahre den Harem seines Vaters übernommen und wurde mehr, als es gerade wünschenswert war, in demselben beschäftigt. Nach beendigter Audienz begleitete der Sultan den Prinzen wieder bis auf den Gang, gegen die frühere Etikette, nach welcher er sein Zimmer nicht zu verlassen pflegte. Und wir kehrten nun durch die Gänge und Säle und durch die Höfe des Palastes und durch die Strassen wieder ebenso zurück, wie wir gekommen waren, also in denselben Wagen des Sultans und in derselben Begleitung und unter denselben militärischen Ehrenbezeugungen. Ehe ich weiter erzähle, muss ich noch eines mich selbst betreffenden Scherzes erwähnen. Als ich nämlich in Konstan- tinopel ankam, sagten mir die Griechen, dass ich grosse' Ähn- lichkeit mit Lord Canning (Lord Redclive), dem damals ab- wesenden englischen Gesandten habe. Man lachte darüber und Hess die Sache fallen. Als wir jedoch zur Audienz bei dem Sultan ankamen, machte mein Erscheinen bei den anwesenden Türken einiges Aufsehen. Und Fuad Pascha meinte sogar, der Sultan werde, wenn er mich sehe, erschrecken, denn er werde meinen, dass der von ihm so gefürchtete englische Ge- sandte wieder da sei. Lord Kedclive war nämlich 30 Jahre lang in Konstantinopel allmächtig, sehr gefürchtet, aber nicht beliebt. Mir selbst hat übrigens diese Ähnlichkeit mit dem gefürchteten Mann keinen Nachteil gebracht.

Noch ausgezeichneter als bei der ersten Audienz war jedoch der Empfang bei der Tafel im Palaste des Sultans. Der Sultan liess uns auf den 6. März auf 10^/» Uhr türkisch schriftlich zur Tafel einladen (Anlage Nr. 12) und sich dabei entschuldigen, dass er nicht auf einen früheren Tag einladen könne, denn, um den Prinzen würdig bedienen zu können, seien wenigstens fünf Tage zur Vorbereitung notwendig. Bei der Tafel selbst machte man uns auch auf ein türkisches Ge- richt aufmerksam, an welchem vier Tage lang gekocht worden war. Die Stunde 10^ /a türkisch entsprach nach unserer Tagesr

1903. StUgsb. d. pbilo8.-philol. u. d. bist. Kl. 31

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rechnung der Stunde 4^/% gegen Abend. Die Türken rechnen nämlich ihre Stunden wie die Italiener vom Anfang des Tages. Sie rechnen jedoch nur von 12 zu 12 Stunden, während die Italiener bis zu 24 Stunden zählen. Zur Tafel selbst wurden wir in denselben Wagen des Sultans wie bei der ersten Audienz abgeholt. Die Dienerschaft war nun nur noch weit zahlreicher und reicher gekleidet. Zumal die Dienerschaft zu Pferd war viel zahlreicher. Auch sprengten einige Adjutanten des Sultans hin und her, denn der Sultan verlangte fortwährend Rapport, wie weit bereits unser Zug gekommen sei. Nach Verlauf von etwa einer halben Stunde kam der Zug unter fortwährender Begleitung einer Menge Griechen in der Nähe des Palastes an. Dort waren Posten zu Pferd aufgestellt, eine bedeutende Truppenmasse unter den WaflFen, im inneren Hofe war wieder die Militärmusik aufgestellt. Am Fusse der äusseren Treppe des Palastes stand der Minister des Äussern zum Empfange des Prinzen. Oben auf der Treppe stand das gesamte türkische Ministerium mit allen hohen Würdenträgern und ihrem Gefolge, und etwas weiter zurück alle fremden Botschafter, Gesandten und Geschäftsträger. Sie waren samt und sonders zum Empfange des Prinzen und nachher zur Tafel geladen. Dieser kolossale Zug wälzte sich nun die innere Treppe hinauf durch die Qänge und Säle hindurch bis zum Sultan, welcher auch diesmal wieder (gegen die frühere Etikette) dem Prinzen bis auf den Gang entgegengekommen war. Der Sultan zog sich mit dem Prinzen auf einige Minuten in sein Empfangszimmer zurück, erschien aber sodann wieder in dem Vorsaale, wo wir Anderen ver- sammelt waren und im Kreise herum standen, um sich längere Zeit mit den Botschaftern und Gesandten zu unterhalten, was in dieser Weise ebenfalls wieder eine Neuerung war. Der Minister des Äussern (Fuad Pascha) machte auch hiebei wieder den Dolmetscher mit seinen submissen Verbeugungen. Nachdem dieser Cercle vorüber war, führte der Sultan den Prinzen zur Tafel. Wir Anderen folgten. An dem Saale, in welchem die Tafel stand, verliess uns der Sultan. Denn ihm gestattet die Etikette nicht, mitessen zu dürfen. Er hat vielmehr, wie der

I)enkwürdig1ceiten des bayer, Staatsrats G, X. v, Maurer, 505

heib'ge Vater in Rom, das traurige Privilegium, allein essen zu müssen. Der Speisesaal ist einer der grössten und schönsten, die es gibt. Der Prinz und wir Anderen, sein Gefolge, hatten Doch keinen schöneren und glänzenderen gesehen. Der Saal ist unendlich hoch und in der Mitte mit einer moscheeartigen Kuppel überwölbt, welche nach innen vergoldet ist. Um den Saal herum stehen hohe und sehr schlanke Säulen, welche gleichfalls vergoldet sind. In der Mitte des Saales unter der Kuppel war eine lange Tafel ftlr 60 Couverts aufgestellt. Die Tafel verschwand fast in den unendlichen Räumen. In der Mitte der Tafel standen schön gearbeitete, hohe Aufsätze, be- stehend in Blumenvasen und Figuren, welche samt und sonders vergoldet waren. Diese Aufsätze wie das ganze übrige Service waren Pariser Arbeit und das Porzellan von Sevre. Für jeden Gast war zur Bezeichnung seines Platzes ein Zettel und neben diesen der Speisezettel gelegt (Anlage 13, 14 und 15). Der Prinz nahm den Ehrenplatz ein. Neben ihm sass rechts der französische Botschafter (Thouvenel), links der preussische Ge- sandte (Wildenbruch). Neben Thouvenel sass der türkische Grossmeister der Artillerie (eine sehr vornehme Person), welcher der Titel Hoheit gebührt, dann sass ich und neben mir der tür- kische Eriegsminister, neben diesem wieder ein Gesandter u. s. w. Dem Prinzen gegenüber sass der Grossvezier, welcher gleich- falls den Titel Hoheit führt, neben ihm zwei Gesandte u. s. w. Von meinen beiden türkischen Nachbarn sprach nur der Eine, der Grossmeister der Artillerie, französisch, der Andere nicht. Die Unterhaltung war demnach nicht sehr lebhaft. Um so mehr hatte ich Zeit, mich umzusehen und zu beobachten. Der Grossmeister der Artillerie hat einen sehr interessanten Kopf mit kräftigen und geistvollen Gesichtszügen. Desto plumper sah aber mein anderer Tischnachbar, der Kriegs- minister, aus. Beide Herren zeichneten sich indessen durch ihre Fertigkeit im Essen und Trinken aus. Zumal der Wein schmeckte ihnen sehr gut. Jeder von ihnen hatte stets 6 volle Weingläser vor sich, mehrere französische Weine, dann Rhein- wein (echten Johannisberger) und Champagner. Sie tranken

31*

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bald von dem einen bald von dem andern und immer ex pleno. Zur Abwechslung wurde wohl auch ein Olas Bier (englisches Bier) getrunken. In meinem ganzen langen Leben habe ich noch keine durstigeren Leute, wie diese Türken waren, gesehen. Als Rheinländer habe ich doch auch schon manchem Trunk beigewohnt und weiss daher, was der Mann vertragen kann. Eine kolossalere Leistung dieser Art ist mir aber noch nicht vorgekommen. Auch dem Essen setzten meine beiden Tisch- nachbam ganz gewaltig zu. Ich habe nicht bemerkt, dass sie auch nur eine einzige Schüssel an sich vorbeigehen liessen. Die Bedienung war mittelmässig, wiewohl jeder Gast einen Bedienten in reicher Uniform hinter sich stehen hatte. Ich hörte öfters den französischen Botschafter ganz laut über die schlechte Bedienung räsonnieren. Er sagte zu wiederholten Malen ganz laut zu dem Prinzen: Sehen Sie, die Türken sind eben zu gar nichts zu gebrauchen! Der Prinz trank auf das Wohl des Sultans, der Qrossvezier auf das Wohl des Prinzen. Der preussische Gesandte trank mit dem Prinzen auf mein Wohl. Nach aufgehobener Tafel gingen die Gäste wieder in den Empfangssaal des Sultans zurück, wo Pfeifen und Kaffee gereicht wurden und wo zum Erstaunen Aller auch der Sultan wieder erschien und sich eine Zeit lang mit dem Prinzen und mit den übrigen Anwesenden unterhielt, was ebenfalls wieder eine Abweichung von der früheren Etikette zu Gunsten des Prinzen gewesen ist. Welchen strengen Regeln übrigens diese Etikette unterworfen ist, beweist unter anderem folgender Vorfall. Während wir nach der Tafel noch bei dem Sultan waren und in dessen Gegenwart unsere Pfeifen rauchten, kam von Athen eine telegraphische Depesche an den Prinzen. Der Baron v. Malsen, sein Adjutant, eröffnete sie und teilte sie sodann, während der Sultan sich mit den Diplomaten unter- hielt, dem Prinzen selbst mit. Als dieses der Oberzeremonien- meister des Sultans (Ali Bey) bemerkte, stürzte er sich wie rasend auf den Baron v. Malsen, um diese Mitteilung um jeden Preis zu verhindern, indem es gegen die Etikette sei, in Gegen- wart des Sultans etwas zu lesen. Der Prinz kehrte sich natür-

Denkumrdigkeiten des hayer, Staatsrats G. L, v. Maurer, 507

lieh nicht an diese Etikette. Die blosse Existenz einer solchen Etikette ist aber schon merkwürdig. Hier nach der Tafel war es auch, wo der Minister des Äussern (Fuad Pascha) zu mir kam, um mir im Namen des Sultans den türkischen Orden anzukündigen. Der Sultan wünsche, dass ich ihn als einen Beweis seiner Hochachtung betrachten wolle. Er bedauere nur, dass kein Orden vorrätig sei, um ihn mir alsbald zustellen zu können. Der Prinz hatte diesen Orden schon einige Tage früher durch eine feierliche Deputation überreicht erhalten. Er hat ihn an der Tafel des Sultans zum erstenmal getragen. Auch war dem Prinzen angekündigt worden, dass der Sultan ihm auch noch einen Säbel in Brillanten zu verehren gedenke, dass dieser aber erst verfertigt werden müsse und daher eben- falls nachgesendet werden solle.

Unmittelbar nach der Tafel, etwa um 9 Uhr des Abends, schifften wir uns ein, um Konstantinopel wieder zu verlassen, und auch dieses machte einen sichtbaren Eindruck auf den Sultan, der sich dadurch gar sehr geschmeichelt fühlte. Der Zug ging nun mit Flambeaux in derselben Weise und in der- selben Ordnung an den Einschiffungsplatz, in welcher wir zu dem Sultan gezogen waren.

Die türkische Regierung war demnach sichtbar bestrebt,

dem Prinzen in jeder Weise entgegen zu kommen und ihm

einen brillanten Empfang zu bereiten. Die Persönlichkeit des

Prinzen imponierte den Türken, insbesondere dem Sultan selbst.

Die geistige Überlegenheit ermangelte nicht, ihre Wirkungen

zu äussern. Der tiefere Grund jenes ausgezeichneten Empfangs

lag jedoch hauptsächlich, wie mir dieses erst in Konstantinopel

selbst recht klar wurde, in der Furcht der Türken vor den

Slaven, auf welche die Russen mehr und mehr wirken und

dadurch auf die Türkei drücken. Die türkische Regierung

wünscht daher mit der griechischen Regierung gut zu stehen,

um gemeinschaftlich mit ihr gegen das slavische Element zu

wirken und zu operieren. Daher das zuvorkommende Wesen

des türkischen Gesandten in Athen und der türkischen Regierung

in Konstantinopel selbst, Dass dieses Entgegenkommen der

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Türken, nachdem dessen tieferer Grund erkannt worden war, im Interesse Griechenlands von uns gehörig benützt und aus* gebeutet worden ist, versteht sich von selbst. Daher wird auch unsere Anwesenheit in der türkischen Hauptstadt nicht ohne politische Folgen für das junge Königreich bleiben^ wenn anders der in Konstantinopel gemachte Eindruck in Athen gehörig gevfürdigt und benutzt wird. Griechenland ist der natürliche Erbe eines grossen Teils der europäischen Türkei. Bis aber die letzte Stunde des kranken Mannes schlägt, ist es im Interesse des Erben selbst, in Ruhe und Frieden mit seinem Erblasser zu leben. Mit Gewalt der Waffen kann Griechenland keine Eroberungen machen. Die Verbreitung europäischer Zivilisation und Kultur ist die Hauptwaffe des aufstrebenden Landes. Zu dem Ende ist aber Ruhe und Friede notwendig. Und dann wird ihm dereinst die grosse Erbschafb von selbst zufallen. Darum ist es auch im Interesse Griechenlands, einstweilen in gutem Vernehmen mit der Türkei zu stehen, bei welchem auch jetzt schon der Handel, insbesondere auch der Grenzverkehr nur gewinnen kann. Dass aber die Türkei krank und ohne alle Rettung verloren ist, gibt nun jeder Diplomat in Kon- stantinopel zu. Auch die Botschafter und Gesandten derjenigen Mächte, welche die Türkei erhalten wollen und daher stützen, erklärten mir in Konstantinopel samt und sonders, dass die türkische Regierung innerlich faul und daher nicht mehr zu retten sei. Das Hinscheiden des kranken Mannes ist demnach nur noch eine Frage der Zeit. Die Zeit, wann seine letzte Stunde schlagen wird, hängt aber von einem äusseren Anstoss ab und ruht daher im Schoss der Zukunft. Auf mich selbst hat jedoch die türkische Wirtschaft den Eindruck gemacht, als wenn die Zeit des Hinscheidens noch nicht so nahe sei, wie man insgemein glaubt. Die gemeinen Türken, auch die ge- meinen Soldaten, sind noch sehr kräftige Leute. Nur die Regierung ist faul und das Offizierkorps taugt nichts. Daher das willkürliche Pascharegiment in den Provinzen, wodurch die Provinzen zuerst, noch vor dem völligen Hinscheiden des kranken Mannes, von dem türkischen Regiment losgelöst werden

Denkwürdigkeiten des bayer, Staatsrats G. L. v. Maurer. 509

dürften. Daher die Korruption und die Intrigue in Konstan- tinopel selbst, die jedem regelmässigen Oang der Regierung im Weg steht. Der französische Botschafter (Thouvenel), der in diesem Augenblick seit der Abreise des Lord Redclive das Faktotum in Eonstantinopel ist, sagte mir, dass er auf der Stelle (wenn es möglich wäre) seinen Botschafterposten wieder mit dem Oesandtschaftsposten in München (wo er früher war) vertauschen würde, weil in Konstantinopel kein Geschäft auf geradem Wege gemacht werden könne, die fortwährenden Intriguen und Korruptionen, ohne welche kein Geschäft mög- lich sei, ihn aber f&rmlich anekeln. Reformen des türkischen Regiments sind aber nicht möglich, weü ihnen der Koran ent- gegensteht. Wollte man daher wirklich reformieren, so müsste mit dem Koran selbst begonnen werden. Dann hörten aber die Türken auf Türken zu sein, was sie indessen nicht wollen. Die bereits beschlossenen Reformen berührten daher meisten- teils nur die Oberfläche, oder sie blieben ganz unvollzogen. So wurde unter Anderem den Griechen Anteil an der Justiz zugesichert bei ihren Streitigkeiten mit Türken. Es wurde zu dem Ende auch ein sogenannter hoher Rat niedergesetzt, dessen Sitzungssaal ich selbst in der hohen Pforte gesehen habe. Der Anteil der griechischen Beisitzer besteht jedoch nur in dem Beisitzen, denn mitreden lässt man sie nicht. Die Sache wird vielmehr von den anwesenden Türken entschieden. Bei mehreren Unterredungen mit dem Grossvezier und mit Fuad Pascha über die gemachten und noch zu machenden Reformen hatte ich stets die Gelegenheit zu bemerken, dass sie alles in der Form suchen, das Wesen selbst gar nicht begreifen. Und doch sind beide sehr gebildete Männer, welche, da sie beide bereits den Botschaften in London, in Paris und in Wien vorgestanden hatten, auch einen Blick in die europäischen Verhältnisse getan haben. Allein der Türke begreift nur die Aussenseite. Wie er spuckt und wie er räuspert, hat er ihm glücklich abgeguckt! Den Kern der Sache begreift er nicht, der bleibt ibm ganz fremd. Der Koran ist die Klippe, an welcher jede ßefonn scheitert. Und wenn sich auch ein Türke über den

510 K. Th. V. Heigel

Koran hinwegsetzt, so tut er dieses nur bei Ausserlichkeiten, beim Weintrinken, bei einer europäischen Tracht u. dergl. m. Daher erklärt es sich, auch, warum der Türkei nicht mehr zu helfen ist.

Was mir den Einblick in die türkischen Verhältnisse ^r sehr erleichtert hat, das ist die Zuvorkommenheit des diplo- matischen Korps gewesen. Es gibt wohl nirgends ein interes- santeres diplomatisches Korps, als in Konstantinopel. Denn hier stehen neben den europäischen Botschaftern und Gesandten auch noch orientalische Gesandte und Konsuln, unter denen uns besonders der persische Gesandte, ein freundlicher Mann mit einer hohen, schwarzen, persischen Mütze, auffiel. Da der Prinz die Herren Diplomaten empfing, so hatte ich die beste Gelegenheit, näher mit ihnen bekannt zu werden. Thouvenel und Prokesch kannte ich schon von früheren Zeiten her. Die übrigen lernte ich erst in Konstantinopel kennen. Unter ihnen ragen zumal der russische Gesandte von Bouteneff und der preussische Gesandte von Wildenbruch hervor. Bouteneff ist ein sehr ausgezeichneter Diplomat, der schon seit 40 Jahren mit kurzen Unterbrechungen in Konstantinopel gewirkt hat und zu vei*schiedenen Zeiten zu den wichtigsten Missionen ge- braucht worden ist. Um so merkwürdiger war mir daher, zu erfahren, dass er jetzt gar keinen Einfluss mehr habe, während er früher, wie die russische Botschaft überhaupt, allmächtig war und bei seinem Auftreten jedermann zitterte. Das Verschwinden des russischen Einflusses in Konstantinopel ist eine Folge des Feldzuges in der Krim. Im Orient noch mehr als im Occident ist die Gewalt Alles, wird nur die Gewalt geachtet und gefürchtet. Mit dem russischen Heere und mit seiner Gewalt ist darum auch der russische Einfluss in der türkischen Hauptstadt ge- brochen und so gut wie vernichtet worden. Man schickte daher gerade den früher so einflussreichen Bouteneff wieder nach Konstantinopel. Es ist ihm aber bis jetzt noch nicht gelungen, wieder festen Boden zu gewinnen, und man sieht es dem alten Herrn an, dass es ihn schmerzt. Wildenbruch ist ein sehr gebildeter, in den orientalischen Angelegenheiten

Denkwürdigkeiten des hayer. Staatsrats G, L. v. Maurer. 511

sehr unterrichteter Mann. Einfluss auf die türkische Regierung hat er aber keinen. Auch Prokesch scheint keine besonders gute Stellung zu haben. Auch klagt er sehr über seine Yer* einsamung und wünscht sich einen anderen Posten. Er ist für die Türken zu oratorisch. Diese scherzen sogar über sein vieles Reden. Den meisten Einfluss bei der türkischen Regierung hat in diesem Augenblick (seit der Abreise des englischen Gesandten, des Lord Redclive) der französische Botschafter Thouvenel. Auch die griechische Gesandtschaft hat jetzt eine recht gute Stellung gegenüber der türkischen Regierung. Der Gesandte selbst (Gonduriottis) ist ein sehr sanfter Mann, der allenthalben beliebt ist. Von grossem Einfluss ist aber besonders der Dol- metscher bei der griechischen Gesandtschaft, Herr Barozzi, ein Grieche aus Naxos, der früher griechischer Konsul in Adria- nopel war. Er ist ein sehr munterer, geistreicher Mann, der Alles, was vorgeht, weiss und das Talent hat, in der Form eines Scherzes den Türken die herbsten Wahrheiten zu sagen. Die griechische Gesandtschaft in Konstantinopel war nie in einer besseren Lage. Sie kann jetzt direkt mit der türkischen Regierung verhandeln, während früher zu dem Ende die Inter- zession einer anderen europäischen Gesandtschaft notwendig war. Und unsere Anwesenheit in Konstantinopel wird dazu beitragen, ihre Lage und ihre Stellung noch mehr zu verbessern. Am zuvorkommendsten gegen uns waren nach der griechischen Gesandtschaft, bei der wir logierten, die Herren v. Thouvenel und der Freiherr v. Prokesch. Sie luden uns beide zur Tafel, und Thouvenel veranstaltete auch noch eine Abendgesellschaft, bei welcher wir auch die Peroten und Perotinnen kennen lernten. Peroten nennt man nämlich die zahlreichen, in Pera angesiedelten fränkischen, das heisst, christlichen Familien, welche eigentlich gar keine Heimat haben, die vielmehr in Kon- stantinopel geboren, aber keine türkischen Untertanen sind und unter dem Schutze irgend einer europäischen Macht stehen. Diese schutzhörigen Konstantinopolitaner und Konstantinopoli- tanerinnen bilden eine ganz eigentümliche Klasse von Bewohnern der türkischen Hauptstadt. Sie tragen europäische Kleidung,

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sprechen eine europäische Sprache, meistenteils französisch oder italienisch, und haben europäische Manieren. Man sieht ihnen jedoch die Heimatlosigkeit an. Auch verkehren sie meisten- teUs nur unter sich und sind gegen Fremde nicht besonders höflich. Da ich bei Tafel meistenteils entweder neben dem Grossvezier oder neben Fuad Pascha sass, so hatte ich auch bei Tafel die Gelegenheit, mich über die türkischen Angelegen- heiten zu unterrichten. Ganz vorzüglich war dazu aber die Unterhaltung nach aufgehobener Tafel geeignet. Denn sowohl bei Thouvenel als bei Prokesch wurde man nach der Tafel in das Rauchzimmer zum Kaffee geführt, und dort hatte man denn die allerangenehmste und beste Gelegenheit, sich rauchend auf einem Sopha an der Seite eines türkischen Würdenträgers bestens zu unterhalten und zu unterrichten.

Dem Herrn von Thouvenel haben wir auch die nähere Kenntnis des Bosporus bis zum schwarzen Meer zu verdanken. Er stellte dem Prinzen zu dem Ende sein Dampfboot zur Disposition, begleitete uns selbst und gab uns ein brillantes Frühstück auf dem Schiff. So fuhren wir denn auf der europäischen Seite bis zum schwarzen Meere hin und auf der asiatischen Seite wieder zurück. Wir waren entzückt von dem herrlichen Anblick und von den prachtvollen Palästen, welche sich dicht aneinander reihen und nur eine Fortsetzung von Konstantinopel selbst zu sein scheinen. Wir hatten dabei den grossen Vorteil, von Thouvenel auf die interessantesten Punkte und auf die merkwürdigen Gebäude aufmerksam gemacht zu werden, die zum Teile von historischer Bedeutung sind wegen der daselbst abgeschlossenen Verträge und Friedensschlüsse u. a. m. Auch der Palast, in welchem die Unabhängigkeit Griechenlands unterzeichnet worden ist, wurde uns gezeigt. Er steht seitdem ganz leer, und weder der Sultan noch ein anderer Türke hat ihn seitdem wieder betreten.

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Sitzung vom 7. November 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Herr FürtwXngler hält einen für die Denkschriften bestimmten Vortrag:

Augusteische Kunst in Südfrankreich,

in welchem er die Werke augusteischer Epoche, welche in Südfrankreich in beträchtlicher Anzahl erhalten sind, bestimmter zu charakterisieren sucht und daraus auf andere Denkmäler, insbesondere das Tropaion von Adamklissi, Schlüsse zieht; dabei werden neue Tatsachen hervorgehoben, welche die These des Vortragenden über dieses Denkmal bestätigen.

Historische Klasse.

Herr Pöhlicann hält einen Vortrag:

Zur Greschichte der antiken Publicistik. Erster Teil.

Die Abhandlung sucht nachzuweisen, dass die übliche Methode der sprachlichen und literarischen Beurteilung der unter dem Namen Sallusts überlieferten politischen Denk- schriften für Cäsar denselben in keiner Weise gerecht wird und vielfach zu falschen Ergebnissen in Bezug auf Herkunft und geschichtlichen Wert der Schriftstücke geführt hat. Es wird gezeigt, dass nichts der Annahme im Wege steht, dass der Verfasser insbesondere des zweiten Pamphlets entweder selbst der Zeit Cäsars und Sallusts sehr nahe stand oder wenigstens aus guter sei es nun zeitgenössischer oder auf zeitgenös- sische Quellen zurückgehender Überlieferung geschöpft hat.

Der zweite Teil wird im Januar 1904 nachfolgen und die ganze Abhandlung dann in den Sitzungsberichten erscheinen.

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öflFentlicho Sitzung

zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit des

Prinz-Regenten

am 25. November 1903.

Der Präsident der Akademie, Herr K. A. v. Zittel, erofinet die Festsitzung mit der folgenden Rede:

Königliche Hoheit! Hohe Festversammlung!

Wenn sich die Mitglieder der K. B. Akademie der Wissen- schaften heute zu Ehren ihres Allerhöchsten Protektors, des Prinzregenten Luitpold von Bayern in festlicher Sitzung ver- einigen, so haben wir bei einem Rückblick auf das verflossene Jahr besondere Veranlassung zur Dankbarkeit. Zahlreiche Be- weise der Huld unseres hohen Protektors haben uns gezeigt, dass sein Interesse an dem Gedeihen und Blühen unserer Akademie unverändert fortdauert und auch von seiten der K. Staats- regierung und der hohen Kammern des Landtags hatten wir uns einer besonders wohlwollenden Berücksichtigung mancher langjähriger Wünsche zu erfreuen.

In erster Linie verdanken wir es der Initiative des früheren Herrn Kultus-Ministers von Landmann, dass heute das Wil- helminische Gebäude zum grössten Teil mit Zentralheizung versehen ist, die es nunmehr gestattet, auch in den Winter- monaten in den Museumsräumen zu arbeiten und die Samm- lungen dem öffentlichen Besuche zugänglich zu machen. Soweit

Hede 515

sich bis jetzt übersehen lässt, fungiert die Zentralheizung be- friedigend und da bei dieser Gelegenheit auch eine gründliche Renovierung der inneren Räume unseres Gebäudes stattgefunden hat, so besitzen dieselben nunmehr ein würdigeres Aussehen.

Der von Sr. Exzellenz Herrn von Landmann projektierte umbau des Wilhelminums konnte leider noch nicht in Angriff genommen werden, weil die Justizbehörden die von ihnen ein- genommenen Lokalitäten voraussichtlich erst Ende nächsten Jahres verlassen werden und weil sich der Verlegung des Münz- kabinetts unerwartete Schwierigeiten in den Weg stellten. Auch der geplante Neubau eines Museums für Abgüsse antiker Bild- werke ist leider nicht zustande gekommen.

So dauert der fast unerträgliche Platzmangel in unseren Museen noch unverändert fort und mit Sehnsucht sehen wir der Zeit entgegen, wo es die Finanzlage Bayerns gestattet, diesem beklagenswerten Zustand ein Ende zu machen.

Mittlerweile wachsen unsere Sammlungen in einem früher unerhörten Massstabe. Durch die Fürsorge der K. Staats- regierung sind die Dotationen des Antiquariums, Münzkabinetts, der zoologischen, prähistorischen und ethnographischen Samm- lungen nicht unerheblich vermehrt und auch die Verhältnisse des Personals in vielfacher Hinsicht verbessert worden. Aber auch durch namhafte Geschenke wurden unsere Museen fort- dauernd bereichert.

Von den Erwerbungen des Jahres 1902 seien folgende hervorgehoben :

Antiquarium: A.Terrakotten: 1. archaisch: Gefass in Form eines toienden Mannes, ein grotesker, sitzender Poly- phem; 2. aus der Zeit des grossen Stiles: ein Silen und Dionys; 3. aus der hellenistischen Periode: ein Büchsen- deckel (Nachbildung nach einem in Silber getriebenen Original) mit sich küssenden Köpfen; femer ein griechisches Kohlenbecken und eine etruskische Totenkiste. B. Bronzen: Statuette eines Qottes mit Wolfsfell (halbbarbarisch) ; jugendlicher Kopf mit phry- gischer Mütze; ein altionisches Flachrelief; ein sich bäumendes

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Pferd; zwei etruskische Qreifenköpfe. G. Gold: Ein altpersisches Gehängsei. D. Ein etruskischer Bernsteinkopf als Amulett. E. Mehrere graziöse, antike Gläser.

Ägyptische Abteilung: 5 Bronzen, darunter eine Götter- gruppe (Osiris mit Isis und Horus) imd ein kniender Priester, Skarabäen, drei altbabylonische Ton täf eichen aus den Ausgra- bungen von Nippur.

Botanisches Museum: Durch Kauf und Tausch wurden 760 Arten aus Kamerun, Spanien, Australien, Nordamerika, Südafrika und Brasilien erworben; durch Geschenk 4626 Arten, darunter 3000, welche das Herbarium des K. russischen Leib- arztes Dr. Seb. Fischer enthielt, hierunter solche aus Arabien, Madeira, übergeben von dem Sohne des Sammlers Landgerichts- rat Anton Fischer; 900 Arten stammen aus der Schenkung des Professors Dr. Fr. W. Neger, hauptsächlich solche aus Chile und Patagonien.

Botanischer Garten: Durch Tausch ging aus den botanischen Gärten in Göttingen uud Würzburg eine Anzahl wertvoller Pflanzen zu, so namentlich ein grosses Exemplar von Abotium Schiedei und Asplenium marginatum. Die Demonstra- tionssammlung des Pflanzenphysiologischen Instituts wurde besonders bereichert durch ausgezeichnete Exemplare der merkwürdigen, parasitisch lebenden RaiFeniaceen Javas, welche Dr. Xaver Lang dem Institut übei*sendete. Das Kryptogamen- Herbarium bestrebte sich hauptsächlich, durch Erwerbungen von zahlreichen Moosen die Lücken der sonst sehr reichen Sammlung auszufüllen. Im Alpengarten auf dem Schachen wurde infolge einer Zuwendung von 1400 M. aus der Münchner Bürgei-stiftung und 900 M. von dem Verein zum Schutz und zur Pflege des Alpen gartens damit begonnen, die Pflanzen in Gruppen nach den natürlichen Familien anzupflanzen, während vorher nur eine Anzahl biologischer Gruppen vorhanden war.

Ethnographisches Museum: Von den 250 Nummern Zugänge werden hervorgehoben als Geschenk Sr. Majestät des Deutschen Kaisers aus den Darbietungen des Prinzen Chun zwei grosse prunkvolle Halbvasen chinesisches Cloisonn^ und

Uede, 517

die Faksimilereproduktion einer altsiamesischen Bilderschrift des sogenannten cod. Nutall, ein Geschenk des Peabodymuseums der ümyersitat Cambridge-Boston.

Mineralogische Sammlung: 1. für die Mineralien- sammlung wurden sehr seltene Mineralien aus Australien, Neu-Meziko, Dakota, Missouri, Japan und Grönland sowie eine alte Prachtstufe Rotgiltigerz aus der Grube Kurprinz in Frei- berg i. S. erworben. Hervorragend sind die nicht im Handel befindlichen grönländischen Mineralien, welche Professor E. V. Ussing in Kopenhagen schenkte. 2. Von den Erwerbungen der Gesteins- und Lagerstättensammlung sind zu nennen: eine vollständige Kollektion der Gesteine des Mont Blanc, eine Sammlung Schwarzwaldgesteine, eine volle Erz- und Gesteins- serie aus den Gruben der „Mitterberger Kupfergewerkschaft* bei Bischofehofen ; femer Gesteins- und Erzproben aus der neuen Goldzeche ^Fundkogel** am Zwickenberg bei Oberdrau- burg in Kärnten, dem neuen Kiesbergbau Panzendorf im vor- deren Yilgrattental; eine vollständige Lokalsuite vom HUtten- berger Erzberg, ein Profil des Franz Joseph -Erbstollens zu Nagyag, eine Serie Erze und Gesteine des grossen Zinkblende- ganges am Schneeberg bei St. Martin im Passejr; ein Stück Dolomit mit eingesprengten Korundkristallen aus dem Lozzach- tal, das erste, bekannt gewordene Vorkommen dieses Minerals in den Ostalpen. Eine Serie von Marmoren, Kalken, Dolomiten, Nebengesteinen und Einschlüssen von den Fundorten Storzing, Laas, Garrara, Massa, Ornavasso und Crevola. Ein wertvoller Zuwachs wurde erworben aus Amberg, wo ein Hochofen nach 15 jähriger Tätigkeit abgebrochen wurde, dessen Gestellsteine und Wände mit Mineralneubildungen erfüllt waren, darunter besonders Graphit, kristallisiertes Zink, Ferrocyantitan etc.

Münzkabinett: Ein Tetradrachmon von Syrakus schönen Stiles, ein Goldstater von Pantikapaeum, ein Aureus des Septi- mius Severus aus dem Fund von Karnak, ein sehr seltener und kostümlich interessanter Schautaler der Anna Maria von Brandenburg-Bayreuth, eine sehr seltene Medaille auf Boccaccio. Unter den mittelalterlichen Erwerbungen beansprucht beson-

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deren Wert der Tumosenfund von Altkaterbach, unter jenen für die Gemmensammlung mehrere kostbare und archäo- logisch interessante, altorientalische und griechische Stücke.

Museum für Abgüsse antiker Bildwerke: Neufor- mungen durch den Präparator des Museums nach Originalen in den Museen von München, Kopenhagen, Neapel und der Villa Borghese, darunter etwa 120 geschnittene Steine. Käuf- lich erworben 10 Stück aus Venedig, Kopenhagen, Berlin, Dresden; als Geschenk erhalten 12 Stück aus Venedig, Corneto, Neapel, Würzburg, Rom und Cypem. Die Photographien- sammlung wurde um 567 Stück vermehrt.

Paläontologisches Museum: a) Geschenke: Ein voll- ständiger Schädel des kleinen, diluvialen Flusspferdes nebst Skeletteilen aus Madagaskar von Eugen Wolf; eine grosse Anzahl Säugetierreste aus der Pampasformation, darunter To- xodon, Panochthus und Glyptodon von Otto Günther in Fray- Bentos, aus Ägypten ein prachtvoller Schädel von Zeuglodon Osiris und zahlreiche andere Reste aus dem Eozän des Fayüm von Dr. Stromer von Reichenbach, b) Ankäufe: Von Florentino Ameghino wurde eine interessante Sammlung aus den ältesten Tertiärablagerungen Patagoniens erworben; sie enthält die wichtigsten Gattungen aus den Pyrotherium- , Colpodon- und Notostylopsschichten und gibt einen trefflichen Einblick in diese vor vier bis fünf Jahren noch völlig unbekannte Fauna, die die Vorfahren der jetzt in Südamerika verbreiteten Eden- taten, Marsupialier, Raub-, Huftiere, Nager u. s. w. enthält und ausserdem durch eine Fülle höchst fremdartiger, in anderen Kontinenten absolut unbekannter Säugetiertypen ausgezeichnet ist. Aus den Mitteln des von Herrn A. Sedlniayr zusammen- gebrachten Fonds konnte Herr Albert Hentschel eine zweite Sammelreise nach Samos unternehmen, welche von grossem Erfolg begleitet war. Aus den sonstigen Erwerbungen seien genannt: eine stattliche Sammlung von fossilen Fischen und das Originalexemplar des von Kramberger beschriebenen Aigialo- saurus dalmatinus, ferner nordische Diluvialgeschiebe mit wohl- erhaltenen Versteinerungen aus Preussisch-HoUand, eine Samm-

Bede. 519

lung Eohlenkalkversteinerungen aus Irland, Grinoideen und Ästenden aus dem rheinischen Devon und Säugetierreste aus dem Miozän von Qeorgensgmünd und Tutzing.

Anthropologisch-prähistorische Sammlung: a)Ge- schenke: Eine Eleihe ausserbayerischer Yergleichsgegenstände aus der Steinzeit vom römisch-germanischen Zentralmuseum in Mainz; von Dr. P. Rein ecke Feuersteine und Scherben von einer Feuersteinwerkstätte auf dem Heideberg unweit Biesenthal (bei Berlin); von Otto v. Ktihlmann Steinbeile und Netzsenker aus Eatiköi an der anatolischen Eisenbahn; von Freiherrn V. Stromer Feuersteinmesser aus der Umgebung des Fayüm (Ägypten); von Hofrat Schliz (Heilbronn) eine Serie neolithischer Oefassscherben aus Grossgartbach; von Maurer (Reichenhall) Gefassscherben und Tierknochen sowie Abguss eines bronze- zeitlichen Gefasses von den Wohnstätten am Karlstein, b) Unter den Erwerbungen aus den mit Zuschüssen der Kommission für Erforschung der Urgeschichte Bayerns erfolgten Ausgra- bungen ragen hervor die Funde des Bezirksarztes Dr. Thenn in Beilngries, die des Assistenten Dr. B irkner südlich von Mettendorf (zwei Bronzearmringe mit Tonkem, eiserne Pfeil- spitzen aus der Hallstattperiode), c) Aus den Ankäufen: Bronze- und Hallstattzeitliche Funde aus der Höhle bei „Dürr- loch* im Schweighauser Forst, steinzeitliche aus der Gegend von Halle a. S., ferner Bronzesicheln, gefunden am Schaf hof bei Nürnberg. Die La Tene-Sammlung wurde bereichert durch Funde des Lehrers Strehle aus dem Gräberfeld bei Manching, die zum Teil unter Leitung des technischen Beirates der Kom- mission für Urgeschichte, Oberamtsrichter a. D. Franz Weber, ausgegraben wurden.

Zoologische Sammlung: Infolge einer durchgreifenden Neu-Organisation konnten nur wenige erhebliche Objekte er- worben werden. Den Hauptzuwachs bildeten mehrere bedeutende Schenkungen: von Herrn Klumbeck aus München eine Samm- lung Hexaktinelliden aus Japan und eine Kollektion Kamerun- scher Säugetiiere und Skelette; aus dem Nachlass des Herrn Hofsattlermeisters Gmelch eine Sammlung heimischer Spinnen;

190S. Bitigib. d. pliUoa.-phfloL iL d. bist KL 36

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Yoa Herrn Kunstmaler Hans Beatus Wieland zwei seltene Paradiesvögel; Ton der Witwe des Herrn Dr. Funk in Bam- berg eine Insektensammlung in etwa 100 Kästen; Ton Herm Geheimrat Exzellenz y. KöUiker Octocorallien.

Von Oescbenken des Jahres 1903 seien als besonders her- vorragende vorläufig erwähnt: Von I. K. Hoheit, Prinzessin Therese von Bayern, unserm hochverehrten Ehrenmitglied« ging dem botanischen Oarten eine Anzahl wertvoller Orchideen aus Kolumbien zu.

Der anthropologisch -prähistorischen Sammlung schenkte Herr Eugen Wolf 5 Schädel von madagassischen Eingeborenen und das Skelett eines vornehmen Madagassen, deren Erwer- bung mit erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren verknüpft war. Dieselbe Sammlung besitzt femer als höchst interessantes und einzigartiges Geschenk von dem Marinestabsarzt Herrn Dr. Mixius in Tsingtau die mit allen Fleisch- und Gehim- teilen wohlkonservierten Köpfe von 6 hingerichteten chinesischen Räubern.

Herr Fabrikant Reimer in Augsburg übergab der zoo- logischen Sammlung 3000 M. zum Ankauf einer Variantenserie von Tierarten der Galapagos-Inseln, an denen Darwin seine berühmten Studien gemacht hat.

Die paläontologische Staatssammlung erhielt von Herrn Eugen Wolf einen Schädel und viele Skeletteile des kleinen füsbilen Flusspferdes (Uippopotamus Lemerlei) aus Madagaskar nebst einer Auswahl von Skelettknochen des madagassischen fossilen Riesenvogels Aepyornis.

Die Akademie sah sich ferner veranlasst, an folgende Herren die silberne Medaille Bene merenti zu verleihen:

1. Herrn Bezirksarzt Dr. Thenn, der wichtige prähisto- rische Ausgrabungen in Beilngries mit Umsicht und wissen- schaftlichem Eifer geleitet und die wertvollen Funde der prä- historischen Sammlung überlassen hat,

2. an Herrn Zeiske, welcher der mineralogischen Samm- lung zahlreiche Dienste durch Geschenke grösserer Serien aus

Bede. 521

dem Oebiet von Mansfeld und den Salzlagerstätten bei Stassfiirt und Leopoldshall erwiesen hat,

3. an Herrn Professor Dr. Fr. W. Neger in Eisenach, der eine Sammlung von 900 selbstgesammelten Pflanzen aus Chile und Patagonien und

4. an Herrn Apotheker August Loher in Manila, welcher die Doubletten einer reichen Kollektion von Pflanzen der Phi- lippinen dem botanischem Museum zugewendet hat.

5. Die silberne Medaille wurde ausserdem zuerkannt dem Professor an der Industrieschule in Nürnberg Herrn Johann Kaspar Rudel für seine mit grösster Aufopferung ausge- führten Beobachtungen über die meteorologischen Verhältnisse Nürnbergs.

Die Akademie selbst hat ihre wissenschaftliche Tätigkeit in gewohnter Weise fortgesetzt. In den monatlichen Sitzungen wurden eine grosse Anzahl von Mitteilungen gemacht, die meist in den Sitzungsberichten und Denkschriften Veröffentlichung fanden. Durch die Erhöhung unseres Druckkostenetats ist es möglich geworden, hinsichtlich der Ausstattung unserer Publi- kationen mit anderen Akademien Schritt zu halten und deren Wert durch reichlichere Zugabe von Abbildungen zu erhöhen. So veröffentlicht z. B. die I. Klasse eine mit 120 Tafeln aus- gestattete prachtvolle Monographie über die von Herrn Professor Furtwängler geleiteten äginetischen Ausgrabungen und in den Denkschriften der H. Klasse finden sich verschiedene mit zahl- reichen und schön ausgeführten Tafeln versehene Abhandlungen.

Überblicken wir die Fülle von Arbeit, welche im Jahre 1902 teils in den Schriften der Akademie zur Veröffentlichung gelangte, teils in den verschiedenen Attributen des General- konservatoriums geleistet wurde, so dürfen wir mit Befriedigung auf unser Tagwerk zurückblicken. Von weiteren Kreisen wird es freilich kaum nach seinem vollen Werte gewürdigt werden, denn häufig liegen die Ergebnisse mühsamer Arbeit eines Forschers in Schubladen oder Fächern eines Museums begraben, die nur von Spezialisten benützt und richtig beurteilt werden

85*

522 V. Zütel

können. Auch viele der gelehrten Abhandlungen in unseren Akademieschriften gewinnen nur Interesse und Bedeutung, wenn sie mit der oft unendlich weitschichtigen, einschlägigen Literatur in Zusammenhang gebracht werden. Aber es ist das alles Material, das zur Oewinnung wissenschaftlicher Wahr- heiten führt. Vieles davon erscheint dem Laien unnütz und Manches sogar verlorene Mühe. Er wundert sich, warum man statt solcher Detailarbeit sich nicht mit den höchsten Problemen der Wissenschaft beschäftigt. Er vergisst dabei, dass der Weg zu jenen luftigen Höhen mit unendlicher Mühe gebahnt werden muss und dass es nur wenigen Auserwählten überhaupt gelingt, sie zu erreichen. Und auch die wissenschaftliche Kleinarbeit kann zu den herrlichsten Resultaten führen; sie ist es, welche uns die Naturkräfte Untertan macht und unsere irdischen Da- seinsbedingungen verbessert. Aber auch die auf rein geistigem Gebiet errungenen Werte üben einen massgebenden Einfluss auf die Entwicklung der ethischen und materiellen Kultur der Menschheit aus.

Solche Erwägungen sind es wohl, welche die Bestrebungen und Arbeiten der Akademien dem Volksbewusstsein wieder näher gebracht haben, und welche in den letzten Jahren auch unserer Akademie eine Anzahl Stiftungen zuführten.

Heute bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen von einer in Aussicht stehenden Stiftung berichten zu dürfen, welche zu den bedeutendsten zählen wird, über die unserer Akademie das Verfügungsrecht zustehen soll.

Der Urheber dieser Stiftung, Herr Albert Samson, lebt gegenwärtig als Rentner in Brüssel. Er ist deutscher Staats- angehöriger und wurde im November 1837 zu Braunschweig geboren. Im Hause eines Pastors zu Braunschweig erzogen, absolvierte er daselbst das Gymnasium und widmete sich sodann dem kaufmännischen Berufe des Vaters, der ihn alsbald der Filiale seines Bankhauses in New York zuteilte. Schon nach einem Jahre gab er indes diese Tätigkeit auf und unternahm längere Reisen durch England, Deutschland, die Schweiz und Italien, begleitete u. a. General Lamoriciere auf seinem Zuge

Bede. 523

über die Apenninen nach dem belagerten Ancona, und war Zeuge der Schlachten von GastelfidardOf Santa Maria di Capua und am Yoltumo. Sodann liess er sich in Turin nieder und unternahm von dort aus Reisen durch alle Küstenländer des Mittelmeeres. Später verlegte er seinen Wohnsitz nach London und unterrichtete sich durch mehrfache wissenschaftliche Reisen über die sozialen Zustände in Nordeuropa und Nordamerika.

Im Jahre 1869 errichtete er unter seinem Namen ein Bankhaus in Berlin, trat jedoch im Jahre 1874 die Leitung desselben ab. Nunmehr 87 Jahre alt geworden, begann Herr Samson sich ganz dem ihm angeborenen, wissenschaftlichen Triebe hinzugeben, aus dem bereits seine planmässig angelegten Reisen hervorgegangen waren. Von dem idealen Drange be- seelt, sich selbst und die Welt kennen zu lernen, warf er sich mit jugendlichem Enthusiasmus nacheinander auf das Studium der Medizin, der Naturwissenschaften, der Nationalökonomie, der Geschichte, der Völkerkunde und der Philosophie. Es gibt kaum einen berühmten Lehrer dieser Fächer in Berlin, den Herr Samson damals nicht gehört hätte. Mit vielen stand er in persönlichem Verhältnis. Sogar mit femer liegenden Fächern, mit der Ägyptologie und Assyriologie, machte er sich bekannt. Die Pflege dieser allzeit mit grossem Ernst betriebenen Studien nahm nicht weniger als 12 Jahre in Anspruch. Endlich hat er nach dem Spruche: „Homini nobili jura sua ignorare non licet" noch vier Jahre den juristischen Fächern zugewendet.

Auf dem Orunde einer ebenso allseitigen als tiefen Bildung erhob sich in ihm mit der Macht einer Lebensaufgabe der heisse Wunsch, mit kräftiger Hand am moralischen Fortschritt der Menschheit mitzuwirken. Es schien ihm, als ob in dem grossen Kreis der menschlichen Wissenschaft die Erforschung der Moral nicht den Platz einnehme, den sie nach ihrer Be- deutung zu beanspruchen berechtigt ist. Und in der Tat kann es nicht geleugnet werden, dass hierin Grosses geschaffen und eine umfassende Tätigkeit zum Wohle der Wissenschaft und der Zivilisation entwickelt werden kann. Freilich hat die Durch- führung einer so grossen und umfassenden Aufgabe zur Voraus-

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Setzung, dass die zur Verfügung stehenden Mittel ausser- ordentlich bedeutend sind.

Unter Beobachtung aller Erfordernisse des internationalen Privatrechtes hat Herr Samson unserer Akademie durch sein hier hinterlegtes Testament einen Zufluss zu ihrem Vermögen zugewendet.

Das dieser Stiftung zu Grunde gelegte Programm wurde nach langen Verhandlungen, bei welchen sich Herr Bechts- anwalt Professor Dr. Loewenfeld als der Vertreter des Herrn Samson und der Sekretär unserer Akademie, Herr Dr. Karl Mayr, die grössten Verdienste erworben haben, von den beiden Herren in stetem Einvernehmen mit dem Präsidenten der Aka- demie vereinbart und hat bereits durch Ministerial-Entschliessung vom 14. April 1903 die Billigung des E. Staatsministeriums des Innern füi' Kirchen- und Schulangelegenheiten gefunden. Es lautet :

Statut der Samsonstiftung.

L Zweck der Stiftung.

Der Zweck der Stiftung besteht in der wissenschaftlichen Erforschung und Begründung der Moral des Einzelmenschen und der gesellschaftlichen Moral an der Hand der Ergebnisse der Natur- und Geschichtsforschung, und besonders der empi- rischen Psychologie, ferner in der Feststellung der Folgerungen aus den Ergebnissen dieser Forschung für das Leben des Einzel- menschen und ftlr das Qesellschaftsleben.

Die Mittel der Stiftung sollen insbesondere gewidmet sein:

1. Der Erforschung des Ursprungs, der urgeschichtlichen und weiteren geschichtlichen Entwickelung der Moral und der einzelnen Moralgesetze ;

2. der Erforschung des Einflusses der körperlichen und geistigen Veranlagung des Menschen, besonders der Rasse, weiter des Einflusses der Bodenbeschafienheit, der topographi- schen, geographischen und meteorologischen Verhältnisse, ferner der Erforschung des Einflusses der Kultur, der Erziehung, der Arbeit, der wirtschaftlichen, vorzüglich der gewerblichen Be- dingungen derselben, der Ernährung und ähnlicher Verhältnisse;

. Bede. 525

3. der Feststellung und Unterstützung der Folgerungen aus den Ergebnissen der zu 1 und 2 bezeichneten Forschungen für die physische und sittliche Lebenshaltung des Einzel- menschen, sowie für das Gemeinschaftsleben. Dogmatische, speziell dogmatisch-philosophische oder theologische Moral- begründungen sind in Gemässheit der Satzungen der Aka- demie — yon dem Stiftungszwecke ausgeschlossen und können nur als Gegenstand der Geschichtsforschung (Ziffer 1) in Be- tracht kommen.

n. Stiftungsyerwaltung.

1. Die Stiftung, die von der K. Akademie der Wissen- schaften in München zu organisieren ist, wird durch einen eigenen mehrgliederigen Vorstand mit dem Sitze in München verwaltet. Die Mitglieder des Vorstandes bestimmt die K. Aka- demie der Wissenschaften. Der Vorsitzende des Vorstandes soll ein Vertreter der Naturwissenschaft sein. In den Vorstand sollen Gelehrte aller Länder aufgenommen werden können. Unter allen Umständen sind der jeweilige Präsident der Aka- demie und die Elassensekretäre Mitglieder des Vorstandes;

2. die Mitglieder des Vorstandes und die Verwaltung sollen aus Stiftungsmitteln honoriert werden.

HL Verfolgung des Stiftungszweckes.

Der Stiftungszweck soll verfolgt werden:

1. Durch Bestellung einer ständigen, wissenschaftlichen Leitung, bestehend aus Gelehrten der in Betracht kommenden, hauptsächlichen Disziplinen.

Bezüglich dieser ständigen wissenschaftlichen Leitung sollen die Bestimmungen zu II, Ziffer 1, Satz 2 bis 5, sowie Ziffer 2 gelten ;

2. durch Bestellung der erforderlichen wissenschaftlichen Kräfte für die Ausführung der jeweils als veranlasst erschei- nenden Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen;

3. durch Unterstützung verwandter Institute und wissen- schaftlicher Unternehmungen.

526 WakUn.

Falls die Mittel durch das Arbeitspn^ramm eines Jahres nicht aufgebraucht werden, können sie fBr verwandte Zwecke, insbesondere aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und Geschichte verwendet werden.

lY. Namen der Stiftung. Die Stiftung soll den Namen «Samson-Stiftung* fiiliren.

Die für diesen Zweck testamentarisch vermachte Summe beträgt eine halbe Million Mark.

Als ein Zeichen ihrer Dankbarkeit für diese hochherzige Stiftung hat die Akademie Herrn Albert Samson ihre höchste Auszeichnung, die

goldene Plato-Medaille Bene Merenti

mit Zustimmung der K. Staatsregierung verliehen.

Möge es uns und unseren Nachfolgern gelingen, den Er- wartungen, welche der edle Stifter in die E. Bayer. Akademie setzt, allezeit gerecht zu werden.

Dann verkündigten die Elassensekretäre die Wahlen.

Es wurden gewählt und von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-Regenten bestätigt:

I. In der philosophisch-philologischen Klasse: als ausserordentliches Mitglied:

Dr. OttoCrusius, Grossherz. Badischer Geh. Hof rat, Professor der klassischen Philologie an der Universität zu MüncheD;

als korrespondierende Mitglieder:

Dr. Otto Lenel, Professor des römischen und bürgerlichen Rechts an der Universität zu Strassburg;

Dr. Wilhelm Dilthey, Geh. Regierungsrat, Professor der Philosophie an der Universität zu Berlin;

WäKUn. 527

Dr. Ludwig Mitteis, Oeh. Hofrat, Professor des römischen Rechts an der Universität zu Leipzig;

Dr. Paul Wolters, Professor der Archäologie an der Univer- sität zu Würzburg.

n. Li der historischen Klasse:

als ausserordentliches Mitglied:

Dr. Michael Doeberl, Gymnasialprofessor am Kadettenkorps und Privatdozent der Geschichte an der Universität zu München;

als korrespondierende Mitglieder:

Dr. August Meitzen, Geh. Regierungsrat, Professor der Staats- wissenschaft an der Universität zu Berlin;

Dr. Otto Gierke, Geh. Justizrat, Professor des deutschen Privat- und Staatsrechts an der Universität zu Berlin;

Dr. Richard Fester, Professor der Geschichte an der Univer- sität zu Erlangen;

Dr. Robert Yischer, Professor der Kunstgeschichte an der Universität zu Göttingen.

Darauf hielt das ordentliche Mitglied der philosophisch- philologischen Klasse, Herr K. v. Amira, die besonders ver- öffentlichte Gedächtnisrede auf Konrad v. Maurer.

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Sitzung vom 5. Dezember 1903.

Philosophisch-philologische Klasse.

Herr Sakdbergeb spricht

Über die im XII., XIY. und XVI. Band der Lasso- ausgabe zum Neudruck gelangenden vier- bis achtstimmigen Kompositionen mit französi- schen Texten.

Die Vorlagen sind aus deutschen, französischen, helgischeo, englischen , schwedischen , österreichischen imd italienischen Bibliotheken gesammelt. Auf die Sorglosigkeit Lassos, auf Nachdrucke des 16. Jahrhunderts, den gänzlichen oder teil- weisen Untergang von Erstdrucken, auf massenhafte Unter- schiebungen fremder Texte ist es zurückzufahren, wenn die Quellen Verhältnisse hier verworrenere waren, als hei irgend einer anderen Gattung Lassoscher Tonwerke.

Nach Klärung des Materials bleiben an originalen, in zuverlässigen Vorlagen (darunter einige Autographe) erhaltenen Stücken 145 nachweislich; ihnen stehen 240 Nummern mit geändertem Text gegenüber. An Hand von Dokumenten aus Münchener Archiven, den Archives de France u. s. w. berichtet der Vortragende sodann über die französischen Beziehungen Lassos im Allgemeinen, seine Freundschaft mit Adrien le Roj, seine Pariser Reise im Jahre 1571, sein Verhältnis zum fran- zösischen Hofe, die Beteiligung an der Komposition eines 1573 aufgeführten ballet de la cour, seine Berufung nach Frankreich und die hierauf bezüglichen irrigen Angaben de Thous etc.; femer über die Beziehungen des Meisters zur französischen Literatur, welche mit Alain Chartier beginnen, mit Guy du

SHiMung vom 6. Daember 1903. 529

Faur de Pibrac enden. Von Dichtem der Yorrenaissance sind vertreten Villon, Octavien de Saint-Gelais, Bouchet, Melin de Saint-Gelais und besonders Marot. Marot ist der von Lasso bevorzugte französische Poet, im Allgemeinen aber nimmt der Komponist tieferes Interesse an der italienischen Literatur. Von Dichtem der Plejade erscheinen Du Bellay, Ronsard, Belleau, de Baif, de Magny. Wegen der Wahl anstössiger Gedichte erfuhr Orlando Angriffe von Seiten der Hugenotten, welche auch jene Editionen der Chansons veranlassten, in denen unter grotesker Fälschung des musikalischen Ausdrucks religiöse Texte unterschoben sind. Der Vortragende erörtert sodann die für die geschichtliche und ästhetische Würdigung mass- gebenden Merkmale des Lassoschen Chansons. Als Orlando dies Gebiet zu bebauen begann, gab es daselbst zwei künst- lerische Richtungen. Er versenkt sich gerne in das dichterische Detail, wie die französischen Chansonkomponisten tun, charak- terisiert auch vielfach mit den gleichen Mitteln. Hiebei über- trifft er seine Vorgänger an Prägnanz jener kleinen Motive, mit deren jeweiliger imitatorischer Ausbreitung auch er einen dichterischen Gedanken stärker oder schwächer hervorhebt und ciseliert solche Stellen auf Grund einer in höherem Grade meisterlichen Technik zu intimen Episoden kontrapunktischer Kleinkunst. Er handhabt souverain die schon seit Jannequin u. A. in Frankreich bekannten italienisch-medrigalischen Mittel häufiger Wort- und Begriffsmalerei, markiert oder verschleiert wie im Madrigal die metrischen und gedanklichen Abschnitte der Dichtung durch Kadenzen in allen oder einzelnen Stimmen. Durch sjUabische Deklamation auf kurzen Notenwerten erzielt er, wo er will, die Leichtigkeit des gallischen Konversationstons. Heiterkeit, Grazie und Esprit, Anmut und Witz stehen ihm wie den Franzosen zur Verfügung, an Innigkeit und Wärme daran erkennt man den Orlando der Motette u. s. f. wieder ist er ihnen überlegen, ebenso an der gelegentlich vom Dichter geforderten kontemplativen Kühe. Einigen petrarchisierenden Sonetten hat Lasso feinfühlig auch die entsprechende madri- galisch-spirituelle Note beigegeben. Aber auch auf nieder-

530 Sügung wm 6. DeMmber 1903,

ländischen Pfaden der Ghansonkomposition bewegt sich Lasso; hier beschränkt er sich der Hauptsache nach mehr auf Wieder- gabe der Grundstimmung und verwendet schwereres Rüstzeug imitatorischer Künste. An fremdem, von ihm benutzten musi- kalischem Stoff lassen sich volkstümliche Lieder (Susanne un jour; Dessus le march^ d'Arras u. a.) namhaft machen. Eine Kuriosität ist die gelegentliche Persiflierung kirchlicher Weisen zu profanem Zweck.

Historische Klasse.

Herr Riezler vollendet seine in der Märzsitzung dieses Jahres begonnenen Mitteilungen

Über Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620,

indem er die Tagebücher der Münchener Jesuiten Buslidius und Drexel und die in italienischer Sprache geschriebene Feldzugs- geschichte des unbeschuhten Karmeliters P. Pietro von der Muttergottes besprach. Buslidius weilte im ligistischen Haupt- quartier als Beichtvater Herzog Maximilians von Bayern, Drexel als dessen Hofprediger. P. Pietro aus Siena, der vor seinem Eintritt in den Karmeliterorden Dr. Annibale Angelini hiess, kam im Gefolge seines spanischen Ordensbruders, des auf Maximilians Wunsch vom Papste entsandten P. Dominicus a Jesu Maria. Sein Werk erweist sich trotz seines anspruchs- vollen Auftretens zum grösseren Teil als eine Kompilation aus bekannten Quellen, vornehmlich dem „Journal'' und Tillys Dicchiaratione. Es liegt in einer Stuttgarter Handschrift vor, während das Münchener Reichsarchiv die Tagebücher der beiden Jesuiten bewahrt. In allen diesen Darstellungen geistlicher Autoren tritt, wie sich erwarten lässt, der Charakter des Religions- krieges besonders nachdrücklich hervor. Ihre Hauptbedeutung haben sie für den künftigen Verfasser einer Kulturgeschichte des dreissigjährigen Krieges, ohne dass die politische und militärische Geschichte des Feldzuges von 1620 gänzlich leer ausginge.

Sitzung vom 5, Dezember 1903. 531

Herr Traube spricht

Über die Überlieferung der für die Geschichte und Erkenntnis des Manichäismus auch neben den neu erschlossenen orientalischen Quellen sehr wichtigen Acta Archelai des Hegemonios.

Der Schluss des Werkes, der in der Handschrift von Monte- cassino fehlt und bisher vermisst wurde, hat sich in einer andern italienischen Handschrift erhalten und gibt u. A. für den Namen des Verfassers die urkundliche Bestätigung und für die Zeit des Übersetzers einen festeren Anhalt.

Derselbe berichtet femer

Über eine von ihm und Herrn Dr. Max Fastlihger unternommene zeitliche und örtliche Bestim- mung des in Fulda liegenden Codex Bonifa- tianus 2 und eines mit ihm paläographisch übereinstimmenden St. Emmeramer Fragmentes der Münchener Hof- und Staats-Bibliothek aus dem achten Jahrhundert.

Die Fulder Handschrift ist wichtig durch die in ihr erhaltene Sammlung patristischer Schriften, von denen nur die Titelangaben in einer Handschrift aus Nonantola in gleicher Folge wiederkehren, und ehrwürdig durch die wahrscheinlich berechtigte Tradition, die sie mit dem heiligen Bonifatius selbst in nächsten Zusammenhang bringt.

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Acta Archelai.

Yorbemerkang zu einer neuen Aasgabe. Von Ludwig Traube.

(Vorgetragen in der historischen Klasse am 5. Dezember 1903.)

L Eittftlhraiig.

Für die Geschichte des Manichäismus sind, wenn auch nicht so wichtig wie die neu erschlossenen orientalischen Quellen, doch von hoher Bedeutung die Acta Archdai, von denen früher die Forschung ausging.

Der unter diesem Namen bekannte Bericht über z weiBeligions- gespräche, die Mani, der Stifter der neuen persischen Lehre, mit Archelaus, einem Bischof von Mesopotamien, geführt haben soll, ein glücklicherweise sehr unordentlicher Bericht, in den vieles hineingesteckt ist, was nicht zur Sache gehört und ihr doch erst den Wert verleiht war ursprünglich griechisch geschrieben. Ziemlich umfangreiche Stücke hat Epiphanius im Panarium teils ausgehoben, teils umschrieben. Doch beruht unsere Kenntnis im Wesentlichen auf der alten lateinischen Übersetzung.

Als Verfasser des griechischen Originals gilt 'Hyejbiöviog nach dem von Photius angeführten Zeugnis des Heraclianus von Chalcedon. Von Hegemonius weiss man nichts weiter als eben diesen Namen. Als Abfassungszeit wird im Allgemeinen die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts angenommen. Doch setzt Adolf Hamack eine engere Grenze, indem er Bedenken trägt, das Werk noch als yornicänisch zu bezeichnen. Bekannt war es jedenfalls schon dem Epiphanius (374 377) und dem Hieronymus (392).

584 Ludwig Traube

Mit dem Alter der Übersetzung hat man sich weniger beschäftigt. Hamack nennt sie nachhieronjmianisch und vor der Einbürgerung der Yulgata erfolgt.

Vielleicht würden wir vom Original und von der Übersetzung mehr wissen, wenn wir den Schluss der Übersetzung hätten. Allein, was einst Zacagni unter seinen Text setzen musste: nonnulla fortasse desuntj das steht auch noch unter der letzten, von Routh besorgten Ausgabe, und wäre nicht als Vermutung, sondern als Tatsache ausgesprochen worden, wenn man die Anführung aus den Exegetica des Basilides, in welcher das letzte Kapitel der Acta, mitten im Satz, abbricht, genauer erwogen hätte.

Ich bin nun in der glücklichen Lage, der lateinischen Über- setzung den bisher fehlenden Schluss zurückgeben zu können. Es ergibt sich aus ihm, dass der Verfasser des Originals wirk- lich der Hegemonius ist, den Heraclianus erwähnt; wir ent- nehmen ferner einem der Übersetzung angehängten Ketzer- kataloge genaueres über die Zeitumstände des Übersetzers; wir erhalten einen recht umfangreichen und bedeutsamen Nachtrag zu den Fragmenten des Basilides; und schliesslich, die Hand- schrift, die den Schluss bietet und zugleich für die ganze Schrift einen unabhängigen und vielfach reineren Text, ermöglicht es erst, eine kritische Ausgabe der Acta Archelai herzustellen. Es geht damit der Wunsch des Zacagni, freilich sehr postum, in Erfüllung: Fortasse hoc opus deo dante correcäus recudere fas erit, si aliquod aliud exemplar inter lustrandum bibliothecarum nostrarum loculos occurrat,

II. Die früher bekannten Handschriften (A, T, C, F).

1. {A) Mailand, Ambros. 0. 210 Sup. aus Böbbio, geschrieben im sechsten Jahrhundert in Halb-Unciale, enthält auf fol. 33^^ 45 Auszüge aus den Acta, und zwar capp. IV 'X'TT (= Reliquiae sacrae rec. Routh, ed. II, vol. V, pag. 41 72) und capp. XLI— XLV (== ib. pag. 146—165). Vgl. Beiflferscheid, Bibliotheca patrum latinor. italica U 94 96 und Chatelain,

Acta Archelai, 585

Scriptura uncialis tab. LXYIII. Die Überschrift ist: Ine doc- trina iniqui et perßdi Mamchei. In qua dodrina dedpet (!) aninuzs infirmorum, unde tu, Christiane catholiee (ccUhdicae k), qidsqids es, lege et cave, ne seducaris verUs eius et cadas in laqueos ipsius. Am Schlüsse der AuszUge steht: Expiidt. lege cum pace. Diese Form der Subscriptio (lege cum pace, wovon lege in pace verschieden ist) wird vielleicht, wenn man auf derartige Kleinheiten länger und besser geachtet hat, dazu bei- tragen können, die Herkunft der Handschrift oder doch der Überlieferung näher zu bestimmen. Sie findet sich im Vere- cundus (Leiden Voss. lat. F. 58, wo aber cum pace amen steht) im Lyoner Heptateuch, in der grossen Bibel Paris lat. 11553, im Hilarius de trinitate (z. B. Cambrai 541). Das spricht wohl für afrikanische Tradition, die sich über Spanien und Süd- frankreich verbreitet, die aber auch unmittelbar nach Italien überspringen kann. Der Ambrosianus enthält in seinem ersten gleichartigen Bestandteile (fol. 1 45) noch einen Brief des Augustinus an Hieronymus (Hier. epp. CXXXI) und dessen Antwort (epp. CXXXIV), Anatheme gegen die Manichäer (vgl. unten S. 549) und den sog. Vigilius de trinitate in der kürzeren Fassung. Es ist diese Handschrift die erste, aus der Stücke der Acta bekannt wurden: Henricus Valesius veröffentlichte aus ihr die oben bezeichneten Auszüge hinter seiner Ausgabe der Kirchen- geschichten des Sokrates und Sozomenus (Paris 1668).

2. (T) Turin, Bibliothek des Hofarchivs L b. VL 28 aus Bobbio, geschrieben im sechsten oder siebenten Jahrhundert in Unciale, bietet hinter der Epitome des Lactantius und vor dem wahrscheinlich afrikanischen lAber genealogus auf fol. 61 eine kurze Geschichte des Mani mit Sätzen, die aus den capp. LH— LV der Acta (= ßouth pag. 187 197) zusammen- gesetzt sind. Sie beginnt: Sciti^inus quidam fuit ex genere Sarraeenorum und schliesst mit der Aufforderung, Weiteres in den Acta selbst nachzulesen: haec ita esse melius nasse cupientes Archdaum legant Vgl. die Beschreibung der Handschrift bei Keifferscheid 1. c. pag. 140 sq. und Mommsen in der Ausgabe der Chronica minora I 156; ein Bild u. A. bei CipoUa, Monumenta

1908. Stti«sb. d. phUo8.-phüol. n. d. bist KL 36

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palaeogr. sacra tav. 7. Qednickt wurde das Stück von Fabricius ^) am Schlüsse seiner Ausgabe des Hippolytus (Hambui^ 1718) und ohne Kenntnis davon noch einmal von Reifferscheid.

3. ((7) Montecassino 871, in beneventanischer Schrift des elften Jahrhunderts, überliefert hinter dem Kommentar des Presbyter Philippus zum Hiob auf fol. 66 113^ den einzigen bisher bekannten vollständigen Text der Acta. Diese Hand- schrift zog der Bibliothekar der Vaticana Lorenzo Zacagni in seinen Collectanea monumentorum veterum (a. 1698) zur ersten Gesamtausgabe der Acta heran, oder, um es genauer zu sagen, er benutzte eine aus ihr in Rom für ihn genommene Abschrift. Man hat bisher nicht beachtet, dass der Gasinensis am Schlüsse der Acta, welcher zugleich der Sohluss der ganzen Handschrift ist, eine äussere Verletzung erlitten haben muss. Aus Reiffer- scheids Beschreibung (1. c. pag. 422) wird das völlig klar. Hierdurch erklärt sich, dass seit Zacagni wohl der vollständige Text der Acta im Umlauf ist, aber ohne seinen richtigen Ab- schluss. Dem Anscheine nach fehlt im Gasinensis das letzte Blatt.

4. (F) Auszüge aus capp. LI LV der Acta, die nicht identisch sind mit den oben angeführten von T, kommen in mehreren Handschriften im Anschluss an das Augustinische Commonitorium vor. Ihre Überschrift ist: Qtu)d iste Manes non Sit auctor huius heresis, $ed potius qiddam StuHanus (!); der Beginn : quidam Stutianm nomine. Für eine Ausgabe der Acta müsste diese Sonderüberlieferung erst hergestellt werden, und nur die hergestellte Form dürfte im Apparate erscheinen. Die folgenden Handschriften scheinen dafür in Betracht zu kommen.

Rom Reg. lat. 562, ein Sammelband des sechzehnten Jahr- hunderts mit vielen Abschriften aus älteren Godices. Vgl. Mont- faueon, Bibliotheca bibliothecar. I, 44 (unter n. 1335); Beth- mann im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts- kunde XII, 292 ; Nürnberger im Neuen Archiv derselben Gesell- schaft Vni, 315. Diese Handschrift wurde, wie es scheint, von den Maurinern für ihre Ausgabe des Commonitorium im achten Bande

^) Darnach wiederholt bei Routh p&g. 33 34.

Ada ÄrchelaL 537

der Werke des Augustin herangezogen (= MigneVIII, 1153), und sicher hat aus ihr Zacagni zehn Jahre später die Aus* Züge der Acta kennen gelernt und benutzt (vgl. bei Routh pag. 22 und 186). Die Abschrift war nach einem Codex S. Salmi gemacht. Da auch sonst französische Handschriften im Reginensis benutzt sind, so mag, wie Zacagni meinte, das Original dem Kloster Saint-Saulve in der Diözese Amiens angehört haben. Doch gibt es Klöster desselben Namens wie ausserhalb Frankreichs, so in Frankreich auch ausserhalb der Diözese von Amiens.

Paris lat. 1908 und Paris lat. 1918, beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Sie haben nach Zjcha (Corpus scriptor. ecclesiasticor. Vindob. vol. XXV, pag. LXXVII) hinter dem Com- mmUorium die eben mitgeteilte Überschrift. Ob nun die Aus- züge selbst in ihnen überliefert sind, ist mit meinen augen- blicklichen Hül&mitteln nicht festzustellen, scheint aber sehr wahrscheinlich, obgleich Zycha die Überschrift der Auszüge für die Unterschrift des Commonitarium hält. Fehlen die Aus- züge und findet sich nur ihre Überschrift, so standen sie doch sicher im Original.

in. Die neue Handschrift (M),

Im April 1902 erwarb ich von dem hiesigen Antiquar Herrn von Ro^ycki einen schönen, sehr sorgßLltig geschriebenen Folianten: 106 Pergamentblätter im Formate von 27 x 35, jede Seite zu 2 Kolumnen von 41 bis 44 Zeilen. Sein Inhalt ist folgender:

fol. 1 IncijAt liber prinms sancü Augustini de consensu emngdistarum bis fol. 46 Exjpiicit liber sancü Augustini epi- scopi de consensu euangelistarum,

fol. 46 IndpU cUtercaüo sancti Archday episcopi Mesopotamie ctim maledicto Manicheo heretico, ubi dicUur et de condiciane et de doctrina et de ßne ipsius maledicti Manichd bis fol. 63 Explicit oltercatio sancü Archdai episcopi contra Manen heresiarchnm.

fol. 63 Indpit liber sancti Augusüni episcopi ad FauUnum ej^scopum de cura pro mortuis agenda bis fol. 67^ JtJxplicit liber

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538 Ludwig Traube

sancü Ättgtisäni ad heaässimum Paulinum qdscapum de cum pro mortuis»

fol. 67^ IndpU über eiusdem sancü Äugtisäm de inmor- talUate animae bis fol. 70^ ExplieU dialecüca saneä Augu^ni episcopi de immartalUate anime.

fol. 70^ Inäpit Über eiusdem de presentia dei ad Dardanm bis fol. 74^ Expliät liber sancü Äugusüni epscapi de presenüa dd,

fol. 74^ Incipiunt libri äusdem Äurdii Äugusüni de bab- üsmo niimero Septem bis fol. 105^ Amen. Explidt Aurdü Äugu- süni episcopi de bapüsmo contra Donaüstas liber sepümus,

fol. 105^ IncipU sermo eiusdem sancü Äugusüni contra venena serpenium Manicheorum bis fol. 106^ Explidt sermo sancü Äugu- süni episco^ contra venena serpentum Manicheorum, Hiennit schliesst die Handschrift; der grössere Teil der ersten Kolumne und die ganze zweite Kolumne der letzten Seite blieb frei; nur hat eine spätere Hand ein nicht ganz vollständiges Inhalts- verzeichnis hierher geschrieben.

Obgleich Herr v. Roiycki gleichzeitig auch die Hand- schriften aus dem Nachlasse Joseph von Görres' zum Kaufe ausbot, so spricht schon die äussere Erhaltung dafür, dass mein Band, den ich im Folgenden als M(onacensis) bezeichne, kein Goerresianus ist, dass er nicht Trierer, sondern italienischen Ursprung hat. Freilich fehlt jeder Eintrag, der hier weiter führen könnte. Der Einband ist aus Leder und trägt auf dem Rücken nichts als den Titel DIVI AUGUSTIN DE CONSE EVANGEL; er mag aus dem 18. Jahrhundert sein. Im Innern des Deckels findet sich nicht der mindeste Anhalt. Was mich beweg, die Handschrift zu kaufen, war neben dem grossen paläographischen Interesse, das sie mir trotz verhältnismässiger Jugend bot ich denke sie um 1200 in Süditahen ent- standen — , gerade der Umstand, dass sie die Acta Archdai enthält. Mir war von meinen überlieferungsgeschichtlichen Arbeiten her bekannt, wie selten dieses Werk in Handschriften vorkommt. Trotzdem ich nun einen solchen Schatz besass, oder vielleicht gerade deshalb, ging ich nicht sofort daran, ihn genau zu untersuchen und auszubeuten. Sondern erst vor

Ada Ärehelai. 539

kurzem, als ein junger Historiker, Herr Ludwig Bertalot, zu mir kam und um paläographische Förderung bat, lieh ich ihm zugleich das Manuskript und die gangbare Ausgabe von Kouth und forderte ihn auf, mir über die Stellung der Handschrift zum Druck und zu den im Drucke herangezogenen Handschriften zu berichten. Er tat dies nach einigen Wochen mit gutem Verständnis, und er ist es, der zuerst auf den unbekannten Abschnitt am Schlüsse aufmerksam machte. Ich forderte ihn auf, dem merkwürdigen Stoffe weiter nachzugehen. Aber er wollte seine noch nicht lange begonnenen Studien nicht diesem entlegenen Gebiete zuwenden, und so musste ich für ihn ein- treten. Ich war mir dabei bewusst, dass ich eine schnelle Anzeige des Fundes den Bearbeitern der älteren christlichen Literatur zu geben ebenso verpflichtet, wie eine zugleich be- friedigende zu geben nicht befähigt war. Die Entsagung, die somit zu üben war, hofft entsprechender Nachsicht zu begegnen. Die erste Frage, die sich angesichts der neuen Handschrift erhob, war diese. M hat den Schluss, der in C fehlt; in G ist der Schluss durch einen äusseren Schaden verloren gegangen. Ist M eine Abschrift von (7, die genommen wurde, als diese Handschrift noch vollständig war? Doch diese Frage ist zu verneinen, und damit wächst die Bedeutung von M um ein Beträchtliches. Mag auch Zacagni oder der Mann, der C in Rom für ihn abschrieb, oft flüchtig gearbeitet haben, in vielen Fällen, wo M deutlich zu Ä und gegen C steht, können die Sonderlesarten von C als blosse Flüchtigkeit der modernen Abschreiber nicht aufgefasst werden. Doch wird eine Gegen- überstellung von C und M und der kontrollierenden Lesarten aus Epiphanius und A erst dann einen rechten Sinn haben und die Veröffentlichung verdienen, wenn Ä und M noch ein- mal verglichen sind. Nur eine sehr richtige und merkwürdige neue Lesart hier schon anzuführen, kann ich mir nicht ver- sagen. In cap. LH (Routh pag. 188,7) druckt Zacagni: iOe vero disdpuliis qui cum eo fuerat conversatus in fugam versus est; F oder wenigstens die Auszüge in Reg. lat. 562 geben: ilJr vero discfpulus omnifp^is quaecnnque eins ftterant congregatis

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in fugam versus est Hier hat M: üle vero disciptdus omnibus quecumque fuerant magistri convdsatis in fugam versus est. Die Prägnanz des Wortes convasare spricht für sich selbst.

IV. Herstellaog des SchluBses.

Den Schluss der Acta hatte uns bisher ein Zufall vorent- halten ; ihr Archetypen besass ihn noch. In der Editto princeps^ die ich heute aus M veranstalten kann, verfahre ich so, dass ich das Stück hinzu nehme, das dem Schluss unmittelbar vor- hergeht und eng mit ihm verbunden ist. Die Lesarten von C müssen dabei freilich der Ausgabe Zacagnis entlehnt werden, während M beim Schreiben und Drucken neben mir liegt. Wo C aufhört, habe ich im Text zwei senkrechte Striche gesetzt.

Man hat nun also im Folgenden zum ersten Male die gesamte Darstellung der Lehre des Qnostikers Basilides, soweit sie vom Verfasser der Acta in die letzte bedeutsame Rede des Archelaus eingeflochten war. Archelaus hält diese, nachdem Mani selbst sich längst aus dem Staube gemacht, um die Unursprünglichkeit der Lehre seines Gegnere darzutun. Der Dualismus, den er vertrete, beruhe ganz auf der Lehre und den Schriften des persischen praedicator BasUides. Gemeint ist, wie man sah, der Gnostiker, und zum Teil wörtlich angeführt werden dessen Exegetica. Wenn Archelaus dabei öfters darauf hinweist, dass Basilides seinerseits von Scythianus abhänge, so geschieht das offenbar nur um zwei völlig getrennte Über- lieferungen, die nebst vielen andern einzelnen Stücken und Stückchen dem Verfasser vorlagen, mit einander auszugleichen und neben einander bestehen lassen zu können. Andere, so bricht Archelaus diese Auseinandersetzung ziemlich kurz ab, werden gegen die Schriften des Mani mehr und besseres schreiben können. Und so segnet er die Versammlung und entlässt sie. Es folgen noch die mehrdeutigen Worte, mit denen Hege- monius sich leibhaftig dem Leser vorstellt. Der Name ist darin mit grossem Anfangsbuchstaben und Mennig geschrieben, wie auch sonst die Namen der Redner und auch längere Zwischen- bemerkungen, was das Suchen in der Handschrift ungemein

Acta Arehdm. 541

erleichtert. Die einzelnen Sätze, um das nachzuholen, sondern sich dadurch von einander, dass ihr erster, gross geschriebener Buchstabe mit grüner und brauner Farbe ausgetuscht ist. Stärker hervorgehobene Abschnitte begpnnen mit reicher ver- zierten Buchstaben. Hegemonius also unterschreibt so: Ego Egemanius scripsi dispiUaüanem istam exceptam ad describendum vclenübus. Dass er damit sich als den Tachygraphen bezeichnen will, der den Streitgesprächen selbst beigewohnt hat, geht aus einer anderen Stelle hervor (cap. XXXIX ed. Routh pag. 141), an der es gleichfalls in erster Person heisst: quoniam vero ptaeuU MarcäU) disputaüonem hanc excipi atque describi^ contra^ äicere tum potui confisus de benignitate legenüum, quod veniam dabunt, si quid imperitum atä rtisticum sonabit oratio; hoc enim tantum est, quod studemus, ut rd gestae cognitio studiosum quem- que nan hUeat, Doch hier und an einer dritten Stelle (cap. L^ ed. Bouth pag. 195): quibus posiea agnitis Ärchdaus adiecU ea priori disceptationi^ ut omntbus innotesceret, sicut ego, qui haec scripsi (qfd inscripd C), in prioribus exposuiy spricht der angeb- liche Stenograph zugleich von den redaktionellen Änderungen, die er vorgenommen, und bittet mit ganz geläufiger Koketterie um Nachsicht wegen seiner bäurischen Sprache, bekennt sich also deutlich als das, was er ist: nicht den Aufzeichner, sondern den Bearbeiter, den Verfasser.

Addidit etiam hoc Archelaus dicens: Viri fratres, ne quis vestrum incredulus sit bis, quae a me dicta sunt, id est: quod non ipse primus auctor scelerati huius dogmatis extiterit Manes, sed tantum, quod per ipsum aliquibus terrae partibus mani- festatum sit. Sed non statim is, qui aliquid quocumque porta- 5 verit, auctor eins putandus est, sed qui invenerit. Sicut enim gubemator acceptam navem, quam alius fecit, ad quaecumque loca voluerit perducere potest, alienus est tarnen omni genere a constructione eins, ita intellegendus est et iste. Non enim ex initio huic rei ipse originem dedit, sed tantum, quae ab alio 10

4 tentum M 5 hi8 qui M 8 iu>luerU]o vielleicht auf Rasur M potest fehlt C 10 sed etiam tantum^ wie es scheint, C

542 Ludtoig Tra/uhe

fuerant inventa, per se detulit hominibus, sicut ceiiis testimoniis notum est, quibus propositum est nobis ostendere: non ex Mane originem mali huius manasse, sed ab alio, et ante mul- tum temporis a barbaro quodam exorta in silentio habita, ab 5 isto vero ignota et latentia, veluti propria eins, esse prolata deleto conscriptoris titulo, sicut superius exposui. Fuit prae- dicator apud Persas etiam Basilides quidam antiquior non longo post nostrorum apostolorum tempora. Qui et ipse cum esset versutus et vidisset, quod eo tempore iam essent omnia

10 praeoccupata, dualitatem istam voluit affirmare, quae etiam apud Scythianum erat. Denique cum nihil haberet quod assereret proprium, aliis dictis proposuit adversariis. Et omnes eins libri difGcilia quaedam et asperrima continent. Extat tarnen tertius decimus liber tractatuum eins, cuius initium tale est: ^Tertium

15 ^decimum nobis tractatuum scribentibus librum necessarium ser- ,,monem uberemque salutaris sermo praestabit: per parabulam „divitis et pauperis naturam sine radice et sine loco rebus ,,superyenientem unde puUulaverit indicat*^. Hoc autem solum Caput liber continet? Nonne continet et alium sermonem?

20 At, sicut opinati sunt quidam, nonne omnes ofiPendamini ipso libro, cuius initium erat hoc? Sed ad rem rediens Basilides interiectis plus minusve quingentis yersibus ait: „Desinamus „ab inani et curiosa varietate; requiramus autem magis, quae „de bonis et malis etiam barbari inquisierunt et in quas opi-

25 „niones de bis omnibus pervenerunt. Quidam enim horum dixe- „runt initia omnium duo esse, quibus bona et mala associaye- „runt, ipsa dicentes initia sine initio esse et ingenita, id est: in „principiis lucem fuisse ac tenebras, quae ex semet ipsis erant,

2 uohis C 4 exhorta M 5 ignote latentia G uelut M

8 longe C tempore M 11 excutianum hat, wie gewöhnlich, M; in C wechseln scutianus und excutianu8\ in F weist 8tut\anu8 auf scutiamis; T hat 8citianu8 12 der Hauptsatz ist verdorben; etwa: alÜB dictis proipemodum eadem op)po8uit adversarii8j dem vielleicht als Beginn des nächsten Satzes quare folgte 15 tractatum M 16 prae8tauit C, perstatuit M 16 paruulam CM, von Routh verb. 20 et CM,

verb. von Plenkers ne omnes offendam in ipso M offendemini C 22 minus uel C desine C

Acta Ärehelai, 543

^Don quae esse (genitae) dicebantur. Haec cum apud seroet „ipsa essent, proprium unumquodque eorum vitam agebant «quam vellent et quale sibi competeret; omnibus enim amicum «est, quod est proprium, et nihil sibi ipsum malum videtur. «Postquam autem ad alterutrum agnitionem uterque perrenit 5 «et tenebrae contemplatae sunt lucem, tanquam melioris rei «sumpta concupiscentia insectabantur ea et coammisceri || ac «participari de ea cupiebant. Et tenebrae quidem haec agebant, «lux yero nequaquam ex tenebris quicquam recipiebat in sese, «nee in earum desiderium veniebat, tantummodo quod etiam lo «ipsa spectandi libidinem passa est. Et quidem et respexit eas «velut per speculum. Enfasis igitur, id est color quidam lucis «ad tenebras factus est solus, sed lux ipsa respexit tantum- «modo et abscessit, nuUa scilicet parte sumpta de tenebris. Tene- «brae vero ex luce sumpserunt intuitum et yles enfasin yel 15 «colorem, in quo ei displicuerant. Cum ergo nequiores de «meliore sumpsissent non reram lucem, sed speciem quandam «lucis atque enfasin, . . . boni raptiva mutatione traxerunt. IJnde «nee perfectum bonum est in hoc mundo, et quod est valde «est exigpium, quia parum fait etiam illud, quod initio con- 20 «ceptum est, Verum tamen per hoc ipsum exiguum lucis, immo «potius per speciem quandam lucis, creaturae valuerunt gene- «rare similitudinem perferentem ad illam, quam de luce con- «ceperant, permixtionem. Et haec est ista, quam cemimus, «creatura." Sed et reliqua eorum similia in consequentibus 25 executus est. Haec autem sufficere aestimavi* ad ostendendam eius in hac parte sententiam. In bis enim de mundi conditione conscripsit secundum quod Scythianus senserat. Hie vero assumptis eius litteris adiecit etiam nomina daemonum et com- motiones inquietas atque elementorum cursus non secundum 80 illum ordinem, qui a veteribus scriptus est, sed ut sarcinam

1 genitae oder faetae eingeschoben von Routh 2 propriam C 2. 3 agebat und uellet G 6 meliores M 7 et coammisceri letzte Worte in G 10 eorum M 11 expectanti M 15 ylem M 17. 18 quan- dam lis atque M 18 lückenlos M, es fehlt etwa speciem quoque tantum- modo 20 initium M 28 hie ist Mani, wie 544, 15 und ipse 544, 5 u. 11 und üle 544, 20 31 a veteribus, nämlich von Scythianus und Basilides

544 Ludwig Traube

quandam yerborum multorum et inutilium congregaret et per- mixtiones immensas ac confüsiones legentibus generaret. Quia vero omnis eius dogma et inscientia Basilide illi obTersanie conscripta in dualitate suspensa sunt, null! dubium est. Si quis

5 ergo subvertere potuerit ingenitam dualitatem, quam ipse asserit, dico: universam eius yerborum silvam pariter abscideret. Sicut enim quis draconis caput esecans reliqua corporis eius inutilia atque inania derelinquet, ita et nos, si dispositam non recte creaturam et commixtionem duorum ingenitorum, lucis

10 ac tenebrae, sicut Basilides praesumit, ostenderimus, sine dubio omnia reliqua, quae ipse scribit, inania et, quae nos scrip- simus, Vera esse signabimus. Hoc autem deprecor eos, qui bis exemplis uti voluerint, ut subtilius intueantur unumquemque sermonem, quoniam quidem argute et breviter Basilides locutus

15 est ea, quae apud Scytbianum reppererat definita; quae hie translata subtilius argumentis quoque yiolentioribus communivit, uti yerborum noyitate propria sua esse putarentur. Haec, ut potuimus, a nobis dicta sunt. Poterunt autem hi, qui nos sensu sublimiori praecellunt, plura horum ac meliora proferre atque

20 conscribere adyersum eos libros, qui ab illo editi sunt. Finita ergo disputatione ista Arcbelaus turbas cum pace dimisit ad propria. Qui benedicentes eum yoce, qua dignum est, cum omni laetitia discesserunt.

Ego Egemonius scripsi disputationem istam exceptam

26 ad describendum yolentibus.

V. Der Nachtrag des Übersetzers.

Mit der Nennung des Hegern onius ist in meiner Hand- schrift der Text der Acta nicht erschöpft. Auf volentibus, das letzte Wort des Hegemonius, folgt yielmehr unmittelbar und fortlaufend ein längerer Ketzerkatalog, und erst hinter diesem steht das technische Explicit. Ich befördere zunächst dieses zweite neue, nicht unwichtige Stück zum Drucke.

3. 4 dogma et inscientiae nam Uli aversante conscripta M 4 sus- pensits est M 9 commotionem M 12 signauimus M

Acta Ärehelai, 545

Yeteres heretici propeinodum omnes divinitatem duplicem simularunt, ut alium bonum deum, alium iustum esse confinge- rent et dicerent boni dei subvenitoris atque melioris iilium dominum lesum Christum venisse in hunc mundum, ut de iusti dei, quem tantum severum putant dominum, animas ad pristinas 5 reduceret sedes, quae creatoris praecepto corporibus fuissent ligatae. Ex quibus est Gerdon atque Marcion et ceteri qui eorum sequuntur errorem. Valentinus vero et ipse duplicem esse simulavit divinitatem; is simul et aeonum numerum novum visus est introferre, quod triginta aeonas visus est dicere. lo Basilides quoque de hac impietate descendit, qui tot deos simulat esse, quot dies in anno sunt, et de bis quasi minutalibus unam summam divinitatis efßcit et appellat Mithram, siqui- dem iuxta computationem Qraecorum litterarum Mithras anni numerum habet. Hi non multum a gentilitate distant et eis- 15 dem paene mysteriis imbuuntur, quibus a gentilibus initiatur« Hoc defuncto aliae rursum multae diversae hereses ebullierunt, quae divinitatem Christi negantes tantummodo confitentur humani- tatem eius ex Maria. Ex quibus est Gerinthus, Ebion et nunc Fotinus, qui eorum heresim instauravit. Erupit et alia heresis, 20 quae Gatafrigae appellatur ex promis3ione spiritus sancti, quam dominus salvator noster poUicitus est dicens: vadam et alium paraclitum mittam vobis,^) asserens non in apostolis, sed in Montanum, Priscillam et Maximillam. Post has erupit Mani* cheus, post dormitionem sancti martjris Cypriani, modicum 25 ante Diocietianum, qui alium deum bonum, alium malum indicant et omnium universa quae a corpore sunt dicunt esse Satanae. Huius heresis de Pythagorae fönte libatur et com-

7 Mawn M 8. 9 duplicem esse simularunt Ita diuinitatem ihi simulet conum numerum nouum M 11 descendit] das erste e viel- leicht auf Rasur M 14 mytram, wie immer, M 15 hahent. HU M 19 cherintus M 26 dioditianum M 27 der Plural steht hier und im folgenden öfter, wo statt des Häresiarchen die ihm folgenden Häretiker als Subjekt Torschweben 28 pytagore, wie gewöhnlich, M

*) Vgl. Acta Archelai cap. XXVII (ed. Routh pag. 107).

546 Ludwig Traute

roixta magicis artibus astrologia quoque utuntur, sicut et ipse Pjthagoras de bis exordium sumit. Et uti infinita praeteream, nunc de novis beresibus breviter increpandum est. Super funere Constantini erupit heresis Arriana apud Alexandriam, quae unum

6 patrem deum esse, filium vero eiusdem dominum nostrum lesum Cbristum et spiritum sanctum adoptione esse filium non natura et quantum distare dicit filium a patre tantum rursus dicit a filio spiritum separari. Haec in tria scinditur. Eunoznius quippe, a quo vocantur Eunomiani, audaciter proclamant et

10 libere, quod quorum diversa natura est, similes eos esse non posse, itaque filium et patrem, quoniam alterius substantiae essent, dissimiles esse. Macedonius vero, a quo vocantur Mace- doniani, qui etiam Arriani nuncupantur, sub impietate pietatem videntur inferre, ut dicant similem esse filium patri; et in eo

15 differunt ab Arrianis, quod Arriani filium similem patri dicunt, Macedoniani vero, ut plus ei donare videantur, similem dicunt esse per omnia. Sed et eos dolus et lapsa quasi pietas detegit, cum etiam homo ad imaginem et similitudinem dei conditus sit. Extrema est heresis ApoUinaris, quaequot homines habent tot

20 paene sententias. Necdum enim inter eos decretum est, in quae quasi pro certo et statuto blaspfaemabunt. Alii dicunt nee sensum nee animam humanam habuisse dominum nostrum lesum Christum. Qui vero audaciores sunt, etiam corpus illius sie de Maria confitentur, ut nihilominus etiam hoc de caelestibus

25 vindicent. !Nonnulli animam et corpus tantummodo profitentes, sensum, id est mentem, negant. Sed istos si discusseris, et animam et corpus incipiunt denegare et dicunt pro anima inhabitatorem fuisse verbum deum; et dum volunt humanitatem in Christo negare, id est: quod et cogitationibus humanis non

30 subiectus fuerit, omnes passiones eins ad deitatem referunt, si animam non habuit nee mentem. Flevit autem et contristatus est et ceteros passus est affectus. Haec enim per se corpus

1 astrohgiae M, verb. von Plenkers; oder astrologia ei quoque 6 spiritum suum M, welche Worte Plenkers tilgen möchte 8 exdditur M, verb. von Beeson 13 statt Arriani wird Pneumatomachi erwartet; doch liegt wohl keine Verderbnis vor 21 pro ccrtum et statu M

Acta Ärdielai. 547

pati non potest. Superest, ut deitas in illo haec passa fuerit. Inter Novatianos et Montenses hoc interest, quod Novatiani maiorum criminum poenitentiam non accipiunt, id est negationis, adulterii, homicidii, fomicationis et ceterorum bis similium; Montenses vero dicunt nos scripturas sanctas exurendas tra- 5 didisse, simulantes suos episcopos ecclesiam gubemasse et quod faciunt Luciferiani monentibus sacerdotibus, hoc iUi faciunt in Omnibus ecclesiis, dicentes eorum sacerdotes esse non posse, qui scripturas tradiderunt, et super hoc addunt, quia nostram ecclesiam traditurum infamant quemcumque a nobis invenerint. 10

7 luciferianis M 10 traditorum M nach invenerint hat M: Explidt alterccUio sancti ÄreMai episcopi contra Manen heresiareham.

Kann dies Hegemonius geschrieben haben? Es ist nur dann möglich, wenn er die vorgenommene Maske sich selbst herabziehen wollte. Hegemonius will zur Zeit des Kaisers Probus gelebt haben ^) und hat damit auch den EUeronjrmus hinter das Licht geführt.*) Wenn er von Ketzern spricht,*) so sind es Basilides, Marcion, Valentinus, Tatianus und noch Sabellius. Aber von Fotinus, Lucifer und Apollinaris, von denen hier die Rede ist, durfte er nichts wissen, wobei dahin- gestellt bleiben kann, ob er von ihnen in Wirklichkeit hätte wissen können, und da nun der Ketzerkatalog auch an einer sonderbaren Stelle in der Überlieferung erscheint und dann erst beginnt, als Hegemonius sich eben unterzeichnet hat, so werden wir ihn für einen ursprünglichen Bestandteil der Acta nicht halten dürfen, obgleich an sich ein solcher Fetzen, wäre er nur wirklich eingeflickt und nicht bloss daneben gelegt, mit der Eigenart dieser Acta gar wohl sich vertragen würde. Betrachtet man den Katalog allein und ohne Rücksicht auf die Acta^ so springen seine klaren, in sich geschlossenen Zeit-

^) Vgl. cap. XXVII sq. ed. Routh pag. 107 8q.

^ De yiris illustrib. cap. LXXII.

•) Vgl. capp. XXXVII aq. fed. Routh pag. 136 u. 138). Statt VaUn- iif\u8 haben die Handschriften hier VaJenthnanus; im Ketzerkatalog giSt M richtig Valentinus.

548 Ludt€ig Traube

Verhältnisse sofort in die Augen. Nach den Häresien des ApoUinaris, Lucifer und Fotinus zu urteilen, die er schon erwähnt, kann er nicht vor dem Ausgange des vierten Jahr- hunderts geschrieben sein; nach der Häresie des Nestorius zu urteilen, die er noch nicht erwähnt, muss er vor die Mitte des fünften Jahrhunderts fallen.

Nun haben wir auf der einen Seite den Übersetzer der Acta, den wir genauer, als es bisher geschehen ist, nach dem Jahre 392, in dem Hieronymus seine Literaturgeschichte zum ersten Male herausgab, und vor dem sechsten Jahrhundert, aus dem der Codex Bobiensis (Ä) stammt, ansetzen können, und haben auf der andern Seite den mit der Übersetzung yer- bundenen und im gleichen Stile abgefassten Ketzerkatalog, dessen Verfasser zwischen dem Ausgange des vierten und der Mitte des fünften Jahrhunderts geschrieben haben muss: ist es da nicht überzeugend, dass der Übersetzer und der Häre- seolog einer und derselbe war, und dass also nach 392 und vor c. 450 die Acta tibersetzt und mit einem Nachtrage versehen wurden, durch welchen der Übersetzer die Streitschrift gleich- sam auf dem Laufenden erhielt?

VI. Textgeschichte.

Denn eine Streitschrift waren die Acta und sind es in allen Phasen ihrer Überlieferung geblieben. Nicht ihr litera- rischer Wert erhielt und schützte sie, nicht der Name eines berühmten Verfassers. Wenn sie auftauchen und verschwinden und wiederum auftauchen, so hebt und verdrängt sie nicht die literarische Mode. Sie wurden verfasst, übersetzt, abge- schrieben und neuerdings hervorgesucht in dem langen Kampf gegen Manichäer und Neumanichäer. Der Inhalt der Acta war es, der von Zeit zu Zeit die Frage des Tages wurde.

Wo und wann Hegemonius seine Stimme gegen die Manichäer erhob, ist am wenigsten ausgemacht. Auch steht nicht fest, wo man das Bedürfnis fühlte, seine Acta ins Lateinische zu übertragen; nur mit leiser Vermutung durfte oben auf Afrika

Ada Arehelai. 549

gewiesen werden.^) Die Zeit aber dieser Übersetzung darf jetzt als gesichert gelten: 392 450, und das sind freilich Jahre, während deren besonders in Afrika der Manichäismus gross war und heftig befehdet wurde. Im sechsten Jahrhundert lagen in Italien^) Auszüge und T) und vielleicht auch eine vollständige Handschrift (x). Es ist die Zeit, in der Gelasius I. und Gregor der Grosse gegen die italienischen Manichäer eifern.^) Später gerieten die Acta in Vergessenheit, und erst im elften Jahrhundert wurde x wieder hervorgeholt und vervielfältigt {(■ und M). Es galt, die Katharer zu bekämpfen.

1) Vgl. oben S. 535.

2) A, T und X sind vielleicht unabhängig von einander nach Italien gekommen; auch der Stammvater von F hat vielleicht seine eigene Geschichte.

') Anathematismen gegen die Manichäer, die in A vor den Acta stehen, hat Muratori herausgegeben (Anecdota II, Mailand 1698, pag. 112). Reifferscheid (Bibliotheca patrum italica II 96) zeigt, dass sie akephal sind, weil vor ihrem jetzigen Beginn in der Hs. ein Quaternio und drei Blätter fehlen. Es folgen auf die Acta in A erstens Gebete (vgl. Chatelain, Intro- duction h la lecture des notes tironiennes, Paris 1900, pag. 117) und dann ein Stuck aus einem Schreiben des Papstes Gelasius. Aber dieses beides gehört nicht zum ursprünglichen Bestände der Hs.

551

Die Akrostichis in der griecMschen Eirchenpoesie.

Von Kmmbacher.

(Yorgetragen in der pbilos.-philol. Klasse am 6. Juli 1902.)

Vorbemerkung.

Die Bedeutung der Akrosticha in der Geschichte der ])oetischen und auch der prosaischen Kunstformen ist heute bekannt. Wollte man ihre Verbreitung klar machen, so müsste man eher nach dem Volke fragen, in dessen Literatur sie fehlt, als nach den Völkern, bei denen sie yorkommt. Wenn einmal die Zeit gekommen sein wird, eine allgemeine Geschichte der literarischen Eunstformen und Spielereien in ihrer grossen internationalen Ausbreitung, ihren genetischen Zusammenhängen und ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen zu wagen, so wird die Akrostichis ein ansehnliches Kapitel beanspruchen. Heute ist dieses Kapitel noch nicht einmal für die griechische und lateinische Literatur geschrieben. Wir sind vorerst auf eine Reihe von Einzeluntersuchungen angewiesen: W. Meyer, Anfang und Ursprung der lateinischen und griechischen ryth- mischen Dichtung, Abhandlungen der Bayer. Akademie, 17. Bd., 2. AbteU., München 1885, S. 370 f. H. Diels, Sibyllinische Blätter, Berlin 1890, S. 25 ff. (dortselbst S. 36 weitere Literatur- angaben). Kurze Übersicht in meiner Geschichte der byzan- tinischen Literatur* S. 697 ff. Eine reichhaltige Zusammen- stellung des Materials aus der christlichen, besonders der latei- nischen Poesie, gibt, ohne auf die historischen Zusammenhänge

1908. Bitagsb. d. plaU<w.-pliUol. iL d. hiBt KL 37

552 K. Krumhacher

einzugehen, H. Leclercq in Gabrols Dictionnaire d'Arch^logie chretienne et de liturgie, fasc. II (Paris 1903) S. 356 fiF.

Zum Werke der Zukunft, einer kritischen Geschichte der Akrostichis in der griechisch-lateinischen und in der Welt- literatur, sollen die folgenden Blätter einen Beitrag liefern. Doch ist es keineswegs der Hinblick auf ein so hohes Ziel, dem sie ihre Entstehung verdanken. Sie sind, wie Ahnliches oft in der Wissenschaft geschieht, aus einem kleinen zufälligen Anlass hervorgegangen. Bei der Lektüre und Bearbeitung der griechischen Kirchenlieder stiess ich in den Akrosticha wieder- holt auf gewisse auffallende Wortformen, auf Buchstaben- verdoppelungen, Lücken, Umstellungen und sonstige Unregel- mässigkeiten. Mehrfach sind in der Ausgabe von Pitra, dem Hauptwerk für unsere Kenntnis der Hymnenpoesie, solche Unebenheiten durch einschneidende Korrekturen beseitigt oder durch gewagte Hypothesen erklärt worden. Dazu kamen weitere Beunruhigungen. Sogar die Glaubwürdigkeit der in den Akro- sticha enthaltenen Autornamen wurde wiederholt angezweifelt.

Kurz, im Laufe meiner langjährigen Beschäftigung mit dem griechischen Kirchenliede ergab sich immer unausweich- licher die Notwendigkeit, alle auf das Gebiet der Akrostichis bezüglichen Tatsachen mit zuverlässiger Genauigkeit zusammen- zustellen, zu sichten und zu prüfen, um für die. Beurteilung jedes einzelnen Falles und der allgemeinen Fragen eine sichere Basis zu gewinnen. Grosse Schwierigkeiten bereitete hier, wie bei aller Arbeit auf diesem unwirtlichen Gebiete, die Schwer- zugänglichkeit und Zerstreutheit des Materials. Ein verschwin- dend kleiner Teil der Lieder liegt in Ausgaben vor, die auf alle Fragen der Kritik Antwort erteilen. Die grosse Ausgabe von Pitra bietet wegen der beispiellosen Flüchtigkeit des Apparats und der ebenso beispiellosen Willkür tiefgreifender Korrekturen für die Untersuchung eine äusserst mangelhafte Stütze. Der grösste Teil der mit vollständigen oder annähernd vollständigen Akrostichen ausgestatteten Texte ruht noch im Staube der alten Pergamenthandschriften. Aber auch für die meisten der gedruckten Lieder kann erst durch Beiziehung früher nicht

tHe Äkrostichis in der griechischen Kvrchenpoesie, 553

benutzter Handschriften bezüglich der Akrostichis wie bezüg- lich anderer Dinge genügende Sicherheit erzielt werden.

Ich entschloss mich daher, als Hauptbasis der Unter- suchung das gesamte mir bis jetzt zugängliche Handschriften- material zu wählen und den bei Pitra gedruckten Texten nur insoweit zu vertrauen, als sie durch die Handschriften bestätigt werden. Da ich von den reichhaltigsten Codices vollständige Abschriften bezw. Kollationen, von den ärmeren wenigstens Beschreibungen oder Proben besitze, so dürften wenige bemerkens- werte Nachträge aus Hss zu erwarten sein. Das in den er- wähnten Hss gebotene Material habe ich ziemlich vollständig beigezogen; nur von den Texten, deren Akrostichis nichts als ein wertloses Fragment (z. B. alv, rov, aßy) oder ein kurzes leeres Wort (z. B. cidiy) enthält, habe ich, um die Materialien- sammlung nicht allzu sehr anzuschwellen, eine beträchtliche Anzahl weggelassen.

Aus dem dargelegten Sachverhalt ergab sich auch die Notwendigkeit, das Beweismaterial umständlicher vorzulegen, als es bei Untersuchungen üblich ist, die mit gedruckten Texten operieren. Es ist für jedes Akrostichon sowohl die Form des Vermerks in der Liedüberschrift als auch die vom Texte selbst gewährleistete Form mit Angabe der Hss und der Varianten notiert, und so eine kritische Gesamtausgabe der Hymnenakro- sticha hergestellt worden. Nur auf solche Weise konnten alle Einzelheiten der im zweiten Kapitel folgenden Untersuchung verständlich gemacht und dem Leser die Möglichkeit zur Kon- trolle und zur selbständigen Beobachtung geboten werden.

Ausser den für die Aufklärung der Akrostichonfragen unumgänglich notwendigen Notizen habe ich im ersten Kapitel auch einiges aufgenommen, was für das Programm in seiner engsten Begrenzung vielleicht vermisst werden konnte: die An- gabe des Tages, zu dem jedes Lied in den Hss steht, die Initien der Prooemien und der ersten Strophe und einige Exkurse zur Überlieferung einzelner Lieder. Diese Zusätze, die sich bequem an das Gerippe der auf die Akrostichis bezüglichen Notizen anfügen liessen, sind zwar auch für die schärfere Be-

37*

554 K, Krumhacher

leuchtung und Kennzeichnung des fQr die Spezialuntersuchung dienenden Materials von nutzen, verfolgen aber doch noch mehr den Zweck, ein vorläufiges Bild des Gesamtbestandes der Hymnen- poesie und ihrer komplizierten Überlieferung zu gewähren und dadurch den Fachgenossen das Auffinden neuer Hss und die Identifizierung einzelner Lieder oder Fragmente zu erleichtem. Wie wichtig ein solches summarisches Inventar der bis jetzt bekannten grösseren Stücke der Hymnenpoesie für alle weitere Forschung ist, habe ich an den Beschreibungen von Hss ver- spürt, die von Papadopulos-Kerameus, Vasiljev u. a. ohne eine derartige Grundlage gemacht wurden.

Eine gewisse Ungleichmässigkeit in der Vorführung des Materials rührt davon her, dass ich für einen Teil der Hss auf Analysen und Auszüge angewiesen war, die von Fachge- nossen ohne Rücksicht auf den besonderen Zweck der vor- liegenden Untersuchung und ohne Streben nach Konsequenz und Vollständigkeit hergestellt worden sind. So mag ent- schuldigt werden, dass die Folienangaben bei manchen Liedern fehlen und dass einzelne Notizen mit störenden Fragezeichen begleitet werden mussten.

Dem Materialienkapitel und der Untersuchung habe ich die kritische Ausgabe eines Liedes beigefügt, um die hinsicht- lich der Akrostichis vorkommenden Verwirrungen und die eminente Wichtigkeit einer umfassenden Betrachtung der Akro- sticha an einem konkreten Beispiel zu veranschaulichen.

Die Akrosticha der Hymnen stehen durch ihr Alter, ihre Mannigfaltigkeit und die mit ihnen verbundenen kritischen Fragen im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Zur Ergänzung mUssten auch die Kanones und die übrigen Lied- arten beigezogen werden. Dass ich diese Ergänzung nicht geben konnte, ist durch unüberwindliche materielle Schwierig- keiten verschuldet. Wir besitzen für die Überlieferungsge- schichte dieser späteren Werke so gut wie keine Vorarbeit; um sie in ähnlicher Weise zu behandeln wie die Hymnen, bedürfte es vieljähriger Sammelarbeit in den Bibliotheken Europas und des griechischen Orients. Ich muss mich daher

Die Akrostichia in der gnectUschen Kirchenpoesie, 555

begnügen, bezüglich der Kanones und sonstigen Eirchen- dichtungen auf die allgemeinen Tatsachen zu verweisen, die aus den Texten bei Christ-Paranikas, Anthologia graeca car- minum christianoruni, ersichtlich und in meiner Geschichte der byzantinischen Literatur^ S. 697 skizziert sind. Aus dem Ge- sagten erhellt auch, dass der Titel der Abhandlung genau genommen lauten müsste: „Die Akrostichis in der kirchlichen Hjmnenpoesie der Griechen* oder noch genauer: „Die Akro-* stichis in den sogenannten Hymnen der griechischen Kirche*. Doch hat mich Fanatismus für Kürze und leichte Zitierbar- keit die knappere Fassung wählen lassen.

Es ist mir eine willkommene Pflicht, auch an dieser Stelle den Herren Alexander Eumorphopulos, Athos, P. N. Papa- georgiu, Saloniki, A. A.Vasiljev, Petersburg, und J. Sicken- b erger, München, zu danken, "die durch freundliche Herstellung Ton Beschreibungen von Hss, Exzerpten und Kollationen die vorliegende Arbeit gefordert haben. Herrn Sickenberger danke ich auch für den freundlichen Nachweis der Bibelstellen zum Texte im dritten Kapitel.

556 JT. Krumbacher

Verzeichnis der Abkürzungen.

I. Codices.

1. Haupthandschriften d.h. sogenannte Eondakarien (das Tropologion und Triodion oder eines der zwei BQcher enthaltend).

A AthousBatopediu (Signatur unbekannt), saec. X— XI. 285Bl&tter. Mir nur bekannt durch die Analyse von A. Papadopulos-Kerameus, B. Z. 6 (1897) 375-380.

B Athous Laurae r"27, saec. X ex. (nach Papadopulos; saec. XI nach Papageorgiu) 102 Blätter. Mir nur bekannt durch die knappe Analyse von A. Papadopulos-Kerameus, B. Z. 6 (1897) 380-383, und durch eine sehr ausführliche ungedruckte Beschreibung, die P. N. Papageorgiu, Saloniki, im Jahre 1900 für mich angefertigt hat.

G Corsinianus 366, saec. XI, 163 Blätter. In Grotta Ferrata ge- schrieben. Vgl. Pitra, An. Sacra I S. 663 ff. Von mir vollständig kollationiert bezw. abgeschrieben.

D Athous Laurae /*' 28, saec. XI, 230 Blätter. Mir nur bekannt durch eine ausführliche Beschreibung, die der Lauramönch Alexander Eumorphopulos im Jahre 1902 für mich angefertigt hat. Ober die zwei Laura-hss vgl. auch 'ExxXrjotaauxrf 'AX^^eta 12 (1892) No. 32 f., und B. Z. 2 (1893) 604 f.

F Sinaiticus 698, saec. XIV, 316 Blätter. Enthält u. a. ein sehr stark verkürztes Tropologion und Triodion.

G Sinaiticus 925, saec. X, 118 Blätter. H Sinaiticus 926, saec. XI, 115 Blätter. J Sinaiticus 927, saec. XIV, 335 Blätter.

K - Sinaiticus 928, saec. XIV, 95 Blätter. F, G, H, J, K sind mir nur bekannt durch eine teils ausführliche, teils summarische Be- schreibung, die A. A. Vasiljev, Petersburg, im Jahre 1902 für mich hergestellt hat. Die Altersbestimmungen stammen aus dem Katalog der Sinai-hss von Gardthausen.

M Mosquensis Synod. 437, saec. XII, 328 Blätter (aus dem Athos- kloster Batopedi stammend). Teilweise ediert und facsimiliert von AmfilochiJ (s. u.). Das übrige von mir kollationiert bezw. abge- schrieben.

N Messinen sis 157, saec. XII ex., 126 Blätter. Stark verkürztes Tropologion. Von mir teilweise verglichen.

Die Äkrostichis in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 557

P Patmiacus 212, saec. XI, 288 Blätter. Von mir in Patmos im

Jahre 1885 vollständig abgeschrieben bezw. verglichen. Q Patmiacus 213, saec. XI, 153 Blätter. Von mir in Patmos im

Jahre 1885 vollständig abgeschrieben 'bezw. verglichen. ;r Taurinensis B. IV. 34, saec. XI, 194 Blätter. Von mir i. J. 1886 '" vollständig verglichen bezw. abgeschrieben. Nun vermutlich durch

den Brand in der Turin er Universitätsbibliothek am 26. Januar 1904

vernichtet.

V Vindobonensis suppl. gr. 96, saec. XII, wahrscheinlich in Grotta- / ferrata geschrieben, 173 Blätter. Von mir im Winter 1898/99 ver-

"" glichen bezw. abgeschrieben.

2. Sekundärhandschriften d.h. Hss, die nicht das alte Tropo- logion oder Triodion, sondern nur einzelne Hymnen oder Fragmente im Zusammenhange späterer liturgischer Bücher bewahren.

a Crypt. A. 6, 6. Enthält das Lied Hypapante, Pitra S. 28 ff.

b Crypt. A. a. 1. Geburt Mariae und Symeon Stylites, Pitra 8. 198 ff.,

210 ff. c Crypt. J. a. 6. Theophanie und Taufe Christi, Pitra S. 16 ff., 23 ff. d Crypt. A. a. III. Kosmas und Damian, Pitra S. 218 ff. e Crypt. J. d. ITI (neue Signatur: T. a. 25). Totenlied, Pitra S. 44ff. f Crypt. A. d. ^ (neue Signatur: E. d, A). Totenlied, Pitra S. 44ff. g Crypt. XVIII (?). Stichera, Pitra S. 222 ff. 'k Mosqu. 153. Hypapante, Pitra S. 28ff. 1 Vallicell. E. 54. Stichera, Pitra S. 222 ff. m Vatic. 1212. Theophanie und Stichera, Pitra S. 16 ff., 222 ff. n Vatic. 1515 (?). Stichera, Pitra S. 222 ff. o Vatic. 1531. Stichera, Pitra S. 222 ff. p Vatic. 1829. Geburt Mariae, Pitra S. 198 ff. q Vatic. 1836. Totenlied, Pitra S. 44 ff. r - Vatic. 1969. Totenlied, Piti-a S. 44 ff. ^s Vatic. 2008. Theophanie und Hypapante, Pitra S. 16 ff., 28 ff. t Vatic. 2072. Orestes, Sabas der Jüngere, Pitra S. 300 ff. t* - Vatic. reg. 54(?). Stichera, Pitra S. 222 ff. u Vatic. reg. II 68. Theophanie, Pitra S. 16 ff.

V Venet. 553. Totenlied, Pitra S. 44 ff. w Venet. II 138. Totenlied, Pitra S. 44 ff.

X - Vindob. theol. 33. Der hl. Johannes der Täufer, Pitra S. 178 ff.

Bezüglich der wahren Signatur einiger Cryptenses und Vaticani, die ich nach Pitra angeführt habe, herrschen Zweifel, die ich demnächst durch neue Nachforschungen an Ort und Stelle zu lösen hoffe. Einige Stücke der Cryptenses und Vaticani hat Professor J. Sickenberger, München, für mich verglichen.

558 K. Krumbaeher

IL Druckwerke.

Amfilochij, Facsimileband Archimandrit Amfiloch^, Snimki iz kondakarija XII—XIII .yjeka, Moskau 1879.

Amfilochij^Teztband— Arcbimandrit Amfilochij, Kondakarij t greces- kom podlinnikje XLl— XIII v. po rukopisi Moskovskoj sjnodaljnoj biblioteki No. 437, Moskau 1879.

Krumbacher, Romanos und Kjriakos E. Kr., R. u. K., Sitzungs- berichte der philos.-philol. und der bist. Glasse d. K. Bayer. Akad. d. Wiss. 1901 S. 693 ff.

Krumbacher, Studien K. Kr., Studien zu Romanos, Ebenda 1896, Band II S. 69 ff.

Krumbacher, Umarb. K. Kr., Umarbeitungen bei Romanos, Ebenda 1899, Band II S. 1 ff.

Nilles Nie. Nilles, Kalendarium Manuale, 2 tomi, Oenipontae 1896 —1897.

Papadopulos-Kerameus Papadopulos-Kerameus, 'A^a^vtxa xor- daxaglcov dvx{ygaq>a, Byz. Zeitschr. 6 (1897) S. 375 ff.

Pitra J. B. Pitra, Analecta Sacra spicilegio Solesmensi parata, Tom. I, Parisiis 1876.

Pitra, Jubiläum 8 gäbe J. B. Pitra, Sanctus Romanus yetenim melo- dorum princeps. Cantica sacra etc. edidit J. B. cardinalis Pitra. Anno Jubilaei Pontificii (1888).

Sergij - nOJIHLIÜ M'LCaUECJIOB'L BOCTTOKA. APXIIMAH,JIPHTA CEPrifl. 2 T. Moskau 1875-1876.

Die Ahrostichui in der grieehischen Kirchenpoesie. 559

Erstes Kapitel; Material. L Die Akrostichis bei Romanos.

A. Edierte Lieder des Romanos. ^ r. .. >n \ ^

Ol O

1. Die hl. Nacht. L Lied. Pitra S. 1—11. ^ " -^.^ .'::,)(X^^ Überschrift: q)eQov äxQoaxixiio. ri^vde (rrjvde fehlt C VJ)'

Tov raTieivov ^cofxavov 6 (d fehlt BCVD) v/iro? PBCVDJJtfT. Text: ebenso d. h. die Strophe für 6 fehlt in BCVD. Prooemion: 'H Ttag'&ivog. Strophe a: Triv *Edkfi,

Die in BCVD fehlende Strophe für 6 enthält die wichtige Mitteilung der Magier über den Stern und die Hoffnung, die ihnen als Führer gedient haben, und ist um so unentbehrlicher, als ohne sie der aufklärende Bericht der Magier an die vor- nehmen Juden ganz dürftig (auf eine halbe Strophe beschränkt) wäre. Es ist also wohl sicher Ausfall der durch die Akro- stichis nicht genügend geschützten Strophe in B D und in der italischen Redaktion anzunehmen. Keine nähere Angabe be- sitze ich über G fol. 48^—51'.

2. Der hl. Stephan. 27. Dezember. I. Lied. Pitra S. 12-16.

Überschrift: nolrj/ia ^oyfxavov C (fehlt V). Text: TovxaovoQoyfA CV. Prooemion: 7V/v t&v &v6fjL(ov, Strophe a': Tov jiQOixofidQTVQoq.

Der Vermerk in der Überschrift, der in V fehlt, ist auch in C nicht in der üblichen Weise (durch q^igov dxQoarixtda)

560 Ä. Krumbadter

eingeführt; der Schreiber wollte nur notieren, dass das Lied dem Romanos gehöre, gab aber die Akrostichis nicht an, da er nur ein Bruchstück vor sich hatte. Woher er den Dichter- namen kannte, wissen wir nicht; vielleicht erschloss er ihn einfach aus dem fragmentarischen Akrostichon selbst, obschon auch denkbar ist, dass die Notiz aus einer Hs stammt, in der das Gedicht noch vollständig war. Das erhaltene Akrostichon nun passt in keine der üblichen Formeln; auch ist bei der in CV gebotenen Anordnung der Strophen der inhaltliche Zu- sammenhang gestört; die Episode über Saulus-Paulus ist aus- einander gerissen. Pitra hat die Strophen über Saulus-Paulus mit Recht vereinigt und die Strophe über den Tod des hl. Ste- phanus an den Schluss gesetzt, so dass er die Buchstabenfolge TovTOQOj^aov erhält. In Wahrheit wird aber die Strophe ''Ayiog^ die er nach der Gruppe gcofi setzte, den Schluss des Liedes gebildet haben ; denn sie enthält eines der persönlichen Gebete, wie sie in den Epilogen des Romanos häufig sind. Mithin wird Pitras Vermutung, die Akrostichis habe Tov Tajieivov 'PcDjuavov gelautet, nicht das Richtige treffen. Sie hiess wohl: Tovxo 'Pü}/jL{av)ov {xö 7ioirjjii)a. Es sind also von 20 Strophen 9 verloren gegangen. Die Hoffnung, diese Lücken durch die Athos- oder Sinai-hss ergänzen zu können, hat sich leider nicht erfüllt. Das Lied fehlt auch in ABDFGHJK. Man sieht an diesem Beispiele, welche Raritäten bei allen ihren sonstigen Mängeln die italische Redaktion birgt.

^ 3. Der hl. Stephan. II. Lied. Pitra S. 332 f. edierte drei Strophen mit dem Prooemion aus T unter dem Autor- naraen Cuculus. Ein Dichter dieses Namens existiert aber nicht; was Pitra in T als „xö KovxovXov IdidjbieXov* gelesen hat, heisst vielmehr: xd xovxovliov IdiöfieJiov. In P fehlt diese Notiz. Zwei andere Beispiele des seltenen Ausdrucks xovxovltor: In P fol. 127^ steht am Rande zum zweiten Prooemion eines anonymen Liedes Eig xijv ovva^iv xfjg OeoxSxov die Notiz: äkXo xovxovliov. In D ist in der Überschrift eines Liedes zum 26. September bemerkt: to xoifxovXiov lÖto^iskov. Später edierte Pitra, Jubiläumsgabe S. 1 10 das ganze Lied aus P

Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 561

fol. 129''— 132'; nur das Prooeraion, das sowohl in T als in P steht, ist hier, wohl durch ein Versehen, weggeblieben.

Überschrift: q)iQOV äxQooxixida rrfvÖB, xov xaneivov §Q>fiavov P.

Text: ebenso {xanEivov^^ P.

Prooemion: ÜQ&xog iandQrjg.

Strophe a: Tov JtaQadeioov,

4. Theophanie. 6. Januar. Pitra S. 16 23. Überschrift: (pigov (q>igei? D) äxgoaxixida xrjvdB {xyjv&e

fehlt C). xov xaneivov ^(Oßiavov PACDGJMT: t) äxgooxixk- xov TOJUivov (so) QWßJiavov B: der Anfang des Liedes fehlt V.

Text: ebenso (xaneivov) PBCDQJMT (vermutlich auch A).

Prooemion: 'Ene(pävrjg.

Strophe a: Tfj Faldalq^,

5. Adam (Christi Taufe). 7. Jan. I.Lied. Pitra S. 23— 27. Überschrift: <pigov äxgoaxixida xrjvde {xrivie fehlt CV).

xov xaneivov gcoßiavov PCV: ij äxgoaxixig xov xaneivov ^co- fxavov (so) B.

Text: ebenso {xaneivov\) PB V: nur Strophe 1 3, 18 C*

Prooemion: Triv ocojuaxixrjv aov,

Strophe a: Tcß xvcpkoy^hxi,

6. Mariae Lichtmess. 2. Februar. Pitra S. 28 35. Krumbacher, Studien S. 184—201.

Überschrift: q>£gov {<pegei D) äxgoaxixida xi^vde (xi^vde fehlt ACV). rovTo gwfAavov x6 Snog PACVDGJ: cpegcov äxgo- axixida xrjvde (fi äxgooxixk B). xov xaneivov ga}fiavov xd inog BM: (pigov äxgoaxixida xi^vde. xov goyfiavov x6 Snog T.

Text: Toöro §(o/jiavov x6 inog PBCVDMT (wohl auch AG): keine Angabe über J.

Hier bieten also BMT eine mit dem Texte nicht über- einstimmende Überschrift.

Prooemion I: Xogog äyyeXixög,

Prooemion II: 'O odgxa dC fjfAäg,

Prooemion III: 'O fujxgav.

Strophe a: Tfj deoxoxqy.

'^

562 K. Krumbadter

/

7. Der jüngste Tag. Kvgiaxrj rijg 'Ajiöxqeco, Pitra S. 35—43. Krumbacher, Studien S. 163—183.

Überschrift: (pigov AxQoaTixlf^CL ti^vde (rijvde fehlt CV) Tov xcLTiEivov Q(Ofiavov TO Sjiog CVDM: ij äxQoauxk' tov ra- neivov Q. r. 1*. B : in Q ist der Anfang des Liedes ausgefallen : in GJT fehlt der Vermerk, der keinen Sinn hätte, da hier nur wenige Strophen des Liedes stehen.

Text: ebenso Q (doch erst von -jaavov an) ABC (doch fehlen in C die zwei letzten Strophen -og) VDM: rov rajisi 6: ov zajiei J: rov ran T. Die Strophe E vor -ivov ist also, von den Lücken in QT abgesehen, einstimmig überliefert; sie fügt sich ausserdem nicht bloss trefflich in den Zusammenhang, sondern beruht auch, wie die meisten übrigen Teile des Liedes, auf Ephrems Homilie Elg ttjv devrigav naqovolav. Das hat uns der mitten aus einer vielversprechenden Tätigkeit ent- rissene Dr. Th. Wehofer in seiner als Manuskript gedruckten Studie „Untersuchungen über die Apokalypse des Romanos** S. 75 ff. nachgewiesen. Unbenutzt ist für den Text noch A fol. 206^-211^ B fol. 67'-7P, D, G fol. 74^-76^

Prooemion: ^Oxav eX^g,

Strophe a: Td (poßegöv oov,

8. Requiemlied. Z&ßßarov xrlg Tvgoq>äyov. Pitra S. 44 bis 52 (nach 5 Hss). Ohne Kenntnis dieser Ausgabe und des Druckes in griechischen Euchologien (vgl. Papadopulos-Kera- meus B. Z. II 605) ed. das Lied, wohl aus Codex B, Alex. Eumorphopulos, 'ExxXrjo. 'AXij^eia 12 (1892) Nr. 32 S. 262 bis 264. Die Überlieferungsverhältnisse dieses später vielfach umgearbeiteten Liedes sind ungemein verwickelt. Ich notiere nur das für unseren Zweck wichtige Material aus einigen Hss:

Überschrift: ^ äxgoorixk {(pigov äxgoaxixtda q: Sxovra [sc. xovrdxia] äxgooiixida r) xov xaneivov ^(Ojnavov 6 (6 fehlt q r) yjakjüLÖg ovxog Q q r: (pigov dxgoaxixlSa. xov xaTieivov ^co- juavov (aus Platzmangel nicht vollständig) V: c&v ^ äxgooxixig {xovddxiov €xo)v dxgoaxixida f) tov xaneivov §ojfiavov y^ak/Liog y fvw: (pegov dxgoaxixida xi/jvöe. xov xaneivov gco/navoi} y^aX/iog

Die Ährastkhis in der griechischen Kirchenpoeeie, 563

oßiov xd' (= zusammen 24 Strophen) M: Überschrift felilt B(?)ke: keine Angabe über A.

Text: Tov xcuieivov §(o/iavov 6 (6 fehlt q) ipaXfxbg ovros Q q: TOV TOTtivov (für E vor -ivov leerer Kaum von 5 Zeilen V) ^u)/jtavov (nach gcojuavov ein 0 und 2 leere Zeilen am Seiten- schluss V) rpaXjAbq ovrog Vkr: tov Taneirov (xanivov Mwf [in f ist das Fehlen der Strophe E am oberen Rande durch die Notiz it'* e bemerkt]: xanvov B) Qoyfxavov ipaXfidg ABM vwf: TOV Tantvov ^co/i e.

Die Hss zerfallen in eine Klasse mit dem Worte ovTog am Schlüsse, also mit 29 bezw. 28 Strophen (in Q 30 durch den Artikel 6 vor tpaXjudg) und eine verkürzte ohne das Wort oi^Toc mit 24 bezw. 23 Strophen. Die Form Taneivov ist in beiden Klassen vertreten, in der ersten durch Q q, in der zweiten durch Av, die Form Tamvov in der ersten durch Vkr, in der zweiten durch Mwf, ausserdem durch den verstümmelten e; in B fehlt die ganze Gruppe EI. Über sonstige Abwei- chungen der Hss (Umarbeitung und Umstellung ganzer Strophen u. s. w.) könnte nur auf Grund einer neuen kritischen Ausgabe des Liedes gehandelt werden.

Prooemion: 'Qg äyanr^Ta,

(Statt dessen in Q die zwei Prooemien:

Ol ix TOV ßiov 'iig evaeßelag),

Strophe a: Tolg tov ßiov TeQnvoTg.

9. Triumph des Kreuzes. Charfreitag. Pitra S. 53— 60.

Überschrift : tfigov äxQoaTixlda Trjvde. tov Tajieivov Qco/navov Q : Jioirjßjia Qcojuavov C : tov Taneivov Qcojuavov V : rj äxQoaTixig' tov Toneivov QWfxavov M.

Text: TOV Tajieivov ^cojuavov (18 Str.) QCVM.

Prooemion I: Ovxeri (ploylvrj, Prooemion II : 'Qg äXtj§a)g. Prooemion ni : ovQavia. Strophe a\ TQsig oTavgovg.

564 K, Krumbacher

10. Palmsonntag. Pitra S. 61 67.

Überschrift: (psQov äxQoaxixlda ii^vde (xi^vde fehlt ACVD) etg td ßd'Ca §a>fiavov {gco/uLdvov C) QACVD: ^ dxQoorixk eh xd ßd'ia Qcofiavov G: qpegov dxgoOTtxida Jijvde. elg xd ßdXa M: Vermerk fehlt T.

Text: elg xd ßdia ^wfiavov QACV: Strophe 13 (a) fehlt M: Strophen 10-15 fehlen DT: Str. 6—16 fehlen G.

Prooemion I : Merd xXd6(üv, Prooemion II: T(p ^görcp, Strophe a: ^Eneid^ ^Aidrjv.

^11. Der keusche Joseph. Montag der Osterwoche. IL Lied. Pitra S. 67—77. VgL Krumbacher, Studien S.217f.

Überschrift: ov ^ dxgoaxixk- etg xdv i(oai](p ^(Oßavov &iog Q: xovddxiov elg xdv oaxpgova Icoorjip. nXdyiog d\ ^a>/i** (also ohne eigentlichen Akrostichon vermerk) C: (pegov äxgo- axiyjda. elg xdv Icoorjq) ^cojuavov V.

Text: elg xov icoo7](p ^cojuavov Inog (inog fehlt CV)QCV.

Es ist also in CV das Lied um das letzte Wort der Akrostichis verkürzt, ähnlich wie in einigen Hss bei Nr. 8.

Prooemion I: 'AxoXaoia, Prooemion II: Ol x6 oxddiov. Prooemion III: Tovg xd nd&og, Strophe a: ''Exovxeg ßaadia.

/ yl2. Der keusche Joseph. UI. Lied. Pitra, Jubiläums- galbe S. 11—30. Krumbacher, Studien S. 105-162.

Überschrift: (pegov dxgooxixida xrjvde. dXq>dßrjxov g(o- fiavov Q.

Text: a ßy öel^ri'&ixXnv^OTigaxv (p%y) (D dXq)dßr]xov gcDjLiavov (40 Strophen) Q.

Der Begriff Alphabet ist also auffalligerweise im Texte zweimal akrostichisch ausgedrückt.

Prooemion: 'O 'Icoaxcoß xcp xixibvi. Strophe a\ ^AvxXrjocofJiev.

Die Äkrostichia in der ffrieehischen Kirchenpoesie, 565

> 13. Die zehn Jungfrauen. Dienstag der Osfcerwoche. IL Lied. Pitra S. 77-85. Krumbacher, ümarb. S. 45—70.

Überschrift: (pigov äxQoorix^da Trjvde' rov xaneivov ^o)- fiavov xovjo 10 no(f]fia Q: tpeQov äxgooTixlda, rov raneivov gojjuavov (bdrj V : der Vermerk fehlt in C (Pitras Notiz beruht auf Irrtum), ebenso in MT, die nur einen kleinen Teil des Liedes bewahren.

Text: Tov xaneivov ^co/iiavov tovro to Tioirifia Q: rov xaneivov ^co/iiavov (bdij a (wohl = a d. h. ngcbirj) CV: nur einige Strophen sind erhalten in MT. Pitra, dessen Ausgabe auf C beruht, hat in der 8. Strophe des Codex, die das E (in TOTieivov) vertritt, das erste Wort Etde in 13« geändert und die Strophe an den Schluss des Liedes verwiesen; so erhält sein Text die Akrostichis: tov xamvov Q<ofiavov (bdrj ai, wo- bei das i unerklärlich ist. Näheres über die ausserordentlich verwickelte Überlieferung dieses Liedes bei Krumbacher, ümarb. S. 13 ff., über die Gruppe ei in xojieivov S. 29.

Prooemion I: T6v wjAcpiov.

Prooemion II: 'O vv/Kplog.

Strophe a: Trjg Ugäg.

14. Die zehn Jungfrauen. I. Lied. Pitra, Jubiläums- gabe S. 31—41. Krumbacher, TJmarb. S. 99—111.

Überschrift: ov ^ äxQOoxixk- xov xaneivov ^cüjnavov Q. Text: ebenso (18 Str.) Q. Prooemion: Aa/urndda. Strophe a: Ti ^a^vfxeig.

15. Die Buhlerin. Mittwoch der Osterwoche. Pitra S. 85-92.

Überschrift: q^egov dxQOOxixi^o. xi^vde (xijvde fehlt CV). rov xaneivov ^wjnavov QCV.

Text: ebenso (18 Str.) QCV. Prooemion I: '0 nÖQvrjv. Prooemion II: Kaxi^ovoa, Strophe a: ^rj/iaxa.

566 K, Krumbacher

^^16. Judas. Gründonnerstag. Pitra S. 92—100, Krum- bacher, Romanos und Kyriakos S. 736 752.

Überschrift: tpeQov äxQooiixlda x^vde (rrjvde fehlt C: q^sQov äxQooxijiiid xrjvde fehlt V) xov taneivov ^cojuavov Jioirjßw. QCV.

Text: xov rantvov §(Ofiavov Ttoirffia (23 Str.) QCV. Doch sind in C 7, in y 5 Zeilen für die vermisste Strophe mit E freigelassen ; in Q schliesst sich die Strophe mit / ohne Zwischen- raum an die mit 77 an.

Prooemion I: Iläxeg inovQdvie.

Prooemion II: Aeanöxov ;|^e^ai.

Strophe a : Tig dxovoag,

17. Maria beim Kreuze. Gharfreitag. Pitra S. 101 107. Neue Ausgabe im dritten Kapitel dieser Abhandlung.

Überschrift: (pegov {(peg^ T) dxgooxixlda xi^vde (xT^vde fehlt ACVT) (rj äxQoaxixlg Ö) xov xaTzeivov Qcojbiavov QAC VGMT: fehlt B.

Text: xov xaneivov Qcofxavov (18 Str.) QM: xov xamvov QOifxavov (17 Str.) BC VT: xov xajiei G: keine Angabe über A. In C sind 7, in V 6 Zeilen für die Strophe mit E freigelassen ; in BT ist keine Lücke angedeutet.

Prooemion : Tor dt* fifxäg.

Strophe a : Tbv Xdiov ägva.

// 18. Petri Verleugnung. Gründonnerstag. Pitra S. 107 —116. Krumbacher, Studien S. 114—134.

Überschrift: (pagov äxgooxixida xrjvde (xi^vöe fehlt C V) xov xoTieivov Qü)/iiavou alvog QCV.

Text: xov xamvov QOjfxavov alvog g (so) Q (die zweite Strophe für H dient für den bestimmten Zweck einer Tauf- feier): xov xamvov Qojjuavov alvog CV, wo also die zweite Strophe mit H fehlt. In allen drei Hss xamvov und zwar ohne Andeutung einer Lücke.

Prooemion I: '0 noifxriv.

Prooemion II: Tcjv (poßsQOJv.

Prooemion III: ^'AXXog ßv&dg.

Strophe a: Tbv vovv ävvxpcoocoixev.

Die ÄhrosUekia in der griecfUschen Kirchenpoesie. 567

19. Die Passion. Gharfreitag. Pitra S. 116—124.

Überschrift: q)iQav ängoorixlda ttjvde (ri^vde fehlt C). elg z6 nd&og yfaXfibg §(OfJiavov {j^wfxdvov C) QC: etg x6 nd&og ipaijudg Q'' y (aus Mangel an Raum in der Zeile verkürzt).

Text: eis t6 nd&og tpaXfidg ^(Ofiavov QCY (in Q sind einige Initialen durch Zerstörung des Blattrandes ausgefallen). Prooemion I: ZrifUQov hagdtrero (nur in Q). Prooemion 11: Tfjg ?;u^^oc. Strophe a: "Exaxrj&i.

20. Ostersonntag. Pitra S. 124—140.

Überschrift: <peQov {npigei (?) B) äxQoouxida QpiQ^

[zerstörter Blattrand] Q) Ji^vde {ri^vde fehlt BOY) tov joneivov ^(OfAavov {qcofidvov B) 6 {6 fehlt QABMT) xpakfAÖg Q ABC V MT: fehlt GJ.

Text: TOV xaneivov ^(Ofiavov y)aXjiwg QBCVJMT (wohl auch A): rov xajieivov G.

Der Zusatz des Artikels 6 in der Überschrift CY beruht auf einem Yersehen des italischen Archetypus.

Prooemion I: El xal h jd<pq),

Prooemion 11: KaxaXaßovoai (nur in CY).

Strophe a: Tdv nqb ^Uov.

21. Der hl. Thomas. Weisser Sonntag. Pitra S. 140— 147.

Überschrift: tpigov ixQoatixtda rijvde {ri^vös fehlt Y). TOV TOTieivov §a}fw.vov QY: notrifxa ^cojLiavov C: fehlt M.

Text: TOV Toneivov ^co/iawov (so) Q: tov Taneivov ^co- fjiavov CY: tov TOJieivov M (die letzten 7 Strophen fehlen): nur 6 Strophen in GJ: keine nähere Angabe über A.

Also durchwegs tojisivov. Neu ist die Schreibung §o)/iawov in Q. Die zweite Strophe mit N ist identisch mit der in CY {Nai, <pddv&Q(on€); die erste, in CY fehlende, beginnt mit: Nvv olv dioTtoTü und enthält Worte des Thomas. Yermutlich haben wir in der Doppelung des N die Spur einer Umarbeitung des Liedes zu erblicken, bei der durch Yersehen des Kopisten auch die unterdrückte Strophe in den Text kam. Auch sonst

1908. SiUgsb. d. pbUoa..phUo]. n. d. hiit KL 38

568 £. Krumhaeher

ist der Text des Liedes, besonders gegen den Schluss, in Q sehr verschieden von der Fassung GY.

Prooemion: T^ q)dojiQdyjuovi (in CV noch 2 andere Pro- oemien).

Strophe a: Tlg iqwka^e.

22. Christi Himmelfahrt. Pitra S. 148—157. Überschrift: (pigov äxQoorixl^ xr^vde (x^vde fehlt ACV).

Tov rajieivov ^cojmxvov QACVM: 17 (^ fehlt T) äxQOorixk' Tov xaneivov QCOjLiavov BGT: fehlt J.

Text: TOV xaneivov gw/uarov (18 Str.) QBCVMT (wohl auch A): tov xanei J: xov xojze G.

Prooemion: Tijv vtieq fifi&v.

Prooemion 11: lEr tcJ oqei (nur CV).

Strophe a': xrjg yrjg.

23. Pfingsten. Pitra S. 157—164.

Überschrift: (peqov {(pSgei M) ängooTixldcL xrjvde (xrivde fehlt C VT) {fi äxQooTixk G). xov xaneivov §(ojbiavov QAC VGMT.

Text: xov xaneivov §a}jLiavov CVM (wohl auch A): xov xaneefivov ^wavov T: xov xaneivov ^ GJ: xov xaneiv (der Rest fehlt durch Verstümmelung der Hs) Q.

In QCVM beginnt Strophe 8 mit 'loxi^xeioav d. h. die Form ElaxY}xeioav ist nach dem Prinzip der Antistoechie für Littora / gebraucht und demgemäss auch geschrieben; ausser- dem ist in T die Strophe M durch irgend ein Versehen von der 14. an die 9. Stelle geraten. Also durchwegs xaneivov^ aber mit Vertretung von / durch antistoechisch behandeltes EL

Prooemion: "Oxe xaxaßäg,

Strophe a': Taxeiav,

24. Allerheiligenfest. Pitra S. 165—169; Überschrift: (pigov äxQoaxixida. 6 alvog §(ojuavov ACV:

oi fi äxQooxixig- 6 alvog ^oyfiavov M.

Text: ö alvog ^co/luxvov ACVM: 6 alv GJ^ Prooemion I: *iig änagxdg, Prooemion 11: 'üg Hei^jucov. Strophe a: Ol Iv ndaij.

Die Äkrostidhis in äer griechischen Kirchenpoesie. 569

25. Die heiligen Apostel. 29. Juni. Pitra S. 169—178. Überschrift: (piQOV {(pegsi ? D) äxQOüxtxlda rrfvöe, xov

xajieivov ^coßjiavov 6 ipak/nög PÄD: ^ äxQooxixiS' tov xaneivov ^(Ofjiavov M: kein Vermerk CVT.

Text: xov xanivov ^cojüiavov 6 y/aX/iög PCVD (in V ist nach Strophe II die Initiale E gesetzt und zwei leere Zeilen am Seitenschluss): xov xojiivov ^m/io (die Strophe mit O ist = Strophe 18 des YoUständigen Textes) M: xov xojiivov ^(jo)fA T. Also durchwegs xanivov ohne Andeutung einer Lücke; denn die zwei freien Zeilen in V rühren vom Schreiber V, nicht Yom italischen Redaktor her. In A lautet die Überschrift wie in P; über den Text von A habe ich keine Angabe.

Prooemion I: 'O oo(ploag,

Prooemion II: Tovg äocpakeig,

Strophe a: Tqdvoyaov.

26. Der hl. Johannes der Täufer. 29. August. Pitra S. 178—185. Unbenutzt A fol. 186^—190^.

Überschrift: (pigov dxQoaxixida, xov xaneivov ^(lavov C: fehlt M.

Text: xov xaneivov ^coßiavov AC: xov M. Prooemion I: Ilgmei ool Prooemion 11: 'H xov nqoÖQOfxov. Strophe a\ yeviaia.

27. Die drei Knaben im Feuerofen. 17. Dezember. Pitra S. 185-198.

Überschrift: qfigov äxQooxixlda xi^vde {xrjvde fehlt ACV). xov xaneivov ^fiavov 6 tpaXfjidg ovxog PACVD: (pigov äxgo- axixlda xov xaneivov §ü>fJiavov M: fehlt T.

Text: Tov xaneivov ^aj/iiavov 6 tpak/iog ovxog PA(?)CV: xov xajieivov ^oy/navov M: xov xaneivo D: xoxvan (nur 6 Strophen in verwirrter Ordnung) T. Keine nähere Angabe über G fol. 45^ 48^. Also durchwegs xaneivov.

Prooemion I: XeiQ6yQa(pov elxöva.

Prooemion EL: Ol xQeig.

Strophe a: Tdxvvov.

38*

570 K. Krumbacher

28. Mariae Geburt. 8. September. Pitra S, 198—201. Überschrift: (pigov dxQocrix^^ xiqvde {xrivde fehlt Ab).

fl (bdfj ^ODjLiavov AGb: ofi ^ dxgooxixk- ^ (bdi^ ^oyfmvov p. Text: ebenso AGbp. Prooemion: ^loyanxelfi xal "Awa. Strophe a: 'H jiQoaevxij-

29. Der hl. Nikolaos von Myra. 6. Dezember. I.Lied. Pitra S. 202—209.

Überschrift: q>£Qoy äxQoarixlio, rijvde. alvog xal 6 tpaX- fji6g Tov §(üfiavov P: &xQoanxk* alvog x, 6, tp. t. ^. T: fehlt CVM.

Text: alvog xal 6 yjaXfibg tov QOifiavov PT: nur Pro- oemion und die ersten zwei Strophen und zwar stark umge- arbeitet CV: nur Prooemion und die ersten drei Strophen M.

Prooemion: *Ev xoXg fxvqoig.

Strophe ai *Awiuvi^acoßji€v.

30. Der hl. Symeon Stylites. 1. September. Pitra S. 210—217.

Überschrift: ravxrj (avxtj b) ^ <b<ii] xov iXaxloxov ^cojua- vov Ab: fehlt M.

Text: xavxf] (so) ^ ibitj xov llaxtox {o fehlt) v ^jnavov b: vermutlich ebenso A: xav M.

Prooemion: ävü> Cv^wv,

Strophe a': Tov üv/iiecjv.

31. Die hll. Eosmas und Damian. I.November. I.Lied. Pitra S. 218-222.

Überschrift: (pegov äxgoaxixida xijvde (xi^vde fehlt Cd) noirjfia gcofiavov PCd (in V ist das ganze Lied ausser der letzten Strophe durch Ausfall der ersten Blätter der Hs ver- loren gegangen).

Text: 7ioi7]fxa §(Ofiavov PCd.

Pitra hält das Lied trotz des Automamens in der Akro- stichis wegen des leeren Wortschwalles und der poetischen Minderwertigkeit für untergeschoben.

Prooemion: Ol xrjv ;^d^tv.

Strophe a: Ildorjg ovvioecog.

Die ÄkrogHehis in der grieefUachen Kirehenpoeme. 571

-* 32. Stichera auf Christi Geburt. Pitra S. 222-228.

Überschrift: (pigovra (sc. aiixfjQd) ixQoorix(i<i' ahog toTieivov ^fjLavov elg yeyi^ha o (in Im fehlt die Über- schrift).

Text: alvog raneivov ^fjuxvov elg yevi^Xia lo; nur die ersten 7 Strophen m.

In einigen der Ton Pitra notierten Hss (Yatic. 1515, Yatic. Reg. 54, Ciypt. XVIII) hat Sickenberger, der die Stichera f&r mich vei^leichen wollte, den Text vergeblich gesucht.

Strophe a: AI äYyeXixal

B. ünedierte Lieder des Romanos.

33. Der hl. Demetrios. 26. Oktober. P fol. 17'— 19'. Überschrift: q>£Qov äxQoarixlda xi^vde, xov xamivov ^a>-

fiavov alvog P.

Text: xov xaneivov ^copiavov alvog (23 Str.) P. Prooemion: Nixi]q>6Qov. Strophe a: Tl xwv ocbv vfxv^om.

34. Die hll. Eosmas und Damian. 1. November, n. Lied (ganz verschieden von Nr. 31). P fol. 21'— 24\

Überschrift: q)iQov äxgooxixlda xi^vde, xov xaneivov ^co- fjuxvov 6 vfivog ovxog P.

Text: ebenso {xaneivov \) P. Prooemion: *Ex xtjg dgg'qxov, Strophe a: Tcß ^Ucp xd q>a}xlCeiv.

35. Die hll. Akepsimas, Joseph und Aeithalas. 3. November. P fol. 27^—29^.

Überschrift: q>iQov äxQoaxixida xijvde. xov xdXa ^- fiavov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: 0(oxl xdß voififp.

Strophe a: T^v ;ife^o€o^etoav xagdlav fxov P.

36. Der hl. Menas. 11. November. P fol. 39^—42^

Überschrift: ij ixQoaxixlg^ xov xaneivov ^oyfiavov Inog (am Rande nachgetragen) P.

572 K, Krmmbadier

Text: ebenso (tanetvovl) P. Es ist aber von der mit / i^Innwv) beginnenden Strophe (i;') nur der Anfang (16 Wörter) geschrieben; dann folgt noch ein leerer Raum von 5 Zeilen. Man erhält also den Eindruck, ab habe der Schreiber bezw. Redaktor den Versuch gemacht, die in seiner Vorlage fehlende Strophe mit / selbst zu ergänzen, dann aber die Vollendung auf eine spätere Zeit verschoben oder die Ergänzung der Lücke von einer anderen Hs erwartet. Die vorhergehende Strophe (£1 beginnt mit ^Enexekeixo^ konnte also nicht etwa antistoechisch das / ^ EI vertreten.

Prooemion I: T^g rguidog.

Prooemion 11: 'O t^c Mfi;c.

Strophe a: Tov ä&Xo<p6Qov xißA&oa xaXQ}g,

37. Der hl. Johannes Chrysostomos. 13. November. P fol. 47^— 50^

Überschrift: (pegov ixgoaTixlda n^vde. tov tojieiyov §q>' fiavov P.

Text: ebenso (TOTieivov) P. Prooemion: *Ex zöry ovqavayv, Strophe a: Tco tcov dlcov noirfxjj,

38. Der hl. Apostel Philipp. 14. Nov. P fol. 57>^-58\ Überschrift: (pegov äxgooxixüd "xrivöt. ^(Ofiavov 6 y'oi-

f^og P.

Text: ebenso (14 Str.) P. Prooemion: '0 fia^rjxijg xal (ptXog oov. Strophe a: 'PeT&ga X6yov nagdoxov f^oi, xvgie.

39. Die hll. Gurias, Samonas und Abibas. 15. Kot.

p fol. 58^— eo«-.

Überschrift: (pegov äxgooxixlda xijvde, xov xdXa ^wjdavov {j (hd/j P.

Text: TOV xdXa gcoßiavov (hörj i; (18 Str.) P.

Es ist also im Texte scheinbar der Artikel ff nach wbi] gestellt und diese Stellung wird durch den Inhalt gefordert; denn die zweite Strophe mit H enthält ein Schlussgebet an die drei Heiligen. Darnach ist zu vermuten, dass wir es hier

Die AkrosHeKis in der griechischen Kirehenpoesie, 573

nicht mit dem Artikel, sondern mit der Wiederholung der letzten Littera der Akrostichis zu tun haben. Das ^ in der Überschrift ist also zu streichen.

Prooemion: 'JEf Sy^ovg, oo(poL

Strophe a: Tflq tov Ix^qov dovkelaq,

40. Der hl. Nikolaos von Mjrra. 11. Lied (vgl. Nr. 29). P fol. 94»^— 95'.

Überschrift: (pSgov äxQooxixlda xi^vde, (hüi ^(Ofiavov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: 'O inivbciog avldg.

Strophe a: 'Qq xfjg ootplag ägxfiydg,

41. Der hl. Ignatios. 20. Dezember. P fol. 108^— 109\ Überschrift: q>iQoy ixQoaxtxlda xrivdB, alvog ^(Ofiavov P. Text: ebenso P.

Prooemion: Tcov lafjmqcbv äycovcov aov. Strophe a: *Aßgaä/uL juikv noxL

42. Die hl. Nacht. 11. Lied (vgl. Nr. 1). Prooemion und 3 Strophen bei Amfilochij, Textband, Dopoln. S. 63. Voll- ständig in P fol. 123^—126' und A fol. 89—93.

Überschrift: q)iQov äxQoaxixida xijvde. xov xcuieivov qo)- fiavav P.

Text: xov xantivov §o}fiavov (18 Str.) P. Prooemion: *0 ngd iwa(p6Qov, Strophe a': Tdv äyec&Qyrjxov ßöxgvv.

43. Nachfest von Christi Geburt {Kovxdxiov (xe^ioQ- xov xfjg Xgioxov yewi^aecog), P fol. 128'" 129' und D.

Überschrift: <pigov äxgoaxixlda xrjvde. 6 Cjuvog ^cü- fiavov PD.

Text: ebenso (13 Str.) P: d «> D.

Prooemion: KarenXdyi] 'loDoijcp,

Strophe a: "Oneg ögd), votjoat ov xwgcb.

44. Die unschuldigen Kinder. 29. Dezember. P fol. 132'- 135'.

Überschrift: q>igov äxgoaxixiS<^ xrjvde. xov xanetvov gco- fiavov PD.

574 £. Kri$mbadier

Text: ebenso (xaneivovl) P: xav D. Prooemion: *Ev xfj Bti^iek/A. Strophe a: Tdyv ävco xal x&v x6x(o.

45. Der hl. Basilios. 1. Januar. P fol. 139^— 140^ Überschrift: <piQov Axgoarixlda xrjvde. xov xojuivov dm-

ßiavov P.

Text: xovvxa (5 Str.) P.

Es sind also, obschon in der Überschrift noch die rolle Akrostichis genannt wird, in der Vorlage von P 13 Strophen ausgefallen, und die Ordnung der übriggebliebenen ist verwirrt worden.

Prooemion: ^ü<p^g ßdaig.

Strophe a': T17C ooxpQooim]^ 6 xgaxfjg.

46. Adam (Christi Taufe). H. Lied (vgl No. 5). P fol.

Überschrift: fpigov äxgoaxixi^ xi^vde, xov xaneivov §<i>- ßjiavov alvog P.

Text: xov xamvov ^co/xavov ahog (22 Strophen) P. Die Strophe E fehlt, ohne dass in der Hs eine Lücke angedeutet ist. Prooemion: Tfjg xoXv/ißrj&gag. Strophe a: Ttg ebifj, xlg delif].

47. Der hl. Tryphon. 1. Februar. P fol. 184^-187^

Überschrift: <pigov ixgoaxixlda xi^vde. xov xojuivov ga)- fxavov P.

Text: xov xamvov ^wßiavov P (keine Lücke für E).

Prooemion : 'ExdajtavTjoag.

Strophe a: Trjv xcbv dv&g(07to}v yevedv.

" 48. Die vierzig Märtyrer. 9. M&rz. L Lied. P fol. 200^ bis 203^

Überschrift: (pigov äxgooxixlda njvi«. xov xvgov (so) ^(Ofiavov inr) P.

Text: ebenso (18 Str.) P.

Prooemion: T6 ^lq)og xd vyg&v.

Strophe a': Tov 'Itjaov jta^i^fiaxa.

Die Äkrostiehia in der grieMsehen Kirehenpoeeie. 575

49. Die vierzig Märtyrer. 11. Lied. Das Prooemion und 5 Strophen ed. aus T fol. 93^—95' Pitra S. 599—603. Prooemion und 11 Strophen bewahrt V fol. 81'— 83^ Der vollständige Text in P fol. 203'— 206^ A fol. 119'-124', D.

Überschrift: (pigov äxQooxixtda xrjvdE, xov raneivov ^o)- fjtavov vjULvog P: (pigov &xQO(nix^da xov xaneivov V: fehlt DT: keine Angabe über A.

Text: Tov xamvov §(o/iavov v (keine Lücke für -Ein xam^ vov) PÄD: xov xamvov v (und zwar so, dass die zwei letzten Strophen den 2 letzten Strophen des P entsprechen, also

eigentlich rot; xantva v v) V: r . . . (Lücke durch

Blattausfall) aniv (ursprünglich xov xaniv, wobei das Schluss-v durch die vorletzte Strophe von P vertreten wird) T.

Also durchweg xanivod erhalten oder aus den Resten zu erschliessen. Sehr auffallig ist, dass die in P angekündigte Akrostichis weder in P noch in AD zu Ende geführt wird. Da nun die letzte Littera der Akrostichis im Texte zuweilen zweimal gesetzt wird (vgl. Nr. 18, 39, 49, 55, 64, 68 u. ö.), so ist zu vermuten, dass die Akrostichis des Liedes in Wahr- heit ^xov xanivov ^coßiavov v* lautete und dass der Redaktor oder Schreiber von P das zweite Schluss- Y irrtümlich für den Anfang des Wortes S{/ivog) hielt und in der Überschrift dieses Wort hinzufügte. Der Lihalt der zwei Schlussstrophen spricht nicht gegen diese Annahme. Die vorletzte Strophe (17) enthält noch ein Stück der Erzählung von den 40 Märtyrern; sie wird erst in den ersten Versen der letzten Strophe (18) zu Ende geführt. Dann kommt, allerdings etwas unvermittelt und nur die zweite Hälfte der Strophe 18 füllend, das Scblussgebet. Für diese Erklärung der inkongruenten Überschrifb spricht auch die Überlieferung. Denn die zwei Schlussstrophen von P bilden auch den Schluss des Liedes in AD und in der im übrigen stark verstümmelten italischen Redaktion (Y).

Prooemion: Iläaav axgaxelav,

Strophe a': T(p Iv ^Q6vcp.

576 K. Krumbtuher

50. Mariae Verkündigung. 25.Mär2. P fol. 212'-2U\ Überschrift: tpiqov ((pig'^) ixQomixiAo. xYjv&e. xov tcüki-

yov ^(üßiarov P.

Text: ebenso (raneirov) P.

Prooemion: "Ozt ovx Eaxiv,

Strophe a': Tcß ^QX^YY^^V raßgiifl.

51. Der hl. Märtyrer Oeorg. 23. April. L Liei P fol. 219^— 221\

Überschrift: <piQov äxQoouxidcL rtjvde. xov xdia qo)- fiavov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: 'H (pwxotpoQog.

Strophe ai xov xov Jiagddeiaoy nnxk,

52. Der hl. Märtyrer Georg. II. Lied. P fol. 221^ bis 223\ -' . '

Überschrift: (pigov (ipiq'^) ixQoaxixldo. xrivde. xov xaiui- vov §o>fAavov nolrjßjia P.

Text: ebenso (24 Strophen) P. Prooemion: Tg dvvdfiei xov axavgov. Strophe a: Ti]v ägexrjv xijv Sv^eov äel.

53. Der hl. Athanasios von Alexandria. 2. Mai. P fol. 230^^— 231\

Überschrift: (pigov äxgoaxixlda xtjvde. alvog ^fiarov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: ^Og^odoilag qwxeioag.

Strophe a': *A^avaolag xkiog vndQxcov.

54. Der hl. Apostel Johannes. S.Mai. P fol. 235' bis 238^

Fünf Strophen (ohne das Prooemion) edierte, ohne die Autorschaft des Romanos zu kennen, aus C und M Pitra S. LXIf.; vgl. S. LXV; 663. Das Prooemion und die fönf Strophen des M auch bei Amfilochij, Facsimileband S. 9— 11; vgl. Textband S. 60.

Überschrift: q)iQoy {(pfo"") äxQOonxlda x/]vd£. vf^rog «V xov '&€oX6yov ^(Ofiavov P: fehlt CM.

Die Akrastichis in der griethisd^n Kirehenpoene. 577

Text: ebenso (27 Strophen) P: v^vog ootj C (vgl. Pitra S. LXV): fifAvog M.

Prooemion: fuyaXBii aov, Strophe a: ITyfti oigdvia.

55. Der hl. Johannes der Täufer. 24. Juni. Pitra S. 320 327 (aus G unter dem Namen des Domitius). P fol. 252^—255' (als Lied des Romanos). A fol. 149«^— 152' (unvollständig ohne Automamen). Vgl. Krumbacher, Umarb. S. 42 S.

Überschrift: fpigov {(pig'*) äxQoaiixida r^vde. elg t6v Tzgödgoßiov §(Ofjuxvov P: tpigov ängoatixlda elg rdv ngddgofwv doßierlov (dofurlov V) CV: fehlt MT.

Text: dg tdv ngdögoßiov §(Ofiavov v P: ttg x6y ngöögo- fioy iofintov CV: elg täv Ttgddgojnov a A: elg rdv n M: Ek TÄV T.

Prooemion: *H oxeiga oijfiegov.

Strophe a: Evq^Tjßnjocojbiev vvv.

Die vorletzte Strophe (v in P, o in CV) enthält den Schluss der Erzählung über den hl. Johannes den Täufer, die letzte Strophe (in beiden Überlieferungen mit v beginnend) bringt ein Schlussgebet an den Heiland.

56. Der hl. Prophet Elias. ^iTjuli. P fol. 270' bis 273'. Das Prooemion und die 3 ersten Strophen ed. aus C 4" T Pitra S. 296 f. Vgl. Krumbacher, Romanos und Kyriakos S. 761 f.

Überschrift: tpigov {(fig'^) äxgoonxida xrjvÖB, x&v ngoipr}- Ttjy fjXtav 6 gcDfiavdg v/nvco P.

Text: ebenso (25 Strophen) P: rdv T: t CV.

Prooemion: ügoqnjra xal ngoönra.

Strophe a: Tfjv noXXfjv x(bv äv&g(6ncov äyo/niav.

In A fol. 163"^ 170' steht ein Lied des Romanos auf den Propheten Elias mit der Überschrift: rdv ngotptjzrjv *Hilav 6 'PcDfiavog EvqnifieT. Da die Akrostichis mit der obigen mit Ausnahme des Schlusswortes übereinstimmt, handelt es sich wohl um eine am Schlüsse abweichende Redaktion des obigen

580 K. KrmmhaAer

63. Noe. Dritter Fasienflonntag. Qfol.29''32^ Strophe a' y mit einem von dem des Q yerschiedenen Prooemion ed. unter den Anepigrapha aus T Pitra S. 451 453.

Überschrift: ov ^ äxgoanxi^ ?*c- curog xal oviog §€0- fiavov Q: fehlt T.

Text: civog xai ovxog Qoafuxrov Q: cuv T.

Prooemion: *Enl N<be t^v äfiagtiav Q: Tcäv ä/MLQtidn^ ro niXayog T.

Strophe a: *A<poQOüv Ttjv djieiXijv,

64. Die Kreuzanbetung. Mittfastenfreitag. Q fol. 35' bis 38^

Überschrift: (pigov ixqoaxixida xi^vde, xovxo ro inog laxiv ^CD/iavov Q.

Text: Toyro x6 enog ioxlv ^(o/iavov v (24 Strophen) Q.

Es ist also der letzte Buchstabe zweimal gesetzt. Der Grund ist nicht klar. Schon Strophe xy enthält ein Schluss- gebet; Strophe xd' beginnt mit Ylög Magiag iyevov und bringt dann ebenfalls ein Schlussgebet. Vielleicht sollte die in den früheren Strophen gänzlich fehlende Erwähnung der Mutter Gottes hier nachgeholt werden.

Prooemion : T6 oeßdofuov ^vXov JtQooxvvovvxeg.

Strophe ai Td xQtojnaxdQiaxov SvXov,

65. Das Opfer Abrahams. Vierter Fastensonntag. Q fol. 38^—41'.

Überschrift: cpegov äxQooxixlda xrjvde, eig xdv äßqaäfi ^(Ofiavov v/uvog Q.

Text: ebenso (24 Strophen) Q. Prooemion: 'Qg xadagäv ^volav. Strophe a: Elg oQog ävaßaivovxa.

66. Bussgebet. Mittwoch der fUnften Fastenwoche. Q fol. 41«-— 42\

Überschrift: (pegov äxgoaxixida ii]vd€. Ttgoaevxfj ^cojutavov Q . Text: ebenso (15 Strophen) Q. Prooemion: Tov q^oßegov dixaoxov, Strophe a: Flokkoi dtä /uezavoiag.

Die Akrastiehis in der grieMsehen Kirchenpoesie. 581

67. Busslied. Donnerstag der fünften Fasten woche. Q fol. 42^— 44^ Vgl. meine Gesch. d. byz. Lit.» S. 667.

Überschrift: q)iQov äKQoazix^da ji^vde. xov taneivov gco- /.lavov alvog Q.

Text: ebenso {xcuieivov?^ Q.

Prooemion: ^vx^i fJ^ov, tpvx^j f^ov, ävdara,

Strophe a: T6 xov Xqiotov laxqeiov,

68. Der hl. Isaak. Freitag der fünften Fasten woche. Q fol. 44^~47\

Überschrift: (pigov äxQoouxlda xi^vde. xov xcmeivov ^(o- uavov Q.

Text: xov xaneirov ^(ojuavov v (19 Strophen) Q.

Der Grund der Verdoppelung der letzten Littera ist nicht ganz klar. Strophe irj' enthält den Schluss der Erzählung von Esau und Jakob, Strophe it^' bringt als Abschluss des Ganzen die Deutung des Jakob und der Rebekka auf die Christen und die Kirche. (Inc. ^YjLieTg oiv xavxa Axgißwg. xcnavorioaxe <piXoL ndvxa yäg iv xvncp TiQOBQQe&fj xal lyQdq)t), 6 ^Haav fxiv xvnog x&v 'Iovdalo)v.) Man erhält den Eindruck, als habe sich der Dichter bei der Disposition des Stoffes ver- rechnet und zuletzt, um nicht allzu schroff abzubrechen, noch eine Strophe über das akrostichische Schema hinaus hinzugefügt.

Prooemion: T6v ^Haav /zioijoag.

Strophe a': T6v iid xijg vjiaxofjg.

69. Der Reiche und Lazarus. Mittwoch der sechsten Fastenwoche. Q fol. 47^—50^.

Überschrift : ov ^ äxgoaxixlg avxrj. nolrjjLia ^co/xavov xoTieivov Q.

Text: ebenso (xaneivovl Bei Strophe la' ist durch Ver- sehen Mifxoyv statt Ne/xcov geschrieben) Q.

Prooemion : El xal xcbv l/bicov.

Strophe a: Ilvevjuaxixfj vfÄVCoölq,

70. Die Auferweckung des hl. Lazarus. Samstag der sechsten Fastenwoche. L Lied. Q fol. 50^ 53'.

Überschrift: (pigov äxgoaxixida Tfjvde. xov xajieivov ^w- fmvov Q.

582 K. KrmmbaiAer

Text: ebenso (rajieivovl) Q. Prooemion : 'Enianjg h t<S rd^xp. Strophe a : Tl^v taq)riv ßXinovres.

Ein anderes Lied auf den hl. Lazarus verfasste Kyriakos. Vgl. Nr. 91.

71. Die Auferweckung des hl. Lazarus. TL Lied. Q fol. 53«--55^

Überschrift: (pigov äxQoanxüo- tijvd«. xov xamtvov ^a>- fiavov Q.

Text: ebenso {xaneivov)) Q. Prooemion I: *H ndvxwy x^Q^- Prooemion 11: 'O (1. TO) ndvtcov XqioxL Strophe a: T6v 6dvQ/i6v,

Sehr lehrreich ist ein Blick auf die sonstige Überlieferung des Liedes, unter den Anepigrapha ed. Pitra S. 473 475 aus T fol. I6b' 166^ ein Fragment, das teils aus Strophen unseres Liedes, teils aus neuen, wohl einem anderen Liede entstammenden Strophen besteht. Das Verhältnis ist also: Pitra Prooemion (nach seiner Zählung Strophe a) = Prooemion IQ; Pitra Strophe )S'=-(J'Q; y=-ß'Q; «' = /Q; e=aQ; ^' fehlt in Q; ^=t?'Q (aber ganz frei umgearbeitet); i^'=ijy'Q. Ausser T kommen noch V und M in Betracht. Und zwar bewahrt V fol. 88>-— 88^ Prooemion I und Pitras Strophe g\ die in Q fehlt. Ganz eigenartig ist der Redaktor verfahren, auf den M zurückgeht. Auch er hat den grössten Teil der Strophen des Liedes, wie es in Q überliefert ist, über Bord geworfen; aus den übrigen aber hat er gar zwei Lieder hergestellt. Sie stehen in M fol. 262''— 262^. Das erste besteht aus Prooemion I, Strophe ß' bei Pitra (= d' Q) und einer Strophe {^HX^e Xgiaiog\ die eine ganz freie Umarbeitung von Strophe g'Q {Ildvxeg ofiov) darstellt. Das zweite Lied, als heqov xovtdxiov eingeftikrti besteht aus Prooemion II Q, aus Strophe e Pitra (= aQ% Strophe g Pitra, die in Q fehlt, und Strophe d' Pitra (=/ Q). Man sieht aus diesen drei Beispielen, in welchem Grade die alten vollständigen Lieder in den verkürzten Bearbeitungen,

Die Äkrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 583

wie sie in zahlreichen Hss vorkommen, zerrüttet sind und welche Vorsicht bei der Benützung der fragmentarischen Über- lieferung geboten ist. Vgl. Erumbacher, Umarb. S. 6 ß.

72. Christi Auferstehung. I.Lied. Q fol. 104'— 106'. Überschrift: {(peQo)v äxQooxixidoi r^/vd«. tov xvqov (so)

^iojuavov alvog Q.

Text: ebenso (20 Strophen) Q.

Prooemion: {'Ei>ava?>Tc6t?i/ ö dävarog elg vhcog.

Strophe a: {Tijv) fco^v ifj xa<pfj,

73. Christi Auferstehung. II. Lied. Q fol. 108'— 110^ Überschrift: tpeqov äxQooTixida xi^vde. tov Toneivov

^ßÄavov alvog Q.

Text: TOV Tamvov ^oifAavov alvog (22 Strophen) Q. Prooemion: Tov oxavQOv oov tzqooxvvco, Strophe a: {T)r]v ödöv oov, ocbiiq fxov,

74. Christi Auferstehung. lU. Lied. Q fol. 110^— 115'. Überschrift: (pegov äxQooxixiici xi^vde, xov xaneivov

^ojjLiavov alvog elg xo nd&og Q.

Text: ebenso {xanei.vov\ 33 Strophen) Q. Prooemion: Tov oov ixovotov •9dvaxov. Strophe a': Td /hvoxtjqiov xfjg ofjg olxovo/iiag.

75. Christi Auferstehung. IV.Lied. Q fol. 115^— 117'. Überschrift: (psQov äxgooxixlda xrjvde, (bdij &(o/iavov Q. Text: (bot] ^co/iavov v Q.

Prooemion: Tcp nd'&ei oov, acoxrjQ ^jucbv.

Strophe a: "QoneQ ovgavov verov.

Der Grund der Doppelung des Y ist unklar. Strophe i ('Yyfi]Xf}v) enthält eine als Abschluss genügende triumphierende Anrede an den Hades, die in Strophe la ("Ytpcoai jue) ohne Not fortgeführt wird. Vgl. Nr. 68.

76. Die Heilung des Lahmen. Mittwoch der weissen Woche (rfjg diaxaivi^oifiov, wofür in Q konsequent: xijg dia- xivfjai/iov). Q fol. 118^— 12r.

Überschrift: q)BQOv dxgooxixida xtivde, xov xaneivov ^yfjiavov xd inog Q.

190& Sitxgsb. d. phUos.-phtlol. a. d. hiat Kl. 89

584 K, Knmibadier

Text: ebenao (xaneivovl 24 Strophen) Q. Prooemion: XQtardv doidowjitev. Strophe a'i T6 diep^ai üvvex<bQ,

77. Die Hochzeit in Kana. Mittwoch der zweiten Woche (nach Ostern). Q fol. 125^—128«-.

Überschrift: (plQOv äxQoatixiia xiljvde. Mnog ^/lawf laneivov Q.

Text: ebenso {xaneivovl 21 Strophen) Q. Prooemion: *0 t6 vdiog ek olrov. Strophe a: It]v nag^eviav xifirjoag i^edg,

78. Die Heilung des Aussätzigen. Zweiter Sonntag {uov ßivQo<f6Qü)v). Q fol. 128^—130^.

Überschrift: tpigov äxQooxixida ri^yde. Toii joTittvov ^(Oßiavov Q.

Text: ebenso (xaneirovl 18 Strophen) Q.

Prooemion: 'üg tov Xstiqov ixd^agag.

Strophe a: Tov rov yivovg ^ebv xai evegyirtjv.

79. Christi Auferstehung und die zehn Drachmen. Dritter Sonntag (nach Ostern). Q fol. 130^—133^.

Überschrift: q?EQov äxQoouxlda xi^vde. tovto ramivov QCüjLiavov Q.

Text: ebenso (xajieivovl 20 Str.) Q.

Prooemion: Ol { )ivxeg Kgimcp.

Strophe a: {Trjg x)ov Xgiaxov naQaßoXfjg,

80. Die Samariterin. Vierter Sonntag (nach Ostern). Q fol. 136'— 188\

Überschrift: tpigov äxQaaxtxüci xrivde. xov xcuuivov ^(Dfiavov alvog Q.

Text: xov xajiivov ^oDjbiavov dlvog Q (ohne Andeutung einer Lücke für £").

Prooemion: *Em x6 (pgeaq <bg ^X&ev.

Strophe a: T6 xdXavxov xb öo&ev aoi.

81. Die Heilung des Besessenen. Mittwoch der fönften Woche (nach Ostern). Q fol. 139'— 141^

Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie, 585

Überschrift: (pigov äxQoouxtdci rrjvde. 6 tpaljLidg oviog toTiv ^(ofÄavov Q.

Text: 6 tpal/udg ovzog ioxlv ^jnavov v (25 Strophen) Q. * Prooemion : Td)v ^ayfidrcov oov,

Strophe a': 'O kabg ö moTÖg.

Die Doppelung der Schlussinitiale Y war hier unvermeid- lich, weil die erste Strophe mit Y (xd' 'Yog) noch ganz zur Erklärung des Verhältnisses der Dämonen zu den Tieren ver- braucht war ; so ward für das Schlussgebet eine weitere Strophe {xe 'YjifjQixai) nötig.

82. Die Heilung der Blutflüssigen. Mittwoch der sechsten Woche (nach Ostern). Q fol. 142''— 143^.

Überschrift: (pigov äxgooxtxlda rrjvde, tpal/tiög tov xvgov (so) ^fiavov Q.

Text: ebenso (21 Str.) Q. Prooemion : 'Qg t) aljuöggovg. Strophe a: WdlXco ooi iv <pdaTg,

83. Das Brotwunder. Mittwoch der siebenten Woche. Q fol. 149'— 152^

Überschrift: (pegov dxgoarixiia rrjvde, noitj/uia ^jLiavov tov rajieivov Q.

Text: noirjjLia ^co/uavov tov xanivov (23 Strophen) Q. Prooemion: Tovg ix xr\g ofjg, Strophe a: Ildvxeg äyyeXoi,

G. Zweifelhaftes.

84. (Romanos?) Ninive. Mittwoch der ersten Fasten- woche. Q fol. 6«-— S'.

Überschrift: xovxdxiov xaxawxxixov ov fi äxgoaxixk- tdv ngo<pifXf]v xvglov. Am Rande : $a>'* : ^;uoc a Q.

Text: x6v ngoqnjxriv xvgiov Q.

Prooemion : ^AneyvcoofJLevriv,

Strophe a': T6 laxgeiov x'^g fiExavoiag.

Ob die Randnotiz {^(o^avov) die Autorschaft des Romanos genügend verbürgt, ist mir vorerst unsicher. Um die inneren

89*

586 K, Krumhtuher

Gründe diskutieren zu können, mQsste der Text ediert werden. Vgl. Nr. 117.

^^\ 85. (Romanos?) Der hl. Theodoros (?). Samstag der ersten Fasten woche. A fol. 217'— 21 9^

Überschrift?

Text: 'O vfivoQ 'Pcoßjuzvov A.

Zu dem Liede ist derselbe Ton (^;tOs nldytog rhaoTo^) notiert wie in Q zu dem (f&r denselben Tag bestimmten) Liede Nr. 59. Damach könnte man vermuten, dass Nr. 85 ein Frag- ment von Nr. 59 sei. Dagegen spricht aber, dass Papadopulos- Kerameus (S. 378) nichts davon erwähnt, dass der Anfang de» Liedes bei Pitra ediert ist.

X 86. (Romanos?) Die Buhlerin. Mittwoch t^c fuoo- TievxYixooiiiq. A fol. 220'— 224«'.

Überschrift: q?ioov äxQocTixi^. xov xaneivov 'Pco^vov Ä.

Text: wohl ebenso A.

Ein Rätsel, das ich nicht lösen kann. Papadopulos notiert (S. 378) die obige Akrostichis, dazu den Ton (^x^ ßagig) und bemerkt, dass 4 Strophen des Liedes ohne Autornamen bei Pitra S. 491 493 ediert seien. Allein diese 4 Strophen sind das Prooemion und die ersten 3 Strophen von Nr. 194, dessen erhaltene Akrostichis lautet: xov /jtdvov rdXa. Auch der su

diesem Liede in Q angegebene Ton (^x^^ ^') ^^^ ^^^ ^^^ A verschieden.

87. (Romanos?) Der verlorene Sohn. Zweiter Fasten- sonntag. Bei Pitra S. 460 462 das Prooemion Trjg TiaxQcoas und Strophe a y aus T. In D steht zuerst ein anderes Pro- oemion i^AyxdXag) und Strophe a {Tov acozijgogX dann, unter der Überschrift: xovddxiov Sxbqov xov *Aaojxov das Prooemion Tr/g jiargojag und Strophe a' /, genau wie in T. Neu ist aber die Überschrift zum ersten Kontakion in D.

Überschrift: (peQei(?) äxgoaxixida xtjvÖe. xov xaneivov ^(Ofxavov D: fehlt T.

Text (1. Kontakion): t D.

(2. Kontakion): xve DT.

Die ÄkrosticfUs in der griechischen Kirchenpoesie. 587

Prooemion (1. Kont.): ^Ayxdkag D.

(2. Kont.): Trig naxQciag DT.

Strophe a': Tov ocoxfJQog ij/uayv.

Die Überschrift in D verdient deshalb Beachtung, weil alle anderen Akrostichonvermerke des D, denen dortselbst nur noch einige Strophen Text zur Seite stehen, sich durch die vollständigeren Hss als richtig erweisen. Ausserdem ist aus der Akrostichis des Liedes Nr. 61 ersichtlich, dass Romanos tat- sächlich mehrere Lieder über den verlorenen Sohn verfasst hat.

n. Die Akrostichis bei den übrigen Hymnendichtem.

Nach den Liedern, die durch die Akrostichis als Werke des Romanos bezeichnet werden, mögen Hymnen anderer Dichter folgen, deren Akrostichis vollständig oder annähernd vollständig erhalten ist. Auch hier verzeichne ich zuerst das bei Pitra gebotene Material mit den aus meinen Kollationen und Abschriften gewonnenen Zusätzen und Berichtigungen, dann die unedierten Lieder, soweit ich über sie handschrift- liche Notizen besitze.

A. Edierte Lieder.

88. Anastasios. Totenlied. Sdßßarov xfjg^AnoxQeo}, £d. Pitra S. 242-249 aus CT.

Überschrift: (pegov äxQoonxida rijvde {ri^vde fehlt C). Avamaolov rov laneivov alvog CM: (pegov äxQoaxixida ävaoxaoiov xanetvov voar}eag T: ol olxoi (pigovxeg äxgooxij(i6a xrjvde. äva^ oxaoiov xov xanetvov voarjiag A: ij äHgooxixtg- ävaoxaoiov xov xaneivov vooi B: fehlt J.

Text: ävaoxaoiov xov xaneivov alvog g (g fehlt B) (26 bezw. 27 Strophen) BC: ävaoxaoiov xov xanevaivog (23 Strophen) M: ävaoxaoiov xov xanevov voorjeag (27 Strophen) T: ävaoxaoiov xov xaneivov voorjeag n J: keine Angabe über A.

Prooemion: Ol xr\g C^rjg xcov äv&gd>nü)v C: Merä xd>v äylwv ävdnavoov MT.

Strophe a: Avxog juovog.

588 K. Srmmbadier

Bezuglich der Doppelung der letzten Litteni (2) in C yermuiet Pitra (S. 248), die Torletzte Strophe, die stellenweise an Strophe i^ erinnert, sei ein durch diese angeregtes späteres Machwerk. Allein so leise Anklänge, wie sie hier vorliegen, kommen innerhalb derselben Gedichte häufig Yor und beweisen nichts gegen die Echtheit, und Tor allem durfte der Fall nicht isoliert behandelt werden. Der Grund der Doppelung scheint hier ähnlich zu sein wie in Nr. 81. In Strophe xC wird die in Strophe xg begonnene Betrachtung fiber das Begräbnis des Vornehmen mit einigen guten Gedanken weitergeführt. Erst in der überzähligen Strophe xrj' wird Platz für das Schluss- gebet. Ein zweites Schlussgebet mit der Initiale 77, das sich speziell an die hL Jungfrau wendet, hat Pitra aus der Aus- gabe von Goar übernommen und als Strophe xd^ angefügt. Von den mir bekannten Hss bietet dieses 11 nur J. Hier haben wir es, wie schon die Initiale IJ beweist, mit einem späteren Zusätze zu tun, der durch das Fehlen einer Erwäh- nung der hl. Maria im Liede veranlasst worden ist. In M sind nicht nur einige Strophen ausgefallen, sondern auch mehrere Strophen durch neue Strophen ersetzt worden.

Zu der au^lligen akrostichischen Form in T ist zunächst zu bemerken, dass die das E darstellende Strophe <r (= Strophe irj* bei Pitra) mit El beginnt, wo El wohl antistöchisch für / steht (also tamvov). Das von C völlig abweichende Schluss- wort voofieag, das auch die Überschrift von T bietet, ist schein- bar grösstenteils durch Umstellung der auch in BG über- lieferten Strophen zu stände gebracht. Die mit H beginnende Strophe xe ist identisch mit Strophe t#' bei Pitra, nur dass das Wort 'Havxdaaie an den Anfang der Strophe gestellt ist. Auch die zwei Strophen mit -2*, bei Pitra xf und xiy', sind als Strophen xd' und xrf vorhanden. Nun steht aber T mit der eigentümlichen Form des Schlusses der Akrostichis durch- aus nicht allein. Ganz ähnlich ist die Akrostichis in der Über- schrift von A formuliert, über dessen Text ich leider keine Angabe habe. Ahnlich die Überschrift in B, dessen Text aber mit C tibereinstimmt. Der Text von J ergibt vootieag n.

Die Äkrostiekis in der griedwtchen Kirchenpoesie. 589

Ausserdem notiert Pitra S. 248 f.: «In nonnuUis codd. ultima troparia ita inter se connectuntur, ut alia sit obscura acro- stichis: 'Avaotaolov tov xaneivov voolag (sie), quae morosius extricare me piget''. Die «nonnulli codd/ sind wohl unter den von Qoar genannten Barberini und Gryptoferratenses zu suchen (vgl. Pitra S. 242). Es ist daher wohl zu vermuten, dass in dem rätselhaften vootjeag oder voaiag oder voat der Oenetiv eines zu *Avaoxaolov gehörenden Ortsnamens stecke, und erst später die Umarbeitung des dunkeln Wortes in ahog vorgenommen wurde.

89. Qregorios. Der hl. Markianos. 80. Oktober, (fehlt bei NiDes). Pitra S. 273 f. (aus C). Dazu P fol. 19^-20^

Überschrift: fehlt.

Text: rgt],

Prooemion : 'H (pmravyijg.

Strophe a: Fvibaiv rtjv äQQrjxov.

90. Georgios. Mariae Aufnahme in den Tempel. 21. November. Pitra S. 275-283 (aus CT). Dazu jetzt P fol. 66^-69^

Überschrift: (pegov äxQoaxixi^o. x^vdß. tov Taneivov ye- (ogylov vfivog PT. (Pitras Angabe, T habe nur die kurze Lberschrift Elg etaodov xfjg navaylag Oeoxdxov beruht auf Irr- tum ; die Akrostichonnotiz steht vielmehr in T und fehlt in C, aus dem sie Pitra falschlich anführt.)

Text: xov xanetvov (so) yccogyiov vfivog {v/nv T) PT: nur Prooemion und 3 Strophen C.

Prooemion: 'O xa^agioxaxog vaog,

Strophe a: Töjv äTzoQQT^xwv xov ^eov,

91. Kyriakos. Die Auferweckung des hl. Lazarus. Samstag der sechsten Fastenwoche. Verstümmelter Text nach C bei Pitra S. 284—288. Vollständige Ausgabe mit Hilfe von V bei Krumbacher, Romanos und Kyriakos S. 726 735.

Überschrift: (psgov dxgooxixiicL' Tzolrjjua xvQiaxov V.

Text: ebenso V.

Prooemion: Ad^agov xov <püov oov.

Strophe a: ücog vßivi^aa), dxaxdXrjTixe.

590 K

d2. Theodoros (?) Stadites. Der hL Paulos ron Konstantinopel. 6. XoTember. Pitia & 336—338.

Cberschrift: ^foor dxoofni^ida. rov otovihov CV. Text: Tov öo C: rov aro V. Prooemion: IIiaTtf'&el; i^eia yi/foy. Strophe ai Tov iau:nrjoa yrojgiO&incL

Dass der Autor Theodoros Studites sei, vermutet Pitra. weil der das Lied Qberliefemde Codex C eine besondere Vor- liebe für Theodoros Studites zeige (?).

93. Theodoros Studites (?). Der hl. Euthymios. 20. Januar. Pitra S. 338—340.

Lberschrift: q^egov äxooarixiSa. i(oaff6gco C: fehlt V- Text: eoyofpoQü) CV. Prooemion: T(ö ^eco äjib ^TJxgag, Strophe a: Ev&vßieho} q:tQ(Dvvfiwg.

Die Autorschaft des Theodoros Studites vermutet Pitra, weil dieser eine besondere Vorliebe fttr den Hirmus T<^ dfö> (inb /jttjrgag habe und ihn demnach wohl selbst verfasst habe(?).

94. Theodoros(?) Studites. Der hl. Basilios. I.Jan. Pitra S. 346—348.

Lberschrift: rov arovdirov (als Autorangabe) C. Text: rov oTova C. Es sind also wohl die Strophen dixov riö/i ausgefallen. Prooemion: Td ^eoßgvra. Strophe a: Tignexai oijjueQov. Theodoros ist Vermutung Pitras.

95. Theodoros (?) Studites. Der hl. Nikolaos. 6. No- vember. Pitra S. 355-358 (nach C). Dazu P fol. 95'- -96'-.

Überschrift: q?eQOv axQoouxi^o. irivde (rijvejß fehlt C). rov OTOvdirov PC.

Text: ebenso PC. Prooemion : Tm (paeivco aov ßio). Strophe a: Ttp delcp fivgcp ;fßeöd«Ta. Theodoros ist Vermutung Pitras.

Die AkrostiefM in der griechischen Kirchenpoesie, 591

96. TheodorosStudites. Totenlied. PitraS.373— 377.

Überschrift: q?€QOv äxQoouxiSa. <p(ovi} ^eodcigov C. Text: ebenso G. Prooemion: Tov fiBjaaxdvxa, Strophe a': ^qixtöv ßkinoi.

97. Josephus Hymnographus. Vorabend von Weih- nachten. Pitra S. 381—383 (aus T). Dazu P fol. 120»^— 121'.

Überschrift: Kein Vermerk PT. Text: "liooYifp PT. Prooemion : 'H nag'&ivog. Strophe a\ 'legal 7tQoq)rjT(bv.

Die von Pitra am Schluss beigefügte am Anfang ver- stümmelte Strophe C steht in T fol. 38''— 39^ als Schlussstrophe des Liedes auf den hl. Ignatios (Pitra S. 388 390; in P fol. 109^ HO*" nur Prooemion und 3 Strophen), in dessen Zu- sammenhang es allerdings nicht passt. Dort (fol. 38^) steht aber auch, was Pitra übersehen hat, der Anfang der Strophe: 0i.oy€Q(öv lenovQyicbv nagioTa/LiS . Sie dient dort zur Vol- lendung der Akrostichis: d){d)i^ Ucooi^cp. In P fehlt diese Strophe. Um Klarheit zu schaffen, müssten beide Lieder mit genauer Beschreibung des handschriftlichen Tatbestandes vor- gelegt werden. Ich muss mich heute damit begnügen, auf die Aporie hingewiesen zu haben.

98. Josephus Hymnographus. Nachfest von Epiphanie. 7. Januar. Pitra S. 400-404.

Überschrift: fehlt(?) Vat. reg. H 46.

Text: Mt&EOQxta zq)v q)(oxov (so) ^dei e = t)(üoriq).

Strophe a\ Movog xa^agög.

99. Kosmas. Mariae Himmelfahrt. 15. Aug. Ediert im «Anthologium Romanum' (mir unzugänglich). Analyse und Proben bei Pitra S. 527—529.

Überschrift: q)£QOv äxQoarixlda {xrivde K) (fj äxQooxtxk BM) ToU xam^vov xoofxa {6 H) v/ivo? BCVHJKMT: fehlt D.

592 K. Krumbad^

Text: rov raneivov (so) xoöfxä vßAvog BCVM: zov j<mn- vov xo E: rov rajuivod D: keine Kotiz über HJT. Prooetnion: Ttfv iv ngeoßelaig, Strophe a: Telxioöv jiiov,

100. Anonymus. Akathistos. 25. März. Pitra S. 250 262. Aus M ed. den Text ganz unglaublich fehlerhaft Amfilochij, Textband S. 106 111. Bei Pitra leider keine Angabe über die Überschrift. Ich benütze für sie folgende Codices: Pfol. 209"^- 212^ M fol. 154^-1 62^ T fol.96'-10r; V fol. 83^— 88^

Lberschrift: xat' älqxißtjxov P: ^ äxQoonxk- äJapaßi]- xog M: E^ov {&) dxQoauxlda xard älipdßtjxov T: q^tQOv äxQo- arixida zov äl(pdßr)tov V.

Text: aßy.,.(o (24 Strophen) PMTV.

Prooemion: Tfi inegfidxcp oxQarrjytp PMTV. In V steht vor dieser berühmten Strophe noch der kleine Prolog: Ov (nav)- 6fie9a xaxd XQ^^^ dvvjjLvovvxig ot, ^eoxdxe, xal keyovxeq' Xätot tj xexQQixcojuevT}.

Strophe a: ^Ayyekog ngcoxooxdxrjg.

Die Zuteilung an Sergios (z. B. bei Pitra) ist falsch, die an Photios (von Papadopulos-Kerameus) unsicher. Vgl. Papa- dopulos-Kerameus BZ. VI (1897) 377 und sein Buch: '0 '^xd- ^loxog "l>voc, Athen 1903 {Bißho^xti Magaaltj dg, 2U). Dazu meine Bemerkungen BZ. XIII 252 ff. Zur Onentierung s. auch Nilles II 154 ff.

101. Anonymus. Grablied. Pitra S. 466 471. Überschrift: (pigov dxQoaxixidci' hitxv^ßiov fiiXog xov

xQioa^Xiov C.

Text: *Emxvfißiov fiikog xoa C. Prooemion: Avvdfiei &€ixfj oov, Strophe a: *Ew6f]aov (p6ßq),

102. Anonymus. Verklärung Christi. 6. August. Pitra S. 501-506 (aus CT). Dazu noch A fol. 174'— 177% B fol. 2'— 5% D, M fol. 218»--222' (s. Amfilochij, Pacsimile- band), V fol. 165^— 168%

Die Äkrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 593

Überschrift: ij äxQoanx^g, elg jtjv fJieiafAOQfpaioiv M: elg rr]v juerafiogcpcooiv V: fehlt A(?)BCDT.

Text: Elg rrjv fiexafjLOQtpoyaiv ABCVMT: Elg xijv fiea- juogqpcooiv D.

Prooemion: 'Eni tov Sgovg, Strophe a: *EyiQ&f]Te ol vcu&eig,

103. Anonymus. Mariae Himmelfahrt. 15. August. Pitra S. 516-527 (aus C). Dazu noch V fol. 172^— 173^

Überschrift: (pigov äxgoaxixlda. rov ä/Ltagrcokov t6 nolriixa C: (pigov äxgooTixlda. rov äjiiagx (Schluss unleserlich) V.

Text: ebenso C: lov äfiagxoy (Schluss fehlt durch Blatt- ausfall) V.

Prooemion I : *A(p^ ov jLLerioxtjg,

Prooemion II: 'Qg nolvxi/urjxov.

Prooemion III: Tlßiiog havxtov,

Strophe a : Tfj Magiä/i,

Haltlose Vermutungen über den Autor bei Pitra S. 516; 527.

104. Anonymus. Krankengebet. Pitra S. 532-535 (aus C).

Überschrift: <pegov äxgoaxixida, xov IXeeivov C. Text: ebenso C. Prooemion : 'H h ävdyxacg, Strophe a: Ti do&eitj.

Pitra vermutet (S. 532), dass sich unter der bescheidenen Äkrostichis Theodoros Studites berge.

105. Anonymus. Die hll. Engel. 8. November. Pitra S. 538-540 (aus C;. Dazu V fol. 3^-4\

Überschrift: (pigov äxgoaxixida. xov äi,(pdßTjxov CV. Text: aeßyde (so) C: aßyde V. Prooemion: 'Agx^oxgdxtjye '&eov, Strophe a': ^Avagx^, dianoxa.

Dero gleichen Prooemion folgt ein anderes Lied auf das- selbe Fest in P fol. Se*"— 38'. Vgl. Nr. 117.

594 K. KrMmbaAer

B. ünedierte Lieder.

Auch hier, wie bei der Aufzählung der nicht oder Dur fragmentarisch veröffentlichten Lieder des Romanos (S. 571 ff.), gebe ich zuerst das Material aus P, dann das aus Q, dann das der übrigen Hss, soweit ich aus ihnen genügende Notizen besitze.

106. Joseph. Die hll. Nazarios, Gerbasios, Prota- sios und Kelsios. 14. Oktober. P fol. 4' 5"".

Überschrift: (pigov äxQoazixida rtjvde, &6ii icoarjq) F.

Text: ebenso P.

Prooemion: Aa/iTtrfjQeg (patdQoi

Strophe a: 'Qg qxojavyeig,

107. Anonymus. Der hl. Apostel Lukas. 18. Oktober. P fol. 5^— 6\

Überschrift: (pigov AxQoonxida xrjvde. Adij rdia P.

Text: ebenso P.

Prooemion: Ma&r^xijg yevo/nevos.

Strophe a: 'Qg iatgdg,

108. Leon. Der selige Hilarion. 21. Okt. Pfol.7^-9'. Überschrift: (pegov äxgoouxlici xijvde, inog Xiovtog P. Text: ebenso P.

Prooemion: *iig qpcoaxfjga,

Strophe a: *Egao&elg xov Xgtaxov,

109. Anonymus. Der hl. ApostelJakob. 23. Oktober. P fol. 9^-1 K

Überschrift: (pegov äxgooxixlda xi^vde. xov fxivov xdXa P.

Text: ebenso P.

Prooemion: 'O xov naxgdg /aovoyevtjg.

Strophe a: Tdv yovov ae xov Icooijfp,

110. Joseph. Der hl. Ignatios Patr. 23. Oktober. P fol. ir-12^

Überschrift: (pigov äxgooxixldct xi^vde. d)d^ Icooi^tp P.

Text: ebenso P.

Prooemion: ^coxoßöXotg XdfAyfeoi,

Strophe a: 'üg x(ß (pcoxL

Die Äkrostichis in der griechiachen Kirchenpoeeie, 595

111. Paulos. Der hl. Arethas und seine Genossen. 24. Oktober. P fol. 12^-U^

Überschrift: q>iQov äxQoorixiAa ii^vde. xov xdXa navXov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: EvtpQoavvrjg ngo^evog,

Strophe a: Tbv vovv juov.

112. Stephanos. Der hl. Demetrios. 26. Oktober. Prooemion und 7 Strophen in C. Daraus ed. Pitra S. 651 653. Prooem. und 5 Strophen in D. Vollständig nur in P fol. 15^ 17^

Überschrift: tpegov äHQoajixido^ jrjvde. tov (rov fehlt D) areipdvov 6 dlvog PD: (pigov AxQoarixida, oietpog C.

Text: Tov öTecpdvov S dlvog (17 Strophen) P: Toritpog C: (jTeq>a D.

In der italischen Redaktion (C) ist aus der ursprüng- lichen Äkrostichis durch Auslassung der mittleren Litterae das Wort axitpog gebildet worden, wobei freilich das T der ersten Strophe in der Luft schwebt. In D ist zwar die Überschrift annähernd vollständig, vom Texte sind aber nur Prooem. und 5 Strophen aus dem Anfange des Liedes übrig geblieben.

Prooemion: Toig x(bv al[jLdi(ov.

Strophe a': Tovxov xöv fxeyav.

113. Anonymus. Die hll. Zenobios und Zenobia. 31. Oktober (bei Nüles I 311 am 30. Okt.). P fol. 20'— 2P.

Überschrift: (pegov äxQooxixida xrjvde. enog P. Text: ebenso P. Prooemion: ügog evoeßeiag, Strophe d: Tov avaQyvgov,

114. Anonymus. Der hl. Akindynos und seine Ge- nossen. 2. November. P fol. 25^— 27^ Prooemion und drei Strophen auch in D.

Überschrift: cpigov äxQooxixida xijvde, xov xdXa &rocPD. Text: ebenso P: xov D. Prooemion: 'Qg äoxga, Strophe d: Tov h nekdyei.

596 K. Krumbather

115. Joannikios. Der selige Joannikios. 4. No- vember. P 30^—34'.

Überschrift: (pigov dxQoaiixl^ xj^vöe. v/avog xov xami- vov IcDawixiov P.

Text: ebenso (rcuietvot» !) P. Prooemion : *Ev r/y f^vtffJLfi, Strophe a': ^YntQovQdviE ^ek.

116. Anonymus. Der hl. Paulos von EonstantinopeL 6. November. P fol. 34^—35^.

Überschrift: <piQov dxQoouxlda, Ji^vde, 6 (Jvog xala P. Text: 6 alvog TäkXa{so) P. Prooemion: ^Aorgätpag Iv yfj. Strophe a: 'O^ioloylag aivlog.

117. Anonymus (Romanos?). Die hll. Engel. 8. Not. P fol. 36^ 38'. Prooemion und die ersten 8 Strophen auch in D.

tiberschrift: tpigov AxQoaxtxl^ xi^vde. eig xdv ägxufrgd' xrjyov P: ^wjnavov Tioitjßia. q^igoor ixgoaxixida xrjvds. dg xov ägxioxgdxi]yov D.

Text: elg xov ägxtaxgdrtjyov (19 Str.) P: elg xov dg D.

Prooemion : *Agxioxgdxi]ye (vgl. Nr. 105).

Strophe a: '"Etprjg, cpiXdv^gcoTie.

Die Zuteilung des Liedes an Romanos durch die Autor- notiz in D bietet für die Autorschaft wohl keine genügende Gewähr. Vgl. Nr. 84.

118. Anonymus. Die hll. Engel. 11. Lied. 8. 'Sor. P fol. 38'— 38\

Überschrift : tpigov dxgoaxixlda xi^vde. elg xavg doü)- judxovg P.

Text: elg P.

Prooemion: Tijg xgrjmdog.

Strophe a: *Ev dvol^ei, oa>xi)g.

119. Anonymus. Der selige Theodoros Studites. 11. November. P fol. 42^-43\

Überschrift: fehlt P.

Die ÄhrosHehia in der griechischen Rirchenpoesie. 597

Text: Tov xaneivo (10 Strophen) P. Prooemion: T6v äaxrjuxdv, Strophe a': 7a>v äoxfjT(bv.

120. Anonymus. Der hl. Johannes der Barm- herzige. 12. November. P fol. 43^—45'".

Überschrift: (pegov äxQoortxida xi^vde. eig xdv iXeij- fxova P.

Text: ebenso P.

Prooemion: T6v nkovxov xbv aöv.

Strophe a: *Em xb eleog.

121. Anonymus. Der hl. Johannes Chrysostomos. 13. November. P fol. 45'— 47\

Überschrift: (pigov äxQoaxixida xi^vde. ek täv xQ^'

OOOXOfJtOV P.

Text: elg xbv ;if;|f ^^vvaaooaoTTo/ioy P. Prooemion: *Ex x(bv oigavcbv. Strophe a: *Ex xijg nayxQvoov,

Durch die seltsame Verdoppelung der Litterae X T wächst die Zahl der Strophen auf 24. In der Marginalzählung der Hs sind aber die Doppelstrophen mit der gleichen Nummer be- zeichnet, so dass sich nur i^ Nummern ergeben.

122. Oeorgios. Der hl. Johannes Chrysostomos. 13. November. P fol. 50^— 53\

Überschrift: r; ixQoaxixig» xov xaneivov yecogylov. Am Rande: Uoltj/ia yecoQyiov P.

Text: xov xaneivov yeiogylov (19 Strophen) P. Prooemion: fehlt. Strophe a: Tbv xrjv yrjv.

128. Studites. Der hl. Johannes Chrysostomos. 13. November. P fol. 53^— 55^

Überschrift: (peQov äxgoaxixtda xrjvde. vovv 7iaixq)arj ncbg aiviaeig & axovdixa P.

Text: Novv na/LKpatj ndvix (15 Strophen) P.

Prooemion: 7a ;|rßvo({TaTa.

Strophe a': Nvv xQ^^oaxdXiaxog.

598 K, Krumbad^

124. Anonymus. Der hl. Apostel Philipp. 14. Not. P fol. 56^-57^

Überschrift: (pigov äxgcnjuxida xfjvde. jioifjßia xdla P. Text: ebenso (10 Strophen) P. Prooemion: "Ov ol nQoqnjjai, Strophe ai IleQKpeQÖfievog.

125. Anonymus. Der hl. Apostel Matthaeos. 16. No- vember. P fol. 60^-61\

Überschrift: (pigov äxQoarixlSa xtjvdB, jJ wdij rdia P. Text: ebenso (8 Str.) P. Prooemion: Tov relovlov, Strophe a : 'H tov Ix&qov.

126. Anonymus. Der hl. Oregor der Wundertäter. 17. Nov. P fol. 62''-64\

Überschrift: (pigov ängoaTixi^ rtjvde. Jioifjfta elg rov ^avfiaxovgyov P.

Text: ebenso (24 Str.) P. Prooemion : Oav/ndxcDv TtoXX&v. Strophe a: Ilö&ev änägSo/nai,

127. Anonymus. Der hl. Piaton. 18. November. P fol. 64^—65'.

Überschrift: xavit] ^ <hdi} xdJ,a P. Text: Tai' P.

Prooemion: 'H äyia fivfujLti oov, Strophe a\ 7a>v 'EiX7]V(ov linwv.

128. Joseph. Der hl. Gregorios Dekapolites. 20. No- vember. P fol. öö*" 66\

tiberschrift: (pegov äxQoaxixida xi^vde. Icoat'jfp P.

Text: lojotjcp P.

Prooemion : ^coxavyiag ^liov.

Strophe a: 'hgoig ol nioxol.

129. Anonymus. Die hl. Katharina. 24. November (dieses Datum in P!). P fol.7K-73^

Überschrift: (pegov dxgoaxixidn xtjvÖe, xov fAOvov rar«- vov i) (bdtj P.

Die Akrostickia in der grieMä<Aen Kirchenpoesie, 599

Text: ebenso {xaneirov) P. Prooemion: Xogelav oejtrrjv. Strophe a: Tfjv ix ^eov,

130. Anonymus. Der hl. Petros yon Alexandria. 25. November (dieses Datum in P!). P fol. 73'— 75^

Überschrift: q>iQOv äxQoauxiSa xi^vde, Snog xov fidvov joneivov P.

Text: ebenso {laTieivov}) P. Prooemion: ^Og^odöSoig döy/naot, Strophe a : 'Eni Tr]v ^avjLLaarfjv.

131. Anonymus. Der hl. Alypios. 26. November. P fol. 76^—77'.

Überschrift: (pigov äxQoarixi^oL ri^vde. äXvjiUo dlvog P. Text: ebenso P. Prooemion: 'Ayyelixrjv, Strophe a: 'Avaxga&elg,

132. Anonymus. Der hl. Jakob der Perser. 27. Nov. P fol. 77^-79'".

Überschrift: (pigov äxQoarix^da ii^vde, alvog olxTQÖg P. Text: ebenso P. Prooemion: Ueio'&elg xfj xaXfj, Strophe a : ^Anb tpvx^g-

133. Abbas. Der hl. Stephanos der Jüngere. 28. November. P fol. 79^- 80^

Überschrift: (pigov äxQoarixlda xijvde. üfAvog äßßd P. Text: ebenso (9 Str.) P. Prooemion: 'O/icowjuog ooq)L Strophe a': 'Yno x^g arjg,

134. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. 30. Nov. P fol. 81'-83\

Überschrift: fj äxQOoxtx^ xaid äXq>dßr}TOv P. Text: aßyd,,,(o (24 Str.) P. Prooemion: Tdv xrjg ävögelag. Strophe a: ^vod'^ev jukv,

1908. Sitagsb. d. phUoB.-philoL a. d. hiBt. KL 40

600 K. Krumbacher

135. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. 11. Lied. P fol. 83^-84\

Überschrift: eregoi ohcoii -rjxoQ 6 avxogx -ngog Tgä- vcooov jLLov: -9?* (also wohl: (pigovreg oder (pegovoi zu lesen) äxQooTixida» 6 alvog xäkla P.

Text: ebenso (11 Str.) P.

Prooemion: fehlt.

Strophe a: ^Oooi ^iW/icwff.

136. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. IIl. Lied. P fol. 85^-86^

Überschrift: q^egov äHQoarixida Ttjvds. xov ä/MXQTCokov P. Text: ebenso (12 Str.) P. Prooemion: Trjg vorjT^g. Strophe a: T6v y)t](pcp ^eiq.

137. Anonymus. Die hl. Barbara. 4. Dezember. P fol. 87^ -89^

Überschrift: q)iQOv äxQoanxi^oL tyjvöe, Tavxfj ^ (hdij rdla P.

Text: tavtt] rj (leerer Raum ohne Text) codtjTa (leerer Raum ohne Text) ka (leerer Raum ohne Text) P. Es sind also von den 13 zu erwartenden Strophen, deren Nummern auch am Rande vollzählig notiert sind, die 6., 11. und 13. in der Vorlage von P verloren gegangen.

Prooemion: Tco vv/Kplq) aov,

Strophe a: Ttjv vv^uptv^eloav.

138. Symeon. Der hl. Sabas. 5. Dez. P fol. 89^— 90^ Überschrift: (peQov äxQoauxdci rijvde, av/ueä^v ^ (hdi^ P. Text: ebenso (10 Str.) P.

Prooemion: Tdv ßiov evoeßcög. Strophe a: Zotplag ijidQxcov,

189. Anonymus. Der hl. Ambrosius. 7. Dezember. P fol. 96^-97^

Überschrift: (pigov dxQoarixlda Ttjvde, alvog P. Text: ahogg (6 Str.) P. Prooemion: "QoneQ äoiiga, Strophe a\ Avyaoov fxov.

Die ÄkrosHehis in der grieehisehen Kirehenpoesie, 601

Die erste Strophe mit 2 (5) bringt das bilderreiche Lob des Heiligen aas Strophe 2 4 zum Abschluss« Erst die zweite Strophe mit 2* (6) enthält den üblichen Abschluss: ein Gebet an den Heiligen um Fürbitte für das Seelenheil aller seiner Verehrer, und bildet so das rechte Gegenstück zu Strophe 1, in der der Dichter den Heiligen um Erleuchtung anruft.

140. Anonymus. Der hl. Patapios. 8. Dezember. P fol. 97^— 98\

Überschrift: (pigov äxQOouxlda xi^vde. ij (bdrj xdla P. Text: ebenso P. Prooemion: Tbv va6v oov, Strophe a: 'H oogög aov,

141. Anonymus. Die Empfängnis der hl. Anna. 9. Dezember. P fol. 99^-100'.

Überschrift: äxQoaTixig* ädco (als Randnotiz) P. Text: äd(o P. Prooemion: 'iig nXaivxiQa, Strophe a\ ^Aqqtjxov ßXinmv.

142. Anonymus. Der hl. Daniel Stylites. 11. Dez. P fol. 100^-1 Ol \ In T nur Prooemion und Strophe a—y. Vgl. Pitra S. 564 f.

Überschrift: q^igov äxQoarixida rijvde, ^ (hdfj xdka fxdvov P.

Text: fj (bdfj xdka fiövov v (14 Strophen) P: ij (hd T.

Prooemion: "ßoneg äoxi^Q.

Strophe a: 'H cßörj ^nagä.

Mit der Doppelung des Schlussbuchstaben verhält es sich ähnlich wie in Nr. 139. Die mit dem Vorhergehenden nur lose verknüpfte Schlussstrophe (zweites Y) enthält eine Bitte an den Heiligen um Schutz für das Kaiserhaus (xovg maxohg ßaoileig ilfi&v qwXaxxe; vgl. Erumbacher, Studien S. 254 Anm.), Er- haltung des Patriarchen, Stärkung des Heeres u. s. w.

143. Anonymus. Der hl. Eustratios und seine Ge- nossen. 13. Dezember. P fol. 103'— 105^

Überschrift: tpigov äxgoaxixlda xi^vde. xd vq>og /uovov vmewcv P.

40*

602 JL Krunibadur

Text: ebenso (janeivovl 19 Str.) P. Prooemion: Ilgög rovg äv6fiovg, Strophe a': Tb Coipegdv.

Das Prooemion ist, trotz der gleichen Anfangsworte, nicht identisch mit dem bei Pitra S. 370.

144. Anonymus. Die hl. Anastasia. 22. Dezember. P fol. 110^—112«'.

Überschrift: (peqov äxQoaxixlda Trjvde. tovto t6 &iog xdXa P. Text: Tovxo xd inos xdXXa (16 Str.) P. Prooemion: Ol iv jteiQaaßioTg. Strophe a': Tfjg ävaaxdaecDg.

145. Anonymus. Die hll. zehn Märtyrer auf Kreta. 23. Dezember. P fol. 112'*— 113^

Überschrift: q>£Qov äxQoaxixlda xi^vde. ^nog elg xovg dexa äyiovg P.

Text: enog P. Prooemion: 'O/nöifvxoi. Strophe a': "Elaßixpev,

146. Anonymus. Vorfeier von Weihnachten. P fol. 118'— 119\ In D Prooemion und Strophe a— 3'.

Überschrift: (pEQOv äxQoaxixUcL xijvde. xavxt] y Adi] xdXa PD.

Text: ebenso (13 Str.) P: xavx D.

Prooemion: Evtpgalvov, Brj'&lei/i,

Strophe a: Trjg aijg, Ttag^ive.

Das Prooemion und Strophe a / stehen, wie in P zur Vorfeier von Weihnachten, auch in T fol. 40b'^ 41^ Pitra (S. 455 ff.) hat das Prooemion und Strophe a unterdrückt und mit Strophe ß' y ein Prooemion und drei andere Strophen, die in T fol. 51**"^ zum Sonntag nach Weihnachten stehen (= Prooemion und Strophe d / von Nr. 148), verbunden und die Strophen so gestellt, dass die Akrostichis vaa/ia entsteht. Dieses Verfahren rechtfertigt er also: „Extat in taur. f. 51, in quo inter duas dominicas ante Natalia sie dividuntur trop. promiscue, ut nulla acrostichis maneat*. Weiter kann man in

Die ÄhrosHMa in der griechitühen Kird^enpoeeie. 603

der wildesten Willkür nicht mehr gehen. Natürlich sind die zwei Liedfragmente in T an ihren Stellen zu belassen.

147. Anonymus. Nachfeier von Weihnachten. 26. Dezember. P fol. 126'— 127S D.

Überschrift: (pegov äxQoonxlda rijvde, rcbv Ijidoxlcjv i}

(hd^ P: (pigcDv äxQoozixlda. icbv (Rasur) (hdij D.

Text: Twv ind P (es fehlen also 9 Strophen): rwv In D. Prooemion: *Ev xfj BtjMeißj.. Strophe a: Tdv tov #£ov.

148. Anonymus. Sonntag nach Weihnachten. P fol. 135'— 136', D.

Überschrift: tpigov AxqootixI^o, trjvde. äojLia lAXa PD. Text: ebenso (8 Str.) P: aopi D. Prooemion: Xogog x(ov 7iQo<pi]T(bv. Strophe a': ''Anav vexQCjoavxeg. Vgl. die Notiz zu Nr. 146.

149. Anonymus. Der hl. Basilios. 1. Januar. P fol. 137'— 139\

Überschrift: (pigov äxQooTixida xijvde, nolrifia eis ßaoU leiov P.

Text: ebenso P.

Prooemion : 7a ßd'&rj x^g aotpiag.

Strophe a: Iläaa fj ohcov^hr],

150. Anonymus. Die siebzig Jünger. 5. Januar (bei Xilles am 4. Jan.). P fol. 141^—143'.

Überschrift: (pegov äxQoaxix^da xijvde. äofxa xAla P.

Text: ebenso P.

Prooemion: ^Aoxigag (paetvovg.

Strophe a': *And na^&v.

151. Gabriel. Vorfeier der Theophanie. 5. Januar. P fol. 143'— 143\

Überschrift: <peQov äxgooxixlda xi^vde. Adrj yaßQiTJl P. Text: ebenso P. Prooemion: 0a)g voegdv. Strophe a: ^Q ä<pdxov.

604 x: Erumbaeher

152. Anonymus. Vorfeier der Theophanie. P fol. 143^— U4\

Überschrift: ipigov äxQoanxl^ ttiv&b, äo/ia P. Text: ebenso P. Prooemion: 'O Tfj '&eü(fj. Strophe a: *Axaxdli]7ZTog,

153. Anonymus. Der hl. Polyeuktos. 9. Januar. P fol. 152^— 153\ Pitra S. 594 f. ed. das Prooemion und Strophe a / aus T.

Überschrift: g^igov äxQoaiixida ti^vde. enog rdia P. Text: ebenso (8 Str.) P: eno T. Prooemion: Tov acox^Q<K, Strophe a: *Ev 'loQddvfi noxaiAtp.

154. Anonymus. Der hl. Gregor von Nyssa. 10. Jan. P fol. 153^—155'.

Überschrift: q)SQOv (fpeg*^) äxgomixlda ti^vde, ek tov vvorjg (so) P.

Text: ebenso (11 Str.) P. Prooemion: Td S/ix/na xrjg y^xti^- Strophe a': *E^ äfieXeiag.

155. Anonymus. Der hl. Theodosios. 11. Januar. P fol. 155^^—156^ Prooemion und Strophe a— d' auch in T, woraus Pitra S. 612 f. das Prooemion und Strophe a—y edierte (<J' blieb aus Versehen weg). Prooemion und Strophe a y auch in M. Den ganzen in P erhaltenen Text ed. Erumbacher, Studien zu den Legenden des hl. Theodosios, Sitzungsber. d. philos.-philol. u. d. bist. El. d. Bayer. Akad. 1892 S. 325—332.

Überschrift: fehlt PMT.

Text: aßydsCti» P: aßyd T: aßy M.

Prooemion : Ileipvxevfjievog,

Strophe a': ^Av&QOinog fjikv.

156. Anonymus. Die hll. Äbte. 14. Januar. P foL 157^ 158^. Prooemion und Strophe a auch in T und im Vatic. 1510. Daraus ed. von Pitra S. 605.

Die ÄhrosHekis in der ffriethisd^en Kirchenpoesie. 605

Überschrift: (pegov {(pig*^) äxQoarixlda xtjvde. xo Snog läXa P.

Text: ebenso (10 Str.) P. Prooemion : *Ex t^c xoojLuxfjg. Strophe a: inl yfjg.

157. Anonymus. Der hl. Paul von Theben. 15. Jan. P fol. 159'-160\

Überschrift: (piQOv äxQoanxldcL z^vde. S alvog idla P. Text: ebenso (10 Str.) P. Prooemion: T6v qxoaxrJQa, Strophe a: 'O Iv vyjtoxoig.

158. Anonymus. Die Zurückführung des hl. Petros. 16. Januar. P fol. 161^"^

Überschrift: q)iQov äxQoaxixi^ ovv xov xovxaxlov (ab- gekürzt), äo/m P.

Text: äa/LLa (mit dem Prooemion beginnend!) P. Prooemion: *Avaßdg cbg ^kiog. Strophe a: Hxi^krj Sfznvovg.

159. Anonymus. Der hl. Antonios. 17. Januar. P fol. 161^— 163\

Überschrift: (pigov äxgooxiyjda xtjvds, xovxo x6 ijcpog T(üa äjtav P.

Text: ebenso (19 Str.) P. Prooemion: Tovg ßicoxixovg. Strophe a: T^g xov Xqioxov,

160.Theodoros(?)Studites. Derhl. Antonios. 17. Jan. P fol. 163^-164' (Prooemion und 4 Strophen). C fol. 46' - 47^ (Prooemion und 1 1 Strophen). V fol. 48'— 49^ (wie C). Ed. Pitra S. 377—380 (aus C).

Überschrift: (pigov äxQooxixida xrivde. xov axovdlxov niwfAvog elg ävxthviov P: fehlt C: Tiolrijuia axovdlxov V.

Text: xovv P: xov axovölov CV.

Prooemion: *Ev oagxl

Strophe a: Tbv tpcoaxrJQa,

606 2C Knmbadier

Das Lied, das ich unter den Inedita einreihe, weil die Hauptsache, die Akrostichis, neu ist, bietet ein höchst lehr- reiches Beispiel der ungeheueren Verluste, welche die Hymnen- dichtung schon in früher Zeit erlitten hat. Durch einen Zufall ist in P die yoUständige Akrostichis erhalten, nach der das Lied ursprünglich nicht weniger als 31 Strophen umfasste, also an Umfang den grössten Hymnen des Romanos gleich- kam. Hievon sind in der italischen Redaktion GY die ersten 11 Strophen erhalten, die das Akrostichon rov axovdiov (so^i ergeben; es ist also das t ausgefallen; denn man darf wohl kaum annehmen, dass etwa das Kloster Studion als Autor bezeichnet und so eine Art EoUektiTarbeit angedeutet war. Li P, der sonst den anderen Hss gegenüber so häufig voll- ständige Texte bewahrt, ist das grosse Lied auf 4 Strophen reduziert, und zwar stehen Strophe a /, die den ersten drei Strophen in CV entsprechen, an der richtigen Stelle; Strophe d' aber (JV) stellt offenbar die ursprüngliche Schluss- strophe dar, die wegen des Schlussgebetes beibehalten wurde, um das kleine Fragment wenigstens äusserlich abzurunden. Vgl. Krumbacher, Studien zu den Legenden des hl. Theodosios (vgl. oben Nr. 155) S. 333 f.

161. Abbas. DerhLKyrillos von Alezandria. 18. Jan. P fol. 164'-\

Überschrift: cpigov äxQOorixiSa ti^vde. äßßä P.

Text: ebenso P.

Prooemion: Tag töjv algiaecov.

Strophe a: *A7ioxa'9<iQag,

162. Anonymus. Der hl. Kyrillos von Alexandria. P foL 164^— 165^

Überschrift: fehlt P. Text: taivog P. Prooemion: ^Aßvaaov fifuv, Strophe a\ TeQnvdg.

Das Beispiel ist bemerkenswert, weil hier offenbar, gegen die Gewohnheit, nicht einige Strophen vom Anfang mit der

Die ÄkrosHchis in der grieehisehen Kirehenpoesie. 607

Schlussstropbe (vgl. Nr. 160), sondern die erste Strophe und die fünf Schlussstrophen gerettet sind. Die vollständige Akro- stichis lautete etwa r{ov axovditov) alvog.

163. Abbas. Der hl. Makarios yon Ägypten. 19. Jan. P fol. 165^— 166^

Überschrift: q)€Qov (tpig'^) äxQoarixldci Ti^vde. rov äßßdF. Text: ebenso P. Prooemion: Tgoi^elg xcß tivqI. Strophe a: Twv xov xvqIov.

164. Anonymus. Der hl. Euthymios. 20. Januar. P fol. 166^-169'.

Überschrift: (pigov äxQooTixlda xrjvdt. elg rdv Soiov eö- {^vjuiov 6 vfivog ovrog P.

Text: ebenso (30 Str.) P. Prooemion: 'Ev xfj osTvifj, Strophe a: *Ex ^&vfiov.

Das lange Gedicht ist schlecht versifizierte langweilige Prosa. Dass der Redaktor von P (bezw. seiner Vorlage) das öde Machwerk der unverkürzten Aufnahme würdigte, ist bei seinem sonst recht guten Geschmack unbegreiflich. Der Ver- fasser, der in weiser Bescheidenheit sich in völlige Anonymität hüllte, ist wohl unter den Männern von Studion zu suchen.

165. Anonymus. Der hl. Apostel Timotheos und der hl. Anastasios. 22. Januar. P fol. 170'— 171\

Überschrift: q)€Qov äxQoaxixida xtjvde, tj (hdf] elg xovg üo P.

Text: ebenso P.

Prooemion: T6v &eTov fxa^xijv.

Strophe a: 'HUov jiXiov.

166. Johannes. Die hll. Riemens und Agathangelos. 23. Januar. P fol. 172''— 173"^. Prooemion und Strophe a / auch in T. Daraus ed. Pitra S. 575 f.

Überschrift: (pigov äxQOoxix^da xrivdt, äojna loydwov P: fehlt T.

Text: äo/ia Icodvvov v (12 Str.) P: aofi T.

608 J^ Krumbaeher

Prooemion: 4^r^y eMaJtkg, Strophe ai *AiOßiauHÖK»

Die zweite Schlussstrophe (zweites Y) enthält ein Schluss- gebet. Vgl. Nr. 142.

167. Anonymus. Der hl. Gregor von Nazianz. 25. Januar. P fol. 173^— 175^

L berschrift: q^igov äxQoari^lda rtjvSe. elg tov ^eoloyov P.

Text: ebenso P.

Prooemion: OeoXöyq) yld>oojj oov,

Strophe a': *Ex jfjg ^eoXoyixijg.

168. Anonymus. Der hl. Johannes Chrysostomos. 27. Januar. P fol. 176^— 178^ Das Prooemion und Strophe a. ß", 6' auch in C. Daraus ed. Pitra S. 566 f.

Überschrift: (pigov äxQoouxi^ xi^vde. ^ (bdij devriQa P. Text: ^ (hdi] deviega a P. Prooemion: Evq)Qäv&rj, Strophe a: 'H Xa/njidg.

Die zweite Schlussstrophe (zweites A) enthält, wie üblich, ein Gebet an den Heiligen. Nicht gerade poetisch, aber lehr- reich für die Beurteilung der Doppelung ist es, dass die Strophe hier ausdrücklich als Ephymnion bezeichnet wird. Sie be- ginnt mit den Versen (ich behalte die Versinterpunktion der Hs bei): ^Ano ipvxrjg nQOOipegößievov. xb Itpvfiviov. ovfuta&iütmt TiQoode^aL xal xov Öeivov xoa/aoxQdxoQog. ^oai fAS Xixaig oov.

169. Anonymus. Der hl. Ephraem. 28. Januar. P fol. 178'— 180^

Liberschrift: tpegov ixQooxixl^ xrfvdB. elg x6v ovgor iq?galfJL P.

Text: elg xov avgov iq}gaißiig (19 Str.) P. Prooemion: Trjv aigav Ael. Stro})he a: *Ex xcbv va/idxcoy.

Die zwei nach der akrostichischen Reihe noch folgenden Schlussstroi)hen (ig) werden am Rande als olxoi ixegoi bezeichnet. Was für eine Bewandtnis es mit ihnen hat, ist mir dunkel.

Die Äkrostithia in der griediüehen Kird^enpoeeie. 609

Nach ihrem Inhalt wäre es denkbar, dass sie ursprünglich für die Buchstaben H und / innerhalb der Akrostichis (Strophe 7 und 16) dienten, dann durch andere Strophen ersetzt wurden, aber im ursprünglichen Ms irgendwie stehen blieben.

170. Anonymus. Der hl. Ignatios. 29. Januar. P fol. 180'— 181\ Prooemion und Strophen a / in T; daraus ed. Pitra S. 573 f.

Überschrift: (pigov äxgootixlicL xrjvde. lyvaxlov äcßia P.

Text: ebenso P.

Prooemion: *Ex xfjs ^(ojbirjg P: *ES icpag T.

Strophe a: 'lege/ilav.

171. Anonymus (Talas). Die hll. Kyros und Johannes. 31. Januar. P fol. 181^—188^.

Überschrift: ta-urrj fj (hdfj rdXa P. Text: ebenso (18 Str.) P. Prooemion: T6 fiiya iaiQeioy. Strophe a : Tb oigdviov vyfog,

172. Gabriel. Der hl. Theopemptos und die 1003 Märtyrer. 7. Februar. P fol. 191'— 192^

Überschrift: (pigov äxQoaxixida TrjvÖe. rov yaßQirjl P. Text: ebenso (10 Str.) P. Prooemion: Tag rcov eIöcüXcov. Strophe a: T6 ^eiov o&ivog.

Eine Rarität. Bei Nilles ist der hl. Theopemptos (ohne die 1003 Märtyrer) nur zum 5. Januar verzeichnet, dagegen bei Sergij sowohl Theopemptos als die 1003 Märtyrer zum 7. Februar. In der Bibliotheca Hagiographica fehlt er. Ebenso, soweit ich sehe, in den übrigen Hymnen-hss. Es scheint* übrigens, dass das Fest der hll. 1003 Märtyrer auch am 12. Februar ge- feiert wurde; denn in P steht fol. 194' am oberen Rande die Notiz (von einer zweiten Hand): firjvl rcß avxcß elg tag e/f. x(bv äykov ;|fdia>v tqiqjv fiagnigcov, ^iJtc* avzd elg tag f tov avrov /Jtrjvdg.

173. Anonymus. Die Auffindung des ehrwürdigen Hauptes des Vorläufers. 24. Febr. P fol. 196^— 197\

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J<r''o</' ;* i'^^ir i, h. zi.T. Kl-r^tii-r aif i^rn* Brrz»:^ Lame z^L^rrc. 17r,, O^'ofiel. Der hL Thecphrlaktos 't ca. S4o .

Text: e''>*T*-yj P. Pr^y/err. ion : 7/ f/to'/r^ z- .Strophe a': rnß.r^rr^^.

n^K AnonjmuM. Der hL Theophanes ron Sigriane. 1 2, Marx, P foL 207^— 20S'.

I, berÄchrift: ixooGxiyt^. ädm F. Text: 5^tt> P.

Strophe «': *A7iooorfT oj ffo/xi.

177. Gabriel. Nachfeier Ton MariaeVerkündigQng. 20. M^ir/. P fol. 214^— 216^

Lber Schrift: fffoov dxooariyjda rijvde. yaßgtijl xdde F. Text: ebenso F. Prooeniion : 7I7C vntoqxfnov. Strophe a': Fevog ädaßjiicuov.

Die Äkrosikhia in der grieehisehen KWehenpoesie. 611

178. Anonymus. Der hl. öeorgios. 23. April. P fol. 223^— 226\

Überschrift: (pigov äxQoonxlda Ttjvde. dg xbv äyiov yeiogyiov 6 alvog P.

Text: ebenso (25 Str,) P. Prooemion: recogyrj&elg. Strophe a: *Ev ohcTq).

179. Anonymus (Talas). Der hl. Apostel Markos. 25. April. P fol. 226^— 227^

Überschrift: fehlt P. Text: xov fidvov T<i{Xa) P. Prooemion: 'E^ vyjovg. Strophe a: Tov xogvipaiov.

180. Anonymus. Der hl. Apostel Johannes. 8. Mai. P fol. 233^- 235^

Überschrift: (pigiov (so) äxQoanxlda ri^yde. elg t6v ^eo- löyov P.

Text: ebenso (14 Str.) P. ' Prooemion: *Aji6oxoX£. Strophe a: Elg äXrj^cbg.

181. Sfcephanos. Der hl. Theodor Stratelates. 8. Juni. P fol. 245'— 246\

Überschrift: tpigov äxQoorixida rtjvde, tov xaneivov are- (pdvov P.

Text: xov xcmet] (^axvvagl) vov o (12 Str.) P. Prooemion: 'Avögelq y^vx'fjg' Strophe a: Tgävcocöv fjLOv.

Neu ist die antistoechische Vertretung von i durch t] in xanetjvov. Selten und hier wohl durch einen mechanischen Verlust in der Vorlage veranlasst ist die Verstümmelung des Namens am Schluss der sonst vollständigen Akrostichis. In der Regel sind die Hymnen entweder ganz bewahrt oder auf 3 4 Strophen reduziert. Das Prooemion des Liedes ist iden- tisch mit dem Prooemion des im übrigen ganz verschiedenen Liedes des Studites bei Pitra S. 361 ff.

612 BL EfuaUHtAer

182. Joseph« Der hL Apostel Bartholomaeus. 11. JunL P foL 247'— 248\ Einige Strophen auch bei Amfi- lochij. Textband S. 185 ond 228.

Überschrift: q:£gor dxQOGtixiia rt^rde. ibdij ieomjqf P. Text: ebenso P. Prooemion: *Ü<fOt]g. Strophe a: 'Q^ ovgardg,

183. Gabriel. Die hl. Febronia. 25. Juni. P foL 255^—257'.

Lberschrift: (fioov ((pig*") äxQoortx^icL xjljrde, yaßQifjl ibdri P.

Text: ebenso (10 Str.) P. Prooemion: ^Eooixi Xoiaiov. Strophe a: Pri'^oovvayg,

184. Arsenios. Die hll. Apostel Petros und Paulos. 29. Juni. P fol. 260'— 261\

Überschrift: fehlt P. Text: aQatov P. Prooemion: Ol rov acoTfjoog, Strophe a: ^Avagxog ägy/i-

Die Ergänzung äQae{vi)ov ist wohl sicher. Die letzte Strophe {Y) stellt offenbar die wirkliche Schlussstrophe dar, denn sie enthält das übliche Schlussgebet.

185. Stephanos. Der hl. Prokopios. 8. JuH. P fol. 262^— 263^ Prooemion und Strophe d—d\ g ed. Pitra (aus CT) S. 328f.

Überschrift: (pegov (tpeg^) äxQoarixida Ttjvde. attipdvov P. Text: ebenso (8 Str.) P. Prooemion: Tcp '^eUo C^Aq>. Strophe a': 2x6 fia ovvioeiog,

186. Anonymus. Die hl. Euphemia. 11. Juli. P foL 264^—266'. Prooemion und Strophe a—y ed. Pitra S. 646—648 (aus MT).

Überschrift: cpigov (tpeg^) äxgoaxixi^ x'qvde, xrjg Jiayev (pri^ov P.

Die Äkrastichia in der griedUachen Kirehenpoeeie. 613

Text: ebenso (13 Str.) P.

Prooemion: *Ayü}vag,

Strophe a: Ti xiov o<bv ä&Xruxixmv.

187. Gabriel. Der hl. Symeon (Salos). 21. Juli. P foL 273^—278'.

Überschrift : (pegov Angoorixida Tijvde. xov xaneivov yaßgi^l, 6 vfivog ovtog äfirjv ä/n/jv P.

Text: TTov tcuieivov yaßgiifX 6 vjLivog ovrog äßiijv äfifi/jv P. Prooemion: Töv rov xvqIov. Strophe a: Tfjv äYa^xrjxa.

Neu ist die Doppelung des Anfangsbuchstaben und ebenso neu, dass am Schluss statt der öfter vorkommenden Doppelung eines Buchstaben ein ganzes Wort doppelt gesetzt wird. Zu allem Überfluss ist im letzten 'Ajußitjv das M gedoppelt. So kamen 39 Strophen zu stände. Das lange, recht wunderliche Machwerk ist eines der stärksten Beispiele der naiven Yersi- fizierung eines gegebenen Legendenstoffes, der seltsamen Taten und Abenteuer des , Narren um Christi Willen".

188. Arsenios. Die hll. Makkabäer. 1. August. P fol. 285'— 286^

Überschrift: fehlt P. Text: agaevico P. Prooemion: 2o(pvag t?£oi5. Strophe a \ AXvet ^eQjUfbg,

Auffallig und mir unerklärlich ist das (o statt ov am Schlüsse. Die Vermutung, dass etwa *AQoevl{ov) <b{drj) zu er- gänzen sei, ist nicht wahrscheinlich, weil die Strophe Q mit einem Gebet endet.

189. Gabriel. Vorfeier der Verklärung Christi. 5. August. P fol. 286'-\

Überschrift: (pigov (q>eQ'**) äxQomixt^d ty]vde, yaßgnjX P.

Text: ebenso P. Prooemion: *Ev x<p Sgei. Strophe a: Fecodeis ykmooai.

614 Z. Krumbad^

190. Anonymus. Sonntag der ersten Fastenwoche. Q fol. 14^—17'.

Überschrift: (pigov {ffiQ*^) äxQoaxixl^ xfjvde. rok «- xovoxiaarais ovai Q.

Text: ebenso (22 Str.) Q. Prooemion: 'O äTiegiygoTtrog. Strophe a: Tovxo ro rtjg olxovojuUag,

191. Anonymus. Sonntag der ersten Fastenwoche. Q fol. 18^— 19^

Überschrift: tpigov äxQootixl^ älq)dßf]Tov Q. Text: aßy...io (24 Str.) Q. Prooemion: Tofe x^QoL Strophe di ^Avagxog,

192. Anonymus. Der keusche Joseph. I. Lied. Montag der Osterwoche. Q fol. 66^ 69^. Prooemion und Strophe a ^ ed. Pitra S. 477 f. (aus T).

Überschrift: (piqov diXQoajixlio, Ttjvde (rijyde fehlt A). elg xdv ndyxalov l(oai]<p 6 ^gtjvog ovrog (pvrog fehlt A) QA.

Text : elg rdv ndyxaXXov (so) lo)oi}(p 6 ^Qfjvog ovrog (32 Str.) Q: keine genauere Angabe über A. Prooemion : 'O 'laxdyß d>dvQ€TO. Strophe a: *Em töv ödvQfiov,

Pitra vermutet S. 477, dass das Lied dem Romanos ge- höre, und auch ich hatte es aus inhaltlichen Gründen früher (Studien S. 217 f.) dem Romanos zugeteilt. Da aber der Autor weder in der Akrostichis noch sonst genannt wird, muss die Frage vorerst unentschieden bleiben.

193. Anonymus. Die zehn Jungfrauen. Lied III. Dienstag der Osterwoche. Q fol. 76^— 77\ Ed. K. Krumbacher, ümarb. S. 112 119. Über das Verhältnis zu den Liedern des Romanos (Nr. 13 und 14) vgl. ebenda S. 93 fiF. Auch in A fol. 232^-235\

Überschrift: ov ij äxQoaxixlg avrri {(piqov dxQoarixtda A). Tov xaTieivov iv ßlco QA.

Die Akrostichia in der griechischen Kirchenpoeaie, 615

Text: ebenso {xaneivovl) QA. Prooemion: Tifv digav, y^xti. Strophe a': Tl Qq^jueTs-

194. Anonymus. Die Buhlerin. IL Lied (vgL Nr. 15). Mittwoch der Osterwoche. Q foL SO""— 82«'. A foL 235^— 237^ Prooemion und Strophe a'—/ ed. Pitra S. 478—480 (aus T).

Überschrift: rj äpcgootixk- fi (hdij elg t^v nÖQyrjv QA.

T e X t : 1^ (hör} elg Trjv jioqvtjv v Q : keine genauere Angabe über A.

Prooemion: *YnkQ xrjv tzoqvtjv,

Strophe a: *H 7iQd>r]v äocorog.

Die zweite Schlussstrophe mit N enthält ein Gebet. Pitra denkt (S. 478) auf grund des kleinen ihm bekannten Fragments an Romanos oder einen Geistesverwandten als Autor („Aut enim magister adest aut argutus ejus aemulator**). Die Lek- türe des vollständigen Textes, den nur QA bewahren, muss in dieser Annahme bestärken. Doch bin ich, wie bei Nr. 192, dem Prinzipe gefolgt, Lieder ohne Autorennamen unter die Anonyma einzureihen.

195. Anonymus. Die Buhlerin. lU.Lied. Qfol.82'— 84'. Überschrift: ^ äHgoarixlg- 6 äXqxißr^xog Q.

Text: aßy . . coco (25 Strophen) Q. Prooemion: Kaxixovoa, Strophe a: ^Aqxtjv xrjg fjtexavolag.

Die zweite Schlussstrophe (ü), die am Rande als äXXo bezeichnet ist, enthält das Schlussgebet.

196. Anonymus. Judas. II. Lied (vgl. Nr. 16). Grün- donnerstag. Q fol. 87'-— 89^ A foL 237»^— 240^ Bei Pitra S. 480 nur Prooemion und Strophe d—ß aus T.

Überschrift: ov rj äxQoaxixig- r^g ngodoolag 6 &Q^vog Q: keine Angabe über A.

Text: ebenso (19 Str.) QA.

Prooemion: Tdv ägxov Xaßibv.

Strophe a': Tf] fivoxixfj.

Das Lied zeigt auf eine längere Strecke (Strophe / ff.) grosse, zum teil sogar wörtliche Übereinstimmung mit dem

1908. SiUgab. d. phUos.-pliUol. o. d. hist KL 41

616 K, Kruwhaeker

Liede des Romanos auf Petri Verleugnung (Nr. 18). Sowohl diese Anklänge als allgemeine stilistische Gründe sprechen für die Annahme, dass Romanos auch dieses Judaslied verfasst hat.

197. Arsenios. O^ier mojiiskg {xij ß^xtjg dtaxiyrioifuw {sojl Q fol. 117«^-^

Überschrift: fehlt Q.

Text: aQoet Q. Etwa zu ergänzen &Qoe{vlov) t<6 £70^).

Prooemion: XQtaxov x6 Jidaxci*

Strophe a: ^Aiooifxev ^aßia,

198. Anonymus. Der hl. Geist. Pfingstmontag. Q fol. 124^—125^

Überschrift: tpigov ixQoarixlda xrjvÖE. tvxh ^^*'^V Q- Text: Evx^ av Q (der Schluss fehlt durch Blattausfall). Prooemion: Tfj nagovotq, Strophe ai *Ex ttjg olxelag,

199. Anonymus (Talas). Mittwoch t^c fxeaontvxtixomTj;. Q fol. 134^—136'-. Prooemion und Strophe a-y ed. Pitra S. 491—493 (aus CT). Wohl auch in A fol. 260'-^.

Überschrift: cpegov äxQooTixUa trjyde, tov jhovov tdXa Q. Text: ebenso (12 Str.) Q. Prooemion: Tfjg fogi^g. Strophe a: Tijv ;|j£^ocüdcraav.

200. Anonymus. Die hll. Väter von Nikaea. Sonn- tag vor Pfingsten. Q fol. 147'" 149''. Das Prooemion und Strophe 1-5, 16 in CV; Pr. und Strophe 1—7, 16 in T: Pr. und Strophe 1 10*, 16 in M. Prooemion und Strophe 1 7. 16 ed. Pitra S. 493-498 (aus CT).

Überschrift: gFQov iHQoaxixlda xrivdt. e\g rovg {rovg fehlt Q) äylovg naxegag AQ: (pfgov äxgoaxixlda. elg iyiovg CV: fehlt MT.

Text: elg dyiovg juiaxegag Q: elg äyg (Strophe mit -g = 16 Q) CV: elg ayiovg n (= zweite /Z-Strophe Q) a (= 15 Q) M: elg äyiog (Strophe mit -^ = 16 Q) T: keine genauere Angabe über A.

Prooemion: T&v djtoaxökcov.

Strophe a: *Ev vy^tjkcp.

Die AkrosHchia in der griechiscKen Kirehenpoesie. 617

Ein typisches Beispiel der grenzenlosen Willkür, die in

der Überlieferung der Hymnen herrscht. Den vollständigen

Text bewahrt nur Q. Die Littera II ist hier durch 2 Strophen

vertreten; die zweite, am Rande durch äkko bezeichnet, ist

gegen die Regel in der Randnummerierung der Strophen nicht

mitgezählt, so dass sich als letzte Randzahl ig ergibt. Beide

Strophen beginnen mit Ildvrcov oiv tovtcov h^exe, sind aber

im übrigen ganz verschieden: die erste handelt eingehend von

dem Häretiker Severus, die zweite nur ganz allgemein von

den Irrlehren. Codex T hat die ersten 7 Strophen und die

Schlussstrophe gerettet; die italische Redaktion die ersten

5 Strophen und die Schlussstrophe. Der Mosquensis bewahrt

die ersten 9 Strophen in der gleichen Folge wie Q; dann folgt

Strophe 10* d. h. die zweite Strophe für 77; die noch folgende

(letzte) Strophe mit A ist aber nicht, wie man nun erwarten

sollte, identisch mit Strophe la' in Q, die ja auch mit A

beginnt, sondern = Strophe e^' Q. Also ist bei der Verkürzung

weder, wie oft, bei einer bestimmten Stelle der fortlaufenden

Reihe abgebrochen, noch, wie häufig (z. B. bei unserem Liede

in CVT), die Schlussstrophe des Originals beibehalten worden.

Dass der Verfasser des Liedes Romanos sein müsse, begründet

ein ungenannter Freund Pitras (S. 493) ausführlich, und Pitra

stimmt ihm bei. Ich muss gestehen, dass die Darstellung

tatsächlich an Romanos gemahnt.

201. Gabriel. Totenlied für Mönche. Q fol. 153^\ Überschrift: (peqov dxQoouxida ri^vde. yaßQirik Q.

Text: ebenso Q. Prooemion : EvonXayxvlag, Strophe a: {ri^9?)oiLiai Jicbg,

(Aus den übrigen Codices):

202. Anonymus. Pharisäer und Zöllner. Sonntag roi; TeX(üvov xal rov ^agiaalov, A fol. 191^ 196^.

Überschrift: ?

Text: Elg rov ^agioaiov xal Tekdnnjv A.

41»

618 K. Krumb(U^er

203. Anonymus. Der hl. Demetrios. 26. Oktober. D. Überschrift: (pigov AxqocxixU^ xfjvde. noirifia Silo D. Text: not D.

Prooemion: 'Eogti^v fie^edgriov. Strophe a: navrjyvQlaavres.

204. Anonymus. Der hl. Stephan. 27. Dezember. Bei Pitra S. 386-388 Prooemion und 6 Strophen aus T. In P fül. 129''"^ und in D nur Prooemion und 3 Strophen; in D aber in der Lberschrift die volle Akrostichis, die Glauben ver- dient, weil alle durch andere Hss kontrollierbaren Akrostichon- vermerke des D sich als richtig erweisen. Vgl. Nr. 87.

Überschrift: q^igtov &xQoaiixida ri^vde. c^üi xw axeqxirq) D: fehlt PT.

Text: (hd^ (oaz T: <bd^ PD. Prooemion: *0 dean6xi]s. Strophe a: *Qg äax^g q)aeiv6g.

Die Akrostiehis in der griechisehen Kirchenpoene, 619

Zweites Kapitel: üntersuclinngen. I. Die Akrostichisnotizen in den Liedüberschriften.

Die Lieder werden in den Hss durch kurze fttr den litur- gischen Gebrauch orientierende Überschriften eingeführt. Im Normaltypus einer solchen Überschrift werden folgende Punkte notiert :

1. Monat und Tag.

2. Der Vorwurf des Liedes d. h. der Heilige bezw. die Heiligen, äas Fest oder auch der allgemeine Inhalt.

3. Die Akrostiehis.

4. Der Musikton.

5. Die Melodie des Prooemions (durch Angabe des Muster- liedes bezeichnet: Ilgdg rd).

6. Die Melodie des Liedes selbst (meist erst nach dem Texte des Prooemions verzeichnet).

Ein Beispiel (P fol. 230') möge das Schema veranschau- lichen:

(1) Mrjvl T(p avxcü (sc. Matcp) f( .

(2) xovx&Mov Tov iv äyloig naxqbg fifJL&v ^A&avaolov, biiaxd- Tiov 'Ake^avögetag,

(3) q^igov äxQooxixlda ri^vde, AJvog 'PcDjuavov.

(4) fjxos $.

(5) nqbq xb, ToTg x&v aljudxcov aov ^el^^goig,

(6) Nach dem Prooemion: ngbg xb, Tgdvcoaöv fiov.

Dieser Orundtypus kann allerlei Modifikationen und Re- duktionen erleiden: (1) Statt der ausdrücklichen Bezeichnung des Tages steht, wenn schon ein Lied auf denselben Tag voran-

620 K. Knmbadher

gegangen ist: Tfj avxfj fifJi^Qq. oder ''Eregov xovzdxtov tlg toy u. s. w. Häufig ist das Datum nicht im Rahmen der Lied- überschrift, sondern am oberen Blattrande notiert. Von einer ausdrücklichen Angabe des Datums wird abgesehen, wenn dieses schon in der Notiz über den Vorwurf des Liedes ausgesprochen liegt z. B. Kovjdxiov fit&iogxov x^gXQiaxov yevri^oemg (P fol. 12S^\ (2) Die Angabe des Heiligen oder des Festes wird teils durch die Präposition eig (xovxdxiov elg täv äyiov u. s. w.), teils durch den Qenitiv {xorrdxtov rov äylov u. s. w.) eingeführt. Eine be- stimmte Regel hierüber giebt es nicht. (3 5) Die Angabe des Tones und der Melodie ist häufig, die der Akrostichis zu- weilen am Rande nachgetragen. Die Angabe der Melodie fehlt leider ziemlich häufig, nur selten die des Tones. Die Stellung der einzelnen Teile ist in der Regel die oben angegebene ; doch steht in einigen Hss (z. B. in B) die Notiz über Ton und Melodie vor dem Akrostichonvermerk.

Für das Ziel der vorliegenden Arbeit kommt nur der Akro- stichonvermerk näher in Betracht. Er zeigt verschiedene Fassungen, deren vergleichende Prüfung für die Klassifizierung der Hss und auch für andere Fragen von Wichtigkeit ist:

Die weitaus häufigste Form der Einführung der Akro- stichis ist: (pigov äxQoaxixiia rtjvde oder kürzer: (pigor dxoo- orixida. An das erste Wort knüpft sich eine palaeographische Frage: Die Hss bieten in der Regel die Abkürzung 97*, selten (p^Q (M). In den Ausgaben, leider auch dreimal in meinen eigenen*) und wohl auch in Abschriften und Kollationen, die ich von Fachgenossen erhalten habe, ist diese Abkürzung wiederholt durch (pigei aufgelöst worden.*) Dass sie in Wahr- heit nicht q^tgei, wie man allerdings zunächst vermutet, sondern (figov bedeutet, ergibt sich aus der Tatsache, dass ziemlich häufig in denselben Hss, wo 9?' steht, und im völlig gleichen Zusammenhange tpig'^ (seltsamer Weise wenigstens in den Hss,

M Studien S. 163, Umarb. S. 45, Rom. u. Kjriakos S. 726.

^) Regelmässig steht (psgei in den Beschreibungen der Codices B und D (s. oben S. 556). Hier bin ich über die Lesung der Hb in Zweifel und habe daher in Kapitel I Öfter (pigei mit ? notiert.

Die Äkrostiehis in der grieehiachen Kirchenpoesie. 621

die ich selbst gesehen habe, niemals (pig**) geschrieben ist.^) So viel ich sehe, ist tpeget nur da bezeugt, wo der Akrostichon« vermerk von dem Worte Kovrdxiov durch die Angabe des Tones oder der Melodie oder beider getrennt ist. So verhält es sich bei Nr. 23 M, dem einzigen sicheren Beispiele für (pegei, das die Hss PQC VMT bieten. Die Abkürzung (p' ist also überall, wo der Akrostichonvermerk an der dritten Stelle steht und Kovrdxiov vorhergeht, durch tpigov aufzulösen. Ausgenommen sind natürlich die seltenen Fälle, wo die Lesung (pigov syn- taktisch unmöglich ist: In Nr. 135 steht in P die übliche Ab- kürzung <p% obschon, allerdings durch die Angabe des Tones und der Melodie getrennt, exegot olxoi vorhergeht. Hier ist also die Abkürzung, die der Schreiber gewohnheitsmässig setzte, gegen alle palaeographische Regel wohl (pigovoi zu lesen. In Nr. 32 scheinen die Hss das syntaktisch erforderliche (pegovxa (sc. tnixrjga) zu bieten. Ebenso steht bei Nr. 88 in A die Form : Ol olxoi (pigovxBQ.

Ganz vereinzelt wird ^;^ov bezw. t^ovxa statt cpigov bezw. (pigovra gebraucht. Ich kenne nur die drei Beispiele Nr. 8fr und Nr. 89 T.

Eine stärkere Abweichung, aber auch eine ungemein rein- liche Scheidung zeigen die Hss bezüglich des Demonstrativs nach äxgooxix'da. Der Zusatz Jijvde fehlt in der italischen Gruppe CV vollständig, in A häufig, in BDHJMT selten, in P Q nur in ganz wenigen, meist besonders motivierten Fällen : in P nur bei Nr. 158, wo die ganz singulare Form steht: q)igov äxgooxixlda ovv xov xovxaxLov äofia, in Q bei Nr. 58, wo vielleicht der Zeilenschluss den Ausfall des xrivde veran- lasste, bei Nr. 59 und Nr. 191, wo die Akrostichis als Objekt zu (pegov gezogen ist {(pigov äxgoaxixlda äX(pdßrjxov). Es ist also in P Q unter etwa 200 Vermerken nur 1 Fall (Nr. 59), wo xi^vde ohne ersichtlichen Grund gegen die Kegel fehlt.

Neben der Form q)egov u. s. w. findet man zuweilen die

^) In Kapitel 1 habe ich diese Schreibung öfter ausdrücklich notiert. In T steht nur einmal (peg*^ (Nr. 17). In D anfänglich tpigcov^ spftter ^fQii (nach der Beschreibung von Alexander Lauriotes).

622 JSC Krumbaeher

Einführung durch ov ^ äxQoaxtxk oder einfach fj dxQoaxixi^ oder äxQoouxk' Auch hier unterscheiden sich die Hss, wenn auch keine so scharfe Gruppierung hervortritt wie bezüglich des Pronomens rijvde. Die relatirische Anknüpfung: ov ^ äxQootixis steht 4 mal in Q, 1 mal in M, 1 mal in p ; die Form : (bv ^ äxQoarixk Imal in fvw (Nr. 8). Ausserdem in Q 2 mal: ov ^ AxQoaxixlg avirj und Imal: ov i} äxgooxixk ^^c Die Form : ^ ängooTixk wird bevorzugt, wenn der Akrostichonver- merk erst am Schluss der Überschrift angefügt wird ; sie findet sich 7 mal in B, 5 mal in M, 4 mal in Q, 3 mal in G, 2 mal in P (am Rande nachgetragen), 1 mal in T und vereinzelt auch sonst. Die Form äxQoatixk (ohne ^) steht 4 mal in T, 2 mal in P (Imal als Randnotiz) und sonst.

Die Feststellung dieser formalen Details ist nicht über- flüssig. Findet man z. B. eine neue Hs, in deren Überschriften das Pronomen ri^vde regelmässig fehlt, so ist ohne weiteres wahrscheinlich, dass man es mit einer Verwandten der italischen Gruppe zu tun hat, während umgekehrt regelmässiges ri^vde auf ostbjzantinischen Ursprung hinweist. Eine Hs oder ein Hs-fragment, wo man regelmässig das sonst seltene ov ^ äxQo- üxtxk oder fj Angoorixk oder äxQooxixk triflPb, muss als für sich stehend betrachtet werden. Auch sonstige Abweichungen in der Überschrift (z. B. bezüglich der Vollständigkeit und der Reihenfolge der Teile 3—5) kommen für die Beurteilung der Stellung und des Alters der Hss in Betracht.

Ausser den oben aufgezählten 6 Teilen, die den eisernen Bestand der Überschriften bilden, findet man zuweilen in der Überschrift oder als Randbemerkung zu ihr noch ein 7. Stück, eine Notiz über den Verfasser des Liedes. Sie hat mit der liturgischen Anweisung nichts zu tun und hat zweifellos niemals zum festen Schema der Überschrift gehört ; in ihr wird der Name des Verfassers nur insoweit genannt, als er in der Akrostichis selbst enthalten ist. Die Notizen über den Ver- fasser ausserhalb des üblichen Rahmens der Überschrift ich nenne sie „einfache Autorangabe* zerfallen in zwei Gruppen. In einer Reihe von Fällen erscheint die „einfache

DU AkrostieMs in der ffriecMsthen Kirchenpoeaie. 623

Autorangabe* als ein kurzer, raumsparender Ersatz ffir den vollen AkrostichisTermerk, so mehrfach in G (Nr. 9, 11, 21) und in Y (Nr. 160). Da hier die volle Akrostichis durch den Text gegeben wird, ist die Kürzung in der Überschrift ohne Belang. Ähnlich liegen einige Fälle, wo der Automame in der Akrostichis durch Verstümmelung des Textes Schaden ge- litten hat. Bei Nr. 2 z. B. bietet G in der Überschrift die Notiz : Ttoifjßia ^(Ofxavov als eine willkonunene Bestätigung der arg mitgenommenen Akrostichis des Textes. Bei Nr. 94 steht in G in der Überschrift xov arovdhovy während der Text nur das Fragment xov arova enthalten hat. Ganz überflüssig er- scheint die Randnotiz Jiolrj/xa yecoQylov bei Nr. 122 in P, wo der Name des Dichters sowohl im Akrostichisvermerk als im Texte geboten wird.

Eine ganz andere Bedeutung erhält die , einfache Autor- angabe **, wenn in der Akrostichis der Autorname fehlt. Der Text des nur in Q überlieferten Liedes Nr. 84 ergibt die Akro- stichis tov nQO(priztiv xvqIov. Am Bande steht aber neben der Überschrift: ^co*^ d. h. ^cofÄOvov, Schwerlich ist hier die Autor- angabe aus der einst vollständigen Akrostichis gerettet oder aus früher noch grösseren Resten der Akrostichis erschlossen wie bei Nr. 2 und 94 in G. Man könnte zur Not annehmen, das Akrostichon habe ursprünglich (ähnlich wie bei Nr. 56) gelautet: rdv Jigotpi^xriv xvglov {6 QCOfiavög vjülvcö). Dagegen spricht aber der in Q erhaltene Text, der ein abgerundetes Ganzes bildet und in der Schlussstrophe das übliche Gebet ent- hält. Ganz ähnlich liegt die Sache bei Nr. 117, wo D, gegen alle Regel, vor dem Akrostichisvermerk die einfache Autor- notiz: Qcofiavov nolrifia bietet. Auch hier ist in der Akro- stichis keine Spur des Autornamens, und die Annahme, dass sie etwa ursprünglich gelautet habe: eig xov dQxiaxQdxtjyov {^wfiavov €7iog) (wie z. B. Nr. 11) schwebt ebenfalls vollständig in der Luft. Ein verstümmeltes Lied bei Pitra S. 334 f. trägt in der Überschrift den Vermerk : Tioirjßia Tagaalov naxQiaQxov, ein anderes, Pitra S. 342, den Vermerk: nolrifxa xov Sxovdlxov^ ein drittes, Pitra S. 343, die Randnotiz: Zxovdixov u. s. w.

624 £. Krumhadier

Worauf nun diese merkwürdigen Notizen berulien, können wir mit unseren gegenwärtigen Mitteln nicht feststellen. Viel- leicht waren in einer alten Hs Lieder ohne Automamen in der Akrostichis mit Automamen versehen wie Texte in Profanhss. Die Frage, ob in den angeführten Fällen, besonders in den zwei des Romanos (84, 117) die Automamen aus inneren Gründen Qlauben verdienen, kann erst untersucht werden, wenn einmal die Texte vollständig veröffentlicht sein werden.

Ohne nennenswerte Bedeutung für die Kritik sind einige Sonderheiten, die im Folgenden kurz aufgezählt werden mögen : Zuweilen wird in der Überschrift die Akrostichis ohne irgend ein einführendes Wort verzeichnet z. B. bei Nr. 9, 19, 102 in V, bei Nr. 171 in P u. ö. Nicht selten, namentlich bei kurzen Akrosticha, fehlt der Vermerk in der Überschrift voll- ständig, z. B. bei Nr. 8 und 17 in B, Nr. 25 in CVT, Nr. 97 in PT, Nr. 119 und 179 in P u. ö. Einige Modifikationen erleidet die Formulierung der Überschrift bei der alphabetischen Akrostichis. Wir finden hier entweder einfach die Notiz xar' dXcpdßrjrov (Nr. 100 P) oder ^ äxgoaTixk, &k<pdßi]Tog (Nr. 100 M) oder i} ängooTixlg Tcarä Aktpdßfirov (Nr. 134 P) oder (pegov äxQoonxlda älcpdßtjzov (Nr. 191 Q) oder (pegov ixgoaxixtda Ti/jvde. AXq)dßr]Tov ^(Ofxavov (Nr. 12 Q) und ähnlich.

Zuletzt möge eine Eigentümlichkeit besprochen werden, die uns zum Hauptthema, den akrostichischen Formen selbst, überleitet: die Inkongruenzen zwischen Überschrift und Text. In der Regel wohl ohne jede Bedeutung sind die Fälle, wo durch Unaufmerksamkeit des Schreibers oder Redaktors in der Überschrift kleine Varianten des wirklichen Wortlauts der Akrostichis vorkommen wie bei Nr. 6, 10 (M), 20, 39, 59, 61, 62, 112 (G) u. ö. Ebensowenig hat es zu sagen, dass gewisse Eigentümlichkeiten der Schreibung vrie die Doppelung von Buchstaben (s. u.), die antistoechische Schreibung lanivov u. a. in den Überschriften nicht berücksichtigt werden. Die höchste Beachtung dagegen verdienen die Überschriften, in denen eine vollständige Akrostichis angegeben wird, während die Initialen der Textstrophen selbst nur noch ein Frag-

Die AkrosHchis in der grieeMethen Kirchenpoesie, 625

ment ergeben. Ich notiere im Folgenden die bemerkens- werten Beispiele aus meinem Material. Ausser Betracht bleiben die Fälle, wo die Akrostichis des Textes durch Blattausfall verstammelt ist (z. B. Nr. 23 Q) ») :

Nr. 2 Üb.: noltjfjia ^cdjluxvov C. Text: rovxaovoQcofi CV. Hier handelt es sich nicht um eine erhaltene Akrostichis, son- dern um eine „einfache Autorangabe'', die aber vielleicht auf Kenntnis der vollen Akrostichis zurückgeht. Vgl. S. 623.

5 Üb. in C: roi; tajteivov goyfiavov, Text in C nur: tovv. Bestätigt durch PBY. Der Fall ist besonders bemerkenswert, weil V, der Vetter von C, noch den vollständigen Text von 18 Strophen bewahrt, die starke Reduktion also erst in G (oder seiner direkten Vorlage) erfolgt ist.

10 Üb. in DG: elg id ßd'Ca ^cojAavov. Text in D nur: eis ßdia, in G nur: elg rd. Best, durch QACVM.

17 Üb. in G: rov xaneivov ^cofiavov, Text in 6 nur: xov xojiei. Best, durch QBCVMT.

22 Üb. in G: xqv xaneivov ^cojtiavov. Text in G: xov xane. Best, durch QBCVMT.

23 Üb. in G: xov xaneivov ^co/iavov. Text in G: xov xaneivov q . Best, durch die übrigen Hss.

25 Üb. in M: xov xaneivov ^cojuavov, Text in M: xov xamvav QWfio. Der letzte Buchstabe in M (o) entspricht dem 0 der vollständigen Akrostichis: xov xanivov ^co/xavov 6 xpal- /iög (PCVD).

27 Üb. in D: xov xaneivov gcojbiavov 6 yjaXfxbq ovxog (best, durch andere Hss). Text in D: xov xaneivo.

43 Üb. in D: ^ vjuvog §wfiavov (best, durch P). Text in D nur: 5 vfi,

44 Üb. in D: roi; xaneivov ^oifxavov (best, durch P). Text in D: xov.

^) In der folgenden Zusammenstellung gebrauche ich die Abkürzungen : Üb. = Überschrift; best, (bestätigt) = die Richtigkeit der Überschrift wird bestätigt. Die Zahlen beziehen sich auf die Nummerierung in Kapitel I.

626 K. Knmbacher

45 Üb. in P: tov tanurov ^ßMvov (durch keine Hs best). Text in P: rowia.

49 Üb. in P: tov raneivov ^ßiovov v/ivog. Text in PÄD nur: tov totuvov ^fjuxvov v. Hier aber scheint der Fehler ausnahmsweise in der Überschrift zu liegen. Vgl. S. 575.

57 Üb. in A: tov TOJUivov ^fjtavov. Text in A: tov Tomvov. Wie P zeigt, ist die Lberschrift Ton A richtig (abge- sehen Ton TOTietvov statt Tonivov), bildet aber nur den Anfang einer längeren Akrostichis.

87 Üb. in D: tov Tonetvov ^wßjuiyov. Text in D nur: T und dann nach einem neuen Prooemiou: tve. Keine voll- ständige Hs (wie auch bei 92, 94, 99 u. s. w.).

92 Üb. in CV: tov otovöItov, Text in C: tov oo, in V:

TOV OTO.

94 Üb. in C: tov otovöItov, Text in C: tov orova. Ur- sprünglich wohl: TOV aTov{6lTov ^ofx)a,

101 Üb. in C: innvfißiov /liXog tov TQUja^Uov. Text in C: imTv/ußiov ßjtiJiog Toa.

105 Üb. in CV: töv Al<pdßffTov. Text in C: aeßyde^ in V: aßyde.

112 Üb. in D: oTscpdvov 6 alvog (best, durch P, der aber TOV oieq)dvov ö alvog bietet). Text in D: aretpa,

114 Üb. in D: tov Tdla Inog (best, durch P). Text in D: tov.

117 Üb. in D: cfc täv äQXiOTQdTtiyoy (best, durch P). Text in D: elg t6v äg.

118 Üb. in P: elg Tovg äacojiAdTovg. Text: elg. Keine andere Hs.

123 Üb. in P: vovv nafjLtparj nmg alviotig & oToviha. Text: vovv nafKparj növiT, Keine andere Hs.

127 Üb. in P: tovtj; fi d)drj Tdla. Text: tov. Keine andere Hs.

145 Üb. in P: ^Jiog elg Tovg dexa äyiovg. Text: &Tog. Keine andere Hs.

146 Üb. in D: rarTj; t) ihdrj TdXa (best, durch P). Text in D: Tarr.

Die AkrasHehia m der griechieehen Kirchenpoesie. 627

147 Üb. in P : r&y bidoxlwv ^ «&<J^, in D : j&v

(Rasur) &dri. Text in P : xd)v ind, in D : tcDv In. Ein durch die sowohl in der Überschrift als im Texte sichtbare annähernde Übereinstimmung der sonst so weit auseinandergehenden Hss P und D besonders merkwürdiger Fall.

148 Üb. in D : äajua rdka (best, durch P). Text in D : aajbi. 160 Üb.: rov axovdhov ndvvfxvog elg ävidiviov P, jzolrj/ia

oxovdirov V. Text: rovv P, rov oxovdiov CV. Also wird die volle Überschrift von P wenigstens teilweise bestätigt durch die italische Redaktion.

181 Üb. in P: rov xaneivov oxetpdvov. Text: xov xanetj- vov o . Keine andere Hs.

200 Üb. in CV: elg äyiovg (ursprünglich, wie Q lehrt: elg dylovg naxigag). Text in CV: elg äyg.

203 Üb. in D: nolrjfia äXlo. Text in D: noi. Keine andere Hs.

204 Üb. in D : cßdrj xtp oxetpdvcp. Text in D : c&<5i), in T : d}dj] (oor.

Das Ergebnis dieser Zusammenstellung ist in mehr als einer Hinsicht lehrreich. Zunächst ergibt sich die grosse Ver- schiedenheit der Hss bezüglich der Inkongruenz zwischen Über- schrift und Text, eine Verschiedenheit, die noch schärfer hervor- tritt, wenn man die Frequenz der Fälle im Verhältnis zu der in jeder Hs enthaltenen Gesamtzahl von Liedern betrachtet.

Weitaus die meisten und schwersten Fälle bietet der Athoscodex D. Hier ist die „Vorspiegelung falscher Tatsachen* durch die Überschrift häufiger als die Kongruenz zwischen Titel und Text. In nicht weniger als 13 Fällen wird die im Akro- stichonvermerk erweckte Hoffnung im Texte getäuscht, nur 6 mal decken sich Überschrift und Text und 3 Lieder bieten ohne Überschrift die vollständige Akrostichis im Texte. Be- achtenswert ist, dass 11 unter den erwähnten 13 Fällen von Inkongruenz im Anfang der Hs (vom Oktober bis Weihnachten) zusammengehäuft sind, während im Triodion nur noch 2 Fälle vorkommen. Es scheint also, dass der Schreiber sich im Ver-

628 R. Erumhacher

lauf seine Arbeit allmählich bewusst geworden ist, dass die Notierung der Akrostichis ohne vollständigen Text ungereimt ist. Die Hs, aus der D seine Überschriften entnahm, war zum Teil noch vollständiger als P; das beweist Nr. 204, wo P keinen Vermerk in der Überschrift und im Texte genau wie D nur (hdri bietet.

Ahnlich steht es mit der kleinen Sinai-hs G. Sie birg^, soweit ich aus der mir vorliegenden Beschreibung ersehe, nur 5 vollständige Lieder des Romanos, dagegen nicht weniger als 4 Lieder des Dichters mit vollständiger Akrostichis in der Überschrift und stark verkürztem Texte.

Im patmischen Doppelcodex P Q finden sich 8 Fälle (Nr. 45, 118, 123, 127, 145, 147, 160, 181) und zwar— ähnlich wie in D ausschliesslich im ersten Teile des liturgischen Doppel- buches, im Tropologion (also in P). Im Verhältnis zu der ungewöhnlich grossen Zahl vollständiger Lieder (gegen 200), die PQ bewahren, erscheint die Zahl der Inkongruenzen recht geringfügig. In der italischen Redaktion finden wir nur 6 Fälle (Nr. 5, 92, 94, 101, 105, 200), von denen einer (Nr. 5) auf C beschränkt ist. Nr. 101 fehlt in V durch Blattausfall. Je einen Fall bieten A (57) und M (25). Völlig frei sind, soweit ich sehe, QBJT.

Nun lässt sich die auffallige Erscheinung mit Sicherheit beurteilen. Der Grund der Inkongruenz kann nur in der Ge- dankenlosigkeit der Schreiber neuer Exemplare gesucht werden, die, etwa im Auftrage eines Redaktors, die Texte durch Weg- lassung einer grossen Zahl von Strophen auf ein bequemes Mass reduzierten, trotzdem aber den Titelkopf mit dem vollen Akrostichisvermerk unverändert herübernahmen. Am klarsten liegt das Verhältnis bei D. Hier haben wir es offenbar mit einer Redaktion zu tun, die unmittelbar aus einer noch zahl- reiche vollständige Lieder (ähnlich wie PQ) bewahrenden Hs mit dem Prinzipe der gewaltsamen Verkürzung abgeleitet ist. Lägen Zwischenglieder zwischen dem noch vollständigen Arche- typus und dem Exzerpte D, so wären sicher die überflüssigen Vermerke allmählich verschwunden. Auch die Sinai-hs G scheint

Die ÄkrasHehis in der griedUschen Kirchenpoesie, 629

von dem vollständigen Archetypus durch keine oder höchstens eine Mittelstufe getrennt zu sein. Bemerkenswert ist aber, dass in der mit G eng verwandten Sinai-hs J die inkongruenten L berschriften schon verschwunden sind. Für die Beurteilung der allgemeinen Stellung der Hjmnen-hss zu den ältesten Fassungen des Tropologion und Triodion ist mithin, neben den sonstigen Eigenschaften, auch das Vorkommen inkongruenter Überschriften in Betracht zu ziehen.

Aus dem geschilderten Sachverhalte ergibt sich auch, dass die in manchen Hss durch den Text selbst nicht bestätigten Akrostichonnotizen in der Überschrift in der Regel vollen Glauben verdienen, auch da, wo keine den vollständigen oder annähernd vollständigen Text bewahrende Hs zu Hilfe konunt.

n. Die Formen der Hymnenakrostichis.

A. Die regelmässigen Formen.

Wie in der Aufführung des Materials in Kapitel I be- schränke ich mich auch hier auf die Gattung der Hynmen. Die Kanones stehen, wie in ihrer Komposition, so auch hin- sichtlich der Akrostichis für sich. Wie sie in ihrem Bau weit mehr gekünstelt sind als die Hymnen, so ist auch ihre Akro- stichis anspruchsvoller und besteht oft aus einem oder mehreren Versen. Dagegen kann für die Hymnen die Akrostichonfrage im grossen und ganzen erledigt werden. Das oben zusammen- gestellte Material ist so reichhaltig, dass erhebliche Modifi- kationen des Tatbestandes und der aus ihm gewonnenen all- gemeinen Ergebnisse nicht mehr zu erwarten sind.

Als allgemeiner Satz gilt für alle Hymnen, dass die Akro- stichis nur die auch durch den gleichen metrischen Bau zu- sammengehaltenen Strophen des Liedkörpers selbst umfasst. Das Prooemion oder die Prooemien stehen ausserhalb der Akro- stichis. Die einzige Ausnahme von dieser Kegel bildet das kleine Lied auf den hl. Petros (Nr. 158), wohl ein spätes Mach- werk, dessen Akrostichon äofia schon mit dem Prooemion

630 K. Efumhaeker

anhebt, obschon dieses Prooemion wie immer nach einem anderen Schema gebaut ist als die Liedstrophen. Wie auf- fallig diese Sonderheit aber war, zeigt die Tatsache, dass der Bearbeiter der patmischen Sammlung sie in der Überschrift ausdrücklich hervorheben zu müssen glaubte: (pigov äxQ€Hmx^ avv Tov xovxaxlov. äoßMxl Nach ihrer Beschaffenheit können die Hjmnenakrosticha mit Rücksicht auf das wichtigste Ele- ment, den Autornamen, in drei Gruppen geteilt werden: Akrosticha mit einem bestimmten Automamen, Akrosticha mit pseudonymer Andeutung des Verfassers, Akrosticha ohne jede Erwähnung des Autors. Jede dieser drei Gruppen zerfallt in zwei Abteilungen: Akrosticha mit Angabe des Inhalts und Akrosticha, die nichts über das Thema des Liedes berichten. Mit dieser allgemeinen Gruppierung ist die Mannigfaltigkeit der akrostichischen Formen nicht erschöpft. Es gibt eine Reibe von Spielarten in jeder Gruppe. Die Akrostichis schwankt von der ausführlichsten Form der vollen Bezeichnung des Ver- fassers und des Liedthemas bis zur einfachen und nichtssagenden Notiz, dass es sich um ein Lied handle. In der folgenden Übersicht der Hauptformen sind die einem eigenen Kapitel vorbehaltenen orthographischen und sonstigen Sonderheiten noch ausser acht gelassen.

I. Akrosticka mit Aatomamen.

1. Automame + Inhaltsangabe.

Diese idealste Form der Akrostichis habe ich 14 (13?) mal gefunden, 12 (11?) mal bei Romanos, 2 mal bei anderen Dich- tern. Die folgende Liste ist nach dem Schlagwoi*t des Inhalts alphabetisch geordnet.

elg xdv 'Aßgaä/x 'PcDjj^avav vfivog 65 ^Tov rajieivov 'Pwfiavov zcß *AvaQyvgq> 6 yxzXßJidg 57

elg ßdta 'PcofJiavov 10 ^aivog Tajieivov 'Pü)fuxvov elg yevi&ha 32

xbv jtgoqpijrriv *HXlav 6 'Poifiavdg dfivcb 56

xov 7iQoq)i]Xf]v *HkUxv 6 *Pü}fiav6g eixpti^i 56 (vgl. o. S. 577)

Die ÄkrosHchis in der griecMechen Kirckenpoeaie, 631

S v/ivog 'Pwßiavov ek töv äyiov OeödcDQov 59

vfivog elg t6v OeoXdyov PoDjLiavov 54

eig lov ^Icoarjtp 'Pco/biavov Snog 11

xov rojteivov 'P(o/biavov dlvog elg to Ttd&og 74

eig rd nd'&og tpaX/xög 'Poofiavov 19

eig Tov Jigöögofiov 'PoD/jiavov (bezw. Ao/tiixlov) 55

jue&eÖQTta tcov tpdnov (so) ^bu ^I(oo'fi(p 98

TOV jSxovdhov näwfivog elg 'Avt(oviov 160

2. Aaiomame ohne Inhaltsangabe. Die wichtigsten Spielarten dieser Ghruppe sind:

A. Autorname im Genetiv mit einem Epithet und Bezeich- nung des Liedes im Nominativ mit oder ohne Artikel.

Ich ordne die Beispiele aus Romanos alphabetisch nach der Liedbezeichnung, die übrigen alphabetisch nach dem Autor:

TOV xaneivov 'PoijMZvov alvog 18, 33, 46, 67, 73, 80 TOV xajieivov 'Püifiavov x6 Snog 7, 76 TOV raneivov 'Pco/navov Knog 36 TO enog ^P(Ofxavov xaneivov 77 ^ xov xaneivov ^Pwfxavov Ttolrjjua 16, 52 ^.^■^noirifw, ^Poifxavov xov xaneivov 83 nolrifia 'Pwfiavov xaneivov 69 xov xaneivov ^Poifiavov 6 vfivog 1, 60 xov xaneivov 'Pcofiavov 6 xpaXfiög 25, 62 xov xaneivov *P(Dfxavov \paXfi6g 20 xov xdXa 'Poifiavov (hdrj 39

ävaoxaoiov xov xaneivov alvog (oder voarjeag; vgl. oben S. 589) 88 ' xov xaneivov raßgirjX 6 v/nvog ovxog ä/itjv äfiriv 187. ^ xov xaneivov Fecogylov vjuvog 90 - vjÄVog xov xaneivov *I(oavvixlov 115 xov xaneivov Koo/uä vfxvog 99

1906. Sitigsb. d. philoB.-philo1. n. d. hist KL 42

632 K. KfHmbad^

B. Wie Form A, aber Aatorname ohne Epithet

6 alvog 'Pcofiavov 24

alvog 'PcDfJMvov 41, 53

alvog xal 6 yaX/idg rov 'PcDjuavov 29

TiolrjfÄa 'Pcüfiavov 31

TiQoaevxfj 'P(ojMivov 66

6 v/Ävog *Po}fiavov 43, 85 (ygl. aber die Notiz S. 586)

*P(Ofxavov 6 xpakfiög 38

i; (höi] 'PüJßiavov 28

d}dtj 'Püifiavov 40, 75

ctßy o) dkipdßrjTov 'Poifiavov 12.

v^ivog 'Aßßä 133

*AQoe{viov) t{6 ijiog?) 197

raßQiTjX (bÖTJ 183

wdfj Faßgiril 151

(füivri SeodojQov 96

'lyvarlov nofia 170

(iojna 'Icoavvov 166

(Ä(5^ '/foov^^ 106, 110, 182

noiTjpia KvQiaxov 91

eTtog AiovTog 108

TOI» 2!T€(pdvov 6 alvog 112

t(oD 2!rovdirov?) alvog 162

ToO Zzov&ixov äojna{?) 94

üvjueayv 7) (hdtj 138

C. Ahnlich wie Form A und B, aber durch ein Demon-

stratiTproDomen bezeichnet.

alvog xal ovrog 'Po)fAavov 63

TET(dQiYi?) dhjotg xal ravtr] 'Poi^avov 61

detjoig xal ravTt] 7) 'Pcjjuavov 61

TOVTO 'Pco/tavov ro enog 6

TOI» raneivov 'Pcofiavov xovxo x6 noitiina 13 (anders CV)

Tovxo ^Pmjiiavov x6 Ttotrjjua 2 (durch Konjektur gewonnen)

rov xaTinvov 'Pcof^iarov 6 v/iivog ovxog 34

Die ÄkrostiefUs in der griechischen Kirchenpoesie. 683

Tov rajieivov 'Pcofiavov 6 tpakfiog ovrog 8 (in einer Redaktion

fehlt <5, in einer andern ovxog), 27, 58 xavxri fj d)drj xov Haxiorov 'Pcofiavov 30 Tovxo TOTteivov 'Pcojuavov 79 raßgiijX xdde 177

D. Wie Form B, aber mit Einführung des Autornamens

durch xvQOv,

xov XVQOV 'Pwfxavov alvog 72 xov XVQOV 'Pco/jiavov Ijtfj 48 tpaX/iog xov xvqov 'Pcojuavov 82

E. Ein Satz mit iaxL

xovxo x6 inog laxlv 'Pcoßiavov 64 6 ipaXfAog ohxog laxlv 'PcojüLavov 81

F. Autorname im Genetiv mit einem Epithet.

xov xojieivov Tcofiavov 3, 4, 5, 9, 14, 15, 17, 21, 22, 23, 26, 37, 42, 44, 45(?), 47, 49, 50, 68, 70, 71, 78, 86(?), 87(?) xov xdka Pco/Liavov 35, 51 xov xajieivov PecoQylov 122 TOV xdXa TlavXov 111 xov xaneivov 2xe(pävov 181

Gh. Blosser Autorname mit oder ohne Artikel.

'Aßßä 161 ToD FaßQiifiX 172

TOV 'Aßßä 163 rQfjiyoQiov) 89

'ÄQoevlovi?) 184 'Icoo^cp 97, 128

'AQoevlo}{?) 188 2x€(pdvov 185

FaßQi^k 175, 189, 201 rov Zxovdlxov 92 (?), 95

H. Ganz vereinzelt steht die Form mit dem Autornamen im Yokatiy als Abschluss einer Frage.

vovv JzafA<pa^ nög alvioeigf d> 2xovdka\ 123

42»

634 K. ErumhaiAer

n. Akrogtieha mit pgemdonymer ▲ndemtnng des Anton dvch

ein Eplthet.

1. Epithet + InhaltBangabe. ijitrvßÄßiov fieXog rov rgioa^Uov 101

2. Epithet ohne InhaltBangabe. A. Ähnlich wie Form A und B in Gruppe I 2.

Tov äfiaQTCoiov t6 nolriiAa 103

6 aJvog rdlXa 116, 135, 157 (rdXa)

iofia xdXa 148, 150

TOV xdXa SnoQ 114

t6 inog xdXa 156

¥nog xdXa 153

7to(t]jüLa xdXa 124

fl (bdrj rdXa fiovov 142

fl <bd^ xdXa 125, 140

(bdi] xdXa 107

ijiog xov jüLovov xaneivov 130

x6 v<pog judvov xajieivov 143

xov juövov xaneivov ^ (hÖ^ 129

B. Wie Form C in Gruppe I 2 (mit Demonstratiypronomen).

TovTo x6 inog xdXXa 144

TovTO v<pog xdXa änav 159

xavxri fl (bdi) xdXa 127, 137, 146, 171

C. Blosses Pseudonym im Genetiy mit oder ohne Artikel und Beiwort (entsprechend der Form I 2 G).

xov äjuagxcoXov 136

xov iXeEivov 104

xov fidvov xdXa 109, 179, 199

TOV xaneivov h ßCco 193

xov xaneivov 119 (vielleicht nicht vollständig)

Die Äkrostichis in der griechischen Kirehenpoesie, 635

HI. Akrosticha ohne Erw&hnang des Antors«

1. Andentniig des Inhalts (nach den Schlagwörtern alphabetisch

geordnet) :

'AüvTiup alvog 131

etg TÖv äQxiorQdrrjyov 117

eig Tovg AoiOfidxovg 118

TiolrjßAa elg Baaüetov 149

elg röv äyiov Fecogyiov 6 dlvog 178

^ (birj elg TOvg dvo 165

xöig eixovoxXdaraig oval 190

elg TOT *EXerifiova 120

T(bv indoxloyy ^ d>^ 147

elg xbv daiov Ev'&v/üiiov 6 v/ivog ovxog 164

elg T7IV evgeaiv 173

elg %öv ZvQov *E(pQalfx 169

elg TÖV OeoXöyov 167 (Gregor von Nazianz), 180 (Apostel

Johannes) elg TÖV ndyxaiXov *I(oai]q> 6 ^Qtjvog ovrog 192 elg T^v fJLeiaiAOQqxDoiv 102 elg rdv Nvatjg 154 T^ff navevqyflfxov 186 elg äylovg naxiqag 200 fl (hdij elg xrjv JiÖQvrjv 194 jfjg TiQodoolag 6 ^Q^vog 196 Tov nQoq>rixriv xvqIov 84 (vielleicht von Romanos) miri x(b 2xeq)dv(o 204 eig x6v ^agiaäiov xal Tel(bvr}v 202 elg xdv XqvodoxofAov 121

2. liedbezeichnong ohne Inhaltsangabe.

A. Notiz mit Epithet.

olvoff otxxQÖg 132 evxrj avxri 198 noltifia äXJio 203 fj d)iri deuxiga 168

686 K. Knmbad^

B. Notiz ohne Epithet. äd(o 141, 176 alvog 139

äajua 152, 158 (inklus. Prooemion), 174 t6 inog 113 Inog 145

aßy m 100, 105 (Text unvollständig), 134, 155 (unToU- ständig), 191, 195

Nicht mit Sicherheit einzureihen (vielleicht Fragment) ist: füJotpoQü) 93

Die vorstehende Zusammenstellung der verschiedenen For- men der Akrostichis und ihrer Frequenz bei den einzelnen Dichtem wirft in mehrfacher Hinsicht neues Licht auf die Geschichte der griechischen Hymnenpoesie, und es ist nicht ohne Nutzen, die Gattung einmal ausschliesslich in dieser Be- leuchtung zu studieren. Das soll im Anschluss an die obig«^ Gruppeneinteilung geschehen.

Gruppe I 1: Die idealste Form der Akrostichis (Autor- name + Inhaltsangabe) kommt bei Romanos 12 (11?) mal vor, in der übrigen Hjmnenpoesie nur 2 mal, eine Tatsache, die allein schon das mächtige Übergewicht des Romanos illu- striert. Bemerkenswert ist auch die grosse Mannigfaltigkeit in der Bildung dieser Form. Nur einmal wiederholt sich bei Romanos eine Fassung {eig ßdia *P(Ofxavov = elg rör Jigo- ÖQOfJLov 'Pcojiiavov) ; alle übrigen Beispiele sind verschieden formuliert. Die zwei Beispiele ausser Romanos stehen ganz für sich. In dem einen (Joseph) ist der in keiner anderen Hymnenakrostichis vorkommende Ausdruck ädet gebraucht, in dem anderen das wohl von einem Studiten neugebildete Wort TidwjüLvog.

Gruppe I 2: Etwas grössere Gleichförmigkeit herrscht natürlich in den Abteilungen I 2 A F, wo durch das Fehlen der Inhaltsangabe ein manche Abwechselung bedingendes £le-

Die ÄhrostiehM in der grieehiechen Kirchenpoesie. 687

ment wegfallt. Trotzdem bringt es Romanos durch den Ge- brauch yerschiedener Ausdrücke für den Begriff „Lied', durch allerlei Umstellungen und besonders durch Freiheit in der An- wendung des Artikels und anderer Zusätze (Adjektiva, Demon- strativa, den Titel ^Herr*^) auf 38 Formen, denen nur 19 Formen in der ganzen übrigen Hymnenpoesie gegenüberstehen. Also auch hier unter wesentlich ungünstigeren Verhältnissen eine ähnliche Überlegenheit des Romanos wie in Gruppe I 1. Über die Unterabteilungen der Gruppe I 2 ist Folgendes zu bemerken :

Gruppe I 2 A: Romanos bietet 11 Formen, und zwar gehören sie ihm ausschliesslich; nur die Form tov xqjieivov 'PcD/iiavov 6 vfAvog findet sich ähnlich, aber ohne den Artikel o, je einmal bei Georgios und bei Kosmas. Ebenfalls isoliert stehen die drei Formen des Anastasios, des Gabriel und des Joannikios. Also sind innerhalb der ganzen Abteilung nur 2 in der Fassung völlig identische Beispiele.

In der Abteilung I 2 B, wo wegen der kleinen Zahl der konstituierenden Elemente (meist 2, zuweilen mit Artikel 3 oder höchstens 4) weniger Gelegenheit zu Variationen geboten ist, bleiben dem Romanos 8 Formen eigentümlich; 1 hat er gemeinsam mit Kyriakos, 1 mit Gabriel und Joseph. Der Typus '0 vfjLvog 'Pcofiavov kehrt ähnlich, aber ohne Artikel, bei Abbas wieder. Für sich stehen die eine Form des Gabriel (FaßgiriX fW^), die Formen des Theodoros, Ignatios, Johannes, Leon, Stephanos, die zwei zweifelhaften desStudites und die desSymeon.

Die Abteilung I 2 C ist bei Romanos durch 10 verschiedene Formen vertreten. In der übrigen Hymnenpoesie kommt sie nur einmal (bei Gabriel) vor und auch hier nur in der abge- schwächten Form: Autorname -i- Demonstrativ. Die Gruppe kann also geradezu als eine Eigentümlichkeit des Romanos bezeichnet werden.

Ausschliesslich dem Romanos eigen ist der Typus I 2 D. Freilich knüpft; sich an die Einführung mit xvqov eine Echt- heitsfrage, auf die ich unten zurückkommen werde.

Ebenfalls auf Romanos beschränkt ist die Form I 2 E.

638 K, Kruwhaeher

Die Oruppe I 2 F umfasst nur die zwei Typen: xov TOJteivov {'Pcofiavov) und tov rdka ('Pcofiavov). Den erste« verwendet Romanos als Lieblingsform, etwa 24 mal; den zweiten nur 2 mal. Beide Typen werden auch von anderen Dichtern gebraucht, der erste je l mal von Georgios und Stephanos, der zweite 1 mal von Paulos. Es stehen also inner- halb der ganzen Qruppe den 26 Beispielen des Romanos nur 3 Beispiele aus der übrigen Hymnendichtung gegenüber.

Die Abteilung I 2 G fehlt bei Romanos ganz, offenbar aus dem einfachen Grunde, dass der blosse Name mit dem Artikel auch für den Minimalumfang seiner Lieder nicht aus- reichte. Bei den übrigen Dichtern kommt dieser Typus 10 mal vor, worunter allerdings manches Fragmentarische sein ma^.

Die Abteilung I 2 H endlich repräsentiert eine früher nicht übliche, wohl durch die Künsteleien in den Akrosticha der Kanones beeinflusste Neuerung der Studiten.

Der wichtigste Gewinn der zur Gruppe I 1 2 gehörenden Akrosticha ist die Feststellung der Autorschaft der durch sie bezeichneten Lieder. Dass die Angabe des Automamens in der Akrostichis absolute Gewähr biete, ist bisher nicht bloss in der griechischen Kirchenpoesie, sondern auch bei allen sonstigen Beispielen aus der griechischen, lateinischen und anderen Literaturen angenommen worden, und der Glaube an die Zuverlässigkeit der Namenakrostichis wird in seiner All- gemeinheit gewiss niemals erschüttert werden. Gerade in der griechischen Hymnenpoesie aber haben sich einige Bedenken erhoben. Auf einen höchst merkwürdigen Fall habe ich schon vor mehreren Jahren hingewiesen.^) Es handelt sich um das Lied auf Jobannes den Vorläufer (zum 24. Juni), das im pat- mischen Codex 212 (P) unter dem Namen des Romanos, in der italischen Redaktion (CV) aber unter dem des Domitios überliefert ist. Ich habe früher (a. a. 0.) angenommen, dass die äusseren Verhältnisse der Überlieferung auf Domitios als Plagiator hinweisen, dagegen die Doppelsetzung des Buch-

1) Umarb. S. 42 fL

Die Akrostichia in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 639

staben Y am Schlüsse des Liedes zu Ungunsten des Romanos spreche. Damals war mir, obschon ich (S. 44 Anm.) auf son- stige Doppelsetzung des Schlussbuchstaben hinwies, hiefür doch nicht so reiches Material zur Hand wie heute. Die zahl- reichen Fälle der Doppelung der Schlusslittera (vgl. unten S. 645 ff.) beweisen, dass meine damals gegebene Erklärung der Doppelung des P im Liede auf den hl. Johannes auf einem Irrtum beruht, und mithin nicht Romanos, sondern Domitios als der Fälscher betrachtet werden muss. Da die mit seinem Namen ausgestattete Bearbeitung nur in CV steht, während die fragmentarischen MT zur Redaktion P gehören, ist wohl anzunehmen, dass dieser sonst ganz unbekannte Domitios ein Italograeke war, der sich durch Änderung der Initialen der Schlussstrophen eines älteren Liedes auf billige Weise den Dichterlorbeer verschaffen wollte. Dieser Fall steht aber, soweit ich sehe, in der gesamten Überlieferung völlig vereinzelt und bildet eine Ausnahme, die zunächst nur die Regel bestätigen mag, dass der Name in der Akrostichis die Autorschaft sichert. Einige Bedenken erweckt die erst durch die patmischen Hss bekannt gewordene und nur durch sie bezeugte Gruppe 1 2 D (Einfahrung des Namens mit xvqov). Man fragt sich billig, ob wohl der Dichter selbst sich als „Herrn* bezeichnet haben könne, und vermutet yielleicht, dass etwa Schüler des Roma- nos die Hymnendichtung, ähnlich wie die altindische Priester- schaft, zunftmässig ausübten und ihre Werke durch die Formel tov xvQOv 'P(o/Mxvov als Erzeugnisse seiner Schule, also indirekt als Werke seines eigenen Geistes zu empfehlen suchten. Allein diese gekünstelte Annahme hat wenig für sich; von einer engeren Schule des Romanos ist bis jetzt so gut wie nichts bekannt, wenn er auch sowohl bezüglich der Hirmen als des Wortlautes später viel imitiert wurde. Wäre tatsächlich die Be- zeichnung 9 Herr Romanos*^ nachmals als Etikette für Dichtungen in seinem Geiste verwandt worden, so müssten wir eine grössere Anzahl solcher Schulprodukte erwarten. Ausserdem spricht kein ernstlicher Grund gegen die Annahme, dass der Dichter, vielleicht im höheren Alter, sich im Akrostichon selbst den

640 K. Krumbadier

Titel HVQov beigelegt habe.^) Wir dürfen nicht yergessen, dass wir über die Anwendung des Titels und seine äeschichte noch recht wenig Sicheres wissen. Eine erneute und vertiefte Prüfung der diese drei Gedichte betreffenden Autorfrage auf grund innerer Kriterien kann erst gegeben werden, wenn sie einmal gedruckt vorliegen.

Ohne Rücksicht auf den Fall Romanos - Domitios und die Akrosticha mit xvqov hat Papadopulos-Eerameus vor kurzem die Ansicht geäussert, dass der Name in der Akro- stichis nichts für die Autorschaft beweise.^) Da jedoch

^) In allen drei Oberschriften steht die Form xvqov; nur bei Nr. 72 ist xvQoVf wohl von späterer Hand, in xvqov korrigiert. In Titeln von Schriftwerken wird sonst, soweit ich sehe, durchwegs die Form xvqov gebraucht und sie herrscht bis etwa zum 15.— 16. Jahrhundert. Erst um diese Zeit beginnen die Schreiber, denen der lebendige Zusammenhang mit dem byzantinischen Titelwesen verloren gegangen war, wieder das schulmässige xvqIov zu setzen. In echt byzantinischen Hss wird zwischen xvQiog, xvQia und xvQog, xvqoL ähnlich unterschieden wie bei den Lateinern zwischen dominus, domina und domnus, domna d. h. die Kurz- formen werden nur als Titel vor Eigennamen gebraucht. Die Abkürzung für xvQoxi ist in der neueren philologischen Literatur unzählige mal in xvQiov aufgelöst worden; vermutlich, um ein mir gerade begegnendes Beispiel zu zitieren, auch noch in dem Titel 'Ex t^g eig xa xov ^ÄQaxov ^air6/Aeva ßi(t)vog i^tjy^oecog ixXoyai dtoQ&oti^elaai jtaQa tov oo(p(OTdtov /lovaxov xvQiov Ma^i/Ltov TOV nXavovdri, den E. Maass, Commentariorum in Aratum reli- quiae, Berlin 1898, S. LXIII aus Cod. Medic. XXVIII 44, saec. XV, anfuhrt. Auch in Gardthausens Griechischer Paläographie S. 263 ist die (ungenau wiedergegebene) Abkürzung xvqov irrtümlich durch xvqiov erklärt. Eine Untersuchung über die Geschichte dieser Form und ihrer Schreibung, die passend mit einer Forschung über die Geschichte des Titels selbst (Zusatz zum eigenen oder zu fremden Namen, Gebrauch in Überschriften, Subskriptionen u. s. w.) verbunden würde, ist ein Bedürfnis.

*) In seinem Artikel ,'0 vfxvoyQd(pog KvQiaxdg"" , Nia 'H/iiQa vom 27./11. Jan. 1902 (aQ. 1418): ,av Sk avfißaivei, va vndQXfoai xai heQa ovx SXfya xatd u yevofxeva jzqotvjiov, xois x6 nQoxvnov xovxo rj avxov xov *Po}fMavo^ elvai, § äXXov xirog fiexayevsaxiQov avxov noirjxov, fih xrfv dtatpoQav Sfjimg 8xi h xotavxji neQuix(oaei E^ofiev M ötpet ij ovjf* yvijoiov xov 'Payfiavov nolrj^ia (ioxm xai äv diä xfjg dxQoaxixiSog avxo xov *Po)ftavov iu(pavit^f>xai xo ovofia [ich sperre]) rj Ttoivjfia xov avxov davrTj^eg u. s. w.

Die Akrostichis in der grieddsehen Kirchenpoesie, 641

der griechische Gelehrte nicht den mindesten Beweis für seinen reyolutionären Skeptizismus beibringt, so moss ich mich be* gnügen, seine Aufstellung lediglich zu registrieren. Auch der von Pitra bezüglich des Autornamens im Liede Nr. 31 (s. oben S. 570) ausgesprochene Zweifel muss vorerst auf sich beruhen. Dagegen kann umgekehrt nicht genug betont werden, dass viele der von Pitra auf grund fragmentarischer oder viel- deutiger Angaben in der Akrostichis getroffenen Autorbestim- mungen höchst zweifelhaft sind. Das gilt z. B. von manchen seiner Zuteilungen an Theodoros Studites (vgl. Pitra S. 336 ff.). Recht unsicher ist auch die S. 432 gegebene Identifizierung der Akrostichis JSv/n mit Symeon Metaphrastes.

Gruppe II: unter den Pseudonymen Andeutungen^) des Autors spielen nur die Epithete idlag und xcuieivdg eine be- merkenswerte Bolle. Das erste findet sich 22 mal in 13 ver- schiedenen Formen, das zweite nur 5 mal in 5 verschiedenen Formen. Vielleicht müssen aber die Beispiele der zwei Epithete noch weiter geschieden werden: Das erste Epithet kommt 19 mal in der regelmässigen Schreibung xäXag^ 3 mal in der seltsamen Form xdXXaq vor. Da aber sogar innerhalb derselben Form {6 cävog xdla) zwischen xdla und xdiXa gewechselt wird, so ist wohl anzunehmen, dass die orthographische Schwankung nichts mit einer Verschiedenheit des Autors zu tun hat. Hätte ein neuer Autor sich von dem Pseudonym xdXag wirklich unter- scheiden wollen, so hätte er andere Mittel gefunden als die inkorrekte Schreibung des Wortes, mit der die Schreibung ndyxaXlog (Nr. 192) zu vergleichen ist. Eher könnte man daran denken, dass zwischen dem einfachen xdkag und xdXag fiovog oder fidvog xdkag zu scheiden sei. Wer sich unter dem bescheidenen Pseudonym verbirgt, wissen wir nicht. Unter den Akrosticha mit Autornamen kommt xdkag 4 mal vor und zwar 3 mal mit dem Namen des Romanos, 1 mal mit dem des

^) Ich gebrauche das Wort pseudonym in Ermangelung eines besser passenden Ausdrucks. In Wahrheit handelt es sich nicht um Pseudonymik im modernen Sinne, sondern nm das Verbergen des Namens aus christlicher Demut.

642 JSr. Rrumbad^

Paulos. Das berechtigt aber nicht, das Pseudonym einem dieser beiden Dichter zuzuteilen.

Das Pseudonym taneivög findet sich 3 mal in Verbindung mit fi6vog (jxovov oder tov fiövov TOTteivov), 1 mal in der Form : Tov xaneivov h ßlq), 1 mal (119) ohne Zusatz, doch hier handelt es sich vielleicht um ein verstümmeltes Lied. Die Frage, ob zwischen den verschiedenen Fassungen der Akrosticha mit dem Epithet taneivög geschieden werden muss, lässt sich gegen- wärtig nicht beantworten; jedenfalls verdient diese Differenz eine höhere Beachtung als die orthographische Schwankung bei rdXag. Das Epithet raneivdg erfreut sich in den mit Autor- namen versehenen Akrosticha der grössten Beliebtheit; ausser Romanos, dessen Namen nicht weniger als 52 mal mit dem demütigen Zusatz geschmückt ist, bezeichnen sich noch 6 andere Dichter mit rajieivog: Anastasios, Gabriel, Oeorgios, Joannikios, Eosmas, Stephanos. Bei dieser Sachlage müssen wir uns dem Pseudonym Taneivög gegenüber völlig hilflos fühlen, um so mehr, als von den Dichtem, die ihrem Namen das Wort xaneivog zufügen, von Romanos abge- sehen — nur je ein bis zwei Lieder erhalten sind, viel zu wenig, um als Grundlage einer sprachlich -stilistischen Yer- gleichung zu dienen. Dass das Epithet noch spät gebraucht wurde, beweist Nr. 119, für dessen Abfassungszeit das Todes- jahr des Theodoros Studites (826) den terminus post quem bildet.

Ganz isoliert stehen die drei Pseudonyme xov xgioa^XCov (101), xov &fiaQxa)Xov (103; 136) und xov iXeeivov (104). Da sie nirgends mit einem Automamen verbunden vorkommen, lässt sich über ihre Bedeutung nicht einmal eine Vermutung aufstellen. Das einzige Pseudonym, dessen Autor sicher zu stehen scheint, ist äooxog. Denn das bei Pitra S. 343 ff. gedruckte Lied, dessen Akrostichis xov äocbxa wohl zu ergänzen xov äoa>x{ov äafi)a lautet, trägt in C die Randnotiz: Sxovdlxov})

^) Übrigens ist zn bemerken, dass die von Pitra als Teil der Über- schrift notierten Worte: tpsgov dxQoouxiSa, Tov dowxov nicht im Codex stehen.

Die AhrosticMa in der griet^istken Kirehenpoesie, 643

£in zweites Lied mit der Akrostichis Tov äocotov äofxa bei Pitra S. 358 ff.

Das betrübende Endergebnis der Betrachtung ist, dass die Autoren, die sich unter einem der demütigen Epithete yer- bargen, den Autor äacorog ausgenommen ihre Person so gründlich verborgen haben, dass sie uns beim gegenwärtigen Stande der Forschung und vermutlich für immer unerkennbar bleiben. Selbst die Frage, ob sich unter den Bezeichnungen rdXa, TOTieivov u. s. w. verschiedene Autoren bergen, kann gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit entschieden werden, wenn es auch höchst wahrscheinlich ist, dass wenigstens die zwei häufiger vorkommenden Beiwörter idlag und Taneivög zwei verschiedenen Autoren angehören. Erst nach Publikation aller Texte wird man mit einiger Aussicht auf Erfolg daran- gehen können, durch eine eingehende Untersuchung ihrer sprach- lichen und metrischen Beschaffenheit und der Überlieferungs- verhältnisse etwas Genaueres über die Autorfrage, die Ent- stebungszeit und das Verhältnis der Pseudonymen Gedichte zu den Werken bekannter Autoren zu ermitteln. Die im Obigen gegebene Feststellung des Tatbestandes bildet die erste Basis für alle weitere Forschung auf diesem dunkeln Felde.

Gruppe IQ: Bei den Liedern dieser Gruppe lässt sich in der Regel nicht einmal die Entstehungszeit näher be- stimmen. Die durch die Themen bedingte Frühgrenze bringt wenig Nutzen, da es sich in den meisten FäUen um die der Ausbildung der Uymnenpoesie voraufgehenden ersten Jahr- hunderte n. Chr. handelt. Eine Ausnahme bildet das Lied gegen die Bilderstürmer (190). Zuweilen ermangelt die Be- zeichnung des Themas der nötigen Deutlichkeit: elg tiv Ssoloyov geht einmal (167) auf Gregor von Nazianz, zweimal (54 und 180) auf den Apostel Johannes.

Fa&sen wir die Ergebnisse der vergleichenden Betrachtung der Hymnenakrosticha zusammen. An der Spitze steht die in den allgemeinen Zügen schon früher bekannte Tatsache, dass

644 R. Erumbather

die Akrosticha unsere fast einzige Quelle ffir die Kenntnis der Verfasser der Lieder sind. Durch das oben zusammengestellte Material lernen wir die Autoren von etwa 130 Liedern kennen.

Völlig neu und literarhistorisch sehr wertvoll ist ^ zweites Ergebnis: die Erkenntnis des ungeheueren Überge» wichtes, auch im rein quantitativen Sinne, das Romanos in der Hymnenpoesie behauptet. In der Gruppe I 1 entfallen auf Romanos 12 (IIP) Formen, auf die übrige Hymnenpoesie nur 2, in der Gruppe I 2 A F auf Romanos 38, auf die übrigen Dichter 19. Mithin bietet Romanos in den überhaupt zur Vergleich ung geeigneten Gruppen 50 (49?) Formen, alle übrigen Dichter zusammen nur 21.

Ein weiteres Ergebnis ist die Einsicht in die grosse Mannigfaltigkeit, deren sich die Dichter bei der Bildung der Akrostichis befleissigten. Es herrschte offenbar das Bestreben, durch allerlei, wenn auch noch so kleine Änderungen immer wieder neue Formen zu schaffen. Der Individualismus geht so weit, dass ein grosser Teil der Akrosticha, auch wenn die den Autornamen umfassenden Strophen zufallig verloren ge- gangen wären, schon durch ihre übrige Form verraten würden, ob sie dem Romanos oder einem anderen Dichter gehören. Der Typus I 1 ist, von zwei in der Fassung ganz abweichen- den Beispielen abgesehen, ausschliesslich Eigentum des Ro- manos. Aus der Gruppe I 2 sind mehrere Formen, die Romanos wiederholt bietet, von den übrigen Dichtem verschmäht worden: vollständig die Formen mit xvgov und ioxi (I 2 DE), nahezu vollständig die Form mit dem Demonstrativpronomen (I 2 C). Dagegen ist umgekehrt der Typus 12 6 (blosser Automame), der 10 mal vorkommt, von Romanos nie gebraucht worden. Neben dem Individualismus in der Bildung der Akrostichis geht, deutlich sichtbar freilich nur bei Romanos, der Gebrauch einiger Lieblingsformen.

Welche Bedeutung die Feststellung dieser Tatsachen für die Untersuchung von Autorfragen, für die Zuteilung anonym überlieferter Stücke und namentlich für die Kritik und Er- gänzung fragmentarischer oder durch Umstellungen verdorbener

Die Äkrostiekis in der grieehiachen Kirchenpoesie. 645

Akrosticha besitzt, wird sich im Laufe der späteren Einzel- foTschung ergeben.

Wichtig fQr die kritische Arbeit ist auch die Einsicht in manche Kontaminationen, Verrenkungen, Verkürzungen und sonstige Misshandlungen, die in der Überlieferung vorkommen und zuweilen sogar unter einer scheinbar unversehrten Akro- stichis verborgen sind. Einige hierher gehörige Fälle habe ich früher („Umarb/) ausführlich nachgewiesen, andere sind oben in Kapitel I kurz berührt worden; vgl. Nr. 2, 8, 13, 30, 49, 55, 61, 71, 88, 97, 112, 160, 162, 200. Das ärgste Bei- spiel bietet wohl die spätere Überlieferung des Totenliedes (Nr. 8). Ohne eine neue Ausgabe des Textes lässt sich aber von dem Wirrwarr, der hier in den Hss herrscht, keine klare Vorstellung geben. Ich muss mich begnügen, auf das Vor- kommen merkwürdiger Umstellungen und Kontaminationen hinzuweisen und zu einiger Vorsicht im Vertrauen auf die Akrostichis zu mahnen. Mehr als die allgemeinen Gesichts- punkte und Richtlinien lassen sich hierüber wie überhaupt für die Verwertung des obigen Materials nicht geben. Die Hauptsache ist, dass nunmehr für die Behandlung der ein- zelnen Fälle eine Basis und ein Ausgangspunkt geschaffen ist.

Endlich ist das in der Geschichte der Akrostichis und ihrer Überlieferung sichtbare Vorwalten persönlicher Eigen- heiten von erheblicher Bedeutung für die allgemeine literar- historische und ästhetische Beurteilung der Hymnenpoesie, die dem oberflächlichen Beobachter nur zu leicht als eine gleich- förmige, nach fester Zunftregel ausgeübte Produktion erscheint.

B. Unregelmässigkeiten in den Akrosticha.

I. DoppeUetzniig von Buchstaben and Wörtern.

Pitra hat ein Lied des Anastasios ediert, in dessen Text in einer Hs (C) der letzte Buchstabe der Akrostichis (2) durch zwei Strophen vertreten ist, und hält die erste der beiden ^'-Strophen wegen einiger Anklänge an eine frühere Strophe des Liedes für ein späteres Einschiebsel. Ich habe schon oben

646 K. Krumbacker

(S. 588) auf die Schwäche seiner Argumente hingewiesen und hervorgehoben, dass der Fall nicht isoliert behandelt werden darf. In der Tat bietet das in Kapitel I gesammelte Material eine ganze Reihe ähnlicher Doppelungen, und es ist unerläss- lich, alle Beispiele im Zusammenhange zu betrachten, um f&r die Kritik der auffallenden Erscheinung eine verlässige Grund- lage zu gewinnen. Die Beispiele zerfallen in zwei nach ihrer Frequenz und ihrer Beschaffenheit deutlich geschiedene Gruppen :

1. Verdoppelnng der SchluBslittera.

Nr. 18 schliesst in Q mit alvogg. In CV fehlt die zweite Strophe mit c. Inhalt der zweiten -S'-Strophe ich nenne sie im folgenden kurz Ȇberstrophe** : Anrede an die Neugetauften.

Nr. 39 (nur in P erhalten) schliesst mit (hdi^fj. Grund der Überstrophe: Schlussgebet.

Nr. 49 schliesst (in PÄD V; s. oben S. 575) mit^ßmvovv, Inhalt der Überstrophe: Schluss der Liederzählung und Schluss- gebet.

Nr. 55 schliesst in P mit ^cojuavovv (in CV mit dofuriov; s. oben S. 577 u. 638 f.). Grund: Schlussgebet.

Nr. 64 (nur in Q) schliesst mit gco/xavovv, Grund: zweites Schlussgebet mit Nachholung der Erwähnung der Mutter Gottes.

Nr. 68 (nur in Q) schliesst mit ^cojnavovv, Grund: Alle- gorische Ausdeutung des Themas.

Nr. 75 (nur in Q) schliesst mit ^odjmxvovv. Grund unklar (Fortführung der Anrede an den Hades aus der vorletzten Strophe).

Nr. 81 (nur in Q) schliesst mit Qcofiavovv, Grund: Schluss- gebet.

Nr. 88 (Anastasios) schliesst in C mit alvogq. Grund: Schlussgebet. Der ganze Schluss alvogg beruht wohl auf einer späteren Umarbeitung.

Nr. 139 (anonym; nur in P) schliesst mit alvogg. Grund: Schlussgebet (Gegenstück zu Strophe 1 des Liedes; s. oben S. 601).

Nr. 142 (anonym; vollständig nur in P) schliesst mit jnovovv. Grund: Schlussgebet.

Die Äkroatichia in der griechischen Kirchenpoesie, 647

Nr. 166 (Johannes; vollständig nur in P) scUiesst mit lioawovv, örund: Schlussgebet.

Nr. 168 (anonym; vollständig nur in P) schliesst mit devrigaa. Grund: Schlussgebet.

Nr. 194 (anonym) schliesst in Q mit nögvi^w. Grund: Schlussgebet.

Nr. 195 (anonym; nur in Q) schliesst die alphabetische Akrostichis mit . . x^too}, Grund: Schlussgebet.

2. Sonstige Doppelungen.

Zuweilen wird gegen die Orthographie ein Buchstabe in der Mitte des Wortes verdoppelt. So bietet in Nr. 21 Q die Schreibung ^fmwov^ wobei das überschüssige v wohl die Spur einer Umarbeitung darstellt (vgl. oben S. 567) und in Nr. 192 ebenfalls Q die Schreibung ndyxalkov. Dazu kommt die schon oben (S. 641) besprochene Schreibung xdUa statt tdla in Nr. 116, 135, 144. In Nr. 200 ist der Buchstabe 77 (^zj^aTc^ag) doppelt vertreten, aber beide 77- Strophen beginnen mit denselben Worten, am Rande steht älko und die zweite Strophe ist in der Marginalzählung nicht mitgerechnet, deutliche Beweise, dass wir die Spur einer Umarbeitung vor uns haben. In Nr. 121 ist durch Doppelsetzung der Buchstaben ;^^i;ooaT die in der Überschrift angekündigte kurze Akrostichis Elg rdv Ägvodaro/iiov auf 24 Strophen angewachsen. In der Marginal- zählung sind wie bei Nr. 200 die doppelt gesetzten Strophen nicht mitgerechnet. Man muss vermuten, dass auch hier, wie bei Nr. 200, nach einer Umarbeitung die alten Strophen neben den neuen stehen geblieben seien. Eine nähere Betrachtung des Textes bestätigt diese Ansicht: die überlieferten Strophen machen durchaus den Eindruck von Skizzen zu einem noch nicht abgeschlossenen Werke. Nicht eigentlich hierher gehörig ist Nr. 12, wo der Begriff Alphabet zweifach, zuerst durch die 24 Buchstaben des Alphabets (a~a>), dann durch das Wort älq)dßi]tov (^Pcofjtavov) ausgedrückt ist. Ein Gegenstück der Doppelung bietet Nr. 154, wo statt Nvaorjg in der Akrostichis (wie auch in der Überschrift) Nvorjg gesetzt ist.

IMSw SitEgab. d. phUoB.-pliUoL n. d. hiat. KL 43

648 it Krumbaeher

Wenn wir nun zur Beurteilung der Doppelung fibergeken, so ist Yorerst zu konstatieren, dass sie sich in allen Fällen auf den Text beschrankt, in der Akrostichonnotiz der Überschrift aber niemals berücksichtigt wird. Für die Kritik kommt aber diese Tatsache gewiss nicht in Betracht. Ohne Weiteres ist klar, dass die zwei Oruppen, in die ich das Material geteilt habe, nichts mit einander zu tun haben. Die unter 2. auf- geführten Fälle stehen in der Überlieferung ganz vereinzelt und spielen keine erhebliche Rolle för die allgemeinen Fragen der Textkritik. Mehrfach handelt es sich, wie gezeigt worden ist, um Reste einer Umarbeitung (Nr. 121 und 200), und hier bleibt nur die Frage, ob diese Reste durch einen Irrtum des Schreibers oder mit Absicht, gleichsam zur Auswahl für den Sänger oder Leser, stehen gelassen wurden. Die bei Nr. 20O bemerkte Randnotiz äXko scheint für die zweite AufEassung zu sprechen. Vielleicht ist so auch das doppelte v des Namens 'PcDjMiwov in Nr. 21 zu erklären. Dagegen scheint die 3 mal Yorkonmiende Schreibung rdXla auf einer mit den Schwankungen der Antistoechie vergleichbaren orthographischen Schrulle zu beruhen. Die Doppelsetzung des Begriffes Alphabet endlich in Nr. 12 ist offenbar eine vom Dichter selbst gewollte pleona- stische Spielerei.

Eine ernstere Beachtung verdienen die in der ersten Rubrik zusammengefassten Fälle. Hier handelt es sich um eine Er- scheinung, die mit relativer Häufigkeit und stets in derselben Form auftritt. Unter den 204 Liedern, deren Akrosticha in Kapitel I beschrieben sind, sind nicht weniger als 15, bei denen der Schlussbuchstabe durch zwei Strophen vertreten ist. 13 dieser Doppelungen sind nur in den patmischen Hss PQ überliefert; von den 2 übrigen ist eine durch eine grössere Zahl von Hss bezeugt (Nr. 49 durch PADV), die zweite (Nr. 88) nur durch C. Unter den erwähnten 13 Fällen, die nur PQ bietet, sind aber 12 Lieder, die überhaupt nur in P oder Q vollständig erhalten sind, wenn man von der besonders gelagerten Nr. 55 absieht. Eine regelrechte handschriftliche Differenz bietet in dieser Gruppe nur Nr. 18, wo die in Q

Die Äkrostiehis in der fftiediischen Kirchenpoesie, 649

überlieferte Doppelung in GY fehlt. Die Spur einer Ab- weichung findet sich in Nr. 49, wo T vielleicht auf eine Vor- lage zurückweist, in der die in PADV vorhandene Über- strophe noch fehlte (vgl. S. 575). Nach der Überlieferung lässt sich mithin die Erscheinung nicht sicher beurteilen. Dass die grosse Mehrzahl der Fälle auf PQ entfallt, beruht auf der prominenten Stellung dieser 2 Hss in der Gesamt- überlieferung. Nr. 49 und 88 beweisen, dass die Doppelung auch in anderen Hss vorkommt und dass sie also nicht etwa eine Eigentümlichkeit der patmischen Redaktion ist. Die inhalt- liche Betrachtung der 15 überschüssigen Schlussstrophen ergibt, dass sie meistens ein mit dem Liede selbst nicht zusammen- hangendes oder doch nur ganz lose verbundenes Schlussgebet, eine Anrufung an den Heiligen oder eine Anwendung des Liedthemas auf einen besonderen Anlass enthalten. Völlig klar ist diese Eigenschaft der Überstrophe bei Nr. 18, 39, 55, 64, 81, 88, 139, 142, 166, 168, 194, 195. In Nr. 168 wird sie ausdrücklich als Ephymnion bezeichnet. Ein Schlussgebet enthält die Strophe auch in Nr. 49; hier aber wird der Zusammenhang mit dem Liede dadurch gewahrt, dass im ersten Teil der Strophe noch die Erzählung zum Abschluss gebracht und erst dann ein kurzes Schlussgebet angefügt wird. Wenn wir nun noch beachten, dass gerade dieses Beispiel besser als alle übrigen (durch drei ostbyzantinische Hss und die italische Redaktion) gesichert ist, so dürfen wir wohl schon jetzt (trotz der oben erwähnten DifiFerenz des Fri^ments in T) annehmen, dass hier die Überstrophe ursprünglich ist. In Nr. 68 enthält die Überstrophe eine, wie die oben S. 581 ge- gebene Probe zeigt, ganz für sich stehende allegorische Aus-» deutuDg des Themas. Auffällig ist hier, dass die vorhergehende Strophe mitten in der Erzählung von Esau und Jakob stecken bleibt; darnach ist zu vermuten, dass der Schlussteil des Liedes weggelassen wurde und die vollständige Äkrostiehis etwa lautete: Toü xaneivov 'Pcofiavov {mog). Die Überstrophe mit v wäre dann nachträglich angefügt und mit der Initiale des Schlusses der noch vorhandenen Äkrostiehis versehen worden. Ohne den

48*

650 K. Krumbathtr

Text des ganzen Liedes yorzulegen, kann ich freilich diese Auffassung nicht näher begründen. Auch bei Nr. 75 könnte die Überstrophe entbehrt werden; denn schon in der ersten Strophe der Schlusslittera wird mit der triumphierenden An- rede an den Hades ein für das kurze Lied genügender Ab- schluss gegeben. Völlig klar li^ der Fall nicht.

Wenn mithin die Überstrophe meistens ein mit dem Liede selbst nicht enger verbundenes Schlussgebet enthält, so erhebt sich die Frage, in welcher Weise die ohne akrostichischen Überschuss überlieferten Hymnen, besonders die des Romanos, in der Regel abgeschlossen werden, um die Kontrolle zu er- möglichen, berücksichtige ich nur die grösstenteils publizierten Lieder Nr. 1 31. Wenn wir von Nr. 2 wegen der unvoll- ständigen Überlieferung und von Nr. 18 wegen des Schwankens der Überlieferung absehen, so ergibt sich folgendes: Unter 29 Liedern sind 17, in denen die ganze letzte Strophe durch ein meist mit dem Liede selbst nur locker verbundenes Schluss- gebet ausgefüllt wird ; in 6 Liedern beginnt das Schlussgebet erst innerhalb der letzten Strophe; 6 Lieder endlich sind ohne Schlussgebet. Die Abrundung des Liedes durch ein die ganze letzte Strophe umfassendes Schlussgebet ist also bei Romanos zwar häufig, aber durchaus nicht regelmässig durchgeführt, und ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Beurteilung der Echtheit der das Schlussgebet enthaltenden Überstrophen ist also hier nicht gegeben.

Mehr lehren uns einige einzelne Fälle. Zunächst Nr. 18, wo die für eine Tauffeier bestimmte Überstrophe nur in Q geboten wird, in der italischen Redaktion dagegen fehlt. Dann Nr. 64, wo das Schlussgebet schon in der letzten Strophe der regelmässigen Akrosticfais gegeben, dazu aber, offenbar (ähnlich wie in Nr. 18) für einen bestimmten Zweck, die Er- wähnung der Mutter Gottes, noch ein zweites Schlussgebet mit Wiederholung der Schlussinitiale der Akrostichis angefügt wird. Dazu kommt die Beobachtung, dass in den Hss zuweilen sogar Schlussgebete mit einer in keiner Weise zur Akrostichis des Liedes passenden Initiale (z. B. 77) vorkommen, die sich

Die Äkroatichia in der griedMchen Kirehenpoesie, 651

mit Sicherheit als späterer Zusatz verraten ; Tgl. Nr. 88 (S. 588). Mit diesen einzelnen Fällen, die zweifellos gegen die TJrsprüng- lichkeit der Überstrophe sprechen, verbindet sich die allgemeine Beobachtung, dass die Überstrophe aus der regelrechten Akro- stichis herausfällt, dass sie relativ selten vorkommt und dass das in ihr enthaltene Schlussgebet meistens ohne jede engere Verbindung mit dem Liede steht.

Damach ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass die Überstrophe nicht als integrierender Bestandteil des Liedkörpers betrachtet wurde, sondern als Zusatz, der ausserhalb der Akro- stichis stehen durfte, aber doch durch die Wiederholung der Schlusslittera als zum Liede gehörig gekennzeichnet wurde. Ganz vereinzelt wurde die Schlussinitiale wohl schon ur- sprünglich doppelt gesetzt; wahrscheinlich gilt das für Nr. 49, wo in der Überstrophe die Erzählung des Liedes selbst zum Abschluss gebracht und erst dann ein kleines Schlussgebet an- gefügt wird. Später wurde von dieser Freiheit öfter Gebrauch gemacht, um Liedern, die zu schroff abschlössen, einen passen- den Epilog zu geben oder auch, um sie für einen bestimmten Zweck (Tauffeier, Marienverehrung) zu akkommodieren. Damit ist freilich noch nicht sicher bewiesen, dass diese Zusätze durchwegs von späteren Dichtem bezw. Redaktoren vorge- nommen worden seien. Es ist denkbar, wenn auch nicht ge- rade wahrscheinlich, dass ein Dichter selbst seinem Liede nachträglich ein solches überzähliges Schlussstück beifügte. Mit grösserer Sicherheit wird sich urteilen lassen, wenn ein- mal alle Texte der mit Überstrophen belasteten Lieder ediert und dadurch die Möglichkeit einer sprachlichen und metrischen Vergleichung aller Strophen geboten sein wird; aber auch dann wird die Entscheidung vermutlich von Fall zu Fall ge- troffen werden müssen. Für die praktische Frage der Publi- kation muss natürlich das Prinzip befolgt werden, dass auch die Überstrophen inmitten oder am Schlüsse der Akrostichis, wenn auch nur im Apparate oder Kommentar, mitgeteilt werden, um dem Leser ein selbständiges urteil zu ermöglichen.

652 K. Krumbadier

II. AntistoechUche Elemente in den Akrosticha.

Die Eigentümlichkeit der Antistoeckie d. h. der Gleich- stellung oder Verbindung von Buchstaben und Buchstaben- gruppen gleichen Lautes (z. B. cu und e) ist in der philologi- schen Literatur vor allem durch das nach diesem Prinzip ge- ordnete Lexikon des Suidas bekannt; sie hat aber schon längst vor ihm bestanden.

In der Hymnenpoesie spielt die Antistoechie eine doppelte Rolle. Einmal wird sie schon in der Bildung der akrostichi- scben Formel selbst angewendet, indem ei durch <, also nur durch eine Strophe, ausgedrückt wird; dann konunen akro- stichische Vertretungen vor, ohne dass die Strophenzahl be- einflusst wird, indem z. B. eine Strophe für i in Wahrheit mit einem Worte wie elde beginnt. Die kritische Edition der Texte hat sich mit beiden Erscheinungen abzufinden; daher ist eine genaue Feststellung der Tatsachen und besonders eine Prüfung der Überlieferung nötig.

Wie die Doppelung von Buchstaben (s. oben S. 648) be- schränkt sich auch die Antistoechie auf den Text; in den Akrostichonvermerken der Überschriften ist sie nicht be- rücksichtigt d. h. hier sind die in Betracht kommenden Wörter stets korrekt geschrieben.^) Für die Frage der Echtheit des €1 bezw. I föllt diese Beobachtung aber wohl ebensowenig ins Gewicht wie die analoge Feststellung bezüglich der Buch- stabendoppelung. Die Kopisten begnügten sich damit, den groben Wortlaut der Akrostichis zu notieren, ohne feinere Details wie eine Doppelung oder eine antistoechische Vertre- tung eigens anzumerken, und sogar der Wortlaut wird in der

^) Daher ist es ein Fehlscfaluss, wenn Fapadopulos-Keramens, 6.Z.VI 382, aus der vollen Überschrift Tov Ta:i€ivoO 'Pa>fianw in A folgert dass der Text, von dem A nur die Strophen Tov xasitrov bewahrt bat, ursprünglich Tov la.-ceivov 'Piofiavov geboten haben müsse. Auch P. der das Lied vollständig bewahrt, bietet in der Überschrift ToCJ xantxrov *Pa)fAavov etc., im Texte nur Tot} rajfivoO 'Pwftavov n. s. w. Vgl. ohec S. 578 Nr. 57.

Die AfcrosHchis in der griechisthen Kirchenpoesie. 653

Überschrift öfter ungenau angegeben, wie oben (S. 624 ff.) gezeigt worden ist. Wir sehen uns also für die Untersuchung der antistoechischen Schwankungen ausschliesslich auf die Texte selbst angewiesen.

1. Antistoechische Schreibung ramvov.

Unser Material (Kapitel I) enthält im ganzen 64 Akro- sticha mit dem Epithet xtmeivov (mit oder ohne Namen). Unter diesen 64 Nummern, von denen 52 auf Romanos, 12 auf die übrigen Dichter entfallen, sind 14, wo der Text die antistoechische Form xamvov ergibt, und zwar ist die Eigen- tümlichkeit so gut wie ganz auf Romanos beschränkt; der einzige Fall ausserhalb des Romanos ist das Lied des Ana- stasios (Nr. 88); aber hier ist die Schreibung xamvov nur durch die Hs T bezeugt. Die Beispiele bei Romanos sind Nr. 8, 13(?), 16, 17, 18, 25, 46, 47, 49, 57, 73, 80, 83. Von diesen 13 Liedern sind 5 (46, 47, 73, 80, 83) nur in einer der zwei patmischen Hss überliefert; 5 stehen in mehreren Hss, die aber alle in der Schreibung xamvov übereinstimmen (16, 18, 25, 49, 57); in 2 Fällen (8, 17) schwanken die Hss, doch spricht in beiden Fällen die anscheinend ältere Überlieferung (Q) fOr die Form xa7iEivov\ in einem Falle (13) ist die Ursprung* Uche Schreibung unsicher; vgl. Umarb. S. 28 ff. Es bleiben mithin 10 Beispiele, in denen die Schreibung mit i ohne Widerspruch überliefert ist. Nur wird in den italischen Hss wiederholt durch einen leeren Raum mit der Initiale £, einmal durch eine Randbemerkung (Nr. 8 Codex f) angedeutet, dass die Strophe für E fehle. Nun ist zwar leicht denkbar, dass bei späteren Bearbeitungen die vermeintlich ausgefallene Strophe für E ergänzt wurde als Ansätze dazu erscheinen die leeren Säume in GV, und die Spuren einer Ergänzung bemerken wir bei Nr. 13 ; es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass eine im Archetypus stehende Strophe für E von einem späteren Bearbeiter oder Kopisten zur Erzielung der Kurzform xanivov weggelassen wurde.

Kurz, sowohl die äusseren Tatsachen der Überlieferung,

654 BL Krumbaeher

als auch innere Erwägungen beweisen, dass Romanos das demütige Epithet in einer Reihe von Gedichten (wenigstens 10 unter 52) tatsachlich in der Form totuvov angewandt hat. Ebenso sicher lehrt unser Material, dass Romanos mit dieser Schrei- bung allein steht; denn das einzige Beispiel in der übrigen Dichtung, das des Anastasios, ist nur durch eine Hs bezeug und hat um so weniger Gewähr, als in der Überlieferung des Liedes auch sonst vielfacher Wirrwarr herrscht (s. oben S. 588 f.)- So erklärt sich auch, dass die Kenntnis der Eigentümlichkeit später verloren ging und die Bearbeiter bezw. Kopisten wieder- holt am Fehlen der Strophe fOr E Anstoss nahmen.

Zweifel bleiben mithin zunächst nur bei den Liedern 8, 13, 17 übrig. Die bezüglich der Gruppe ei wie auch im übrigen äusserst verwickelten Überlieferungsverhältnisse des Liedes 13 habe ich früher auseinander gelegt; vgL Umarb. S. 13 ff. Wie es sich mit der Echtheit der Schreibung ei bezw. i im Liede 8 verhält, kann nur im Zusammenhang einer erschöpfenden Untersuchung der über alle Massen verworre- nen Überlieferung dieses durch den langen liturgischen Ge- brauch schwer geschädigten und unaufhörlich umgearbeiteten Textes festgestellt werden. Über das Lied 17 endlich wird auf grund einer kritischen Ausgabe des Textes im Kapitel III gehandelt und gezeigt werden, dass die Strophe mit E hier interpoliert ist.

Vielleicht ist auch noch in dem einen oder anderen Liede, in dessen Überlieferung keinerlei Spuren einer Ergänzung oder Umarbeitung vorliegen, die Strophe E eine spätere Zutat. Jedenfalls muss künftighin bei der Publikation und Kritik der Lieder des Romanos die Strophe E in der Reihe taneivov immer besonders ins Auge gefasst und namentlich ihr inhalt- licher Zusammenhang mit den vorhergehenden und folgenden Strophen, wie auch ihre sprachliche und metrische Beschaffen- heit genau geprüft werden. Dagegen ist die Annahme einer zu irgend einer Zeit vorgenommenen systematischen Ergänzung ursprünglich fehlender Strophen für E wohl völlig ausge- schlossen; hätte eine solche stattgefunden, so wären auch die

Die Akrostkhis in der grieehiedien Kirchenpoeeie. 655

oben nachgewiesenen 10 völlig gesicherten Beispiele der Kurz- form der Regulierung nicht entgangen. Die auffällige Tat- sache, dass Romanos in der Schreibung seines Lieblingsepithets schwankte, ist vielleicht durch die Annahme zu erklären, dasa er die Schreibung mit t in einer gewissen Periode seines Lebens, wohl in seiner Jugend, angewandt und später die antistoechische Schrulle aufgegeben habe.

2. Sonstige Antistoechien.

Das Schwanken der Schreibung des Wortes xaneivov be- dingt ein Schwanken der Strophenzahl und kommt in der Gestaltung des Liedtextes scharf zum Ausdruck. Die übrigen in den Akrosticha vorkommenden Antistoechien haben nur orthographische Bedeutung: der Buchstabe E wird durch un- orthographisches El wiedergegeben in Nr. 13 {Eldeiv Q, Eide = 'Idi CV; s. Umarb. S. 29). Der Buchstabe / ist durch EI vertreten in Nr. 23 (Eloti^xeioav), in Nr. 88 {El in T) und in Nr. 98 {Eide). Ganz isoliert steht die Vertretung von ei durch etj in Nr. 181 {'Ex ''Hiaxwag). Den Buchstaben Q endlich ersetzt O in Nr. 98 ('O). Die Zahl dieser Beispiele wird sich durch systematische Durchprüfung aller Hss noch etwas ver- mehren lassen; für die Kritik wird dadurch nichts Neues ge- wonnen werden.

III. Die Form ravirj In der Akrosilcliis«

Die alten Unregelmässigkeiten der Deklination des Demon- strativs ovTog sind im Neugriechischen beseitigt. Von den vier alten Stämmen ovt-, avr-, tovt-, ravr- ist der häufigste, TovT-, völlig durchgedrungen, also: rovrog, lovitj, tovto, xov- Tov, tovtrjg, rovxov u. s. w. (auch hovrog u. s. w. und deiktische Weiterbildungen wie xovtovvov u. s. w.).

Wie früh diese assoziative Bewegung begonnen hat, zeigen die Beispiele von xovxji, xovxrjv, xovxog, xovxoi, xovxa bei K. Dieterich, Untersuchungen (Byz. Archiv I) S. 197 und A. N. Jannaris, An historical greek grammar, London 1897, § 567^ Auf die von Dieterich berührte Frage, ob nicht

* «

656 K, Krumbaeher

zwischen altem, ursprünglichem (dorischem) tovioi, raihat (vgl. G. Meyer, Gr. Gr.^ § 433) und den offenbaren späteren Analogiebildungen wie jovitig, xovjfi scharf zu unterscheiden sei, will ich nicht eingehen. In der für uns in Betracht kommenden Zeit ist es jedenfalls das Streben nach Ausglei- chung, das die verschiedenen Stamme zusammengfeffihrt hat

Neben der Bewegung auf den Stamm tovt- hin ist ein zweiter Versuch der Ausgleichung zu bemerken, den Dieterich a. a. 0. übersehen hat, die Regulierung des Nom. Sing. Fem. nach dem obliquen Kasus des Fem., also tqvti]. Jannaris a. a. 0. § 567** zitiert zwei Belege dieses neuen Nominativs: eine Inschrift Ober die Wiederherstellung der Stadt Selymbria aus der Zeit zwischen 842 857 n . Chr. : *Av€V€a>^ \^lx ßd^g] co [r] jiokig lavtT] Ijil MixoLrjX, Oeod\^co]Qag xal OeHXrjg (CIG IV 8683), und eine undatierte, wohl spätbyzantinische Stelle aus einem Rezepte zur Herstellung von Zinnober: Aet yivdaxeiv, Sxi fi ßiayvrjala fj vsXovgyixr} ravrtj iortv ^ rfjg'Aoiag. M. Ber- thelot et Ch.-Em. Ruelle, CoUection des anciens alchimistes grecs, Vol. II (Paris 1888) S. 38, 10 f.

Zu diesen zwei Belegen kommen nun eine ganze Reihe neuer Beispiele, die durch Hymnen akrosticha gesichert sind:

Nr. 30: Tavrrj ij <^^^ '^ov ikaxioxov 'PcDfiavov b (wohl auch A). In der Überschrift bietet b die Form auiiy, A da- gegen richtig javxrj, Pitra, der offenbar an der Form Tavxt] Anstoss nahm, vermutet (S. 210), der Text sei aus den Frag- menten zweier Lieder zusammengeschweisst, derart, dass das T den dürftigen Rest einer Akrostichis T{ov xaneivov 'Pco/Aavov) darstelle und die folgenden Buchstaben aus einem anderen Liede stammen. Auch Papadop ulos-Eerameus, B. Z. VI 376, hält Tavxrj für unmöglich und korrigiert Avxrj, ohne ein Wort der Begründung und ohne zu notieren, wie es sich in A mit dem Texte verhält.

Nr. 61: Airjaig xal xavxri i} 'PcjjLiavov Q: Tex{dQxi]) dhjatg xal xavxrj 'PcojuLavov A. Die Frage, wie sich die zwei Texte zueinander verhalten, kann ich jetzt nicht beantworten (ygl.

Die Akrostichis in der griechis^n Kirchenpoesie, 657

oben S. 579); aber jedenfalls ist in beiden Hss die Form Tavxri bezeugt.

Nr. 127, 137, 146, 171: Taixri ^ cbdi] rdXa P (146 PD).

Sowohl die komplizierte und auch aus anderen Gründen ganz unwahrscheinliche Hypothese Pitras über das Lied Nr. 30 als auch die als selbstverständlich vorgetragene Korrektur von Papadop ulos-Kerameus erweisen sich mithin als grundlos. Dass die Beispiele der Form xavtri in den Akrosticha des Ro- manos so gering an Zahl sind, spricht nicht gegen die Echt- heit der Lieder, die sie bieten; denn Akrosticha mit einem Demonstrativ sind überhaupt sehr selten (im ganzen nur 17 Formen; s. S. 631 AT.). Die einzigen Demonstrativformen, die in den Akrosticha des Romanos vorkommen, sind omog, tovto, TOüTi/; die Form avirj fehlt ganz. Ebenso fehlt sie bei dem Anonymus Talas, der ausser zavxrj nur noch das Neutrum TouTo anwendet. Vielleicht wird man nun auch versuchen, diese „barbarische" Neubildung in der Frage über das Zeit- alter des Romanos als Beweis für die Datierung ins 8. Jahr- hundert zu verwerten; ich glaube aber nicht, dass bei den wenigen Beispielen der Form, die ausserhalb der Hymnen- dichtung bekannt sind, irgend ein chronologischer Schluss möglich ist.

658 K. Kfumbadier

Drittes Kapitel: Text I. Das Lied ,,Maria beim Kreuze''.

Kovxdxiov iregov xfj fieyalfj nagaateerff eis to 3td&og tov xvouw x<u eh TOV ^Qrjvov rrfc ^eotSxov, tpigov AxQoattx^Sa ri^vSe. Tov xa^etrov *P<ofiavov, *Hxo€ fieooQ d\

Tbv dl* fiiiiäg aravQCD&ivta

devre ndvreg vfivtiocofitv' avTOv yäg xaxeide Magla ijtl $idov xal iXeyev' 5 El xal oxavQov vTiojiSvetg,

Überlieferung: Q fol. 96^— 98«".

A fol. 240^— 244r (keine Notiz über den Text) B fol. 82r-85r (Strophe ?'» fehlt), C fol. 89'— 91^ (Strophe c'» fehlt), V fol. 109'^~112r (Strophe ?'» fehlt), G fol. lOO^— 102^ (Strophe *' Schluss fehlt) M fol. 272^— 276^.

T fol. 172r-175^ (Strophe ?'» fehlt). Die Hss des Athos und Sinai (ABG) sind im Apparat nicht berück- sichtigt, da ich von ihnen keine Kollation besitze.

Ausgaben: Im Triodion (Venedig 1 538) zum Charfreitag Prooemion und Strophe a\ Pitra, An. Sacra 1 101 - 107, ed. den ganzen Hymnus nach CT. Amfilochij ed. im Textband S. 146 das Prooemion und Strophe a nach M, im Facsimileband S. 179«- 187 den ganzen Hymnus nach M.

Die obige Überschrift stammt aus Q: Trj dyia naQoaxevrj xorSdxtor elg trjv aTavgcoaiv qpegov dxgooxixlda» xov xaneivo^ gwftavoi}' stldyiog 6' {axavgcoatv fjxos ytldyiog d' xov xotibivo^ g^ V) CV: Korddxiov t^ dyia xal fieydXrj Jtagaaxevrj, rjxos Jikdytos d'. ipigov dxgoaxixi^<t x^vde xov xajxetvov gofiavov M: Kovddxiov xif dyia xal fieydlt] jxagaoxevij eis x6 xd^og xov xvgiov ^fifbv lijaov /gtaroO xal eis xovs ^givovg xrjs &eox6xov ipegtov OMgo-- oxtxi^a xov xajtetvov ^o) ijxos TrXdytos 6\ IdtdfieXov T '! 3 ydg streicht W. Meyer | xaxidsv CV: xa&eldev T ü 4 enl xov ^vXov Triodion

Biblische Grundlage: Joh. 19,25 ,, 5 Hebr. 12,2

Die Äkrostichis in der gnechischen Kirehenpoeaie, 659

6 vldg xal i^eög fAov,

a Tdv Tdiov ägva

fj Afxväg '&B(OQovoa ngdg ocpayrjv iXxdjuevov 10

flxoXoi^Bi {fj) MagCa

Tgvxo/Ltevrj fjLeff^ higcov yvvaix&v

rama ßocöoa* IJov nogevf], lixvov; 15

t/voc ;c<i^cv rbv raxvv

igöfAOv reXioeig; /Uli] hegog ydfjLog

ndhv ?ortv Iv Kavä xäxel vvvl onevdeig, 20

Xv* i^ vdarog avxoTg

olvov noii^afjg; ovveX'&a} aoi, tixvov,

i) ßjelvco 06 fiäilov; d6g fxoi Xöyov, Aoye, 25

fii] oiywv JiageX&fjg fie, S äyvrjv rrjgijaag jue,

6 vlog xal &e6g juov.

Vorbemerkung: In Q sind von V. 20— 110, 176—232, 270-301, 359—363 durch Zerstörung des Blattrandes in jeder Zeile 1—12 Buch- staben verloren gegangen. Ich habe diese Locken nach den übrigen Hss erg&nzt und notiere sie nur dann ausdrücklich, wenn die geretteten Buch- staben darauf hindeuten, dass an der zerstörten Stelle eine abweichende Lesart stand.

9 j} dfiyas QCVMT: ^ streicht Pitra ] 10 Jtgog <payetv M ! 11 jj habe ich ergänzt || 16 x6v taxv (raxv T) MT || 17 Sgofiov zeXeig (ohne vvv) QCVMT Triodion: vvv teXeig Sgofiov Pitra: dgofiov teXeoeig scripsi 19 Bouv QT (C V?): iatlv M Pitra, Triodion 20 vvv T Triodion ; 22 Jioi- riaag M |, 24 aot M Triodion . 26 naQeX&ti fioi M H 28 ai> yog vJtdgxeis 6 vlog xai &e6g fiov Triodion

10 Is. 53, 7; Apg. 8, 32 ; 13 vgl. Joh. 19, 25 ] 17 vgl. Apg. 20, 24; 2. Tim. 4, 7 : 18 ff. Joh. 2, 1 ff. |; 25 Joh. 1, 1.

660 K, Krumbadher

fl Ovx fjlniCov, xixvov, SO h xovjoii IöbXv ob

ovS' inloTevov nori,

to}Q TOVTov Tovg ävofiovg IxjLiav^vai xal ixteivai ini ak 35 x^^Q^^ ädlx(og'

fti yäg ßQi(pf}

Tovrcov xgdCoval ooi EtfXoyrjjLLivog' äxfiijv dk ßatcov 40 nenXrjajaivt} ^ ödog

/HTjvvei töig näai

T(bv ä^ia/Liiov rag jtQog oi

Tiavevqprjfilag, xal vvv, rlvog X^Q^^ 45 Ingdx^t] t6 x^^^'^t

yva)vai '&eka), olßioi,

n(bg To q>wg fiov oßevwrai, Ticbg aravQQ) jiQoanTJyvvrat 6 vlbg xal ^eög fxov,

60 / 'Yndyeig, c5 xixvov,

Tigdg ädixov (p6vov, xal ovdelg aoi owalyei'

ov GvviQxeral aot lUtgog

31 ov^e QCVMT " 32 xov zovg dvofiovg Q: mg fSor (ti6or

Pitra) tovg dvojnovg CV Pitra: ecog Sie rovg dvo^ovs MT 33-34 ixfia- vrjvai xai exiElvai sjii ok {aoi T) QMT: ix/tavirzag xai txxeivavtag tli ak CV Pitra 37 iovicdv {tovto T) xßd(ovai {xQdCovaiv M: xQdCcaaiv T) aoi TO QMT: tovtwv xgd^ei waavvd C Pitra: zovio) xgdCovatv (ohne oot z6) V . 3d de QMT: yog CV 41 Jidaiv V || 42-43 oben Lesung Q: T(ov dxdx(x)v zag Jioog os :iavev(ft)iAeiag M: zcjv d^eofieov zijv sigog oh aarn'- <f.tlfiiar C VT ,1 44 xai vvr zirog QM: xai zivog ovvCYT H 45 xa x^^9^^ T 4G yviüvai Oiko} QCV: &t).oi yv(ovai MT | otfjtoi Q: otfi/jiot CV: olfiai M: oi'fioi T , 50 zixvov QM: ojtldyxvov CVT || 53 ... . vegiezai (ohne ow) Q: ov ovvigx^zai C Pitra: ov ovrig^ezai aoi VMT

34 f. Luk. 22, 53 1 36 ff. vgl. Matth. 21, 8 und Parall. ' 48 Apg. 2.25

Die Äkrostiehis in der ffriedusdien Kirehenpoesie. 661

6 elndv ooi' Ovx ägvovßial ae noti, 56

xäv dno-9vija)c(jD, ^iluie OB 0ö>/4&—

6 ßorjoag' J/ct' amov

^dvoDfiev ndvreg' ol äkXoi dk ndliv, 60

ol oIheToi xai yviooTol xal fxiXXovreg xQiveiv

xäg (pvläg Tov *IoQai}X

nov eloiv ägu; ovdelg ix töjv Jidvrcov, 65

äXX'' elg vjikg Jidvxcov ^tjoxEig, rixvov, ^övog,

äv&^ d)v ndvxag eowoag, dvi?' ü)v jiäoLv rjgeoag,

6 vlög xal '^eog fjiov, 70

i' "Totavxa Maglag

Ix XvTttjg ßagelag xal ix ^Xixpetog noXXfjg

xgavyaCovotjg xal xXatovarjg djiBXQi^ri 75

ngbg avxriv ö IS ovx'^g ovxojg ßorioag* Tl daxQveig, /j,ijxrig;

xSy QUT: dXX' CV \\ 57 iXmi (^ktjisv V) ae xal ^mfxäg QV: ^ütfiäf iXuti oe G Pitra: iltjii ae ^wf^ag (so) M: iktnev ae ^toßäg T ', 58 fiexavtov QMT: (Aeja aoC CV < 59 ^avw . . . Q: ^avoCfJiev MGV: ^arfüfiev T , 60 älXot de .^dliv Q: oi äXXoi Sk ndXtr MT: o/ SXXot 6e ^idvxeg CV |i 61 ol fehlt V | yrowiroi QM: v[ol CVT 62 xal fäXXov . . . XQiveiv Q: ol fAeXXovxeg xgivai {xgive M) CVM: ol /neXXovres xglvetv T |' 63 tag öwSexa tpvXdg QGVT: rag tpvXdg tov iagaffX M || 71 fiagla MT {| 74 xal xXaiovarfg QG VMT: xai streicht Pitra ;| 75 dnexgl^ Q: ineaigd(prj CVMT il 77 wraiff QM; oCfrco GVT |! 78 firJQ QMT: füg GV

55 f. Matth. 26, 35 58 f. Joh. II, 16 || 62 f. Matth. 19, 28 l 66 f. 2. Kor. 5. 14

662 JL KnmdHtd^

u läig iXXatg yvvm(i 80 ovranoq>iQfi;

nd>^ ovv a<ooQ} rar *Addfi; ßii] rdipor oixijoco;

nwg ilxvoo} ngos Co>ijr 85 rovg h J(ß 4^^

xal fif^y, xa&OK cUag,

ädtxcog atavgavßiot' xl oiv xlaieiQ, ßjitfnjg;

ßjtäXlor ovTQ} xgavyaaov, 90 Sil ^iXtüv ina^or,

6 vlog xal ^e6g oov.

*An6&ov, d) jurjreQ,

i:i69ov ti}v Xvnfjv ov yäg TiQEJitt ooi ^grjveiv, 95 5x1 xsxoiQtxcoßiivf]

(bvoßida&i]g' x{]v ovv xXf]oiif x<p xlav^fjicß jurj avyxalvxpffg' jui] xaig äavvexoig 100 6/ÄOt<oof]g iavxr^v,

ndvo(Hpt x6qi]'

79 Y^'^'^^^'^^ M 80 avvolofpvQff M " 81—83 oben Lesung Q: n ftrf nd^cj fl ^lij ^dvco {^at'm M). ytcJs (:ra>( otV MT) oummd xav d6dfi.. el ft»; rdffov olxi)ooi CVMT: -To5i xov *A6afi o(oa(o, el ftif xa^w ^dwa> w; n ftrj oixwv xdtfov Pitra 86 xal fiffv QCV: xtu rvv MT 87 adiMOK <rror- Qovfiat QMT: oxavgovfiai xai ^i^axca CV i 88 ^7 ovv xkavarig T | fir^q Q T : fÜQ C V M ,89 fiäXXov ovxo} QCV: ovxm ftäXXov M : fiälXov rovxo T 90 91 oxi ^iXo>v e:ta&oy {e.xaOev M) 6 v/off «a« ^e<fc oov {ßiov M) QM: .idO(o TfdOoi dizexai 6 vio^ xai ^eog fiov CVT 92 Q: otV CVMT j fttjrrjQ T 93 d:tdOov rijv XvjrrfY QCV: xifp Xvjtfjr dxoi^ov T: Moar Xv.T7jv ojto oov JA ji 95 or< QCVMT: f} Pitra | xex^&V^^^QV (^ ^ 97 xrjv ovv yCVT: xai xtfv M | rw xXadfifo M: xov xXav^fior T , 99 fuj^f dövrhois M 100 otwicjotjg eavxijv (. . . vxifv Q: ütatfxifv T) QMT: 0«'«- fiexQrjarjg iavxtjv CV

95 Luk. 1, 28.

Die Ähroaiiehis in der grieMstken Kirchenpoesie. 663

iv ßiiaq) 'öndgxeig

Tov wfjifpwvog Tov ijbiav.

fltj oiv &07ltQ £f CO

loxafiivri xijv ywxf}y 105

xata/uiaQdvfjg, rovg h t(p wfxq)(bvi

(bg dovXovg oov tpcover nag yäq rgi^^v tqü/ho)

vjiaxovoei oov, oeuvi^, 110

Stav etnijg' IIov ioriv

6 vlog xal ^eög fxov.

g IJixgäv ri)v ^juegav

TOV Jid^ovg ßjirj dei^fjg' dC avxTjv yäg 6 ykvxvg 115

ovQavd^ev vvv xaxfjX'^ov

(bg xb fidvva, oifx iv Sgei xcp 2ivq.,

&XV iv yaoxqi oov, ivdo&ev ydg xavxr]g 120

ixvQW&rjv, d>g Aavld

7iQoav€(p(ovei' xd xervQoyjuevov

ÖQog, vorjoov, oe/uvT^, iyo) vvv vndgxco, 126

5x1 ISyog S>v iv ool

odgS iyevdfAYjV iv xavxji ovv Jidoxco,

102 i/ifiioQ) CV 106 xajafiaQatvrja M , 108 der Vers fehlt M 109 TQo/iot QMT: ^qo^co CV |, 110 vjtaxovoei Q: {fjiaxovei CVMT

114 dei^fjg QM: Sö^rig CVT | 115 yaß Q: di' avxrjv yag CV: 8ia

ok yf'^Q M: dta oov yaQ T || 116 f. veToc vvv xaxtjX&ov mg x6 fidvva, aber am Rande yQ ovgavö^ev vvv xa Q: ovgavo&sv xaTTjX^ov (hg x6 fidvva CV: ovoav6dev mg x6 fidvva vvv xaxrjX&ov MT \ 118 ovxevdgeoiv mojxQiv M 120 xavxrjg] avxfjg M , 123 ro QCVMT: Ti' Pitra i| 125 vvv Q,-. yapCVMT

117 Ex. 16, 4 flp. i 119 Matth. 1, 18 u. a. |i 123 f. Ps. 67 (68), 16 126 f. Job. 1, 14 128 1. Petr. 4, 1

1908. Sitzgsb. d. phUo8.-pliUol. n. d. hiat. Kl. 44

664 K. Krmmbather

h javvfi xcu oi&Co}' 130 ßÄT] oiv xlau, jü^reQ'

fiällov Tovro ß6f}oov' ßeXojv TtA&og Sixeiai

6 vldg xai &e6g ßiov.

^ *Idov, q>rjoi, rixvov, 135 ix TQ)v dif^al/icbv fiov

tÖv xlav&fibv äjioooß(b'

Ttjv xagdiav jnov ovvjQtßco nXeXoV äkV ov dvvarai aiyäv 140 6 XoyiajuiSg fiov.

ri jiioi liyeig, OJiXdyxyov'

El fiii Mvü), 6 'Adäfi

xal firiv ävev nd^ovg 145 l^egänevoag noXXovg'

Xejigdv yäg xa&^gag

xal oifx ijXyrjoag oidev, dXV fißovX^»Yig' jiagdXvtov oq)ly^ag 150 ov xareTion^^f^g'

129 131 iv raviij ocoCoj xXaie ptfiftQ, fuüUor tovzo ßot^oorQ:

ev tavTrj xal ^fjoxco fitj ovv xXwat^e f*^^^9 ^äkXov ovito ßofjaov CV: ^ xavxri xal aw^co ftfj ovv xXieig fÄf^tt^Q. dXXa xga^ov iv x^Q^ ^* o^^ ^ TavTtj xal oojCo). ri ovv xXaUig ftrjxtQ. fjiäkXov xgd^ov iv x^ß^ T |! 132 ^fiö'^ QCV: .to&oyUT ;, 134 (prjalv MT | 135-136 ix] djio Q \ cLtooo^ä QCV: ojioooßüjv T Pitra: ^iXoiv sx xmv 6q>&aXfji<bv fiov xov xXav^fiov äxoatoßilfVL 137 xfjv xagdiav Q Pitra: xr^v xagSiav fiov CVMT | owxQißw Q: ovyioI- ßeig (avvxQißrjg T) MT: xagdxxeie CV 138 LiurXiov T ; 139 dXT ov Q: ov yäg CVT: xal ov M | dvvafiai M \\ 141 ojiXdyxyoy QCV : xixvov MT 142 {^dvco Q: jtd{>T}g CVM: Jtd&co T Pitra ' 143 ovx' vyiaivti MT 146 XeJiQovg M ! yng fehlt M | xa^fgag {xa&i^gag MT) QMT: xa^gag CV Pitra l| 147 xal ovx QMT: ovx CV: av ovx Pitra ,i 148 ^ßovXtj^g QMT : ißovXtiütig CV

146 Matth. 8, 1 fif. u. Parall. " 149 Matth. 9, 2 ff. u. ParalL

Die Äkroaiichis in der grki^chen Kirchenpoesie, 665

niJQOv ndXtv I6yq>

ößxfuntoaac, äya^i, äTta^rjg jtießjiivrfHag,

6 vl6g xal &€6g fiov.

7] NexQOvg ävaoxi^oag 155

vexQog ovx iyivov ovd^ he&rjg iv Ta(pfj,

vis /MOV {xal) C(or] pLov

ncog ovv Xeyeig' El firi nd&(0, S ^AdäfA 160

ovx vyiaivei; xiXevaov, oioti^q /jlov,

xal lyelgezai evMg

xXivi]v ßaard^Mv, et dh xal h xdq)cp 165

xaTexcood^rj 6 'Add/x, cbg AdCaQOV xdcpov

diavioTfjoag q)ü)vfj,

ovTCog xal xovxov. dovXevei ooi ndvxa 170

(hg TiXdoxjfi x(bv ndvxcov.

151 nfjQov (so) Q: ntjQov GV Pitra: nrjQovg M: Jtrjgov aus netgov corr. T |; 152 dy^^^ QCVM: dvvajs T i, 153 fiefiivrjxag QT: öUfieivag CVM II 156 n<bg ovx iyivov M || 157 161 xäv iv tdqxa iii^g. vli fAOV Co>4 l*ov. 3t&g o^v Xeyeig ei firj na^m. 6 xaXa(jt<OQog ädäfi ovx vyialvei Q: ovdk ^yig^fjg {ovo' ^yig^g Pitra) ix xa(pfjg n&g ovv iq>ijg ((pfjg Pitra) ei fjiTi nd'&<o et fATi davco 6 xaXalmoQog ddaf* ovx vyiaivei C V Pitra : ovo* ixeikrjg iv %dq>ü>. n&g o^ i<pijg ägxi, äv firj nd^m. äv fiff ^dvoo 6 dddfj. ovx* vyrj- cJrrj M: 0^3* iti^g iv xdq>Q}, st&g ovv Xiyeig el fitf Jtddo) 6 xaXaixtoQog dda/A oiitx (ryiaivei T |{ 162 OioxrjQ fAOv Q: xai tjdri GVT: xai tSe M || 163 xai iytiQtxat ev^g Q: iyeigsxai GY: iyeigexai {iy^yegxat M) xal axeg- gcjg MT l| 164 xXivfjv ßaaxd^tov Q: xal xtfv xXivtjv ßaaxdCei GV: xXivrjv ßaaxd^ti MT II 165—166 el Se xai iv xdfpca xaxexcoo^ri 6 dSaf* QMT: el dk xaxvxi^fj iv t(o xdtpoj 6 dddfi GV || 167 xd<pov QMT: ngwrjv GV | 168 diavioxtiaag Q: i^aviox^oag GVMT 169 ovxo}g QT: ovxay GVM 171 xXdairi QMT: xtioxtf GV i x<av] T | dndvxeov M

151 Job. 9, 1 ff. II 163 f. Matth. 9, 6 f. || 167 f. Job. 11, 38 ff.

44*

666 IT. Krumbad^er

xt otfv XQixEiQ, Tixvov;

fifl hitlyov ngdg aq>ayrjv' pifj q^ilfjg rov ^dvaxor, 175 6 vldg xal ^eög fiov,

d' Ovx oUag, w fitjxeg,

oifx ol/hg, S Xiyoi' di6 ävoi^ov xbv vovv

xal elaoixtoov x6 Qfjf^ui, 180 S Axovsig,

xal avx^ xad^ lavxfjv vdei, ä keyu}' Ovxog, 8y ngoeuiov,

6 xaXaincoQOQ M3d/i, 186 6 䧧<oaxtjoag

ov fiovov x6 a&fxa,

äXXä yäg xal xijv rpvxtjy Marjoe ^Hcov

ov yäg ijxovosv Ifxov 190 xal xivdvvevei.

yvcjgi^eig, 3 Xiyoi'

ßit] xXavofjg ovv, jutjxeq' ^äkkov xovxo li^ov

Tbv *Adäfx Ikirjoov 195 xal xrjv Evav oTxxeiQov,

S vlog xal "^edg /jlov.

172 xQix^i T I, 174 /i^ q)iXilg jov Q: fAri tpdiaffs {(pdi^öig M) MT: »^ M.f)orig CV , 179 rofjaov M | x6 g^fia QCVMT: ro «treicht Pitra 182 a Xiyco voet Q: vofi S (fi T) Xiyfo CVT: ola oot leyco M , 183-184 ofroc ov jtooEijtov, 6 TaXaijio) .... da/* Q: ovxok ovv xQotidiog. dSafi 6 raxeir^ CV: ovzog .leoiov 7igoet:icov, 6 ddä/* 6 rcuteivog M: oifroc xgorixuyr. o lalaLifngog dda/i T 187 dlXä ydg . . . . ^v V^th^ Q' ^Xkd xai {xkf Vi Tfjv yfvxffy CV: dXXa yap xal tr^v y^vxfjv MT: dXXd fiäAZor lifv yvzh^ Pitra 188 Moiaev T , 189 rjxovoev ifioü QT: tjxovai ftav CV: i^xorarf ouov M 191 yrcoQiCeii o Xeyco QCVM: ijtfyvios o Xiy(a T || 192 oi'v Q: ro C VMT 193 fiäXXov .... Xe^ov Q: ftäXXov ovua [xovto T) xgd^ov CVT: /iäXXor xga^ov :i60w M \\ 195 oixreiQov QT: XvrQO}oat CVM

Die Äkrostiehis in der griechischen Kirchenpoesie, 667

i 'Ynd äöODilag,

vä' ädtjqf>aylag d§$(oorijaag 6 *Adäfi

xarrjvix^V ^^^ ^iov 200

xax(ox6xov xal ixet xöv xrjg tpvx^g 7i6vov daXQVSL

Eva de ^ xovxov

Ixdiöd^aaa noxk 205

xrjv dxaSlav avv xovrq) oxevdCei'

avv avxcö ydg d^^axei, ßid&(oaiv äjna

xov (pvXdxxeiv laxQOv 210

naQayyeUav. avvijxag xäv ägxi;

l7iiyv(og, ä elnov; ndliv, f^tjxTjQ, xqd^ov

T(p *Addfi el avyxcoQeig, 215

xal xfi Evq. avyyvü}'9i,

6 vlog xal ^eög fiov,

id 'Pi]fidxa)v de xovxoyv

d>g rjxovoe xöxe

197 'Yjfd (. . . Q) doiotiag QMT: 'Yno dxgaolas CV Ij 198 vjzo dötj- (payiae Q: xai ddtjqfayias GVT: xal i^adi<paytag M || 200 . . . <V xaxtjvex&rf (oflfenbax stand noalv x.) Q \ scof QCYUT: eig Pitra , 202 xaxeX T 204—206 oben Lesung QMT (doch ^ eva M): eva de rj rovvov. ötöd^aaa T^v djioxa^lav CV: 'H rdXatva Eva, * rovtov exStSd^aoa * rrfv dxa^lav Pitra ;; 209 tva fid^woiv äfta QMT: tva fid^oyaiv {ptd^coat C) CV: tva xai avfifid&j) Pitra || 210 rov vor (pvkdTjeiy fehlt C V i xov laxgov Q ,j 212 avvi}' xag xäv ägxi QCVMT: avvijxag o Xsyw Pitra \\ 213 ijieyvo>g a (5 M) euioy QM: ijisyrmg CV: yvmgiCeig & Xsyoi T: xai ägxi ijziyvcog Pitra , 2U— 216 sxdliv lArjxriQ (. . . ß Q) xgd^ov tü> (xov T) dddfx el avyxojgeTg iovyxdfQTfaov ohne si M) xai xfj eva [xtjv evav T) avyyvcu&i QMT: x( ovv xkaieig fifjxeg fiälXov ovxo> xgavyaaov, Sxi ^iXmv ista'&ev CV Pitra ,j 219 fjxovoe QCV: tjxovoev MT | xoxe] ^ df4vdg M

204 ff. Gen. 3, 6.

668 K. Krumhadker

220 ^ &^ü}fifixoq äßivdg,

djiexQl&t} ngdg täv Sgra' KvQii fiov, hl &7ia( äv ebi&,

225 Xi^oi 001, S ix^f

tva ßiä^Q} Ttagd oov ndvrayg, 8 ^iXo}' äv nd^g, äv &dvffg,

dvaXvoeig jigdg Ißii;

230 äv TitQiodevofig

ovv xfj Eiq xbv ^Add/iA, ßXhpto oe ndXiv; avro ydg <poßov/MXt,

lATjnoyg Ix xo^ xdtpov 235 äv(0 dgdßjifig, xhcvov,

xal C^xovoa ok Ideiv xXavoco, xgd^o), nov iaxtv S vldg xal fiedg ßiov,

iß' 'Qg fjxovoe xavxa 240 6 Tidvxa yivcocxiov

tiqIv ytvioeoig avx&y,

djiexQi^rj ngdg Magiav Odgaei, fJitjxBQ,

220 xal TravdfACOfÄO^ &yvfi M || 221 n^ top &Qva QMT: *e«f wr Aovov CV: JiQOi ägva Pitra ,' 223 ^ri &raf kav (<5v T) bXsko {iSv ..»«Q^ QCVT: ^dv ä.ia^ eT^cco aot M: ht &jfaS et ^aXo) Pitra i 224 av fit} T 225 U^co QM: Xi^e T: Xfyco CV ' 227 Jtdvrojg 5 QCV: Sttok ä MT 229 &vaXva£ig Q: araA tVi? CVMT ' 2^ ytggtodevoijg Q^ILT : xsgtoSevrfg C^

231 Td> ddafi M i; 232 ßX^co QM: ßXijta> CVT '' 233 a{>r6 QMT: mtö/CV 234—237 fiTjmog ix xod td<pov {t€Öv td^tov M: tor td<pov T) Svca ^gdur}; rexvov xai ^tjroCod os ISsTv. xXavoco xgd^m Jtof} iouv {^v M) QMT: fij^^ xXavao) xal xgdSco jtov laxlv (fehlt also Mitte V. 234-236) CV |1 240 w ndvxa QM: ndvta CVT 1' 241 Jtqiv am&v yeviaecog Pitra I' 242 &xtMgi^ ngk {jtQos x^y CV) fiagCav QCVMT: MagiäfA dnBxgi^ Pitra 1 243 f«?«? QCVM: f^i^xriQ T

240 f. vgl. Sir. 23, 29.

Die AkrosHchis in der grieehiechen Kirchenpoesie, 669

&ti ngiori] fxe ÖQq.g

dato xov xdipov, 246

^QXOfjtal ooi det^ai,

Ttöacov nivtüv xbv ^Adäfi

iXvTQCoodßjirjv xal nöoovg Idgcbtag

ioxov evexev avxov. 250

dfjXcoocD Tolg q?lXoiQ

rd xexfi'fiQia detxvvg

xal xöxe '^edofi

x^v Eiav, & jut^xeg, 255

Cöjaav &07i£Q ngcorjv

xal ßotjoeiQ ly x^9' Tovg yoveig fwv io(ooev 6 vldg xal ^edc ß^ov.

iy MixQÖv olv, & ßifjxeQ, 260

ävdaxov xal ßlineig, 7i(bg xa'&dneg laxgdg

änodiofAUi xal (p^dvo), Snov xeTvxai, xal IxelvcDv xAg 7iii]ydg 265

TtegiodevQ}, xijbiviüv iv xfj Xoyxil

7t(OQU>fiaxa avxdiv

245 Toß xdtpov Q: töw rdipcov CVM: tov zdtpov T " 246 EQxofiai.ooi. deXiai Q: igxofuxi yag 6eT(ai CV: egxofiai yoQ rov det^ai M: igxofAai ydg aoi dei^ai T || 247 noatov jidvcov QM: nooov oxotov CV: Jioaoig siovoig T , 250 hsxa M {| 254 xal Jidxt M ;; 255 xal xrjv T ;, 256 ao>{^riaav M | ^otisq QT: c5c CVM i 257 ßo^aei M ;. 258 eowaev QMT: oeoioxag C: lacoaaff V H 261 dvdax<^ QCVT: dvdoxov fiot M: dvexov Pitra .i 263 xal (pMvoy QC VMT: tp^dvfüv Pitra !| 265 xaü exeivfov Q: xaxeivmv CV: xal xovxcov MT | xag sxlrjydc, aber am Rande yg xag v'Vj^aff Q: xag Xf^vxds CV: xds nXrjyag MT ;; 266 Jiegiodevwv M: negtodevaco T ] 267 xifivcDV QT: xifivo) CV: ^xw;«<5 M I Iv r^ A<;y;fi7 QMT: xrj Xdyxt] CV

260 ff. Tgl. Joh. 20, 27 , 267 Job. 19, 34.

670 JL Krumbaeher

xal xijv oxXf)Qlav' 270 Xafißdvoi xal Siog,

InunvKpm xriv nXtiytjv

Xfl OfAÜifl X(bv fjXcDV

ävevQvvag t^v ro/i^y xXcLlvfj ßjtot(üoa}, 275 xal di] rov oravQOv fiov

Tovxtp xQ^f*^^f f^^^^Q»

tva \p6Xkfig awerdVc' Ildoxcov nd^oq Ikvoev, 280 6 vldg xal ^tdg fiov.

xifv Xvnrjv änd&ov xal jioQevov iv x^Q9'

iyä) ycLQ dt* 8 xax^l&ov, 286 ijdrf oTievöco

IxxeXioai xtjv ßovXiiv

xov TiBfAy^avxdg /Jte. xovxo yäg ix ngwxfjg

öeöoyfAevov i]v ißiol 290 xal xcp naxgi fiov,

xal xcp nvevfxaxl fiov

271 i:t T^v Q: xai oivqxo r^v CVT: xal exotvfpm rijv M:

xal avuov oivffoy Pitra 272 xal xtf OfiiXri (ofi^Xti T: fäXfi CV) QCYT:

xi) be afiiXrj M: Ttj firjXu Pitra 273 dvgvgv rofiffv Q: igevri^aag tiff

rofiijv CVM: egfvrrjoag rijv jtkrjyrjv T -j 274 xXalvri fuoxwam {fioxrovor Ti QCVT: a.Toj7« xa&aTgo) M 275 xai 6rj QU: xal fifjr CV: xai T 277 xovzü) QM: xoviov CV: xovtodv T 1 fi^i^fjg M . 279 . . . . Q: :xaaxwr CVT: Jid&tj M: ^sXtov Pitra 281 'Ajxö^ov olv f^fjxeg QCV: 'Ajt6^v i^r Xvjirjv MT II 282 ir)v Xvjiyjv ojto&ov Q: äno^ov xrjr Xvsrtjv CV Pitra: « fi^xeg xal nagOevs M: (5 i^^Tfß ouio&ov T 284 iyw yag dio (Sior T) xaifjXx^ov QCVT: eyoi yag diwv ^X&ov M: iy(o di'' o xaxijX^or Pitia 285 tjörj onevdm QMT: Sei fie CV: tjÖTj ansvötov Pitra ,1 288 Ix jf^i^' QMT: h ngioxoig CV | 289 SeöoyfÄero) tlvai fjtov M !| 290 töi ^f xaxgi ftov M

270 Matth. 27, 48 u. Parall. 272 vgl. Job. 20, 25 il 286 f. Job. 3S.

Die Äkrostiehia in der griechischen Kirehenpaesie, 671

ovx dmi^Qeoe notk rd Ivav^QcoTifjam

xal Tia'&dv fxs 6ia xov

naQomodvxa. 295

dgaßAovoa ovv, /u^fjteQ,

dvdyyeiXov näoiv, 5x1 TtdoxcDV nkrixxei

Tov fjuaovvxa xbv 'AdafM xal vixrjoag ig^exai 300

6 vlög xal '9e6g jnov.

iE NixwßAai, (b xixvov,

vixcbfiai x(p Ji6&q} xal ov axiyco äkfj'&a>g,

fy' iyä} fikv h '&akdfxq>, 305

ov S* h SvXcp, xal Iyä) jLikv iv olxi^,

ov d^ h fAVfifidq^, ä<peg oiv ovvik&o)'

^eganevei yäg Ißjik 310

xd &eü}QeTv oe' xaxido) xT]v xdXfxav

xcüv xifi(hvx(ov xov Mayorjv' avxov ycLQ (bg dfj'&ev

292 djirjgeas [djii^Qfjaev T) ytoxs QMT: cbi^geaev ov^ev CV ü 293 to QMT: TOV CV \ ivav^Qconfjoat Q: havdgcamaai CVMT Pitra ,| 294 f^e fehlt CV I diä TOV (StavTov T) jiagcuteoovTa QCVT: diddafi tov jie.ttco- 9€(oia M 296 ovv firjxeQ Q: ovv xögt] CV: e5 fiffieg MT ' 297 dsidyYeiXov C V ".

298 Q: JtXiiTTei CV: nXriaoti (:;iXfjaei M) MT | 302 ü5 Tixvov QM

T: T<b nö^rn CV l| 303 rw nofkoy QT: oov tw no^m M: (5 xixvov CV ! 304 areya QCVM: axigro) T i| 305 Tv' (tva T) iyw fikv iv ^aXdfxo) (■»aXd- (Jioii CV) QCVT: iy<o fiev h ^aXäfiü) M: eivai fih iv ^aXdfJiois Pitra 306 ov de iv $vX(o QCV: ov de elvai iv tco ^vXco M: ov de iv ^vX(o etvai T: ak iv ^vXq} Pitra l| 307 xai iyoy fikv iv oi . . Q: Tv' iyo) iv olxia C V: Hai iyd) iv xij olxeXa M: iyoi /lev ivotxia T: iv olxig, elvai fik Pitra { 308 ov div {ov de iv T) fivtjfieio) QT: ov de iv Td(pa> CVM: oe de iv rafpip Pitra || 309 ovv M |t 311 to QMT: tov CV || 312 xaTldco QMT: xov Wö> CV Pitra |i 314 ovtov y^Q (og drj^ev QMT: ixeivov ydg dij^ev CV: ixeivoi yag dfj^ev Pitra

672 K. Krumhad^

315 Ixdixavvteg öl xvfplol

XTttval OE ffk&ov, Mcovo^g dh TOUTO

5x1 juiiXeig ßXineiv 320 Inl (vXov rijv fcö^v

^ Ccoij dh jlg ioTtv;

6 vl6g xal ^e6g fiov.

ig Ovxovv et ovvigxt),

jmrj xXavoijg, c5 fiffreg, 325 /ufjdi JtdXiv nxori&jjg,

läv fdfiQ oaXev^ivta aroixf^la' t6 yäg töXjutjßia öovtX näoav rijv xxlaiv, 330 TidXog ixxvfpXovxat

xal oifx Avolyei Ö<p^aXfi6v, ?cog äv etncD' fj yrj ovv 9aXdaofi

x6x€ anevacoai (pvyeTv 335 vadg xov ;|^iTö>ra

^$ei x6xe xaxä xcbv

XaVXa XoXjLKOVXCDV

815 ixSiyotfvreg fehlt CV || 816 fi/Toöo« Q: ^X&wCYU: ^iovoirT 317 ftcoarjg QCVT: /Ämvorjg M 1 Sk toOto (tovtcö T) QMT: ds nal roOfo CV

323 OifK ovv eiaigxtj Q: Ovxovv et avvigxv CVM: Ovxovv ov owSqxV T

324 fifj dSvvov M I (5 f*Tfteg QMT: c5ff fiijrrfg CV i^ 326-827 iSp (Srav CV) tdrjg oaXev^rvza xa axoixeta QCVMT: Srav tdijg atotxela otüiEv&em Pitra 328 dovet QCV: ßageiUT i 330 i} noXog M h 331 xai fehlt QM d(p{^al/Ä6v QMT: Stp^aXftovs CV 333—337 i} yif avv ^aXdami (««« ^ {^alaaoa M: xal ^dXaaoa T) rore oneifomoi {ojtevöovat M: xsvaoxu T) qptrytXv. vaog Tov jpirÄva diaggi^^et arevaCcov (ß/f*i tSre MT) Kord TÖy (xatavr&v M) roXfio}VT€ov {toCto ToXfi&vra M: roUto roXfidvTcav T) QMT: «loc (^oc V) Toy ;|f£Ta)va niq^ag xga^ei xaxa xmv xafira toXfimvxojv. ij y^ avv &edaaorf x6x8 ojttsvaofot fpevyetv {tpvyeVv V) CV

317ff.Num.21,8: Joh.3,16 i 321f.Joh. 11,26; 14,6 I! 830Matth.27,46 u. Parall. 333 ff. Matth. 27, 51 f. a. Parall.

Die Ährostiehia in der griedUeeken KirchenpoeHe. 673

rd dgi] dovodvzai,

ol xdfpoi xevovvtar Sxav fifig tavxa, 840

^dv TtrijSfig &Q yvvifi, xQÖL^ov ngög ßie' ^tuaal fiov,

6 v16q xal ^e6g /aov.

iC Ylk t^g nag&ivov,

&eh xijg nag&ivov 345

xal xov xdojuov noirjxdl

odv xd nd'&og, abv x6 ßd'^og x^g aoq)lag. oi) inlüxaaai, 8 ^g

xal 8 fySvov, 350

ov Jta&eTv '9eXrjoag

xaxi]SUooag IX'deiv äv^gionov o(boai' av xäg &fw.Qxlag

fjfx&v fiQag d>g ä/nvög* 355

ov xavxag vexQCooag

xfj oq>ayfj oov, 6 ocDxrjQ, eawaag ndvxag. av el iv xcß ndoxeiv

839 xgrovrrcu QM: Htrovrtat CV: Hoivovvzai T |! 340'-342 Stäv iStjc ravja. x6it Xi^eig jtov iaxir, aber am Rande: yg iäv ntTJStfs <5c yvy^. xga^ov 3iQ6g fie tpetaai fiov Q: Stav Btjtrfs jkov iaiiv CV (wo alao 2 V* Verse fehlen): St&v tdtjg ravza iav nrrf^rjg d>g ywrj ifiol {ofyot M) xga^ov <petaai fAOV MT '! 345 ^el tfjg navafi&fdov M 347 oov (ooff MT) to jrd^og oov (oov] xai M) x6 ßd^og QCVMT: 2ov to nd^og, oov x6 ßd^og Pitra 349 oov M 351 ^ek^oag Q: &iX(ov CV: v^eltjoag M: al^elijoag T: ideXcDV Fitn .. d62— B6d xaxtj^ioHfag iX^tiv dv&Q(OJtovg owoai Q: xaxtj^icjoag iX^sZv ^iXmv xov otooai CVififj XiJiojv xovg ovgavovg ^X^sg tv xdofiO) MT 355 i}geg T '" 357 6 ooyx^g Q: cl^g ooaxriQ CV: dyooixrjQ M: & o&xeg T

858 ioa>oag ndvxag Q: otaoov xovg ndvxag CV: iooyoag ^fiäg MT ,

859 öv «/ /r] Q: ov rjg h CV: ov r^g iv M: ov el iv T: 2'v eig

h Pitra

347 f. Rtai. 11, 83 il 854 f. Job. 1, 29.

674 K. Krumbadker

360 xal h xcß /ii^ ndaxBiV

ov el ^n^oxcDv, od>^ü>v'

ob nagiaxes ^fj oe^iv^ Tia^^riölav xQdCetv ooi'

'O vtög xal &e6g fiov.

360 9eai h xio fifi ndoxsiv steht am Rande in Q: fehlt M :i 361 » QT: ei 6 CV: bU M: eU Pitra | om^cav QM: nai o<aC<ow CV: o^öoor T 302 f*6ve rt'f^yffra. ar nagiox^i tfj osf^rtf M.

In Q ist die dialogische Form des Liedes noch besonders dadurch hervorgehoben, dass am Rande bei den Stropheninitialen, ich weiss nicht, ob von erster Hand, die Personenbezeichnungen ^ &eot6xog bezw. 6 deanoxrjz beigesetzt sind. Ein Teil dieser Randnotizen ist durch den Verlust der Blattränder verloren gegangen. Erhalten sind: ^ ^toxoxo^ bei Strophe o', C', fi\ ^', k'; ^ deojtötfje bei Strophe «'', ie\ iC (nach der Strophenzählung von Q).

n. Kommentar.

A. Die Metrik des Liedes.

Der Hirmus Tdv Tdiov ägva.

Der Hirmus ist uns bis jetzt nur aus dem Liede des Romanos auf Maria beim Kreuze bekannt. Keine Hs bietet eine Hirmusnotiz. Wir müssen ihn also nach den Anfangs- worten des genannten Liedes bezeichnen und nach dem Texte desselben konstituieren.

In der Hauptsache hat Pitra den Bau der Strophe richtig erkannt. Nur in V. 4 hat er, durch einen Fehler in der ersten Strophe verleitet, ein falsches Schema aufgestellt und ihm dann den Vers in sämtlichen Strophen durch willkürliche und oft sprach- und sinnwidrige Korrekturen gewaltsam an- gepasst. Der Vers lautet in Strophe a in allen Hss:

rjxoXoi&ei Magla

0

Dasselbe siebensilbige Schema bieten ausserdem QC in Strophe y\ Q (nicht aber Q®) CV in Strophe q\ Q in Strophe Ti

Die Äkrostichis in der grieehisehen Kirehenpoesie, 675

QM in Strophe tj', M in Strophe id\ M in Strophe ic'. Da aber die vereinzelte Stimme des auch in diesem Liede wie meistens arg verdorbenen M kein Gehör verdient, so redu- zieren sich die Zeugnisse für das siebensilbige Schema auf eine so geringe Zahl, dass sie der übereinstimmenden Über- lieferung des achtsilbigen Schemas gegenüber nicht in Betracht kommen. Auch sprachliche Gründe sprechen gegen den Sieben- silber, besonders in Strophe y\ wo das in QC fehlende aoi unentbehrlich ist. In Strophe 17' bietet Q an der Stelle einen ganz anderen Text als CVMT. Es ist also nicht einmal sicher, ob die siebensilbige Form an den angeführten Stellen durch Anlehnung an den vorhergehenden Siebensilber oder . durch zufallige Korruptel veranlasst worden ist. Jedenfalls kann kein Zweifel übrig bleiben, dass die ursprüngliche Form des Verses durch das achtsilbige Schema

dargestellt wird und dass in Strophe a, wo alle Hss wider- streben, durch Einsetzung des Artikels ^ der nach fixokov9€i leicht ausfallen konnte, geholfen werden muss.

Eine kleine Schwankung ist in Y. 19 zu bemerken. Im Anfange des Liedes (Strophe a, ß', y', d\ g\ ^') hat er die Form w_i.w-i.ww 7b*; dagegen ist der Dichter weiter- hin (Strophe e, C', v\ «> *«'* ^ß"» </> ^^f «**> ^^\ «C) zu der Form w_iw w_L 7b zurückgekehrt , offenbar weil der folgende V. 20 die Form 7 b* mit daktylischem Schluss hat und er Wert darauf legte, in den vorhergehenden, sonst gleich gebauten Vers eine kleine Variante (durch anapästischen Schluss) zu bringen. Der Fall ist äusserst lehrreich, weil wir hier formlich in die Werkstätte des Dichters hineinsehen und beobachten können, wie er bei der Abfassung des Liedes das gewählte Strophenschema in feinen Details noch weiter aus- arbeitete. Man kann aus dieser Tatsache wohl auch schliessen, dass der Dichter sich hier nicht an einen älteren Hirmus an- scbloss und mithin die Strophe des Liedes als 'Idiö/iekov zu betrachten ist. Vgl. die Überschrift in T (S. 658).

676

K, Krumboiker

Die arekitektonisohe Struktur des Hirmue ist aua^rge- wöhnlicli scharf ausgeprägt Syntaktisch wie metrisch ergAea. sich deutlich drei Abschnitte von 7, 8, 6 Versen. Jeder Ab- schnitt zerfällt wiederum in drei Absätze, und zwar wird im ersten Abschnitt ein grosseres Mittelstück von zwei kleineren Stücken flankiert, im zweiten umgekehrt ein kleines Mittel- stück durch zwei grössere, im dritten stehen drei Absätze von je zwei Versen nebeneinander. Abschnitt I schliesst mit 5e; derselbe Schluss wiederholt sich Abschnitt II Absatz 1 and Absatz 3. Abschnitt I und III beginnen gleichmassig mit 6 a H- 6 a, Abschnitt I Absatz 2 und 3 mit 7 b (und der Refrain mit 7b0t Abschnitt II Absatz 2 und 3 mit 6a >f- 7 b. Es ergibt sich das folgende Schema:

Tdv tdtov ägva.

1 «

w w w

6a

\

2

V -«. V w S^ w

6a

/

8 4 5

w . w w .^_

/ 0 W W W ^_ V

0

7b

' 8c

4d

1

1 aa-l-bcd-i-be

* 12 -♦- 19 -H 12 = 43

6

0 0

7b

)

1

7

MW .^ w

5e

8-

w ^— w w

6f

}

9

0 0

7b

10

^_ W W —1. \J

5e

11 12

6a 7b

}

■ifbe -f-ab -H abe ** 18 -f- 13 -♦- 18 = 49

13

W ... W W « w

6a

X

14

\0 w w —^

7b

15

0 SJ w w

5e

j d

16 -

_— w w w

6a

)

17

6a

18 19

0 0

w -^ w -^ w w

f > W W W ..^

0 0 W W w . w

6f 7b^

7 b) 7b'

7g

i

■iiaa + fb H- b*g

*" 12 -♦- 13 -♦- 14 = 89

20 21

131 Silben.

Die Akroatu^is in der qriechiechen Kirchenpoesie. 677

Der Hirmus T6v dC ^/^äg oxavQco^ivxa,

Der Bau des kleinen Prooemions ist sehr durchsichtig. Es besteht aus zwei gleichgebauten Gliedern ab ab und einem wiederum mit a beginnenden Schlussglied acd:

Tbv 6C fifJLäg atavQ(ü'9ivTa.

ab -+- ab H- acd

16 -f- 16 -1- 19 = 61 Silben.

1 ^ ^ ww-l-w 3 a

2 ^ ww-I-wvQl)

3 «** vw_Lw 8 a)

4 ^ ^^8bj

5 ^ ^ wv-lw Qu

6 -^ 4c

B. Die Überlieferung und die Akrostichis.

Das Lied steht in den ostbyzantinischen Hss QABGMT und in den zwei italischen CY. Da ich von ABG keine Kollation habe, muss ich mich auf die Betrachtung der üb- rigen beschränken. Ihr gegenseitiges Verhältnis und ihre Qualität zeigen nichts Auffalliges. CV gehen wie immer in allen Hauptpunkten enge zusammen und stammen auch hier direkt aus einer verlorenen italischen Hs, die eine mehrfach umgearbeitete Redaktion enthielt. So erklärt sich die Sonder- steUung von CV gegenüber QMT in V. 32 flf., 116 f., 157 flF., 165 f., 183 f., 204 flF., 214 flF., 288, 314, 333 ff., 351, 352 f. Zwei grössere Lücken von etwa 2^1% Versen klafften in der italischen Vorlage von CV in V. 234 ff. und V. 340 ff., eine kleine in V. 315. Auch die ostbyzantinischen Hss QMT zeigen, obschon sie an vielen markanten Stellen gegen CV zusammengehen, doch wiederholt deutliche Spuren redak- tioneller Überarbeitungen, und man erkennt, dass die Hss auch in diesem Liede durch eine ganz unbestimmbare Reihe von Mittelgliedern getrennt sind und daher zur Aufstellung eines Stammbaumes nicht einmal der Versuch gemacht werden kann. Jede der drei ostbyzantinischen Hss geht in mehreren Fällen mit der italischen Gruppe zusammen, und jede steht in

678 K. Krumbacher

mehreren Fällen auch ganz isoliert. So treffen wir Q zu- saiumen mit CV in V. 46, 89, 93, 141, 227, 306; M mit CV in V. 59, 62, 142, 153, 195, 273, 308, 316; T mit CV in V. 61, 90 f., 114, 139. Am nächsten scheint der ost- byzantinischen Vorlage von CV die Hs M gestanden za haben. Völlig isoliert ist Q z. B. in V. 42 f., 75, 81 ff., 92, 125, 142, 157 ff., 168, 247, 273 u. s. w. Recht instruktiv ist V. 81 ff., wo allein Q den Rest der echten Lesung (doch schon mit einem Ansatz zur Korruptel) bewahrt hat. Auf Zufall scheint die merkwürdige Konstellation in V. 57 zu beruhen, wo Q mit V gegen C und die übrigen Hss zusammengeht. M steht vereinsamt z. B. in V. 80, 93, 97, 118, 129 ff., 135 f., 156 ff., 179, 267, 274, 282, 290, 294 u. s. w. Im allgemeinen steht M an Korrektheit auch hier tief unter QT und CV; doch darf er nicht beiseite geschoben werden und in zwei Fällen (V. 63 und 317) hat er sogar allein die richtige Lesart er- halten. Irgend eine nähere Beziehung der Vorlage von M zu der von Q wird wahrscheinlich durch V. 360, der in M ganz fehlt und in Q erst am Rande nachgetragen ist. T zeigt die Spur einer Sonderbearbeitung z. B. in V. 129 ff., 157 ff., 213, 273, 282, 316 u. s. w. Mehrere Versehen in T erklären sich durch Hörfehler und verstärken die schon früher*) ausge- sprochene Behauptung, dass diese Hs diktiert worden ist z. B. V. 16 töv ra^v st. raxvvj V. 37 xgdCcooiv st. xgdCovoiVj V. 45 ;ff/^ö)v st. ro ;fer^ov, V. 171 Td> st. tö>v, V. 225 ke^e st^ ki^cOj V. 234 ix xiv rdipov, V. 245 x6v xd(pov st. xibv xdq^covj V. 294 diavxdv st. did xdv, V. 334 nevomoi st. onevocooi u. s. w.

Dem Texte ist, wie in den früheren Ausgaben, Q zu gründe gelegt und seine Lesung nur, teils mit Hilfe der üb- rigen Hss, teils durch Konjektur, soweit korrigiert, als der Sinn und das Metrum es unbedingt forderten.

In Q sind 4 Randkorrekturen, von denen 3 das richtige treffen: In V. 116 ist die Schreibung oigavö^sv, die durch CVMT empfohlen wird, auch metrisch gefordert. In V. 340 ff.

«) Studien S. 202 zu V. 278.

Die Äkrostiehia in der griediischen Kirchenpoesie, 679

füllt die Korrektur eine Lücke und stimmt in der Haupt- sache mit MT überein. Ebenso wird in Y. 360 durch die Korrektur eine Lücke richtig ausgefüllt. Nur Y. 265 xag x^'vxäg ist flach, und hier wird trotz der Hilfe von CY mit QMT rag nXrjyäg zu halten sein. Man sieht mithin auch aus diesem Liede, dass Q^ die grösste Beachtung verdient, wenn er auch zuweilen, wie ich früher^) nachgewiesen habe, in der Irre schweift.

Weit bedeutender als alle diese Yarianten ist die Differenz der Hss hinsichtlich der Bildung der Akrostichis. In den drei ostbyzantinischen Hss QGM bietet der Text die Form janeivov, in den zwei ostbyzantinischen BT und den zwei italischen CY dagegen die Kurzform xanivov. Zwar sind in C V einige Zeilen für die Strophe E freigelassen (s. oben S. 566); doch hat das nichts zu bedeuten, wie ich oben (S. 653) gezeigt habe. In BT ist keine Lücke angedeutet.

Auf grund der Überlieferung allein lässt sich mithin die Frage, welche der zwei Gruppen die ursprüngliche Fassung biete, nicht entscheiden; doch spricht zu gunsten der zweiten Gruppe die schon oben (S. 653) angeführte allgemeine Er- wägung, dass viel leichter eine nachträgliche Ergänzung der Littera E als eine Reduktion der Schreibung EI auf das anti- stoechische / denkbar ist.

Dass der Usus des Romanos beide Formen kennt, ist oben (S. 653 ff.) nachgewiesen worden, und was speziell die in unserem Liede gegebene Formel Tov zaneivov 'Pwfiavov betrifft, so findet sich bei Romanos unter etwa 24 Fällen (s. S. 633) zwei- mal — von unserem Liede abgesehen die Kurzform (Nr. 47 und 49). Die Zulässigkeit der Antistoechie ist mithin für das Lied Nr. 17 durch andere Beispiele nicht bloss im allge- meinen, sondern auch für die in Rede stehende Formel selbst festgestellt.

Die Entscheidung bringt eine genauere Prüfung des Textes der Strophe E (c "*), die ich zu diesem Zwecke hier mitteile:

^) Romanos tmd Kyriakos S. 765 ff.

1908. SItsgBb. d. philos..p]ülo]. a. d. hiat KI. 45

680 K. Erumbadker

C * *Ev JomoiQ xdlq Xdyoig

^ ndvayvog ft^^tjQ TCO äffgäaiCDg iS avr^c

oagxco&ivzi xal xtx&ivxi 5 ini nltiov

rgvxco&eioa Ttjv yroxt^y oCxcag lß6a' Tl fxoi iiyeig, xexvov*

Mfj Toig äXiaig yvvatSi

10 ovva7io<p€Qjj ;

xal ydg Saneg avxai

h xoiUq, vXov 0€ ioxov iv fir)xQq,

xal fiaoToTg oe zoTg ißiolg 15 ydXa jiagioxov.

Jicbg ovv OeXeig ägzi

fii} xlavoal oe, xexvov, {^dvarov ddbccog

vjioaifjvai oTievdovxa, 20 TÖv vexQOvg iyeiQavxa,

6 vlög xal ^eog (aov.

Strophe c' nur in Q6 M. Oben Lesung von Q, hier die Abweichnngen von M ; von G habe ich keine Kollation. Einige in Q durch Beschädigung des Blattrandes entstandene Liicken sind oben aus M ergänzt 3 f. f-t . . . . oaoxioi^evxog xai rexOeviO'; M 9 yt'vai^iv M , 10 opioito^nu M

11 13 0171 Mo:xtQ avtat evxoiXia (ba vv ovveaxov fitJTQa M 16 xai :tCs

ovv Oihji ägzi M.

Durch diese Strophe, die in QGM zwischen den Stro- phen s' und C des obigen Textes steht, wird die harmonische ßesponsion der Kede und Gegenrede Mariae und Christi (s. unten) unterbrochen, indem durch sie die erste Antwort Mariae eine Ober- zählige Strophe (3 statt 2) erhält. Im einzelnen verrät sich der Interpohitor durch plumpe Entlehnungen aus anderen Strophen und sonstige Ungeschicklichkeit. V. 5 f. ijii nkeiov t^i^w- iJeJoa T)jr Y^'X^I^' stammt aus V. 4 f. der folgenden Strophe (V. 137) Ti/r xao()iav jlwv ovvtQtßm Ini nkelov. Der Ausdruck

Die Äkrostiehis in der griechischen Kirchenpoesie. 681

rgvxo)^eToa ist aus V. 12 xQvxofxevri entnommen. Die offenbar beabsichtigte Beziehung von V. 9 f. Mi] xdig äXXaig yvvai^l ovvanoKpeQfi zu V. 79 f. xi xatg äXkaig yvvai^l avyajiocpeQij ist nicht bloss plump, sondern auch undeutlich, weil die Verse zu weit voneinander entfernt sind. Der Redaktor M hat das wohl gefühlt und daher V. 10 öfioKjD&fjvm geschrieben, mit Beziehung auf den näher stehenden V. 99 f. yt*^ xaXg dLovvexoig öfiotiüofjg iavTijv. Aber viel ist dadurch nicht gebessert. Andere Unebenheiten wie das unmögliche oe V. 14 und die Verletzung des Metrums V. 16 will ich nicht betonen, weil sie vielleicht der Überlieferung zur Last fallen. Wenn man diese inneren Argumente mit den oben dargelegten Tatsachen der Überlieferung und den allgemeinen Erwägungen verbindet, so kann kein Zweifel übrig bleiben, dass die Strophe g'" von einem späteren Bearbeiter stammt, der an der Schreibung tamvov Anstoss nahm.

G. Bemerkungen zum Texte.

Das Lied ist ausgezeichnet durch die haarscharf ausge- arbeitete Metrik (vgl. oben S. 674 ff.). Eine Besonderheit bilden Anaphern und sonstige rhetorische Kunstmittel im Anfange der Strophen; vgl. Strophe e\ rj\ ^\ id\ ie\ iC- Im Innern der Strophen sind dagegen rhetorische Mittel, bes. Wortspiele und Assonanzen nicht häufiger als in vielen anderen Liedern und jedenfalls nicht so häufig wie z. B. im Liede „Judas** (s. Romanos und Kyriakos S. 702). Die augenfälligsten Bei- spiele sind: V. 25 X6yov Xöye. V. 44 f. x^Q^'^ ;C^«ioov. V. 65 f. xcbv ndvxcov vtieq ndvxoov. V. 107 f. ndvxa Jtdvxcov. V. 347 7id&og ßd&og. V. 359 f. iv xco ndoxBiv xal iv xco ,urj Tidoxeiv. Mehrmals sind die rhetorischen Lichter durch Bearbeiter verwischt worden z. B. V. 345 durch M.

Ungewöhnlich stark tritt in dem Liede der dramatische Charakter hervor, und er ist auch, was sonst nicht üblich, in der Hs Q durch am Rande beigefügte Personenbezeich- nungen (vgl. oben S. 674) hervorgehoben worden. Von den

682 K, Krumhacker

17 Strophen des Liedes steht nur die letzte, ein Yom Dichter gesprochener Epilog, ausserhalb des Zwiegespräches. Die üb- rigen 16 Strophen werden durch einen Dialog zwischen der hl. Jungfrau und ihrem Sohne eingenommen und zwar also:

Maria spricht die Strophen 1 3, 7 8, 11, 15. Jesus spricht die Strophen 4 6, 9 10, 12 14, 16.

Die Verteilung der Strophen ist also bis Strophe 10 gleichmässig d. h. Maria gehören 3 4* 2, ebenso Jesus 3 + 2 Strophen. Von da ab überwiegt die Rede Jesu: Auf die kurze Rede Mariae in Strophe 11 erwiedert Jesus in Strophe 12— U und auf die letzten Einwendungen Mariae in Strophe 15 behält Jesus in Strophe 16 das letzte Wort. Die Widerlegung der innigen Klagen der Mutter durch die schriftmässigen Aus- führungen Jesu wirkt unpoetisch und drückt dem ganzen Werkchen einen frostigen Charakter auf. Mit dem Stabat mater hält es keinen Vergleich aus.

Überschrift: Höchst auffallig ist die handschriftliche Differenz bezüglich des Tonvermerkes. BCVMT nennen übereinstimmend den vierten Querton {J]XO? TiXdyiog d'\ A den vierten Ton ohne Zusatz (ji^oq &'\ Q aber den vierten Mittel- ton {fjxo^ fiEoog d'). In G scheint die Angabe des Tones zu fehlen. Da in der byzantinischen Musik nur 8 Töne linter- schieden werden, nämlich 4 Töne schlechthin Prodromos') nennt sie jiQOfjYovjusvoi und 4 Quertöne (7iMyioi\ so bleibt die Bezeichnung fxFoog dunkel. Vielleicht hängt sie zusammen mit der aus Manuel Brjennios bekannten Differenzierung, bei der der 4. Ton als JiaQVJidxrj /xiooiv vrjTrj dieCevyjLiivcovy der 4. Quer- ton als 7iQookafißav6ßA€vog jueot) bezeichnet wird.*)

Vers 3. Um die nach dem Bau der Strophe wohl sicher anzunehmende Gleichheit des Verses 3 mit Vers 1 zu erhalten, ist es wohl geratener, avrdv einsilbig zu lesen (vgl. W. Mejer,

^) Theodor! Prodromi commentarioa in carmina sacra melodorum Cosmae Hierosol. et Jo. Dam. ed. H. M. Stevenson. Romae 1888 S. 31 f-

^) Vgl. W. Christ, Anthologia Graeca carminum christianonim S. CXX f.

Die ÄkrostiMs in der griechisehen Kirchenpoesie, 683

Anfang und Ursprung S. 846) als das einstimmig überlieferte und nicht leicht entbehrliche yäg zu streichen.

32 ff. Die Zahl der in Q verlorenen Buchstaben spricht mehr für (licoc iov)tov als für das etwa nach MT zu erwartende {ecog S)iov. Die Lesung CV zeigt sehr instruktiv, wie der Text stufenweise verdorben wurde.

57 Die Verletzung des Metrums wird offenbar durch den Eigennamen 0a>/iac, der hier einen « darstellt, entschuldigt. Die Umstellung in C, die seltsamer Weise V nicht mitmacht, ist offenbar ein Versuch des Redaktors, den anstössigen Jambus wenigstens vom Versschluss zu entfernen. Über die Entschul- digung metrischer Freiheiten durch Bibelzitate und vielsilbige Wörter vgl. Studien S. 248; Romanos und Kyriakos S. 714.

78 Der Vokativ ^t)xriQ ist durch QMT bezeugt, während CV, die, wie schon oft gezeigt wurde, nach der attischen Grammatik durchkorrigiert worden sind, das korrekte fifireQ haben (beide Formen natürlich stets in der abgekürzten Form firJQ^ /hsq). Dieselbe Vokativform /bn^Ttjg wird noch an anderen Stellen des Liedes handschriftlich bestätigt. Des Näheren ver- hält es sich mit der Überlieferung der zwei Formen in unserem Liede also:

V. 88 /irjtrjQ QT: ßif-jieQ CVM

V. 92 d) fATiTeg Q: ovv /xfjxeg CVM: ovv /^i]ti]Q T

V. 130 ^fJT€Q QCVT: /h^t^q M

V. 176 c5 fifjreQ QCVMT

V. 192 oiv ßXTJreg Q: (b fiTJjeg CVMT

V. 214 .. .g Q: fi/jrrjg MT: firjieg CV ,

V. 243 /i^ieg QCVM: ^^ztjg T

V. 255 c5 MV^^Q QCVMT

V. 260 d) jufJTEg QCVMT

V. 281 f. ovv ßxijzeg QCV: (5 ßiiJTEg MT

V. 296 olv fjLTjxeg Q: c5 fAtj-teg MT, (ovv xögt) CV)

V. 324 (5 fifJTeg QMT: cbg ßi^rtig CV.

Völlig sicher erscheint mithin der alte Vokativ ßitjieg da, wo er durch vorhergehendes o) geschützt ist. Ohne diesen

684 K. Krumbaeher

Halt besteht aber offenbar die Neigung, den Vokativ nach dem Nominativ zu regulieren, eine Neigung, die im späteren Griechisch vielfach hervortritt.^) Merkwürdig und auch för die Textkritik beachtenswert ist die Tatsache, dass an einigen Stellen d> mit oiv streitet. Die Frage, in wie weit schon der Dichter selbst in der Bildung dieses Vokativs geschwankt hat, Hesse sich nur auf grund eines reicheren Stellenmaterials ent- scheiden. Vorerst habe ich von der konsequenten Durchfüh- rung der alten Form abgesehen und mich auch in diesem Punkte der Überlieferung Q angeschlossen.

80 Die Lesung avva7ioq)igfi QC VT »du lässt dich mit (den anderen Frauen) hinreissen" ist nach Sinn und Form tadellos, und daher sowohl die alte annehmbare Konjektur M ovvoXo(pvgfj als Pitras schlechte Vermutung avvaJiodvQfj überflüssig.

81 ff. Die ursprüngliche Lesung hat offenbar Q bewahrt; nur ist in V. 83 vermutlich /atj für 7i(bg zu schreiben. Das nur bei lebhaftem Vortrage zu verstehende Fragespiel hat aber schon ein alter Redaktor, auf dessen Exemplar unsere ganze Überlieferung ausser Q zurückgeht, nicht verstanden und, viel- leicht auch verleitet durch die in Konditionalsätzen formulierte Beziehung der Gottesmutter auf die Worte ihres Sohnes in V. 142 und 160, statt der Frage zwei Konditionalsätze gesetzt, wodurch das Metrum zwei schwere Schädigungen erlitt.

123 Pitras Änderung t/ für t6 ist ganz überflüssig. Der Sinn ist: »Der gestaltete Berg, verstehe das, o Edle, bin jetzt ich." Dagegen hat der Redaktor, auf den CVMT zurück- gehen, schlecht interpretiert: »Den gestalteten Berg verstehe, o Edle; denn (das) bin ich" und daher yäg für vvv geschrieben.

131 Vielleicht beruht die Lesung [xäXXov xgd^ov iv x^Q9^ T, die dem gegen Schluss des Gedichtes bevorzugten Schema 7 b entspricht, auf einer nachträglichen Änderung des Dichters selbst.

^) Beispiele der Annäherung des Vokativs an den Nominativ bezw. Akkusativ bei Hatzidakis, Einleitung in die neugriechische Grammatik S. 77, 82. Im Neugriechischen haben die Maskuline auf -og die alte Vokativeudung {-s) erhalten, während der Vokativ sonst gleich dem Akk. (ohne -v) ist.

Die Akroistiehis in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 685

136 f. Die zweite Person in V. 137 geht wohl auf den- selben alten Redaktor zurück, dem die Schlimmbesserung in V. 81 S. zu danken ist. Nach der von Q erhaltenen ursprüng- lichen Lesung ovvTQißa) sagt Maria mit Beziehung auf die in V. 130 ausgesprochene Mahnung, nicht zu weinen: ,Ich ver- scheuche meine Tränen und quäle (bezwinge) mein Herz noch mehr; aber meine Überlegung will nicht schweigen/ Dann folgt das, was die Überlegung ihr einflüstert. Das ver- stand ein alter Redaktor nicht und setzte dafür den unpassenden und inkonzinnen Satz: ,Ich verscheuche meine Tränen; du quälst mein Herz noch mehr''. Noch weiter ging dann der italische Redaktor und setzte für das Yerbum avvxQißeig^ das ihm mit Beziehung auf eine andere Person nicht zu passen schien, Tagdtjeig ein. Da nun auch das ursprüngliche äX^ ov unverständlich geworden war, so änderte eine Vorlage von CVT ov yoLQ, eine andere, auf die M zurückgeht, xal ov.

146 Der italische Redaktor hielt den Indikativ Aoristi xa&^gag für ein Partizip, korrigierte xa&dgag und strich dann, ohne Rücksicht auf das Metrum das überflüssig gewordene xal. Die Form xa&fjgag^ die auch in der neugriechischen Schrift- sprache vorkommt, ist wohl durch xarrjQay inrjQa veranlasst.

151 Da das durch den Sinn zunächst geforderte ivcpXov nicht in den trochäischen Vers passte, wählte der Dichter das allgemeinere Epithet nrjQog und zwar in der Form Jirjgög. Seine gute Absicht wurde aber durch spätere Redaktoren (CVMT), welche die gewöhnliche Betonung des Wortes wieder- herstellten, vereitelt. Zur Akzentverschiebung im späteren Griechisch überhaupt vgl. Krumbacher, K. Z. 27 (1884) 521 flF.; Hatzidakis, Einleitung S. 418 ff.

157 fiF. Hier ist eine alte grössere Korruptel, die ich in möglichst genauem Anschluss an Q zu heilen versuchte.

209 Pitras Konjektur ist ganz willkürlich. Die einstimmige Überlieferung Tva jud^^cooiv lässt keinen Ausweg übrig als die Annahme, dass iva hier nicht bloss durch Proklise den Akzent, sondern auch schon das i verloren habe, also geradezu zu schreiben sei.

686 K. Krumhaeher

210 Zu Tov vor dem Infinitiv, das der italische Korrektor ohne Rücksicht auf das Metrum und den späteren Sprach- gebrauch gestrichen hat, während in Y. 293 und 353 gerade die italische Redaktion tov für t6 QMT bezw. für den blossen Infinitiv Q aufweist, vgl. St. zu Romanos S. 233, 261.

223 Das Schema des Verses würde durch M zur Not ausgefüllt; doch führen die übrigen Hss zu der aufgenomme- nen Lesung. Die vulgäre Betonung elncb darf in einem Texte, wo va (V. 209) vorkommt, wohl als zulässig erscheinen.

273 In der verstümmelten Lesung von Q kann wohl nur ävevQv{vag rrjv) rofirjv stecken, also: „Nachdem ich mit dem Messer meiner Nägel (d. h. mit meinen Nägeln als Messer) die Schnittwunde erweitert (d. h. wohl untersucht und ge- reinigt) habe, werde ich sie mit Charpie lindern." Die Un- deutlichkeit des Ausdrucks mag einen alten Redaktor veran- lasst haben, igevvYjoag zu schreiben. Ausserdem ist tofii^v in der Vorlage von CVM ganz unsinnig zu vo^rjv verderbt worden, während T ohne Beachtung des eben vorhergegangenen nXtjyip' noch einmal jiXrjyijv setzte.

294 und 336 Zu tov und tcöv am Versschluss vgl. Studien S. 203; Romanos und Ky riakos S. 716.

307 Zur Betonung oixia vgl. Romanos und Ejriakos S. 710 ff.

Berichtigangen.

Seite 566 Nr. 17 ist zu achreiben: Überschrift: <psQov (qpeg'^ T) dxgoöTixiSa tt'jvöe (trjvöe fehlt ACT) (^ dxQoauj^ig G) tov zojteiyov gmfiavov QACGMT: tov zansirov q" V: fehlt B.

Seite 577 Nr. 54 ist statt , ebenso* zu schreiben: r^voff tlg xov {^eoXoyov Qcojj,ftarov (so), und dieses Beispiel ist S. 647 nachzutragen.

Seite 590 Nr. 95 schreibe: 6. Dezember.

Seite 631 unten: Nr. 187 gehört nach Seite 632 zur Rubrik C.

Die Ahrostiehia in der grieehiseKen Kirchenpoesie.

687

Register.

Die Zühlen beziehen sich auf die Seiten. Das Attribut .^1-* ist bei den Namen der

KQne halber weggelassen worden.

Abbas, Dichter 599, 606, 607 Abibag 572 Abrahams Opfer 580 Adam 561, 574, 579 Äbte, die hll. 604 Aeithala» 571 Aga^^angelos 607 Akakios 610 AkatbiatoB 592 Akepsiraas 571 Akindynos 595 Allerheiligenfest 668 Alypios 599 Ambrosius 600 Anaphern 681 Anastaaia 602 Anastasios 607 AnastasioB, Dichter 587 Andreas, Apostel 599, 600 Anna, Empfängnis der 601 Anonymus 592 ff. Antistoechie 652 ff., 679 f. Antonios 605

Apokalypse, des Romanos 562 Apostel, die 569; s. auch die ein- zelnen Namen Architektur der Lieder 676 Arethas 595

Arsenios, Dichter 612, 613, 616

Artikel am Versschluss 686

Assonanzen 681

Athanasios von Alexandria 576

Aussätzigen, Heilung des 584

Autorangabe, in Liedüberschriften 622 f.

Automame, in Akrosticha 680 ff.

Barbara 600

Bartholomaeus, Apostel 612

Basilios 574, 590, 603

Besessenen, Heilung des 584

Bilderstürmer 614 (Nr. 190)

Blutflüssigen, Heilung der 585

Brot wunder 585

Buhlerin 565, 586, 615

Bussgebet 580

Busslied 581

Christi Auferstehung 583

Christi Auferstehung und die zehn Drachmen 584

Christi Geburt 571; s. auch Weih- nachten

Christi Geburt, Nachfest von 673

Christi Himmelfahrt 568

Christi Taufe 561

Christi Verklarung 592

Christi Verklärung, Vorfeier von 613

688

K, Krunibacher

GhrjBOstomoB s. Jobannes Clemens s. Elemens Guculus 560 Daniel Styliies 601 Demetrios 571, 595, 618 Dialog im Hymnus 674, 682 Domitios, Dichter 638 f. Doppelung von Buchstaben und

Wörtern 645 ff. Drachmen, zehn, und Christus 584 Dramatischer Charakter der Hymnen

681 f. Eigennamenentschuldigen metrische

Freiheiten 683 Elias 577

Engel, die hll. 593, 596 Ephrem 562, 608 Ephymnion = Überstrophe 649 Epiphanie, Nachfest von 591 Erdbeben, Lied bei 579 Euphemia 612 Eustratios 601 Euthymios 590, 607 Febronia 612

Feuersbrunst, Lied bei 579 Gabriel, Dichter 603, 609, 610, 612.

613, 617 Geist, der hl. 616 Georgios 576, 611 Georgios, Dichter 589, 597 Gerbaaios 594 Grablied 592

Gregorios Dekapolites 598 Gregorios, Dichter 589 Gregorios von Nazianz 608 Gregorios von Nyssa 604 Gregorios, Wundertäter 598 Gurias 572

Heilung des Aussätzigen 584 Heilung des Besessenen 584 Heilung der Blutflüssigen 585 Heilung des Lahmen 583 Hilarion 594

Himmelfahrt Christi 568

Himmelfahrt Mariae 591, 593

Hirmen 674 ff.

Hochzeit in Eana 584

Hörfehler 678

Jakob, Apostel 594

Jakob der Perser 599

Ignatios 573, 609

Ignatios, Patr. 594

Infinitiv mit rot; 686

Inkongruenz (bez. der Akrostichis)

zwischen Überschrift und Text

624 ff. Joannikios 596 Joannikios, Dichter 596 Johannes, Apostel 576, 611 Johannes der Barmherzige 597 Johannes .Chrysostomos 572, 597, 608 Johannes, Dichter 607 Johannes (und Kyros) 609 Johannes der Täufer 569, 577, 609 Joseph (mit Akepsimas) 571 Joseph, Dichter 591, 594, 598. 612 Joseph, der keusche 564, 614 Isaak 581 Judas 566, 615 Jünger, die siebzig 603 Jüngster Tag 562 Jungfrauen, die zehn 565, 614 Eana, Hochzeit in 584 Katharina 598 Eelsios 594

Kinder, die unschuldigen 573 Elemens 607

Knaben im Feuerofen 669 Kosmas und Damian 570, 571 Kosmas, Dichter 591 Krankengebet 593 Kreuzanbetung 580 Kreuz(e3), Triumph des 563 Kyriakos, Dichter 589 Kyrillos von Alexandria 606 Kyros (und Johannes) 609

Die AkrosHchis in der griechischen Kirchenpoesie.

689

Lahmen, Heilung des 583

Latros 610

Lazarus, Anferweckung des 581,

582, 589 Lazarus und der Reiche 581 Leon, Dichter 594 Lukas, Apostel 594 M&rtjrer, die zehn, auf Kreta 602 Märtyrer, die vierzig 574, 575 M&rtyrer, die 1003 609 Makarios von Ägypten 607 Makkabäer, die 613 Mariae Aufnahme in den Tempel 589 Maria, Gebet an 588 Mariae Geburt 570 Mariae Himmelfahrt 591, 593 Maria beim Kreuze 566 Mariae Lichtmess 561 Mariae Verkündigung 576 Mariae Verkündigung , Nachfeier

von 610 Markianos 589 Markos, Apostel 611 Matthaeos, Apostel 598 Melodie, der Lieder 619 Menas 571 Mittelton 682 Nacht 8. Weihnachten Nazarios 594

Nikaea, die Väter von 616 Nikolaos von Myra 570, 573, 590 Ninive 585 Noe 580

Noseea (Nosia) 589 Ostersonntag 567 Panteleemon 578 Passion 567 Patapios 601 Paulos, Apostel 612 Paulos, Dichter 595 Paulos von Kpel 590, 696 Paulos von Theben 605 Petros von Alezandria 599

Petros und Paulos 612

Petri Verleugnung 566

Petros, ZurückfÜhrung des 605

Pfingsten 568

Pharisäer und Zöllner 617

Philippos, Apostel 572, 598

Photios 592

Piaton 598

Polyeuktos 604

Prokopios 612

Protasios 594

Psalmsonntag 564

Pseudonyma 634, 641 ff.

Randkorrekturen in Q 678

Reiche und Lazarus 581

Requiemlied 562

Responsion, in Hymnen 680 ff.

Rhetorische Mittel 681

Romanos, Dichter 559 ff., 596, 614,

615, 617, 623, 630 f. Sabas 600 Samariterin 584 Samonas 572

Schlussgebet in den Hymnen 649 ff. Sergios, Patriarch 592 Severus, Häretiker 617 Siebzig Jünger 603 Sohn, der verlorene 579, 586 Stephanos 559, 560, 618 Stephanos, Dichter 595, 611, 612 Stephanos der Jüngere 599 Studites, Dichter 590, 597, 605 f.,

623, 642 Sünderin s. Buhlerin Symeon, Dichter 600 Symeon Salos 613 Symeon Stylites 570 Tarasios, Dichter 623 Theodoros 578, 586 Theodoros Stratelates 611 Theodoros Studites 590, 591, 596, 605 Theodosios 604 Theopemptos 609

690

K, Krumbttdier

Theophanes von Sigriane 610

Theophanie 561

Theophanie, Vorfeier der 603, 604

Theophylaktos 610

Thomas 567

TimotheoB, Apostel 607

Ton der Lieder GI9

Tonvermerke 682

Totenlied 587

Totenlied für Mönche 617

Tryphon 574

dfiaQxo)X(k 642

äawTos 042

ßaaiXeig = Kaiserhaus 601

fi.icD = fTjTco 686

iXreivös 642

fxov, in Akrostichon vermerken 621

xaOijQag als Ind. Aor. 685

xovxovXiov 560

xvQov vor dem Autornamen 689 f.

XVQOV st. XVQtOV 640

firiftjQ = firlieQ 683

vd = iva 685

Nvorjg = Nvaotjg 647

Überlieferung d. Kirchenlieder 677 ff. Überstrophen 646 ff. Umarbeitungen 645, 647 ff. Verklärung Christi 592, 593, 613 Vokativ = Nom. 683 f, Weihnachten 559, 573 Weihnachten, Nachfeier von 573. 603 Weihnachten, Vorfeier von 591, 602 Zenobia 595 Zenobios 595 Zöllner und Pharisäer 617

olxtq 686

Jt^eos = :ii)Q6g 685

avv mit Gen. 621

rdXas 641 f.

TdXXag st. ToXas 641, 647

tajteivdg 641 f.

TOJtivog =s Tojttivoq 653 ff., 679 f.

xavTfi 655 ff.

xrivde in Akrostichon vermerken

621 f. TQiad^XioQ 642 <piQov ((p') 620 f. 9?' = (ffQsi 620 f.

Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie, 691

Inhalt.

Seite

Vorbemerkung 651

V^erzeichnis der Abkürzungen 556

Erstes Kapitel: Material.

I. Die Akrostichis bei Romanos.

A. Edierte Lieder des Romanos 559

B. Unedierte Lieder des Romanos 571

C. Zweifelhaftes 585

II. Die Akrostichis bei den übrigen Hjmnendichtern.

A. Edierte Lieder 587

B. Unedierte Lieder 594

Zweites Kapitel: Untersuchungen.

I. Die Akrostichisnotizen in den Liedüberschrifben . . 619 II. Die Formen der Hymnenakrostichis.

A. Die regelmässigen Formen 629

I. Akrosticha mit Automamen 630

ir. Akrosticha mit pseudonymer Andeutung des Autors 634

III. Akrosticha ohne Erwähnung des Autors . . . 635

B. Unregelmässigkeiten in den Akrosticha.

I. Doppelsetzung von Buchstaben und Wörtern . . 645

II. Antistoechische Elemente 652

III. Die Form xavxTi 655

Drittes Kapitel: Text.

I. Das Lied «Maria beim Kreuze*^ 658

IL Kommentar.

A. Die Metrik des Liedes 674

B. Die Überlieferung und die Akrostichis .... 677

C. Bemerkungen zum Texte 681

Berichtigungen 686

Register 687

«♦

Protokolle

der

Kartellversammlung

des

Verbandes wissenschaftliclier Körperschaften

in München

am 5. und 6. Juni 1903.

Protokolle

der Kartellversammlung des

Verbandes wissenschaftlicher Körperschaften

in München.

I. Gesamtsitznng

am 5. Juni um 9 Uhr im Sitzungszimmer der mathematisch- physikalischen Klasse.

Anwesend als Delegierte:

aus Göttingen die Herren Kielhorn,

Riecke,

Wiechert, aus Leipsig Herr Wiadisch,

aus Wien die Herren v. Schröder,

Exner,

Tschermak.

Geladen zur Teilnahme an den Beratungen:

a) über die luftelektriichen Forschungen

die Herren v. Bezold aus Berlin,

Ad. Schmidt ans Potsdam;

b) über die kritische Ausgabe des Mahäbhärata

die Herren Jacobi aus Bonn,

Lüders aus Rostock, Winternitz aus Prag.

Ausserdem nimmt im Auftrage der K. Preuss. Akademie in Berlin noch Teil Herr Pischel.

Aus München die Herren v. Yoit,

Kuhn, Ebert, y. Groth.

4 ProtokoUe der Kartdlvenammlung.

Herr ▼. Voit eröffnet in Vertretung des yerlundeiten Präsidenten y. Zittel die Sitzung und begrüsst die Erschienenen. Von den zur Teilnahme an den Beratungen Eingeladenen konnten die Herren Elster und Geitel aus WolfenbQttel nicht erscheinen.

Zum Zweck der Beratungen werden folgende EomnussioneD gebildet :

1. Kommission Ar laftelektrische Forsohungen: die Herrec

Riecke, Wiechert, Exner, y. Bezold, Schmidt, Ebert

2. Kommission f&r ohemisohe KrystaHographie: die Herren Tschermak, y. Oroth.

3. Kommission sar Erörterung dar Vorarbeiten for eine kritische Ausgabe des Mahäbhärata: die Herren Kielhoro, Windisch, y.Schröder, Kuhn, Jacobi,Lüders,Winternit2.

Die Frage, ob allgemeine Angelegenheiten erörtert werden sollen, wird einstimmig yemeint.

n.

Kommission für Heraasgabe einer chemischen

KrjstaUographie.

Freitag, den 5. Juni, Beginn 9'/« Uhr.

Anwesend :

Herr v. Groth (München), Riecke (Göttingen), Tschermak (Wien), Windisch (Göttingen).

Da« Protokoll führt Herr ▼. Groth.

Den Gegenstand der Beratung bildet der Antrag i^^ K. Akademie in Wien, vertreten durch Herrn Tschermak.

Antrag der E. Akademie in Wien.

Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien bat auf der vorjährigen Eartellversammlung zu Oöttingen in der Generalversammlung am 15. Mai durch ihren Delegierten Prof.

PratolMe der Kartellversammlung. 5

F. Beck 6 den Antrag gestellt, dass die kartellierten Akademien und gelehrten Oesellschaften sowie die K. Akademie der Wissen- schaften in Berlin eingeladen werden, durch Oewährung der Mittel zur Honorierung einer Hilfskraft die wünschenswerte rasche Vollendung des von Herrn Prof. P. Groth in München herauszugebenden Werkes: « Chemische Erystallographie'' zu fordern, welcher Antrag die Zustimmung der anwesenden Dele- gierten fand. Die Wiener Akademie hatte schon im Jahre 1902 eine Unterstützung des genannten Unternehmens durch Ent- sendung eines jüngeren Mineralogen Dr. Glawatsch zu Prof. Groth bewirkt, auch die Geneigtheit zur weiteren Förderung des Werkes zu erkennen gegeben ; auch hat die Akademie zu München zur Bestellung einer ferneren Hilfskraft für das Jahr 1 902 den entsprechenden Beitrag bewilligt, ferner die Akademie zu Berlin den Betrag von 1800 M. für das Jahr 1903 dem Unter- nehmen gewidmet. So war für die Jahre 1902 und 1903 vor- gesorgt. Bei der Eartellversammlung in Göttingen wurde auch speziell der Antrag gestellt, die Akademie in München, ferner die Gesellschaften der Wissenschaften in Göttingen und Leipzig einzuladen, die Subventionierung des gedachten Unternehmens im Jahre 1904 durch Bewilligung der Remuneration einer Hilfs- kraft in der Person des Herrn Dr. Gossner mit dem Betrage von 1800 M. zu betätigen. Der Delegierte für München (Ebert) erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, der Delegierte für Leipzig (His) fand sich bereit, den Antrag bei der Gesell- schaft der Wissenschaften in Leipzig zu befürworten, und die Delegierten für Göttingen gaben die gleiche Erklärung bezüg- lich der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen ab.

Die Wiener Akademie beehrt sich nun, den letzteren An- trag bei der gegenwärtig tagenden Kartellversammlung zur nochmaligen Behandlung zu bringen. Bezüglich der Motivierung bedarf es wohl nur des Hinweises auf den im Vorjahre zu Gföttingen gestellten Antrag, in dem das Unternehmen als ein fQr die Physik, Mineralogie und Chemie gleich wichtiges dar- gestellt wurde, dessen rascher Abschluss als im hohen Grade wünschenswert erscheint. Das Ziel der diesjährigen Besprechung

6 BrotokoUe d$r KarieUvenammimiig,

wäre demnach die endgültige Erklärung seitens der genanntec wissenschaftlichen Korporationen zu Odttingen, Leipzig und München, die Subvention per 1800 M. für das Jahr 1904 zur Bestreitung zu übernehmen.

Beriolit der Kommission.

Im Auftrage der E. Akademie in Wien hat Dr. GlawatscL sich an den Vorarbeiten für das genannte Werk in der Wei>t beteiligt, dass er die ausserordentlich zerstreuten, krystallo- graphischen Angaben in der älteren metallurgischen Literatur. sowie diejenigen in den Werken über mikroskopisch-chemisclie Analyse auszog, sammelte und nach dem für die chemische Krystallographie adoptierten Programm zusammenstellte. Die^«^ umfangreiche, für die Ausarbeitung der letzteren sehr förder- liche Arbeit hat Dr. Glawatsch teils im Sommer 1902 in München, teils seitdem in Wien ausgeführt und soeben in München zum Abschlüsse gebracht.

Der durch die Subvention der Akademie in München für 1902 und der K. Preuss. Akademie zu Berlin für 1903 zur Hilfi»arbeit an dem Werke berufene Dr. Gossner hat eine Beihe von Ex{)erimental-Unter8uchungen solcher Gruppen krjstallisierter Körper ausgeführt, für welche noch wesentliche Lücken und Widersprüche in den bisherigen Angaben vorlagen, und eine Reihe anderer derartiger Untersuchungen begonnen. Ausserdeiu hat derselbe eine Anzahl älterer, krjstallographischer Unter- suchungen in die jetzt übliche Art der Darstellung umgearbeitet Wenn Dr. Gossner auch im Jahre 1904 in gleicher Weise für da^ Werk beschäftigt werden könnte, so würde voraussichtlich dei allgemeine Teil und die spezielle Bearbeitung der unorganischeii Verbindungen Anfang des Jahres 1905 soweit vollendet sein, das; beides im Laufe der Jahre 1904 und 1905 erscheinen könnte

Die Kommission erlaubt sich nun den Vorschlag zu machen die Delegierten- Versammlung möge bei den Akademien zu Wien Leipzig und Göttingen den Antrag stellen, dass die Remuneration des Dr. Gossncr für 1904 im Betrage von 1800 M. von den drei genannten Akademien zu gleichen Teilen bewilligt werden

ProUj^ooUe der Kcuriellveraammlung. 7

m.

Kommissioii fOr Inftelektrische Forschangen.

L Sitzung. Freitag, den 5. Juni 9'/« Uhr in dem Akademiegebäude.

Anwesend :

Herr ▼. Bezold (Berlin), Ebert (München), Einer (Wien), Riecke (Göttingen), Schmidt (Potsdam), Wiechert (Göttingen).

Herr Ebert begrüsst die anwesenden Herren der Kom- mission und teilt mit, dass die Herren Elster und G eitel an der Teilnahme der diesjährigen Besprechungen leider behindert sind, was lebhaft bedauert wird. Herr Günther hat sich für die Vonnittagssitzung entschuldigt.

Herr Ebert legt die den Beratungen zu Grunde zu legende Denkschrift ^) vor und dankt den an ihrer Abfassung beteiligten Herren.

Die Kommission wählt Herrn Riecke zu ihrem Vor* sitzenden und Herrn Ebert zum ProtokoUfQhrer.

Es wird unmittelbar in die Besprechung des vorläufigen Entwurfs des an die internationale Association zu richtenden Antrages eingetreten, welcher Punkt für Punkt durchberaten wird. Dabei werden die an den verschiedenen Observatorien und Institute bezüglich der Apparate und Messmethoden weiter- hin gemachten Erfahrungen mitgeteilt; femer wird über die Tätigkeit der einzelnen luftelektrischen Stationen berichtet; diese Berichte sollen in den Sitzungsberichten der Münchener Akademie veröffentlicht werden.

Schluss der Sitzung 12 Uhr.

*) Sie ist in den Sitzungsberichten der mathematisch-physikalischen Klasse der K. B. Akademie der Wissenschaften Jahrgang 1903 gedmokL

8 ProtokoUe der KarUUveraammluMg,

TL SitEong.

Freitag, den 5. Juni nachmittags '/«i ühr im physikalischen

Institute der Technischen Hochschule.

Anwesend die Herren:

▼. Bezold,

Ebert,

Exner,

Qünther,

Riecke,

Schmidt,

Wiechert,

Windisch,

letzterer als Vertreter der Sächsischen Akademie.

Zunächst werden die im Institute aufgestellten luftelek- trischen Messinstrumente eingehend besichtigt und besprochen. Hierauf werden die Beratungen über das Programm fortgesetzt und abgeschlossen. Sodann wird zur Besprechung der Organi- sation der luftelektrischen Beobachtungsstationen übergegangen. Die Herren Riecke und Ebert werden beauftragt, die einzelnen zur Sprache gebrachten Punkte zusammen zu stellen und zu einem U. Teile der Antragsbegründung, deren L Teil das Programm der vorgeschlagenen Einzelprobleme darsteUt, zn verarbeiten, sowie den Wortlaut des Antrages selbst zu formulieren. Die Genannten stellen die Abfassung des betreffenden Schrift- stückes für anderen Tages 11 ühr in Aussicht, auf welchen Zeitpunkt der Beginn der 3. Sitzung festgesetzt wird.

Schluss der Sitzung 6 ühr.

nL SitEung.

Samstag, den 6. Juni vormittags IV 1% ühr in der Akademie.

Anwesend die Herren:

V. Bezold,

Ebert,

Exner,

Günther,

Riecke,

Schmidt,

Wiechert.

Die Herren Riecke und Ebert legen den Entwurf der ihnen zur Ausarbeitung übertragenen Denkschrift sowie d^ Antrages an die Association vor. Beide Entwürfe werden ein-

PraiokoUe der Kartdlversammlung, 9

gehend durchberaten und im Wortlaute, bis auf redaktionelle Änderungen, die den genannten beiden Herren überlassen werden, festgestellt.

Die Protokolle über die drei von der Kommission abge- haltenen Sitzungen werden verlesen und genehmigt.

Schluss der Sitzung 12*/4 Uhr.

IV.

Kommission zar Erörterung der Torarbeiten ffir eine kritische Ausgabe des Hahäbharata.

Anwesend:

Herr v. Christ (München), Jacobi (Bonn), Eielhorn (Göttingen), Kuhn (München), Lud er 8 (Rostock), Fische 1 (Berlin), V. Schröder (Wien), Windisch (Leipzig), Winternitz (Prag).

Die Kommission einigte sich über folgende Beschlüsse:

1. In der Sitzung der Association Pfingsten 1904 soll mitgeteilt werden, dass mit den Mitteln des Kartells die Katalogisierung und Klassifizierung der in Europa befindlichen Handschriften des Mahäbhärata und einige andere unerläss- liehe Vorarbeiten, wie die Kollationierung südindischer Hand- schriften und eine Inhaltsübersicht des Mahäbhärata in Angriff genommen oder teilweise ausgeführt sind.

2. Die im Kartell vereinigten Akademien mögen bean- tragen, dass die kritische Ausgabe des Mahäbhärata zur Sache der Association gemacht werde, und werden derselben ein Promemoria vorlegen, wie eventuell die Arbeiten einzuleiten und zu organisieren sind.

3. Mit der Abfassung dieses Promemoria, dessen Ghnind- züge eingehend erörtert wurden, sollen die Herren Jacobi,

10 ProtokoUe der KarUavemmwdtmff.

Lüders und Winternitz beauftragt, und soll dasselbe bis zum 1. Oktober 1903 den kartellierten Akademien zur Genebmigung vorgelegt werden. Als Hauptgrundsatze wurden festgestellt:

a) Die indische Regierung möge von der Association er- sucht werden, die in ihrem Besitz befindlichen Manuskripte nach Europa zu senden und beim Search of Sanskrit MSS. ihre besondere Aufmerksamkeit auf den Ankauf alter Hand- schriften des Mahäbhärata zu richten.

b) Eventuell soll einem Beschlüsse des Orientalisten-EoD- gresses zu Hamburg entsprechend Prof. Lüders zu bezüglicheD Untersuchungen nach Indien entsendet werden.

c) Die Gesamtkosten werden auf 120000 M. veranschlagt. die sich auf 12 Jahre verteilen würden. Dabei würden sich nach ungefährer Berechnung die Druckkosten auf 60000 M.. die Honorare auf 40000 M. und die einmaligen Kosten der event. Reise nach Indien auf 20000 Mk. belaufen.

4. Als Mitglieder des von der Association event. einzu- setzenden internationalen Komitees sollen seitens der kartel- lierten Akademien die Herren Jacobi, Lüders und Winter- nitz in Vorschlag gebracht werden.

V.

Gesamtsltsung.

Anwesend die Herren:

V. Bezold,

Ebert,

Kxner,

V. Groth,

Günther,

Jacobi,

Kielhorn,

Kuhn,

Lüders,

Pischel,

Riecke,

Schmidt,

V. Schröder,

Tschermak,

V. Voit,

Wiechert,

Windisch.

Winternitz.

Herr v. Voit eröfihet die Sitzung und bittet die Berichte und Protokolle der Kommissionen zu verlesen.

ProiokoUt der Kartelheraammlung. 11

Herr y. 6roth verliest das Protokoll der Kommission für Herausgabe einer chemischen Erystallographie.

Herr Ebert gibt von dem vereinbarten Protokoll Kenntnis. Der Antrag der kartellierten deutschen Akademien bezüglich der luftelektrischen Forschungen soll lauten:

«Die internationale Association der Akademien möge die Erforschung der luftelektrischen Erschei- nungen in die Zahl der von ihr verfolgten Aufgaben aufnehmen und für einen Zeitraum von zweiJahren luftelektrische Beobachtungen an einer grösseren Zahl von Stationen, die in angemessener Weise über die Erd- oberfläche verteilt sind, ausführen lassen*.

Die Begründung dieses Antrages und ein vorläufiges Pro- gramm für die Ausführung der Beobachtungen und die Ein- richtung von luftelektrischen Stationen ist in der angefügten Denkschrift^) enthalten, aus der die wichtigsten Punkte ver- lesen werden.

Herr Kuhn verliest das Protokoll der Mahäbhärata- Konmiission.

Der Antrag der luftelektrischen Kommission, ebenso der Vorschlag der Mahäbhärata-Kommission und der Antrag der Kommission für chemische Krystallographie werden ange- nommen.

Hierauf berichtete Herr v. Dyck über den Fortgang der Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften.

Der augenblickliche Stand der erfolgten Publikationen stellt sich folgendermassen:

Es sind im Ganzen 18 Hefte (darunter 6 im verflossenen Jahre) erschienen in der folgenden Reihe, in welcher die zuletzt erschienenen Hefte gesperrt gedruckt sind:

^) Diese Denkschrift zur Begründung des Antrages ist in den Sitzungs- berichten der mathematisch-physikalischen Klasse Jahrgang 1903 gedruckt.

12

PntokoUe der KeuiMvertammiiuiff.

Band

I: Heft 1 erschienen am 7. November 189$.

1f

2

, 26. Januar 1899.

9

3

, 15. September 1899.

9

•t

, 17. Oktober 1899.

9

5

, 29. Mai 1900.

9

6

, 30. Mai 1901.

9

7

, 11. September 1902.

Band II, 1 :

9

1

, 10. August 1899.

»

2/3

. 10. April 1900.

9

■1

, 31. Juli 1900.

Band 11,2:

9

1

, 27. Dezember 1901.

Band III, 2

a

1

9. März 1903.

111,3;

9

1

, 30. Oktober 1902.

Band IV, 1 ;

1

13. September 1901.

*

2

, 8. Juli 1902.

Band IV, 2;

t

1

, 6. Juni 1901.

n

2

, 23. April 1903.

Band V, 1:

»

1

, 23. April 1903.

Bezüglich der in Vorbereitung befindlichen Hefte ist das nachfolgende zu bemerken:

Das Register zu Band I (Arithmetik und Algebra), für dessen sämtliche Artikel zunächst Einzelregister herzustellen sind, ist in Vorbereitung.

In Band 11 (Analysis) wird der Fortgang des Druckes augenblicklich durch eine grössere vorbereitende Arbeit verzögert.

Von Band III (Geometrie) ist das Heft 2 der 3. Abteilung nahezu vollendet, zwei weitere Hefte der 1. und 2. Abteilung werden im kommenden Winter zur Ausgabe gelangen.

In Band IV (Mechanik) ist das dritte Heft der I. Abteilung zur demnächstigen Veröffentlichung bereit. Im übrigen ist der Fortgang der Arbeit ein stetiger, nimmt aber allerdings eine sehr viel grössere Zeit in Anspruch, als man zu Anfang in Aussicht genommen hatte. Erschwerend wirkt besonders, da>s Band IV vielfach in Nachbargebiete der Technik eingreift, deren mathematische Behandlungsweise noch keine endgültige Form

Protokolle der Kartellversammlung, 13

angenommen hat, so dass eine für unsere Encyklopädie passende Berichterstattung die kritischen Grundlagen vielfach erst selbst schaffen muss.

Von Band V (Physik) wird ein weiteres Heft im Herbste zur Ausgabe bereit sein.

Für die 1. Abteilung (Geodäsie und Geophysik) des Bandes VI sind noch mannigfache Vorarbeiten bis zum Er- scheinen eines Heftes zu erledigen. Auch von der 2. Abteilung (Astronomie) liegen erst einzelne Artikel in erster Fassung vor und werden noch Änderungen in der Disposition der einzelnen Abschnitte zu treffen sein.

Die Ausarbeitung der französischen Ausgabe ist in stetigem Fortschreiten begriffen, auch die nicht ganz leichte Titelfrage dieser Ausgabe, sowie die Feststellung der Rechte der deutschen Herausgeber und Autoren gegenüber den fran- zösischen Bearbeitern hat eine befriedigende Lösung gefunden.

Für den Herbst ist eine Konferenz der Mitglieder der aka- demischen Kommission mit den Redakteuren und dem Vertreter der Verlagsbuchhandlung in Göttingen in Aussicht genommen, in welcher ganz besonders die Frage der Gestaltung der Register, die erforderliche Neudisposition des Bandes VI, sowie die Frage der Herausgabe des Bandes VII (historische, philosophische und didaktische Fragen behandelnd) in Beratung gezogen werden soll.

Herr v. Voit schliesst hierauf die Gesamtsitzung und damit die Pfingstversammlung des Verbandes der deutschen wissenschaftlichen Körperschaften. Herr Windisch spricht den Dank der auswärtigen Delegierten und der übrigen Fach- gelehrten aus, welche an den Beratungen teilgenommen haben. Herr v. Voit erwidert den Dank im Namen der Bayer. Akademie.

1*

Yerzeichnls der elngelanfenen Druckschrlfteii

Januar hw Juni 1908.

Dl« TertthrUdiai OteHtehaftwi nad Instüoto, mit wdohMi summ Akudcmto In TanaehTe^ehr steh^ werden gebeten, neehetehendee Yenelehnli mgleleh nie ImpAinge' beetttigimg n betnehten.

Von folgvnden ChMellsohaften und Institateii:

GeschicMsverein in Aachen: Zeitickrift Bd. XXIV. 1902. 8^

Historische Oesellsehaft des Kantons Äargau in Äarau: Taichenbach fOr dai Jahr 1902. Bf^.

Boy dl Society of SotUh-Äustraiia in Adelaide:

Memoin. Vol. IT, pari 1. 1902. iP. Transactioni. Vol. 26, part. 1. 2. 1902. 8<>.

Observatory in Adelaide: Meteorological Observations made 1899. 1902. fol.

SOdslamsehe Akademie der Wissenschaften in Agram:

Bad. Vol. 160. 151. 1902. 8^. Zbornik. Bd. VII, 2. 1902. e9. Starine. Bd. 80. 1902. 80. Bje6nik. Heft 22. 1902 40.

IT. hro<xt,'tiavonrdalmatinisches Landesarehiv in Agram: Vjestnik. Jahrg. 6, No. 1—3, 1908. 4P.

Meteoroiogisehes Observatorium in Agram: Jahrbuch ftr das Jahr 1901. 1902. fol.

Aüegheny Observatory in AUegheny: Miicellaneons scientific Papers No. 10. 1908. 8®.

StcuU Antwerpen: Paedologisch Jaarboek. Jaargang 8 en 4^«- 1902—08. 1908. BP.

Bedaktion der Zeitschrift „Athena": Aihena. Tom. 14, fasc. 4; Tom. 16, faM. 1. 1902/03. %\

1

3^ VerMekhnis der eing^ufenen Drueksekriften.

Johng HophinM ünivertUy in BaIHwu>re:

Stadies in historical and poliiical acience. Seriei XX, No. 2—12 ud

Extra Namber 1902. 8^. Celebntion of the 25^ Universary. 1902. 8*. Circulars. Vol. 22, No. 161. 162. 1908. 4^ American Chemical Journal of Maihematics. Vol. 24, No. 2—4; Vol lä,

No. 1. 1902. 40. The American Jonmal of Philology. Yol. 24, No. 4; Vol. 26, No. l-i

1901-02. 8». American ChemiealJonmal. Vol. 27, No.4— 6; Vol. 28, No. 1— 6; V0I.2S,

No. 1 2. 1902 03. 8®.

BolletinoftheJofant Hopkins Hospifcal. Vol. 14, No. 142. 144-146. 1903. The Johnt Hopkins Hospital Reports. Vol. 10, No. 8—9. 1902. 4^

Peapody Institute in Baltimore: Second Catalogne of the Libraij. Part 6. 6. 1901—02. 4*.

Maryland Geciogical Survey in Baltimore:

Maryland Geological Sorrey. a) Cecil Goonty, b) Garret Connty (mit je 1 Atlas). 1902. 40.

Naturforsehende GeeeUachaft in Basel i Verhandlungen. Bd. 16, 1; Bd. 16. 1903. 8<*.

HistorisehraWtiquarisdke GtseUsdkaft in Basel:

Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. Bd. II, Heft 2. 1908. 8<>.

SocUtS des ecienees in Bastia:

Bulletin. 21. ann^e 1901, 22. ann^e 1902, Janviei>-Juillet. 8®. Bataviaasch Oenootschap van Künsten en Wetensehappen in Bataria:

Tijdscbrift. Deel 46, afl. 6. 6; Deel 46, afl. 1. 1902-03. 8®. Notulen. Deel 40, afl. 2. 3 1902. 80.

Verhandelingen. Deel 62, stuk 8 ; Deel 64, stuk 2. 1908. gr. 8^. Anno 1648—1644 and Anno 1676. 1902. 49.

Hisioriseher Verein in Bayreuth: Archiv. Bd. 21, 3; Bd. 22, 1. 1901—02. 99.

K, Serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad: Atlas der Seen Macedoniens. 1902. fol.

Museum in Bergen (Norwegen):

G. 0. Sars, An Account on the Crustacea of Norway. Vol. 4, part 11- li

1902-03. 40. Aarbog fOr 1902. Eed 8. 1908. 8®. Aarsberetning for 1902. 1908. 8^.

ünicersity of California in Berkeley: Publikations of the year 1902.

K. preu88. Akademie der Wissenschaften in Berlin:

Abhandlungen aus dem Jahre 1902. 49, Sitzungsberichte. 1902, No. 41— 53; 1903, No. 1—24. gr. 8®. Corpus inscriptionum latinorum. Vol. VI, pars 4, fasc. 2. 1902. 4^. Politische Korrespondenz Friedrichs des Grossen. Bd. 28. 1903. 8^.

VerMekhnis der eingelaufenen Dmcheehrifün. 3*

K, geollog, Landeeamtalt und Bergakademie in Berlin: Abhandlungen. Nene Folge, Heft 24 und 87 mit Atlu. 1902. 8^ (resp. foL).

Zenträlbureau der intematumaien JSrdmessung in Berlin:

Resultate des internationalen Breitendienetea. Bd. 1. 1903. 4^ Veröffentlichungen. N. F., No. 7. 1909. 49.

Deutsehe chemische GeseÜsehaft in Berlin:

Berichte. 89. Jahrg., No. 1 9 und Mitgliederverzeichnis vom 1. Januar 1908. 1908. ^.

Deutsche gedogische Gesellschaft in Berlin: ZeiUchrift Bd. 64, Heft 8 und 4. 1902. 8^.

Medieinisehe Qesdlsehaft in Berlin: Verhandlungen. Bd. 88. 1908. 8^.

Deutsehe Physikalisehe GeseÜsehaft in Berlin:

Namenregieter zu den Fortschritten der Physik. Bd. 44—68. Braun-

Bchweig 1908. 8^. Verhandlungen. Jahrg. 6, No. 2— 11. Bräunschweig 1908. 8^.

Physiologische GeseÜsehaft in Berlin:

Zentralblatt fllr Physiologie. Bd. 16, No. 21— 26; Bd. 17, No. 1-6. 1902. ^. Verhandlungen. Jahrg. 1902—08, No. 8—9. 1908. 8^.

Kaiserlich deutsches archädogisches Institut in Berlin: Jahrbuch. Bd. 17, 4; 18, 1. 1908. 4^.

K, preuss, geodätisches Institut in Berlin: Veröffentlichung. N. F., No. 11. 12. 1908. 49,

K. preuss. meteorohgisehes Institut in Berlin:

Regenkarte der Provinz Westfalen. 1908. 8®.

Ergebnisse der meteorolog. Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1900. 1902. 40.

Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss. Staaten

in Berlin:

Oartenflora. Jahrg. 1908, Heft 1*-12 und Register zu Band 41—60. 8^.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:

Forschungen zur Brandenburgischen und Preussisohen Geschichte. Bd. 16, 1. Leipzig 1903. S^.

Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin: Zeitschrift. 28. Jahrg., 1908, Heft 1-6. 40.

Schweizerische naturforsehende GeseÜsehaft in Bern:

Verhandlungen in der Versammlung zu Zofingen 1901 und Genf 1902. 1902. 8^.

Historischer Verein in Bern:

Archiv. Bd. 16, 3. 1902. 80.

SoeiSte d'^mülation du Doubs in BesanQon: M^moires. VII« S^rie. Vol. 6. 1901. 1902.

1*

4* VerseidimB dtr eingelaufenen Druekeduriften,

B. Äceademia ddle Seiense delVIeHluto du Bohgna:

Memorie. Serie 6, VoL 8. 1899—1900. 49. Renticonto. N. 8er., Vol. 4, 1899—1900. 1900. B^.

B. DeptUajrione di etoria patria per le Provinde di Bamagna

in Bologna:

Atti e Memorie. Serie III, Vol. 20, fasc. 4—6; Vol. 21, fiuc. 1-1 1902—03. 8«.

Niederrheimache Gesellschaft für Natur- und Heükunde in Bom: SitznoflTsberichte 1902. 2. Hftlfte. 1908. 8^.

Naturhistorischer Verein der preussischen Bheinlande in Bonn: Verhandlungen. 59. Jahrg. 1902, 2. Hftlfte. 1908. BP.

SoeiUi de ghographie commercicile in Bordeaux: Bnlletin. 29« annäe 1908, No. 1—11. 16. 8^.

American Äcademy of Arte and Sciences in Boston: Proeeeding«. Vol. 38, No. 1—19. 1902—03. 8«.

American PhHölogiccd Association in Boston: Transactions and Proceedings. Vol. 38. 1902. Q^.

Naturtcissenschaftlicher Verein in Bremen: Abhandlungen. Bd. 17, 2. 1903. 8^.

Sternwarte in Breslau: Mitteilangen. Bd. 2. 1903. 4P.

Institute of Arts and Sciences in Brooklyn: Science Bulletin. Vol. 1, No. 3. New-Tork 1902. 8^

Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens

in Brunn:

Zeitschrift. Jahrg. 7, 1. 2. 1903. 8®.

Naturforsehender Verein in Brunn:

Verhandlungen. Bd. 40. 1901. 1902. 8^.

20. Bericht der meteorolog. Kommission. 1902. 8^.

Acadimie Boyaie de nUdeeine in Brüssel:

Bulletin. IV. S^rie, Tome 16, No. 10. 11; Tome 17, No. 1—4; Tome 18, No. 1. 2. 1902—03. 8«.

Acadimie Boyäle des sciences in Brüssel:

M^moires couronnäs in 4^. Tome 69, fasc. 4; Tome 60, 62, fasc 1. 2.

1902—03. M^moires couronn^ in &^. Tome 62, fasc. 4; Tome 63, fase. 1—3. 1903. 8^. Biographie nationale. Tome 17, fasc. 1. 1902. 8®. Annuaire 1903. 69« ann^e. 8<^.

Bulletin, a) Classe des lettres 1902. No. 9—12; 1903, No. 1-4. 8*. b) Classe des sciences 1902, No. 9— 12; 1903, No. 1—4. BP. Chartes de TAbbaye de Saint-Hubert en Ardenne publ. par G. Kortb.

Tomel. 1903. 4P.

Verseickms der eingelaufenen Druckadiriften. b*

SoeUte des Bdlandietes in Brüead: Analecta BoUandiana. Tom. 22, fasc. 1. 2. 1903. 8^.

SocUtS entamologique de Belgique in Brüssel:

Anales. Tom. 46. 1902. 80. Mämoires. Tom. IX. 1902. 8<^.

SociHi beige de giologie in Brüssel:

NoaTeaox M^moires. Sdrie in 4®, faac, I. 1903.

Bulletin. Tom. XIII, 4; XVI, 4. 5; XVII, 1. 2. 1903. 8».

SociHi Boy (de malacologique de Belgique in Brüssel: Annales. Tom. 36; annöe 1901. 1902. 8^.

K, Ungar, geologische Anstalt in Budapest:

Földiani EözlGny Bd. 32, Heft 10-12; Bd. 33, Heft 1—4. 1902—08. 8<^. Jahresbericht für 1900. 1902. 8<>.

5. Nachtrag z. Katalog der Bibliothek der ungar. geolog. Landesanstalt. 1908. 4».

Museo nadoncd in Buenos Aires:

Anales. Tom. VII. VIII. 1902. 4».

Botanischer Oarten in Buitenzoorg (Java): Mededeelingen. No. 59, 60, 62, 63. 1902-08. 4».

Botanisches Institut in Bukarest: Balletin de FHerbier. No. 2 (Janrier-Ayril). 1902. 8^.

Socüti Linnienne de Normandie in Caen: Balletin. Särie. Vol. 5. Ann^ 1901. 1902. S^.

Institut igyptien in Cairo,

Balletin. IV* S^rie. Tom. 2, fasc. 1—8; Tom. 3, fksc. 1—4. 1901 bis 1902. 80.

Metearciogicai Department of the Government of India in Calcutta:

Monthly Weather Review. July— December 1902. 1902—03. foL Instractions to obiervers of the Indian Meteorological Department.

By. I. Eliot. 1902, 8«. Rainfall Da ta of India. XI. year 1901. 1902. fol.

Geological Survey of India in Calcutta:

General-Report 1900—01. 8®.

Memoirs. Vol. XXXII, 3; XXXIV, 2; XXXV, 1. 1902. 8®.

Paläontologia Indica. N. S. Vol. U, 1. 1902. fol.

Asiatic Society of Bengoi in Calcutta:

Bibliotheea Indica. New Ser. No. 983, 1016—1086. 1901—08. 8^^. Joamal. No. 400. 401. 403—405. 1902. 8^. Proceedings. 1902. No. VI— X; 8^.

Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge^ Mass, :

Balletin. Vol. 38, No. 8; Vol. 40, No. 4—6; Vol. 42, No. 1. 1908. 80. Memoirs. Vol. 26, No. 4; Vol. 28 Text und 3 Bände Atlas. 1908. 4».

der eingelaufenen Drudtedmfien.

AstnmomieiA Obiervaiorf of Harvard CoUege in Cambridge, Mau.:

67^ annual Report Sept 80. 1902. 1902. 6^. Annali. Vol. 44, pari 2; Vol. 48, pari 2.

A Plan for the EBdoooment of Aatronomieal Reteareli hj £dw. C. Picb> ring. 1908. 80.

Phih$ophical Society in Cawibridge:

Proceedingt. Yol. XI, 7; XII, 1. 2. 1902. 8».

Äecademia Qioenia di »denae natwraii in Catania:

Atii. Serie lY. Vol. 16. 1902. 4*.

Bollettino mensile. Naoya Ser., faac. 74—76. 1902—08. 8^.

K. tedknieehe Hoehsehule in Ghorlottenburg.

Kämmerer. Ist die Unfreiheit nnserer Knltor eine Folge der Ingenieur- knntt? Berlin 1908. 4P.

Sodtti des seieneee naturelles in CKerbourg: Mämoiret. Tom. 88, fatc. 1. Parii 1902. gr. BP.

John Crerar Library in Chicago: 8*^ annnal Report for the year 1902. 1908. 8^.

Field Cdumhian Museum in Chicago: Pnblications. No. 66-68 1902. 8^.

Yerkes Observatory of the üniversUy of Chicago: Bulletin. No. 18. 19. 1908. 8^.

Zeitschrift ^Ästrophysicäl Journal^ in Chicago: Vol. XVII, No. 1-6. 1908. gr. 8^.

Norsk Folkemuseum in Christiania: VIII. Aaraberetning 1902. 1908. 8».

üniversity of Missouri in CduwUßus: Studies. Vol. I, No. 1—6; Vol. II, No. 1. 1902-08. 8^.

Äcademia nadonail de eiendas in Cordoba (Bepublic Argentinien): Boletin. Tom. XVII, 2. Baenoa Aires 1902. 8^.

Naturforsehende Oesellsdhaft in Danng:

Schriften. Neue Folgen. Bd. X, Heft 4. 1902. 8^.

Westpreussischer Geschiehtsverein in Danaig:

Zeitecbrift. Heft 46. 1908. gr. Bfi, Mitteilangen. Jahrg. 2. No. 1. 2. 1908. 8^.

Kaiserl. Gouvernement von Deutseh^Ostafrica in Dar-es-Salam:

Berichte über Land- nnd Forstwirtichafk in Dentsch-Ostafrika. Bd. 1, Heft 8-6. Heidelberg 1908. 8».

Historischer Verein für das Grosshereogtum Hessen in Darmstadt:

Archiv fdr Hessische Geschichte. Nene Folge. Bd. 8, Heft 2 nnd Er

gftnsnngsband 1, Heft 8. 1902. 8^. Quartbl&tter 1902. 4 Hefte. 8^.

Verzeiehnia der eingdaufenen Drueksehrißen. 7*

Colorado Seientifiß Society in Denver, Colorado: ProceedingB. Vol. 7. p. 66—84. 1902—08. 8<>.

Verein für Änhältische Geschichte in Dessau: Mitteilungen. Bd. IX, 6. 1902. S®.

Historischer Verein in Dülingen: Jahrbach. 16. Jahrg. 1902. 8^

Acadimie des Sciences in Dijon: IVS^rie. Tom. 8. 1901—02. 8°.

Union giographique du Nord de la France in Douai: Bulletin. Vol. 24, trimestre 8. 1902. 6^.

Boyal Iriah Academy in Dublin: TransacÜons. Vol. 82, Section B, part 2. 1908. 4P,

Boyal Society in Dublin:

The economic ProceedingB. Vol. part 8. 1902. 8®.

The scientific Proceedin^s. N. S., Vol. IX, part 6. 1908. 8^

Transactiona. Vol. Vll, No, 14—16; Vol. VIII. No. 1. 1902. 4^.

Boyäl College of Physicians in Edinburgh: Reports from the Lahoratory. Vol. 8. 1908. S^.

Boyai Society in Edinburgh:

ProceedingB. Vol. 24, No. 4. 1908. 8^.

Transactions. Vol. 40, part 1. 2; Vol. 41. 1901—02. 4«.

Scottish Microscopical Society in Edinburgh: ProceedingB. Vol. 8, No. 8. 1902. 8^.

Karl Friedrichs'Gymncisium tu Eisenach: Jahresbericht ftir das Jahr 1902/08. 1908. 4<>.

Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer in Emden: Jahrbuch. Bd. 14, Heft 1. 2. 1902. 80.

K, Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt: Jahrbücher. N. F., Heft 29. 1908. 8^.

Beäle Accademia dei Oeorgoßi in Florenz:

Atü. IV. Serie, Vol. 26, disp. 8. 4 u. Suppl. Vol. 26, disp. 1. 2. 1902-08. 8<».

Senehenbergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a/M, :

Die Periodischen Schriften der Senckenberg'schen Bibliothek. 1908. 4^. Abhandlungen. Bd. 20, Heft 4; Bd. 25, Heft 4. 1908. 4^.

Physikalische Gesellschaft in Frankfurt alM,: Jahresbericht für 1901—1902. 1908. 8^.

Breisgau- Yerein Schau-ins-Land in Freibu/rg t. Br,: Schau-ins-Land.. 29. Jahrg. 1902. I. Halbband. fol.

Kirehengesckiehüicher Verein in Freiburg i. Br.: Freiburger DiOzesan- Archiv. N. F., Bd. 8. 1902. BP.

8* VerMeiekmi der emgeUtufenen Drweksehnften,

Obtervaiaire in Genf:

Retom^ mtft^rologiqoe de rann^ 1901. 1902. 8*. Obeerrationt mät^rologiqaes faitei aax foiiificatioiu de Saint Mauke pendant Tannäe 1901. 1909. 8*.

SoeUU ^hMtoire et tParchMogie in Genfs

M^moires et Docomeots. N. 8^., Tom. YIII, livr. 1. 1902. 8®. Bnlletm. Tome II, livr. 6. 7. 1902. 89.

SocOU de pfufstque et d^hieUrire naturale in Genf: Mdmoim. Vol. 84, fiwc. 8. 1908. 4P.

ObeHo/utUsieehe GeseUeduift der Wisaemduiften tn GMOi:

Neues Lanaitsischet Magaiin. Bd. 78. 1902. 8*.

Codex diplomatiouB Latatiae raperiorie. Bd. 2, Heft 8. 1902. 8^.

E. GesdUthaft der Wieeemd^aften m G^iUi$%gen:

Göttingische gelehrte Anieigen. 166. Jahrg. 1908, No. 1—8. Berlin 19(B

gr. 8«. Abhandlangen. N. F.

Math.-ph78ikal. Klasse. N. F., Bd. 2, No. 1. Berlin 1903. 4«. Nachrichten, a) PhUoL-hist. Klasse. 1902, Heft 5; 1908, Heft 1—3. gr. 8*.

b) Math.-ph78. Klasse. 1902, Heft 6; 1908, Heft 1—3. gr.8«.

c) Geschäftliche Mitteilongen. 1902, Heft 2. 1902. gr. 8*.

Scientific Laboratoriee of Denekm ümveraüy in GranmUe, Ohio: Balletin. Vol. 12, 1—4. 1902. 8<>.

ünivereität in Grai: Verzeichnis der akademischen Behörden etc. 1902/08. 1908. 4P.

Rilgisch'Pommeredier Geechiehteverein in Greifewaid: Pommerische Jahrbfloher. Bd. 4. 1908. 8^.

NcUurwiseenschafUid^er Verein fikr NeurVarpommem in Greif swM: Mitteilungen. 84. Jahrg. 1902. Berlin 1908. 8«.

Kgl. Sachs. Fürsten- und Landesschüle in Grimma: Jahresbericht Ton 1902-08. 1908. 4P.

Universität Graningen: Middendorp, Ätiologie de la Tnberculose. Paris 1902. BP.

K. Instituut voor de Taal-^ Land- en VMenkunde van Nederiandsdk Inäu

im Haag:

Bvjdragen. VII. Beeks, Deel I, aflcT. 1—8. 1908. 8^.

Teyler's Genootschap in Haarlem: Archives du Mos^e Tejler. S^r. II, Vol. 8, partie 2. 1902. 4<*.

SoeUU Hoüandaise des Sciences in Haarlem:

Archives N^erlandaises des sdences exactes. 84irie ü, Tom. 8, ütt. 1. 3. 1908. BP.

Nova Sootian Institute of Science in Halifax: The Proceedings and Transactions. Vol. X, 8. 4. 1901—08. BP.

VerMekhms der eingelaufenen Druekethriften, 9*

Kadseri, Leopoildinieef^Carolinisehe Deutsche Akadem^ der Naturforaeher

in HdUe:

Leopoldina. Heft 88, No. 12; Heft 81, No. 1—6. 1902—08. 49.

DeuUehe morgenUindische QeeeUsehaft in Hcdle:

Zeitschrift. Bd. 66, Heft 4; Bd. 67, Heft 1 a. 2. Leipsig 1902-08. 8^. Abhandlongen für die Kunde des Morgenlande«. Band 12, 1. Leipzig 1903. 8*.

NcUurwiesenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle: Zeitschrift für Naturwiaienachaften. Bd. 76, Heft 1—3. Stattgart 1908. 8^.

MathenMtische GeselUehaft in Hamburg: Mitteilungen. Bd. 4, Heft 8. Leipzig 1908. 8<».

Deuteehe Seewarte in Hamburg: Ans dem Archiv der deutschen Seewarte. 26. Jahrg. 1902. 4fi.

Verein für Hamburgiache Geschichte in Hamburg: Mitteilnngen. 22. Jahrg. 1902. 1908. S®.

Naturtoissenschaßlicher Verein in Hamburg: Verhandlungen. Dritte Folge. X. 1903. 8<>.

Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde in Hanau: I. Nachtrag zum Katalog der Bibliothek. 1902. 8®.

Geschichtsverein in Hanau:

Festschrift zum 600 jährigen Jubiläum der Erhebung Alt-Hanaus zur Stadt. 1908. 8».

Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover: Zeitschrift. Jahrg. 1902, Heft 8 u. 4; 1903, Heft 1. 80.

Badische historische Kommission in Heidelberg: Zeitschrift fttr die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, 1. 1908. 8^.

Ästroph^sikalisches Observatorium in Königstühl bei Heidelberg: Publikationen. Bd. L Karlsruhe 1902. 4^

Universität Heidelberg:

H. Buhl, Zur Geschichte der Universität Heidelberg unter Grossherzog

Friedrich. Festrede. 1902. 49. H. Buhl, Römisches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch. Akad. Rede.

1902. 4«.

Historisch-philosophischer Verein in Heidelberg: Neue Heidelberger Jahrbficher. Jahrg. 12, Heft 1. 1908. 6*.

Geschäftsführender Äusschuss der Beichslimeskommission in Heidelberg:

Limesblatt No. 36. Trier 1903. 89.

Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches. Liefg. XVIII. 1908. 49.

Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstadt: Archiv. N. F., Bd. 80, 3; Bd. 81, 1. 1902—08. 89.

10* Veneichms der eingOaufenen DruekeOiriften.

Laade$kansU*arium der evang. Landeekinhe etc m Hermanntiadt:

Qaellen sar Geiehichte der Stadt Kronitadt. Bd. 1 and 2. Kronstadt 1886—89. 80.

Verein für SachsenrMeiningiBehe OeachiekU in ESldburghausen: Schriften. 48. a. 44. Heft. 1908. 8<».

VaigÜändiedter Mtertumsforadkender Verein in BdhefdoMbenz 72. und 78. Jahresbericht. 1908. 8^.

Journal of Phyeicai Chemietry in Ithaea, N.T.: The Journal. Vol. 7, No. 1—4. 1903. gr. 8*.

American Chemical Society in Ithaea: The Journal. Vol. 26, No. 1—6. 1908. 8«.

ünivenUi de Jasey: Annales seientifiques. Tom. II, fitse. 2. 1903. 8^.

Medieiniefh'naiturwieBenedMftiHthe Qeeeüechafl in Jena:

Zoologische Forschungsreisen in Australien yon Rieh. Semon. Bd. 6,

Liefg. 6. Text und Atlas. 1908. fol. Nenrobiologische Arbeiten von Oskar Vogt. II. Serie, Bd. I, Liefg. 1.

1908. fol. Jenaische Zeitschrift fBr Naturwissenschaft. Bd. 87 {=^ N. F., Bd. 30),

Heft 2— 4. 1902—03. 8^.

Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde in Jena: Zeitschrift. N. F., Bd. 18, Heft 1. 2. 1902-08. 8<».

Naturforschende Gesellschaft bei der UnioersUät Jurjew (Dcrpai):

Archiv fttr Naturkunde. II. Serie, B^. XII, 2. 1902. 8^^. Sitsungsberichte. Bd. XIII, 1. 1902. 8^.

Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^^.

Badische Historisehe Kommission in Karlsruhe:

Siegel der Badischen Städte. Heft 2. Heidelberg 1903. S^.

Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, 2. Heidel- berg 1903. 80.

Topographisches Wörterbuch des Grossherz. Baden. 1. Bd., 1. Halbband. Heidelberg 1908. 8^.

SocUti physieo-mathimatique in Kasan: Bulletin. II« S^rie, Tome XU, 8. 1902. 8^.

Universität K<uan: ütschenia Sapiski. Bd. 69, No. 12; Bd. 70, No. 1—4. 1902—08. 8<>.

Verein für hessische Geschichte und Jjandeskunde in Kasset:

Zeitschrift. N. F., Bd. 26. 1903. 8^. Mitteilungen. Jahrg. 1901. 1903. B^.

SocUti des sciences physico^chimique d VüniversiU de Kharhov: Travaux. Tom. 25, Supplements, fasc. 8— 11. 1901. 8®.

üniversUi ImpSridle in Kharkow: Annales 1908. Heft 1. 8®.

Verzeushims der eingelaufenen Druekeehriften, 11*

ünhemtä^ in Kiew: laweetija. Bd. 42 (1902), No. 11. 12; Bd. 48 (1903), No. 1-4. 8^^.

Naturkistorisehea Landeemueeum in Elagenfuri: Carinthia II. 1908. No. 1.2. 8^.

Mathemat.-naturwieaenaehafll, FaJcuität der ünivereiUU Klausenburg: Joannis Bolyai in Memoriam. 1902. 4®.

Medig.'uaturtoissensehaftl. Sektion des Muaeumevereins in Klausenburg: Sitzungsberichte. 8 Hefte. 1903. 8^.

K, Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen: Ovenigt. 1902, No. 6; 1903, No. 1. 1908. ^.

Akctdemie der Wissenschaften in Krakau:

Anseiger. Philolog. Klane 1902, No. 8—10; 1908, No. 1—4.

Mathem.-naturwis8. Klasse 1902, No. 8—10; 1908, No. 1—4. 8°. Rozprawy filolog. Ser. II, Tom. XX, 1. 1902. 8^. Rocznik. Rok 1901/02. 1902. ^.

Sprawozdanie komisyi flzyografiezny. Tom. 86. 1902. 8^. Katalog literatury. Bd. II, Heft 8. 1903. 8^.

Archiv der Stadt Kronstadt: Quellen zur Geschichte der Stadt Brasso. Band IV. Brasso 1908. gr. 8^.

Sociiti Vaudoise des sdences naturelles in Lausanne: Balletin. S^rie, Vol. 88, No. 146 (1902); Vol. 39, No. 146 (1908). 8<^.

Kansas University in Lawrence, Kansas: Bulletin. Yol. 8, No. 6. 1901. 6^.

Sternwarte in Leiden: Yerslag. Sept. 1900 Sept. 1902. 1902. 8P.

K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:

Berichte der philol.-hist. Klasse. Bd. 20, No. 6; Bd. 21, No. 4; Bd. 20,

No. 1. 1902-08. 4<». Abbandlongen der math.-phys. Klasse. Bd. 28, No. 1—3. 1902—08. 4<>. Berichte der philol.-histor. Klasse. Bd. 65, Heft 1—3. 1908. 8®. Berichte der math.-physik. Klasse. Bd. 64, Heft 6. 7; Bd. 56, Heft 1. 2.

1900—08. 8P.

Fü/rstlich Jäblonowski'sche Gesellschaft in Leipzig: Jahresbericht. M&rz 1908. 8^^.

Journal für praktische Chemie in Leipzig: Journal. N. F., Bd, 66, Heft 11. 12; Bd. 67, Heft 1—10. 1902-08. 8^. K. Sächsische Kommission für Geschichte in Leipzig:

Die Dresdener Bilderbandschrift des Sachsenspiegels yon Karl y. Amira. (Facsimile-Band), II. Hälfte, gr. fol.

Cuerpo de Ingenieros de Mixas dei Peru in Lima:

Boletin No. 1. 1902. 8^.

Soeiedade de geographia in Lissabon:

Boletim. 21. Serie, 1903, No. 1-8. 8^.

12* Verzeidmis der eingelaufenen Druekeahrißen.

Literary and phüoaophieai Society in Liverpool: Proceedingri. 91. Session, 1901—02, No. 66. London 1902. 8^.

ünivereiti Catholique in Loewen: Schriften der Universität aas dem Jahre 1902 08.

Zeitschrift „La CelltUe^ in Loevotn: La Cellule. Tome XIX, 2; XX, 1. 1902. i».

The English HistoriccU Beview in London: Historical Review. Vol. XVIII, No. 69. 70. 1903. 8*.

Boyäl Society in London:

Year-Book 1908. df^.

Proceedings. Vol. 71, No. 470—476. 1908. S».

The Sob-Mechanics of the üniverse bj Osbome Reynolds. Cambrid^ 1908. gr- 80.

22. Ästronomical Society in London: Monthly Notices. VoL 68, No. 1—7. 1902—03. 8«.

Chemical Society in London:

JoomaL No. 488—487 und Supplementary Namber 1903. S^'. Proceedings. VoL 18, No. 258-268. 1908. S».

Oeölogical Society in London: The quarterly Journal Vol. 68, part 1—4. 1902. &^.

Linnean Society in London:

The Journal, a) BoUny. Vol. 36, No. 249. 260. b) Zoology. Vol 28,

No. 186. 1903. 8«. The Transactions. a) Zoology. Vol. 8, part 9. 10. b) Botany. Vol. 6,

part 4. 5. 1902. 4^ List of the Linnean Society 1902-08. 8^*.

Mediccd and chiruryicäl Society in London: Medico-chimrgical Transactions. Vol. 85. 1902. 8^.

E. Microscopicäl Society in London: Journal 1908, part 1—8. S^,

Zoological Society in London:

Proceedings. 1902, Vol. II, part 2. 1908. 8<>. Transactions. Vol. XVI, part 5. 1902. 4^. Catalogue of the Library, b^ edit. 1902. Bf^.

Zeitschrift „Nature'^ in London: Nature. No. 1731— 1767. 1908. 4».

üniversiti in Lyon: Annales. I. fasc. 10; IL fasc. 9. 10. 1902. 99.

Washbum Observatory in Madison: Publicationa. Vol. XL 1902. 4«.

Chvemment Museum in Madras: Bulletin. Vol. IV, No. 8. 1903. 8^.

Versekhnü der eingelaufenen Druekeduriften. 13*

Kodcnkdndl and Madras Oheervatories in Madras: Annnal Beport for 1902. 1908. foL

22. Äeademia de la hieUiria in Madrid: Boletin. Tom. 42, onad. 1—6. 1908. gr. &^,

R, letHiUo Lombarde di eciense in Mailand:

Rendioonii. Ser. II, Vol. 85 und Vol. 86, fiuc 1—8. 1908. 8^^. Memorie. Classe di «cienze storiche. Vol. 21, &8C. 4. 1908. 49. Indice generale dei lavori dal 1889 al 1900. 1902. 8^.

Sodetä Itaiiana di eciense naturali in Maüand: Ati. Vol. 41, fasc. 4; Vol. 42, fasc. 1. 1908. 8<>.

Societä Siorica Lombarda in Maüand:

Archiyio Storico Lombardo. Serie III, Anno XXIX, fasc. 86, 1902; XXX, &8C. 87. 1903. 80.

Literary and phHoeophicäl Society in Manchester: Memoin and Proceedings. Vol. 47, pari 2—4. 1903. 8^.

Ältertumsverein in Mannheim:

Fonchnngen ZOT Oeachichte Mannheims. Bd.I— m. Leipzig 1898 1900. 8^. Mannheimer GeaohichUbl&tter. Jahrg. I. U. III. 1900— 02u.IVNo. 1. 2. 49. Kloster Limburg an der Haardt yon W. Manchot. 1892. 4^. Die Siegeleammlung des Mannheimer Altertumavereins von Friedrich

Walter. 1897. fol. Römische Denksteine und Inschriften Ton Karl Baumann. 1890. 4^. Studien zur Geschichte der bildenden Künste in Mannheim von L. Malhy.

1894. 40. Frankenthaler Gruppen und Figuren von Emil Heuser. Speier 1899. 8®. Frankenthaler Porzellan von Emil Heuser. 1899. 8®. Katalog der Bibliothek von Wilh. Caspari. 1894. S<^. Verzeichnis der Pfälzischen und Badischen Münzen und Medaillen von

Seubert. 1900. 8^. Bericht über das Vereinsarchiv von Paul Die£fenbacher. 1898. 8^.

Verein für Geschichte der Stadt Meissen in Meissen: Mitteilungen. Bd. VI, 2. 1902. 8<>.

Boyal Society of Victoria in Melbourne: Proceedings. Vol. XV, part 2. 1908. 8®.

Acadimie in Metz: M^moires. Ann^e 29. 1899-1900. 1902. B9.

Instituto geolögico in Mexico: Boletfn. No. 16. 1902. 4P.

Observatorio meteoroUdgico-magnitieo central in Mexico: Boletin mensual. Noviembre, Diciembre 1901, Euere 1902. 4^.

Sociedad dentifica „Antonio Älzate" in Mexico:

Memorias y revista. Tomo 17, No. 1—6; Tomo 18, No. 1. 2; Tomo 19, No. 1. 1902. 89.

14* F«rfM)Mf der emgdaufenen Druekiduißtn.

Sodedad de geografia y estadistica in Mexico: Boletin. epoca, Tom. I, No. 1. 2. 1902. 8^.

Regia Äeeademia di seienjge lettere ed arH in Modena: Memorie. Serie II, Vol. XU; Serie HI, Vol. HI, parte 2. 1901—02. 4*.

ÄcadSmie de eäeneee et leWes in M&ntpeüier: M^moiree. Seetion det tciences. 2* S^rie, Tom. III« No. 2. 1902. 8^.

Soeiiti ImpMaU des Naturdlietes in Moskau: BuUetiD. Ann^ 1902, No. 8; 1908, No. 1. 1908. ^.

Lieh Observatory in Mount Hamüton, California: Bolletm. No.27— 86, 88-40. 1902. 49.

Deutseke GeselUchaß für Anthropoilogie in Berlin und Mündun: CorrespondeniblAtt 88. Jahrg. 1902, No. 4—12. i^.

Hydrotechnisches Bureau in München: Jahrbach. IV. Jahrg., Heft IV, Teil 1; V. Jahrg., Heft 1. 1902-08. 4«.

Oeneraldirekiion der k. 6. Posten und Tdegrafhen in München: Nean Nachträge sa den ZeitaDgepreiereneichiiineii. föL

JT hayer. technisehe Hochschule in München:

Personalltand. Winter- Semester 1902/08. 1902. 8^. Bericht für das Jahr 1901—02. Programm Wintersemester 1902—08.

Metropolitan'KafUel München^Freising in München:

Schematismus der Geistlichkeit fdr das Jahr 1908. 8^.

Amtsblatt der ErzdiOseae Mfinchen und Freising. 1908, No. 1 16. 8*.

Universität in München: Schriften atts dem Jahre 1902 in 49 n. B9,

Kaufmännischer Verein in München: 29. Jahresberiaht. 1908. B9.

Verlag der Hochschul-Nachriehten in München: Hochscbul-Nachrichten. 1908, No. 148—160. 162. 168. e9.

Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Münster: ZeiUchrifb. Bd. 60 nnd Register so Bd. 1—60, Liefg. 1. 1902-08. S9.

Acadimie de Stanislas in Nancy: Mdmoires. V. Sdrie, Tome 19 und Table alphab^tiqae 1760—1900. 1902. SP.

SociHS des scienees in Nancy: Bulletin. S^rie III, tom. 8, fuc. 2. 8. Paris 1902. 8*.

Accademia delle sciense fisiche e matematiche in Neapel:

Rendiconto. Sdr. III, Vol. 9, ftwc. 1—4. 1903. 99. Atti. 86t. II, Vol. 11. 1902. 49.

Zoologische StaHon in Neapel:

Mitteilungen. Bd. XV, 4. Beriin 1902. 09.

VerMeUknia der eingelaufenen Drttckschrißen. 15*

GeeelhdMft Phüomaihie in Neisae: 81. Bericht. 1900-02. ^.

InetUute of Engineere in New-CaeUe (uponrTyne):

TransactionB. Vol. 60, pari 7; Vol. 51, part6; Vol. 62, part 2— 4; Vol. 58, partl. 1902—08. %\

Connectiewt Äcademy of Ärta and Sciences in New-Haven: Transactions. Vol. XI, 1. 2. 1901—08. 80.

The American Journal of Science in New-Haven: Journal. IV. Ser. Vol. 15, No. 88—90. 1908. 4".

Obaervatory of the Yäle üniversity in New-Haven: Transactions. Vol. I, 6. 1903. 4^.

American Orient al Society in New-Haven: Journal. Vol. 82, 2^ half. 1902. 80.

American Jticieh Historicäl Society in New- York: Publications. Ko. 10. 1902. 8^.

American Museum of Naiturdl Hietoty in New -York:

Bulletin. Vol. XVT; Vol. XVIII, 1. 1902.

List of Papers published in the Bulletin and Memoire. Vol. I XVI. 1902. 80.

American Oeographicäl Society in New -York: Bnlletin. Vol. 34, No. 5; Vol. 36, No. 1. 2. 1902-08. 8<>.

Archaeological Institut of America in Norwood, Mass.: American Journal of Archaeology. II. Series, Vol. VII, 1. 1908. 8^.

OedlogicaJ Survey of Canada in Ottawa: Contributions to Canadian Palaeontology. Vol. III. 1902. 4^.

Bodleian Library in Oxford: Tercentenary of the Bodleian Library, October 1902. 4^.

22. Aceademia di sdense in Padua: Atti e Memorie. Nuova Serie. Vol. 18. 1902. 8^.

Bedaction der Zeitschrift „Rivista di storiea antica" in Padua: N. 8. Anno VII, 1—8. 1908. 8«.

Societä Veneto-Trentina di sciense naturali ifi Padua: Atti. Serie II, Vol. IV, 2. 1902. S».

CircoU) matematico in Palermo: Rendiconti. Tomo XVJI, 1-^8. 1908. 09.

Acadimie de midecine in Paris: BaUetin 1908, No. 1—26. 8^.

Academie des sciences in Paris: Comptes rendus. Tome 186, No. 1—26. 1908. 4^,

16* VerMeiekm$ der emgdaufenen Drudctckriften.

Omiti itUemaitumal de$ poidi et meemree m Proc^TerUux de« s^anoes 1879. 1880. 8^.

DitreetUm de la Chromque de Framce •» Pans:

La Chroniqae de Frmnce. annte 1902. 8^. Carnet bibiiographiqQe. 1903. 8^.

ManiUwr ScienHfique tu Paria: Moniteor. Lirr. 738—788 (JanTier-Join 1908). 1908. 4*.

Muüe Qumet in

Annalet. Biblioth^ue d'^tadea. Tome 14. 1902. ^.

Kerne de rhistoire des r^ligions. Tome 46, No. 1. 2. 1902. 8^.

Muüum d^kistoire natwreUe in Paris: Balletin. Ann^e 1902, No. 6—8. 1902. 9f^.

SociHi d'anthropölogie in Paris:

Balletiiu. S^rie, Tome 8, fa«c. 8. 4. 1902. 8<^. Memoire!. Tome 2, fasc. 8. 1902. ^.

SoeOU de gSographie in Paris: La Q^graphie. Tome VI, 2—6; VU, 1. 1902—08. 4^

Sodttl maüihnatitpu de France m Paris: Balletin. Tom. 80, faic. 4; Tom. 81, £mc. 1. 1902—08. &^.

SoeiiU soologigue de France in Paris:

Balletin. Tome 27. 1902. &^. Mt^moires. Tome XV. 1902. 8®.

ÄeadSmie Imperiale des seienees in 8i, Petersburg: Annnaire du Mos^ loologiqae. 1902. Tome VII, No. 3. 4. 1902. 8*.

Comiti gMogique in St. Petersburg:

Ezplorations f^dolofl^ques dana lea r^ont anrif^ret de la Sib^rie

a) Region anrif^re d^JdniMei, livr. 8.

b) , 9 de TAmonr, livr. 8. 1902. 8®.

Kaiserl, Botaniseher Garten in 8t. Petertburg: Acta. Vol. XXI, 1. 1908. 8«.

Kaiserl. mineralogische GeseUsdiaft in 8t. Petersburg:

Materialien zur Geologie Rusilands. Bd. XXI, 1. 1908. 8^. Verhandlungen. II. Serie, Bd. 40, Liefjg. 1. 1902. 8^.

PhysikcU.'Chemische Gesellschaft an der kais. Universität 8t. Petenbi»rg: Schumal. Tom. 84, Liefg. 9; Tom. 85, Liefg. 1—6. 1902. 8^.

Section gtologiqne du cabinet de La Majesti in 8t. Petersburg- Travaux. Tome 6. 1902. S^.

Academy of natural 8cienees in Philadelphia:

Journal. II. Serie, Vol. XII, 1. 2. 1902. gr. Proceedinga. Vol. 64, part 2. 3. 1902—03. 4».

VerMeiehnia der eingelaufenen Druekaehriften. 17*

Historieal Society of Penneylvania in Phüadeli^ua:

The Pennsylvania Magaiine of History. Vol. 26, No. 104 (1902); VoL 27, No. 106. 106, (1903). 8<>.

^^tttfim Aseoeiaiion of the College of Pharmacy in Philadelphia: Alumni Report Vol. 89, No. 1—6. 1903. 89.

American Phäoeophical Society in Philadelphia:

ProceedingB. VoL 41, No. 170. 171. 1902. 8^ Transactiona. New Series. Vol. XX, 8. 1902. 49.

B. Scuola normale auperiore di Pisa: Annali. Filosofia e filologia. Vol. XVI. 1902. Q^.

Sodetä Toscana di ecienze naturcdi in Pisa: Atti. Processi verbali. Vol. XIII, p. 41-188. 1908. 49.

Soeietä Itaiiana di fisica in Pisa:

II nuoYO Cimento. Serie V, Tomo 4, Dicembre 1902; Tomo 6, Qennajo- Mar«>1908. 8<>.

K. Ch/mnasium in Plauen: Jahresbericht für 1902/08. 1908. 4^.

Historische Oesellsehaft in Posen:

Zeitschrift. 17. Jahrg., 2. Halbband. 1902. S9. Historische Monatsblätter. 8. Jahrg., No. 7—12. 1902. d9.

Ästrophysikalisches Observatorium in Potsdam:

Publikationen. Bd. 14 und Photographische Himmelskarte. Katalog. Bd. III. 1908. 49.

Physikalisch'technische Beichsanstalt in Potsdam: Die Tätigkeit d.ph78ik..techn.Beichsanatalt im Jahre 1902. Berlin 1908. 4^

Böhmische Kaiser Franz Josef-Akademie in Prag:

Almanach. Ro£. XIIL 1908. 8^

Rozprawy. TMda I, Ro6. X; THda II, Roö. XI; TKda III, Ro6. XI, 1.

1^02 08. 8^.

Vestnfk. Ro6nfk XI. 1902. 89.

Zfbrt, Bibliografie. Bd. II. 1902. 89.

Kol4^, Heraldika I. 1902. 8^.

Spisy Komenskäho. Cfslo 6. 6. 1902. b^.

Bibliot^ka klassiku. Cfslo 6. 7. 1902. 89.

Spfrka pramenäy Skupina I, rada 1, 8. 4, rada II, 4. 6; Sknpina II,

cfslo 6. 1902. 89

Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur

in Prag:

Beiträge zur deutseh-böhm. Volkskunde. Bd. 1, 2 ; Bd. IV, 2. 1902—08. 89. Rechenschaftsbericht fOr das Jahr 1902. 1908. 8^.

K. Böhmische Oesellsehaft der Wissenschaften in Prag:

Christian Doppler, Über das farbige Licht der Doppelsteme. 1903. 8^. Jahresbericht fQr das Jahr 1902. 1908. 8^. Sitzungsberichte 1902. a) Klasse fQr Philosophie.

b) Mathem.-naturw. Klasse. 1908. 8^.

2

18*^ VerMeidmia der angeUmfenen Druektdmften,

Mathematiech-phyHkalittke Gt$emdMft in Prag: ÖMopit. Bd. 82, No. 1. 2. 1902. 6^.

Lese* und Bedehaile der deutschen Studenten in Prag: 64. Bericht ftber dM Jahr 1902. 1908. 8^

Museum des Königreiche Böhmen in Prag: ÖMopis. Bd. 76, Heft 6; Bd. 77, Heft 1. 2. 1902-08. 8<>.

K, K, Sternwarte in Prag:

Definitive Resultate ans den Prager Po] Höhen-Messungen Ton L. WeineL 1908. 4P.

Deutsche Karl Ferdinands- Universität in Prag:

Die feierliche Installation des Rektort f&r 1902/08. 1908. 8^.

Personalstand f&r 1902/08. Sfi,

Ordnung der Vorlesungen im Sommer-Semester 1908. 8^.

Verein böhmischer Mathematiker in Prag:

Sbomik. Bd. VI. VII. 1902. 8». Casopis. Bd. XXXII, 8. 4. 1908. Bfi.

Verein für Natur- und Heilkunde in Presaburg: Verhandlungen. Bd. XXIII. 1908. 8*.

HisUmsdher Verein in Begensburg: Verhandlungen. Bd. 64. 1902. 8^.

B3>liotheca nacional in Bio de Janeiro:

Annaes da Bibliotheca Nacional. Vols XV— XXII. 1892— I90O. 8^. Catalogo da exposicfto permanente dos Cimelios. 1685. 8^. Montoya, Arte de la lengua tupi ö gnarani. Paris 1876. 8®. Recenseamento do districto föderal em 1890. 1895. 4^ A Exposi9ao de Obras Publicas em 1875. 1876. 8^.

Observatario in Bio de Janeiro: Boletim mensal. Julho— Setembro 1902. 1902. 4^.

Geohgical Society of America in Bochester: Bulletin. Vol. 18. 1902. 8^.

Becde Accademia dei Idneei in Bom:

Annuario 1903. 8^.

Atti. Serie V. Classe di sciense morali. Vol. X, parte 2, Notisie degli

scavi, fasc. 10—12 und Indice, Vol. XI, parte 1, fasc. 1. 2. 1902. 4^. Atti. Serie V, Rendiconti. Classe di scienze fisiche. Vol. 11, semestre2,

fasc. 12; Vol. 12, semestre 1, fasc 1—11. 1902. 4^.

B. Comitato geohgico d^Italia in Bom: Bollettino. Anno 1902, No. 4. 8^.

Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm. Abt.) in Bom: Mitteilungen. Bd. XVII, üeisc. 3. 4. 1908. 8^.

Societä Italiana deüe scienxe in Bom: Memorie. Serie III, Tome 12. 1902. 4<>.

Vereeiehnia der eingelaufenen Drueksehriflen, 19*

22. Soeietä Bomana di staria ptUria in Born: Archivio. Vol. 26, faic 8. 4; e Indice pei tom. 11—25. 1902—08. 8^.

B. Äccademia di aciense degli AgiaJbi in Booereto: AtU. Serie III, Vol. 8. 9, fasc. 1. 1902—08. 8^.

jScole frangaise dP Extreme-Orient in Saigon:

Inventaire descriptif des Monnments du Gambodge par E. Lanet de

Lajonqai^re. Paris 1902. 4®. Bulletin. Tom. II, No. 4; Tom. III, No. 1. Hanoi 1902-08. 4«.

NcUunoiaeeneehafiliche Oeeellachaft in St GaUen: Bericht 1900-01. 1902. 8^.

Academy of Sciences of St. Louis: Traneactions. Vol. XI, No.6-11; Vol. XII, No. 1-8. 1901-02. 8®.

Instituto y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz): Anales. Observationes meteorolög. para 1900. 1901. fol.

MtAseu Paülista in S, Paulo: Revista. Vol. 6. 1902. 8<>.

Universita di Sassari: Stadi Sassareri. Anno 11, Sez II, fasc. 2. 1902. 8^.

Verein für mecklenburgische Oeschichte in Schwerin: Mecklenbnrgisches Urkundenbach. Bd. XXI. 1908. 4^.

B, Äccademia dei fisiocritici in Siena: Atti. Serie IV, Vol. 14, No. 1—10 e an Supplemente 1902. 4P.

K. K. archäologisches Museum in Spalato:

Bullettino di Archeologia. Anno XXV, No. 12; XXVI, No. 1. 2 e Indice generale 1878-1900. 1902—08. 8^.

K. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademie in Stockholm: Antiqaarisk Tidskrift. Deel XVII, 1. 1902. 8^.

K Akademie der Wissenschaften in Stockholm:

Asironomiska Jakttagelser. Bd. VI, 2. 4; Bd. VII. 1898—1908. 40. Meieorologiska Jakttagelser. Bd. 40. 41 (1878—1899). 1902. 4P. Handlingar. N. F. Vol. 69 (1902). 1902—08. 8°.

Oeologiska Förening in Stockholm: FQrhandlingar. Bd. 24, Heft 7; Bd. 26, Heft 1—4. 1903. 8».

Gesellschaft sur Förderung der Wissenschaften in Strassburg: Monatsbericht. Bd. 86, Heft 10; Bd. 87, Heft 1—4. 1908. 8^.

Kaiserl. Universität Strassburg: Das Stiftungsfest am 1. Mai 1908. S^.

K. württemb. statistisches Landesamt in Stuttgart:

Beschreibung des Oberamts Heilbronn. 1906. 8®. WQrttembergiBche Jahrbücher für Statistik. Jahrg. 1902. 1908. 4^.

20* VefMeidmii der eingdaufenen Druektdunften,

Department of Minea amd Agrieuliure of NeuhSoulthrWäle» in Sydntif: Annaal Report for the year 1902. 1908. fol.

Linnean Society of NeW'SoiUhrWaiee in Sydney:

Proceedings. Vol. XXVI, partS mad Sapplement zu pari 3; V0I.XXVII partl. 1902. 6<».

ObaervcUorio (utronömieo naeionäl in Tacubaya: Aiio XXIII. Mexico 1902. 99.

Kaukasisches Museum in Tiflis: Die SunmluDgen des Kaukasiechen Museoms in Tiflis. Bd. V. 1902. 4f

EarthquaJce Investigatüm Committee in Tokyo: Pablicationi. No. 7. 10—15. 1902—03. 4«.

Deutsche Oesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo: Mitteilanf^en. Bd. IX, Teil 2. 1903. 8^.

Kaiserl. Universität in Tokyo (Japan):

The Journal of the College of Science. Vol. XVl, 15; Vol. XVIII, 1. 1903. 40.

Canadian InstUuJte in Toronto:

ProceedingB. Vol. II, 5. 1902. 8<^. Transactiont. Vol. VII, 2. 1902. 80.

üniversiiy in ToronU):

a) Biolog. Seriea No. 3; b) Psycholog. Serie« Vol. 2, No. 1; c) Geolog- Series No. 2. 1901. 4».

Universiti in Toulouse:

Annales du Midi. No. 65—57. 1902—03. S^.

Annales de la faculte des sciencei. II* S^rie. Tom. 4, fasc. 3. 4. 1902. 4^.

Bibliothbque mt^ridionale. Sörie II, Tom. 8. 1903. 8^.

Biblioieca e Museo comunaU in Trisni: ArchiYio Trentino. Anno XVII, fasc. 2. 1903. 6^.

Aesoeiazione wtedica Triestina in Triest: Bollettino. 1901—02. Annala 5. 1902. 8®.

B. Äccadetnia deUe scieme in Turin:

Oaseirazioni meteorologicbe fatte nell* anno 1902. 1903. 8^. Atti. Vol. 38, disp. 1—7. 1903. 8^. Memorie. Serie II, Tom. 52. 1903. 4^.

R, Aecademia d'agrieultura in Turin: Annali. Vol. 44. 45. 1902-03. 8«.

Verein für Kunst und Altertum in Ulm:

Mitteilungen. Heft 10. 1902. 4».

Führer durch die Sammlungen des Gewerbemuseums. 1903. 8^.

Humanistika Vetenkapssamfund in Upsala: Skrifter. Bd. VU. 1901—02. 8«.

Verzeiehfda der eingelaufenen Druchsthriften. 21*

Meteorolog, Ob$ervatmium der ünwersUät üpecda:

Rapport anr les obserrations internationalei dei nuages par Hildebrand Hildebrandsson 1903. 8^

K, Universität in Upsala: Angermanälfens flodomr&de. Af Karl Ableniüs. 1903. 8^.

Historisch Genaotschap in Utrecht:

Bijdragen en Mededeelingen. Deel XXIII. Amsterdam. 1902. 8^. Werken. III. Serie, Nr. 16. Amsterdam. 1901. 8^

Institut Boy cd Meteorologique des Pays-Bas in Utrecht: Anniiaire Mdtdorologique poar 1900 et 1901. 1902. 4P.

Äteneo Veneto in Venedig:

UAteneo Veneto. Anno 28, Vol. 1, 2; Anno 24, Vol. 1. 2; Anno 25, Vol. 1 und Jadice zu 1812—1890. 1900-1902. 8«.

B. Istituto Veneto di scienze in Venedig:

Atti. Tom. 69, No. 3—10; Tom. 60, No. 1—10; Tom. 61, No. 1—9; 1900

bis 1902. 8«. Memorie. Vol. 26, No. 6—8. 1901—02. 4«.

Accademia di Scienze in Verona: Atti e Memorie. Indice dei volumi I— LXXV. 1903. SP.

Bureau of American Ethnology in Washington: Bulletin. No. 27 : Tsimsbian Texts. 1902. 4<).

Bureau of Education in Washington: Annual Report 1900-01. Vol. 2. 1902. 8«.

Departement of the Interior in Washington:

Report of the Commissioner of Education for the jear 1900—01. Vol. I. 1902. 8®.

Smithsonian Institution in WaMngUm:

Annual Report 1900—01. 1902. 8^.

U, 8, Naval Ohservatory in Washington: Report of the Superin tondent. June 80, 1902. 8^.

Phihsophicai Society in Washington: Bulletin. Vol. 14, p. 206—232. 1903. 8^.

U. S, Coast and Geodetic Survey in Washington: Lift and Catalogue of the Fublications. 1816—1902. 1902. 4^.

United States Oeological Survey in Washington:

Monographs. Vol. 41. 1902. 49.

XXI. Annual Report 1899/1900. Part. III.

XXII. , , 1900/01. Part. I. II. IV.

XXIII. , , 1901/02. 1901—02. 4*.

Harzverein fO^r Geschichte in Wernigerode: Zeitschrift. Jahrg. 85, Heft 2. 1902. 8^

22* VerMeidmia der erngdaufenen Druekmikr^ien*

KaUerl. Akademie der Wmenschaflen in Wien:

Sitnmgiberiohte. Phüot.-hiBt. Klasse. Bd. 144. 1902. 8®. Abt I, Bd. 110, No. 8—10; Bd. 111, No. 1-3.

, IIa. , 111, , 1—4.

. IIb, . 110, , 10; Bd. 111, No. 1—8. 1901-02. 8*. Denkschriften. Philoa.-hist Klasse. Bd. 48. 1902. 49. Almanach. 61. Jabrg. 1901. 8®.

JC K, geologisehe EeicheanetaU in Wien:

Jahrbnch. Jahrg. 1901. Bd. 61, Heft 8. Verhandlangen 1902: No. 11—18; 1903: No. 1—8. 4^ Mitteilnngen der Erdbebeokommission. N. F. No. TX. 1902. 8^. Sfldarabische Expedition. Bd. 6. Teil 1. 1908. l^.

K. K, Oradmeseunge-Kommission in Wien: Astronomische Arbeiten. Bd. XII. 1900. 4P,

K. K. Oeeeüsehaft der Äergte in Wien: Wiener klinische Wochenschrift. 1908, No. 1—26. 4<^.

ZooHogisch-botanische OeedMutft in Wien:

Verhandlungen. Bd. 62, Heft 10; Bd. 68, Heft l-'4. 1902— <». 8>. Abhandlangen. Bd. II, Heft 2. 1908. 4*.

K. JT. müüär-geographiechee Instüut in Wien: Die astronomisch-geodfttische Arbeiten. Bd. XIX. 1902. 49.

K. K. naJturhietoriechee Eofmuseum in Wien: Annalen. Bd. XVII, No. 3. 4; Bd. XVm, No. 1. 1902-03. 4^.

Verein für Naesauische Altertumskunde etc. in Wieebaden:

Annalen. 33. Bd., Heft 1 1902. 1903. gr. 8^.

Mitteilungen 1902/08, No. 1—4. gr. 8^.

6. Jahresbericht der historischen Kommission für Nassau. 1902. 8^.

Historischer Verein von ünterfranken in Würgburg:

Archiv. Bd. 44. 1902. ^. Jahresbericht fOr 1901. 1902. 8^.

Antiquarische Gesellschaft in Zürich: Mitteilungen. Bd. XXVI, Heft 1. 1903. 49.

Naturforschende GeseHsdhaft in Zikrith:

Nei^ahrsblatt auf das Jahr 1908. 4®. Vierteljahrsschrift. 47. Jahrg., Heft 8. 4. 1908. 8^.

Schweizerische geologische Kommission in Zürich:

Beiträge cur geologischen Karte der Schweis. Karte: RoUier Ennrons de Montier,

, Belle lay Mahlberg, Layem mit Erl&uterungen. Bern 1902.

Schweizerisches Landeemuseum in Zürich:

Anzeiger Hlr Schweiserische Altertumsknnde. N. F. Bd. IV, No. 4. 1903. 4».

z

Verzeichnia der eingelaufenen Druckschriften, 23*

Von folgenden Privatpersonen:

Le Prince Albert de Monaco: R^ultate des campagnes acientifiqnes. Faic. XXII. Monaco 1902. gr. 4^

Chraf 8. S. Ahamelek-Laxarew in Moskau:

30 Jahre der Spezi alklassen des Lazarewski Institut für Orientalische Sprachen. Moskau 1903. 8^ (in russ. Sprache).

Buchhandlung Joh, Atnbrositu Barth in Leipsig:

Oskar Bau in Prag: Yersnche über die Verwendung pflanzlicher Stoffe.

Jena 1902. 8<>. Beiblatter zu den Annalen der Physik. Bd. 27, Heft 1—6. Leipzig 1903. 8^

Carl de Boor in Berlin: Excerpta de Legationibus. 2 Bde. Berolini 1903. ^,

Walther Nie, Clemm in Darmstadt:

Die Gallensteinkrankheit. Berlin 1908. 8^.

F, Czapek in Prag:

Unternehmungen tlber die Stickstoffgewinnung und Eiweissbildung der Schimmelpilze. No. II. III. Braunschweig 1902. 8^.

Arthur J. Evans in Oxford: The Palace of Enossos. Athen 1902. 4®.

Verlagsbuchhandiung Cfustav Fischer in Jena: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Bd. 18, No. 14—40. Jena 1903. 4^.

Bichard Forster in Wien: Die dritte Bewegung unserer Erde. Wien 1903. 8^

0. Franke in Berlin: Die Rechtsyerhältnisse am Grundeigentum in China. Leipzig 1903. 8^.

Albert Oaudry in Paris: Contribution & Thistoire des hommes fossiles. Paris 1908. 8^.

P. J. Qeorgievskij in Petersburg:

Bibliographie der russischen ökonomischen Literatur (in russ. Sprache). Heft 1. Petersburg 1903. B^.

3fm# Tw Godin in Ouise (Aisne): Le Devoir. Tom. 27 Janvier— Juin. 1903. Guise. 8®.

Ernst Haeckel in Jena: Kunstformen der Natur. Liefg. 8. Leipzig 1903. fol.

Carl Justi in Bonn: Diego Yelazquez und sein Jahrhundert. 2 Bde. Bonn 1908. 8^.

H, Kern in Utrecht:

Rämayana oudjavansch Heldendicht üitgegeven door H. Kern. s*Gra?en- hage 1900. 4^.

24^ yerMe%€hni» der dng€kmfen€H DruckB^rifien.

R, Kraus in Wien:

Cber die Bildung von Immunsabstanzen gegen dai LjasaTimi. Leipzig

1902. 80. Über den Nachweis Ton Schatutoffen gegen Hundswut beim Measchei.

Jena 1902. 8^.

Karl Krumhaeher in München: Byxantiniscbe ZeiUchrift. Bd. XII, 1. 2. Leipzig 1908. 8^.

Eduard Loetoenthai in Berlin:

Organische Neabildang und Regeneration oder die Biologie im LicbU der Falgoro-Qeneeis. Berlin 1903. 8^.

E, von Meyer in Dresden: Aas Justos Liebigs Lehr- und Wanderjahren. Leipsig 1903. 8^.

Middendorp in Groningen: Ätiologie de la Tnberkalose. Paris 1902. dP,

Gabriel Monod in Versailles: Kerne historiqne. Ann^e XXVIII, No. 1.

Frederiek Morgan Padelford in Washington:

EssajB on the Stndy and Use of Poetry bj Platarch and Basil ihe Grea. New-Tork 1902. 80.

Verlagsbuchhandlung Dietrich Beimer in Beriin:

Zeitschrift fflr afrikanische, oseanische und ostasiatische Sprachen. 6. Jahr- gang, 4. Heft Berlin 1902. 8^.

K. Schumann in Berlin: Monatsschrift für Kakteenkunde. Bd. XL XIL Nendamm 1901—02. 8*.

Verlag von Seitz dt Schauer in München: Deutsche Praxis. 1903, No. 2—12. München. 80.

B. Q. Teubner in Leipzig:

Archiv der Mathematik und Physik. III. Reihe, 4. Bd., 3. and i Heft;

6. Bd., 1. bis 4. Heft. Leipsig und Berlin 1903. 8^. Encyklop&die der mathematischen Wissenschaften. Bd. III, 2, Heft 1;

Bd. IV, 2, Heft 2; Bd. V, 1, Heft 1. Leipzig 1903. 8«. Thesaurus linguae latinae. Vol. 2, fasc. 6. Lipsiae 1903. 4^.

Otto Wälkhoff in München: Menschenaffen. Liefrg. IV. Wiesbaden 190S. 4^.

E, V. Wölfflin in München: Archiv für lateinische Lexikographie. Bd. XIII, 2. Leipsig 1903. Bf^.

25*

Verzeiehnis der eingelaufenen Dracksehriflen

Juli biB Dezember 1908.

Die T6r«hrUeh6ii Ctoaellseluiften und Institut«, mit welchen unsere Akademie in Tauaehrerkebr etekt, werden gebeten, nAebetehendes Yeneicbttis sugleich ela Empiknga- bestltignng so betrsebten.

Von folgenden Oesellsehafton und Instf taten:

üniveraity of Aberdeen: Stodies. No. 6. 7. 1902. 40.

Boyai Society of South- ÄustraUa in Adelaide: Transactions. Vol. 27, part 1. 1903. 8<^.

Sadslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:

Ljetopia. 1902. 190?. 8^ Rad. Vol. 152. 1908. 8<^. Zbornik. Bd. Vm, 1. 1908. 80.

K. kroat.'Slavon.'daimatinisches Landesarchiv in Agram: VjestDik. Bd. V, Heft 4. 1903. 4^

Aeadimie des Sciences in Aix: M^moires. Tom. 18. 1902. S^.

AÜegheny Observatory in Allegheny: Miflcellaneous scientific Papers. N. 8. No. 11—14. 1908. 8^.

Sociiti des Antiquaires de Picardie in Amiens:

Bolletin. Ann^e 1901, No. 4; 1902, No. 1-4; 1908, No. 1. 1902-03. 80.

K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:

Verhandelingen. Afd. Nataurkande. Deel VIII, No. 8—5, Deal IX, No. 4—9.

1908. 4^. Verhandelingen. Afd. Letterkunde. N.Reeks, DeellV, 1; V,l— 8. 1903. 4^. Zittingsverslagen. Afd. Natnurkunde. Teil XI, 1. 2. 1902—03. 8^. Verslagen en Mededeelingen. Afd. Letterkunde. Reeks, Deel V. Jaarboek voor 1902. 1908. S^, Feriae aestivae. Carmen. 1908. 8^.

Historischer Verein für Schwaben und Neuburg in Augsburg: Zeiteehrift. 29. Jahrgang. 1908. 8<^.

8

26"^ Veneidmia der eingdaufen^n Druekithriften.

Johna Hophins Universüy in Baltimare:

Circalars. Vol. 22, No. 168. 164. 1908. 49,

Bulletin of the Johna Hopkint Hospital. Vol. 14, No. 147—152. 1903. 4^

Peapody Institute in Baltimore: 86^ annaal Report, Jane 1. 1908. &^.

Kgl, Bibliotheh in Bamberg: Katalog der Handichriften. Bd. 1, Abt. 1, Lief. 8. 1903. 8®.

Historischer Verein in Bamberg: 61. Bericht f. d. Jahr 1902. 1908. 8<>.

Historisch-antiquarische Gesellschaft in Basel: Basler Zeitschrift für Geschichte. Bd. III, Heft 1. 1908. €fi.

Üniversitätsbibliotheh in Basel: Schriften der Universität aas dem Jahre 1902 8 in 4^ a. 8^.

Bataviaasch Genootschap van Künsten en Wetensdiappen in Batavia:

Tijdschrift. Deel 46, aH. 2 -5. 1903. S^.

totalen. Deel 40, afl. 4; Deel 41, afl. 1. 1908. S^.

Dagh-Register gehoaden int Gast eel Batavia. Anno 1644—45, 1676.

1903. 40. Proeve eener Ned.-Indische Bibliographie 1659— 1870. Suppl.II. 1903. 4^.

Observatory in Batavia: Observation!. Vol. XXIV, 1901. 1903. fol.

Kgl, natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie zu Batavia: Natuurkundig Tijdschrift. Deel 62. Weltevreden 1903. 8^.

K Serhiscfie Akademie der Wissenschaften in Belgrad:

Glas. No. 65. 66. 1903. S^.

Spomenik. No. XXXIX. XL. 1903. 4fi,

Godiscbniak. XV, 1901; XVI, 1902. 80.

Sbornik. Bd. 2. 1903. 8*.

Srpske etnografski Sbornik. Bd. V mit einem Atlas. 1908 in 09 (resp. 4^).

Mtiseum in Bergen (Norwegen): Aarbog far 1902, Heft 1 a. 2. 1908. 8^.

üniversity of California in Berkeley: Schriften aas d. Jahre 1902—08.

K. preuss. Akademie der Wissenschaften in Berlin:

Sitzangsberichte. 1903, No. XXV— XL. gr. 8®. Inscriptiones graecae. Vol. XII, fasc. V, pars 1. 1903. fol.

K, geolog, Landesanstalt und Bergakademie in Berlin:

Abhandlungen. N. F., Heft 18, No. 38 nebst Atlas »u No. 88. 1908. Abbildungen und Beschreibungen fossiler Pflanzen. Liefg. 1. 1908. 4*.

Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin: Berichte. 36. Jahrg,, No. 10—17. 1908. 8*.

Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin: Zeitschrift. Bd. 55, Heft 1. 2. 1908. 8».

Vereeichnis der eingelaufenen Druchsehriften. 27*

Deutsche physikcHiscke Oesellsehaft in Berlin:

Die Fortschritte der Physik im Jahre 1902. 8 Teile. Brannschweig 1903. 8<^. Verhandlangen. Jahrg. Y, No. 12-28. 1908. 8^.

Phyeiölogisciu Qeselhehaft in Berlin:

Zentralblatt för Physiologie. Vol. XVII, No. 7—10. 12—19. 1908. S^. Verhandlungen. Jahrg. 1902/03, No. 10— U. 1903. 8®.

Kaiserlich deiUsches arehäohgisehes Institut in Berlin: Jahrhuch. Bd. XVIII, Heft 2 u. 8. 1908. 4«.

K, preuss, geodätisches Institut in Berlin: Veröffentlichnng. N. F., No. 18. Potsdam 1903. 8^.

K. preuss. meteorologisches Institut in Berlin:

Denteches meteorologisches Jahrbach für 1902. Heft 1. Preaisen und

benachbarte Staaten. 1903. 4^. Regenkarte der Provinzen Hessen-Nassaa and Rheinland. 1908. 8®. Bericht Ober das Jahr 1902. 1903. 8^. Ergebnisse der Gewitterbeobachtungen im Jahre 1898—1900 von R. Süring.

1908. 40. Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtungen in den Jahren 1899 a. 1900.

1908. 40. Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen. II, u. III. Ordnung im

Jahre 1898. 1908. 4^ Bericht des Internationalen meteorologischen Komitees. Versammlung zu

St Petersburg 1899. 1900.

Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik in Berlin: Jahrbach. Bd. 82, Heft 1 a. 2. 1908. 8^

Physikalrtechn, BeicJhsanstait in Berlin: Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. IV, Heft 1. 1904. 4^.

Verein eur Beförderung des Gartenbaues in den preuss, Staaten

in Berlin:

Gartenflora; Jahrg. 1908, Heft 13—24. 1903. gr. 8«.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:

Forschungen zar Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XVI, 2. Hälfte. Leipzig 1903. 8^.

Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin: Zeitschrift. 23. Jahrg., 1908, Heft 7-11. 4«.

Allgemeine gesehichts forschende Gesellschaft der Schweiz in Bern: Jahrbach für Schweizerische Geschichte. 28. Bd. Zürich 1908. 8^.

Historischer Verein in Bern: Archiv. Bd. XVII, Heft 1. 1903. 8«.

Natural History and PhÜosophicdl Society in Birmingham: Proceedings. Vol. XI, part 2. 1902. 8<'.

Foreign Parcel Department in Bombay: Tibetan English Dictionary by Sarat Chandra Da?. Calcaita 1002. 4<^.

3*

28* VerMeUhma der eingdaufenen Druekädiriften,

UmoerMH in Botm: Sohriften ans dem Jahre 1902/08 in 4^ a. 8<^.

Verein von Ältertumsfreunden im Bheifäande in Bonn: Bonner Jahrbflcher. Heft HO. 1908. 4^

SodiU des sciences physiques et naturelles in Bordeaux:

Proc^-yerbaax des Sdances. Annde 1901—02. Parii 1902. 8^. M^moiret. 6* S^rie, Tom II, cahier 1. Paris 1903. 8°. Obaervationa pluTiom^triques 1902. 8^.

SoeOti Linnienne in Bordeaux: Actes. No. 57. 1902. &^.

SocOti de giographie eommerciale in Bordeaux: Bulletin. 1908, No. 18—24. 8<^.

American Äeademg of Arte and Sciences in Boston: Proceedings. Vol. 88, No. 26—80; Vol. 89, No. 1—8. 1903. 69.

Boston Society of natural History in Boston:

Proceedings. Vol. 80, No. 8— 7; Vol. 31, No. 1. 1902—08. 8*. Memoirs. Vol. 5, No. 8. 9.

Meteorologisches Observatorium in Bremen:

Deutsches meteorolof^isches Jahrbuch fQr 1902. Freie Hansestadt BremeiL Jahrg. XIII. 1903. 40.

ScMesische Gesellschaft für vaterländische Kultur in Breslau: 80. Jahresbericht für 1902. 1908. 8^.

Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens

in Brunft: ZeiUchrift VII. Jahrg., Heft 8. 4. 1908. gr. 8^.

Mährisches Landesmuseum in Brunn: Zeitschrift. Bd. 111, 1. 2. 1908. 8<>. Casopis. Vol. III, 1. 2. 1908, 8*.

Acadimie Boyäle de nUdeeine in Brüssel:

M^moires couronnäs. Tom. 18, fasc. 8 6. 1908. 8®. Bulletin. IV. S^rie, Tom. 17, No. 6—10. 1908. 8^.

Acadlmie Boyale des sciences in Brüssel:

Mdmoires couronnds in 4^. Tom. 61, Tom. 62, fasc. 3. 4. MtSraoires couronn^ä in 8^ Tom. 63, fasc. 4—7. 1908. 8®. Bulletin, a) Clasie des lettres 1908, No. 6—10. 8®.

b) Classe des sciences 1908, No. 6—10. 8®. Chartas du Chapitre de Sainte-Wandru de Mons. Tom. 2. 1908. 4®-

Jardin botanique de Vitat in Brikssel: Bulletin. Vol. I, fasc. 4. 1903. 8**.

Societe beige d'asironomie in Brüssd: Bulletin. VIII« ann^e, No. 9-11. 1903. 8«.

Sodäi des Bollandistes in Brüssel: AnalecU Bollandiana. Tom. XXII, fasc. 8. 4. 1903. 8^.

Vergeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 29*

SociitS beige de gMogie in Brüssel: BoUetin. XVII« ann^e, Tom. 17, fasc. 8. 4. 1908. e9.

Sociiti Boyäle malacdlogique de Belgique in Brüssel: Annales. Tom. 37, annöe 1902. 1903. 8<^.

K, ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:

Almanach. 1908. ^,

Njelytudomänji EGzlem^nyek. (Sprachwissenschaftliche Mitteilangen.)

Tom. XXII, 2—4; XXIII, 1. 1902—03. 89. Öorpns statutomm Hungariae Municipalium. Vol. V, 1. 1902. 8®. Archaeologiai ^rtekez^sek. (Archftolog. Anzeiger.) Nene Folge. Bd. XXII,

4. 6; Bd. XXIII, 1. 2. 1902—08. 4P. Tanadalmi Ertekezäsek. (Staatswissenschaftl. Abhandinngen.) Bd. XII,

8. 9. 1903. 8*. Nyelvtndom&nyi ^rtekez^sek. (Sprachwissenschaftliche Abhandinngen.)

Tom. XVIII, No. 1—5. 1902-03. 8«. Magyarorszagi tanulök külfbldön. (ungarische Studierende im Aasland.)

1902. 80. Monumenta Hnngariae historica, Sectio I, Vol. 31. 1903. 8®. Mathematikai Ertesitö. (Mathemat. Anzeiger.) XX, 3—6; XXI, 1. 2.

1902—03. 80. Mathematische and natnrwissenscbaftl. Berichte ans Ungarn. Bd. 18.

Leipzig 1903. 8«. Rapport. 1902. 8^.

Munkäcsi B., Vognl ndpköltesi giijtem^nj. 1902. 8^. Goldziher J., baddhismas hat&sa. 1908. 8®.

K. Ungar, geologische Anstalt in Budapest:

Földtani Közlöny. Bd. XXIII, Heft 6—9. 1903. gr. 8^ Alezander ▼. Kalecsinssky, Die Mineralkohlen. 1903. gr. 8^.

Statistisches Bureau der Haupt- und Besidemstadt Budapest: Publikationen. Vol. XXXII; XXXIII, I, 1; XXXVI. 1902-03. 4».

Ministerio de agricultura in Buenos Aires: Glima de la Republica Argentina. 1902. fol.

Museo nadonaA in Buenos Aires: Anales. III. Serie, Tom. I, 2. 1902. 4^.

Deutsche akademische Vereinigung in Buenos Aires: Veröffentlichungen. Bd. I, Heft 7. 1903. 80.

Botanischer Garten in Buitenzoorg (Java):

Mededeelingen. No. LXI, LXIV, LXV. Batavia 1903. 4«. Bulletin. No. 17. 1903. 4».

Academia Bomana in Bukarest:

Analele. Ser. II, Tom. 24. 1901—02 sectiunii istorice.

« , 9 26. 1902—08 sectiunii Literare.

. , , 24.25. 1901— 03 sectiunii scintifice. 1902-03. 4». Istoriile lu6 Erodot, traducere romänä de Dimitrie Jon Ghica. Vol. 4,

1902. 80. Discursuri de receptiune. XXV. 1908. 40.

30* Verzeichnis der eingelaufenen BruckschrifUn.

Bumänischea meteorohgischea Institut in Bukarest:

Analele. Tom. XVI, anal 1900. 1903. 4^.

Index des publications de Tlnstitut m^tdorologiqne de Romanie. 1903. 8®.

Sociiti Linnienne de Normandie in Caen: Bulletin. 5* S^rie, Vol. 5, ann^e 1902. 1903. 8^.

Meteorologiccd Department of the Government of India in Caleutta:

Monthly Weather Re?iew 1903. Januray June und Summary Report

zu 1902. 1903. fol. Indian Meteorolofifical Memoire. Vol. XIV; XV, 1.2; XVI. 1. 1902—03. fol. Report on tbe Administration in 1902/03. 1903. fol. Memorandum on the meteorological Gonditions prevailing in the Indian

Monsoon Region. 1903. Simla 1903. fol.

Äsiatic Society of Bengdl in CdlctUta:

Bibliotheca Indica. New. Ser., No. 1036—1048. 1903. 8®. Journal. No. 402. 407—09. Hertford 1902-03. 8®. Proceedings. 1902, No. XI; 1903, No. I— V. 1903. 8^

Harvard College in Cambridge, Mass,: Harvard Oriental Series. Vol. IV. 1901. 8®.

Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge, Mass.: Bulletin. Vol. 39, No. 6. 7; Vol. 40, No. 7 und Vol. 42, No. 2—4. 1903.

Astronomical Ohservatory of Harvard College in Cambridge, Mass.:

Annais. Vol. 48, No. 3. 4. 1903. 4^. Circulars. No. 51— 71. 1900—03. 4».

PhilosophicoLl Society in Cambridge:

List of Fellows. August 1903. 8°. Proceedings. Vol. 12, part 1. 1903. 8<>.

Geological Commission, Colony of the Cape of Good Hope in Cape Town: Annual Report for 1901. 1902. 1902—08. 4«.

Äccademia Gioenia di scienze naturcdi in Catania: Bollettino mensile. Nuova Ser., iasc. 77. 78. 1908. 8^.

K, sächsisches meteorologisches Institut in Chemnitz:

Dekaden-Monatsberichte. Jahrg. V, 1902. 1903. 4P. Das Klima des Königreiches Sachsen. Heft VII. 1903. 4^. Jahrbuch. Jahrg. XVII, 1899, IL Abteilung. 1902. 4». Abhandlungen. Kritische Bearbeitung der Luftdruckmessungen im König- reich Sachsen 1866—1900. 1903. 4^.

Field Columbian Museum in Chicago: Publications. No. 69— 74. 76. 1903. 8».

Zeitschrift y,AstrophysicaJ> Journal'' in Chicago: Vol. 18, No. 1—6. 1903. gr. 8^.

Gesellschaft der Wissenschaften in Christiania:

Forhandlingar for 1902. 8<>.

Skrifter. I. Mathem.-naturwiss. Klasse 1902.

II. Histor.-filos. Klasse 1902. 1908. 4^.

Vereekhnis der eingelaufenen Druekeehriften, 31*

K, Nonoegieeke UniverHtät in Christiania:

J. Fr. Schroeter, üntersuchaDg Aber die Eigenbewegung von Sternen. 1908. gr. 40.

ümversity of Gincinnati in Cincinnati: BuUetin. No. 1. 8. 7. 14. 1900—02. 8».

Ärchaeological Inatitute of America in Cleveland, Ohio: American Journal ofArcbaeology. II. Ser., Vol. VII, No. 2. Norwoodl908. 8^.

Äcademia naeional de ciencias in Cordoba (BepMic Argentinien): Boletin. Tom. XVII, 8. Baenoa Aires 1908. 8^.

Westpreuasischer GesehidfUsverein in Danzig: Mitteüongen. Jahrg. II, No. 8. 4. 1908. 8^.

Kaiserl. Gouvernement von Deutseh-Oetafrika in Dar^eS'Sälam:

Berichte über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch-Ostafrika. Bd. 1, Heft 6. Heidelberg 1908. 8^.

Colorado Scientific Society in Denver ^ Colorado: Proceedings. Vol. 7, p. 85—188. 1908. 8®.

Verein für Änhaltische Geschichte in Dessau: Mitteilungen. Bd. IX, 6. 1908. 8^.

Union giographique du N&rd de la JFVance in Douai: Bulletin. Tom. XXIV, 1; Tom. XXV, 2. 4. 1908. S^.

K. sächsischer Ältertumsverein in Dresden: Neues Archiv für sächsische Geschichte. Bd. XXIV. 1903. 8^.

Boy dl Irish Äcademy in Dublin:

Proceedings. Ser. III, Vol. 24, Sect. A, part 2; Vol. 24, Sect. B, part8;

Vol. 24, Sect. C, part 8. 1908. 8«. Transactions. Vol. XXXII, parte, Sect. A; part 1, Sect. G. 1908. 4^.

American Chemical Society in Easton, Pa,: The Journal. Vol. XXV, No. 6— H u. Suppl. zu No. 9. 1903. 8®.

Boy cd Society in Edinburgh: Proceedings. Vol. XXIV, No. 6. 1908. 8<>.

Geologicäl Society in Edinburgh: Transactions. Vol. VIII, part II u. Spezial-Part. 1908. 8^.

Boyal Physicäl Society in Edinburgh: Proceedings. Session 1901—02. 1908. 8«.

Verein für Geschichte der Chrafschaft Mansfeld in Eisleben: Mansfelder Blätter. Jahrg. VIL 1903. 8».

Naturforschende Gesellschaft in Emden: 87. Jahresbericht für 1901/02. 1903. 8^.

K, Universitätsbibliothek in Erlangen: Schriften aus d. J. 1902/08 in 4* u. 8^

32* VergeidmU der eim^daufenen Druckickriftem.

Beate Äeeademia dei Choffoßi in Hörens: Atii. 8er. iV, VoL XXYI, disp. 8. 1908. 8^.

R, Isiituto di studi superiori in Florens:

Theodori Ducae Lascari« Epistnlae CCXVII ed. Nie Festa. 1898. 4* Ferd. Livini, Intorno alla strattiira della trachaea. 1897. 4®. Oreste Maitirolo, Cenni cronologici engli orti botanici di Firenie. 1899. 4^ Q. Galeotti e 0. PolTerini, 8ai primi 176 caii de pesie bubonica in Bom- bay 1898. 40.

Societä Asiatica Italiana in Flarens: Giornale. Vol. XVI, 1. RomaFirense 1908. 8<^.

Verein für GeeehieKte und Altertumskunde in Frankfurt a/M.: FesUchrift zar Feier de« 25 jährigen hiatorischen Mntenms. 19(fö. 4*.

Naturwissensehaftlieher Verein in Frankfurt a. O,: Helios. 20. Bd. Berlin 1908. B^.

Naturforschende OeseUschaft in Freiburg t. Br,: Berichte. Bd. 18. 1908. 8«.

Universität in Freiburg i. Br,: Schriften aus d. J. 1902—03 in A^ o. 8<>.

Universität Freiburg in der Schweiz: G. Michaut, Sainte-Beuve avant les «Lündis*. 1908. 8^.

Comiti der Graebe-Feier in Genf: Graebe-Feier, Kassel 20. Sept. 1908. 8^

Universität in Genf: Schriften ans d. J. 1902-03 in 4" u. 8^.

Sociiti d'histoire et ^arehMogie in Genf: Bulletin. Tom. II, a 1908. 8^.

Universität in Giessen: Schriften aus d. J. 1902—08 in 4^ n. 8<>.

K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:

Göttingische gelehrte Anzeigen. 1908, No.7— 12 (Jnli-Dez.). Berlin gr. 8^. Abhandlungen. N. F.

a) PhiloI.-hiit. Klasse. Bd. VII, No. 1—3. Berlin 1908. 4^

b) Mathem.-phys. Klasse. Bd. II. No. 4. Berlin 1903. 4* Nachrichten, a) Philol.-hist. Klasse. 1903. Heft 4. 5. 4^

b) Math.-physikal. Klasse. Heft 3-6. 4».

c) Geschäftliche Mitteilungen. 1903, Heil 1. 49. Karl Friedrich Gauss* Werke. Bd. IX. Leipzig 1903. 4<^.

Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark in Chras: Mitteilungen. Jahrg. 1902, Heft 89. 1903. 8®.

K, Instituut voor de Taal-, Land- en VoHkenkunde van Nederiandsch Indie

im Haag:

Bijdragen. X. Reeks, Deel I, afl. 4. 1903. ^.

VerMekJmis der eingdaufenen Druekat^iriften, 33*

Teyler'a OenooUekap in Haarlem: Archives dn Mua^e Teyler. S^r. II, Vol. VUI, No. 8. 1908. 4P.

SocUU HüUandaise des Sciences in Haarlem:

Archivea N^erlandaiaea des Bciencei ezacte«. S^iie II, Tom. 8, livr. 8. 4

et 5. La Haje 1903. B®. Natarknndige Verhandelingen. III^« Venameling. Deel V, atnk 3. 1903. 4<'.

Historischer Verein f. Württemb. Franken in Schwabisch-Hatt: Wtirttembergisch Franken. Neue Folge, VIII. 1903. 8^.

Kaiserl. Leopoldiniseh'Carolinische DetUsche Akademie der Naturforscher

in Halle:

Leopoldina. Heft 89, No. 6— 11. 1908. 4^.

Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle: Zeitschrift. Bd. 67, Heft 8. Leipzig 1903. 8^.

Universität Halle: Schriften ans d. J. 1902/08 in 4<^ n. 8®.

Naturwissenschaftilieher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle:

Zeitschrift ftlr Natnrwissenschaften. 76. Bd., Heft 4—6; 76. Bd., Heft 1. 2. Stattgart 1908. BP.

Thüringisch-sächsischer Verein eur Erforschung des vaterländischen

Altertums in Halle:

Nene Mitteilungen. Bd. XXI, 3. 1908. 8^.

Deutsche Seewarte in Hamburg: 26. Jahresbericht f. d. J. 1902. 8^^.

Verein für Hamburgische Geschichte in Hamburg: Zeitschrift. Bd. XI, 8. 1908. 8«.

Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg: Abhandlangen. Bd. XVIIL 1903. 4^.

Historiseher Verein für Niedersachsen in Hannover: ZeitMhrift. Jahr 1908, Heft 1—8. 1903. 8^.

Ghrossherzogl, Sternwarte in Heidelberg:

Mitteilungen. II. Karlsruhe 1903. 8^. Veröffentlichungen. Bd. IL 1908. 4».

Universität Heidelberg: Schriften der Universität aus dem Jahre 1902—08 in 4^ u. 8^.

Historischrphüosophischer Verein in Heidelberg:

Die deutschen Pfälser Handschriften des XVI. u. XVU. Jahrhunderts von Jakob Wille. 1908. 4^.

Geschäftsführender Ausschuss der Eeichslimeskommission in Heidelberg: Der Obergeimanisch-Raetische Limes des R^Smerreiohes. Lief. 19. 1908. 4^«

Universität HeUingfors: Schriften ans dem Jahre 1902/03 in 4^ u. 8^.

34* Vergeidmis der eingelaufenen Druckschriften,

Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstctdt : Jahresbericht für daa Jahr 1902. 1908. 8^.

Verein für Sachsen- Meiningisehe GeschiehU in HÜdburghausen: Schriften. 46 Heft. 1908. 8».

Ungarischer Karpathen- Verein in Iglö: Jahrbach. 80. Jahrg. 1903. 8^.

Ferdinandeum in Innsbmck: Zeitschrift. 8. Folge, Heft 47. 1903. S^.

Journal of Physical Chemistry in Ithaca, N,Y,: The Journal. Vol. 7, No. 6-8. 1903. 8».

üniversitS de Jassy: Annales scientifiques. Tom. II, fasc. 8. 4. 1903. 8^.

Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena: Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. 88, Heft 1. 2. 1903. 8*^.

Gelehrte Estnische Gesellschaft in Jurjew (Dorpai): Sitzungsberichte 1902. Jurjew 1908. 8^.

Badische historische Kommission in Karlsruhe:

Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, Heft 8. 4.

Heidelberg 1908. 80. Neujahrsblätter 1904. Heidelberg 1904. 8^.

Zenträlhureau für Meteorologie etc, in Karlsruhe: Jahresbericht für das Jahr 1902. 1908. 4».

Grossherzoglich technische Hochschule in Karlsruhe: Schriften aus dem Jahre 1901—02.

Naturwissenschaftlicher Verein in Karlsruhe: Verhandlungen. 16. Bd., 1902—03. 1908. S^'.

SocietS physico-mathimatique in Kasan: Bulletin. IL S^rie, Tom. XH, No. 2. 4; Tom. XIII, No. 1. 2. 1902. 80.

Universität Kasan:

Utschenia Sapiski. Bd. 70, No. 6—11. 1908. 8«. Drei Dissertationen. 1902. 8^.

Universiti Imperiale in Kharkow: Annales 1908, fasc. 2. 8. 8^.

Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere in Kiel:

Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen. N. F. Bd. VH, Abteiig. Kiel; Bd. VIII, Ergänz.-Heft, Abteiig. Kiel. 1908. 4«.

Universität in Kiew: Iswestija. Bd. 48, No. 6—9. 1903. 8».

Naturhistorisches LandesmMeum in Klagenfurt: Carinthia II. 93. Jahrg., No. 8—6. 8^.

Verßeichnia der eingelaufenen Druckeehriften. 35"**

PhysikdUseh-öhonomische OeseUsehaft in Königsberg: Schriften. 48. Jahrgang. 1902. 4^.

ünwereität in Königeberg: Schriften ans dem Jahre 1901—02 in 4^ a. 8^.

K, Umversitäte-Stemwarte in Königeberg: Astronomische Beobachtungen. 41. Abteilang. 1903. 4^.

K. Akademie der Wieeeneehaften in Kopenhagen: Oversigt. 1903, No. 2—6. 1908. 8«. M^moires. Section des sciences. Serie VI, Tom. XI, No. 6 n. 6, Tom. XII,

No. 3. 1908. 4«. Dansk Staaisforvaltning of William Christensen. 1908. 8P.

OeseUsehaft für nordische Ältertutnskunde in Kopenhagen:

Nordiske Fortidsminder. Heft 6 a. 6. 1908. 4^ Aarböger. II. Raekke, Bd. XVII. 1902. 99, M^moires. Nonv. S^r. 1902. S^,

Conseü permanent international potir Vexploration de la mer

in Kopenhagen:

Bulletin. Annde 1902—03, No. 1—4. 1908. 4«. Pablications de circonstance. No. 1 7. 1903. 8^. R-apports et Proc^verbaux des reunions. Vol. I. 1908. 4^.

Akademie der Wissenschaften in Kräkau:

Katalog literatury nankowej polskiej. Tom. 2, Heft 4, 1902; Tom. 8,

Heft 1. 1908. 1908. 8«. Anzeiger. Mai- Juli. Rozprawy historjczne. Tom. 44 (= II. Serie, Tom. 19). 1908. d9,

, filologizne. Tom. 84, No. 87. 1902—03.

,. matemat-przyrod. Tora. 42 A n. B. 1902. 8®.

Biblioteka pisarzow polskich. No. 42—46. 1908. 8®. Materyaly antropolog.-archeolog. Tom. VI. 1903. 8**. Atlas geologiczny Galicyi. Zeszut XIV mit Karten. 1903. bezw. fol. Sprawozdanie komisyi bist, sztaki. Tom. VII, 3. 1908. 4^. Federowski, Lud bialoruski. Vol. 3. 1903. 8^. Prace komisyi jezyk. Tom. I, 2; II, 1. 1903. ^. Archiwum komisyi histor. Tom. IX. 1902. 8^.

Historischer Verein in Landshttt: Verhandlungen. 89. Bd. 1903. 8^.

Soditi Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne: Bulletin. IV. S^rie, Vol. 89, No. 147. 1903. 8^

KansM University in Lawrence, Kansas: Bulletin (Science). Vol. I, No. 6—12. 1902. 8^.

K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:

Abhandlungen der philol. -bist. Klasse. Bd. XXI, 8 ; XXII, 2. 3. 1908. 4^

, math.-physik. Klasse. Bd. XXVIII, 4. 5. 1908. 4«. Berichte der math.-physik. Klasse. Bd. 66, No. 3—6. 1908. 8^.

Verein für Erdkunde in Leipgig: Mitteilungen 1902. 1903. S''.

>i

36'*' Vergeithnii der eingdaurfenen Druekschrißen,

UnivergiU de lARe: Tableanx des conrs de Tann^e 1908—04. 1908. 8^.

Museum Frandeeo-Garolinum in Lins: 61. Jahresbericht 1908. 8^.

Soeiedade de geograpfna in Lissabon: Boletim. 20. Särie 1902, No. 1—6; 21. S^rie 1908, No. 4—7. 8«.

ZeUsehfift „La Cell%Ue" in Loewen: La Gellnle. Tome XX, 2. 1908. 4^.

Royal Institution of Chreat Britain in London: Proceedings. Vol. XVII, 1. 1908. 8^.

Nationai Physieai Laboraiory in London: Report for the yeart 1901 and 1902. 1902—08. 6<>.

The English Historieal Beview in London: Historical Reriew. Vol. XVIII, No. 71 Jnly, No. 72 October. 1903. 8*.

Boydl Society in London:

Proceeding«. Vol. 72. No. 477—486. 1908. 8».

Reports of the sleeping aickneaa Commission. No. I IV. 1908. 8®.

Report to the Goyernment of Ceylon on the Pearl Oyster Fiacheries of

the Gulf of Manaar. By W. A. Herdman. 1908. 4t^. Philoaophical Transactions. Series A, Vol. 201. 1908. 40. Report to the Malaria Committee. VIII^ Series.

J{. Ästronomieal Society in London:

Monthly Noticee. Vol. 68, No. 8, No. 9 (Sapplementary No.}; Vol. 64, No. 1. 1908. 8».

Chemical Society in London:

Jonmal. No. 488— 494. 1908. 8<>. Proceedingi. Vol. 19, No. 269—278. 1908. 8^.

Linnean Society in London:

Proceedings. 116*^ Session, Not. 1902 to Jone 1908. 8^

The Jonmal. a) Botany. Vol. 85, No. 246. 247; Vol. 86, No. 251. 252.

b) Zoology. Vol. 29, No. 187. 188. 1908. 8«. The Transactions. II. Ser. Botany, Vol. VI, part 6; Zoology, Vol. VIII,

part II. 12, Vol. IX, part 1. 2. 1908. 8<>. List of Fellows. 1908—04. 1908. BP.

Medical and chirurgical Society in London: Medico-chirargical Transactions. Vol. 86. 1908. 8®.

E. Microscopieäl Society in London: Journal 1903, part 4—6. 8®.

Zoologicäl Society in London:

Proceedingfl. 1908, Vol. I, part 1. 2. 8®.

Transactions. Vol. XVI, part 8; Vol. XVII, part 1. 2. 1908. 4«.

Zeitschrift „Nature'' in London: Nature. No. 1768—1784. 4^.

VerMeidmis der eingelaufenen Drueksthriflen. 37*

SociSii giohgique de Belgique in LiUtieh:

Aonalea. Tom. XXV bis livr. 2; Tom. XXIX, livr. 4; Tom. XXX, lifr. 1. 1901—08. 80.

Historischer Verein der fünf Orte wt Liuiern: Der Oeschichtafreond. Bd. 68. Stana 1903. 8^.

Universiti in Lyon:

Annales. Nony. S^r., l. Sciences, fasc. 11. 1903. 8^. Catalogue sommaire du Mus^e de Moulages. 1908. 8^.

Wisconsin Geologicdl and Natural History Survey in Madison: Bulletin. No. VIII. 1902. 80.

B. Äcademia de deneias exaetas in Madrid:

Memorias. Tom. X VIII, parte 1; Tom. XX, XXI. 1897—1908. 40 Anuario. 1908. 8^.

B, Äcademia de la historia in Madrid: Boletin. Tom. 48, cnad. 1—6. 1908. 8^.

B, Istituto Lomhardo di seiente in Mailand:

Rendiconti. Ser. II, Vol. 86, fasc. 9—16. 1903. 8^.

Memorie. Classe di scienze matematiche. Vol. 19, fasc. 9; Vol. 20, fasc. 1.

1908. 40. Atti della fondazione Ca^^ola. Vol. 18. 1908. 8®.

B. Osservaiorio di Brera in Mailand: Pablicazioni. No. XLII. 1902. fol.

Societa Italiana di scienze naturali in Mailand: Atti. Vol. 42, fasc. 2. 3. 1903. 8^.

Societa Storica Lombarda in Mailand: Archivio Storico Lombardo. Ser. III, Anno 30, fasc. 38. 89. 190 8^.

Böm,-german, Zenträlmuseum in Mainz: Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens. 1902. 4^.

Liter ary and phHosophicai Society in Manchester: Memoirs and Proceedings. Vol. 47, pari 6. 6. 1903. 8^.

Altertumsverein in Mannheim:

Mannheimer Geschichtsblätter. 4. Jahrg. 1903, No. 2—12; 5. Jahrg. 1904,

No. 1. 49, Forschungen zurGeschichte Mannheims und der Pfalz. IV. Leipzig 1903. 8®.

Universität in Marburg: Schriften aus dem Jahre 1901—02 in 4^ u. 8^.

Faculti des sciences in Marseille: Annalea. Tom. XIII. Paria 1903. 40

Hennebergischer altertumsforschender Verein in Meiningen: Neue Beiträge zur Geschichte deutachen Altertums. Heft 18. 1903. 4^,

Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen: Jahresbericht für das Jahr 1902/03. 1903. 4^.

38*

Ver£€idmi$ der eingelaufene Dmekedmflen.

Boyal Society of Victoria in Mdboume: ProceedingB. N. Sar., VoL XVI, part 1. 1908.

GeseUsehaft für lothringische Geschichte in Metz: Jahrbuch. XIV. Jahrg. 1902. 49.

Observatorio meteorotögico-magnitico central in Mexico: Boletin menraal. Met de Febraro 1902. fol.

Begia Äccademia di seienee lettere ed arti in Modena: Memorie. Serie m, Vol. 4. 1902. i^.

Museum ocianographique de Monaco:

R^altats des campagnes •cieniifiqnea, fasc. XIII. XIV et Carte bathr- mätriqoe. 1908. gr. 8^.

Museo nadonal in Montevideo: Annales. Tom. IV. 1908. 4^ Flora ürugaaya. Tomo 2 (pag. I— XLVIII 1 - 160). 1903. 4«.

Aeadhnie de seiences et lettres in Montpellier: Memoire«. Section de m^decine. S^rie, Tom. 2, Ko. 1. 1903. 09.

Ohservatoire nUtiorologique et magnitique de V Universite Imp. in Moskau: Observation! faites Man— D^. 1901. 1908. 4^^.

Lazarevsehes Institut für Orientalisehe Sprachen in Moskau: Tnidy. Heft 18. 1902. B«.

SocUti ImpMale des Naturcdistes in Moskau: Balletin. Ann^ 1902, No. 4. 1903. 8^.

Mathematische Gesellschaft in Moskau: Matematitacheskij Sbomik. Bd. XXIV, 1. 1908. ^.

Lick Ohscrcatory in Mount Hamilton, California: Bulletin. 1908, No. 37. 41—46, 47-49. 4«.

Statistisches Amt der Stadt München:

Münchener statistische Jahresübersichten für 1902. 1908. 4^. Verzeichnis der Flächeninhalte der Bach- n. FloMgebiete. Heft 2. 1903. 4®. Atlas der bayerischen Flusagebiete. 2 Karten. 1902—03.

Hydrotechnisches Bureau in München:

Jahrbuch. IV. Jahtg., Heft IV, Teil 2 (1902); V. Jahrg., Heft II u. III (1903). 40.

Generaldirektion der K, S, Posten und Telegraphen in München:

Verzeichnis der in und ausserhalb Bayern erscheinenden Zeitungen. Abteil. I u. II. Nachträge zu den Zeitungspreisverseichninen. M.

Metropolitan- Kapitel München-Freising in München: Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. No. 16—29. 8^.

K, Oherbergamt in München: Geognostische Jahreshefte. XV. Jahrgang 1902. 4^

Vergeiehnia der eingelaufenen Druekeehriften, 39'*'

UniversUät in München:

Schriften ans dem Jahre 1902/03 in 4^ u. &^,

Amtliches Verzeichnis des Personals. Wintersemester 1908/04.

Verzeichnis der Vorlesungen im Wintersemester 1908/04.

Historischer Verein in München: Altbayerische Monatsschrift. Jahrg. IV, Heft 1—8. 1903. 4<>.

Ornithologiseher Verein in München: III. Jahresbericht. 1903. 8^.

Verlag der HoehschuL-Nachrichten in München: Hochschul-Nachrichten. No. 164. 157—169. 4^.

Äcadimie de Stanialas in Nancy: Memoires. Ann^ 168, S^rie, Tom. 20. 1903. &^.

SociSte des sciences in Nancy: Bulletin. S^r. III, Tom. 8, fasc. 4; Tom. 4, fasc. 1. 2. Paris 1902. 8».

Beale Äccademia di scienze morali et poiitiehe in Neapel:

Atti. Vol. 84. 1903. 8«.

Rendiconto. Anno 40 (1901) e 41 (1902). 1901—03. 6^.

Äccademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel: Rendiconto. Serie 3, Vol. 9, fasc. 6—7. 1908. gr. 8<>.

Zoologische Station in Neapel: Mitteilungen. 16. Bd., Heft 1. 2. Beriin 1903. 8<>.

Institute of Engineers in New-Castle (upon-Tyne):

Transactions. Vol. 61, part6; Vol. 62, part 5. 6 und Report of the Com- mittee upon mechanical Goal Meutting part 1 ; Vol. 64, part 1. 1903. 8^. Annual Report for the year 1902—03. 1903. Q^. Almanaqne nautico para el ano 1905. San Fernando 1908. gr. 8^.

The American Journal of Science in New-Haven: Journal. IV. Ser., Vol. 16, No. 91—96. 1903. 8^.

American Oriental Society in New-Haven: Journal. Vol. XXIV first half. 1908. 8«.

American Museum of Natural History in New -York: Annual Report for the year 1902. 1903. 8^.

American Geographical Society in New -York: Bulletin. Vol. 35, No. 8. 4. 1903. 8^.

Nederlandsehe botanische Vereeniging in Nijmegen: Nederlandsch kruidkundig Archief. III. Serie, Deel, stuk. 1903. 8*^.

Arehaeological Institut of America in Norwood, Mass.: American Journal of Archaeology. 11* Series, Vol. VII, No. fi. 1903. 8<>.

Naturhistorische Gesellschaft in Nürnberg: Abhandlungen. Bd. XV, Heft 1. 1903. S^.

40* KerfAcfcnaf der eimgetaufenen Dnuktcknften.

OermamitkeB Naiionalmuseum in Nwnd^erg: Anzeiger 1903, Heft 1—4. 40.

Verein für OtethAdde und Landeskunde in Oenahrüdc: MiiteanngeiL 27. B<L 1902. 8*.

Oeoiogieal Suroey of Canada in OttiMwa:

Catalogne of Canadian Birdi. Part IL Bj John Macoan. 1903. 8<*. Annnal Report New Seriea. Vol. XII with Maps. 1902. 8*.

Boyal Society of Canada in Ottawa: Proceedingi and Tranaactions. II. Seriea, Vol. 6. 1902. 8*.

Redaetion der Zeüechrift „Bivista di etoriea antiea" in Padua: N. S. Anno YU. fiuc 4. 1908. 8^.

Cireolo luatematieo in Palermo: Rendiconii. Tom. 17, fiMe. 4—6. 1908. 4<».

CoUegio degli Ingegneri in Palermo: Atti. 1902, Agosto-Dioembre. 4^.

Acadimie de midedne in Parie: BoUetin. 1908, No. 26-42. S®.

Aeadhnie des seienees in Paris: Compiet rendoa. Tome 186, No. 26; Tom. 187, No. 1—25. 1908. 4^.

£cole pdytechnique in Paris:

Journal. II« S^rie, cabier YUI. 1908. 49. Proc^s-yerbaoz dee i^ancet. S^rie II, Tom. 2. 1908. 8*.

Moniteur Seientifique in Paris: Moniteur. Livr. 788-744. 4*.

Mus^ Ouimet in Paris:

Annales in 4^ Tom. XXX, partie. 1908. 8<^. Annales. Bibliotb^ne d'dtndes. Tom. XI et XV. 1908. 8«. Revue de Thiatoire des räligions. Tom. 46, No. 8; Tom. 47, No. 1— S. 1902—03. 8»>.

Musium d'histoire natureUe in Paris:

Balletin. Annee 1908, No. 3. 4. 99.

Nouvelles Arcbivea. IV« Serie. Tom. IV, fasc. 2. 1902. 4«.

Sociäi d'anthropoihgie in Paris: Bulletins. 1902, fasc. 6. 6. 8®.

SociiU de giograpfne in Paris: La Geographie. Annäe VII, No. 2-6; ann^ VUI, No. 1. 1902—08. 4P.

SocUtS mathimatique de France in Paris: Bulletin. Tom. 81, fesc. 2. 8. 1903. 8«.

AcadSmie Imperiale des seienees in St, Petersburg: Comptes rendos des s^ances de la commission eismiqoe. Tom. I, Liyr. 2. 1903. 40.

Verzeichnis der eingelaufenen thrueksthriften. 41^^

Byzantina Ghronika. Bd. YIII, 1—4; Bd. IX, 1. 2. 1901—02. 8P.

Mtooires. a) Classe historico-philologique. Vol. IV, 9; V, 1—6; VI, 1—4.

1900—02. 40. b) Classe phyBico-mathömat. Vol. XI, 1—11; XII, 1-11;

XIII, 1—6 u. 7. 1900-02. 40. Bulletin. Sörie, Tom. XVI, 4. 6; Tom. XVU, 1-4. 1902. 4«.

Comiti giologique in St, Petersburg:

Bulletins. XXI, No. 6—10. 1902. 4®.

Mämoirea. Vol. XVI, No. 2, Texte et Atlas; Vol. XVII, 3 ; XX, 1. Nouy. S^r.,

Livre 1. 2. 4. 1902. 4«. Explorations g^lo^iques dans las rägions anrif^res de la Sib^rie

a) Region aurif^re d'J^nissei, livr. 4.

b) , .de L^na, livr. 2. 1908. S^.

Kaiserl. Botanischer Garten in St, Petersburg: Acta horti Petropolitani. Tom. 21, fasc. 2. 1908. 8<>.

Kaiserl, mineralogische Gesellschaft in St. Petersburg: Verhandlungen. II. Serie, Bd. 40, Liefg. 2. 1908. 8^.

Phystkalisch-chemische Gesellschaft an der Kaiserl, Universität

St, Petersburg:

Schumal. Tom. 86, No. 6—8. 1908. 8^

Physikalisches Zentral-Observatarium Nicolas in St. Petersburg:

Publications. Vol. IX, 1. 2; X; XII; XIII; XVII, 1; XVIII, 1. 1908. fol. Annales. Annäe 1901, partie I. II. 1908. 4^.

Kaiserl, Universität in St, Petersburg: Schriften aus dem Jahre 1902—08 in 4<> u. Q^,

Äcademy of natural Sciences in Philadelphia: Proceedings. Vol. 66, part 1. 1908. 40.

Historicäl Society of Pennsylvania in Philadelphia: The Pennsylvania Magazine of History. Vol. 27, No. 107. 108. 1908. 8^.

Alumni Association of the CoUege of Pharmacy in Philadelphia: Alumni Report. Vol. 89, No. 6—11. 1908. 8«.

American PhHosophical Society in Phüadelphia: Proceedings. Vol. 42, No. 172. 178. 1908. 8®.

B, Scuola normale supetiore di Pisa: Annali. Filosofia e filologia. Vol. XVII. 1908. 8^.

Societä Toscana di scienze naturali in Pisa:

Atti. Processi verbali. Vol. XIII, p. 168—192. 1908. 4». Atti. Memorie. Vol. XIX. 1908. gr. 8».

Societä Italiana di fisica in Pisa: II nuovo Cimento. Serie V, Tom. 6. 1908, Aprile-Agosto. B9,

Böhmische Kaiser Franz Josef-Akademie in Prag:

Pam4tky archaeologickä. Tom. XX, No. 2—6. 1902—08. 4®. Staroiitnosti zem^ 6eskä. Dil II, syaaek 2. 1908. 4^.

4

42* VerseidMiB der eingdamfetien J>ruck9dkrifUn.

Gesellschaft Mur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunsi und Idleratur

in Prag:

Vorläufiger Bericht über eine archäol. Expedition nach Klein&rien. 190S. 4^. Beiträge inr deatflch-böhmischen Volkskunde. Bd. V, Heft 1. 1908. ^.

Museum des Känigreichs Böhmen in Prag:

Bericht Ar das Jahr 1902. 1908. S^. Casopis. Bd. 77, Heft 8. 4. 1908. 8^.

K, K, Sternwarte in Prag: Magnet, u. meteorolog. Beobachtungen im Jahre 1902. 63. Jahrg. 1903. 4®.

Verein hlSlhmiseher Mathematiker in Prag: Casopis. Bd. 82, Heft 8—6. 1908. ^.

Verein fär Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag: Mitteilungen. 41. Jahrg., No. 1—4. 1902. SP.

Deutscher natuncissensehaftlrmedizin. Verein für Böhmen „Loios" in Prag: Sitzungsberichte. Jahrg. 1902, Bd. 60. 8*.

Naturtoissenschaftlicüier Verein in Begem^narg: Berichte. IX. Heft 1901 n. 1902. 1903. ^.

Naturforscher 'Verein in Biga: Korrespondenzblatt No. XL VI. 1908. 8®.

Bibliotheque Nationale de Bio de Janeiro:

Relatorio apresentado ao Presidente da Republica por Sabino Barroso Jundor. 1902. 80.

Observatorio in Bio de Janeiro: Annuario. Anno XIX 1908. 8^. Boletim mensal. Outubro-Dezembro 1902; Janeiro-Mar90 1908. 1908. 8^.

Beate Äccademia dei Lincei in Born:

Atti. Serie V. Clasae di sciense morali. Vol. XI, parte 2. Notizie degli

scavi, fasc. 4—8. 1908. 4P. Atti. Serie V. Classe di sciense fisiche. Vol. XII, semeste 1, fiwe. 12;

semestre 2, fasc. 1—11. 1903. 4^ Bendiconti. Classe di scienze morali e filologiche. Serie V, Vo). XH,

fasc. 8— 10. 1908. 8». Atti. Rendiconto deir adunanza solenne del 7 Giugno 1908. 4^.

Äccademia Pontifieia Nuovi Lincei in Born:

Atti. Anno 56 (1902-08), Sewione l-VII. 1908. 4«.

B. Comitato gedogieo d'ItaUa in Born:

Bollettino. Anno 1908, No. 1 u. 2. 1908. 8^.

Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm, ÄhtJ in Born:

Mitteilungen. Bd. XVIII, Heft 1. 2. 1908. 8^.

B. Ministero deUa Istrusione publica in Born:

Le opere di QalUeo Galilei. Vol. XIIL Firenie 1903. 49.

Historischer Verein in Bosenheim:

Das bayerische Oberland am Inn. 8. Jahrg. 1908. 8^.

VerMeiehnia der eingelaufenen Druckschriften. 43*

UnivereiUU Boetock: Schriften aus dem Jahre 1902/08 in 4P a. 8^.

Acadhnie des sciences in Bouen: Prdcis analytiqne des traranx. Ann^e 1901 02. 1908. 8^.

E. Äccademia di sciense degli Ägiati in Sovereto: Atti. Serie III, Vol. 9, fasc. 2. 1908. 8^.

^cole frangatse d^ Extreme-Orient in Saigon: Balletin. Tom. III, No. 2. 3. Hanoi 1908. 4P,

Gesellschaft für Sälzhurger Landeskunde in Salzburg: Mitieilnngen. 48. Yereinsjahr 1908. 8^

Historischer Verein in St. Gallen:

Mitteilnnj^en zur vaterländischen Geschichte. XXIX. 1908. 8®. Jahresbericht tiber die Sammlangen des hiator. Vereins 1901/02. 1902. 4^. Neujahrsblatt 1908. 4^.

Institute y Observatorio de marina de San Fernando^ (Cadie) :

Anales. Secciön 11. ASo 1901. 1902. fol. Almanaqne nantico para el ano 1906. 1908. gr. 8^.

Bosniseh-Hersegovinische Landesregierung in Sarajevo: Ergebnisse der meteorol. Beobachtungen im Jahre 1899. Wien 1902. 4^.

Verein für mecklenburgische Geschichte in Schwerin: Jahrbflcher und Jahresberichte. 68. Jahrg. 1908. 8^^.

Comiti international des poids et mesures in Shvres prhs Paris: Procös-yerbanx. S^rie II, Tom. 2. Paris 1908. BP.

China Branch of the B. Asiatic Society in Shanghai: Jonmal. N. S^r., Vol. 88. 1899—1900. 8«.

B, Äccademia dei fisiocritici in Siena: Atti. Serie IV, Vol. XV, No. 1-6. 1908. 8®.

K. E. archäologisches Museum in Spaiato: Bnllettino di Archeologia. Anno XXVI, No. 8~11. 1903. S^.

Historischer Verein der Pfaie in Speyer: liitteilangen. XXVI. 1908. BP.

K. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:

Lefnadsteckningar. Bd. 4, Heft 8. 1903. B^. Astronomiska Jakttagelsen. Vol. 6, No. 5. 1903. 4^. Bihang. Vol. 28, Section 1-4. 1908. 8^. Meteorologiska Jakttagelser i Sverige. Bd. 42, 1900. 1903. 4^. Handlingar. N. F.. Bd. 36. 87, No. 1. 2. 1902-08. 4^. Arki? f5r matematik. Bd. I, 1. 2. 1908. 80. . , kemi. Bd. I, 1. 1908. BP.

, botanik. Bd. I, 1—8. 1903. BP. . , , Booloffi. Bd. I, 1. 2. 1908. 80. Arsbok 1908. €?. Berzelius, Reseanteckninger. 1908. S®.

44* Verseiehnis der eingelaufenen Druckschriften.

Oedogiska FÖrening in Stockholm: Förhandlingar. Bd. 26, Heft 6. 6. 190S. 8^.

InstittU Royal giologique in Stockholm:

Sven'i^eR geologiska andersOkning. Series Aa, No. 116. 118. 122; Ac,No.7: C, No. 198. 194; Ca, No. 3. 1908 in u. 8^.

Nordieka Museet in Stockholm:

Meddelanden 1902. 1908. Bf^.

Samfondet 1900 och 1901. 1902. 8<>.

Vinterbilder n. Sommarbilder Fran Skannen. 1901. 4^.

Minnen Frän Nordiska Museet. Bd. II, Heft 8-12. 1902. 4^

Oesellschaft zur Förderung der Wissenschiiften in Strassburg. Monatsbericht Bd. 87, No. 6-7. 1908. Sfi.

Kaiserl. Universität Strassburg: SchrifteD aui dem Jahre 1902/08 in 4<» a. 99.

K. LandesbibJiothek in Stuttgart: Wirtemberfl^isches Urkandenbuch. Bd. 8. 1908. 4^.

Württemhergische Kommission für LandesgeschidUe in Stuttgart:

Vierte Ijahre»hefte fSr Landesg^eschichte. N. F., XII. Jahr^., Heft 1—4.

1908. 8^. Mitteilungen. 12. Sitzang, 1. Mai 1903. 8^.

K. Kürttemb. statistisches Landesamt in Stuttgart: Die erdmagnet. Elemente von Württemberg n. HohenzoUern. 1903. 4^.

Physikalisches Institut der K, Technischen Hochschule in Stuttgart: Relative Schweremessungen III., ▼. K. R. Koch. 1903. 8^.

Department of Mines in Sydney: Records of the geological Survey. Vol. VH. 8. 1908. 4<>.

Boyal Society of New -South -Wales in Sydney: Journal and Proeeedings. Vol. 36. 1902. 8^

Linnean Society of New -South- Wales in Sydney:

Proceedingg. Vol. 23, part 1—4; Vol. 24, part 1—4; Vol. 27, part 2' Vol. 28, part 1. 2. 1898—1903. 8«.

Earthquake Investigation Gommittee in Tokyo: Publications No. 14. 1903. 4».

Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo: Mitteilungen. Bd. IX, Teil 8. 1903. 6^.

Kaiserl. Universität in Tokio (Japan):

The Journal of tbe College of Science. Vol. 17, article 11. 12; VoL 18, ürticle 2-4; Vol. 19, article 1. 6—10. 1903. 4^

Verseichnis der eingelaufenen Druekschriften, ib*

Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät. Bd. VI, No. 1. 1908. 4^. The Bulletin of the College of Agriculture. Vol. 5, No. 8. 4. 1908. 4<>.

Kansas Äcademy of Sciences in Topeka, Kansas: Transactiona. Vol. XVIII. 1903. 8«.

Ältertumsverein zu Targau: Veröffentlichungen. Heft 16 u. 16. 1908. S^.

üniversiti in Toulouse:

Annales du Midi. 16« ann^e, No. 68. 69. 1908. 8<>.

Annales de la facultä des sciences. II* Sdr., Tom. 6. Ännde 1903. Paris. 4^.

Biblioth^ue märidionale. I. S^rie, Tom. 8. 1903. 80.

Biblioteea e Museo comunale in Trient: Archivio Trentino. Anno 18, fasc. 1. 1908. 8^.

Museo dvico di storia naturale in Triest: Atti. Vol. 10. 1908. 8«.

Universität Tübingen:

Georg ▼. Below. Zur Geschichte der konstitutionellen Partei. 1903. 4^. Ludolf Krehl, Über die Entstehung der Diagnose. 1903. 4^.

B. Accademia delle scienze in Turin:

Atti. Vol. 38, disp. 8-16. 1903. B^. Memorie. Serie II, Tom. 63. 1908. 4P,

Meteorolog, Observatorium der Universität Upsala: Bulletin mensuel. Vol. 34, Annde 1902. 1902—08. 4^.

K, Universität in Upsala:

Hermann Lundborg, Die progressive Mjoklonus-Epilepsie. 1908. 8^. Eranoa. Acta philologica. Vol. 6, fasc. 1. 2. 1908. 8^. Schriften ans dem Jahre 1902-H)3 in 4^ u. 8^. Svariges Karta af Sven Lönborg. 1903. 8^.

Physiologisch Laboratorium der Hoogeschool in Utrecht: Ondenoekingen. V. Reeks; IV, 2. 1908. 8».

Accademia di Scieme in Verona: Atti e Memorie. Ser. IV, Vol. 8. 1902-03.

Mathematisch-physikalische Oesellschaft in Warschau: Prace matematyczno-fizjcsne. Tom. 14. 1908. 8^.

National Äcademy of Sciences in Washington: Memoirs. Vol. VIII, 7. 1902. 49,

Bureau of American Ethnology in Washington: Bulletin. No. 26 : Trunzbull Natick Dictionary . 1903. 4^.

Smithsonian Institution in Washington:

Smithsonian Contributions to Knowledge. No. 1378. 1908. 4^. Smithsonian Miscellaneous CoUections. No. 1872. 1876. 1902—03. 8^.

46"*^ Verseiehnia der eingelaufenen Druckschriften,

ü, S. Nationcd-Mueeum in Washington:

Bnlletin. No. 60, pari I. II; No. 51. 62. 1902. BP. Proceedings. Vol. XXIV-XXVI. 1902-08. 8«.

U. 8, Naval Observatory in WaMngton: Pnblications. 11^ Series, Vol. 8. 1908. 4P.

The Ästronomicai and Ästrophysieal Society of America

in Washington:

Second, third and foorth Meeting: 1900--02. 1901—03. 8^.

Ü, S, Coast and Geodetic Survey in Washington:

Report of the Superintendent for the jear 1901—02. 1903. 4^. List and Catalogne of the Publications 1816—1902. 1902. 40. A Bibliography of Qeodesy bj James Howard Gore. 1908. 4^.

United States Oeologiecd Survey in WaMngton:

Bulletins. No. 191. 196—207. 1902. 80. Monographs. No. XLII. XLIIl. 1903. Mineral Reiources, year 1901. 1902. BP. Professional Paper No. 1—8. 1902. 4®. Water-Supply Papers No. 66—79. 1902-08. 8®.

Library of Congress in Washington:

A List of Books on mercantile marine aubsidies. 1908. 4®.

SelectList of Books, 8 Vols; Select List of References, eVols. 1903. 4P.

Harzverein für Geschichte in Wernigerode: ZeiUchrift. 86. Jahrg., Heft 1. 1908. 80.

Kaiserl, Akademie der Wissenschaften in Wien:

Sitzungsberichte. Philos.-hist. Klasse. Bd. 146.

Mathem.-naturwissenschafbl. Klasse. Abi. I, Bd. 111, No. 4—9; Abt, IIa, Bd. 111, No. 6-10; Abt. IIb, Bd. 111. No. 4—10; Abt, HI, Bd. 111, No. 1-10 und Register zu den Banden 106—110. 1902. 8«.

Denkschriften. Mathem.-naturwissenschaftl. Klasse. Bd. 72.

Schriften der Balkankommission. Linguistische Abteilung II. III. 1903. 4^.

Archiv für Osterreichische Oeschichte. Bd. 91, 2; Bd. 92, 1. 1902. BP.

Fontes rerum Austriacarum. II. Abtlg., Bd. 66. 1902. 8^.

Almanach. 1902. S^.

K. K. geologische Beichsanstalt in Wien:

Jahrbuch. Jahrg. 1902, 62. Bd., Heft 2—4; Jahrg. 1908, 68. Bd., Heft 1.

1903. 4®. Abhandlungen. Bd. XX, Heft 1. 1903. foL

Mitteilungen der Erdbebenkommission. N. F., No. X, XI, XIIL 1902. 8^. Verhandlungen 1903, No. 9—16. 4^.

Geologische Karte der österr.-ungar. Monarchie. Lief. IV. V. 1903. Mitteilungen der prähistor. Kommission. Bd. I, No. 6. 1908. 4^.

K. K. Zentralanstält für Meteorologie in Wien: Jahrbücher. Jahrg. 1901 in 2 Bänden. 1902. 4".

Verteichnis der eingelaufenen Drucksckriflen. 47«

K. K. GeselUehaft der Aerste in Wien: Wiener kliniBche Wochenschrift. 16. Jahrg. 1908, No. 27—58. 40.

Zocloffiach-hotanische Oesellsckaft in Wien: Verhandlungen. Bd. 58, Heft 5—9. 1908. df^.

K, K, naturhistorischea Hofmueeum in Wien: Annalen. Bd. 18, Hefb 2. 8. 1908. 4^.

iC. K, Universität in Wien: Schriften ans dem Jahre 1902/03. 1908. B9.

K, K, Ünivereitäta-Stemwarte in Wien: Annalen. Bd. XYI. 1902. 4P.

Verein eur Verbreitung naturtoiseensehaftlicher Kenntnisse in Wien: Schriften. Bd. 42. 48. 1902—08. S^.

Nassauischer Verein für Naturkunde in Wiesbaden: JahrbQcher. Jahrg. 56. 1903. ^.

Geschichtsverein für das Hersogtum Braunschweig in Woifehbüttel:

Jahrbach. Bd. I. 1902. 8^.

Brannschweigisches Magazin. 8. Jahrg. 1902. 4^

Physikalisch-medizinische Gesellschaft in Würzburg:

Verhandlungen. N. F., Bd. 85, No. 6. 7. 1903. S^. Sitzungsberichte. Jahrg. 1902, No. 5. 6. 8^.

Naturforschende Gesellschaß in Zürich: VierteUahrsschrift. 1908, Heft 1. 2. 1908. B^.

Physikalische (Gesellschaft in Zürich: Mitteilungen 1908, No. 5. B».

Schweizerische geologische Kommission in Zürich:

Beiträge zur Geologie der Schweiz. Qeotechnische Serie, Lieferang II. Bern 1908. 4^.

Schweizerisches Landesmuseum in Zürich:

Anzeiger fQr Schweizer. Altertamskande. N. F., Bd. V, No. 1. 1903. 4^. XI. Jahresbericht 1902. 1903. B».

Sternwarte in Zürich: Astronomische Mitteilungen. No. XCIV. 1903. B^'.

Universität in Zürich: Schrillen 1902/03 in u. B».

48*^ Vereeiihnis der eingelmtfenen Drueksehriften,

Von folgendoi Privatpenonen:

Verlag von Johann Ämhrosius Barth in Leiptig:

Beiblätter su den Annalen der Physik. Bd. 27, Heft 7—1 2. Leipä«r 1903. ^ Journal för prakt. Chemie. N. F., Bd. 67, Heft 11. 12; B. 68, Heft 3-10- Leipzig 1908. 8P.

Frande BcuÜiforth in Cambridge:

A historical Sketch of the experimental Determination of tfae ßesiitaiic« of the Air to the Motion of Projectilei. Cambridge 1903. 8^.

Hermann BMau's Nachfolger in Weimar:

Zeitachrift der Savigny- Stiftung ffir Rechtsgeachichte, Bd. XXIV (roma- nistische und germanistische Abteilung). Weimar 1903. 8^.

^müe Bouianger in Paris: Germination de Tascospore de la truffe. Paris 1908. 4P.

Charles Combes in Paris: Sur les tentatiyes de reproduction du diamant. Paris 1903. 4^.

JR. Fick in Leipsig: Gesammelte Schriften von Adolf Fick. Bd. L Wflrsburg 1903. 8®.

Verlag von Chutav Fischer in Leiptig:

Naturwissenschaftliche Wochenschrift 1908, Bd. 18, No. 40—62; Bd. 19,

No. 1—18. Jena. 4». Ernst Abbe, Gesammelte Abhandlungen. Bd. I. Jena 1904. 6^.

H, Fritsche in Eiga: Atlas des Erdmagnetismus. Biga 1908. fol.

Albert Oatidry in Paris: Discours prononc^ le 21 d^cembre 1903. Paris 1908. 4®.

JJf «« F»» Godin in Ouise (Äisne) : Le Devoir. Tom. 27, Juillet— Döcembre 1903. Guise. 8«.

JEmü Ä. Ooeldi in Pard, Brcuüien: Album de Aves Amazonicas. Par4 1903. 4^.

Ernst Haeckel in Jena:

Anthropogenie. 6. Auflage. Leipzig 1908. 2 Bde. 8®. Kunstformen der Natur. Liefg. 9. Leipzig 1903. fol.

H, van Herwerden in Utrecht: Collectanea critica, epicritica, exegetica. Lugd.-Bat. 1903. 8^.

Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 49*

Eduardo Higginson in Sauthampton: Karte yon Peru. Lima 1908.

Johannes Jaeger in Amherg: Die Klosterkirche bq Ebrach. Würzburg 1908. 4^.

A. KÖlliker in Würzburg: Die Entwicklung und Bedeutung des Glaskörperi. Leipzig 1904. 8^.

J, J. Kossonogoff in Kiew:

Optinche Resonanz als Ursache der selektiven Reflexion und Absorption des Lichtes. Kiew 1908. 6^. (In rasa. Spr.)

Karl Krumhacher in München: Byzantinische Zeitschrift. Bd. XII, 8. 4. Leipzig 1908. 80.

J. V, Kuil in München: Repertorium zur Münzkunde Bayerns. 11. Fortsetzung. Mflnchen 1903. 8^.

F, Liehermann in Berlin: Die Gesetze der Angelsachsen. Bd. I. Halle 1908. 4^.

C. Mehlis in Neustadt a. H,:

Neolithische u. spfttzeitliche Silex- u. Kieselware. 1908. 4^ (Ausschnitt.) Das Grabhügelfeld an der Heidenmauer bei Dflrkheim a, H. Die Grabhügel im Ordenswalde und Hasslocher Walde. Braunschweig 1908. 40.

Gabriel Monod in Versailles: RcYue historique. Tom. 82, No. II ; Tom. 88, No. I. II. Paris 1908. 8<>.

Friedrich OMenschlager in München: Römische Überreste in Bayern. Heft 2. München 1908. 8^.

Qerasimus B. Pignatarre in Athen: De festi corporis domini apud Catinos institutione. Athenis 1908. 8**.

Gustav Badde in Tiflis: Die Sammlungen des Kaukasischen Museums. Bd. III. Tiflis 1901. 4.

Verlag von Dietrich Beimer in Berlin:

Zeitschrift für afrikanische, ozeanische und ostasiatische Sprachen. Jahr- gang VII. Heft 1. Berlin 1908. 8^

K, Budel in Nürnberg: Grundlagen der Klimatologie Nürnbergs. Teil I. Nürnberg 1908. 4^

Verlag von Seitz & Schauer in München: Deutsche Praxis 1908, No. 18—28. München. 8^.

Lucian Scherman in München: OrienUlische Bibliographie. 16. Bd. (8 Hefte). Berlin 1908. 8«.

50* Verteichnia der eingelaufenen DrucksdirifUn.

Henry Simonifeld in München:

Itinerario di Germania dell* anno 1492 edito da Enrioo Simomüeld. Venesia 1908. 8<>.

Verlag von B. O. Teubner in Leipsig:

TbesauruB lin^nae latinae. Vol. I, fasc. 6 Liptiae 1903. Af^.

Archiv der Mathematik nnd Physik. III. Reihe, Bd. 6, Heft 1-4.

Leipsig 1903. 8^ Encjklopildie der mathematischen Wissenschaften. Bd. Illa, Heft 2/S;

Bd. IVl. Hefts. Leipzig? 1908. 8«.

A, Thieuüen in Parie: Le Mammon th et le Renne k Paris. Paris 1908. fol.

L. Wittmaek in Berlin: Die in Pompeji gefundenen pflanslichen Stoffe. Sep.-Abdr. 1908.

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Inhalt.

S«ts

K. Th. V. Hei gel: Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrat*

Georg Ludwig von Maurer . . . . . . . 47.

Sitzung der philosophisch-philologischen und der historischen Kloise

vom 7, November 1903 . . .513

Oeff entliche Sitzung zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit des Prinz- Begenten

am 25. November 1903 . . . . 514

Sitzung der philosophisch-philologischen und der historischen Klasse

vom 6, Dezember 1903 .... 5:r

L. Traube: Acta Archelai dCc.

K. Krumbacher: Die Akrostichis in der griechischen Kii-chenpoesie 5'1

Eiu8endung von Druckschriften 25*— j'/

Die Abhandlungen sind auch in Sepaxatabzügen hergestellt and erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademiechen Verlans in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlnng (J. Roth).

Akademisch« Bachdruckerei von F. Straub in HQDeh«ii.

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