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WIEN, 1889.

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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

HUNDERTNEUNZEHNTER BAND.

WIEN, 1889. IN COMMISSION BEI F. TEMPSKY

BUCHBlirPLSR DER KAI0. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

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Druck TOD Adolf Holshaasen, k* k. Hof- no4 UnirttnliftM^Bucbdrucker in Wi«a.

INHAL T.

I. Abhandlung. Brandt: Ueber die dualistischen Zusätse und die Kaiseranreden bei Lactantius. Nebst einer Untersuchung über das Leben des Lactantius und die Entstehungsverhältnisse seiner Prosaschriften. II. Die Kaiseranreden.

II» Abhandlung. Müller: Die äquatoriale Sprachfamilie in Central- Afrika.

III. Abhandlung. Ueinzel: Ueber die ostgothische Heldensage.

IT. Abhandlung. Gelcich: Zwei Briefe über die Maghellanische Welt- umseglung.

T. Abhandlung. Reinisch: Die Kunama-Sprache in Nordost- Afrika. II.

Tl. Abhandlung. Vrba: Beiträge zur Geschichte der Augustinischen Textkritik.

Tu. Abhandlung. Bühl er: Das Suk^itasaihkirtana des Arisiihha.

TIIL Abhandlung, y. Rockinger: Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels. IX.

IX. Abhandlung. Mussafia: Studien zu den mittelalterlichen Marien- legenden, ni.

X. Abhandlung, v. Rockinger: Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels. X.

XI. Abhandlung. Wähle: Die Glückseligkeitslehre der ,Ethik' des Spinoza.

»*

Xn. SITZUNG VOM 15. MAI 1889.

Se. Excellenz der Präsident theilt mit, dass das Bureau der kais. Akademie am gestrigen Tage von ihrem Ehren- mitgliede und Curator-Stellvertreter Sr. Excellenz Herni Anton Ritter von Schmerling empfangen worden sei, um zu seinem sechzigjährigen Staatsdienst -Jubiläum die Glückwünsche der Akademie darzubringen, welche die wohlwollendste Aufnahme bei Sr. Excellenz fanden.

Das Comitö ftir Errichtung des Qrillparzer- Denkmales ladet die Mitglieder der kais. Akademie zu der am 23. d. M. stattfindenden Enthüllung dieses Monumentes ein.

Die Savigny-Commission legt zur Aufnahme in die Sitzungs- berichte den achten der ^Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels' von dem c. M. Herrn Dr. Ludwig Ritter von Rockinge r, Director des k. allgemeinen Reichsarchives in München, vor.

Die Kirchenväter- Commission legt zur Veröffentlichung in den Sitzungsberichten die Abhandlung: ,Ueber die dualisti- schen Zusätze und die Raiseranreden bei Lactantius. Nebst einer Untersuchung über das Leben des Lactantius und die Entstehungsverhältnisse seiner Prosaschriften. II. Die Kaiser- anreden', von Herrn Dr. Samuel Brandt, Professor in Heidel- berg, vor.

VI

An Druckschriften wurden vorgelegt:

Acad^mie Imperiale des Sciences de St.-P6tersbonrg: Bnlletin. N. S. No. 1. St.-P^tersbourg, 1889; 80.

Accademia, R. delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XXIV. Disp. 8», 9 e 10». 1888-1889. Torino; 8«.

Akademie der Wissenschaften, königl. Bayerische: Abhandlungfen der philo- sophisch-philologischen Classe. XVIII. Bandes 1. Abtheilnng. München, 1888; 40.

Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen nnd historischen Classe. 1888. Heft III. Band II, Heft I. München, 1888; S^.

Abhandlungen der historischen Classe. XVIH. Bandes 2. Abtheilung. München, 1888; 40.

Bibliotek, Sveriges offentliga: Accessions-Katalog 3. 1888. Stockholm,

1889; 80. Bonn, Universität: Akademische Schriften pro 1888. Bureau of Education: Report of the Commissioner of Education for the

year 1886—1887. Washington, 1888; 8».

Circnlar of Information. Nos. 5 et 6. Washington, 1888; 8*^. Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreichische Statistik. XIX.

Band, 3. Heft. Wien, 1889; 4«. XX. Band, 1. und 2. Heft. Wien, 1889; 40.

k. k. zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- nnd historischen Denk- male: N. F. XV. Band, 1. Heft. Wien, 1889; 4".

Fridrich, F.: Neu-Stenographie. Leipzig, 1889; 8".

Institut, kaiserlich deutsches archäologisches, römische Abtheilung. IV. Band, 1. Heft. Rom, 1889; 8".

Johns Hopkins: University Studies in historical and political Science. Vol. V, VI. English Culture in Virginia. History of Cooperation in the United States. Vol. V. Baltimore, 1889; 80.

Karpathen -Verein, ungarischer: Jahrbuch. XVI. Jahrgang 1889. Igl6, 1889; 8".

Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg: Jahresbericht für 1888. Salz- burg; 8«.

Soci^t^ de Geographie Fiulandaise: Fennia. Bulletin. I. Helsingfors, 1889; 8^.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg: Forschungen zur branden- burgischen und preussischen Geschichte. H. Band, 1. Hälfte. Leipzig, 1889; 8».

für hambnrgische Geschichte: Barbarossas Freibrief für Hamburg vom 7. Mai 1189. Festschrift zum 700jährigen Gedenktage von Dr. Otto Rüdiger. Hamburg, 1889; 4".

historischer in St. Gallen: Briefwechsel zwischen Johann Rudolf Stein- müller und Hans Konrad Escher von der Lint 1796 1821, von Dr. Jo- hannes Dierauer. St. Gallen, 1889; 80.

Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. X. Jahrgang, Nr. 7. Wien, 1889; 8".

vn

Xni. SITZUNG VOM 22. MAI 1889.

Se. Excellenz der Curator-Stellvertreter Herr Anton Ritter von Schmerling tbeilt mit, dass Se. kais. und königl. Hoheit der durchlauchtigste Herr Curator der kais. Akademie die feierliche Sitzung am 29. Mai d. J. mit einer Ansprache er- öffnen werden.

Von der Direction des archäologisch -epigraphischen Se- minars der Wiener Universität wird das 2. Heft des XII. Jahr- ganges der jArchäologisch- epigraphischen Mittheilungen aus Oesterreich-Ungarn' zur Vorlage an die Akademie eingesendet.

Das w. M. Herr Professor Dr. Leo Reinisch ersucht um einen Druckkostenbeitrag für die Herstellung des im Manu- scripte vorgelegten H. Bandes der Sahosprache, welcher das Wörterbuch enthält.

Das w. M. Herr Professor Friedrich Müller legt eine fUr die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Die äquatoriale Sprachfamilie in Central- Afrika' vor.

Von dem w. M. Herrn Professor Dr. Richard Heinzel wird eine Abhandlung: ,Ueber die ostgothische Heldensage' für die Sitzungsberichte vorgelegt.

An Drnokschriften wurden vorgelegt:

Academia, Real de ciencias morales y politicafl: Memorias. Tomo XVI.

Madrid, 1889; 40. Anuario. Anno 1889. Madrid, 1889; 12« Acad^mie des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes - rendas. 4* s^rie,

tome XVI. Bulletin de Novembre— D^cembre. Paris, 1889; %^. Rojale des Sciences, des Belles-Lettres et des Beaux-Arts de Bel^que:

Bulletin. 59« ann^e, s^rie, tome 17, Nr. 4. Bruxelles, 1889; 8«. Accademia, R. Virgiliana di Mantova: Atti e Memorie. Mantova, 1889; 8^

vin

Akademie der Wissenschaften, kOnigl. schwedische: Öfversigt af Förhand-

lingar. irg. 46, Nr. 3. Stockholm, 1889; 8. Archeologiae Storia Dalmata: BuUettino. Anno XII, Nos. 3 und 4. Spalato,

1889; 80. Bibliothöque de rilcole des Chartes: Revue d'^rudition. L. !*'• et li-

vraisons. Paris, 1889;. 8*^. Brugsch Heinrich: Die LOsung der altftgyptischen Münzfrage. Berlin,

1889; 4«. Gesellschaft, Deutsche morgenländische: Zeitschrift. XLIII. Band, 1. Heft.

Leipzig, 1889; 8». Institut, Royal Qranducal de Luxembourg: Publicatious de la Section

historique. Vol. XL. Luxembourg, 1889; 8°. Jena, Universität: Akademische Schriften pro 1887—1888. 49. und 8^. Landesamt, kdnigl. statistisches: Württembergische Vierteljahrshefte für

Landesgeschichte. Jahrgang XI. 1888. I— IV. Heft. Stuttgart, 1888; 40. Landesmuseum, Bosnisch- Hercegovinisches :* Glasnik. Godina, 1889.

Knjiga l. Sarivjevo, 1889; 80. Mittheilungen aus Justus Perthes* geographischer Anstalt von Dr. A. Peter- mann. 35. Band, 1889. V. und Ergänzungsheft Nr. 93. Gotha; 40. Sanskrit College Library, Benares: Catalogue of Sanskrit- Manuscrits.

Allahabad; 80. Verein, historischer für Schwaben und Neuburg: Zeitschrift. XV. Jahrgang.

Augsburg, 1888; 8°.

XIV. SITZUNG VOM 5. JUNI 1889.

Die k. k. Fachschule fUr Bildhauer und Steinmetze in Horic spricht ihren Dank aus für die Ueberlassung einiger akademischen Publicationeri.

Das Curatorium der Schwestern Fröhlich-Stiftung über- mittelt die Kundmachung betreffend die im Jahre 1889 statt- findende Verleihung von Stipendien und Pensionen der Stiftung.

Die Redaction des Jahrbuches der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses stellt mit Geneh- migung Sr. Excellenz des Oberstkämmerers einen Sonderdruck der im IX. Bande dieses Jahrbuches erschienenen Abhandlung

TX

des Herrn Hofrathes Dr. Benndorf über ,Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa^ sammt Atlas zur Verfügung.

Ferner wird von Herrn Dr. Wilhelm Lauser in Wien sein neuestes Werk: ,Der erste Schelmenroman. Lazarillo von Tormes' mit Zuschrift übersendet.

Die Bou^-Stiftungscommission der kais. Akademie stellt das von ihr herausgegebene zweibändige Werk: ,Die europäi- sche Türkei von Ami Bou4' der Classe zur Verfügung.

Das w. M. Herr Professor Dr. Leo Rein i seh überreicht für die Sitzungsberichte eine Abhandlung: ^Die Kunamasprache in Nordost-Afrika. ^^

Von der Kirchenväter-Commission wird eine Abhandlung des Herrn Dr. Carl Fr. Vrba unter dem Titel: , Beiträge zur Geschichte der Augustinischen Textkritik' zur Aufnahme in die Sitzungsberichte vorgelegt.

Das w. M. Herr Hofrath R. von Sickel macht zur Veröffentlichung in dem , Anzeiger' eine die , Handschriften des Liber diomus' betreffende Mittheilung.

An Druoksohriften wurden vorgelegt:

Acad^mie, Rojale de Copenhagae: Reg^esta diplomatica historiae Danicae.

Ser. 2*, tomuB prior. VI. ab anno 1522 ad annum 1636. Kj^benhavn,

1889; 4». Oversigt over det Forhandlinger og deto Medlemmers Arbejder i Aaret

1888; Nr. 3 en Nr. 1 i Aaret 1889. Kj<^benbavn; S\ Akademie, kong.: Vitterbets Historie och Antiquitets M&nadsblad. 16. Jahr- gang. 1887. Stockholm, 1889; 8^. Archeological Survey of India: Epigraph! a Indica and Record. Parts I

and IL Calcntta, 1888/89; gr. 4^. Central-Commission, k. k. statistische: Oesterreichische Statistik. XXT.

Band, 2. Heft. Statistik der Banken fdr die Jahre 1886 und 1887. Wien,

1889; 4«.

Gesell Schaft fQr Schleswig- Holstein -Lanenburgische Geschichte: Zeit- schrift. 1. ipid 2. Heft. Kiel, 1888; 8". Schleswig-Holstein-Lauen- burgische Regesten und Urknnden. 11. Band, 6. Lieferang. Hamburg und Leipzig, 1888; 4».

k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. XXXU. Band, Nr. 4. Wien, 1889; 8".

Oesterreichische vom rothen Kreuze: X. Generalbericht. 1889; 8". Kiew, Universität: Universitäts -Nachrichten. Tome XXIX, Nr. 3. Kiew,

1889; 8".

Kukla: Vollständige englische Conjugationstabelle. Wien, 1889; 8".

Museum Francisco- Carolinum: 27. Bericht nebst der 41. Lieferung der Bei- träge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. Linz, 1889; 8^

Society, the American geographical : Journal. 13**^ Volume. New Haven, 1889; 80.

the Royal geographical: Proceedings and Monthly Record of Geography. Vol. XI, Nr. 6. London, 1889; 8«.

the Scottish geographical: The Scottish geographical Magazine. Vol. V, Nr. 6. Edinburgh, 1889; 8«.

Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. X. Jahrgang, Nr. 8 und Ausserordentliche Beilage Nr. 3. Wien, 1889; 8^

XV. SITZUNG VOM 19. JUNI 1889.

Se. Excellenz der Präsident überreicht der Classe die ihm für die Akademie zugesendeten Schriften:

LefÜdänatäv fa Klonaleson Rudolf de löstän-nugän. Love- polam dälü lautel subimik fa D^- Siegfried Lederer, und

La divine ^pop^e. La France ou le soldat du ciel par M. Tabbä de Chezelles, membre de Tacad^mie de Rome.

Herr Dr. J. Neuwirth in Prag und Herr P. Basilius Schwitzer in Marienberg sprechen ihren Dank aus für die ihnen bewilligten Subventionen.

Die Savigny-Commission legt zur Aufnahme in die Sitzungs- berichte den neunten der ^Berichte über die Untersuchung von

XI

Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels^ yon dem c. M. Herrn Reichsarchiv - Director Dr. Ludwig Ritter von Rechingen in München vor.

Das w. M. Herr Hofrath G. Bühler legt zur Aufnahme in die Sitzungsberichte eine Abhandlung: ,üeber das Sukritasaih- kirtana des Arisimha und des Amarapa^^ta' vor.

Von Herrn Dr. Josef Grunzel in Reichenberg wird eine Abhandlung, betitelt: ^Entwurf einer vergleichenden Grammatik der altaischen Sprachen' mit dem Ersuchen um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte vorgelegt.

Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung überwiesen.

Herr Dr. Alfred F. Pribram, Docent an der Wiener Universität, tiberreicht ,Studien zur Geschichte der österreichi- schen Politik im nordischen Kriege 1654 1660. I. Oesterreich und Russland', mit dem Ersuchen um ihre Veröffentlichung in den akademischen Schriften.

Die Vorlage geht an die historische Commission.

Ad Druoksohriften wurden vorgelegt:

Acad^mie, Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique: Bnlletin. 69« ann^e, 3* s^rie, tome 17, No. 5. Bnxzelles, 1889; 8».

Akademie der Wissenschaften in Krakan: Anzeiger. Nr. 3 und 6. Krakau, 1889; 89.

Archeologia e Storia Dalmata: Bullettino. Anno XII, No. 6. Spalato, 1889; 8^

Central-Commission, k. k. statistische : Oesterreichische Statistik. XX. Band, 1. Heft. Bericht über die Erbebang der Handelswerthe und Hauptergeb- nisse des auswärtigen Handels im Jahre 1887. Wien, 1889; gr. 4'>. Statistisches Handbuch der österreichisch-ungarischen Monarchie. N. F. Wien, 1888; 4».

Ch es eil es, Mr. TAbb^ de: La dirine ^pop^e. La France ou le soldat du ciel. 1*" et Volumes. Rome, Paris, 1889; 8».

XII

Gesellschaft, Deatsche für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokio: Mittheilungen. 41. Heft. Yokohama, 1889; A^

für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Russlands: Sitzungsberichte aus dem Jahre 1888. Riga, 1889; 8^

k. k. mährisch-schlesische zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde : General-Repertorium von 1851 bis Ende 1888. Brunn, 1889; 8".

Serbische gelehrte: Glasnik. 88. Band. Belgrad, 1889; 8^. Institute, the Canadian: Proceedings. 3^ series, vol. VI, fasciculus Nr. 2.

Toronto, 1889; 80.

Kiew, Universität: Universitäts- Nachrichten. Tom. XXIX, Nr. 4. Kiew, 1889; 80.

Lederer, Siegfried: Lefüdänatäv fa Klonaleson Rudolf de lOstän-nugän. Leipzig, 1889; S\

M^lj, F. de: Le Cai'dinal istienne de Vancza. Paris, 1889; 4*^. '

Mittheilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt von Dr. A. Peter- mann. 35. Band, 1889. VL Gotha; 4».

Soci6t^ de Geographie: Compte-rendu. 1889. Nos. 8, 9 et 10. Paris; 8^

Finno-Ougprienne : Journal. V et VI. Helsingissae, 1889; 8^.

R. des Antiquaires du Nord: M^moires. N. S. 1888. Copenhague; 8°.

Nordiske Oldskrift: Aarb^ger for Nordisk Oldkyndighed og Historie. 1889. 2 Raekke, 4. Bind, 2. Hefte. Kj^benhavn; 8«.

Society, the Royal geographica!: Proceedings and Monthly Record of Geo- graphy. Vol. XI, Nr. 6. London, 1889; 8®.

the Royal of Canada: Transactions. Vol. VI, Section H. 1888. Montreal, 1889; 40.

the Asiatic of Bengal: Proceedings. Nrs. 9 and 10. Calcutta, 1889; 8^. Verein fUr Landeskunde von NiederOsterreich : Blätter. N. F. XXH. Jahr- gang, Nr. 1—12. Wien, 1888; 80. Topographie von Niederösterreich. lU. Band. Der alphabetischen Reihenfolge (Schilderung) der Ortschaften etc. n. Band, 4. Heft. Wien, 1889; 40.

EUstorischer von Oberbayem: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte. XLV. Band, 2. (Schluss-) Heft. München, 1889; 8°.

XVI. SITZUNG VOM 3. JULI 1889.

Für die akademische Bibliothek sendet mit einem Schreiben Herr Dr. Gelbhaus in Nordhausen sein Schriftchen: ,MitteI- hochdeutsche Dichtung in ihrer Beziehung zur biblisch -rabbini- schen Literatur. 1. Heft: Freidank's Bescheidenheit.'

XIII

Von Herrn Dr. Emil Kaluiniacki, Professor an der Czemowitzer Universität, wird eine Abhandlung: jHandschrift- liehe Beiträge zu den Werken des bulgarischen Patriarchen Euthymius^ mit dem Ersuchen um ihre Aufnahme in die aka- demischen Schriften übersendet.

Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung überwiesen.

Das w: M. Se. Excellenz Herr Dr. Franz Ritter von Miklosich legt eine für die Denkschriften bestimmte- Ab- handlung: ,Die Darstellung im slavischen Volksepos^ vor.

Herr Dr. Emil Reich in Wien überreicht eine Abhand- lung: ,Gian Vincenzo Gravina als Aesthetiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstphilosophie^ mit dem Ersuchen um Veröffentlichung in den Sitzungsberichten.

Die Vorlage wird einer Commission überwiesen.

An Druckschriften wurden vorgelegt:

Academia, Real de la Historia: Boletin. Tomo XIV, Caademo V. Madrid

1889; 80. Acad^mie, Boyale de Copenhagae: M^moires. 6* s^rie, vol. II, Nos. 4

et 5. Kj^benhayn, 1889; 4^. Accademia, R. delle Scienze di Torino: Atti. Tomo XXIV, Disp. 11* e 12*.

1888—1889. Torino; 80. Akademie der Wissenschaften, königl. ungarische: Archaeologial ]6rtesitf>.

IX. KOtet, 3. szam. Budapest, 1889; 8^ Akademija Umigjetnosci w Krakowie: Rozprawy i Sprawozdania z posie-

dzen wydziahi historyczno-filosoficznego. Tom. XXIII. W Krakowie,

1888; 80.

Starodawne prawa Polskiego pomniki Tom. IX. Krakow, 1889; 4°. Tom. X, Czeid I. Libri formularum saeculi XV °*'' edidit Boleslaus Ula- nowski. Cracoviae, 1888; 4^. Sprawozdanie komisyi do badania Historyi sztuki w Polsce. Tome IV, seszyt I i 11. Krakow, 1889; 4^. O djnastycznem Szlachty Polskiej pochodzeniu. W Krakowie, 1888; 80. Fortuny i cnoty r6znod(f w historyi o niektörym mtodziedcu ukazana 1624. W Krakowie, 1889; 8°. Wita Korczewskiego Rozmowy Polskie laddskim j^zykiem przeplatane. 1553. W Krakowie, 1889; 8^.

Srpska krajewska. Glas. XIII i XV. Belgrad, 1889.

XIV

Central-CommissioDjk. k. statistische: Oesterreichische Statistik XXI. Band,

3. Heft. Bewegung der Bevölkerang im Jahre 1887. Wien, 1889; gr. 40. Gesellschaft, geographische in Bremen: X. Jahresbericht. Bremen, 1889;

80. Deutsche geographische Blätter. Band XII, Heft 2. Bremen, 1889; 80. Institute, the Anthropological of Great Britain and Ireland: The Journal.

Vol. XVm, Nr. 4. London, 1889; 80. Johns Hopkins^ University Studies in historical and political Science.

7»»»series. VH— Vm— IX. Baltimore, 1889; 8«. Museum zemaljsko u Bosni i Hercegovini: Glasnik. Godnia, 1889. Knjiga II.

Sarajewo; 8^. Kevue, Ungarische. 1889. V. und VI. Heft. Budapest; 8^. SocietÄ storica Lombarda: Archivio storico Lombarde. Giornale. Serie 2',

Fase. XXI. Milano, 1889; 8«. Soci^t^ de Geographie: Compte-rendu. No. 11. Paris, 1888; 8". Society, the Royal geographical: The Scottish geographical Magazine.

Vol. V, Nr. 7. Edinburgh, 1889; 8«.

XVn. SITZUNG VOM 10. JULI 1889.

Von Herrn Professor Dr. Fritz Pich 1er in Graz wird eine Abhandlung »König Boleslaw II. von Polen^ mit dem Er- suchen um ihre Aufnahme in die akademischen Schriften ein- gesendet.

Die Abhandlung wird der historischen Commission tiber- geben.

Das w. M. Herr Hofrath Dr. Adolf Mussafia legt für die Sitzungsberichte vor: ,Studien zu den mittelalterlichen Marienlegenden Nr. HI^

An Drucksohriften wurden vorgelegt:

Biblioteoa e Museo comunale di Trento: Archivio Trentino. Anno VII»

Fascicolo II. Trento, 1888 ; 80. Gesellschaft, Antiquarische in Zürich: Mittheilungen. Band XXn, Heft 6.

Beschreibung des Schlosses Ghillon. 11. Leipzig, 1889; 4<). k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band. XXXII, Nr. 5. Wien,

1889; 80.

XV

Gesellschaft, kaiserlich russische archäologische: Zapiski. N. S. Tom. I.

St. Petersburg^, 1886; S^. Tom. U, Nr. 3 und 4. St. Petersburg,

1888; 8«. Tom. UI, Nr. 1—4. St. Petersburg, 1887—1888; 8°.

Zapiski wosto^nago otdöleni. Tom. III, Nr. 1 und 2. St. Petersburg,

1888; S^, Trugy wostoSnago otdeleni. Tom. XII, Nr. 1. St. Petersburg,

1887; 80. Wasiliy Wasiliewicz Grigeriew po jego pismami i trugami. 1816 1881.

St. Petersburg, 1887; 80. Institute Peabody of the city of Baltimore: 22 ** annual Report. June, 6.

1889. Baltimore; 8». Land, Uniyersität: Akademische Schriften pro 1888—1889. 24 Stücke 4^

und 80. Musealyerein für Krain: Mittheilungen. 2. Jahrgang. Laibach, 1889; 8^. Sartori Borotto, Gaetano: Trovatori provenzali alla corte dei Marchesi

in Este. Este, 1889; 80. Society, the Asiatic of Bengal: Bibliotheca Indica. N. S. Nrs. 686 698.

Calcutta, 1888; 8«. Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblfttter. X. Jahrgang, Nr. 9.

Wien, 1889; 8«.

XVm. SITZUNG VOM 17. JULI 1889.

Die deutsche und die Wiener anthropologische Gesellschaft laden die Freunde anthropologischer Forschung zu der am 5. bis 10. August d. J. in Wien stattfindenden gemeinsamen Versammlung ein.

Herr J. Topolou&ek übersendet behufs Wahrung der Priorität ein versiegeltes Schreiben, welches die Aufschrift ftibrt: ,Die Basker, ein Zweig des indoeuropäischen Stammest

Von dem w. M. Herrn Professor Dr. Alfons Hub er wird eine für das Archiv bestimmte Abhandlung vorgelegt, welche betitelt ist: ,Die Erwerbung Siebenbürgens durch Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1551 und Bruder Georgs Ende^

Die Abhandlung geht an die "historische Commission.

XVI

Die Savigny-Commission übergibt zur Aufnahme in die Sitzungsberichte den zehnten der ,Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogen. Schwabenspiegels^ von dem c. M. Herrn Dr. Ludwig Ritter von Rockinger in München.

An Druoksohrifben wurden vorgelegt:

Archeologia e Storia Dalmata: Bullettino. Anno Xm, No. 6. Spalato,

1889; 80. Basel, Universität: Akademische Schriften pro 1888—1889; 25 Stücke

und 80. Daae, Ludoyiciis: Symbolae ad historiam ecclesiasticam provinciamm sep-

tentrionalium magni dissidii synodiqne Constantiensis temporibus perti-

nentes. Christianiae, 1888; 4°. Gesellschaft, kOnigl. Sächsische der Wissenschaften zu Leipzig: Berichte

über die Verhandlungen. Philol.-histor. Classe. 1889. I. Leipzig, 1889 ; 8°.

Fürstlich Jablonowskrsche: Jahresbericht. Leipzig, im April 1889; 8".

historisch-antiquarische von Graubünden: XVIII. Jahresbericht. Chur, 1888; 8».

Harlez, Ch. de: Le Yih-King. Texte primitif r^tabli, traduit et comment^. Bruxelles, 1889; 40.

Institut, kaiserlich deutsches archäologisches: Antike Denkmäler. Band I, 3. Heft. Berlin, 1889 ; Folio.

L^seth, Eilert: Tristranromanens gammelfranske prosahaandskrifter i Pariser Nationalbibliotheket. Kristiania, 1888; 8«.

Mittheilungen aus Justus Perthes* geographischer Anstalt von Dr. A. Peter- mann. 35. Band, 1889. VII. Gotha; 4<).

Society, the American geographical : Bulletin. Vol. XXI, Nr. 2. New- York, 1889; 8».

Verein, croatisch-archäologischer: Viestnik. Godina XI, Br. 3. U Zagrebn, 1889; 8«.

L Abb.: Brandt. IJttber di« duftliBtitehen Zntitze n. d. Kaiseranreden etc.

I.

üeber die dualistischen Zusätze und die Kaiser-

aoreden bei Lactantius.

Nebst einer Untersuchung über das Leben des Lactantius und die Entstehungsverhftltnisse seiner Prosaschriften.

Von

Dr. Samuel Brandt,

Professor in Heidelbei^.

II. Die Eaiseranreden.

indem wir für unsere Untersuchung der Eaiseranreden bei Lactanz, welche wir schon in der allgemeinen Vorbemerkung zu diesen unseren Lactanzstudien ^ angekündigt haben ^ auf die an gleicher Stelle gegebene Darlegung der handschriftlichen Verhältnisse verweisen, bezeichnen wir sogleich die Stellen, welche hier fUr uns in Betracht kommen. Es sind folgende, sämmtlich den Institutionen angehörend. In Buch I 1 ist nach § 12 eine längere Widmungsanrede an den Kaiser Constantin eingeschoben in den Pariser Handschriften R und S, dem Casinas und dem Gothanus (g); in Buch II 1, 2 haben nach ^gestio enim^ R und S: constantine imperator, der Casinas wie auch der Codex yon Glasgow sind hier verstümmelt; in Buch III 1, 1 hat nach den Anfangsworten Vollem mihi der fUr diese ganze Partie von einer Hand des 12. Jahrhunderts er- gänzte R: constantine imperator, auch in S ist hier ein grosses Stück, aber erst im 14./ 15. Jahrhundert ergänzt^; in Buch

1 ,Die dualistischen ZnsätzeS S. 1 f.

> Vgl. ,Die dualistischen Zusätze*, S. 3. 25, Anm. 1. -- FUr Buch m

habe ich für den Casinas und für die Handschriften von Wien, Douai

und Florenz keine Angaben; die betreffende Frage fehlte durch ein

Versehen meinerseits in den Fragebogen, ebenso in Bezug auf Buch IV

SitziiDgtb«r. d. phil.-hist. CK CXIX. Bd. 1. Abh. 1

Z I. Abh»ndlang: Brandt.

IV 1, 1 haben R, S und der Casinas nach den Anfangsworten Cogitanti mihi die Anrede: constantine imperator, der Gothanus: constantinü imperatore; in Buch V 1, 1 nach den Anfangs- worten Non est apud me dubium, R, S und der Casinas: con- stantine imperator, der Valentianensis^ der Gothanus, die Co- dices von Arras, Douai, Glasgow und die beiden Florentiner: constantine imperator maxime; in Buch YI 3, 1 nach den Worten Duae sunt uiae, R, S, der Casinas und der Go- thanus: constantine imperator; in Buch YII 27 findet sich nach § 2 eine sehr ausgedehnte Anrede an den Kaiser in S und g, R ist für fast das ganze siebente Buch, der Casinas am Ende desselben verstümmelt. Ausser diesen Stellen müssen hier noch gewisse Ueberschriften in drei der alten Codices be- rücksichtigt werden. In R trägt das erste Buch ausser dem von erster Hand übergeschriebenen Titel folgende^ von wahrschein- lich anderer Hand am rechten Ran^e heruntergeschriebene Bezeichnung: CELH FIRMIANI DE RELIGIONE ET REB; DIUINIS AD CONSTANTINÜ IMP., dieselbe, entlehnt offenbar den Worten Inst. II, 10 de religione itaque nobis rebusque diuinis instituitur disputatio, trug auch ein im 12. Jahrhundert vorhandener, jetzt verlorener Cluniacensis, in dem von Delisle, Inventaire des manuscrits de la Bibliothique Nationale. Fonds de Cluni (1884), S. 337 ff., mitgetheilten alten Katalog unter Nr. 358 (S. 3ö9) aufgeführt: Volumen in quo continentur libri Celii Firmiani institutionum divinarnm de religione et rebus divinis ad Constantinum imperatorem; die beiden Handschriften, um dies sogleich hier zu bemerken, sind nicht identisch, wie ich anfangs geneigt war anzunehmen, nach einer Mittheilung von Herrn Delisle kann eher vielleicht der Cluniacensis aus R, der ein alter Floriacensis ist, abgeschrieben sein. Sodann hat der Parisinus P folgende Ueberschrift des zweiten Buches: INCIPIT LIBER SECUNDÜS LACTANTII CAECILHFIR- MIANI . DE ORIGINE ERRORIS AD CONSTANTINÜ IM- PERATORE. Wir lassen jetzt den Text der beiden grösseren Eaiseranreden folgen, hauptsächlich um auch hier, wie schon bei den dualistischen Zusätzen geschehen^ die Parallelstellen

und VI für den Codex von Douai. Ueber den OzonienaiB liegten mir überhaupt keine Notizen für die Kaiseranreden vor.

üeber di« dn&listiichen Zvs&tie und di« KaiMranreden bei Lactantins. II. 3

sogleich hinzuzufügen. Die erste Anrede, A, in welcher ich mit firüheren Herausgebern die Paragraphenzahlen im Anschluss an den Text des Lactanz I 1, 12 fortßihre, wird nach den Hand- schriften B,y S und g gegeben, mit Weglassung belangloser orthographischer Varianten.

Quod opus nunc nominis tui auspicio inchoamus^, Con- Ai3 stantine Imperator maxime, qui primus Romanorum principum repudiatis erroribus maiestatem dei singularis^ ac ueri^ et cogno- uisti et honorasti. nam cum dies ille felicissimus orbi terrarum inluxisset^, quo te deus summus^ ad beatum imperii columen (culmen g) euexit^, salutarem uniuersis et optabilem foptabile^, ein Buchstabe radirt, ^ zugefügt von 2. Hd. 8) principatum praeclaro initio auspicatus es, cum euersam sublatamque iusti* tiam reducens^ taeterrimum aliorum facinus® expiasti. pro quo u facto dabit tibi deus felicitatem uirtutem diuturnitatem, ut ea- dem iustitia, qua iuuenis exorsus es, gubemaculum rei publicae etiam senex teneas* ftenes, a zugefügt von 2. Hd, 8) tuisque

* I 3, 13 quod opus . . inchoari. ^ I 6, 4 maiestatem . . singularis dei, ebenso H 1, 2.5; IV 26, 8; VI 9, 15; Epit. 4, 4; de mort. persec. 5, 7; III 17, 15 uim maiestatemque ueri dei. ^ de ira 20, 12 damnatis uitae prioris erroribus . . maiestatem dei singularis agnoscunt; IV 12, 11 singularis et ueri dei sanctum mjsterium; 11 16, 20 notitiam dei ueri et singularis; VI 9, 2 per ignorantiam ueri ac singularis boni. ** de mort. persec. 12, 1 s. inquiritur peragendae rei dies aptus et felix . . . . malorum . . quae et ipsis et orbi terrarum acciderunt. qui dies cum illuxisset .. ^ deus summus sehr häufig bei Lact., vgl. die Stellen zu A^^ ,Die dualistischen Zusätze', S. 13; auch de mort. persec. 1, 7. Vgl. de mort. persec. 4, 2 et quasi huius rei gratia prouectus esset ad illud principale fastigium; de mort. persec. 2, 7 deiectus itaque fastigio imperii. ' V 7, 1 deus . . . nuntium misit, qui uetns illud saeculum fugatamquo iustitiam reduceret; 5, 12 ad expugnandam tollendamque iustitiam; ygl. de mort. persec. 24, 9 suscepto imperio Constantinus Augustus nihil egit prius quam Christianos cultui ac deo suo reddere. haec fuit prima eins sanctio sanctae religionis restitutae. ^ I 21, 10 taetrum.. facinus. * de mort. persec. 3, 4 principes Eomani imperii clauum regimenque tenuerunt; 18, 4 abiecisse guber- naculum rei publicae; I 3, 3 tantae molis gubemaculum susti- nere; vgl. Cic. de diuin. II 1, 3 cum gubernacula rei publicae tenebamus.

1*

4 !• Abhandlung: Brandt.

liberis ut ipse a patre accepisti tutelam '^ Romani nominis tradas.

15 nam malis qui adhuc aduersus iustos in (dafür et Sg) aliis terrarum partibus saeuiunt^'y quanto serius tanto uehementius *^ idem omnipotens mercedem sceleris ^^ exsoluet^ quia ut est erga (avs erra 2. Hd, R) pios indulgentissimus pater^ sie aduersus im- pios seuerissimus fseuerissimos R L Hd., corr, v. 2. Hd., reueren-

16 tissimus Sg) iudex *^. cuius religiouem cultumque^^ diuiuum cu- piens defendere quem potius appellem, quem adloquar nisi eum, per quem rebus humanis^^ iustitia et sapientia restituta^^ est?

Der Text der zweiten längeren Kaiseranrede^ B; beruht auf den Handschriften S und g, in denen dieselbe nach VII 27, 2 eingeschaltet ist. Die Herausgeber lassen die Stelle nach VII 26, 10 folgen. Bil Sed omnia iam, sanctissime imperator, figmenta^ sopita^

sunt ex quo te deus summus^ ad restituendum iustitiae domi-

II 14, 1 ad tutelam caltamqae generis humani; de mort. persec. 18, 14 quibus tutela rei publicae committi possit. ^' y 5, 11 qui iustos ac fideles deo persequantur dantque iadicibus saeuiendi aduersus innoxios potestatem; 11, 1 inpietatem . . aduersus iustos uiolenter exercent. ^^ de ira 20, 13 quamuis sero noxios punit (sc. deus); de mort. persec. 1, 6 sero id (so Buene- mann, der Codex seruit; Le Nourry serius) quidem, sed grauiter et digne; Y 11, 11 quanto . . tanto . .; 15, 5 tanto . . quanto . .

*^ de mort. persec. 5, 1 aduersarios dei semper dignam scelere suo recipere mercedem. ** VII 27, 2 proficisci ad illum aequis- simum iudicem parentemque indulgentissimum; Y 22, 13 in- dulgentissimo patri; II ö, 6 deo et patri indulgentissimo ; Y 7, 1 parens indulgentissimus, ebenso YI 24, 4; de mort. persec. 1, 7 qui- bus poenis in eos caelestis iudicis seueritas uindicauerit exponam.

15 YXj^^ 22, 14 ne . . ad unius se dei cultum religionemquc conuerterent; Epit. 23 [28], 4 nouas religiones et cultus deorum; de ira 8, 2 cultum . . religionem. Yerbindungen dieser beiden Be- griffe oder ihrer Derivate sind häufig bei Lact.: YI 2, 18 haec est religio caelestis . . hie uerus est cultus; lY 28, 1 ad cultum uerae religionis; III 28, 1 religiosus ac pius cultus; Y 7, 2 dei unici pia et religiosa cultura; YI 2, 7 cultores . . religiones; auch in dem Edict des Galerius de mort. persec. 34, 4: cultum ac reli- gionem debitam exhibere. ^* Ygl. Y 2, 7 zu B*^®. ^^ Ygl. de mort. persec. 24, 9 zu B^'.

> Dasselbe Wort II 10, 8; lY 14, 17; YII 22, 1 und sonst. '^ 1 1, 12 quibus . . Utes contentionesque sopirent . . ut supersti- tiones mortiferas erroresque sopiamus; YI 5, 14 contentiones malae sopientur. * Ygl. zu A^

üeb«r die dualistischen Ziis4tse tind die Kaisennreden bei LacUntiiis. II. O

cilium^ et ad tutelam generis humani^ excitauit. quo guber- nante^^ Romanae rei publicae statum iam cultores dei^ pro sceleratis ac nefariis^ non habemur, iam emergente^ atque iUu- Btrata (aus illustrante v, 1, Hd. S corr.) ueritate^^ non arguimur ut iniusti; qui opera iustitiae facere '^ conamur. nemo iam nobis dei nomen exprobrat, nemo inreligiosos nlterius appellat (so schreibe ich für das überlieferte inreligiosus appellatur; man Jeännte derselbe, jedoch weniger in Uebereinstimmung mit nemo exprobrat; audi durch Einfügung von nostrum nach nemo halten), qui Boli omnium^^ religiös! sumus^^^ quoniam contemptis ima- ginibus moriuorum uiuum colimus et uerum deum '^. te proui- 12 dentia summae diuinitatis^^ ad fastigium principale prouexit^S

"• V 8, 2 eamque (sc. iuatitiam) in domicilio uestri pectoris conlocate; vgl. 5, 1 ff . 9f.; 6, llf.; 7, 10; c. 8; zu A^ VII 10, 4 cum (sc. nirtns) sibi domicilium stabile conlocauit; vgl. auch in der Stelle de mort. persec. 24, 9 zu A J: sanctae religionis restitutae. 5 II 14, 1 zu A lö. _ ö Vgl. zu und IV 3, 3 diuinitas, quae gu- bernat hunc mundum. ' cultores dei oft bei Lact., z.B. II 15, 3;

V 1, 6; 9, 12; 11, 19; VI 17, 6; 24, 26. ^ V 12, 5 ut bonum illum uirum (ygl. oben cultores dei) sceleratum facinerosum nefa- rium putet (vgl. oben habemur); VI 17, 25 quod est sceleratum ac nefarium. ^ Vgl. III 2^ 13 f. Democritus quasi in puteo quodam sie alto ut fundus nulhis sit, ueritatem iacerc demersam: nimirum stulte ut cetera, non enim tamquam in puteo demersa ueritas est . . *^ illustrare ueritatem öfter bei Lact.: I 1, 10. 20; 2, 1; IV 5, 2; VI 1, 1; VII 7, 5; Epit. prooem. 1. »^ VII 27, 2 facientes opera iustitiae; öfter iustitiae opera: IV 14, 17; 25, 6;

V 8, 9; VI 24, 5; auch de mort. persec. 3, 5. '^ vi 23, 26 solam omninm mulierera; de ira 10, 3 solus omnium. ^^ *^ IV 28, 16 nos autem religiosi, qui uni et uero deo supplicamus. '^ II 1, 5 homines autem ipsos ad tantam caecitatem esse deductos, ut uero ac uiuo deo mortuos praeferant; 2, 9 f. simulacra consti- tuunt, quae quia mortuorum sunt imagines, similia sunt mortuis. . . dei autem in aeternum uiuentis uiuum et sensibile debet esse simulacrum; 16, 3 qui fingere imagines et simulacra docuerunt, qui ut hominum mentes a cultu ueri dei auerterent, effictos mortuorum regum uultus . . . statui consecrarique fecerunt; ähnlich II 2, 24; 17, 6 f.; IV 14, 17; 16, 2; V 22, 21; VI 13, 13 und sonst; deum uerum et uiuum auch Epit. 20 [25], 10. ^^ de mort. persec. 48, 3 im Edict des Licinius summa diuinitas; öfter bei Lact, diuinitas, z. B. IV 3, 3; 16, 2; V 10, 11. 14; VI 25, 6; Epit. 21 [26], 5; de ira 5, 1 ; über den Gebrauch von diuinitas in der constantinischen Zeit vgl. Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit, 11 205 Anm. 2. ** wört- lich dieselbe Bedensart de mort. persec. 4, 2 zu A ^

6 Abhandluig: Brandt.

qui poBses uera pietate aliomm male consulta rescindere*^ peccata corrigere '^^ saluti hominam patema dementia ^^ proui- dere^^^ ipsos denique maloB a re publica submouere^ quos summa potestate deiectos^' in manus tuas idem deus taradidit^^,

13 ut esset Omnibus darum quae sit uera maiestas^^. Uli enim, qui ut impias religiones defenderent^^, caelestis et (etfekü in S) singularis dei^^ cultum tollere uoluerunt, profligati iaeent^^^ tu autem, qui nomen eins defendis et diligis, uirtute ac felicitate

14 praepoUens immortalibus tuis gloriis beatissime frueris. illi poenas sceleris sui et pendunt et pependerunt^^, te dextera dei potens ab Omnibus periculis protegit^«, tibi quietum tranquillumque^'*

15 moderamen cum summa omnium gratulatione largitur. nee im- merito rerum dominus ac rector^^ te potissimum delegit^® (di- legit Sg) per quem sanctam religionem suam restauraret^' (In- stauraret die Herausg.), quoniam unus ex omnibus extitisti, qui

*^ de mort. persec. 1, 3 qui tyrannoram nefaria et cruenia imperia resciderunt; 3,4 rescissis igitur actis tyranni. de ira 18, 1 peccata corrigi; vgl. VI 24, 5 nihil officiunt pec- cata uetera correoto. ^* VI 24, 3 clementiam ueri patris.

^ de mort. persec. 1, 3 hamano generi prouidorunt; V 2, 7 consultum esse tandem rebus humanis. ^^ V 3, 25 summa po- testate depalsum; de mort. persec. 2, 7 deiectus itaque fastigio im- perii. ^* de mort. persec. 3, 2 traditas in manus inimicorom.

2^ uera maiestas öfter bei Lact., z. B. I 1,8; II 16, 9; V 6, 1; vgl. auch zu A^. ^"* V 2, 7 in defendendis deorum reli- gionibns. ^^ Vgl. zu A^. ^6 ^^ mort. persec. 1, 2 profli- gata nuper ecclesia; § 6 qui insultauerant (so Graevius) deo, iacent.

2'' II 7, 21 satisne poenarum . . pependisset; IV 10, 17 poe- nas inpietatis suae graui seruitio pependerunt. ^^ II 15, 2 quos manus dei potens et excelsa non protegit; de mort. persec. 24, 5 quoniam dei manus hominem protegebat. '''®* VII 2, 1 quietum tranquillum pacificum . . saeculum. ^^ I 11^ 14 ipse rector ac dominus; II 16, 8 ille autem praeses mundi et rector uniuersi; UI 15, 5 huius mundi constitutor et rector deus; V 1, 1 singularis ille rerum conditor et huius inmensi rector; de ira 10, 53 quodsi est conditor rectorque mundi deus; vgl. auch Auson., grat. act. 4, 20 caeli et humani generi s rector. ^ de mort. persec. 12, 1 potissimum Terminalia deliguntur; 11 13, 1 ad multitudinem re- parandam (vieUeioht ist oben restauraret zu vergleichen) delegit unum. ^^ de mort. persec. 24, 9 haec fuit prima eius sanctio sanotae religionis restitutae; IV 5, 9 religionis sanctae origo; 11, 7 ut religionem sanctam dei transferret ad gentes.

U«btr dt« dnalistisehen ZasAtse and die KaisaTanreden bei Lactantins. II. 7

praeoipua uirtutis et sanctitatis exempla praeberes^^^ quibus antiquorum principum gloriam fgloria S), quos tarnen fama inter bonos '^ namerat, non modo aequares, sed etiam, quod est maximum, praeterires. illi quidem natura fortasse tantum ^^ similes iustis fnerunt: qui enim (^tm d. L tantum g) moderatorem uniuersitatis deum ignorat (Ignorant, n rad., 8)^ similitudinem iostitiae asseqoi potest, ipsam uero non potest^^: tu uero et 17 momm ingenita sanctitate^^ et ueritatis et dei agnitione^^ in omni actu^^ iustitiae opera^^ consummas fconsumas S)^^. erat

3' rV 25, 5 exempla uirtutis homini praebere. ^^ Vgl. de mort. persec. 3, 4 secutisqne temporibus, quibus multi ac boni principes Bomani imperii claaum regimenque tenuerunt. '^ VI 9, 7 ff. aliud est igitur ciuile ius, quod pro moribus ubique uariatnr, aliud ueraiustitia, quam uniformem ac simplicem propo- suii Omnibus deus: quem qui ignorat, et ipsam iustitiam ignoret necesse est. (8) sed pntemus fieri posse ut aliquis naturali et in- genito bono ueras uirtutes capiat . . ., tamen cum illud unum quod est maximum deest, agnitio dei, iam bona illa omnia superaacua sunt et inania, ut frustra in iis adsequendis laborauerit. (9) omnis enim iustitia eins similis erit humano corpori caput non habenti . . . (10) itaque membra illa formam tantummodo membrorum habent, usnm non habent, tam scilicet quam caput sine corpore, cui similis est qui cum deum non ignoret, uiuit iniuste: id enim solum habet quod est summum, sed frustra, quoniam uirtutibus tamquam mem- bris eget . . . (13) haec res eMoit ut philosophi etiamsi natura sint boni, tamen nihil sciant, nihil sapiant . . . (14) cum uero condi- torem rerum (vgl. oben moderatorem uniuersitatis) parentemque cognouerit, tunc et uidebit et audiet et loquetur; Y 10, 13 f. quod eo fit quia, cum religiosi uideantur et natura boni, nihil tale creduntur mereri quäle saepe patiuntur. . (14) qui licet sanctis moribus uiuant in summa fide atque innocentia, tamen quia deos colunt, quorum ritus inpios ac profanes deus uerus odio habet, a iustitia et a no- mine uerae pietatis alieni sunt. (17) possuntne inter haec iusti esse homines, qui etiamsi natura sint boni, ab ipsis tamen diis erudiantur ad iniustitiam? *^ Vgl. in den zu ^^ angeführten SteUen sanctis moribus V 10, 14, und ingenito bono VI 9, 8. '* Vgl. in der zu '* angeführten Stelle VI 9, 8 agnitio dei, und in demselben Capitel § 24 ergo in dei agnitione et cultu rerum summa uersatur; dieser Ausdruck auch sonst öfter, z. B. III 28, 1 ; VI 23, 40; VII 17, 1. 37 VII 10, 4 in omni actu; IV 3, 7 uita et actus omnis; VI 9, 24 actus omnis, aus demselben § schon 3^; 12, 3 omnis actus uitae; V 9, 23 in actibus. ^8 Vgl. oben zu ^ «. »» VI 2, 1 7 ad perficiendam consummandamque iustitiam; 25, 16 consum- mata et perfecta iustitia est; öfter consummare z. B. II 8, 34; 10, 1 ;

8 L Abhandlung: Brandt

igitur congruens^^ ut in formando^* (Brmando atM formando S; passender acheint reformando; vgl, die unten angeführte Stelle VII 14, 6) generis homani statu ^^ (statj; vielleicht o rad,, ^ von 2. Hd. S) te auctore (oder, adiutoref^ ac ministro diuinitas (^diuinitatis S) uteretur. cui nos cotidianis precibus supplica- mus^^y ut te inprimisy quem rerum custodem uoluit esse^^^ cu-

ni 13, 7, und consammatas adjectiyiscli, z. B. II 8, 3; IV 24, 5. 19; 26, 27. IV 27, 7 congruens maiestati fuit ut . .; 1, 6 quod huic prauitati congruens erat; 26, 13 quid congruentiua deo? 41 4'i yj[ 14.^ Q humanarum rerum statum in melius reformari ; IIE 7, 2 in disponendo uitae statu formandisque moribus. ^^ formare oft bei Lact., z. B. IV 3, 1 ad mores excolendos uitamque formandam; 16, 4; 17, 14. *^ IV 1, 1 priorem illum generis bumani statum. *^ de mort. persec. 52, 4 celebremus igitur triumpbum dei cum exsultatione, uictoriam domini cum laudibus fre- quentemus, diurnis nocturnisque precibus celebremus (der Cod. bat celebremus celebremus), ut pacem post annos decem plebi suae datam confirmet in saeculum. Bei den mebrfacben Berübrungen zwi- schen der Scbrift De mort. persec. und den Kaiscranreden, die auch bier in diurnis precibus, mit dem obigen cotidianis precibus vergli eben, und im Allgemeinen wenigstens auch in dem Gedanken der beiden Final- sätze, ut pacem . . und ut te . ., hervortritt, da ferner an der soeben an- geführten Stelle das doppelte celebremus (celebremus igitur und precibus celebremus) unerträglich ist, auch der Finalsatz ut pacem . . nur in sehr schwacher Weise von celebremus abhängt, endlich die Verbindung von celebremus mit precibus nicht angemessen ist, so vermuthe ich für das zweite celebremus das obige supplicemus (Baudri: obsecremnjs), aber nicht nur auf obige Stelle, sondern auch auf Fusebius gestützt, Hist. eccl. X 4, 72 TaOxa xat vjv xäI eiq xchq i;^«; Sltzoyzji^ '/jpo'^oii^ t«T^ (Avi^fi^at^

xai XajJWwpoTarri^ i^f^spa«; tsv alTiov xal TcavTQYupwpX^v v6xT<i)p xat picör|- (jLspav Bix Tcaat);; (opo^ xat IC oXiq<; ui; eiicsTv avoiuvoi)^ 6vv(^ i7poop(i>(Asvo( oT^PYovre; xal a^ßovre;; ^^^X^«; 2^T) ^^''^cjasi xai vuv dvaarivTe^ y^yakr^ Swt- biaiit^q 9b)vv^ x20ixeTs69(i){jLev, bx; £v incb xy)v auiou pLivSpav ei^ t^Xo^ i^fjLa; cxsTcav^tov Siaacol^otTO Tt)v i:ap' aurou ßpaßcjcov ipporfq xat dloct- ffTOv at<i)v{av eipiiJvTfjv, wozu für unsere Stelle noch kommt VIII 15, 1 S'.a TTavTO«; '{i xoi toö xaia tov 5tü)Ypi.bv BsxasTouq j^povoü, ähnlich 16, 1. Die höchst merkwürdigen Uebereinstimmungen zwischen Eusebius und der Schrift De mort. persec. hat zusammengestellt Antoniades, Kaiser Licinius (1884), S. 6ff. An jener Stelle de mort. persec. ist jeden- falls noch deo oder ein ähnlicher Begriff einzusetzen, vielleicht vor diurnis ausgefallen, oder zugleich mit supplicemus durch das wieder- holte celebremus verdrängt, wenn dieses nicht vielmehr nur die Ver- klebung einer Lücke ist. Denn dass hier eine Unordnung vorliegt, zeigt auch die Lesart des Cod. celebremus celebremus. ^^ II 14, 8

ü«ber di« dnftliatisoheii Zasfttxe und die Kaiseran reden bei LacUntiiiB. IL 9

stodiat, deinde inspiret tibi uoluntatem, qua fqua^ " getagt von vidleicht 1. Hd. S) semper in amore diuini nominis perseueres *^ C-es aus -et 2. Hd. S). quod est omnibus salutare, et tibi ad (tid am Rande zugefügt von 1. Hd. S) felicitatem et (ei fehlt in 8) ceteris ad quietem.

Unsere Untersuchung wird sich naturgemäss im wesent- lichen mit den beiden vorstehend mitgetheilten längeren Stücken zu beschäftigen haben ^ es verdienen jedoch auch die bisher kaum beachteten ganz kurzen Kaiseranreden in den Büchern n VI eine gewisse Berücksichtigung, und zwar deshalb^ weil man aus ihnen einen gemeinsamen Plan, der allen diesen Kaiseranreden zu Grunde liegt; erkennt. Wie die längere An- rede im ersten Buche das ganze Werk dem Kaiser Cons tantin zueignet und unmittelbar vor dem Schlüsse des siebenten, des letzten Buches ihm als dem Wiederhersteller und Beschützer der christlichen Religion wiederum eine Huldigung dargebracht wird, so sollte das Werk auch in den dazwischen liegenden Büchern wenigstens durch Nennung des Namens des Kaisers als diesem gewidmet hingestellt werden. Die Anfangs- wie die Schlussworte der ersten Anrede zeigen auf den ersten Blick, dass der Ver- fasser derselben als identisch mit dem Verfasser der Institutionen, d. h. als Lactanz gelten will, in der Anrede des siebenten Buches tritt die Persönlichkeit des Verfassers nicht besonders hervor. Er spricht nur in der ersten Person des Plurals und in Ausdrücken, die auf die Christen überhaupt Bezug haben. Auch lässt sich keine Hindeutung auf das dem Kaiser zuge- eignete Werk finden. Die bisherigen Herausgeber haben, wie schon bemerkt, die Anrede des siebenten Buches nicht, wie es die Handschriften S und g verlangen, nach § 2 des Ca- pitels 27, sondern an den Schluss des Capitels 26 gestellt; wir werden diesen Punkt später noch berühren.

Während die dualistischen Zusätze, wie wir sahen; von den Herausgebern und sonstigen Gelehrten überwiegend mit

qucniam eustodes eos hamano generi deus miserat. ^^ de mort. persec. im Edicte des Galerius 34, 4 com plorimi in proposito per- senerarent.

10 1* AbhAodlDDg: BrAodt.

Misstrauen betrachtet oder geradezu verworfen wurden , was bei ihrem Inhalte leicht begreiflich, war das allgemeine Urtheil den Kaiseranreden gegenüber viel freundlicher, was ebenfalls aus dem Inhalte sich leicht verstehen Iftsst. £& erschien so höchst angemessen und fast selbstverständlich, wenn Lactanz, der Constantin als Lehrer von dessen Sohn Crispus nahe stand, seine grosse Apologie des Christenthums gerade diesem Elaiser, dem Retter und Schutzherm der christlichen Kirche, gewidmet hatte. Es wurde daher den Kaiseranreden bei Weitem bereit- williger die Aufnahme in den Text gewährt als den dualistischen Zusätzen. Der Zusatz A findet sich bereits in einigen der ältesten Ausgaben, B hat zuerst, wie auch den zweiten duali- stischen Zusatz, Paulus Manutius (1535) und zwar am Ende des 26. Capitels des siebenten Buches. Seither haben nur Wenige beide Kaiseranreden verworfen, Isaeus (1646) mit Berufung auf die Handschriften, besonders den Bononiensis, und auf inhaltliche Gründe (S. 254 ff. 363), dem sich Gallaeus (1660) und Spark (1684) kurz anschlössen. Auch Overlach, Die Theologie des Lactantius (1858) S. 4, bekämpft kurz, aber treffend die Echtheit. Ebenfalls mit Berufung sowohl auf die Handschriften, durch welche ja die zweite Anrede weniger verbürgt scheint, wie auf den Inhalt haben Vereinzelte nur die erste als echt gelten lassen, so Ebert, lieber den Verfasser des Buches De mor- tibus persecutorum, Berichte über die Verhandl. der k. sächs. Gesellsch. der Wissensch., philol.-hist. Classe, Band 22 (1870), S. 115 ff., insbesondere S. 135ff. ', Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande, I 82, und in Herzogs Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 2. Aufl., VIH 364; jedenfalls die erste erkennen an Möhler, Patrologie (1840) S. 922 (,Gewidmet ist das Werk Constantin dem Grossen') und Nirschl, Lehrbuch der Patrologie und Pa- tristik (1881) I 369, auch P. Meyer, Quaestionum Lactan- tianarum particula I (1878), S. 2, doch zurückhaltend. Andere haben sich nur schwankend ausgesprochen, so Spyker, De pretio Institutionibus divinis Lactantii statuendo (1826) S. 7 Anm. 5; über das erste Stück, ohne ein Urtheil über das zweite

^ Wo in dieser meiner Arbeit Ebert ohne Zusatz genannt wird, ist Untertachung desselben gemeint.

Uebtr die dnalistiselien Zds&Im und di« KMseraiireden bei Laetontini. U. 11

ThomasiuB^ (lblO)y Bahr, Geschichte der röm. Literatur; Supplementbaiid, 11. Abth. (1837) S. 74; über beide Le Noorry, Apparatus ad Bibliothecam Maximam Veterum Patrom (1715), n 618 D. 633 ff., doch mehr über die zweite als über die erste, dann Fritzsche I 3, Anm. 1. 11 111 f., Anm. 3 und Teoffel, Geschichte der röm. Literatur^, S. 930. Bei weitem die Meisten jedoch haben beide Stücke für echt gehalten. Der Stil der Zusätze und die Beziehungen des Lactanz zu Constantin erschienen ihnen schwerwiegend genug, um den Bedenken die Wagschale zu halten; die Autorität der Handschriften sahen sie nicht als massgebend an, und die inhaltlichen Schwierigkeiten wussten sie auf diese oder jene Weise zu beseitigen. Ich nenne hier Betuleius (1Ö63), Baronius, Annal. eccles. ed. Pagius, III 597, Baluze in seiner Ausgabe der Schrift De mortibus perse- cntornm (1679, in der Ausgabe des Lactanz von Le Bruu- Lenglet 11 278), Tillemont, M6moires pour servir k l'histoire eccl&i. (1704) VI 208. 728, Walch (1735) in der Vorrede S. 33 f. (obgleich er zu der zweiten Stelle S. 883 sich weniger zuver- sichtlich ausdrückt), Heumann (1736), Buenemann (1739), Le Brun-Lenglet (1748), Eduardus a S. Xaverio^ In omnia L. Caelii Lactantii Firmiani opera dissertationum praeviarum decas prima (Romae 1754) , dissertatio X, p. 336 ss. , der redselige, aber höchst oberflächliche Versuch einer Widerlegung des Isaeus , auch Bertold, Prolegomena zu Lactantius (1861) S. 12. 19. Im Allgemeinen hat sich die Erörterung der Frage ziem- lich an der Aussenseite gehalten, nur sehr wenige der genannten Gelehrten haben sie eingehender betrachtet. Je grösser aber die Zahl derer ist, welche diese Stücke oder wenigstens das erste auf Lactanz zurückführen, um so mehr muss es mir ob- liegen, die unbedingt ablehnende EEaltung, die ich in meiner Ausgabe vertrete, zu rechtfertigen. Ich bin als Herausgeber des Lactanz dazu noch ganz bestimmt durch eine Aeusserung von Ebert veranlasst, der S. 136 in Bezug auf die erste Stelle sagt: ,Als Zusatz, der nicht ursprünglich im Text stand, ist freilich die Stelle von dem Herausgeber der Institutionen zu

> Isaeus (S. 264) und Andere sprechen, als ob Thomasius die Stellen für unecht gehalten habe; Tgl. dag^jg^en den Schluss der Anmerkung zur ersten Kaiaeranrede.

12 !• AbbaDdlQDg: Brandt.

behandeln 9 und demgemäss einzuklammem , aber für eine Entfernung aus dem Text müsste der Herausgeber triftige Gründe vorbringen/ Ich hoffe^ die geforderten triftigen Grtlnde für die von mir vorgenommene und, wie ich denke, endgiltige Entfernung dieses und des andern Stückes aus dem Texte des Lactanz vorbringen zu können.

Wir haben zunächst die handschriftliche Gewähr der beiden Stücke zu betrachten. Die früheren Herausgeber haben sich viel mit dem Zählen der Handschriften , welche die Stellen entweder enthalten oder nicht enthalten, zu schaffen gemacht, aber es sind dies beinahe sämmtlich junge Hand- schriften des 14. oder 15. Jahrhunderts. Von den fünfzehn^ mir näher bekannten, vor dem 14. Jahrhundert geschriebenen Handschriften, welche in der Untersuchung über die dua- listischen Zusätze aufgeftihrt sind, hat gegenüber von sechs Handschriften 2^ die bis in das 10. oder lO./ll. Jahrhundert gehen, nur einer, der gleich alt, der Parisinus R, das erste Stück, von den übrigen zehn, die in das 11. bis 13. Jahrhundert ge- hören, nur zwei, der Casinas und der Parisinus S. Für das zweite Stück kann von allen jenen Handschriften ^ nur S angeftihrt werden, allein bei der von uns (,Die dualistischen Zusätze' S. 25 ff.) erwiesenen nahen Verwandtschaft von S und R ist, wie auch bei den dualistischen Stücken, mit Sicherheit anzunehmen, dass R, als er noch unversehrt war, auch die zweite Kaiser- anrede enthalten hat, und ebenso wird sie sich in dem Casinas befunden haben, der R und S sehr nahe steht; der Gothanus, (g), der beide enthält, stammt aus dem 14./15. Jahrhundert. Es ist demnach jeder Versuch abzuweisen, die zweite Kaiser- anrede um der geringeren handschriftlichen Grundlage willen der ersten gegenüber herabzudrücken, wie es früher bei der mangelhaften Kenntniss der Handschriften oft geschah und auch Ebert noch thut S. 136: ,Nun findet sich femer dieser zweite Zusatz nur in ein paar der spätesten Handschriften. Warum sollten ihn die anderen, die den ersten haben, weg-

^ Der Oxoniensifl ist nicht mitgerechnet; vgl. S. 1, Anm. 2.

2 Im St. Galler Palimpsest (6) lässt sich, weil die betreffenden Stücke verloren sind, das Fehlen der Kaiseranreden nicht nachweisen, doch ist es bei der Uebereinstimmnng desAlben mit B vOUig sicher.

3 Ausser G enthält auch der V(alentianensis) das siebente Bach nicht.

Ueber dit dnalistiseben Zutfttze und die KaiferftDreden bei Lactantins. 11. 13

gelassen haben? Dies erscheint unerklärlich/ Sehen wir also diese Scheidung und die auf dieselbe gebaute Argumentation gegen die Echtheit des zweiten Stückes als unhaltbar an und stellen beide Stücke hinsichtlich ihrer handschriftlichen Beurkundung einander völlig gleich, so tritt die andere Frage auf, was von dem Werthe dieser Beurkundung zu halten sei. Die Antwort ist schnell gegeben: dieser Werth ist, wenn wir die Zahlen der Handschriften vergleichen, ausserordentlich gering, wenn wir aber überhaupt die Zusätze, welche den in solcher Mino- rität stehenden Handschriften eigen sind, prüfen, gleich Null. Wir haben gefunden, dass in denselben Handschriften der In- stitutionen, welche die Kaiseranreden enthalten, sowohl eine Anzahl kleinerer Anhängsel wie die grossen dualistischen Zu- sätze stehen, wir dürfen aber den Beweis ftir erbracht ansehen, dass diese sämmtlichen Zusätze entweder sicher oder so gut wie sicher unecht sind (,Die dualistischen Zusätze^ S. 2öff.). Ihr Fall reisst eigentlich allein schon die Eaiseranreden mit sich nieder. Auch jene Ueberschriften in gewissen Codices beweisen nichts ftlr die Echtheit der Eaiseranreden: sie können der Vorlage mit den Kaiseranreden zugefügt worden sein und so sich fortgepflanzt haben. Obwohl nun schon allein im Hinblicke auf die handschriftliche Ueberlieferung der Kaiseranreden die Unechtheit derselben feststeht, so dürfen wir deshalb uns der weiteren Verfolgung der Frage doch nicht für enthoben be- trachten, es müssen auch innere Gründe gegen die Echtheit beigebracht werden, zumal da Ebert S. 136 sagt: ,Will man aber annehmen, er (d. h. der erste Znsatz) sei noch später (nämlich als Constantin) von einem Abschreiber eingefügt, so niuss man eine solche Annahme doch zu motiviren im Stande sein-. Ich finde aber gar kein stichhaltiges Motiv denkbar^; und weiter: ein triftiger Grund ,ist der nicht, dass in einer Anzahl Handschriften der Zusatz fehlte Wir unserseits werden dagegen verlangen dürfen, dass jene Stücke, die mit Beziehung auf ihre handschriftliche Beglaubigung betrachtet, für so gut wie verloren zu geben sind, eine um so strengere Prüfung nach allen anderen Seiten hin aushalten müssen, wenn sie ihren Anspruch, von Lactanz verfasst zu sein, behaupten wollen.

Richten wir zunächst unseren Blick auf den Zusammen- hang, in welchem die beiden Kaiseranreden A und B mit ihrer

14 I. Abhftndlnng: Brandt.

nächsten Umgebung stehen, so ist eine Unterbrechung desselben bei A unverkennbar, wenn auch nicht zu Anfang, so doch am Ende. Denn die ersten Worte des unmittelbar auf A folgenden § 17 omissis ergo terrenae huiusce philosophiae auctoribuB weisen mit ei^o auf den Inhalt der Einleitung § 1 12, ins- besondere auf § 1 6 und 11 zurück, nach dem langen Zu- sätze aber mit seinem so völlig andersartigen Inhalte erscheint ergo von seinen Anknüpfungspunkten so weit weggerissen und entbehrt so sehr jeder Beziehung auf das zunächst vorher- gehende Stück, dass diese ganze Partie allein schon aus diesem Grunde kaum ursprünglich in diesem Zusammenhange von Lactanz geschrieben sein kann. Noch viel weniger will aber das zweite Stück B sich in den Zusammenhang des sicher echten Textes einfügen. Folgen wir den Handschriften S und g, deren erste überhaupt die älteste ist, welche dieses Stück enthält, so wird der Gedankengang der ersten Paragraphen von Capitel 37 des siebenten Buches, in welchen ermahnt wird, irdischen Genuss wie irdisches Leid um der ewigen Belohnung willen, die den Christen erwartet, fUr nichts zu achten, durch die nach § 2 eintretende Kaiseranrede völlig gesprengt, wie dies jeder, der die Stelle liest, anerkennen wird. Es bedarf dies daher keines näheren Beweises, doch möge noch besonders darauf hingewiesen werden , dass der Anfang des § 3 proinde si sapientes, si beati esse uolumus, ganz undenkbar ist nach dem Schlüsse der Eaiseranrede. Es haben nun die Herausgeber seit Manutius, wie schon bemerkt, das Stück B an das Ende von Capitel 26 gestellt, welches folgendermassen schliesst: unde etiam quasdam execrabiles opiniones de pudicis et inno- centibus (dies sind die Christen) fingunt (nämlich die Gegner) et libenter iis quae finxerint credunt. Zu dieser Umstellung lud offenbar der Anfang von B ein: sed omnia iam, sanctissime Imperator, figmenta sopita sunt. Inwieweit sie berechtigt ist, wird später noch zur Sprache kommen, für jetzt heben wir nur hervor, was fUr unsere Frage von Belang ist, dass die Bezeichnung jener verleumderischen Erdichtungen in Capitel 26, 10 als gegenwärtiger sich nicht vereinigen lässt mit der Er- klärung von B, dass dieselben jetzt zur Ruhe gekommen seien. Es ist daher nicht nur nicht glaublich, dass Lactanz von vorne- herein schon dieses Stück, möge man die eine oder die andere

Veber die daalistischen Zttsfttz« ond die Kaiseranreden bei Lactantins. 11. 15

Stellung desselben bevorzugen, zugleich mit den Nachbar- partien geschrieben habe, sondern man kann sich auch kaum einreden, dass er es etwa später so plump in seinen Text hinein- gestossen haben sollte, kurz, auch nach dieser Seite betrachtet, erwecken die beiden Kaiserreden das höchste Misstrauen.

Es folgt nun die weitere Frage, ob denn der Inhalt der beiden Stücke im Einklänge sich befindet mit den geschicht- lichen Verhältnissen, wie sie in den Institutionen uns entgegen- treten. Lactahz schrieb seine Institutionen zu einer Zeit, wo die Verfolgung der Christen durch das ganze römische Reich auf ihrer Höhe stand. Dies setzen die Capitel 9; 11 13; 19 23 des fünften Buches ausser allen Zweifel, insbesondere Stellen wie Capitel 11, 6, wo von Oalerius gesagt wird: nemo huius tantae beluae immanitatem potest pro merito describere, quae uno loco recubans tarnen per totum orbem ferreis dentibus saeuit u. s. w., und im sechsten Buche Capitel 17, 6 spectatae sunt enim semper spectanturque adhuc per orbem poenae cultorum dei, in quibus excruciandis noua et inusitata tor- menta excogitata sunt. Nirgends ist von einem Nachlassen der Verfolgung oder von einer Beschränkung derselben auf einzelne Theile des Reiches die Rede, vollends nicht in Verbindung mit Constantin, dessen Namen in den Institutionen überhaupt nicht einmal genannt wird, auf den auch nicht die leiseste An- spielung hinweist, überall endlich spricht Lactanz nur voll von Schmerz und Empörung von der gegenwärtigen Verfolgungs- zeit. Nachdem man nun früher ganz übei-wiegend in jenen Schilderungen des Lactanz die licinianische Christenverfolgung hatte erkennen wollen, so dass man die Abfassungszeit der Institutionen um das Jahr 320 ansetzte, die Beziehung aber auf die diocletianische, am wildesten erst unter Galerius auf- lodernde Verfolgung nm* sehr vereinzelte Vertreter (z. B. Over- lach S. 4) gefunden hatte, ist von Ebert S. 127 ff. auf Grund von V 23, wo den Verfolgern das göttliche Strafgericht in einer Weise angedroht wird, dass man dieselben sämmtlich als noch lebend annehmen muss, wozu auch andere Gründe kommen, noch genauer als äusserster Zeitpunkt für die Ab- fassung das Jahr 310 aufgestellt worden, in dem Maximian ein elendes Ende fand, dem dann 311 Galerius folgte, der ebenfalls kläglich zu Grunde ging. Diesen Ansatz halte ich für unbe-

16 !• Abhandlung;: Brandt.

streitbar.^ Welches ist nun aber die geschichtliche Lage nach den Kaiseranreden? Sogleich die ersten Worte von A zeigen eine andere Lage. Constantin hat seine Regierung damit be- gonnen, dass er die unterdrückte christliche Religion wieder hergestellt hat (euersam sublatamque iustitiam reducens). Dafür wird ihm göttlicher Segen nach verschiedenen Seiten voraus- gesagt (§ 14) y dann heisst es weiter: nam malis qui adhuc aduersus iustos in aliis terrarum partibus saeuiunt, quanto serius tanto uehementius idem omnipotens mercedem sceleris exsoluet. Nach diesen Worten müsste nur noch in einigen Theilen des römischen Reiches , wo nämlich jene ,mali' herrschten, die Verfolgung stattgefunden haben. Fast allgemein hat man, so Tillemont, Isaeus, Baluze, Le Nouny, Ebert u. A., diese Stelle auf die unter Licinius beginnende Verfolgung ge- deutet, nur P. Meyer hat die Möglichkeit hervorgehoben, dass sie auf die Zeit zwischen 306, der Elrhebung des Con-, stantin, und 311, nach welchem Jahre nur noch Maximin die Christen verfolgte, bezogen werden könne, indem er in Bezug auf Constantin die oben zu A^ angeführte Stelle de mort persec. 24, 9 geltend machte. In diesem Falle nun aber wie in jenem liegt ein Widerspruch vor zwischen den zeitgeschicht- lichen Verhältnissen, welche die Institutionen, und denjenigen, welche A voraussetzt : denn dort wird ohne jede Einschränkung nur von Verfolgungen gesprochen. Auch steht zu dem Schmerze des Lactanz die dankbare, ruhige Stimmung in A in starkem Gegensatze. Noch viel schlimmer steht es mit der zweiten Kaiseranrede. Prüfen wir den geschichtlichen Boden, auf dem sie stehen will, so zeigen die §§ 12 16, in denen der durch die Gnade der Vorsehung siegreiche Constantin seinen Geg- nern, den Verfolgern der wahren Religion, gegenübergestellt wird, dass sämmüiche Feinde in die Hände Constantins ge- geben sind 12); sie sind zu Boden gestreckt worden und büssen fUr ihr Verbrechen: illi poenas sceleris sui et pendunt et pependerunt 13 f.). Nun können aber wegen der Worte §12 quos summa potestate deiectos und überhaupt bei der so nachdrücklichen Gegenüberstellung von Constantin und jenen ^mali' unter den letzteren nur andere Herrscher, seine Neben-

' Vgl. die nichste Untersuchung über das Lebpn des Lactantius n. s. w.

üeber dio dualistischen Zusfttse und die Kaiseranreden bei Lactantins. II. 17

buhler y nicht etwa deren ausfuhrende Werkzeuge gemeint sein. Auf welche Personen soll man aber alsdann die Worte pependerunt et pendunt beziehen? Nach dem Tode des Ma- ximin (313) und ehe Licinius als Feind der Christen auftrat^ war kein Verfolger mehr am Leben ^ so dass das Präsens pendunt sich Air diese Zeit auf Niemanden deuten lässt. Sieht man aber, wie allgemein geschieht, das Stück B als nach dem Sturze des Licinius geschrieben an, so kann man das Präsens pendunt nur so halten, dass man für die Entstehung von B die Zeit zwischen dem September 324, wo Licinius bei Chrysopolis entgiltig besiegt wurde, und dem October 325, wo Constantin ihn umbringen Hess, annimmt. So sehr es nun aber Bedenken erregen muss, dass gerade dieser so enge begrenzte Zeitabschnitt für die Entstehung von B sich ergibt, so wollen wir denselben einstweilen doch als möglich an- nehmen. Alsdann aber leidet dieses Stück in Beziehung auf die Verfolgungen mit den Institutionen und mit A verglichen an einem doppelten Widerspruche. Man kann sich nämlich kaum vorstellen, wie Lactanz hier von einem gänzlichen Aufhören der Verfolgungen sprechen kann, die in den Institutionen noch ungeschwächt andauern, in A aber erst nur zum Theil, im Bereiche des Constantin, nachgelassen haben. Bei diesen Wider- sprüchen scheint es von vorneherein schon unmöglich, an die Echtheit dieser Stücke zu glauben. Oder gibt es ein Mittel, die Schwierigkeiten zu beseitigen?

In der That hat man versucht, die bezeichneten Wider- sprüche begreiflich zu machen. Zuerst stellte Thomasius (in den Notae zur ersten Eaiseranrede) kurz die Erklärung auf: fieri potuisse, ut Lactantius ante tempora Constantini libros hosce scripserit, sed eos tempore Constantini ediderit. Walch (S. 34f.) hat dieselbe Ansicht, nur bestimmter gefasst: Lac- tanz habe seinem schon während der Verfolgung vollendeten Werke bei der später erfolgten Veröffentlichung die beiden Eaiseranreden nur äusserlich beigelegt; so sei es gekommen, dass sie in einigen Handschriften Aufnahme gefunden, in an- deren dagegen ausgelassen worden seien. In derselben Weise scheinen Cellarius und Buenemann sich den Hergang zu denken. Eine neue Wendung gab Baluze dem Gedanken des Thomasius. Nach ihm hat Lactanz seine Institutionen während

SiUnngeber. d. phiL-kist. Cl. CXIX. Bd. 1. Abb. 2

18 !• AbhAndlQng : Brandt.

der Verfolgung (offenbar der diocletianischen) geschrieben, da- mals aber nicht gewagt, sie herauszageben; erst später habe er sie, und zwar zum ersten Male, veröffentlicht ohne die Kaiseran- reden ,statim post datam ecclesiae pacem^, womit wohl das Mailänder Toleranzedict vom Winter 312/13 bezeichnet wird, zum zweiten Male aber mit denselben ,post bellum Cibalense et Mardiense', also nach 314. Hier tritt zum ersten Male der Gedanke einer doppelten Ausgabe der Institutionen auf, der, wenngleich nicht in der Fassung, wie sie Baluze erdacht hat, so doch in anderer Wendung mehrfach Aufnahme fand, in der Weise nämlich, dass man annahm, Lactanz habe die Institu- tionen zum ersten Male zur Zeit der Verfolgung veröffentlicht, zum zweiten Male dann mit der ersten oder mit beiden Kaiser- anreden unter Constantin. So z. B. Heumann (in den Anmer- kungen zu beiden Kaiseranreden), ohne freilich zu sagen, welche Verfolgung man sich zu denken habe, Le Brun-Lenglet I, S. VII. XVI f., die ftlr die erste Ausgabe die licinianische Ver- folgung, für die zweite die Zeit nach der Besiegung des Lici- nius annehmen. Dagegen hat Ebert, der geneigt ist, die Echt- heit von B aufzugeben (S. 136 f.), die Lösung versucht, dass er die erste Ausgabe zur Zeit der diocletianisch-galerianischen Verfolgung, die zweite, mit der Kaiseranrede A, während der Verfolgung des Licinius gemacht sein lässt; doch da er B nicht unbedingt verwirft, so schliesst er die Möglichkeit sogar einer dritten Ausgabe der Institutionen nicht ganz aus. Wieder An- dere endlich, zuerst Isaeus, sahen keinen andern Ausweg als die Verurtheilung beider Kaiseranreden. Es ist nach der bis- herigen Darlegung klar, dass jene inhaltlichen Widersprüche fUr die Kaiseranreden verhängnissvoll werden müssen, wenn es nicht gelingt, entweder eine nachträgliche ZufÜgung der- selben bei der Veröffentlichung (nach Thomasius) oder ihre Zufligung in einer zweiten oder gar dritten Ausgabe wenigstens als möglich zu erweisen.

Wir sprechen zuerst über jene Annahme einer doppelten Ausgabe der Institutionen. ,Es lässt sich vielmehr wohl denken,^ sagt Ebert S. 136, «dass Lactanz damals (nämlich zur Zeit der liciniajiischen Verfolgung) eine neue Ausgabe seiner Institutionen besorgte, und dabei diese Stelle (nämlich die erste Kaiseranrede) einschaltete.^ Ich muss nun gestehen,

üebar die dnalistiscben Znsfttio nnd die Kaisennreden bei Lactantins. II. 19

dasB ich mir dies nicht denken kann. Vom ^Besorgen einer neuen Ausgabe' kann man heutzutage sprechen ^ wenn die erste Auflage eines Buches vergriffen ist; im Alterthum dagegen kann der entsprechende Vorgang nui* in der aus einer be- stimmten Absicht vorgenommenen Umarbeitung eines Werkes bestehen, wie es bekanntlich bei griechischen Dramen vorgekommen, ist, wie Cicero seine Academica umgearbeitet hat. Welche Absicht, welchen Zweck konnte aber Lactanz bei dieser neuen Ausgabe haben? Wie kam er gerade in diesem Zeit- punkte zu diesem Entschlüsse? War sein einziges Motiv die Verherrlichung Constantins? Doch zugegeben, er besorgte aus diesem Orunde eine neue Ausgabe: warum änderte er da nicht vor Allem die Stellen über die Verfolgung im fünften Buche und fügte nicht hier das Lob Constantins bei? Weshalb sodann hat er nicht bei der neuen Ausgabe die zahlreichen Erweiterungen angebracht, welche die Epitome' der Institu- tionen enthält? Schliesslich: worin bestand denn, abgesehen von den Kaiseranreden, das Neue, welches berechtigte, von einer ,neuen Ausgabe^ zu sprechen? Man hat es nicht für nöthig gehalten, diese Fragen auch nur zu stellen, geschweige denn dass etwas zu ihrer Lösung gesagt worden wäre; und doch war nur bei der letzten genaue Kenntniss der Hand- schriften erforderlich. Geht man nun an der Hand der Codices den Spuren der neuen Ausgabe, die in den Kaiseranreden liegen sollen, nach, zu welchem Ergebniss kommt man? Zu dem, dass die neue Ausgabe in derjenigen Recension besteht, die in den Handschriften R und S vorliegt. Man findet, dass die dualisti- schen Zusätze und manche kleinere Anhängsel, gerade die Stücke, die wir (,Die dualistischen Zusätze', S. 25 ff.) als Fäl- schungen erwiesen haben, eben dieser Recension angehören, daher ist es unmöglich, um der Kaiseranreden willen, welche die gleiche Ueberlieferung haben, eine neue Ausgabe der In- stitutionen anzunehmen. Was vollends die zweite Kaiseranrede angeht, so bleibt sie bei der Annahme einer neuen Ausgabe der Institutionen nichts desto weniger unbegreiflich. Ebert meint freilich S. 137: ,Ist der zweite Zusatz nicht die Zuthat

1 Ueber diese Erweiterungen vgl. die Untersnchnng über das Leben des Lactantius n. s. vr.

2*

20 !• Abbandinng: Brandt.

eines späteren Abschreibers, so müssten wir eine dritte Aus- gabe der Institutionen annehmen, bald nach dem Jahre 324 (nämlich nach dem Falle des Licinius), also etwa um die Zeit der Kirchenversammlung von Nicäa veranstaltet ; als deren Her- ausgeber man übrigens auch einen Andern als Lactanz sich denken könnte.' Aber wie kann man nur in diesem Falle wiederum von einer ^Ausgabe' und einem ^Herausgeber' spre- chen, zumal da, wenn man die angeführten Worte genau inter- pretirt, zwischen diesem ,Herausgeber' und dem zu Anfang der Stelle genannten ,späteren Abschreiber' sachlich kaum ein Unterschied mehr ist? Ein Zusatz wie die zweite Kaiseranrede berechtigt doch keineswegs zu diesen Bezeichnungen, und nun gar wenn ein Fremder, nicht einmal der Verfasser des Werkes ihn zugefügt hat.

Wohl aus Gründen, wie die soeben angefahrten, hat Teuffei schon in der ersten Auflage seiner römischen Literatur- geschichte (S. 824) die unhaltbare Vorstellung einer zweiten Ausgabe fallen gelassen und eine andere Lösung dieser Frage vorgeschlagen, wenn er sagt: ,Rührt dies (nämlich der erste Zusatz und die kurze Anrede im Anfang des fünften Buches) überhaupt von Lactanz her, so kann es nur eine spätere Ein- schaltung in einer jenem Kaiser überreichten Abschrift sein.' Es berührt sich diese Annahme mit der anderen Möglichkeit, auf die man sich zum Schutze der Kaiseranreden berufen hat, nämlich mit dem Gedanken von Thomasius und Walch, Lactanz habe bei der erst unter Constantin möglichen Veröffentlichung seines während der Verfolgung zurückgehaltenen Werkes die Zusätze angebracht. In beiden Fällen hätten wir also eine nachträgliche Widmung an Constantin, in welcher zugleich diesem Kaiser Preis und Dank dafür dargebracht wird, dass er bessere Zustände geschaffen, als die in dem Werke geschil- derten es waren. Wir stellen daher die Frage jetzt so : Ist eine solche nachträgliche Widmung des Werkes, wie sie in dem Zusätze A vorliegt, denkbar? Wir sagen ,eine nachträgliche' hier in dem Sinne, dass wir von der Deutung auf die Zeit der gegen 320 beginnenden ^ Licinianischen Verfolgung ausgehen.

* Vgl. GtSrres, Kritische Untersuchungen über die licinianische Christen- verfolgung (1875) S. 5 ff. und Antoniades, Kaiser Licinius (1888) S. ö8f.

Ueber die daalUtischen Zas&tze und die Kaiseranreden bei Lactantins. II. 21

Allein auch diese Fassung der Frage führt nicht zu dem Ziele, welches die Vertheidiger der Echtheit erstreben. Erstlich bleibt immer ein ganz äusserliches Verfahren des Lactanz dabei be- stehen, eine ganz unglaubliche Geschmacklosigkeit und auch geradezu gesagt Trägheit, wenn er sich darauf beschränkt haben sollte^ seinem Werke diese Widmung vorzuheften, ohne im fünften Buche, wo die eigentliche Stelle für den Preis Con- stantins geweseu wäre, auch nur die geringste Veränderung vor- zunehmen. Femer aber und dies gilt gegen Teuffei lagen ja zwischen der Abfassung der Institutionen (vor 311) und der des Zusatzes etwa zehn Jahre und gewiss ebenso lange stand Lactanz in Beziehungen zu Constantin, der ihn als Lehrer seines Sohnes Crispus nach Gallien berufen hatte, nachdem er wahrscheinlich schon in Nicomedien, schon vor 305, mit ihm bekannt geworden war. Lactanz war, schon als er die Insti- tutionen schrieb, nicht mehr in Bithynien (V 2, 2), sondern aller Wahrscheinlichkeit nach in Trier '. Ist es nun denkbar, dass Constantin das grosse Werk des Lactanz , der so zu sagen unter seinen Augen gelebt hatte, des beredtesten Mannes seiner 2^it (Hieronym. ad a. Abr. 2333: uir omnium suo tempore elo- quentissimus) , um das Jahr 320 noch nicht sollte gekannt haben? Musste ihm nicht eine derartige, nachträglich aufge- klebte falsche Etikette eines Werkes, das schon lange in Vieler Händen war, geradezu lächerlich, aber viel mehr noch als seiner unwürdig, ja verletzend erscheinen? Denn falsch ist sie, da sie mit den Worten beginnt: quod opus nunc nominis tui auspicio inchoamus, und schliesst: cuius religionem cultum- que diuinum cupiens defendere quem potius appellem u. s. w. Wollte man aber etwa sagen, Constantin, verwöhnt durch Pane- gyriken und begierig nach solchen, habe eine derartige Huldi- gung, die ihn als Hort des Christenthums hinstellte, von Lactanz gewünscht und erlangt, so steht dieser Annahme nicht nur der Charakter des Lactanz im Wege, über den wir später noch sprechen werden, sondern auch, wenn man die Entstehung von A um 320 annimmt, das Bedenken, dass Constantin damals ganz andere Dinge zu denken und zu thun hatte, als literarische Auf- merksamkeiten zu wünschen. Seit 316 hatte er Trier als stän-

1 Vgl. die Untersuchung über daa Leben des Laetantius n. s. w.

22 I- Abhandinng: Brandt.

digen Wohnsitz verlassen und residirte in Serdica in Mösien^ 319 kämpfte er mit den Sarmaten an der Donau, und dieser Kampf war die Einleitung zu dem Kriege mit Licinius. Auch war Laetanz damals nicht mehr Lehrer des Crispus und^ jeden- falls noch in Trier lebend, Constantin auch räumlich ferne. Wir gingen bisher nun aber von der Voraussetzung aus, dass das Stück A auf die Zeit um 320 weise. Wollte man sich aber ander- seits darauf berufen ^ die Kaiseranrede A sei vielleicht (nach P. Mejer) zwischen 306 und 311 geschrieben, oder die Institu- tionen selbst seien möglicher Weise doch ebenfalls zur Zeit der licinianischen Verfolgung verfasst^ so würde man darauf zurück- kommen, dass in diesem wie in jenem Falle die Kaiseranrede sehr bald nach Abschluss des Werkes demselben zugefugt sein müsste. Dann wird aber die Widmungsanrede mit ihrem In- halte noch unglaublicher: denn je innerhalb weniger Jahre, inner- halb welcher der Stand der Christenverfolgung wie das Verhalten Constantins gegen die Christen das gleiche war, müsste Laetanz sich in dem Werke selbst und in dem Zusätze ganz verschieden über die Lage der Christen ausgesprochen haben. Es berechtigt uns daher die bisherige Betrachtung, jene Frage, ob eine nach- trägliche Widmung der Institutionen an Constantin denkbar, zu verneinen.

Aber wir gehen noch einen Schritt weiter und erklären es für undenkbar, dass Laetanz überhaupt diese beiden pane- gyrischen Stücke sollte geschrieben haben. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Unwahrheit, welche namentlich die Anfangs Worte von A:.quod opus nunc nominis tui auspicio inchoamuB enthalten. Bedenken gegen die Echtheit erregen muss. Freilich scheint das Urtheil über den Charakter des Laetanz dadurch bestimmt zu sein, dass man ihm die auf einer sehr tiefen Stufe religiöser und sittlicher Bildung stehende, unter dem Namen des Caecilius überlieferte Schrift De mortibus persecutorum ' zuzuweisen pflegt. Der echte Laetanz aber tritt uns nur als eine offene, wahrheitsliebende Persönlichkeit ent- gegen. Den Grundsatz der Wahrhaftigkeit vertritt er unbedingt:

^ lieber die Gründe, die mich zu entschiedenster Verwerfung des lac- tanzischen Ursprungs dieser Schrift nOthigen, werde ich in der Unter- suchung über das Leben des Lactantius n. s. w. sprechen.

Uebar die dulistitelien Ziu&fcse und di« Kaisennreden bei Lactantioi. II. 23

VI 18, 4 non mentiatur umquam decipiendi aut nocendi causa, § 6 sed etiam inimico atque ignoto existiinabit (nämlich der Fromme) non esse mentiri suum nee aliquando committet, ut linguA, interpres animi, a sensu et cogitatione discordet, und Epit. 59 [64], 7 numquam igitur mentiendum est, quia menda- cium semper aut fallit aut nocet, non est ergo uir iustus qui etiam sine noxa in otioso sermone mentitur. Niemand hat ein Recht, dies fUr leere Worte zu erklären, und Niemand wird Lactanz aus seinen echten Schriften oder aus seinem Leben überfuhren können, diesem so klar ausgesprochenen Grundsatze untreu geworden zu sein. Es enthalten aber weiterhin die beiden Kaiseranreden, namentlich die zweite, ein Lob der ja unbe- streitbaren Verdienste Constantins, das aber doch schon als Schmeichelei zu bezeichnen ist. In A ist § 13 durchaus in diesem Tone gehalten, nach § 16 aber weiss der Verfasser zu Beginn seines Werkes, welches der Vertheidigung des wahren Glaubens gewidmet ist. Niemanden sonst anzureden als Con< stantin, der dadurch gewissermassen der Patron desselben, der Förderer und Helfer wird, wie die alten Dichter Musen und Götter in den Proömien anrufen. In B wird § 15 ff. die Tugend und Gerechtigkeit der früheren Kaiser im Vergleich mit Constantin nur als leerer Schein hingestellt, er ist der einzige von allen Herrschern, der,praecipua uirtutiset sanctitatisexempla^ gegeben; ihm ist eigen eine angeborene Heiligkeit des Wesens (morum ingenita sanctitas), in allen seinen Handlungen (in omni actu) vollbringt er Werke der Gerechtigkeit. Dies sind und bleiben gegenüber einem Fürsten, wie es Constantin war, nichts Anderes als grobe, von der Wahrheit sich entfernende Schmeicheleien, daran wird auch dadurch nichts geändert, dass als Grund dieser einzigartigen Vortrefflichkeit des Kaisers seine Erkennt- niss und Verehrung des wahren Gottes hingestellt, oder dass 17) in einer selbst wiederum taktlosen Weise Gott angerufen wird, er möge Constantin mit dauernder und bleibender Liebe zu sich erfüllen. Wir wollen nicht besonders betonen, dass Lac- tanz, der Constantin lange genug aus der Nähe hatte betrachten können, schwerlich von sittlicher Vollkommenheit desselben überzeugt sein konnte, vielmehr möge auf den schon früher hervorgehobenen Umstand hingewiesen werden, dass er nirgends in den Institutionen oder an einer sonstigen Stelle Constantin

24 I- AbhandluDg : Brandt.

auch nur nennt, dass sich nirgends etwas, das wie eine An- spielung auf ihn oder wie eine verdeckte Huldigung aussähe, findet: und doch hatte ihn Constantin durch die Berufung als Lehrer seines Sohnes Crispus ausgezeichnet. Nicht einmal in der Epitome der Institutionen und das Schweigen dieser Stelle scheint uns sehr beredt in der er Cap. 48 [53], 5 von dem Ende der sämmtlichen Verfolger, das er erlebt, spricht, hat er auch nur das geringste Bedürfniss empfunden, auf Constantin hinzuweisen, dem doch die Verfolger Maximian und Maxentius erlegen waren. Vielmehr findet sich gerade in der Epitome 59 [64], 8 eine Stelle, die fllr unseren Fall von grosser Be- deutung ist: huic (sc. uiro iusto) uero nee adulari licet: per- niciosa est enim ac deceptrix adulatio; sed ubique custodiet ueritatem. Wenn er hier die Schmeichelei überhaupt verwirft, weil sie verderblich ist und betrügerisch, so ist noch viel merk- würdiger die folgende Stelle der Institutionen, I 15, 13 f. (von Isidor, orig. VIII 11, 2 ausgeschrieben) : . . sicut faciunt qui apud reges etiam malos panegyricis mendacibus adulantur. quod malum a Graecis ortum est, quorum leuitas instructa dicendi facultate et copia incredibile est quantas mendaciorum ne- bulas excitauerit. Hört man nicht aus diesen Worten eines ge- raden und wahrhaftigen Mannes den Protest heraus gegen die panegyrische Redekunst, die gerade zu der Zeit, wo Lactanz in Gallien war, hier ihre üppigsten Sprossen trieb? Wie ganz anders spricht Eumenius, noch einer der anständigsten unter den gallischen Panegyrikern, wenn er mit Beziehung auf die Schule von Autun sagt (pro restaur. scolis c. 10): ibi adule- scentes optimi discant, nobis quasi sollemne Carmen praefantibus, maximorum principum facta celebrare (quis enim melior usus est eloquentiae?), ubi ante aras quodammodo suas louios Herculiosque audiunt praedicari luppiter pater et Minerua socia et Inno placata ? Im Jahre 310 wurde in Trier die in der Sammlung der Panegyriken siebente Rede vor Constantin gehalten, ebenfalls vor Constantin in Trier im Jahre 311 die achte und 313 die neunte, und wie wenig dies die einzigen Reden dieser Art waren, zeigt sogleich der Anfang eben dieser neunten: unde mihi tantum confidentiae, sacratissime imperator, ut post tot homines disertissimos, quos et in urbe sacra et hie rursus audisti, dicere anderem?

Ueber di« diudiitischen Zns&toe und die Kaiseranreden bei Lactantine. II. 25

und kurz darauf sagt der Redner^ dass er der ständige Lob- redner des Kaisers Constantin sei: qui semper res a numine tao gestas praedicare solitus essem; auch der Anfang der sechsten Rede kann hier verglichen werden : dixerint licet plurimi niulti- que dicturi sint ea, quibus omnia facta uestra summarumque uirtutum merita laudantur. Hier in Trier hörte Lactanz das hohle Phrasengeklingel so mancher um die Wette laufenden Schmeichelredner^ gerade gegen dieses ihn umgebende Treiben sind jene Worte gerichtet und nur in diesem Zusammenhange wird man sie richtig würdigen. Wie hebt er, der alle jene Redekünstler an Kunst der DarsteUung, an Geist und Wissen weit übertrifft, von diesem Hintergrunde sich ab! Und dieser Mann sollte schliesslich noch selbst unter diese Lügenredner quorum leuitas incredibile est quantas mendaciorum ne- bulas excitauerit gegangen sein? Man könnte uns nun einwenden, der Verfasser von A und B habe ja Constantin wegen seiner Beschirmung der wahren Religion, wegen seiner Erkenntniss und Verehrung des wahren Qottes so hoch ge- priesen; seien diese Stücke auch übertrieben in mancher Be- ziehung, so liessen sie sich doch von dem christlichen Stand- punkte des Verfassers aus einigermassen begreifen. Dagegen ist aber zu sagen, dass gerade zu der christlich-religiösen Anschauung des Lactanz die beiden Kaiseranreden im Wider- spruche stehen. Lesen wir die Schlussworte von A: cuius reli- gionem cultumque diuinum cupiens defendere quem potius ap- pellem, quem adloquar nisi , so haben wir, so weit wir Lactanz kennen, nicht den Namen eines Menschen bei ihm zu erwarten, sondern den Namen Gottes, dessen ReUgion und Verehrung eben sein Werk gewidmet ist. Die Anregung zu seinem Werke ist Lactanz von Gott zu Theil geworden, V 4, 7 accessi deo inspirante ut . . (vgl. § 1), es ist Gottes Werk, IH 1, 4 quod (sc. opus) tamen, etiamsi ego defecerim, deo, cuius hoc munus est, adiuuante ueritas ipsa complebit, wie hier spricht er auch an anderen Stellen aus, dass er nur durch Gottes Unter- weisung und Hilfe dasselbe vollbringen könne: VI 1, 1 quod erat officium suscepti muneris diuino spiritu instruente ac suffra- gante ueritate compleuimus; VH 1, 22 quaeque nos dei magi- sterio de uirtute ac ueritate disserimus; H 19, 1 maiestate caelesti suggerente nobis dicendi facultatem inueteratos de-

26 Ablumdlsng : Brandt.

pulimus errores. Zu dieser AnBchaaung passt jene Frage mit ihrem doppelten inbrünstigen Ausrufe: quem potius appellem, quem adloquar, und der Antwort: nisi eum, per quem rebus humanis iustitia et sapientia restituta est, durchaus nicht. Für nicht minder unmöglich halte ich, dass Lactanz je sollte die Worte B § 17 erat igitur congruens, ut in formando generis humani statu te auctore ac ministro diuinitas uteretur, ge- schrieben haben. Meiner Empfindung nach müsste er in dieser Anwendung des Wortes auctor, mag man dessen Sinn noch so sehr abschwächen, geradezu eine Blasphemie gefunden haben. Selbst den Sohn Gottes bezeichnet er nur als dessen consiliator II 8, 7, ähnUch IV 6, 9, oder legatus et nuntius et sacerdos IV 29, 15 (vgl. auch IV 14, 18 £f.) , auctor dagegen ist ein Ausdruck, der in Bezug auf einen Menschen Gott gegen- über gebraucht, alles Mass, vollends im Munde eines Christen, überschreitet. Dass diese Auffassung nicht zu streng ist, kann eine Stelle aus Ausonius' Dankrede an Gratian für das ver- liehene Consulat beweisen, Cap. XVHI 83, wo das Verhältniss gerade umgekehrt ist : supremus ille imperii et consiliorum tuo- rum deus conscius et arbiter et auctor, und Ausonius scheut sich doch auch nicht, das Lob seines Kaisers stark aufzutragen. Auch der Ausdruck formando zu Anfang der Stelle in B ist auf- fallend, dies empfand schon der Schreiber von S und corrigirte firmando; man möchte lieber reformando lesen, doch liesse formando sich noch halten. Was aber das Wort auctor an- geht, so ist diese Vergötterung des Kaisers sehr stark, daher vielleicht adiutore zu lesen ist, aber fUr unmöglich im Munde eines Schmeichlers kann man sie nicht ansehen, wohl aber muss man sie für unmöglich im Munde des Lactanz ansehen. Auch die ersten Worte von A: quod opus nunc nominis tui auspicio inchoamus, Constantine Imperator maxime, nach welchen das Werk des Lactanz durch den Namen Con- stantins seine Weihe erhalten soll, widerstreben der religiösen Anschauung des Lactanz, sie sind aber auch aus einem an- dern Grunde, den wir wenigstens im Vorübergehen erwähnen wollen, nicht recht denkbar als von ihm ausgegangen. Hier wie alsbald in demselben Paragraphen (principatum prae- claro initio auspicatus es) finden wir einen Ausdruck, den Liactanz niemak gebraucht. Wenngleich nun hier auspicium

üeb«r die dualistischen ZnaitM und die KaiseraDreden bei LacUntins. II. 27

und auspicari in einem weiteren und übertragenen Sinne ver- wandt werden, so erinnern diese Ausdrücke doch immer an die Auguration und besagen dasselbe wie diese. Lactanz aber sieht die Auguration als eine Erfindung der Dämonen an, n 16; 1 eorum (sc. daemonum) inuenta sunt astrologia et haru- spicina et auguratio, ebenso Epit. 23 [28], 5. Wie sollte er nun den Namen Constantins als ein auspicium für sein Werk be- zeichnen wollen? Mag man nun auch diesem allerletzten Grunde vielleicht weniger Gewicht beimessen, so steht doch so viel fest, dass die beiden Kaiseranreden mit dem Wahrheits- sinne des Lactanz, besonders aber mit seinem Abscheu vor aller Schmeichelei und Lobrednerei den Grossen gegenüber, femer mit seiner religiösen Denkweise schlechterdings unver- träglich sind. Auch wiederhole ich nochmals, dass ein so äusser- liches, abgeschmacktes, träges Verfahren, unbekümmert um die schreiendsten Widersprüche dem Werke solche Anhängsel anzu- flicken, völlig unvereinbar ist mit der Sorgfalt, welche Lactanz als echter Rhetor auf die Form der Darstellung verwendet, mit seinem unverkennbaren Streben nach Einheitlichkeit, Ordnung und Zusammenhang derselben, kurz mit der rein formalen Seite seines Arbeitens, und dass es den einfachsten stilistischen Schul- r^eln ins Gesicht schlägt. Man bezeichnet Lactanz bisweilen, wie auch wir soeben gethan, aber in einem andern Sinne kurzweg als einen Rhetor und meint dann vielleicht, ihm alles Beliebige aufbürden zu können, oder man lässt sich vielleicht durch den BUck auf Eusebius bestimmen, in Lactanz einen Geistesver- wandten desselben zu sehen. Hätte man versucht, sich ein Bild dieser Persönlichkeit zu schaffen, so hätte man ihr nicht diese panegyrischen Ergüsse eines Unbekannten zugeschoben. Sieht man nicht mehr Lactanz als den Verfasser dieser panegyrischen Stücke an, so erklärt sich auch eher, dass die geschichtlichen Verhältnisse in ganz verschwommenen und un- klaren, ja falschen Umrissen angedeutet sind. Nur Jemand, der sie aus weiter Feme erblickte, konnte solche Abschwächungen und Entstellungen begehen, wie sie sowohl in A wie in B sich zeigen. Nach A hat Constantin an demselben Tage, wo er die Regierung übernahm 13 nam cum dies ille . . inluxisset, . . principatum praeclaro initio auspicatus eo, cum . .), die unter- drückte Gerechtigkeit, d. i. das Christenthum, wieder auf-

28 I. AbhABdluag: Brandt.

gerichtet; dasselbe liegt in den Worten B § 11 omnia iam . . figmenta sopita sunt ex quo te deus summus . . excitauit. Namentlich nach den pomphaften Ausdrücken in A müsste man bei Constantin irgend einen officiellen Act; durch den er das Christenthum geschützt und emporgehoben , schon vor dem Mailänder Toleranzedict des Winters 312/13 annehmen. Ein solcher hat aber weder seine &hebung zum Cäsar (306)^ noch seine Annahme des Augustustitels (307) bezeichnet, es ist im Gegentheil zur Genüge bekannt , wie lange Constantin noch eine neutrale Stellung zwischen dem alten und dem neuen Glauben einnahm. Freilich heisst es De mort. persecut. 24, 9: suscepto imperio Constantinus Augustus nihil egit prius quam Christianos cultui ac deo suo reddere. haec ftüt prima eins sanctio sanctae religionis restitutae, und diese Stelle hat offenbar der Fälscher im Sinne gehabt, wie er öfter die Mortes benutzt hat. Jene Worte entbehren nun aber völlig eines concreten In- haltes, wir erfahren gar nicht, was denn eigentlich Constantin that, um die Christen ihrem Cultus und ihrem Gotte zurück- zugeben. Von Constantius, dem Vater des Constantin, sagen die Mortes lö, 7: nam Constantius ne dissentire a maiorum praecep- tis uideretur, conuenticula id est parietes, qui restitui poterant, dirui passus est^, uerum autem dei templum, quod est in homi- nibus, incolume seruauit. Je milder nach dieser Stelle Constan- tius war, um so phrasenhaft;er erscheinen jene Worte 24, 9; man möchte in ihnen wenigstens den Inhalt suchen, dass Constantin die Wiederaufrichtung der zerstörten Bethäuser und damit die Versammlungen der Christen gestattet hätte. Aber auch nicht dies einmal wird gesagt, so grossartig auch von einer prima sanctio geredet wird. Mit Recht sagt Manso, Leben Constantins des Grossen (1817), S. 80 Anm., nachdem er jene SteUe ange- ftihrt: ,Aber man weiss längst, was solche allgemeine Aeusse- rungen werth sind, und wie wenig sie sich mit der Geschichte vertragen.* Und Keim, Der Uebertritt Constantins des Grossen zum Christenthum (1862), S. 13, sagt von Constantin nach seinem Regierungsantritt: ,£r hielt die Gnmdsäbse seines Vaters aufrecht, gerecht und mild, ein trefflicher Fürst wie Constantius,

> Eusebins, Kirchengeschichte VHI 13, 13 und im Leben ConstantinB I 13, 2, bestreitet seiner Tendenz getreu selbst dieses.

Ueb«r die dnalisÜMhen ZnsfttM nnd die Kaieennreden bei LMtantiui. IT. 29

ohne übrigens^ wie die christlichen Erzähler übertreiben , die Freiheit der christlichen Kirche öffentlich zu sanctioniren^, und S. 79 nennt er die angeführte Stelle De mort. persec. 24, 9 eine ,Uebertreibung^ I Die Stelle in den Mortes hat keinen wirk- lichen Inhalt, wie wir dies von Lactanz, wenn er der Ver- fasser sein soll, als einem den Personen und Verhältnissen so nahestehenden Zeitgenossen erwarten müssten, oder wir müBsten annehmen, er habe die Notiz zum Ruhme Constantins aus seiner Phantasie hingeschrieben; dazu aber haben wir nach der Kenntniss seines Charakters, welche uns die ihm sicher angehörenden Schriften ermöglichen, kein Recht ; folglich kann er es nicht gewesen sein, der diese Worte geschrieben hat. Man kann also jene Darstellung in den Kaiseranreden nicht damit decken, dass man sagt, Lactanz habe dasselbe in der Schrift De mort. persec. ausgesprochen, man kann sie auch damit nicht decken, dass man es für möglich hielte, sie auf eine wirkliche Thatsache zurUckzuftihren. Es ist die massive Constantin- legende, wie sie nur Unkenntniss und eine vulgäre Vorstellungs- weise oder absichtliche Geschichtsfälschung aussprechen kann, wenn es heisst: Kaum war Constantin Kaiser geworden, so er- klärte er sich auch schon ftir das Christenthum und eröffnete eine ganz neue Aera für dasselbe. Ueberdies gibt aber auch die zweite Kaiseranrede in gewisser Hinsicht ein ganz zerflossenes Bild. Wir sahen, dass dieselbe sich nur in die Zeit unmittelbar nach der Besiegung des Licinius, aber noch vor seiner Hinrichtung einschieben lässt. Man sollte nun doch eine bestimmte Be- ziehung auf diesen Verfolger der Christen erwarten, den end- lich die verdiente Strafe ereilt hat. Anstatt dessen wird B § 12 in der allgemeinsten Weise nur von ,mali' geredet, und auch im weiteren Verlaufe des Stückes wird mit dem wiederholten illi auf jene ,Bö8ewichter^ zurückgewiesen. Dass man hier unter mali nicht etwa untergeordnete Helfer verstehen kann, sondern nur andere Herrscher, ist schon oben (S. 16 f.) gezeigt worden.

1 Selbst Ensebius weiss nichts za berichten, was nur einigermassen jenen Worten der Mortes einen Inhalt gäbe; vgl. dessen Kirchengeschichte Vni 13, 14 und Leben Constantins I 22 ff. Ueberhaupt aber ist der Bericht der Mortes c. 24,8 f. nnd der des Ensebius, Leben Constantins I 21, über das Ende des Constantins und die Uebergabe der Herrschaft an Constantin bekanntennassen unwahr.

30* I. Abhandlang: Brandt.

Weshalb aber dann diese unbestimmten und unbestimmbaren Gestalten? Weshalb wird nicht Licinius genannt, oder weshalb wird nicht wenigstens von Einem gesprochen, den Constantin soeben durch einen glänzenden Sieg zu Boden gestreckt? Irgend welche Vorsicht war nicht geboten, so dass dieser Eine hinter einigen Statisten, jenen mali, hätte versteckt werden müssen. Auch fehlt es der Darstellung zwar nicht an Pathos, aber doch an dem Hervorbrechen der unmittelbaren Empfindung, an der Sprache des Miterlebens, wie sie dem eben erfochtenen Siege gegenüber so natürlich wäre. Wie ganz anders spricht Lactanz im flinften Buche, wenn er z. B. 11, 5 f. mit den Worten: illa, illa est uera bestia u. s. w. und: nemo huius tantae beluae immanitatem potest pro merito describere u. s. w. auf Galerius hindeutet, oder 23, 4 sagt: ueniet rabiosis ac uoracibus lupis merces sua, qui iustas et simplices animas nuUis facinoribus admissis excruciauerunt. Auch in der ersten Kaiseranrede § 15 lesen wir nur die Bezeichnung mali. Ich zweifle nicht, dass der gemeinsame Verfasser der beiden Stücke auch hier nur seine ganz unklare Vorstellung von gewissen Gegnern Con- stantins verräth, doch könnte man zur Noth ja sagen, er habe der Widmungsanrede die Verhältnisse der Jahre 306 311 zu Grunde legen wollen, daher wollen wir zugeben, dass sich mali hier vielleicht rechtfertigen liesse. Im Allgemeinen aber be- stätigt die soeben angestellte Prüfung, dass nicht Lactanz diese Stücke geschrieben hat, wie sie auch zeigt, dass der Verfasser sowohl des einen wie des andern Stückes nicht mehr, wie er uns glauben machen will, in der Zeit steht, in der das Christenthum Verfolgungen zu erleiden und Constantin Kriege zu führen hatte. Glauben wir nun mit allem Rechte von der Unechtheit der beiden Stücke sprechen zu dürfen, so müssen uns die Verheissungen göttlichen Lohnes ftU: Constantin, wie sie in A sich finden, als ein uaticinium post euentum erscheinen. Es heisst hier § 14: pro quo facto dabit tibi deus felicitatem uirtutem diuturnitatem, ut eadem iustitia, qua iuuenis exorsus es, guber- naculum rei publicae etiam senex teneas tuisque liberis, ut ipse a patre accepisti, tutelam Romani nominis tradas. Diese Stelle ist höchst bemerkenswerth, weil sie auf folgenden Ge- dankengang fuhren kann. Es wird hier das Greisenalter Con- stantins und die Uebergabe der Herrschaft an seine Söhne

Ueber die dnalistiscb«!! Zns&tee und Ji« Kai8«raDreden bei LactaotiaB. II. 31

erwähnt. Constantin^ geboren 274 , war, streng nach antiker Weise gerechnet, mit sechzig Jahren Oreis, also im Jahre 334, im folgenden Jahre theilte er das Reich unter seine drei Cäsaren Constantin, Constantias, Constans. Schon 340, drei Jahre nach des Vaters Tode, verlor Constantin Leben und Reich gegen Constans, und dieser wurde 350 bei der Erhebung des Usur- pators Magnentius erschlagen. 361 starb Constantius, und es folgte Julian. Es ist daher die Erinnerung an die Geschicke der Söhne Constantins eine sehr düstere. Nun wird aber an unserer Stelle die Nachfolge der Söhne Constantins in Verbindung mit dem von Gott dem Kaiser zuertheilten Lohne genannt. Dies konnte von dem Jahre 340 an nicht mehr geschehen. Der einzige Zeitraum, innerhalb dessen der Blick mit Befriedigung auf jenen dreien zu ruhen vermochte, war zwischen 335 und 340, oder vielmehr, da man nach jener Stelle die Theilung des Reiches in die Rechnung aufnehmen, zugleich aber den Vater Constantin als noch lebend ansehen muss, die Jahre 335 bis 337. Ist es nun so könnte man sagen nicht höchst auf- fallend, dass gerade innerhalb jener Jahre 335 bis 337 sich ein Leser gefunden haben soll, der jene Zusätze machte, zu einer 2ieit, wo Lactanz, wie wir in der Untersuchung über sein Leben zeigen werden, aller Wahrscheinlichkeit nach noch gelebt hat? Sollte noch zu Lebzeiten des Lactanz Jemand so keck gewesen sein, den Institutionen durch die Kaiseranreden die ganz bestimmte Beziehung auf Constantin anzudichten? Ist es nicht vielleicht doch am Ende denkbar, dass der be- tagte Lactanz, als er sah, wie Constantin ein an grossen firfolgen reiches Leben noch dadurch krönte, dass er seinem Reiche durch die Theilung unter seine Söhne für die Zukunft Stützen verlieh, hierin den Abschluss der Segnungen erkannte, mit denen Gott den Retter der Kirche belohnte, und dass er, zumal als schwacher Greis, entweder durch eigene Erwägungen oder von anderer Seite zu dem Entschlüsse veranlasst werden konnte, allerdings mit Hintansetzung vieler Bedenken schliesslich doch seine Bewunderung für den gottbegnadeten Kaiser durch eine nachträgliche Widmung seines Werkes auch der Nachwelt zu bezeugen? Allein diese ganze Schlussreihe zerfällt in nichts, alle unsere früheren Gegengründe treten wieder in ihr volles Recht, ja sie werden noch verstärkt durch folgenden

32 I* Abhandlang: Brftndt.

Nachweis. Wir werden im weiteren Verlaufe mit Bezug auf die Parallelstellen zu A und B noch davon sprechen, dass der Verfasser dieser beiden Stücke sich vielfach an Lactanz ange- lehnt hat. So ist es auch hier geschehen. . Lactanz sagt II 4, 20, Dionys der Aeltere sei trotz vielfacher Verletzungen der Götter gleichwohl von diesen nicht gestraft worden: haec ille fecit inpune, quia rex et uictor fuit, quin etiam secuta est eum solita felicitas: uixit enim usque ad senectutemregnum- que per manus filio tradidit. In diesen Worten fand der Verfasser diejenigen Umstände bezeichnet, welche nach An- sicht des Lactanz zu dem Glück eines Fürsten gehören, und er ergriff daher diesen Satz für seinen Zweck. Noch in der Er- weiterung, die er ihm gegeben hat, liegen ganz klar die drei Gedanken dieser Stelle zu Tage : man vergleiche erstlich solita felicitas mit A § 14 dabit tibi deus felicitatem, auch in B 13 kehrt tu . . uirtute ac felicitate praepoUens wieder, desgleichen die Worte uixit enim usque ad senectutem mit A § 14 dabit tibi deus . . diuturnitatem, sowie ut . . gubernaculum rei publi- cae etiam senex teneas; endlich regnumque per manus filio tradidit mit tuisque liberis . . tutelam Romani nominis tradas. In dem Zusätze aber A § 14 ut ipse a patre accepisti, wird wohl eine Benutzung von Caecilius, De mort. persec. 24, 8 zu erkennen sein: ille (nämlich Constantin) . . peruenit adpatrem iam deficientem, qui ei., imperium per manus tradidit.* Wer selbst nur die Möglichkeit dieses Sachverhaltes und sie kann nicht bestritten werden zugiebt, muss anderseits anerkennen, dass jene Worte A § 14 nicht nothwendig von Lactanz herrühren müssen, sondern von einem Nachahmer desselben geschrieben sein können. Wenn man aber darauf Gewicht legen wollte, dass es immerhin höchst merkwürdig sei, dass ein späterer Fälscher so sehr sollte die Wirklichkeit vergessen haben, dass er die Söhne des Kaisers in Beziehung zu dessen Glück setzte, so weisen wir darauf hin , dass er auch in anderer Beziehung die geschichtlichen Verhältnisse^ wie wir sahen, nicht gekannt oder nicht berücksichtigt hat, und dass überhaupt die ZufÜgung

1 An dieser Stelle hat auch der Nachahmer Caecilius jene Stelle II 4, 20 benutzt, wie die Worte De mort. peraec. 24, 9 imperium per manus zeigen.

üeber die dnaliitischen ZnsitM und die Kaiseranreden bei Lactantins. II. 33

jener Stellen^ die mit dem Werke selbst in Widerspruch stehen^ gedankenlos ist. Der Verfasser der Kaiseranreden suchte eben Alles zusammen, was seinen Machwerken den Schein der Echt- heit geben könnte , ohne viel nach rechts und links zu sehen, und griff daher eiligst nach jener Stelle des Lactanz, die nun gerade dazu helfen muss, ihn zu entlarven. Welches andere Bedenken aber noch muss, falls es wirklich noch nöthig sein sollte y die Widerlegung fortzusetzen^ in uns aufsteigen; wenn wir uns diese Worte als von Lactanz geschrieben vorstellen! Sollte wirklich Lactanz eine Glücklichpreisung des Constantin^ in der er die Söhne desselben erwähnte^ in jener späteren Zeit geschrieben haben^ er, der doch nur mit innerster Empörung und tiefster Trauer an das furchtbare Ende des ältesten Sohnes des Constantin, Crispus, seines ehemaligen Zöglings , denken konnte ; welches diesem der eigene Vater bereitet hatte?

Die zuletzt besprochene Stelle der Kaiseranrede A führt uns nun aber weiter auf einen sehr merkwürdigen Punkt, der vielleicht für so gut wie sicher angesehen werden darf, darauf nämlich; dass Augustin diese Kaiseranrede gekannt hat, und mehr noch, dass er versteckt gegen sie polemisirt. Augustin nennt Lactanz nach Ausweis der Indices in der Maurinerausgabe nur zweimal mit Namen, einmal De ciuit. dei XVIII 23, wo er die von jenem in den Institutionen IV 18. 19 angeführten Stellen aus den Sibyllinen in eigener lateinischer Uebersetzung wieder- gibt; indem er beginnt: inserit etiam Lactantius operi suo quae- dam de Christo uaticinia SibjUae, und noch einmal De doctrina christiana lib. 11 61 (vol. III 42 F Maur.), wo er den Gedanken ausführt, dass die Kenntniss der weltlichen Wissenschaften nicht im Widerspruche stehe zu dem christlichen Glauben, und als Beispiele dafür Cjprian, Lactanz und Andere nennt. Doch schon längst haben die Herausgeber des Lactanz an nicht we- nigen Stellen eine Benutzung der Institutionen von Seiten Augu- stins für seine Schrift De ciuit. dei beobachtet, manche werden, als für die Fassung des Textes wichtig, auch in meiner Ausgabe angemerkt; für das achtzehnte Buch De ciuit. dei hat solche Benutzungen auch die sorgsame Arbeit von Frick: Die Quellen Augustins im XVIII. Buche seiner Schrift De ciuitate dei, Höxter 1886, nachgewiesen. Schon als ich Augustins Schrift für meine Ausgabe durchlas, notirte ich mir die Stelle Buch

Sitmngsber. d. pbil.-biit. Cl. CXIX. Bd. 1. Abh. 3

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I. Abhandlang: Brandt.

V 21 ff. wegen ihrer Beziehungen auf Constantin, noch mehr aber wurde ich auf sie durch eine Bemerkung von Betuleius zur ersten Kaiseranrede \ auch bei Buenemann (S. 8 Anm. 1) angeführt, aufmerksam, nach welcher Augustin auf Lactanz Bezug nehmen soll. Die Sache ist eingehender Betrachtung werth: gelingt der Nachweis, so können wir schliessen, dass die Kaiseranreden im vierten Jahrhundert entstanden sind. Es muss zuerst nun nachgewiesen werden, dass die Uebereinstim- mung zwischen Augustin und A eine derartige ist, dass man nicht anders kann, als eine Berührung zwischen beiden an- zunehmen, dann wird zu zeigen sein, dass die Kaiseranrede älter. Augustin jünger ist. Folgende Zusammenstellung, in der fUr Augustin Seiten und Zeilen nach der zweiten Ausgabe Dombarts in Klammem beigefügt sind, lässt zunächst das beiden Oemeinsame erkennen:

Augustin V 21 (232, 24): non tribuamus dandi regni atque imperii potestatem nisi deo uero" , qui dat felicitatem "' in regno caelorum solis piis . . (232, 31) ille igitur unus uerus deus '^ . quando uoluit et quantum uoluit Romanis re- gnum dedit . . (233, 14) et ne per singu- los ire necesse sit, qui Constantino ^ Christiano, ipse apostatae Juliane (sc. regnum dedit).

Cap. 24 (236, 27) neque enim Chri- stianos quosdam imperatores ' ideo felices"^ dicimus,quia uel diutius im- perarunt^^ uel imperantes filios^' morte placida reliquerunt ^^ . . (237, 5) sed felices'" eos dicimus, si iuste im- perant, . . si suam potestatem ad dei cul- tum maxime dilatandum maiestati " eins famulam faciunt, si deum timent dili- gunt colunt, si plus amant illud regnum, ubi non timent habere consortes, . . si

A§13:Constantine ' imperator maxime, qui primus Romanorum principum .. maiesta- tem dei singularis ac ueri" et cognouisti et honorasti . .

1 S. 7 seiner Ausgrabe: Videtnr hnc respexisse An^iistinas libro de cinitate dei quinto, capite decimo quinto; Cap. 15 ist offenbar andere Zählung.

Uaber di« diiAli8ti8eh«n Znsitz« und die Kftiaennreden bei Lactantiae. II.

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§ 14: pro quo facto dabit tibi deu8 felici- tatem^^uirtutem diu- turnitatem ^, ut . . gubemaculum rei pu- blicae etiam senex^ teneas tuisque libe- ris^^ . . tutelam Romani nominis tradas^^

eaudem uindictam pro necessitate regen- dae tuendaeque rei publicae, non pro saturandis inimicitiarum odiis exerunt . . et si faaec omnia faciunt non propter ar- dorem inanis gloriae^ sed propter carita- tem felicitatis^'^aetemae.. talesChri- Btianos imperatores^ dicimus esse felices "^ interim spe, postea re ipsa fu- turos, cum idquod expectamus aduenerit. Cap. 25 (237, 30) nam bonus deus . . Constantinum imperatorem^ non supplicantem daeinonibus, sed ipsum uerum deum" colentem tantis terre- nis impleuit muneribus , quanta optare nullus änderet. . diu imperauit^^, uni- uersum orbem Romanum unus Augustus tenuit et defendit; in administrandis et gerendis bellis uictoriosissimus fuit, in tyrannis opprimendis per omnia pro- speratus; grandaeuus^ aegritudine et senectute^ defunctus est, filios im- perantes reliquit^^ Die Nennung Constantins oder christlicher Kaiser^, die Betonung seiner oder ihrer Verehrung des einen wahren Gottes" (obgleich diese Wendung auch sonst bei Augustin vorkommt), die Hervorhebung des von Gott ihm verliehenen, wenn auch von Augustin anders als in A aufgefassten Glückes "^^ seiner langen Regierung^^ bis zum Greisenalter ^, die er dann seinen Söhnen hinterliess^^, diese Einzelheiten finden sich in der unverkennbarsten Uebereinstimmung bei beiden Autoren, und zwar bei Augustin zweimal, zuerst Cap. 24, wo er allgemein, dann Cap. 25, wo er von Constantin spricht. Eine Verwandt- schaft mit der zweiten Kaiseranrede lässt sich nicht bei Augustin nachweisen, nicht ganz unmöglich ist es jedoch, dass, wenn es bei Augustin Cap. 24 illud regnum, ubi non timent habere consortes, oder Cap. 25 Universum orbem Romanorum u. 8. w. heisst mit einer Erwähnung der Kriege Constantins, ein Zusammenhang mit der Kaiseranrede B vorliegt. Doch darauf wollen wir kein Gewicht legen, um so viel mehr aber

36 !• Abhandlung: Brandt.

auf das bisweilen selbst noch im Wortlaute sich äussernde Ver- hältniss zwischen Augustin und A^ so in A § 13 maiestatem dei singularis ac ueri, und bei Augustin unus uerus deus und später maiestati eius, die häufige Wiederholung von felicitas bei Augustin, in A § 14 diutumitatem und bei Augustin diu oder diutius imperauit. Es zeigen nun schon die angeführten Stellen zur Genüge, dass Augustin der spätere sein muss. Er spricht zwar in dem ganzen vor Capitel 21 liegenden Theile des fünften Buches von dem Glücke (felicitas) der Römer und sucht zu erklären, weshalb ihnen dieses von Gott verliehen worden sei, indess liegt in dem bisherigen Gedankengange durchaus kein erkennbarer Grund, von dem wahren Glücke der christlichen Kaiser mit besonderer Beziehung auf Constantin, wie es in den angeführten Capiteln geschieht, zu reden. Wichtiger aber ist, dass das 24. Capitel sogleich mit einer Abwehr beginnt und der Erklärung, dass lange Dauer der Regierung und die Hinter- lassung der Herrschaft an die Söhne nicht der Grund sei, weshalb gewisse christliche Kaiser glücklich zu nennen seien (neque enim Christianos quosdam imperatores ideo felices dicimus quia . .), und dieses sind gerade die Dinge, in welche die Kaiseranrede das Constantin verheissene Glück setzt. Wie kommt Augustin dazu, diese Auffassung ausdrücklich zu be- streiten und ihr seine Ansicht von dem Glücke der Kaiser entgegenzusetzen, sed felices eos dicimus, si u. s. w., und dann nochmals : tales Christianos imperatores dicimus esse felices ? Wie kommt es, dass er dann jene, nach der von ihm bekämpften Ansicht glücklichen Seiten im Leben eines Kaisers gerade von Constantin aussagt und dann sogleich das Gegentheil beweist, dass dieselben nicht der wahre Lohn sein können, den G^tt einem christlichen Kaiser zuertheilt? Denn er fkhrt fort (238, 12): sed rursus ne imperator quisquam ideo Christianus esset, ut felici- tatem Constantini mereretur, cum propter uitam aeternam quis- que debeat esse Christianus: Jouianum multo citius quam Julia- num abstulit, Gratianum ferro tyrannico permisit interimi, loDge quidem mitius (ich vermuthe immitius) quam magnum Pompeium colentem uelut Romanus deos. Das höchste Glück, der höchste göttliche Lohn ist also das ewige Leben, wie auch im Capitel 24 nach einer langen Aufzählung von Aeusserungen christlicher Religiosität und Sittlichkeit, wie sie einem Fürsten

üeber die diuliBtiiohen Znsfttze und die Kaisennreden bei LaetantinB. II. 37

zukommen; gesagt war, solche Fürsten seien einstweilen glück- lich in Hoffnung, später würden sie es in Wirklichkeit werden. Da es nun ganz wunderbar und unglaublich wäre, wenn Augu- stin selbst erst jene so genau mit der Kaiserrede stimmende Vorstellung erdacht hätte ^ da femer der Eifer, mit dem er jene Vorstellung zurückweist, um seine eigene an deren Stelle zu setzen, gegenüber einem nur von ihm selbst in dialek- tischem Interesse aufgeworfenen Gedanken kaum begreiflich ist, da sodann Augustin die Institutionen des Lactanz bei der Arbeit an dem Werke De ciuit. dei zur Hand hatte und öfter stillschweigend benutzt hat, was ist da natürlicher als die Annahme, dass er bereits ein Exemplar derselben hatte, welches die Kaiseranrede enthielt? Denn es würde doch heissen das Nächstliegende mit dem Fernsten vertauschen, wenn man sich etwa dazu versteigen wollte, fttr Augustin und den Verfasser von A irgend eine gemeinsame Quelle anzu- nehmen, die doch auch nur als möglich glaubhaft zu machen schwerlich gelingen wird. Das umgekehrte Verhältniss zwi- schen Augustin und dem Verfasser von A anzunehmen ist natürlich schon wegen des Protestes, in dem sich die Darlegung des ersteren hält, unmöglich, femer aber ist es völlig undenk- bar, dass der letztere aus Augustin gerade dasjenige entnommen haben sollte, was dieser bestreitet. Sodann erklärt sich bei der Abhängigkeit Augustins von jenem Verfasser sehr einfach, wie Augustin überhaupt dazu kam, die Söhne Constantins zu erwähnen: hätte ihm nicht jene Kaiseranrede vorgeschwebt, so würde er vielleicht diesen Punkt, der gerade in Verbindung mit dem Glücke Constantins genannt die entgegengesetzten Empfindungen hervorrufen musste, gar nicht berührt haben. Diese Stelle nun aber bei Augustin verglichen mit der in A fährt auch in anderer Weise zur Bestätigung des zeitlichen Verhältnisses zwischen beiden, wie wir es annehmen. Der erstere spricht nämlich immer nur von filii, bei dem letzteren ist das Wort liberi gebraucht. Nach der Untersuchung von Dressel, Lexikalische Bemerkungen zu Firmicus Matemus (1882) S. 2 ff. (vgl. Krebs-Schmalz, Antibarbarus U 18) tritt in der astronomischen Schrift dieses Autors, nahe um die Mitte des vierten Jahrhunderts, das Wort liberi gegen filii ganz ausser- ordentlich zurück. Dass dieses keine vereinzelte, diesem Schrift-

38 !• AbhAndlang: Brandt.

steller allein eigene Besonderheit sein kann, sondern auf eine allgemeine Erscheinung zurückgehen muss, ergibt sich, wie Dressel richtig bemerkt, sowohl daraus, dass nach einem be- sonders seit Wölfflins Arbeiten bekannten sprachgeschichtlichen Gesetze des Lateinischen für dessen späte Periode wegen des Zusammenfallens von liberi mit liber ,frei^ und über ydas Buch' man nach einem andern Worte, bei dem eine Mehrdeutigkeit ausgeschlossen war, sich umsehen musste, wo sich dann filii bot, wie daraus, dass in der That in den romanischen Sprachen filii über liberi den Sieg davongetragen hat. Allein schon das Vorkommen des Wortes liberi in A musste vorsichtig machen, die Entstehung dieses Stückes in späte Jahrhunderte zu setzen, bei einem Vergleiche mit Augustin wird es uns zu- gleich zu einer Stütze jener Annahme. Man dürfte nicht etwa einwenden. Augustin habe filii mit Absicht gesagt, um nicht etwa durch den Gebrauch von liberi, welches überhaupt die Nachkommen bezeichnen könne ^, eine falsche Vorstellung zu erwecken. Denn dagegen ist zu sagen, dass, da es bei ihm heisst filios . . reliquerunt und filios imperantes reliquit, er, weil die Worte imperantes reliquit allein schon auf die nächsten Nachkommen weisen^ dennoch ganz gut hätte liberi sagen können, ohne jenes Missverständniss befürchten zu müssen. Wenn Augustin Lactanz für den Verfasser der Kaiseranrede hielt, ohne ihn oder dessen Institutionen ausdrücklich zu nennen, so ist dies begreiflich. Er wollte ihn schonen und nicht ohne Noth gegen einen ebenfalls christlichen Schriftsteller offen polemisiren, in dem er bei manchen Schwächen und Mängeln der Lehre und überhaupt der religiösen Auffassung doch eine ernste Persönlichkeit erkannte, die nach ihren Kräften der christlichen Wahrheit dienen wollte. Zur Bestätigung nun unserer Ansicht, dass Augustin hier gegen Lactanz polemi- sirt, möchte ich auf einen ähnlichen Fall verweisen. Lactanz erwähnt III 18 bei Besprechung des Selbstmordes den Fall des jüngeren Cato. So sehr er 6. 8) den Selbstmord als Mord verwirft, so behandelt er doch ruhig und mit einer gewissen

' Jedenfalls ist dies nur ein vereinzelter Gebrauch. Georges' Lexikon führt liberi im Sinne von Enkel, Urenkel n. s. w. nur als bei Juristen vorkommend an.

üeber die dualistischen Znsfttze vnd die Kaiseranreden bei Lactantins. II. 39

Theilnahme das etwa mögliche Motiv Catos: hie tarnen aliquam moriendi causam uidetur faabuisse^ odium seruitutis (§8). Später aber sagt er 11): mihi Cato uidetur causam quaesisse moriendi non tarn ut Caesarem fugeret, quam ut Stoicorum decretis obtemperaret^ quos sectabatur^ suumque nomen grandi aliqno facinore clarificaret; cui quid mali potuerit accidere, si uiueret, non uideo. Gaius enim Caesar ut erat clemens^ nihil aliut efficere uolebat etiam in ipso belli ciuilis ardore, quam ut bene mereri de re publica uideretur duobus optimis ciuibus Cicerone et Catone seruatis. An dieser Stelle , die übrigens wie die sogleich zu nennenden des Augustin ein interessanter Nachklang jenes heftigen literarischen Streites ist, der sich um den todten Cato erhob, gibt Lactanz seine Ansicht dahin ab, Cato sei durch die Consequenz der stoischen Lehre und durch eine gewisse Eitelkeit zu der That veranlasst worden. Allein wie der Ausdruck non tam . . quam zeigt, will Lac- tanz diese seine Ansicht, die ja noch glimpflich mit Cato verfährt, nicht als die einzig und unbedingt geltende hinstellen, sondern er lässt auch für die andere einen gewissen Raum. Nach dieser aber fasst er, da er den Ausdruck odium seruitutis anwendet, das Motiv als ein ehrenhaftes auf, und von Furcht, Feigheit u. dgl. ist nichts bei ihm zu lesen. Wie verfahrt nun Augustin? Dass er die Stelle des Lactanz benutzt hat, wenn er De ciuit. dei I 17; 22 14; XIX 4 von dem Selbst- mord überhaupt und dem Catos spricht, geht aus der Yer- gleichung^ hervor. Aber gerade das Motiv, welches Lactanz

* Vgl. z. B. Lact. III 18, 6 nam si homicida nefarias est, quia hominis extinctor est, eidem sceleri obstrictus est qui se necat, und August. I 17 (I p. 28, 24): nam utique si non licet priuata potestate bominem occidere uel nocentem . ., profecto etiam qui se ipsum occidit ho- micida est. Lact. § 9: quid Ambraciotes ille, qui cum eundem librum (sc. Piatonis librum . . qui est scriptus de aeternitate anima- rum §8) perlegisset, praecipitem se dedit nullam aliam ob cau- sam nisi quod Piatoni credidit? quodsi scisset Plato . ., nee Theom- brotum inpegisset in mortem uoluntariam nee Catonem . .; Augustin 122 (I, p. 36,26) si magno animo fieri putandum est, cum sibi homo ingerit mortem, ille potius Theombrotus in hac animi magnitudine reperitur, quem ferunt lecto Platonis libro, ubi de inmortalitate animae dispntauit, se praecipitem dedisse de muro. Die Stelle ist nicht etwa von beiden aus Cicero, Tusc. I 34, 84, entlehnt, da

40 I* Abhandlang: Brandt.

in den Hintergrund geschoben hatte, zieht er hervor, nimmt ihm aber dann den Schein des Ehrenhaften, den Lactanz ihm noch gelassen, und deutet es nach Seiten der Feigheit und Charakterlosigkeit um. Er sagt XIX 4 360, 4 Dombart): quis usque adeo caecus est, ut non uideat quod si beata esset (sc. uita), fugienda non esset? sed aperta infirmitatis uoce fugiendam fatentur. quid igitur causae est, cur non etiam mi- seram fracta superbiae ceruice fateantur? utrum, obsecro, Cato ille patientia an potius inpatientia se peremit? non enim hoc fecisset, nisi uictoriam Caesaris inpatienter tulisset. ubi est fortitudo? nempe cessit, nempe succubuit, nempe usque adeo superata est, ut uitam beatam derelinqueret desereret fugeret. Sodann I 23 (I 38, 4) sagt er, er stimme denjenigen Freunden Catos bei, die ihm abgerathen hätten und gemeint inbecillioris quam fortioris animi facinus esse, quo demonstraretur non honestas turpia praecauens, sed infir- mitas aduersa non sustinens. Dann wird ihm vorgeworfen, dass er seinen eigenen Sohn an die Milde Cäsars gewiesen hätte; es sei also nicht schimpflich gewesen, unter Cäsar zu leben, womit auf die Worte non honestas turpia praecauens zurückgegriffen wird. Nach einigen weiteren gegen Cato ge- richteten Fragen heisst es dann: nullo modo igitur Cato turpe esse iudicauit sub uictore Caesare uiuere, und schliesslich wird noch der kleinliche Grund, den übrigens nach dieser Stelle Cäsar selbst angeführt haben soll, vorgebracht, er habe Cäsar den Ruhm, ihn geschont zu haben, missgönnt. Man erkennt, wie viel schärfer und heftiger das Urtheil Augustins als das des Lactanz ist. Er bekämpft nicht ausdrücklich die eigene An- sicht des Lactanz, die noch begreifliche Beweggründe in Cato zulässt, aber er ignorirt sie, um die andere ebenfalls nicht ungünstige und von Lactanz nicht völlig verworfene Erklärung, aber in herber und strafender Umdeutung an die Stelle zu

dieser sagt: Cleombrotum . . e (oder de?) muro se in mare abiecisse lecto Piatonis libro; bei Lactanz ist de muro wohl nur ausgefallen. Die Lactanzhandscbriften haben theombrotum (ausser theosbrotum S, theo- britum P) mit einigen der Tusculanen, die des Augustin nach Dom- bart theobritus. Ich habe daher bei Lactanz wie bei Augustin die Form theombr. hergestellt. Lactanz schrieb so nach einer Cicerohand- schrift und ihm folgte Augustin.

Ueber die dnalistiichan Znafttze und die Kaiseranraden bei LactantiuB. IL 41

setzen. Es ist dies nicht eine offene Polemik^ es ist aber eine starke Zurechtweisung, die Lactanz zu Theil wird. Ich glaube, dasB sie dazu dienen kann, das Verfahren Augustins an der Stelle, von der wir ausgingen, zu illustriren. Ueberhaupt scheint Augustin Lactanz gegenüber eine sehr kühle Haltung eingenommen zu haben, nur zweimal nennt er ihn, einmal in einer Reihe mit Anderen allerdings lobend, an der Stelle aber De ciuit. dei, in der Schrift, in der er Lactanz so vielfach benutzt, ohne jede Anerkennung; wer weiss, ob nicht gerade die Eaiseranreden, wie die demselben Verfasser, wie noch zu besprechen sein wird, zugehörenden dualistischen Zusätze einen Theil der Schuld an einer solchen Verstimmung tragen. Wie viel wärmer urtheilt Hieronymus, wenngleich er mit seinem Tadel über Lactanz nicht zurückhält, doch an mehr als einer Stelle über ihn! Dass übrigens Augustin gerade auf die erste Kaiseranrede mit seiner Kritik zielte, lässt sich leicht erklären, da sie sogleich zu Anfang der Institutionen, an einer sehr in die Augen fallenden Stelle stehend, auch seiner Er- innerung sich viel bestimmter eingeprägt hatte.

Aus der bisherigen Betrachtung gewinnen wir zwei Er- gebnisse, deren erstes allerdings nicht durch eine ausdrück- liche Beziehung Augustins auf Lactanz verbürgt, aber doch innerlich zum mindesten höchst wahrscheinlich ist. Da Augu- stins Werk nach 410 geschrieben wurde, Lactanz aber wohl um 340 starb, so ist, wenn jener sich auf die erste Kaiser- anrede bezieht, die Entstehung der beiden Stücke in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts zu verlegen. Zweitens lassen sich nach Augustin die Gründe gegen die Echtheit der Kaiseranreden vermehren, welche sich aus der Betrachtung des Charakters unseres Autors ergaben. Dass Augustin von seinem christlichen Standpunkte aus die Kaiseranreden mit Kecht tadelt, ist keine Frage: sie halten sich in grosser Oberflächlichkeit nur an die Aussenseite von Constantins Leben, man vermisst^ Wenn denn überhaupt einmal von einem gött- lichen Lohne, der ihm für seine Verdienste um das Christen- thum zu Theil werde, gesprochen werden soll, jeden Hin- weis auf innere und ideale Güter oder wie man bei einem kirchlichen Schriftsteller es erwarten soll, auf das ewige Leben, welches eben Augustin jener Auffassung entgegenhält. Diese

42 !• Abbandlnng! Brandt.

Weltlichkeit der Kaiseranreden, wenn aach die zweite in eine Art von Qebet ausläuft, steht nun aber in stärkstem Gegen- satze zu der Lebensanschauung auch des Lactanz. Wir haben schon bei Besprechung der dualistischen Zusätze darauf hin- gewiesen, wie er den Werth des ganzen menschlichen Lebens nur von dem Ziele der seligen Unsterblichkeit aus bemisst. Diese, das ewige Leben, wird an unzähligen Stellen von ihm als das höchste Gut, als der einzig erstrebenswerthe Lohn für den Stampf , den die Tugend führen muss, hingestellt; dieses Ziel kann nach ihm um so eher erreicht werden, je mehr der Mensch sich von den irdischen Gütern losmacht. Noch in den Schlussworten des siebenten Buches, welches De uita beata überschrieben, mit dem sechsten durchaus von diesem Gedanken erfUUt und getragen ist, sagt er (27, 15): nemo diui- tiis, nemo fascibus, nemo etiam regia potestate confidat: immer- talem ista non faciunt. Kann man mit dieser Anschauungsweise es vereinigen, wenn in A § 14 weiter nichts prophezeit und gewünscht wird als: pro quo facto dabit tibi deus felicitatem uirtutem diuturnitatem, ut eadem iustitia, qua iuuenis exorsus es, gubernaculum rei publicae etiam senex teneas tuisque liberis, ut ipse a patre accepisti, tutelam Romani nominis tradas ? Denn wenn hier auch von uirtus, welches übrigens auch nur ,Kraft, Tüchtigkeit' bedeuten könnte, und iustitia geredet wird, so treten diese Begriffe doch ganz hinter dem sonstigen Inhalte der Stelle zurück. Der echte Lactanz aber denkt völlig wie Augustin, der an jener Stelle sagt: cum propter uitam aeternam quisque debeat esse Christianus. Man darf auch weiter gehen und sagen, dass die Eaiseranreden nicht von einem Geistlichen geschrieben sind. Dafür tritt das eigentliche Reli- giöse viel zu sehr in denselben zurück und von theologischer und kirchlicher Sprache merkt man nichts in denselben, wenn man nicht etwa den doch recht matten Schluss von B hierhin ziehen will.

Wir haben bisher die Gründe gegen die Echtheit der Kaiseranreden angeführt, welche sich aus der Betrachtung ihrer handschriftlichen Ueberlieferung, ihres Zusammenhangs mit dem Texte des Lactanz und ihres Inhalts ergaben, indem wir zu- gleich fanden, dass es ein verfehltes Mittel ist, wenn man ver- sucht das Gewicht dieser Gründe dadurch zu vernichten, dass

Üeb«r die daalistiseheii Znafttee und die Kaiseranreden bei LactontinB. IL 43

man eine spätere Abfassung jener Stücke durch Lactanz an- nimmt. Es ist den dargelegten Gründen nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen. Dass die Epitome 48 [53], 5 das Ende der Verfolger erwähnt, ohne Constantin dabei zu nennen, ist bereits früher (S. 24) als ein sehr bemerkenswerther Umstand hervoi^hoben worden. Isaeus hat (S. 255 f.) noch daraufhin- gewiesen, dass Hieronjmus de uir. inlustr. 80 in dem Ver- zeichniss der Schriften des Lactanz die Institutionen anftihrt, ohne einer Widmung derselben an Constantin Erwähnung zu thun (habemus eins . . Institutionum diuinarum aduersum gentes libros Septem). Allerdings spricht Hieronymus auch nicht von einer Zueignung der Epitome an Pentadius, oder der Schrift De ira dei an Donatus, während er bei dem Buche De opificio dei sagt, dass es an Demetrianus gerichtet sei. Immerhin darf man es aber auffallend finden, dass Hieronymus bei dem 'Haupt- werke des Lactanz über einen so hervorragenden Adressaten, wie es Constantin wäre, schweigt, um so mehr, weil er alsbald sagt, dass Lactanz der Lehrer von Constantins Sohn Crispus gewesen sei. Man darf vielleicht daraus den Schluss ziehen, dass Hieronymus die Kaiseranreden nicht gekannt hat. Für die Frage nach dem Alter derselben ist dieser Schluss ohne Belang, da diese Stücke, selbst wenn Hieronymus ein Exemplar des Lactanz hatte, in dem sie nicht standen, deshalb doch dem vierten Jahrhundert angehören können. Nimmt man übrigens an, dass Hieronymus die Kaiseranreden in seinem Lactanz nicht gelesen hat, so lässt sich damit die Annahme von Alt, De dualismo Lactantano S. 29, nicht vereinigen, dass ersterer zu seinem bisweilen über Lactanz ausgesprochenen Tadel auch durch die dualistischen Zusätze veranlasst worden sei; denn diese wie jene Stücke standen offenbar schon von Anfang an in denselben Handschriften.

Wir haben jetzt noch die Kaiseranreden nach der sprach- lichen Seite zu betrachten. Schon Baluze hatte sich flLr die Echtheit derselben nachdrücklich auf ihre stilistische Ueberein- Stimmung mit Lactanz sowie darauf berufen, dass gewisse eigenthümliche Wendungen sowohl hier wie dort vorkommen. Auch eine gewisse Uebereinstimmung der beiden Stücke unter sich selbst nach der Seite des Ausdrucks ist nicht unbemerkt geblieben. Manches hat Buenemann angeführt, der beide

44 !• Abhandlung: Brandt.

Stücke flir echt hielt, während Ebert S. 137 sagt: ,E8 kann keinem Zweifel unterliegen, dass der zweite Zusatz im Hin- blick auf den ersten geschrieben ist, wie selbst einzelne Aus- drücke und Wendungen desselben hier wiederkehren^, wobei er den zweiten Zusatz fiir unecht hält. Allein eine genaue Prüfung des Sachverhalts auf Grund der oben beigebrachten Parallelen, deren viele übrigens nur um eine Uebereinstimmung, nicht um eine eigentliche Anlehnung der Kaiseranreden an Lactanz zu beweisen angeführt sind, wird unsere Ansicht von der Unechtheit beider Stücke nur bestätigen. Im Allgemeinen ist nicht in Abrede zu stellen, dass die grammatische, lexika- lische und stilistische Art dieser Stücke sehr mit der Dar- stellung des Lactanz übereinstimmt. Wenn B § 13 praepollens und der Plural gloriis frueris sich findet, beides bei Lactanz nicht vorkommend, so ist darauf kein Gewicht zu legen. Für sehr bedenklich halte ich dagegen, wie schon oben (S. 26 f.) be- merkt, in A § 13 auspicio und auspicatus es. Um jedoch ganz sicher zum Ziele zu gelangen, ist die Frage zu entscheiden, ob die formalen ßerührungen der Kaiseranreden mit Lactanz mit Nothwendigkeit auf ihn als Autor auch flir die Kaiser- anrcden hinführen^ oder ob sie als geschickte Nachahmung erklärt werden müssen. Wir werden dadurch zugleich auf die andere bisher nur gelegentlich von uns berührte Frage ge- wiesen, ob nach dieser Seite betrachtet zwei verschiedene oder ob nur ein Verfasser flir die beiden Stücke anzunehmen ist. In der nun zu gebenden Darlegung berücksichtigen wir zugleich die Stellen, an denen eine Aehnlichkeit mit der Schrift des L. Caecilius De mort. persee. hervortritt, indem diese Stellen mit * bezeichnet werden. Oefter finden sich in den Kaiseranreden Ausdrücke und Wendungen des Lactanz oder des Caecilius wörtlich oder wenig variirt wieder: A** *• '• **• ^*- **; B2. 4. .8. 10. 11. 13. 14. 16*. 82*. 23. 24. 28 [mauus iu dcxtcra geändert]

^1* [restaurare flir restituere], »«• s'- «*. Diese Stellen wird man, wenn man die Mortes flir ein Werk des Lactanz hält, vielleicht noch als begreifliche Wiederholungen derselben Ausdrücke bei demselben Verfasser erklären können. Wer dagegen, wie ich es thue, als den Verfasser jener Schrift nicht Lactanz ansieht, muss allein schon wegen der Stelle B ^*, deren Gewicht durch B'* sehr wesentlich verstärkt wird, wenigstens die

üeber die doftlistiBchen Znafttse und die Kaiseranreden bei Lactantias. II. 45

zweite Eaiseranrede für höchst gefUbrdet in Bezug auf die Elchtheit halten, da bei dieser wörtlichen Uebereinstimmung^ wenn nicht eine ganz unwahrscheinUche gemeinsame Entleh- nung aus einer gemeinsamen Quelle angenommen wird, noth- wendiger Weise eine Benutzung der Mortes durch den Ver- fasser der Eaiseranrede gefolgert werden muss; denn letztere ist ja jünger als die Mortes, in denen Licinius nur als Freund der Christen erscheint. Da jedoch die allgemeine Ansicht heutzutage dahin neigt, dass die Mortes von Lactanz ge- schrieben seien, wir aber unsere Oegengründe noch nicht gegeben haben, so werden wir hier davon absehen, ob die Mortes echt sind oder nicht, und nur die Art und Weise, wie in den Eaiseranreden sowohl diese Schrift wie Lactanz benutzt ist, für unsere Beweisführung ins Auge fassen. Höchst auf- fallend ist nun die grosse Zahl der Stellen, an denen die Kaiseranreden Berührungen mit Lactanz und den Mortes zeigen, namentlich in der zweiten häufen sie sich so, dass ich, ebenso wie bei den dualistischen Zusätzen, keine Partie aus Lactanz von gleichem Umfange wüsste, in der sich so zahlreiche und so eigenthümliche Wiederholungen fänden. Bemerkenswerth ist besonders die Stelle A ^*. Bei der so oft hervortretenden Aehnlichkeit zwischen den Kaiseranreden und den Mortes ist es, obgleich die Redensart dies inlucescit von einem festlichen Tage nach Cicero, V Phil. 1, 2, Plinius Panegyr. c. 67. 68 (p. 61, 28. 64, 17 Baehrens) auch in den ungefähr gleichzeitigen Reden der gallischen Panegyriker p. 100, 25; 186, 11; 236, 24 (vgl. 133, 23; 158, 9 Bahr.) gebraucht ist, doch kein Zufall, dass die sämmtlichen Wort^ cum dies ille felicissimus orbi terrarum inluxisset, sich an der Stelle De mort. persec. 12, 1 f. inquiritur peragendae rei dies aptus et felix . . . ma- lorum . . quae et ipsis et orbi terrarum acciderunt. qui dies cum illuxisset, vereint finden. Aber hier steht orbi terrarum in keinem inneren Zusammenhange zu dem sonstigen Inhalte der Stelle, so dass man für A ^ einen Nachahmer an- nehmen muss, der die Hauptbegriffe der Stelle in einen Satz einkleidete. Merkwürdig ist auch folgende Stelle. B § 16 f. enthält, wie die zu **• ^- ^^ angeführten Parallelen erkennen lassen, nur eine auf Constantin und dessen Qegner bezogene An- wendung des in VI 9, 7 ff. und V 10, 13 f. ausgeführten Satzes,

46 !• AbhADdlmig : Brandt.

dass wahre Gerechtigkeit nur bei denen möglich sei^ welche den wahren Gott kennen. Wenn man nach unseren Anmerkungen verfolgt^ wie die einzelnen Ausdrücke der zuletzt genannten beiden Stellen in B § 16 f. hinein- und zusammengearbeitet er- scheinen^ so wird man viel eher diese Stelle einem Excerptor geben, der emsig jene Partien ausnutzte, als Lactanz. Für die Frage aber, ob die beiden Kaiseranreden von einem oder von zwei Verfassern herrühren, möge darauf hingewiesen werden, dass in beiden ganz die gleiche Art der Anlehnung an Lactanz sich findet, dass femer neben Lactanz gerade die Hortes benutzt sind, eine doch auffallende Gemeinsamkeit des Verfahrens. Eine andere Gruppe bilden diejenigen Stellen der Eaiseran reden, in welchen die Bestandtheile zweier Stellen aus Lactanz oder den Mortes, bisweilen auch die Bestand- theile einer Stelle aus Lactanz und einer aus den Mortes ver- bunden erscheinen; vielleicht ist so A ^ zu erklären, sicherer ist A ' (aus V 7, 1 und De mort. 5, 12); A i* (aus VII 27, 2 und De mort. 1, 7); B «^ (aus V 3, 25 und De mort. 2, 7); B ^ (aus V 10, 14 und VI 9, 8); B «• « (aus VII 14, 6 und IV 1, 1). Wer selbst glauben wollte, dass auch hier nur Wiederholungen desselben Autors vorliegen, so dass diese Stellen keinen eigentlichen Beweis für unsere Behauptung der Unechtheit von A und B enthielten, wird doch diese nahe Verwandtschaft nicht ohne Misstrauen betrachten können. Jedenfalls vermehren diese Stellen auch die schon grosse Zahl der Anklänge an Lactanz und die Mortes, zugleich aber ver- muthen wir auch hier wiederum eine Gemeinsamkeit des Verfahrens bei A und B, die uns «uf einen gemeinsamen Ver- fasser fUhrt. Umgekehrt liegt der Stelle A^ ohne Zweifel dieselbe Wendung aus De mort. persec. 4, 2, jedoch variirt vor, die in B ^* wörtlich aufgenommen ist. B ^^ heisst es : te proui- dentia summae diuinitatis ad fastigium principale prouexit, in De mort. persec. 4,2: quasi huius rei gratia prouectus esset ad illud principale fastigium , in A ^ ist für fastigium principale unter Benutzung von De mort. 2, 7 (deiectus fastigio imperii) gesetzt imperii columen, für prouexit aber euexit, also: te deus summus ad beatum imperii columen euexit. Dass B ^^ und A^ aus derselben Feder herrühren, zeigt ganz deutlich auch die Uebereinstimmimg , dass es dort te proui-

Ueber die daaliftiscbra Zns&tse und die Kaisennredeii bei Lactantin«. TL. 47

dentia snmmae diuinitatis, hier mit dem entsprechenden concreten Ausdruck te deus summus heisst. Da kann doch kein Zweifel sein, dass A und B von demselben Verfasser stammen. Dass dieser Verfasser aber nicht Lactanz sein wird, geht auch aus folgender Beobachtung hervor. Eine Reihe von Ausdrücken in A und B lehnen sich nämlich gerade an solche an, die bei Lactanz ganz in der Nähe der Kaiseranreden stehen, so A ^^ (aus Vn 27, 2 ganz nahe bei B); B ^ sopita weist auf die der ersten Eaiseranrede unmittelbar vorhergehende Stelle 1 1, 12, an der sopiamus und sopirent in demselben Sinne vor- kommen ; B ^^ opera iustitiae facere steht in dem ganz nahen § 2 von vn 27 (facientes opera iustitiae); B ^* mortuorum deum hat die grösste Aehnlichkeit mit der Stelle 11 1, 5, diese letztere Stelle steht aber ganz nahe bei der kurzen Kaiseranrede des zweiten Buches; ebenso verhält es sich in Bezug auf B ^ und VI 2, 17 (die Kaiseranrede des sechsten Buches folgt im nächsten Paragraphen, Cap. 3, 1); desgleichen bei B ^ und IV 1, 1. Hier sieht man doch deutlich in das Verfahren eines Fälschers hinein, der aus nächster Nähe sein Material zusammenlas. Im Hinblick auf B ^ sopita und 1 1, 12 sopiamus zieht nun aber Ebert, S. 137 Anm. 36, den Schluss: yEs bedünkt einen, als sei dasselbe dem Schreiber des zweiten Zusatzes in die Feder geflossen, weil er zu seiner Abfassung auf den ersten hingeblickt, und habe nun eine wunderliche Anwendung gefunden.^ Allein umgekehrt liegt doch auch in A ^* ut est erga pios indulgentissimus pater, sie aduersus impios seuerissimus iudex, eine offenbare An- lehnung an VII 27, 2 proficisci ad illum aequissimum iudicem parentemque indulgentissimum vor (in Verbindung mit De mort. persec. 1, 7 seueritas), und VII 27, 2 grenzt ganz nahe an B, so dass man nicht mit Ebert um jenes sopita willen fiir B einen andern Verfasser annehmen darf, sondern sich ftir einen gemeinsamen Urheber der beiden Stücke entscheiden muss, wie ja auch in anderen Fällen die Anlehnung an nahe- stehende Stellen sich ebenso in A wie in B beobachten lässt; dazu kommt, dass diese Beobachtung sich auch auf die Umgebung einiger der kurzen Kaiseranreden bezieht. Von Allem, was wir bisher angeführt haben, führt nun aber nichts auf eine Abfassung der Kaiseranreden durch Lactanz, viel-

48 I- Abhmadiaiif : Brandt.

mehr erklärt sieh diese Uebereinstimmnng zwischen ihnen und Lactanz oder den Mortes am einfachsten , wenn wir einen Fälscher annehmen , der seinen eigenen Erzeugnissen, um sie als von Lactanz geschrieben einzuschmuggeln, nach Kräften den entsprechenden Anstrich gab. Dass namentUch in den spä- teren Jahrhunderten die Nachahmung früherer Schriftsteller mit grösserer oder geringerer Variirung des Ausdruckes sehr üblich war, ist eine allgemein bekannte Thatsache, auf die ich schon bei Besprechung der dualistischen Stücke hingewiesen habe (8. 63); gerade die dualistischen Partien, deren Unechtheit ich glaube unwiderieglich gezeigt zu haben, bieten in dieser Hin- sicht die beste Parallele f&r die Kaiseranreden. So wenig nun aber Lactanz die beiden längeren Kaiseranreden ge- schrieben hat, so gewiss haben dieselben einen gemeinsamen Urheber, denselben, der auch die ganz kurzen Kaiseranreden eingeschoben hat Für einen gemeinsamen Verfasser von A und B sprechen sehr laut auch die zahlreichen Berührungen zwischen beiden: ich ftihre an A ^ und B ' deus summus; A * und B ^ singularis deus: A ' maiestas dei . . ueri und B ^ quae sit uera maiestas; A ' iustitiam reducens, A '' iustitia restituta est und B ^ ad restituendum iustitiae domicilium; A § 14 dabit tibi deus felicitatem . . uirtutem, B § 13 tu uirtute ac felicitate praepollens; A ^ gubemaculum rei publicae teneas und B ^ quo gubernante rei publicae Romanae statum ; A ^^ tutela Romani nominis und B ^ tutela generis humani; A ^^ mercedem sceleris exsoluet und B^ illi poenas sceleris sui et pendunt et pepen- derunt; in beiden Stücken ist von den iusti und der iustitia die Rede, A '^^ und B § 16, ^, beides in üebereinstimmung mit Lactanz (besonders im fünften Buche der Listitutionen) mit Beziehung auf das Christenthum gesagt, in beiden Stücken kommen die Verfolger des Christenthums und Feinde Constantins als mali vor, A § 15 und B § 12. Diese Stellen, die zum Theil nur Variationen nach von uns angegebenen Vorlagen sind, zeigen in Verbindung mit unseren übrigen Gründen, dass derselbe Kopf, zu derselben Zeit, mit denselben Gedanken und Wendungen erfüllt, die dann hier wie dort, nur in wohl überlegten Ab- änderungen zum Vorschein kamen, die Kaiseranreden ausge- dacht hat. Dass der unbekannte Verfasser stilistische Schulung und Gewandtheit besass, ist klar; die Nachahmung des Lactanz

üeber die dualiBtisehen Zilt&txe nnd die Xaiseranreden bei Lactantins. II. 49

ist mit solchem Geschick durchgeführt, dass die Absicht der Täuschung bei Vielen erreicht worden ist. Fragt man, in welche Zeit die Stücke sprachlich betrachtet zu setzen sind, so würde ich allein schon um der Ausdrucksweise willen kaum wagen, unter das vierte Jahrhundert herunterzugehen. Schrift- steller des fünften Jahrhunderts verbinden schon nicht mehr in solchem Masse Sorgfalt mit Schlichtheit und entfernen sich auch im grammatischen Oebrauche imd in der Wahl der Worte viel weiter von der Gewohnheit der besseren Zeit. Es ist uns willkommen^ dass wir durch jene Stelle Augustins auf das vierte Jahrhundert geftihrt worden sind, allein auch ohne sie würden wir schon um der Sprache der Stücke willen nicht anders urtheilen. Doch es muss uns noch die vielfache Verwendung von Stellen aus Lactanz und Caecilius in A und B etwas be- schäftigen.

Der Fälscher hat vorzugsweise und naturgemäss sich an die Institutionen des Lactanz gehalten. Für eine Stelle sodann, glaube ich, darf man eine Benutzung der Schrift De ira dei annehmen, nämlich für A § 13: qui primus Romanorum prin- cipum repudiatis erroribus maiestatem dei singularis ac ueri et cognouisti et honorasti. Zu diesen Worten stimmen doch in sehr auffallender Weise einzelne Ausdrücke in der Stelle De ira 20, 12: id adsequitur patientia dei, ut se ipsi homines damnatis uitae prioris erroribus corrigant. denique et boni sunt iustique multi et abiectis terrenis cultibus maiestatem dei singularis agnoscunt. Dass diese Stelle in A § 13 zu Grunde liegt, macht auch die Vergleichung der alsbald in De ira folgenden Worte : cum maxima et utilissima sit dei patientia, tamen quamuis sero noxios punit, mit A^^ quanto serius tanto uehementius u. s. w. wahrscheinlich. Spuren von Beziehungen auf das Buch De opificio dei habe ich in den Eaiseranreden nicht gefunden. Um so zahlreicher sind die offenkundigsten Anlehnungen an die Schrift De mortibus persecutorum, die ja auch ihrem Inhalte nach einer panegyrischen, das geschicht- liche Gebiet berührenden Darstellung mancherlei zur Aneignung bieten musste. Obgleich nun schon Buenemann einige Parallelen zwischen den Mortes und den Kaiseranreden bezeichnet hat, so ist diese höchst merkwürdige Thatsache doch von Niemandem weiter verfolgt worden, auch von Ebert nicht. Ich halte dies

Sitivnftber. d. phil.-hist Gl. CHX. Bd. 1. Abh. 4

50 !• Abhandlung: Brandt.

für ein wahres Glück: denn da man B meistens für unecht hält, der Verfasser dieses Stückes aber doch durch Nach- ahmung des Stiles von Lactanz seinem Elaborat die Farbe der Echtheit hat geben wollen, so hätte man leicht in der Be- nutzung der Mortes durch den Verfasser von B einen neuen Beweis für die Behauptung gesehen, dass Lactanz jene Schrift geschrieben. Während nun, wie selbstverständlich, die Ent- scheidung darüber, ob die Eaiseranreden echt sind oder nicht, keineswegs von der Entscheidung über den Verfasser der Mortes abhängt, muss man anderseits für diese letztere Frage auf die Verwerthung der Mortes in den Kaiseranreden alle Rücksicht nehmen; denn es handelt sich darum, ob der Verfasser von A und B die Mortes, wenn er öfter auf sie zurückgriff, für eine Schrift des Lactanz gehalten hat oder nicht, lieber diesen Punkt muss hier Einiges gesagt werden. Es hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, dass ersteres der Fall ist, und man wird immer mit derselben rechnen müssen, aber mehr als eine Wahrscheinlichkeit kann man nicht erreichen. Man kann sich doch vorstellen, dass der Verfasser der Eaiseranreden in den Mortes, weil sie sich gerade mit Constantin und der letzten Christenverfolgung beschäftigen. Manches ftir seinen Zweck geeignet gefunden und ihnen entnommen, obgleich er gewusst, dass die Schrift nicht von Lactanz sei, wie ja auch in den dualistischen Zusätzen ausser Lactanz noch andere Schriftsteller, Sallust und Lucrez, benutzt sind (S. 46 f.) Noch mehr darf man es fUr möglich halten, aus einer eigenthümlichen Stelle in B eine gewisse Berechtigung zu dieser Ansicht herzu- leiten. An der Stelle § 15 f., wo Constantin mit irüheren Kaisern verglichen wird, heisst es von diesen, den antiqui principes: quos tamen fama inter bonos numerat, der ganze Zusammenhang aber ist der, dass diese herkömmliche Vorstellung von früheren Kaisem, die gut gewesen seien, nur auf einem Scheine beruhe. Hat es nun nicht die höchste Wahrscheinlichkeit fiir sich, dass dieses eine versteckte Polemik gegen die Stelle De mort. persec. 3, 4 ist: secutisque temporibus, quibus multi ac boni prin- cipes Romani imperii clauum regimenque tenuerunt ? Hier wird angenommen, dass es viele gute römische Kaiser gegeben, dort wird dies als eine grundlose, oberflächliche Meinung hin- gestellt, ja noch mehr, es wird dieselbe durch eine Begründung,

Ueber die dnalistiseben Zufttze nnd die Kaiseranreden bei Laetantine. ü. 51

die Lactanz selbst entnommen ist (vgl. zu B ^), zu widerlegen versucht. Nimmt man an, dass der Fälscher die Mortes ftir eine Arbeit des Lactanz angesehen hat, dann hat er sich nicht ge- scheut, Lactanz aus sich selbst des Irrthums zu Uberflihren. Man könnte daher in dieser Kritik eine Keckheit erblicken, die eher erklärlich ist, wenn er nicht Lactanz ftlr den Verfasser der Mortes hielt. Dazu kommt, dass zu dieser Kritik ein zwingender Grund nicht vorliegt, und dass es fast den Anschein hat, dass der Verfasser der Kaiseranrede absichtlich diese Gelegenheit zu einer Correctur sich gemacht hat. Allein auch dieser Schluss ist nicht zwingend, denn die Möglichkeit muss doch zugegeben werden, dass der Verfasser von A und B in seinem Bemühen, Constantin möglichst hoch und höher als alle früheren Kaiser zu stellen, sich bemüssigt fand, jene Aeusserung in den Mortes, selbst wenn er sie fUr eine Schrift des Lactanz hielt, in seinem Sinne richtig zu stellen und einer Deutimg derselben vorzu- beugen^ bei der Constantin ihm nicht hoch genug über alle früheren Kaiser erhaben erschien. Auch konnte sich der Ver- fasser auf Lactanz selbst berufen, und es wird ja doch jene Auffassung in den Mortes auch nur im Vorübergehen und ohne besonderen Nachdruck geäussert. Da wir ferner den Nach- weis versuchen werden, dass der Verfasser der Kaiseranreden mit dem der dualistischen Zusätze identisch ist, so dürfen wir daran erinnern, dass in den letzteren doch auch stillschweigend eine gewisse Kritik an der Lehre des Lactanz geübt wird. Wir entscheiden uns deshalb dafbr, dass es wenigstens wahr- scheinlich ist, dass der Verfasser der Kaiseranreden die Mortes aus dem Grunde für seinen Zweck ausbeutete, weil er sie als eine Schrift des Lactanz betrachtete und aus ihnen das Goloiit dieses Autors in seinen Zusätzen verstärken wollte. Mit dieser anscheinend zu Gunsten des lactanzischen Ursprungs der Mortes sprechenden Instanz werden wir uns in der Unter- suchung über das Leben des Lactanz u. s. w. auseinander- setzen.

Bisher blieb unsere Untersuchung der Kaiseranreden im wesentlichen bei einem negativen Vorgehen. Wir müssen nun aber unsere Kritik nach der positiven Seite ergänzen, indem wir fragen, welche Motive den Verfasser jener Zusätze zu diesem seinem Verfahren bestimmen konnten, und indem wir

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52 I- Abhtndlniig: Brandt.

überhaupt dieselben als möglich und begreiflich nachzuweisen suchen. Ebert sagt S. 136 mit Beziehung auf den ersten Zusatz: ^Will man aber annehmen, er sei noch später (nämlich als nach den Lebzeiten Constantins) von einem Abschreiber eingefügt, so muss man eine solche Annahme doch zu moti- viren im Stande sein. Ich finde aber kein stichhaltiges Motiv denkbar.* Ich dächte, ein solches liesse sich ohne Schwierig- keit finden. Hat es denn etwas so undenkbares, dass im vierten Jahrhundert ein Leser des Lactanz so von den Ver- diensten Constantins um das Christenthum erfüllt war, dass er die so unbedingt nur von Verfolgungen der Christen redende, Constantin mit keinem Worte berührende Darstellung des Lactanz unangenehm empfand und es ftir angemessen hielt, dieselbe zu Gunsten des Retters der christlichen Kirche zu mildem ? Man kann es sich so erklären, zum Theil wenigstens, dass in A ausgesprochen wird, im Bereiche Constantins sei die Verehrung des wahren Gottes anerkannt und geschützt, in anderen Theilen der Erde wüthe dagegen noch die Verfolgung. Erwidert man etwa, es müsse doch ein höchst ungeschickter und verkehrter Mensch gewesen sein, der einen solchen Zu- satz im Widerspruche mit dem Werke selbst zufügte, so ist dies kein Grund gegen die Unechtheit, da im Falle der EJcht- heit derselbe Vorwurf ja auf Lactanz fiele. Ein weiterer Schritt war es dann, dass jener Leser fand, es wäre sehr richtig gewesen, wenn Lactanz sein grosses, zum Schutze des Christenthums geschriebenes Werk dem Kaiser, dem Beschützer des Christenthums durch die That, zugeeignet hätte; so er- gab sich für seine zu Gunsten Constantins beabsichtigte Ab- schwächung der Darstellung des Lactanz leicht die Form der Widmung. Man könnte auch daran denken, dass der Fälscher von dem Verhältnisse des Lactanz zu Constantin gewusst hat, allein man würde alsdann irgend eine Andeutung desselben erwarten. Aber die soeben fUr A gegebene Erklärung genügt nur halb, denn A wird uns nur begreiflich, wenn wir dieses Stück in Beziehung zu B betrachten. Dies ist um so noth- wendiger, weil man auf den ersten Blick gar keinen vernünftigen Grund erkennen kann, weshalb derselbe Verfasser, nicht zu- frieden, durch die erste Kaiseranrede sich in Gegensatz zu dem Werke des Lactanz zu bringen, noch die zweite hinzufügte,

Ueber di« diudistischen Zns&tze und die KAiaaranreden bei LacUntiuB. n. 53

die sich weder mit dieoem noch mit jener vereinigen lässt. Ich denke nun, dass die folgende Erklärung die Schwierig- keiten löst. Der Verfasser der Kaiseranreden wollte sich nicht damit begnügen, in A Constantins Verdienst um die christliche Religion nach der Seite, dass er allein und in seinem Reiche zur Zeit der Verfolgungen dieselbe geschützt , zu preisen, sondern seine Absicht ging dahin, Constantin als denjenigen zu verherrlichen, der schliesslich durch Ueberwindung der Feinde des Christen thums, die zugleich seine eigenen Feinde waren, den völligen, den allgemeinen Sieg des Christenthums bewirkt habe; dies sollte in B geschehen. In A konnte er noch nicht Constantin als den Wiederhersteller des Christen- thums im gesammten römischen Reiche und als aUeinigen Herrscher anreden, ein solcher Gegensatz zu dem Werke des Lactanz wäre zu krass gewesen und hätte von vorneherein den Leser höchst misstrauisch und ganz irre machen müssen, der nicht begrififen hätte, wie Lactanz in der Widmung zu Anfang seines Werkes von der sicheren Lage der Christen im ganzen römischen Reiche sprechen könne, da er im fünften und sechsten Buche doch nur von Verfolgungen auf dem ganzen Erdkreise spricht. Der Unbekannte suchte daher die Sache vorsichtig anzufassen, indem er in A wenigstens eine räumlich beschränkte, aber immer doch noch im grössten Theile des römischen Reiches herrschende Verfolgung beliess, bei der sowohl die Schilderung des Lactanz wie die eigene Lobpreisung Constantins bestehen konnte. Am Ende des siebenten Buches dann, wo auch nicht gerade bestimmte Beziehungen auf die Verfolgungen sich finden, schien die richtige Stelle, um Constantin in seinem ganzen Glänze zu zeigen; für die in der Mitte liegenden Bücher ge- nügten kurze Anreden des Kaisers, um dem Leser die Widmung an denselben in der Erinnerung zu halten. Nun liess aber die Verschiedenheit der geschichtlichen Verhältnisse, wie sie in A und wie sie in B vorausgesetzt werden, sich nur unter der Bedingung eines zeitlichen Zwischenraumes zwischen beiden wahren. Aber gerade diese Bedingung hatte der Fälscher in seinen Plan aufgenommen, indem er durch sie seiner Fiction eine ganz bestimmte Wendung gab. Er stellte nämlich die Sache so dar, als ob jener Fortschritt der Zeitlage, wie er von den Verhältnissen in A bis zu denen in B sich vollzogen haben

54: I* Abhandlnng: Brandt.

musste, während eben der Zeit stattgefunden hätte, in der Lactanz seine sieben Bücher Institutionen schrieb, so dass, als er am Schlüsse derselben angelangt, der Zustand der Dinge schon ein anderer geworden wäre als damals, wo er das Werk angefangen und mit der Widmung an den Kaiser Constantin versehen hätte. Es ist nun der Beweis für diese Erklärung zu geben, so weit bei widersinnigen Dingen ein Beweis möglich ist. Erstlich ist sehr zu beachten, dass in A mit solchem Nachdrucke hervorgehoben wird, dass jetzt das Werk be- gonnen werde. Die ersten Worte lauten: quod opus nunc nominis tui auspicio inchoamus, der Schlusssatz sagt: cuius religionem cultumque diuinum cupiens defendere: man sieht, es soll uns deutlich zum Bewusstsein gebracht werden, dass diese Worte bei Beginn des Werkes geschrieben sind. Wie steht es denn nun aber bei der zweiten Kaiseranrede? Sucht man nicht in diesem ganzen Stücke B vergebens eine Bezie- hung auf den Abschluss des Buches? Gewiss, innerhalb der Kaiseranrede, aber nicht in ihrer nächsten Nähe. In den Hand- schriften steht B nach VII 27, 2, aber unmittelbar vorher, nämlich zu Beginn dieses Capitels heisst es: quoniam decur- sis propositi operis Septem spatiis ad metam prouecti sumus. Kein Zweifel, gerade in der Nähe dieser Worte fugte der Fälscher seinen Zusatz an, weil sie den Abschluss des grossen Werkes so deutlich hervorheben, der dann auch den zeitlichen Standpunkt der Kaiseranrede bezeichnen soll; man erkennt, wie die Stelle mit Berechnung ausgesucht worden ist. Ob B ursprünglich wirklich hier, nach Capitel 27, 2, oder wie die Herausgeber annehmen, nach Capitel 26 seine Stelle haben sollte, ist für unseren Fall ohne Belang, B bleibt immer in nächster Nähe jener Worte. Für das Verfahren der Heraus- geber spricht, dass der Anfang von B: sed omnia. . . figmenta, sich naturgemäss an die alsdann unmittelbar vorhergehende Stelle, in der fingunt und finxerunt mit Bezug auf die gegen die Christen vorgebrachten Erdichtungen gesagt wird, an- schliesst, während es nach 27, 2 den Zusammenhang sehr stark durchbricht. In diesem Falle folgt allerdings die Stelle 27, 1 quoniam decursis u. s. w. erst B nach, und letzteres steht nicht mehr unmittelbar unter der in jener Stelle ent- haltenen Zeitbestimmung. Doch Hesse sich dies leicht ertragen^

Ueber die daalistiscben Zasitsa und die Kaiaennreden bei Lactantins. n. 55

es würden alsdann die Worte quoniam decursis u. s. w. die Eaiseranrede unmittelbar fortsetzen, und ein Leser würde, nach der Absicht des Verfassers, auch so darauf hingewiesen werden, dass dieses Stück beim Abschlüsse des Werkes ge- schrieben worden sei. Es wird also die Anordnung der Her- ausgeber wohl die von dem Verfasser beabsichtigte sein. Der zweite Qrund, den wir zur Rechtfertigung unserer Erklärung geben können, ist folgender. Man erkennt ganz klar, dass die erste Kaiseranrede Wünsche und Prophezeiungen enthält, die zweite dagegen deren Erfüllung. Bei dieser mit Absicht in A und B hineingelegten Wechselbeziehung muss natürlich A auf einem früheren zeitlichen Standpunkte stehen, als der von B ist. Die angegebene gegenseitige Beziehung zwischen A und B liegt offen zu Tage. In A § 14 wird dem Kaiser ver- heissen: dabit tibi deus felicitatem uirtutem, in B § 13 ist die Erfüllung da: tu uirtute et felicitate praepollens immortalibus tuis gloriis beatissime frueris; A § 15 lautet die Prophezeiung: nam malis . . quanto serius tanto uehementius idem omnipotens mercedem sceleris exsoluet, die Vollen- dung verkündet B § 14: illi (sc. mali) poenas sceleris sui et pendunt et pependerunt, dass aber auch jenes tanto uehementius seine Erfüllung gefunden, zeigt die so enei^sche Schilderung der Vernichtung der Feinde, die Gott Constantin in die Hände gegeben hat: B § 12 qui posses . . ipsos denique malos a re publica submouere, quos summa potestate deiectos in manus tuas idem deus tradidit, § 13 illi . . profligati iacent. Wenn es sodann A § 15 heisst; quia ut est erga pios indul- gentissimus pater, sie aduersus impios seuerissimus iudex, so wird natürlich mit der ersten Hälfte dieses Vergleichungssatzes auf die göttliche Gnade, die Constantin, mit der zweiten auf das göttliche Strafgericht, welches die Feinde erfahren werden, hingewiesen. In B wird nun eben dieser Vergleich wieder aufgenommen und es wird gezeigt, wie sich bei beiden Theilen im Gegensatze zu einander je das Verheissene und das Ge- drohte verwirklicht hat: daher die so nachdrückliche doppelte Gegenüberstellung § 13 iUi enim iacent, tu autem frueris; illi poenas pependerunt, te dextera dei protegit. Dass dagegen das Greisenalter Constantins und die Uebergabe der Herrschaft an seine Söhne noch nicht als eingetreten dar-

56 !• Abhandlung: Brandt.

gestellt werden^ liegt in der Natur der Sache. Man erkennt also deutlich Plan und Absicht in dem Verhältnisse zwischen A und B, ja B wird erst durch diese Betrachtungsweise be- greiflich. Ohne diese versteht man nicht recht, weshalb am Schlüsse des Werkes noch einmal eine solche Verherrlichung des Kaisers zugefUgt ist, sie erscheint dann als eine überflüssige Zugabe. Jetzt aber sehen wir, dass die beiden Stücke sich gegenseitig bedingen: dort in der Gegenwart nur im Bereiche des Constantin das Christenthum geschützt und gehoben^ noch wüthen sonst im römischen Reiche die Feinde, hier ist das Christenthum im ganzen Reiche und unbedingt durch Con- stantin wiederhergestellt und er der alleinige Herrscher, dort ein Theil, ein Anfang, hier das Ganze, die Vollendung, dort nur Wunsch und Vorherverkündigung, hier Verwirklichung und Erfüllung. Und dieser grosse Umschwung der Dinge soll sich in der Zeit, die zwischen dem ersten und dem siebenten Buche liegt, vollzogen haben, während Lactanz an seinem Werke arbeitete, soll nach der Absicht des Verfassers von A und B das Walten Gottes in der Geschichte so vorgeschritten sein, dass, was bei Beginn des Werkes nur gehofft und gewünscht werden durfte, beim Abschlüsse desselben als eingetreten und vollführt gefeiert werden kann. Jetzt braucht es uns nicht mehr zu bedünken, wie Ebert sagt, dass der Schreiber des zweiten Zusatzes auf den ersten hingeblickt, sondern in A wird ebenso auf B hingeblickt, und die beiden Stücke sind so mit einander verkettet, dass an einem gemeinsamen Verfasser nicht im mindesten mehr gezweifelt werden kann. Wenn Ebert S. 137 sagt, dass in B das Lob Constantins weit über- schwenglicher und ausführlicher gesungen wird als in A, so ist dies richtig, aber auch begreiflich, da der Preis der ein- getretenen Erfolge sich naturgemäss reichlicher in Worten ergeht als der blosse Wunsch und die Ankündigung derselben. Auch sollte gerade am Schlüsse des ganzen Werkes ein möglichst ausgeführtes und glänzendes Bild vor dem Leser entrollt werden und der Ruhm des Kaisers noch einmal ganz besonders laut und vernehmlich erschallen.

Bisher haben wir die Möglichkeit der Entstehung dieser Kaiseranreden durch Aufdeckung ihrer Tendenz nachgewiesen. Wir müssen aber über diese mit Beziehung auf den Verfasser

ü«1>er die dnalistiseheii ZiiB&toe und die Kaiseranreden bei Lactonftias. n. 57

derselben subjective Betrachtung hinausgehen und fragen , ob sieb diese Stücke nicht auch objectiv, von allgemeinen literar- geschichtlichen Gesichtspunkten aus begreifen lassen. Die beiden Eaiseranreden sind ja zwei zwar kleine^ aber doch eigenartige selbständige Literaturerzeugnisse, so dass für eine wissenschaft- liche Untersuchung derselben sich die Aufgabe ergibt, ihre Entstehung literargeschichtlich zu erklären und die Zeit, wenn möglich auch den Ort der Entstehung nachzuweisen. Ich habe bisher ab und zu die Kaiseranreden als panegyrische Stücke bezeichnet. Damit aber sollte nicht etwa nur ihr Inhalt cha- rakterisirt werden, sondern, wie ich jetzt hinzufüge, auch der literargeschichtliche Zusammenhang, in dem sie stehen. Die beiden Eaiseranreden sind in der That nichts anderes als kleine Panegyriken, erwachsen auf dem Boden der höfischen Bered- samkeit des vierten Jahrhunderts, jedenfalls in Gallien, sehr wahrscheinlich in Trier. Ihrem Inhalte nach gehen die beiden Stücke völlig in Lob und Verherrlichung Constantins auf, und zwar in einer Weise, die, wie wir schon oben S. 23 f. sahen, weit das Mass der Wirklichkeit überschreitet. Es finden sich nun aber einzelne Eigenthümlichkeiten in den Kaiseranreden, welche uns einen thatsächlichen Zusammenhang mit der pane- gyrischen Beredsamkeit des ausgehenden dritten und des vierten Jahrhunderts erkennen lassen. Wir bestritten oben S. 26, dass Lactanz die Worte auspicium und auspicari, die in A § 13 vorkommen, gebraucht haben würde: aber gerade diese und verwandte Ausdrücke sind bei den gallischen Pane- gyrikern ganz ausserordentlich im Gebrauche, bald mit be- stimmter Beziehung auf die Fürsten, bald ohne eine solche in der allgemeinen Bedeutung ,glückverheissender Anfangt oder einen solchen , Anfang machend Im Panegyricus des Plinius kommt nur quod nihil rite . . homines sine deorum immortalium ope . . auspicarentur (S. 1 Z. 6 Bährens) und auspicia polluere (59, 31) vor, dagegen bei den Galliern quae te prima signa imperatoriis auspiciis inaugurarint (II Rede S. 91 Z. 8); cum felicissimis uestris auspiciis uterentur (II 98, 16); imperii au- spicia (in 102, 24); aeternis auspiciis Jouis et Herculis, d. i. Diocletians und Maximians (IV 130, 1); ductu atque auspicio numinis tui (V 135, 20); gerendi belli auspicium (V 142, 1); iUe uestro auspicio inuictus exercitus (V 142, 29) ; tantae

OO I. Abhandliing: Brandt.

auspicia fortunae (VI 152, 6); auspicia bellis gerendis dare (VI 159, 9); ortus tui auspicia (VII 167, 19); dnctu atque auspiciis tuis (IX 204, 10); tua, imperator, auspicia (XII 291, 2); malis auspiciis (XII 299, 12); auspicium im Sinne von ,glückyer- heissender Anfang^: auspicium illius anni (U 94, 28); auspi- cium ueris (V 133, 23); culturam melioribus adnituntur auspi- ciis (VIII 192, 1); sermonis huius auspicium (XII 272, 31); im Sinne von Vorbedeutung auch auspicium uictoriae tuae (IX 198, 16) ; auspex: Kalendae Martiae . . aeternorum auspices imperatorum (V 134, 5); ille felicitatis publicae * auspex dies, qui te primus inaugurauit imperio (XII 272^ 32, nach II 91, 8, vgl. oben S. 57); auspicalis: consulatus tui auspicalem diem (U 94, 2); auspicatissimus : auspicatissimo die (XI 246, 2); auspicari: tu iam ab ipsis eorum regibus auspicatus es (VI 151, 16); bellum auspicatus (IX 209, 12); res bellicas auspi- catus es (X 226, 13). Zu diesen Stellen der Panegyriker, die ich nach dem Index der Ausgabe in usum Delphini zusammen- gestellt habe, fUge ich hinzu aus Ausonius, grat. act. 14, 64, cuius autem umquam egressus auspicatior fuit; aus Symmachus' Reden habe ich nur notirt: quae conubia satellitum suorum sa- crarent pugione auspice (pro patre, p. 335, 10 Seeck)^ Von diesen fünfundzwanzig Stellen kommen zwei, von denen jedoch eigentUch nur die erste hierher gehört, auf den sehr aus- gedehnten Panegyricus des Plinius, etwa zwanzig auf die spä- teren Panegyriker. Man sieht, dass bei ihnen im Durchschnitt jene Ausdrücke verhältnissmässig schon viel häufiger sind als bei Plinius, wenn man noch dazu in Betracht zieht, dass dies elf Reden sind und in keiner auspicium oder ein verwandtes Wort völlig fehlt. Wenn nun aber in A § 13 zweimal dieser Begriff sich findet, auspicium und auspicari, so darf man doch gewiss daraus ein näheres Verhältniss zwischen den Kaiser- anreden und der Panegyrik jener Zeit folgern.

Was die Titel des Kaisers betrifft, so stimmt der Ge- brauch in den Kaiseranreden zu der Weise, welche aus den

^ Auch Firmicus HaternuB, De errore profan, relig. 29, 3, sagt, hierin weniger bedenklich als anscheinend Lactanz, auspicia uestra in der Schlnssanrede an Constantius und Constans, die überhaupt manche Be- rührungen mit der Weise der Panegyriker zeigt.

Ueber dio duAlistischen Zos&tze nnd die Kaiseranreden bei L»ctantiiu. n. 59

Panegyrikern und anderen Schriftstellern, sowie aus den In- schriften ftir das vierte Jahrhundert bekannt ist. Die Anrede ist Constantine imperator maxime A § 13, ebenso V 1, 1 in einigen Handschriften, während andere nur Constantine im- perator haben; das letztere steht ferner II 1, 2; III 1, 1; IV 1, 1; VIS, 1; in- B § 11 wird sanctissime imperator gesagt. Es sind dies allgemein übliche und einfache Titulaturen,^ deren Schlicht- heit uns auch dnngend räth, nicht unter das vierte Jahrhundert als Abfassungszeit der Kaiseranreden herabzugehen. Wenn es A § 13 heisst: te deus summus ad beatum imperii columen euexit und B § 13 tu . . immortalibus tuis gloriis beatissime frueris, so stimmt dies zu dem kaiserlichen Prädicate beatissi- mus. Was wir soeben in Hinsicht auf Titulatur in den Kaiser- anreden gesagt, hatte keinen Bezug auf eine Verwandtschaft derselben mit der Panegyrik, es kann uns aber weiterführen und wiederum auf eine solche hinweisen. In den fieden der Panegyriker findet sich häufig eine Benutzung oder auch Aus- führung der auch aus den Inschriften dieser Zeit bekannten Prä- dicate der Kaiser, so z. B. in dem ersten der gallischen Pane- gyriken, Rede II bei Baehrens S. 90, 5 pietas; 92, 25 fortitudo und dementia; die ganze Rede III ist lediglich eine Ausftihrung der so häufig auf den Inschriften verbundenen Attribute pietas und felicitas in Bezug auf Maximian, vgl. Cap. 6 (S. 106, 10), indem von Cap. 6 12 die erstere, von Cap. 13 an (vgl. den Anfang) die zweite besprochen wird; zum Schlüsse kehren beide verbunden noch dreimal wieder: S. 115, 25; 116, 8. 23; IV S. 119, 5 diuina imperatorem Caesarumque nostrorum pro- uidentia; die Rede V besteht im wesentlichen in einer Ver- herrlichung der Siege des Constantius und erscheint nur als eine Illustration der in den ersten Worten S. 132, 5 gebrauchten Anrede Caesar inuicte, die dann fortwährend, 133, 21. 135, 19. 137, 10. 138, 29. 141, 20. 142, 4. 143, 12. 144, 7. 24. 27. 147, 27. 148, 9 angewendet wird, ferner 134, 7 inuictissimi principes und ebenso 147, 18; die uirtus und pietas wird 134, 16, die diuina prouidentia 136, 28, die dementia 137, 4, die de- mentia und pietas 146, 19 genannt; VI 149, 6 uestrae . . per-

Vgl. Schrmer, Ueber die Titulaturen der römischen Kaiser, S. 454 469, in Acta Seminarii Philol. Erlangensis II (1881), S. 449 ff.

60 I. Abhandlung: Brandt.

petuae pietati; 151, 1 werden continentia fortitudo iustitia prudentia als Eigenschaften Constantins angeführt , die vier stoischen Cardinaltugenden im Anschlüsse wohl an Cicero, De ofiBc. I 5, auch sonst und mit leisen Variationen von den Pane- gyrikern (IH 116, 1; XI 248, 27. 261, 21; XII 307, 28 ff; vgl. auch VII 164, 1) verwandt; von jenen vieren decken sich wenigstens fortitudo 161, 13 und iustitia, die in der Ausführung 151, 24 mit pietas verbunden ist, mit den üblichen Prädicaten der Kaiser, die prudentia 151, 31 bertlhrt sich sehr nahe mit prouidentia, welcher Ausdruck auch bald nachher 153, 18 sich findet; aus VII erwähne ich 163, 20 uirtute, dementia, 164, 2 iustitia, 3 prouidentia, 169, 23 uirtus, 171, 18 pietas, letzterer ist das ganze Cap. 20 gewidmet; in VIU weist der Redner zuerst (Cap. 2 5) nach, dass die dementia, die Constantin den Aeduem erwiesen, eine berechtigte sei, 181, 7. 184, 5; die prouidentia des Kaisers wird 187, 8 gerühmt; Rede IX: 195, 26 pietas, 28. 196, 29 dementia, dementia und uirtus ver- bunden 198,20. 201,26, uirtus und pietas 212,5. 16; Rede X: 218, 19 fortitudo und pietas, fortitudo auch 239, 3; 219, 22 dementia, 238, 28 prudentia, benignitas und dementia; Rede XI: 246, 13 uirtus, 267, 10 uirtus und fides, von den oben zu Rede VT 151, 1 erwähnten vier stoischen Tugenden 248, 29. 30 fortitudo und prouidentia und 261, 21 iustitia fortitudo (temperantia) prudentia; Rede XII: 276,26. 27 uirtus, 293,3 uirtus und pietas, 312, 15. 19 uirtus und dementia, 308, 2 fortitudo. Diese Aufzählung, so wenig sie, was die Zahl der Stellen und die Art der Attribute betrifft, erschöpfend sein soll, zeigt dennoch zur Genüge, wie sich die Darstellung der Redner an die Attribute der Kaiser anlehnt und bisweilen geradezu das Gerüste der Rede oder einzelner ihrer Theile im Anschluss an dieselben gestaltet. Man hört überall die Aus- drücke heraus, wie sie auf unzähligen Inschriften sich finden : fortissimus, clementissimus , piissimus, prouidentissimus, inuic- tissimus oder deren Positive, oder die uirtus, fortitudo, gloria, pietas, iustitia, benignitas, dementia der Fürsten. Kehren wir nun zu den Kaiseranreden zurück. In A § 14 heisst es: dabit tibi deus felicitatem uirtutem diutumitatem, und in B § 13: tu . . uirtute ac felicitate praepoUens, es findet sich also zweimal die Verbindung von uirtus und felicitas. Dass

Ueber di« duftliiü8eh«n Zntfttie und di« Kaiieranreden bei Lactootini. II. 61

beide getrennt bei den Panegyrikern genannt werden, zeigt die obige Aufzählung, in der uirtus mehrere Male angegeben, sodann folgende Stellen für felicitas oder felix: Plinius Cap. 74; S. 78, 22; II 98, 27; III Cap. 6; 13-18; IV vgl. Cap. 18; V Cap. 14. 15; VI 156, 4; 159, 15 f.; VH 166, 1; 177, 7; VIII Cap. 13; X 228, 10; XI 266, 6; XH 275, 27; 295, 24; 307, 19.» Desgleichen ist in Inschriften die Erwähnung der uirtus nicht selten, was aber felicitas, felix, felicissimus betrifft, so ist wohl kein Prädicat der Kaiser nach Commodus, seit dem nach Eckhel, Doctr. num. veter. Vlll 454, felix stehender Zu- satz wurde, häufiger als dieses, auch auf den Münzen findet sich nach Eckhels Index uirtus, uirtuti und felicitas, felicitati mit dem Namen des Fürsten im Genitiv. Höchst merkwürdig ist es nun aber, dass dieselbe Verbindung der beiden Attribute, wie dort in A und B, auch bei den Panegyrikern mehrfach angetroffen wird: IV 130, 4: omnia quae uirtute principum ac felicitate recreantur; V 137, 10: illo uirtutis ac felici- tatis tuae impetu; 145, 9: ob uirtutem felicitatemque ue- stram; X 234, 14: ut non tam gloriandum sit uirtuti tuae, praestantissime imperator, . . quam gratulandum felicitati; XII 275, 26: nam cum duo sint quae claros duces faciant, summa uirtus summaque felicitas, scire obuium est qua praeditus fnerit felicitate (et uirtute, von Baehrens zugesetzt) qui te genuit. Dazu kommt Ausonius, grat. act. 2,9: conec- terem omnia merita uirtutis et cognomina felicitatis, und endlich, was Photius, Bibliothec. cod. 62, von der Schrift des Praxagoras auf Constantin den Grossen, die ebenfalls panegyri- schen Charakters war, sagt (p. 21, 4 Bekker): ©Yjalv ouv 6 Ilpa^a- Y^paq . . Bxt xacY) Äpcttj xa» y.aXcxaYa6ia xai tcovti suTuxijjjLatt Tcctna^ Tsu^ *K^ avrrou ßeßoacXeuxcTa^ 6 ßaatA£Ü^ Ktovcrovitvo^ dxsxpu^axo. Hand in Hand mit diesen Beispielen gehen folgende Inschriften : CIL. in 2771 auf Constans: uirtute et felicitate omnes retro principes supergresso, in merkwürdiger Uebereinstimmung mit der Stelle aus Praxagoras ; VIII 7008 auf Constantin den Grossen: uirtute felicitate pietatc praestanti; IX 333 auf Theodosius

^ Ebenso wie auf den Inschriften kommt auch bei den Panegyrikern vor die felicitas saeculi IV 129, 11; prosperitas saeculi uestri III 115, 18; vgl. dazu auch II Cap. 13; VIII Cap. 13.

62 !• Abhandlung: Brandt

den Grossen: cuius uirtute felicitate iustitia et propagatus terrarum orbis et retentus. Keine dieser Inschriften stammt aus Gallien, die erste aus Dalmatien, die zweite aus Afrika, die dritte aus Canusium, von jenen Panegyriken aber, denen die betreffenden Stellen angehören, sind IV, V und offenbar auch X (nach den Schlussworten jedenfalls nicht in Rom, wie bis- weilen angenommen wird) in Gallien, XII in Rom gehalten. Wenn nun auch vielfach eine Abhängigkeit der späteren von den früheren Rednern sich zeigt, so ergibt sich doch aus einem Vergleiche mit den Inschriften, dass die Redner in jenem Aus- drucke sich an einen allgemeinen Brauch anschliessen. So viel ich finde, tintt diese Verbindung der schon längst als Gottheiten verehrten Felicitas und Virtus, welch letztere ja sonst her- kömmlicher Weise mit Honos zusammensteht, zuerst auf einer Münze Trajans auf, nach Eckhel VI 436: Virtuti et FelicitÄÜ-, doch ohne den Namen Trajans, also noch nicht als Appellativ. Vielleicht empfahl sich jene Verbindung den Panegyrikem auch durch Ciceros Rede de imperio Cn. Pompei, in welcher die felicitas 16, 47. 48, die uirtus als eine der Feldherrneigen- schaften Cap. 10. 11 behandelt wird.' Doch, wie es sieh auch mit dem Ursprünge dieser Verbindung verhalten mag, das steht fest, dass sie im vierten Jahrhundert mit Beziehung auf die Kaiser üblich war und daher auch von den Panegyrikem ent- sprechend jenem von uns bezeichneten allgemeinen Verfahren benutzt wurde. Wenn wir nun aber bei dem Verfasser der Kaiseranreden, der dieselbe zweimal anwendet, eine Ueberein- stimmung mit diesem Verfahren der Panegyriker wahrnehmen, so bestätigt dies den Schluss, auf welchen uns schon der Ge- brauch von auspicium und auspicari führte, dass jener unter dem Einflüsse der panegyrischen Redekunst des vierten Jahr- hunderts steht. Allerdings sahen wir (S. 32), dass er aller Wahr- scheinlichkeit nach das Attribut felicitas aus Lactanz 11 4, 20 ent- lehnt hat, allein dadurch wird unser Schluss nicht umgestossen. Da er selbst die uirtus hinzugefügt hat, so wird man vielmehr an- zunehmen haben, dass eben durch felicitas ihm die Verbindung dieses Attributes mit der uirtus in Erinnerung gebracht wurde.

^ Ueber Benutzung dieser Rede Ciceros bei den Panegyrikern vgl. meine Schrift Eumenius von Angnstodunum (1882), S. 40.

ü«ber die dualistischen Znsilze und die Kaiaeranreden bei Lactantims. IL 63

Ganz dieselbe Erscheinung wie bei der eben besprochenen Verbindung zeigt sich nun noch an zwei anderen Stellen der Kaiseranreden, wenn man sie mit den Panegyriken und den Inschriften vergleicht. Eine bei den Panegyrikem beliebte Art der Verherrlichung ist die, dass der Gefeierte nicht nur mit vereinzelten früheren Herrschern und Helden (H 100, 1 mit Remus und Romulus; HL Cap. 9 f. Hannibal; V 136, 24 Xerxes; Cap. 11 Julius Cäsar; VI 151, 33 dem älteren Afri- canus und Pompeius; IX 196, 6 Alexander dem Grossen und 197, 7 Julius Cäsar; u. s. w.) verglichen wird, um als weit sie überragend dargestellt zu werden, sondern auch mit den firüheren römischen Kaisern, so H 115, 14: das Glück Dio- cletians und Maximians übertrifft weit das der sonstigen E^iser, ähnlich V 141, 25; VI 154, 15: hie (sc. Maximianus), quod iam falso traditum de antiquis imperatoribus putabatur, Romana trans Rhenum signa primus barbaris gentibus intulit; X 213, 5: (Constantinus) tantum ultra omnium saeculorum principes eminet, quantum a priuatis ceteri principes reces- serunt; XI 263, 27: Niemand ist noch so geliebt worden wie Julian, ceterorum regum atque iinperatorum caritates ad- modum rarae nee umquam diutumae fuerunt; XII 271, 8 auf Theodosius den Grossen: cum te semper ultra omnes retro principes laudari oportuerit; 284, 28: ecquis imperatorum um- quam putauit amicitiae cultum in regia laude ponendum? Ausonius stellt Gratian über Titus, Trajan und die Antonine, grat. act. c. 16; nach der oben angeführten Schrift des Praxa- goras verdunkelt Constantin die, welche vor ihm Herrscher waren. Dieselbe Masslosigkeit ist nun wieder sehr häufig in den Inschriften, und zwar meist in einer Form, an welche die Stelle in Rede XH 271, 8 (retro) anklingt. Auf Caracalla: CIL. V 7780 (Oberitalien) super omnes felicissimus princeps, auf denselben, doch indulgentissimus, Ephem. epigr. IV n. 791 (Rom); auf Diocletian: VHI 2575 (Afrika) super omnes retro principes fortissimus (ebenso 2574 von Maximian), ebenso, nur püssimus in 6103 (Athen), vielleicht auf Diocletian XII 78 (Gallien) prouidentissimus retro principum ac super omnes for- tissimus; auf Constantin den Grossen HI 5326 (Noricum) supra omnes retro principes püssimus et uictoriosissimus ; auf dessen Sohn Constantius IH 445 (Kleinasien): uirtute gloria pietate

64 I. Abhandlniif : Brandt.

iustitia cunctos retro principes supergressus; andere Inschriften derselben Art sind die schon oben zu uirtute et felicitate an- geführte III 2771 auf Constans, dann II 4105 (Spanien) auf Licinius, X 1485 (Neapel) auf Valentinian III. Auch diese In- schriften vertheilen sich auf weite Strecken des römischen Reiches, so dass man auch hier eine Abhängigkeit der Pane- gyriker von einer allgemeinen Formel annehmen muss. Sollte man bemerken, dass jene Vergleiche der gegenwärtigen mit den früheren Herrschern bei den Rednern doch eigentlich nahe liegen und von diesen von selbst gefunden werden konnten, so ist doch anderseits die Zahl der inschriftlichen Stellen so gross, dass man auf einen wirklichen stehenden Brauch schlies- sen darf, und in anderen Fällen sahen wir ja denselben An- schluss der Redner an übliche Prädicate der Kaiser. Was nun die Raiseranreden angeht, so sagt die erste in § 13: qui primus Romanorum principum honorasti, ähnlich wie Paneg. VI 154, 15 (oben S. 63) das ,primus' hervorgehoben wird, die zweite dagegen § 15: unus ex omnibus extitisti, qui praecipua uirtutis et sanctitatis exempla praeberes, quibus antiquorum principum gloriam, quos tamen fama inter bonos numerat, non modo aequares, sed etiam, quod est maximum, praeterires. Namentlich diese zweite Stelle stimmt nun wiederum mit der Praxis der Panegyriker, man darf auch bei den Worten an- tiqui principes an die antiqui imperatores in dem Beispiel aus Rede VI 154, 15 und an Ausonius, grat. act. 4, 20 in ganz ähn- lichem Zusammenhange: Auguste iuuenis . . praelatus antiquis erinnern, ferner bei dem Gegensatze B § 14 f. illi tu, illi te, an Paneg. IX c. 4 (in einem Vergleiche Constantins mit Cäsar): ille tu, ille tu, te illum. Kurz, wir glauben nicht zu weit zu gehen, wenn wir nicht eine zufällige Aehn- lichkeit, sondern einen wirklichen Zusammenhang zwischen den Kaiseranreden und der panegyrischen Beredsamkeit annehmen. Uebrigens mag jene häufige Vergleichung des gegenwärtigen mit den früheren Fürsten etwas dazu beigetragen haben, dass in B § 15, wie wir oben S. 50 sahen, jene Stelle De mort. persec. 3, 4 widerlegt wurde. Ausser den angeführten Be- rührungen der Kaiseranreden mit den Panegyriken könnte man noch auf den einen oder andern Punkt hinweisen. So findet sich B § 13 der bei Lactanz nicht gebrauchte Plural von gloria.

ü«b«r die daftlistiseben Ztts&ftse und die Kaisoninreden bei LaeUntins. II. 65

Obgleich derselbe nun schon viel früher vorkommt, so musste er doch gerade bei den Panegyrikem besonders gerne Ver- wendung finden: IV 121, 19 gloriarum templa; VII 172, 14 glorias uestras; IX 204, 9 tot uictoriarum gloriae; 211, 21 gloriarum tuarum gradus; X 241, 29 gloriis triumphalibus ; XI 250 21 factomm glorias. In A § 14 kommt vor: ut gubema- culum rei publicae teneas, in B § 11: quo gubernante Romanae rei publicae statum; die Stellen lehnen sich zwar auch an Lactanz und die Mortes an, aber dies hat wohl darin seinen Grund, dass dieses allerdings überhaupt ja nicht seltene Bild doch aber gerade in der panegyrischen Verwendung sehr gebräuchlich ist. Schon Plinius gebraucht es in seinem Panegyrikus einige Male, bei den gallischen Panegyrikern weist der Index etwa ibnfzehn Stellen nach. Aehnlich verhält es sich wohl auch mit den Ausdrücken res humanae A^^ und genus humanum B ^' ^y als deren Beschützer, Helfer u. s. w. die Kaiser ebenso in Inschriften (humanarum reram optimus princeps, propagator generis humani, bono generis humani natus u. s. w.) wie in den Panegyriken bezeichnet werden ; so res humanae V 134, 27 ; VI 149, 4; genus humanum DI 116, 13 5 IV 120, 9; V 146, 28; VI 149, 28; IX 200, 5 u. s. w. Doch genug der Einzelheiten. Liest man die Stücke A und B in Zusammenhang mit den galU* sehen Panegyriken, so kann man sich meinem Gefühle nach des Gesammteindruckes einer Verwandtschaft nicht erwehren. Auch der in Wortstellung und Gestaltung der Perioden sehr sorg- same Satzbau, die Symmetrie der einzelnen Satztheile , die Antithesen und Parallelen, die Abwechslung in der Verwen* düng desselben Wort- und Phrasenmaterials , die grosse Sauberkeit und Durchsichtigkeit der Darstellung, diese Eiigen- schaften sind ebenso jenen Rednern wie diesen kleinen Pane- gyriken eigen.

Nach der bisherigen Beweisführung glauben wir berech- tigt zu sein, nicht nur die Kaiseranreden als kleine Panegyriken zu bezeichnen, sondern auch ihren Verfasser in den Kreisen der rhetorisch Gebildeten oder Rhetoren des vierten Jahr- hunderts zu suchen. Wenn man für die Entstehung dieser Zusätze einen enger begrenzten Zeitabschnitt finden will, so darf man nach unten schwerlich ganz nahe an das Jahr 400 gehen, da so gut wie sicher. Augustin dieselben schon vor

SiUungaber. d. phil.-hiBt Cl. CXIl. Bd. 1. Abh. 5

66 ^' Abhandlung: Brandt.

410 Ins, und in diesem Falle bereits Exemplare, welche in dieser Weise verfälscht waren, im Umlauf gewesen sein müssen. Anderseits ist es nicht wohl denkbar, dass sehr bald nach dem wohl um 340 erfolgten Tode des Lactanz Jemand gewagt haben sollte^ den Institutionen eine erdichtete Adresse zu geben. Der Verfasser dieser Panegyriken hat femer sehr wenig im Sinne und Geiste des Lactanz gehandelt, indem er dessen Werke gerade solche Zusätze andichtete. Ein Geistesver- wandter des Lactanz war er nicht, um so weniger gewiss war er äusserlich mit ihm verbunden, so dass man auch aus diesem Grunde die Entstehung der Zusätze möglichst herabrücken muss. Vielleicht geht man am sichersten, wenn man die Mitte zwischen 340 und 410, etwa 370 annimmt. Was eine örtliche Bestimmung für den Ursprung der Kaiseranreden betrifft, so meine ich, dass wir an Trier denken dürfen. Hier hatte Lactanz als Lehrer des Crispus und wohl bis zu seinem Ende gelebt, hier hielten sich die Erinnerungen an ihn selbst, wie die Eenntniss seiner Werke in hohem Masse lebendig, hier vor Allem musste das Andenken an Constantin, den Neu- begründer der Stadt (vgl. Panegyr. VII 22), ganz besonders warm sein. Diese Bemerkungen möchten wir auch der oben (S. 52) gegebenen Beantwortung der Frage, wie ein Späterer zur Einschiebung dieser Stücke sich veranlasst fühlen konnte, zufügen. Aber noch mehr. Literargeschichtlich betrachtet passt kaum eine Stadt so wie Trier als Entstehungsort dieser Eaiser- anreden. Diese Stadt war einer der hervorragendsten geistigen Mittelpunkte Galliens durch seine Schule. Den Grammatikern und Rhetoren derselben bestimmte Gratian 376 (vgl. ,Die duali- stischen Zusätze^ S. 62) höhere Bezüge als denen der übrigen gallischen Städte, und Ausonius, der Epist. 13, 26 den trierischen Grammatiker Ursulus und dessen Collegen Harmonius nennt, beabsichtigte nach Mos. 394 ff. mit dem Lobe der Beiger, d. h. hier Triers, auch dessen Lehrer zu preisen: Quos prae- textati celebris facundia ludi Contulit ad ueteris praeconia Quintiliani. Wenn nun aber, wie ganz bekannt ist, die pane- gyrische Redekunst in den gallischen Schulen eine besondere Pflege fand, so war dies in Trier noch viel mehr Bedürftüss, der Residenz so mancher Kaiser ; nach Constantin dem Grossen hielten dort Constantin U, Constans, Valentinian I,

Ueber die dualittüehen Zna&tse und die Kftiseranreden bei Lactantiiu. II. Bf

Oratian^ Maximus, Valentinian n längere oder kürzere Zeit Hof.* ELb spricht somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verfasser der Kaiseranreden ein trierischer Rhetor, der gegen das Ende des vierten Jahrhunderts lebte, ge- wesen ist.

Mit der Untersuchung der Kaiseranreden sind wir nun zum Schlüsse gekommen. Die Hauptabsicht derselben, die Unechtheit dieser Zusätze zu erweisen, ist, wie ich wenigstens überzeugt bin, erreicht worden, und ich glaube es früheren Herausgebern, wie namentlich jener Aufforderung yon Ebert (oben S. 11 f.) gegenüber hinreichend gerechtfertigt zu haben, dass in meiner Ausgabe des Lactanz diese Stücke in die An- merkungen verwiesen werden. Nun haben wir aber mehrfach in vorliegender Arbeit auf die vorhergehende Abhandlung über die dualistischen Zusätze zurückgeblickt, und es waren dies immer solche Fälle, in denen eine Uebereinstimmung zwi- schen diesen beiden Arten von Zusätzen, welche der Text des Lactanz erfahren hat, sich zeigte. Wir versuchen daher, was schon in der Vorbemerkung (^Die dualistischen Zusätze^ S. 2) in Aussicht gestellt wurde, jetzt zum Schlüsse eine kurze ge- meinsame Betrachtung der dualistischen und der panegyrischen Zusätze.

Es kann, um sogleich den Satz, den wir begründen woUen, an die Spitze zu stellen, nicht bezweifelt werden, dass die dualistischen und die panegyrischen Stücke einem und demselben Verfasser ihren Ursprung verdanken. Irgend welche äussere Umstände oder Widersprüche zwischen beiden, um derent- willen jene Annahme unmöglich wäre, liegen nicht vor, viel- mehr stimmt Alles aufs Beste zu derselben, wobei man natur- gemäss ja auch den verschiedenartigen Inhalt berücksichtigen

> Vgl. GOrres, Welche römische Imperatoren haben längere oder kürzere Zeit Bu Trier residirt? Monatsschrift fQr rheinisch-westfälische Oeschichts- forschung and Alterthumskunde III (1877), 217 ff.

6*

68 !• Abhandlung: Brandt.

muss. Beide sind in denselben Handschriften überliefert^ beide zeigen, wie auch ohne besondem Nachweis gesagt werden darf, im Ganzen denselben sprachlichen und stilistischen Charakter. In beiden finden wir dieselbe Nachahmung des Lactanz unter variirender Benutzung zahlreicher Stellen desselben, beide weisen auf das vierte Jahrhundert als Entstehungszeit , beide auch auf Trier als Entstehungsort. Beider Verfasser ist nicht ein Geistlicher, sondern allem Anscheine nach ein Rhetor, vielleicht ein Lehrer der Schule von Trier, jedenfalls ein Mann, der die rhetorische Schulung jener Zeit durchgemacht hat. Einen gewissen Anhalt gewährt auch eine Uebereinstim- mung, die sich zwischen dem zweiten dualistischen und dem zweiten panegyrischen Zusätze beobachten lässt. In ersterem heisst es § 16: quod accidit nobis, cum neque cruciatum neque mortem pro fide recusamus, quando ad summum nefas compellimur, ut prodita fide atque abnegato deo uero diis mortuis mortiferisque libemus, in dem andern § 11: qui soli omnium religiosi sumus, quoniam contemptis imaginibus mortuorum uiuum colimus et uerum deum. Man erkennt hier denselben Gedanken, zugleich bemerkt man aber auch in dem dualistischen Zusätze das Bestreben, eine Beziehung auf die Christenverfolgungen anzubringen , von denen ander- seits die Kaiseranreden so erfüllt sind. Dass dabei frei- lich ein gewisser Widerspruch herauskommt, ist nicht zu leugnen: nach der ersten Stelle muss man die Verfolgungen fUr wenn auch nicht wirklich, so doch fUr möglich halten, nach der zweiten Kaiserrede besteht eine solche Möglichkeit aber nicht mehr. Desgleichen will es zu dem zweiten duali- stischen Zusätze, in dem § 14 f. die Güter der Seele als einzig erstrebenswerth im Verhältniss zu den irdischen Dingen dar- gestellt werden^ nicht passen, wenn namentlich der erste pane- gyrische Zusatz, wie schon Augustin höchster Wahrschein- lichkeit nach getadelt hat, Rir Constantin nur irdisches Glück wünscht: allein solche Widersprüche dürfen uns nicht irre machen. Wir haben in mehr als einem Falle gesehen, dass der Verfasser der Zusätze sich Unachtsamkeiten zu Schulden kommen lässt, dass aber seine religiöse Gesinnung für die damalige Zeit nicht sehr tief ist, zeigt die Art, mit der er im zweiten dualistischen Zusätze § 4 von den Circusspielen

lieber die dvalistiBchen Zne&tee und die Kaiseranreden bei LacUotios. ü. 69

spricht; an dieser Stelle fUllt er völlig aus seiner Rolle. Noch eine, wenn auch weniger augenfällige Uebereinstimmung zwi- schen beiden Arten von Zusätzen besteht darin, dass sowohl im ersten dualistischen Zusätze § 7, wie im ersten panegyri* sehen § 13 und im zweiten panegyrischen § 11, der freilich ja bei Lactanz sehr übliche und auch bei anderen Kirchen- Schriftstellern sich findende Ausdruck summus deus vorkommt. Eigenthümlich ist, wie wir sahen, dem Verfasser der Zusätze, dessen Christenthum im Orunde wohl nur der Monotheismus der Oebildeten jener Zeit ist und eine Farbe hat wie etwa das des Ausonius^ die in den dualistischen Stücken hervoi*tretende manichäisirende Richtung, die ihn auch bestimmte, den ihm mangelhaft erscheinenden Dualismus des Lactanz consequenter auszuführen, wie er anderseits durch ZufÜgung der Kaiser- anreden das von Lactanz gegebene Bild der Christenver- folgung als einseitig aufgefasst oder zeitlich überholt zu Qunsten Constantins zu mildem suchte. Bei der emsigen Beflissenheit, mit der er seiner Darstellung den Anschein des Stiles von Lactanz zu geben sucht, und bei der Absichtlich- keit, mit der er sich als identisch mit Lactanz hinstellt, können wir nicht an harmlose Autoschediasmen denken, sondern wir müssen die Zusätze als das was sie sind bezeichnen, als Fäl- schungen, und zwar sind es so geschickte Fälschungen, dass Viele sich durch dieselben täuschen Hessen. Die Zusätze sind, wie die Störung des Textes am Schlüsse des ersten dualisti- schen Zusatzes in dem Codex S, sodann die aller Wahrschein- lichkeit nach verkehrte Einfügung der zweiten Kaiseranrede zeigt, in der Handschrift, auf welche die Codices der ersten Classe zurückgehen, auf welche aber auch für einige Bücher der Institutionen der gemischte Text der zweiten Classe zurück- weist, nur äusserlich beigefügt gewesen; wir haben darüber bei den dualistischen Zusätzen S. 63 gesprochen. Der Arche- typus aller unserer Handschriften enthielt, wie der Bononiensis und der Parisinus 1662 zeigen, die sieben Bücher der Institu- tionen, die Schriften De ira dei und De opificio dei und schliesslich die Epitome, alle zusammen als zehn Bücher ge- zählt. Da der Fälscher, wie die dualistischen Zusätze zeigen^ diese Werke sämmtlich gekannt hat, so ist es nicht unmöglich, dass sie ihm schon in diesem Corpus, welches wohl bald nach

70 !• Abh. : B randfc. Ueber die duaÜBtiscben ZuB&tse u. d. Kaisentiiredeii etc

dem Tode des Lactanz entstanden sein wird \ vorlagen iind dass er in einem solchen Exemplar die Zusätze anbrachte, aus dem sie dann in jene Handschrift eingetragen wurden. Der Interpolator hat auch die Schrift De mortibus persecutorum gekannt und sie wahrscheinlich für ein Werk des Lactanz gehalten.

1 Das Wenige, was sich etwa über die Entstehung dieser Sammlung sagen lässt, wird in der Untersuchung über das Leben des Lactanz u. s. w. zur Sprache kommen.

11. Abhandlang: Mftller. Die ftqnatorUle Sprackfamilic in Centnl-Afrika. 1

n.

Die äquatoriale Spraebfamilie in Central-Afnka.

Von

Dr. Friedrich Müller,

Professor an der Wiener UniTersit&t.

Der Gegenstand der vorliegenden kleinen linguistischen Abhandlung ist der wissenschaftliche Nachweis des Vorhanden- seins eines eigen thümlichen und selbstständigen Sprachstammes in Central- Afrika; welchen ich unter dem Namen der äqua- torialen Sprachfamilie in die Wissenschaft einführen möchte.

Diese Familie setzt sich aus den folgenden bisher be- kannten Sprachen zusammen:

1. Der Sprache der A-Mangbattu (Monbuttu), im Süden des Flusses Kibali, der mit dem von Süd-Osten kommenden Flusse Gadda vereinigt als Uelle in das gegen Westen gelegene südliche Nyamnjam-Gebiet abfliesst, nach Schweinfurth zwischen dem 30 und 40 nördl. Br. und dem 28» und 29« östl. L. (Greenw.)

2. Der Sprache der A-Sandeh (Nyamnyam, Makkarakka), im Norden des Flusses Uelle; südlich von Dar-Fertit; zwischen dem 4" und 6^ nördl. Br., auf der Wasserscheide zwischen dem Nil- und Tsad-Becken.

3. Der Sprache der A-Barambo, südlich vom Flusse Uelle.

4. Der Sprache der A-Madi, nördlich vom Flusse Uelle.

5. Der Sprache der Maigo-Mungu.

6. Der Sprache der Kredj, der Bewohner von Dar-Fertit.

7. Der Sprache der Golo; im östlichsten Theile von Dar- Fertit.1

' Wahnebeinlich sind auch die Sprachen der A-Qobbn und der A-Ndakko hieher zu rechnen; doch reicht das vorhandene Material nicht aiu, um diese beiden Sprachen bestimmt zu classificiren.

Sitinngsber. d. phil.-bist. Cl. CXIX. Bd. 2. Abh. 1

2 n. Abhandlang: Mflller.

Ich habe in meiner ,Allgemeinen Ethnographie' (11. Aufl., S. 482 ff.) die bis dahin näher bekannten Stämme der Mon- buttu, Sandeh, Kredj und Golo nach dem Vorgang von Schwein- furth von den eigentlichen Negern getrennt und sie jener Rasse einverleibt, als deren Hauptrepräsentanten die Fulbe im Westen und die Nubier im Osten zu gelten haben. Ich habe auch die Sprachen dieser Völker vermuthungsweise, da man blos von den damals allein näher bekannten Sprachen der Sandeh, Kredj und Golo ein Urtheil sich bilden konnte, als selbstständige Sprachfamilie bezeichnet und als vierten Sprachstamm der zur Nubarasse zählenden Stämme angeführt (Allgem. Ethnogr., S. 26). Die in dem vorliegenden Aufsatze niedergelegte Ana- lyse dieser Sprachen liefert eine glänzende Bestätigung meiner damals ausgesprochenen Ansicht, womit auch die ethnologische Stellung des interessanten Volkes der Monbuttu, über dessen Sprache Schweinfurth keine nähere Auskunft geben konnte, da ihm das gesammelte Material durch Brand zu Grunde ge- gangen war, endlich genau bestimmt erscheint.

Der wissenschaftliche Nachweis, welchen ich in Betreff des genealogischen Zusammenhanges der am Anfange der Ab- handlung aufgezählten sieben Sprachen zu führen versuche, darf ja nicht mit jenem strengen Massstabe gemessen werden, welchen wir auf den Gebieten der indogermanischen, hamito- semitischen, malayo-polynesischen oder dravidischen Sprach- vergleichung zu handhaben gewohnt sind, da wir von diesen Sprachen ein umfassendes und genau aufgenommenes Material besitzen, von den betreffenden afrikanischen Idiomen dagegen uns blos dürftige Vocabularien zur Verfügung stehen, aufge- nommen von Reisenden, denen in der Regel das wissenschaft- liche Studium der Sprache ganz ferne lag.

Glücklicher Weise umfassen diese Vocabularien, welche wir den beiden Afrika-Reisenden G. Schweinfurth und W. Junker verdanken,^ neben Substantiv- und Adjectivausdrücken auch

1 Schweinfurth, O., Linguistische Ergebnisse einer Reise nach Oentral- Afrika. Berlin 1873, 8^ 82 SS. (Zeitschrift för Ethnologie, Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Herausgegeben von A. Bastian und R. Hartmann. IV. Jahrg. 1872. Supplement). Junker, W., Verzeichniss von Wörtern central-afrikani-

Die äquatoriale Sprachfamilie in Central-Afrika. 3

die Zahlwörter und die Pronomina der betreflFenden Sprachen, und gerade die beiden letzteren geben uns die Mittel an die Hand, einen festen Ausgangspunkt für den von uns versuchten Beweis zu gewinnen.

Dass die Uebereinstimmung der Zahlenausdrücke dieser Sprachen nicht etwa auf Entlehnungen beruht, sondern auf eine Urverwandtschaft der betreflfenden Idiome zurückweist, dies geht einerseits aus dem diesen Sprachen eigenthümlichen Princip der quinar-vigesimalen Zählmethode ^ hervor, anderer- seits aus den lautgesetzlichen Veränderungen, wie sie innerhalb der Zahlenausdrücke in den einzelnen Sprachen stattgefunden haben. Wir werden denselben Lautgesetzen auch innerhalb der anderen im Vocabular vertretenen Redetheile begegnen, wiederum ein Beweis, dass die Entsprechung der Wortformen nicht auf Entlehnung beruht, sondern nur aus der Urverwandt- schaft der betreffenden Idiome miteinander hinreichend erklärt werden kann.

Ich theile in der nachfolgenden Untersuchung das Material in zwei Theile, nämlich I. die Zahlenausdrücke und die Pro- nomina, denen ich einige grammatische Bemerkungen anfilge, und II. die Wortentsprechungen, denen ich die Erörterung einiger bemerkenswerther Lautgesetze folgen lasse.

In Betreff der Darstellung der Laute bemerke ich, dass ich das im ,Grundriss* angewandte Princip, nämlich die con- sequente Durchführung des Lepsius'schen Standard Alphabet, unter Wahnmg meiner selbstständigen Auffassung der Laute, befolge. Ich schliesse mich also Schweinfurth im Grossen und Ganzen an, dagegen schreibe ich für Junker's ä, i, ü u. s. w. 9, i, V- Für das ss Junker's im Anlaut schreibe ich «, flir die russischen Zeichen desselben Schriftstellers setze ich die entsprechenden deutschen Aequivalente.

scher Sprachen (Zeitschrift fUr afrikanische Sprachen, herausgegeben von Dr. C. G. Büttner. Berlin, 8". Jahrg. II, S. 35—108). * Diese Zfthlmethode tritt im Westen zunächst in den Niger- und Volta- sprachen zn Tage, dagegen ist sie im Osten auffallend. Vom ethno- logischen Standpunkte kann als Charakteristicum 'dieser Stftmme die Hinneigung zum Jägerleben und zur Anthropophagie gelten, während bekanntlich der Neger im Westen dem Landbau, im Osten der Vieh- zucht obliegt.

IL Abbandlvng: Hftller.

I. Die Zahlenansdrficke und die persSnliehen Pronomina.

A-Mangbattu

1. kdnnq>

2. söruä

3. söttg,

4. 8Ö8ua

5. toz4r§ng,

6. tSnguä kdnng,

7. tenöruä

8. bända

9. tAigeljgi kdnng,

10. täkkä

11. ncf^ kdnnq,

12. ^rfrttÄ 15. tozSr^nq.

20.

f^tftA^

nabulobi kdnng. 40. äMÄJb^f «(jn^

A. Die Zahlenausdrücke.

Kredj (ata

töäo

80880

8dja

jembo'baia

jewho'rdmmu

jembo'iötto

jembo-80880

pütiH-jupu erdd

Maigo-Mungu

biri bÖ8y> bdtq, bälg by/r^w4 ngdtto pq, btry Ufpa bÖ8y, r) bdtg, ngdtto pq bälg nd£öpg

Golo

nAdli

biii

büta

bdnda

zönno

tMmmi tong-bdli tO'büt fj to-bitia yy to-bdnda

iijifo

fijlfo 8B mbdli

zönno kjing'wbdli

kji-btSi

A-Sandeh

1.

2.

3. biAta

4. biSma

5. bisv^

6. bati-sä

7. -tt^

8. -biita

9. -bUma

10. ba-u^

11. bq,ti-n§-8ä

12. bqii-n^'vi^ 15. hirq,

20. bgrgry>rögg'8ä 40. abborrö-biSma

A-Madi

Ubi

bünji

bäsi

v>6ng,

ndbä

näbä ti bibi

bän

b&ym tÜ880 b4bi

bunji dz§l§b{y, dSbbiy, bialq-bünji

A-Barambo

dtSi

budi

bäti

gdbuä

byndtH

basdtäi

byy,r budi

bdti

q,dbuä bidzgli biäzql} bgsdtäi

bjjy^r budi patibeli nimbdtH nymbq,'b\jLdi

Die ftqoAtoriale Sprachfamiiie Id Central-Afrika. 5

Interessant ist die Entsprechung Golo: bdnda ,vier' = A-Mangbattu: bdnda ,acht% fbr die ich gegenwärtig leider keinen Grund anzugeben weiss.

A-Madi: uöng> ^yier^ erinnert an Bari: uiiuan, Dinka: iiuan, Schilluk: aiiv^n; Kredj: ,zehn^ an Bari: pmk, Wolot: fiJc, Grebo: pu, Kru: püa.

Die Zählmethode, welche den Zahlen zu Grunde liegt, ist die quinar-vigesimale. Dabei ist für ^fünfzehn' ein eigener Ausdruck vorhanden.

A-Mangbattu : nahulohi kdnnq. bedeutet sicher ,ein Mensch', ebenso Golo: Ujing-mhali (vgl. 40: kji-hüi ,zwei Menschen'), A-Barambo: nimhdtSi (vgl. 40 = nimhq^-Jmdi ,zwei Menschen').

Merkwürdig ist A-Madi: debbty,, das mit dz§l§bt^ ,fbnf- zehn' zusammenzuhängen scheint. Das A-Sandeh hat die vigesimale Zählmethode, welche es von Haus aus besessen haben muss, aufgegeben und sie durch die decimale ersetzt. Für ,fUnfzehn' bestehen noch die eigenthümlichen Ausdrücke A-Sandeh: her^, A-Madi: dz§l§b{y,, A-Bsirsimbo : pat^beü, während A-Mangbattu und Golo sie eingebüsst haben.

Aeusserst consequent und ganz durchsichtig ist die vige- simale Methode im A-Sandeh und A-Barambo ausgebildet, wie die folgende Uebersicht lehrt.

A-Sandeh.

1 ^^ 6 bati'sä 11 b^tin§-sä 16 kyi>§ng'iä

2 7 bati-vi^ 12 bg,tin§'Uh 17 kyi§ng-vi^

3 biSta 8 bati-bUta 13 bq,t%n^-biMa 18 kyA§ng-bieta

4 biSma 9 bati-biSma 14 bqiyn^'bidma 19 hyA^ng-biema

5 bisue 10 ba-vk 15 h^g^ 20 bgrgry^rögg-sä

biniie (= bi-säf) scheint ,eine Hand', ba-üh ,zwei Hände' zu bedeuten. hSrg. bedeutet wahrscheinlich ,Fuss'. bati-sä ist ,auf der zweiten Hand der erste', bq,t%n§-8ä ,auf dem ersten Fusse der erste', kt^^ng-sä ,auf dem zweiten Fusse der erste' u. s. w.

A-Barambo.

1 dUi 6 basdtH 11 biäzgli basdtSi 16 paUbeli basatSi

2 budi 7 bijy,r'budi 12 bijy,r-budi 17 bijy,r-budi

3 hati 8 bjjy^r'bati 13 bijy^r-bäti 18 bijipr-bati

4 qjibuä 9 bij^r-g^dbibä 14 b}jy,r-^dbuä 19 bjj^r-gdbuä

5 bindtSi 10 bidzg^i 15 patebeli 20 n}mbdtH

D 11. Abhandlong: Müller.

basdtSi jsechs' kann wohl nur ,der erste (der zweiten Hand)' bedeuten, ebenso biaz(jli basdtsi ,eilf*' = ,zehn (zwei Hände) und der erste (am Fusse)' und patebdi bamtäi ^sechzehn' = ,funfzehn (am Fusse) und der erste (am zweiten Fusse)'.

B. Die persÖD liehen Pronomina.

A-Maugbattu Kredj Maigo-Miingu Golo

Sing.

1.

Fers.

erna

Ö

dinma

§7n6

ngeinme

2.

n

immi

ümmu

ingy,

ibbe

3.

n

innä

etfe

edpia

l

Plur.

1.

»

dniq,

dgga

^ni

ng^me

2.

n

dvil

W*

0*'

ibbe

3.

n

eppege

hyb

l

A-Sandeh

A-Madi

A-Barambo

A-Gobbu

Sing.

1.

Pers.

mi

mu

njo

2.

rt

mo

möngo

mh

bb

3.

ri

ko

dko

o

kh

ku

Plur.

1.

n

dni

epi

ngä

2.

tt

io

hipo

nüi

3.

M

hi

döndru

ü

In Betreff der Bildung des Possessiv-Pronomens stimmen das A-Sandeh und das Kredj auf eine merkwürdige Weise über- ein, insoferne sie durch dasselbe Präfix (A-Sandeh : ga-, Kredj : mga-, tmg-) diese Formen von den entsprechenden Personal- Pronominen ableiten.

A-Sandeh

Kredj

Sing.

1.

Pers.

gi-mi

mg-dmma

Plur.

2. 3. 1.

n

ga-mü

gd-kg

gd-ni

mg-ümmu

ung-ette

ung-dgga

2. 3.

go-io

go-iohd

go-hihe

ung-iggi ung-Sppege

Unter den grammatischen Verhältnissen des Nomens ist das Genitiv-Verhältniss hervorzuheben. Es ist Regel, dass das zu Bestimmende dem Bestimmenden vorangeht. Bios im Mang- battu ist die umgekehrte Stellung gang und gäbe. Z. B.:

Die äquatoriale Sprachfamilie in Central-Afrika.

Kredj : tele rnummu Lid Auge kullu mummu Braue Auge MaigO'Mungu : koppi - d^irrg,

Lid Auge

Golo : vsu ' giUe

Braue Auge A-Sandeh : pöku bdngliss^

Lid Auge ngdJcka hdngliss^ Braue Auge

A-Madi : kopa -fdro Lid Auge Hrtibula fdro Braue Auge

A-Barambo : ku - erü

Lid Auge 8U - erü Braue Auge A-Mangbattu: iiängg kävmä

Auge Lid

, Augenlid'

jAugenbraue'

,Augenlid'

^Augenbraue'

,Augenlid'

jAugenbraue'

,Augenlid'

,Augenbraue'

,Augenlid'

^Augenbraue'

jAugenlid'

Die Zahl wird in der Sprache der A-Madi durch Suffixe bezeichnet. Als solche erscheinen die Elemente -ro, -aso,

J9-

Z. B.:

amhükg,

, Blasebalg'

Plural

: ambukq,-r6

apä

,Blatt'

n

api-rro

assopu

,DaiTn'

r)

assopu-ro

ambddßg

,Hode'

n

ambedi'880

kümby^rg

,Stirn'

Ji

kumbu-88Ö

djg.

^trockenes Holz'

n

'm'J9

apuo

^Haus'

«

apü-jg

In der Sprache der A-Mangbattu scheint das Präfix nä-, n- den Singular zu bezeichnen, also ein Nomen unitatis zu bilden. Z. B.

jBerg' Plural: ö^ry,

, Brustwarze' äbä

,Mond' dnguä

ätumai

n-ö\iry, n-äbä n-dnguä n-äfuma ,Spion'

ri

77

8 II« Abhandlnng: Müller.

Dieses Präfix nä-, n- tragen in der Regel die Formen des A-Mangbattu gegenüber den mit ihnen völlig identischen Formen des Maigo-Mungu an sich. Z. B. :

A-Mangbattu

Maigo-Mangu

nä-ndöU

,Bart'

ndöli

nä-kdrq,gbq,

,Bettstelle^

kdrg,gb(}

nä-tüngby,

,Ecke'

tungbü

nä-gündy,

,Flinte'

^ gündy,

nä-mböky,

,GFab'

mböky,

nä'bdmy

,Hau8^

= bdmy,

nä'kül§

,Kohle^

= kä^

nä'popb

,Korb'

popö

Die Formen der Sprache der Ä-Madi bieten öfter im Anlaute das Präfix a-, welches dem Präfix nä-, n- des A-Mang- battu analog zu sein scheint. Z. B. :

A-Madi

A-Barambo

a-z6mmo

,Bad'

:= simmi

a-pig

,Bier'

a-pdlg

,Ei^

fdrq.

a-pakaaad

jFeuerzeug'

pakassd

a-gündg

,Flinte'

= gündy

a-sägba

,Haarnadel^ Kamm'

sdgba

n. Die Wortentspreehnngen.

1. Achselhöhle: A-Madi: sbbb, Maigo-Mungu: sappSrrä.

2. After: A-Barambo: d&inng,, A-Mangbattu: nä-ding.

3. Angelhaken: A-Barambo: konibby, Maigo-Mungu: k&ryby,

A-Mangbattu: nä-koöby.

4. Angst: I. A-Madi: a-giimbg, A-Barambo: gündb, A-Sandeh:

gunda. TL. Kredj: inbaüa, Golo: aüui.

5. Arm: A-Madi: bä, A-Sandeh: b4n'o, Maigo-Mungu: äpd.

6. arm: A-Madi: rungq, A-Barambo: nüngq,.

7. Arznei: Golo: ^Za, A-Barambo: vMl.

8. Auge: Golo: güle, Maigo-Mungu: dürrq,, A-Gobbu: dJtela,

A-Ndakko: ir}, A-Barambo: erü.

9. Backe: A-Sandeh: bdgga, A-Madi: bdkg^rg.

Die iqaatoriale Spncbfkmilie in CentnNAfiika. 9

10. Bad: A-Madi: azömm^, A-Barambo: simi.

11. Bart: A-Mangbattu: Tiändöli, Maigo-Mungu: ndöli

12. Bauch: A-Madi: tourg, A-Barambo: büry,, Maigo-Mungu: §bü.

13. Beil: Maigo-Mungu: gippi, A-Mangbattu: nä-ky^mbj,

14. Beschneidung: A-Madi: dkanzd, A-Sandeh und A-Oobbu:

ngq,nzd, Maigo-Mungu: gangdssä,

15. Bettstelle: I. A-Madi: akdrq^ghg., A-Barambo: körobq,, A-Mang-

battu: näkdrq,gbg,, Maigo-Mungu: kdrq,gb^.

II. A-Sandeh: kittpdU(^, Kredj: kettepald, Golo: kittipdrra.

16. Bier: A-Madi: apio, A-Gobbu: pi, A-Barambo und A-Ndak-

ko: ß.

17. Bild (Schattenbild): A-Sandeh: k§limb, Maigo-Mungu: kü-

ly>mq>, A-Ndakko: nzäUämä.

18. Blasebalg: I. A-Madi: ambukq, (Plur. ambvkar6), A-Mang-

battu: nbukq, A-Gobbu: bykü, Gtoloifükka. TL. A-Sandeh: nbitti, Maigo-Mungu: mbiritü.

19. Blatt: A-Madi: apä (Plur. apirro)^ Maigo-Mungu: äpdj

A-Barambo und A-Sandeh; pjä, A-Ndakko: pä,

20. Blitz: A-Barambo: gn, Maigo-Mungu: guldllä,

21. Blut: A-Sandeh und A-Barambo: küU4,

22. Boot: I. A-Madi: azabio, Maigo-Mungu: zdbbg, TL. A-Ba-

rambo: gbä, A-Sandeh: kurüngba, A-Gobbu und A-Ndak- ko: bä.

23. Brot (Maisbrot): A-Madi: pökitq,, A-Sandeh und A-Ndakko:

pök^tq,, A-Barambo: pöpy^t^, A-Mangbattu: pdki, Maigo- Mungu: p(Üci.

24. Dieb: A-Sandeh: dl, A-Barambo: dl, A-Madi: adiio.

25. Dom: A-Sandeh: kiuä, A-Barambo: tSim, A-Madi: asiua,

A-Gobbu: «.

26. Durst: Maigo-Mungu: gumu/ngü, A-Madi: ggm' dngy.mq.,

A-Barambo: zdrigy^mj, A-Sandeh: gomunimmi, gömmgrg immfj,; Golo: gungü, A-Mangbattu: t^r^ngung^.

27. Ei: A-Madi: apdlg, A-Sandeh: pdlla, Maigo-Mungu: pdrrq,,

A-Barambo :/ir^, A-Mangbattu: nd-iara-Ä:d/:A:^^ A-Gobbu: pqr-kgtö. Wegen kdkkq., kgtö vergleiche man Kredj: kl^ka ,Ei^

28. Eisen: A-Madi: ämbdkq,, A-Barambo: mbäkq,, A-Mangbattu

und Maigo-Mungu: nbOcka.

10 II. AbhandlQDg: Malier.

29. Eiter: I. A-Sandeh: pdiidg., A-Baram bo : />^n(id. II. A-Madi:

amsg, Maigo-Mungu: am, A-Gobbu; sua.

30. Elfenbeinschmuck (auf der Brust): A-Mangbattu: nad£^,

Maigo-Mungu: lid^.

31. Falle: A-Barambo: birrg., A-Sandeh: binng,.

32. Fallgrube: Maigo-Mungu: dubbg>, A-Sandeh: dii/^, A-Gob-

bu: du,

33. Fell: A-Madi: akmsa, Maigo-Mungu: köttä, A-Sandeh : po^^o.

34. Festtanz: A-Barambo: beli, Maigo-Mungu: eb§. Wegen

des Verhältnisses der beiden Formen vergleiche man 12. Bauch: büri^ §bu,

35. Fett: A-Madi: apdmg, A-Barambo: mbä, A-Sandeh: pdi,

Maigo-Mungu: ämö.

36. Feuerzeug: A-Madi: apakassd, ABsLrsjnho: pakassd, A-San-

deh: pakqssd, A-Mangbattu: pahssq,.

37. Fluss: Golo: kappe, Maigo-Mungu: kibali, A-Barambo:

tsi'kkabilli,

38. Freund: I. A-Madi, A-Mangbattu und Maigo-Mungu: mdss^brp,

n. A-Sandeh: bdkuUi, A-Barambo: bokyllij,

39. Gebet: A-Mangbattu: noko, Maigo-Mungu: röko, A-Sandeh:

sc'yrrgkg,.

40. Gesandter: A-Barambo: titng\i, A-Sandeh: siingj(L

41. Geschlechtstheil, männlicher: A-Gobbu: lata, Maigo-Mungu:

§ti, Golo: ette.

42. Glasperlen: I. A-Mangbattu und Maigo-Mungu: räkkä,

Golo: rekkS, A-Sandeh: lälckä, anneke, TL. A-Sandeh und A-Barambo: /ongfo. Vgl. 89.

43. Glocke: A-Madi: adngba, A-Barambo: dngba, A-Mangbattu:

mbÖ7igbg, Maigo-Mungu: ngbüngb\i, Golo: banganüngo.

44. Grab: A-Mangbattu: nämböky,, Maigo-Mungu: mbök\c.

45. Gras: A-Barambo: ii§lä, A-Sandeh: jiil4.

46. gross: A-Madi: angbälg,, Maigo-Mungu: gbä,

47. Grube: A-Madi: dükko, A-Barambo: dökko, A-Sandeh: dtig,,

Maigo-Mungu: ädü.

48. Guitarre: A-Madi: akündi, A-Sandeh: kündi, Golo: kundig

Kredj: gondü, A-Mangbattu: ngümbi,

49. Gürtel: A-Sandeh: gilUi, A-Mangbattu: ngillä, Maigo-Mungu:

ngillg.

Die äquatoriale Sprachfainilie in Centni-Afrika. 11

50. Haarnadel: I. A-Madi: asägha, A-Barambo: sdgba, II. A-

Mangbattu: näpi, Maigo-Mungu: Upi.

51. Hacke: I. A-Madi: gdtq,, ASsLudeh: güta. II. A-Mangbattu:

niä'köngg, Maigo-Mungu: kg,ngi, A-Barambo: köna.

52. Halsring: I. A-Barambo: mbinga, Ä-Sandeh: bdh§ngä, hingq,

gono. n. A-Mangbattu und Maigo-Mungu: ngütq,.

53. Häuptling: Maigo-Mungu: ngdmvu}, A-Madi: angamdbg,

Golo: ge, Kredj: ngere.

54. Haus: I. A-Sandeh: bgmbü, Maigo-Mungu: kgmbö, bdmu,

A Mangbattu: nä-bdmy,, II. A-Madi: abdssq,, A-Sandeh: bd88g>, A-Mangbattu: nä-bdssg,, III. A-Madi: ajüpo, A-San- deh: japü.

55. Hirn: A-Barambo: böngg, A-Mangbattu: b\ingü.

56. Hof des Häuptlings: A-Madi, A-Barambo und A-Sandeh:

mbdiiga,

57. hungerig: A-Madi: gömmg, Maigo-Mungu: gomy,, A-Sandeh:

gömmgrg, A-Gobbu: gö. Vgl. 26. Durst.

58. Husten: A-Madi: akorabo, A-Sandeh: köra, A-Barambo:

k^drq..

59. Insel: A-Sandeh, A-Barambo und Maigo-Mungu: küstpigq,

A-Mangbattu: nässdnga, A-Madi: akissd, A-Gobbu: küssg.

60. Jahr: A-Madi: agdlaho, A-Sandeh, A-Barambo: gdiig,,

61. Kälte: A-Madi: azitlg, A-Barambo: dzürr, A-Sandeh: zälq^

Maigo-Mungu: zing, A-Gobbu: zzh,

62. Kamm: A-Madi: asdgbg,, A-Barambo und Maigo-Mungu:

sdgb^,

63. Keule: A-Sandeh und A-Barambo: mb&iidg, A-Mangbattu

und Maigo-Mungu: pöttjg,

64. Kohle: A-Sandeh: king§lä, A-Madi: akdgßg, A-Mangbattu:

nä'kill§, Maigo-Mungu: kel§,

65. Kopf: I. A-Madi: alio, A-Sandeh und A-Barambo: IL H. A-

Mangbattu: nädi"u, Maigo-Mungu: änd£b,

66. Kupfer: A-Madi: atdlq, Maigo-Mungu: natdly,, A-Mangbattu:

nätq^ry,, A-Barambo: tdil§, A-Sandeh: tdlg,, Golo: kelU, A-Gobbu: källä.

67. Lanze: A-Madi: nbdssg, A-Sandeh: bdssg,

68. Lanze mit Dornen: A-Madi und A-Sandeh: akatdug>.

69. Lanze, grosse: A-Sandeh : mapdng^i, A-Mangbattu und Maigo-

Mungu : mupdngfi, A-Madi : apangbd, A-Barambo : pdngbq,.

12 II. Abhandlang: Hüller.

70. Lunge: I. A-Sandeh und A-Barambo: pussg. II. Maigo-

Mungu: iff^-kiiff^f, Golo: köffo.

71. Magen: I. A-Madi: akündylg, A-Sandeh: k%tndii. IL A-Ba-

rambo: kübbii, Maigo-Mungu: embü. Vgl. Nr. 12 und Nr. 34.

72. Mark: A-Madi: anzämmä, A-Sandeh: zdmmg>, A-Barambo:

mbä, MaigTo-Mungu: ^wrf.

73. Mehl: I. A-Madi: ambisso, A-Barambo: nbiUi. IL A-Ba-

rambo: ngümbä, A-Sandeh: ngüngq, III. A-Madi: mbü- kymä, Maigo-Mungu: n^ük\tmg.

74. Menschen: A-SRudeh : abdrrg, A-Mangbattu: na-6e7M, A-Madi:

abio,

75. Messer: A-Madi, A-Sandeh, A-Mangbattu und Maigo-Mungu:

sdppä, Golo: S4bbe.

76. Mond: Kredj: epe, Maigo-Mungu: §pä, Golo: effe.

77. Morgen: A-Barambo: kombatd, Maigo-Mungu: köppi.

78. Mörser: A-Barambo und A-Sandeh: sdngp, sdngy>.

79. Mund: A-Barambo, A-Sandeh und A-Gobbu: mbd, Maigo-

Mungu: gümrna, Golo: gümmu,

80. Mutter: I. A-Madi: 7Ü?ia, A-Barambo: mX A-Sandeh: nä,

ndnq,. IL Kredj: jangdmma, A-Mangbattu: jadnguä, Maigo-Mungu: jimmg,.

81. Name: A-Madi: alimmo, A-Gobbu: ^li, A-Sandeh: liminq,,

Kredj: dirl, A-Mangbattu: ndr\i, Maigo-Mungu: 4r^.

82. nass: A-Madi: abiddä, A-Barambo: bidda, Kredj: natedde.

83. Nebel: I. A-Madi: dndylg, A-Sandeh: ndtpnäh. IL A-Mang-

battu: mondukubd, Maigo-Mungu: ndühibt}.

84. niesen: A-Sandeh: mussippa, A-Barambo: muääppä, Maigo-

Mungu: matSL

85. Oel: A-Madi: apdmg, A-Barambo: pä, A-Sandeh: pdi,

86. Ohr: A-Barambo: til, A-Sandeh: tüä, Golo: ittü, A-Madi: ^m^.

87. Pallisaden (Seriba): I. A-Barambo: mbötg, mbötto, Kredj

und Golo: mbdtta, A-Mangbattu: näböttg, bottö. Maigo- Mungu: bötto, n. A-Madi: agüddg, Maigo-Mungu: giUlg, A-Gobbu: gdrra.

88. Pauke von Holz: A-Sandeh und A-Barambo: guggy,, A-Madi:

agünng, A-Mangbattu: nägünj,, Maigo-Mungu und A-Gob- bu: güry,.

89. Perlen: A-Madi: annnkä, A-Sandeh: annöM, A-Barambo:

anäki, A-Mangbattu : Wckä, Maigo-Mungu : räkkä. Vgl. 42.

Die &quatonale Sprackfamilie in Tentral-Afrika. 13

90. Polster flir den Kopf; A-Sandeh: kdlq,, A-Madi: dsiggqlg,

A-Mangbattu: ii^§pci, A-Barambo: kdnna,

91. Rauch: A-Madi: angimmg, A-Sandeh; ngimmä, Golo: nguio,

92. Recht: A-Madi: angimhg, A-Mangbattu und Maigo-Mungu:

mongimbg, Bjredj: ungii,

93. Regen: A-Madi: dngy,mg, A-Mangbattu: kümmg>, Golo: öngbo.

94. Regenbogen: A-Madi: akäimq,, A-Barambo, A-Mangbattu

und Maigo-Mungu: küimq>.

95. Regenzeit: A-Madi: aiiiv^, A-Barambo: fiftWpto, A-Mang-

battu: näbyl^,

96. Rindenzeug: A-Madi und A-Sandeh: rökko, Eredj: roggö,

A-Mangbattu: nöggi.

97. roth: Maigo-Mungu: bämiä, A-Mangbattu: bdngbg,.

98. rund: A-Madi, A-Barambo und A-Sandeh: kili-küi, A-Mang-

battu: kiküi, A-Gobbu: ginkli.

99. Samen y menschlicher: A-Madi: ajässg, A-Mangbattu und

Maigo-Mungu: massüg,.

100. Samen, der Pflanzen: I. A-Madi: apürrg,, A-Mangbattu:

nhfiby.ry,. II. A-Barambo und A-Sandeh: tüngg,.

101. Sand: A-Madi: asdpo, Maigo-Mungu: säkkä.

102. Schatten: A-Madi: an2;t^Zp, A-Sandeh: na^Zämä, A-Barambo:

8§müri, A-Mangbattu und Maigo-Mungu: zizi.

103. Scheitel: A-ilekdi: (j§nn§lig, A-Sandeh: jffnn^Z|, A-Barambo:

nangadülj.

104. Schemel: I. A-Mangbattu: n&balq., Maigo-Mungu: pdly,.

n. A-Barambo, A-Sandeh und Eredj: mbdttq,, Qolo:f4Ua.

105. Schild: I. A-Barambo: bürry>, ASsrndeh: toürrg,, IL A-Madi:

ngübbg>, MLaigo-Mungn: köppj, Golo: kigbd, Kredj: gömbo.

106. Schmelzofen: A-Madi: aaörg, A-Barambo: «cfemr.

107. Schuppen: A-Madi, A-Barambo, A-Sandeh und Maigo-

Mungu: bdssg,, A-Mangbattu: ng.bg.88d,

108. Schüssel von Holz: I. A-Madi: gätg, Maigo-Mungu: gdttg,

A-Mangbattu: nägdttg. IL A-Sandeh: X:orumiu^ A-Barambo : köry/ngbg, Golo: kolongbü.

109. Schwanz: A-Bararabo: sä, A-Sandeh: sahd, sgnjd, sah,

Maigo-Mungu: gsab, Golo: sdvve.

110. Sohn: A-Madi: d\crg, A-Barambo: uUj.

111. Sonne: I. A-Sandeh: ury,, Maigo-Mungu: erg, Golo: ÖUo,

A-Gobbu: Ib. IL A-Madi: adebba, Kredj: nda.

14 H- AbhandlnuK: Mflller.

112. Speichel: A-Madi: atürrOf A-Barambo: ?^r^, A-Sandeh: »Mä,

A-Mangbattu: sössxm, Maigo-Mungu: ngössy,, Golo: ngüsso, A-Gobbu: ku88\t.

113. Staub: A-Madi: atüryig, A-Sandeh: tur%tb%i, (Arabisch?)

114. Steppe: A-Barambo://, A-Sandeh: nbi, Kredj: bindi.

115. Stern: A-Madi: anzäp^l^, Golo: zifa.

116. Strick: A-Sandeh: gillä, A-Barambo: d^irj, A-Mangbattu:

nzepij A-Madi: adzibbg, Klredj: ebb^, Golo: avvii,

117. stumm: A-Madi: appdpabg , A-Sandeh: bübbq,, A-Gobbu:

bübby., A-Mangbattu und Maigo-Mungu: nabibbi,

118. Thon: I. A-Sandeh: pälg, A-Barambo: /er/. II. Golo: ottu-

tu, Maigo-Mungu: §tb,

119. todt: A-Madi: imllä,ap{y, A-Sandeh: pi, Maigo-Mungu: dpi.

120. Tropfen: A-Madi; andökkä, A-Barambo: tökko, A-Sandeh:

töggg,, Maigo-Mungu: atekö.

121. Unterleib: I. A-Madi: würo, A-Barambo: büi^y.. IL M^qa^o-

M.\xn^: pissä, A-Sandeh: wüssä, A-Mangbattu: näpL

122. Vater: A-Madi: bd, bübbg,, A-Barambo: bä, A-Sandeh: bg^,

böbbq,, Maigo-Mungu: öbd, A-Mangbattu: pctppd, Kredj: bebi, Golo: füo,

123. Verräther: A-Madi: abülo, A-Sandeh: büliki, Maigo-Mungu:

billi, A-Mangbattu: näbilli,

124. verrückt: I. A-Madi: atro, Kredj: röro, A-Barambo: mdrp.

II. Maigo-Mungu: kubbg., A-Mangbattu: nakubdjq,.

125. Wald: A-Barambo: böndy, Maigo-Mungu: bondü, A-Mang-

battu: nägbondü,

126. Weg: I. A-Madi: agänng, A-Sandeh: ginnä. II. Maigo-

Mungu: kddi}, A-Barambo: ndngg,dii, A-Gobbu: bddzL

127. Wunde: A-Barambo: dro, A-Saudeh: öro,

128. Zahn: A-Sandeh: lindä, A-Barambo: «ncfö, Maigo-Mungu:

^tä, Golo: iddi.

129. Zeug: A-Barambo: ar4my, A-Sandeh: römmy,, A-Madi:

römua, A-Mangbattu: rSmu.

130. Zunge: A-Madi: mäpg, A-Barambo und A-Gobbu: mi,

Maigo-Mungu: emj, A-Sandeh: mindnä, Golo: mSls,

131. Zwerg: A-Barambo: göryvihä, A-Sandeh: nagbo gürrg,,

A-Madi: zorrq,,

132. Zwillinge: A-Madi: amlyrMdo, A-Barambo: dmbar^.

Die äquatoriale Sprachfanilie in Central- Afrika. 15

Einige Lautgesetze.

Unter den Lautgesetzen; welche sich an der Hand der oben angegebenen Wortentsprechungen feststellen lassen, sind die wichtigsten:

1. Die Palatalisirung, worunter wir die Entwicklung der Laute k, g zu t§, d& und s, z verstehen: Dabei zeigen das Ä-Sandeh und das Golo die ursprüngliche Form, während das A-Barambö, A-Mangbattu und A-Madi die palatalisirten Entwicklungen bieten. Z. B.

A-Sandeh: khiä ,Dom^ (25) = A-Barambo: Uiui = A-Madi: aniua.

A-Sandeh: giUä ,Strick' (Hß) = A-Barambo: d^iri = A-Mangbattu: nzSpi.

Golo: güU ,Auge' (8) = Maigo-Mungu: dHrra.

Sandeh: nagbo giirrg, ,Zwerg' (131) =r A-Madi: zörra.

A-Barambo: ndiarr ,Schmelzofen* (106) =■ A-Madi: asörg.

2. Die Assibilation, die Entwicklung des Explosivlautes t zum Zischlaute a. Das A-Barambo besitzt öfter den Laut t dort, wo das A-Madi und A-Sandeh den Laut s bieten, z. B.:

A-Barambo: fi> ,Ohr* (86) = A-Madi: süg,

A-Barambo: häti ,drei' = A-Madi: häsi.

A-Barambo: tüngy, , Gesandter^ (40) = A-Sandeh: stingjä.

3. Der Wechsel zwischen n (A-Mangbattu) und l (Maigo- Mungu) ist deswegen hervorzuheben, weil die bis auf diese Eigenthümlichkeit öfter identischen Formen der beiden Sprachen den Verdacht der gegenseitigen Entlehnung im Vorhinein aus- schliessen. Man vergleiche:

A-Mangbattu: nädM ,Elfenbeinschmuck auf der Brust* (30) == Maigo-Mungu: Udzä,

A-Mangbattu: ndpi ,HaamadeP (50) = Maigo-Mungu: Itp}.

A-Mangbattu: nä-kdbbu »ärgerlich' = Maigo-Mungu: li- kdbhu.

4. Der Wechsel zwischen den Lauten p, /, h, w hat nichts Auffallendes an sich; er beweist aber, dass die Formen aus der einen Sprache unmöglich in die andere gewandert sein können. Z. B.:

A-Madi: apig ,Bier' (16) = A-Barambo: /l. Maigo-Mungu: parva ,Ei' (27) = A-Barambo: /c£ra.

16 11- Abhandlang: Hfl 11 er. Die &qnatoriale Sprachfamilie in Central- Afrika.

Golo: füLa , Arznei' (7) = A-Barambo: uöli. Gtolo: f^ikka jBlasebalg' (18) = A-Mangbattu: nbuk^. A-Barambo: bür^ ,Bauch' (12) = A-Madi: würg, A-Barambo: bürry, ,Schild' (106) := A-Sandeh: würrg,,

5. Sporadisch scheint auch der Wechsel zwischen k und t, k und p vorzukommen. Z. B.:

Golo: MZe ,Kupfer' (66) = A-Sandeh: t4lq. A-Sandeh: pöky^tg. ,Brot* (23) = A-Barambo: pdpytä. Maigo-Mungu: säkkä ,Sand' (1^1) = A-Madi: asdpo. Maigo-Mungu: köttä ,FeW (33) = A-Sandeh: pött^.

6. Ganz natürlich erscheint der Wechsel zwischen l und r. Z. B.:

Golo: 0llß ,Auge' (8) = Maigo-Mungu: d&irrq,.

A-Sandeh: pdlla ,Ei' (27) =: Maigo-Mungu: päntq.

A-Sandeh: Wckä ,Gla8perlen' (42) = Maigo-Mungu: räkkä.

A-Madi: adUo ,Eälte' (61) = A-Barambo: dzürr.

A-Mangbattu : na-büu ^Menschen' (74) = A-Sandeh : abörro.

A-Barambo: uili ,Sohn' (HO) = A-Madi: dy,rg,

Golo: öüo ,Sonne' (111) = A-Sandeh: üry,, *

Der Laut r scheint schwach articulirt zu werden^ da er öfter ausfällt. Z. B.:

A-Mangbattu: nä-koöby ^Angelhaken' (3) = Maigo-Mungu: köryby»

A-Madi: abio ^Menschen' (74) = A-Sandeh: abörro.

in. Abhandlnng: Hoinzel. üeber die ostgotliische Heldensage. 1

m.

üeber die ostgothische Heldensage.

Von

Biohard HeinaeL

Ermanarlcli.

Die erste Nachricht über diesen König der Ostgothen gibt uns AmmianuB Marcellinus 31^ 3^ 1. Igitur Hunni peruasis Haianarum regionibvs, quos Greuthungis confines Tanaüas am- suetudo nominavit, interfectisque multis et spoliatis, rdiquoa sibi concardandi fide pacta iunxerunt, eisque adiunciis confdentius Ermenrichi late patentes et uberes pagos repeniino impetu perru- perunt, beüicosissimi regia et per mvlta tiariaque fortiter facta uicinü nationibus formidati: qvi ui svhüae procellae percuhtis quamuü manere fwadatua et stabilü diu conatus est, inpendentiv/m tarnen diritatem augente uulgativs famay magnorum discriminum metum noluntaria morte sedauit. Das geschah im Jahre 375; wir haben keinen Grunde dem Berichte des Zeitgenossen Am- mianus zu misstrauen.

Aber um die Mitte des 6. Jahrhunderts erzählt Jordanes die Sache wesentlich anders^ Getica^ c. 23. 24. Nachdem der Schriftsteller von der Macht und den Thaten Ermanarichs in einer Weise erzählt hat, welche die bescheideneren Angaben des Ammianus weit hinter sich lässt, kommt er über eine Erzählung vom Ursprung der Hunnen zu deren Einfall ins Gothenland. Quod genus expeditissimum mtdtammque nationum grasmtorem Oetae ut viderunt, pamscunt, suoque cum rege deU- herant, qualiter tali se hoste svidv>canf. nam Hermanaricus, rex Ooihorum, licety ut superius retuLimus, multarum gentium extiterat triumphatory de Hunnorum tarnen adventu dum cogitat, Rosomo- norum gens infida, quae tunc inter cdios Uli famulatum exhibebat,

Sitsungsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 3. Abb. 1

2 ni. Abbandlnngr: Heiniel.

tali eum nanciscUur occasione decipere. dum enim quandam mulierem Sunilda (sunielh, sunihil in einigen Hss.) nomine ex gente memorata pro mariti fraudulento düceseu rex farore com- motus equis ferodbus inligcUam incüattsque cursibus per diversa divelli prctecipisset , fratres eiue Sarus et Ammius (ammus, aminus, iammius in einigen Hss.)^ germanae ohitum vindicantes, Hermanarid latiie ferro petierunt; quo vulnere saueius egram corporis imbecülitate contraxit quam adversam captans Balamber (belamber, balamir, balamur in einigen Hss.) rex Hunnorum in Oetrogotharum parte movä prodnctum, a quorum societate iam Vesegothae quadam inter se intentione seiuncti hahebantwr, inter haec Hermanaricus tarn vidneri» dolore quam etiam ÜMunorum incursionibus non ferens grandevus et plenus dierum centesimo decimo anno vitae siuie defunctus est.

Bei den grossen Verschiedenheiten stimmt, abgesehen von dem Allgemeinen^ der Einzelzag bei Ammianus wie Jordanes überein, dass hier wie dort der Abfall eines Volkes, das Ermanarich verbündet oder unterworfen war, im Zusammen- hange mit der Katastrophe, dem Tode des Königs und dem Untergang des Reiches erzählt wird. Schon aus diesem Grunde ist die Deutung, welche W. Müller der Jordanestelle gibt (Mytho- logie der Heldensage S. 163 f.), Sunilda soll Ermanarichs Frau gewesen sein und ihn verlassen haben, sehr bedenklich, ab- gesehen von der sprachlichen Schwierigkeit und der Analogie bei Saxo 1, 412 (ed. Müller), wo Ermanarich Slavenflirsten, um sie für ihren Abfall zu strafen, von Pferden zerreissen lässt. Ueber die Rosomonen und Sunilda siehe meine Abhandlung über die Hervararsaga, Wiener Sitzungsberichte 114, 516.

Wenn Ermanarich bei Jordanes ausser Wunde und hohem Alter auch aus Verzweiflung stirbt statt durch Selbstmord, wie bei Ammianus, so hat das seine Parallele in dem Tode des persischen Feldherm Saes unter König Chosroes, der, besiegt, vor Gram stirbt, Theophanes (9. Jahrhundert), S.263 ed. Migne, und in dem alten kranken Hunnenkönig Milias der Thidhreks- saga c. 39, welcher bei dem Einfall Attilas, der hier für einen Friesen gilt, dem Kummer erliegt.

Die Säge ist bei Jordanes noch im Stadium der politi- schen Anekdote. Der Zorn des Tjrrannen ist durch politische, nicht durch persönliche Gründe geweckt. Svanhild wurde

üeber die ostgotbische Heldenuge. 3

vielleicht verdächtigt, ihren Gemahl zum Abfall verleitet zu haben, oder er entkam und sollte durch den greulichen Tod seiner zurückgebliebenen Frau gestraft werden.

In der späteren deutschen und nordischen Sage ist Alles persöulich geworden. Die norwegisch -isländische Sage und Dichtung Gudhrunarhvöt^ Hamdhismal Bragis Ragnarsdrapa, Snorra Edda I, 366 ff., Völsunga saga c. 40, ebenso wie Saxo 1, 412 ff. (ed. Müller) fassen Svanhild als Ermanarichs Frau auf, die derselbe wegen Ehebruches mit einem Sohn früherer Ehe von Pferden zertreten lässt, dafiir nahmen die Brüder Svanhilds Rache, indem sie Ermanarich überfallen und ihm Hände und Füsse abhauen. Da derselbe auch seinen Sohn des Ehebruches wegen hatte hängen lassen, ist er des natürlichen Schutzes be* raubt. Anstifter des Unheils ist Bikki, der nach Saxp^ sich / an Ermanarich wegen der Ermordung seiner Brüder rächt. In der norwegisch -isländischen Sage ist Svanhild die Tochter Gudhrun-Chriemhilds und Siegfrieds und zu den zwei Biüdern, ihren Söhnen von Jonakr, kommt ein dritter, Erpr. Bei Saxo werden vier Brüder erwähnt, aber nicht genannt.

In Deutschland wird zunächst die Person Svanhilds auf- gegeben und das Motiv des Ehebruches hat hier vielleicht nie existirt. Die Quedlinburger Annalen (Anfang des 11. Jahr- hunderts), Pertz, SS. 3, 31, wissen zwar noch, das Ermanarich von seinen Neffen, den Brüdern Hamidus, Serila und Adoacarus, Hände und Füsse abgehauen wurden, was seinen Tod herbei- führte, aber die Ursache ist die Tödtung des Vaters jener drei Brüder, ein Umstand, von dem sonst nichts bekannt ist. Aus den Quedlinburger Annalen wiederholt die Würzburger Chronik die Geschichte, Pertz, SS. 6, 23. Eckehard von Aura erwähnt in seiner Weltchronik, Pertz, SS. 6, 123 in der Geschichtserzählung und 130 in seiner chronologischen Kritik der Ostgothen- und Hunnensage, Odoaker nicht unter den Mördern Ermanarichs. Wenn er auch wahrscheinlich dabei die Würzburger Chroüik vor Augen hatte s. H. Lorenz, Germania 31, 149 so ist es doch möglich, dass er in Erinnening an andere Fassungen der Sage, wie z. B. Jordanes, den er S. 123 abschreibt, nur Sarus und Ammius nannte. Auch ist es zweifelhaft, ob in der Dreiheit der Mörder Ermanarichs, wie sie die nordischen Quellen

und die Quedlinburger Chronik zeigen, alte, noch in Deutschland

1*

4: Iir. Abhandlang: Heinzel.

entstandene Ueberlieferung vorliegt, möglicherweise ist es eine Combination des Quedlinburger Chronisten^ der meinte, weil Odoaker zwischen Ermanarich und Theodorich in Italien herrschte, müsse er an der Tödtung Ermanarichs betheiligt gewesen sein. Auch hat Erpr nach der nordischen Sage nicht wirklich Hand an Ermanarich gelegt, nur gewünscht, sich der Unternehmung der Brüder anzuschliessen, war aber von ihnen vorher erschlagen worden. Seine Rolle ist demnach von der Odoakers in den Quedlinburger Annalen wesentlich verschieden.

Später wird in Deutschland Ermanarichs Ermordung aus Rache ganz aufgegeben, er stirbt an einer Krankheit, was der Geschichte näher liegt. Die Person Bikkis erscheint auch in Deutschland, er heisst erst Odoaker, dann Sibiche. Theils auf dessen Veranlassung, theils aus eigener Bosheit wüthet Er- manarich gegen seine Verwandten. So tödtet er seinen nach der Quedlinburger Chronik noch einzigen Sohn Friedrich, ein Grund wird nicht angegeben, in Dietrichs Flucht sendet er ihn nur fort, in der Thidhrekssaga kommt Friedrich auf Sibiches Veranlassung bei dieser Sendung um, c. 278, sie kennt aber noch zwei andere Söhne, welchen Sibiche gleichfalls den Tod bereitet, c. 279. 280. Dann tödtet Ermanarich seine mythischen Neffen, die Harlungen, ihres Schatzes wegen und vertreibt Dietrich. Die Bosheit Sibiches wird dadurch motivirt, dass Ermanarich Sibiches Frau Gewalt angethan habe. Vorrede zum Heldenbuch und Thidhrekssaga c. 276 f.

Das Motiv Svanhild war gewiss auch einmal in Deutsch- land bekannt, da es nicht von Jordanes direct zu den Scan- dinaviem gekommen sein kann. Die andere Unthat Ermana- richs gegen seinen Sohn ist der nordischen wie deutschen Sage bekannt, aber in Deutschland ohne das Motiv des Ehebruches, ebenso wie sein Tod durch Abhauen der Hände und Füsse. Der Name des bösen Rathgebers, Odoaker, steht neben dem zum italienischen Ostgothenkönig gewordenen Ermanarich der Geschichte näher als der des vielleicht mythischen, zur Har- lungensage gehörenden Sibiche s. MüUenhoff, Zs. 30, 226; W. Hertz, Deutsche Sage im Elsass, S. 88 und wird demnach älter sein. Allerdings ist es nicht unmöglich, dass die dem Verfasser der Quedlinburger Chronik bekannte Sage den Namen Sibiche schon gehabt, der kurz referirende Chronist ihn nur

Ueber die ostgottiiacbe Heldensage. 5

ausgelassen habe. Nachdem der Name Sibiche^ der allerdings in einem sehr unklaren Verwandtschaftsverhältnisse zu dem des nordischen Bikki steht s. Zs. 12, 284 (Beccan Widsidh 115 neben Sifecan) sich in Deutschland festgesetzt hatte, wan- derte die Sage nach dem Norden, wo die Vorstellung von dem wirklichen oder scheinbaren Liebesverhältniss der Königin mit ihrem Stiefsohne sich entwickelte und später Svanhild als Tochter Sigurds galt.

Von der Tödtung der Harlungen wissen die norwegisch- isländischen Ueberlieferuugen nichts, MüUenhoff hat deshalb Zs. 10, 172 angenommen, dass die Verbindung dieser mythi- schen Erzählung mit der Ermananchsage erst, nachdem diese nach Scandinavien gelangt war, zu Stande gekommen sei. Da aber Bikki-Sibiche den Scandinaviern als böser Rathgeber wohl bekannt ist und dieser nach Müllenhoflf Zs. 30, 226 von Haus aus zur Harlungensage gehört, ist das schwer glaublich; um- somehr, als Saxo die Harlungen zwar nicht nennt, wohl aber von zwei sororü Ermanarichs weiss, 1, 413 (ed. Müller), die er ihrer ErbansprQche wegen tödtet. Da die norwegisch-isländischen Berichte uns nicht eine Geschichte Ermanarichs geben, sondern nur seinen Tod und wer diesen herbeigeführt, zum Theil als Fortsetzung der Nibelungensage, so sind uns vielleicht nur durch Zufall Lieder oder Erzählungen nicht erhalten, welche ▼on der Ermordung der Harlungen handelten.

Die in Deutschland zurückgebliebene Sage vergass den Mord Svanhilds, weil er ein politischer war, der Sohn Erma- narichs erhielt den Namen Friedrich vielleicht in Erinnerung an den rugischen Prinzen Friedrich, welcher Odoaker aus Italien vertrieb; er erscheint nachmals in Theodorichs, seines Verwandten, Heer, s. Köpke, Anfänge des Königthums 178; Dahn, Könige 2, 33. Nur die auffallende Todesart durch Zer- reissen von Pferden scheint sich in der Tödtung eines Sohnes Ermanarichs, Samson in der Thidhrekssage c. 254, erhalten zu haben. Ermanarich lässt ihn auf eine falsche Anklage Sibich's hin von seinem Pferde zertreten.^ Für die Ermordung Er- manarichs fand man, da Svanhild weggefallen war, ein anderes Motiv, den ermordeten Vater, der aber hier zugleich Bruder

* Siehe Rassmann, Heldensage 1, 264.

6 ni. AbbandlnDg: Heinzel.

des Mörders war; vgl. die Tödtung Attilas durch Hildiro, weil er ihren Vater ermordet habe^ beim Poeta Saxo und in den Annalen von Quedlinburg.

Die Fabel der scandinavischen Ueberlieferung ist nach dem uralten Motiv der Liebe zwischen Stiefmutter und Stief- sohn, welche dem Sohne das Leben kostet, erfunden. So wird von einem Römer unter Kaiser Hadrian erzählt, dass er seinen Sohn, der in der That der Liebhaber seiner Stiefmutter ge- worden war, auf der Jagd tödtete; s. Gibbon (Leipzig 1829) 8, 50.

Häufig sind Erzählungen, in denen der Sohn unschuldig ist, wie Hippolytus, aber von der verschmähten Stiefmutter fälschlich angeklagt wird. Der Tod des Crispus, des Sohnes Constantins des Grossen, wird auf diese Weise durch die ver- schmähte Liebe seiner Stiefmutter Fausta motivirt; s. Gibbon (Leipzig 1829) 3^ 94; Burckhard, Die Zeit Constantins des Grossen, S. 335^; Wietersheim, Völkerwanderung 1^ 390. Cle- matius von Alexandrien findet aus derselben Ursache durch Constantina, die Tochter Constantins des Grossen, seinen Unter- gang, Gibbon, 3, 146. Vielleicht ist sogar die Geschichte von Fausta und Crispus, welche ursprünglich anders gelautet zu haben scheint, nach dem Muster der von Constantina und Cle- matius umgemodelt worden.

Auf ein Beispiel dieser Abart, das sich in einer zum Theil ostgothischen Familie ereignet haben soll, hat mich Col- lege Schenkl aufmerksam gemacht. Ellis theilt in seiner Aus- gabe von Ovids Ibis zu 295 f.

Id quod AmyiUorides mdeaa, trepidumgue minütro Praetemptes baculo luminis orbus vier folgende Scholien mit S. 49:

1. Phoenix filiu8 Amintorü, dvA:tor et conmLtus Achillis, filios 8U08 Thirilam et Doricam de incestu aecusatos a noverca caecavit, unde dii ircUi etiam ipsum caecaverunL

2. Amintor ßlium suum Phoenicem caecavit, guia coniux eius est compiesta sibi Phoenicem voluisse ei vim inferre, quod tarnen falsum erat,

3. Phoenix Amintoria filius Tessalam et Dorilam filios suoSy excaecavit a noverca sua Licostrata regis Gothorum filia de crimine adulterii falso (sc. aecusatos).

U«b«r die ottgothiBche Heldensage. 7

4. Phomiix Amintorü filiua, filios sn/os Thetillam (Lesart: Totüam) et Darülam /also crimine aduUerii ab Affa (Lesart: Afa) novercae (1. noverca), reguli Gothorum [regis] filia, apud se accusatoa excaecamt nimia commotas ira*

Dazu noch folgende Verse: 6 Femina nata malwm est, peccati femina origo*

Femina tota malum, res atra, miserrima, viUs.

Noluerant pueri male consentire novercas,

Noltterantque torum nati incestare parenHs.

lila repuUa dolens transverso crimine in iUos 10 Accusavit eos patri: pater inscins ira

Nee rectum inspidens, nee enim rectwm inspicit ira,

Ipse pater, sed iam non nunc pater, ermt iUis

Lumen, quod dederat, poenamque secutus eandem est.

Wie die Stiefmutter der antiken Fabel in 3 und 4 zu einer Gothin geworden, ist ganz dunkel. Kaum wie Ellis meint, weil Phineus, dessen Vater auch Phoenix hiess und von dem dieselbe Geschichte erzählt wird wie hier von Phoenix 1, 3, 4 oder Amintor 2, unter Anderem auch in Thracien localisirt wird, daneben in Arkadien und Paphlagonien in Thracien, einem Lande, das im 5. Jahrhundert einmal unter gothischer Herrschaft stand.

Die auffällige Doppelheit der vermeintlichen Ehebrecher, erinnert an die germanische Mythe von den zwei Harlungen, dioskurischen Wesen, welche beschuldigt werden, der Gemahlin Ermanarichs, ursprünglich der Gemahlin des Gottes Irmin-Tiu, nachzustellen, Thidhrekssaga c. 281, 1; MüUenhoff, Zs. 30, 222 S. Aber ein Zusammenhang ist gewiss nicht vorhanden. Die Doppelheit ist schon in der Phineussage, und in der Ge- schichte von Sisibe, Sigmunds Gemahlin, sind es auch zwei, Artvin und Hermann, welche sie zur Untreue gegen ihren Gatten zu verleiten suchen. Thidhrekssaga c. 156 ff.

Ein verwandter und sehr beliebter Typus ist die böse Stiefmutter ohne das Motiv des Ehebruches, die altnordische Literatur hat für Erzählungen dieses Inhalts sogar einen be- sonderen Namen stjupmcedrasögv/r, Odds Olafssaga Tryggvasonar ed. Munch, S. 1, FMS. 10, 216, vgl. Sverrissaga PMS. 8, 18, Hrolfssaga kraka FAS. 1, 31, oft erscheint er in Arnasons Thjodhsögur. In der Geschichte begegnet der Typus z. B. im

8 III. Abhandlnng: Heinzel.

Hause des burgundischen Königs Sigismund; s. Binding; Qe- schichte des romanisch-burgundischen Königreiches 246. Da- neben hat die spätere germanische Literatur auch die verführe- rische Stiefmutter, so in der altnordischen Saga von Hjalmter und Ölver, FAS. IH, 470. 515.

Das Mythische ist in der Geschichte Svanhilds erst später hineingekommen, seitdem man sie als Gemahlin des Gothenkönigs auffasste und mit den Harlungen in Beziehimg setzte, aber was Jordanes erzählt, kann ganz gut die historische Sage sein. In ihr und ihren Brüdern Sarus und Ammius my- thische Wesen zu sehen, s. Müllenhoff, Zs. 30, 222, finde ich keinen Grund.

Auch das Motiv, dass Sibiche durch Kränkung seiner häuslichen Ehre Feind Ermanarichs wird, ist sonst in Geschichte und Sage bekannt. Auf Valentinianus III und Maximus, Prokop Bell, pers., S. 328—332 ed. Bonn, Theophanes, S. 93 ed. Migne, hat schon W. Hertz, Deutsche Sage im Elsass 233, aufmerksam gemacht; die Geschichte ist auch dadurch der Sage ähnlich, dass Maximus den Kaiser veranlasst, Aetius, die einzige Stütze seines Reiches, zu tödten. Vgl. die Geschichte von Kaiser Avitus und Lucius, wie sie Fredegar erzählt, Canisius Antiquae lect. 2, 672 und die Sage von König Sigurdhr Slefa Fornmanna sögur 3, 83 S. ^

In der Litteratur kann man vergleichen das dänische Lied von Marsk Stig, Grundtvig Folkeviser 3, 338 ß. ; W. Grimm, Altdänische Heldenlieder, S. 382; Anseis de Carthage bei Nyrop- Gorra, Storia dell' epopea francese^ S. 105.

Neben den Intriganten Sibicho und Odoaker begegnet im Widsidh auch ein Seafola, in Dietrichs Flucht 8365 ein Sohn Sibiches, Sabene, verschieden von dem Theodorich getreuen Herzog Sabene von Ravenna, den auch nur Dietrichs Flucht kennt. Denn wenn Widsidh 115 Seafola in unmittelbarer Nach- barschaft eines Theodric anfUhrt, vorher einen Becca (altn. Bikki = Sibicho) und in der nächsten Zeile einen Sifera,

Seccan sohte ic and Beccan, Seafolan and PSodine,

Headortc and Sifecan ein Sabene aber im Wolfdietrich A der böse Rathgeber und Feind zweier Dietriche ist, Hugdietrichs und Wolfdietrichs, und Uebertragungen aus der Theodorich- auf die Wolfdietrichsage

üeber die ostf^othiscbe Heldensage. 9

sonst feststehen, s. unten, so darf man wohl yermuthen, dass Seafola einst eine Parallelfigar zu Sibiche in der Ermanarich- Theodorichsage gewesen sei und als Feind des ostgothischen Theodorichs galt. Der fränkische Dietrich kann ja von dem Dichter des Widsidh nicht an E^manarichs Hofe gedacht werden, wie MüUenhoff annimmt Zs. 6, 458, er kommt auch V. 24; allerdings in einem andern Theile des Gedichtes, als König der Franken vor, und der Ostgothe Theodorich durfte nicht fehlen, wenn die berühmten Helden der Ostgothensage aufgezählt werden. Dass auch langobardische Helden, wie die Namen andeuten, an Ermanarichs Hofe gedacht zu werden scheinen^ darf nicht irren ; s. meine Abhandlung über die Her- vararsaga, Wiener Sitzungsberichte 114, 516 f. Die Angel- sachsen hielten Svanhild für eine Langobardin.

Ueber die sagenhafte Verbindung Ermanarichs mit Theo- dorich s. unten,* über die Dämonisirung Ermanarichs s. Müllen- hoflF, Zs. 30, 222 S.

Theodorich*

In deutschen, also an ein grösseres Publicum sich wenden- den Berichten des Mittelalters kommt die Vorstellung vor, dass der Ostgothe Theodorich aus dem Lande Heran stammte: Eaiser- chronik 424, 9 ff. ed. Diemer, I, 3858 ff. ed. Massmann ain vörate tvas do ze Meran, gehauen was er der alte Dieterich, er musB vor Etzel nach Lancparten fliehen, nach dessen Tode gewinnt dieses Dietrichs Sohn^ Dietmar, Meran wieder 424, 28 und vertheidigt es siegreich gegen Etzels Söhne 425, 17. Kaiser Zeno schickt ein Heer zu Schiffe nach Meran 426, 22 und erhält Dietmars Sohn Dietrich als Qeisel. Wahrscheinlich geht die Angabe der Chronik Heinrichs von München, dass Dietmar ein Fürst von Meran gewesen sei, auf die Eaiserchronik zurück, obwohl er die Geschichte von Dietrichs Ahnen nach Heinrich des Voglers Gedicht von Dietrichs Flucht gibt, Mass- mann, Eaiserchronik HI, 963 ff.; W. Grimm, Heldensage 203^, Anm. Diese populäre Meinung findet sich auch in den aus dem 12. Jahrhundert stammenden Regensburger Glossen: Gothi Meranare Zs. 12, 415; s. Kirpiönikov, Anzeiger 9, 252; Bahder, Germ. 29, 277, Anm.

10 III. Abhandlung: Heinzel.

In den Gedichten, welche deutsche Heldensage behandeln, werden zwar nirgends die Qothen Meraner oder Meran ihr Stammland genannt, wohl aber gehört Istrien zum gothischen Reich, nach Dietrichs Flucht 2441 speciell Dietmar, 3875 muss dies Land Dietrich dem Ermanarich abtreten, mit Pola, Rabenschlacht Str. 202, ist es Theodorichs eigene Mark. Die daranstossende Mark Saders, Dietrichs Flucht 7223, ist bereits hunnisch. Denn da nach Rabenschlacht 1029 Istrien an das hunnische Reich grenzt, muss Saders zu den westlichsten Grenzgebieten Attilas gehören, womit der Ausdruck durch Saders üf gein Isterrich^ Dietrichs Flucht 8111, Rabenschlacht 202 und die Angabe stimmt, dass Attila Dietrich bis Saders begleitet habe, Rabenschlacht 201. Dies Saders ist wahrschein- lich das dalmatinische Zara, in alten Quellen Jadra, Jadera, Zadarensü Civitaa in einem Breve von 879, Schafarik, Alter- thtimer 2, 303. Von Pola, dem berühmtesten Orte Istriens, heisst Berhtram ein Vasall Dietrichs in der Rabenschlacht und in Dietrichs Flucht. Und hauptsächlich auf Istrien bezieht sich der Beiname von Meran, der Sigebant, einem Dienstmanne des gothischen Königs Sigeher, beigelegt wird, Dietrichs Flucht 1965, ebenso Schrutan im Biterolf 1236. 3718. 4942, der auf Seite König Etzels steht. Ueber Berhter und Berhtung von Meran, die treuen Dienstmänner Rothers und Wolfdietrichs, s. unten.

Denn was im 12. und 13. Jahrhundert der Ländername Meran bedeutete, ist von Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs, ausführlich dargelegt S. 72 f. Vgl. dazu noch Riezler's Recension in SybeFs Zeitschrift 38, 126 und Bahder, Germania 29, 276 f., Anm. Es sind die Länder an den nördlichen und nordöstlichen Küsten des adriatischen Meeres, Istrien, Croatien, Dalmatien. Dass diese Länder für die Heimat der Ostgothen angesehen wurden, ist insofeme begreiflich, als sie in der That zu dem italienischen Ostgothenreich gehörten und man wusste, dass die Ostgothen aus dem oströmischen Kaiser- reich stammten, wenn auch die Kaiserchronik daneben das Land Meran vor den Zeiten der Ostgothen als slavisch anzu- sehen scheint. Als Alarichs Einfall in Italien droht, zieht der Herzog von Meran und Sclavus sin man den Römern zu Hilfe, Diemes 215, 13 f., Massmann 1365 f. Nach der Einwanderung

üeber die ostgothische Heldensage. 11

der Südelaven in diese Gebiete ist auch diese Vorstellung be- greiflich. Aber was bedeutet der Name?

Die Aussprache mit langem e in der ersten Silbe wird durch die Metrik angedeutet in Dietrichs Flucht 1966 Merdne was «n laut, Wolfdietrich B 4, 1^, geböm von Mirdn, D VI, 151, 3»», IX, 16, l^ IX, 213, l^ dazlant ze Merdn.

Schon der Wortgestalt des deutschen Meran wegen wäre es schwierig, dasselbe von dem dalmatinischen Volksnamen Mariani oder dem Ortsnamen Maronia abzuleiten. In dalma- tinischen Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts bei Kukul- jevid, Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae und bei Raöki in den Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium VII. Bd. erscheint wiederholt eivLdux oder judex Marianorumj Kukuljeyi6 I, S. 154. 171, dieselbe Person wird auch Marsticus, Maristicus, Morsiicus, Morüticus genannt, 97. 148. 170. 173. 175. 181. 212. Da nun neben marsticus, mor- siicus auch ein sagoraticus vorkommt, Kukuljevi6 I, S. 175, Monumenta spectantia etc. Bd. VII, S. 132. 149. 336, so ver- muthet College Jagi6 wohl mit Recht, dass, wie dieses eine Latinisirung von zagorskl, jenes eine von morski sei. Und da ein Küstenreich südlich von Spalato in alter Zeit TcaYaOaXaaaux, prinwrje, pomarje genannt wurde, s. Spruner, Handatlas, Nr. 73, wie es auch jetzt noch Primorje heisst, so stimmt auch Jagiö jenen Gelehrten bei, welche das Gebiet dieser Mariani dahin verlegt haben. Wahrscheinlich ist Maronia, das in der Historia Salonitana des Thomas, des Archidiakons von Spalato, erwähnt wird, nicht Anderes. S. bei Kukuljevi6 I, Nr. CCXXXIII, a. 1100, c. Xm, wo als Ausdehnung des Königreichs Croatien von Norden nach Süden angegeben wird a ripa DanvM usque ad mare daJmaticum cum tota Maronia et Chelmie dvcatu, Chelmia oder Chlum aber ist das gebirgige Hinterland der Parathalassia oder Primorje. Ob die parochia Maronia Ku- kuljevic II, Nr. HI, a. 1102, S. 3, dasselbe bedeuten kann, weiss ich nicht.

Mariani und Maronia sind demnach slavische Namen in lateinischer Form, die weder in ihrer Urgestalt noch in ihrer Latinisirung zu dem deutschen Meran stimmen. Vor Allem aber wäre es nicht verständlich, wie ein Name, der sich nur auf einen kleinen Theil des südlichen Dalmatien bezog, zur

12 in. Abhandlung: Heinzel.

Bezeichnung von ganz Dalmatien^ Croatien und Istrien ver- wendet werden konnte. Es müssten dann doch die Herren von Maronia zu irgend einer Zeit ihre Herrschaft so weit aus- gedehnt haben.

Wenn der Name Meran nun nicht von Haus aus den Ländern anhaftet, von denen er gebraucht wird, auch nicht einem Theil dieser Länder, so muss er wohl dem Volke an- gehören, dessen Heimat diese Länder gewesen sein soUen, d. i. den Ostgothen. Das lässt sich in der That sehr wahrscheinlich machen. In dem lateinischen Prolog zu Notkers Boethius wird Theodorich ein König Mergothorum et Ostrogothorum genannt, s. Hattemer, Denkmale 3, 11 ; die Schriften Notkers ed. Peiper 1, 4, 22. * Die deutsche Uebersetzung Notkers ist in diesem Stücke sehr frei und übergeht den Ausdruck Mergothorum. Der Prolog ist, wie der Schluss zeigt, unter der sächsischen Dynastie nach der Kaiserkrönung Ottos I. verfasst und ur- sprünglich nicht als Einleitung zu Boethius' Werk gemeint, auch nicht von Notker verfasst, wie er ja auch in der St. Gallischen Hs. N. 844 vorkommt, wo er am Anfang des Codex steht, dann folgen zwei metrische Tractate, zum Schluss Boethius' De consolatione, Alles nur lateinisch; s. (Scherrer) Verzeichniss der Hss. der Stiftsbibliothek von St. Gallen, S. 287. Durch freundliche Mittheilungen Wartmann's und des Bibliothekars Idtensohn erfahre ich, dass diese Handschrift ein Loch hat, welches die Buchstaben got von mergothorum weggenommen hat und es auf der Rückseite zweifelhaft erscheinen lässt, ob die Ueberschrift prologus jemals vorhanden gewesen sei. Der Schriftcharakter dieses Stückes ist so alterthümlich, dass Scherrer und Idtensohn es unbedenklich ins 9. Jahrhundert setzen und auch Wartmann nur im Hinblick auf die Erwähnung des säch- sischen Kaiserthums es einem besonders altmodischen Schreiber aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zuschreibt. Im

1 lieber diesen Prologas, der auch De translatione imperii romani gouannt wird, 8. Peiper Boetius Philos. Cons. S. XI. XXX. Dass er auf Paulus Diaconus Historia roxnana beruhe, wie Müllenhoff meint, Zs. 12, 334, kann ich nicht finden. Er hat Aehnlichkeit mit dem angelsächsischen Prolog, den König Alfred seiner Boethiusübersetzung vorangeschickt hat, mit der Vita des Boethius, welche Peiper XXXV abgedruckt hat, und mit dem Chronicon Novaliciense 1, 2.

üeber die ostgothische Heldensage. 13

10. aber imd im 11. Jahrhundert ist die deutsche Form für ,Meer' nur meri, mere, nicht mer im einfachen Wort wie in Zu- sammensetzungen^ s. Graf 2, 819 flf., also an Gothen des Meeres, der Küste nicht zu denken.

In den Anfang des 10. Jahrhunderts fällt ein altschwedi- sches Denkmal y welches Theodorich als den Fürsten eines Volkes der Maeringer bezeichnet. Es ist der Runenstein von Rök in Ostgötland, s. Bugge, Antiqvarisk Tidskrift för Sverige 5, 40 ff.; Leffler, daselbst 6, 21; Brate, daselbst 10, 306; Hoffory Arkiy 2, 59 f. (Conaonantstudien); Rundgren Arkiv 2, 177; Noreen Arkiv 3, 25 ff.; Schuck, Svenk Literaturhisto- ria 1, 28.

Die Strophe, welche nach der Stelle, die sie auf dem Stein einnimmt, wie nach dem Inhalte gar nichts mit der eigent- lichen Grabinschrift zu thun hat und nach den Sprachformen alterthümlicher ist als diese, lautet:

raip piaurücR hin purmupi

stiliR flutna atrantu hraipmaraR

sitir nu karuR a kuta sinum

skialti üb faÜapR skati marika

Statt raip piaurikR hat die Inschrift, welche die Worte nicht kennt, raipiaurikRj wie sehr häufig an anderen Stellen, wo der Auslaut eines Wortes dem Anlaut des folgenden gleich ist. Da die Inschrift die Umlaute nicht bezeichnet und Tenuis und Media, u und o, ng und k nicht scheidet, so transcribirt Bugge die Verse S. 91 ins Altschwedische:

rdd pidrikr hinn pormödi

stülir fltdna strandu HrcßümaraT;

sitir garvr d guta sinum

sMaldi vb faÜaSr skati mdbringa

und S. 48 ins Altnordische:

rÄf piödrekr Jünn pormödi

stülir flotna ströndu Hreidmarar;

sitr nu görr d gota sinum

skialdi of fatladr skati mdBringa

Die Form piaurikR ist allerdings auffällig, da au in der

Inschrift sonst den Diphthong aUy nicht o bezeichnet, und da

piaU' für pjo- genommen dem Verse nur drei Silben gäbe. Aber

Bugge macht darauf aufmerksam, dass germ. eu in der Inschrift

14 m. Abhandlnng: Heinzel.

sonst nicht vorkomme, also die Deutung von iau als io, jöj nicht gegen den Gebrauch derselben Verstösse^ ebenso, dass die im Dialekt der Insel Qotland bekannte Schreibung iau filr eu auch ausserhalb dieser Insel erscheine. Anmerkung zu Brate's Abhandlung in Antiqv. Tidskr. 10, 309. Auf letzteres hat schon Rydqvist hingewiesen, Svenska spräkets Lagar 2, 107 f. Uebrigens ist der Name ,Dietrich^ in den alten Quellen von ganz Scandinavien so selten, dass er nach Götland viel- leicht als Fremdwort aus der gotländischen oder einer däni- schen Mundart gelangte.

Was die Dreisilbigkeit des ersten Verses anbelangt, so bringt Brate, Antiqv. Tidskr. 10, 307, Analogien aus anderen metrischen Inschriften bei und weist auf den Umstand hin, dass dies gerade im Anfang von Strophen oder Versreihen be- liebt war.

Es fehlt also jeder Grund ftir die von Noreen vor- geschlagene Lesung altschwed. reid p4a Aurikr = altn. ridpjd Aurikr. Sie leidet überdiess an den Uebelständen, dass ein un- bekannter Audhrik mit dem Ostgothenmeer und den Mseringern zusammengebracht wird, dass pjd sonst den Accusativ regiert, während in der Inschrift der Dativ strandu steht, dass, worauf Bugge verweist, das Verb pjd sonst fast nur einen persönlichen Accusativ bei sich hat, keinen sachlichen, und dass pjd ,unter- drücken' bedeutet, was für die Bezeichnung der Regierung Theodorichs über sein eigenes Volk ein recht unpassender Ausdruck sei. Antiqv. Tidskr. 10, 309. Ueber das Fehlen der auslautenden p in piau für piaup s. Bugge, Studien über die Entstehung der Götter- und Heldensagen 563, Anm.

Auffällig ist auch nach Bugge, Antiqv. Tidskr. 5, 40 und 10, 309, raip für rip oder riap in der Bedeutung des altnordischen red von rdda, ,er regierte*. Aber Noreen hat im Arkiv 3, 25 f. die Möglichkeit einer sprachlichen Erklärung angedeutet, die zu benutzen mir gerathener scheint als raip, das, wie jetzt Bugge will, Studien über die Entstehung der nordischen Götter- und Heldensagen S. 419 als ,ritt' und strandu als alterthümlichen Accusativ zu fassen, wodurch auch der Gegensatz im zweiten Theil der Strophe nu sitir ,nun sitzt er auf seinem Pferde^ unverständlich würde. Ich glaube, man darf mit ziemlicher Sicherheit übersetzen: ,Es herrschte Theodorich, der Tapfere,

Ueber die ostgotbische Heldensage. 15

der Anführer der Krieger, über den Strand des Hreidmeeres. Nun sitzt er bewaffnet auf seinem Rosse^ mit dem Schilde be- deckt ^ der Fürst der Mseringer/

Anlass^ diese Strophen auf Theodorich in der Grabschrift auf einen schwedischen Gauten anzubringen, bot wohl die Er- wähnung der Hreidhgothen in der vorhergehenden Prosa der Grabinschrift pat aagum annart, hvar ft/r niu aldum ann urdi fiarmir Hrceidgutum ok mceir ann üb aakir, ,Das sagen wir als Zweites, dass er (der Todte, für den der Stein errichtet wurde) gegen neun Heere kämpfte ferne von den Hreidgothen und dass er im Kampfe fiel!' Hier wird das Volk des Todten, also das der schwedischen Ostgöten, Hreidgothisch genannt, ein Sprachgebrauch, zu dem Bugge, Antiqv. Tidskr. 5, 36 eine Analogie in der Snorra Edda 1, 530 (ed. Arnam.) nachweist, während sonst Dänemark oder speciell Jütland fUr Reidgota- land gilt.

Ich habe aber in meiner Abhandlung über die Hervarar- saga auf Spuren hingewiesen, welche zeigen, dass man in Scan- dinavien mit diesem Namen auch Erinnerungen an das alte Ostgothenreich in Russland verband, Wiener Sitzungsberichte 114, 470 f., 492. Und bei den Angelsachsen bedeuten die Hredgotan, Hrcedgotan, Hrcedas, HrMas, nur die Ostgothen, 8. Mtillenhoff, Haupt's Zs. 12, 259 ff. Wenn dazu in der In- schrift Thiaurikr noch Fürst der MsBringer genannt wird und das angelsächsische Lied von Deor sagt, dass Theodorich dreissig Jahre lang die Burg der Mseringer besass P^odric dhte pritig wintra Meeringa bürg so ist es höchst wahrscheinlich, dass in der Inschrift Hreid- zu verstehen ist wie im Angel- sächsischen, Hreidmarr also das Ostgothenmeer, wohl eher das adriatische als das mittelländische, bedeutet, und piaurikr, der Fürst der Mseringer, den Ostgothenkönig Theodorich.

Diese Auffassung vertritt, wie aus der Note zu Brate's Abhandlung in der Antiqv. Tidskr. 10, 310 zu ersehen, gegen- wärtig auch Bugge, welcher in seiner ersten Abhandlung über den Rökstein die Beziehung der Verse auf den Ostgothen Theo- dorich geleugnet hatte.

Was von Thiaurikr in unseren Versen gesagt wird, ist auf den ersten Blick recht sonderbar: Einst herrschte er über Italien, jetzt sitzt er bewaffnet zu Pferde. Ich glaube, so kann

16 ni. Abhandlang: Heinsei.

man nur von einer Reiterstatue oder einem andern Reiter- bildniss Theodorichs sprechen. Solche sind ja in grösserer An- zahl bezeugt in Italien wie in Deutschland, s. Müllenhoff^ Haupt's Zs. 12^ 323 ff., H. Grimm, Das Reiterstandbild des Theodorich zu Achen 1869. Bei dem von Agnellus 839 be- schriebenen von Ravenna würde die Erwähnung des Schildes auf der linken Schulter zu den altschwedischen Versen stimmen. Eingeritzte Reiterbildnisse kommen auch auf nordischen Grab- steinen vor, Stephens, Monuments I, 179, Möjebro in Schweden, II, 709, HabbUngbo in Goüand, III, 343 == I, 224, Tjängvide in Gotland.

Wenn in den Versen gesagt wird, Thiaurikr sitze auf dem Pferde, nicht Thiauriks Bild, so ist dies derselbe Sprach- gebrauch, nach welchem so oft Thorr oder der Name irgend eines Gottes fär dessen Statue gebraucht wird.

Die oben erwähnte Stelle von ,Deor's Klage' oder ,De8 Sängers Trost' in der Exeter Hs. (11. Jahrhundert) lautet: 18. Peodric ähte prüig wintra

Meeringa bürg: poßt w(B8 monegum cüp

pcB8 oferdode, pissea swä mceg.

Das kann, wie es hier steht, nur heissen: ,Theodorich hatte, besass durch dreissig Jahre die Stadt der Mseringer, das ist vielen bekannt. Das ist vorübergegangen. Dieses kann es ebenso.' Also Theodorichs Schicksal wird hier gleich dem der anderen erwähnten und folgenden Götter und Heroen als ein trauriges dargestellt, das aber, wie der Dichter sich zum Tröste sagt, auch vorübergegangen ist, vgl. peiora passi. Das Gedicht ist vielfach dunkel, so auch hier. Wenn dreissig Jahre Theodorichs als ein Beispiel von erlittenem Unglück angeführt werden, so ist es beinahe nothwendig, sie als die sagenhaften dreissig Jahre von Theodorichs Exil aufzufassen. Aber sonst lässt ihn die Sage diese Zeit bei Attila zubringen. Die Verse sind vielleicht unvollständig und verdorben, aber weder ne ähte (Ettmüller), noch 4ahte (von dahtan, ehtan ,persequi') gibt einen befriedigenden Sinn. Sicher ist nur, dass Theodorich zu dem Volke der Maeringer in Beziehung gebracht wird.

Wenn dies die M&rgothi des Notker'schen Prologs sind, so ist wahrscheinlich das unverstandene Tner in der Inschrift des Röksteins wie in dem angelsächsischen Gedicht als

Ueber die ostgothischo Heldensage. 17

altnord. mcerr, angelsächs. mcere aufgefasst worden. Im Alt- nordischen erscheint mceringr auch als Appellativum ,ein vor- nehmer, berühmter Mann'. In der Inschrift wäre diese Be- deutung aber wegen der Worte Piaurikr und Hreidmarar höchst unwahr scheinli ch .

Die Erklärung für diese Maeringer und Mergothi scheint mir ein Schriftsteller des 6. Jahrhunderts (nach Fabricius, Bibliotheca latina, 1754, IV, 272 circa 553) zu bieten. Liberatus, Breviarium causae Nestorianorum et Eutychianorum , ed. Gar- ncrius, Paris 1675, c. 18, S. 125: Eodem tempore Ellua coniunctus Leontio in Antiochia expugnatus a Valameriacia et qui cum eis erant coniuncti, et Leontius quidem perimitur, Ellus autem in castellum Papyrii fugit. Der Herausgeber erklärt Valameriacis S. 132: copiis nimirum Theodorici Ostrogothorum regis, qui dictus Valamer, Dass die Truppen Theodorichs gemeint sind, ist ganz zweifellos, da ältere Historiker die Unternehmung diesen zu- schreiben, 8. Tillemont, Hist. des emp. (1739) 6, 903; Gibbon* (1788) 4, 6flF. Und auch dass Theodorich Valamir genannt wurde, ist richtig, aber nur von lateinischen Schriftstellern, wie Marcellinus comes S. 933 ed. Migne^ Theodoricua cognomento Va- lamer, Chronicon universale Pertz, SS. 13, 10, und wohl nur durch ein Missverständniss des griechischen Ausdrucks BeuSepi^o; 6 OuaXiixepo;, wie z. B. bei Theophanes ed. Migne, S. 112, ed. Boor 1883, I, 130. Bei den Griechen galt ja Valamir für Theo- dorichs Vater und die Lateiner hielten OuaXapLspo; für den No- minativ, da man auch OuÄaiJi.Y;pc<;, BaXae{i.Y;poq BaXafAi^pou flectirte; MalchuB (ed. Bonn), S. 241. 244. 267.

Dass Theodorich sich eher der Truppen seines Vaters Theodemir bediente als seiner eigenen, ist zum Ueberfluss aus- drücklich bezeugt: Jordanes Getica c. 55, wo es von dem achtzehnjährigen Theodorich heisst, dass er ascitis certis ex satdlitibus patris gegen den Sarmaten Babai gezogen sei. Nach Auffassung der Griechen, welche Valamir für Theodorichs Vater hielten, sind das Valameriaci.

Durch seine griechische Ableitung erinnert dieser Name an die Honoriad bei Orosius §. 7, 40, 7 adversus hos Constan-

^ Gibbon bildet, wie es scheint, zu dem bezeugten Valamers tketj were caüed ein blos analogisches Triariem, S. 6, Anm. the THarian Gotha, SitBungsber. d. phil.-hiat. Gl. GXU. Bd. 8. Abli. 2

18 in. Abhandlung: Heinzel.

ünus Constantem flium cum harharis quibusdam, gut quon- dam in foedus recepti atque in militiam allecti Honoriaci voca- bantur, in Hispaniam misit. Wie mir College Bormann mittheilt, wurden Trappen oft nach dem genannt, der sie zusammen- gestellt hatte, und die alten Bezeichnungen der Parteien durch Pompeiani, Caesariani sind bekannt; s. die Alexandriani auf dem Mars-Thincsusstein. In Bezug auf Germanen ist vielleicht das erste Beispiel dieses Sprachgebrauches der regnum Vannianum. Andere Benennungen der Völker und Länder nach den Königen sind Amelungen von Amala flir Ostgothen, Hugones, Hügas für Franken, MtillenhoflF, Zeitschrift 12, 261, Gundbadingi von König Gundobadus für Burgunden, Pertz, Leges III, 503. 506; s. 504. 505, Carlingi und Kärlinge für Franzosen und Frankreich, s. Rtickert zu Thomasins Wälschem Gast V. 2468, S. 551, sogar bei Scandinaviern und im russischen Nestor, Lotharingi, Loiharingia.^

Die auffällige Erscheinung, dass sich für Bezeichnung der Ostgothen nicht der vollständige Name, sondern nur die Ab- leitung des zweiten Theils erhalten hat, Mderingas, Mceringar, Mergothi, hat seine Analogie in ,Thüringen* neben Hermundufi, in Barden neben Lango-Headobarden, während Hr&das neben Hrcbdgotan, Wederas neben Wedergiatas, Vesv^, Vesi neben Vid- gothi bei ApoUinaris Sidonius (ed. Sirmondi carm. V, 476, c. VII, 399. 431)2 aen ersten Theil bewahren.

Letzteren Vorgang könnte man in Bezug auf Valameriad vielleicht in dem Worte Walagoti sehen, mit dem gallische Franken des 6. Jahrhunderts die italienischen Ostgothen be- zeichneten, zum Unterschied von den Gothi, d. i. den spani-

^ Vgl. Hnon de Bordeaux S. 45 ed. Guessard et Grandmaison lea Amauris, S. 46 lea Huons, und im jüngeren Titurel heisst die Armee des Sultans die Soldan 3713, 1. 3715, 1. 3758, 1 (ed. Hahn).

' Bessel sagt mit Unrecht in seinem Artikel ,Gothen* bei Ersch und Gruber 149 b, dass auch Claudian diese Form habe. Das Gedicht de Laudibus oder Consulatu Stilichonis (XXI) 94 (ed. leep) hat die Stelle:

Quit enim Moesoa in plauatra feroces BepptdU. Moesos ist von Jeep für das überlieferte mysos, uisos, nistis eingesetzt, gewiss mit Recht; s. (XXVI) 165: QtiaUm Stilicho deiecerit hostem Tkraces Häemonü polerunt Moesique fateri, wo moesique, mesique von allen Hand- schriften überliefert ist.

Uebei* die ostgethiaclie Heldensage. 19

sehen Westgothen, in der Generatio regum et gentium, B. MüUenhoff; Abhandlungen der Berliner Akademie 1862, S. 536, Germania antiqua, S. 164, Alterthumskunde 2, 280, wenn nicht das Wehrgeld eines Römers bei den salischen Franken walaleodi hiesse, s. Lex Salica ed. Hesseis und Kern 41, 3 und Kern, §. 208, also wala in Walagotus wie in wala- leodi auf Wcdah, ,der Volke', ,Wälsche' gehen könnte. Die Gegenüberstellung von Gotvs und Walagotus mit der Bedeutung ,We8tgothen' und ,Ostgothen' wäre wie in Constantinus Porph., De admin. (ed. Bonn), S. 111, IcCfoiOot und Toxioi als ,West- gothen' und ,Ostgothen*.

Also an dem Volke Theodorichs haftete der Name seines berühmten Oheims Valamer, der an politischer Bedeutung seine Brüder Vidimir und Theodemir , den Vater Theodorichs, tiber- ragte, s. Jordanes Getica, c. 48 und 52. Eine der Formen des Volksnamens war wahrscheinlich got. Meringas, ahd. Mätinga,^ so gelangte er durch die germanischen Völker des Continents zu den Angelsachsen und Skandinaviern. In Italien und Deutsch- land ging er nach dem Untergange der Ostgothenherrschaft in Italien verloren. Eine andere Form des Namens Mergothi er- hielt sich wenigstens in Deutschland, aber wohl nur durch lite- rarische Vermittlung, sonst hätte sie bei den nichtgothischen Stämmen Märgoiki oder bei späterer Bekanntschaft mit dem Namen Miargothi lauten müssen.

Wenn daneben der Ländername Heran für Dalmatien, Croatien und Istrien, und zwar als Stammland der Ostgothen gebraucht wird, so ist für die Vorstellung wie fiir die Namens- form wohl die Einwanderung der Serben und Croaten wichtig gewesen. Nur an jenen Gebieten des Ostgothenreiches haftet der Name Mer in Meran, welche im Anfang des 7. Jahrhunderts slavische Bewohner erhalten haben, in Italien war er ja unter byzantinischer und langobardischer Herrschaft sinnlos, und die Endung an wird bei den Slaven mit Vorliebe zur Bildung von Völkemamen verwendet, wie unter Anderm die russische Benennung des finnischen Volkes der Mer zeigt, Merjane. Freundlicher Mittheilung Jagi6's verdanke ich die Notiz, dass

1 Woher Btammt der Name Mering Graff 2, 820?' Förstemann kennt ihn nur ans GrafF und belegt nur Maring.

2*

20 ni. Abhandlung: Heinzel.

sowohl einige Handschriften des Nestor, welche zu der von Miklosich herausgegebenen Laurentiusredaction gehören, Mer^ Jane statt des in der Laurentiushandschrift selbst üblichen Merja bieten, also auch der Hypatiustext, sub 862, abgesehen von Fällen wie na Merjachü oder Merjamü, welche ein Merjane voraussetzen können. Gerade bei diesem Volke haben wir allerdings auch eine wahrscheinlich germanische Bezeichnung mit einem n-Suffix, MerenSy Jordanes Getica, c. 23. Das wäre gothisch es ist von Ermanarichs Reich die Rede M^- Jans. Aber dieses -an ist westgermanisch -un oder -ow.

Die Entstehung des Namens Meran aber für das Gothen- land können wir uns nur so vorstellen, dass ein gothisches Merings ödes Merungs, im Plural -os, von den Slaven der adriati- schen Küste gehört, slavisirt, das ist mit der Endung -an statt -ing^ 'Ung versehen und zuerst zur Bezeichnung der Ostgothen dieser Gegenden, dann des nun slavisirten Landes derselben gebraucht wurde; später muss es von den Slovenen, welche ja noch vor den Serbochroaten die Wanderung nach dem Süden unter- nommen und sich in Kärnten, Steiermark, Krain und Istrien niedergelassen hatten, Zeuss 616 ff., übernommen und erst Ende des 9. Jahrhunderts oder später den Deutschen, d. i. den Baiern, vermittelt worden sein, vorher wäre e zu ea, ia, ie geworden. Zu ä konnte es nach dem 4. Jahrhundert ja nur mehr werden, wenn man die Etymologie des Wortes erkannte, oder bei Namen, wenn ein gleichlautender, nur mit d statt e voca- lisirter im Hochdeutschen vorlag, wie Piudimers-Diotmär. Die Baiern fassten das Wort Merane dann als Ländernamen und fügten zur Bildung des betreffenden Völkernamens das Suffix 'äri hinzu, Meranäre, was einerseits gegenwärtige Bewohner des genannten Küstenstriches, andererseits das Volk bezeichnen konnte, das aus diesem Küstenstrich als seinem Stammsitz nach Italien gezogen sei. Das e in Mer müssen die Slaven noch von Gothen selbst gehört und es bewahrt haben, wie z. B. in lekarl g. Wceis. Das ist ja wohl möglich, da Dalmatien nicht nur zum Ostgothenreich gehörte, sondern Ostgothen auch da- selbst wohnten; Cassiodor Varia 1, 40 (Salonüanimilites) ^Frokof, Bell. goth. ed. Bonn. S. 26. 585; Hist. arcana ed. Bonn. S. 108; Schafarik, AlterthüI^er 2, 238. Ja es wäre auch möglich, dass der Ortsname M&irane^ Merani bei Belograd, südlich von Zara

üeber di« os^^othische Heldensage. 21

(Spruner; Handatlas Nr. 22. 74) sich auf sie bezöge; s. Eukuljevi6, Codex diplom. regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae I, Nr. CXCIII a. 1075-76, S. 156, II, Nr. CLXXI a. 1182, S. 124, Nr. CXCII a. 1188, Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium Bd. 7, Nr. 91, S. 109, Nr. 109, S. 126, Nr. 133, S. 164. Doch ist das sehr unsicher, denn es gibt noch ein anderes Merane auf altslavischem Boden, Merane im sächsischen Amt Glauchau bei Zwickau, südlich von Leipzig, im Land der Plisni (Spruner, Handatlas Nr. 39, 31). In der ältesten Erwähnung heisst der Ort Mer, Vielleicht liegt für das sächsische wie für das dalma- tinische eine slavische Wurzel zu Grunde. Vgl. die Merehani auf der slavischen Völkertafel von St. Emmeran, welche nicht die ebenda genannten Mährer, Marhavii, sein können, Zeuss 600. 640. Dass die gleichen Völkernamen mitunter im Lande östlich von der Elbe und im Süden vorkommen, ist bekannt. Natür- lich dürfte man den deutschen Ländernamen Meran noch weniger von diesem dalmatinischen Meran ableiten, als von den obenerwähnten Mariani, Maronia, Primorje.

Eine andere Erinnerung an die Ostgothen in diesen Ge- genden könnte man in dem Volke der Guduscani bei Einhart und in der croatischen Landschaft Gutzeka finden, welche Con- stantinus Porphyrogenitus erwähnt. Zeuss, Die Deutschen 590 f.. Spruner, Handatlas, Nr. 20. Aber Namen auf slavischem Ge- biet, die an Goten anklingen, finden sich auch sonst, Gottschee,^ slov. Hoö^vje, ein paar andere Hoöövje, Götenitz, Gutenfeld (slov. Dobrepolje), Gotna vas in Krain, Gotsch, Gotschow in Serbien; s. Schafarik, Alterthümer 2, 298, Schröer in den Wiener Sitzungsberichten 60, 179.

Ganz aus dem Spiele bleiben muss bei Erklärung des Ländernamens Meran der tirolische Ortsname Meran im Etsch- thal. Die älteste Namensform ist Mairania, wie Holtzmann nachgewiesen hat, Wolfdietrich LXXXVII, aus einer im Ori- ginal erhaltenen Urkunde Ludwigs des Deutschen von 857, Eichhorn, Codex probationum, S. 19, hinter seinem Episcopatus

1 Sollte der räthselhafte Name ,Mererin' in einer GotscheeiBchen Ballade eine Bewohnerin des Landes Meran bezeichnen? S. Schröer, Germania 14, 323. Es wird zwar in Gottschee als ,Bewobnerin der Meeresküste* ver- standen, das Wort kommt aber sonst in der Sprache nicht vor.

22 in« Abhandlung: Heinzel.

Curiensis in volle tridentina in loco qui dicitur Mairania, ß. Mühlbacher, Regesten, S. 545. Oesterley, der diese Urkunde nicht verwerthet hat, verzeichnet in seinem Geographisch-histo- rischen Wörterbuch ausserdem Merania, Meronia, Merona\ Ma- rania, Merane. Nach Steub, Zur rhätischen Ethnologie, S. 195, Zur Namen- und Landeskunde, S. 25, ist der Name rhätisch.^ Da der Name des Landes M^ran an das auch slavische Mähren erinnerte, so finden sich frühzeitig Uebertragungen des Namens für Mähren auf das südliche Land. Die Andechser Grafen werden statt duces Meraniae auch dtices Moraviae ge- nannt, Pertz, Scriptores 19, 82, 9. 358, 37. Ebenso wechseln die Handschriften der sächsischen Weltchronik, s. Weiland, Deutsche Chroniken 3, 89, 25. 112, 50. 159, 30 in Betreff des Landes an der adriatischen Küste zwischen Meran und Mehren, Merern, Merheren, Moravia. Köditz von Salfeld übersetzt in seinem ,Leben des heiligen Ludwig', ed. Rückert, 35, 5 diLX Meranie durch der herzöge von Merern^ s. Rückert, Anm., S. 120, umgekehrt heisst es im Lohengrin V. 2570 (= Str. 257, 10) Meran, während Mähren gemeint ist, s. Rückert zu der Stelle. Dadurch ist es auch zu erklären, dass selbst das tirolische Meran mitunter Moravia oier Moravium genannt wird, s. Oesterley im Historisch-geographischen Wörterbuch.

1 Wenn anch Rhätien zu Theodorichs Reich gehörte und Meran ein alt- gothisches Land bezeichnet, so geht es doch nicht an, in dem Namen einen Beweis für die gothische Herkunft des tirolischen Meran zu sehen. Denn wie wäre das slavische Suffix ins Etschthal gelangt? Es bleibt für die beliebte Annahme (s. Steub, Herbsttage 159 ; Dahn, Bau- steine, dritte Folge, S. 200) also nur das von Busson geltend gemachte Argument der Ktfrpergestalt, welche bei den Bewohnern des Burggrafen- amts sehr mit der Beschreibung übereinstimmen soll, die Eunapius im 4. Jahrhundert von den Gothen gibt, ed. Bonn, S. 47. SiaancCpoc oSv auTouf xaTOc xo^ iz6k&/i h ahh\ua xaTEt^e «ppoupa xal xaTo^ptfvTjOiv Ivenoierto ioi( 6£(jt)(j.lvoi( auTciSv xa <7u>(xaxa Tcpo^ xe |ji7)xo( o^^perov IXauvo(jLEva xat ßapuxep« xoT? Äoat, xaxot xe xb (jilaov SiEa^iYjilva, f^^zsp ^rjjiv 'ApiaxoxIX»]? xa Ivxojjia. Der letzterwähnte Umstand, die Wespentaille, soll sich verloren haben; Busson im ,Tiroler Boten* 1884, Extrabeilage Nr. 232. Seltsam miss- verstanden ist die Stelle von Gibbon 4, 271 (Leipzig) und auf seine Autorität hin von Anderen: they (die Gothen) were tau of stature, but their leg» were clumsy and their Shoulder» narrow. Also gerade das Gegen- theil von dem, was Eunapius sagt.

Ueber die ottgothische Heldenaage. 23

Ebenso wie die Slaven hier einen germanischen Kamen mit dem Suffix -an versehen, scheinen sie es auch mit dem Namen Mauringay den Paulus Diaconus I, 11, 13 überliefert hat, gemacht zu haben. Die Form Maurunganiy welche der Geograph von Ravenna bietet, kann kaum anders erklärt werden. Zu Grunde liegt das deutsche Patronymicum Mauruiig, Mauring, das in Personen- und Ortsnamen sehr häufig vor- kommt. Dass der Name dieses Landes ein slavisches Suffix verwendet und nach slavischem Brauch ein Plurale tantum ist, erklärt sich aus dem Umstand, dass das ganze ursprünglich germanische Gebiet östlich von der Elbe, welche nach dem Geographen von Ravenna zu seiner Zeit patria Albü, früher antiquitus Maurungani genannt wurde, seit dem 6. Jahrhundert von Slaven bewohnt war. S. die Ausgabe von Pinder und Parthey, S. 27, cuius (sc. Northmanorum patria, Dania), ad frontem (d. h. südlich) Alpes vel patria Albis Maurungani anti- quitus dicebatur. In dem Satze S. 213 patriuy quae dicitur Albis ungani ist wahrscheinlich nach Albis: vel Maur ausgefallen. Die Nachrichten sind gewiss sehr alt. Bei Paulus handelt es sich um die ersten Schicksale der Langobarden nach dem Aus- zug in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, und der Geo- graph von Ravenna, der im 7. Jahrhundert schrieb, sagt aus- drücklich, jetzt heisse das Land östlich von der Elbe nicht mehr Mawrungani, wahrscheinlich war ihm hiefiir der gothische ,Philo- soph' Marcusmirus Gewährsmann, der nach S. 213 über die patria Albis geschrieben hat. Er muss aber noch viel älter sein, als diese Zeugnisse ergeben, wenn, wie MüUenhoff, Alterthumskunde 2, 97, meint, der Name einst als Spottname fllr die dichtgedrängte germanische Bevölkerung im Osten der Elbe verwendet wurde, in der man einen Ameisenhaufen sah, altnordisch maurr, ,die Ameise^ Dr. Detter vergleicht hiemit die Myrmidonen. Dann müBste er mindestens im 2. Jahrhundert nach Christus schon existirt haben, bevor die Auswanderung nach dem Südosten begann. Für die Annahme, dass es ein Spottname war, spricht, dass er so selten vorkommt, und nur in nationalen Quellen, wenn die Vermuthung über Marcusmirus richtig ist und dieser Gelehrte wirklich existirt hat. Aber die etymologische Deutung ist nicht sehr wahrscheinlich wegen der häufigen mit Maur-, Mar- gebildeten Personennamen und der vielen Orte Morungen,

24 ni. Abhandlnn^: Heinzel.

Moringen, Möringen, in verschiedenen Gebieten Deutschlands. Vielleicht wurde der lateinische Volksname Maurus und das gleichlautende Adjectiv früh im Germanischen bekannt, ahd. Mdr, Mori und in der Bedeutung ,schwarz, dunkel von Haut* verwendet, s. mhd. moßre und more von Pferden und Schweinen. Da nun unter den östlich von der Elbe lebenden Germanen den Bur- gundionen Abstammung von den Römern, suholes romana, zu- geschrieben wurde, Ammianus Marcellinus 28, 5, 11,^ so waren einige von ihnen vielleicht von dunklerer Hautfarbe als die westlichen Völker und wurden deshalb scherzweise Mohren genannt.

Was aber der Name Maurunga auch bedeutet haben mag, so musste er, wenn er für das genannte Gebiet feststand, den Slaven bekannt werden, als sie in dasselbe einrückten, und sie versahen ihn wieder mit dem beliebten Suffix, gerade wie sie aus Silingen Slezane machten. Die Form Mauringj mit i statt u im Suffix, hätte Morezane ergeben. Es könnte nicht aufiallen, wenn man dem Namen östlich der Elbe begegnete: aber die Völkchen der Morizani am Müritzsee und der Morazeni, östlich von Magdeburg, dürfen nicht als Beleg dafür gelten, da in deren Namen das z, wie die urkundHchen Schreibungen mit c und tz, Zeuss, Die Deutschen, S. 653, und Schafarik, Alterthümer 2, 584, lehren, c oder 6 bedeutet und Mora6 und Mora^ auch bei den Südslaven Fluss- und Städtenamen sind, s. Schafarik^ Alterthümer 2, 249. 265. Aber eine Spur der Anwendung des Namens Maurungani auf die Slaven gibt folgende Notiz. Das Chronicon imperatorum et pontificum bavaricum, wahrscheinlich von einem Slaven zu Ende des 13. Jahrhunderts geschrieben, Pertz, SS. 24, 221, bringt zunächst eine merkwürdige Grup- pirung der Völker, in der ebenso die Abstammung von Sem, Cham, Japhet, als die Articulation beim Sprechen als Ein- theilungsgrund verwendet wird: Filii Sem loquuntur in gutture, ut Chaldei et Hebrei, filii Cham in palato, ut Butheni et Slavi, filii Japhet ad dentes verba promunt et premunt, ut Älemanni et

^ Das ist jedenfalls etwas Anderes, als wenn die Burgunder bei Orosius 7, 32, 11 ff. als römische Miethsoldaten in hurgis gelebt haben sollen. Gleichwohl erklärt Jahn, Geschichte der Burgundionen 1, 9. 60, die Nachricht des Ammianus durch die des Orosius.

üeber die ostgothisclie HeldenMge. 25

GaUiA Femer: Mauritani, id est omne genus Slavorum, et Matiri, id est Eihiopes, filii sunt Cham, Erfanden kann dies nicht sein. Der Verfasser des Chronicon oder sein Gewährsmann wird er- fahren haben, dass die Slaven mit einem Volke, in dessen Namen die Silbe Maur oder Mdr vorkam, in Beziehung gebracht wurden. Das führte auf die Mauren und Aethiopier, Afrikaner, die als Chamiten aufgefasst wurden, die Afrikaner und Phö- nicier speciell als Abkömmlinge des Chanaan, eines Sohnes Chams, Chronicon paschale ed. Bonn, P. 28. Damit mag die Nachricht in Zusammenhang stehen, dass die Slaven von Chanaan stammen; Borchartus Phalec, Geographia sacra in Opera omnia 1, 461 (1712): Josephus quidam Ben-Gorson, vhi de Sclavis a nonnullis asseri tradit eos esse e fiUis Chanaan. Man erinnert sich auch, dass in der französischen und deutschen Poesie des 11., 12. und 13. Jahrhimderts Heiden der Vorzeit, mochten sie auch Dänen oder Norweger gewesen sein, für Saracenen galten. Der Name Myrgingas, welchen das angel- sächsische Widsidhlied, und nur dieses, auch für ein Land öst- lich der Elbe braucht, ist lautlich mit Maurungani, Mav/ringa^ nicht in Einklang zu bringen, das erste g macht unüberwind- liche Schwierigkeiten, die Möller, Das altenglische Volksepos, S. 28, nicht behebt; s. OsthoflF, Paul-Braune, Beiträge 8, 256 flF., 280; Brugmann, Grundriss 1, 332. Es ist vielleicht der Name Maurung mit dem tn^-Suffix, Mauring von den Angelsachsen zu MiSring umgelautet und volksetymologisch zu mirige ,merry' gestellt worden, und der von den besungenen Begebenheiten zeitlich und räumlich weit entfernte Dichter hielt das Volk, da es in Deutschland lebte, für Deutsche, und da es östlich der Elbe lebte, für Sueben V. 42flF., ja er macht sogar den Helden des Gedichtes, den in erster Person sprechenden Sänger,

1 Als Parallele dazu theilt mir Dr. M. H. Jellinek folgende Stelle aus der Handschrift der Wiener Hofbibliothek 2732 mit: Fol. 177a ,anhelanlia »triderUiaque verba* (Hieronymus in Danlelem praefatio) .i. quasi ankeUtu et alndore wnantia, Nam Hebrei et Chaldei in gutture loquurUur, Oreci in paltUo, LcUini in labiis, und weist als Quelle nach Isidorus Origines IX, 1, 8 Omne» autejn orieiüia gentes in gutture Unguam et verba colliduntj sicut Hebraei et Sgri, Omnes meditetraneae gentes in p<U€Uo sermonem feriunt, sicut Qraeci et Asiani, Omnes occidentis gentes verba in dentibus frangunt sicut Itali et Hispam,

26 n'> Abhandloüg: Heinzel.

ZU einem Angehörigen dieses Volkes. Uebrigens ist uns gerade von den Ostseeslaven bezeugt, dass sie wie die Germanen s. ausser Swemmel, Werbel, Horant, Isungr (Thidhrekssaga c. 140) und denen im Rother, Salman und Morolf, St. Oswald auch Jatgeirr Snorra Edda III, 675 Spielleute als Gesandte verwendeten; Theophylactus Simocatta erzählt, bei Photius ed. Migne 30^ xspt Tci)v Tpiwv ZxXocßYjviov twv xiOapaq 6::t^epo|jt.£V<i)v ol ex TÖv [xepwv Tou 'QxsavoO IXe^ov xpb? tov ^^aYavov direoraAOat ol tmli 6V69av(a6T;ffai Maupixiw iw ßaaiXei.

Der Ländername Maurungani veraltete früh und kommt nach dem Geographen von Ravenna und Paulus Diaconus nicht mehr vor, wenn er nicht vielleicht in Momaland Oddrunargratr Str. 1 steckt.

Einen ähnlichen Ursprung wie Meran, Meranare fUr Ost- gothen und Ostgothenland möchte ich für den gleichbedeuten- den Namen angels. Hredgotan und Bredas, Hrobdas, Hredcyning, altn. Hreidgotar, Reidgotar vermuthen. MüUenhoff hat in der Zeitschrift 12, 259 ff. darauf hingewiesen, dass die angelsäch- sischen und altnordischen Formen sich im Vocal nicht ent- sprechen, man müsste entweder im Angelsächsischen Hrddgotan, Hrddds, Hrcedgotan, Hrcedas oder im Altnordischen Hrödgotar erwarten. Er vermuthet, dass im Altnordischen die echte Form erhalten sei, da im Hochdeutschen ein hreid- als erstes Glied von Eigennamen vorkomme. Er setzt also ein hd. Hreidgozun vor- aus, welcher auf ein gothisches Hraipgutans zurückginge.

Da Radagais jedenfalls mit gothischen Völkern aus Pan- nonien nach Italien zog, Pallmann, Geschichte der Völker- wanderung I, 232. 248, so sollte man erwarten, dass wenigstens hie und da die gothische Form Redagais auftauchte, wenn der Name mit althd. -rat (consilium) zusammenhing. Da aber nur Radagaisus und ToBoYaiVoq (Zosimus ed. Bonn., S. 283, Olympio- dor ed. Bonn, S. 450) vorkommt, so ist der erste Bestandtheil des Namens als althd. hrad- (celer) anzunehmen; s. Förstemann, Namenbuch I, 710. 998 f.

Nehmen wir nach Analogie von MergotM an, dass die Gothen des Radagais auch HradagutanSy und nach Analogie von Visi für Visigothi, dass sie auch Hrados genannt wurden, so liesse sich Mehreres erklären. Ein Name wie Hradagutans,

lieber die osigothische Heldensage. 27

Hradagozun oder ein ähnlicher ist für kein Gothenvolk tiber- liefert, wohl aber erscheint der Singular als Personenname, Ratgozza, ein Frauenname, Förstemann 1, 999, und in mascu- liner Form der des berühmten Kadagais bei König Aelfred in seinen Uebersetzungen des Boethius und des Orosius: Rcedgota, Rcedgot; s. Boethius ed. Fox (1864) c. 1, Orosius ed. Bosworth (1859), VI. Buch. Cap. 37, S. 132, Aelfreds Metra, die versi- ficirte Einleitung zu Boethius Grein Bibliothek n, S. 295, Metr. I, 7, 19. Die Allitteration zeigt anlautendes r, nicht hr, das Wort reimt auf rtce und Rom. Der Prolog zu Boethius scheint eine Originalarbeit des Königs zu sein, wenn sie auch eine gewisse Aehnlichkeit mit Notkers Prolog zu demselben Werke zeigt, s. oben S. 12, Leicht, Anglia 7, 189, und eine Ecedgota entsprechende Form kommt in den Handschriften des lateinischen Orosius nicht vor, s. Zangemeister zu 1. VII, c. 37, 4. 12. 13. Es wäre schwer zu verstehen, warum Alfred den Namen Radagais geändert hätte, wenn ihm nicht von einem Volke der Rsedgothen, über das jener Fürst herrschte, Kunde zugekommen wäre. Und gerade bei den Angelsachsen sind Hredgotan und HredaSj Hr&das, HrMcyning bekannte Namen fUr Gothen und ihre Fürsten. Es scheinen nur verschiedene volksetymologische Umdeutungen vor sich gegangen zu sein. König Alfred dachte bei dem Namen des Mannes wahrschein- lich an rced (consilium), die anderen englischen Schriftsteller bei dem Namen des Volkes an hred (Gloria), s. die Form ToBiYaVco;, die vielleicht mit germ. hrojyeigs (gloriosus), altnord. hrödr (gloria) zusammenhängt. Hrcbdaa ergab sich als eine Com- promissform. üebrigens schwankt gerade im altd. und angels. hrcede (celer) die Aussprache zwischen hr und r und zwischen d und d; s. Sievers' Gramm. §. 217, Anm. 1. Siehe auch hrchd- w&en und rcedwcen fiir althd. reitwagan. Wenn die Scandinavier zunächst Hreidgofar bilden, so liegt wohl noch die richtige angelsächsische Form Hrcedgoian zu Grunde, die aber schon mit Hredgotan und Hrdbdas wechselte, so dass sie cb in Hrcbd- gotan als langes ob fassten und durch ei wiedergaben, nicht durch a, obwohl hradr, hrad (celer) im Nordischen ein ganz gewöhnliches Adjectiv ist, veranlasst durch Gleichungen, wie angels. dM = altn. deila, angels. hobl = altn. heill, angels. hcelan ^= altn. heila. Später warfen die Scandinavier das anlautende

2b III. Abhandlimg : Heinzel.

Ä ab die Isländer vielleicht nach dem Vorgang der Norweger and Dänen, s. Bugge, Studien 564, Anm. Noreen, Grammatik §. 212 und verstanden das Wort als ,Wagengothen^ in einem seltsamen Gegensatz zu eygotar, ,Inselgothen^

Kern versucht in den Taalkundigen bijdragen 1, 29 flF. die lautliche und ideelle Verwandtschaft von angels. Iir6d (gloria) und hreid' in dem altn. Hreid-, Reidgotar darzuthun. Aber ein Appellativum hraip, hraid ist ganz unbekannt, und wenn der Name bei den Gothen oder ihren Nachbarn entstand, wie Kern annimmt S. 44, und zunächst ,soevereine Goten* bedeutete, dann aber zu einer in der Poesie üblichen aber nur ethno- graphischen Bezeichnung der Gothen wurde, so ist es sehr un- wahrscheinlich, dass man dafür zwei Synonyma hrdp- und hraip- verwendete, von denen das erste den Angelsachsen, das andere den Scandinaviem bekannt geworden wäre. Die Scandinavier werden den Namen dieses südländischen Volkes wohl, wie so viele andere aus dem Süden, zuerst von den Angelsachsen gehört haben.

Der ganze Name der Hradgothen, d. i. der Gothen der Hra- dagais, könnte in der öechischen * Bezeichnung für Oesterreich und das Volk von Oesterreich vorliegen, RaMsy, Rakousy, Ra- kuSane, Wenn der Name Hrapagutans zur Zeit der Züge Alarichs und Radagais' aufkam, so konnte er zunächst bei den Ostgothen, Rügen und Langobarden Pannoniens im 5. Jahrhundert sich er- halten haben, von hier aus zu den Baiem in Böhmen gelangt sein, welche nach ihrem Auszuge aus Böhmen im 6. Jahrhundert Nachbarn der Cechen wurden. Bei den Baiern musste der Name

1 Nur die Cechen haben diese Bezeichnung für Oesterreich von Alters her, von ihnen haben sie polnische Schriftsteller des 16. Jahrhunderts übernommen und vielleicht slovenische des 19. Nur durch letztere Annahme erklart sich Schmeller's Mittheilung, Bairisches Wörterbuch 1, 170^, dass auch die Slovenen die Ausdrücke Rakushaniz, Eaktuhansho, Eakushanya für Oesterreicher und Oesterreich brauchen. Nach Miklo- sich und Jagiö sind diese Worte der slovenischen Volkssprache ganz fremd. Ragusa, auf das Schmeller verweist, ist bei Seite zu lassen, da die alten Aufzeichnangen uns die Schreibung mit g oder ohne jeden Guttural in der Mitte bieten 'Paoumov, Raunum, nur in späterer Zeit hie und da Racimum.

tJeber die ostgothiscbe Holdensage. 29

Hradagoza werden, aus dem die Öechen wohl ein RoMsy, Ra- kuäane bilden konnten. Siehe in Bezug auf a öechisch kalich, (calix, Kelch), |>ancef (,Panzer'), pard (,PardeP), raky (lat. arca), sak (,Sack'), saS (»Sachse*), faSka (,Fas8*), in Bezug auf ou, ü : öech. ftotif e, alt bü^a (ßopea?), iiücoust (inchiostro), Sondern (oblique), wenn Matzenauer, Cizi slova, S. 330, es mit Recht von dem mhd. achor ableitet (f. ,Schaufel', m. ^Felszacke*); vgl. halousy, balüsy aus mag. haguaz (mystax), covk aus mhd. zuc, koukati aus mhd. nhd. gucken,

Müllenhoffs Versuch, das öechische Wort fUr Oesterreich von den pannonischen 'PoxciTai abzuleiten, Alterthumskunde 2, 331, scheint mir nicht gelungen. Er geht von dem alten Namen flir Raabs an der Thaya aus, Rakouz a. 1100, später im 12. Jahrhundert Rakez-iz, Rachez, flectirt Rachze, Rakze, Ragicze, Ragacz, Er fasst z trotz cz in den letztgenannten Fällen als tonloses « und sieht in dem Ortsnamen den Namen des Volkes, in einer Gestalt, welche die zweite Lautverschiebung voraus- setzt. Aber warum wurde k nicht verschoben? Wenn auch die Verschiebung des t zn z etwas älter ist als die des k zu A, s. Franz, Die lateinisch - romanischen Elemente im Althoch- deutschen S. 33, so wäre nicht zu begreifen, warum die Cechen bei der zuerst gehörten Form Raküsy stehen blieben, sie nicht später zu RaMsy umbildeten. Müllenhoff will dieser Schwierig- keit S. 96 durch Hinweis auf germ. aqizi, ,Axt', germ. naqaps, ,nackt' begegnen, aber hier ist Schärfung durch w eingetreten, nach welcher die zweite Lautverschiebung nicht k, sondern kk vorfand. Auch steht das zweite a in TaxacTat und TaxaTp{at von dem böhmischen u, ü, ou weit ab. Dazu kommt, dass, wie Jagi6 gewiss richtig bemerkt, die alten Namensformen von Raabs gar nicht auf Raküs, Rakous als Urform zurückdeuten, sondern vielmehr auf ein Rakovec; s. die Schreibungen mit cz, während ein altes Raküs, Rakous ein modernes Rakaus nicht ,Raabs^ erwarten lasse. Die Form ,Raabs^ ist allerdings auch dunkel.

Eine andere Vorstellung über Theodorichs und seiner Ostgothen Heimat findet sich in dem oben citirten Chronicon imperatorum et pontificum bavaricum (Ende 13. Jahrhundert) SS. 24, 222: Iste (Valens) Gvlßlam Arrianum in ynscopum Goihis misü, id est Bawaris tarn in Hispanüs quam in Germania

30 ni. Abhandlung: Hein sei.

constitutia. Dieser Ulphilas tibersetzt die Bibel ins Gothische. Et quia illo in tempore Latini dtptongis ae, oe, au, eu utebantur etiam ipsos diptongos in gothicum traduxit ydioma, et ideo contra omnium filiorum Japhet consuetvdlnem eis usqae hodie Bawari utuntur, unde a sono ydiomatis distorti et morum barbarie nomen Bawarwm acceperunt, ex qtiorum stirpe ftut Theodoricus de Beme, ArrianuSy et frater eius Ermelricus, rex Hispanie vel Gothie. Theodorich selbst aber wird im Chronicon auch rex Oysego- thorum genannt.

Es scheint nach dem Angeführten, dass der Verfasser alle Baiem für Gothen hält, verwandt den spanischen Gothen und fLLr beide Gothenstämme habe Ulphilas geschrieben. Die spa- nisch-aquitanischen aber kamen nach ihm auch nach Baiem, von Chlodwig vertrieben, und siedelten sich im Osten an, australes Bavaros. Zu diesen gehören auch die Stirii, Camicii, Creii.

Die Auffassung des Ermanarich als spanischen Königs und die Abstammung des Theodorich von spanischen West- gothen hängt gewiss mit der grossen politischen Stellung Theo- dorichs in Spanien seit 511 zusammen, die factisch eine könig- liche Herrschaft war; s. Dahn, Könige der Germanen 2, 151 f. So wird Theodorich der Ostgothe ja geradezu als spanischer König bezeichnet von Isidor (7. Jahrhundert) in der Historia Gothorum, Opera omnia, Rom 1803, VII, 119, c. 36—39 und von Theophanes (9. Jahrhundert); letzterer hält allerdings auch Amalasvintha fUr dieses Theodorichs Frau, Theophanes ed. Boor I, 187, 11. 190, 6.

Dass die Baiem Ostgothen seien, glaubt auch Bernardus Cremifanensis (Noricus), der zwischen 1321 und 1325 schrieb. Er sagt, Pertz, SS. 25, 663, Karl der Grosse habe Pannonien unterworfen von der Enns bis zum Flusse Raben, cum eis- dem Oatrogothia, qui ülic habitahant, et eam addidit Wawa- riae regioni, Inv6nitur nempe in historüs, quod dux Watoarie non aolum prindpes Ostrogocie sed etiam Istrie, Styrie et Chamhie aubditoa possidebat.^ Austria wird sogar Ostrogocia genannt

> Dieser Satz beruht, wie die Aasgabe angibt, auf Hermanni Altahensis Annales (Mitte des 13. Jahrhunderts) SS. 17, 382: nam huc usque (vor 1166) quatuor marchiones : Ätutrie et Styrie, Tstrie et Chambenais, qui dice- batur de Vokburch euocaU ad celebrationem cu7*te ducia Bawarie uemebant, 8ieut hodie epi$eopi et eomitet ipsitu terrae faeere tenentur.

Ueber die OBt^othische Heldensage. 31

und davon abgeleitet 640. 658, Götwich (Göttweih) als dms Gothorum erklärt.

Und Froumund von Tegernsee drückt die Beziehung zwi- schen Theodorich und Baiem dadurch aus, dass er eine Anek- dote, welche Fredegar von Theodorich, den er Macedo nennt, unter dem seine Quelle aber offenbar den Ostgothen verstanden hatte, mittheilt, von demBaiemherzogTheodo erzählt; s. J.Gfrimm, Reinhart Fuchs LI f., Müllenhoff, Zeitschrift 6, 451.

In der poetisch behandelten Heldensage finden wir die Vorstellung bei Heinrich dem Vogler, Dietrichs Ahnen und Flucht 2429 ff. König Amelung theilt sein Reich unter seine drei Söhne Ermrich, Diether, Ditmar.

Dd gap er Ermrtche

PfiUen gewalticlichej

Oälaber und Wernherea marke, 2436 Dd gap er Brisache

unde Beiem daz lani

Diether dem uAgant.

D8 gap er dem künege Dietmar 2440 Lamparten aüez gar,

Rcßmich erde unde Isterrich,

daz ez im diende gewaltidich,

Frtül slehte Ub&r al

und dar zuo daz Intal, Dieser Dietmar ist der Vater Theodorichs, wie in der Geschichte. Und an geschichtliche Verhältnisse erinnert diese Reichstheilung und Bruderherrschaft über ein Gebiet, das auch Baiem umfasste, allerdings. Ich meine an die Herrschaft der drei Brüder Valamir, Vidimir, Theodemir, des Vaters des Theodorich, in Pannonien, Jordanes Getica, c. 52. Ob auch bei den obengenannten Historikern eine Erinnerung an diese alte Gothenherrschaft auf bairischem Gebiet zu Grunde liegt, oder an die Herrschaft Theodorichs über Rhätien und Noricum, oder blosse Combination der Namen Avstrasia, Austria, Ostar- richi mit dem Namen der Ostrogothen, lasse ich dahingestellt. Eine Erinnerung an die Dreibrüderherrschaft möchte ich aber in den Pegauer Annalen (12. Jahrhundert) Pertz, SS. 16, 234, sehen: Emdricus, rex Teutoniae, comitem Ditmarum Verdu- nenaem (1. Veronensem, W. Grimm, Hs. 49 1) et Herlibonem

32 ni. Abhandlang: Heinsei.

Brandenburgensem fratrea liabuit, Ermanarich und Dietmar stimmen zui Dietrichs Flucht.

Auf Heldensage geht wohl auch die Regensburger Glosse (12. Jahrhundert) Amelunge Baier zurück, Zeitschrift 12, 415, ß. W. Müller, Mythologie der Heldensage, S. 151, während die Glossirung von Istria durch Beigira in den Merseburger Glossen Germania 2, 91. 92, gelehrte Etymologie ist Ister Danubius, der bairische Fluss , zugleich aber die Auffassung der Gothen als Baiern stützt, da das eigentliche illyrische Istrien, als ein Theil von Meran, zu dem alten Gothenlande der Sage gehört; s. oben S. 9.

Bei Anderen ist Theodorichs Heimat Italien. Der älteste Gewährsmann für diese Nachricht ist Fredegar, Canisius anti- quae lect. I, 2, G51 ff., Canisius-Basnage II, 188, doch wird das betreflfende Stück in einer verstümmelten Handschrift Gesta Theoderici genannt und von Fredegar getrennt, s. Mone's An- zeiger für Kunde des Mittelalters IV (1835), 14. Temporibus imperaioris Honorii regnum Gothorum po8t captam Romam bifaria diuisione partitur: et qui in Italia consederunt, ditioni imperii ae tradunt; reliqui Aquitania provincia, ciuitats Tolosa eligentes sedem, regem eligunt AtauLfum; postea, td supra gesta conßrmant, a Gothis regnatum est. In his uero, qui in Italia considentes, Romano pertinebant imperio (hier mitten im Satze beginnt bei Basnage das 8. Capitel mit der üeberschrift Theoderici natiuitas) Theodericus natione Macedo permissu Leonis imperatoris prind- patum assvmpsit, sicut huius libri gesta testantur, Nam Hie aUtis Theodericus, regis filius, natione Gothus fuit, Natiuitas Theo- derici regis ex gente Macedonum ita fait. Qui in Ytalia Gothis et Romanis regnavit, Idadus paJbricius et vacor eixts Eugenia habebant in ministerio creditorium sibi puerum nomine Theo- dorum et puellam nomine Liliam, Diese freigelassenen Sclaven von macedonischer Abkunft sind die EHtern Theodorichs. Da Idacius und Eugenia kinderlos sind, adoptiren sie Theo- dorich. Dieser zeichnet sich in byzantinischen Kriegsdiensten aus, unter Kaiser Leo, und gewinnt die Freundschaft des klugen Senators Ptolemäus und die Gunst des Kaisers. Gothi postquam Romam uastauerunt, et terram Italiae possederunt, se diHoni imperatoris Leonis spontanei tradiderunt . . , ab Odoagro

Ueber die ostgothisolie Heldenwge. 33

rege et Erolia et reUquis uicinis gentUms aeeidue uastarentWf per legaios Leonem impercUorem postulaiterunt, ut Theödericum eis institueret pcUricium, ut per ipeum aduersariis reeüterent, Quod Leo Imperator dementer annuene, cum conseTiau senattM Theo- d&i'icma Romam direxit: qui a Romanis seu Gothü patriciatue honore suscepttLs est, et cum Herolü plurima praelia geseit. Dem- nach sind trotz der ausdrücklichen Scheidung des macedoni- sehen und des ostgothischen Theodorich die Thaten des letzteren auf den ersteren übertragen. In dem macedonischen Theodorich, von dem die Geschichte seiner Erzeugung, Geburt, Kindheit und Jugend erzählt wird, vermuthet Mone mit vieler Wahr- scheinlichkeit Theodorich, den Sohn des Triarius, den Neben- buhler des jungen Theodorich. In Bezug auf Ptolemäus passen die Umstände auf beide Theodoriche, da beide vor der Hinter- list des byzantinischen Hofes sich zu scheuen Ursache hatten. J. Grimm nimmt im Reinhard Fuchs XLIX unbedenklich Ptole- mäus als Freund des berühmteren Theodorich. Wahrscheinlich hat Fredegar oder wem wir diese Erzählung danken, Ge- schichtliches und Sagenhaftes von Triarius' und Theodemirs Sohn gewusst und bei dem Versuche, den Bestand zwischen beiden Personen aufzutheilen , irrthümlich dem Sohne des Triarius so viel zugewiesen, dass ftLr den Sohn des Theodemir kaum etwas übrig blieb.

Bemerkenswerth ist, dass der Bericht ausdrücklich die Gothen vor Theodorich als Bewohner, nicht nur als Eroberer Italiens kennt, und dass auch dieser Macedonier durch den Ort ^ seiner Geburt und durch die Adoption durch Idacius zu einem Italiener wird.

Chronicon Quedlinburgense SS. 3, 31. Theodorich wird aus Verona vertrieben und muss sein italienisches Erbreich wieder erobern, S. H. Lorenz, Germania 31, 137 flF.

Hermanni Augiensis Chronicon SS. 5, 84, a. 482. Theo- ' dericus, Theodmari fiUus, ex Ostf'ogotkU, id est qui olim in Italia remanserant Oothorum, Zenonis famiUaris effectus cum suis ei Oothis müitamL Ebenso in Bemoldi Chronicon SS. 5, 411.

Das Chronicon Hugonis, Monachi Virdunensis et Diuionensis abbatis Flauiniacensis SS. 8, 318 beruht hier auf Fredegar, nennt also Theodorich einen Macedonier, identificirt ihn aber mit dem ostgothischen.

Sitcnngab. d. phil.-biit. CI. (^XIX. Bd. 8. Abh. 3

34 III. Abhandlang: Heinzol.

Die Geschichtsschreiber wissen demnach ebenso wie die deutschen Gedichte von einer Gothenherrschaft in Italien vor Theodorich, nur leiten sie wenigstens Fredegar und Her- mann — dieselbe von Alarich ab.

Ueber Theodorich als Macedonier s. eben vorher.

Aber auch flir einen Afrikaner galt Theodorich oder für einen Libyer. Theophanes (schrieb 814) ed. Bonn I, 219. 221 06o5epixo? 6 'A<ppo(;. Constantinus Porphyrogenitus, De admini- stratione (ed. Bonn), S. 111 erklärt dies. Zur Zeit des Zwistes zwischen Aetius und Bonifacius sassen r6T6oi xai lOwj icoXXi xe xai [U'^iora |xexp^ '^^^ Aotvoußiou ^v toi^ uiuspßope{oi^ toicoi^ xomoxtfffjiva. to6t(i)v hh a^toXoYa)T£pa iiai FoiOot, T-fyjn^eq xat OüovS^Xoi, sv 6v6(jiaGt [xovov %ot\ oüSevt kziptu SiaXXaTTOVTsq , [xia BeocXixTü) xsxpv][xivot. OuTot iic' 'ApxaBtou xal 'Ova)p{ou xbv Aavoußiov Scaßovxs^ Iv li] tü)v Tü)- (jLa{u>v '^ TCaTcoxicOr^av. xal ol |i.sv Fi^xiSe^, e^ m Oorepov Siv)p^dv](7av AofYoßap^oi xat 'Aßopei^, Ta i:epi Siff-^(>>va xal S(p{jL£iov x<>>p^ coxYjaav, ol 34 'laiYoxOoi |X£Ta 'AXapi'xou "n^v *Pw|jlt;v icopOi^aavTe(; et? FaXXia^ 6xu>pY]C7av xal T(5v exst sxpaTrjaav. FötOoi 84 Ilavcoviav l'/p'fze^ Tcpäxov, Ixstxa tO' Ixsi xi)^ ßaatXe{a^ dsoSoatou xou viou eicixp^^ovxo; xa xt]^ Bpoxv]^ X<opta (J)XY)9av. xat ewl vtq' x?^^^^ ^ '^ Öp?*71 5caxp((|/avxe<;, ÖeuSepixou iQYe|ji.ov£6cavxo? aüxoiv worrpixioü xa: uTCotxou, Zi^vii)voq auxoi? eirtxpeij/avxo^, ttJ; ioTcepCou A(ß6Y}<; ßaaiXefa^ expaxvjaotv.

Bei Cedrenus (11. Jahrhundert) ed. Bonn 1, 628 wird er BsuBepcxo«; 6 'A9po^ genannt und zu 601 von den Gothen berichtet ex xöv FoxOwv ^t^o^e^ lOvij xeffaopa, Föxöot, TicoYOxOot, FijwiSeq xat OüivSiQXoi. £§ wv "Aßapi? ^p^axo Ätoxepav ev tt5 Twjjtatwv YS- Ce- drenus scheint also Constantinus benutzt zu haben.

Woher die seltsame Nachricht stammt, kann ich nicht sagen. Vielleicht aus einem Fehler in der Ueberlieferung des Malalas (6. Jahrhundert, Mommsen^ Hermes 6, 380) ed. Bonn. S. 459 ev auxcp Se xcj) xpovo) xaxe^^iAfOT] B^ai^ nopa BeuSepC^ou, ^TjYO^ xcov 'Afpoiv, d)^ xupavvi^covTO^ toO tSiou e^a8eXfOU xox' auxoO, xal TioXefJLOv xoiv Maupoua{<ji)v xaxa xd)v 'Afpäiv cTupißaXovxcoy icopeXaßov tcoXXtjv oüxou x^P<2^* ^^ o't? icapeXKJ^OiQ iq xap* ouioT^ Xe^oj^evr^ TpiiroXt^ xal Ae7CT(i>(i.3i xat ^aßaOa xat xb Bul^axtv, ätXH^Xü)x{?avxe^ iw, |jiova^ 84xa. xat IxeaxpaTeuas xax' aüxcov 6 al*xb^ ^5 xwv 'Afpfa>v SeuS^ptxo? tcXi^Oo^ Sx^'^ "^^^'^ ^'^^ axpaTY2Y<i> ivs(jLaxi FeXtjAcp * S^tq oujjißaXcav (&exä

Ueber die ostgothische Heldensage. 35

Maupouato)v xepieY^vexo xorca xpatoq. xal ouvitpa; ftXCav (asx' sutüiv ^aßev (ZUTou^ si^ au(X{jLOEXiav, xai tupawu^fGO^ stqf^XOe %aioL tou autou FiXiepCx^^ iv Kaproqfsvv} xal ouviXaßev outov. So in der einzigen Oxf brder Handschrift. Aber statt Theuderich ist hier Gilderich zu lesen. Man könnte auch vermuthen, dass der mit it tcov 'A^pcov Xcopa gleichbedeutende Ausdruck Aißur^ lai^ep lo«; s. Theophanes ed. Boor I, 93, 33 und oben Constant. Porph., Anlass zu dem Missverständnisse gegeben hatte. Gerade in dem Capitel 57 des Getica, in welchem Jordanes den Anfang von Theodorichs Herrschaft in Italien erzählt, bedient er sich für Italien des Ausdrucks Hesperia plaga, Heaperia,

Im Zusammenhang mit der historischen Thatsache der hunnisch-gothischen Verbindung zur Zeit Theodemirs und mit der Sage von dem Exil Theodorichs bei den Hunnen steht die Bezeichnung des letzteren als hunnischen Königs, so im Chro- nicon Gozecense (Mitte des 12. Jahrhunderts), SS. 10, 149, s. Müllenlio£f, Zs. 12, 323, und wohl in Folge dessen auch sein italienischer Gegner Odoaker bei Bernardus Cremifanensis SS. 25, 663.

Im Hildebrandlied wird der Held des Gedichtes alter Hün genannt V. 38, der König, von dem er den Ring erhalten hat, Huiieo truMin V. 35, in der Asmundarsaga kappabana FAS. II, 463 ff. Huna konunga und Hüna kappi.

In dem oben erwähnten Bericht Fredegars über Theo- dorich, Canisius, Antiquae lect. I, 2, 65, Basnage H, 1, 189, wird erzählt: Tandem Theodericus resumpfis uiribus irruit super Aitaros, quos uictor Pannoniam infugam dirigit: qtios cum seque- retur finihus in Pannoniam non est ausus ingredi; ibique tum castra locauit, cum quattwr pueris in equis sedentibus extra castra sibi quintus egressus est, ut praeuideret, ne foHe AuaH denuo ad- uersus eum insurgerent. Cum iam procul a castris esset, Auar, nomine X&rses utüissimus cunctorum singulis ad praeuidendum Theodoricum, cum casu ei ohuia^set et a Theodorico conspectus fuisset, missi a Theoderico tres uiri bellaiores, ut eum aut uiuum caperent, aut interficei^ent , Quos Auar fugam fingens, singilhUim intei^ecit. Denuo TheodoHcus alios tres uiros ad ipsum capiendum

direxit, qui itei^m ab ipso interfecti sunt, Postea Theodericus

8*

36 in> Abhandlung: Heinzel.

singulare certamen cum Auare iniuit; quem conto in brachium percussit; diiUi^sime inuicem cum equis girantes, a Theoderlco Auar superatvs est. Quem uinctum Theodeiicus secum ducit ad cjistra; quem cum cognouisset fortissimum esse in hello, uerbis et blanditiis ei sv^debat, uf suo saci*amento fidem Theoderico pro- mitteret , et eum posfsa multis muneribus Theodericus ditaret. Quod Auar Xtrses nomine uehementer renuenSj ßdem promittere noluit nisi ad terram suam cupiens remeare. Postea nimis et divsrsis afflictionibus a Theoderico coactus est; sed tamen eius imperium denegans fidem penitus promittere uolmt. Cum que uehementer re- ntieret, permisit eum Theodericus ad patriam remeare. Natans cum. equo per ßuuiwm Istrum, ait, Liberatus sum ab dominatione tua: libero me arbitrio esse cognosco: nihil super me est tua potestas: reuertar ad te, eroque tibi fidelissimus cxieteris. Quem Theodericus multis opibus ditans, cunctis dilectissimum habuit: et cum plura praelia cum Wandalis et Suueuis caeterisque gentibus habebat, eum semper proximum et fortissimum praeliantem suae custodiae in agminibus cognoscebat, ideoque a Theoderico uehementer di- lectus est.

Der Bericht sieht sagenhaft aus^ und in der That finden wir in der deutschen Heldensage wenigstens zwei Episoden, welche in den allgemeinen Zügen demselben entsprechen. Dietrich und seine Gesellen im Dresdner Heldenbuch. Str. 78 ff. stellt sich ein sonst unbekannter Lieberdein (78: gesein esse, 91: sein suus), Lie- bertein 114, von Palner 79. 82, von Paldener 81, auch nur Paldner genannt 83. 99,* dem jungen Dietrich gegenüber, und wird nach hartem Kampfe im dritten Gange besiegt und verwundet. Darauf bietet ihm Dietrich seine Freundschaft an Str. 86, und sie werden Gefilhrten. Von früheren Thaten Lieberteins erfahren wir nur Str. 81, dass er Dietrichs Oheim Sigstap vom Pferde gestochen habe. Dass er ihn getödtet habe, wie W. Grimm es versteht, Heldensage 270 ^ ist nicht nothwendig anzunehmen: dein Oheim Sigstap ich abstach und menchen kämpf erliie. - Dieselbe Begebenheit finden wir auch in Dietrichs erster Aus- fahrt (ed. Stark) Str. 376 ff. Liebertein von Paleme (: gerne), Str. 438 erschlägt er drei Heiden, üeber das Verhältniss dieser

* So heisst Dietrich nicht nur von Beim oder der Bemer, 8f>ndorn auch Berner, Pemer 9. 38. 45. 47. 72; vgl. Kürmhei^ge« wue.

Ueber die ostgothische Heldensage. 37

zwei Dichtungen zu einander und zu der von Zupitza heraus- gegebenen Virginal s. Wilmanns, Zs. 15, 294 flf. Die zweite Parallele ist die Begegnung Dietrichs und Heimes in der Thidhrekssaga c. 20. Auch hier wird Heimir erst im dritten Gange besiegt. Entfernter steht der Zweikampf Dietrichs und Witigs, Thidhrekssaga c. 90—94; s. MüUenhoflF, Zs. 12, 368.

Aber am ähnlichsten ist der lateinischen Erzählung der Zweikampf Oliviers mit dem Heiden Fierabras in dem nach diesem genannten Gedicht. Fierabras, der König von Ale- xandrie, welcher auch Herr von Paleme ist, fordert sechs Ritter Karls des Grossen auf einmal zum Zweikampf heraus, Roland weigert sich, V. 661 flf., Olivier übernimmt den Kampf, verwundet und besiegt Fierabras und überedet ihn, sich taufen zu lassen und mit den Christen gegen die Heiden zu kämpfen. Fierabras ed. Servois et Kroeber v. 67 92.

Dasselbe Motiv wiederholt sich im Otinel (ed. Guessard und Michelant), s. Gautier, Les epop^es 11^, 321, im Kampfe Ogiers mit Brehier, im Ogier, s. Paris, Histoire poötique de Charlemagne, S. 311. S. auch Couronnement Looys in Guillaumc d'Orange, ed. Jonckbloet 1272; Ospinel im Karlmeinet, Mal Veu im Foulque de Candie, ed. Tarb^, Reims 1860, S. 96, 8amson in der Prise de Pampelune (ed. Mussafia) 4979.

Im Einzelnen, d. h. durch die vorhergehenden für die Christen unglücklichen Zweikämpfe erinnert sehr an die Er- zählung des Chronisten von Roland und Ferracutus im Turpin c. 17. Aber der Versuch Rolands, den verwundeten und be- siegten Heiden zu bekehren, misslingt und er ersticht ihn. Im Otinel S. 15 wird darauf angespielt. Auch Brehier bekehrt sich nicht wirklich, gibt es blos vor, Ogier 11290.

Zu Grunde zu liegen scheint Fredegar wie den deutschen und französischen Gedichten, wenn auch nicht unmittelbar, eine Nachricht aus dem Leben des jungen Theodorich, welche Ennodius bewahrt hat in seinem Panegyricus dictus regi Theo- derico, ed. Hartel S. 266: stat ante oculos meoa Bulgai'um ductor libertatem dextera tiLa adserente prostratvs, nee extinctus, ne periret monumentü, nee intacius, ne uitieret adrogantiae, in gente indomiia domesticus adstipulator superfiUurus roboris tui: qui si mfficiens leto uuLnus exc&püset, peraonam uieeras: quod in luce

\

38 in. AbhandloDff: Hein sei.

substittt , submisU orlifinem. haec est natio , ciuus ante te fvit omne quod uoluit u. 8. w.

Von einem siegreichen Kriege des jungen Theodorich gegen die Bulgaren erzählt auch Paulus Diaconus in der Historia romana 1. XV, S. 213 der Eutropiusausgabe in den Auetores antiquissimi der Pertz'schen Monumenta, s. auch Historia mi- scella 1. XVI, c. 17, Ö. 347 ed. Eyssenhardt, aber ohne Einzel- heiten. Der Bulgarenkönig heisst bei Paulus Busan (s. den Antenkönig Boz bei Jordanes Getica c. 48), und Ubertatem in der Ennodiusstelle ist wegen adserente noth wendig, s. auch S. 272, 17 (ed. Hartel) dum lateH ttw lundex libertatis gladius aptaretur. Aber alle alten Handschriften haben das Compendium libertem, nur eine des 16. Jahrhunderts und ein alter Druck des Cassiodor, dem Ennodius' Panegyricus beigegeben ist, Ubertatem. Da noch Sirmond drucken Hess: etat ante oculos meos Bulgaiiim ducior Liberteni dextera tua adserente prostraius u. s. w. , was Zeuss, Die Deutschen 710 ohne Bedenken wiederholt, so darf man wohl annehmen, dass dies libertem im Mittelalter meist als Name des Bulgarenführers aufgefasst wurde. Da wäre es nun ein seltsamer Zufall, wenn in Dietrich und seinen Gesellen und in Dietrichs erster Ausfahrt Dietrichs Gegner den Namen Ltberttn, wie man in der Vorlage beider Gedichte annehmen muss, ohne Erinnerung an die Stelle des Ennodius er- halten hätte.

Ob in dem Beinamen von Palner, Palenie der Bulgaren- name steckt, oder das Palertie des Fierabras sich wiederholt, will ich nicht entscheiden.

Der Kampf Theodorichs mit dem Bulgaren ist vielleicht deshalb so berühmt geworden, weil Theodorich in seiner Jugend noch einen zweiten Barbaren, den Sarmatenkönig Babai besiegt hat. Ob er ihn mit eigener Hand getödtet habe, ist aus den Worten des Jordanes Getica c. 55 nicht deutlich zu entnehmen qui Theodoricus tarn advlesceiitiae annos cantingetis expleta pueritia, decem et octo annos peragens, ascitis certis ex satellitibtis patris et ex popido amatores sibi dientesque con- socianSj paene sex müia niroSy cum quihus inconscio patre emenso Danubio super Babai Sarmataimm regem discurrit, qui tunc de Camundo duce Romanorum victoria potitus superbiae tumore regnabatj eoque superveniens Theodmncus interemit familiaque et

Ueber die ostgothische Heldensage. 39

cefisu depraedans ad genitorem suum cum victoria repedavit. Auch von Sigebertus Gemblacensis (11. Jahrhundert) ist es nicht sicher, ob er es so verstanden hat. SS. 6, 311 Tkeodericus adolescens annoi'um 18, traiecto Danubio, super SarnuUas iri^vit, et regem eorum Babaz perimit et cum helUcU manubüs ad patrem redit. Der Kampf fand an der Donau statt, wie der zwischen Theodorich und dem Avaren Xerses bei Fredegar.

Vgl. den älteren Zweikampf des gothischen Comes der Foederati Areobindus mit dem Perser Ardazanes unter Theo- dosius II.; Joannes Malalas (6. Jahrhundert) S. 364 ed. Bonn; Georg Hamartolus (9. Jahrhundert) S. 501 ed. Migne; Georg Cedrenus (11. Jahrhundert) S. 599 ed. Migne. Der Gothe siegt und beendigt dadurch dem vorhergegangenen Vertrage gemäss den Krieg. Vgl. auch den Zweikampf des Gothen Viliaris mit dem Armenier Artabazos, Prokop, Bell. vand. 1, 8, auf dessen Aehnlichkeit mit dem Turnierkampf Jahns in seiner Geschichte des Kriegswesens hinweist S. 447; der Vandalenkönig Gelimer soU sogar zwölf Gegner nach einander im Einzelkampf besiegt haben. Fredegar Canisius Ant. lect. II, 665. Uebrigens wird auch von Constantin dem Grossen ein siegreicher Zweikampf mit einem Barbarenfürsten berichtet, Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung P, 359.

Die grösste That Theodorichs, von welcher die Geschichte erzählt, die Eroberung Italiens 488, wird von der Sage eigen- thümlich abweichend erzählt. Theodorich wird von König Odo- aker aus Italien vertrieben, flüchtet zu Attila und kehrt nach dreissigjährigem Exil mit hunnischer Hilfe zurück. Da der Kampf Theodorichs mit seinen Gothen und Hunnen gegen Odoaker ein glücklicher gewesen sein muss, fehlte höchst wahrscheinlich die Episode von dem Tode der Söhne Attila's in der Schlacht von Ravenna.

Eine Episode dieser auch von den Qucdlinburger Annaleu angedeuteten Fassung, W. Grimm, Heldensage 32^, behandelt das älteste poetische Denkmal unserer Sage, das Hildebrand- lied, dessen Vorlage aus dem 8. Jahrhundert stammen wird. Ich hebe einige Stellen hervor, an denen vielleicht die Er- klärung noch gefördert werden könnte, besonders da darunter sich auch solche befinden, welche für die Sagengeschichtc von

40 UI. Abliandlung; Hei nie 1.

Wichtigkeit sind, und schicke den Text des ganzen Frag- ments voraus.

Ic gihtrta dat seggen

iat sUi urhettun cenon muotin

Hütibrant enti Hadubrant, untar heriun fuem,

sunufaturungo. Iro saro rihtun, 5 garutun se iro giidhamujiy gurtun sih iro suerf atia,

helidos, ubar hriiiga, Do sie to dero hilttu ritun,

HiÜibraht gimahalta, - her was heroro man,

ferahes fr6tdro, her fragen gistuont

fohem wortum, huer sin fater wäri 10 ßreo in folche

*eddo huelihhes cniiosles du sis,

,lbu du mi cenan sages, ik mi de odre uüet,

^Chind, in chuninoridie chüd ist mi al irmindeot/

Hadvhraht gimahalta, Hiltihrantes sunu: 15 ,dai sagetun mi üsere liuti,

,alte anti frote, dea er hina wdrun,

,dat Hütibrant hcetti min fater: ih heittu Hadubrant.

,Fom her ostar giuueit, floh her Otachres nid

,hina miti TTieotrikhe etiti sinero degano flu, 20 ,Her furUßt in lante lutttla sitten

,prüt in büre, bam unw^hsan,

,arbeo laosa. Her roit ostar hina,

,nd Detrthhe darba gistuontun

fateres mines. Dat was so friuntlaos man. 25 ,Her was ötachre ummet tiuri,

fdegano denchisto, unti Deotrichhe

In dieser Ausgabe ist das angelsächsische Zeichen fiir w durch w wiedergegeben zum Unterschied von dem auch vorkommenden uu, CB und ( durch ce. Die Eigennamen sind durch grosse Anfangs- buchstaben ausgezeichnet, ebenso die Anfange der Sätze, so dass aus den Lesarten zu ersehen ist, wo auch die Handschrift grosse An- fangsbuchstaben setzt. Die Länge der Wurzel- und Ableitungssilben ist durch Circumflex bezeichnet mit Ausnahme von <b, die der En- dungen nicht. 1 Ic. 2 cbnon. 4 Iro. 7 heribrant^s sunu von her. 9 wer. 10 In. 13 /n; mi] min. 18 giliueit. 20 In. 21 7n. 22 hera&. 23 dü&sid; gistuontum. 24 fatereres. 25 umm^ttirri. MüUcnhofF hat beobachtet, dass das erste r aussieht, als sei es aus u gebessert.

üeber die oitgothisehe Heldensage. 41

,darba giatontun

,Her was eo folches at ente, imo uuas eo fehfa ti leop: ,chäd was her . . . chonnem mannum:

30 ,Ni wäniu ih tu Wb habhef

,Wettu irmingoif qu^cui Hütihrakt ^ohana ab hevane, ,dat du neo dana halt mit sus sippan man dinc ni qileitos^! Want her ar arme wuntane bougay cheisuringu gitdn, so imo se der cluning gap, 35 Hüneo truhtin: ,dat ih dir ü nu bi hulti gibu/ Hadubraht gimäüa, Hiltibrantes sunu: mit gern scal man geba infdhan, ort toidar orte* Du, bist dir, alter Hün, ummet spdher, spenis mih . . . 40 ,mit dinem wortun, wili mih dtnu speru loerpan. Pist also giaUet man, sd du ewin inwit fuortos. Dat sagStun mi sceoltdante icestar vbir WeTitilsceo, dat inan tote fumam. Tot ist Hütibrant, Heribrantes suno', 45 Hadubraht gimahalta, Hiltibrantes suno: wela gisihu ih , . , in dinem hrustim, dat du habes kerne herron goten, dat du noh bi desemo riche reccheo ni lourti/ Welaga nu, waltant goV, quad Hiltibrant; ,wewurt skihit. 50 ./A walldta sumaro enti lointro sehstic ur laute, dar man mih eo scerita in folc sceotantero, s6 man mir at. burc centgeru banun ni gifasta, Nu scal mih sudsat chind suertu hauwan, breton mit sinu billiu, eddo ih imo ti banin werdan! ö5 ^Doh mäht du nu aodlihho, ibu dir dtn eilen taoc, in sus heremo man hrusti güoinnan, ravha birahanen, ibu du dar enic reht habes. Der Sil doh nu argosto* quad Hiltibrant ,6starliuto, der dir nu totges toaime, nu dih es so wel lustit, 60 ^güdea gimeinun*, Niu^se, de motti,

28 uuas] puas; feh&a. 31 heuane, 37 Infahan. 40 vmortun. 41 Inwit] fortos, 43 inan] man, 45 Hilti- braht gimahalta henbtes suno, 46 In, 51 In. 53 Nu. 56 In. 57 bihrahanen.

42 III. AbhandluDg: Hein sei.

,huerdar sih kiutu dero hregilo hruomen niuottl ,erdo dettero brunnono hedero uualtan'. Do Iceftun se cBrist asckim scritan, scarpen scürim, dat in dem sciltim stont, 66 Do atoptun to samane stuim bort chludun, heuumn harmltcco huittce scilti, unti im iro lintun luttilo umrtun, giwigan miti wdmbnum

Die wichtigere Literatur über das Ilildebrandlied ist von MtlUenhoff in den Denkmälern 256^ flf., von Möller in seiner Schrift zur althochdeutschen Alliterationspoesie 53 fF. angegeben.

2. urh&ttun] s. Paul in Paul-Braune's Beiträgen 7, 121.

4. sunufaturungo] s. J. Schmidt^ Jenaer Litteraturzeitung 1877, S. 269.

Durch die starke Interpunction nach, nicht vor aunu- fatw*ungo wird angedeutet, dass der Dichter einen Kampf zwischen Vater und Sohn ankündigte, was bei dem für dieses ausserordentliche Begebniss im Gedicht verwendeten Pathos wahrscheinlich ist. Dass im folgenden Satze iro saro rthtun das pronominale Subject fehlt und erst im nächsten erscheint, gibt keinen Anstoss, s. Haupt zu Erec 8239, der Wolframs Parzival 4, 28 swd lit und welsch gerihte lac und Biterolf 2276 ir lützel oder man keinez vant bezzer in allem rtche citirt.

6. Dass Hildebrand während des Zusammeureitcns oder nachdem sie zusammengeritten und auf Hörweite gekommen waren, die Frage stellt, ist passender, als dass die Helden während des Zusammenreitens oder nach demselben sich rüsten. Ich habe deshalb Punkt vor do und Beistrich nach riiun gesetzt.

13. Es ist wahrscheinlicher, dass Ilildebrand erklärt, er kenne alle Menschen in Italien, werde also, wenn Hadcbrand ihm den Namen seines Vaters oder sonst eines Verwandten nenne, diesen seinem Stamme zuweisen können, als dass er Kenntniss der gesammten Menschheit fiir sich in Anspruch nehme.

61 werdar sih dero Idutu; die Wortstellung ist in der Hand- schrift durch Verweisungszeichen gebessert; hrumen, 64 In.

T7eb«r die ottgothisclte Heldenaage. 43

18. floh her Ötachres nid einzuklammern ist nicht ge- rathen. Denn dass Hildebrand persönlich mit Odoaker in Con- flict gerathen sei, erzählt die Sage nicht und steht im Wider- spruch mit dem Folgenden; s. zu 23.

19. Da Theodorich jedenfalls ein grösserer Herr war als Hildebrand^ demnach ein grösseres Gefolge hat, das zudem in der Heldensage eine wichtige Rolle spielt^ so wird der Dichter unter deganofilu wohl die Leute Theodorichs verstanden haben. Wenn femer Hildebrand viele eigenen Leute mitgenommen hatte, so ist der Ausdruck so friuntlaos man 24, der sich doch auf ihn bezieht, nicht recht verständlich.

23. äid Detrihlie darba gistuontun fateres mines] Müllenhoff versteht dies Denkmäler S. 261'^ dahin, dass Theodorich nach- mals Hildebrand verloren habe. Davon weiss die Sage nichts und es wäre doch ein wichtiges Ereigniss im Leben Theo- dorichs und Hildebrands nach der Verbannung oder Flucht aus Italien gewesen. Aber vor Allem spricht der Sprachgebrauch von alts. tharf, angels. pearf, althd. dürft, durfti mit ,8ein', ,werden/ ,haben^ entschieden für die Bedeutung ,bedürfen*, ,nöthig habend Das passt auch ganz gut in den Zusammen- hang. Hildebrand war ja nicht im Conflict mit Odoaker, nur Theodorich, aber weil dieser ihn bedurfte, so folgte er ihm in die Verbannung. Der Satz her reut ostar hina ist nicht eine blosse Wiederholung des Satzes 18 Forn her ostar givtieit u. s. w., sondern eine Erklärung. Er folgte Theodorich, weil dieser seiner bedurfte. Ich habe demnach vor 23 Beistrich gesetzt.

24. Dat was so friuntlaos man scheint seltsam, da er nach der Sage an der Spitze des Geschlechts der Wtilfinge steht, der vertrauteste Freund Theodorichs ist und auch früher bei Odoaker eine angesehene Stellung eingenommen hatte; s. zu 25. Die Trennung von Weib und Kind aber kann nicht gemeint sein, da die Erzählung jetzt den Zeitpunkt vor derselben ins Auge fasst. Man könnte erklären, Hildebrand ist nicht sofort mit Theodorich geflohen, sondern erst auf dessen Ruf ihm nachgefolgt, was nicht in einem unlöslichen Gegensatze zu dem zusammenfassenden Ausdruck 18 Forn her dstar giuiieit, floh her Ötachres nid hina miü Theotrihhe enti siner degano flu stünde. In der Zwischenzeit während der Abwesenheit seines Herrn Theodorich war er frimvtaos; s. ,Klage der Frau' 6 ff.

44 in. Abhandlang : H e i n z e 1.

.^k^i nun hlaford gewcif heonan of leodiim

ofer pda geMc: hcefde ic ühtcearey

hwckr min leodfruma londes w^re,

ic me feran gewdt, folgad secan,

icineldas icrcßcca, for mtnre wedpearfe. Aber gerade über die Flucht Theodorichs haben wir aus- führliche Berichte in der Thidhrekssaga und dem Werke Hein- rich des Voglers, nach welchen von einem solchen Zurück- bleiben oder Nachkommen Hildebrands nichts erzählt wird. Ich glaube, es hat friuntlaos hier die allgemeine Bedeutung ,hilflos^, ,arm', eigentlich und im sittlichen Sinne, wie Beowulf 1664. Beowulf erzählt, als er mit dem Schwert Hrunting gegen Grendels Mutter nichts ausrichten konnte, habe ihm Gott ein altes Schwert, das an der Wand hing, gezeigt: oftost icUode tüiniga leasumy s. auch 2612 und wine pearfende Andreas 300. Inwiefern Hildebrand bei dem Conflict zwischen seinem Herrn Theodorich und König Odoaker ,hilflos^ genannt werden konnte, ergibt die Betrachtung des Folgenden; s. zu 25.

25 ff. Das doppelte t in der hochsächsischen Schreibung ummettirri, sowie die Beobachtung Müllenhoffs, dass das erste r aus u corrigirt scheine, zeigen, dass der Schreiber erst uvimet titcri schreiben wollte, also dies in der Vorlage zu sehen glaubte. Wenn er dann etwas Anderes schrieb, so kann es durch ge- nauere Betrachtung der Vorlage oder durch andere Erwägungen dazu geführt worden sein. Ich glaube das letztere, da un- mittelbar nach ummet tiuri (ximmettlrri) ein Synonym zu ummet tiuri steht: degano denchisto (s. Scherer, Zeitschrift 26, 378) und der folgende Temporalsatz und u. s. w. eine gute Beschränkung dem Gedanken hinzufügt, Hildebrand war König Odoaker sehr lieb und ihm sehr ergeben, bis nämlich Theodorich seiner bedurfte. Das war die höhere Pflicht und er trennte sich von seinem König, um seinem Herrn zu folgen. Allerdings, von einer besonderen Gunst, in der Hildebrand bei Odoaker oder dessen Nachfolger in der Sage, Ermanarich, gestanden haben solle, erzählt die Sage nichts, aber sie erzählt uns überhaupt von Hildebrand vor dem Exil sehr wenig. Möglich, dass ein- mal Hildebrand in seinem Verhältniss zu Odoaker und Theo- dorich eine ähnliche Rolle spielte wie später Heime und Witig gegenüber Ermanarich und Theodorich, also in einen Conflict

üeber die ottgothische Heldeniage. 45

der Pflichten gerieth, welcher diesen beiden, da sie schliesslich zu dem von der Sage gehassten Ermanarich hielten, den Cha- rakter des Verräthers aufdrückte, während Hildebrand durch den Vorzug, welchen er dem von der Sage geliebten Theo- dorich gab, als Muster der Treue dasteht. Da demnach 26 f. urUi Deotrichhe darba gistontun einen guten Sinn gibt, wenn man unti wie 67 und ähnlich dem sid 23 auffasst, so habe ich durch Beistrich vor diesem Worte die syntaktische Verbindung mit dem vorhergehenden angedeutet. Dass die Phrase von 23 sich hier V. 26 f. wörtlich wiederholt , wird der Dichter oder der Aufzeichner verantworten müssen. Auch mdtti am Schluss von Vers 60 und 61 scheint uns unbeholfen, aber vielleicht mit Unrecht. Wenn diese Auffassung der Stelle richtig ist, so liefert sie uns den Beweis, dass in der Sagengestalt unseres Liedes Odoaker als König von Italien galt, nicht als böser Rathgeber Ermanarichs, was dem Wortlaut nach wenn auch unwahrschein- lich, doch möglich wäre.

27. S. Helgakvidha Hundingsbana II, 53, 5 ff. (ed. Bugge)

ey var Helgi, Hundings bani, fyrstr i folci, par er firar baurpuz, ^ztr d imu, oRtraupr flugar; ad hafdi hilmir hard möpcJcarn,

30. Ni wdniu ih lu Wb hahbe. In der zweiten Hälfte des Verses könnte ein Ausdruck wie ,länger auf dieser Welt^ ge- standen haben.

32. Nach diesem Verse wird gemeinhin eine Lücke an- genommen, in der Hildebrand seinen Namen genannt, dem Sohne gesagt habe, dass er sein Vater sei. Dass dies bei einer entsprechenden Begegnung zwischen Vater und Sohn im wirk- lichen Leben hätte geschehen müssen, ist nicht zu leugnen. In der Poesie ist es nicht ebenso sicher. In dem altnordischen Gedichte, welches man Oripisspa nennt, kommt Sigurdhr in den Hof Gripirs und verlangt mit dem Hausherrn zu sprechen. Der Diener Geitir sagt, der Herr werde wissen wollen, wie der Fremde heisse. Sigurdhr nennt seinen Namen. Als der Diener aber Gripir die Botschaft ausrichtet in wörtlich mit- getheilter Rede, nennt er den Namen Sigurdhs nicht, Str. 4 (ed. Bugge).

46 UI* Abhandlung: Heinzel.

pa gekk Geitir Gripi at segja: H6r er ma]ir üfi 6küpr kominn, kann er itarligr at dlitt, sd vül, fylcir! fand Jnnn hafa. Trotzdem redet Gripir den Gast in der nächsten Strophe mit Sigurdr an. Dem Schreiber der Prosa scheint das aufgefallen zu sein, denn er sagt in der Einleitung Sigurpr var aupkendr^ was aber nur Sinn hätte, wenn das Gespräch Sigurdhs mit dem Diener nicht dastünde.

38. geru scal man geba infähan]. Die beste unter den vielen Parallelen zu dieser Stelle, s. Möller, S. 101 f., liefert das Chronicon Novaliciense 1. III, c. 21. 22, wie schon die Brüder Grimm in den deutschen Sagen (2 2, 106) bemerkt haben. Ich setze die Stelle ganz her. Algisus hatte als Kund- schafter unerkannt am Hofe Karls des Grossen zu Mittag ge- gessen und sich zu Schiff wieder hinwegbegeben. Nach seiner Entfernung vermuthet Karl, dass es Algisus gewesen. Einer seiner Leute erbietet sich, ihm nachzusetzen und ihn zu tödten. Dixitque Uli rex: ,QuaUterP ,Da mihi ornamenta hrachiorum tuorum et in ipsa eum tibi dedpiam/ Deditque namque iUi rex dextralia aurea, et insecutus est eum, ut interficeret, 22. Cu- currit ergo vir ille post eum per terram citissime, donec invefiü. Qui cum vidisset procul, vocavit eum nomine suo. Nam cum respondisset, insintuivit Uli, quod Karolus ei siui dextralia aurea munere transmisisset, culpansgue {Uvm, quod ita dam abscessisset; addiditque ut navem ad ripam prope declinaret. Declinavit ille mox navem. Cum autem prope esset, vidissetque munv>sculum pre- dictum in swmitate lanceae sibi porrigi, inteUexit statim malum sibi imminere. Statimque iectam in dorso loricam arripiensque lanceam ait: Si tu cum lancea ea mihi porrigis et ego ea cum lancea excipio, C^tervm si dominus tuus mihi in dolo misit munera, ut me interficeres, nee ego Uli inferiorem debeo apparere, Mittam ergo Uli mea. Da Hadubrand V. 38 sagt ort widar orts s. auch V. 40 , so hat der Dichter angedeutet oder sich vorgestellt, dass Hildebrand wie jener Krieger Karls des Grossen dem Gegner die Gabe mit der Speerspitze an- geboten habe. Man sieht aus dem Liede und dem Chronicon, dass das Reichen einer Gabe mit der Spitze Sitte war wie hätte Hildebrand es sonst thun können, da er ja friedliche

Ueber dia ostgothische Heldensaf^e. 47

Absichten hatte und der Krieger Karls des Grossen, der sie heuchelte? und dass diese Sitte geübt wurde, wo die Natur der Sache es mit sich brachte, wie im Liede, wo zwei Reiter sich einander gegenüberstanden, ein Reichen mit der Hand unmöglich war, als dass auch ein solches Darreichen der Natur der Sache nach bei Argwöhnischen wie Algisus und Hadubrand Verdacht erregen konnte.

41. ,Du bist ein (solcher) alter Mann, der immer Bosheit geübt hat.'

44. Diese entschiedene Aeusserung ist logisch genommen im Widerspruch mit 30, psychologisch aber sehr wohl ver- ständlich, 8. Rieger, Germania 9, 317, und Anzeiger für deut- sches Alterthum 15, 173.

45. Der Bezug der folgenden Worte 46—48 ist unver- ständlich, wenn wir sie mit der Handschrift Hildebrand zu- schreiben. Wie kann dieser auf den entschiedenen Unglauben, welchen Hadubrand seiner Behauptung, dass er sein Vater sei, entgegengestellt hat, mit dieser Betrachtung über die Rüstung des Sohnes und dessen Lebensstellung antworten? Dazu ver- missen wir bei dieser Auffassung etwas, was die folgende Rede Hildebrands voraussetzt, nämlich die Begierde Hadu- brands nach der schönen Rüstung seines Vaters 56. 59 62. Ich glaube 46 48 sind Worte des Sohnes, das falsche Inquit ist durch Anlehnung an den Vers 44 entstanden. Es würde auch schwer sein, eine Parallele zu den zwei aufeinander- folgenden Versen 44. 45 zu finden, in denen sich Namen und Vatemamen wiederholten, Hiltibrant, Heribrantes suno und Hilti- braht, Heribrantes ftuno, während einB Parallele für das doppelte Inquit 36. 45 gleich die folgenden zwei qtuid Hiltibrant geben 49. 58. Nomen im Auftakt gegen die sächsische Regel, Rieger, Zacher's Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 57 f. kommt im Hildebrandlied auch sonst vor. Schon K. Hofmann hat im Jahre 1855 die Worte V. 46 -48 Hadubrand zugewiesen, die Ansicht aber später zurückgenommen; s. Müllenboff, Denk- mäler 2622.

47. herron goten] s. Beowulf 1484 mceg pomie on parm golde ongitan Gdata dryhieii, ges^on sunu Hredles, ponne he on pcet sine starad, pcBt ic gumcystum gddne fände

48 ni. Abhandlung: Heinsei.

bSaga bryftan, Deor 38. Akte ic fda mntra folgad täne, holdne hldford.

40. hi desemo riche, bei diesem Könige, s. goth. reiks, mhd. rtche,

50. sumaro enti wintro sehstic], das heisst gewiss dreissig Jahre nach der sonst feststehenden Zahl für die Jahre des Exils; s. W. Grimm, Heldensage 26. 127 ^ Aber man darf der Auffassung ,60 Jahre*, Jessen, Zeitschrift für deutsche Philologie 2, 127, nicht wie O. Schröder, Symbolae Joachimicae p. 23 ent- gegenhalten, dass dann zwei Greise sich gegenüberstellen. Die Pergamenthandschrift der Thidhrekssaga c. 299 lässt Hildebrand noch während des Exils das hunderte Jahr erreichen. Nur

die Papierhandschrift A hat statt dessen das siebzigste.

Ö5. Doh mäht du nu aodlihho in stis heremo man hrusti gitoinnan. doh ist adversativ zu dem zuletzt ausgesprochenen Gedanken, dass möglicherweise Hildebrand seinen Sohn be- siegen werde. Sus heremo man geht auf Hildebrand wie oben 31 mit 8US eippan man. Aber in der gewöhnlichen Bedeutung ,vor- nehm^ gibt das Wort hier keinen Sinn. .Leicht', , Wahr- scheinlich' kann Hildebrand den Sieg des Sohnes nur nennen, wenn er auf sein eigenes Alter gegenüber von dessen Jugend- kraft hinweist. Edzardi hat darnach gewiss mit Recht her hier und im Vers 7 in der im Angelsächsischen und Altnordischen feststehenden Bedeutung ,grau' gefasst, Paul-Braune, Beiträge 8, 486; B. Kluge, Etymolog. Wb. ^hehr'. Zu dem Gedanken vgl.

Waldere 2, 16

feta, gyf du dyrre,

cet du8 headuwerigan hdre byman u. s. w.

Die Pracht dieser Rüstung wird dann aufreizend beschrieben.

57. ä>u da dar entc reht hahes]. Es liegt hier wohl der Gedanke vor, dass Gott durch Verleihung des Sieges an Hilde- brand den Frevel des halsstarrigen Sohnes strafen werde. Hadubrands Unrecht ist^ auf dem Kampf zu bestehen. Es wird demnach die Wahrscheinlichkeit für ihn, den alten Vater zu besiegen, abhängig gemacht von der Gerechtigkeit seiner Sache, und da es mit dieser schlecht bestellt ist, so kehrt sich der Sinn des ersten Satzes doh mäht du nu aodlihho um. Auch

lieber die ostgothiiche Heldensage. 49

in Waldere 2, 25 AT. spricht der Held die Hoffnung aus, dass Gott den Sieg nach Verdienst zutheilen werde.

58. Der d doh nu argosto u. s. w. ist causal zu dem Vorhergehenden zu verstehen. ,Es ist möglich, dass du meine Rüstung gewinnst. Denn da du einmal den Wunsch darnach ausgesprochen hast, ist an keinen Vergleich mehr zu denken.^

64. dat in dem sdltim st6ntj. Nach der Wortstellung und nach Parallelen wie Beowulf 2679 sldh hildebiUe, pcBt hyt on heafolan stdd wird man den Satz als Consecu tivsatz auffassen, also vorher schwach interpungiren mtlssen. Das Fehlen des pronominalen Subjects ist allerdings auffällig, aber s. FMS. 11, 424 var pat bod svd fjöhnennt, sem aldrei hafdi fyrr verit, ok med miklu kappi, at stod i staungunnu Die Phrase ist allerdings nicht ganz klar, s. Cleasby-Vigfusson unter stäng.

65. do sfoptun to samane]. S. Heljand 4873, sfop imu tegegnes Monacensis, während der Cottonianus das richtige sluog im tegegnes bietet; Raben schlacht 741, 1 zesamene ai staphteii, die recken üz erkam.

65. Das staim bort ckludun ist nicht mit Sicherheit zu erklären, vor Allem, weil es nicht über allen Zweifel erhaben ist, dass der Satz ein Subject haben und dieses in den räthsel- haften Silben stecken müsse. Es konnte ja auch ein se nach 8taptun ausgefallen sein. Ist staim bort ckludun Subject, so liegt es am nächsten, stcUmbort als ,SchiId^ zu verstehen, und in ckludun entweder ein Versehen für cblubun zu sehen s. das Gedicht auf Aethelstan 5 bordweall clufan, Bjrhtnod 283 clufon cAlod bord, Wolfdietrich D. VI, 188, 2 ei* kloupte ml der scküte, IX, 129, 3 sie kluben do di sckilte^ oder ein Ver- sehen für hlüddun, woran vielleicht Müllenhoff gedacht hat, wenn er Denkmäler 264^ an Judith 204 erinnert: dynedon s&ldaSf kMde klummon. Aber das handschriftliche staim ist gewiss nicht richtig, es wäre das einzige ai =r germ. ai, wo- für sonst e, f, et geschrieben wird. Ich wage deshalb die Vermuthung, dass es aus staun, d. i. stavn^ , Steven' ver- schrieben ist, und stavnbord, ,tabula prorae', ,tabula navis' be- deute, eine Kenning flir ,Schild', die sich aus der Gewohnheit, die Schilde an den Anssenwänden der Schiffe aufzuhängen, erklärt. S. das Wikingschiff im Museum von Christiania, das J. Undset, Das Wikingschiff von Gokstad, Kristiania 1888,

Sit2angsb€>r d. phil.-hi<!t. Cl. CX1X. Bd. 3. Abh. 4

50 in. Abhandlung : H e i n 7, e I.

S. 15, ins 9. Jahrhundert versetzt, die Abbildung auf der Tapete von Bayeux, Montelius, The civilisation of Sweden in heathen times 1888, S. 184, die Zeugnisse aus dem Itinerarium regis Ricardi, aus Villehardouin und Joinville bei A. Schultz, Höfisches Leben 2 ', 299. Aus Ulrichs von Eschenbach Alexander 4388 fF. ersieht man, dass in späterer Zeit statt wirklicher Schilde schildähnliche Ornamente gebraucht wurden : üf der galinen mau het ersniten sdtaame dach vo7i bilden nach der werden Schilden, Allerdings sind das nur skandinavische Belege oder solche, welche wie bei den Normannen und Engländern durch scandi- navische Culturübertragungen gedeutet werden können. Von der deutschen Schiffahrt im Alterthum ist überhaupt sehr wenig be- kannt. Im Norden heisst der Schild darnach Myrgardr, bardmuni, hlyHungl, sol skips, blik bords, gardr barda, Ijoagardr barda^ gardr ski'ps u. 8. w. Das ganze Wort staim bort cJdudtin war vielleicht eine Kenning für ,Krieger*, deren ersten Bestandtheil wieder eine Kenning, stavnbord, ,Schild^, enthielt, das chludun müsste dann etwas bezeichnen, das mit , Schild' zusammengesetzt die Bedeutung ,Krieger' ergäbe. So lange das nicht entdeckt oder flir chludun eine überzeugende Conjectur gefunden ist, bleibt Alles unsicher. Die Annahme eines eigentlichen Kenning für Schild in einem deutschen, d. i. nicht sächsischen noch angelsächsischen oder altnordischen Gedichte ist nicht so kühn, denn woher sollten die Angelsachsen ihre Fülle von Umschreibungen ge- nommen haben s. Bode, Die Kenningar in der angelsächsi- schen Dichtung 1886 als aus der gemeingermanischen Poesie, die sie nach der schon in der Heimat eingeschlagenen Richtung entwickelten? Für Schild brauchen sie nach Bode 54 u. A. giM- bordy headolindy of erholt, hüderand, atdrand, geolorand, bänhelm. Eine continentale Kenning scheinen schon Denkmäler des beginnenden 3. Jahrhunderts zu bezeugen, die zwei Steine, welche dem Mars Thincsus^ gewidmet sind, durch das Wort Alaisiagaef Alasisiagae» Dass die bisher vorgebrachten Ver- suche, das Wort zu erklären, befriedigen, kann Niemand behaupten; s. Hoffory, Der germanische Himmelsgott, Nach- richten der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen

^ O. Hirschfeld erklärt in seinen Beiträgen zur Geschichte der Narbo- nensischen Provinz, Westdeutsche Zeitschrift 1889, S. 10 de« Separat- abdmcks, Mars Thincsus fiir einen Schutzgott.

Ueber die ostgothisehe Heldensage. 51

1888, S. 430. Ich glaube, das Wort ist ein Compositum, ab- zutheilen alaüi-agae und zu übersetzen ,Schrecken der Erle', d. I. Blitzfeuer oder Sturm. Die Erle (betula alnus) heisst althd. elira, ags. aloRV, Sweet, Oldest English texts 461, alor, altfriesisch elren, jelren (alneus), altnordisch glr, elrir und eZn, mittel- und neuniederländisch aber eise, eis, französisch alisier, alise, spanisch aliso; s. Littre, Dictionnaire. Die Formen mit e und s kommen auch in modernen niederdeutschen und skan- dinavischen Dialekten vor, ebenso die mit a und r; s. Nem- nich's Polyglottenlexikon; Grimm, D. Wb.; Schiller- Lübben, Mnd. Wb. Die Accentuation scheint darnach altgerm. oIcm-, dlos' und alis- gewesen zu sein. Dass die Form mit Umlaut der Wurzel und r der Ableitung daneben auch häufig ist, kann nicht befremden. Ein alter Beleg fUr das Wort ist vielleicht in der Lex salica enthalten, wo XLI, 4 von der Tödtung einer Freien die Rede ist. Im Codex 1 heisst es (ed. Hessels-Kem): Si uero eam in ctquam aut in poteum miserit, aut de quibuslihet celaturis texerit u. s. w. si uero eam (leg. cum) alesum aum percoperuerit u. 8. w. Cod. 2: Si uero eos in aqua aut in puteum miserit, aut de rammis aut de clalis supercopeinierit aut de quibuscumque rebus celatores steterit u. s. w. Avi de rammis aut de clalis ent- spricht also in Cod. 2 dem, was in Cod. 1 cum alesum genannt wurde; s. auch Cod. 7, 8, 9. Statt rammis und clalis haben die übrigen Handschriften ramis (rama) und hallis, caUis, alUs, Ramis ist wohl das lateinische Wort, hallis erklärt Kern §. 205 durch französisch halliefi% ,dichtes Gebüsch'; s. ahd. hallun (labruscae). In alesum vermuthet er dasselbe auf ,Hasel^ zurückgehende Wort, eine Verderbniss aus haselo, ,Haselstaude^ Aber die Lex ribuaria erklärt ramvs für Haselstaude 67, 5 (B) Si quis pro hereditale vel pro ingenuitat^ certare coeperit cum 12 ad stappvlum regis in drculo et in hasla, hoc est in ramo, cum ver- borum contemplatione coniurare stvdeat, für den Uebergang von sl in II vermisst man deutsche und speciell fränkische Ana- logien. Zudem ist Codex 1 jene Handschrift, welche Merkel und Hesseis ihren Ausgaben zu Grunde gelegt haben.

Wenn neben älas-, ähs' und alis- ein dlais' angenommen wird, so fehlen Analogien nicht ahd. arabeit, alts. aried, artedi, angels. earfody earbede, earbedlicust, earbetlicust, Sweet Oldest- english texts 483, altnord. oerfadi, cerfud, s. Cleasby - Vigfusson,

52 HI. Abhandlung : Hflinzol.

ohne Umlaut, neben altnord. erfidi, erfidr, erfida mit Umlaut, ahd. eidum, eideim und eidim, QrafF 1, 156, ahd. oheim und mhd., nhd. oßheim ein oehin belegt Lexer mit Umlaut, ahd. araweiz und araictz, arawiz, 8. alts. erit in der Frekenhorster Heberolle, altn. erfr mit Umlaut, mhd. ameize und emeze, nhd. , Ameise' und ,Em8e', neben ahd. mhd. ital, itel, ein mhd. eiteil, Hugos Martina 84, 27 Aller fugende iteil, smihe von ehr sunden meil, ahd. volleist alts. ftdlisti, angels. fylst, Bahder, Verbalabstracta 79. Wenn das ei in ,Arbeit* durch Epenthese entstanden ist, J. Schmidt, Vocalismus 2, 478, so ist auch dlai^ aus dlasi die Urform zu altfriesisch elren (alneus). Das alesum der Lex salica wäre dann = alisuvrij der Urform des mnl. und französischen ehe, alisier. Wahrscheinlich hat die alisium ent- sprechende Form auch dem alten Friesisch nicht gefehlt, die Form mit Wurzel betonung nicht dem Salfränkischen. Für die Sprache der Mars Thincsussteine passte beides, da die Er- richter derselben sich zwar als Friesen bezeichnen, aber aus dem Gau Twenthe, der nach unseren Quellen kein friesischer, sondern ein fränkischer Nachbargau war. Der zweite Bestand- theil des Compositums ist nach der vorgetragenen Deutung ahd. agi.. Die Composition und ihre Bedeutung wird beleuchtet durch die mit demselben Baumnamen gebildete altnordische Kenning elris garmr, grand elris (ignis); s. Sv. Egilsson unter ein, Gröndal, Clavis poctica, unter ignis, ventvs,

Alaisiagen gibt es nur zwei, sonst könnte es in der In- schrift, welche die Personennamen Beda, Fimmilena nicht ent- hält, nicht heissen duabus alaisiagis. Ein Paar von Sturm- göttinnen kennt die skandinavische Mythologie, Thorgerdhr und Irpa; s. Detter, Zs. 32, 394. Die Beziehung solcher Göttinnen zu Mars Thincsus, d. i. Tiu, ist allerdings dunkel, aber man darf wohl darauf hinweisen, dass Jnng, thinx etymologisch mit gothisch J)eihs (xatp6<;, xp^^o<;), peihvt) (ßpcvnfj) verwandt ist. Tiu, Thinx und die Alaisiagen werden ursprünglich rein physikalische Bedeutung gehabt haben und später gemeinsam auf das Gerichts- wesen bezogen worden sein. Die Eigennamen stehen nicht ent- gegen, Beda und Fimmilena können Mora und Festinatio be- deuten; s. altfriesißch fttüm (warten) und unheide (ohne Verzug), angels. 6iff (mora), in der Bedeutung von mhd. hUy altn. bedseti, bodseti Sitz im Gericht, was flir bed, bod die Bedeutung ping

üeber die ostgothische Heldensage. 53

ZU ergeben scheint, altn. fimr, ,ra8ch*, ,ge8chickt', s. Scherer, Mars Thincsus 9, neunorwegisch ßm, ,rasch', ddfim, gleicht an- zuzünden^ firtiast, ^rascher werden^; s. Aasen Ordbog, Fimmel, femeln; Grimm, D. Wb. 3, 1638 f., 4, 1, 525. Was das Doppel-m und die Endung in FimmiUna anbelangt, so hat schon Scherer, S. 9 f. auf die Schreibungen von Caninefaten mit zwei n hin- gewiesen und auf die fränkischen Genitive, wie Theudüane, Aber auch Baduhenna wird wohl nur eine Badvena sein oder Badvd. Genauer zu Finimilenae stimmen die bui*gundische Caretene, J. Grimm, G. D. Spr. 4913; Jer langobardische Walterene, Meyer, Sprache der Langobarden, S. 115. Denn die obliquen Casus mit an, en sind nicht so selten, wie Scherer S. 9 zu glauben scheint, und nicht auf das Westfränkische beschränkt; s. die Thüringin Gaüa, Gen. Gailane, Förstemann, Namen- buch I, 460, die Burgundin Caretem, J. Grimm, Geschichte d. d. Spr. 49 P, Dadolena , Förstemann, Namenbuch I, 1145, sogar bei Maeulincn : Walterenej Waüerenem ist Accusativ von Waltlier, K. Meyer, Sprache der Langobarden 115; s. Wacker- nagel, Sprache der Burgunder bei Bindiug 385. 356 f. ; Bugge, Arkiv I, 8; J. Grimm, Mythologie I, 213* stellt zweifelnd auch Tamfana und Hludana hieher.

Beda kann ursprünglich einen schwächeren Wind oder auch Windstille bedeutet haben; s. Horaz, Oden I, 3, 16 von Aeolus: tollere stiu ponere vult freta, und auch der Sturmgott Odhinn beschwichtigt den Sturm; s. Bugge, Studien 390. Die Beziehung der nur friesisch bezeugten Göttinnen zu der auch nur friesischen Paarung hodthing und fimelthing scheint mir sicher, Archaeologia Aeliana X, 165. Bodthing sieht aus wie eine volksetymologische Umformung eines unverstandenen Bed- thingj denn es ist gerade das ungebotene Ding. Uebrigens unterscheidet schon Tacitus zwei Volksversammlungen, Ger- mania c. 11, die regelmässige, ungebotene und eine andere ausserordentliche, nisi quid fortuitum et subüum incidit»

Die bildliche Darstellung eines Alaisiaga auf der Seite eines unserer Altäre lehrt nicht viel, es ist eine bekleidete weibliche Figur, welche den rechten Arm wie zum Gebet er- hebt. Hübner und Scherer halten aber auch die Seitenfiguren eines inschriftlosen Reliefs, das mit den Altären, auf denen die Inschriften stehen, in einer an Alterthümern reichen Gegend

54 III< Abhandlung: Hcinzel.

gefunden wurde, für die Alaisiagen; s. Scherer, Mars Thincsus 11. Das scheint nicht anzugehen. Allerdings die zwei Altäre und das Relief beziehen sich auf Mars. Sein Kopf steht wahr- scheinlich in dem Giebel des einen der Altäre, in ganzer Gestalt bildet er das Mittelstück des Reliefs. Aber bei den Altären handelt es sich um den germanischen Mars Thincsus, bei dem Relief um den römischen. Die schwebenden nackten, mit Kranz und Fackeln ausgerüsteten Gestalten rechts und links von Mars sind, wie mich die CoUegen Benndorf und Bormann versichern, römische Genien, und der Vogel, welcher sich an Mars anschmiegt, nicht der Schwan des Lohengrin, - s. HoflFory in der oben S. 50 citirten Abhandlung S. 431 ff. sondern der des römischen Mars, wie schon Hübner bemerkt hat s. Scherer, Mars Thincsus 11, das analoge Denkmal, auf das er sich be- zieht, ist wohl das auch in Britannien gefundene Relief, das in der Archaeologia Aeliana X neben S. 154 als Platte IV mitge- theilt wird, rechts ein Mars, auf dem Felde unter ihm ein lang- halsiger Vogel, links eine Victoria mit dem Ej*anz in der einen und einer Palme in der andern Hand, auf dem Felde unter ihr ein ähnlicher Vogel; s. auch Arch. Aeliana X, 159. Benndorf verweist ausserdem auf ein in der Schweiz gefundenes römisches GefUss, Gazette archeologique 1879, pL I, wo neben Mars ein schwanähnlicher Vogel auf einer Säule diesen zu beschnuppern scheint, ganz wie neben Mercurius imd Jupiter auf Säulen der Hahn und der Adler angebracht sind, über den Schwan oder die Gans als Attribut des Gottes Mars auf L. Stephani, Compte-rendu de la commission archeologique de St. Petersbourg 1863 1, 101, wo viele Denkmäler angegeben sind, auf welchen Mars mit dem Schwan oder seinem Opfervogel, der Gans, vorkommen.

68. gttoigan miti wäfubnum]. S. Byrhtnod 126 toigan mid wcBpnum; aber die Bedeutung ist hier wohl armis immimitus im Anschluss an den vorhergehenden Vers. Der Dichter hat viel- leicht an ein Weghauen der Schilde bis auf kleine Reste ge- dacht, wie Thidhrekssaga c. 100 oc svd com um sidity at näliga mro af peim hognar allar lifdir af kvdromtveggja peirra,

68. wdmbnum]. Diese Orthographie kommt auch in der altschwedischen Thidhrekssaga vor, ed. Hylten-Cavallius, c. 349 vampna, c. 355 vampne sik neben dem gewöhnlicheren vapn; 8. daneben auch iiampn (nomen) c. 178. 188, napn c. 180,

Ueber die ostgothische Heldensage. 55

kampne (venire), komber c. 178. 185. Die altgermanische Form locemn ist auch altnordisch, s. Eyvindr, FMS. I, 41, Corpus poet. bor. 2, 35: f&m tu fornra vdpna im siebenten Drott- kvaettvers; das weist auf vdmna.

Seit dem 10. Jahrhunderte wenigstens gilt Ermanarich als Theodorichs Gegner, der ihn aus Italien vertrieben hat, und trotz der Unterstützung Attilas, der ihm seine zwei Söhne mitgibt, gelingt es Theodorich nicht, Italien im Kampfe zu gewinnen. Nach der Schlacht von Ravenna, die nach der Thidhrekssaga, c. 325, in das zwanzigste Jahr von Theodorichs Exil fällt, kehrt er wieder zu AttUa zurück, Rabenschlacht 1134, Thid- hrekssaga, c. 337, und wartet den Tod Ermanarichs ab. Erst dann ist es ihm gegönnt, sich Italiens zu bemächtigen, Thid- hrekssaga, c. 401. 404. 411. Die übrigen Abenteuer Dietrichs, von denen die Sage und das Epos erzählen, fallen in die Jugendzeit des Helden. Verwirrung herrscht im Eckenlied. In dem alten Druck, welchen Schade herausgegeben hat, wird am Schluss, offenbar nach gelehrter historischer Quelle, aui die Eroberung Italiens hingedeutet, Strophen 283. 284, mit Erwähnung von Odoaker, Zeno, Augustulus, der Päpste Felix, Gelasius, Anastasius und der seltsamen Angabe, dass Theo- dorich 31 Jahre regiert habe, aber 497 gestorben sei, nachdem, Strophe 173, im Kampfe zwischen Dietrich und Vasolt, die Rabenschlacht in die Vergangenheit zurückversetzt worden war. Den letzterwähnten Gedanken hat auch die Lassbergische Handschrift des Eckenliedes Str. 197 (ed. Zupitza) und die Vir- ginal Str. 654 (ed. Zupitza). Der Schluss dieser Fassung ist ver- loren; wir wissen demnach nicht, ob die historische Ausführung des Druckes auch hier vorkam. Das Eckenlied im Dresdener Heldenbuch hat sie nicht. Damach ist es allerdings unsicher, ob sie dem verlorenen Original des Gedichts angehörte; s. Wilmanns, Altdeutsche Studien von Jänicke, Steinmeyer, Wilmanns 97 ff.

Wenn, wie oben S. 32 ff. bemerkt, sich die Vorstellung bildete, dass Ostgothen seit Alarich in Italien verblieben seien, so musste zunächst Theodorich als der legitime, angestammte Beherrscher dieses Volkes und Odoaker entweder als fremder Usurpator erscheinen oder als böser Verwandter, also ein ost- gothischer Prinz, der Theodorich seines Rechtes und Reiches

56 III* AbhandliiDg: Heinzel.

beraubt hat. Da aber der berühmte alte Ostgothenflirst Eiina- narich auch noch im Gedächtnisse lebte , nur sein russisches Reich vergessen war, so musste dieser in Italien localisirt werden, und es lag nahe, Theodorich als seinen legitimen Nachfolger, also seinen Verwandten zu betrachten. Da man ferner wusste, dass Ermanarich gegen die Hunnen gekämpft hatte, als deren Repräsentant Attila galt, so musste er zum Zeitgenossen dieses werden, und damit auch zum Zeitgenossen Theodorichs, da dieser in der Sage an die Stelle seines Vaters Theodemir getreten und sein Aufenthalt in Constantinopel, sowie sein unstätes Kriegerleben im byzantinischen Reich als ein dreissigjähriges Exil bei König Attila aufgefasst worden war; s. Müllenhoff, Zs. 10, 177.

Vor der übermächtigen Heldengestalt Ermanarichs war es der Episodeniigur Odoakers schwer sich zu halten, sobald sie als gleichzeitig in demselben Local erschienen. Die Ersetzung Odoakers durch Ermanarich konnte erleichtert werden durch gemeinschaftliche Eigenschaften. Ermanarich ist nach Jordanes alt und grausam. Odoaker ist sechzig Jahre alt, als er 493 von Theodorich getödtet wird, und hat gegen Verwandte Theo- dorichs gewüthet. Nach Joannes Antiochenus bei Mommsen, Hermes 6, 332 sagt Theodorich, als er Odoaker ersticht : touio £(niv l xat Gu Touq s|ji.ou(; eBpaca^. Mommsen verweist S. 336 auf Ennodius' Panegyricus dictus regi Theodorico 268, 11 (ed. Hartel) nata est fdicis inter uos causa discordiae, dum pei'dvslles animos in propüiquofum neceni Romana prospeHtas indtauit. Geht diese noch auf andere Dinge als auf die Tödtung des mit Theodorich verwandten Rugenkönigs Fava durch Odoaker? S. Büdinger, Oesterreichische Geschichte, S. 52. Prasdonis, d. i. Odoakers saemtia, erwähnt Ennodius auch in der Dictio in natali Lau- ren ti Mediolanensis episcopi 426, 24 (ed. Hartel).

Nach einem Versuch, Odoaker wenigstens in der Rolle eines gegen Theodorich feindseligen Inti*iganten am Hofe Er- manarichs festzuhalten, Chronicon Quedlinburgense, Pertz SS. 3, 31, W. Grimm, DHs. 32^, H. Lorenz, Germania 31, 137, verschwindet er ganz aus der Sage.

In den Kriegen zwischen Theodorich und Ermanarich, wie sie das Epos erzählt, erinnert zwar Einiges an die Ge- schichte — die Rabenschlacht an die Schlacht bei Ravenna,

üeber die osftgotbisdie Haldenaage. 57

die Verrätherei Wittigs an die KoUe Tufas , s. Rieger, Zeit- schrift für Mythologie 1, 233, die Belagerung Jubarts von Lateran in Mailand und sein Entsatz, Dietrichs Flucht 5975 ff., an die Entsetzung von Arles, deren westgothische Einwohner durch Theodorichs Feldherrn Ibba, in Handschriften auch Hioba, s. Mascou, Geschichte der Teutschen 1726, Buch 11, S. 31, Bünau, Kaiser- und Reichshistorie 1618, S. 508, gerettet wurden, die Erwähnung seiner Frau Binose, Dietrichs Flucht 9984 (s. Bonise in der VirginaJ), sowie Dietrichs ausführliche Riagerede um sie, V. 9963 ff. weist, wie schon W. Grimm be- merkt hat, D. Hs. 193', auf eine reich entwickelte Sage, aber der Umstand, dass Attila Dietrich seine beiden jungen -Söhne in das Feld mitgibt, die Episode von ihrem Tode und Dietrichs vergeblichem Versuch, sie zu rächen, und seine Rückkehr zu Attila, also seine Niederlage, ist aus der Geschichte nicht, zu begreifen. Die Hilfe Attilas überhaupt kann man als einfache Folgerung aus der Annahme, dass Theodorich bei Attila im Exil lebte, gelten lassen.

Aber wenn Attilas Söhne im Kampf mit einem gothischen, Ermanarichs Heere, Sieg und Leben verlieren, so ist das, an sich betrachtet, allerdings eine historische Thatsache, nur iUllt sie nach Attilas Tod. Ellac, Attilas Lieblingssohn, wird im Kampf gegen die Gepiden Ardarichs am Flusse Nedao in Pannonien getödtet, Jordanes Getica c. 50, die Anderen worden von Valamir geschlagen c. 52, Dintzic noch besonders bei Basiana c. 53. Wenn Ellac durch Gepiden, nicht durch Gothen seinen Tod findet, so wusste man ja, dass dies Volk sich von den Gothen nur dem Namen nach unterschied, s. Prokop, Bell. Vand. 1, 2, Constantinus Porph. De administra tione, S. 111 (Bonner Ausg.). Dass Attilas Söhne in der Kaiser- chronik Blödele und Vritcle heissen, V. 13880. 13896 (ed. Mass- mann), also abweichend von der Geschichte und der Sage, wo sie die Namen Orte und Scharpfc, ürtvin und Erp, Erpr und Eitill (Rabenschlacht, Thidhrekssaga, poetische Edda) fUhren, deutet kaum auf besondere Sagenentwicklung. Der Dichter mochte sich der sagenhaften Namen nicht erinnern und einen geschichtlichen, den von Attilas Bruder und den eines Har- lungen willkürlich eingesetzt haben. Wenn sich demnach die Möglichkeit einer historischen Erklärung für Attilas Söhne in

58 III* Abhiindlang: Heinzel.

der Rabenschlacht ergibt, so ist man niclit berechtigt, in ihnen mit P. E. Müller, Sagiibibliothek 2, 224 (Lange) eine Erinnerung an Svanhilds Brüder zu sehen, da von Einzelheiten nur der Name Erpr in der Thidhrekssaga an den des dritten Bruders Svanhilds in den nordischen Gedichten erinnert, obwohl noch Martin P. E. Müller's Vermuthung gebilligt hat, Helden- buch 2, S. XXV; s. W. Müller, Mythologie der Heldensage 177.

Dass Witig Attilas Söhne tödtet, kann auf eine Ver- wechslung von Hunnen und Sarmaten beruhen, s. MüllenhoiF, Zs. 12, 256: Vidigoja war ja ein in Liedern gefeierter Kämpfer gegen die Sarmaten, Jordanes Qetica c. 5, Priscus bei Jordanes Getica c. 34, auch das Local des historischen Kampfes gegen Attilas Söhne lag dem von Vidigojas Sarmatenkämpfen nahe, Pannonien und Darien. Uebrigens war Witig ein Verräther, seine Person eignete sich demnach gut zu der gehässigen Rolle, die noch nicht den Waffen gewachsenen Königssöhne zu er- schlagen, wie man ihm nachmals zum Theil mit Heime die Tödtung anderer jugendlichen Helden, Alphart und Nudungs, zuschrieb. Dass der berühmte Held in der Sage zum Verräther geworden, stammt wohl nur daher, dass er bei der chrono- logischen Zusammenrückung der gothischen Geschichte zum Behuf der Sage und Dichtung sowohl mit Ermanarich als auch mit Theodorich, des Locals wegen wahrscheinlicher zuerst mit Theodemir oder Valamir in Beziehung gebracht worden war. Das Vidsidhlied kennt ihn bei Ermanarich V. 124. 130, das Fragment von Waldere als Freund Theodorichs 2, 3, Müllenhoff, Zs. 12, 279. Wenn die Sage nun die Feindschaft zwischen Theodorich und Ermanarich ausbildete, musste Witig eine zwei- deutige Rolle spielen.

Also Attilas Söhne kämpfen unglücklich gegen die Gothen und Ermanarich ist der älteste gothische Gegner der Hunnen: beide Thatsachen konnten combinirt die Vorstellung ergeben, Attilas Söhne seien im Kampf gegen Ermanarich gefallen.

Aber in der Sage sind es die jungen knabenhaften Söhne des lebenden Attila, welche Theodorich gegen Ermanarich hilfreich beistehen, und dieser Beistand ist nutzlos. Die seltsame Erfindung kann ich nur als eine Folge von Theodorichs Auf- nahme in die Nibelungensage verstehen. Wenn die burgun- dischen Fürsten nach einem furchtbaren Kampfe an Attilas

üeber die osigothische Heldeniu^e. o9

Hofe ihren Tod finden und Theodorich dreissig Jahre als Ver- bannter an diesem Hofe lebte, so konnte er bei dem grössten Ereignisse an diesem Hofe nicht anders als anwesend gedacht werden. Er ist es in den Eddaliedern passiv^ activ in der stld- und norddeutschen Sage, seine Mannen verliert er aber in diesen Elämpfen ebenso nach dem Nibelungenlied und der Thidhrekssaga c. 363, 368, wie in der poetischen Edda, Prosa von Gudhrunarkvidha H und Gudhrunarkvidha HI, 5. Nun traf aber nach der älteren Fassung der Nibelungensage, wie sie in dieser Beziehung die Eddalieder bewahrt haben, Attila sofort die Rache durch Chriemhild-Gudhrun. Nur in der jungen Qudhrunarkvidha III ist ein etwas längerer Zwischen- raum anzunehmen nöthig. Er konnte also nach dem Unter- gang der Burgunden Theodorich nicht mehr zu seinem Reiche verhelfen. Sollte er es vorher gethan haben, so war nicht zu begreifen, wie Theodorich dann nicht als König in seinem er- oberten Reiche Italien blieb, sondern doch wieder in seiner alten Stellung bei Attila dem Untergang der Burganden bei- wohnte. Ein Ausweg aus diesem Dilemma war nur: Attila hatte lange vor dem Untergang der Burgunden versucht, Theodorich in sein Reich Italien zurückzuführen, es war aber nicht gelungen, trotz aller Heldenthaten, und Theodorich musste sich wieder ins Hunnenland zurückbegeben. So denkt sich das Nibelungenlied die Sachlage und die Klage. Dietrich hofft noch in sein Reich zurückzukehren, Klage 1049. 4114. 4265, und blickt auf die Rabenschlacht zurück 1990.

Diese Vorstellung von der vergeblichen Hilfe Attilas wurde noch unterstützt, wenn der sagenhafte Kampf Theodorichs und des hunnischen Heeres gegen die Oothen Ermanarichs, wie es wahrscheinlich geschehen ist, in der Phantasie der Dichter mit jenem unglücklichen Kampf der Söhne Attilas gegen die Gepiden und Gothen Ardarichs und Valamirs zu- sammenfiel.

Wurde dieses Ereigniss in die frühere Regierungszeit Attilas vor dem Untergang der Burgunden an seinem Hofe zurückgelegt, so ergab sich fUr die Sage von selbst, dass seine Söhne Kinder Helches und sehr jung sein mussten.

Zugleich sehen wir, dass, wenn Attila Dietrich nicht helfen konnte, Dietrich aber seine Mannschaft beim Untergang der

60 III- Abhandlang: Heinzel.

Burgunden verloren hatte, dieser überhaupt nicht mit Waffen- gewalt Italien erwerben konnte.

Da die Rückkehr Dietrichs zu Attila nach der Schlacht von Ravenna, also die Erfolglosigkeit der Unternehmung, sich aus der Entwicklung der Sage erklärt, so darf man nicht mit W. Müller, Mythologie der Heldensage, S. 159, in dem erfolg- losen Kampfe Theodorichs eine Erinnerung an den Untergang des ostgothischen Reiches in Italien durch die Byzantiner sehen.

Die Sagengestalt , nach der Ermanarich Theodorichs Gegner war und Attilas Söhne vor Ravenna fallen, ist demnach wesentlich von der Nibelungensage beeinflusst, die ältere mit der Person Odoakers, von welcher das Hildebrandslied Zeugniss ablegt, und ohne die Söhne Attilas, nicht. Sie kann auch in der That mit der Nibelungensage nicht in Einklang gebracht werden. Man konnte nicht wohl an demselben Orte, wo die ältere Theodorichsage herrschte, darauf verfallen, Theo- dorich beim Untergang der Burgunden an Attilas Hofe als anwesend zu denken, wenn dieser in Folge desselben von seiner zweiten Frau getödtet wurde, also Theodorich keine Hilfe mehr leisten konnte, und Sagengestalten, nach denen Attila bei diesem Anlass, nicht durch seine Gemahlin den Tod gefunden, wie das die in jeder Beziehung jüngere Auffassung des Nibelungenliedes ist, und zugleich nach diesem Ereigniss Theodorich zu seinem Reiche verhelfen habe, kennen wir nicht. Dass die Vorrede zum Heldenbuch 9, 36 ff. nicht so aufgefasst werden düife, hat schon W. Grimm gezeigt, Heldensage 298^. Es sind also wahrscheinlich die Sagen von Theodorichs An- wesenheit an Attilas Hofe zur Zeit des Unterganges der Bur- gunden und von der Hilfe, welche Attila Theodorich gegen Odoaker oder Ermanarich bei der Eroberung Italiens leistete^ unabhängig von einander an verschiedenen Orten entstanden und nachmals durch die Annahme von der Nutzlosigkeit dieser Hilfe in einen pragmatischen Zusammenhang gebracht worden.

Man könnte meinen, die ursprüngliche Sagengestalt wäre gewesen, dass Theodorich dem Untergang der Burgunden und Attilas beigewohnt und nachher ohne Attilas Hilfe, wie in der Geschichte, Italien mit eigener Macht erobert habe. Denn dann wäre diese Eroberung der Hauptpunkt seiner Sage ge- wesen und es hätten sich Spuren davon in der Ueberlieferung

lieber die ostgotbisehe Heldensage. 61

erhalten müssen. Dem widersprechen die poetischen Quellen. In der Thidhrekssaga c. 395 ff., in welcher Theodorich aller- dings nach der Tragödie am Hannen hof sein Reich Italien ge- winnt, findet gar kein eigentlicher Kampf statt. Ermanarich ist gestorben und das Land fallt Theodorich zu, sobald er sich zeigt. Der einzige Sibiche leistet Widerstand. Auch herrschte ja die Meinung, dass Dietrich alle seine Leute verloren habe. Die Sagen von Theodorichs dreissigjährigem Exil bei Attila, in Folge dessen er Zeuge des Unterganges der Bur< gunden wird, und von Attilas nach Ablauf dieser dreissig Jahre Theodorich erfolgreich geleisteten Hilfe bei der Unternehmung, Italien Odoaker wieder abzugewinnen, können wie gesagt gleich alt sein. Jünger ist natürlich jene Gestalt der zweiten Sage, welche Ermanarich, den unglücklichen Gegner der Hunnen des 4. Jahrhunderts, statt Odoaker einsetzt, die chrono- logische und historische Unrichtigkeit, welche in der Verbindung Attilas mit Theodorich liegt, also noch bedeutend vergrössert^ s. MüUenhoff, Zs. 10, 177. 11, 274. 12, 279, dieses Unter- nehmen Theodorichs, mit hunnischer Hilfe sein Vaterland zu erobern, in eine frühere Periode der dreissig Jahre, nicht an das Ende dieses Zeitraumes verlegt, es als erfolglos darstellt,

und Attilas Söhne ins Spiel bringt. Denn die drei letzt- genannten Punkte setzen, wie oben S. 60 bemerkt, die Ver- bindung der zwei Sagen von Theodorichs Exil bei Attila, in Folge dessen er dem Untergang der Burgunden beiwohnt, und jener andern von Theodorichs Exil bei Attila, nach dessen Ablauf er mit hunnischer Hilfe sein Reich gewinnt, voraus.

Man darf die Zeit dieser Verbindung wohl nach der Ent- stehung des Hildebrandliedes ansetzen, wenn nicht dieses, was theoretisch ja nicht unmöglich ist, eine alterthümlichere Sagen - form litterarisch bewahrt hat, nachdem schon neuere sich ge- bildet hatten. Dass die Episode des Hildebrandliedes, welche der älteren Gestalt angehört, dann in die jüngere auf- genommen, also in die wenig kriegerische Rückkehr Theo- dorichs nach Ermanarichs Tode, wie sie die Thidhrekssaga kennte aufgenommen ward, ist wohl begreiflich.

Die Form der Beziehung, in welche die Sage von Er- manarich mit der von Theodorich gesetzt wurde^ dass nämlich

62 III* Abhandlang: Heinzel.

Ermauarich statt Odoaker als Gegner Theodorichs auftritt, hatte Wirkung auch auf die alte Ermanarichsage selbst. Denn sein Tod durch Sarus und Ammius, wie ihn Jordanes erzälilt, die skandinavische Poesie schon seit dem 9. Jahrhundert besingt^ s. Bugge, Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 388. 392 ff. und in Deutschland noch die Quedlinburger Chronik kennt und wie es scheint, nicht unmittelbar aus Jordanes^ war für die poetische Oekonomie unbrauchbar, sobald Theodorich sein Hauptgegner wurde; das heisst in jenen Dichtungen, welche eine chrono- logische Abfolge der Begebenheiten und einen pragmatischen Zusammenhang derselben darstellten oder voraussetzten. In den Quedlinburger Annalen stehen beide Thatsachen, Theo- dorichs Vertreibung durch Ermanarich und die Tödtung Er- manarichs durch Amidus, Serila, Adoacarus, weil er ihren Vater, also seinen Bruder getödtet habe, die darauf folgende glückliche Unternehmung Theodorichs, der mit Attilas Hilfe Italien Odoaker abgewinnt, unverbunden neben einander, und in der Virginal 654, sowie im Eckenlied Str. 197 ed. Zupitza, 173 ed. Schade ist die Rabenschlacht bereits vorüber, s. oben 8. 55 und Dietrich lebt in Bern, obwohl er ganz jugendlich dargestellt wird. Diesen Berichten kam es demnach auf einen pragmatischen Zusammenhang gar nicht an. Sie kannten die Rabenschlacht, wussten also, dass Dietrich nach derselben zu Attila zurückkehrte, dreissig Jahre im Ganzen bei diesem blieb, also erst als Mann in den reifsten Jahren Italien gewinnen konnte, aber es lag ihnen nur am Herzen, eine Episode aus Dietrichs Leben, die schon eine gewisse literarische Form be- konunen hatte, zur Darstellung zu bringen. Sie mit dem Uebrigen pragmatisch zu verbinden war nicht ihre Absicht.

Aber auch jene Erzählungen, in denen ein biographischer Zusammenhang der von Dietrich erzählten Begebenheiten an- gestrebt wurde, wie Dietrichs Ahnen und Flucht und die Thidhrekssaga, lassen Dietrich nicht persönlich an Ermanarich Rache nehmen. Das ist auffallend. Denn, da Ermanarich an die Stelle Odoakers getreten war, so hätte man Dietrich Er- manarich mit eigener Hand tödten lassen können, wie Theo- dorich Odoaker in der That getödtet hat. Wenn es nicht ge- schah und hier die Sage sich wieder der Geschichte nähert, indem sie Ermanarich an einer greulichen Krankheit sterben

Ueber die ostgotbische Heldensage. 63

lässig s. Thidhressaga , c. 401 , Dietrichs Ahnen und Flucht 2658 ff. 2864. 3501 ff. 4284 ff. 9846 ff., das Motiv von seiner Ermordung durch Sarus und Ammius, welches die Quedlinburger Annalen noch kennen, also aufgegeben wurde, so liegt darin eine Art Compromiss zwischen der poetischen Forderung, dass Ermanarich durch Theodorich seinen Untergang finde, und den alten Ueberlieferungen über Ermanarichs Ende durch Sarus und Ammius. Dass Ermanarich, der Gegner Theodorichs, von der Hand anderer Gegner falle als dieses, schien unerträglich. Eher ging es an, gleichsam Gott als Rächer eintreten zu lassen, der den sündhaften König mit einer schweren Krankheit strafte, an der er starb, wie nach Jordanes' Bericht, Getica c. 24, der doch auch immer gelesen wurde, Ermanarich an den Folgen der ihm von Sarus und Ammius im hohen Alter zugefügten Verwundungen, also an einer Krankheit starb.

Wenn man sich aber vorstellt, dass Ermanarich als Diet- richs Gegner aufgefasst wurde zu einer Zeit, in welcher die oben angedeutete Sagenform bestand, dass nach dreissigjährigem Exil Dietrich mit Attilas Hilfe Italien gewann Hildebrands- lied und Quedlinburger Annaleu, so war ein persönlicher Conflict zwischen Dietrich und Ermanarich fast unvermeidlich. Nachdem Ermanarich von Dietrich besiegt war, ihn durch Sarus und Ammius oder an einer Krankheit sterben zu lassen, musste gleich unmöglich erscheinen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Ermanarich erst dann Odoakers Platz eingenommen habe, nachdem sich die oben besprochene Sagenform gebildet hatte, nach welcher Theodorich während seines Exils einmal einen trotz Attilas und seiner Söhne Hilfe erfolglosen Versuch macht, Italien zu gewinnen. Die Quedlinburger Annalen haben ja in der That noch Odoaker als Nachfolger Ermanarichs und den- jenigen, von dem Dietrich Italien gewinnt. Wahrscheinlich Hess die ältere Sage wie die Geschichte hier Odoaker seinen Untergang finden. Wenn die Annalen Odoaker durch Fürbitte Attilas leben und nach Deutschland in den Nordthüringgau verbannen lassen, so beruht dies wohl auf einer dui*ch Localsage beein- flussten jüngeren Entwicklung; s. W. Grimm, Heldensage 33*.

Nur in dem jungen niederdeutschen Lied von Ermanarichs Tode, ed. Gödecke 1851, hat sich eine Sagengestalt erhalten, nach welcher Dietrich persönlich an Ermanarich Rache nimmt,

64 III. Abhandlnng^: Heinzel.

und zwar wegen der nicht klar motivirten Feindseligkeit, welche Ermanarich ihm zeigt; s. Rassmann, Heldensage 1, 359. Die begleitenden Umstände orinnem etwas an die Tödtung Er- manarichs durch Sarus und Ammius. Dietrich überfällt mit seinen Geführten Ei*manarich in seiner Burg und tödtet ihn im allgemeinen Kampfe. Getödtet wird Ermanarich auch in der Vorrede zum Heldenbuch 3, 25 und in einer Stelle von Agri- cola's Sprichwörtern, W. Grimm, Heldensage 289^ Aber nicht von Dietrich, sondern von Eckart, dem Berather der von Er- manarich ermordeten Harlungen, von diesem allein oder von Eckai*t und seinen Gefährten. Vielleicht ist auch hieher zu ziehen die dunkle Stelle im Wilden Alexander, von der Hagen's Minnesinger 3, 30*, W. Grimm, Heldensage 170*. Aber diese Berichte liegen weit ab von der breiten Strasse sagenhafter und epischer Entwicklung und beweisen nur, dass neben der im grossen Zusammenhang dichtenden Sage es immer noch episodische Erzählungen gab, welche sich um diesen Zusammen- hang nicht kümmerten.

Wenn man den Bericht der Rabenschlacht und der Thidh- rekssaga, c. 316 336, auf seine allgemeinste Formel bringt, so erhält man: der Held der Erzählung will einem Gegner Italien abgewinnen; er wendet sich um Hilfe an einen fremden Fürsten; der gibt ihm Mannschaft und seine eigenen jungen Söhne. In dem Kampfe, den der Held mit dem Heere der Gegner besteht, fallen die fremden Königssöhne. Der Held betrauert ihren Verlust auf das Tiefste; an seinem Versuch, sie zu rächen, wird er durch eine Wassergöttin gehindert. Dieses Schema passt aber ebensowohl für die mittelalterliche Sage als für die Aeneide: Aenoas ist gleich Dietrich, Evander Etzel, dessen Sohn Pallas den Söhnen Etzels, Turnus Witig und zugleich Ermanarich, die Meerfrau, welche Witig rettet, der Quellennymphe Jutuma, die es versucht Aen. 12, 139. 468, die Todtenklage Dietrichs um die Königssöhne gleich der Aeneas' um Pallas Aen. 11, 29 ff. , sogar den Nebel der Ravennaschlacht könnte man in dem caeco puluere Aen. 12, 444, ccdigo 12, 466 zu erkennen versucht sein. Und bei der grossen Verbreitung und Beliebtheit der Virgilischen Gedichte im Mittelalter, wovon auch die poetischen Bearbeitungen des

Ueber die oitgothische Heldensage. 6&

Stoffes der Aeneide im 12. Jahrhundert durch Simon Aurea capra, Histoire litt^raire Xu 487 flF., durch Benoit de St. More and Heinrich von Veldeke Zeugniss geben ^ wäre es gar nicht unmöglich; dasB auch die deutsche Heldensage, deren Dichter ja keineswegs immer ungebildete Menschen waren , durch sie beeinflusst worden sei. Dabei wäre hervorzuheben , dass die Aehnlichkeit zwischen den deutschen Erzählungen mit Virgil und Simon Aurea capra grösser ist als mit Benoit und seinen Ableitungen ; da dieser z. B. Jutuma getilgt hat; s. A. Pey, Essay sur li romans d'En^s, p. 63.

Gleichwohl darf man einen solchen Eünfluss nicht an- nehmen; da die Entwickelung der Sage aus historischen und sagenhaften^ Elementen hinreicht, die gegenwärtige Gestalt der Rabenschlacht und der entsprechenden Capitel der Thidhreks- saga zu erklären. Ueber die jugendlichen Söhne Attilas und ihren Untergang im Kampfe Theodorichs mit Ermanarich ist schon oben S. 57 gehandelt. Der leidenschaftliche Schmerz, welchen Dietrich darüber, ähnlich wie Aeneas über den Tod Pallas', empfindet, ergibt sich aus der Voraussetzung, abgesehen von dem menc^chlichen MitgefUhl war Dietrich wie Aeneas den Vätern der Gefallenen verantwortlich; ebenso das Bedürf- nisa der Rache. Die Wassernymphe, welche sich des Mörders in beiden Fällen annimmt, ist allerdings auffällig. Aber Witig stammte von einem solchen Wesen ab: sein Vater ist Wieland der Schmied, sein Grossvater Wate, den Vilcinus mit einer Meer- frau erzeugt hat, Thidhrekssaga, c. 23 ff. Die altschwedische Uebersetzung sagt ausdrücklich, dass die Meerfrau ham fader fader modher gewesen sei, und auch die Rabenschlacht 964 nennt sie seine Ahnin oder nach der andern Handschrift seine Verwandte, diu want Witigen an, W. Grimm, Hs. 210'.

Eine verwirrte Erinnerung an diese Episode zeigt das Chronicon imperatorum et pontificum bavaricum. Pertz, SS. 24, 221 sed ex iUtisione diabolica fabidati eunb homines, hunc (Theo- dorich) natum ex matre belua marina fuisse. qua ipmm vocante, ipse dextrario inddene armatus ad manendum cum ea perpetuo intrawi mare, et adhuc sahbatis exire ad litus et cum Witigone eonßigere, quem vivum introiese dicujit ad inferos et ad bellum aabbatis exire. Der ewig dauernde Kampf zwischen Theodorich und Witig hat seine Parallele nicht nur in der nordischen

Sitxnngsber. d. pMl.-liiBt. Cl. CXIX. Bd. 3. Abb. 6

66 in. Abhandlang: Heinzei.

Hildensage ^ sondern auch in der Erzählung des Damascius (6. Jahrhundert) von dem ewigen Kampfe zwischen Römern und Hunnen vor Rom; s. Photius^ Bibliotheca, ed. Bekker^ p. 339, Dass Dietrich in gewisser Weise nach seinem Tode noch lebe, wissen auch andere Quellen; s. MüUenhoff; Zs. 12y 334.

Schon W. Grimm hat in der Heldensage^ S. 234, darauf hingewiesen, dass Dietrich Einiges mit Woifdietrich gemein hat, und dass in der Thidhrekssaga die Rache für Oi*tnit, die Auffindung von dessen Rüstung in der Drachenhöhle, die Ver- mählung mit dessen Witwe Dietrich statt Wolfdietrich zu- geschrieben ist, S. 236.^ 357 ^ Nach den Ausführungen von MüUenhoff, Zs. 12, 351 ff. ; 6, 435 ff. , kann es keinem Zweifel unterliegen, dass hier eine vielleicht hauptsächlich durch den Namen veranlasste Uebertragung von Wolfdieti-ich auf Theo- dorich stattgefunden hat. Andererseits hat auch schon W. Grimm, Hs. 357^, bemerkt, dass die Gestalt Berhter-Berhtungs von Meran mit seinen Söhnen, welche im Wolfdietrich wie im Ge- dicht von Rother vorkommen, in das letztere erst später hinein* getragen sein müssen.

Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der Meranische Herzog von Haus aus nicht dem ursprünghch fränkischen Wolfdietrich zukommt, sondern dem ostgothischen Theodorich. Darauf weist der Name Meran; s. oben S. 9 ff. Berhter-Berhtung kann schon viel früher von Meran geheissen haben als seit den Fünfzigerjahren des 12. Jahrhunderts, wie MüUenhoff, Zs. 6, 448. 455, wegen der Dachauer Grafen angenommen hat, bei denen der Titel Herzog von Meran sich erst von dieser Zeit ab finde. Dahin weist aber auch dasjenige, was von Berhter- Berhtung und seinen Söhnen erzählt wird. Dass er der väter- liche Beschützer eines unehelichen oder für unehelich gehaltenen Königssohnes ist, bedeutet weniger, da die Sage Theodorichs uneheliche Geburt Jordanes Getica c. 52 de Erdieva concubina nicht berücksichtigt. Wohl aber spielt Berhtung gegenüber Wolfdietrich eine Rolle, welche in der ostgothischen Geschichte zweimal bezeugt ist, die des Beschützers des unmündigen Königssohnes, einmal von Alatheus und Saphrax flir Vinitharius, Ammianus 31, 3, 1. 2. 3, Wietersheim, Völkerwanderung 2^, 33, dann von Gensimundus flir Theodemir, Theodorichs Vater,

üober die ostgotUach« Heldensage. 67

und dessen Brüder, MüUenhoff, Zs. 12, 254, - und von der Sage in der Person Hildebrands reich ausgebildet ist, vielleicht einmal auch in der Berhters-Berhtrams von Pola, Alphart, Dietrichs Flucht, der von dem bekanntesten Orte des Landes Meran seinen Namen führt. S. den berühmten Dogen Petrus Polanus, Otto Fris., Gesta Friderici 1, 24. Aber auch die Treue des Herrn seinen Dienern gegenüber, welche Wolf- dietrich und Rother den gefangenen Söhnen Berhtungs oder Berhters von MeriEin bezeigen, erscheint in der Dietrichsage; s. Dietrichs Flucht 3780 ff. und Vorrede zum Heldenbuch, ed. Keller S. 8, 41 ff.; ühland, Schriften 1, 201. Aus Treue zu seinen Dienern, die er nicht in Ermanarichs Oewalt lassen will, gibt 'Dietrich Italien auf. Im Ortnit, Dietrichs Flucht und in der Vorrede zum Heldenbuch S. 6, 24 ist die Beziehung von Wolfdietrich zu Theodorich dadurch angedeutet, dass dieser von .jenem abstammt, und ebenso ist Berhtung im Wolfdietrich D. IX, 211. 220 Ahnherr Hildebrands und der Wülfinge; s. MüUenhoff, Zs. 6, 452. Auch die Jugendfreundschaft Berhtungs von Meran mit dem wahrscheinlich ostgothischen Sabene, s. oben S. 8 f., im Wolfdietrich A. 7, 183. 219. 230 (MüUenhoff, Zs. 30, 240) deutet die ostgothische Heimat Berh- tungs an. Er wird aber früher oder bei den Angelsachsen einen andern Namen getragen haben, da kein seinem auch nur ähnlicher in der Liste ostgothischer Helden, welche Widsidh 112 ff. gibt, vorkommt. Auch Ek^kehart, der Beschützer der dort erst allgemein als Herelingas dann mit den Sondemamen Emerca und Fridla erscheinenden Harlungen, ist in dem Ver- zeichniss nicht zu entdecken; sollte es der mit ihnen in einer Zeile stehende weise und edle Eastgota sein?

Dass Berhter-Berhtung von Meran ursprünglich in der ostgothischen Heldensage seinen Platz gehabt habe, hat schon W. Müller, Mythologie der deutschen Heldensage S. 191 ausge- sprochen und sehr wahrscheinlich gemacht. Ich habe seinen Gründen nur Einiges hinzugefügt.

Aber gegen W. Müller's daselbst S. 201 f. geäusserte An- sicht, dass die Sage von Wolfdietrich von Haus aus eine ost- gothische, keine westfränkische gewesen, sprechen zu entschieden die von MüUenhoff, Zs. 6, 435, angeführten Momente. Ich mache

noch aufmerksam auf die merovingischen Gesandten, welche in

68 lU. Abhandlong: Heinzel.

Constantinopel ins Gefilngniss geworfen wurden, wie die Ge- führten Wolfdietrichs und Rothers, Fredegarius bei Canisius, Antiqua lect., t. n, 675; Bouquet II, 379; s. Rajna Origini 58, auf die von dem fränkischen Theodorich empfohlenen Franken Bosses und Bettos, die am byzantinischen Hofe ihre Kriegsdienste anbieten, aber abgewiesen werden, wie Rother oder Osantrix, Theophylactus Simocatta bei Photius ed. Migne 30^, auf die seltsam gehobene Stellung Sabenes, Wolf- dietrich A 167 f, die nur der eines merovingischen Maiordomus entspricht, und auf die grosse Aehnlichkeit , welche nicht nur einzelne Züge, sondern die ganze Fabel des Wolfdietrich mit einer französischen Chanson de geste zeigen, mit Parise la Duchesse.

Das Gedicht ist herausgegeben 1836 von Martonne, 1860 von Guessard und Larchey, besprochen von P. Paris in der Histoire litt^raire 22, 659 f. Der Inhalt ist folgender. Parise, die Gattin Raimonds de St. Gille, Herzogs von Vauvenice, wird bei ihrem Gemahl verleumdet nicht wegen Ehebruchs und verbannt. Nur ein Vasall erweist sich ihr als treu, der alte Clarembaut, der ihr von seinen vierzehn Söhnen zehn zum Schutze mitgibt. Sie gelangt bis Ungarn, wo sie im Walde einen Sohn zur Welt bringt, der ein Kreuz auf der rechten Schulter trägt (Martonne S. 76. 101). Aber er wird ihr von Räubern gestohlen, die ihn zu dem König von Ungarn bringen, obwohl sie ihn für ihren Stand gewinnen möchten. Der König lässt ihn aufziehen und gibt ihm nach seinem eigenen den Namen Hugo. Trotz der Freundschaft des Königs, der ihn sogar mit seiner Tochter verheiraten will, verlässt er das Land, weil er einen Ritter, der ihm seine unbekannte Herkunft in beleidigender Weise vorgehalten, erschlagen hat. In dem Kampfe, der sich dabei entspinnt, werfen die Ungarn mit Messern (S. 106. 111). Er will seine Eltern finden und gelangt nach Cöln, wo seine Mutter als Amme in die Dienste Thierrys von Cöln getreten war. Mutter und Sohn erkennen sich (S. 121), ohne dass das Kreuz als Erinnerungszeichen verwendet wird. Thierry gibt ihm Mannschaft, mit der er sein Erbe gewinnen soll, und Anton, der Sohn Thierrys, schliesst sich der Unter- nehmung an, natürlich sind die zehn Söhne Clarembaut' s, welche Parise nie verlassen haben, auch dabei. Ihr Vater Clarem-

üebtt dl« ottgothuclie Haldeiumge. 69

baut ist unterdessen mit Raimond und seinen bösen Ratbgebem in Conflict gerathen und kämpft mit seinen vier Söhnen gegen die Uebermaebt von der Burg Nueve Fertö aus. Hugo und Anton mit ibrer Mannsebaft kommen zu ibm. Clarembaut er- kennt seine Söbne^ dann Hugo, und der Krieg gegen Raimond wird mit vereinten Kräften gefübrt. Als Clarembaut, Hugo und Anton nacb Vauveniee geben, um mit dem Herzog zu unterbandeln, sagt Clarembaut vorber seinen Söbnen, er werde in sein Hom stoss^n, wenn er ibre Hilfe braueben sollte (S. 193). Dies gescbiebt, als Hugo in Streit mit den bösen Ratbgebem Raimonds gerätb (S. 197). Wäbrend des allgemeinen Kampfes sagt Clarembaut dem Herzog, dass Hugo sein Sobn ist. Der Herzog erkennt ibn an, versöbnt sieb mit Parise und die Ver- rätber werden bestraft. Hugo beiratet die ungarische Prinzessin und wird nacbmals König von Ungarn, behält aber die Herr- schaft über Vauveniee.

Dem entsprechen in unseren Wolfdietrichen eine Reibe von Zügen in derselben Abfolge. Hugdietricbs Gemahlin wird verleumdet A. 43 und verbannt A. 278. Wolfdietrieb, der ein Kreuz zwischen den Schultern bat B. 140, das später nicht vorkommt, wird gleich nacb der Geburt der Mutter entftibrt von Berbtung A. 105, von einem Wolf B. 152, seine eheliche Geburt wird angefochten A. 45. 63. 68. 269, sein Vater selbst will, dass er Strassenräuber werde A. 65. Mit Hilfe Ortnits, dem in Parise Thierry von Cöln und Anton entsprechen, ge- lingt es ibm, sein Erbrecht zur Anerkennung zu bringen A. 407, A. K. 308, B. 864, D. IX, 29. Berbtung mit seinen Söbnen bat sein Gegenbild in Clarembaut mit der ungewöhnlichen An- zahl von vierzehn Söbnen, das Hom Clarembaut's in dem Wolf- dietrichs B. 870. 922 und Rotbers, auf den ja ein Theil der Wolfdietricbssage übertragen ist, Rother 4183. Vgl. auch die Stelle von den Liedern Rothers 172. 2512; s. Beer in Paul- Braune's Beiträgen 14, 547. 563. Die Brüder Wolfdietriebs werden besiegt A. K. 323, B. 909, D. 110, und Sabene wird bestraft A. K. 325. Sogar das Messerwerfen kommt vor, wenn auch unter anderen Umständen, A. 253. 261, B. 586, D. VI, 125 ff.

Der Typus des bis in den Tod getreuen Freundes des Enterbten erscheint zwar auch sonst, Beuves de Hanstone

70 lU. Abhandlang: Heinzol.

(Seibaut und zwei Söhne), Jourdain de Blaivies (Kichier), im Mainet (David), aber die übrigen Umstände weichen stark ab.

Es scheint also schon zur Zeit des merovingischen Epos der väterliche Freund des Enterbten oder seiner Mutter an Stelle der getreuen leudes getreten zu sein, welche nach Gregor, Tut. 3, 23, Theudebert, den Sohn Theodorichs I., aus an- gezweifelter Ehe schützten, MüUenhoff, Zs. 6, 443, wahr- scheinlich durch Anlehnung an die Sage des ostgothischen Theodorichs, s. oben S. 66, und eine Reihe anderer Züge hatten sich schon befestigt.

Aber dass gerade ein Wolfdietrichgedicht im 16. Jahr- hunderte von einem französischen Gelehrten gekannt war und zur Herstellung eines fabelhaften französischen Stammbaumes benutzt wurde, wird Zufall sein; s. Liebrecht, Germania 14, 226. 15, 192.

Unter den Gedichten von Dietrich, welche sich im Grossen und Ganzen als märchenhaft darstellen^ wenn auch einzelnes Historische in ihnen erhalten sein mag, haben drei das Motiv der Gefangenschaft Dietrichs, Laurin, Sigenot und Virginal ed. Zupitza im deutschen Heldenbuch V, womit in dieser Epi- sode auch Dietrichs erste Ausfahrt übereinstimmt, ed. Stark in der Bibliothek des literarischen Vereins 1860; s. Wilmanns Zs. 15, 297. 305. Die Einzelheiten der Gefangenschaft in diesen drei Gedichten sind so verschieden, dass an eine gemeinsame Quelle nicht zu denken ist, und die Episoden von Laurin und Sigenot lassen sich in älteren oder überhaupt anderen Denkmälern als den Gedichten, in denen sie uns erhalten sind, nicht nach- weisen. Anders verhält es sich mit dem in Betracht kommenden Abschnitt der Virginal.

Daselbst wird die Episode von Dietrichs Gefangenschaft Str. 314 bis ungefähr 790] erzählt, aber auch im späteren Theile des Gedichtes bis zum Schluss 1097 kommen Fort- setzungen derselben vor; 1018—1023 erzählt sie Dietrich in Kürze noch einmal. Sie lautet: Nachdem Dietrich, Hildebrand und ihre Begleiter die Feinde der Königin Virginal, die Riesen, getödtet, dann Rentwin aus den Zähnen des Drachen befreit haben und in Arona, der Burg Helfrichs, des Vaters des Ge- retteten, bewirthet worden sind, ziehen sie, einer Einladung

Ueb«r die ostgoUÜBehe Heldensage. 71

Virginals folgend, zu dieser. Auf der Fahrt reitet Dietrich voran, verirrt sich, wird unbewaffnet, wie er ist, von dem Riesen Wicram überwältigt, 327, und nach Müter, in die Burg des Herzogs Nitger geführt, welchem dieser Riese mit seinen Genossen unterthänig ist, und dort eingekerkert, 338. Durch die Bosheit Wicrams kommt er dem^ Hungertode nahe, 372, aber Ibelin, die Schwester Herzog Nitgers, welche an dem Schicksal des Gefangenen Antheil nimmt, erzählt es ihrem Bruder, 374. Als dieser Wicram seine Grausamkeit vorwirft, verantwortet er sich damit, dass Dietrich, Hildebrand, Witig, Wolfhart, Dietleib den Riesen so viel Schaden zugefügt haben, unter Anderm in Bintanje, 377. Auf die Bitte Dietrichs sendet Ibelin Hildebrand Nachricht von der Bedrängniss Dietrichs, 442. Unterdess aber war dieser mit Helferich und Anderen zu Virginal gekommen, 339 ff. Hildebrands Schild wird bei dieser Gelegenheit als ungeheuer gross und schwer geschildert, 354. 491. 593. Man hat Dietrich schon vermisst, 357, und vermuthet, dass er durch die Riesen in die Gefangenschaft Nitgers gerathen sei, 359. Hildebrand und Dietleib erkundigen sich um den Weg nach Muter, 363 ff. Nun kommt Ibelins Bote an und meldet Hildebrand den Stand der Dinge, 453. Ein Bote wird nach Ungarn, 532, von da ein anderer nach Steiermark gesandt, 545, und König Imian, sowie Dietleib ver- anlasst, sich der Fahrt anzuschliessen. Hildebrand reist nach Bern, 595, und entbietet die Wülfinge, auch Witig und Heime mit der Herzogin Ute, unter den Wülfingen thut sich Wolf- hart als ungeberdig und hitzköpfig hervor, 596. 630. 719. 734. 787. 975. 977. Alle begeben sich zunächst zu Virginal, 670, wo sie sich mit König Imian und Dietleib vereinigen, 702, dann ziehen sie insgesammt vor Muter, 711. In den Kämpfen mit den Riesen werden diese erschlagen, auch Dietrich, welcher von Ibelin und Nitger, der das Heer der Feinde fUrchtet und mit seinen Riesen unzufrieden ist, Waffen erhält, 755, nimmt an dem Kampfe theil und wird von den Seinen freudig be- grüsst, 769. Auf Ibelins Bitten behält Nitger seine Burg, 782. Ibelin scheint zwar Dietrich zu lieben, 756. 820, aber er liebt sie nicht, jedenfalls wird kein Liebesverhältniss zwischen ihnen angenommen, er bietet ihr an, sie zu ver- heiraten, 756.

72 ni. Abhandlnng: Hein sei.

Auf diese Episode bezieht sich Alphart Str. 251 ff. Witege sagt zu Heime:

ich mane dich dtner triuwe, sprach der hochgebom, und dtner staeten eide, die du mir hast gestoom: 252 daz du mir gehieze biz an dtnen tdt

daz mich din hant nicht lieze vmb keiner slahte ndL dar an soltü gedenken, du üz enoelter degen, loie ich dir kam zehelfe tmde vriete dir dm leben. 263 Daz tet ich ze Mütaren, da half ich dir üz not. da müestestü ze wäre den grimmecltchen tdt, du und der von Beme, beide genomen hän, wan daz ich iu beiden - sS schiere ze helfe kam. Dass es zwei verschiedene Bedrängnisse Dietrichs in Mutaren gegeben habe, aus denen er durch seine Gefährten befreit worden sei, ist nicht glaublich. Wahrscheinlich meinte die Sage ursprünglich Mautem an der Donau, welchen Ort die Klage kennt, und der Biterolf als Wohnsitz Astolts und Wolfrats. Es war schon im 9. Jahrhundert ein bekannter Stapelplatz; s. Büdinger, Oesterreichische Geschichte, S. 206. Wohl aber sehen wir, dass es eine Variante der Virginalepisode gab, nach welcher Dietrich zugleich mit Heime in Bedrängniss ge- rieth, und Witege bei der Befreiung eine wichtigere Rolle spielte als in der Virginal.

Diese oder eine ihr ähnliche Form der Episode setzt aber schon das angelsächsische Gedicht von Waldere voraus, dessen Handschrift dem 9. Jahrhundert angehört:

2 mece bceteran

büton dam änum, de ic 4ac hafa, on stänfate stille gehided. ic wät, pcet hit dShte Diodric Widian 5 seif um onsendon and 4ac sine micel

mädma mid di msce, monig 6dres mid him golde gegirwan. ivUan genam, pcBs de hine of nearwum Nidhades mceg, Welandes beam, Widia üt forlet : 10 durh fifela gefeald ford onette, Nearu kann allerdings auch ganz allgemein , Bedrängniss, Noth* heissen, es bedeutet aber auch ,Geßlngnis8^ und wegen üt forUt ist letztere Bedeutung hier anzunehmen; s. Elene 711

üeber die oatgothiseh« HeldensAge. 73

Hio heMad, pcßt hine man of nearwe and of n^ddeofan, fr am dam engan hofe forUte. In dies Geföngniss ist Dietrich hier jedenfalls durch ^Ungeheuer^ fifd gerathen. Ob Heime mit- gefangen war, ist aus der Stelle nicht zu entnehmen. Das Schwert, welches der Retter als Belohnung erhält, kommt in der Virginal nicht vor, im Alphart war keine Veranlassung, es zu erwähnen. Die Thatsache, dass Witig sein berühmtes Schwert Miming von Theodorich erhält, ist auffällig und mit anderen Ueberlieferungen im Widerspruch; s. meine Abhandlung über die Walthersage S. 9, Wiener Sitzungsberichte, Band 117, viel- leicht war dies eine auf £ngland beschränkte Entwickelung. Die Gefangenschaft aber Dietrichs bei Riesen und seine Be- freiung durch einen seiner Helden ist jedenfalls vom 9. bis zum 13. Jahrhundert in germanischen Ländern besungen worden.

Wenn MüUenhoff, Zs. 12, 278 f. sagt : ,ihn (Dietrich) soll nun einmal (d. i. nach Waldere) „Vidia aus Elenmien^ los- gemacht haben, so dass er durch das Gefilde der Riesen oder Unholde davoneilen konnte. Davon wissen unsere späteren Ueberlieferungen nichts, es müssten denn die Abenteuer mit Sigenot und Laurin uralte Bestandtheile der Dietrichsage und nicht blos wilde Schösslinge der Tiroler Localsage sein, und die Angelsachsen Vidia an die Stelle Hildebrands oder Diet- leibs gesetzt habend so erinnerte er sich damals im Jahre 1860, wie die Erwähnung von Sigenot und Laurin zeigt, weder der Virginal noch des Alphart, beide nur gedruckt in von der Hagen's Heldenbuch von 1855, die Virginal auch in der üeber- arbeitung der Wiener Piaristenhandschrift ed. Stark, 1860. Auffälliger ist es, dass auch 1870 der Herausgeber der Vir- ginal in MüllenhofiTs Heldenbuch, S. XXVI, den Bezug der oben citirten Stelle des Alphart auf die Episode der Virginal nicht gelten lassen will, welchen Martin, S. XXIX seiner Al- phartausgabe hervorgehoben hatte.

Die Form, welche die Erzählung in der Virginal zeigt, mit dem Motiv der Verwandten des Gegners, welche sich dem Gefangenen hilfreich erweist, hat dieser gewiss aus dem gemein- europäischen Motivenschatz übernommen. S. besonders die alt- französische Epik, z. B. Floovant ed. Guessard und Michelant, 822 ff. Floovant ist gefangen gehalten vom Amiral Galien, dessen Tochter Maugalie erleichtert ihm durch ihre Liebe seine

74 m. A1)luindliuig: Heinzel.

Lage und begünstigt seine Beireiung durch seinen Gefährten Richier. Auch Fierabras 63. 84 f. hat eine ähnliche Episode, deren Heldin Floripas ist, ebenso Qaufrey 52, Huon de Bordeaux 52; s. Rajna, Origini 409. Eine gewisse Aehnlichkeit zeigt auch die Erzählung von Haraldr Hardhradhi in Constantinopel, in der Morkinskinna 12, 30 ff. Aber eine Uebereinstimmung, die sich auch auf Einzelheiten erstreckte , finde ich nur in einer der Fomaldar sögur, in dem Schluss der Hrolfssaga Gautreks- sonar, FAS. 3, 57—190, von S. 165 ab. S. unten S. 91.

Hrolfr, König von Schweden und Gautland, begibt sich mit seinen Freunden Asmundr und Grimr und einem Heere nach Irland, wo ein zauberkundiger König ihn in der Schlacht überwältigt und mit Asmundr in ein Gefängniss setzen lässt, wo er verhungern soll. Die Tochter des Königs, welche seine Tapferkeit in der Schlacht beobachtet hat, versorgt ihn mit Speise und Waffen. Unterdessen beunruhigen sich Hrolfrs Angehörige und Freunde in der Heimat, in Schweden. Das ist seine Frau Thombjörg, sein hitzköpfiger Bruder Ketill S. 116. 135. 138, sein Zieh- bruder Ingjaldr und sein Freund, der Reichsverweser Thorir Jamskjöldr, der, wie sein Name sagt, im Besitz eines eisernen sehr grossen Schildes war, S. 176. 179. 183. Dieser zieht zunächst allein aus, Hrolfr in Irland aufzusuchen, dann bieten Thornbjörg, Ketill und Ingjaldr ein Heer auf und begeben sich zusammen auch nach Irland. Dort war es aber inzwischen schon Thorir Jarnskjöldr gelungen, Hrolfr zu befreien. Mit dem Heer seiner Gemahlin, Ketills und Ingjaldrs besiegt Hrolfr dann den irischen König, lässt ihm aber auf Bitten seiner Tochter Reich und Leben, S. 181, und verheiratet diese seine Retterin mit seinem Freunde Asmundr, S. 184.

Unter den übereinstimmenden kleinen Zügen Ketill gleich Wolf hart, Thornbjörg gleich Uote, der Pluralität der Gefangenen wie im Alphart ist besonders aufßUlig der un- geheuer grosse und schwere Schild des Befreiers Thorir, der davon den Namen Jamskjöldr erhalten hat, und Hildebrands. Da in keinem andern deutschen Bericht, so viel ich weiss, ein solcher Schild Hildebrands erwähnt wird, so scheint hier Vir- ginal nicht gerade von der uns erhaltenen Saga, aber von einer Erzählung ähnlichen Inhalts, in welcher unter Anderem der Befreier einen besonders grossen und schweren Schild trägt.

üeber die ostgothisoke HeldeoMge. lO

abhängig zu sein. Die Saga selbst gehört nicht zu den jüng- sten, da von ihr Handschriftenfragmente des 14. Jahrhunderts existiren^ die Helden der Saga sind aber viel früher dichterisch behandelt worden, wie Bugge, Arkiv 1, 255 ff., gezeigt hat. Dies geht aus dem Snorri bekannten Hyndlalied hervor. Strophe 25 (ed. Bugge) heisst es:

kunna ek baada Brodd ok Haurfi

vom peir i hird Hrolfs ens gamla,

aüir bormr fra Jormunreki

Sigurdar nuuigi u. s. w. Da allir sich nicht auf zwei Personen beziehen kann, so scheint etwas nach gamla zu fehlen. Dies Fehlende findet Bugge in Str. 22:

Gunnar baalkr, Orimr ardskafui (1. kardskaß), iam$kioUdr Porir, Vlfr ginandi Ich glaube mit Recht, denn Hrölfr gamli, Strophe 25, kann nicht der Berühmteste dieses Namens, Hrolfr ELraki, sein, da dieser früh starb; alt wurde zwar auch Göngu-Hrolir, Fomaldar sögur 3, 363, aber an ihn ergibt sich im ganzen Gedicht keine An- knüpfung, wohl aber an Hrolfr Gautreksson, der auch ein hohes Alter erreichte, FAS. 3, 189. Denn Thorir Jamskjöldr, sowie Grimr sind Gefährten dieses Hrolfr Gautreksson nach der Saga. Zugleich sehen wir aber, dass die Gestalt der Erzählung, welche der Dichter des Hjmdlalieds kannte, von der Saga abwich: diese kennt die Helden Broddr, Hörfir, Gunnarr balkr und Ulfr ginandi nicht. Bemerkenswerth ist auch, dass die nordische Saga die märchenhaften Elemente aus deutscher Ueberlieferung, Riesen oder Zwerge, entbehrt, nur ist der irische König zauber- kundig. Hat die Hrolfrsaga sie abgestreift oder sind sie in Deutschland schon vor dem 9. Jahrhundert (s. das angelsäch- sische Gedicht von Waldere) zu der rein menschlichen Erzäh- lung hinzugekommen? Da Thorir Jamskjöldr mit Broddr u. s. w. für Abkömmlinge des ostgothischen Ermanarich gelten^ Hyndlalied Str. 25, so liegen hier wohl Reste ostgothischer Sage vor, die im Norden und in Deutschland verschiedene Bearbeitung erfahren hatten.

Aber diese Sage ist vielleicht schon durch die von Wolf- dietrich beeinäusst worden. Denn da Berührungen zwischen

76 m. AbhftndlvBf : Hein sei.

der Wolfdietrich- und Theodorichsage existiren, s. oben S. 66, bei dem ersteren; der sein Wesen mit dem einer verhältniss- mftssig deutlichen mythologischen Persönlichkeit schon früh vereinigt hat, während sein historischer Charakter in keinem Gedichte gewahrt wird, Beziehungen zu Drachen, Riesen und Zwergen u. dgl. eher begreiflich sind als bei Dietrich, der in einer Reihe von Gedichten des 13. Jahrhunderts noch als der ostgothische König von Italien erscheint, so darf man vermuthen, dass mythische Elemente von Wolfdietrich auf Theodorich übertragen worden sind, die dann bei Wolfdietrich ebenso ver- gessen oder aufgegeben oder wenigstens verdunkelt wurden wie das Motiv von Berhter-Berhtung von Meran und seinen Söhnen oder Geführten in der Theodorichsage, nachdem es mit der Wolfdietrichsage verbunden worden war, oder wie die alte Sage von Thrydho, der Gemahlin Ofifas I auf Offa II übertragen und bei Offa I durch eine andere ersetzt wurde, Müllenhoff, Beovulf 77 f., oder wie Sceaf Beawas Leben in der Poesie ganz inhalts- los geworden zu sein scheint, nachdem seine Thaten Beowulf zugeschrieben worden waren, s. Müllenhoff, Beovulf, S. 9. So könnte das älteste Abenteuer Theodorichs, die eben bespro- chene Gefangenschaft, die früheste vor dem 9. Jahrhundert voll- zogene dieser Uebertragungen sein. In den vorhandenen Wolf- dietrichgedichten findet sich nichts Uebereinstimmendes, wenn man nicht die gefährliche Lage vergleichen will, in der sich Wolfdietrich (B und D) auf Falkenis, der Burg des messer- werfenden Heiden Belian und seiner zauberkundigen Tochter, befand, die um des Helden Liebe wirbt.

Die Wolfdietrichgedichte werden wohl kaum je in ihrer Entstehung klar werden. Sie setzen eine reiche und freie Ent- wicklung voraus, auf die wir nur durch die Resultate schliessen können. Die Mittelglieder, welche diese Berichte mit der Geschichte oder älteren Sage verknüpften, fehlen ganz. Die Fülle der Abenteuer, mit denen eine ursprtlnglich viel ein- fachere Geschichte ausgestattet worden ist, zeigt Ueberein- stimmung mit orientalischen Motiven, Uhland, Schriften 1, 176 ff., 7, 538 ff. , aber auch mit der Dietrich- und Siegfriedssage, s. oben S. 66, und Neumann, Germania 28, 340, und der Legende vom heil. Georg, Anzeiger fbr deutsches Alterthum 9, 261 f.

üebar die ostgothiaohe fleldennge. 77

Diese Freiheit, ja Willkür in der Entwicklung haben die Gedichte von Wolfdietrich mit der Thidhrekssaga gemein, und wie in dieser beruht die genannte Eigenschaft zum Theile auch in der Benutzung und Nachbildung der französischen Epik, vor Allem der mit nationalen merovingisch-karolingischen Stoffen, zum Theil auch der bretonischen und ähnlicher Romane. Sie tritt im Wolfdietrich noch bescheidener auf, hat aber in der Thidhrekssaga mächtig gewuchert und zeigt sich in beiden Werken mitunter auf dieselbe Weiset

Beuves

Adenes

Charle-

* Die Aoügaben und Handschriften altfranzOsischer oder auf altfransOBische zurückgehender Epen, welche ich im Folgenden citire, sind: Aiol, ed. Förster in Aiol and S. Gille, Heilbronn 1876; Aliscans, ed. Guessard et Montaiglon, Paris 1870; Amis et Amiles, ed. Hofmann, Erlangen 1852; lia Chanson d*Antioche, ed. P. Paris, Paris 1848; Le Roman d*Aspremont, ed. Bekker, Berlin 1847 (gedruckt 1849 in den Abhand- inngen der Berliner Akademie)'; Anberi le Bourgoing, ed. Tarb^, Reims 1849; Anberin le Bonrg^ignon, ed. Keller, in der Romvart 1844; Aubery le Boorgnignon, ed. Tobler, Leipzig 1870 de Hantonne, Handschrift 3429 der Wiener Hofbibliothek li Rois, Bneves de Commarchis ed. Scheler, Brüssel 1874 magne, Karls des Grossen Reise nach Jerusalem, ed. Koschwitz, Heil- bronn 1888; Doon de Mayence, ed. A. Pey, Paris 1859; Eiie de Saint-Gille, ed. FOrster, in Aiol und Elie de S. Gille, Heilbronn 1876; Fierabras, ed. Kroeber et Servois, Paris 1860; Floovant, ed. Guessard et Michelant, Paris 1859; Garin le Loherain, ed. P. Paris, Paris 1833; Werin von Lothringen, ausgezogen nach der Brüsseler Handschrift von Mone in Quellen und Forschungen, Quedlinburg und Leipzig 1836; La Mort de Garin le Loherain, ed. Du M^ril, Paris 1846; Gaufrey, ed. Guessard et Chabaille, Paris 1859; Gaydon, ed. Guessard et Luce, Paris 1862; Girard de Viane, ed. Tarb^, Reims 1850; Girartz de Rossilho, ed. Hofmann, Berlin 1850; Girbert de Metz, ed. Stengel in Bühmer's Romanischen Studien 1, 441 (1875); Gormond et Isembard, ed. Heiligbrodt in B5hmer*s Romanischen Studien 3,501; Gui de Bourgogpie, ed. Guessard et Michelant, Paris 1859; Guillaume, Rennewart Ulrich von Thtlrheim^s Willehalm, ausgezogen von Kohl in der Zeitschrift f. d. Philologie 13, 129 ff.; Moniage Guillaume, ed. Hof mann, München 1852 (in den Abhandlungen der philos.-philol. Classe der bair. Akademie), Guy of Warwick ed. Zupitza, London 1875; Henris de Metz nach den Analysen von Hub, Inhalt und Handschriften- Classification der Chanson de geste, Hervis de Metz, Heilbronn 1879, und Rhode, Die Beziehungen zwischen Hervis de Mes und Garin le Loherain, Marburg 1881 (in Stengel's Ausgaben und Abhandlungen IH); Hugues Capet, ed. de la Grange, Paris 1864; Huon de Bordeaux, ed Guessard et Grandmaison, Paris 1860; Jourdain de Blaivies, ed.

78 ni. Abhandlnng: He in sei.

Was Wolfdietrich anbelangt, so ist auf die Aehnlichkeit der ganzen Fabel mit Parise la Duchesse schon oben hinge- wiesen worden, aber diese ist, da es sich im Wolfdietrich wie in Parise um ein Ereigniss der westfränkischen Geschichte handelt, nur als das Resultat einer in Frankreich und Deutsch- land parallel laufenden Entwicklung desselben westfränkischen Sagenmotivs anzusehen, nicht als Einwirkung französischer Epik auf die deutsche.

Wohl aber möchten als solche folgende Einzelheiten der Wolfdietrichgedichte zu betrachten sein, deren Aufzählung ich die auch fär die anderen deutschen Gedichte der Heldensage so- wie fUr die Thidhrekssaga geltende Bemerkung vorausschicke, dass, wo eine so auffallende Uebereinstimmung vorkommt, dass Zufall, d. h. selbstständige Entwicklung in Frankreich und Deutschland nicht wohl anzunehmen ist, die Wahrscheinlichkeit flir Entlehnung aus Prankreich vorliegt, dessen literarischer Ein- fluss auf Deutschland ja bekannt ist, während die Einwirkung deutscher Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts auf Frankreich so gut wie nicht vorkommt.

Wolfd. A. AS. 278. Die Königin wird in Abwesenheit ihres Gemahls von dessen vertrautem Freund mit Liebesan- trägen bedrängt und, als sie ihn abweist, bei ihrem zurück- gekehrten Gatten verleumdet und verbannt. Es ist das alt- französische Motiv von der Königin Sibille, das schon bei Fredegar von Gundeberga, einer Angehörigen des merovingischen Hauses erzählt, dann an die Geschichte anderer westfränkischer

Hofmann, Erlangen 1862 (in Amis et Amiles) ; Roman van Karel den grooten, ed. Jonckbloet, Leiden 1844; Macaire, ed. Quessard, Paris 1866; Mainet, ed. G. Paris in der Bomania 4, 315; Valentin und Namelos, ed. Seelmann, Norden und Leipzig 1884; La Chevalerie Ogier de Danemarche, ed. Barrois, Paris 1842; Adenes li Bois, En- fances Ogier, ed. Scheler, Brüssel 1874; Prise d^Orenge, ed. Jonck- bloet in Guillaume d'Orenge 1854; Prise de Pampelune, ed. Mossafia, Wien 1864 (in den altfranzösischen Gedichten) ; Parise la Dach esse, ed. Martonne, Paris 1836 und ed. Guessard et Larchey, Paris 1860; Raonl de Cambrai, ed. Le Glay, Paris 1840; Beali de Francia, Venedig 1815; Renaus de Montauban, ed. Michelant, Stuttgart und Tübingen 1862; Chanson de Roland, ed. Th. Müller; Bodel, Chanson des Saxons, ed. Michel, Paris 1839; Tristan de Nantenil, ausgezogen von P. Meyer im Jahrbuch für romanische und englische Philologie, im 9. Bande.

lieber die ostgothidche Heldensage. 79

Familien geknüpft wird; s. Grundtvig Folkeviser (Ravengaard og Memering) 1, 177 IBF., 203. 2, 640. 3, 779. 4, 729; Storm, Sagn- kredsene 130; Neumann, Germania 28, 350; Rajna Origini 148 f., 456; Nyrop-Gorra 122. S. das Motiv auch unten S. 87, in der Thidfarekssaga.

Wolfd. A. 375 fF., Wolfdietrich und Berhtung haben einen Einfall in Griechenland gemacht^ müBsen vor der Uebermacht weichen, ziehen sich auf ein Schloss zurück und werden daselbst belagert. Wolfdietrich schlägt sich, um Hilfe zu suchen, durch die Belagerer durch und tödtet viele von ihnen. Dass dieses Erzählungsmotiv ein französisches sei, ist deshalb wahrscheinlich, weil es im französischen Epos sehr häufig ist, während in Deutschland die Fälle im Wolfdietrich und der Thidhrekssaga, 8. unten, vereinzelt dastehen. Rajna hat Origini, S. 409, auf Jehan de Lanson und Simon de Pouille hingewiesen, s. Histoire Ktt^raire 22, 572; Gautier, Epop^es 3, 260. 346. Dazu kommen Aiol 7611; Aspremont (ed. Bekker 1847) 14*; Aubery ed. Tobler 202; Ogier 6016. 6429. 8970; Prise d'Orenge 879; Co- venant Vivien 717. S. unten S. 84 f.

Wolfd. A. K. 252 E, B. 533 ff., D. VI, 1 ff. Das Aben- teuer mit dem messerwerfenden Heiden und seiner Tochter ist dem Lanzelets bei Galagandreiz ausserordentlich ähnlich, s. Jänicke, Heldenbuch IV, S. XLIH, Ulrich von Zatzikhoven V. 807 ff. , dessen französisches Original zwar unbekannt, aber doch zweifellos ist. Da die mittelhochdeutsche Epik im All- gemeinen der empfangende Theil ist, die Rolle ^ welche die Tochter des Heiden spielt, in der französischen Epik ausser- ordentlich oft vorkommt, s. Gautier, Epop^es 1, 18 f. 128, so ist Priorität des Motivs fUr Frankreich anzunehmen. Wolfd. B. und D. heisst dieser Heide Belian. Der Name ist der des Baligant im Rolandslied, des BeUan im Ogier, 12152. S. Anzeiger fUr deutsches Alterthum 15, 186.

Wolfd. D. VII, 201 ff. Wolfdietrich siegt im verabredeten Zweikampf, wird aber dabei von den Freunden des Besiegten angegriffen. Die Bürger retten ihn. Das erinnert an ein sehr beliebtes Motiv der französischen Epik. Der Sieg des Helden in einem verabredeten Zweikampf wird dadurch vereitelt, dass die Freunde des Besiegten, des Gegners des Helden, oft eines Heiden, ihm gegen die Abmachung zu Hilfe kommen und ihm

80 in. Ablumdlnng : H e i o z e I.

SO G-elegenheit geben, seine Rechtlichkeit oder seinen Edelmuth zu bethätigen. Das in Deutschland bekannteste Beispiel dieses Motivs ist wohl die Episode von Somagiur in Konrads nach einem französischen Original gearbeiteten Partonopier und Meliur 6001 ff. In der französischen Nationalepik erscheint es z. B. im Aubery ed. Tobler 110; Fierabras 47; Gaydon 227, s. Reimann über die Chanson de Gaydon 84; Gui de Bourgogne 2; Ogier 2015. 2134. (2720); Karlmeinet 107, 32; ohne das Motiv des edelmüthigen Feindes, Beuves de Hanstone 298**; Elie de St. GiUe 2297; Valentin und Namelos 1686; Prise de Pampelune 3570; Heinric en Margriete van Limborch, ed. van den Bergh, Leiden 1846, III, 352 ff. Auf andere Weise zeigt sich Olivier edel im Zweikampf, Girard de Viane 145.

Wolfd. A. K. 300, B. 764, D. VIII, 155. Ein vornehmer Intrigant will sich das Verdienst und die AnsprtLche Wolf- dietrichs aneignen, die er durch den Drachenkampf erworben, wird aber durch die Drachenzungen tiberftthrt. Das aus dem Alterthum stammende Motiv, Jänicke, Deutsches Heldenbuch IV, S. XLm, Anzeiger 15, 185 f., kann sich zwar selbstständig an die Wolfdietrichsgeschichte angeschlossen haben, wahrscheinlich aber bei der früheren und intimeren Bekanntschaft Irlands und Frankreichs mit dem classischen Alterthum wurde es erst durch den französischen Tristan in Deutschland bekannt. S. Oester- reichische Wochenschrift 1872, S. 432 f. S. das Motiv auch unten S. 86, in der Thidhrekssaga.

Wolfd. A. K. 326, D. X, 10. Wolfdietrich geht ins Klo> ster, besteht aber auch als Mönch noch Kämpfe. S. Beuves de Hanstone 333*; Garin le Loherain, ed. Mone 273. 250; Renne- wart, Zeitschrift für deutsche Philologie 13, 134. 279 (Renne- wart), 149 (Wilhelm); Moniage Guillaume, Renaus de Mon- tauban 376, 18 (Maugis als Einsiedler), bloss Moniage oder Einsiedlerleben ohne Kampf: Gaufrey 313, Gaydon 327, Girartz de Rossilho 2339, Hervis von Metz bei Hub 36. 142, Karel IV 10, V 12, Germania 14, 436, Raoul de Cambrai 338. 341 (Eremit), Renaus de Montauban 445, 18 (nur Arbeiter am Cölner Dom). Ueber die grosse Verbreitung dieses Motivs 8. Grundtvig, Folkeviser 1, 216, Rajna Origini 456, Ten Brink, Geschichte der englischen Literatur 1, 308 f. (Guy von War- wick), Nyrop-Gorra Storia delFepopea francese 148, Seelmann

üeber die oitgoihische Haldensage. 81

za Valentin und NameloB LVI. Auch Rajna sieht hier Ein- wirkung der französischen Literatur auf die deutsche. Bei der früheren Entwicklung des Ritterthums in Frankreich musste auch dort der Gegensatz zwischen Ritter und Mönch früher ein litterarisches Motiv werden als in Deutschland und wir sehen es ja ganz deutlich aus historischen Thatsachen sich entwickeln, das Urbild Guillaumes d'Orange hat in einem Erlöster sein Leben beschlossen. S. meine Ausführungen in Heinrich von Melk, S. Vif, Ueber die Walthersage, S. 26 f., Wiener Sitzungs- berichte, Bd. 117. S. das Motiv auch unten S. 87 in der Thidhrekssaga.

Unsicher ist es, ob das Kreuz auf Wolfdietrichs rechter Schulter, Wolfd. B. 140, schon der ältesten deutschen Gestalt der Sage angehört, wie gewiss der westfränkischen, s. oben S. 69 f., oder ob es erst von dem Verfasser unseres Wolfdietrich- gedichtes nach französischem Muster eingeführt wurde. Auf die Verbreitung dieses Zuges in französischer und auf französi- scher beruhenden Epik hat Martin aufmerksam gemacht, Ku- drun, 1883, S. XVI. Dazu s. Beuves de Hanstone 21*, Ma- caire 120, Valentin und Namelos 260, Parise la Duchesse 76. 101, Reali di Francia H, c. 1. Aus Parise la Duchesse und den Reali geht hervor, dass dieses Kreuz westfränkische Prinzen auszeichnete. Das wird allerdings auch von einem russischen Prinzen er^hlt,* Rambaud, La Russie äpique 279, aber die

^ UebereinstimmnDgen zwischen der erzählenden Poesie, Sage, Mythe der Bussen und westeuropäischer, französischer wie germanischer Epik sind häufig und schon oft beobachtet worden. Ich verweise nur auf Vese- loYskij, Juino-russkija byliny, im Sbomikn der Petersburger Akademie, beendet 1884. N. IV handelt von Ivanü Gostinyj synü und dem französischen Heraklius, N. XI von AleSa und Cymbeline. Ich stelle hier Einiges zusammen. Russisch und Französisch: Ilja von Murom erinnert in Manchem an Ouillaume d'Orange, durch seinen Brückenbau, Rambaud, La Russie 6pique 112, Kirjeevskij, Index zu den Pjesmi 35, noch mehr dadurch, dass er die Räuber durch Hinweis auf seinen kost- baren Rock zum Angriff reizt. Wollner, Epik der Qrossrussen 118 und durch die ihm als Heiligen in Kiew gezollte Verehrung, Kirjeevskij 38 ff.. Wollner 19, Rambaud 106. Danilo wird ein moniage zugeschrieben wie so vielen französischen Helden, s. unten S. 87, Kirjeevskij 78. Der Typus des übermüthigen Gesandten der Tataren, die Verkleidung, unter welcher Vladimir ins feindliche Lager geht, sind bekannte Züge des karolingischen Epos; s. Smith, Tidskrift for ide og virkelighed SHzangsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Rd. 3. Abb. 6

82 III. Abhandlung : Heinzel.

russische Epik liegt uns nur in jungen Aufzeichnungen vor, und für Deutschland ist uns die Vorstellung nicht bezeugt.

1869, S. 360. nja ist von Vladimir eingekerkert worden; als Vladimir von den Feinden bedrängt wird, befreit er ihn und Ilja besiegt die Feinde, Rambaud 59, vgl. Ogier und auch Harro wde im Guy of Warwick. Bei einem langen und prächtigen Aufzug werden wiederholt Diener für die Herren, Dienerinnen fUr die Herrinnen gehalten, Rambaud 95, 8. Strassburger Handschrift von Thomas* Tristan, ed. Michel HI, V. 45, Jean de Paris ed. Montaiglon S. 83 ff.

Russisch und Skandinavisch, lieber Danr, Danpr und Visinus s. meine Abhandlung über die Hervararsaga, Wiener Sitzungsberichte 114, 475 ff. und Müllenhoff, Alterthumskunde 5, 311. Dem russischen Herdengott Volos nach Miklosich im etymologischen Wörterbuch der heil. Blasins entspricht der altnordische Volsi, ein Priapus; s. Vol- sathattr, ed. Vigfusson. Kvasir, aus dessen Blut der Dichtermeth be- reitet wird, ist aus dem Germanischen schwer zu erklären, leichter ans dem Slavischen, s. russisch kvasü ,fermentum'. lieber das Wort volva s. Anzeiger für deutsches Alterthum 12, 49 Anm. Dass der Tod Olegs und Qrvarodds sehr ähnlich erzählt wird, hat Rafn hervorgehoben, AntiquitSs russes I 91. Die Uebereinstimmung in der Kriegslist mit den VOgeln, welche die belagerte Stadt in Brand stecken, in russischen und skandinavischen Erzählungen hat W. Hertz bemerkt, Tristan und Isolde 572. Der nordische Ausdruck etöUconungr stammt wohl von stolruff earif Kirjeevskij, Index 2. Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können, sind altnordisch und russisch, Kirjeevskij 109 f., 154, Ram- baud 31. Der Held spricht gleich bei der Geburt, Wollner 91, Ram- baud 31, vgl. Völsungr, Vali. Der Held holt seine Waffen aus einem Grabhügel, Smith 474, so in sehr vielen nordischen Sagas. Einen skandinavischen Typus hat man schon oft in dem Seefahrer, Kaufmann und Sänger Solovej slavnij gosti vermnthet, Kirjeevskij IV, S. CII, O. Miller, Ilja 562, Jagii^, Archiv für slav. Philol. 1, 122, Rambaud 74 f. Der Name könnte aus dem eines skandinavischen Seeräubers umgeformt sein, Sölvi, Snorra Edda 1,547, 1; 11,468. 552. 614; FAS. 2, 6f., 28 ff.

Russisch, skandinavisch und französisch sind die gab» (altnordisch heilig hragarfuü, s. Cleasby-Vigfnsson) , Rambaud 83, Hilferding, One£- skija byliny N. 81. 94. 102. 108. 125. 139; s. meine Abhandlung über die Hervararsaga, Wiener Sitzungsberichte 114, 476; Citate über gah» in altfranzösischen Gedichten, s. unten S. 93. Weiter verbreitet sind die kriegerischen Jung^auen, die Palenicen, denen ausser germanischen auch irische Typen entsprechen, s. Lettner in Kuhns Beiträgen zur ver- gleichenden Sprachforschung 6, 249, die Schwanjnngfranen, Kirjeevskij 83. 113, Rambaud 280. 417; germanisch und irisch s. Zimmer, Zeit- schrift 32, 219. Aufruhr der Natur bei der Geburt des Helden, WoUner 48. 91. 165; s. Helgi Hundingsbani ; J. Grimm, Mythologie 2*, XXXV, XI; Anzeiger für deutsches Alterthum 9, 260. Der

Ueber die osl^otbische Heldensage. 83

Französische Elemente in der Thidhrekssaga sind schon oft bemerkt worden; s. P. E. Müller^ Sagaenbibliothek 2, 148; Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung 1^, 300. 311; Storm, Sagnkredsene om Karl den Store og Dedrik af Bern 130, Henning, Nibelungenstudien 59. 60; Rajna, Origini del- Fepopea francese 397 flF., 456; W. Müller, Mythologie der Helden- sage 152; mein Aufsatz über die Walthersage S. 78, Wiener Sitzungsberichte 117. Zunächst fallen Personen imd Namen auf, wie Artus, Tristräm, Isolde, oder Odilia, Amilias, Milias, Sisibe, Ostacia, Drusian, oder germanische mit romanischer Endung Osantrix, Ljas, Bolfriana, Aldrian, Nordian. Für die Endung an vermuthet Bugge, Arkiv 2, 166, slavischen Ursprung. Der Riese Aventrod ist wohl Aeh*oth aus der Chanson de Roland, Samson in der Ahnenreihe Dietrichs von Bern erklärt sich in Frankreich besser als in Deutschland. Samson hiess der Sohn Chilperichs I. bei Gregorius von Tours und Fredegar; ß. W. Müller 152; vgl. das dänische Lied von Samson, Grundt- vig, Folkeviser 1, 55.

C. 11 verlangt dieser Samson von Jarl Elsungr, der einen berühmt langen Bart hatte, er solle ihm aus diesem Barte ein Hundehalsband machen lassen. Da dies eine keltische Sage ist, die aber auch im französischen Tristan vorkommt, so ist sie sehr wahrscheinlich aus der französischen Literatur in die nieder- deutsche gelangt; s. Kölbing, Die nordische und die englische

Held versteht die Vogelsprache, Ramband 236. 238. Der Vater be- steht einen Zweikampf mit dem Sohne, wobei letzterer fHllt, Rara- band 56; s. Veselovskij , JnSno-russkija byliny N. IX, wo anch viel Literatur angegeben ist. Rechtzeitige Rückkehr des Qemahls und Erkennung durch den Ring, Ramband 87. Ueberwältigung der Mutter des Helden durch einen Dämon, Wollner 48. Entführung der Jung- frau durch Verlockung auf ein Schiff, um Waaren zu besehen, Ram- band 396. 416. Der schlummernde Riese hält die Hiebe des Gegners für das Fallen kleiner Steine, Rambaud 42. Die Augen des Riesen sind eine oder mehr Spannen von einander entfernt, Kirjeevskij 143. 146, Smith 357, W. Müller, Zur Mythologie der deutschen Heldensage 162, s. Grandel (ed. Berger) 2273 f. 3000, Heinrich von; dem Türlin Crone 697, Thidhrekssaga c. 1. 195, Aliscans 12, Aspremont 33 <^, Garin, ed. P. Paris 2, 153, Garin, ed. Mone 222, Huon de Bordeaux 188, Cou- ronnement Looys 501, Chanson de Roland 1217, Destniction de Rome 432, im Aiol 6153, von einer Schlange. Aus dem Schädel eines Feindes wird ein Becher gemacht, SchlOzer Nestor 4, 178. 180.

6*

84 in. Abhandlung: Heiniel.

Version der Tristansage I, 211 f.; G. Paris, Meriin XLIII. Auch die Orvaroddssaga hat den Zug und näher dem Französi- schen, insofern es sich um einen Mantel handelt, FAS. 2, 253.

C. 27 und oft Vidholfr mittumstangi. Scherer hat in seiner Geschichte der deutschen Dichtung im 11. und 12. Jahr- hundert, Quellen und Forschungen 12, 92, ebenso Rajna in den Origini 443, Rainvart au Tinel verglichen. Riesen oder ge- waltige Krieger mit Keulen an und ftir sich können in Frank- reich wie in Deutschland in die Literatur gekommen sein. S. den Langobarden Algisus, den Sohn Königs Desiderius, Chro- nicon Novaliciense 1. III, c. 10 (Pertz, SS. VII) oder den jungen Friesen mit seinem Knüppel vor Damiette, Jonckbloet- Berg, Geschichte der niederländischen Literatur 1, 118, aber dass ein solcher Riese seinen Beinamen von dieser Keule be- kommt, ist, wenn es in Frankreich und Deutschland vorkommt, kaum ein Zufall, und da Deutschland im Allgemeinen der empfangende Theil war und in Frankreich der Typus des heroikomischen Riesen, Tölpels, Bauern (nicht Mönches wie der deutsche Ilsan) auch ohne den Beinamen erscheint Aiol 3988, Aliscans 172. 175. 207, Chanson d'Antioche 2, 123, Macaire 188, Hugues Capet 107, Valentin und Namelos 1225, Ogier 12857, Covenant Vivien 1753; s. Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung 1\ 300, Beer in Paul Braune's Bei- trägen 14, 548. 560, so ist hier wohl Uebertragung von Frank- reich nach Deutschland anzunehmen. Dazu ist der Knoten- stock, der haculus terrihüisj gerade für die Franken als Theil ihrer nationalen Ausrüstung bezeugt, Monachus Sangallensis, Pertz, SS. 2, 747. Im Rother fehlt Witolds Beiname, aber weder ihm noch Asprian der komische Beigeschmack, welcher an die ffanzösischen Helden erinnert. In Deutschland zeigen nur einige spätere Dichtungen Hildebrand in einem ähnlichen Lichte. Aber er ist doch immer menschlich und ritterlich.

C. 55. Rudolf, der Bote Attilas, hat Erka entführt, Osan- trix setzt ihm mit einem Heere nach, Rudolf kann sich mit seiner kleinen Schaar ihm gegenüber nicht halten und flüchtet auf ein Schloss, in dem er sich einschliesst. Osantrix belagert ihn da, aber Rudolf gelingt es, zwei Männer abzusenden und Attila von seiner Lage zu benachrichtigen. Attila sammelt ein Heer und zieht Rudolf zu Hilfe, der inzwischen alle Tage mit

üeb«r die OBtgokhisohe Heldeawge.

Osantrix harte Kämpfe zu bestehen hatte, sowohl innerhalb der Verschanzungen als ausserhalb. Auf die Nachricht von Attilas Anmärsche zieht sich Osantrix zurück, und Rudolf reitet mit den Seinen freudig dem Befreier entgegen. Dass hier das oben S. 79 besprochene Motiv der französischen Epik entlehnt ist, bat schon Rajna bemerkt^ S. 409. Aber noch mehr stimmt mit den französischen Fassungen desselben c. 296. In dem Kriege zwischen Attila und Waldemar in Russland wird Attila geschlagen und flieht und sein Gefährte Dietrich von Bern muss sich in ein verfallenes Schloss zurückziehen. Dort belagert ihn König Waldemar und jeden Tag finden Kämpfe statt. Als die Belagerten Hunger leiden, machen sie einmal, während die Feinde gerade bei der Mahlzeit sitzen, einen Ausfall, erschlagen viele, die anderen, welche glauben, dass die ganze Heeresmacht Attilas wieder zurückgekommen sei, entfliehen, und die Belagerten können sich hinreichend mit Speise und Wein versehen. Aber als König Waldemar sieht, dass er getäuscht worden, beginnt er die Belagerung von Neuem und setzt sie so lange fort, bis Dietrich und die Seinen genöthigt sind, ihre Pferde zu essen. Da fordert Dietrich seine Mannen auf, einer möge es auf sich nehmen, König Attila Nachricht von ihrer bedrängten Lage zu bringen. Zuerst wird Vildifer vorgeschlagen; da er aber verwundet ist, übernimmt Ulfradh das Wagestück. Um Mitternacht reitet er aus dem Schloss^ nimmt zunächst einen Brand von einem Lagerfeuer und gelangt mitten in das feindliche Lager bis zum Zelt König Waidemars. In dieses wirft er den Feuerbrand. Während der Verwirrung, welche durch den Brand des königlichen Zeltes entsteht, steigt Ulfradh vom Pferde, stürzt in das Zelt, erschlägt elf Häuptlinge, wirft sich wieder auf sein Pferd und reitet davon. Bei Attila angekommen, entledigt er sich seiner Bot- schaft. Attila zieht mit einem Heere Dietrich zu Hilfe. Als dieses Waldemar hört, hebt er die Belagerung auf und zieht ab. Dietrich macht einen Ausfall und fligt ihm noch grossen Schaden bei. In die Burg zurückkehrend, findet er bereits Attila und sie begrüssen sich freudig. Besonders der kühne Ritt Ogiers in das feindliche Lager und sein Angriff auf das Zelt des Königssohnes Ogier 8970 steht dem c. 296 der Thid- hrekssaga sehr nahe. Nur sind die Umstände hier insofern

86 lU. Abhandlung: Heinzel.

anders, als Ogier, der alle seine Geßlhrten verloren hat, allein im Schlosse ist und also nicht Entsatz sucht.

C. 70. Der Truchsess König Amilias' will Wieland nöthigen, ihm den Siegesstein, den Wieland geholt hat, und damit den An- spruch auf die Hand der Königstochter abzutreten. S. oben S. 80.

C. 84 f. wird Witig von ritterlichen Räubern, die in einem Schlosse wohnen, angefallen. Da das Ritterthum sich in Frank- reich früher entwickelt hat als in Deutschland und ritterliche Räuber in der französischen Epik oft vorkommen, Aiol 2358, Elie de St. Gille, wo wenigstens Galopin 1180 von adeliger Abkunft ist, Gaufrey 165, Girartz de Rossillon 614, so wird das Motiv wohl in Frankreich zuerst Verwendung ge- funden haben. Den ferneren Zug, dass die Räuber schon Vidgas Pferd und Waffen unter einander vertheilen, bevor sie ihn noch besiegt haben, kennt auch Wolfdietrich A 510 ff., D. V, 3 ff.

C. 99 ebenso 104. 195 begegnen wir dem Oelbaum in nördlichen Gegenden. S. Aubery ed. Tobler 100; Berte 34; Garin, ed. P. Paris 2, 261 (Mort Garin 94 pin flori, Parise la Duchesse 16. 169 auch blühende Fichten), Gormond 625, Raoul de Cambrai, ed. Le Qlay 34. 264, Chanson des Saxons 2, 135 (ein lorier)] s. G. Paris, Histoire poötique de Charlemagne, S. 80.

C. 117 f. wird erzählt, dass Dietlcib auf ein schönes, aber anscheinend ganz unbewohntes Schloss kam. Ein Hörn liegt auf einem Tisch ; sobald er hineinstösst, zeigt sich der Hausherr. Schon Storm, Sagenkredsene 130 hat darauf aufmerksam gemacht, dass dies ein französisches Motiv, und zwar der Artus- romane ist, wo dergleichen so oft vorkommt.

C. 120. In demselben Schlosse empfUngt Dietleib Nachts den Besuch der Haustochter in seinem Bette. Das Motiv ist eben so bekannt aus den Artusromanen als den Chansons de geste; s. z. B. Aiol 2173, Amis et Amiles 664, Mainet V, 48; s. auch Heinric en Margriete van Limborch, ed. van den Bergh ni, 615 ff. lieber seine Häufigkeit in der französischen Literatur s. Gautier, Epop^es 1 >, 18. 19. 128, Jonckbloet, Walewein 2, 301.

C. 125. Die unsinnige und um das Eigenthum seines Herrn wenig bekümmerte Verschwendung Dietleibs in Rom erinnert sehr an das Benehmen Hervis' von Metz, s. Rhode 126, wo auf Hugues Capet und Enfances Vivien verwiesen wird; s. auch Reali di Francia II c. 14. Man muss wieder schliessen:

Ueber die osigothiBeli« Heldenwge. 87

da das Ritterthum iD Frankreich älter ist als in Deutschland, wird das dichterische Motiv des gebomen Ritters, der sich schlecht zum Geschäftsmann oder verantwortlichen Diener schickt, wohl auch dort zuerst entstanden sein.

C. 157 ff. Die Geschichte von Sisibe, Sigmunds Frau, welche während der Abwesenheit ihres Gemahls von Artvin und Hermann bedrängt und von den Abgewiesenen bei ihrem Gemahl als untreu verleumdet und in die Einöde verbannt wird, wo sie einen Sohn zur Welt bringt. S. oben S. 78.

C. 262. Die verhängnissvolle Jagd Herzog Irons auf frem- dem Gebiet. S. Aubery ed. Tobler 164, Garin, ed. P. Paris 2, 220 (Garin, ed. Mone 224), Girard de Viane 167, Guy of Warwick 6468 ff. ; Henning, Nibelungenstudien 44. Die Strenge der normanischen Jagdgesetze und die Häufigkeit des Motivs in Frankreich sprechen für die Uebertragung desselben nach .Deutschland; A. Schulz, Das höfische Leben 1^,449.

C. 429 beginnt das Mönchsleben Heimes, aus dem er wieder in den Kampf zieht, mit dem aus Ogiers bekannten Zug des wiedergefundenen alten Ritterpferdes c. 431 f. Nur ist Ogier nicht ins Kloster gegangen, sondern gefangen, sein Pferd aber in einem Erlöster zu niedrigen Diensten verwendet worden. Femer steht das Pferd Wilhelms in der Fassung des Moniage, welche Ulrich von Thürheim vorgelegen hat, s. Kohl, Zeit- schrift für deutsche Philologie 13, 141. 285 und Karlmagnus- saga IX, c. 1. 2 und oben S. 80 f.

Französische Elemente fehlen nun allerdings auch in der übrigen deutschen Epik nationalen Inhalts nicht. Ich stelle die einigermassen sicheren Punkte zusammen.

Unter den französischen oder romanischen Namen und Personen hebe ich hervor Isolde aus Tristan, das Pferd Poymunt vielleicht aus der Chanson d'Antioche, wo die Helden Boemund und Tankred vorkommen, ^ in der EJage, s. Henning, Nibelungenstudien 21 f. Müllenhoff, Zs. 12,355, Ritschart im

^ S. den Pferdenamen Begaes im Girartz de Rossilho 6128, Galat^e Hektors Pferd in Benoit's Roman de Troie 7989, Heimirs Pferd Rispa in der Thidhrekssaga, während Kespa auch ein gothischer Anführer faiess ; 8. Müllenhoff im Index zu Mommsen^s Jordanes. Bayard ist im Renaus de Montanban und im Girartz de Rossilho 4265 Pferdename, später ist er als Personenname bekannt.

88 III< Abhandlung: Heinzel.

Biterolf, Baligaii; Belian, Baligan von Libia im Biterolf, Orendel und Rother aus dem Rolandslied oder Ogier (12152 Belian); 8. Rajna^ Origini 414 und oben S. 79, Godian in Dietrichs Flucht, Gaudon, der Heidenkönig, im prosaischen Oswald, statt Aron, Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung 1^, 308, aus Huon de Bordeaux (Gaudisse), Garin, ed. P. Paris 1, 28 ff. (Godin), Harvis de Metz, Rhode 129 (Gaudin); vgl. auch den Frauennamen Gaudisce in Jourdains de Blaivies 2265. Einige sind der hochdeutschen Dichtung mit der Thidhrekssaga gemein, so König Asprian im Rother; s. meine Abhandlung über die Walthersage, 78 Anm., Wiener Sitzungsberichte, Band 117. Wichtiger sind zwei poetische Typen, die des ritterlichen Spielmanns und des kriegerischen Mönches. Volker und Horant könnten sich allerdings national entwickelt haben, aber in Frankreich ist der Typus älter und lehnt sich an die Ge- schichte an. S. E. Hofmann über Taillefer in den Romanischen Studien 1, 432. Die älteren Berichte erzählen gar nicht, dass Taillefer, wie er später heisst, gesungen habe, nur dass ein hütrio, mimus, ganz seinem Gewerbe gemäss, ein Spiel mit mehreren Schwertern, die er in die Luft warf, aufgeführt habe, und im Kampfe fiel. Das ist offenbar alterthümlicher als der Typus der vornehmen Dilettanten wie Volker und Horant. Aber auch von den französischen Burgundern des 11. Jahr- hunderts wird berichtet, dass sie einen wirklichen scurra, cantor im Heere hatten, der ihnen mit Instrumentalbegleitung res fortiter gestas et priorum bella (Bouquet 11, 489) vorsang, um sie zum Kampfe zu ermuthigen. Das ist, was dann Wace von Taillefer erzählt. Aber noch in der Berta, Romania HI, 59, und in den Reali di Francia IV, c. 49, kämpfen wirkliche Spiel- leute (buffonej. Bei den Dänen finden wir dasselbe. Saxo Grammaticus II, 733 (ed. Müller) erzählt auch von der Schlacht von Grathehede 1157: Medius acies interequitabat cantor, qv£ parricidalem Svenonü perßdiam famoso carmine prosequendo Wal- deman milttes per summam vindictae exhortationem in bellum ac- cenderet. Interequitabat weist auf einen Krieger. Und bekannt sind die isländisch-norwegischen Hofdichter in den Schlachten der norwegischen Könige; schon bei Stiklestad 1030 wurden die Bjarkamal gesungen, Rajna, Origini 365 f., Nyropp - Gorra, Storia deir epopea francese 295. Für Deutschland fehlen solche

üeber die ostgothische Heldensage. o9

Zeugnisse. Im Ludwigslied, das auf die Schlacht von Saucourt 881 noch vor dem August 882 gedichtet wurde, heisst es allerdings 46:

Ther kuning reit kaono, Bang lioth frdno,

Joh alle saman sungun ,Kyrrie leUon*.

Sang was gisungan, mg tvas higunnan u. s. w.

Aber es ist weder sicher, dass der Dichter den König vor dem Gesang der Menge ein Lied allein singen lässt, noch dass das ,Lied' etwas Anderes war als das Kyrie eleison. Wahrscheinlich ist gemeint, dass der König den Vorsänger machte, also eine Form der chorischen Poesie; s. MüllenhoflF, De poesi chorica 11. 18, Sagen, Märchen und Lieder XXIII, Hofmann, Kirchenlied 12. 32flF.; Wackernagel, Literaturge- schichte 12, 80 f , A. Schultz, Das höfische Leben 2', 244.

Auf französischem Sprachgebiet wurde die Person des Mimus von Hastings durch Gaimar, der ihn zwar juglere, aber auch hardiz et noble vassal nennt, und durch Wace, der ihn geradezu als Ritter darstellt, gehoben. Nur bei Letzterem singt er das Rolandslied. Und erst in dieser veredelten Gestalt er- scheint der Typus im deutschen Epos des 12./13. Jahrhunderts. S. Nib. 1417 (Lachmann):

Wer der Volker waere, daz ml Vuch wizzen Idn,

er tvas ein edel herre: im was ouch undertän

der guoten recken in Burgonden laut.

durch daz er mdelen konde, was er der spilman genant,

Hagen stellt sich ihm gleich 942:

Mich riuwet dne mdze, sd sprach Hagene,

duz ich ie gesaz in dem hüse vor dem degene,

ich was sin geselle unde ouch er der min:

kam wir immer wider heim, daz sid wir noch mit triuwen mi.

Aber doch weist die seltsame Angabe, Volker sei Spiel- mann genannt worden, und dass er mehr geigt als singt, letzteres nur 1643, auf Entwicklung dieses Typus aus einem gesellschaftlich tiefer stehenden, wie ja auch der vornehme Horant in der Gudrun bei der Brautwerbung eine Rolle spielt, die sonst Spielleuten zugetheilt wird.

Und so ist vielleicht auch die Auffassung des Kampfes als eines Geigenspiels ursprünglich französisch; s. Enfances Ogier 251 :

90 III. Abhandlnog: Heincel.

Ils vielerent tout doi d'une changon, dont les vieles erent targe ou bl<xzon, et braut d'acier estoieiit li argon.

S. Raoul de Cambrai 197:

au bran d'acier vos noterai tel lau

Verwandt mit dem Thema des Moniage, s. oben S. 80. 87, ist der Typus des wilden, kriegerischen Mönchs oder Priesters, der in dem deutschen Epos Ilsan oder Elsan heisst. Auch hier wäre deutscher Ursprung ganz gut möglich; s. die stattliche Anzahl deutscher Kirchenfürsten, welche Roth, Feudalität und Unterthanenverband, S. 320 fF., als im Kriege gefallen anführt. Eindruck musste vor Allem der mächtige Kanzler Ludwigs des Frommen machen, Elisachar, der persönlich ins Feld zog, Sickel, Acta Carolina 1, 86 f., vielleicht der Ysacar des Karl- meinet 248, 25, und der Helias der französischen Chansons de Geste, Gautier, Epopees 1, 181. Seit um die Mitte des 8. Jahr- hunderts (Roth 317) die persönliche Kriegspflicht der Geistlich- keit eingeführt wurde, musste dergleichen vorkommen, und der Gegensatz zwischen dem geistlichen Berufe und der Bürger- pflicht musste überall auffallen und mit Sympathie oder Humor betrachtet werden. S. die Mönche von St. Gallen im Kampfe gegen die Ungarn. Gleichwohl hat sich Mönch Ilsan wahr- scheinlich nicht direct aus deutschen historischen Vorbildern entwickelt. Vor Allem steht sein Mönchthiun in der Sage gar nicht fest, W. Grimm, Heldensage 240^, und der Typus ist im französischen Epos viel älter und reichlicher vertreten und wird dort gleichfalls mit Humor behandelt. Das gilt sowohl vom Erzbischof Turpin als noch mehr von Peter, dem Eremiten von Amiens, der von der Geschichte direct in die National- literatur versetzt wurde. Und mit diesen berühmten Männern kann sich keiner der kriegerischen Bischöfe und Aebte messen. S. Chanson d'Antioche 2, 255 (Peter der Einsiedler), Beuves de Commarchis 3873 (ein Erzbischof), Girartz de Rossilho 5755 (ein clergues), Gui de Bourgogne 3662 (Turpin), Ogier 10624 (ein Abt), Reali di Francia 1. I, c. 10, 1. H, c. 14. 18. 24. 26. 40. 41 (ein Eremit.), 1. HI, c. 7 (ein Abt), Renaus 263, 27 (Turpin), Roland 1881 (Turpin), Karlmeinet 205, 12 (ein Bi- schof); 8. G. Paris, Histoire poötique de Charlemagne 72.

Ueber die ostgothiache Heldensage. 91

Ueber den Typus Rainoart, Robastre u. s. w., denen As- prian, Widolt im Rother entsprechen, s. oben S. 84.

Der Held wird gefangen, aber von der Tochter seines Feindes geliebt und unterstützt. Das ist das Gerippe der oben S; 73 f. besprochenen Episode der Virginal. Da dieses Motiv im nationalen deutschen Epos so selten ist, im französischen so häufig, da in letzterem ferner der Gegner des Helden ein saracenischer Heide ist, und die Theilnahme der Franzosen an den Kreuzzügen früher und kräftiger war als die der Deutschen, so ist es wahrscheinlich, dass hier ein französisches Erzählungs- motiv vorliegt. Die Sage von Hrolfr Gautreksson in der Ge- stalt, welche der Verfasser des Hyndlaliedes gekannt hat, wird dieses Motiv noch nicht gehabt haben.

Eine der schönsten Stellen der Klage ist die Ankunft des Boten in Pöchlarn, wo sie den Frauen gegenüber sich ausser Stand sehen, die furchtbare Nachricht auszusprechen. Der Zug könnte Original sein, wenn er nicht im deutschen Epos vereinzelt stünde, im französischen früher und reichlicher und in den berühmtesten SagenstofFen belegt wäre; Garin le Loherain, ed. P. Paris, 2, 256, Mone 236, Mort Garin 241, Strickers Karl der Grosse 10987, Karhneinet 497, 10. 498, 1. 500, 35. 509, 23, Henning, Nibelungenstudien 58.

Die Fechtprobe Wates in der Gudrun wird von Martin, Kudrun (1883) XXVH, mit einer ähnlichen Scene im Doon de Mayence verglichen, S. 278 (V. 9202 flF.). Bei der Priorität des Ritterthums in Frankreich ist französischer Ursprung des Motivs wahrscheinlich.

Das königliche Elreuz auf der Brust kennt auch die Gudrun; s. oben S. 69. 81.

Der Biterolf nimmt eine eigenthümliche Stellung zwischen den höfischen und nationalen Epen ein. Ueber die höfischen, und zwar aus der französischen Artusdichtung stammenden Ele- mente desselben s. Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung 15, 310 f., Jänicke in der Einleitung zu Biterolf, S. XXV f, und oben S. 86 bei den Episoden von Dietleib und Dietrich in der Thidhrekssaga. Der Dichter versetzt auch den Lorberbaum nach Deutschland 3153; s. oben S. 86 über den Oelbaum.

Ganz vereinzelt ist Kenntniss von den Stoffen altfranzösi- scher Heldensage während des 12. 13. Jahrhunderts, abgesehen

92 III. Abhandlung: Heinzel.

von Gedichten, die übersetzt wurden. Um so auffallender die Stelle des deutschen Rolandsliedes 7801, wo Oigier, d. i. Ogier de Danemarche, Abstammung von Wate zugeschrieben wird. Bekanntschaft mit der Sage von Ogier zeigt auch Metellus von Tegernsee, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, Canisius, An- tiquae lectionis t. I, in den Quirinalia, S. 68 f. Es ist von Adelbertus und Occarius die Rede, Verwandten des karolingi- schen Hauses:

Alf er (^Adelbertus sc.) Baiarii iure comes "praedpuus sali, Burgundis alius (^Occarius sc.) helligero robore dux probuSy Quem gens illa canens prisca vocat Odgerium.

Dass dies Ogier ist, geht aus der von Metellus erzählten Anek- dote hervor, nach welcher der Sohn 'des Osigerius von dem karolingischen Eönigssohn beim Schachspiel erschlagen worden war, dem bekannten Motiv der Chevalerie Ogier. Vielleicht hängt mit dieser Eenntniss französischer Heldensage zusammen, dass Metellus fUr Rüdiger und Dietrich die romanischen Na- mensformen Rogerius und Tetricus verwendet; s. W. Grimm, Heldensage 44'.

Aber in keinem deutschen Gedicht, auch in den Wolf- dietrichen nicht, begegnen wir so vielen und so genauen Nach- bildungen französischer Erzählungsmotive und -Elemente als in der Thidhrekssaga. Die Einwirkung des französischen Epos scheint von Nordfrankreich über die Niederlande, s. Henning, Nibelungenstudien 24. 38, zuerst nach Sachsen sich erstreckt zu haben und gelangte von da aus abgeschwächt nach Ober- deutschland, oder es ist ein solcher von Haus aus schwächerer Strom der Einwirkung den Rhein aufwärts den Oberdeutschen zugekommen.

Unter der Fülle der sonstigen Uebereinstimmungen zwi- schen französischer und deutscher Epik hat Rajna, Origini 397 S. jene hervorgehoben , welche ihm von Haus aus ger- manisch scheinen, also in der Poesie der salischen Franken vor ihrer Romanisirung heimisch waren. Vieles davon ist gewiss so aufzufassen, vor Allem weil eine spätere litterarische Uebertragung von germanischen Ländern nach Frankreich unwahrscheinlich ist. Dahin gehören wohl der Name und die Beinamen der französischen Königin Berte aux grans pies.

üeber die ovt^thisobe Heldensage. 93

der Spinnerin, Rajna 455, J. Grimm, Mythologie 1*, 232 ff., sicher die Personen des Schmiedes Galans (Wieland) und seiner Brüder oder Runstgenossen, Rajna 445, Auberon (Al- berich) und die helfenden Zwerge überhaupt, Rajna 425 ff. Ich füge hinzu den chapel d'Alemande in Karl des Grossen Reise nach Jerusalem V. 581, der die Eigenschaft einer Tarnkappe hat. Auch im Garin de Monglane kommt ein solcher Mantel vor, Nyrop-Gorra, Storia delFepopea fr. 126 und im Gaufrey 247. Den Zwergen entsprechen die Riesen Rajna 440, s. die Riesen in der Schlacht, Reali di Francia 1. m, c. 12, wie im Rother und der Thidhrekssaga, und somit wohl auch Asprian trotz seines romanischen Namens. Auch im Wisselau gebietet er wenigstens über Riesen, s. Martinas Ausgabe, Quellen und Forschungen 65, 40 ff. V. 10. 274. 337. Aber in dem Roman von Karel den grooten, d. i. einer Fassung des Lothringer Romans, ist er ein König, gegen den Karl der Grosse Krieg führt, s. meine Abhandlung über die Walthersage, 78 Anm., Wiener Sitzungsberichte 117. Ausserdem hebe ich hervor die Typen des treuen Erziehers und väterlichen Freundes, s. oben S. 67. 69, Rajna 423, des Spielmanns als Boten, s. oben S. 26, Rajna 413, die Vorstel- lung von der ünverwundbarkeit des Helden, Rajna 456, von schicksalsreichen Schwertern, Rajna 444, das Motiv der ge- fährlichen Brautfahrt, Rajna 80. 401. 411, die gabs, Antioche 110, Voyage Charlemagne 446, Garin, ed. P. Paris 2, 166, Gaydon 142. 147. 150, Girartz 4036, Hugues Capet 60 ff., Ogier 11192, Renaus de Montauban 141, 17. 33, Saxons 1, 250. 262, Rajna, Origini 404 ff. altnordisch heiti, sind wohl skandina- visch-normannischen, nicht deutschen Ursprungs. Auf Hilde- brand und den jüngeren Herebrand in dem französischen Ge- dicht von Hom und Rimenhild hat schon Müllenhoff, Zs. 12, 262 hingewiesen.

Henning hat dann in den Nibelungenstudien S. 41 Siegfrieds Sachsenkrieg mit einer Episode im Girbert de Metz verglichen, s. Garin le Loherain bei Mone 253. 265. - Es kämen dafür auch die ganz ähnlichen Erzählungen im Aubery de Bourgogne in Betracht, Keller 24. 27. 37. 42. 110 und im Hugues Capet. Neben den Aehnlichkeiten sind aber hier auch starke Abwei- chungen. Der Held, welcher einem fremden Fürsten im Kriege

94 III. AbhandliUK: Heinzel.

Hilfe leistet^ ist in den französischen Gedichten ein Don Juan, den Frau und Tochter seines Gastfreundes lieben.

In meiner Abhandlung über die Hervararsaga habe ich auf die Spuren einer Sage von Theodorich dem Westgothen in der französischen Epik des Lothringerkreises hingewiesen, Wiener Sitzungsberichte 114, 490 f. in der Abhandlung über die Walthersage 69, Wiener Sitzungsberichte, Band 117, auf den Gautier de Hums in der Chanson de Roland, oben S. 37, auf Theodoricus Macedo bei Fredegar.

Ich füige noch Einiges hinzu. Dr. S. Singer hat beobachtet, dass unter den Ganeloniden, welche Sauerland, Geneion und sein Geschlecht (Ausgaben und Abhandlungen ed. Stengel 51), auf- zählt, S. 24 Foucars, Fouchier, Fouques, Fouques de Morillon, S. 30 ein Haguenon und der Neffe Haguenons vorkommen, alle mit Ausnahme dieses Neffen und des Fouques, der keinen Beinamen trägt, wiederholt bezeugt. Ich verweise noch auf den treulosen Haguenon, Garin, ed. Mone 272. 273. 274 und auf die Verbindung der Ganeloniden Haguenon und Foucart (Fou- chier, Forque) im Gaydon 106. 117. 143, die vielleicht Hagen und Volker bedeutet.

Femer: in der deutschen Sage gibt es zwei Ortwin von Metz, Verwandte Günthers und Hagens, im Nibelungenlied nimmt einer am Sachsenkriege Theil, im Biterolf erscheinen beide neben einander, der eine ist früh gestorben, seine Witwe lebt in Metz, der andere ist im Sachsenland erzogen. Dass er ein Burgunder genannt wird, Biterolf 8678, beruht auf der alten Vorstellung, dass Metz zum deutsch-burgundischen Reiche gehört habe, wie ja auch im Waltharim ein Gamelo von Metz als Vasall Günthers erscheint, s. meine Abhandlung über die Walthersage 72. 82, Wiener Sitzungsberichte, Band 117. Sonst werden Helden von Metz nicht erwähnt. Im Rosengarten des Dresdener Heldenbuches gibt es zwei Ortwin auf Dietrichs, einen auf Günthers Seite Str. 102. 107. Da wird es kaum ein Zufall sein, wenn die Lothringer Gedichte der französischen Heldensage zwei Hervis kennen, von denen der eine ausdrück- lich von Metz, Herzog von Metz, genannt wird, der andere, ein Bürgerlicher, auch ein Lothringer und treuester Anhänger des ersten ist. Herzog Hervis von Metz, der Vater der be- rühmten Brüder Garins von Metz und Begues', der Grossvater

üeber die oatgoihitcbe Heldensage. 95

Girberts von Metz, hat eine eigene Chanson, über welche Hub und Rhode Auskunft geben, s. oben S. 77 Anm. Im Garin ed. P. Paris kommt er oft vor, 1, 6. 49. 154. 2, 67. 193, im Garin ed. Mone 198. 200, im Girbert de Metz 486, XV. Der bon villain Herds begegnet im Garin, ed. P. Paris 1, 200. 232. 2, 181, Garin, ed. Mone 208. 209. 220. 250, Mort Garin 251. Wie der eine Ortwin von Metz bringt der erste, der adelige Hervis de Metz seine Jugend in der Fremde zu, s. Hub 24, in Brabant und Friesland, ähnlich wie sein Enkel Girbert de Metz in Sachsen, Garin ed. Mone 253. Eine seltsame Angabe steht im Garin ed. Mone 268, nach der Girbert, der Sohn Garins, unebenbürtig sein soll, weil sein Grossvater Hervis nur ein reicher Bürger gewesen sei. Wenn das wirklich in der Brüs- seler Handschrift steht, so ist entweder eine Verwechslung des Herzogs und des Bürgers vor sich gegangen, oder der Herzog Hervis wird für einen reichen Bürger erklärt, weil sein Vater Thierry, der pr^vost, dies allerdings gewesen war.

In Jean BodePs Guerre des Saxons wird öfters von einer Helissant, Nichte des friesischen Königspaares Lohot und Rissendine erzählt, welche von den Sachsen geraubt worden sei, 1, 41. 100. 129. 133. Thatsache und Local erlauben wohl an das Finnsburh Epos zu denken. Dass auch dort Hildeburg eine chaüive, Chanson des Saxons 1, 100, eine hernumin, war, habe ich im Anzeiger für deutsches Alterthum 10, 226 darzuthun versucht.

Im Ogier 8771 verlangt Callos, dass Ogier ihm sage, was er gedacht habe, als er seine Waffe anblickte. Dieser antwortet, er habe gedacht, dass er ihn damit tödten werde; also das Wilhelm Teil-Motiv.

Ausserdem möchte auch der Typus des recken j der in Deutschland seit Theodorich, dem berühmtesten Verbannten, sich ausgebildet hatte frz. cheiisj avhainea germanisch sein, Beuves 35*, Garin, ed. Mone 262, Renaus 88, 5. 111, 10. 411, 19, ebenso eine Art princeps comitafusy wie er im Aiol und im Aubery de Bourgogne, ed. Keller, erscheint. Im Aiol nimmt der Held zwei Gefährten an, 4513, ist aber der erste in dieser Verbindung. Als die zwei Beute gemacht haben, wollen sie sie ihm überlassen 4970. 5100, weil sie aber dieses Abenteuer auf eigene Faust bestanden

96 in. Abhandlung: HeinKel.

haben ; während er schlief, schickt er sie erzürnt fort 5105. Im Aubery 27 kommt eine Schaar Franzosen nach Flandern, wohin auch Aubery gelangt war, sie wählen ihn zu ihrem Herrn, so dass er im Heer des Königs mit dieser Schaar eine ganz gesonderte Stellung einnimmt, ähnlich wie Siegfried im Sachsenkrieg. Es ist dies auch jene Episode von Aubery, welche, wie oben S. 93 bemerkt, das Motiv des Sachsenkrieges im Nibelungenlied zeigt.

Was das Formelle anbelangt, so scheint die Schilderung des Zweikampfes schon * früh typisch gewesen zu sein. Die Helden stehen einander zu Pferde gegenüber, fragen sich um den Namen. Dann folgt das Anrennen mit eingelegten Lanzen und diese zersplittern. Dass dann die Helden, bevor sie zu den Schwertern greifen, die abgebrochenen Schäfte wegwerfen, wird nicht gesagt, und es folgt der Schwertkampf. Dieses Schema gilt f)ir das Hildebrandlied, wie für unzählige ähnliche Episoden in den Chansons de geste. In einer sehr grossen Anzahl altfranzösischer und mittelhochdeutscher Gedichte, bei denen ich darauf geachtet habe, kommen nur drei Fälle vor, in denen das Wegwerfen der zerbrochenen Schäfte erwähnt wird: Aiol 567, Foulque de Candie 114, Wisse-Cohn, Parzifal 21, 313. Ueber das Alter des Lanzenkampfes zu Pferd s. oben S. 39.

Germanisches kommt bekanntlich auch in den französi- schen Artus- und Abenteuerromanen vor, der Runenstab, alt- nordisch runakefli, in dem französischen Tristan, der Gottfried vorgelegen ist, der Holmgang daselbst, s. Golther, Die Sage von Tristan und Isolde 24, Sarrazin, Beowulfstudien 56, Kölbing, Germania 34, 191, wo auch auf Guy of Warwick 7965. 10134 verwiesen wird; dazu Girard de Viane 104, Karel II 3676, Ogier 1901, Enfances Ogier 2193, Otinel 14. Doch sind diese Züge wohl nicht altgermanisch, sondern skandinavisch und angelsächsisch, s. den Runenstab in der angelsächsischen ,Botschaft des Gemahls^ Derartige Berührungen der franzö- sischen Epik, des nationalen wie des Artus- und Abenteuer- romans mit skandinavischen Motiven gibt es sehr viele. Ich gehe aber hier nicht darauf ein. S. oben S. 93 über die gabs.

Sehr dunkel sind die Gründe für die Dämonisimng Theo- dorichs und Vidigojas, fiXr ihre Beziehungen zu mehr oder

Uebtt die ostgothisehe HeldeoMge. 97

minder deutlich mythischen Wesen Ecke, Vasolt, Laurin, Wate, Wachilt. S. oben S. 65.

Als ein Zeichen der Dämonisirung Theodorichs wird all- gemein mit Recht sein Feuerathem angesehen in süd- und nord- deatscher Ueberlieferung; s. Thidhrekssaga, c. 336. In Bezug darauf hat unlängst A. Veselovskij ein Zeugniss des 6. Jahr- hunderts besprochen, das sich zwar nicht auf Theodorich, wohl aber auf den von den Byzantinern für seinen Vater angesehenen Valamir bezieht. Juino-russkija byliny, Petersburg 1884 (Sbor- nikü, 36. Bd., Kr. 2), S. 286. Damascius nämlich, bei Photius, ed. Bekker, S. 340, spricht vom FunkensprUhen der Menschen und erzählt : aXXa utai xuiv icept 'AtrfXov gva Svra tbv BaX((Aepiv dhcb tou obc£(ou odi{unoq ^bcootdXXctv arfjy^paq' b 8i jjv 6 BaX(fAept( 6£o3ep{xou varc^p, 3^ vGv tb {a^yiotov Ixet xpdto^ 'IxaXCa^ icioiQ^. XeYei ik xat icept iouTOu 6 ouYYP^eu^ (Damascius), u)^ ,xa( ipiol, evSuoiiivci) xe xal ixr- SuG{&iv(p, et xal oxflcviov touto oujjißaCvet, au{Aßa{vei V cXn aiRv6^pä(; dnco- iceSov i^atdou^^ Eo6^ 5xs xai XTuitov ?cdp£xovTa^, lv{oTe S^ xal fXdyac SXac XGrcaXflc{jLiC6tv ib Iiaotiov, [at) [a^vioi xa(o69ag' xat xb tipo^ ipotvf el^ 5 TeXeun^t. In seinem Buche .Izü istorii romana, Peters- burg 1888, n, 316 fügt Veselovskij dem Zeugniss des Damascius noch das des Bischofs Eustathius hinzu. Aber wenn dieser auf S. 513 der Leipziger Ausgabe 1828 sagt: BaXi(jiep hk b 6eu8ep{xou Tcarvjp, 6 xaxaxpori^aaq IraXCoE^, ^aatv, cbcdoi^^, tou olxeiou oüyLOczo^ oictvOijpa^ aic^aXXe, und dann fortführt: xai ttg ik ao^q icaXai6^ figai icepl lauToO Sie 6vSuo(a^vou icoii xae i^8uo(iivou aßn:oO cnctv6^pe^ dbcein^idcov e^afacot, {oitv 5te xac xtuicouvre^, ivi'ote S^ xat ^X^Ye^ oXat xaTiXafjiicov, 91)01, xb IfAccTtov (ay) xabuaai. xai to xipaq exeivo^ de^voeiv Xeyet ei^ 5 xsXsun^aet, so hat er offenbar aus Damascius, oder vielmehr aus Photius, abgeschrieben; denn durch falsche Construction des Relativsatzes: Iq vuv to [Li-^iazo^ Ixet xfiroq IxaXCai; TzioTi^ ist es ihm gelungen, Valamir zum Be- herrscher Italiens zu machen. Die Stelle bei Eustathius ist also kein selbstständiges Zeugniss fUr die Elektricität Valamirs. Aber es ist zweifelhaft, ob auch die des Damascius für Theo- dorichs Dämonisirung zu verwenden ist. Funkensprühen ist doch etwas Anderes als Feuerathmen. Letzteres ist eine Eigen- schaft des christlichen Teufels; s. z. B. das angelsächsische Ge- dicht von Christ und Satan 78. 162. 182, das mittelhochdeutsche Passional, ed. Hahn, 287, 94. Da nun Theodorich als Arianer

Sitaangsber. d. phil.-hist. Cl. GXUt. Bd. 8. Abh. 7

98 III. Abhftndlnug: Heinsei. Ueber die ostgoihiiche Heldensage.

vom Teufel geholt wird, s. Müllenhoff, Zs. 12, 331. 332. 334. 335, ihm in der Vorrede zum Heldenbuch, ed. Keller, 6, 37, Zs. 12, 335. 352, in der oben S. 65 angeführten Stelle des Chronicon imp. et pont. bavaricum, Abstammung von einem Dämon beigelegt wird oder einer belua marina; s. die merovin- gische Sage Fredegar, Bouquet 2, 336, auch Justinian galt bei seinen Feinden für einen Dämon oder Sohn eines Dämons; Prokop, Hist. arc, ed. Bonn, S. 79, da er auch wie ein Dämon nie stirbt, s. Müllenhoff, Zs. 12, 334, und das Chronicon imp. et pont. bavaricum, s. oben S. 65, so kann der Feuerathem gerade- zu aus diesem Vorstellungskreise stammen; s. Vorrede zum Heldenbuch S. 7, 2. Ganz sicher ist das allerdings auch nicht, denn die gewiss germanische Sage von Haveloc kennt eine im Schlaf aus dem Munde des Helden schlagende Flamme, welche nichts Teuflisches hat, Lai d'Haveloc, Paris 1833, V. 71 ff. 385 ff. Vgl. den feuer- und giftspeienden Troll Grimr in der Gön- guhrolfsaga FAS. III, 241, den feuerathmenden ,Bauer' in der altirischen Sage, Zs. 33, 193.

Dazu gehört wohl die Vorstellung von Theodorichs selt- samen Aeusserem. Nach der Thidhrekssaga, c. 14, ist er bart- los, eine alte verlorene Statue stellte ihn hässlich dar, s. H. Grimm, Das Reiterstandbild des Theodorich, S. 72, wie ihn Herbort in der Thidhrekssaga, c. 238, zeichnet, allerdings, um die Königstochter abzuschrecken, Müllenhoff, Zs. 12, 330. Die Hässlichkeit konnte man schon in seinem Namen Tetricua, s. oben S. 92, bei Metellus von Tegernsee angedeutet finden.

IV. Abb.: Gel eich. Zwei Briefe Qber die Maf^hellanische WeltamROglnng.

IV. Zwei Briefe über die Maghellanisciie Weltumseglung.

Mitgatheilt Ton

Eugen Gelcich,

Director der k. \. aantiKchen Schale in Lnssinpiecolo.

Der ehemalige aristokratische Freistaat von Ragusa zog bekanntlich seine grössten Reich thümer aus dem Seehandel^ dem ein guter Theil seiner Bevölkerung gewidmet war. Ragu- sanische Schiffe durchzogen das adriatische und das Mittelmeer nach allen Richtungen, die heimatliche Regierung widmete der Entwicklung des eigenen Seehandels und der nationalen Marine besondere Fürsorge, sie unterhielt deshalb eigene Beamte im Auslande, welche die Handelsinteressen zu fordern und die eigenen Unterthanen zu beschützen hatten. Dass diese Beamten Consuln und Gesandte das Mutterland von den grossen Ereignissen, die sich zu Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Portugal und Spanien abspielten, genau informirten, ist geradezu selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass Ragusa, was Civilisation anbelangt, mit jedem andern Staate wetteifern konnte.

Der k. k. Conservator für Kunst- und historische Denk- male in Ragusa, Professor Josef Gelcich, hat nun in den reichen Archiven der ehemaligen Republik die Abschriften zweier Briefe gefunden , die sich auf die Maghellanische Weltumseglung beziehen und die mir interessant genug vor- kamen, um sie zu veröffentlichen. Wie dieselben nach Ragusa kamen, erkliirt sich aus den obigen Auseinandersetzungen; der Gesandte am Hofe der katholischen Könige wird wahr- scheinlich eine Uebersetzung der Originale verfass't und sie

Sitemkgsber. d. phil.-hiet. Gl. GXIX. Bd. 4. Abb. 1

^ IT. Abliandlang: Uelcich.

dem Senat eingesendet haben. Die beiden Documenta be- finden sich im Archive der k. k. Bezirkshauptmannschaft zu Ragusa aufbewahrt in den Fascikeln: Nr. 27 ex 1500 99 I a 1521 und trägt das zweite derselben folgende Anmerkung:

,Ho translatato io medesimo miglio ho possuto, perö dove e la linea de sopra, li non To intesa molto bene e perfettamente non posso informarmene. Se importerk ve lo riscriverö.'

Der ragusanische Gewährsmann erklärt also damit die Uebersetzung nach bestem Wissen selbst verfasst zu haben, mit dem Bemerken jedoch, dass ihm einige, und zwar die überstrichenen Worte unverständlich blieben. Da diese Worte rein spanische Bedeutung haben, so muss vorausgesetzt werden, dass es sich um eine Uebersetzung aus dem spanischen Original handelt.

Beide Briefe weisen ferner die gleiche Handschrift auf; sie stehen durch die zwischen beiden eingetragene Clause! in Verbindung: ,Copia d'altra lettra scripta in T isola de Tandori.'

Ich gehe zu den Briefen selbst über; der erste ist eine Uebersetzung des von Juan Sebastian (de Elcano) bei der An- kunft in San Lucar am G. September 1522 verfassten Berichtes an den König über die Erfolge der Maghellanischen Expedition. Von diesem Briefe sind mir zwei Kecensionen bekannt, und zwar die italienische Contarini's, welche der Graf Baldelli-Boni auf Seite LXVI flF. des ersten Bandes seines ,Millione di Marco Polo^ veröffentlichte, ' und eine lateinische, von dem Hofprediger des Herzogs Albrecht V. von Baiern, dem Benedictiner Wolf- gang Sedelius, erhaltene, gedruckt in den Abhandlungen der königl. bairischen Akademie der Wissenschaften, I. Classe, Band IV, Abtheilung I.^ Das spanische Original scheint ver-

> Die von Contarini nach Venedig geschickte italienische Uebersetzung des Briefes d'Elcano's fehlt in der Contarinischen Handschrift der Marciana, findet sich dagegen als Anhang zu einer etwas abgekürzten Abschrift der Contarinischen Depesche, welche in einem Sammelcodex auf der Biblioteca Nazionale zu Florenz enthalten ist (sogenanntes Zorsi-MS. Cod. 81, Classe XIII, f. 90—96). Vergl. Wies er, ,Ein Bericht des Gasparo Contarini über die Heimkehr der Victoria von der Magalhaes- schen Expedition. Mittheilungen des Institutes für österr. Geschichts- forschung, Bd. V, Heft 3, Separatabdruck S. 3.

' , lieber einige ältere handschriftliche Seekarten von J. A. Schmeller*, S. 264— 266 ff.

Zwei Briefe Aber die HogtaellaniBche Weltumseglang. 3

loren gegangen zu sein, da man es weder in Navarrete's Coleccion, noch in den .Documentos inöditos' vorfindet.*

Der Vergleich des mir vorliegenden Manuscriptes mit den beiden angeführten Recensionen lässt erkennen^ dass es sich nicht um eine Abschrift der Contarinischen Uebersetzung handelt, und auch nicht um eine Uebersetzung aus dem lateinischen Text^ sondern um eine ganz neue Recension des fraglichen Schriftstückes. Abgesehen von den sogleich hervor- zuhebenden Differenzen im Context, ist auch die Uebersetzung als solche bei Contarini und bei unserem unbekannten Verfasser ziemlich verschieden. Ferner lässt der Contarinische Text eine Lücke gegen Ende des Briefes bestehen , die in dieser neuen Auflage nicht vorhanden ist. In der nunmehr folgenden Wieder- gabe des Ragusaner Manuscriptes sind die Unterschiede von der Edition Baldelli-Boni's und Sedelius' lateinischem Texte kenntlich gemacht.

Molta alta et Illustre maiesta!

Sapera tua alta maiesta come siamo arrivati X Villi ^ ho- mini solamente^ con una delle 5^ nave che la tua alta maiesta^ mando per discoprir le spesiarie com il Capitan Fernando de Magalans, il quäle santa gloria habbia/ e perche la tua alta maiesta^ intendi le cose principale e quelle abiamo passato brevemente lo scrivo e dico:

Primamente arrivammo in 54 gradi della parte del mezo giorno"^ in Ispagnuolo dice Sut della linea equinotial, donde trovammo uno stretto che passava al mar del Sut di India e

' Ich habe sowohl in den ,Documentos in^ditos para la historia de Es- palia* als auch in den ,Doc. ined. relatives al descubrimiento, conquista y organizacion de las antigaas poseRiones espanolas de Amc^rica j Oceania' rergebens nach dem spanischen Original des Briefes gesucht.

2 In den übrigen Briefen 18. Diese Anzahl wird auch von Oviedo, Gomara, Max. Transylvanus angegeben. Vgl. Navarrete, Col. de los viajes y des- cubrimientos IV, 93 Anm.

3 Baldelli-Boni (Contarini) ,a salvameuto.* * Baldelli-Boni ,delle tre navl'.

^ Baldelli-Boni ,1a tua altezza*.

' Baldelli-Boni ,cho sia in paradiso*.

"^ Baldelli-Boni ,1a tua aItezza^

^ Baldelli-Boni ,54 gradi alla parte Ponente sopra la linea eqmnoziale^

4 IV. Abhaiidlnng: Gele ich.

terra ferma di tua maiesta, il quäle strecto e di 50 leghe* di donde disboccamo in tempo di 3 mcäi e XXI giorui- avendo vento prospero non trovammo terra iiessuna se non due isolc dispoUiate pichole, e di poi entrammo en uu arcipelago de molte isole molte riebe d'oro/^ et morendo il ditto Capitano Fernando Magalans con molti altri^ e per non poter navigbar eon le 3 nave con la poeba gente übe restammo, disfammo^ una nave e navigammo con le due e discoprendo d'isola in isola arrivammo con Faiuto di Dio alla isola de Maluco, e questo fu di poi la morte de Fernando de Magalans in VIII mesi donde caricammo le due navi di garofani.^

Sappia tua alta maiesta^ que andando la ditta isola de Maluco discoprimmo la canfora et cannellu et perle.

Cercando noi partir deiri8ol|, di Maluco per litornai* di- scoprimmo una molta grande aqua in una delle 2 nave di modo cbe non si potea rimediar se non si scariqua, et passando il tempo cbe le nave navigbavano per Malacca et Ataria' determinammo o con grandissimo bonore a servitio di tua alta maiesta far qucUa intcndere del ditto discoprimento partimmo con una sola nave stando piena di brumas^ come cbe piacea a Dio. In lo quäl camino discoprimmo molte isole riebe, fra le quali discoprimmo Taudori, dove nascie il macis-^ et nocie

' Baldelli-Boni ,de leglie cento*. Nach dem lateinischen Text von Schineller: ,quod fretum est 100 leucarumS

' BaldelU-Boni ,tre mesi ed otto di% nach Schmeller: ,tribu8 mensibus et

20 diebus*. 3 Schmeller: ,divitiim auro et argeutoS * Dies geschah bei der Insel ,Bohol* östlich von Zebu; das Schiff soll aber

nach anderen Quellen nicht auseinander zerlegt, sondern verbrannt

worden sein. S. Kuge, Zeitalter der Entdeckungen, 1881, S. 479. ^ Schmeller: ,ubi naves aromatibus oueravimus, quae clavi a uonnullis,

gariofoli a plerisque appellautur^ ^ Baldelli-Boni: ,tua altezza^ ^ Baldelli-Boni: ,verso le Jave e MalachaS Schmeller: ,per Javam et

Malacham*.

^ Baldelli-Boni: ,essendo quelle totalmeute confezionate'; Schmeller: ,cum una ad te navi navigare, quam vis et ipsa carie jam confecta est*. Der Kagusaner Uebersetzer hat das altspanische ,Brumami^ntoS d. h. über- laden oder mit Allem wohlversehen, nicht verstanden.

^ Muscatenblüthe = niacis.

Zwei Briefe tber die Maghellanisolie Weltumseginng. O

moscate^ Tanada donde nascie il pevere, et Timor donde naBcie il sandolo. Et in tutte queste sopradicte isole e iniinito zenzare.^

Le mostre di tutte le speziarie prese in le proprie isole le porto per mostrar a tua maiesta.

Tutte queste isole stanno in li limiti de margacionos et conquistas, come per nostrae carte et punti si dara vera rela- tione a tua alta et potente maiesta.^

La pacie et amicitia di tutti li re et signori di tutte le sopradicte isole, cercando obedirti come re et signor, fermate di loro proprie mani a tua alta maiesta porto.

Partendo della ultima isola, in 5 mesi, mangiando solo riso et bevendo aqua non prendemmo alcuna terra, per paura del rei di portogallo, che avea provisto in ciascuna sua terra di pigliar questa tua armata, afiine tua maiesta non in tendesse queste cose. E per tal causa ne moriron XXI homini^ di fame e per mancamento di mantenimenti toccammo la isola di Cavo verde ^ donde el factor^ de la nave prese il nostro bat- tello con XIII homini et cercava di portar me et tutti prigioni in una nave che veniva di calicut, carica di speziarie per por- togallo, diciendo che nessuno potea discoprir speziarie sc no li portoghesi et per questo armaro 1 nave^ per pigliarne. Ma inanti determinammo tutti morir che andar in mano die por- toghesi. E cosi con grandissimo travaglio della bomba^ che di et nocte, com due bombe Taqua non cessava^ e istando

* Baldelli-Boni: ,Nel quäle camino discoprissimo molte insule riebe, fra le quali ritrovassimo Bancbela, Bandau, dove nasce macis et nose muscade; item Java et Malacha dove nasce il pevere; item Timor dove nasce il sandalo, et tutte le ditte insule vien infinito Zeugero/ Schmeller: ,inter quas Banda ubi nascitur macis et nux quam muscatam vocaut, et Xaban ubi nascitur piper, et Timor ubi nascitur sandalum. In Omnibus istis etc. . . /

' Dieser ganze Absatz von: Tutte queste isole ... bis tua alta et potente

maiesta, feblt in dem Briefe von Baldelli-Boni. 3 Baldelli-Boni: ,£t cosi ne morirono ventise omini^

* Bekanntlich war diese die Insel S. Jago. ^ Baldelli-Boni: ,el governator*.

^ Baldelli-Boni: ,ne arm6 contra quattro naveS Scbmeller: ,atque 4 naves

armarant^ ' bomba = pompa (Pumpe). ^ Baldelli-Boni: ,£t cosi con g^randissima fatica della tromba, che giomo

e notte non cessai di far seccar con due trombe*. Schmeller: ,sicque

6 lY. Abhandlung: Gel eich.

debili quanto mai homini furono con 1' aiuto di Dio et di Santa Maria^ passati li tre anni siamo arrivati. Et pertanto suplico a tua alta maiesta, * che proceda verso il re di portogallo per quelli XIII homini che tanto tempo t'anno servito.

Piü sappia tua alta maiesta^ quello che piü dobbiamo extimar et far conto, et que abiamo discoperto" et girato il giro del mondo andando per Toccidente et tornando per T Oriente.

Suplico et prego di gratia a tua alta maiesta per li molti travagli, sudori, fame, sede, freddo et caldo, che questa tua giente a sofferto in tuo servitio che tu li facci gratia della quarta parte di loro cosse et centellada"* et cosi resto baciando li piedi et mani di tua alta maiesta. Facta in la nave Victoria a santo Luca, a 6 giorni del mese di septembre.^

Servitor di tua maiesta il capitano Johan Sebastiane de ghogni.^

Ich gehe zu dem zweiten Briefe über, von dem ich gar keine andere Recension kenne. Derselbe ist von einem ,Capitan .de pons maestro et governator della nave capitana' verfasst und trägt das Datum ,Tandore a XXI di dicembre 1521'. Die Ueberschrift lautet nur ,noble senor^ Der Brief gibt eine

maximo cum labore in exsiccando navem duobus instrumentis utendo, quae bombas vocant . . .

1 Bei Baldelli-Boni eine scheinbare Lücke in folgender Form: ,con lo ajuto di Dio e di Santa Maria passati li tre anni arrivasimo . . . per tuto. Saprä tua altezza che proveda con il R^ di Portogallo etc. . . .*

2 Im lateinischen Text bei Schmeller fehlt diese Ansprache und der Absatz beginnt gleich mit: ,8ed majoris aestimandum est . . .'

3 Baldelli-Boni: ,che voglia concedergli in dono cento cinquanta quintali, i dazi ed il vigesimo delle sue cose e la quinta parte^ Nach Schmeller: ,ut illi vigesimam quartam partem de eorum mercibus, quae tibi ex debito vectigali debentur, velis condonare^

* Fehlt die Jahreszahl, die sowohl bei Baldelli-Boni als auch im lateinischen Text angegeben ist.

^ Der Name ist ganz verstümmelt; bei Baldelli-Boni heisst er Zuan Se- bastian DolcanO) im lateinischen Text Joannes Sebastianus Dolcanon, im Verzeichniss von Navarrete (Bd. IV, S. 17) Joan Sebastian de Elcano mit dem Bemerken ,Otra iista lo apellida del Cano; otra Delcano, y otra solo le nombra Juan Sebastian^

Zwei Briefe über die MagliellaDiscbo Weltnmscglang. 7'

kurze gedrängte Schilderung der Ereignisse; bis zu dem Augen- blick, da bei der Abfahrt von Tindore die letzten zwei er- übrigten Schiffe, wegen eines Leckes in einem der beiden^ getrennt wurden. Es fragt sich zunächst darum, wer dieser Capitan de Pons ist und an wen der Brief geschrieben wurde. Die Analyse wird aber durch Kenntnissnahme des Inhaltes wesentlich erleichtert, weshalb nunmehr auch dieses zweite interessante Document folgen soll. Die am Fusse gesetzten Noten sollen als Erläuterungen zum Briefe dienen.

Noble senor.

Di poi di baciarli la mano sto al servitio della vostra gratia, et sappi come il capitan general fu morto in la battaglia di un luogo che si domanda marta.^ Et di poi che moritte facemmo capitano il piloto Giovan Lopes Carabalo^ portoghese, et vedendo che non faceva cosa che fosse in servitio del re deliberammo io et Johanii Sebastiano e tutta la gente di levarlo di Capitano^ et facemmo Capitano Alonso Gomes de spinosa della nave capitana, et Giovanni Sebastiano della nave Victoria, et me feciero govemator deH'armata. Et viniendo a malucco noi ritrovammo^ in gran faticha et surgiemmo^ in una isola che si domanda tindore, ^ ehe fe una delle cinque isole che tiene uno re che fe piü da bene et virtuose e piü leal di tutti e pare che abbi in nel cuore il re di Castillia, perche dicendoli cosa alcuna che achadi in servitio del re lo fa anna^ persona. In tutte le isole di malucco ne pare che stiano tutti a servitio del re nostro Signore, et V abiamo dato lettre affinchfe nessuno porto-

1 Maathan bei Max. Transylvanns, Matan bei Pigafelta, Matha bei Brito, Matao bei Castanheda und Matam in dem Tagebuch eines un- bekannten Verfassers, veröffentlicht durch ,Hugues' in den Acten der ,SocietA ligure di storia patria*, Bd. XV, S. 1 104.

3 Sonst auch Carvalha oder Carvalho genannt.

3 Die Bestätigung hievon in Navarrete 1. c, Bd. IV, S. 292.

* ci ritrovammo.

^ Snrgir (spanisch) = ankern. Wird auch im Italienischen verwendet sorgere = landen.

^ Tydore oder Tidor. Nach dem wiedergefundenen Globus von Schöner Thedori (Sitzungsber. der kais. Akademie der Wissenschaften, phil- hist. Classe, Bd. CXVII. Der verschollene Globus des J. Schöner von 1523, wiederaufgefunden und kritisch gewürdigt von Dr. Franz K. von Wieser).

"^ a persona -= in persona = persönlich.

O IT. Abhandlnng : 6 o I c i c h.

ghese li facci male. Et cosi loro ne anno dato lettre per il re nostro signor^ le quali isole soiio molto richissime di garofani, che ciascuno anno coglieno^ tenendo cattiva annata dieci milia centi di garofani. Et v'e un'altra isola qui presso che la do- mandano bandam^ dove ciascuno anno ricoglieno mille Cinque- cento quintali di nocie moscate et Cinquecento di macis.^ Signore^ tutto que domandammo di gratia a nostro Signore n' a discoperto. Abiamo da contar molte isole que anno molto trigo ^ e questo k senza numero. Et trovammo altra isola dove a molto oro et molta cannella, et per uno pesso* di ferro ne danno venti libre di cannella o d' oro. Noi altri eravamo carichi di garofani per partime e cosi come noi voleximo partir, se ne discoperse una aqua che era di 4 palmi d'omo e non potevamo tomar* di drento ne di fuora, e chosi bisognia restare. Et deliberammo di mandar la nave Victoria davanti perche non perdesse lo tempo et portasse la nuova al re mio signor, et noi restiamo qui donde spero in dio drento di cin- quanta giorni aver apparechiato la nave et venire per lo dahu dove andrea riuso fa le nave^' et di quinde in per terra ferma per dar le nuove al re mio Signor. Non vi scrivo altra cosa per il presente; pregovi che abbiate per raccomandato il mio figlio che fe in questa nave. Jo vi mando uno pappagallo i se non vive io ve ne porto un'altro. Altra cosa non si dice a vostra Signoria, et nostro Signor vi guardi.

De Malucco della isola di Tandore a XXI di Dicembre 1521.

Capitan de pons

maestro et governator della

nave capitana.

1 Nach Wieser (SchOner) Badam. Aach bei Max. Transjlvanus Badam.

2 Muscatblüthe. ' Trigo = Getreide.

* pezzo oder peso (?) im Sinne eines bestimmten Gewichtes. ^ turar (?).

^ Diese ist die dem Kagusaner Uebersetzer unverständlich gebliebene Stelle. Laut Max. Transylvanus S. 20, Pigafelta S. 196. 199, Navarrete's Col., Bd. IV, S. LXVIII und S. 80 war beschlossen den Rückweg über Panama einzuschlagen. Das Dahu könnte somit Danen heissen. So weit meine Kenntnisse in der spanischen Sprache reichen, möchte ich dann lesen: per lo darien dove si arrimarA la nave, d. h. über Danen, wo das Schiff verlassen wird um die Reise über Land fortzusetzen u. s. w. Das Zeitwort arrimar war dem Uebersetzer wahrscheinlich weil ,techni8ch* nicht bekannt.

Zwei Briefe ftber die Maghellanidche Welftnnseglung. 9

Die Eruirung des Verfassers dürfte nicht schwer sein. Im Verzeichniss der SchifFsbemannungen von Navarrete^ finden wir als ^Maestre^ der ^Trinidad' einen gewissen Juan Bautista de Punzorol eingetragen , mit der Bemerkung jedoch, dass ihn andere Quellen nur Juan Bautista oder Bautista de Poncero oder auch Ponceron nennen. Bei Herrera heisst er Juan Bautista de Poncevera, bei Barros Mestre Bau- tista Geno^s.^ In dem Briefe erzählt nun de Pons, dass nach dem Falle Carvalho's er mit Delcano und Gomez de Espinosa zusammen zum Anführer der Expedition ernannt wurde; nun erhielt uns Muüoz und beziehungsweise Navarrete"^ ein Document aus dem Jahre 1521 über die Verträge der Spanier mit den Königen der Molukken, welches wie folgt ein- geleitet wird: Hicieron estas paces y amistades con reyes y seiiores siendo los capitanes Gonzalo Gomez de Espinosa, y Juan Sebastian del Cano 6 el maestre Juan Batista, goberna- dores del armada u. s. w., woraus also zur Genüge hervorgeht, dass der Dritte im Bunde der Führung Punzorol war. Unser de Pons kann also kein Anderer als der Genuese Poncero gewesen sein.

Dass de Pons oder Poncero dem Text des Briefes ent- sprechend wirklich mit der ,Trinidad' zurückblieb, lässt sich leicht an der Hand weiterer Documente nachweisen. Zunächst haben wir den Brief Antonio Brito's an den König von Portugal über die Erfolge der Maghellanischen Expedition^ und über das Schicksal der ,Trinidad'. In demselben sind die Leute der ^Trinidad' alle namentlich angeführt; de Pons ist dabei sehr vortheilhaft geschildert, als der Beste nämlich unter allen Theilnehmern der Expedition, als derjenige, der nach dem Tode Maghellans die Schiffe ftlhrte und dem die Ankunft auf den Molukken zu danken war.* Ferner haben wir die eidliche Aussage des Leon Panealdo/' laut welcher Poncero von Cochin

1 Coleccion de viajes, Bd. IV, S. 12.

2 Dec. »•, Lib. 5, Cap. 10.

> Navarrete, Col., Bd. IV, S. 29.5 ff. Dor. Nr. XXVII. * A. a. O. Doc. Nr. XXX, S. 311. » A. a. O. Doc. Nr. XXX, 8. 311.

« A. a. O. DüO. Nr. XL, S. 384. Die Trinidad sUch am 6. April 1522 in See. Nach vielem Unglück und nach einem schrecklichen Starme mnsste

10 IV. Abhftndlnng: Oelcicb.

zusammen mit dem genannten Pancaldoauf dem Schiffe Sta. Catalina gegen die afrikanische Küste flüchtete, allwo ihn der Tod ereilte.

An wen der Brief gerichtet war, ist schwer zu entscheiden ; unwillkürlich denkt man an Peter Martyr, allein in dem auf die Entdeckungen bezüghchen Auszug des Opus epistolarum von Gaffarel und Louvot^ ist kein darauf bezüglicher Passus zu finden. Dieser Umstand hat wohl wenig zu bedeuten, da Peter Martyr viele solcher Briefe erhielt und er in seiner Correspondenz nur sehr selten auf die betreffenden Correspondenten hinweist.^

Analysiren wir den Inhalt dieses Schreibens, so finden wir, dass er am Tage der Trennung der beiden zuletzt übrig gebliebenen Schiffe erfolgte. Der Verfasser erwähnt vor Allem das wichtigste bis zu jenem Tage vorgekommene Ereigniss, nämlich den Tod des Anführers und erzählt, dass an seiner statt Giovan Lopes Carvalho zum Oberbefehlshaber gewählt wurde. Da aber das Benehmen Carvalho^s die Bemannungen nicht befriedigte und weil dessen Handlungen auch nicht das Beste des königlichen Dienstes förderten, so beschlossen die Schiffsofficiere Sebastian del Cano und Poncero im Einver- nehmen mit der ganzen übrigen Mannschaft den Portugiesen abzusetzen und eine Neuwahl des Commandirenden vorzu- nehmen. Man einigte sich dahin, Gomez de Espinosa zum Capitän der ,Trinidad^, Del Cano zum Capitän der , Victoria*, und Poncero zum ,Governator deir armata' zu ernennen. Merk- würdigerweise wird dieser Wechsel im Commando in anderen Quellen ganz verschwiegen. ^

das Schiff umkehren und an der Küste von Halmahera bei Antonio de Brito Zuflucht suchen. Brito hielt die Spanier vier Monate in Temate gefangen und schickte sie dann nach Banda und später nach Kotschin, von wo aus die Flucht erfolgte.

1 Lettres de Pierre Martyr Anghiera relatives aux d^couvertes maritimes des Espagnols et des Portugals. Traduites par P. Gaffarel et TAbb^ Louvot. Separatabzug aus der Revue de Geographie herausgegeben von M. L. Drapeyron. Paris, Institut G^ogfraphique, 1885.

2 Peter Martyr gehörte Übrigens durch Geburt dem mailfindischen Adel und war seit 1505 Prior der Kirche von Granada. Vgl. MazzuchelH, Storia dei scrittori d'Italia (Brescia 1753) I, 775. Ein Genuese würde ihm schwerlich spanisch und mit' der Anrede ^noble senor* geschrieben haben.

3 Unter Anderen erwähnt auch Rüge in seinem ,Zeitalter der Entdeckungen' nichts davon. (Vgl. S. 481. 482.) Zwar liest man, dass Del Cano die

Zwei Briefe über die Maghellanisehe Weltnmseglnng. 11

Die Nennung der von Matan bis Tydore berührten Inseln übergeht de Pons, was sich durch die Eile erklärt^ in welcher der Brief verfasst wurde, als nach vergeblichen Versuchen, das Leck zu verstopfen, endlich doch der Entschluss zur Trennung platzgreifen musste. In dieser Eile hat der Ver- fasser des Briefes nur daran gedacht, das Wichtigste zu Papier zu bringen, und da der Zweck der Unternehmung überhaupt die Auffindung der Molukken war, so interessirte es ihn nur, über das Gelingen der Expedition zu referiren. Nur einen Augenblick verweilt er bei den grossen Mühen, die bis dahin überstanden wurden, als er nämlich schreibt ,Et viniendo a malucco noi (ci) ritrovammo in gran faticha'.^

Nach den Misserfolgen auf den Ladronen, ^ auf Matan, ^ auf Zebu^ und in der Stadt Brunei^ stiess man endlich auf besser gesinnte Völker, und de Pons fUhlt das Bedürfniss sich über die Bewohner der Molukken lobend zu äussern, umsomehr als die geschlossenen Freundschaftsverträge in Spanien einen angenehmen Eindruck hervorbringen mussten. Deswegen hebt er die Tugenden des Königs (Radscha) von Tindor hervor che h piü da bene et virtuose e piü leal di tutti . . .^

, Victoria' und Espinosa die ,Trinidad' befehligten, ohne weitere Zusätze konnte man aber dadurch auch zum Glauben geführt werden, Carvalho sei in der Zwischeneeit verschieden.

1 Von der Haifisch-Insel an (Insel Flint in 151*80 W. v. Gr. Siehe Peter- mann^s Mitth. 1868, S. 376) waren die Leute immer in Gefahr Hungers zu sterben. ,Der Zwieback war in Staub zerfallen, voll Maden und stank nach dem Unrath der Ratten, das Trinkwasser war trübe und Übelriechend. Wir assen auch Bindsleder . . . Ratten bildeten einen Leckerbissen und wurden, das Sttick, mit einer halben Krone bezahlt. Zu all dem Unglück trat noch der Scorbut auf, welchem 19 Personen erlagen. . . .* So berichtet Pigafelta über die Fahrt. Siehe S. Rüge a. a. O., S. 475.

' Diebstähle und Wegnahme eines Bootes. Rage 476.

9 Tod MaghellanV

f Yerrath durch den getauften Fürsten von Zebu, bei welcher Gelegenheit Duarte Barbosa und Juan Serrano, dann der Astronom San Martin ge- tOdtet wurden. Rüge, S. 478. 479.

^ Gefecht mit den Eingebomen und Gefangennahme mehrerer Spanier. Rüge 479.

^ Freilich spielte die Handelseifersucht gegen Temate ihre Rolle mit und die Spanier zahlten auch für die Gewürze viel höhere Preise als die

12 TV. Abhandlang: Gel eich.

Diesem König von Tindor unterstehen fünf Inseln ( . . . tin- dore che fe una delle cinque isole ehe tiene uno re . . .) und in der Nähe von Tindor befindet sich Bandam (Et v' k un' altra isola qui presso che la domandano bandam). Max. Tran- sylvanus nennt nun auch von den Molukken fünf entdeckte Inseln und zwar: Tarante, ' Mutil, Theodori, Maithien oder Mare und Bandan, die auf dem Globus des Schöner wie folgt ver- zeichnet sind: Jaraze, Muthil, Tliedori, Badam und Mare.^

Ausser den Gewürzen fUhrt de Pons noch Getreide und Gold als Producte der Inseln des Südmeeres an. Gold und Zimmt scheinen damals gleichwerthig gewesen zu sein, da man um eine gleiche Quantität Eisen gleich viel Gold oder Zimmt erhielt (et per uno pesso di ferro ne danno venti libre di cannella o doro).

Schon standen die Schiffe zur Abfahrt bereit die jTrinidad' war mit Gewürznelken beladen als letzteres Schiff ein Leck bekam, das weder von innen noch von aussen zu verstopfen war. Damit keine Zeit verloren gehe, beschloss man die ,Victoria* mit der Nachricht der Entdeckung nach Spanien zu schicken, während die ^Trinidad' ihren Schaden in ungefähr fünfzig Tagen ^ auszubessern hoffte, um sodann die Rückreise über den grossen Ocean anzutreten. Es war im Vorhinein schon beschlossen, das Schiff bis zum Darien zu bringen und dort Ladung und Mannschaften zu Lande bis zur atlantischen Küste zu befördern. ^

Endlich entnimmt man dem Schlüsse des Briefes, dass de Pons einen Sohn mithatte, den er mit der , Victoria' nach Spanien zurückschickte (pregovi che abbiate per raccomman- dato il mio figlio che h in questa nave). Im Vcrzeichniss von

Portugiesen, so dass der Radscha dabei seinen Vortheil hatte. Siehe Rüge, S. 480.

1 Wieser a. a. O., S. 8 des Separatabzuges.

^ Aus den fünfzig Tagen wurden dann über hundert. Die Abfahrt der «Trinidad' erfolgte nämlich am 6. April 1522.

3 Es stimmt diese Erklärung vorzfiglich mit der Aussage von Leon Pan- caldo (Navarrete, Bd. IV, 8. 383) und im gleichen Sinne schreibt auch Pigafelta (Edit. Amoretti, S. 201): Durante questo tempo si sarebbe ri- parata la nave Trinidad, la qnale, approfittando dei venti delF Ovest^ si sarabbe recata a Darien, paese situato dalKaltro lato del mare nella terra di Diucatan (Yucatan).

Zwei Briefe Aber die Maghellanische Weltnmseglang. 13

Navarrete ist ein zweiter Punzeroi nicht zu finden, dafür findet man in der Bemannungsliste der ,Trinidad^, auf der eben Pun- zerol eingeschifft war, einen Pagen Juan Qenovös oder Juan Antonio aus Puerto en la ribera de Genova genannt, der wahr- scheinlich der Sohn unseres de Pens gewesen sein dürfte.

Was die Bedeutung dieses Briefes anbelangt, so liefert er, wenn auch aus demselben keine besondere Neuigkeit her- vorgeht, doch einen interessanten Beitrag zur Geschichte der ersten Weltumseglung. Wichtig erschien es mir, denselben mit dem Roteiro zu vergleichen, den Hugues im XV. Bande der Atti della societk ligure di storia patria^ veröffentlichte^ und aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Genuesen herrührt. Von dem bewussten Tagebuche existiren zwei Manuscripte, eines in der Nationalbibliothek zu Paris, das andere in der Bibliothek de S. Francisco da cidade in Lissabon. Hugues hat sich eine Abschrift des letzteren verschafft und veröffentlich t.^ Keines der beiden Manuscripte ist aber das Original, da eine am Schlüsse derselben beigefügte Anmerkung sagt, dass es sich um eine Abschrift oder um eine Uebersetzung aus dem Tagebuche eines Genuesers handelt.^ Die genannten Manu- scripte sind beide portugiesisch.

Hugues glaubt, dass der Verfasser des Tagebuches ent- weder unser Poncevera oder Leon Pancaldo oder beide zu- sammen waren. Gegen die Gründe, die Hugues zur Erhärtung seiner Ansicht anführt, ist nichts zu sagen und ich bin über- zeugt, dass er das Richtige getroffen hat. Der Vergleich des Briefes mit dem Roteiro führt aber zu keinem Resultat. Einen Anhaltspunkt könnten die Namen bieten, wenn wir beiderseits die Originale vor uns hätten, mit Abschriften und Ueber-

1 Genova 1881. Giornale di Viaggio di tin pilota genovese addetto alla spedizione di Ferdinaiido Magellano, pubblicato da Luigi Hagnes, S. 1 bis 104.

' Das Lissaboner Manuscript wurde auch in der Coleccion de Noticias Ultramar., Bd. IV, 8. 145 bis 176 veröffentlicht.

' Die Anmerkung lautet nach dem Lissaboner Manuscript: ,E isto foi tres- ladado de hnm quademo de hum piloto Genoms, qne vinha na dita n&o, que espreveo toda a viage como aqui estA. E foi pera Portugal ho anno de 1624 com dom Amriqui de Menezes. Deo Gracyas.' lieber die Jahreszahl und den Namen Amriqui de Menezes siehe die Bemerkungen Hugues' a. a. O., S. 15.

1<4 IV. Abh. : Gele ich. Zwoi Briefe über die Maghellanische Weltumsegliing.

Setzungen lässt sich jedoch nach dieser Richtung nichts erreichen. Immerhin mögen folgende Unterschiede hervorgehoben werden.

Der Ort^ wo Maghellans fiel, heisst im Briefe ,Marta', im Roteiro ^Matam^;^ der Nachfolger im Obercommando heisst im Briefe ^CarabaloS im Roteiro ,Carvalha^ oder ,Carvalho';2 die Insel jTindore^ des Briefes wird im Tagebuch ,Tidor^ genannt.

Neben ^Tidor' soll sich nach dem Briefe ,Bandam^ befinden. Das Tagebuch schreibt darüber Folgendes r^ ,e tendo asy asem- tado hos ditos pre90s acima decrarados, Ihe deram novas a gente da terra, que mais avamte em outra ilha dahy perto, estava hum homem portugues, que podia ser dally 2 legoas äquella ilha, que se chamava TargatelP que era principal de Maluco etc. . . .^ und wenige Zeilen später: ,e estando asy to- mando carga, veo a elles ho rey de Barachan,^ que he d' ahy perto, e dixe que queria ser vassallo dell rey de Castella etc. . . / Das ,Bandam' des Briefes scheint somit mit ,Barachan' in Verbindung zu stehen. Allein es fällt auf, dass im Briefe übereinstimmend mit Max. Transylvanus als Hauptproduct der Insel die Muscatnüsse erscheinen, während der König nach dem Roteiro erklärte nur Gewürznelken zu haben.**

Bemerkenswerth ist femer der Umstand, dass im Briefe von goldreichen Gegenden und von anderen Inseln die Rede ist, welche Ueberfluss an Getreide haben, wogegen im Roteiro das Getreide gar nicht und das Gold nur vorübergehend er- wähnt wird.'

Endlich fällt es auf, dass die Absetzung Carvalho's vom Commando, worauf im Briefe doch ein gewisses Gewicht gelegt wird, im Tagebuche nicht einmal erwähnt erscheint.

> Hugues a. a. O., S. 89. ^ l. c, S. 91.

3 L. c, S. 99. * Nach dem Pariser MS.: »Tarnata*.

3 Pariser MS.: ,De BargAo'.

0 Hugues 1. c, S. 99: ,e que asy tinha 400 bahares de cravo*.

"^ Li. c, S. 88: iVemdo a gente dos par6s que ho esquife se tornava as nÄos, se tomaram os par6s atras, eho esquife chegou as nios, e logo se fizeram Ä vella, a outra ilha muito perto daquesta ilha, que esta em 10 gr. e puseram Ihe nome a ilha dos bons Synaes, porque acharam em ella algum houro.* Dagegen spricht Max. Transylvanus § 12 und besonders § 14 von dem vielen Golde, welches Gibith enthielt.

V. Abh. : Bei ni seh. Die Kncama-Spraehe in Nordost-Afrika. II. 1

V.

Die Kunama-Sprache in Nordost -Afrika. IL

Von

Leo Beinisch,

«rirkl. Mitg:liede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.

Die nachfolgenden Blätter schliessen sich an meine gram- matische Skizze an^ welche unter dem Titel: ^Die Kunama- Sprache in Nordost-Afrika. Wien 1881' aus dem Jahrgänge 1881 der Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. XCVIII, Heft I, S. 87 flF. besonders abgedruckt, schon vor acht Jahren veröffentlicht worden ist. Dass ich nicht sofort die Texte und das Wörterbuch folgen liess, hat seinen Grund darin, weil ich mich der Hoffnung hingab, es werde die schwedische Missionsgesellschaft, welche damals mit dem Plane umging, ihre im Runamalande aufge- gebenen Stationen wieder zu beziehen, mir noch weitere Ma- terialien zu den von mir gesammelten liefern können. Die Zeit, welche ich im Kunamalande zubringen konnte, war nämlich etwas gar zu knapp ausgefallen, um wärend derselben die Kunama-Sprache in all' ihren Besonderheiten gründlich zu durch- forschen. Wir waren am 13. Jänner 1880 von Keren im Bogos abgereist und erreichten am 17. Jänner den Ort Amideb im Barealand, wo ich in der Seriba der egyptischen Besatzung mit Hilfe der mir vom Mudir beigestellten Eingebornen meine Vorstudien zum Kunama ausführte. Am 1. Februar übersiedelten wir nach Betkom im Kunamalande, wo ich bis zum 18. des- selben Monats mit verschiedenen Kunamas arbeitete, dann aber als die egyptische Besatzung daselbst nach beendigter Ein- treibung der Tulba Anstalten machte, nach Amideb zurück- zukehren, auch ich meine sprachlichen Arbeiten abzuschliessen genötigt war. Die bald folgenden allbekannten Ereignisse in Afrika haben aber jede weitere Verbindung mit dem Innern

Sitsangsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 5. Abh. 1

y. Abhandlung: Beinisch.

des Continentes unmöglich gemacht. Sonach gebe ich nun in den vorliegenden Blättern die von mir gesammelten Texte, denen das Wörterbuch der Kunama-Sprache bald folgen wird.

1.

Mntterrecht.

ASi * Myä ^ ingal-iä ^ gä-s-ke,^ Ehemals ging das Wasser von

tdmmä lös* ellä:^ ,es8'd-nä^ itä selbst. Da sprach bei sich ein

gä-nd-mä' biyä minda-bü^ ay Mädchen: ,Da ich nach dem

ke-8 gä'SüV^ ä-ke-8-ki^^ nail-s- Hause meiner Schwiegermutter

5 ke,^^ eH8-i-a-ld^^ i-kl-keA^ gehe, warum sollte das Wasser

zu Fuss gehen?', lud sich das- selbe auf und brachte es ihr. Esa-i'ä: ^ay ni-min-nö biyä^* Die Schwiegermutter sprach

ndH-nöV äksske kisa-sl,^^ nun zum Mädchen: , Warum

trägst du denn das Wasser?'

> pr&eterire, d-iä vorbeigegangen, vergangen, alt (§. 114), a/-i, mit deiktischem i, in alter Zeit, einst, ehedem.

2 §. 161.

3 ingeU allein, einzig, ohne Hilfe nnd Begleitung, dem Be^aaie engal eins, entlehnt; construirt nach §.15 und 20, ingal-ä-nä ich allein u. s. w.

* gä-dä gehen, §. 131. ^ ki»ä Mädchen, 4llä eins, irgend ein.

^ ess-d-nä mein Schwiegervater, meine Schwiegermutter (§. 16 und 178): 4»9ä und Atä auch hettä (aus hentä? vgl. Eil. De. anHn id., jnn -^^«^) Schwiegervater und Schwiegermutter.

T §. 150 ff. 8 §. 197.

Für oy ke-so ga-aö oder ay ke-tm ga-tü was (wie) machend (sagend) soll es gehen = wie, warum sollte das Wasser zu Fuss gehen, da ich den gleichen Weg gehe und daher den Waaserschlauch tragen kann, ke-dä sich äussern durch Wort oder Tat = sagen, machen; s. a. §. 157 und 170.

1** ä (für ay) dieser, diese, dieses -f" ke-dU sagen = so sagen, also sagen, ä-ke-ä-ke er sprach also; zu -ki vgl. §.111 und 112.

11 naü-dä sich aufladen, tragen ein Geräte, ndw-ä (Bil. nuto, Ti. T^^t, O. 'fVfßi) Geräte, Last; zu naü-s-ke vgl. §. 131.

13 S. Note 6 und §. 189.

1' i-H'ke er brachte hin zu jemandem, vgl. i-kö-ke er brachte her (mir, uns), von ka nemen -}~ * gehen wohin =s. forttragen, und ka nemen -[- ö kommen, herankommen ■= hertragen, -bringen, §. 41.

1^ i-min-ke er tat, ay ni--min-nö naiA-nu was du machend (-= warum du) trägst du? §. 28; zu noA-da s. §. 137 und oben Note 11.

" §. 186.

Die Knnama-Spnche in Nordost-AfHka. II.

yAbd end-sü ayibö nd-kö ^ naü- na-ke' dkiske.

Tdmmä <Udä kisä ükü-ke. ini- <Uda-9i: ,ay niminnö kisä nu- 5 ku-nöP äkiske.

Tdmmä inä dedsnä:'^ ftid-kü- ke^ äkeske.

Abdr-mä:^ ^nü-ku-yä^ ayib- d-na-d •■* biyä naüsö ^ na-wi-nni' ' 10 äkesM i-digin-ki-^ö-ke^ ivifiä.

Das Mädchen erwiderte: ,Ieh trug es, weil ich dachte, es [sein Gehen] bereite dir Schande/

Der Sohn verschmähte aber das Mädchen. Da sprach seine Mutter zu ihm: , Warum willst du das Mädchen nicht?^

Der Sohn erwiderte ihr hier- auf: ,Ich mag es nicht/

DasprachzuihmseineMutter: ,Wenn du sie verschmähst, be- reitest du mir Schande; da sie mir Wasser gebracht hat, so lasse ich sie nicht aus', und verheiratete sie demselben.

1 Wortlich: ich-dir-eine Schande- (wäre es denkend) -brachte es-lud es anf ^ ich dachte, meiner Schwiegermutter gereiche es zur Schande, dass die Schwiegertochter ihr nicht einmal etwas Wasser ins Haus bringe; nd'kö noA-na-ke ftlr nä-kd-ke naü-na-ke, s. §. 169. ai/(bö Schande = c^^Jli,

2 §. 23. 3 a-hdr-mä der zweite; zweitens, ferner, hierauf, §. 221. * §. 96. B Es ist zu meiner Schande. ^ §. 167.

"^ i'ißi'ke er, sie Hess los, neg. i-tci-nni, §. 63.

^ irdigin-ke er heiratete, idigin-lA-Sö-ke •= idiginke -|- i-ki -{- i-so-ke er

heiratete-sie brachte zu (das Mädchen) -sie gab = die Mutter verheiratete

dem Sohne das Madchen, §. 70 und 172.

Zu der vorangehenden Erzählung ist als Erläuterung Folgendes zu bemerken: bei den Kunama besteht noch durchgehends das Mutterrecht in voller Kraft, die Mutter (nicht der Vater) verheiratet die Kinder, dieselben erben nach der Mutter und werden der mütterlichen Verwandtschaft zu- gezält, wärend das Erbe des Vaters seinen mütterlichen Verwandten zufällt; für den erschlagenen Vater nehmen nicht seine Söhne die Blutrache, sondern die männlichen Sprossen seiner mütterlichen Verwandtschaft. Die Mutter wird von den Kindern hoch geehrt und ihr in allen Stücken willig Gehorsam- keit entgegengebracht, wärend der Vater nur moralisch nicht rechtlich auf seine Kinder Einfluss nehmen kann. In der obigen Erzählung heiratet daher der Sohn ein Mädchen, obwol ihm dasselbe nicht gefällt, lediglich nur weil seine Mutter es so haben will und sie besteht auf ihrem Willen, weil jenes Mädchen ihr einen Dienst erwiesen hatte, zu welchem nur die weiblichen Angehörigen ihres Hauses verpflichtet sind; durch diesen Act nun hatte das Mädchen den mütterlichen Schutz jener Frau erworben.

1*

V. Abhandlnng : R e i n i s c h.

2. Zwei Brüder.

AH iSä ddrkä idiginnö^ dn- nä: ,end salabä fdnakä sdlabä Hnna-lä utü!' äkiske, ind darg- i-a-lä'^ köake.

5 Kö-H-mä^ fdnakä inä: ,digi- amilä abäst asäsä!^ äkBske Ua-8i.

ina-H üda-mS-nö inä bilä gäske. ellä: ,end e-Uä dark- 10 i-a-lä ädske^ äkeske.

Ina : ,abd-8i a-sasa-mmä-bü •* aiii y-i-nöV ski y-i-ke.

fLäka-mü!^ äkeski Hnnä efeke, tte-mä ddrmä kösksy i-yä-ke.

15 Inä iia-d: ,dnnä end-81 äkis üdd-nö nd-ti'ke^ äMske. baddi: JbUa-ld n-i-yä abd-tä üdd!' ä- Make.

Ikä ina-d, inä dndn-si, üda- 20 mmd-bü MSä gdske.

Inä i$ä ddrka-d: ,abiSi-ä in- gdsöP äkiske. ,bisä gdake^ äkeske.

Als einst ein Jüngling daran war zu heiraten, sprach Gott zu ihm: , Stirb an deinem Hochzeits- tage auf der Hochzeitsmatte!' Sein Bruder war daneben.

Am Geburtstag sprach nun dieser zu seinem jungem Bru- der: jMelde mir den Tag der Hochzeit!'

Da dieser ihm nichts mit- teilte, ging der ältere Bruder in die Wüste. Da erzählte ihm ein Mann: ,Du, dein jüngerer Bru- der geht ein zu seinem Weibe/

Der nun sagte: , Warum zieht er ein ohne es mir zu sagen?* und ging hin.

,Steht auf!' sagte er, er hob die Matte auf und da befand sich eine Schlange und er tödtete sie.

Hierauf sprach er zu seinem jüngeren Bruder: ,Ich habe es gehört wie Gott zu dir geredet hat; nun sage es mir an, wenn du auf das Feld gehst!'

Der jüngere Bruder aber ging auf das Feld ohne seinem älteren Bruder etwas zu sagen.

Da fragte dieser das Weib seines Bruders: , Wohin ist dein Gatte gegangen?' ,Auf8 Feld ging er' sagte sie.

1 i-digin-ke er heiratete, s. §. 109. ^ An seiner Seite, ddrgä Seite. 3 i'H-ke sie gebar, kö-üt-ke er, sie wurde geboren, s. a. §. 125. * {-»dta-ke er erzählte, a-aäsä erzähle, berichte mir! s. a. §. 86.

Die Knnama-SprAche in Nordost-Afrika. 11.

kdrkajä^ ütüki atodä ni- fmke. inä y-i-ke, mörkä y-i-ke, hddda-ld dkeshe köske, inä gi- gada-bü i-minfi-ke.

5 Baddi ina Üa-d agüsklM: ,darga-ld ay H-nöP äkeske.

iSä feski intüce. abdr-mä yi- nä: ,end nutünni* äkiske, ,wüyä e-yä-nä^ äkeske, ,dnnä äkis sa- 10 möske*'^ äkeske.

Der jüngere Bruder hatte nun ein Wachgestell aufgerichtet und schlief darauf. Da kam sein älterer Bruder dahin ^ es kam auch ein Löwe^ der ältere Bruder aber tödtete diesen von rückwärts mit dem Schwerte.

Nun stieg der ältere Bruder zu seinem jüngeren hinauf und fragte denselben: ,Was ist hier daneben ?'

Der jüngere Bruder stand auf und sah. Da sprach zu ihm der ältere Bruder: ,Nun stirbst du nicht, nur die Zeit wird dich tödten, denn also hat Gott es bezeugt.'

3. Dieselbe Erzählung in anderer Yersion.

Y'isa-te y-ina-te iniha-te^ el- Zwei Brüder und deren la-lA Hnna-ld gönke, gö-mü-mä Mutter sassen beisammen auf

< kdrkqjä Wachgestell, ein Bretterboden auf vier Säulen ruhend, um von da aus den Acker überschauen zu kennen -, von diesem Gestell aus wird der Acker gegen Ueberfälle von Pavianen, Antilopen und VOgel be- wacht, bei deren Ankunft der Feldwächter ein Geschrei erhebt, um das Wild zu verscheuchen; das was Bilin erärä.

^ Diejenigen Gefahren, welche das Schicksal verfügt und Gott angezeigt hat, habe ich als dein älterer Bruder beseitigt.

3 i-iä der jüngere Bruder, aus dem Perf. l-^ä-ke er wurde geboren, s. §. 65. Das Possessiv davon: a-Uä, e-iiä, i-Uä (y-i^a) mein, dein, sein jüngerer Bruder. Ebenso: tnä der ältere Bruder, von %-na haben (hingehen-nemen = besitzen, haben, §. 41b), flectirt: na-ina-ke, n-ina-ke, y-ina-ke u. s. w. ich hatte, du u. s. w., davon inä Besitzer, sjnon. dndä Herr, Grosser; a-inä, e-inä, y-inä, mein, dein, sein Herr oder älterer Bruder; zu ininä 8. §. 17. Beachtenswert ist in y-l^ä, y-inä, i-ninä der Gebrauch des Possessivs im Sinne des bestimmten Artikels, ein Gebrauch der auch in andern chamitischen Sprachen (Saho, *Afar, Bilin u. s. w.) sich nach- weisen lässt und auch im Semitischen vorhanden ist; vgl. A. Dillmann, Aethiop. Grammat. p. 333, §. 172 a. Die Verkürzung des ä in y-iia-te,

y. Abhandlung: Kein! seh.

ännä: jSÖlabä fdnaka nutünä äkeske deda-sh^

Y'inä ännä aürä itikke, de- da-te inina-te wotikämme ann^ 5 aürä,

Baddi: ^ölaba-ld abd-si nü- dammä-bü ni-mim-mef P dkiske ändä deda-si.

Abdr-mä dedä aür' ellä üda- 10 7716-710 inä y-ininä bila-ld gdske, amää faüdä goske. baddi y-Uä dark-i-a-ld Sdske.

Y-iSä sölabä fdnakä ellä dnda-sl: ^e-iää dark-i-a-ld Sä-s- 15 koske^^ äkis üdsake.*

Andä: ,a-Üä abä-sl aür' ellä a-säsa-mmd-bü ani dark-i-a-ld sd-söP ske, y-Üä ita-lä y-i-ke.

Y-iäa-te dark-i-a-te Hnn^ ella-

20 gonke, dndä: ,läkamü!' äkes-

ke, lakanki sinna-si gigad-i-a-

einer Matte. Da sprach Gott zum jungem Bruder: ,Du wirst am Hochzeitstage sterben/

Der ältere Bruder hörte nun Gottes Wort, der jüngere Bru- der aber und die Mutter hörten es nicht.

Nun sprach der ältere zum jungem Bruder: ^Begehe du am Hochzeitstag nichts ohne dasselbe mir anzuzeigen!^

Da nun der jüngere Bruder keine Meldung gemacht hatte, so ging einst der ältere in die Wüste und blieb da viele Tage. Da heiratete der jüngere Bru- der.

An dessen Hochzeitstage machte aber ein Mann dem älteren Bruder die Mitteilung: ,Dein jüngerer Bruder ist ein- gezogen zu seinem Weibe.*

Der ältere Bruder aber sprach : , Warum hat er doch ge- heiratet ohne mir davon ein Wort zu sagen!' Er ging hin und kam ins Haus seines Bruders.

Dieser nun sowie sein Weib sassen beisammen auf einer Matte. Da sprach der ältere

y-ina-te, inina-te für y-Uä-U u. s. w. beruht auf der in allen chamitischen Sprachen bestehenden Erscheinung, dass vor Suffixen ä zw a verkürzt wird; vgl. Bilinspr. §. 157 u. a., Chamirspr. §. 206 u. a., Quaraspr. §. 121, Note 3 u. a. ^ dedä Knabe, Kind, hier der jüngere Bruder, gegenüber y-inä der Herr, sein Herr, syn. dndä der Grosse, Herr.

2 Für ni-min-me! i-min-ke er tat, machte.

3 Für m-M-ke ko-n-ke, §. 171. * Für ä ke-s-ke i-aasa-ke.

Die KnDAnii,-Spniohe in Nordost-Afrika. II.

teske, Hnnä k&ld * linH, dar- kosksy ütü-koske.

Bruder: ^Steht auf!' Als sie nun sich erhoben hatten ; da zerhieb der ältere Bruder mit dem Schwerte die Matte und als sie unter dieselbe geblickt hatten, befand sich da eine Schlange, die todt war.

4. Zwei Freunde.

ASi ellä af-drä afBske.^ tämmä dlä-wä^ köd-i-a-d: ,abd 5 af'drä na-fe na-fia-iid-mä^ ä-U a-u^ ki^ godä! abä aürä bdyä na-üda-nd-mä, enä a$i äkin n- üdd-nö'^ na-tik'ke, äkedä kl a- ydf abd baddi af-drä bub-i-a 10 an-e-ald na-fülu-nd-mä mö-di- ki,^ 6'tä kä'Sa-ki^ kä-kö-m-nd- mä!'^^ äkhke.

Einst strich sich ein Mann Fett auf die Haare. Da sprach er zu seinem Freunde: ,Komm' herein zu mir und setze dich, wärend ich einfette und esse! ich hörte erzählen, dass du sag- test, ich hätte ein böses Maul; so rede also gerade aus! ich will dann auch dein Haar ein- fetten, dann gehen wir hinaus und kämpfen, darnach aber wollen wir Frieden machen!^

1 Sirmä küld die Unterseite der Matte.

2 i-fe-ke es war fett, feist, fa das Fett von Rindern u. s. w., d-fö die Pomade, weisses Hammelfett, womit man die Haare bestreicht, auch af* drä ,wei8ses Fett* genannt, davon das denominative Verb afe-akt er strich Fett auf, pomadisirte: s. a. §. 114.

^ eüä-wä und eUoä Jener eine*, von Sllä ein -|- jener (s. §. 23); vor Suffixen wird ä zu a gekürzt und dieses a vor folgendem w zu ä ge- trübt oder zu ö (= a -\- u) zusammengezogen.

* Für na-fe-nd-mäy na-ntt-nd-mäf s. §. 168.

^ to-u-ke er trat ein, ü komm*, tritt ein! o-ü komm zu mir! §. 67.

* §. 172, Anmerkung.

"* Für äkem (aus ä^ke-mö) n-üdd-nö natikke ich hörte sagen (die Leute), dass du sagtest.

B mo-tke er kämpfte, zu mÖ-di-ki s. §. 156 und 172, Anmerkung.

9 Dorthin (o-täj gehen wir! §. 65 und 106.

^^ li-nL-ke er war ruhig, kö-sü-ke er wurde beruhigt, friedlich, söhnte sich aus.

8

y. Abhandlung : Reinisch.

5. Nutzen der HSnner.

Ddrkay abiSe-d: ,ndfä m-indr mme^ * äkinke.

,Ame näfä md-yna-ke' äkenke abüay ddrke-si, 5 ,Ay-§irnö'^ naf-e-äV äkenke ddrkay abüesi.

,Naf'd-hä: kinä ma-bo-nä, de- day rna-Si'7iä^ sisay ma-so-nä, naf'd-hä ine^^ äkenke ahUay.

10 ^Anna-n dütä* 4me-beP äken- ke ddrkay.

Abiäay: ,ddrke-8i eivi,^ kd-wi!' äkenki, bilä gänki fid-na, kina- nd'Sl^ büa-ld ofüci'^ gonke.

15 Ddrkay kinä daünki bäyökä wä-8ä-ke,^

Gö-mö^ abiSä Sllä: ^na-y-ki^^ ddrke-ai nd-nti* ^^ äkeaö, ,gddä!^ äke-mö it-i-a-lä y-ö-ki ddrkay o-

20 nti-ki : jWä-mä ^ '^ ab yoke' äken-

Die Frauen sprachen zu den Männern: , Ihr seid ohne Nutzen/

,0 wir sind schon von Nutzen/ erwiderten diese den Frauen.

,Wozu seid ihr nützlich?' fragten diese die Männer.

,Unser Nutzen ist folgender: wir bauen Getreide, wir zeugen Kinder, wir geben Kleider, das ist der Nutzen von uns,* er- widerten die Männer.

Da sprachen die Frauen: ,Wa8 seid ihr ohne Gott!*

Nun sprachen die Männer: ,Verlas8t die Frauen, verlassen wir sie!* Sie zogen in die Wüste, assen dort Fleisch und Getreide und blieben daselbst.

Die Frauen hatten nun kein Getreide und wurden gar elend.

Da sprach einst ein Mann: ,Ich möchte doch hingehen und nach den Frauen schauen.* ,So geh!* sagten die anderen und

1 i-na haben, §. 41b; negat. §. 53.

2 §. 29.

3 Diese Dinge; s. §.21.

* D. i. wenn Gott nicht will, ist euere Arbeit erfolglos; s. a. §. 202.

^ i'UH-ke er Hess, verliess; gab auf, verzieh; s. a. §. 100 und 105.

^ Ueber -nä und, s. §. 226.

"^ i-norke er ass, Speise; 6-n-ke sie assen, für o*na-A;e; s. a. §. 111.

^ Für bdyä ö-kä-ke, bdye wa-gä-ke sie erhielten schlechtes, trauriges (Los)

und wurden elend. 9 Als sie Sassen, sich aufhielten, gö-ske er saas; s. §. 157. »0 §. 62 und 111.

1^ na-nii-nä ich werde sehen, nd-nti ich möchte, will sehen. >2 §. 21.

Die KniiAina-Sprache in Nordoat-Afrika. II.

9

ki wä-li-nö i-jl-ke^ abiSä ülä e-ji wä'ffüra-ke ddrkay.

O-bin-ina-o-min-nö ^ Üa-W^ a- giiske, ddrkay ää (hki-ki^ kürd- b lä^ tukünki^ $inkdnke^^ tdmmä ddrkä £llä ü-tü-ke i-me-nö,''

AbÜä köd-iy-S-ld yiki: ,ddr'

kay o-kö-si-mme-mä^ üä gädü'

akisö, fVndydä, gädinat*^ äkenke.

10 ,eia,^^ gddH' nki itä ö-lö-ke, o-

lö-ma^^ ddrkay mäydä ö-sä-ke.

,Ay i-min-nö^^ mi-H-mme-no?* äkenke abUay ddrke-al.

fAür-e-ä mäl-i'ä i-M-ke-md '^ 15 d-em!' äkenki ö-wi-ke abUay.

er ging also heim. Wie diesen die Frauen ersahen, eilten sie herbei und riefen: ,Ein Mann, ein Mann!' und da er dann floh^ so setzten sie ihm nach.

Als sie daran waren den Mann zu erhaschen, stieg er auf einen Baum. Die Frauen nah- men nun Strohhalme, steckten sie diesem zum After und ro- chen daran und davon starb eine vor Sehnsucht.

Der Mann kam nun zu seinen Gefährten und sprach: ,Die Frauen verkommen, gehen wir heim!* ,Nun gut, so gehen wir heim!' sagten sie und gingen nach Hause. Da wurden nun die Frauen wieder glücklich.

,Nun warum gebärt ihr denn nicht?' fragten sie die Frauen.

Sie erwiderten: ,Euer Wort ist Wahrheit, verzeiht uns!' und so verziehen ihnen die Männer.

1 i-i^'ke er erfasste, ina-ke und y-ma-ke (i-l-na-ke) er hatte, i-niin-ke er Ut; 8. a. §. 108 und 168.

2 el-ä Baum, von d-^-ä der hoch wachsende, i-ile-ke er ragte empor, s. §.114.

3 %-H-ke er trug hin, In =: nehmen -f- i hingehen. ^ kürä anus. ^ tuku'ske er steckte hinein. ^ Ünkä Geruch, Hnkd-ske er roch.

^ i-nie-ke er liebte. Der Sinn ist folgender: sogar der schlechteste Geruch

vom Manne bewirkte den Tod der Frau vor Liebessehnsucht. ^ kö-s-ke fuit, o-kö'si-mme-mä da sie (fast) nicht mehr existiren = zu

Grunde gegangen sind; s. §. 43, 150 und 171. ^ ga-ake er ging, gä-di-nä wir werden gehen, gd-di wir wollen gehen; s.

Note 11 der vorhergehenden Seite. JO §. 103. " §. 62.

12 Was macht es = was ist die Ursache davon, dass n. s. w., d. i. wenn

Gott und nicht die Männer die Kinder bringen, warum habt ihr wärend

unserer Abwesenheit keine Kinder bekommen? 1' Da euer Wort in seiner Realität sich verwirklicht hat, mal = Ti. ^fi^t IL« Besitz, Actualität.

10

Y. Abhandlung: Beiaiseh.

6. üeber das Erschlagen der Greise. >

Ime agäre^ aH: ,ki-wa'P kd- yä!'^ äkinke. ,Ker!' äkinke,

dlä y-l'ki, yi-wa-d^ ar- kubä bei'enta-lä^ ü-tü-ke, u-tu- 5 nö' böde yi-we-si ö-yä-ke,

Tdmmä: ferga-mül^ äke-mö^ ergdnke, ergaiüd^ gdiike^ gd-mö tdbää bdyä gänke, wälike.^^

Yi'Wasi eüä-wä ^^ yiki: ,tabiV 10 dn-nä '^ bdyä'' äkiske.

Yi'Wä: ^sergä gada!* ske, ser- gäske. tva-i-e^^ köd-i-ä gänki tdbüä mdydä daünki wä-dS-ke,

Yi-winä: ^*,ä-U due!* sö^^ wä- 15 li-nö gdnke.

Einst sprachen die Männer : ,Wir wollen alle Väter erschla- gen!' ^Gut', sagte man.

Ein Mann aber ging hin, steckte seinen Vater in den Korb des Kameles, wärend die übrigen ihre Väter erschlugen.

Jetzt sprachen sie: ^Sattelt nun auf!' Sie sattelten und zogen dann ab, gerieten aber dann auf einen schlechten Weg.

Jener eine ging nun zu seinem Vater und sprach zu ihm: ,Wir sind auf einem schlechtenWege.'

Sein Vater erwiderte: ,Gehe links!' Er ging also nach links. Seine Ge&hrten gingen voran und da sie keinen guten Weg fanden, so kehrten sie um.

Der welcher seinen Vater noch hatte, rief ihnen zu : ,Kommt hieher!' Sie zogen also dahin.

» Vgl. 'Afarsprache II, Nr. 30, p. 86.

3 Sie die Männer, inie sie, <igdrä und agArä rüstiger Mann.

' ki-ioa-i, von fd, Possessivform von kinie wir alle, der Vater.

* §. 105 und 106.

^ Für i-wa-H seinen Vater; geht dem i- ein e oder t voran, so erscheint

die Form yi-, B ber^Titä ein grosser Sack aus Stroh geflochten, worin Getreide aufbewahrt

wird, im Ti. 4*C' genannt. ^ Wärend er hineinsteckte, erschlugen dagegen die andern. ^ Als sie also sagten, von ä-ke-ake er sprach also, §. 157. « §. 111. JO §. 62. 11 Von eüä eins; s. §. 23.

12 Für tdbUä dna-lä (dn-nä = dn-läj, dnä Kopf, dna-lä auf, über.

13 Auch wa-ina-i-e, §.21; wa-i-ä jener, Plur. waA-a-i oder waye,

1* yi-w-inä suum patrem habens; i-na-ke (für i-i-na-ke) er hatte, §. 41, b;

zur Nominalbildung s. §. 117. 1^ $d er sagend, $ke er sagte.

Die Kanana-Sprache in Nordost-Afrika. II.

11

Abdr-mä dlya dna-ld wä-ll-ke. ,dbbä!* ske, ,tdiü* dn-nä bdyä i-ää-ke'^ äkeske.

,Arkubay hddäl' äkiske yi- 5 wä, wällki arkübe kd-mö ö-kü-ke.

,Abbä!' ske, ,arkübe öküke' akiske. jO-kü-yä, arkübä kÜä ufüfurä^ äkeske.

Ylki arkubä kisa ufufurdno, 10 i-8ö iniiiä dsar-i-a-ld i-ske.

Tdmmä büb-i-ä gdnke, baddi gdmö 8üba-ld wä-ll-ke.

,Abbä!^ ske, ,{nka-U ninidlV'^ äkeske, ,ke sttia-ld niiiinke* ä- 15 kiske.

,End arkubiye^ bddda-ld Sfa- lef äkeske.

Arkubiye-te bddda-ld ifdlke, ködiye süba-ld nifdnke.

20 Stihä biyä yiki mäl-iy-e büb- i-ä i-g-gd-ske,* ke-te mäl-iy-e-te iggdske.

Köd-i-ä böde^ o-sd-nö yi-w-inä yiki ködiye-si: ,minti-bef inä da-

Sie kamen dann auf einen Berg. Da sprach jener: , Vater ! auf dem Wege ist es böse ge- worden.'

jTreibe die Kamele nur an!' erwiderte sein Vater. Sie gin- gen hin^ trieben die Kamele, die aber widersetzten sich.

, Vater! die Kamele vrider- setzen sich/ sagte jener. Der aber erwiderte: ,Weim sie sich widersetzen, so ftlhre ein Kamel- follen voran!'

Er führte nun ein solches v or an und da dieses hinabstieg, so stieg auch dessen Mutter ihm nach hinab.

Nun gingen alle und gelang- ten so hinab zum Fluss.

, Vater!' sprach nun jener, ,wo sollen wir tibernachten? die Leute haben sich im Chor ge- lagert.'

Er erwiderte: , Lagere du deine Kamele am Ufer!'

Er lagerte also seine Kamele am Ufer, seine Gefährten aber schliefen im Chor.

Da kam das Wasser des Chors, riss all' ihre Habe fort, die Leute und ihre Habe riss es fort.

Zu seinen tibrig gebliebenen Gefährten sprach nun jener, der

1 Von m werden, §. 65.

3 Für arkuh-e-a-i deine Kamele, arkuh-e~ä dein Kamel. * Von ka nemen -f- fortgehen = fortnemen, §. 41 b. ^ Einige von seiner Kameradschaft, bödä alias, anderer, ködä Freand.

12

V. AbhandluDf : Reiniscb.

ko ki'Way kä-yd akem-ma minti- beV äkeske.

Ina amBlena-nkin^ yi-we-si o- yä-mmi, tvuyä i-yä-köske^

seinen Vater noch hatte: ,Habt ihr es nun gesehen ? das geschah, weil ihr sagtet: wir wollen alle unsere Väter tödten.'

Von dem Tage an tödteten sie keine Väter mehr, nur die Zeit tödtet sie.

7. Blntraclie.3

5 KUä agdra-s i-me-ke nke. ina kina-8 ime-mä* unü gä-m-mä had-i-a-lä gä-s köske. awddä fd- nakä senä, biyä i-fii-nd-nä ü-kü- ke.^

10 Unü imemä sukä böda-ld gd- 80 inä klsinä bad-i-a-ld gä-skos- mörkä tdbila-ld inä kisina-s i-yä'ke, i-n-ke.

Yi-wä: ,d-ka-8i na-bdl-ke* ski

15 üyn-i-a-d bad-i-a-ld i-sä-ke, gd-

ske,^ ^d-ka-si mörkä iüke^ 8ki,

tdra-ld ^mörka-si na-yd-nä^'' ski

lo-ü'ki yö'ske.

Mörkä y-ö-mä mas-i-ä mdydä 20 i-bin-ki kdsa-ld illeki mörka-s i-

Ein Mädchen liebte einen Jüngling und in der Liebe zu diesem folgte sie ihm, wohin er auch ging; Tag und Nacht konnte sie aus Liebe weder Speise noch Trank zu sich nehmen.

Einst ging ihr Geliebter in ein anderes Dorf und da folgte ihm das Mädchen nach*, auf dem Wege tödtete und frass dasselbe ein Löwe.

Der Vater sprach nun bei sich : ,Ich habe meine Tochter verloren, es hat sie wohl ein Löwe gefressen^, er ging ihr nach und begab sich in ein Gebüsch, um hier den Löwen zu treffen.

Der Löwe kam und da warf der Vater seine treffliche Lanze

1 amilä der Tag, inä amelinä dieser Tag, §. 23; zu -nkin s. §. 198 und 200.

2 D. i. sie sterben eines natürlichen Todes.

3 Aus dem Bilin übersetzt; s. Bilinsprache I, 147, Nr. 36.

* Sie diesen Mann liebend.

* Bei Nacht und Tag weigerte sie sich, Kraut und Wasser zu gemessen. ® Ihrem Rücken (ihrer Fährte) nach er wanderte und ging.

"^ Den Löwen werde ich tödten, er sagend.

Dio Kunama-Spiuehe in Nordost-Afrika. II.

13

yä'ke, drda-s üä-kö-nö^ mörkä: yfia-nni-nä' ski,^ abe-ski ü-tü-ke.

Yi-icä i'ka-si mörkä kd-lä i-t^- ke, iteH gäso agdre xcä-ll-ld, wä- 5 nimbi-H'^ kabbarB-nke,

Äbdrmä kay: ,6-ka-sit inie- ki gd-sö bad-i-ä {-Sä-kös-sö^ mör- kä iyäJce äkimö'* ma-Hk-ke' ä- kenke yi-wa-sl.

10 Unu kisä yi-icä kä-wä^ i-y^' nd-üä goske. lay-s-kös-sö'^ kä-wa- ri mäs-i-a-bu illeke.

Kä-wä U'tü-mä yi-Sa-si : ,abä- «I a-yä-mä ^ kisä yi-wä köske^ 15 äkiske.

Y'inä yi-Sa-d * kabbaröski^ ar- mdtä i-yä'M marbdtä i-yä-ndiiä gäske.

Yinä yiSa-8 i-yä-md-nä, dark-

20 i-d-na-s ^^ i-yä-ki ayl-l-d-na ses-i-

d-na-s i-ka-ki it-i-alä gäske nke.

nach dem Löwen und tödtete denselben. Seine Gedärme fort- schleifend machte der Löwe um den Mann zu beissen^ noch einen Sprung und verendete.

Der Vater fand die Tochter im Bauche des Löwen, Leute kamen dann herbei, beweinten und begruben das Mädchen.

Nun berichteten Leute dem Vater und sprachen : , Wir haben sagen gehört, dass deine Toch- ter ihrem Geliebten folgend der Löwe getroffen hat.'

Nun ging der Vater aus um jenen Mann zu tödten ; er schlich sich an denselben an und er- legte ihn mit seiner Lanze.

Sterbend erzählte jener Mann seinem Bruder: ,Mein Mörder ist der Vater des Mädchens.'

Der Bruder begrub nun den Bruder, brachte das Todten- opfer und ging dann hin, Rache zu nehmen.

Er tödtete den Mörder seines Bruders und dessen Weib, raubte seine Rinder und Ziegen und zog damit heim.

* Für i-ia-^nö i-ko-nö gehend-bringend , i-sä-ke er ging, i-kb-ke er braclite. ' Der Löwe sagend: ich werde beissen.

3 §. 62.

* Für i-iä-nö kö«-nö sie im Gehen begriffen seiend. 9 Von äk€dä; s. §. 137 und 157.

* §. 23.

^ Für Idy-tö kö9-7w, s. §. 108 nnd 137, My-ake er schlich nach.

^ Der Mann der mich getüdtet hat. ^ Der ältere den jüngeren Bruder; s. p. 5, Note 3. »« §. 226.

14

Y. Abhandlung: Reinisch.

8. Der Jflngling der seine Taler anbaute

5

Kä-malä^ köske, inina-te yi- wa-te köske.^ inina-te yi-wa-te: ,köde-te adna-lä gAdäf äJcBnke dedia-sü,

Unit: ,mayd*I' äkeski sdna-ld gäske köd-iy-e-te, iniiia-te yi-wa-te amüä fdüdä abhäriske riyänä faüdä ö-8ö-ke.*

Unü riyänS o-sö-nö i-bin-kl- 10 /d'^ köd-iy-e bdda-lä gdske,^

Köd-iy-ay: ,riyänay e-nh'ia-te 4-wa-te e-sö-mä ^ a-säsa!* kämalas äkenke.

,Ine!^ äkB-8ö rnyäniea i-säsa- 15 ke.

Köd-iy-ay: ,e-n&\a'te 4 wa-te

abbärenke riydne-d ^ S-8ö-ke* nke,

,ldga-lä u-turü, küld-lä ^ riyänay

tammdy agü-mü-nä!' ^^ äkBnke,

20 ,agU-n-kö-lö-na-md^^^ äkenke.

Es war ein Dummkopf; zu diesem sprachen einst seine El- tern: yZiehe doch mit den Ka- meraden auf Handel aus!^

,Qut!* sagte er und reiste mit seinen Kameraden ab, viele sehr alte Taler gaben ihm die Eltern mit auf den Weg.

Er nahm also die Taler und zog mit seinen Kameraden ab.

Da sprachen diese zu ihm: ,Zeig' uns doch die Taler, die dir die Eltern gegeben haben!'

,Da sind sie!' sagte er und zeigte sie vor.

Nun sprachen sie zu ihm : yDeine Eltern haben dir ja ganz alte Taler gegeben, säe sie doch auf die Erde, dann werden neue Taler aufgehen und wachsen!'

1 Dieser Text ist mit Beihilfe des Saho Abdallah von meinem KanamaJehrer Sabar ans dem Saho übersetzt worden; s. Sahosprache I, 243, Nr. 8.

^ kä-malä = Mann -|~ ^nnM-ä töricht, i-mdlß-ke aberrayit.

3 Wortlich: es existirte (noch) seine Matter und sein Vater.

* Wortlich: sie gaben viele Taler, welche viele Tag-e (Zeit) alt waren. Der Relativsatz erscheint hier einfach dem Nomen vorgestellt, dfjhäre-ake er ist alt geworden, riyänä faiidä statt des Plurals riyänay faüday,

^ Für i'bin-ke i-ki-ke er empfing und trug fort, i-k%-ke von ka nemen -|- f fortgehen; zum letzten -ki s. §. 111.

" Wörtlich : er ging nach dem Rücken seiner Kameraden ■= folgte seinen u. s. w.

^ Welche sie dir gegeben haben, s. §. 67. Mit dem Relativ auf •mä ver- gleiche die Stellung des Relativs in Note 4.

^ Vgl. das Relativ in Note 4.

' külä die Folge, küld-lä in der Folge, hierauf, kül-tdnä zweiter, G. ]f|A j^ ' zwei. ag^-nke ascendit.

** Für agü-m (aus agü-mU-Tüi, §. 131 ; n fUr m wegen folgendem k) -kö-lo-n/i-mä relatives Futur von kö-W-ke er wurde g^oss gezogen, passiv von lu wachsen, gross« werden.

10

Die Kunama-Sprache in Nordost-Afrika, n.

15

Unü inä kä-malenä: ^ ,mdydä' sld riydne-si läga-ld u-türke.

Tdmmä ködiye: *,e-nBna-te i'UHX'ti'fJcin^ riydnay tämme-s 5 i'beni, riydnay dSay läga-lä wä- fü-may^ wä-H-mä kdndi* riyd- nay tdmmay ikdl'^ äkßnke inä kärmalina-8%.

Unü: ,mdydä!' aJä, gäski int- 10 iia-nd yi'Wa-nd^ fid-lä'' y-i-ke. unü gä-sü-tnä iniiia-te yma-U-si: /riydnay wäynayB^ dSay wä-sd- Idga-ld na-tür-ke, wä-ii-mä kändi riydnay böday tdmmay^ 15 d-$ö!' dkiake.

Inina-te yiwa-te: finä kä-ma' Unä a-haU-nä'^^ nki wdga-ld gdnke.

RiydnS wdga-ld wä-de-kt, o-lö* 20 ^ ' kd-malä inä ködmayiye rt- yäniye'do-bin'J^ ö-ll-ke^^'^riydnb' gi daünke.

Kd-malä iniiia-ie yiwa-te ri- yäniye-ai daünki^^ it-iy-a-ld tcS- 25 de-ke.

,QntV sagte der Tölpel und säete die Taler an.

Hieraufsprachen zu ihm seine Kameraden: ^Hole dir jetzt von deinen Eltern neue Taler, bis die alten Taler, die angesäet worden sind, gewachsen sein werden!'

,Gut!' sagte jener, ging hin zu seinen Eltern und sprach zu ihnen: ,Jene Taler waren ja schon alt, ich säete sie daher auf die Erde und nun gebt mir neue Taler, bis jene angesäeten aufgegangen sein werdenl'

Da sprachen seine Eltern: ,0 bringt uns doch dieser Tölpel Schaden' und gingen hin.

Als sie aber zur Stätte der Taler gekommen waren, hatten sich seine Kameraden mit den Talern schon davon gemacht.

Die Eltern des Tölpels fanden also ihre Taler nicht wieder und kehrten heim.

1 §. 23. > §. 200 nnd 226, Anmerkung.

3 riyänä u-fa-mä ein angesfteter Taler, ü-fil-ke er grab ein in die Erde,

begrab. * wä-H-mä kdndi bis dahin (kdndij wann die gesileten Taler zengen oder

gebären (nene Taler), i-H-ke er zeag^ oder sie gebar. 3 l-kd geh* hin nnd nimm! « §. 226.

7 Wesen, Leib, nA-lä zum Leib hinzu, bei. ^ §. 21. ^ Andere Taler welche neu sind, fadä alias. >o i'hdl-ke er hat verloren, i-haU-fui er wird verlieren, a-bal^-nä er wird uns

Verlust bringen, s. §. 67. " Wörtlich: sie kehrten zurück zum Orte der Taler und als sie angelangt

waren, so u. s. w.; zu ö kommen s. §. 62; i-de-ke er kehrte zurQck. " Wörtlich: vom Tölpel (des Tölpels) diese seine Kameraden hatten seine

Taler genommen und waren fortgegangen. kodPnayiye -= ködä-inä-i-ä-i,

§. 23. >3 daü-gke er entbehrte, fand nicht.

16

V. Abhandlung;: Reiniscli.

9. Die zwei einfSltigen Eheleute.

5

AbiSa-te därka-te kämalay oköske nke,*^ (tiayB^ hariiß^ abi- sa-te därka-te Ösäke.^ Wuif^ülä ddrkä kdmalä abuä kämala-si: ,dwä iid-n-kin lila ikö-k-dsö!''^ dkiske.

,Mdifdä!' äkeski inä abiSinä, gäsld darkiä ininä nä-lä yöke, unü inina-si: ,ikä^ lila äkis-

10 köske*^ äkiske.

,Mdydä!* aki^^ ininä tirmä dndä loä-sk* iäöke,^^ ika-si iSöke; abüä kdmalä dark-i-ä inliid- nkin it-i-a-ld gdske, UÜnlä agäsä

15 yi-mä '2 senÜtä^^ wägäyöke, ahi- §ä: ,dwä Idgä ildhke^ ski lila Idga-ld ufulke, wul-i-ä *^ it-i-a-lä yöke.

Es war einst, so erzählt man, ein einfkltiger Mann und eine einßlltige Frau, diese beiden waren Eheleute. Eines Tages sprach die törichte Frau zum törichten Gatten: ,Hole mir Butter aus meines Vaters Hause !'

Gut, sagte der Gatte, ging hin, kam zur Mutter seiner Gattin und sprach zu ihr: ,Deine Toch- ter wünscht Butter/

Gut, sagte ihre Mutter, füllte einen grossen Topf an und gab ihm denselben. Der einfältige Mann entfernte sich nun von der Mutter seiner Frau und ging heim. Auf halbem Wege nach Hause traf er eine gi'as- lose Stelle. Da sprach er: ,Meines Vaters Erde ist ver- trocknet/ strich die Butter auf die Erde und kam leer nach Hause.

< Aus dem Saho übersetzt*, s. Sahosprache I, 242, Nr. 7. 3 nke dixerunt, man erzählt; die Suffixe in §. 131 kommen häufig* in der Bedeutung sagen vor, wie: nd-ke ich sagte, nii-ke du sagtest n. s. w. Die Vorba dieser Classe sind dem Sinne nach also genau so gebildet wie die Verbalformen mittelst flA' ^^g^^ im l^ifiT^i '^gl* auch Bilin- sprache §. 74, Chamirsprache §. 89, Qnarasprache §. 44, Kafaspracbe §. 74. 3 §. 21. « §. 214.

* Wörtlich: sie wurden (waren) Gatte und Weib. ^ toüyä Sonne, Tag. "^ §. 172, Anmerkung. B d-kä mein Kind, ^-kä dein Kind u. s. w. ^ Wörtlich: sie ist sagend, verlangend, s. §. 171. «0 S. Note 2 und §. 111. " Für tßä-ske, i-So-ke sie füllte an, sie gab. *' Des Weges Halbscheid gegangen seiend. i' §. 118. ^* wvl'i-ä seine Alleinheit er allein (ohne etwas zu haben).

Die Kunama-Spracbe in Nordost- Afrika. II.

17

Ina darklinä:^ lila inka-nöV^ äkeske.

Abdrmä abtäiä kämalä dar- kia-si:^ ,dwä Idgä älabä kösö^ 5 lüa-ri Idga-ld abä nafülke' äki- ske.

,Andnä ayän-dsö^ kirne iiä

kdm/^^ äk&ske cdnä-ua-d ddrkä

kdmalä. kdwä tdbila-ld oiindnä'^

10 naünk'oki gänke^, tabü-i-a^gi

gdnke,

Täbilä-ld ddbä köske nke. unü-

O'li-mä abiSä kdmalä ddrk-i-ä

kämala-si : ,tämmä fiädi, iiä kä-

1 5 mini !* ^ ske, ,wägä mdydä köske' ' ^

äkBske inä abÜBnä tnä darkia-si,

, Mdydä!' ske ddrkä: ilä ikö,^^ tömä fiidäV^'^ äkiake ddrkä abiS'ia-si.

20 Inä obüiBnä kämalä: ,inä da- binä icüya-lä dainv-sü-mä unü- käwa-81 namininä' äkeske darkia-tü,

Ddrkä: ,mdydä!' ski inä kä-

25 whnä biya-ld wäyske akdkä tkö- ki '•'* biya-la utüke eUna-sl, uiiti-

Da fragte seine Frau: ,Wo ist denn die Butter?'

Er erwiderte: ,Da meines Vaters Erde vertrocknet war, so strich ich die Butter auf die Erde/

Da entgegnete sie: ,Meine Mutter wird uns deshalb tödten, verlassen wir also die Heimat!' Sie nahmen Mehl mit sich und zogen von dannen.

Auf dem Wege lag ein Teich. Als sie hier angelangt waren, sprach der einfältige Gatte zu seiner Frau: ,HiGr wollen wir unser Essen bereiten, denn die Stätte ist dazu geeignet/

Gut, sagte die Frau, und be- fahl dem Gatten: ,Bringe Holz und mache Feuer!'

Er aber sprach: ,Der Teich da ist ja von der Sonne er- wärmt, wir wollen also darin das Mehl anmachen/

Gut, sagte die Frau und schüttelte das Mehl in das Was- ser, nahm dann einen Rührstock

* dark-i-ä inä mulier ejus ista, s. §. 15 und 23. ^ §. 32.

3 Wörtlich: dann sprach ihr tOrichter Qatte zu seinem Weibe.

* seiend, kögke fuit. * Für a-yä-nU ä-tö, s. §. 172. ^ kd-toi, 8. §. 105; l-tot-ke er verliess.

'' Für 6-na-nd-^ä damit sie essen, §. 87.

B Für naü-nke, o-H-ki gdnke sie hoben auf, beluden sich, o-kt-ke sie

brachten hin; naü-tke er hob auf die Last, i-k*-ke er brachte hin. ^ nä-di wir wollen essen, §. 156, von nd-gke verb. denom. er ass, neben

i'ü-ke für i-i'ia-ke id., verb. primitiv, kü-mini das Essen wollen wir

bereiten! von t-mm-Are er machte, s. §. 105. «0 Der Ort ist gut.

i> l-kö gehe und bringe! = ka nehmen -\- ö kommen. 12 Blase Feuer an! i3 g. Note 11.

aiizoDgaber. d. pbil.-hint. Cl. CXIX. Bd. 5. Abh. 2

18

V. Abhandlung: Reinisch.

te akdka-fe biya-lä ölüke.^ inä darkenä hiya-lä iiki^y hiya-lä ütüke.

AbiSä: ,iiiä biyBnä aidnä'^ 5 ski, ,na7iänä' sM hiya-lä üki ütüke.

Kämale bare äkedä nki^ o-ko- min-ke.^

und steckte denselben ins Was- ser, sie und der Rührstock fielen hinein und da ertrank sie.

Der Gatte aber dachte: ^Das Wasser da will mich übervor- teilen; auch ich werde mit- essen/ und also sprechend stieg er ins Wasser und kam um.

So erging es den beiden ein- filltigen Leuten.

10.

Die zwei Stotterer/

bare dura o-tak-immi- 10 may"^ oköske nke. inte aürä otak- immimay täbila-lä SUa-si o-kö- le-ke.^

eliä: ,mdydä sünu-beV^ ake. 15 Wäynä: ,mdydä 8unu-beP ske.

Es waren einst, so erzählt man, zwei Stotterer. Diese bei- den Stotterer begegneten sich einmal auf dem Wege.

Da sprach nun der eine: ,Guten Tag!'

Jener erwiderte :, Guten Tag!'

1 to-ü-ke intravit, §. 63. « Für to-ii-H §.111 und Note 1.

' a-wi-nä es wird mich zurücklassen (§. 67), i-w-ke er verliess; d. i. das Wasser nimmt das Weib und Essen fort und lässt mich allein zurück.

* ä-ke-dä Infinitiv von ä dieses -f~ ^^-<2ä das Sagen, Tun, äkedä-ske und äke-ske er tat, sagte also, äkedä nki sie es so gemacht habend.

^ i-min-ke er machte, kö-min-ke er wurde gemacht, behandelt, es wider- fuhr ihm.

* Aus dem Saho übersetzt; s. Sahosprache I, 241, Nr. 6.

■^ Plural der negativen Perfectform des Relativs, i-tdk-ke er wusste, ver- stand, neg. i-tak-immi , relat. i-tak-immi-mä, aürä o-tak-immi'fna'i (für -mä-i vor Suffixen geht ä in a über) wörtlich : welche die Sprache nicht gut handhabten, wussten.

B Von te oder ll verbinden, passiv, kö-le verbunden werden, sich ver- binden, zusammenkommen, ilia-zii (Object von 4llä Einheit, eins) in Bezug auf Einheit.

* Von aü'dä friedlich sein, in Frieden leben, »e-*ke er war ruhig, er schlief, mäydä sü-ake er befand sich wohl, gut; s. §. 134.

Die Knnana-Spriche in Nordost-Afrika. 11.

19

EUä: ,äh^ äiii äJddä^ nüdd-

WSynä: ,lnka-di naüddnöV ske. 5 Abdrmä inä aärä otUücimmi- menäye* gedadiay^ okcM^ in- galri'ä'^ mönke,^ mömo ingaliä öyäke,^

Nun aber sagte der eine: yWarum machst du auf mich äh, äh?'

Jener entgegnete: , Wann sag- te ich also?'

Hierauf zogen diese Stotterer ihre Schwerter^ kämpften mit einander und tödteten sich gegenseitig.

11. Niemand entgeht seinem Schicksale.*^

AH lakäa-köske nke^^. inä 10 Idnä bdkitä ittke^'^ nke. itäke- mä: *3 ^end öia-lä niUünä' ak^ke nke.

Inä k6nä ötä ind^mme süka-lä gändnä ski ^* gdske nke, ötütä '^ 15 wdgä yöke nke. inä 9ukin' öZa*^ lakdske nke.

Es war, so erzählt man, einst ein Mann. Dieser Mann gelangte zu Reichtum. Ein Seher sprach einst zu diesem: ^Du wirst einst in Folge eines Domes sterben.^

Dieser Mann nun beschloss in eine Gegend welche keine Domen hat, zu ziehen und wan- derte aus. Elr kam also in eine domenlose Gegend. Hier nun in dieser Gegend blieb er.

1 ah naaalirt sm sprechen, Naturlaut des Stotterns.

' äkidä also, so, ö-ni ans oj/, ä was? Sache, i emfat. Partikel = äM

warum? 3 §. 66, nd-ücUhke ich sprach. * Für (htak-immi-me ituiye, s. §. 22.

^ g€dadä und gS-gcuLä, gigajä Schwert, gedad-i-ä sein Schwert. * S-ka-ke sie nahmen, o-ka-ki §. 111. ^ S. Text 1, Note 3, Seite 2.

^ mö'ske er bekämpfte, kämpfte. ^ i-yä-ke er schlug, tOdtete. ^0 Aus dem Saho übersetzt; s. Sahosprache I, 285, Nr. 32. >i Staus erat, (ut) dixerunt; lakä-dä stehen, lakä-s-köitke fllr lakd-ske köake,

§. 171. ^' Ueke er fand = i hingehen, te aufheben. 1' i-tAk'ke scivit, i-tdke-mä homo sciens,* §. 96. ^* Wortlich: dieser Mann sagte, ich gehe u. s. w., s. §. 90. Zur Relativ-

construction s. S. 14, Note 4. 1^ ötä Dom, dtiUä domlos, §. 180. ä-U hier.

2*

20

V. Abhandlung^: Reinisch.

Ina kBnä gdrma riyäna-lA itä- ke. inä garmBna-ld äim-i-a-lä ötä köske nke.

Inä k&nä: ,inä garmena-si 5 nantinä* ski Hma-lä ibinke.

Ahdi'mä inä otenä kön-i-a-hi illeke, inä kinä üiüke nke.

Da kaufte dieser Mann ein Schaf um einen Taler. An die- sem Schaf und zwar an seinem buschigen Schweif befand sich ein Dorn.

Da sprach dieser Mann : ,Ich will doch dieses Schaf besich- tigen^, und fasstees am Schweife an.

Hierauf stach dieser Dorn in seine Hand und dieser Mann starb.

12. Die Frau nnd der Sklave.

Ddrkä köske nke,^ abiä-i-ä

higä gßrä gaske nke. inä dar-

10 khnä sdbä inaJce, inä darkBnä

wuya-lä dimä nihidä nihi-8-kö'

ske^ nke,

Abdr-mä inä darkenä sabi- a-si: ,abä nini-nd-yä^ göiiB-dä! 15 anfäne-d hä-dä-k-d-sö!^* äkiske nke.

Inä sabinä: ,mdydä!' ske,

abdrmä göfdda-ld ndbirö-s-M-

ske /* ndbirö-su-yä ,^ mann-t-ä

20 ddrkä niid-sü-yä mäl-i-ä ünake.'^

Wüyä faüdä bdda-ld inä dar-

kinä abis-i-ä ide-k-oke it-i-a-lä.^

Es war einst eine Frau, deren Gatte in ein fernes Land zog. Die Frau hatte einen Diener, die Frau aber pflegte stets am Tage einen Schlaf zu machen.

Die Frau befahl nun ihrem Diener: ,Halte Wache wärend ich schlafe und jage mir die Fliegen weg!'

,Gut!' sagte der Sklave und hielt stets Wache; wärend aber seines Herrn Frau schlief, stahl er ihr Habe weg.

Viele Zeit darnach kam der Gatte dieser Frau wieder heim.

* Wörtlich: ,es war eine Frau, Bag't man;' s. Text 9, p. 16, Note 2. 2 Für nim-8ke koake, §.171. s §. 189.

* §. 172, Anmerkung.

* Wörtlich: er blieb auf der Wache; s. a. Note 2. 6 Wärend er (auf der Wache) sich befand.

' §. 41b.

® Wörtlich: viele Sonnen darnach kehrte von dieser Frau ihr Gatte nach seinem Hause zurück; idek-o-ke für f-de-ke y-ö-ke er kehrte um (und) kam.

Die Knaama-Sprache in Nordost-Afrika. II.

21

Abdrmä inä sahenä mann-i-a- «i: ,dark'i-äahä'8i: abä-fs enä-te SUa-lä nini-dil sö,^ abd na-kü- nö2 ä-yä-ke^ sM mann-i-a-d i- 5 säsa-ke, /it-a-fid-nkin gada! äke- ske, mäiiä na-fut-mmd-bü dimä nirn-na-kö' ^ mannia-si äkeski i- fierorke.^

Abdrmä inä mannenä : ,8ab- 10 d-nä mäi'i-ä lo-iida-ke, fierä wü- dake ahd na-tak-imniij ay na- min-nöP ayu-i-a-si öMske.^

Abdrmä inä manninä: ,8ab'

d-hä kdmalä köske, iier-inä kö-

15 ske^ äJceske uyn-i-a-si; inä sab-

ina-si: ,sdmä nina-beV äkesJce

manniä.

Unü sdmä daüske. tdmmä inä mannenä unü-sl: ,end kd-malä 20 no-kös-ke, iierinä nö-kos-Jce, ndfä nlnd-mme/^ sab-i-a-si sdbä i-niin- ki yi'Wi'ke,'^ dark-i-ä nabirö-8- köske darkiä.

Da sprach der Diener zu sei- nem Herrn : ,Dein Weib sagte zu mir: wir wollen mit einander schlafen! Da ich aber nicht einwilligte, so schlug sie mich und sprach zu mir: geh' aus meinem Hause! und ich legte mich stets schlafen ohne ge- gessen zu haben/ Also be- richtete er lügnerisch.

Da dachte bei sich sein Herr: ,0b mein Diener die Wahrheit gesagt oder gelogen hat, das weiss ich nicht; was soll ich nun jetzt machen?^

Und er bedachte: ,Entweder ist mein Diener ein Dummkopf oder ein Lügner', und er sprach zum Diener: ,Hast du einen Beweis?'

Da dieser keinen Beweis hatte, so sprach zu ihm der HeiT: ,Du bist entweder ein Tölpel oder ein Lügner, bist also unbrauch- bar,' und er verkaufte denselben als Sklaven, seine Frau aber blieb seine Frau.

1 Wörtlich: ich und du wir wollen schlafen! sagend.

2 nd'kU-ke ich verweigerte, wollte nicht.

3 Wörtlich: (mit) meinem Munde ohne dass ich aas, stets ich ging schlafen, fiiäiiä = Mund -|- a mein + "^ Besitz; zu na-na-mmd-bü s. §. 86, Tid-fka-ke ich ass.

* i-n^rc^ke er log, Mrä Lüge, ner-inä Lügner, §. 117. ^ Er sprach zu, bei sich; s. §. 20.

Wörtlich: du hast keinen Nutzen, na-ina-ke ich hatte; s. a. §. 41b.

7 Wörtlich : seinen Sklaven zum Sklaven gemacht habend gab er ihn fort.

22

Y. Abhandlung: Reinitch.

13. Der dumme Gatte«^

Ses-ddä^ köske nke, unu kd- malä t'§ä-ke.^ ininä ddrkä i-di- ffin-k' i-äö-ke inä kämalena-sl^y idiginke. 5 Unü inä kämalenä dark-i-ä nd-lä sü-dä i-tak-imme,^ darkiä ägä isöke unU-si, sin-i-a-si yi- Sö-mmi,

Akidä ^ ella-sl nahirö - nke . '

10 wuy* ellä unü sese Sü-sü-mä^

ininä ike afdte^ i-hin-ke, aüsä

§ü'8ü-mä ininä wul-i-a-si^^ yi-

nti-ke,

, Yäyi ! ' * end minde bdre-ld 15 §dy§ä n-ina-be?' äkeske sesddä inina-sH,

Inifiä: ,inä kdllä^'^ d-na-M n-inti-md dark-i-ä ind-mmi-heV äkiske ded-i-a-sl.

Es war einst ein Ziegenhirt, derselbe war ein Dummkopf. Diesen Mann nun verheiratete seine Mutter.

Es verstand aber dieser Dummkopf nichts vom Beischlaf und desshalb gab ihm sein Weib nur den Nabel statt der Scham.

So lebten sie beisammen. Eines Tages aber, als er die Ziegen molk, hielt ihm die Mutter die Zicklein und da beim Mel- ken sah er die Blosse seiner Mutter.

Da sprach er zu ihr : ,0 Mutter! hast du denn eine Wunde zwi- schen den Beinen?'

Sie erwiderte ihrem Sohne: ,Hat denn dein Weib nichts dem Ahnliches, was du an mir ge- sehen hast?'

I Aus dem Saho überaetst; s. Sahosprache I, 246, Nr. 10.

> Wörtlich: Ziegenbube, g^sä Zige, ddä Knabe. ' §. 65. <

* Wörtlich: seine Mutter gab diesem dummen Manne ein Weib und er heiratete es.

^ Wörtlich: er verstand nicht zu schlafen bei seinem Weibe; zu iiä-lä s. Seite 15, Note 7.

* S. Seite 2, Note 10.

7 Ans dem Tigr^nomen ^•fK^s gebildetes denom. Verb. ^ rerb. denom. ziehen, melken, auch a(Ud Hl Milch herausziehen = melken; s. a. §. 150.

* i'ke earum (sc. caprarum) puUos, von kä, Nomen aus dem Verb ke werden, also: generatio, genitus, Mensch, Kind; Junges; a-/(itö saugend. Die Mutter hielt die Zicklein, damit sie beim Melken den Mann nicht stören sollten.

10 wül'ä Einsamkeit; Blosse, Nacktheit.

II yäyd ehrendes Prädicat für Matronen, yöyi mit emphat. i. i> kdllä Aehnlichkeit.

I>i« Kanama* Sprache id Nordost-Afrika. II.

23

fDark-d'iiä inä kdllä ind-mme' äkeske sesddä kdnuild inihaü.

Tdmviä inihä: ,awddä, eme end'te dark-e-a-te aüsä mi-nö- 5 yd,^ end darke-a-d: ähiä d-sö da!' äkeske.

Unü: ,mdydä!* äkenke, it-i-a- Id lo-u-ke, dirär-i-ä diro-nke, nini-nke,

10 Tdmmä sesddä: ,H?iä d-söf^ äkeske dark-i-a-si.

Inä darkenä: ,§tn-d-fiä bd-lä^ lä-nake' äkeske abiä-i-a-sl.

Tdmmä unü awddä wä-U^ 15 gäske wag-i-a-ld y-6ke,

Bd-lä ddnnä koske , sesddä kdmalä: ,sinä koske' ski* eb-l-d- bd-lä tv-ü'ke.^

Abdrmä inä dai*menä i-nni-ke 20 kd'Sl, inä kenä ü-tü-ke nke.

Der dumme Ziegenhirt aber entgegnete seiner Mutter: ,Nein, 80 etwas hat mein Weib nicht/

Da sprach zu ihm die Mutter: ,Abends wenn ihr, du und dein Weib, Milch getrunken habt, da sprich zu deinem Weibe: gib mir die Scham !^

,Gut!' sagte er, ging dann heim, dort nahmen sie das Abendessen ein und legten sich schlafen.

Nun sprach der Ziegenhirt zu seinem Weibe: ,Gib mir die Scham!'

Das Weib aber erwiderte dem Gatten: ,Meine Scham habe ich im Rauchbad ver- gessen.'

Da begab er sich Nachts dorthin und kam zu jener Stätte.

Im Rauchbad befand sich aber eine Schlange. Der dumme Ziegenhirt nun in der Meinung, es sei hier die Vulva, steckte seinen Penis hinein.

Da biss denselben die Schlange und daran starb der Mann.

1 i-nd-ke er trank, s. a. §. 96.

2 Loch, Hohle, hier speciell das Loch in der Erde worin die Frauen ihr Rauchbad, Schwitzbad nemen.

3 ä'le hier, hieher, wd-li dort, dorthin, -le aus der Postpos. -lä in, bei, zu -|- i emphat. gebildet.

* Wortlich: yuWa est, dicens; s. a. §. 146.

' Wörtlich: pene suo intravit cavum.

24

y. Abhandlung: Beinisch.

14. Der Mann, der Schakal und die Wahrsagerin.

Kd-te saldnga-te ^ ime- nkin ^ ellä ayV ellä öytiake.^ aaldnga- 7id* bütä köske,^ kd-nä Sinä^ koske. kd-nä Hnä (Mke,

5 Abdrmä saldnga kd-si: ,o.yV- dhä Ulke* äkeake.

Ina kenä:"^ ,bütä dykes^ i§i!' äkeske salanga-sl.

Saldngä kd-si: ,bütä Uina* 10 äkeske.

Abdrmä inü kenä saldnga-si: ybuUä iH'Sä,^ inde dmä ikö!'^^ äkeske.

May da «fce " saldngä, tdmfä

16 düsä ikike. inä kinä: ,e!* ski

iwlke.^^ baddi^^ saldngä, gä-

sU-md/^ dy§ä kisa-si ayV düsä

Der Mann und der Schakal jedweder von ihnen besass ein Stück Rind. Das vom Schakal war ein Stier, das vom Manne aber eine Kuh und diese nun gebar.

Da sprach der Schakal zum Mann : , Mein Rind hat ein Junges geworfen.^

Der Mann aber entgegnete: ,Wie soll der Stier gebären!'

Der Fuchs aber behauptete: ,Der Stier gebärt.'

Hierauf sprach der Mann zum Schakal: ,Wenn dein Stier geboren hat, nun denn so bringe Milch!'

Gut, sagte der Schakal und brachte Milch vom Asklepias- baum. Gut, sagte der Mann und Hess die Sache gehen. So

» §. 225. « §. 8 und 198—200. ' §. 41b; oynake = o-iiia-ke, §. 50.

* Zu 8. §. 16 und 162.

* §. 171 und 173.

^ Hnä Weibchen, auch Vulva, für ii-inä Geburt habend, i-H-ke sie gebar,

§. 117. *' §. 23. B Für ay ki-aö i-H-nö wie machend soll er gebären? s. §. 157 und 56; zu

ki-dä sagen, machen, s. Text 1, p. 2, Note 9. 9 §. 82.

»0 Text 1, p. 2, Note 13. Für äke-ske, s. Text 1, p. 2, Note 10.

12 Für 9ke, iwike er sagte und Hess los, zu «kl s. §. 111. 112. '3 hödä und hdddä der Rücken, baddi darnach, hierauf; über das -i s.

Text 1, p. 2, Note 1. 1* ga-dä gehen, weggehen, vgl. §. 151.

Die Knnaina->Spraehe in Nordost-Afrika. II.

25

ütüke,^ yö-mä ina. klSsna-si ibinke.

Abdrmä inä kinä salänga-si: fbüfeä inkale'^ düsä tndnöP äke- 5 ske.

Saldngä: ,awe, inake* öMske, kä: ,nÜja, indmme' ökiske, m- Idngä: ,inake' äkiske.

Abdrmä inäkinä:, inde, bütSä 10 dÜ3ä ind-yä, inä aüsina-td tönt' dna-lä^ utu!* ske,

Baddi saldngä mdydä ski, gäski kä-nä ayV düsä tkike, tö- ma-ld utüki inä aiisBnä mdydä 15 iiäke.

Baddi inä kinä saldngä- si: ySiila-fädä* gädinä!^ äkeske.

,Ker, gädinäl* ske, gdnke, kn- ie saldnga-te siila-fdda-ld ölöke, 20 ol6-yä scddngä inä sida-fäd&na- si: ,ayldiiä didä iSike, inä de- dena-si inä kenä ibinindiiä^^ äk&ske.

Abdrmä kä: ,ayliä bütä ko- 25 ske^ ske, Jbntä dykes i§iV ske.

oft nun der Mann sich entfernte, steckte der Schakal das Kalb der Milch wegen zur Kuh, kam aber der Mann, so nahm er das Kalb weg.

Einst sagte hierauf der Mann zum Schakal: ,Wie soll nur dein Stier Milch haben?'

,Ja wohl hat er solche/ sagte der Schakal. ,Nein, er hat keine/ sagte der Mann; ,er hat solche/ behauptete der Schakal.

Da sagte der Mann: ,Nun gut, wenn dein Stier Milch hat, so stelle du diese Milch aufs Feuer!'

Gut, sagte der Schakal, ging hin, nahm von der dem Manne gehörigen Kuh die Milch, stellte sie an's Feuer und die Milch ward gut.

Hieraufsprach der Mann zum Schakal: ,Gehen wir zur Wahr- sagerin!^

,Gut, gehen wir!' sagte dieser, sie gingen also und es kamen beide zur Wahrsagerin und da sie angelangt waren, sprach zu ihr der Schakal : ,Mcin Rind warf ein Junges und nun will dieser Mann da das Kalb nehmen.'

Der Mann aber sagte zur Wahrsagerin: , Sein Rind ist ja

1 Er stellte dem Kalbe Kuhmilch zu, AySä Kalb, dyiä kiiä weibliches Kalb.

2 §. 34.

' Auf des Feuers (tömä) Kopf fdnäj •=■ toma-lä auf das Feuer. * sülä die Kaurimuschel, fd-dä das Werfen, Schütteln; aüla-fddä und ml- f&dä das Wahrsagen; die Wahrsagerin; vgl. Sahowörterb. s. v. ramäl, ^ i'hin-ke er nahm, zum Finalis s. §. 87.

26

y. Abhandlnng: Beinisch.

,dMa-8i ayldhä üike* äkeske giiMa-81,^ ,abaddn ellä: bütä iSike üddnö natikdmme^ ske.

Sula-fddä: ,8aldnga bütä aü- 5 siä ninti'beV äMske kd-si.

fNdntike^ ske, ,abd saldnga- 8l: büteä diisä iko! ndke, ker nakona ske, tköke. dusä tönui-ld utü! ndke, ker natünä ske, ütäke, 10 utüiiö düsä mdydä üäke/ äkeske inä k&iiä inä güSena-sl.

Gmä kd'Si: ,end kdmalä, end e nümi, düsä ikö-mä ayUa-iiä ikoke* äkeske.

15 Abdi*niä inä gü^^nä kd-te saldnga - te - si : ,itea - gädinä, abd ayndhä wdinä bntätcä'^ ausia-ßl nantiuä* äkeske, ella-lä gdnke, itia-lä ölöke, olö-mä güsä

20 kd-8i: ,ayleä ikö!^ äkeske, aylia- m. tköke. baddi güsä saldnga-sn.: ,tdmmä büteä düsä iko!* äkeske.

Mdydä ske, nakönä ske, gd-

ske, ayV düsä daüski^ tdmfä

25 ditsä tköke, ikö-mä güsä saldnga-

ein Stier,' sagte er, ,wie soll ein Stier gebären?' sagte er. ,Meine Kuh hat das Kalb geboren, denn nie hörte ich Jemanden sagen: der Stier hat geboren.*

Da sagte die Wahrsagerin zum Manne: ,Hast du auch die Milch vom Stier des Schakals gesehen?'

,Ich sah sie/ sagte er, ,denn ich sprach zum Schakal: bringe Milch von deinem Stier! Gut, ich werde bringen, sagte er, und brachte sie. Stelle sie an's Feuer! sagte ich. Gut, ich stelle, sagte er, stellte sie an^s Feuer und die Milch erwies sich gut/

Da sprach die Wahrsagerin zum Manne : ,Du bist ein Dumm- kopf und nicht gescheid, die Milch, die er brachte, ist ja von deiner Kuh.'

Hieraufsprach die Wahrsage- rin zum Mann und zum Scha- kal: , Gehen wir nach euerm Hause, ich selbst werde die Milch von jenem Stier besich- tigen.' Sie gingen zusammen, kamen an und da sagte sie zum Manne: ,Bring^ deine Kuh!' und er brachte sie. Dann sagte sie zum Schakal: ,Und nun bring' du Milch von deinem Stier!'

,Gut, ich bringe sie,' sagte er, ging hin und da er keine Kuhmilch bekam, so brachte er

1 güSä die Wahrsagerin. ^ ^. 23.

3 dad-dä nicht haben, entbehren, daÜL-ake er hatte nicht.

Die Kunftras-Sprulie in Nordost-Afrika. II.

27

si: finä aÜ96nä tömä dna-ld utül' äkeske.

May da ske, töma-lä utüke,

tUünö inä aüsinä ambobä iSäke,

5 üd-mä gü§ä: inä tdmfä düsä

köske, bütSä düsä indmme, bülAä

iidmme' äkeske saMiufa-n.

Abdrmä inä salanginä svli- fäda-si: ,ani nisasdnöV äkeski, 10 tdmfä düsa-sl naüski, sülafada-el anaadnga-ld lukaske, aSi süla- fddä ancLsdiigä mayddnö tcäle saldngä imbmö ädbke.

Milch von der Asklepias, und da sprach zu ihm die Wahrsage- rin: yNun stelle diese Milch über das Feuer!'

Gut; sagte er, und stellte sie an's Feuer und da erwies sich diese Milch als unecht. Dasprach zum Schakal die Wahrsagerin: ,Das ist Milch der Asklepias^dein Stier hat also keine Milch und hat auch kein Junges geworfen/

Hierauf sprach der Schakal zur Wahrsagerin : ,Warum hast du das vermeldet?' Er packte die Milch und schleuderte sie der Wahrsagerin an den Schädel. Wärend diese vorher einen schönen Haarwuchs hatte, so vertrocknete dieser auf der Stelle, als der Schakal ihr das angetan hatte.

15. Der Elefant nnd der Fuchs.

Abina-te^ aaldnga-te ella-lä 15 fdkkala-tä'^ gdnke nke, abinä biy' dgalä^ inake, saldngä biyä Indmme, agaldiä* köske.

Fdkkala - id wolöki ^ abinä fdkkalä faüdä i-böba-ke, ukün-

Der Elefant und der Fuchs gingen einst zusammen zum Hafulebaum; der Elefant hatte einen Schlauch Wasser bei sich, der Fuchs aber hatte kein Was- ser und war leer.

Als sie nun zum Hafule ge- kommen waren, sammelte der

1 §. 114, Note 1.

3 Scheint eine Umstellung zu sein von Ti. ^^A»' Baum und Frncht

der Mimosa nilotica; s. Bil. s. a. heibinä, ' Für blifä dgalä ,Wa8ser-haut' = Wasserschlauch. ^ dgalä 6hä Hautmensch, Mann der nur seine eigene Haut hat, nackt,

ledig, leer. » §. 62 und 111.

28

V. Abhandlnng: Beinisch.

i-e-ld i'sd-kö'ke, * saldngä Idga-lä goske, a-kö-ldSSä^ nihiske amüä

Baddi lila-te, biyä lüga-te 5 saldnga-s (-yä-ke,* hdda-te hxya- te daüstd^ gimmUä:^ ,ye!^ ski i-keda-ke.'^

,Afd ye! nünöf^ e-kedd- nöP äkeske saldiigas ahinä,

10 ,Köd'dnä: ses-i-ä yi-H-ke »ö^ a-Mda-ke , it-d-na-ld gä-nd-nä' äkesld gdske saldngä.

Baddi saldngä gäski ahinä biy* agal-i-a-lä y-l-ki^^ dgala-d 15 wäta-bü^^ ille-ke, i-nö-ke, inöH biyä büb-i'ä Idga-ld e-dl-ke.

Baddi Mrka-s iyäJce saldngä, käkäbä mind -i-a-ld u -fül - ke. ahdrmä abina-lä i-de-k-ö-ke.^'^

Elefant vieleFrüchte und steckte sie in seine Ohren, der Fuchs aber setzte sich auf die Erde und lag hier träge den ganzen Tag.

Nun wurde der Fuchs hungrig und durstig und da er nichts zu essen und zu trinken hatte, so rief er in listiger Weise: Ja, ja!

, Warum schreist du ja! wer hat dich denn gerufen?' fragte denselben der Elefant.

Der Fuchs erwiderte : ,Mein Freund hat mir zugerufen und gesagt*: deine Ziege hat geboren ! ich gehe also heim/ und er entfernte sich.

Nun ging der Fuchs zum Wasserschlauch des Elefanten, stach denselben mittelst eines Domes auf und trank, darnach aber floss alles Wasser auf die Erde aus.

Der Fuchs tödtete hierauf einen Vogel und strich dessen Blut auf sein Bein; darnach kehrte er zum Elefanten zurück.

* Für i-aay-ke er schloss ein, i-kö-ke er brachte hin = er stopfte hinein. » §. 123, Note 2.

3 Wörtlich: Tag seine Gesammtheit, hübäf böbä Summe, Gesammtheit, i'fjöha-ke er versammelte, sammelte.

* Wörtlich : Hierauf quälte den Fuchs Hunger und Verlangen nach Wasser.

* Speise und Wasser nicht gefunden habend.

c Umsonst, eitel (s. Bilinwörterbuch s. v. gümli)\ d. i. er antwortete auf einen Zuruf ohne wirklich angerufen worden zu sein.

7 Wörtlich: ja! sagend, rief er; ye ja, jawohl, auch Antwort auf einen Zuruf = da bin ich, was gibt es?

8 S. p. 16, Note 2. 9 Particip, s. Note 8.

jo Wörtlich: nachdem er zu des Elefanten seinem Wasserschlauch hin- gegangen war. » §. 197. « Für irde-ke y-ö-ke.

Die Knnaiaa-Sprache in Nordost-Afrika. II.

29

10

15

Ldgä bagüke,^ abinä: ,8än-d- na-mdl-ke, ül-d-iiä kö-fdJrke,'^ biyä lügä d-yä-ke,^ hiyä na-nö-ld itä gädH' äkiske saldnga-aii.

fMdydäf' äkiske aaldngä, had- dl biy* dgala-ld toö-li-ke, hiyä daünke.

,Biyä inkä gä-söV akiake abinä,

,Abä na-nti-mme, wätä ilUnö biyä idike dittä^* äkiitke aa- Idngä,

Abinä: ,itä gadi!'^ salängad äkiske.

Saldngä: ,yE!^ äkiske. gä-mö: ,abä mindä Sö-nd-mme,^ wätä a-ilU-ke'"^ äkBske abina-s.

,Nö, bad-d-iia-lä gödä!^ ske abinä. 20 ,Mdydä, göndnä!' ske saldn- gä, baddi abinä bad-i-a-lä idörke saldnga-s,

Tdmmä saldngä: ^imb-d-iiä,

inaU gö-na-nd-iiä^ mdydä na-

2 5 köS'immi,^inaU göna-nni, ^ äkiske.

Es wurde Abend und da sprach der Elefant zum Fuchs: ,Ich habe meine Arbeit voll- bracht, ich bin müde und durstig; ich werde nun trinken und dann gehen wir heim!^

,Gut!^ sagte der Fuchs: sie gingen nun zum Wasser- schlauch, fanden aber kein Wasser vor.

, Wohin ist das Wasser ge- kommen?' fragte der Elefant.

Der Fuchs erwiderte: ,Ich habe nichts gesehen, es ist wohl in Folge eines Domenstiches ausgeflossen.'

,Qehen wir also heim!' sagte der Elefant.

Der Fuchs willigte ein; auf dem Wege aber sagte er zum Elefanten: ,Mein Bein tut mir wehe, ein Dorn hat mich ge- stochen.'

,Nun, so setze dich auf meinen Rücken!' sagte der Elefant.

,Qut, ich setze mich dorthin!' erwiderte der Fuchs und der Elefant setzte den Fuchs auf seinen Rücken.

Da sprach der Fuchs: ,0 mein Oheim ! hier sitze ich nicht gut, ich kann hier gar nicht sitzen.'

* Wortlich: die Erde wurde dunkel.

3 Wortlich: mein Körper ist ermfldet. 3 S. Note 4, Seite 28 und §. 67

* §. 201. 5 §. 156.

^ Wörtlich: ich bin nicht gesund (am) Bein, Fuss. 7 §. 67. 8 §. 144. » §. 174.

30

y. Abhandlung: Rein lach.

Ahinä unü-si ser-i-a-lä idörke. saldngä: ,inaU mdydä nwim^ äkiske abina-Sfi.

Baddi abinä ana-sang-i-a-ld ^ 5 idörke salänga-si: ,inaU gönd- näl' äkeske saldngä.

Abinä dna - sdnga - gosö : ,vmb-d-nä, inä sangina-si lagd- n-kin^ ikök-d-sö!' äkiske saldn- 10 gä. abinä iSöke.

Tdmmä saldngä fdkkalä abinä uküne-n-kin inke,

,Saldngä, ay ni-nd-nöP äki- ske abinä.

15 ,Inä sangina-st ndiJce' äkiske saldngä,

Abinä: ,ker!' äkeske, iwtke.

Saldngä fdkkalä bübtä iüld käs-i'ä VrbuT-1d:^ fimb-d-iiä!' 20 äkiske abina-s.

,WäV äkiske abinä.

,Abä itä gä-nd-nä' äkiske saldngä,

,Mind'i-ä sö-nü-beV äkiske 25 abinä,

ftSö-na-ke' äkiske saldngä.

Der Elefant setzte nun den Fuchs auf seinen Nacken; ,auch hier ist's nicht gut/ sagte dann der Fuchs.

Nun setzte der Elefant den Fuchs auf seinen Schädel; Ja^ da sitze ich/ sagte dann der Fuchs.

Wie er nun so auf dem Kopfe des Elefanten sass, da sprach er zu diesem: ,Oheim, hebe mir doch jenen Knochen da von der Erde auf!' Der Elefant reichte ihm denselben.

Nun frass der Fuchs die Hafule aus den Ohren des Ele- fanten heraus.

;Was issest du denn?' fragte der Elefant.

,An dem Knochen da nage ich/ erwiderte der Fuchs.

yGut!' sagte der JClefant und Hess es geschehen.

Als nun der Fuchs alle Ha- fule aufgefressen hatte und er gesättigt war^ sagte er zum Elefanten: ,0 Oheim!'

, Was denn?' erwiderte dieser.

Jch gehe jetzt heim!' sagte der Schakal.

,Bist du schon gut zu Fuss?' fragte der Elefant.

Jch bin schon wohl/ er- widerte der Fuchs.

» §. 19. a §. 200.

> Wörtlich: nachdem sein Bauch satt geworden war.

Die Knnama-Sprache in Nordost'-Afrtlra. II

31

Abinä: Jcer, gada!' skt, ,itä n-i- yä\ ^ dark -d-iia-d: ySinnä fdydck äkßdä!' äkBske scddnga-a.

,Ker!' äkeake salängä, ski 5 gdske.

Abinä itä y-i-ke, y-l-ki ukunie- d äinna-lä wäy-sü-mä fdkkalä daüake.

,Ay ikdnöV äkiske ddrkä, 10 ,nd'te^ mi-lö-nöf äkiske därka abinas,

Abinä: ,8alänga'te md-lö-ke.' äkiske.

,Nö, unü ihke sü-nä^^ äksske 15 ddrkä.

,Nö, saldngä inkä gäsöV äki- ske abinä,

,Abä saldnga-d na-nti-mme/ äJdske ddrkä.

20 Abdrmä abinä saldnga-si i- de-ke, iäbno saldngä bd-lä w-ü- ke, wünö abinä könä ü-fü-ke, salängä älm-i-a-s i-bin-ke.^

,Ni'bin-immi, ilä böbä ni-bin- 25 ke/ äkiske saldngä.

Abinä sakä-ske, baddi ilä böbä ibinks, ,Sim-d'nä köske'

,Nun gut, so geh!' sagte der Elefant, ,und wenn du heim- kommst, so sage meiner Frau, dass sie eine Matte auf breiten mögel'

,GutI' sagte der Fuchs und

ging.

Der Elefant ging nun auch heim, als er aber dort auf die Matte seine Ohren ausklopfte, fand er keine Hafule.

,Wer hat sie genommen?' fragte die Frau, ,mit wem sind Sie gekommen?'

,Wir kamen mit dem Fuchs,' erwiderte der Elefant.

,Nun so wird er es sein, der sie gefressen hat,' sagle die Frau.

,Ja wo ist er hingegangen?' fragte der Elefant.

,Ich habe den Fuchs ja gar nicht gesehen,' erwiderte die Frau.

Der Elefant kehrte nun zum Fuchs zurück und als er den- selben getroflfen hatte, eilte dieser in's Loch. Der Elefant steckte nun seinen Rüssel hin- ein und erfasste den Fuchs am Schwänze.

,Du hast nichts bekommen, nur eine Baumwurzel hast du erfasst', rief ihm der Fuchs zu.

Der Elefant Hess los und erfasste jetzt eine Baumwurzel.

1 §. 62 und 96. ^ §, igg, 3 s. Note 8 und 9, Seite 28. * Wortlich: er erfasste des Fuchses seinen Schwanz.

32

V. Abhandlung: Reinisch.

äMske saldngä, ahinä loäy-ake, Blä bobä ü-kü-ke.

Äbdrmä süla-fäda-lä gäske

ahinä, ,abä-8t saldngä Slm-i-a-si

5 na-hin-yä Blä ske, Üä nahinyä

Simä ske, ay ke-n * na-min-nöV

süla-füda-»! äkßske.

N-i-yä, saldngä aü-sü-yä: ni- mim-mef^ sü-yä,^ wäydä!' 10 äkiske sida-fädä.

Ahinä gäske, yike, konä hä-lä ü-tü-ke, ilä höhä ihinke.

,Sim - a - nä' äkiske saldngä. ahinä i-wl-ke, saldngä Hm-i-a- 15 jri ihinke.

,Wäy-nü-i7i^,^ ää höhä köske' ökBske saldngä.

Ahinä i-wi-mmi, wäy-ske, wäy- sü-mä W'ülä'ke, Hcö-mä: ,imhö, 20 iici! aha na-tdk-ke' akiske sa- ldngä.

Ahinä: ,ay ni-idk-inöV ske, iwlke, itoinö saldngä kür-i-a-lä W'ü'ke ahina-s.

,Das ißt mein Schwanz/ rfef der Fuchs; der Elefant zog nun an, aber die Baumwurzel leistete Widerstand.

Der Elefant ging nun zur Wahrsagerin und sprach zu ihr : ,Was soll ich nur anfangen; wenn ich den Schwanz des Fuchses erfasse, so sagt dieser: es ist eine Baumwurzel, erfasse ich eine solche, so sagt er: es ist mein Schwanz.'

Sie erwiderte dem Elefanten: ,Wenn du hinkommst und der Fuchs ruft: mache nichts, es ist ein Baum, dann zieh' nur an!^

Der Elefant ging weg, begab sich wieder zum Fuchs, steckte seine Hand in's Loch und er- fasste eine Baumwurzel.

,Das ist mein Schwanz!' rief der Fuchs. Der Elefant Hess los und erfasste den Schwanz des Fuchses.

,Zieh' nicht an, das ist eine Baum Wurzel!' rief nun der Fuchs.

Der Elefant Hess aber nicht los, zog an und brachte den Fuchs heraus. Da sprach der Fuchs: ,Oheim, lass' mich aus, ich weiss wasl'

,Was weisst du denn?' fragte der Elefant und Hess den Fuchs los; da kroch dieser in den After des Elefanten.

* Für ke-nd-nS was soll ich denken (sagen)?

2 Für «i-wm-we. 3 S. Note 8, Seite 28. * §. 154.

Die Kanama-Sprsche in Nordost- Afrika. II.

33

,Ay ni-min-nöV dlcBske ahinä scddngas.

^Kür-i-a-ld na-ü-ke, mind-i-a- 8f na-kdylö'kef öMske salängä 5 ahinas,

^äylä kö8'{mme, iSd!^ äkiake abinä.

Jnkä na-ad-nöP äkiske sa- längä, 10 ,N'ü'ke'mä iää!* äkiake aMnä saldngas,

,Nä'kü'ke, mi-8 köske, üdre-d- füün na-aa-nä* äkiake aaldngä, baddi fiä inniki, ifike,

15 fUrf-d-nä a-minti-mi!* ^ äki- ake ahinä.

Salängä: ,tämmä na-tokonö- nd-mä, aürä n-üdä-mme!* äki- ake.

20 Abdrmä ahinä 4-jl'ke, i-jl-ke, kö'fdl-ke, köfalki läga-lä i-ake, aü-ake,

Salängä iminfiki iiüce, üä hü- iha-mi-aö f*^ abinä ü-tü-ke,

25 tLfüki aaldngä kur-i-d-n-kin Uä- ke, gdake.

,Wa8 machst du da?' sagte der Elefant.

Der Fuchs erwiderte: ,Ich kroch in deinen After, weil ich deinen Fuss flirchte.'

,Keine Furcht, geh' nur her- aus!' sagte der Elefant.

,Ja wo soll ich denn hinaus?' fragte der Fuchs.

,Da wo du hinein gingst, geh' wieder heraus!' erwiderte der Elefant.

,Da mag ich nicht, dort stinkt es, zu deinem Mund will ich heraus,' sagte der Fuchs, biss dann in's Fleisch und frass.

,0 zerreiss' mir nicht das Herz!' rief nun der Mefant.

Der Fuchs aber sprach : ,Rede nur nicht, indess ich mich zu- recht finden muss!'

Da lief und lief der Elefant, mühte sich ab und fiel dann erschöpft zu Boden und brüllte.

Der Fuchs aber riss innen Fleisch ab und frass und da verendete der Elefant. Dar- nach kroch der Fuchs zum After des Elefanten heraus und ging von dannen.

16. Die Hyäne und der Hund.

Angüa-te tä-te köday oköake, Die Hyäne und der Hund dimä dimä Ma-lä nini- nahi- waren Freunde und schliefen r&nke.^ stets beisammen.

1 §. 67 und 107.

> mi-ake er vollendete, i^ta-me-ake er frass ganz auf. ' §. 168. SitsaDgsber. d. phiL-Ust. Cl. CXIX. Bd. 5. Abb. 3

34

Y. Abhandlnng: Bei ni ach.

Awäd' ella dngüä td-si: ,tömä fudä, üdä ikö!' ake, ,mölä a-yd- mä^^ äJdske.

Tä: yobd töTnä fü-na-nni,'^

5 udä na-kö-nni^^ tömä hS-na-nni'

äkiske ängüa-ii; dimä tömä

äna-'ld nifiüke, dngüä t6mä bd-

da-ld nirmke.

Ahdrmä dngüä: ,end tömäfü-

20 nü-nni'Sä, üdä ni-kö-nni-Sä,^

abd süd-i^a-ld nifiind-nä, end

süd-d-üa-ld nifiidä!' ske, ,mölä

faüdä a-yd-mä* äkiske td-si.

Tä: ymdydä!^ äJceskt dngüä l^ süd-i-a-ld nifiiske. baddt dn- güä iöm* dna-ld nifii-sü-mä: ,tnä mdydäf' äkiske td-si.

Abdrmä dngüa-si lila i-yd- : s ,süd -i-ä mayäd-m-be V ^ 2Q äkiske td-sl.

Tä: ,abdjä, süd-d-fiä mdydä numi,'^ mölä faüdä d-yä-ke, abd töm' dna-ld nifii-na-nd-fiä^ hi- nake' äkiske dngüa-si.

Eines Abends sprach die Hyäne zum Hund: ,Bring' Holz und blase das Feuer an, denn ich habe kalt!'

Der Hund aber erwiderte der Hyäne: ,Ich hole kein Holz und blase das Feuer nicht an, ich brauche kein Feuer.' Der Hund lag nämlich stets vor dem Feuer und dahinter die Hyäne.

Da sprach die Hyäne zum Hund: ,Wenn du das Feuer nicht anfachst und kein Holz dazu bringst, so werde ich mich auf deinen Schlafplatz legen; lege daher du dich an den meinigen, denn ich habe kalt!'

,Gut!' sagte der Hund und die Hyäne legte sich an seinen Platz. Wie sie nun so vor dem Feuer lag, da sprach sie zum Hund: ,0 hier ist's gut!'

Die Hyäne bekam nun Hun- ger und sprach dann zum Hund: »Nun ist dein Schlaf- platz gut?'

Der Hund erwiderte ihr: ,0 nein, mein Schlafplatz ist nicht gut, ich habe kalt und wünsche mich wieder vor das Feuer zu legen.'

1 §. 67 nnd 96. > §. 133.

» §. 63. * §. 83.

^ Weil die Hyäne der Hung^er quälte.

§. 176. 7 §. 174.

* §. 144.

Si

Die Knnaina-SpiMhe in Nordost-Aflika. II.

35

Abdrma äTigüü: ,abä'8l gim- müä mölorlä dimä d-wä>eV äke^ ske td'Si, i-yä-ki iiike.

Da erwiderte ihm die Hyäne: ßoy und mich liessest du um- sonst fortwärend in der Kälte?^ Sie erschlug und frass dann den Hund.

17. Die Hyäne und der EseL^

Angüa - te sdnda - te oköske, 5 btUA-ld oköske, biyä ülä-ld ö-nö-K o-köske.^

Ella-si onöki, ella-si nabi- rönM •'* seir ellä ^ biyä dammädä ^ üIoMl wö-ytB-ke.^

10 Abdrma: ,ärm md-fiä"^ biya- Id mä'dörö-nä'^ sdndä dngüa-d akiske, ,Mdydä' öJciske dngüä adndas.

Abdrma sdndä miä biyald

15 idörke, biyä bübiä^ inöke, dngüä idi miä biya-ld dörönö dittä biyä inömmi, biyä lügä unü-si iyä'köske,^^

Die Hyäne und der Esel lebten zusammen in der Wüste und tranken mit einander Wasser.

Wie sie nun so zusammen tranken und mit einander leb- teU; fanden sie einst nur wenig Wasser.

Da sprach der Esel zur Hyäne: ,Wir legen heute bloss unsem Mund an das Wasser.' Qntf sagte die Hyäne.

Der Esel legte nun sein Maul an's Wasser und trank dann alles Wasser auf, die Hyäne aber nur ihr Maul ans Wasser legend trank nichts und blieb durstig.

1 Aus dem Saho übersetzt; vgl. Sahosprache I, 216, Nr. 25. ' i-n5-ke er trank; s. a. §. 171.

5 §. 111.

* Wörtlich: eines Morgens.

6 WOrtUch: Wassers Kleinheit. « §. 59.

"^ Mund, mdi^ä ^= mä-d-7iä mein, unser Mund, miä (niä-i-ä) dein, euer

Mund, miä (mä-i-ä) sein, ihr Mund. ^ i-dör-ke er stellte auf; na-dör-ke ich stellte ein Haus auf, ich baute

ein Haus.

* büb-i'ä seine Gesammtheit.

10 Wörtlich: Verlangen nach Wasser quälte sie; ipä köske = i-yä-ke köske, §. 171.

3*

36

Y. AbbandlQDg: Reiniseh.

,Biyä lügä dyäke'^ ske ängtiä, ,enä biyä bühiä ninöke' äkiske ängüä säncUzs.

,Aiii ayniä^ ninömm&noV ske 5 sdndä,

yNdkdylöke'^ äkiske dngüä säncUzs.

,Afii nökaylönöV äkiske sdndä dngüas.

10 >/nä gÜayinB nakdylöke'* ske dngüä.

,End kdmalä noköske, urfi-ä e-num^, ay gile num4, uk&ni-n dittä* äkiske sdndä dnguas,

15 ,Ahd, uküniSä niUmme-heV ske dngüä.

,Kämaläy kdmalä didä, ukünä ile-bef inni, inti' ske sdndä, xi- künd intik' iäöke ^ dngüasn.

20 fNantinä' ski sdnd* ukünä in- tike, intiki innike^ ihke, mki sdndas^ iydke, ifike.

Jch bin durstig und du hast alles Wasser weggetrunken/ sagte die Hyäne.

,Warum hast nicht du es ge- trunken?' erwiderte der Esel.

,Ich fürchtete mich/ sagte die Hyäne.

, Warum fürchtetest du dich?' fragte der Esel.

, Vor den Hörnern da habe ich Furcht/ erwiderte die Hyäne.

Da sprach der Esel: ,Du bist ein Dummkopf, das sind ja nicht Homer , sondern Ohren.'

Die Hyäne erwiderte: ,Ja so, wenn das Ohren sind, dann stichst du wohl nicht damit?'

,0 du Dummkopf^ Sohn eines Dummkopfs/ entgegnete der Esel, ,sticht denn das Ohr? fass* an und schau!' und zeigte der Hyäne das Ohr.

,Ich will es besichtigen' sagte die Hyäne, betrachtete dann des Esels Ohr und nachdem sie es besichtigt hatte, biss sie es ab, hierauf tödtete und frass sie den Esel.

> ä-yä-ke e& quält mich, 8. §. 67. ' §. 20.

' na-kdyl-d'ke ich (in) Furcht kam (geriet), kdylä Furcht, 5 kommen.

* Wörtlich: diese HOrner ich fürchtete, gilä Hörn, plur. gilay; s. auch §. 23.

^ inti-ke er sah; i-ifö-ke er gab, (nti-k^ iiöke er Hess schauen, zeigte; s. §. 172.

* sdnda-9 ■= BÖfndorgi den Esel.

Die Kanama^Sptaehe in Nordoal- Afrika. II.

37

18. Dasselbe, nach einer andern ErzShlnng.

Angüa-te sända-te gdbula-ld^ Die Hyäne und der Esel biyä dimä önöke; antdnä sdndä tranken täglich bei einem inöke, abdrmä kültänd dngüä Brunnen Wasser; zuerst trank

der Esel, darnach trank die Hyäne.

Eines Tages sprach der Esel

inöke.

5 Amü' iUä sdndä dngüa-d:

ytdmmäenääntänä'^inö!' ökiske. zur Hyäne: ^Heute trink du

zuerst!'

Angüä: ,abdnakdylöke' ökiske sdndas.

Sdndä: ,ay nökaylönöP äke- 10 ake dngüas.

Anguä.'fenä-si nakdylöke' äke- ske sdndas.

Sdndä: ,abd-sl afii nökaylö- nöP ske. 15 Angüä: ,gfUa-si nakdylöke* ske.

Sdndä: ,end kd-malä no-kös- ke, ay giläy nume, ijkündy* äke- ske . dngüas. 20 A'hgüä: ,'äkme-J^ä^ nanönä'

Die Hyäne erwiderte: ,Ich fürchte mich.'

, Warum fürchtest du dich?' fragte der Esel.

,Dich fürchte ich,' antwortete die Hyäne.

,Warum fürchtest du mich?' fragte der Esel.

,Deine Homer fürchte ich/ erwiderte die Hyäne.

Da sprach der Esel : ,Dumm- kopf^ das sind ja keine Hörner, sondern Ohren.'

Da sprach die Hyäne: ,Wenn

ske, inöke, inöki sdnda-s iyäke. das Ohren sind, so trinke ich

schon,' sie trank und nachdem sie getrunken hatte, tödtete sie den Esel.

Sterbend sprach der Esel: ,Es wäre gut gewesen, wenn ich das nicht verrathen hätte.'

Utvrmä sdndä: ,abd nasdsa- mme-Sd* mdydä* ske.

1 gdbulä und gdlbä, Ty. 7"f|^i ist das Wasserbecken neben der Cisterne, in welches das Wasser zam Tränken des Viehes geschöpft wird, im Bil. und Ti. iamßy oder mdrkan genannt.

a §. 221, Note 2.

» §. 84.

* i-sisii-ke narravit; §. 45 und 86, Anm. 2.

38 V. Abhandlung: Rein lach.

19. Die Heerkatzen, die Payiane und die Elippsehllefer. ^

Tatdka-te dMa'koyhida-W^ Die Meerkatzen und die Pa- ella-lä lakärike,^ sägüa-U tdlya- viane lebten beisammen , den te-d^ ffla-lä öynaJce, dimä dimä Maulbeerbaum und die Syko- illa-ld öfike,^ more besassen sie gemeinschaft-

lich und assen davon. 5 Ina sdgila-te, tälya-te-n-Jan^ Wegen des Maulbeerbaumes snkä bdrS obdcike.'' mintä^ sukä und der Sjkomore geriethen bdre-d: ,4mS ani mSfocinöP öki' aber beide Stämme in Streit. ske. Der Klippschliefer sprach nun

zu ihnen: ,We8halb hadert ihr?' Sükenay:^ ^dgüa-td talya-te- Da sprachen sie zum Klipp- 10 n-kin mabäcUce' Timita-d äkinke. schliefer: ^ Wegen des Maul- beerbaumes und der Sykomore streiten wir.' M6ntä tcUdka-te deda-köybida- Der Klippschliefer sprach te-si: ,ekö8ül^ äkiske, unü ime- nun zu den Meerkatzen und den

1 Aas dem Saho übersetzt; s. Sahosprache I, 212, Nr. 21.

' iJingularform als Collectiv; taiakä cercopithecus griseo-viridis, Desm., Ar. ^jAU^ ; vgl. hierüber Chamirsprache §. 69. didä kOybidä der Mantel- pavian; die Kunamabezeichnang bedeutet wörtlich: das verstossene, misshandelte Kind, didä Kind, kö-ibi gehasst, misshandelt werden. (G. hflf ' recusare) -f* ^ Nominalsuffiz, das auch in di-dä Kind, mäy-dä Schönheit, schön u. s. w. vorhanden ist; als analoge Bildung vgl. Arö- adydä die ThÜre als Verschluss, von i-te-ke er schloss zu, kö-aay ver- schlossen werden, kö-§dy-dä, kö-ai-dä Ding womit verschlossen wird. Der Name des Pavians bezieht sich auf die Sage, die in ganz Ostafrika erzählt wird, dass die Paviane Kinder eines Mannes waren, dessen Frau verstarb; die zweite Frau, die Stiefmutter der Kinder der ersten Frau, behandelte die Kinder nun schlecht, so dass sie in den Wald entliefen und dort Paviane wurden; s. Sahosprache I, 122, Nr. 7 und 8.

s Wörtlich: una-cum steterunt, lakä-ske stetit. ^ §. 226, Anm.

^ na-ina-ke (spr. ndynake) ich hatte, nä-na-ke ich ass. ^ §. 200.

^ i-haUrke und i-had-ke er wurde zornig, geriet in Streit.

^ mStUä Klippschliefer, -dachs, hyrax abessinicus; mhUä =s me^nt-ä Wesen das beim Anblick schreit; mi-dä schreien, i-fUi-ke er sah. Die Klipp- dachse, sobald sie eines Menschen oder eines ihnen gefährlichen Thieres ansichtig werden, entfliehen mit Geschrei.

« §. 28.

Die Kunams-Sprache in Nordost-Afrika. II.

39

d mömö^ U9Ü8dke:'^ ,8älafdnakä tatdkay öfia oräbä bdda-lä dida- kdybiday öiia!*^ ökiske.

ImS: ,7näydäl^ dkenke, urttt 5 U9ü8üke. deda-köybiday tatakö- d iJcay öaöke, tatdkay dida- köybidB Hce^d odiginke.

Pavianen: ^Macht doch Frie- den!* Und er schlichtete ihnen den Streit dahin: ^In der Morgen- zeit sollen die Meerkatzen und am Nachmittag die Paviane speisen/

Sie stimmten dem zu und so stiftete er Frieden. Die Paviane gaben den Meerkatzen ihre Töchter und die Meerkatzen heirateten die Töchter der Pa- viane.

20. Der LQwe, die Wildknh und die Banbameise.^

ASi äkenke, mörkä dmsa-si^ umgurdnö * inä ayV-dda-ld ' yike, 10 ,abd ayibeä'^ dmsä ayldda-d ökiske.

15

AyV-ddä: ,abd guduratdiiä num6-mä^ iäd^^ dha-lä!' äkeske dmsa-sn..

Amsä aiV-add-nkin arkvh*- dda-lä yike, yfki:^^ ,m6rkä

Einst ereignete sich wie man erzählt, folgendes. Als der Löwe die Wildkuh jagte, kam diese zu einem Kuhhirten und sprach: ylch begebe mich in deinen Schutz.*

Der Kuhhirt erwiderte der Wildkuh: ^Ich besitze keine Macht, gehe nur von mir!'

Vom Kuhhirten begab sich die Wildkuh zum Kamelhirten

1 mo-dä streiten; 8. §. 157.

' Ursüm-ke er venOhnte, stiftete Frieden, ü-tu-ke er war friedlich (§. 41a),

kö-aü-ke er wurde versöhnt, söhnte sich aus. ' na-nä-nä ich werde essen, nd-nä ich möchte essen; s. p. 8, Note 11. * Aus dem Saho flbersetzt; s. Sahosprache I, 196, Nr. 12. ^ dmsä antilope agazen, Ruepp. ^ u-, tou-güra-ke er verfolgte; §. 157. ^ dylä Kuh, ddä Bube, Junge; s. §. 163. ^ dyhä Schutz; s. BUinwörterbuch s. v. *ayh. ahä ayh^-ä ich dein Schutz

(seil, sei mir!). ' Wörtlich: da meine Macht nicht existirt. gudurdiä Macht, gudurat'd-nä

meine Macht; zu numi-mä s. §. 179. 10 §. 103. 11 f. 62 und 111.

40

Y. Abhandlung: Reinitcb.

iyän-asö^ ayibiä naköske^ ä- keske.

Ina arkub'-adinä: ,guduratd- M numi-mä, üd dha-lä!' dmsa- 5 8% ökiske.

Ina amsinä arkvh' - add-nkin gäski bü'dba-ld '^yöke, bW-abina- h: ,mörkä abd-sl lydn-asö, ayi- biä naköskef äkigke,

10 Ina bü'-abenä: ,güdurat'dhä

numi-mä gddä^ dfia-lä!' äkiske

dm4i8i.

Ina amsBnä bü'-dbci-nkln gä-

sM aäiHna-ld^ yöke: ,end aSi- 15 Sind!' äkhke, ,m6rkä abd-sl

aydn-asö, ayibeä naköske* öki-

8ke.

ASiSinä: ,abSirödä, gödäfam-

sa-d ökiske. dmsä göske, m^rkä 20 yöke nke,

ASiHnä mörka-si: ,inä numi, Sdmü!^ inä amsinä aytb'- dfia-mA^ ökiske.

Inä morkinä: ,ay üddnöV

25 äkeski, (iSüina-s ihki, unü m4r-

urßa-ld^ wüke.'' oSiHnä

urfia-s ünnkiki,^ inniki, iyäki,

und sprach: ^Da mich der Löwe verfolgt, stelle ich mich unter deinen Schutz/

Der Elamelhirt erwiderte der Wildkuh: ,Ich besitze keine Macht, gehe nur von mir!'

Die Wildkuh nun ging vom Kamelhirten, kam dann zu einem Bauer und sprach: ,Da mich der Löwe verfolgt, sosteile ich mich unter deinen Schutz/

Der Bauer aber erwiderte: ,Ich besitze keine Macht, gehe nur von mir!'

Da ging die Wildkuh vom Bauer fort und kam zur Raub- ameise und sprach: ,Da mich der Löwe verfolgt, so stelle ich mich unter deinen Schutz/

Die Raubameise aber sprach: ,Habe Mut und bleibe hier!' Da blieb die Wildkuh und bald kam der Löwe.

Da sprach die Raubameise zum Löwen: ,Hier ist kein Zu- tritt, trete nicht heran, denn die Wildkuh ist mein Schützling/

Der Löwe aber indem er sagte : ,Wa8 schwätzt die da?' verschluckte die Ameise und diese gelangte in den Bauch des

1 i-ya-nö a-ao-nS schlagend mir gebend = mich schlagend.

3 bÜä Acker, Feld, d-bä Mensch; §. 114.

> ge^a-ke ivit; §. 154.

^ oHi-inä ^Geräusch habend, machend* (§. 117), die Raubameise*, Bil.

z&nzä genannt; Tgl. auch Bilinsprache I, 69, 5. ^ §. 164. « ürfa Bauch, Hers. ' §. 69. 8 Für i'hin-ke y-l-ki sie erfaaste nachdem sie hineingegangen war.

Die KniiAiiw-Spnehe io Nordosi- Afrika. II.

41

mdrkä tUünö aÜiinä mdrka urßa-nkin gdake nke.

Löwen. Dort erfasste sie sein Herz, biss und tödtete den Löwen und als er verendet war, kroch die Ameise aus seinem Bauche heraus.

21. Die Klippsehliefer und die Elefanten.'

M4ntB-te abine-te: ,wäjdba'bu^

ma-kö-ll!*^ äkinke, mSntay ahi-

5 neri: fS-ke-si ma-diginü' ^ äkinke.

Abinay: ,mdydä!^ nke, digin amilä ö-ti-ke, digin' amää y-ö-ke.

Abdrmä mentB büb-i-ä^ dbine 8üka-td^ ö-ll-ke, adikiSä illa-te, 10 darküä eUa-te-si, bdr^-a o-m-ki im6 dittä'' mSntB büb-i-ä käwä^ gdnke, abinS siika-t ö-lö-ke, olö- ki o-kamdii'ke.^

Tdmmä kisä yiwä abinä: ,d- 16 sölabä na-kamaÜ-mmd-bü,^^

Die Klippschliefer und die Elefanten sprachen: , Wir wollen uns durch eine Heirat verbin- den!' Und es sprachen die Klipp- schliefer zu den Elefanten : ,Eure Töchter wollen wir heiraten!'

,Gut!' sagten die Elefanten, sie setzten den Hochzeitstag an und derselbe kam heran.

Da zogen alle Klippschliefer nach der Stadt der Elefanten, nur zwei Individuen, einen Greis und eine alte Frau, liessen sie daheim, ausser diesen zogen alle Klippschliefer ab und kamen in die Stadt der Elefanten und führten dort ihren Wafifentanz aus.

Da sprach ein Elefant, Vater einer Tochter, und schwor:

> Aus dem Saho übersetzt; s. Sahosprache I, 228, Nr. 32.

3 wi^dbä Heirat (das was digina)^ Saho toasiböy von G. iDÜQs'j s. auch

§. 197. 3 Cohortativ. pass. von i-l^ke ligayit. ^ i-digin-ke ozorem duxit. ^ Von den Klippschliefern ihre' Gesammtheit. §. 196. 7 §. 201. ^ kawäy k&ä and ku Volk. ' kdmaiä der Waffentanz. »0 §. 86.

42

V. Abhandlang: B«ini8oli.

d'kä na-Bö-nni' ^ äkeski kö-

Kisä yiwä abinä kössö^ ka- mdSike, minte-si abtnä kanuüiki^ 5 U'Sümby/re-ke, m^nte bviiä o-kö- si-rnme,^

yOhne am Hochzeitstage meiner Tochter getanzt zu haben, gebe ich dieselbe nicht her/

Er tanzte also; da er aber ein Elefant war, so trat er beim Tanzen alle Klippschliefer nieder und diese kamen alle ums Leben.

22. Der Hornrabe, der Schakal und der Babe.^

Durfittä käkänä dsä dna-ld'' äibä kön-te-bdre iSike. saldngä Idüsä ddgahä kdllä iminki^ 10 yöke.^

Saldngä durfüta-n: ,inä äsi- na-8l^^ abd laüs-dna-bö '* namin- tina-be, ekS-kin eUä asöna-beV ^^ äkiake.^^

15

EUä, ellä iSönö ßcS bübiä imcdSnafiä^^ itinö^^ gdbarä yöke. gdbarä yö-ma:^^ ,ekay ay omin- okösnöP^'' oMske durßtta-sl.

Der Homrabe hatte auf einer Adansonia siebenzig Eier ge- legt. Da kam der Schakal und brachte ein Beil mit, das er aus Thon verfertigt hatte.

Der Schakal sprach nun zum Ilornraben : ,Soll ich diese Adan- sonia mit meinem Beil fallen oder gibst du mir eines deiner Kinder?'

Indem er jenem eins nach dem andern gab und schon nahe daran war, alle seine Jungen wegzugeben, kam der Rabe und fragte: ,Wie geht es deinen Kindern?'

> §. 53.

2 i'tdr-ke er verflachte, hS-tdr-ke er verflachte sich, er schwor, kö-tdrä

der Schwär. » Für *ö-«-nö, 8. §. 108 and 171. §. 111. * §. 174. « Vgl. Nubasprache 1, 213, Nr. 6. ' §. 190 and 203. « Vgl. §.111. Vgl. §. 62 »0 ptlr d8ä ina-A, s. §. 23. iJ §. 15 and 197. §. 67 ff.

13 Vom denom. Verb ak4da so sagen, also sagen; s. §. 131. 1^ Finalis von mal fertig machen, s. §. 87. 1^ Particip von H nahe daran sein, s. §. 108. 1^ Wortlich: als der Rabe gekommen war, s. §. 97. '■^ Wörtlich: was machen sie? für o-min-nö o-köt-nS,

Die Kanuna-Spnche in Nordost- AfHka. II.

43

DwffÜtä: ,d/a mldngä ifJce' äkeske gäbara-s.

Ina gaharinä: galdngä (nkadi ää dna-lä agüsöP^ sheJ^

5 DurfÜtä: ^aldngä äa-ld agü- 9ummi, aha äk^H Idga-ld fä-n- ndiökef^ äkiske.

Gdbarä durfüta-d: ,afii saldn- ga-ii fä-n-nüinöP dkiske.

10 Durßttä gdbara-si: ,8aldngä yöki Idüsa-hö inä elina-si gesünö iminnö aha dke-ri Idga-lä fä-n- ndsöke* äkeske.

Gdbarä durfitta-st: ,inä lau- 15 sinä bidä inkadi üdnöf ddgahä dittiyä* äkeske, ,saldngä yö-yä ekay ntSömS!^ äkeske.

Saldngä yöki, yö-mä dv/rfüta- si: ,Ske-kin £Uä asöna-he, inä 20 elena-si laüs-dfiahö naminHna' heP äkeske.

Durfittä inä salangena - si : fiminti, imintif laüsBä dagahdnö aha natäkke* äkeske.

2 5 Saldngä durfitta-si : ,nä üddnö äkes kös4-nöP äkeske.

Der Homrabe antwortete dem Raben: ^Meine Kinder hat der Schakal gefressen/

Der Rabe aber sagte: ,Wie vermag denn der Schakal auf den Baum zu steigen?'

Der Homrabe entgegnete: ,Der Schakal stieg auch nicht auf den Baum, ich warf ihm meine Jungen zur Erde hinab/

Der Rabe erwiderte dem Homraben : , Warum warfst du sie denn dem Schakal zum fressen hinab?'

Der Homrabe antwortete: ,Der Schakal kam und schickte sich aU; diesen Baum mit dem Beil zu fällen, da warf ich ihm meine Kinder zur Erde hinab/

Der Rabe aber sprach zum Hornraben : , Wie sollte er dieses Beil aus Eisen gefertigt haben? es ist ja nur aus Thon; wenn also der Schakal kommt, so gieb ihm doch nicht deine Kinder!'

Der Schakal kam nun wieder und sprach zum Homraben: ,Giebst du mir wohl eines deiner Kinder oder soll ich diesen Baum mit meinem Beil fällen?'

Der Homrabe aber erwiderte ihm jetzt: ,Haue nur zu, ich weiss schon, dass dein Beil nur aus Thon ist/

Da fragte der Schakal: ,Wer hat es dir denn gesagt?'

> §. 137. 3 »ke = akiske.

3 T^x fa-nake nA-»d-ke ich warf and gah = ich warf zu: 8. §. 172.

44

y. AbhADdluDg; Keinisoh.

Durfttiä: ,gdbarä iddkt' öki- ske, flaüsia-d tdmmä natakke' äkiske,

Abdrmä inä salanginä gäski 5 gdhara-lä yö-mä: ,€nd diä bdyä* ^ äkiske.

Amää ülä saldnga ac' 4nde^ Idga-ld tdbäa-la nifiüke. abdrmä gdbarä yö-mä inä salangina-si 10 ifiindhä iminke, ,dcä* ske,^ abdr- mä aaldngä gdbara-s ibinke, ibinki inke.

Der Hornrabe erwiderte: ,Der Rabe sagte es, nun kenne ich dein Beil/

Hieraufging der Schakal von dannen und als er zum Raben gekommen war, sprach er zu ihm: , Warte nur du böser Schlingel!'

Eines Tages lag der Schakal wie todt auf der Erde am Wege. Als dann der Rabe kam, schickte er sich an, den Schakal zu fressen, da er meinte, er sei todt. Da packte und frass den Raben der Schakal.

23. SprlchwSrter.

1) Lägä andfiä, norä dwä koske.

m

15 2) Nora aüla-bü Idgä i-kdti- ke, Idgä kina-te sena-te-s iSl- köske,

3) Anna köske nke, idi nini- s-köske.

20 4) Wüyä d-yäköske.*

5) U-tü-mä ide-mmL

6) Ifid'te inö'te nö-kö-d-nö! ndbalald il kös-immi,^

7) Aülä mdnnä, aürä mdnnä, 25 afdä mdnnä, Södä mdnnä.^

Die Erde ist unsere Mutter der Himmel unser Vater.

Der Himmel schwängert die Erde mittelst des Regens, die Erde gebärt Korn und Gras.

Es gibt, sagt man, einen Gott, aber er schläft.

Die Zeit macht uns alt.

Der Todte kehrt nicht wieder.

Iss und trink', so lang du lebst, im Grabe gibt es nichts.

Regenmacher, Maulmacher, Regenmacher, Segenmacher.

1 Wörtlich: dein Wesen (Charakter) ist schlecht.

3 Fttr dHä 4nde wie ein Todter, U sterben {irti-kt er starb), U-ä = der

Tod, a-o-ä ein Todter, s. §. 114. 3 Wortlich: ,[er ist] todt, sa^e (dachte) er'. « wortlich: die Sonne (Tag, Zeit) schlägt uns. ^ Eine echt chamitische Vorstellung; vgl. auch die Bilinsprache I, p. 248 f.,

Herodot II, 78. ^ Es gibt echte und falsche Propheten.

Die KniiAina-SprMhe in Nordoit-Afrika. II.

45

8) Aylä hÜä aÜBä t-kök-d- sö-nni-bef '

9) Aburä ingal-i-ä tddä i- kdylö-köske.

5 10) Angüä sändätngcdiäbad' i-a-s i-yä-ke.

11) M&rkä ui^nö dylä hilskefi

12) Kämalädidäaälämdnnä i-äa-nni.^

10 13) Büdbä Hnä iböke, didä köybidä iiike,

14) Mifitä köna-ld dmsaldn bila-lä ndfä yinake.

15) Dedä köybidä ni-yä-mS, 15 ^'üä köske,

16) äürka ii&rä kfUd-lä Idgä

Gibt uns eine fremde Kuh nicht auch Milch?

Nur der Reiche fürchtet den Tod.

Die Hyäne fällt nur einen Esel und den von rückwärts an.

Den sterbenden Löwen brüllt die Kuh an.

Der Sohn eines Dummkopfes wird kein Regenherr.

Der Landwirt baut das Ge- treide, der Pavian frisst es.

Der Klippdachs in der Hand ist nützlicher als die Kuhanti- loppe in der Wüste.

Den Pavian tödte nicht^ er ist dein jüngerer Bruder.

Der Vogel unter dem Himmel

wäUa-8 iniike, mdydä itdkke, sieht den Umkreis der Erde^ bdyä itdk'köske, ina-bü aüria-s er kennt das Gute und Böse,

itiki! 20 17) Saldngä Idgä bübiä tdbi- les itdk-kö$ke.

18) Ldgä ilä iSike. baddi

höre auf seine Stimme!

Der Schakal kennt die Wege der ganzen Erde.

Die Erde gebar den Baum.

ää nöra-la agüske. tdmmä ldgä Da stieg der Baum zum Him- mindia-s iblnki: ,didä inifiä-nd mel empor^ die Erde aber er-

fasste ihn am Bein und sprach: »Das Kind gehört der Mutter.' Gleich einem schönen Mäd- chen ist auch ein hässliches fähig, Kinder zu gebären.

25 kdske' ökiske.^

19) Kisä mdydä kdUa kisä bdyä iiinä.

1 Waram sollte man nicht fremde Kühe rauben, haben vielleicht die- selben keine Milch?

' Vgl. das SahoBprichwort: baröy lübäkal gäreha yan einen alters- schwachen LOwen brüllen die Kühe an (Sahosprache I, 306, Nr. 68).

3 Vgl. das Sahosprichwort: dandn aadl nuUdgä mi-yaka des £2sels Bruder wird kein Weiser (Sahospraehe I, 299, Nr. 1).

* 8. oben p. 2, Nr. 1.

46

Y. Abhandlung: Keinisch.

20) Sdndä ikä adndä Üä- köske,

21) Ddrkay ülä otakimmdbü wüyä bübiä ödcJce.

5 22) Kise btiild-n-kln omimä ködiginä fdndkä köske,

23) Kinä ni-bö-mmd-bü Hnä nayUnabef

24) Ldgä büb-i-a-ld aköldSSä 10 bdyä iSäke.

25) Sdnä ni-mim-md-bü (ni- min-immOrbü) , nököfalUmmdbü ay nihdnaiel

26) Köna-te minda-te-bü itä 15 ködörke, md-bü sokä köteke,

27) Angüä güe-d nökdylöbe?

28) Ddrke md-bü kode-kln ösäke oküyä.

29) Kisä kö88ö songöske, ddr- 20 kö88ö ilditek'k&8ke,

30) Aluga-te ddrkat-ikin^^i kaylö, önnik-oköske.

31) mdydä kdylä vndmmi (ina'h^'ifnmi) ,

25 32) mdydä köda imSke, ukibyä iyäke.

33) Anna kSkähä indmmiA

34) lydmä köyändfiä.

35) Didä kötakimmimä didä 30 kdybidä kdllä kö8ke.

Der Sohn eines Esels wird ein Esel.

Weiber reden den ganzen Tag ohne irgend etwas zu wissen.

Worauf Mädchen sich am meisten freuen^ das ist der Hochzeitstag.

Wirst du Getreide ernten ohne Getreide gebaut zuhaben?

Das Schlechteste auf der gan- zen Welt ist ein träger Mensch.

Was wirst du essen ohne gearbeitet und dich abgemüht zu haben?

Mit Hand und Bein wird das Haus erbaut^ mit dem Munde das Dorf zerstört.

Fürchtest du dich vor den Hörnern des Esels?

Durch Weibermund werden Freunde zu Feinden.

Das Weib küsst als Mäd- chen, als Frau lästert sie.

Hüte dich vor den Pfoten der Katze und den Fingern des Weibes; sie kratzen.

Ein rechter Mann kennt keine Furcht.

Ein rechter Mann liebt den Freund und tödtet den Feind.

Gott hat kein Blut.

Wer getödtet hat, muss ge- tödtet werden.

Ein unerzogener Knabe gleicht dem Pavian.

* An Gott kann man die Blutrache nicht vollsiehen; was Gott verhängt, muos man erdulden.

Die KniMuna-Spraeh« in Norclott»AfHka. II.

47

36) Ddrkefaüdä, dMefaOdä, Didefaüdä, düglefaüdä,

DügUfaüda, mäsSfaüdä,

Mäse faüdä, äyle faädä, 5 AyU faädä, dfäfaüda.^

37) Ddrkä üimmimä ktnc^ n-dittä källä köske.

38) Ddrkä mdydä iiä Uake, ddrkä häyä Üä itske.

10 39) Darkfnä mdydä, darkinä bdyäf ay iminnöt ddrkä mdydä böbiä mdydä.

40) Sakä hää, ke hüäy.

41) Tägla-te gdrma-te akö- 15 Sörkay okösimmi, kürä sakimü-

mi'te Künäma-te köday okösimmi.

42) Künäma-te Mdrda-te-si iiöra-nä Idga-nä ÖSlke, SOle-s Anna ekdfke, ina-bü kurd-si

20 sakink^ oköake,^

43) ellä bübtä aminös&mä kdmalä köske.

44) EUa-ri kskSs&yä, imbiyä, kamalä köake.

25 45) Dida-te kdmdla-t^ iiSHnä numi.

46) M&rkä dmsa-a (yäke, täglä gdrma-s iydke, kärs {yäke.

Viele Frauen, viele Kinder,

Viele Kinder, grosse Ver- wandtschaft,

Grosse Verwandtschaft, viele Lanzen,

Viele Lanzen, viele Kühe,

Viele Ktthe, viel Haarpo- made.

Eine unfruchtbare Frau gleicht einem Strohhalm ohne Getreide.

Ein gutes Weib baut das Haus, ein schlechtes reisst es nieder.

Ist der Ehemann gut oder schlecht, was macht dies? Ist die Frau gut, dann ist alles gut.

Anderes Dorf, andere Leute.

Wolf und Schaf sind nicht Verbündete, Muslim und Ku- nama sind nicht Freunde.

Kunamas et Bareas coelum et terra genuerunt, Muslimos Deus cacavit, quapropter po- dicem lavant.

Ein Mensch, der alles glaubt, ist ein Narr.

Wer zugleich lacht und weint, ist ein Narr.

Das Kind und der Narr, die sind keine Lügner.

Der Löwe tödtet die Antilope,

Der Wolf das Schaf,

Der Mensch erschlägt den Menschen.

* Herdenbesitzer stehen in hohem Ansehen; s. anch §. 165, Note 4.

3 Vgl. Bilin: qi^ inqägdrUä podicem la^ans = Moslim, BiUnwOrterb. s. t. qii.

48

y. Abhandlan^: Beiniach.

47) Ddrkäsänäyikenantinä, naköntina ske.

48) eüä köske faüdä in- kösimä; inä baddi dngüä köfe-

5 gedäske.

49) Kis' illä köske, ködigini- m6nö ahharüke; baddi gübbä köfegeddsks. >

50) Surkay ddrke Sukay okö- 10 ske nke.^

51) Faüdä mdntike, faüdä matikke, faüdä mäyteke, 4llä matakimmi ; Sürkä itdk-köeke, illä vmddmmu^

Das Weib geht auf den Markt um zu sehen und ge- sehen zu werden.

Es war ein Mensch, der viel ass; da verwandelte er sich in eine Hyäne.

Es war ein Mädchen , das- selbe ward alty ohne zu hei- raten; da verwandelte es sich in eine Fledermaus.

Vögel sind, wie man erzählt, Seelen von Frauen.

Vieles sehen, hören und fin- den wir, wissen aber nichts; der Vogel weiss es, sagt aber nichts aus.

24. O^esprSche.

15 Abd köd-i'ä na-köske.

Ena köd-d-fiä nö-kös-lmmi.

Und köd-B'ä kösi-bef

AwB, unu köddiiä kös-ke.

Abdjä, abdjä, unu köddiiä 20 nume.

Unü kts-d-nä.

Unu dark-d-fiä köske.

Unü klsdnä numS,

Unü dark-i'ä kösimmi. 25 Ami köday mä-kös-ke,

AmB (oder kiml) kis' ülä md- me-ke,

AmS (oder kime\ end-te abd- te, dmS abinä md-yä-ke. 30 Eme na-ki-nöf

Ich bin dein Freund.

Du bist mein Freund nicht.

Ist er dein Freund?

Jawohl, er ist mein Freund.

Bei Leibe, er ist mein Freund nicht.

Sie ist meine Tochter.

Sie ist mein Weib.

Sie ist nicht meine Tochter.

Sie ist nicht dein Weib.

Wir beide sind Freunde.

Wir beide lieben das gleiche Mädchen.

Wir beide, du und ich, wir haben den Elefant erlegt.

Wer seid ihr beide?

1 Vgl. Nubanprache 11, 22 s. v. huruinduru.

> Vgl. Sahosprache 1, 119, Nr. 6 und p. 176, 16.

> Vgl. oben p. 45, Nr. 16.

Die Konama-Sprache in Nordost-Afrika. II.

49

Inka imS mi-mö-kef Arne ndgaday -kö-s- ke, MärdS'kin md-^mö-ke.

Ndgaday ml-kös-immi, lag-d- 5 ll-mü-nd-nä mi-mö-ke,

EnSna-te S-worte ml-kösi-bef mi-kö'8-immi'bef

Ime mi'tü-ke, mt-kös-immi,

Ime mäyday, sük-i-ä Sdmarö.

w

10 Arne köday mA-kös-ke,

Kimß (dme MmS) ma-tü-nä-iiä köske.

Woher kommt ihr beide?

Wir beide sind Eaufleute und kommen von den Barea.

Ihr seid nicht Eaufleute; ihr seid gekommen, unser Land auszuspähen.

Lebt deine Mutter und dein Vater. noch oder nicht mehr?

Sie sind beide gestorben und leben nicht mehr.

Beide sind wohl, ihr Wohn- ort ist Samero.

Wir sind Freunde.

Wir alle ohne Ausnahme müssen sterben.

Amt Kü-nämä, Alake-te Tu- ruke-te äme-H d-yä-k* o-kös-ke,

15 Anna äme-gi a-tak-immi.

Arne klme illä, Künämä Idgä lag-d-iiä dimä köske, Idgä äme-d d-Sl-ke, ide Siüe-te Alake- te Turuke-te-si Anna Üike, ime-s

20 i-mi-nö sisa-te, inina-te-si {-Sö- ke , imfaräta - te wärakdta - te, taka-te-si iSöke, barüda-fe, bida- te manduka-te-si Üöke; inä büb- i-a-bu dmB'kin ddame, ämB-si

26 d-yörk* oköske.

Wir sind Kunama, Abessi- nier und Türken bedrücken nn&y Gott kennt uns nicht.

Wir alle sind ^in Volk, das Eunamaland war stets unser Land, die Erde hat uns ge- boren, aber die Beni-Amer, die Abessinier und die Türken hat Gott gezeugt und sie liebend, gab er ihnen Salz und Arzenei, Amulet, Schrift und Wissen, Pulver, Eisen und Flinten; durch alles das sind sie stärker als wir und so bedrücken sie uns.

Abä-H urf'd-iiä i-bä-ke oder Mir tut der Bauch weh.

urfdnä d-bä-ke.

Ana-sang-d-nä d-bä-ke oder Ich habe Kopfschmerzen. abä-»i anasangdiiä ibäke. 30 Mind'd-nä d-bä-ke oder abäst Mein Bein tut mir weh. m. ibäke.

SiUnngsb. d. phil.-bist Gl. CXIX. Bd. 5. Abh. 4

50

V. Abhandlung: Reinisch.

Unü abdsi Idüsa-bü d-yä-ke,

Ena ahä»l mdsa-hü d-le-ke,

Inkade dbän gdrmä ni-kö-nö?

Abd end'H gdrmä na-kö-nni. 5 Abd-n-kln gddäf abd-te gada! Abd'tä avd! Abd-tä üü! Abd-n-dittä ködä nlndmme,

End-n-kin abd ddamä. 10 Abd-n-kln end ddamä nume. Abd unü-n dylä nd-sö-ke, Arne unü-81 dyfä na-kö-nä,

Darkiä dyfä unusl iköke. Darkiä unü-s i-mi-mmi, v/nü- 15 n-l^n gdske.

Unü-n-dittä end-bef

Abd itä na-dörö-md unü-lä gö-nake.

Abd Sabdr-sl nabirö da! ndke,

20 naki unü-81 na-ynd-mä nd-sö-ke, abd-kln i-nö-ke, abd-kln iiike, dgalä illa-lä nifiüke abd-te, büb- i-ä unü-81 ndsöke, ,köd-d-hä kö8ke' ndke; baddi amelä ellä

25 dark'd-na-te , kin-d-na-te ayl-d- iia-te, arkub-d-iia-te-si u-gur-ke, Mdrde Idga-ld y-ike. abd bad- ia-ld gä-nd-nö unü-tn. nd-ks-ke, na-ke-kt mdsa-bü nd-yä-ke, äigid-

30 d-nä na-ggänaki nd-de-ke, it-d- iia-lä ndke, gdnake, abd ingal- dnä gä-nd-mmi, sük-d-nä abd-te gä-s-köske, Mdrde kö-kaylö-nö

Er verletzte mich mit dem Beil.

Du stachst mich mit der Lanze.

Wann wirst du mir das Schaf bringen?

Ich bringe dir kein Schaf.

Geh' von mir! geh* mit mirl

Komm' zu mir!

Tretet ein zu mir!

Ausser mir hast du keinen Freund.

Ich bin stärker als du.

Du bist nicht stärker als ich.

Ich gab ihm eine Kuh.

Wir werden ihm Bier brin- gen.

Sein Weib brachte ihm Bier.

Sein Weib liebte ihn nicht und ging von ihm fort.

Was bist (vermagst du) ohne ihn?

Nachdem ich das Haus er- baut hatte, wohnte ich darin.

Ich nahm Sabar in mein Haus auf und gab ihm was ich hatte, er hatte Trank und Speise von mir, er schlief mit mir auf der gleichen Haut, alles gab ich ihm, ,er ist ja mein Freund' sagte ich; darnach raubte er eines Tages mein Weib, mein Korn, meine Kuh und mein Kamel und zog in's Land der Barea. Ich zog ihm nach und traf ihn, darnach tödtete ich ihn mit der Lanze, nahm mein Habe, kehrte um und zog damit heim. Ich ging nicht allein,

Die Knnama-Spraebe in Nordost- Afrika. 11.

51

dmS'H amböbä a-min-immi, Mdr- de kaylinä ke oköske.

mein Dorf war mit mir^ daher taten uns die Barea aus Furcht nichts Böses an, denn die Ba- rea sind feige Leute.

AySa-Ce ahd-te, ämB-ti andhä " kisä fe«' SUä irdigin-V d-iö-ke,

5 Abd ime-n-kin ddamä. Aha em^'ld mdydä. Unü ime-ri thgürü-nä, Bme- kin Hgid'i'ä i'g-görsü'nä.

Dark-d'iiä Bme-d ingirä i-

Ams-si ing4rä a-Sö-mmu

Am^n-Mn hne bdyay , dme

imSd mä-yd-näf ayl-B-a-d mä-

gürü-nä; dme-H d-süsü-na-be,

15 abd'te d-ySa-te-d ayV a-aö-

na-bef

Aräy-te Turmm-te köd-d-ne mi-kö-st-nö, ime-ti end ni-yärke, ime-lä e-yä-nd-nä.

20 Arne Bme-n-kin fadäbay.

Mdrday äme-kin dyle-d o- gurke.

SiUay o-lö-ki, äme-si a-yä-ki dylä büb-i-a-ai ogürki og-ganke.

25 Arne Bme-lä (Bme-n-kin) dylä faüdä md-yna-ke.

Eme äme-lä dylä faüdä mi- nake.

Arne tme-si angSrä md-sö-ke.

Meinem Bruder und mir, uns beiden hat unsere Mutter je ein Mädchen verheiratet.

Ich bin stärker als ihr beide.

Ich bin besser als ihr beide.

Er wird euch beide berauben und euer Habe fortnehmen.

Hat mein Weib euch beiden Brod gegeben?

Sie hat uns kein Brod ge- geben.

Ihr beide seid schwächer als wir beide, wir werden euch tödten und euere Kühe rauben; werdet ihr daher uns versöhnen und mir und meinem Bruder eine Kuh geben?

Meine beiden Freunde, Aray und Turschum hast du ge- tödtet; ihrer wegen tödte ich dich.

Wir sind tapferer als ihr.

Die Barea haben von uns Kühe geraubt.

Die Beni-Amer sind gekom- men, haben uns geschlagen und alle Kühe fortgetrieben.

Wir haben mehr Rinder als ihr.

Ihr habt mehr Kühe als wir.

Wir gaben ihnen Brod.

4*

52

V. Abhandlnng: Bein i seh.

A-wa-fe S-wa-te dugtday mt- köS'ke,

A'Way dügiday mi-kös-ke.

A-W(i-te i-tva-ts mi-tü-ke.

5 E-toe-si ma-tak-immi.

I-way Mdrday o-kös-ke, lag- d-ha-lä o-lö-may,

I-we-si ma-idk-ke, Mdrde Idga- Mn ö'lö'ke. 10 En^fha-te Swa-te oköd-het Andnä u-tü-ke, dwä köske,

Andiia-te enSfia-te mi-tü-ke.

Andfia-te, en^fia-te, d-wa-te, i-wa-te ö-tü-ke. 15 Inifui unü andüä köske, dme dugülay.

Andfiä (anaiidnä) SiiM kö- ske, Sdmarö'lä d-Sl-ke, wä-kfn Batköm-tä gd-ma-ke. 20 Andiiay (anandnay) rndyäe-Sä andiiay (anandnay) bdye-Sä, andne - «i (anafidiie - d) md- mS'ke,

aiidiiB - si (anafidiie - d) mn- 25 tik-ke;

iniüä-8 i-me-mi-nö?

inina-a i-tiki-m^-nöf

Enefiia - n (enefde n) mi- me-nöf 30 Ke bübia-kin Künämä imnie-s ö-me-ke.

Mein Vater und dein Vater sind Brüder.

Unsere Väter sind beide Brüder.

Mein und sein Vater sie sind beide gestorben.

Wir kennen eure Väter nicht.

Ihre Väter sind Barea, die in unser Land eingezogen sind.

Wir kannten ihre Väter, sie kamen aus dem Barealande.

Leben deine Eltern noch?

Meine Mutter ist todt, mein Vater lebt noch.

Meine und deine Mutter sind gestorben.

Meine und deine Eltern sind todt.

Seine Mutter ist auch die meinige, wir sind Brüder.

Unsere Mutter war Schinto, sie gebar uns in Samero, von dort zogen wir nach Betkom.

Sind unsere Mütter gut,

Oder sind sie böse,

Wir lieben unsere Mütter,

Wir gehorchen unsern Müt- tern.

Wer liebte nicht seine Mutter?

Wer l^örte nicht auf seine Mutter?

Liebt ihr eure Mutter (Müt- ter)?

Die Kunama lieben mehr als alle Völker die Mütter.

Die Knnaiiia-Sprache in Nordost-Afrika. H.

53

Uküd'i-ä nd nöf Ukud'drnä Aürin, Ewä uküdiä nd nöf Awä uküdiä WäSerö. 5 Emdmalä uküdiä nd nöf Amdmalä uküdiä Badin.

Ekä dndä uküdiä nd nöf

Ahd Salim ndke uküdiä.

Ekä kisä dndä uküdiä nd nöf

10 Akä k%8* dndä uküdiä Fdydä ndke.

Ena nöf

Ahd bis' dhä, Sämarö-ld gö- nake. 15 BiSä (büay) inkade nlnd-nöf

BiSä könt-t-ßlä ndynake.

Aylä (dylay) nina-hef

Aylä kussüme, äylä hü( 4Uä köske naynd-mä. 20 Sigidä böde okösimmi-be ni- närtnäf

Ndynake, sissä köllakddä, bu- rdsä bdre, drkvh* Hlä naynd-mä.

Aykä n-ö-nöf 25 Sdmarö-kin nd-ö-ke.

Aykä (inkä) gd-n-nöf

Batköm-tä gä-nd-nä.

UnU'lä ay ni-min-nöf

Af'd-hä nd-nti-nd'fiä hi-nake.

30 Af'i'ä Batköm-lä gö-söf

Dtigül'd'hä böbiä unü-lä gö- ake, ahd darkdha-te B€Uköm-kin Sdmarö'td na-käda-ke*

Wie heissest du?

Ich heisse Aurin.

Wie heisst dein Vater?

Mein Vater heisst Woschero.

Wie heisst dein Ghx)ssvater?

Mein Grossvater heisst Ba- den.

Wie heisst dein ältester Sohn?

Ich gab ihm den Namen Salim.

Wie heisst deine älteste Tochter?

Ich habe sie Hayda benannt.

Wer bist du?

Ich bin ein Bauer und wohne in Samero.

Wie viel Felder besitzest du?

Ich habe sechs Aecker.

Hast du Rinder?

Ich habe fünf Kühe und einen Stier.

Anderes Vieh hast du nicht?

Jadoch^ ich habe zehn Ziegen^ zwei Pferde und ein Kameel.

Woher kommst du?

Ich komme von Samero.

Wohin gehst du?

Ich gehe nach Betkom.

Was machst du dort?

Ich will meine Grossmutter besuchen.

Wohnt sie in Betkom?

Meine gesammte Verwandt- schaft ist dort sesshaft^ von Betkom wanderte ich mit mei- nem Weibe nach Samero aus.

54

V. Abhandlang: Keiniscb.

Afd ni-Sd-nöf n-i-nöf

Alake ü-d'7iä'te Sigida-te-d ogüränö na-iid-hä nd-sa^ ke, MdrdS Idgä, Sdmarö-tä gdnake.

5 Mdrday maydd-m-bef

Ke mdyday , idi Kündmä Mdrd^-kin mdyday oköske, Ala- ke-si na'kdylö'Tnmd-bü, Kündmä IdgaU na-di-nä.

10 Aid Alake-gi mö-kaylö-nöf afd Kündmä ke böbiä oböbiminö Alake-s oyändhäf

AlaJcay süb' dndä böbiä ig-

gdsö kdüä o-lö-ki, ülä i-take-

15 mmd'bü awddä sükä ö-lü-ke,

Anna Alake-te gä-s-köske, ina-

Kündmä o-kö-kaylö-nö öjike.

Anna ni-latte-me, Anna Alake ingaliä Anna kösimmi, idi kB 20 böbis Anna köske, mdydä böbiä i-mS-köake, Kündmä ime-s i-mS'köske; ina-bü Anna ni- latte-mSI

Abd Anna na-latt-immt, Anna 25 dndä, andökä, ina-bü unu-sü ma-kdylö-ke, ide ma-me-mmi, ay naß.ä dmS-Hf hörä ingaliä aülä i'kö'k' d'Sö'köske, Idgä kina-te sSna-te-s i-H-köske, Anna dy-H- 30 nafiä.

Warum wandertest du dort- hin aus?

Da die Abessinier mein Haus und mein Vieh geplündert haben, wanderte ich aus nach Samero im Barealand.

Sind die Barea gut?

Es sind gute Leute, aber die Kunama sind besser und würde ich nicht die Abessinier fürch- ten, so kehrte ich zurück in's Kunama.

Warum fürchtet ihr die Abessinier und warum bieten die Kunama nicht ihre Mann- schaft gegen sie auf?

Die Abessinier kommen gleich einem mächtigen Strom, der alles fortreisst, an und ohne dass jemand etwas erfahrt, dringen sie bei Nacht in's Dorf ein und Gott ist mit ihnen, desshalb fliehen die Kunama erschreckt davon.

Schmähe nicht Gott, denn Gott ist nicht ein Gott nur der Abessinier, sondern allerVölker, jeden guten Menschen liebt er, auch die Kunama liebt er; dar- um lästere nicht Gott!

Ich schmähe Gott nicht, Gott ist gross, ja sehr gross, desshalb fürchten wir ihn, aber wir lieben ihn nicht. Was ist sein Nutzen für uns? Der Himmel allein bringt uns Regen, die Erde bringt Kom und Gras hervor; was also nützt Gott?

Die Kunamii-ßprache in Nordost» Afrika. II.

55

Aüriä mdydä nmn£. i-min- tnä fiörenä, inä laginäf Anna kösimmi-bef Nö, Anna köske, mdydä bvMä a-Sö-mä, 5 nirorte, Idga-te-hü mdydä hübtä a-Sö-mä.

KAndö, aürdnä anddiie aurä kdUä köske, böd* eUä ma-bin- immi, ma-tik-immu

Deine Rede ist nicht gut: wer hat denn diesen Himmel und diese Erde gemacht? ist das nicht Gott? Nun^ so ist es Gott, der alles Gute luis ge- geben hat; mittelst des Himmels und der Erde hat er uns alles Gute gegeben.

Vielleicht; meine Rede ist wie die Rede unserer Grossen, etwas anderes haben wir nicht gehört und erfasst.

10 Didä dykade n-lnd-nö?

Äbä deday saddS nä-H-ke; dnä na-äi-mä ScAdr, abdrmä na-H-mä Lülü, asdddä na-H-mä Annar. 15 Dsdä kisä n-ina-bef

I)edä kieay bdre ndStke,

üküdü nd-nöf

DMä Ms' dndä naSimä ukü- diä Köybä, dammädä uküdiä 20 Fitö.

EnShorte ewa-te okösi-bef

Andnä köske, dwä igidä bare- Make,

EnSfiä inka-U-nöf

25 Itdfui'lä gö'S'köske, Itiä inka-le-nöf Nagärö sükdfiä.

I'dbilä Sdmarö'kin fe-nü-yä Nagdrö-tä gerd-m-bef

30 Olölä nwm4, g4rä köske. Tdmmä nide-be itea-läf

Wie viel Söhne hast du?

Ich habe drei Söhne gezeugt; der erste, den ich gezeugt habe, ist Sabar, der zweite ist Lulu und der dritte ist Annar.

Hast du eine Tochter?

Ich habe zwei Töchter.

Wie heissen sie?

Meine älteste Tochter heisst Koiba, und die jüngere heisst Feto.

Leben deine Eltern?

Meine Mutter lebt noch, der Vater ist seit zwei Jahren todt.

Wo befindet sich deine Mutter?

Sie wohnt in meinem Hause.

Wo befindet sich dein Haus?

Nagaro ist meine Heimat (mein Dorf).

Ist der Weg, wenn du von Samero aufbrichst, weit nach Nagaro oder ist er kurz?

Er ist nicht kurz, er ist weit.

Kehrst du heute noch heim?

56

y. AbhandluDg: Reinisch.

Ayä, tdmmä awädinä Sdma- rö-lä nmindnä.

Ingal-6'ä nö-kösi-bef Aha ingalrd'fiä num6, dar- 5 Icdhä abä'te yöke. Inkade gd-nöf S4Ua-$i, Idgä kareaki gändnä.

Ena SilV aHrä n-udä-bef Aha dammddä na-üdc^nä. 10 Aürä höde ni-bini-bef

Aha Kündmä aürä, Mdrdä aürä nahinke, Alake aürä dam- mddä na-tik-ke, naüddnä ü- kü-ke. 15 Mard' aürä-kin Kündmä aürä ayökümä,

Kündmä aürä ayökümä nume, taggimä,

Ukündfiä tömä, fiMfiä tag- 20 gimä, aürä nahininä daünake.

Nein, heute übernachte ich in Samero.

Bist du aliein?

Ich bin nicht allein, meine Frau ist mit mir gekommen.

Wann reisest du?

Morgen in aller Frtthe reise ich.

Sprichst du Tigr^?

Ich spreche es ein wenig.

Verstehst du noch andere Sprachen?

Ich habe das Kunama und Barea erlernt, auch das Am- harische verstehe ich etwas, spreche es aber nicht.

Das Künama ist leichter als das Barea.

Das Kunama ist nicht leicht, es ist schwer.

Mein Ohr ist taub und die Zunge schwer, ich kann eine Sprache nicht auffassen.

End-he Sek Sid, elld-m-he?

Aha Sek Sid na-kös-immi, abd Ullüm, Tdnderä gönake.

Aykä gd-n-nöf 25 Bila-lä gändnä aylAiie-si na- nti-nd-hä,

AyUay ingaliä okösi-be bila- f mörkä i-yärnnif

Ingaliä num4, d-kay ^Ua-lä, 30 dylay 84nä wo-fi-k* oköske, m4i'kä

Bist du der Schech Said oder ein anderer?

Ich bin nicht der Schech Said, ich bin UUum und wohne in Tendera.

Wohin gehst du?

Ich gehe in die Steppe um nach meinen Rindern zu schauen.

Sind denn deine Rinder allein in der Steppe? wird sie nicht der Löwe tödten?

Sie sind nicht allein, meine Söhne sind mit, die Rinder

Die Kuoamm-Spnche in Nordost-Afirika. II.

57

iyd-mmi, kökdylöke, vidsä kdy- loke.

Mörkä kaylina-bef

Mdsä , gidadä intimmd - 5 J^yliUä.

Morkf äUi'd niryä-bef

KussümS nd-yä-ke, dgalä nd- mia-ke.

Agale-d n-ina-be, n-ind- 10 mmi'bef

Türukcty ö-ka-k o-gür-ke.

Inabü riyän&-8 e-sö-mmet

Türtikay cLSömay nvme, ke- na-lä O'kd-yä, idi osönni, (Mön- 15 nimay oköske. Allä rüd itä olüJci böbiä ogürk' oköske, Allä Türuke aürä Anna köake, Anna ogürundfiä iwike.

Nö, ani Kündmä: Alld! 20 TüruM'8 oyämdnöf abdrmä Anna oyändüä itüinä.

Semäl Anna-nd, TurukS-nä älä'lä oköske, Anna-bü a-yä- n' oköske, ina-bü Anna ma' 25 kdylö'ke.

Ena herinä! Anna nintibef Anna - te Türuke -te-d 4lla - nintibef Anna ugürnö nintibef

weideD; kein Löwe hat sie an- gefallen, er fürchtet sich, er fürchtet die Lanze.

Ist denn der Löwe furcht- sam?

Er ist furchtlos, wenn er nicht die Lanze oder das Schwert sieht.

Hast du schon einen Löwen getödtet?

Ich habe fUnf getödtet und denselben die Haut abgezogen.

Besitzest du die Häute noch oder nicht mehr?

Die Türken haben sie ge- nommen und geraubt.

Gaben sie dir dafür kein Geld?

Die Türken sind keine Geber, sie nehmen zwar von den Leuten, aber sie geben nicht, sie sind Leute, die nie geben werden. Mit dem Rufe Allah dringen sie in's Haus ein und rauben alles; Allah bedeutet aber im Türkischen Gott und Gott gestattet zu rauben.

Nun, warum dringen denn die Kunama nicht mit dem Rufe: Allah! auf die Türken ein und Gott wird dann ge- statten sie zu schlagen.

Ach nein! Gott und die Türken sind verbündet, durch Gott schlagen sie uns, desshalb fürchten wir Gott.

Du bist ein Lügner! hast du Gott gesehen? sahst du Gott und die Türken beisammen? sahst

58

y. Abhandlang: Beiniscli.

^me kaylinay mikössö TürvJcay ddamay okönke.

Naüdäke awdhe aürä kdllä.

du Oott rauben? Weil ihr Feig- linge seid^ sind die Türken stark. Ich rede nur nach dem Worte unserer Vater.

Nä-iia-lA no-kös-söf 5 Abd dwä fid'lä nakoske. Ni-digin-inni-he ? Adaba-gi abd nadigininä, End nidigininöf Abd Simö-te Dumbdy-te kiSä 10 nadigininä.

Diginä dykade ni-SÖ-nöf

Diginä dylä kollakddä (kol- lakdday), sessay asümä nasöke.

End aburd-m-bef 1^ Abd dburä nvmuS, abd mis- kinä, karämdtä ayniyende.

Aykade ni-kd-nö Sigidä, end diginä ni-Sö-mäf

Aynünä gdnake, tabu nake, 20 SiUB-kin nagürke.

Ina maydd-m-bet

Mdydä köske, kB böbiä inä kdllä omirM oköske.

Abdrmä SÜlay marbdtä oyä- 25 ndhä olöminöt

Olönä, ämS ma-nünd-Sä, ma- nünarmmd'bö, oUnä, dtmä olönä, ,Kündmä büä täy oköske* nke, ,kay oköeimmi* nke, Anna okö- ^0 Södimmi* nke, böUä otimä okäki og-gänk* oköske.

Bei wem lebst du?

Ich lebe bei meinem Vater.

Wirst du nicht heiraten?

Ich werde im Herbst heiraten.

Wen wirst du heiraten?

Ich heirate der Schimo und Dambaj's Tochter.

Wie viel gabst du für die Hochzeit (Nackenpreis)?

Ich gab als Nackenpreis zehn Kühe und zwanzig Ziegen.

Du bist also reich?

Ich bin nicht reich, ich bin arm wie ein Bettler.

Woher hast du dann das Vieh, welches du als Nacken- preis gegeben hast?

Ich schlich mich als Dieb hin und stahl es von denBeni-Amer.

Ist das auch recht?

Es ist recht, alle Welt macht es so.

Und werden dann die Beni- Amer nicht kommen, Rache zu nehmen?

Sie kommen, ob wir stehlen oder nicht stehlen, sie kommen, stets kommen sie, ,die Kunama sind Wüstenhunde^ sagen sie, ,8ie sind keine Menschen' sagen sie, ,8ie beten nicht zu Gott^ sagen sie, nehmen alles, was sie finden und gehen damit fort.

Di« Knoama-Spimche in Nordoftt-Afrilui II.

59

Nö, Anna köi&mül abdrmä olönni.

Künämä Anna köiödä itak- itnint, 5 Algadin dugüUay nvmS-hef vme Künämä nume-bef Anna oköS&nk* oköske, biüay ime-s amböha ominimmi.

Ambobä omink' oköske, oülay 10 nerinay.

15

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30

35

Gdrmä berriske. Ldküä wiske, Aylä büske. M6rkä büske. Dörä bütä büske. Dörä kutüske. Sända inkä ske. Burasä küU-ske. Makäba gorkö ske. Köytä fiurtüske. AngÜä utcüske. Tägüä bäwäske. Ta baüske. Saldngä baüske. Alügä aüske, Arkübä gäldske. Didä köybidä aüske. Sürkä tofföyt ske. Gdbarä kok ske. Sagend kürkür ske. Sirmä fiitr ske. Antdnä itür ske. Irhänä ske. Därmä f& ske. AHHnä HSiske,

So betet also zu Gott und sie werden dann nicht kom- men!

Der Kunama hat nicht beten gelernt.

Sind die Algeden nicht eure Brüder? sind sie nicht Ku- nama? sie beten zu Gott und die Beni-Amer tun denselben nichts Böses.

Sie tun ihnen schon Böses, die Beni-Amer sind Lügner.

Das Schaf blockt.

Die Ziege meckert.

Das Rind muht.

Der Löwe brüllt.

Der Hahn kräht.

Die Henne gackert.

Der Esel singt.

Das Pferd wiehert.

Der Eber grunzt.

Der Panter knurrt.

Die Hyäne heult.

Der Wolf heult.

Der Hund bellt.

Der Schakal bellt.

Die Katze miaut.

Das Kameel schreit.

Der Pavian sagt au, au!

Der Vogel zwitschert.

Der Rabe krächzt.

Der Strauss schreit.

Die Biene summt.

Die Fliege summt.

Das Chamäleon bläst.

Die Schlange bläst, pfaucht.

Die Raubameise sagt schisch,

60

Y. Abhandlung: Reiniscli.

Awddä gäHö nuke.

Gärtö-tia-bef AM kikS-nöf Kike nd-mmi. 5 Ni-mbi-me dsddnä! angerä na-kö'k' esönä.

Angerä nd-kü-ke, ahä fSä hh- nake.

Dedä mdydä ausarte, angerä- 10 te-n-ldn üä he-mmi.

Du hast in der Nacht ge- schnarcht.

Schnarchte ich?

Warum lachst du?

Ich habe nicht gelacht.

Weine nicht, mein Kind, ich bringe dir Brod!

Ich mag kein Brod, ich will Fleisch.

Ein gutes Kind verlangt nicht nach Fleisch, nur nach Milch und Brod.

Fe-nü-sü-bef

Fe nü-8Urbef

Ena mayda-m-bef

Mdydä na-koa-ke, end may- 15 ddmbef

Ye dakö, mdydä,

Enefiä ay kdlli-nöf

Mdydä köske andnä.

Ewä ay kdlli-nöf 20 Awä mdydä köske,

Darkeä mayddmbe?

Tdmmä nini-a-köake , awddä 8udä daüske.

Ajii 8üdä daiisö?

25 Deddhä tökinä, awddä bühiä imbike,

Tdmmä mayddmbef Usüke, nini'S'köske. End mdydä ntni-nü-be? 30 Ndnä awddä bübiä dnnike, sudä agüräke, südä dammddä güduratö-nake.

Guten Morgen!

Guten Morgen!

Geht es dir wohl?

Ganz gut! und wie geht es dir?

Fürwahr, ganz gut!

Wie geht es deiner Mutter?

Sie befindet sich wohl.

Wie befindet sich dein Vater?

Es geht ihm gut.

Und geht es deiner Frau gut?

Sie schläft jetzt, in der Nacht konnte sie nicht schlafen.

Warum konnte sie nicht schlafen ?

Unser Knabe ist krank und weinte die ganze Nacht.

Ist er jetzt besser?

Er ist jetzt ruhig und schläft.

Und hast tlu gut geschlafen?

Die Mücken stachen mich die ganze Nacht und raubten mir den Schlaf; ich konnte nur wenig schlafen.

Die Knnama-Spracbe io Nordost-Afrika. II.

61

DedBä ahändi iökinä kösi-be ?

Ayä, mdydä köske, awddä bübiä imbiki, ahä: ,didä tökinä köske' nake, 5 Didä iökinä num6 ndnä mm- he-n-dütä, ina-bA imhike,

Kdndö, aürBä nd-fne-ke,

Nö, kd-nil!

Mdydä, itä kd-lü! dttä aud! 10 ni-nti'be, niid-a-kösimmi , ti^- köske.

Manfinä, SvJcä mdydä, nüä

mdydä, didä tökinä nume, idi

nintimmibef xculiä didä ninake,

15 iidfiä dlski, sudä daüski unü

imhike.

Mdydä, nd»üke, enä d-tca,

enä a-ina.

Ena nü-sü-Sä, mdydä köske, 20 idB abd na-sü-mmi.

Aid nü-Hü-me-nö? enä nusüm- mdbü abd nambinä, dwä nÖ- köske. kinä nd-kö-K e-sö-nä, dyfä ndkok' eaOfiä,

25 Ktniä he-nd-mmi, dyfä he- ndmmi.

Riyänä na-ynd-mmi, Riydnä he-nd-mmi.

War dein Knabe gestern schon krank?

Nein, er war ganz wohl, weil er aber die ganze Nacht weinte, so sagte ich : er ist krank.

Der Knabe ist nicht krank, nur die Mücken stachen ihn, desshalb hat er geweint.

Vielleicht, ich höre gern dein Wort.

Wohlan, wir wollen es unter- suchen!

Gut, treten wir ein in's Haus! komm' hieher! siehst du, er schläft nicht mehr, er ist ganz zufrieden.

Wir werden sehen, sein Puls ist gut, seine Zunge ist gut, der Knabe ist nicht krank; aber siehst du es nicht? sein Körper ist voll Stiche; weil die Mücken stachen und er keine Ruhe hatte, desshalb hat er geweint.

Gut, ich bin es zufrieden, du bist mein Vater und mein älterer Bruder.

Gut, wenn du zufrieden bist, aber ich bin unzufrieden.

Wesshalb bist du unzufrie- den? wenn du nicht zu- frieden bist, werde ich weinen, du bist mein Vater; ich werde dir Durra bringen, auch Bier bringen.

Ich begehre nicht nach deiner Durra, noch nach Bier.

Geld habe ich keines.

Ich verlange kein Geld.

64

V. Abhandlung: Bei ni seh.

OytBsä ogürake, ide kinä mayleM, madinM, baränte-lä matüki länä oyi4mmi.

Ita-la kinä oyt&nmibef

5 Ita-tä ma-köna-nnL

Inka ma-kö-bef Naüdanni.

Abu nagürdnä nu-bef

Ake-nd-mmi, idA naüdanni.

10 Aha Alakä numi, Turvkä numi, Sülä num4, Frdngä na- köake, ködBä naköske, &nd a-kn- bef aurdnä amanö-nü-mmi-bef

Abä e-kü-mmi, enä mdydä, 15 id^ Sükiä Sükdnä kdLlä kö»immi, fiäUä neldnä kdllä kösimmi, bübia-kin abd nakaylömä, wa- rakdtä köske, wärakdtä bübiä itdkke, bübiä ioüdaJce.

20 Wärakdtä ma-tö-mä köske, vmddmmi, nilä indmmi.

Wüdammdbü, hüä inammdbü samöake.

Wenn sie es finden^ rauben sie es schon, wenn wir aber das Getreide geschnitten, ge- droschen und in Säcke gefUIIt haben, da bekommen sie es nicht mehr.

Finden sie das Getreide im Hause nicht vor?

Wir werden es ja nicht in's Haus bringen.

Wohin bringt ihr es denn?

Das werde ich doch nicht sagen.

Meinst du, ich würde es rauben?

Das denke ich nicht, aber ich sage es doch nicht.

Ich bin doch kein Abessinier, kein Türke und keiner von den Beni-Amer, ich bin ein Euro- päer und dein Freund, miss- traust du mir denn?

Ich bin dir nicht abgeneigt, du bist gut, aber deine Seele ist nicht wie die unsrige und deine Zunge nicht wie die uns- rige, was ich aber vor allem fbrchte, ist das Papier, es er- fährt alles und spricht alles.

Das Papier ist doch stumm und redet nicht, es hat keine Zunge.

Ohne zu reden und eine Zunge zu haben, gibt es Zeugenschaft.

Wäynä burdsä köske. 25 Abä sdnda-te burdsa-te ndy- nake.

Das ist ein Pferd.

Ich habe Esel und Pferde.

Die Kunama-Spracbe in Nordost-ÄfriVa. II.

Ü5

Abä sdndä nayndmme, buräsä nnyvdmme.

Awä burdsä faüdä Mnake, sändä faüdä kinalce. 5 Buräsia-n-kin d-nä mdydä,

Burädä maydd numS, bäyä köske.

Abä buräsä sadde ndynake, bäyä bübiä, 10 Buräsdne maydd-nime.

BuräsBhe (buräaie) bäyd-nime.

Buräsiiie (buräfAe) mdydny. Ena buräsä mdydä ninabe? Abä buräsä mdydä ndynake. 15 Ena buräsä mdydä nlndmme. Unü buräsä bäyä kinaJce, Arne bv/räsä mdyday mdy- nake.

Kirne buräsä bäyay kdynake,

20 Birne buräsä (u. buräsay) mi- nake.

Ime buräse (buräsay) bäyay loäynake.

Ime buräsä wäyndmme,

25 hne buräsä minabef

Arne buräsä mayndmme. Kirne buräsä kayndmme, Buräse sandi-n-kin mdyday. Buräsä sdnda-kin (sandd-n-

30 kln) maydd-nime.

Awä buräsä mdydä (mdydä köske).

Etoä buräsä mdydä nume, mdydä kösimmi.

Sitzangsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 5.

Ich habe weder Esel noch Pferde.

Mein Vater hat viele Pferde und Esel.

Mein Pferd ist schöner als deines.

Sein Pferd ist nicht schön, es ist hässlich.

Ich habe drei Pferde, alle sind schlecht.

Meine (unsere) Pferde sind nicht gut.

Deine (eure) Pferde sind nicht schlecht.

Seine (ihre) Pferde sind gut.

Hast du ein gutes Pferd?

Ich habe ein gutes Pferd.

Du hast kein gutes Pferd.

Er hat ein schlechtes Pferd.

Wir haben gute Pferde.

Wir alle haben schlechte Pferde.

Ihr habt Pferde.

Sie haben schlechte Pferde.

Sie haben kein Pferd (keine Pferde).

Habt ihr Pferde?

Wir haben kein Pferd.

Wir alle besitzen kein Pferd.

Pferde sind besser als Esel.

Ein Pferd ist nicht besser als ein Esel.

Meines Vaters Pferd ist gut.

Deines Vaters Pferd ist nicht gut.

Abb. 5

6(5

y. Abhandlung: Reinisch.

Ewä burasiä büyä,

Aice hv/rasay (buräday) rndy- da (mdyday),

Ewe burdse-ktn (buräsi-nkm, 5 buräHe-kin) d-iiay maydökä,

Iwe buräst'ldn dwe burdsay bäyökä,

Ina agärinä buräsä mdydä kinake, wäynä agäräwä sdndä 10 bdyä kinake.

Ina agärBnkln wäynä agarä- way burdsay mdyday wäy- ndmme,

agdrä inä buräsena-8 e- 15 sönöf

Kambdy inä buräsä mdydä d'Söke.

Kambdy inä buräs&nä mdydä e-sömml, 20 Inä agdray (agärinay) burä- se-st tväynake, wäynä agdray (agdräway) burdse - ai wäy- ndmme,

Wäynä agdra-e (agdräwa-s) 25 inä buräsä (buräsinä) isöl

Unü-8 inä buräsinä mdydä nasönni.

Unü buräsa-st kinä iiöke. Unü buräsä 'd kinä Höbe, 30 i^ömmibef

Buräsa-si kinä üömme.

Afd kinä iäöm^öf Unü ayniä kinä iiike.

Burässa-st kinä nasö!

Deines Vaters (sein) Pferd ist schlecht.

Unserer Väter Pferde (ihre Pferde) sind gut.

Meine Pferde sind viel besser als die eurer Väter.

Die Pferde unserer Väter sind viel schlechter als die der eurigen.

Dieser Mann hat ein schönes Pferd, jener einen hässlichen Esel.

Jene Männer haben keine besseren Pferde als diese.

Welcher Mann hat dir dieses Pferd gegeben?

Kambay hat mir dieses schöne Pferd gegeben.

Kambay hat dir dieses schöne Pferd nicht gegeben.

Diese Männer hier haben Pferde, jene aber nicht.

Gib jenem Manne dieses Pferd!

Ich werde ihm dieses schöne Pferd nicht geben.

Er gab dem Pferde Getreide.

Gab er dem Pferde Getreide oder nicht?

Er gab dem Pferde kein Getreide.

Warum gab er kein Getreide?

Er hat das Getreide selbst gegessen.

Ich will deinem Pferde Ge- treide geben!

Dia Knnaina-Spraclie in Nordost- Afrika. II.

07

Ena - te buräsia -fe-sA Idnä masö!

Ena cLSönnihe nandnä?

Abä nifianäiiä n<isönä. 5 Bübiä üömä ayniä ellä i- ndmme,

Abä bühiä nasöki ayndnä nayndmme.

Ena bübiä nüöiä ayniä nt- 10 nanni,

Arne bübiä masöää aynänay maytianni,

Eme bübiä miSöSä ayniay mmanni. 15 Ime büMä oaöSä ayniay wäy- nanni.

Abä enä'Si bübiä näsöke, enä abä'»i illä asömme,

Enä abä-H Üä dsöke, abä 20 unä'H 4Uä nasömme,

ünU abä'tH üä dsöke, abä unä'tü dylä ndsöke. Unü enä'Sü biyä esöke, enä unüsi ang4rä nUöke, 25 Arne hie-si biyä mdsöke, 4me dme-si angirä dsöke,

ImB dme-si biyä dsöke, dme ime-si angirä mdsöke.

Ime enie-si biyä üöke, ime 30 ime-ii angerä miSöke.

Ddrmä d - nnike , sädä a- sonni'bef

Nö, sädä nasöf

BüMä enä he-nü-mä end-sl 35 nasönä.

Wir wollen dir und deinem Pferde Getreide geben.

Gibst du mir nicht zu essen?

Ich werde dir zu essen geben.

Wer alles hingibt, hat dann selbst nichts.

Nachdem ich alles hinge- geben habe, besitze ich selbst nichts mehr.

Wenn du alles hingibst, hast du dann selbst nichts mehr.

Wenn wir alles weggeben, werden wir selbst nichts haben.

Wenn ihr alles hingebt, habt ihr selbst nichts mehr.

Wenn sie alles hingeben, haben sie selbst nichts mehr.

Ich gab dir alles, du gabst mir nichts.

Du gabst mir ein Haus, ich gab dir nichts.

Er gab mir ein Haus und ich gab ihm eine Kuh.

Er gab dir Wasser und du gabst ihm Brod.

Wir gaben euch Wasser, ihr gabt uns Brod.

Sie gaben uns Wasser, wir gaben ihnen Brod.

Sie gaben euch Wasser, ihr gabt ihnen Brod.

Es hat mich eine Schlange gestochen, gibst du mir nicht Arznei?

Wohlan, ich will ein Heil- mittel geben!

Ich werde dir alles geben, was du verlangst.

5*

68

V. Abhandlnng: ReiniBcb.

Bübiä aha he-nd-mä enf'i n- sönni.

Bübiä enä he-nU-mä unü e- sonä. 5 Bübiä unü he-sü-mä end ni- SÖnä,

Bübiä unü Iw-sü-mä enä nUö- nahef

iäönö dme hemdmäf

10 Arne hemdmä 4me a-sönabef

Ems hemumä masönä,

Arne hemdmä ime dsöke.

Eme Iwmumä ime esöke,

Ime Jwmümä dmt mdsöke.

1 5 Biyä a-sö nanönä (nanönanä), nanö!

Biyä na-sö'be nin&nä (ninö- ndnä) f

Biyä i'Sö inönä (ivöndnä), 20 inö!

Biyä a-sö manönä (ihanö- ndiiä), manöl Biyä e-8&mmibef

Btyä a-aömmi, biyä lügä d- 25 yä'ke,

Unü biyä a-sömmi, biyä lügä d-yä'ke,

Unu abdsi biyä a-sömmi, biyä lugä dyäke. 30 Eme dmesi biyä a-aömmi, biyä lügä dyäke.

Alles, was ich begehre, wirst du mir nicht geben.

Alles, was du begehrst, wird er dir geben.

Alles, was er begehrt, wirst du ihm geben.

Wirst du ihm alles geben, was er verlangt?

Wer wird das geben, was wir verlangen!

Werdet ihr geben, was wir verlangen?

Wir werden geben, was ihr verlangt

Sie gaben uns, was wir be- gehrten.

Sie gaben euch, was ihr wünschtet.

Wir gaben, was sie wünsch- ten.

Gib mir Wasser zu trinken, ich möchte trinken!

Soll ich dir Wasser zu trinken geben?

Gib ihm Wasser zu trinken^ er soll nur trinken!

Gib (gebt) uns Wasser zu trinken, wir wollen trinken!

Hat er (haben sie) dir (euch) kein Wasser gegeben?

Er gab (sie gaben) mir (uns) kein Wasser, ich bin (wir sind) durstig.

Er gab mir (uns) kein Wasser, ich bin (wir sind) durstig.

Er gab mir kein Wasser, ich bin durstig.

Ihr gabt uns kein Wasser, wir sind durstig.

Die Knnama-Sprache in Nordosi-Afirika. II.

69

Eme tmeai hiyä mi-sömmi, hiyä lugä lyäke.

Ime emed hiyä e-sömmi, biyä lügä iyäke, 5 Im^ ämeai biyä a-sömmi, biyä lügä dyäke.

Ime im^ biyä o-sömmi, biyä lügä iyäke,

Abd endaU biyä nd-söke ni- 10 fw-nd-iiä.

Ena abäsi biyä d-aö-ke na- nö-nd-nä,

Unü abäst biyä d-sö-ke na- nö-ndfiä, 15 ühn endsl biyä i-sö-ke ni- nö-nd-fiä,

Unü unüsl biyä i-Sö-ke i- uö-nd-iiä.

Ena unfisl biyä ni-Sö-ke i- 20 nö-nd'fiä.

Arne ^^-d biyä md-sö-ke mi- nö-nd^iiä,

Arne ime-si biyä md-sö-ke o-

nö-nd-nä.

25 Eme dme-si biyä d-aö-ke ma- nö-nd-nä,

Eme imB'd biyä mi-Sö-ke o- nö-nd-fiä.

Ime dme-H biyä d-aö-ke ma- 30 n^nd'fiä,

Ime ^me-ai biyä d-aö-ke mi- nö^d-iiä.

ImS ime 'gl biyä ö-aö-ke o-

nö-nd-na*

35 Biyä 4iö inönd-na!

Biyä eSö onöndnä! Biyä a-aö-md! nanonni.

Ihr gabt ihnen kein Wasser, sie sind durstig. '

Sie gaben euch kein Wasser, ihr seid durstig.

Sie gaben uns kein Wasser, wir sind durstig.

Sie gaben ihnen kein Wasser, sie sind durstig.

Ich gab dir Wasser, damit du trinkest.

Du gabst mir Wasser, damit ich trinke.

Er gab mir Wasser, damit ich trinke.

Er gab dir Wasser, damit du trinkest.

Er gab ihm Wasser, damit er trinke.

Du gabst ihm Wasser, damit er trinke.

Wir gaben euch Wasser, damit ihr trinket.

Wir gaben ihnen Wasser, damit sie trinken.

Ihr gabt uns Wasser, damit wir trinken.

Ihr gabt ihnen Wasser, damit sie trinken.

Sie gaben uns Wasser, damit wir trinken.

Sie gaben euch Wasser, damit ihr trinket.

Sie gaben ihnen Wasser, damit sie- trinken.

Gebt ihm Wasser zu trinken (damit er trinke)!

Gebtihnen Wasser zutrinken !

Gib mir kein Wasser, ich werde nicht trinken!

70

V. Abkandlang: Bei ni seh.

Biyä e-sö-mSI ninöme! Biyci ni'Sö-mel inöfiahanni! Biya a-sö-me, manönananni ! Biyä e-Bö-mi, miiwiiafianni!

5 Kinä a-8ö-bef

Angara a-sö-be na-nd-näf

Angara nd-sö-ke ni-fid-nä. Angara e-sö-be ni-fid-nä?

Angara d-sö-ke na-Ad-nä,

10 Angara ni-sö-be i-iid-nät Angara nd-sö-ke i-nd-nä, Angara a-sö-be ma-fid-näf

AngArä i-sö-ke mi-fid-nä.

Angara a-sö-mmi,

15 Angdrä mdrsö-ke mi-iid-nä,

Angara ö-sö-ke o-nd-nä. Ena angdrä a-aö-na-bef nd'fiä!

Abd angdrä na-so-nä, ni- 20 fid-nä,

Unü angdrä e-sö-na-be ni- iid-näf

Unü angdrä a-sö-nä na- fid-nä, 25 Unü angdrä i-äö-na-be i- nd-näf

Er gebe dir kein Wasser, du sollst nicht trinken.

Gib ihm kein Wasser, er soll nicht trinken!

Gebt uns kein Wasser, damit wir nicht etwa trinken!

Er gebe nicht (sie sollen nicht geben) euch Wasser, damit ihr nicht trinket!

Hast du (habt ihr) mir (uns) Korn gegeben?

Hast du mir Brod zu essen gegeben?

Ich gab dir Brod zu essen.

Gab er (gaben sie) dir Brod zu essen?

Er gab (sie gaben) mir Brod zu essen.

Gabst du ihm Brod zu essen?

Ich gab ihm Brod zu essen.

Gabt ihr (gaben sie) uns Brod zu essen?

Sie gaben euch Brod zu essen.

Ihr gabt (sie gaben) uns kein Brod.

Wir gaben euch Brod zu essen.

Sie gaben ihnen Brod zu essen.

Wirst du mir Brod geben? ich möchte essen!

Ich werde dir Brod zu essen geben.

Wird er dir Brod zu essen geben?

Er wird mir Brod zu essen geben.

Wird er ihm Brod zu essen geben?

Die Kanftma-Sprache in Nordost- Afrika. II.

71

Unit angdrä i-io-nä i-nd-nä (i-ha-nd-fui).

EmB angdrä a-sö-na-be ma- fiä-nä, 5 Arne angdrä ma-sö-nä mi- hd-nä,

Ime angdrä a-sö-na-be ma- hd-näf

Ime angdrä e-sö-nä mi-hd-nä 1 0 (mi-fui'-nd-^ä) .

Ime angdrä o-sö-na-be o- iid-näf

Ime angdrä o-sö-nä o-fid-nä (o-iia-nd-iiä), 15 EnÄ angdrä a-sö-nni-bef

Abä angdrä na-sö-nnL

Ena angdrä ni-iö-nni-bef

Abd endsi angdrä na-aö-nni.

Unü angdrä a-sönni-bef

2 0 Unü abdsi angdrä a- sö-nni-be? Ufiü dmS'si angdrä a-aö* nni-be ?

Unu angdrä e-sö-nni.

25

UnA endsi angdrä e-sö-nnt Unü emB'8 angdrä e-sö-nni, Unü angdrä i-Sö-nnL

Unü unü-s angdrä i-Sö-nnt,

Unü ime'S angdrä i-Sö-nnt

EmB angdrä a-sö-nni-bef

Er wird ihm Brod zu essen geben.

Werdet ihr uns Brod zu essen geben?

Wir werden euch Brod zu essen geben.

Werden sie uns Brod zu essen geben?

Sie werden euch Brod zu essen geben.

Werden sie ihnen Brod zu essen geben?

Sie werden ihnen Brod zu essen geben.

Wirst du mir (uns) kein Brod geben?

Ich werde dir (euch, ihm, ihnen) kein Brod geben.

Wirst du ihm (ihnen) kein Brod geben?

Ich werde dir kein Brod geben.

Wird er mir (uns) kein Brod geben?

Wird er mir kein Brod geben?

Wird er uns kein Brod geben?

Er wird dir (euch) kein Brod geben.

Er wird dir kein Brod geben.

Er wird euch kein Brod geben.

Er wird ihm (ihr, ihnen) kein Brod geben.

Er wird ihm (ihr) kein Brod geben.

Er wird ihnen kein Brod geben.

Werdet ihr mir (uns) kein Brod geben?

72

Y. Abhandlung: Reinisch.

Arne endst angärä ma-sö-nni, Arne eme-8 angdrä ma-sö-nni. Arne unüsi angärä ma-sÖ-nnL Arne ime-s angdrä ma-sö- 5 nnt

Eme angdrä mi-Sö-nni-bef

Eme unU8 angdrä mi-Sö- nni'be f

Ime angdrä a-sö-nni-bef

10 Ime ahdfä angdrä a-sö nni, Ime eme-8 angdrä e-sö-nni. Ime angdrä o-so-nni, Ime unüai angdrä o-sö-nni, Ime ime-8 angdrä o-sö-nni,

15 angdrä e-sö-nöf

Sabdr d-sö-ke.

Sabär e-sö-mme,

Afii Sabdr a-söm^-nöf

Sabdr i-io-mme, aha natdkke.

20 A-8ö-ke, na-sö-nd-iiä endsl,

AM ayniä a-8ö-md-nö9

E'kaylönö d'8ö'ke, endsl na- sö-nd'fiä.

Inka e-sö-nöf 25 Tämmä d-sö-ke.

Ella niSö''mmi'bef

Wir geben dir kein Brod. Wir geben euch kein Brod. Wir geben ihm (ihr) kein Brod. Wir geben ihnen kein Brod.

Werdet ihr ihm (ihnen) kein Brod geben?

Werdet ihr ihm kein Brod geben?

Werden sie mir (uns) kein Brod geben?

Sie werden mir kein Brod geben.

Sie werden euch kein Brod geben.

Sie werden ihm (ihnen) kein Brod geben.

Sie werden ihm kein Brod geben.

Sie werden ihnen kein Brod geben.

Wer hat dir das Brod ge- geben ?

Sa bar gab es mir.

Sabar gab es dir nicht.

Warum sollte es mir Sabar nicht gegeben haben?

Sabar hat es nicht gegeben^ ich weiss es.

Er gab es mir, damit ich es dir gebe.

Warum hat er nicht selbst es mir gegeben?

Dich fürchtend gab er es mir, dass ich es dir gebe.

Wann gab er es dir?

Heute gab er es mir.

Und hast du ihm nichts da- für gegeben?

Die KoDama-Sprache in Nordost^Afirika. U.

73

Ay na-sö-nö, Mlä nayndmme

Böndnä.

GuSä ni-Sö'fini'bet

nasöndnä.

Gitiä abä endsl nd-sö-ke.

5 GüSä Orsö-mme, end nerinä,

GüSä nd-H aha na-aönö end- n-dittäf

Kdndö, illa-d ni-äö-ke.

EUa-ri na-sö^mme mä-n-dütä.

10 Inka a-sö-nöt

Ahändi endH nd-sö-ke, Aüriä mdydä, efnä d-söke, aud, aha dyfä nasönd-häl

Mdydä, dyfä a-sö end-te na- 1 5 nöndfiäl

E'8ö, ni-nö! ninö aynBä! in- gaUä!

End-n-dittä abd na-nö-nnt Mdydä a-sö-Sä nanönä, a-sö- 20 m^-Sä na-nö-nni.

Sahdfiä e-8ö ninöndhäf

Sahiä a'Sö'nni, ayniä ingäliä inönä.

Sahdnä e-sö-nä. 25 Inka a-sö-nöf Tdmmä e-sö-nä,

Sahdr, dyfä i-kö-K d-sö, (kö-k' i'$ö inä agdra-Hl

Was sollte ich ihm geben, ich habe nichts zu geben.

Wirst du ihm nicht ein Perlhuhn geben?

Das Perlhuhn habe ich ja dir gegeben.

Mir gabst du es nicht, du bist ein Lügner.

Wem ausser dir sollte ich es denn gegeben haben?

Was weiss ich, irgend wem hast du es eben gegeben.

Niemandem gab ich es ausser dir.

Wann gabst du es mir?

Gestern gab ich es dir.

Deine Rede ist richtig, du gabst es mir; komm, dass ich dir Bier dafür gebe!

Gut, gib mir Bier, auf dass ich es mit dir trinke!

Ich will es dir geben, du sollst trinken, nur du selbst und allein!

Ohne dich trinke ich nicht!

Gut, wenn du mir es gibst, so trinke ich, wenn nicht, so nicht.

Mein Diener soll es dir geben, dass du trinkest.

Dein Diener wird mir es nicht geben, er trinkt es selbst und allein.

Er wird es dir schon geben.

Wann wird er es mir geben?

Sogleich wird er es dir geben.

Also Sabar, bring' mir Bier! bringe Bier diesem Manne da!

74

y. Abhmndlnug: Re iniseh.

Ella dyfa a-so-nni-bef ina a<^äf'&na-8 dyfä ni-sö-nni-bef

Abd end'te inä agärBna-te-s dyfä na-kö-ld na-sö^nä. 5 Ayä agdra-8 dyfä ni-sö-mi!

Ena ahdndi inkä ni-kös-sö (nikösnö) f

Sdmarö'ld na-kos-ke.

Sdmarö'ld ni-kös-immi , Bai- 10 kömlä ni-kos'ke.

Bad-i-a-ld gd-n-na-kössö Sd- marö'tä nd-ö-ke.

Bad-d-na-lä gd-n-nö-kössö n- 6-bef 15 Ena n-ö-mme, Sabdr baddfia- Id gä'8 kö88ö y-ö-ke,

Abd-nä Sahdr-nä badia-ld gd-m-mä k688ö md-mö-ke.

Inkä gd-m-mü'kö88ö ml-mö-nöf

20 Ldgä kareski md-mö-ke,

End'te 6wa-t6 Sabdr -te inkä mi-lö-nöf

Ldgä bagi8ki md-lö-ke. Ldgä bagüki mi-lö-bef

25 Aw6, ldgä bagüki kd-löke.

E-wä inkä gö-s-kössöf Batköm-lä gö'8-kö8ke. En4hä inkä gö-8'kö88öf Andfia-te d-wa-te Batköm-lä 30 gö-n-oköske.

Wirst du mir denn kein Bier geben? Gibst du diesem Manne kein Bier?

Ich bringe schon Bier dir und diesem Manne.

Nein, gib dem Manne kein Bier!

Wo warst du gestern?

Ich war in Samero.

Du warst nicht in Samero, sondern in Betkom.

Dir nachgehend kam ich nach Samero.

Mir nachgehend kamst du dahin?

Nicht du, sondern Sabar kam mir nach.

Ich und Sabar, wir beide kamen dir nach.

Wann gehend kamt ihr da- hin?

Am frühen Morgen kamen wir beide.

Wann seid ihr gekommen, du, dein Vater und Sabar?

Wir kamen am Abend.

Am Abend seid ihr ge- kommen?

Ja wohl, am Abend sind wir alle gekommen.

Wo wohnt dein Vater?

Er wohnt in Betkom.

Und wo wohnt deine Mutter?

Meine Eltern wohnen in Betkom.

Die KnoamA-Sprache ia Nordost- Afrika. II.

75

Ena inkä gö-nnöJcössöf Darkdnä fiOrlä gö-n-na-köske. Darkiä itä ina-bef

Künämä Idgä ddrkä itä inake, 5 ahiiä itä tndmme, abiSä idigini- ää darkia-lä Sdake.

Abiää ülä mdmimi-hef

Inifia-te i-wa-U-kin i-kd-mä inake, 10 Aid ayniä itä itdnö, aid darkia-lä Sasö, aM ddrkä abu Hä'lä Särsü-mi-nöf

Itiä itäke, äna-ld darkia-lä Säske, etia-lä ädake, igidä gös- 1 5 köske, badia-lä ddrkä kö-katirSä, itä küake, darkia-te gös-köske.

äla darkiä iißinä güdu- ratösübe ?

Güduratöske, abdrmä ddrkä 20 mäliä ikäki inina-lä idske.

Ddrkä ayniä ahisä iidnä güduratösübe f

Güduratöske, iniha-lä gdske, göS'köske. 25 AbiHä ay iminnöf

HS9üyä lAa-la gäske, wüdake, darkiä hs»üyä ideke, hSsümmäbü iniiiä Ad-lä göske.

Wo wohnst du?

Ich wohne bei meiner Frau.

Ist denn deine Frau die Herrin des Hauses?

Im Kunamaland besitzt die Frau das Haus^ der Gatte be- sitzt keines, er zieht, wenn er heiratet, zu seiner Frau.

Ist denn der Gatte ohne Besitz?

Er besitzt schon und zwar, was er vonseinenEltem erhalten hat.

Warum baut er denn nicht sein eigenes Haus? warum zieht er zu seiner Frau und warum zieht nicht die Frau zu ihrem Gatten?

Er erbaut sich schon ein Haus, zuerst aber zieht er zu seiner Frau und der Schwieger- mutter, wenn aber die Frau schwanger wird, baut er sein eigenes Haus und lebt dort mit seinem Weibe.

Kann ein Mann seine Frau entlassen?

Er kann es, dann kehrt die Frau mit ihrer Habe zu ihrer Mutter zurück.

Kann die Frau selbst den Gatten verlassen?

Sie kann es, sie geht nur zu ihrer Mutter und bleibt.

Was tut dann ihr Gatte?

Wenn er will, so geht er zu seiner Schwiegermutter und redet mit ihr; will dann seine Frau, so kehrt sie zurück, sonst bleibt sie bei ihrer Mutter.

76

y. AbhADdlang: B«ini8ch.

Ddrkä idemmdbü ay iminnö abüiäf

Mala ddrkä inämä iSöke, ddrkä imke, ddrkä hüä idi- 5 ginke.

Deday inkä gdmö?

Ininä hesüyä ikäke, h^siiyä üoa-te gö-n oköske,

illä ddrkä bare, ddrkä

10 8add4 idiginSnä güduratösübef

Guduratöske dylä faüdä ind-

ää; ddrkä eüä ella-s üä kitäke,

badia-ld ddrkä dUa-nä ifike,

ninüke.

Wenn die Frau nicht zurück- kehrt, was tut dann ihr Gatte?

Er gibt der Frau ihre Habe, verlässt sie und heiratet eine andere Frau.

Wohin gehen die Kinder?

Wenn die Mutter will, so nimmt sie dieselben, sonst bleiben sie bei dem Vater.

Kann ein Mann zwei oder drei Frauen heiraten?

Er kann es, wenn er viele Kühe hat; jeder Frau baut er dann ein Haus und isst und schläft der Reihe nach mit ihnen.

15 Darkinä tUüSä mäliä i- kdnöf darkia-te dedia-te ökäbe mäliäf

Ddrkä ikdmmi, deday okäm- mi, mdlä bviiä imbö ikäke, 20 dide-te, ddrka-te ikäke»

Ddrkä utuiä ikdnö mäliäf

Mdlä bubiä imbö ikäke.

iminnö fiöra-te, Idga-te, wuya-te, tüa-te, Sünds-te, 25 iminnö bübiäf

Kdndö, Anna iminke nke.

«

Ki'te Hgida-te-B imimbef

Wenn ein Ehemann stirbt, wer erbt sein Vermögen? er- ben dasselbe sein Weib und seine Kinder?

Die Frau und Kinder erben nichts, das gesammte Vermögen erbt der Oheim mütterlicher Seite, er erbt auch die Kinder und die Frau.

Wenn die Frau stirbt, wer erbt ihr Vermögen?

Ihr gesammtes Vermögen erbt der Oheim (mütterl. Seite).

Wer hat Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne, wer hat alles erschaffen?

Wer weiss es? Man sagt^ Gott hat das geschaffen.

Hat er auch die Menschen und Tiere geschaffen?

Die KnnamB-Sprache in NordoBfc-Afk'iks. II.

77

Oimmüä, iiakenöf andd- ne: ,ldgä Ulke ki-te Sigida-te, äme mantimä büMa-te, idi Ala- ke, Sülay: ,Annä iminke* nke.

5 Anna mayddmhef

Mdydä köske, maydökä, BAyä imin-kösibef EUä im{n'kös{mmi, bdyä imin- kösimmi, mdydä imin-korimmi, 10 läga-te fiöra-te iminki nini-a- köske,

Dimä nihi'S-kösibef Sdnä indmme, afii nifiimmi- 71dl idB Sülay ogürandfiä olüä 15 aünke, baddi Anna feski säde- nöake.

Ems Ofhi a&mö Anna-Hi

Maminimmi. Inka Anna gö-s-kössöf 20 Nor' dna-lä gös-köske nke, Anna m{mä)ef Mantimmi.

Unnütze Frage, wer weiss das? Unsere Grossen sagen: Die Erde hat Menschen, Tiere und was wir sehen, geboren, aber die Christen und Muslim sagen: ,Gott hat (alles) erschaffen/

Ist Gott gut?

Er ist gut, sehr gut.

Tut er nichts Böses?

Er tut gar nichts, er tut nichts Böses und Gutes, nach- dem er die Erde und den Himmel geschaffen hat, schläft er.

Schläft er denn fortwärend?

Er hat ja kein Geschäft, warum sollte er nicht schlafen? wenn jedoch die Beni-Amer auf Raub ausziehen, so scljreien sie, da steht Gott auf und hilft.

Warum schreit nicht ihr zu Gott?

Wir tun das nicht.

Wo wohnt Gott?

Man sagt, über dem Himmel.

Liebt ihr Gott?

Wir haben Gott nie gesehen.

25. Biblische Texte.

1) Das Buch But.>

1) AH ke amüriä, 1) Der Vorzeit Leute ihre

Erzählung.

2) Ldgä lila faüdä iSäke. 2) Im Lande entstand grosse

Hungersnot.

> Die folgenden Stücke habe ich mit Sabar*s Hilfe zu Betkom aus dem Bareatezte von Munzingör übersetzt; s. Barea- Sprache, Wien 1874. 8. 81—87.

78

y. Abhandlung: Reinisch.

3) Mäxoäb Idga-ld gosfi- ndfiä fsske, aynia-te, darMa-te dedint'te,

4) ukudiä EUmilek köske, 5 darkiä yküdiä Noemi köske,

dedine ukudiä Mahalön-fe He- liön-te köske.

5) Ime Mäxoäb Idga-td olöki gönk* oköske,

10 6) Ddrkä ahüiä ütüke,

7) Dedie kü-n-k^n mldigtnke, dark' SUä ukudiä Orbä köske, ddrkä hää ukudiä Rüdä köske,

8) Didä hariä münke, ddrkä 1 5 ahiMa-te, dedie-te-n-dittä ingaliä

gös-köske,

9) AbiSia-te dedie -te otüki ddrkä d^ie ddrke-tefBske, lagia- idendhä, ,lilä lagBä-kin ikd-

20 dake^ nke itiknö.

10) Dedie ddrke-d: ,gämü! enefiBe ite-tä Sdef aJceske,

11) ,Abd'te deddnay otüme- te-si mdydä mimim-mä Anna

25 e-min-sl!^ akeske,

12) ,Eme dark* ülä ella-si abUee ite-lä gömündnä Anna e- vA'Sn!^ akiske.

3) Ein Mann brach auf, um sich im Lande Moab anzu- siedeln, er selbst, seine Frau und seine Rinder.

4) Das Mannes Name war Elimelek, seiner Frau ihr Name war Noemi, seiner Kinder ihre Namen waren Mahalon und Heiion.

5) Sie kamen nach Moab und blieben daselbst.

6) Der Frau ihr Gatte starb dann.

7) Ihre Söhne heirateten aus dem Volke, der Name der einen Frau war Orba, der Name der anderen war Rut.

8) Ihre beiden Söhne starben und es blieb die Frau ihres Gatten und ihrer Söhne beraubt allein.

9) Als nun ihr Gatte und ihre Söhne gestorben waren, da brach die Frau mit den Weibern ihrer Söhne auf, um in ihr Land heimzuziehen, da sie reden ge- hört hatte: ,Die Hungersnot ist aus deiner Heimat gewichen.'

10) Und sie sprach zu den Frauen ihrer Söhne: ,Geht! und kehret heim in die Häuser eurer Mütter!'

11) ,Und was ihr mir und meinen verstorbenen Söhnen getan, das möge euch Gott tun und möge euch gestatten,

12) Dass eine Jede von euch im Hause eurer Gatten einen Ruhesitz finde!'

Die Knnama-Spracbe in Nordost- Afrika. II.

79

13) Abärmä darJcf ellä illä äänöske.

14) Därkä hariä faüdä ml- nimbike: ,ebiä, enä-te lagia-fä

5 kd-ml!* akijike,

15) Etiä idi: ,£de kisdiiay! aiii ahä'te mt-mi-nöP äkiske.

16) fKäfia-lä diday müdJcebe, abüiay osändnäV ske,

10 17) ,Me, tabtUä 4mini!' äki-

ake.

18) ,Abd naködigtnendnä ab-

barinake; tdmmä inä awädßnä

naködiffin^Sä, diday naäüäj 15 19) Ime wäSimä, dnday wä-

sdmä kdndi gömünabeP ske.

20) Jna-bü gömünabeV ake, ,dyä, ayäyä!' ske.

21) ,Annä eminke bdyä, ina- 20 ndwhike' äkiske,

22) Darkä band, mlnimbike,

23) Orbä etiä Säfiöske, ideke, Rädä id'i göB-köake.

24) Abdrmä Nöemi Ruda-d: 25 ,nö, Sinä lagia-td ideke, unu-te

gada!* akeske,

25) Rüdä idi: ,abd end-si dimä natütfifd* öMake.

26) ,Sükä end gänümä, abd 30 gändnä, end gönümä, abd gö-

13) Hierauf küsste sie eine jede Frau.

14) Da weinten die beiden Frauen sehr und sprachen zu ihr: ,Fürwahr, wir wollen mit dir in dein Land ziehen!'

15) Eire Schwiegermutter abQr sprach zu ihnen : ^Kehret um, meine Töchter! warum zieht ihr mit mir?'

16) ,Wi8st ihr etwa Söhne in meinem Leibe, dass sie eure Gatten werden?'

17) jKehrt um und vollendet euern Weg!'

18) ,Ich bin zu alt, um zu heiraten; wenn ich heute Nacht heiratete und Söhne bekäme,

19) jWtirdet ihr warten bis sie herangewachsen und gross geworden sind?'

20) ,Werdet ihr desshalb warten? Nein bei Leibe nicht!'

21) ,Gott hat euch Schlimmes bereitet, desshalb weine ich,' sagte sie zu ihnen.

22) Beide Frauen weinten.

23) Nun küsste Orba ihre Schwiegermutter und kehrte zurück, Rut aber blieb.

24) Da sprach zuihrNoemi: ,Nun also, Orba ist heim- gekehrt, ziehe auch du mit ihr!'

25) Rut aber erwiderte ihr: ,Niemals werde ich dich ver- lassen!'

26) ,Wo immer du hingehst, dahin gehe auch ich und wo du

80

V. Abhandlnng: Reinisch.

ndnäf lagikt lagdnä kösi, Anna ^fiä Anna diiä kösif^ äkiske.

27) fSäkä enä nutümä, abd natünä h&nake, wäynä sükäwa-

5 abäst ndbiila-td naümüsi hi- nake' ske,

28) ,Annä inä irninsi, aha enäsl dimä nawin!' äkiske,

29) Efiä Rüdä tdfiä mdydä 10 intiki ,mdydä!' ske.

30) Abdrmä ime &la-fA Bat- lehema-tä gdnke.

31) Süka-ld müöki bübiä finke: ,wäynä darkäicä Nöemi

15 num&eV nke.

32) Unü idi: , Nöemi nkü- ddiiä aJcemmSf Marrdtä ykü- ddfiä akimü!' äkiske,

33) ,Annä marrdtä {köV d- 20 8öke,' ske.

34) yAburä ndike, tovldhä nddeke' ske,

35) ,Annä marrdtä ikök* a- söki aüi yküddfiä Nöemi ake-

26 möP akeske.

36) Kinä wäyläwä fdnakä BatlehSma-tä milöke.

bleibst, bleibe ich, dein Land sei mein Land und dein Gott mein Gott!'

27) ,Wo du stirbst, will ich sterben und ich wünsche am selbigen Orte begraben zu werden/

28) ,Gott möge es so ftigen und nie möge ich dich ver- lassen!'

29) Als die Schwiegermutter Rufs Sinn klar erschaut hatte, sagte sie: ,nun gut!'

30) Sie gingen nun zusammen nach Betlehem.

31) Als sie in die Stadt ge- kommen waren, standen alle Leute auf und sagten: ,l8t die Frau da nicht Noemi?'

32) Sie aber erwiderte:, nennt mich nicht Noemi, sondern Marrat!'

33) ,DennGotthatmirBitter- niss gebracht/

34) ,Reich ging ich hin, nackt komme ich zurück/

35) ,Nachdem Gott mir Bit- temiss gebracht hat, warum heisst ihr mich Noemi?

36) Sie kamen aber beide nach Betlehem, als man die Durra schnitt.

2) laeidensgeschiohte Jesus. 1) Ldgä karhke, dndä bübiä 1) Es ward Morgen und alle

Yasiisä fcäyändnä gomdtä go- 30 matoiike,

2) OUki eggdnkej Bilatüsatd okok* ösöke.

Grossen hielten Rat, damit sie Jesum tödteten.

2) Sie banden ihn dann und führten ihn zu Pilatus.

Die Kanama-Spraehtt in NordoaUAfHka. TT.

81

3) Abärmä Ydhüdä kayanö- sümä kötdrke, riydnä sibä sculdd dndB'si ikök' iäöke:

4) ,wäyä käwä mangalittä, 5 ohd kayanöndnö bdyä naminke'

akiske.

5) W&yndye idi : ,kü'8i inä ayHnöV akirike.

6) fAyniä nüdkke' akinke,

10 7) UnU öU riyänay toulaki toäyske, wäli gäaki kösonkäloke.

8) Anday gomdtä gomatönke, büä wätölke ke hile-gi kabarS- mündiiä.

15 9) Wäynä hüäwä tamma-fä käkäbä biää nke tjkudiä.

10) Yasusä dndä nä-la la- kdske,

11) Bilätusä kökdlake: ,enä 20 Yahude nugiMä nökosibeV ske.

12) Unü: ,akBnüke* akisks.

13) Andä bübiä SaJcämümB-s 6üä idB-gü-mmi.

14) Bilätusä kökdlaJce: ,tndyS 25 ödämä end niitkimmibef ska,

15) Unü idi Süä wuddmme, Bäät&8ä faüdä ajöbös-koske,

16) Anday: ,matdkno okö- ItTni-n-Mn ellä arm hemdmä

30 niunk* dsö!' akenke Bilätüsa-si,

8itzan|r*^er. d. phiL-hist. Cl. CXIX. Rd. 5.

3) Da verfluchte sich Judas, der ihn verraten hatte, und brachte die dreissig Silberstücke den Grossen,

4) Und sprach zu ihnen : Jener Mann ist schuldlos; indem ich ihn verraten habe, tat ich Schlechtes/

5) Sie erwiderten : ,Wa8 geht das das Volk an?'

6) ,Du selbst weisst es/ sagten sie.

7) Er zog nun dort die Silber- linge heraus, warf sie hin, ging dann schnell fort und erhängte sich.

8) Die Grossen beratschlag- ten nun und kauften dafür einen Acker, um Fremde zu beer- digen.

9) Jenen Acker nennt man noch bis heute den Blutacker.

10) Jesus stand nun vor dem Häuptling.

11) Und Pilatus fragte ihn: ,BiBt du der Judenkönig?'

12) Und er sprach: ,Du hast es gesagt.'

13) Allen Grossen aber, die ihn anklagten, erwiderte er nichts.

14) Da fragte ihn Pilatus: ,Ha8t du denn nicht gehört, was die da sagen?'

15) Er aber erwiderte nichts und Pilatus war sehr erstaunt.

16) Da sprachen die Grossen zu Pilatus : ,Gibuns nach unserer Gewohnheit von den Gefan- genen einen frei,den wir wollen!'

Abh. 6

82

V. Abhandlung: Boinisch.

17) ^Jlä aynnnä kössö kölike köske, ukuäiä Barräbä köske,

18) Agare oköböbake, Bilä- 5 tusä kökälake: ,kä nauö aha nawlki 4mt-sii ndsöV ske, , Bar- räbä hämübe, Yasünä hBmübeP akiske.

19) Bilätüsä diba-ld gösö 10 darkiä esdmeke:

20) Wäynä käwa-si bdyä 4llä nimimm4! inä awädä ninindnö unüsi nanfiki ina-bü faüdä na- köyake^ akiske,

15 21) Bilätüsä agdre-8J: ,nä nawt!^ akiske.

22) ,Barrdbä itcif* nkhike,

23) Bilätüsä kökdlakii: ,Ia- süsa-si ay naminnöV akiske,

20 24) ylsonkälö!' akinke.

25) Abdrmä Bilätüsä kökay- lönö Myä ikäki agdrP. ftd-lä köniä sakiske:

26) ,Inä kinä käkähä-si abd 25 mangdlä nayndmmef ske, ,ayniä

mitdkke^ akBske,

27) Ime idi: ,käkäbin dme-te dsddnete dnä-ld kösi!^ akinke.

»

28) Bilätüsä kökdlake: ,bdyä 30 ay iminnöV akiske,

29) Ime: ,nökökalamSf^ aki- nke, yisonkälöf* nke.

17) Da befand sich nun ein gefangener Dieb, mit Namen Barrabas.

18) Die Männer versammel- ten sich nun und Pilatus fragte sie: ,Wen soll ich euch frei- geben, Barrabas oder etwa Jesus?*

19) Wärend Pilatus im Rate sass, sandte ihm seine Frau eine Botschaft.

20) Und meldete ihm: ,Tue jenem Manne nichts Übles, denn ich habe in dieser Nacht von ihm geträumt und habe darob viel gelitten!'

21) Und Pilatus fragte die Männer: ,Wen soll ich be- freien ?'

22) ,Den Barrabas befreie!' erwiderten sie.

23) Da fragte Pilatus: ,Und was soll ich Jesu tun?'

24) jHänge Jesum!' erwider- ten sie.

25) Da fürchtete sich Pilatus, nahm Wasser und wusch sich vor ihnen die Hände.

26) Und sprach: ,Ich bin unschuldig am Blute dieses Mannes, ihr selbst wisst es.'

27) Sie aber erwiderten: ,8ein Blut sei auf unserem Haupte und unserer Kinder!'

28) Und Pilatus fragte: ,Welches Unrecht hat er be- gangen?'

29) Sie erwiderten: ,Frage nicht! hänge ihn!'

Die Kunaroa-Sprache in Nordost-Afrika. II.

83

30) Abdrmä Bilätusä Bar- räbä tunke, Yasüsä iydyake, köniä Üöke.

31) Baddi äskaray köniä wä- 5 tiki, sestä wäkäki, sisä bibä 6-

8öke.

32) Wätä aniä dna-ld ötike, k&nä tökäna-lä gimbä ösöke, unü fiä-lä barakönke, oldttinö: yAy-

10 hüde nugusä TnaSödtkel* akinke.

33) Unü'lä tuffönke, gimbä könld-nkln ökäke, öyäke.

34) Olaiteki sesä bibä ökäke, sesiä ösöke, osonkälönähä eg-

15 gdnke.

35) Eg-gämünö ökeke, Si- mon ukudiä, ää naü»ändnä ö- 8öke.

36) Sükä öloke, Gälgätä ukü- 20 diä.

37) Ayfä bdyä inöndhä ösöke, uküke.

38) Abdrmä osonkälöke, aesiä ofakki, ökäke.

25 39) Gömünö linke,

40) AynUnä bdre ^lla-si son- kälöke, ellä köniä tökänä, serga-lä.

30) Da gab Pilatus den Bar- rabas frei, Jesum aber liess er peitschen und übergab ihn ihren Händen.

31) Die Soldaten legten nun Hand an ihn an, zogen ihm sein Kleid aus und gaben ihm ein rotes Kleid.

32) Und sie setzten Dornen auf sein Haupt, gaben ihm einen Stock in die rechte Hand, fielen vor ihm auf die Knie und sprachen spottend: ,Wir huldigen dem Judenkönig.^

33) Sie spien ihn an, nahmen den Stock aus seiner Hand und schlugen ihn.

34) Nachdem sie ihn ver- spottet hatten, nahmen sie ihm das rote Kleid ab, gaben ihm sein eigenes und führten ihn fort, um ihn zu hängen.

35) Auf dem Wege begeg- neten sie einem Manne, Namens Simon, und gaben ihm den Balken zu tragen.

36) Und sie kamen zum Orte Golgota.

37) Und sie gaben ihm schlechtes Bier zu trinken, er aber verweigerte es.

38) Nun hängten sie ihn und teilten sich in seine Kleider.

39) Dasitzend hielten sie

Wache.

40) Auch zwei Diebe hängten

sie mit ihm auf, den einen zu

seiner rechten, den anderen

zu seiner linken Hand,

6*

84

V. Abhandlung : Beinisch.

41) bübiä okaddme oldt' teke:

42) ,End Ann itä faras&iiu- mä, wuyä sadde nide-nltemä

5 ayneä dänönünnibeP akenke.

43) fAmiä dedä nöködm eld- n-kln idä, dme aminömä!*

44) Andä bübiä oldtteke:

45) ,Hüay enä dänönumä 10 ayjiiä danönündfiä niiakimnd'

beV aJcBnke.

46) ,Eldnkin miiyä amtnödl!* akenke,

47) ,Annä aminömyä, Anna 15 imBnö dänösUnä^ akenke,

48) Wüyä agdsa-ld lakdsö Idgä bagiske.

49) Ldgä bagiski Yasüsä aürä dndä aüske: ,Annä, Anna, afd

20 a-winö!' ske.

50) Minde bare aüsM Sükiä iSaki Annä'td fiöra-lä agüske.

41) Und die Vorübergehen- den verspotteten ihn,

42) Und sie sprachen: ,Der du das Gotteshaus zerstört und in drei Tagen wieder erbaut hast, rettest du nicht dich selbst?^

43) Wenn du Gottes Sohn bist, so steige vom Balken herab und wir wollen glauben!^

44) Auch alle Grossen spot- teten,

45) Und sprachen: ,Der du Andere gerettet hast, weisst du dich selbst nicht zu retten?'

46) ,Wenn du vom Balken herabsteigst, wollen wir alle glauben!'

47) ,Wenn er auf Gott ge- glaubt hat, so wird ihn Gott in seiner Liebe retten/

48) Da wie die Sonne in der Culmination stand, verfinsterte sich die Erde.

49) Gegen Abend rief Jesus mit lauter Stimme und sprach: ,0 Gott, 0 Gott, warum hast du mich verlassen!'

50) Nachdem er zweimal ge- rufen hatte, zog seine Seele aus und stieg zu Gott in den Himmel empor.

25

3) Das Gebet des Herrn.

1) Arne d-wäj fiöra-lä nö-köd-mä, uküdiä kö-äddi-sil

2) SimaiBä y-ö-sl, Mnumä i-Sd-tn höra-te Idga-te dna-lä!

3) Kabardhä wuyä bübiä köaimä, dmesi a-sö tdmmä!

4) Arne mangeddhä a-vA, dme ende dm^-ld mangalina-d md-wl-ke ! ö) Bdya-ld dme eg-gd-num^f

6) Ide bdyä bübld-nkm dme dänodä! ina üd-sl!

Die KaoMiift- Sprache in Nordost-Afrik». II. 85

26.

Anhang.^

1) Ein GesprSch.

1) Turvkay Kekeda-td o-lö- Turk Kekedata olgmoa fänä- mä'^ fdnakä Kundmä TümJce-si ka, Kunama Turksi keila okeir kdylä o-kdylö'keJ^ Igke.

2) O-kaylö-nö* abd-st a-kö- Ok&lono , äbasi aJcakeUce: 5 kdl'ke:^ ,TürvJcay dttä^ o-lö-na- Turk atta glönabe? olonnibef

bef O'lö-nni'beP ökirike,

1) Als die Türken nach Eekeda gekommen waren, da hatten die Kunama grosse Furcht vor denselben.

2) In ihrer Angst fragten sie mich nun: ^Werden die Türken hieher kommen oder nicht?'

1 Die folgenden Schriftstücke sind P. Englund's Ett litet prof p& Ku- nama-Spr&ket. Stockholm 1873, p. 31 ff. entnommen. Ich habe diese Lesestücke nach Angabe meines Kunamalehrers Sabar accentuirt und berichtigt und stelle meiner Version links den Kunamatext Englund's rechts gegenüber.

2 §. 62 und 95. Englund^s {^.Qmoa wäre = o-W-ma-wä, d. i. das demon- strative -wä jener (§. 23), an die Relativform -mä angefügt, vrodurch ä wegen folgenden Suffixes zu a gekürzt (vgl. a. Bilinspr. §. 151 und 167, Ghamirspr. §. 10, e und Quaraspr. §. 13, c) und dieses wegen to zu <S ge- trübt wird (vgl. a. Quaraspr. §. 3, e; Kafaspr. §. 4 u. a.). Sabar erklärt aber hier die Anwendung von -wä für ungeeignet ; der Satz ist wörtlich zu übersetzen: (zur) Zeit, in welcher die Türken (d. i. Egypter unter Hunzinger Pascha) nach Kekeda kamen.

' Wörtlich : sie fürchteten eine Furcht bezüglich der Türken ; ähnlich : alödä nihiake er schlief einen Schlaf (p. 5, 1) u. a.

^ lieber dieses Particip vgl. §. 108.

^ Sabar erklärt diese Form für mOglich, er selbst aber bildete: (i-kd-kilii-ke. Passiv- oder Reflexivform von i-küa-ke er dachte nach, er zählte, rechnete (von Ti. '^^i^ G. 'tAP' cogitare), kd-kila*ke er war besorgt, äusserte seine Sorge (§. 67); zu a- b, §. 67.

^ Aus ay, vor Suffixen a (aus ä = ay) dieser -|- nach, zu; zu erwarten wäre d-iä, doch hOrte ich selbst oft die Form öUä hieher, 6Uä dorthin (=3 wA-tä aus wä-tä).

86

y . Abbandlnng : B i b i e h.

3) ,Kdndö'^ ndke,^ ,0'lö-Sä,^ függdrä* he-mu-nni,^ idi^ mar- bätä'^ hS-mü-na-n-dittä* ^ ndke.

4) ,Ide sükay büb-i-ä Aikü 5 wälia-ld amböbä o-min-immiy^

marbdtä ay i-min-nöP^^ äkinke.

5) ,Ye, idi sükä mangüä^^ mä-mä,^'^ 4llä koske, abd na-fäk- ke' ndke,

10 6) ,Mangüä i-mim-mä^^ sükä nöP^^ äkinke.

Keido , naJce; olgnessa, fog- gara hesunni, ide marbäta he- sünan düta.

Ide bobia sökai Aiku wollala amboba gminimu Marbäta ey- tninnof

Ye, ide söka mangela inämoa, dla koske, äba natakke,

Mangela iminimoa na-söki-nof

3) ,Vielleicht/ erwiderte ich, ,wenn sie aber kommen, so werden sie nicht Tribut, wohl aber Sühne verlangen/

4) ,Aber alle Ortschaften im Bezirke von Aschku, die haben doch nichts Schlechtes begangen; wesshalb also eine Sühne?' sagten sie.

5) ,Ja wohl, doch es existirt eine Ortschaft, ich weiss es, die in der Schuld steht,' sagte ich.

6) ,Was ist das für eine Ortschaft, die ein Verbrechen begangen hat?' fragten sie.

1 Kdydö und kando vielleicht; s. Bilinwörterbuch s. v. kmndö.

2 S. oben p. 16, Note 2.

3 §. 82; die Conditionalform o-lö-nd-iä kommt nach Sabar in der Balga vor; vgl. auch Englund, p. 17 und 23. Letztere ist gebildet aus dem Futuralstamm.

* Ti. 9PC* Tribut; s. Bilin s. v. fagar,

3 Von he-ake desideravit, s. §. 133.

^ Imperativ i-di kehre um! Dann unser: aber; i-de-ke er kehrte um.

7 Ti. aoQf{^ij s. Eil. 8. V. nuarbat.

8 §. 131 und 201 f.

^ §. 53, i-min-ke fecit.

^^ Wortlich: was tut (hat zu tun) die Blutrache = warum die Blut- rache; s. §. 28.

11 S. Bilin 8. V. wängdL

1^ §. 4lb und 96; Englund^s inämoa = ina-nvA-wä, s. oben S. 85, Note 2.

15 Für i-min-mä qui fecit; Englund^s immimoa = i-mm-t-m^-ujö; s. die vor- hergehende Note.

Welche Stadt ist's? s. §. 25; riö ist das Particip des Verb subsUnüv., s. §. 25 ff.

Di« Kanama-Spnche in Nordost- Afrika. II.

87

7) fügdrinäSüle-kin^ dyle-s 0- gur-ke; wäyna-bü ^ Tilrukay mäsä Künämä bub-i-a-si o-bib-ke' ^ ndke.

8) fTürukay o-lö-Sä, Ogdnnä 5 ogürünä-fiä,* sükay häay^ büh-

i'a'»i nufülu-na-beP ^ äkinke.

9) , Wäynä abd na-tak-immip ide Tändera-ti Frtda-te ime o- güiü-nni'^ nahe.

1 0 10) , Wäyne sükä-way o-ladi- na-be, (htadl-nid-beV ^^ äkinke,

11) ,Me'ladl-m6, me-ladi- mS!'^^ nake,

12) ,Sigid'd'M^'^ inkä^^ gä- 15 8öV äkinke,

13) ,äigid'i-ä büb-i-ä suka-td Sb^ar^* ndke.

Oganna Süakin aüäi ogürkn, oinabo Turk mäsa Kunama bo- biaai oboke.

Turk olQn§88a, Oganna ogü- rünaiia, aökai helai böbia nofu- lünabef

Oina aba nätakemmi, ide Tenderate, Fridate tme ogü-

runni.

Oinai aökai glädinabef olä- dinnibef

Mdödlme! mdädimef

Sigidaiia kif

Sigidea bobia sökata meböba !

7) ^Oganna ist's^ dieses hat von den Tigrö Herden geraubt; desshalb haben die Türken ihr Schwert über alle Kunama er- hoben/ erwiderte ich.

8) ,Wenn also die Türken kommen, um Oganna zu plün- dern^ wirst du alle übrigen Ortschaften wohl retten ?^ fragten sie.

9) ,Das weiss ich zwar nicht, jedoch Tendere und Frida werden sie nicht plündern/ erwiderte ich.

10) »Werden also jene Ortschaften fliehen oder nicht?' fragten sie.

11) ,Fliehet nicht, fliehet nicht!' erwiderte ich.

12) ,Wohin soll aber unser Vieh gehen?' fragten sie.

13) ,Euer gesammtes Vieh treibet in die Ortschaft!' er- widerte ich.

1 ,^ülä im Tigr^; s. Bil. s. v. Sülii/ä. 2 §. 21B und 197.

' congTegarunt. * f. 87. ^ Jiitä alimi; vgl. Bil. s. y. at4-i^,

^ Wortlich: wirst dn salben? (§. 55). Geg^en alle Krankheiten werden

Einreibungen mit Fett vorgenommen, daher fül salben ; heilen, gesund

machen, erretten. "^ §. 63; na-tdk-ke ich habe erfahren, ich weiss. > §. 53; u-ffür-ke er raubte, beraubte. ' §. 23. 10 §. 61 und 55. ii §. 103 und 107. i3 jUgidä die Herde. IS §. 32; zu yi$d s. §. 137, von gd-ake ivit. ^^ S. Note 8 und §. 101.

88

Y. Abhandlang: Bei ni seh.

14) yKln-d-iia-fFi^ ma-dölö-na- hep- icIb ma-dölo-nni-heV äkinke,

15) fKin-B-a-a ^-toi^ gö-mf ndke.

5 16) , Wäynay sükay barärwe-8 *

ay H-bü-' nu-ßHü-na-heV äkBnke,

17) fTuimkay dttä o-lö-mä

fdnakä wäragdtä^ and-l-d-n-

kln'^ äU köske, wäynä icäraga-

10 tä-wä^ abä Turuke-üi na-sö-nä,^ wäragdtä abä na-sö-mä TürukS- d w-üdd-nä: Fränge-s 6-wl! sükay ime gö-m-mä^^ büb-i-a-gi e-wl! inä aürBna-8^^ o-tik-nö^^

15 TürvJcay o-güi^u-nnV naJce.

Klnaiia maddlöiiabe ? madÖ- lönmbe?

Kinea yüibo gösu!

AiSibo sökai bärga nofülü- nabef

Turk atta olömoa fanaka, auragäta andiakin alle kQske; Qtna Türksi aba nasöna. Aura- gäta aba naaomoa Türksi udä- na: Frengi yui! Sökai, une gosümo, yui! aura Qtikno, Türk ogürunni.

14) jUnd unser Kom, sollen wir das verstecken oder nicht?' fragten sie.

15) ,Euer Kom lasset nur stehen!' erwiderte ich.

16) , Wodurch aber wirst du jene zwei Ortschaften er- retten?' fragten sie.

17) ,Wenn die Türken hieher kommen werden, so be- findet sich hier ein Brief von ihrem Grossen; jenen Brief nun werde ich den Türken geben. Der Brief aber, den ich den Türken geben werde, sagt: lasst in Ruh* die Europäer! lasst auch in Ruh' alle Ortschaften, worin die Europäer wohnen! Sobald nun die Türken dieses Wort gehört haben, werden sie nicht plündern,' sagte ich.

1 kinä Durra; Getreide überhaupt.

3 §. 55, i-dölo-ke occultavit.

3 §. 100, i-tol-Are sirit; zu g6aü s. S. 8, Note 9 und 11; 4wl göaü sinite (ut)

maneat I * §.214 und 23; 6ara-toe-« aus barä-way-H, I wegen des folgenden Vocals

abgefallen. 6 §. 29 und 197.

« Ti. tD/i't't*} ^^- ^jy ^ ^*>^ magnus, §. 114 und 200. 8 §. 23. 8 §. 65. ^^ Für gö-n-mä, §.131 und 150, von g6'»ke sedit. Englund's une gomlmo ist

fehlerhaft. 11 §. 23; aürä Wort; Sprache. " §. 108; i-tik-ke audivit.

Die KnnaniA^Sprache in Nordoet- Afrika. II. 89

2) Brief KoIeFs an die Missionäre.

1) KöUl Eme-8i saldmatä! Kola Emesi salämata, skef

ske,^ Abä adiküä^ tdmmä, abd Aba ädtkUa tamma. Aba olola

olölä na-tu-mmd-bü^ abd toära- 7iatummabo, äba aüragäta na-

qdiä na-taki-nä. täkena.

5 2) Kyellberg u-tü-mä kcUlä KyeUberg utümoa, aba natu-

abd na-tü-na.* abd na-kö-si-mä' moa kalla (:= koköla), aba

bö'* olölä wäragdtä dttä i-säme,^ nakösümaho, olola aüragäta atta

ulf-i-ä dmB-ai a-sdsa!'^ esäme, ulfea ameai a^äsa.

3) Kyellberg gö-sü-mä sükä KyeUberg gommoa söka am-

10 amböb* d-nume,^ abd na-idk-ke. böb-anome, äba nätäkke. Petrus

Betrus gö-sü-mä sükä amböb' gosümoa söka ambüb-aname; so-

d-nume; sük-d-fiä köeke. Betrus- kaha, Petrussi amboba kudä-

s^ amböbä k-üdä-mä-wä^ i-tak- moa, itäkemmi, maida kudämoa,

immi, mdydä k-üdä-mä-wä i- itäkemmi; aba natakke. Lager

15 tak-immi, abd na-idk-ke, La^er ggsümoa söka ambob-anome;

gö'Sü-mä sükä amböV d-^iume; böbia amboba ominimmi, büb-i'ä amböbä o-min-immL

1) Eolel grüsst euch. Ich bin schon alt^ sollte ich aber noch nicht bald sterben^ so werde ich noch die Schrift erlernen.

2) Wie Kyellberg gestorben ist, werde auch ich sterben, darum sendet, so lange ich noch lebe, bald ein Schreiben hieher und zeigt uns euer Herz!

3) Der Ort, wo Kyellberg wohnt, ist nicht schlecht, ich weiss es. Auch der Ort, wo Petrus wohnt, ist nicht schlecht, es ist mein Dorf. Wer über Petrus schlecht redet, er weiss es nicht, wer Gutes redet, er weiss es nicht, aber ich weiss es. Auch das Dorf, wo Lager wohnt, ist nicht schlecht, kein Mensch tut etwas Böses.

» Tl. aa^^> nA»

> Greis, alt, wOrtlicb: ddä i-kä Mann der (schon seine) Kinder ge- zeugt hat.

» §. 86.

* Englund*8 Version war meinem Lehrer Sabar nnverstündlich.

» Von kötke fait, §. 95 und 197.

^ §. 102, i'»äm-ke misit. ^ §. 67 und 101 ; i-näsa-ke monstravit.

> §. 120. §. 23, 52 Anmerk. und 59.

7

90

T. Abhandlung: Beinisch.

4) Wäyni sükä-way amböbä kö-si-me ingal'i-e o-köske, * uküd- i-ä Adana-te, Teteka-te.

5) Wäynä sükay amböba-n- 5 dittä, idi Idgä hfib-i-ä Keüberg

i-take-mä-wä imh-öka^ ki-mbi-ke.^

6) Eme dttä mi-lö-yä* sdrga- td gä-nu-me,^ tökäna-td gä-nu- me, sük'd'iia-td due!^ abd na-

10 kö-si-Sä,'' tdhüä cöcömä na-sö-nä.

7) Kündmä o-ddm-mä fdna- kä,^ marbdtä he-müna-n-dütä,^ ideFrdngay marbdtä o-mi-mmi.^^ tdmmä marbdtä he-md-na-bef

15 ma-ici-na-bef dme he-ma-mmd- Anna he-aü-nä.

8) Ems mi'kaylö-mef^^ Anna köske, abd Alakä na-tak-ke, TürukS-si na-tdk-ke, imeFrdnge-

Amboboa süka ingalea miko- ske, ökÖdta Adäna, Tet Skate.

Oina sökai amboban difta, ide lägga bobia Kyellb§rg itake- moa imb-üka kimbike,

Eme atta müoya, sergata ganme! tokkonata ganme! söka- nata aoe! Aba nakosinessa ta- büa 6üiüma nasona,

Kunäma adämoafanaka, mar- bata hemünan ditta, ide Frengi marbata omemmL Tamma mar- bata hemünabef Mauinabef Arne hemammabo, Anna hesüna.

Eme mäcfolome! Anna kgske. aba Aläka natakke, Turk na- täkke. ime Frengisi sarida sa*

4) Jene zwei Dörfer^ welche allein Bchlecht sind, heissen Adana und Teteka.

5) Nur diese Dörfer sind schlecht, aber das ganze Land^ das Eyellberg kennt, beweint ihn gar sehr.

6) Wenn ihr hieher kommt, so geht nicht links, geht nicht rechts, kommt in unser Dorf! Wenn ich anwesend bin, werde ich euch den geraden Weg geben.

7) Wenn die Eunama zürnen, verlangen sie nur nach Rache, aber die Franken lieben die Rache nicht. Werden wir jetzt Rache verlangen oder werden wir sie aufgeben? Wenn wir nicht wollen, Gott will es.

8) Fürchtet nichts I es gibt einen Gott. Ich kenne die Abessinier, kenne die Türken, sie schämen sich vor den Franken; beide taten dem Petrus nichts Böses an; vielleicht

1 England^s Version war dem Sabar unverständlich.

3 inibä ökä starkes Weinen. ^ §. 52 Anmerkung. * §. 62 und 97.

» §. 154. 6 §. 103. ^ §. 82. 8 £nglund*s Version verstand Sabar nicht.

9 Von hi-9ke voluit, s. §. 131 und 202. ^^ i-nie-ke amavit.

»' §. 107, i-kdi^lö-ke timuit.

Die Eonama-Sprache in Nordost-Afrika. II.

91

si saridä aarinke; Betrus-ke-si amböbä mi-min-immi,^ Künämä käydö, tme diday kdllä, tdkä o-ynd-mmi, ulf-i-ä ü-tü-ke, icU 5 abd na-säsd-nä.

9) Abd ahbarö-nake, olölä ndbuta-tä gä-nd-nä. sulüms^ gö-mü!^ Köd-&:ä KölM.

rinke; Petrus-k^d amböba mi- minimmi; Kunäma keido. ime deda käUa, täkka oinammi, vJfia utvke, ide aha näsäsäna.

Aba ab^rönake, olola nabvr lata gänäna, suluma gömo!

Kodea Kolel,

die Eunama. Aber sie sind wie Kinder und haben keine Er-

kenntniss, ihr Herz ist erstorben, aber ich gebe euch Bericht.

9) Ich bin alt und gehe bald zu Grabe. Bleibet gesund!

Euer Freund Kolel.

3) 1 Mose 13, 1-7.

1) Anna and-d-fiä Abrdm-si: 10 ^lag-i-a-te, dugl-^-a-te,* e-wä ita-

te-Hn^ gada, Idga-td yd,^ abä ni-nti'k' e-sö-nä!*'^ äkeske,

2) ,Kü amböbä end-kin na- mini-nä, uküd-B-a-d o-kö-kaylö-

15 nä, abd e-Södt-nä,^ kö-Södi-mä no'kö-si-nä' äkiske.

Anna Abramsi lagg^akin, kebbea^akin, iteakin gada ske. Aba enasi lagga helata naböna.

Kq kiSia enakin namenina, okddea anda, enate ausa Soda walleasi niääna ske.

1) Gott unser Herr sprach zu Abram: ,Zieh' aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Hause deines Vaters und reise in ein Land, das ich dir zeigen werde !^

2) ,Ein mächtiges Volk werde ich aus dir machen und vor deinem Namen wird man sich fürchten; ich werde dich segnen und du wirst gesegnet sein.'

1 Dnal, 8. §. 53. ^ sulßmä = Ti. l^l^f^i ^ §. 154.

* dugülä, duglä Verwandter, Verwandtschaft; Englund's kehessa besitze ich in meinen Materialien in der Form Jdbuä.

» §. 198 und 225. §. 103, von y-i-ke,

"* Von i^nti-ke yidit; s. a. §. 172. Englund's helata nabffna ist sicher fehler- haft; der Sinn ist wohl der: ,ich werde dir ein anderes Land geben,' aber dann muss es heissen: hela-H na-aö-nä,

B §. 67; i'iödi'ke benedixit. Bei Englund ist das Wort ktiia unverständ- lich; okddea tmda dein Name gross. Der darauffolgende Satz lautet dann: ,und du wirst ein Milchaufguss für deine Umgebung werden.'

7*

92

Y. AbbandlQDg : Iteinisch.

3) ,Enä-8i e-äodi-mä-wa-si^ abd na-äödi-nä, id& enäsl e- tdre-mä'Wa-si abd na-tare-nä, endrbü^ bvi-i-ä läga-ld o-kö-

5 si-mä^ o-kö-Södi-nä!^ äJdske.

4) Abräm Anna aürä kdllä* i'§ä-ke,^ gd-ske, gd-sö Lot bad-i- a-ld gd'ske. Abrdm i-gidä s6bä kön-te-bdre dna-lä kusmme^ t-

10 §ä-ke Hardn-kin gä-sü-mä fd- naka.

5) Abrdm fi-sö'^ Sdrä dark- i-a-te, Lot i-ka-te, Hgidä büb-i-ä ime o-ynd-nia-te,^ deday

15 Hardn-lä o-kö-st-me-si i-g-gd-

Enoh-i eSodimoa, äba naSgdinay ide etiasi etäremoa aba natare- na: enabo kB k^bessa böbia, laggala köslmoa, gkoSodina ske.

Abram Anna aura kalla isa- ta gaske, gano Loth badiala gaske, Tde Abram iggvda Seb kontabäre anala küssume Uäke, Härankin gasümoa fanaka.

Fes7io derktate , Loth iäa- ikkate, bobia äiggidia unu ibo- bämoate, säbbäi böbia Häranla kitämoate, Abram iggäske; kg-

3) ,Wer dich segnet, den werde ich segnen und wer dir flucht, dem werde auch ich fluchen und durch dich werden alle Völker auf Erden gesegnet sein.'

4) Abram zog nun aus auf Gottes Wort und reiste fort und auch Lot folgte ihm nach. Abram aber war fiinfund- siebenzig Jahre alt, als er aus Haran zog.

5) Er brach auf und nahm Sara, sein Weib und Lot, seines Bruders Sohn, und alle Habe, welche sie besassen und die Kinder, die ihnen in Haran geboren worden waren, mit

1 §. 23 und 67.

» §. 197.

' Jeö-9-ke fnit.

^ Secnndum yerbum dei.

3 §.65; England*» isata gaske = i-sd-tä gd-tke er ging auf seine Wanderang.

Das folgende gano ist fehlerhaft und = gä-sö, §. 157. ^ Wortlich : sein Alter wurde (Uäke §. 65) siebenzig und dazu fünf,

§. 218. "^ fi-so aufstehend; Englund*8/e«no ist unrichtig; §.157 yonfs-ske er stand,

brach auf. ^ Alles Vieh, welches sie hatten; der entsprechende Satz bei Englund iat

wörtlich: alles das Seinige, sein Vieh, welches er gesammelt hatte, t-

böba-ke coUegit.

Die Knnama-Spracbe in Nordost-Afrika. 11.

93

ske,^ gä-mö Kandn Idga-lä gö- mu-nd-nä^ gd-nke. Kandn Idga- td o-li-nö.^

6) Abrdm lägä i-Jcddä-ke,^ 5 Sikem uküd-i-ä^ süka-te, Möre

uküd'i'ä äay böba-te-td^ y-ö-ke; Kandn ke wäynä fdnaka Idga- Id gö-nke.

7) Ottä"^ y-ö-nö Arinä Abrdm- 10 sH kö-nti'ke,^ kö-nti-nö w-udä-ke:

,e-ki-si wäynä Idgä büb-i-ä abd na-8ö-nä^ ske. Abdrma Abrdm Anna kö-nti-mä-wa-at itä k-ita- ke.^

Uno, Kanan laggata güsunaiia gaske.

Abram gad-oka gäske Sikem sökata Hai h^lla Morela. Oina fanaka Kananea-ke laggala go- nke.

Otta yono Anna Abramsi kontike; kontino udake: Ekkaisi olna lagga bobia aha nasüna ske, Ab^ima Abram Anna-ita kitake Anna konümoa iSüdi- nana.

sich, und sie wanderten um sich im Land Kanaan niederzu> lassen. Und als sie ins Land Kanaan gekommen waren,

6) Da durchwanderte Abram das Land bis zum Orte, dessen Name Sichem ist und bis zum Walde mit Namen More; damals sassen die Kanaaniter im Lande.

7) Als sie dort angekommen waren, erschien Gott dem Abram und sprach zu ihm : ,Deinen Kindern werde ich dieses ganze Land geben/ Da baute Abram ein Haus dem Gott, der ihm erschienen war.

1 Wortlich: die Kinder, welche in Haran geboren worden waren, nehmend ging er fort, i-g-gäake für »-Ar- = i-ka-gaske, i-kei-ke cepit, sumsit. Eng- lund^B Version lautet wörtlich: Sklaven ihre Gesammtheit , in Haran, die er gekauft hatte, i-tä-ke und ki-tä-ke er hat gekauft; zu ki s. §. 52, Anmerkung.

2 §. 144.

3 §. 62 und 108; zu Englund*B k(^ino -= ko-li-nö s. §. 52, Anmerkung.

^ Transivit; Englund's gctd-oka, wenn nicht für i-kddä-ke, ist mir un- verständlich.

^ Nomen ejus.

^ Wortlich: und zur Sammlung, Anhäufung der Bäume; Englund's elai h^Ua ist: arborum umbra.

7 S. p. 85, Note 6. ^ i-nU-ke er sah, kö-fUi-ke er wurde sichtbar.

^ §. 52, Anmerkung.

7**

94 V. Abh.: Keinisch. Die Knnama-Sprache in Nordost-Afrika. II.

Inhaltsverzeichniss.

Seite

1) Matterrecht bei den Kunama 2

2) Zwei Brüder 4

3) Dieselbe Erzählung in anderer Version 5

4) Zwei Freunde 7

5) Nutzen der Männer 8

6) lieber das Erschlagen der Greise 10

7) Blutrache 12

8) Der Jüngling, der seine Taler anbaut 14

9) Die einfältigen Eheleute 16

10) Die zwei Stotterer 18

U) Niemand entgeht seinem Geschicke 19

12) Die Frau und der Sklave 20

13) Der dumme Gatte 22

14) Der Mann, der Schakal und die Wahrsagerin 24

15) Der Elefant und der Fuchs 27

16) Die Hyäne und der Hund 33

17) Die Hyäne und der Esel

18) Dieselbe Fabel nach einer andern Version 37

19) Die Meerkatzen, die Pavia'ne und die Klippschliefer 38

20) Der LOwe, das Agazen und die Raubameise 39

21) Die Klippschliefer und die Elefanten 41

22) Der Homrabe, der Scliakal und der Rabe 42

23) Sprichwörter 44

24) Gespräche 48

25) Biblische Texte 77

1) Das Buch Rut

2) Leidensgeschichte Jesus 80

26) Anhang 85

1) Ein Gespräch

2) Ein Brief KolePs an die Missionäre 89

3) iMose 12, 1--7 91

VI. Abb. : Vrba. Beite&ge zur Geschiebte d<>r Aujpistiniscben Textkritik.

VI.

Beiträge zur Geschichte der Augustinisehen

Textkritik.

Von

Dr. Carl Fr. Vrba.

Jetzt, wo durch das Unternehmen der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien eine modernen Anforderungen entsprechende Neuausgabe der Werke des h. Augustin in Vor- bereitung ist, dürfte es nicht unzeitgemäss erscheinen, die Ge- schichte der Augustin -Ausgabe näher zu beleuchten, die vom Papste Sixtus V. (1585—1590) befohlen wurde und für die unter Clemens VIII. (1592 1605) eine Schaar auserlesener Philologen auf Grund der Vaticanischen Handschriften, denn nur diese sollten in Betracht kommen, die textkritische Grund- lage schuf. Diese Ausgabe ist aus Gründen, die wir nur ver- muthen können, nie im Drucke erschienen. Der damals ange- fertigte Apparat ist uns jedoch in den beiden codd. Vat. lat. 4991 und 4992 erhalten. Ich fand beide Handschriften, als ich jüngst nach Manuscripten für die antipelagianischeo Schriften des h. Augustin auf der Vaticanischen Bibliothek suchte. Sie bieten die Original -Collationen für jene Schriften Augustins, die in den Bänden II VIII der von den Theologi Lovanienses im Jahre 1577 besorgten Ausgabe enthalten sind, und geben die Möglichkeit, uns ein ziemlich klares Bild von dem Werden und dem Werthe jener unter dem gewichtigen Patronate des päpstlichen Stuhles vorbereiteten Ausgabe zu machen.

Diese Vorarbeiten haben aber auch auf die Gestaltung des Augustinischen Textes, wie er uns in der jetzt noch aliein gebräuchlichen Ausgabe der Benedictiner vom Jahre 1679—1700

SitzuDgsher. d. pbil.-bist. Cl. CXIX. Bd. 6. Abb. 1

2 YI. Abhandlong: Yrba.

vorliegt, einen ganz bedeutenden Einfluss ausgeübt. Die Bene- dictiner erzählen nämlich in der Praefatio generalis ihrer Aus- gabe (s. auch Schoenemann, Bibliotheca Patnim lat., t. II., p. 175fF*), dass ihnen auf Befehl des Papstes Clemens X., also ciroa 80 Jahre nach dem Tode Sixtus V., durch den Cardinal Bona jene Collationen zur Benützung ausgefolgt worden seien und sprechen sich an verschiedenen Stellen rühmend über diesen Apparat aus. Ausser jenen Collationen haben die Benedictiner für die in den Bänden II VIII der ed. Lovanienis enthaltenen Schriften Augustins nachweisbar keine Vaticani benützt, so dass die oben citirten beiden codd. thatsächlich den ganzen Vaticani- schen Apparat für diesen Theil der Mauriner Auegabe darstellen.

Welches waren nun die Handschriftenschätze der Vaticana am Ende des 16. Jahrhunderts, aus denen jene Collationen ge- schöpft wurden, und aus was für codd. setzt sich infolge dessen derVaticanische Apparat der Benedictiner eigentlich zusammen? Besitzen wir die Handschriften, aus denen jene Collationen stammen, heute noch? Wie arbeiteten die Gelehrten, welche die Collationen anfertigten, und welchen Gebrauch machten hin- wieder die Benedictiner von den ihnen überlassenen Collationen? Diese und ähnliche Fragen lassen sich jetzt aus den erwähnten beiden Handschriften mit ziemlicher Sicherheit beantworten. Vorher will ich jedoch kurz auf einen andern Umstand hin- weisen, der einigermassen befremdlich ist.

Es ist bekannt, dass die Theologi Lovanienses schon im Jahre 1577 mit grossem Aufwand von Arbeit und Gelehr- samkeit in schöner und zugleich praktischer Ausstattung die Schriften des h. Augustin herausgegeben hatten. Was konnte, fragt man sich, Sixtus V. veranlassen, höchstens dreizehn Jahre später eine Neuausgabe dieses Autors ins Werk zu setzen? Dieser Plan kann, glaube ich, nur von einem allgemeineren Gesichts- punkte aus erklärt werden: aus der Stellungnahme des Papst- thums in den theologischen Wirren des Jahrhunderts der Re- formation. Ich will nicht weit ausholen, sondera mich auf das beschränken, was sich durch Kundgebungen der Päpste, spe- ciell des Papstes Sixtus V. erhärten lässt. Es scheint die feste Ueberzeugung der massgebenden kirchlichen Kreise gewesen zu sein, dass die mangelhaften Texte der heiligen Schrift und der Kirchenväter den Dissidenten die wirksamste Hand-

Beitr&ge xnr Geschieht« der AngnstiniBchen Textkritik. O

habe zur Begründung ihrer Lehren gaben. Die Theologen der Reformation kämpften mit Waffen, die sie den landläufigen Texten der heiligen Schrift und der Schriften der Heiligen entnehmen zu können glaubten. Dem sollte begegnet werden. Schon das Tridentiner Concil hatte die Neuausgabe der Bibel ins Auge gefasst, deren Text als authentisch zu gelten hätte. Das grosse Werk konnte nicht sofort mit aller Energie in An- griff genommen werden. Der Erste, der es mit ernstem, un- beugsamen Nachdrucke betrieb, war Sixtus V. Doch damit begnügte sich der thatkräftige und glaubenseifrige Papst nicht. Damit das theologische Rüstzeug der Vorkämpfer des heiligen Stuhles vollständig sei, sollten auch die wichtigsten Kirchen- lehrer neu herausgegeben werden und endlich in definitiver, vom päpstlichen Stuhle sanctionirter Form erscheinen. Syste- matisch, wie es der praktische Sinn Sixtus V. nicht anders konnte, wurde hierbei zu Werke gegangen und flir das Unter- nehmen zunächst solide Vorbedingungen geschaffen.

Errichtete imVatican eine Druckerei in grossartigem Mass- stabe ein; mit Genugthuung spricht er von dieser Schöpfung in der Bulle ,Immensa aetemi Dei', auf die ich gleich zurück- komme. Auch um die. Vaticanische Bibliothek war er eifrig bemüht. Er Hess für dieselbe den Prachtbau aufftihren, der heute noch demselben Zwecke dient. Mit der Neuaufsteliung der Bibliothek war gewiss auch die Neuordnung derselben verbunden. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, dass damals die Vorarbeiten flir das ,Inventarium' der Vati- cana und die ,Indices^ zu demselben, die auch heute noch unser einziger Wegweiser sind, begonnen wurden. De Rossi * hat sich darauf beschränkt, zu bemerken, dass die Vollendung des In- ventarium ungefilhr in das Jahr 1620 falle. Ich glaube aus den Notizen, die sich in jenen beiden codd. finden, genauere Daten über die Abfassungszeit der ersten Bände des Inventa- rium beibringen zu können, worüber später. Ob jedoch durch oder unter Sixtus V. der Fundus der Vaticana durch Einver-

* ,De origine, historia, indicibns scrinii et bibliothecae Sedis Apostolicae commentMio loannin Baptistae de Rossi*, cap. XV. Die Abhandlung ist voraii8ge8chickt dem I. Bande der , Codices Palatini latini bibliothecae Vaticanae descripti praeside J. B. Cardinali Pitra, recensnit et digeasit Henricus Stevenson jun., recognovit J. B. de Rossi*, Rom 1886.

4 VI. Abhandlnng: Vrba.

leibung neuer Handschriften vermehrt wurde, ist mit Bestimmt- heit nicht anzugeben. Wir sind leider über die Geschichte der Vaticana in den letzten Decennien des 16. Jahrhunderts so gut wie gar nicht orientirt. Die Untersuchungen von Müntz und Fahre ' und die Fortsetzung derselben durch Müntz ^ reichen blos bis Paul III. (f 1549), und die Forschungen Nol- hac's"* beginnen wieder erst mit dem Jahre 1602, in welchem die Orsinische Bibliothek in die Vaticana gelangte.

Von besonderer Wichtigkeit wurde es jedoch, dass Six- tus V. eine eigene Commission von Cardinälen schuf, die für die Herstellung der geplanten Ausgaben der Bibel und der Patres Sorge zu tragen hatte. Als er nämlich durch die Bulle ,Immensa aetemi Dei^ die Eintheilung der Cardinäle in 15 Con- gregationen anordnete, wurde die 14. Congregation mit dieser speciellen Aufgabe betraut. Ich führe diese Stelle der Bulle ^ wörtlich an, weil ich auf dieselbe öfter verweisen muss:

Caeterum, cum ex omni antiquitatis memoria notum sit, quantam semper detrimejiti attulerint haereticorum aliorumque veritatis liostium insidiae et doli sacris Uhiis, sanctorumque Pa- trum Tnonimentis multis modis corrumpendis, quantamque hoc po- tissimum saecvlo animarum pemiciem importaverint eorundem librorum mendosae impressiones atque editiones impuro et pestifero haeresum fermento aHisque error ibus coinquinatae et cormptae: No8 volentes pro Nostra Pontificia solidtudine, ut haec praeclara et saltUaris nostra Iiaereditas a maiorUms accepta inviolata con- servetur, nuper eins rei caiLsa non mediocri Nostra impensa Typographiam Vaticanam ereximusj nunc autem pro rei et negotii gravitate infrascriptorum Cardinalium Congregationem statuimus, quibvs imponimus^ ut Sacra Biblia latinae vul- gatae, graecae et hebraicae editionis, decretales Epistolas,

^ "Lb. bibliotlieque du Vatican au XV* 8iecle d^apres des document8 in- ^^dits, par E. Müntz et P. Fahre (Biblioth^que des ^coles fran^aises d' Äthanes et de Rome, fascicule 48«). Paris, Thorin, 1887.

^ La hihlioth^que du Vatican au XVI* si^cle. Notes et Documents, par E. Müntz (Petite hihlioth^ue d^art et d'arch^ologie publice sous la di- rection de De Bonchand). Paris, Leroux, 1886.

' La bihlioth^que de Fulvio Orsini, par Pierre de Nolhac (Bihliotheque des Hautes-Etndes, fasc. 74*). Paris, Viewejr, 1887.

* Bullarinm »ive Collectio Constitutionum editarum a S. D. N. Sixto V., edita opera et industria Pauli Bladii. 2 Theile. Rom 1590.

Beitr&ge zur Geschichte der Augnstinischen Textkritik. O

Concilia generalia, aanctorum praecipuorum Ecclesiae Doctorum opera, caeteros denique lihros, quibus fidei catholicae doctrina, traditionesque ecclesiasticae conti- nentur et explicantur, quam emendatissime curent impri- mendos. Quare mandamus, ut vetustis manuscriptis emendatisque codicibvs adhibttis, praesertim ex nohili et optimis libris re- ferta Pontificia Vaticana bibliotheca, adiumento etiam^ stu- dio atque opera doctissimorum hominum ex omnibaa Christiani orbia nationibus per Nos aut successores Nostroa aelectorum, qui linguarum peritiasimi aint, libroa imprimendoa accurate diligenter- que conferant et recognoacant, ut eorum editio (quantum ßeri po- terit) integra atque incorrupta prodeat, Si quae vero graviorea dubitationea et difficultatea in veterum codicum auctoritate, libro- ruw correctione et emendatione inciderint (rebua priua in Con- gregatio7ie examinatia) ad Noa referant, ut in lectionum varietate id quod orihodoxae veritati maxime conaonum erit ex apeciali Dei privilegio huic sanctae Sedi conceaao atatuamua. Demum ea- dem Congregatio typographoa et librorum recognitioni praefectoa in quibuavia Chriatiani orbia regnia et provinciia admonebit, ut diligentem opportunamque operam ad aua quaeque officia fidelüer atque integre exequenda praeatent, in liirorumque huiuamodi edi- Hone accuratiaaime veraentur, et ad Vaticanae impreaaionia prae- acripium ac normam omnino ae coiiforment.

Huiua Congregationia Cardinalea hi aunt: Antonius Carafa, Franciacua de Gioiaa, Frater Conatantiua Sarnanua, Scipio Gon- zaga, Benedictua Juatinianua.

Datirt ist die Bulle: ,Apu(i S. Petrum a. 1587, XI kal. Febr. Pontificatus Nostri a. III.'

Von den hier genannten Cardinälen hat namentlich An- tonius Carafa, besonders bei der Herausgabe der Bibel, eine wichtige Rolle gespielt. '

Auch in einer späteren Bulle kommt Sixtus V. auf das- selbe Thema zu sprechen; es ist die Bulle ,Aeternus ille^, ge- geben ,Apud Sanctam Mariam Maiorem, a. 1589, Calendas Martii^ Wir lesen da:

^ S. ,Petri MoriDi, Parisiensis presbyteri et tbeologi, opuscula et epistolae, opera et stadio Fr. lacobi Qu^tif , Paris 1675, epistola XXXI., und ,Vitae et res gestae Poutificum et Cardinalium Alphonsi Ciaconii et aliorum opera descriptae*, Rom 1677, t. III., p. 1035.

6 VI. Abhandlnng: Yrba.

Cum primum ad Apostolicam heati Petri sedem Divina No8 miseratio, mentis licet imparibus, evocavit, nihil tandem anti- qyius habuimus quam, ut primo quoque tempore optatissimam istam Vulgatae editionis emendationem aggrederemur. Itaque viros complures doctos, qui sanctarum ScripturarujUy sacrae theologiae muUarumque linguarum scientia ac diutumo variarum verum usu acriqy^, cum aliquid discemendwm est, iudido ac solertia prae- starent, delegimus, ac simul congregavimus, ut in germana sin- ceraque sacri textus editione perquirenda laborarent, Nobisque adiumento forent. Nos enim rei magnitudinem ptrpendentes ex praedpuo ac singulari Dei privilegio et ex vera ac legilima suc-

cessiane Apostolorum principis beati PetH ad Nos in

eiusdem Petri Cathedra^ in qua eins vimt potestas et excellit auc- toritas, Deo sie disponente constitutos, totum hoc iudicium proprie ac spedaliter pertinere, Dei omnipotentis av^lio suppliciter in- vocato, et ipsius Apostolorum principis aud.oritate confisi ad pu- blicam sanctae Dei Ecclesiae utilitatem haudquaquam gravati sumus, inter alias Pontificiae solicitudinis occupationes hunc quo- que non mediocrem accuratae lucubrationis laborem suscipere, at- que ea omnia perlegere, quae alii collegerant aut senserant, diver- sarum lectionum rationes perpendere, sanctorum Doctorum sen- tentias recognoscere, quas quibus anteferenda essent, diiudicare adeOy ut in hoc laboriosissimae emendationis curriculo, in quo operam quotidianam, eamque pluribv^ horis collocandam duximvs, aliorum quidem labor fuerit in consulendo, Noster atUem in eo, quod ex pluribus esset Optimum deligendo, ita tarnen, ut veterem muüis in Ecclesia abhinc saeculis receptam lectionem omnino reti- nuerimus, Novam interea Typographiam in ApostoUco Vaticano palatio Nostro ad id potissimum magnißce extruximus, atque ad eius curam Congregationem aliquot sanciae Romanae Ecclesiae Cardinalium, et insigne collegium doctissimorum mroi'um fere ex Omnibus Christiani orbis nationibus et celeberrimis studiorum ge- neralium universvtatibus, amplis opulentisque redditibus dotatum deputavimus, ut in ea emendatum iam BibUorum volumen excu- deretur, eaque res quo magis incorrupte perßceretur, Nostra Nos ipsi manu correximu^, si qua praelo vitia obrepserant, et quae canfusa, aut facile confundi passe videbantur, ea intervallo scri- pturae ac maioribus notis et inteipunctione dlstinximus, Caeterum Nostri ne huius consilii institutique rationes ignorentur, sed potivs

Beitrige zar Geschichte der Aagustinischen Textkritik. 7

univeraae Ecdesiae catholicae, ipdqm posteritati notissvnuie ac testatissimae relinquantur^ cunctique fädle intelligant, qvisnam ordo in hoc opere conficiendo, quae lex aut meihodus inita, quae indagandi veri norma a Nohis sei'vata sit: iUud sane omnibiia certum atque exploratum esse volumuSy Nos, Nostros labores ac vigUias nunquam eo spectasse, ut nova editio in lucem prodeat, sed ut Vulgata Vetus ex Tridentinae Synodi praescripto emen- datissima, pristinaeque puritati, qualis primum ab ipsiv^ inter- pretis manu styloque. prodierat, quoad eins ßeri potest, restituta imprimatur . . .

Aus den beiden soeben angeführten Bullen ersehen wir auch^ dass Sixtus V. auf die Gestaltung des Bibeltextes persön- lich Einfluss nahm. Wie weit sich aber dieser Einäuss er- streckte, darüber gehen die Meinungen der Gelehrten aller- dings auseinander. Ihre Ansichten sind eben abhängig von d«n Quellen^ aus denen sie schöpften. Tempesti * z. B. bezieht sich bei seinen Aufstellungen auf Angiolo Rocca und den Car- dinal Santa Severina, der bekannte österreichische Geschichts- schreiber und Diplomat Baron Hübner ^ auf einen Bericht des Gesandten Badoer an den Dogen von Venedig. Ich dächte, die Frage könnte leichter geklärt werden, wenn man in erster Linie die Aeusserungen des Papstes selbst heranziehen würde. Eine, wie es scheint, bisher unbenutzte Quelle zur Lösung^ besitzen wir in den Breven, mit denen Sixtus V. die Ueber- sendung der Bibelexemplare an die einzelnen gekrönten Häupter, Fürsten und andere Stützen der katholischen Religion in jener für den päpstlichen Stuhl so bedrängnissreichen Zeit begleitete. Diese Breven sind ausserordentlich zahlreich; sie sind sämmtlich vom 29. Mai 1590 datirt. Dieselben beweisen übrigens auch, dass spätestens an diesem Tage die Bibel fertiggestellt war und gegen Tempesti a. o. O. sei dies bemerkt dass die Exemplare dieser Bibel nicht so selten sein können, als er glaubte, und dass jenes Exemplar, welches er in der Bibliothek

1 Casimiro Tempesti, Storia della vita e geste di Sisto V., Venezia 1754, Bd. n. Buch 4, n. XVH ff.

2 Sixte-Quint, Paris 1870, Bd. Et, p. 28 ff.

3 Schätzenswerth in dieser Beziehung sind auch die Briefe des Petrus Morinus (s. oben S. 3, Anm.), namentlich der Brief an Sixtus V.: ,De LXX Interpretibus et Graecorum Bibliorum editione*, p. 303 ff.

8 VI. AbhandlQog: Yrba.

des Priocipe Barberini zu Rom gesehen hat, lange kein ver- einzeltes ist. Ich selbst citirte die oben angeführten Stellen aus der Bulle ,Aeternus ille* nach dem Texte, wie er sich in einem Exemplare dieser Bibel, das mir in der hiesigen Biblio- teca Nazionale zur Hand war, vorausgeschickt ist. Der Titel der Bibel Sixtus V. lautet: ,Biblia Sacra vulgatae editionis ad Concilii Tridentini praescriptum emendata et a Sixto V. P. M. recognita et approbata, Romae, ex Typographia Apostolica Vaticana, 1590/ Der Vertrieb dieser Bibel scheint jedoch kurze Zeit nach ihrem Erscheinen sistirt worden zu sein und an ihre Stelle trat unter dem Pontificate Clemens VIII. im Jahre 1592 eine andere Ausgabe unter dem Titel: ,Biblia Sa- cra vulgatae editionis Sixti V. Pont. Max. iussu recognita atque edita, Romae, ex Typographia Apostolica Vaticana, 1592.' So interessant die Bibelausgabe Sixtus V. an sich als Ausdruck einer gewissen Tendenz ist, so will ich doch nicht länger bei derselben verweilen, sondern meiner eigentlichen Aufgabe näher zu kommen suchen.

Aus der oben angeflihrten Stelle der Bulle ,Immensa aeterni Dei' ergibt sich weiters, dass die Congregatio super Typographia Vaticana deputata sich nicht auf die Ausgabe des lateinischen Bibeltextes allein beschränken sollte, sondern auch den Auftrag hatte, die bedeutendsten Doctores Ecclesiae und an- dere für die Kirche wichtige Werke den Intentionen des Papstes entsprechend neu herauszugeben. Genaueren Bescheid über den Umfang dieser Thätigkeit geben uns die früher erwähnten Briefe des Petrus Morinus, von dessen Bemühungen besonders um die Ausgabe des h. Augustinus ich noch ausführlicher sprechen werde. Besonders aufschlussreich ist epistola IV., ad Cardina- lem Borromaeum, vom Jahre 1593: Ex iis quae potissimum ab Apostolica Typographia proßcisci oportuit Biblia Graeca pri- dem edita sunt, nuper vero Latina Biblia, et Summorum Pontt- ficum Decretales Epistolae, dudum praeter ea Romae ex- cusa sunt opera S, Hieronymi, deinde S. Ambrosii: proxime vero S. Gregorii Magni. Biblia Hebraica et volumina Conciliorutn restant: quae ab Amplitudine Vestra lllustrissi' ma ad felicem exitum, iuvante Deo, perducentur : et Augu" 8tinu8 cuius parandi provindam Illustrissimus D. Cardinalis Älanvs suscepit: ac S, Hilarius^ quem Bandinus habet pa-

Beitrüge zar Geschieht« der Augustinifichen Textkritik. 9

ratum: et &• Leo, qtiem adomaturus est Gerardus Vosnus, Nam Tertullianum et Cyprianum ne desideraremus, Pamelius »ummus vir egregie atuduit, Si qua vero in Cypriano etiam anim- advertenda sunt, ea Bandinus annotata habet et K, Abbas Adria- Titw in ii8 Studium suum profitetur, Irenaeum, qui in utris nu- meretur, viscdum certum est Latinisne an Graecis, Feuardentius dedit Amobii d&nium, Lactantii, Luciferi Calaritani, Prosperi, Salmani, Ruperti, Anselmi, caeterorumqus editionibus contenti esse possumus. Graeci scriptores Latine versi sunt: plerique etiam Gfraece editi, Dionysius, Ignatius, lustinus, Clemens Alexandri- nus, Eusebitis, Basilius, Nazianzenv>s, Eptphanius, Isidoras Pelu- siota, Sinesiu^s: et Hebraei, quibus Ecclesia utitur, Philo ac losephus. Verum supersunt in universa Biblia Latine transfe- rendi Commentarii, perquam egregii, quae Catenae vocan- tur: immensum opus, cuique multa manu est opus: tum prae- dari aliquot scriptores excudendi Graece, SS. Athanaaius, Oregorius Nyssenua, loannes Chryaostomus, item TheodorituSf et Origenis octo libri adversus Celsum, qui- bus luculenta fidei Christianae def&iisio comprehenditur. In urbe degunt aliquot Graecarum litterarum periti, Messius, Macarius, BressiuSy Cabrera: qui utinam collocentur in Vaticano prop- ter Bibliothecam, ut una his operam atque industriam navent. Verum, Blustrissime Domine, ut de his agam, quae in prae- sens capessenda sunt, S. Bonaventura Typographiae ali- quot abhinc annis mandatus quam pnmum absolvendus est, ac eidem Typographiae commendanda Oecwinenica Oraeca Latinaque Concilia, in quibus authore ac duce Hlustrissima Amplitudine Vestra praecipuum Studium meum consumitur. Vgl. auch epp. V., IX., XXIII. XXVI., XXXL, XXXII. und ep. XXXVI., in welcher von der Ausgabe des Gennadius die Rede ist. Wir sehen, es ist ein ganz stattliches Arbeits- programm, das Morinus, der damals Secretär der Congregatio super Typographia Vaticana deputata war, hier bespricht. Vielleicht verdanken wir, nebenbei gesagt, diese weitaus- greifende Ausführlichkeit zum Theile auch dem Umstände, dass dies Programm, an dessen Ausführung er durch seine dienstliche Eigenschaft Antheil hatte, gewissennassen die Ein- leitung und Begründung für die Bitte um Erhöhung seiner ,annona' und seiner Bezüge ist.

10 VI. Abhandlung: Vrba.

Ganz besonders reichlich fliessen in den Briefen Morin's die Nachrichten über die Neuausgabe des h. Augustinus. Es sind nicht weniger als zehn Briefe, die sich ausschliesslich mit derselben beschäftigen: epp. XIII. XIX. und XXVIII. XXX. Gerichtet sind diese Briefe zumeist an den Cardinal Caietanus, der ein hervorragendes und einflussreiches Mitglied jener Congregation war. Sie stammen fast sämmtlich aus dem Jahre 1595, nur ep. XUI. ist im Jänner des Jahres 1594 und der oben in extenso citirte vierte Brief im Jahre 1593 ge- schrieben. Die Briefe fallen also insgesammt in die Regierungs- zeit Clemens VIII. (1592 1605). Dieser Umstand kann uns nicht wundernehmen: die Briefe sind sämmtlich Urgenz- schreiben und dazu bestimmt, das Interesse für die Augustin- Ausgabe, das nach dem Tode Sixtus V. (f 1590) in dem raschen Regierungswechsel seiner Nachfolger: ürban VII. (t 1590), Gregor XIV. (f 1590) und Innocenz IX. (f 1591) stark abgekühlt war, wieder anzufeuern. Namentlich wenn es sich um Geldauslagen handelte, hatten Morinus und die bei der Ausgabe beschäftigten Gelehrten, wie wir sehen werden, mit ganz ausgesprochener Apathie der hohen Würdenträger zu kämpfen. Die Rollen waren eben gewechselt. Solange Six- tus V. lebte, war er die Seele des ganzen Unternehmens; nach seinem Tode sind die Gelehrten, deren wissenschaftliche Reputation engagirt war, und die vielleicht auch durch ihre materiellen Interessen an das Unternehmen gewiesen waren, die Hauptförderer desselben. Dass Sixtus V. in einem beson- deren Erlasse an die 14. Congregation die Herausgabe des h. Augustinus angeordnet hatte, ist nicht zu bezweifeln. Mori- nus beruft sich in dem 27., an den apostolischen Schatzmeister Bartholomäus Caesius gerichteten, Briefe (ddo. März 1595) aus- drücklich auf ein Breve : Quomohrem Illustrunmam Dominatianem Vestram summo studio oro, ut, cum ei tantae curae Typografhia Apostolica sit, cumque inteUigat, inßnitum harum commentationum opus maturandum esse, nee uUo modo intermitti debere, velit Cor- rectoribus quamprimum providere in Universum hoc corpus (es handelt sich um den Ankauf der ed. Lov., nach welcher die Collationen für die neue Ausgabe des Augustinus gemacht wurden) quod et publicum esse oportet, et Bibliothecae tandem Vaticanae custodiendum mandari, cum ex eo in alitui corpus,

Beitrige lar Oeschichte der Angnslinischen Textkritik. 1 1

quod itidem emendum tum erit, translata fuerint, quae Am- plisnmi Patres ex formula diplomatis Sixti V, fei, record, excu- denda edendaque iudicarint. Die gesperrt gedruckten Worte sind nur ein anderer Terminus für das, was wir ein ,Breve^ nennen. Ich habe, leider ohne Erfolg, im Vaticanischen Archive nach diesem Breve gefahndet; das Lateranensische Archiv ist un- zugänglich. Wir hätten aus demselben etwas Authentisches über die Gründe erfahren, die Sixtus V. zur Neuausgabe des Augustin veranlassten, trotzdem wenige Jahre früher die in ihrer Art gewiss bedeutende ed. Lov. erschienen war. So blei- ben wir auf die Andeutungen der Bulle ,Immensa aeterni Dei' (s. oben S. 4) und auf Deductionen aus den kirchlichen Ver- hältnissen jenes Jahrhunderts beschränkt. Die Briefe Morin's spiegeln nur die Hoffnungen wieder, die er selbst und die gelehrten Verfasser der Collationen an ihr eigenes Werk knüpften. Die Lovanienses hatten nur belgische Handschriften benützt. Femer hatten sie für eine Reihe von Augustinischen Schriften nur die Titel geben können, die ihnen aus den Re- tractationes und aus anderen Quellen bekannt waren. Bei der hohen Meinung, die man in Rom von den Schätzen der päpst- lichen Bibliothek hatte (s. oben S. 5), konnten die Veranstalter der neuen Ausgabe leicht auf den Glauben geführt werden, die ed. Lov. in jeder Richtung überbieten zu können. So schreibt Morinus im Juni 1595 (ep. XV.) an den Cardi- nal Caietanus: Egregios enim esse Vaticanos libros, magnumque eorum esse numerum, unde variae lectiones excerpuntur, pleraque item, quae in Lovaniensibus libinSy quantumvis accuratis, deside^ rantur: ut haec editio, Vestra, Amplissimi Patres, atUhoritate su- scepta, Christianae doctrinae Iticem allatura sit. Aehnliche Er- wartungen drückt Morinus in der ep. XVH. aus: Vix did potest, quantopere libri Vaticani excusos iam ac divulgatos adiu- vare et iUustrare possint.

Durch die Briefe Morin's erfahren wir auch Näheres über die Thätigkeit der obgenannten 14. Cardinal-Congregation im Allgemeinen und über ihre Antheilnahme an der beabsichtigten Augustin-Ausgabe im Besonderen.

Die erwähnte Constitution Sixtus V. hatte den Wirkungs- kreis der 14. Congregation allgemein dahin umschrieben, dass diese gewissermassen die oberste Instanz für die Besorgung

12 VI. Abhandlung: Vrba.

der von Sixtus V. geplanten Ausgaben bilden sollte. Ihr offi- cieller Titel lautete: ,Congregatio XIV. super Typographia Vaticana deputata.' In den Briefen Morin^s wird sie bald jTypographicus Conventus' (ep. IV., V.), oder ,Typographicu8 Coetus^ (ep. XXX.), bald allgemeiner als jAmplissimi Patres, qui Typographiae Apostolicae praeestis' (ep. III.); ,Illustrissimi Domini ad hoc munus a Sanctissimo Domino Nostro lecti' (ep. XV.) und ähnlich bezeichnet. An der Spitze der Congre- gation steht ein Präsident. In der ep. XVI. vom Jahre 1595 z. B. wird der Cardinalis Veronae als ,Vestri Sacri Conventus in praesentia princeps^ bezeichnet. Die Congregation hält Voll- sitzungen ab, in denen die Qrundzüge der Arbeiten besprochen und Referate erstattet werden; s. ep. XV. Handelte es sich um AnschaflFungen, z. B. um den Ankauf des Corpus der Werke Augustins, so scheint auch der päpstliche Schatzmeister zu- gegen gewesen zu sein; s. epp. XXX. und XVI. Zur Lösung specieller Aufgaben, wie z. B. zur Ueberwachung der Aus- gabe eines Schriftstellers, delegirt die Congregation einen Car- dinal aus ihrer Mitte. Dieser erscheint seinerseits wieder als der Präses einer Commission von Gelehrten, welche die eigentlichen Arbeiten und Vorstudien besorgen. Morinus hat uns die Namen zweier Cardinäle überliefert, die der Com- mission für die Augustin- Ausgabe vorstanden. In der vierten, an den Cardinal Borromaeus im Jahre 1593 gerichteten, ep. schreibt er: S. Augustinus, cutus parandi p7*ovinciam Rlusfrissimus D. Cardinalis Alanus stiscepit, Alanus starb im November 1594. Im Jahre 1595 hat dieses Amt der Cardinalis Veronae inne. Es ist dies der um die geplante Augustin- Ausgabe hoch- verdiente Augustinus Valerius, der seinem Onkel, dem Cardi- nal Navagero, auf dem erzbischöflichen Stuhle von Verona nachgefolgt war. Morinus erwähnt ihn in der oben citirten ep. XVI. vom Jahre 1595: . . apud lllustrissimum Dominum Car- dinalem Veronae, qui Vestri sacri Conventics in praesentia prin- ceps est, ac sententia Vestra huic editioni praefectus. Vgl. ep. XXIX. ad Thesaurarium Apostolicum D. Bartholo- maeum Caesium, ddo. März 1595: Uluatrissimus D, Cardinalis Veronae coetum habere avet eorum, qui dant, quique daturi sunt S, Augu^stino operam. Der Verfasser der Collationen für die Schriften Augustins, die den im IV. Bande der ed. Lov. ent-

Reitr&ge znr Genchichto der Augrastinischcn Textkritik. 13

haltenen Augustinischen Schriften entsprechen^ verweist auf seine Intervention cod. Vat. lat. 4991, fol. 403: Ex mandato dni, Cardinalis Veronenais d, Marinus, custos bibliothecae, mild dedit qaartum tomum operum d, Augustini inquinatum et contami- natum die lunae 25. Jvlii 1597 j cuius libri primi de Mendatio eodeni die, deo duce, diversas lectiones coepi colUgere ex uno solo exemplari manuscripto Vaticani, Nebst den Cardinälen Alanus und Augustinus Valerius hat auch der berühmte Verfasser der Annales Ecclesiastici, Cardinal Baronius, eine führende Rolle gespielt. Der Verfasser der CoUationen ftir die im V. und VIII. Bande der ed. Lov. enthaltenen Schriften erzählt nämlich (cod. Vat. lat. 4992; fol. 132), dass der apostolische Bibliothekar Car- dinal Baronius die Cardinäle Peronius, Bellarminus, Arigonius und Caesius ^ zu einer Conferenz berufen habe^ in welcher über die Handschriften, welche für die Schrift De civitate Dei coUationirt werden sollten, Beschluss gefasst wurde. Diese Nachricht ist zugleich wichtig für die Bestimmung der Zeit, in welcher die CoUationen für die vorhin erwähnten Bände der ed. Lov. verfertigt wurden; ich werde später über dieselbe genauer handeln. Ausser den bisher genannten Cardinälen scheint auch der Cardinal Caietanus, und zwar in hervor- ragender Weise, an der Augustin-Ausgabe betheiligt gewesen zu sein; an ihn richtete Morin in den Jahren 1594 und 1595 die epp. XIII. XIX. (man beachte besonders ep. XV.).

Die 14. Congregation verfügte auch über einen Secretär. Dies agendenreiche, aber, wie es scheint, schlecht bezahlte Amt hat Morinus in den Jahren, während welcher die Vorbereitun- gen ftir die Augustin-Ausgabe getroffen wurden, innegehabt. Er selbst bezeichnet sich an mehreren Stellen als Secre- tarius. In der ep. VIII., die er im Jahre 1594 an den Cardinal Borromaeus richtete, schreibt er über sich: Haec senectutis aetas, cum Secretarii coniuncta munere, lllvMrissimam Ampli- tudinem Vestram, me etiam tacente, hortatur ac orat, ut officio meo Solarium studeat impetrare etc. Secretarius nennt er sich ferner in der ep. X., die er im April 1595 an denselben Car- dinal schrieb. Vgl. auch ep. IV. Als Secretär der 14. Congre-

> Cardinal CaesiUR ist derselbe, an den Morin im Jahre 1595 die epp. XX VII bis XXX. geschrieben hat.

14 VI. AbhsndlDiig: Trhi.

gation hat Mortn gewiss eine ganz hervorragende Rolle in den gelehrten Kreisen Roms geBpielt. Sein Name ist mit allen wissenschaftlichen Unternehmungen jener Congregation auf das Innigste verknüpft; seine Briefe geben uns hierüber ein lehens- volles, wenn auch manchmal durch kSelbstbewusstsein getrübtes Bild seiner vielseitigen Tbätigkeit. Sein äusserer Lebenslauf, den der Dominicaner Qui^tif a. o. 0, detaillirt beschrieben hat, bietet nichts Besonderes. Er ist eine jener schaffens- und entbehrungsreichen Gelehrtenexistenzen seiner Zeit, für deren Arbeit die Mitwelt viel Bewunderung, einige Ehrungen, gar keine materielle Anerkennung zur Verfügung hatte. Als hochbelagter Greis schreibt er in dem im Jahre 1595 an Sil- vius Antonianus, den Praefectus cubicult Apostolici, gerichteten und ,De pristinae vitae suae ratione et laboribus, eorumque obtinenda remuneratione' betitelten Briefe: Mtiitum adiuvare me potegt Reverevdismma AmpHtuäo Vesfra minierlg mei sti- pendiis ah Sancfiasimo Domino Nostro imyeirandia : idqrte ut fa- ciat, ah ea stimnw givdlri peto. Qfiod si Talionis ac necesei- ludinea mfiae ferre pogsent, ut hac ope rarerem grßtuitamque operam Prinäpihut ApotloliciK, Sancinequ« Sedi Aposf-nUcae na- varem: nnn vid^o qtiid mihi optahilius in vitn ronlingere potitit. ValMndo iam afff.Ha ef af.tag ingravescens urget, ttf qnilm* »nb- gidiix iuvKvi» innrere potui, ea demum quaeratn aenex. Diesen unbehaglichen, fast in jedem Briefe wiederholten Bitten und Klagen folgt, wie stets, die Aufzählung seiner wtssenschaft- hchen Leistungen, deren er gewiss nicht wenige aufzuweisen hatte. Der Drang nach wissenschnftlicher Bethiltigung hatte ihn schon als Jüngling aus der gallischen Heimat nach Italien getrieben, der damaligen palaestra studiorum. Im Jahre 1575 finden wir ihn zum zweiten Male in Rom, wo er sich blei- bend niederliess; er besuchte, wie er selbst orzÄhlt, mit Eifer die Valicanische Bibliothek, collationi'rte, excerpirte, notirte, emendirte, commentirte, edirte mit groBsem Fleisse. Die enorme Vraft, die in diesem Manne stak, fand natürlich als- nützer. Sixtus V. war schon als Cardinal auf ihn auf- 1 geworden (s. ep. XXXI.), als Papst scheint er ihn st beschäftigt zu haben (s. ep. I.). Dass Morinus spä- Secretär der 14. Congregation bestellt wurde, habe ich rwähnt. Im Jahre 1595 hat er auch das Amt eines

Beitrige zur Geschieht« der Aug^nstinischen Textkritik. 15

Praefectuß Typographiae Apostolicae bekleidet (s. ep. XXIV., vom Sextilis 1595). Wie sich sein später Lebensabend gestaltet hat, wiesen Wir nicht; Qu^tif vermuthet, dass Morinus im Jahre 1608 in Rom gestorben ist. Ich habe es absichtlich unter- lassen, die ausgebreitete wissenschaftliche Thätigkeit Morin's des Näheren zu schildern ; seine Bemühungen um die Ausgabe des Augustinus dürfen jedoch nicht unerwähnt bleiben. Bei dieser scheint er nach dem Tode Sixtus V. die wichtigste Rolle gespielt zu haben. Aus seinen Briefen gewinnt man den Ein- druck, dass er sozusagen das Factotum des Unternehmens ge- wesen sei. Er sucht bei den einflussreichsten Mitgliedern der Congregation das ermattete Interesse für das Werk zu wecken und rege zu halten, indem er bald auf die Wichtigkeit der Ausgabe für die katholische Welt, bald wieder auf den Auf- trag des verstorbenen Papstes hinweist (s. besonders epp. XV., XVIL, XXVIIL, XXIX.). Er erstattet Vorschläge an die Con- gr^ation betreffs der Auswahl jener Gelehrten, welche die Collationen der Vaticanischen Handschriften vornehmen sollten. Er tritt dafür ein, dass für diese Männer ein Collationsexem- plar der Augustinischen Schriften angekauft werde (es kostete bei den damaligen Verhältnissen wahrlich nicht geringe Mühe, dies durchzusetzen, wie wir sehen werden) und sieht es als seine Pflicht an, auch den Anwalt ihrer anderweitigen privaten Ansprüche abzugeben.

Von den drei Factoren, durch deren Zusammenwirken die Augustin -Ausgabe zustande kommen sollte, habe ich bis jetzt nur zwei berührt: Ich habe auf die Initiative des Papstes Sixtus V. hingewiesen und die Thätigkeit der 14. Cardinal- Congregation erörtert. Als dritter Factor erscheinen die Ge- lehrten, denen wir die Redaction jener Collationen verdanken. Was wissen wir über diese Männer?* Ich muss etwas weiter zurückgreifen, um kurz sein zu können. Aus der Bulle ,Aeter- nus ille' (s. oben S. 6) ergibt sich, dass Sixtus V. eine Schaar ausgezeichneter Gelehrten um sich vereinigte, welche die Ar- beiten für die Neuausgabe der Bibel besorgen sollten. Ihre Namen hat uns Morinus in den epp. I. und XXXI. erhalten. Für ihren Unterhalt hatte Sixtus V., wie er am obigen Orte sagt, ,amp]is opulentisque redditibus* vorgesorgt. In der That scheint es ihnen auch später an dem Nothwendigen nicht

]() VI. Abhandlang: Vrba

gefehlt zu haben. S. epp. VH., XV., XVm., XXVHI. Ob diese Gelehrten schon unter Sixtus V. eine Organisation hatten, ob ihre Zahl fixirt war, wer damals über sie zu disponiren hatte, weiss ich nicht anzugeben. Die Andeutungen Morin's in dem ältesten Briefe, der an Sixtus V. gerichteten ep. I., sind zu un- bestimmt, als dass aus ihnen irgend etwas entnommen werden könnte: Atque ideo mirandum non fuit, cum Biblia Graeca in- spidenda atque edenda essent, varietatesque lectionum ei inter- pretatianum annotandaej Cardinalem Carafam accerdvisse aliquot vir 08, qtL07*um conventum ad horum explicationem haberet, Tur- rianum, Ciaconium, postea etiam Maldonatum aliosque^ quo- rum industriam huic opeH accommodafnm esse intelligebaL Unter Clemens VIII. hingegen bildeten jene Gelehrten, die von Morinus consequent Scholastici, gewöhnlich mit dem Attri- bute ,Vaticani', genannt werden, sicherlich schon eine fest or- ganisirte Körperschaft. In der im Jahre 1595 geschriebenen und an den Cardinal Caietanus adressirten ep. XVII. lesen wir: Hie autem Status est Apostolicae Typographiae, cui, Patres Anvplissimiy praeestis, uty cum a prindpio Sanctissimus Domi- nus Noster sex Typographiae suae Sckolasticos legerii, eosque per Sacram JEpistolam^ iusserit tum Illustrissimo D. Biblio- thecario Apostolico^ tum Vobis, Patres Amplissimi, purere, inque Vestra potestate aique authorUate esse: duo postea super- numerarii sint adiuncti, pridem R, Obrius, Doctor Sorbonicus, ac proxime R, Joannes Domiricus Troianus, Reoerendissimo vero D, Sacristae Apostolico subrogatus sit R, Aldus Manutius, sicque octo numero sunf. Nur der regierende Papst Clemens VIII. kann mit ,Sanctis6imu8 Dominus Noster' bezeichnet sein; würde es sich um Sixtus V. oder überhaupt um einen früheren Papst handeln, so würde sich Morinus auch hier etwa so wie in epp. VIII. und XVIII. ausgedrückt haben und hätte sicher nicht unterlassen, das übliche ,fel. record.' oder etwas Aehn- liches hinzuzufügen. Die Anzahl der Mitglieder dieser Schola war, wie uns die Nachricht Morin's lehrt, auf sechs fest- gesetzt, konnte aber auch überschritten werden. Die Instanzen, denen die Schola untergeordnet ist, sind: die 14. Congregation und der apostolische Bibliothekar. Aus der Reihe der Scho-

* Auch dieses Hreve war nicht aufxutindeii.

Beitrftge zur Geschichte der Augustinischen Textkritik. 17

lastici, zu denen auch Morinus gehörte ^ wurden die Männer gewählt^ welche die CoUationen für die Augustin- Ausgabe vor- zunehmen hatten. Die hierzu erkorenen Gelehrten wurden zur Disposition eines Cardinais gestellt, den die 14. Congregation ad hoc aus ihrer Mitte abordnete (s. oben S. 12). Auf diese Weise wurde flii' die Vorarbeiten und Vorstudien eine eigene Commission geschaffen. Im Schoosse dieser Commission wurde sodann die zu bewältigende Arbeit in Partien oder Sectionen getheilt und die einzelnen Partien den einzelnen Scholastici zugewiesen, denen wieder fbr die mechanischen Arbeiten eine Anzahl von Clerikern beigegeben wurde. Da die CoUationen der Vaticanischen Handschriften auf Grund der ed. Lov. an- gefertigt werden sollten, war es natürlich, dass die Arbeit nach den Bänden dieser Ausgabe aufgetheilt wurde. S. ep. Xni., ddo. Januar 1594 : Ac de corpore operum 8, Augustini di- xit mihi llluairiasima Amplitvdo Vestra, conoenire, id esse pu- blicum ac Sanctae Sedis Apostolicae: ut Scholasticis Vati- canis ad conferendos manuscriptos libros et ad varie- tates lectionum annotandas singuli tomi, prout opus erit, distribuantur; ep. XXX., ddo. Juni 1595: lllustrissimus D, Cardinalis Veronae coetwm habere avet eorum, qui dant, qmque datwri sunt 8. Augmtino operam: neque id ante expedit, quam universorum operum ad eum corpus sit allatum, ut singulis classium principibus singulos dividat tomos. S. ferner epp. XIV., XVII., XXVII.

Erhalten sind uns, wie schon oben bemerkt wurde, nur die CoUationen für die in den Bänden II - VIII der ed. Lov. enthaltenen Schriften Augustins, und zwar im cod. Vat. lat. 4991 die CoUationen für die Schriften in den Bänden II- IV und VI— VII, im cod. Vat; lat. 4992 die CoUationen fUr die Schriften, die in den Bänden V und VIII der ed. Lov. publi-

^ Er schreibt in ep. X., ddo. April 1595: Postquam abhhic viginU anni» Bomam SancU Jubilei eaiissa veni, ac navavi prhnum operam in Bihlüa QraecU, deinde in Latinis, et in condendo Indice, edendisque Sunimorum Ponlificum IJecretalibua Epiatolis, accidit, ut ad Uhutrissimam AmpUtudineni Vetttram summa editionia ConcUiomm rediret, atque «n eiiw cUenlelam ac patrociniuvi venireniiu» quotquot Scholastici Oonciliis dabamus ope- ram ac Typoifraphia^ Apostolicae, Nee vero senecta retardavit, quo- m,inus in Scholastica militia veteranus perseverarem etc. SiUunpsber. d. phü.-hi«t. n. CXIX. Bd. ß. Abli. 2

18 VI. Abhandlung : Yrba.

cirt sind. Es fehlen demnach die Collationen für sämmtliche Werke Augustins, die in die Bände I, IX, X der ed. Lov. eingereiht sind. Ob für die in den Bänden IX und X ed. Lov. enthaltenen Schriften überhaupt jemals Collationen verfertigt wurden, ist sehr zweifelhaft. Sicher ist dagegen aus den Brie- fen Morin's, dass für die im I. Bande der ed. Lov. stehenden Werke Augustins Variantenverzeichnisse angelegt worden waren, die uns jedoch nicht erhalten sind. Morinus berichtet nämlich in mehreren Briefen ausdrücklich, dass der Abt Adrianus mit der Anfertigung von Collationen für die im I. Bande der ed. Lov. enthaltenen Schriften Augustins sich beschäftige. Aus dem Datum dieser Briefe können wir auch unge&hr die Zeit bestimmen, in welcher Adrian an seinen Collationen arbeitete. Im Januar des Jahres 1Ö94 schreibt Morinus an den Cardi- nal Caietanus (ep. XIII.): InsHtores Universum corpus R. D. Abbati Adriano vendiderant ac fradiderant, fidem eius de pretio secuH. Coepif D. Abbaa primum tomum excolere in eoque varietafes notare. Ita videt lUustrissiina Vestra AmpU- tudo^ rem iam affeciam esse, Proocimo vero sancto Natali Do- mini contendit institor, vel pretium sibi repraesentandum esse, vel libros, Hanc enim legem sibi a Dominis dictum, JUxque, cum pretium ad diem non solverefur, libros abstulit: idque, ut antea significavi, quod mirum. est, affecto iam opere: vi necesse sit satis- fieri institoribus remque in integrum restitui. Daraus ergibt sich, dass Adrianus zu Ende des Jahres 1593 mit seinen Collationen schon seit einiger Zeit beschäftigt war. Unser Brief gewährt uns auch einen aufschlussrcichen Einblick in die trostlosen Verhält- nisse, mit denen der Arbeitseifer der Scholastici nach dem Tode Sixtus V. zu kämpfen hatte. Ist es schon an und für sich auffallend, dass die päpstliche Bibliothek die Ausgabe der Lo- vanienses nicht besass, so ist es um so bezeichnender, dass es so vieler Schreibereien und Bitten bedurfte, bis dieselbe an- gekauft wurde, zumal ja auf Grund dieser Ausgabe die Col- lationen gemacht werden sollten. Der Ankauf des Corpus der Werke Augustins war wohl von der 14. Congregation be- schlossen worden ^ und auch der päpstliche Schatzmeister hatte

1 Rp. XXX., ad D. Bartholomaeum Caesinm, Thesanrarium ApoBtolicnm, ddo. November 1695: Summe studio preroj' lüiutristimam AmpUtudmem

Bei triefe znr Oeschicbte der Angustioischen Textkritik. 19

an dem Beschlüsse theilgenommen. Zur Ausfuhrung desselben kam es jedoch noch lange nicht. Vom philologischen Feuer- eifer ergriffen und wahrscheinlich auf eine prompte Ausführung jenes Congregationsbeschlusses rechnend, hatte Abt Adrian auf Credit die Augustin- Ausgabe von den Buchhändlern ent- nommen und ihnen die Bezahlung durch die päpstliche Gasse ftir Weihnachten 1593 in Aussicht gestellt. Was folgte, zeigt die oben citirte ep. XIU. Der Zahltermin wurde nicht ein* gehalten, die Buchhändler erschienen beim Abte und ent- führten das Corpus. Die Verlegenheit war gross; Morinus trat in Action. Er beschwört den Cardinal Caietanus, * er bittet den päpstlichen Schatzmeister Barth. Caesius flehentlichst, ^ sie möchten sich doch im Interesse der guten Sache fUr den end- lichen Ankauf des Corpus einsetzen. Etiamne expectandum est, schreibt er an den ersteren in der ep. XIX., September 1595, dum Scholastici Vaticani Deum homiiiesque testantur, non culpa 8ua esse se cessaturosf Studiumque sibi esse, egreglam navandi copiam, sed materiam non suppetere, lUustrissime Domine, oh- secro, ut hoc tandsm Operum S. Atigustini Coipua ematur etc. Umsonst weist Morinus darauf hin, dass es nicht angehe, dass die Gelehrten die kostbaren Bücher aus eigener Tasche kaufen: Nee verum nequum videiwr, niuati'issime Domiiiej communi illo- rum (zu ergänzen ist: Scholasticorum) sumptu corpus hoc emi, Singulos autem singula corpora emere, nimis sumptuosum est et grave, ac praeterea et supeiwacaneum. Si vero communi sumptu emerint, constitui non potest^ penes quem tandem Universum cor- jms esse oporteat, sociorum damno, Singulos autem Correctores singulis tomis, quos cjommentati fuerint, pofiri, inutile ipsis est :

Vestram, ut mihi credat, ac »ihi perauadeat., tn S, AugtuHni Operum eom- mentatione magnum operae pretium factum iri, utque quamprimum velit hoc emptionis negotium explicare, Id iam dudum Illuatriasimorum Pa- trum Conventus decrevit : quem quoniam ipaamet voluit hone- atare praeaentia aua eiua quoque decreta aancta hah^, eaque Uteri atudet ac exeqtd. Ep. XIX., ad Cardinalem Caietannm, ddo. September 1596: Nee vero, optime Patrone, eat expectandum, ut denuo Ampliaav- mua Conaeaaua Veater decernat eam emptionem, quae utifiaaimonnn lahorum cupidoa exerceat, ac flagitioaae ignaviae crimen amoliatnr. Hoc, quaero, lUuatrisaime Domine, voftia curae ait, qui doctoa hominea adhibendoa ac exercendoa auacepiatia» » S. epp, XIIL, XVII.— XIX., ferner epp. XXVIH.— XXX.

20 VI. Abhandlang: Vrba

quis enim velit ex onmibus opeinbvs unum modo aut alterum to- mum höhere f Ve^nim, eorum arma spirüalia sunt, ingenium, doc- trina, industria, quae ipn omnia libenter ac düigenter conferunt: hunc vero sumptum iure, mea quidem sententia, recusant. Nemo enim emat, quod suum futurum non sit, vel quod sibi inutile fu- turum, quodque ipse non sit habiturus (ep. XXVII., ad Barth. Caesium, ddo. März 1595; s. noch ep. XVIII.). Diese endlosen Verhandlungen dürften die betheiligten Gelehrten missmuthig gemacht haben, ihre Arbeit scheint jedoch dadurch nicht we- sentlich beeinträchtigt worden zu sein. Sie alle, oder doch wenigstens einige unter ihnen, werden sich wohl auf irgend eine Weise, vielleicht auf eigene Kosten, die nothwendigen CoUationsexemplare verschafft haben und werden in Geduld dem Momente entgegengesehen haben, bis die päpstliche Gasse sie für ihre eventuellen Ausgaben entschädigen würde. Dafür spricht wenigstens die ergebungsvolle Andeutung Morin's in der an den Cardinal Caietanus adressirten ep. XV., ddo. Juni 1595: Interea vero cessare gravantur diligentea homines ac in- dustrii, Obrius quidem, nulla inteiposita mora, opus suum est aggressus. Nee eum moratum est^ quod nullum olim Operum S. Augusiini Corpus esset emptum. Libros ipse sibi providit, dum acciperet de publico, ne interim vacaret. Quam religionem caeteri etiam superabunt, nedum imitabuntur. Eigenthümlich muthet uns in der ganzen, etwas unerquicklichen Angelegenheit Eines an. Das Corpus war noch gar nicht gekauft, und schon schei- nen sich die Gelehrten darüber gestritten zu haben, in wessen Aufbewahrung dasselbe einst kommen sollte. Im Januar 1594 schreibt Morinus (ep. XIII.) an deta Cardinal Caietanus: Puto vero emptum illud Coipus tradendum esse, publici commodi caussa, Bibliothecae Vaticanae custodibus : non ut in eadem caussa sit, qua caeteri libri Bibliothecae^ qui iniussu Sanctissimi Domini Nostri auferri inde non possunt : sed ut de eo fiat, quod vel lUu- strissimus D. Cardinalis Veronae, vel lUustrissima Amplitudo Vestra vel lUustrissimus D. Quaestor iusseiitis. Nee eo vel DD, Correctores, vel ego, vel quisquam alius, inconsultis nobis (soll wohl heissen vobis) utemur etc. Im darauffolgenden Jahre schreibt Morinus an denselben Cardinal (ep. XVI.) : lam decre- Vit lUustrissima Amplitudo Vestra Coipus Operum S. Augustini paravdu7n esse, tU Notariis Bibliothecae Typographiae Apostolicae

Beiträge zar Geschichte der Angnetiaischen Textkritik. 21

VaUcaiuie suppedüetur. Quod cum fcLctum ßierit, mdicium est, Amplissimi Patres y penes quem illud Corpus esse oporteat: tUrum apud lUustrissimum Dominum Cardinalem Veronae . . . , an apud lüustrismmam AmpUtudinem Vestram, qui es ex hoc sacro coetu unus et ad hoc praefectus aerario Pontificio: an apud Illustrissimum Dominum Quaestorem. Hoc vero, pro officii mu- nere exponi a me oportuit, ut de eo, quod visum fueräf decer- natis. Im Jahre 1597 scheint die päpstliche Bibliothek doch endlich im Besitze eines Exemplars der ed. Lov. gewesen zu sein, das an Sauberkeit allerdings Manches zu wünschen übrig Hess. Der Verfasser des Variantenverzeichnisses zu den im IV. Bande der ed. Lov. stehenden Schriften Augustins leitet näm- lich seine Collationen mit den schon oben citirten Worten ein (cod. 4991, fol. 403): Ex niandato dni. Cardinalis Veronensis d. Marinus ctistos bibliofhecae mihi dedit quartum tomum operum d. Au^gustini inquinatum et contaminatum die lunae 25. hdU 1697 etc. Auch der Verfasser der Collationen für die im V. und VIII. Bande der ed. Lov. publicirten Augustinischen Werke beklagt sich über den Zustand dieses CoUationsexem- plars (cod. 4992, fol. 1**): Duae integrae paginae desiderantur hoc loco in exemplari excuso; ib. fol. 3^: Iterum hie aliae duae paginae desiderantur in excuso exemplari; ib. fol. 279^: Exem- plar excusum, quo tums sum, mutilum hoc loco deprehensum est, deßcientibus duabus paginis 229 et 230, quae ideo cum manu- scripto in praesens conferri non potuerunt; s. ib. fol. 281, wo dieselbe Klage wiederkehrt, und öfters.

Nach dieser die damaligen misslichen Verhältnisse cha- rakterisirenden Abschweifung will ich wieder zu Abt Adria- nus zurückkehren, dem Verfasser der Collationen ftir die im Bande I der ed. Lov. eingereihten Augustinischen Schriften. Seiner unermüdlichen Beschäftigung mit den Collationen flir diesen Band wird von Morinus mehrfach gedacht. S. ep. XIV., ddo. April 1595; epp. XV. und XXIX., ddo. Juni 1595. Im Juni des Jahres 1595 hat also Abt Adrianus, wie das Datum dieser Briefe aufweist, noch immer an seinen Collationen gearbeitet. Das wird begreiflich, wenn man die Grösse seiner Aufgabe bedenkt und in Betracht zieht, dass damals die Vaticana nur während dreier Stunden täglich geöffnet war; ep. XIV.: Nee quemquam, opinor, pigehit^ versari in Vaticana Bibliotheca

22 VI. Abhandlung: Vrba

tres circiter matutinas horas, quihvs ea jrrofestU diebus patet; 8. aucl) ep. XXXI. Daneben scheint Adrianus auch zu ande- ren Arbeiten verwendet worden zu sein. In ep. IV., ddo. 1593, lesen wir: Si qua vero in Cypriano eiiam animadverienda sunt, ea Bandinus annotata habet et R. Ahhas Adrianus in iis Stu- dium suum profitetur; und ep. XIV., ddo. April 1595: R. P. Abbas Adrianus Bibliothecam iis paibcis koris obit ac S. Aur gustino navat operam, quamvis foiiasse, si ita sacer Vester Consessus iusserii, eum aliquid operae ad S. Cypriani editio- nem wia cum aliis conferre oporteat. Von seinen Arbeiten für Augustin ist, wie ich schon oben bemerkt habe, nichts erhalten. ^

Die CoUationen für die im II. Bande der ed. Lov. ent- haltenen Schriften scheint Aldus Manutius besorgt zu haben, wie sich aus der an den Cardinal Caietanus gerichteten Mori- nischen ep. XV., ddo. Juni 1595, ergibt: Oro itaque Illustrissi- mam Amplitudinem Vestram, ut D, AI dum iubeat secundi tomi provinciäm capessere. Hoc enim imperium vir probus ac navus expectat. Es ist Aldus Manutius der Jüngere, der Ende October 1597 in Rom stai*b. Im Jahre 1^95 finden wir ihn in der Zahl der Scholastici; s. ep. XVII., die ich oben S. 16 aus- geschrieben habe. Er begann schon am 12. October 1593 die Varianten der Vaticanischen Handschriften zu excerpiren, wie die Notiz am Kopfe seiner CoUationen, cod. 4991, fol. 1, zeigt. Hält man dies Datum mit den Bemerkungen zusammen, die ich oben über den Ankauf des Corpus der Werke Augustins gegeben habe, so wird man die Scholastici voiji dem Vorwurfe einer gewissen naiven Unauirichtigkeit kaum lossprechen kön- nen. Sie arbeiten fleissig, sehr fleissig, geben aber vor, in Er- manglung eines Corpus nicht arbeiten zu können. Anderer-

^ Die Benedictiner nennen je einen Vaticanus zu folg^enden im t. I. ed. Lov. abgedruckten Werken: Retractationum libri II; Confessionum libri XIII; De musica libri VI; Contra Academicos libri lU; De or- dine libri II; Soliloquionim libri II; De magistro Über I; De quanti- täte animae Über I; De libero arbitrio libri III; De moribus Eccleaiae catholicae; De vera religione; De genesi c. Manichaeos libri II. Zwei Yaticani werden genannt zur: Regula ad servos Dei. Sämmtliche hier aufgezählten Werke stehen im t. I. ed. Maur. mit Ausnahme der Schrif- ten: De vera religione und De genesi c. Manichaeos, welche in den t. III. ed. Maur. eingereiht sind.

Beitrige xar Geschichte der AngnstiniBchen Textkritik. 28

seits gibt sich Äldus den Anschein, als ob er erst die Erlaub- niss, arbeiten zu dürfen, abwarten müsse, während er in der That schon Monate lang coUationirt. Man beachte nur im Zu- sammenhange mit jenem in den CoUationen gegebenen Datum die Notiz Morin's in der ep. XV., ddo. Juni 1595, welche ich vorhin angeführt habe. Wann Aldus seine Arbeit beendet hat^ lässt sich nicht bestimmen. So oft er die Signaturen der von ihm benützten codd. angibt, bedient er sich noch der alten, früheren Nummerirung der Handschriften.

Als Verfasser der CoUationen für die im HE. und IV. Bande der ed. Lov. stehenden Schriften ist R. Christophorus Obrius, Doctor Sorbonicus oder Doctor Parisiensis, wie er einmal (ep. XV.) genannt wird, zu bezeichnen. Morinus erwähnt ihn in der an den Cardinal Caietanus adressirten und im Juni 1595 geschriebenen ep. XV. : R. Albas in primo tomo Studium et officium suum ponit, R. Obrius in tertio. Auch er gehörte im Jahre 1595 den Scholastici an; siehe die mehrfach citirte ep. XVII. an den Cardinal Caietanus. In den CoUationen wird Obrius nur einmal mit Namen genannt, cod. 4991, fol. 637^, wo der Verfasser der CoUationen zu den im VI. und VII. Bande der ed. Lov. abgedruckten Schriften bemerkt: Libri de Spir, et litt, (qui hie debuit apponi) Variae lectiones habenfur inter Va- rias lectiones tomi tertii, quas collegit R. D. Christophorus Obrius, antecessor meus. Am päpstlichen Hofe scheint sich Obrius einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben, sonst hätte Morin wohl kaum gewagt, an Cardinal Caietanus (ep. XX., ddo. September 1595) die Bitte zu richten: lU velit D, Obrio habi- tationem Vaticanam a Sanctissimo Domino Nostro impetrare. Da Obrius bei jeder Schrift Augustins anzugeben pflegt, wann die CoUationen zu derselben begonnen und wann sie voUendet wurden, so können wir den Verlauf seiner Arbeiten genau verfolgen. Die CoUationen zum ersten Buche der ersten Schrift im m. Bande der ed. Lov. nahm er am 12. April 1595 in An- griff und vollendete sie am 19. April; s. cod. 4991^ foU. 132 und 135. Die Arbeiten für den Band III nahmen im Ganzen über 2 '/4 Jahre in Anspruch, wie sich aus der Bemerkung des Obrius, ibid., fol. 399^ ergibt: JSxpUcit lih. beati Aug, de Spirifu et anima. Hos collationes tarn huitis Hb, de Spiritu et anima quam totius tertii tomi operum d, Aug, absolvi 24. lulii 1597,

24 VI. Abhandlnng: Yrba.

Laus Deo. Die Collationen zum IV. Bande zeigen dieselbe Schrift und dieselbe Mache wie die zu Band III; es stammt also auch Band IV von Obrius. Dazu stimmt auch das Datum^ an dem die Collationen zum IV. Bande begonnen wurden. Band III war am 24. Juli 1597 beendet worden: zur ersten Schrift des IV. Bandes der ed. Lov. lesen wir ibid., fol. 403 in der schon oben S. 13 citirten Stelle, dass die Collationen für den IV. Band am darauffolgenden Tage, dem 25. Juli 1597, in Angriff genommen worden sind. Beendet wurde der IV. Band am 10. October 1598, wie die Nachschrift auf fol. 589 des cod. erwähnt. Obrius nennt an keiner Stelle seiner Collationen die Nummern der Handschriften, die er benützt hat. Er begnügt sich damit, bei jeder Schrift nur die Anzahl der verglichenen codd. anzugeben, wodurch die Identificirung der Handschriften ausserordentlich erschwert wird.

Betreffs der Mitarbeiter an den übrigen uns erhaltenen Collationen fUr die in den Bänden V VIII der ed. Lov. stehenden Schriften Augustins sind wir ganz im Unklaren. Aus der Schrift der Collationen und der Arbeitsmanier, die in denselben zutage tritt, erhellt nur, dass die Collationen fUr die in den Bänden VI und VII der ed. Lov. publicirten Schriften von einem und demselben Verfasser herrühren; eben- so bilden die Collationen für die in den Bänden V und VIII ed. Lov. gedruckten Werke eine Gruppe für sich. Von den Scholastici, die wir aus der Zeit um 1595 mit Namen kennen, bleiben uns nur übrig: R. loannes Domiricus Troia- nus, der in der oben citirten ep. XVH. genannt wird, ferner Brossius, den Morinus in der an Cardinal Caietanus gerich- teten ep. XIV., ddo. April 1595, erwähnt: Oro lUtuftrisaimam Amplitudinem Vesiram, vi velit eum, qui R, P. Magistro An- gelo Rocco svArogabitur, in kuitis laboris sodetatem venire, at- que uniiLS classis esse ducem . . . itidemque D. Brossio, simu- lac ad urbem redierit easdem huiua commentationis partes dari, Nam quod quaedam Graeca suscepit Latine transferenda, subeisi- vis horis id exequi, erit ei fadllimum. Es ist mit den gegebe- nen Mitteln unmöglich, einen dieser Scholastici mit den herren- losen Collationsbänden in Verbindung zu bringen.

Verhältnissmässig besser sind wir über die Abfassungs- zeit dieser vier Collationsbände (VI VII, femer V und VIII)

Beitr&ge zur Geschichte der Angnstinischen Textkritik.

unterrichtet. Aus der oben S. 23 citirten Notiz zu der Schrift De spiritu et litt., die im VII. Bande der ed. Lov. steht,* er- gibt sich nämlich, dass die CoUationen fUr die in den Bän- den VI und VII der ed. Lov. gedruckten Schriften nach dem 10. October 1598 abgefasst sind ; s. oben S. 24. Eine zweite Notiz, die ich in der Einleitung zu den für tt. VI. VII. ed. Lov. angefertigten CoUationen anfuhren werde, gestattet die Vermuthung, dass der Verfasser dieser CoUationen aus Frank- reich stammte.

Auch die CoUationen flir die in den beiden Bänden V und VIII der ed. Lov. enthaltenen Schriften (sie bilden den Inhalt des cod. 4992) haben einen gemeinsamen, uns gleichfalls un- bekannten Verfasser. Er fUhrt eine andere Schrift, hat auch in seiner Arbeitsmanier einige Eigenthtimlichkeiten, wovon später gehandelt werden soll. Die Zeit, in der er an seinen CoUationen arbeitete, lässt sich aus einer Notiz auf fol. 132 des cod. 4992 wenigstens ungeföhr ermitteln. Er gibt dort an, dass er zu De civitate Dei anfänglich 13 Handschriften verglichen habe und bemerkt sodann: Advertendum est inte- gram collationem totitis operis huiusce fctctam fuisse cum quinqtie duntaxat MSS. mdelicet i*, 2*, 4°, i2" et i»3*. Collatio vero cum reltquis MSS.y quod parum eniendati xnsi sunt, inchoata fmt, ut videre est, non absoluta, idque swperiorum iussu, qui non vltra in üs immorandum censxierunt in quadam congregatione apud Ulm. Cardinalem Baronium Bibliothecarium habita, in qua inter- fuerunt lUustrissimi DD. Cardinales Peronius, BeUarminus, Ari- gonius et Caemis. Caesar Baronius war Bibliothekar vom Jahre 1597—1607 (s. Rossi 1. c. cap. XV., S. CXVI); in diese Zeit dürfte also die Abfassung der CoUation fallen. Die Grenzen lassen sich jedoch näher ziehen. Da Peronius (Jac. Davy du Perron), der in jener Notiz als Cardinal bezeichnet wird, den Purpur spätestens am 9. Juni 1604 bekam (die Angaben schwanken zwischen dem 17. September 1603 und dem 9. Juni 1604), im Jahre 1606 aber als Erzbischof nach Paris ging.

^ Vg^l. femer die Bemerkung, welche der Verfasser jener CoUationen zu der Schrift: ,Ad Valentinum epistolae duae*, ed. Loy. t. VII., pars 2., macht: 8ed quia eae (sc, epistolae) reperiuntur inier reliquas epistolas eiusdem Sonett, tont, II. , , . ßteruntque a praecesaore meo collatae cul 4 exemplaria m. s, ideo mkil ultra de iis quaesim.

26 VI. AbhandlQDg: Vrba.

SO folgt, dass die vollständigen CoUationen zu De civitate Dei in der Zeit zwischen 1604 und 1606 angefertigt oder wenig- stens begonnen wurden. Die CoUationen zum VIII. Bande der ed. Lov. sind nicht abgeschlossen worden und brechen im XLIX. Psalm ganz unvermittelt ab; sie dürften daher erst nach der CoUation zu t. V. abgefasst worden sein.

Die beiden Verfasser der CoUationen zu den in den Bän- den VI— VII, V und Vni der ed. Lov. veröflfentlichten Schrif- ten bezeichnen bei jedem einzelnen Werke Augustins die Hand- schriften, die sie verglichen haben, und zwar mit der neuen Nummer,' d. h. mit der Signatur, die heute noch im Gebrauche ist und die auf das ungefähr im Jahre 1620 vollendete In- ventarium der Vaticana (s. Rossi, 1. c. cap. XV.) zurückgeht. Es ist uns dadurch die Handhabe gegeben, die Abfassungszeit der ersten Bände des Inventarium näher zu bestimmen (s. oben S. 3). Da nämlich der Verfasser der CoUationen zu den in den Bänden VI VH der ed. Lov. gedruckten Schriften Au- gustins eine Handschrift mit ihrer neuen Signatur nennt,^ die heute im III. Bande jenes Inventarium steht, so ergibt sich daraus der Schluss, dass schon gegen Ende des Jahres 1598 (s. oben S. 25) sicher die ersten drei Bände des heutigen In- ventarium fertiggestellt waren und im Gebrauche standen. Zieht man ferner die ungeheuere Arbeit in Betracht, die die Her- stellung dreier Bände des Inventarium beanspruchte, so wird man mir zustimmen müssen, wenn ich das Datum für den Beginn der Vorarbeiten für jene drei Bände des Inventarium in die Zeit Sixtus V. hinaufsetze, d. h. den Beginn der Vor- arbeiten für das Vaticanische Inventarium mit der Neuauf- stellung der BibUothek unter Sixtus V. in Verbindung bringe

1 Der Verfasser der CoUationen zu ed. Lot. tt. VI. VII. betont dies an einer Stelle ganz besonders: 8ed et in notandia rmmerU codictim m. 8, respectum hahui ad numeroa novos eorundeni codicumj iiixta quos confecti sunt IndUea Bibliothecae, qtiamvia in iUdem codicibtis reperianbur etiam numeri antiqui; dieser Passus steht in der Collation zur Schrift: Contra Adimantum (ed. Lov. t. VI.), cod. 4991, fol. 606 »>. Der Ver- fasser der CoUationen zu ed. Lov. tt. V. und VIII. fügt, wie wir sehen werden, zu den neuen Nummern der Handschriften meist auch die correspondirenden alten Nummern hinzu.

2 Es ist cod. Vat. lat. 1319, der für die Schrift; De haeresibus ad Quod- vultdeum (ed. Lov. t. VI.) verglichen wurde.

Beitrftgd cur Geschichte der Augnstioischen Textkritik. 27

(8. oben S. 3). Man könnte übrigens auch geneigt sein, die überraschende und ganz unverhältnissmässige Ausführlichkeit der Indices zu Augustinus im I. Bande des Inventarium, speciell für die Episteln, geradezu mit den Vorbereitungsarbeiten für die von Sixtus V. geplante Augustin-Ausgabe in Beziehung zu setzen und durch dieselbe zu erklären.

Hiermit habe ich in kurzen Umrissen dasjenige darge- legt, was ich im Allgemeinen über die Art und Weise sagen wollte, in der die Vorarbeiten für die von Sixtus V. angeordnete Ausgabe des Augustin zustande gekommen sind. Die Beant- wortung der Fragen, die ich oben S. 2 aufgestellt habe, findet ihre Erledigung in den folgenden Ausführungen, die sich, der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit entsprechend, in den bescheidensten Grenzen halten müssen. Durch die An- lage und Anordnung der ,Collationen' bin ich gezwungen, die einzelnen Variantenverzeichni^^se in der durch die ed. Lov. fiir die Augustinischen Werke aufgestellten Reihenfolge zu behan- deln; die äusserst praktischen vergleichenden Tabellen in der ed. Maur. machen es leicht, die entsprechende Rcducirung auf die gebräuchlichere Ausgabe der Benedictiner vorzunehmen.

Ed. Lot. tom. II.

Dieser Band enthält die Episteln und entspricht inhalt- lich dem II. Bande der Maur .-Ausgabe. Ueber Aldus Manutius den Jüngern als den muthmasslichen Verfasser der Collationen für diesen Band, und die Zeit, in welcher dieselben begonnen wurden, habe ich oben S. 22 gesprochen. Die Collationen sind durchwegs von derselben Hand geschrieben und umfassen foU. 1—125 des cod. Vat. lat. 4991. Sie zerfallen in flinf Col- lationshefte, deren jedes auf dem Umschlage die entsprechende Inhaltsangabe trägt. Das 1. Heft ist auf dem Umschlagblatte mit der Ueberschrift versehen: Lectionea diversae quinquaginta octo primarum episttdarum secundi tomi operum divi Augustini und reicht bis fol. 37 incL; das letzte folium ist unbeschrieben, in der durchgängigen Foliirung jedoch mitgezählt, ebenso wie das unbeschriebene zweite Blatt des Umschlages. Das 2. Heft, foll. 42 46, führt den Titel: Lectiones diversae coUectae ex uno exempl, manuscripto Vaticani, quod a cuatodibus mihi ßiit datum

28 VI. Ahhandlnng: Yrba.

tarde (dies Wort ist durchstrichen) post collationem sequentium epistolarum. Der Inhalt dieses Heftes ist auf der letzten Seite des Umschlagbogens^ fol. 45^, genauer angegeben: Lectiones diversae excerptae ex uno exempl. man%i8. Vati, septem episto- larum scdi. tomi, nimirum 37, 39, 43, 44, 45, 48 et 49. Das 3. Heft beginnt fol. 46 mit der Ueberschrift: Lectiones diversae sexaginta trium epistolarum d, Augusfini incipientium a 59^ us- que ad 121^^ inclusive. Die 121. ep. ist coUationirt auf foU. 86, col. 2 88, col. 1 ; der Rest des fol. 88, ebenso wie die foll. 89—91, sind leer. Das 4. Heft beginnt mit ep. 122 auf fol. 92, trägt jedoch die Inhaltsangabe erst auf der letzten Seite des Umschlagbogens, d. i. auf fol. 117^: Lectiones diversae centum quinque epistolaimm divi Aug. incipientium a 122^ epistola usque ad 247*''^. Mit fol. 118 beginnt das 5. Heft, dessen Ueber- schrift lautet: Lectiones diversae triginta quinque postremarum epistolarum secundi tomi a 248^. Das Heft schliesst auf fol. 122^ mit der Bemerkung: Finis epistolarum d, Aug. secundum Lova- nienses, Sequuntur correctiones epistolarum appendids secundum Lovanienses. Es sind nur vierzehn von den zwischen Augu- stinus und Bonifacius gewechselten Briefen coUationirt (epp. 1—13 und ep. 16). Auf foll. 123^—124^ folgt: Ep. S, Augustini ad Italicam, quae non reperitur in 2. tomo epistolarum d. Aug. secundum Lovanienses. Hanc aut^m nactus sum in quattuor exempl. manus. Vati, notatis his num^ris: 2396, 2423, 2387, 2416. Der Text dieser Epistel ist über die ganze Blattseite geschrieben, ebenso wie der mit fol. 124^ beginnende: ,Catalogus* episto- larum d. Aug., quas ego reperi in exemplaribus manuscriptis Vaticani, et non sunt in tomo 2. epistolarum eiusdem a patribus Lovaniensibus recognitarum et castigatarum :

1. Epist. QuodvuUdei ad Aug., cuius initium est: Diu,

2. Epist. Aug. ad Quodvultdeum, cuius initium est: Acceptis,

3. Epist. Quodvultdei ad Aug., cuius initium est: Unum,

4. Epist. Aug. ad Qt^Jf^dvuLtdeum, cuivs initium: Cum mihi.

Has quattuor epistolas reperi in exemp. operto panno ha- losserico et notato numero 2416, et in altero exemp. operto co- rio rubro et notato numero 83. Has nihilominus non transcripsi, quia reperiuntur impresso^ in lih. 6. operum d. Aug. lib. de haeresibus ad Quodvultdeum.

Beitr&ge tnr Geschichte der Angnstinischen Textkritik. 29

Die eben bezeichneten vier Episteln stehen im t. VI. ed. Lov. = t. Vin. ed. Maur.^

5. Epüt. sive Admonitorium Orosii ad Aug. de errore Pnscilliamstarum, cuius initium est: lam quidem,

6. Epüt. sive Hb. Aug. ad Orosium contra PnscüUanistas, cuius initium est: Respondere.

Hos duas epistolas reperi in solo superiori exempl, operto panno kolosseiHco et notato numero 2416 ; non tarnen illas trän- scrtpsi, quia reperiuntur impressae in 6, tomo operum d. Aug.

Die beiden Schriften stehen im t. VIII. ed. Maur. = t VI. ed. Lov.*

7. Epist d. Aug. ad Italicam de videndo Deo, cuius initium est: Cum petivisses, quam reperi in eodem exemp. notato num. 2416, quam excerpsi et transcripsi.

Es ist dies derselbe Brief, den er, wie ich vorhin er- wähnte, auf foll. 123^ 124^ abschrieb und mit den Lesarten aus drei anderen Vaticanischen codd. versah.

8. JEpist sive lib. d. Aug. ad Marcellinum de Pelagioy cuius imtium est: De quaestionSms, quas mihi proposueras, quam re- peri in superiori exempl. notato numero 2416, fol, 234, p. 2. Hone tarnen non excerpsi, tum quia nimis prolixa est, tum quia timeo, ne sit impressa in alüs tomis sicud sex superiores. Man sieht, es wird dem Manne vor seinen Entdeckungen etwas bange. Zu derselben Epistel findet sich in marg. von derselben Hand die Notiz : Haec epistola reperitwr in tomo 7. operum d. Aug., ad quem (aus dem Obigen ist Marcellinum zu ergänzen) scripsit tres Ubros de peccatorum meritis et remissione et de baptismo parvtdorum. Es handelt sich natürlich um das dritte Buch der letztgenannten Schrift Augustins (ed. Maur. t. X).

9. Epist. d. Aug. ad Hilarium de Pelagio, cuius initium est: In dominOy quam reperi in duohus exemp. Vatic., quorum unum notatv/r numero 2423, alterum notatur numero 2396. et hanc excerpsi. Am Rande steht zu dieser Epistel von derselben

i Vgl. zu diesen vier epp. den Apparat, den der Verfasser der Collationen zn ed. LoY. tt. VI. VII. zur Schrift: De haeresibns ad Quodyiiltdeam über I (ed. Lov. t. VI.) gibt.

' Vgl. den Apparat, den der Verfasser der Collationen zu ed. Lov. t. VI. für dieses Werk beibringt.

30 VI. Abhundlttogr : V r b ».

Hand die Bemerkung, dass sie die 94. Epistel im II. Bande der ed. Lov. ist, und dass der Anfang der Epistel dort laute: Hanorabilis filius. Bei den Benedictinern ist es der 178. Brief. Der Verfasser der Collation hat bei der ersteren Angabe eine arge Confusion angerichtet: Er hat die Adresse des Briefes: Domino heatiasimo etc. für das initium gehalten und überdies schlecht gelesen, indem er statt Domino las: In Domino] femer hat er vergessen, dass er schon fol. 61^ die Collation dieses Briefes gegeben hatte, und zwar auf Grund von vier Hand- schriften.

10, Epist. Aug, ad Consentium de Trinifate, cuitis initium est: Cogitationis caimnlis compositionem^ quam repen in duobus exemp, Vaticani nimirum in super iori notato num^ro 241 6 y fol. 226, et in exemp, operto corio rubro et notato secundum Indicem Vaticajii epistolarum d, Aug, numero 454y cuius exemplarig est epistola 24. Zu cod. 454 findet sich, wenn ich recht lese, in marg. die etwas unverständliche Bemerkung: Sine ullo numero, notato tarnen secundum Indicem Vaticanum; femer die Notiz: Inserta est haec epistola epistolae 222,, t, 2. Au^, operum im- press, Lugd,y p. 327, col, 2, Diese ,epi8tola^ ist in der That in der ed. Lov. ein Theil der ep. 222, in der ed. Maur. ein Theil des 120. Briefes.

Es folgt weiter eine Notiz über zwei von dem Verfasser der Collationen gefundene sermones: Praeter hos epistohis ego repefri in his exemplarü)tis manuscriptis duos sermones d, Aug,, unum ad plehem de fratris et sororis trementium sanitate, cuius initium est: De mirackdie Dei (es ist sermo 320, t. V. ed. Maur.) in exempl, supeiioii. notato numero 2416, fol, 239, cdterum de perfidia Arianorum^ quem reperi in exemp, notato numero 2396 et in exempl, notato numero 2423,

Hiermit schliesst das Verzeichniss der von dem Verfasser der Collationen bewerkstelligten ,Entdeckungen'.

Diese Notizen, die an sich sicherlich werthlos sind, habe ich in extenso anfUhren müssen, weil sie ein wichtiger Schlüssel sind zur Eruirung der Handschriften, die Aldus für seine Col- lationen benützt hat; ich werde öfter gezwungen sein, auf die- selben zu verweisen.

Die Collationen fUr die im IL Bande der ed. Lov. ent- haltenen Episteln schliessen fol. 125 mit der Bemerkung: Tres

Beitr&g« snr Geschichte der AiigiiBtinischen Textkritik. 31

sunt epistolae in appendice, nempe 17. Aug, ad Demetriadem (qtiae non reperitur in Vaticano), 18. Aug. ad Cyrülum et 19. Cyrilli ad Aug., qtuxs ego non contuK et correxi. Der Rest des folium ist unbeschrieben^ ebenso die folgenden folia bis fol. 131 incl.

Die CoUationen sind durchwegs halbbrüchig geschrieben bis auf die Abschrift der ep. ad Italicam, von der ich vorhin gesprochen habe. Jedes der CoUationshefte hat seine eigene Foliirung; die durchgängige Foliirung, deren ich mich bei meinen Angaben bediene, stammt von der Hand desjenigen, der den codex ordnete und ihm seine jetzige Gestalt gab. Den CoUationen ist der Lyoner Nachdruck der ed. Lov. vom Jahre 1586 zu Grunde gelegt in der Weise, dass aus der ed. Lov., respective Lugd., stets die Nummer der ep., ferner die pagina, columna, ebenso die Orientirungsbuchstaben aus den Intercolumnien angegeben werden. Bei jeder notirten Ab- weichung der Handschriften wird zunächst der Text, wie er in der Ausgabe steht, angeführt, worauf erst die Varianten der verglichenen Handschriften folgen. Den Varianten wird stets nur die Anzahl der codd. beigefügt, welche die angeführte Discre- panz bieten; die Codices selbst jedoch, aus welchen die be- treffende Abweichung stammt, werden weder durch ihre Katalog- nummer, noch durch ein anderes Zeichen kenntlich gemacht und unterschieden. Es ist dies gewiss ein Uebelstand, der nur durch den damals herrschenden philologischen Gebrauch, dem übri- gens auch die Benedictiner huldigen, entschuldigt werden kann.

Da es sich vor Allem darum handelt, zu eruiren, welche Handschriften Aldus bei seinen CoUationen benützt hat, will ich zunächst alle Bemerkungen aus den CoUationen zusammen- stellen, die uns über diese Frage aufklären können; zu be- achten ist hierbei, dass Aldus, wie ich oben S. 23 erwähnt habe, an den wenigen Stellen, an denen er die Signatur der von ihm benützten Handschriften angibt, sich der alten, zu seiner Zeit noch üblichen Numerirung der codd. bedient.

Zu ep. 1 (CXXXn) * notirt Aldus : Accepi a domino Ma- rino Rinaldo^ bibliothecae Vaticanae cuatode secundum tomum

1 Ich bezeichne im Folgenden bei der Angabe der Episteln mit den ara- biflchen Ziffern die Zählung der ed. Lov., der die CoUationen folgen, mit den rOmischen Ziffern die Zäh lang der ed. Maur.

2 8. aber ihn Rossi, 1. c. cap. XV.

32 VI. Abhandlung: Vrba.

operum divi Augustini 12, die octobris 1593 et eodeni die incepi conferre tres primas (die beiden letzten Worte sind durch- strichen) primam epistolam et sequentes cum quinque exemplari- bu8 Vaticani: 83, 2387, 2395, 2423, 2416, Für diese fünf Hand- schriften ergibt sich die Identification ohneweiters aus der Beschreibung der Handschriften im sogenannten Inventarium, von der ich durch die Gefälligkeit der beiden Herren Prä- fecte der Vaticana Einsicht nehmen durfte. Cod. 2387 führt jetzt die Nummer 496, cod. 2395 die Nummer 497, cod. 2423 ist jetzt als 498, cod. 2416 als 499 und cod. 83 jetzt als 414 bezeichnet. Den letztgenannten cod. 83 (414) nennen die Col- lationen ausser an der eben citirten Stelle ausdrücklich nur noch fol. 124^ im ,Catalogus' (s. oben S. 28) zu den vier zwischen Augustin und Quodvultdeus gewechselten Briefen. Dieser cod. enthält nur eine geringe Anzahl von Briefen; es sind im Ganzen achtzehn. Einen andern, den sechsten, cod. lernen wir aus der Angabe des Aldus zu ep. 5 (CXXXVHI) kennen. Nach den einleitenden Worten: Incipit quUnta epistola S, Augustini episcopi ad Marcellinum episcopum, quam coniuli cum sex manus, Vaticani notirt nämlich Aldus zu den Worten des Textes der ed. Lov. : persequi mallebaty dass zwei seiner Handschriften die Lesart bieten: persequi maUebam und fügt nun hinzu: Mc finit hanc epistolam unum exemplar Vaticanum, cuius nota est 84; et reliquam cum aliis quinque in initio no- tatis contuli. Dieser cod. mit der nota 84 ist derselbe, der heute die Nummer 448 trägt; er ist der einzige unter den Vaticanischen Epistel-Handschriften, der jenen Brief mit den citirten Worten beschliesst. Ausser diesen Handschriften hat Aldus noch eine siebente Handschrift benützt, über deren Signatur er keine Angabe macht, die sich aber durch Combi- nation leicht eruiren lässt. Nach den Collationen zu den ersten 68 Episteln der ed. Lov. bemerkt er auf fol. 42^: Lectianes diversae collectae ex uno exemp. manuseripto Vaticani^ quod a (nistodibus mihi fuü datum tarde (dies Wort ist durchstrichen) post collationem sequentium epistolarum und gibt nun eine Nach- lese aus diesem cod. für die epp. 37 (CIX), 39 (XXVI), 43 (XVI), 44 (XVII), 45 (CXXVII), 48 (XCHI), 49 (CH). Es muss dies also eine Handschrift gewesen sein, die von den ersten 58 epp. der ed. Lov. eben nur diese sieben Briefe enthielt.

6flitr&ge zur Gesehichte der AngnBtinischen Textkritik. 33

Dieses Indiciam passt genau auf den jetzt mit 494 bezeich- neten cod., der, wie wir aus dem Inventarium der Vatica- nischen Handschriften ersehen, früher die Nummer 85 fUhrte. Sollte es noch eines weiteren Beweises bedürfen, so kann dieser aus der Nachcollation zu ep. 39 (XXVI) erbracht wer- den. Aldus meldet zu den Worten: inepfum putavi: ,hic finit exemplar hanc epistolam'^ mit diesen Worten schliesst auch im cod. 494 diese Epistel.

Aldus benützte demnach für die CoUation der Episteln folgenden mit Sicherheit nachweisbaren handschriftlichen Ap- parat :

a) Cod. Vat. lat. 496 (2387), i saec. XIII. Dieser cod. steckt noch in seinem alten Einbände und trägt auf dem Vor- setzblatte beide Signaturen: ^.4%^' ferner folgende Angaben: fuit Ute liber pusinü confessoris sancti Ludomd regis Fran- corum und ego franciscus de Belluno ordin, praedtccUorum erat parisvas kunc librum epütolarum heati Aug, a fratre Jo- hanne de templo pro tunc librario conventtts parisiensü anno do. 1824 pro 4 ßorenis; darunter de Ucentia fratris Carini pro- vincialis,

h) Cod. Vat. lat. 497 (2395), saec. XIV.

c) Cod. Vat. lat. 498 (2423), saec. XIV. Das erste fol. ist auf der unteren margo mit dem Wappen des Papstes Nico- laus V. geschmückt.

d) Cod. Vat. lat. 499 (24;^6), saec. XV. Es ist der von Aldus mehrfach erwähnte , codex opertus panno rubro ho- loBserico et notatus numero 241 6^ Er hat jetzt die uniforme rothlederne Einbanddecke; mit dem alten Gewände ist auch die alte Signatur verschwunden.

e) Cod. Vat. lat. 414 (83), saec. XIV. Der cod. ist jetzt in drei Bände zertheilt. Die Briefe stehen in der zweiten Hälfte des dritten Bandes. Die Folienbezeichnung fehlt; sie dürfte weggeschnitten worden sein, als die Handschrift neu gebunden wurde.

/; Cod. Vat. lat. 448 (84), saec. XH. g) Cod. Vat. lat. 494 (85), saec. XIH ex.

1 Die in Klammern stehenden Nnmmern bezeichnen die frühere Signatar,

wie sie zu des Aldus Zeiten galt. Sitznngsbcr. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 6. Abb. 3

34 Tl. Abhandlung : Y r b a.

Ausser diesen Handschriften, die mit Bestimmtheit identi- ficirt werden können^ nennt Aldus noch einen cod. 2396 zu dem Briefe an Italica (s. oben S. 28), im yCatalogus' zur ep. ad Hilarium (s. oben S. 29) und in der Notiz über die beiden ,entdeckten' sermones (s. oben S. 30). Im Inventarium der Vaticana findet sich die Nummer 2396 bei einer ganz jungen Handschrift, die jetzt die Signatur 473 führt. Ich habe jedoch in dieser Handschrift weder die beiden Briefe, noch den ,8ermo de perfidia Arianorum^ finden können. Auch diese Handschrift ist neu gebunden worden; vielleicht ist bei dieser Gelegenheit ein Theil derselben, was ja häufig vorkam, wie wir sehen werden, mit einem andern cod. vereinigt worden. Der jetzt die Nummer 473 tragende cod. selbst scheint auch aus zwei codd. zusammengesetzt zu sein. Mit cod. 454, der im ,Cata- logus' zur ep. 222 (s. oben S. 30) genannt wird, weiss ich nichts anzufangen ; die Bemerkung des Aldus über die Signatur dieser Handschrift ist auch nicht darnach angethan, um uns auf eine Spur zu führen.

Mittelst des oben aufgestellten Handschriftenverzeichnisses kann unter Zuhilfenahme der Indices zum Inventarium der Vaticana der Apparat des Aldus für alle Episteln Augustins reconstruirt werden, mit Ausnahme der wenigen Briefe, über die ich gleich sprechen werde. Das erreichbare Resultat schien mir jedoch die aufzuwendende Mühe nicht zu lohnen, da wir ja alle codd., die Aldus ftir jene Episteln benützte, auch heute noch besitzen. Anders verhält es sich freilich bei einer kleinen Anzahl von Episteln, ftir die dem Aldus eine grössere Anzahl von Handschriften zur Verftigung stand als uns heute. Geradezu überrascht ist man, wenn man sieht, dass Aldus für epp. 14 und 15 (LXXII und LXXIII) je elf Handschriften, ftir epp. 8 (XXVIH), 10 (LXXI), 12 (LXVH), 13 (LXVHI), 16 (LXXIV), 17 (XXXIX), 28 (CLXVI) und 30 (CLXXH) je zehn Handschriften, ftir epp. 9 (XL), 18 (LXXXI), 19 (LXXXII) je neun Handschriften, ftir ep. 29 (CLXVII) acht Handschriften coUationirt hat, während im Katalog der Vaticana ftir ep. 28 (CLXVI) nur fünf Handschriften (codd. 496-499 und cod. 458), ftir ep. 29 (CLXVII) nur drei Hand- schriften (codd. 497 499), für alle übrigen Briefe nur vier Handschriften (codd. 496 499) verzeichnet sind. Man darf

Beitr&ge znr Geschichte der Anipistiniichen Textkritik. 3u

aber nicht tibersehen, dass diese epp. zum Briefwechsel zwischen Augustin und Hieronymus gehören, und muss das nur schein- bare Plus an benützten Handschriften den zahlreichen codd. des Hieronymus zugute rechnen. Auch flir ep. 24 (CCII), einen Brief des Hieronymus an Alypius und Augustin, ver- glich Aldus sechs Handschriften, für ep. 27 (CLXV), die Hieronymus an Marcellinus und Anapsychia richtete, fünf Handschriften, während der jetzige Katalog unter ,Augustinus* für die erstere ep. blos codd. 495 und 499, für letztere nur codd. 496 und 499 nennt. Scheiden wir diese epp. aus dem angegebenen Grunde aus, so bleiben uns immer noch zehn Briefe übrig, für die Aldus mehr Handschriften benützen konnte als wir heute: ep. 20 (CCXXXHI), 23 (XCVIII), 45 (CXXVH), für welche Aldus je sechs Handschriften verglich; der Katalog kennt für diese Briefe nur je fünf Handschriften, und zwar für epp. 20 und 23 die codd. 496 499 und cod. 414, für ep. 45 die codd. 494, 497—499 und cod. 414. Für epp. 21 (CCXXXIV), 22 (CCXXXV), 36 (XXXH) kannte Aldus je fünf Handschriften, während diese drei Briefe im jetzigen Katalog nur durch die codd. 496—499, also nur durch vier Handschriften vertreten sind. Für ep. 163 (XLIV) collationirte Aldus vier Handschriften, für ep. 110 (CCXHI) drei, ftir epp. 237 (LVI) und 238 (LXIX) je zwei Handschriften, wäh- rend uns für ep. 163 nur cod. 496, für ep. 110 nur cod. 449, und für die beiden letzten Briefe 237 und 238 durch die jetzi- gen Indices überhaupt gar keine Handschriften nachgewiesen werden. Ob diese Differenzen durch eine Nachlässigkeit dessen, der den jetzt im Gebrauch stehenden Vaticanischen Katalog anfertigte, zu erklären sind, oder ob wirklich in der Vaticana Handschriften, die Aldus noch benützte, heute nicht mehr vor- handen sind, wer wollte das mit Bestimmtheit entscheiden, be- vor nicht der neue Katalog der Vaticana uns vorliegt? Um keine Unterlassungssünde zu begehen, wird man immerhin gut thun, für die zuletzt besprochenen zehn Episteln von den Col- lationen des Aldus Notiz zu nehmen.

Befremdend muss es erscheinen, dass Aldus für die epp. 248 271 inel.i nur eine Handschrift benützen konnte, trotz-

* In der ed. Lov. hat sich in der Nummerirung der epp. ein störender Druckfehler eingeschlichen: die ep. 253 ist nämlich irrthümlich zwei-

3*

36 VI. Abbandlang: Vrba.

dem wenige Jahre früher den Lovanienses Collationen aus zwei Vaticanischen Handschriften zur Verfügung gestellt worden waren. Dieselben bemerken nämlich in der Praefatio ad Chri- stianum et benevolum lectorem (t. I. ihrer Ausg.) : Accessit (nämlich zu den bis auf die ed. Lov. bekannten epp.) Epistohirum additamefitum, quod Joannes Gravius Lovanienne, societatis lesti sacerdosy ex urbe tranamisü ' und in ihrer Ausgabe schreiben sie nach ep. 247 : Typographus Lectori: Sequentes efpistolas accepinius ex Vaticana almae urhis bibliotheca, opera potissimum et lahore loannis Oravii Lovaniensis, de societate lesu, Dass es zwei codd. waren, die sie auf diese Weise benützten, ergibt sich aus der Be- zeichnung der Varianten in marg. ihrer Ausgabe. Auch ist nicht schwer zu ermitteln, welches diese beiden von den Löwener Theologen benutzten Vaticani sind, wenn man den Fundus der alten Vaticana sich vor Augen hält: es ist cod.Vat. lat. 499(2416; s. oben S. 33), den später auch Aldus für diese epp. verglichen hat, und der von Aldus nicht benützte Vat. lat. 495, saec. XV. ^ Der letztere cod. hat noch seinen alten Einband und auf dem Vorsetzblatte ober der jetzigen auch die alte Signatur: ^^^• Dass diese beiden Handschriften dieselben sind, die die Lo- vanienses benützt haben, werden meine späteren Citate zur Evidenz beweisen Aldus hingegen benützte für die epp. 248—271 nur eine Handschrift, und zwar den schon erwähnten Vat. lat. 499 (2416). S. seine Bemerkung zu ep. 248: Äug.

mal gezählt. Die LovanienseB haben den Dnickfehler im Index alpbabeti- CU8, Sectio II, der dem I. Bande ihrer Ausgabe vorausgeschickt ist, corri- girt. Statt ep. 253 Nectarius Augustino ist zu lesen: ep. 254, u.s.w. Aldus hat den Druckfehler bemerkt und denselben in seiner Nummerirung der epp. rectificirt. Dieser rectificirten Zählung folge auch ich in meinen Angaben. Zur Bequemlichkeit des Lesers ffihre ich zu den oben citir- ten Briefen die correspondirenden Nummern der ed. Maur. an: 248 = CCLXIII, 249 = XCIV, 250 = XCV, 251 ^ CCLXIX, 252 = CLXXIX, 253 -= CCXXXVII, 254 -= CHI, 255 = CIV, 256 -= CVIII, 257 = CCXVI, 258 = CXLII, 259 = CLVIII, 260 = CLI, 261 = CLXXX, 262 CCIX, 263 = CCXXIX, 264 = CCXXX, 265 = CCXXXI, 266 = CVI, 267 -= CVII, 268 = L, 269 = XI, 270 = XH, 271 = CCVI.

* Gravius ist derselbe, der den VlI. Band der ed. Lov. besorgt hat ; s. über ihn auch Schoenemann, 1. c. t. II., p. 132 und 135.

^ Wie mir Prof. Goldbacher, dem die Ausgabe der Augustinischen Episteln obliegt, nachträglich mittheilt, sind für jene Gruppe von Briefen diese beiden Vaticani noch immer die einzige QueUe.

Beitrige zur OeBchiehte der Aagastinischen Textkritik. 37

€ui Sapidam, quam contvli cum uno exemp, Vati, aperto panno rubro holosaerico et notato numero 2416, ebenso seine Bemer- kungen zu allen folgenden epp. Auch die Benedictiner, denen^ wie mehrfach erwähnt, nur die CoUationen des Aldus zur Vei*- fügung standen, bemerken zu ep. CCLXIII (248) und zu den übrigen S. 35, Anm. aufgezählten epp. durchwegs: Non reperta in MSS. excepto uno Vaticano.

Diese 24 durch die Lovanienses zum ersten Male publi- cirten Briefe bieten uns wegen der Uebersichtlichkeit und Voll- ständigkeit der Beweisstücke eine gute Handhabe, um die Ar- beitsmanier der Lovanienses und Benedictiner, wie nicht minder die des Aldus, kennen zu lernen und die Verlässlich keit ihrer An- gaben zu prüfen. Ich will mich auf die Gegenüberstellung einiger markanter Stellen beschränken. In ep. 256 (CVIII) brechen die Lovanienses mit folgenden Worten ab : ut et in hac civitate plebs tua per os cuiusdam, und bemerken; Va>cat spatium pro XX VII versibus. In cod. 495 schliesst der Brief mit denselben Worten auf fol. 237, und es folgen in der That 27 rastrirte leere Zeilen. Cod. 499 (2416) bietet in letzterer Beziehung ein anderes Bild: auf die Worte per os cuiusdam folgt ein freigelassener Raum von nur 21 Zeilen. Aldus notirt zu den Worten per os cuius- dam einfach : Hie finit hanc epistolam exemplar manuscript, Vati- cani coope^'tum panno holosserico et notatum numero 2416, Die Benedictiner jedoch, denen nur die aus cod. 2416=499 stam- mende CoUation des Aldus vorlag, bemerken nach den Worten per OS cuiusdam: ,Vacat spatium XXVII versuum in MS. exem- plari Vaticano, unde eruta est epistola/ Ihre Angabe ist zum Mindesten sehr befremdend; sie nehmen ohneweiters aus der ed. Lov. eine Bemerkung herüber, die sieh thatsächlich auf einen ganz andern cod. bezieht In derselben ep. steht ed. Lov. p. 357, col. 1 im Texte: rursus ahluendus iudicaret; dazu in marg. : Älius MS, abluendutn putaret. Diese Varianten stehen auch in jenen beiden Handschriften. Die Benedictiner hingegen schrei- ben im Texte: rursus ahluenduH iudicaret ur ; in marg.: ,Lov.: iudicaret^ Aldus gibt in seiner Collation zu den Worten der ed. Lov. : rursus abluendus iudicaret nur die Variante seines cod. 499 an : rursus ahluendum puiaret. Warum motiviren die Benedictiner ihre Eigenmächtigkeit nicht? In derselben ep. schreiben die Lo- vanienses (einige Zeilen vor Schluss) im Texte: detestatus est;

38 VI. Abhandlung: Yrba.

dazu in marg.: ,Aliu8 MS.: testattis est'. Cod. 495 hat wohl: de- testatus, cod. 499 aher intestatus. Aldus bemerkt zu detestatus est: ^testatus est'. Die Benedictiner schreiben im Texte: detestatus est, ohne irgend welche Bemerkung. In ep. 258 (CXLII) drucken die Lovanienses, p. 359, D: Ecclesiam transmarinam, quam tarnen catholicam esse confessi sunt causa (es folgt in der Ausgabe eine durch Punkte markirte Lücke) huic nos communicamus (neuer- dings eine Lücke) rnereamur memhris Christi. Die Lovanienses haben weder in marg. noch in den ^Castigationes' hierzu etwas bemerkt, nennen auch keinen alius MS. Die Mauriner schreiben ohne jedwede Lücke: Ecclesiam transmarinamy quam tarnen catholicam esse confessi sunt, se causam non habere. Huic nos communicamus, ut coniungi rnereamur membris Christi. Woher das Füllsel? fragt man sich vergeblich. Cod. 499, fol. 255 überliefert: catholicam esse confessi sunt causa .

huic nos communicamv^s ....

rnereamur memhris Christi (also zunächst

eine Lücke mit Raum für 17 Buchstaben, sodann eine Lücke mit Raum für 20 Buchstaben); ähnlich cod. 495, fol. 217:

catholicam esse confessi sunt causa

huic nos communicamus

rnereamur msmbris Christi. Des Aldus CoUation, die übrigens für diese ep. sehr mager ist, erwähnt über diese Stelle nichts. Ep. 260 (CLI) schliesst in der ed. Lov. mit folgenden Worten : in laborihus publicisy nullt utiliiati hominum profuturis, nee sane dubito excdlentiam tuam .... Ebenso endet cod. 495; der Rest der Columne (etwa zwei Drittel derselben) und die nächste Columne sind leer; mit diesem Briefe schliesst über- haupt der cod. In cod. 499, fol. 265 fehlen die Worte: nee sane dubito excellentiam tuam; der Rest der Seite, 14 Zeilen, ist unbeschrieben; auch in dieser Handschrift ist dies die letzte ep. des cod. Aldus notirt zu profuturis: ,hic finit epistolam exemp. Vaiicani' und zu nee sane dubito excellentiam tu>am be- merkt er: ,haee verba non reperiwntur in exemp. Vati'. Die Benedictiner schreiben ohneweiters: in laboribus publicis, niMi utüitati profuturis. Nee sane dubito excellentiam tuam. Der Schluss der ep. 270 (XII) lautet in der ed. Lov.: infor- mationemque nostram gestum est. Die Lovanienses bemerken: Vaeant 67 lineae in MS. codice. In cod. 495, foU. 240 und 241,

Beitrag« zur Geschieht« d«r Angaetinisehen Textkritik. 39

sind nach diesen Worten thatsächlich 67 Zeilen leer. Anders in cod. 499; hier sind (fol. 263^) mir 38 y^ Zeilen freigelassen. Aldus bemerkt zu nostram geatum est: ,kic finit epistola hctec S70, in ipso manus. exemp.' Die Benedictiner jedoch können sich der Bemerkung nicht enthalten: Vdcant 67 lineae in MS. codice Vaticano, unde epistola eruta est. Diese Beispiele Hessen sich leicht vermehren; s. besonders ep. 254 (CIII).

Wenn es gestattet ist, aus diesen wenigen Mustern einen Schluss zu ziehen, so wird man den Löwener Theologen das Lob angedeihen lassen müssen, dass ihre Angaben methodisch und Terlässhch sind. Auch die Varianten Verzeichnisse des AK dus sind, wenn nicht erschöpfend, so doch durchaus vertrauens- würdig; selbst bei Episteln, zu denen er sechs und mehr Hand- schriften benützt hat, wird es kaum gelingen, ihm gröbere Un- genauigkeiten nachzuweisen. Manchmal scheint dem Aldus je- doch die Arbeit stark über den Kopf gewachsen zu sein : er wird vergesslich (s. oben S. 30) ; man sieht es seiner Schrift und seinen Notizen an, dass eine gewisse nervöse Hast und Unruhe ihn erfasst hat. Zu ep. 94 gibt er zunächst an, dass er zwei Hand- schriften vergleiche, streicht dann duobus durch und setzt tribus darüber, streicht schliesslich auch dies durch und schreibt end- lich quattuor. So noch epp. 110, 17, 86 und öfter. Ep. 158 bezeichnet er irrthümlicher Weise als ep. 157; ebenso ep. 170 als ep. 180, ep. 171 als ep. 181, ep. 199 als ep. 159, Append. ep. 6 als ep. 5. Er vergisst die fortlaufende Nummer des Briefes anzugeben bei ep. 249. Anderes werden wir ihm schwerer verzeihen. Bei epp. 25, 26, 44, 91, 137 hat er es unterlassen, die Anzahl der verglichenen Handschriften bei- zufügen. Ebenso schreibt er zu ep. 166 : Ep. 166 d. Aug. ad donatistcis quam contuU cum und bricht hiermit ab. Bei einigen Episteln benützt er nicht alle Handschriften, die ihm zur Verfügung standen. So vergleicht er für ep. 61 (CCIV) nur eine Handschrift, cod. 499, während dieselbe ep. auch in cod. 494 steht, den er, wie ich oben S. 33 gezeigt habe, be- stimmt gekannt hat. Zu ep. 75 (CGL) coUationirt er drei Handschriften, während ihm der Brief in fünf Handschriften (codd. 494 und 496-499) vorlag. Für die epp. 219 (CCLH), 268 (L) und Append. epp. 14, 15, 18, 19 hat er überhaupt keine Col- lationen angefertigt; vielleicht fand er übrigens für diese kurzen

40 Vr. Abhandlung: Vrba.

Briefe in den Handschriften nichts, was ihm des Notirens werth schien.

Minder günstig muss unser Urtheil über die Arbeits- manier der Benedictiner lauten. Ich habe schon früher S. 37 ff« an einigen Beispielen gezeigt, in welch' flüchtiger und eigen- mächtiger Weise sie vorgingen und verschiedenerlei Angaben zu einem Ganzen zusammenschweissten. Mit den Angaben über das von ihnen benützte Vaticanische Material sind sie geradezu willkürlich umgesprungen. Das Register ihrer Ver- stösse in dieser Richtung ist mannigfach ; ich schreite im Folgenden a minori ad maius vor. Die Benedictiner geben z. B. nur im Allgemeinen an, dass sie Vaticani benützt haben zu den epp. 174—177 (CCXXXVin— CCXLI) ; Aldus hatte in seinen Collationen zu jeder dieser epp. bemerkt, dass er vier Handschriften verglichen habe. Ebenso verfahren sie bei ep. 207 (LXX), für welche Aldus eine Handschrift angibt. Zu epp. 232 und 233 (CCLHI und CCLIV) bemerken die Benedictiner: Non repertae in MSS. nisi cb et v (cb = Cor- beiensis monasterii Codices, plerique ante annos 800 aut 900 scripti; v = Vaticani Codices, qtuyrum nobiscum communicatae sunt vatiantes lectiones, collectae olim per selectos viros, qui post editionem a Lovaniensibtis adomatam castigandis denuo S. Au- gustini operibus CUnientis VIII av^toritate incumbebant). Aldus notirt zu ep. 232, dass er sie nach einem, zu ep. 233, dass er diese nach zwei codd. verglichen habe. Noch auffallender wird der Fehler, wenn man ihre Bemerkung zu der immittel- bar darauffolgenden ep. 234 (CCLV) und ep. 226 (CCLVI) liest: Ad eosdem MSS. duos recognitae. Zu ep. 257 (CCXVI) geben sie nur die unbestimmte Notiz, dass sie Vaticanische Handschriften benützt hätten, obzwar ihnen, wie sie selbst bemerken, s. oben S. 37, für die ganze Gruppe der epp. 248 bis 271 nur die Collationen aus einer einzigen Vaticani- schen Handschrift zur Verfügung standen. Oefters haben die Mauriner in ihrem Syllabus codicum mehrere in ihrer Ausgabe aufeinanderfolgende Briefe zu einer Gruppe zusammengefasst, um nicht bei jeder einzelnen Epistel den Apparat angeben zu müssen; in diesem Falle sind ihre Angaben über die Anzahl der benützten Handschriften mit äusserster Vorsicht aufzu- nehmen. Zu epp. 20—22 (CCXXXUI— CCXXXV) geben sie

Beitr&go snr Geschichte der AugustiiiiBchen Textkritilr. 41

sechs Vaticani an; diese Angabe ist nur fbr ep. 20 (CCXXXIII) richtige denn fUr die beiden anderen Briefe standen ihnen nur aus fünf Handschriften CoUationen zu Gebote. Zu epp. 53, 54, 51, 52 (CLH, CLIV, CLHI, CLV) machen die Benedic- tiner die Collectivangabe: Emendatae sunt ad quattuor v. Auch diese Angabe ist nur theilweise, nämlich fUr epp. 53, 51 und 52, richtig; für ep. 54 hatte Aldus fünf Handschriften ver- glichen. Aehnlich verhält es sich mit ihrer Notiz zu den epp. 229, 228, 230, 231 (CXHI-CXV!) : In MSS, non repe- riuntuT nm duobus VaHcanis et uno antiqtdssimo Corheiensi; für ep. 231 (CXVI) war von Aldus nur ein cod. collationirt wor- den. Bei ep. 98 (CLXUI) nennen sie statt drei nur zwei; bei ep. 110 (CCXHI) dagegen statt drei vier Vaticani. Bei ep. 108 (CCLXV) geben die Benedi ctiner überhaupt keine Vati- canische Handschrift an ; und doch lag ihnen für diese ep. eine CoUation aus vier Handschriften vor. Manchmal verweisen die Benedictiner auf eine bestimmte Anzahl von Vaticani, wo dies ganz ungerechtfertigt ist. So berichten sie zu epp. 25 (CXCV) und 26 (CXXIH) von sechs Vaticani, bei epp. 137 (LXXVni) und 166 (CV) von je vier Vaticani. Diese epp. gehören aber zu jenen, bei denen Aldus, wie ich oben S. 39 erwähnte, vergessen hatte, die Anzahl der Handschriften anzu- geben. Bei ep. 219 (CCLH) sprechen die Benedictiner von zwei Vaticani, bei ep. 268 (L) geben sie an: Non reperta est nisi in Vattcano exemplan. Beide Angaben sind falsch ; Aldus hat die beiden Briefe gar nicht collationirt (s. oben S.39). Auffallend ist auch das Missgeschick, das ihnen bei epp. 243 und 244 (CCXLVI, LXXIX) passirt. Aldus hatte für die erstere ep. zwei Handschriften verglichen, die letztere fehlt überhaupt in seinen CoUationen. Die^Mauriner hingegen notiren zu ep. CCXLVI (243): Non reperta in MS8. nisi in uno Vattcano und ebenso zu ep. LXXIX (244): Non reperitur nisi in Vaticano exemplari. Woher stammt diese falsche Angabe über den ,unus' Vaticanus ? Die Benedictiner haben eben verschiedene Notizen, die sich an ver- schiedenen Stellen der ed. Lov. finden, confundirt. Die Lova- nienses bemerken nämlich in den ,Castigationes' nach ep. 242: Epistola 243 et sequ^ntes antea non fuerunt excusat; in der ,Cen- sura' zu ep. 243 : Haec epistola accessit ex manuscripto codice epi- Stolarum, qui est Lovanii in Collegio Theologorum. Reperitur etiam

43 Tl. Abhftndlnng: Yrba.

in libro mgintiunius sententiarum, ubi est libri caput tertium. Und nach ep. 247 lesen wir in ihrer Ausgabe: Typographus Lectori: Sequentes epütolas accepimua ex Vaticana älmae urbü bibliotheca, Opera potüsimum et labore loannis Oravii Lovaniensis de sode- tate lesu. Die Benedictiner nun hatten einerseits nicht beach- tet^ dass ihnen selbst für ep. 243 CoUationen aus zwei Hand- schriften vorlagen, andererseits lasen sie zu ep. 243 in der ed. Lov.y dass diese ep. von den Lovanienses zum ersten Male herausgegeben worden sei; mit Umgehung der Notiz in der ^Censura' der Lovanienses zu dieser ep. bezogen sie die Be- merkung des ,Typographu8*, die nur den epp. 248 271 gilt, schlankweg auf ep. 243 und gelangten auf diesem Wege zu ihrer wunderlichen Angabe. Auf ep. 243 folgt in der ed. Lov. natürlich ep. 244 (LXXIX), und so kam es natürlich auch, dass sie die irrige Angabe auch bei dieser ep. wiederholten. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zur Genüge, dass die Angaben der Benedictiner über ihren Apparat, soweit wenigstens die Vaticani in Betracht kommen, sehr der Correc- tur bedürfen; ich werde auch im weiteren Verlaufe der Unter- suchung die Unrichtigkeiten, die sie sich in dieser Beziehung zu Schulden kommen lassen, stets richtigstellen. Wie sie es sonst gehalten haben, das zu untersuchen liegt ausserhalb der Aufgabe, die ich mir gestellt habe.

Ed. Lov. tom. III.

Der Verfasser der CoUationen für die in den Bänden III und IV ed. Lov. enthaltenen Schriften Augustins ist der Doctor Sorbonicus Christophorus Obrius. Den Bemerkungen, die ich oben S. 23 f. über ihn gegeben, muss ich noch Einiges über seine Arbeitsmanier beifügen.

Auf den ersten Blick sehen die Erstlingscollationen des Obrius, namentlich jene zu den ersten vier Schriften des t. lU. ed. Lov. nicht gerade vertrauenerweckend aus: sie bilden ein krauses, unsauberes Gewirr von durcheinandergeworfenen No- tizen, die überdies so unleserlich geschrieben sind, dass ihre Entzifferung wahrlich Mühe macht. Besonders ragt in dieser Beziehung die CoUation des ersten Buches der Schrift De doctrina Christiana (cod. 4991, foU. 133—135) es ist dies

Beitrag« lur Oeschiobto der Angustinischen Textkritik. 43

die erste Schrift im HI. Bande der ed. Lov. hervor. Obrius selbst dürfte gefürchtet haben, einst in diesem Labyrinthe die Orientirung zu verlieren, und hat deshalb die CoUation dieses Buches, ib. foU. 140 143, zunächst selbst etwas ordent- licher und übersichtlicher abgeschrieben. Aber auch diese Probeschrift scheint ihn ebensowenig befriedigt zu haben, als sie uns zufriedenstellen kann, und er Hess eine, allerdings gerade- zu kalligraphische Abschrift dieser Collation, wahrscheinlich durch einen der ihm beigegebenen Cleriker (s. oben S. 17), an- fertigen. Von demselben Kalligraphen besitzen wir auch Co- pien zu den drei übrigen Büchern der Schrift De doctrina Christ, und zu den später unter ed. Lov. t. III., 2 4 ^ bezeich- neten Werken. Mit der Schrift Enchiridion (ed. Lov. t. III., 4) hören die Reinschriften von zweiter Hand auf: Obrius hat sich eine halbwegs leserliche Schrift zu Eigen gemacht. Prüft man jedoch die CoUationen des Obrius auf ihren inneren Werth, so wird man ihm das Zeugniss nicht versagen können, dass er ein verlässlicher und gewissenhafter Arbeiter ist. Allerdings scheint er ohne besondere paläographische Schulung ans Werk gegangen zu sein. Wenn der Text der ed. Lov. ihm nicht vor Augen lag, machte es ihm grosse Schwierigkeit, manche Hand- schrift zu lesen, wie er selbst gesteht; s. zu ed. Lov. t. IV., App. 2. Dies freimüthige Geständniss des Obrius und seine immerhin schwer lesbare Schrift werden vielleicht mit die Ver- anlassung gewesen sein, dass die Benedictiner einzelne Capitel und Stücke, die in der ed. Lov. nicht standen, die aber Obrius in den CoUationen aus seinen Handschriften abgeschrieben hatte, in ihrer Ausgabe nicht einmal erwähnen; s. zu ed. Lov. t. IH., App. 1; IV., 8; IV., App. 2. Andererseits hat sich Obrius manchmal überhastet und die CoUationen begonnen, bevor er alle verfügbaren Handschriften beisammen hatte. In einem Falle (s. zu ed. Lov. t. HL, App. 1) hat er dies Ver- säumniss durch einen Nachtrag gut gemacht; zu ed. Lov. t. HL, 1 aber hat er cod. Vat. 450, foU. 46' ff., saec. XIV, und

1 Der Kürze halber bezeichne ich fortan die einzelnen Schriften Au^a> stinB mit der Nummer des Bandes der ed. Lov., in welchem sie stehen, und mit der Nummer, die sie in der Reihenfolge der Schriften des be- treffenden Bandes in meiner Abhandlung einnehmen. App. bedeutet die appendix des betreffenden Bandes.

44 VI. Abhandlung: Vrba.

cod. 415/ foU. 274* ff., saec. XV nicht benutzt; den ersteren (cod. 450) verglich er später für ed. I.ov. t. HL, 7 und IV., 7, den letzteren (cod. 415) für ed. Lov. t. III., 5. Zu ed. Lov. t. III., 7 hat er cod. 463,2 foH. 104* ff., saec. XV nicht coUatio- nirt, obwohl er diese Handschrift flir ed. Lov. t. III., 1; HI., 5; IV., 4—7 heranzog. Dasselbe gilt von cod. 469 2 (foll. 46' ff.), saec. XV, den er wohl für ed. Lov. t. IV., 13 14, nicht aber für ed. Lov. t. IV., App. 7 verglich und für cod. 514 (foll. 13 ff.), saec. XII, den er nur zu ed. Lov. t. III., App. 1 und IV., 14 benützt, aber nicht zu ed. Lov. III., 8. Ebenso ist es nur Nachlässigkeit des Obrius, vielleicht auch der Biblio- theksbeamten (s. unten die Einleitung zu ed. Lov. t. VI. Vn. S. 60 f.), dass cod. Vat. lat. 491, saec. IX (s. Reiffer- scheidt, Bibl. Patrum lat., I, p. 442 ff.) zu ed. Lov. t. IV., 18 und IV., 19 nicht benützt wurde. Diese Handschrift ge- hörte sicher schon zur Zeit des Obrius zum Fundus der Vaticana.

Gelegentlich nimmt Obrius einen kleinen Anlauf zur höheren Textkritik (s. zu ed. Lov. t. III., App. 1 und ib. App. 2) und bekundet; dass er sich auch in anderen Bibliotheken um- gesehen hat (s. zu ed. Lov. t. HL, App. 1).

Auf einen sehr fühlbaren Mangel der Collationen des Obrius habe ich schon oben S. 24 hingewiesen. Obrius gibt nämlich in seinen Collationen stets nur die Anzahl der von ihm benützten Handschriften an, ohne die Signatur derselben beizufügen. 3 Die Eruirung der von ihm verglichenen codd. ist dadurch sehr erschwert. Nichtsdestoweniger ist es mög- lieh, in dieser Beziehung zu positiven Resultaten zu gelangen, da uns genug Anhaltspunkte zur Verfügung stehen. Obrius hat seine Collationen, wie er selbst cod. 4991, fol. 589 notirt, im Jahre 1598 beendet. Die codd. Ursiniani wurden im Jahre

' Im Katalog der Vaticana ist zu ed. Lov. t. III., 1, cod. 414 irrthiJmlicber Weise zweimal notirt, während cod. 415 gar nicht erwähnt wird.

2 Der Vaticanische Katalog nennt weder cod. 463 zu ed. Lov. t, III., 7, noch cod. 469 zu ed. Lov. t. IV., App. 7.

3 Die Einleitungsformel zu den einzelnen Collationen ist mit geringen Variationen gewöhnlich die folgende: ,Lectione8 diversas libri . . . in- coepi excerpere ex . . . exemplaribus manuscriptis Vaticani die . . . quorum unius hie est titulus, alterius hie . . . '

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Beitr&ge xar Geschichte der Anfl^stinischen Textkritik. 45

1602 der Vaticana einverleibt und erhielten die fortlaufenden Nummern 3195 3455. ' Obrius konnte folglich fUr seine Col- lationen von den jetzt in der alten Vaticana befindlichen codd. nur jene benutzen^ die eine niedrigere Nummer als 3195 tragen. Auf diese Weise ist die Anzahl der in Betracht kommenden Augustin -Handschriften schon sehr stark eingeengt. Hierzu kommen die Anhaltspunkte, die uns die CoUationen selbst zur Identification der von Obrius benützten Handschriften bieten. Obrius fiihrt nämlich die Incipit- und Explicit-Noten der codd. zu den einzelnen Augustinischen Schriften genau an. Das wichtigste Hilfsmittel sind jedoch die eigentlichen Varianten- verzeichnisse selbst, da sie alle Besonderheiten der Hand- schriften, Lücken, Capitel- und Wortverstellungen, das Plus und Minus, das die Handschriften im Vergleiche zum Texte der ed. Lov. bieten, und Anderes getreulich registriren. Die Eruirung der von Obrius verglichenen Vaticani war unter diesen Umständen eine langwierige, oft auch langweilige Ar- beit; sie musste aber gemacht werden, wenn endlich fest- gestellt werden sollte, aus welchen Handschriften eigentlich der Vaticanische Apparat der Benedictiner besteht.

Durch die CoUationen des Obrius sind wir auch in die Lage gesetzt, die oft falschen Angaben der Benedictiner über ihren Vaticanischen Apparat richtigzustellen ; s. zu ed. Lov. t. HL, 4; HL, 5; IV., 12—14. Ferner lernen wir, wie wir sehen werden, den Vaticanischen Apparat der Benedictiner auch für solche Augustinische Werke kennen, die von ihnen in die Appen- dices verwiesen wurden ; bei diesen Schriften pflegen die Bene- dictiner bekanntlich fast nie ihre Handschriften anzugeben.

Falsche Angaben des jetzt gebräuchlichen Vaticanischen Katalogs werden corrigirt zu ed. Lov. t. IIL, App. 2; IV., 2; vgl. S. 44, Anm. 1 und 2.

Gross ist die Anzahl derjenigen Augustinischen Werke, für welche Obrius in der Vaticana keine Handschriften finden konnte: ed. Lov. t. IIL, 12; IIL, App. 3; IV., 20; IV., App. 1; IV., App. 3; IV., App. 5; IV., App. 8; IV., App. 10—11.

Die Variantenverzeichnisse des Obrius sind halbbrüchig geschrieben und bestehen aus einzelnen Fascikeln, deren jeder

1 S. Nolhac, 1. c. 8. 120 und 123 ff.

46 VI. Abtaandlnng: Vrba

seine selbständige Foliirung hat; die durchgängige Foliirung stammt von der Hand dessen, der den cod. in seine jetzige Form brachte. Für die Notirung der tituli capitum und fiir die Abschriften der Stücke, die wohl in den Handschriften, nicht aber in der ed. Lov. standen, benützt Obrius meist Heftchen oder einzelne Blätter kleineren Formats; erstere nennt er jcodicilli.

Die CoUationen für den UI. Band ed. Lov. umfassen cod. 4991, foU. 132—399; sie wurden am 12. April 1595 begonnen und am 24. Juli 1597 beendet.

1. De doctrina Christiana (ed. Maur. t. HI). Die OriginalcoUation des 1. Buches dieser Schrift umfasst cod. 4991, foll. 133 135, die von Obrius verfasste Abschrift steht ib. foU. 140—143, die Reinschrift von zweiter Hand ib. foll. 137— 138. Für das 2., 3. und 4. Buch dieses Werkes haben wir CoUationen in zweierlei Fassung: eine von Obrius herrührende, und eine zweite kalligraphische Abschrift von der Hand des- selben, der die Reinschrift zum 1. Buche schrieb (s. oben S. 43). Die Originalcollationen zum 2., 3. und 4. Buche stehen 1. c. foll. 150—155, 163-165 und foll. 175—179; die Ab- schriften: ib. foll. 145 147, 157 159 und foll. 169—171. Die Originalcollationen und die Abschriften derselben sind ein- ander wesentlich gleich. CoUationirt wurden von Obrius drei Vaticani:^ a) cod. 414, vol.I., saec. XIV (s. oben S. 33); h) cod. 468, foll. 1 ff., saec. XV; c) cod. 489, foll. 99 ff., saec. XV.

2. Loeatlonum libri VII (ed. Maur. t. lU). Die Ori- ginalcoUation des Obrius ist uns erhalten 1. c. foll. 187—191, die Reinschrift von zweiter Hand ib. foll. 181—184. Benützt wurde ein Vaticanus: cod. 490, foll. 1 ff., saeo. XV. Dieser cod. trägt auf dem Vorlegeblatte die Signatur 49^ und auf dem letzten fol. die subscriptio: ,Qui me scribebat Johannes nomen habebat'.

3. De fide et symbolo IIb. I (ed. Maur. t. VI). Die OriginalcoUation steht 1. c. foll. 200 202, die Copie von zweiter Hand ib. foll. 197 198. Der Collation liegen zwei Vaticani zu Grunde : a) cod. 417, foll. 165 ff., saec. XH ; b) cod. 445, foll. 118^ ff., saec. XV. Dieser cod. trägt die subscriptio: ,hoc totum volumen scripsit petrus Beekhuser'.

* Vgl. oben S. 43 f. die BemerkuDg über die von Obrius nicht benützteD codd. 450 und 415.

Beitrag« zur Oeachiehte der Angnstiniacben Textkritik. 47

4. £nehiridion ad Lanrentinm IIb. 1 (ed. Maur. t. VI). Die OriginalcoUation umfasst 1. c. foU. 221—253 (foU. 227 232 sind leer), die Abschrift von zweiter Hand ib., foll. 204 219. Obrius coUationirte fünf Handschriften, während die Benedictiner f^schlich nur vier Vaticani nennen. Die von Obrius benutzten Vaticanischen Handschriften sind folgende: a) cod. 492, foll. 1 ff., saec. XH; b) cod. 476, foll. 152 ff. saec. XII; c) cod. 414, vol. III., saec. XIV; d) cod. 445, foll. 439^ ff., saec. XV; e) cod. 613, foll. 41 ff., saec. XV.

5. De Trinltate (ed. Maur. t. VIII). Die Collation des Obrius steht 1. c. foll. 257 310. Die Collation begann am 8. Jänner 1596 und wurde abgeschlossen am 22. Jänner 1597. Obrius verglich für dieses Werk zehn Vaticani; die Bene- dictiner machen sich auch hier wieder eines Irrthums schul- dig, indem sie angeben, elf Vaticani benützt zu haben. Die von Obrius coUationirten zehn Handschriften sind folgende: a) cod. 420, saec. XI; b) cod. 421, saec. XI; c) cod. 422, saec. XI; d) cod. 417, saec. XII; e) cod. 414, vol. L, saec. XIV; f) cod. 416. Dieser cod. trägt am Vorlegeblatte die Notiz: , Augustinus de Trinitate. lulii II pont. Max. bibliothecae secre- tae dicatus^ und auf dem Schlussblatte die subscriptio: ,Per me mathiam moravium finiunt foeliciter secundo kal. marcii Anno domini 1468'; g) cod. 416, saec. XIV; h) cod. 419, saec. XIV; i) cod. 418, saec. XV; k) cod. 463^ saec. XV.

6. De genest ad litt, imperf. IIb. (ed. Maur. t. III). Die Collation, 1. c. foll. 317 318, beruht auf einer einzigen Handschrift, dem cod. Vat. lat. 445, foll. 23 1' ff., saec. XV.

7. De genest ad Ittt. librt XII (ed. Maur. t. III). Obrius collationirte, I.e. foll. 321—345, drei* Vaticani: a) cod. 414, vol. IL, saec. XIV; b) cod. 449, foll. 1 flf., saec. XIV; c) cod. 460, foll. 1 ff., saec. XIV.

8. De agone Clirtsttano (ed. Maur. t. VI). Obrius benutzte für seine Variae lectiones, 1. c. foll. 347—348, drei' Vaticani, und zwar: a) cod. 448, foll. 94' ff., saec. XII; b) cod. 414, vol. III., saec. XIV; c) cod. 446, foll. 413' flf., saec. XV.

9. De opere monaelioram (ed. Maur. t. VI). Die Collation, 1. c. foll. 361 363, gründet sich auf folgende drei

' Vgl. was oben S. 44 betreffs des cod. 463 bemerkt wurde. 2 Ueber cod. 614 s. oben 8. 44.

48 VI. Abbandinng: Vrba.

Vaticani: a) cod. 414, vol. II., saec. XIV; b) cod. 446, foll. 322' ff., saec. XV; c) cod. 489, foll. 1 ff., saec. XV.

10. De splrlt. et litt. IIb. I (ed. Maur. t. X). Obrius benutzte fUr seine Collation, 1. c. foll. 350—357, fünf Vati- canische Handschriften: a) cod. 461, foll. 89** ff., saec. XI ex.; b) cod. 458, foll. 137' ff., saec. XIV; c) cod. 445, foll. 304** ff., saec. XV; d) cod. 489, foll. 17' ff., saec. XV; e) cod. 501, foll. 183** ff., saec. XV. Dieser cod. trägt die subscriptio: ,Bartholo- maeus de medemblic scripsit^ Betreffs der Schrift De spirit. et litt. vgl. auch die Bemerkung zu ed. Lov. t. VII., pars 2., 2.

11. De divinatione daemonum (ed. Maur. t. VI). Das Varianten verzeichniss des Obrius, 1. c. fol. 366 367, be- ruht auf drei Vaticani: a) cod. 414, vol. IL, saec. XIV; b) cod. 458, fol. 66^ ff., saec. XIV; c) cod. 445, fol. 406^ ff., saec. XV.

12. Specalum ex utroqne Testainento (ed. Maur. t. III). Obrius bemerkt zu dieser Schrift I. c. fol. 370': NuUa exemplaria mantiscripta Speculi d, August, repetH im Vattcano. Ideo 9, die lunii 1697 coactus fui convollare ad librum de eccle- siasticis dogmatibus.

Äppend. 1. De deflnltionibus orthodoxae fidei

IIb. I (ed. Maur. t. VIII., App.: De ecclesiasticis dogmatibus). Zu dieser Schrift besitzen wir zwei Collationen des Obrius. Die erste umfasst 1. c. foll. 370 ff. und beruht auf folgenden drei Vaticani: a) cod. 466, foll. 1 ff., saec. XI in. Auf diesen cod. bezieht sich die Bemerkung des Obrius, 1. c. fol. 373 ', zu cap. 88: Cap. 88, quod est unius exemplai'is mamiscripti Vaticani, in quo solo reperitur, 52. et ultimum huius libri de dogmatibus ecclesiasticis j cuius est titulus: Contra Pelagium eiusque sequaces. Es folgt in der Collation die Abschrift dieses Capitels, wie es im cod. 466, fol. 8' steht: Nam ti*ia sunt scitis, qiuie maxime ad- versus eos catholicam defendit ecclesiam (Obrius schreibt hier auf eigene Faust: ,catholica ecclesia'). Quorum unum est gra- tiam Dei non secundum merita nosfra dari ete, b) cod. 458, foll. 115' ff., saec. XIV; c) cod. 47S, foll. 118' ff., saec. XIV; der in dieser Handschrift überlieferte Text weicht besonders hinsichtlich der Anzahl der Capitel und ihrer Reihenfolge von der Ausgabe der Lovanienses bedeutend ab, was von Obrius stets getreulich registrirt wird; s. besonders cod. 4991, fol. 371'.

Beitrige znr Oeschichte der AugnitiniBchen Textkritik. 49

In der zweiten Collation, 1. c. foll. 378—381, zieht Obrius ausser den soeben genannten drei Handschriften noch einen vierten VaticanuB heran: cod. 514, foII. 64^ff., saec. XII. In diesem cod. ist die Augustinische Schrift, von welcher eben die Rede ist, folgendermassen überschrieben: Incipit Über de diffinicioni' bus (sie) ecclesiasticorum dogmatum augustini vel gennadii. Letzterer Umstand veranlasst den Obrius zu Auslassungen, die bezeugen, dass er auch den Regungen der höheren Kritik zugänglich war. Er citirt am Schlüsse seiner Collationen fünf, respective vier loci, in quibus Magister SerUentiarum attribtdt hunc librum d, Augustino non autem Gejinadio und bemerkt ferner ib. fol. 373: hunc Üb. attribuit d. Äug. unum exemplar manuscriptum, quod ego vidi in bibliotheca basilicae Sancti Petri; vgl. oben S. 43 und 44.

Append. 2. De flde ad Petrum Hb. I (ed. Maur. t. VI., App.). Für die Collation dieser Schrift hat Obrius vier codd. benützt, in quibus atiribuitur non Fulgentio sed d. Au- gusiino ut patet fifulis ipsorum; auch hier ftihrt Obrius am Schlüsse seiner Collation acht loci auf, in quibus Magister Sententiarum attrihuit hunc librum de ßde Äugustino non Ful- gentio und fügt die Notiz bei: Conradus Cesnerus scribit in 8ua bibliotheca universali Fulgentium episcapum Ruspensem com- posuisse librum de fide ad Donatum; s. oben S. 44. Die von Obrius verglichenen Vaticani sind folgende: a) cod. 389, foll. 99 flf., saec. XII; b) cod. 448, foll. 1 ff., saec. XII; c) cod. 417, foll. 150 ff., saec. XII. Im Katalog der Vaticana ist zu dieser Schrift Augustins irrthümlicher Weise cod. 416 statt cod. 417 genannt, s. oben S. 45; d) cod. 414, vol. IL, saec. XIV.

Append. 3. De Mirabillbns Sacrae Scriptnrae llbri III (ed. Maur. t. III., App.). Zu dieser Schrift be- merkt Obrius 1. c. fol. 392: Nulla exemplnria manuscripta Spe- culi d. Aug. et Ubrorum de Mirabüibus Sacrae Scripturae reperi in Bibliotheca Vaticana.

Append. 4. De spirltn et anlma Hb, I (ed. Maur. t. VI., App.). Die CoUation des Obrius, 1. c. foll. 392—399, beruht auf vier Vaticani: a) cod. 414, vol. II., saec. XIV; b) cod. 473, foll. 135» ff., saec. XIV; c) cod. 601, foll. 135 ff., saec. XV; d) cod. 467, foll. 1 ff., saec. XV.

Sitznn^sber d phil -liist. CI. CXT^T. Bd. 6. Abh. 4

50 VI. Abbandlnng: Yrba.

Mit dieser Schrift schliessen die Collationen für den III. Band ed. Lov.; Obrius bemerkt 1. c. fol. 399^: Hob coüa- tiones tarn huius lihri de spiritu et anima quam toHus tertii tami operum divi Aug. absolvi 24, lulii 1597. Laus Deo.

m

Ed. Lot. tom. lY.

Die Collationen flir diesen Band sind ebenfalls von Obrius yerfasst. Es gilt für sie dasselbe^ was oben dem t. III. ed. Lov. vorausgeschickt wurde. Sie umfassen cod. Vat lat. 4991, foU. 403—589; ihre Abfassung ftlllt in die Zeit vom 25. Juli 1597 bis 10. October 1598. Die Worte, mit welchen Obrius die Collationen fUr diesen Band einleitet^ habe ich oben S. 13 mitgetheilt.

1. De mendaclo ad Consentlum Hb. I (ed. Maur. t. VI). Die Collation dieser Schrift, 1. c. foll. 403—407, beruht auf einem Vaticanus: cod. 445, foll. 259* flF., saec. XV.

2. Contra mendacinm ad enndem IIb. I (ed. Maur. t. VI). Die Collation steht 1. c. foll. 407 410; es liegen derselben zwei Vaticani zu Grunde : a) cod. 445, foll. 266 *, saec. XV ; b) cod. 448, foll. 43 ^ ff., saec. XII. Der Verfasser des Vaticanischen Katalogs ist durch die falsche Ueberschrift, die das Werk in dieser Handschrift (cod. 448) trägt : ,De men- dacio ad Consentium' irregeführt worden und notirt cod. 448 zu der unmittelbar vorhergehenden Schrift; s. oben S. 45.

3. De flde et operibns IIb. I (ed. Maur. t. VI). Obrius benützte flir die Collation, 1. c. foll. 413 416, drei Vati- cani: a) cod. 470, foll. 14^ ff., saec. XI; b) cod. 484, foll. 90^ ff., saec. XI. Dieser cod. enthält auf den letzten foll., 126 127, einen bisher ungedruckten Katalog einer Klosterbibliothek aus der gleichen Zeit; c) cod. 445, foll. 313^ ff., saec. XV.

4. Qnaestionum librl TU (ed. Maur. t III: Quae- stionum in Heptateuchum libri VII). Die Collation steht 1. c. foll. 425— 450; Obrius hat zwei Vaticani verglichen: a) cod. 463, foll. 165 »> ff., saec. XV; b) cod. 490, foll. 36»» ff., saec. XV,

5. Quaestionum Evangelicarum librl II (ed.

Maur. t. III: Quaestionum Evangeliorum libri II). Die Col- lation des Obrius, der der Ueberlieferung des von ihm ver- glichenen Vaticanus folgend diese und die anschliessende Schrift: ,Quaestionum Evangelicarum secundum Matthaeum lib. I^ als

I

Beitrigd zur Geschichte der AuguBtinischen Textkritik. 51

ein zusammeD gehöriges Ganze auffasst, basirt auf cod. 463, foU. 236^ 247% saec. XV.

6. Qnaestionum Eyangeliearum seeundnni Hat-

thaeum IIb* I (ed. Maur. t. III: Quaestionum 17 in Evan- gelium seeundum Matthaeum Hb. I). Wie ich vorhin angedeutet habe, bildet in cod. 463, foll. 247'^-249, saec. XV diese Schrift das dritte Buch des unmittelbar vorhergehenden Werkes : ,Quaestionum Evangelicarum libri 11/ Dieselbe beginnt im cod. 463 mit: Quod dominum in pctsaione exaerunt; siehe die Bemerkung der Benedictiner t. III., pars 2., p. 1363 M. zu den Worten : Quod dominum in passtone. Zu domini esse arhi- trabantv/r (quaest. 17) notirt Obrius 1. c. fol. 455** richtig: hic finit lib. tertium quaestionum evangelicarum codex Vaticani, nee habet haec verba sequentia usque ad finem libri: Generalem tu- stitiam non violat quis; siehe die Anmerkung der Benedictiner zu dieser Stelle t. III., pars 2., p. 1374 M. Ausser cod. 463 hat Obrius keine Handschrift verglichen.

7. De eonsensu ETangelistaruin (ed. Maur. t. III). Obrius verglich flir dieses Werk 1. c. foll. 457 482 vier Vaticani: a) cod. 486, saec. XII ex. Der cod. hat auf dem Vorlegeblatte nebst der neuen auch die alte Signatur: ^^J' b) cod. 460, foll. 151^ ff., saec. XIV; c) cod. 468, foll. 249 »> ff.', saec. XV; d) cod. 414, vol. II., saec. XIV,

8. Oetoginta trinm qnaestlonum lib. I (ed.

Maur. t. VI). Die CoUation dieser Schrift umfasst 1. c. foll. 491—502. Ib. fol. 502 bemerkt Obrius richtig: ConUdi lib. 83 quaestionum Impressi Lovaniensis cum duobus exemplaribus manu- scriptis Vaticani, quorum unum convenit cum Impresso in numero et materia quaestionum: aUerum V6t*o convenit cum Impresso in numero quaestionum, non autem in materia, quia quaestio 82. Im- pressi, cuiurS titulus est: De eo quod scriptum est: quem emm di- ligit Dens corripit et flageUat, non reperitur in eo, sed huius loco reperitur quaestio de paschale, qaae hoc folio contineiw; es folgt nun auf einem Blatte kleineren Formates die Abschrift dieser bisher unbekannten quaestio ,de paschale^ Obrius verglich zwei Vaticani: a) cod. 445, foll. 417^ ff., saec. XV; b) cod. 516, saec. X; s. Reiff. 1. c. I, p. 451 ff. Auf diesen cod. 515 bezieht sich die obige Notiz des Obrius über die quaest. 82. Aus derselben Handschrift, fol. 76*, stammt auch die Abschrift der

52 VI. Abhandlung: Trba.

quaestio ,de paschale'; sie ist in diesem cod. die 81. quaestio^ beginnt mit: De pascha, Sed eiiim cum apofitolus dicat oninia in figura iibdueis cucurrisse und schliesst fol. 77 mit den Worten: reinigio poterunt coelum penefrare secundo aethera va- cuum et laetis transcurrere pinnis (über das erste ,i' in ,pinnis* ist von m. 1. ein ,e' geschrieben). Die von Obrius gegebene Ab- schrift dieser quaestio haben die Benedictiner nicht benützt: s. oben S. 43.

9. De dirersis quaestionibiis ad Slmpliclanum

(ed. Maur. t. VI). Obrius benützte für seine Collation, 1. c. foll. 507—510, drei Vaticani: a) cod. 445, foll. 273» flf., saec. XV;

b) cod. 500, vol. IL, foll. 380» ff., saec. XV; c) cod. 501, foll. 133 »> ff., saec. XV.

10. De octo Duicitil quaestionibns (ed. Maur. t. VI). Die Collation dieser Schrift, 1. c. foll. 513—515, geht auf drei Vaticani zurück: a) cod. 461, foll. 133* ff., saec. XI ex.; b) cod. 445, foll. 452» ff., saec. XV; c) cod. 500, vol. IL, foll. 406 »> ff., saec. XV.

11. De cnra pro mortuls gerenda (ed. Maur. t. VI). Obrius hat, 1. c. foll. 516 519, vier Vaticani verglichen: a) cod. 461, foll. 104 ff., saec. XI ex.; b) cod. 505, foll. 53 ff., saec. XI ex.; c) cod. 414, vol. IIL, saec. XIV; d) cod. 445, foU. 409» ff., saec. XV.

13. De catechizandls rudlbus (ed. Maur. t. VI). Für diese Schrift wurde von Obrius, 1. c. foll. 522 524, nur ein Vaticanus : cod. 445, fol. 122», saec. XV, collationirt. Die Benedictiner nennen in ihrem Apparate iUlschlich zwei Vaticani.

13. De contlnentia (ed. Maur. t. VI). Die Collation, 1. c. foll. 526 529, basirt auf zwei Vaticani: d) cod. 447, foll. 26» ff., saec. XV',' b) cod. 469, foll. 1 ff., saec. XV. Auch hier geben die Benedictiner irrthümlich an, drei Vaticani be- nützt zu haben.

14. De patientla (ed. Maur. t. VI). Von Obrius wurden 1. c. foll. 530—532 drei Vaticani benützt: a) cod. 614, foll. 22^ ff., saec. XII; b) cod. 447, foll. 40 ^ ff., saec. XV;

c) cod. 469, foll. 11» ff., saec. XV. Auch bei dieser Schrift ist die Angabe der Benedictiner, die in ihrem Apparate vier Vati- cani nennen, richtigzustellen.

Beitrige zur Geschieht« der Angnstioischen Textkritik. o3

15. De bono yidnitatis (ed. Maur. t. VI). Die Colla- tion steht 1. c. foll. 534 ^536; benutzt wurden drei Vaticani: a) cod. 512, saec. X; s. Reiff. 1. c. I^ p. 438 f.; 6) cod. 414, vol. II., saec. XIV 5 c) cod. 446, foll. 359» ff., saec. XV.

16. De sermone Domini in monte (ed. Maur. t. III). Die Collation, I. c. foll. 538—547, stützt sich auf zwei Vaticani: a) cod. 485, foll. 75^, saec. XII. Der cod. trägt auf dem Vorlegblatte die alte und die neue Signatur: ^-^j b) cod. 445, foll. 237 ^ ff., saec. XV.

17. Expositionis Epistolae ad Romanos in- ehoatae IIb. I (ed. Maur. t. III). Die Collation umfasst 1. c. foll. 548 550 und ist aus einem Vaticanus: cod. 445, foll. 204* ff., saec. XV geschöpft. Die Benedictiner bemerken in ihrem Apparate zu dieser Schrift: ,In MSS. nostris non reperta est praesens Expositio; sed multis mendis purgata nunc fuit ope manuscripti Vaticani et recensita ad editiones Am., Er. et Lov.'

18. Expositlonis qnarandam proposltlonum ex Epistola ad Somanos üb. I (ed. Maur. t. III). Auch die Collation zu dieser Schrift, 1. c. foll. 552 554, beruht auf cod. Vat. lat. 445, foll. 209» ff. Betreffs cod. 491 s. oben S. 44.

19. Expositionis Epistolae Pauli ad Oalatas üb. I (ed. Maur. t. III). Die Collation zu diesem Werke, 1. c. foll. 556—559, ist gleichfalls aus cod. 445, foU. 215^ ff., ge- flössen. Vgl. was oben S. 44 über cod. 491 gesagt wurde.

Zu den beiden folgenden Werken:

20. Annotation um in lob (ed. Maui*. t. III), und Append. 1. Yiginti nnius sententiarum üb. I

(ed. Maur. t. VI., App.) bemerkt Obrius 1. c. fol. 561, dass er für diese Schriften in der Vaticana keine Handschriften finden konnte.

Append. 2. Sexaginta qninqne quaestionnm dialogns (ed. Maur. t. VI., App.). Die Collation dieser Schrift, 1. c. foll. 561—568, beruht auf vier Vaticani. Ib. fol. 568 be- merkt Obrius zu den Worten der 65. quaestio: praeease desideraty mit welchen sowohl die ed. Lov. als auch die Benedictiner diese Schrift schliessen lassen: Hie finiunt duo exemplaria Vaticani cum Impresso Lovaniensi, non autem alia duo. Er gibt sodann auf fünf Blättchen, 1. c. foll. 572—576, aus den letzterwähnten

54 VI. Abhandlung: ¥rba.

beiden Vati cani die Abschrift- jener überzähligen quaestiones und schliesst ib. fol. 576 mit folgender Notiz: Contuli dialogum 65 quaestionum Orosii ad AugiMtinum cum quathiar exemplaribtiB maniiscriptis Vaticani, quorum duo eonveniunt in numero qwiestio- num cum Impresso Lovaniensi, alia duo excedunt hunc nwnerum quaestionum adeOy ut unum ipsorum confineat ad adhuc prolatas 65 quaestiones Impressi hos omnes contentas et litteris mandatas in his quattuor foliis postumis huius codidlli, quas ego excerpsi ut potuiy quia multa sunt vocabula, quae non potui legere aut inteUigere propter difficultcUes abbreüiationum. Ideo rursus con- sulendum est. Die beiden Vaticani, die in der Anzahl der quaestt. mit der ed. Löv. übereinstimmen, sind cod. 283^ foll. 272 ff., saec. Xu; die Handschrift trägt auf dem letzten fol. die Provenienznote: ^Iste lib. est monasterii Set. M. de angelis de florentia.' Die zweite Handschrift ist cod. Vat. lat. 389, foll. 77 ff., saec. XH. Die beiden anderen Handschriften, die mehr quaestt. enthalten als die ed. Lov. (und auch als die ed. Maiu*.), sind cod. 513, foll. 10 *> ff., saec. XV und cod. 468, foll. 206* ff., saec. XIV. Die erstere (cod. 513) enthält auf foll. 21»— 22 fünf quaestt., deren erste mit : qu^re fecit deus hominerny quem peccaturum sciebat, und deren letzte mit: Ergo, inquii, bonus est diabolvs, qiaa utilis estf anhebt. Obrius hat diese überzähligen fünf quaestiones I.e. fol. 572^ abgeschrieben. Die letztere Hand- schrift (cod. 458) überliefert uns fol. 218 % col. 1 - fol. 223, wenn ich recht gezählt habe, um volle 78 quaestt. mehr, als die ed. Lov. bietet. Die erste dieser 78 quaestt. beginnt ähnlich wie oben in cod. 513 : Quare fecit Deus hominem, quem peccaturum prae- sciebat. Die letzte: Quare dixit Deus ad adam in quocumque die comederis ex lignoy quod est in paradyso medio paradysi morte morieris, cum legamus eum post multis vixisse diebus. Diese 78 quaestt., die, wie schon erwähnt, weder in der ed. Lov., noch in der ed. Maur. publicirt sind, hat Obrius 1. c. foll. 673 576 abgeschrieben ; vgl. oben S. 43.

Append. 3. Qaaestionam veteris et noTl Testa- ment! Hb. I (ed. Maur. t. HL, App.). Hierzu bemerkt Obrius 1. c. fol. 579: Nulla exemplaria reperi in Bibliotheca Vatieana super lih*um qu^aestionum veteris et novi Testamenti neque super librum quaestionum ex utroque mixtum.

Beiträge zur Geschichte der Angnstiuischen Textkritik. 55

Append. 4. De incarnatlone Yerbi (ed. Maur. t. VIII., App.). Die Collation dieser Schrift, 1. c. foU. 578—580, basirt auf cod. Vat. 468, foU. 71» ff., saec. XIV.

Append. 5. De trlnltate et unitate Del Hb. I (ed. Maur. t. Vm., App.). Für diese Schrift hat Obrius, wie er 1. c. fol. 580^ notirt, in der Vaticana keine Handschrift ge- funden.

Append. 6. De essentla diyinltatls (ed. Maur. t. VIII., App.). Die Varianten flir dieses Werk, 1. c. foU. 582-583, sind aus cod. Vat. 458, foU. 82 » ff., saec. XIV geschöpft.

Append. 7. De flde rernm InTislbllluin (ed. Maur. t VI). Die Collation dieser Schrift, 1. c. foU. 584-585, be- ruht auf cod. Vat. 447, foU. 1 ff., saec. XV. Betreffs cod. 469 s. oben S. 44.

Append. 8. De snbstantla dllectionis et amorls

IIb. I (ed. Maur. t. VI., App.). Für diese Schrift fand Obrius in der Vaticanischen Bibliothek keine Handschrift.

Append. 9. De Tera et falsa paenltentla (ed. Maur. t. VI., App.). Die Varianten, 1. c. foU. 586 589, wurden von Obrius aus cod. Vat. 473, foll. 158* ff., saec. XIV entnommen.

Zu den beiden letzten Werken dieses Bandes ed. Lov.:

Append. 10. De salutarlbus doenmentls Hb. I

(ed. Maur. t. VI., App.), und

Append. 11. De amleltla IIb. I (ed. Maur. t. VI., App.) bemerkt Obrius, 1. c. fol. 589, ddo. 10. October 1598: Super duo8 Ultimos libros quarti tomi nimirum super lib, de salu- tarihus documentis et lihrum de amicitia nulla exemplaria reperi in Bibliotheca VaticanL Ideo has non contuli sed finivi quartum tomum in lihro de vera et falsa penitentia.

Ed. Lot. tom. Y.

In der Einleitung, oben S. 24 ff., habe ich darauf hin- gewiesen, dass die CoUationen für ed. Lov. tt. V. und VIII. von demselben Verfasser stammen und auch die Zeit ungefähr bestimmt, in welche die Abfassung dieser CoUationen fUUt.

Die CoUationen für diese beiden Bände der ed. Lov. machen den Inhalt des cod. Vat. lat. 4992 aus, und zwar um- fassen die CoUationen für t. V. die foll. 132 496, die CoUa- tionen für t. VIII. die foll. 1 131 jener Handschrift.

56 ^ AbhandirnJiK : V r ba.

Der Verfasser der Collationen leitet seine Varianten- Verzeichnisse zu ed. Lov. t. V. = ed. ^faur. t. VII. ^De civi- tate Dei) mit folgenden Bemerkungen ein: Variae Lectiones in tarn, V Operum D, AureUi Augustini De dvitaie Dei ex collatione libri excusi Lugduni in foV ann, 1586 ad aliquot MSS. Biblio- thecae Vaticanae coUeetae.

Sunt autem Odern MSS. a»inotati

In kae quidtm In Indiet wtrm Vatiemno

eoUatitmt aic: nc:

1 2397 aUas 438«

2 2405 426

3 71 436

4 2417 434

5 73 442

6 2392 437

7 2391 440

8 2439 441

9 2424 439

10 2388 433

11 2380 432

12 429

13. ... , 428

Advertendum est integram coüationem totius operis huiu9ce factam fuisse cum. quinque duntaxat MSS, videlicet 1^, 2^, 4**, 12^ et 18^. CoUatio vero cum rdiquis MSS,, quod pai-um enieti- dati visi sunt, inchoata fuit, u/t videre est, non absoluta, idque superiorum iussu, qui non ultra in iis immorandum censuerunt in quadam congregatione apud Ulm, CardinaUm Baranium Biblio- thecarium hahita, in qua interfuerunt Rlustrissimi DD. Cardinales Peronius, Bellarminus, Arigonivs et Caesius ' . . . Sciendum est etiam numeros illos, qui in margine harum nostrarum annotatio- num plerumqvs notantur, significare Ubros, quorum lectio inter se congruit.

' Die rechts stehenden Nummern: 438 n. s. w. entsprechen der auch jetzt noch im Gebrauche stehenden Bezeichnung jener Vaticani; die links stehenden Nummern bezeichnen die alte, ausser Gebrauch gekommene Signatur.

' Vgl. oben 8. 2..,

Boitrige zur Geschichte der Angustintichen Textkritik. Ö7

Die Collationen für t. V. ed. Lov. sind nach einem ganz merkwürdigen Plane verfasst. Der Anzahl der oben aufge- zählten codd. entsprechend legte der Verfasser der Collationen zunächst dreizehn CoUationshefte an^ deren jedes mit der fort- laufenden Bezeichnung: ^primus codex', ^secundus codex' u. s. w. überschrieben ist, und verfuhr nun folgendermassen: Im ersten Hefte wurde der oben zuerst genannte cod. 1 (cod. 438) zu- nächst mit dem Texte der ed. Lov. verglichen und die Varianten des cod. ausgeschrieben.. Zu jeder einzelnen Variante des cod. 1 notirte der Verfasser der Collationen sodann, indem er sich zur Markirung der Ziffern 2 13 bedient, von den übrigen zwölf Handschriften (2 13) diejenigen, welche dieselbe Ab- weichung boten. Ebenso verfährt er im zweiten Hefte. Hier bildet cod. 2 (es ist cod. 426; s. oben) die Grundlage der Col- lation und zu den einzelnen Varianten wird in der vorhin beschriebenen Weise bemerkt, welche von den codd. 3 13 die- selbe Abweichung aufweisen; cod. 1 bleibt dabei aus dem Spiele, weil dieser cod. schon die Grundlage im ersten CoUations- hefte gebildet hatte. Derselbe Vorgang ist in allen folgenden Heften befolgt, so dass z. B. im zwölften Hefte der zwölfte cod. (429) als Grundlage benützt wird, und jenen Varianten dieses cod., die mit cod. 13 übereinstimmen, die Ziffer 13 hin- zugesetzt wird. Im dreizehnten Hefte endlich sind consequenter Weise nur die Abweichungen des dreizehnten cod. (428) vom Texte der Lovanienses verzeichnet.

Auf diese complicirte und zeitraubende Weise wurden die ersten Bücher der Schrift De civitate Dei verglichen, worauf auf höheren Befehl die Vergleichung der codd. 3, 5 11 eingestellt und nur die Codices 1, 2, 4, 12 und 13, allerdings in der oben beschriebenen Weise, weiter collationirt wurden. Die fünf vollständig verglichenen Vaticani sind fol- gende: a) cod. 438, saec. XII— XUI; b) cod. 426, saec. IX— X, 8. Reiff. 1. c. I, S. 439 f.; c) cod. 434, saec. XV; d) cod. 439, saec. XIV; e) cod. 438, saec. XIV. Codd. 438, 434, 429 ent- halten sänyntliche Bücher der Schrift De civ. Dei, während cod. 426 nur die Bücher I X und cod. 428 die Bücher XI XXII umfasst. Der Vollständigkeit halber gebe ich hier auch von den übrigen acht Vaticani, welche für die Collation nur zum Theile verwerthet wurden, Alter und Inhalt an:

58 VI. Abhandlung: Yrba.

a) cod. 436^ saec. XIII; b) cod. 442, saec. XV; c) cod. 437, saec. XV; d) cod. 440, im Jahre 1462 geschrieben; e) cod. 441, im Jahre 1454 zu Venedig geschrieben. Dem cod. ist voraus- geschickt der prologus super libroa Augustini de dvitate Dei secundum magistrum Thomam de Valeis Anglicum ordinü praedi- catorum; f) cod. 489, saec. XIV; g) cod. 438, saec. XV. Vat. 433 ist keine Handschrift, sondern ein Druck und wurde seinerzeit ausrangirt. Sämmtliche hier aufgezählte codd. ent- halten das vollständige Werk De civ. Dei.

Die Benedictiner nennen in ihrem Apparate fünf Vaticani.

Ed. Lot. tom. YI.

Die CoUationen für die in den Bänden VI und VII der ed. Lov. enthaltenen Schriften stammen von ein und demselben Verfasser. Das ViTenige, was über die Person desselben und über die Zeit, während welcher er an der Arbeit war, sich ermitteln Hess, habe ich oben S. 24 ff. bemerkt. Seine Arbeits- manier ist wesentlich verschieden von derjenigen, die den Ver- fasser der CoUationen zu ed. Lov. tt. III. IV. kennzeichnet. Er bezeichnet zu jeder Schrift die codd., die er benützt hat, mit ihrer neuen, auch jetzt noch giltigen Signatur. Auch gibt er bei jeder notirten Variante genau an, welchem oder welchen codd. sie eigenthümlich ist; die Zugehörigkeit der einzelnen Varianten zu den betreffenden Handschriften wird der Kürze halber durch griechische Buchstaben markirt. Die Einleitungs- formel zu seinen CoUationen ist mutatis mutandis stets die fol- gende: Tractatum Augtutini de HaeresQms ad Quodvvltdeum contuli ad quinque exemplaria Vaticana, quae habentur in codd. 414, 445, 511, 655 et 1319; inferius vero notavt eodem ordine per a ß y d e; s. auch zu ed. Lov. t. VI., 17. Seine CoUationen zeugen von rühmenswerther Akribie, die jedoch manchmal etwas Pedantisches an sich hat. Besonders tritt dies hervor, wenn es sich um Aeusserlichkeiten handelt. Man lese nur, was er selbst über die Anlage seiner CoUationen mittheilt (cod. 4991, fol. 591): Variae Lectiones in tomum Sextum Ope- rum 8. Av^ustiniy depromptae ex codicibu>8 manuscripHs BibKo- ffißcae Vaticanae, quae respondent editioni Lugdunenai anni 1586 in foV* concinnatae ad instar Antverpiensis Plantinianae anni

Beiträge sar Oeschielile der Angiutinischen Textkritik. 59

1Ö76 ex eTnendatione Theologorum Lovaniensium . . . Porro in sequentibus Variü Lectionihus lüterae maifisculae Latinae, qaae ponuntur in margine, eignificant spatia iUa, quae in eodem codice impresso distinguuntwr iiadem litteris maiusculia intercolvmnaribus A B C D. Notas vero arithmeticae, quae in principio cuitLsque Variae Lectionis ponuntur, denotant versus sive Uneas eorundem spaiiorum codicis impressL Hunc enim modum et facüiorem et compendiosiorem adinveni, quo celerius omnia conßcerem: nempe ut notato numero versuum apponerem dumtaxat lectionem exem- plarium Tnanuscriptorum, Quam si conferas ad codicem Im- pressum mox mdeas ex simüitudine verbo^^m^ quid ab invicem differant, Ne vero tempus protrahendum esset in numerandis iisdem versibus confeci cfiartulam (qualem hohes hie in margine) cuius numeri exacte respondent versibus eiusdem Editionis Lugdur nensis, qud in singulis spatiis sunt 18, nisi vbi forte typogra- phorum incuria eaedem litterae maiusculae brevivs vel longitis spatium comprehetidunt : tunc enim et illam ego diversitatem sum necessario secuttis, ut omnia suis apte responderent numeris, ^ Es folgt eine Erklärung der Abkürzungen, die der Verfasser der CoUationen zu gebrauchen gedenkt, wie: ib. = ibidem, in fi. = in fine, in pr. = in principio, und Aehnliche, worauf er fort- &hrt: Cetemm in Variis Lectionihus colligendis muüas aperte erroneas, nee paucas leves consulto omisi, ne labor in immensum inutiliter cresceret. Nee dubito quin aliqua effugerint, vel diva- gatione mentis, dum minus attente coadiutorem legentem auscul- tavi (quod etiam attentissimis acddere consuevit) vel frequentissi- mis et importunis strepiübvs advenientium ad Bibliothecam Vati- canam, Uhid certe firmiter assevero, nihil me unquam sdenter omisisse, quod alicuius loci emendationi vel apertiori diluddationi nonnihil conferre putaverim, sed et permulta scrupulose rdegisse et adnotasse, quae absque vel minima iactura omitti poterant; 8. auch zu ed. Lov. t. VII., pars 2., 1.

Rühmend muss hervorgehoben werden, dass der Verfasser der CoUationen keine Mühe scheute, um seinen handschrift-

^ In der That hat der Verfasser der CoUationen, um seine gloriose ad- inventio nutzbar zu machen, in marg. einen langen, schmalen Papier- streifen aufgeklebt, der auf einer von oben nach unten laufenden Mass- eintheilung die Ziffern 1 18 trägt.

VI. Abhandlung : Vrba.

liehen Apparat so vollständig als möglich zu machen; s. zu ed. Lov. t. VI., 3 ; VI., 5 ; VI., 7 ; VI., 13 ; VII., pars 2., 14 und seine Einleitung zum ^Auctarium', die ich später folgen lasse.

Auch an gelegentlichen Notizen über den textkritischen Werth und das Alter der verglichenen Vaticani lässt es der Verfasser der Variae Lectiones nicht fehlen; wir werden Ge- legenheit haben zu sehen, wie weit in diesen Dingen sein Ur- theil reichte.

Die CoUationen ermöglichen es, unrichtige Angaben der Benedictiner über ihren Vaticanischen Apparat richtigzustellen und falsche Angaben des im Gebrauche stehenden Vaticani- schen Katalogs zu rectificiren ; s. zu ed. Lov. t. VI., 3 ; VI, 5; VL, 21; VII., pars 2., 13 und Vi., 21; VI., 23.

Für folgende Werke Augustins fand der Verfasser der CoUationen in der Vaticana keine Handschriften: VI., 11 12; VI., 24 ib. App. 1; VII., pars 1., 1; VII., pars 1., 5—15; VII., pars 2., 4 und für sämmtliche in der Appendix des VII. Bandes, pars 2., ed. Lov. abgedruckten Werke.

Die Variae Lectiones für die im VI. Bande ed. Lov. enthaltenen Schriften umfassen cod. 4991, foU. 590 626 und bestehen aus zwei CoUationsheften ; die Variantenverzeichnisse für die im VII. Bande ed. Lov. gedruckten Werke, cod. 4991, foll. 627 688, bestehen aus vier Fascikeln. Die Schlussblätter des cod. 4991, foU. 689 697 enthalten das ,Auctarium', d. h. eine Nachlese von Varianten aus einigen codd., die dem Ver- fasser der CoUationen zu spät zu Gesichte gekommen waren, für folgende Schriften: Ed. Lov. t. VII., pars 2., 3, 6, 7, 10, 11. Ueber die Umstände, die die Abfassung dieses Auctarium veranlassten, schreibt der Verfasser der CoUationen cod. 4991, fol. 689**: Cum in Bihliotheca Vaticana plures sint Indices Uhro- rum factum est in colUgendis Variü Lectionibus in tomos Sextum et Septimum Operum S. Augustini, ut aliquando custodea, con- tenti inspicere unum aut alterum Indicem, eos fantummodo Co- dices mihi exhibuerint, qui iisdem Indicibus adscripti habebantur, Itaque ex iis Varias Lectiones collegi et collectas scHpsi et de- scripsi. lamque ferme perveneram ad finem tomi Septimi, cum diligentiori pergvisitione facta omnium Indicum plura reperi exem- plaria diversorum tractatuum tarn eiusdem Septimi quam etiam

Beiträge zur GMChiehte der Augastioischon Textkritik. 61

SexH tomi. Ne vero ea intacta relinquerem, perlegi omnia non sine fastidio repetendae totiens eiusdem lecfioms: Quod et multum cremt, cum saepius mvlta deacribenda fuerunt, ut aingidae variae lectiones suis locis apponerentur, Tandem vero taedio mctus, sed et temporis brevitate (cum in prodnctu regressus mei in Galliam essem) coactuSy Auctarium iatvd seorsum confeci, quo continerentur ea, quae adhuc describenda et iam descriptis iungenda manserunt, Ne vero idem superfltius Imor etiam aliis acddat, moneo Correc- toree, ut, antequam manvm apponant collationi alicuius tractatus, inspiciant omnes Indices Bibliothecae et in eis diligenter exemplaria quaerant.

Die CoIIationeTi für ed. Lov. t. VI. sind dreitheilig^ jene für t. VII. haibbrüchig ges.chrieben ; die einzelnen Columnen sind durch Striche getrennt. Leider hat die Tinte, mit der diese Striche gezogen sind, das Papier arg zerfressen, so dass einzelne Längsstreifen der Folien abgefallen und verloren gegangen sind; besonders gilt dies flir die CoUationen des VI. Bandes.

1. De haereslbus ad QuodTultdenm Hb. I (ed. Maur. t. VIII). Der Verfasser der CoUationen bemerkt cod. Vat. 4991, fol. 591*: In tomo sexto primus se offert Tractntv^ de kaeresäms ad Quodvultdeum. Primo quatuor illas epistolas, quae huic tractatui praefiguntur^ conttdi ad sex exemplaria manu- scripta, quae reperiuntur in Bibliotheca Vaticana in codudbus no- tatis per: 414, 445, 496, 499, 511 et 655. ^ Diese vier Briefe 2 stehen in: a) cod: 414, vol. III., saec. XIV; b) cod. 445, fol. 485», saec. XV; c) cod. 496, foll. 159» ff., saec. XV; d) cod. 499, foll. 233^ ff., saec. XV; e) cod. 611, foll. 38^ ff., saec. XV. Mit dem vom Verfasser der CoUationen für die in den Bänden VI und VII ed. Lov. enthaltenen Schriften so häufig ci- tirten cod. 655 hat es ein eigenes Bewandtniss. Die Handschrift, die jetzt die Nummer 655 trägt, hat eine neue Einbanddecke. Bei Gelegenheit des Neubindens dürfte wohl die grosse Ver- wirrung stattgefunden haben, die heute an dem cod. zu consta- tiren ist. Zur Zeit, als der cod. vom Verfasser der oben erwähnten CoUationen benützt wurde, d. h. bevor der cod. neu gebunden

1 Es sind dlefl, wie oben S. 58 bemerkt wurde, die nenen, jetzt noch

üblichen Si^natnren. ' Vgl. oben zu ed. Lov. t. II., S. 28 f.

62 Tl. Abbandlnng : Vrb a.

wurde, enthielt diese Handschrift sicher die im Folgenden unter ed. Lov. t. VI., 1-2; VI., 5-6; VI., 9; VI., 13; VI., 20; Vn., pars 2., 3; VII., pars 2., 6; VII., pars 2., 11; VII., pars 2., 13 14 aufgezählten Schriften, weil der Verfasser der Colla- tionen fWr eben diese Schriften den cod. 655 citirt. Von diesem cod. sind uns jedoch in der Handschrift, die heute die Nummer 655 trägt, nur geringfügige Theile erhalten, und zwar:

a) das etwas mangelhafte Inhaltsverzeichniss von einer Hand saec. XIV: In üto volumine continentur kU libri agvMini Retractationumj De haeresibibs (ed. Lov. t. VI., 1), De ecde- siasticis dogmatihus, De praedestinatione divina, De natura boni (ed. Lov. t. VI., 13), De fide ad Petrum, De invinbilibus, En- ceridüm (sie), Contra Fundamentum (ed. Lov. t. VI., 6), Contra Adimantum (ed. Lov. t. VI., 9), De vera religione, Sermo qui- dam de jma, Omelia quaedam de assumptione Äug,, De disd- pUna Chrütiana, De decem cordis, Contra quinque hereses (ed. Lov. t. VI., 2), Contra Fdidanum (ed. Lov. t. VI., 20), 88 quaestionum, De spirüu et Itttera, De gratia et Itbero arbitrio (ed. Lov. t. vn., pars 2., 11), De correptione gratiae (ed. Lov. t. vn., pars 2., 13), Quaedam epistola prosperi ad Augustinum (ed. Lov. t. vn., pars 2., 14), De natura et gratia (ed. Lov. t. vn., pars 2., 3), De sancta ihduitate. Von einer etwas jüngeren Hand sind diesem Inhaltsverzeichnisse noch folgende Schrift- titel beigefügt: De vera penitentia Ultimus, De genesi contra Manichaeos, De quasstionibus Oromi ad Aug.j De utilitate cre- dendi (ed. Lov. t. VI., 5). In diesem Verzeichnisse sind nicht enthalten die Schriften: ed. Lov. t. VI., 5 und t. VIL, pars 2., 6, fUr welche der Verfasser der CoUationen den cod. benützt hat, wie er selbst angibt.

b) De genesi c. Manich,, foll. 105* 115,

c) De quaestionibus Orosii ad Aug., foll. 117* 123%

d) De utilitate credendi, foll. 124* 132*,

e) ein Nachtrag zur Schrift: De 83 quaeHt.., fol. 132 ^ f.,

f) ein Theil der Schrift: De vera penitentia, foll. 133*»— 137. Die soeben aufgezählten Werke Augustins stammen

ebenso wie der oben ausgeschriebene erste Theil des Inhalts- verzeichnisses von einer Hand saec. XTV.

Ausser den unter i— / aufgeführten Augustinischen Schrif- ten enthält der jetzige cod. 655, der aus 137 Blättern besteht, auf

B«itrige zur Geschieht« der Aognatinischen Textlrritik. 63

foll. 1—103 Werke des Anselmus^ und zwar von einer Hand, die mit derjenigen, welche die Augustinischen Werke schrieb, gleich- zeitig, von ihr aber verschieden ist. Foll. 104 und 116 sind leer.

Für die Geschichte dieser Handschrift ergibt sich dem- nach Folgendes: Beim Binden wurde die Mehrzahl der Werke Augustins aus cod. 655 ausgeschieden und an ihrer Stelle das Werk des Anseimus eingeschoben. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die ursprüngliche Aufeinanderfolge der im jetzigen cod. 655 enthaltenen Augustinischen Schriften gestört. Neben der durchgängigen Foliirung, die der cod. nach dem Binden erhielt, weisen nämlich einzelne folia Reste der alten Zählung auf. So zeigen z. B. foll. 105 115 auf der unteren margo die Nummern 121 131; fol. 122 trägt neben der neuen die aus- radirte Nummer 316, u. A. Was mit den ausgeschiedenen Werken Augustins geschehen ist, ist unbekannt.

Für die CoUation der Schrift De haeresibus ad Quodvult- deum lib. I, 1. c. foll. 591 ^ 594, werden fünf Vaticani citirt: die obgenannten codd. 414, 511, 445^ 655 tind cod. 1319, foll. 245 ff., saec. XIII.

3. De qnlnqne haeresibus oratio (ed. Maur. t. VHL, App.). CoUationirt wurden 1. c. foll. 594» 597 zehn Vaticani : a) cod. 818, foll. 40 ^ ff., saec. XHI ; h) cod. 303, saec. XIV ; c) cod. 414, vol. III., saec. XIV ; d) cod. 468, foll. 87* ff., saec. XIV; ej 479, saec. XIV; f) cod. 666, saec. XJV; g) cod. 416, foll. 347* ff., saec. XV; h) cod. 613, foll. Iff., saec. XV; i) cod. 666 (s. oben zu VI, 1); k) cod. 343; von dieser Handschrift konnte ich nicht Einsicht nehmen.

3. Concio ad eateehnmenos e. Indaeos, Paga- nos et Arianos (ed. Maur. t. VHL, App.: Contra ludaeos, Paganos et Arianos sermo de symbolo). Der Verfasser der Collationen bemerkt 1. c. fol. 597^: Condo ad Catec/mmenos, quam cantuli ad unicum exemplar, quod reperüur in Bibl. Vati- cana cod. 417» Verumtamen reiperi etiam postea inter Sermones 8. AugiuHni cod, 479 partem quandam eivsdem tractatiu, nempe a pag, 26, col, 1 C. 2 (zu ergänzen ist: ed, Lugdu/n,) usque ad pag. 28, col. 1, 1 ut dicetur infra sui loci. Die Schrift steht cod. 417, foll. 174^ ff., saec. XII. Der vom Verfasser der Col- lationen citirte cod. 479 stammt aus saec. XIV. Die Bene- dictiner geben iälschlich an, drei Vaticani benützt zu haben.

64 VI. Abbandlutif;: Vrba.

4. Oratio adr. Indaeos (ed. Maur. t. VIII). Die CoUation, 1. c. foll. 599 * 600, stützt sich auf drei Vaticani: a) den vorhin erwähnten cod. 479 ; b) cod. 447, foll. 18 * ff., saec. XV; c) cod. 480, foll. 98^ ff., saec. XV.

5. De ntilitate credendl (ed. Maur. t. VTII). Der Verfasser der CoUation en, 1. c. foll. 600» 601, gibt an, vier Vaticani benützt zu haben : codd. 445, 414, 555, 655 und be- merkt sodann: Sed et reperi eitisdem tractatus partem quandam in codice non compacto, qui in Indice camerae ultimae aecretae notatur numei'O 97, ego autem inferius designavi per s; übt aufem desinai, dicetur inferius suo loco» Die jetzige Nummer des letztgenannten cod. 97 vermochte ich nicht zu eruiren. In den obigen vier codd. steht die Schrift: a) cod. 446, foll. ISO*' ff., saec. XV; b) cod. 414, vol. III., saec. XIV; c) cod. 655, saec. XV; dieser cod. ist nicht foliirt. Betreffs cod. 665 s. oben zu VI, 1. Die Maurin er nennen irrthümlich fünf Vaticani.

6. Contra eplstolam Manichaei qnam vocant fnndamenti (ed. Maur. t. VIII). Die CoUation, 1. c. foll. 601^ 602, basirt auf zwei Vaticani: a) cod. 446, foll. 190» ff., saec. XV, und b) cod. 666 ; über diese Handschrift s. oben zu VI, 1.

7. De duabns anlmabus e. Manichaeos (ed. Maur. t. VIII). Der Verfasser der CoUation, 1. c. fol. 603 ^ bemerkt zu, dieser Schrift: . . . confuLi ad duo exemplaria manuscripta, quae habentur in codidbus 446 et in altera camerae secretae, de quo dixi supra ad tract, de utilitate credendi. Die Schrift steht in cod. 446, saec. XV, foll. 165* ff.; betreffs des zweiten cod. s. oben zu VI, 5.

8. Contra Fortunatum Manieh. (ed. Maur. tVIII: Acta seu disputatio c. Fortunat. Manich.). Die CoUation, 1. c. foU. 602»— 603, stützt sich auf cod. 446, foU. 227» ff., saec. XV.

9. Contra Adimantum (ed. Maur. t. VIII). Der Verfasser der CoUation, I.e. foll. 603 »f., nennt zwei Vaticani: a) cod. 446, foll. 169^ ff., saec. XV; b) cod. 666; betreflfe des letzteren s. oben zu VI, 1.

10. Adversus P^austnm Manich. (ed. Maur. tVIII). Für die CoUation, 1. c. foll. 605 617 wurden sechs Vaticani verglichen: a) cod. 609, saec. XII; b) cod. 610, saec. XII; c) cod. 460, foU. 65 \ saec. XIV ; d) cod. 463, foU. 341 ^ ff..

Beitr&gc zur Oeschichte der AngnstiniBchen Textkritik 65

saec. XV; e) cod. 607, saec. XV; f) cod. 508, saec. XV. Ueber diese Handschriften gibt der Verfasser der Collationen folgende Charakteristik: Porro cum quinque priores kuius pro- lixi operis libros cum amnibus iisdem exemplaribus conttdissem, reperi 450 et 607 tot scatere mendis, ut vix uUa ßdes eis ad- hiberi posset, pleraqiie vero habere similia cum 510 et 468. Quin et reperi 463 et 608 adeo tnter se consona, ut vix aliqua repe- riatur vel mimmae littertdae differentia. Itaque ne tempus in vanum tererem, tria sola (nempe 610, 609 ^ 463) diligentissime legi, quae reliquis antiquiora atque etiam correcttora visa sunt; sed ita etiam Jiabui prae ocvlis, ut cum diversa lectio reperta est in tribus prioribus, quae aliquam mereretur considerationem, re- liqua pariter consulerem et quae in eis reperirein diligenter ad- notarem, nisi quod 608 post quinque priorum librorum colla- tionem vix unqu^m constdui, quia ut iam dixi prorsus idem est cum 463,

Zu den beiden folgenden Schriften:

11. De actis cum Fellee Hanicli., und

12. Contra Secuiidliium Manich. (beide stehen ed. Maur. t. VIII) fand der Verfasser der Collationen^ wie er 1. c. fol. 617 bemerkt, in der Vaticana keine Handschriften.

13. De natura boni e. Manicli. (ed. Maur. t. VIII). Die CoUation, 1. c. foU. 618^ 619, beruht auf folgenden vier Vaticani: a) cod. 818, foll. 65^ ff., saec. XIII. Dieser cod. be- steht aus zwei von zwei verschiedenen Händen (beide saec. Xni) geschriebenen Theilen. Der erste umfasst foll. 1 34 das Werk: ,Riccardi de Trinitate'; der zweite Theil, foll. BO- SS, Schriften Augustins; b) cod. 414, vol. III., saec. XIV; c) cod. 445, foll. 148* ff., saec. XV; d) cod. 655; betreffs dieser Handschrift s. oben zu VI, 1. Zu dieser Schrift macht der Verfasser der Collationen I.e. fol. 618^ folgende Notiz: Post- quam Varias lectiones, quae pag, sequenti habentury iam descri- psissem, reperi in codice notato numero 2062 epitomen quandam eiusdem tractatus, sive collectionem praedpuaium eius sententia- rum, in qua habentur peculiares aliquot lectiones. Eas tarnen ego recensere omisi, quod dubitem de integra fide epitomistae in con- cinfiandis ipsis Augustini propriis v&i'bis, Si quis autem eas de- sideraverit codicem ipsum consulat. Die Handschrift, die jetzt die Nummer 2052 führt, enthält nur die ,Cosmographia Claudii

Siuiingsbor. d. phil.-liiHt. CI. CXIX. Rd. G. Abh 5

66 VI. Abhandlnng: Vrba.

Ptolemaei' ; vielleicht ist es ihr ergangen wie dem cod. 655; B. oben zu VI, 1.

14. De flde seu de unltate Trinltatls c. Ma* nlch. (ed. Maur. t. VIIL, App.). Für die Collation, 1. c. fol. 619 \ wurde ein Vaticanus benützt: cod. 203, foll. 95^ ff., saec. XIV; estqtie characteris aniiqui, sed multa habet mendaj bemerkt der Verfasser der Collationen.

15. Contra adrersarlum Legis et Prophetarnm (ed. Maur. t. VIII). Die Variae lectiones stehen 1. c. fol. 620 und gründen sich auf cod. Vat. lat. 445, foll. 180 ^ ff., saec. XV.

16. Contra Prlselllianistas et Orlgenistas: Consultatlo Orosii ad Aug., Augnstini responsio

(ed. Maur. t. VIII). Für die Collation, 1. c. fol. 621 *, wurden zwei Vaticani verglichen: a) cod. 495, foll. 202^ ff., saec. XV; b) cod. 499, fol. 250 ff., saec. XV. Ueber diese Handschriften bemerkt der Verfasser der Collationen: Verum illa inter se adeo similia reperi, ut vix ulla Utterula differanL

17. Sermo Arianorum (ed. Maur. t. VIII). Der Collation, 1. c. fol. 621 '^, ist folgende Bemerkung voraus- geschickt: Quem contvli ad 4 exemplaria, quae extant in codi' dbu8 Vaticanis: 445, 497, 498, 504 inferiua eodem ordine a me deaignatis per a ß y d. Verumtamen quia tria priora prorsus »irrdlia in omnibus reperi: cum hie videris aUquid notatum per ß, intellege eandem lectionem reperiri pariter in a et y. Videntur enim haec duo descripta ex ß, quod est ceteris antiquius. a) cod. 445, saec. XV; b) cod. 497, foll. 214 ff., saec. XIV; c) cod. 498, foll. 242 ff., saec. XIV; d) cod. 504, foll. Iff., saec. XII ex., wie Dr. Th. Gottlieb, der mir auch sonst bei der Classirung der Handschriften in dankenswerther Weise beistand, urtheilt

18. Contra Sermonem Arianorum (ed. Maur. t. VIH). Der Verfasser der Collation, 1. c. fol. 621% col. 3 be- merkt mit Beziehung auf den unmittelbar vorhergehenden ,Sermo Arianorum': Ad eosdem Codices eodem modo collattis.

19. Contra Haximinum Arianorum eplseopnm llbrl III (ed. Maur. t. VIII: Collatio cum Maximino Aria- norum episcopo, Contra Maximinum haereticum libri II). Zu dieser Schrift notirt der Verfasser der Collation, 1. c. foll. 621*

622: Quos contuli ad duo exemplaria, quae eoctant in codd, 446 et 504, Verum in 504 deest integer liber primus, quod viddicet

Boitr&ge zur Geschichte der Ang^stiniBcheo Textkritik. 67

cantineat ipsa Acta Collationis S. Augtt^Hni cum Maximino, quae in 2* et .9® inserta fere haheiitv/r, ita tarnen ut in eodem exemplari Ubro, qui in eodice impresso est secundus, praefigatur titulus prtmi, et tertio secundL In exemplari vero 445 extant tres integri libri et pHmo praeßgittir prologus quidam (ut vocat) circa ipsam Collatio- nem Augustini cum Maximino et occasionem scriptionis eiusdem Au- gustini adversus inanem iactantiam Maximinu Quem quidem prolo- gum^ quod satis constet non esse Augustini, hie describere omisL Si quis vero illum desideraverit ab eodem eodice petere licebit. a) cod. 445, foll. 371» ff., saec. XV; b) cofl. 504, foU. 21 ff., saec. XII.

20. Contra Fellclanum de unltate Trinitatls (ed. Maur. t. VIII., App.). Die Collation, I. c. fol. 623, gibt die Lesarten von vier Vaticani: a) cod. 250, foll. 203 ff., saec. XV; b) cod. 445, foll. 394 «^ ff., saec. XV; c) cod. 511, foll. 1 ff., saec. XV; d) cod. 655; betreffs dieses cod. s. oben zu VI, 1. Die Benedictiner geben zu dieser Schrift keinen Apparat an.

21. De bono coniagali (ed. Maur. t. VI). Das Va- riantenverzeichniss, 1. c. foll. 623^ 624, ist aus vier Vaticani geschöpft: a) cod. 512, saec. X^ s. Reiff. 1. c. I, S. 438 f.; b) cod. 414, vol. n., saec. XIV; c) cod. 376, foll. 112^ ff., saec. XV; d) cod. 445, foll. 346^ ff., saec. XV. Im Vaticanischen Katalog wird für diese Schrift irrthümlich statt auf cod. 376 auf cod. 375 verwiesen. Letzterer ist wegen seiner Miniaturen berühmt und enthält Vitae Sanctorum. Die Angabe der Bene- dictiner, sie hätten fUnf Vaticani benutzt, ist unrichtig.

22. De sancta vlrginitate (ed. Maur. t. VI). Die Collation, 1. c. foll. 624* 625, beruht auf vier Vaticani: a) cod. 512, saec. X ; s. Reiff. 1. c. I., S. 438 f. ; b) cod. 414, vol. II., saec. XIV.; c) cod. 656, saec. XIV; diese Handschrift ist nicht foliirt; d) cod. 445, foll. 352» ff., saec. XV.

23. De adulterinis eoniugils (ed. Maur. t. VI). Die Variae lectiones. I.e. foll.625*-626, enthalten Lesarten aus drei Vaticani: a) cod. 512, saec. X; s. Reiff. I.e. I, S. 438 f. ; b) cod. 376, foll. 93 ff., saec. XV; auch zu dieser Schrift (s. oben zu VI, 21) ist im Vaticanischen Katalog irrthümlich cod. 375 statt cod. 376 genannt ; c) cod. 445; foll. 363 *> ff., saec. XV.

Zu den drei letzten Schriften des VI. Bandes ed. Lov. :

24. De Epienrels et Stolcls traetatns (ed. Maur. t. V., sermo 150),

68 VI. Abhandlung: Vrba.

35. In illnd: Ego snm qui siim« traetatns (ed.

Maur. t. V., sermo 7), und

Append. 1. De altercatione Ecclesiae et Syna* gogae (ed. Maur. t. VIIL, App.), bemerkt der Verfasser der Collationen 1. c. fol. 626*: Quod nvUa potuerim in Btbliotheca Vaticana reperire eorundem tractatuum exemplaria, ideo iUo8 re- liqui intactos. Atque hie finis esto Variarum Lectionum in to- mum sextum Operum S. Atigustini, Laus Deo et Beatisaimae Virgini Mariae, f.

Ed. Lot. toiii. VII (pars 1. et 2.).

Die allgemeinen; diesen Band betreffenden Bemerkungen habe ich oben in der Einleitung zu ed. Lov. t. VI. gegeben.

Pars 1.

1. Psalmns contra partem Donatl (ed. Maur.

t. IX). Zu dieser Schrift fand der Verfasser der CoUation, wie er 1. c. fol. 628 bemerkt, in der Vaticana keine Hand- schrift

2. Contra epistolam Parmenlani (ed. Maur. t. IX). Die Collation, 1. c. foll. 628 630, gibt die Varianten aus zwei Vaticani : a) cod. 505, foU. 1 ff., saec. XI ex. ; h) cod. 445, foll. 457 ^ ff., saec. XV. Nach der Collation des ersten Buches bemerkt der Verfasser: Qjuia reperi haec duo exemplaria adeo similia (ut vidi), ut in nihilo ferme differant, ideo in sequentibus non appoaui diversitatem litterarum a et ß. Sed quae sequuntur Variae Lectiones eas intellige extare in utroque m, s. (cum quibue diligenter contuli) nisi forte aliquando easdem litteras addidero: func enim ea lectio intelligetur reperiri dumtaxat in codice de- signato, ut supra, per eandem litteram,

3. De baptismo c. Donatlstas libriVII (ed. Maur. t. IX). Die Variae lectiones, 1. c. foll. 631 * 634, basiren auf zwei Vaticani: a) cod. 506, foll. 1 ff., saec. XII in.; h) cod. 376, foll. 125 ff., saec. XV. Der Verfasser der Collation notirt über diese beiden Handschriften: Suntque in utroque quam plurima errata, und 1. c. fol. 633^ bemerkt er zu ed. Lugdun. (s. oben S. 58 f.) t. VII., p. 68, col. 2, A, 16: Deest yPrimv^ fdix^ u%qae

ad B, 4 jSalutis effectum^ inclusive in a ß. Quomodo etiam

Beiträge znr Geschichte der AagnstiniBchen Textkritik. 69

8uperiu8 aliquando amittuntur in utroque codice tpsae sententiae aliorum episcoporum istius ConcUä sub S. Ctjpriano celebrati et ponitur dumtaxat respondo 8. Augustini,

4. De nnlco baptismo c. Petillanum (ed. Maur. t. IX). Der CoUation dieser Schrift liegt cod. Vat. lat. 445, fol. 475 •, saec. XV, zu Grunde.

Zu den übrigen Schriften Augustins, die den Rest des ersten Theiles des t. VII. ed. Lov. umfassen:

5. Contra lltteras Petillani librl III (ed. Maur. t. IX),

6. De unltate Eceleslae c. Petillani ep* (ed. Maur. t. IX),

?• Contra Creseonlnm grammatleum librl lY (ed. Maur. t. IX),

8. Breylcnlns eollationis cum Donatistis (ed. Maur. t. IX),

9. Epistola Cirtensis Conellli ad Donatlstas post CoUationem (ed. Maur. t. IL, ep. 141),

10. Augustini über ad Donatlstas post CoUa- tionem (ed. Maur. t IX),

11. Ad Caesarensis Eecleslae plebem de Eme- rito sermo (ed. Maur. t. IX),

12. De Cfestis cum eodem Emerito (ed. Maur. t, IX),

13. De Correctione Donatlstarum ad Bonif. (ed. Maur. t. II., ep. 185),

14. Contra duas epistolas Gandentii librl II (ed. Maur. t. IX), und

15. Contra Fulgentium Donatlstam Incerti anthorls (ed. Maur. t. IX., App.), bemerkt der Verfasser der CoUationen 1. c. fol. 634 ^ : Ab hoc tractaiu (nämlich : De udIco baptismo c. Petil.) reliquorum omnium, quae reperiuntur ad- versus Donatlstas, nullum potui reperire exmvplar in Bibliotheca Vaticana, Itaque coactus sum tränsilire ad partem alteram tomi septimi, quae est contra Pelagianos et ine, pag, 277 praedictae edit. Lugdunensis. Ich bemerke ausdrücklich, dass die Angaben der Benedictiner über ihren Vaticanischen Apparat zu ep. CXLI == ep. 152 ed. Lov.: , Epistola nomine Cirtensis Concilii ad Dona- tlstas^, und zu ep. CLXXXV = ep. 50 ed. Lov.: ,De Correctione

70 VI- Abhandlung: Yrba.

Donatistarum ad Bonif/ trotzdem richtig sind : es standen ihnen für diese beiden Episteln die Collationen des Aldus, cod. Vat. lat. 4991, foli. 98 und 31, zur Verfügung.

Pars 2.

1. De peecatornm meritis et remissione (ed. Maur. t. X). Die Collation, 1. c. foll. 635 637, beruht auf drei Vaticani: a) cod. 461, foU. 63 ** ff., saec. XI ex.; b) cod. 445, foU. 284» flf., saec. XV; c) cod. 501, foU. 151» ff., saec. XV. Der Verfasser der Collation bemerkt über die Handschriften: Parro ß et y (die Collation bezeichnet jene codd. in der Reihen- folge: 461, 445, 501 durch a ß y) ferme simüia repeti ideoque y (qtiod videtur antiquius) diligenter cum impresso conferens, habid qtwqus eodem tempore ß prae ocidis; üa ut cum aliquid repertrem in y diversum ab impresso, consulerem et ß, in quo et aliquando quaedam reperi diversa a y, ut videbis inferius nota- tum. Hoc autem isto modo egi, we tempus in va7mm lererem, re- legendo a capite ad calcem librum, quem iam aUeri simüem re- perissem. Quod quia in aliorum quoque quorundam tractatuum collatione cantigit, idcirco volui diffusiu^ hie admonuisse, xU et laboris mei roMonem redderem et scrupulum, qui posset inde nasci, eximerem.

2. De spiritn et llttera (ed. Maur. t. X). Zu dieser Schrift bemerkt der Verfasser der Collationen 1. c. fol. 637 * : Libri de Spirit. et litt, (qui hie debuit apponi) Variae Lectiones ha- bentur inter Varias Lectiones tomi tertii, quas collegit R. D, Christo- phoru^ Obrius, antecessor m£us; s. oben zu ed. Lov. t. III., 10.

3. De natura et gratla (ed. Maur. t. X). Die Colla- tion, 1. c. foll. 637 ^ 639 und (im , Auctarium', s. oben S. 60) fol. 690 basirt auf fünf Vaticani: 458, 500, 501, 655 und 656, welche im Variantenverzeichnisse in derselben Ordnung durch a ß Y S 6 bezeichnet werden. Der Verfasser der Collationen äussert sich über diese Handschriften in folgender Weise: Porro ß et y sunt simülima, nisi quod y aliqua habet diversa, quae aviem sunt errata avi nullius prorsus momenti. . . . Ce- terum ade scatent mendis et plurima habent levissima, quae omisi. Die Schrift steht: a) cod. 458, foll. 223* flF., saec. XIV; b) cod. 500, vol. II., foll. 261 ^ flf., saec. XV; c) cod. 501,

Beitr&ge zur Geschichte der Angustinischeo Textkritik. 71

foll. 228^ ff., saec. XV; d) cod. 6505 s. oben zu ed. Lov. t. VI, 1 ; e) cod. 656, saec. XIV.

4. De gestls Pelagil (ed. Maur. t X). Diese Schrift, zu der die Benedictiner einen Romanus (?) und drei Florentini erwähnen, wurde zum ersten Male erst im Jahre 1611 heraus- gegeben. Die Geschichte der verschiedenen Ausgaben dieses Werkes, die in mehrfacher Beziehung interessant ist, kann jetzt durch Heranziehung der codd. Barberinus XIV, 78 (3370) und Riccardianus 2311 in allen Stadien verfolgt werden. Ich werde darüber an einem andern Orte handeln.

5. De gratla Christi et de peccato originall

(ed. Maur. t. X). Für die CoUation, 1. c. foll. 639 ^ 640, wurde cod. Vat. lat. 500, vol. I., foll. 1 ff., saec. XV benützt; Esfque characteris pulcJierrimi aed recentia, bemerkt der Ver- fasser der CoUationen.

6. De nuptlls et concuplseentia (ed. Maur. t. X). Von dem Verfasser der CoUationen, 1. c. foll. 640 ^ 642 und (im ,Auctarium*, s. oben S. 60) fol. 691, wurden vier Vaticani verglichen: a) cod. 512, saec. X; s. Reiff..L c. I, S. 438 f.; b) cod. 500, vol. IL, foll. 216^ ff., saec. XV; c) cod. 501, foD. 111^ ff., saec. XV; d) cod. 655; s. oben zu ed, Lov. t. VI., 1. Ueber codd. 500 und 501 bemerkt der Verfasser der CoUatio- nen, dass dieselben einander ausserordentlich ähnlich seien; über cod. 512 : Multa habet partiadaria . , . eat caeteria anti- qtUua aed mendodua, und über cod. 655 notirt er im ,Aucta- rium': Hunc tractatum iam aniea contideram ad tria exem- plaria (nämlich codd. 500, 501, 512); poatea vero reperi librum primum in cod. 655 (aecundua enim omnino deeat) et multa inde notavi,

7. Contra Inllannm Pelaglannm libri YI (ed. Maur. t. X). Zur Collation dieser Schrift, 1. c. foll. 643 ^ 660, zog der Verfasser der CoUationen ursprünglich nur vier Vati- cani heran: a) cod. 508, saec. XII; b) cod. 500, vol. L, foU. 29" ff., saec. XV; c) cod. 501, foU. 1 ff., saec. XV, und d) cod. 502. In diesem cod. (502) steht jedoch jetzt kein einziges Werk Augustins. Die Handschrift hat einen neuen Einband bekommen; vielleicht hat bei dieser Gelegenheit, wie so oft (s. z. B. oben zu ed. Lov. t. VI., 1) eine Verwechslung der neu zu bindenden Handschriften stattgefunden. Einen fünften Vati*

72 VI. Abhandlung: Vrba.

canus hat der Verfaßser der CoUationen im ,Auctariuin', foU. 691^ 694, benützt: . . . Postea inveni aliud exemplar eiusdem operis in codice non compacto, qui est in ultima camera aecreta bibliothecae Vatic, in armario mdniori feneatrae vltimae laeva manu cum ingrederia, Estque in Indice eiusdem camer ae notatas num. 97. Porro eundem simiüimum reperi codicibus a ß (nämlich codd. 500 und 501); . . . Ceterum quae ex isto cod. 97 reperi similia iis, quae ex alüa coUegeram, atque etiam nonnulla diversa notavi in iisdem prolixioribus notis seu Variis Lectionibus per eandem litteram e. Porro in eodem multa reperi manifesta er- rata, quorum pleraque omisi. Dieser cod. 97 ist nicht zu eruiren; 8. oben zu ed. Lov. t. VI., 5.

8. Contra duas epistolas Pelagianorum (ed. Maur. t. X). In der CoUation, I.e. foll. 662* 667, werden zwei Vaticani erwähnt: a) cod. 500, vol. II., foll. 167* ff., saec. XV; b) cod. 501, foll. 83 »> ff., saec. XV.

9. De anima et eius origine (ed. Maur. t. X). Für die Collation, 1. c. foll. 667 * 672, wurde nur cod. Vat. lat. 445, foll. 329 ^ ff., saec. XV benützt. Sunt autem in hoc trac- tatu illic in finita errata, e quibus multa omisi^ ne nimis puerüibus immorarer, quamvis nee pauca eiusmodi apposuerim, referirt der Verfasser der CoUationen.

10. De perfeetlone Instltiae hominis (ed. Maur. t. X). Die Collation dieser Schrift steht 1. c. foll. 673 * 675 und (im ,Auctarium*) fol. 694. Verglichen, wurden folgende vier Vaticani: a) cod. 414, vol. III., saec. XIV; b) cod. 656| saec. XIV; c) cod. 500, vol. IL, foll. 251^ ff., saec. XV; d) cod. 501, foll. 219* ff., saec. XV.

IL De gratia et libero arbitrlo (ed. Maur. t. X). Die Collation, 1. c. foll. 675 * 678 und (im ,Auctarium') fol. 695* beruht auf sechs Vaticani: a) cod. 414, vol. IL, saec. XIV; b) cod. 458, foll. 98* ff., saec. XIV; c) cod. 500, vol. 11., foU. 290^ ff., saec. XV; d) cod. 501, foll. 244^ ff., saec. XV; e) cod. 656, saec. XIV; f) cod. 655; betreffs dieses cod. s. oben zu ed. Lov. t. VI., 1. Ueber cod. 414 äussert sich der Ver- fasser der Collation folgend er massen: Porro tot mendis sca- tet, ut me ferme pudeat, tempus in eo legendo con^umpsisse. Cuiusmodi sunt et plurima in ß (cod. 458) quae minime hie omnia annotanda duxi und über die codd. 656 und 656

Btiiträge zur Geschichte der Augfnitinisehen Textkritik. 73

schreibt er: adeo scatent mendU^ ut vix ulla possit eU adhi- beri fides.

13. Ad Yalentlnam et Ipsius monachos epl- stolae duae (ed. Maar. t. X.^ S. 875 ff. M. und t. II., epp. 214 215). Hierzu bemerkt der Verfasser der Collationen 1. c. fol. 678 ^ : Sequuntur post haec duae epistoltie 8. AuguMini ad Valentinum. Sed quia eae reperiuntur inter reliquas epiatolas emsdem Sancti, t, II, p. 46 et 47 faeruntque a praecessore meo coUatae ad 4 exemplaria- m. 8. ideo nihil ultra de iis quaesivi. Diese beiden epp.: ed. Maur. CCXIV und CCXV= ed. Lov. 46 und 47 waren von Aldus, cod. Vat. lat. 4991, foll. 26 26, auf Grund der vier codd. Vat. lat. 496 499 (s. oben S. 33) collatio- nirt worden.

13. De eorreptione et gratia (ed. Maur. t. X) Der CoUation, 1. c. foll. 679»— 682 und (im ,AuctariumO foll 695^ 697, liegen fünf Vaticani zu Grunde: a) cod. 414 vol. II., saec. XIV; b) cod. 500, vol. II., foll. 308^ ff„ saec. XV c) cod. 501, foll. 256 \ saec. XV; d) cod. 666, saec. XIV e) cod. 655; betreffs dieser Handschrift s. oben zu ed. Lov t. VI., 1. Die Angabe der Benedictiner, welche behaupten, sechs Vaticani benützt zu haben, ist demgemäss richtigzustellen.

14. Ad Angnstlnnm Prospori et Hilarli epi- stolae (ed. Maur. t. IL, epp. 225 und 226).^ Zu der ep. Prosperi ad August, bemerkt der Verfasser der Collationen 1- c. fol. 682», er habe cod. Vat. lat. 655 (s. über diese Hand- schrift oben zu ed. Lov. t VI., 1) coUationirt, und fkhrt sodann fort: Nullumque aliud reperire potui exemplar neque inter opera Augustini neque inter opera Prosperi, Sunt autem in eo codice (nämlich: cod. 655) quam plurima errata, aliaque levissima, quibus non attendi, Ucet nee patica eiusmodi apposuerim . . . Sequeniis vero epistolae Hüarü ad Au,gustinum nuUum peni- tus reperi exemplar in Bibliotheca Vaticana neque sub nomine

1 Die Jnitia librorum Patram lat.* verweisen bei der ep. Prosperi ad Aug. : ylgnotus quidem tibi facie* nur auf: ,Prosperi ep. (p. 1)*, während sie bei der ep. Hilarii Augustino: ,Si cessantibus contradicentium' neben: ,Prosperi Opp. p. 13* auch |Aug. Opp. II., ep. 226* anführen; warum diese Ungleich mässigkeit? Auch im ,initium* der Schrift De dono perseteran- tiae ist in den ,Initia* ein unliebsamer Druckfehler stehen geblieben.

74 YI. AbhandluDf : Yrba.

Augustim neque suh nomine Hilarii. Die Benedictiner geben zu beiden Briefen keinen Apparat an.

Zu den beiden folgenden Büchern:

15. De praedestlnatione S^inctoram (ed. Maar, t. X) und

16. De dono perseTcrantiae (ed. Maur. t. X.) be- nützte der Verfasser der CoUationen, 1. c. foU. 683»— 687, drei Vaticani: a) cod. 488, foU. 16 »> flf., saec. XV; b) cod. 500, vol. n., foU.326»flf., saec. XV; c) cod. 501, foU.281»ff., saec. XV.

Hiermit enden die CoUationen für ed. Lov. t VII., pars 2. Der Verfasser derselben schliesst 1. c. fol. 688 mit folgender Be- merkung: Sequuntur post haec in Appendice huius tami septimi aliquot tractatvs^ antehac vulgo Augtistino adscripti praeter eos, qvi ex Prospero et aliis adduntwr ad defensionem doctrinae ipsius Augustini, Porro librorum Hypognosticon plura vidi exem- plaria in bibliotheca Vaticana nee non tractatus illiusy qui sub titvlo De praedeatinatione et gratia^ sie incipit: ,Cum in sacra- rum voluminibus litterarum etcJ Qua>e si quis videre voluerii, quaerat in Indicibus bibliotheca^. Memivi quoque librum secun- dum Pro9periy qui incipit: ,Quidam Ckristianae etc/^ extare sub nomine Augvstini in codd. eiusdem bibUothecae notatis numero 500 et 601, Cuius et forte plura reperientv/r in aUis codidbus eocemplaria si reqvirantur.

Ed. Lot. tom. VIH.

Ueber den Verfasser der CoUationen zu diesem Bande und die Abfassungszeit derselben wurde oben S. 24 ff. und in der Einleitung zu ed. Lov. t. V. gesprochen. Ed. Lov. t. VIIL enthält die Enarrationes in Psalmos und entspricht dem t. IV. ed. Maur. Die CoUation trägt, cod. 4992, fol. 1, folgende Ueberschrift: ,Variae lectiones in tomum Vlll. Operum D. Au-

1 Es sind folgende Schriften : Prosperi Responsionum libri IV ; Celestini Pontificis Romani pro b. Aug. De gratia Dei ad episcopos Galliarum epi- stola; Canones Concilii alterius Arausicani; Hypognosticon libri VI; De praedestinatione Dei liber I; De praedeatinatione Dei altemm incerti authoris opuflculum.

2 Bei den Loty.: De praedestinatione Dei liber I; s. die vorhergehende Anmerkung.

' Prosperi Responsiones ad obiectiones Vincentianas.

Beitr&ge zur Gteehichte der Aagnstinischon Textkritik. 75

gustini continentem Enarrationes in PsalmoB ex collatione exem- plaris excusi Lugduni in fol^ 1586 ad manuscriptum Vatica- num^ quod in Indice notatur numero 89 alias 457/ Die Doppel- Signatur des cod. ist in der Form, wie sie die Collation gibt, falsch : cod. 459 enthält keine Enarrationes. Die Berichtigung bietet das Inventarium der Vaticana, nach welchem der alten Signatur 89 die Nummer 453 entspricht. Auf cod. Vat. 453, eine Handschrift saec. XII, passt auch in der That die An- gabe der Collation zu den Worten: nuUus dabitur amicus ed. Lugdun. p. 194, col. 1, A (XLTX. Psalm): ,haec absunt a MS/ Mit dieser Notiz schliesst auf cod. 4992, fol. 131 die Collation zu ed. Lov. t. VIII. überhaupt. Cod. 453 enthält die Enarrationes zu sämmtlichen Psalmen. Den Benedictinern stand, wie sie in ihrem Apparate angeben, ein ,Codex Vaticanac Bibliothecae in priores 49 Psalmos^ zur Verfügung.

Zum Schlüsse meiner Ausfahrungen will ich sämmtliche Handschriften, welche die Scholastici für die in den Bänden ed. Lov. II Vin enthaltenen Schriften Augustins collationirten, nach den Jahrhunderten, aus denen sie stammen, übersichtlich ordnen und in der oben S. 43, Anm. angegebenen Weise die Schriften hinzufügen, für welche diese codd. verglichen wurden.^

Saec. IX— X.

cod. Vat. 426: ed. Lov., t. V.

Saec. X.

cod. Vat. 513: ed. Lov., t. IV, 15; VI, 21—23; VII, pars 2, 6.

n rj 515: TJ yj 77 IV, 8.

Saec. XI.

cod

. Vat.

420:

ed.

Lov.,

t. III, 5.

n

n

421: 422:

n n

n

. m,5.

n in, 5.

^ In das Verzeichniss sind nicht aufgenommen: cod. 20ö2; s. zu ed. Lov. t. VI, 13; cod. camerae secretae 97; s. zu ed. Lov. t. VI, 5; VI, 7; VII, pars 2., 7; cod. 433; s. zu ed. Lov. t. V; und cod. 343; s. zu ed. Lov. t. VI, 2. Betreffs der codd. 2396 und 454 s. oben S. 34, betreffs cod. 602 oben zu ed. Lov. t. VII, pars 2., 7; vgl. femer über codd. 496—499 die Bemerkung zu ed. Lov. t, VII, pars 2., 12.

76

VI. Abbandinng: Vrba.

cod. Vat. 461: ed. Lov., t. III, 10; IV, 10—11; VII, pars 2, 1.

n

470:

n

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n

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IV, 3.

n

1)

4S4:

n

n

IV, 3.

n

n

505:

n

n

IV, 11 ; VII, pars 1, 2. Saec. XTT.

cod.

Vat.

383:

ed.

Lov.,

t. IV, App. 2.

n

n

389:

' it

n

III, App. 2; IV, App. 2.

n

n

417;

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n

III, 3; III, 5; III, App. 2; VI, 3.

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n

448:

n

n

„11; 111,8; ITI, App. 2; IV, 2.

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n

453

n

n

VIII.

n

n

476:

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n

III, 4.

n

n

485:

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n

IV, 16.

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486:

n

n

IV, 7.

n

n

493

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n

III, 4.

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503:

n

n

VII, pars 2, 7.

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504

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n

VI, 17 19.

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506:

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V

VII, pars I, 3.

n

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509:

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n

VI, 10.

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510:

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VI, 10.

n

T)

514

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V

III, App. 1; IV, 14; vgl. oben S. 44

Saec. XUI.

cod. Vat. 436 : ed. Lov., t. V.

T)

n

V n 818: n n 1319:

494: 496:

818:

7)

n

r, n.

II.

VI, 2; VI, 13.

VI, 1 ; vgl. vorne S. 26, Anin.

n

Saec. XIV.

cod. Vat. 308: ed. Lov., t. VI, 2; VI, 14.

414 : II ; III, 1 ; III, 4-5 ; III, 7-9

III, 11; III, App. 2; III, App. 4

IV, 7; IV, 11; IV, 15; VI, 1—2 VI, 5; VI, 13; VI, 21-22; VII, pars 2, 10-11; VII, pars 2, 13.

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Beitr&ge znr Geschichte der Angnstiniscben Textkritik. 77

cod. Vat. 419 : ed. Lov., t. III, 5.

429- V

™9: n ^'

449 : ^ , III, 7. 460: III, 7; IV, 7; VI, 10; vgl. oben S. 43 f. 458 : III, 10-11 ; III, App. 1 ; IV, App. 2;

IV, App. 4; IV, App. 6; VI, 2; VIT, pars 2, 3; VII, pars 2, 11.

478 : n III, App. 1 ; III, App. 4; IV, App. 9.

479 : VI, 2-4.

497: , II; VI, 17-18.

498: „II; VI, 17—18.

666: ' VI, 1—2; VI, 5—6; VI, 9; VI, 13;

VI, 20; VII, pars 2, 3; VII, pars 2, 6; VII, pars 2, 11; VII, pars 2, 13—14. ., 666: VI, 2; VI, 22; VII, pars 2, 3; VII,

pars 2, 10—1 1 ; VII, pars 2, 13.

Saec. XV.

cod. Vat. 260: ed. Lov., t. VI, 20.

376: VI, 21; VI, 23; VII, pai-s 1, 3. 416: III, 5; VI, 2; vgl. oben S. 44.

w n *18: r, 77 III^ö- 482- V

484- V

487- V

440* V

441- V

n n **-■■ '71 n ti ^ *

442- V

7i n **<* 77 n 7i ^ 71 n

71 71

71 71

445: III, 3—4; III, 6; III, 8-11; IV,

1-3; IV, 8-12; IV, 15-19; VI,1; VI, 5-9; VI, 13; VI, 15; VI, 17- 20; VI, 21-23; VII, pars 1, 2; VII, pars 1,4; VII, pars 2, 1 ; VII, pars 2,9.

' S. zu ed. Lot. t. VI, 1.

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78 Tl. Abhandlnngr: Vrba.

cod. Vat. 447: ed. Lov., t IV, 13—14; IV, App. 7; VI, 4. , 463: III, 1; III, 5; IV, 4-7; VI, 10;

vgl. oben S. 44. 467 : „in, App. 4. 469: IV, 13— 14; vgl. oben S. 44.

488: VII, pars 2, 15— 16. 489: III, 1; 111,9-10. 490: 111,2; IV, 4. 495 : VI, 1 ; VI, 16 ; vgl. zu ed. Lov. t. II,

S. 36. 499: II; VI, 1; VI, 16. 500: „IV, 9—10; VII, pars 2, 3; VII,

par8 2, 5— 8; VII par8 2, 10— 11;

VII, pars 2, 13 ; VII, pars 2, 15-16. 501: III, 10; IV, 9; VII, pars 2, 1; VII,

pars 2, 3 ; VII, pars 2, 6—8 ; VII ;

pars 2, 10-11; VII, pars 2, 13; VII,

pars 2, 15 16. 507 : VI, 10. 508: VI, 10. 511: VI, 1; VI, 20. 513: III, 4; IV, App. 2; VI, 2. 655: VI, 5. 601: III, App. 4.

71 n

rt n

Keine Handschriften fanden sich in der Vaticana zu fol- genden Schriften: ed. Lov. t. III, 12; III, App. 3; IV, 20; IV, App. 1; IV, App. 3; IV, App. 5; IV, App. 8; IV, App. 10—11; VI, 11—12; VI, 24 ib. App. 1; VII, pars 1, 1; VII, pars 1, 5 15; VII, pars 2, 4 und für sämmtliche in der Ap- pendix des VIL Bandes, pars 2. abgedruckten Werke; s. ferner zu t. II oben S. 30 f. und die magere Collation zu ed. Lov. t. VIII.

Prüft man dies Handschriftenverzeichniss und zieht wei- ters in Betracht, dass zu einer überaus grossen Anzahl von Au- gustinischen Schriften in der Vaticanischen Bibliothek überhaupt keine Handschriften aufzutreiben waren, so muss man sich flirwahr darüber verwundern, wie arm die Vaticana am Ende

B«iMge Bar OMohiobte der Angnatinisehen Textkritik. 79

des 16. Jahrhunderts an Handschriften des Augustinus im Allgemeinen y und wie arm sie namentlich an alten Hand- schriften dieses Kirchenvaters war. Nichtsdestoweniger glaube ich nicht, dass die von Sixtus V. angeordnete Ausgabe des Augustinus an der Unzulänglichkeit des handschriftlichen Ma- terials gescheitert ist: man beurtheilte in jener Zeit den Werth einer Handschrift nach einem andern Massstabe, als moderne Philologen zu thun pflegen, und wo Handschriften fehlten, druckte man einfach die früheren Ausgaben nach. Die Ur- sache, weshalb jene Augustin- Ausgabe nicht zu Stande kam, dürfte anderswo zu suchen sein. Der erste schwere Schlag, der das Unternehmen traf, war der Tod Sixtus V. Ich habe in der Einleitung auf die Apathie hingewiesen, mit welcher die Nachfolger Sixtus V. diesem Werke begegneten. Noch ver- hängnissvoller als diese theilnahmslose Gleichgiltigkeit ward für die Augustin -Ausgabe, dass gerade die mächtigsten Gönner und fähigsten Leiter derselben ihrer Thätigkeit entrückt wur- den, bevor das Werk vollendet war. Cardinal Alanus war schon im Jahre 1594 gestorben ; kurze Zeit darauf wurde Car- dinal Augustinus Valerius von Clemens VHI. nach Verona, Car- dinal Borromaeus nach Mailand gesendet. Mit dem Tode des berühmten Cardinais Baronius (f 1607) endlich und des rast- losen Petrus Morinus (f 1608) war das Schicksal der Ausgabe vollends besiegelt. Es ist sicher mehr als Zufall, dass die jüngsten CoUationen, die uns erhalten sind, die CoUationen zu ed. Lov. tt. V. und VHI., keinesfalls über das Jahr 1608 herauf- reichen; ebenso auffallend ist es, dass die Collation zu t. VIII. ganz unvermittelt abbricht, kaum dass sie begonnen wurde.

Die weiteren Schicksale dieser CoUationen sind bekannt: sie wanderten in die päpstliche Bibliothek, um einige De- cennien später im Apparate der Mauriner wieder aufzutauchen. Die Art und Weise, wie die Benedictiner mit diesem Vatica- nischen Apparat verfahren, lässt vermuthen, dass auch die An- gaben über und aus ihren französischen Handschriften nicht minder unzuverlässig sind. Unter solchen Umständen bleibt für die Augustin-Kritik viel zu thun übrig.

Rom, im April 1889.

Carl Pr. Vrba,

80 VI. Abh. : Vrba. Beitrft^e zur Oeschielite der Angnstiniseben Textkritik.

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Ed. Loy. t. n 27

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VII, pars 1 68

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« , «VIII 74

yil. Abh.: Bühler. Das Hakritasaihkirtana des Arisimha. 1

VII. Das Sukritasamkirtana des Arisimha.

Von

G. Bühler,

wirkl. Hitgliede der kais. Akademie der Wissenacbafien.

In meinem Report on the Search for Sanskrit MSS. 1879/80, p. 5 kündigte ich die Entdeckung eines historischen Gedichtes an, welches den Titel Sukfntasamkirtana ,das Lob der frommen Thaten^ trägt und von Arisiiiiha zu Ehren seines Gönners des Jaina Vastupala verfasst ist, welcher von Vikramasaihvat 1276 bis 1296 oder 1297 dem Väghelä-Fürsten Ra^aka-Viradhavala von

Dholkä und dessen Sohne Visaladeva als Minister diente.

Obschon seit der Zeit durch die Veröffentlichung von So- me^vara's Kirtikaumudi die wichtigste Quelle über die An- fänge der Macht der Väghelä-Dynastie von Gujarat allgemein zugänglich geworden ist, so wird doch eine Besprechung des Inhaltes von Arisiriiha's Gedichte nicht überflüssig sein. Denn dieses berührt manche Einzelheiten über die SomeÄvara schweigt, und bringt über andere Begebenheiten neue und zum Theil werthvoUe Angaben. Das Manuscript, welches ich fiir die nach- stehende Untersuchung benutzt habe, ist Nr. 302 meiner jetzt der Bibliothek des India Office einverleibten Sammlung. Dasselbe wurde im August 1880 in Ahmadäbad aus demselben Originale abgeschrieben, dem Nr. 415 der Deccan College coUection of 1879,80 entstammt, und dann mit Nr. 411 der Decc. Coli, coli, of 1880/81 sorgfältig coUationirt. Es ist deshalb abgesehen von den in Gujarat gewöhnlichen Verwechslungen der Sibi- lanten, des a und i, des ra und ji, sowie des ta und tha ziem- lich frei von Fehlern und der Text ist fast durchweg leicht verständlich.

Sitzangsber. d. phU.-hist. Cl. CXIX. Bd. 7. Abh. 1

Vn. Abhandlang: Bflhler.

Der Character und die Anlage des Werkes.

Das Sukntasamkirtana ist, wie die Unterschriften eines jeden Gesanges sagen, ein Mahäkdvya oder ein Kunstgedicht, welches nach den Regeln der Poetik verfasst ist, und enthält elf Sargas mit 553 Versen. Fünf Verse am Ende eines jeden Sarga rühren nicht von Arisimha, sondern von Amarapap^ita her. Es heisst, I. 46:^

,In diesem Werke, welches Arisimha verfasste, hat Amara- pai?(}ita, Gesang für Gesang, diese vier (letzten) Verse ge- dichtet.^

Die Zahl bezieht sich auf die voranstehenden vier Verse 42—45, und der fünfte, welcher an dem Ende jedes Sai^a wiederholt wird, ist nicht mitgerechnet. Diese Verse stehen mit dem Inhalte der vorausgehenden Abschnitte in keiner engeren Verbindung. Die ersten drei enthalten entweder allgemeine Lobsprüche oder Segenswünsche für Vastupäla oder erwähnen Begebenheiten, die von Arisimha nicht geschildert werden. Der vierte nennt jedesmal Arisimha als den Verfasser des Werkes und preist sieine Dichtkunst. Die Titel der einzelnen Gesänge lauten, wie folgt:

I. Chdpoikatänvayavarnana, Die Schilderung der Chäpot- kata- Dynastie (von Gujarat) 46 Verse, Hauptmetrum: Vasan- tatilakä;

n. Chaulukyänvayavartiana, Die Schilderung der Chau- lukya-Dynastie (von GujarM), 56 Verse, Hauptmetrum: Upajäti;

ni. Mantriprakd^ay Das Erscheinen der Minister, 67 Verse, Hauptmetrum : Anush {ubh ;

rV. DharmopadeSand, Die Unterweisung im heiligen Ge- setze, 49 Verse, Hauptmetrum: Rathoddhatä;

V. Samghaprasthdna, Der Aufbruch der (Jaina)-Gemeinde, 55 Verse, Hauptmetrum: Vamäastha;

VI. Süryodayavarnana, Die Schilderung des Sonnenauf- gangs, 40 Verse, Hauptmetrum: Mälini;

VII. Satru/ihjayadarßana, Der Besuch von Satrumjaya, 48 Verse, Ilauptmetrum: SvÄgatä;

1 Der Text der Verse, welche hier nur übersetzt sind, findet sich in den Auszügen am Ende der Abhandlung.

Das SnkritasaihldrtaDa dos Arisiifaha. B

VIII. iSri-Nemidar^ana, Der Besuch des (Heiligthums des) göttlichen Neminä-tlia, 48 Verse, Hauptmetrum: Pramitäksharä;

IX. Shadfituvarnana, Die Schilderung der sechs Jahres- zeiten, 56 Verse, Hauptmetrum: Drutavilambita;

X. Puraprave^a, Der Einzug in die Stadt (Dholkä), 47 Verse, die Metra vamren von je zwei zu zwei Versen, oder noch öfter;

XI. Aufzählung von Vastup&la's Bauten, ^ 41 Verse, Haupt- metrum: Vasantatilaka.

Ausser den schon erwähnten Metren kommen noch in einzelnen Versen folgende vor: Aryä, Indravajrä,, UpendravajrÄ, Pushpitägrä, Maöjubhashini, MandäkräntÄ, 6ärdülavikri<Jita, oikhari^i und Sragdharä. Amarapa^cjita beginnt gewöhnlich seinen ersten Vers mit dem Metrum, mit welchem Arisiihha aufhört. Trotzdem dass beide Dichter mit der Versification sich redlich Mühe gegeben haben, passirt es ihnen doch mit- unter, dass die ersten und dritten Füsse eines Verses mitten in einem einfachen Worte aufhören. So oft auch die wirklich bedeutenden Dichter die schwache Caesur gebrauchen, indem sie die ersten Pä,das eines Halbverses mit einem Theile eines Compositums endigen lassen, so vermeiden sie es doch einfache Wörter zu zerreissen. Diese Unsitte kommt erst bei den späteren Poetastern vor. Die schwierigeren Kunststücke, wie Pratilo- mänuloma, Gomütrikä und so weiter, hat weder Arisim ha noch Amarapa^^ita versucht. ' Dagegen finden sich zahlreiche Anu- präsas oder Alliterationen und, wenn auch seltener, sogar Yamakas, oder Reime. Was die Diction anbetrifft, so erkennt man leicht das eifrige Streben die Wendungen der classischen Muster zu variiren und neue Ausdrucksweisen oder Bilder zu finden. Der Erfolg ist aber kein glänzender und das Sukn- tasamkirtana erhebt sich nirgends über das Niveau des Mittel- massigen. An einigen Stellen kann man zweifeln, ob die Verfasser mit der Grammatik vollständig vertraut gewesen sind. Einmal, I. 44, giebt das MS. die Form asianapat, und ein anderes Mal, VU. 38, asaanapat. Es ist indessen möglich, dass Schreibfehler vorliegen. An einer anderen Stelle, VII. 43, findet sich die falsche Form pratiläbhifa. Eigenthümlich ist der abrupte Anfang des

1 Der Sanskrit-Titel fehlt.

4 VII. Abhandlung: Rnhlor.

Gedichtes, welches weder eine Einleitung noch ein längeres Maügala aufweist. Das MaAgala wird nur durch das Wort t^ri repräsentirt, mit dem der erste Vers beginnt.

Der Autor und seine Zeit.

Ueber Arisimha's Person erfahren wir aus dem Gedichte nur, dass sein Vater Läva^yasimha, VIH. 48, oder Lava^asimha, X. 46, hiess. Letzteres ist natürlich die wirklich im gewöhn- lichen Leben gebräuchliche Form. Man kann femer aus der ganzen Darstellungsweise entnehmen, dass der Dichter der Jaina-Secte angehörte. Da sein und seines Vaters* Name auf simha endet, ist es wahrscheinlich, dass sie beide Rajputen waren. Etwas mehr lernen wir über ihn aus den Werken seines Gehilfen Amarapap^ita oder Amarayati, dessen voller Name Amara- chandra lautet, und aus den späteren Prabandhas der Jainas. Amarachandra, der Schüler des Jinadattasüri, war der Verfasser einer Reihe von Werken, unter denen das im Pa^i(Jit von 1869 ff. veröffentlichte Balabhärata, die Kavyakalpalata genannte ,Unterweisung für Dichter^ (kavUikshd) und das Kävya- kalpalatäparimala^ seit lange bekannt gewesen sind. In der Einleitung zu dem zweiten Werke sagt er, dass die Aphorismen desselben theils von ihm selbst, theils von Arisimha verfasst sind. Es heisst dort, I. 2: ,Indem ich das Kavitärahasya des vortrefflichen Dichters Arisiihha hoclijialte, welcher (wie) der Vollmond den grossen Ocean des Nectars der Poesie (an- schwellen macht), werde ich die Aphorismen, welche theils von mir theils von jenem verfasst sind, um der Extempore -Dichtung willen commentiren'.^

Hieraus folgt also erstlich, dass Arisimha ein Handbuch der Poetik mit dem Titel Kavitärahasya, schrieb, und zwei-

^ Dass das dritte Werk, ein Super -Commentar zu dem zweiten, von Amarachandra selbst herrührt, wird K&vyakalpalat& I. 5, Ende gesagt: etachhchhlokoklavarr^i/dnAih vUeahdntardtjii kaviaamayod&haraoAai malkfila^ kAvyakalpal<üdparimaJäj jney&ni,

2 Siehe Aufrecht, Catalogus cod. S. M. Bibl. Bodleianae p. 210^. In dem Anfange des zweiten Pl^a hat das MS. Nr. 119 meiner Sammlung matnä anstatt natvd und ich übersetze danach. Vergleiche auch Bhftp^&rkar, Report on the Search etc. of 1883/84, p. 6.

Das 43nlnrita8ailikirtaQa des Arisiibha. O

tens, dass der Text der Kavyakalpalata gemeinschaftlich von ihm und Amarachandra verfiisst wurde.

Mehr enthält Räjasckhara's Prabandhakosha, in welchem der dreizehnte Abschnitt dem Dichter Amarachandra gewidmet ist. Dort* wird erzählt, dass Amarachandra, der Schiller des Jinadattasüri von einem ungenannten Kavirdja, d. h. von einem Manne, der den Titel , Dichterfürst' ftlhrte, den Siddhasdrasvafa genannten Zauberspruch erhielt. Durch die richtige Anwendung desselben zwang Amarachandra die Göttin der Rede ihm zu erscheinen und erlangte er von ihr die Gnade, ein von allen Fürsten geehrter, vollendeter Dichter zu werden. Er vcrfasste dann das erste und zweite der oben genannten Werke, sowie die Chhandoratnävali, die Süktaratnävali, den Kaläkaläpa und

später ,auf das Wort' d. h. auf den Wunsch eines Gönners,

*

des Kdahihdgdrika Padma, das Padmänanda genannte Smtra. RajaBckhara berichtet weiter, dass Amarachandra nach mancher- lei Abenteuern an den Hof Visaladeva' s, des Königs von Pholka, kam und dessen Gunst gewann. , Einst, heisst es dann, fragte ihn der König: Wer ist Dein Lehrer in den schönen Künsten.' Amara sprach: ,Der Dichterfürst Arisimha.' ,So bringe ihn morgen früh zu mir' (erwiederte der König). Am folgenden Morgen führte Amarachandra den Dichterfürsten zum Könige. Der König sass, auf sein Schwert gestützt, und fragte: ,Ist das <^er Dichterftlrst?' Dieser antwortete: ,0m.' Da sagte der König: ,So trage etwas für die Gelegenheit Passendes vor.' Darauf recitirte Arisimha vier Verse, in denen er Visaladeva's Schwert pries. Der Fürst war von denselben so entzückt, dass er dem Dichter eine feste Anstellung und einen hohen Gehalt gewährte. Bald darauf ward letzterer verdoppelt, weil Arisimha in meisterhaf- ter Weise einen Grashalm besang, den der König in der Hand hielt. Wie die Berichte der meisten Prabandhas, so enthält auch dieser neben unzweifelhaft Richtigem mancherlei Falsches. Rich- tig ist es zunächst, dass Amarachandra ein Padmänanda ge- nanntes Werk schrieb. Petersen hat dasselbe aufgefunden und für die Regierung von Bombay angekauft, siehe First Report p. 126, Nr. 285. Aus den dort, App. p. 2 gegebenen Aus- zügen aus dem MS. der Bibliothek zu Cambay geht hervor.

^ Siehe unten die Auszüge ans den Quellen I. 1 2.

6 yn. Abliandlang: Bfthlei.

dass es auch den Titel Jinendracharita trägt und ein Mahäkavya ist^ welches zwölf Sargas enthält, vergleiche auch Petersen loc. cit. p. 58.

Sodann stimmt die Angabe, dass Arisimha der Lehrer des Amarachandra in den schönen Künsten war, mit dem Inhalte des oben gegebenen zweiten Verses der Kavyakalpalata. Für dieselbe spricht auch die ehrfurchtsvolle Weise, in der Amara- chandra's Verse im Suk)itasamkirtana sich über Arisiihha aus- drücken:

I. 45. , Arisimha, ein Leu für seine Elephantengleichen Widersacher, hat dieses Werk verfasst, welches, wie des stets gnädigen Vastupäla Blicke, Nectarströme spendet.^

VIII. 48. , Dieses Werk, eine Strahlenfluth aus dem Monde des Antlitzes von Lavaijiyasimha's Sohne, das die Bienenschwärme von (jenen) Wasserlilien, den Gesichtern der Schlechten, abzieht, erzeugt mächtige Wellen im Milchoccane des Ruhmes des er- lauchten Minister-Fürsten Vastupäla.'^ So spricht nur ein Schüler von seinem Lehrer oder ein Client von seinem Grönner.

Ohne Zweifel unrichtig ist dagegen die Behauptung des Prabandha, dass Amarapandita und durch ihn Arisimha erst unter der Regierung Visalade va's, circa Vikramasaihvat 1296 bis 1318, an den Hof von Pholkä kam. Denn Vastupala verlor bald nach Visaladeva's Regierungsantritte seine hohe Stellung und starb, wie Narachandra ihm vorausgesagt hatte, im Vikrama- Jahre 1298. ^ Aus dem Sukritasamkirtana ist aber ersichtlich, dass es geschrieben wurde, als der Minister auf der Höhe seiner Macht stand. Dies beweisen z. B. zwei Verse am Ende des ersten und des zweiten Gesanges:

I. 42. ,TägUch, erlauchter Fürst der Räthe Vastupala, rufen segnend die Brahmanen Dir zu: ,Möge8t Du lange leben!', die Bardenfiirsten: , Mögest Du Brahmans Alter erreichen!',

1 Die Bienenschwärme sind die Verehrer, die früher bewundernd an dem Munde der schlechten Dichter hingen, jetzt aber sich Arisiihha zu- wenden.

2 Kirtikaumudi, p. XVIII— XIX; Prabandhakosha, p. 288:

Dm 8plqlta«aihlrtrtan> des Atisiiiiha. 7

und edle Frauen: ,Mögest Du nie altern und unsterblich sein!^ Ich aber will auch etwas sagen: , Mögest Du so lange Dich (des Lebens) erfreuen, als Deine weitreichende Fama am Him- mel tanzt/

n. 52. , Himmlische (Wunsch) -Kuh, (Paradies) -Bäume, (Wünsche gewährende) Edelsteine! Warum verbergt ihr euch in den wankenden Felsen des Götterberges (Meru)? Zieret die Erde; niemand begehrt euch! Möge (nur) der erlauchte Mini- ster Vastupala ewig leben!'

Es steht somit sicher, dass die beiden Dichter schon in naher Beziehung zu dem Minister standen, der Visaladeva*s Va- ter diente, und ihr Verhältniss zu demselben ist schon dem letzten Verse nach kaum zweifelhaft. Denn, wenn ein indischer Dichter die Freigebigkeit seines Helden in der obigen Weise hoch preist, so ist das ein sicheres Anzeichen, dass er dieselbe entweder er- fahren hat, oder zu erfahren hofft. Es gibt aber eine Anzahl an- derer Stellen, welche es noch klarer machen, dass Amarachandra und wahrscheinlich auch Arisiihha zu Vastupala's dichterischem Gefolge gehörten, dessen die Prabandhas oft Erwähnung thun. Der nächste Vers, H. 54, dürfte genügen auch den Ungläubigsten zu überzeugen. Derselbe sagt:

,Resignirt hat die Armuth die Männer, welche stets sich daran erfreuen den erlauchten Minister Vastupala zu preisen, so (vollständig) verlassen, dass sie, träge trotz des Befehles der Götter, nicht (einmal) die Thore der Häuser ihrer Nachbaren betritt.'

Das heisst in einfacher Prosa, dass der Sänger, wie auch andere Dichter, von Vastupala gut bezahlt wurde. Wenn man demnach annehmen muss, dass Räjasekhara die Blüthezeit Amarachandra' s und Arisimha's zu spät setzt, ' so soll jedoch nicht behauptet werden, dass sie zu Visaladeva in gar keiner Beziehung gestanden haben. Es ist recht gut möglich, dass sie sich nach Viradhavala's Tode und nach Vastupäla's Falle noch am Hofe von Pholkä in Gunst erhielten.

Was die genaue Abfassungszeit des Gedichtes betrifft, so braucht man sich nicht damit zu begnügen, es im Allgemeinen

1 Als ein weitererBeweis hiefür mag noch erwähnt werden, dass das Cambayer MS. des Padm&nanda-Kävya im Vikrama-Jahre 1297 geschrieben wurde.

O Vn. Abhaadlnng: B Ah 1er.

der Periode von Vikramasaihvat 1276—1296 oder 1297 zu- zuweisen, während welcher Vastupala seine hohe Stellung bekleidete. Es wird sich weiterhin aus der Vergleichung seiner Angaben über Vastupala's Bauten mit denen der Inschriften ergeben, dass es wahrscheinlich um das Vikraraa-Jahr 1285 geschrieben ist. Wahrscheinlich ist es einige Jahre jünger als die Kirtikaumudi. Das Sukiitasamkirtana scheint selbst bei den Jainas nie viel Beachtung gefunden zu haben. Weder Kajaiekhara im Prabandhakosha noch Jinaharsha im Vastupala- charita citiren es, obwohl der letztere lange Auszüge aus älteren Quellen gibt. Beide folgen meist Somcivara's Kirtikaumudi, deren grössere Berühmtheit das Gedicht des weniger bedeuten- den Arisimha in den Schatten stellte. Sein Verfasser Arisimha wird vielleicht in Sarögadhara's Paddhati erwähnt, wo ein Vers eines Arasi-Thakkura, Nr. 76 (Peterson's Ausgabe) erwähnt wird. Arasi steht ftir Arisi und ist eine ganz richtige Prakrit- Form ftir Arisimha, (siehe lieber das Navasahasa&kacharita p. 39), die noch jetzt in Gujarat häufig gebraucht wird. Die Identität der beiden Personen ist natürlich durch die Gleichheit der Namen keineswegs bewiesen, sondern nur eine Möglichkeit.

Notizen über die Gcsehlchte der Chftiidfts und Chaninkyas.

Der erste Sarga, welcher die Genealogie der Chäpotkata oder Chaudä -Könige von Gujarat enthält, gibt folgende Namen:

I. Vanaräja, Vers 1—26 IL Yogar4ja, 27—28 m. Ratnäditya, 29—30 IV. Vairisimha, 31—32 V. Kshemaräja, 33 34 VI. Chämu94a 35—36 vn. Raha<Ja, 37—38

Vm. Bhübhata, 39—41 Die diesen Königen gewidmeten Verse enthalten fast durchweg nichts als conventionelle Lobhudeleien, in denen keine historischen Begebenheiten erwähnt werden. Nur bei Vanaräja und Bhübhata sind Ausnahmen gemacht. Betreffs des ersteren wird, Vers 9, erwähnt, dass er die Stadt Ajgiahilapataka oder Ai;^hilv4<J gründete, und, Vers 10, dass er dort den Tempel des

Das Sukfitasamkirtana des ArisiAba. 9

Panchäsara-Pärsyanatha erbaute. Beide Angaben finden sich in den meisten der späteren Jaina-Prabandhas und haben des- halb kein sonderliches Interesse. Dagegen ist die Behauptung, Vers 41, dass Bhubhata , lange* die Erde beherrschte, von einiger Bedeutung, und ebenso die Reihenfolge und Zahl der Chau(}ä - Könige. Denn beides stimmt mit den Angaben in Krish^äji's Ratnamala, in einigen JISS. von Merutuftga's Praban- dhachintämai^ii^ und in den späteren Werken, wie Jinaman(jana's Kumarapalacharita, Jiflaharsba's VastupMacharita, Dharmasa- gara's Pravachanaparikshä, durchaus nicht.

Alle diese Werke kennen statt acht nur sieben Chau<}a Könige deren Reihenfolge von der obigen abweicht und sie schreiben dem letzten eine Regierung von nur sieben Jahre zu. Dagegen ist unsere Liste beinahe identisch mit der, welche in Merutuftga's Theravali^ und in der Bombayer Ausgabe des Prabandhachintamani p. 35 38, enthalten ist. ^ In der Therävali finden sich nur Differenzen betreffs des Namens des siebenten und des achten Königs. Der ersterc heisst nicht Rahacja, son- dern Thaghada oder Ghäghacja, und der letztere nicht Bhii - bhata sondern Püada. Püada ist ohne Zweifel ein Schreib- fehler für Bhüyacja oder Bhilvacja, was in den Prabandhas die gewöhnliche Apabhram4a-Form für Bhübhata ist. Statt Thaghacja - Ghaghaijia ist Ragha(}a zu lesen, was dasselbe wie Rahada sein kann, falls die ursprüngliche Form des Namens Raghavabhata gewesen ist. Die Ausgabe des Prabandha- chintamani hat die Form Aka4.a, welche noch stärker abweicht. Dagegen bietet sie für Bhübhata die Form Bhilya(Ja,* welche man erwartet.

Die Dauer der Regierung dieses letzten Fürsten umfasste der Theravali zufolge 19 Jahre, während die Ausgabe des Prabandha- chintamani sogar 27 bietet. Letztere Zahl würde natürlich am besten mit dem Ausdrucke chiram , lange* stimmen. Gegenüber der an-

1 So Nr. 296 meiner Sammlung und Bh4ü Dftji's MSS., Jour. Bo. Br. R. A. Sog. vol. IX, p. 157.

^ Siehe Jour. Bo. Br. E. As. Soc. loc. cit.

3 Die Stelle ist in der Ausgabe eingeklammert. Auch die auf p. 38—39 folgende Erzählung zeigt, dass das zu Grunde gelegte MS. von den an- dern bekannten bedeutend differirt.

* Diese Form findet sich p. 39 ; auf p. 38 ist drei Mal Bhüyaga<)a gedruckt.

10 VII- AbhandlaQg: Bühler.

scheinend viel besser beglaubigten Ueberlieferung E^sh^aji's haben die Angaben der Therävali, welche ausserdem bisher nur aus schlechten MSS. abgedruckt sind, keine Beachtung gefunden. Die Erzählung von den sieben Chäu^ä- Königen, deren letzter nach einer siebenjährigen Regierung von Mülaraja, dem Sohne seiner Schwester und des Chaulukya-Filrsten Raji, erschlagen worden sein soll, ist unbedenklich angenommen, obschon sie die Absur- dität berichtet, dass Raji's Heirath innerhalb dieser sieben Jahre stattgefunden haben und sein Sohn innerhalb derselben er- wachsen sein soll. ^ Jetzt wird es durch Arisimha's Angaben klar, dass die Therävali keineswegs mit ihrer Darstellung allein steht, sondern sich auf eine ältere Tradition stützt. Da Kp- shi^aji's Ratnamälä vielleicht ebenso alt, wie das Sukritasaihkir- tana ist, so hat es jedenfalls im dreizehnten Jahrhunderte, wahr- scheinlich aber schon früher, die zwei widersprechenden Be- richte über die Chau^ä-Könige gegeben. Es muss der Zukunft vorbehalten bleiben, die wirkliche Geschichte derselben festzu- stellen, wenn einmal authentische Documente gefunden werden. Für jetzt muss man sich mit dem Resultate begnügen, dass die in Indien durch Forbes' Ras Mala landläufige Version kein besonderes Anrecht auf Glaubwürdigkeit hat und in der älteren Ueberlieferung nicht unbestritten gewesen ist.

Die Notizen über die Chaulukya-Könige in Sarga 11 sind, wie in allen Prabandhas, bedeutend reichhaltiger. Von dem ersten Könige Mülaraja wird erzählt, dass er besonders den SomanÄtha verehrte und es heisst Vers 3:

,Welcher Held (Mülaraja), sehr deutlich seine Verehrung bezeugend, an jedem Montage vor Somanätha sich niederwarf und durch die heissen Flammen aus dem Auge auf der Stirne jenes (Gottes) grossen Glanz und Ruhm erlangte.'

Möglicher Weise hat Arisimha die absurde Sage des Prabandhachintämapi, p. 43, gekannt, nach welcher Mülaraja jeden Montag nach Somanäthapattana bei Veraval wallfahrtete, bis der Gott, um dem Könige gefilllig zu sein, sich zuerst näher bei AyhilväiJ in Ma9(}ali-Mändal niederliess und schliesslich so- gar in die Hauptstadt kam. Mülaräja's Verehrung des Siva

^ Ich habe auf diesen entsetzlichen Unsinn zuerst im Indian Antiquary vol. VI, p. 181 182 aufmerksam gemacht.

Das SniEfitasaihldrtana des Arisiihha. 11

wird übrigens durch seine Landschenkung bewiesen. Der fol- gende Vers 4 scheint auf die Errichtung des Tripurushapräsäda in A^hilvä«} anzuspielen. Von den kriegerischen Unternehmungen Mülaräja's werden die Siege über Bärapa und über Laksha^ den König von Kachh^ erwähnt. Ersterer wird zu einem Generale des Königs von Kanyakubja gemacht. Ueber den nächsten König, Chämu^da, Vers 8—9, weiss Arisitnha nichts Positives zu erzählen. Dagegen wird, Vers 13, ein Sieg Vallabharäja's über den König von Mälv& gefeiert, und, Vers 14, die Be- merkung gemacht, dass Vallabha den Biruda Jagajjhampana geführt habe, welcher sonst nicht vorkommt. Die KirtikaumuiU, welche gleichfalls den wahrscheinlich apokryphen Sieg erwähnt, II. 11, gicbt ihm den Biruda Jagatkampana. Von Durlabha- räja, Vers 15 16, heisst es, dass er sehr keusch war und sich schämte, als seine Hofdichter ihn mit Kiishna verglichen. Auch in der Kirtikaumudi wird Durlabha wegen dieser Tugend ge- priesen. Ueber seinen Nachfolger Bhima I, Vers 17 19, wird nur gesagt, dass er den bekannten König Bhoja von Dhara überwand. Diese Angabe stimmt wiederum mit der der Kirti- kaumudi n. 17 18 und auch mit denen der späteren Praban- dhas, während sie in Hemachandra's Dvyasraya nicht vorkommt. Bhima's Sohn Karna, Vers 20 23, wird wegen seiner Schön- heit gepriesen, welche auch von Hemachandra in der Prasasti zur Grammatik, Vers 17, in der Ratnamälä imd in der Kirti- kaumudi n. 21, erwähnt wird. Sodann behauptet Arisimha, dass Kari^a den König von Malv4 besiegte und eine Statue des Nilakailjitha oder Siva von dort heimbrachte. Es heisst, Vers 23 :

,Welcher (Karija) den König von Malva mit seinem Heere besiegte und flirwahr den Nilakantha brachte; seinen Ruhm, dem die Zahl der Pfade durch den Strom auf dem Haupte dieses (Gottes) vervielfacht war, sandte er sogar in die drei Welten.'

Die meisten Prabandhas und sogar Hemachandra's Dvya- Sraya, erwähnen keine Kriege während Karna's Regierung. Die neuesten Quellenfunde zeigen aber, dass dieses Schweigen keineswegs berechtigt ist. Bilha^a's Drama, Karnasundari, welches von Paijcjit Durgäprasad aufgefunden und in der Bom- bayer Kävyamäla veröffentlicht ist, spricht von einem glückUchen Kriege mit den mohammedanischen Fürsten von Sindh und von

12 Vn. Abbuidlang: Bfihler.

Ghazni. Da Bilha^a während Kar^ia's Regierung in A^hilvä^ war und wahrscheinlich einen vergeblichen Versuch machte^ der Hofdichter dieses Königs zu werden, so verdient seine An- gabe Glauben. Sodann erzählt Somesvara, Arisiihha's Zeit- genosse, in dem von Dr. Bhki^(lkTkBT gefundenen Surathotsava, ^ dass sein Vorfahr Ama, der Hauspriester des Königs Kar^a, einen bösen Geist (krityd) , welchen der Hauspriester des Königs von DhAr4 heraufbeschworen hatte, seinen Urheber zu tödten zwang. Der Grund, weshalb der Priester des Para- mara-Ftirsten den Chaulukya-Herrscher zu vernichten suchte, war, dass dieser in das Gebiet von M4lvd. eingefallen war. Somesvara bestätigt also Arisiihha's Angabc in ganz unver- dächtiger Weise und man wird annehmen dürfen, dass die Fehde zwischen Mälv4 und Gujarät auch während Kar^a's Re- gierung nicht ruhte.

Von Jayasiihha's Thaten wird, Vers 24 38, erwähnt, dass seine Reiter ihre Pferde im Ganges baden Hessen (Vers 32), dass der , Luftwandler Barbaraka^ ihn im Lufträume umhertrug (Vers 33), dass er YaSovarman, den König von Dharä, gefangen nahm (Vers 34), dass er den Siddhasaras genannten Teich graben (Vers 35) und eine hohe Siegessäule (Mrtistamhha) (Vers 37), errichten Hess. Alle diese Punkte sind zur Genüge bekannt. Es ist nur interessant, dass Barbaraka hier ebenso wie in den meisten andern Prabandhas ein rein mythisches Wesen gewor- den ist. Vers 36 spricht von Jayasimha's Verehrung seiner Mutter und spielt wohl auf die Erzählung des Prabandhachinta- ma^i p. 139 an, nach welcher der König auf Bitten der Maya- gallädevi eine Steuer erliess, die den nach Somanäthapattana wallfahrtenden Pilgern von dem Beamten in B^hulo^a aufer- legt wurde.

Die auf Kumärapäla bezüglichen Verse 39 43 preisen zunächst die Begünstigung des Jaina- Glaubens durch diesen Herrscher, welcher die Confiscation des Vermögens der ohne männliche Erben verstorbenen Kaufleute aufhob und ,in jeder Stadt' Vihäras erbauen liess.^ Sodann werden seine Siege. über

> Report on the Search etc. of 1883/84, p. 20.

' Siehe meine Abhandlang, ,Ueber das Leben des J. M. Hemachandra,' p. 39—40.

Das Sukntasariikirtana des Arisiihha. lo

den JängaleSa, d. h. ArQoräja von Säkambhari - Sämbhar, und über den ^Kauftka^a - Kaiser'^ d. h. den Kädamba- König Mallikärjana^ der das EoftkaQ beherrschte, (Kirtikaumudi, II. 47 48) gefeiert. Betreffs des letzteren bringt Arisiihha eine Notiz, die Someavara's Berichte widerspricht, dagegeir zeigt, dass die DarsteUung des späteren Prabandhachintama^i richtig ist. , Es heisst Vers 43:

,Was ist daran wunderbar, dass dieser Starke (Kumära- pala) selbst den JängalarFürsten besiegte, da der Beherrscher des Marschlandes, der KauAkapa - Kaiser, sogar von seinem Kaufmanne (banij) bezwungen ward?^

Somesvara schreibt beide Siege in der Kaumudi dem Könige selbst zu, in der Pra6asti von Tejabpala's Tempel in Abu, Vers 35 36, dagegen den ersteren dem Paramära Yadodhavala und den zweiten dessen Sohne Dhärävarsha. Merutuftga berichtet dagegen im Prabandhachintama^i, p. 201 ff., dass der Siimäli- Vä^iä Amrabhata, der Sohn des Rathes Udayana,^ zwei Mal gegen den König des Koäka^ auszog. Zuerst erlitt er eine Niederlage, auf dem zweiten Feldzuge dagegen soll er Mallikärjuna erschlagen haben.

Kumärapäla's Nachfolger wird Vers 44 Ajayadeva statt Ajayapäla genannt. Diese Form des Namens findet sich auch sonst, siehe Ueber das Leben des J. M. Hemachandra, p. 55, Note 6. Wie alle Prabandhas erwähnt das Sukntasamkirtana,Vers45, rüh- mend, dass der König von Sapädalaksha im östlichen Räjputänä ihm eine goldene mandapikd d. h. ein kleines Ziergeräth, das die Gestalt eines MaQ(|£^pA oder einer Säulenhalle hatte, als Tribut zusendete. Nicht minder bekannt ist, Vers 46, der Sieg, den Ajayadeya's Sohn, Mülaräja 11., über die Turushkas, d: h. über Muhammad Shähabuddin Ghori davon trug. Die muham- medanischen Schriftsteller, siehe EUiot, History II. 294, be- stätigen diese Nachricht, welche sich auch in dem Piithviräjavi- jaya, Kasmir Report, p. 62—63, findet. Ungleich wichtiger ist der nächstfolgende Theil des Werkes, Sarga II. 48 51, Sarga III. 1 62, welcher sich auf Bhimadeva IL bezieht, sein Verhältniss zu Lava^aprasäda und zu dessen Sohne Viradhavala, dem Rdyä von Pholka, darstellt, und berichtet.

' Siehe Ueber das Leben des J. M. Hemachandra, p. 9 und Note 28.

14 VII. AbbandlnDff: Bfihler.

wie Vastup^la der Miüister des letzteren wurde. Arisiihha gibt hier einen Bericht, welcher von Somesvara's Erzählung in der Kirtikaumudi stark abweicht. Es wird deshalb gerathen sein, die wichtigsten Verse dieses Abschnittes wörtlich wieder zu geben.

11. 48. , Jetzt trägt sein (Mularaja's) Bruder, der erlauchte Bhimadeva, dessen unbezwingbarer, furchtbarer, einem Thor- balken vergleichbarer Arm alle seine Feinde verschlang, das Aimband des Erdkreises,* zu dem die Gestade des Oceans die Perlen liefern.'

49. ,Sein ganzes Leben lang hielt er den Gedanken fest: ,Der Sitz der Götter (der Berg Meru) soll nicht durch meine Freigebigkeit schwinden, die nur eine kurze Spanne Zeit dauert' und deshalb zerstörte er den Goldberg nicht, um Gold zu vertheilen.'

50. ,Dass die Bettler stets seine Freigebigkeit erfuhren, hörte man aus den Liedern der Luftwandlerinnen, (der Nym- phen), welche in der Nähe seines Palastes sich auf den zur Belustigung geschichteten Goldbergen niederliessen, meinend, dass es Ausläufer des (Berges) Meru seien.'

51. ,Bhtma, dem Gemahle der Erde, dessen ganzer Reichthum durch fortwährende, tiberreiche Schenkungen ge- schwunden war, dessen hellglänzender Ruhm von dannen gezogen war, dessen Reich gewaltsam von den Baronen Stück flir Stück verschlungen war, ward das innerste Herz von lange aufgehäuften Sorgen verzehrt.'

ni. 1. ,Da erblickte der Fürst, dessen ganze Habe klein geworden war, einst am Ende der Nacht im Traume einen gloVreich glänzenden Gott.'

12. , Darauf überschüttete dieser Gott den Herrn der Erde, der gleichsam die Wurzel der Liane seiner Liebe war, also mit den Nectar-Wellen seiner Rede:'

13. ,Ich, Dein Grossvater der König Kumärapd^la, der durch das Gesetz des Arhat die Seeligkeit des Himmels sich gewonnen hat, bin gekommen, da ich fiir Dich in Deinem Unglück Liebe hege.'

14. ,Kind, ich werde Dir einen stolzen Verwalter des Reiches geben, durch den Du grossen Glanz erhältst, wie das Feuer durch den Wind.'

Das Hak{itasamkirtaiia des Arisiihha. lO

in. 15. ,Der grossarmige Ar9oräja, der Sohn des er- lauchten Dhavala, war ein Elephant im Walde des Chulukya- Stammes, ein Adler fUr die Schlangen, seine Feinde.'

18. , Dieser Mann von starkem Wagemuthe, (der) die Ursache (meiner) Glorie (war), ward durch mich, dessen Herz er sich durch seine Tapferkeit gewann, zum Herrn der Stadt Bhimapalli gemacht.'

19. ,Als schlechte Räthe Dir wehrten, machte dieser überaus Starke Deine Thronbesteigung zum Mittel um meine Gnade für immer zif vergelten.'

20. •, Sein Sohn ist LävaQyaprasäda, .dessen Arm, das Schwert zückend man sollte meinen seine Zunge sei es im Kampf sich anschickt die Feinde zu verschlingen/

23. ,Wenn Du diese Zierde des Erdkreises zum Herren über alles (sarveSvara) setzest, so wirst Du der Gemahl der For- tuna werden und im Glücke ruhen, wie Vish^u im Ocean.'

24. ,Er hat einen Sohn Viradhavala, der um des Kampfes willen das Gelübde des Bhpguiden (ParaSuräma) wie- derum abzulegen wünscht, die Kshatriya-Rasse zu vernichten.'

27. ,Gieb diesem Starkarmigen, dessen glänzende Fuss- nägel die Juwelen auf den Häuptern der feindUchen Könige geworden sind, die Würde eines Thronfolgers (yauvardjya) und herrsche (selbst) noch lange.'

28. ,Noch mehr! rette Du den Jaina-Glauben, der mich ungehindert in die Gefilde des Himmels gelangen Hess und der von ungefähr im Kali-(Zeitalter) jetzt untersinkt.'

29. ,Als der König dieses hörte, umschjoss er lächelnd (des Gottes) Lotus-Füsse, als ob er mit den Händen die For- tuna halten wollte, die in der Wasserlilie wohnt.'

30. , Gnädig ihn ehrend, legte dann der Gott, in Liebe ihm zugethan, auf sein Haupt die Hand, die dem Lotus, dem Hause der Kamalä, ghch.'

31. ,Als in der Frühe der Trompeten Schall dem Erd- beherrscher der Sonne Aufgang verkündete, entwich der Schlaf, der seine Lotus-Augen schloss, wie die Nacht, die die Augen- gleichen Wasserlilien schUesst.'

32. ,Als der Fürst mit verwundertem Blicke das Licht der Lampen schaute, (sprach er): „Es ist fürwahr sichtbarlich ein Gott!" und verliess dann rasch das Lager.'

IG VII. Ahhjindhmg: Biihlfr.

III. 33. ^Dann besuchte der Gemahl der Erde, der die Pflichten der Frühstunde vollzogen hatte, seine Halle, deren dicke Juwelen-Pfeiler reichen Glanz ausstrahlten.'

35. ,Die dienstbereiten Barone, die wie Funken des Feuers ihrer Tapferkeit glänzten, erblickte der Herrscher in der Versammlung.'

36. ,Den Vater und den Sohn, welche von dem Gotte be- zeichnet waren, salbte der König im Herzen zu Herren über Alles (sarveSvara) mit seinen Augen, welche Nectar-Krügen glichen.'

37. , Darauf richtete der Fürst freudig vor den Edlen seines Hofes (diese) gnadenreiche Rede anLävai^iyaprasäda:'

38. , Durch Deinen Vater, den Schrecken seiner Feinde, bin ich in dieses Reich (als König) eingesetzt; mehre Du des- halb meinen schwindenden Wohlstand.'

39. ,Nimm Du, im Krieger Grosser, die Würde eines Herrn über Alles bei mir an; Viradhavala, der von Tugen- den glänzt, soll mein Thronfolger sein.'

40. ,Von dem Könige, der selbst gebeten zu werden werth war, (also) in einer Angelegenheit gebeten, die von ihnen hätte erbeten werden sollen, sprachen die beiden freudig: ,Der Be- fehl Euer Majestät ist uns die Richtschnur.'

41. ,Die hohlen Hände an einander legend, als ob er da- rin den gaukelnden Schmetterling, die Fortuna, bannte, wendete Viradhavala sich wieder zum Gemahl der Erde:'

42. ,Herr, mir fehlt ein Berather; ohne einen solchen springt der tapfere Löwe nach der donnernden Wolke, sie für einen Elephanten haltend, und thut einen tiefen Fall.'

43. ,Gieb mir einen solchen durch ausserordentliche Tugen- den ausgezeichneten Berather, der kundig ist (des Gebrauches) der Waff*en, der Lehrbücher, des (Erwerbes von) Reichthum und des Kämpfes.'

44. ,Hoch erfreut durch diese Rede, (die einem) Nectar (-Strome glich, der ausgegossen) um die Liane (seines) Glückes zu beleben, dachte der Herr der Welt ein Wenig nach und sprach darauf:'

45. , Früher war ein Mal der durch seinen Glanz feurige Chan(Japa, ein Schössling der stets frischen Ruhmes-Liane des ausgezeichneten Prägväta- Geschlechtes, in diesem Reiche Diener (des Königs).'

Das SakptasaiiildrtanA des Arisiifaha. 17

in. 47. ,Sein Sohn, Cha^^aprasäda genannt, war mit Ge- schicklichkeit und Liebenswürdigkeit ausgestattet.^

49. ,Ihm ward ein Sohn, Soma mit Namen geboren, der das Firmament mit seinem Buhme überfiuthete,^

50. , Welcher keinen Herrn ausser dem Könige Siddha hatte, und keinen Gott ausser dem Herrn der Jinas.'

51. ,Sein Sprosse A6yaräja machte das All mit seinem grossen Ruhme erglänzen, er der sieben Wallfahrten vollbrachte um den sieben Höllen zu entrinnen.^

53. ,Sein geUebtes Weib war Eumäradevi, die, obschon die erste unter den Jina>Gläubigen (Frauen), doch den Gemahl der Gaur! verehrte.*

54. , Diesen beiden wurden drei Söhne geboren, deren Kraft die Feinde zittern machte'

55. ,Der erste unter ihnen, Malladeva ist als ein Hort der Weisheit berühmt, er der der Meinung seines Guru in seinem Reiche Selbst-Herrschaft verschafft hat.^

56. ,Sein jüngerer Bruder ist der weise Vastupftla, eine Wohnstätte der schönen Künste, dessen Füsse der nachgeborene Tejahpäla täglich verehrt.^

57. , Diese beiden (welche) Stäben (gleichen) um den Ocean der Acten zu quirlen, (welche) Pfaden (gleichen die) zur Vereinigung mit der Fortuna (führen), werde ich Dir als Räthe geben; sie aber schützen ihre Freunde.'

58. ,Als Viradhavala ob dieser Rede sich freute, rief der Gemahl der Erde jene beiden Söhne einer Mutter, und sprach zu ihnen, die die Häupter neigten:^

59. ,Mögt ihr, die ihr allein den Ocean der Staatsgeschäfte durchmessen habt, die Würde von Räthen des grossen Vira- dhavala bekleiden.^

60. , Seine Tapferkeit wird Sehkraft erlangen, wenn ihr ihm als Augen dient; rastlos ausspähend möge er alle meine Feinde zei*stampfen.^

61. ,Noch mehr möget ihr beiden, die ihr, wie die Bienen am Lotus, an den Füssen des Jina- Fürsten hanget, den Glauben an den Herrn der Jinas verherrlichen; dieser heisse Wunsch des Königs Kumärapäla, den er, im Traume erscheinend, mir anbefahl, muss nothwendiger Weise erfüllt werden.'

Sitzimgsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 7. Abh. 2

18 VII. Abhandlung: Bühl er.

62. , Nachdem der König diese Belehrung gegeben hatte, der ein unsichtbarer guter Gott Beifall zurief ßllschlich hielt man es fiir den Widerhall von dem Gewölbe des Audienzsaales übergab er freudig die beiden dem heldenhaften Viradhavala/

Vergleicht man diese Erzählung mit dem Berichte, welchen Somesvara in der Kirtikaumudi über dieselben Ereignisse giebt, so ist ein bedeutender Unterschied, besonders in der Rolle, welche Bhima 11. zugetheilt wird, nicht zu verkennen. Nach Somefivara's Darstellung erschien die Gürjararajalakshmi, die Fortuna oder Schutzgöttin der Könige von Gujarä^t, dem Ra^d, von Pholka, Lavapaprasäda, im Traume imd forderte ihn auf das unter Bhima's ungeschickten Händen zerfallene Reich mit Hilfe seines Sohnes Viradhavala zu retten. ^ Some&vara behauptet weiter, dass er selbst am folgenden Morgen zu Lavai^aprasäda gerufen und über die Bedeutung der Vision befragt worden sei. Er habe, versichert er uns, seinen Herrn überzeugt, dass er von der Vorsehung zur Rettung seines Vaterlandes bestimmt sei, und ihn bewogen dem Befehle der Göttin Gehorsam zu leisten. 2 Lavanapras&da habe darauf seinen Sohn mit der Aus- führung der ihm zu Theil gewordenen Aufgabe betraut. ' Kurze Zeit darauf seien VastupÄla und Tejabpäla als Minister von ihm angestellt. ■*

Nimmt man von diesem Berichte die mythologischen Zu- thaten hinweg, welche Someävara als guter Hof- und Kunst- dichter hinzuzufügen sich verpflichtet hielt, so scheint derselbe nur zu besagen, dass Bhima H. ein schwacher, ungeschickter Regent war, und dass Lavanaprasäda und Viradhavala sich seine Schwäche zu Nutzen machten um ein eigenes Reich zu gründen.

Zu dieser Auslegung drängt noch besonders der Umstand, dass SomeSvara sich in der Schilderung der Könige von A^hil- vä(} keineswegs achtungsvoll über Bhima H. ausdrückt, indem er, Kirtikaumudi H. 61, sagt.: ,Mächtige Minister und Barone theilten sich allmälig in das Reich dieses jungen und thörichten

1 Kirtikaumudi U. 89-107.

2 Kirtikaumudi U. 83—86, 108—113.

3 Kirtikaumudi H, 114—115.

* Kirtikaumudi III. 51; vergleiche auch ü. 112, wo Somesvara seinem Herrn gegenüber die Noth wendigkeit betont, tüchtige Räthe anzustellen.

Das iSnIqitasaihkirtana de» Arifiiifaha. 19

(hdlasya) Herrschers/ und ibidem II. 4, dem Könige dasselbe wenig schmeichelhafte Epitheton hdla giebt. Dagegen ist von einem Dienstverhältnisse Lava^aprasäda's nirgends die Rede und in den ziemlich zahlreichen Inschriften in den Tempeln, welche Vastup&la und Tejalbpäla auf dem Girnar, auf Abu und an andern Orten erbauten, fehlt jede Erwähnung des Oberherm von Gujarat. Dagegen erhältViradhavala in den Gimär-Inschriften, die V. S. 1288, zehn Jahre vor Bhima's Tode verfasst wurden, den Titel mahdräjä- dhiräja, als ob er ein unabhängiger Herrscher wäre. Eine solche Nichtachtung der Formen, welche die indische Etikette für Vasal- lenftlrsten und ihre Diener vorschreibt, beweist, dass Bhima bei dem Hofe von Pholkä nicht in hoher Achtung stand, und dass er nicht mächtig genug war, um die gebührende Ehrerbietung von Seiten Lava^aprasäda's und Viradhavala's zu erzwingen. Trotzdem war es schon vor der Entdeckung des Sukritasam- kirtana höchst wahrscheinlich, dass SomeSvara's Bericht das wahre Verhältniss seines YajamS.na zu Bhima H. nicht ganz richtig darstellt. Denn MerutuAga sagt im Prabandhachintäma^i, p. 250 (Bombay er Ausgabe) ganz klar: Srimad-BMmadevardjya' ehintäkdrt Vydghrapalliycuaihketaprasiddhah Srtmad'Andkanan- danah ort-Lava^iaprasadctS chirath rdjyam chakdray^ ,der Reichsverweser des erlauchten Bhimadeva, der unter dem Bei- namen Vyäghrapalliya (Väghelä) bekannte Sohn des erlauch- ten Anäka (Ar^oräja), Sil-Lava^aprasäda regierte lange Zeit.^ Diese Notiz veranlasste mich in meiner ersten Besprechung von Someivara's Werke, Indian Antiquary vol. VT, 187 ff. zu ver- muthen, dass Lava^aprasäda eine Zeit lang in Bhima's Diensten stand, und dass er erst später, als Bhima's in Gujarät noch jetzt sprichwörtliche Thorheit, Arroganz und Verschwendungssucht ihn überzeugten, dass nicht zu helfen sei, es unternahm ein eige- nes Reich zu gründen. Als den Zeitpunkt dieses Abfalles glaubte ich das Vikrama-Jahr 1276 ansetzen zu müssen, in welchem den Gimär-Inschriften zufolge Vastupäla als Minister angestellt wurde. Arisimha's Bericht, welcher, als von einem Zeitgenossen herrührend, ebenso viel Autorität als Someävara's besitzt.

1 Die Ausgabe und die MSS. meiner Sammlung schreiben, offenbar fälschlich, Vj/dghrapcUtisaiii^. Lavaiyiprasddai ist die Lesart von I. O. L. B. S. MSS. Kr. 296 statt LavariagähapreutddtU der Ausgabe.

2*

20 VII. Abbftadlnng: Bühl er.

bestätigt nur einen Theil dieser Vermuthungen, während er es nothwendig macht, einen andern Theil derselben zu modificiren. Wir erfahren durch ihn, dass Bhima IL. durch seine Unfähig- keit die Vasallen im Zaume zu halten und vielfache Verlegen- heiten gezwungen wurde, sich eine Stütze und Hilfe zu suchen, und dass er sich seinen Stammesverwandten selbst auswählte. Die Wahl wird theils durch Lavapaprasada's persönliche Eigen- schaften motivirt, deren Schilderung mit den Angaben der an- deren Quellen stimmt, theils dadurch, dass sein Vater Ar^orija (oben Vers 18) schon KumärapMa wichtige Dienste geleistet hatte und Bhima selbst zur Erlangung des Thrones behilfUch gewesen war (oben Vers 19 und 38). Der Titel Sarvesvara ,Herr über Alles ^, welchen Lava^aprasäda nach Ansiniha's Darstellung erhielt ist mit MerutuAga's Ausdruck Räjyachin- t4k4rin ziemlich gleichbedeutend und deutet an, dass Lava^a- prasäda's Stellung eine sehr unabhängige war. Die weitere Behauptung, dass Viradhavala zugleich zum Yuvaräja oder Thronfolger ernannt wurde, setzt voraus, dass Bhima keine Söhne hatte. Die Prabandhas sprechen auch von solchen durch- aus nicht. Es muss aber gleichfalls bemerkt werden, dass Viradhavala's Ernennung ebenso wenig erwähnt wird. Jeden- falls blieb dieselbe ohne praktische Folgen, da Viradhavala mehrere Jahre vor Bhima starb. Auch mit der Behauptung, dass Bhima seinem Sarve6vara die Brüder Vastupäla und Tejahpäla zu Käthen gab, steht Arisimha ganz allein. Some- 6vara sagt durchaus nichts Näheres darüber, wie die beiden Jainas zu ihrer Würde kamen. Im dritten Sarga der Kirti- kaumudi giebt er zuerst eine Schilderung ihres Stammbaumes, welche mit dem von Arisimha (oben Vers 45 56) gegebenen genau übereinstimmt, und fügt dann Vers 51 52 hinzu, einst seien die beiden dem Fürsten, der tüchtige Männer zu gewin- nen gewünscht habe, in den Sinn gekommen, er habe sich ihre grossen Eigenschaftien überlegt und sie dann rufen lassen. Weiterhin wird seine Anrede und Vastupäla's Antwort sehr ausführUch gegeben, ohne dass man jedoch daraus etwas über die fi'üheren Verhältnisse des letzteren entnehmen könnte. Die späteren Prabandhas, R^jaSekhara^s Vastupälaprabandha und Jinaharsha's Vastupälacharita, behaupten, die Brüder seien auf der Rückkehr von einer Wallfahrt nach Satrumjaya von unge-

Das Sakritasaifaldrtana des Arisiihhs. 21

&hr nach Pholka gekommen und dort von Lavariaprasäda und Viradhavala, welche gerade die von Somesvara berichtete tiber- natürliche Erscheinung gesehen hatten, sofort engagirt worden. Diese Angaben, wie überhaupt noch vieles andere, scheinen direct aus der Kirtikaumudi entlehnt zu sein und haben deshalb keinen Werth. Somesvara's Darstellung ist aber sicher lückenhaft, denn sie lässt es durchaus unklar, wodurch Vastupäla und Tejabp^la sich so ausgezeichnet hatten, dass Lavai^aprasada in ihnen geeignete Werkzeuge flir seine Pläne vermuthen konnte. Nimmt man dagegen an, dass sie, wie Arisiihha (oben Vers 57 und 59) andeutet, schon in königlichen Diensten gestanden hatten, so verschwindet diese Schwierigkeit. Für die Wahr- scheinlichkeit dieser Angaben spricht auch der von Somesvara, (Kirt. IQ. 14), und von Arisimha (oben Vers 50) erwähnte Umstand, dass ihr Grossvater Soma imter Jayasiihha eine höhere Beamtenstelle bekleidete. Falls aber die Brüder schon in könig- lichen Diensten standen, so war natürlich zu ihrem Eintritte in Lavaigiaprasäda's Dienste Bhima's Einwilligung erforderlich. Man wird also Arisimha's Bericht flir den glaubwürdigeren erklären müssen. Nur kann man zweifeln, ob Vastupäla bei derselben Audienz seine Anstellung erhielt, in welcher Lava^a- prasäda zum Sarveävara ernannt wurde. Das Datum des ersteren Ereignisses wird, wie schon erwähnt, durch die Girnär-Inschriften festgestellt, wo es wiederholt heisst, dass Tejabpäla vom [Vikrama-] Jahre [12]76 an in Pholkä und andern Städten ,dje Geschäfte mit dem Siegel^ versah.^ Bei der Annahme von Arisimha's Angaben wird es natürlich noth wendig, die von mir früher (Indian Antiquary loc. cit.) ausgesprochene Vermuthung aufzu- geben, dass Vastupäla's und Tejahpäla's Ernennung den Zeit- punkt bezeichnet, wo Lavapaprasäda von Bhima abfiel und ein eigenes Reich zu gründen begann.

Die seit 1877 gemachten neuen Entdeckungen lassen es über- hauptzweifelhaft erscheinen, ob der Sarveä vara oder sein Sohn j emals seinem Herrn untreu wurde. Es scheint vielmehr, dass Lava^a- prasäda diesem gegenüber, wenn er auch thatsächUch unabhängig

1 Arch. Reports of Western India vol. U. p. 170, Vastup&la nennt sich an dieser and den entsprechenden Stellen der andern Inschriften aar- veSvara, seinen Bruder dagegen mahdmdtyc^

22 "^n. Abhandlung: Btthler.

über den südlichen Theil des Gürjara - Reiches herrschte, sich doch wenigstens äusserlich wie ein Vasall betrug und dass Professor V. A. Käthv&te's Vergleich^ seines Verhältnisses zu Bhima mit dem der Mar^thä Peshväs zu dem Hofe von Sä- tÄrH vollständig berechtigt ist. Von besonderer Bedeutung für diesen Punkt ist die von Dr. R. G. Bhä^därkar aufgefundene Lekhapanch46ikä,2 welche, wie Bhä^^ärkar richtig erkannt hat, im Vikrama- Jahre 1288, also zwölf Jahre nach Vastupala's Ernennung zum Minister und während Bhima's Regierung ab- gefasst ist. Das Werkchen giebt Formulare für Briefe und Documente verschiedener Art. Unter den letzteren findet sich eine Landschenkung, datirt V. S. 1288, in welcher der mahd- mandaleSvarddhipati ,der grosse Oberherr der Vasallenfiirsten,^ Rä^ä. Lavaiayaprasada als Geber genannt wird. Vor seinem Namen steht der ganze Stammbaum der Chaulukya-Könige von Aphilvad, und es wird bemerkt, dass er das Khetdkdhärapa' thaka ,das CoUectorat von Khe<J4^ durch die Gnade seines Herrn Bhima H. besass.^ Sodann enthält dasselbe Werk, als Beispiel eines Staatsvertrages, ein in demselben Jahre datirtes Uebereinkommen des makdmandale^vara RaQ4 Lävanyapras4da mit Simhana (Simgha^a), dem Mah^rajadhiräja von Devagiri, in welchem beide contrahirende Theile versprechen gegenseitig ihre Grenzen zu respectiren, Frieden zu halten und einander Hilfe zu leisten. Obschon das erstere dieser beiden Documente augenscheinlich nichts weiter als ein Formular ist und von dem zweiten nicht mit Sicherheit bewiesen werden kann, dass es die Copie eines wirkUchen Staatsvertrages ist, so bleibt ihr Werth trotzdem sehr bedeutend. Denn, da der Verfasser der Lekhapanchasika ein Zeitgenosse Lavai^aprasada's war, so darf man annehmen, dass er die politischen Verhältnisse, im Allge- meinen richtig schildert. Man wird ihm einerseits glauben dür-

1 Kirtikaumudi, p. XXV.

2 Report etc. 1882/83, p. 28 ff. und p. 222 ff.

3 So ist p. 223 für khetakdrdpathake and p. 224 für khetakddhäraptUhake zu schreiben. Die Ausdrucksweise ist, wie auch an andern Stellen des Formulars, incorrect. Denn dhära entspricht ursprünglich ungefähr dem modernen Zillä und pathaka dem TS.Iuk&. Indessen finden sich ähnliche Combinationen der beiden Ausdrücke auch in wirklichen Landschen- kungen der späteren Zeit.

Dm Sakrituaihldrteiw des Aritiihba. 23

fen^ dass Lava^aprasäda im Vikrama- Jahre 1288 befugt war^ Verträge mit fremden Fürsten abzuschliessen^ und folglieh einen hohen Grad von Unabhängigkeit besass. Andererseits wird man zugeben müssen^ dass^ wenn LavaQaprasada damals Land- schenkungen machte^ er sich der von VasaUenfürsten gewöhn- lich gebrauchten Form bediente und die Oberhoheit Bhima's anerkannte. Ist dies richtige so kann wenigstens bis V. S. 1288 von keinem Abfalle Lavai^aprasada's die Rede sein. Das Ver- hältniss muss vielmehr so gewesen sein^ wie es Arisimha an- giebt. Lava^aprasada stand höher als alle anderen Herrscher von Districten und verwaltete das Reich seines Herrn kraft des ihm gewordenen Auftrages. So frei und hoch seine Stel- lung sein mochte, so war er doch nicht zum Rebellen gewor- den. Die Bestätigung, welche Arisimha's Angaben durch die Lekhapanchäsika erfahren, machen es räthlich bei der Dar- stellung dieser Periode der Geschichte von Gujarat ihm mehr zu trauen als den Insinuationen Some6vara's.

Zum Schlüsse der Besprechung dieses Abschnittes des Sukritasamkirtana muss die mythologische Einkleidung noch erwähnt werden. In meiner und Zachariae's Abhandlung über das NavasähasaAkacharita p. 48, habe ich gezeigt, dass die höfischen Dichter es sehr häufig fUr angemessen halten, bei Wendepunkten in den Geschicken ihrer Helden die Götter thätig eingreifen zu lassen. Wenn Arisimha nun den Geist des Kumärapala aus den Gefilden des Svarga herabsteigen lässt um Bhima zur Wahl Lavai^aprasada's zu seinem SarveSvara zu bewegen, so ist es nicht schwer zu erkennen, was ihn be- stimmte sich dieses deus ex machina zu bedienen. Kumärapäla war bekanntUch ein Anhänger und Beschützer des Jaina- Glaubens gewesen. Nach seinem Tode trat unter Ajayapäla eine starke brahmanische Reaction ein und, obschon Ajayapäla nur kurze Zeit regierte, scheint auch unter seinen Söhnen Mularäja und Bhima H. die Jaina-Secte ihre frühere Bedeutung nicht wiedergewonnen zu haben. Erst als Vastupäla und Tejah- pala in Pholkä Minister wurden, erhob sie wiederum ihr Haupt. Beide gehörten einer Jaina-FamiUe an und waren von grossem Eifer für ihren Glauben erfüllt. Sie verwendeten einen grossen Theil ihrer reichen Einkünfte auf die Erbauung von Tempeln, Upäsrayas und Wohlthätigkeitsanstalten, so dass wenigstens

24 Vn. AbhandlniiK: Bflhler.

der äussere Glanz des Namens der Jainas wieder hergestellt wurde. Arisimha hat nun versucht die beiden Glanzperioden seiner Seete dadurch zu verbinden, dass er Eumärapala als den intellectuellen Urheber der zweiten darstellte. Dabei hat er sich auch nicht gescheut dem Könige Bhima Worte in den Mund zu legen, die er sicher nie gesprochen hat, indem er ihn (oben Vers 61) Vastupila und Teja]|^p41a auffordern lässt ,den Glauben an den Herrn der Jinas zu verherrlichen'. Nach Allem was wir von Bhima wissen, begünstigte er ausschliesslich die Brahmanen und besonders die Siviten, denen er viele Schenkungen machte. Vastupäla's Eifer flir seinen Glauben anzufeuern war aber gewiss durchaus unnöthig.

Yastnpäla^s Wallfahrt nach l^atrnmjaya und Girnftr.

Im vierten Sarga wendet sich Arisimha zur Schilderung der sukrita oder frommen Werke Vastup^la's, durch welche er den Jaina-Glauben verherrlichte. Zunächst bemerkt er kurz, dass Viradhavala mit Hilfe seines Ministers bald ,die von den Oceanen umgürtete Erde eroberte' und allem Unrecht und aller Gewaltthat steuerte (Vers 1 7). Dann erzählt er wie Tejahpäla in dieser glücklichen Zeit einst zu seinem Bruder kam, ihn wegen seiner Erfolge pries und ihn ermahnte des königlichen Befehles eingedenk zu sein und den Jaina-Glauben zu fördern (Vers 8 13). Vastupila sagte zu und erklärte, dass er sofort seinen geistlichen Director besuchen wolle um dessen Predigt zu hören und seine frommen Werke nach dessen Rathe zu beginnen (Vers 14 26). Bei dieser Gelegenheit wird die Reihen- folge der Mönche aus dem N^gendragachchha aufgezählt, welche seit Cha^dapa's Zeiten der Familie als geistliche Berather gedient hatten. Die Namen sind genau dieselben wie die in der Praiasti von TejahpMa's Tempel auf dem Berge Abü:^ 1) Mahendrasliri (Vers 15—16), 2) Öantisüri (Vers 17—18), 3 a) Inandasüri und b) Ama- rasüri (die vom Könige Jayasiiiiha den Ehrentitel vydghrctSiiukau ,die jungen Tiger' erhielten, ,weil sie schon in früher Jugend die brtlnstigen Elephanten gleichenden hochmüthigen Dispu- tanten abzuwehren vermochten' (Vers 19 21), 4) Haribhadra-

i KSrtikaamudi, App. A., p. 9 10.

V

Dm SnlcntaMTfaldrtaiia des Arisiifaha. 25

süri (Vers 22 23), 5) Vijayasena (Vastupala's geistlicher Kath, Vers 24 26). Hierauf wird erzählt, wie Vastupala sich mit seinem Bruder in das Kloster begab und Vijayasena seine Ver- ehrung darbrachte. Die nun folgende Predigt des letzteren, welche Vers 33—43 füllt, empfiehlt als das verdienstlichste Unternehmen eine Wallfahrt und preist vor allen den sarnghä- dhipati, den Führer der frommen Pilger, glücklich. Die Folge ist natürlich, dass Vastup4la den Entschluss fasst, eine Wall- fahrt der Gemeinde nach . den heiligen Oertem in Eäthi4v&<} zu veranstalten.

Der fünfte Sarga schildert dann (Vers 1 6) die Vorbe- reitungen zu dieser Reise. Vastup4la, heisst es, sandte in jede Stadt Briefe an die Gläubigen um sie einzuladen. Die Mönche suchte er persönlich in den Klöstern auf und lud sie ehrfurchts- voll ein. Für die, welche seinem Rufe folgten, sorgte er in jeder Weise. Wem ein Wagen fehlte, dem gab er einen Wagen; wer Zehrung für die Reise bedurfte, erhielt dieselbe, und denen, die keine Diener hatten, verschaffte er sie. Auch Arzeneien und Aerzte vergass er nicht, damit die auf dem Wege Er- krankenden Hilfe hätten. Als alle Vorbereitungen . getroffen waren, Hess er sich von seinem Guru feierlich zum Saibghädhi- pati weihen und brach dann zu einer glückverheissenden Stunde ,umringt von einem wunderbaren Heere von Wagen' auf (Vers 7 8). Vers 10 13 werden die Namen einiger bedeu- tender Mönche genannt, welche sich an der Wallfahrt bethei- ligten: Narachandrasüri, Jinadattasüri aus dem V4yatagachchha, ^4ntisüri aus dem Sam^crakagachchha und Vardhamänasüri, ,die Sonne der Gallakas^ In K4sahrada, welches wahrschein- lich mit dem heutigen Kdsandra oder K&sandhra bei G^lmph identisch ist, * wurde ein Halt gemacht und (Vers 16) im Tempel des Rishabha ein grosses Fest veranstaltet. Von an- deren Stationen auf dem Wege wird nichts gesagt. Der Sarga

> Für hrada ,Teich* tritt ein Prakrit draha ein, so dass Kftsadraha dem Sanskrit K&sahrada genau entsprechen würde. Die weitere Corrnption stimmt mit den Regeln der Phonetik des Gajar&ti. Ktsandra liegt (siehe Trig. Surv. Maps, Guj. 8er. Nr. 82), in 72^11' ö. L. und 22*'19' n. Br., so ziemlich auf dem directen Wege von Dholkft nach PftlitAnft. Im Texte wird K&sahrada ein paUana ,eine Stadt' genannt. Das heutige Kftsandra ist ein Dorf mit etwa 400 Einwohnern.

26 VII. Abhandlung: Bftliler.

schliesst mit der Ankunft der Pilger am Fasse des Berges Satruiiijaya, wo Vastupala ein grosses Zeltlager aufschlagen liess (Vers 41) und reiche Geschenke, besonders Lebensmittel^ an alle Bedürftigen vertheilte. Er sorgte, heisst es, nicht für sich selbst, bis er sich durch seine Ausrufer vergewissert hatte, dass Niemandem etwas fehlte.

Nachdem in Sarga VI eine conventionelle Beschreibung des Sonnenaufganges eingeschaltet ist, die in einem Mah^kavya nicht fehlen darf, folgt im siebenten die Schilderung der Be- steigung des Berges und der dort veranstalteten Festhchkeiten. Der Aufstieg auf den Berg erfolgte am Morgen nach der An- kunft. Das erste Heiligthum, das die Pilger erreichten, war das des Yaksha Kapardin (Vers 12). VastupMa brachte ihm seine Verehrung dar und feierte ihn mit einem Lobliede (Vers 13 16). Dann eilte er zu dem Tempel des Adinatha (Vers 17), wohin die Menge der Pilger ihm in hellen Haufen folgte. Noch mit dem Staube des Weges bedeckt fiel Vastu- pala draussen vor dem Herrn der Jinas nieder (Vers 26) und be- sang ihn mit einem Hymnus (Vers 27 33). Dann erst reinigte er sich, wobei die Pilger seinem Beispiele nachahmten, und betrat darauf mit ihnen den Chaitya unter der AufRihrung von Tänzen und Gesängen (Vers 34 37). Darauf wusch er das Bild, wie die Regel vorschrieb, mit Safran -Wasser, rieb es mit Mo- schus ein und behing es mit Blumenkränzen. Die Pilger ver- brannten zugleich so viel Weihrauch, dass der Tempel in dichte Finstemiss gehüllt war und zuletzt wurde das Är4trika voll- zogen, indem zahlreiche Lampen vor der Statue hin und her geschwungen wurden (Vers 38—42). Der folgende Vers 43 be- lehrt uns, dass der Aufenthalt auf dem Berge und der Gottes- dienst acht Tage lang dauerte.^ Dann stieg der Fürst der Räthe, nachdem er die Mönche beschenkt hatte, vom Berge batrumjaya herab, vollzog die für die Reise glückverheissenden Ceremonien und sehnte sich darnach dem göttlichen Neminätha auf dem Girnär seine Verehrung darzubringen.

Sarga VHI. 1. zufolge ging der Zug nicht auf dem directen Wege nach Junaga^h, sondern zunächst nach Deva-

1 Diese Notiz, die sich auch bei Jinaharsha im Vastup&lacharita findet, hat ein besonderes Interesse, weil die Jaina-Pilger jetzt niemals die Nacht auf dem Berge zubringen.

Das Snkptasamldrtuia des Arisiihha. 27

pattana oder Somanätha an der Südküste von Sorath. ^Dort verehrte er, der furchtbare Macht besass, den Ueberwinder des Kama, den durch den Mond gekennzeichneten (Gott), der lieblich zu schauen ist^ d. h. den 8iva-Somanä,tha. Bald aber erinnerte der Ocean ,der durch die Muschel-Abzeichen rein ist und blau wie der Indranila-Stein glänzt^, Vastupäla durch diese seine Eigenschaften an den Ncminätha (Vers 10) und trieb ihn weiter zu pilgern. Der Berg Raivataka (Girnar) kam in Sicht und es schien dem Minister als ob die vom Winde geschau- kelten Lianen seiner Wälder einen Freudentanz zu Ehren der Ankunft der heiligen Gemeinde aufführten (Vers 11). Dieser AnbUck begeisterte Vastupäla zu einem Lobliede (Vers 12 16). Nach seiner Ankunft am Fusse des Berges liess er dort ein Lager aufschlagen und feierte ein Ankunftsfest. Am nächsten Morgen bestiegen die Pilger den Girnar (Vers 28). Die nun fol- gende Beschreibung der Verehrung des Neminätha (Vers 29 42) ist nur eine Wiederholung der Scenen in dem Tempel des Adinatha. Zum Schlüsse heisst es, dass der Aufenthalt auf dem Girnar, gerade wie der auf Satruihjaya, acht Tage dauerte. Zu beachten ist, dass Vastupäla beim Abschiede den brah- manischen Göttern Amba, Samba, Pradyumna und den übrigen, die auf dem Berge Tempel hatten, seine Verehrung darge- bracht haben soll.

Der neunte Sarga ist, wie der sechste, eine rein dichterische Zuthat ohne irgend welche historische Elemente. Er giebt eine Schilderung der sechs Jahreszeiten, welche ,der Fürst der Weisen, dessen Wünsche erflült waren, an den Abhängen des Berges erblickte'.

Der zehnte Sarga beschäftigt sich mit der Rückreise der Gemeinde von dem Girnar nach Pholkä. Unmittelbar nach dem Abstiege gab Vastupäla den Pilgern ein glänzendes Mahl und vertheilte reiche Gaben unter sie (Vers 1 5). Dann brach er nach Vämanasthali, dem heutigen Vanthli, auf dem Wege von Junäga(jh nach Devapaftana, auf, und hielt einen feierlichen Einzug in die Stadt. Früher war den Jaina -Wallfahrern das Betreten der Stadt verboten gewesen. Vastupäla aber liess ,die gottlose Schrift' vernichten (Vers 6). Ueber den weiteren Verlauf der Reise wird nur berichtet, dass in jedem Dorfe den Ttrthamkaras Weihrauch geopfert wurde (Vers 7). Als der

28 YII. Abhandlung: Bflhler.

Zug in der Nähe von Pholkä anlangte, kamen nicht blos Vastu- pala's Verwandte, sondern auch Viradhavala mit den Bürgern ihm entgegen. In der Mitte zwischen dem Ra^ä und seinem Bruder Tejabpäla zog er ,einem nach der Art der Tripurushas gestellten oiva gleichend' (Vers 11) in die Stadt ein, unter den Lobgesängen der Barden (Vers 14 29) und den leidenschaft- lichen Freudenbezeigungen der Frauen (Vers 31 42).

Vastupäla's Wallfahrt wird sowohl in den Inschriften in seinem Tempel auf dem GimUr als auch in SomeSvara's E^rti- kaumudi erwähnt. Die Inschriften ' sagen nur ganz kurz, dass Vastupäla ,im Jahre 77 (V. S. 1277) die Würde eines Saihghä- dhipati oder Hauptes der Gemeinde erlangte durch die Gnade des glanzvollen Ober-Gottes der Götter, welcher infolge der mächtigen Wirkung der nach Satruihjaya, Ujjayanta (Gimär) und andern Heiligthtimern unternommenen festlichen Wallfahrt sich offenbarte'. Someävara dagegen widmet der Wallfahrt den ganzen letzten Sarga seines Gedichtes und seine Beschreibung derselben stimmt im Ganzen mit der von Arisimha gegebenen. Doch finden sich folgende Differenzen. Der Aufenthalt in Eäsa- hrada wird nicht erwähnt. Es heisst dagegen Kirt. IX. 19 20, dass man den Weg, den der Minister nahm, an den wieder- hergesteUten alten Tempeln der Jinas und den frisch gegrabenen Teichen erkennen konnte, sowie dass die Pilger in allen Tem- peln, zu denen der Zug kam, den Jinas ihre Verehrung dar- brachten. Auf dem Berge Satruihjaya hielt sich Vastupd^la nach Somesvara, Kirt. IX. 36 nur ,zwei oder drei' Tage auf. Trotz- dem wird unmittelbar vorher IX. 30 36 erzählt, dass er dem Tempel des Adinätha eine Fahne von gelbweissem Zeuge schenkte und dass er zwei Tempel des Neminitha und des P^rsvanätha erbauen und einen grossen Teich graben Hess. Es ist nicht zweifelhaft, dass die letzteren beiden Notizen sich auf

^ J. Bnrgesfl, Archaeological Survoy of Western India Nr. 2. Memoran- dum of the Antiquities at Dabhoi etc., p. 22, Z. 4 ff., p. 23, Z. ff., u. 8. w., und Arch. Report of Western India, vol. Ü. p. 170: ^ >0^ "^

t^^C|ll^l<l^ir<^^MlfMM^«l ^ft^^T%T n Dasselbe Da- tum V. S. 1277 wird auch von Merutunga im Prabandhachintfimapi, p. 264 richtig angegeben.

Das Snk|itasaih1cirtaiift des Arisiifaha. 29

eine spätere Zeit beziehen. Im weiteren Verlaufe seines Be- richtes setzt Some^vara, IX. 61 69, den Besuch des Girn&r vor den in Devapattana oder Prabhäsa, IX. 70 71. Er be- hauptet auch, dass Vastupala ,viele Tage^ auf dem Girnär ge- blieben sei, sowie dass er in Devapattana ausser dem Siva- Somanatha^ auch den Jaina Tirthaihkara Chandraprabhu verehrt habe. Wahrscheinlicher Weise erklärt sich dieser Widerspinich dadurch, dass zwei Besuche in Devapattana stattfanden. Dies deutet Arisimha an, indem er sagt, die Pilger seien vom Gir- när auf dem Rückwege nach Vämanasthali gezogen. Vämana- sthali-Vanthli liegt etwa neun englische Meilen südwestlich vom Gimar und an dem directen Wege nach Devapattana. Wer bei der Rückkehr vom Gim&r über Vanthli reist, kann nach- her nicht wohl einen andern Weg nach dem Festlande von Gujarät einschlagen als den, der von Devapattana erst der Südküste und dann der Ostküste der Halbinsel entlang führt. Dies scheint in früherer Zeit der gewöhnliche Weg der Kara- vanen und der Pilgerzüge gewesen zu sein. 2)

Yastapftla^s Bauten und fromme Stiftungen.

Der elfte und letzte Sarga beginnt mit der Angabe, dass VastupMa, nachdem er von Viradhavala zum Herrn der Stadt Stambhatirtha gemacht worden war, Tempel (ktrtandni) zu bauen begann, ,welche Verkörperungen seines Ruhmes auf Erden gli- chen,' und in Vers 2 34 werden dreiundvierzig Bauten, Restaura- tionen und Stiftungen verschiedener Art aufgezählt. Diese Liste ist sehr viel bescheidener als die, welche- in den späteren Praban- dhas des Rajasekhara und Jinaharsha vorkommen. Sie sticht auch vortheilhaft gegen die absurde Ruhmredigkeit der Girnär Tempel-Inschriften ab, wo es heisst, ^ dass Vastupala und Tejat- päla ,neue Stätten des Dharma (dharmasthändni) d. h.. Tempel, Upäfirayas, Sadävratas, Teiche u. s. w. in der Zahl von zehn

^ Die für einen Jaina anpassende Yerehrang des Siva wird auch von Jinaharsha, Y. Char. VI. 636 zugestanden, siehe unten, p. 36.

2 Im Vastup&lacharita VI. 614 ff., wird der Weg genauer beschrieben und sind die Stationen zwischen Satruzhjaya und Qimär: 1) Täladhvaja- Tal&jft, 2) Kotin&ri-Ko4inär, 3) Devapattana, 4) V&manasthali-Yanthli.

3 Arch. Reports of Western India, vol. II. p. 170, Z. 6, der Umschrift.

80 Vn. Abhandluni?: Bfthler.

Millionen (kotüaJ^) und sehr viele Restaurationen' hätten machen lassen. Arisiihha zählt folgende Einzelheiten auf:

I. In A^ahillapuri oder Anhilväd-Päta?:

1) eine Restauration des Tempels des Panchäsara-ParSva- nätha, welchen Vanaräja (oben p. 9) hatte erbauen lassen (S. XI. 2). Hiemit stimmt Jinaharsha im Vastupälacharita VTI. 66, wo hinzugefügt wird, dass der Bau stattfand, als Vastup&la nach einer Schlacht gegen die Muhammedaner bei Abu, welche er mit Hilfe Dhärävarsha's von Chandra vati gewann, PätaT)^ be- suchte. Die muhammedanischen Schriftsteller berichten nichts von Angriffen auf Gujarä-t in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts. Indessen wäre es nicht unmöglich, dass während oder nach Shamsuddin Altamsh's Expedition gegen Rantham- bor, 1226 p. Chr.,^ Theile des siegreichen Heeres bis nach Abu gekommen wären und einen Einfall in Gujarät versucht hätten. Falls Jinaharsha's Notiz richtig ist, so darf man vielleicht an- nehmen, dass die Restauration des Tempels in Ai?hilv&<J im Jahre 1226 oder 1227 p. Chr. stattfand.

n. In Stambatirtha oder Cambay:

2) die Errichtung eines goldenen d. h. vergoldeten Flaggen- stockes und Knaufes auf dem Tempel des BhimeÄa (S. XI. 3). Das Vastupälacharita giebt IV. 720 dieselbe Notiz und hat statt des unklaren ketu, (wörtlich , Banner^) den deutlicheren Ausdruck dhvajadar}>da\

3) die Errichtung eines Uttänapatta vor dem Bhatt^ditya und eines goldenen Kranzes auf seinem Haupte (S. XI. 4). Das Vastupälacharita IV. 719 spricht von einem Uttänapäda (?) im Tempel des Bhatt^ditya. Die technische Bedeutung von Utt&na- patta ist mir nicht bekannt;

4) das Graben eines Brunnen im Vahaka genannten Tempelhaine (püjanavana) des Bhatt^rka (S. XI. 5);

5) die Erbauung eines mit Stucco überzogenen (sudhduna- dhura) Man(}apa oder Vorhalle vor dem Tempel des Bakula genannten Sonnengottes (S. XI. 6). Das Vastupälacharita IV. 721 spricht von einem RaAgama^dapa oder einer bemalten Vorhalle vor dem Tempel des Bakulasvämideva ;

1 Elliot, Hlstory of India vol. II. p. 324.

Daa Snlqitasaihklrtana des Arisiihha. 31

6) die Restauration des MaQ(}apa und des Tempels des Siva-Vaidyanatha (S. XI. 7). Das VastupMacharita IV. 718 sagt deutlicher:^ ,Den Tempel des Gottes Vaidyanatha sammt dem Ma9(}apa machte er zum ewigen Heile seines Königs wie- der neu*/

7) die Erbauung hoher gemauerter Auslagen für den Ver- kauf von saurer Milch [tdkra, S. XI. 8). Sowohl Somesvara, Kirt. rV. 17, als auch Jinaharsha, V. Char. IV. 716, erwähnen dies. Das uckchaihpada oder der vedibandha wird, wie Prof. A. V. Käthväte in den Noten zur Kirtikaumudi sagt, zu dem Zwecke errichtet worden sein, um die Waare gegen die Be- rührung durch Leute niederer ICaste zu schützen;

8 9) die Erbauung zweier UpHsrayas für Jaina-Mönche (S. XI. 9). Somesvara Kirt. IV. 36, spricht von vielen Pausha- dhai^MS.'s, die VastupMa in Cambay errichten liess;

10) die Erbauung einer Trinkhalle mit runden Fenstern (gaväksha) auf zwei Seiten (S. XI. 10). Somefivara, Kirt. IV. 33, spricht wiederum von vielen Trinkhallen.

m. In Dhavalakkaka oder Pholkä,:

11) den Bau eines Tempels des Adinatha (S. XI. 11). Nach V. Char. DI. 457, hiess dieser Tempel Satruihjayävatära ;

12 13) den Bau von zwei UpäSrayas fui* Jaina-Mönche (S. XI. 12);

14) die Restauration des Rll^aka genannten Tempels des Bhattäraka (Öiva) (S. XL 13);

15) den Bau einer Väpi oder eines viereckigen bedeckten Wasser-Reservoirs (S. XI. 13);

16) den Bau einer Trinkhalle (prapd) (S. XI. 14).

IV. In öatrumjaya bei Pälitänä:

17) den Bau eines Indrama^cjapa vor dem Tempel des Adinatha (S. XI. 15), vergleiche V. Char. VI. 630.

18 19) den Bau eines Tempels des Jina von Ujjayanta d. h. des Neminätha und eines Tempel des Jina von Stambhana d. h. des P&rövanatha (S. XI. 16). SomeSvara, Kirtikaumudi IX. 31 33, und Jinaharsha V. Char. VI. 631 632, erwähnen die

32 VII. Abhandlung: Bühler.

beiden Tempel gleichfalls und ersteres nennt auch die beiden Jinas bei den gewöhnlichen Namen;

20) die Aufstellung einer (Statue) der Göttin Sara- svaü (S. XI. 17). Weder SomeSvara noch Jinaharsha erwähnt diese Stiftung. Sie ist aber trotzdem sehr wahrscheinhch, da Vastupäla in den Girnär-Inschriften ^ sagt, dass er in Girnär eine 'praiastisahita - KdSmirävatära - Sarasvattmürti aufgestellt habe ;

21) die Aufstellung von Statuen seiner Vorfahren (S. XI. 18), vergleiche auch Kirtikaumudi IX. 34 und V. Char. VI. 633. Nach letzterer Stelle waren diese Statuen, sowie die weiterhin zu erwähnenden in dem Tempel des Pärävanätha aufgestellt. Diese Angabe stimmt mit dem Thatbestande, der sich in Tejalhipäla's Tempel auf Abu findet, wo die Statuen der Fa- milie in einem Annexe (baldnaka, Kirtikaumudi, App. A. Vers 61), rechts vom Adytum stehen;

22) die Aufstellung von drei Statuen auf Elephanten, seiner eigenen, der des Tejahpäla und der des Viradhavala (S. XI. 19). Hiermit stimmt Jinaharsha, V. Char. VI. 633—634, genau überein. Somedvara, Kirtikaumudi IX. 35, sagt die drei genannten Personen seien zu Pferde sitzend dargestellt, was sicher ein Irrthum ist;

23 26) die Aufstellung von Sculpturen, welche die vier, der Avalokanä, der Ambd., dem Sd.mba und dem Pradyumna heiligen Bergspitzen darstellten (S. XI. 20). Jinaharsha sagt, V. Char. VI. 631, dass diese Sculpturen sich in dem oben er- wähnten Tempel des Neminätha fanden.' Die vier Spitzen dürften die des Berges Girnär sein, welche jetzt nach der Ambä, dem Gorakhnäth, dem Dattatreya und der Kälikä MatA benannt werden, vergleiche auch die Girnar-Inschriften, Arch. Rep. W. I. loc. cit. Z. 6, und oben p. 27;

27) die Anfertigung eines Toraija vor dem Tempel des Jinapati, d. h. wahrscheinlich des Adinatha (S. XI. 21). Jina- harsha, V. Char. VI. 629,3 spricht von einem Torana über der

* Arch. Rep. loc. cit. Z. 6.

^ M >1

Das Sokritmihlirtaika des Arimifab». 33

westlicheil Thür des Indrama^cjapa^ welcher letztere vor dem Tempel des Adinätha stand;

28—29) den Bau von Tempeln des Suvrata von Bhrigu- pura-Broach und des Vira von Satyapura-S&chor/ (S. XI. 22). Jinaharsha, V. Char. VI. 656 658 sagt, dass die beiden Tem- pel links und rechts vom Tempel des Adinätha standen und der erste ziun Heile von Vastupäla's erster Gemahlin LalitH- devi erbaut wurde, der zweite zum Heile der zweiten, Saukhya- latd, oder Sokhuk&;

30) die Aufstellung eines Pfishthapatta d. h. einer Platte hinter der Statue des Jina (Adinätha?) aus Gold und edeln Steinen, die der Statue einen Heiligenschein (bhämandala) zu geben schien (S. XI. 23);

31) die Errichtung eines goldenen Torapa (S. XI. 24).^

V. In der Nähe von Pädaliptapura oder Pälit4n&:

32) das Graben eines grossen Teiches (sarali, S. XI. 26), welcher auch von Somefivara, Kirtikaumudi IX. 36 und von Jinaharsha, V. Char. VI. 677 erwähnt wird. An letzterer Stelle wird hinzugefligt, dass der Teich bei dem von Kumära- päla's Minister Vägbhata erbauten Orte Vagbhatapura lag, und zu Ehren von Vastupäla's erster Gemahlin den Namen Lalita- sarat trug;

33) den Bau eines UpäSraya fiir Jaina-Mönche (S. XI. 27);

34) den Bau einer Trinkhalle {prapä, S. XI. 28).

VI. In dem Dorfe Arkapälita oder AAkaväliya:

35) das Graben eines Teiches (ta4äga, S. XI. 29). Jina- harsha V. Char. VI. 690 fügt hinzu, dass Vastupäla diesen Teich zu seinem eigenen Heile graben Hess. Demselben Autor zufolge Hess er ebendort eine Trinkhalle zum Besten seiner Mutter, ein Sattra oder Almosenhaus zum Besten seiner beiden

1 S&chor gehört jetzt zu Jodhpur in R&jputfin& und liegt nordöstlich von Tharftd. Es ist noch ein heiliger Ort der Jainas und durch seine Tempel berühmt. Der Sanskrit Name der Stadt entspricht dem modernen ganz genau.

> In Vers 25 sagt der Autor, dass er nur dann im Stande wäre, alle auf dem ^tmihjaya gemachten Bauten zu schildern, ,wenn der SchOpfer ihm, wie dem Lehrer der Götter (den Planeten Jupiter), am Firmamente einen Platz angewiesen hätte/ Sitzangsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 7. Abh. 3

34 VII. Abhandlung : B fi h 1 e r .

Eltern, ferner einen Tempel des 6iva (purabhido devasya) und ein Rasthaus fiir Reisende errichten. Es giebt in Käthi&- vä4 mehrere Dörfer mit dem Namen Aftkavaliya. Wahrschein- lich ist hier dasjenige gemeint, welches östlich von Bhimnäth ir 59' ö. L. und 22^ 14' n. Br. (Trigonometrical Survey Map, K&th. Ser. Nr. 14) an dem Flusse Lilkä liegt. Dort findet sich ein grosser Teich und das Dorf hegt an der alten Strasse von PholkÄ nach Satrumjaya.

Vn. Auf dem Berge Ujjayanta oder Girn&r:

36 37) den Bau von zwei Tempeln des Pärfivanätha von Stambhana und des Adinätha von Satrumjaya (S. XI. 30). Diese beiden Tempel werden in den Gimär-Inschriften (Arch. Rep. W. I. n. p. 170, Z. 6) an erster Stelle unter den dort gemachten Bauten erwähnt. Jinaharsha, V. Char. VI. 695,

A

spricht nur von dem Tempel des Adinätha.

Vm. In Stambhana:^

38) die Restauration des Tempels des Pärävanätha, wel- cher mit Statuen des Adinätha und Neminätha geschmückt wurde (S. XI. 31). Jinaharsha sagt, V. Char. IV. 518, dass Vastupala 1000 Dinäras im Schatze des Pärävand.tha zum Zwecke der Restauration niedergelegt habe, nicht dass er sie selbst habe machen lassen;

39 40) den Bau von zwei Trinkhallen (prapd) bei dem Tempel des PärÄvanätha (S. XI. 32).

IX. In Darbhävati oder Dabhoi:

41 42) die Errichtung goldener Knaufe auf dem Tem- pel des (Siva)-Vaidyanätha, weil die alten vom Könige von MMvä geraubt waren, und einer Statue des Sonnengottes (S. XI. 33). Jinaharsha erwähnt diese Stiftungen V. Char. in. 371, schreibt dieselben aber Tejabpäla zu.

^ Der Ort lag, wie oft in den Prabandhas erwähnt wird, an dem Flusse Se^hi oder She<}hi, und somit im Ostlichen Theile des heutigen Collectorates von Kheijft. Peterson's Identification desselben mit Stambhattrtha oder Cambay (Third Report, p. 26), ist unhaltbar, weil die She^hi mehr als 20 englische Meilen von Cambay entfernt ist und weil Stambhana in den Gim&r- Inschriften neben Stambhatirtha genannt ward. Vielleicht ist Stambhana ein alter Name von Thäsra.

Das Bnlqitasaihldrtiuia des Arisiihha. 35

X. Auf dem Berge Arbuda oder Abu:

43) den Bau eines Tempels des Malladeva (womit Malli- deva oder Mallinätha gemeint sein dürfte) zum Besten seines älteren Bruders Malladeva (S. XI. 34). Im V. Char. Vm. 76 wird behauptet, dass der Tempel zum Besten Mäladeva's auf Satrumjaya errichtet worden war. Da auf Abu nur ein von Tejahpäla erbauter Tempel des Neminätha sich findet und die Lage desselben es unwahrscheinlich macht, dass ein zweiter existirte, so mag der Irrthum auf Seiten Arisimha's sein.

In diesem Verzeichnisse haben die Angaben über Vastu- pala's Bauten und Restaurationen brahmanischer Tempel, so- wie über die Ausschmückung solcher Gebäude ein beson- deres Interesse. Sie beweisen, ebenso wie seine Verehrung des Siva-Somanatha in Devapattana (oben p. 27), dass er kein exclusiver Jaina, sondern in seinen religiösen Anschauungen vielmehr lax war, und bestätigen somit einige Andeutungen der späteren Prabandhas über diesen Punkt (siehe Kirtikaumudi, p. XXn). Der Grund fiir seine laxen Gesinnungen wird theil- weise, wie Professor A. V. Kathväje an der angeführten Stelle sagt, in seinem intimen Verkehre mit dem Hofpriester SomeS- vara und anderen brahmanischen Gelehrten gelegen haben, theils aber in seiner Stellung an dem brahmanischen Hofe von Dholk^ zu suchen sein. Letzteres wird auch von Jinaharsha ange- deutet. Dieser fügt bei der Erwähnung der Verehrung des Siva-Somanätha in Devapattana entschuldigend hinzu, Vastupäla habe diesen Act vollzogen um seinem Könige zu gefallen. ' Ebenso sagt er weiter, dass der Minister ,auf Befehl seines Herrn' fUr den Siva eine mit Rubinen verzierte Muio4amäla , Schädel- kette' oder ,Tiara' anfertigen Hess. Diese gut verbürgten Nach- richten haben ihre Bedeutung für die Beurtheilung der Fälle, wo etwas Aehnliches von höfischen Jainas, wie z. B. von

' V. Char. VI. 536—586:

36 Vn. Abbandlang: Bftbler.

Hemachandra; ^ in weniger vertrauenswürdigen Werken berich- tet wird.

Der zweite interessante Punkt in dem Cataloge ist die Erwähnung von nur zwei Tempeln auf dem Girnär. Diese zeigt deutlich, dass der grosse dreifache Tempel, welcher jetzt eine Hauptzierde des Berges bildet, noch nicht vollendet, viel- leicht noch nicht begonnen war. Das Datum der sechs in ihrem ersten Theile gleichlautenden Inschriften in dem Vastupäla- vihä-ra ist Vikramasamvat 1288 Phälgu^a 4udi 10, was nach Jacobi's Berechnung, Indian Antiquary, XVII., p. 151 f., dem dritten März 1232 p. Chr. entspricht. Das Sukpitasaiiikirtana muss also vor dieser Zeit geschrieben sein, und man wird seine Ab- fassung gewiss nicht früher als Vikramasaihvat 1285 setzen dürfen. Aus einer Vergleichung der Liste von Vastupäla's Bauten in der Kirtikaumudt geht femer hervor, dass das letztere Werk etwas früher als das Sukntasaiiikirtana geschrieben sein wird. Denn in der Kirtikaumudi werden wohl die Bauten auf Satrum- jaya, aber nicht die beiden Tempel auf dem Gimär erwähnt.

Notizen Aber Yastnpftla^s kriegerische Thaten.

Während Arisiihha, seinem Plane getreu, nur von den Sukptas, den frommen Thaten Vastupala's singt, bemüht sich Amarapa^dita die Nachwelt auch mit den Heldenthaten seines Gönners bekannt zu machen. Augenscheinlich weiss er aber nur von einer einzigen, dem Siege Vastupäla's über Samgrä- masiihha, den Sohn des Sindhur^ja, welcher in Vataküpa nahe bei Cambay ein kleiner Vasallenfürst oder Dorf häuptling gewesen zu sein scheint, und über dessen Verbündeten oaäkha.

So heisst es I. 44:

,Ihn nennen sie einen Jaina; aber der erlauchte Minister Vastup&la ist auch dem Siva ergeben. Er wusch den Herrn, der die Luft-Gestalt trägt (d. h. nackt geht), mit dem Wasser des glänzenden Ruhmes, den er dem Safikha nahm.^

Femer VIE. 46:

,Dein Schwert, erlauchter Vastupäla, das schön ist in sei- nem Aufschwung und Schwünge, das in seinem Thun gar hef- tig ist, besiegte in der Welt jenen Sanigrämasimha,^

^ Siehe über dAs Leben des Jaina-MOnches, Hemachandra p. 27 f.

Du SnlqritMBihUrtuia dM AriBiifalia. 37

und X. 45:

yDein Ruhm; o Vastupäla, der glänzend ist durch den Sieg über Sindhuräja^ gleicht dem Monde am Himmel, da der Fleck in diesem gewiss das Antlitz des Sindhuraja ist, das durch seine grosse Schmach schwarz gefUrbt ward/

Vastupäla's Fehde mit Saihgrämasiihha und l^aftkha ist von Somesvara in der Kirtikaumud! IV V. weitläufig erzählt, und auch Someäyara yermag von keiner anderen kriegerischen That seines Freundes zu berichten. Da wir nun zwei Lob- gedichte besitzen, die, obschon sonst von einander unabhängig, nur diesen einen Kriegszug erwähnen, so kann man daraus schiiessen, dass die Berichte der späteren Prabandhas tiber zahlreiche Heldenthaten Vastupäla's und Tejahp&la's im An- fange ihrer Laufbahn kein grosses Vertrauen verdienen.

Zum Schluss mag noch erwähnt werden, dass Amara- pa^^ita Vastupäla zwei Mal mit dem Namen Vasantapala an- redet. Dies war sein Dichtername, unter dem er das Naranärä- yai;|i4nandakavya schrieb, welches ich 1875 in A^hilv&d auf- fand. 1

aus den Quellen.

I. Ans Rfljasekhara^s Prabandhakosha.

India Office Library, Bühler Skt. MSS. Nr. 294: 1) p. 131, Z. 1—13:

^^f^*i!f^^«i ^fSiui i^iii4i< m\^ ^i^mn^wimMM^M^^^ i

^ Eine Copie des Werkes ist in der Deccan CoUege Collection von 1876/77, Nr. 731.

38 Vn. Abbandlnng: Bfihler.

2) p. 134, Z. 3:

^ VW ir M%^^ ^M<«nf inirf^ ^iHij i

^(^)^ ^ ^ I

Das Snlqitasaiiikirtana des Arisiifaba.

39

II. Aus dem Sukritasamklrtana. d'^ 1*1*1 n«l*J<*j[iai*f <l«lil«l-

^«rtf^ il*ii^^^*IH:ut^l^-

W1<i^<i^4 Tfir f^Pa^nni^ui: I . . . « ^>o «

Vers 1. Metrum von Vs. 1—40 Va8antatilak&.

Vers 2. Randnote: ^^^f ^M^niffl

Vers 10. Randnote: oi^f^f^pfP ^fdVli. MS.

40

YU. Abhandlung: Bflhler.

^ fqi^W vr^: fii'^fii ifhr^inw: ^f^nr^ hw: i

^ inn«f «ni<nf<<Nf¥<nriWt\ i^^iH^K » 8 [8m]

Sarga II.

n^RT ^npj ^re^ 13 1

Vers 41 Metrum: Puabpit^rft. Vers 42 (l) Metrum: SÄrdüUvikri<)ita. Vers 43 (2) Metrum: S&rdülavikri(jita.

Vers 44 (3) Metrum: Upaj&ti. Der Vers ist vom Corrector fälsch- lich als unecht eingeklammert. ^l^f^nT^Wt M8. Vers 46 (4) Metrum: Upajftti. Vers 45 (5) Metrum: Anushtubh. Vers 1 50 Metrum: UpajAti, UpendrayajrA und Indravajrft. Tf^ST-

;^«rf*r MS.

Vers 3. ^^^|fi|4^ MS. pr. m.

Das Sukntasaibidrtana des Ariaiihha.

41

f H^^wf: %ft ^^4i^|3| ^^^^^ ftw wrt^ iRT I

Vers 4. ^^l^^J MS. Vers 23. ITWf^ MS. Vers 23. «TTfiTYP MS.

42

VII. Abhandlong: Bühl er.

ii^^^Ki^f«iiui vTrnifMNft«rÄyT: "ftW^ i

^*- * *v ^^ -^^ ^ ^-^ *v ^^ ^^

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^WRm *<vi*i TWT^wfT ^ ^«rer w^thtr: n 8h II f*Wc^ ^5^ M€>lfvftnin<<!i4ini^n^ ^: I 8^ »

Vers 36 Randnote: Hm^^rf)^. ^^ •fif^TPI MS. Vers 39. o^nf^ö MS*— ^gVTfH^® MS. pr. m. iftlft MS. Vers 43 MS. fqHq^l. Vers 45. IT^piTT MS. pr. m.

Das Snkptasaihldrtana des Arisiifaha.

43

n m^ I

Sarga III.

Vers 50. ^f^|«1H^ M8.

Vers 51. Metrum: MalinS.

Vers l 2 (62 53). Metrum: Vasantatilakä.

Vers 2 (63). 4|^e|; MS. pr. m. f«Ukd^^fM Randglossen.

Vers 3 (54). Metrum: Upaj&ti.

Vers 1 60. Metrum: Anushtubb.

Vers 13. »TTf^^ MS. - ^ ^^fP^BCf^ MS.

44

Vn. Abhandlan^: Bfihler.

r<M^^^M<i>T^<(^Ki^^<iyn tmm

HT^N^ yr: ^^i^^rthrt ^nR^f?t i w

m^ i^WT^tffir^ ^fnl^: 11 ^0 n

ffi'^iX^: ftrtTRfVRf ww ^iprsnnf 11 9^ 11 ii^i*fU|*inii4fl^HHf«i^in^ ^wrt I

^^TT^: 4j<HaimfMfiyfitti i[ir ^^ I Tn^^^ifT ^wYw^ %TrBRf : f^ftf^fli 11 ^m 11 TT^rr Y^w[ ^gvT3iinBr^iHrT»n*RinT 1

irer^m^ ^NuaM4ii<iei wi^ ^w. « ^>o 11

Vers 29. ^jpj^^p^; M^i^i^H:; MS

Das SnkritMamkirtana des Arbiihha. 45

f % ^Tfiw»rr%7t% ^ f^nrr f^niRft f fr^ ^TT% g'^^/ifi ^rnimrrf^^ ^: u mm n

rir^rp^ %^:MT%«iTiTfwf^iT: n m^ n

Vers 38. Vielleicht ft^ilitft^^l^ oder f^^RH^friT zu lesen. Vers 40. mTrnT« MS. Vers 41. ^<jq|tmJ[\o MS.

Vers 56. MS. ^>i^'€fH| und ^f\l RandfiflosseD zu V^«.

46

VII. Abhandlung: Bühl er.

^ rq|'^^^^<M<^€^Jlr<l^^ I

:nrf?Tip^^vr-

Sarga IV.

Vers 67. MS. pr. m. fim^; sec. m. fil^^H ^^ «IfEl®. Vera 69. MS. I|f |l|^; Randglosse U^\ für if^«. Vers 61, 62, 65. Metrum: ya8antatilak&. •^T^TrTjnnft MS. Der Sinn und der Anuprftsa fordert aber ^THTt. Vers 1^43. Metrum: RathoddhatH.

Das Snkptasamldrtana des Arisimha. 47

Vers 43. Randglosse: ^^TT^f^Tif« Vers 44. Metrum: Va8antatilak&.

48

YI1. Abhandlung: Bfibler.

Sarga V. M 90 M

Vers 1 49. Metram: VaihsasthÄ.

Vers 8. Randglosse zu ^^(WHlWr^ ^f OPi MTTRTR^ I

Das Sakritaaftihldrtana des Arisiihha.

49

^isirrf'f ^i#^^ irnÄ ^4m<i ft^«n*i t wf^^^^rr* n 8^ i

Sarga VH. Ypil^^M^ ipr d<l*n4l|4M"1 ftRtrfTt llftRÜT I

Vers 1—41. Metrum: Sv&gatfi. Vers 38. o^[^n|^o MS.

SitzangBber. d. phil.-hist. Ol. CXIX. Bd. 7. Abh.

50 VII. Abhandlnng: BOhlor.

Sarga Vm.

^iRT <ifadifa^r<i^Mrqf>tfJiPL*<[^Oit ^ ^^ni%: I

HUi\ f^M#4|^^M ijO^r*!^ ^ T^ H^ 1?[T I ^^ II

Tf^^W^i^^rPrfvfT^pr%: tif^ni r^M«fMd^d<i8| I

I

i Vers 42. Metrnm: VasantatilakA,

Vers 43. Metrum: Sardülavikri^ita. ^1^« MS.

I Vers 3. (46) Metrum: Rathoddhatfi.

Vers 1—42. Metrum: Pramitäkshar&.

Das SnkritiMsaäikirtaoa des Arisiifaha.

51

^nr^ ^inif'? ^r^^rft »ivr^i^. Hiif^ait «nim«i^ i ^r^jfttir ir^razÜR mifi^^fti n^ t^ "^n^: i ^g i

f^T^^fnrRftw^ f^ rn«i^iiraHi*i*ii| ^rf^: ii 8^ ii

^irn ^ifi**M«i*f ^4flM<M0«t<ft*fi^rcf ^r^- irrt Trt f«wrt ftfviq^ni^ 4«f^«ii«in<iiimi-

l*n44ir^H^*4: ^^l4ä44|<ilN9mMf lO I

rj|^^Mrfi*^<Tt*iiirafii<N4<€in^^:ii8i[8^]

Sarga IX.

Vers 36. ^I^M^IM MS.

Vers 43. Metrum: Sragdharä.

Vers 3 (47). Metrum: Ary&. ^^^RTTt^I MS.

Vers 4 (48). Metrum: Vasantatilakä. ^IWR^TO ^^■

Vers 1 50. Metrum: Drutayilambitä.

4*

52

YII. Abhandlung: Bfthler.

Sarga X.

d^i«n*4i«n5 ^yrft ^j^^^n ^^ni

Vers 1—2. Metrum: Mfilinl.

Vera 6. Metrum: Sikhari]|;if.

Vers 6—8. Metrum: 2§Ardülavikrf<}ito. l|(a[^(^ MS.

Vers 9. Metrum: Sragdharft.

Du Snkptmsaifaldrtana des Arisiihba.

53

6>«

r3T:^rT:^

Sarga XI.

Vers 10. Metram: ^ikharipi.

Vera 11. Metrum: Aryft.

Vera 13. Metram: M&lini.

Vera 30—31. Metram: MaSjubh&sbivt.

Vera 3 (46) —4 (46). Metram: Rathoddbat&.

Ö4

VII. AbhMMlltiDg: Bflhler.

^¥w "^f <mi4ii ^mni irrwT

^''H'nipnrfire ^[T^ Hfl-

^^ I ...» ^1

Vera 1^36. Metrum: yasaiiUtilak&. ^'IfO^^^* ^^'

Das SQlcptasaihkfrtena des Arisiifaha.

55

VI 4^rSiHI ¥Wf?[f THiPiT^-

66

VIT. Abhandlmig: Bfihler.

tf>Mi<riiHa<tf>f*< irr: ^ '^ « ^$ «

m ift^BRTft ^'T l^lfM ^ i ^c n . .

^4j*^*ii<^M4,^^Mra firor^r iplT*i?ft*lft 'nrn: ^^u}}**4i*!^ i

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^inii^^i ...II ^8 I

Vers 39 (4). Metrum: M&ndäkräntä.

Das Sukritasaihkirtana des Arisiihha. 57

NachtrSge.

S. 9, Z. 26. Es ist sehr wohl möglich, aus dem Sukritasamkir- tana einen Namen für den siebenten Ch4u<}Ä-König zu gewinnen, welcher dem in der Ausgabe des Prabandhachintämai(^i gegebenen Aka^a sehr nahe kommt. Man kann nämlich I, 37 H^m- UJ^nr *. irWT^^fVrrarT-'^lTfNi T^ abtheilen, wodurch sich die Form Aha^a ergibt. Für diese Abtheilung kann man geltend machen, dass man durch dieselbe eine Construction gewinnt, welche der in Vers 27, 31, 35 u. s. w. genau entspricht, sowie dass das Wort Aha^a, welches flir Sanskrit Ahavabhata (ver- gleiche Ahavamallä) stehen könnte, eine recht passende Be- zeichnung fiir einen König wäre. Trotzdem halte ich es ftlr wahrscheinUch , dass der Name R£lha(}a lautete. Denn ich glaube nicht, dass der Dichter auf den aUiterirenden Vergleich •THTTT^^ gekommen wäre, wenn der Name nicht mit an- gefangen hätte. Sodann sprechen die aUerdings verderbten Formen Thägha<}a und Ghägha^a dafür, dass im Anlaute ein Consonant stand.

S. 14, Vers 13. Wenn sich Kumärapäla Bhima's Gross- vater nennt, so ist der Ausdruck, wie bei der Bezeichnung von Verwandtschaftsgraden auch sonst öfter geschieht, wohl nur ungenau verwendet. »Denn Kumärapala war allen Pra- bandhas zufolge der Grossonkel Bhima's, dessen Grossvater Mahipala hiess, siehe Forbes Ras Halft, p. 158.

58 VII. Abb.: Bübler. Dos Bulq-itosniiikirtana des Arisiinha.

Inhaltsverzeichniss.

Seite

Das ManuBcript des Suk^itasaihkirtana 1

Der Charakter nnd die Anlage des Werkes 2 4

Der Autor und seine Zeit 4 8

Notizen über die Geschichte der Chäudas und Chaulukyas . . . 8 24

Vastupäla's Wallfahrt nach ^atruihjaya und Girnär 24—29

Vastupftla's Bauten und fromme Stiftungen 29 36

Notizen über Vastup&la's kriegerische Thaten 36 37

Auszüge aus den Quellen:

I. Aus R&jasekhara's Prabandhakosha 37 38

n. Aus dem Snkritasaiiikirtana 39—56

Nachträge , 57

VIIT. Abh. : L. ▼. Rociringer. Ber. Ober Handsehr. d. sog. Schwabenspiegelfl. IX. 1

vm.

Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogenannten Sehwabenspiegels.

Von

Dr. Ludwig Bitter von Bookinger.

IX.

Die alphabetischen Nachweise über die Handschriften wie Handschriftenreste des kaiserlichen Land- und Lehen- rechts, welche im Bande CXVHI, Abh. X, S. 25—70 mit dem Schlüsse des Buchstabens B abgebrochen worden sind, führt der gegenwärtige Bericht von C bis an das Ende von F fort, darunter über die aus den Beständen der fürstlich Fürsten- berg'sehen Hofbibliothek zu Donaueschingen.

[Aus der ,Cancellaria^ von Camenz in Schlesien stammt diej Nr. 47.

[Für den jungen Rudeger von der Capelle^ zu Regens- burg fertigte Ernst der Hunkofer die] Nr. 92.

[Den Codex Carinthiacus der Visiones diversae de col- lectionibus legum Germanicarum des Reichshofraths Heinrich Christian Freiherrn von Senkenberg, Cap. IV, §. 38 S. 86/87 s. in der] Nr. 110.

[Die Handschriften der Landesbibliothek in Cassel s. unten in den] Nrn. 183 und 184.

[Die Bibliothek des vormaligen königlichen Oberlandes- gerichts in Celle verwahrt die] Nrn. 457 460 einschliesslich.

[Dem Probste Christian von s. Willehad zu Bremen gehörte seinerzeit die] Nr. 62.

[Eine Christine hat geschrieben dieJ Nr. 187.

J Vgl. im Bande CXVin, S. 8-16.

Sitztingsber. d. phil.-hist. CI. CXIX. B<1. 8. Abh.

2 ym. Abhandlung: L. r. Rockinger.

[Die Handschrift im Stadtarchive von Cöln s. unten in der] Nr. 187.

[Stefan Baluze versprach nach einer Mittheilung des Johann Frick in der Vorrede zum zweiten Bande von Schilters thesaurus antiquitatum teutonicarum S. 2, diesem Handschriften ,e Colbertinis ^ thesauris' auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.

Wahrscheinlich stammte denn auch daher diejenige, deren sogleich Erwähnung geschehen soll].

52 Vj***.

Aus einer Colbert'schen Handschrift, als Cod. mscr. Colbertinus oder abgekürzt Cod. wie Mscr. Colbert. oder Col- bertin. bezeichnet, führt Schilter in der Ausgabe des Lehen- rechts in seinem Corpus juris alemannici feudalis am Rande wie nicht minder in seinem Commentarius ad jus feudale ala- mannicum vgl. beispielsweise zu Art. 26 §. 5 und 7, zu Art. 44 §. 1, zu Art. 114 §. 4, zu Art. 116 §. 1 daselbst abweichende Lesarten an. Von Anfang an hat er diese Hand- schrift nicht benützt. Bei der Aufzählung derjenigen, welche er beigezogen, in §. 19 der Vorrede, gedenkt er ihrer nicht In dem berührten Commentare bemerkt er zu den Art. 105 und 106: ex cod. mscr. Colbertino, quem postea nactus.

53.

Fürstlich CoUoredo-Mansfeld'sche Bibliothek zu Prag. Auf Papier in Folio. Nach einer Einzeichnung in dieser Hand- schrift, welche seinerzeit die Schweden mit nach Stockholm verschleppten, kam sie vgl. auch die Nr. 80, die vielleicht mit der gegenwärtigen zusammenfUllt irgendwie wieder von dort zurück. 'Hanka's Pfehled pramenuw präwnich w Öechäch in den Abhandlungen der böhmischen Gesellschaft der Wissen- schaften V, Band 2, S. 157, Nr. 9.

^ Der erwähnte Baluze bemerkt in der Widmung^ seiner AuBgfftbe der fränkischen Capitnlarien an den berühmten Johann Baptist Colbert, ans Paris vom November 1676, über dessen Bibliothek: bibliothecam tnam, thesanmm illnm optimomm libromm editorum et ineditomm, amores et delicias tnas, mihi commisisti curandam.

Berichte über Handschriften dos nog. Schwabenspiegels. IX. 3

Böhmische Bearbeitung unseres Rechtsbuches b^ Fol 115—176, Fol. 91^96.

54.

Colmar, Stadtbibliothek, Nr. 184. Auf Papier in Folio durchlaufend im Jahre 1422 von Johann Kym^ gefertigt, in Holzdeckeln mit rothem Lederüberzuge, ehedem mit zwei Schliessen versehen. Das früher dem Hinterdeckel aufgeklebte Pergamentblatt ist eine Propositio in jure, welche vor dem Iudex der Curia augustana der Pfarrer Johannes Kaltysen von Gresswiler gegen den sacerdos praebendatus von Haselach im Jahre 1416 anbrachte. Am Schlüsse der Handschrift finden sich Familienaufzeichnungen aus den Jahren 1438, 1439, 1440, und eine, welche der junge Hanns Wipolt über den Tod seines Vaters Hanns vom Sonntage nach Adolf des Jahres 1465 ein- schrieb. Das ursprüngliche Fol. 13, der Anfang der zweiten Lage, ist verloren und jetzt von anderer Hand geschrieben eingeheftet. Ebenso Fol. 156, das letzte der letzten Lage. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Vin S. 467. Homeyer Nr. 127.

Den ersten Theil dieser Handschrift bildet das Buch der Könige alter Ehe mit farbigen Darstellungen ohne künstlerischen Werth von Fol. 1 beziehungsweise 2 64'. Auf Fol. 1 reiht sich an die rothe Ueberschrift ,Hie vahet an der k^nige bäch noch der bibele^ schwarz: [I]n dem namen des vatte[r]s vnd des heilligen geistes. Beim wirklichen Anfange auf Fol. 2 wiederholt sich dieses in verbesserter Weise, indem nach der rothen Ueberschrift ,Hy vahet an der kvnige bfich noch der bybel' schwarz steht: In dem namen des vatters vnd des s^s vnd des heilligen geistes. Ir soUent dis bfich beginnen mit gotte u. s. w. Es folgen sich die Erzählungen von Abraham, Josef, Jakob, Pharao, Balas, Moses, vom Könige von Syrien,

» Band CXVin S. 18—20.

3 Am Schlnsse steht anf Fol. 163' roth:

Finito libro sit laus et gloria Christo. Qnis me scribebat? Johannes Kym nomen habebat. Auf Fol. 164 oben wieder roth: Dis bftch wart geschriben vff den nechsten samstag noch dem meyge tage als man zait noch Cristus gebürt diisent vnd vierhundert vnd sswejvndswenczip: jor.

1*

4 Vin. Abhandlung: L. t. Rockinger.

Achab, Nabuchodonosor, von dieses Königs Traum, Daniel, Su- sanna, Samuel, Saul, Amalech u. s. w. bis Aswerus und Ester, Arfaxat, der heiligen Frau Judith, womit das Ganze endet: wer me von Judecken lesen wolle, der suche es in der bybelle. Die Bilder hiezu, von welchen die Rede gewesen, finden sich am Anfange der einzelnen Kapitel am Rande bei deren An- fangsbuchstaben, das bei Arfaxat über das obere Drittheil der Seite.

Auf Fol. 65 sodann, dem fUnften Blatte des sechsten Sex- terns, ist das Bild des Kaisers Karl des Grossen angebracht, über welchem roth ,Keyser Kai;^e richtet noch rechtem' steht. Unter demselben beginnt mit der rothen üeberschrift ,Hie vahet an der keyser recht vnd des landes recht noch götlicher gerechtickeit' das Landrecht des sogen. Schwabenspiegels ohne dessen Lehenrecht von derselben Hand, nur gegen das Ende zu gedehnter geschrieben, bis Fol. 164. Das Vorwort LZa bis g einschliesslich bildet hierauch ein Vorwort, worauf unter dem Uebergange ,Her noch findet man alle die recht die man sprechen sol an den gerichten noch götlichem gebot, vnd fohent an die frihen' das Vorwort LZh das Werk als Art. 1 beginnt. Der Text hat zahlreiche Auslassungen von Artikeln, beispielsweise LZ 8, 25, 31, 34, 35, 39, 45, 49, 50, 51, 53, 56, 60, 62, 65, 71, 94, 103 a, 105, 107, 112, 115, 116, 141, 143 a, 146 bis 150 einschliesslich, 153, 154, 155, 161 bis 168 einschliessUch, 173, 174 b, 175, 178 b, 189, 190, 191, 194, 197, 198, 199, 202, 203, 204, 207 b, 209 bis 221 einschliesslich, 224 bis 233 einschliesslich, 235, 241, 247, 249, 251, 252, 253 b und c, 254, 256, 311, 312, 316, 317, sodann vielfache Kürzungen in der Fassung, leidet an den auch sonst ^ mehrfach erscheinenden Verschiebungen von Art. LZ 174 an, und schliesst mit den Worten: ,wand der cristan man oder dz cristan wip haut Cristüs gl5ben ferlögkenent' des Art. LZ 322.

55.

Kreisrichter a. D. Wilhelm Conrady, Gutsbesitzer auf der Miltenburg oberhalb Miltenberg in Unterfranken. Papierhand- schrift in Folio, mit Ausnahme des ersten Textblattes, welches

1 Vgl. Rockinger in Q S. 444—448.

Berichte aber Handschriften des wg. SchwabeDspiegels. IX. 0

Pergament ist, im 15. Jahrhundert zweispaltig von einer und der- selben Hand mit rothen Ueberschriften und Anfangsbuchstaben der Artikel wie rothen Paragraphenzeichen gefertigt, in starke Holzdeckel gebunden, die mit gepresstem röthlich - braunem Leder überzogen sind, früher vorne wie hinten mit je fünf Buckeln und mit zwei Messingschliessen versehen, auch um die vier Ecken aussen durch aufgenagelte Messingblättchen ge- schützt. Auf der inneren Seite des Vorderdeckels ist unter- halb der Bezeichnung Nr. 10, über welcher sich mit Bleistift von neuerer Hand die Ziffer 89 findet, eine in das 16. Jahr- hundert fallende gewandte Federzeichnung eines Wappens an- gebracht, welches im Schilde wie über der Krone der Helmzier einen geharnischten Arm zeigt, der ein Schwert hält. Nach Einzeichnungen wohl auch noch des 16. Jahrhunderts gehörte sie einem Georg Kalb zu Reichenschwand in Mittelfrankcn. Später befand sie sich im Besitze des Professors Dr. Johann Bernhard Hoffer ^ an der Universität Altdorf bei Nürnberg, wurde bei der Versteigerung der Bibliothek desselben im Jahre 1795 vom Professor Dr. Franz Josef Bodmann ^ zu Mainz er- worben, gelangte mit dessen Nachlass an den Archivar Fried- rich Habel zu Schierstein in Nassau, und endlich mit dessen Sammlungen an den jetzigen Besitzer, seinen Neffen. Seit einiger Zeit hat dieser sie mit den übrigen Handschriften und Archivalien HabeFs unter Eigenthumsvorbehalt in das könig- liche allgemeine Reichsarchiv nach München überlassen, Nr. 569. Homeyer Nr. 296.

Zunächst begegnet in dieser Handschrift, welche ein ihrem Vorderdeckel oben in der Mitte aufgeklebter Pergamentzettel in ausserordentlich schöner Schrift fast eher noch des 14. als des 15. Jahrhunderts als ,daB puch werltlicher Lantrecht vnd Lehenrecht^ bezeichnet, auf zehn nicht gezählten Blättern ein in gewisser Weise systematisch eingerichtetes ,Registrum^ über das Land- wie Lehenrecht mit dem rothen Beisatze der Folien des Textes der betreffenden Artikel und der theilweise auf denselben sich findenden schwarzen Unterabtheilungsbuch-

^ Vgl. über ihn Clemens Alois Baader^s Lexikon verstorbener baierischer Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts, IL Th. 1, S. 101/102.

^ Vgl. über ihn Bockenheimer in der ^Allgemeinen Deutschen Biographie', III, 8. 16—17.

6 YIII. Abhandlung: L. t. Bockinger.

Stäben. Von Fol. 1 96 und 97 131' gleichzeitiger rother' römisclier Bezeichnung je am oberen Rande der Vorderseite der einzelnen Blätter findet sich das Land- und Lehen- recht selbst.

Dann folgt noch auf vier nicht gezählten Blättern: Frag vnd entschidung der gelerten^ wann ein lehenherr abgeet vnd etwe vil süne lest, von wem man die lehen empfahen, vnd ob der herr den man besweren wölt wie man sich darjnn halten süUe. Weiter auf zwei Blättern: Welich vnderschaide von kauffen essender ding, wie man das zimlich an sunde tun müge. Dann wieder auf zwei Blättern: Von dem kampff, seinen rechten, vnd wie der nach ordenung volbracht sol werden. Endlich noch auf drei Blättern eine lateinische Sammlung: De regulis juris li[bri] vj.

[In der berührten Bodmann-Habel-Conrady'schen Hand- schriftensammlung findet sich, jetzt unter Nr. 29, auch ein Codex auf Papier in Kleinfolio aus dem 15. Jahrhundert, über den Kücken und an den Ecken in gelbliches Lcder gebunden. Nach einem Eintrage auf der ersten Schriflseite erwarb ihn bei der Versteigerung der Bibliothek des Professors HoflTer in Altdorf bei Nürnberg Professor Dr. Bodmann zu Mainz im Jahre 1795. Homeyer Nr. 297 ; in der Einleitung zum Sachsen- spiegel II Th. 1, S. 17, Nr. 30.

Die Handschrift beginnt nach einer rothen Initiale P: Pfaffen weip dorfere kowffluthe etc. Hir hebith sich an das lenrecht das keisir Friderich gesatzth hath der gemeynen zcu nutcze yn dem her lernen wil dy sachin dy off lenrecht gein. Vnde ist geteilt yn eyn vnde Ixxx c[apitel]. Sint das her lernen wil von lenrechte, dar vmbe setczt her von ersten wer lenrechth darbin suUe, vnde spricht: Phaffin vnde weip etc. Nw magk man fragin, wor vmbe phaffin lenrechtis darben sullen. Dar czu antwerte alsso : dar vmbe das lehn ist der ritther solt, das u. s. w. Am Schlüsse steht: Laus tibi Christo, quoniam ex- plicit liber iste. Es handelt sich demnach um die Glosse zum sächsischen Lehenrechte, mitteldeutsch.

Auf neuem Blatte beginnt dann der Richtsteig des Lehen- rechts.

Unmittelbar daran schliesst sich ,der dinst mannen recht von Meydeburgk*.

Berichte tiber Handschriften des sog. Schwabensf iegels. JX. 7

Den Schluss bildet aaf drei Blättern und der Hälfte der Vorderseite des letzten beschriebenen Blattes ^das registrum obir das lenrecht^

An der Spitze des Ganzen stebt, theilweise weggeschnitten, von einer Hand des 17./18. Jahrhunderts: Keyser Fridrichs Landt-Recht.

Sollte diese Handschrift mit der des Christoph Heinrich von Berger zusammenfallen, welche gleichfalls als Kaiser Fried- richs Landrecht bezeichnet ist, oben Nr. 23, so wäre diese im Verzeichnisse der Handschriften des sogen. Schwabenspiegels zu streichen.]

[Gleichfalls in der Bodmann-Habel-Conrady 'sehen Hand- schriftensammlung ist die jetzige Nr. 153 der Theil eines grösseren Werkes in Folio von der alten römischen Blatt- zählung 83 an, welches an den Schluss gerathen ist, bis 133, woneben eine spätere von 167 221 und eine noch jüngere von 167 211 läuft, durchaus schwarz sehr schön im 16. Jahr- hundert geschrieben. Professor Franz Josef Bodmann, der es nach seiner Einzeichnung auf der ersten Seite im Jahre 1801 zu Utrecht erkaufte, hat die Handschrift ,Speculum franconico- belgicum' getauft, und ihr einen ganz ausserordentlichen Werth beigelegt, indem er sie ,Manuscr. auro carius' und in zwei- facher Unterstreichung ,Prima raritas' nannte.

Den Hauptinhalt bildet unter der Ueberschrift ,Hyer nae volgen des Keysers rechten die Coenick Kairl maecten tot vrede ende tot nutte alle der werlt' mit vorangehendem Verzeichnisse der Artikel der vier Bücher von Fol. 84 87' das kleine Kaiserrecht von Fol. 88—127.

Es unterliegt beim Zusammenhalte der Nachrichten in Bodmann's rheingauischen Alterthümern S. 655 in der Note * und in Endemann's Einleitung zum kleinen Kaiserrechte, S. 44 unter Ziffer 28, keinem Zweifel, dass man es hier mit einem Reste der Handschrift zu thun hat, welche Professor Bondam in Harderwyk im Jahre 1767 erworben hatte, der dann nach dessen Tod in die Hände Bodmann's gelangte.]

56.

Constanz, Stadtarchiv. Auf Pergament in Grossfolio zweispaltig im Jahre 1449 von Johann Frauenlob aus Bischofs-

8 YlII. Abhandlung: L. v. Kockingcr.

Zell' im Turgauc gefertigt. Vielleicht bezieht sich auf diese Handschrift die Nachricht im Archive der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtkunde I Ö. 229, wonach Dr. Karl Georg Dümge und Dr. Franz Josef Mone am Anfange des Septembers 1819 in der Wohnung des Staatsrathes v. Ittner zu Constanz unter anderem auch einen ^starken Folianten' sahen ; den sie als , Abschrift eines alten Exemplares des so- genannten Schwabenspiegels' bezeichnen, v. Lassberg Nr. 74, Homeyer Nr. 130.

Es liegt hier ein umfangreiches alphabetisches Rechts- wörterbuch vorzüglich aus dem Sachsenspiegel und dem sogenannten Schwabenspiegel mit bedeutender Benützung des römischen und kanonischen Rechtes vor.

Die Folien 1 4 Sp. 2 fUUen sozusagen Einleitungs- gegenstände. Zunächst das Vorwort des sogen. Schwaben- spiegels ,Herre Got' u. s. w. bis zum Schlüsse von LZg: gutt jnne hat. Hieran schliesst sich die Praefatio rhythmica des Sachsenspiegels: Ich tumber ain maisterlin lieffe er mut mit die leger, et cettera. Dann der Prologus desselben bis: über sy gän mus. Dann der Textus prologi bis: Constantinus vnd Karle, der Sach[s]en land nach irem rechten tundt. Weiter: Gott der ist ein beginne, hie hebet sich er Ecke an, do er jn das dut zer Constantinus vnd Karole, an die wir vns ziehen. Nun folgt der Anfang des Textes des Sachsenspiegels: Zwai swert anders bedarff er mit zügen. Hieran knüpft sich jetzt die Erläuterung: Zwai swert. die swert sind als du vindest in decretis x dist. capitulo »quoniam idem'. Jetzt folgt die sogenannte vgl. Rockinger in F S. 298 bis 300 gute Herrenlehre: Nu solt ir edlen tugentlichen herren das sy hie vnd d5rtt herren. das helffe vns der allmechtige gott. Nun wird weiter gefahren : Zu Babilonien sich das rieh die tag worchtin etc. jtem articulo glosa yn iii buch ii. xliiii. Zu Babilonien erh&b sich da vnser vorfarn sint. Endlich schliesst: Nu er gesaget hat arbaites wie ich wil etc.

^ Nach der Bemerkung am Schlüsse auf der ersten Spalte des Fol. 228:

Hie hant dise recht ain end. Dz vns gott sin hilffe send. Anno dominj MCCCC quadragesimo nono per me Jo. Frowenlob de Cella Episcopali maiorem, qnia manu propria scripsi.

Berichte über Han'lschriften des sog. Schwabeaspiegels. IX. 9

Von Folio 4' ist die erste Spalte leer. In der zweiten beginnt: Im dritten buch Ixxxiij. Aucht. Die jar vnd tag dz ime verurtailet was u. s. w. Die jar vnd tage in des riches auchte u. s. w.

Folio 15: Von zwain seh werten capitulo primo. Bäpst. zwai swert lies u. s. w.

Auf Folio 47 findet sich der Artikel, wie sich der PfaflFen- sohn ehelich machen solle, nach Art. LZ 320.

Auf Folio 70 ist am inneren Rande angemerkt: Hie vach an der verloren sextem.

Von Anführungen von Gewährsmännern begegnen bei- spielsweise auf Fol. 185 Raymundus und Thomas, auf Fol. 185' wieder Raimund, und einmal: hec Hostiensis et Ray- mundus.

Von FxAio 224 an folgen andere Dinge. Zunächst die Fragen, welche bei der altherkömmlichen Besetzung des Land- gerichtes oder ,Landrechtes^ gestellt werden sollen. Nach ihrem Schlüsse ,Hie hat das ain end von dem landrecht^ folgen auf Fol. 225: nu furo ettlich recht von den pfaffen vnd geistlichen bis auf Fol. 225' Sp. 2 von dem Pfaffen, der ein Schläger ist, und von dem Pfaffen, der ein Jäger ist.

[Ulrich Ainbom wohl von Con stanz besass seinerzeit die] Nr. 85.

[In Constanz wohl hat, wie Johann Frauenlob der ältere die Nr. 56, so Johann Frauenlob der jüngere gefertigt die] Nr. 102 '4.

[Die Handschrift in der königlichen Bibliothek zu Copen- hagen s. unten in der] Nr. 190.

[Etatsrath Professor Dr. Andreas Wilhelm Gramer zu Kiel ersteigerte aus der Ebner'schen Bibliothek zu Nürnberg um 9 Gulden die] Nr. 92.

[Dem Oberappellationsgerichtsrathe Dr. Friedrich Cropp zu Lübeck gehörte die] Nr. 336.

[Von ,Crystina' ist geschrieben die] Nr. 187.

[Petermann von Cudrefin am Neufchatelersee ist einge- tragen am Schlüsse der] Nr. 43.

10 Vni. Abliandlnng: L. t. Rockinger.

57.

Cues bei Bemcastel an der Mosel , Bibliothek des von dem daselbst gebornen Cardinale Nicolaus Cusanus* gestifteten Hospitales, Mscr. jur. civilis Nr. 13, in Folge Vermächtnisses bei seinem am 11. August 1464 zu Todi erfolgten Ableben mit seiner Bibliothek dahin gelangt. Auf 120 Blättern Papier in Quart, in niederrheinischer Mundart v. Lassberg Nr. 19. Ho- meyer Nr. 135. Georg Mayr aus Wirzburg in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte IV S. 350.

Nach dieser Mittheilung folgt auf das 11 Seiten füllende Verzeichniss der Artikel das Landrecht in 364 und das Lehenrecht in 145 Kapiteln.

[Soweit fUr das Jus Culmense der sogen. Schwaben- spiegel in Betracht kommt, mag bezüglich des Ai't. LZ 370 II = V 68 im sogen, alten Kulm als ersten Zusatzartikels zu den landläufigen kulm'schen Rechten in der Handschrift der Stadtbibliothek zu Danzig XVIII C Fol. 56 und auf den sogen, alten Kulm im Buchstaben K verwiesen sein].

[Wilhelm Dachs erkaufte von dem Kanzler Börard Faucon von Freiburg im Uechtlande um das Jahr 1475 die] Nr. 87.

58.

Danzig, Stadtbibliothek, XVIII C Fol. 48. Auf Per- gament in Folio soweit ihr Inhalt uns berührt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gefertigt, mitteldeutsch. Sie fuhrt auf der inneren mit Pergament überzogenen Seite des vorderen Holzdeckels die Einzeichnung ,Dyt boeck hört Henrick von Suchtenn anno 1540^ mit seinem gleichfalls mit schwarzer Tinte hinbemerkten Wappen, während sich am unteren Rande des ersten Blattes ein ,Erne8tus Kerssenstein^ im 16. Jahrhundert eingetragen hat, und endlich unter der bereits erwähnten Notiz aus dem Jahre 1540 noch ein Theil der Vignette der ,BibHotheca Valentin! Schlieff Gedani' zu finden ist. Endemann in der Einleitung zum kleinen Kaiserrechte, S. 38/39 unter Ziffer 20. Homeyer Nr. 138. Rockinger

1 Vgl. V. Prantl in 4er ,AllgemeineD Deutschen Biographie' IV, S. 655 bis 662.

Berichte ftber Handachriften dea sog. ächwabenspiegelB. IX. 1 1

G S. 65/66, 84—98. Öteffenhagen, Deutsche Rechtsquellen in Preussen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, S. 8, Nr. 14.

Von dem Landrechte dieser Handschrift wie der mit ihr nahe verwandten Nr. 49, welche die wichtigen Artikel des zweiten Theiles LZ 118 144b einschliesslich nicht an der sonst gewöhnlichen Stelle bringen, sondern selbe an das Ende des ganzen Werkes gefügt haben, handelt ausführlich Rockinger a. a. O. Das Verhältniss seiner 302 Artikel zum Drucke LZ ist dort S. 101—121 in der Sp. 11 123—132 zu ersehen, wonach die Art. LZ 118 144 b hier erst nach dem Art. LZ 377 V folgen und den Art. 268 299 entsprechen, nach ihnen noch die Art. LZ 147 und 148 am Schlüsse wiederholt als 300—302 erscheinen.

[In der Handschrift der Stadtbibliothek zu Danzig XVUI C Fol. 56' aus dem 15. Jahrhunderte, mitteldeutsch, früher dem vorhin genannten Valentin SchlieflF gehörig, findet sich als der erste der Zusatzartikel zu den landläufigen kulm'schen Rechten] der Artikel des Landrechts LZ 370 H: Ab ymant eyncn toden menschen awsz grebet = V 68 im sogen, alten Kulm. StcflFenhagen a. a. O. S. 9 Nr. 17; S. 215/216.

59.

Darmstadt, grossherzogliche Bibliothek, Nr. 715. Auf Papier in Folio durchlaufend in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts gefertigt, in Pappendeckelband, Rücken und Ecken in braunem Leder. Es ist das ohne Zweifel die Handschrift, über welche als im Besitze des Inspectors Wiener zu Gerau im Darmstädtischen befindlich das Journal von und für Deutsch- land (von V. Bibra und Goekingk) 1784, Band 2, S. 328—330 Nachricht gibt. v. Lassberg Nr. 181. Homeyer Nr. 690.

Das Landrecht, dessen erstes Blatt schon länger ver- loren 2 gegangen, reicht nach einer alten schwarzen oben in der Mitte eines jeden Blattes angebrachten römischen Zählung

1 Steffenhagen a. a. O. S. 9 Nr. 17.

' Das zweite beginnt mit den Worten: herczen vnd von ganczer vnser

= LZ Vorw. c S. 4, Sp. 2, Z. 7; 8.

Dieses ist auch als Anfang in dem berührten Journale bemerkt:

hertzen vnd von gantzer vnser sele vnd von aller vnser machte.

12 VIII. Abhandlung: L. t. Kockinger.

von Fol. 2—119, das Lehenrecht sodann wieder besonders von Fol. 1 48'. Daran schliesst sich ein Verzeichniss der Artikel beider.

60.

Darmstadt, ebendort, Nr. 726. Auf Papier in Folio zweispaltig wohl noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nach einer rothen Bemerkung am Schlüsse von ^Johannes Vetterschafft de Veyhingen' gefertigt, in Holzdeckelband mit dunkelgelbem Lederüberzuge mit je 5 Messingbuckeln und früher 2 Schliessen.

Die rothe Ueberschrift lautet: Dis buch heysset kcyser recht, vnd ist genomen vs den keyser rechtb&chen vnd vsser den bäbschlichen geyschlichen rechtbächen, vnd begriflfet auch jn ym selber künglich recht, freyenrecht, ritterrecht, edel lüte recht, burgerrecht, vnd gemeyner frien recht ist durch- strichen — geburenrecht.

Das Landrecht füllt die Folien 1 68' Sp. 1 der alten je oben in der Mitte der Vorderseite angebrachten schwarzen Zählung. Das Lehenrecht folgt von Fol. 68' Sp. 1—79' Sp. 2. Unmittelbar daran knüpft sich unter der rothen Bemerkung ,Dis ist das lantrechtbuch der leyen. was du dauon lesen wilt, daz such in der taffeP das Verzeichniss der Artikel bis Fol. 84 Sp. 1.

61.

Darmstadt, ebendort, Nr. 730. Auf Papier in Folio fast ganz und gar in zwei Spalten im Jahre 1473 von Erasmus Pinzberger' gefertigt, in Pappendeckelband mit gepresstem braunen Leder, am Rücken mit Gold Verzierungen. Heinrich Christian Freiherr v. Senkenberg in seinem Giessener Pro- gramme ,de jure Hassoruin private antiquo et hodierno' §. VUI S. 17/18; in der Vorrede zu seinem Corpus juris germanici publici ac privati I, §. 109, S. 78—80. Homeyer Nr. 145; in seiner Einleitung zum ßichtsteige Landrechts S. 5 unter Ziffer 16.

1 Nach der Schlussberaerkung auf Fol. 295' Sp. 1: Et sie est finis per me Erasmum Pintzberger in vigilia conuersionis Pauli sub anno dominj m^ cccc^ Ixxiij.

Berichte fiber Handschriften de« sog. Sehwabenspiegels. IX. 13

Von Fol. 1 28' steht durchlaufend geschrieben das Inhaltsverzeichniss des folgenden alphabetischen so zu nennenden Rechtswörterbuchs in 2200 Artikeln.

Von Fol. 29—239' Sp. 1 folgt dessen Text. Zunächst bis Fol. 29' Sp. 2 das Vorwort des sogen. Schwabenspiegels bis an den Schluss von LZ Absatz e: mit weltlichem recht als mit der acht. Unmittelbar hieran knüpft sich die Praefatio rhyth- mica des Sachsenspiegels bis: lieff mit dir lenger vnd plyb ein maysterlin. Dann folgt dessen Prologus und Textus prologi bis: Constantinus vnd Karolus, der Sachsen landt yrem rechten bis dut, bis Fol. 30 Sp. 2. Nun folgt unter der rothen Ueber- schrift ,Hie hebet sich an das rechtpuch^ u. s. w. dieses bis Fol. 239', welches nach dem Abschnitte 2199 ,von zehenden' anstatt des im Texte nicht vorhandenen Artikels 2200 von den sechs Welten als letzten Absatz mit der Zahl 2200 einen ,von zukunftigen dingen' bis zu den Schlussworten ,den sol man das haubt abhawen' auf Fol. 239' Sp. 1 hat.

Als Beispiele der einzelnen Abschnitte mögen folgende angemerkt sein.

Von der acht mit uil vnderschaid, als hernach geschriben stet etc. Von dem acker mit seiner vnterschaid das da und zu gehört. Von ansprach, von appellieren. Von anfachen und von anfangen mit ir vnterschaid. Von kempflichem ansprach. Von antworten. Von absunderung. Von ertzney und arglist.

Von dem babst mit seiner vnderschayd. Von dem bann. Von begrebnus. Von prennen. Von briefen und insigel und hantuesten. Von bawen. Von porgen. Von bürgen und von burgzog vnd geysel. Von brawt und brautschaft.

Von hochtzeit vnd hoflfspeys 1175 1181.

Von Juden vnd von pfaffen 1182 1212.

Von kämpf vnd kempfen. Von ketzerey 1213— 1228. Von kriegen vnd entsagen 1229-1235. Von knechten 1236—1249. Von dem kayszer 1250—1263. Von der kirchen vnd dem kirch. hoff. Von kinden. Von dem kauffen und uerkauffen. Von dem küng.

Von lochen. Von leichen vnd entlechen. Von leystung und uon geysel. Von leypgeding und uon leypzog.

Von morgengab und heymsteur. Von müntzen. Von münchen und uon nunen und den clöstem.

14 Vni. Abhandlung: L. v. Rockinger.

Von vögeln. Von wildpant. Von wasser und wage und von uischeren. Von wucher vnd uon hinleiehen. Von warlosz. Von wegen. Von weyhen.

Von Zinsen vnd zinszman. Von zöIIe. Von zehenden.

Von Fol. 240 248 Sp. 2 findet eich noch die goldene Bulle des Kaisers Karl IV. Von da bis Fol. 251 Sp. 1 dye Karolin, u. s. w. bis Fol. 295' Sp. 1.

Von anderer Hand folgt endlich von Fol. 296-302' Sp. 2 das bekannte deutsche Prozesslehrbuch ,Ordnung zu reden und besonder zu angedingtem fruntlichen rechten^ mit den Anhängen wie man die Höfe verleihen solle, von Zehenten und von Mühlen.^ Von Fol. 303—303' Sp. 1 lehenrechtliche Erörterungen.

[Philipp Eulner zu Dieburg bei Darmstadt besass um die Mitte des 16. Jahrhunderts die] Nr. 77.

62***.

Der Landesherr von Delmenhorst, Probst Christian von s. Willehad zu Bremen, welcher im Jahre 1372 die Regierung an Otto von Hoger tibergab und im Jahre 1399 als verstorben aufgeführt ist, besass die Handschrift unseres Land- und Lehenrechts, aus welcher im Jahre 1355 der Kanoniker Bernhard Spoliken von Wildeshausen an der Hunte bei Olden- burg im Schlosse zu Delmenhorst die Nr. 298 abschrieb.

[Hofapotheker Dewitz schenkte im Jahre 1757 der Gym- nasial- jetzt Stadtbibhothek zu Elbing die] Nr. 74.

[Philipp Eulner zu Dieburg bei Darmstadt besass um die Mitte des 16. Jahrhunderts die] Nr. 77.

[Der Doctor beider Rechte Johann Diemer zu Regens- burg vermachte am 10. März 1612 seinem Sohne Abraham, gleichfalls Doctor der Rechte, seine juristische Bibliothek, daninter wohl auch die] Nr. 270.

[Der Pfarrer Philipp Hopfstätter zu Dietershausen schenkte im Jahre 1578 dem fürstlich Fulda'schen Rathe Johann Vollpracht die] Nrn. 422/423.

^ Diese Ordnung mit den berührten Anhängen findet sich auch am Schlnsse der Handschrift des kleinen Kaiserrechtes Nr. 1426 in Qnart, gefertigt von Johannes Amman de Crntzennach 2* fer. nach Jacobi apostoli 1473.

Berichto Aber Handschriften dei sog. 8chwab«nspiegolB. IX. 15

[Ein nicht näher bezeichneter Dietrich schrieb im 14. Jahrhundert die] Nr. 159.

[In der älteren fürstlich Dietrichstein'schen Bibliothek im Schlosse von Nikolsburg in Mähren war bei der am 7. April 1645 an den schwedischen Generalmajor Mortaigne erfolgten Uebergabe auch die] Nr. 356.

627,.

In der jetzigen fürstlich Dietrichstein'schen Bibliothek^ dortselbst, deren Hauptkern die des seinerzeitigen kaiserlichen Hof kammerpräsidenten Ferdinand Hoffmann ^ Freiherm von Grünbüchel etc. bildet, befindet sich in H 47 eine Handschrift des kaiserlichen Landrechts aus dem Jahre 1402 auf Papier in Quart. P. Beda Dudik im Archive fUr österreichische Ge- schichte, Band 39, S. 502/503 unter Nr. 69.

Die Ueberschriften der beiden letzten Artikel lauten: Wye vnchind czw chind wirt gemacht. Wer ein Gemain anspricht. Dieser Artikel schliesst: vmb die Schuld die er gen im ge- sprochen hab.

62 '/3.

Aus der fürstlich Dietrichstein 'sehen Bibliothek eben- dort ist in H 132 eine Handschrift auf Papier in Folio aus dem 15. Jahrhundert verzeichnet, welche ausser dem ober- baierischen Stadtrechte des Kaisers Ludwig IV., Stadtrechts- bestimmungen von München, dem sogen. Belial das ,Lechen- puech' des sogen. Schwabenspiegels enthält. Dudik a. a. O. S. 503 unter Nr. 71.

Sein letzter Art. 127 hat die Ueberschrift: Von Purkch-

meister lechens.

63.

Fürstlich Dietrich stein 'sehe Bibliothek ebendaselbst, n 177. Auf Papier in Folio im 15. Jahrhundert gefertigt, in grünes Leder mit dem Wappen des in der Nr. 62 V^ berührten Ferdinand Hoffmann Freiherm von Grünbüchel etc. gebunden. Dudik a. a. O. S. 505/506 unter Nr. 77.

1 Vgl. Dr. Beda Dudik im Archive für Österreichische Geschichte, Bd. 39, S. 420—534: Handschriften der fürstlich Dietrichstein'schen Bibliothek zu Nikolsbnrg in Mähren.

» Vgl. a. a. O. S. 420-424.

16 VIII. Abbandlnni;: L. ▼. Rockinj^er.

Ausser österreichischen wie Wiener Rechten und Frei- heiten enthält diese Handschrift das Landrecht des sogen. Schwabenspiegels in 424 Abschnitten mit dem Schlüsse von kriegunden leuten = LZ 201 r: so slach man im zu dem meisten 14 sieg, vnd vmb klayner schu[l]d myner. Vgl. hiezu die Nr. 12. Das Lehenrecht zählt 169 Artikel. Beide Theile sind von S. Schräffenberger am Pfinztage vor Georgi des Jahres 1474 vollendet worden, und unter dieser Verzeichnung ist eine blühende Distel gemalt.

64.

Dillingen^ Schulbibliothek des königlichen Lyceums XV 85. Auf Papier in Folio, nach einer rothen Bemerkung am Schlüsse des Landrechts ,anno 1406 crastina Thome' zwei- spaltig mit rothen Ueberschriften und rothen Anfangsbuchstaben der Artikel gefertigt, nach einem Eintrage am oberen Rande des ersten beschriebenen Blattes aus der Bibliothek eines CardinalfUrstbischofs von Augsburg stammend, in Holzdeckel- band mit rothem Lederilberzuge und je fünf Messingbuckeln wie zwei Schliessen. Qräter, Idunna und Hermode 1813, S. 32. Massmann in seiner Bearbeitung der Kaiserchronik HI, S. 57/58 unter der Nr. 12.

Das Landrecht fUUen zwei Sexterne und eine Lage von sieben Bogen bis zu deren letztem Blatte, welches mit den drei ersten Blättern des nächsten Sextemes dem Ver- zeichnisse der 366 oder richtig gestellt 368 Artikel mit den je roth beigefügten laufenden Zahlen dient. Der erste Sex- tern ist auf seiner ersten Hälfte je unten am Rande der Blatt- vorderseiten mit den rothen arabischen Ziffern 1 6 gezählt, der zweite mit den rothen kleinen Buchstaben a f, die dritte Lage ebenso von g n, der noch beschriebene Theil des vierten Sex- tems mit a c. Das Vorwort a e einschliesslich des Textes LZ fehlt hier, indem das Landrecht auf dem ersten Blatte des ersten Sextems gleich mit dem als erster Artikel ^der in dem bann ist sehs wochen vnd einen tag' gezählten Vorworte f und g beginnt: Als ein man in dem banne ist sehs wochen u. s. w.

An das Landrecht schliesst sich auf einem ftinften be- sonderen Sexterne, welcher auf seiner ersten Hälfte je am unteren Rande der Blattvorderseiten mit den rothen kleinen

Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. 1 7

römischen Zahlen 1 6 bezeichnet ist, das Lehenrecht in der Weise an, dass es mit der ersten Spalte der Vorderseite des neunten Blattes endet, während dessen Rückseite und die erste Seite des folgenden das Verzeichniss der 82 Artikel bietet.

Den übrigen Inhalt der Handschrift bildet das ober- baierische Landrecht des Kaisers Ludwig vom Jahre 1346, das Buch der Könige alter Ehe in der durch Professor Massmann bekannt gewordenen Gestalt in des Dr. v. Daniels Land- und Lehenrechtbuch I Sp. XXXIII CXX, endlich der lateinische Text der goldenen Bulle.

[Von einem Büchereinbande zu Dillingen ist abgelöst die] Nr. 229.

[Aus der ehemaligen Reichsstadt Dinkelsbtihl mag stammen die] Nr. 375/376.

[Dr. Paul Dinsbeck zu Regensburg mag im Jahre 1609 besessen haben die] Nr. 270?

[Professor Dr. Heinrich Eduard Dirksen^ zu Königsberg und Berlin liess nach Mittheilung des Staatsarchivars und Stadt- bibliothekars Dr. Meckelburg zu Königsberg vom 19. März 1874 eine Abschrift der Nr. 189 machen.

Ob dieselbe, welche nach Homeyer's Schluss seiner Nr. 364 Professor Dr. Johann Christian Hasse, zuletzt an der Universität Bonn, besass, die folgende] Nr. 156?

[Der Rathsherr Daniel Eberhard Dolp zu Nördlingen schenkte dem Reichshofrathe Heinrich Christian Freiherm von Senkenberg die] Nr. 110.

[In der fürstlich Fürstenberg'schen Hofbibliothek zu Donaueschingen befinden sich die] Nrn. 89 98 einschliesslich.

[Der nachmalige baierische Kanzler Dr. Joachim von Donnersberg besass am 5. Mai 1598 die] Nr. 250.

641/2.

Dresden, königl. öflFentliche Bibliothek, M. = unten

der Nr. 157.

65.

Dresden, ebendort, M. 21*. Auf Papier in Folio, in zwei Spalten mit meist rothen und mitunter blauen Ueberschriften

* Vgl. über ihn Muther in der »Allgemeinen deutschen Biographie* V,

S. 253/254. Sitzangaber. d. phil.-hist. Ol. OXIX. Bd. 8. Abb. 2

18 VIII. Abhandlung: L. ▼. Bockinger.

der Artikel von Johann von Raneberg im Jahre 1388 ' gefertigt, mitteldeutsch, mit nicht viel später fallenden Einzeichnungen eines ,FrenczeP über seine Grundsttickserwerbungen, die auf thüringische Gegenden deuten, auf dem vorletzten Blatte, später im königlich sächsischen Landesarchive. Karl Falkenstein, Be- schreibung der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, S. 376. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts- kunde VI, S. 228 unter Ziffer 21 ; Vm, S. 723 unter Ziffer 21 •. V. Lassberg Nr. 21. Homeyer Nr. 168. Archivar Herschel in Dr. Naumann's Serapeum, Jahrgang 17, 1856, S. 56—58. Prof. Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Handschriften der königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden, II S. 433.

Dem Landrechte wie dem Lehenrechte geht je ein be- sonderes Verzeichniss der Artikel voran. Das Landrecht umfasst deren 371 beziehungsweise 372 in der Weise, dass 368* ,da8 ist von der ee^ dem Art. LZ 377 II entspricht, 369 dem Judeneide des Art. LZ 263, worauf als Art. 370 und 371 noch zwei Judeneide ^ folgen. Nach einem nicht gezählten Artikel ,Hic incipiunt statuta imperatoris' aus dem Landfrieden des Kö- nigs Rudolf vom Jahre 1287 ^ und dem Art. 372 ,Von selbgerichte' ebendorther^ folgt das Lehenrecht in 145 Artikeln, deren letzter die Ueberschrift hat: Hir habin lenrecht ende.

1 Nach dem Schlnssvermerke : Completus est Über iste per manns Jo-

hannis de Raneberg sab anno domini MCCCLXXX octauo, feria sexta

post festum pasce, hora completorii. 3 Art. 370. Dit ist ein judin eid. Dit ist auch ein j&din eid, wanne efctiswo

ist der erste gewonlich, ettiswo diesin andiren. Diesin sal man also

gebin. Ich bieswiere dich u. s. w.

Art. 371. Dit ist abir ein jftden eid. Dit ist der jfldin eid wie

sie abir swerin sullin vmbe eyn iclich ding daz in yn czn eidin stet.

Also sal man on den eid gebin: vmbe sogetan gflt also dich der man

adir die frauwe schuldigit u. s. w. 3 Wir seczin mit vnsir keisirlichin gewalt vnde mit der f&rstin rate vnde

mit andiren dez richis getrüwin manne: wilch sun sinin vatlr von sinen

bftrgip u. s. w. ^ Wir seczin vnde gebietin: was schadin ymant deme andirn th& an

keinirhande dingin, daz her daz selbins nicht in richte nach in reche.

her inclage iz erst dem richter, vnde folge siner dage u. s. w.

Der Schlnss lautet: Vnde ist daz gfit roublich, man richtit Vbir

on also einen rouber. vnde ist iz dfiplich, man richtit ^bir on also ubir

einen dip. amen.

Berichte über Handschriften des sofi^. Schwabonspiegels. IX. lU

66**.

Dresden, ebendort, M. 31. Auf Papier in Folio aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Falkenstein a. a. O. S. 374. V. Lassberg Nr. 20. Archiv a. a. O. VIII, S. 723 unter ZiflFer 31. Homeyer Nr. 167. Schnorr von Carolsfeld a. a. O. U S. 437/438.

Des Professors Johann Christof Gottsched,^ gestorben am 12. December 1766, Abschrift der Nr. 435.

[Aus der Handschriftensammlung des Erhard Dürsteier zu Zürich stammt die] Nr. 464.

66 Vi.

Dresden, ebendort, M. 69". Vgl. unten S. 53/54 den An- hang hieher.

67.

Zu Eaton bei London beziehungsweise Windsor werden unter der Nr. 3029, 130 ,kai serliche Recht' im Archive der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde VII, S. 103 aufgeführt. Homeyer Nr. 174.

Am erstgenannten Orte ist in Klammem beigesetzt: Baier- sches Landrecht. Soll es sich hiebei um die Gesetzgebung des Kaisers Ludwig IV. für sein Heimatland Oberbaiern handeln ?

Die Handschriften von Eaton sollen vor einigen Jahren nach London verbracht worden sein.

[Johann Eberbach hat geschrieben die] Nr. 37.

[Johann Schreiber von Ebern in Unterfranken fertigte im Jahre 1398 die] Nr. 148.

[Konrad Ebersbeck schrieb im Jahre 1423 die] Nr. 433.

[Aus dem Benediktinerstifte Ebersberg in Oberbaiern, im letzten Jahrzehent des 16. Jahrhunderts den Jesuiten ein- geräumt, stammen die] Nrn. 242 und 244.

[Aus der Bibliothek der Ebner von E^chenbach zu Nürn- berg stammt die] Nr. 92.

68***.

Aus der Bibliothek der Ebner von Eschenbach zu Nürnberg vgl. Christophori Theophili de Murr memorabilia bibliothecarum publicarum norimbergensium et universitatis alt- dorfinae, Nürnberg 1788, II S. 69 Nr. 72 fiihrt Gottfried

> Vgl. über ihn Bernays in der ,Allgemeinen deutschen Biographie* IX, S. 497—608.

2*

20 Vlir. Abhandlung: L. t. Boekinger.

Christof Ranner*s Catalogus bibliothecae ab Hieronymo Ghiilielmo Ebnero ab Eschenbach etc. collectae, Nürnberg 1812 1819, 1 S. 14 unter Nr. 124 auf Papier in Folio auf:

a) das Puech der heiligenn Patriarchen und Vätter der Weyssagenn; b) ein Landrecht Puech. Saec. XV.

Diese Handschrift erkaufte bei der Versteigerung der Bibliothek der Antiquar Heerdegen zu Nürnberg um 2 fl. 6 kr. Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern der Literatur 1839^ Band 2, S. 857. v. Lassberg Nr. 117. Homeyer Nr. 513.

69***.

Aus der Bibliothek der Ebner von Eschenbach zu Nürnberg vgl. v. Murr a. a. O. H, S. 74, Nr. 109 fUhrt Ranner a. a. O. I S. 18 unter Nr. 155 auf Papier in Folio weiter auf:

ein Landrechtbuch und dann ein Lehenbuch, mit der Bemerkung: est pars speculi suecici saec. XV.

Diese Handschrift erkaufte bei der Versteigerung der Bibliothek der Antiquar Heerdegen zu Nürnberg um 24 kr. Zöpfl a. a. O. S. 857. v. Lassberg Nr. 118. Homeyer Nr. 514.

70***.

Aus der Bibliothek der Ebner von Eschenbach zu Nürn- berg — vgl. V. MuiT a. a. O. H, S. 97, Nr. 152 fUhrt Ranner a. a. Ü. I S. 23 unter Nr. 185 nocli , Varia' auf, darunter:

1. Register des spiegeis key serlicher und gemeiner landrecht; 2. Fragmenta; 3. Versio vetus germanica privilegii Friderici H imperatoris 1219. Freiherr v. Lassberg erwähnt hievon nichts. Homeyer Nr. 515.

70'/,.

In der Bibliothek der Ebner von Eschenbach zu Nürn- berg befand sich endlich nach Heumann's Exercitationes juris universi (Altdorf 1749) I, S. 173 u. f. eine ,initio saeculi XV' gefertigte Handschrift, in welcher ,inter alia in primis Argen- toratensia jus feudale alemannicum continetur, cui subnectuntur sequentia: Dis ist die betrügnisz domitte die lieger vnd die blinden vmbgent' etc.

Ist diese Handschrift vielleicht = mit der Nr. 336?

Berichte übor HandschriftoD des sog. Schwabenspiegels. IX. 21

Vgl. auch die Anfrage von Josef Maria Wagner (Wien im März 1859) im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1859, Nr. 3, Sp. 120.

[In der fürstlich Starhemberg'schen Bibliothek zu Effer- ding in Oberösterreich befinden sich die] Nrn. 350 355 einschl.

[Johann Franz Egkher, Freiherr v. Eapfing, Fürstbischof zu Freising, besass im Jahre 1696 die] Nr. 243.

71***.

Der berühmte Karl Friedrich Eichhorn < zu Berlin be- sass, als Geschenk des Professors Dr. Christian Gottlieb Hau- bold,'-^ eine schöne Papierhandschrift unseres Rechtsbuches in Folio aus dem 15. Jahrhunderte, mitteldeutsch, welche das Landrecht in 8 und das Lehenrecht in 5 Bücher theilt. Vgl. seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (5. Auflage) II, §. 282, S. 308 Note p. v. Lassberg Nr. 23. Homeyer Nr. 176.

Nach einer Zuschrift des Appellationsgerichtsrathes Otto Eichhorn in Köln, des Sohnes, veräusserte sein Vater im Jahre 1846 als er Berlin verliess und sich in das Privatleben auf den Ammerhof in der lieblichen Neckarhalde unweit Tübingen zurückzog, seine ganze Bibliothek, ohne dass der Schreiber, der sich damals nicht in Berlin befand, näheres über den Erwerber der Handschrift anzugeben vermag.

[Oswald Eigner hat sich im Jahre 1465 eingezeichnet auf 'der inneren Seite der Vorderdecke der] Nr. 404.

72.

Benediktinerstift Einsiedeln, Nr. 204. Auf Pergament in Kleinfolio am Ausgange des 14. oder Anfange des 15. Jahr- hunderts wahrscheinlich von , Peter Feszer zu Ulm' in zwei Spalten geschrieben, welche von späterer Hand je oben gezählt sind, wenn die Erinnerung nicht getäuscht hat, von derselben wie in der Nr. 463, nach einer Einzeichnung auf der sonst leeren Rückseite des Schlussblattes des Artikelverzeichnisses um die Mitte des 15. Jahrhunderts dem Protonotar des Grafen

^ Vgl. über ihn FrensdorfF in der ,Allgemeinen deutschen Biographie* VI,

S. 469—481. a Vgl. über ihn Teichmaun a. a. O. XI, S. 39—42.

22 VIII. Abhandlung : L. ▼. Bockinge r.

Ludwig von Wirtemberg ,Pctter von Rammyngen' gehörig ge- wesen. Haenel catalogi jcodicum manuscriptorum etc. Sp. 663 unter Anfuhrung der Nr. 377. v. Lassberg Nr. 24. Archiv der Gesellschaft flir ältere deutsche Geschichtskunde VIII, S. 746 unter Nr. 425. Homeyer Nr. 178.

Voran geht auf 6 Blättern, von deren letztem die Rück- seite leer gelassen, ganz roth geschrieben, das Verzeichniss der Artikel des Land- und Lehenrechts, welche beide Bestandtheile nunmehr, das erstere in 311 Artikeln, wovon 311 = LZ 370, das andere in 137 Artikeln, übrigens ohne Beeinträchtigung der gewöhnlichen Reihenfolge der Artikel in 3 und in 2 Bücher gesondert, folgen.

Wackernagel hat in seiner Ausgabe des Landrechts die 7 in dem da gewählten Grundtexte der Ambraser Handschrifl^ Nr. 388, fehlenden Artikel in den Anhang S. 281—286 als 308 314 einschliesslich aufgenommen.

Den Wortlaut in den im Bande CXVIII Ö. 20 21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Kaiser ,Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandschriften' II unter D b 4 mit.

[Tritt im sogen. Rechtsbuche von Eisenach in Thüringen mehrfach Benützung des sogen. Schwabenspiegels entgegen, so mag hier auch der von Dr. Friedrich OrtloflF hinter seiner Ausgabe des Rechtsbuches nach Distinktionen von S. 627 756 veröffentlichten Handschrift eben dieses Eisenaeher Rechts- buches in der ständischen Landesbibliothek zu Kassel gedacht sein, in Homeyer's Verzeichniss Nr. 117].

[Jakob Eismaier besass im Jahre 1503, Christof Eis- mai er im Jahre 1520 die] Nr. 145.

Aus einer Handschrift des Benediktinerstiftes Einsiedeln vom Jahre 1287 hat Felix Lindinner zu Bubikon im Jahre 1787 die Abschriften der Nrn. 2 und 18 gefertigt.

Ob man hiebei etwa an die Handschrift der Bibliothek der juristischen Gesellschaft in Zürich, die Nr. 463, denken darf?

74.

El hing, früher Gymnasialbibliothek, seit 1846 Stadt- bibliothek, Nr. 5 in Quart. Auf Papier im 15. Jahrhundert ge-

Beridite tibor Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. 23

fertigt^ mitteldeutsch, nach einer Einzeichnung auf dem ersten Blatte im Jahre 1470 im Besitze des Hanns von Witten^ zu Bartenstein, nach einer anderen auf der zweiten Seite unten im Jahre 1519 Merten WuUflF gehörig, am 12. Mai 1757 von dem Hofapotheker Dewitz geschenkt. Neumann in dem von Merz bearbeiteten Programme des Gymnasiums zu Elbing vom Jahre 1847: Dritte Fortsetzung der Gymnasiums-Bibliothek, Note nn, wieder abgedruckt in Dr. StefiFenhagen's alsbald an- zuführender lateinischer Abhandlung S. 6/7. Homeyer Nr. 181.

Diese Handschrift enthält das interessante zum grüssten Theile aus dem kaiserlichen Landrechte gezogene sogenannte Elbinger Rechts buch, worüber ausführlich Dr. Steffenhagen in dem Aufsatze ,de inedito juris germanici monumento, quod codice manu scripto bibliothecae civitatis elbingensis, nro 5 quarto, continetur^ vom Jahre 1863, in der altpreussischen Monatsschrift H S. 540 ff. vom Jahre 1865, und insbesondere in seinen ^Deutschen Rechtsquellen in Preusscn vom 13. bis zum 16. Jahrhundert^ S. 118 137 handelt.

[Aus dem Reichsstiftef Ell wangen in Wirtemberg stammt die] Nr. 374.

[Zu Eltvill im Rheingaue befand sich bis um die Mitte der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts die] Nr. 8.

[Aus dem Reichsstifte s. Emmeram zu Regensburg stammt die] Nr. 264.

[Der Secretär Johann Schilcher im berührten Reichsstifte s. Emmeram hat sich im Jahre 1568 eingezeichnet in die] Nr. 261.

[Job Hartmann Enenkel zu Albrechtsberg, Freiherr von Hoheneck, besass am Schlüsse des 16. und Anfange des 17. Jahr- hunderts die] Nrn. 34 und 204.

[Im zweiten Bande der Collectaneen dieses Job Hartmann Enenkel aus dem Jahre 1603 findet sich die] Nr. 413.

[Kaspar Enenkel zu Albrechtsberg besass im Jahre 1439 die] Nr. 204.

* Auf der Rückseite von Fol. 76 findet sich eine Verleihung von 9 Hufen in dem Dorfe Preussisch- Wüten im Kammeramte Domnau von Seiten des Deutschordens-Hochmeisters Michael Küchmeister von Sternberg zwischen 1414 und 1422 an Bartusch von Wüten nach Magde- bnrgerrecht.

24 YIU. Abhandlang: L. t. Bttckiof er.

[Der Ens'sche Schreiber Mathes von Straubing fertigte im Jahre 1415/1416 die] Nr. 306.

[Dem Junker Uh:ich*von Eptingen gehörte die] Nr. 20.

75.

Erlangen^ königliche Universitätsbibliothek, Cod. mscr. 1470. Auf Papier in Folio, zweispaltig nur das Verzeich- niss der Artikel des Landrechts ist durchlaufend, das des Lehenrechts auch in zwei Spalten geschrieben im 15. Jahr- hundert mit rothen Ueberschriften und Anfangsbuchstaben in der Weise gefertigt, dass die Zahlen der Artikel roth an den Rand bemerkt sind, mitteldeutsch, aus dem Cisterzienserkloster Heilsbronn stammend, später in der Schlossbibliothek zu Ans- bach, zur Zeit ohne Einband. Johann Ludwig Hocker, Biblio- theca Heilsbronnensis, S. 209, Nr. 48. Gönne de evictione feudi oblati (Erl. 1751) auf der Schlussseite. Gönne, de commento speculi suevici nee non juris suevici sev alemannici quod in illo haberi creditur exercitatio, Erl. 1753, §. XI, S. 12/13. v. Lass- berg Nr. 26. Dr. Johann Conrad Irmischer's Handschriften- Katalog der königlichen Universitätsbibliothek zu Erlangen, Nr. 1470, S. 271. Homeyer Nr. 184.

Diese Handschrift enthält anfacht Blättern das Verzeich- nis s der Artikel des Landrechts je mit rother Zählung, welche auch das Vorwort miteinbegreift, von 1 389, dann den Text des Landrechts, weiter das Verzeichniss der Artikel und dann den Text des Lehenrechts, am Schlüsse in einer schwarzen und einer rothen Zeile mit den Versen:

Hie hat das lantreht buch ein ende. 6ot aUe fa[l]sche richter sehende.

Amen.

76.

Erlangen, ebendort. Cod. mscr. 1712. Auf Papier in Quart im 15. Jahrhundert gefertigt, von dem Professor an der medizinischen Facultät Dr. Gottfried Christian Reich im Jahre 1800 geschenkt, in Holzdeckel mit gelbem Ledertiberzuge ge- bunden. Irmischer a. a. O. Nr. 1712, S. 292. Homeyer Nr. 185.

Ein von den sonst bekannten Schlüsseln des Landrechts u. s. w. verschiedenes alphabetisches Rechtswörterbuch

Bericht« ftber Handschriften des sog. Scbwabenspiegels. U. 25

aus dem Sachsenspiegel, Weichbildrechte, dem Kaiserrechte oder bestimmter dem Landrechte des sogen. Schwabenspiegels in der Gestalt in vier Büchern, wie sie beispielsweise die Nr. 24 oder 37 oder 47 aufweist, dem römischen und canoni- schen Rechte, in ungefähr 1400 kleineren wie grösseren Ab- schnitten, von zwei solchen über die Acht angefangen bis Wunden und Wocher, wohl von einem Geistlichen in Ober- thüringen in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts bearbeitet, mitteldeutsch.

Vgl. Prof. Dr. Heinrich Gottfried Gengier ,De Codice saec. XV Erlangensi inedito, cui promtuarium juris maximam partem a Saxonicis Romanisque fontibus repetitum inest^ S. 4 17, wo- selbst auch, insbesondere von S. 19 44, eine Reihe von in- teressanten Abschnitten des Werkes vollständig mitgetheilt sind, darunter von S. 31—42 aus dem langen Artikel Pfaffe.

[Lorenz Erlichmann in Rosenheim in Oberbaiem schrieb im Jahre 1465 die] Nr. 242.

[W(ilhelm) Eschelbeck hat geschrieben die] Nr. 118.

[In die Bibliothek der Ebner von Eschenbach zu Nürn- berg gehörten die] Nrn. 68—70 V2 und 92.

[Der Stadt Eschwege in Kurhessen gehörte seinerzeit die] Nr. 119.

[In das gefürstete Stift in der ehemaligen freien Reichs- stadt Essen an der Berne gehörte die] Nr. 369.

Philipp Eulner's von Dieburg bei Darmstadt seligen Pergamenthandschrift des sogen. Schwabenspiegels, v. Lass- bergNr. 28,Homeyer Nr. 187, erwähnt Dr. Sebastian Meichssner in der zu Heidelberg am 20. Jänner 1561 geschriebenen. Vor- rede zu seiner Ausgabe des kaiserlichen Land- und Lehen- rechts.

[Johann Faerber, Bürger und Rathsherr zu Freiburg im Uechtlande, liess sich im Jahre 1410 schreiben die] Nr. 87.

[Aus dem Museum Remigii Faesch zu Basel stammt die] Nr. 22.

[Im Besitze der steierischen Familien von Falbeuhaupt und Freistein befand sich bis tief in das 17. Jahrhundert die] Nr. 153.

26 Vni. Abhandlung: L. ▼. Bockin ger.

[Für seinen Herrn Gregor von Falkenstein schrieb der Diacon Konrad von Ltitzelnheim zu Freibiirg im Breisgaue und Vöratätten in dessen Nähe im Jahre 1287 die] Nr. 89.

[Für den Pfleger Erasm Mäuslein zu Falkenstein, im ehemaligen niederbaierischen Gerichte Mitterfels, schrieb Pangraz Haselberger im Jahre 1434 die] Nr. 405.

[Gebhart Falkner vollendete am 21. Mai 1365 die] Nr. 7.

Der Kanzler B^rard Faucon von Freiburg im Uecht- lande besass im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts die] Nr. 87.

[J. Rektor Faust von Aschaffenburg erhielt als Geschenk seiner Verwandten Susanna Leisner im Jahre 1626 die] Nr. 225.

[Peter Feszer zu Ulm ist wohl der Schreiber der] Nr. 72.

78***.

Im Benediktinerstifte Fi echt im Unterinnthale befand sich nach einer flüchtigen Aufzeichnung des Bibliothekars Pro- fessor Dr. Johann Andreas Schmeller über Urkunden und Handschriften von s. Georgenberg, seit dem Jahre 1705 zu Fi echt; die er auf der Rückkehr von seiner zweiten Reise in die Vn und XUI Communi in den venetianischen Alpen im Oktober des Jahres 1844 machte, ein ^schwäbisches Land- recht und Lchenrecht mit Bergwerks-an-ordnungen' ohne genauere Angabe.

Näheres ist mir nicht bekannt. Vielleicht sind sie bei

dem Brande des Klosters vor nicht übermässig langer Zeit mit

ein Raub der Flammen geworden. Vgl, den Bericht VII im

Bande CVII, S. 76.

79***.

In demselben Benediktinerstift Fi echt befand sich weiter nach, der gleichen Quelle ein sogen. Schwabenspiegel aus dem 15. Jahrhundert auf 143 Blättern Papier in Folio.

Näheres kann ich nicht mittheilen. Vgl. den Schluss zu

der Nr. 78***.

80.

Dr. jur. utr. Fischer in Prag legte in einer Sitzung des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen am Beginne der Sechzigerjahre eine Handschrift in böhmischer Sprache vor, auf Papier in Folio im 16. Jahrhundert gefertigt. In jedem der beiden Haupttheile, nämlich der auf das böhmische

Berichte Aber HandschrifteD des sog. Schwabenspiegels. IX. 27

Landrecht bezüglichen Stücke mit dem alsbald zu erwähnenden Lehenrechte und der stadtrechtlichen Werke, ist die erste Seite als Titelblatt mit einer gemalten Initiale und am Rande mit farbigen Arabesken geziert. Nach einer Bemerkung auf der Einbanddecke hat diese Handschrift, welche bei der Eroberung von Prag durch die Schweden nach Stockholm gebracht worden, irgendwie einmal vgl. auch oben die Nr. 53, falls es sich nicht am Ende gerade um sie handelt wieder den Weg in ihre Heimat gefunden.

Gegen den Schluss des ersten Theiles finden sich die in der Nr. 322 als Processus tabularum terrae enthaltenen Prawa manska zemie czeske gimito wsechni manowe magi suzeni byti: Das Lehenrecht des Königreiches Böhmen, nach welchem allen Vasallen Recht gesprochen werden soll. Vgl. Band CXVHI, S. 19 unter Lit. c.

An der Spitze des zweiten Theiles stehen vgl. eben- dort S. 19 unter Lit. b die Prawa myesta Pra2skeho weli- keho : Das Recht der grösseren oder der Altstadt Prag, nämlich die Art. LZ 160 bis 377 U und 377 des Landrechts des sogen. Schwabenspiegels, wie in der Nr. 322 in vier Theilen.

Aus einem Vortrage des ersten Präsidenten des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen zu Prag, Landesadvo- katen Dr. Franz Pelzel, über ,die Quellen und Codices der Stadt- rechte der Altstadt Prag' aus dem Anfange der Sechzigerjahre, im Besitze des genannten Vereines.

81**.

Chorherrenstifk s. Florian in Oberösterreich. Zwölf Pergamentblätter in Kleinfolio, früher als Buchdeckel zu den Werken des Hanns Sachs verwendet, am Anfange der Sechziger- jahre unseres Jahrhunderts von Professor Dr. Johann Lambel abgelöst, durchlaufend in je 28 Zeilen auf der Seite mit rothen Ueberschriften der Artikel und rothen Anfangsbuchstaben der- selben in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Schwaben gefertigt. Zeitschrift für Rechtsgeschichte HI, S. 333 336, woselbst der Finder die Art. LZ 41, 118, 119 des Landrechts, wie 17 und 18 des Lehenrechts mitgetheilt hat.

Dem Landrechte gehören an: ein Doppelblatt der zweiten Lage mit den Art. LZ [37], 38—41, 42 und 43 als ein Artikel,

2o Vm. Abhandlang: L. v. Rockinger.

44, 45 ohne die Ueberschrift, 4(5 wieder ohne die Ueberschrift, [47]; zwei Doppelblätter und ein Einzelblatt der vierten Lage mit den Art. [107], 108—111, [112], [114], 115—123, [124], [130 a von den Worten ,Baiern, des riches schenche, der sol dem chünig den ersten becher tragen* an], 130 b und c, 130 d und 131, 132, 133, [134], [137], 138- 140 a; ein Doppelblatt der sechsten Lage mit den Art. [194], 195, 196, 197 a, 197 b, 198 205, [206]; drei einzelne Blätter der neunten Lage mit den Art. [354], 355—363 a, 363 b, 364 367, [368], und den Artikeln des Lehenrechts 17 ohne die Ueberschrift, 18 24a, 24 b, [25].

Der Art. 113 des Landrechts, wie 21 des Lehenrechts ist in dieser Handschrift nicht vorhanden. Der Art. 201 des Landrechts schliesst bereits mit den Worten in LZe Sp, 93 gegen Ende: daz ist da von daz diu naht bezzern frid haben sol denn der tak.

[Oberbibliothekar Hofrath Heinrich Föringer zu München besass bis in die Siebzigerjahre unseres Jahrhunderts die] Nr. 270.

[Dem Kanoniker Alois Fontaine am Collegiatstifte s. Nikolaus zu Freiburg im Uechtlande gehörte im Jahre 1781 die] Nr. 88.

[Aus dem Archive der Stadt Forchheim in Oberfranken stammt die] Nr. 278.

81 V2***.

In der Stadt Frankenberg in Kurhessen stand im 15. Jahrhundert eine Fassung des kaiserlichen Landrechts in amtlichem Gebrauche, welche aus etwa 190 Artikeln bestand.

Nach deren Zahlen, wie sie aus der ,Sammlung der alten Rechten und Gewohnheiten* von Frankenberg ersichtlich sind, welche nach dem grossen Brande, der am Donnerstage nach Walburg des Jahres 1476 die Altstadt wie die Neustadt ein- äscherte, Johann Emerich * daselbst, am 15. November 1494

1 Uirumbe bemerkt er selbst so hau ich Johannes Emerich der aide uff verbeszerunge eynsz ickelichin verständigen etzliche der altin herkommen gewoiiheiteu nnde rechtin dviszer stad Franckenberg wiln zuschriben den genen die hirnehist kommen zu vernemen wy unszer vorfam unde unszer aldern vil sache erlich gehalden unde lobelichin

Berichte Qber Handichriften des sog. SehwAbenapiegels. IX. 29

verstorben 7 veranstaltet hat, in Schmincke's Monimenta Has- siaca II S. 669 756 aus einer Handschrift auf der Bibliothek in Kassel vom Jahre 1493 gedruckt, die der Gerstenberg'schen Chronik von Franken berg angehängt worden, war beispiels- weise Art. 27 =; Art. LZ 15, 53 und 54 = 93, 56 = 95, 58 = 98b und 99, 62 = Hl, 67 = 143 b, 69 = 145, 75^ = 159 a, 85 = 174 a, 99 = 195, 103 = 249, HO = 221, 128 = 265, 136 = 279 bis 281, 137 = 284, 144 = 30^ a, 149 = 308, 186 = 371 bis 373, soweit sich im Allgemeinen aus diesen und jenen Einzelanführungen entnehmen lässt.

Vgl. Karl Phil. Kopp's ausfllhrliche Nachricht von der altem und neuern Verfassung der geistlichen und Civil- Gerichten in den fUrstlich Hessen -Casselischen Landen I, S. 25/26 Note p, S. 47-57, §. 27.

[Kommt weiter ein Kettenbuch von Frankenberg noch ftir uns in Betracht?

Johann Emerich gedenkt desselben vgl. Schmincke a. a. O. S. 748 nach einer Bezugnahme auf den Art. 65 des Landrechts und auf den Titel de Appellationibus im zweiten Buche der Decretalen in seinem Kapitel ,ürteil zu straffen^ am Schlüsse:

Wer einen scheflFen mit unrechte heiszet lygen, ader sust an syn ere schildet, die busz findet man im rechtbuch mit der ketten binden am ende.]

[Schöff Georg von Holzhausen zu Frankfurt am Main und Hanau besass bis in die Vierzigerjahre unseres Jahrhunderts die] Nr. 93.

herbracht han, sich auch desto basz darna zu richten, unde auch das die stad der nicht verlustig en werde.

1 Das Lantrecht setzt im obgenannten capittel, dass der richter vor tercie tzyt morgins kein gerichte heigin sal, das ist vor sibben nren, ader oich na der ersten stunde namittage. So aber das gericht zu rechter izjt geheigt ist, mag man handeln tzuschen nacht so lange da an tzu handeln ist.

' Der Wortlaut dieses Artikels findet sich a. a. O. 8. 75G:

Des babstis sigil heizzet bulla; wer dy mit rechte gibt nnde ent- phehet, so synt sy gut nnde recht. Der konnige jngesigel haben oich grosse macht. Der paffinfursten jngesigel unde der leygen furst^n seynt oich gerecht. Der capittel nnde der prelaten ingesigel synt oich recht. Unde aller convente u. s. f.

30 VIII. Abhandlung: L. v. Roe kinger.

[Dem Notare Georg Krafft von Kronenberg zu Frank- furt am Main gehörte am 14. Februar 1534 die] Nr. 121.

82.

Frankfurt am Main, Stadtbibliothek II 27. Auf Per- gament in Folio im 14. Jahrhundert zweispaltig gefertigt, mit rothen Ueberschriften und rothen Anfangsbuchstaben der Ar- tikel, beim Beginne des Land- wie Lehenrechts mit den grösseren und farbigen Initialen H und W, nach einer Ein- zeichnung aus dem 16. Jahrhundert auf der inneren Seite des Vorderdeckels ^ ex libris Henrici Kellner, später im Besitze des Frankfurter Schöffens Johann Maximilian zum Jungen,^ dessen Bibliothek im Jahre 1690 die Stadt ankaufte. Vgl. die Vorrede des Hieronymus von der Lahr zu seiner Ausgabe des sogen. Schwabenspiegels in des Freiherrn von Senkenberg Corpus juris germanici publici ac privati II 1 S. 5 mit Note d. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde I, S. 324. V. Lassberg Nr. 30. Homeyer Nr. 192.

Auf das Buch der Könige alter Ehe, dessen Anfangt fehlt, folgt von Fol. 21 Sp. 1 bis 65 Sp. 2 das Landrecht in 386 Artikeln, von da ab bis Fol. 80 Sp. 1 das Lehenrecht in 158 Artikeln.

Von dem Buche der Könige ist von späterer Hand des 14. oder 15. Jahrhunderts schwarz auf das Land- und Lehen- recht in der Weise tibergezählt, dass das erste mit Nr. 56 schliesst, die Vorrede des Landrechtes 57 bildet, und so fort bis 596.

Die von dem Texte seiner Ausgabe abweichenden Les- arten dieser Handschrift hat v. d. Lahr in den Noten beigefügt.

^ Sie besteht aus einer Pergamentnrkunde des Dekans und Custos von Wetzlar in Angelegenheiten der Provision des Clerikers Heinrich, des Sohnes des Ulrich von Leffilsch . . . wie es scheint irgendwohin in der Utrechter Diöcese aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhnnderts.

3 Vgl. über ihn Stricker in der ,Allgemeinen deutschen Biographie' XIV,

S. 705/706. ' Es beginnt in dem Kapitel vor des Königs Traum: g^t dar jnne, vnde

nam alli die gezirde die er in dem tempel vant, vnd rejt wider in sin

lant, Fol. 1 21, Sp. 1, woselbst noch zwei Zeilen: var. daz helfe vns

der vater vnd der siin vnde der heilige geist. amen.

Berichte ttber Handschriften des sog. Schwahenspiegels. IX. 31

Zwei Abschriften aus dem vorigen Jahrhunderte sind unten in den Nrn. 131 und 132 verzeichnet.

83***.

Frankfurt am Main, ebendort. Auf der inneren Seite des Rückdeckels einer Bibel vom Jahre 1462 verzeichnet ,ein Bruchstück des schwäbischen Landrechts' unter der irr- thümlichen Beziehung auf die Nr. v. Lassberg's 21 Homeyer in Nr. 194.

Bei meinem Aufenthalte in Frankfurt zu Ostern 1875 konnte ich hierüber nichts in Erfahrung bringen.

84

***

Frankfurt am Main, ebendort, früher im Kloster der Karmeliten daselbst. Wohl auf Papier in Folio im Jahre 1474 zu Heidelberg gefertigt, wie Melchior Goldast von Haimingsfeld, der diese Handschrift von dem Prior Johann v. Münzenberg zur Einsicht erhalten hatte, in der Vorrede zu den von ihm besorgten Reichssatzungen und Reichshändeln bemerkt, dass der Schreiber am Schlüsse angab, dass er ,anno 1474 solch Buch, das Buch der. kaiserlichen Rechte genannt, zu Heidelberg zusammt der güldenen Bulle abgeschrieben' habe. Vgl. des Reichshofraths Heinrich Christian Freiherm v. Senken- berg Visiones diversae de collectionibus legum germanicarum Cap. m, §. 1, S. 26. V. Lassberg Nr. 31. Homeyer Nr. 195.

Wenn durch Aeusserungen Grupen's ein Zweifel entstehen konnte, ob nicht etwa bei dieser Handschrift eine Verwechslung mit dem kleinen K^iserrechte in Mitte liege, ist hiegegen, ab- gesehen von anderem, durch Endemann entschieden, welcher in seiner Einleitung zu diesem Rechtsbuche S. 48/49 unter Zi£Per 1 ganz bestimmt bemerkt: Eine mit Dr. Böhmer an Ort und Stelle vorgenommene Untersuchung hat aber auch nicht einen Augenblick darüber zweifelhaft gelassen, dass dieser ,münzenbergische Codex' ein sogen. Schwabenspiegel sei.

Kann man hiebei noch im Zweifel sein, ob man es mit dem eigentlichen kaiserlichen Land- und Lehenrechte zu thun hat, oder mit einem der mit der Vorrede desselben beginnenden alphabetischen Rechtswörterbücher, wie beispielsweise der Nr. 56 oder der im Jahre 1472 geschriebenen Nr. 111, so lässt sich

32 VII r. Abhandlnng: L. t. Bockin^er.

für die Vorlage unserer Handschrift eben so gut etwa an die Nr. 164 als an die Nr. 111 beziehungsweise 220 denken.

Bei meinem Aufenthalte in Frankfurt zu Ostern 1875 konnte ich hierüber nichts in Erfahrung bringen.

[Schöff Zacharias Eonrad von Uffenbach zu Frankfurt am Main besass die] Nrn. 121 und 422/423.

[Johann Frauen lob, der ältere^ von Bischofszell im Tur- gaue schrieb im Jahre 1449 die] Nr. 56.

[Johann Frauenlob; der jüngere, von Bischofszell im Turgaue schrieb im Jahre 1449 die zweite Hälfte der] Nr. 102 72-

[Aus dem Kloster Frauenzeil in der Oberpfalz stammt die] Nr. 262.

[Zu Freiburg im Breisgaue und Vörstätten in dessen Nähe schrieb der Diacon Konrad von Lützelnheim im Jahre 1287 die] Nr. 89.

[Geheimrath Professor und Domherr Dr. Johann Leonhard Hug zu Freiburg im Breisgaue besass die] Nr. 95.

85**.

Freiburg im Breisgaue, Stadtbibliothek. Auf 21 in- einandergeschobenen Bogen von BauQiwollenpapier in Klein - folioformat im 14. Jahrhundert ohne Ueberschriften der Artikel anfangs mit rothen und blauen Anfangsbuchstaben derselben gefertigt, nach Einzeichnungen auf dem jetzigen ersten Blatte und nach dem Schlüsse des Landrechts noch im 14. Jahr- hundert im Besitze des Ulrich Ainbom wohl von Constanz. V. Lassberg Nr. 32. Homeyer Nr. 198.

Diese für die Geschichte der Entwicklung des sogen. Schwabenspiegels so ungemein wichtige Handschrift ist leider am Anfange nicht mehr vollständig, indem sie erst mit den Worten des Art. L 15 ,ere wol Verliesen, won man ir geholfen solte han' beginnt. Das Landrecht enthält jetzt noch 330 Artikel, und bricht im Art. LZ 323 b S. 143 Sp. 1 Z. 2/4 ,und sint die gezüge toV ab, woran sich am nächsten Blatte das Lehenrecht schliesst, welches bereits im Art. LZ. 28 mit den Worten ,hat der man daz g^ verlorn, jn sweler* endet.

Es sind hierüber zu vergleichen: Amann in den zwei Fascikeln seiner Notitia aliquot codicum manuscriptorum qui Friburgi servantur ad jurisprudentiam spectantium 1836 und

Bericht« Aber HaDdschriften des sog. SchwabeDspieipels. IX. 33

1837, woselbst II S. 19—23 und 32-60 das Verhaltniss zur Druckausgabe des Hieronymus von der Lahr in (des Freiherm Heinrich Christian v. Senkenberg) Corpus juris germanici pu- blici ac privati von Gustav Georg König von Königsihal II Abth. 1 S. 1 492 und 1 188 berücksichtigt ist; insbesondere Ficker's wichtige Abhandlung ^lieber einen Spiegel deutscher Leute und dessen Stellung zum Sachsen- und Schwabenspiegel^ in den Sitzungsberichten der philosophisch-historischen Classe der kais. Akademie der Wissenschaften XXIII, S. 249—263; die eingehende Untersuchung unserer Handschrift von Laband in der Zeitschrift ßlr Rechtsgeschichte III, S. 125 156.

Wackemagel hat in seiner Ausgabe des Landrechts die in anderen älteren Handschriften fehlenden Artikel als 346—364 vollständig mitgetheilt, und zu den in seinem Grundtexte der Ambraser Handschrift, Nr. 388, fehlenden aus anderen Codices entnommenen Artikeln 308—315 und 335 die abweichenden Lesarten angeftLhrt. Die Fassung der im Bande CXVIII, Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Haiser ,Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandschriften' I unter Fu mit.

86.

Freiburg im Breisgaue, Universitätsbibliothek Nr. 14. Auf Papier in Folio, zweispaltig, nach einer Einzeichnung^ auf Fol. 236' im Jahre 1431 von dem Pfarrer Konrad Frtie in Unterensingen gefertigt, der Universität von ihrem hoch- verdienten Curator Josef Albert von Ittner,* vordem Kanzler des Malteserordens zu Heitersheim nicht weit von Freiburg, dann grossherzoglich badischem Staatsrathe, zuletzt in Constanz, geschenkt. Amann a. a. O. II S. 13 15, und weiter 32 50, woselbst das Verhaltniss zur Druckausgabe des Hieronymus von der Lahr a. a. 0. II Th. 1 S. 1—492 und 1—188 zu finden. V. Lassberg Nr. 33. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde VHI, S. 622 unter Nr. 14. Homeyer Nr. 199.

^ Anno domini 1431 completum est illud libellum proxima feria 4* ante festum Johann 18 baptiste per nie Cftnradum Früen plebanum tunc tem- porifl in Vndern Knsing^en etc.

3 Vgl. Über ihn Daniel Jacoby in der ,Allgemeinen deatscben Biographie* XIV, S. 647/648.

Sitaangsber. d. phil.-liist. Ol. CHX. Bd. 8. Abb 3

34 YII f. Abhandlung: L. y. Rockinger.

Nach einem auf dem ersten Blatte ohne besondere Zählung stehenden ^Register aller Register' oder eben der Haupt- inhaltsanzeige folgt das Land- und Lehenrecht in der Gestalt des sogenannten Grossfoliodruckes wie der hiezu stimmenden älteren Ausgaben, wonach das Landrecht in eine Anzahl von grösseren Abschnitten , hier deren 16, zerfkUt, in der Weise, dass alle Folien in der Mitte der Vorderseite roth bezeichnet sind: 1. von Fol. 1—14' Sp. 1; 2. von Fol. 14' Sp. 1—20' Sp. 2; 3. von von da bis Fol. 42' Sp. 1; 4. von da bis Fol. 61 Sp. 2; 6. von da bis Fol. 66 Sp. 1; 6. von da bis Fol. 68 Sp. 1; 7. bis Fol. 69 Sp. 1;' 8. bis Fol. 71' Sp. 2; 9. bis Fol. 82' Sp. 2; 10. bis Fol. 85' Sp. 1; 11. bis Fol. 93' Sp. 2; 12. bis Fol. 99 Sp. 2; 13. bis Fol. 103 Sp. 1; 14. bis Fol. 108' Sp. 1; 15. bis Fol. 110' Sp. 1; 16. von Fol. 110' Sp. 2 bis 113' Sp. 2. Von da an knüpft sich das Lehenrecht bis Fol. 148 Sp. 1 an.

Hieran schliesst sich noch das Inhaltsverzeichniss zum Buche der Könige alter und neuer Ehe, und von Fol. 148 Sp. 2 dieses selbst mit dem Anfange: ,Wir lesen an der alten geschrift, das sich ze Babilonie des ersten das rieh an hub. du stat was ob allen steten' bis zum Schlüsse auf Fol. 236' Sp. 1 : von Judith lesen wel, der säch in der biblin. amen. Hje B6nd wir disem bfich ain end geben u. s. f. bis: das uer- lich vns der vatter vnd der sun vnd der hailig geist. amen.

Das Verhältniss des Landrechts zu der Druckausgabe des Jahres 1480 veranschaulicht Haiser a. a. 0. II S. 10. 11.

Der Text der vorhin erwähnten Probestellen Haiser's findet sich a. a. O. 11 unter C b 25.

87.

Freiburg im Uechtlande, Archives d'Etat^ Legislation et VariitÄs Nr. 42. Auf 160 Pergamentblättern in Folio mit prächtigen rothen, blauen und violetten Initialen für den zu Breslau im Jahre 1355 geborenen Johann Färber, welcher 1371

^ Die Kapitel dieses Abschnittes sind: wie wit des küngs straszen süUen sin. wie man gri\h graben sol. roxi Testern bnw. wie man m&rgt bnwen sol. der dem andern sin barg an gewint an recht, wie man über bürg vnd über hüser richten sol. von zimren. von zimren. von zimren. von fremden arbaiten.

Berichte über HandBchriften des sog. Schwabenspiogels. IX. 35

nach Freiburg zog und nach dem grossen Bürgerbuche von da 1396 das Bürgerrecht erlangte^ im Jahre 1410 von dem Barfbsserbnider Gerhard von Franken > wohl in Freiburg selbst geschrieben, mit farbigen Miniaturbildem bei den Hauptstticken des Ganzen, später im Besitze des Freiburg'schen Kanzlers B^rard Faucon von 1470 1475, von welchem es Wilhelm Tachs ,pour 12 florins et 8 aunes de fine toile^ erkaufte. Haenel Catalogi librorum manuscriptorum etc. Sp. 665: Codicem saec. XIV, qui collectionem legum hujus regionis antiquarum continet. V. Lassberg Nr. 36. Homeyer Nr. 200.

Voran geht auf 4V2 nicht gezählten Blättern das Ver- zeichniss der Artikel des Buches der Könige alter Ehe mit dem Buche der Makkabäer, unseres Landrechts mit der Abtheilung am Schlüsse des Art. LZ 219, des Lehenrechts.

Das Buch der Könige alter Ehe mit dem der Makka- bäer beginnt mit einer hübschen Miniatur^ eines auf dem Throne sitzenden Kaisers, und reicht von Fol. 1 25—37.

Hieran knüpft sich der erste Abschnitt des Landrechts wieder mit einer zierlichen Miniatur"^ unter der Ueberschrift: ,Hie vahet an das edel lant recht buch^ mit dem Schlüsse:

,IIie hat daz lant recht ein ende. Got uns sin heiligen geist sende'

von Fol. 37 77, während der zweite mit der Ueberschrift ,Hie vahet an daz edele buch das da heisset von lehen rechte' sammt unserem Lehenrechte unter der Ueberschrift ,Hie hebet sich an das edele und das gute lehen recht buch' von

1 Nach der Einzeichnung am Schlüsse: Diss bach ist Henslini Ververs, geboren von Breslaw, eins des rates nnd barger ze Friburg in Ochte- lant. Derselbe Henslini Yerrer hiess schriben diss buch. Und hat ge- schriben bnider Gerhart von Franken barfttsser orden, do man zalt nach Gottes gebart viertzehen hundert iar und zehen iar.

2 Une jolie Vignette nach der Beschreibung welche ich vom 2. April 1874 dem Staatsarchirare Josef Schneuwly von Freiburg verdanke representant un roi ou un empereur assls sur son tr6ne avec une cou- ronne, la main droite tenant un sceptre et la main gauche ^lev^e en travers de la poitrine et Tindex ^tendu.

' Un prince on une princesse sur son tr6ue, mais tenant de la main droite une ^p^e et la main gauche tendue. C^est peut etre Tembleme de la Justice.

3*

36 VIII. Abhandlung: L. v. Rockinger.

Fol. 77 127 in der Weise reicht, dass an der Spitze eines jeden von beiden sich eine eigene Miniatur^ findet.

Den Text dieser Handschrift in den im Bande CXVIII, Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Haiser ,Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandschriften' II unter C a 6 mit.

88.

Freiburg im Uechtlande, Kantonsbibliothek, Mscr. Nr. 142. Auf Pergament in Grossquart im 15. Jahrhundert gefertigt, im Jahre 1781 im Besitze des Kanonikers Alois Fontaine an dem CoUegiatstifte s. Nikolaus zu Freiburg, welcher seine Bibliothek den Jesuiten daselbst vermachte, bei deren Aufhebung im Jahre 1848 die Handschrift an ihren jetzigen Lagerort gelangte. Haenel Catalogi a. a. 0. Sp. 665. v. Lassberg Nr. 35. Vgl. Homeyer's Bemerkung nach seiner Nr. 200. Catalogue de la bibliothfeque cantonale de Fribourg II, p. 609.

Sie enthält das Land- und das Lehenrecht. Das erste beginnt ^ mit den Worten ,Hie sint gebrieft ellÄ di rech du man hie nach vindet in dem lant recht buche' und schliesst: Hie hat das edel lant recht buch ein ende. Deo gratias. Der Anfang des Lehenrechtes lautet: Hie vahet an das edel und das gute buch daz da seyt von lehen rechte. Sein Schluss: Das verliehe uns der vatter und der sun und der heiliger geist. amen.

Den Text dieser Handschrift in den vorhin berührten Probestellen theilt Haiser a. a. O. unter Ca 7 mit.

[Der Fürstbischof von Frei sing Johann Franz Egkher, Freiherr von Kapfing, besass im Jahre 1696 die] Nr. 243.

[Hinsichtlich der Freising'schen Gesetzgebung des Fürst- bischofs Albert II. aus dem Geschlechte der Grafen von Hohen-

^ Die erste stellt dar un vassal pretant serment ou hommage k nn prince.

Die zweite dagegen denx personnages debont, dont Tune a les

bras crois^ int^rieurement snr la poitrine dans la posture dVn suppliant

on d*an p^nitent, k Tair de demander quelqne chose k Taatre qui Ini

met nne de ses mains sur T^panle.

2 Vgl. hiezQ die Ueberschrift des Verzeichnisses der Artikel in der vor- hergehenden Nr. 87: Hie hebet sich an das lantrecht buch, and sint gebrieft elli die recht die man vindet hie nach in dem lant recht bnche.

Berichte Aber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. 37

berg, dereinst Kanzlers des Kaisers Ludwig IV, auf dessen oberbaierischem Landrechte vom 7. Jänner 1346 sie beruht, mag hier der Ausgabe des Freiherrn Max Prokop von Frey- berg-Eisenberg in seiner Sammlung historischer Schriften und Urkunden V S. 163—238 aus dem Cod. germ. 266 der Bef- und Staatsbibliothek in München, in Homeyer's Verzeichniss Nr. 464, gedacht sein].

[Georg von Lerchenfeld zu Freising, 1521 1531, besass die] Nr. 243.

[Hat für sein Stadtrecht von Freising aus dem Jahre 1328 der Vorsprecher Ruprecht von dort den sogen. Schwabenspiegel benützt, so mag hier auch an die Handschriften jenes Stadt- rechts — in Homeyer's Verzeichniss Nr. 49, 371m, 464, 468, 472, 492 erinnert sein.

Insofeme die Nr. 472 auch das Landrecht des sogen. Schwabenspiegels enthält, kommt sie ohnehin in der gegen- wärtigen Verzeichnung zur Aufzählung, in der Nr. 250].

[Qeorg Parzner, Chorherr zu s. Veit in Freising, besass im Jahre 1733 die] Nr. 240.

[Im Besitze der steierischen Familien von Falbenhaupt und Freistein befand sich bis tief in das 17. Jahrhundert die] Nr. 153.

[Einzeichnungen eines ,Frenczel' über Grundstücks- erwerbungen finden sich in der] Nr. 65.

[Andreas Frick besass seinerzeit die] Nr. 94.

[Der Pfarrer Konrad Früe zu Unterensingen schrieb im Jahre 1431 die] Nr. 86.

89*.

Fürstlich Fürsten b er g'sche Hofbibliothek zu Donau- eschingen^ Nr. 738 (a). Die berühmte, nur mehr zu etwa zwei Drittheilen erhaltene Pergamenthandschrift des kaiserlichen Land' und Lehenrechts, welche für seinen Herrn Gregor von Falkenstein der Diakon Konrad von Lützelnheim im Jahre 1287 zu Freiburg im Breisgaue und Vörstätten^ in

^ Nach Art. L 219: den kvnde ich C^nradus von LVcelenhein ein'ewan- gelier, daz ich diz b&ch geschriben hau rainem herren Gregorien von Valkenstein. vnd wart angefangen ze Vriburg, vnde wart vollebraht ze Verstetten yf dem huse mit allen den dingen alse irz hie vor ivch

38 VIII. Abhandlung: L. t. Rockinger. «

dessen Nähe schrieb; zu Weinfelden im Thurgaue von dem Besitzer der ehemaligen Burg der Rucken von Tanneck unter dem Dache aufgefunden, woher sie im Jahre 1830 in die Hände des Freiherrn Josef Maria Christof v. Lassberg > auf der Mörsburg am Bodensee gelangte , der sie seinem Sohne Friedrich für dessen bekannte Ausgabe unseres Rechtsbuches vom Jahre 1840 zur Verfügung stellte. Vgl. die Vorrede des Professors Dr. Rey scher daselbst S. IX XVI. Mit der frei- herrUch v. Lassberg 'sehen Bibliothek gelangte sie in die ftLrst- lich Fürstenberg'sche nach Heiligenberg am Bodensee und an ihren jetzigen Lagerort. v. Lassberg Nr. 77. Homeyer Nr. 325. Dr. Barack, die Handschriften der fürstlich Fürstenberg'schen Hof bibliothek zu Donaueschingen, Nr. 738, S. 508/509.

Die Lücken der Handschrift sind in dem berührten Drucke LZ, welchem auch eine Schriftprobe beigegeben ist, aus der Nr. 463 ergänzt, die zwar gleichzeitig ist, aber einer anderen Familie angehört. Die Ausfüllungen selbst sind schnell aus der ,Synopsis' S. 226 256 d zu erkennen, in welcher sie in Klammern stehen.

90**.

Fürstlich Fürstenberg'sche Hof bibliothek ebendort, Nr. 738 (b). Unteres 13 Zeilen in zwei Spalten umfassendes Bruchstück des Verzeichnisses der Artikel einer mit der vorhergehenden nächstverwandten ^ Pergamenthandschrift des 13. oder 14. Jahrhunderts in Folio, die für das Landrecht über 156 Blätter mit je 33 35 Zeilen auf der Seite hatte. Barack a. a. 0. Nr. 738, S. 509.

Es enthält die Ueberschriften von Art. LZ 323 (Fol. 145) bis 333 (Fol. 149), wovon 330 fehlt, welcher wahrscheinlich

sehent. diz geschach in dem iare do man zalte von gotes gebvrte zwelf hvndert ahzeg vnd siben iar an sante Bartholomeus abent.

1 Vgl. über ihn Muncker in der ^Allgemeinen deutschen Biographie' XVII, S. 780—784.

2 V^l. beispielsweise: ob sich ein vrier man an ein gotes hus git. wie nvbomv kint erben t. da ein tohter ir vngenoz nimet.

wie man lant tegeding haben sol. bftzze nach gnaden, von'keiser Karlen gebotte. von getovften jvden. der sich dez riches gfttes vnder- windet.

der sin leben nvt versprichet. wie man den herren nvt sol ant- worten, wie man fursprechen git.

Berichte ftber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. 39

mit 329 vereinigt gewesen^ 355 (Fol. 154) bis 363 b wie man armen Ivten rihten sol (Fol. 156); vom Lehenrechte vom Art. 5 (Fol. 160 oder 161) bis 14 (Fol. 164), 29 (wahrscheinlich Fol. 169) bis 37 (Fol. 171).

91**.

Fürstlich Fürstenberg'sche Hofbibliothek ebendort, Nr. 738 (c). Zwei früher aneinandergeklebte Bruchstücke einer zweispaltigen Pergamenthandschrift des 13. Jahrhunderts mit rothen Ueberschriften der Artikel und abwechselnd rothen und blauen Anfangsbuchstaben derselben. Barack a. a. O. Nr. 738, S. 509.

Das erste, nur mehr 10 Zeilen des oberen Theiles des mit der rothen römischen Zahl 108 bezeichneten Blattes, fkllt in den Artikel des Landrechts LZ 201 1: ,den livten was. begriffet ein man eine ivncvrowen' bis: niht vbels dar vmbe liden. daz ist da von daz niht. 201 n von ,zerriben mit der hant, vnd ezze des komnes' bis 201 o: nfitten des daz arbeite heizzent. vnd er sol (bi sinem wibe sin vnde bi). 201 r von ,far den rihter. swederm sin gewizzen seit' bis: vnd im heizzen slagen als vil. 201 s von ,hie vnde vf dem ewigen ertriche. nn sprichet got nach' bis 201 1: jch verfluche allen irn ertwucher, ir lip vnd ir sele.

Das zweite noch 25 vollständige untere Zeilen enthaltende Blatt umfasst beinahe den ganzen Art. LZ 219, 220 mit der Ueberschrift ,lehenrecht' mit einem Abgange gegen den Schluss, 221 gleichfalls mit einer Lücke am Schlüsse, 222 mit einem kleinen Wegfalle am Schlüsse, 223 mit einem Ausfalle am An- fange, 224 bis zu den Worten: phlüc zwene tage, ich lihe dir daz mine anse lange, vnde kvment also.

91 Vi**.

Fürstlich Fürstenberg'sche Hofbibliothek ebendort, unter den Handschriftenbruchstücken. £in Blatt einer in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts fallenden Pergamenthand- schrift in Folio, zweispaltig. Dr. Alois Schulte in den Mit- theilungen des Instituts flir österreichische Geschichtsforschung Vn, S. 316—320.

40 YIII. Abhandlnng: L. ▼. Rockinger.

Es enthält aut der ei*sten Seite von dem Verzeichnisse der Artikel des Lehenrechts 89 141, während auf der zweiten noch 142 147 folgen.

Ihren Rest 1 Vh Spalten umfassend füllt der Anfang einer deutschen Bearbeitung der ältesten steierischen Land* handfeste vom 17. August 1186 aus der Zeit von 1239—1251.

92.

Fürstlich Fürstenberg 'sehe Hof bibliothek ebendort, Nr. 739. Auf Pergament in Quart am Schlüsse des 13. oder Anfange des 14. Jahrhunderts für den jungen Rudeger aus der Regensburger Familie von der Kapelle oder von der Pennen- kapelle ^ von Ernst dem Hunkofer aus Hunkofen oder jetzt Hinkofen im ehemaligen niederbaierischen Gerichte Neumarkt gefertigt. Später begegnet diese Handschrift in der Ebner'schen Bibliothek zu Nürnberg. Vgl. des Freiherrn Heinrich Christian V. Senkenberg Visiones diversae de collectionibus legum ger- manicarum Cap. IV, §. 57, S. 102, und im Appendix probationum IV b, S. 181—186 mit einer Schriftprobe auf der Tafel III; Christophori Theophili de Murr memorabilia bibliothecarum publicarum norimbergensium et universitatis altdorfinae, Nürn- berg 1788, II S. 141, Nr. 12; Gottfried Christof Ranner's Catalogus bibliothecae ab Hieronymo Guilielmo Ebnere ab Eschenbach etc. coUectae, Nürnberg 1812—1819, I S. 26, Nr. 204. Bei ihrer Veräusserung wurde sie von dem Etats- rathe Professor Dr. Andreas Wilhelm Cramer^ in Kiel um neun

* Nach der gereimten SchluBsbemerkuug : /

der bi sinen iungen tagen

ditz buch im scbriben hiez.

Daz tet ein schreibeer an verdriez

ze dienst dem werden Kappellser,

dem iungen hern Rudeger.

Helm schilt vnd sper

von art ist im gebser.

Ouch hat treu vnd ere

in im gehnset sere.

Des gibt sin schribeer,

Ernst der Hvnchovser. Vgl. hiezu die Auseinandersetzung im Bande CXVIII, Abh. X, S. 8 15. 3 Vgl. über ihn Ratjen in der , Allgemeinen deutschen Biographie* IV, 8. 546.

Bericht« über Handschriften des sog. Behwabenspiegels. IX. 41

Gulden erkauft; vgl. Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern der Literatur 1839, Band 2, S. 857. Bei der Versteigerung dieser Büchersammlung erwarb sie im Jahre 1835 Freiherr Friedrich Leonhard Anton v. Lassberg > zu Sigmaringen. Mit der freiherrlich v. Lassberg'schen Bibliothek gelangte sie an ihren jetzigen Lagerort. v. Lassberg Nr. 22, mit einer Schrift- probe unter der Nr. 89. Homeyer Nr. 326. Barack a. a. Ö. Nr. 739, S. 510 und 511.

Den Inhalt bildet das Buch der Könige alter Ehe, das Land- und Lehenrecht.

Eine Vergleichung der Folge der Ai;tikel gegenüber der Nr. 89 bietet die dritte Spalte der berührten Ausgabe welche auch Abweichungen von ihrem Texte in den Noten verzeichnet S. 226 bis 256 d. Der Wortlaut von drei in der Grundlage Nr. 388 der Ausgabe des Landrechts von Wackernagel fehlenden Artikeln ist da in den Ergänzungen und Zusätzen unter den Ziffern 381 bis 384 mitgetheilt. Den Text in den im Bande CXVIII, Abb. X, S. 20/21 in der Note 1 bemerkten Probestellen theilt Haiser ,Zur Genealogie der Schwaben- spiegelhandschriften' I unter £ mit.

Eine neuere Abschrift des Land- wie Lehenrechts findet sich unten in der Nr. 122.

93.

Fürstlich Fürstenberg 'sehe Hof bibliothek ebendort, Nr. 740. Auf Pergament in Kleinfolio in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Heinrich Telbanger^ aus Telbang im ehemaligen oberpfälzischen Gerichte Neumarkt '^ in zwei Spalten

' Vgl. über ihn Reyscher in der Vorrede zur Ausgabe des sogen. Schwa- benspiegels, S. 3—8.

' Nach der Schlussbemerkung: Qui me scribebat, H[enricu8] Telbanger nomen habebat.

3 Nach einer Urkunde aus diesem Gerichte vom Scholasticatage 1354 im baierischen allgemeinen Reichsarehive verkauften Heinrich Rosterstaler und seine Frau Margareth ihrem Oheim Heinrich Telbanger burger an der zeit zdem Newenmarkt di t&uer halbew ze Telbank u. s. w.

Am Mittwoche in der Osterwoche 1368 verkaufte Chunrad Runs- pekk zu Tattzperg und seine Frau Anna, die Witwe des Heinrich Telbanger, deren Sohn Heinrich Telbanger noch unmündig war, das

42 yill. Abhandlung: L. v. Bockinger.

gefertigt, nach einer wohl beim neuen Einbinden theilweise zu Grunde gegangenen FamiUenaufzeichnung ^ des 16. beziehungs- weise 17. Jahrhunderts einem Geschlechte Plass gehörig, später im Besitze des Schöffen v. Holzhausen zu Frankfurt am Main und Hanau, im Jahre 1837 von dem Antiquare Kettenbeil da- selbst ausgeboten, und vom Freiherm Friedrich v. Lassberg zu Sigmaringen erkauft. Vgl. v. Lassberg Nr. 151. Homeyer Nr. 327. Barack a. a. O. Nr. 740, S. 511 und 512.

Nach einem Verzeichnisse der Artikel des Land- und Lehenrechts je mit Verweisung auf die betreffenden Folien des Textes folgt dieser selbst, in welchem jetzt ein Blatt mit dem Schlüsse des Art. LZ 136 bis in den Anfang von 140 a fehlt.

Den Schluss bildet von der gleichen Hand des Königs Rudolf baierischer Landfriede vom 6. Juli 1281, welcher daraus im Urkundenbuche von Johann Daniel v. Olenschlager's neuer Bearbeitung der goldenen Bulle, Frankfurt und Leipzig 1766, unter Nr. 49 S. 127—138 gedruckt ist. Das vom königlichen geheimen Hausarchive unlängst erworbene Fxemplar enthält eine genaue Vergleichung mit dem Originale, welches ihrem Einzeichner ,Schöff v. Holzhausen in Hanau geliehen' hatte, vom 3. Jänner 1830. Nach einer Abschrift Johann Friedrich Böhmer's zu Frankfurt hieraus ist er jetzt im Legum tom. H der Monumenta Germaniae historica S. 427 430 veröffentlicht, aus dem Originale im allgemeinen Reichsarchive zu München in den Quellen und Erörterungen zur baierischen und deutschen Geschichte V, S. 338-349.

Die Vergleichung der Reihenfolge der Artikel des Land- und Lehenrechts mit der Nr. 89 bietet die vierte Spalte der jSynopsis' des Druckes LZ welcher auch Abweichungen von ihrem Texte in den Noten verzeichnet S. 226 bis 256 d. Den Wortlaut in den im Bande CXVHI, Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Haiser a. a. 0. 1 unter T mit.

genannte Gut und anderes an den Neumarkter Bürger Seifried den Rotgeb. 1 Auf der Rückgeite des letzten Blattes ist noch erhalten: eins erbem rabts gesessen, ist anno 1596 gestorben, ligt auch bej s. Latzarus zu Regensburg? begraben, hat ein söhn Dionisj Plassen. gott geh im ein langes leben md was im hie zeitlich ynd dordt ewig nutz vnd guett ist.

Berichte über Handschriften des sog. Schwabenapiegels. IX. 43

94.

Fürstlich Fürstenberg 'sehe Hof bibliothek ebendort, Nr. 741. Auf Papier in Folio in zwei Spalten im Jahre 1463 gefertigt, früher einem Andreas Frick gehörig, später in der V. Herrwai't'schen * Bibliothek, am 22. August 1784 von dem bekannten Dr. Johann Heinrich Prieser zu Augsburg bei dem Buchhändler Junginger um 5 Gulden erworben, im Catalogus codi cum manuscriptorum qui extant in bibliotheca Prieseriana vom Jahre 1803 S. 4 unter Nr. 9 aufgefiihrt, am 13. des Brach- monats 1840 aus der Birret'schen Antiquariatshandlung des Fidel Butsch zu Augsburg um 12 Reichsgulden vom Freiherm Josef V. Lassberg erkauft, v. Lassberg Nr. 129. Homeyer Nr. 573. Barack a. a. O. Nr. 741, S. 512 und 513. Rockinger 0 S. 387/388.

Von Fol. 1 56 Sp. 1 findet sich das Landrecht in 179 Artikeln, woran sich unmittelbar bis 73 Sp. 2 das Lehen- recht in 57 Artikeln reiht.

Von Fol. 83 91' begegnet ein wohl in der ersten Hälfte oder vielleicht im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts geschrie- bener Processus judiciarius. Vgl. Rockinger a. a. O. S. 388.

Das Verhältniss der Artikel unseres Land- und Lehen-

fechts zum Drucke des Freiherrn v. Lassberg ist bei Rockinger

a. a. O. S. 389—399-400—420 ersichtlich. Den Text der

vorhin erwähnten Probestellen theilt Haiser a. a. O. II unter

C b 12 mit.

95.

Fürstlich Fürstenberg'sche Hof bibliothek ebendort, Nr. 742. Auf Papier in Folio mit dem Wasserzeichen der Wage zweispaltig für den Edelknecht Johann von Spre? im Jahre 1458- geschrieben, nach einer Bemerkung auf dem

1 Vgl. V. Eisenhart in der »Allgemeinen deutschen Biographie* XIII, S. 169—176.

2 Nach der Schiassbemerkung:

Liber jurium ciuilium cum feodalium Johani de Spr (mit einer Schlinge nach dem r) armigeri nee non suorum fautorum, conpletus anno domini [14]68.

Hie hat das lehenrecht vnd lantrechtbuch ein ende. Qot alle falsche richter sehende. Deo gracias.

44 VUI. Abhandlung : L. v. B o e k i n g e r.

oberen Rande der Vorderdecke des mit rothem Leder über- zogenen Holzbandes ^ ^ad bibliothecam D. Bernardi Schfin' ge- hörig, später im Besitze des Geheimrathes Professors und Domherrn Dr. Johann Leonhard Hug^ zu Freiburg im Breis- gaue. Vgl. Amann in den beiden Fascikeln seiner Notitia aliquot eodicum manuscriptorum qui Friburgi servantur ad jurisprudentiam speetantium 1836 und 1837, hier II S. 15 17 und namentlich 24 30 und 32—50, woselbst das Verhältniss zu der Ausgabe unseres Rechtbuches von Hieronymus von der Lahr in des Freiherrn Heinrich Christian von Senkenberg Corpus juris germanici publici ac privati II Abth. 1 S. 1 492 und 1 188 ersichtlich ist. v. Lassberg Nr. 34. Homeyer Nr. 344. Barack a. a. O. Nr. 742, S. 514 und 515.

Auf dem vierten Blatte der ersten Lage, und zwar eines Quaternes, beginnt das Verzeichniss der Artikel des Land- rechts , welches 3 Blätter und die Hälfte der ersten Spalte der Vorderseite des vierten Blattes füllt. Mit der zweiten Lage beginnen Sexterne, und folgt das Landrecht in 392 Artikeln bis zum eilften Blatte des siebenten Sexternes, woran sich un- mittelbar am letzten Drittel der zweiten Spalte der Rückseite das Verzeichniss der Artikel des Lehenrechts bis an den Schluss der Lage reiht, so dass das Lehenrecht selbst in 157 Artikeln mit dem achten Sexterne beginnt und nach der Mitte der zweiten Spalte der Rückseite des zehnten Blattes dieses Sexternes schliesst.

Den Text dieser Handschrift in den im Bande CXVHI, Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Haiser a. a. O. II unter Cb 27 mit.

1 Eine Bulle des Pabstes Urban an den Erzbischof von Trier, den Probst von 8. Symeon und den Dekan zu s. Maria in Wesel, beider Kirchen in der DiOcese Trier, in der Angelegenheit der Besetzung der The- saurarie ist dem Vorderdeckel aufgeklebt, und als Nachsetzblatt hinten frei eingebunden.

Auf der letzten Seite des Schlussblattes ist auch ein Rundschreiben eines Canonicus und decanus beatae Mariae virginis. p. treverensis dioecesis an die Dekane Pfarrer und Viceplebani zur Unterstützung eines sartor H eingetragen.

» Vgl. über ihn Lutterbeck in der ,Allgemeinen deutschen Biographie* Xm, 8. 303/304.

Bericht« fiber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. 40

96.

Fürstlich Fürs tenberg 'sehe Hofbibliothek ebendort, Nr. 743. Auf Papier in Folio, mit Ausnahme des durchlaufend geschriebenen Verzeichnisses der Artikel, zweispaltig im 16. Jahr- hundert gefertigt, in Holzdeckel mit gelbem Lederüberzuge ge- bunden, früher mit je fünf Buckeln und mit zwei Schliessen versehen, auf der Vorderdecke mit einem aufgeklebten Schilde ,Lanndtrecht vnnd Lehennrecht puech' in schöner Schrift, am Rücken mit einem gleichfalls alten Papierschilde: Land vnd Lehen Recht Buch M. 3. Barack a. a. O. Nr. 743, S. 516.

Voran geht ein abwechselnd roth und schwarz ge- schriebenes Verzeichniss der Artikel je mit Verweisungen auf die Folien des Textes, welche in diesem von der ursprüng- lichen Hand je oben in der Mitte der Vorderseite jedes Blattes mit rothen römischen Zahlen bemerkt sind. Von Fol. 1 102 Sp. 2 reicht das Landrecht in 351 Artikeln, und unmittelbar darnach bis Fol. 143' Sp. 2 das Lehenrecht in 154 Artikeln, welches zwischen Art. LZ 158 und dem nicht besonders als Artikel bezeichneten Schlüsse des Werkes den an seiner sonstigen Stelle fehlenden Art. LZ 14 des Landrechts ein- geschoben hat.

Den Text dieser Handschrift in den vorhin berührten Probestellen theilt Haiser ,Zur Qenealogie der Schwaben spiegel- handschriften' 11 unter Da 6 mit.

97.

Fürstlich Fürstenberg'sche Hofbibliothek ebendaselbst, Nr. 744, nach einer Einzeichnung des 15. oder 16. Jahrhunderts -auf dem ersten Blatte' und auf der Innenseite des Hinter- deckels von Hans Ostermair durch Hans Stupf zu München erkauft, auf Papier in Quart von einem Martin us im Jahre 1480^ durchlaufend mit rothen Ueberschriften der Artikel und rothen Anfangsbuchstaben derselben geschrieben, in Holzdeckel gebunden, welche über den Rücken bis in die Hälfte des Vorder-

1 Hans Stapffen ist das pach. Kaiserleiche recht, lantrecht, vnd ein anszng pabstleicher recht, van Hansen Ostermair kauft.

2 Nach der rothen Schlussbemerkang : Finitus est liber jste per me Mar- tinum feria sexta proxima ante enuncciationem Marie virginis anno domini etc. Ixxx.

46 Yin. Abhandinng : L . y. B o c k i n g e t.

wie Hinterdeckels mit braunem gepresstem Leder tiberzogen sind, mit einer Messingschliesse. Barack a. a. O. Nr. 744, S. 516. Nach einigen von der gleichen Hand auf die erste Seite des zweiten Blattes bemerkten Auszügen aus einem Stadt- rechte' und den rothen Versen:

Du solt stätlklich nach gottes huld werben,

als ob du weitest von stund an sterben,

vnd gerechtiklich nach guet streben,

als weitest albeg leben:

das hab dir zw ainer 1er,

so beleibest da bey guet vnd er,

folgt von Pol. 3 8 das Verzeichniss der durchgezählten 528 Artikel des Land- und Lehenrechts, wovon 373 auf das erstere treffen. Auf Fol. 9 beginnt als ,Kayser Karls Lanndt BuecV das ,Landt recht puech, vnd lernet wie man ain y gliche sach richten stille' bis Fol. 136', in Wirklichkeit in 376 Artikeln, deren letzter = LZ 377, woran sich unmittelbar von Fol. 137—192 das Lehenrecht reiht mit dem roth ge- schriebenen Ende:

Hie hat das leben puech ein ennde. Got vnser seelen enpfach jn sein hennde.

Im Artikelverzeichnisse steht zwischen Art. 334 vom Kirchendiebstahle und 335 von dem Falle, dass einer sein ge- raubtes oder gestohlenes Gut bei Jemanden findet, roth: Die recht seczt babst Leo vnd künig Karel sein brueder ze Rom jn ainem concilj, vnd andre recht vil die ymmer mer von den keczeren vnd hernach an das lehen puech stendt geschriben etc. Im Texte selbst findet sich an der betreffenden Stelle, Fol. 126, gleichfalls roth: Die recht satzte setzt babst Leo vnd kunig Karel sein brueder ze Rom jn ainem concilj geseczt haben- vnd als die rubrick binden jn der tafel setzt so h&ben sj sich an dem capitel von den chetzeren an. Was gerade das betrifft, stösst man zwischen den Art. 316 von Verwundung und 317 von den Ketzern auf Fol. 118 auf folgende wieder roth ge- schriebene Bemerkung: Item binden jn der tafeP setzt ein

1 Von totten geschäft. Ob ein man oder fraw an dem todpett jr hab hin schaffet durch got oder durch frewntschaft. Vmb verkanffen vnd verti- gung erbtails. Was ein g^ette gewonhayt sey: das sind all sach die mit got sind vnd nicht wider geschribens recht etc.

' Offenbar von der Vorlage unserer Handschrift.

Berichte über Randscbriften des sog^. Schwabensptegels. IX. 47

rubrick wie babst Leo vnd chünig Karel sein brueder ze ainem concilj ze Rome die recht geseezt haben von dem capitel von den chetzeren hintz auf das lehen puech: vnd stet doch die rubrick erst vor dem capittel cccxxxix von aller lay hande hunden der die stilt oder siecht etc.

Den Text dieser Handschrift in den oben im Bande CXVIII, Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt Kaiser a. a. O. EL unter C b 8 mit.

98.

Fürstlich Ftirstenberg'sche Hofbibliothek ebendort, Nr. 747. Auf Papier in Kleinqnart, durchlaufend, im Jahre 1442 ^ gefertigt, von Fol. 188' an viel gedrängter als bis dahin geschrieben, möglicherweise ursprünglich nach Hall im Unterinnthale ^ ge- hörig, auf der zweiten Seite des ersten leeren Blattes mit der Einzeichnung des Namens ,W]lham Klopffer^ von einer Hand des 16. Jahrhunderts. Barack a. a. O. Nr. 747, S. 518 und 519.

Den Inhalt bildet zunächst das oberbaierische Landrecht des Kaisers Ludwig vom Jahre 1346, dann unter dem rothen Titel: ,Dicz ist das puch genomen von dem decret vnd von dem Decretal vnd von kunig Karls recht und von gots wort ge- nomen' der sogen. Schwabenspiegel von Fol. 97 234 252 der neuen Foliirung, woran sich von Fol. 252' 261 das Ver- zeichniss der Artikel mit der je treffenden Verweisung auf die alte mit römischen Zahlen je in der Mitte oben angebrachte Foliirung anschliesst. Vgl. Rockinger C im Bande LXXIX S. 91 unter Ziffer 2, S. 92—150, im Bande LXXX S. 308—380. Haiser a. a. O. U unter De.

99.

Fürstlich Fürstenberg'sche Bibliothek zu Prag. Hand- schrift auf Papier in Quart, im 15./16. Jahrhundert gefertigt.

1 Vgl. im Eingang^e des Lehenrechtes, bei Rockinger C (LXXX) 8. 371 Note 22: Jedoch sey wir nu in der sibenten weit gebesen tausent jar vier hundert jar Ynd in dem xlij jar.

' Zn ihrem Einbände ist für die Bekleidung der inneren Seite der Yorder- wie Hinterdecke, bis zum Einschlage der ersten und letzten Lage, ein Gerichtsbrief des Fronboten Haintz Kittzinger zu Hall beniltzt worden, welchen er an Stelle seines Herrn fertigte, des Pflegers Heinrich Snell- mann daselbst, vom Mittwoche vor Agnes des Jahres 1375.

48 VIII. Abhandlung: L. t. Rockinger.

Böhmische Bearbeitung c von Fol. 64—67. Hanka, Pfe- hled pramenu prawnich w Öechäch, S. 158, Nr. 11.

[In der fürstlich Fürstenberg'schen Bibliothek, eben- dort, soll sich nach Homeyer Nr. 643 zufolge einer Mittheilung Hanka's, in dessen vorhin berührter Abhandlung ich sie nicht aufgeführt sehe, die böhmische Bearbeitung b (und dann wohl auch c) finden. Ob eine Verwechslung mit der Nr. 99?

Ich vermag hierüber keine Aufklärung zu geben, da mein an die fUrstliche Bibliothek nach Prag d esshalb gerichtetes Er- suchen um Auskunft vom 20. December 1875 an mich mit der Aufschrift ,Retour. Wird nicht angenommen' zurückgelangte.]

[Aus dem Benediktinerstifte s. Mang zu Füssen in Ober- baiem stammt die] Nr. 384.

100.

Fulda, königliche Landesbibliothek, früher IV d 20, jetzt D 26. Auf Papier in Folio im 15. Jahrhundert zweispaltig mit rothen Ueberschriften der Artikel und rothen Anfangsbuch- staben derselben in der Weise gefertigt, dass jedesmal die erste oder auch die zwei ersten wie hie und da sogar drei Zeilen des Textes der einzelnen Artikel sehr gross schwarz geschrieben sind, früher wohl in Wirzburg ^ befindlich gewesen, in Holzdeckel mit schwarzem Lederüberzuge gebunden, vorne und hinten mit je 5 Messingbuckeln, früher auch mit zwei Schliessriemen versehen. Homeyer Nr. 205. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde V S. 225.

Das Landrecht besteht aus 285 Artikeln, von welchen die letzten denen der Ausgabe LZ folgendermassen entsprechen: 281 = LZ 375 V, 282 = LZ 377, 283 = LZ 377 I, 284 = LZ 376, 285 = LZ 319 L Das Lehenrecht umfasst 108 Ar- tikel, deren letzter = LZ 148, 149, 150.

1 Auf der zweiten Seite des jetzigen Fol. 104 findet sich ein Concept eines an das Domkapitel gerichteten Schreibens einer Hand des 16. oder 17. Jahrhunderts, worin ein Geistlicher nach dem Tode des Domvikars Neidhart Schmidt gegenüber einer Barbara Scbefferin Erbansprflcbe er- hebt, und dabei erwähnt, dass er im Auftrage eben des Kapitels Jnn stiffts dörfferen als Verspach, Lengfeit, Rottendorff vnd Bleichacher ViertheP gottesdienstliche Verrichtungen und pfarrliche Actus Yor- genommen.

Berichte Aber Handsohriften des 9og. Sehirabenspiegels. IX. 49

101.

Fulda, ebendaselbst, früher IVD 19, jetzt D 27. Auf Pergament im 14. Jahrhundert zweispaltig geschrieben, bis in das 17. Jahrhundert im Besitze des Benediktinerstiftes Blau- beuren ' gewesen. Gerken's Reisen I, S. 141. Archiv der Ge- sellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde VII, S. 804 unter Ziffer 3. Von Homeyer in Nr. 648 zu Stuttgart gesucht. Neues Archiv a. a. 0. V, S. 225.

Die Lagen dieser interessanten Handschrift sind folgende: ein Quintern, dessen erstes Blatt dem Vorderdeckel aufgeklebt ist; zwei Quaterne; zwei Quinterne; ein Quatern; ein Sextern; endlich noch eine Lage von drei Bogen, deren letztes Blatt nun dem Hinterdeckel aufgeklebt ist.

Die ersten vier Blätter bis in die sechste Zeile der ersten Spalte der Rückseite des letzten fUllt das Verzeichniss der Artikel des Land- und Lehenrechts, die theilweise da anders lauten als die Ueberschriften im Texte selbst, und zwar so, dass die rothen Blattbezeichnungen des Textes regelmässig bis in das Lehenrecht hinein beigefugt sind, woselbst sie auf ein- mal nicht mehr zu finden, wohl aus dem Grunde, weil von dem Artikel des Registers = Art. LZ 8 ,alz man den kvnic wihen soV gegenüber dem des Textes ,der von dem riebe lehen hat^ das genaue Zusammengehen aufhört.

Daran knüpft sich nach einem Zwischenraum von nur drei Zeilen, deren erste die rothe Ueberschrift einnimmt, dass hier sich dieses Buch anhebe, das Landrecht in 301 Artikeln bis LZ 370 einschliesslich, das Lehenrecht in 63 Artikeln bis LZ 72a einschliesslich, in der Weise, dass mit dem fUnften Blatte der Handschrift je am oberen Rande in dem Räume zwischen den inneren Spaltenlinien eine rothe römische Be- zeichnung der Folien von 1 70 einschliesslich beginnt, mit dessen erster Seite das Werk selbst aufhört, während nach dem Verzeichnisse der Artikel dasselbe noch keineswegs zu Ende sein soll, indem dieses noch eine Menge von Artikeln

^ Auf den dem Vorder- wie Hinterdeckel innen aufgeklebten Blättern finden sich Einträge von Blanbenren ans den Jahren 1482, 1488, 1492, und auf dem ersten Blatte über dem Artikel Verzeichnisse stellt: Mona« sterij Blauburanj 1636.

SitzQngsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Hd. 8. Abh. 4

50 YIII. AbhAndlnng: L. t. Bookinger.

aufführt, von welchen die folgenden daselbst den Schluss bilden: fursten ampt, von dez kvnigez lehenrechte, dez pfalcz- graven lehen, bure lehen, wie der herre vnd der man ein ander wider sagen snllen, bürg maister lehen, der sinen mannen tag git, diz ist daz slos dez büchs.

102.

Fulda, ebendort, früher IV d 21, jetzt D 32. Auf Papier mit zweierlei Wasserzeichen, worunter der Mohrenkopf mit der Binde, in Folio zweispaltig nach der Schlussbemerkung am Donnerstage vor s. Georg des heiligen Marterers und auch Nothhelfers Tag im Jahre 1429 von Paul Behem von Hildburg- hausen ^ vollendet, im Jahre 1628 im Besitze des Benediktiner- stiftes Weingarten. Zapf s Reisen in Baiern u. s. w. S. 19. Archiv a. a. O. VII, S. 804 unter Ziffer 4. v. Lassberg ver- muthete sie in Nr. 150 in der königlichen Privatbibliothek zu Stuttgart, bemerkt aber, dass sie dort nicht vorhanden. Auch Homeyer suchte sie in Nr. 649 daselbst, während sie in Nr. 206 richtig, freilich mit der Jahreszahl 1492 eingereiht ist. Ende- mann in seiner Einleitung zum kleinen Kaiserrechte S. 49 unter Ziffer 6. Neues Archiv a. a. O. V, S. 225.

Voran geht eine Lage von 5 Bogen mit dem Inhalts- beziehungsweise Artikelvcrzeichnisse,^ wovon das erste und

* Oben in der zweiten Spalte des sonst leeren Schlnssblattes hat der Be- sitzer unserer Handschrift bemerkt:

Item dissz büchs seind xviiij seczst stem. da hab ich geben ie von aim iiij gr. vnd vmb das bappir viij gr. vnd xvj den. vmb dz pappir. ynd viiij gr. das man es gebunden hat. ^ Darnach schreib ich das register darnach man vindet alle artickel die in disem puch geschriben stend.

Von den heiligen patriarchen. Vorrede, dann von Abraham bis Susanna. Item hie hebt sich an das jsrahelisch kunig puch an: von David bis Darius. Item hie hebt sich an das puch Machabeorum: von Judas bis Eleazar. Item hie hebt sich an das puch der heiligen frawen Bester. Item hie hebt sich an das puch Judithen. Item von eins hem lere. Item das seint lantrecht. Die mehrfach vorkommenden 11 be- sonderen Artikel.

Item hie hebt sich an das lant recht pnch, nämlich das Land- recht des sogen. Schwabenspiegels. Ein besonderer Abschnitt ist dur^h ein Paragraphenzeichen und durch Unterstreichen angedeutet bei: Item des kaisers gewalt.

Berichte Aber Handschriften dei Bog. Sehwabenspiegels. JX. 51

letzte Blatt unbeschrieben^ von der Mittellage das zweite aus- geschnitten ist, ohne dass übrigens desshalb vom Inhalte etwas fehlen würde.

Dann folgt der Text selbst auf 19 Lagen, grösstentheils Sexternen, einmal einer Lage von 7 Bogen, der Schlusslage von 5 Bogen, von deren letztem das Endblatt nicht mehr und von dem vorletzten nur mehr die erste Seite beschrieben ist. Jedes Blatt ist auf der Vorderseite oben in dem Räume zwischen den beiden Spalten mit gleichzeitigen rothen römischen Zahlen bezeichnet, von 1 224, worunter 111 zweimal vor- kommt.

Der Anfang lautet roth: Da hernach stend geschriben recht, des ersten die recht der patriarchen. zu dem andern lantrecht. zu dem dritten kaiserliche recht, zu dem vierden payrisch recht.

Von Patriarchen, in der Weise wie das Inhaltsver- zeichniss früher angegeben hat, von Fol. 1 62 Sp. 2, woran sich die sogenannte vgl. Rockinger in F S. 298 bis 300 gute Herren lehre schliesst bis fast gegen Ende der zweiten Spalte des Fol. 63.

Mit Fol. 63' beginnen unter der rothen Ueberschrift ,Hie hebt sich an das puch von den lant rechten' die 11 besonderen Artikel, wovon Rockinger in F, S. 310 und 318 335 handelt, bis Fol. 71 Sp. 1 über die Mitte. Von diesen Artikeln hat der sechste den sonstigen zweiten Absatz von b nicht mehr.

Unmittelbar hieran knüpft sich nach den Versen:

Dem ditz pach sol,

der ist eren wol

wert das ich das sprich, das tnn ich gern.

got mftsz yn gutes stet geweren.

des Wunsch ich im on allen spot.

des helff mir vnd im got,

unter der rothen Ueberschrift ,Auch ein puch von lant rechten' mit etwas grösserer Initiale H das Landrecht bis Art. LZ 117 einschliesslich, bis Fol. 110 Sp. 1 in der Mitte, woselbst roth ,amen' steht.

Auf der zweiten Spalte beginnt der Rest des Landrechts unter der rothen Ueberschrift: ,Hie hernach stend geschriben

Item wer lehen recht kunnen wolle: das Lehonrecht des sogen. Schwabenspiegels.

4*

52 yill. Abbandlnng: L. ▼. Rockin ger.

die kaiserlichen recht als sie gemacht hat kaiser Karl der

grosz^ bis Fol. 187 Sp. 1 gegen die Mitte.

Nach einem Zwischenräume von wenig mehr als zwei

Zeilen reiht sich unter der rothen Ueberschrift: ,Da her nach

stend geschriben payrische recht, vnd leren lehen recht, wer

die kunnen woU, der volge disem puch' das Lehenrecht des

sogen. Schwabenspiegels an, bis ungefähr einem Drittel der

Spalte 2 des Fol. 224. .

102 Vj.

Fulda, ebendort, früher IVd 23, jetzt D 36. Auf Papier in Kleinfolio von verschiedenen Schreibern gefertigt, und von der Kehrseite des Blattes clxxxiiii der 16. Lage an von Johann Frauenlob dem jüngeren aus Bischofszeil im Jahre 1449 voll- endet.^ Steffenhagen in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der Akademie der Wissenschaften in Wien, Band CXI, S. 603-642.

Soweit es sich um die Arbeit eben des Johann Frauen- lob handelt, gehört sie den mehrfach erscheinenden alphabe- tischen Rechtswörterbüchern an. Vgl. Steffenhagen a. a. O. S. 610 613, §. 4 und 5. Gegen den Schluss finden sich auf der Bückseite des Blattes 388 bis zur Rückseite von 391 Ge- richtsformeln aus der Zeit des Kaisers Karl IV, deren Sprache auf Baiem weist, welche Steffenhagen im §. 6 S. 613—619 mitgetheilt hat.

In unmittelbarem Anschlüsse ohne Unterbrechung folgen Artikel des Landrechts des sogen. Schwabenspiegels, LZ Art. 151 154, deren Ordnung dahin verändert ist, dass Art. 153 ,ob sy ain anders suchen^ und Art. 154 vor Art. 151 b ,der man sol och mit rechte vam' und Art. 152 vorangehen.

Hierauf folgt das Rubrum: Hie haut das ain end von dem lantrecht.

Das letzte Stück endlich ist vgl. Steffenhagen §. 7 S. 619 bis 626 unter der Ueberschrift ,Wie vnd in welcher band wyse man fiyden haltten solle, vnd von denen die den

> Nach dem gereimten Schiasse:

Hie hant dis recht ain end. Das vns gott sin hilffe send, unter einem Zwischenräume von einer Zeile: Ffinitus est über iste anno domini 1449 per me Johannem Frowenlop juniorem de Zella Episcopali etc.

B«richte Aber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. IX. o3

frid brechen was sy verfallen. Das alles wirt hernach begriflFen' eine paraphrastische Uebersetzung des Landfriedens des Kaisers Friedrich I. vom Jahre 1156 aus den Libri feudorum II 27 und der dazu gehörigen Glosse, wie auch in anderen Handschriften gerade von solchen alphabetischen Rechtswörterbtichern, sozu- sagen der früheste Ansatz zu einer deutschen Bearbeitung der Libri feudorum, welche lange vor die erste vollständige Ueber- setzung des Jodok Pflantzmann f^Ut.

Eine Zusammenstellung der Abschnitte dieser Handschrift mit den vom Freiherm v. Lassberg mitgetheilten ,alphabeti- schen Hauptrubriken' des unter Nr. 248 folgenden Cod. geiin. 507 der Hof- und Staatsbibliothek zu München gibt Steffen- hagen a. a. O. S. 629 634, mit den Veröffentlichungen des Professors Dr. Johann Christian Siebenkees zu Altdorf bei Nürnberg aus der seinerzeit ihm gehörig gewesenen unter Nr. 364 folgenden Handschrift der Universitätsbibliothek in Strassburg in seinem juristischen Magazin' II S. 206 258 ebendort S. 636—638. Vgl. auch unten die Nr. 296.

[Dem fürstlich Fuld ansehen Rathe Johann Volpracht wurden im Jahre 1578 geschenkt die] Nrn. 422 423.

Anhang.

Nr. 66V2 zu S. 19.

Dresden, königl. öffentliche Bibliothek, M69™. Auf Pa- pier in Folio im 15. Jahrhundert von verschiedenen Händen gefertigt, aus dem Nachlasse des Lord B***** im Jahre 1841 erworben. Schnorr v. Carolsfeld, Katalog der Handschriften der königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden, H S. 470/471.

Nach der deutschen Bearbeitung von des ,Johannes Fri- burgensis, dictus Lector, summa confessorum' durch den Do- minikanerbruder Berchtold von Bl. 1 279' und einigen anderen Werken, von der gleichen Hand geschrieben, folgt von einer anderen von Bl. 307 390 das kaiserliche Land- und Lehen- recht, aus dem Jahre 1480.*

1 Nach der Bemerkung am Schlüsse: Explicit hoc totum anno etc. im Ix iar, in die Gordiani epimachi.]

54 VIII. Abh. : L. V. R 0 c k i n g c r. Ber. Ober Handschr. d. sog. Schwabenspiegels. IX.

Die Blätter 307—312 füllt das Verzeichniss der Ar- tikel. Auf der Rückseite des Blattes 312 beginnt das Land- recht: HEiT Gott himmlischer vater durich dein miltew gütti- chait beschtifFt dw den menschen. Zwischen Bl. 377 und 378, dem ersten und letzten einer Lage, fehlen die hineingehörigen 10? Blätter. Nach dem Lehenrechte und der Nachricht über die Vollendung der Handschrift schliessen die Hexameter:

Interpone tais interdum gaudia curia,

vt possis animo quemuis suffenre laborem etc.

IX. Abh: Mufldafia. Stadien zu d«n mittelalterlichen Marienlegenden. III.

IX.

Studien zu den mittelalterlichen Marienlegenden. IIL

Voo

A. MuBsafla,

wirkt. Hitgliede der kais. Akademie der Winenschaften.

Die Handschrift des Britischen Museums Vespas. D. 19 (13. Jahrh.)^ trägt an der Spitze die Ueberschrift Nigdli de longo Campo, Darauf die Verse:

In quascunque Tnantut pervenerit üte libellus, Dicat: in etema requiescat pace NigeUtis. Si quid in hoc modico quod te juvet esse libello Contigerit, dicas: sit lux etema Nigello, Hujus quisquis eris conspector forte libeUi Die: ita, Christe Jesu, miseri miserere Nigelli, Factoris memor esto tui sie, parve libelle, Sepius et dicas: vivas sine fine, Nigelle.

Auf mehrere kleine Gedichte geistlichen Inhaltes' folgt fol. 5 24: Incipiunt miracula sancte Dei genitricis virginis

1 Angeführt in Smith's Katalog (S. 115); daraus bei Oudin, Fabricins, Lejser. Alles, was ich ans dieser Handschrift mittheile, verdanke ich der grossen Güte des H. Henry Ward in London.

2 Sie mOgen hier aufgezählt werden:

1. Verse an Honorius, Prior zu Canterburj (f 1188):

Ecclane Chritti ßo% nobüiUUu, JJonm'i,

Non onu» es, aed honoa, decus et decor, apltu honori. 22 Zeilen.

2. ,Lignum dnlce':

lAgnum dulce teneru »ic dulcia pondera ligm

Peruetj ut et mores nni tarUo pandere digni, 18 Zeilen.

3. Ueber PrivatvermOgen der Mönche:

Qttid quenmt mundum qni m^tndum degeruere? Begtda propriftm numacho permiUU höhere. 12 Zeilen. SiUnngsher. d. phiL-hisfe. CI. CXIX. Bd. 9. Abh. 1

IX. Abhundlungf: Mussafia.

Marie . Verdfice. Darauf andere drei Gedichte ebenfalls geist- lichen Inhaltes,^ worunter ein überaus langes über den heil. Laurentius. Nach dem Inhaltsverzeichnisse sollten folgen Versiis

4. Der Mensch wird nach seinem Reichthume geschätzt:

Qvo mihi non Ucfuit nee adhtic licet ire geUHtem,

MiUo, salutis egena jamque »alute careru. 43 Zeilen, da am

Schlüsse zum Mindesten ein Pentameter fehlt.

5. Hymnus auf die heil. Katharina:

Virgo triumplialis, decor orbis, honor specialis , Sorte nilens hina, virgo martir Katerina. 20 Zeilen.

6. Tod des gerechten Mannes ist neues Leben:

Ofmiitur cum sole dieSf cum lampade »plendor^

Cum, rectore roHs^ cum domina[nJte domwf. 28 Zeilen.

7. Schilderung eines guten MOnchs:

Fron» demiasOf graves ocuU, vox ahaque tumuÜUy

Mens humüigj dhus exiguus, vestis nne cultu. 10 Zeilen.

8. Grabschrift:

Mora deditf Emma, tUA post mortem vivere carnia;

Vivere morte tua mora dedit, Emma, tibi. 10 Zeilen.

9. lieber das Schenken:

liea jocunda dare aed non jocunda rogare;

Dando fit ingratua qui dal prece aoUiciltUua. 8 Zeilen.

10. lieber den Verfall der Welt; am Schlüsse Klage über den Tod

des Priors Honorius: Ecce aeneacentia mwvli jnveneacere cepit

Ei'TOr, et eat Ucitteni quicquid in orhe lihel, 54 Zeilen.

11. Ueber Honorius:

QwUuor in templo procerum qui pertuUt enaeji Imhuit exemplo virtutia Canturienaea, 18 Zeilen.

12. Ueber den Tod eines Mannes:

Vir aponae gremio, palria in lare, mcUria in alvo

Pro pati-e, pro aponaa, pro genürice jacet» 14 Zeilen.

14. Mönchsregel:

[QJuid deceat monachum vel qualia deheat eaae

Qui juftet ut dicam porrigat ipae manum. 379 Zeilen, der letzte Pentameter fehlt.

15. Leben des heil. Laurentius; im Ganzen 2344 Zeilen.

Der Prolog beginnt: Palma triumphalia roaeo rfdimila cruore Divitiia ctmctia digno precellil honore.

Das Leben beginnt: Tempore quo Deciua romana aedit in urhe Sub Deeio verbi diapenaana dogmata turbe.

Der Epilog beginnt: Quicquid agant aJH tarnen hoc in fine libelli, InclUe Laurenti, miaeri miaerere NigelU,

Studien zu den mittelalterlicben Marionlefi;enden. III. o

de archiepiscopis Cant. ecclesie quis cui »uccessit, welche aber in der Handschrift fehlend Endlich kommt ein geistlicher Rhythmus,^ welcher jedoch im Inhaltsverzeichnisse nicht an- geführt wird und wohl zu den vorangehenden Stücken nicht in Beziehung steht. Diese scheinen insgesammt von Nigellus den man (ob mit Recht?) Wirekerus zu nennen pflegt herzurühren. Vielleicht findet sich durch vorliegende Notiz Jemand veranlasst, die schriftstellerische Thätigkeit des Ver- fassers des Speculum stul forum eindringlicher zu untersuchen. Was die mich hier allein angehende Sammlung von Marienlegenden betrifft, so ist ihr Inhalt folgender:

Prolog; 36 Zeilen.

Virgims et matria celebri memoranda relatu Scribere pauca volo, ducfus amore pio.

Paucula de midtis placet excerpisse Marie Morilms et gestis hac hrevitate mein.

16. Leben des heil. Paulus des Einsiedlers:

Jua9Ü adorari Deeitu nmulacra deorum Vir Südens penas et cedem ccUholicorum. 751 Zeilen. » n. Ward fand das Stück in der Handschrift Cotton. Yitellius A. XI, fol. 37 ^. Es sind 75 Zeilen, enthaltend das Verzeiehniss der ErzbischOfe von Augustin bis Richard von Dover. Die letzten eilf Zeilen lauten: Inde gradu ßtnctus est pre consortifjits unctus Presid Ricardus, vir mitis et ad mala tardus. Hnic successorem det iU (»nnilnis his meliorem Qui dal humo rarem det td hac in parte perorem. Omnia qui eer^iis nee corda gementia spemis, Qui poles et miseris semper miserando mederis, Respice quid patimur, que causa vel unde ferimur. Plantet et expeliat tua dertera vimque repellatf Viribus excellai ne vir qui nigra nigellat, Assit solamen miserorum vite le/amen, Sic miserando tarnen ut quod dedit auf erat., Amen. Ich führe diese mir nicht vollständig klaren Verse wegen der im drittletzten enthaltenen Anspielung aaf Nigellus an. Diese eilf Schlusszeilen finden sich auch (von einer Hand des Ende des 16 Jahrh. nachgetragen) in der Handschrift des Brit. Mus. Arundel 23 (15. Jahrh.) am Ende des Speculum stultorum. ' Vitam claudit hominum paueitas dierum

Nee est inter homines qid dAcemat verum;

Jnm plebs jusle murmurat cofnjtradicens clerum,

Facta est confusiOy perit ordo rerum,

19 vierzeilige Strophen.

1*

^ IX. Abhandlung: Mnssafia

Buch I.

1. 1. Theophilus; 304 Zeilen.

Res levis et fragUis flanfique simlllima vento Est caro sub camis conditione situ.

2. 2. S, Dunstan; 116 Zeilen.

Optima terrarum fecunda Britannia muris Clauditur equoreis, instda grata satis.

Alter in hoc mundo paradisus delitiarum Delitiis plenus creditur esse locus.

Mellea terra favi mellis, gens lactea lactis Fertilitate fluens dvlcia queque parit.

3. 3. Julian und Basilius; 104 Zeilen.

Pessima fex kominum Julianus apostata, regum Pessimus, ecclesie subdolus hostis erat,

4. 4. S. Hildefonsus; 59^ Zeilen.

Nobilis antistes fuit Ildefonsus in urbe Nomine ITioleto, nobüitatis honos.

Buch II.

5. 1. Befreiung von Chartres; 112 Zeilen.

Presserat obsessis Carnoti civibus urbem Dux Normannorum Rollo dolore gravi.

6. 2. Ertrunkener Mönch zum Leben wieder gerufen;

188 Zeilen.

Fugerat in claustrum mundum fugiendo sequentem Clericus, ut monachus nomine reque foret,

7. 3. Teufel als Ochß, Hund, Löwe; 98 Zeilen.

AÜer amore jne monachus cenobita Marie Fervebat studio nocte dieque pio.

8. 4. Unzüchtiger Mönch von S. Peter in Cöln; 102 Zeilen.

Viribus atque viris bene culta Colonia dignum Ex re nomen höhet, urbs populosa satis.

9. 5. ,De mairona a demone coram senatu Itheraia* ; gewiss

Jncest'; 356 Zeilen.

1 Es muss also entweder eine Zeile fehlen oder der Dichter hat sich irgend eine Unregelmässigkeit in der Anwendung der Hexameter und Pentameter entschlüpfen lassen.

Stadien so den mittelelterlichen Marienlegenden. III. O

Militis tucorem romanis dvibus ortam Contimit optata prole carere diu.

10. 6. Judenknabe; 72 Zeilen:

Forte dies aderat, quo sdcre camis ad esum Agni paschalis turba venire solet,^

11. 7. Kind reicht dem Christuskinde Brot; 34 Zeilen:*

Solvere vota volens, puero preeunte teneUo, Virginia in templum venit honesta parens.

Buch m.

12. 1. Milch; und zwar, nach der ersten Zeile zu urtheilen,

die Fassung, welche von den Blumen und Kräutern als Sinnbildern der Psalmen berichtet; Toul. III <^ 28; 168 Zeilen.

Extitit Europe juvenis de partibus ortus Clericus officio, juris araator homo.

13. 2. Priester kann nur eine Messe; 184 Zeilen.

Moribus ornattis phis quam sermone latino Presbiter extiterat, simplidtatis homo.

Nach dem Umfange des Stückes mtisste es sich um eine andere als die übliche Fassung (P 9) handeln.

14. 3. Jude leiht dem Christen Geld; 186 Zeilen.

Civis in urbe fuit Constantinopolitana, Nobilis et nimie simplidtatis homo.

Vir mercator erat nomenque Theodorus Uli, Exstitit et census non mediocris et.

Der Name Theodorus deutet auf die Fassung in Oxf. IIP 14, Toul. m^' 2.

> Die zwei letzten Zeilen lauten:

Narrat adhuc hodie gena kec Pi/aana Marie Pronior obsequiis qfficiisqiie püt.

Wenn in Pyaana kein Fehler steckt, so können diese Zeilen doch kaum zu ,Judenknabe* gehören. Man würde eher an ,Marienbräutigam zu Pisa* (P 16) denken. 2 In der oben erwähnten Hs. des Brit. Mus. Arundel 23, fol. 67 findet sich nach dem Spectdum atuUorum des Nigellus dieses ,Miraculum'. Die zwei ersten Zeilen bieten keine Varianten (Mittheilung des H. Ward).

(y IX. Abliaiidluug: Mussafia.

15. 4. Liebe durch Teufelskunst ^ ; 298 Zeilen.

Arserat illicito correphvs amore puelle Clericus a cleri condidone procul.

16. 5. Aebtissin; 276 Zeilen.

Plurima cum revocent iendentis ad ardua gressvmi^ Fortius obsistunt spintus atque caro.

Alle 16 Stücke sind demnach bekannt; welche Sammlung dem Dichter vorgelegen sei, ist nicht genau zu bestimmen; wir haben indessen gesehen, dass wenigstens bezüglich zweier Legenden Zusammenhang mit jener allem Anscheine nach in England entstandenen Sammlung, die von , Oxford' am besten repräsentirt wird, mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden kann. Auch von III 4 kann man dasselbe vermuthen, da dieses Stück in den continentalen Sammlungen bereits in Versen abgefasst ist, während ,Oxford' eine prosaische Darstellung bietet.

Die vollständige Herausgabe der Sammlung wäre wün- schenswerth.

Johannes de Garlandia (13. Jahrh.) verftisste ein bisher ungedrucktes Gedieht De miraculis B, V, M. Es besteht aus sechszeiligen Strophen mit der Keimstellung aab cch. Aus der Handschrift der Bibliothek zu Bruges 506 druckte A. Scheler im Jahrbuch für romanische Literatur VI, 55 die zwei ersten und die letzte Strophe ab. Die Ueberschrift in dieser Hand- schrift lautet: Gloriose vinjinis miracida a parvitate mea descripta ab armadio S, Genoveve Parisieims extracia sunt et a me sco- laribVfS meis ridmificata u. s. w. Die erste Strophe wurde dann auch von Haureau, Nofices et extraits des mss. de la bibL nationale XXVI, partie (1877) mitgetheilt. Leider hat der gelehrte Verfasser, welcher die übrigen Schriften Johannes' eindringlich untersuchte, die in Rede stehende keiner weiteren Beachtung gewürdigt. In der Handschrift zu Bruges zählt das

> Die Rubrik lautet zwar De clerico pro puella Deum negante; doch H. Ward bemerkt mir dazu: ,retused to deny Christ and the Virgin*; wie es denn in allen Fassungen heisst, der Teufel habe wohl zuerst die Bedingung gestellt, der Cleriker solle Christus und Maria ver- leugnen, sei aber dann davon abgestanden.

HtndioD zn den mittelaltor liehen Msrieulegendeu. III. 7

Gedicht 170 Strophen , während in der des Brit. Museums Roy. 8. C. IV (14. Jahrh.) sich 1155 Zeüen = 192 Vi Strophen finden. In dieser Handschrift führt das Werk den Titel Stella maris de miraculis B. V. M, Herr H. Ward, dem ich diese Mit- theilung verdanke; fügt hinzu: meist wird auf die Wunder^ deren im Ganzen 58 aufgezählt sind, blos angespielt: doch , Judenknabe', jTeufej^^^^k^^^StißE-oi. s. w.', ^Kaiserin von Rom', ,Kind dem Teufel' sind ausführlich, »Kleiner Teufel in der Kirche'^, ,Maler und Teufel' kurz erzählt. Meine Versuche, über die einzelnen Legenden Näheres zu erfahren, waren ver- geblich; da indessen fast alle Wunder, die Johannes erwähnt, bereits bekannt sein dürften und, im Falle sich etwaa Neues finden sollte, wir aus der blossen Anspielung wenig erfahren könnten, so glaube ich, dass Johannes' Schrift für die Legen- denkunde kaum von Belang sein wird. Bei dem sich immer Steigeraden Eifer, mit welchem das Studium der mittelalter- lichen Literatur gepflegt wird, ist zu erwarten, dass auch diesem Werke des Johannes einige Aufmerksamkeit wird zu- gewandt werden. Dazu anzuregen ist vorliegende kurze Nach- richt bestimmt. Ich füge schliesslich hinzu, dass eine Strophe folgendermassen lautet: Dum Parmenses invaserunt Fredericum et tulerunt Viryinis imaginem, fugit victus et vincentes ijitu- lerunt impercentes stragem miserahilem. Wenn es sich, wie kaum zu zweifeln ist, um eine Episode der Kämpfe zwischen Friedrich II. und Parma (1247 1248) handelt, so hat man da einen Anhaltspunkt für die Datirung des Werkes.

Eine Sammlung von Legenden in Versen (es sind zu- meist leoninische Hexameter) ist mir in zwei Handschriften bekannt: Pariser Nationalbibliothek, lat. 14857 (Ende des 14. Jahrh.) und Bibliothek zu Metz 612 (14.— 15. Jahrh.)^. Auch in der Vaticanischon Handschrift 4318 (15. Jahrh.)

' Was für ein Wunder damit gemeint ist, ist mir nicht näher bekannt.

2 Eine vollständige Abschrift der letzteren theilte mir Dr. Seelisch mit, welcher wahrscheinlich die ganze Handschrift herausgeben wird. Die Initia der ersten eilf Stücke der Pariser Handschrift verdanke ich H. C. Couderc.

8 IX. Abhandlung: Mussafia.

findet sich von fol. 72 an dieselbe Sammlung, nur folgt hier auf jede versificirte Fassung eine Darstellung in Prosa ^.

1. Pförtnerin; vgl. Par. Handschrift 18134, Nr. 59. Sie heisst Beatrix, wie bei Caes. Heisterb. VII, 34. Zeile 1—47.

Virgo fuU quedam, metrice quam plenius edam, Per quam* mira satis fecit mater pietaiis.

* Par. Hs. Pro qua.

2. Priester kann nur eine Messe. Z. 48 64.

Quidam Francorum fuit in regione sacerdos

Qmi solam tantum mtssam* cantare solebat

, Salve aancta parens* cum magno cor du amore.

* Par. Hs. Qui aolam missam semper.

3. Ein Spieler flucht bei den Gliedern Christi. Als er bei Maria flucht, erhält er einen Schlag (alaphum . . , ferocem) und stirbt. Z. 65-80.

Quidam Francigeiie juvenes duo tesseravere* Et consederunt plures** qui vina biberunt.-f

* Par. Hs. ccifsavere; am Rande certavere. ** Par. II s. multi»

f Par. Hs. hibuertmi,

4. Einer will M. nicht verleugnen. Der Fassung bei Caes. Heisterb. II, 12 zunächst stehend. Z. 81 136.

Audivi Signum, quod duxi scribere dignum Quomodo propida miseris solet esse Maria Dives erat juvenis, nullis constrictu^* kdbenis,

* Par. Hs. uüia constitutum.

5. Ein Domherr pflegt, so oft er sich zu seiner Freundin begibt, die Kirche zu durchschreiten und in seiner Eile unter- lässt er es, sich vor den Bildern M.'s und der Heiligen zu verneigen. Als er einmal in der Nacht heimkehrt, ruft ihm Johannes der Täufer zu: yAmplius . . . per templum non potes ire' . . . Talia dum dixit hunc praedo (praeco?) Dei pede flixit.

* Ich drücke mich so aus, weil ich dies für das Wahrscheinlichere halte. Die Notiz, welche H. Dr. Goldmann mir mittheilte, lautet: 1. Virgo fuit quedam metrice quam plenius edam etc. FuU quedam nohUis virgo que circUer sex annos claustrali vita fuercU insignitay in qua pro/ecU in tantum etc.; 2. Quidam Francorum etc. Hoc miraculum tale est quod in Francia clericfis quidam qui cum magna devodone etc. Es konnte also immerhin möglich sein, dass nur der Anfang der versificirten Fassungen da sei,

Studien za den mittelalterlichen Marienlegenden. III. 9

Der Sünder fällt zur Erde; mit Mühe erreicht er seine Wohnung. Die Wassersucht beßlllt ihn; von Reue erfüllt, beichtet er und stirbt. Z. 137 155.

Canonicum quidam Bonensis habebat amicam Atqae per ecclesiam semper* transifrü ad ülam.

Siabat in eccle^ia ptdcherrima scidpta Maria.

* Par. Ha. sepe.

6. Marienbräutigam; die Fassung entspricht jener von P16. , Z. 156-174.

Piaarms* quidam dUeacit cor de Mariam; Horas cotidie sibi dixit religiöse,

Acddit ut sponsam veheret sibi leffüimatam,

* Par. Us. Hitpamu.

7. M. siegt im Turnier an Stelle des Ritters. Dieser heisst Walter, wie bei Caes. Heisterb. VII, 38. Die Dar- stellung ist aber meist verschieden. Walter hat einen Genossen, Namens Walüanits oder Walewanus, Nach vollendetem Gottes- dienste fragt Ersterer seinen Gefährten, wie das Turnier aus- gefallen sei. ,Tibi laus est data diei . . . non est laudandus Oliverus sive Rolandus respectu viri, qui tot vi vincit equestrij Beide gehen ins Kloster. Während Walter betet, desuper in manibus crux aurea panditur ejus; das Kreuz hat die Kraft, das Fieber zu heilen. Die Gräfin Aleydis bittet es sich aus, et satis ad fratrum dedit usum valde buturum. Tempore quo viacit Walewanus hoc mihi dixit, Z. 175 230.

Müite stib* quodam scio quod miracula prodam; nie Brabantinus fuit et probitate supinus,**

Dictus Walterus . . .

* Par. Ha. de, ** Par. Ha. supremus.

8. Ein Convers kann nur Ave M. beten ; kurze Zeit nach seinem Tode spriesst aus seinem Herzen ein Bäumchen her- vor (tumba parit quasi ficvrni de didci corde fratinsj] auf den Blättern steht A. M. geschrieben. Vgl. Thomas Cantimpr. XXIX, 9 und Jac. a Varag. LI, 2. Dass der Convers nach der Lesung der Metzer Handschrift ein Pole ist, stimmt zu einer Version, welche Warrens zu Jean Mielot (S. X) anführt: Arund. 506, fol. 4^: In Polenia miles quidam; Add. 18364, p. 50: In Palonia laycus quidam. Ein anderer Punkt, worin die Fassung dieser

10 IX. Abhandlung: Mushafia.

Handschriften mit der versificirten Legende übereinstimmt, ist, dass das Bäumchen aus dem Herzen (nicht, wie meist, aus dem Munde) des Begrabenen emporspriesst. Z. 231 246.

Quidam conversus cogit me fingere versus, Qui. super omne piam düexit corde Mariam, Quod* fait ille hontis et simplex atqae Polonus,^

* Par. Hs vd. f Par. Hb. oolontu.

9. Ein Ritter bestellt zu sich ein Mädchen; als er erfährt, es heisse M., schont er es. Er stirbt im Turnier und wird deshalb ausser dem Friedhofe begraben; nam qui sie moritur, cum iustis 7wn sepelitur. Er erscheint einem Freunde und meldet ihm, M. habe flir ihn von Gott Verzeihung erwirkt; er möge den Pfarrer auffordern, ihn an geweihter Stelle zu bestatten. Zu vergleichen mit V. Bellov. 102—103. Z. 247—287.

Ad tornamentum miles cum plebe cli&ntum Perrexit letus, mundi levitate repletu^.

Dum* transit villam, magnam vidit esse** coream.

* Par. Hs. Et. ** Par. Hs. ilU.

10. Ein Räuber, zum Richtplatz geflihrt, beichtet seine Sünden und fleht M. an. Die von der Hinrichtung Zurück- kehrenden sagen einem Besessenen: ,Freut euch, ihr habt wieder eine Seele gewonnen.' Tunc demon . . .: ,Noster man- sisset ... 8t non meminisset illius domin f'. Mit Caes. Heisterb. VH, 57 übereinstimmend. Z. 288—300.

Cum decollandus a vudice praedo nephandus Presbiterum peteret* solamen ut eins** haberet, No7if potuit fieri; tunc c^pit praedo fateri

Ptssima peccata.

* So Par. Hs. ; Metz hat eine nicht deutliche Abkürzung

** vt eiua fehlt in Metz, f Metz nam.

11. Aebtissin.^ Z. 301—364.

Reginae cell qui servit niente fideli Ex omni pena trahit illum virgo serena . . . Quedam devota fuit abbatissa remota Criminis a peste.

1 Aus der mir gewordenen Mittheilung ersehe ich nicht mit Bestimmtheit, ob die Par. Handschrift 11 nach 12 stellt oder ob sie 11 anslässt.

Studien zu den mittelailterlich«ii Harienlegendeii. HI. 11

12. Eine Nonne betet das Ave M. ; das Christuskind bittet sie, manchmal auch zu ihm ^Ave benigne Deus^ zu sagen. Z. 367—374.

(iaedam devota moniaUs, dum sua vota Solvit mente pia, dejyromit Ave Maria, Inf ans, qui sedit in ymagine, dulciter edit,

13. Ein Schüler singt ,Gaude Maria*. Ein Jude tödtet ihn und versteckt die abgehauenen Glieder unter einem Balken. Da hört er wieder aus der Kirche den Gesang des Schülers ertönen. Er eilt zur Stelle, wo er die zerstückelte Leiche ver- borgen hat, und findet sie nicht mehr. Der Schüler meldet dem Pfarrer das Wunder und zeigt zur Bekräftigung seiner Aus- sage die Narben. Der Jude wird gefangen genommen, er be- kehrt sich. Vgl. Paris, lat. 18134, Nr. 28; Thom. Cantimpr. S. 542. Die Darstellung weist aber viele Abweichungen auf. Z. 375-411.

Presbtter eximiam soliens^ laudare Mariam Suevit cantare ,Gavde Maria^ scolare Versu cantante Gabi'ielem voce sonante.

14. Ein Ritter lebt vom Raube in Saus und Braus. Ein- mal legt er sich nach dem Abendessen in frohester Laune nieder. Da wird sein Geist .dem Leibe entrückt; ein Dämon führt ihn zuerst zur Hölle, wo er ihm die Qualen Jener zeigt, welche einen dem seinen ähnlichen Lebenswandel geführt hatten; dann vor den Richterstuhl Gottes, wo der Dämon seine Ansprüche auf den Sünder geltend macht. Der Schutz- engel bringt zu Gunsten des Letzteren seine Verehrung gegen M. in Erinnerung und M. selbst betet zu Gott, der Ritter möge fortleben, um ihr zu dienen. Als der Schlafende erwacht, sind ihm Nägel und Haare so gewachsen, dass selbst die eigene Frau ihn nicht mehr erkennt. Er theilt seine Vision einem Abte mit, entsagt der Welt und wird Mönch. Z. 412—463.

Hascia Francorum pars est et plena latronum. Quidam degebat ibi miles, qui rapiebat Semper et occidit, quaecunque placentia mdit.

1 sie; Fortwirken des Ableitungsvocals von aoleo wie im Komanischen oder falsche Messung des o?

175 IX. Abhandlung: HnssafiB.

15. Das Haus, in welchem Christus das Licht der Welt erblickte, ist ein Kloster. Ein Esel trägt das Holz der Mönche. Ein Löwe tödtet ihn. Die Mönche fUhren gegen ihn Klage beim heil. Hieronymus, welcher den Löwen excommunicirt. Das Thier wird traurig und magert ab; da kommt es vor das Kloster, um Verzeihung flehend. Hieronymus legt ihm als Busse auf, den Dienst des Esels zu verrichten. Der Löwe gehorcht.« Z. 464—491.

Ula beata domus, in qua de virgine Christus Venerat in mundum, nunc est venerabile daustrum,

16. Eine Frau geht zur Kirche mit ihrem Knäblein; da wird ihr dieses von einem Wolfe entrissen. Sie tritt vor den Altar M.'s und nimmt aus ihrem Schoosse das Jesuskind. ,6ib mir meinen Sohn wieder, dann bekommst du deinen.' Sie kehrt heim und pflegt das Jesuskind wie ihr eigenes. Während sie schläft, legt der Wolf seine Beute vor das Hausthor. Die erfreute Mutter bringt M. ihr Kind zurück. So ziemlich mit Caes. Heisterb. VH 45 übereinstimmend. Z. 492 510:

Ivit ad ecdesiam per silvam rtistica qu^dam Infantemque tulit, quem lupus arripuit.^

17.3 Eiji Bettler (er wird auch clericus genannt) findet ein altes verwahrlostes Marienbild, das man aus einer nahen Kirche weggeworfen hatte. Er verfertigt aus Zweigen eine Kapelle und stellt darin das Bild auf, das er zuvor gereinigt und mit Blumen geschmückt hat; auch spendet er einen Zierat von Zinn. Dann geht er zum Feste in die Stadt. In der Kirche erscheint ihm M., lehrt ihm die fünf Freuden beten. Auch gibt sie ihm einen Auftrag: ,Gehe zum Bischof. Er war einst ein Karthäusermönch und mir innigst ergeben; jetzt aber in seiner neuen Würde vergisst er meiner; ermahne ihn, sich mir wieder zuzuwenden.* Als der Bettler auf seine Armuth und Unwissenheit hinweist, spricht ihm M. Muth zu; wie der Bischof die Messe lesen würde, würde sich die Hostie in ein Kind verwandeln und nur der Bischof und er würden das Wunder bemerken; per hoc Signum nuncio fidem adibebit. Als

1 Also kein Marienwunder.

2 Beinahe die ganze Legende ist in Distichen.

3 Fehlt in der Vaticanischen Handschrift.

Stadien zn den mittelalterlichen Kerienlegenden. III. 13

der Cleriker zum Bischof geht, wollen ihn die Umstehenden weg- jagen; der Bischof aber nimmt ihn freundlich auf. Der Cle- riker entledigt sich seines Auftrages und tritt in ein Kloster. Z. 511—626:1

Qaidam mendicus Christi genitrids amicus; Ad cujus festum proponens ire comestum Pertransit villam; sed quando praeterit illam Affuü ecclesia, de qua fuit una Maria Viliter abjecta.

Auf die vielfachen Berührungspunkte mit Caesarius möge noch einmal hingewiesen werden; es liesse sich vielleicht daraus irgend ein Anhaltspunkt flLr die Ermittlung der Heimat der kleinen Sammlung gewinnen.

In einer Handschrift der Amplonianischen Sammlung in der königl. Bibliothek zu Erfurt, von Friedrich Kritz' unter Nr. 44 beschrieben; findet sich eine Sammlung von Marien- wundem in elegischem Versmasse , deren Verfasser sich am Schlüsse Volpertus (oder Vulpertus) doctor in Ahusa (oder Al- husa? siehe unten) nennt. Dieselbe kommt noch vor in zwei Handschriften der Münchner Hof- und Staatsbibliothek: 4350 von fol. 11 an und 4146 von fol. 22' an (beide vom 15. Jahrh.)^ Eine Handschrift der Grazer Universitätsbibliothek enthält auf fol. 368 375 ein Bruchstück aus dem Ende der Sammlung; überdies auf fol. 381 als selbstständiges Stück Nr. 1 ,Hilde- fonsus'.*

Ich gebe im Folgenden den Inhalt der Sammlung an:

1 Diese längste mir sonst unbekannte Legende weist vielfach Ver- schiedenheiten im Metrum auf, die aufzuzählen hier nicht am Platze ist.

^ De codicUrtu büdiothecae Ampfonianae ErfurUntia potioribus . . . Erfurt, 1850. Die Direction der königl. Bibliothek hatte die Güte, mir die Handschrift zuzusenden. Das in der Zwischenzeit erschienene ,yer- zeichniss der Amplon. Hss.-Sammlung zu Erfurt von Wilh. Schum. Berlin 1887' führt unsere Hs. unter Hs. in Quarte Nr. 49 auf.

^ Beide Handschriften wurden mir von der Direction der kOnigl. Bibliothek gütigst zugesandt.

* Ich verdanke diese Nachricht Herrn Professor O. Keller, derzeit in Prag, welcher mir ausführliche Auszüge daraus mittheilte. Die Signatur der Handschrift ist mir entfallen.

14 IX. Abhandlung: Mussafia.

Der Prolog, aus acht Distichen bestehend^ beginnt: '

Virginis intacte nüractda fempto Marie Scribere; propositum dirigat illa meum»

1. Hildefonsus = P 1. 14 Dist.

Presul erat magnus, Hyldefonsus vocitatus, Splendidus eloquüs ingenioque vigens,

2. Ertrunkener Mönch = P 2. 34 D.

Cenobii custos, fervore lihidinis ardens, Sepms ad Veneris ire solebat opus,

3. Chartres; ausser der Kirche begraben = P 3. 14 D.

Deditvs iUecebris vife facttsque superbis In Kamothenst clericus urbe fuit,

4. Sieben Freuden = P 4. 14 D.

Clericus antyphonam, qua gaudia quinqus residtanf, Que matrem domini letificare solent.

5. Armer Mann gibt Almosen := P 5. 8 D.

Vir miser in quadam villa sub paupere tecto Mansit, ab indigenis parva tributa petens.

6. Gehängter Dieb = P 6. 13 D.

In genitrice Dei für Eppo spem sibi ponens Cum prece continua glorißcavit eam,

7. Lasterhafter Mönch zu St. Peter in Cöln = P 7. 19 D.

Porrigitur monacho morbi pulsura dolorem Potio, sed misero sumpta medela nocet.

8. Giraldus = P 8. 38 D.

Quisquis adire cupis snncforuvi limina, cordis Interiora stude ptirificare tui.

9. Priester kann nur eine Messe = P 9. 24 D.'

Presbiter officium solummodo noverat unum, Quod cxmit ecclesia de genitrice Dei.

1 An Varianten »ie sind überhaupt selten und unwesentlich führe ich hier nur ein paar an, die einige Wichtigkeit haben.

2 So Monac. 4350; Monac. 4146 hat nm 3 Dist. mehr. Ich vers&nmte, die Erfurter Handschrift nach dieser Richtung zu untersuchen.

Stadien zu den mitteUlterlicben Harienlegenden. III. 15

10. Zwei Brüder in Rom = P 10. 23 D.

Roma duo8 hahuit intra sua menia fratres; Hie Stepharms, Petras ilh vocatus erat,

11. Humbertus = P 12. 18 D.

Frater ei^at quidam verbo levis, improbus actUj Ecclesieque priai* eOctüü ilh sue,

12. Hieronymus = P 13. 13 D.

Forte fuit quidam Papie clericus urhis

Incola, Jerommus nomine, fraude carens.

13. Anseimus = P 14. 14 D.

Nobilis ecclesia Michaelis honore dicata Religione viget, Clusaque nomen habet,

14. Unversehrtes Marienbild in der Michaelskirche =

P 15. 14 D. *

Altera cella tibi, Michael, ascribitur, in qua Servorum Domini maxima turba viget,

15. Marienbräutigam zu Pisa = P 16. 34 D.

Canonicum quidam Pise fuit incola, matrem Prindpis etherei ghrificare studens.

16. Amputirter Fuss = P 18. 16 D.

SuA titulo fidei Vivaria vivit; in illa Ecclesiam genitrix Omnipotentis habet.

17. Murieldis = P 17. 10 D,

Perdiderat sensum cujusdam militis uxor, Demonis horrifico ludificata dolo,

18. Conception = P 19. 25 D.

Cum Deus Anglorum gentem punire, suoque

Firmius obsequio stringere vellet eam, Wühelmi probitas dv^ . .

19. Libia = P 20. 29 D.^

Bissenos proceres Salvator misit in urbem, Qui rudibus popuUs celica verba serant.

* Ob P 21 ,Geth8emani* fehlt oder mit ,Libia* zu Einern Wunder vereinigt sei, kann ich nicht angeben.

16 IX. Abhandlung: Mnssafia.

20. Entbindung im Meere = P 22. 17 D.

Ecclesiam celebrem, qtie vulgo Tumba vocatur, Plurima cwm fredbus querere twrha seiet,

21. Teufel in Thiergestalt = P 23. 32 D.

Fraier erat nimio satiatus munere Backi; Suhcubuit rado turbine victa meri,

22. Kind wieder zum Leben gerufen = P 24. 31 D.

Nobile cenobium tenet in se Oallia, cuitis Limina Continus plebs numerosa terit

23. Schiffbruch der nach Jerusalem fahrenden Pilger =

P 27. 24 D.

Urbi Jherusalem peregrinos destinat ardor Mentis, et ingreditur sedula turba rafem.

24. Schiffbruch; Licht auf dem Mäste = P 28. 24 D.

Dum vehit abbatem vada per neptunia puppis, Occupat in pelago seva procella ratem.

25. Completorium = P 29. 7 D.

Cuiusdam monachi devocio tota Marie Virginia obsequio dedita semper erat,

26. Milch = P 30. 24 D.

Reginam superum f rater devofus amabat Servitiumque frequens testis amoris erat.

27. Judenknabe == P 31. 30 D.

Judei puerum scola docta receperai olim, Cognitus ut ßeret aermo latintis ei.

28. Eulalia = P 32. 16 D.

Religiosa soror, Eulalia nomine dicta, Incola cenobii Cestoniensis erat.

29. Jude leiht dem Christen = P 33. 58 D.

Prodigus in quadam civis fuü urbe stiasque Propter honoris opus diMribuebat opes.

30. Ungewöhnliche Feier bei Cambrai = P 34. 46 D.

Qui de matre Dei meditatur mente ßdeli Jugiter, ille Deo se sociare parat . . .

Cl'ericus orandi studio loca sacra peragrans Rdigiosorum cepit adire locum.

Stadien xu den mittelttlfterlichen Harienlegenden. III. 17

Explieit primu8 Über; incipit secundua.^

31. Liebe durch Teufelskunst = P 35. 48 D.

Actenus ignavo per longa silentia sompno Deditus inceptum Uquerat anctor opus . . .

Antistes juvenem nutrivit amore paterno; Presulia imperio subditus üle fmt.

32. Aebtissin = P 36. 69 D.

Quisquis es egrotäns animo seu corpore, summt Auxilium medici quere; heatus eris . . .

Abbatissa fuit flos claustri, forma sororum, Justide speculum, religionis amans.

33. Bonus = P 37. 28 D.

DUectus Domino, fidei defensor, amicus Juris et ecclesie gloria presul erat,

34. Leuricus = P 38. 24 D.

Quidam frater erat, Liuricus nomine, f actis Lubricus et monaehi religione carens.

35. Unzüchtiger Mönch ertrinkt; ein Freund betet für

ihn = P 39. 85 D.

Accidit in quodam Signum memorabile claustro, Quod mea vult humüi musa referre stilo,

36. Deutscher Edelmann in England geheilt = P40. 18 ü.

Clara stirpe satus, sed corpore languidus egro Theutonica vir erat in regione manens.

37. Ehefrau und Buhlin. 13 D.

Cum vir adtdferio gaudet, sua sponsa querelam Movit in ecclesia, virgo Maria, fua.

38. Frau mit der Kerze = Jac. a Varag. XXXVII, 2.^ 29 D.

Virginis ad laudem, que celica sceptra gubernat, Inclita pauperibus femina sparsit opes.

1 Dieser Vermerk, welcher, wie der folgende kleine Prolog zeigt, nrsprüng-

Hch ist, fehlt in den zwei Münchner Handschriften. ' Die Frau kann in die Kapelle nicht gehen, weil sie alle ihre Kleider

Terschenkt hatte. Bitzangsber. d. phil.-biiit. Cl. CXIX. Bd. 9. Abh. 2

18 IX. Abhandlung: Mnssafia.

39. Unvollständige Busse der Nonne = P 41. 29 D.

Extitit m quodam claustro soror inclita, florem Virginitatis habens et sine labe manens.

40. Schleier hebt sich am Samstag = P 42.

Lavde nitet celebri ConstantinopoUs, in qua Est apvd Argolicos pantificalis apex,

41. Zwei Brüder (Abt, Mönch) beten ftlr die Seele ihres Vaters = Monac. 18659 und 2617, Nr. 44. 43 D.

Hostibus horribHem bellique vigore potentem Foverat in gremio gallica terra vi'rumA

42. Mönche hören auf, die Horae zu singen = Monac. 18659 und 2617, Nr. 45. 18 D.

Cura senum statuit ut sacre virginis horas Contio cottidie religiosa canat,

43. Mönch sieht ein mondformiges Licht = Monac. 18659 und 2617, Nr. 46. 4 D.

Cvm monachtis sancte matutinale Marie Psalter et ofßciwm, Ivas nova fuLsit ei.

44. Eine Frau erlangt wieder die Liebe ihres ehebrecheri- schen Gemahls dadurch, dass sie die sieben Marientage, zumal den der EmpfUngniss, andächtig feiert. HD.

Dives erat claris mutier^ natalibus orta

Pulchra genis, animo provida, grata Deo.

45. Am Thore von Capua findet sich ein Marienbild; eine Jüdin steht um Mitternacht auf et ante beatam efßgiem Domine feda tributa dedit, Sie wird von zwei Teufeln ergriflFen; im Sterben erzählt sie ihre Qual und die Ursache derselben. Eine andere Jüdin speit das Bild an; sie wird von einem Wolfe zerrissen. 12 D.

Ad portam Capue sancte stat ymago Marie; Lummis etherei gratia Imlrai mm.

Exclamatio an die Jungfrau. 3 D.

46. Theophilus. 141 D.

Theophüum mea musa metro mefire; stipremwm Carminis obtineat vir bonus iste locum,

^ In der Mitte dieser Erzählang beginnt das Grazer Fra^ent. 3 So Erf.; die zwei Monac. mul. cl.

Studien za den mittelalterlichen tfarienlegenden. III. 19

Der SchluBS lantet:

Queso tue matrü humüem rege, Christe, poetam,

Eiu8 ut auxilix) celica dona metam. Virgo, tuum vultu placato respice vatem;

Jam, quia poiiu^^ adest, te duce, sisto ratem, Plurima preteriens e multis pauca notavi;

Est mea de pelago prora soluta gram. Perlege, pure puer, puerilia carmina Ute;

Virginia huius ope dona supema mete. Qui^ 81 forte nequis magnoa audire poetas,

Primitvs iMa leges, hinc pociora^ petas. Zematibus^ pingunt alii sua carmina claris;

Hoc opus irradiat Stella serena maria. Ergo creatori grates persolvere conor;

Sit tibi, summe Deus, gloria, laus et honor, Care libelle, mihi me decedente maneto,

Teque legant pueri post mea fata, peto,

Explicit Hb er miraculorum virginis Marie.

Annis expletis^ millenis atque treceni^^ Christi nascentis humanaque membra gerentis. Cum jam vicenus et sepiimus afforet annus Humanumque genus vexaret ubiqvs"^ tirannus, Doctor in Ahusa^ Volpertus^ simplice musa Edidit hoc pueris Carmen suh tempore veris,^^

Die Quelle von Volpertus Hegt klar zu Tage. Er ist einer PEZ-Handschrift gefolgt, und zwar einer, welche die

1 So Erf.; die zwei Monac. Nam quia tempus.

2 Erf. Quod. 3 Erf. meliora. * ^rf. Cent. » Erf. ctympl. ^ Die anderen Hss. haben, wenn ich nicht irre trecentU.

^ Nach Schnm liest Erf. virgue, was keinen rechten Sinn gibt; Kritz ubique, B So die zwei Münchner Handschriften und die Grazer; auch in Erf. zuerst Ahujtaj dann zwischen A und /i oberhalb der Zeile ein senk- rechter, oben etwas gebogener Strich, der wie l oder /* aiissieht Schum druckt ohne weiteres Alk, » Nach Seh. hat Erf. Vulp.; nach Kritz, Volp, ^^ Die Erf. Handschrift hat noch zwei Verse:

Lau» in fine Mnat, virttu in fine coronat, Lau» est ßnire, pudor est incepta perire.

2*

20 IX- Abhandlung: MaiBftfia.

nämlichen Zusätze wie München 18659 (12. Jahrh.) und 2617 (13. Jahrh.) enthielt. Nur ,habgieriger Bauer' (P 11) findet sich nicht; entweder fehlte dieses Stück in der von Volpertus benützten Handschrift, oder er Hess es mit Absicht als zu unbedeutend weg. Auch die Reihenfolge ist beinahe identisch; nur 18 steht vor 17 und zwischen 40 und 41 sind zwei eingeschoben. Die Anordnung der Zusätze der zwei Münchner Handschriften ist insoferne eingehalten, als 44. 45. 46 beisammen sind; nur 43 jTheophilus' hat sich Volpertus mit Bedacht zum Schlüsse aufbewahrt. Von den vier Stücken, welche in keiner der PEZ-Handschriften enthalten sind und in unserer Sammlung vorkommen, sind zwei bekannt: ,Ehefrau und Buhlin,' ,Frau mit der Kerze'; zwei: ,Ehefrau gewinnt die Liebe ihres Mannes wieder' und ,Jüdinnen zu Capua' sind mir bisher unbekannt. Ob Volpertus sie in derselben Handschrift wie alle übrigen fand oder aus anderer Quelle schöpfte, vermag ich nicht zu sagen. Ueber den Mann habe ich mich vergeblich um Nachrichten umgesehen; die Hoffnung, dass sein Buch als Vorstufe zum Studium bedeutenderer Dichtungen diene, mag nach der An- zahl der mir bekannt gewordenen Handschriften einigermassen in Erfüllung gegangen sein. Als Beitrag zur Geschichte der Pädagogik könnte die Herausgabe, wenn nicht der ganzen Sammlung, so wenigstens grösserer Proben, einiges Interesse bieten.

Ich erwähne noch einzelne versificirte Legenden,^ über die ich Nachweise fand:

In der Handschrift 35 der Bibliothek des Stiftes Reun in Steiermark (12. Jahrh.), fol. 16: ^ ,Ho8tie in den Bienenstock'; vgl. Petrus Vener., De miracults I, 1 und Herbert, De miraciilts.

In laudem ßdei quam quisqae tenetur habere.

In der Handschrift 1432 der Orazer Bibliothek (12. bis 13. Jahrh.): 3 , Judenknabe '.

1 Bezüglich der bereits erwähnten sei bemerkt, dass in der Hs. der Bi- bliothek zu Douai 870 (12. Jahrh.) sich ,Reicher Mann und arme Frau' und Jncest' = SV 61. 62 finden; vgl. CaUd. dea nus, de» hihi, des d4- partemenl» VI, 628.

' Von Weis in seinem Kataloge der Hss. des Klosters Reun yerzeicbnet.

3 Sieh Schönbach in ZeiUchr. für deutsches Alterthum XXIX, 350.

Studien xu den mittelalterlichen Marienlegenden. III. 21

Quod refero res est, mihi credite, fabula non est. Judeus quidam puer olim christicolarum . . .

In der Handschrift der Bibliothek zu Charleville 106 (14. Jahrh.): /fheophilus*.

Mater sancta Dei, fiiga noctis, origo Dei Luminis etherei Stella, memento tnei.^

Ich schliesse vorläufig meine Mittheilungen über lateinisch geschriebene Wunder mit der Angabe des Inhaltes einzelner in der Zwischenzeit mir bekannt gewordenen Handschriften und mit der Besprechung einiger Quellen von secundärem Werthe. Die Handschrift 24b der Bibliothek zu Gand (12. bis 13. Jahrh.) 3 enthält auf S. 243—283: 1—17. = HM.

18. Drei Ritter.

19. Meth.

20. Conception.^

^ Vgl. CciUU. des ms8. dea bibl. dea d6parL V, 196.

3 Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, dass vor der bereite be- schriebenen Hs. der Bibliothek zu Charleville 79 sich ein versificirtes Miractdum findet, dessen Inhalt, da die drei ersten mir bekannten Di- stichen nur Einleitendes bieten, ich nicht anzugeben vermag. Der Be- ginn lautet:

Qni luget peccata piam Ittgens pietalem Virginia exoret, corde requirtU eam. Nominet ore piam hia terque quaterque Mariam

Sic dicena: /er opem, virgo Maria, mihi. Reapice clamantem, clamanti parce, Maria; Me peccatorem aarcma dura premiL Das Ende lautet:

Jure, pii fratrea, veneratur virgo Maria, Que, verde porta, porUU uhique pioa. Indulgel miaero qui ae peccaaae fatetur;

Qui commiaaa negal deperit abaque modo. ' Vgl. Änalecta Bdlandiana III, 180.

* Die ÄTuUecia citiren Migne GLIX, 319, wo der Pseudo- Anseimus vor- kommt. Ob damit gemeint ist, dass die Qander Hs. genau dieselbe Fassung bietet, weiss ich nicht. Es konnte immerhin möglich sein, dass der Hinweis sich nur auf den Inhalt der Erzählung bezieht und dass die Hs. die in französischen Sammlungen gewöhnlich vorkommende, mit Tempore quo Normanni beginnende Erzählung enthält.

22 I^* Abhandlung: H ttisafi».

21. Toledo; Wachsbild.

22. Viviers; amputirter Fuss.

23. LeuricuB.

24. Judenknabe. ^

25. Schwiegermutter und Schwiegersohn \ Guib. de No-

26. Ehefrau und Buhlin > gent De l S. M.

27. örenoble; Magdalenentag J 10. 12. 11.

Es folgen zwei Schreiberverse; und dennoch kommt noch zum Schlüsse :

28. * Blindgeborener wird sehend; Gaude Maria virgo; vgl. Kremsmünster 47.^ Am Schlüsse steht: Expliciunt miraculay woraus sich ergibt; dass trotz der Unterbrechung durch die zwei Verse das letzte Wunder kein späterer Zusatz ist, sondern zur Sammlung gehört.

Die Stücke 1 27 dieser Handschrift erweisen sich als mit Leipzig 821, Nr. 1 25 innig verwandt, und zwar stellt Gand eine ursprünglichere Gestalt dar, da HM vollständig ist und ,Toledo' an richtigerer Stelle erscheint. Am bezeichnendsten ist, dass alle drei Erzählungen des Guib. de Nogent beisammen, und zwar in gleicher, mit jener der Quelle nicht genau über- einstimmender Reihenfplge vorkommen.

Die Handschrift der Bibliothek zu Brüssel 5519 26 (12. Jahrh.) enthält auf fol. 1 ff. eine Sammlung von Marien- wundern. In ihrem Catalogtbs codicum hagiographicorum bibHo- thecae regiae Braxellensis, Pars I, Tom. 1, 519 äussern sich die Verfasser der Analecta Bollandiana über diese Handschrift in folgender Weise: ^Opuscvlum constat duobua libris, quoinim prior in codice mutilus, optime convenit cum libello de quo actum est in Anal, BolL III, 180 (d. h. in der soeben besprochenen Handschrift von Gand). Posterior autem est tractatus Hugonis Farsiti etc.

Ob optime convenit eine vollständige Uebereinstimmung bezeichnet, weiss ich nicht; bei der Genauigkeit indessen, mit welcher die Verfasser der Analecta arbeiten, lässt sich mit

1 Die Änal, geben an: Miraculum de puero judaeo quod iftidem (nämlich

bei Pez), verbis tarnen mtUatis, legea. ^ Dieses StUck findet sich in den Anal, IV, 168 abgedrackt.

Studien sa den mittelftlterlichen Harienlegenden. 111. 23

BeBtimmtheit annehmen , dass die Brüssler Handschrift gegen- über jener von Gand kein neues Material enthält; die Ab- weichungen, wenn überhaupt solche vorhanden sind, mögen etwa die Reihenfolge betreflFen.

Nach Farsitus folgt in dieser Handschrift noch ein von anderer Hand geschriebenes Wunder, und zwar ,Mädchen von ♦Arras^ = SV 58, SG 74. Dasselbe findet sich in dem er- wähnten Bande des Catalogm auf S. 525 ff. abgedruckt.

Die Handschrift der Bibliothek zu Brüssel 7797—7806 (13. Jahrh.) enthält fol. 1 53 einen liher miraculonum Dei Ge- nitricis Mariae. Im oben erwähnten Catahgus, Pars I, Tom, II, 128 liest man darüber: Optime convenit cum opusculo de mira- cutis B, M, quod . . . edidit , , . B, Pezius. In cod, tmaen ordo suhinde immutatus est ac nonnulla miracula superaddita. Diese Handschrift gehört demnach zu jenen grossen Sammlungen französischer Bibliotheken, welche nebst den (anders geordneten) 42 Stücken von Pez noch eine Anzahl von Legenden bieten. Identisch mit SV oder Ps kann sie indessen nicht sein, da hier Farsitus auf die Sammlung folgt, nicht innerhalb derselben vorkommt. Letzteres ist der Fall bei folgender Sammlung.

Die Handschrift der Bibliothek zu Brüssel Phillipps 336 (13. Jahrh.) enthält auf fol. 36 109: Liber miracidorum D, n. s, Dei gen,. M, qui appellatur Mariale. Der Cat. cod. hagiogr. Pars 1, Tom. II, 442 sagt darüber: Eelatio 97 prodigiorum . . . Hie libelliLS magnam afßnitatem habet cum opusculis Ulis de guibus actum est supra, tom. I et in Anal. BolL, tom. III, 180. Opttsculum H. Farsiti, quod hie etiam in Mariali inclusum est complectitur , . . fol, 82 93. Inde in cod. sequuntur (fol, 109 128) libri duo miräculorum autore Petro Cluniacensi ac (fol, 128 141) narratio aliquot visionum quibus viri devoti donati faere. Die Einschiebung von Farsitus innerhalb der Sammlung und das Folgen des Werkes des Petrus Cluniacensis, sowie einzelner Visionen, machen innigen Zusammenhang mit jener Variante von SV, die ich mit Ps bezeichnete, wahrscheinlich. Bei der

24 IX. Abhandlung: MasiAfi».

offenbaren Wichtigkeit dieser umfangreichen Sammlung werde ich mich bemühen , Näheres über sie zu erfahren; das Er- gebniss soll später nachgetragen werden.

Die Handschrift der Pariser Nationalbibliothek lat. 10770 (14. Jahrh.)^ enthält von fol. 200^ an:

1. Jude leiht dem Christen Geld; zur Fassung von Oxf. IIP 14 (= Toul. IIP 2) gehörig; auch das Initium stimmt so ziemlich überein: Constantinopoli erat qiddem negoticUor nomine Theodorus , . . ad Hebraeum nomine Habraam veniens,

2. Eine Klausnerin hatte keine gute Meinung von dem Predigerorden und betet zu M. um Aufklärung über diesen Punkt. M. erscheint' ihr in Begleitung von Mönchen zahl- reicher Orden; darunter ist aber kein Dominikaner. Die Klausnerin hält bereits ihre Ansicht fUr bestätigt, als M. ihren Mantel lüftet, sub qua UUebant fratres^ dicens: ,Ecce vides mb mea custodia quos derelictos judicabas', Quedam reclusa sanc- tam agens vitam.

3. Alter Ritter wird Cistercienser = Pai-is. 5562, Nr. 23 und Jac. a Var. LI 22.

4. Ausser dem Kirchhofe begraben; Blume im Munde. Variante von P 3. Qiiidam clericus erat moribua carnalibus deditu8.

5. Eine Frau kauft eine Kerze für den Lichtmesstag; ihr Mann findet die Kerze zu schön, nimmt sie der Frau ab und sperrt letztere ein. Sie betet zu M. um die Gnade, dem heiligen Amte beiwohnen zu dürfen, schläft ein und hat eine Vision: In der Kirche celebrirt der Bischof; viele Frauen sind versam- melt und alle bringen ihr Opfer dar; nur sie steht allein in einem Winkel. Da fragt der Bischof: ,Q^>are hec midier non oßertV ,Quia non habet cereum', ,Accipe cereum ex parte Virginia meeJ Sie erwacht mit einer Kerze in der Hand. Aqud Viennam quedam domina cereum preparavit,

6. ,Frau mit der halben Kerze' = Jac. a Var. XXXVII 2.

7. Papst Leo haut sich eine Hand ab; vgl. Par. 5268, Nr. 2. Leo in ecclesiam celebrat missam.

1 Mittheilung des H. Prof. J. Alton,

Studien zu den miktolalterliehen Mamnlegenden. III. 25

8. Gehängter Dieb; inhaltlich = P 6. Erat qtudam für, qui sepe latrocinia exercehaf,

9. Ein Mönch kniet stets, wenn er zu M. betet; einmal in hohem Alter kann er nicht aufstehen; M. erhebt ihn. Q^idam moTuichus elegü sibi &. V. in pcUronam.

10. Ein Mönch wird von einem Gefährten überredet, dem allzustrengen Elosterleben zu entsagen. Als sie fort sind, kommen sie in eine Kirche; der erste Mönch vergiesst da viele Thränen und dringt darauf, zurückzukehren. Der Genosse sieht wie M. die Thränen sammelt und sie ihrem Sohne darreicht. Da fühlt er auch Reue. Quidam monachus honestissimam vif am dtu^ens,

11. Marienbräutigam; grosse Aehnlichkeit mit P 16. Qui- dam b, V. valde diligebat; compulstis ab amicis.

12. Geistlicher kann nur eine Messe; wohl = P 9.

13. Ein Kaufmann verreist und vertraut Frau und Kind der Obhut M/s. Ein Diener beschliesst beide zu tödten und das Haus zu plündern. Als er mit einem Küchenmesser dem Zimmer der Frau sich nähert, erblindet er; da tödtet er sich selbst. Vir quidam de Alexandria . . . navigavit Conatantinopolim.

14. Judenknabe; in einer Fassung, welche von den anderen abweicht.*

15. Ein Judenknabe wird getauft; heimgekehrt, verbreitet er einen Wohlgeruch; den Eltern kommt es vor, als ob er stinke. Als sie das Geschehene erfahren, lassen sie den Knaben durch den Bademeister in den Kamin werfen. Der Bischof kommt baden und findet das Wasser sehr kalt; der Bademeister meint, es sei vielmehr an dem Tage mehr Brenn- material gebraucht worden als sonst und erzählt ihm die Sache. Man sieht nach und findet den Knaben unversehrt, qui dicebat 86 formam mulieris purpurate vidisse que flammas exstitiffuebat Q^idam puer hebreus ovea cuatodiebat^

16. Theophilus; kurz, da auf einer Seite enthalten.

17. Teufel als Diener eines räuberischen Ritters; vgl. Jac. a Var. LI, 3.'

> ed. Wolter, S. 55.

3 Hier finden sich Wunder eingeschaltet, die sich nicht auf M. beziehen;

darunter die zwei von durchbohrten Christusbildern, die wir aus Greg.

Tur., De gl. mart. I, 10. 22, und aus Sigebertus anführten. * Es folgen auch hier Erzählungen anderen Inhaltes.

26 IX' Abhandlung: H nssafi».

18. Maler und Teufel; vgl. V. Bell. 104».

19. Schiffbruch; verwandt mit P 28.

20. Eine Frau bringt ihrem Manne das Mittagsessen aufs Feld; heimgekehrt, findet sie das Haus verbrannt, ihr Kind aber ist unversehrt. Mulier quedam Ave M, continue dicebat^

21. Schwangere Aebtissin.*

22. ,Frau dem Teufel; vgl. Jac. a Var. CXIX, 3.»

23. Ein Bösewicht, von seinen Feinden tödtlich verwundet, kann nicht sterben, bevor er gebeichtet hat. Tenifore fraJtris Bartholomei (den folgenden Namen kann ich nicht genau angeben).

24. Giraldus. Sanctus Hugo refert quod Giraldus,

25. Der Beginn der Erzählung ist mir nicht bekannt. Dem mir vorliegenden Auszuge entnehme ich, dass es sich um das Motiv ,Will M. nicht verleugnen' handelt. Ein Ritter ruft den Teufel an; dieser gibt sich mit dem Abschwören Christi zufrieden und erfüllt die Bitte des Ritters: müle formis insidiatur et circumvolat et militum corda sie titiUat ut se nil putent perficere nisi taleni müitem pro duce valeant habere. Der Ritter erinnert sich später, die üblichen Gebete an M. ver- nachlässigt zu haben. Er tritt in die Kirche ein, doch M. adest terribilis et minas intonat quod pollutü labüa eam nominare audeat qui ßlium negavit . . . ,Vae mihi quia peccavi; et memor esto quod te non negavit M. befiehlt ihm zu beichten und der Sünde zu entsagen.

Gil de Zamora, der Freund Alfons' X. und Erzieher von dessen Sohn Don Sancho, hat ein Werk über die Jungfrau geschrieben, welches er Über Mariae betitelte. Dieses ist uns in der Handschrift der Nationalbibliothek zu Madrid Bb 150 (14. Jahrh.) erhalten worden.^ Es besteht aus 18 Tractaten.

1 Es folgen Erzählungen anderen Inhaltes.

' Dieses Werk wurde von P. Fidel Pita im Boletin de Vacademia de la historiaj Bd. VI (daraus abgedruckt in seinen Eatudioa hUloricatf Bd. III) und XIII zum Gegenstände ausführlicher Besprechung gemacht. Im VI. Bande hat er jene fünfzig Erzählungen mitgetheilt, welche auch Ton Alfons X. in seinen Cantigtu behandelt wurden. Er druckt sie nicht in der Reihenfolge des Liher Mariae ab, sondern je nachdem sie ihr Gegenstück in dem Werke des Königs finden. Im XIII. Bande trag

Stadion xa den miitoUlterliohen Harienlegenden. HI. 37

Innerhalb einzelner derselben werden unter theologischen Er* örterungen mehrere Wunder eingestreut; der 16.: De mvltorum miraculorum patratione per Virginia interceaaümem, besteht^ wie der Titel besagt; blos aus Erzählungen. Wir wollen zuerst diesen Tractat ins Auge fassen. Er zerfällt in 6 Capitel.

Cap. I. De liberatis a faudbus mortis,

1. Ertrunkener Glöckner = P 2 (5).

2. Gehängter Dieb = P 6 (7).

3. S. Peter in Cöln = P 7 (8).

4. Giraldus = P 8 (14).

5. Habstichtiger Bauer = P 11 (65).

6. Humbertus = P 12 (66):

7. Judenknabe = P 31 (3).

8. Kind wieder zum Leben gerufen = P 24 (10).

9. Mönch stirbt plötzlich = SV 29 (67). Das Metrum, in den ersten Zeilen ziemlich zerstört, erscheint bald fast durch- gehends unversehrt. Am Ende eine starke Kürzung.

10. Schwiegermutter tödtet den Schwiegersohn r= Guibert de Nogent; entweder direct aus ihm oder aus einer der Samm- lungen, welche Guiberts Fassung enthalten (47).

11. Ritter mit. der CucuUa = SV 40 (24).

Cap. IL De liberatis ab aqujs,

L Entbindung im Meere = P 22 (37).

"TT Zwei Schiffbruchgeschichten = P 27. 28 (18. 20).

Cap. III. De liberatis a captivitate. 1. 2. Aus Farsitus.

Cap. IV. De liberatis ab aegritudinibus,

1. Murieldis = P 17 (62).

2. Teufel in Thiergestalt = P 23 (25).

3. Aebtissm = P 36 (4).

4. Vivaria; amputirter Fuss = P 18 (21).

5. Milchj^dieselbe Fassung wie in P 30; doch viel kürzer. Wenn auch im Allgemeinen der Ausdruck abweicht, so lassen

er dann die 30 Stücke, welche bei Alfons nicht begegnen, nach, und zwar dieses Mal nach der Anordnung im Buche von Qil. Jedes der 80 Stücke versah er mit einer Nummer, die ich in folgender Inhalts- angabe zwischen Klammern mittheile.

28 IX. Abbandlang: Massafia.

doch einzelne wörtlich übereinstimmende Stellen die Ab- hängigkeit Gil's von der in älteren Handschriften enthaltenen Version erkennen (29).

6. Qrenoble; Pflügen am Magdalenentag (68) = Guibert de Nogent, nicht SV 12.

7 20. Aus FarsituB.

Cap. V. De curialücUibua,

1. Hildefonsus = P 1 (1).

2. Chartres; Blume im Munde = P 3 (12).

3. Fünf Freuden = P 4 (77).

4. Armer Mann gibt Almosen ^ P 5 (78).

5. Priester kann nur eine Messe = P 9 (17).

6. Zwei Brüder in Rom = P 10 (79).

7. Hieronymus == P 13 (38).

8. Anseimus = P 14 (35).

9. Marienbräutigam in Pisa = P 16 (43).

10. Murieldis i = P 17 (62).

11. Drei Ritter == SV 60 (9). Das Ende, vom Erscheinen eines der Ritter bei Frau Emma an, fehlt.

13. Completorium = P 29 (80).

14. Theophilus (2). Stimmt im Ganzen mit der übHchen Fassung überein, nur bedeutend abgekürzt.

15. Liebe durch Teufelskunst = P 35 (42). Stark abge- kürzt und der Rhythmus ngch weniger als in P erkennbar.

16. Bonus (33). Sehr kurz; kaum noch eine Spur der rhythmischen Form.

17. Aus Farsitus.

Cap. VI. De imaginibus,

1. Feuer in S. Michael = P 15 (22).

2. Toledo; Wachsbild = SV 41 (6).

3. Jude leiht dem Christen == P 33 (13).

4. 5. Libia. Gethsemani = P 20. 21 (15. 16). 6^ Besudeltes .Marienbild = SV 26 (19).

7. Speier; Brot dem Jesuskinde = SV 44 (44).

8. Wiederholung der Legende VII, 1 ; siehe unten.

1 Dieses Wunder nahm also Gil zweimal, und zwar in identischer Fassung, in seinen 16. Tractat auf.

V

Stadien so den mitteUltorliehea Marienlegenden. Ilt. 29

9. Orleans; Pfeil im Knie (27). Stimmt buchstäblich mit V. Bell. 83 überein 9 das seinerseits mit mehreren kleinen Kürzungen SG 30 wiedergibt.

Alle Legenden des sechzehnten Tractates sind aus jenen grossen Sammlungen bekannt; welche zunächst in französischen Bibliotheken vorkommen und die man daher wohl als in Frank- reich zusammengestellt ansehen darf. 6il hat das ihm vor- liegende Material je nach dem Inhalte in sechs Gruppen ein- getheilt. Ob er blos eine Handschrift oder deren mehrere benützte, ist weder leicht zu bestimmen ^ noch überhaupt wichtig; jedenfalls hat er in erster Reihe eine Handschrift benützt, welche HM in der ursprünglichen Anordnung enthielt; daran wird sich, wie nicht selten, ^Judenknabe^ angeschlossen haben. Wahrscheinlich hat dieselbe Handschrift auch das in die französischen Sammlungen so häufig aufgenommene Werk des Farsitus enthalten, so dass Gil letzteres nicht als selbst- ständige Schrift vor sich gehabt haben wird.

Die persönliche Arbeit GiPs reducirt sich bei diesem Tractat auf ein Minimum. Fast überall gibt er die Vorlage wortgetreu wieder; nur die kleinen Einleitungen und die Schlussbetrachtungen lässt er gerne aus; hie und da unter- drückt er einen Namen. Einzelne Abweichungen im Aus- drucke sind selten.^ Wenn also Fita in dieser Legenden- Sammlung eine Originalschrift erblickt^, so wird der gelehrte Forscher den obigen Ausführungen gegenüber seiner Ansicht gewiss entsagen. Dass es aber gelungen ist, den wahren Sachverhalt mühelos zu erkennen, verdankt man (es sei mir

^ Besonders gerne fügt Gil epUketa omantia hinzu; so stets zu Maria die Adjectiva almißua und duldßua,

' Zu ,Ritter mit der cucuUa' verdächtigt Fita den Schluss; er sagt: ,El de$enlaee manyiesta que el eSdiee no et et original eserito por Q. de Z, m dtj6 de retoearte por alguna mano pooo veraada en el dogma eatoUco} In Wirklichkeit hat Gil genau dieselbe Fassung wie die Handschriften des 12. Jahrh., so z. B. SV und SG, deren Text ich mit dem ' bei Gil vergleichen konnte. An anderen Stellen spricht Fita von der propria narradon Gil's und von seiner prosa populär y desnuda dt todo omado. In letzterer Beziehung ist daran zu erinnern, dass sich bei Gil die grosse Verschiedenheit des Stiles wiederfindet, welche die Vorlagen aufweisen; schlichte Erzählungen wechseln mit überaus er- künstelten, rhythmische Fassungen mit solchen in Prosa ab.

30 IX« Abhandln!!^: Mnssafia.

gestattet, dies hervorzuheben) den im Verlaufe dieser Studien erzielten Resultaten auf einem bisher nur sehr einseitig unter- suchten Gebiete.

Auch flir die meisten der in den anderen Tractaten ein- gestreuten Legenden ist die Quelle leicht aufzudecken.

Tractat IV. Qualiter virgo fuit conceptn. Hier wird nur die Elsinus-Legende mitgetheilt, während die zwei anderen des Pseudo-Anselmus ^Marienbräutigam, Sohn des Königs von Ungarn, späterer Patriarch von Aquileja' (53) und ^Ertrunkener Glöckner, Seinefluss' (41) erst auf fol, 60*^ 62^ innerhalb des VII. Tractates vorkommen.* Einzelne Umstände sind verschieden erzählt und der Ausdruck ist vielfach ab- weichend. Man ersieht daraus, dass Gil nicht direct aus Anseimus, sondern aus einer Sammlung schöpfte, in welche die drei Wunder tibergegangen waren. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die zwei letzten mit den Worten: Legitur inter miracula ejusdem V. und Legüur in miractdis B. V. eingeleitet sind.

Tractatus V. Qualiter F. fuit sanctificata. Hier kommt nur jHildefonsus' (1) vor, und zwar in einer von P 1 (siehe oben zu XVI, 5, 1) verschiedenen Fassung.

Tractatus VII. De annuiidatione; fol. 40^ 66^.

Vierzehn Capitel; nur die zwei letzten enthalten Wunder.

Cap. 13, 1. In Deutschland versucht ein junger Mann ein Mädchen zu verführen. Abgewiesen, tödtet er es. M. ver- einigt den abgehauenen Kopf mit dem Rumpfe und schenkt dem Mädchen das Leben wieder. Von dieser Legende welche Fita als analog mit der von Juan Guarin, Mönch des Klosters Monserrate bezeichnet kenne ich keine andere lateinische Fassung (52).

2. Basilius und Julianus (50). Nur der Schluss: M. er- scheint dem Basilius und verspricht ihm Hilfe. S. Mercurius kämpft an der Seite der Christen. Tod des Julian, der ausruft: Vidsti, Galilaee, vieisti. Ob Gil diese Erzählung, die er in so

1 Man könnte vermiithen, diiss ursprünglich die drei Conceptionswunder beisammen standen; der Madrider Codex wäre eine Abschrift (manche Fehler deuten ebenfalls darauf hin), bei deren Anfertigung ein oder zwei Blätter der Vorlage an den unrechten Plats gelangten.

Studien za den mittelftllerlichen Marienlegrenden. III. 31

vielen Quellen finden konnte, abschrieb oder selbst redigirte, könnte nur durch eine langwierige und nicht lohnende Unter- suchung festgestellt werden.

Cap. 14, 1. 2. Die zwei bereits erwähnten letzten Con- ceptionswunder des Pseudo-Anselmus.

3. Ritter wird Cistercienser; kann nur Ave M. sagen = Jac. a Var. LI, 2 (54).

4. Teufel als Diener bei einem verarmten Ritter = Jac. a Var. LI, 3 (34).

5. Frau dem Teufel = Jac. a Var. CXIX, 3 (45).

6. Gottes Gericht; M. legt die Hand auf eine Wagschale = Jac. a Var. CXIX, 4 (55).

7. Probst von S. Gallen = Jac. a Var. CXIX, 6 (46).

8. M. kämpft im Turnier = CXXXI, 2 (32). i

9. S. Dunstan. Die übliche Darstellung aus Eadmer oder aus Helinandus, der ihn abschrieb; nur etwas abgekürzt (56). Jac. a Var. CXXXI, 3 ist noch kürzer.

10. Jesuskind als Geisel = Jac. a Var. CXXXI, 4 (57).

11. Priester kann nur eine Messe = Jac. a Var. CXXXI, 72 (17).

12. Vision des lasterhaften Clerikers = Jac. a Var. CXXXI, 8 (58).

13. Ein paar Zeilen über eine im Jahre 780 entdeckte goldene Platte, worin Christi Geburt angekündigt und die Zeit der Auffindung der Platte angegeben stand (59).'^

1 Da Fita als Inhaltsangabe der ersten fünfzig Stücke die betreffende Rubrik aus Alfons^ X. Cantigas gibt, so stimmt hier die Ueberschrift : Conio 8. M. aacoti de vergonna ä un cavateiro, que ouver* d aeer en a lide en S. Eateban de Chvniaz; de que rum pode y »eer polag autu treu

^ miMoa que oyA nicht genau mit dem Inhalte des lateinischen Textes. Bei Alfons nämlich wird die in der Leg. etur. und in manchen vulgären Fassungen allgemein gehaltene Erzählung localisirt (in anderen Versionen wird selbst der Name des I^itters angegeben) ; auch handelt es sich nicht um ein Turnier, sondern um einen Angriff gegen die Mauren. Ebenso in den CcuUgoa e documentoa del reg don Sancho ed. Gajangos, p. 94, wo der Ort derselbe ist und der Kitter den Namen Fernand Antolinez trägt.

3 Dass M. den abgesetzten Priester bei Jacob ihren canceUariua, bei Gil ihren capeüanu» nennt, ist nur eine Variante, die auch in ECandschriften der ausführlicheren Fassung von HM vorkommt.

3 Fita citirt das Werk De praeeoniU civiUUi» NumanUnae (Buch VII, cap. 15), worin ebenfalls über diese Platte berichtet wird.

32 IX* AbhandlvQg: Mnsaafia.

Tractatus VIII. De parturitione matris Christi.

1. Zur Zeit Königs Fernando fand ein Jade zu Toledo ein Buch^ worin Christi Geburt angekündigt und die Zeit der Auffindung des Buches angegeben stand. ^ (60)

Also Variante der vorangehenden Legende.

2. Vision des Hugo von Cluny am Vorabend von Weih- nachten; zwei im Ausdrucke abweichende Fassungen; bei der zweiten wird Petrus Cluniacensis citirt, in dessen Buch De miraculis, cap. 15, sich in der That die Vision findet ^ (61).

Tractatus IX. De purißcatione.

1. Murieldis, dieselbe aus P 17 (bei Gil XVI, 4, 1 und XVI, 5, 10) abgekürzte Fassung wie bei Jac. a Var. XXXVII, 3 (62).

2. Frau mit der Kerze = Jac. a Var. XXXVII, 2' (63).

3. Ein Wunder aus Farsitus (wiederholt XVI, 4, 14).

Tractatus XV. De aasumptione.

1. Chartres befreit; kurzer Bericht (64).

2. Toledo; Wachsbild (identisch mit XVI, 6, 2).

Die meisten Legenden stimmen, wie man sieht, auf das Genaueste mit solchen, die in der Legenda aurea enthalten sind. Hat sie nun Gil aus Jacobs Werk? Wenn ja, so Hesse sich die Art der Entlehnung in folgender Weise deuten: Gil hat die in den drei Capiteln LI de annuntiatione, CXIX de aasumptione und CXXXI de nativitate enthaltenen Wunder in seinem siebenten Tractate benützt und in der Regel jene weg- gelassen, welche er schon meist in ausführlicherer Fassung

' Gil sagt: hoc scriptum est in cromcia stimmorum ponHfictum et tmpereUorum, wozn Fita bemerkt, Qil habe dieses Werk zwischen 1278 and 1282 verfasst.

' Bei Erwähnung der Schrift des Petras Yen. habe ich es Yersaamt, dieses Wunder zu verzeichnen. Ebenso bei Erwähnung des Helinandus (Migne CCXII, 943), den Fita citirt. Bei V. Bell. 114 dagegen habe ich es angeführt.

' Bezeichnend für die Zusammengehörigkeit von Jacob und QU ist es, dass in beiden der Grund, warum die Frau die Messe nicht hören konnte, in zwei Versionen angegeben wird: aacerdoB ad qucddam suum negocium longitu tecessU , » . vd, tU aUhi legüur^ . . etiam veatimenta pro konare virffini» dahat, unde cum danUdem dedisset et ad eecleaiam ire non potuiaaet, tine miasa ütam ea die manere oportehat.

Stadien zn den mUtolalterlicben Xftrienle^enden. ITT. 33

in der Vorlage seines XVI. Tractates fand; er nimmt daher auf: LI 2. 3; aus CXIX nimmt er 3. 4. 6 auf; 2 = XVI, 5, 3 und 5 = XVI, 1, 7 lässt er aus; aus CXXXI hat er 2. 3. 4. 7.1 8; 5 = XVI, 1, 2; 6 = XVI, 6, 9; 9 = XVI, 5, 14; 10 = XVI, 1, 10 lässt er aus. Die zwei Wunder von XXXVII ,de purificatione^ nimmt er in seinen neunten Tractat, welcher den gleichen Gegenstand behandelt, auf, theilt sie aber in umgekehrter Ordnung mit.

Es fragt sich nur, ob es wahrscheinlich ist, dass Gil die Legenda aurea gekannt habe. Jacob ist im Jahre 1298 ge- storben; welches Alter er erreicht hat und wie hoch die Ab- fassung seines Werkes hinaufreichen kann, wissen wir nicht; das Über Mariae ist nach Fita (siehe oben die Anmerkung zu Vni, 1) später als 1282 abgefasst worden. Sind alle diese Daten richtig, so liesse sich immerhin die aufgeworfene Frage bejahend beantworten. Erwägt man indessen, dass die Zwischen- zeit doch eine ziemlich kurze ist und dass im Mittelalter neu erschienene Schriften wohl keine rasche Verbreitung fanden; erwägt man femer, dass im Falle directer Benützung der Legenda es nicht recht abzusehen wäre, warum Gil nicht auch bezüglich der Einreihung der Legenden in seine zwei Tractate de nativitate (V) und de asaumptione (XV) seinem Vorbilde ge- folgt sei; bringt man endlich die Thatsache in Rechnung, dass ,Dunstan' bei Gil ausführlicher als bei Jacob ist, so erscheint die Ansicht glaubwürdiger, dass beide Schriftsteller aus einer gemeinschaftlichen Quelle irgend einer noch aufzufindenden Sammlung schöpften und deren Reihenfolge treu bewahrten. Gil hat die in dieser Quelle enthaltenen Wunder beisammen gelassen und nur jene ausgeschieden, die er in seiner anderen Vorlage fand; Jacob dagegen vertheilte sie unter drei Capitel, und zwar willkürlich. Dem Leser der Legenda ftlUt es in der That auf, dass während in den Capiteln, die von Heiligen handeln, nur solche Wunder vorkommen, welche mit dem be- treffenden Heiligen im Zusammenhang stehen, in den erwähnten drei Capiteln jede derartige Beziehung auf ein besonderes

1 Nur dieses Wnnder ,Priester kann nur eine Messe* ist eine Doablette, da es auch XVI, 5, 5 und zwar in der ausnihrliclieren Fassung von HM yorkommt.

Sitxaogsber. d. pbil.-hiat. Gl. CXIX. Bd. 9. Abb. 3

34 IX. A1>1iandlnng : Masaafia.

Marienfest fehlt. Nimmt man nun an, das Liher Mariae sei von der Legenda unabhängig, so hilft Ersteres die Quelle der Letz- teren reconstruiren und Jacobs Verfahren aufhellen. Dass bfeide Werke in dem Abschnitte de purificatione die nämlichen zwei Erzählungen bieten, ist kein Beweis fiir die Abhängigkeit des einen von dem anderen; denn da es sich um Wunder handelt, von denen es ausdrücklich heisst, sie seien am Reinigungsfeste geschehen, so mussten beide Verfasser von selbst auf den Ge- danken kommen, sie zu isoliren und sie so einzureihen, wie sie es gethan haben. Die drei Conceptionswunder mag Gil in der- selben Quelle gefunden und aus demselben Grunde isolirt haben ; dass Jacob sie nicht hat, hängt damit zusammen, dass er vielleicht als Gegner der neuen Lehre von dem Con- ceptionsfeste nichts weiss.* Gil hat endlich, wie wir gesehen haben, zwei Assumptions wunder; von diesen hat er eines in der Quelle des XVI. Tractates gefunden und hier wiederholt; für das andere, ,Chartre8' möge er es wo immer geschöpft haben war sein XV. Tractat insofeme ein passender Platz, als in der Einleitung gesagt wird, dass, als M. in den Himmel stieg, ihre Kleider in der Gruft blieben; eines dieser Kleider war nun das Hemd von Chartres.

Wir können das Gesagte wie folgt zusammenfassen: Gil hat fast ausschliesslich zwei Vorlagen benutzt:^ Jacobus de Varagine oder eher dessen Quelle für die ersten Tractate; eine der französischen Sammlungen ^ für den XVI. Tractat. Die ihm vorliegenden Texte gibt Gil meist wortgetreu wieder.*

1 Dass sie trotzdem in die Zusätze zur Legenda aurea, Cap. CLXXXIX, Aufnahme gefunden haben, ist bei der Besprechung des Jac. a Varag. im n. Hefte dieser Studien bemerkt worden.

^ Fita's Angabe: Lag fiientea, de las que tomo aus Milagros de N. S. el »apierUisimo /ranciscano , aon muchas y muy variada» bedarf demnach wesentlicher Einschränkung.

3 Welche, ist mittelst des bisher bekannten Materials nicht zu bestimmen; Nachsuchen in spanischen Bibliotheken würde vielleicht zu einem Re- sultate führen. Ich habe bisher nur die Escorialhandschrift Q. III. 9 ver- zeichnet gefunden; s. Hartel, BifA. palrttm latm. hispan. I, 117. Sie ent- hält von fol. 71 119 eine Sammlung, die mit ,Hildefonsu8* beginnt.

^ Man kann auch bemerken, dass die kürzeren der ersten Tractate un- verändert sind, während bei den längeren des XVI. Tractates die oben angedeuteten Kürzungen uns entgegentreten. Ob selbst diese Kürzungen

Studien zu den mittelalterlichen Marienlegenden. ITI. 35

Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass es den Anschein hat, als ob Qil noch ein Buch über Maria geschrieben habe, in welchem ebenfalls Wunder erzählt werden. Im siebenten Tractate sagt er: Sicut patet per multa miracula que in libro nostro de Virgine . . . sunt digeata, de quibus . . . unum breve miraculum subscribemus. Es folgt VII, 1 ,Marienbräutigam als Conceptionswunder^ Man könnte versucht sein, darin den 16. Tractat zu erblicken; aber abgesehen von der Sonder- barkeit des Ausdruckes in nostro libro, um dasselbe Werk zu bezeichnen, in welchem dieser Hinweis vorkommt, ist, wie Fita richtig hervorhebt, die betreffende Legende im 16. Tractate nicht enthalten. Noch weniger wird man nostro mit ,in unserem Besitze befindlichen^ übersetzen wollen. Sollte am Ende der Schreiber der Madrider Handschrift nostro statt der Abkürzung fiir quodam geschrieben haben? Es will mir nämlich nicht sehr glaubwürdig erscheinen, dass Gil zwei Werke geschrieben habe, deren Inhalt fast identisch wäre. Da dies indessen nicht un- möglich ist, 80 wird man gut thun, in spanischen Bibliotheken in dieser Richtung nachzusuchen.

Dass in Predigten der späteren Zeit, zumal in solchen, die an Marientagen gehalten wurden, zahlreiche Wunder der Jungfrau enthalten sind^ ist selbstverständlich; darnach in gedruckten und handschriftlichen Sammlungen zu fahnden, wäre eine ungemein weitläufige und mühsame Arbeit, welche überdies für die Ziele, die wir verfolgen," sehr geringe Aus- beute böte. Leichter zu benützen und daher einiger Be- rücksichtigung würdig sind jene Schriften, welche als Hilfs- mittel zur Abfassung von Predigten dienten und von denen einige nebst Anderem auch Erzählungen, andere blos Er- zählungen enthalten. Ist auch das Legendenmaterial, welches

Yon Oil herrühren, läsBt sich nicht mit Sicherheit angeben; man ver- gleiche das bezüglich XVI, 6, 9 Gesagte. * Ueber die Gewohnheit der mittelalterlichen Prediger, ihre Sermones mit allerlei Erzählungen theils frommen, theils profanen, selbst Instigen In- haltes zn versetzen, sehe man die bekannten Werke von Lecoy de La Marche, Bergaigne nnd Cruel; dazu den lesenswerthen Aufsatz von Crane, Mediaeval Sermon- Books and Slories in den Proceedinga of tlie American philosophiccU Society y XXI, 49 ff.

3*

36 IX. Abhandlung: Mnssafia.

solche Schriften zusammenstellen, meist aus älteren Werken bekannt, so bieten sie doch einiges Interesse, weil sie hie und da Legenden oder Versionen vertreten, welche in älteren Samm- lungen entweder nicht vorhanden sind oder noch nicht nach- gewiesen wurden. Ich theile im Folgenden das mit, was sich an Marienwundern in einigen solcher Repertorien findet.

Das Buch de Septem donis des Etienne de Bourbon (f 1261) enthält (Pars II, Titulus VI De B. Maria >) ziemlich viele Legenden, die Darstellung ist wie überhaupt in solchen Handbüchern, welche die weitere Ausflihrung den Predigern überliessen meist sehr kurz; doch dort wo frühere Dar- stellungen vorliegen, lassen bald kürzere, bald längei^e Stellen die Abhängigkeit von der Vorlage erkennen. Etienne nennt bei einzelnen Legenden seine Quellen. ^

106. Conceptio; kurz, ohne Namen zu nennen; doch im Ganzen mit der Heisinussage übereinstimmend.

107. Engelsmusik am Abend von M. Geburt; Beleth wird als Quelle genannt; vgl. Hon. Aug.; SG 48; Oxf. I 7 (= Toul. III, 4); VB. 119*.

108. Ein Mädchen bereut ihr sündhaftes Verhältniss mit einem jungen Manne. Sie geht in den Wald; da will ihr der Teufel in Gestalt des Geliebten Gewalt anthun; sie sagt Ave M.; der Teufel verschwindet. Aus Guillemus de Peyt.

109. Die Albigenser schneiden einem Cleriker die Zunge ab. An einem Marienfeste erlangt er sie wieder.

110 112. Soi'ssons; aus H. Farsit, der aber nicht ge- nannt wird-

110. Blinder, der zu Rom das Responsorium Gaude Maria verfasst; vgl. SG 54.

* Ich benütze die Auszüge welche Lecoy de la Marche unter dem Titel: Anecdotes historiques. Inende» et apologuea tiris du recueil inidü d^ Etienne de Bourhan, Paria 1877, edirte.

2 Ueberdies heisst es am Schlüsse von §. 137 : Notandum autem quod Uta miracula fseuj eorum plurima coUegimtts de librig divergU de mirticuli» (jus scriptiSf quomm conacriptores non sunt mihi omnes cognUi nee Htuli librorum hoc declarabant . . . Hoc tarnen aciendum quod eorum plurima S. Petrus, Tarentasiensis archiepiscopus, comptlasse, quedam alia S. Hugo Cluniacensis ahhas et Petrtu Cluniacensia, alia Urbanus papa^ alia Petrus Damianif Oatienais episcopujf, legtmtur ttcripsigae.

Stndien za den mittelalterlichen Marienlegenden. III. 37

111. Entbindung im Meere; vgl. P 22.

112. Humbertus (dieser Name wird jedoch nicht genannt) = P 12.

116. Ein Cistercienser, der einen schlechten Lebenswandel geführt hatte, ist schwer krank; er bittet seine Genossen^ für ihn M. anzuflehen. Als diese zurückkommen, finden sie ihn wie todt. Doch nach einiger Zeit dankt er mit lauter Stimme der Jungfrau, die seine Erlösung von der ewigen Verdammniss erwirkt habe. Darauf beichtet er und stirbt.

117. Der Abt von Belleville ist im Sterben; er hat eine Vision. Denjenigen, die ihn fragten, was er da gesehen hatte, antwortet er: Ich sage euch nur dies: wer selig werden will, möge M. verehren. Darauf stirbt er.

119. ,Gehängter Dieb'; eine Variante von P 6.

120. Ein anderer Dieb zu Auxonne wird auf gleiche Art von M. befreit; er kehrt aber zu seinem Laster wieder und wird gehängt.

121. Von drei Brüdern, die verbannt allerlei Unthaten verrichteten, wurden zwei gehängt; der dritte beichtete, wollte aber erst Busse thun, wenn er die Brüder gerächt hätte. Zu Tode verwundet, konnte er nicht sterben, bis er gebeichtet und communicirt hatte. Dies geschah in comitatu Nivernensi a. D. 1225.

122. Als die Leute des Bischofs die Burg Solustre wieder eroberten, deren sich der Graf von Macon bemächtigt hatte, stürzte sich die ganze Besatzung von einem Thurme herab; nur Einer konnte nicht sterben, bevor er beichtete.

123. Eine Mutter gelobt, an den Vigilien M's. zu fasten und zur Assumption einen grossen Wachskuchen zu spenden, wenn ihr Kind, das im brennenden Hause liegt, gerettet werde. Es geschieht. Einige Jahre später brennt das Haus wieder; der Knabe kommt darin um. Nach mehr als einem Tage er- langt er wieder das Leben. Auch bleibt der Wachskuchen unversehrt, der im Keller aufbewahrt wurde, um das Gelübde zu lösen.

125. Mönch stirbt plötzlich; SV 29. Auch hier in Bur- gundia,

126. Reginaldus, Dechant in Orleans, ist schwer krank; M. heilt ihn; in ihrer Begleitung sind zwei Mädchen, von denen

38 IX. Abhandlung: Hnssafift.

eines mit dem Kleide des eben gegründeten Predigerordens bekleidet ist. Aus dem Leben des heil. Dominions.^

127. Von fleischlicher Begierde gequält, fleht einer auf den Rath des Johann von Montmirail die Jungfrau an. Sie erscheint ihm und zieht ihm die Haut ab; da ist er wie neu- geboren und von jeder unkeuschen Kegung frei. Dies erzählte Romaeus de Levia (f 1261).

128. Eine Dame gibt einem Ritter ein Stelldichein; vor- her betet sie zu M. und das Versprechen bereuend, sinnt sie auf ein Mittel, den Ritter zu verabschieden. Dieser seiner- seits sagt die Vigilien der Verstorbenen und da sieht er un- zählige Hände, welche aus der Erde steigen und um Erbarmen flehen. Als er dann Salve regina sagt, da sieht er, wie M. in Begleitung einer Schaar von Jungfrauen vom Himmel zu ihm herabsteigt. Er begibt sich zur Dame und verspricht ein Kloster zu bauen, dessen Aebtissin sie werden soll.

129. Variante von ,Teufel als Diener'; ob der Herr ein frommer Mann (SG 34) oder ein Räuber (Jac. a Var. LI 3) war, wird nicht angegeben.

130. Döols; 1187. Stein gegen das Bild M.'s mit dem Kinde; vgl. V. Bellov. 110^

131. Es flucht Einer bei den Gliedern Christi und der Heiligen. Als er bei den Händen M.'s flucht, fällt er todt hin; zu vergleichen mit VB. 104**. Eine ähnliche Geschichte in §. 133.

132. Chartres durch M.*s Hemd befreit.

133. Bei Cluny, 1246. Ein Wirth flucht den ganzen Tag bei Christus; Abends flucht er bei M.'s Zunge; er stirbt.

134. Der Graf von Flandern setzt eine Aebtissin ab. Diese zieht eine Hexe zu Rathe, welche ihr verspricht, ihr zur verlorenen Würde zu verhelfen, wenn sie es aufgibt, zu M. zu beten. Sie weigert sich. Der Graf zieht den Befehl zurück.

135. Aebtissin.

136. Kaiserin von Rom.

137. Guola, Bischof von Brescia, sieht im Sterben zwei Leitern, die von der Erde bis zum Himmel reichen; auf dem Gipfel der einen Christus, auf dem der andern Maria; sie

» Vgl. Jac. a Var. ed. Gräase S. 472.

Stadien zu den mittelalterlichen Marienlegenden. III. 39

helfen dem heil. Dominicas hinaufsteigen. Aus dem Leben des heil. Dominicas.

138. Zur Zeit des Schisma zwischen Innocenz II. und Anacletus hat ein heiliger Mann eine Vision, in welcher er sieht, wie M. den Anaclet verwundet und vom päpstlichen Stuhle verjagt.

139. Mönch, der M.'s Namen mit drei Farben schreibt; vgl. Par. lat. 5268, Nr. 20.

140. Liebe durch Teufelskünste erlangt. Dazu aus anderen Abschnitten:

46. Ein Erzdechant führt den Tod des Erzbischofs herbei und wird an dessen Stelle gewählt. Ein vornehmer Mann, der beim feierlichen Gastmahle aufwartet, hat eine Vision, in welcher er M. mit dem Getödteten vor den Richterstuhl Gottes hin treten sieht. Er erhält den Auftrag, den Mörder zu holen. Zu sich wiedergekehrt, lässt er das Messer fallen und weint. Um die Ursache befragt, erzählt er seine Vision. Der Erzbischof stirbt gleich darauf.

91. Ein Mönch des Predigerordens hat bereits das Kloster verlassen; da erinnert er sich, vom Bilde M.'s keinen Abschied genommen zu haben. Die Versuchung verschwindet, er bleibt.

317. Ein Bauer wirft die Hostie in den Bienenstock, um dadurch dessen Ertrag zu vermehren. Die Bienen bauen ein Altar um den Leib Christi. Als der Bauer den Honig ausheben will, stürzen sie sich auf ihn und bedecken ihn mit Wunden. Legi metrice dictatum exemplum. Vgl. oben S. 20.

373. Fridolingeschichte. *

Als eine Materialiensammlung^ für Prediger ist die Scala coeli des Dominicaners Johannes Gobii, auch Johannes Junior genannt (erste Hälfte des 14. Jahrb.), anzusehen. Sie besteht ausschliesslich aus Erzählungen, welche unter bestimmten Schlagwörtern gesammelt erscheinen. Unter Virgo Dei genitrtx wird eiÄe reiche Sammlung von Wundem mitgetheilt. Johannes nennt, meist seine Quellen. Für unsere Legenden merkt er

1 Ich erwähne auch diese, weil sie in den Kreis der Marienwunder ge- zogen wurde; so bei Alfons X.

40 IX. AbbandluDg: Mnssafia.

an: legitur in Mariali magno (1 22), in libello de miraculis b. 7. M. (24. 29. 36. 42. 50. 52), in miraculis b. V. (23. 25. 26. 37. 38. 43. 44. 47. 48). Dass er viele mit V. Bell, gemein hat, erklärt sich leicht daraus, dass auch dieser als seine Quelle das Mariale Toagnum nennt. Ob Johannes aus dem Specultim oder aus dessen Quelle schöpfte, ist nicht genau zu bestimmen; dass er indessen das Werk des Bellova- censis kannte, erhellt aus Nr. 46, wo Letzterer citirt wird. Die Fassungen der Scala coeli, mit jenen in Speculum verglichen, erweisen sich als bedeutend kürzer. Dies entspricht der Natur des ersteren Werkes, welches sich bestrebt, in möglichst engem Räume eine sehr grosse Anzahl von Geschichten zusammen- zutragen. Vielfache Uebereinstimmungen im Ausdrucke setzen die Zusammenhörigkeit der Fassungen ausser Zweifel. Es sei endlich bemerkt, dass die Texte der Scala oft sehr verderbt sind, wohl weniger durch Schuld des Compilators als der Schreiber^ und des Druckers.^

Um Raum zu ersparen, verzeichne ich hier die Stücke, welche die Scala coeli mit V. Bell, gemein hat.

8c. VB.

15 = 96

16 = 109

19 = 97

20 = 107

21 = 116»»

22 = 118 27 = 99»'»

31 = 105—6

32 = 112 ^

Sc.

VB.

1 4 =

81—83

6 =

84

7 -

89 ••

9 =

85

10 =.--

88

U

86

12

100

13 =

87

14 =

102

^ Handschriften scheinen selten zu sein; ich kann nur eine nachweisen: Wiener Hofbibliothek 13538.

2 Ich benütze die Ausgabe Ulm, J. Zainer 1480, welche nach Goedeke, Orient und Occident II, ein Nachdruck der ersten von Lübeck, Brandis

1476, ist.

3 Dazu ein Zusatz. Als der Mann erfährt, dass Weib und Kind getauft sind, tödtet er in der Nacht das Kind. Auf das Geschrei der Mutter laufen die Bürger herbei; der Jude entflieht in eine Marienkapelle, bereut seine Sünde und erklärt sich bereit die Taufe anzunehmen. Das Kind kehrt wieder zum Leben.

* Mehrfach verschieden.

Studien zu den mittelalterlichen Marienlegenden. III. 41

8c. VB. Sc. VB.

33 == 104» 46 = 115

34 = 104*» 49 = 111 36 = 119^

5. Ein Stummer singt das Responsorium Gaude Virgo Maria'^ eine Taube senkt sich ihm auf Zunge und Lippen; er spricht. Vgl. SG 54, wo der Verfasser des Responsoriums blind ist und zum Lohne sehend wird. Aehnlicher Lohn für das Hersagen eines Marienhymnus in 40.

•• 8. Viele Kinder fallen in den Fluss; sie fluchen und er- trinken; nur eines sagt Ave Maria und rettet sich.

17. Alter Ritter wird Cistercienser; kann nur Ave Maria lernen; Lilie vom Herzen durch den Mund; vgl. Thom. Cantimpr. XXIX, 9 und Jac. a Var. LI, 2.

18. Ausser dem Kirchhofe begraben; Lilie aus dem Munde = P 3.

23. Ein alter Mönch kniet stets beim Hören des Namens M.'s. Einmal ist kein Diener da, um ihn aufzuheben; M. thut es und verleiht ihm Jugendkraft.

24. Der Sohn des Königs von Ungarn gelobt während einer Krankheit^ keusch zu bleiben. Auf den Rath der Freunde geht er aber eine Heirat ein u. s. w. wie beim Pseudo- Anseimus.

25. Hildefonsus, kurz; nichts von Siagrius.

26. Fünf Freuden M.'s.

28. Ritter will M. nicht verleugnen; refert Caesarius = C. Heisterb. II, 12.

29. Ein heiliger Mann geht vor einer Sünderin vorüber und sagt ihr: Schwester, bete zu Gott für mich. Durch diese Worte betroffen, tritt sie in eine Kirche ein und betet. Auf M.'s Fürbitte verzeiht ihr Gott.

30. Teufel als Diener; 0 intemerata = SG 34.

35. Eine Frau, von Schlemmern verfolgt, flüchtet hinter eine Mariensäule. Einer der Verfolger wirft einen Stein und zerbricht den Arm des Christuskindes; Blut fliesst heraus. Ein Teufel tödtet ihn.

37. Ein Jude steckt ein Schwert in das Bild M.'s mit dem Kinde; Blut fliesst heraus; er wirft das Bild in den Brunnen. Die Christen holen das Bild hervor und man findet die blutende Wi^ide an der Brust; noch heute ist sie zu

42 IX. Abhandlung: Mnssafia.

sehen. Der Jude bekehrt sich. Variante von Greg, von Tours, Mirac. 1, 22.

38. S. Johannes Damascenus.

39. Papst Leo haut sich die Hand ab; in commentariis romanorum pontißcum^ vgl. Par. lat. 5268, Nr. 2.

40. Ein Cleriker, dem die Häretiker die Zunge ausge- rissen hatten, sagt in seinem Innern einen Marienhymnus: O rosa generosa. Er erlangt seine Zunge wieder.

41. Einer, dem die Hände abgehauen wurden, weil er einen gegen M. fluchenden Juden todtgeschlagen hatte, beteL zu M. am Verkündigungstage. Er erlangt seine Hände wieder.

42. Ein lasterhafter Mönch ei-scheint ein Jahr nach seinem Tode dem Sacristan; dank M.'s sei er grässlichen Qualen ent- rissen worden; also ,Humbertus'. Die Diction erinnert an Et. de Bourbon 115.

43. Lasterhafter Mönch im Sterben sagt, er sei erlöst; inhaltlich und formell mit Et. de Bourbon 116 sich berührend.

44. Ein Cleriker kommt in ein Kloster, wo man das Officium der Jungfrau betet; er fragt nach der Ursache. Der Abt erzählt, er habe früher einen schlechten Lebenswandel gefuhrt, vor dem Richterstuhle Gottes habe er aber Gnade gefunden. Ist wahrscheinlich aus P 34 geflossen.

45. Ertrunkener Mönch; P 2, aber mit wesentlichen Ab- weichungen.

47. Ertrunkener Mönch; Variante, verwandt mit Cleop.- Toul. III» 8.

48. Der Abt Johannes hat in der Stunde seines Todes eine Vision, die er den Genossen mittheilt: zum ewigen Gerichte gefUhrt, habe er eine Quelle und einen Baum gesehen.

50. Eine Dame lehrte ihre Blinder, stets M. anzurufen. Eine ihrer Töchter gibt durch ihren auffallenden Putz Aerger- niss; in einem Garten erscheint ihr der Teufel und will sie mitnehmen. Da ruft sie M. an; worauf der Teufel: Verflucht sei, wer dich dies lehrte; vgl. bezüglich des Ausrufes Jac. a Var. CXIX, 7.

51. Ein junger Mann, der von seinem Herrn, einem Fürsten, seiner Unthaten wegen verbannt wird, stellt sich an die Spitze einer Räuberbande. Er wird gefangen und zum

Stadien zu den milftelalterlichen H&rienlegendon. III. 43

Tode verurtheilt. Der Teufel will ihn befreien, falls er M. verleugnet. Er weigert sich. Auf dem Wege zum Schaffet geht er an einem Marienbild vorüber und betet; M. neigt sich wie flehend. Der Sünder ersucht, ihre Füsse küssen zu dürfen. Da streckt das Bild die Hand aus, ergreift seinen Arm und lässt ihn nicht los, bis man ihm das Leben schenkt.

52. Zweifel an der Eucharistie; vgl. Par. 5562, 28.

53. Eine arme Frau hat zwei Töchter, welche sie der Obhut M.'s anvertraut. Heimgekehrt, findet sie einen jungen JVIann, der ihr hundert Pfund einhändigt; er sei diese Summe ihrem Manne schuldig geblieben. In der Stadt munkelt man, das Geld rühre von der Schande der Mädchen her; an einem Festtage kommt ein Engel, welcher denselben von Seite M.'s zwei Kränze darreicht, als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit. Der Landesfürst lässt zwei Klöster bauen und setzt darin die Mädchen als Priorinnen ein.

54. Gehängter Dieb.

55. Ein Räuber wird enthauptet; der Kopf ruft nach dem Beichtvater. Dieser vereinigt den Kopf mit dem Rumpfe; der Sünder erzählt, dass, als die Dämonen seine Seele wegführen wollten, M. dies nicht gestattet habe; sie habe verfügt, er solle noch leben, bis er gebeichtet habe. Vgl. ähnliche Ge- schichten von Menschen, die nicht sterben können, bevor sie gebeichtet haben, bei Et. de Bourbon 121. 122.

Aus anderen Abschnitten:

Ambitio: Theophilus.

Confessio: Incestus; der Teufel als Ankläger; in miramLia h. F.; vgl. VB 93—95.

C<mfes80T: Schwiegermutter tödtet den Schwiegersohn; refert Vincentius; vgl. VB. XXV, 90, dessen Darstellung im Beginne wesentlich abweicht.

Corpus Christi: Zwei Geschichten von Bienen, welche um die Hostie einen Altar bauen. Die eine aus Jacobus de Vitriaco, die andere aus Caesarius; vgl. oben Caes. Heist. IX, 8.

Ibid.: Judenknabe; in Mariali,

Missa: Fridolin; in Itbro de Septem donis spiritiis sanctt. Vgl. oben Et. de Bourbon 373, dessen Darstellung jedoch völlig verschieden ist.

44 IX. Abhandlung: Mnsiafia.

Mulier: Ritter verspricht dem Teufel sein Weib; in mira- culis 6. F.; vgl. Jac. a Var. CXIX, 3.

Peregrinaiio: Teufel, der den Jakobspilger veranlass t, sich zu tödten; refevt Hugo de S. Victore.

Etienne von Besannen (f 1294) theilt in seinem unge- druckten Alphabetum narrationum (B. Nat. lat. 15913) einige Marienwunder mit':

Abbatiasa : ,

1. Aebtissin. Fuit quedam monialium nomine et actione ahbatiesa,

Familiaritas :

2. Inoestus. Rome quedam nobilis mulier de viro suo ßlium susceptum tenenssime diligebat,

Laurentius :

3. Zwei Brüder in Rom. Quidam judex nomine Stephanus, Leo:

4. Papst Leo. Leo papa in eccleeia b. M. majoi'is . . . missam ceUbrabat.

Maria :

5. M. kämpft im Turnier. Mües quidam de Kyrkeby , , . ad tomeamentum vadens. Vgl. C. Heisterb. VII 38 von Herrn W. von Birbech.

6. Christuskind als Geissei. Qibedam midier vidua unicum habebat ßlium,

7. Gehängter Dieb. Für quidam B. V. in devotionem habebat.

8. Marienbräutigam. Clericua devotus b. V. horae ejus Be- dulo decantabat, defunctis autem parentibtu,

9. Befreiung von einer Feuersbrunst. Quidam vir et uxor prope Lugdunum circifer a. D. mc. habentes filiam unicam.

10. Theophilus. A. D. 537 Theophilus vicedominus Cicilie.

11. Pförtnerin. Sanctimonialia quedam nomine Beatrix.

12. Der Teufel erscheint öfters einer Nonne in Gestalt eines Engels. Auf den Rath ihres Beichtvaters fordert sie den falschen Engel , als er wieder vor sie tritt, auf, ihr M. zu

1 Ich verdanke deren Mittheilung der Qüte P. Mejer's.

Studien zu den roittolKlterlichen Ifftrienlegenden. III. 45

zeigen. Er zeigt ihr eine wunderschöne Jungfrau. Als aber die Nonne vor ihr kniet und Ave M. sagt, da verschwindet die trügerische Vision. Findet sich bei Caes. Heist. VII, 26 und wurde von mir in den Auszügen aus ihm nicht berück- sichtigt. Cuidam precltise mahis angdiLS in specie boni angeli Bepius apparens tandem dixit ei guod eam venerat remunerare,

13. Ein convefi'sus wird vom Teufel ^imgesucht; er sagt Ave M.; der böse Geist entflieht mit den Worten: , Verflucht sei, wer dich Diess lehrtet Quidam converso qui incoiisuUus erat. Vgl. Jac. a Var. CXIX, 7.

14. Nonne will das Kloster verlassen ; ob sie es thut oder nicht, ist aus dem mir bekannten Bruchstücke nicht ersichtlich. Quedam monialis amore cujusdam juvenis temptata ad aecuLwm ire volebat, quod facere non poterat nisi per ecclesiäm transiret,

15. Marienbräutigam; Ring am Finger. Quidam pueri clerici hidam pile ante quandam ecclesiam exercebant.

16. Kaiserin von Rom. Imperator quidam Romanus uxorem hohem puhhennmam.

Johannes Herolt, gewöhnlich Discipulus genannt (15. Jahrb.), hat ausser einem nach Schlagwörtern eingetheilten Promptua- rium exemplorum, worin einige wenige auf Maria bezügliche Beispiele vorkommen, ein aus hundert Stücken bestehendes Promptuanum miracidorum B, V, M, zusammengestellt.' Er nennt hie und da seine Quellen: die aus Vincentius Bellova- censis entnommenen Stücke citirt er (mit ein paar Ausnahmen) genau; Caesarius wird oft, aber nicht immer, angeführt; einige Stücke stimmen genau mit Thomas Cantimpratensis überein, welcher jedoch nicht genannt wird. Herolt verfährt nicht immer in gleicher Art: manchmal schreibt er genau ab; öfters kürzt er. Auch hier theile ich die Concordanz seiner Stücke mit denen der angegebenen drei Quellen mit.^ Von den Stücken, die Herolt aus Caesarius aufnahm und die ich in den Auszügen aus Letzterem nicht berücksichtigte, gebe ich eine kurze Inhaltsangabe an:

1 Ich benutze die Ausgabe von Nürnberg 1486.

' Ich setze zwischen Klammem die nicht angegebenen Quellen.

46

IX. Abhandlang: Mnssafia.

Herolt

Tf

n

V

Tf

n

1

Vinc.

90 2

Herolt 39

Vinc. 88

2

n

85

n

40

n 89»

6

»

107

r

41

Caes. VII 28

7

n

[81«]

Tf

43

VII 57

9

Caes.

XII 58]

n

46

Thom. [25]

10

n

[Vll 3J

ry

52

. [18]

11

n

VII 2

n

62

Vinc. 96

15

V

[VII 45]

n

68

. [117]

17

Vinc.

99"

rj

74

Caes. VII 26

18

Thom

.[52]

yy

81

Vinc. 110»

19

Vinc.

99»

rf

82

110-

25

Caes.

VII 34]

V

83

83

26

n

VII 27

Tf

84

[104»]

27

n

VII 32

f)

90

Caes. VII 29

30

n

VI 1 23

n

96

II 12

37

p

VII 48

Tf

97

VII 58

38

Thom

.[6]

V

98

Thom. 8

3. Murieldis = P 17.«

4. Teufel als Stier, Hund, Löwe == P 23.

5. Gehängter Dieb bleibt drei Tage am Leben; er kann ohne Beichte nicht sterben. Man schenkt ihm das Leben.

8. Der heil. Dominicus hat zu Rom eine Vision : Christus zürnt gegen die Welt; M. besänftigt ihn; sie habe einen Diener

Dominicus

welcher die Menschheit bessern werde. Es

wird dabei auch der heil. Franciscus genannt. Am folgenden Morgen begegnen sich die zwei Heiligen, die sich früher nie gesehen hatten.

9. Guilelmus hatte eine Vision: Christus befiehlt einem Engel zu blasen; die ganze Welt zittert wie das Laub. ,Blase noch einmal', befiehlt Christus. Aber M., welche wusste, dass dann die ganze Welt zu Grunde gehen würde, legt Fürbitte ein = Caes. Heisterb. XH 58, nicht citirt.

10. Als zu einer Frau die Eucharistie gebracht wird, schlägt ihr betrunkener Mann den Kelch aus der Hand des Geistlichen, so dass die Hostien zerstreut auf dem Estrich liegen. Bald darauf stirbt der Trunkenbold. Das Land wird aber von einer grossen Ueberschwemmung heimgesucht; tau-

' Auch im Promptuarium exeniplortim S 12.

Studien zu den mittelalterliehen Marienlegenden. III. 47

sende von Menschen kommen um. M. erscheint einer Matrone und verkündet ihr, das Unglück würde nicht aufhören, bis die Sünde nicht gesühnt sei. Man baut an der Stelle des Hauses eine Kirche = Caes. Heisterb. VII 3, nicht citirt.

11. Während der Messe fängt ein Bild M.'s zu schwitzen an. Ein Besessener sagt, Christus habe die Hand ausgestreckt, um zu schlagen; M. habe ihn davon zurückgehalten, daher der Schweiss. Hoc Caesariua VII 2.

12. Aufzählung der Schmerzen M.'s und der Belohnung, die Christus jenen bestimmt, die flir jeden Schmerz ein ent- sprechendes Gebet verrichten.

13. Aufzählung der sieben Freuden M.'s.

14. Christuskind als Geissei = Jac. a Var. CXXXI, 4. 16. Eine Frau soll ihrem Manne das Essen aufs Feld

bringen. Sie empfiehlt ihr Kind der Obhut M.'s. Feuer bricht aus; das Haus verbrennt ganz; das Kind ist unversehrt. 18. Judenknabe = P 31.

20. Hieronymus = P 13.

21. Hieronymus der Sacristan malte Maria sehr schön, den Teufel aber stellte er möglichst hässlich dar. Um sich zu rächen, flösst ihm der Teufel eine heftige Leidenschaft für eine Frau ein, welche ihn zur Flucht bestimmt; vorher möge er jedoch den Klosterschatz plündern. Er thut es; da ruft der Teufel die Klosterbrüder zusammen. Hieronymus wird an eine Säule gebunden; der Teufel höhnt ihn; nun möge M. ihm helfen. M. erscheint, befreit Hieronymus und bindet statt seiner den Teufel an. Contamination aus ,Teufel und Maler' und , Flucht mit dem Thesaurarius' in Paris. lat. 18134, Nr. 29.i

22. Tugend der Mädchen verdächtigt = Sc. coeli 53.

23. Die Frau eines Ehebrechers muss, um ihr Leben zu fristen, ein fremdes Kind pflegen. Ihr Mann schleicht sich heran und tödtet das Kind. Man steht im BegriflFe, das Weib zum Tode zu verurtheilen. Da erscheint vor den Richtern eine Dame mit einem Kinde. Letzteres sagt, man möge den todten Säugling herbeibringen und befiehlt diesem, seinen Mörder zu nennen.

1 Diese auch französisch vorkommende Fassung (M^on II, 411) ist mir bisher in keiner älteren Sammlung begegnet.

48 IX* Abhandlnnf;: Mosgafia.

24. Aebtissin == P 36.

28. M. erscheint am Todtenbette eines Taubstummen, der jeden Samstag fastete, und gibt ihm die Sprache, damit er beichten könne.

29. Leuricus (hier Henricus genannt) = P 38.

30. Die Albigenser reissen einem Geistlichen die Zunge aus. M. gibt sie ihm wieder. Haec Caesarius VII 23.

31. Blindgeborener wird sehend. Legitur in ecdesicutica historia quod quidem erat Didymus.

32. Heilung durch Milch; Lippe und Zunge = SV 14.

33. Johannes Damascenus. Prudentius ex gestü Damasceni,

34. Stossen auf einen Stein; der Teufel hat ihn da hin- gelegt = SG 75.

35. Arbeiten am Magdalenentage; die Ochsen verflucht; heil. Hippolytus = Guib. de Nog.

36. Drei Ritter = SV 60.

37. Eine Nonne verletzt sich beim Knieen; M. erscheint der Schlafenden und heilt sie mit einer Salbe. Haec Caesarius Vn 48.

41. Ein gefangener Ritter wird durch M. von den Fesseln befreit und entkommt durch das Fenster. Haec Caesarius VII 28.

42. Theophilus.

43. Ein Ritter, den seine Feinde tödten wollen, bittet um einen Beichtvater. Abgewiesen, empfiehlt er seine Seele der M. G. Ein anwesender Besessener sagt, er sei selig geworden = Caes. Heisterb. VII 57, nicht citirt.

44. Der Henker wird getödtet. Ein Geistlicher kommt nachts in den Friedhof und sieht viele Verstorbene, worunter manche Bekannte. Sie erzählen ihm, der Teufel und M. streiten um die Seele des Verstorbenen; bald kommt Christus, um zu entscheiden, wer Recht hat. Der Geistliche versteckt sich. Christus bestimmt, die Seele solle sich mit dem Körper wieder vereinigen, damit der Sündige Busse thun könne. Auch solle der Papst ftir ihn beten. Auf die Frage, wer dies dem Papste zu melden habe, sagt M. : ,Der Geistliche, der da ver- steckt ist.' Sie übergibt ihm eine Rose als Zeichen.

45. M. sagt einem Diebe, er solle in seiner Todesstunde fünf Worte Dens propitius esto mihi peccatori sagen. Zum Galgen geführt, sagt er die Worte;. seine Seele ist gerettet.

Stadien eh den mittelaltorliclieii Marienleg^enden. III. 49

47. Ein Mädchen sündigt mit dem Manne ihrer Herrin. Diese sagt zu ihr: Ich würde dich durch meinen Verwandten tödten lassen y wenn mir M. nicht befohlen hätte, dich zu schonen. Darauf geht das Mädchen in sich und wird Nonne. In episcopatu Camotensi, Hat Aehnlichkeit mit der folgenden Erzählung.

48. Ehefrau und Buhlerin.

49. Ein lasterhafter Mann hat eine Vision: Er steht vor dem Richterstuhle Gottes; alle klagen ihn an; nur M. sagt zu seinen Gunsten aus, er habe ihr einmal eine grosse Kerze ge- widmet. Worauf Christus: ,Er möge sich dieser zu seinem Schutze bedienen.' Als die Dämonen ihn ergreifen wollen, verwundet er sie mit der brennenden Kerze. Infolge des Traumes schwitzt er und schreit. Auf das Geschrei erwacht seine Frau und sieht ihn an; er ist ganz verändert, so dass die Frau ihn fUr einen fremden Mann hält. Sie ruft Diener herbei, die den vermeintlichen Eindringling tödten wollen. Da erzählt er das Geschehene.

50. Ein sündhafter Mensch hat eine Vision: Er steht vor dem Richterstuhle Gottes; die Teufel bringen ganze Bücher voll seiner Sünden; M. kann nur einige Zettel mit darauf ge- Bchriebenen Ave M. vorbringen. Da bittet sie Christus um einen Tropfen seines Blutes. Dieser, auf die Wage gelegt, wiegt mehr als alle Sünden.

61. Habgieriger Bauer = P 11.

53. Ein Dieb, der von einem Mädchen gehört hatte, l^iemand, der am Samstag faste, könne ohne Beichte sterben, übt diesen frommen Brauch aus. Enthauptet, kann er nicht sterben u. s. w. wie Thom. Cantimpr. 18.

54. Aehnliche Geschichte, in ein paar Zeilen erzählt.

55. Eine weitere ähnliche Geschichte = Et. de Bourbon, 1 21.

56. Einem Sterbenden erscheint M. und kündigt sich als Mater müerkordiae an; vgl. SV 11. 25. 32.

57. Ein Ritter, der Morgens und Abends Ave M. sagt, wird selig.

58. Mönch zu S. Peter = P 7.

59. In einem Cistercienserkloster in Spanien hat ein kranker Mönch eine Vision: M. kündigt ihm an, er würde nach sieben Tagen sterben, darauf umarmt und küsst sie ihn.

SUsungiber. d. phil.-bist. CI. CXIX. Bd. 9. Abb. 4

OO IX. Abhandlung: Mnssafia.

Am Tage seineB Todes sieht der Prior eine Schaar von Weiss- gekleideten in die Zelle eintreten.

60. Ein sterbender Mönch sieht viele Dämonen, die nach seiner Seele trachten. Er ruft aus: , Warum bin ich in den Orden eingetreten? Es wäre besser, ich wäre ein Frosch oder ein wildes Thier gewesen.' Die Genossen besänftigen ihn, er möge zu M. beten. Er thut es und nach einer Weile preist er sich glücklich, ein Ordensmann zu sein. Er erzählt, M. sei erschienen und habe die Dämonen in die Flucht geschlagen.

61. Einer beichtete alle seine Sünden bis auf eine schwere. Er fleht Gott an, ihm das Mittel einzugeben, diese zu sühnen. Der Teufel erscheint ihm in Gestalt eines Geistlichen und sagt: ,Die Sünde ist dir erlassen; du brauchst sie nicht zu beichten.' Nach seinem Tode streiten die Engel mit den Teufeln, und diese schleppen als Sieger die Seele bis zum HöUenthore. Da befiehlt M. , der Sünder solle wieder zum Leben kehren, damit er Busse thun könne. ^

63. Ritter, der mit einem Mädchen, Namens Maria, nicht liegen will, stirbt in einem Turniere, wird ausser dem Kirch- hofe begraben. M. erscheint dem Bischöfe dreimal und be- fiehlt ihm, die Leiche in geweihter Erde zu bestatten. Variante von VB. 102—103.

64. Cleriker ausser dem Kirchhofe begraben = P 3.

65. Streitsüchtiger Diakon ausser dem Kirchhofe begraben = SG 88.

66. Schüler, der Gaude Maria singt, von den Juden er- schlagen. Andere Fassung als bei Thom. Cantimpr., S. 542.

67. Unvollständige Busse der Nonne = P 41.

69. Teufel als Diener eines räuberischen Ritters = Jac. a Var. LI 3.

70. Ave Maria statt Blumenkränze; Variante von Par. lat. 18134, Nr. 43.

71. Variante von , Ertrunkener Mönch*; verwandt mit Cleop.-Toul. 111*8 imd Scala coeli 47.

72. Ein incliisus juxfa ecclesiam S. Severini in Colonia hört von einer Frau, dass, wenn sie Ave M. betet, ihr Speichel so süss wie Honig ist. Er ahmt ihrem Beispiele nach.

^ Auch im Prompt, exenipl. C 23. llec Äimoldfis.

Studien zu den mittelalterlichen Marienlegenden. III. Ol

73. M. entreisst den Dämonen die Seele einer Dirne.

74. Teufel erscheint einer Nonne in Gestalt eines Engels; siehe Et. de Bourbon^ 12.

75. In einer Stadt der Diöcese Köln wird die Nonne Adelheid vom Teufel behelligt. Weder Weihwasser noch Weih- rauch vermögen etwas gegen ihn; nur das Gebet Ave M. jagt ihn in die Flucht.

76. Ein alter Ritter war Cistercienser geworden; schwer krank, fühlt er sich wegen seiner vielen Sünden beängstigt. M., zu deren Ehre er zu knieen pflegte, flösst ihm Zuversicht ein.

77. Der Teufel behelligt ein Mädchen und will sie ab- halten, Nonne zu werden; als sie ihm Widerstand leistet, will er sie vom Fenster hinausstürzen. Auf das Gebet Ave M. entflieht er.

78. M. erscheint in ihrer Schönheit zuerst einem einzigen Mönche, dann dem ganzen Convent. Facta sunt haec in inifio ordinis Predicatorum, Haec Guilhelmus.

79. Ein Schüler sehnte sich, M. zu sehen. Ein Engel sagt ihm, sein Wunsch würde befriedigt werden, nur würde er dann blind werden. Der Schüler sieht M. mit einem Auge an, das an- dere hält er geschlossen. Er erblindet am ersten. Dann fühlt er Reue, und als der Engel ihn fragt, ob er M. wieder sehen und auch das zweite Auge verlieren will, erklärt er sich dazu bereit. M. erscheint ihm und schenkt ihm auch das verlorene Auge.^

80. Einem jungen Manne, der von gleicher Sehnsucht erfüllt ist, erscheint M. und nimmt ihn mit in den Himmel.

85. Bild zu S. Michael unversehrt = P 15.

86. Marienbild vom heil. Lucas gemalt = SG56.

87. Die Dämonen behelligen zu Bologna (Boulogne?) und Paris die Mönche des Predigerordens; durch das Gebet Salve Regina und eine feierliche Procession werden sie verscheucht.

^ Diese recht anziehende Legende ist mir in lateinischen Sammlungen nicht aufgestossen. Sie kommt im Englischen vor und Horstmann (Altengl. Legenden, Neue Folge, 1881, S. 499 ff.) hat sie nach einer Handschrift des 14. Jahrhunderts abgedruckt. Auch Zupitza, welcher sie zum Gegenstände einer Erörterung machte (Archiv f. das St. der neueren Spr. LXXXH, S. 465), vermochte keine andere Fassung als die von Herolt nachzuweisen, bemerkt aber, dass die englische Erzählung einer anderen Quelle gefolgt sein müsse. Bolte, der aus einer Berliner Hs. des 15. Jahrh. eine ähnliche Legende in alamannischer Mundart (Alemannia XVII, 2) druckte, gibt zu derselben keinen Nachweis.

4*

52 IX. Abhandlang: Mnssafia.

88. Als das Gebet Salve Regina eingeführt wurde, kam ein Vogel mit einem Zettel im Schnabel, worauf das Gebet geschrieben stand.

89. M. zeigt das Christuskind dem Volke in der Lom- bardei, welches Salve Regina singt.

90. Ein Geistlicher wird durch das Gebet Salve Regina von der Furcht vor dem Donner befreit. Haec Caesarius

vn29.

91. Einer Frau, die in schweren Geburtsnöthen, erscheint im Schlafe der heil. Franciscus, der ihr räth, Salve Regina zu beten.

92. Ein Canonicus ist in der Todesstunde um das Heil seiner Seele besorgt. M. flösst ihm Zuversicht ein; vgl. 76.

93. Ein Karthäusermönch wird von Versuchungen geplagt; durch das Gebet Salve sancta parens befreit er sich.

94. Priester kann nur eine Messe =: P 9.

95. Gründe, aus welchen der Samstag M. geweiht ist; vgl. Durandus, Rationale divinorum officiorum IV, 1,

99. Ein Edelmann übt allerlei Gewaltthaten. Erkrankt, fleht er den Bischof an, er möge für ihn beten und vorspricht, sich zu bessern. Genesen, treibt er es noch ärger, und als ihn wieder eine schwere Krankheit befUllt und er den Bischof an- ruft, weigert sich dieser, ihm beizustehen. Da hat der Kranke eine Vision : Christus hängt am Kreuze, zu seinen Füssen betet M. für den Verirrten. Christus schlägt anfangs die Bitte ab, endlich schenkt er dem Kranken die Gesundheit.

100. Ein Mönch hatte im Jahre 1431 eine Vision über die Herrlichkeit des Rosariums.

In dem Promptuarium exemplorwm, das ich jedoch nicht sorgfältig excerpirte, sind mir aufgestossen:

B 3. In mariali magno, Kinder ertrinken; nur eines rettet sich.

4. Ein einäugiger Ritter schlägt einen Juden, der seiner spottet, weil er vor M. kniete. Verklagt, fleht er M. an, die ihm das fehlende Auge wieder gibt. Als er vor dem Richter steht, sagt der Jude: Das ist nicht Jener, der mich schlug. Zur Erinnerung an das Wunder bekommen die Juden jedes

Stadien zv don mitteUlterlichen Marienlegenden. III. 53

*

Jahr an demselben Tage eine Ohrfeige. Der Schluss erinnert an Toul. IIP 10 =. Oxf. m»» 1.

E 16. Variante von ,Teufel als Aflfe'; vgl. VB. 118. Der junge Mann ist der spätere heil. Brixius; der Bischof ist der beaius Martinus.

17. Julianus und Basilius.

24. Priester zweifelt an der Eucharistie = Sc. coeli 52. L 26. Papst Leo haut sich die Hand ab. P 45. Bild Christi durchbohrt und in den Brunnen ge- worfen = Sc. coeli 37.

46. Wachsbild Christi beschimpft.

V 36. Vision: Brunnen mit Schlangen. X 1. Jude leiht dem Christen Geld.

Y 2. Marienbild^ iir^en Abtritt.* „i^üni reicht dem CEHslüskinde Brot.

4. Frau hinter der Säule mit Marienbild; Arm des Christuskindes gebrochen = Sc. coeli 35.^

Es möge nunmehr ein Rückblick auf die bisher unter- suchten lateinischen Legenden gemacht werden. So zahlreich sie auch erscheinen, so lässt sich doch gleich eine Sichtung vornehmen, durch welche das von literarhistorischem Stand- punkte wichtigere Material auf weit geringere Proportionen reducirt wird. Wir finden einerseits Legenden, welche ent- weder in derselben Fassung oder in Varianten überaus oft vorkommen, andererseits solche ihr Inhalt ist zumeist, wenn auch keineswegs ausschliesslich, von geringem Interesse welche selten, oft nur in einer einzigen Handschrift vorkommen. Die Anzahl der ersteren beträgt nicht viel mehr als hundert; diese bilden auch zumeist den Stoff, den die Vulgärdichtung bearbeitete.

Auf welche Art zuerst die einzelnen Erzählungen, dann die Sammlungen zu Stande kamen ^ ist bisher unaufgehellt geblieben. Nur ein kleiner Bruchtheil der Stoffe gehört früheren Jahrhunderten an; von wenigen Erzählungen kennen

> In ein paar Zeilen auch anter B 2. 3 Auch unter B 1.

54 IX. Abhandlung: Mnssafia.

wir die Verfasser; es sind beinahe ausschliesBlich solche, die in grösseren Werken enthalten sind und. denselben von den Veranstaltern der Sammlungen meist wortgetreu entnommen wurden. Wohl ist für eine der bedeutendsten Sammlungen der Autor genannt worden. Pez hat nämlich die von ihm heraus- gegebene dem Potho oder Botho von Priefling zugeschrieben und zwar blos deshalb^ weil in der von ihm benützten Heiligenkreuzer Handschrift als Cap. 37 der Bericht über eine Vision enthalten ist, die Potho gehabt hatte. Am Schlüsse derselben sagt dieser, er habe es fiir werth gehalten, die Wohlthaten Mariens, quae ante annos quadraginta circa me gerehantur , mitzutheilen.^ Die Unhaltbarkeit des Schlusses, welchen Pez aus dieser Stelle zog, springt gleich ins Auge. Vor Allem müsste die Vision, wenn die eben angeführten Worte sich auf die Sammlung bezögen, als Einleitung zum Ganzen, nicht als 39. Capitel erscheinen. Femer: Potho ver- spricht, Wunder zu berichten, die in seiner Umgebung vor nicht langer Zeit stattfanden; wie passt diese Ankündigung zum übrigen Werke, das von Begebenheiten handelt, welche innerhalb vieler Jahrhunderte in den verschiedensten Ländern sich ereigneten? Offenbar war Potho's Schrift blos ein Bericht über Mirakel rein localer Bedeutung; nur der erste einleitende Theil dieser Schrift eben die Vision wurde von dem Schreiber der Heiligenkreuzer Handschrift in seine Abschrift einer Sammlung aufgenommen, die bereits mehrfach verbreitet war. Er verfuhr dabei recht ungeschickt, denn da er die Wunder ausliess, so hätte er auch die Hinweisung auf sie unterdrücken müssen; ein denkender Mann hätte, sobald es ihm beliebte, in die ihm vorliegende Sammlung dieses neue Stück einzufügen, den Schluss etwa so abgekürzt: Ego Botho qui hanc visionem jam senex de S, M. vidi quasi de alieno scripsi. Von solcher mechanischen Wiedergabe der benützten Quelle findet sich noch manch anderes Beispiel. Die Ein- reihung der Vision blieb indessen ein individueller Zug der Heiligenkreuzer Handschrift, denn kein anderes der überaus zahlreichen Exemplare derselben Sammlung, welche wir aus

1 Sieh die Stelle im ersten Hefte dieser Stadien, S. 23 (= Sitzungsber. CXIII, 937).

Stadien zn den mittel«lterlichen MarienJegenden. III. 55

deutschen Bibliotheken kennen gelernt haben, enthält dieses Stück, welches Pez auf falsche Fährte flihrte. Wie sehr dieser Umstand dazu beiträgt, meine Darstellung des Verhältnisses zu bestätigen, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Wenn in der That die Vision von vorneherein zum Ganzen gehörte, wie wäre es zu erklären, dass alle übrigen Handschriften in deren Auslassung übereinstimmen? Dazu kommt, dass ent- weder alle oder sehr viele Stücke des vermeintlichen Potho in^anderen Sammlungen begegnen, nirgends ab^r eine Spur der Vision zu entdecken ist. Ein weiteres Argument gegen Pez' Annahme (wenn es überhaupt solcher bedürfte) könnte in dem Vorkommen von Conception gefunden werden. Potho gehörte zu denjenigen, welche in Uebereinstimmung mit dem heil. Bernhard gegen die Einführung der neuen Feier in die occidentalische Kirche eifrigen Widerstand leisteten. Im dritten Theile seines Werkes De statu domus Dei (ed. Joh. Alex. Brassicanus, Haganoae 1532) zählt er die Feste auf, welche ohne genügende Autorität gefeiert werden und fährt dann fort: Additur a quibuadam, quod magis absurdum est, festum quoque conceptionis. Wie hätte er nun in seinem Buche gerade jener Legende Aufnahme gewährt, welche den Zweck hatte, die Berechtigung des von ihm missbilligten Festes zu beweisen? Es bliebe freilich der Ausweg offen, dieses Stück als später eingeschoben zu bezeichnen; dagegen spricht aber wieder der Consensus der anderen Handschriften, welche ausnahmslos die Elsinuslegende bieten. Man wird daher, ohne dem gelehrten Mönche von Priefling irgendwie Unrecht zu thun, ihm die Autorschaft des Büchleins absprechen. Sein Ruhm wird um so weniger darunter leiden, als derjenige, welcher die Sammlung zusammenstellte, möge er wer immer gewesen sein, doch nur als einer der Compilatoren zu bezeichnen ist, welche einzelne, in möglichst verschiedenem Stile abgefasste, theils prosaische, theils rhythmische Stücke zu stets wachsenden Sammlungen aneinander reihten.

Als Ergebniss meiner bisherigen Beobachtungen vermag ich, zum Theile von mir schon Gesagtes wieder zusammen- fassend. Folgendes aufzustellen:

Als die älteste, jedenfalls in das 11. Jahrh. reichende Sammlung ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Reihe von

56 IX* Abhandlung: Mniiafia.

17 Legenden mein HM anzusehen ^ und für diese lässt sich ein bisher unbekannter Redactor annehmen. Sein Material holte er zum Theile aus Heiligenleben, und zwar nicht blos aus solchen, in welchen Maria von Haus aus eine wichtige Rolle spielte z. B. ,Hildefon8us' , sondern auch aus solchen, in welchen das Wunder dem betreffenden Heiligen zugeschrieben wurde; erst der zunehmende Cultus der Jung- frau bewirkte, dass an Stelle des Heiligen oder wenigstens als dessen Mitarbeiterin M. eingeftihrt wurde. So war in ,Unzüch- tiger Mönch zu Cöln' zuerst nur von dem heil. Petrus die Rede, ,Giraldus^ gehörte zu den Jakobswundern u. s. w. Eine andere Quelle für den Redactor von HM werden die Kloster- chroniken gebildet haben, so jene des Mont S. Michael für yEeuer in der Michaelskirche^ jene des Michaelklosters zu Chiusa für ,Anselmus^ Es wäre von einigem Werthe, zu er- fahren, woher er die anderen Erzählungen schöpfte, und fleissigem Nachsuchen wird dies vielleicht gelingen; nicht ausgeschlossen ist, dass er die eine oder die andere der mündlichen Tradition entnommen und deren erste Niederschrift veranstaltet habe.

Die kleine Reihe, eben weil die älteste, hat grosse Ver- breitung gewonnen; die meisten Sammlungen kennen sie, und zwar unversehrt oder in modificirter Anordnung; in letzterem Falle bleiben wenigstens einige der ersten Stücke beisammen und finden ihren Platz an der Spitze der betreffenden Sammlung; daraus ergibt sich, dass die meisten Sammlungen mit ,Hilde- fonsus' beginnen. Auch in den Vulgärdichtungen spiegelt sich die Beliebtheit von HM ab; manche haben es vollständig, andere sehen von den weniger bedeutenden Erzählungen ab, bieten aber alle jene, die durch ihren Inhalt zu dichterischer Reproduction reizten.

Ebenfalls noch im 11. Jahrhundert hat ein ebenso un- bekannter Schriftsteller die in Quellen früherer Jahrhunderte enthaltenen Legenden von ,Judenknabe', ,Theophilus^, ^B^silius', sowie den etwas jüngeren Bericht über eine ,Entbindung im Meere^ he\ S. Michael in periculo maria neu^redigirt und sie dadurch in organische Verbindung gebracht, dass er je eine Erzählung mit einem der vier Elemente in Beziehung brachte. Diese kleine Schrift hat weit geringeren Beifalles sich erfreut;

Stndieo sn den mitUlalkerlicheD Marienlegendan. III. 57

die späteren Sammlungen, welche theils alle vier Wunder, theils einzelne derselben aufnahmen, benützten oder redigirten andere Fassungen von%,Bas.% ,Theoph/ und ,Judenkn/; nur ^Entbindung' entlehnten sie der Elementensammlung, und zwar so gedankenlos, dass sie die bei solchem Verfahren unverständ- liche Beziehung zum Wasser dennoch in den einleitenden Worten beibehielten J

Von da an wurden immer zahlreichere Wunder Marias theils, wie erwähnt, aus früheren Schriften zusammengelesen, theils zum ersten Male niedergeschrieben. Die Thätigkeit auf diesem Gebiete muss von der Mitte des 11. Jahrhundertes an eine überaus rege gewesen sein; zum religiösen Gefbhle ge- sellte sich das literarische Interesse; es galt nicht blos, die Wunderthat schlicht zu berichten; man befleissigte sich zu- gleich, die Erzählung durch künstlerische Gestaltung anziehender zu machen. Daher der ziemlich grosse Umfang vieler Legenden bei verhältnissmässig dürftigem Inhalte; auch griffen manche Schriftsteller zur gebundenen Rede. Dass jedes einzelne Stück von je einem Verfasser herrühre, ist nicht leicht zu glauben; aber ebenso wenig ist zu erhoffen, dass die Autorschaft von bestimmten Gruppen durch äussere Nachrichten oder innere Merkmale aufgedeckt werden könne. Es sei schliesslich be- merkt, dass manche Stücke sich als Predigten erweisen oder wenigstens den Eindruck machen, dass sie aus Predigten aus- gehoben worden sind.^ Eine methodische Untersuchung der älteren Sermones dürfte zur Entdeckung der Autoren von mehr als einem Wunder flihren.

Betreffs der Entstehung der älteren und daher wichtigeren Sammlungen drängt sich die Frage auf, ob die kleineren aus

> Sieh die SteUe im zweiten Hefte dieser Studien S. 19 (== Sltzangsber. CXV, 21).

3 So erscheint die Predigt von Radbod n. Ton Kojon als 52. Stück von SG; ,Sam8tag' ist entschieden eine Predigt, die manche Handschriften in extenso wiedergeben, während andere sich begnügen, das am Schiasse erzählte Wunder ,Schleier' herauszuheben. Wenn ,Excommunicirter durch einen Thoren absolvirt' beginnt: PreiiuUcatis quippe nonnuüU in aeculo eundi ad penaa . . ., düecUtnmi fi-atrea, apud mifericordU peUrem . . . Maria . . . quam cUo auccurrert dignata eat ttUut eorum adepta tnanifuUU, so glaubt man darin das Bruchstück einer Predigt herauszufühlen.

58 IX. AblutDdliing: Mnsiafia.

den grösseren durch Elimination ^ oder die grösseren aus den kleineren durch Hinzufbgung von Stücken hervorgingen. Man wird von vorneherein das Letztere für wahrscheinlicher halten; mit der sich stets steigernden Verehrung für Maria schwillt die Anzahl der ihr zugeschriebenen Wunderthaten an^ und bei der Beliebtheit, welche das literarische Genre gewinnt, mehren sich dessen Pfleger.

Als die drittälteste Sammlung bin ich geneigt, jene Reihe von Wundern anzunehmen, welche in CI.-Toul.-Oxf. ^ als erster Theil des dritten Buches erscheint. Ob die einleitenden Worte zu ,Toledo'^ blos zu dieser Erzählung gehören oder als Prolog zu allen folgenden dienen, ist nicht von grossem Belange; Letzteres möchte ich jetzt als bei weitem wahrscheinlicher an- sehen. Die Vergleichung einerseits mit APM, andererseits mit PEZ lässt mich vermuthen, dass in dieser Sammlung nach ,Mild[)^noch , Judenknabe' in der üblichen Recension dastand; der Compilator von Cl.-Toul., es als eine Variante zum ersten Stücke seines ersten Buches der Elementenreihe erken- nend, hat es übersprungen. Die Vergleichung mit PEZ, SV und anderen Sammlungen lässt ferner glaubwürdig erscheinen, dass bei der ersten Anlage von Cl.-Toul. ,Leuricu8' vor ,Samstag' seinen Platz hatte; wir können daher diese dritte kleine Sammlung mit T(oledo) S(amstag) bezeichnen.

Als eine Abzweigung von TS nehme ich APM^ (APM^ ist HM) an, als dessen vollständigeren Vertreter ich Montpellier ansehe, in welchem aber die ursprüngliche Reihenfolge in der Art wieder herzustellen ist, dass jP^'^^id^ltfifl MarifinhiM' nicht am Schlüsse, sondern als letztes der Prosastücke erscheint. ^ APM gibt manche Stücke von TS auf und stellt die beibe- haltenen so um, dass ,Judenknabe Conception* vor ,Toledo * Milch' zu stehen kommt. Dies ist wohl mit Absicht geschehen; ^Milch' ist ans Ende verlegt worden, um daran andere fünf rhythmische Stücke, die zur Verfügung standen, anzureihen.

Wieder durch Ausfallen einzelner Legenden und Hinzu- treten von einer immer grösseren Anzahl von neuen hat sich

1 Letztere Handschrift, Oxf., enthält jedoch nur die drei ersten Stücke, s Vgl. das zweite Heft, 8. 22 (= Sitznngsber. CXV, 24). 3 Man wird dies fttr um so glaubwürdiger halten, als Montp. auch andere zwei Stücke, die er ausgelassen hatte, am Schlüsse nachtrug.

Studien zu den miitelalfcerlicfaeD MftrioDlegenden. III.

69

aus TS die Sammlung PEZ^ (PEZ> ist selbstverständlich HM) entwickelt. Folgende Tabelle versucht es, die muthmasslichen Vorgänge zu veranschaulichen.

PEZ

Ambr.

W625

Urspr. T 5

APM

Toledo

id.

18 id.

id.

id.

Viviers

id.

id.

Musa

id.

Sieut üerum

id.

19 Concp. Ans.

20/1 id.

id.

id.

Lib.-Gets.

id.

Abtritt

id.

Ertr. Glöckner

22 id.

Entbindg.

23 id.

id.

id.

Teuf, als Thier

24 id.

Kind wiederlbd.

^

25/6 id.

Dunstan

27/8 id.

id.

2 Schiffbr.

29 id.

id.

' id.

Completorium

30 *id.

*id.

*id.

* Milch

*id.

31 id.

id.

id.

Judenknabe

id.

3 Ritter

id.

32 Id.

id.

id.

Eulalia

33 id.

Christ leiht

id.

34 id.

Cambrai

35 *Liebed. T.

36 id.

id.

Aebtissin

37 * Bonus

39 id. (b)

Freund bittet

Meth

id.

id.

id. (b)

Conception

id.

38 id. (a)

[id.]'

id. (a)

Leuricus

41 «Basse (d)

42 id. (e)

id.

Bruchstück

Samstag

40 id. (c)

Dtsch. Edelm.

^

«

«

Mönch stirbt

* Busse

»Busse

»Ehefrau (b]

1

»Ehefrau

*L. d. T. (a)

#

Liebe d. T.

» Bonus

/ b

> a

Die Annahme, dass TS aus APM durch Versetzung und Zusätze entstanden sei, ist nicht entschieden abzulehnen, stösst

1 Dieses Stück fehlt nämlich in Ambr., dürfte aber in dessen Vorlage vor- handen gewesen sein.

60 IX. ilbhandlnng: Mnifafia.

aber auf manche Schwierigkeit. Vor Allem scheint es an- gemessener, jToledo' an die Spitze der neuen Reihe zu stellen; wenn es ferner feststeht, dass die an das bereits vorhandene HM angeschlossene Reihe zuerst selbstständig war, so kann ,Drei Ritter*, welches mit seinem Beginne: Sicut ex jam relatis mircumlia inteüigere possunt hgentes eine gewisse Anzahl von vorangegangenen Legenden voraussetzt, nicht schon an zweiter Stelle erscheinen; endlich wäre es schwer zu erklären, warum TS von den sechs rhythmischen Stücken nur eines aufge- nommen hätte.

Mit TS verglichen hat W 625 um sechs Stück weniger und um vier prosaische mehr; am Schlüsse drei neue rhyth- mische, was auf Benützung von APM hindeutet.

Ambr. stimmt mit W in dem Minus gegenüber TS, doch nicht vollständig, da es ,Musa' kennt; sein Plus gegenüber TS ist grösser als jenes von W. Ein directes Abhängigkeits- verhältniss zwischen Ambr. und W. lässt sich daher mit Sicher- heit nicht annehmen; denn wenn Ambr. = erweitertes W. wäre, wie hätte es ,Musa' gerade an der richtigen Stelle? und wenn W. = abgekürztes Ambr. wäre, wie würde es gerade nur solche Stücke weggelassen haben, die Ambr. mehr als TS hat? Das Auffinden von Zwischengliedern wird vielleicht das Verhältniss noch klarer stellen. Es ist überhaupt bei so zahl- reichen und in Einzelnheiten so sehr von einander abweichen- den Handschriften schwer, das Filiationsverhältniss mit aller wünschenswerthen Genauigkeit und Sicherheit festzustellen; man darf sich, wenigstens vor der Hand, mit einem beiläufigen und wahrscheinlichen Ergebnisse begnügen.

PEZ ist = Ambr., nur fehlen ,Mu8a^ und ,Conception'; für letztere kommt an viel früherer Stelle ,Conc. nach An- selmus'; auch kommen drei neue rhythmische Stücke an ver- schiedenen Stellen hinzu; nur zwei fallen mit denen von W. zusammen, müssen also von APM oder einer verwandten Hand- schrift herstammen.

Die Heimat von HM kann zweifelhaft erscheinen; die Elementensammlung ist mit ziemlicher Sicherheit als auf englischem Boden entstanden anzusehen, da sie lediglich als Bestandtheil des ersten Buches einer Zusammenstellung er- scheint, die durch zahlreiche Merkmale auf England hinweist.

..J

Studien zu d«n mlttelalterliohen Harienlegenden III. 61

TS endlich, welches als Bestandtheil des dritten Buches der- selben englischen Sammlung auftritt, mag ebenfalls in England entstanden sein; ein zwingender Grund zu solcher Annahme liegt indessen nicht vor. An dessen Abzweigungen lässt sich, nach der Heimat der Handschriften zu urtheilen, vermuthen, dass sowohl APM als die zwischen TS und PEZ vermittelnden Handschriften französischen Ursprunges ^ sind. Das fertige PEZ wanderte dann nach Deutschland und behauptet hier fast aus- schliessliche Herrschaft; es erfahrt nur einzelne Erweiterungen am Schlüsse.

In Frankreich nun, wo (wie die vielen Schriften über einzelne Sanctuarien beweisen) der Mariencultus blühte und die literarische Thätigkeit, wie auf allen Gebieten so besonders auf jenem der Erzählungen, sehr eifrig betrieben wurde, entstehen grosse Legendarien, von denen jene zuerst zu erwähnen sind, welche die aus den früheren kleineren Sammlungen bekannten Wunder und viele neue bieten. Von den letzteren gehört aber nur der bei Weitem kleinere Theil zu den lateinisch und vulgärsprachlich mehr oder weniger häufiger vorkommenden Legenden, die übrigen bilden ein den einzelnen Handschriften eigenes Gut.

Zu diesen Legendarien gehört vor Allem die Gruppe SV. Dass SV nicht zuerst da war, so dass die kleineren Sammlungen Auszüge aus ihm wären, erhellt schon aus dem Umstände, dass es HM zerstreut bietet. Auch wäre bei solcher Annahme das gegenseitige Verhältniss zwischen TS und APM, sowie zwischen TS und den bis zu PEZ reichenden Sammlungen kaum zu erklären. Endlich wird die spätere Zeit der Zusammenstellung von SV durch den Umstand bewiesen, dass es vom ,Mädchen von Arras* heisst: miraculvmi nuper, id est anno incamatianis dominice 1142 . . , factum est.

Ferner SG, das zwar so ziemlich mit SV (im Inhalte, nicht in der Anordnung) übereinstimmt, aber wieder Manches einfllhrt, das den bisher erwähnten Sammlungen unbekannt ist.

Fügt man hinzu, dass eine grössere Anzahl von kleineren Beihen mit den bisher aufgezählten in Zusammenhang stehen,

* Die Ambros. Handschrift weist Novati Frankreich zn; die SchriftzÜ^e von Wien 625 halte ich ebenfalls für französisch.

62 IX« Abhandlung: Mnssafia.

ohne dass sie irgend ein nennenswerthes neues Stück von Belange aufwiesen (nur das Anwachsen der rhythmischen Stücke in Par. lat. 2333«^ und 17491 ist hervorzuheben), so ist die grössere Anzahl von Handschriften erledigt; ihr Bestand beläuft sich auf ungefähr 80 Legenden.

Eigene Wege geht Par. lat. 5268, das jedoch nur im Ausdrucke modificirte Fassungen von bekanntem Gute gibt; dazu ein paar neue Erzählungen.

Ebenfalls für sich steht Par. lat. 18134, das sich nur im Beginne an SV anschliesst, bald aber eine grosse Reihe von Wundem vorführt, von denen manche, trotzdem sie in lateinischen Handschriften wenigstens in den mir bisher bekannten selten oder gar nicht vorkommen, in die Vulgär- dichtung eindrangen.

Als Vertreter einer französischen Sammlung hat endlich jene des Speculum hütoriale zu gelten; auch sie macht uns mit mehreren neuen Legenden bekannt, worunter einige wichtigeren Inhaltes.

Zur Reihe der französischen Sammlungen gehört endlich jene in Versen der Arsenalbibliotbek und der Magliabechiana; * ob jene inhaltlich meist belangslosen Stücke, die ihr eigen sind, zuerst in Prosa vorkamen oder ob sie von vorne- herein rhythmisch abgefasst wurden, ist schwer zu sagen.

Ob auch die Quelle von Jacobus a Varagine, die ebenfalls einzelne neue Stücke beisteuerte, französischen Ursprunges ge- wesen sei, lässt sich weder bejahen noch verneinen.

England hat seinerseits thätigen Antheil an der Literatur der Marien wunder genommen. Wilhelm von Malmesbury soll eine hieher gehörige Schrift verfasst haben und ich kann nie genug bedauern, dass meiner Bitte, nach derselben zu forschen noch keine Folge gegeben wurde; hier entstand die Elementen- reihe, an welche einige andere angeschlossen wurden; hieher ist möglicherweise TS zu verweisen; specifisch englisch ist dann jene grosse in Oxf. HP Toul. IH*^ enthaltene Sammlung^ welche mehrere ihr eigenthümliche, auf England sich beziehende Wunder enthält, und jene, die sie mit den continentalen gemein-

> Im Eweiten Hefte, S. 69 (-= Sitzung^sb. CXV, 71) habe ich aus Ver- sehen die Lanrentiana als Aufbewahrungsort angegeben.

Stndien zu den mittelalterliclien Maricnlegenden. III. 63

BchaftUch hat, in abweichenden Fassungen bietet. Die be- züglich letzterer sich aufdrängende Frage, welcher Fassung die Priorität zukomme^ bin ich noch nicht im Stande mit Sicherheit zu beantworten. In Zusammenhang mit Toul.-Oxf. steht die Cambridger Handschrift; einzelne Ausläufer sind innerhalb Handschriften französischer Bibliotheken zu entdecken.

Mittelst des bisher gesammelten und nach Möglichkeit gesichteten Materials ist man im Stande die Quelle fast aller französischen und englischen, in metrischer Form abgefassten Marienlegendeu, sowie der in Spanien entstandenen poetischen Werke des Gonzalo de Berceo und König Alfonsos, mit ziem- licher Sicherheit zu erkennen; fUr die deutschen Dichtungen bleibt noch Einiges aufzuhellen. Die späteren Prosalegenden in den verschiedenen Sprachen sind bei Weitem zahlreicher; da sie zum Theile Nebenquellen benützen, zum Theile stets neue Varianten des beliebten Themas entweder selbst schaffen oder der mündlichen Tradition entnehmen, so sind sie mit dem bisher untersuchten Material keineswegs vollständig zu erledigen.

Zum Zwecke leichterer Orientirung halte ich es zum Schlüsse für nützlich, die bisher beschriebenen Handschriften nach der alphabetischen Ordnung der Aufbewahrungsorte mit einer kurzen Charakterisirung derselben zu verzeichnen. Ich füge die Stelle hinzu, in welcher ich von jeder einzelnen ge- handelt habe. Ich bezeichne die drei Hefte meiner Studien mit I (= Sitzungsber. Bd. CXIII), II (= Bd. CXV), III (= Bd. CXIX, Abh. 9). Bei I und H führe ich die Seitenzahl der Separatabdrücke und (in Klammem) die der Sitzungsberichte an, ohne jedoch bei letzteren die Bandzahl zu wiederholen.

Admont 638. Pez mit Zusätzen. I 33 (947).

Bern 137, APM mit einigen Stücken aus dem werdenden Pez.

n 14 (16). Brüssel 5619—5526 \

_ 7797—7806 [ IH 22—23.

PhilUps 336 j Bruges 506. Verse des Johannes de Garlandia (nur eine kurze

Notiz), m 6.

Cambraj 739. Inhalt aus SV, SG bekannt; eine neue. 1 61 (975).

64 IX. Abhandlang: Mussafia.

Cambrigde Mm. 6. 15. Vielfache Berührung mit der englischen

Sammlung in Oxf. und Toul. 482. II 35 (37). CharleviUe 28. Unvollendetes Exemplar von Par. 5268. II 8 (10).

79. Beginn von Ambros. + APM. II 12 (14).

168. Ftbif rhythmische + Charl. 79 -f Benützung von

SV. II 46 (48). ErfiirtQ^. 49. Sammlung in Versen des Volpertus de Ahusa.

III 13. Gand 245. Mit SG und Leipzig 821 innig verwandt. IH 21. Göttweih^83.j p^^ j 3Q ^^^^

Graz. Bruchstück der Sammlung in Versen des Volpertus de

Ahusa. m 13. Florenz, Magliab. Conv. soppr. 747, D. 3. Sammlung in Versen

wie Paris. Nat.-Bibl. 15163 und Ars. 903 mit vielen

Zusätzen. II 80 (82). Heiligenkreuz ed. Pez. I 22 (936). Kopenhagen, Thott 26. Mit SQ zunächst verwandt. I 57 (971).

128. Vielleicht mit APM verwandt; Einiges aus dem

werdenden Pez; ein Stück aus SV. 11 15 (17). Kremsmünster 114. Pez mit Zus. I 32 (946). Leipzig 821. Mit SG innig verwandt. I 57 (971).

819. Mit Lpz. 821 sich vielfach berührend. I 59 (973). London, Addit. 15723. Zusammenhang mit der Sammlung im

Speculum historiale. II 56 (58).

18346. Pez mit Zus. I 33 (947).

Arundel 346. APM. II 10 (12) und IH 58.

Cotton. Cleop. C. 20. Englische Sammlung: Elementen-

reihe und noch zwei Stücke -f HM + TS + ein Stück. II 17 (19).

Vespas. D. 19. Sammlung in Versen des Nigel-

luß. mi.

Roy. 8. C. IV. Verse des Joh. de Garlandia (nur eine

kurze Notiz). HI 6. Mailand, Ambros. C. 150 inf. HM + Uebergang von TS zu

Pez. I 37 (951) und HI 60. Metz 612. Sammlung in Versen: Virgo fuit quaedam, IH 7. Montpellier 146. APM. II 10 (12) und III 58. München 2586. Pez. I 31 (945).

Studien zn den mittelallerlichen Harienlegenden. III. 65

Münehen 2617. Pez mit Zus. I 31 (945).

43501

i^in\ Sammlung in Versen des Volpertus de Ahusa, DI 13.

4620. Pez. 131 (945).

2651. Pez mit Zus. 1 31 (945).

13588. Pez. mit Zus. 1 34 (948). ~ 18659. Pez. mit Zus. I 31 (945).

Oxford Balliol 240. Elementenreihe mit noch sieben Stück + HM + Bruchstück von TS + specifisch englische Sammlung. II 29 (31).

PariS; Nationalbibliothek:

2333^. Fast genau 17491; einige rhythmische Stücke

mehr. I 66 (980).

5267. HM + Uebergang von TS zu Pez + Benützung

von 5268. I 75 (989).

5268. Meist aus SV Bekanntes in anderen Fassungen;

manches Neue II 1 (3).

5562. HM in Varianten. Vielfache Berührung mit der

englischen Sammlung in Oxf.-Toul. 482. H 42 (44).

6560. APM. H 11 (13) und III 58.

12593 (Sigla SG) = 14463 mit einigen Auslassungen

und vielen neuen. I 48 (962).

10770. Eigenartige Sammlung. IH 24.

14463. (Sigla SV) TS + Pez + viele neue. I 39 (953).

14857. Sammlung in Versen: Virgofuit quaedam. III 7.

15163. Sammlung in Versen wie Paris, Arsen. 903.

H 69 (71).

16056. (Sigla Sb) mit SV im Inhalte, nicht in der An-

ordnung übereinstimmend. Manche fehlen. 1 46 (960).

16498. Bruchst. von HM und TS. I 61 (975).

17491. Meist mit SG gemeinsch. Inh. ; viele rhythm.

I 62 (976).

18134. Manches mit SV gemein; viele neue. I 68 (982).

18168. APM. U 10 (12) und HI 58.

18201. Bruchstück der Sammlung des Speculum historiale

n 55 (57).

Arsenal 903. Sammlung in Versen wie Paris 15163.

n69 (71).

Sitznngsber. d. phil.-biat. Cl. CXIX. Bd. 9. Abb., 5

66 IX. Abb.: linssafiB. Studien zu den mittelalterlichen Marien legenden. III.

Paris, Nationalbibliothek : ? (Sigla PS). Mit SV übereinstimmend ;

ein neues Stück. I 45 (959). Renn 16. Pez mit einem Zus. I 36 (950). Rom, Vatican Reg. 433. Sammlung des Specuium hütoriale,

n 55 (57).

537. Mit APM innig verwandt. H 13 (15).

543. HM + Bruchstück von TS. I 39 (953).

4318. Sammlung in Versen: Virgo fuit quaedam mit

(oder blos in?) prosaischer Auflösung. III 7. Salzburg. S. Peter a V 3. Pez. mit Zus. I 36 (950). Toulouse 478. Inhaltlich mit TS und mit dem werdenden Pez

verwandt. II 15 (17).

482. Elementenreihe und noch zwei Stücke + HM 4-

drei Stück + specifisch englische Sammlung. U 17 (19). Wien 625. Uebergang von TS zu Pez. I 35 (949) und HI 59.

3714. Pez. I 31 (945).

X. Abh.: L. V. Rockinger. B«^. Ober Handschr. d. sog. Schwabenspiegels. X.

X.

Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogenannten Schwabenspiegels.

Von

Dr. Ludwig Ritter von Hockinger.

X.

Die alphabetischen Nachweise über die Handschriften wie Handschriftenreste des kaiserlichen Land- und Lehenrechts sind im Bande CXVHI, Abh. X, S. 25-70 und im Bande CXIX, Abh. Vni, S. 1 54 bis an den Schluss des Buchstabens F gelangt. Ihre nunmehrige Fortsetzung umfasst die Buchstaben G und H, darunter, was aus den Beständen der Universitäts- bibliotheken von Giessen und von Heidelberg hieher ftlllt.

[Dr. M. Johann Gabler, am Schlüsse des 16. und An- fange des 17. Jahrhunderts baierischer Kanzler in Straubing, besass die] Nr. 233.

[Aus dem Besitze des Reichshofrathes Karl Wilhelm von Gärtner gelangten in den des Freiherrn Heinrich Christian V. Senkenberg die] Nrn. 108 und 116.

103.

S. Gallen, Stiftsbibliothek, Nr. 725, vielleicht aus Villingen^ stammend. Auf Papier in Kleinfolioformat im 15. Jahrhundert in zwei Spalten geschrieben, früher Nr. 115 des Nachlasses des Geschichtschreibers Gilg Tschudi und daher vom Fürstabte Beda erkauft, in Holzdeckel mit röthlichem

^, Wenigstens enthält S. 1 der Handschrift ein dorthin bezügliches Akten- stück, nach der Angabe v. Lassberg's eine RechnnngsabhOr vor dem Eathe daselbst.

Sitznngsb«r. d. pbil.-hüt. Cl. CXIX. Bd. 10. Abh. 1

Z X. Abbandlang: L. t. *Roc kinger.

Lederüberzuge gebunden, auf dessen Vorderseite die Aufschrift: Jura Caesarea. Haenel, catalogi codicum manuscriptorum etc. Sp. 707. Mone's Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1836, Sp. 136—141. V. Lassberg Nr. 37. Homeyer Nr. 207. Gustav Scherrer's Verzeichniss der Handschriften der Stifts- bibliothek von s. Gallen, herausgegeben auf Veranstaltung und mit Unterstützung des katholischen Administrationsrathes des Kantons s. Gallen, S. 232 und 233, Nr. 725.

Nach einer eigenthümlichen Weltgeschichte von Fol. 1 8 Sp. 1, folgt von da bis Fol. 180' Sp. 2 das Landrecht in einer von den gewöhnlichen Formen abweichenden Art syste- matischer Gestalt in neun Abschnitten vgl. Homeyer a. a. O. S. 47, n Ziff. 2 mit folgenden Schlussartikeln: Von ymen so die fligen : Und ist dz ymen u. s. w. Wie man hund sol halten: Wer behaltt ain wuttenden u. s. w. Wer tir stiltt oder lött: Wer ainen laitthund u. s. w. Von spur hunden: Wer ain spur hund u. s. w. Wie ain hund man sol bitssen: Und ist ds ain hund u. s. w. Wen man ainen hund wundet: Und ist das ain man ainen hund wundet u. s. w. Daran schliesst sich von Fol. 180' Sp. 2 das Lehenrecht, worauf noch das Inhal ts- verzeichniss folgt.

Zu bemerken ist hier, dass im Landrechte nach dem Art. LZ 308 ,wie nieman dez andern eigen ist ze rehte' der auch in Nr. 110 erscheinende Artikel ,von hertzogen von Kaerndern rechten' entgegentritt, abgedruckt bei Mone a. a. O. Sp. 138/139, V. Lassberg S. 133 und 134 Note 217, in Wacker- nagels Ausgabe des Landi-echts S. 339 und 340 in den Er- gänzungen und Zusätzen unter Ziff. 418.

Den Wortlaut dieser Handschrift in den im Bande CXIX,

Abh. X, S. 20/21 in der Note 1 berührten Probestellen theilt

Haiser ,Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandsehriften' II

unter Cb24 mit.

104.

S. Gallen, ebendort, Nr. 726. Auf Papier in Folio, zwei- spaltig, nicht weit im 15. Jahrhundert bis Fol. 47 der alten Zählung von ^iner Hand geschrieben, von Fol. 48 ab von einer anderen, nach mehreren Einzeichnungen beispielsweise am Unteren Rande der F'ol. 54 und 108, wie am Schlüsse des Fol. 139 einem Hans von Zell oder Hans Zeller gehörig,

Berichte Aber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 3

Nr. 116 des Nachlasses des Geschichtschreibers Gilg Tschudi und daher vom Fürstabte Beda erworben, in Holzdeckel mit röthlichem Ledertiberzuge gebunden, mit dem darauf befindlichen Titel: Jus territoriale et feudale. Haenel a. a. O. Sp. 707. v. Lass- berg Nr. 38. Homeyer Nr. 208. Scherrer a. a. O. S. 233, Nr. 726. Das Landrecht zählt 310 Artikel, und hat nach LZ 219 am Schlüsse des alten Fol. 47' Sp. 2 die rothe Bemerkung:

Hie hat das lantrecht bftch ein ende. Got ^ns allen knmber wende.

Mit Fol. 48 beginnt sodann, wie bereits bemerkt, von an- derer Hand die Fortsetzung: Hie vahet an das edel bfich das da heisset von lehen rehte bis zum Art. LZ 376. Nach ihm folgt die rothe Ueberschrift des langen Art. LZ 377 H: Disz ist von der e, was einer gehaben vnd gelossen mag. Von seinem Texte aber findet sich nur: Do der almehtige got Adam vnd Ewen geschüff, da hatte er also geschaffen das sy niemer sölten sin erstorben noch niemer sich werden. Dann folgt sogleich ohne Unterbrechung Art. LZ. 377. Hieran reiht sich endlich das eigentliche Lehenrecht in 137 Artikeln.

Die Fassung der vorhin erwähnten Probestellen Haiser's findet sich a. a. 0. Ca 9.

Bartolomäus Hurler von s. Gallen schrieb die] Nr. 172.

[Othmar von Gossau bei s. Gallen hat im Jahre 1462 geschrieben diej Nr. 257.

[Von Johann Gottfried in dem regulirten Chorherrenstifte Gars in Oberbaiern ist im Jahre 1444 geschrieben die] Nr. 32.

105***.

Der Pfalz-Zweibrücken'sche Rath Philipp von Gemmingen zu Gutenberg besass eine mit der Nr. 219 gleichlautende Hand- schrift nach Dr. Sebastian Meichssner's zu Heidelberg am 20. Jänner 1561 geschriebener Vorrede zu seiner Druckausgabe. V. Lassberg Nr. 39. Homeyer Nr. 211.

[Einträge des Johann Gentzinger in Ingolstadt wohl vom Jahre 1439 aus dem Landrechte des sogen. Schwaben- spiegels siehe in der] Nr. 281.

Im Benediktinerstifte s. Georgenberg, seit 1705 zu

Fiecht, im Unterinnthale, befanden sich im Jahre 1844 die]

Nrn. 78 und 79.

1*

4 X. Abbandlang: L. r. Rockinger.

Inspector Wiener zu Qerau im Darmstädtischen besass im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts die] Nr. 59.

[Simon Gerfalk erhielt von dem Baseler Bürger Johann Konrad Wohlleb im Jahre 1566 zum Geschenke die] Nr. 19.

[Der Barflisserbruder Gerhard aus Franken schrieb wohl zu Freiburg im Uechtlande im Jahre 1410 die] Nr. 87.

106.

Eine Handschrift des Stadtarchivs von Gewitsch in Mähren auf Papier in Folio aus dem 15. Jahrhundert enthält unter Anderem vgl. des Freiherm v. Hormayr Archiv für Geographie u. s. w. 1825 S. 11, Homeyer Nr. 212 auf 4'/2 Folien 23 Artikel unseres Lehenrechts in mährischer Sprache mit dem Anfange: Kdo2 Manska prava umieti chcze tu posluchaite tiechto knych uczeny u. s. f.

107.

Giessen, grossherzogliche Universitätsbibliothek, Nr. 958, aus der Bibliothek des Reichshofrathes Heinrich Christian Frei- herrn v. Senkenberg Nr. 453, auf Papier in Folio im 18. Jahr- hundert gefertigt. J. Valent. Adrian catalogus codicum manu- scriptorum bibliothecae academicae Gissensis Nr. 958 unter Lit. a, S. 285. Homeyer Nr. 218.

Von Fol. 2 9 Abschrift der Ueberschriften der Artikel und theilweise der Anfange einzelner Absätze namentlich der Vorrede des Landrechts aus einer Hand- schrift, welcher der dritte Landrechtstheil fehlte, und in welcher die letzten 152 Artikel keine Ueberschriften mehr hatten. An ihrem Schlüsse war die Einzeichnung, dass im Jahre 1403 der König von Böhmen zu Wien gefangen lag, und König Siegmund von Ungarn Kuttenberg gewann, u. s. f.

Ich glaube nicht zu irren, wenn ich das in Rede stehende Stück für eine Abschrift aus der Nr. 387 bezeichne.

108.

Giessen, ebendort, Nr. 970. Auf Pergament und Papier in Folio, zweispaltig, im 15. Jahrhundert gefertigt, über 500 Blätter enthaltend, niederdeutsch, in Holzdeckel mit Leder- überzug gebunden, mit ursprünglich je fünf Messingbuckeln auf der Vorder- wie Rückseite, wovon jetzt der obere rechte des

Berichte Aber Handschriften dea sog. Schwabenspiegels. X. 5

Vorderdeckels fehlt^ frtther auch noch mit zwei Schliessen ver- sehen, seinerzeit dem Reich shofrathe Karl Wilhelm v. Gärtner gehörig gewesen, dann in der freiherrlich v. Senkenberg'schen Bibliothek Nr. 131. Vgl. des Reichshofraths Freiherm Heinrich Christian v. Senkenberg Visiones diversae de collectionibus legum germanicarum Cap. III, §. 18, S. 42/43. v. Lassberg Nr. 47. Adrian a. a. O. Nr. 970, S. 290/291 mit einer Schriftprobe aus Fol. 66 auf der Tafel VI unter Nr. II. Homeyer Nr. 227.

Unter der rothen Ueberschrift ,Vorrede ouer den Slotel des sesschein lantrechtes^ beginnt diese.

Die Reime lauten in dieser Handschrift:

Hir begynnet dat lantrecht.

Merket, herre vnde knecht,

wu gy richten dar mede,

dat gy des geuen neyne rede

vor gotes ogeu tu dem jungisten daghe.

Nu enschonet nicht frunde noch mage,

vnde richtet rechte,

edeln herren vnde knechte.

Es folgt dann die Vorrede des sogen. Schwabenspiegels LZa, b, c, und Anderes bis zu der Herren Geburt von dem Lande zu Sachsen.

Die ersten Abschnitte des Textes selbst sind: Abbet, Abel, Abiron, Abraham, Absolon, Achte, Achtestat. Den letzten bilden die Wunden.

Daran reiht sich endlich noch das Schlusswort.

109.

Giessen, ebendort, Nr. 972. Auf Pergament in Folio am Anfange des 14. Jahrhunderts zweispaltig gefertigt, in Holzdeckel mit gepresstem braunen Lederliberzuge gebunden, früher mit Buckeln und einer Schliesse, nach einer auf dem ersten Blatte des Verzeichnisses der Artikel mit grossen Buch- staben gemachten Einzeichnung Caroli und früher Pev- tinger, welch letzterer Name ausradirt ist, emptus Augustae nil octobr. anno MDLIIII, am Ausgange des 17. und Anfange des vorigen Jahrhunderts in der Bibliothek des Theophil Spitzel und seines Sohnes Gabriel' zu Augsburg, dann im

1 Catalogns bibliothecae a Theophilo Spitzelio Min. Aug. seniore et ad div. Jac. pastore b. m. olim collectae et a filio berede Gabriele Spitzelio

6 X> Abhandlnog : L. t. Rockinger.

Besitze des Raimund Erafft ' von Delmensingen zu Ulm, weiter in der freiherrlich v. Senkenberg' sehen Bibliothek Nr. 108. Vgl. die Vißiones a. a. 0. Kap. IV, §. 37, S. 84-86 mit der Schrift- probe auf der Tafel 11, Ziffer 1. v. Lassberg Nr. 40. Adrian a. a. O. Nr. 972, S. 291/292. Homeyer Nr. 229. Ficker Über einen Spiegel deutscher Leute und dessen Stellung zum Sachsen- und Schwabenspiegel in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Akademie zu Wien Band XXIII, S. 245 249.

Nach drei leeren Pergamentblättern beginnt das Ver- zeichniss der Artikel, gleichfalls zweispaltig geschrieben. Der Text des Landrechts ist von Professor Dr. Johann Scherz flir seine Ausgabe im zweiten Theile von Schilter' s Thesaurus antiquitatum teutonicarum etc. vom Jahre 1727/1728, woselbst das Verzeichniss der Artikel zur Vorrede S. 8 18 gezählt ist, von S. 1 233 zur Grundlage gewählt. Der des Lehenrechts hat in des Freiherrn v. Senkenberg Corpus juris feudalis germanici auch mit Aufnahme gefunden.

Eine neuere Abschrift des Land- und Lehenrechts dieser Handschrift findet sich unten in der Nr. 124.

110.

Gi essen, ebendort, Nr. 973. Auf Papier in Kleinfolio im 14. Jahrhundert durchlaufend gefertigt, ehemals der Schopper- schen Familie in Biberach gehörig, dann im Besitze des Raths- consulenten Dr. Johann Stephan Bürgermeister in Ulm, weiter ex dono domini senatoris Dolp^ Nordlingen[sis] nach einer Bemerkung des Reichshofraths Christian Heinrich Freiherrn v. Senkenberg auf dem jetzigen ersten Blatte des neuen Bandes in dessen Bibliothek Nr. 109 gelangt, in neuem Pappendeckel- bande, am Ende nicht mehr vollständig. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 38, S. 86/87 mit der Schriftprobe auf der

ad div. Jacob, diacono b. m. auctioris redditae (Augsburg 1705 in Folio) Nr. 48.

^ Notitia codicum manuscriptornm splendidissimae bibliothecae Raymundo- Krafftianae (von Franz Dominik Häberlin zu Ulm 1739 herausgegeben, und mit neuem Titelblatte ,Catalogu8 historico-criticus bibliothecae Raymundo-Krafftianae* und geänderter Vorrede, Ulm 1753).

3 Vgl. Clemens Alois Baader's Lexikon verstorbener baierischer Schritt- steller des 18. und 19. Jahrhunderts I, Th. 1, S. 120/121.

Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 7

Tafel II, Ziffer 2. v. Lassberg Nr. 11. Adrian a. a. O. Nr. 973, S. 292. Homeyer Nr. 230.

Diese Handschrift ^ fkUt unter jene Bearbeitungen des sogen. Schwabenspiegels, die den älteren Druckaus- gaben zu Grunde liegen, und ist sonst durch den eigenthüm- liehen Abschnitt über den Herzog von Kärnten bekannt, welchen aus ihr Dr. Franz Ferdinand Schrötter in seiner zweiten Ab- handlung aus dem österreichischen Staatsrechte in Beil. 20 S. 350 352 hat abdrucken lassen, während ihn aus der Nr. 103, welche ihn gleichfalls hat, Friedrich Freiherr v. Lassberg in Monc's Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters V (1836) Sp. 138/139 und in LZ S. 133 und 134 Note 217, wie Wacker- nagel in seiner Ausgabe unseres Landrechts S. 339 und 340 als Art. 418 mitgetheilt hat.

111.

Giessen, ebendort, Nr. 974. Auf Papier in Grossfolio im Jahre 1472 gefertigt, das Inhaltsverzeichniss durchlaufend, der Text in zwei Spalten, mitteldeutsch, in starkem Holzdeckel- bande mit gepresstem gelben Lederüberzuge, mit je fünf Eck- und Mittelbuckelbeschlägen, wovon das vordere in der Mitte jetzt fehlt, und mit zwei Schliessen versehen, aus der frei- herrlich V. Senkenberg'schen Bibliothek Nr. 107. Adrian a. a. O. Nr. 974, S. 292 293. Homeyer Nr. 231; in seiner Einleitung zum Richtsteige Landrechts S. 7 unter Ziffer 23.

Abgesehen von verschiedenen nicht mehr foliirten Schluss- zuthaten wie der goldenen Bulle, der Karolin oder gemeinen geistlichen Sammlung zu Constanz vom September 1317, wie hier steht, Reichsgesetzen des Kaisers Friedrich eine umfang- reiche alphabetische Arbeit hauptsächlich aus dem Sachsen- spiegel mit der Glosse und dem sogen. Schwabenspiegel in 2197 beziehungsweise 2000 Abschnitten. Sie beginnen nach dem Inhaltsverzeichnisse und den Vorreden beziehungsweise

^ Ihr Text be^nnt auf der alten rothen Folienbezeichnung xx in der Weise, dass nach dem Vorworte LZ a— g einschliesslich der Absatz h fehlt.

Die ersten Artikel selbst entsprechen folgendermassen denen in LZ: l = LZ II, 2 = 246, 3 = 250, 4 = Ib, 5 = 44 ohne die lateinische Stelle am Schiasse, 6 = 2.

8 X. Abhandlung: L. r. Rockinger.

Einleitungen auf Fol. 1 218', welche je oben in der Mitte mit rothen römischen Zahlen bemerkt sind. Nach dem Schluss- abschnitte 2000 von den sechs Welten beginnen noch in den letzten beiden Zeilen des Fol. 218' Auseinandersetzungen von dem Wasserurtheile und von Gottversuchen bei Tagesfrist, wie von zukünftigen Dingen. Adrian a. a. O. S. 292 unter Lit. a. Auf Fol. 219' begegnet uns der eigentliche Schluss:

Disz buch hat eyn ende.

Go[t] wolle vns sin gnad senden.

Noch Crist gebart tusent vierhundert vnd zwey vnd sibentzig iar.

Darf man hier an die Handschrift des Dr. Sebastian Meichssner aus diesem Jahre denken, die unten folgende Nr. 220?

112.

Gi essen, ebendort, in der berührten Nr. 974, mitteldeutsch.

Nachdem sodann Fol. 220 leer gelassen worden, stösst man von Fol. 221 233' wieder auf Dinge, welche wie es den Anschein hat zur Ergänzung des vorderen Textes dienen sollen^ vielleicht ursprünglich übersehen, und erst bei der Revision bemerkt und nachgetragen. Adrian a. a. O. S. 293 unter Lit. b.

113*.

Gi essen, ebendort, Nr. 975. Auf Pergament in Quart wohl im Anfange des 14. Jahrhunderts in zwei Spalten ge- fertigt, in Holzdeckelband mit Lederüberzug, früher mit zwei Schliessen versehen, ex dono domini Pilgram Agentis nach einer Bemerkung des Reichshofrathes Christian Heinrich Frei- herm v. Senkenberg im Jahre 1762 in dessen Bibliothek gelangt, Nr. 111. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 56, S. 101/102. V. Lassberg Nr. 41. Adrian a. a. O. Nr. 975, S. 293 mit einer Schriftprobe aus Fol. 1 dem Anfange des Art. L 89 auf Tafel VI unter Nr. IH. Homeyer Nr. 232.

Diese Handschrift, welche zur Gruppe von jenen zählt, welchen der dritte Landrechtstheil fehlt, sowohl am Anfange als auch später unvollständig, beginnt erst im Art. LZ 88 des Landrechts mit den Worten: recht nemen aulso daz er im auf das peste rat. vnd ist im u. s. w. Das Lehenrecht schliesst mit Art. LZ 22: vnd er chlag als hie.

Berichte tber Handschriften des sog. Schwabenspiegols. X. 9

Lassen mich meine Aufzeichnungen nicht im Stiche , so ist die Acc. 9690 der königlichen Bibliothek zu Berlin , oben Nr. 36^ eine Abschrift des in Rede stehenden Codex.

114.

Giessen, ebendort, Nr. 976. Auf Papier in Folio von dem jungen Johann Rott im Jahre 1419 < gefertigt, in Holz- deckel mit rothem Lederiiberzuge gebunden^ früher mit je fünf Buckeln und zwei Schliessen, am Ausgange des 17. und Anfange des vorigen Jahrhunderts im Besitze von Theophil Spitzel und seinem Sohne Gabriel^ zu Augsburgs dann in dem des Raimund Krafft^ von Delmensingen zu Ulm, aus dessen Bibliothek für die freiherrlich v. Senkenberg'sche erworben, Nr. 119. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 51, S. 97. v. Lass- berg Nr. 43, 135. Adrian a. a. O. Nr. 976, S. 294. Homeyer Nr. 233.

Diese Handschrift, welche sich als ,das rechtbuch als es die beubst könig vnd kaiser gemacht vnd bestettiget haben vnd als ire buch sagent^ bezeichnet, bietet das Landrecht in einer gewissen systematischen Bearbeitung in zwei Theilen, worüber Rockinger in P handelt, woran sich als dritter das Lehenrecht in der gewöhnlichen Gestalt schliesst. Mit der zweiten Seite des ersten Blattes beginnt das Artikelver- zeichniss des ersten Theiles, immer mit Angabe des Blattes des folgenden Textes. Dieser selbst reicht bis Fol. 29'. Hier beginnt dann das Artikelverzeichniss des zweiten Theiles, welcher selbst bis Fol. 66 folgt. Daran reiht sich endlich das Artikelverzeichniss des Lehenrechts und dieses selbst.

Die Artikelverzeichnisse sind in zwei Spalten, der Text ist durchlaufend geschrieben. Die Ueberschriften der Artikel und deren Initialen sind roth.

> Nach der rothen BemerkuDg am Schlüsse aaf Fol. 83:

Hans Rott der jfing schrib das buch, da man zalt von Crist gebftrt 1419, nach vnser frowen tag kerczen wichen.

2 Vgl. den 8. 5 in der Note 1 angeführten Katolog ihrer Bibliothek.

3 Vgl. den S. 6 in der Note 1 erwähnten Katalog seiner Bibliothek.

10 X. Abhandlang: L. v. Kockinger.

115.

GieBsen^ ebendort, Nr. 977. Auf Papier in Folio, am 8. Gallen Tag des Jahres 1471 wahrscheinlich von Johann Zeyringer ' vollendet, in Holzdeckel mit rothem Lederüberzuge gebunden, mit je vier Eck- und einem Mittelmessingbuckel- beschläge und zwei Messingschliessen, aus der gräflich Nadasdi- schen Bibliothek zu Wien nach einer Bemerkung des Freiherm Heinrich Christian v. Senkenberg flir die seinige (Nr. 118) er- worben. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 50, S. 96 97. v. Lassberg Nr. 46. Adrian a. a. O. Nr. 977, S. 294/295. Homeyer Nr. 234.

Zuerst steht ein Artikel verzeich niss über das Land- und Lehenrecht. Dann folgt das Landrecht, bei dessen Art. LZ 377 sich von den rothen am Rande ursprünglich gleich bemerkten Zahlen 373 findet. Weiter das Lehenrecht, bei dessen Schlussartikeln LZ 354 und 359 die Zahlen 519 und 520 stehen.

Im Landrechte schliesst mit Art. LZ 331 die Seite. Auf der nächsten beginnt roth die bekannte Bemerkung: Die her- nach geschriebenen Rechte setzte der Pabst Leo und sein Bruder Karl u. s. w. von den Ketzern bis an das Lehenbuch nach einander folgend. Auf der neuen Seite sodann wird mit

Art. LZ 332 weitergefahren.

116.

Giessen, ebendort, Nr. 978. Auf Papier in Folio im Jahre 1431 von Johann Lessewitz von Liegnitz^ mit rothen Ueberschriften der Artikel und blauen wie rothen Anfangs- buchstaben derselben gefertigt, mitteldeutsch, in Holzdeckel mit gelbbraunem Lederüberzuge gebunden, früher mit je fünf Buckeln und zwei Schliessen, von dem Reichshofrathe Karl Wilhelm v. Gärtner dem Freiherrn Heinrich Christian v. Senken- berg geschenkt, aus dessen Bibliothek Nr. 116. Vgl. die Vi- siones a. a. O. Kap. IV, §. 48, S. 95 96. v. Lassberg Nr. 49. Adrian a. a. O. Nr. 978, S. 295. Homeyer Nr. 235.

1 Am letzten Blatte steht: Johannes Zeyringer, wohl der Name des Schreibers, mit der Beifügung der Vollendung als am Mittwoche sand Gallen tag des Jahres 1471.

2 Finitus est lieber iste per Job. Lessewicz de Legenicz anno domini etc. tricesimo primo.

Berichte ftber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X.

11

Das Verhältniss des dritten Theiles des Landrechts gestaltet sich in dieser Handschrift gegenüber dem Drucke LZ folgendermassen :

313

1

330 1

16'

349

20

364 I

34

314

2

331 J

3491a

21

365

314 I

3

332

350

366

314 II

4

333

351

22

367

35

315

334

352

23

368

36

316

335

'

353

24

368 I

37

317

5

336

354

25

369

38

318

6

337

355

26

370

39

319

1'

338

17

356

27

370 I

40

320

339

357

44

371

321

8

340

358

28

372

322

9

341

359

373

323

10

342

360

29

374

324

11

343

1

361

375

325

12

344 '

18

362

30

376

42

326

13

345 .

363a

31

377

41

327

14

346

19

363 b

32

377 I

43

328

15

347

363 I

45

377 II

46

329

16'

348

364

33

'^on den Schlussartikeli

1 des L<

ahenrec

hts fehlt ihr T,Z 155

117.

Giessen, ebendort, Nr. 979. Auf Papier im 15. Jahr- hundert in zwei Spalten mit rothen Ueberschriften der Artikel des Land- und Lehenrechts und rothen Anfangsbuchstaben derselben gefertigt, aus der gräflich Nadasdi'schen Bibliothek zu Wien nach einer Einzeichnung des Reichshofrathes Christian Heinrich Freiherrn v. Senkenberg auf dem ersten Blatte für die seinige erworben, Nr. 115. Vgl. die Visiones a. a. 0. Kap. IV, §. 47, S. 94/95. V. Lassberg Nr. 60. Adrian a. a. Ö. Nr. 979, S. 295 unter Lit. a und b. Homeyer Nr. 236.

1 Ohne die bekannte Bemerkung über die Gesetze des Kaisers Karl und Pabstes Leo.

12 X. Abbandlang: L. t. Rockinger.

Im Landrechte ist zwischen den Art. LZ 331 und 332 die bekannte Stelle über die Oesetze des Kaisers Karl des Orossen und des Pabstes Leo roth geschrieben.

118.

Giessen, ebendort, Nr. 979^ enthält noch ein anderes Exemplar des sogen. Schwabenspiegels, zu welchem das durch- laufend geschriebene Ärtikelverzeichniss an ihrem Anfange gehört. Sie ist nach rothen Einzeichnungen am Schlüsse* von W[ilhelm] Eschelbeck geschrieben, und von Martin Qollir ru- bricirt. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 47, S. 94 95. V. Lassberg Nr. 50. Adrian a. a. O. Nr. 979, S. 295 unter Lit. c. Homeyer Nr. 236.

Sie zählt zu jener Gruppe, welcher der dritte Theil des Landrechts fehlt, und in welcher auch das Lehenrecht nur unvollständig erscheint. Ersteres schliesst nämlich mit Art. LZ 313, letzteres mit Art. LZ 51*.

Im Landrechte fehlen abgesehen von anderen die Art. LZ 8— 15 einschliesslich. Von ihnen folgen ohne alle und jede Unterbrechung nach dem Schlüsse des Lehenrechts die Art. 14 und 15, woran sich noch ein Judeneid schliesst.

119.

Giessen, ebendort, Nr. 980. Auf Papier im 15. Jahr- hundert zweispaltig gefertigt, mitteldeutsch, in Holzdeckel mit rothbraunem Lederüberzuge gebunden, wovon jetzt die Hinter- decke fehlt, früher mit fünf Buckeln und zwei Schliessen, ehedem der Stadt Eschwege '^ in Kurhessen gehörig, auf dem Schlussblatte mit der Einzeichnung ,Hennericus MavU^ zum Jahre 1566, nach einer Bemerkung des Freiherrn Heinrich Christian v. Senkenberg ,ex bibliotheca Meieriana Göttingae mense octobri 1737' für seine Bibliothek Nr. 113 erworben. Vgl die Vorrede zu seinem Corpus juris feudalis germanici §. 6. Mit Bezugnahme 'hierauf erzählt er in der Vorrede zu seinem Corpus juris germanici publici ac privati 1 1, §. 25 und 26, S. 27/28: Fuerat in bibliotheca Johannis Joachimi Meieri, pro-

1 W. Eschelbeckh. Martinns Gollir fecit ruhoricam etc.

2 Vgl. über ihr Recht v. Roth und v. Meibom karhessisches Privatrecht I S. 39 unter Ziffer 4 mit den dort angeführten Werken.

Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 13

fesBoris quondam in gymnasio illustri Gottisgensi^ et aliunde noti. Expectabat vero^ nisi ego super venissem, post distrac- tionem bibliothecae, cui ne illatus quidem in angulo delituerat, hune codicem idem illud incendii fatum^ quo^ post obitum con- iugis, ex viduae inscitia, reliqua librorum et monimentorum manu exaratorum congeries periit, ignibus in fomace pascendis adhibita, uti filii relatu didici. Cum gratis oblatum recipere nollem^ librorum sectioni illatum redemi V circiter thaleris. Vgl. auch die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 45, S. 93. v. Lass- berg Nr. 48. Adrian a. a. O. Nr. 980, S. 295-297, mit einer Schriftprobe auf der Tafel VI unter Nr. FV. Endemann in der Einleitung zu seiner Ausgabe des kleinen Kaiserrechts, gleich- falls mit einem Schreibmuster in der ersten Spalte der Schrift- tafel unten in Nr. 4, S. 32 34. Homeyer Nr. 237.

Auf das Land- und Lehenrecht, von deren Schluss- artikeln LZ 371 377 einschliesslich und 156 158 einschliess- lich fehlen, folgt ein Verzeichniss der Artikel von beiden.

Nach den Eschweger Statuten ' stOsst man noch auf den Art. LZ 377 II mit einigen anderen Artikeln über die Ehe u. s.w.

120.

Giessen, ebendort, Nr. 981. Auf Papier in Folio, durch- laufend, im 15. Jahrhundert gefertigt, in Holzdeckel mit rothem Lederüberzuge gebunden, früher mit Buckeln und zwei Schliessen, seinerzeit im Besitze des kurpfalzischen Rathes Burkhard, dann dem Vicekanzler Johann Friedrich Wolfarth zu Hanau gehörig, aus der freiherrlich v. Senkenberg'schen Bibliothek Nr. 121. Vgl. v. Senkenberg's Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 55, S, 100/101. Adrian a. a. O. Nr. 981, S. 297. Homeyer Nr. 238.

Am Schlüsse des Landrechts in zwei Theilen nach den

Art. LZ 377 II und 377 steht, dass hier das erste Lehenrechtbuch

sein Ende habe. Daran reiht sich sodann das Lehenreeht:

sequitur 3'" lieber etc.

121.

Giessen, ebendort, Nr. 982. Auf Papier in Folio im Jahre 1446 durchlaufend geschrieben, in Holzdeckeln mit

* Herausgegeben von ROstell im Programme der Universität Marburg zum 22. October 1864.

14 X. Abhandlung: L. t. Boekinj^er.

rothem Lederüberzuge, frUher mit f\inf Buckeln und zwei Schliessen, nach einer Einzeichnung mit rother Tinte auf dem Vorsetzblatte Georgii Krafft de Cronenbergk civiß francophur- dani auctoritate imperiali piiblici notarii 1534 die 14 mensis februarii, auf der Innenseite des Vorderdeckels mit der Biblio- theksignatur des Frankfurter Schöffen Zacharias Konrad von Uffenbach, aus der Bibliothek des Freiherm v. Senkenberg Nr. 120. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 52—54, S. 97—100. V. Lassberg Nr. 155. Adrian a. a. O. Nr. 982, S. 297—298. Homeyer Nr. 239. Dr. Heinrich Maria Schuster, Das Wiener Stadtrechts- und Weichbildbuch, S. 12 unter Ea.

Voran steht ein Inhaltsverzeichniss über das in dieser Handschrift umgestellte Lehen- und Landrecht wie ihre übrigen Bestände mit Beif&gung der rothen Artikelzahlen des Textes.

Zwischen das Lehenrecht mit 179 Artikeln und das

Landrecht schiebt sich König Rudolfs wirzburger Landfriede

vom Jahre 1287. Vom Landrechte ist die Vorrede LZa und

b nicht gezählt, sondern läuft erst die Zählung mit 182 weiter

bis 676.

122.

Gi essen, ebendort, Nr. 983, aus der Bibliothek des Frei- herm V. Senkenberg Nr. 122, hiefür im Jahre 1765 auf Papier in Folio gefertigt, in Pappendeckelband, Ruck und Eck in braunem Leder. Adrian a. a. O. Nr. 983, S. 298.

Abschrift des Land- und Lehenrechts der Nr. 92 in 572 durchgezählten Artikeln. Das Landrecht schliesst mit Art. 360: vnd sin niht saeh, so ist er ledic. Das Lehen- recht mit Art. 572: wan got gestvnde ie dem rehten.

123.

Giessen, ebendort, Nr. 984, aus der Bibliothek des Frei- herrn V. Senkenberg Nr. 110, auf Papier in Folio im 18. Jahr- hundert gefertigt, in Pappendeckelband, Ruck und Eck in braunem Leder. Adrian a. a. O. Nr, 984, S. 298 unter Ziff. 1. Homeyer Nr. 240.

Unvollständige Abschrift des Landrechts nach einer dortselbst befindlichen Bleistiftbemerkung der Nr. 134: sed mutata in fine. Voran geht unter der Bezeichnung des Ganzen als das , Landrechtbuch kaiser Karlis gesetzette' auf 13 Seiten

Berichte ftber HandBchriften des nod^. SchwabenspiegeU. X. 15

ein Verzeichniss von 367 Artikeln. Von S. 1 31 und von anderer Hand 32--203 folgt das Landrecht ^ welches in dem langen Art. LZ 377 II, hier 207, wozu Rockinger K S. 188 zu vergleichen, abbricht, ohne dass auf S. 204 noch etwas stünde. Vgl. auch noch unten Nr. 125.

124.

Giessen, ebendort, Nr. 984, enthält eine auch unvoll- ständige Abschrift der Nr. 109, auf 38 Foliobogen. Adrian a. a. O. S. 298 unter Ziffer 2. Homeyer Nr. 240.

125.

Giessen, ebendort, Nr. 984, enthält weiter eine voll- ständigere Abschrift des Landrechts der Nr. 134 als in Nr. 123. Adrian a. a. O. S. 298 unter Ziffer 3. Homeyer Nr. 240.

Sie schliesst mit Art. LZ 345 von fremder Arbeit, 346 da zwei Herren eigene Leute gemein haben, 347 wie der Freie wieder eigen wird.

Von Anfang an sind auf der zweiten Spalte Vergleichungen der Nr. 109 mit Verweisungen auf das Manuscr. majus reipu- blicae Argentoratensis, unten Nr. 362, bemerkt.

126.

Giessen, ebendort, Nr. 985. Auf Papier in Folio mit rothen Ueberschriflon der Artikel und theils rothen theils andersfarbigen Anfangsbuchstaben derselben zweispaltig im 14. Jahrhundert gefertigt, in Holzdeckelband mit ursprünglich gelbem Lederüberzuge, früher mit zwei Schliesscn, nach einer Bemerkung auf der Innenseite des Hinterdeckels von ,Jacap Thomas' für 15 Pfenninge ,an der branttstatt zu Weynn aller nast for Lettare jn der fasten [14J63 jar' gekauft, später im Besitze des Hieronymus von der Lahr, sodann in der Bibliothek des Freiherm v. Senkenberg Nr. 111. Vgl. die Vorrede des berührten von der Lahr zu seiner Ausgabe des sogen. Schwaben- spiegels in des Freiherm v. Senkenberg Corpus juris ger- manici publici ac privati II Th. 1, S. 8/9 mit der Note o. Des Freiherrn v. Senken berg Visiones a. a. O.. Kap. IV, §. 46, S. 93/94. V. Lassberg Nr. 44. Adrian a. a. O. Nr. 985, S. 298. Homeyer Nr. 241.

16 X> Abhandlong: L. v. Bockinger.

Den Inhalt bildet das Landrecht, dessen Schlassartikel ,Von unelichen chind* mit den Worten endet: vor allem welt- leichen gericht mit recht.

Hie hat das pnch ein ent

Got nem vnser seil in sein hent.

Hierauf folgt noch das Verzeichniss der Artikel.

127—129.

Giessen, ebendort, Nr. 985*, 985*', 985% auf Papier in Folio im 18. Jahrhundert zweispaltig gefertigt, in neuerem Pappendeckelbande :

a) Abschrift der auf der Universitätsbibliothek zu Basel hinterliegenden Handschrift des Land- und Lehen- rechts, Nr. 20, auf 412 beziehungsweise 414 Seiten.

b) Abschrift der ebendaselbst befindlichen Nr. 19, auf 316 Seiten.

c) Abschrift derselben Handschrift, aber von anderer Hand, auf 368 Seiten.

Der Abschrift unter Lit. a gedenkt Freiherr v. Senkenberg in der Vorrede zu seinem Corpus juris germanici publici ac privati 12, §.1, S. 1, wie in seinen Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 39/40 am Schlüsse S. 89, wonach sie auf seine Kosten ge- fertigt wurde, weil eine Versendung des Originales nach Wien nicht angieng.

Was die beiden Abschriften unter Lit. b und c betrifft, spricht er wieder in der Vorrede zu seinem Corpus juris ger- manici I 2, §. 1 und in den Visiones a. a. O. §. 41 am Schlüsse S. 90 nur von einer, die aus dem Grunde wie die unter Lit. a hergestellt wurde, aber unter dem AnfUgen: quae res tamen non ubique satis successit. Vielleicht verschaffte er sich dess- halb ein zweites besseres Exemplar.

130.

Giessen, ebendort, Nr. 985**, von Professor Weigand daselbst vor Jahren irgendwoher abgelöst.

Vier Bruchstücke einer Pergamenthandschrift des Land- und Lehenrechts des sogen. Schwabenspiegels in Folio aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das eine ganze Blatt, oben in der Mitte roth mit xxvj bezeichnet, enthält :

Berichte fiber Handschriften dos sog. Schwabenspiegels. X. 17

Art. LZ 377 in der langen Fassung der Hurenkinder,

Art. LZ 38 von arkwenig leuten,

Art. LZ 76 ob ein fraw ein vngeraten man hat,

Art. LZ 177 der ein kint an spricht vber vierzehen iar,

woraus sich ergibt, dass die fragliche Handschrift der Gruppe

angehört hat, wovon Rockinger in P handelt.

Vielleicht gehörten diese Bruchstücke der Handschrift

an, welcher auch die Nr. 170 entstammt.

131.

Giessen, ebendort, Nr. 986, aus der Bibliothek des Frei- herrn V. Senkenberg Nr. 146, auf Papier in Folio im 18. Jahr- hundert gefertigt, in neuem Pappendeckelbande, Rücken und Ecken in braunem Leder. Adrian a. a. O. Nr. 986, S. 298/299 unter Lit. a.

Abschrift der jetzt auf der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main befindlichen Nr. 82.

132.

Giessen, ebendort, Nr. 986. Dieser Band enthält noch ein zweites Exemplar der eben berührten Abschrift auf 82 Folio- seiten, nur weniger schön gefertigt als das andere. Adrian a. a. O. S. 299 unter Lit. b.

133.

Giessen, ebendort, Nr. 987, aus der Bibliothek des Freiherm v. Senkenberg Nr. 170, auf Papier in Folio im 18. Jahrhundert gefertigt, mit eigenhändigen Anmerkungen des ehemaligen Besitzers. Adrian a. a. O. Nr. 987, S. 299.

Von Fol. 18 101 Vergleichung der Nr. 406 mit der Nr. 121, sammt Abschrift ,derer in ersterer als Anhang be- findlichen Documenten^

[Giessen, ebendort, Nr. 988, aus der Bibliothek des Freiherm v. Senkenberg Nr. 123, auf Papier in Folio um 1740 von ihm geschrieben.

Es enthält dieses nur 28 Seiten füllende Stück ,Addenda zum schwäbischen Land- und Lehnrecht' im zweiten Bande seines Corpus juris germanici publici ac privati. Vgl. darüber Adrian a. a. O. Nr. 988, S. 299.]

Sitznngsber. d. phiL-hist. Gl. CXIX. Bd. 10. Abh. 2

18 X. Abhandlung: L. v. Boclcinger.

[Giessen, ebendort, Nr. 989, auf Papier in Folio im vorigen Jahrhundert geschrieben, aus der Bibliothek des Frei- herm v. Senkenberg Nr. 125. Adrian a. a. O. Nr. 989, S. 299/300.

Es enthält dieses Stück in deutscher Sprache die Vorrede des Hieronymus von der Lahr zu seiner Ausgabe des sogen. Schwaben spiegeis, welche sich in lateinischer Uebersetzung im Corpus juris germanici publici ac privati des Freiherrn v. Senken - bergn,Abth. 1, S. 1—42 findet]

[Giessen, ebendort, Nr. 991, auf Papier in Folio auf 292 und 127 Seiten im vorigen Jahrhundert geschrieben, aus der Bibliothek des Freiherrn v. Senkenberg Nr. 124. Adrian a. a. O. Nr. 991, S. 300.

Es liegt hier, wieder in deutscher Sprache, des Hieronymus von der Lahr ,Vocabularius und Register' zum sogen. Schwaben- spiegel vor, welche nach dem Abdrucke des Land- und Lehen- rechts der ehemaligen Ambraser und jetzt Wiener Handschrift Nr. 2695, unserer Nr. 388, den Schluss des zweiten Bandes des Corpus juris germanici des Freiherrn v. Senkenberg in der lateinischen Uebertragung des Johann Jakob Tribert bilden.]

134.

Giessen, ebendort, Nr. 996. Auf Papier in Grossfolio zweispaltig im 15. Jahrhundert gefertigt, in Holzdeckeln mit gelbbraunem Lederüberzuge, früher mit je fünf Buckeln, Eck- beschlägen und zwei Schliessen, im Jahre ,1561 Christoffen Auer zugehörig' gewesen, nach einer Einzeichnung auf dem ersten Blatte der dem sogen. Schwabenspiegel vorangehenden goldenen Bulle Karls IV Johannis Christiani Simonis, später im Besitze des sächsischen Hofrathes Dr. Friedrich Hortleder* in Weimar, dessen Schwiegersohn Dr. Zacharias Pr&eschenck von Lindenhofen diese Handschrift fortan als Hortleder'sche bezeichnet dem Professor Dr. Johann Schilter zu Sirassburg schenkte, welcher an den Rand die abweichenden Lesarten der beiden Ambraser Codices bemerkte, die ihm der kaiserliche Bibliothekar Peter Lambeck^ aus Wien zur Benützung mit-

1 Vgl. über ihn y. Wegele in der »Allgemeinen deutschen Biographie,

Xm, S. 165—169. ' Vgl. die Rückempfangsbestätigung vom 13. September 1676, in den

Yisiones a. a. O. im Anhange I S. 207/208.

Bericht« über H&ndsehriften des sog. Schwabenspiegels. X. 19

getheilt hatte, unsere Nrn. 388 und 400, und weiter auch noch solche der Nr. 82 anfiigte. Mit dem Nachlasse Schilter's gelangte sie in die Bibliothek des Freiherrn v. Senkenberg, Nr. 112. Daher dessen Einzeichnung : Codex olim Pruschenckianus, inde Schilterianus ^ unde etiam sunt notae, postea emptionis jure SenckenbergianuS; 1760. Vgl. die Vorrede des Professors Dr. Johann Scherz vom 1. September 1727 zu seiner Ausgabe unseres Landrechts im zweiten Theile von Schilter's Thesaurus antiquitatum teutonicarum etc. S. 1. Visiones a. a. O. Kap. IV, §.42-44, S. 90—92. v. Lassberg Nr. 71. Adrian a. a. O. Nr. 996, 8. 302—304. Homeyer Nr. 244.

Das hier einschlagende Land- und Lehenrecht gehört der Gruppe der dem gräflich v. Wurmbrandt*schen Codex, Nr. 405, der Druckausgabe v. Berger' s vom Jahre 1726 ver- wandten Handschriften an, worüber Rockinger K S. 174 206 handelt.

Abschriften des Landrechts dieses Codex sind oben unter den Nrn. 123 und 125 berührt worden.

135.

Giessen, ebendort, Nr. 1011. Auf Papier in Folio durch- laufend — mit Ausnahme der in Spalten geschriebenen Ver- zeichnisse der Artikel des oberbaierischen Landrechts des Kaisers Ludwig vom Jahre 1346, wie des sogen. Schwaben- spiegels — im 15. Jahrhundert gefertigt, in Holzdeckel mit rothem Lederüberzuge gebunden, früher mit flinf Buckeln und zwei Schliessen, aus der gräflich Nadasdi'schen Bibliothek zu Wien vom Freiherrn Heinrich Christian v. Senkenberg für die seinige, Nr. 117, erworben. Vgl. die Visiones a. a. O. Kap. IV, §. 49, S. 96. V. Lassberg Nr. 45. Adrian a. a. O. Nr. 1011, S. 308. Homeyer Nr. 245.

Aus dem Gesammtinhalte berührt uns das auf das er- wähnte an der Spitze stehende oberbaierische Landrecht folgende Land- und Lehenrecht des sogen. Schwabenspiegels von Fol. 60 176. Von Fol. 60 64 reicht das Verzeichniss der Artikel. Von Fol. 65 143 das Landrecht mit dem Schlussartikel: Wie uneleiche kind eekind werden. Von Fol. 143'

an das Lehenrecht.

2*

^0 X' Abhandlung: L. v. Rockinger.

136.

Görlitz, Stadtbibliothek, beziehungsweise Handschriften- Sammlung der Milich'schen Bibliothek (Suppl. Nr. 4) Nr. 174. Auf Papier in Folio im Jahre 1449 * durchlaufend geschrieben, während das Verzeichniss der Artikel in zwei Spalten erscheint, mitteldeutsch. Die Ueberschriften, oder, wo keine solchen sind, nur die Zahlen der Artikel, sind roth. Der Einband ist von starker Pappe, 15 Zoll hoch, 10% Zoll breit, v. Lassberg Nr. 51. Homeyer Nr. 255. Verzeichniss der Handschriften und geschichtlichen Urkunden der Milich'schen (Stadt- oder Gym- nasial-) Bibliothek als Anhang zum neuen Lausitzischen Magazin, Band 44 u. f. S. 124.

Den Anfang bildet ,das Register obir dy iiij bucher des keiserrechtisz^ von Fol. a m.

Dann folgt der Text derselben unter der grossen mit bunten Arabesken verzierten Initiale H[erre got, himmelischer vater, durch deine milde gute schuffistu den menschin u. s. w.] von Fol. 1 60. Das erste Buch zählt 81 Artikel, das zweite 125, das dritte 84, das vierte 74, wovon der Art. 71 = LZ 319 L

137.

Görlitz, ebendort, Nr. 477, alte Nr. 3, dem Magistrate gehörig. Auf Papier in Grossfolio im Jahre 1445^ in zwei Spalten gefertigt, mitteldeutsch, 221 Blätter umfassend, in Holzdeckel mit Lederüberzug gebunden, mit Messingbuckeln und Beschlägen versehen, 15 Zoll hoch, 10 Zoll breit. Homeyer Nr. 254. Neues Lausitzisches Magazin a. a. O. S. 128.

1 Nach der Schlnssbemerknng: Hie hat das keiszerrecht ein ende. Qote sie loup vnd ere in dem hjmmelriche. Anno domini millesimo cccc® quadragesimo nono, fferia quarta ante festum palmarum, hora decima- quarta. Sit laus omnipotenti Deo. amen. etc.

' Znfolge der roth geschriebenen Schlussbemerknng auf S. 442:

Noch Crists gebart tausind virhnndert dornoch jn dem famf vnde virczigisten jore do wart irst geczewget dis buch von den herren der stat Gorlicz, burgermeister vnde rathmann die czeit: vnde jn demejore do Georgias Canicz ader Rose burgermeister was, vnde Johannes Jew- tirbach, bacalarius der sehen freien kunste, statschreiber was, et ceteri domini.

Berichte Aber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 21

Die erste gross geschriebene Seite kennzeichnet den Inhalt in Kürze folgendermassen : Hie wirt geregistriret die materia dis buchis das genant ist der Slossil des landrechtis noch der schickunge der buchstaben jn dem alphabeto a b c d e etc. Hjrynne ist das keiserrecht vnde der sachsenspigel mit der glosen jn eyns brecht, vnd vor yczlich wort ist seyn register gesaczt. vnde waz czu der materien des wortis me gehöret, do seyn die relacien mete jn gesatczt, off das man snelle vinde das recht von welcher materien eyn man suchen wil. wenne das keiserrecht vnde der sachsenspigel mit der glosen gegleichet wirt eynem kästen do vil edils schatczis vnde mancherleie möntcze ynne ist, vnd doch durchenander gemenget ist: wes eyn ydermann bedarff, so her dorczu geet, das her schire das selbe vinde nu jn desem buche, wirt von stundan also mit eynem slossil uff geslossen der käste, so mag man dor aws nemen was ydermanne not ist. vnde dis register hebit sich also an. Auf der zweiten Seite nun beginnt es von Abt bis Wunden.

Nach diesem Register unseres Werkes, das genannt ist ,der Slossil des lantrechtis adir der Land-Slossil', steht blau Jeronimus, und darunter roth:

Habt mich entschuldiget, herren rnde knecht,

ap ich hie hette geschreben vnrecht.

Des exemplars vngerechtikeit

hot mich ges&tczt yn Verdrossenheit.

Wer das nu gebesseren kan,

der corrigire is, vnd sey eyn hobisch man!

Nun folgt auf einem neuen Blatte, S. 77, die Vorrede:

Hirre Jhesu Christe, eyngeborner son, u. s. f. Die Reime

lauten hier:

Merket, hirren vnde knecht,

wy ir richtet do mete.

Mit furchte vnde mit zitte

habt gote stetes vor awgen.

Wolt ir besteen an dem jungisten tage,

schonet nicht frunden noch magen:

Bunder richtet allen gleich noch recht,

jr edelen hirren vnde knecht.

Daran schliesst sich die Vorrede des sogen. Schwaben- spiegels LZ a, b, c und Anderes bis zu ,der herren gebort von dem lande zcu Sachsen^

22 ^> Abhandlung: L. v. Bockingor.

Der Text des Werkes selbst beginnt mit Abesunderen, und reicht bis Wunden. Das Nachwort schliesst.

[Johann Wiettinger, Schreiber Wilhelms des Gössen, fertigte im Jahre 1430 die] Nr. 151.

[Der Gösser Rentmeister Kajetan von Mayem stiess auf dem Dachboden des Pichelhofes in Vordemberg in der Steiermark auf die] Nr. 153.

[Aus dem Nachlasse des Gymnasialprofessors Johann Joachim Meier 2u Göttingen erkaufte der Reichshofrath Heinrich Christian Freiherr v. Senkenberg im Oktober 1737 die] Nr. 119.

138.

Göttingen, Universitätsbibliothek, Mscr. jurid. 214 in Folio. Theils auf Papier theils auf Pergament in der Weise, dass immer eine Lage von Papierblättern von zwei Pergament- blättern umschlossen ist, im Jahre 1438 von Johann Mathas von Rodelshausen ^ mit Ausnahme des am Schlüsse ange- brachten Inhaltsverzeichnisses, welches durchlaufend geschrieben ist in zwei Spalten gefertigt, in Holzdeckel ^ mit rotbcm Lederüberzuge gebunden, früher mit Buckeln und Schliessen versehen. Endemann in seiner Einleitung zum kleinen Kaiser- rechte S. 27 oben unter ZiflFer 2. Homeyer Nr. 271.

Fol. 1—23' Sp. 2 die goldene Bulle Karls IV.

Fol. 24—28' Sp. 2: Hie vahet sich an die sipzale ze rechend vnd wie vnelich kint eliche mogent werden als sy got gesaczt hat ze rechene vnd ze halten etc.

a) Art. LZ 377 II (nach dem Inhaltsverzeichnisse: die syptzale),

b) Art. LZ 377 (wie vnelich kind eliche werdente),

c) Art. LZ 287 (die zu vnrechte zu der ee sitzend on jr wissende).

Explicit expliciunt.

Sprach die katz zu dem hund:

biszt du mich)

80 kratz ich dich etc.

1 Am Schlüsse des kleinen Eaiserreehtes steht: Per me Johannem Ma- thasen de Rodelshusen sub anno domini m.cccc.xxxyiij octauo etc.

2 Auf der Innenseite des vorderen findet sich eine Urkunde über eine Bürgschaft für den Ulmer Bürger Hanns von Asch den jüngeren vom Jahre 1435.

Berichte Über Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 23

Fol. 29 91' Sp. 2 das kleine Kaiserrecht ,als es och kung Karolo hiesz machen zu frid vnd zu gemach vnd zu nutz allen luten, wann es wiszt recht^ u. s. w.

Fol. 92 96 das Inhaltsverzeichniss über die drei genannten Stücke.

Das über das zweite lautet: Hie vahet sich an das Sipp- buch luter vnd gerecht zu rechen die syppe.

139.

Göttingen, ebendort, Mscr. jurid. 385 in Folio, nieder- deutsch; im 16. Jahrhundert nach einer Einzeichnung auf dem ersten Blatte auch auf Fol. 13 finden sich verschiedene solche einem im Jahre 1514 geborenen Johann von Hax- huszen gehörig, im Jahre 1610 im JesuitencoUegium zu Pader- born, später im Besitze des Prof. Dr. J. H. Runde zu Göttingen, in neuerem Pappendeckeleinbande. Runde, Grund- sätze des gemeinen deutschen Privatrechtes §. 31 Note c. Spangenberg, Beiträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters S. 85 Note *. V. Lassberg Nr. 52. Homeyer Nr. 262; in seiner Einleitung zum Richtsteige Landrechts S. 10 unter Ziffer 31.

Das uns berührende am 28. September 1430 vollendete

,Kaiserrecht' findet sich von Fol. 2 125 Sp. 2, nämlich von

Fol. 2 10' durchlaufend geschrieben das Verzeichniss der

Artikel des Lan'drechts; von Fol. 14 100 Sp. 2, worin

mit Fol. 92' eine andere Hand beginnt, dieses selbst; von

Fol. 100' lOr Sp. 1 das Verzeichniss der Artikel des

Lehenrechts; von Fol. 101' Sp. 2 125 Sp. 2 dieses selbst.

Ueberschriften sind nicht vorhanden, aber die Artikelzahlen

und Initialen roth.

140.

Göttingen, ebendort, Cod. mscr. jurid. 386 in Folio, aus der Bibliothek des Prof. Dr. J. H. Runde, im 18. Jahr- hundert auf Papier gefertigt.

Abschrift der Nr. 139, so dass immer die erste Spalte beschrieben, die zweite leer ist.

141.

Göttingen, ebendort, Mscr. jurid. 388 in Folio, nieder- rheinisch. Auf Papier im 15. Jahrhundert durchlaufend äusserst

24 X. Abhandlung: L. ▼. Bockinger.

splendid gefertigt, die Hauptinitialen in Gold und Farben, die übrigen roth und blau, in Holzdeckel mit gepresstem braunen Lederiiberzuge gebunden, früher im Besitze Hermanns V. luden, dann durch Schenkung v. Oitmann's zu Köln Eigen- thum des Franc. Sales. L. B. de Weichs officialis osnabrugensis 1780. V. Lassberg Nr. 53. Homeyer Nr. 264.

Vorne findet sich ein alphabetisch eingerichtetes Inhaltsverzeichniss mit Beifütgung der einschlagenden Ar- tikel des Rechtsbuches. Die Zahlen der 530 Artikel des Land- und Lehenrechts, wovon 378 auf das erstere treflfen, sind je am Rande besonders angemerkt.

142.

Göttingen, ebendort, Mscr. jurid. 389 in Folio, im 15. Jahrhundert in zwei Spalten gefertigt, mitteldeutsch, in Holzdeckel mit braunem Lederüberzuge gebunden, früher mit zwei Schliessen versehen, v. Lassberg Nr, 54. Homeyer Nr. 265.

Der uns berührende sogen. Schwabenspiegel, in dessen Landrecht sich von Art. 167 = LZ 161 bis 209 = LZ 203 wie im Lehenrechte B 13 = LZ 120 121 bis B 31 = LZ 146 grössere Ausrisse finden, hat nach dem Art. 367 des Land- rechts ~ LZ 377 noch einen Judeneid, und zwar den besten.

Das Lehenrecht zerfällt anscheinend in zwei Theile, nämlich von Artikel 1 bis A 100 = LZ 105 und 106 a, während LZ 106 b fehlt, und von LZ 107 an mit B 1 weiter gezählt wird. Diese Zahlen sind am Rande angebracht und entsprechen auch den auf dem am Anfange der Handschrift befindlichen Artikelverzeichnisse gleichfalls am Rande an- gemerkten. Die fragliche Abtheilung hat hienach keine innere Bedeutung.

143.

Göttingen, ebendort, Mscr. jurid. 390 in Folio, früher dem Hof kanzler A. J. Itter zu Heitersheim gehörig, auf Papier im 15. Jahrhundert von ,Martinus Rauenspurg scriptor in Kircheim' in zwei Spalten gefertigt, in Holzdeckel mit gelbem Lederüberzuge gebunden. Homeyer Nr. 266.

Nach dem Verzeichnisse der Artikel am Anfangt der Handschrift steht von Fol. 1 125 Sp. 2 alter je oben in

Bericht« Aber UaDdiicbriften des sog. Schwabenspiegels. X. 25

der Mitte roth angebrachter Zählung das Landrecht, von Fol. 125'-178 Sp. 2 das Lehenrecht.

Auf den folgenden Blättern finden sich von anderer Hand noch Bestimmungen, die auch sonst ^ öfter begegnen: von Zehenten, von Mühlen, wie man Höfe verleihen solle.

144.

Göttingen, ebendort, Mscr. jurid. 391 in Folio. Auf Papier im Jahre 1474 durch Balthasar von der Wage^ durch- laufend gefertigt, mitteldeutsch, in Holzdeckel mit gepresstem braunen Lederüberzuge gebunden, früher mit zwei Schliessen versehen, im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts im Be- sitze des brandenburgischen Hofrathes Stelzer zu Baireut. V. Lassberg Nr. 137. Homeyer Nr. 267 und 631; in seiner Einleitung zum Richtsteige Landrechts S. 10/11 unter ZilBFer 32 und S. 21 unter Ziffer 70.

Dass wir es hier mit keiner andern als mit der ehemals Stelzer'schen Handschrift zu thun haben, ist nach folgender Nachricht in Burkard Gotthelf Struve's Historia juris romani justinianei graeci germanici canonici feudalis criminalis et publici ex genuinis monumentis illustrata (Jena 1718) nicht zu verkennen. Dum Baruthi schreibt er da im Kap. VI §. 25 in der Schlussnote S. 492 nuper agerem, nobilissimus Steltzerus, serenissimo marchioni a consiliis aulicis, mecum ex bibliotheca sua communicavit hujus juris codicem manuscriptum chartaceum, cujus praefatio convenit cum editis exemplaribus. Post praefationem sequitur statim: Das erst cappitel von den frien. Hie sol man hören von dreierley freien leuten, welch recht die haben. Es heisset ein semperfreien. Das sind die semp erfreien , die freien herren, so fürsten, vnd die andern freien zu mann haben. Die andern freien u. s. w. Das ander Capitel Manuscripti von den Vogtdingen est Gap. 390 Goldasti. Cap. 3 Manuscripti von den Heerschilden in Goldastina Cap. 8. Cap. 4 Manuscripti von der Sipp recht est Cap. 252 Goldastinae u. s. w. Cap. ultimum Manuscripti 380 est 371 Goldastinae.

1 Wie in der Nr. 61 oder 429.

3 Am Schlüsse des Lehenrecbts ist als Zeit der Beendigung angegeben : am donerstag nach oculi mei jm [mcccc]Izxiiij.

26 X. AbhandJnng. L. t. Bockinger.

Scriba in fine annum notavit: Et hie est finis am donnerstag naeh oculi mehr in LXXIII est 473.

Sequitur ist weiter noch bemerkt in Manuscripto Liber judicialis cum hac rubrica: [S]int das ein gericht werden sol, das ruort van dreien personen, das ist von dem richter^ von dem clager, von dem antworter. Es ist das der bekannte Richtsteig des Landrechts.

145.

Benediktinerstift Göttweich in Niederösterreich, Nr. 409, nach einer früheren rothen Bezeichnung 365, auf Papier in Folio zweispaltig von dem jungen Hanns Rottaler in den Jahren 1461/1462' bis an den Schluss des Fol. 111 geschrieben, sodann von der bei weitem weniger schönen Hand des Hanns Tunnckl im Jahre 1464^ vollendet, zunächst Eigenthum des erwähnten Rottaler's, im Jahre 1503 im Besitze des Jakob Eysmair, welchem es ,durch Mertten Hamersmid zu Helffenberg bej Piberstain gesessen' gegeben und vom Schopper zu Haslach gen Felden geantwortet wurde, im Jahre 1520 im Besitze des ,Kri8tofF Eysmair^ Homeyer Nr. 274. Dr. Schulte, Die Rechts- handschriften der Stiftsbibliotheken von Göttweig u. s. w. in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften LXVH, S. 574 Nr. 30. Rockinger K S. 181/182.

Von einem Inhaltsverzeichnisse aus der Hand des Hanns Tunnckl, welches an den Anfang der Handschrift ge- bunden ist, ging der erste Theil verloren, so dass es nunmehr erst mit dem auf Fol. 62 des Textes stehenden Artikel ,Der stirbt vngschafft an erben' beginnt.

Das Buch der Könige alter Ehe und unser Land- wie Lehenrecht bUden in dieser Handschrift ein zusammenhängendes Ganze , welches fortlaufend je in der Mitte des oberen Randes

> Nach einer Bemerkung^ auf Fol. 181 Sp. 2: Hanna Rottaler ist das pftch,

ynd den merertail geschribn jm 1461 jar.

Den anch in der Handschrift befindlichen deutschen Text des

Streithandels zwischen Christus und dem Teufel vollendete er am

18. Jftnner 1462. ' Nach der Verzeichnung am Schlüsse des Lehenrechts Fol. 160' Sp. 1 :

Hanns Tunnckl anno domini etc. m^ cccc^ Iziiij**.

Berichte Aber HandschrifteD des sog. Schwabenspiegels. 27

in dem zwischen die beiden Spalten fallenden Räume mit ara- bischen Zahlen foliirt ist. Die Fol. 1—40 fliUt das Buch der Könige alter Ehe bis zum Buche Judith einschliesslich. Von Fol. 40' reicht unter der rothen Ueberschrift ,Die vorred von kaiserlichen rechten^ das Landrecht bis Fol. 121' Sp. 1, woselbst das Lehenrecht bis Fol. 150" Sp. 1 folgt.

Hieran schliesst sich von Fol. 150' Sp. 2 bis Fol. 166' Sp. 1 die goldene Bulle Karls IV, und folgen noch bis Fol. 177' Sp. 2 andere Reichsgesetze.

146.

Benediktinei^tift Göttweich in Niederösterreich; Nr. 410, nach einer früheren rothen Bezeichnung 494, auf Papier in Kleinquart durchlaufend im 15. Jahrhundert gefertigt. Schulte a. a. O. S. 574 Nr. 31.

Dieser Codex enthält ohne alle und jede Ueberschrift von dem zweiten Blatte des ersten Sextemes an, dessen erstes Blatt leer gelassen ist, das Lehenrecht in 151 Artikeln, deren Zahlen immer gleich den rothen Ueberschriften beigesetzt sind. Das erst capitel: dy des herschildes darben. Das clj: von burgermeistern. Daran reiht sich noch ohne Ueberschrift nach einem kleinen Zwischenräume der gewöhnliche Schlussartikel bis zu den Worten: das wir das recht also mynnen in der werlt vnd das vnrecht lassen, das wir sein genyssen da sich leib vnd seile scheyden, das verleyhe vns der vater vnd der sunn vnd der heylig geist. Deo gracias.

[Martin Gollir hat rubricirt die] Nr. 118.

147**.

Aus dem Stadtarchive von Goslar erwähnt ein Bruch- stück des Schlüssels des Landrechts Unger in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1841 S. 15. Homeyer Nr. 278.

[Othmar von Gossau bei s. Gallen hat im Jahre 1462 geschrieben die] Nr. 257.

148.

Gotha, herzogliche Bibliothek im Schlosse Friedenstein, mit der Bezeichnung Chart. A 215 oder Chart, num. 215, auf Papier in Folio, zweispaltig, im Jahre 1398 von Johann

28 X. Abhandlung: L. t. Roc kinger.

Schreiber von Ebern ^ ohne Ueberschriften der Artikel nur mit rothen Anfangsbuchstaben derselben gefertigt, mitteldeutsch. Cyprian catalogus codicum manuscriptorum bibliothecae Go- thanae S. 30, Nr. 215. Archiv der Gesellschaft fUr ältere deutsche Geschichtskunde VI S. 86. v. Lassberg Nr. 55. Homeyer Nr. 281.

Als Titel findet sich von späterer Hand vor den Anfang des Werkes bemerkt: Diz ist daz recht buch daz kunig Karel hat gemacht.

Es gehört jener Classe der vollen Gestalten unseres Werkes an, die beispielsweise in den Nrn. 16, 278, 422 u. s. w. be- gegnen. So erscheint denn der Anfang des dritten Theiles des Landrechts hier gegenüber LZ folgend erm assen :

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314 IV e 317 I k 323a q 327 w

315 f 318 1 323b r 327 I x

149.

Gotha, ebendort, Chart, num. 216, auf Papier in Folio, zweispaltig, um die Mitte des 14. Jahrhunderts in der Weise gefertigt, dass die Ueberschriften der Artikel von derselben Hand mit gleicher Tinte schwarz wie der Text geschrieben sind, ohne Zweifel nach den auf unser Rechtsbuch folgenden wirzburgischen Rechtssatzungen ^ eben aus Wirzburg stammend.

* Nach der Verzeichnung am Schlüsse: Disz buch ist voUenbraht rnd vsz geschriben von Johans Schribers hant von Ebern in dem jar nach Crist gehurt druczenhundert iar darnach in dem aht vnd nunczigisten jar, am nehsten sampztag nach sand Burckharts tag vor mittag.

3 Aus ihnen sammt den am Schlüsse angehängten Statuten des Fürst- bischofes Gerhard, publicata die dominica in crastino purificationis s. Mariae virginis anno domini 1376, wie es scheint nicht mehr vollständig, verdient besondere Beachtung die von schöner Hand ans der Mitte des 14. Jahrhunderts geschriebene Herbstordnung: de episcopalibus statntis debitis et consuetis annis singulis ante et prope vindemiam et eynungam ad populum congregandum in civitate herbipolensi in episcopali domo seu palatio publicandis mit Vorrede und 12 Kapiteln Text, woran sich die Stabunga juramenti etc. wie in dem Drucke des Dr. Anton Ruland

Bericht«« fiber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 29

Cyprian a. a. O. S. 30, Nr. 216. Archiv a. a. O. VI S. 86/87, Vin S. 675 als sächsisches Land- und Lehenrecht, XI S. 475. Homeyer Nr. 282.

aus dem Hausbuche des Michael vom Löwen in der Universitätsbibliothek zu München im Archive des historischen Vereins zu Würzbnrg XI S. 74 schliesst, worauf unter voranstehendem Inhaltsverzeichnisse die bekannten Bestimmungen des Bischofes Otto v. Wolfskehl aus dem An- fange der Vierzigerjahre des 14. Jahrhunderts folgen, aber in ganz an- derer Beihe als bei Ruland a. a. O. S. 76—77—108.

Wie bei der Herbstordnung sind auch hier die Ueberschriften roth, und ausserdem finden sich hier die Zahlen der Artikel selbst von der gleichen Hand roth an den Rand bemerkt. Nach dem Eingange, wie bei Ruland a. a. O. S. 78, folgen sich die Artikel selbst in nach- stehendem Verhältnisse zu der in II bemerkten Zählung bei Ruland a. a. O. S. 78-108:

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22

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Während demnach die zwischen die Art. 60 und 61 des Druckes von Ruland a. a. O. S. 92 und 93 ohne Zählung besonders eingescho- benen Art. 13, 14, 28 unseres Textes in diesen selbst eingereiht sind, fehlen dagegen in ihm die dortigen Art. 52 59 einschliesslich S. 89 91 über die Münze und die Aufgabe der Kieser hiebei.

Ich muss mich hier mit diesen allgemeinen Angaben begnügen, und von der Würdigung des Verhältnisses dieser Wirzburger Bestand-

30 X. Abhandlang: L. t. Rocicinger.

Das Landrecht in 368 Artikeln reicht von S. 3 be- ziehungsweise jetzt Fol. 1 bis S. 83 = jetzt Fol. 40 Sp. 2, woran sich nach kurzem Zwischenräume das Lehenrecht in 151 Artikeln bis Fol. 55' Sp. 2 anschliesst.

[Der Chorherr Johann Gottfried im Stifte Qars am Inn in Oberbaiern schrieb im Jahre 1444 die] Nr. 32.

[Des Prof. Dr. Johann Christof Gottsched Abschrift der

Nr. 435 s. in der] Nr. 66.

150***.

Prof. Dr. F. D. Gräter in Schwäbisch-Hall theilte ein Bruchstück des Lehenrechts bestehend aus dem Schlüsse von Art. LZ 117, dem Anfange von 118, den letzten zwei Drit- theilen von 119a mit einer Verkürzung aqi Schlüsse, dem An- fange von 119 b, aus Resten von 119 c und d, aus dem Schlüsse von 122, dem Anfange von 123 aus dem 14. oder wohl 15. Jahrhundert, mitteldeutsch, in der literarischen Beilage 14 S. 53 und 54 zu Idunna und Hermode von 1814/1815 mit. Viel- leicht entstammte es dem Einbände eines Buches aus der Biblio- thek seines damals vor 60 Jahren verstorbenen Oheims, des Hospitalpfarrers Bonhöfer in Schwäbisch-Hall.

[Derselbe Prof. Dr. F. D. Gräter erhielt als Geschenk

der Erben seines Freundes Haesslein im Jahre 1800 die]

Nrn. 375/376.

151.

Graz, früher Joanneumsarchiv, jetzt steirisches Landes- archiv, Abth. I Nr. 2. Auf Papier in Folio, am 28. September 1430 von Johann Wiettinger* vollendet. Vgl. v. Zahn in den Beiträgen für Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen I, S. 275. Homeyer Nr. 282 ».

Die Fol. r 10 füllt das Vei-zeichniss der Artikel des Land- und Lehenrechts. Von Fol. 13 80' Sp. 1 reicht das Landrecht in 368 Artikeln, woran sich unmittelbar bis Fol. 100 Sp. 1 das Lehenrecht in 127 Artikeln schliesst.

theile unserer Handschrift za den daher einschlag^enden Werken des Michael a Leone und des Lupoid von Bebenburg Umgang nehmen. * Nach der rothen Einzeichnung am Schlüsse: Ditz pftch hat geschriben Johannes Wiettinger, dieczeit Wilhalm dez Gössen Schreiber, do von Christs gepftrd waren t&wsent iar vierhundert iar vnd darnach im drez- zigisten iar, an sand Michels abent.

Berichte Aber Handtebriften des nog. Scbwabenepiegels. X. 31

Darnach folgen^ als ob es nur ein weiterer Artikel wäre^ bis Fol. 105 Sp. 2 ,ch&nig Rfldolffs sätze' des Reichstages zu Wirzburg von unser Frauen Abend in der Fasten des Jahres 1287.

152.

Graz, ebendort, Abth. I Nr. 168. Auf Papier in Folio, wohl noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschrieben. Geschenk des Franz Bouvier in Radkersburg. Dr. Sandhaas, Zur Geschichte der Textgestaltung des Wiener Weichbildrechtes, in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Aka- demie der Wissenschaften XLI, S. 369 unter Lit. a.

Von Fol. 1 13' steht durchlaufend das ,Registrum super leges Karoli regis et etiam aliorum plurimorum legis- peritorum' je mit Angabe der Folien, auf denen der wirkliche Text der Artikel zu finden.

Dieser beginnt mit Fol. 14 bis 110' Sp. 1 mit dem rothen Schlüsse :

Hie habent die recht des ersten puechs ein end. Qot vns sein genade send. Amen.

Mit der zweiten Spalte des Fol. 110' beginnt sodann alius liber de eadem materia bis Fol. 145 Sp. 1.

Von dessen Sp. 2 endlich folgt die Handfeste der Stadt Wien bis Fol. 155 Sp. 2.

An deren Schlüsse steht roth: Expliciunt leges impara- toris Karoli in primo libro huius voluminis, et vltimo cyro- gi-aphus civitatis wyennensis.

Wegen der eigenthümlichen Gestalt des Land- und Lehen rechts in dieser Handschrift möge hier in U seine Vergleichung mit LZ in I Platz finden:

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142

1 Nicht mehr vollständig^.

' Diese hier zwischen LZ 1 nnd 2 des Landrechts fallenden Artikel bilden das Lehenrecht. Vgl. unten 8. 36/36.

32 X. Abhandlung: h. t. Rockin ger.

I II

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225

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258

30 170

89

226

119

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31 171

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227

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32 172

65 204

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96

233

123a

265

1 In der theilweise abweichenden Faa.Hung^: den chünigen dise lantzrecht ze machen den an disen püch sind, wannd er was pei den zeiten von lantrecht der höchste vnd der weisist maister, da von in die chaiser vnd die chünig gar lieb heten mit grozzen eren. der spricht also.

2 Ohne die Erzählung von Christus und Nikodemus.

Berichte Aber Hftndschriften des sog. Schwabentplegels. X. 33

I II

I

II

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137b 284

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170al 170 bj

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201a bif e

362'

221 222

383 384

* Dieser Artikel schliesst schon mit dem Satze, dass die Nacht besseren

Frieden hat als der Tag. Vgl. hiezu S. 34 in der Note 1. ' Mit der Ueberschrift: Jargezal. Sitiangsber. d. phll.-hist. Cl. CXIX. Bd. 10. Abb. 3

34 X* Abbandlnng: L. v. Rockinger.

I

n

I 11

I

II

I

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223

385

250 412

268

459

295

486

224

386

251 413

269

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225

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254 439

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232

255 440

277

468

302

496

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394

256 441

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257 442

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263 452

288 b

479

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245

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264 453

289

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266 456

292

483

312

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249

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293

484

313a

512

[411

294

485

313 b

513

1 Diese zwischen LZ 251 und 252 fallenden 22 Artikel folgen sich hier in ganz nnd gar fortlaufendem Texte in nachstehender Weise:

LZ 34; 35; 65; 66 in drei Artikel gesondert; 67; 140b vooi KOnigshofe angefangen ; 148c; 153; 154; 155 a; 201 e von da angefangen wo er oben vgl. S. 33 in der Note 1 abgebrochen hat: was ich nw u. s. f. bis 201h einschliesslich als ein Artikel; 2011; 201k bis t ein- schliesslich mit den schon oben vorhanden gewesenen Absätzen o bis s; 201 u; 201 y; 20^7 b; 213 von der Lähmung des Viehes angefangen; 215; 235.

Dann folgt wieder regelmässig ohne alle Zeichen einer Ver- schiebung u. s. w. der Artikel LZ 252.

Beriebte flb«r Handtchrifton des log. Schwabenspieifels. X. 35

I

n

I

n

I

TT

I

II

314

514

331

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364

569

317

517

334

534

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365

570

318

518

335

535

350

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366

571

319

519

336

536

351

554

367

572

320

520

337

537

555

368

573

321

521

338

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352

556

369

574

322

522

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530

346

548

362

566

Lehenrecht.

1

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13

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23

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10

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6

11

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25

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12

17

1 26

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44

59

12

19

22

33

34

47

45

60

1 Dieser Artikel beginnt unter der Ueberschrift ,HeYhart* folgendermassen : Ein hewhart, der einem manne seines hewes hüttet.

3*

36 X. Abhandlang: L. t. Rockin ger.

I

II

I

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111

159 139

67

86

92

112

68

87

93

113

112c 133

Hier am Schlüsse des Lehenrechts und Uebergange wieder zum Landrecht vgl. oben S. 31 mit der Note 2 steht auf Fol. 36 Sp. 2 roth:

Hye merkchet in dem andern puech^ das alle gericht vnd chayserleiche recht sind genomen aws den gepoten gotes.

Hieran knüpft sich schwarz : Herr got, hymelischer vater, durich dein milte guet beschiifFt du den menschen mit drey- ualtiger wirdichait. die erst etc. als ain man ist in dem pann etc.

' Bis LZ 48b: das si iz an die weit pracht.

Dann folgt das Uebrige unter der Ueberschrift: Kind ansprechen«

Berichte ftber Handschriften des sog. Schwa1>enBpiegeIs. X. 37

ut prius. §. Hie sol man hören dreyerhand vreyn etc. vbi sapra wo gericht ist. das stet auch dauor geschriben wol balbs. vnd wo die hant eine solche ist an den Rand gezeichnet hie czaigt, da hebt das halb tayl nach an das an dem plat stet, vnd hab dir ein czaihen pey den zwain henden an dem sextern ayne. daz lis darnach, die czehen gepot. er gab in drewczehen vnd sechshundert u. s. w.

153.

Graz, ebendort, Abth. I Nr. 3064, auf 77 Blättern Papier mit dem Wasserzeichen eines Hirschkopfes und eines Einhorns in Schmalfolio in drei Lagen auf einem an den Rücken der Pergamentdecke befindlichen Lederstreifen angeheftet, wohl gegen Ende des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts geschrieben, bis tief in das 17. Jahrhundert im Besitze der Familien von Freistein und Falbenhaupt, am Anfange der Vierzigerjahre unseres Jahrhunderts von dem Gösser Rentmeister Kajetan V. Mayem auf dem Dachboden des sogenannten Pichelhofes in Vordernberg gefunden, und später von dem Secretär der Vordernberger Radmeistercommunität Ignaz Nouackh dem histo- rischen Vereine der Steiermark geschenkt. Prof. Dr. Ferdinand Bischoflf in den Beiträgen für Kunde steiermärkischer Geschichts- quellen V S. 45 82; in seiner Ausgabe des steiermärkischen Landrechts des Mittelalters S. 6 15.

Das von Blatt 2' 14' befindliche steiermärkische Land- recht hat Prof. Dr. Bischoff seiner eben erwähnten Ausgabe desselben zu Grunde gelegt.

Die eigenthümliche Gestalt, in welcher sodann in dieser Handschrift von Blatt 15 bis auf die erste Seite von 48 unser Land- und Lehen recht erscheint, erhellt am deutlichsten aus der kurzen Zusammenstellung ihrer Artikel in I gegenüber dem Drucke LZ in H:

I II

I

II

I

II

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207

* Ohne den Schills.«. Vgl. unten I Art. 43. > Ohne den Schluss.

38 X. Abliandliinf;: L. ▼. Boc kinger.

I

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I

II

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14

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17

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85

63

18

225

52

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86

64

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226

227

53 54

12 13

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21

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14

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22

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56

15

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16a

91

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24

240

58

16b

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76

25

242

59

16 c

93

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26

245

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61 1

17

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246

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28

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32

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25

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91

41

89

76

46

110

92

' Ohne den Schlass.

2 Bis zum Abschnitte LZ bb.

B«riehte über Handschriften des sog. Schwabenspiegeis. Z. 39

I

11

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316

170

352

199 »5

114

1 Von dez richter tode. ^ Von anfallen an erb.

3 Ob ainer den andern vecht. * Von guter gelnbde.

* Von der hant getat. ^ Von stumen gerieb te.

' Der sein cbind verchawft. ® Von lant taiding.

» Pubs nach gnaden. '" Von getawften Juden. " Ob der herr stirbt. ^^ Aber von dem herren. 13 Von manschaft leben. *• Ohne den Scbluss. ^* Von »ins gelt.

40 X' Abhandlung: L. t. Rockinger.

I

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237

159

154.

Graz, kaiserliche Universitätsbibliothek, Nr. 42. 35, auf Papier in Kieinfolio vielleicht noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschrieben. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde X, S. 623. Homeyer Nr. 283. Rockinger H S. 496 Note 1.

Auf das von Fol. 1 57 Sp. 1 reichende Landrecht folgt von Fol. 57 Sp. 2—72' Sp. 1 das Lehenrecht.

Unmittelbar daran schUesst sich von der gleichen Hand blos nach Auslassung von drei Zeilen König Rudolfs bekannter Landfriede des Reichstages zu Wirzburg von unser Frauen Abend in der Fasten ,anno domini m** ccc® Ivj** feria sabato post natiuitatem beate Marie semper virginis^

[Prof. Dr. Josef v. Zahn in Graz, jetzt Director des Landesarchives der Steiermark, schenkte seinerzeit dem Dr. Ludwig Rockinger in München die] Nrn. 230 und 231.

1 Ob der man zeg^gen ist.

' Ohne den Schlnss. ^ Von purkch lehen. * Von lehen. ^ Wer dez gutes nicht hat. ^ Ohne den Schluss. "^ Aber vmb drey sach. ^ Da zinser zu gehOmt. B Wie herr vnd man wider sagen schallen. ^^ Von wider sagen. Ohne den Schluss.

Berieht« übor Handschriften des sog. Schwftbenspiegels. X. 41

[Ein nicht näher bezeichneter Gregor hat im Jahre 1412 geschrieben die] Nr. 391.

[Jakob Grimm zu Berlin schenkte an Karl Gustav Homeyer ebendort die] Nr. 42.

[In der Handschrift Ac 38 der Universitätsbibliothek von Groningen im Königreiche der Niederlande auf Papier in Duodez aus dem 16. Jahrhundert erscheint bei einem Vertrage von 1489: de sal wezen op zyn hals na keyzers recht. Weiter finden sich dann noch: mehre punte des keyzerrechts. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde VIII, S. 588/589.

Ist hier an den sogen. Schwabenspiegel oder an das kleine Kaiserrecht zu denken?]

[Auf dem Titelblatte der Handschrift B d 15 wieder der Universitätsbibliothek von Groningen auf Papier in Quart aus dem 16. Jahrhundert sind ein paar Stellen überschrieben: Dyt is keyzerrecht. Archiv a. a. O. VIII, S. 590.

Handelt es sich hiebei um den sogen. Schwabenspiegel oder um das kleine Kaiserrecht?]

[Ein Eintrag auf König Ladislaus von Ungarn und seine Begräbniss Stätte Gross-Wardein von einer Hand des 15. Jahr- hunderts findet sich in] Nr. 419. ^

[Friedrich Grünbeck in Beilngrics schrieb im Jahre 1458 die] Nr. 248.

[Das Wappen des Ferdinand Ho£fmann Freiherrn von Grünbüchel etc. findet sich auf dem grünen Ledereinbande der] Nr. 63.

[Mit dem Nachlasse des Consistorialrathes Christian Ulrich Grupen zu Hannover gelangten in Folge Vermächtnisses in die Bibliothek des königlichen Oberlandesgerichtes zu Zelle die] Nrn. 457 460 einschliesslich.

[Aus dem Nachlasse des Exbenediktiners von Tegernsee und Akademikers Dr. Sebastian Günthner in München stammt die] Nr. 282.

[Haag, königliche Bibliothek^ nach der früheren Nr. 438, jetzt W 4. Auf Papier in Kleinfolio in der ersten Hälfte des 15. Jahr- hunderts gefertigt, niedersächsisch. Homeyer Nr. 293. Steffen- hagen in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe derkais. Aka- demie der Wissenschaften in Wien, Band Gl, S. 766—769 imter 5.

42 X. Abhandlimg : L. t. BockiDger.

Bezüglich der Glosse dieser Handschrift zum Landrechte des Sachsenspiegels I, Art. 42, §. 2 vgl. was hierüber schon im Bande CXVm, Abh. X, S. 64/65 bei der Handschrift H F 7 der königlichen und Universitätsbibliothek in Breslau bemerkt worden ist].

[An den Archivar Friedrich Habel zu Schierstein in Nassau gelangte mit dem Nachlasse des Prof. Dr. Franz Josef Bodmann zu Mainz die] Nr. 5ö.

[Mit den Handschriften des Hoirathes Prof. Dr. Gustav Haenel zu Leipzig ist durch Legat an die dortige Universi- tätsbibliothek übergegangen die] Nr. 197.

[Johann Haerlicher? schrieb^ beim Studium in Passau gewesen, im Jahre 1430 die] Nr. 182.

[Der Rugamtssecretär und nachher Rechnungsrevisions- syndicus Johann Heinrich Haesslein zu Nürnberg besass im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts die] Nrn. 375/376.

[Die bekannte Clara Haetzlerin von Augsburg hat ge- schrieben die] Nr. 192.

[Diebold Lauber zu Hagenau im Elsass bot um die Mitte des 15. Jahrhunderts zum Kaufe aus die] Nr. 193 VV

[Hanns Windeberg von Hagenau im fSsass hat im 15. Jahrhundert geschrieben die] Nr. 160.

[Zu Hai na wurden geschrieben die] Nrn. 422/423 in den Jahren 1480—1482, dann die Nr. 52 im Jahre 1489.

Dr. Karl Roth denkt in seinen kleinen Beiträgen zur deutschen Sprach- Geschichts- und Ortsforschung IV (Heft 20) S. 222/223 an das Sachsen-Meiningen'sche Pfarrdorf Haina im Amte Römhild.

Ob nicht grössere Wahrscheinlichkeit ftir das ehemalige nicht weit von der Stadt Frankenberg * in Kurhessen entlegene Cisterzienserkloster Haina an der Wohra spricht, später im Jahre 1527 von dem Landgrafen Philipp dem Grossmüthigen zu einem Spitale gewidmet?

[Karl Hai 8 er zu Wien und Zürich besass die] Nr. 346. Vgl. seine Schrift ,Zur Genealogie der Schwabenspiegelhand- schriften' I S. 2.

J Vgl. über ihr Recht v. Roth und v. Meibom, Kurhessisches Privatrecht I S. 38 unter Ziffer 2 mit den dort angeführten Werken.

Bericht« über HandBcbriffcen des sog. Schwabenspiegels. X. 43

[Halberstadt, Bibliothek des königlichen Domgymnasiums, M65. Auf Papier in KleinfoHo in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts gefertigt, nieders&chsisch. Homeyer Nr. 301. Steflfenhagen in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Band CI, S. 769— 771 unter 6.

Bezüglich der Glosse dieser Handschrift zum Landrechte des Sachsenspiegels I, Art, 42, §. 2 vgl. was hierüber schon im Bande CXVm, Abb. X, S. 64/65 bei der Handschrift H F 7 der könig- lichen und Universitätsbibliothek in Breslau angeführt worden ist].

[Oberlandesgerichtsrath Hecht zu Halberstadt besass die] Nr. 157 = 64 Vj.

[Nach Hall im unteren Innthale gehörte die] Nr. 98?

[Die gemalten Wappen der Nürnberger Familien Haller und Wolfthal finden sich in] Nr. 297.

[Martin Hammerschmied zu Helfenberg bei Biberstein schenkte im Jahre 1503 dem Jakob Eismaier die] Nr. 145.

[Vicekanzler Johann Friedrich Wolfarth zu Hanau be- sass die] Nr. 120.

155**

Freiherr v. Hardenberg, Zollinspector zu Metz. Zwei Pergamentdoppelblätter, früher Umschläge von Brief- und In- ventarprotokollen der Herrschaft Roith in Oberösterreich aus den Jahren 1645 und 1646, in dem nahegelegenen Grieskirchen an der Wels-Passauer Eisenbahnstrecke von Pfarrer Friedrich Koch zu Gmunden gekauft, seinem Freunde Prof. Dr. Heinrich Brunner zu Berlin mitgetheilt, welcher sie mir am 17. März 1875 zur Einsicht schickte, worauf sie an ihren Besitzer zurückgingen, der sie nach Zuschrift vom 13. Juni 1880 an den jetzigen Eigenthümer abliess, in Folio in zwei Spalten zu je 30 Zeilen gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts mit rothen Ueberschriften der Artikel und abwechselnd rothen und blauen Anfangsbuchstaben derselben gefertigt. Rockinger im Anzeiger flir Kunde der deutschen Vorzeit 1875, Nr. 9 Sp. 277/278, woran sich in Sp. 279/280 und in Nr. 10 Sp. 340/341 der Ab- druck des zweiten Doppelblattes nach einer Abschrift ihres früheren Besitzers schliesst.

Die Bruchstücke gehören dem Landrechte an und entsprechen dem Drucke LZ in der Weise wie a. a. O. Sp. 277/278 bemerkt ist.

44 X. Abhaadlnng : L. v. Rockinger.

[Dem Reichshof rathspräsidenten Grafen Ferdinand Bona- ventura Harrach zu Wien gehörte die] Nr. 406.

156

4c 4c 4c

Prof. Dr. Johann Christian Hasse, ^ zuletzt an der Uni- versität Bonn, besass eine Abschrift der Nr. 189. Ob dieselbe, welche Prof. Dr. Heinrich Eduard Dirksen in Königsberg hatte machen lassen? Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft IV, S. 65 Note 2. Homeyer am Schlüsse seiner Nr. 364.

[Von Prof. Dr. Christian Gottlieb Haubold erhielt Karl Friedrich Eichhorn zu Berlin zum Geschenke die] Nr. 71.

[Prof. Dr. Moriz Haupt zu Berlin schenkte im Jahre 1852 an Homeyer daselbst die] Nr. 41

[Aus der Dombibliothek von Ha velberg stammt die] Nr.24.

[Dem Johann v. Haxhausen gehörte wohl nach Einzeich- nungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die] Nr. 139.

157 [= 64 V2].

Hecht, Oberlandesgerichtsrath zu Halberstadt, am 22. Jänner 1840 verstorben, besass 15 Pergamentblätter wohl eines Schlüssels des Landrechts aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts in Grossfolio, niederdeutsch, v. Lassberg Nr. 57. Homeyer bemerkt in Nr. 311, wohl aus dem Nachlasse Nietzsche's: Bruchstücke einer alphabetischen Arbeit über den Sachsenspiegel mit der Glosse und über das schwäbische Landrecht Keyserrecht in vier Büchern.

Vgl. hierüber, jetzt in der königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden, den Katalog der Handschriften derselben von Prof. Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld H unter M 3 ".

[Antiquar Heerdegen zu Nürnberg ersteigerte aus der Ebner *8chen Bibliothek daselbst im Jahre 1816 die Nr. 92 um 9 fl., die Nr. 68 um 2 fl. 6 kr., die Nr. 69 um 24 kr. Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern der Literatur 1839, Nr. 54, S. 857].

[Ist zu Heidelberg im Jahre 1472 geschrieben die] Nr. 111 beziehungsweise 220?

1 Vgl. über ihn Teichmann in der , Allgemeinen deutschen Biographie* X, S. 7Ö9.

Bericilte fiber Handschriften des sog. Sehwabenspiegels. X. 45

[Zu Heidelberg wurde im Jahre 1474 vielleicht aus der Nr. 164, vielleicht aus der Nr. 111 beziehungsweise 220 geschrieben die] Nr. 84.

158***.

Heidelberg, im ehemaligen kurpfklzischen Archive. V. Lassberg Nr. 126.

Schilter spricht in der Vorrede zu seinem in Strassburg im Jahre 1697 herausgegebenen Codex juris Alemannici feudalis §. 19 bei der Aufzählung der von ihm benützten Codices des sogen. Schwabenspiegels in der Note p auch von einem ,chartaceo ex Archive Palatino' ohne nähere Angaben.

Daraus sind ohne Zweifel die abweichenden Lesarten am Rande seiner Ausgabe des Lehenrechts am berührten Orte von Art. 41 an, wie in dem Commentarius ad jus feudale ala- mannicum vgl. zu Art. 122 §. 1: in quibusdam manuscriptis, ut heydelbergensi daselbst, welche unter der Bezeichnung des Mscr. Heidelb. aufgenommen sind.

[Der kurpfUlzische Landschreiber Erasmus Munch zu Heidelberg hat Familienein Zeichnungen aus den Jahren 1464 1467 gesetzt in die] Nr. 164.

[Mit den deutschen Handschriften der weltberühmten be- kanntlich im Jabre 1623 nach Rom abgeführten Bibliotheca Palatina von Heidelberg kehrten im Jahre 1816 von dort wieder zurück] die sogleich folgende Handschrift und die Nrn. 159—162, 162V'i, 163—169 einschUesslich.

[Der Cod. palat. germ. 38 der grossherzoglichen Univer- sitätsbibliothek zu Heidelberg auf Papier in Folio aus dem 15. Jahrhundert enthält das Buch der Könige der alten Ehe. Wilken, Geschichte der Bildung Beraubung und Ver- nichtung der alten Heidelbergischen Büchersammlungen S. 324, Nr. 38. Karl Bartsch, Die altdeutschen Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg Nr. 30, S. 13/14].

159.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 53. Auf Per- gament in Quart im 14. Jahrhundert von einem Thiterich^

^ Am Schlüsse steht roth: Explicit uere.

precium uult scriptor habere.

46 X. Abhandlang: L. t. Roc^inger.

mitteldeutsch unter Einmischung niederdeutscher Sprachformen zweispaltig gefertigt^ in Pappendeckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 327/328, Nr. 53. v. Lassberg Nr. 59. Homeyer Nr. 316. Bartsch a. a. 0. Nr. 32, S. 14.

Voran geht von Fol. 1 4 Sp. 1 ein Verzeichniss der Artikel des allein in dieser Handschrift enthaltenen in vier Büchern mit Umstellung der gewöhnlichen Artikelfolge er- scheinenden Landrechts, dessen Text von Fol. 5 139 Sp. 2 reicht.

Nach den dichterischen Schlussworten des Ganzen folgt noch unten das Bild eines Kaisers in sitzender Stellung mit Scepter und Reichsapfel, wohl später entstanden.

160.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 89. Auf Papier in Folio von Johann Windeberg aus Hagenau^ im 15. Jahr- hundert zweispaltig gefertigt, auf den Fol. 234 235 mit Familieneinzeichnungen des Herrn Thiebolt von Hohengerolcz- ecke von 1447 bis 1459, in Pappendeckelband mit Schweins- leder überzogen. Wilken a. a. 0. S. 338, Nr. 89. v. Lassberg Nr. 61. Homeyer Nr. 317. Bartsch a. a. O. Nr. 53, S. 22/23.

Der Inhalt gliedert sich folgendermassen. Auf Fol. 1 findet sich ein Inhaltsverzeichniss des Buches der Könige alter Ehe, der sogen. Herrenlehre, der Zusatzartikel zum Land- rechte des sogen. Schwabenspiegels, über welch letzte zwei Gegenstände Rockinger F S. 298—230, 310 und 318—335 zu vergleichen. Die Fol. 2 64 Sp. 1 fUllt das Buch der Könige.

Sodann folg^ schwarz: Der da hat ghescriben mich,

der ist gheheizen Thitericb. Got gebe im lucke selte heil yroude wune ein michel teil uf erden hir, in himelricbe dort immer vrehlichel amen. 1 Dis buch hat nach einer Bemerkung am Schlüsse geschriben

Hans Windeberg von Hagenow, ▼nd ist nützit vngemaht bliben, das menglich dz beschow, obe ich jm reht habe geton, das man mir dann gebe den Ion.

Berielite ftber HftndMhrifteD des sog. Schwabentpiegela. X. 47

Auf Fol. 64 Sp. 1—64' Sp. 2 steht die Herrenlehre. Die Fol. 66 71 Sp. 2 nehmen die Landrechtszusätze ein. Die Fol. 71' Sp. 1 74' Sp. 2 enthalten das Artikelverzeichniss des Landrechts, die Fol. 74' Sp. 2 185' Sp. 1 dieses selbst. Die Fol. 185' Sp. 1 187' Sp. 1 das Artikelverzeichniss des Lehenrechts, die Fol. 187' Sp. 2—233' Sp. 2 dieses selbst. Die Herrenlehre mit den bertlhrten elf Zusatzartikeln gilt nach der rothen römischen am oberen Rande zwischen den Spaltenlinien angebrachten Bezeichnung als Theil von I, während das Landrecht U, das Lehenrecht HI bildet.

161.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 139. Auf Per- gament in Folio zweispaltig im 15. Jahrhundert sehr schön mit rothen Ueberschriften der Artikel und abwechselnd rothen und blauen Anfangsbuchstaben derselben gefertigt, in Pappen- deckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 356, Nr. 139. v. Lassberg Nr. 62. Homeyer Nr. 318. Bartsch a. a. O, Nr. 81, S. 34.

Ohne frühere Folienbezeichnung, jetzt 1 7, findet sich ein Inhaltsverzeichniss über das Buch der Könige alter Ehe wie das Land- und Lehenrecht. Von Fol. 1 60 Sp. 1, neu 7'— 66, folgt das Buch der Könige; von Fol. 54 Sp. 2—180 Sp. 1, neu 60' 186 Sp. 1, das Landrecht in 388 Artikeln; dann bis Fol. 222 Sp. 2, neu 228 Sp. 2, das Lehenrecht.

162.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 145, von dem Minoritenbruder Thomas von Leipheim im Jahre 1429 auf Papier in Qrossfolio ^ zweispaltig gefertigt, nach Einzeichnungen aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts u. s. w. nach Augsburg gehörig, in Pappendeckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 360, Nr. 145. v. Lassberg Nr. 66. Homeyer Nr. 322. Bartsch a. a. O. Nr. 87, S. 36/37.

Voran steht roth ein Kapitelverzeichniss über das Buch der Könige alter Ehe bis Arfaxat. Dann folgt von Fol. 1 28'

1 Am Schiasse steht roth: Finitns est iste Über per fratrem Thomam de Ljphain ordinis minorum, sabbato post festnm s. Jacobi circa horam terciam anno domini m^ cccc^ xxix"*^.

AS X. Abhandlnof: L. ▼. Bockinger.

alter rother oben angebrachter Foliirung dieses selbst. Daran schliesst sich von Fol. 29 61' Sp. 2 das Kaiserbuch von dem Weltreiche zu Babylon bis zu Kaiser Konrad, mit vor- anstehendem rothen Kapitelverzeichnisse. Dann folgt von Fol. 61' Sp. 2—128 Sp. 2 das nach der Eintheilung des sogen. Qrossfoliodruckes beziehungsweise der hiemit verwandten älteren Drucke in gewisser Weise systematisch gegliederte Landrecht in der Weise, dass die Artikelverzeichnisse der einzelnen Ab- schnitte wieder roth sich je vor denselben an den treffenden Orten finden. Von Fol. 128 Sp. 2 bis Fol. 129 Sp. 2 begegnet gleichfalls roth das Artikelverzeichniss zum Lehen rechte, endlich von Fol. 129'— 153 Sp. 2 dieses selbst.

162 Vj.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 163. Auf Papier in zwei Spalten mit rothen Ueberschriften und rothen Anfangsbuchstaben der Artikel wie mit roth durchstrichenen Buchstaben im 15. Jahrhundert gefertigt^ mitteldeutsch. Wilken a. a. O. S. 371, Nr. 163. Bartsch a. a. 0. Nr. 101, S. 42.

Diese Handschrift enthält ausser Rechten von Worms von Fol. 21 136' das kaiserliche Land- und Lehenrecht. Auf das Verzeichniss der Artikel des Landrechts von Fol. 21 bis 24 Sp. 2 folgt ,daz lantrecht buch, vnd von ersten die vorrede. Herre got, herre hymmelscher vater, gut geschuff du dem menschin mit dryfaltiger wirde^ bis Art. LZ 375 V: vnd dud er dem yt anders, daz mag nyt stede bliben. Daran schliessen sich nach dem Verzeichnisse der Artikel des Lehenrechts bis Fol. 106 Sp. 2 von Fol. 107 ,alle Lehenrechte. Wer lehen recht irkennen wolle, der folge dieses buches lere' bis Fol. 136' in den Art. LZ 154 mit den Endworten ,daz ist da von daz er des herschildes darbet^ sammt dem Schluss- artikel LZ 159: Hye had daz lehenrecht buch ein ende vnd der son vnd der heiige geyst, amen, Fol. 136' Sp. 2.

163.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 167. Auf Per- gament in Grossfolio im Anfange des 14. Jahrhunderts für das Fürstenthum Lüneburg sehr schön in zwei Spalten gefertigt, niedersächsisch, in Pappendeckelband mit Schweinsleder über-

Berichte ftbtr Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 49

zogen. Wilken a. a. O. 8. 372—374, Nr. 167. v. Lassberg Nr. 58. Sachsse in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Land- rechts des Sachsenspiegels aus dieser Handschrift S. 5 7. Homeyer Nr. 314. Bartsch a. a. O. Nr. 105, S. 43.

Diese Handschrift enthält das mehrfach besprochene, mit vorangehendem Artikelverzeichnisse über die beiden deutschen Hauptrechtsbücher des 13. Jahrhunderts versehene, je in Spalten nebeneinander gestellte Landrecht des Sachsen- spiegels und des sogen. Schwabenspiegels. Vgl. Nietz- 8che*s Verzeichniss der Handschriften des Sachsenspiegels in der Allgemeinen Literaturzeitung von 1827 unter Nr. 63. Eich- hornes Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (fünfte Auflage) II, S. 306/307 in der Note 1. v. Lassberg Nr. 68 S. 42—45.

Prof. Dr. Karl Robert Sachsse hat a. a. O. S. 31—317 je am Schlüsse der Artikel des Landrechts des Sachsenspiegels die in der Handschrift entsprechenden des sogen. Schwaben- spiegels angemerkt.

Ihr Verhältniss zu den Ausgaben v. Berger's, wie zu der von der Lahr's im ersten Theile des zweiten Bandes des Codex juris germanici pubUci ac privati des Freiherrn Heinrich Christian von Senkenberg, zu dem Drucke der Nr. 388, der berühmten Ambraser Handschrift zu Wien, ebendort im zweiten Theile des zweiten Bandes wie in der Ausgabe Wackemagers, dann zum Drucke LZ, endlich zum Drucke einer Abschrift der Nr. 254 in des Freiherrn Max Prokop von Freyberg- Eisenberg Sammlung historischer Schriften und Urkunden IV S. 519 667 veranschaulicht die Zusammenstellung, welche Sachsse S. 318—343 mitgetheilt hat.

Ueber das hieher gehörige Lehenrecht vgl. unten die Nr. 168.

164.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 168, nach'einer Bemerkung am Schlüsse des Lehenrechts ^ von Albert Schwab im Jahre 1465 auf Papier in FoUo durchlaufend gefertigt und ursprünglich auch eingebunden, auf der Rückseite von Fol. 193

1 Es steht da schwarz die Jahrzahl 1466, und sodann: Scriptum per me Albertum Schwab. Roth: Similiter et inligatnm. SitnngiUr. d. phil.-htsL Cl. CHX. Bd. 10. Abh. 4

50 X* Abhandlung: L. t. Bockin ger.

mit einigen Familieneinzeichnungen des Landschreibers Erasmus Manch zu Heidelberg aus den Jahren 1464 1467 versehen, jetzt in Pappendeckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 374/375, Nr. 168. v. Lassberg Nr. 63. Homeyer Nr. 319. Bartsch a. a. O. Nr. 106, S. 44.

Auf andere Rechtsgegenstände von Fol. 1 60^ folgt von Fol. 61 66 das Verzeichniss der Artikel des Land- und Lehenrechts. Von Fol. 67 160' oder der alten oben ange- brachten rothen Zählung 1 95' das Landrecht in 383 Artikeln. Auf Fol. 161, alt 96, steht sodann roth: Hje uor enden sich landrecht vnd vanlehenrecht,^ vnd volgent hie nach ander lehen rechte. Hierauf folgt das Lehenrecht selbst bis Fol. 193, alt 129.

Vielleicht ist diese Handschrift die Vorlage der im Jahre 1474 zu Heidelberg gefertigten Nr. 84 gewesen.

165.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 169. Auf Papier in Folio durchlaufend im 15. Jahrhundert gefertigt, in Pappen- deckelband mit Schweinsleder tiberzogen. Wilken a. a. O. S. 375/376, Nr. 169. Anzeiger fUr Kunde der deutflehen Vor- zeit 1838, Sp. 29—31. V. Lassberg Nr. 64. Homeyer Nr. 320. Bartsch a. a. 0. Nr. 107, S. 44/45.

Der Hauptbestandtheil dieser Handschrift^ zählt zu den aus dem Sachsenspiegel, dem sogen. Schwabenspiegel^ den sächsischen Distinctionen gezogenen Arbeiten, zu deren Abschnitten sich hier am Rande Bleistiftzahlen finden, wie es den Anschein hat, auf die Ausgabe in Schilter's The- saurus antiquitatum teutonicarum beztiglich.

Daranter der deutsche und lateinische Text der goldenen Balle Karls IV., der letztere ex vna bnlla que fnerat scripta et collacionata ex vera bnlla anrea sigillata etc. Hejdelberge.

Auf Fol. 194^196' findet sich ein Schreiben des Constancer Con- cils an den Bischof von Worms und den Probst von Wirsburg wie den Dekan yon s. Gangolf zu Bamberg, 1416, IX kal. febr. Nach dem Art. LZ 220 ist die Seite leer gelassen und wird erst Ton der gleichen Hand auf der nächsten mit Art. LZ 221 fortgefahren. Von Fol. 132—141 findet sich die bekannte deutsche Bearbeitung des früher dem Johannes Andrea beigelegten Ordo judiciarius.

Berichte Aber Handsclirifken des sog. Schwabenspiegols. Z. Ol

Fol. 1 12 mit dem Anfange ,[A]ne des Tichters vrlaub gyt ein man einen erben wol syn eygen' hat die betreffenden Ueberschriften ursprünglich nur oben am Rande schwarz an- gedeutet.

Von Fol. 13 131 finden sich rothe Ueberschriften. Der Anfang ist hier: Ein Kapitel von den Fürsprechen, mit Bei- fligung der Artikebfiahlen 75 und 76 = LZ 93 und 94. Den Schluss bildet der Abschnitt, ob sich ein Mann von dem Leibe thut, das ist der sich selbst tödtet.

Zur Erleichterung der Vergleichung mit anderen der- gleichen Handschriften möge hier die Reihenfolge der Ab- schnitte von Fol. 38' an eine Stelle finden:

Von Insigeln und Briefen.

Von den Schreibern.

Ob ein Mann wissen will, ob eine Handfeste falsch sei, wie man das erkennen soll.

Distinctiones im dritten Buche xxi.

Wie Pfaffen und Juden ihre Rechte verHeren.

Wenn sich ein Jude lässt taufen.

Ein kaiserlich Gebot, wie die Richter über arme Leute, Witwen und Waisen richten sollen.

Von Knechten.

Die da Ketzer beschirmen.

Von E[aufen und Verkaufen, und von Betrügnisse an dem Kaufe.

Ob der Verkäufer dazu verbunden sei, dass er dem Käufer des Dinges Gebresten sage, das er ihm verkauft.

Ob einer seinen Kaufmannschatz möge theuerer verkaufen, denn er ihn gekauft hat.

Ob den Pfaffen Kaufmatinschatz zu treiben erlaubt sei.

Wann Kaufmannschatz nicht Sünde sei.

Von denen, die Frucht auf dem Felde kaufen.

Kaufmannschatz soll Niemand treiben an heiligen Stätten.

Von der Earche und des Kirchhofes Freiheiten.

Von denen, die die Freiheit der Kirchen brechen.

Wie ein Belehnter thun soll gegen seinen Lehenherm.

Der einem sein Gut leiht oder einsetzt.

Ob ein Herr einen untreuen Amtmann hat.

Von der Morgengabe.

4*

52 X. Abhandlung: L. v. Rockinger.

Von der Heimsteuer.

Hier merke neun Dinge, damit die Frauen ihr Leib- gedinge verlieren.

Von Nothzucht (mit sechs Distinctionen).

166.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 170. Auf Papier in Folio zweispaltig im 15. Jahrhundert gefertigt, in Pappen- deckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 376/377, Nr. 170. v. Lassberg Nr. 65. Homeyer Nr. 321. Bartsch a. a. O. Nr. 108, S. 45.

Abgesehen von dem übrigen nicht hieher einschlagenden Inhalte* findet sich vorne ein Verzeichniss der Artikel des mit Art. LZ 313 des Landrechts schliessenden wie auch im Lehenrechte unvollständigen sogen. Schwabenspiegels. Dann folgt unter rother je oben in der Mitte zwischen den Spalten- linien angebrachter FoHirung 1 77 Sp. 1 das Landrecht, an dessen Schlüsse roth steht: hie est finis hujus operis, wozu eine spätere Hand des 15. Jahrhunderts noch die beiden Art. LZ 377 V und 377 IV in den Rest der ersten Spalte ein- geschrieben. Die Fol. 77 Sp. 2—88 Sp. 1 füllt das Lehen- recht^ bis Art. LZ 51a einschliesslich.

167.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 461. Auf Papier in Quart im Jahre 1504 gefertigt. Wilken S, 482/483, Nr. 461. V. ThUngen, Das sächsische Weichbildrecht nach dem Cod. palat. num. 461 mit einer Einleitung S. 1 12. v. Lassberg Nr. 68. Homeyer Nr. 324. Bartsch a. a. O. Nr. 247, S. 140.

Hier kommt aus dieser Handschrift von im Ganzen 154 Blättern die von Fol. 74 90 reichende ungemein gekürzte Fassung des Landrechts des sogen. Schwabenspiegels in

^ Vor dem Landrechte findet sich eine nicht uninteressante Aufzeichnung

über das römische Reich, worin auch die Kurfürsten u. s. w. behandelt sind.

Von Fol. 92' 93' steht die recht landstifft armen ynd reichen,

als recht vnd gewonhait ist jn vnser gnadigen farsten land jn obem

Wairen.

3 Am Schlüsse des Art. 1 des Lehenrechts lesen wir: von Christi gepurd tausent iar vnd hundert iar vnd funff vnd newntzig iar do ditz puech geschriben vnd geticht wart. Vgl. Rockinger C S. 371 Note 22 Absatz 2.

B«richt« ftber Handschriften des sog. Schwabenspiegels. X. 53

Betracht, y. Thüngen a. a. O. S. 9 11. Ihre Mittheilung als

,das kleinste Eaiserrecht oder Landrechtbuch des sogen.

Schwabenspiegels, nach dem Cod. palat. num. 461^ verdanken

wir Zöpfl's Alterthümern des deutschen Reichs und Rechts II,

S. 414-430.

168.

Heidelberg, ebendort, Cod. palat. germ. 470. Auf Per- gament in Orossfolio im Anfange des 14. Jahrhunderts für das Fürstenthum Lüneburg sehr schön in zwei Spalten gefertigt, niedersächsisch, in Pappendeckelband mit Schweinsleder über- zogen. Wilken a. a. O. S. 484/485, Nr. 470. v. Lassberg Nr. 58 S. 45 und irrthümlich nochmal in Nr. 60. Homejrer Nr. 315; in seiner Einleitung zum sächsischen Lehenrechte S. 19 unter Ziffer 37. Bartsch a. a. O. Nr. 251, S. 141.

Diese Handschrift ist der zweite das Lehenrecht ent- haltende Theil der Nr. 163.

169.

Heidelberg, ebendort. Cod. palat. germ. 726. Auf Papier in Quart am Samstage vor dem Sonntage Judica des Jahres 1458 vollendet, in Pappendeckelband mit Schweinsleder überzogen. Wilken a. a. O. S. 526, Nr. 726. v. Lassberg Nr. 67. Homeyer Nr. 323. Bartsch a. a. O. Nr. 320, S. 176.

Nach einem Verzei^chnisse der Artikel des allein enthaltenen Lehenrechts von Fol. 1—5 folgt dieses selbst unter der rothen Ueberschrift ,Hye hebt sich an kayser Kareis lehenrecht püch' von Fol. 6—52.

169 V^.

Heidelberg, ebendort. Cod. Heidelb. 350, 59. Auf Papier in zwei Spalten mit rothen Ueberschriften und rothen Anfangs- buchstaben der Artikel, wie roth durchstrichenen grossen Buchstaben im 15. Jahrhundert gefertigt, in Holzdeckeln mit rothem Lederüberzuge und mit Messingbuckehi. Bartsch a. a. 0. Nr. 435, S. 210.

Nach dieser Beschreibung zerfäUt das Landrecht in drei als Kapitel bezeichnete Hauptstücke mit je vorangestelltem Ver- zeichnisse der Artikel, woran sich das Lehenrecht schliesst.

Das Landrecht beginnt: Hie hebet sich an daz lantreht puche, daz ist wie man vmb ain yegleich sache richten sol.

54 ^' Abhandlang: L. v. Rockinger.

vnd ist daz daz erst cappitel. Herre got himlischer vatter durch dein milte gutti bescbAfF du den mentschen. Dieses Hauptstück schliesst mit dem Art. 154 (im Inbaltsverzeichnisse 153) wer vor gerichte vrtail sprechen sol: Wa schephen sind, die sfiUent vrtail sprechen u. s. w. auf Fol. 36' Sp. 1. Das zweite mit 120 Artikeln beginnt unter der Ueberschrift ,0b ain weib von irem man geschaiden wiH< Vnd wirdet ain wib von irm manne geschaiden bis Fol. 63 Sp. 2. Das dritte in drei grösseren Artikeln ftlngt mit den Juden an: Vnd geit ain jud ain ein kristen icht zekauffen, und reicht bis Fol. 84' Sp. 2: Hie hat daz lantrechtpfiche ain ende.

Jetzt folgt nach dem Register des Lehenrechts in 153 Ar- tikeln dieses selbst bis: daz wir besiezen das ewig reiche. Des helflF vns der vatter der sun vnd der haylig gayste. amen.

Hie habent die lehenrecht ain end. Daz vns got sein mütter send.

170**.

Heidelberg, ebendort, Cod. Heidelb. 362% 57. Zwei von einer Johanniterrechnung irgendwoher vom Jahre 1623 stam- mende Pergamentdoppelblätter einer durchlaufend wohl noch im 14. Jahrhundert gefertigten Pergamenthandschrift, mit je 35 Zeilen auf der Seite. Sie wurden mit anderen Pergamenten dem grossherzoglichen Archive in Darmstadt zum Kaufe an- geboten und vom Hofrathe Prof. Dr. Bartsch dem Hofrathe Prof. Dr. Zöpfl nach dessen freundlicher Mittheilung vom 2. November 1873 zur Einsichtnahme mitgetheilt, woselbst die inneren Seiten noch mit Papier überklebt waren. Bei meinem Aufenthalte in Heidelberg zu Ostern 1874 hatte Oberbibliothekar Dr. Zangemeister die Güte, dieses beseitigen zu lassen. Bartsch a. a. O. Nr. 439, S. 211.

Die beiden Bogen weisen je oben in der Mitte die rothen Foliobezeichnungen vi und viiij vom Landrechte auf, iiij und V vom Lehenrechte.

Das mit vi bezeichnete Blatt beginnt: er dar auff nicht, so hat er doch gefreuelt an dem dez daz gut ist daz ist raub. Daran reihen sich die Artikel:

Kung Rarilz puss, die alt puss, wer vmb vngericht

beclagt wirt, von der hantheftigen tat, der geraubts oder

Berichte über Handsclirlften des sog. Schwabenspi^els. X. OO

verstolns gut kaufft nit gehaben, er velt = LZ

Art. 317, S. 139 Sp. 2 Zeile 3, woraus sich ergibt, dass die fragliche Handschrift der Gruppe angehört hat, wovon Rockinger in P handelt.

Vielleicht gehörten diese Blätter der Handschrift an, welcher auch die Nr. 130 entstammt.

[Mit der fürstlich Fürstenberg'schen Bibliothek zu H ei- lige nb er g am Bodensee gelangten in die zu Donaueschingen die] Nrn. 89—91, 91 Vj, 92—98 einschliesslich.

[Aus dem Cisterzienserstifte Heilsbronn in Mittelfranken stammt die] Nr. 75.

[Aus Heimburg in Ungarn dürfte stammen die] Nr. 415.

[Martin Hammerschmied zu Helfenberg bei Biberstein schenkte im Jahre 1503 dem Jakob Eismaier die] Nr. 145.

171***.

Aus der Handschrift der verwitweten Gräfin Agnes von Helfenstein beziehungsweise Schlüsselberg ^ fertigte im Jahre 1356 der Benediktinerbruder Oswald zu Anhausen an der Brenz die lateinische Uebersetzung des kaiserlichen Land- und Lehen- rechts der Nrn. 6, 274, 276, 277.

An der Spitze dieser Handschrift befand sich das Buch der Könige alter Ehe, das unser Mönch als ,magnum Vo- lumen' bezeichnet, und von welchem er bemerkt, dass es non nisi recitat de judicibus veteris testamenti, videlicet patriarchis prophetis judicibus et regibus, incipiens ab Abraham usque ad Moysen, et de Moysi usque ad David, de David usque ad Judam Machabeum, vitam et judicia illorum lucido sermone declarans.

Auch das darauf folgende Landrecht und Lehenrecht werden als ,duo copiosa et satis magna volumina' erwähnt.

172.

Herisau, Landesarchiv des Cantons Appenzell ausser Rhoden, V C 15, früher Nr. 80 als alt s. Gallen' sches Land-

1 Nobilis matrona h eiset sie im lateinischen Texte Agnetis comi- tissa de Wirtenberg et relicta illostrium comitum felicis memoriae Ulrici de Helfenstein et Conrad! de Slüsselberk.

o6 X< AbbAndlnng: L. t. Bookiager.

buch, auf Papier in Kleinfolio im 15. Jahrhundert von Bartbo- lomä Hurler von s. Gallen* gefertigt, v. Lassberg Nr. 69. Homeyer Nr. 328. Rockinger F S. 297/298.

Nach der deutschen Bearbeitung des Streithandels zwischen Christus und Belial folgt unter der Ueberschrift ^Hic incipit ordo librij decret et decretalis' die sogenannte gute Herrenlehre mit den 11 Artikeln, welche Rockinger in F S. 298 300, 310 und 318 335 mitgetheilt hat. An ihrem Schlüsse steht: Hie mit hat dis bfich ain end. Nun wil ich schriben von dem lantrecht.

Dieses hat zahlreiche Auslassungen. So fehlen beispiels- weise die Art. LZ 40, 44, 48, 80, 81 , während sich das Ver- hältniss gegenüber dem Drucke LZ = I in H = H von Art. 89 155 so gestaltet:

I

n

I

II

I

n

I

n

89

61

106

66

124

78

140b

87

90

107

67

125

1

79

141

88

91

108

126

142

89

92

109

127

80

143

90

93

110

128

81

144

91

94

111

68

129

82

145

92

95

62

112

69

130

1

146

93

96

113

70

131

83

147

(94

97

114

)"

132

148

98

115

133

}

84

149

95

99

116

} 72

134

150

96»

100

117

135

151

101

118

73

136

1

85

152

102

119

137 a

153

103a

63

120

74

137 b

1

154

103b

64

121

75

138

155

97

104 i

105 1

65

122

76

139

123

77

140a

1

86

^ Nach der Bemerkung am Schlosse des gleich za berührenden ersten Stückes: Per me Bartholomens Hürler de sancto Gallo.

3 Der erste Satz dieses Artikels lautet dahin : Wann sich ein jeglich Geld oder Zins ergangen habe, das sagt dieses Buch hievor. Dann erst folgt: Versetzt u. s. w.

Bericht« flb«r Handschriften de« «og. 8chw»hen«pi«g«l«. X. 57

Das Verhältniss sodann von Art. 302—355 ist folgendes:

I

n

I

II

I

II

I n

302

182

316

329

ml«

303

317

330

304

318

187

331

346

305

319

188

332

347

306

320

189

333

198

348

307

321

190

334

199

349 -

308

322

191

335

200

3491a -

309

183

323a

192

336

201

3491b 206

310

323b

337

202

350

311

324

338

203

351

312

184

325

193

339

352

313

326

194

340

363

314

327

195

341

204

354

314n 185

3271

196

342

355 207

315

186

328

197

343

Das Lehenrechty wieder mit Auslassungen da und dort, reicht nur bis zum Art. LZ 79, wobei die Art. 40 79 sich folgendermassen verhalten:

I II I n I II in

40

I

II

I

n

I

n

I

42

50

61b

49

71

43

51

62

72

52

51

63

50

73

44

53

64

^

74

54

65

53

75

55

66

^

76

^—

56

67

77

57

52

68a

78

58

45

68b) 68c} 69 j

54

79

59

46

60

47

54

__

61a

48

70

55

41

42a

42b

43

44

45

46 58 45 68b I 54 79 56

47

48

49

Nun reihen sich noch die nachstehenden Artikel an: Von bfiss, dem Art. 120 entsprechend. Gerichtz lehen, dem

1 Dieser Artikel bat sechs besondere Absätse, wovon drei auf Art. LZ 344 und wieder drei sodann auf Art. LZ 345 kommen.

58 X. Abhandlang: L. t. Kocicinger.

Absätze b des Art. 132 entsprechend, dass es nicht in die vierte Hand kommen solle. Van lehcn, dem Art. 133 ent- sprechend. Das kofflüt frid söUent haben. Wer mit gericht verderbt wirt. Von des hoffirichters gewalt.* Von der aber acht.^ Der nuw Satzung machet.^

Das Verzeichniss der Artikel endlich auf vier Blättern bezieht sich auf den ganzen Inhalt von der Herrenlehre ange- fangen bis zu dem Schlussartikel: Der nuw Satzung machet.

Den Wortlaut der im Bande CXVHI, Abb. X, S. 20/21 in der Note 1 aufgezählten Probestellen theilt Haiser ,Zur Ge- nealogie der Schwabenspiegelhandschriften' II unter C b 26 mit.

172 V,.

Hermannstadt, in der freiherrlich von Bruckenthal- schen Handschriftensammlung, LXXVI (mit Bleistift) . . . c (mit Tinte). Auf Pergament in Folio zweispaltig * mit rothen üeber- schriften der Artikel und den Anfangsbuchstaben derselben auf Gold- oder Farbengrund wie sonst mit besonderem Bilder- und Buchstabenschmucke im 14. Jahrhundert gefertigt. Von den zwei grossen Bildern steUt das eine den Verwandtschaftsbaum, das andere auf der Rückseite des vorletzten Blattes den Heiland am Kreuze vor, unter welchem die Formel des Eides steht, den die Hermannstädter Rathsherm zu schwören hatten, und weiter die einzige Abbildung des Wappens des siebenbürgi- schen Hauptortes * in Farben. Auf der Innenseite des Vorder- deckels war einmal der Name eines früheren Besitzers ein-

1 Unser Hofrichter soll Niemand vertragen, er thue es denn von beson- derer Bitte wegen. Er soll auch Niemand aus der Acht lassen oder in die Acht thun, sondern das thun Wir selbst.

3 Den soll der Hofschreiber in das Achtbuch eintragen , mit der Angabe, weshalb.

3 Wir gebieten, dass keine Stadt Satzungen mache, die dem Reiche schädlich sind.

* In der Weise, dass die erste und dritte wie die 32. und 34. Zeile jeder

»

Spalte durch die ganze Blattbreite durchläuft, wodurch die sonstige Schrift oben wie unten gleichsam durch einen Rahmen abgeschlossen erscheint.

* Vgl. hierüber Zimmermann im Archive des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, neue Folge XVII, 8. 338—346, hier S. 343 mit der Ab- bildung 6 der Beilage.

Berichte über Handschriften dos sog. Schwaben spiegele. X. o9

gezeichnet^ auf der des Hinterdeckels findet sich die Jahrzahl 1453. Am Schlüsse steht folgender auf den Thomas ,literatu8' bezüglicher Eintrag zum Jahre 1481 : Hoc opus fecit fieri egre- gius magister Thomas Altemberger, magister civium et judex regius necnon camerarius urbis Cibiniensis, anno domini millesimo quadringentesimo octogesimo primo^ dicti sui officii civium anno nono. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtkunde IV S. 179 unter der Angabe: Sachsenrecht auf Pergament mit einem Gemälde. Hienach Homeyer Nr. 106. Prof. Dr. Gustav Lindner in der Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechts- geschichte VI, Abth. 2, S. 86 141, worin auf S. 110 in der Note 1 die frilheren Nachrichten über die Handschrift von 1697 an zusammengestellt sind, und die S. 113 119 eine ausführ- liche Beschreibung derselben enthalten; der Codex Altenberger, Textabdruck der Hermannstädter Handschrift, mit einer Schrift- probe der ersten Seite des Landrechts des sogen. Schwaben- spiegels wie der schon berührten Rückseite des vorletzten Blattes des Codex, Klausenburg 1885. WolflTs Correspondenz- blatt des Vereines für siebenbürgische Landeskunde, VIH. Jahr- gang (1855), Nr. 5, S. 49—63. Mittheilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung VI, S. 668 661. Prof. Dr. Schuler-Libloy ,Zur Frage über den Altemberger Codex und die Nürnberger Stadtrechte^ im Hermannstädter Tagblatte, Xni. Jahrgang, Nr. 3704 vom 18. Februar 1886.

Den Inhalt dieser Handschrift bildet nach einem Artikel- verzeichnisse des Ganzen zunächst das Landrecht des sogen. Schwabenspiegels, im Eingänge des erwähnten Verzeichnisses ,Nüerenpergisch Recht* genannt, dann das Magdeburger Weich- bildrecht, endlich das Stadt- und Bergrecht von Iglau.

Was das erste betriflFt, liegt es in dem angeführten vielfach eigenthümlich gestalteten Drucke Lindner's S. 1 bis 200 vor.

Einen raschen Einblick in das Verhältniss zum Drucke LZ wie zur Ausgabe von Wilhelm Wackernagel gewährt die ,Syn- opsis' von S. 285—300.

Was dort die beiden Spalten ,Rockinger I* und ,Rockin- ger II' anlangt, beziehen sie sich nicht allein, wie nach dem Vorworte S. XI anzunehmen ist, auf die in G im Bande LXXV S. 63 132 behandelten Handschriften von Brunn und Danzig,

60 Z* Abhandlung: L. ▼. Bockinger.

Nr. 49 und 58, sondern gehen vom Art. 512 des Codex Altem- berger auf S. 299 nicht mehr auf sie, sondern auf die beiden in D im Bande LXXIII S. 395—470 besprochenen Hand- schriften von Leipzig und Wirzburg, Nr. 194 und 422, zu deren Familie überhaupt auch die von Hermannstadt gehört.

[Aus dem Augustiner-Chorherrenstifte Herren-Chiemsee in Oberbaiem stammt diej Nr. 273.

[Peter Herrnsberger oder auch Hersberger, Kaplan zu Bolsingen oder Polsingen in Mittelfranken, schrieb im Jahre 1472 die] Nr. 280.

[In die Bibliothek v. Herrwart' s oder Herwart's ge- hörte einmal die] Nr. 94.

[Hieronymus N hat im Jahre 1445 geschrieben die]

Nr. 137.

173.

Hildesheim, Stadtarchiv. Auf Papier in Kleinfolio gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts geschrieben^ mitteldeutsch.

Diese Handschrift enthält nach Mittheilung des Archivars Dr. Pacht durch den Magistrat der Stadt Hildesheim vom 25. Mai 1875 den sogen. ,Slu88el des lantrechtis^ mit den Einleitungen an der Spitze: Herre Jesu Christo eingheborne son, als ,Vorrede des lantrechtes^ dem Vorworte des sogen. Schwabenspiegels, dann: Got der do ist ein begyn und ende aller dinge.

[Ob die Hildesheim'sche Handschrift in der Bibliothek des könighchen Oberlandesgerichts zu Zelle vgl. nach der Nr. 460 auch für unser kaiserliches Landrecht in Betracht kommt, ist zur Zeit nicht bekannt].

[Einzeichnungen über die Kinder des Konrad Hindb erger aus den Jahren 1499—1502 finden sich in der] Nr. 405.

[Der Schreiber Ernst von Hinkofen oder Hünkofen im ehemaligen oberpfalzischen Gerichte Neumarkt fertigte für den jungen Rudeger den Kapeller zu Regensburg die] Nr. 92.

[Christoph Vetter zu Höchstätt schrieb im Jahre 1459 die] Nr. 272.

[Den Umschlag einer Polizeiordnung der Stadt Höchstätt an der Donau aus dem Jahre 1582 bildete] Nr. 279.

[Das Wappen ,Seb. Hoefl[inger] z. Imol. D^ findet sich auf der inneren Seite des Vorderdeckels der] Nr. 389.

B«richto Aber Handschriften des sog. Scbwabenspfegels. Z. 61

[Aus der v. Hörwart'schen Bibliothek stammt die] Nr. 94.

[Bei der Versteigerung der Bibliothek des Prof. Dr. Johann Bernhard Hoff er zu Altdorf bei Nürnberg erwarb Prof. Dr. Bodmann zu Mainz im Jahre 1795 die] Nr. 55.

[Das Wappen des Ferdinand Hoffmann Freiherm von Grtinbüchel etc. findet sich auf dem grünen Ledereinbande der] Nr. 63.

[Job Hartmann Enenkel zu Albrechtsberg, Freiherr v. Hohen eck, besass am Schlüsse des 16. und Anfange des 17. Jahrhunderts die] Nrn. 34 und 204.

[Im zweiten Bande der CoUectaneen dieses Job Hartmann Enenkel, Freiherrn v. Hoheneck, aus dem Jahre 1603 findet sich die] Nr. 413.

174***.

Der fiirstbischöflich Freising'sche Landrichter und nach- malige Hofrath Hoheneicher zu Werdenfels beziehungsweise Garmisch oder Partenkirchen, später an der Hof- und Staats- bibliothek zu München, übersendete am 20. März 1820 von dort eine kurz als das oberbaierische Landrecht des Kaisers Ludwig vom Jahre 1346 bezeichnete Handschrift an den da- maligen Oberlieutenant Dr. Johann Andreas Schmeller. Aus dessen Antwort bei der Rückleitung am 22. April 1820 ergibt sich, dass ,das erste Stück dieses Codex der gewöhnlich sogen. SchwabenspiegeP gewesen.

Von näheren etwaigen Erkennungszeichen enthalten die beiden Briefe vgl. Rockinger im oberbaierischen Archive für vaterländische Geschichte XLH, S. 243 und 245 nichts.

[Von demselben Hofrathe Hoheneicher erkaufle für drei Kronthaler Oberbibliothekar Heinrich Föringer die] Nr. 270.

[Aus der gräflich Montfort'schen Bibliothek von Hohen- ems stammt die] Nr. 234.

[Familieneinzeichnungen hat Herr Thiebolt von Hohen- geroldseck von 1447 1459 gesetzt in die] Nr. 160.

[Oswald Hol er aus der Brixener Diöcese schrieb im Jahre 1428 die] Nr. 262.

[Schöff Georg v. Holzhausen zu Frankfurt am Main und Hanau besass bis in die Dreissigerjahre unseres Jahr- hunderts die] Nr. 93.

62 X. Abh.: L. ▼. Boekinger. Ber. ftber Handiebr. d. sog. Scbwabenapiegela. X.

[Regicrungsrath Veit August Freiherr v. Holzschuher zu Augsburg schenkte der Bibliothek der Hochschule zu Strass- burg im Jahre 1871 die] Nr. 364.

[Professor und Obertribunalrath Dr. Karl Gustav Ho- meyer zu Berlin besass die] Nrn. 37 42 einschliesslich.

[Pfarrer Philipp Hopfstätter zu Dietershausen schenkte 1578 dem Fulda'schen Rathe Johann Vollpracht die] Nrn. 422/423.

[Der Schwiegersohn des Dr. Friedrich Hortleder, Dr. Zacharias Prüschenk von Lindenhofen, schenkte dem Prof. Dr. Johann Schilter zu Strassburg die fortan so be- zeichnete Hortleder'sche Handschrift, die] Nr. 134.

Der Deutschenschulmeister Christoph Hub er in Nieder- baiem schrieb die] Nr. 240.

[Geheimrath Professor und Domherr Dr. Johann Leon- hard Hug zu Freiburg im Breisgaue besass die] Nr. 95.

[Der Schreiber Ernst von Hunkofen im ehemaligen oberpfälzischen Gerichte Neumarkt fertigte für den jungen Ru- deger den Eapeller zu Regensburg die] Nr. 92.

[Bartholomäus Hurler von s. Gallen schrieb die] Nr. 172.

XI. Abb.: Wähle. Die Ol&ckceligkeitslehre der ,Ethik' des Spiuoza. 1

XI.

Die Glückseligkeitslehre der ,Ethik' des Spinoza.

Von

Br. Richard Wähle,

UniTersititsdocent in Wien.

Einleitung.

t^pinoza's ,Ethik'y das Werk, das dem Verständnisse so viele Schwierigkeiten bietet und so ideologisch, speculativ er- scheint; enthält doch wie ich glaube keine andere Meta- physik; als gewissermassen die Aufhebung jeder Metaphysik und steht ganz im Dienste der Absicht, die eben durch ihren Titel angekündigt wird, den Menseben praktische Lehren zu bieten. Anweisung zum seligen Leben ohne Gott, so könnte diese ,Ethik' heissen. Und es zeigt sich in ihr, trotz der starren Formen der Definitionen, Lehrsätze und Beweise, die oft als kurze Rückweise auf vorhergehende Nummern auf- treten, ein glühendes Verlangen, Menschen, die hilfsbedürftig sind und denen zu helfen ist, feste Stützen für das stürmische, mit dem Tode schliessende Leben zu geben. Spinoza^s Tractat von der Verbesserung des Intellectes zeigt, wie er selbst flir seine Person das Bedürfniss fühlte, aus dem Wirbel der Wünsche nach Wohlleben, Triumphen und Wohllust in das Reich der Ruhe zu gelangen, und wie er, als philosophische Natur, der auch wohl die Energie fehlte, sich im rauhen Wett- bewerb der weltlichen Güter zu bemächtigen und die durcli die Schwäche des Körpers in ihrem Trieb nach Ruhe gefestigt wurde, nicht eher sich genügte, bis er den breiten Grund gefunden hatte, von wo aus er sich und Anderen für jede Lebenslage, in allem Schmerz und in Noth und ethischen Zweifeln ein unerschütterliches Princip gewinnen konnte. Aber

Sitznn^sber. d. phiK-hist. Cl. CXIX. Bd. 11. Abh. l

J XI. Abhandlung: W»hle.

nicht in einem weltüborragenden, weltleitenden Gotte, nicht in HofFnung auf dessen jetzt noch verbor^i^enes Wesen hat er diesen Grund gefunden.

Seine ,Ethik' aber, die sich der alten hergebrachten Be- griffe bedient, um für die Menschheit die Probleme und Wünsche nach Aufklärung, die darin niedergelegt sind, nicht verloren gehen zu lassen, in diese Begriffe aber einen neuen, ungewöhnlichen Inhalt giesst^ seine deshalb so schwierige ,Ethik' führt auf dem Gipfel der Lehre zu Sätzen, in denen Ausdrücke wie Ewigkeit, Liebe zu Gott u. a. eine entscheidende Rolle spielen. Wir haben seine »Methode^ daher früher gekenn- zeichnet. * (S. i. f. S. 15 Anm.) Für unsere Behauptung, dass er nicht aus höchsten Sätzen ableitet, sondern sich allgemeiner Sätze nur zur Darstellung bedient, dass zwischen der Evidenz aller Sätze gar kein Unterschied ist, dass alle das Gegebene schlechtweg constatiren, kann man noch aniiihren Buch V, Axiom n, an dessen Schluss es heisst: ,Dies Axiom erhellt aus dem Lehrsatze, Propositio 7 in Buch IIL^* Alles in dem Werke soll nach Spinoza so selbstverständlich sein wie der Satz: Das Ganze ist grösser als sein Theil. Dies zeigt sich z. B. in III, p. 4 und 6: dass Jeder sein Sein, so viel an ihm liegt, zu erhalten strebt, oder in IV. p. 18 scholium. Das Selbstverständliche kömmt iti der mathematischen äusseren £in- kleidung zum Ausdruck. Seine Termini sind so zu deuten wie wir es in der zweiten Abhandlung bei Substanz u. a. exempli- ficirt haben dass man auf Einfachstes und Einleuchtendes kommt. Je nachdem man jene erwähnten culminirenden Begriffe deutet, macht man seine Ethik im engeren Sinn und seine philosophische Weltanschauung entweder einerseits zu einem Mysticismus oder doch zu einer transscendenten Lehre, oder andererseits zu einem nüchternsten Realismus. Wir haben in

* Ueber die geometrische Methode des Spinoza. Wien 1888, bei F. Tempsky (Separat-Abdruck aus den Sitznngsber. der phil.-hist. Classe der kaif«. Akademie der Wissenschaften, Jahrg. 1888, Bd. CXVI.)

und Ueber das Verhältniss zwischen Substanz und Attributen in Spinoza's Ethik. Wien 1889, bei F. Tempskj (Separat- Abdruck aus den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissen- schaften, Jahrg. 1888, Band CXVII) S. 1—3.

3 Ich citire nach der lateinischen Ausgabe ron van Vloten in häufig commentirend modificirender Uebersetzung.

Die Olflckieligkeitelehre der «Ethik' des Spinoxa. 3

den beiden Abhandlungen, besonders in der zweiten, zu zeigen gesucht, dass ihm jede transscendente Ontologie ferne liegt; dass ihm Gott nichts Anderes ist, als Welt, und dass diese durch die Annahme der Materie, und genau ebenso vollständig durch die von Vorstellungen, völlig erschöpft ist. Und wir glauben so in Consequenz davon, dass alle die scheinbar mysti- sehen und weltübei-fliegenden Ausdrücke durch Vorstellungen, wie : heitere Ergebung in die Weltnothwendigkeit etc., zu deuten sein werden.

Aber nicht nur stützen wir uns ohne die Möglichkeit des Verständnisses dieser Abhandlung für sich übrigens zu ge- fährden — auf unsere früheren Ausführungen, sondern die Darlegung von Spinoza's Glückseligkeitslehre soll ihrerseits auch die früheren metaphysischen Annahmen wahrscheinlich machen. Wir werden später kurz auf sie zurückkommen müssen.

Vieles, was man sonst in Ethiken, des Ausfuhrlichen, als wesentliche Grundlegungen findet, fehlt in so markanter Weise in Spinoza's Ethik. Hier wird der Begriff des Guten nicht weiter einer höheren Idee untergeordnet oder in seinen ein- zelnen typischen Formen dargestellt; ' es wird nicht lange nach einer Sanction der letzten Zwecke gefragt oder nach dem psychologischen Charakter gutheissender Entscheidungen. Man kann auch Spinoza's Positionen unter die allgemeinen ethisch- wissenschaftlichen Kategorien bringen, aber dann würde man die Eigenartigkeit seiner Arbeit verwischen. Seine Lehre ist wohl keine Pflichtenlehre, sondern eine Wissenschaft von den Bedingungen des Woblergehens des Einzelnen, also eher eine Güterlehre und wenn auch nicht Lustethik, Hedonismus, so doch Eudaimonismus. Auch Tugendlehre könnte sie Spinoza nennen, insoferne ihm Tugend eine Kraft, Tüchtigkeit des menschlichen Organismus ist doch enthält sie keine Moral im gewöhnlichen Sinne. Er predigt Unentwegtheit, aber er ist kein Anhänger der a-uapa^ia der Skeptiker, jener Unerschütter- lichkeit des Gemüthes, die aus der Nichtentscheidung, iTzoyJi folgt. Und könnte man auch genug Aehnlichkeit zwischen

1 Vgl. zum Kreise ethischer Probleme R. Zimmermann, Anthroposophie. Wien 1882. S. 5 f. und 3. Cap. S. 77 und A. Bain, Mental and moral science II, Ethics, S. 429.

1*

4 XI- Abh&ndlnng: Wähle.

ihm und den Stoikern finden, so fehlt bei ihm ja doch die Allvernunft. Seine Ethik ist nicht aristotelisch doch ein ge- wisser Intellectualismus. Er ist eigenthümlich durch sein Hin- drängen auf eine der Therapie dienliche Untersuchung der Verwirrung und Unzufriedenheit im Leben, auf die Correctur und Sanirung unseres Gemüthes; das Element der Psychagogik

wenn wir so sagen dürfen stellt alles Andere in den Schatten. Ob seine Ethik heilkräftig ist, ist eine andere Frage.

Obzwar er so einen Führer durch unser Lebenslabyrintli geben wollte, hat er ihn nicht gerade leichtverständlich gemacht^ so dass man Führer und Dolmetscher zum Führer brauchte^ und wenige haben seine Hand ergriffen. Sind auch Buch Hl und IV der Ethik nicht so missdeutlich wie I und U, so sind sie doch so verschlungen gearbeitet, dass die Tendenzen, die Hauptzwecke und die untergeordneten Mittelglieder herauszu- finden nicht einfach ist^ und Buch V, das eigentlich auch für IV Licht bieten muss, ist das missdeutlichste. Wer dieses nicht versteht, versteht I und II nicht, und wer I und II nicht verstanden hat, erkennt V und das Qanze nicht. Zuerst muss der Sinn der Ethik klar sein, dann kann man vergleichende und entwicklungsgeschichtliche Arbeiten über Spinoza machen

darum haben wir uns hier ausschliesslich auf die Ethik bezogen. Nichts weniger als ein Excerpt geben wir, eher eine systematische Darlegung der Grundlinien des Baues; dem ganzen Werke gegenüber muss sie dürftig ausfallen, doch soll sie lehren, die paar Grundblicke des Spinoza seinem Geiste gemäss zu thun, damit man, in den Stand gesetzt, das Ganze voraus zu construiren, es verstehen könne.

Vom Kritisiren wollen wir uns, wie auch in den früheren Arbeiten, enthalten. Sein Subjectivismus ist ja unklar, die höheren psychischen Complicationen sind ja mangelhaft erklärt, ob seine Regeln den Frieden bringen können, ist höchst und leicht fraglich, u. s. f. Man soll auf eine freie und aus dem Vollen entworfene Conception nicht mit kleinen, scharfsinnig thuenden, wo anders erlernten Einwendungen antworten. Nur wenn die Gefahr nahe wäre, dass man Spinoza's Conception annähme, dann würden wir ihm ruhig fremde, grössere Con- ceptionen gegenüberstellen. Man kann sich vorhalten, was er sagt, ly, Caput 25: ,Im geselligen Verkehre wird man sich

Die Glftckseligkeiislehre der ,Elhik* den Spinoza. 5

hüten, die Fehler der Menschen zu hinterbringen, und Sorge tragen, über menschliche Schwäche nur sparsam zu sprechen, aber reichlich über menschliche Tugend oder Macht'.

Dieses allgemeine Wohlwollen gegen einen bedeutenden Autor auch wenn man, wie wir gegenüber Spinoza, seine Ansicht nicht theilt zeigte sich auch bei der Frage, welche von mehreren nach seinem Werke ihm imputirbaren, falschen Ansichten er möglicherweise gehabt habe, bei welcher Ge- legenheit wir von einem Interpretationsoptimismus gesprochen hatten. Erstens meinen wir, das Falsche, das ihm nicht noth- wendig imputirt werden muss, ist nicht zu imputiren; deshalb zum Theil haben wir eine andere Auffassung über seine geo- metrische Methode, als die unsere, nicht billigen können. Femer trauen wir einem bedeutenden Manne, im Zweifel, im Allgemeinen eher jene falsche Doctrin zu, bei welcher das Falsche nur in einem gewissen Mangel an Ausführung oder Umsicht, einem Stehenbleiben nach langem Vordringen seine Ursache hat oder weniger auffallend zu erkennen ist.

Nun aber wollen wir nach Spinoza der Seele, die von AflFecten beherrscht zur Ruhe und Freiheit kommen soll,

einleitend ihren Platz im Ganzen anweisen. Sie ist im Allgemeinen nichts, als eine wechselnde Summe von Vor- stellungen und Vorstellungen sind identisch mit extensiven, ausgedehnten Beständen, und aus solchen besteht das All, das er wie wir früher^ gezeigt haben, mit einer gewissen List

Gott nennt; so sagen wir verständnissvoll, die Seele ist ein fluctuirender Ausschnitt aus Gott. Weiter zeigt sich seine Ethik als Fructificirung seines Positivismus und Monismus. Die Seele ist nur Vorstellungen = Ausdehnung, die AfFecte nur Vor- stellungen und die logische Eigenschaft derselben, zureichend klar zu sein, begründet sein ethisches Princip: vernünftig zu handeln. Doch müssen wir genau sehen, wie das Alles Gestalt annimmt.

1 Geometrische Methode, und Verhältniss zwischen Substanz und Attri- buten, S. 7 und 8.

6 XI. Ibhandlnng: Wähle.

A. Hetaphysische, psychologisehe nnd logische Hilfs- begriffe mr die Ethik.

I.

Wir betrachten es durch unsere vorangehenden Unter- suchungen als erwiesen, dass Gott vollkommen erschöpft ist durcli ,das in Veränderung, d. h. Umstellung begriffene AIP. Gott ist nichts als ein Name für die ihrer Natur gemäss laufende Welt; er ist nicht ausser, unter, vor ihr, nach ihr. Man könnte, wollte man nicht den Namen conserviren, an welchen sich so viel Denken knüpft, das Wort streichen: Alles, All, Substanz, Welt gentigt. Wir haben durch eine scharfe Betrachtung des Ausdruckes ,innewohnend', gar nicht übergehend, gezeigt, dass man die beiden conträren p. 18 und 15 in I: ,Gott ist aller Dinge innewohnende, nicht tibergehende Ursache' und ,Was immer ist, ist in Gott . . / nur zusammen- reimen kann, wenn man ftlr Gott ansieht: das seiner Natur- kraft nach in Veränderung befindliche All.

Von der Substanz wurden (dem Begriffe nach) unter- schieden alle Attribute, darunter vornehmlich Ausdehnung und Denken als das, was der Verstand von der Substanz als ihr Wesen ausmachend erfasst. Wir zeigten die Vielfältigkeit von Sinn, die in diesem Ausdrucke steckt,^ und machten es wahr- scheinlich, dass Spinoza unter Ausdehnung und Denken, cogitare (der allgemeinste Ausdruck für Geistiges) ein Einziges, plus (respective in) verschiedenen Betrachtungen verstehe, einerseits das Ausgedehnte als Objectives, andererseits dasselbe Ausge- dehnte als subjectives Besitzsttick. Z. B. Die Kugel vor mir ist ein Einziges und absolut dasselbe, ob ich sie einmal als für sich bestehende Kugel, oder ein andermal als für mich ge- wusste Kugel betrachte. Es gibt nicht das Ding: Kugel und das andere Ding: gewusste Kugel, sondern ein und dasselbe Ding gilt einmal als an sich bestehend, ein andermal als meine Vorstellung. Mache man sich nur das unmittelbar Gegebene, ohne an weitere Schwierigkeiten zu denken, klar: Ihr habt z. B. ein Fläschchen vor Euch, Ihr nennt es äusseres Ding ; Ihr habt aber ein Bild, nicht das Phantasiebild , sondern das un-

J Verhältniss zwiscbeu Substanz und Attributen Ö. 12 fF.

Die GlQckseligkeitelehre dor «Etbik* des Spinoza. 7

mittelbare Bild davon; ist dieses, was Ihr Bild nennt, nicht eben das äussere Ding selbst? Besonders ergab sich dies aus II, p. 7 und n, p. 21. Dort heisst es, ,die Vorstellung von der Seele ist auf dieselbe Weise mit der Seele geeint, wie die Seele mit dem Körper*. Unter Seele versteht er 11, p. 13 eben die Vor- stellungen selbst; er sagt: ,Der Gegenstand der Vorstellung, welche die Seele constituirt . . .' Setzt man diesen Ausdruck Vorstellung für Seele in den ersten Satz ein, so erhält man: Die Vorstellung von der Vorstellung ist mit der Vorstellung so geeint, wie ... Wie sind sie aber geeint? Sie sind geeint, weil sie nur Eines sind, denn ,die Vorstellung von der Vor- stellung ist nichts Anderes, als das Wirkliche der Vorstellung^ Das, gemäss unserer Sprachmanier, als Zweifaches Bezeichnete, das auch im Reden beliebig vermehrbar ist, (denn man kann sagen, ,sobald man etwas weiss, weiss man, dass man es weiss, und weiss auch, dass man weiss, dass man es weiss* ^ ) ist also Eines. Da er nun gesagt hat, in gleicher Weise, wie die Vorstellung mit der Vorstellung der Vorstellung geeint sei, sei auch Seele mit Körper geeint, so sind auch Seele, d. h. Vor- stellung vom Körper, nach II, p. 13, und Körper nur Eines. Wirklich ist nur ein und derselbe Inhalt mit der Zugabe zweier eventuell mehrerer, unendlich vieler, in unserem Ver- stände aber nicht sich findender Auffassungen davon.

Wem das hart erscheint und auch ich wurde wahr- scheinlich nur deshalb darauf gewiesen, weil ich vor jeder Kenntniss Spinoza's einen ähnlichen Monismus als eine durchaus nicht aufzustellende, aber als ,eine auch mögliche Metaphysik' mir erdacht hatte der versuche an der Hand unserer älteren Darlegungen, alle Bestimmungen Spinoza's unter den Hut einer anderen Theorie zu bringen, und es wird ihm nicht gelingen. Hauptsächlich muss er dabei bedenken, dass Spinoza eben dem Dualismus des Des Cartes entgehen wollte und alle wechsel- seitigen Einwirkungen von Geist und Körper loswerden wollte.

Nicht durch Assistenz und Harmonie löste er das Problem, nach dem bekannten Schema der Uhr, sondern dadurch, dass er nur Eines mit beliebigen Auffassungen bestehen Hess.

* Dazu vergleiche Praefatio IV, v. Vloten S. 189, wo perfectio , imper- fectio, bonum, malum nichts Anderes als modi cogitandi sind.

8 XI. IbbandIcDg: Wähle.

Man wird fragen, wo denn in der Substanz diese theore- tischen ÄufTassungen, die Attribute, gebildet werden? Spinoza beantwortet diese Frage nicht direct; aber es ist klar, dass die Natur der Substanz eine Configuration annehmend gedacht werden könnte, durch welche eine Auffassung von ihr, ein Wörtchen über sie, gebildet würde. (Nach den Materialisten bildet ja auch das Gehirn den Gedanken, es sei das Organ der Gedanken.)

Wenn nun aber auch schliesslich eine andere specielle Formulirung über das Verhältniss zwischen Substanz und Attri- bute Recht behält und wenn man selbst Camerer's Neigung folgend auf die Aufhellung verzichten würde, darauf wird man doch beharren müssen, dass gleich, wie die Substanz, respective Gott, vollständig ohne Rest im AU aufgeht, so auch der Inhalt jeder Attributform sich mit der Substanz deckt und dass Aus- gedehntes (mit Des Cartes als Wesen der Materie genommen) wesentlich zur Substanz gehört.

Sowie ein Vulcan ein Theil des Alls ist, ein paar Maschen im Gewebe das Alls ist, oder wie man auch sagen kann das ganze Gewebe des Alls ist, insoweit es gerade die Spannung einiger Maschen bildet, so ist auch der Menschenkörper und die damit identische Vorstellung desselben ein Theil des Alls, respective das All in einer Partial-Concre- tirung. I, p. 25, coroUarium: ,Die einzelnen Dinge sind nichts, als die Verfassungen, das specielle Verhalten (affectiones) der Attribute Gottes, oder die Zustände (modi), wodurch die Attri- bute Gottes sich auf eine feste und bestimmte Weise darstellen.'

Dies ist der Schlüssel zum Verständnisse der zahlreichen Stellen, in welchen das für die Ethik so charakteristische Wort vorkommt: quatenus, insofern. Gott, insofeme er als Vor- stellungsprincip erfasst wird, bildet meinen Geist, aber einen Schluss bildet er nicht, insofeme er schlechthin so gefasst wird, sondern insofeme er als Wirkung nur einiger Theile des ganzen Denkens gefasst wird u. s. f. Alles wird gebildet durch das All, ausgedehnt genommen oder als Wissen vom Ausge- dehnten genommen, insoferne es sich durch vorgängige Arbeit zu etwas zugespitzt hat; es muss sich beschränken, um etwas Kleineres zu sein, und natürlich ist auch das Kleinste nur Resultatbewegung des Ganzen. II, p. 9, demonstratio: ,Die

Die Olftckseliffkeitalebre der .Ethik* dos Spinoza 9

Vorstellung eines einzelnen wirklich daseienden Gegenstandes ist ein einzelner Zustand des Denkens (schlechthin) und von den anderen unterschieden. Diese Vorstellung hat deshalb Gott nur insoweit zur Ursache, als er das denkende Ding ist, aber nicht insoferne er dies schlechthin im Allgemeinen ist, sondern insoferne er im Zustand einer anderen vorgängigen Denkbewegung aufgefasst wird (quatcnus alio cogitandi modo affectus consideratur) und von dem ist er wieder nur Ursache, insoferne er in einer anderen Bewegung war, et sie in infinitum,' d. h. nie fehlte die Bewegung. II, p. 10 cor.: ,Der Mensch ist etwas, was in Gott ist und was ohne Gott (d. h. ausser- halb des Alles) weder sein noch vorgestellt werden kann, d. h. er ist eine Bewegung, ein Verhalten (affectio) oder ein Zustand, welcher die Natur Gottes auf eine bestimmte Weise ausdrückt.' Was also die Seele auffasst, fasst Gott auf, inso- ferne er dieser Theil, die Seele ist; II, p. 11 cor.

Was wir also sind und was uns unterkommt, ist Product der Allwirkung, und specieller bestimmt, der Wechselwirkung von fremden Factoren und einem anthropologischen Factor, ungenau gesprochen von Körpern und Leib. Beide Seiten flir sich sind unbekannt, bis auf das, dass sie ausgedehnt sind. Nur im Resultat sind sie gegeben: resultirende Wellenformen aus nicht mehr gegebenen Wellenzügen. Es sind die untrennbaren Operate, respective ein Correlatresultat , gegeben: Leib bes. Gehirn und Aussendinge. Auch Erinnerungen und Phantasievor- stellungen gehören zu diesen Bildungen. So unklar nach seiner speciellen Entstehung dieses Mischproduct ist, das bald objective Ausdehnung, bald subjective Vorstellung oder auch Seele genannt werden kann die Thatsache, dass ein zweiseitiges Misch- product, Leib und Körper vorliegt und dass es doch die exten- sive Grundnatur des Ganzen nicht verleugnet ist klar und hierin kann man theilweise die Wurzeln der späteren wichtigen Ausführungen über zureichende und unzureichende Vorstellung eine Basis der Glückseligkeitslehre bemerken. Was wir vorbringen findet sich wie auch an anderen Stellen in II, nach p. 13. (Man bedenke nochmals, dass keine ein- zelne Stelle in Spinoza's Ethik ein Beweis für eine Auslegung des Werkes sein kann, sondern, dass eine Ausdeutung nur durch ihre Anwendungsfähigkeit auf alle Stellen sich bewährt.)

10 XI. Abhandlung: Wähle.

II, p. 16: ,Die Vorstellung jeder Weise, durch welche der menschliche Körper von fremden Körpern erregt wird, muss die Natur des menschlichen und zugleich die des fremden Körpers in sich schliessen.^ .11, p. 17: ,Wenn der menschliche Körper in einer Weise erregt ist, welche die Natur eines fremden Körpers einschliesst , so wird die menschliche Seele dieseB fremden Körper als wirklich daseiend oder ihr gegenwärtig auffassen.' Auch später anzuführende Stellen (S. 15) werden dies und mehr darauf Bezügliches enthalten. Um immer leicht bereit zu sein, statt Vorstellung von Körper oder Leib, Körper und Leib selbst einzusetzen, bedenke man nochmals II, p. 7: ,De8- lialb ist auch der Zustand der Ausdehnung und die Vorstellung dieses Zustandes ein und dasselbe Ding, nur auf zwei Weisen ausgedrückt/ Sonne und Auge sind ein Zusammengehöriges, ein Extensitätsproduct unklarer Factoren (s. S. 15), und dies kann auch als Vorstellung oder Seele (in einem gegebenen Momente) gelten.

Dies ist also die Stellung der Seele, d. h. der anthropo- logischen Ausdehnung in wechselnden Beständen der Theile des sich ewig, ohne Zwecke umlagernden Alls. Was kann eines solchen Menschen Aufgabe sein? Nun höchstens, wenn er Mensch bleiben will, die Macht dieses Menschen zu erhalten, nicht sich zu disassociiren, sondern der als Mensch organisirte Theil des Alls kräftigst zu bleiben. Nichts kann der Mensch erstreben, als möglichst viel Mensch zu sein. Dies vorbereitend! Es wird nicht lange dunkel bleiben, wenn man erwägt, dass eben die Leidenschaften lähmend, zerstörend in den Voll- besitz unserer Kräfte greifen und eine Ethik also vor ihnen schützen muss.

II.

Bevor wir nun eingehend die Gefahren des unglücklichen Lebens und das Rettungswerk behandeln, müssen wir den Menschen nach jener Seite hin betrachten, an welcher solche praktische Vorgänge sich abspielen. Also AflFecte, Willensacte fesseln zuerst unser psychologisches Interesse. Wir werden sehen, dass Spinoza alle in Frage kommenden ethisch-psychi- schen Elemente nur als Vorstellungen ansieht. Essentiell exi- stirt nur Eines, die Vorstellung, welche nach verschiedenen

Die Olückseligkeitalehrt der ,Bthik* de« Spinoza. 11

Modis cogitationis; nach verschiedenen, gewissen Beziehungen zuliebe gebildeten Auffassungen, Begehren, Wollen oder Be- jahung genannt wird. Etwas begehren heisst etwas bejahen und dies etwas vorstellen. Der Affect ist eine Alteration der Körperleistungen, respective der ihr entsprechenden Vor- stellungen. Es gibt nichts als Vorstellungen. Den Belegen für diese Darstellung schicken wir kurz einige allgemeine psychologische Grundsätze Spinoza's voraus.

Spinoza leugnet alle Seelen vermögen. II, p. 48 seh.: ,. . . Die Vermögen des Einsehens, Begehrens, Liebens und alle ähnlichen Vermögen sind nichts, als Einbildungen, nichts, als metaphysische Dinge, Abstractionen, welche man aus den einzelnen Erscheinungen zu bilden gewohnt ist.'

Er hebt auf das Kräftigste das Princip der psychischen (Ideen-)As80ciation hervor, z. B. in U, p. 18. Er führt das Qedächtniss darauf zurück; II, p. 18 seh. Die Chancen fUr das Eintreten von Vorstellungen liegen in der Stetigkeit der Associationen; II, p. 44 seh. Sympathie und Antipathie z. B. sind begründet durch die Association von an sich Gleichgiltigem mit Geliebtem oder Gehasstem; III, p. 15.

Die abstracten Vorstellungen oder Begriffe sind ihm nur Hemmungs- oder Verstümmelungsproducte einer Concurrenz von zu zahlreichen concreten Vorstellungen. Der menschliche Körper, beschränkt wie er ist, kann nur eine gewisse Zahl von Erregungen, Bildern bestimmt bilden; wird die Zahl über- schritten, so beginnen sie sich zu verwischen. So entstehen die transscendentalen Termini, Ding, Gegenstand, Etwas, und die universalen Begriffe, Notiones universales, die Abstracta; II, p. 40. seh. I.

Jetzt zu den ethisch interessanten Begriffen. Unter Affect versteht er ,die Zustände des Körpers, durch welche des Körpers Macht zu handeln vermehrt oder vermindert, gefördert oder gehemmt wird (man denke an Zorn und Niedergeschlagen- heit) und zugleich die Vorstellungen dieser Zustände^; lU, def 3. Man darf nicht glauben, dass das , zugleich^ ein plus bedeute und der Meinung diene, ein Affect bestehe wesentlich aus mehreren Elementen. Affect ist nur ein (relativ) Einfaches^ das entweder durch eine Beziehung auf die Seele, die Vorstellungen, oder auf den Körper definirt wird, au fond immer nur dasselbe bleibt.

12

XI. Abhandlung: Wähle.

Z. B. IV, p. 7 dem.: ,Der Affect, insofern er auf die Seele be- zogen wird, ist eine Vorstellung, mit welcher die Seele eine gegen früher grössere oder geringere Kraft zu existiren bei ihrem Körper bejaht/ Auf den Körper bezogen, ist der Affect diese Alteration der Körperkraft selbst. Der Affect ist auch dasselbe wie die Kenntniss vom Affect, II, p. 21, und da durch die Affecte auch ,gut' und ,8chlecht' gegeben ist, so sind die Affecte auch die Kenntnisse oder Erkenntnisse des Guten und Schlechten; IV, p. 8 und IV, p. 19.

Was versteht er unter ,Wille^? Vorläufig und momentan wird Wille als eine auf die Seele allein bezogene Tendenz (conatus) unterschieden von dem Verlangen und Begehren (cu- piditas und appetitus) als auf Seele und Leib zugleich bezogen, III, p. 9 seh. Dass immer nach Spinoza diese Unter- scheidung gar nicht reell gemeint ist, wissen wir ja und werden es auch noch bestätigt finden. Unter Wille versteht er also zuerst einseitig sich erklärend die ,Fähigkeit^ er hat Beginff des Vermögens, facultas, schon verworfen, accommodirt sich aber dem Sprachgebrauch ,zu bejahen oder zu ver- neinen'; n, p. 48 seh. ,Der Wille und der Verstand sind ein und dasselbe,' II, p. 49 cor. ,. . . Es folgt, dass der Beschluss der Seele (decretum), welchen man für frei hielt, von dem blossen Bild oder dem Gedächtnisse sich nicht unterscheidet, und dass dieser Entschluss nichts ist als jene Bejahung, welche die Vorstellung rein als Vorstellung nothwendig enthält,' III, p. 2 seh.

Vorstellung selbst ist nicht Abbildung, von einer Aussen- welt herstammend. Er kennt ja eben nicht Dualismus von Geist und Aussenwelt. Man solle nicht gemalte Bilder darunter verstehen, II, p. 48 seh. , Unter Vorstellung (idea) verstehe ich eine Conception der Seele (conceptus), welche die Seele bildet, weil sie ein denkendes Ding ist. Ich sage lieber Con- ception als Auffassung (conceptus perceptio, Abfassung und Auffassung könnte man übersetzen), weil Auffassung anzudeuten scheint, dass die Seele von einem Objecte leide, während hin- gegen Conception die Spontaneität der Seele auszudrücken scheint,' II, def. 3. Die Vorstellung etwas Selbstständiges, Primäres enthält als solches ein Begehren oder Verneinen. II, p. 49 seh. : ,. . . So unterscheidet sich z. B. die Bejahung, welche in der Vorstellung eines Kreises enthalten ist, von der Be-

Die Qlflckseligkeitalehre der ,Etbik* des Spinoxa. 13

jahung^ welche in der Vorstellung eines Dreieckes enthalten ist, ebenso, wie sich die Vorstellung des Kreises von der des Drei- eckes unterscheidet/ Bejahung ist nur ein anderer Name für Vorstellung. II, p. 49 dem.: ,In der Seele gibt es kein unbedingtes Vermögen- zu wollen oder nicht zu wollen/ sondern nur ein- zelne Wollensacte, nämlich diese oder jene Bejahung und diese oder jene Verneinung. Nehmen wir daher ein einzelnes Wollen, d. h. einen Zustand des Denkens, durch welches die Seele be- jaht, dass die drei Winkel eines Dreieckes zwei rechten gleich sind. Diese Bejahung enthält die Conception oder Vorstellung des Dreieckes, d. h. ohne die Vorstellung des Dreieckes kann diese Bejahung nicht gefasst werden . . ., ... sie kann auch nicht ohne sie sein. . . . Umgekehrt, die Vorstellung des Dreieckes kann auch ohne die Bejahung weder sein noch gefasst werden. Folglich gehört die Bejahung zum Wesen der Vor- stellung des Dreieckes und ist nichts Anderes als sie selbst.' So hätten wir wieder gesehen, dass alles Psychische aus Vorstellungen besteht, und dies wird dem Körperlichen gleich- gesetzt. So wird durch das ,Eine^ und Einzige die scheinbare Einigung und der Zusammenhang erklärt. Durch die schon gegebene Erklärung von II, p. 21, durch die Existenz des Einzigen, versteht man II, p. 7: ,Die Ordnung und Verknüpfung der Vorstellungen ist dieselbe wie die Ordnung und Ver- knüpfung der Dinge' und V, p. 1: ,So wie die Gedanken und Vorstellungen der Dinge sich in der Seele ordnen und ver- knüpfen, genau ebenso ordnen und verknüpfen sich die körper- lichen Erregungen . . . der Dinge im Körper^ daher V, p. 21 : ,Die Seele kann sich nur während der Dauer des Körpers etwas vorstellen oder in Erinnerung rufen.' Und so ist es nur ein specieller Fall innerhalb der ganzen Anschauung, der hier bei den uns interessirenden Affecten und Willensacten uns entgegentritt: die ersten sind Ausbreitungen oder Abnahmen der Körperaction respective -activität, die zweiten sind körper- liche Erregungen, respective Vorstellungen, welche so wech- selnden Körperactionen folgen. III, p. 2 sch.r ,. . . Der Ent- schluss der Seele, sowie das Begehren und die Bestimmung des

^ Die ganze Wollens- und später die Irrthiimslehre kehrt sich gegen Dea Cartes.

14 XI. Abhandlnnir: W&hle.

Körpers sind von Natur zugleich, oder vielmehr sie sind ein und dieselbe Sache^ unter verschiedenen Betrachtungsarten.

IIL

Nachdem wir so den psychologischen Charakter der praktisch-ethischen Begriffe kennen gelernt haben, erübrigt es, das an ihnen aufzusuchen, das ihren ethischen Werth oder Unwerth begründet. Und nach dem Vorigen begreift man, dass dies nur in einer Kategorie liegen kann, welche auf Vor- steUungen anwendbar ist. Da alle praktischen Actionen in Vorstellungen aufgelöst sind und ob in genügender, rich- tiger Analyse, das werde hier ja nicht untersucht so kann Werth oder Unwerth nur in einer Eigenschaft von Vorstellungen liegen; und er Hegt, wie wir sehen werden, in ihrer Ellarheit oder Unklarheit oder ihrem ,zureichend oder nicht zureichend sein', ihrem ,adäquat oder nicht adäquat sein^ Auf diesem Princip erheben sich Spinoza's Ansichten über verschiedene Wissensarten, welche dann massgebend sind für die Principien der Glückseligkeit und Unglückseligkeit.

Mit unzureichend, inadäquat, nicht auf gleich kommend, unzulänglich einem treffenden Ausdruck, bei dem die &- klärung zweckmässig beginnt bezeichnet Spinoza etwas, was zu einem Zwecke eben nicht zureicht, der Zweck mag ausdrücklich, oder stillschweigend, conventioneil, als beabsichtigt gelten. Ein ganz allgemeines, vorbereitendes Beispiel: Wenn zwei ein Wechselgespräch über ein Thema führen, über welches klar zu werden äusserst wichtig ist, und es auch mit dazu passenden Veranstaltungen führen dabei aber doch nur darauf erpicht sind, gerade ihre Fähigkeiten und Einialle zu zeigen, ohne aufeinander prüfend, replicirend Rücksicht zu nehmen, so ist ihr Verfahren unzureichend und man stosse sich nicht an den überraschenden Ausdruck, der Spinoza's Tendenzen wohl entspricht , am Zwecke gemessen, eigentlich wahnsinnig.

Bestimmter gesprochen, eine Vorstellung ist dann unzu- reichend, wenn sie eine Resultirende aus mehreren Componenten ist, vermeintlich die Kenntniss der Componenten bieten will, es thatsächlich aber nicht kann. Oder, unzureichend ist die Vorstellung dann, wenn sie, der unausgesprochenen, scheinbar

Die GlflckseligkeitBlahre der .Ethik' des Spinoza. 15

selbstverständlichen Tendenz nach, auf völliges Erfassen eines Gegenstandes geht^ der Wirklichkeit nach ihn aber nur theil- weise erfasst. II, p. 26: ,Die menschliche Seele nimmt einen fremden Körper nur durch die Vorstellungen von den Erre- gungen ihres Körpers als wirklich bestehend wahr.* Dies heisst nach II, p. 17 seh.: ,Bilder der Dinge haben obgleich die Gestalten der Dinge dadurch nicht wiedergegeben werden. Und wenn die Seele auf diese Weise die Körper betrachtet, werden wir sagen, dass sie dieselben sich bildlich vorstellt.^ Nun n, p. 26 cor.: ,Soweit die Seele einen fremden Körper sich bildlich vorstellt, soweit hat sie keine zureichende Kennt- niss von ihm.* II, p. 16: ,Die Vorstellung jeder Weise, in welcher der menschliche Körper durch fremde Körper erregt wird, muss die Natur des menschlichen Körpers und zugleich die des fremden Körpers involviren ... Es folgt, dass die Vorstellungen, die wir von fremden Körpern haben, mehr die Beschaffenheit unseres eigenen Körpers, als die Natur der fremden Körper anzeigen.' II, p. 24: ,Die menschliche Seele enthält von jenen Theilen, welche die Componenten des menschlichen Körpers sind, nicht zureichende Kenntniss. Denn diese Theile als Organe gehören nur insoweit zum Wesen des Körpers (d. h. zum Körper, denn Wesen eines Dinges ist mit dem „gegebenen Ding^ identisch nach II, p. 10 seh. II fin.), als sie ihre Bewegungen sich gegenseitig in gewisser Weise mittheilen, aber nicht insoweit sie als Einzeldinge, ohne Be- ziehung auf den menschlichen Körper aufgefasst werden können.' Man versteht, wie er solch' höchst indirect vermitteltes Wissen einem Schluss ohne Kenntniss der Vordersätze, II, p. 28 dem., vergleichen kann. Man wird auch wenn man sich der früheren Winke über seine Diction erinnert II, p. 11 cor. leicht verstehen: ,Wenn wir ferner sagen, dass die menschliche Seele dies oder jenes auffasst, so sagen wir nichts Anderes, als dass Gott, nicht insofern er unendlich ist, sondern insofern er sich durch die Natur der menschlichen Seele dar- stellt, oder insofeme er das Wesen der menschlichen Seele ausmacht,* diese oder jene Vorstellung hat; und wenn wir

1 Diese Wendung ist für seine Methode so charakteristisch: er yerdeut- licht, da er von Gott ausgegangen ist, das scheinbar Deutlichere, die Seele, durch Gott. Dieser Ausgang hat dassu verführt, zu glauben, er

16 XI. Abhandlang: Wähle.

sagen, dass Gott diese oder jene Vorstellung habe, nicht blos insoferne er die Natur der menschlichen Seele ausmacht, son- dern insoferne er zugleich mit der menschlichen Seele auch die Vorstellung eines anderen Dinges hat, dann sagen wir, dass die menschliche Seele das Ding nur theilweise, d. fa. un- zureichend betrachte.' Natürlich; reflectiren wir nur darauf, dass die Seele allein aus diesem Vorstellungs-Besitzstück be- steht, dann ist es als solches zureichend; reflectiren wir aber darauf, dass es noch andere Ausdehnungen == Vorstellungen gibt, die als Ursachen etc. dadurch repräsentirt werden sollen, so ist diese Repräsentation höchst ungenau, unzureichend.

Z. B. fast Alles, was Beziehungen auf Dauer (Unberechen- barkeit) enthält, ist unzureichend, IV, p. 62 seh., II, p. 30 und 31. Dem ,unzureichend' ziemlich äquivalent sind auch die Aus- drucke: nicht klar und bestimmt, sondern verworren, z. B. II, p. 28.

Sobald aber der Standpunkt, der Zweck der Betrachtung modificirt wird, kann eine unzureichende Vorstellung wie wir sehen sollen zureichend werden.

Die Unwahrheit z. B. besteht in einem Mangel der Kennt- niss über das, was man eigentlich weiss; II, p. 35. Die Vor- stellung an sich ist nicht unzureichend; II, p. 33; nur die Un- kenntniss über ihre Tragweite, über das, was sie eigentlich mittheilt, macht sie unzureichend. Wenn wir die Sonne sehen, stellen wir uns vor, sie sei ungefähr 200 Fuss von uns ent- fernt; ein Irrthum, der in der bildlichen Vorstellung allein nicht enthalten ist, sondern darin, dass wir das Bild für die Be- lehrung über die wirkliche Distanz halten; II, p. 35 seh. Das Positive der Vorstellung wird durch die wahre Erkenntniss nicht aufgehoben; IV, p. 1. Denn die Sonne bleibt fiir un.s, dem Eindruck nach, circa 200 Fuss entfernt, auch wenn man ihre wirkliche Grösse und Entfernung kennt; IV, p. 1 seh.

Man sieht gewiss schon, wie man Unzureichendes zu- reichend machen kann. Wenn man die Vorstellung als solche betrachtet, nicht als über die Componenten Belehrendes, sondern

leite von Gott ab. Er geht aber nur von Gott, d. h. ,Allem' aus, um alles Einzelne als Theil im All zu fixiren. Solche für uns scheinbar verdunkelnde Erklärnngen finden sich oft z. B. II, p. 40 dem. und deuten nur an, es werde etwas als Theil von der Warte des Ganzen herab betrachtet.

Die GlückseUglreitBlehre rier ,Et1ii1c* des SpinoM. 17

als schlechthin Seiendes, so ist sie zureichend. Fasst man Alles als Wirklichkeit, als Theil des All, als Wirkung und weiter- wirkende Ursächlichkeit im Allgemeinen, dann kann man und dies muss in die ethischen Principien hintiberwirken keine Fehler machen.

V, p. 4: jEs gibt keine Körpererregung^ (welche Zustände doch höchst gemischt, unzureichend, nach ihren Elementen be- trachtet, sind), ,von der wir nicht eine klare und bestimmte Vor- stellung bilden können.' Sobald wir nämlich von einer Vor- stellung sagen, sie ist ein Modus, eine Repräsentationsphase des Denkens, cogitare, überhaupt, oder von einem Körperzustand, er ist eine Repräsentationsphase, Modus der Ausdehnung haben wir eine vollkommen zureichende Conception.

Nichts brauche ich jetzt zur Erklärung von V, p. 14 hin- zuzufügen: ,D]e Seele kann es bewirken, dass alle Zustände des Körpers, oder Vorstellungen der Dinge auf die Vorstellung Gottes' (d. h. auf die klarste Idee, Theil im All zu sein) ,bezogen werden'. Das besagen aber auch die Stellen im Buche II, wo man noch nichts Mystisches bei Spinoza sehen will; p. 38: ,Das, was allen Dingen gemeinsam ist' (z. B. Materialität, oder in Wechselwirkung zu stehen), ,und in gleicher Weise im Theile wie im Ganzen ist, kann nicht anders, als zureichend vorgestellt werden.' Und p. 39: ,Von dem, was den menschlichen Körpern und den fremden Körpern, von denen der menschliche erregt zu werden pflegt, gemeinsam ist, und was dem Theile eines jeden dieser, wie dem Ganzen gemeinsam und eigenthümlich ist, wird die Vorstellung in der Seele eine zureichende sein.'

Wir betrachten dasselbe Verhältniss von einer anderen Seite. Wie steht es mit dem Wahren? I, ax. 6: ,Eine wahre Vorstellung muss mit ihrem Vorgestellten übereinstimmen.' Man darf nicht glauben, dass , Vorgestelltes' = äusseres Object ist. Denn I, p. 8 seh. II: ,Man kann wahre Vorstellungen von Zu- ständen, die nicht bestehen, haben, weil, wenn sie auch nicht ausserhalb des Verstandes bestehen, ihr Wesen doch in einem andern so enthalten ist, dass sie durch dies Andere erfasst werden können' (jede Fiction ist in der Natur des Cogitare überhaupt begründet). Was man also z. B. mittelst der An- schauung der Ausdehnung bildet, ist insofern wahr. Wahr heisst zureichend ; wenn ich mein Vorgestelltes fUr das nehme,

Sitznngsber. d. phil.-hist. Cl. CXIX. Bd. 11. Abh. 2

18 XI. Abhandlnng: Wähle.

als was ich es vorstelle, wenn ich also Phantasiegebilde als Werk meiner Phantasie erkläre, das Produciren also mit der Decla- ration des Productes übereinstimmt , dann ist die Vorstellung wahr. Deshalb können falsche Vorstellungen wahr gemacht werden. II, p. 32 und IV, p. 1 dem.: ,Alle Vorstellungen' (auch die falschen), ,insofern sie auf Gott bezogen werden/ (also schlechthin vorhandene, producirte sind), ,sind wahr.' Und hieraus sieht man wieder, was ihm Gott ist: das Seiende als Seiendes. Wir könnten, um die Manier zu zeigen, wie er das Selbst- verständliche und Positive in die transscendenten , gangbaren Ausdrücke kleidet, in seinem Sinne sagen: Gott ist die Wahrheit. Wahr und zureichend sind theilweise sich deckende Be- stimmungen. II, def. 4 : ,Unter zureichender Vorstellung ver- stehe ich eine Vorstellung, welche, sofern sie in sich und ohne

Beziehung auf den Gegenstand betrachtet wird, alle Eigen- schaften oder inneren Bestimmungen einer wahren Vorstellung hat.' Das Bild der Sonne nicht als Aufklärung über das wirkliche grosse und weit entfernte Existiren der Sonne be- trachtet, sondern als Bild ist wahr und zureichend. Was man in den Gedanken der schlechthinigen nothwendigen Existenz taucht, wird insofern wahr. (Als Beispiel für unzureichend sehe man schliesslich noch ein II, p. 29 seh.)

Diesen Gedanken läuft nun das parallel, was er über die verschiedenen Arten des Wissens anfUhii;. Es erinnert dies an das platonische Hinanklimmen von der Erkenntniss in Bildern, zu zufälligen, sich festsetzenden Annahmen, zu geordnetem ab- stracterem Wissen und endlich zur Einsicht gemäss den Ideen.

II, p. 40, seh. II : ,. . . Aus all dem erhellt deutlich, dass wir Vieles auffassen und universelle Begriffe bilden: 1. aus Einzelnem, das uns durch die Sinne verstümmelt, verworren und ohne Ordnung dem Verstände zugeführt wird; deshalb habe ich gewöhnlich dergleichen Auffassungen die Kenntniss aus verworrener Erfahrung genannt; 2. ans Zeichen, z. B. daraus, dass wir aus gewissen gehörten und gelesenen Worten uns der Dinge erinnern und gewisse Vorstellungen von ihnen bilden, ähnlich denen, durch welche wir die Dinge bildlich vorstellen; diese beiden Arten, die Dinge zu betrachten, werde ich künftig die Kenntniss erster Ordnung, Meinung oder Ein- bildung nennen; 3. endlich daraus, dass wir Gemeinbegriffe

Die Glfickseligkdtilehre der ,Ethik' des Spinoza. 19

und zureichende Vorstellungen von den Eigenschaften der Dinge haben. Und dies werde ich die Vernunft^ (wieder ein Protest gegen die Vermögen) ,oder die Kenntniss der zweiten Ordnung nennen. Ausser diesen beiden Arten von Kenntniss gibt es noch; wie ich demnächst zeigen werde, eine dritte Art, welche ich das anschauliche Wissen, scientia intuitiva, nennen werde. Diese Art der Erkenntniss schreitet von der zureichenden Vorstellung des wirklichen Wesens einiger Attribute Gottes zur zureichenden Erkenntniss des Wesens der Dinge vor'. (Dies ist die Betrachtung des Einzelnen als Theil, Resultat- wirkung des Ganzen.) ,Dies Alles will ich durch ein Beispiel erläutern.* Es werden z. B. drei Zahlen gegeben, um die vierte zu finden, die sich zur dritten verhalten soll wie die zweite zur ersten. Die Kaufleute sind nicht zweifelhaft, dass man dazu die zweite Zahl mit der dritten multipliciren und das Product durch die erste dividiren muss; weil sie nämlich dasy was sie von ihrem Lehrer ohne aUen Beweis gehört, noch nicht vergessen haben, oder weil sie es oft an den einfachsten Zahlen erprobt haben' (Wissen erster Ordnung), ,oder auf Grund des Beweises von Lehrsatz 19 im 7. Buche des Euclid; nämlich aus den gemeinsamen Eigenthümlichkeiten der Pro- portionirten' (Wissen zweiter Ordnung). ,Bei den einfachsten Zahlen bedarf es aber dessen nicht. Wenn z. B. die Zahlen 1, 2, 3 gegeben sind, so weiss jeder, dass die vierte Zahl 6 ist und dies viel deutlicher, weil wir aus dem Verhältniss, das wir zwischen der ersten und zweiten Zahl auf den ersten Blick intuitiv erkennen, die vierte folgern', förmlich ersehen (das Wissen dritter Ordnung, das anschauliche Wissen). Von dieser Evidenz nun ist das Wissen, dass Alles durch das All bedingt ist, dass es nur heissen kann, sich ruhig ins All zu ergeben, und wegen dieser Selbstverständlichkeit seiner ,Ethik' hat Spinoza die geometrische Methode gewählt.

Suchen wir auf Grund des ,zureichend und der Wissens- arten' ein ethisches Beispiel für schlecht und gut handeln. Wer etwas wegen des Ruhmes anstrebt, hat das grösste Element der Verwirrung in seine Rechnung aufgenommen, die Unbe- ständigkeit, den Unverstand, Böswilligkeit der ihn Beurthei-

* Fast ebenso wie im Tractatus de intellectns emendatione v. Vloten 8. 9.

20 XI. Abhandlang: Wahl«.

lenden zu einer unberechenbaren Zeit. Wer das Gute wegen des Guten anstrebt^ handelt vernünftig. Aber er wird sieh mit dem Guten identificiren^ über seine relative Kraftlosigkeit oder Niederlagen Schmerz und Verwirrung leiden. Noch ist er also nicht in der höchsten, sichersten Gangart. Die hat er erst, wenn er sagt, zu diesem (meinem) Streben hat sich die Natur jetzt zugespitzt; wie ich eben kann vorwärtsschreitend, will ich sehen, wohin das f\ihrt. V, p. 4 muss man durchlesen, dann wird man sich darauf freuen, einen Lebenssturm zu be- stehen, um zu sehen, ob man es dahin bringen kann, sich im Leiden wie ein fremdes Wesen anzusehen; zu generalisiren : ,so etwas gibt es'; wie Goethe schliesslich that, seine Schmerzen vor sich hinzustellen und so aiis seinen Affecten ein Wissen zu machen. II, p. 44: ,In der Natur der Vernunft liegt es nicht, die Dinge als zufällige, sondern als nothwendige zu betrachten,' und cor. II: ,In der Natur der Vernunft liegt es, die Dinge unter dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit zu betrachten.' Sub specie aeternitatis ist besser so zu übersetzen, als mit . . . Ewigkeit; denn man denkt hiebei an längste Dauer, während ihm Ewigkeit nach I, def. 8, das naturnothwendige Sein ist.

Es gibt in der ,Ethik' kaum etwas Deutlicheres, als diese drei Wissensarten und dass die dritte Art das Princip der höchsten Seelenruhe enthalte. V, p. 27: ,Aus dieser dritten Art des Wissens entsteht die höchstmögliche Seelenruhe.' Und IV, cap. 4 appendix, wo er statt Erkenntniss des nothwendigen Allablaufes wieder die göttlichen Termini gebraucht: ,Im Leben ist es daher vor Allem nützlich, den Verstand oder die Vernunft so viel als möglich zu vervollkommnen, und darin allein besteht des Menschen höchstes Glück oder Seligkeit; da diese ja nichts Anderes ist, als die Seelenruhe, welche aus der intuitiven' (d. h. nicht mystischen, sondern simpelsten) ,Erkenntniss Gottes entsteht: und seinen Verstand vervollkommnen heisst nichts Anderes, als Gott, seine Attribute und naturnothwendigen Actionen erkennen.'

Nichts von Mysticismus ist in ihm. Man bedenke II, p. 45: ,Jede Vorstellung jedes wirklich existirenden Körpers oder ein- zelnen Dinges enthält noth wendig die ewige' (schlechthin be- stehende) .und unendliche Wesenheit Gottes'; und 47: Die mensch- liehe Seele hat eine zureichende Kenntniss von dem ewigen und unendlichen Wesen Gottes'; femer IV, p. 37 dem. etc.

Die GlUckseligkeitslehre der .Ethik' des Spinoza. 31

Man halte zusammeti, V, p. 25 und IV, p. 28: ,Das höchste Streben der Seele und die höchste Tugend ist, die Dinge in der dritten Art des Wissens zu erkennen*; man erinnere sich der Simpeln Proportion, und lese die Sätze ,' wo ,Gott und Tu- gend' vorkömmt, nicht mit Emphase, sondern erblicke nur das Selbstverständliche darin, in die alte Terminologie gekleidet, wie z.B.:.. ,Das höchste Gut der Seele ist die Erkenntniss Gottes und die höchste Tugend der Seele, Gott zu erkennen'; was nichts anderes sagen will, als, bediene dich der dritten, evidenten Art des Wissens, wisse dich als Theilchen des Alles. Zu der Ausführung dieser höchsten und einfachsten Er- kenntniss, dem Princip des Alles, seiner Umstellung in den allgemeinen Elementen gehört alles, was von Ewigkeit und Liebe Gottes in diesem Werke steht. Die ethische Nutzbar- machung dieser grundlegenden, nach Spinoza sonnenklaren Anschauung bildet die letzte Stufe der Lebenskunst. Darum verweilen wir hier noch. Unter Ewigkeit versteht er das Dasein selbst, I, def. 8. So ist die Materie an sich nothwendig das Bestandstück der Welt und alles Einzelne ist dadurch eben auch nothwendig; II, p. 44 dem. zu cor. II: ,Die Noth- wendigkeit der Dinge ist die Nothwendigkeit der ewigen Natur Gottes selbst' (der Materie). V, p. 31: ,Die dritte Art der Er- kenntniss hängt ab von der Seele, als der wirklichen Ursache, insoferne sie, die Seele, selbst ewig ist', d. h. der Mensch, als noth wendige Durchgangsconfiguration des All, welcher seiner Materie nach ein schlechthin gegebenes Element der Allnatur ist, erkennt die den Formen nach vorübergehende, der Materie nach gleichbleibende, sich nothwendig abwickelnde Natur des All. V, p. 23: ,Die menschliche Seele kann nicht durchaus mit dem Körper zerstört werden, sondern von ihr bleibt etwas, was ewig ist,' d. h. die menschliche Seele, die identisch mit dem Leibe ist, geht, nach Untergang des Leibes, insoweit nicht zu Grunde, als sie Materie im Allgemeinen war. So kann man auch spielend sagen: Blumen gehen nicht durchaus zu Grunde, sondern das von ihnen, was ewig ist die Materie selbst bleibt. V, p. 22: ,In Gott gibt es . . . nothwendig eine Vorstellung, welche das Wesen dieses und jedes menschlichen Körpers unter der Form der Ewigkeit (Kirchmann) ausdrückt', d. h. Gott ist ja Alles; in ihm fand sich ja der spinozistische

22 XI. Abhandlnng: Wähle.

Gedanke; also ist dieser nothwendig; und, viel allgemeiner, wenn sich eine Vorstellung findet, welche nur schlechthin auf das Material der Welt recurrirt und auf ihre Noth wendigkeit, so ist damit das Wösen jedes menschlichen Körpers in seiner allgemeinen Form unter der Form der Nothwendigkeit gegeben; auch enthält jede materielle Configuration die An- weisung zu allen künftigen. V, p. 29: , Alles, was die Seele in der Form der Ewigkeit erkennt, erkennt sie nicht daraus, dass sie die gegenwärtige wirkliche Existenz des Körpers erfasst, sondern daraus, dass sie das Wesen des Körpers in der Form der Ewigkeit erfasst/ V, p. 30: ,Insoweit unsere Seele sich und den Körper in der Form der Ewigkeit erkennt, insoweit hat sie nothwendig die Erkenn tniss Gottes und weiss, dass sie in Gott ist und durch Gott vorgestellt wird,' enthält in der uns schon so geläufigen Ausdrucksmanier dasselbe, wie V, p. 22, von der andern Seite her explicirt.

B. Die Ethik.

I.

Wir haben nun die Farben kennen gelernt, die ihm fiir das Malen unserer ethischen Zustände zur Verfügung stehen: Körperactionen und Vorstellungen, zureichend oder unzureichend, speciell die Nothwendigkeitsvorstellung. Bevor wir aber das menschliche Treiben im Strom der AflFecte und die Kunst der Steuerung betrachten, denken wir an das allgemeine Ziel, von welchem aus die Werthschätzung der Handlungen erfolgt. Was das Gute oder der letzte Zweck sei, ist ihm kein grosses Räth- sei. Man kann sagen, dass er gewissermassen durch identische Sätze von der Form A = A solche Fragen zu beantworten sucht. Für einen Lebenden, Daseienden ist es der letzte Zweck, so viel als möglich da zu sein, alle Lebenskräfte durch keine Mattigkeit gestört zu entfalten, ungebrochen vollkommen, d. h. complet zu sein. Tugend, Vollkommenheit, Realität natür- lich eines bestimmten Dinges, z. B. des Leibes denn auch der disassociirte Körper im Tode wäre ja noch immer Rea- lität — sind ihm einfach ganz identisch. II, def. 6: ,Unter Rea- lität und Vollkommenheit verstehe ich dasselbe^ Es hängt dies

Die Glftckseligkeitalehre der ,Etliik' des Spinoza. 23

auch mit seiner Leugnung der Zwecke in der ganzen Natur überhaupt zusammen. S. den leichtverständlichen Schluss von I. IV, praefatio: ,Ich verstehe unter Vollkommenheit die Realität^ d. h. das Wesen jeder Sache, sofern sie in bestimmter Weise existirt und wirkt/ IV, def. 8: ,Unter Tugend und Macht verstehe ich dasselbe; d. h. die Tugend, in Bezug auf den Menschen, ist des Menschen eigenes Wesen oder Natur, insofern sie die Macht hat, etwas zu bewirken, was durch die blossen Gesetze ihrer Natur erkannt werden kann/

Das Gute im Allgemeinen, das die Beziehung auf Voll- kommenheit und demnach Realität hat, wird natürlich auch durch die Natur des Individuums, die sich setzen und erhalten wollende Natur, gegeben. ,Sich ausleben' ,Es erhellt, dass der Mensch nach nichts strebt, nichts will, wünscht oder be- gehrt, weil er es für gut hält, sondern umgekehrt hält er es deshalb für gut, weil er es erstrebt, will, wünscht, begehrt,' d. h. also sich davon Fröhlichkeit, rüstige Freude verspricht; m, p. 9 seh. ,Die Kenntniss des Guten' (die ganze wissen- schaftliche Theorie vom Guten könnte er sagen) ,und Schlechten ist nur der Affect der Fröhlichkeit oder Traurigkeit, insofern wir uns seiner bewusst sind'; IV, p. 8.

Der Mann würde wohl keinen Sinn flir längere Specula- tionen über das Gute gehabt haben. III, p. 39 seh.: ,Unter Gut (oder gut) verstehe ich jede Art der Freude (Fröhlichkeit) und ferner, was zu ihr führt, und zumal, was irgend ein Be- gehren befriedigt; unter Uebel dagegen jede Art der Traurig- keit und besonders das, was ein Begehren vergeblich macht. Denn ich habe gezeigt, dass wir nichts begehren, weil wir es für gut halten, sondern umgekehrt, weil wir etwas begehren, nennen wir es gut und ^lemnach nennen wir das, was wir ver- abscheuen, ein Uebel; deshalb beurtheilt oder schätzt Jeder nach seinen Affecten, was gut, was schlecht, was besser, was schlechter und endlich, was das Beste und Schlechteste sei.'

IV, praef.: ,Unter gut werde ich im Folgenden das ver- stehen, was wir gewiss als ein Mittel kennen, welches mehr und mehr zu dem uns vorgesetzten Muster oder Vorbild der menschlichen Natur' (denn er will so etwas, worauf mau hin- blicke, wie ,den Weisen der Stoiker, Epikureer', geben) ,hin- flihrt, etc.' IV, p. 20: ,Je mehr Jemand seinen Nutzen zu

24 XI. Abhandlang : Wähle.

suchen, d. h. sein Sein zu erhalten strebt und vermag, mit desto grösserer Tugend ist er begabt. Umgekehrt, so weit Jemand seinen Nutzen, d. h. die Erhaltung seines Seins ver- nachlässigt, so weit ist er ohnmächtig.* Und IV, p. 24: ,Ab- solut aus Tugend handeln ist nichts Anderes in uns, als in Leitung der Vernunft, auf Grundlage des Strebens nach dem eigenen Nutzen, handeln, leben und sein Sein bewahren. (Diese drei Ausdrücke bedeuten dasselbe).*

Jetzt können wir sehen, wie die Menschen wirklich ope- riren und wie sie operiren sollen. Wir werden die allgemeinen Kategorien, die wir psychologischerseits schon kennen, nach ihrer ethischen Bedeutung kennen lernen ; werden bemerken, was den Menschen bei seinem Selbsterhaltungsgeschäft schädigt; werden so zu den einzelnen, ganz im Speciellen aufgeflihrten AfFecten Spinoza's Tadelsnote setzen können und andererseits bei gewissen Handlungen das Ideal des Guten, der Stärke ver- wirklicht finden und so, mit dem Blick auf das Princip der Welt- anschauung, Directive für ein glückseliges Leben gewinnen.

Die VortrefFliehkeit des Strebens kann ja wieder in analy- tischer Form gegeben werden. Das Streben nach einem Resultat muss im Allgemeinen mit Beibehaltung des Resultates ver- bunden sein soll es sich nicht selbst widerlegen. Die meisten Handlungen, genauer AfFecte, der Menschen widerlegen sich aber selbst. Denn wenn die Menschen sie geübt haben, wollen sie, sie hätten sie nie gekannt.

Der Mensch kann 1. handeln oder 2. leiden. III. def. 2: ,Ich sage, dass wir dann handeln, wenn in oder ausser uns etwas geschieht, dessen zureichende Ursache wir sind, d. h. wenn aus unserer Natur etwas in oder ausser uns folgt, das durch sie allein klar und deutlich erkannt werden kann' (nicht un- klarem Drange folgen; alles ruhige Vergleichen geht unabhängig von den an sich vielleicht unzureichenden Vorstellungen von uns selbst zureichend aus, s. H, p. 29 seh.); ,dagegen sage ich, dass wir leiden, wenn etwas in uns geschieht oder durch uns erfolgt, von dem wir nur die partielle Ursache sind' (mit- gerissen werden).

Affect diese Actions- und Acti vi tat Veränderung kann durch a) Handeln oder b) Leiden bewirkt sein. Durch Handeln wird aber die Körpermächtigkeit nur gesteigert (klare Tapfer-

Die Glftckseligkeitalelir« der .Ethik' des Spinoza. 25

keit); durch Leiden kann sie gestärkt oder geschwächt werden (Zorn, Neid). In der ,Definition der AflFecte' III, fin. heisst es: ,Der Affect, der ein leidender Zustand der Seele ge- nannt wird . . / Dieses ist nicht als allgemeine Bestimmung jedes Affectes zu nehmen. Der Relativsatz bedeutet eine Einschrän- kung: nur derjenige Affect, der gerade ein leidender Zustand ist . . . Denn III, def. 3 heisst es: ,Wenn wir die zureichende Ursache eines dieser Affecte sein können, dann verstehe ich unter Affect ein Handeln.'

,Die Handlungen der Seele entspringen nur aus zureichen- den Vorstellungen; ihre leidenden Zustände hängen aber blos von unzureichenden Vorstellungen ab'; lU, p. 3.

,Alle Affecte haben auf das Begehren, die Fröhlichkeit und die Traurigkeit Bezug . . . Unter Traurigkeit wird aber verstanden, dass der Seele Macht zu denken vermindert oder gehemmt wird. Daher wird, soweit die Seele sich betrübt, ihre Macht einzusehen, d. h. zu handeln, gemindert oder ge- hemmt. Daher kann kein Affect der Traurigkeit auf die Seele, sofern sie handelt, bezogen werden; sondern nur die Fröhlich- keit und das Begehren . . .'; III, p. 59 dem.

Von Affecten gibt es drei Grundarten : Begierde, Fröhlich- keit und Traurigkeit, von denen nur die ersten zwei aus ,Han- deln' entspringen, aus ,Leiden' aber alle drei entspringen können ; die letzten sind nur Körperveränderungen auf den Körper selbst beschränkt, der erste führt noch zu äusseren Thaten.

, Ausser diesen dreien, Begierde (cupiditas), Fröhlichkeit (laetitia), Traurigkeit (tristitia) anerkenne ich keinen ursprüng- lichen Affect'; III, p. 11 seh.

,Mag die Seele klare und bestimmte oder verworrene Vorstellungen haben , so strebt sie in ihrem Sein auf unbe- stimmte Zeit zu verharren, ist sich dieses Strebens bewusst. Dieses Streben (conatus), auf die Seele allein bezogen, heisst Wille (voluntas); auf Seele und Körper zugleich bezogen, Drang (oder Verlangen, Kirchmann) (appetitus). Dies ist daher nur das eigene Wesen des Menschen, aus welchem nothwendig das folgt, was seiner Erhaltung dient, und deshalb ist der Mensch bestimmt, dies zu thun. Zwischen Drang oder Ver- langen (appetitus) und Begierde (cupiditas) ist nur der Unter- schied, dass die Begierde meistentheils auf den Menschen be-

26 XL Abhandlung: Wähle.

zogen wird, soweit er sich seines Verlangens oder Dranges, oder Triebes bewusst ist . . /; III, p. 9. ,Die Begierde ist das eigene Wesen des Menschen, insofern es vorgestellt wird, als durch irgend eine gegebene Erregung bestimmt, etwas zu thun^; Def. d. Äff. in. Was Fröhlichkeit und Traurigkeit anbelangt,

III, p. 11 seh.: ,Man sieht, dass die Seele grosse Veränderungen erleiden und bald zu grösserer, bald zu geringerer Vollkommen- heit übergehen kann, welche (leidenden) Zustände die Affecte der Fröhlichkeit und Traurigkeit (laetitia, tristitia) uns geben. Unter Fröhlichkeit werde ich deshalb später den leidenden (dagegen vergleiche man III, def. 3) Zustand verstehen, wo die Seele zu grösserer Vollkommenheit, unter Traurigkeit, wo sie zu geringerer Vollkommenheit tibergeht.' Laetitia bedeutet also Kraft, Elevation, Expansion, Aufschwung, Erhebung; tristitia Schwäche, Depression, CoUaps, Fallen, Herabstimmung. Ebenso in Def. d. Äff. IH, def. 2 und 3; auch IV, p. 7 dem. So ist also selbstverständlich IV, p. 41. ,Die Fröhlichkeit, Elevation ist nicht an sich geradezu schlecht, sondern gut; die Traurigkeit ist aber geradezu schlecht.'

II.

Ehe wir die Affecte im Einzelnen betrachten, zeigen wir, welches Princip sich in ihnen, oft fehlerhaft, unzureichend ver- körpert, und welches die Principien sind, durch die die Men- schen in ihre gut gemeinte Absicht, sich zu fördern, Verwirrung hineintragen.

Das durchgreifende Princip alles wohl- und missgerathenen Thun's ist die Selbsterhaltung im weitesten Sinne. Z. B. III, p. 42 dem.: ,Wer aus Liebe einem Andern eine Wohlthat erwiesen hat, thut es aus der Ursache, wieder geliebt zu werden, d. h. in Hoffnung eines RuhmgefUhles oder einer Fröhlichkeit.' Es kann zwar noch andere Gründe des Wohlthuns geben, aber immerhin: ,Eeine Tugend kann vor dem Streben sich selbst zu erhalten gedacht werden'; IV, p. 22 und ,Unbedingt aus Tugend handeln . . . heisst . . . den eigenen Nutzen suchen';

IV, p. 24. Das Princip ist begründet in UI, p. 6: , Jedes Ding, soweit es in sich ist, strebt in seinem Sein zu verharren'; in, p. 53: ,Wenn die Seele sich selbst und ihre Macht zu

Die Giflcicsoligkeitslebre der ,Etbik* des Spinoza. 27

handeln betrachtet^ ist sie erfreut^ und zwar um so mehr, je bestimmter sie sich und diese Macht yorstellt/ Man kann sagen^ kein Ding hat Werth in sich, um Lebensfreude wenn sie genommen ist zu begründen und nur durch Lebensfreude erhält alles erst Werth. III, p. 54: ,Die Seele strebt nur das vorzustellen, was ihre Macht zu handeln setzt' und IV, p. 18 seh. : ,Da die Vernunft nichts gegen die Natur fordert, so fordert sie selbst, dass ein Jeder sich liebe, seinen Nutzen, soweit er wahrhaft Nutzen ist, suche und Alles, was den Menschen zu einer grösseren Vollkommenheit wirklich führt, erstrebe/

Das Princip der Selbsterhaltung führt zu weitester Irra- diation dieser Tendenz. Was fördert ist gut was hemmt schlecht, wird also beziehungsweise geliebt, angestrebt und gehasst, gemieden. Was Förderndes fordert ist gut, was Hemmendes fbrdert schlecht; was Hemmendes hemmt ist gut, was Förderndes hemmt ist schlecht. Schon was nur als Förderndes etc. gedacht wird, ist so Freund, etc. Z. B. HI, p. 23: ,Wer sich vorstellt, dass das, was er hasst, von Trauer erfüllt ist, wird fröhlich sein; umgekehrt, wenn er sich vor- stellt, dass es von Fröhlichkeit erfüllt ist, wird er sich be- trüben.' in, p. 13: ,Wenn die Seele sich das bildlich vorstellt, was des Körpers Macht zu handeln mindert, oder hemmt, so strebt sie, so viel sie kann, derjenigen Dinge sich zu entsinnen, welche die Existenz jener ausschliessen.' III, p. 20: ,Wenn man sich vorstellt, dass das, was man hasst, zerstört wird, so wird man fröhlich sein^ HI, p. 22: ,Wenn wir uns vor- stellen, dass jemand die Sache, welche wir lieben, mit Fröhlich- keit erfüllt, so werden wir von Liebe zu ihm erfüllt werden, und wenn mit Traurigkeit . . ., so von Hass.' So weiter HI, p. 33, 40, 45 etc.

Es ergibt sich naturgemäss das Realisirungsprincip, ÜI, p. 28: ,Alles, was nach unserer Vorstellung zur Fröhlichkeit führt, streben wir zu begünstigen, dass es sich verwirkliche'; beim Entgegengesetzten handeln wir entgegengesetzt. Mass- und Mutationsprincipe sind z. B. in IH, 34, 37, 38, 39, 43, 44, 49, 48: ,Je grösser der AflFect ist, von dem ein geliebter Gegenstand nach unserer Meinung für uns erfüllt ist, desto mehr werden wir von Ruhmgefühl erfüllt sein. Das Begehren, was aus Trauer oder Fröhlichkeit, Hass oder Liebe entsteht,

^O XI. AbhandUng: Wähle.

ist um so stärker^ je grösser dieser Affeet ist. Wenn Jemand einen geliebten Gegenstand anfangt zu hassen, so dass die Liebe ganz verschwindet, so wird er diesen Gegenstand bei gleicher Ursache stärker hassen, als wenn er ihn nicht geliebt hätte, und um so stärker, je grösser die Liebe vorher gewesen ist. Wer jemand hasst, wird streben ihm ein Uebel zuzuwenden, wenn er nicht fürchtet, dass ein grösseres Uebel daraus für ihn selbst entspringt. Der Hass wird durch Erwiderung des Hasses vergrössert und kann umgekehrt durch Liebe getilgt werden. Ein Hass, der durch die Liebe vollständig besiegt ist, geht in Liebe über und diese Liebe ist dann grösser, als wenn kein Hass vorausgegangen wäre. Die Liebe und der Hass gegen einen Gegenstand, den man für frei hält, muss bei gleicher Ursache grösser sein, als gegen einen unfreien Gegen- stand. Liebe und Hass gegen einen Einzelnen verringern sich, wenn dieser nicht mehr als alleinige Ursache der betreflFenden Fröhlichkeit oder Traurigkeit angesehen wird/

Wie die Menschen nun so nach ihrer Selbstcrhaltung und -erweitung streben, gerathen sie wegen der Schwierigkeiten, die die Hindernisse bieten, wegen Concurrenz und Misserfolg und zu grossem Ungestüm vom richtigen Wege ab. Sie kommen auf Klippen und so errichtet Spinoza Leuchtthürme darauf, damit man sich vor ihnen hüte, und zeigt principiell die Liste von Fehlern, die unsere Affecte tadelnswerth, d. h. schädlich und unvernünftig erscheinen lassen. Er thut es natürlich in völlig anderer, durchaus nicht systematischer Darstellung, als sie sich hier findet.

1. ,Die Traurigkeit ist geradezu schlecht*, IV, p. 41 und 42, z. B. Mitleid, auch wenn es zum Wohlthun führt; wir werden sehen, wie es bei einem Menschen, der nach der Vernunft lebt, eben überflüssig ist; IV, p. 50. Auch Traurig- keit über das Dahinscheiden eines Lieben ist schlecht, weil schädlich und nutzlos. Wer trauert, handelt schlecht. Hier werden sich viele Gemüther aufbäumen gegen Spinoza und werden sich ihren edeln Schmerz nicht rauben lassen wollen. Wir haben Spinoza nicht zu vertheidigen; man möge sich einen Dialog zwischen dem klaren, eisigen Spinoza und einem Hölderlin ausdenken.

Die Olficksaligkeitslefare der .Ethtk* des Spinoc«. 29

2. Der Hase ist zwar momentan manchmal kraftsteigernd^ aber durch Unruhe, andauernde Beherrschung, Trübung aller Freuden, Heraufbeschwörung von Gefahren lähmend und ver- nichtend; IV, p. 45.

3. Was immer also auch gemischt mit Traurigkeit oder Hass ist, ist schlecht.

4. Rücksichtnahme auf äussere Dinge, die uns vollkommen fremd sind, nur von unserer Einbildung belebt werden, oder auf Dinge, die sich überhaupt ändern, also kein festes Ziel bilden können ist schlecht. Letzteres ist sehr allgemein aufzufassen und von grösster Wichtigkeit; man denke an flüch- tige Schönheit, Reize etc. IV, p. 37, seh. I. Sentimentalität gegen Thiere war seine Sache auch nicht. Jeder Affect, in welchem die Dauer der Dinge eine Rolle spielt, da sie doch unberechenbar, ist schlecht (11, p. 30, 31).

5. Alle zufälligen, unbegründeten, unklaren Sympathien und Antipathien sind schlecht; III, p. 15, 16; analog, alle Rührungen, das Wesentliche aufputzende Beiwerk etc. Ein Steifen auf etwas Besonderes, wo der menschlichen Natur an sich Vieles in gleicher Weise genügen würde, z. B. gelegentlich der Ge- schlechtslust, wäre schlecht. Etwas lieben oder hassen, nur aus Nachahmung, ohne dass es aus der eigenen Natur zureichend folgt, ohne dass es von innen heraus kommt, der Convention, oder einem Gesichtchen zu Liebe, desgleichen Rücksicht auf fremdes Urtheil ist schlecht. Das folgt aus IV, p. 37, seh. I und II, p. 29 seh. (Dies würden vielleicht manche Künstler und Männer, die ein volles, wahres, freies Leben verlangen, unterschreiben.)

6. Alle Hoffnung und Befürchtung ist als theilweise Traurigkeit und wegen der Unsicherheit oder Unabwendbarkeit der Zukunft, Unveränderlichkeit der Vergangenheit unsinnig, schlecht; IV, p. 47; analog ein Kramen in Erinnerungen, Schwelgen in Vergangenheit oder Träumen. Wie man es exaltirt finden würde, wenn einer die einbalsamirte Leiche eines Geliebten mit sich führen würde, so sollte man es für unvernünftig halten, wenn man an Erinnerungen hängt.

7. Alles Uebermass und jede Einseitigkeit ist schlecht denn sie machen unfähig; IV, 43, 44 und IV, 38. Was werden dazu wieder jene sagen, die vom Ungestüm der Begeisterung das Heil erwarten?

30 XI. Abhandlung: Wähle.

S.Was zu feindlichem Concurriren führt ist schlecht; IV, p. 34.

9. Scheinbar Gutes, Kraftsteigerndes führt oft zu Schlechtem. Z. B. IV, p. 5ö: ,Der höchste Stolz ist die höchste Unkenntniss seiner selbst' und IV, p. 57: ,Der Stolze liebt die Gegenwart der Schmarotzer und Schmeichler, die der Freien und Hoch- herzigen hasst er.'

So hätten wir allgemein solches kennen gelernt, das die Aflfecte zu verworrenen, unfassbaren, unzureichenden, schwächenden Bewegungen macht und was so die Ursache der Traurigkeit, des Hasses, der Uneinigkeit sein kann^ ist eine Gefahr; IV, p. 69 seh. Und durchsetzt von Unklarem, zum Zwecke untauglichen, unzureichenden Vorstellungen sind die einzelnen Affecte, zu denen wir jetzt tibergehen; von dem Erden treiben konnte Spinoza sagen: Das Unzulängliche hier wird's Ereigniss.

m.

Es muss unser Geschäft sein, besser fiir die Uebersicht über die Affecte zu sorgen, als Spinoza, dessen äussere Dar- Stellungsform Gruppirungen unmöglich macht.

Vorauszuschicken ist, dass es eigentlich so viele Arten von Affecten gibt, als es Gegenstände gibt (Lechzen nach Geld; Trank, Wollust etc., luxuria, ebrietas, avaritia, libido, def. 45 f.) und man sich nur auf ihre allgemeinsten Typen beschränken muss. Es besteht ein grosser Unterschied zwischen diesem und jenem Affect der Liebe, z. B. zwischen der Liebe zu den Kindern und der zu der Gattin ; HI, p. 56 seh. Femer unterscheidet sich die Fröhlichkeit oder Trauer des Einen von der des Anderen über denselben Gegenstand auch insoweit, als die Natur und das Wesen des Einen von dem des Anderen abweicht; III, p. 57. So ist die Freude eines Philosophen von der eines Betrunkenen verschieden, HI, p. 57 seh. Die gleich- namigen Affecte der Thiere und Menschen sind auch ver- schieden. Endlich ist es klar ,dass die Affecte sich miteinander auf so viele Arten verbinden und dass daraus so grosse Mannig- faltigkeiten entstehen können, dass man keine Zahl dafür an- geben kann,^ HI, p. 59 seh.

Im Folgenden geben wir die Kategorien, unter welche die von Spinoza aufgeführten Affecte zu bringen sind.

Die Glflckseligkeitolehre der ,Ethik' des Spinoza. 31

1. Der Affect kann durch ein wirklich vorliegendes Objecl oder dilrch ein nur in der Phantasie vorgestelltes erregt werden. Dass die AflFecte im Allgemeinen gleich sind und gleiche Folgen haben, ob das Object reell vorliegend oder vorgestellt ist, folgt aus dem von Spinoza betonten Subjectivismus. Man bedauert ja auch das Schicksal eines Helden in einem Roman. Psychologisch massgebende Stellen sind in II, p. 26, 17, 27, 29. Daher III, p. 12: ,Die Seele bestrebt sich, so viel sie kann, dasjenige sich bildlich vorzustellen, was des Körpers Macht zu handeln ver- mehrt oder unterstützt.' III, p. 13: ,Wenn die Seele sich das bildlich vorstellt, was des Körpers Macht zu handeln mindert oder hemmt, so strebt sie, soviel sie kann, derjenigen JOinge sich zu entsinnen, welche die Existenz jener ausschliessen.' III, p. 35: ,Wenn jemand sich vorstellt, dass der geliebte Gegenstand sich mit einem anderen in gleicher oder engerer Freundschaft verbindet, als in der er den geliebten Gegenstand besessen hat, so wird er den geliebten Gegenstand hassen und den anderen beneiden.' III, p. 20: ,Wenn man sich vorstellt^ dass das, was man hasst, zerstört wird, so wird man fröhlich sein/ in, p. 19: ,WeDn man sich vorstellt, dass das, was man liebt, zer- stört wird, wird man sich betrüben ; stellt man sich vor, dass es erhalten wird, so wird man fröhhch sein.' Ebenso HI, p. 21, 22, 23.

Hieher gehört die Wirksamkeit der Associationen in Bezug auf Liebe und Hass. IV, p. 16: ,Deshalb allein, weil wir uns vorstellen, dass ein Gegenstand einige Aehnlichkeit mit einem andern hat, welcher die Seele fröhlich oder traurig zu erregen pflegt, werden wir diesen Gegenstand lieben oder hassen, obzwar das, worin beide ähnlich sind, nicht die wirkende Ursache dieser Affecte ist.' Daher kann, HI, p. 15: Jeder Gegenstand durch Zufall die Ursache einer Fröhlichkeit, einer Traurigkeit oder Begierde sein'. Es wäre überflüssig hier und in Zukunft hervorzuheben, dass wir hiemit an so vielen Quellen des Unzureichenden, Verwirrenden, Schlechten vorbei- kommen. III, p. 50: ,Jeder Gegenstand kann zufällig die Ur- sache einer Hoffnung oder einer Furcht werden.' HI, p. 46: ,Wenn Jemand von einem Anderen, der anderen Standes oder anderer Nation ist, mit Fröhlichkeit oder Trauer erfiillt worden ist, in Begleitung einer Vorstellung desselben unter dem all- gemeinen Namen des Standes oder der Nation als Ursache,

I

32 XI. Abhandlung: Wähle.

SO wird er nicht blos diesen, sondern alle Personen dieses Standes oder dieser Nation lieben oder hassen/

Eine andere Seite dieser Kategorie! III, p. 18: ,Der Mensch wird durch das Bild eines vergangenen oder zu- künftigen Dinges mit demselben Affecte der Fröhlichkeit oder Trauer behaftet, wie aus dem Bilde eines gegenwärtigen Dinges/ III, p. 36: ,Wer sich eines Gegenstandes erinnert, der ihn einmal erfreut hat, sucht denselben unter gleichen Umstunden zu besitzen, als da er sich dessen das erste Mal erfreut hat. III, p. 27: ,Wenn wir uns vorstellen, dass ein uns ähnlicher Gegenstand, fUr den wir nicht einmal einen Affect gehegt haben, mit einem Affect erfiillt werde, so werden wir mit dem gleichen Affect erfiillt. Der Einfluss von Vorstellungen auf Handlungen, Umsatz in äussere Unternehmungen, Suggestion, Selbstsuggestion findet sich auch angedeutet in UI, p. 32 seh. ,Man sieht, dass die Knaben, weil ihr Körper fortwährend wie im Gleichgewicht sich befindet, blos deshalb lachen oder weinen, weil «sie Andere lachen oder weinen sehen; ebenso wollen sie gleich das nachahmen, was sie Andere thun sehen, und ebenso begehren sie Alles, was nach ihrer Vorstellung Andere ergötzt. Der Grund liegt darin, dass die Bilder der fremden Dinge wie er- wähnt — die eigenen Erregungen oder Zustände des menschlichen Körpers sind% welche zu weiteren Actionen natürlich führen.

2. Das Object kann eine ausgesprochene Wirkung haben (es wird eine Person stetig gehasst, beneidet etc.) oder die Wirkung ist schwankend, entweder weil das Object mehrseitig wirkt oder weil das Object noch nicht stabil, sondern unsicher ist. III, p. 17: ,Wenn ein Gegenstand, welcher uns mit dem Affect der Traurigkeit zu erfüllen pflegt, uns eine Aehnlichkeit mit einem andern zu haben scheint, der uns mit dem gleich starken Affect der Fröhlichkeit zu erflillen pflegt, so werden wir diesen Gegenstand zugleich hassen und liebend III, p. 47: ,Die Fröhlichkeit, welche davon kommt, dass wir glauben, ein gehasster Gegenstand werde zerstört oder mit einem Uebel behaftet, entsteht' (wegen des Gedankens unserer Aehnlichkeit mit ihm) ,nicht ohne eine gewisse Traurigkeit der Seele'. Alle erwarteten, erhofften oder geflirchteten Eintritte von Ereignissen sind eben nicht stabile Objecto. Diese Kategorie enthält auch ein Princip der Mischung von Affecten.

Die Glückseliglrettslebre der ,Kt1ii1c* des Spinoza. 33

3. Das Object ist ausgezeichnet durch seine Rarität. III, p. 52 : jEinen Gegenstand, den wir zugleich mit anderen früher gesehen haben, oder der nach unserer Meinung nichts an sich hat, was nicht mehreren Gegenständen gemeinsam ist, werden wir nicht so lange betrachten, als einen, der nach unserer Auffassung etwas Eigen thümliches hat/ Dies führt zu wie wir sagen wollen potencirten Affecten, wie Bewunderung, Verachtung, Ehrfurcht etc.

4. Der Affect kann entweder schon dadurch entstehen, dass ein Object zu dem einzelnen, vereinzelten Individuum in Beziehung tritt, oder sein Entstehen ist durch das Vorhanden- sein mehrerer Individuen bedingt. Die ersten könnte ein Mensch allein auf einer einsamen Insel haben; wir wollen sie vielleicht isolirte Affecte nennen. Die anderen sind societärer Natur. Und sie beruhen entweder auf Rücksichtnahme gegen andere Menschen, wie Ruhm, Bescheidenheit, z. B. III, 29, 30, 31 etc., oder auf Kampf, activer Concurrenz gegen Andere, z. B. HI, 32, 39 etc.

IV.

Die Grundeintheilung der Afifecte in drei Arten, in solche, die zu einem äusseren Eingriff führen, Thätigkeitsaffecte, (Be- gierde, Streben, Verlangen, Entschluss, Drang) und solche, die an sich auf den Menschen beschränkt bleiben, wie einerseits Fröhlichkeit, (gehobene Stimmung, Elevation, Kräftigung, Rüstig- keit, laetitia) und andererseits Traurigkeit, (Herab gestimmtheit, Depression, Schlaffheit, tristitia) haben wir schon gegeben.

Es lassen sich vor specielleren Affecten immerhin noch Unterscheidungen allgemeinerer Natur geltend machen. Fröh- lichkeit zerftlllt in Lust, Kitzel (titilatio), wenn ein Theil des Körpers besonders vor den übrigen erregt ist, III, p. 11 (als Wollust verworfen IV, p. 43), und Frische, Heiterkeit, hilaritas, das gleichmässig über den Körper gebreitete Kraftgefühl, III, p. 12 (unbedingt gut IV, p. 42). Traurigkeit zerftlllt in Schmerz, dolor, wenn ein Theil des Körpers vor den übrigen negativ erregt ist, und Trübheit, melancholia, bei allgemeiner Verstimmung.

Wir werden nicht so sehr Definitionen der Affecte geben, als vielmehr Bestimmungen derselben, welche zu ihrer Sub- sumption unter die Kategorien des Spinoza dienlich sind.

Sitzungsber. d. phil.-hist. Gl. CXIX. Bd. 11. Abh. 3

34 XI- Abhandlung: Wahl«.

Liebe, III, p. 13, def. 6, ist ein Aufschwung, Elevation, bezogen auf einen Gegenstand, welcher als äussere Ursache davon angesehen wird also eine Stärkung, Förderung. Hass, III, p. 13, def. 7, ist eine Depression, bezogen auf einen Gegen- stand, welcher als äussere Ursache angesehen wird also Hemmung, Schwächung. Der Hass macht müde.

Sympathie, Zuneigung, propensio, III, p. 15, def. 8, eine Elevation, bezogen auf einen Gegenstand, der in Zusammenhang steht mit einem, welcher als Ursache des Aufschwunges be- trachtet wurde. Antipathie, HI, p. 15, def. 9, aversio, Depression, bezogen auf einen Gegenstand, der in Zusanmienhang steht mit einem, welcher als Ursache der Hemmung betrachtet wurde.

Hoffnung, spes, HI, p. 18, wo auch die folgenden flinf Affecte einzusehen sind, def. 12 17, ein Schwanken zwischen Elevation und Depression, bei häufigerer Elevation, in Hinblick auf ein Förderndes; Befürchtung, Furcht, metus, ein Schwanken zwischen Elevation und Depression, bei häufigerer Depression, in Hinblick auf etwas Hemmendes.

Zuversicht, securitas, die nach einem Hoffnungsschwanken stabilisirte Elevation wegen des Bestehens eines Fördernden. Verzweiflung, desperatio, die nach einem Furchtschwanken stabilisirte Depression wegen des Bestehens eines Hemmenden. Freude, gaudium, nach einem Schwanken betreffs des Ein- tretens Elevation wegen des Eintretens eines Freundlichen. Gewissensbisse, conscientiae morsus, nach einem Schwanken Depression wegen des Eintretens eines Feindlichen (Differenz gegen Reue?).

Wir zählen nun Affecte höherer Ordnung auf, welche Affecte zur Voraussetzung haben.

Mitleid, commiseratio, III, p. 22, def. 18 21, (das. auch die folg. Äff.) eine Trübheit, Hemmung wegen einer Hemmung eines (zum mindesten) uns nicht Hemmenden; Gunst, Gewogen- heit, favor, eine Liebe in Hinblick auf die Förderung eines uns (zum mindesten) nicht Hemmenden; Unwille, indignatio, ein Hass in Hinblick auf die Hemmung eines uns (zum mindesten) nicht Hemmenden; Theilnahme, misericordia, def. 24, eine Freude wegen Förderung eines uns nicht Hemmenden und Trauer wegen Hemmung eines uns nicht Hemmenden. (So wird Alles nach dem Princip der Selbsterhaltung formulirt, und man

Die Olflckseligkeitslehre der ,Ethik' des Spinoza.

erkennt überall dort das Missglücken der Absicht des Menschen, das an sich gute Princip durchzuführen, wo er in ein Schwan- ken, eine Hemmung, Schwäche und Unklarheit hineingeräth.)

Isolirte AfFecte können wohl einen Vergleich mit anderen Menschen oder auch Menschen als Objecte, aber nicht eine bestimmende Rücksichtnahme auf sie als voraufgehende Grund- lage enthalten. Selbstzufriedenheit, acquiescentia in se ipso, philautia, III, p. 30, 51, 55, def. 25, eine Freude über entspre- chende wirkliche Stärke (eminent gut). Stolz, superbia, III, p. 26, def. 28, IV, p. 57, eine Freude (Förderung) über zu gross ge- dachte Stärke von sich. Reue, poenitentia, III, p. 51, def. 27, eine Depression über eine richtig bemessene, wirkliche Schwäche, die wir selbst verschuldet (eminent schlecht). Niedergeschlagen- heit, abjectio, humilitas, III, p. 55, def. 26, eine Depression über eine richtig bemessene, wirkliche Schwäche. Unerschrocken- heit (intrepidus) HI, p. 51, def. 40 flF., ein Affect der Stärke, in welchem etwas nicht fUr hemmend gilt, was gewöhnlich so gilt. Kühnheit, audacia, ein Thätigkeitsaffect, in welchem eine gewöhnliche Hemmung nicht hemmt. Aengstlichkeit, Klein- müthigkeit, pusillanimitas, eme Thätigkeitshemmung durch etwas, was gewöhnlich nicht als Hemmung gilt. Furchtsamkeit (timi- dus), etwas, das gewöhnlich nicht als Schwächendes angesehen wird, wird so angesehen. Sehnsucht, desiderium, III, p. 36, def. 32, eine Depression wegen Abwesenheit eines früher För- dernden. Vorsorge, eine übergrosse Fürsorge, timor, Depression, in welcher man sich des Fördernden entschlägt, um sich nicht dem Hemmenden auszusetzen. Die meisten Menschen sorgen für den Rückzug und vergessen darüber das Vordringen.

Als Potenzirungen führen wir an die Affecte Bewunderung, admiratio, wie die S. HI, p. 51, anal. D. 10, eine Elevation durch Stärke einer ungewöhnlichen Vorstellung; Bestürzung, conster- natio, eine Hemmung durch ungewöhnliche Vorstellung oder wenn Hemmung unausweichlich ist, III, p. 39; eine Ehrfurcht, veneratio; eine Vorstellung von besonders Förderungskräftigem; Ergebenheit, devotio, eine Liebe gegen besonders Förderungs- kräftiges; Abscheu, horror, ein Hass gegen besonders Hem- mungskräftiges; Verachtung, contemptio, def. 5; Spott, irrisio und dedignatio, Kräftigung in Betrachtung eines besonders hem- mungsschwachen Gegenstandes. (Es ist immer festzuhalten, dass

36 XI. Ibhandlang: Wähle.

nicht vollkommene Definitionen beabsichtigt sind, sondern Sche- matisirung des von Spinoza gebotenen Materiales.)

Rücksichtsnahme- und Eampfaffecte : Wirkung des Lobes, laus, III, p. 29, Freude über eine Förderung durch einen Anderen, des Tadels, vituperium, Trauer über eine Hemmung durch einen Andern. RuhmgefUhl, gloria, III, p. 30, def. 30, eine Freude über die durch unserseitige Förderung Anderer ent- stehend gedachte ihrerseitige Förderung; Schimpf, pudor, def. 31, eine Trauer über die von Anderen wegen bereiteter Hemmung zu erwartende Hemmung. Scham, verecundia, III, p. 39, eine Depression, in welcher man sich eines Fördernden enthält, um sich nicht einer Hemmung (^Schande) auszusetzen. Ehrgeiz, am- bitio, III, p. 29, 30, def. 44, eine Elevation im Gedanken der Stärkung durch Anerkennung unserer Stärke seitens Anderer, selbst gelegentlich schädigender Thaten. Leutseligkeit, Beschei- denheit, humanitas, modestia, def. 43, eine Freude am Gedanken der Förderung durch Andere wegen ihnen bewiesener Förderung (Spinoza verlangt wahre Selbstschätzung und urgirt das Element der Unklarheit, Verstellung oder List in der Bescheidenheit). Man sieht, wie Ruhmgefühl, Leutseligkeit in die gleichen Kate- gorien gebracht sind; ihre leicht augenfälligen Unterschiede sind nicht weiter angeführt.

Wohlwollen, benevolentia, HI, p. 27, def. 35, eine Elevation, um einen uns nicht hemmenden Gehemmten zu fbrdern. Zorn, ira, ni, p. 40, def. 36, ein Thätigkeitsaffect (?) um einen uns Hemmenden (eventuell durch seine blosse Existenz) zu hemmen. Rache, vindicta, def. 37, ein Thätigkeitsaffect, um denjenigen^ der uns actuell gehemmt hat, zu hemmen. Dank, gratia, gra- titudo, III , p. 41 , def. 34, ein Thätigkeitsaffect, um einen uns Fördernden zu fördern. Grausamkeit, crudelitas, saevitia, def. 38, ein Thätigkeitsaffect, um Einen grundlos stark zu hemmen. Milde, dementia, def. 38, eine Stärke in der Unterdrückung von Hassaffecten.

Nacheiferung, aemulatio, III, p. 27, def. 33, eine Begierde durch Imitation gewonnen, stark zu sein in der Stärke eines Anderen. Ueberschätzung , existimatio, III, p. 26, def. 21, eine Freude über zu gross gedachte Stärke eines Fördernden. Geringschätzung, despectus, def. 22, eine Freude über zu klein gedachte Stärke eines Hemmenden. Eifersucht, zelotypia, III,

Die Glfickseligkeitolehre der ,Eihik* des Spinoza. 37

p. 35, eine Depression, wegen des Verlustes einer Förderung, bei eingetretener Förderung eines Anderen. Neid, invidia, III, p. 24, def. 23, ein Hass wegen der Förderung eines uns schon durch sein Wachsthum Hemmenden.

V.

Fast alle diese Affecte tragen also den Stempel des Leidens an sich. Sie sind ein Aufruhr, in welchem man sich selbst schädigt. Sie sind in sich zweckwidrig, unzureichend, toll und dumm und will man sie auf klare Sätze bringen, zeigt sich das unausführbar. Z. B. der Neid; er ist vernünftig un- fassbar. Wenn man Einem etwas wegnimmt, hat es noch einen Sinn, aber ganz passiv nur traurig zu sein, weil Einer etwas hat, ist nutzlos. Die Quelle des Neides ist freilich verwandt mit einer klaren Absicht der Selbsterhaltung, nämlich der, dem Andern etwas zu entreissen. Aber es kommt ja nicht dazu, son- dern nur zu dem stillen, aber den Neider verzehrenden Wunsch, der Andere möge nichts haben ; es bleibt ohnmächtige Raserei gegen sich selbst. Es ist wahr, man wird dadurch, dass der Andere etwas hat, in den Augen des Beurtheilenden arm und so gehemmt ; man wird ärmer, als man es gewesen wäre, wenn Alle gleich arm wären. Spinoza wird auch das leugnen; schon, sich relativ, comparirend anzusehen, anstatt klar, absolut an sich, wäre nach ihm ein verworrenes Verfahren. Andere meinen vielleicht wieder. Alles habe nur in Relation zu Anderem seinen Werth und wenn z. B. Alle gleichzeitig sttirben, so dass es keine Ueberlebenden gäbe, so wäre der Tod gleichgiltig. Aber wie immer, auch wenn man wirklich dem Beneideten gegenüber zurückgedrängt erscheint, das daran Denken und darin Wühlen ist einfach unzureichend, hilflos und schädigend. Darum muss der Neid fort. Nicht weil er eine Sünde, sondern weil er eine Dummheit ist. So selbstverständlich dieses Raisonnement im Sinne Spinoza's scheint, so ist es doch nicht das gewöhnliche. Man hört den Neider gewöhnlich so beruhigen: Vielleicht geht es dem Beneideten doch nicht so gut^ wie man meint; auch kann es ihm noch schlecht gehen. Und das ist von der Hoff- nung begleitet, dass es so sein und werden möge und mit Hass beruhigt sich der Hass.

38 XI. Abhandlung: Wahl«.

Dass von den aufgezählten Affecten fast alle reprobirt werden miissen; ist Niemandem jetzt noch zweifelhaft. Selbst Dinge wie Milde, Mitleid, wenn sie aus Rührung, also Ver- wirrung oder blinder Aufwallung entstehen, sind nicht das Richtige. Das Gute muss das Klare sein und direct oder indirect zum Nutzen gewollt, durchsichtig sein, nicht aus zu- fUlliger Rücksicht auf Andere, sondern aus sich heraus, auf sich gestützt, erfolgen. Weil es klar und tauglich zum Endzweck, logisch kräftig sein muss darum setzt Spinoza daftir: ,£r- kenntniss^ Nichts liegt ihm ferner, als etwa in theoretischer Be- schäftigung das eigentlich Gute zu finden. Demgemäss muss man auffassen IV, p. 27: ,Wir wissen nur von dem gewiss, dass es gut ist, was zur Erkenntniss, ad intelligendum revera, führt und nur von dem, dass es schlecht ist, was uns verhindert klar zu sehen.^ Allerdings ist in einem etwas modificirten Sinne y wie wir sehen und schon jetzt ahnen werden , Er- kenntniss die letzte Panacee.

Gut leben heisst vernünftig, d. h. in zureichenden, klaren Vorstellungen leben. Alles, was wir von der zweiten und dritten Art des Wissens gesagt haben, auf praktische Be- thätigung angewendet, enthält die Moral. Der Mensch strebe, ,die Dinge, wie sie in sich sind^ ( d. h. seine Natur, seine wirkliche Leistungsfähigkeit, die der Anderen, den Werth der Dinge in sich, nicht gefärbt durch Nachahmungstrieb, Eitelkeit, Mode etc.) ,zu begreifen und die Hindemisse der Erkenntniss zu entfernen, wie den Hass, den Neid, den Zorn, den Spott, den Stolz etc.^, was früher behandelt wurde, IV, p. 73.

,So weit ein Mensch zu einer Handlung bestimmt wird dadurch, dass er unzureichende Vorstellungen hat, kann man nicht sagen, dass er aus Tugend handle, sondern nur soweit er durch etwas bestimmt wird, was er erkennt'; IV, p. 23. Aus Tugend handeln heisst aus Vernunft handeln, IV, p. 24, und ,da8 Wesen der Vernunft ist nichts Anderes, als unsere Seele, sofern sie klar und deutlich erkennt'; IV, p. 26. Nur was kräftig aus solchen Klarem heraus erfolgt, heisst Handeln; III, def 3. Diese Körper- und Geisteselevation welche ein AflFect ist, hemmt dann die Verwirrung, den Sturm, das Leiden, das aus dunkeln Conceptionen entsteht. Darum heisst es IV, p. 14: ,Die wahre Kenntniss des Guten und Schlechten kann (als

Die Olüekseligkeitfllehre der .Ethik* des Spinosa. 39

wahre selbst) keinen Affect hemmen, sondern nur soweit sie als Affect aufgefasst wird/

Seinen Nutzen zu suchen ist Jedermanns einziger Zweck wie wir schon gezeigt und als gutes Institut dazu, ge- wissermassen als gegenseitige Assecuranz dafiir gilt der Staat; IV, p. 37 bes. und die vorausgehenden pp. Die Vernünftigen sind die Verträglichen. IV, p. 35, 36: ,So weit die Menschen nach der Leitung der Vernunft leben, insoweit allein stimmen sie von Natur tiberein. Das höchste Gut derer, welche der Tugend (Vernunft) folgen, ist Allen gemein und Alle können sich dessen in gleicher Weise erfreuen.'

Dieses gut Handeln» bildet den Vollbesitz ausgeglichener Kraft. IV, p. 38, 39, 60, 61: ,Ein Begehren, was aus einer Fröhlichkeit oder Traurigkeit entspringt, welche nur auf einen oder einige, nicht aber auf alle Theile des Körpers sich bezieht, hat keinen Nutzen für den ganzen Menschen. Ein Begehren, was aus der Vernunft entspringt, kann kein Uebermass haben/ Vergleicht man das Treibende und Beschwerende der leidenden Affecte mit dem lichten, vernünftigen, durchaus einer klaren Nachrechnung standhaltenden Handeln, so ist es, wie wenn man dort in schwüler Sommerglut, im Schweiss gebadet, ein- herkeuchen würde und hier, das Antlitz gekühlt in frischer Abendluft, leicht und frei lustwandeln würde.

Jeder Mensch suche seinen Pfad auf Erden und wenn man wirklich die Verworrenheit alles dessen einsehen wird, was gewöhnlich erstrebt wird, Uebermass von schwer erreich- baren Genüssen, wo die leicht zu beschaffenden ebenso gut sind, unwesentliche Beigaben, Lob von nicht gekannten, kalten Menschen, der undefinirbare Wunsch, wenn man nicht mehr ist, geehrt zu sein etc. . . . dann wird das Leben leicht und gut sein. Von Ascetik keine Spur. ,Ein weiser Mann . . . stärkt und erfreut sich durch massiges, angenehmes Essen und Trinken, an Wohlgerüchen, an der Schönheit kräftiger Pflanzen' (welkes Herbstlaub macht wahrscheinlich nicht viel Eindruck auf ihn) ,an Schmuck, Musik, Kampfspielen, Theater und Aehn- lichem etc.' IV, p. 45.

Wie es mit der Kunst stehen würde, wenn die Künstler ihrem unbestimmten Drängen und Fühlen entsagen würden, ob die Klarheit und inwieweit sie auch in ihrem Gebiete

40 XI. Abhandlung: Wähle.

herrschen kann, ob ihm musikalische Composition nur die speciiisch musikalische Formirung eines specifisch Musikalischen ohne Beziehung auf Gemüthserregung wäre, ob er nur die rüstige Musik wie Plato gelten lassen würde, welches die Spinozistischen Principien für die Aesthetik wären nach seinem Protest gegen das Undefinirbare, gehört, wie jedes Ausbauen des noch fraglichen Systems und jede Kritik, nicht hieher.

VI.

Man betrachte kurz einzelne Momente des guten Handelns. III, p. 59: ,Alle Handlungen, welche aus AflFecten folgen, die auf die Seele als thätige bezogen werden, rechne ich zur Tapferkeit, fortitudo, welche ich in Seelenstärke, animositas, und Edelsinn, generositas, theile. Denn unter Seelenstärke verstehe ich ein Be- gehren, durch welches Jeder sein Sein wegen des blossen Gebotes der Vernunft' (d. h. egoistisch, consequent zweckmässig) ,zu erhalten sucht und unter Edelsinn ein Begehren, durch welches Jeder wegen des blossen Gebotes der Vernunft' (d. h. in täuschungsloser Benützung aller Mittel der Selbsterhaltung) ,strebt, die übrigen Menschen zu unterstützen und sich in Freundschaft zu verbinden. Die Handlungen, welche nur den Nutzen des Handelnden verfolgen, rechne ich zur Seelenstärke; die, welche den Nutzen eines Anderen verfolgen, zum Edelsinn. Massigkeit, Nüchternheit, Geistesgegenwart in Gefahren, tem* perantia, sobrietas, animi in periculis praesentia sind Arten der Seelenstärke; Bescheidenheit' (auf Grundlage ehrlicher richtiger Schätzung seiner und der Anderen), , Milde' (als eine klare Begrenzung des zum Zwecke der Selbstforderung Erfor- derlichen) ,u. s. w. sind Arten des Edelsinnes.' IV, p. 37: ,Das Gut, was Jeder, welcher der Tugend folgt, für sich begehrt, wünscht er auch den übrigen Menschen . . . denn die Menschen sind sich am nützlichsten, soweit sie nach der Vernunft leben', folglich brauche ich in meinem Interesse vernünftige Menschen. Daher IV, p. 46: ,Wer in Leitung der Vernunft lebt, strebt so viel er kann, eines Anderen Zorn, Hass, Verachtung u. s. w. gegen sich durch Liebe oder Edelmuth zu vergelten.' Denn um die Menschen nützlich, vernünftig zu erhalten, muss man sie, wie sich von gefährlichen Affecten befreien. Dieses opportunistische

Die GIflckseligkeitolebre der ,Ethik' des Spinoza. 41

Pariren des Hasses . . . heisst also Edelmuth. Die (von Affecten des Leidens) freien Menschen handeln niemals in böser Ab- sicht gegeneinander^ sondern immer ehrlich; IV, p. 72; nur die freien Menschen sind wahrhaft dankbar gegeneinander; IV, p. 71, denn sie sind einander die nützlichsten und am festesten miteinander verbunden. Pietas und honestas, IV, p. 37, seh. I. bedeuten vernünftiges Wohlwollen und Wunsch nach vernünf- tigem Bündniss, die Fröhlichkeit, Stärke, die aus der sicheren Umgrenzung der Machtsphären folgt; IV, p, 51 und 62.

vn.

Eine Art des vernünftigen Lebens und seine höchste Potenz ist die ftir das praktische Leben massgebende An- schauung von der AUnothwendigkeit. Darin ist enthalten : das Abtragen der so fundamental herrschenden Meinung von seinem ,Ich% dessen gewaltiger Respectirung und Hätschelung; die Mahnung, ,sich als Theil zu fühlen', nicht als Werth; ferner, das stille, feste, aber nicht rührselige Hinnehmen seines Ge- schickes; ferner, das Verbannen aller Gedanken über erlittene Schmerzen, Hoffnungen und des Hinblickes auf den Tod; end- lich die höchste Kunst, sich als Ereigniss, als Geschichte zu betrachten, auch seine Schmerzen als etwas schlechthin Seiendes, als Theil der Natur zu constatiren , sich unter der Formel zu sehen: ,So etwas gibt es.' Und aus air dem erblüht nicht Sentimentalität, sondern Kraft, Freude, aller Täuschung los zu sein, unerschütterliches, erhebendes GefUhl, dass einem Manne ohne leere Hoffnungsträumerei, der aus Allem, aus dem grossen All das Interesse des Wissens zieht, nichts anzuhaben ist. Ge- rade je weniger man nach seinem Wohl hastet, desto besser erhält man sich.

Aus der dritten Art des Wissens man erinnere sich des früher Gesagten entspringt die höchstmögliche Seelen- ruhe. Liebe ist eine Freude, B[raftgeflihl mit Berücksichtigung der Ursache derselben (HI, p. 13); die Liebe zu Gott ist das Kraftgefühl, die klare Vorstellung, frei von nutzlosen Wider- stand sgedanken, aufzugehen im All durch das All. Und weil wir vom All, so ist im All das Wissen seines nothwendigen, ewigen Wechsels; das All im Ablauf ist nothwendig durch

42 XI. Abhandlang: Wähle.

seine Natur gegeben, d. h. ewig (I, def. 8) und Alles, was in ihm folgt, mit ihm zusammenklingt, wie unser bewusstes ,!m All stehen* ist gleich nothwendig, d. h. ewig. So glauben wir, sind die Sätze zu verstehen, in welchen er von der höchsten Ruhe handelt, von der Liebe der Seele zu Gott, von der aus- drücklich ihr gleichgesetzten Liebe Gottes zu sich und von ihrer Ewigkeit: IV, p. 26 und 28, V, p. 27, 36, 35, 33. Ueber unsere Abhängigkeit vom All (Gott) und wie diese (dritte) Art des Wissens arbeitet, von welcher die gewöhnliche ab- stracto Erkenntniss, die noch ohne das intuitive ,sich als Theil des Ganzen bemerken' zu unterscheiden ist, s, auch V, p. 36 seh.

Verdienst, Recht und Unrecht und Sünde sind bedingt durch einen staatlichen Zustand, sind äusserliche Begriffe; IV, p. 37 seh. II, lin; und kann es Jemanden noch iri'e führen, wenn er im seh. I sagt: ,Femer rechne ich Alles, was wir wünschen und thun und wovon wir die Ursache sind, soweit wir die Vorstellung von Gott haben . . . zur Religion'; oder wenn er in IV, p. 68 sagt: ,Der Mensch hatte durch Affecte seine Freiheit verloren , welche die Erzväter später wieder- gewonnen haben, geführt vom Geiste Christi, d. h. geführt von der Vorstellung Gottes, welche allein es bedingt, dass der Mensch frei ist' . . .?

VIII.

Spinoza thut das Seinige, um das ruhige, starke, unge- trübte Leben des Weisen, das ihm vorschwebt, IV, praef., hoch über dem Dunstkreis von Zorn, Hoffnungen, Neid, Un- dankbarkeit etc. zu schildern. Z. B. in IV, p. 47 seh. 50, 52, 58, 67, 70, 71 ff. Zu allen Handlungen, zu welchen wir aus einem, ein Leiden enthaltenden Affecte bestimmt werden, können wir auch ohne einen solchen, durch die Vernunft be- stimmt werden; IV, p. 59. Die Reue z. B. ist schlecht, denn sie fügt zur schlechten That noch ihre nutzlose Betrachtung; eine klare Vorstellung des Guten genügt für spätere Fälle.

Doch bei Kindererziehung wird man auf die Benützung solcher Affecte vielleicht nicht verzichten wollen, und wenn man sie einmal festwurzeln Hess, wie macht man den Ueber- gang zur Freiheit von leidenden Affecten?

Die Glückseligkeitslehro der .Ethik* des Spinoza. 43

Auch specielle Anweisungen zum Festwerden in dem ver- nünftigen Leben gibt er. Er gesteht wohl zu, dass man sich seinem Ideal nur nähern kann, alle trübe Verwirrung nicht beseitigen kann, IV, p. 4 und V, p. 20 seh.: ,Wenn auch die Erkenntniss die AfFecte, soweit sie ein Leiden sind, nicht un- bedingt beseitigt, so bewirkt sie doch, dass sie den kleinsten Theil der Seele ausmachen/ Mittel zur Beherrschung sind: ,Seine Affecte auf eine begriffliche Formel zu bringen trachten : was will der Affect?* Ferner: Das eigentliche Leiden isolirt zu betrachten, von der Ursache loszulösen, z. B. von dem- jenigen, der uns überwunden hat, abzusehen und nur auf den Zustand, in den wir dadurch gekommen sind, zu achten oder die Schuld an unserem Missgeschick auf das ganze Weltall auszubreiten, wodurch der nächsten Ursache die Schärfe genommen wird; sich den Gedanken, den Blick auf das Universum ganz und gar in Fleisch und Blut übergehen zu lassen; endlich in freien Stunden sich kommende Gefahren wie spielend vorzustellen, seinen* Standpunkt zu wählen, um sich so im Frieden durch Manöver auf den Ernstfall vorzu- bereiten. Wir unterdrücken hier unsere Absieht, die schönen darauf zielenden Stellen zu citiren: bes. V, p. 10 seh., p. 20 seh. und V, p. 1—9.

Spinoza wird vielen das Spinozistische Leben so schön ausmalen, dass sie in der Freude, sich das Leben so heiter machen zu können, traurig an den Tod denken werden; doch dann wären sie noch nicht Meister des Lebens, denn der Todes- gedanke ist nutzlos. Ja, solange man Leben will! Wenn aber die Selbsterhaltungstendenz einen verlässt und er auf das Sein verzichten möchte? Kann ihm diese Ethik das verwehren? Und vielleicht stand auch Spinoza einmal vor der Idee, die doch so kleine Rolle eines Menschen im All mit einer noch ein wenig kleineren zu vertauschen doch er meint an drei Stellen, das sei Wahnsinn: IV, p. 18 seh., IV, p. 20 seh., V, p. 41 seh.

Nun haben wir die Articulation des Systemes Spinoza's nach unserer Auffassung dargelegt. Wir hätten also eine zureichende Kenntniss von Gott; er ist nichts, als ein alter Name für ,Alles^ Wir haben eine zureichende Kenntniss vom All. Wir haben eine zureichende Kenntniss von der Seele, in-

44 XI. Abh.: Wähle. Die GlückseligketUlelire der «Ethik* des Spinosa

sofeme wir sie als offene Theile des All wissen, ob wir nun den Ausdruck Ausdehnung oder Vorstellung fUr All und Seele wählen. Nichts bleibt uns zu hoffen übrig und demnach richte man ^ein Leben ein, jeder seiner Natur gemäss, ohne Gefahr der Enttäuschung, ohne Täuschungen, Unklarheiten und nutzlose Irrealitäten.

Ganz anders stünden die Dinge, wenn Gott nicht in dem All aufginge, sondern als eine Kraft ihm vorstünde und nicht durch alles das Kleine gebildet würde. Dann hätten wir keine zureichende Vorstellung von ihm, dann aber könnte die Seele auch noch hoffen. Davon steht bei Spinoza nichts. Er bietet die consequenteste Anwendung einer Anschauung, welche keinen Gott und keinerlei Vorzüge und Dignitäten einer Seele kennt, auf die Ethik.

So scheiden wir von dieser Lehre, die alles Denken und Handeln wie wir glauben richten will auf das Positive, Klare, Zureichende. Ob sie selbst dazu zureichend sei^ wird sich erst zeigen, wenn man von ihr wozu wir beitragen wollten eine zureichende Kenntniss haben wird.

Ausgegeben am 20. November 1889.

Von allen grösseren, sowohl in den Sitzungsberichten als in den Denkschriften enthaltenen Aufsätzen befinden sich Separatabdrücke im Buchhandel.

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WIEN, 1889.

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DRUCK VON ADOLF HOLZHAUSEN

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Aufigepeben am 20. November 1889.

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