^: "^ •V* 'r^«^ < '■ ■^ ^f . >n-4L 'i^* rv^ '^-^ oO^ ^ \ ^^Ci ^ . n^» .« - ■'- O^J^ '^ SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. HUNDERTDREIZEHNTER BAND. ■ 0 ^»>-6«- WIEN, 1904. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN, BUCHH«lNDLER der kaiserlichen AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. t«n«^ SITZUNGSBERICHTE DER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN KLASSE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. CXIII. BAND. ABTEILUNG I. Jahrgang 1904. — Heft I bis X. (MIT 35 TAFELN, 2 KARTEN, 1 KARTENSKIZZE UND 30 TEXTFIGUREN.) '^' WIEN, 1904. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHE.N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. INHALT. Seite Abel 0., Über einen Fund von SiViüheriuin gigantenin bei Adrianopel. (Mit 1 Tafel und 3 Textfiguren.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.J .... 629 Albanese N., Ein neuer Fall von Endotropismus des Pollenschlauches und abnormer Embryosackentwicklung bei Sibb.ild/j procumbens L. (Mit 2 Doppeltafeln.) [Preis; 1 K= 1 Mk.j 653 Bobisnt 0., Zur Anatomie einiger Palmenblätter. (Mit 4 Tafeln.) [Preis: 1 K 40 h = 1 Mk. 40 Pfg.] 345 Brezina A. und Cohen E., Über Meteoreisen von De Sotoville. (Mit 3 Textfiguren.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.] 89 — Über dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.] 577 Doelier C. Die Silikatschmelzen. (Erste Mitteilung.) (Mit 7 Textfiguren.) [Preis- 1 K 50 h = 1 Mk. 50 Pfg.] 17? — Die Silikatschmelzen. (Zweite Mitteilung.) (Mit 4 Textfiguren.) [Preis : 50 h = 50 Pfg.] 495 Gräfe V., Untersuchungen über die Holzsubstanz vom chemisch-phj'sio- logischen Standpunkte. [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 253 Grcilach H., Spektralanalytische Untersuchungen über die Entstehung des Chlorophylls in der Pfianze. (Mit 3 Tafeln.) [Preis: 1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] 121 Höfef H., Gipskriställchen akzessorisch im dolomitischen Kalk von Wietze (Hannover). [Preis : 20 h = 20 Pfg.] 169 — Der Sandstein der Salesiushöhe bei Ossegg (Böhmen). (Mit 1 Text- figur und 1 Kartenskizze ) [Preis; 50 h = 50 Pfg.) 296 Hussak E., Über das Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. (Mit 2 Tafeln und 6 Textfiguren.) [Preis: 2 K 10 h = 2 Mk. 10 Pfg.] 379 Linsbauer K., Untersuchungen über die Lichtlage der Laubblätter. L Orien- tierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage mono- kotyler Blätter. (Mit 3 Tafeln.) [Preis : 1 K 80 h = 1 Mk. 80 Pfg.] 35 Molisch H., Die Leuchtbakterien im Hafen von Triest. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 513 Nestler A., Zur Kenntnis der Symbiose eines Pilzes mit dem Taumellolch. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 529 Porlheim L., v.. Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Blüten. (Mit 3 Tafeln und 1 Textfigur.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] . 619 VI Seife Schaffey F. X., Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im Herbste 1902. (Mit 1 Karte.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 104 Schnarf K., Beiträge zur Kenntnis des Sporangienwandbaues der Poly- podiaceae und der Cyaiheaceae und seiner systematischen Be- deutung. (Mit 1 Tafel.) [Preis : 70 h = 70 Pfg.] 549 Senft Em., Über den mikrochemischen Zuckernachweis durch essigsaures Phenylhydrazin. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 90 h = 90 Pfg.J ... 3 Siebenrock F., Über partielle Hemmungs-Erscheinungen bei der Bildung einer Ri.ickenschale von Testudo tornieri Siebenr. (Mit 1 Text- figur.) [Preis: 30 h = 30 Pfg.] 29 — Die südafrikanischen Teshido-Arten der Geoinefrica-Gruppe s. 1. (Mit 5 Tafeln.) [Preis: 1 K 20 h = 1 Mk. 20 Pfg.] 307 Siep J. und Becke F., Das Vorkommen des Uranpecherzes zu St. Joachims- thal. (Mit 3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 4 Textfiguren.) [Preis: 1 K 70 h = 1 Mk. 70 Pfg.] 585 Thum E., Über statocystenartige Ausbildung kristallführender Zellen. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 327 Wielowieyski H., v.. Über nutritive Verbindungen der Eizellen mit Nähr- zellen im Insektenovarium und amitotische Kernprozesse. (Vor- läufige Mitteilung.) (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.J ... 677 Wiesner J., Über den Einfluß des Sonnen- und des diffusen Tageslichtes auf die Laubentwicklung sommergrüner Holzgewächse. Photo- metrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete. (IV. Abhandlung.) [Preis : 60 h = 60 Pfg.] 469 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. I. UND IL HEFT. JAHRGANG 1904. — JÄNNER UND FEBRUAR. ABTEILUNG L ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN (MIT 5 TAFELN, 1 KARTE und 4 TEXTFIGUREN. ^ WIEN, 1904. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN H OF- UND STAATS DR UCKEREL IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. INHALT des 1. und 2. Heftes Jänner und Februar 1904 des CXIII. Bandes Abteilung" I der Sitzung'sberiehte der mathem.-naturw. Klasse. Seite Senft Em., Über den mikrochemischen Zuckernachweis durch essigsaures Phenylhydrazin. (Mif 2 Tafeln.) [Preis: 90 h = 90 Pfg.J .... 3 Siebenrock F., Über partielle Hemmungs-Erscheinungen bei der Bildung einer Rückenschale von Testudo tornieri S i e b e n r. (Mit 1 Text- figur.) [Preis: 30 h = 30 Pfg.] 29 Linshauer K., Untersuchungen über die Lichtlage der Laubblätter. L Orien- tierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage mono- kotyler Blätter. (Mit'S Tafeln.) [Preis: 1 K 80 h = 1 Mk. 80 Pfg.] 35 Brezina A. und Cohen E., Über Meteoreisen von De Sotoville. (Mit 3 Textfiguren.) [Preis : 40 h = 40 Pfg.] 89 Schaffer F. X., Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im Herbste 1902. (Mif'l Karte.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 104 Preis des ganzen Heftes: 3 K 30 h =: 3 Mk. 30 Pfg. (^. '•,U& !905 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. L UND II. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. über den mikroehemisehen Zuekernachweis durch essigsaures Phenylhydrazin von Em. Senft. Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien. (Mit 2 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1904.) Einleitung, Der Nachweis des Zuckers in dem Gewebe der Pflanzen ist sowohl in anatomischer als auch physiologischer Beziehung häufig von großer Wichtigkeit. Es werden ja auch zahlreiche Methoden für diese Zwecke in Anwendung gebracht. Der von Emil Fischer^ in die Chemie eingeführte Zucker- nachweis mittels essigsaurem Phenylhydrazin erschien mir zum mikrochemischen Zuckernachvveise viel sicherer als die bis jetzt gebrauchten Reaktionen und ich habe bereits früher nach einer Reihe von einschlägigen Versuchen meine zu diesem Zwecke modifizierte Methode kurz mitgeteilt.^ Nun will ich im nachstehenden diese Methode eingehender besprechen und ihre Anwendbarkeit bei mikrochemischen Arbeiten darlegen. Vorerst erscheint es zweckmäßig, eine kurze Kritik der bisherigen Methoden des mikrochemischen Zuckernachweises zu geben. 1 Fischer Em., Synthesen in der Zuckergruppe. Berichte der Deutschen ehem. Gesellschaft, 1890, Bd. 23, p. 2114 und Fortsetzungen. 2 Senft Em., Zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers. Pharm. Post, Wien 1902, Nr. 29. 1* 4 Em. Senft, I. Die bis jetzt zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers gebrauchten Methoden. Die Eigenschaft der Glykosen (Monosaccharide-Hexosen), aus alkalischen Kupfeiiösiingen unter erfolgter Reduktion das rote Kupferoxydul abzuscheiden, wurde zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers zuerst gebraucht. Zu diesem Zwecke wurde die Kupfersulfatmethode viel- fach modifiziert, so von Sachs,^ Flückiger,^ Schimper,^ A. Fischer,'^ A. Mayer,^ Czapek,^ Hofmeister'' und anderen. Die Reaktion gab sich kund in der Ausscheidung eines amorphen Niederschlages von Kupferoxydul. Unter günstigen Verhältnissen konnte das letztere auch krystallinisch gewonnen werden (Taf. I, Fig. 1). Alle Modifikationen der ursprünglich S a c h s's c h e n ^ Methode haben ihre Vorteile, sie sind jedoch alle mit dem unliebsamen Fehler behaftet, daß durch die alkalische Kupfer- lösung in der Siedehitze ja mitunter ohne vorheriges Erwärmen auch andere Stoffe Glykose abspalten oder überhaupt reduzie- rend wirken und so häufig das Vorhandensein von Zucker vortäuschen können (Glykoside, manche Farbstoffe, Phloro- glucin, Amylodextrin und andere). Weiter ist auch als ein sehr unliebsamer Umstand die Unhaltbarkeit des Reagens zu berücksichtigen. 1 Sachs, Mikrochemische Reaktionsmethoden. Münch. akad. Sitzungs- berichte, 1859, Flora 1862, p. 289. 2 Flückiger, Pharmakognosie. 3 Schimper, Anleitung zur mikroskopischen Untersuchung der vegeta- bilischen Nahrungs- und Genußmittel. Jena 1900. 4 Fischer A., Beiträge zur Physiologie der Holzgewächse. Pringsheim's Jahrbücher, Bd. XXII, p. 73. ö Mayer A., Mikrochemische Reaktion zum Nachweise der reduzierenden Zuckerarten. Ber. der Deutschen botan. Gesellschaft, 1885, p. 332. 6 Czapek, Über die Leitungswege der organ. Baustoffe im Pflanzen- körper. Diese Sitzungsberichte, Bd. CVI, Abt. I, März 1897, S. 14 des Separat- abdruckes. ' Hofmeister in Pringsheim's Jahrbücher für wissensch. Botanik, Bd. 31 V. 1897, p. 688. 8 Saclis 1. c. Mikrochemischer Zuckernachweis. 5 Diese Nachteile wurden bald erkannt und man versuchte es, dieselben durch verschiedene Modifikationen der ursprüng- lichen Methode möglichst zu verringern. Es ist dies jedoch nie vollkommen gelungen. Vor allem wird von verschiedenen Körpern glykosidischer Natur durch die bei der Reaktion einer- seits angewendete Hitze bei Vorhandensein von Wasser und starkem Alkali, anderseits durch Enzyme die Glykose ab- gespalten. G. Kraus ^ hat tur den mikrochemischen Zuckernachweis zum Unterschiede des indirekten Nachweises eine direkte, von ihm als morphologische Reaktion bezeichnete Methode angewendet. Dieselbe beruht darauf, daß durch Einwirkung von Glyzerin oder Alkohol die Zuckerausscheidung in Tröpfchen- form erfolgt. Diese Methode besitzt ebenfalls ihre Nachteile, welche darin bestehen, daß die Zuckerarten aus unreinen Lösungen erst bei Vorhandensein von größeren Mengen auf diese Art zu isolieren sind; anderseits werden durch Glyzerin oder Alkohol viele andere Körper in Tröpfchenform aus- geschieden. Molisch- empfiehlt zum mikrochemischen Zuckernach- weise a-Naphtol und Schwefelsäure, respektive Thymol und Schwefelsäure. Diese prompt auftretende Reaktion hat nur den Nachteil, daß unter Einwirkung von Schwefelsäure von verschiedenen Stoffen (Glykosiden, Zellulose, Stärke und anderen) Glykose gebildet, beziehungsweise abgespalten wird, ferner daß auch andere Stoffe, namentlich manche Zersetzungsproduk'te des Zuckers,'^ diese Reaktion liefern. II. Das Prinzip der modifizierten Fischer'schen Phenyl- hydrazinmethode. Die als Monosaccharide bezeichneten Zuckerarten, welche Aldehyd- oder Ketongruppen enthalten, besitzen bekanntlich die Fähigkeit, sich entsprechend den Aldehyden und Ketonen 1 G. Kraus, Botanische Zeitung, 1876, p. 604. ■- Molisch, Zwei neue Zuckerreaktionen. Diese Sitzungsberichte, math.- naturw. Kl., Bd. 97, Abt. I, p. 264. •" Hoppende y 1er, Furfurol. 6 Em. Senft mit Phenylhydrazin zu verbinden. Bei gewöhnhcher Temperatur verbinden sie sich mit einem Molekül Phenylhydrazin zu farb- losen, meist in Wasser leicht löslichen Hydrazonen. Bei Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin im Über- schusse verbinden sich die Monosaccharide, ebenso Milch- zucker, Isomaltose und Maltose mit 2 Molekülen Phenyl- hydrazin zu gelben, in Wasser fast unlöslichen Verbindungen, den Osazonen. CgHi206 + 2N2H3.C6H, =z 2H20 + H2 + CeH,oO,(N,H.C6H5),. Traubenzucker, Fruchtzucker und Mannose bilden die Osazone direkt, während der Rohrzucker zuerst in die beiden ersteren gespalten werden muß, um das Osazon bilden zu können. Wie ich in der Einleitung bemerkt habe, hielt ich diese Methode für den mikrochemischen Nachweis geeignet; sie mußte jedoch zu diesem Zwecke eine Modifikation erfahren. Die Verwendung des Reagens in wässeriger Auflösung, wie sie zum Nachweise des Zuckers diente, konnte aus folgenden Gründen nicht benützt werden: 1. Das Behandeln der Schnitte in größerer Menge dieser Lösung würde dadurch nachteilig werden, daß die Zuckerarten, die in Wasser löslich sind, noch vor der Einwirkung des Reagens aus dem Schnitte herausgelaugt würden und daß es zur Bildung des Osazons außerhalb des Präparates kommen möchte. 2. Die minimale Menge der zuzusetzenden Flüssigkeit, welche nötig wäre, um den Raum zwischen Deckglas und Objektträger auszufüllen und das Präparat zu bedecken, möchte bei Erwärmen am Wasserbade schnell verdunsten. Durch den eventuellen vorsichtigen Ersatz der ver- dampfenden Flüssigkeit durch eine neue Menge hätte man nie eine konstante, zur Durchführung der Reaktion notwendige Konzentration erlangt. 3. Es war schließlich auch wünschenswert, bei der An- wendung der Reaktion eine Flüssigkeit zu gebrauchen, in Mikrochemischer Zuckernachweis. 7 welcher die Zuckerarten nur schwer löslich sind und welche zugleich, um das Übertragen zu ersparen und die damit meist verbundene Schädigung der Objekte zu verhindern, eventuell zugleich als Einschlußflüssigkeit dienen könnte. Als eine solche Flüssigkeit hat sich das Glyzerin bewährt; es besitzt nicht die Nachteile der wässerigen Auflösung und ist auch erfreulicherweise imstande, beide Komponenten des Reagens, wie das salzsaure Phenylhydrazin, so auch das essig- saure Natrium aufzulösen. Dagegen bleiben die gebildeten Osazone vollkommen intakt. Durch Versuche gelangte ich zu dem Schlüsse, daß die Lösungen der Reagentien in Glyzerin im Verhältnisse 1:10 am zweckmäßigsten sind. Beide Kom- ponenten des Reagens sind, wie bereits erwähnt wurde, in Glyzerin leicht löslich. Insbesondere, wenn beide Salze früher pulverisiert waren, geht die Auflösung, welche eventuell durch Erwärmen am Wasserbade beschleunigt werden kann, sehr schnell vor sich. Die Lösungen werden in getrennten Stift- fläschchen aufbewahrt und das Reagens erst im Bedarfsfalle zusammengemischt. Manchmal geschieht es, daß in der Auf- lösung von Phenylhydrazin nach längerer Zeit eine spärliche Abscheidung von Phenylhydrazinkriställchen zustande kommt; dadurch wird jedoch das Reagens und auch der Erfolg der Reaktion nicht im geringsten beeinträchtigt. Die Phenyl- hydrazinlösung dunkelt, dem Lichte ausgesetzt, etwas nach und wird gelb bis bräunlich. Durch das Aufbewahren derselben in blauen Fläschchen wird diese Eigenschaft, welche, nebenbei bemerkt, keinen Einfluß auf die Reaktion ausübt, verhindert.^ Zur Ausführung der Reaktion benütze ich noch immer Lösungen, welche ich mir vor drei Jahren hergestellt habe. Es ist demnach das Reagens von ausgezeichneter Haltbarkeit. Zur Reaktion werden natürlich der leichten Löslichkeit des Zuckers wegen keine früher in Wasser aufgeweichten Schnitte benützt, sondern entweder frisches Material, Glyzerin- oder Alkoholmaterial und bei den getrockneten Objekten (Drogen und anderen) Schnitte des unaufgeweichten Objektes. 1 Die Firma M e r c k in Darmstadt hat mein Reagens in ihr Reagentien- verzeichnis hineingenommen und es kann dasselbe von dieser Firma in tadel loser Qualität fertig bezogen werden. 8 Em. Senft, Das als Lösungsmittel für beide Komponenten des Reagens gebrauchte Glyzerin vereinigt in den früher erwähnten Vor- zügen noch eine bis zu gewissem Grade quellende und auf- hellende Eigenschaft, so daß auch dickere Schnitte recht brauchbare Bilder liefern. Zur Ausführung der Reaktion werden auf dem Objekt- träger je ein Tropfen der Phenylhydrazin- und Natriumacetat- lösung mit einer Präpariernadel innig vermischt und der Schnitt des fraglichen Objektes hineingelegt. Das mit dem Deckgläschen bedeckte Präparat legen wir beiseite, um es nach einigen Stunden und den zweiten Tag zu untersuchen. Das zweite, ebenso hergestellte Präparat wird am siedenden Wasserbade eine halbe Stunde erwärmt und auskühlen gelassen. Bei zuckerhaltigen Schnitten gibt sich schon während des Erwärmens am Wasserbade die Reaktion durch eine intensive Gelbfärbung der Schnitte selbst, sowie auch der dieselben umgebenden Flüssigkeit kund. Gewöhnlich schon beim Ab- kühlen des Präparates kann man unter dem Mikroskope sehr schöne Garben oder Büschel des Osazons wahrnehmen, welche teils im Gewebe selbst, teils außerhalb des Schnittes und da besonders am Rande des Deckgläschens sich abgeschieden haben. Das Erwärmen der Schnitte am Wasserbade dient in den meisten Fällen bloß zur Beschleunigung der Reaktion, denn man kann in gewissen Fällen, auf welche ich später eingehen will, ohne vorheriges Erwärmen — und diesen Umstand erwähne ich als besonders wichtig — zu gleichen Resultaten gelangen, nur mit dem Unterschiede, daß bei Erwärmen die Ausbildung der Osazonkristalle sehr schön und rasch in den oben angegebenen Formen erfolgt, bei der in der Kälte vor sich gegangenen Reaktion kommt es bloß zur Bildung kleiner Büschel, meist aber zur Bildung von Sphärokristallen, welche im polarisierten Lichte deutlich doppelbrechend erscheinen. Dadurch, daß die Reaktion auch in der Kälte erfolgt und der Zucker durch den energischen Eingriff der Wärme aus dem Gewebe nicht heraustritt, werden wir in die Lage versetzt, das Reagens lokal einwirken lassen zu können. Mikrochemischer Zuckernachweis. 9 Je nachdem, ob wir bloß den Zucker im Gewebe nach- weisen oder ob wir die LokaHsation desselben studieren wollen, werden wir uns bald der ersteren, bald der letzteren Methode bedienen, am besten, wenn wir stets beide gegenseitig zur Kontrolle ziehen. Die Menge des Zuckers steht mit der Ausscheidung des Osazons sowie auch der Form und Größe seiner Kristalle im direkten Zusammenhang. Ebenfalls spielt der Wassergehalt des Objektes eine große Rolle. Je wasserreicher das Gewebe des untersuchten Objektes ist, desto schönere Osazonkristalle kommen zur Ausscheidung. Auf die einzelnen Formen der Osazone, welche bei der Reaktion zutage treten, werde ich bei der Ausführuno einiger Versuche näher eingehen. Das einzige, was sich gegen diese Methode einwenden ließe, ist das, daß durch die wasserentziehende Eigenschaft des Glyzerins die Zellen zarter Gewebe kollabieren können. Dieser Nachteil kommt aber kaum in Betracht, denn es handelt sich uns nicht darum, das Gewebe, sondern die Inhalt- stoffe zu studieren. Ein gleichzeitig hergestelltes Wasserpräparat wird das gewünschte Bild ergänzen. Die das Bild störenden Luftbläschen können erst nach erfolgter Reaktion, wo kein Austritt des Zuckers in das benach- harte Gewebe mehr zu befürchten ist, mittels der Luftpumpe beseitigt werden. Schnitte, welche durch eine übermäßige Ausscheidung mit Osazon bedeckt sind, können von den anhaftenden Kriställchen durch Abspritzen mit Wasser brauch- bar gemacht werden, da auf diese Weise nur mehr die im Gewebe selbst gebildeten Kristalle übrigbleiben. Auch das längere Abschwemmen der Schnitte im Wasser ist für das gebildete Osazon, welches fast vollkommen wasser- unlöslich ist, von keinem Nachteil. Handelt es sich darum, das Osazon aus dem Gewebe zu entfernen, so kann dieses mit siedendem Alkohol geschehen; es sind indes die Osazone bei längerer Einwirkung auch in kaltem Alkohol löslich. 10 Em. Senft, Die Löslichkeit der Osazone in xA.ll )r^ -^ c .2 :rt ^ i^ C 0) M -^-> . 1 hn 5 u ij u; x: O (D t« ■a ■j-> c ^ p -.-> ::3 C/I -i-> c bß f— u< Dh fco -• 'S :^ o &, U5 CO < 1 E bD C ü c: §§•-.: • — rn j:: o ^ g j-j t/5 — o C u; "U •t: o ^ -G :rf ri c ü '— "^ s- t/3 •g "" ?ig SS o > o ^ '■"5 2 Q bO 5 Zitronen- 1 Zitronen- gelbe gelbe Färbung Färbung Spärliche Abschei- dung von kleinen Sphäriten Reichliche Abschei- dung von kleinen Sphäriten Die Kristallbildung nimmt immer zu. Zitronengelbe Färbung, auch nach einigen Tagen erfolgt keine Osazonbildung. Zitronen- gelbe Färbung Spärliche Abschei- dung von kleinen Sphäriten Die Krystall- abscheidung nimmt immer zu. Die Kristallabscheidung nimmt immer zu. Zitronengelbe Färbung, auch nach einigen Tagen erfolgt keine Osazonbildung. 12 Em. Senft, 2. Präparate am kochenden Wasserbade behandelt. Nach 5 Minuten Nach 10 Minuten Nach 15 Minuten Nach 1 '., Stunde und Abkühlung Dextrose- körnchen Dextrose- lösuno: Lävulose- körnchen Lävulose- lösuna: Saccha- rose- körnchen Saccha- rose- lösunsj Schwach gelbliche Färbung Stark orange- gelbe Färbung Intensive zitronen- gelbe Färbung Starke gelbe Färbung Intensiv zitronengelbe Färbung Intensive, stark orangegelbe Färbung Intensive orangegelbc Färbung Intensive orangegelbe Färbung Schwach gelbliche Färbung Schwach zitronengelbe Färbung Noch intensivere zitronengelbe Färbung Fast gelbbraune Färbung Fast gelbbraune Färbung- Gelbbraune Färbung Orangegelbe Färbung- Starke orangegelbe Färbung Langsame Abschei- dung von überaus kleinen Osazon- kriställchen in Büscheln oder Sphäriten. Rasche Abscheidung großer Osazon- kristalle in Nadeln, großen Büscheln und Garben. Rasche .Abscheidung von sehr dicht stehenden, kleinen Körnchen, Sphäriten und Büscheln von Osazon. An der Peripherie erfolgt die .\usscheidung von großen Garben. Rasche und sehr reichliche Abschei- dung von sehr großen Garben und Büscheln von Osazon. Langsame und geringe Abscheidung von meist amorphen Körnchen von Osazon. Rasche und reich- liche Abscheidung großer Osazon- nadeln in Büscheln und Garben von Osazon. Mikrochemischer Zuckernachweis. 1 3 Aus diesen Versuchen geht hervor: 1. Die Reaktion tritt bei Erwärmen bei der Dextrose und Lävulose schon in kurzer Zeit (5 Minuten) auf. 1. Bei der Saccharose geni^igt eine kurze Kochdauer, um dieselbe durch das Reagens in Invertzucker zu überführen. 3. In Objekten, welche wasserhaltig sind, respektive wo sich die Zuckerarten in der Lösung befinden, kommt es bei Erwärmen zur raschen und reichlichen Abscheidung von großen Osazonkristallen in Nadeln. 4. Die Abscheidung der Osazone in wasserarmen Objekten, insbesondere in solchen, wo die Zuckerarten in fester Form (Kristallen, Kristallmassen) enthalten sind, erfolgt eine langsame und spärliche Abscheidung von Körnchen, Sphäriten und verkümmerten Büscheln von Osazon. 5. Lävulose und Dextrose bilden auch in der Kälte mit essigsaurem Phenylhydrazin die Osazone, und zwar die Lävulose sehr schnell (in einigen Stunden), die Dextrose erst nach 24 Stunden und später. 6. Saccharose geht in der Kälte mit essigsaurem Phenyl- hydrazin auch nach langer Einwirkung des Reagens keine Verbindung ein und man ist somit durch unsere Reaktion imstande, im Gewebe Saccharose von Dextrose respektive Lävulose zu unterscheiden. IIL Versuche über Zuckernachweis in Pflanzengeweben. Bei allen meinen Versuchen ließ ich in der früher an- gegebenen Weise entweder auf die Schnitte des Objektes das Reagens über Nacht kalt einwirken, worauf die Untersuchung am zweiten Tage erfolgte oder es wurde das Präparat durch eine halbe Stunde am kochenden Wasserbade erhitzt, gleich nach dem Erkalten unter dem Mikroskop untersucht und auch noch tags darauf geprüft. Der Kürze halber sollen im nachfolgenden die kalt be- handelten Präparate mit I, die heiß behandelten mit II bezeichnet werden. 1. Algen. Aus dem Bassin des botanischen Gartens fischte ich Ende Oktober an einem sehr kühlen Vormittage einige Algen. 14 Em. Senft, Zu Hause brachte ich dieselben in ein größeres Gefäß mit Wasser und spülte sie ab, um ein reichliches Sediment von mikroskopischen Algen zu erhalten. Dieses zentrifugierte ich und benützte das Sediment, von welchem das Wasser fast vollständig abgegossen wurde. Je ein Tropfen des Zentrifugates wurde mit dem Reagens gemengt, das eine Präparat bei Seite gelegt, das andere erhitzt. Im Zentrifugate befinden sich hauptsächlich folgende Algen: Micrasterias falcata, Scenedesmns obliqwis und quadri- canda, Docidiuni baccuhim, Pediastrum Boryanum, Anabaena und Spirogyra-F äden sowie andere. Außer diesen sind vorhanden einige A' avicula- Arten, spärliche Infusorien (Phactis und Etiglena). Pflanzlicher Detritus ist nur in geringer Menge vorhanden. I. Am zweiten Tag fallen sofort in einzelnen Zellen selbst sowie diesen anhaftende kleine, gelbliche und bräunliche, starre, lichtbrechende Tröpfchen auf (Taf. I, Fig. 2, abc). Der Zellinhalt hat eine rostgelbe Farbe angenommen. Manche Zellen sind durch die Tröpfchen förmlich bedeckt. Stellenweise kann man wahrnehmen, daß diese Tröpfchen die Neigung besitzen, sich zu vereinigen, denn es kommen Tröpfchen verschiedener Größe vor. Am dritten Tag hat die Ausscheidung von Tröpfchen wesentlich abgenommen, dafür findet man aber im ganzen Präparate ziemlich reichliche, große Sphärokristalle, welche im durchfallenden Lichte schmutzig orangegelb, im auffallenden Lichte leuchtend gelb erscheinen (Taf. I, Fig. 2, d, e). Außer diesen finden sich dort, wo größere Anhäufungen von Algen vorkomm.en, deutliche Büschel von gelben Nadeln, welche mit den bis jetzt gesehenen Osazonen identisch waren. Um mich davon zu überzeugen, daß es sich in diesem Falle tatsächlich um ausgeschiedenes Osazon handelt, habe ich diesen Versuch mit einer größeren Menge (1 cm^ des Zentri- fugates) durchgeführt. Nach zwei Tagen waren die Sphärite wieder zu finden. Nun wurde das Ganze auf ein kleines Filterchen ab- gespritzt, zuerst das Glyzerin durch wiederholtes Nachwaschen Mikrochemischer Zuckernachweis. 1 5 mit kleinen Mengen Wassers entfernt und darauf der Rückstand mit heißem Alkohol erschöpft. Der Alkohol färbte sich intensiv gelb und hinterläßt nach Verdunsten hübsche, kleine, typische Osazonbüschel. Eine kleine Probe der am Filter gebliebenen Algen zeigt unter dem Mikroskope, daß die früher so reichlich vorhandenen kleinen Kügelchen verschwunden sind. II. Das heiß behandelte Präparat verhielt sich genau wie das sub I angeführte, nur erfolgte die Ausscheidung der Sphärokörner schon in einem Tage. Bei einem anderen Versuche, welchen ich mit Algen an- stellte, die ich dem Aquarium des pflanzenphysiologischen Institutes entnahm (fast ausschließlich aus Spirogyra- Arten mit etwas Zygnema und Ullothrix untermischt), bekam ich das Osazon nicht. Die Veränderung durch das Reagens äußerte sich nur in einer intensiven Rotfärbung der Chlorophyllkörper. 2. Crassula imbricata (Stengelquerschnitt). Das Grundparenchym ist dicht mit Stärke gefüllt. I. Die Stärke bleibt intakt. In Zellen, welche dicht mit Stärke gefüllt sind, zeigt sich eine intensiv gelbe Färbung. Zu einer Osazonbildung kommt es auch nach einigen Tagen nicht. II. Die Stärke ist vollkommen verkleistert und schon bei Abkühlen des Präparates kommt es zur Bildung von Osazon im ganzen Grundparenchym. Die Korkschichte erfährt in beiden Fällen eine intensive Braunfärbung. 3. Canna (Blattstiel). I. Die Cuticula sowie die an beiden Seiten der Gefäßbündel im Halbkreise angeordneten Sklerenchymelemente färben sich intensiv gelb. Nach 24 Stunden scheiden sich in dem die Gefäß- bündel scheidenartig umgebenden Parenchym der Bündelhülle Wiesner's^ (Zuckerscheide), welche als eine kontinuierliche 1 Wiesner, Anatomisches und Histochemisches über das Zuckerrohr in Karsten, Botanische Untersuchungen, Berlin 1867, p. 113. 16 Em. Senft, Hülle die Gefäßbündel umkleidet, reichliche Sphärite von Osazon ab (Taf. I, Fig. 3). IL Die Ausscheidung des Osazons ist viel reichlicher und es lagern sich im ganzen Grundparenchym. kleine Sphärite in Form von Halbkugeln an den Zellwänden ab (Taf. I, Fig. 4). Die Bündelhülle ist stellenweise durch Osazone vollgepfropft, auch in den Siebbündeln sowie auch auf denselben scheidet sich massenhaft das Osazon ab. 4. Maranta squarrosa (Blattstielquerschnitt). Das Grundgewebe führt nur in den peripheren Schichten Chlorophyll, im Zentrum ist es dicht mit Stärke erfüllt. I. Die Cuticula sowie die verholzten Elemente der im Grundparenchym zerstreuten Gefäßbündel färben sich in- tensiv gelb. Zu einer Ausscheidung von Osazon kommt es auch nach einigen Tagen nicht. II. Schon bei Erwärmen färben sich die Schnitte intensiv gelb, nach Vg Stunde ist die Stärke fast vollkommen aufgelöst und aufgequollen. Bei Abkühlen scheiden sich im Grundparenchym massen- haft sehr schöne Büschel oder Sphärite von Osazon ab (Taf. I, Fig. 5). Die Cuticula sovxie die verholzten Elemente werden fast orangegelb gefärbt. Stellenweise verlaufen einzelne Gefäßbündel quer durch den Blattstiel. Bei diesen hat sich das Osazon in der Zucker- scheide ausgeschieden. Die Gefäße selbst bleiben farblos. 5. Crassula imbricata (Blattlängsschnitt). I. Die Chlorophyllkörner färben sich rostrot, sonst ist keine Veränderung merkbar. II. Es erfolgt eine reichliche Abscheidung von Osazon- büscheln und Sphäriten, welche in der Blattspitze am reich- lichsten sich vorfinden. Mikrochemischer Zuckernachweis. 17 6. Convallaria majalis (Blätter). In einem aus Mazzon in Südtirol stammenden Herbar- materiale von C. majalis fand Mitlach er ^ in den Blättern, insbesondere in der Epidermis und den angrenzenden Partien des Mesophylls massenhafte, zu Büscheln vereinigte Nadeln und Krystallaggregate, welche ganze Komplexe des Blattes eingenommen haben. Nach seinen Untersuchungen über diesen Körper gelangt Mitlacher zum Schlüsse, daß es sich hier wahrscheinlich um ausgeschiedene Kristalle von Zucker handelt, welcher aus dem Glykoside (Convallarin?) durch Einwirkung von Pilzen ab- gespalten wurde. Er bekam tatsächlich auch in den künstlich mit Schimmelpilzen infizierten, früher von diesen Krystallen freien Blättern, in den von Pilzen ergriffenen Stellen ähnliche Ausscheidungen von Krystallnadeln. Die Untersuchung dieser Krystalle hat ebenfalls mit größter Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein von Zucker gedeutet. Ich benützte diese Gelegenheit zur Ausführung der Phenyl- hydrazinprobe und bekam an den Stellen, wo früher die Kristalle vorhanden waren, eine reichliche Ausscheidung von Osazon in Büschelform. Später traf sich noch zweimal die Gelegenheit, Convallaria-Blättev, welche von Pilzen befallen waren, zu untersuchen. In beiden Fällen trat an den befallenen Stellen die Probe sehr deutlich auf. Wenn auch in dem benachbarten Mesophyll ebenfalls eine Ausscheidung von Osazon stattfand, so war dieselbe im Ver- gleiche zu der lokalen massenhaften Ausscheidung ver- schwindend klein. 7. Flores Verbasci. Die Staubgefäße verschiedener Verbascum -Arien sind behaart und erscheinen mit langen, dünnwandigen, einzelligen. 1 Mitlacher, Die zur Neuaufnahme in die achte Ausgabe der österr. Pharmakopoe in Aussicht genommenen Drogen. Pharm. Post, 1902. Hb. Convallanae. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 2 18 Em. Senft, keulenförmigen Haaren bedeckt, in vvelciien sich nach Vogl/ ähnlich wie in den Epithelzellen der Filamente, eigentümliche, den Sphärokristallen von Inulin gleichende, gelb gefärbte Körner vorfinden. Die Haare sind in frischem Zustande mit einem gelben Zellsaft erfüllt, aus dem nach Eintrocknen oder nach Zusatz von Glyzerin oder Alkohol die Sphärokristalle ausgeschieden werden und nach Vogl- einer Zuckerart anzugehören scheinen. Dieses für meine Untersuchungen so geeignete Objekt behandelte ich zur Entscheidung der Frage, ob es sich hier tatsächlich um Zucker handelt, in der bekannten Art und ver- wendete hiezu eine frische Pflanze. I. Die Cuticula der Haare färbt sich alsbald gelb, am zweiten Tage ist eine Ausscheidung von Osazon im Lumen der Haare angedeutet, am dritten Tage sieht man sehr schön ausgebildete, meist der Wand anliegende, intensiv gelbe Sphärite (Taf. I, Fig. 6). II. Es kommt zur Bildung von Osazon außerhalb der Haare in Form von Sphäriten und Büscheln, welche den Haaren aufliegen oder unregelmäßig im Präparate zerstreut sind. Daß es sich hier tatsächlich um ausgeschiedenes Osazon handelt, dafür spricht vor allem die Bildung desselben außerhalb des Präparates in Büscheln bei dem heiß behandelten Objekte, die sehr intensive fast orangerote Farbe der Sphärite sowie auch ihre Löslichkeit in Alkohol. 8. Birne (sehr zuckerreiche Spielart). I. Nach 24 Stunden befinden sich im ganzen Präparate dichte Sphärite, oft zu zwei bis drei anemander gereiht (Taf. I, Fig. 7), außerdem amorphe, intensiv gelb gefärbte Schollen in den einzelnen Zellen (Taf. I, Fig. 8). Die Sklerenchymnester färben sich intensiv gelb. Die Aus- scheidung des Osazons ist keine übermäßige. II. In einigen Minuten färbt sich das ganze Präparat sowie auch die dasselbe umgebende Flüssigkeit intensiv gelb, etwa 1 A. V. Vogl, Pharmakognosie, p. 128. 2 L. c. Mikrochemischer Zuckelnachweis. 19 in 10 Minuten ist eine deutliche Ausscheidung von gelben, schon mit freiem Auge merkbaren Körnchen sichtbar. Nach einer halben Stunde sieht man außerordentlich große, schöne, zu den verschiedensten, meist verzweigten Formen gruppierte Nadeln (Taf. I, Fig. 9), außerdem kleinere, zu Garben vereinigte Krystalle (Taf. I, Fig. 10 a, b, c, d). Am zweiten Tage ist die Ausscheidung des Osazons noch deutlicher geworden und die im Parenchym zerstreuten Sklerenchymnester fallen schon bei der makroskopischen Be- sichtigung durch ihre orangerote Farbe auf. Außer den früher erwähnten Knstallformen sind noch kleine, stark lichtbrechende, gelbe Kugeln von deutlich krystallinischer Struktur entstanden (Taf. I, Fig. 11). Manche von ihnen zeigen in der Mitte ein dunkleres Zentrum, um welches sich ein dichtes Kristallgefüge abgelagert hat (Taf. I, Fig. 12). Häufig ist die ganze Kristallaggregation so dicht, daß die Sphärokörner fast als vollkommen homogene Kugeln erscheinen. Die schon in der Kälte erfolgte Reaktion ist auf das Vor- handensein von Invertzucker zurückzuführen. Da jedoch die Birne sehr beträchtliche Mengen von Rohr- zucker enthält, ist es natürlich, daß die Ausscheidung der Osazone durch die in der Hitze erfolgte Umsetzung des Rohr- zuckers zu Invertzucker bedeutend stärker wird. Bei vielen der nächsten Versuche wiederholt sich dieser Umstand oft. Das Vorkommen von Saccharose neben Glykose in süßen Früchten hat Hofmeister durch die Invertinmethode häufig nachgewiesen (Birne, Apfel, Hagebutte, Johannisbrot u. v. a.). 9. Apfel. I. Bei der kalten Behandlung der Präparate kommt es zu einer lokalen Ausscheidung von Osazon in den Parenchym- zellen. Dasselbe erscheint in Form mehr weniger deutlich aus- gebildeter Sphärite, welche entweder frei in den Zellen liegen oder häufig der Zellwand in Form von Halbkugeln anhaften (Taf. I, Fig. 13). 20 Em. Senft, Außer diesen findet man in manchen Zellen amorphe Schollen, wie wir sie bei dem früheren Versuche gefunden haben; stellenweise zeigen jedoch diese anscheinend amorphen Gebilde eine deutliche kristallinische Struktur und es unterliegt keinem Zweifel, daß sich diese Massen allmählich aus den Büscheln, respektive Sphäriten umgebildet haben (Taf. I, Fig. 14). Bei schwacher Vergrößerung fällt sofort die Anhäufung des Osazons in den Bündelhüllen auf. Die Gefäße selbst bleiben farblos. IL Reichliche Bildung von großen Büscheln, darunter manche aus etwas breiteren, straffen Nadeln, welche oft am Rande etwas ausgebreitet sind (Taf. I, Fig. 15). Am zweiten Tage kam es zur reichlichen Bildung kleiner Büschel und Sphärite; die Spitzen mancher Nadeln zeigen köpfchenförmige Anhäufungen sehr kleiner Kriställchen (Taf. I, Fig. 16). 10. Feige (frisch, unreif). I. Spärliche Abscheidung von dichten Sphärokristallen, welche häufig eine ovale oder elliptische Gestalt annehmen und nicht selten zu mehreren aneinander gereiht sind (Taf. II, Fig. 1). Die Ausscheidung des Osazons in der Bündelhülle (Zucker- scheide) ist hier außerordentlich schön sichtbar. II. Reichliche Ausscheidung von Sphärokristallen. Die Bündelhülle ist reichlich gefüllt mit amorphen, länglichen, oft die ganzen Zellen ausfüllenden Osazonmassen (Taf. II, Fig. 2). Die Gefäße selbst bleiben farblos. 11. Feige getrocknet (Kranzfeige). Das Objekt ist zu zähe, um Schnitte anfertigen zu können. Es wurde daher ein Stückchen Fruchtfleisch zerquetscht und mit dem Reagens behandelt. I. Die Peripherie des Präparates ist mit mäßigen Osazon- sphäriten bedeckt, außerhalb des Objektes kam es zur reich- lichen Ausscheidung von großen Sphäriten. Das Innere des Präparates erscheint gelb gefärbt, Kristalle fehlen, da das Reagens in das Präparat nicht eindringen konnte. Mikrochemischer Zuckernachweis. 21 II. Es kommt zu einer übermäßigen Ausscheidung von Osazonkristallen, welche meist zu Büscheln vereinigt sind. Manche von diesen sind durch die massenhafte Anhäufung der Nadeln in der Mitte fast homogen und nur die am Rande herausstrahlenden Nadelspitzen lassen noch die kristallinische Struktur derselben erkennen (Taf. II, Fig. 3, a, b, c). Außer diesen bildet das Osazon kleine, auf der ganzen Oberfläche grob gekörnte Kügelchen (Taf. II, Fig. 4) und voll- kommen homogen erscheinende Körper, meist von kugeliger oder unregelmäßiger Gestalt, welche auch bei den stärksten Vergrößerungen keine kristallinische Struktur mehr erkennen lassen (Taf. II, Fig. 5). Hier finden wir die Bestätigung der Vorversuche, daß die Reaktion dort, wo der Zucker in fester Form ausgeschieden ist, zuerst eines Lösungsmittels bedarf, damit die Reaktion in vollem Maße auftritt.^ 12. Johannisbrot. I. Das ganze Parenchym färbt sich gelb und es scheiden sich Kleine, getbe, lockere Sphärite aus. II. Das Parenchym färbt sich intensiv zitronengelb und das ganze Präparat ist mit enorm vielen kleinen Sphäriten bedeckt, jedoch auch hier steht die Ausscheidung des Osazons mit dem für Johannisbrot angenommenen Zuckergehalt von 60^0 ii^ keinem Verhältnis. Diese Erscheinung ist ebenfalls auf den früher erwähnten Umstand zurückzuführen, daß der schon in den Früchten in Massen ausgeschiedene Zucker zuerst gelöst werden muß, damit die Reaktion vollkommen erfolgen kann. Der Zucker kommt in den Parenchymzellen des Frucht- fleisches von Ceratonia siliqua in Form von eingetrockneten, durchscheinenden, den ganzen Zellraum ausfüllenden Massen oder auch Einzelkristallen vor.^ 1 Nach A. V. Vogl kommt in den Feigen der Zucker in Form warziger Massen ausgeschieden und beträgt bis 50%. Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genußmittel. Wien 1899, p. 233. 2 A. V. Vogl, Pharmakognosie. 22 Em. Senft, 13. Rosinen. Das P'ruchtfleisch der Rosinen ist so reicli an Zucker, daß dieser häufig auskristallisiert. Derselbe scheidet sich meist in Form amorpher Körper, häufig auch in Kristallen aus, welche nicht selten zu strahligen Gruppen angeordnet sind.^ Zur Untersuchung benützte ich je ein kleines Stückchen des Fruchtfleisches, welchem ich die Reagentien zusetzte und mit dem Deckgläschen zerquetschte. I. Das Objekt färbt sich alsbald an der Peripherie gelb und am zweiten Tage findet eine starke Ausscheidung von Sphäriten statt, welche sich in der das Präparat umgebenden Flüssigkeit derart abgeschieden haben, daß die kleinsten um das Objekt herum liegen und gegen die Peripherie an Größe zunehmen. Die am Rande des Deckgläschens liegenden Sphaerite sind meist aus zwei anscheinend homogenen, orangegelben Halb- kugeln gebildet, welche sehr dicht mit außerordentlich feinen, hin- und hergebogenen Nadeln bedeckt sind (Taf. II, Fig. Qa, b). Die früher im Präparate vorhandenen, amorph erscheinenden Zuckerkörper haben sich zuerst aufgelöst und kristallisierten in der Mitte des Präparates, wo das Reagens keinen Zutritt hatte, in großer Menge von Nadeln wieder aus. II. In den heiß behandelten Präparaten kommt es zu einer sofortigen Bildung eines fast rotbraunen, amorphen Nieder- schlages. Selbst nach der Abkühlung erfolgt keine Kristall- ausscheidung, da das gebildete Osazon keinen Raum zur Kristallisation findet. Nur an der Peripherie des Präparates, wo die Konzentration der Lösung eine geringere ist, bilden sich sehr dichte, orangegefärbte Sphärite. 14. Dattel. Auch im Fruchtfleische der Datteln ist der Zucker so reichlich vorhanden, daß derselbe wie bei Rosinen in amorphen Massen oder auch Kristallen vorkommt.^ 1 A. V. Vogl, Pharmakognosie, Abbildung p. 546 und A. v. Vogl, Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genußmittel. Wien 1899, p. 231. 2 A. V. Vogl, 1. c. p. 231, Abbildung. Mikrochemischer Zuckernachweis. 23 I. Reichliche Abscheidung von kleinen Osazonkristallen, welche wie im früheren Objekte so um das Präparat zu liegen kommen, daß die kleinsten derselben im Inneren, die größeren in der Peripherie des Präparates auftreten. Eine massenhafte Abscheidung von Osazon findet in der Zuckerscheide statt. II. Die Abscheidung des Osazons ist so stark, daß das ganze Präparat damit vollkommen bedeckt erscheint. 15. Kaffeebohne (ungeröstet). I. Am Querschnitte durch das Endosperm der Kaffeebohne färbt sich nach Behandlung mit dem Reagens die Cuticula sowie auch das den Zellwänden anliegende Fett intensiv gelb (Taf. II, Fig. 7). Zu einer Ausscheidung von Osazon kommt es selbst nach Wochen nicht. II. Das Fett tritt in Form von zitronengelb gefärbten Kugeln oder Tröpfchen aus dem Zellinhalte heraus. Die Bildung von Osazon bleibt auch nach Wochen aus. Obwohl diese Arbeit bloß das Prinzip der Methode ohne Diskussion der einzelnen Fälle bringt, will ich in diesem speziellen Falle in Anbetracht des negativen Ausfalles der Phenylhydrazinreaktion auf dieses Beispiel näher eingehen. Die Angaben über den Zuckergehalt der Kaffeebohne sind verschieden. Das Mittel beträgt 97o- Es ist nämlich die Frage, ob der Zucker schon fertig gebildet in der Kaffeebohne vorkommt oder ob derselbe in einem Glykoside auftritt, welches erst durch Säuren, Enzyme, Hitze etc. den Zucker abgibt. Molisch^ glaubt, daß die von verschiedenen Seiten ge- machten Annahmen, daß der Zucker hier in Form eines Glykosides vorkommt, unberechtigt sind. Da eben aber nach Angabe desselben Autors die Fehling- sche Lösung nach kurzer Einwirkung verdünnter Salzsäure das wässerige Samenextrakt reduziert, ebenso wie ein Extrakt, 1 Molisch, Grundriß einer Histochemie der pflanzHchen Genußmittel. Jena 1891, p. 10. 24 Em. Senft, welches einige Minuten mit Hefe in Berührung war, ist es wohl wahrscheinlich, daß es sich hier um einen Körper glykosi- discher Natur handelt, der erst, durch die Einwirkung der Säure oder eines Enzyms die Glykose abspaltend, die Reduktion ergibt. Die kurze Dauer, welche nötig ist, um entweder durch Salzsäure oder durch Hefe die Spaltung hervorzurufen, spricht dafür, daß es sich um einen leicht spaltbaren Körper handelt. Die Annahme von Molisch,^ daß die rasch auftretende Raspail'sche Reaktion, welche ohne Zusatz von Zucker mit Schwefelsäure allein in wenigen Augenblicken in dem Zell- inhalte des Endosperms auftritt, für ein reichliches Vorhanden- sein des Zuckers mit Bestimmtheit spricht, dürfte eben darin die Erklärung finden, daß durch Schwefelsäure aus dem vor- handenen Glykosid zuerst Zucker abgespalten wird und dann die Raspail'sche Reaktion auf Eiweißkörper (genau gesagt auf die einfach hydroxylierten aromatischen Gruppen im Eiweiß -) so verläuft, als wenn man Zucker zugesetzt hätte. Hofmeister ^ gibt an, daß in den Kaffeebohnenschnitten vor der Inversion keine Reduktion eintritt, während nach der- selben (mittels Hefeinverten) eine deutliche Reaktion zustande kommt. Da es mir immer gelungen ist, mit meiner Methode Zucker nachzuweisen, wogegen die Reaktion bei der Kaffeebohne aus- blieb, so glaube ich schließen zu dürfen, daß in derselben Zucker fertig gebildet nicht vorkommt, sondern in Form eines Glykosides. Zum Schlüsse sollen nur mehr einige ergänzende Tat- sachen, welche sich bei der Durchführung dieser Reaktion herausgestellt haben, mitgeteilt werden. Wiewohl die Phenylhydrazinprobe bei allen hier ver- zeichneten Objekten stets rasch erfolgte, konnte ich in einigen Fällen (es wurden etwa 100 Objekte untersucht) bemerken, daß sich etwa nach 14 Tagen sehr schöne, große, spießförmige. 1 Molisch, I. c. 2 Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 4. Aufl. (Wien 1898), p. 337. •" Hofmeister, 1. c. Mikrochemischer Zuckernachweis. 25 schmale oder abgerundete, breite Blättchen gebildet haben, welche meist zu strahligen Gruppen vereinigt waren, mitunter auch in beträchtlich dicken Kryställchen sich zu Rosetten ver- einigten (Taf. II, Fig. 8, 9, 10). Es ist höchst wahrscheinlich, daß es sich hier ebenfalls um ausgeschiedenes Osazon handelt. Solche Krystalle haben sich unter anderen Objekten sehr schön gebildet in den Blättern von Ghiko biloba und der Wurzel von Dauciis Carola. Insbesondere in den Epidermiszellen des Stengel von Elodea Canadensis waren nach 14 Tagen sehr schöne, manch- mal den ganzen Zellraum ausfüllende Rosetten ausgeschieden (Taf. II, Fig. 11). Auf die Veränderungen, welche bei dieser Reaktion die Chlorophyllkörper erfahren haben, bin ich nicht speziell ein- gegangen. Es soll nur darauf aufmerksam gemacht werden daß dieselben manchmal vollkommen unverändert bleiben und ihre schöne grüne Farbe behalten (selbst bei Erwärmen der Schnitte), manchmal aber schon in den kalt behandelten Prä- paraten eine rostgelbe Färbung annehmen und ein stacheliges oder körniges Aussehen bekommen. Noch eines weiteren Umstandes darf nicht vergessen werden. Es ist die intensive Gelbfärbung, welche die verholzten Membranen durch dieses Reagens erfahren. Diese Gelbfärbung ist sehr verschieden. Die Gefäße bleiben fast oder vollkommen farblos, das verholzte Parenchym färbt sich intensiv zitronengelb bis orangegelb, die Steinzellen fast braun. Ob hier die Speicherung des Zuckers die Ursache der Farbe ist, bleibe vorläufig unentschieden. Mit chemisch reinem Holzzucker bekommt man bei der Phenylhydrazinprobe in der Kälte intensiv gelbe Färbungen, in dem heiß behandelten Präparate Ausscheidung von kleinen Büscheln des Xylosazons Ci7H2qN^03. Ebenfalls wird bei der Ausführung der Phenylhydrazin- probe die verschieden stark auftretende, blaßgelbe bis braune Färbung der cuticularisierten sowie auch der verkorkten Membranen auffallen. 26 Em. Senft, Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß wir in dem essigsauren Phenj'-lhydrazin ein sehr brauchbares Reagens zum mikrochemischen Zuckernachweise besitzen. Es darf erwartet werden, daß dieses Reagens sowohl von den Anatomen als auch von den Physiologen mit Vorteil zur Lösung der zahlreichen Fragen über Vorkommen, Wanderung, Umwandlung und Entstehung des Zuckers wird verwendet werden können. Zum Schlüsse erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Hofrat Prof. Dr. Julius Wies ner für die Aufforderung zu dieser Arbeit sowie für die mir erteilten Ratschläge meinen besten Dank zu sagen. Mikrochemischer Zuckernachweis. 27 Erklärung der Abbildungen. Tafel I. 1. Kristalle von Kupferoxydul, i'^'^o^j. 2. a Micrasterias falcata -\ b Scenedesmiis quadricauda > nach Einwirkung des Reagens, ^'^^li- c Scenedesmiis acutus ) e, d Sphärokristalle des Osazon. ^6%. 3. Canna. Eine Partie des Gefäßbündels vom Blatte, sei = Sclerenchym, bh = Bündelhülie mit ausgeschiedenen Osazonsphäriten. ^^^^/i- 4. Canna. Eine Partie aus dem Grundparenchym des Blattstieles mit an den Zellwänden abgeschiedenen Halbkugeln von Osazon. ^^o^j. 5. Maranta squarrosa. Eine Partie des Grundparenchym aus dem Blattstiele mit ausgeschiedenen Osazonnadeln in Büscheln, "^'^'^/i. 6. Verbascum. Haar mit ausgeschiedenen Osazonsphäriten. ■''^%. 7. 8, 9, 10, 11, 12. Birne. Verschiedene Osazonformen. 350/^. 13, 14, 15, 16. Apfel. Verschiedene Osazonformen. 350/^. Tafel II. 1. Feige, frisch unreif, Osazonsphärite. ^^^jy 2. Feige, frisch unreif, g = ein Gefäß und dis angrenzende Bündelhülle {bh) mit ausgeschiedenen Osazonmassen. 350/^. 3. 4, 5. Feige, getrocknet. Verschiedene Osazonformen. 3ö0/j. 6. a und b Rosinen. Osazonformen. 350^^. 7. Kaffeebohne. Eine periphere Partie des Endosperm am Querschnitte. cut = cuticula. Im Endosperm zahlreiche große durch das Reagens gelb gefärbte Fettröpfchen. Soo/^. 8. 9, 10. Große, breite, zu strahligen Gruppen geordnete Blättchen, welche sich nach 14tägiger Einwirkung des Reagens in den Blattschnitten von Ginko biloba und Daucus Carotu abgeschieden haben. 350/^. 1 1 . Elodea Canadensis. cut = cuticula, ep = Epidermis, in welcher sich nach 14tägiger Einwirkung des Reagens große Rosetten und zu strahligen Gruppen vereinigte Kriställchen abgeschieden haben. ^•^%. Soill'LK.: MikiiirluMnisdnf '/lUclvriiiachwt'is. ral'.l. sd . 0. i';..s.Mit"i iioi . luti-Ansty.TKBannwaiUi.Wien. Sitzungsberichte d.kais. Alcad. d.Wiss., matli-nalurw. Classe, JB(l.CIXIII.Abth.l.l904. Sonll , K.: MikTinhrmisiiui- /.iiilvi'rnadiwcis. 'r.ii-.ll mm^ „. ClLt 6. 1 .;^'Ä'i:H 7. epi'i mit V, ..Sei\l\ (kl . LiüLAnsU'.TlvBaiiinvttraiWeii . Sitzunosberichte d.ltais. Alcad. d.Wüss., math.-natuiw. Classe, Bd.CXin.AbthJ.lOOl. 29 Über partielle Hemmungs-Erseheinungen bei der Bildung einer Rüekensehale von Testudo tornieri Siebenr. von Kustos Friedrich Siebenrock. (Mit 1 Textfigur.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.) Durch die Freundlichkeit des Herrn L. Müller in München erhielt ich vom dortigen Museum die Rückenschale einer jungen Landschildkröte zugeschickt, die aus Lindi in Ostafrika ein- gesendet wurde. Schon Müller fiel die große Ähnlichkeit dieser Schale mit der von mir beschriebenen Testudo tornieri (Diese Sitz.-Ber. CXII, 1903, S. 443) auf und der Vergleich der- selben meinerseits mit der Type der genannten Art, welche Eigentum des Berliner Museums ist, sich aber noch in meinen Händen befindet, bestätigte die Vermutung Müllers vollständig. Die Rückenschale besitzt eine Länge von 136 mm und eine Breite von 89mm; sie ist auffallend niedrig und gleich- mäßig gewölbt, also ohne tuberkelartige Erhöhungen. Sie stimmt in den habituellen Merkmalen mit der Type überein, ausge- nommen einige Abweichungen, die teilweise auf Altersunter- schiede zurückzuführen und teilweise individueller Natur sein dürften. Erstes Vertebrale vorne breiter als hinten und winkelig vorspringend; Nuchale schmal, fast doppelt so lang als breit; Supracaudale oben durch eine Längsfurche in zwei Hälften geteilt, unten aber einfach; Hinterrand der Schale schwach, jedoch deutlich gesägt. 30 F. Siebenrock. Testudo tornieri Siebenr. (Nach der Natur.) Rückenschild von innen; zwischen den Knochenplatten die Fontanellen, welche dunkel gehalten sind. cp^ Erste Kostalplatte n^ Erstes Neurale cjc2 Zweite Kostalplatte «^ Fünftes Neurale c p^ Neunte Kostalplatte n ti Nuchalplatte V Erster Wirbelkörper. Rückenschale von Teshido tomieri Sieben r. 31 Die Färbung unterscheidet sich insoferne von der Type, als hier die dunkle Farbe prävaliert und die gelben Streifen viel schmäler und auch regelmäßiger verteilt sind als bei jener. Einen wesentlichen Unterschied bildet die Breite der Brücke, die nicht einmal ganz zweimal, bei der Type aber zwei- undeinhalbmal in der Länge der Rückenschale enthalten ist. Auch die Zahl der Marginalia ist verschieden, denn es sind nicht elf sondern zwölf Paare anwesend und von diesen treten beiderseits fünf anstatt vier mit der Brücke in Verbindung. Sowohl die ungewöhnliche Breite der Brücke, als auch die erhöhte ZahlderMarginalia scheint nicht normal zu sein, sondern mit einer morphologischen Anomalie des Rückenpanzers im Zu- sammenhange zu stehen. Bei diesem sind nämlich nicht acht Paare Kostalplatten, wie es sonst der Fall ist, anwesend, sondern neun, die mit den Rippen von zehn Rückenwirbeln anstatt neun verbunden werden. Außerdem hat dieser Rückenpanzer die merkwürdige Eigentümlichkeit, daß weder die Neuralia in der normalen Zahl, noch die Kostalplatten mit Ausnahme der drei letzten Paare in ihrem ganzen Umfange entwickelt sind. Daher besteht der Rückenpanzer nicht aus einer soliden Knochen- schale, sondern er bildet durch das Fehlen mehrerer Neuralia in der Mitte vier und durch die geringe Ausdehnung der sechs vorderen Kostalplatten an den beiden Seiten fünf Paare große Fontanellen, zwischen denen die genannten Knochenplatten nur als schmale Streifen erscheinen, die zur Stütze der Rücken- schale dienen. Die erste mittlere Fontanelle liegt zwischen der Nuchal- platte, den beiden ersten Kostalplatten und dem ersten Neurale, das ein kleines Knochenplättchen zwischen den letzteren dar- stellt. Die zweite Fontanelle, welche viel größer als die erste ist, entsteht durch das Fehlen des zweiten Neurale, hat eine sechs- eckige Form und wird vorne vom ersten Neurale, hinten vom dritten und beiderseits von den Querbalken der drei ersten Kostalplatten begrenzt. Sie wird vom dritten Rippenpaar, das sich mit dem zweiten Kostalplattenpaar verbindet, in zwei un- gleiche Hälften geteilt. Die dritte Fontanelle gleicht der vorher- gehenden nahezu an Größe und Form; sie bildet sich durch den Ausfall des vierten Neurale und durch die geringe Entwicklung 32 F. Sieb en rock. des vorhergehenden und nachfolgenden Neurale; ihre seitliche Begrenzung vermittelt das dritte bis fünfte Paar Kostalplatten. Sie wird durch das fünfte Rippenpaar ebenfalls in zwei un- gleiche Hälften geteilt. Die vierte und letzte mittlere Fontanelle ist kleiner als die beiden vorhergehenden; sie verdankt ihre Ent- stehung dem Mangel des sechsten und siebenden Neurale und wird daher vorne vom fünften, hinten vom achten Neurale und seitlich vom sechsten bis siebenten Kostalplattenpaar umrahmt. Diese Fontanelle zerfällt in drei Teile durch das siebente und achte Rippenpaar, von denen der mittlere Teil am größten ist. Während die mittleren Fontanellen durch den teilweisen Ausfall der Neuralia entstanden sind, bilden sich die seitlichen durch einen Hemmungsvorgang bei der Ossifikation der Kostal- platten in vollkommen symmetrischer Weise. Die letzteren erscheinen daher als mehr weniger schmale Knochenstreifen, welche sich lateral mit den Randplatten verbinden und medial einen kurzen Querbalken darstellen, womit sie sowohl unter sich als auch mit den vorhandenen Neuralia nahtweise zu- sammenstoßen. Die Zahl der seitlichen Fontanellen beträgt beiderseits fünf und jede derselben liegt zwischen zwei aufein- anderfolgenden Kostalplatten, so daß also die fünfte zwischen der fünften und sechsten Kostalplatte zu finden ist. Von der sechsten bis neunten Kostalplatte zeigt die Rückenschale eine normale Ossifikation mit ganz geringen Interstitien am Rande, wie sie eben bei jeder jungen Landschildkröte vorhanden zu sein pflegen. Die streifenförmigen Kostalplatten alternieren in der Breite ebenso, wie bei normal entwickelten Exemplaren und dadurch entstehen die ungleich großen Fontanellen zwischen ihnen. Die aufgelagerten Diskoidalschilder sind so angeordnet, daß ihre aneinanderstoßenden Ränder immer auf den rudimen- tären Kostalplatten, respektive den anwesenden Neuralia zu liegen kommen, welche ihnen als feste Rahmen dienen und die Rückenschale stützen, um sie in der Form zu erhalten. Die mittleren und seitlichen Fontanellen werden von der Bindegewebshaut gebildet, die eben an diesen Stellen nicht zur Verknöcherung gelangt ist, denn sowohl die Neuralia, als auch die Kostalplatten verdanken derselben ihre Entstehung. Die Ossifikation der ersteren geht nach C. K. Hoff mann (Bronns Rückenmarkschale von Testiido tornieri Sieh enr. 33 Kl. u. Ord., Bd. 6, Abt. III, Chelonü) von den knorpeligen Dorn- fortsätzen aus, welche ringsum mit einer perichondralen Knochenkruste umgeben sind. Von dieser beginnt die Bildung der Neuralia, indem die durch das Bindegewebe der Rücken- haut von einander getrennten Enden der Dornfortsätze durch Knochenbrücken miteinander verbunden werden. Die letzteren breiten sich immer mehr aus und wandeln schließlich die Dornfortsätze ganz in Bindegewebsknochen, respektive in Neuralia um. Ein ähnlicher Vorgang vollzieht sich bei der Bildung der Kostalplatten. Um die sehr langen knorpeligen Rippen legt sich eine dünne Knochenröhre herum, die an der Außenseite des Rippenperiostes der Rückenhaut entstanden ist. Diese Knochen- röhre, welche sich über die ganze Länge der Rippe erstreckt, wächst immer mehr in die Breite und bildet sich schließlich zur Kostalplatte um, indem sie die eingeschlossene Rippe resor- biert. Ihr Wachstum schreitet in der Breite nicht gleichmäßig fort, sondern sie nimmt gegen die Wirbel hin mehr zu als gegen die lateralen Enden. Daher stoßen die aufeinander- folgenden Kostalplatten bei jungen Tieren medialwärts schon mittelst Nähten zusammen, während ihre lateralen Enden noch durch Fontanellen getrennt bleiben. Bei manchen Schildkröten aber ist dieser Zustand ein bleibender, wie z. B. bei den Chelonidae, weshalb ihre Rückenschale ein primitives Stadium in ihrer Verknöcherung darstellt. Da nun an der Rückenschale von Testiido tornieri S'i eh enr. mehrere Neuralia gar nicht zur Ossifikation gelangt sind und die vorderen Kostalplatten mit Ausnahme eines kleinen Quer- balkens nur schmale Knochenstreifen bilden, die fast in ihrer ganzen Ausdehnung durch die nicht verknöcherte Binde- gewebshaut getrennt werden, so zeigt dieselbe sowohl partielle Hemmungserscheinungen, als auch ein sehr primitives Stadium in der Bildung des Hautskelettes. In der Beschreibung der Type wird von mir c. 1. erwähnt, daß die Schale des getrockneten Tieres ziemlich weich und flach gedrückt ist, was ich entweder einer unzweckmäßigen Konservierungsmethode oder einem pathologischen Zustande zuschreiben zu müssen glaubte. Vielleicht ist die Type mit Sitzb. d. mathem.-naturvv. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 3 34 F. Sieben rock, Rückenschale etc. einem ähnlichen Bildungsfehler der Schale behaftet, wie beim hier besprochenen Exemplare. Diese Erscheinung ist umso merkwürdiger, als gerade bei den Testudo-Arten sonst der Rückenpanzer schon frühzeitig zu verknöchern beginnt. 35 Untersuchungen über die Liehtlage der Laubblätter. I. Orientierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage monokotyler Blätter von Dr. K. Linsbauer. Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien. (Mit 3 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1904.) Einleitung". Obgleich das Problem der Orientierungsbewegungen der Blätter bereits vielfach und vielseitig erörtert wurde, kann es doch keineswegs als gelöst betrachtet werden, was schon daraus erhellt, daß die herrschenden Anschauungen über das Zustandekommen der Lage der Blätter gegenüber dem Lichte dieselben Gegensätze erkennen lassen, welche bereits vor drei Dezennien hervortraten, als man sich mit dieser Frage ein- gehender zu beschäftigen begann, wenngleich sich in neuester Zeit die Stimmen zu Gunsten der Frank'schen Theorie zu mehren scheinen. Der Kernpunkt des Problems liegt in der Beantwortung der Frage: Beruht die Annahme der fixen Lichtlage der Blätter, worunter wir mit Wiesner die bestimmte Orientierung derselben gegenüber der Richtung des einfallenden Lichtes verstehen, auf einer Kombinationswirkung mehrerer orientierend wirkender Ursachen oder ist sie vielmehr das ausschließliche Ergebnis des Transversalheliotropismus, genauer gesagt, einer »spezifischen 3* 36 K. Linsbauer, Organisation« der Blätter, derzufolge sie sich im Gleichgewiciite befinden, wenn ihre Lamina einen bestimmten Winkel mit den einfallenden Lichtstrahlen bildet? In ähnlicher Weise wurde die Frage zumeist und, wie ich glaube, mit Recht formuliert. Nur Krabbe (VI, p. 214) vertritt einen etwas abweichenden Standpunkt. Er sieht in der Lichl- stellung der Laubblätter in jedem Falle eine Kombinations- wirkung, da nicht anzunehmen ist, »daß bei der von Frank vorausgesetzten besonderen Wirkungsweise des Lichts die i^ibrigen Richtkräfte wie Epinastie und Schwere, außer Wirkung treten; ... .es fragt sich nur, ob in dieser Kombination außer dem Licht auch den übrigen Kräften ein maßgebender Einfluß auf die Blattbewegungen zukommt oder ob dieselben gegenüber der Wirkung des Lichtes zu vernachlässigen sind. Wie dem auch sein mag, eine Gleichgewichtslage zwischen den einzelnen Kräften bleibt die Lichtstellung in allen Fällen«. Im wesentlichen tritt auch in dieser Fassung der bereits oben dargelegte Gegensatz zu Tage; denn wenn eine Kraft — in unserem Falle das Licht — einen so maßgebenden Einfluß auf die Blattlage ausübt, daß die übrigen orientierenden Ursachen vernachlässigt werden können, handelt es sich im Grunde doch um keine Kombinationswirkung. Hingegen muß betont werden, daß die Existenz des Transversalheliotropismus noch nicht widerlegt ist, falls man sich für die Annahme entscheidet, daß die Lichtlage das Resultat des Zusammenwirkens mehrerer Kräfte ist, da der Transversalheliotropismus immerhin eine Komponente, wenn auch nicht die allein ausschlaggebende sein könnte. Ich halte es nicht für überflüssig, an dieser Stelle einen kurzen orientierenden Überblick über die Entwicklung und den heutigen .Stand unserer Frage zu geben, da ich beabsichtige, der vorliegenden Untersuchung, welche in mehrfacher Hinsicht nur den Charakter einer Vorarbeit an sich trägt, weitere Unter- suchungen über diesen Gegenstand folgen zu lassen und ich schon von vornherein genötigt bin, zu gewissen theoretischen Anschauungen und zur Auffassung verschiedener Termini Stellung zu nehmen. Hier sollen zunächst die Anschauungen über das Zustandekommen der Lichtlage referiert werden, Lichtlage der Laubblätter. 37 soweit dazu nicht Torsionen erforderlich sind, da ich auf letztere in einem späteren Kapitel zu sprechen kommen werde. Frank verstand unter Transversalheliotropismus eine durch das Licht verursachte Wachstumsbewegung, deren Ziel diejenige Stellung ist, in welcher »ein bestimmter transversaler Durchmesser des Organs« mit der Richtung, in welcher das Licht wirkt, zusammenfällt. Infolge dieser Bewegung stellen sich die Blätter senkrecht zur Richtung des einfallenden Lichtes (IV, p. 77). Wiesner (XVIII, II. T., p. 41) präzisierte auf Grund ein- gehender Beobachtungen die Lage der Blätter zum Lichte noch genauer, indem er zeigen konnte, daß sich die Blätter in der Regel senkrecht auf die Richtung des stärksten diffus en Lichtes stellen. In gewissen Fällen kann jedoch auch eine Orientierung der Lamina schräg zur Einfallsrichtung des Lichtes zu stände kommen, ein Verhältnis, welches er als »ungünstige fixe Licht- lage«! bezeichnete (XVIII, IL T., p. 45). Darwin erkannte gleichfalls, daß sich die Blätter nicht immer senkrecht zur Einfallsrichtung des Lichtes stellen, mit anderen Worten, daß durch die Annahme eines Transversal- heliotropismus jene Fälle nicht erklärt werden, in welchen kräftig insolierte Blätter »ihre Ränder dem Lichte aussetzen« (I, p. 379). Das Zustandekommen dieser Blattlage führte er infolgedessen auf eine andere Richtungsursache, den »Para- heliotropismus« zurück, während er dementsprechend den Frank'schen Terminus durch den Begriff »Diaheliotropismus« ersetzte. Erst Fr. Darwin (II) suchte die Berechtigung der Annahme eines Transversalheliotropismus auf experimentellem Wege mit Zuhilfenahme des Klinostaten zu begründen.^ Zu wesentlich demselben Standpunkte gelangten später Vöchting und Krabbe, welchen eine Reihe wichtiger Auf- schlüsse über die Orientierungsbewegungen der Blätter zu danken sind. 1 Wiesner zeigte später, daß eine solche Lichtlage an »aphotometri- schen« und »panphotometrischen« Blättern einzutreten pflegt, während sich »euphotometrische« Blätter stets genau normal zur Richtung des stärksten diffusen Lichtes des dem Blatte zu Gebote stehenden Lichtareals orientieren (XX). 2 Die Originalarbeit Fr. Darwin's war mir leider unzugänglich. 38 K. Linsbauer, Vöchting (XVI) kam auf Grund seiner Versuche mit Malvaceen, deren Blätter durch den Besitz von Blattgelenken ausgezeichnet sind, zu der Anschauung, daß die Stellung der Blattlamina allein durch das Licht bedingt wird. Der Blattfläche soll überdies ein Transversalgeotropismus oder wie ihn Vöchting nennt, Horizontalgeotropismus zukommen, der aber anscheinend während des täglichen Beleuchtungswechsels nicht zur Geltung kommt. Ganz abweichend hievon verhält sich der Blattstiel, dessen Lage hauptsächlich durch negativen Geotropismus und Epinastie zu stände kommt, wobei letztere durch intensive Beleuchtung noch verstärkt werden kann. Das Blattgewicht hat auf die Stellung der Blätter von Malvaceen und wohl auch vieler anderer Gewächse keinen Einfluß; hingegen dürften verschiedene »innere« Bedingungen, z. B. Rektipetalität, die Lage des Blattes beeinflussen. Besonders verdient die Tatsache hervorgehoben zu werden, daß bei den Malvaceen zwischen Blattlamina, Gelenk und Stiel »innere Wechselbeziehungen« bestehen, insofern als die zur Licht- stellung der Spreite erforderlichen Bewegungen des Gelenkes und des Blattstiels von der Lamina bestimmt und reguliert werden. Krabbe (VI) entscheidet sich im allgemeinen gleichfalls für die Annahme einer besonderen heliotropischen Eigenschaft der Blätter, welche deren Lichtstellung bedingt. Ich will hier nicht von dem Versuche Krabbe 's sprechen, die Notwendigkeit dieser Anschauung gewissermaßen mathematisch zu begründen, da mir die Berechtigung einer auf willkürlichen Annahmen auf- gebauten Beweisführung von vornherein zweifelhaft erscheint. Um so mehr Interesse beansprucht der experimentelle Teil vorliegender Untersuchung. Krabbe fand bei sämtlichen unter- suchten Blättern, daß die Bewegungen, welche zur fixen Licht- lage führen, ausschließlich in der oberen Blattstielregion aus- geführt werden, wenngleich die Epinastie, wie es vielfach der Fall ist, auf die untere Blattstielregion beschränkt ist. Stets ist es aber das Licht, »welches die Blätter in eine bestimmte Lage zum Lichte bringt und sie in dieser festhält«. Allerdings muß Krabbe zugeben, daß die Lichtlage der im oberen Blattstiel- teile stark epinastischen Blätter bei Ausschluß einseitiger Lichtlage der Laubblätter. 39 Gravitationswirkung »gewissermaßen einen anderen Charakter« annimmt. »Das (vordere) Blatt geht infolge der epinastischen Krümmung nicht selten über die fixe Lichtlage hinaus; und wenn dasselbe durch das Licht auch wiederum gehoben wird, so ist das letztere doch selten im stände, die epinastische Krümmung des oberen Stielteiles und der Blattfläche vollständig auszugleichen« (p. 247). Das heißt offenbar, am Zustande- kommen der fixen Lichtlage dieser Blätter haben — normale Verhältnisse vorausgesetzt — auch Epinastie und negativer Geotropismus Anteil. Trotzdem erklärt der Autor, daß die Bewegungen, welche zur fixen Lichtlage führen, sich »unter der völligen Herrschaft des Lichtes« abspielen, sobald sie sich in einer Ebene vollziehen. Nur wenn zur Gewinnung der fixen Lichtlage Torsionen erforderlich sind, muß auch die Hilfe von Epinastie und negativem Geotropismus in Anspruch genommen werden. In diesen Fällen ist aber die eigentliche Lichtlage, worunter »das Aufhören der Bewegung in einem bestimmten Moment« verstanden wird, wiederum eine besondere Wirkung des Lichtes. Es muß übrigens betont werden, daß sich Krabbe nur dann berechtigt hält, von einer Kombinationswirkung mehrerer Faktoren zu sprechen, wenn die Angriffspunkte der einzelnen Komponenten in derselben Blattregion liegen. Ich glaube, daß zu einer solchen Einschränkung des Begriffes kein zwingender Grund vorliegt. Ich werde vielmehr immer dann von einer Kombinationswirkung sprechen, sobald eine bestimmte Organ- lage nur dadurch zu stände kommt, daß auf dasselbe mehrere Bewegungsursachen einwirken, gleichgiltig, ob sie an ver- schiedenen Organteilen oder sogar zeitlich getrennt zur Wirk- samkeit kommen. Im Gegensatze zu den Resultaten, welche Vöchting mit Malvaceen erzielte, konstatierte Krabbe, daß bei Phaseolus die Bewegungen des Blattstiels ganz unabhängig von der Spreite vor sich gehen. Ebenso fand Rothert (XI, p. 121) an den Primärblättern von Tropaeolum, daß »die Be- leuchtung der Lamina ohne Einfluß auf die Krümmung des Stiels« ist. Auch Oltmanns (IX, p. 257) führt die verschiedenen Lagen der Blätter auf ausschließliche Wirkung des Lichtes 40 K, L i n s b a u e r zurück. Geotropismus, Epinastie etc. vermögen zwar unver- kennbar die Bewegungen, welche zur fixen Lichtlage führen, zu beeinflussen, eventuell zu unterstützen; »das Endresultat, kurz gesagt den Einfallswinkel« vermögen sie nicht zu alterieren. Über die Lichtwirkung selbst äußert sich der Autor an einer anderen Stelle seiner bekannten Arbeit (p. 251) folgender- maßen: »Nachdem ich gezeigt habe, daß alle^ dorsiventralen Organe bei hohen Intensitäten Profil-, bei schwachen Flächen- stellung und bei mittleren schräge Lagen einnehmen, daß also alle Blätter etc. jederzeit sowohl diaheliotropisch als auch paraheliotropisch sind, erscheint es zweckmäßig, eine neue Bezeichnung einzuführen. Ich möchte das Wort Plagiophoto- trophie einführen und damit die Tatsache zum Ausdrucke bringen, daß alle dorsiventralen Organe eine besondere Lage zum Lichte einnehmen « Der Begriff der Plagiophoto- trophie soll jedoch, wie aus den späteren Ausführungen des Verfassers hervorgeht (1. c. p. 257), mehr als ein tatsächliches Stellungsverhältnis der Blätter zum Lichte bezeichnen, er ist der Ausdruck der »spezifischen Fähigkeit« der Blätter, »sich in eine bestimmte Lage zum Lichte zu versetzen und in dieser zu verharren «. Um die Wirkungsweise dieser »Plagiophototrophie« kennen zu lernen, ist es nötig, die Beispiele, aufweiche sich Oltmanns stützt, näher ins Auge zu fassen. Er beobachtete vor allem, daß der Winkel, welchen die Blättchen von Rohinia und Phaseolus sowie die Blätter von Tropaeolum^ mit der Einfalls- richtung des Lichtes einschließen, mit zunehmender Licht- intensität verkleinert wird, eine Erscheinung, welche als »ganz allgemeine Eigenschaft dorsiventraler Organe überhaupt« hin- gestellt wird. Der Verfasser rechnet nicht allein diejenigen Fälle hieher, bei welchen die Profilstellung durch eine Krümmungs- bewegung der Blätter in ihrer Medianebene, sei es mit oder 1 Die Verallgemeinerung dieser Versuchsergebnisse auf alle dorsiventralen Organe scheint mir doch zu weit zu gehen. 2 Bei Tropaeoliim gelang es Oltmanns zwar nicht, volle Profilstellung zu erhalten, doch »könnte man die Intensität des Lichtes hinaufschrauben, so würde man, daran ist nicht zu zweifeln, volle Profilstellung erzielen«. Lichtlage der Laubblätter. 41 ohne Gelenk, erzielt wird, sondern auch die Kompaßpflanzen, welche unter gewissen Beleuchtungsverhältnissen durch Torsion in die Profilstellung übergehen können. Ferner sind verschiedene Erscheinungen hieher zu zählen, auf welche bereits VViesner (XXI) und Stahl aufmerksam gemacht hatten, wie Faltung der Blätter im Medianus, Anschmiegen der Blättchen von Callima an den Stamm bei starker Insolation etc. Eine Erklärung, wie es denkbar ist, daß so verschiedenartige Bewegungser- scheinungen, Krümmungen, Torsionen und Faltungen der Blätter, auf die Wirkung der postulierten Plagiophototrophie allein zurückgeführt werden können, hat Oltmanns nicht versucht. Wenngleich jedoch die Berechtigung des Terminus Plagio- phototrophie im Sinne einer spezifischen Lichtempfindlichkeit der dorsiventralen Blätter, wie ich glaube, angezweifelt werden kann, weshalb ich mich desselben in vorliegender Arbeit nicht bedienen werde, so bestätigen jedenfalls Oltmanns' ein- schlägige Versuche den entscheidenden Einfluß des Lichtes auf die Orientierungsbewegungen der Blätter. Schwendener und Krabbe (XIV, p. 337 f.) sprechen sich gleichfalls gegen die Annahme einer Kombinationswirkung verschiedener Richtkräfte zur Erklärung der Lichtlage aus, da in den Versuchen von Fr. Darwin, Vöchting und Krabbe die Lichtlage auch auf dem Klinostaten eintrat. Es ist übrigens zu betonen, daß Fälle, in welchen die Lichtlage ohne Beteiligung von Epinastie und Schwerkraft angenommen wird, nicht ohne- weiters als Beweise für die Existenz des Transversalhelio- tropismus herangezogen werden können, da die Lichtstellung der Blätter in diesen Fällen auf einer kombinierten Wirkung der Photonastie mit positivem oder negativem Heliotropismus oder mit spontanen Nutationen beruhen könnte. Ehe ich die Anschauungen derjenigen Physiologen aus- einandersetze, welche sich gegen die Frank'sche Erklärung der Blattlage entschieden, muß ich eines Vorwurfes gedenken, welcher gegen die Anhänger dieser Richtung erhoben wurde. Es wurde nämlich hervorgehoben, daß dieselben nur einzelne Bewegungsursachen der Blätter aufzeigten und die Behauptung aufstellten, daß die Kombination derselben zur Lichtstellung 42 K. Linsbauer, führe, ohne zu erklären, wie dieses Zusammenwirken sowie die Tatsache zu verstehen sei, daß die Gleichgewichtsstellung der jeweiligen günstigsten Lichtlage entspricht. Wenngleich ein solcher strikter Beweis nicht erbracht wurde, so ist die genannte Anschauung doch von vornherein nicht abzulehnen. Der verlangte Beweis kann solange nicht geführt werden, als wir, wie bereits de Vries hervorhob, die als tätig angenommenen Kräfte nur ihrer Qualität und nicht auch ihrer Quantität nach erkennen. Dazu kommt, daß wir in den meisten Fällen nicht wissen, ob und inwieweit ein Kor- relationsverhältnis zwischen den verschiedenen Reizeffekten besteht. Trotzdem müssen wir uns zur Annahme einer Kom- binationswirkung verschiedener Kräfte entschließen, sobald die Lichtlage bei Ausschaltung eines oder mehrerer orientierend wirkender Faktoren nicht mehr in derselben Weise zu stände kommt wie bei der Wirksamkeit aller in Betracht kommenden Kräfte. Gegen die Frank'sche Lehre erhob bekanntlich zuerst de Vries (XVII) energische Einsprache. Die Richtung bilateral - symmetrischer Organe ist nach seiner Auffassung bestimmt durch innere und äußere Ursachen. Jene äußern sich in einem verstärkten Längenwachstum der Organoberseite (Epinastie) — der gewöhnliche Fall bei sich entfaltenden Blättern — oder der Organunterseite (Hyponastie). Von den äußeren Ursachen kommen Schwerkraft und Licht in Betracht. Die erstere kommt in Form von negativem Geotropismus oder von Lastwirkung zur Geltung. Diese übt jedoch ebenso wie der positive Helio- tropismus, der übrigens an Blättern oft nicht zu beobachten ist, auf die Richtung der Pfianzenteile nur eine geringe Wirkung aus. Hatte Frank die Bedeutung des Lichtes für das Zustande- kommen der Blattlage zu hoch angeschlagen, so unterschätzte de Vries diesen jedenfalls bedeutsamen Faktor, worauf bereits V/iesner (XIX, p. 110) mit gutem Rechte hinwies. Dieser Forscher räumt dem Lichte unter allen Richtungsursachen eine entscheidende Stellung ein. Die Lichtlage der Blätter beruht nach dessen Auffassung (XVIII, II. T., p. 50 ff.) auf einem Zusammenwirken von negativem Heliotropismus und negativem Lichtlage der Laubblätter. 43 Geotropismus. Wie aber so häufig anscheinend einfache vitale Vorgänge bei näherer Analyse auf ein Ineinandergreifen kom- plizierter Prozesse zurückgeführt werden müssen, so denkt sich Wiesner auch die Annahme der fixen Lichtlage als einen verwickelten Bewegungskomplex. Neben den bereits genannten Bewegungsursachen wirken auch positiver Heliotropismus (der Blattunterseite) und Eigengewicht, zumeist allerdings in unter- geordneter Weise an der Blattorientierung mit. Dem Lichte fällt überdies neben der heliotropischen noch eine andere Wirkung zu; es verstärkt die Biegungsfestigkeit der beleuchteten Seite — zumeist der Oberseite — und bewirkt dadurch ein Verharren des Blattes in der günstigsten Lichtstellung (XXII). Sachs (XII) schließt sich enge an die Beobachtungen von de Vries an. Seine Auffassung bedeutet aber insofern einen wesentlichen Fortschritt, als er der Bedeutung des Lichtes Rechnung trug. Er konstatierte in gewissen Fällen die Ab- hängigkeit der Epinastie vom Lichte und führte infolgedessen die Lage dorsiventraler Organe, zunächst des Marchantia- Thallus, auf das Zusammenwirken von negativem Geotropismus, positivem Heliotropismus der Unterseite und Epinastie zurück, welch letzterein diesem Falle auf der Wirkung des Lichtes beruht. Die Stellung, welche Pfeffer (X, p. 292) in dieser Frage einnimmt, ergibt sich wohl am klarsten aus folgender Stelle seines Handbuches: »Tatsächlich dürften in dorsiventralen Organen, deren Stellung auch von der Empfindlichkeit gegen Licht abhängig, Heliotropismus und Photonastie zumeist, ver- mutlich aber in einem spezifisch ungleichen Grade zusammen- wirken. Tiefere Einsicht gestatten die bisherigen Erfahrungen noch nicht, indes reichen sie aus, um zu zeigen, daß .... viele Blätter u. s. w. heliotropisch empfindlich sind, jedoch auch Photonastie mitwirkt, um die Fläche plagiotroper Organe in einen für Beleuchtung günstigen Winkel gegen das ein- fallende Licht zu stellen.«^ 1 Aus dieser und anderen Stellen erhellt auch, wie ich glaube, daß Pfeffer nicht ohneweiters als »Verteidiger des Frank'schen Transversalhelio- tropismus« hingestellt werden kann (siehe Vöchting), wenngleich er diesen Terminus unter gewissen Umständen als vorteilhaft akzeptiert. 44 K. Linsbauer, Ich begnüge mich, an dieser Stelle die verschiedenen Ansichten über das Zustandekommen der fixen Lichtlage in Kürze skizziert zu haben, da ich auf die Untersuchungen, welche einzelne Orientierungsbewegungen zum Gegenstande haben, in den diesen gewidmeten Abschnitten näher eingehen werde. Daß man trotz eingehender experimenteller Studien zu so widerspruchsvollen Resultaten gelangte, mag zum Teile auf zwei Ursachen zurückzuführen sein. Einerseits operierten die verschiedenen Forscher nicht immer mit denselben Pflanzen, verallgemeinerten vielmehr häufig die an einigen Objekten gewonnenen Resultate; andrerseits wählte man aus nahe- liegenden Gründen mit Vorliebe solche Pflanzen zu den Ver- suchen aus, welche die fixe Lichtlage möglichst deutlich und rasch einnehmen, welchen Forderungen besonders gestielte» womöglich durch den Besitz von Gelenken ausgezeichnete Dikotylenblätter am besten entsprachen. Die Lichtlage nicht gestielter Blätter der Mono- und Dikotylen hingegen wurde nur in ganz vereinzelten Fällen eingehender untersucht. Und doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß gerade an diesen, durch eine wenig vorgeschrittene Arbeitsteilung charakterisierten Blättern die Bewegungen, welche zur Annahme der fixen Lichtlage führen, leichter und sicherer analysiert werden können als bei hoch differenzierten Blättern, bei welchen auf die Bewegungen der Spreite, des Blattstiels und der Gelenke eventuell auch auf eine korrelative Einwirkung der Blatteile aufeinander Rücksicht genommen werden muß. Es war daher ein naheliegender Gedanke, das Verhalten der einfacheren Typen der monokotylen Blätter genauer zu untersuchen. Mein Ziel bestand einstweilen vornehmlich darin, die Wirksamkeit der einzelnen dabei in Betracht kommenden Orientierungsursachen zu erkennen und die Annahme der diesen Blättern eigentümlichen Lichtlage so weit als möglich aufzuklären. Dabei handelte es sich wieder zunächst um die Frage, ob den genannten Blättern transversalheliotropische Eigenschaften zuzuschreiben sind, wie dies von Seite Frank's geschah. Ein tieferes Eindringen in das Wesen der einzelnen Bewegungsursachen lag zunächst nicht im Plane dieser Unter- suchung, die nur als Vorarbeit beurteilt sein will. Hingegen Lichtlage der Laubblätter. 45 ■*o unterließ ich es nicht, auf einzelne besonders wichtige Detail- fragen, welche sich im Laufe der Untersuchung ergaben, hinzu- weisen. Sie werden zum Gegenstande spezieller Beobachtungen gemacht werden. Als Versuchspflanzen benützte ich einige Monokotyle mit radiär oder isolateral gebauten Blättern, hauptsächlich jedoch solche mit grundständigen, ungestielten, bandförmigen Blättern (Flachblättern) von isolateralem oder dorsiventralem Baue, wie sie so häufig bei Liliaceen und Amaryllideen angetroffen werden.^ Meine Versuche wurden in der Zeit von Dezember 1902 bis Ende Juni 1903 durchgeführt. Ich hatte mich dabei viel- fach des bewährten Rates meines hochgeschätzten Lehrers Herrn Hofrates J. Wiesner zu erfreuen, welcher meine Versuche mit stetem Interesse verfolgte und mir hiezu die reichen Mittel seines Institutes in zuvorkommendster Weise zur Verfügung stellte, wofür ich an dieser Stelle meinen ergebensten Dank ausspreche. Heliotropismus. Den Blättern wurde von verschiedenen Autoren positiver, negativer und Transversal- (Dia-) Heliotropismus zugeschrieben. In diesem Abschnitte soll nur von den beiden erstgenannten Reaktionsformen die Rede sein. Was zunächst den positiven Heliotropismus der Blätter betrifft, so wurde er von einer Reihe von Forschern (Sachs, Hofmeister, Vries, Wiesner u. a.) an zahlreichen Blättern experimentell festgestellt. Hingegen ist die Frage, ob er beim Zustandekommen der fixen Lichtlage eine Rolle spielt und worin diese eventuell besteht, nicht völlig sichergestellt. Die meisten Autoren halten ihn für viel zu gering, als daß ihm in dieser Hinsicht eine nennenswerte Bedeutung zufallen sollte. De Vries konnte ihn an vielen Blättern überhaupt nicht nach- weisen, fand ihn aber sonst so unbedeutend, daß er die Epinastie nicht zu überwinden vermag. Sachs hält ihn gleichfalls im 1 Gramineen, die bezüglich ihres heliotropischen Verhaltens eine teil- weise Bearbeitung durch Rothert erfahren haben, schloß ich von meinen Versuchen aus, da Untersuchungen hierüber demnächst von W. Figdor ver- öffentlicht werden sollen. 46 K. Linsbauer, allgemeinen für gering und schreibt nur den Monokotylen einen stärkeren Heliotropismus zu. Wiesner führte hingegen den Nachweis, daß der Effekt des positiven Heliotropismus unter gewissen Bedingungen sowohl bei sitzenden als auch bei ge- stielten Blättern beträchtliche Werte erreichen kann. Dies ist der Fall zur Zeit des stärksten negativen Heliotropismus sowie an etiolierten Blättern. Wiesner betrachtet speziell die Blatt- unterseite als positiv heliotropisch. Der positive Heliotropismus besitzt insoferne eine Bedeutung für die Gewinnung der fixen Lichtlage, als er bei geringer Lichtintensität den negativen Geo- tropismus bei der Aufrichtung der Blätter unterstützt. Im all- gemeinen fällt ihm aber auch nach Wiesner keine wesentliche Aufgabe zu. Der genannte Forscher äußert sich hierüber, indem er seine Anschauungen über das Zustandekommen der Blattlage zusammenfaßt: »In erster Linie ist es das Entgegenwirken von negativem Heliotropismus und negativem Geotropismus, welches die fixe Lichtlage bedingt. Das Gewicht des Blattes und der positive Heliotropismus spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle (XVIII, II. T., p. 58). Daß gewisse Blätter sehr energische heliotropische Krüm- mungen ausführen können, lehren auch die Versuche Rothert's (XI) mit Gramineenkotyledonen und ^///mw- Blättern. Auf die letztgenannten Experimente werde ich an anderer Stelle zurück- kommen. Die Beobachtungen über heliotropische Krümmungen von Blattstielen will ich jedoch ganz übergehen, da ich nur mit ungestielten Blättern operierte. Ich habe hier noch eines besonderen Falles heliotropischer Blattkrümmungen zu gedenken, welchen, abgesehen von einer gelegentlichen Beobachtung Sachs' bei Fritillaria imperialis (XIII, p. 746), zuerst W i e s n e r eingehender untersuchte (XVIII, II. T., p. 48; XX). Er machte auf eine Reihe von Fällen aufmerksam, in welchen sich Blätter unter dem Einflüsse einseitig einfallenden Lichtes sichelförmig der Licht- quelle zuwenden. Sie nehmen gegenüber dem Oberlichte stets die fixe Lichtlage an, während sie vom Vorderlichte derart helio- tropisch beeinflußt werden, daß ihr beleuchteter Rand konkav, ihr Schattenrand konvex wird. Wiesner fand solche Sichel- krümmungen bei Cainpaniila persicifolia, Knautia süvatica, Lichtlage der Laubblätter. 47 Succisa pratensis, Stellaria graminea, uliginosa und glauca, Taraxactim (Rosettenblätter) sowie in besonders schöner Weise ausgeprägt an den Keimblättern von Abies pectinata} Wie ich einer persönlichen Mitteilung Herrn Hofrates Wiesner ver- danke, beobachtete er in der Folge dieselbe Erscheinung noch an: Moehringia miiscosa, Melampyrum silvatictim und Gentiana asclepiadea. Abgesehen von diesen Beobachtungen ist mir aus der Literatur nur noch ein ähnlicher Fall bekannt geworden, den Roth er t (XI) mitteilt. Er betrifft die Blätter im Dunkeln ge- zogener Zwiebel von Alliiun Cepa. Die infolge Lichtmangels flach gebliebenen Spreiten krümmen sich sowohl mit ihrer breiten Fläche als auch mit der Schmalseite gegen die Lichtquelle. In letzterem Falle ist jedoch der Effekt ein sicht- lich geringerer, was auf den Krümmungswiderstand zurück- geführt wird. Im übrigen schenkte man dieser Form der heliotropischen Krümmung keine weitere Beachtung, so daß weder ihre Ver- breitung studiert, noch untersucht wurde, ob ihr eine besondere Bedeutung zukommt. Bezüglich des negativen Heliotropismus der Blätter gehen die Ansichten der verschiedenen Forscher weit auseinander- Hofmeister war der erste, welcher den Blättern negativ helio- tropische Eigenschaften zuschrieb. Er führte das stärkere Wachstum der Blattoberseite im Lichte, auf welchem die Aus- breitung der Blätter und die fixe Lichtlage beruht, auf negativen Heliotropismus zurück. De Vries hingegen leugnete die negativ heliotropische Empfindlichkeit der Blätter gänzlich. Das verstärkte Wachstum der Blattoberseite galt ihm als ein Fall von (longitudinaler) Epinastie. Sachs zeigte wohl, daß diese Epinastie in vielen Fällen vom Lichte abhängig ist. Dem gegen- über betonte jedoch Wiesner mit Recht, daß die Ausdrücke Epi-, beziehungsweise Hyponastie nur in dem Falle Berechtigung haben, wenn sie ein von äußeren Faktoren völlig unabhängiges ungleichseitiges Wachstum bezeichnen. Die vom Lichte ab- hängige Epinastie, wie sie bekanntlich z. B. bei Wurzelblättern Abgebildet in XVIII, IL T., p. 48. 48 K. Linsbauer, auftritt, welche bei geringer Lichtintensität aufgerichtet sind, während sie bei zunehmender Beleuchtung durch verstärktes Wachstum ihrer Oberseite sich mehr oder minder flach aus- breiten, faßte Wiesner wie Hofmeister als negativen Helio- tropismus auf. Den Blättern kommt also nach Wiesner zugleich positiver und negativer Heliotropismus zu; speziell die Blattoberseite ist negativ heliotropisch reizbar. Auf dieser Eigenschaft sowie auf negativem Geotropismus beruht in erster Linie das Zustande- kommen der fixen Lichtlage. In neuerer Zeit wurde die Frage nach dem negativen Heliotropismus der Blätter nicht näher geprüft. Ich werde bei Besprechung der Photonastie nochmals auf dieses Thema zurückkommen. Das heliotropische Verhalten der Blätter erscheint bei flüchtiger Überlegung befremdlich, da das Ziel der (dz) helio- tropischen Krümmung eines Organs in der Einstellung des- selben in die Richtung der Lichtstrahlen besteht, wodurch es — wenigstens theoretisch — der Lichtwirkung völlig entzogen wird, während das grüne Laubblatt gerade auf das Licht an- gewiesen ist, um seiner Funktion Genüge zu leisten. Diese Überlegung trug wohl auch zum Teile dazu bei, daß man dem Heliotropismus keinen oder einen nur ganz untergeordneten Einfluß auf die Orientierungsbevvegungen der Blätter zuschrieb oder ihn stets in Kombination mit antagonistisch wirkenden Kräften treten ließ. Um die Bedeutung des Heliotropismus richtig würdigen zu können, müssen wir uns die Frage vorlegen, ob das oben angegebene Ziel der heliotropischen Krümmung auch tatsäch- lich unter allen Umständen angestrebt wird. Daß das Ziel der Krümmung in der Regel als zum Wesen des Heliotropismus gehörig aufgefaßt wird, beweisen die in den meisten Lehr- büchern gegebenen Definitionen desselben. Wiesner hat hingegen in seiner Monographie der heliotropischen Erschei- nungen eine Definition dieser Bewegung gegeben, in welcher der Begriff des Endziels derselben ausgemerzt ist. Er faßt unter Heliotropismus alle jene Phänomene zusammen, für welche das Gesetz gilt, daß, wie auch immer die Orientierung des Organs zum Lichte ausfällt, sie vom Lichte vollzogen Lichtlage der Laubblätter. 49 wird und als eine Erscheinung des Längenwachstums sich manifestiert.- Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die in der Richtung der Lichtstrahlen abnehmende Lichtstärke, nicht aber die Richtung der Strahlen als solche die heliotropische Reaktion verursacht, so erhellt schon aus rein theoretischen Über- legungen, daß heliotropisch empfindliche Organe die v^er- schiedensten Lagen zur Richtung des einfallenden Lichtes ein- nehmen können. Wird ein radiäres, allseits gleich empfindliches und reaktionsfähiges Organ einseitiger Beleuchtung ausgesetzt, so wird bekanntlich die nicht belichtete Seite relativ länger als die Gegenseite, woraus eine Krümmung gegen die Lichtquelle hin resultiert, die solange an Größe zunimmt, bis die Richtung des einfallenden Lichtes erreicht ist, da in diesem Stadium sämtliche Seiten des Organs gleichmäßig beleuchtet sind. Denken wir uns nun ein fiächenförmiges, beiderseits gleich empfind- liches und reaktionsfähiges Organ einseitiger Beleuchtung aus- gesetzt, so kann das Resultat verschieden sein. Nehmen wir an, es fielen parallele Strahlen aus seitlicher Richtung ein, so müssen naturgemäß sämtliche Elemente der Oberseite gleich- mäßig gegenüber denen der Unterseite im Wachstume zurück- bleiben, da die gesamte Oberseite zwar schräg, aber gleich- mäßig beleuchtet ist. Ein solches Organ wird sich demnach zufolge seines positiven Flächenheliotropismus ^ nicht in die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen einstellen, sondern sich jedenfalls in seiner eigenen Medianebene krümmen müssen, bis Ober- und Unterseite gleich stark beleuchtet sind. Fallen die Lichtstrahlen parallel zur Medianebene des Blattes auf, dann fällt natürlich die Krümmmungsebene desselben mit der Ein- fallsebene des Lichtes zusammen. 1 Unter diese Definition fällt natürlich auch der Begriff »Photonastie«. Siehe hierüber S. 26. - Um die Darstellung zu vereinfachen, nehme ich an, daß das Organ keinen Kantenheliotropismus (siehe p. 60) besitzt, sich demnach nicht sichel- förmig gegen das Licht krümmt und auch keine Torsion ausführt, um die Krümmungsebene parallel zur Einfallsebene des Lichtes zu stellen, was bei Blättern zumeist der Fall sein dürfte. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. L 4 50 K. L i n s b a LI e r, Verhält sich nun ein solches flächenförmiges Gebilde physiologisch dorsiventral, d. h. ist eine der beiden Organseiten heliotropisch empfindlicher oder reaktionsfähiger als die Gegen- seite, dann wird es sich niemals, auch nicht in dem Falle, wo die Lichtstrahlen parallel zur Medianebene auf seine Fläche auftreffen, genau in die Richtung derselben einstellen. Denn wenngleich in diesem Falle beide Organseiten gleich^ beleuchtet sind, wird doch die empfindlichere auf den gleichen Reiz stärker als die Gegenseite reagieren. Ist z. B. die heliotropische Perzeptionsfähigkeit der Oberseite geringer als die der Unter- seite, welche wir als die stärker beleuchtete annehmen wollen, und fällt das Licht senkrecht zu dieser ein, so wird die helio- tropische Krümmung dieser Seite über die Richtung des ein- fallenden Lichtes hinausgehen, so weit, bis die Oberseite so stark beleuchtet ist, daß ihre Wachstumsintensität so groß wird wie die der schwächer beleuchteten Blattunterseite. Diese Überlegung läßt sich in analoger Weise auch auf negativ heliotropische Organe übertragen. Es erhellt daraus, wie ich glaube, aufs deutlichste, daß ein flächenförmiges Organ heliotropisch sein kann, ohne sich in die Richtung einseitig einfallenden Lichtes zu stellen. Daraus ist aber der weitere, für die Beurteilung des Blatthelio- tropismus wichtige Schluß zu ziehen, daß wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, daß Blätter ausschließlich mit Hilfe ihres Heliotropismus in günstigere Beleuch- tungsverhältnisse gebracht werden können. Ich habe eine Reihe monokotyler Blätter auf ihren Helio- tropismus geprüft, indem ich sie in gewöhnlicher Weise unter den üblichen Vorsichten einseitiger Beleuchtung aussetzte. Die Pflanzen wurden hiezu entweder in den heliotropischen Kasten eingeführt oder, falls eine höhere Lichtintensität er- wünscht war, frei auf einem Kasten aufgestellt, wobei für die Abbiendung des Seitenlichtes gesorgt war. Als Lichtquelle diente stets diffuses Tageslicht. Ich muß hervorheben, daß ich 1 Theoretisch sind in diesem Falle die beiden Seiten wohl überhaupt nicht beleuchtet, was aber unter natürlichen Beleuchtungsverhältnissen, welche bei der obigen Auseinandersetzung angenommen wurden, infolge der Wirkung des diffusen Lichtes nicht zutrifft. Lichtlage der Laubblätter. 51 die gleichzeitige Einwirkung der Schwerkraft nicht ausschloß, so daß in den Fällen, in welchen ich keinen Heliotropismus auffand, ein solcher bei Ausschluß der Schwerkraft noch immerhin nachweisbar sein könnte. Für meine Zwecke war es jedoch nicht nötig, so geringe Spuren heliotropischer Krümmungsfähigkeit nachzuweisen, da solche bei den Orien- tierungsbewegungen der Blätter doch höchstens eine ganz untergeordnete Rolle spielen können. Flächenförmige Blätter orientierte ich im heliotropischen Kasten entweder so, daß Blattfläche und Ebene des Spaltes einander parallel gerichtet waren oder aufeinander senkrecht standen. Im ersten Falle fiel das Licht in einer zur Lamina senkrechten Ebene, im letzteren hingegen parallel zur Blatt- fläche ein. Um einen kürzereren Ausdruck zu gewinnen, bezeichne ich jene Orientierung als Flächen-, diese als Kanten- stellung. Dementsprechend wird eine eintretende heliotropische Krümmung als Flächen-, beziehungsweise Kantenhelio- tropismus bezeichnet werden. Der erstere äußert sich in einer bogenförmigen Krümmung in der Medianebene des Blattes, der letztere in einer in der Blattebene auftretenden Sichelkrümmung der Lamina. Ich gebe im nachstehenden einen kurzen Auszug meiner Beobachtungen wieder mit dem Bemerken, daß sämtliche Versuche mehrfach wiederholt wurden. Agapanthus umbellatus. Deutlicher positiver Flächenheliotropismus beider Blatt- seiten. Ein mit seiner Oberseite gegen annähernd horizontal ein- fallendes Licht orientiertes junges Blatt erreichte eine Neigung von zirka 45° gegen die Horizontale. Der Winkel wurde während der ganzen (28tägigen) Versuchsdauer annähernd beibehalten; die morphologische Blattoberseite war dementsprechend nach unten gerichtet. Kantenheliotropismus scharf ausgeprägt (Taf I, Fig. 3). 31. I. Ein sich eben entwickelndes Blatt wird in Kantenstellung horizontal einfallender Beleuchtung ausgesetzt. 17. II. Deutlich positiv heliotropisch. Neigungswinkel zirka 45°. 4* 52 K. Lins bau er, 1. III. Das Blatt ist im oberen Teile nahezu horizontal gerichtet. — Ein zweites jüngeres Blatt ist etwa 45° geneigt. Clivia nobilis, Imatophyllum miniatum. Ebenso wie von Agapanthus wurden zahlreiche Exemplare beobachtet, welche im Gewächshause oder auf Fenstern bei einseitiger Beleuchtung kultiviert wurden (Taf. I, Fig. 4). Stets zeigte sich ein sehr ausgesprochener positiver Kantenhelio- tropismus; der P'lächenheliotropismus tritt unter analogen Bedingungen nicht zutage, da er durch andere orientierende Kräfte (namentlich durch Photonastie, siehe p. 82) verdeckt wird. Amaryllis vittata. Flächenheliotropismus deutlich, aber schwach. Ober- und Unterseite positiv heliotropisch. Welcher der beiden Seiten stärkerer Heliotropismus zukommt, konnte ich nicht mit Sicher- heit entscheiden, da die Krümmung im schwachen Lichte durch Hyponastie, im starken durch Photonastie beeinträchtigt wird; überdies ist der Biegungswiderstand beider Seiten ungleich groß. Positiver Kantenheliotropismus deutlich, aber schwächer als bei den drei erstgenannten Pflanzen. Er zeigt sich zuerst in einem Asymmetrischwerden des Blattes, indem die vom Lichte abgewendete Laminarhälfte die Lichthälfte im Wachstume überflügelt. Später wird die Sichelkrümmung der Lamina, an der sich auch der Medianus beteiligt, immer deutlicher. In einigen Fällen, namentlich bei schwacher einseitiger Be- leuchtung, war die Schattenhälfte sichtlich etioliert, was sich schon aus der bedeutend lichteren Färbung ergab. Narcissus poeticus, Narcissus Jonquilla. Positiver Flächen- und Kantenheliotropismus deutlich, aber schwach (vgl. Taf. I, Fig. 1). Ophiopogon muscarioides. Positiver Flächen- und Kantenheliotropismus vorhanden, aber kaum nachweisbar. Lichüage der Laubblätter. 53 Galanthus nivalis. Schwacher positiver Flächen- und Kantenheliotropismus. So lange die Blätter in der Scheide eingeschlossen sind, ist eine heliotropischeKrüminung häufig überhaupt nicht erkennbar. Sobald die Blätter vorbrechen, werden sie heliotropisch. Neigungswinkel bei horizontal einfallendem Lichte 75 bis 80°. Vaginalteil aufrecht oder nur schwach — wohl passiv — gekrümmt. Gladiolus. Blattfläche äußerst schwach positiv heliotropisch. Die Blatt- kanten scheinen nicht oder in nur geringem Maße heliotropisch zu sein. Iris pallida. Obgleich ein Exemplar \^om 17. III. bis 14. IV. ziemlich kräftiger einseitiger Beleuchtung senkrecht zur Laminarfläche ausgesetzt war, konnte bei keinem Blatte und in keinem Ent- wicklungsstadium eine heliotropische Krümmung konstatiert werden. Hyacinthus orientalis. Blätter deutlich positiv heliotropisch. So lange die kegel- förmige Knospe noch geschlossen ist, verhält sie sich wie ein Organ. Sobald die Blätter an der Spitze auseinanderweichen, krümmen sich die freien Blatteile am stärksten heliotropisch. Allium Porrum. Da die Blätter im Medianus nach innen gefaltet sind, läßt sich von einem Flächen- beziehungsweise Kantenheliotropis- mus im obigen Sinne nicht sprechen. Schwacher positiver Heliotropismus ist konstatierbar, gleichgültig, ob eine untere Blatthälfte, die Rückseite des Medianus oder die beiden aneinanderstoßenden Blattkanten beleuchtet sind. Allium schoenoprasum. Die Blätter der zu den Versuchen benützten jungen Ptlanzen sind auffallend stark positiv heliotropisch. Sie stellen 54 K. Linsbauer, sich bereits im Laufe weniger Stunden in die Richtung der ein- fallenden Lichtstrahlen. Ein schwach heliotropisch gewordenes Exemplar wurde um 180° gewendet, so daß die Konvexseite des Organs gegen das einfallende Licht gerichtet war. Schon nach 2^2 Stunden war der Beginn der neuen heliotropischen Richtung erkennbar. Allium Cepa. Eine überaus schwache positiv heliotropische Blattkrüm- mung konnte mit Sicherheit nachgewiesen werden. Neigungs- winkel zirka 80° , obgleich ein Exemplar mit mehreren wachstums- fähigen Blättern ziemlich kräftigem, einseitig einfallendem dif- fusen Lichte ausgesetzt war. Nach D u t r o c h e t (III) verhalten sich Röhrenblätter von Allmm-Arten dem Lichte gegenüber ganz indifferent. Rothert (XI, p. 116) fand hingegen, daß Blätter von ^//mm-Sämlingen zu den heliotropisch empfindlichsten Objekten gehören. Aber auch die Blätter im Dunkeln getriebenerZwiebeln findet derselbe Forscher deutlich, wenngleich schwächer, helio- tropisch. Das verschiedene Verhalten der Röhrenblätter in diesen und in meinen Versuchen ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß Rothert etiolierte Blätter einseitiger Beleuchtung aus- setzte, während ich mit Blättern experimentierte, welche im Lichte zur Entwicklung gelangten. Daß etiolierte Blätter stärkeren Heliotropismus aufweisen, wurde aber schon von Wiesner (XVIII, II. T., p. 55) gezeigt. Aus den angeführten Versuchen ergibt sich eine Reihe für die Frage der Orientierungsbewegungen monokotyler Blätter wichtiger Folgerungen. 1. Wenn überhaupt eine heliotropische Krümmung nach- weisbar war, wurde sie stets durch positiven Helio- tropismus hervorgerufen. Negativer Heliotropismus ließ sich hingegen auf experimentellem Wege niemals feststellen.^ 2. Bei den flächenförmigen dorsiventralen Blättern der untersuchten Monokotylen reagieren sowohl Ober- und Unter- 1 Trotzdem soll die Möglichkeit, daß die untersuchten Blätter auch negativ heliotropisch sind, nicht in Abrede gestellt werden. Vergl. hierüber p. 75. Lichtlage der Laubblätter. OO Seite der Blattfläche als auch di e Blattkante positiv hello tropisch. Trotz des im letzteren Falle ungleich größeren Biegungsvviderstandes ist der Effekt des Kantenheliotropismus mindestens ebenso deutlich, bisweilen noch klarer ausgeprägt als der des Flächenheliotropismus. Der Krümmungseffekt ermöglicht es in diesem Falle natürlich nicht, einen Schluß auf den Grad der heliotropischen Empfindlichkeit zu ziehen, da die schließliche Blattkrümmung durch die Organisation des Blattes wesentlich beeinträchtigt wird. 3. Die Verteilung der heliotropischen Empfind- lichkeit in den Regionen des Blattes ist eine ungleiche. Die Krümmung stellt sich zunächst im apikalen Blatteile ein, obgleich gerade hier, wie ich mich durch Messungen bei Hyacinthus und Amaryllis überzeugte, das Wachstum ein minimales ist, während der am kräftigsten wachsende basale Teil in vollkommen vertikaler Stellung verharrt. Wie aus Messungen in Kantenstellung befindlicher Blätter von Amaryllis vittata hervorgeht, schreitet die heliotropische Krümmung in basipetaler Richtung fort. Diese Blätter zeigen demnach in dieser Beziehung dasselbe Verhalten, welches Rothert für die gleich- falls durch basipetales Wachstum ausgezeichneten Coleoptylen gewisser Gramineen sowie für Blattstiele und Stengel nachwies. 4. Der Flächenheliotropismus kommt unter natürlichen Be- leuchtungsverhältnissen kaum zur Geltung, da er, wie später gezeigt werden wird, durch die Photonastie (siehe p. 82) ver- deckt wird. Unter Umständen kann er jedoch die Wirkung der- selben verstärken oder hemmend beeinflussen. Der Kanten- heliotropismus hingegen äußert sich oft sehr deutlich. Er hat — wie es namentlich bei den untersuchten Pflanzen mit zwei- zeiliger Blattanordnung deutlich wird ■ — die wichtige Aufgabe, die Blätter aus ihrer hisertionsebene gegen das Licht vorzu- schieben. Dafür spricht jedenfalls auch die Tatsache, daß er bei Monokotylen mit geringer Laubentwicklung (Galanthiis, Narzisse) viel schwächer ausgebildet ist, als bei solchen mit einer größeren Blätterzahl, wie Agapaitthus und Clivia. Gerade in diesen Fällen liegt es im Interesse der Lichtökonomie der Blätter, wenn sie aus ihrer Insertionsebene herausgebracht OÖ K. Linsbauer, werden, so daß eine gegenseitige Deckung vermieden wird und sie ein größeres Lichtareale ausnützen können. Bei solchen Pflanzen ist auch — zumal an älteren Stöcken — die V^-Stellung der Blätter völlig undeutlich, was sich in ihrem ganzen Habitus ausprägt. Es ist noch hervorzuheben, daß bisher Kantenheliotropismus sowohl an monokotylen als dikotylen Blättern beobachtet wurde, jedoch stets nur an Pflanzen mit sitzenden oder fast ungestielten, linealen, bandförmigen oder schmal lanzettlichen Blättern. Sollte der Kantenheliotropismus tatsächlich auf derartige Blätter beschränkt sein, dann könnte man in dem Kantenheliotropismus einen Ersatz für gewisse Bewegungen des Blattstiels erblicken, welchen die wichtige Aufgabe zufällt, die Lamina ans Licht zu bringen. 5. Die untersuchten reitenden Blätter sind nur schwach heliotropisch oder für Lichtunterschiede unempfindlich, was begreiflich erscheint, da die in Rede stehenden Pflanzen typische Sonnenpflanzen mit aphotometrischen Blättern repräsentieren. Die Rundblätter zeigten ein verschiedenes heliotropisches Verhalten Geotropismus. Wenngleich die negativ geotropische Empfindlichkeit^ der Blätter als eine durch zahlreiche Beobachtungen sichergestellte Tatsache gelten kann, so bildet doch die Rolle, welche man dem Geotropismus beim Zustandekommen der fixen Lichtlage zuschrieb, einen Gegenstand der Kontroverse. Während de Vries und Wiesner, welche zuerst den Blattgeotropismus eingehender studierten, in der Schwerkraftswirkung einen für die Blattlage maßgebenden Faktor erblickten, wurde von anderer Seite an gewissen Blättern gezeigt, daß diese ihre Lichtlage auch bei Rotation um die horizontale Achse erreichen können (Fr. Darwin, Krabbe u. a.). Aber auch bei ruhender Auf- stellung der Pflanzen wird trotz der verschiedensten Lagen der 1 Auf den positiven Geotropismus der Blätter nehme ich hier iteine Rücksicht, da er hauptsächlich nur an Keimblättern von Palmen und gewissen Liliaceen beobachtet wurde. Siehe hierüber Pfeffer (X, p. 300). Lichtlage der Laubblätter. 57 Blätter zum Horizonte die tixe Lichtlage angenommen, wobei sich ungeachtet der an und für sich ansehnlichen geotropischen Em- pfindlichkeit »einegeotropische Komponente in der schließlichen Lichtlage nicht mehr geltend macht«, das Resultat vielmehr ein derartiges ist, »als ob der Geotropismus gleich Null sei« (Noll). Wenngleich die Berechtigung dieser Auffassung für gewisse Blätter nicht in Abrede gestellt werden soll, so muß es wohl als verfehlt bezeichnet werden, diesen Beobachtungen eine allge- meine Gültigkeit zuzuschreiben, wie schon der eingangs er- wähnte, von Krabbe selbst angestellte Versuch mit Dahlia- Blättern lehrt. Auf Grund sich zum Teile widersprechender Beob- achtungen, welche hauptsächlich an dikotylen Blättern gemacht wurden, ergaben sich hauptsächlich zwei Fragen, welche ich bezüglich des geotropischen Verhaltens der monokotylen Blätter näher zu prüfen hatte: 1. Sind die Blätter der Monokotylen in beträchtlicherem Maße negativ geotropisch? 2. Hat der Geotropismus einen Einfluß auf die Lichtlage derselben? Ich beschränke mich hier darauf, die Versuche zur Beant- wortung der ersten Frage in Kürze mitzuteilen. Die Ent- scheidung der Frage hingegen, ob der Geotropismus in Kom- bination mit anderen Orientierungsbewegungen treten kann, behalte ich mir für den letzten Abschnitt vor. Ich gebe nachfolgend einen kurzen Auszug aus meinem Versuchsprotokoll, wobei ich alle nicht unmittelbar nötigen Daten beiseite lasse. Wenn nicht besonders bemerkt, wurden die Versuche im Dunkeln durchgeführt. Allium Cepa. Blätter sowohl im Dunkeln als auch im Lichte auffallend stark negativ geotropisch. Reaktionszeit* eines zirka lern 1 Dieselbe wurde in folgender Weise annähernd bestimmt: Ein möglichst genau vertikal stehendes Blatt wurde durch Wenden des Topfes in horizontale Lage gebracht und der obere Blattrand auf eine bestimmte Marke des von Wiesner konstruierten Wachstumsmikroskopes eingestellt. Das Blatt senkte 58 K. Linsbauer, langen, kräftig wachsenden Blattes bei Zimmertemperatur jedenfalls unter 33 Minuten. Narcissus poeticus. Starker Flächen- und Kantengeotropismus. Sobald die Lamina die Scheide durchbricht, krümmt sie sich energischer aufwärts als vorher. Die Scheide hebt die geotropische Wirkung ganz oder teilweise auf. ihr Einfluß wird aus folgenden Ver- suchen besonders deutlich. Ragen die Blätter wenige Millimeter über die Scheide hinaus und sind sie mit dieser schwach geotropisch gekrümmt, so nimmt die Aufrichtung fast momentan beträchtlich zu, sobald man die Scheide wegpräpariert. Hat sich hingegen der freie Teil der Blätter nahezu vertikal erhoben, so krümmen sich diese nach Entfernung der Scheide sogar über die Vertikale hinaus. Daraus erhellt, daß der in derselben ein- geschlossene Blatteil durch das Vaginalblatt im Sinne der geotropischen Krümmung gespannt erhalten wird. Galanthus nivalis sowie wenige Zentimeter lange Triebe von Allium Porrum i/erhalten sich im wesentlichen wie Narzissen. Gladiolus. Iris pallida. Die Blätter beider Pflanzen krümmen sich negativ geo- tropisch, gleichgültig, ob sie die Fläche oder die Kante nach oben kehren. Bei Iris, welche bedeutend langsamer reagiert, scheint die Krümmung nach der Kante energischer als nach der Fläche vor sich zu gehen. Ist die äußere Kante nach oben gerichtet, so wird die Vertikale überschritten, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß in diesem Falle der negative Kanten- heliotropismus durch die wahrscheinlich spontan vor sich sich anfangs schnell, dann langsamer infolge des Eigengewichtes. Nach 23 Minuten erreichte es den tiefsten Stand, auf welchem es durch 9 Minuten verharrte, um sich von der 33. Minute an allmählich, später mit großer Geschwindigkeit negativ geotropisch zu erheben. Die Reactionszeit ist demnach jedenfalls kürzer als 33 Minuten. Lichtlase der Laubblätter. ö9 •*& gehende Sichelkrümmung des Blattes, welche ein Konkavwerden des äußeren Blattrandes bewirkt, unterstützt wird. Amaryllis vittata, Agapanthus, Clivia, Imatophyllum. Die Blätter zeigen im Dunkeln und im Lichte sehr kräf- tigen negativen Flächen- und Kantengeotropismus. Deutlicher negativer Geotropismus wurde schließlich noch nachgewiesen bei den Blättern von Hyacinthus orientalis und Allium schoenoprasum. Aus den angeführten Versuchen ergeben sich folgende Sätze: 1. Sämtliche daraufhin untersuchte Monoko- tylenblätter erwiesen sich als negativ geotropisch. 2. Bei den bandförmigen Blättern ist stets Flächen- und Kantengeotropismus nachweisbar. 3. Der ne gative Geotropismus der Monokotylen- blätt er kommt ebenso im Dunkeln u'ie im Lichte zu- stande. 4. Sind Scheidenblätter vorhanden, so hemmen sie in mehr oder minder hohem Maße die geo- tropische Krümmung der von ihnen eingeschlossenen Teile der Laubblätter. Spontane Mutationen, Photonastie. De Vries (XVII) fand bei seinen Untersuchungen über die Richtungsursachen bilateral-symmetrischer Organe die wichtige Tatsache auf, daß deren Unter-, beziehungsweise Oberseite unabhängig von Schwerkraft und Licht ein ver- stärktes Wachstum aufweisen kann, eine Erscheinung, welche er als longitudinale Hyponastie, beziehungsweise longitudinale Epinastie bezeichnete. Als Sachs (XII) die Plagiotropie der Pflanzenteile einer eingehenden Untersuchung unterzog, sah er sich zunächst durch das Verhalten des Thallus von Marchantia veranlaßt, den Begriff »Epinastie« wesentlich zu erweitern, indem er »das durch stärkeres Licht verursachte Ausbreitungsvermögen der 60 K. Linsbauer, Oberseite von Marchantia« als einen Spezialfall der Epinastie hinstellte, »die hier nachweislich eine Lichtwirkung ist«. Wiesner (XVIII, II. T., p. 55) wandte sich gegen die Sachsche Erweiterung des Begriffes »Epinastie« und sprach sich dafür aus, die Termini Epi- und Hyponastie ausschließlich für spontane Nutationen zu reservieren. Eine durch Lichtbewirkte Wachstumsförderung der Thallus- (und Blatt-) Oberseite faßte der genannte Forscher als negativen Heliotropismus auf. Diese Deutung hatte Sachs hauptsächlich deshalb vermieden, weil die Thallusunterseite positiv heliotropisch reagiert und ihm die Annahme, daß sich ein Organ gleichzeitig oberseits negativ, unterseits hingegen positiv heliotropisch verhielte, widersinnig erschien. Wiesner hingegen sah in einem solchen Verhalten umsoweniger eine Unmöglichkeit, als nach seiner Auffassung, die er durch zahlreiche Beobachtungen stützen konnte, jedes Organ aus positiv und negativ heliotropischen Elementen besteht. Bald daraufzeigte Pfeffer, daß das Licht in zweifacher Weise als Bewegungsursache wirksam sein könne: als Helio- tropismus und als Photonastie. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Krümmungen, die äußerlich einander voll- kommen gleichen können, erhellt am besten aus Pfeffers eigenen Worten (X, p. 287): »Indem wir nun, dem üblichen Sprachgebrauche folgend, als Heliotropismus die durch ein- seitigen Lichtangriff erzeugten und in ihrer Richtung hievon abhängigen Bewegungen bezeichnen, sollen die durch sinkende oder fallende, übrigens allseitig gleichmäßige Beleuchtung er- zeugten Bewegungen photonastische genannt werden.« Da Pfeffer die letzteren wie Sachs als spezielle Fälle von Epi- und Hyponastie ansieht, unterscheidet er zwischen Photo- epinastie beziehungsweise Photohyponastie. Da sich eine helio- tropische Krümmung bei einseitig überwiegender Lichtwirkung ein.stellt, Photonastie hingegen ohne Rücksicht auf die Be- leuchtungsrichtung (also auch bei allseits gleicher Beleuchtung) auftritt, sind wir in der Lage, beide Bewegungsursachen auf experimentellem Wege unterscheiden zu können. Wenn wir die Wirkungsweise der Photonastie anerkennen, so folgt daraus — wie Pfeffer selbst betont — keineswegs, daß die dorsi- Lichtlage der Laubblätter. 61 ventralen Organe nicht doch beiderseits ungleich heliotropisch reagieren. Ich werde vielmehr am Schlüsse dieses Abschnittes zeigen, daß es derzeit nicht ausgeschlossen erscheint, daß die Photonastie der Blätter auf ungleiche heliotropische Empfindlich- keit der beiden Blattseiten zurückzuführen ist. So lange hiefür Jedoch ein bindender Beweis fehlt, halte ich es zweckmäßig, strenge zwischen Heliotropismus und Photonastie zu unter- scheiden. Oltmanns hält auf Grund seiner Untersuchungen den Begriff >^ Photonastie« für überflüssig, wie mir jedoch scheint, mit Unrecht. Er sagt (IX, p. 259): »Nachdem ich zeigen konnte, daß alle bis dahin Heliotropismus genannten Vorgänge in erster Linie von der Intensität des Lichtes abhängen, dürfte es zweck- mäßig sein, den Begriff der Photonastie fallen zu lassen«. Durch die Abhängigkeit der heliotropischen Krümmung von der Be- leuchtungsstärke sind aber die Fälle von Photonastie, in welchen Organkrümmungen bei allseits gleichmäßiger Beleuchtung, z. B. bei Rotation um vertikale Achse eintreten, keineswegs er- klärt ; solange aber eine befriedigende Erklärung fehlt, können wir den genannten Terminus nicht vermissen. Was meine eigenen Versuche betrifft, so beanspruchen nur jene mit dorsi- ventralen, mehr oder minder bandförmigen Blättern höheres Interesse. Ich will vorerst die Dunkelversuche an der Hand des Versuchsprotokolls in knapper Form zusammenstellen, wobei ich nur die wichtigeren Daten berücksichtigen will. A. Dunkelversuche. Amaryllis vittata. I. 30. I. EinePnanzemitzweijungenBlättern(12 wm,beziehungs- weise Smm lang), völlig verdunkelt. Blätter vollkommen vertikal. 15. II. Beide Blätter vertikal. 16. II. Das größere Blatt ist infolge seines Eigengewichtes von seiner Basis an stark nach außen geneigt.^ 1 Etiolierte Blätter sind gegen Turgorverluste sehr empfindlich. Ist die liodenfeuchtigkeit eine geringe, so krümmen sich die Blätter in der Zone des 62 K. Linsbauer, 18. II. Das Blatt hat sich vollständig erhoben und steht wieder vertikal. 21. II. Beide Blätter annähernd aufrecht; nur das größere ist infolge Lastwirkung etwas nach außen geneigt. Siehe Abbildung. Taf. II, Fig. 7. II. 16. III. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar mit vier kräftig wachsenden Blättern, welches zu geotropischen Ver- suchen gedient hatte, wird in der Dunkelkammer ver- tikal aufgestellt, so daß die früher geotropisch auf- gerichteten Blätter nahezu horizontal stehen. 17. III. Sämtliche Blätter völlig vertikal aufgerichtet. 6. IV. Je zwei gegenüberstehende Blätter kreuzen einander in folge starker Hyponastie. III. 5. I. Pflanze in schwachem, einseitig einfallendem Lichte. Blätter vertikal mit ihren Oberseiten flach aneinander liegend. Blatt I, 55 mm; Blatt II, 23 mm. 22. I. Blatt I, 205 mm; Blatt II, 148 mm. Schwacher Kanten- heliotropismus. Beide Blätter kreuzen sich infolge Hypo- nastie. 27. I. Blatt I, 309 mm; Blatt II, 229 mm. Blatt I deutlich hypo- nastisch; Blatt II nach außen gekrümmt, wahrscheinlich durch den Druck eines dritten sich entwickelnden und stark hyponastisch gewordenen Blattes. IV. 4. V. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar wird in der Dunkelkammer auf einem Klinostaten mit horizontaler Achse derart fixiert, daß die Topfachse gleichfalls wag- recht steht. Die Pflanze hat zwei gleichlange Blätter entwickelt. stärksten Wachstums (Blattbasis) nach außen. Diese Krümmung ist mit einer epinastischen, welche stets an der Spitze zuerst eintritt, nicht zu verwechseln. Lichtlage der Laubblätter. 63 U.V. Beide Blätter gerade, mit iliren Oberseiten dicht an- einanderliegend. 16. V. Gegenseitige Lage der Blätter unverändert. Es wird ein Blatt entfernt, um dem anderen einen Spielraum zu einer eventuellen Krümmung zu bieten. 17. V. Blatt schwach hyponastisch. 25. V. Hyponastische Krümmung überaus kräftig, auffallend stärker als in allen Fällen, wo der Einfluß der Schwer- kraft nicht ausgeschlossen wurde. ^ö^ Amaryllis formosissinia. V. 11. V. Eine im Dunkeln gezogene Pflanze wird horizontal im Dunkeln rotiert. Das Exemplar besitzt zwei schwach hyponastische Blätter. 13. V. Hyponastie auffallend stärker als in Versuch VI. 16. V. Die hyponastische Krümmung ist so stark, daß sich die Blätter vollständig kreuzen, wodurch ihre morpho- logischen Unterseiten nach oben zu liegen kommen. VI. 16. V. Ein Dunkelexemplar wird ruhend und zwar vertikal im Dunkeln aufgestellt, Blätter aufrecht. 19. V. Blätter deutlich hyponastisch. 30. V. Blätter infoige starker Hyponastie gekreuzt. Hyacinthus candicanSo VII. 24. IV. Eine im Dunkeln angetriebene Zwiebel wird bei vollkommenem Lichtabschlusse kultiviert. Höhe des Triebes (h) 13 mm. 30. IV. Blätter völlig geschlossen. 5. V. h 1= 13^ mm. Trieb vollkommen vertikal. 11. V. h =: 27ömm. Spitze des Triebes schwach hj^ponastisch,^ sonst unverändert. ^ In Bezug auf das äußerste Blatt. 64 K. Linsbauer, 15. V. Versuch photographiert. Siehe Abbildung Taf. III, Fig. 12. 19. V. Blätter noch immer vollkommen geschlossen. Die ganze Pflanze gleicht einem fast Yg ^ langen, gelben Stabe. Der Trieb ist etwas schräge gerichtet. 22. V. // = 510 mm. 29. V.h — 670 mm. 2. VI. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter: 740 inm, 765 mm, 790 m,m. Die äußeren Blätter werden demnach von den inneren überragt, schließen dabei aber dicht aufeinander. Der ganze Trieb erscheint in Form einer steilen Schraube schwach tordiert. Hyacinthus orientalis. VIII. 3. II. Eine unter Erde getriebene Zwiebel wird vollkommen verdunkelt. 17. II. Blätter gerade und aufrecht. 21. II. Einzelne Blüten beginnen sich zu öffnen; sonst unver- ändert. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 6. 1. III. Sämtliche Blätter vertikal oder schwach hyponastisch. Infloreszenz völlig aufgeblüht. Außerdem wurden 10 Dunkelexemplare, teils Erd-, teils Wasserkulturen beobachtet. Die Blätter waren stets aufrecht oder im obersten Teile schwach hyponastisch. Im basalen Teile hingegen nimmt man nicht selten eine schwache Krümmung im Sinne einer Epinastie wahr. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dieselbe nicht allein durch den Druck der sich entwickelnden Infloreszenz bedingt wird, welche die Blätter etwas auseinander drängt. Von anderen Pflanzen, deren Verhalten im Dunkeln und im Lichte vergleichsweise untersucht wurde, seien in Kürze noch folgende angeführt. Galanthus nivalis. Versuchsdauer vom 17. II. bis 17. III. Die Blätter eines Dunkelexemplares sind völlig vertikal (das Scheidenblatt Lichtlage der Laubblätter. DO erreichte in diesem Falle eine Länge von 2d mm); mehrere andere Individuen zeigten schwach aber deutlich hyponastische Blätter. Wiesner beobachtete bei derselben Pflanze, daß ihre Blätter im Dunkeln, unter sonst günstigen Umständen zufolge kräftiger Hyponastie einander kreuzten und ihre morphologischen Unterseiten nach oben kehrten. Die geringe Tendenz zur hyponastischen Krümmung der Blätter, welche sich in meinen Versuchen zeigte, ist wahrscheinlich auf das ziemlich kümmerliche Gedeihen zurückzuführen, welches meine Galanthusexemplare aus mir unbekanntem Grunde durchwegs zeigten. Der Grad der Hyponastie hängt vermutlich mit der Wachstumsintensität ebenso zusammen, wie es Wiesner für die »variable« Epinastie nachwies. Clivia nobilis, Agapanthus umbellatus. Blätter aufrecht oder schwach hyponastisch. Ophiopogon muscarioides. Versuchsdauer 5. II. bis 1. III. Die jüngsten mir zu Gebote stehenden Blätter waren bereits schwach epinastisch. Zu Ende des Versuches schlössen die gegenständigen Blätter, welche bereits eine Länge von SO cm. erreicht hatten, miteinander einen Winkel von etwa 10° ein. Die Neigung der Blätter war dem- nach während der ganzen Versuchsdauer annähernd dieselbe geblieben. Aus den angeführten Versuchen ergibt sich zunächst, daß im Dunkeln niemals eine autonome Epinastie zii beobachten ist. Die Blätter der Dunkelpflanzen nehmen vielmehr eine verükale Lage ein oder zeigen in mehr oder minder hohem Grade die Tendenz zur hyponastischen Krümmung. In den extremsten Fällen geht die Hyponastie soweit, daß die morphologische Blattunterseite nach oben zu liegen kommt. Natürlich wirkt Licht, dessen Intensität unter einem bestimmten Minimum liegt, wie Dunkelheit, was durch Versuch III bestätigt wird. Die hyponastische Krümmung kann jedenfalls durch den negativen Geotropismus der Blätter beeinflußt werden. Wenigstens zeigte der mit AmaryUis durchgeführte Rotations- Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIIL Bd., Abt. I. 5 66 K. Lins bau er, versuch (IV, V), daß die Hyponastie bei Aufhebung der ein- seitigen Schwerkraftswirkung bedeutend energischer zum Aus- drucke kam. Das Auftreten einer hyponastischen Krümmung, welche ihren Anfang stets an der Blattspitze nimmt, kann auch durch die gegenseitige Hemmung gegenüberstehender Blätter verhindert werden. Daß die Blätter der genannten Pflanzen sich gerade im Dunkeln häufig hyponastisch krümmen, ist vom teleolo- gischen Standpunkte leicht zu verstehen. Infolge der Konvex- krümmung der Blattunterseiten werden die Blätter dicht anein- ander gepreßt, wodurch sie vielleicht befähigt werden, den Boden leichter zu durchdringen, um das Licht zu erreichen, unter dessen Einfluß sie sich durch entgegengesetzte Krümmung so ausbreiten, daß sie ihre Oberseite den Lichtstrahlen dar- bieten. Der Lichtgenuß ist in diesem Falle Zweck und gleich- zeitig Ursache der Konvexkrümmung der Blätter. Daß diese durch das Licht in erster Linie bewirkt wird, lehrt schon der Vergleich der Dunkelpflanzen mit im Lichte kultivierten Exemplaren. Hier stehen die Blätter niemals verti- kal, sondern stets mehr oder minder stark nach außen geneigt, in vielen Fällen überdies bogenförmig derart gekrümmt, daß die Blattoberseite zur Konvexseite wird. Ausgesprochene Bei- spiele hiefür sind AinarylUs, Clivia, Agapanthtis u. v. a. Die Frage ist nur, welcher Art die Lichtwirkung ist, welche diese Bogenkrümmung hervorruft. Von vorneherein sind ver- schiedene Möglichkeiten denkbar. Da die Blattunterseite nach- weislich positiv heliotropisch ist, könnte die Konkavkrümmung dieser Seite, welche an aufrechten Blättern die stärker beleuchtete ist, auf positiven Heliotropismus zurückzuführen sein. Ein negativ heliotropisches Verhalten der Blattoberseite gegenüber dem Zenithlichte würde eine gleichsinnige Krümmung zur Folge haben. Durch ein solches Zusammenwirken von positivem und negativem Heliotropismus erklärte auch Wiesner die bogen- förmige Krümmung der Blätter von Galanthtis nivalis im Lichte. Es ist aber auch möglich, daß das Licht nicht orientierend wirkt, sondern vielmehr die Blattoberseite zu stärkerem Wachs- tume disponiert. Eine infolgedessen eintretende Blattkrümmung ist aber nach dem herrschenden Sprachgebrauche nicht als Lichtlage der Laubblätter. 67 Heliotropismus, sondern als Photonastie, genauer Photoepi- nastie zu bezeichnen. Zur Entscheidung der Frage, sowie zur näheren Kenntnis des Krümmungsverlaufes wurden nach- stehende Versuche durchgeführt. B. Versuche im diffusen Lichte. Amaryllis vittata. I. 22. I. Ein Exemplar mit vier kräftig wachsenden Blättern wird ruhend in der Weise aufgestellt, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter parallel zur Fensterebene orientiert ist. Richtung des stärksten diffusen Lichtes schräg von vorne und oben. 5. II. Sämtliche Blätter deutlich im Sinne einer Epinastie gekrümmt; überdies macht sich schwacher Kantenhelio- tropismus bemerkbar. 21. IL Die epinastische Krümmung hat bedeutend zugenommen, sonst unverändert. Taf. II, Fig. 8. II. 22. I. Eine vierblätterige Pflanze wird auf einen Klinostaten mit vertikaler Achse aufgestellt, um eine allseits gleiche Beleuchtung zu erzielen. Rotationsgeschwindigkeit: eine Umdrehung pro Stunde. Knapp über den Blattspitzen ruht auf zwei Stäben gestützt ein umgestülpter Blumen- topf, dessen Abflußöffnung verkittet ist. Die Pflanze ist auf diese Weise einem allseits gleichen, ziemlich kräf- tigen Vorderlichte ausgesetzt, während das Oberlicht annähernd abgeblendet wird. Mit zunehmender Blatt- länge wird der übergestülpte Topf allmählich ent- sprechend gehoben. Nachdem die Blätter weiter ausein- andergerückt waren, als der Durchmesser des Topfes betrug, wurde er durch einen vor Oberlicht schützenden Karton ersetzt. 3. II. Blätter schwach epinastisch. 5* 68 K. Linsbauer. 5. IL Blätter deutlich bis zur Basis epinastisch. 17. II. Epinastie überaus deutlich, etwas stärker als im vorigen Versuche nach derselben Zeit, 21. II. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 9. III. 22. I. Zweiblätterige Pflanze ruhend aufgestellt. Um das Vorderlicht auszuschließen, wird über die Pflanze ein oben offener Zylinder aus schwarzem Papier gestülpt, der die Blätter etwas überragt. Die Pflanze wird somit aus- schließlich vom Oberlichte getroffen. Da die vertikal stehenden Blätter annähernd parallel zu den einfallenden Lichtstrahlen orientiert sind, genießen sie nur ein Mini- mum des einstrahlenden Lichtes. 3. II. Beide Blätter völlig vertikal. 5. IL Das längere Blatt an der Spitze schwach epinastisch, das kürzere völlig vertikal. 17. IL Keine Spur einer epinastischen Krümmung erkennbar. 19. IL Beide Blätter an der Spitze äußerst schwach epinastisch. 23. IL Im wesentlichen unverändert. 25. IL Das längere Blatt (derzeit 33 cm) zeigt an der Spitze äußerst schwache Epinastie; das kürzere Blatt (Länge 24 cni) ist völlig vertikal. IV. 1 25. IV. Einer im Dunkeln gezogenen Pflanze wird ein Blatt ab- geschnitten und nur eines belassen, worauf sie im Lichte um eine vertikale Achse rotiert wird. Ober- und Unter- seite genießen in diesem Falle gleich viel Licht im Gegen- satze zu dem Rotationsversuch II, bei welchem die Blatt- unterseiten jedenfalls im Lichtgenusse bevorzugt waren. 30. IV. Das Blatt ist bereits deutlich epinastisch geworden. Wie aus Versuch III hervorgeht, kann die Ausbreitung und bogenförmige Krümmung der Blätter nicht auf ein negativ 1 Dieser, wie ich glaube, sehr wichtige Versuch wurde mehrfach wieder- holt, stets mit gleichem Erfolg. Lichtlae;e der Laubblätter. 69 ••o heliotropisches Verhalten derselben gegenüber dem Oberlichte zurückgeführt werden. Dagegen könnte allerdings der Einwand geltend gemacht werden, daß die Intensität des die Blätter treffenden Lichtes im Versuche zu gering war, um eine negativ^ heliotropische Krümmung auszulösen. Eine Verstärkung des Oberlichtes wäre nur in der Weise durchführbar gewesen, daß der Durchmesser des die Pflanze umgebenden Zj'linders ver- größert worden wäre, wodurch sich aber der Einfluß des Seiten- lichtes, dessen Intensität gleichfalls gestiegen wäre, störend bemerkbar gemacht hätte. Die Wirkungsweise des Oberlichtes mußte sich aber auch aus dem Vergleiche des Verhaltens ergeben, welches Pflanzen erkennen ließen, die im Gesamtlichte gezogen wurden, gegenüber solchen, welche ausschließlich im Genüsse des Vorderlichtes standen. Aus dem Vergleiche der Ver- suche I und II geht nun hervor, daß die Blattkrümmung bei Aus- schluß von Oberlicht keineswegs einen geringeren Grad erreichte, daß diese mithin nicht auf ein negativ heliotropisches Verhalten der Blattoberseite zurückgeführt werden kann. Daß die Bogen- krümmung in Versuch II sogar eine stärkere war als in I, erklärt sich wohl hinreichend daraus, daß die Blätter im letzteren Ex- perimente ihre Schmalseite dem stärksten Lichte zuwandten, während bei dem rotierenden Exemplare sämtliche Blattunter- seiten vom Vorderlichte gleich stark getroffen wurden. Aus diesem Versuche könnte der Schluß gezogen werden, daß die Blattkrümmung auf positivem Heliotropismus beruht, da infolge der Rotation die Blattunterseiten gegenüber der morpho- logischen Oberseite im Lichtgenusse begünstigt waren und tat- sächlich die stärker beleuchtete Unterseite konkav gegen das Licht krümmten. Die Entscheidung der Frage bringt Versuch IV, der unzweifelhaft beweist, daß sich die Oberseite des Blattes auch in dem Falle konvex krümmt, wo beide Blattflächen genau gleich intensiv beleuchtet werden. Ein Organ aber, das sich bei allseits gleicher Beleuchtung stets in einem bestimmten Sinne krümmt, wird als photonastisch bezeichnet. Die Photonastie oder — da stets die Oberseite zur konvexen wird — genauer Photoepinastie der Blätter findet überdies darin ihre Bestätigung, daß — eine entsprechende Lichtintensität vorausgesetzt — die Krümmung stets in gleicher Weise erfolgt, ob die Unter- oder 70 K. Linsbauer, die Oberseite oder auch die Blattkante dem stärkeren Lichte exponiert ist. Um das Verhalten anderer Monokotyler im Lichte kennen zu lernen, wurden noch folgende Versuche aufgestellt. Hyacinthus candicans. V. 24. IV. Die Pflanze rotiert im Lichte um vertikale Achse. Höhe (h) 23 fnm. 30. IV. Das erste Blatt beginnt sich zu entfalten; nahezu ver- tikal, nur eine Spur hyponastisch. L V. /j = 85 inm. 5. V. h =z 150 mm. Sämtliche Blätter entfalten sich. 11. V. Ä iir SOOmm. Blätter stark epinastisch, jedoch schwächer als im folgenden Versuche. 15. V. Versuch photographiert. Taf. III, Fig. IL 19. V. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter: 410 mm, 500 mm, 500 wm. 29. V. Länge der ersten vier Blätter: 470mm, 660 wm, 600 mm, 660 mm. 2. VI. Länge der ersten vier Blätter: 480 mm, 730 wm, 645 mm, 740 mm. VI. 24. IV. Die Pflanze rotiert im Lichte um horizotale Achse. Höhe der Pflanze 14 mm.. 30. IV. Stark hyponastisch. 1. V. hz=.70mm. Deutliche Hyponastie. Die Krümmung ver- läuft derart, daß die Konkavität des Triebes nach vorne und gegen links (in Bezug auf das äußere, die übrigen Blätter umschließende Blatt) gerichtet ist. Vielleicht wird die Krümmung durch die Hyponastie der jüngeren Blätter beeinflußt. 5. V. h zzz 142 mm. Beginn der Blattentfaltung. 11. 'V.h=z 280 mm. Blätter stark im Sinne einer Epinastie gekrümmt. Lichtlasre der Laubblätter. 7 1 ^ö 15. V. Die Blattkrümmung unvergleichlich stärker als im vorigen Versuche. Taf. III, Fig. 10. 19. V. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter: 400 mm, 410 mm, 420 mm. 29. V. Länge der ersten vier aufeinanderfolgenden Blätter: 480 mm, 560 m.m,, 540 m,m., 540 mm. 2. VI. Länge der ersten vier aufeinanderfolgenden Blätter: 500 mm, 600 mm, 640 mm, 660 mm. Hyacinthus orientalis. VII. 3. II. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar ruhend im Lichte aufgestellt. 17. II. SämtUche Blätter mit Ausnahme der beiden jüngsten an der Basis deutlich nach außen gekrümmt; an der Spitze zum Teil hyponastisch. 21. II. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 5. VIII. 3. II. Wasserkultur ruhend im Lichte aufgestellt. 17. II. Blätter an ihrer Basis nach außen gekrümmt, sonst gerade oder im obersten Teile schwach hyponastisch. 4. III. Blattkrümmung verstärkt, sonst unverändert. Eine große Anzahl von Topf- und Wasserkulturen von Hyazinthen, deren Verhalten im Lichte ich genauer verfolgte, ergab stets dasselbe Resultat. IX. 7. I. Eine im Dunkeln angetriebene Pflanze rotiert im Lichte vertikal um ihre eigene Achse. 14. I. Beginn der Blattentfaltung. 27. I. Alle Blätter krümmen sich an der Basis nach außen, während sie im oberen Teile ziemlich stark hyponastisch gekrümmt sind. 5. II. Im wesentlichen unverändert. 72 K. Linsbauer. Eine nur im Lichte auftretende, im Sinne einer Epinastie verlaufende Blattkrümmung konnte noch bei folgenden Pflanzen beobachtet werden: Clivia, Imatophylluni, Agapanthiis, Ophio- pogon, Narcissiis, Galanthiis. Die Stärke der Krümmung hängt wohl auch mit der Wachtumsintensität der Blätter zusammen. Während die Blätter meiner im Lichte kultivierten GaJantkiis- Exemplare miteinander einen Winkel von zirka 30° bildeten, sind die Blätter von Freilandexemplaren oft so stark gekrümmt, daß sie miteinander einen Winkel von 180° einschließen. Bei den Monokotylen mit radiären oder isolateralen Blättern vom Typus Iris war im Lichte niemals eine andere als helio- tropische Krümmung nachweisbar. Aus der Tatsache, daß die bandförmigen Monokotylenblätter sich im Li chte stets und unabhängig von dessen Einfallsrichtung nach außen krümmen, die Oberseite also der Gegenseite im Wachstum vor- auseilt, ergibt sich unzweifelhaft, daß diese Blattkrümmungen ebenso wie bei Amaryllis auf Photoepinastie zurückzuführen sind. Die Photoepinastie stellt demnach jedenfalls einen der wichtigsten Faktoren für das Zustande- kommen der Lichtlage bandförmiger Monokotylen- blätter vor. Auf die Frage, ob und wie sie sich mit anderen orientierenden Kräften kombiniert, will ich im letzten Abschnitte eingehen. Bezüglich des Verlaufes der Photonastie sei nur hervor- gehoben, daß bei allen sich bogenförmig krümmenden Blättern stets beobachtet werden konnte, daß die photonastische Krümmung in einem bestimmten Entwicklungsstadium, und zwar immer an der Blattspitze, also in einem nahezu aus- gewachsenen Blattteile ihren Anfang nimmt und allmählich in basipetaler Richtung fortschreitet, mithin demselben Gesetze folgt, welches Seh wendener und Krabbe für die Torsionen, Rothert für die hello- und geotropische Krümmung aufstellte. Anders scheinen sich die Pflanzen zu verhalten, deren gerade oder an derSpitze schwach hyponastische Blättersich schon von der Basis an in schräger Richtung nach außen neigen, wie z. B. HyacintJiiis orientalis. Da ich erst zu spät auf dieses ab- weichende Verhalten aufmerksam wurde, meine Beobachtungen hierüber infolgedessen nur spärlich sind, will ich einstweilen auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen. Lichtlas:e der Laubblätter. 73 'o Im Laufe meiner Versuche kam ich überhaupt immer mehr zu der Überzeugung, daß es zunächst erforderUch ist, die Photonastie der Blätter eingehender, als es bisher geschehen ist, zu studieren, ehe das Problem des Zustandekommens der Lichtlage befriedigend gelöst werden kann. Es ist weder die Verbreitung der Erscheinung hinreichend bekannt, noch ist das Wesen derselben hinlänglich erforscht. Ich habe bisher in der üblichen Weise zwischen heliotropischer und photo- nastischer Krümmung unterschieden, doch halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß sich die photonastische Krümmung auf eine Eorm der heliotropischen zurückführen läßt. Es wurde bereits oben gezeigt, daß sowohl der Ober- als auch der Unterseite monokotyler Blätter positiver Helio- tropismus zukommt. Nach unseren Erfahrungen ist anzu- nehmen, daß die heliotropische Empfindlichkeit auch bei hohen Lichtintensitäten erhalten bleibt. Ist dies der Fall, so muß eine positiv heliotropische Krümmung der Blattoberseite der Photo- epinastie — ich behalte einstweilen diesen Terminus bei — entgegenwirken, während positiver Heliotropismus der Blatt- unterseite eine Verstärkung derselben bewirken muß. Orientiert man nun eine Amaryllis derart, daß die gemeinsame Median- ebene der Blätter senkrecht gegen die Ebene eines Fensters gerichtet ist, so zeigt tatsächlich das vordere auf seiner Rück- seite vom Lichte getroffene Blatt eine weitaus stärkere Krüm- mung als das gegenüberstehende, oberseits stärker beleuchtete Blatt. Auch die Tatsache, daß auf der Unterseite beleuchtete Blätter in der Medianebene stärker gekrümmt erscheinen als solche, deren Kanten intensiver als die Fläche beleuchtet sind, macht es wahrscheinlich, daß der positive Flächenheliotropismus eine Rolle bei der Krümmung in intensivem Lichte spielt. Esistaber nicht ausgeschlossen, daß dieBlattkrümmungder Monokotylen ausschließlich durch positiven Heliotropismus bewirkt wird.^ Die Annahme, daß ein morphologisch dorsi- ventrales Blatt sich auch physiologisch dorsiventral verhält. I Ich sehe bei dem folgenden Erklärungsversuch von Gewebespannung, Schvverkraftswirkung und anderen Faktoren, welche die Krümmung beeinflussen und komplizieren, völlig ab. 74 K. Linsbauer, isc sehr naheliegend. Denken wir uns nun die Blattunterseite bedeutend stärker positiv heliotropisch als die Oberseite, so lassen sich leicht die Blattkrümmungen auch ohne Zuhilfe- nahme einer Photonastie erklären. Wird eine Blattunterseite beleuchtet, so findet infolge des positiven Heliotropismus eine Krüm-mung zum Lichte statt. Daß ein solches Blatt jedoch nicht seine Gleichgewichtslage findet, wenn es in die Richtung der Lichtstrahlen kommt, kann auf der ungleichen heliotropischen Empfindlichkeit beider Blatt- seiten beruhen, was bereits an anderer Stelle (siehe p. 50) näher auseinandergesetzt wurde. Ist die Blattoberseite gegen die Lichtquelle gewendet, so wird die Blattkrümmung je nach der gleichzeitigen Beleuchtung der Blattunterseite verschieden groß sein. Der Krümmungs- effekt hängt von der heliotropischen Differenz der beiden Blatt- seiten ab, d. h. es kann die heliotropische Krümmung der Blatt- Unterseite kleiner, gleich oder größer sein als die der Gegen- seite; demzufolge wird sich das Blatt mit der Oberseite (konkav) gegen die Lichtquelle wenden, eine aufrechte Lage einnehmen oder sich vom Lichte wegwenden (Oberseite konvex).^ Alle diese Möglichkeiten waren tatsächlich in den Versuchen realisiert. Wurde ein Amaryllis-B\a.tt im heliotropischen Kasten mit seiner Oberseite parallel zum Spalt so orientiert, daß dabei die Intensität des die Rückseite treffenden Lichtes gleich Null gesetzt werden kann, so krümmte sich das Blatt mit der Ober- seite konkav gegen den Spalt.^ Wurde eine Pflanze im starken diffusen Lichte so orientiert, daß die Blattoberseite gegen das stärkere Licht gewendet war, während die Unterseite durch lose angebundenes schwarzes Papier annähernd verdunkelt wurde, so blieb das Blatt aufrecht oder es bildete die Blatt- oberseite einen nur schwach konvexen Bogen. Wurde hingegen das Blatt um 180° gewendet und statt der Unterseite die Ober- seite von schwarzem Papier bedeckt, so trat eine auffallend starke Konvexkrümmung der Blattoberseite ein. Wird endlich 1 Vergl. Pfeffer (X, p. 291). 2 Es bleibt allerdings zu untersuchen, ob ein Blatt sich auch dann so verhält, wenn die Blattunterseite völlig verdunkelt wird, während die Oberseite kräftiger Beleuchtung ausgesetzt wird. Lichtlage der Laubblätter. 7o Ober- und Unterseite des Blattes in gleicher Weise beleuchtet, wie es bei Rotation um die eigene Achse der Fall ist, so müßte stets die heliotropische Krümmung der Blattunterseite über- wiegen, was auch durch das Experiment bestätigt wird (vergl. Versuch IV, p. 68). Ich will mit diesen Ausführungen nur die Möglichkeit betonen, daß die Photonastie der Blätter auf positiven Helio- tropismus zurückgeführt werden kann;^ zu einem Beweise reichen meine wenigen Versuche nicht hin. Diese Möglichkeit ist übrigens nicht die einzig denkbare. Sämtliche oben ange- führte Krümmungserscheinungen der Blätter lassen sich unschwer auch durch die Annahme erklären, daß die Blattober- seite negativ, die Unterseite positiv heliotropisch ist, eine Annahme, der bereits Wiesner durch eine große Reihe von Beobachtungen und Experimenten Wahrscheinlichkeit verlieh. Aus diesen Überlegungen geht hervor, daß der so oft gebrauchte Terminus »Photonastie« keineswegs hinreichend präzisiert ist. Ich behalte mir vor, spezielle Versuche über diesen Gegenstand anzustellen. 'ö^ Torsionen. Unter den Torsionen monokotyler Blätter erregten haupt- sächlich jene Fälle das Interesse des Physiologen, bei welchen erst durch die sich im Laufe der Entwicklung regelmäßig einstellende Drehung die normale Blattlage erreicht wird, wie es z. B. bei Alstroemeria und einer Reihe anderer Pflanzen der Fall ist. Über dieses eigentümliche Verhalten wurden bereits mehrfach spezielle Untersuchungen angestellt,^ weshalb ich hier nicht näher darauf eingehe. Es gibt aber auch noch andere regelmäßig in einem be- stimmten Entwicklungsstadium auftretende Torsionen, welche mit der Blattlage in keiner Beziehung stehen. So führt z. B. Kern er in seinem »Ptlanzenleben« (I. Band, p. 398) eine 1 In ähnlicher Weise führt auch Wiesner die Photonastie auf ungleiche heliotropische Krümmungsfähigkeit oder auf ungleichseitiges Wachstum helio- tropisch empfindlicher Organe zurück (XXIV, p. 298, Anmerkung). 2 Literatur bei Goebei, Organographie, p. 495. 76 K. Linsbauer, Reihe von Pflanzen mit bandförmigen Blättern an, welche er bezeichnend als Schraubenblätter zusammenfaßt, da sie stets schraubenförmig gedreht erscheinen. Bald lassen sie nur Y, bis 1 Schraubengang erkennen, wie Phormiuni tenax, Aspho- delus albus und Narzissen, bald zeigen sie 2 bis 3 volle Um- drehungen wie Typha aiigtistifolia und gewisse AUiiim- Arien. \n seltenen Fällen — bei Sternhergia Chisiana und stipitata — zählte Kern er sogar 3 bis 6 Schraubengänge. Die Zahl derartiger Monokotylen ließe sich leicht vermehren. Ich verfolgte nur das Verhalten der Narzissen etwas eingehender und fand, daß in einem gewissen Ent- wicklungstadium sämtliche Blätter meiner Versuchspflanzen sowohl im Dunkeln als auch im Lichte stets im gleichen Sinne, und zwar von links nach rechts tordierten; dabei war es gänz- lich belanglos, ob ursprünglich die Ober- oder Unterseite oder eine Kante dem Lichte zugekehrt war. War z. B. eine Topf- pflanze so gegen das Licht orientiert, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter parallel zur Ebene des Fensters stand, mithin die eine Hälfte der Blätter ihre linke, die andere ihre rechte Kante dem Lichte zuwendete, so richteten bei eintretender Torsion diese ihre Oberseite, jene ihre Unterseite gegen das Licht. (Taf. I, Fig. 2.) Ich beobachtete überdies eine große Indi- viduenzahl mehrerer Narzissenarten (N. poeticiis, N: Jonqnilla) im Freien unter den verschiedensten Beleuchtungsverhältnissen, fand aber niemals eine Ausnahme bezüglich der eingeschla- genen Torsionsrichtung. Daraus erhellt, daß das Licht in diesen Fällen weder auf das Zustandekommen einer Torsion, noch auf die Richtung derselben Einfluß nimmt. Herr Hofrat Wiesner hatte die Güte, mir einen ähnlichen Fall mitzuteilen, den er an einer Allium-Art aus der Ver- wandtschaft von Alliiini Porrmn, welche massenhaft in den Weingärten in der Umgebung von Miramare bei Triest auftrat, wahrscheinlich Allium Ampelopvastim beobachtete. Auch hier war die Torsionsrichtung der Blätter, obgleich gegen hundert Individuen daraufhin untersucht wurden, stets konstant, und zwar entgegengesetzt der Richtung des Uhrzeigers. Ich habe zwar Narzissen bei Ausschluß der Schwerkrafts- wirkung nicht untersucht, glaube jedoch, daß von vorneherein Lichtlage der Laubblätter. 77 in solchen Fällen, wo Torsionen sowohl im Dunkeln als auch unter den verschiedensten Beleuchtungsverhältnissen stets in gleichem Sinne verlaufen, an der spontanen Natur derselben nicht zu zweifeln ist. Denn daß diese Torsionen eine Wirkung der Schwerkraft darstellen, ist mindestens höchst unwahr- scheinlich, da sich dieselbe infolge der hemiorthotropen Lage der Blätter auf die symmetrischen Laminarhälften in gleicher Weise äußern dürfte, so daß kein Torsionsmoment auftreten kann. Diese in einem gewissen Entwicklungsstadium regel- mäßig auftretenden, wahrscheinlich spontanen Blattdrehungen bieten natürlich für das Studium der Lichtlage weniger Interesse als solche Torsionen, welche Blätter, die in eine ab- norme Lage zum Lichte gebracht wurden, ausführen, um ihre normale Orientierimg zu demselben zu gewinnen. Derartige Torsionen sind unter normalen Verhältnissen bei den in der vorliegenden Untersuchung behandelten, ver- hältnismäßig stumpf reagierenden Monokotylen jedenfalls in viel untergeordneterer Weise an der Gewinnung der fixen Lichtlage beteiligt, als bei Dikotylen, wo sie bekanntlich über- aus häufig die Lage der Blätter beeinflussen. Unter Umständen jedoch greifen regelmäßig auch Torsionen in die Orientierungs- bewegungen der Monokotylenblätter ein. Ein solcher Fall muß z. B. dann eintreten, wenn die Blätter infolge ihres Kanten- heliotropismus aus ihrer Infoliationsebene gebracht wurden. Derartige Blätter können eine so energische Sichelkrümmung erfahren, daß die konvexe Kante zum Teil nach oben zu liegen kommt; sie müssen sich demnach, um ihre normale Orientierung zu erreichen, so weit drehen, bis ihre Oberseite nach oben gerichtet ist, womit die normale hemiorthotrope Lage erreicht wird und sie wieder in den Genuß des Oberlichtes kommt. Über das Zustandekommen solcher Orientierungs- torsionen gehen die Anschauungen der einzelnen Forscher weit auseinander, worauf ich jedoch hier nicht näher ein- zugehen brauche, da dieser Gegenstand in neuerer Zeit von Schwendener und Krabbe ausführlich dargestellt wurde. Obgleich ich über diesen Gegenstand eine große Anzahl von Versuchen durchführte, will ich mich darüber doch ganz 78 K. Linsbauer, kurz fassen, da meine bisherigen einschlägigen Beobachtungen zu einer vollkommen befriedigenden Lösung dieser Frage bezüglich der untersuchten Monokotylen nicht ausreichen. Ich will vorläufig nur konstatieren, daß die Blatt- torsionen jedenfalls auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden können. Legt man eine Amaryllis mit entsprechend langen, vertikal stehenden Blättern derart horizontal, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter gleichfalls wagrecht zu liegen kommt, so beobachtet man, daß die Blätter augen- blicklich in der Weise tordieren, daß sie ihre Oberseiten nach oben zu wenden bestrebt sind. Die mit ihrer rechten Flanke nach oben gerichteten Blätter drehen sich mithin von links nach rechts, die entgegengesetzt orientierten von rechts nach links. Wendet man den Topf um 180°, so erfolgt die Torsion im entgegengesetzten Sinne, so daß wieder die Oberseite sich zenithwärts zu drehen strebt. Daraus erhellt, daß diese Torsion durch eine Lastwirkung verursacht wird, welche auf die ungleiche Verteilung der Blattsubstanz zurück- zuführen ist. Läßt man nun eine solche Pflanze in der hori- zontalen Lage stehen, so bleibt nach zirka 24 Stunden die Torsion erhalten, selbst wenn man jetzt den Topf um 180° wendet; die Torsion ist offenbar durch Wachstum fixiert worden. Man könnte sie in Analogie zu einem von Wiesner geschaffenen Terminus (XXIII) als vitale Lasttorsion be- zeichnen. Lastwirkung allein vermag jedoch den ganzen Verlauf der Torsion nicht zu erklären. Beobachtet man nämlich im diffusen Oberlichte eine in der oben bezeichneten Weise hori- zontal gelegte Pflanze durch einige Tage hindurch, so bemerkt man, daß sich ihre Blätter zufolge ihres Kantengeotropismus in mehr oder minder starkem Maße aufrichten, während sie sich gleichzeitig photonastisch nach außen krümmen. Dabei nimmt die Blatttorsion solange zu, bis die Blattoberseite genau zenith- wärts orientiert ist. Diese Verstärkung der Torsion kann kaum mehr der Lastwirkung zugeschrieben werden. Aber auch aus einem zweiten Versuche erhellt, daß bei den Torsionen der monokotylen Blätter noch andere Ursachen im Spiele sein können. Wenn man ein im Dunkeln getriebenes Lichtlage der Laubblätter. 79 "o Kxemplav von Am aryllts vif tat a im Lichte um seine eigene Achse horizontal rotleren läßt, so werden die Blätter, wie vorauszu- sehen, photonastisch, führen dabei aber, wie zu erwarten, keiner- lei Torsionen aus. Bedeckt man jedoch die eine Blatthälfte auf ihrer Unterseite durch lose aufgelegtesschwarzesPapier, so stellt sich bald eine Drehung des Blattes ein, welche vermutlich auf die ungleiche Lichtwirkung zurückzuführen ist. Trotzdem möchte ichdieseTorsion nichtalseine heliotropische bezeichnen, neige vielmehr der Ansicht zu, daß sie die Folge der auf beide Blatthälften ungleich stark einwirkenden Photonastie ist, womit natürlich die Existenz heliotropischer Torsionen überhaupt, auf deren Wirksamkeit bereits Wiesner, Vöchting u. a. auf- merksam machten und deren Existenz später von Schw en- de ner und Krabbe eingehend erwiesen wurde, nicht ge- leugnet werden soll. Leider mußten meine Versuche über dieses Thema infolge vorgeschrittener Jahreszeit abgebrochen werden, so daß die erwähnten Ergebnisse nur als vorläufige gelten können. ö Das Zustandekommen der fixen Lichtlage. Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten das Ver- halten einiger Monokotylenblätter gegenüber den hauptsächlich in Betracht kommenden Orientierungsursachen untersucht wurde, ist es möglich, eine Vorstellung über das Zustande- kommen der fixen Lichtlage dieser Blätter zu gewinnen. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen dem Verhalten aphotometrischer und photometrischer Monokotylenblätter. Zu den ersteren, welche nach Wiesner (XX) dadurch charakteri- siert sind, daß ihre Lage — mithin auch ihre Lage zum Lichte — von diesem nicht beeinflußt wird, gehören u. a. die Blätter im Lichte getriebener Zwiebeln von Allium Cepa'^ und Iris. Die Lage derselben ist allein durch innere Wachstumsursachen und durch Gravitationswirkungen bedingt. Ihrem aphotometrischen 1 Daß aphotometrische Blätter bei einseitiger Beleuchtung Spuren von Heliotropismus zeigen können, wie es bei yl///«w-Blättern der Fall ist, führt auch Wies ner a. a. 0. an. 80 K. L i n s b a u e r, Charakter entsprechend weisen sie einen radiären oder isolate- ralen Bau auf. Die Blätter sämtlicher übrigen untersuchten Monokotylen sind in Beziehung auf ihre Lichtlage als panphotometrisch zu bezeichnen, indem sie zwar auf das Licht in irgend einer Weise reagieren, sich dabei aber nicht senkrecht zur Richtung des stärksten Lichtes stellen, dem intensivsten Lichte vielmehr durch ihre Lage ausweichen. Den einfachsten Fall repräsen- tieren die in ausgezeichneter Weise heliotropisch empfind- lichen Rundblätter von Alliiim sckoenoprasitin. Zu den bereits oben genannten orientierend wirkenden Ursachen kommt bei diesen noch die Lichtwirkung hinzu, welche sich in einer helio- tropischen Blattkrümmung äußert. Kommt die einseitige Wirkung des Lichtes nicht zur Geltung, was auf dem, natür- lichen Standorte dieser Pflanze häufig der Fall sein dürfte, dann nähern sich diese Blätter in Bezug auf ihr Verhalten bei Er- reichung ihrer Lage zum Lichte dem oben angeführten Typus aphotometrischer Blätter. Die Blätter vom Typus der Hyacinthe stellen sich auch bei allseitig gleicher Beleuchtung schräg nach außen, so daß ihre Blattlamina mit der Vertikalen nur- einen kleinen Winkel ein- schließt; infolgedessen genießen die Blätter nur einen Bruchteil des diffusen Zenitlichtes, welches nach, den Untersuchungen Wiesners das Vorderlicht beträchtlich an Intensität übertrifft. Aber auch dieses können sie infolge ihrer Lage nicht voll aus- nützen, so daß ihnen nur ein geringer Teil des gesamten zur Verfügung stehenden Lichtes nutzbar ist. Ihrem Verhalten dem Lichte gegenüber entspricht auch ihr anatomischer Bau, welcher sich dem isolateralen oder radiären nähert (VII). Eine viel weitergehende Lichtökonomie weisen die Mono- kotylen vom Typus Clivia [Agapanthus, Imatophylliim etc.) auf. Auch diese Blätter müssen als panphotometrisch bezeichnet werden. Indem sie sich aber in ihrer Medianebene bogenförmig krümmen, stehen sie mit einem Teile der Lamina im Genüsse des Zenithlichtes, während der übrige Blatteil eine sehr günstige Stellung zum Vorderlichte einnimmt. Solche Blätter, welche bereits eine mehr oder minder weitgehende Annäherung an einen dorsiventralen Bau aufweisen, vermitteln den Über- Lichtlage der Laubblätter. 81 *t> gang zu den euphotometrischen Monokotylenblättern, bei welchen die Lichtökonomie den höchsten Grad erreicht. Während die Stellung aphotometrischer Blätter vom Lichte unbeeinflußt ist, übernimmt dieses bei der Orientierungs- bewegung panphotometrischer Blätter jedenfalls eine wichtige Rolle. Es erübrigt nur noch zu untersuchen, ob auch andere orientierend wirkende Ursachen an der schließlichen Blatt- stellung Anteil haben, mit anderen Worten, ob dieselbe Blatt- lage erreicht wird, wenn die Lichtwirkung allein oder in Kom- bination mit anderen Bewegungsursachen zur Geltung kommt. Zunächst läßt sich der sichere Nachweis erbringen, daß der negative Geotropismus der Blätter imstande ist, die Photonastie wesentlich zu beeinflussen. Einen instruktiven Beleg hiezu liefern die mit Hyacinthiis candicans angestellten Versuche II und III, welche bereits oben (siehe p. 70) mitgeteilt wurden. Während bei gleichzeitigem Einfluß von Schwere und Licht die Blätter mit der Vertikalen einen Winkel von zirka 30° bildeten, vergrößerte sich dieser bei Ausschluß einseitiger Schwerkraftswirkung infolge der nun allein wirksamen Photo- nastie fast auf 180° (siehe Taf. III, Fig. 10). Noch deutlicher tritt die Kombinationswirkung bei an- fänglich abnorm gelagerten Blättern zu tage. Wird eine Pflanze (AmaiyUis) im Dunkeln horizontal gelegt, so richten sich die Blätter in kurzer Zeit vertikal auf, gleichgültig ob ursprünglich die Blattober- oder Unterseite zenithwärts orientiert war. Wird hingegen derselbe Versuch im Lichte durchgeführt, so richten sich jene Blätter, welche ihre Unterseite nach oben wenden, energisch auf, wobei sie sich gleichzeitig stark photonastisch krümmen; die mit der Oberseite aufwärts gewendeten Blätter erheben sich hingegen in der Regel nur wenig über die Hori- zontale. Im ersten FaUe summieren sich Photonastie und nega- tiver Geotropismus in ihren Wirkungen, während im letzteren die beiden Bewegungsursachen einander entgegenwirken.^ Nur jugendliche, noch kräftig wachsende Blätter vermögen sich auch dann beträchüich zu erheben, wenn ihre Oberseite zenithwärts 1 Wahrscheinlich macht sich bei dieser Orientierung auch das Blatt- gewicht stärker bemerkbar. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIIL Bd., Abt. I. 6 82 K. Lins baue r, gerichtet ist, da in diesem Stadium die photonastische Gegen- wirkung fehlt oder noch gering ist. Das verschiedene Ver- halten derartiger Blätter ist am deutlichsten aus Fig. 13 auf Tafel III zu erkennen. Werden Pflanzen derart im Lichte horizontal gestellt, daß die Blattkanten nach oben orientiert sind, so richten sich die Blätter infolge ihres negativen Kantengeotropismus auf, während sie sich in ihrer Medianebene photonastisch krümmen. In ähnlicher Weise läßt sich der Beweis erbringen, daß auchPhotonastie und Heliotropismus eine kombinierte Wirkung hervorrufen können. Während im schwachen Lichte Kanten- heliotropismus allein zur Geltung kommt, weichen die Blätter im kräftigen Lichte gleichzeitig infolge Photonastie auseinander. Orientiert man die Pflanze hingegen so zur Lichtquelle, daß Photonastie und Heliotropismus in derselben Ebene zur Wirkung gelangen, dann krümmt sich ein Blatt, welches seine Unterseite dem Lichte zukehrt, sehr beträchtlich gegen das Licht (Versuche wurden mit Amaryllis und Narzissus angestellt), während ein auf seiner Oberseite beleuchtetes Blatt je nach der herrschenden Lichtintensität eine schwach positiv heliotropische oder eine geringe photonastische Krümmung aufweist (Taf. I, Fig. 1). Da, wie ich glaube, durch diese Beobachtungen der Nach- weis erbracht ist, daß die einzelnen orientierend wirkenden Ursachen mit einander in Kombination treten können, ist es zumeist leicht, darüber Rechenschaft zu geben, wie in einem speziellen Falle die Lichtlage monokotyler bandförmiger Blätter zu Stande kommt. Ich will als Beispiele drei der einfachsten Fälle, welche an natürlichen Standorten am häufigsten realisiert sein dürften, in Kürze besprechen. Ich denke dabei an Monokotyle mit zwei- zeilig angeordneten Blättern. 1. Zenithlicht überwiegend, Vorderlicht allseits annähernd von gleicher Intensität. Die Blätter krümmen sich im Medianus infolge Photonastie. Je mehr die Intensität des Vorderlichtes zunimmt, desto mehr wird die photonastische Krümmung durch den positiven Heliotropismus der Blatt- Lichtlaiie der Laubblätter. 83 *o Unterseite verstärkt, während sie durch den in gleicher Ebene wirkenden negativen Geotropismus vermindert wird. 2. Überwiegend einseitige Beleuchtung. Die gemeinsame Medianebene der Blätter fällt mit der Einfallsebene des Lichtes zusammen. Die unterseits stärker beleuchteten Blätter verhalten sich so wie im vorigen Falle. Die Krümmung der Blätter, welche ihre Oberseite dem stärkeren Lichte zu- wenden, wird hingegen, sowohl durch negativen Geotropismus als auch durch positiven Heliotropismus der Blattoberseite beeinträchtigt. 3. Überwiegend einseitige Beleuchtung. Ge- meinsame Medianebene der Blätter normal zur Ebene des Lichteinfalls. Die Blätter werden infolge posi- tiven Kantenheliotropismus aus ihrer Insertionsebene gebracht. Die Größe des heliotropischen Effektes wird durch die anta- gonistische Wirkung des negativen Geotropismus vermindert. Die Blätter werden nun, hinreichende Lichtintensität voraus- gesetzt, photonastisch und tordieren in der Weise, daß sich das am linken Rande vom Lichte getroffene Blatt von rechts nach links, das gegenüber inserierte Blatt hingegen von links nach rechts dreht, wodurch sämtliche Blätter ihre Oberseite zenithwärts wenden. Die Torsion selbst ist wahrscheinlich ent- weder eine Lastwirkung oder die Folge einer auf beide Blatt- hälften ungleich starken photonastischen Krümmung. (Einen ähnlichen Fall zeigt Taf. I, Fig 4.) Aus diesen Auseinandersetzungen geht hervor, daß wir, gestützt auf die aus den Versuchen gewonnenen Resultate, die Lichtstellung der untersuchten Monokotylenblätter, wie ich glaube, in befriedigender Weise erklären können, wenn wir sie auf eine Kombination vonPhotonastie, positivem Heliotropismus und negativem Geotropismus zurückführen, wobei jedoch der erstgenannten Orientierungsursache die Hauptrolle zufällt. In keinem Falle sind wir genötigt, zur Erklärung der Licht- lage die ausschließliche Wirkung oder auch nur die Be- teiligung des Transversalheliotropismus oder — allgemeiner ausgedrückt — einer spezifischen Reaktionsweise der Blätter gegenüber dem Lichte anzunehmen. 6* 84 K. L i n s b a u e r, Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. 1. Die Blätter der untersuchten Monokotylen sind, wenn überhaupt, stets positiv heliotropisch. Negativer Heliotropismus konnte auf experimentellem Wege niemals mit Sicherheit nach- gewiesen werden. 2. Die bandförmigen Monokotylenblätter von Typus Clivia zeigen eine heliotropische Krümmung, sowohl wenn ihre Ober- oder Unterseite, als auch wenn ihre P'lanke vom Lichte getroffen wird. Im ersteren Falle steht die Ebene der heliotropischen Krümmung senkrecht auf der Blattebene (Flächenheliotropismus), im letzteren erfolgt hingegen eine Sichelkrümmung des Blattes, wie sie bereits Wiesner in einigen Fällen nachweisen konnte, indem die Ebene der heliotropischen Krümmung mit der Blattebene zusammenfällt (Kanten heliotropismus). Unter natürlichen Beleuchtungs- verhältnissen miacht sich der letztere häufig dadurch geltend, daß er die Blätter — zunächst bei zweizeiliger Anordnung — - aus ihrer Insertionsebene heraus in günstigere Beleuchtungs- verhältnisse bringt. 3. Sämtliche Monokotylenblätter sind stets, sowohl im Dunkeln als auch im Lichte, bisweilen in auffallend starkem Maße (Allium) negativ geotropisch. Die bandförmigen Blätter zeigen je nach ihrer Orientierung Flächen- beziehungsweise Kantengeotropismus. 4. Vaginalblätter hemmen in gewissen Fällen (Narzisse) in mehr oder minder starkem Maße die heliotropische, be- ziehungsweise geotropische Krümmung der von ihnen ein- geschlossenen Blatteile. 5. Flächenförmige Monokotylenblätter werden bei der Kultur im Dunkeln häufig hyponastisch, bisweilen in so hohem Grade, daß sich die Blattunterseiten nach oben kehren (Atnaryllis). 6. Die im Lichte, namentlich bei bandförmigen Mono- kotylenblättern, auffallende Bogenkrümmung der Blätter beruht auf Photonastie, genauer Photoepinastie. Weitere Unter- suchungen müssen jedoch zeigen, ob dieselbe als Orientierungs- ursache sui generis aufzufassen ist, oder ob sie auf eine Lichtlage der Laubblätter. 85 Erscheinungsform des Heliotropismus zurückgeführt werden kann. 7. Die Torsionen der MonokotjMenblätter sind spontan oder paratonisch. Letztere können auf einer Lastwirkung be- ruhen (vitale Lasttorsionen) oder durch ungleiche Beleuchtung beider Blatthälften hervorgerufen werden. Andere Torsions- ursachen wurden bisher noch nicht näher untersucht. 8. Die Lage aphotometrischer Blätter zum Lichte wird durch spontane und geotropische Krümmungen bedingt. Am Zustandekommen der fixen Lichtlage panphotometrischer, meistens bandförmiger Blätter sind verschiedene Orientierungs- ursachen beteiligt, und zwar in erster Linie Photoepinastie, positiver (Flächen- und Kanten-) Heliotropismus sowie nega- tiver Geotropismus. Die Annahme eines Transversalheliotro- pismus ist zur Erklärung der fixen Lichtlage dieser Blätter unnötig. •ö- Literaturnachweis. I. Darwin Gh., Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Übers, von J. G. Garus. Stuttgart, 1881. II. — Fr., On the power possessed by leaves of placing themselves at right angles to the direction of incident light. Extr. f. the Linn. Soc. Journ. Bot. XVIII, 1880. Git. nach Vöchting. III. Dutrochet H. J., Memoires pour servir ä l'hist. ana- tomique etc. Vol. II. Git. nach Wiesner, Die heliotr. Ersch. im Pflanzenreiche. IV. Frank A. B., Die natürliche wagrechte Richtung von Pflanzenteilen und ihre Abhängigkeit vom Lichte und von der Gravitation. Leipzig, 1870. V. Hofmeister W., Handb. der phj^s. Bot. II. Die Lehre von der Pflanzenzelle. Leipzig, 1867. VI. Krabbe G., Zur Kenntnis der fixen Lichtlage der Laub- blätter. Jahrb. für wiss. Bot., XX, 1889. VII. Lampa E., Untersuchungen über einige Blattformen der Liliaceen. Österr. bot. Zeitschr., 1900, Nr. 12. VIII. Noll Fr., Über die normale Stellung zygomorpher Blüten und ihre Orientierungsbewegungen zur Erreichung 86 K. Linsbauer, derselben. Arb, aus dem bot. Inst, in Würzburg. III; I. T., p. 189 bis 252; II. T., p. 315 bis 371. IX. Oltmanns F., Über die photometrischen Bewegungen der Pflanzen. »Flora«, 1892, Nr. 2. X. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, II. Bd., Leipzig, 1881.^ XI. Rothert W., Über Heliotropismus. Cohn, Beitr. zur Biol. der Pflanzen, VII, 1894, H. 1.- XII. Sachs J., Über orthotrope und plagiotrope Pflanzenteile. Arb. des bot. Inst, in Würzburg. II, 1882; Heft 2, 1879, p. 226. Abgedruckt in »Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphys.«, II. Bd., p. 1004 bis 1064. XIII. — Lehrbuch. III. Aufl., Lpz. 1873. XIV. Schwendener und Krabbe, Über die Orientierungs- torsionen der Blätter und Blüten. Abh. der Berl. Akad. der Wiss., 1892, p. 1 bis 115. Abgedruckt in »Schwen- dener, Gesammelte bot. Mitteilungen«. IL, p. 255 bis 368. Zusatz von Schwendener p. 369 bis 373. XV. Stahl, E. Über den Einfluß des Standortes auf die Aus- bildung der Laubblätter. Jen. Zeitschr. f. Naturw., XVI, 1883, p. 187. XVI. Vöchting H., Über die Lichtstellung der Laubblätter. Bot. Zeitung, XL VI, 1888, Nr. 32, p. 501. XVII. Vries H., Über einige Ursachen der Richtung bilateral- symmetr. Pflanzenteile. Arb. des bot. Inst, zu Würzburg, 1871. XVIII. Wiesner J., Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. Denkschr. der kais. Akad. der Wiss. in Wien, math.-naturw. KL, I. T., 1878; IL T., 1880. XIX. — Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Wien, Verl, A. Holder, 1881. XX. — Über die Formen der Anpassung des Laubblattes an die Lichtstärke. Biol. Zentralbl., XIX, 1899, Nr. 1. XXI. — Die natürlichen Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylls der lebenden Pflanze. Festschr. der k. k. zool.-bot. Ges., Wien, 1876. 1 Die neue Auflage des Handbuches, welche während der Drucklegung dieser Abhandlung erschien, konnte bedauerlicherweise nicht mehr berück- sichtigt werden. Lichtlage der Laubblätter. 87 XXII. — Einige neue Tatsachen, welche zur Erklärung der spontanen Nutationen und der fixen Lichtlage der Blätter herangezogen werden können. Bot. Zeitung, 1884, XLII, p. 657. XXIII. Wiesner J., Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane. Diese Sitzungs- berichte, CXI, p. 733. XXIV. — Elemente der wiss. Botanik. I. Bd.: Anat. und Physiol., IV. Aufl., 1898. Dieser Literaturnachweis erhebt auf Vollständigkeit keinen Anspruch. So werde ich insbesondere auf die wichtigen ein- schlägigen Arbeiten von Czapek, Noll u. a. erst in den fol- genden Untersuchungen genauer einzugehen haben. 88 K. Linsbauer, Lichtlage der Laubblätter. Figurenerklärung. Tafel l. Fig. l. Narcissus poeticits. Kultiviert bei einseitiger Beleuchtung. Die Blätter zeigen deutlichen Flächenheliotropismus. Fig. 2. Narcissus po'eticus. Von vorn einseitig beleuchtet. Sämtliche Blätter von links nach rechts tordiert. Fig. 3. Agapanthus umbellatus. Das jüngste Blatt zeigt eine deutliche Sichel- krümmung infolge von Kantenheliotropismus. Fig. 4. Clivia nobilis. Sichelkrümmung infolge von Kantenheliotropismus bei Kultur in einseitig einfallendem Lichte. Die Blätter sind überdies soweit gedreht, daß sie ihre Oberseite zenithwärts richten. Tafel IL Fig. 5. Hyacinthus orientalis im diifusen Lichte kultiviert. Fig. 6. > » bei Lichtabschluß kultiviert. Fig. 7. Aniaryllis vittata bei Lichtabschluß kultiviert. Fig. 8. » > im diffusen Lichte ruhend aufgestellt. Fig. 9. » »in allseits gleichem Lichte bei Ausschluß von Ober; licht kultiviert. Tafel in. Fig. 10. Hyacinthus candicans. Kultiviert in allseits gleichem Lichte bei Auf- hebung der Schwerkraftswirkung. Fig. 11. Hyacinthus candicans, dem Lichte und der Gravitationswirkung aus- gesetzt. Fig. 12. Hyacinthus candicans. Bei Lichtabschluß kultiviert. Fig. 13. Aniaryllis vittata. Horizontal im Lichte aufgestellt, das Zusammen- wirken von Photonastie und negativem Geotropismus zeigend. i 1 Die Blattränder sind teilweise mit Stanniol bedeckt, da die Pflanze noch zu einem anderen Versuche verwendet wurde. Das Bild der Krümmung war auch bei den nicht mit Stanniol bedeckten Pflanzen das gleiche. Linsbauer, K. : Lichtlage der Laubblätter. Tafel I. Aiit. phot. Kunstanstalt Max Jaffe, Wien. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abth. I. 1904. Linsbauer, K.: Lichtlage der Laubblätter. Tafel II. Aut. phot. Kunstanstalt Max Jaffe, Wien. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abth. I. 1904. Linsbauer, K.: Lichtlage der Laubblätter. Tafel III. Aut. phot. Kunstanstalt Max Jaffe, Wien. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXIII. Abth, I. 1904, 89 Über Meteoreisen von De Sotoville von Dr. Aristides Brezina und Prof. Dr. Emil Cohen. (Mit 3 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.) VV. M. Foote beschrieb 1899^ sechs Eisenmassen aus Alabama, von denen drei südlich von De Sotoville in Choctaw Co., drei nördlich desselben Ortes in Sumter Co. gefunden worden sind. Die Fundpunkte liegen in ungefähr gleicher Entfernung vom Tombigbee River auf einer \6km langen, nahezu geraden Linie, und die Blöcke waren derart angeordnet, daß ihre Ge- wichte von Nord nach Süd abnehmen. F'oote schlägt für dies neue Meteoreisen den Namen »Tombigbee River« vor; da der Fluß aber Alabama nahezu auf eine Erstreckung von 300 km durchläuft, die Ortsbestimmung also sehr unzulänglich ist, dürfte De Sotoville als Lokalitätsbezeichnung vorzuziehen sein. Über die Gewichte, sowie über die Zeit und Art des Findens der sechs Blöcke liegen folgende Angaben vor: L 15.019^; gefunden 1878; wahrscheinlich durch einen ent- wurzelten Baum an die Ober- fläche gelangt. IL 11.976^'; gefunden 1886 beim Pflügen; von unregelmäßig gerundeter Gestalt. IIL 9.215^; gefunden 1886; Gestalt ähnlich II. 1 Note on a new meteoric iron found near the Tombigbee River, in Clioctaw and Sumter Counties, Alabama, U. S. A. Amer. J. 1S99. (3) VIII. 153—156. M. 2 Tf. und einer Kartenskizze. 90 A. Brezina und E. Cohen, IV. 3.568 ^; gefunden beim Straßenbau; flach und länglich. V. 3.260 ^^; gefunden beim Pflügen; eiförmig. VI. 757^; gefunden 1859; flach und oval; zum Teil zu einem Nagel verschmiedet, so daß das ursprüngliche Gewicht Sfrößer war. ö' Die Bildung der Rostrinde wird von dem Austreten rötlich- brauner Tropfen begleitet, und nach der Angabe des Finders von Block I soll dessen Gewicht 1878 22.200^ betragen haben, so daß in 21 Jahren eine Verminderung um 7181 ^ durch Rostbildung eingetreten wäre, da die Gestalt nicht auf Ab- trennung eines Stückes schließen läßt. Die Erwähnung von schüsseiförmigen Vertiefungen auf der Oberfläche macht eine so starke Verminderung des Volumens nicht gerade wahr- scheinlich. Zieht man die Gewichtsveränderungen von I und VI in Betracht, so würde das Gesamtgewicht ursprüglich über 51 kg betragen haben. Von Foote wurden die Blöcke V und III näher untersucht. Am ersteren beobachtete er deutliche »Spaltbarkeit«, welche auf dünne Platten eines schwefelkiesartigen Minerals zurück- geführt wird; auf Schnittflächen erscheine dasselbe als scharfe, kritzenartige Linien. Darnach wäre es keine Teilbarkeit. Beim Ätzen des weichen und leicht polierbaren Eisens zeigte sich kubische Krystallisation; die außerordentlich feinen, unter ver- schiedenen Winkehi sich kreuzenden, nur unter der Lupe deutlich erkennbaren Linien werden als Widmanstätten'sche Figuren bezeichnet. Block III liefere eine abweichendeÄtzfläche, indem die Figuren von I fehlen. Ein Teil des »Plessit« zeige eine an »metallischen Sonnenstein« erinnernde Erscheinung infolge der Anordnung von zinnweißen Blättchen oder von Rissen; ein anderer Teil des »Plessit« bleibe vollständig glatt. Whitfield's Analyse von V folgt unter I. Berwerth stellt De Sotoville (Tombigbee) in seinem »Ver- zeichnis der Meteoriten im k. k. naturhistorischen Hofmuseum, Meteoreisen von De Sotoville. 91 Ende Oktober 1902« ^ zu den dichten Eisen; Klein vermutet Zugehörigkeit zu den Oktaedriten mit feinsten Lamellen, betont aber, daß es noch genauerer Untersuchung bedarf.^ Es erschien uns wünschenswert, die schon von Foote angedeutete verschiedene Ausbildung einzelner Blöcke näher zu studieren und eingehender zu beschreiben. An Material stand zur Verfügung: von I 1054^ mit 135 cm^, von III blO gr mit 75 cm^ und von VI ein 243 g schweres Endstück mit 38 cm' Schnittfläche. Allen drei Blöcken gemeinsam ist der große Reichtum an Phosphornickeleisen. Es tritt der Masse, wenn auch nicht der Zahl der Individuen nach weitaus vorherrschend in der Schreibersitform auf und bildet dann in der Regel langgestreckte, mäandrisch gewundene Individuen mit haken- oder schleifen- förmigen Ansätzen. Bezüglich der Größe und Mannigfaltigkeit der Gestalt dieser Schreibersite, welche eine Länge von 7 cm erreichen, dürfte De Sotoville alle übrigen bekannten Meteor- eisen mit Ausnahme von Primitiva übertreffen. Daneben kommen auch gedrungenere, sich mannigfach verästelnde, Hieroglyphen vergleichbare, sowie hakenförmige Gestalten und unregelmäßig klumpige Formen vor. Ein anderer Teil des Phosphornickeleisen tritt als Rhabdit auf. Man trifft ihn hie und da vereinzelt liegend, meist aber gruppenweise angehäuft und dann in zweifacher Ausbildung und Anordnung. An manchen Stellen (siehe a b und c ä in Figur 1 ; ein Stück von Block I in Naturgröße) reichern sich bis zu 3 mm lange Nadeln (oder vielleicht auch Plättchen) lagen- weise an, ähnlich wie in Hex River; sie scheinen nach drei Richtungen gesetzmäßig orientiert zu sein, und zwar derart, daß zwei Richtungen sich unter 90° schneiden, die dritte diagonal verläuft. Die Anreicherung ist in den etwa I72 ^^ von 1 Ann. d. k. k. naturhistor. Hofmus. 1903. XVIII. 15 u. 81. 2 Die Meteoritensammlung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Univer- sität zu Berlin am 5. Februar 1903. Sitz.Ber. d.Kön.preuß. Ak. d.Wiss. 1903. 168 im jüngst erschienenen Verzeichnisse für den 21. Jänner 1904 steht das Eisen mit Fragezeichen bei den Hexaedriten. Ebendas. 1904. 131. 92 A. Brezina und E. Cohen, einander entfernten Lagen sehr verschieden, ebenso wie die Ausdehnung der letzteren; zum Teil durchsetzen sie vollständig eine große Platte, zum Teil lassen sie sich nur auf kurze Erstreckung verfolgen. Stets fehlen Schreibersite auf einige Entfernung ganz, wo Rhabdite sich in größerer Zahl anhäufen. Schließlich treten an manchen Stellen in der Nähe der natür- lichen Oberfläche Riesenrhabdite auf (7' in Figur 3, Seite 99, ein Stück von Block III in Naturgröße); bei einer Breite von 0"05 bis 0*15 mm erreichen sie eine Länge von 2 cm und liegen teils unter einander parallel, teils kreuzen sie sich, wie es scheint, d Fig. 1. gesetzlos unter sehr verschiedenen Winkeln. Sollte aber auch hier eine gesetzmäßige Orientierung vorhanden sein, so ist es jedenfalls eine andere, wie bei den lagenweise angereicherten Rhabditen. Die meisten Riesenrhabdite werden beim Ätzen rauh und glanzlos, so daß es den Anschein hat, als seien sie nicht mehr ganz unverändert. Alle Rhabdite sind von einer stark glänzenden Ätzzone umgeben, während eine solche bei den großen Schreibersiten nur ausnahmsweise und auch dann nur an Teilen eines Krystalls vorhanden ist. Die Riesenrhabdite scheinen es zu sein, welche Foote als »schwefelkiesartiges Mineral« erwähnt; gegen diese Deutung Meteoreisen von De Sotoville. 93 spricht schon, daß Schwefel bei den Analysen teils gar nicht, teils nur in geringer Menge gefunden worden ist. Jedenfalls haben wir Schwefeleisen in sichtbaren Partien nirgends beob- achtet, was bei der Größe der untersuchten Schnittflächen recht bemerkenswert erscheint. Am Rand der Platten kommt öfters »Eisenglas« vor, welches gern größere Schreibersite einhüllt, auch wohl in die- selben eindringt. Beim Herauslö.sen von Krystallen bleibt dann eine dünne schwarze Schicht fest am Nickeleisen haften; sie ist stellenweise in einen braunen Mulm übergegangen, welcher gegen Erwartung keine Chlorreaktion gab. Für den Schreibersit erhielt der eine von uns an sorgfältig ausgelesenem Material die folgende Zusammensetzung: ' Angew. Subst. 0-6490 Rückstand 0-15 Fe 71-70 Ni 12-58 Co 0-32 P 15-45 100-20 Fe + Ni + Co : P = 3-014: 1 Darnach gehört der vorliegende Schreibersit zu den nickelärmsten, welche bisher untersucht worden sind; es wäre von Interesse festzustellen, ob auch hier der Rhabdit, wie ge- wöhnlich, sich durch höheren Nickelgehalt auszeichnet. Während die accessorischen Gemengteile und ihre Aus- bildung demnach in allen drei Blöcken gleich sind, ist die Struktur so abweichend, daß eine getrennte Beschreibung zweckmäßig erscheint. 'ö Block I. Nach nicht zu starkem Ätzen erscheinen dicht gedrängte Neumann'sche Linien, welche von solcher Feinheit sind, daß 1 Die Analyse ist schon E. Cohen: Meteoritenkunde, II. 233 veröffentHcht worden. 94 A. Brezina und E. Cohen. man sie mit unbewaffnetem Auge kaum wahrnimmt; unter der Lupe treten sie jedoch mit außerordenthcher Schärfe hervor. Von den verschiedenen Liniensystemen zeichnen sich einige, wie gewöhnhch, durch ihre Länge vor den übrigen aus, aber nicht gleichzeitig auch durch Tiefe und Breite, wie dies bei anderen Hexaedriten meist der Fall ist. Die Ätzlinien setzen in der Regel scharf an den großen Schreibersiten ab; nur ge- legentlichbeobachtet man eine schwache Stauchung. Abgesehen von der letzteren, durchaus lokalen Erscheinung erstrecken jene sich mit gleicher Orientierung durch die ganze Schnitt- fläche. Bei diesem Stadium der Ätzung nimmt die Ätzfläche einen kräftigen, atlasartigen Schimmer an, derartig, daß letzterer nicht einheitlich ist, sondern daß sich Partien mit stärkerem und schwächerem Reflex unterscheiden lassen, welche beim Drehen der Platte allmählich in einander übergehen. Der Unter- schied in dem Verhalten einzelner Teile gegen das einfallende Licht scheint dadurch bedingt zu sein, daß stellenweise nur Neumann'sche Linien vorhanden sind, an anderen Stellen allmählich, schließlich aber in großer Zahl Ätzgrübchen hinzu- treten, mit deren Zunahme jene undeutlicher werden. Jedenfalls kann man hier deutlich erkennen, daß ein orientierter Schimmer auch durch Ätzlinien allein bedingt sein kann, • und daß das Hinzutreten von Ätzgrübchen denselben nicht zu ver- stärken braucht. Es ist dies auch leicht erklärlich, da die Grübchen von Hexaederflächen begrenzt sind, die durch Heraus- ätzen der Zwillingslamellen freigelegten Flächen aber nach anderen Richtungen verlaufen, und bald der eine, bald der andere Reflex vorzugsweise den Schimmer bedingen wird. Bei stärkerem Ätzen vertiefen und verbreitern sich zunächst die Ätzlinien und Ätzgrübchen, und es scheinen auch neue Ätzlinien hinzuzutreten; schließlich werden die kleinen glatten und stark glänzenden Felder zwischen den Neumann'schen Linien zu rundlichen Höckern, die ganze Ätzfläche erhält ein gerieftes und gekörneltes Aussehen und der zuerst kräftiger 1 Vgl. G. Linck: Über die Zwillingsbildung und den orientierten Schimmer am gediegen Eisen. Zeitschr. f. lüystallogr. 1892. XX. 215 und Über das Krystallgefüge des Meteoreisens. Ann. i. k. k. naturhistor. Hofmuseums. 1893. VIII. 116. Meteoreisen von De Sotoviile. 95 und einheitlicher gewordene orientierte Schimmer wird jetzt matt durch diffuse Reflexion. An den Schreibersiten zeigt das hexaedrische Eisen häufig 0*3 bis 0*5 ;///;/ breite xÄtzzonen, auf denen das Eisen bei der Ätzung hellgrau geblieben ist, während es fern von den Schreibersiten immer dunkelgrau wird. Dasselbe zeigt sich in der Nachbarschaft der Rhabdite. Läßt sich schon aus dem gleichmäßigen Verlauf der Neumann'schen Linien und aus den zu parallelen Lagen an- gehäuften Rhabditen, sowie aus ihrer Orientierung innerhalb der Lagen (Figur 1) schließen, daß der ganze Block ein Individuum ist vom Aufbau der Hexaedrite, so wird dies Resultat bestätigt, wenn man eine Platte halb anschneidet und dann bricht. Die Bruchfläche liefert Spaltungselemente, welche nach drei auf einander senkrechten Richtungen orientiert sind Größere zusammenhängende Spaltungsflächen entstehen aller- dings nicht, da die Trennung meist nach Schreibersitgrenzen stattfindet und dadurch die Spaltung unterbrochen wird. Block VI. Die Ätzfiäche zeigt ebenfalls einen atlasartigen Schimmer, der aber hier eigentümlich geflammt erscheint, in ähnlicher Weise, wie wir es früher von Primitiva beschrieben haben. ^ Neu mann 'sehe Linien treten sehr zurück; sie sind nur unter einer scharfen Lupe deutlich zu erkennen und beschränken sich dann fast ganz auf diejenigen Teile des Nickeleisen, welche in der Nähe großer Schreibersite liegen oder vonWachs- tumsformen derselben umhüllt werden. Neben oder statt der Ätz- linien trifft man überall feine, kurze, schwach gekrümmte Risse, welche untereinander annähernd parallel und zugleich im großen parallel der Richtung des geflammten Schimmers ver- laufen. Figur 2 zeigt eine Partie in der Umgebung eines Schreibersit (mit dem Buchstaben 5 am Rande links und unten bezeichnet) in 4' löfacher Vergrößerung. Man sieht die geraden. 1 A. Brezina, Die Meteoritensammlung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Ann. d. k. k. naturhistor. Hofmus. 1895. X. 296. — E. Cohen, Aleteoreisen-Studien. VI, Ibid. 1897. XII. 122. 96 A. Brezina und E. Cohen, Fi.L^ 2. Meteoreisen von De Sotoville. 97 sehr feinen Neumann'schen Linien, deren Breite unter dem Mikroskop zu 0-003 — 0-004 mm bestimmt werden kann, vor- wiegend in zwei Richtungen verlaufen, welche miteinander einen Winkel von 55° einschließen. Die welligen Linien sind viel breiter (0-04 — 0-05 mnt) und verlaufen - — wenigstens in den nicht gestauchten Partien — nahezu nach der längeren Diagonale des aus den scharfen Linien gebildeten Rhombus (es wurden Winkel von 38, 17 — 30 und 25° gemessen). Häufig stehen die welligen Linien mit ihren Enden auf je einer der beiden unter 55° geneigten Liniensysteme. An zwei Stellen — in der Mitte des Schreibersitbogens und in einer (im Bilde nicht mehr sichtbaren) Bucht links unter dem Krystall — zeigt sich eine beträchtliche Stauchung, welche die scharfen Linien wenig, die Wellenlinien stark verbiegt. Die längliche Eisen- insel in der Mitte unten erscheint gegen die Eisenpartien jenseits des Schreibersit um 8° gedreht. Die beiden scharfeil und das wellige Liniensystem scheinen zusammengehörige Neumann'sche Linien darzustellen, von denen die ersteren steil, die letzteren sehr flach gegen die Schnittfläche ge- neigt sind. Außer diesen Strukturlinien ist noch eine Reihe weiterer Strukturelemente erkennbar. Zunächst eine (mit dem Buch- staben a am Rande bezeichnete) Ader, welche in doppelter Krümmung von der Mitte oben auf die oberste Spitze des Schreibersit zuläuft, dann gegen den linken oberen Schreiber- sitarm hinzieht, diesen unter schwacher Verwerfung durchsetzt und parallel mit dem nach unten gebogenen Teil des Armes ein Stück in die große Eisenbucht hineinläuft. Diese Ader ist feinkörnig und fleckig, ähnlich der am nächsten Stücke zu beschreibenden Verwerfungsader, liegt aber hier größtenteils in nicht körnigem Grunde, während letztere in grober körniger Masse verläuft. Die hier in Betracht kommende Ader gleicht auch einigermaßen den beiden an Primitiva abgebildeten dünnen Verwerfungsadern. ^ Eine andere Erscheinung ist die stellen- weise zu beobachtende Abkörnung, welche ganz unabhängig von den Neumann'schen Linien, diese durchsetzend, verläuft. 1 A. Brezina 1. c. Fig. 39. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 7 98 A. Brezina und E. Cohen, Die lagenförmig angereicherten, hier durchweg sehr feinen und kurzen Rhabdite sind nämlich zum größeren Teil von 0-05 — 0-3 mm großen Nickeleisenkörnern umgeben, welche sich öfters auf die allernächste Umgebung der Nadeln be- schränken und dann wie Beeren an einem Stiel sitzen. Auch längs einiger Riesenrhabdite (im Bilde rechts oben mit dem Buchstaben r bezeichnet) oder einzelner Flächen von großen Schreibersiten, sowie feiner, unregelmäßig verlaufender Risse findet sich eine schmale feinkörnige Zone, aber die gesamten körnigen Partien machen nur einen minimalen Teil der ganzen Schnittfläche aus. Block III. Der größte Teil des Nickeleisen zerlegt sich in sehr ver- schieden gestaltete — rundliche, längliche, mannigfach aus- gebuchtete oder gezackte — scharf begrenzte Körner, von denen je ein Teil den gleichen kräftigen, orientierten Schimmer liefert. Ihr Durchmesser schwankt zwischen 0*2 und 1 "5 mm, und die Gestalt ist im allgemeinen um so unregelmäßiger, je größer die Dimensionen sind. Stellenweise herrschen Partien von sehr feinkörnigem Gefüge mit eigenem orientierten Schimmer, in denen aber vereinzelt oder gruppenweise größere Körner mit abweichendem Schimmer liegen. Wie im Block VI legt sich auch hier eine Reihe stark glänzender Körner direkt an die Riesenrhabdite, wodurch sie sich scharf abheben. Unter dem Mikroskop erscheinen die Körner zum Teil fleckig und dann schwächer schimmernd, zum Teil voll dichter, gitter- förmig sich kreuzender Ätzlinien und dann mit lebhafterem orientierten Schimmer. Stellenweise — besonders dort, wo Nickeleisenpartien von sich verästelndem Schreibersit ein- geschlossen werden oder sich zwischen benachbarte größere Schreibersite einschieben — liegen Körner mit glatter Ätzfläche isoliert, und die Grundmasse zeigt dann Neumann'sche Linien, welche unverkennbar sind, wenn auch ihre Entwicklung weit weniger vollkommen ist, als in Block I. Unabhängig von den Körnern ist ein Netzwerk feiner, unregelmäßig verlaufender Risse vorhanden, jene gelegentlich Meteoreisen von De Sotoville. 99 durchsetzend, also späterer Entstehung. Sie treten schon nach schwachem i\.tzen hervor, wenn die körnige Struktur sich noch nicht merklich macht und sind wohl als eine Absonderungs- erscheinung zu betrachten. Sehr bemerkenswert ist die schon oben erwähnte, die ganze Platte durchziehende feinkörnige, mikroskopisch dicht erscheinende Partie, welche in Form einer durch eine schmale, mit dunklen staubförmigen Partikeln erfüllte Randzone scharf sich abgrenzenden Ader von 1 — 3 niui Breite auftritt (Fig. 3 bei dem Buchstaben a entspringend). Sie durchsetzt einen der mit r am Rande bezeichneten Riesenrhabdite, welcher um 2 mm verworfen erscheint. Fig. 3. Es liegen Analysen von den Blöcken I, III und V vor. 1. Block I. Dr. R. K nauer und E. Cohen. 2. » III. Dr. O. Hildebrand und E. Cohen. 3. » III. Dr. R. K nauer. 4. » V.J. E. Whitfield; mitgeteilt von Foote 1. c. 154. a gibt die Gesamtzusammensetzung, b die Zusammen- setzung des Nickeleisen nach Abzug der accessorischen Gemengteile, c die mineralogische Zusammensetzung des untersuchten Stückes. 7* 100 A. Brezina und E. Cohen, \a 2a 3a Aa Fe 95-41 95-18 95-14 95-02 Ni Co 4-04 0-74 4-32 0-69 4-82 4-11 0-40 Cr 0-02 0-00 0-01 Cu 0-04 0-04 0-05 C 0-07 0-16 P 0-14 0-20 0-29 0 32 S 0-05 0-00 0-06 Spur Cl 0-00 Rückstand 0-02 100-46 100-50 100-37 100-01 \h 2h 3^ Ah Fe 95-40 95-22 95-60 95-86 Ni 3-83 4-02 4-34 3-62 Co 0-71 0-65 0-36 Cr 0-02 0-00 0-01 Cu 0-04 0-04 0-05 C 0-07 0-16 100-00 100-00 100-00 100-00 \c 2c ?>c Ac Nickeleisen 98-93 98 • 7 1 97-96 97-89 jphornickeleisen 0-91 1-29 1-88 2-11 Troilit 0-14 0-16 Rückstand 0-02 100-00 100-00 100-00 100-00 Der Gehalt an Ni -f- Co ist der niedrigste, welcher bisher in einem Meteoreisen gefunden ist, wenn man nur die neueren zuverlässigen Analysen in Betracht zieht. Wir sehen sonach, daß einerseits die chemische Zusammen- setzung der Blöcke identisch ist, anderseits trotz vielfacher Verschiedenheiten im Bau derselben auch mancherlei Be- Meteoreisen von De Sotoville. 101 Ziehungen vorhanden sind. Block I für sich allein betrachtet wäre als hexaedrisches Eisen anzusehen, Block VI als eben- solches, das stellenweise körnige Struktur besitzt, während in Block III nur noch Spuren von Neumann'schen Linien sichtbar sind. Hingegen ist das Auftreten der Riesenrhabdite in I und III vollkommen das gleiche, ebenso die Beschaffenheit der Verwerfungsadern. Hinzu kommen noch die Nähe der Fundorte, sowie die Gleichheit der accessorischen Gemengteile bei ihrer ungewöhnlichen Ausbildung und Anordnung. An der Zusammengehörigkeit der Blöcke ist demnach unseres Er- achtens nicht zu zweifeln. Man muß annehmen, daß die verschiedenen Blöcke des De Sotoville-Eisen ursprünglich normaler Hexaedrit gewesen sind und in verschieden hohem Grade oder verschieden lange den Agentien ausgesetzt waren, welche eine Umwandlung der Struktur bewirkten. Es liegt wohl am nächsten hierbei an einen verschiedenen Grad von Erhitzung zu denken, welche bei einigen Blöcken bis zur Erweichung oder vollständigen Um- schmelzung der ganzen Masse führte. Das Endstück von Block VI würde einen geringen Grad der Veränderung repräsentieren, bei welchem nur der Zwillingsaufbau im wesentlichen verschwunden ist und ein körniges Gefüge an einigen Stellen sehr beschränkten Umfanges zur Ausbildung gelangte, während bei Block III fast die ganze Masse eine körnige Struktur angenommen hat und die Zwillingslamellen nur ganz lokal soweit erhalten blieben, daß man gerade noch Andeutungen von Neumann'schen Linien findet. Es kann nich: mit Bestimmtheit entschieden werden, ob die fraglichen Blöcke von den Findern erhitzt worden sind, wie dies so oft bei Meteoreisen der Fall gewesen ist, oder ob eine sekundäre Erweichung, respektive Umschmelzung schon vor dem Fall, respektive während desselben stattgefunden hat, wie dies einer von uns für N' Goureyma angenommen hat.* Neben den thermischen Vorgängen müssen auch solche mechanischer Art stattgefunden haben, durch welche die 1 E. Cohen, Das Meteoreisen von N' Goureyma unvi^eit Djenne, Provinz Macina, Sudan. Mitteil, aus dem naturwiss. Ver. für Neu- Vorpommern u. Rügen 1901. XXXIII. 145—159. 102 A. Brezina und E. Cohen, Stauchungen und Verkrümmungen der Neumann'schen Linien, sowie die Verwerfungen und Aderbildungen hervorgerufen wurden. Die mechanischen Veränderungen können keinesfalls auf künstlichem Wege erzeugt worden sein, da unsere Hilfsmittel viel zu grob sind, um bei der notwendig gewesenen enormen Arbeitsleistung so zarte Verschiebungen hervorzubringen, wie sie insbesondere bei den Stauchungen notwendig waren. Da aber in der Nähe der Verwerfungen und Adern ganz ähnliche Strukturänderungen auftreten, wie bei den anscheinend thermisch veränderten Partien, kommen wir zu dem Schlüsse, daß wahrscheinlich auch die thermischen Prozesse nicht künst- lichen, terrestrischen Ursprunges, sondern gemeinsamer kos- mischer Natur mit den mechanischen sind, daß also eine schrittweise Umwandlung eines hexaedrischen Eisen durch Erhitzung und Pressung gegen ein dichtes Eisen hin statt- gefunden habe. Schließlich mag daraufhingewiesen werden, daß Primitiva, welches oben mehrfach zum Vergleich herangezogen wurde, nicht nur strukturell und bezüglich der Ausbildung der Schreibersite mancherlei Ähnlichkeit mit De Sotoville (ins- besondere mit dem Blocke VI) zeigt, sondern auch nahezu den gleichen ungewöhnlich niedrigen Gehalt an Ni + Co besitzt. Zum Vergleiche folgen: Gesamtzusammensetzung von De Sotoville (Mittel) Fe Ni Co Cr Cu C P s Cl 95 19 4 16 0 61 0 Ol 0 04 0 08 0 24 0 03 0 00 100 36 Primitiva 94-72 4-72 0-71 0-00 Spur 0-03 0-18 0-02 0-00 100-38 Meteoreisen von De Sotoville. 1 03 Mineralogische Zusammensetzung von De Sotoville (Mittel) Nickeleisen 98-37 Phosphornickeleisen 1'55 Schwefeleisen 0*08 Primitiva 98' •77 1' •17 0' ■06 100-00 100-00 Es würde sich wohl lohnen, an größeren Schnittflächen zu prüfen, ob sich nicht etwa auch im Primitivaeisen noch Spuren Neumann'scher Linien entdecken lassen. 104 Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im Herbste 1902 von Dr. F. X. Schaffer. (Mit 1 Karte.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.) Es ist nicht meine Absicht gewesen, die Ergebnisse meiner im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften im Herbste 1902 unternommenen Reise nach dem Osten der europäischen Türkei, in das Gebiet der alten Provinz Thrakien, in der Form zu veröffentlichen, in der es jetzt ge- schehen muß. Ich habe immer daran gedacht, meine Arbeiten im folgenden Jahre fortzusetzen und für dieses Gebiet zu einem gewissen x\bschlusse zu bringen. Leider kreuzten die in diesem Jahre ausgebrochenen Unruhen meinen Plan, den ich, da sowohl die Hohe Pforte, wie unsere auswärtige Ver- tretung in Konstantinopel die Verantwortung ablehnten, fallen lassen mußte. Es ist keine Aussicht vorhanden, mein Arbeits- feld in nächster Zeit wieder zu betreten, und darum muß ich an die Veröffentlichung meiner Studien schreiten, die meine engbegrenzte Aufgabe übrigens gelöst haben. Das Gebiet, das das Ziel meiner Reise gewesen ist, wird im Norden von der bulgarischen Grenze, im Westen von dem alten Massiv des Ardatales, im Osten und Süden vom Meer be- grenzt. Es ist dies bisher einer der wenig erforschten Flecke auf der europäischen Karte gewesen, deren einige noch im westlichen Teile der Türkei zu finden sind. Nicht nur geologisch, auch geographisch ist hier noch viel Arbeit zu Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 105 leisten gewesen, die aber leider zum Teil über den Rahmen meiner eigentlichen Aufgabe hinausgegangen ist. Das Gebiet ist, merkwürdig genug, bisher ziemlich vernachlässigt gewesen. Seine topographische Übersichtsaufnahme ist zur Zeit des russisch - türkischen Krieges von russischen und öster- reichischen Mappeuren durchgeführt worden. Seitdem haben es wissenschaftliche Forscher nur mehr in seinen leichter zu- gänglichen Teilen bereist, während andere Landstriche, wie z. B. der Istrandscha Dagh, fast gänzlich unberührt ge- lassen wurden. Die Gründe dafür sind dem Kenner des Landes sehr einleuchtend. Das Reisen ist beschwerlich, die Wege sind schlecht, die Unterkunft und Verpflegung in den äußerst armen Dörfern nicht besser, und doch geht es hier nicht gut an, im Zelte zu wohnen, was man sonst im Oriente vorzieht. Der Istrandscha Dagh, der große landschaftliche Schönheit, besonders auf der Seeseite, besitzt, ist schwer zugänglich. Vom Westen her hat man einen ermüdenden Ritt durch die thrakische Ebene, und die Meeresküste besitzt keine größeren Orte, die in Dampferverbindung ständen. Zudem ist das Gebiet schon immer als ein Tummelplatz von Räuberbanden bekannt, die meist aus bulgarischen Deserteuren bestehen und bei den stammverwandten Bewohnern der Dörfer Schutz finden. Diese Umstände sind es hauptsächlich, die dem Lande seine Abgeschlossenheit vor der Erforschung bewahrt haben und wohl noch bewahren würden, wenn es nicht plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses der Geologen durch die Frage gekommen wäre, auf welchem Wege die Verbindung der Leit- linien Europas mit denen Asiens vor sich gehe. Während bei der Mehrzahl der Fachgelehrten die Ansicht herrschend war, daß sich die Hochketten Asiens durch den Kaukasus, die Krim und den Balkan in die Europas fortsetzen, war in jüngerer Zeit die Meinung aufgetaucht, daß diese Ver- bindung vom Balkan über den Bosporus und durch den west- pontischen Bogen geschehen könne. H. Douville^ schrieb: »La masse principale des Balkans, dirigee ouest-est, vient s'arreter ä la mer Noire, exactement 1 Sur la Constitution geologique des environs d'Heraclee (Asie Mineure). Comptes rendus de l'.Academie des sciences. Paris, 16. III. 1896. 106 F. X. Schaffer, comme les Alpes orientales ä la plaine de Vienne; mais au sud, vers Sliven et Jambol, on voit les couches cretacees s'inflechir vers le sudest et se prolonger entre la mer Noire et le massif de l'Istrandja, pour aboutir aux couches ä Orbitolines d'Iniada, signalees plus haut; dans toute cette region des envi- rons de Bourgas, les couches cretacees sont disloquees par des epanchements de roches eruptives, comme ä l'embouchure du Bosphore. Ce rameau etablit la continuite entre le Cretace des Balkans et celui d'Heraclee. C'est donc sur la rive meridionale de la mer Noire qu'il faut placer le prolongement de la zone balkanique, et par suite de la zone alpine, jalonnee ici, comme dans les Alpes occi- dentales, par une ligne d'affleurements du terrain houiller; les analogies que nous avons signalees entre le terrain cretace d'Heraclee et celui des Basses-Pyrenees sont une nouvelle preuve de l'uniformite de Constitution de toute cette zone. La mer Noire ferait ainsi partie de la serie de depressions que l'on observe au nord de la chaine des Alpes et que l'on peut suivre, par les plaines du Danube, la vallee du Rhone et le bassin de la Garonne, jusqu' au golfe de Biscaye«. Sueß hat (»Das Antlitz der Erde«, Bd. III, p. 447, An- merkung 13) erwähnt, daß Toula («Neues Jahrbuch für Mineralogie,« 1898) auch die Ansicht Douville's vertrete. An dem bezeichneten Orte findet sich aber keine diesbezügliche Äußerung, und Herr Hofrat Toula hat mir auf meine Anfrage mitgeteilt, daß er selbst von einem diesbezüglichen Ausspruche nichts wisse, daß er aber vielleicht die Möglichkeit einer solchen Gebirgsverbindung in einem Vortrage im »Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse« erwähnt haben dürfte. Boue (»La turquie d'Europe«, I, p. 101 bis 103) hat sich schon dagegen ausgesprochen, den Istrandscha Dagh für eine Fortsetzung des großen Balkan zu betrachten, und auch Hochstetter hat sich dieser Ansicht angeschlossen, die auch E. Sueß (1. c.) teilt. Diese Meinungen waren aber bisher noch nicht bewiesen und ein Beweis war nur im Istrandscha Dagh zu liefern, doch der war unbekannt. Schon 1900 hätte ich Herrn Hofrat Toula Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 107 auf einer Reise in dieses Gebiet begleiten sollen, aber die türkischen Behörden verweigerten damals die Unterstützung, und die Reise mußte unterbleiben. Im Jahre 1901 hätte ich von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften aus diese Tour unternehmen sollen, aber ich hatte Gelegenheit, meine Studien im südöstlichen Kleinasien zu Ende zu führen, und so kam ich erst 1902 dazu, meine Absicht zu verwirklichen. Mein Plan war es, das Gebirge in mehreren Profilen zu kreuzen, seinen Bau in seiner ganzen Längserstreckung kennen zu lernen und dann in dem südlich vom Ergene gelegenen Becken einige Routen auszuführen, um die Natur dieses noch sehr unbekannten Landesteiles zu erforschen. Es wäre zwar sehr wünschenswert gewesen, auch die Gegend zwischen Tschataldscha und dem Schwarzen Meere, den Kuru Dagh und einige andere Gebiete zu besuchen, aber dies war der vorgerückten Jahreszeit wegen nicht mehr zu machen, und später vereitelten es mir die Unruhen. Ende August fuhr ich von Wien nach Konstantinopel, wo ich die notwendigen Besuche bei österreichischen und türkischen Behörden machte und kehrte dann nach Adrianopel zurück. Wenige Tage genügten für die Vorbereitungen, und am 6. September brach ich zu meiner Reise ins Gebirge auf. Über Jenidsche führte mich der Weg zuerst nach Kirk Kilisse, das am Südfuße des Tundscha-Massivs liegt. Von hier ging es über Tirnowo und Tschiknigori nach Iniada. Über Urgas und Pineki kehrte ich wieder an die Westseite des Gebirges zurück, das ich auf dem Wege nach Midia und von dort nach Manika und Tscherkesköi noch zweimal überstieg. Eine zweite Tour führte mich von Uzun Köprü über Kistambul, Harmanly, Baschaid nach Keschan und von dort nach Ipsala, Feredschik und Dedeagatsch, von wo ich nach Adrianopel zurückkehrte. Man kann in orographischem Sinne im östlichen Teile der europäischen Türkei drei Einheiten unterscheiden : l.DasBergland des Tundscha-Massivs und des Istrandscha Daghs im Norden und Nordosten, in seinem westlichen Teile von den Einwohnern Balkan genannt, obgleich es weder tektonisch noch orographisch mit dem hohen Balkan etwas zu tun hat; 108 F. X. Schaffer, 2. das Maritza- und Ergene-Becken (das thrakische Becken) und 3. das Bergland südlich vom Ergene bis an das Meer, das ich nach dem in der Mitte gelegenen größten Orte das Bergland von Keschan nenne. Das Bergland des Nordens besitzt im Westen Gebirgs- charakter, im Osten den eines Karstplateaus und gliedert sich in zwei Teile: die alte Masse der Tundscha im Westen mit Erhebungen von über 1000 m und den Istrandscha Dagh im Osten, der nur eine höchste Erhebung von etwa 500 w besitzt und größtenteils von alttertiärem Kalkstein gebildet wird. Dies ist die nördliche Umrandung des thrakischen Beckens. Die westliche Begrenzung bildet die Ardamasse, die 1200 bis 1 300 w Höhe erreicht und sich von der Maritza bis an das Meer erstreckt. Im Süden zeigen einige Reste alter Ge- birge deren Fortsetzung nach Südosten an, geradeso wie vom Tundscha-Massiv einige kristallinische Inseln, die aus den jungen Sedimenten auftauchen, in südöstlicher Richtung nach Kleinasien hinüberweisen. In diese Bucht ist das Eocänmeer eingedrungen. Seine Sedimente liegen ringsum am Rande und bilden, auf altem kristallischen Gestein aufgelagert, die Höhen, die das Becken später im Osten und Süden abgeschlossen haben. Soweit jetzt unsere Kenntnis fortgeschritten ist, scheint eine offene Verbindung nur nach Südosten bestanden zu haben, durch die der oligocäne Binnensee seine Fortsetzung nach dem Marmarameer gefunden hat. Das marine Miocän und die sarmatische Stufe fehlen bisher im Innern. Aus ge- ringen Denudationsresten an den Rändern des Beckens ist auf dessen Bedeckung mit Ablagerungen eines Binnensees in jungmiocäner oder altpliocäner Zeit zu schließen, auf die Hochstetter seine pontische Stufe begründet hat. Diese Sedi- mente sind durch eine weitgehende fluviatile Erosion größten- teils entfernt worden, die den heutigen orographischen Gegen- satz zwischen dem südlich und dem nördlich vom Ergene gele- genen Teil des Beckens bedingt hat und die heute noch andauert. Das alluviale Bett der Maritza, das beim Eintritt des Flusses in die Türkei nur geringe Breite besitzt, erweitert sich bei Adrianopel bedeutend und vereinigt sich mit den Tälern Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 109 der Arda und Tundscha. Unterhalb der Stadt bildet es ein bis \0 km breites Becken, daß sich bei Kuleli Burgas verengt. Gegen Dimotika verbreitet es sich wieder und besitzt bei Ipsala eine Breite von zirka \6 km. Wie im Becken von Adria- nopel ist es auch hier zu Sumpfbildung geneigt. Der letzte Teil des Unterlaufes des Flusses ist von Seen und Sümpfen be- gleitet. Das alluviale Schwemmland des Ergene dehnt sich unterhalb Lule Burgas aus. Ich habe die hydrographischen Verhältnisse dieses Gebietes an anderer Stelle ausführlich be- sprochen und kann jetzt darauf hinweisen. (»Entwaldung und Entwässerung des Ergene - Beckens in der europäischen Türkei», Mitteilung, der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien, 1903, Heft 3 und 4.) Hochstetter hat die ausgedehnten Schottermassen, die das Becken von Thrakien besonders in dem nördlichen Teile bedecken, als thrakische Stufe ausgeschieden. Ich glaube, daß dies kein besonders glücklicher Griff war, da diese wohl das ganze Diluvium und mindestens das obere Pliocän um- fassen, wie ich sie auch auf meiner Karte bezeichnet habe. Die äußere Ähnlichkeit mit den Ouarzschottern der Umgebung von Wien hat Hochstetter schon erkannt, doch darf man darauf wohl kaum eine Altersgleichstellung fußen lassen, wie er es getan hat. Es ist das Abtragungsprodukt der Gebirge des Nordens, das großenteils wohl zu wiederholten Malen um- geschwemmt worden ist, wie es auch bei den ähnlichen Schottern des Alpenvorlandes der Fall ist. Seit der Austrocknung des pontischen Seenbeckens hat eine starke Abtragung der Gebirgsumrandung stattgefunden, wie die gewaltige Menge von Schotter zeigt. Daß dieser Prozeß nicht auch schon vorher in größerem Maße vor sich gegangen ist, zeigt der Mangel von grobkörnigen Sedimenten in den älteren Schichten. Bei Harmanli in Bulgarien beginnen diese Schotter und nehmen in der Gegend von Adrianopel sehr an Verbreitung zu und folgen, das weite thrakische Becken füllend, dem Gebirgs- rande bis Tatarköi und wohl weiter bis an die Wasserscheide bei Sinekli. Im Westen reichen sie so ziemlich bis an die Maritza, die den Ostrand des Arda-Massivs bespült, und im 110 F. X. Schaffer, Süden dringen sie in das Bergland von Keschan ein, wo sie aber nur eine geringe Mächtigkeit besitzen, so daß der Unter- grund allenthalben zutage tritt. Die geringere Höhe des nörd- lichen Teiles des Beckens von Adrianopel ist meiner Ansicht nach auf tiefgehende Erosion der leicht zerstörbaren oligocänen Mergel zurückzuführen. Die Orte Tschorlu, Airobol, Tschepköi und Ipsala dürften die Südgrenze dieser Schotter, die eine leichtgegliederte Hügellandschaft bilden, bezeichnen. Ich habe an den Rändern des Gebietes wiederholt bemerkt, daß sie nur bis etwa 180w Höhe reichen, und ich habe deshalb die Ost- grenze auch von diesem Gesichtspunkte aus bestimmt. Eine allgemein auftretende Erscheinung ist die Zunahme der Größe der Rollstücke von Süden nach Norden gegen das Gebirge zu. Während auf den Hügeln bei Adrianopel und längs des Ergenetals Rieselschotter und Sand vorherrscht, wird das Material gegen das Gebirge zu gröber, so daß also wohl kein Zweifel darüber bestehen kann, woher es gekommen ist. Die Mächtigkeit der meist eine deutliche Bankung verratenden Schottermassen ist verschieden. Bei Adrianopel beträgt sie einige Meter, gegen das Gebirge zu habe ich sie aber an mehreren Stellen bis zu 20 in gemessen. In der Nähe der Maritza sind die Schotter in Terrassen gelagert. Ihr Material ist vorherrschend lichter, äußerlich durch Oxydation rötlich ge- färbter Quarzit, dann verschiedenes Urgestein, Granit, Gneis, Diorit, wie sie im Gebiete vorkommen. Ich habe in diesen Ab- lagerungen keine Spur organischer Reste gefunden. Löß- bildungen scheinen dem Gebiete zu fehlen. Wenigstens habe ich sie hier nirgends getroffen. Dies ist aber sehr begreiflich in einer Gegend, die so von den fluviatilen Wässern beherrscht wird, und wo die Niederschlagsverhältnisse der Erhaltung so leicht zerstörbarer Gebilde sehr ungünstig sind. Für gleichaltrig mit diesen Schottern und Sanden halte ich die Sande, die zwischen Adrianopel und Mustafa Pascha den Südrand des Maritzatales begleiten. Es sind feine, lockere, glimmerreiche, gelbliche Quarzsande, die besonders bei km 33 der Bahnlinie in einer Materialgrube etwa 15 w hoch auf- geschlossen sind und neben zahlreichen verkieselten Holzstücken Säugetierreste enthalten. Aus ihnen stammen ein Unterkieferast Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 111 von Rhinozeros, Schenkelknochen und ein Wirbel von Elephas und ein schlechterhaltener, geweihähnlicher Rest, der Ähn- lichkeit mit dem Kopfschmucke eines Riesenhirsches besitzt, nur daß er viel kräftiger und gewichtiger ist. Ein großer Alveol- raum am Zentralende und die Verflachung und Verbreitung der Schaufel gegen außen zeigen Ähnlichkeit mit dem Geweih eines Sivatherinen. Da die Meinungen darüber getrennt waren und das Sti.lck vielleicht einige wichtige Schlüsse zu ziehen gestatten konnte, hat Herr Dr. Abel, der diese Ähnlichkeit zuerst erkannt hat, die Reste zur Bestimmung übernommen. Er teilt mir darüber mit, daß das Stück wirklich von Sivatherium giganteum herrührt, was von umso größerer Bedeutung ist, da dies der erste derartige Fund in Europa ist. Dr. Abel wird ihm sicher eine längere Besprechung widmen, so daß ich hier also ganz kurz darauf hinweisen kann. Das jüngste Glied nicht fluviatiler Ablagerungen im Becken von Adrianopel bildet ein Congerienkalk und -mergel, den ich selbst nur an einem Punkte anstehend kennen gelernt habe. Hochstetter führt ihn von Jena und Taschli-Müselim am Südrande des Gebirges, an der rechten Talseite der Maritza von der Ardamündung bis Mustafa-Pascha, aus der Gegend von Dimotika, von Maltepe, Malgara und Keschan, und von Sufli und Ferre an. Bei Tschirmen, östlich v'on Mustafa-Pascha, habe ich ihn selbst getroffen, und von Werksteinen, die von Kuleli Burgas stammten, habe ich mir in Adrianopel Hand- stücke verschafft. Bei Maltepe und Keschan habe ich ihn nicht gefunden und nur die Cyrenenmergel gesehen, die ja eine so große Verbreitung in dem Becken besitzen. Das auf die Ränder beschränkte Vorkommen dieser Congerienkalke zeigt, daß wir es hier nur mit geringen Denudationsresten einer vermutlich einst weit ausgebreiteten Formation zu tun haben. Meine Stücke stammen von einem schmutziggelben, ziemlich reinen Kalkstein, der fast ausschließlich aus Stein- kernen einer kleinen Co7tgeria besteht. Daneben sind un- deutliche Abdrücke kleiner Cardien zu bemerken. Die Stein- kerne erreichen selten 20 imn Länge. Meist besitzen sie nur eine Länge von 10 bis \2 mm, und inre Breite ist dann 6 imn. Sie sind ziemlich stark gewölbt und gleichen in ihren Um- 1 12 F. X. Schaffer, rissen der Gruppe der Modioliformen von Andrussow, doch wäre es gewagt, eine spezifische Bestimmung zu versuchen. Die größte Ähnlichkeit besitzen sie mit Congeria Brardy Br. Ich könnte mich über das Alter dieser Schichten nicht mit Sicherheit äußern. Hoc hstetter läßt auf ihnen seine pontische Stufe fußen. Ich muß mich ohne eigene Meinung hierin seiner Autorität anschließen. Sarmatische Bildungen fehlen bisher im Innern des Beckens und sind nur an der Küste des Marmarameeres ent- wickelt. Ebenso ist das marine Miocän unbekannt. Das wichtigste Glied der Beckenausfüllung sind Mergel und sandige Kalke mit Cyrenen, die sich vom Gebirge des Nordens bis Keschan und ostwärts bis an das Meer bei Rodosto und Erekli ziehen. Sie bilden den Untergrund des thrakischen Beckens im Norden und das Bergland im Süden. Es sind besonders im Norden und in den tieferen Partien im Süden fette, leicht zerstörbare, graue Mergel, in denen sich zahlreiche Bruchstücke kleiner Bivalven finden. Es ist sehr schwer, diese Mergel zu schlemmen, da sich das fette Material nicht löst. Im Berglande, südlich vom Ergene, werden sie von Sandsteinen und sandigen Kalken überlagert, die wohl gebankt sind und besonders auf den Schichtflächen zahlreiche Exem- plare von Cyrenen führen. Während in den mergeligen und kalkigen Partien die Schalen aufgelöst und meist gute Skulptur- steinkerne erhalten sind, besitzen die im Sandstein eingebetteten Exemplare noch ihre Schalen. Ihre Mehrzahl gehört der Cyrena semistriata Desh. an oder steht ihr nahe. Ich habe keine anderen makroskopischen fossilen Reste in diesen Schichten gefunden. Über die Mächtigkeit dieser Mergel sind wir noch nicht unterrichtet. Wohl hat man mir in Keschan erzählt, daß man darin 100 w-^ tief auf Kohlen gebohrt hätte, aber ich glaube, daß diese Angabe nicht verläßlich ist. Eine be- sondere Bedeutung besitzt das Schichtglied durch die einge- lagerten Flötze von Braunkohlen, die infolge ihrer weiten Ver- breitung trotz ihrer meist geringen Mächtigkeit einen hervor- ragenden Wert für das an Brennmaterial arme Land haben oder vielmehr einmal haben werden. In der Gegend nördlich von Adrianopel soll man Kohlenspuren gefunden haben, und Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 113 ich glaube die blätterigen Sandsteine und Sande mit kuchen- artigen Konkretionen, die die Hügel von Adrianopel gegen das alte Serail bilden, dieser Formation zurechnen zu müssen. Ihr eigentliches Verbreitungsgebiet ist aber der Süden, der ganz aus ihr aufgebaut ist. Nur geringe oberflächliche Bildungen von Schottern und Sauden bedecken sie. Aus der Gegend von Ipsala über Keschan, Malgara bis in die Gegend von Rodosto und Erekli und im Norden bis Tschepköi und vermutlich bis Airobol und Tschorlu reicht ihre Verbreitung. Das Hügelland besitzt eine größte Höhe von 350 m. Es ist durch zahlreiche Täler reich gegliedert, fruchtbar und großenteils gut bebaut. Koniferenwälder fehlen gänzlich. Laubwald tritt in kleinen niederen Beständen auf. In geringer Tiefe unter der Oberfläche — sie beträgt in vielen Fällen nur etwa 10 m — trifft man fast in jedem Wasserrisse aufgeschlossen meist Yg bis 1 m, selten bis 2 wi mächtige Flölze von Braunkohle. Die Lagerung ist meist wenig gestört, nur an einigen Punkten, z. B. bei Kistambul fallen die Schichten steil ein und zwischen Baschaid und Keschan bilden sie eine flache Mulde. Die Kohlen besitzen die Güte der nordböhmischen Braunkohle und werden in Adrianopel in Öfen gebrannt. Man hat auch Ver- suche mit Lokomotivfeuerung gemacht, die besonders bei einer Mischung von Kistambulkohle und Kardiff trefflich ge- glückt sind. Freilich ist der Heizwert der Kohlen sehr ver- schieden. Die geschätztesten sind die von Kistambul und Keschan, mindere Sorten liefern Tschauschlu und Harmanly, Von einem rationellen Abbau ist noch nirgends die Rede. In Kistambul wird auf eine wenig bergtechnische Art in einem kaum versicherten Stollen die Kohle aus dem stets knisternden und krachenden Flötze gewonnen. An den anderen Plätzen sind erst Versuchsschürfungen gemacht worden. Nur in Keschan, wo das Flötz unter den Schottern der Talebene liegt, hat eine englische Gesellschaft alle Förderungsanlagen in ent- sprechender Weise hergestellt, einen Schacht abgeteuft und eine Anzahl Beamte angestellt, die aber seit Jahren nichts zu tun haben, da ihr der kaiserliche Ferman, der die Ausbeutung der Gruben gestatten sollte, verweigert wird. Sie beabsichtigt, die Kohle nach Gallipoli zu schaffen und von dort nach Sitzb. d. mathem.-nalurvv. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 8 1 14 F. X. Schaffer, Konstantinopel zu verfrachten. Sind auch bis jetzt die Aus- sichten nicht sehr hoffnungsfreudig, so ist doch die Bedeutung dieses Vorkommens vom volkswirtschaftlichen Standpunkte nicht zu unterschätzen, da die Ausbeutung leicht sein dürfte. Nach Schätzungen, die mir von einigen Punkten gegeben worden sind — eine darunter Keschan mit 50 Millionen Tonnen — schätze ich die Gesamtmenge der Kohlen auf über 100 Millionen Tonnen. Freilich sind die Angaben zum Teil wenig verläßlich und es ist ein großer Prozentsatz minder- wertigen Materials zu berücksichtigen. Der gleichen Stufe sollen die Kohlenvorkommnisse an- gehören, die an verschiedenen Punkten in Bulgarien auf- treten, aber nicht die gleiche Güte und weite Verbreitung besitzen. Im Westen, Norden, Nordosten und Süden ist das Becken von eocänen Bildungen umsäumt, die an das alte Gebirge an- gelagert sind. Die Vorkommnisse westlich von der Maritza an der Ardamasse und im Süden am Kuru und Tekir Dagh habe ich nicht kennen gelernt. Ein Streifen eocäner Kalke begleitet den Südrand des Tundscha Massivs von der bulgarischen Grenze bei Hebitschewo über Kirk Kilisse nach Osten. Vor Wisa verbreitert er sich und die Kalke reichen über den Istrandscha Dagh bis an die Küste. Auch hier liegt wie im Westen das Eocän direkt auf kristallinischem Gebirge, das in einzelnen Inseln daraus emportaucht. Im Westen liegt es z. B. bei Kirk Kilisse in 250 w, bei Urgas (Sofires) in 180 w, bei Pinek in 280 m, und auf der Göztepe bei Wisa und weiter im Südosten erreicht es Höhen von mehr als 400 w. Seine Ver- breitung in der Gegend von Tschataltscha habe ich nach Tschihatscheff's Karte gezeichnet, da ich selbst diese Land- striche nicht besucht habe. Der Kalkstein besitzt im Aussehen die größte Ähnlichkeit mit manchen Leithakalken des Wiener Beckens, ist schmutzig- weiß, bisweilen gelblich und besteht aus Nulliporen, Korallen, Muschelsteinkernen oder Nummuliten. Oft fehlt jede organische Struktur fast vollständig, An anderen Punkten ist er sandig. Bei Kirk Kilisse, wo er an mehreren Punkten in der Stadt aufgeschlossen liegt und die Hügel bildet, die das Geologische ErQebnisse einer Reise nacli Thrakien. 115 ' ö abwechslungsreiche Relief des Ortes bedingen, herrscht Muschelkalkstein vor. Von hier stammen folgende Fossilreste, die wegen der Auflösung der Schalen und sonstigen schlechten Erhaltung meist nicht spezifisch zu bestimmen waren. Zum Teil habe ich sie nach einer Sammlung des Herrn Kokinos, des Schwiegersohnes des österreichischen Konsularagenten Herrn Massaraki, bestimmt. Niimmulites Ramondi Defr. Trochocyathus Pecten (ähnlich F. elegans). Lüna sp. Spondyhis (ähnlich Sp. hifrons Münst.). Ostrea rarüamella. Ostrea spec. div. Area sp. Pecttmculus sp. CytJierea sp. Liicina sp. Panopaea (ähnlich P. Menardi). Trochus (groß), Xenophora sp. Natica (große und kleine Formen). Turritella sp. Vermehis sp. Cerithiiim (30 cm lange Exemplare). Strombus sp. Cypraea sp. Terebra (groß). Conus spec. div. Natiillus. Außerdem Reste von Brachyuren, Zähne von Carcharias und ein Geweihrest eines Cerviden. Bei Wisa sind Nummulitenkalke besonders mit Ntinim. Ramondi Defr. und rotularins Desh. vorherrschend, bei Urgas sind Anthozoen häufig, obgleich manche Bänke ganz 8* 116 F. X. Schaffer, von Nummulites elegans Sovv, und A^. rotiilarius Desh. erfüllt sind. Von sonstigen Fossilien stammen von hier: Heliastraea äff. Boneana Rss. Trochocyathus und zahlreiche andere Anthozoen. Natica sp. (groß). Ostrea rarilawiella Desh. Cardium sp. Panopaea sp. Ich glaube, daß der marine Kalkstein, den Tschiha- tscheff südlich vom Derkossee anführt und auf Grund der nicht näher bestimmten Korallen für miocän erklärt, auch alttertiär ist, welche Ansicht schon Hochstetter besessen haben dürfte, der diese Region dem Eocän zuzählte. Wie weit dieses Kalkgebirge, das von der Eisenbahn zwischen Sinekli und Kütschük -Tschekmedschi gekreuzt wird, nach Südwesten reicht, ist unbestimmt. Die Lagerung dieser Schichtglieder ist fast durchwegs ungestört. Ich habe keine als Faltung zu deutenden Störungen beobachtet. Die Oberfläche, die von engen, tiefen Tälern durchschnitten wird, zeigt typischen Karstcharakter. Das Land ist von Buschwerk, hauptsächlich von Eichen bedeckt, höhere Baumbestände finden sich nur weiter im Norden und im Innern. Gegen das Meer und die Ebene fällt das Gebirge steil ab. Das Mesozoikum ist in meinem Arbeitsgebiete nur durch graue Orbitulinensandsteine vertreten, die ich am Kap Iniada, wo sie in südöstlicher Richtung gegen das Meer ausstreichen, kennen gelernt habe. Sie fallen steil zirka 50° nach Osten ein. Ihre teilweise rötliche Farbe scheint auf Kontaktwirkung mit den benachbarten Andesiten zurückzuführen zu sein. Das äußerst feste Gestein ist erfüllt von Orbitulinen, die der 0. con- cava Lam. und plana angehören. Freilich ist die Erhaltungs- weise recht wenig günstig. Die Schichtstörungen glaube ich nicht auf Faltung, sondern bloß auf Absinken zurückführen zu müssen, das wohl mit dem Emporquellen der großen Massen vulkanischen Magmas im Zusammenhange steht, die die Schwarze Meer-Küste begleiten. Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 1 1 7 Die Zone von Neokom, die Hochstetter westlich von der der Orbitulinensandsteine anführt, lag außerhalb meines Reiseweges. Das Palaeozoikum fehlt bis jetzt in Thrakien völlig und tritt erst am Bosporus auf, wo es von T seh i hat sc he ff zuerst genauer studiert wurde. Den Kern der drei Gebirgsmassen, die das Becken be- grenzen, bilden kristallinische Schiefer und Gneise, in die granitische und dioritische Stöcke von zum Teil beträchtlicher Ausdehnung und Züge von kristallinischen Kalken ein- gelagert sind. Das Bedeutendste dieser alten Massive ist das der Tundscha, das sich gegen Osten bis an das Meer ausdehnt. Der Name des Istrandscha Dagh ist nur für den südöstlichen Teil des Gebirges zu verwenden, wie es auf den meisten Karten üblich ist. Darnach besteht dieses aus einzelnen Inseln kristallinischen Gesteins, besonders Schiefer, die aus der Decke von Alttertiär emporragen. Bei Kirk Kilisse bildet eine schmale Zone von grauweißem zvveiglimmerigem Gneis das Liegende des Tertiärs. Man trifft dann gleich einen rosafarbenen, grobkörnigen Zweiglimmergranit, der die pittoresken Hügel und Blöcke hinter der Stadt zusammensetzt. Er scheint einem größeren Stocke anzugehören und sich bis Dereköi auszubreiten, wo kristallinischer Kalk in mehreren Zügen in Muskovitgneis auftritt. Granitische Stöcke finden sich in dem Gebiete des Tundschamassivs oft in größerer Ausdehnung. Daneben trifft man Dioritstöcke, wie den von Samakov-Tschiknigori, der aus einem lichten Hornblendequarzdiorit besteht. Jungvulkanische Gesteine treten im Becken von Adria- nopel im Südwesten auf, wo sie zum Teile mit noch heute wirkenden thermalen Erscheinungen (Arsentherme von Ilidscha) in Verbindung stehen. Es scheinen durchwegs Andesite zu sein. Herr Dr. Wächter, dem ich die Unter- suchung der von mir aus diesem Gebiete mitgebrachten Gesteine verdanke, hat von Ipsala Augithypersthenandesit und Augitandesit bestimmt. Die Andesite von Kap Iniada habe ich schon früher erwähnt. 118 F, X. Schaffer, Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. Die Ergebnisse meiner Reise, die als Lösung der von mir verfolgten Aufgabe gelten können, lassen es als sicher er- scheinen, daß der Istrandscha Dagh ein altes Gebirge ist, über das das Alttertiär transgrediert. Faltungen sind in tertiärer Zeit nicht mehr erfolgt, und die Kreide ist nur durch Absinken gestört. Es ist also eine Fortsetzung der Leitlinien des Balkan nach Südosten nicht anzunehmen, und wir haben den Istrand- scha Dagh lediglich als einen Teil der Rhodopemasse anzu- sehen, der nach dem kleinasiatischen Festlande hinüber- weist. Scliaffer.F: Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. (rlavan / KavakW o Cüalopo olkr/nenderc l SalfL '■Jstbi0 Sarojui i ( TäAottj-^ \ Soitä^ak ItyjflZ yFUieL Jus^näar Tbzijac \£aramZi ■Jhtartar) j \sgmhi I ^_ ' c Petra Jüyu/tü KadikibV SiisoaU %Gedcge o Saxera _v Cup Geologische Karte VOTL nadiältereiLAufnahmen und eigeiuen Studien von DrRX. Schaffer mpakh A JÜiV fe OLaraguß- f Tcfpakwj Tatiu-li Juoalit lieibd \ Ortikiäy^ Mufkiöf Mo^adzoJü GibariUi TokinahkiSj o CaUJdbJ ^Svhi last fijinotik; loüka^'j £ashhsv 0^ Jüy'adsik r c JCarahunar yjhanjo r->.,ji 1 1 lifleRö-gas ""j^re« / / •'"'^''^ /^ / /^ °^ ^ AlapWe 1 j 11 jEorems \ ) ^*A /^ ^^-^^^isini J //^ Cuuslilüi. Xarakll\^ i. ^. ^eiäler ^^ if Jususkiöj \ ^-\Cinqerfi Qi. aJüwasenit JSwntb^az-Agj 7^ /' r^J(iic Svenäekli \\ 1 oDambaslar o Ijiurh örmali Cimd^ Jkalan o JJii/*4^ sanjon Jha Fdkirogbt- o uSe/dzüer ) , \ , /Japadia Gl iiece I Cmti ' ° -^ CqvIh o / ^^i L — "i l JünckU JaäHÖfo o SaJipas fTatarkiÖf/ Isnmli i ^ — ""^"JK SipokliL iBoäurenv / \ ** ) iraguckiöj " Jladzikw) -Asisungat^ < JUanJH IMal^ara Avvziv Deh Ptwaht \ -f A'g Jüauna Tesastei ^Ibimlü ylksitkal y' oSimiklii SebiiUi diJaoüwt u.riwcan lt't"'<'-i'lH Cenoiruui Lcoajituus(^ic Sn//i' f '* ' '-fl JS't/staWniscke Kcdh^ -_J ÄÄio^/fi« m;V. rön-7mf// | ZU Jungmühmi^äie Otstäne / Melenhiy a Ah 1 I Sarmatischc Stufe I J Oligocän I I HocÖJi J Jih/st€cUzJizsAerS(Azefkr u Gneis Granit. Diorü. Syenit. Sitzungsberichte d.kais.Akad. d.AViss., maih^natunv. Classe.Bd.CXIII.AbthJ.1904. KDtD^itatstv.TtLBannwaitti, ,^an* Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie und Reisen. Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin. Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter demTitel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge , oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen i enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- ' gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. IIL UND IV. HEFT. JAHRGANG 1904. — MÄRZ und APRIL. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. (MIT 3 TAFELN UND 7 TEXTFIGUREN.) WIEN, 1904. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDR UCKEREI. IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN, Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. INHALT des 3, und 4. Heftes März und April 1904 des CXIII. Bandes, Abteilung- 1 der Sitzung'sh,eyi(^hta der mathem.-naturw. Klasse. Seite GreüacJt H., Spektralanalytische Untersuchungen über die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze. (Mit 3 Tafeln.) [Preis: 1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] ... 121 Höfer H., Gipskriställchen akzessorisch im dolomitischen Kalk von Wietze (Hannover). [Preis : 20 h = 20 Pfg.] 169 Doelter C, Die Silikatschmelzen. (Erste Mitteilung.) (Mit 7 Textfiguren.) [Preis: 1 K 50 h = 1 Mk. 50 Pfg.] 177 Preis des ganzen Heftes: 2 K 50 h = 2 Mk. 50 Pfg". AÜG ^1 , 905 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. III. HEFT. ABTEILUNG L ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN 121 Spektralanalytisehe Untersuchungen über die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze von P. Hugo Greilach, Kapitular des Benediktinerstißes St. Paul in Kärnten. (Mit 3 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 3. März 1904.) A. Einleitung und Historisches. Eine der wichtigsten Fragen auf dem Gebiete der Pflanzen- physiologie, welche vom Beginne derselben als Wissenschaft bis auf den heutigen Tag nicht nur Botaniker, sondern auch hervorragende Physiker und Chemiker beschäftigte und welche trotz der eingehendsten theoretischen und experimentellen Untersuchungen noch immer als ungelöst betrachtet werden muß, bildet die sogenannte Chlorophyllfrage. Warum die über- aus zahlreichen Resultate wissenschaftlicher Forschung auf dem genannten Gebiete noch zu keinem befriedigenden Ab- schluß gelangen konnten und auch in absehbarer Zeit nicht gelangen werden, hat darin seinen Grund, daß es sich hier wieder um eine Aufgabe handelt, komplizierte Lebensvorgänge durch exakte physikalische und chemische Metboden zu unter- suchen und zu erklären, eine nach den heute zur Verfügung stehenden Mitteln äußerst schwierige, oft sehr undankbare Arbeit. So ist z. B. bekannt/ daß zwischen optischer Absorption 1 Pfeffer, Stoffwechsel. 1897. 9* 122 H. Greilach, und Assimilation ein bestimmtes Verhältnis, wenn auch durch noch so plausible theoretische Gründe gleichsam ge- fordert, sich nicht genau nachweisen läßt. Zu welch voreiligen Schlüssen ist gerade LommeP auf diesem Gebiete gelangt. Am wenigsten aber findet sich in der Literatur die Frage aufgeworfen, wie Chlorophyll entsteht, was die eigentliche Wirkung des Lichtes beim Aufsprießen des ergrünenden, angiospermen Keimlings sei, wie diese chemisch sowohl als auch physikalisch in der jungen Pflanze bei der Entstehung des Chlorophylls sich manifestiere. Die Schwierigkeit in der Lösung speziell dieser Aufgabe tritt dem Experimentierenden sofort klar vor Augen: Man müßte das einzelne Chlorophyllkorn nicht nur chemisch, sondern auch mechanisch behandeln respektive zerlegen können, um vollständig über Entstehen und Vergehen des Farbstoffes Rechenschaft abzugeben im stände zu sein. Wenn nun im folgenden über die Entstehung des Chloro- phylls einige Daten erbracht werden sollen, so handelt es sich hiebei vor allem um zwei Punkte, erstens die Intensität des zu diesem Prozeß erforderlichen Lichtes zu bestimmen, zweitens das Quantum des neugebildeten Farbstoffes nach Tunlichkeit zu messen, d. h. einen Zusammenhang zwischen der Licht- intensität und den Schwingungsamplituden der lonengruppen im Chlorophyllmolekül zu eruieren. Der Erste, welcher (allerdings nur schätzungsweise) das Minimum der Lichtintensität bestimmte, bei der Chlorophyll noch gebildet werden kann, war Sachs, der in seinem »Lehr- buche der Botanik« ^ den Satz aufstellte, daß das Ergrünen monocotyler und dicotyler Pflanzen bei einer Helligkeit be- ginne, welche dem Auge das Lesen eines Buches eben zur Not noch gestattet. Eingehende spektralanalytische Untersuchungen über diesen Punkt wurden jedoch erst von Wiesner" angestellt. 1 Ann. der Chemie und Phys. 1871. 2 Leipzig, 1873. 3 »Die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze«. Eine physiologische Untersuchung. Wien, 1877. Entstehung des Chlorophylls. 123 Bezüglich der Qualität des zur Chlorophyllbildung nötigen Lichtes fand Wiesner einerseits, daß sehr langwellige Strahlen des Spektrums (Ultrarot) kein Ergrünen hervorrufen, dieselben jedoch als »rayons continuateurs« im Bequerel'schen Sinne wirken können, andrerseits, daß sehr kurzwellige Strahlen an der Chlorophyllbildung Anteil nehmen, wenn letzerer auch kein bedeutender genannt werden kann. Auf die Intensität der Be- leuchtung Bezug nehmend, fand der genannte Forscher, daß bei angiospermen Pflanzen die chlorophyllerzeugende Kraft des Lichtes bei einem und demselben Minimum der Intensität erlischt, die Geschwindigkeit der Chlorophyllbildung aber bei konstanten äußeren Bedingungen bei verschiedenen Pflanzen eine verschiedene sei, ein Umstand, der nicht in einer variablen Konstitution des fertig gebildeten grünen Farbstoffes selbst, sondern in der individuellen Wechselbeziehung zwischen Plasma und Farbstoff in den Geweben seinen Grund hat. (Bei den Versuchen Wiesner's wurden die auf die Pflanzen wirkenden Lichtintensitäten durch verschiedene lichtdurch- lässige Schirme variiert, während die Helligkeit der Flamme stets dieselbe war: 6*5 Walratkerzen.) Die Entstehung des grünen Farbstoffes wurde hiebei stets durch das erste Auf- treten des Absorptionsstreifens X == 680 — 640 [X[i konstatiert. Die Frage über das Quantum des neugebildeten Farbstoffes wurde mit der über den genetischen Zusammenhang zwischen Chlorophyll und dem (Kraus'schen) Xanthophyll in Verbindung gebracht; auf welche Art und Weise soll später auseinander- gesetzt werden. Mit welcher Geschwindigkeit das Ergrünen bei inter- mittierender Beleuchtung vor sich geht, haben auf Wiesner's Anregung Mikosch und Stöhr gezeigt^ und gefunden, daß eine geringere Gesamtdauer derselben zur Chlorophyllbildung erforderlich ist als bei kontinuierlicher Beleuchtung, was eine Bestätigung der von Wiesner ^ zuerst nachgewiesenen 1 Untersuchungen über den Einfluß des Lichtes bei intermittierender Beleuchtung. Diese Sitzungsber., Jahrg. 1880 2 Wiesner, 1. c. 124 H. Greilach, Erscheinung bildet, daß nämlich das Ergrünen als auf photo- chemische Induktion beruhend aufzufassen sei.^ Weitere wichtigere Arbeiten sind in dieser Hinsicht nur wenige zu erwähnen. Reinke^ wies auf Grund ebenfalls spektroskopischer Untersuchungen nach, daß alle leuchtenden Strahlen des Sonnenspektrums zwischen den Linien A und H etiolierte Keimlinge zum Ergrünen bringen. Die Strahlen zwischen B und D erweisen sich als die wirksamsten, das Maximum ist zu beiden Seiten von C zu suchen. Die ultra- roten und ultravioletten Strahlen vermögen kein Ergrünen hervorzurufen. Wichtig für das Folgende ist Reinke's Be- hauptung, daß die Kurve der Wirksamkeit der Strahlen beim Ergrünen mit der Absorptionskurve des Etiolin (letzteres im Pringsheim'schen Sinn aufzufassen) nicht zusammenfalle. Eine weitere Abhandlung über diesen Gegenstand findet man bei Monte ver de, ^ nach welchem das Protochlorophyll (nichts anderes als Pringsheim's Etiolin) seinem spektro- skopischen Verhalten nach zum eigentlichen Chlorophyll merk- würdige Beziehungen aufweist, ein Umstand, der in den folgenden Auseinandersetzungen als grundlegend auch für quantitative Chlorophyllbestimmungen gelten soll (die dies- bezügliche Schrift Monteverde's war dem Verfasser jedoch erst in die Hand gekommen, nachdem letzterer bereits über diesen Gegenstand zahlreichere und genauere Untersuchungen zu verzeichnen hatte). In neuester Zeit stellt Kohl,* gestützt auf Palladin's^ und eigene Versuche die bereits früher von Kraus ^ gemachte 1 Monteverde (»Das Protochlorophyll und Chlorophyllc, vorläufige Mitteilungen, 1902) leugnet letzteres. Hierüber werde ich in einer eigenen Abhandlung berichten. 2 Die Abhängigkeit des Ergrünens von der Wellenlänge des Lichtes. Sitzungsber. der kgl. preuß. Akad. der Wissensch. in Berlin, Jahrg. 1893. 3 Über das Protochlorophyll. Acta horti Petropol. XIII, 1894. ^ Untersuchungen über das Carotin und seine physiologische Bedeu- tung in der Pflanze. Leipzig 1902. ä Ergrünen und Wachstum etiolierter Blätter. Ber. der deutschen botan. Gesellsch., Bd. IX, 1891. 6 C. Kraus, Über künstliche Chlorophyllerzeugung in lebenden Pflanzen bei Lichtabschluß. Aus botan. Jahresber. 1877. Entstehung des Chlorophylls. 125 Behauptung auf, daß gleichsam künstlich hervorgebrachtes Ergrünen im Dunkeln auch bei Angiospermen erzielt werden könne. ^ Systematisch ausgeführte Versuche speziell über diesen Gegenstand liegen indessen nicht vor. Es liegt auf der Hand, daß es bei der Beantwortung der Frage über das Ergrünen vor allem anderen darauf ankommt über möglichst genaue quantitative Bestimmungen des neu- gebildeten Farbstoffes 'verfügen zu können. Methoden zur quantitativen Chlorophyllbestimmung liegen, nach der Literatur zu schließen, verhältnismäßig sehr wenige vor und zwar sind dieselben in zwei Gruppen zu trennen: in eine spektralanalytische und eine chemisch-volumetrische. Übrigens läßt sich eine strenge Scheidung beider Unter- suchungsarten nicht immer konstatieren. Die ersten genaueren quantitativen Chlorophyllbestim- mungen liegen von Wiesner (1. c.) vor, welcher in kalibrierten Röhren alkoholische Chlorophyllauszüge solange durch Ti- trieren mit gleichprozentigem Alkohol verdünnte, bis der Streifen I des (stationären) Chlorophylls verschwand. In ähn- licher Weise wurden von demselben auch quantitative Xantho- phyllbestimmungen gemächt: stets gab die volumetrische Messung des zugefügten Alkohols Verhältniszahlen der vor- handenen Chlorophyll- respektive Xanthophyllmengen. Timiriazeff- benützte zur Vergleichung verschiedener Blattgrünmengen eine Normalchlorophyllösung, welche im Dunkeln in einer zugeschmolzenen Glasröhre aufbewahrt wurde. Die quantitativen Messungen wurden ganz wie bei Wiesner durch Titrierung vorgenommen. Tschirch's Methode zur quantitativen Chlorophyllbestim- mung ^ besteht in der Darstellung des Zinksalzes der Phyllo- cyaninsäure, welches nach dessen Angabe 11-07 Zn enthält, 1 Kf. hierüber auch Artari, Über die Bildung des Chlorophj'lls durch grüne Algen. Ber. der deutschen botan. Geseüsch., Bd. XX, 1902. 2 Apparate für quantitative Analyse des Chlorophylls und zur Bestim- mung des Gesetzes der Lichtabsorption durch dasselbe. Russ. aus Just's Jahresber. 1881. 3 Methode zur quantitativen Bestimmung des Chlorophylls, sowohl in den Blättern als in Auszügen. Pharm. Zentralbl., 30. 126 H. Greilach, wobei die Menge der Phyllocyaninsäure respektive des damit aufgenommenen Chlorophyllfarbstoffes rechnerisch gefunden werden kann.^ Neuerdings liegen von Kohl (1. c.) quantitative Bestim- mungen von Pflanz enfarbstoffen (freilich in etwas spärlicher Anzahl) vor, die derselbe mit dem sogenannten Kolorimeter ausführte, von welchen jedoch Raumes halber keine weitere Notiz genommen werden kann. Bei den angeführten Versuchen handelte es sich natürlich nicht um quantitative chemische Analysen quoad substantiam, deren bezüglich des Chlorophylls und dessen Derivaten ungemein zahlreiche anzuführen wären (kf. Literatur bei Marchlevsky: Chemie des Chlorophylls; Hamburg und Leip- zig 1894; und Tschirch: Untersuchungen über das Chloro- phyll; Berlin 1884), sondern lediglich um die meßbaren Mengen des bei einem bestimmten physiologischen Prozesse neugebildeten respektive zerstörten Blattgrüns. Bekanntlich geht die Bildung des letzteren bei angiospermen Pflanzen im allgemeinen nur im Lichte vor sich., Es ist dies eine der merkwürdigsten Wechselwirkungen zwischen Ätherschwin- gungen und chemischen Kräften, welche in den grünen oder ergrünenden Pflanzen die für die ganze Lebewelt so wichtige Kohlensäureassimilation und andere damit in Zusammenhang stehende Phänomene zur Folge haben. Diese Energiewandlung in ihrem Werden einigermaßen zu verfolgen, soll der Zweck der vorliegenden Abhandlung sein. B. Methode der Versuche im allgemeinen. Feststellung der Termini. Art der quantitativen Bestimmungen bei den Ver- suchen. Bevor zur Schilderung der einzelnen Beobachtungen über- gegangen wird, muß gleich zu Anfang bemerkt werden, daß genaue, absolute Messungen über neugebildetes respektive zerstörtes Chlorophyll niemals gemacht werden können, immer 1 Kf. auch: Hansen, »Quantitative Bestimmung des Chlorophyllfarb- stoffes in den Laubblättern. Würzburg 1887. Entstehung des Chlorophylls. 127 wird das Quantum der dabei in Betracht kommenden Pflanzenteile einerseits, die Wirkungsweise der Reagentien andrerseits wie bei jedem anderen chemischen Prozeß für jeden einzelnen Fall zu berücksichtigen sein. Es muß also darauf gesehen werden, stets passende vergleichbare Zustände herzu- stellen und auf diese Art störende Faktoren nach Tunlichkeit zu eliminieren. Die Methode, welche bei der quantitativen Bestimmung der Chlorophyllmengen im folgenden geschildert werden soll, war eine rein spektralanalytische. Nach dem, was eingangs über das Verhältnis zwischen optischer Absorption und Assimilation gesagt wurde, möchte es scheinen, als würde ein solches Verfahren von vornherein den Tatsachen widersprechen und die ganze Arbeit sei gleich- sam eine müssige. Allein um bei dieser so schwierigen Frage wenigstens einige physikalische Anhaltspunkte zum weiteren Forschen zu gewinnen (da ja andere Mittel noch weniger zum Ziele führen dürften), wurde dieser Ausweg als der zuver- lässigste erachtet. Den Hauptpunkt der vergleichenden Messungen bildete die Betrachtung der gegenseitigen Lage und Intensität der Chlorophyll- und Etiolinbänder in einem und demselben Dis- persionsbereiche. Unter ^Etiolin-^^ soll im folgenden jener Farbstoff ver- standen werden, welcher (im Sinne Pringsheim's) in alkoho- lichen Lösungen^ die Hauptabsorption im schwachbrechbaren Teile von X == 640 — 620 [jl[x eine Nebenabsorption von X n: 589 — 570 ji[ji im Spektrum hervorbringt.- Wenn sich auch Kohl (1. c.) für die Abschaffung dieses Terminus sehr energisch ausspricht, so scheint doch diese Bezeichnung unter allen die geeignetste für den in Rede stehenden Farbstoff zu sein; denn die Übereinstimmung zahlreicher Autoren hierüber würde die Einführung eines neuen Terminus um so weniger rechtfertigen, als in der Literatur ohnehin schon eine sehr große Menge 1 Am lebenden Blatte kann die genannte Absorption niemals wahr- genommen werden; der Grund wird später angeführt. 2 In herbstlich gelbgefärbten Blättern sind die angeführten Absorptionen niemals konstatierbar (Autumnophyll ist ein Carotin). 128 H. Greilach, (vielleicht wirklich identischer) grüner und gelber Farbstoffe aufgezählt werden.^ Daß »Etiolin« kein Carotin ist, wird nicht bezweifelt; dies zeigt ja auch vollauf dessen spektroskopisches Verhalten. Etiolin ist vielmehr gleichbedeutend mit Monteverde's Proto- chlorophyll, das nach dessen Angaben und des Verfassers eigenen Experimenten überhaupt kein gelber, sondern grüner Farbstoff ist, der jedoch für das menschliche Auge seiner äußerst geringen Quantität wegen äußerlich am »etiolierten« Blatte niemals sichtbar wird. Dieses Etiolin besitzt eine deut- liche Fluoreszenz, welche von der Absorption von X =; 640 bis 620 [X abhängt (Fluoreszenz I. Art nach Lommel) und dis- pergiert anomal wie Chlorophyll. F'erner wird dasselbe im Dunkeln gebildet, jedoch auch wieder im Dunkeln zerstört, wie zahlreiche Versuche mit etiolierten Gerstenkeimlingen lehrten. Es ist nun eine Tatsache, daß bei Beleuchtung etiolierter Pflanzenteile die Absorptionsstreifen des Etiolins und des neu- gebildeten Chlorophylls sich nebeneinander in einem und demselben Dispersionsbereiche der alkoholischen Lösung zeigen, und zwar in gradueller Verschiedenheit ihrer Intensi- täten, je nachdem die Pflanzen früher schwächer oder stärker beleuchtet wurden. Je intensiver die Lichtquelle wirkte, um so schwächer erscheint der Etiolin-, um so schärfer und dunkler der definitive Chlorophyllstreifen I. Hieraus läßt sich der Schluß ziehen, daß aus dem meß- baren Verhältnisse der Absorptionsintensitäten der Bänder I des Chlorophylls (X = 680 — 640 -.r) und des Etiolins- (X = 640 — 620 — x) die Menge des neugebildeten Chlorophylls im allgemeinen unabhängig von der Quantität belichteter Pflanzenteile bestimmt werden kann. (Da dieser Prozeß in unserem Falle sich nur im Lichte vollzieht und makroskopisch durch das allmähliche Grünwerden des Keimlings sich mani- festiert, so liegt es wohl sehr nahe, von einer wirklichen Ent- stehung des Chlorophylls [lonengruppe y] zu sprechen. Allein 1 Kf. Tschirch, 1. c, ferner Tammes, Flora, 1900, Heft 87: Über die Verbreitung des Carotins im Pflanzenreiche. Auch Kohl, 1. c. 3 Kf. hierüber die Anmerkung zu Punkt 4 in den Resultaten. Entstehung des Chlorophylls. 129 wie reserviert man gerade mit dem Terminus »Chlorophyll« umgehen muß, zeigt das genauere Studium der Literatur über diesen Punkt.) Die Proportionalität des Verbleichens der Etiolinabsorption und des Intensivervverdens des Chlorophyll- bandes I läßt einerseits die Wirkungsart der Aktivität des Lichtes erkennen, andrerseits aber auch auf die genannte »Entstehung« des Chlorophylls aus dem Etiolin einige Schlüsse ziehen. Ferner kann man leicht daraus ersehen, daß das Etiolin zwar ein dem Chlorophyll sehr nahestehender, aber keineswegs m.it demselben identischer Farbstoff ist.^ Inwieferne Carotin bei dem geschilderten Prozesse be- teiligt ist, kann wohl nur schwer ermittelt werden (kf. den Schluß dieser Abhandlung). Die Reindarstellung des Etiolins in Kristallform ist so wie die des Chlorophylls und Carotins versucht worden; ein näheres Eingehen auf diesen Punkt erscheint jedoch für das Folgende belanglos. Bemerkt muß aber werden, daß das Etiolin Marchlewski's, Bode's, Tschirch's und Pringsheim's bereits den mit eigentlichem Chlorophyll vermischten Farbstoff darstellte, da man ent- schieden nicht mit der richtigen Vorsicht zu Werke ging (viel- leicht nahm man bereits chlorophyllführende Samen oder es traf die Pflanzen schwaches, diffuses Tageslicht während des Experimentierens). So erklären sich z. B. die Angaben Tschirch's (1. c.) über die Absorption des Etiolins Band I X = 670—640 |x|jl; » IIa 630-620 » » Hb 608—595 » Band I gehört vollständig dem neugebildeten Chlorophyll und Band II dem Etiolin an. (Wenn es einzelne angiosperme Pflanzen gibt, welche auch in vollständiger Dunkelheit gezogen, den Streifen I des Chlorophylls im Spektrum zeigen, so ändert dies an der Sache nichts, bekräftigt vielmehr auch hierin die ver- wandschaftlichen Beziehungen zwischen Gymnospermen und Angiospermen). 1 Die Etiolinlinie I geht so wie die des Chlorophylls in das Benzol über. Es hindert übrigens nichts, mit Kohl (1. c.) Etiolin als Chlorophyll im latenten Zustand aufzufassen. 130 H. Greilach, C. Versuchsmethode im besonderen. a. Auswahl der Pflanzen und deren Aufstellung bei den Versuchen. Wie bereits erwähnt, galt es bei den Versuchen, mög- lichst vergleichbare Zustände herbeizuführen. Die Anzahl der Pflanzen, mit denen experimentiert wurde, war anfangs eine ziemlich große, allein es stellte sich heraus, daß neben anderen Unzukömmlichkeiten, namentlich bei den in der Jugend anthokyanführenden Keimlingen, der gelbe und grüne Farb- stoff in dickeren Lösungsschichten durch den roten respektive violetten vollständig verdeckt ward, was die Untersuchungen erheblich erschwerte. Andrerseits lehrte die Vergleichung der Spektra leichter zu untersuchender Pflanzen, daß erhebliche Unterschiede in den Dispersionsbereichen nicht konstatierbar waren. So wurde zuletzt nur mehr mit vier Spezies experimen- tiert, und zwar von möglichst verschiedenen Angiospermen- gruppen : Hordeuui sativum, Lepidium sativum, Cucurbita pepo und Phaseolus multißorus. Der Umstand, daß bei den Gramineen die einzelnen Teile des Blattes nicht gleichalterig sind, konnte bei den Versuchen füglich unberücksichtigt bleiben, da stets nur gleichalterige Triebe geerntet wurden. Bei Lepidium wurden lediglich die kleinen Blätter, bei Cucurbita die dem Lichte zugewendeten Cotylen gleicher Höhe und gleichen Alters nach Ablösung der Samenschale präzise zu Beginn des V^ersuches verwendet. Die Samen wurden unter Doppelsturz sämtlich bei gleicher Tem- peratur gezogen. Auch geschah die Prüfung derselben auf etwa vorhandenes Chlorophyll nach Tunlichkeit. Nur ein ein- zigesmal wurden Spuren des Chlorophyllbandes I im alkoho- lischen Extrakt von Lepidiuin-Sa.men entdeckt. Die ganze Lieferung wurde natürlich als unbrauchbar entfernt. Die Experimente wurden sämtlich im Dunkelzimmer des pflanzenphysiologischen Institutes der k. k. Universität in Wien vorgenommen; die Länge des Zimmers beträgt zirka 9m, die Breite zirka 4 m, die Höhe zirka 5 m. Die Wände und der Entstehung des Chlorophylls. 131 Experimentiertisch sind mattgeschwärzt; alle lichtreflektieren- den Gegenstände wurden entfernt, unentbehrliche Utensilien, wie Assimilationswage und Reagenzkästchen mit matt- schwarzen Tüchern verhängt. Da auch der dunkelste Gegen- stand in Wirklichkeit noch Licht reflektiert, so konnte auf eine absolut genaue Bestimmbarkeit der Lichtintensitäten nicht gerechnet werden; allein bei relativen Messungen konnte dieser Fehler bei sonst gleichen Umständen außeracht gelassen werden. Die zu untersuchenden Keimlinge waren teils in Töpfen, teils in Keimschalen in später zu besprechenden Entfernungen von der Lichtquelle aufgestellt und zwar abwechselnd in Kreis- bogenform, wenn mehrere Töpfe einer und derselben Spezies benötigt wurden, welches Verfahren darum notwendig erschien, damit die Keimlinge sich nicht gegenseitig in Schatten standen. Die relative Feuchtigkeit im Experimentierraum blieb immer dieselbe (zirka 457o)- Gegossen wurden die Keimlinge stets mit gewöhnlichem Wasser von derselben Temperatur und pro Topf im selben Quantum (einmal täglich zur selben Stunde). Daß beim Betreten und Verlassen des Experimentierraumes kein störendes Licht die Keimlinge traf, wurde durch einen dichten Vorhang sowie einen mattgeschwärzten Verschlag vor der Zimmertüre bewerkstelligt. Die Wasserleitung ist im Zimmer selbst angebracht. Den bei den Experimenten anscheinend wundesten Punkt bildete wohl das Quantum des bei den einzelnen Beleuchtungs- phasen zur Vergieichung verwendeten Pflanzenmaterials. Es wurde indessen oben bemerkt, daß unabhängig vom letzteren die Verhältniszahlen der Intensitäten von Streifen I des Etiolins und Chlorophylls als das Maßgebende bei sämtlichen Beob- achtungen erscheint. Allein trotzdem wurden auch hierin wieder möglichst vergleichbare Zustände geschaffen. Zu jeder Probe wurden je 4g Blattsubstanz (sit venia verbo!) verwendet, und zwar, um die genannten vier Spezies noch besser ver- gleichen zu können, von jeder Spezies dieselbe Menge. Es wurden übrigens nur solche Keimlinge für die spektral- analytische Untersuchung verarbeitet, welche vollständig im 132 H. Greilach, Lichte und in einem und demselben Bogen standen, ferner die nämliche Wachstumsgröße besaßen. ß. Die Beleuchtung der Keimlinge. Das Wichtigste und zugleich Schwierigste bei der Ein- leitung der Versuche bildete die Wahl einer passenden Bc- leuchtungsintensität der Pflanzenteile. Das Natürlichste bezüglich der Qualität des Lichtes wäre wohl gewöhnliches Sonnen- respektive diffuses Tageslicht gewesen, allein jedermann sind die Schwierigkeiten bekannt, welche hiebei einer exakten Methode entgegenstehen. Man weiß jedoch, daß Gaslicht, elektrisches Bogenlicht, ja selbst polarisiertes Licht sehr starke Kohlensäurezersetzung und Ergrünen hervorrufen.^ Allerdings wird bei Benützung künst- licher Lichtquellen^ die Assimilationskurve mehr oder minder bedeutend modifiziert werden, da z. B. im Gaslicht die kurzwelligen Strahlen sehr geschwächt sind. Letztere kommen jedoch bei den Versuchen weniger in Betracht, wie später auseinandergesetzt werden soll. »Die Assimilation«, sagt Reinke,^ sich an Lommel anschließend, »stellt sich durch den übereinstimmenden Verlauf der Kurven dar als eine Funk- tion der Absorption in derjenigen Atomgruppe, welche im Chloroph3/ll, wie auch in allen näheren Zersetzungsprodukten desselben, die Strahlen zwischen B und C lebhaft absorbiert.« Wenn auch diese Bemerkung mit großer Reserve aufgenommen werden muß (siehe den Schluß), so steht es doch fest, daß die genannten Strahlen bei Gaslicht fast geradeso wirken, wie beim Sonnenlichte. Übrigens kommt es ja im folgenden (und 1 Es wurden übrigens auch derartige Versuche angestellt. Darüber in einer späteren Abhandlung. 2 Daß die Bewegung der Erde nie einen Einfluß erster Ordnung auf Versuche mit terrestrischen Lichtquellen ausübt, wurde streng von Lorentz gezeigt (Lorentz: Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern. Leiden, 1895). 3 Die optischen Eigenschaften der grünen Gewebe in ihrer Beziehung zur Assimilation. Entstehung des Chlorophylls. 133 das sei hier besonders noch hervorgehoben) überhaupt nur auf die Beschreibung rein optischer respektive photo- chemischer Effekte an, Vielehe bei der Insolation in der Pflanze vor sich gehen. Bei relativen Untersuchungen, wie in unserem Falle, ist vielmehr das Hauptaugenmerk auf die Beschaffung einer kon- stanten Lichtquelle zu richten, welche bei sonst gleichen Um- ständen die Meßbarkeit des optischen Effektes ermöglicht. Als solche wurde stets die Flamme eines Mikrobrenners verwendet, ohne jedwede Hi^ilse oder Glaszylinder. Der Brenner stand mit einem gut funktionierenden Gasregulator in Verbindung. Die richtige Wahl der Beleuchtungsstärke bot anfangs ebenfalls einige Schwierigkeiten, einerseits wegen baldigen Ver- schwindens des Etiolinstreifens bei stärkerer Flamme, andrer- seits wegen möglichster Verhütung des Einflusses strahlender und leitender Wärme, welche namentlich die dem Lichte näher gelegenen Pflanzen treffen mußte. So wurden denn zuletzt mit Hilfe des Bunsen'schen Photometers folgende Intensitäten für die Versuche hergestellt: 72 > ^A- Ve' ^U einer Normalkerze. Die Pflanzen wurden in je 1 w Entfernung voneinander in der oben genannten Kreisbogenform aufgestellt, und zwar stand die am wenigsten belichtete Pflanze 6 m von der Licht- quelle ab. Während der Expositionszeit (stets genau 144 Stun- den bei jeder Versuchsreihe) brannte die Flamme vollständig gleichmäßig, wie aus photometrischen Kontrollbeobachtungen nach den Versuchen hervorging. Die Belichtung der jungen Pflanzen geschah nach Maßgabe der Keimfähigkeit der Samen, welch letztere natürlich zugleich ausgesät wurden. Bei einer und derselben Spezies wurden die bereits früher postierten Doppelstürze in demselben Momente gehoben: Bei Lepidüim nach zirka Y^tägigem Hervorsprießen aus der Erde, bei der Gerste stets in U/g cm Höhe, bei Phaseohis nach dem Hervorbrechen der ersten Blätter und bei Cucurbita beim Erscheinen der ersten Samenschalen. Auch in dieser Hinsicht lehrten zahlreiche Vorversuche, daß es auf 2 bis 3 Stunden längeren Verweilens im Dunkeln nicht ankommt, wenn eine Belichtungsfrist von 144 Stunden (auch geringerer Intensität) nachfolgt. 134 H. Greilach, Y- Temperaturverhältnisse. Die Temperatur schwankte bei sämtHchen Versuchen höchstens zwischen 17-5° und 18° C, bei welcher auch Lepi- dmm noch ganz gut fortkommen kann.^ IXirch sehr eingehende Vorversuche wurde ermittelt, daß das Schwanken des Wärmegrades innerhalb noch weiterer als den genannten Grenzen auf das Ergrünen der vier Spezies keinen Einfluß ausübt. 8. Verarbeitung des Pflanzenmaterials nach den Versuchen. Nach 144 Stunden Expositionszeit wurden die Pflanzen in 96^0 Alkohol gewaschen, zerschnitten, dann abgetrocknet und zuletzt solange in lA cnf von 96^0 Alkohol zerquetscht, bis ein gleichmäßiger Brei in der Reibschale vorhanden war. Die breiige Masse wurde in gleichartige Glasgefäße gegossen und wohlverschlossen durch 24 Stunden unter Doppelsturz verwahrt, sodann gut durchgefiltert, bis eine vollständig klare, für die spektroskopische Untersuchung geeignete Lösung erhalten wurde. Die Wage (zur Abwägung der Ag Blattsub- stanz) befand sich, wie erwähnt, auf dem Experimentiertisch, durch mattschwarze Tücher verhängt und war dieselbe eben- falls, sowie die Gewichte, mattgeschwärzt. Das Auge des Experimentierenden wurde stets durch längeres Verweilen in der Dunkelkammer derart an die Dunkelheit gewöhnt, daß der Ausschlag an der Wage vollständig genau beobachtet werden konnte, denn von der Lichtquelle drang nur ein ganz matter Schein durch die Vorhänge. £. Spektrophotometrisch e Untersuchungen. Zu vergleichenden Messungen der Hauptabsorptionen I des Chlorophylls und Etiolins wurde das Glan'sche Spektrophoto- meter^ verwendet, dessen nähere Beschreibung füglich unter- 1 Kf. hierüber: Detmer, Vergleichende Physiologie des Keimungspro- zesses der Samen. Jena, 1880 2 Es mag wohl wundernehmen, daß zu den Untersuchungen dieser Apparat benützt wurde, denn die Konzentrationsstufen der Lösungen sind Entstehung des Chlorophylls. 135 bleiben kann. Es sei lediglich auf die diesbezügliclie Literatur verwiesen.^ Als Absorptionskoeffizient gilt in den Tafeln — log tan-<:p des am Nicol abgelesenen Winkels, welcher Ausdruck durch Kombination der Malus 'sehen Formel mit der Integration und Konstantenbestimmung der Gleichung —dJ — kJdk' entsteht, wobei J die Intensität des auf die Lösungsschichte auffallenden Lichtes, k eine von der Farbe und dem ab- sorbierenden Medium abhängige Konstante und k' die Schichtendicke der Lösung bezeichnet. Die Schichtendicke betrug bei sämtlichen Messungen 270 fntn. Das Absorptions- maximum I des Etiolins kann nämlich nur bei sehr starker Konzentration oder bei bedeutender Länge der durchstrahlten Lösung deutlich wahrgenommen werden. Bei den in Rede stehenden Untersuchungen wurden beide Faktoren berück- sichtigt. Übrigens war die Glasküvette nur l-5m;wbreit, so daß die aus 14 cm^ gewonnene und gut filtrierte Lösung meist zu zweimaliger Untersuchung hinreichte. Die Intensität des bei den spektrophotometrischen Untersuchungen verwendeten Lichtes betrug zirka 10 Normalkerzen. Daß auch diese Experi- mente mit ziemlich großen Schwierigkeiten verbunden waren, erhellt daraus, daß während einmaligen Durchmessens des Dispersionsbereiches durch das intensive Gaslicht kleine Mengen von Chlorophyll (respektive Chlorophyllan) zerstört wurden, also eine zweimalige Prüfung einer und derselben Lösung unstatthaft erschien. Es mußte also stets eine zweite niemals derart erreichbar, daß die Gesamtintensität des Dispersionsbereiches dieselbe ist; in der Tat erschienen auch die ersten Experimente sehr trostlos, allein der Umstand, daß die relativen Intensitäten der Absorptionsbänder auch bei zu gleicher Zeit angestellten Kontrollversuchen dieselben blieben, zeigte den Weg zu weiterem Verfahren: die oben angeführten Daten so genau wie möglich einzuhalten, d. h. stets unter nämlichen Bedingungen zu experimentieren. Hat ja der genannte Apparat in der Pflanzenphysiologie bisher die besten Dienste geleistet, wie Reinke's und Schütt's Arbeiten zur Genüge dartun. 1 Kf. Wüllner, Strahlung, I.; Lieb isch, Kristallographie, etc. etc.). Sitzb. d. mathera.-naturvv. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 10 136 H. Greilach, frische Lösung der Untersuchung unterzogen werden. Allein auch diese Messung konnte zu einer völlig befriedigenden Bestimmung der Absorptionsmaxima nicht führen, da vielleicht bei den vorhergegangenen Manipulationen Fehler unterlaufen konnten. Daher wurde jeder Versuch drei- bis siebenmal wieder- holt, im Frühjahr und im Herbste, wenn die Temperatur der Dunkelkammer (18° C.) das Experimentieren gestattete. Auf- fallen wird ferner der Umstand, daß zur Prüfung auf neuent- standenes Chlorophyll Alkohol als Lösungsmittel verwendet wurde, also entschieden ein Zersetzungsprodukt des Chloro- phylls vorlag. Dies geschah deshalb, weil einerseits die beab- sichtigten Beobachtungen an lebenden Pflanzen unausführbar sind, denn der Etiolinstreifen konnte noch niemals im Spektrum lebender Pflanzen, des geringen Quantums dieses Farbstoffes wegen, gesehen werden; zweitens weil sogenanntes »Rein- chlorophyll« neben Etiolin darzustellen ein Ding der Unmög- lichkeit gewesen wäre. Bei den in Rede stehenden Untersuchungen konnten folgende Punkte nicht berücksichtigt werden: L Lageänderung der Organe, wie heliotropische Krüm- mungen, welche als spezifische Wachstumserscheinungen niemals eliminiert werden konnten. Diesbezüglich war in der Tat, wie auch aus Wiesner's zahlreichen Untersuchungen über diesen Punkt klar hervorgeht, eine Gleichheit der Krüm- mungen gegen das Licht auf den verschiedenen Standplätzen niemals erreichbar, es hätte denn, um jedweden heliotropischen Effekt zu vermeiden, monochromatisches gelbes Licht in An- wendung kommen müssen. Letzteres hätte jedoch nicht an- nähernd den Vorgängen in der Natur entsprechende Resultate hervorgerufen, 2. Die Schnelligkeit des Wachstums verschiedener Keim- linge, welche ebenfalls nie genau kontrolliert werden konnte, so daß am Ende eines Versuches einzelne derselben gleich hoch erschienen, obschon dieselben in Bezug auf die Dauer Entstehung des Chlorophylls. 137 des Lichtgenusses wegen des späteren Hervorkeimens viel- leicht um mehrere Stunden differieren konnten. Bedeutende Unterschiede ergaben sich jedoch in dieser Hinsicht niemals. D. Tabellen- und Tafelerklärung. In den folgenden Tabellen sind links vom einfachen Striche die Wellenlängen der Absorptionsskala, rechts von demselben die für die einzelnen Intervalle geltenden Exstinktionskoeffi- zienten ( — logßriggtan'^tp) angegeben. In jeder der beigelegten Kurventafeln sind auf den Ab- szissenachsen die Wellenlängen verzeichnet, die Ordinaten bilden die Exstinktionskoeffizienten von 0 bis 3*516, also für Ablesungswinkel von 0 bis 45°. Die jedesmalige Multiplikation der genannten Koeffizienten mit 100 gewährt in den Tafeln eine leichtere Übersicht der zu vergleichenden Kurven. Die nachstehenden Tabellen (und Kurven) sind selbstverständlich nicht als das arithmetische Mittel der einzelnen Versuche anzu- sehen, sondern bilden vielmehr das Resultat der bestgelungenen Versuchsreihen.^ Die Versuche bei Ye-Normalkerze sind nicht angeführt, da dieselben zu wenig durch Kontrollversuche erhärtet er- scheinen. Zu bemerken erübrigt noch, daß eigentliche Unstetigkeits- punkte in den Kurven sich niemals vorfinden können,^ die- selben sind in den beiliegenden Tafeln nur durch streng abgegrenzte Intensitätsmessungen bestimmter Dispersions- bezirke veranlaßt. 1 Es ist dies in unserem Fall auch der Methode der Fehlerberechnung selbstverständlich weit vorzuziehen. 2 Kf. Drude, Lehrbuch der Optik u. a. 10* 138 H. Greilach, Gerste bei 78"Noi*"^^^^^^2®- Entfernung von der Lichtquelle 1 m 2 m 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 613 610 602 598 595 589 585 583 580 577 572 569 565 564 559-5 553-5 548-5 543 5— ■697 \>.^ 690 ■684 678 ■673 ■667 ■663 658 653 648 643 639 633 630 ■627 ■622-5 613 610 ■602 598 595 589 585-5 -583 ■580 577-5 ■572 569 565-5 564 559 553 548 543 539 ■0 •5 •5 18 37 7 88 21 24 03 79 44 43 49 57 59 51 48 53 59 57 58 55 6 62 64 66 7 74 83 88 93 95 08 14 27 6 82 Merkliches nach 144 Stunden. Ergrünen 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' '615 610 606 602 595 591' 589 583 580 577' 574' 569 566- 564 559- 553- 548- 697 fj.p. 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- ■667 0- 663 0- ■658 0- 653 0- 648 0- 643 0- -639 0- 633 0- -630 0- 627 0- 622-5 0 617-5 ü- 615 0- 610 0- 606 0- 602 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 583 0- 580 0- 577-5 574-5 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 2- 15 25 41 51 55 57 55 53 44 48 66 7 72 68 62 6 59 66 7 74 83 85 88 92 95 98 03 11 14 24 35 42 51 7 21 Kurve 1. Kein merkl. Ergrünen nach 144 Stunden wie bei den folgend. Kurve 2. 704 — 697fA}JL 697 —690 690 —684 684 —678 678 —673 673 —667 667 —^63 663 —658 658 —653 653 —648 648 —643 643 -639 639 —633 633 —630 630 —627 627 —622-5 622-5—617-5 617-5-613 613 —610 610 —598 598 —595 595 -591-5 591-5—589 589 -583 583 —580 580 —574-5 574-5—572 572 —569 569 —564 564 —559-5 559-5 — 553-5 553 5-548-5 548-5—543 543 —539 539 —534 Kurve 3. 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 0- 1- 1- 1- 1- 1- Entstehung des Chlorophylls. 139 Entfernung von der Lichtquelle 4 m 5 m 6 m 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617' 613 610 606 602 598 591' 589 583 580 577- 574- 572 569 566- 564 559- 553- 548- 543 539 — 684}j.fj. —678 -673 — 667 — 663 — 658 —653 —648 —643 —639 —633 —630 —627 — 622 -617-5 i— 613 —610 —606 — 602 —598 -591 -589 -583 -580 -577-5 -574-5 -572 -569 -566 • 5 564 -559-5 -553-5 -548-5 -543 -539 534 Kurve 4. -091 -0 03 04 12 11 15 15 18 28 41 51 59 72 83 72 70 59 62 64 66 68 72 77 79 81 85 9 93 03 06 09 14 21 51 6 96 03 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 602 595 591- 589 583 580 577- 569 566- 564 559- 553- 548- 5— 5 — 5— 5 — ■678 [Ji|j. 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622-5 617-5 613 602 595 591-5 589 583 580 577-5 569 566-5 564 559 553 548 543 ■o 5 •5 Kurve 5. 06 18 23 25 27 31 36 55 68 83 98 85 7 68 7 72 79 81 83 9 98 00 03 09 11 14 21 35 6 690 684 678 673 667 658 653 648 643 639 633 630 627 622 5 617-5 613 610 598 595 591 -5 589 585-5 583 580 577-5 574-5 572 564 559-5 553-5 548 543 684|j.}j. 0- 678 0- 673 0- 667 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 1- 627 1- 622-5 1- 617-5 0- 613 0- 610 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 577-5 574-5 572 564 559-5 553-5 548 543 539 2 - Kurve 6. 03 06 25 26 27 34 51 74 90 93 11 14 02 83 70 74 72 79 83 85 90 93 00 06 09 14 17 24 27 60 82 91 140 H. Greilach, Lepidium bei '/s'^^ormalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m 2 m 3 m 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 643 639 633 627 617- 610 602 595 591- 589 585- 580 577- 572 569 566- 564 559- 553- 548 5— 5— 5— 697fi[Ji 0- 690 0- 684 678 673 667 663 658 653 643 639 633 627 617-5 610 602 595 591-5 589 585-5 580 577-5 572 569 566-5 564 559-5 553-5 548 543 2- 59 95 17 42 76 70 51 27 21 14 06 03 09 17 21 17 14 11 11 14 17 21 27 31 35 51 70 76 96 03 Merkliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 7. 704 - 697 - 690 - 684 - 673 - 667 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 630 - 622-5- 617-5- 613 - 610 - 606 - 602 - 598 - 595 - 591-5- 585-5- 583 - 577-5- 574 - 569 - 559 - 553-5- 548-5- 543 - 697|X|j, 0- 690 0- 684 0- 673 1- 667 1- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 630 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 598 595 . 591-5 585-5 583 577-5 574 569 559 553-5 548-5 543 539 2 ' 59 83 88 03 00 93 88 9 88 9 92 88 9 98 98 99 00 03 09 09 09 17 27 42 46 51 65 70 82 12 Sehr mattes Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 8. 704 697 690 684 673 667 663 653 648 643 633 630 622- 617- 613 610 606 598 595 591- 589 585- 580 574- 572 564 559- 553- 548 5— 5— 697 [ifj. 0- 690 0- 684 0- 673 0- 667 0- 663 0- 653 0- 648 0- 643 0- 633 0- 630 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 585-5 580 574-5 572 564 559-5 553-5 548 543 2 ■ •59 •62 -64 -68 -63 -66 -70 -81 -83 -79 -77 -74 -72 •79 -83 •88 -9 -93 -98 •06 •09 -11 •14 -21 •24 •38 •6 •07 •12 Kein deutliches Er- grünen. Übrigens ist dieser Versuch ohne erwünsch- tes Resultat ge- blieben. Die Kurve ist nicht ein- gezeichnet. Entstehung des Chlorophylls. 141 Entfernung von der Lichtquelle 4 in 5 m 6 m 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 627 617- 606 602 595 591- 589 585- 580 577- 569 566- 564 559- 553- 548- 543 539 Kein Ergrünen. 5 — 697|JL[A 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 627 0- 617-5 0- 606 0- 602 0- 595 0- 591-5 589 585-5 580 577-5 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 539 534 2- 28 51 62 74 74 73 68 7 74 77 83 9 93 98 93 88 95 98 11 14 17 21 24 27 31 35 38 46 60 7 89 03 Kurve 9. 704 697 690 684 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 610 602 598 595 591 589 585 583 577 572 564 559 553-5 548-5 o — 5— 697 |j.;j. 0- 690 0- 684 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 1- 633 1- 630 1- 627 1- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 585-5 583 577-5 572 564 559 553 5 548-5 543 Kurve 10. 41 49 62 68 6 66 07 74 79 98 00 06 09 06 93 09 83 79 72 88 93 98 06 09 11 14 17 21 27 38 60 76 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 606 602 598 595 591 589 585-5 580 577-5 574-5 572 566-5 564 559 553 548 0 — ■5- •5- •5- 690 fxp. 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 1- 630 1- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585-5 580 577-5 574-5 572 566-5 564 559-5 553-5 548-5 539 >-31 1-51 >-55 >-59 1-59 »•6 1-62 1-68 1-7 1-93 1-98 -00 -09 >-95 1-9 1-83 »•74 1-79 1-72 1-79 1-88 1-93 1-98 -00 •09 -11 -14 -17 •14 •21 •27 •35 •51 •6 Kurve 1 1 . 142 H. Greilach, Cucurbita bei Ys'Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m z m "im 704 697 690 684 678 673 667 663 658 648 639 633 630 627 622 617 613 610 602 595 589 585 583 580 566-5 564 559 553-5 548-5 543 5— 697 [JL(X 690 684 678 673 667 663 658 648 639 633 630 627 622-5 617-5 613 610 602 595 589 585-5 583 580 566-5 564 559 553 548 543 539 ■5 •5 31 34 51 74 88 03 90 70 60 66 62 59 55 44 62 72 74 72 83 88 93 98 00 03 09 14 21 31 60 12 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 12. 697 - 690 - 684 - 678 - 673 - 667 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 639 - 633 - 630 - 627 - 622-5- 617-5- 613 - 610 - 606 - 602 - 598 - 595 - 585-5- 583 - 580 - 577-5- 574-5- 566-5- 564 - 559-5- 553-5- 548 - 543 - -690 fxfj. 0- -684 0- -678 0- -673 0- -667 0- -663 0- -658 0- ■653 0- -648 0- 643 0- -639 0- -633 0- -630 0- -627 0- -622-5 0- -617-5 0- 613 0- -610 0- -606 0- -602 0- 598 0- 595 0- 585-5 0- 583 0- 580 0- 577-5 0- 574-5 0- 566-5 0- 564 0- 559-5 553-5 548 543 539 -18 •31 •39 •41 •34 ■28 -23 -21 -28 •31 •33 •37 •44 -39 •34 •48 •55 -51 -53 •59 •66 •70 •74 •77 •79 -83 -88 •90 •93 •03 -09 •21 -35 •60 Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 13. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 622' 617' 613 610 606 598 595 591- 589 585 • 580 577- 574- 569 566- 564 559 • 553- 548 -690}JL[JL -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -622-5 -617-5 -613 -610 -606 -598 -595 -591-5 -589 -585-5 -580 -577-5 -574-5 -569 -566-5 -564 -559-5 -553-5 -548 -543 0 0 0' 0' 0 0 0' 0 0 0' 0 0' 0' 0' 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 34 37 48 49 41 43 44 48 55 57 55 59 60 59 62 66 70 74 79 77 81 88 93 09 14 17 21 24 24 35 42 51 03 Kurve 14. Entstehung des Chlorophylls. 143 Entfernung von der Lichtquelle 4 m 5 m 6 m 697 690 684 678 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 610 602 598 595 591" 589 585- 583 580 577' 574' 572 569 564 559' 553' 548 543 539 534 5— 5— 690}J.}J. 0- 684 0- 678 0- 667 0- 663 0 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585-5 0- ■583 0- ■580 0- 577-5 0- 574-5 0- ■572 0- ■569 0- ■564 0- 559-5 0- 553-5 548 -543 -539 534 ■529-5 18 21 25 26 29 31 34 37 41 46 51 49 48 46 44 48 51 55 53 55 62 64 66 70 72 74 77 83 88 98 03 09 21 27 6 Kurve 15. 690 684 673 667 663 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 606 602 598 595 589 585- 583 580 577- 574- 569 566- 564 559- 553 ■ 548- 0 — 5 — 5 — 5 — 5 — 5 — 684pLfji. 0- 673 0- 667 0- 663 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 589 0- 585-5 0- 583 0 580 0- 577-5 0- 574-5 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 Kurve 16. 15 18 21 23 25 30 34 36 41 44 43 34 41 44 51 45 53 55 59 60 66 74 88 03 09 14 21 27 42 6 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 613 606 602 598 591- 589 585' 583 580 577- 574- 566- 564 559- 553' 548- 543 539 0 — o — 684}JLfx 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 613 0- 606 0- 602 0- 598 0- 591 5 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 0- 577-5 0- 574-5 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 539 534 Kurve 17. •41 34 -51 ■53 •64 •66 ■68 -70 -74 ■83 •90 -91 •83 •79 •77 -74 -70 -68 -70 -74 ■79 -83 ■90 •93 •03 -09 -11 •21 •27 •35 •42 •60 •70 144 H. Greilach, Phaseolus bei Yg-Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m m 3 w 704 697 690 684 678 667 663 658 653 648 643 639 633 627 622- 617- 610 606 602 598 595 591' 589 585' 580 577' 572 569 553' 548' 543 539 534 697fj.!J. 0- 690 0- 684 0- 678 0- 667 r 663 1- 658 1- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585-5 0- 580 0- 577-5 0- 572 0- 569 553-5 548-5 543 539 534 529 •15 -44 -70 -93 •21 •11 -09 •74 •66 •70 •83 •92 -88 -93 -85 •74 -70 •66 •72 •74 -79 -83 -88 •93 -95 •98 •00 •03 •09 •17 •27 -51 •89 Merkliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 18. 697 690 684 678 673 667 663 653 648 643 639 633 630 627 622' 613 610 606 595 589 585' 583 580 572 566' 564 559' 553 548' 543 534 5— 5— 5- 5- 5- 690 [j-p. 0 684 0- 678 0- 673 0^ 667 0^ 663 0- 653 0- 648 0- 643 0^ 639 0- 633 0- 630 0^ 627 0^ 622-5 0- 613 0- 610 0^ 606 0- 595 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 0^ 572 0- 566-5 0^ 564 0- 559-5 553-5 548-5 543 534 529 51 53 68 70 66 57 60 62 66 83 88 83 74 72 70 68 66 74 79 80 83 79 81 93 95 06 09 17 27 42 51 Kein merkliches Er- grünen nach 144 Stunden. Kurve 19. 704 - 697 - 690 - 684 - 678 - 667 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 639 - 633 - 630 - 627 - 622-5- 617-5- 606 - 602 - 598 - 595 - 589 - 585-5- 583 - 580 - 572 - 566-5- 564 - 559- 553' 548- 543 539 ■5- ■5- •5- 697 |i.[j. 0- 690 0- 684 0^ 678 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 0- 572 0- 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 539 534 -28 -44 •48 -55 •51 -44 -41 •48 -64 -74 -81 -83 -88 •85 -79 -68 -70 -79 -81 •83 -88 -93 •98 •95 •98 •00 •06 •09 •14 •24 •27 •35 •60 Kurve 20. Entstehung des Chlorophylls. 145 Entfernung von der Lichtquelle 4 1H o m 6 m 697 690 684 667 663 658 653 648 643 630 627 622- 617 613 610 606 602 598 591 • 589 585- 580 577- 572 566- 564 553- 548' 543 534 5— 5— 5— 5 — 5— 5— 5— 690[i.}J. 0- 684 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0 643 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 591-5 0 589 0- 585-5 0- 580 577-5 572 566-5 564 553-5 548-5 543 534 529-5 44 43 41 44 51 55 62 72 74 72 70 68 70 79 83 85 70 88 95 98 00 03 06 09 14 17 21 31 42 55 Kurve 2l. 690 684 678- 673 667 663 653 648 643 639 633 630 622- 617- 613 610 602 598 595 589 585- 577- 572 569 564 559 553' 543 539 534 684 [ip. 0- 678-5 0- 673 0- 667 0- 663 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 630 622-5 617-5 613 610 602 598 595 589 0- 585 577-5 572 569 564 559-5 553-5 543 539 534 529 28 68 66 62 68 70 77 83 88 03 21 17 14 11 09 06 03 00 98 03 09 14 17 21 24 27 31 35 42 51 684 678 673 667 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 610 606 602 598 595 589 585' 583 580 577' 564 553' 548' 534 529 5— 5— 678iJLfj. 0- 673 0- 667 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 577-5 564 553-5 548-5 534 529 -525-5 •28 -31 -35 -37 -48 -62 -70 -74 •93 -98 -93 -88 •79 •74 -68 -70 -79 •88 •93 •95 •98 •93 •03 •06 •09 •14 •17 •21 •35 •51 Kurve 22. Kurve 23. 46 H. Greilach, Gerste bei Y^- Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle tm 2 M Sm 704 697 690 684 658 653 648 643 633 630 627 625' 6I7' 610 606 602 595 591' 589 585' 577' 574' 572 569 566' 564 559' 553' 5— 5— 5— 5— 5— 5— 5— 697|X|ji 690 684 658 o 653 648 643 633 630 627 625-5 617-5 610 606 602 595 591-5 589 585-5 577-5 574-5 572 569 1 ' 566-5 564 559-5 553-5 2- 548-5 2- 21 27 60 o 96 46 35 24 21 38 46 55 60 50 46 21 86 14 17 20 27 35 51 60 70 82 12 31 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 24. 697 — 690|j.fi 690 —684 684 —678 678 —673 673 —667 667 —663 663 —658 658 —653 653 —648 648 —643 643 —639 639 —633 633 —630 630 —627 627 —622-5 622-5—617-5 617-5—613 613 —610 610 —606 606 —602 602 —598 598 —591-5 591-5—589 —585' 5—580 -577' 5 — 574' 5—572 —569 —566' 5—564 —559' 559-5— 553' 553 - 5—548 ■ 548-5-543 543 —539 539 —534 534 —529 Deutliches 589 585 - 580 577- 574- 572 569 566- 564 15 40 74 02 34 42 30 00 85 64 66 74 72 70 72 74 83 88 90 78 73 70 74 83 85 90 93 00 03 06 09 14 27 35 60 97 12 31 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 610 606 598 595 589 585- 583 577- 574- 572 569 566- 564 559- 553- 548- 697fAfJi 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 598 0- 595 0- 589 585-5 583 577-5 574-5 572 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 2- 37 62 83 93 90 85 74 70 66 68 74 90 88 85 87 85 87 95 97 93 95 03 06 09 14 21 27 46 42 46 51 55 96 31 Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 25. Sehr schwaches Er- grünen nach 144 Stunden. Kurve 26. EntsleliLing des Chlorophylls. 147 Entfernung von der Lichtquelle 4 m 5 m 6 m 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 610 606 602 598 595 591' 589 583 580 577' 566- 564 559 553' 548' 543 539 697fj.[j. 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 583 580 577-5 566-5 564 559 553-5 548-5 543 539 534 2 - 28 21 25 44 59 55 51 39 41 57 62 70 74 78 72 70 66 68 74 77 74 78 85 93 95 03 09 14 21 22 24 27 35 51 96 12 Kein Ergiünen nach 144 Stunden. Kurve 27. 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622-5 617-5 613 606 602 595 591-5 589 585-5 583 580 577-5 569 564 559 553 548 543 539 697^1.11. 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 606 0- 602 0- 595 0- 591-5 589 585-5 583 580 577-5 574-5 569 564 559 553-5 548-5 543 539 534 2- 15 17 25 36 41 44 39 37 41 58 74 79 90 93 79 70 74 78 83 93 98 00 09 11 17 20 24 27 31 35 42 51 60 82 96 03 Kurve 28. 690 684 678 673 667 663 658 651 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 610 602 598 595 591- 589 585- 580 577- 572 566- 564 559- 553- 548- 543 539 -684}j.fjL 0- -678 0- -673 0- -667 0- -663 0- -658 0- -653 0- -648 0- -643 0- -639 0- -633 0- -630 0- -627 0- -622-5 0- -617-5 0- -613 0- -610 0- -602 0- -598 0- -595 0- -591-5 0- -589 -585-5 -580 -577-5 -572 -566-2 -564 -559-5 -553-5 -548-5 -543 -539 -534 -21 -24 •37 -33 -34 -37 -41 -44 •51 -62 •83 •88 •85 •72 •70 •68 •74 -77 -88 •93 •98 •00 •03 •06 •11 •21 •24 •27 -24 -27 •31 •38 ■60 •82 Kurve 29. 148 H . G r e i 1 a c h , Lepidium bei 74- Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m m 3 m 704 697 690 684 678 658 653 648 642 630 627 622' 617' 613 610 606 602 598 595 589 583 580 572 569 566' 559' 697fj.}i 0- 690 1- 684 1- 678 2- 658 0 653 2- 648 2- 642 2- 630 1- 627 2- 622-5 2- 617-5 2- 613 610 606 602 598 595 589 583 580 572 569 566-5 559-5 553-5 2- -25 •21 •55 -56 00 •31 •12 •03 •96 •12 •08 •03 •96 -89 -82 •70 •65 •55 •60 •64 •69 •70 •76 •89 •96 •12 Deutlich wahrnehm- bares Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 30. 704 697 690 684 678 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 625 617' 613 606 602 598 595 591' 589 585' 583 580 577- 574' 569 566- 564 559' 553' 548- 5— 5— 697}X[J. 0- 690 0- 684 0^ 678 2 • 667 c 663 A- 658 653 648 643 639 ■633 630 627 625^5 617^5 613 606 602 1 ■ 598 0^ 595 0^ 591^5 0^ 589 0- 585-5 583 580 577-5 574-5 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 2- 543 2 • •34 •41 •83 •12 •12 •87 •27 •08 •03 •06 •24 •27 •24 •21 •17 •11 -15 -00 -95 •93 •95 •98 •03 •00 •03 •14 •21 •27 •31 •35 •46 •76 •03 •91 Deutlich wahrnehm- bares Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 31. 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617' 613 610 606 602 598 595 591' 589 583 580 574 • 569 566 • 564 559 • 553 • 548 • -697 fj.|j. -690 -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -627 -622 • 5 -617^5 ■613 -610 -606 -602 -598 ■595 -591^5 -589 -583 -580 -574 -569 566 -564 -559 -553 -548 -543 —574^5 •5 •5 •5 33 37 59 83 21 31 11 98 83 70 93 00 17 24 21 09 03 00 95 77 88 90 93 98 00 06 17 24 27 38 42 60 70 03 21 Ganz schwaches Er- grünen nach 144 Stunden. Kurve 32. Entstehung des Chlorophj-lls. ,49 Entfernung von der Lichtquelle 4 m o m 6 in 704 — 697[X!Ji 0-51 697 —690 0-59 690 —684 0-70 684 —678 0-85 678 —673 0-98 673 —667 1-03 667 —663 0-98 663 —658 0-88 658 —653 0-85 653 —648 0-93 648 —643 1-14 643 —639 1-24 639 —633 1-27 633 —630 1-46 630 —627 1-42 627 —622-5 1-35 622-5— 617-5 1-24 617-5-613 1-17 613 —610 1-20 610 —602 1-17 602 —598 1-21 598 —595 1-24 595 —589 1-27 589 —583 1-35 583 —580 1-46 580 -577-5 1-51 577-5—574-5 1-55 574-5—572 1-60 572 —564 1-70 564 -559-5 1-76 559-5—553-5 1-82 553-5-548-5 1-89 548-5-543 2-12 543 —539 2-31 Kein sichtbares Er- grünen nach 144 Stunden. Kurve 33. 704 - 697 - 690 - 684 - 678 - 673 - 667 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 639 - 633 - 630 - 627 - 622-5- 617-5- 613 - 598 - 595 - 591-5- 589 - 585-5- 583 - 580 - 574-5- 572 - 569 - 566-5- 564 - 559-5- 553-5- 548-5- 697fj.[j. 0- 690 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 639 633 630 627 622-5 617-5 613 598 595 0- 591-5 589 585-5 583 580 574-5 572 569 566 - 5 564 559-5 553-5 548-5 541 2- -31 -33 -44 ■70 -85 -90 •88 -74 •70 •79 -00 -27 -51 -60 •42 •35 •24 •21 •03 •98 •00 •09 •11 •14 •24 •31 •46 •51 •53 •60 •65 •70 •82 •21 Kurve 34. 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622^5 617^5 613 610 606 602 598 595 591^5 589 585^5 583 580 577^5 572 569 564 559 553^5 548^5 697!J.[JL 0^ 690 0^ 684 0^ 678 0^ 673 0^ 667 0- 663 0- 658 0^ 653 0- 648 0^ 643 0^ 639 633 630 627 622 • 5 617^5 613 610 0- 606 0- 602 0- 598 ü- 595 0- 591^5 0- 589 0- 585^5 583 580 577^5 572 569 564 559 553^5 548^5 543 2- 12 25 31 36 59 60 55 49 51 59 90 09 42 46 24 21 11 09 88 83 70 72 77 79 90 00 03 11 17 21 27 38 51 70 89 12 Kurve 35. 150 H. Greilaeh, Cucurbita bei V4- Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 -m 2 m 3 m 704 697 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 630 627 622- 613 610 606 595 589 585- 583 580 577- 574- 572 569 564 559 553' 548' 543 539 -697 jAjj. -684 -678 -673 -667 663 -658 -653 -648 -643 -639 -630 -627 -622-5 -613 -610 -606 -595 -589 -585-5 -583 -580 -577-5 -574-5 -572 -569 -564 -559 -553-5 -548-5 -543 -539 -534 •66 •82 -08 -51 •60 -70 -55 -21 -00 -79 -90 -93 -95 -88 -93 -90 -85 -88 -83 -88 -95 ■97 -09 -11 -14 - 17 •21 •27 •51 -60 •70 -96 -03 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 36. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 610 606 602 598 591- 589 585- 583 580 577- 572 569 566' 564 559' 553' 548 690 |JL|J. 0- 684 0- 678 0- 673 0^ 667 0^ 663 0^ 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 610 0- 606 0^ ■602 0^ -598 0- 591^5 0- -589 0- ■585-5 0- -583 0- 580 0^ -577-5 0^ -572 0^ -569 0- 566 • 5 0^ -564 0^ -559-5 !• -553-5 1- -548 1- -543 1- 15 23 37 79 81 62 48 44 34 34 37 39 41 37 31 44 42 41 44 51 55 57 59 66 70 72 74 79 88 90 17 42 51 60 Sehr schwaches Er- grünen nach 144 St. Kurve 37. 690 [ijj. 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- -613 0- -610 0- 606 0- -598 0- -595 0- -589 0- -585-5 0- -583 0- -580 0- -574-5 0- -572 0- 569 0- -566-5 0- -564 0- -559-5 0- -553-5 1- -548 1- -543 1- -539 1- 697 — 690 — 684 — 678 — 673 — 667 — 663 — 658 — 653 - 648 — 643 — 639 — 633 — 630 — 627 — 622-5 — 617^5— 613 — 610 — 606 — 598 — 595 — 589 — 585 - 5 — 583 — 580 — 574-5— 572 — 569 — 566- 5 — 564 — 559-5— 553-5- 548 — 543 — Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 38. Entstehung des Chlorophylls. 151 Entfernung von der Lichtquelle 4 m o in 6 tn 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 606 602 598 595 591 589 585 583 580 577' 574' 572 569 566 564 559 553- 548 ■5 •5 5— 699 [xp. •684 •678 •673 667 ■663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 606 602 598 595 591 589 585 583 580 577 574 572 569 566 564 559 553 548 543 •0 •5 — öoö-o 5— •09 •15 •28 •33 ■34 •31 •29 •28 •25 •18 ■28 •37 •51 •48 •41 ■40 •42 •48 •55 •60 62 •60 •66 •70 ■74 •85 •88 •90 •93 •98 •06 •09 •14 •21 •46 •82 Kurve 39. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., .Abt. I. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 610 606 602 598 585- 577 • 574- 572 569 564 559 • 553- 548 • 543 -690 [j-jj. -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -627 -622-5 -617-5 -613 -610 -606 -602 -598 -585-5 -577-5 -574-5 -572 -569 -564 -559-5 -553-5 -548-5 543 -539 Kurve 40. -09 •00 •03 •08 •12 •08 •09 -11 -14 -15 -17 -21 -28 •24 •23 •15 •06 -12 •21 •28 •31 •33 -34 •36 •41 •48 •51 -70 -83 -09 -24 -46 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 610 602 598 595 591' 585- 583 580 577- 572 569 566- 564 559- 553- 548 543 539 0 — 690 [xfJL 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622^5 617 -613 -610 -602 -598 -595 -591^5 -585-5 -583 -580 -577 -5 -572 -569 566-5 564 559-5 553-5 548 543 539 534 Kurve 41. 0 — 0' 0' 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 06 00 03 05 06 02 08 15 20 21 25 34 37 36 34 32 29 31 39 41 46 53 59 62 70 74 79 83 85 88 93 17 24 27 51 70 11 152 H. Greilach, Phaseolus bei 7^- Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m z m 3 m 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 627 622 617 610 606 602 598 595 591 589 583 580 569 564 559 553-5 548-5 543 539 5— 690|j.fx 0- 684 0- 678 1- 673 1- 667 1- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 583 0- 580 0- 569 0- 564 0- 559-5 0- 553-5 0- 548-5 1- 543 1- 539 1- 534 1 - 48 77 09 14 06 98 74 48 51 49 51 53 51 62 59 53 55 59 62 66 70 74 77 79 88 93 03 14 21 24 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 42. 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 610 606 602 595 591 589 585-5 583 580 577-5 574-5 569 564 559-5 548 543 5— 684fJL|j. 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585 ■ 5 0- 583 0- 580 0- 577-5 0- 574-5 0- 569 0- 564 0- 559-5 0- 548 0- 543 0- 539 0- 31 28 41 39 31 28 26 31 33 34 37 41 36 37 28 31 25 21 20 21 31 34 37 41 46 55 57 66 68 70 72 74 77 Sehr schwaches Er- grünen nach 144 Sl. Kurve 43. 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 610 606 602 598 595 591' 585- 580 574 569 564 559- 553- 548 543 539 -684}j.|x 0 678 0 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 585-5 0- 580 0- 574 0- 569 0- 564 0- 559-5 0- 553-5 0- 548 0- 543 0- 539 0- 534 0- -00 •02 -03 •08 -09 -06 •03 •05 •06 -09 -11 -18 -25 •23 -14 -12 -15 •21 -18 •15 -28 •29 •34 -37 -40 -41 -42 •46 •48 •55 •60 •62 •68 Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 44. Entstehung des Chlorophylls. 153 Entfernung von der Lichtquelle 4 m 697 — 690fJLfi 690 —684 684 —678 678 —667 667 —663 663 —658 658 —653 653 —633 633 —630 630 —627 627 -622-5 622-5— 617-5 617-5-613 613 -610 610 —606 606 —602 602 —598 598 —595 595 —591-5 591-5—589 589 -585-5 585-5—583 583 —580 580 —577-5 577-5-572-5 572-5-566-5 566-5—564 564 —559 559-5-553 553-5—548 548-5—543 •5 •5 •5 0-18 0-09 0-12 0-15 0-13 0-09 0-17 0-18 0-34 0-24 0-23 0-25 0-29 0-31 0-34 0-35 0-48 0-44 0-42 0-37 0-39 0-44 0-51 0-55 0-57 0-57 0-59 0-60 0-62 0-66 0-70 5 m 697 690 684 678 673 667 648 643 639 633 630 627 622-5 — 690}j.iJ. —684 —678 —673 -667 —648 —643 —639 —633 —630 —627 —622 617 ■0 '5 617-5—613 Kurve 45. 613 610 606 602 598 595 591- 589 —610 --606 —602 —598 —595 -591' —589 — 585• 585-5— 583 583 -577- 577-5—574- 574-5-572 0-21 0-03 0-05 0-05 0-06 0-03 0-00 0-02 0-15 0-25 0-18 0-17 0-06 0-09 0-15 0-20 0-21 0-25 0-26 0-21 0-25 0-26 0-31 0-34 0-39 0-41 0-43 0-44 0-46 0-51 0-55 0-59 0-62 0-66 6 m ■D ■5 572 —569 569 —564 564 —559-5 559-5-553-5 553-5—548 548 —543 543 —539 539 —534 Kurve 46 (*) Bei diesem Versuche erscheinen die Absorptionen dem stark brechbaren Teile zugerückt. Es kommt dies von der geringen Konzentra- tion des gelösten Farbstoffes. Parallelversuche zeigten die Intensitäts- und Ortsverhältnisse viel entsprechender. Allein es schien nicht ge- stattet, einen besser gelungenen Versuch in diese Versuchsreihe einzu- schieben. — Die Kurve ist nicht eingezeichnet. 11* 697 — 690jj.}jL 690 —684 684 —678 678 —667 667 —639 639 —633 633 —630 630 —627 627 —622-5 622-5—617-5 617-5—613 613 —610 610 —606 606 —602 602 —598 598 —595 595 —591-5 591-5—589 589 -585-5 585-5—583 583 —580 580 -577-5 577-5-574 574 —572 572 —569 569 —564 564 —559-5 559-5—553 553-5 — 548 548-5—543 543 —539 539 —533 (*) 0-18 0-00 0-03 0-04 0-06 0-21 0-26 0-25 0-31 0-29 0-23 0-18 0-17 0-12 0-09 0-12 0-17 0-18 0-23 0-28 0-31 0-34 0-39 0-37 0-39 0-44 0-48 0-55 0-57 0-59 0-64 0-70 154 H. Greilach, Gerste bei Va'^o^^^^^^^rze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m m 3 m 704 697 690 684 648 643 633 630 627 622 617 613 610 606 602 598 595 591-5 589 585-5 580 577-5 574-5 572 569 566-5 564 559-5 553-5 697fi.[jL 0- 690 1- 684 1- 648 o 643 2- 633 2- 630 2- 627 2- 622-5 2- -617-5 2- 613-5 3- 610 o 606 4- 602 3- 598 2- 595 2- 591-5 1 . 589 ^ 585-5 1 580 577-5 574-5 572 569 566-5 564 2- 559-5 2- 553-5 2- 548-5 4- 48 02 35 XD 72 56 12 10 31 56 52 >o 12 16 43 31 82 70 51 46 60 65 82 89 96 12 30 91 12 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 47. (*) Schwaches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 49. 704 697 690 684 678 663 658 653 648 643 639 630 627 622' 617' 613 610 606 602 598 595 591- 585- 583 580 574- 572 569 566- 564 559- 553- 548- 543 539 ■5 ■5 5— 5— 5- 5- 5- -697 [ifj. -690 -684 -678 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -630 -627 -622 -617 -613 -610 -606 -602 -598 -595 -591 -585 -583 -580 -574 572 569 566' 564 559' 553' 548 543 539 534 •5 •5 -5 •5 •5 46 59 85 42 oo 91 82 42 35 21 14 09 03 00 09 14 03 09 98 95 92 83 79 88 93 95 09 21 27 42 60 82 12 30 91 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 48. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 622 617 613 610 606 602 598 595 591' 589 585' 583 580 577- 572 569 566- 564 559- 553- 548 543 539 534 -5 •5 -690 {ifj. -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -622 -617 -613 -610 -606 -602 -598 -595 -591 -589 -585 -583 -580 577 572 569 566 564 559-5 553-5 548 543 539 534 529 (*) — 577-5 o — —566-5 0 0 1 2 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 •44 -34 -66 -97 -82 -31 -76 -51 -14 -83 -79 •85 -97 •83 -70 -88 -08 -03 •98 -95 -83 -81 -70 -79 -83 -85 -93 -98 •00 -03 -11 -14 -21 -35 •60 •70 -82 -56 Entstehung des Chlorophylls. 155 Entfernung von der Lichtquelle 4 m 5 m Q>m 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 610 606 602 591 ■ 589 583 577' 569 564 559' 553 548 543 539 534 529 525 521 684[jLfjL 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 1- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 591-5 0- 589 0- 583 0- 577-5 0- 569 0- ■564 0- 559-5 0- 553-5 0- 548 543 539 534 529-5 •525-5 2- 521 2- -516-5 3- 21 37 70 93 09 98 90 66 51 44 53 64 62 60 53 51 59 62 60 59 62 66 79 83 88 92 98 09 11 38 60 89 12 91 16 Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 50. 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 610 606 595 589 585 583 580 574 572 569 565 564 559-5 553-5 548-5 543 539 5.34 529-5 525-5 5— 684 [i[i 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 595 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 580 0- 574-5 0- 572 0- 569 0- 565-5 0- 564 0- 559-5 553-5 548-5 543 539 534 529-5 525-5 521 2 - •15 •28 •49 •54 •51 •48 •41 •28 •37 ■44 ■51 -64 -60 -62 -51 •48 •44 •46 •48 •51 -55 -62 -70 •72 -82 -90 -93 -98 -00 -03 -09 -27 -51 ■60 -65 -96 -12 Kurve 5 1 . 697 690 684 678 673 667 663 653 648 643 639 633 630 617' 613 610 606 602 598 595 591' 589 585' 583 580 577' 574' 572 569 566' 564 559' 553' 548' 543 539 534 529 5— 5— 690fj.[Ji 0^ 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 585 0- -591-5 0- 589 0- 585-5 0- -583 0- 580 0- -577-5 0^ -574 • 5 0- 572 0- -569 0- -566-5 -564 -559-5 553-5 -548-5 -543 -539 534 529-5 -525 • 5 31 15 18 48 51 34 31 37 39 40 73 81 74 66 51 44 51 53 62 66 62 64 68 72 74 83 90 93 00 02 09 14 24 34 42 51 56 76 Kurve 52. 156 H. Greilach, Lepidium bei Yg' Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m 2 ;» 3ot 704 —697 [ji|j. 1-11 704 —697 |j.|j. 0 •55 697 —690 1^.\^. 0 ■51 697 —690 1-51 697 -690 0 -79 690 —684 0 •41 690 —577-5 oo 690 —684 0 -88 684 —678 0 ■54 577-5-574-5 3-16 684 —678 1 -65 678 —673 0 ■70 574-5—572 2-56 678 —653 t >o 673 —667 0 •83 572 —569 2-72 653 —648 42 667 —663 1 ■14 569 —566-5 2-91 648 -643 24 663 —658 1 ■55 566-5—564 4-12 643 —639 -21 658 —653 1 •46 639 —630 •24 653 —648 1 ■24 630 —627 31 648 -643 0 ■98 Endabsorption. Deut- 627 —622-5 38 643 —639 0 ■83 liches Eri ^rünen 622-5-617-5 46 639 —633 0 •70 nach 144 St unden. 617-5—613 27 633 —630 0 •74 613 —610 21 630 -622-5 0 •85 Kurve 53. 610 —598 11 622-5-617-5 0 -87 598 —591-5 10 617-5—610 0 -90 591-5—585-5 09 610 -606 0 -88 585-5—583 03 606 —602 0 79 583 —580 08 602 —598 0 70 580 —574-5 . 14 598 —595 0 68 574-5—572 21 595 -591-5 0 62 572 —569 23 591-5-585-5 0 66 569 —561 27 585-5 -580 0 74 561 —556 42 580 —574-5 0 88 556 — 551 51 574-5—572 0 85 551 —548-5 65 572 —569 0 88 548-5-546 70 569 —566-5 0 98 546 —543 82 566-5—564 00 543 —541 2 ■ 11 564 —559-5 03 541 —539 2-56 559-5—553-5 553-5-548-5 548-5—543 21 46 51 Deutliches Er| jrünen 543 —539 60 nach 144 Sti anden. 539 —534 82 Kurve 54. 534 —527 Deutliches Erj nach 144 Sti 2-56 jrünen .inden. Kurve 55. 1 i Entstehung des Chlorophylls. 157 Entfernung von der Lichtquelle 4 ni o m 6 m 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 639 633 630 627 622 617 613 610 602 591 589 585 583 580 577 574-5 572 569 566-5 564 559 553 548 543 0 — 690 [j-p. 684 678 673 667 663 658 653 648 639 633 630 627 622-5 617-5 •613 610 602 ■591-5 589 585-5 583 ■580 ■577-5 574-5 572 569 566-5 564 559-5 553-5 548-5 543 539 09 46 51 74 83 95 00 66 51 55 62 88 83 70 64 59 66 55 62 66 74 79 85 88 93 97 02 06 09 34 42 60 82 56 Sehr schwaches Er- grünen nach 144 St. Kurve 56. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622- 617- 613 610 606 602 598 595 589 585 583 580 577' 574 572 564 559 553 548 -690 [JL[J. -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -627 -622-5 -617-5 -613 -610 -606 -602 -598 -595 -589 -585-5 -583 -580 -577-5 -574-5 -572 -564 -559-5 -553-5 -548-5 -541 34 48 70 88 98 02 00 62 51 70 81 88 03 90 93 88 85 79 77 81 81 93 98 00 08 11 14 17 21 27 42 60 82 12 Kein deutl. Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 57. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622 617 613 610 606 602 598 595 591-5 589 585 583 580 577-5 574-5 572 564 559-5 553 • 5 -690 [ijx -684 -678 -673 -667 -663 -658 -653 -648 -643 -639 -633 -630 -627 -622-5 -617-5 -613 -610 -606 -602 -598 -595 -591-5 -589 -585 -583 -580 -577-5 -574-5 -572 -564 -559-5 -553-5 -548-5 34 41 48 51 83 62 60 51 62 55 62 83 85 97 83 81 79 70 66 74 72 88 90 98 93 95 98 03 06 09 11 08 21 Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 58. 158 H. Greilach, Cucurbita bei Y^-Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 m 2 m 3 m 704 - 697 - 690 - 684 ' 678 - 637 - 633 - 630 - 627 - 613 - 610 - 606 - 602 - 598 - 595 - 591-5- 589 - 585-5- 583 - 580 - 572 - 569 - 566-5- 564 - 559 - 553-5- 548 - 543 - 539 - 534 - 697f.fx 0- 690 0- 684 0- 678 1- 637 c 633 630 627 613 610 606 602 598 595 591-5 589 585-5 583 580 572 569 566-5 564 559 553-5 548 543 539 534 2- 529-5 2- •25 ■31 •66 •55 ■60 •50 -46 ■42 •51 •60 70 ■65 ■60 ■55 ■42 •21 11 •09 11 ■21 17 •09 11 •21 •27 •65 ■70 12 72 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 59. 704 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 613 610 606 602 598 595 591 589 585-5 572 566-5 564 559 553-5 548-5 543 539 534 0 — 697 UfX 0 690 0 684 0 678 0- 673 667 663 658 653 648 643 0- 639 0- 633 0- 630 1- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 591- 5 0- 589 0- 585- 5 0- 572 0^ 566- 5 0- 564 0- 559 0- 553- 5 548- 5 543 539 534 529- 5 31 32 34 59 70 89 60 51 09 03 98 88 98 00 88 93 90 88 83 81 70 66 72 74 79 88 97 09 21 27 46 55 65 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 60. 697 690 684 678 673 667 663 658 653 643 639 633 630 627 622 617 613 610 606 602 598 591 589 580 577-5 569 564 559 553-5 548 543 539 534 529-5 0 OZO 690 fxp. 0- 684 0- 678 0- 673 1- 667 1- 663 0- 658 0- 653 0- 643 0- 639 0- ■633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 598 0- 591-5 0- 589 0- 580 0- 577-5 0- 569 0- 564 0- 559 0- 553-5 0- 548 543 539 534 529-5 525-5 521 12 48 83 14 09 77 57 36 37 41 57 59 55 48 44 46 48 49 48 44 37 40 53 64 66 68 77 88 00 11 24 31 42 51 96 Sehr schwaches Er- grünen nach 144 St. Kurve 61. Entstehung des Chlorophylls. 159 Entfernung von der Lichtquelle 4 fti 0 m 6 m 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 639 633 630 627 622- 617- 613 602 598 591- 583 580 574' 564 559 553 548 543 539 534 529 521 5— 690fj.|x 684 678 673 667 663 658 653 648 639 633 630 627 622-5 617-5 613 602 598 591-5 583 580 574-5 564 559 553-5 548-5 543 539 534 529-5 521 516 18 25 35 66 70 68 51 41 34 37 41 62 51 44 46 37 49 55 51 55 59 64 66 79 93 98 00 14 21 27 55 70 Kein Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 62. 697 - 690 - 684 - 678 - 673 - 667 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 639 - 633 ~ 630 - 622-5- 617-5- 613 - 610 - 606 - 602 - 589 - 583 - 580 - 577 -5- 577-5- 564 - 559 - 553-5- 548 - 543 - 539 - 534 - 529 - 690|i.fj. 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 622-5 0- -617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- ■602 0- -589 0- 583 0- -580 0- 577-5 0- -574-5 0- -564 0- -559 0- -553-5 0- -548 0- -543 0- ■539 1- -534 1- -529 1- -525-5 1- -18 -26 -28 -41 -48 -44 -21 -25 -21 •28 •31 •37 -48 ■34 -15 -18 •23 -28 -31 -34 -41 -44 -55 •62 -66 -74 -83 •88 •98 -14 -34 -46 -51 Kurve 63. 697 - 690 ■ 684 • 678 ■ 667 ■ 663 653 648 ■ 639 633 630 627 622-5 617-5. 610 602 598 595 591^5 589 583 580 577^5 574-5 569 564 559 553 548 690|X[A 0- 684 0- 678 0- 667 0- 663 0- 653 0- 648 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- ■610 0- ■602 0- ■598 0- -595 0^ -591-5 0^ -589 0^ -583 0^ -580 0- -577-5 0- -574-5 0- ■569 0- -564 0- -559 0- -553 0- -548 0- -543 0- Kurve 64. 24 34 46 62 51 48 37 41 48 66 62 51 48 31 34 41 44 48 49 62 66 68 70 74 77 81 88 93 98 .60 H. Greilach, Phaseolus bei 7-2" Normalkerze. Entfernung von der Lichtquelle 1 in m 3 m 690 - 684 - 678 - 653 - 648 - 643 - 639 - 630 - 622-5- 613 - 606 - 602 - 598 - 595 - 589 - 577-5- 569 - 566-5- 551 - 548-5- 546 - 543 - 541 - 536 - 534 - 529-5- -684[j.[j. 0- -678 0- -653 c -648 2- -643 -639 630 -622-5 -613 -606 -602 -598 -595 0- -589 0- -577-5 0- -569 0- -566-5 1- -551 0- -548-5 -546 -543 -541 -536 -534 -529-5 -527 4- 48 81 o 56 34 14 11 27 24 21 17 14 95 98 93 98 03 97 00 34 34 42 82 11 Deutliches Ergrünen nach 144 Stunden. Kurve 65. 690 684 678 673 667 658 653 648 643 639 633 630 627 617- 613 610 606 598 589 585- 577- 574- 572 569 565' 564 561 559 556 541 539 534 529- 525- 521- 516' 5— 684!J.fj. 678 673 667 658 653 648 643 639 633 630 627 617-5 613 610 606 598 589 585- 577- 574- 572 569 565- 564 561 559 556 541 539 534 529- 525- 521 516- 512 •5 ■5 '5 ■5 Schwaches Kurve 66 0 25 0 29 0 34 0 55 0 88 0 98 0 74 0 51 0 48 0 54 0 66 0 59 0 55 0 41 0 37 0 51 0 49 0 37 0 41 0 48 0 55 0 62 0 68 0 59 0 55 0 51 0 60 0 77 0 79 0 91 09 14 17 31 42 1-74 grünen und en. 690 684 678 673 667 663 658 648 643 639 633 630 627 622' 617' 610 602 595 585 580 574- 569 564 559' 553' 547 539 534 529- 525' 521 516' 5— 5— 5 — 5 — 684|xfjL 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 610 0- 602 0- 595 0- 585 0- 580 0- 574-5 0- 569 0- 564 0- 559-5 0- 553-5 0- 547 0- 539 0- 534 0- 529-5 0- 525-5 0- 521 1- 516-5 1- 512 1- Kein Ergrünen 144 Stunden. Kurve 67. -06 •34 -59 -53 -34 -24 -23 -21 •34 -36 -37 -21 -'>5 •28 •29 •31 •34 •37 •48 •49 •55 •60 •64 •66 •70 •79 •83 •88 •90 •09 -21 -40 nach Entstehung des Chlorophylls. 161 Entfernung von der Lichtquelle 4 m. 5 w 6 m 684 - 678 - 673 - 663 - 658 - 653 - 648 - 643 - 639 - 633 - 630 - 627 - 617-5- 613 - 610 - 606 - 602 - 595 - 589 - 572 - 569 - 566-5- 559' 553' 548' 539 534 529' 525' 521 — 678jx[j. 0- 673 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 602 0- 595 0- 589 0- 572 0- 569 0- 566-5 0- 559-5 0- 553-5 0- 548-5 0- 539 0- 534 0- 529-5 0- 525-5 0- 521 0- 516-5 1- Kurve 68. 15 17 34 33 31 36 39 41 43 48 44 39 34 31 34 33 34 34 37 43 44 48 51 59 66 74 88 90 98 03 697 690 684 678 673 667 663 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 610 606 598 595 591' 589 585' 583 577' 569 559' 553' 548' 543 - 539 - 534 - 525-5- 516-5- 5— 5— 690ji}t 0- 684 0- 678 0- 673 0- 667 0- 663 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 610 0- 606 0- 598 0- 595 0- 591-5 0- 589 0- 585-5 0- 583 0- 577-5 0- 569 0- 559-5 0- 553-5 0- 548-5 0- 543 0- 539 0- 534 0- 525 • 5 1- 516-5 1- 512 r 25 21 25 28 34 25 23 25 28 31 37 39 59 57 49 44 41 34 37 44 46 44 41 51 55 64 66 74 83 85 88 90 98 14 21 35 Kurve 69. 690 684 678 673 667 658 653 648 643 639 633 630 627 622' 617' 613 606 602 598 595 583 580 577' 574' 572 569 564 556 548' 541 534 527' 521 684 ixjx 0- 678 0- 673 0- 667 0- 658 0- 653 0- 648 0- 643 0- 639 0- 633 0- 630 0- 627 0- 622-5 0- 617-5 0- 613 0- 606 0- 602 0- 598 0- 595 0- 583 0- 580 0- 577-5 0- 574-5 0- 572 0- 569 0- 564 0- 556 0- 548-5 0- 541 0- 534 0- 527-5 0- 521 0- 514-5 1- -12 -21 •21 •25 •21 •28 -34 -37 -41 -48 -51 -53 -59 -49 -48 •44 •31 •34 •46 •51 •55 •59 •62 •64 •66 •68 -72 •74 •79 •83 •88 •93 •09 Kurve 70. (Mißlungen.) 162 H. Greilach, Ergebnisse der Untersuchungen. Es soll nun nochmals die Aufgabe und der Gang der angestellten Versuche kurz skizziert werden. Es handelte sich darum, den Ergrünungsprozeß und dessen Stetigkeit durch einzelne Stadien desselben vor Augen zu führen, zu zeigen, wie der Zustand des jeweiligen Farbstoffmoleküls in diesen Stadien durch das Spektrum sich manifestiert. Hiezu war vor allem die richtige Wahl der Lichtintensität erforderlich (V2-, V4"» Vg-Normalkerze), zweitens eine bei sämtlichen Versuchen gleichbleibende Zeitdauer der Belichtung (144 Stunden), wäh- rend welcher die Pflanzen im ganzen und großen normal fort- wuchsen und keine besonders auffallenden heliotropischen Krümmungen zeigten. Hiedurch war auch das sonstige Experi- mentieren unter stets vergleichbaren Zuständen bedingt, so z. B. bezüglich des Quantums der zu untersuchenden Blatt- mengen (4^) oder bezüglich des Volums von 96^0 Alkohol, in welchem die Blätter zerdrückt wurden (\4 cm^) u. a. Daß bei den spektrophotometrischen Untersuchungen stets die näm- liche Schichtendicke (270 cm) verwendet werden mußte, ist ebenfalls selbstverständlich. Die Betrachtungen über die Fluoreszenz und deren Deutung kommen erst in zweiter Linie in Betracht. Wenn nun im folgenden die hauptsächlichsten Resultate der Untersuchungen angegeben werden sollen, so seien die Definitionen der in Rede stehenden Farbstoffe nochmals voran- gestellt: a. Etiolin (im Sinne Pringsheim's genommen, also kein Carotin) ist jener grüne Farbstoff,^ welcher aus unbelichteten Keimlingen gewonnen, in konzentrierter Lösung respektive bei beträchtlicher Schichtendicke in Alkohol die Hauptabsorptionen X = 640 — 620 [X[x hervorbringt.^ Dieser grüne Farbstoff wird 1 Wiesner identifiziert, wie aus dessen zitierter Abhandlung über die Entstehung des Chlorophylls hervorgeht, Etiolin mit Xanthophyll und Autumno- phyll. Diese Arten von gelben Pflanzenfarbstoffen sind entschieden Carotine oder Carotinine. 2 Nebenabsorptionen (siehe p. 127) kamen nicht weiter in Betracht. Entstehung des Chlorophj-IIs. 163 jedoch durch das stets überwiegende Carotin vollständig ver- deckt. ß. »Stationäres Chlorophyll« bedeutet im Gegensatze zu Etiolin jenen grünen Farbstoff, welcher während des Er- grünungsprozesses neben dem Etiolin erscheint und zwar nach der im früheren Texte beschriebenen Weise. Diese Chlorophyllmodifikation ^ allein erweist sich im Lichte als beständig und ist also gleichbedeutend mit dem reinen Chlorophyll in der Pflanze. 1f. Von den verschiedenen lonengruppen im jeweiligen Farbstoffmoleküle kommen im folgenden zwei ganz besonders in Betracht und zwar jene, welche zwischen X z=. 680 — 640 [jlji schwingt (also dem stationären Chlorophyll ange- hörend), welche mit »Gruppe ^■< bezeichnet werden soll; zweitens jene, welche zwischen X = 640 — 620 [xp. oszilliert (dem Etiolin angehörend), welche wir »Gruppe^« nennen wollen. Die Ergebnisse sind folgende: 1. Sowohl in gymnospermen als auch in angiospermen Pflanzen findet sich Chlorophyll vor bei Keimlingen, welche in strengster Dunkelheit aufgezogen werden. Während jedoch bei den ersteren nachweislich nur stationäres Chlorophyll auf- tritt, so findet sich bei den letzteren jene Chlorophyllmodifika- tion vor, welche die Pflanze zur Bildung von stationärem Chlorophyll disponiert, ein Farbstoff, welcher gewöhnlich mit dem Terminus »Pringsheim'sches Etiolin« bezeichnet wird. Dieses Etiolin besitzt, wie das eigentliche Chlorophyll, eine grüne Farbe, dispergiert anomal und fluoresziert in alkoho- lischer Lösung (zeigt Fluoreszenz L Art nach Lommel). 2. Dieses Etiolin entsteht und verschwindet wieder in den Dunkelkeimlingen. Der gelbe Farbstoff beim Etiolement rührt vom Überwiegen des Carotins und anderer mit Carotin ver- wandter gelber Farbstoffe her. Ob die etiolinhältige Pflanze auch assimilieren kann, konnte des äußerst geringen Quan- tums des genannten Farbstoffes wegen nicht nachgewiesen \\'erden. 1 >Etiolin« ist ebenfalls als eine solche zu betrachten. 164 H. Greilach, 3. Das Gelbvverden der Blätter im Herbste beruht eben- falls auf dem Überwiegen gelber Farbstoffe, niemals findet sich auch nur eine Spur von Etiolin in solchen Blättern wieder, denn ein umkehrbarerer Prozeß Chlorophyll ^ Etiolin ist experimentell nicht nachgewiesen, in der Natur aber ent- schieden unmöglich.^ 4. Die erste unter den oben angeführten Verhältnissen wahrnehmbare Wirkung des Lichtes auf eine etiolinhältige Pflanze besteht darin, daß Etiolin in stationäres Chlorophyll sich gleichsam umwandelt, indem sich ein allmählicher Über- gang von Eigenschwingungen der Gruppe g in solche der Gruppe Y vollzieht (kf. die Tafeln und Tabellen). Dieser Übergang erfolgt stetig und zwar derart, daß mit der Abnahme der Schwingungen in der Gruppe g proportional eine Zunahme der Schwingungen in der Gruppe y sich voll- zieht, wie ebenfalls die beigefügten Tafeln zur Genüge dartun. Während des eigentlichen Ergrünungsprozesses sind also Schwingungen beider lonengruppen vorhanden, die einen von größeren, die anderen von kleineren Amplituden. Selbstver- ständlich wird es auch einen Zeitpunkt geben müssen, wo beide Amplituden gleich erscheinen, wo also Etiolin und stationäres Chlorophyll in gleichen Mengen vorhanden sind (kf. Kurve 38 auf Tafel II und Kurve 43 auf Tafel 11). Man sieht also stets zwei Absorptionsstreifen nebeneinander- im Spektrum der Lösung, den einen heller und schmäler, den anderen breiter und dunkler, je nach Maßgabe des Licht- genusses, welcher während des Versuches der Pflanze zukam. Nur im Dunkeln geschehen die Schwingungen der Gruppe g um eine stabile Gleichgewichtslage, bei der Belichtung geht dieser Zustand verloren, bis wieder eine stabile Lage in der Gruppe Y erreicht ist. 5. Zeigt sich keine Spur von Eigenschwingungen in der Gruppe^ neben denen der Gruppe y mehr (ist also alles Etiolin 1 Kf. hierüber Kernst, Theoretische Chemie, 1900, p. 617 ff. 2 Diese beiden Absorptionsbänder sind durch einen hellen Lichtstreifen getrennt, an dessen Stelle später der Absorptionsstreifen II des stationären Chlorophylls tritt; kf. z. B. Kurve 7 auf Tafel I, Kurve 24 auf Tafel I etc. Entstehung des Chlorophylls. 165 verschwunden), so geht die Bildung von stationärem Chloro- phyll bei genügender Beleuchtung sehr rasch vor sich (kf. das rasche Ansteigen der Chlorophyllabsorptionskurven nach dem Verschwinden der Maxima zwischen X r= 640 — 620 |jl|jl in den Tafeln). Dies hat seinen Grund darin, daß der Widerstand gegen die Schwingungsenergie der Gruppe g vollkommen auf- gehoben ist. So lange Eigenschwingungen beider lonengruppen neben- einander bestehen, erscheint beim Ergrünungsprozesse die Gesamtleistung des Lichtes als die zur Lostrennung beider Schwingungskomplexe verwendete Arbeit wieder.^ Sind aber nur mehr Schwingungen in der Gruppe y vorhanden (liegt also nur mehr stationäres Chlorophyll vor), so werden dieselben allerdings durch die Einwirkung des Lichtes verstärkt, allein nur so lange, bis die für den »aktiven Teil des Chloroplasten« notwendigen Dispositionen getroffen sind, d. h. bis die Pflanze unter normalen Lebensverhältnissen sich befindet. Dann geht die Neubildung des Chlorophylls nicht bis ins Unendliche fort, sondern stets wird Chlorophyll im Licht auch zerstört, welche beide Prozesse (Neubildung und Zerstörung) sich bis zur herbstlichen Verfärbung das Gleichgewicht halten. 6. Die Entstehung des Chlorophylls gestaltet sich bei verschiedenen angiospermen Pflanzen bezüglich der Zeitdauer gemäß der jeweiligen individuellen Konstitution verschieden. So ergrünen z. B. in der Jugend anthokyanführende Pflanzen sehr schnell. Geringe Intensitäten (weitere Entfernung von der Lichtquelle) bewirken jedoch, daß das Minimum der Chloro- phyllbildung bei verschiedenen Pflanzen annähernd dieselbe Grenze erreicht, wie dies bereits Wiesner nachgewiesen hat. In der Natur geht der geschilderte Prozeß oft mit einem Schlage (jedoch nie etwa unstetig) vor sich, da ja helles diffuses Tageslicht die äußerst geringe Menge von Etiolin bald zu zerstören vermag. Der Umstand, daß das Ergrünen etiolierter Keimlinge bei sehr hoher Intensität weniger rasch erfolgt als bei schwächerer. 1 Selbstverständlich finden die Oszillationen der Gruppe g auch im Dunkeln statt. 166 H. Greilach, hat seinen Grund darin, daß eine zu starke Oxydation sowohl des Etiolins als auch des Chlorophylls erfolgt, so daß ein normales Ergrünen unmöglich wird. 7. Über das Auftreten und Verschwinden der einzelnen Absorptionsbänder (in 96^/q alkoholischer Lösung) je nach Maßgabe der Lichtintensitäten, denen die Keimlinge während der Versuche ausgesetzt waren, ist in den Tabellen und Tafeln das Nötige zu ersehen. Es sei jedoch hier darauf aufmerksam gemacht, daß nicht überall dort, wo man auf den ersten Blick ein Maximum der Absorption zu sehen glaubt, ein solches wirklich vorhanden ist, wie dies manchmal bei Beschreibungen von Chlorophyll- und anderen Absorptionen angegeben wird. Die photometrische Messung ergibt bei schwachen Banden meist nur einen Wendepunkt in der Kurve. ^ Daß auf Absorptionen im stärker brechbaren Dispersions- bereiche nur wenig Rücksicht genommen werden konnte, hängt mit der Versuchsmethode zusammen, denn es konnten nur sehr dicke und konzentrierte Lösungsschichten untersucht werden, bei denen meist nach \ z=z 530 [X[x bereits die End- absorption auftrat, 8. Das Chlorophyll ist in seiner Entstehung, d. h. so lange Schwingungen der Gruppe g und y vorhanden sind, ein doppelt fluoreszierender Körper. Die Farbe des gesamten Fluoreszenzlichtes ist dann eine Mischfarbe, welche von Licht- rot bis ins dunkle Karminrot variiert, je nach der Menge des neugebildeten Chlorophylls. 9. Der Umstand, daß die sensibilatorische Wirkung einer Substanz mit der Abnahme der Fluoreszenz wächst, läßt daraufschließen, daß der Chlorophyllfarbstoff in der Tat als Sensibilisator wirkt.^ Denn es ist bekannt, daß die Fluoreszenz im lebenden Blatte entweder gar nicht oder nur sehr schwer wahrnehmbar ist, obschon zwischen B und C im Spektrum ein bedeutendes Absorptionsmaximum wahrgenommen wird. Zu dieser Sensibilisation wird die Energie der wirkenden Strahlen 1 Kf. auch Wüllner, Strahlung I. 2 Kf. Timirjazeff, Compt. rend. 1885, Nr. 12; ferner Reinke, Ber. der deutschen bot. Ges. 1883. Entstehung des Chlorophylls. 167 vollständig ausgenützt, wie dies die erwähnte starke Ab- sorption beweist; zudem besitzt bei jeder photochemischen Aktion der Exstinktionskoeffizient einen weit größeren Wert als bei rein optischer Absorption. ^ Daß jedoch dieser ganze Energieverbrauch im Assimilationsprozesse sich als nutzbare Arbeit wiederfindet, wäre in der Tat eine irrige Behauptung;- am allerwenigsten kann eine allgemeine Norm über irgend welche Proportionalität zwischen Absorption und Assimilation aufgestellt werden.^ Wird nun Chlorophyll in fluoreszierenden Zustand übergeführt, z. B. durch Lösung in fetten oder ätherischen Ölen, Alkohol etc., wobei stets eine Tötung des betreffenden Pflanzenteiles früher erfolgt ist, so findet die frühere rein chemische Aktion ihr Äquivalent in der Fluores- zenz (kf. Reinke, 1. c.).* Hiebei braucht allerdings nicht ange- nommen zu werden, daß das Chlorophyll in der lebenden Pflanze sich in fester Phase vorfinde, wenn auch Reinke's geniale Versuche hierüber manches Plausible an sich tragen. Nach Kohl's (1. c.) Bemerkungen müßte im Spektrum des festen Chlorophylls auch der Streifen des festen Carotins, des steten Begleiters des grünen Farbstoffes, sich vorfinden, welcher zwischen X = 524 — 468 {X[jl liegt. Letzteres ist in der Tat nicht der Fall. Reinke's Ansicht, daß beim Ergrünen eine Zwischen- substanz als Begleiter des Etiolins (in Pringsheim'schem Sinne) die Hauptrolle spiele, auf welche Substanz das Licht direkt wirke (über deren Konstitution man allerdings nichts Sicheres weiß), stimmt mit den Ausführungen Pringsheim's^ überein, 1 Kf. Winkelmann, 189-1, Bd. 2, Handbuch der Physik (aut. Winkel- mann). 2 Tatsächlich wird nur ein kleiner Teil der Energie der Sonnenstrahlen in der Pflanze beim Assimilationsprozesse ausgenützt. Kf. Pfeffer, Pflanzen- physiologie, I. 3 Letzteres geschah von Richter: »Etüde sur la photosynthese et sur l'absorption par la feuille verte des rayons de differentes longeurs d'onde.« Rev. gen. de bot. 1902. 4 Kf. auch Winkelmann, Handbuch der Physik, II, 1, p. 483 (aut. S t e n g e r) . ■-> Wied. Ann. 32, 384. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 12 168 H. Greilach, Entstehung des Chlorophylls. wonach die Erscheinung der photochemischen Induktion stets auf Bildung von Zwischensubstanzen zurückzuführen sei. Sicheres ist hierüber nicht bekannt. Wahrscheinlich ist es das Carotin, welches beim Ergrünungsprozesse sich in hervor- ragender Weise beteiligt, denn nach Kohl's Versuchen steht es fest, daß die Carotinzunahme beim Ergrünen nur sehr langsam vonstatten gelie, so daß »in den ersten Stadien des Ergrünens nicht viel mehr Carotin vorhanden ist als vor dem- selben vorhanden war«. Wiesner (1. c.) hat sogar eine Ab- nahme des Xanthophylls, d. i. des Carotins, beim Ergrünungs- prozesse konstatiert.^ Zum Schlüsse fühlt sich der Verfasser verpflichtet, vor allem Herrn Hofrat Dr. J. Wiesner für dessen Anregung zur vorliegenden Arbeit und das Material zur Ausführung derselben im k. k. pflanzenphysiologischen Institute, sowie Herrn Prof. Dr. Franz Exner, Herrn Privatdozenten Dr. A. Lampa für die gütige Überlassung und Einführung in den Gebrauch der Spektralapparate im k. k. physikalischen Institute, sowie Herrn Dr. K. Linsbauer, Assistenten im pflanzenphysiologischen Institute, für dessen stets bereite Einführung in die Literatur und Behandlung des Pflanzenmaterials seinen ergebensten Dank auszusprechen. 1 Eine rein theoretische Beschreibung des Ergrünungsprozesses behält sich der Verfasser für später vor. Gi'eflach,IL:Entstehung des CHorojihyils. Taf.I l j l / ; 1/ [ : i/ n i i ;/i '/l ^ / ,' // / M / f '^A ¥ / \ f. ^•; / 1- Ji .,\ ^^ w ^ /- l 1 1 \ r vj ^i // ^ i ^ V,' ^ ^) — -' / r ' (j •^ y y 53 1. ^ ^--.. V 'n /■ — - y ^ -J ^.. -^v- ■h /•• '•n p — K, / V' i H 0 e 0 e; 0 t 0 ( a s Hl r 0 et i) « 0 u » 59 D S 0 & 0 s D S lO V 10 s 0 S2 / , (_, ' J / , f\ /L — 7 il js / 1 ! 1 ■-/ j y^ l_ M /■ \ ! r '/ \ \.> N, / /' ^ S- ^ /■ -^ ^ \ ^'V j ' ^\ K ^ 1^ ><■ r -^z- / -t " t x\. y f (— "N / '\ V 'H > ■■-X './ r ^ '■ tr." 7 ■ 0 (9 0 st 0 C7 0 K 0 ec 0 u GS 0 sz D ei GO D 53 0 SS % D SE S-H ■rt ST " " — — ?.n . ._^ ^ T /, ISO i\ // ]i 7 tu i / '//' U p' ,■;■/ / ik 10 r ll /H T A 1 fi y .-/ 9n _/ \ .'f / \ V V y /- / \ A "? 5^ x/ (y, / _/ r-^. -'■^ y ■/* / / f '■" A z^ ^' f» ri"' ^- y A: H V ~ 7 ; \ ^<- '■y^ 7J1 n js- ^^-A - '' 71 1 C9 ES 0 "6 ECI esa i40 Gl GZI "^BlO — M KM 1 1 " " 1 1 1 — ,»< isp 1 1 ISO — ITO 160 ISO / IM 1 ■''' ^ / / ISO 1 ■--, \ / rfr^/ 120 / -■- ■i r;- ^ -^ ' ItO ^ y UO ^ 100 /^ ^\ \. ^ ^- 90 l^'iMi:^ Ot ./ / SO T^-pr •n-' Y-' u.,^^ /^'Vjo- ^/ — so ^ X / — so iz r-r 1 — M — I u 1 _jL| I 1 — j 10 1 6T0 6«0 eso m EtO EU EID GOO S9 580 sn SM SSO SIO S30 SZO SlO Sitzungsberichte il.kais. Akud. d-TViss., inathriiaUirw. Classe, Bd.CSIII.AbthJ,1904. LitiLAiist,* TlLBMin«-nrOLl'>'ien. "° ''"^^rtrit "" «" isTi^ri^ «•'maih.-j,atunv. Clause, Bd Greflacli,!!.: Entstehung des CMoroplr^s. Tal'.II, ' il / ; / / V '/ / i / \ r' -'l / 7 »• ^ \ 1 // V / ^ ' 1 /// / /\ \ / \ 1 / i V \ . 'fl. y'- yf \ \ ^ "7 -]- i L. , # / L \ \ -> 4 / /i \ .^ V' A ,'" i! V ^ Y 'iA^ '' . A ^. / — f p J ■A ;( LH-^ /.^ & " Jj'^ -\^ /^- a fieo SSO « M) e 0 iZ 0 i 0 G 0 S9 0 st a s7 0 K 0 5( 0 *t 0 n 0 sz 0 1 P -f — i ; i i \\ ;o. \, /l ZOO V \^ N 31. \ \ / 'II \ / /f s \ /. 4 \ y /. 1 / V / / i 'V \ 1 ' t / 1 ■ '/ \ J ! /,;) / K. '. f/' V "'■j. r- '0 Sf i /// V- '', /{ 't ; ;/ \ ' M. \ 11} ^ 1 i /,'■■ ^•\ ^ '/ / V ! !/. j». y--- / \ / /'. / - ,/ ) .\ ^ .' '')'' / .-£ /,. -> f '~ _. / 0 / il 7" — — A u / / y, — 1 // n 1 // ■'7 — 1 / i'h '■? 1 r U, /' / ^ f f L ay \ 'N f /// \-i /_ , \ V- ^1 - ^ j ! 1 ) ^■f 1 "■i " t 'A . 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VN f^, // / \ -■ / \ i < \ i ii / / // ■ / A i , f ; n \ 'X'. \ ^ /- u ^n j X--. \ // J , J ji ä \ / '^ >^ in '•i Ji— :> j \^, n K) e 90 iH i 0 6 £0 » »0 G 30 ff 10 G U) 6 00 HO 60 S TD S 0 s M S W 5 ;n 20 a S3 } / / ' ' 1^ 1 1 1 ■ 1 Iß 1 /' 'li 1 ! '/ i ! ' ' \ 1 .■ / \ i \ '// '7 •: i \ ,'' \ /r / 1 ,v _,. \ r' 14 / j \ ■y^ , ') . n ^ •. y- '// ,' y i \ ;' %~ r'. y // i \ \y < V rr f 'S-' jf ' \ \ 1 X ■\ \ 1 , ' 1 7 \ -\ ••■/ ;' i \ < > '/ / Jj V ^ ^ 9' TOD £90 GBO GTO GGO GSO GW 630 BIO BIS GOO S90 UO blO i60 SiO SU &30 S20 , ' 10 \ \ 1 i \ \ /' \ ' '/ \ / \ / 1 61. i ^^ 1 1 ' :h 1 \ 1 1 \ / 1 J / sa N , \ / \ h ' i'' \ ; 'li^ l\ 1 i ^/ '-'^, '7 "iG. \ ! 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Als ich mich mit dem verwickelten Bau der Erdöllagerstätten von Wietze beschäftigte, wurde mir mitgeteilt, daß man in den Bohrlöchern auch »Muschelkalk« durchsank; für diese Be- zeichnung konnten mir keine Gründe angegeben werden. Es gelang mir, eine Probe dieses sogenannten Muschel- kalkes aus dem Bohrloche V der Grube Hansa zu bekommen, der in 245 ni Tiefe angefahren wurde. Er ist lichtgrau mit einem Stich ins Grünliche, feinkörnig und fühlt sich sandig rauh an. Ich vermutete, daß das Gestein Dolomit sei und löste es in kalter Salzsäure, wobei es lebhaft aufbrauste. Es verblieb ein ziemhch bedeutender lichtbraunei Rückstand, der unter dem Mikroskop nebst unregelmäßig begrenzten erdigen Teilchen, reichlich aus säuligen Kriställchen, von langgezogenen Sechs- ecken begrenzt, besteht. Diese Kriställchen haben meist eine Länge von 0-113 bis O'IS mm, die größte gemessene Länge ist 0-1808 w«?, die größte Dicke O-OMAmm. Derbraune Lösungs- rückstand setzt sich teils zu Boden, teils schwimmt er schaum- artig am Rande; beide Partien bestehen aus Ton und Kriställ- chen, jene am Boden sind etwas größer. Im Lösungsrückstande findet man auch einige sehr kleine manchmal rhombisch begrenzte schwarze Teilchen, die hie und da an den Rändern ausgefranst erscheinen, und die ich für Kohle halte. Sehr selten sind auch lichtbraune, sehr kleine Kügelchen eingestreut. Organisierte Teile wurden vergebens gesucht. 12* 170 H. Höfer, Anfänglich hielt ich die Kriställchen für Quarz, wovon ich jedoch bei der weiteren Untersuchung bald abkam. Da sie auf Hepar reagieren, vermutete ich Baryt, doch bemühte ich mich vergeblich, eine Baryumreaktion zu erhalten. Ich löste den sogenannten Muschelkalk auch in warmer Salzsäure, wonach die verbliebenen Kriställchen unter dem Mikroskope etwas korrodiert erschienen, was mich zur Ver- mutung veranlaßte, daß sie aus Gips bestehen. Da dieser, wenigstens in Kristallen, bisher nie als authigener akzes- sorischer Bestandteil des Kalks oder des Dolomits gefunden wurde, was um so mehr überrascht, nachdem Einschluß und Hülle sich chemisch so nahe stehen und nachdem im Kalk- stein bereits eine große Zahl von kristallisierten Mineralien auch mikroskopisch, darunter Sulfate (Schwerspat und Cölestin), nachgewiesen wurden, so bekam dieser Fund für mich ein erhöhtes Interesse. Herr Professor R. Jeller an der hiesigen k. k. Bergakademie hatte die besondere Güte, eine eingehende Analyse vorzunehmen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle wärmstens danke. Er fand in der Tat, daß die fraglichen Kriställchen aus Gips bestehen. Das Ergebnis seiner Unter- suchung ist folgendes: »In verdünnter, kalter Salzsäure lösen sich unter Kohlen- säureentwicklung etwa 407o des Gesteins; in der Lösung wurde CaO und MgO bestimmt, deren Carbonate im Ver- hältnis 5 : 3 stehen. Der Rückstand enthält, neben SiO.^, AI2O3 und FCaOg, Kalkerde und kleine Mengen von MgO auch Schwefelsäure; man kann ihn daher als ein Gemenge von Ton und Calciumsulfat ansprechen, welch letzteres rund 30 7o oder als Gips mit 2 Molekülen Kristallwasser 38 7o des Gesteins beträgt.« Aus Jeller s orientierender Analyse geht folgende Zu- sammensetzung des "sogenannten Muschelkalkes von Wietze hervor: Dolomitischer Kalk 407o Gips 38 Ton 22 looy, 0 Gipskriställcheii im dolomitischen Kalk. 171 Der Dünnschliff dieses dolomitischen Kalkes zeigt die Gipskriställchen ganz unregelmäßig eingestreut. Wegen ihrer scharfen Begrenzung sind sie authigen; mit Rücksicht auf die geringe Härte des Gipses würden die Kristalle nicht so scharf begrenzt sein, wenn sie allothigen wären. Es fragt sich jedoch, ob sie ursprünglich mit dem Kalk- stein gebildet wurden — syngenetisch — oder später aus dem- selben entstanden — epigenetisch — sind. Nach den Versuchen Usiglio's schließt der Absatz von CaCOg ab. wenn 1000 Volumteile Meerwasser auf 190 Volum- teile abgedampft sind; damit beginnt aber auch sofort die Aus- scheidung von CaSO^, was auch die Beobachtungen in den Salzgärten bestätigen. Faßt man den Kalk von Wietze als ein solches chemisches Präzipitat auf, so wäre es immerhin denk- bar, daß bei angenähert jener Konzentration (190 Volumteile) bald Kalk, bald Gips ausgeschieden werden kann, und zwar infolge wiederholten Wechsels der Konzentration durch neuer- liche Zuflüsse von Meerwasser. Man hatwiederholtaufden geringen Gehalt des Meerwassers an CaCOg hingewiesen, der im offenen Meere nur 0-017 bei 35-277oo Gesamtrückstand beträgt; doch fand Usiglio den- selben für das Meerwasser bei Cette mit 0'114 bei 37-6557oo Rückstand, was mit der Nähe der südfranzösischen Kreide- küste erklärt wurde. Es ist somit möglich, daß der Gehalt an CaCOg unter ähnlichen günstigen Verhältnissen noch höher steigen kann. So z. B. kann ein Eluß in der Nähe münden, dessen Wasser sich an der Oberfläche des Meeres ausbreitet, durch Verdunstung Kohlensäure verliert und CaCO^ in größerer Menge abscheidet. Solche direkte Abscheidungen von Calciumcarbonat wurden z. B. an den Rhonemündungen und an den Küsten von Gran-Lanaria beobachtet.^ Setzt man für den sogenannten Muschelkalk von Wietze organischen Ursprung voraus, obzwar im Dünnschliffe organi- sierte Reste nicht beobachtet wurden, so wäre es immerhin denkbar, daß sich in einem mehr oder weniger vom offenen Meere abgeschnürten Becken ein organischer Kalkdetritus anhäufte, 3 Dr. F. Zirkel: Lehrbuch der Petrographie. IL Aufl., IIL Bd. S. 482. 172 H. Höfer, durch Kalkausscheidung verkittet wurde und daß bei weiterer Konzentration Gips auskristallisierte. Tierisches Leben dürfte auszuschließen sein, da ja das Eiweiß CaSO^ zersetzt; dies dürfte die Ursache sein, warum Gipskristalle so überaus selten im Kalk als authigene Bildung vorkommen. Eine dritte Möglichkeit wäre die, daß der Gips im Kalk zwar authigen, doch epigenetischen Ursprungs ist. Es kann später in den Kalk Schwefelsäure oder ein Sulfat eingedrungen sein, welches CaS O^ und eventuell ein im Wasser leicht lösliches Carbonat bildete, welch letzteres entfernt wurde. Schwefel- wasserstoffdämpfe, die ja in Erdölgebieten keine Seltenheit sind, können bei ihrem Aufsteigen in Schwefelsäure verwandelt werden. Es wäre noch zu erwägen, ob der Kalk von Wietze nicht ein Quellenabsatz sei, was zwar wenig wahrscheinlich ist. In den Calciumcarbonat abscheidenden Karlsbader Thermen fand schon W. von Haidinger größere Schwerspatkristalle und Ingenieur J. Knett in neuerer Zeit auch kleine. Wenn auch Gips viel leichter als Baryt löslich ist, so ist es doch denkbar, daß bei einer gewissen Temperatur Gips aus Quellwasser neben Calciumcarbonat ausgeschieden wird. Welche der erwähnten Möglichkeiten der Entstehung der Gipskriställchen im dolomitischen Kalk die größte Wahr- scheinlichkeit für sich hat, muß durch spätere Untersuchungen entschieden werden. Der Frage über die Entstehung der im Kalkstein authigenen fremden Kristalle, häufig von mikro- skopischer Kleinheit, ist man bisher überhaupt so ziemlich aus dem Wege gegangen; es ist gewiß wünschenswert, wenn man sich auch einmal mit dieser Frage beschäftigt, was jedoch nicht auf Grund eines Fundes in einem Bohrloche, sondern an den zu Tage anstehenden Kalksteinen, deren Genesis leichter zu enträtseln ist, entschieden werden muß. Es werden die syngenetischen von den epigenetischen Bildungen, letztere insbesondere in den körnigen Kalken, zu trennen sein. Wenn auch bisher das Vorkommen von authigenen Gips- kriställchen im Kalke nicht beobachtet wurde, so ist dennoch CaSO^ wiederholt in Kalksteinen von Analytikern nachgewiesen worden, so in der Kreide von Ringsted (0-077oX iiach Gipskriställchen im dolomitischen Kalk. 173 A. Völcker im Cornbrash Englands (0-24°/q) und im Hauptoolith (0"20%), also nur in sehr geringen Mengen; der Gipsdolomit des Thüringer Waldes darf hier zum Vergleiche wohl nicht herbeigezogen werden. Abgesehen von dem wissenschaftlichen Interesse, welches das Vorkommen der Gipskristalle im dolomitischen Kalkstein bietet, so kann diese Tatsache für Wietze auch eine praktische Bedeutung haben. Die Lagerungsverhältnisse des dortigen Erdölvorkommens sind nicht einfach. So weit meine Unter- suchungen reichen, ist eine von SO nach NW streichende Antiklinale von Juraschichten vorhanden, die teils von Längs-, teils von Ouerbrüchen durchsetzt ist. Die Bohrungen bringen nur spärlich bestimmbare Versteinerungen zu Tage, weshalb jedes Moment zur Bestimmung des geologischen Niveaus der durchsunkenen Schichten angewendet werden muß. Wenn es nun gelänge über tags anstehend jenen dolo- mitischen Kalk im hannoverschen Jura, eventuell in der Trias zu finden, der als Lösungsrückstand ebenfalls Gipskriställchen und Ton enthält, so wäre hiedurch ein petrographischer Behelf zur genauen Bestimmung des geologischen Horizonts für die Wietzer Erdölbohrungen gegeben. An jenen Tagaufschlüssen wäre es auch möglich zu entscheiden, auf welche Weise die Gipskriställchen im dolomitischen Kalkstein entstanden sind. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. IV. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE. PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. t I Die Silikatsehmelzen (Erste Mitteilung) von C. Doelter, k.M.k.Akad. (Mit 7 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 18. Februar 1904.) Einleitung". Durch die Fortschritte der physikaUschen Chemie wird auch neues Licht auf die Natur der SiHkatschmelzen geworfen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Theorien ohne nähere Prüfung auf die Silikate zu übertragen, da Abweichungen namentlich von den für verdünnte Lösungen gültigen Gesetzen möglich sind.^ Ich halte es für unbedingt notwendig, ein großes Material von Beobachtungen und Messungen zusammenzutragen, ehe die Theorie der Silikatschmelzen in xAngriff zu nehmen ist, obgleich ich nicht verkenne, daß theoretische Betrachtungen, wie sie z. B. Mey erhoff er ^ angestellt hat, von großer Wichtig- keit sein können, indem sie das Augenmerk auf dieeutektischen Mischungen lenken; doch zeigen gerade meine Beobachtungen, daß hier nicht dieser einzige Gesichtspunkt entscheidet. Was die Ausscheidungsfolge anbelangt, so wird die Anwendung physikalisch-chemischer Theorien ganz von Nutzen sein, um die empirisch erhaltenen Resultate zu erklären. Nötig sind aber 1 Man vergleiche den wichtigen Aufsatz Bodländer's, N. J. f. Mineral., Beil., Bd. XII. 2 Z. f. Kristall., Bd. 37, 1902. 178 C. Doelter, Beobachtungen der Ausscheidungsfolge und iMessung der Temperaturintervalle, in welchen die Ausscheidung erfolgt. Hiebei kann man sich aber mit der Untersuchung erkalteter Schmelzen nicht begnügen, man muß, wie es hier zum ersten Male geschieht, die Vorgänge direkt unter dem Mikro- skop beobachten, unter gleichzeitiger Messung der Temperaturen. Erst wenn für verschiedene Mischungen Diagramme angefertigt sind, wird man das Material sichten und zu einer endgültigen Theorie gelangen können. Rosen busch^ hat für die Reihenfolge der Mineral- ausscheidungen in Eruptivgesteinen zwei Sätze aufgestellt: 1. Die kristallinen Ausscheidungen in einem eruptiven Silikatmagma folgen sich nach abnehmender Basizität derart, daß in jedem Augenblicke der Gesteinsbildung der noch vor- handene Kristallisationsrest saurer ist als die Summe der bereits auskristallisierten Verbindungen. a) Zuerst kristallisieren die Erze und andere Übergemeng- teile, Apatit, Spinell; h) dann folgen die Mg- und Fe- oder Ca Mg-, CaFe-Silikate Olivin, Biotit, Augit etc., wobei Orthosilikate vor denMeta- silikaten entstehen; c) hierauf die Feldspate und ihre Vertreter; d) der Quarz. 2. Der zweite Satz lautet: Die relativen Mengen der in einem eruptiven Silikatmagma vorhandenen Verbindungen wirken bedingend auf die Reihen- folge ihrer Ausscheidungen insofern, als im allgemeinen die in geringeren Mengen vorhandenen früher auskristallisieren. H. J. Vogt gelangt 1884 beim Studium der Schlacken zu dem Resultate, daß die Mineralbildung im Schmelzfluß abhängt von der chemischen Zusammensetzung der Durchschnittsmasse. Die Schwankungen in den physikalischen Bedingungen üben nur einen innerhalb enger Grenzen sekundär modifizierenden Einfluß aus. Lagorio- kommt zu ähnlichen Resultaten wie Rosen- busch, doch hält er dafür, daß die Ursache nicht in der 1 Mikroskopische Physiographie der Mineralien, zweite Auflage, Stuttgart. 2 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. VIII, 1887. Die Silikatschmelzen. 179 Basizität zu suchen sei, sondern in dem Mengenverhältnis der Bestandteile und der chemischen Affinität in dem Sättigungs- grad. Je schwerer eine Verbindung eine Lösung sättigt, desto später scheidet sie sich aus und in desto größerer Menge kann sie von der Lösung aufgenommen werden. Es liegt also die Ursache der Reihenfolge in der Natur der Basen und der Löslichkeit ihrer Verbindungen. Die alkalischen Erden sind der Kieselsäure gegenüber stärker als die Alkalien, daher scheiden sich Olivin und Augit früher aus. Auf derselben Basis bewegt sich Morozewicz^, der so ziemlich zu demselben Resultate der Ausscheidungsverhältnisse wie Lagorio kommt. Er macht aber auch auf den Einfluß der Temperatur und der Abkühlungsdauer aufmerksam und auf die Differenzen bei rascher und langsamer Abkühlung. Es ist nicht möglich, die Resultate dieser Arbeit im Detail aufzuzählen; zu einem Ausscheidungsgesetz führten sie begreiflicherweise nicht, da eben sehr viele Ursachen die Ausscheidung beeinflußen. Von besonderem Interesse sind seine Beobachtungen über Aus- scheidung von Tonerde. Die Resultate dieser Untersuchungen von Morozewicz gehen dahin, daß mit Tonerde gesättigte Silikatmagmen solche sind, in welchen das Verhältnis der Tonerde zu den Basen der Alumosilikate — 1 ist, solche gesättigte Alumosilikatmagmen von gemischtem Typus (K2Na2Ca)0 . AlgOg .«SiOg (« — 2 bis 13) sind bei hoher Temperatur fähig, Tonerde zu lösen und übersättigte Lösungen zu bilden. Während reine NaAl-Silikat- magmen stark Tonerde lösen, sind kalkreiche, weniger reine Kalkmagmen nicht befähigt, Tonerde zu lösen. Die übersättigten Alumosilikatlösungen, sowohl gemischte wie einfache, von der Zusammensetzung (K2Na2Ca)0, mAlgOg, nSiO^ (wobei wieder n = 2 bis 13 ist) scheiden den ganzen Überschuß m — 1 von Ton- erde in Korundform aus, wenn sie nicht etwa viel MgOwEeO enthalten und wenn n nicht größer als 6 ist, dagegen in Spinellform, wenn sie mehr als 72% MgO und FeO enthalten oder wenn // >- 6 und wenn Magnesia nicht enthalten ist, in Sillimanitform. 1 Tschermak"s Mineralog. Mitteilungen, Bd. XVIII, 1898. 180 C. Doelter, (In Bezug auf die Ausscheidung von Spinell machte Michaela Wut sehn ik die interessante Beobachtung, daß ein Gemenge von Anorthit und Magnetit, Spinell [Ca-Pleonast] aus- scheidet; ich komme darauf später zurück.) Lagorio und Morozevvicz^ haben das Verdienst, das Massenwirkungsgesetz bei der Ausscheidung herangezogen zu haben. 2 Vogt-"^ wendet sich gegen die Bezeichnung von Morozevvicz der Schmelzflüsse NaAlSiO^, CaAlgSigOg, NaAlSigOg etc. als »mit Tonerde gesättigte Silikatmagmen«, denn Silikat und Tonerde beziehungsweise Aluminat sind völlig ineinander löslich, da die betreffenden Schmelzmassen aus Lösungen von Al^O.^ und den Silikaten seien. Die Versuche von Morozevvicz beziehen sich mehr auf Mineralien, die in Eruptivgesteinen seltener auftreten, wie Korund, Spinell, Sillimanit, Cordierit, daneben auch auf solche, welche unter Zuhilfenahme von Schmelzmitteln entstehen. In einer voi' wenigen Tagen erschienenen Arbeit hat Vogt ' seine früheren Arbeiten auf Grund der Prinzipien der physi- kalischen Chemie aufgenommen und stützt sich hiebei auch auf meine Schmelzpunktsbestimmungen. Die Untersuchungen 1) Die Temperaturbestimmungen von Morozewicz können unmöglich richtig sein, er will unter 700° noch Mineralausscheidungeii erhalten haben. Dagegen ergeben meine genauen Temperaturmessungen, daß unter zirka 900° keine Kristallbildung in trockenen Schmelzen von Silikaten mehr erfolgt. Überhaupt machte man sich noch vor kurzer Zeit ganz falsche Ideen von den Temperaturen der Erstarrung und des Schmelzens der Mineralien. Der Schmelz- punkt des Korund wird noch von Morozewicz auf 2250° angegeben, er beträgt aber kaum 1800°, vielleicht nur 1700°. Morozewicz erwähnt auch bei Besprechung der Arbeiten Fouque's und Michel-Levy's, daß sie Erstarrung zwischen 1100 und 1700° beobachteten. Alle diese Temperatar- angaben beruhen nur auf Schätzungen. Es ist von Wichtigkeit festzustellen, daß, wie aus meinen Untersuchungen unter dem Mikroskop hervorgeht, die Aus- scheidung der Mineralien auf ein enges Temperaturintervall begrenzt ist, zirka 930 bis 1180°. 2 In dissoziierten Lösungen ist nach Arrhenius (Elektrochemie, p. 159) eine Abweichung vom Massenwirkungsgesetze bemerkbar. 3 L. c. p. 84. 4 Die Silikatschmelzlösungen. Christiania, 1903. Die Silikatschmelzen. 181 sind nicht abgeschlossen, so daß ein Urteil über den theore- tischen Teil, namentlich über die Anwendung des Raoult'schen Gesetzes und der vant'Hoffschen Formel sich nicht geben läßt, ich muß aber bemerken, daß einige Sätze J. Vogt's mit meinen Schmelzpunktsbestimmungen von Gemengen im Widerspruche stehen; ich verschiebe aber die Kritik bis zum Erscheinen der Fortsetzung jener Arbeit. In anderer Hinsicht stimmen meine bereits vor längerer Zeit begonnenen und unabhängig von den seinen durch- geführten Untersuchungen, welche auch teilweise von andern Gesichtspunkten ausgehen, doch vielfach überein, insbesondere in Bezug auf die Massenwirkung. Das im Überschuß vor- handene Silikat hat die Tendenz, sich zuerst auszuscheiden, aber von dieser Regel gibt es vielerlei Ausnahmen, die näher betrachtet werden sollen. Nur wenig hängen sie mit den Schmelzpunkten zusammen; ein Gesichtspunkt, der sehr alt ist und den nun auch Vogt betont; aber es sind noch andre Momente, die in Betracht kommen, wie ich zeigen werde. Vogt's und meine Arbeiten ergänzen sich, da ich mich haupt- sächlich mit den in den natürlichen Gesteinen enthaltenen Mineralien: Magnetit, Albit, Labrador, Anorthit, Olivin, Leucit, Diopsid, Tonerdeaugit, Orthoklas respektive deren Gemenge befaßte, während Vogt's Untersuchungen sich in der Mehrheit auf die Mineralien der Schlacken beziehen : Wollastonit, hexa- gonales Kalksilikat, Rhodonit, Melilith, Ackermanit, Fayalit, Tephroit, Magnetit. Vogt's Arbeit beruht auf den Schlacken- analysen Ackerman's und auf mikroskopischen Unter- suchungen derselben, dann auf den Resultaten bisher noch nicht veröffentlichter Schmelzpunktsbestimmungen von Gemengen jener Mineralien. Wichtige Ansichten über die Erstarrungsfolge hat auch Löwinson-Lessing^ geäußert. Zu erwähnen wäre der Vollständigkeit halber noch eine Arbeit von Schweig,^ die sich mit der Differentiation der Magmen beschäftigte, der Verfasser stellte Versuche mit einem i Congres geolog. Internat., VIII. Session. - Inauguraldissertation, Jena 1903. 182 C. Doelter, Glase an, welchem er verschiedene Mengen von SiOa, AlgOg, FCgOg, CaO, MgO zusetzt, um den Sättigungsgrad zu erhalten. Er schließt aus der Untersuchung von Barus und Iddings, daß die Silikatschmelzflüsse Elektrolyte sind, daher alle für diese gefundenen Gesetze auch für die Gesteinsmagmen gelten. Die Sättigung der Magmen hat auch Linck^ in einem Falle studiert. Meine eigenen früheren Arbeiten befaßten sich teilweise mit der Umschmelzung von Gesteinen, teils ohne, teils mit Zuhilfenahme von Schmelzmitteln (Mineralisatoren), denen sich eine Reihe von Untersuchungen meiner Schüler anschlössen; ferner mit der Umschmelzung von Mineralien. Im Jahre 1899 begann ich mit der Bestimmung der Schmelz- punkte der Mineralien, die ich bis heute fortgesetzt habe; das schien mir vor allem nötig, um die Ausscheidung der Mineralien zu studieren und daß sie nicht vergeblich waren, zeigt die neueste Arbeit von Vogt. Ferner suchte ich die Löslichkeit der Mineralien - im Magma durch Vergleiche der Löslichkeitsgeschwindigkeit zu schätzen und auch die gegenseitigen Löslichkeitsverhältnisse gesteins- bildender Mineralien annähernd allerdings mehr qualitativ zu bestimmen; dabei kam ich zu dem Resultate, daß bei steigender Temperatur die Löslichkeit bedeutend wächst und daß gerade Mineralien von sehr hohem Schmelzpunkt zumeist (wenn auch nicht in allen Magmen) löslicher sind.^ Vor allem habe ich bereits im Jahre 1901 versucht, die Schmelzpunkte von Mineralgemengen zu bestimmen, wobei ich zu dem Resultate kam, daß die Schmelzpunkte ungefähr dem arithmetischen Mittel der Komponenten ent- sprechen und nicht unter den Schmelzpunkten der leichter schmelzbaren Komponenten liegen; nur bei einer quarzhaltigen Mischung war die Temperatur ungefähr die der niedrigst schmelzenden Komponente. Dagegen kon- 1 Zentralblatt, 1903. 2 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XX, 1901. 3 Zentralblatt für Mineralogie, 1902. Die Silikatschmelzen. 183 statierte ich, daß bei glashaltigen Gesteinen die Schmelz- punkte niedriger Hegen als die der Komponenten, was ich der Glasbasis zuschrieb.^ Gleichzeitig begann ich damals bei umgeschmolzenen Gesteinen die Ausscheidungsfolge zu untersuchen. So kon- statierte ich bei umgeschmolzener Vesuvlava, daß bald Olivin, bald Magnetit, bald Leucit zuerst sich ausscheiden. Es ist dies wahrscheinlich der Unterkühlung einerseits, dem Vorhandensein von Impfmitteln andrerseits (Leucit) zuzuschreiben. Bereits früher hatte ich nachgewiesen, daß bei der Umschmelzung von Gesteinen oft andere, dem Bestände derselben nicht angehörige Verbindungen entstehen.^ Ich suchte dann die Löslichkeit der einzelnen Mineralien ineinander und die Ausscheidungsfolge binärer Gemenge experimentell zu bestimmen; dies ist in einer ersten Arbeit von Dr. Lenarcic geschehen und wird von mir sowie von Fräulein Michaela Wutschnik fortgesetzt. Die Resultate letzterer, welche separat veröffentlicht werden, habe ich zum Teil bei meinen theoretischen Erörterungen mit einbezogen. Es ist wohl ziemlich unbestritten, daß man zweierlei Silikat- schmelzen unterscheiden muß, die trockenen und die unter Wasser geschmolzenen, doch haben wir es nie mit reinem Wasser zu tun, sondern mit Wasser und mit einer Anzahl von Verbindungen, insbesondere mit jenen Stoffen, welche man Mineralisatoren genannt hat oder vielmehr, da die Temperatur des Magmas die des kritischen Punktes des Wassers überschreitet, haben wir es m^it Wasserdampf und den gasförmigen oder flüssigen Fluoriden, Chloriden, Wolframiaten, Boraten, Phos- phaten etc. zu tun. Es ist zwar vereinzelt, z. B. von Moro- zewicz,'^ der Einfluß von Mineralisatoren überhaupt geleugnet worden, aber zahlreiche Versuche^ haben bewiesen, daß in Gegenwart von Mineralisatoren viele Mineralien, wie Quarz, 1 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XX, 308. 2 Vergl. K. Bauer, N. J. f. Mineral., Beil., Bd. XII, 566. 3 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XVIII, 1899. •i K. Schmutz, N. J. f. Mineral., 1897, II, 124; K. Bauer, ibid., Beilage, Bd. XII; K. Petrasch, ibid., Beilage, Bd. XVII, 1903. Sitzb. d. mathem.-naturw. KI.; CXIII. Bd., Abt. I. 13 184 C. Doelter, Orthoklas, Granat, Glimmer, WoUastonit, welche ohne diese gar nicht oder nur ausnahmsweise sich bilden.^ Die gegenwärtigen Untersuchungen beziehen sich jedoch nicht auf solche Schmelzen, sondern nur auf trockene Schmelzen, ohne Beifügung irgend welcher Schmelzmittel; solche können mit den verhältnismäßig rasch erstarrten Laven verglichen werden, während die andere Klasse von Versuchen unter Bedingungen ausgeführt wurde, die eher denen der Tiefen- gesteine sich nähern, wenngleich die Einwirkung des Wasser- dampfes auch hier einen Unterschied bedingt. Die Zeitdauer meiner Versuche betrug meist 10 bis 12 Stunden, im Gegen- satze zu den Vogt'schen, die^ nur 60 bis 90' betrug. Ob darin ein prinzipieller Unterschied liegt, ist schwer zu sagen, aber gewisse Mineralien, wie Ca-Spinell werden sich bei meinen Versuchen schwerer bilden, da solche nur bei rascher Abkühlung entstehen. Icli glaube immerhin annehmen zu dürfen, daß die kurze Abkühlungsdauer der Schlacken einen Unterschied in den Resultaten bedingen muß, wie das auch Vogt ebenfalls glaubt. Allerdings dürfte Spinell mitunter auch bei langsamerer Ab- kühlung möglich sein. Die Experimentaluntersuchungen, deren Resultate ich hier veröffentliche, beziehen sich 1. auf die Schmelzpunkte von Mineralgemengen und \'on festen Lösungen dieser Mineralien respektive auf deren Schmelzpunktserniedrigungen und auf neue Schmelzpunkts- bestimmungen; 2. auf Beobachtungen der Ausscheidungsfolge der Mine- ralien in synthetisch dargestellten Schmelzen und auf den Einfluß des Mengenverhältnisses; 1 Morozewicz, 1. c. p. 9, sucht die Bildung dieser und ähnlich gebildeter Mineralien durch den Druck zu erklären. Nach den neueren Forschungen spielt Druck nur eine untergeordnete Rolle und wird hoffentlich die so lange geübte Tendenz, dem Druck bei dieser Mineralbildung einen wesent- lichen Einfluß zuzuschreiben, unterbleiben. Auch die Versuche Oetling's zeigen die geringe Einwirkung des Druckes. Maßgebend sind Wasser und die Minerali- satoren. 2 L. c. p. 6. Die Silikatschmelzen. 185 3. auf direkte Beobachtung des Ausscheidens der Mine- ralien unter dem Mikroskop; 4. auf den Einfluß der Dissoziation auf die Ausscheidung und den Einfluß des Impfens. Die Silikatschmelzen als Lösungen betrachtet. Die trockenen Silikatschmelzen können mit Lösungen^ verglichen werden. Auf diesem Standpunkte bin ich schon 1890 gestanden, doch habe ich damals den Einfluß der Schmelz- punkte als teilweise maßgebend erachtet. Wenn auch der Ein- fluß des Schmelzpunktes absolut nicht mehr als bedeutend gelten kann wie ehedem, als man die Ausscheidungsfolge als allein abhängig vom Schmelzpunkte erachtete, so erscheint doch die theoretische Behauptung Brauns^ und W. M ey er- hoff er's, daß letztere absolut einflußlos sei, nicht ganz einwand- frei, wie die Experimente zeigten. Auch Vogt, welcher in einer ersten Abhandlung die Ausscheidungsfolge als nur von der chemischen Zusammensetzung abhängig erachtete und die physikalischen Momente ausdrücklich als von sekundärem Einflüsse bezeichnete, erkennt nun eine Abhängigkeit vom Schmelzpunkte an. Ich glaube aber, daß der Einfluß der Schmelz- punkte doch nur ein geringer sekundärer ist (vergl. darüber unter p. 234 bis 239). Bedeutung kommt ihm nur bei der Aus- scheidung isomorpher Mischlingskristalle zu. Schmelzlöslichkeit der Mineralien. Ich suchte bereits vor längerer Zeit^ den Einfluß der schmelzenden Magmen auf verschiedene Mineralien festzu- stellen, später stellte ich verschiedene Versuche an, um bei verschiedenen Verbindungen die Löslichkeit verschiedener Magmen zu eruieren,^ wie dies auch Lagorio^ in ähnlicher 1 C. Do elter, Chemische Mineralogie, p.214. »Die Erstarrung der Mineral- verbindungen scheint eine Abscheidungserscheinung wie aus einer Lösung zu sein und ist daher die chemische Zusammensetzung der Schmelze maßgebend.« 2Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, 17, 1897. 3 Doelter und Hussak, N. J. f. Mineral., 1884. 4 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XX. 5 Z. f. Kristall., Bd. XXIV. 13* 186 C. Doelter, Weise durchgeführt hat; bei solchen Versuchen, welche die Widerstandsfähigkeit der Mineralien der lösenden Wirkung der Magmen gegenüber betreffen, wird vom Standpunkte der physikalischen Chemie weniger Bedeutung beigelegt werden, da sie keine Gleichgewichte betreffen; sie sind aber in petro- genetischer Hinsicht doch von Wert. Nachdem noch einige qualitative Versuche^ ergeben hatten, daß die lösende Wirkung der einzelnen Mineralien wie auch der Magmen eine verschiedene ist und bei verschiedenen Temperaturen große Unterschiede zeigt, wurde direkt die gegen- seitige Löslichkeit quantitativ bestimmt und von Lenarcic für die Verbindungen Magnetit-Labrador, Augit-Labrador zu ver- suchen begonnen. Es ergab sich, daß zumeist basische Schmelz- flüsse stärker wie saure lösen. Die Löslichkeit hängt natürlich von der Temperatur ab; nehmen wir zwei vollkommen mischbare Flüssigkeiten und lassen wir sie abkühlen, so wird entweder eine Trennung beider erfolgen oder wir bekommen ein homogenes Glas. Letzteres können wir nur bekommen, wenn die beiden Körper ineinander auch im festen Zustande löslich sind. Es hängt das jedoch zum Teil von der Unterkühlung ab und auch von der Eigenschaft des spontanen Kristallisationsvermögens. Wenn sich Magnetit vor Albit beim Erstarren ausscheidet, so zeigt das, daß er nicht mehr von Albit in jenen Proportionen gelöst ist. Ein anderer Weg zur Eruierung der Löslichkeit ist der des Hineingehens einer Verbindung in eine andere kristallisierte; in der Bildung von anormalen Mischlingskristallen (siehe p. 202). Jedenfalls kommt man zu dem Resultate, daß die festen Lösungen, die man durch Zusammenschmelzen von Mineralien unter Rühren und bei rascher Abkühlung erhält, nur bis zu einer gewissen Grenze homogen respektive amorph sind und daß bei Überschreitung dieser Grenze sich Mineralien aus- scheiden. Die beiden in solchen Fällen angewandten Mineralien sind also nicht in allen Proportionen mischbar, sondern es existiert ein Sättigungsgrad, der experimentell feststellbar ist. 1 Zentralblatt für Mineralogie, 1902, Nr. 7. Die Silikatschmelzen. 187 Die Löslichkeit ist aber nicht immer genau meßbar, da sich in der flüssigen Schmelzlösung chemische Reaktionen voll- ziehen, die Anlaß zur Bildung von dritten Körpern geben, dadurch wird die theoretische Darstellung nach den Gleich- gewichtsgesetzen erschwert. Verhältnis eines Minerals zu seiner festen Schmelze. Von Wichtigkeit für die nachfolgenden Ausführungen ist die Frasre, wie sich ein kristallisiertes Mineral zu dem Glase verhält, welche^; durch Schmelzen des ersten entsteht. ^ Wir wissen, daß die glasige Modifikation andere Eigenschaften besitzt als die kristallisierte; die amorphe hat einen größeren Energieinhalt als letztere.^ Es tritt ferner die Frage auf, ob das Glas eines Silikates, durch Schmelzen eines Minerals erhalten, dieselbe Zusammen- setzung hat; wahrscheinlich treten drei Fälle auf: 1. Bei Augit, Labrador, Leucit, Nephelin wird dasselbe Mineral beim Abkijhlen sofort wieder erhalten. 2. Es wird nur ein Glas erhalten, z. B. bei Orthoklas, Albit, niemals Kristalle. 3. Es wird ein Gemenge anderer Mineralien erhalten. Zerfall des Granats und Idokrases in hylotrope Gruppen: Anor- thit (Mejonit) + 01ivin, oder Umwandlung in eine hylotrope Modifikation: Zerfall der Hornblende in Augit gewöhnlich unter Absonderung von etwas Magneteisen. Weiter gehören hieher die Abscheidung von Magnetit aus eisenreichem Augit und Olivin beim Schmelzen.^ Die Umwand- lung des Kaliglimmers in Leucit und Orthoklas u. a. Beim Zusammenschmelzen von Labrador und Magnetit bildet sich Hedenbergit, hier stammt das Eisen aus dem Magnetit, die Kieselsäure und der Kalk aus dem Labrador. Akmit und Orthoklas ergibt Glas und Magnetit, letzterer stammt aus dem Akmit. (Na^ Fe^ni Si4 0,^) ; 1 Diese Frage wird merkwürdigerweise von Vogt gar nicht berührt; er scheint ohne weiters anzunehmen, daß die Schmelze die Lösung des Minerals darstellt, da er die Differenz der Eigenschaften beider nicht erwähnt. 2 Tammann, Schmelzen und Kristallisieren. 3 Oft schon vor Eintritt des Schmelzens. 188 C. Doelter, das Fe 0 war nicht vorhanden, muß durch Reduktion von FeaOs gebildet sein. Aus Anorthit und Magnetit kann sich der mit letzterem isomorphe Kalkspinell bilden. Das Ca stammt aus Anorthit, das Fe^^^ aus Magnetit. Bei dem Zusammenschmelzen von Mineralien bilden sich häufig dritte Verbindungen, welche zumeist mit keinen der ersteren isomorph sind. Die Abscheidung kann aus einer einzigen Komponente erfolgen (Magnetit aus Augit), viel häufiger aber aus beiden. Dieser Fall ist am wenigsten erklärt worden. Viele synthetische Versuche ergaben beim Zusammen- schmelzen von Mineralien Bildung neuer, oder aber ein Mineral gibt beim Schmelzen ein Glas und eine neue Verbindung, oder mehrere kristallisierte Verbindungen; andrerseits kann sich ereignen, daß zwei nicht isomorphe Verbindungen (falls das eine in kleinen Mengen vertreten ist) zu einer gemeinsamen Kristal- lisation zusammentreten und eine anomale Mischung bilden. Es ist daher von großer Wichtigkeit, festzustellen, ob durch Zusammenschmelzen von Mineralien ein weiterer Stoff entsteht. Dissoziation der Silikatschmelzen. Die geschmolzenen Silikate sind, wie Barus und Iddings^ gezeigt haben, Elektrolyte, sie sind also mit elek- trisch dissoziierten Lösungen vergleichbar. Die dissoziierte Lösung gibt Anlaß zur Bildung von Ver- bindungen; durch chemische Reaktion entstehen in derSchmelz- lösung neue Bestandteile und es brauchen sich nicht die früher im festen Zustande vorhanden gewesenen Verbindungen neuerdings aus der Lösung abzuscheiden, es bilden sich neue. Dies dürfte mit der Dissoziation der geschmolzenen Silikate zusammenhängen, auf die noch zu wenig Rücksicht genommen ist, denn sowohl Vogt wie Morozewic z gehen 1 Ich hatte schon im Jahre 1890 durch Versuche festgestellt, daß eine Elektrolj'se von Basalt möglich ist, indem an der einen Elektrode sich eisen- oxydreiche Partien ausscheiden. Die Silikatschmelzen. 189 hauptsächlich vom chemischen Standpunkte, d. h. von der chemischen Zusammensetzung der ganzen Silikatlösung aus. Auf die Dissoziation der Silikate machte ich bereits aufmerk- sam, namentlich in Gegenwart der Mineralisatoren. Schon der vor Jahren von mir bewiesene Zerfall des Granats beim Schmelzen in Olivin und Anorthit zeigt die Dissoziation der Verbindung Ca^ Al^ Sig O^-^^. Natur der Silikatschmelzen. Schmilzt man mehrere Mineralien zusammen, so erhält man eine Lösung, in der die verschiedenen Oxyde FeO, MgO, CaO, AI0O3, FCgOs, SiOa dissoziiert sind, außerdem dürften aber noch andere Silikatgruppen in der Schmelzlösung existieren, so z. B. in der Orthoklasschmelze Leucit, nach Ansicht von Prof. Tamman in der Leucitschmelze auch K2AI2 Sig Og und Kg AI2 Sig O^g, außerdem noch undissoziierte Moleküle von Leucit. Jedenfalls ist eineOrthoklas- oder eineLeucitschmelze nicht einfach mit den kristallisierten Varietäten zu identifizieren. In der Schmelze sind verschiedene Molekülgruppen vorhanden und es findet teilweise Dissoziation statt. Impfversuche. Impfversuche hatte ich bereits vor einiger Zeit mit Mineralien angestellt, um die Übersättigung aufzuheben, es war dies gelegentlich der Studie über Kristallisationsgeschwindig- keit und neuerdings machte ich beim Studium der Aus- scheidungsfolge davon Gebrauch, um Mineralien, welche schwer kristallisieren, zur Abscheidung zu bringen. Aber diese Versuche gelingen nur in wenigen Fällen, nämlich nur in solchen, wo das Impfmineral viel schwerer schmelzbar ist als die zu impfende Lösung und in dieser nicht rasch gelöst wird ; bei viskosen Lösungen mißlingt der Versuch zumeist auch, es ist 1 Der Zerfall des Granats hängt nicht, wie Morozewicz meint, mit dem Verhältnis der Bestandteile zusammen respektive mit dem Tonerdeüberschuß (wenigstens ist dies nicht die Ursache seines Zerfalles), sondern mit der Disso- ziation 190 C. Do elter, also dieses Mittel, welches so wichtige Resultate geben könnte, nur ausnahmsweise anwendbar. Von großem Interesse war mir eine briefliche Mitteilung Prof. Tammann's in Göttingen, welcher mir mitteilte, daß bei der Dissoziation der Silikate nicht nur freie Ionen und Oxyde, sondern noch andere Alumo- silikate sich bilden, welche eventuell durch Impfversuche nach- zuweisen waren; er schätzt beispielsweise, daß in K2Al2Si40i2- Schmelzlösung außer dieser Verbindung auch noch die Molekülgruppen K2 AI2 Sie O16 K AI Sia Og vorhanden sein können. Möglicherweise werden sich neue Tatsachen in Verfolgung dieser Gesichtspunkte ergeben. Der Dissoziationsgrad dürfte aber bei verschiedenen Silikatschmelzlösungen verschieden sein (nicht überall gleich, wie Vogt meint). Ich vermute, daß er bei basischen Silikaten kleiner ist als bei sauren, ebenso wird er sich bei Gegenwart von Mineralisatoren ändern. Es wären Versuche über die Leitfähigkeit bei verschie- denen schmelzenden Silikaten notwendig, um ein Urteil über ihre Eigenschaft als Elektrolyte zu erhalten. Impfmittel bei natürl iche n Erstarrungsvorgängen. ^ Gegen die Übertragung der Impfungsmethode auf Natur- vorgänge könnte man einwenden, daß in der Natur keine Impf- stoffe vorhanden sind; das ist aber nicht richtig, denn es ist sehr wahrscheinlich, daß die Gegenwart von Kristallen erster Generation die Reihenfolge der später sich ausscheidenden Mineralien beeinflußt, denn diese wirken wie Impfkristalle. Das zeigt auch die Fluidalstruktur; dort, wo sich um einen großen Kristall zahlreiche kleine Kristalle anlagern, liegt Impfwirkung vor. Es ist daher die Übertragung der durch Impfung erhaltenen Resultate auf Naturvorgänge gestattet. 1 Im Zentralblatt 1902, p. 548, machte ich aufmerksam, daß präexistierende Kristalle auf die Ausscheidungsfolge von Einfluß sein können; dies wird nun durch Versuche bestätigt. Die Silikatschmelzen. 19 i Einige einschlägige Versuche zeigen, daß die Aus- scheidungsfolge der Mineralien durch vorhandene Impfstoffe beeinflußt werden kann und daß durch Impfen dieselbe gerade- zu umgekehrt werden kann, wenn auch im andern Falle die- selben versagten. Man kann in manchen Fällen statt des betreffenden Minerals zu Impfzwecken ein isomorphes, schwerer schmelzbares nehmen, da nach Ostwald ^ die Übersättigung durch ein isomorphes Salz ebenso gut aufgehoben werden kann. Ostwald sieht bekanntlich diese Eigenschaft als Charakteristik für isomorphe Verbindungen an. Da in der Feldspatreihe die Schmelzpunkte verschieden sind, so wird man mit Vor- teil z. B. Anorthit statt Albit als Impfmittel nehmen. 'Meine diesbezüglichen Versuche sind nicht abgeschlossen und sollen in dieser Abhandlung nicht ausführlich behandelt werden, ich will nur einige erwähnen, welche die Wichtigkeit des Gegenstandes zeigen. Orthoklas gibt beim Kristallisieren nur Glas, offenbar weil die Kristallisationsgeschwindigkeit 0 ist infolge der großen Viskosität oder weil bei derTemperatur- respektive Unterkühlung, bei welcher spontane Kristallisation eintreten würde, die Viskosität so groß ist, daß keine Kristalle mehr entstehen. Wenn man nun beim Abkühlen mit großen Bruchstücken von Orthoklas impft, so werden dieselben teils allerdings auch geschmolzen, wo es aber gelingt, einzelne der- selben davor zu bewahren, entstehen kleine Orthoklaskristalle. Ferner impfte ich eine Orthoklasschmelze mit Leucit und erhielt in der Nähe der Impfstoffe einzelne Leucite sowie Ortho- klase. Ganz merkwürdige Resultate wurden bei einer Schmelze aus Anorthit und Hedenbergit von Fräulein Wutschnik erzielt. Erstens wurde die Ausscheidungsfolge durch Impfen mit Anorthit zu Gunsten dieses geändert (aber nur in der Nähe des Impfstoffes), der Hedenbergit, der sich sonst bildet^ kommt gar nicht zur Abscheidung im Wirkungskreise des Impfminerals, es bildet sich Magnetit und ein andrer Körper. Die Umkehrung der Ausscheidungsfolge kann in einigen Fällen durch I m p f u n g b e w i r k t w e r d e n.'-^ 1 Lehrbuch II. 2 Die Versuche werden gegenwärtig von einem meiner Schüler fortgesetzt. 192 C. Doelter, Einfluß der Unterkühlung. W. Meyerhoffer machte zuerst auf die Wichtigkeit des eutektischen Punktes aufmerksam und kommt, wie früher Brauns/ zu dem Resultate, daß nur die chemische Zusammen- setzung der Schmelze, verglichen mit der der eutektischen Mischung, für die Ausscheidungsfolge maßgebend sei. Von großer Wichtigkeit war es überdies, daß Meyerhoffer auf die bei Mineralschmelzen sehr oft auftretende Unterkühlung (Über- sättigung) aufmerksam machte. - Die Unterkühlung ist bei vielen Mineralien sehr erheblich und beträgt bis zu 150°. Es tritt also Übersättigung der Schmelze ein und wie Meyerhof fergezeigt hat, kann durch diese die Aus- scheidungsfolge eine ganz andere sein als die von der Theorie geforderte. Man kann die Übersättigung aufheben durch Rühren undLenarcic hat gezeigt, daß in der Tat bei einem Falle ein entgegengesetztes Resultat eintreten kann, als wenn nicht gerührt wird. Bei meinen Versuchen wurde das ebenfalls kon- statiert, doch läßt sich Rühren eben nur solange die Schmelze noch ziemlich viskos ist durchführen. Es wäre nicht unmög- lich, daß manches überraschende Resultat der Vogt'schen Ver- suche dem Mangel an Rühren zuzuschreiben ist, namentlich bei der erwähnten (p. 111) Reihenfolge Olivin-Magnetit und Magnetit-Melilith, welche den Beobachtungen derPetrographen und auch teilweise meinen Versuchen nicht entspricht. In der Natur dürften solche den ohne Rühren vorgenommenen Ver- suchen analoge Fälle zwar nicht ausgeschlossen sein, z. B. in Gängen, aber doch selten sein, da die Gase Bewegung erzeugen und durch die präexistierenden Kristalle (intratel- lurische Bildungen) Im.pfung erzeugt wird. In der Tat kann, wie einige noch nicht abgeschlossene Versuche beweisen, durch Impfung die Ausscheidung in der übersättigten Silikatlösung beeinflußt werden. Diese hebt die Übersättigung auf. 1 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. 1896. 2 Bereits W. Ostwald hat übrigens bei Besprechung des Brauns'schen Aufsatzes auf die Unterkühlung die Aufmerksamkeit gelenkt. Zeitschrift für phys. Chemie, XXV., p. 372. Die Silikatschmelzen. 193 Einfluß der Kristallisationsgeschwindigkeit und des Kristalli- sationsvermögens. Wir wissen, daß manche Mineralien aus ihrem Schmelz- flüsse nicht zur Kristallisation zu bringen sind, z. B. Albit, Wollastonit, Orthoklas, Granat, ^ Glimmer. Welches sind die Ursachen dieses Verhaltens;? Bei den zwei letzteren, sowie einigen andern, ist es der Zerfall in der Schmelzlösung in andere Molekijlgruppen, welche stabiler sind bei hohen Temperaturen; erniedrigt man durch Schmelzmittel (Mineralisatoren) die Schmelztemperatur, so können sich die ursprünglichen Mineralien ausscheiden. Der Einfluß der Mineralisatoren ist hierder, die Entstehungs- temperatur herabzusetzen, indem der Schmelzpunkt des Gemenges herabgesetzt wird. Bei Albit, Orthoklas liegt ein anderer Fall vor, da man jene Mineralien, wie neuerliche Versuche von mir beweisen, zwar nicht aus ihren Schmelzen, wohl aber bei hoher Temperatur aus gemischten Schmelzlösungen (Um- schmelzung von Mineralgemengen) erhält. Ich glaube, daß die Grundursache des Nichtkristallisierens in der Viskosität jener Schmelzen liegt, durch welche die Kristallisationsgeschwindigkeit und wohl auch das spontane Kristallisationsvermögen auf Null reduziert wird. Denn wir sehen, daß die Kristallisationsgeschwindigkeit bei weniger viskosen Mineralien im allgemeinen größer ist, z. B. bei Augit, bei Olivin, Labrador, als bei viskosen Mineralschmelzen (Nephelin, Leucit) ; bei sehr viskosen (Albit, Orthoklas, Quarz) ist sie Null. Durch Zugabe von wolframsaurem Kali wird die Kristallisationsgeschwindigkeit, wie die Versuche von Haute- feuille- und meine eigenen beweisen, vergrößert. Die Minerali- satoren wirken hier als Verminderer der Viskosität. 1 In der Literatur werden Fälle erwähnt, in welchen sich Granat aus trockenen Schmelzen bildete; ich habe die Versuche wiederholt und jenes Mineral nicht erhalten, ich halte daher die Möglichkeit eines Irrtums nicht für ausgeschlossen. 2 Nachuntersuchungen von Pickar dt sinkt die Kristallisationsgeschwin- digkeit durch Zugabe von fremden Beimengungen ; hier ist offenbar der gegen- teilige Einfluß der Viskositätsverminderung weit größer. (Zeitschrift für phys. Chemie, 43, 1903.) Der Widerstand wird vermindert. 194 C. Doelter, Durch Impfmittel kann Kristallisation hervorgebracht werden. Die Ausscheidungsfolge der Mineralien. Eine weitere Untersuchungsreihe enthält Versuche über die Ausscheidungsfolge von Mineralien beim Zusammenschmelzen und langsamen Abkühlen derselben. Solche Versuche wurden zuerst in meinem Laboratorium durch Dr. Lenarcic ausgeführt und dann von mir und Fräulein Michaela Wutschnik weiter fortgesetzt. Die Schmelzmassen werden unter dem Mikro- skop untersucht und, wo dies möglich, die Reihenfolge der Ausscheidung festgesetzt. Das Kristallisationsmikroskop für hohe Temperaturen. Es war von größter Wichtigkeit, die Ausscheidungsfolge direkt unter dem Mikroskop zu beobachten; doch stellen sich dieser sicher sehr dankenswerten Aufgabe große Schwierigkeiten entgegen, da der Apparat selbst noch vervollkommnet werden soll und auch die Erkennung der ausgeschiedenen Kristalle noch oft mit Schwierigkeiten verbunden ist. Um die Erstarrungsvorgänge und namentlich auch um die Reihenfolge der Ausscheidungen beobachten zu können und um gleichzeitig die Erstarrungstemperaturen messen zu können, mußte ein Mikroskop konstruiert werden, welches eine Er- hitzung auf die Schmelztemperatur hochschmelzbarer Sub- stanzen gestattet respektive mit einem derartigen Erhitzungs- apparat versehen ist. Zuerst verband ich einen solchen mit dem Lehmann'schen Mikroskop, bin aber von demselben wieder abgekommen, da die Spiegelpolarisation zu geringe Intensität der Interferenzfarben ergibt und außerdem die Anbringung einer Irisblende, die gerade hier sehr gute Dienste leistet, nicht möglich ist. Ich bin daher zu der Konstruktion eines eigenen Mikroskopes geschritten, über dessen Details ich anderweitig berichten werde, doch kann man allerdings den Erhitzungs- apparat nötigenfalls auch bei jedem anderen Mikroskop an- bringen. Der Erhitzungsapparat muß vermittels Elektrizität er- wärmbar sein, da man bei Gasbrennern an verschiedenen Punkten der Flamme verschiedene Temperaturen erhält und Die Silikatschmelzen. 195 auch die Messung vermittels des Thermoelementes weniger genau ist. Nach längeren Versuchen erhielt ich durch die Freundlichkeit der Firma W. C. Heraeus in Hanau einen kleinen Ofen, welcher den Anforderungen entspricht. Er besitzt bei zylindrischer Form die Größe des Objekttisches und eine Höhe \on zirka 50 mtn, er ist nach demselben Prinzip kon- struiert, wie die größeren vertikalen Öfen dieser Firma. ^ Die Heizung erfolgt durch eine Platinspirale. Das Lumen des Ofens hat zirka 15 mm Durchmesser. Der Ofen wird auf den Tisch des Mikroskopes gestellt und ist auch mit ihm drehbar, Asbest- platten schützen oben wie unten die metallischen Teile des Mikroskopes. Die Linse liegt wie bei dem Lehmann'schen Appa- rate in einer Metallspirale, durch welche Wasser geleitet wird, das zuvor durch eine Kältemischung von zirka — 18° geflossen ist. Trotzdem die Entfernung zwischen dem Ofen und der Linse nur 5 mm betrug, wurde letztere kaum warm. Oben und unten wird die Öffnung des Ofens durch Quarzplatten verschlossen, das Thermoelement wird von unten hereingeführt und ist un- mittelbar mit dem Objektträger in Berührung. Dieser besteht wieder aus einem Schälchen aus geschmolzenem Ouarz, welches von oben an Ouarzfäden oder Platindrähten eingeführt wird, eventuell gibt man deni Objektträger die Form des Savonette- glases, man kann den Objektträger an einer beliebigen Stelle des Ofens festmachen, je nach der Vergrößerung, welche man anwendet. Der untere Nikol wird speziell abgekühlt. Die erzielbare Temperatur betrug anfangs kaum 1200°, konnte aber jetzt infolge kleiner Umänderungen des Ofens bis nahezu 1300° gebracht werden. Für die gelungene Konstruktion des Ofens sage ich der Firmia W. C. Heraeus und insbesondere Herrn Dr. Küch meinen besten Dank. Die Regulierung der Temperatur durch einen passenden Widerstand ist sehr leicht möglich und man kann auf 10° einstellen und sehr lange die Temperatur konstant erhalten. (Statt einer Quarzplatte kann man in manchen Fällen unten den Ofen auch durch eine Glimmerplatte, durch welche die Drähte des Thermoelementes durchgehen, absperren.) 1 Siehe C. Doelter, Zentralblatt für Mineralogie, 1902. 196 C. Doelter, Anwendung des Mikroskopes zur Beobachtung der Aus- scheidungsfolge. Der direkten Beobachtung der Ausscheidungsfolge stehen größere Schwierigkeiten entgegen, da die Interferenzfarben nicht /x Fig. 1. L Mikroskoplinse. E Quarzplatte. D Quarzschale. AB I .„ /Drähte des Thermoelementes. G Quarzplatte. F Asbestplatten. mehr gut zu beobachten sind und daher auch die Auslöschung nicht gemessen werden kann. Es hängt dies nicht nur damit zusammen, daß das Gesichtsfeld rot gefärbt erscheint, denn auch durch ein Einschalten von grünem Glas wird die Farbe nicht herv^ortreten, sondern wahrscheinlich damit, daß die Kristalle bei sehr hoher Temperatur sich darin fast wie isotrop verhalten. Die Siükatschmelzen. 197 Man ist daher auf die Unterscheidung vermittels der Brechungsexponenten und der Kristallformen angewiesen, was allerdings in vielen Fällen genügt. Wo aber dies nicht der Fall ist, wird nachträgliche Untersuchung der Kristalle Dienste leisten, insbesondere aber verbunden mit photographischer Aufnahme in verschiedenen Stadien der Abkühlung respektive bei verschiedenen Temperaturen. IN'Ian verwendet am besten zum Studium der Ausscheidung Dünnschliffe der betreffenden Schmelzen. Als wichtiges Resultat der bisherigen noch sehr spärlichen Versuche ergibt sich unter anderem, daß die Ausscheidung der untersuchten gesteinsbildenden Mineralien erst bei 1180 bis 1150° beginnt und meistens bei 950° endet; unter 900° ist alles starr. Schmelzpunktserniedrigung von Silikaten, Nach dem Verhalten anderer Körper zu schließen, müßte bei dem Zusammenschmelzen von Silikaten eine Erniedrigung des Schmelzpunktes des Gemenges unter den der niedrigst schmelzenden Komponente stattfinden; dies ist jedoch, wie mich bereits frühere^ Versuche gelehrt, nicht der Fall, Zahlreiche Beobachtungen zeigen, daß eine Schmelzpunktserniedrigung bei Silikatgemengen nicht eintritt. Anders verhalten sich jedoch die Gläser, welche man durch Zusammenschmelzen von Silikaten erhält. Diese folgen den Lösungsgesetzen, man darf also die Silikate nicht mit ihren Gläsern identifizieren. Schmilzt man Mineralgemenge bis zu voll- ständigem Gleichgewicht unter Rühren und stellt dadurch eine solche feste Lösung her, so erhält man für diese Schmelzpunkts- erniedrigungen wie bei flüssigen Lösungen und könnte eventuell auf diese die Lösungsgesetze anwenden. Aber es muß betont werden, daß solche Lösungen doch nicht mit den Mineralien völlig ident sind, da das erhaltene Glas einen andern Körper, physikalisch verschieden von dem Mineral, darstellt. Man muß also von Schmelzpunktserniedrigungen der Mineral- gläser, nicht aber der Mineralien sprechen. Man muß diese ^ Tschermak's Mineralog, Mitteilungen, Bd. XX, 1891, 198 C. Doelter, Gläser als labile Modifikationen der kristallisiei-ten Verbindung auffassen, sie hat niederen Schmelzpunkt und überhaupt größeren Energiegehalt. Es scheint unter den vielen Mineralkombinationen nur wenig Ausnahmsfälle zu geben, in welchen eine Erniedrigung des Schmelzpunktes des Gemenges unter den der niedrigeren Komponente vorkommt. Dieser Fall wurde bei den Unter- suchungen von M. Wutschnik bei den Gemengen Olivin- Albit gefunden, die Schmelzpunktserniedrigung des Gemenges 1 Olivin 1 Albit beträgt zirka 20° unter dem Schmelzpunkt des Albites , bei den in andern Verhältnissen gemischten Mengen war sie 10 bis 0°. Dieser Fall soll an einem andern Orte besprochen werden. Der Beweis, daß Mischungen von Mineralpulvern nicht unter dem Schmelzpunkt der niedriger schmelzenden Kompo- nente schmelzen, kann ohne pyrometrische Messung dadurch erbracht werden, daß man gleichzeitig, in welchem Ofen immer, das Mineral und das innige Gemenge nebeneinander erhitzt; man kann sich dann überzeugen, daß das Gemenge später flüssig wird, als das niedrig schmelzende Mineral; nur bei sehr nahe schmelzenden Mineralien ist es wegen der Messungsfehler schwieriger zu entscheiden, ob eine oder die andere Mischung etwa um einige 10° niedriger als die untere Komponente schmilzt; wo aber größere Differenzen eintreten, ist das leicht sicherzustellen. Dagegen ging schon aus meinen ersten Schmelzpunkts- bestimmungen ^ von glashaltigen Basalten und ähnlichen Ge- steinen hervor, daß solche Gesteine einen niedrigeren Schmelz- punkt besitzen, als die niedrigst schmelzende Komponente, obgleich auch hier wieder, wie oben bemerkt, es vorkommt, daß beim Schmelzen des Gesteins noch viele ungeschmolzene Einzelbestandteile vorhanden sind. Erster Versuch. Ein Gemenge von gleichen Mengen H e d e n b e r g i t und A n o r t h i t wurde gleichzeitig mit reinem Hedenbergit im elektrischen Horizontalofen geschmolzen, wobei sowohl die Mischung als i Siehe Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XX. Die Silikatschmelzen. 199 auch der reine Hedenbergit in Tetraeder geformt wurden und unmittelbar nebeneinander gestellt waren, damit kein Tempe- raturunterschied eintreten konnte. Bei 1080° tritt der Punkt 7\ für Hedenbergit ein, das Gemenge war noch nicht gefrittet. Bei 1120° war das Hedenbergittetraeder an den Kanten ganz abgeschmolzen, das Gemenge nur stark gefrittet. Bei 1150° wurde wieder nachgesehen; der Hedenbergit war zu einem Meniskus geschmolzen, während das Gemenge noch nicht einmal auf der Unterlage angeschmolzen war, es trat hier der Punkt T^ ein, den der Hedenbergit schon bei 1080° zeigte. Bei 1200° war das Gemenge geschmolzen. Zweiter Versuch. Gleichzeitiges Schmelzen eines Diopsid-Albitgemenges und von reinem Albit. Ein inniges Gemenge von 2 Albit und 1 Diopsid, in Tetra- eder geformt, wurde gleichzeitig und neben einem solchen von Albit erhitzt. Bei 1150° beginnt die Schmelzung des Albites, bei 1 170° war derselbe ganz geschmolzen. Die Frittung des Ge- menges begann bei 1180°, während dieses erst bei 1200° geschmolzen war. Dritter Versuch. Gleichzeitiges Erhitzen eines Akmit-Orthoklasgemenges und von Akmit. Die Ausführung des Versuches erfolgte wie bei Versuch 1 und 2. Für Akmit erhält man J, — 960°, T^ — 980°. Bei 1000° war Akmit zu einem Meniskus zusammen- geschmolzen. Das Gemenge, bestehend aus 2 Orthoklas und 1 Akmit, zeigte bei dieser Temperatur nicht einmal Beginn des Schmelzens, erst bei 1030° zeigten sich Spuren von Schmelzung; diese tritt bei 1080 bis 1090° ein, indem es bei dieser Tempe- ratur stark angeschmolzen war. Zu einem Meniskus schmolz es bei 1110°. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 14 200 C. Doeltcr, Vierter Versuch. Gleichzeitiges Erhitzen von Albit und eines Gemenges Magnetit- Albit. Für Albit von Norwegen erhielt ich 7"i = 1150°, T, — 1170°. Das Gemenge begann erst bei 1175° Spuren von Schmelzung zu zeigen, bei 1190° trat deutliche Erweichung ein, hier sind also die Differenzen geringere. Fünfter Versuch. Gleichzeitiges Erhitzen von Änig- matit mit einem Gemenge von Leucit-Änigmatit. Bei 1000° schmolz Änigmatit, während das Gemenge noch unverändert war. Bei 1080° fing es zu erweichen an, bei 1120° erst wurde es flüssig. Sechster Versuch. Bronzit und Albit. Ferner wurde noch ein Gemenge von zwei Mineralien mit sehr entfernten Schmelzpunkten, nämlich Bronzit (1380°) und Albit (1160°) zusammengeschmolzen, und zwar 2 Bronzit (Kraubath) 1 Albit (Norwegen) ergab r, — 1230° T; — 1260 bis 1280 o Ein einzelner Ausnahmsfall wurde konstatiert bei Zusam- menschmelzen von Mischungen Albit-Kalkeisenolivin im Ver- hältnisse 1 : 1 und 1:2. Es ergaben sich Schmelzpunkte von 1140 und 1150°, also unter dem Schmelzpunkte des Albits um zirka 5 bis 15°. Der Vorgang des Schmelzens von Mineralgemengen besteht also nicht nur, wie 0. Lehmann^ annahm, darin, daß durch die Gegenwart des einen Minerals der Schmelzpunkt des andern ermäßigt wird, sondern darin, daß das eine Mineral das andere löst; je höher wir über den Schmelzpunkt des ersteren hinaufkommen, desto rascher vollzieht sich der Lösungsprozeß, welcher aber von der lösenden Eigenschaft desselben abhängt und überhaupt von der gegenseitigen Löslichkeit. In wenigen 1 Molekular-Physik, Bd. I, 1887. Die Silikatschmelzen. 201 Fällen schien es allerdings, daß der höher schmelzende Anteil der Mischung in der Lösung seinen Schmelzpunkt etwas er- mäßigt, in den meisten Fällen ergab sich aber, daß das nicht der Fall ist. Vergleicht man die Schmelzpunkte der Mineralgemenge, so findet man, daß zumeist die Erweichung übereinstimmt mit dem Punkte, welchen man erhält, wenn man das arithmetische Mittel der Schmelzpunkte der Komponenten zieht. Nur dann ist der Schmelzpunkt niedriger, wenn die niedriger schmelzende Komponente die Eigenschaft hat, die andere rasch zu lösen; so bei Hedenbergit und Akmit, welche ein starkes Lösungs- mittel für die meisten hochschmelzbaren Mineralien sind. Hiebei kommt also auch die Lösungsgesch windig keit in Betracht. Zu beachten ist aber, daß beim Schmelzen der Mischung noch kein Gleichgewicht stattfindet, indem noch 20 bis 40° höher nicht der ganze zweite Anteil geschmolzen ist, sondern von diesem noch ein bedeutender Teil ungeschmolzen ist. Würde man denjenigen Punkt, bei welchem auch der feste Teil der zweiten hochschmelzbaren Komponente geschmolzen ist, zum Vergleiche heranziehen, so würde man Temperaturen erhalten, die sogar bedeutend den aus dem arithmetischen Mittel berechneten Schmelzpunkt übersteigen, aber die Eruie- rung dieses Gleichgewichtspunktes ist sehr schwierig.^ Richtig wäre es aber, diesen Punkt zum Vergleiche heran- zuziehen. Das, was wir messen, ist jedoch nur ein Intervall des Beginnes der Lösung und der vollzogenen Lösung. Demnach verhalten sich diese Mineralgemenge, d. h. die Silikate nicht wie Legierungen und wie die Nitrate und organischen Verbindungen, welche, wenn sie als Gemisch erhitzt werden, ihren Schmelzpunkt unter den der niedrigst schmelzenden Komponente erniedrigen, sondern sie verhalten sich wie isomorphe Mischungen, deren Schmelzpunkte zwischen dem der beiden Komponenten liegen und so ziemlich das arith- metische Mittel beider bilden.'^ 1 Sie ist unter dem Mikroskop möglich; vergl. unten die Schmelzversuche unter dem Mikroskop. 2 Es braucht aber weiter nicht dargelegt zu werden, daß die betreffenden Mineralien weder isomorph noch isodimorph sind. 14* 202 C. Doelter, Bildung von anomalen Mischkristallen beim Zusammen- schmelzen von nicht isomorphen Mineralien. In einigen Fällen konstatiert man, daß das in bedeutendem Überschuß vorhandene Mineral das andere aufnehmen kann und daß, da Glas nicht gefunden wird, das letztere mit dem andern Mischkristalle bildet, trotzdem von einer isomorphen Mischung und eigentlich wohl auch von einer isodimorphen nicht gesprochen werden kann. Die Fälle sind zwar nicht sehr zahl- reich, verdienen aber Beachtung, weil sie für die Frage der chemischen Konstitution solcher Alineralien von Wichtigkeit sein können. Zuerst konstatierte ich einen solchen Fall bei Zusammen- schmelzen von Nephelin und Leucit; NaAlSiO^ und KAlSiaOß können Mischkristalle geben, die in der Form des Nephelins erstarren, solange das Verhältnis unter 1 : 1 bleibt. Wenn jedoch dieses Verhältnis oder ein Verhältnis angewendet wurde, bei dem mehr Leucit vorhanden war, kristallisierten beide für sich getrennt aus, ^ der umgekehrte Versuch gelingt nicht; Leucit nimmt kleinere Mengen von Nephelin nicht auf. Es scheinen aber derartige Fälle gar nicht so selten zu sein. Lenarcic untersuchte eine von mir dargestellte Mischung von Hedenbergit und Elaeolith im Verhältnisse 5 : 1 und kon- statierte, daß der Elaeolith das erstere Mineral verschluckt hatte. Ferner beobachtete ich bei iMischung von 20 Augit mit 1 Labrador, daß das Ganze als Augit auskristallisierte, ohne Glasrest. Weiter scheint Olivin Kalkfeldspat in kleinen Mengen aufnehmen zu können, wie bei Zusammenschmelzen von vor- herrschendem Olivin mit wenig Anorthit konstatiert wurde. Durch Isodimorphismus ließe sich wohl nur der erste Fall erklären, obgleich dem die ungleiche chemische Konstitution (die eine Verbindung ist ein Metasilikat, die andere ein Ortho- silikat) entgegensteht; dann wäre auch zu erwarten gewesen, 1 Z. r. Kristall., IX, 1884, p. 325. Die Silikatschmelzen. 203 daß kleinere Mengen von Nephelin in größeren Mengen von Leucit verschwinden, was nicht der Fall war. Vielleicht sind sie mit den Adsorptionen vergleichbar, wie sieBodländer und Soinmerfeldt/ letzterer bei Jodkalium und Jod, beschrieben haben, oder die Adsorptionen bei Salmiak. Ob diese Hypothese die richtige ist, läßt sich aber heute noch nicht sagen. In einigen Fällen dürfte, z. B. bei Augit, der Tonerde- und Eisenoxydüberschuß vielleicht zur Bildung des Augits auf- gezehrt worden sein; wenn die Mengen sehr klein sind, so kann von Ca Al2Si208 das Ca Al^Si Og isomorph dem Augit beigemengt sein, dann würde noch ein Rest von kieselsaurer Tonerde übrig bleiben, der auch als Glaseinschluß infolge seiner äußerst geringen Menge in den Augiten stecken kann. Es könnten also drei Fälle vorkommen: 1. Isodimorphe Mischungen. 2. Anomale Mischkristalle (Adsorptionen). 3. Veränderung der chemischen Zusammensetzung des vorherrschenden Minerals durch Bildung einer isomorphen Mischung, der Rest scheidet sich als Glaseinschluß ab. Pyrometrie. Die Erzeugung konstanter Temperaturen behufs Schmelz- punktsbestimmung. Zur Bestimmung der Schmelzpunkte und zum Studium der Ausscheidungsfolge ist es unbedingt notwendig, über einen Raum mit konstanter Temperatur zu verfügen, da Temperatur- messungen mit dem Le Chatelier'schen Pyrometer nur bei kon- stanter Temperatur zuverlässig sind. Daher sind Gasöfen, welche in verschiedenen Teilen des Heizraumes verschiedene Temperaturen zeigen, nicht empfehlenswert, man muß sich bei Temperaturmessungen des elektrischen Ofens bedienen. Ich verwende- bei meinen Schmelzpunktsbestimmungen zweierlei Öfen, einen horizontalen und einen vertikalen, und 1 N. J. f. Mineral. 1892, IL, 59. 2 Vergl C. Doelter, Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XXII, 1903. 204 C. Doeltcr, zwar die von der Firma Heraeus in Hanau hergestellten; der vertikale Ofen ist verschiebbar und wird oben durch eine Glimmerplatte verschlossen, welche zwei Öffnungen für die Drähte des Thermoelementes hat. In diesem Ofen kann man durch Regulierung des Widerstandes Temperaturen er- zeugen, welche durch lange Zeit, auch durch mehrere Stunden, konstant erhalten werden können. Dieser Vertikalofen ist auch zur langsamen Abkühlung von Schmelzen viel mehr geeignet als ein Gasofen, da die Temperatur in letzterem nicht so leicht konstant regulierbar ist und auch die Messung der Temperatur viel leichter ist und vor allem viel zuverlässiger als in jenem. Die Schmelzpunktsbestimmungen. Seit mehreren Jahren mit Schmelzpunktsbestimmungen beschäftigt, habe ich nach verschiedenen Methoden gegen löOO Messungen ausgeführt und kenne die großen Schwierigkeiten derselben; ich glaube, daß im Gasofen keine genauen Bestimmungen möglich sind und habe bei meinen Angaben alle früher in Gasöfen gemachten Beobachtungen eliminiert, wo- durch die Zahlen um 30 bis 80° geändert, zumeist erhöht wurden. Vor allem ist die Herstellung von konstanten Tempe- raturen notwendig. Ich verwendete bei meinen Schmelzpunktsbestimmungen drei Methoden^ von welchen jedoch die eine unter Anwendung von Mineralsplittern hier nicht zur Verwendung gelangen kann, wo es sich um innige Mischungen handelt; die zwei andern Methoden bestehen darin, daß man direkt die Erweichung des feinen Pulvers konstatiert und diesen Punkt als untere Grenze nimmt und hierauf den zweiten Punkt, bei welchem die Schmelze flüssig ist und sich in Fäden ausziehen läßt, fixiert. Ich nenne diese beiden Punkte Ti und T^. Der Schmelzpunkt liegt zwischen beiden. Die beiden Punkte liegen bei verschiedenen Mineralien oft sehr nahe beieinander, oft auch zeigen sich Differenzen von 30°. 1 C. Doelter, Beziehungen zwischen Schmelzpunkt und chemischer Zusammensetzung der Mineralien. Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, Bd. XXII, 1903. Die Silikatschmclzen. 205 Bei Gläsern ist sie eine sehr geringe, d. h. der Punkt T^ ist fast der Schmelzpunkt, der Erweichungspunkt liegt aber viel tiefer. Theoretisch ist ja der Schmelzpunkt sehr genau als Durch- schnittspunkt zweier Tensionskurven zu fixieren, praktisch ist aber bei Silikaten der richtige Schmelzpunkt sehr schwer zu treffen und muß man das Mittel^ aus den zweiTemperaturbestim- mungen nehmen. Bei der Schmelzpunktsbestimmung haben wir, abgesehen von der Erzeugung einer konstanten Temperatur oder einer sehr langsam ansteigenden, vor allem auf die genaue Messung der Temperatur zu achten. Das Rhodium-Platinelement erlaubt genügend genaue Messungen und man kann sogar Temperaturen bis zu 5° ab- schätzen. Die größere Schwierigkeit ist jedoch die, den Schmelz- punkt überhaupt zu bestimmen und diese Temperatur genau zu messen; namentlich ersteres ist nicht leicht zu treffen und können sich hierin immer Differenzen von 20 bis 40° ergeben, wenn auch die Temperaturmessungen ganz genau durchgeführt werden. Um bei diesen den größten Grad der Genauigkeit zu erreichen, wäre es erforderlich, daß das Element direkt in die Schmelze eintauche, was aber nur durch Anwendung eines Schutzrohres ermöglicht wird; es zeigt sich aber dann erstens der Übelstand, daß man hiezu sehr große Quantitäten des zu untersuchenden Minerals braucht, ferner daß man da- bei doch etwas zu niedere Temperaturen bekommt. Meine ersten Bestimmungen im elektrischen Vertikalofen waren daher meist um 30 bis 40° zu niedrig. Ich stelle daher das Thermo- 1 Vogt unterscheidet mit Recht bei den isomorphen Mischungen ein Temperaturintervall statt eines Schmelzpunktes. Theoretisch ist dies ja richtig, praktisch aber unmöglich durchführbar; übrigens ist auch noch nicht festgestellt, ob beispielsweise Labrador theoretisch einen .Schmelzpunkt hat oder nicht. Gerade bei Labrador fand ich unter Anwendung der mikroskopischen Methode einen konstanten Schmelzpunkt und auch bei sonst langsam ansteigender Temperatur ein Verharren des Thermometers bei derselben Temperatur von zirka 1210°, möglicherweise wäre daher das Temperaturintervall sehr klein. Praktisch hat daher die Unterscheidung keinen Wert. 206 C.Do elter. Clement respektive den Lötknopf unmittelbar über (bei Vertikal- öfen) oder bei Horizontalöfen neben das zu untersuchende Pulver respektive Mineral. In einzelnen Fällen habe ich es aber so angestellt, daß der Lötknopf des Elementes doch die Schmelze berührt und hier ist dann der Einfluß der Schmelz- wärme fühlbar. Beim Versuche bei sehr langsam aufsteigender Temperatur zeist dann das Thermoelement während des Schmelzens eine konstante Temperatur und selbst wenn man durch Ausschalten von Widerstand eine höhere Temperatur im Ofen erzeugt, bleibt das Thermoelement, welches in die Schmelze eintaucht, bei derselben konstanten Temperatur. Leider sind solche Versuche nicht häufig möglich gewesen, da das Thermoelement durch die Schmelze leidet und häufig erneuert werden muß. Die Temperatur, welche man dann beim Eintauchen erhält, dürfte die richtige sein, sie ist zwischen 10 bis 20° niedriger, als wenn der Lötknopf sich über der Schmelze befindet. Diese Methode bezeichne ich als Methode la. So erhielt ich für Labrador bei 1210° konstante Tem- peratur während des Schmelzens, die andern Bestimmungen ergaben 1200 bis 1215°, bei Augit (Monti Rossi) erhielt ich 1185°, bei andern Bestimmungen 1190 bis 1200°. Ich halte diese Methode für die genaueste. Methode I. Das Thermoelement befindet sich in einem in den Vertikalofen gestellten Tiegel unmittelbar über dem Mineral- oder Gesteinspulver. Die Festigkeit oder lose Beschaffenheit des Pulvers wird mit einem Eisen- oder Platin- stab geprüft. Die Methode II besteht in der Beobachtung kleiner, sehr dünner Splitter oder Spaltblättchen im Horizontalofen. Ich habe nach dieser Methode keine neuen Messungen durchgeführt. Methode III. Man verfolgt den Schmelzprozeß im Hori- zontalofen. Zu diesem Zwecke verwende ich bei Mineralpulvern kleine Pyramiden, deren Kanten sehr scharf sind, die sich bei Eintritt des Schmelzens runden. Je nach der Viskosität der Schmelze wird das Ganze zur Kugel schmelzen oder ungefähr seine Gestalt behalten. Für die Details siehe die früher erwähnte Arbeit in Tschermak's Min. Mitt, XXII. Die Silikatschmelzen. 20/ IV. MikroskopischeMethode. Diese Methode ist eine der genauesten, da man das Schmelzen direkt beobachten kann. Man kann sie auf zweierlei Arten durchführen: a) mit Pulver, h) in Schliffen. Bei ersteren muß man nur sehr feines Pulver in einer sehr dünnen Schichte aufstreuen und die einzelnen Kristall- splitter beobachten. Der Beginn des Schmelzens wird durch Ab- rundung der Kanten beobachtet; wenn die Schmelzung eintritt, was bei zirka 15 bis 30° Erhöhung geschieht, bildet sich in dem Körnchen ein dunkler, scharf sich abhebender Flecken, ein Zeichen, daß die Masse flüssig geworden ist. An dem Auftreten des bläschenartigen Fleckens ist der Schmelzpunkt sehr deut- lich zu beobachten und man kann denselben hier wirklich genau bestimmen. h) In Schliffen. Bei Beobachtung von Mineralschliffen ist der Schmelzpunkt sehr gut zu bestimmen, sowohl durch Ab- rundung der Kanten beim ersten Weichwerden, als durch die Bildung von Bläschen im Innern des Kristalles beim Schmelzen. Die jetzt aufgestellten Schmelzpunkte sind alle höher als die zuerst in Gasöfen angestellten, sie stimmen mit den im Vorjahre publizierten Messungen gut überein, da die Unter- schiede kaum mehr als 10 bis 30° betragen und ist dies schon ein hoher Grad von Genauigkeit,^ denn vor allem ist zu berück sichtigen, daß 10 bis 15° bei dem Schmelzpunkte der Silikate höchstens X^j^ repräsentieren und daß derselbe Unterschied bei niedrig schmelzenden organischen Substanzen sich erst in der zweiten Dezimale fühlbar machen würde. Dann ist ein Mineral niemals ganz homogen und Mineralien von verschiedenen Fund- orten zeigen kleine Veränderungen in der chemischen Zu- sammensetzung; die Folge davon ist, daß zwei Orthoklase oder zwei Leucite oder Magnetite von verschiedenem Fundorte nie- mals denselben Schmelzpunkt zeigen. Es mußten also die Schmelzpunkte der hier angewandten Mineralien nochmals untersucht werden, denn man kann nicht behaupten, Albit habe z. B. einen Schmelzpunkt von 1 160°, denn bei manchen Albiten finden wir nur 1145°, bei andern 1 165°. Bei Anorthit von ver- schiedenem Fundort liegen die Punkte um 40° auseinander. ' Tschermak's Mineralog. Mitteilungen, XXII. 208 C. Doelter, Neue Bestimmungen der Schmelzpunkte einiger gestein- bildenden Mineralien, Auch die bei den Versuchen hier gebrauchten Mineralien wurden sowohl nach Methode I und Iö, als nach Methode III und II (unter dem Kristallisationsmikroskope) zum Teile nochmals bestimmt. Da jedoch die verschiedenen Methoden verschieden genaue Resultate ergeben, so habe ich die genauesten Resultate la mit 4 multipliziert, die Beobachtungen unter dem Kristalli- sationsmikroskop mit 3, die nach Methode I erhaltenen mit 2, die nach Methode III im Horizontalofen mit 2 und die am wenigsten genauen mit Splittern (Methode II) einfach gerechnet. Ganz weggelassen sind die Beobachtungen in Gasöfen, die überhaupt weniger genau ausfallen müssen und die ersten Messungen überhaupt. Auf Grund dieser Berücksichtigungderverschiedengenauen Messungen nahm ich im folgenden als das Mittel der Schmelz- punkte Tg die nachstehenden Werte (Durchschnittswerte), Anorthit Mijakeshima 1280° (Vesuv) 1230° (Pizmeda)i 1260° Labradorit (Kiew) 1210° Orthoklas (Norwegen) 1210° Adular (Gotthard) 1215° Albit (Norwegen) 1 160° » (Schmirn) 1 1 50° Augit (Monti Rossi) 1 185° Diopsid (Ala) 1255° Olivin (Almeklüvdal 1280° Leucit (Vesuv) 1310° Akmit (Drammen) 965° Hedenbergit (Elba) 1 100° Magnetit (Mulatto) 1250° Elaeolith Miass 1 190° Diese Zahlen sind nun das Mittel von vielen (zirka 30 bis 50) Messungen, wobei die weniger zuverlässigen weggelassen wurden. 1 Dieser Anorthit ist niciit rein. » » Die Silikatschmelzen. 209 Wie wir sehen werden, ist es auch wünschenswert, die Schmelzpunkte der Mineralgläser zu bestimmen, da diese zu- meist niedriger sind als die Schmelzpunkte der kristallisierten Varietät. Schmelzpunkte der Gläser Differenz Labradorit (Kiew) ... 1 185° — 25° Orthoklas (Norwegen) 1190° — 20° Albit 1150° — 10° Augit (Monti Rossi) . 1175° — 10° Olivin 1260° — 25° Leucit (Vesuv) 1290° — 20° Akmit (Drammen). . . 915° —45° Geschmolzene Mineralien haben also immer niedrigeren Schmelzpunkt als die kristallisierten Modifikationen. Die Schmelzpunkte von Mineralgemengen und deren glasige Modifikationen. Im folgenden stelle ich die Resultate der Schmelzpunkts- untersuchungen einer Reihe von Mineralgemengen zusammen. Es wurden untersucht die Schmelzpunkte der Gemenge selbst und die der vorher zusammengeschmolzenen und im Fluß gerührten Gemenge, die rasch, nachdem keine Spur von Kristallen vorhanden war, sondern nur eine flüssige Lösung, erkaltet worden war, damit man eine wirkliche feste Lösung und nicht ein Gemenge von Glas und Kristallen erhält. ö 'o^ Beobachtungen bei Zusammenschmelzen von zwei Mineralien. Ausscheidung der Mineralien aus geschmolzenen Gemengen. Mischbarkeit von S i li k a t s c h m e 1 z e n. Wenn man zwei Mineralien zusammen schmilzt, so löst das zuerst schmelzende das zweite, letzteres wird aber im weiteren Verlaufe sich mit dem ersten in flüssigem Zustande mischen. Können sich zwei Mineralien in flüssigem Zustande in allen Verhältnissen mischen wie Alkohol und Wasser, oder tritt teilweise der Fall ein wie bei Öl und Wasser? Im allgemeinen beobachtet man bei Silikatschmelzen (wir wollen vorläufig nur die trockenen Schmelzen 210 C. Doelter, behandeln) keine Separation, außer in seltenen Fällen eine solche nach dem spezifischen Gewichte, wie bei Flüssigkeiten. Rührt man die Schmelze, so wird sie zumeist in allen Teilen gleich sein, was man beobachten kann, wenn man von ver- schiedenen Teilen flüssige Teile herausnimmt und untersucht. Die einzelnen Teile sind allerdings beim Abkühlen oft schein- bar sehr verschieden, aber es sind mehr Strukturunterschiede. Da aber dem spezifischen Gewichte nach doch Trennung eintreten kann, so würde dies oder überhaupt eine Separation auf Nichtmischbarkeit schließen lassen, aber eine solche scheint nach allen Beobachtungen selten zu sein, insbesondere wenn gerührt wurde. Man muß daher im allgemeinen unbeschränkte Mischbar- keit der Silikatnüsse als höchstwahrscheinlich erachten, ob- gleich Ausnahmen auch möglich erscheinen bei solchen Schmelzen, bei welchen trotz Rühren Separation eintrat. Wenn wir ein Gemenge von zwei kristallisierten Silikaten zusammenschmelzen, erhalten wir eine Lösung, wobei das leichter schmelzbare das sctivverer schmelzbare löst; wir sehen nun, daß, während die flüssigen Silikate in allen Proportionen im allgemeinen mischbar sind, ein flüssiges Silikat bei be- stimmter Temperatur nur eine gewisse Menge eines festen Körpers lösen kann; die Löslichkeit in festem Zustande ist also geringer als die in flüssigem und begrenzt. Wenn man aber zwei Mineralien zusammenschmilzt, so kann es vorkommen, daß sich selbst bei einer raschen Abkühlung, die nur einige Sekunden lang dauert, das eine xMineral in Ske- letten oder Sphärulithen ausschießt; daraus schließt man, daß die Flüssigkeit die zuerst kristallisierbare Substanz wieder aus- geschieden hat und man beobachtet, daß dies nicht in willküi- lichen Verhältnissen, sondern bei bestimmten Konzentrationen erfolgt (vgl. unten p. 237). Schmelzpunktserniedrigung von Mineralgemengen. Es wäre zu erwarten, daß Mineralgemenge analog wie andere Körper, besonders wie die von Guthrie studierten Nitrate. Schmelzpunktserniedrigungen zeigen sollten; Vogt Die Silikatschmelzen. 211 spricht 1 von Schmelzpunktserniedrigungen, welche sehr be- deutend sind. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall für Mineralien, denn alle meine Versuche zeigen, daß bei Zusammen- schmelzen von Mineralien keine Schmelzpunktserniedrigung stattfindet, sondern nur die amorphen Modifikationen zeigen eine solche. 1. Mischungen von Albit und Magnetit. Angewandt wurden: Albit von Norwegen, vom Schmelz- punkte T^ — 1150°, ^2 = 1170° und Magnetit vom Mulatto, bei dem T^ — 1240°, Z, = 1260° bestimmt wurde. 3 Albit ( ^1 1 Magnetit S ^2 1 Albit ( Tr 1 Magnetit \ T. 2 Magnetit ( Tr 1 Albit i T, Schmelzpun ;kt Schmelzpunkt der Mischui "S des Glases 1160° 1120° 1175° 1135° 1160° 1130° 1180° 1140° 1175° 1160° 1200° 1170° Der eutektische Punkt läge also hier wohl auf der Seite des leichter schmelzbaren Minerals, aber bei der letzten Mischung kann man von einer Gefrierpunktserniedrigung gar nicht mehr sprechen. Die drei Mischungen selbst schmelzen wenig über dem Schmelzpunkt der niedriger schmelzenden Komponente des Albits, aber niemals unter diesem. Bemerkenswert ist auch, daß das Glas nur wenig Unterschied im Schmelzpunkt zeigt von der Mineralmischung selbst. Zum Teil hängt es damit zusammen, daß es nicht möglich ist, ein reines Glas zu erhalten, da der Magnetit sich sofort infolge seines Kristallisationsvermögens ausscheidet. Magnetit hat stark lösende Kraft bezüglich Albites. Die Schmelzpunktserniedrigung unter den Schmelzpunkt des Magnetits ist sehr bedeutend. Was die Ausscheidungsfolge anbelangt, so hat Lenarcic zwei Versuche angestellt: mit Magnetit und dem Oligoklas- 1 L. c. 212 C . D ( ) e 1 1 e r , Albit vom Sauerbrunngiaben bei Stainz (Steiermark). Bei der Mischung Magnetit-Albit =1:3 wurde nur Glas erhalten mit einigen wenigen Albiten; der Magnetit blieb also im Albit gelöst. 1250 Amt Moßnetit Fig. 2. Magnetit-Albit. I. Kurve der Schmelzpunkte der Mineralmischungen. II. Kurve der Schmelzpunkte der Gläser. Die Silikatschmelzcn. 213 Bei Mischung 1 : 1 war Glas mit Magnetitausscheidungen und Spuren von Albit gebildet, wobei Magnetit als Einschluß das ältere Produkt ist. Beim dritten Versuche war nur Magnetit zur Abscheidung gelangt. Der eutektische Punkt kann bei dem Verhältnisse 1 : 3 oder vielleicht 1 : 4 liegen und scheint für die Ausscheidungs- folge nicht unbedingt maßgebend, da Magnetit zuerst sich aus- scheidet. Mischungen von Augit und Labradorit. Da diese zwei Mineralien in petrographischer Hinsicht von besonderer Wichtigkeit sind, wurden viele Mischungen aus- geführt. Die Schmelzpunktsbestimmungen wurden im Horizontal- ofen nach Methode III ausgeführt. Die angewandten Minerahen waren Labradorit von Kiew und AugitkristaUe vom Monti Rossi. Die Schmelzpunkte von Labradorit und Augit wurden nach drei Methoden nochmals bestimmt und nach den Angaben von p. 208 das Mittel berechnet; als wahrscheinlichste Zahlen ergeben sich für Labradorit 1210°, für Augit 1185°. Labradorit. \ 1 190° Schmelzpunkt nach Methode III •, loon» \ 1200° Schmelzpunkt nach Methode I j 101 a° i 1200° Schmelzpunkt nach Methode la < ^ '. 1215 Schmelzpunkt nach Methode IV unter dem Mikroskop 1210° Augit. \ 1190° Schmelzpunkt nach Methode III j i9nn° I 1 1 80° Schmelzpunkt nach iMethode I j „ ( 1180° Schmelzpunkt nach Methode la -, <, ' 11 y vj Schmelzpunkt nach Methode IV 1 185° Frühere Beobachtungen hatten für einen Augit von Monti Rossi einen um 10° niedrigeren Wert ergeben, da jedoch kleine 214 C. Do eller, chemische Differenzen sich in dem Schmelzpunkte ausdrücken und die Kristalle, welche bei der zweiten ßeobachtungsreihe ms nso im U90m5 1185 lairadorit i^ f -f f- "J- i" i" lO 'ki^Ußit Fig. 3. Labradorit-Augit. I. Kurve der Schmelzpunkte der .Mineralgemenge. II. Kurve der Schmelzpunkte der Gläser. angewandt wurden, nicht ganz mit dem der ersten gleich sein dürften, so nehme ich die ad hoc ausgeführte zweite Beob- achtungsserie, um so mehr als die Methode genauer war. Die Silikatschmelzen. 215 Resultate der Seh melzpunktsm essungen. Schmelzpunkt des Mineralgemenges Berechneter Schmelzpunkt des Gemenges aus dem arith- metischen Mittel Schmelzpunkt des durch Zusammen- schmelzen der beiden Mine- ralien erhaltenen Glases Augit Labradorit 1 Augit 20 Labradorit 1 Augit 10 i Labradorit 1 / Augit 5 Labradorit 1 Augit 3 ( Labradorit 1 i Augit 2 i Labradorit 1 ) Augit 1 ( Labradorit 2 1 Augit 1 Labradorit 5 Augit 1 Labradorit 9 Augit 1 Labradorit . . . -' 1 T, 1170° 1190° 1180° 1200° 1190° 1200° 1185° 1190° J, 1175° To 1200° 1175° 1195° Tj 1185° T2 1195° Ji 1190° To 1200° 1195° 1200° 1180° 1190° 1200° 1215° 1196' 1196= 1197' 1198' 1200' 1202° 1205' 1208° 1210' 1170° 1180° 1180° 1190° 1170° 1180° 1170° 1175° 1165° 1170° 1150° 1165° 1140° 1150° 1135° 1145° 1090° 1100° 1120° 1135° 1190° 1205° Sitzb. d. mathem.-natuvw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 15 216 C. Doelter, Die Ausscheidungsfolge. Lenarcic versuchte Labradorit in Augit zu lösen und er fand, daß bei dem Verhältnis 5 Augit 1 Labradorit noch eine feste Lösung entsteht, bei größerer Menge von Labradorit scheidet sich dieser aus. Ferner hat er die Ausscheidungsfolge studiert. Bei Labradorit 1, Augit 2 scheidet sich bei Rühren Augit, wenn nicht gerührt wird, zuerst Labradorit aus. Bei Mischungen Labradorit : Augit =1:1 und 1 : 3 war nur Augit ausgeschieden. Dies zeigt, daß sich zumeist Augit zuerst ausscheidet. Ich habe nun noch einige weitere Versuche angestellt respektive einige wiederholt. Labradorit U ^ , , ^ , .. , , ,^? Das geschmolzene Gemenge wurde gerührt. Augit 10 i "^ & ^ Es bilden sich zahlreiche Kristalle von Augit, oft von beträchtlicher Größe, trotzdem die Abkühlung von 1240 auf 1130° (bei welchem das kristallisierte Gemenge fest wurde, da die Unterkühlung hier zirka 100° betrug), nur l^g Stunden dauerte. Von Labradorit ist nichts zu sehen; an einigen Stellen sind Spuren von Glas sichtbar. Bei der Mischung Labradorit 1, Augit 5 scheidet sich nur wenig von ersterem aus, die Hauptmasse bildet der zuerst ausgeschiedene Augit. DieMischung Labradorit2, Augit 1 ergibt unzweifelhaft zuerst Augit, dann Plagioklas, dann wieder Augite. Ein anderer Versuch ergab überhaupt fast nur Augit bei rascher Abkühlung. Lenarcic hatte jedoch das Gegenteil erhalten. Bei drei Ver- suchen ergab sich also ein entgegengesetztes Resultat (bei dem ersten war stark gerührt worden). Die Mischung Labradorit 5, Augit 1 ergibt ein merk- würdiges Verhalten. Die Hauptmasse besteht aus einem lichten bis gelblichen Glase, in welchem viele sehr lange und schmale Labradoritleisten liegen, ohne Spur von Augit, an einer andern Stelle des Tiegels findet man aber dunkle, sphärulithisch aus- gebildete Augite in einem Glas, in welchem wenig Plagioklas liegt. Der Augit ist hier der ältere, während an andern Stellen der Labradorit der ältere ist. Die Silikatschmelzen. 217 Demnach ist hier eine Art Differenziation eingetreten, die Hauptmasse besteht der chemischen Zusammensetzung der Schmelze nach aus Plagioklas, welcher in einem Glase liegt, ein kleinerer Teil zeigt früher ausgeschiedenen Augit im Glas. Ein größerer Unterschied scheint bezüglich der Altersfolge nicht vorzuliegen. Die Schmelze 9 Labradorit, 1 Augit besteht zum größten Teil aus Plagioklasleisten, zwischen denen etwas farbloses Glas steckt, wahrscheinlich aus etwas Labradorit und Augit be- stehend. Demnach wäre hier der Labradorit zuerst ausgeschieden, es ist dies aber auch nicht ganz allgemein der Fall, denn es zeigen sich an manchen Stellen rundliche Konkretionen, die aus bräunlichem Augit und kleinen Plagioklasleisten bestehen. In diesen schlierenartigen Ausscheidungen erkennt man, daß die Augite die ersten Bildungen sind oder daß zuerst ein Plagio- klas, dann Augite, dann wieder Plagioklas sich ausgeschieden haben. An manchen Stellen des Schliffes liegen auch neben den Plagioklasen kleine Augitnadeln, das Ganze spricht für nahezu gleichzeitige Bildung respektive abwechselnde Bildung beider Komponenten. Resultate der Kristallisationsversuche von Augit-Labrador- gemengen. Labradorit 1 | ^^ ,.,,,. , , . , . ^, ^ _.^ ^^ ( Ls bildet sich nur Augit, kein Glas. Nur Augit, etwas Glas. Augit 20 Labradorit 1 Augit 10 Labradorit 1 ) . . . ^ , , . _ / Augit zuerst, wenig Labradorit. Augit 5 ) "^ ' "^ Labradorit 1 ) ,^ , „ } Nur Augit ist sichtbar. Augit 3 ' Labradorit 1 ( Lenarcic erhieltbeiNichtrühren derSchmelze Augit 2i zuerst Ausscheidung von Labrador, bei Rühren derselben im Gegenteil zuerst Ausscheidung von Augit. Labradorit 1 ) Nach Lenarcic ist Augit die erste Aus- Augit 1 ) Scheidung. 15* 218 C. Doelter, Labradorit 2) Zumeist Augit, selten Labradorit als erste Aus- Augit 1 ) Scheidung. Labradorit 5 / An verschiedenen Stellen der Schmelze ver- Augit 1 ) schiedenes Resultat; doch herrscht als erste Ausscheidung der Augit vor. Labradorit 9 ) Hauptsächlich Labradorit als erste Aus- Augit 1 ) Scheidung, dann auch abwechselnd Aus- scheidung beider. Aus allen Versuchen geht hervor, daß zumeist der Augit sich zuerst ausscheidet oder daß beide sich gleichzeitig aus- scheiden. Der eutektische Punkt (natürlich nur bezogen auf die Gläser) liegt hier gegen Vogt's Voraussetzung bei dem höher schmelzenden Bestandteil. Die Unterkühlung und das Kristal- lisationsvermögen und die Kristallisationsgeschwindigkeit be- einflussen hier die Ausscheidungsfolge und der eutektische Punkt ist nur für die extremen Mischungen von Bedeutung, innerhalb eines großen Mischungsintervalls von Y2 bis zu 7i scheiden sich bald das eine, bald das andere oder beide gleichzeitig aus; hier entscheiden die Temperatur- verhältnisse. Die Kurve der eutektischen Punkte ist auch nicht sehr regelmäßig, denn sie ist vom Verhältnisse 1:1 bis zum Augit- punkt fast horizontal, überhaupt sind die Schmelzpunkts- erniedrigungen, wenn wir von der Strecke zwischen den Mischungen 9: 1 bis 2: 1 absehen, nur geringe, 10 bis 20° unter dem Schmelzpunkte des Augits 1185°. Mischungen von Albit und Diopsid. Angewandt wurden Albit von Norwegen, Schmelzpunkt 1150 bis 1170° und Diopsid von Ala 1250 bis 1265°. ,,. , \2 Albit T, 1170° Mischung ' , ,- . . ^ ^^^„ "^ ( 1 Diopsid 7; 1200° Das arithmetische xMittel ergibt 1195 bis 1205°. Das Glas schmilzt bei 1170 bis 1 190°. Die Silikatschmelzen. 219 ,,. , M Albit T, 1185° ^ \ 1 Diopsid Z^ 1200° Das arithmetische Mittel gibt 1200 bis 1210°. 1 Albit Jj 1210° Mischung ^ 3 ^.^p^.^ 7, 1220° Das arithmetische Mittel ist 1220 bis 1240°, das aus beiden erhaltene Glas hat den Schmelzpunkt 7^ r= 1 160°, J^ = 1 175°, also etwas höher als reiner Albit, ebenso wie bei der Mischung 2 Albit 1 Diopsid. Hier tritt aber etwas ein, was der allgemeinen Regel, daß das in größeren Alengen befindliche Mineral sich zuerst aus- scheiden sollte, widerspricht. Es scheidet sich nur Diopsid aus und der Albit bleibt im Glas. Die übrigen Schmelzen bleiben ganz glasig, wenn Albit stark vorwiegt. Vielleicht ist es aber nur der Eigenschaft des Albites zuzu- schreiben, daß derselbe überhaupt Neigung zur glasigen Er- starrung hat. Man hat daher bei der Altersfolge auch das Kristallisationsvermögen zu berücksichtigen. Mischungen von Leucit und Augit. Zum Versuche wurde angewandt Leucit vom Vesuv und Augit vom Monte Rossi (beide in Kristallen). Es wurde sowohl auf die Ausscheidungsfolge geprüft, als auch die Schmelz- punkte der Mischungen geprüft. 1 Leucit \ ^,. , Z 1185° , ^ . i Mischung ^ ,^^_ -1 Augit ) ^ T; 120o X o '»^'- -■ ^2 1 Leucit I Jj 1130 . , • ( Glas „ ^ . - r^ 4 Augit \ Jg 1 1 oO Arithmetisches Mittel der Schmelzpunkte: o o o T^ 1204 n 1220° 220 C. Doelter, 1 Leucit l ,,. , T, 1195° lAugit 1 ''^'^^^^""^- T, 1220° 1 Leucit ( T, 1180° 1 Augit \ T, 1190 Arithmetisches Mittel der Schmelzpimlinkrustierende Sub- 1 Annales des sciences naturelles, T. II, Bot. 1839, 1840, T, XIV, 1841, T. XVI; Memoires sur les developpements des vegetaux 1844. 18* 254 V. Gräfe, Stanzen« genannt, ein Ausdruck, der auch heute noch gebraucht wird und in sich die Anschauung schließt, daß diese Substanzen — oder vielmehr Substanz, denn Payen spricht stets nur von »matiere ligneuse« — dem Zellulosekörper mechanisch infiltriert seien. Er fand diese Substanz reicher an Kohlenstoff und Wasserstoff als Zellulose, für die er die Formel QaHgoOjo auf- stellt. Ihre Gegner fand diese Theorie in Schieiden, welcher behauptete, die Verholzung beruhe lediglich auf einer Ver- schiedenheit der membranbildenden Substanzen und in Fremy, der ebenfalls die Lehre von der Zellulose als Grundsubstanz und der inkrustierenden Substanzen als verholzenden Agenzien ablehnte. Erst Kabsch^ nahm wieder den Payen'schen Standpunkt auf, ging aber einen Schritt weiter, indem er die Verholzung nicht als mechanische Inkrustation, sondern als chemische Ver- änderung der Zellulose erklärte. Auf dieser Anschauung fußend, entdeckte F. Schulze, von dem auch eine einheitliche Bezeich- nung für die inkrustierenden Substanzen — »Lignin« — stammt, eine Methode, dieses Lignin quantitativ zu bestimmen.^ Die ver- holzten Membranen werden längere Zeit in der Kälte mit Salpetersäure + chlorsaurem Kali behandelt, durch welche Mazeration das Lignin vollständig aus der Membran heraus- gelöst wird, so daß reine Zellulose zurückbleibt; aus der Differenz der ursprünglichen Holzquantität und der so gewon- nenen Zellulose wird die inkrustierende Substanz bestimmt. Sachsse-^' findet es wahrscheinlich, daß je nach den Umständen, unter welchen die Umwandlung der Zellulose erfolgt, eine sehr große Anzahl verschiedener Substanzen aus dieser hervorgehe, die sämtlich in der Membran verbleiben. Er vertritt auch wieder den Payen'schen Standpunkt der molekular-mechanischen Infiltration der Zellulose durch das aus ihr hervorgegangene Lignin und begründet ihn durch den Umstand, daß zur Spaltung einer Zellulose-Ligninverbindung wohl schon viel weniger energische Mittel ausreichen müßten als Behandlung mit 1 Pringsheim's Jahrb. der wissensch. Botanik II[. 2 Chem. Centn Bl. 1857, 321. ^ Sachsse, Chemie und Physiologie der Farbstoffe etc. 146. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 255 Schulze'scher Mischung, während eine hartnäckige molekulare Inkrustation sehr wohl die Notwendigkeit so durchgreifender Medien erkläre. J. Sachs^ stellt sich vor, das Lignin bleibe an jener Stelle der Zellwand, wo es sich durch teilweise Unnwand- lung der Zellulosemoleküle bilde. Die Anschauung, daß die Ver- holzung in einer chemischen Verbindung der Zellulose mit ihren Umwandlungsprodukten bestehe, haben zuerst Gross und Bevan in ihrer Monographie »The chemistry of Cellulose« mit Nachdruck vertreten. Bis zum Jahre 1866 gab es keine spezifische Reaktion für das Lignin. Während bekanntlich reine Zellulose in Kupfer- oxydammoniak löslich ist, durch Jod und Schwefelsäure blau, durch Chlorzinkjodlösung violett gefärbt wird, bleiben alle diese Reaktionen bei der verholzten Membran aus. An diesem Aus- bleiben der charakteristischen Zellulosereaktionen wurde, ab- gesehen von den anatomischen Merkmalen, die verholzte Zelle bis 1866 erkannt. Ein völliger Umschwung dieser unsicheren Verhältnisse trat ein, als Wiesner- im schwefelsauren Anilin ein untrügliches Reagens auf Verholzung fand. Wohl hatte gelegentlich Runge mitgeteilt, daß durch gewisse Anilin- salze das Holz eines Fichtenspanes gelb gefärbt werde. Doch erst Wiesner erkannte mit genialem Blick, daß diese Reaktion — Goldgelbfärbung der verholzten Membranen mit schwefelsaurem Anilin — der Holzsubstanz selbst eigen- tümlich sei, von reiner Zellulose aber nicht geliefert werde und wurde so der Schöpfer der ersten Holzreaktion, welche zunächst als erstes untrügliches Kriterium für die Verholzung einer Membran für die botanische Methodik hervorragendste Be- deutung gewann. Sie war es aber auch, welche bald eine für Botanik und Ghemie gleich wichtige Frage ins Rollen brachte, die Frage nach der chemischen Beschaffenheit der Holz- substanz. Dieses Problem gewann an Interesse, als Wiesner bald darauf eine weitere, in ihrer Schärfe noch prägnantere Reaktion auf Verholzung entdeckte. Im Jahre 1877 fand 1 Experimentalphysiologie. 2 Karsten's bot. Untersuchungen, Bd. I, S. 120, 1866. 256 V. Gräfe. V. Höhnel/ daß sich verholzte Zellen mit Kirschholzextrakt intensiv rot bis rotviolett färben; er nannte das Agens des Extraktes, welches diese charakteristische Färbung bedingte, »Xylophilin«, ohne es chemisch identifizieren zu können. Wieder war es VViesner, dem diese Identifizierung in i^iber- raschend kurzer Zeit gelang, denn schon 1878 vermochte er zu zeigen,^ daß die wirksame Substanz des Xylophilin Phloro- glucin oder ein Gemenge desselben mit Brenzkatechin sei, welches auf Zusatz konzentrierter Salzsäure die obgenannte intensive Färbung der verholzten Membranen hervorruft. Ähnlich wirken Brenzkatechin und Resorcin für sich in Ver- bindung mit Salzsäure. Diese wertvolle Entdeckung, welche ein sicheres und dabei bequemes Erkennen der Verholzung verbürgte, fand denn auch sehr bald allgemeine Anerkennung in der wissenschaftlichen Praxis und gehört heute zu den aller- gewöhnlichsten Operationen des Botanikers. In der Folge wurde von verschiedenen Forschern eine ganze Reihe von Holzstoff- reagenzien gefunden, die auf die verholzte Membran im Vereine mit einer Mineralsäure ähnliche Wirkung ausüben wie das Phloroglucin, im übrigen auch fast stets mehr oder minder nahe Verwandte des letzteren vorstellen. So führt Lippmann^ die rotviolette Reaktion des Orcin, Ihl'* die blaugrüne des Thymol und Pyrogallol an, welche letztere übrigens auch schon Wiesner nennt. Gelbgrüne bis reingrüne Reaktion geben Kresol, a-Naphthol, Anisol, Guajakol, kirschrote Pyrrol, Indol,^ Skatol und Karbazol.*^ Die Möglichkeit, mit dem Phloroglucin- reagens Verholzung bequem und untrüglich zu konstatieren, brachte schließlich den Gebrauch mit sich, den positiven Aus- fall der Phloroglucinreaktion einfach mit »Verholzung« auch im physikalischen Sinn des Wortes gleichzusetzen und nicht 1 Sitz. Ber. der Akad. der Wissensch., Wien, Bd. LXXVI. •^ Sitz. Ber. der Akad. der Wissensch., Wien, Bd. LXXVII. 3 Cit. bei Wiesner. 4 Chem. Zeitung, 1885, p. 266. ■' Ann. der Chemie und Pharmazie. Baeyer, Bd. 140; Niggl, Mikro- chem. Unters, der Universität München, Regensburg, 1881. ß Mattirolo, Zeitschr. für wiss. Mikroskopie, Bd. 2, p. 354, 1885. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 257 ZU beachten, daß ja die rotviolette Färbung mit Phloroglucin- salzsäure offenbar das Produkt einer Kondensation des Phloro- glucin mit einem oder mehreren Körpern der Holzsubstanz ist, welche unter Vermittlung der Salzsäure mit diesem Reagens sich in der bezeichneten Weise zu vereinigen vermögen. Das stets im Auge zu behalten, ist darum von Wichtigkeit, weil ja im Lebensprozeß der Pflanze eventuell auch an anderer Stelle dieselben oder ähnliche Substanzen gebildet werden können wie in der Holzsubstanz, so daß auch hier die Phloroglucinreaktion positiv ausfallen müßte, ohne daß gleich- zeitig auch die physikalischen Bedingungen für Verholzung gegeben wären. Die Frage nach chemischer Sicherstellung der Substanz, welche die Ligninreaktionen hervorruft, ist mehrfach gestellt worden. Schon im Jahre 1874 hatten Tiemann und Haarmann^ iestgestellt, daß die längstbekannte Reaktion auf Phenol mittels eines mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspanes von geringen Mengen Koniferin herstamme und zeigten auch, daß Koniferin mit Phenol und Salzsäure, zumal im direkten Sonnenlichte eine intensive Blaufärbung gibt. Ihre Untersuchungen wurden von Tangl^ bestätigt, worauf v. Höhnel^ auf Grund ausgedehntci- Versuche das Vorkommen des Koniferin als ständigen Begleiters der Holzsubstanz sehr wahrscheinlich machte. Doch auch hier war es wiederum Wiesner, welcher der Forschung den richtigen Weg gewiesen hat. Unter seiner Leitung führte M. Singer'^ die erste Arbeit durch, welche sich mit der Eruierung der chemischen Zusammensetzung der Holzsubstanz befaßte. Fußend auf der primitiven Tatsache, daß ein Holz- brettchen beim Erhitzen einen intensiven Vanillingeruch erkennen läßt, versuchte Singer die Ligninsubstanz, in der An- nahme von deren Identität mit Vanillin, durch monatelanges Kochen mit Wasser aus dem Holze zu gewinnen. Wiewohl es 1 Ber. der Deutschen ehem. Gesellsch., Berlin, 1374, p. 608 ff. 2 Flora, 1874, p. 239. 3 Sitz. Ber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. 76/1., p. 663, 1877. ■i Beiträge zur näheren Kenntnis der Holzsubstanz und der verholzten Gewebe. Sitz. Ber. der kaiserl. Akad. der Wissensch.. Wien, Bd. 86/1., p. 345, 1882. 258 V. Gräfe, ihm auf diesem Wege nicht gelang, die fragliche Substanz zu isolieren, durfte doch die große Wahrscheinlichkeit der auf- gestellten Vermutung ausgesprochen werden auf Grund der Ergebnisse: daß der Extrakt deutlich nach Vanillin roch, mit Phloroglucinsalzsäure die Holzreaktion gab und daß reines Vanillin mit demselben Reagens behandelt, ganz ähnliche Färbungen liefert. Neben Vanillin wurde auch in Bestätigung der Versuche v. Höhnel's das Koniferin als Bestandteil der Holzsubstanz angegeben und gleichzeitig auf die Arbeiten von Tommaso und D. Tommasi verwiesen,^ wonach die Blau- färbung mit Phenol-Salzsäure durch Zusatz von Kaliumchlorat wesentlich beschleunigt wird. Ferner eine Gummiart und ein mit Salzsäure sich gelbfärbender Körper. H offmeister - be- handelte Holz mit konzentrierter Salzsäure und 5 bis 20%iger Natronlauge abwechselnd. Der Extrakt wies intensiven Vanillin- geruch auf und zeigt auch deutlich die Phloroglucinreaktion, doch konnte auch hier die chromogene Substanz nicht isoliert werden. Lindsey und Tollens^ fanden, daß der Alkoholaus- zug der Sulfitablauge, wie sie die Zellulosefabriken, welche nach dem Mitscherlich'schen Calciumbisulfitverfahren arbeiten, abfließen lassen, nach der Hydrolyse mit Schwefelsäure stark nach Vanillin roch und die entsprechende rote Färbung mit Phloroglucin- Salzsäure gab. Auch Gross und Bevan sprechen von Vanillinvorkommen in der Sulfitablauge. Scheibler* und Lippmann ^ konstatierten das Vor- kommen des Vanillin in der Zuckerrübe, Reinke^ ebenso in der Kartoffel. Nach der Angabe eines Anonymus ' läßt sich aus den Natronablaugen, wie sie bei der älteren Zellstoffabrikation nach Hoppe-Seyler abfallen, nach dem Ansäuern Vanillin gewinnen. Doch fehlen nähere Angaben. Eine Bemerkung über 1 Chem. Ber. 1881, p. 1834. 2 Landwirtschaft!. Jahrbücher, Bd. 17, p. 260. 3 Ann. d. Chemie, Bd. 267, S. 341 etc., 1891. 4 ßer. der Deutschen chem. Ges. 1880, p. 333. » Ber. der Deutschen chem. Ges., Bd. 13, p. 662, Bd. 27, p. 3409, Bd. 18, p. 3335. e Zeitschr, für physiol. Chemie, Bd. VI., Heft 3, p. 274. 7 Dingler's poiyt. Journ. 216, p. 372. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 259 die Gewinnung des Vanillin, dessen Geruch noch im aus- gewaschenen Zellstoff kenntlich ist, aus dem Holze, findet sich auch in der letzten Auflage (1902, p. 233, II. Bd.) der chemischen Technologie von Fischer. Tiemann^ äußert sich in seinen Arbeiten über Holzteerkreosot dahin, daß die im Kreosot auf- gefundenen Verbindungen wie Guajakol, Kreosol, Methyl- kreosol etc. jedenfalls präformiert im Holz vorhanden seien. Auch Marasse's,^ Erdmann's,^ Bente's^ Untersuchungen liefern Belege für die gleiche Ansicht. Koniferin ist nach diesen vielleicht ein einfaches Umbildungsprodukt der ursprünglichen Verbindung der Holzsubstanz. Durch partielle Oxydation von Kreosol können Vanillin, Vanillinsäure oder Isomere derselben entstehen, aus dem viel leichter oxydierbaren Methylkreosol unter den gleichen Bedingungen Methylvanillin. So wie früher mit Hilfe der von Wiesner entdeckten Ligninreagenzien die weite Verbreitung der Holzsubstanz in den vegetabilischen Geweben von Burgerstein -"^ und Niggi'' nachgewiesen werden konnte, so wurde jetzt auf Grund der genannten Arbeiten das allgemeine Vorkommen des Vanillin in der verholzten Membran ausgesprochen. Gegen die Ansicht, daß Vanillin die chromogene Substanz bei der Phloroglucin- Salzsäureprobe im Holz darstelle, erhoben sich jedoch bald .verschiedene Stimmen. NickeP und Seiiwanow ^ leugneten die Möglichkeit der Singer'schen Behauptung, da die Färbung, welche Vanillin-Phloroglucin einerseits, Holz-Phloroglucin andrerseits, beide unter Assistenz der Salzsäure, zeigen, ziem- lich erhebliche Differenzen in der Farbnuancierung aufweise. Das zweite Moment, welches das Bedenken der genannten Forscher erregte, war die Empfindlichkeitsdifferenz, welche 1 Ber. der Deutschen ehem. Ges. VIII., p. 1136. 2 Ann. Chem. Pharm. CLII, p. 86. ••'• Ann. Chem. Pharm. Suppl. V, p. 223. 4 Ber. der Deutschen chem. Ges. VIII, p. 478. '•> Sitz. Ber. der kaiserl. Akademie der Wiss., Wien, Bd LXX, 1874. 6 Mikrochem. Unters, der Universität München, 1881. < Chem. Zeit. 1887, p. 1520. Farbenreakt. der Kohlenstoffverh., 1890, p. 32 etc. ■*> Referat Bot. Zentralbl. 45, p. 279. 260 V. Gräfe, zwischen der Phloroglucinreaktion mit Vanillin und mit Holz herrscht, welche letztere als die schärfere erscheint, wiewohl ja bekanntlich auch ein mit Vanillin-Phloroglucin getränktes Papier — das sogenannte Wiesnerpapier — als empfindliches Reagens auf Salzsäure in der medizinischen Technik Ver- wendung findet.^ Da ich über beide Punkte später noch zu sprechen haben werde, will ich sie für den Augenblick uner- örtert lassen. Von IhP wurde die Hypothese aufgestellt, daß Zimtaldehyd, ferner Eugenol- und Safrolspuren die Ursachen der Rotfärbung mit Phloroglucin in der Holzsubstanz bilden, jedoch nicht weiter begründet. Einen einigermaßen sichereren Anhaltspunkt für den chemischen Charakter der Holzsubstanz ergaben die Versuche Nickel's und Selivvanovv's, welche zeigten, daß Holz eine der bekanntesten Aldehydreaktionen, die Seh iffsche Probe mit fuchsinschwefliger Säure, aufweist, daß ferner Durchtränkung des Holzes mit Natriumbisulfit oder Hydroxylamin die Ligninreaktion verhindert. Es wäre das ein Fingerzeig, daß die chromogene Substanz im Holz ein Aldehyd sei und daß die Reaktion nicht mehr zu stände kommen könne, wenn die Aldehydgruppe in ihrem Wesen verändert würde. Eingehend beschäftigte sich mit der Frage der Ligninsubstanz *F. Czapek.^ Dieser Forscher gab einen neuen Weg zur Dar- stellung der fraglichen Substanz an, nämlich Behandlung des Holzes mit Zinnchlorür in der Hitze und es gelang ihm aller- dings, eine geringe Substanzmenge zu gewinnen, mit welcher eine Reihe qualitativer Reaktionen vorgenommen wurde, ohne daß jedoch der Körper in hinreichend reiner Qualität dargestellt werden konnte, um elementar-analytisch definiert werden zu können. Infolgedessen war es nicht sichergestellt, ob es sich bei der fraglichen Substanz nicht um ein Gemenge von ver- 1 Lindt, Zeitschr. für wissensch. Mikroskopie, Bd. II, p. 495. 2 Chem. Zeit. Bd. 13, p. 432, 560 (1S89), Bd. 16, 1891, p. 201. 3 Zur Chemie der Holzsubst. Sitz. Ber. des Deutschen naturw.-medizin. Vereines für Böhmen »Lotos« 1898, Nr. 7; Über die sog. Ligninreaktionen des Holzes, Zeitschr. für physiol. Chemie, XXVII, Heft 1, 2; Sur quelques subst. aromat. contenues dans les membranes cellul. etc. Compte-rendu, p. 14 bis 18, 1900. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 261 schiedenen chemischen Individuen handelte und die ausge- führten Reaktionen haben daher vorn Standpunkt des Chemikers nur problematischen Wert. Nichtsdestoweniger erhielt der »Körper« den Phantasienamen »Hadromal« und nahm seinen Weg durch die neuere botanische Literatur, ohne daß über seine chemischen Konstanten etwas ausgesagt werden konnte. Czapek selbst bezeichnet sein »Hadromal« als 1, — 3, — 4- Substitutionsprodukt des Benzol auf Grund der erhaltenen Reaktionen, so daß also die Substituenten dieselbe Stellung hätten, wie im Vanillin, er findet den Schmelzpunkt 75 bis 80° (der des reinen Vanillin ist 80 bis 81 °). Der Körper zeigt aroma- tischen Geruch, der »einerseits an Vanille, andrerseits an den Tintengeruch vieler Gerbstoffe erinnert«, er ist ein aromatischer Aldeh3ai, wie das Vanillin. Einige der angeführten Reaktionen, welche die eklatante Verschiedenheit des »Hadromal« vom Vanillin zeigen sollen, sind — wie ich später Gelegenheit haben werde zu zeigen — auf Rechnung beigemengter Sub- stanzen zu setzen. Czapek erwähnt auch, daß die ihm zur Verfügung stehenden Laboratoriumsmittel es ihm nicht gestattet haben, größere Mengen Holz für seine Versuche zu verarbeiten. Es unterliegt in der Tat ganz außerordentlichen Schwierig- keiten, diese Versuche durchzuführen, denn abgesehen davon, daß die resultierenden Substanzen zum Teil unbeständig und schwer zu behandeln sind, ist es vor allem notwendig, große Mengen Material zu ihrer Gewinnung zu verarbeiten, was nur durch angestrengteste Tätigkeit und sehr beträchtlichen Kosten- aufwand möglich wird. Für die folgenden Versuche verarbeitete ich, um nur eine Ziffer herauszuheben, etwas über 50 kg Holz- mehl. Es möge noch betont werden, daß die Wiesner'sche Schule trotz der gegenteiligen Anschauungen stets daran fest- gehalten hat, daß im Vanillin das farbgebende Agens der Holz- substanz zu suchen sei. Die Ausführung einer derartigen Arbeit wurde überhaupt nur dadurch ermöglicht, daß die chemische Abteilung des pflanzenphysiologischen Institutes eine sehr vollkommene zeitgemäße Ausgestaltung erfahren hat. 262 V. Gräfe, Ich erlaube mir an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer, Herrn Hofrat Prof. Dr. Julius Wiesner, auf dessen Anregung hin die folgende Arbeit unternommen wurde, für das stete Interesse und die tatkräftige Förderung, die er meinen Unter- suchungen jederzeit zuteil werden ließ, meinen tiefstgefühlten Dank auszusprechen. Einleitung. Die Arbeiten meiner Vorgänger und namentlich jene Czapek's hatten mich vor allem zweierlei gelehrt: 1. daß es sich beim »Lignin« jedenfalls um ein Kon- glomerat von Einzelindividuen handle, denn die zahlreichen, einander in mehr als einem Fall widersprechenden Reaktionen einem einzigen Körper zuzuschreiben, war mir nicht recht plausibel; 2. daß zur Reindarstellung der fraglichen Substanzen ein andrer Weg eingeschlagen werden mußte, als es die bisherigen Autoren getan hatten. Seiiwanow kocht das Holz mit Calcium- bisulfit und erhält einen »gummiartigen Klebstoff«, der die Phloroglucinreaktion gibt, Ihl stellt sein »Lignin« durch Kochen des Holzes mit Alkalien oder Säuren unter Druck her und beschreibt es als gelbbraune, spröde harzartige Substanz, die in Alkalien löslich ist und die Holzreaktionen gibt. Auf diese Weise gelangen vor allem Harze aus dem Holze in das Ausgangsmaterial, haften diesem zäh an und machen eine Reindarstellung unmöglich. Diesen letzteren Fehler vermeidet Czapek, indem er das Holz vorher mit Alkohol zur Entfernung der Harze gut auskocht, aber sein Wegkann nichtsdestoweniger nicht zum Ziele»führen. Denn durch das Kochen des Holzes mit verdünnten Säuren und Alkalien werden aus dem Holz nicht nur Pentosen und Pentosane abgespalten, sondern es wird durch den Kochprozeß auch freies P'urfurol erhalten. Es kann mit voller Schärfe z. B. in der Sulfitablauge ^ dadurch nachgewiesen werden, daß man eine Quantität Sulfitlauge ausäthert, die ^ Über Sulfitzelluloseablauge, Seidel und Hanak, Mitteilungen des Technolog. Gewerbemuseums 1898, IV. Mitteilung, p. 2. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 263 ätherische Lösung mit einem Tropfen Anilin versetzt und nach Abdunsten des Äthers Salzsäure zusetzt; es erscheint sofort die nicht zu verwechselnde tiefrote, aber unbeständige Färbung, die nach Schifft eine Kombination von Furfurol und Anilin darstellt. Es sei hier gleich im Gegensatz zu Czapek- konstatiert, daß Sulfitflüssigkeit sehr wohl die Phloroglucin- reaktion gibt, wie dies auch Seidel und Hanak erklären,^ nur wird eben der kirschrote Ton der Probe sehr bald durch den Überschuß an Furfurol, welch letzteres bekanntlich mit Salz- säure eine braune Färbung liefert, in einen mißfarbig bräun- lichen verwandelt. Es ist von Bedeutung, drauf aufmerksam zu machen, daß durch Kochen mit Sulfitflüssigkeit nicht etwa die chromogene Substanz zerstört, sondern ihr nur etwas hinzu- gefügt wird, was ihre Reaktionen modifiziert. Denn Czapek begründet seine Behauptung, daß Lignin und Vanillin von ein- ander verschieden seien, vor allem damit, daß VaniUin das Kochen mit Sulfitflüssigkeit und Zinnchlorür, selbst bei drei Atmo- sphären Druck durch mehrere Stunden vertrage, während die von ihm gesuchte Substanz dadurch augenblicklich zerstört werde, d. h. angeblich die Phloroglucinreaktion nicht mehr gäbe. Wie ich vorhin gezeigt habe, liefert noch Sulfitlauge der Zellulosefabriken, die ja einen Druck von sechs Atmosphären und vielstündigen Kochprozeß durchgemacht hat, die Reaktion, allerdings stark modifiziert durch abgespaltenes Furfurol. Darauf beruht der Irrtum des genannten Autors. Nach meinen Erfahrungen gibt auch Holz, wenn es durch Kochen mit Zinn- chlorür, Salzsäure etc. dunkelbraun geworden ist, noch die Reaktion, wenn auch nicht sofort und in unreiner Nuance. Ja, selbst in der Kälte wird durch konzentrierte Säuren eine Spur Furfurol abgespalten. Läßt man Salzsäure vom spezifischen Gewichte 1-19 längere Zeit auf eine größere Menge fein- gemahlenen Holzes einwirken, saugt dasselbe dann ab, schüttelt dann mit Äther aus und läßt nach Zusatz von einem 1 Annalen der Chemie, 201, 355. - Zur Chemie der Holzsubstanz^ p. 5. 2 1. c. 264 V. Gräfe, Tropfen Anilin den Äther verdampfen, so kann man durch die oberwähnte rote Färbung auch hier Furfurol nachweisen. Nun ist der Weg, welchen Czapek zur Reindarstellung der Lignin- substanz als zweckmäßigsten einschlug, nämlich mehrstündiges Kochendes mit Wasser präparierten Holzbreies mit festem Zinn- chlorür unter fortwährendem Digerieren, nichts anderes als ein Kochen des Holzes mit verdünnter Salzsäure, denn bekanntlich enthält das technische Zinnchlorür ziemlich beträchtliche Mengen freier Salzsäure, wovon man sich übrigens leicht durch die saure Reaktion mit Lackmuspapier oder Behandeln mit Sodalösung überzeugen kann, wobei Aufbrausen erfolgt. Auf diese Weise erhielt der genannte Forscher natürlich Ver- unreinigungen seines Präparates durch Furfurolverbindungen, deren störende Wirkung er selbst beschreibt.^ Da das Furfurol bekanntlich ein äußerst labiler Aldehyd ist, der an der Luft sehr schnell verharzt, ist es ganz unmöglich, ihn in seinen harzigen Verbindungen von einem Präparate zu trennen, besonders wenn dieses, wie in unserem Fall, ebenfalls ein Aldehyd ist, so daß auch eine Reinigung mit Natriumbisulfit nicht von ihm befreien kann. Das war bei Czapek 's Versuchen denn auch wirklich der Fall. Von den bei »Hadromal« erhaltenen Reaktionen lassen sich beinahe zwei Reihen bilden, die nicht zueinander stimmen. Starkes Reduktionsvermögen gegen ammoniakalische Silber- lösung und Gelbfärbung mit Alkalien einerseits, ausge- sprochener Vanillincharakter andrerseits (»Hadromal» wird als 1-, 3-, 4-Substitutionsprodukt des Benzol mit einer Aldehyd-, einer Phenolhydroxylgruppe, dem Schmelzpunkt 75 bis 80° und vanillinähnlichem Geruch bezeichnet). Ich hatte also a priori die Identitätsmöglichkeit des Lignin mit Vanillin (viel- leicht als Komponenten einer Mischung) nicht auszuschließen. Hoppe-Seyler spricht die Ansichtaus, daß die inkrustierenden Substanzen ätherartig, durch Vermittlung von Sauerstoff, an die Zellulose gebunden seien, die Lignozelluiose also Zelkilose- äther darstelle. Wenn man die bisherigen Versuche von Lange, Lindsey, Nickel, Seiiwanow vergleicht, welche auf 1 Über die sog. Ligninreaktionen, p. 157. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 265 Gewinnung der chromogenen Substanz abzielten oder dieselbe ergaben, so sind es stets hydrolysierende Agenzien, also ver- dünnte Säuren oder Alkalien, durch welche die Substanz herausgelöst wird. Czapek scheint von dem Gedanken aus- gegangen zu sein, daß bei der Spaltung eine Reduktion eintreten muß und das Zinnchlorür war bei ihm nur ein Glied in der Reihe versuchsweise angewandter Reduktionsmittel, von denen offenbar keines zu dem gewünschten Resultat geführt hatte als das Zinnchlorür, dieses aber nicht seiner reduzierenden Eigenschaften, sondern eben seines vorerwähnten Gehaltes an freier Salzsäure wegen. Die Annahme, daß hier eine Reduktion zum Ziele führen müsse, ist umso befremdlicher, als ja auch Czapek sich zu der Ansicht bekennt, daß sein »Hadromal« als Paarung der Zellulose mit dieser ätherartig verknüpft sei, so daß also offenbar nur Hydrolyse, Anlagerung der Elemente des Wassers, der richtige Weg sein konnte. Tatsächlich kann man durch gelindes Kochen mit 6 bis lO^/giger Salzsäure ähnliche Resultate erzielen wie mit Czapek's Zinnchlorürmethode. Die Versuche wurden in der Weise durchgeführt, daß feinst- gemahlenes Holzmehl von Koniferen aus einer steirischen Sägemühle sorgfältig im Kolben am Rückflußkühler mit 707oigem Alkohol ausgekocht wurden, eine Operation, die drei- bis viermal wiederholt werden muß. Der Brei wurde abgesaugt, auf Filtrierpapier zum Trocknen ausgebreitet und dann mit ö^/ßiger Salzsäure durch sechs Stunden gekocht, wobei ein konstanter Kohlensäurestrom durchgeleitet wurde. Ein Versuch im luftverdünnten Raum bot keinen bemerkenswerten Vorteil. Als Reaktionsoptimum ergab sich in einer Versuchsreihe Anwendung von lOVoig^r Säure bei sechs- bis achtstündiger Dauer des Kochens am Rückfluß. Der Prozeß wird zweckmäßig mit frischer Säure an derselben Holzprobe zweimal ausgeführt. Nach dem Erkalten wurde die gelbgefärbte Säure, welche keine Phloroglucinreaktion zeigte, abgesaugt, das Holz sorgfältig mit Wasser bis zum Verschwinden der Salzsäurereaktion ge- waschen, in der obenerwähnten Weise getrocknet und hierauf im Scheibler'schen Extraktionsapparat mit Benzol behandelt. Auch bei dieser Operation wurde im Kohlensäurestrom gearbeitet. 266 V. Gräfe, Das Benzol färbt sich nach kurzer Zeit grünlich bis dunkelgrün; diese Prozedur wurde nun mehrere Male mit frischem Benzol wiederholt, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß der Benzolextrakt solange mit Phloroglucinsalzsäure intensive Rotfärbung gab, als sich das Benzol während des Extrahierens färbte. Doch ist zu bemerken, daß die Reaktion an der Eprouvettenwandung beim Schütteln stets einen grün- gelben Stich aufwies, wie ihn reines Furfurol in größerer Ver- dünnung mit demselben Reagens ebenfalls ergibt. Die Extrakte wurden vereinigt und nach Czapek's Angabe im Vakuum das Benzol abdestilliert, wobei die grüne Farbe der Lösung aber alsbald in Rot umschlug. Als der Destillationsrückstand nur noch wenige Kubikzentimeter betrug, wurde die Destillation unterbrochen, siedendes Ligroin hinzugefügt und nach dem Abfiltrieren die purpurrote Lösung in der Kristallisierschale stehen gelassen. Beim Erkalten scheidet sich eine gelblich- bräunliche schmierige Masse aus, die abgesaugt, am Wasser- bad und schließlich unter dem Vakuumexsikkator vollständig getrocknet wurde. Sie stellt dann eine harte, leicht zerreibliche Masse von harzartiger Beschaffenheit dar, deren Weiter- behandlung nicht viel Aussicht bietet. Sie ist unlöslich im Wasser, leicht löslich in Alkohol und Äther, gibt in ganz geringen Mengen die Phloroglucinreaktion höchst intensiv und zeigt auch in ihrem übrigen Verhalten große Ähnlichkeit mit dem Czapek'schen Produkt. Die Reinigung mit Natriumbisulfit ver- suchte ich nicht erst, da ich überzeugt war, zu keinem besseren Resultat gelangen zu können als seinerzeit Czapek nach seiner Methode. Das nach der Extraktion zurückgebliebene Holz gibt wohl schon die Zellulosereaktionen, jedoch auch noch die Ligninreaktionen, wenn auch in bedeutend schwächerem Grade. Die Ausbeute war eine minimale, jedoch nicht viel ge- ringer, als sie Czapek nach seinem Verfahren erhält. Eine weitere Versuchsreihe galt der Darstellung des «Hadromal« ganz nach Czapek's Vorschrift. Ich konnte dabei die Erfahrungen bestätigen, welche dieser Forscher gemacht hatte, ohne daß es mir gelungen wäre, nennenswerte Quantitäten reiner Substanz auf diesem Wege zu gewinnen, zumal ich Czapek's Anregung folgend mehrere Untersuchungen über die Holzsubstanz. 267 Male aus Ligroin umkristallisierte und auch zweimal in die Bisulfitverbindung überführte, wobei wohl jedesmal Material- verlust eintrat, jedoch die gelbbraune Färbung des Präparates nicht verschwand. Da auch Czapek's Methode eine quanti- tative Erschöpfung des Holzes an Lignin nicht gestattet, da ferner die Ausbeute der chromogenen Substanz nach seinem Verfahren eine höchst unbefriedigende und schließlich das Produkt von den zäh anhaftenden Furfurolverbindungen auf keine Weise zu trennen ist, mußte ich einen eigenen Weg zur Darstellung der Substanz suchen, welcher die genannten Übel- stände nach Tunlichkeit zu vermeiden gestattet. Bevor ich jedoch zur Beschreibung meiner Darstellungsweise schreite, möchte ich noch meine Versuche zur Gewinnung der chromogenen Substanz aus der Zelluloseablauge mit einigen Worten abhandeln. Untersuchung der Sulfitablauge. Um die organische Substanz aus der Sulfitablauge zu isolieren, schlug ich im wesentlichen den von Seidel und Hanak^ angegebenen Weg ein. Die mit Salzsäure angesäuerte Lauge wurde zum Sieden erhitzt, mit der berechneten Menge Chlorbarium zur Entfernung der Schwefelsäure versetzt. Hierauf wurde eingedampft und mit Alkohol eine gummiartige Substanz gefällt, welche mit Phenylhydrazin, ferner mit Bleiessig Fällungen gibt und die Phloroglucinreaktion ziemlich intensiv zeigt. Die Substanz hinterläßt beim Verbrennen einen Aschen- rückstand, der sich als Calciumoxyd erweist. Der Kalkgehalt der Asche läßt sich leicht durch andere Metalle ersetzen, welche nach den Mitteilungen der genannten Autoren nach Maßgabe ihrer Molekulargewichte eintreten. Es liegen also salzähnliche Verbindungen der Metalle mit der schwefelhaltigen organischen Substanz der Sulfitlauge vor und ist erstere jedenfalls eine Caiciumverbindung, entstanden durch Einwirkung des Calciumbisulfit auf das Lignin. Um den Körper aschefrei zu erhalten, wurde das Barytsalz mit verdünnter Schwefelsäure 1 Über Sulfitzelluloseabiauge, Mitteil, des Technol. Gewerbemuseums 1S97, III. Alitteil. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 19 268 V. Gräfe, behandelt und das Gemisch dann in einem reichlichen Über- schuß von Wasser gelöst. Nach einigen Tagen Stehens und gelinden Erwärmens zeigte sich eine Fällung von Bariumsulfat, welches abfiltriert wurde. Als sich in der Lösung nach längerem Stehen keine Trübung mehr zeigte, wurde eingedampft, mit Alkohol versetzt und aus der Lösung mit Äther die Substanz als braune Fällung erhalten, welche nach dem Trocknen ein braunes Pulvei- darstellte, das die oben genannten Reaktionen zeigt und keine mineralischen Bestandteile, wohl aber noch Schwefel enthält. Um den Schwefel abzuspalten, versuchte ich die Lauge auf dem Wasserbad vorsichtig mit Chlorkalklösung zu oxydieren. Der ausfallende Gips wurde abfiltriert, das Filtrat nochmals mit Chlorbarium versetzt, das Bariumsulfat nach dem Kochen abfiltriert, das Filtrat eingedampft und schließlich mit Alkohol gefällt. Ich konnte nach dem Trocknen des klebrigen braunen Niederschlages nur konstatieren, daß er schwefelfrei war und im übrigen die charakteristischen Reaktionen zeigte, ohne daß es mir jedoch gelungen wäre, durch Lösen und Wiederfällen eine Reinigung, geschweige denn Kristallisation zu erzielen. Jedenfalls sind es auch hier Verun- reinigungen durch Furfurolverbindungen, welche die Substanz für eine weitere Analyse unbrauchbar machen. Bessere Resultate erhielt ich, als ich den Versuch machte, Sulfitlauge mit Alkalien bei gleichzeitiger Oxydation zu behandeln. Eine größere Quantität der dunkelroten Dünnlauge wurde am Wasserbade völlig zur Trockene eingedampft und der harte braune Abdampfrückstand mit Kalk in gleichem Gewichtsverhältnis in schwer schmelzbare Röhren ein- geschlossen. Nach dreistündigem Erhitzen auf 180°, welche Temperatur sich empirisch als die zweckmäßigste ergeben hatte, wurde die Bombe geöffnet, wobei ein beträchtlicher Druck konstatiert werden konnte, das Reaktionsprodukt mit Wasser ausgelaugt und Kohlensäure durchgeleitet. Der kohlen- saure Kalk wurde abfiltriert, das Filtrat gekocht und nochmals filtriert. Hiebei konnte wahrgenommen werden, daß das Filter nach dem Trocknen intensiv nach Vanillin roch. Das Filtrat wurde ausgeäthert, der ätherische Extrakt über geschmolzenem Natriumsulfat getrocknet und der Äther verdampft. Der nun Untersuchungen über die Holzsubstanz. 269 hinterbleibende rötlich gefärbte Rückstand zeigt den charakte- ristischen Vanillegeruch in der bekannten intensiven Weise des Vanillin, das selbst in Spuren jedem Gegenstand, mit dem es in Berührung gekommen, den kaum auszutilgenden Geruch des Vanillins verleiht, gibt die Phloroglucinreaktion mit kirsch- rotem Ton und mit Eisenchlorid eine dunkelrote Färbung, die offenbar von geringen Phenolbeimengungen herrührt. Mit Natriumbisulfit in der von Tiemann-Haarmann für das Vanillin vorgeschriebenen Weise geschüttelt, ging er bis auf einen geringen Rest in die Bisulfitverbindung über, aus der durch Zersetzen mit verdünnter Schwefelsäure und Ausziehen mit Äther ein Extrakt erhalten w^erden konnte, der beim Ver- dampfen des Äthers geringe Mengen eines weißen kristal- linischen Körpers hinterließ. Nach Verarbeitung einer größeren Quantität Trockenrückstand in der Bombe nach der angegebenen Methode stand mir eine hinreichende Menge des Produktes zum Umkristallisieren zur Verfügung. In heißem, destilliertem Ligroin reichlich löslich, kristallisiert es beim Erkalten des Lösungsmittels unter der Vakuumglocke in schönen nadei- förmigen Kristallen aus, welche im Kapillarröhrchen bei 80° schmelzen. War schon durch den nicht zu verkennenden Geruch und den übereinstimmenden Schmelzpunkt die Identifizierung des Produktes mit Vanillin unschwer, so wurde doch noch mit dem Reste des sorgfältig getrockneten Kristallniederschlages eine Elementaranalyse mit folgendem Ergebnis durchgeführt: I. 0*2134^ Substanz gaben 0-4954^ Kohlensäure und 0- 1008 <§• Wasser. 11.0-1912^ Substanz gaben 0-4433^^ Kohlensäure und 0-09044^ Wasser. In 100 Teilen: n Berechnet für II. ^^IJJ^ 13-23 63-16 5-26 5-26 19* 270 V. Gräfe, Durch diese Daten war unzweifelhaft nachgewiesen, daß mein Produkt mit Vanillin identisch war. Die Möglichkeit, aus der Sulfitlauge Vanillin, wenn auch in ganz geringer Menge, abzuscheiden, beweist, daß dasselbe im Holz präformiert oder als solches vorhanden ist. Daß die Gewinnung der anderen Substanzen, welche nach meinen Untersuchungen die Holz- substanz bilden, aus der Sulfitlauge nicht gelingt, erklärt sich ungezwungen aus der Behandlung des Holzes mit der Sulfit- flüssigkeit unter Druck durch viele Stunden zwecks Zellulose- gewinnung, einer Behandlung, der wohl das resistentere Molekül des Vanillin eventuell widerstehen kann, durch welche aber die weniger widerstandsfähigen Komponenten teils zerstört, teils durch Hineinpressen von SOgKomplexen in ihr Molekül in Sulfonsäuren,umStreeb's Hypothese^ zu reproduzieren, ver- wandelt werden, aus denen sie nicht mehr unverändert zu regenerieren sind. Was die Untersuchung der organischen Substanz aus Natronablauge anlangt, so scheinen nach meinen bisherigen Versuchen die Verhältnisse hier etwas einfacher zu liegen, doch sind die Versuche noch nicht weit genug gediehen, um abgeschlossen werden zu können und behalte ich mir die Ver- öffentlichung der Resultate für einen späteren Zeitpunkt vor Eine neue Darstellungsweise der Holzsubstanz. Der Weg zur Darstellung der Holzsubstanz aus dem Holze selbst ergab sich zunächst aus Hoppe-Seyler's Hypothese, nach welcher das Lignin mit der Zellulose in ätherartiger Bindung steht. Die Spaltung konnte also durch Hydrolyse zu Stande kommen. Daß Reduktionsmittel, welche nicht zugleich hydrolytisch wirkende Agenzien vorstellten, nicht zum Ziele führen konnten, ergaben Vorversuche mit verschiedenen Amal- gamen, z. B. dem völlig neutralen Aluminiumamalgam in alkoholischer Suspension, welches auf den wässerigen Holz- brei unter den verschiedensten Verhältnissen, in der Kälte, unter mehrstündigem Kochen am Rückflußkühler, unter Er- hitzen im zugeschmolzenen Rohr, einwirken gelassen wurde, ohne daß eine sichtliche Spaltung erzielt worden wäre. Von 1 Inauguraldissertation, München. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 271 'o hydrolytisch wirkenden Agenzien aber konnten Säuren und Alkalien nicht in Betracht kommen, wenn ich die Übelstände der Furfurolverunreinigungen, unter denen meine Vorgänger zu leiden gehabt hatten, vermeiden wollte. Das einzige Medium, welches mir da noch zu Gebote stand, war das Wasser. Daß dieses eine hydrolytische Spaltung in unserem Falle durchzu- führen befähigt war, hatten die Versuche Singer's ergeben, nur war dort die Einwirkung offenbar keine genügend energi- sche gewesen. Da ich mich, wie früher erwähnt, überzeugt hatte, daß Behandlung unter Druck keinen Einfluß auf die Zu- sammensetzung der Holzsubstanz, deren unveränderte Existenz ja jederzeit durch den positiven Ausfall der Phloroglucin- Salz- säurereaktion konstatiert werden konnte, ausübe, ging ich folgendermaßen vor: Eine größere Quantität des feingemahlenen Holzpulvers wurde sorgfältig mehrere Male mit Alkohol am Rückflußkühler aus- gekocht bis der Alkohol nach mehrstündigem Kochen nicht mehr oder nur noch schwach gelb gefärbt erschien. Das gewaschene Holz wurde an der Pumpe abgepreßt und zum Trocknen auf Filtrierpapier ausgebreitet. Nach dem Trocknen wurden je 100^ in weite Röhren aus Jenaer Glas gefüllt und mit destilliertem Wasser beschickt, bis das Holzmehl sich mit Wasser vollge- sogen hatte und schließlich noch soweit als möglich mit Wasser überschichtet. Hierauf wurde mit der Quecksilberluft- pumpe die Luft aus den Bomben entfernt, bis ein fast voll- ständiges Vakuum erzielt war und die Röhren schließlich zu- geschmolzen. Diese mühevolle Operation erwies sich als not- wendig, da sonst die Reaktion weder qualitativ noch quantitativ in der gewünschten Weise verlief, sei es durch die Wirkung des Sauerstoffes in dem zurückgebliebenen Luftvolumen, sei es durch die beträchtliche Druckerhöhung, welche bei der zu erreichenden Reaktionstemperatur die eingeschlossene Luft- säule üben mußte. Die so gefüllten Röhren wurden nun im Bombenofen langsam bis zur Temperatur von 180° erhitzt — die Überschreitung dieser Maximalgrenze ist von Nachteil — und auf diesem Punkte eine Stunde lang erhalten. Die nach dem Erkalten geöffneten Bomben zeigten nur wenig Druck; daß eine Reaktion stattgefunden hatte, bewies die Verminderung 272 V. Gräfe, des vorher markierten Wasserstandes und der angenehme obst- artige Geruch des nunmehr fleischfarbenen Holzbreies, den auch Czapek bei seinem Verfahren beobachtet hat und der übrigens bei jeder Hydrolyse von Holz, auch mit verdünnten Säuren und Alkalien, auftritt. Das Reaktionsprodukt wurde vom Wasser durch Ab- saugen getrennt und in Scheibler'schen Extraktionsapparaten mit Benzol extrahiert. Schon vorher hatte ich konstatieren können, daß eine kleine Menge des behandelten Holzes, mit Benzol in der Eprouvette geschüttelt, dasselbe grünlich färbte und der ab- filtrierte Benzolextrakt die Phloroglucinprobe mit höchst inten- siver prachtvoll kirschroter Färbung gab, der alsbald ein rot- violetter Niederschlag folgte. Die Extraktion, unter ständigem Durchleiten eines Kohlensäurestromes durchgeführt, wurde so lange fortgesetzt, bis eine Eprouvettenprobe eine entschiedene Intensitätsverminderung der Phloroglucinreaktion ergab. Die Dauer des Prozesses ist nicht immer gleich. Das zurückge- bliebene Holz ist stellenweise watteartig verfilzt, zeigt die Zellulosereaktionen augenblicklich und liefert, mit Phloroglucin- Salzsäure betupft, rosenrote bis mittelstark rote Färbungen. Die grasgrünen Benzolextrakte wurden im starkwandigen Kolben unter vermindertem Druck destilliert, wobei durch eine Kapillare ein konstanter Kohlensäurestrom durchgeleitet wurde, wie überhaupt keine Operation mit den Reaktionsprodukten an der gewöhnlichen Atmosphäre vorgenommen ward. Als der Destilla- tionsrückstand wenige Kubikzentimeter betrug, wurde siedendes Ligroin hinzugefügt und nach dem Abfiltrieren in der Kristalli- sierschale unter dem Vakuumexsikkator stehen gelassen. Nach 24 Stunden hatte sich eine gelbliche krustenförmige Masse ab- geschieden, in welcher unter der Lupe zahlreiche weiße kristal- linische Körper beobachtet werden konnten. Das Produkt wurde bis zur Gewinnung größerer Mengen sorgfältig im Exsikkator in Kohlensäureatmosphäre eingeschlossen. Zur Verarbeitung des Holzes im großen ging ich fol- gendermaßen vor: Eine größere Quantität von Holzmehl wurde in der oben bezeichneten Weise präpariert und ganz wie für die Bombenoperation in ein zirka 4 / fassendes schmiede- eisernes Autoklave eingeschlossen, das innen mit schwer- Untersuchungen über die Holzsubstanz. 273 'o schmelzbarem Glase ausgekleidet war und in einem eisernen Heizmantel befestigt wurde. Die Luft wurde, nachdem der Apparat verschraubt war, durch das Sicherheitsventil abge- zogen und dieses sodann geschlossen. Als Heizmaterial diente dickflüssiges Mineralöl (Schmelzpunkt 350°) und die Erhitzung geschah durch am Heizmantel senkrecht befestigte parallele Reihenbrenner. Der Gang der Operation war im wesentlichen derselbe wie früher. Sehr gute Resultate erzielte ich in einem Falle bei Anwen- dung eines Verfahrens, welches in der Technik zur Gewinnung von Zellulose benützt wird^ und das ich für meine Zwecke ent- sprechend modifizierte. Es wird dabei nämlich der Wirkung von Wärme und Druck noch die des elektrischen Stromes hinzuge- fügt; auf dem Boden einer starkwandigen Glaswanne aus Jenaer Glas wurde die positive Elektrode angeordnet. Diese besteht aus einem porösen Gefäße, hergestellt aus einem Holzrahmen, über den mit Leinwandstreifen ein mittelstarker Filz gespannt ist; in diesem porösen Gefäße ruht eine 1 m^n starke Bleiplatte, von der ein mit Guttapercha isolierter Bleistreifen ausgeht, der in die Wand der Wanne eingeschmolzen und sodann durch eine Klemmschraube mit dem Draht einer elektrischen Leitung ver- bunden ist. Auf die positive Elektrode wird der von Wasser völlig durchtränkte Holzbrei geschichtet und sodann mit der nega- tiven ebenso adjustierten Bleielektrode bedeckt, die ihrerseits mit dem anderen Pol der Leitung in Verbindung steht. Über der positiven Elektrode besitzt die Wanne eine Öffnung, die zur Verbindung mit dem Ableitungsrohr eines Dampfüber- hitzers dnent. Die Wanne wird nun durch einen mit Asbest ein- gedichteten Deckel geschlossen, der Wasserdampf eingeleitet und gleichzeitig von unten ganz mäßig erwärmt. Das Sicher- heitsventil war auf 5 Atmosphären gestellt. Nun wurde der elektrische Strom durchgeschickt und in der Weise reguliert, daß die Stromstärke auf 500^ Holzbrei + Wasser bei 110 Volt zirka i/io Ampere betrug. Durch die Wirkung des Stromes an 1 D. R. Pat. Nr. 124919 A. Berget 1901; D. R. Fat. Nr. 128831 J. R. Desmarest; Comptes rendus T. 133, p. 745, H. Lecomte, Bibliotheque des actualites industrielles Nr. 81. 274 V. Gräfe, und für sich trat beträchtliche Temperaturerhöhung ein. Nach je einer Stunde wurde die Richtung des Stromes gewechselt und die Operation so durch 5 bis 6 Stunden fortgesetzt; als Katalysator wurde eine Spur Platinmoor verwendet. Die so be- handelte Masse wurde nach dem Erkalten, wie oben dargelegt, behandelt und die Reaktionsprodukte vereinigt. Wiewohl das Verfahren ebenso gute Resultate lieferte wie das erstere, gab ich doch in der Folge diesem, wegen der weitaus geringeren Schwierigkeit der Manipulation, den Vorzug. Es sei noch nach- träglich bemerkt, daß entnommene Extrakte hier wie dort die Reaktion mit dem Phloroglucinreagens viele Tage lang unver- ändert rein ohne die bräunliche Nuance der Furfurolverbindun- gen bewahrten. Es war mit dieser, wenn auch umständlichen Methode also tatsächlich der richtige Weg zur Gewinnung möglichst reiner Produkte gegeben. Verarbeitung des gewonnenen Rohproduktes. Die schwach gelb gefärbte Substanz, von der ich schließ- lich zirka 35 bis 40 ^gewonnen hatte, zeigt die Phloroglucin- reaktion naturgemäß überaus intensiv. Sämtliche Aldehyd- reaktionen fallen positiv aus; ammoniakalische Silberlösung wird ziemlich rasch, Fehling'sche Lösung erst beim Kochen reduziert. Die Substanz ist in Wasser fast unlöslich (beim Er- wärmen wird allerdings etwas gelöst), leicht löslich in Alkohol und Äther, in Alkalien löst sie sich mit gelber Farbe. Den ein- fachsten Weg für die Reinigung gibt das Vorhandensein der Aldehydgruppe: Zirka 20 o- der Substanz wurden in möglichst wehig Äther gelöst und im Schütteltrichter mit konzentrierter Natriumbisulfit- lösung (spezifisches Gewicht 1 -33) geschüttelt, wobei mäßige Erwärmung auftrat, weshalb mit kaltem Wassergekühlt wurde. Die ätherische Lösung nahm wohl eine lichtere Färbung an, wurde aber selbst nach sechsstündigem Stehen und Schütteln nicht gänzlich farblos. Die Salzlösung wurde von der Äther- schichte getrennt, diese mehrere Male mit Wasser gewaschen, so- dann über geschmolzenem Natriumsulfat getrocknet. Beim vor- sichtigen Verdunstenlassen des Äthers unter demVakuumexsik- kator, resultierte eine kleine Menge eines weißen kristallinischen Untersuchungen über die Holzsubstanz. 275 Körpers, der wasserlöslich war und wie ein entsprechender Ver- such zeigte, leicht aus Benzol umkristallisiert werden konnte. Die ganze Menge wurde demnach mit Benzol aufgenommen, die Lösung filtriert und im Vakuum stehen gelassen. Es kristalli- sierten farblose breite Blättchen aus, die auf der Tonplatte ab- gepreßt und getrocknet wurden. Untersuchung des Körpers. Der Schmelzpunkt der Substanz ergab sich mit 103 bis 104°. Da der Körper keine Bisulfitverbindung eingegangen war, konnte er als Nichtaldehyd angenommen werden. Die wässerige Lösung reduzierte jedoch Silberlösung augenblick- lich; ebenso wurde Fehling's Lösung, wenn auch erst beim Er- wärmen reduziert. Neutrales Bleiacetat fällte aus der wässeri- gen Lösung weiße Flocken eines Bleisalzes. Die Elementar- analyse, welche infolge der äußerst geringen rein dargestellten Substanzmenge nur einmal durchgeführt werden konnte, gab folgende Werte: 0- 1326g Substanz gaben 0-3192^ Kohlensäure und 0-0632 ^ Wasser. In 100 Teilen: „ , ,.. Berechnet für Gefunden C|li, Oo C 65 '65 65 '45 H 5-29 5-46 Diese Zahlen im Einklänge mit den vorgeschriebenen Reaktionen stimmen gut für eines der zweiwertigen Phenole. Da mit der geringen Substanzmenge ein durchgreifender Konstitutionsbeweis nicht hätte geführt werden können, begnügte ich mich zur Entscheidung der Frage, welches der drei Isomeren mir vorlag, mit der in diesem Falle wohl sehr charakteristischen Farbenreaktion mit Eisenchlorid. Die wässerige Lösung lieferte mit Eisenchlorid eine inten- siv dunkelgrüne Färbung, die auf Zusatz von Sodalösung in Rotviolett umschlug. Es konnte mithin der gefundene Körper als Brenzkatechin angesprochen werden. 276 V. Gräfe, UntersuGhung" der Natriumbisulfitverbindung'. Derjenige Teil meiner Substanz, welcher vermöge seiner Aldehydgruppe befähigt war, eine Bisulfitverbindung einzu- gehen, mußte sich in der Salzlösung befinden. Dieselbe wurde nunmehr ganz nach Angabe Tiemann's^ mit verdünnter Schwefelsäure zerlegt und mit viel Äther ausgeschüttelt. Nach- dem die ätherische Lösung von der wässerigen getrennt, gut gewaschen und getrocknet war, wurde der Äther im Kohlen- säurestrom abdestilliert. Der Rückstand, ein hellgelbes Öl, welches teils nach Vanillin, teils ein wenig nach bitteren Mandeln roch, ließ sich weder im Vakuum zum Kristallisieren bewegen, noch ergab ein Destillationsversuch im luftverdünnten Raum ein Produkt mit eintheitlichem Siedepunkte. In Wasser ist es unlöslich, in Äther, Alkohol, Benzol etc. leicht löslich. Eine Spur ätherischer Lösung gab mit Salzsäure angefeuchtet und mit einem Tropfen Anilin versetzt, die Schiffsche Furfurol- probe höchst intensiv. Eisenchlorid gab einen rötlichgelben Niede'-schlag. Die Phloroglucinsalzsäurereaktion trat mit der gewöhnlichen Nuance ein, doch konnte ich beobachten, daß der violette Unterton fehlte. Die V^ermutung, daß hier vielleicht ein Gemenge von Vanillin mit Furfurol vorlag, wies mir die entsprechende Trennungsmethode, welche darauf basierte, daß Vanillin vermöge seiner sauren Hj^droxylgruppe salzartige Ver- bindungen zu bilden vermag, das Furfurol dagegen nicht. Die Afdehydnatur beider Körper ließ diesen Weg als den einfach- sten erscheinen. Trennung der beiden Körper. Zirka 10^ der Substanz wurden in mäßig starkem Alkohol gelöst und ein Überschuß an für 10^ Vanillin berechneter Menge von Zinkacetat, welches in Wasser gelöst und mit so viel Alkohol versetzt war, daß es noch in Lösung blieb, hinzu- gefügt. Die Mischung wurde unter Kohlensäureatmosphäre in wohlverschlossenem Kolben stehen gelassen. Erst nach fünf- 1 Bei-., VIII, 1119. Untersuchunaen über die Holzsubstanz. 277 'ö tägigem Stehen zeigte sich, daß wirklich die Salzbildung eingetreten war, indem der Boden des Kölbchens mit prachtvoll irisierenden schweren Kriställchen bedeckt war, die beim Schütteln klar zusammentraten und sich leicht von der drüber- stehenden Lösung abfiltrieren ließen. Sie sind unlöslich in Wasser, schwer löslich in Alkohol und Äther. Die Ünlöslichkeit in Wasser ergab sofort die Sicherheit, daß es sich nicht etwa um ausgefallenes Zinkacetat handelte. Das abfiltrierte und ge- trocknete gewogene Zinksalz wurde nach der Methode von Huppert und v. Ritter^ im gewogenen Porzellantiegel mit konzentrierter Salpetersäure Übergossen, diese bei niedriger Temperatur abgeraucht und der anscheinend trockene Rück- stand langsam weiter erhitzt und schließlich geglüht, bis er beim Erkalten vollständig weiß erschien. Das Zinkoxyd wurde hierauf gewogen. Die so durchgeführte quantitative Analyse des Salzes ergab folgende Werte; •ö*- 0-3252 g Zinksalz gaben 0-0728 g ZnO, entsprechend 0-0585^ Zn. 0-2361 g Zinksalz gaben 0 0518 g ZnO, entsprechend 0-0416^ Zn. 0-2299 g Zinksalz gaben 0-05099 g ZnO entsprechend 0-0409^ Zn. In 100 Teilen: Gefunden Berechnet für (C8H703).,Zn I II III Zn 17-98 17-62 17-79 17-71 Um aus dem Zinksalz das Vanillin im freien Zustande abzuscheiden, wurde in die wässerige Suspension des Salzes Schwefelwasserstoff bis zur Fällung von weißem flockigen Schwefelzink eingeleitet, wobei vorher etwas essigsaures Natron zugesetzt worden war. Es gelingt allerdings auf diese Weise nicht, das Vanillin quantitativ aus der Verbindung abzu- scheiden. 1 Z. anal. 35, 311 (1896). 278 V. Gräfe, Der Niederschlag wurde abfiltriert und das Filtrat aus- geäthert. Nach Abdunsten des Äthers im Vakuum verblieb in der Kristallisierschale eine kleine Menge feiner Kristallnadeln, welche noch einmal aus Ligroin umkristallisiert wurden. Sie besitzen den unverkennbaren Vanillingeruch, schmelzen scharf bei 81° und zeigen die Phloroglucinreaktion mit rein roter Nuance. Eisenchlorid gibt eine schwach blauviolette Färbung. Von einer Elementaranalyse habe ich Abstand genommen, da die Ziffern der Zinksalzbestimmung, der übereinstimmende Schmelzpunkt und der positive Ausfall der für Vanillin charak- teristischen Reaktionen genugsam beweist, daß der untersuchte Körper als Vanillin zu bezeichnen ist. Untersuchung des zweiten der beiden Aldehyde. Das Filtrat von der Ausfällung des Zinksalzes wurde mit Soda vorsichtig neutralisiert und hierauf mit Wasserdampf destilliert. Es ging eine nicht sehr große Menge eines schweren gelblichen Öles über, das, mit Äther geschüttelt, von diesem aufgenommen wurde. Der ätherische Extrakt ward über Chlor- calcium getrocknet, der Äther abdestilliert und die Destillation im Kohlensäurestrom fortgesetzt. Bei 186° ging das Öl fast farb- los in die Vorlage. Es riecht intensiv nach Bittermandelöl, gibt mit Anilinacetat zunächst eine schwach gelbe Färbung, die aber bald in Orangerot übergeht, mit Phloroglucin-Salzsäure eine dunkelgrüne Farbe, die bei einiger Konzentration in Tief- violett übergeht. Die Substanz ist in Wasser schwer, in Alkohol, Äther leicht löslich. Mit Phenylhydrazin entsteht ein schön orange gefärbter Niederschlag. In Alkalien löst sie sich mit orangegelber Farbe. Die allvoholische Lösung reduziert ammo- niakalische Silberlösung augenblicklich. Fehling'sche Lösung beim Erwärmen. Die Aldehydnatur dokumentiert sich überdies durch die dunkelrote Färbung mit fuchsin-schwefeliger Säure. Zur Gewinnung der konstant bei 186° übergehenden Substanz mußte die Destillation zweimal, zuletzt unter An- wendung einer dephlegmierenden Kolonne, wiederholt werden, wobei stets im Kohlensäurestrom gearbeitet wurde. Das Produkt wurde schließlich im Vakuum getrocknet. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 279 Die Elementai'analyse ergab folgende Werte: I. 0-1888^ Substanz gaben 0-4551 ^ CO^ und 0-0919 <§■ Wasser. II. 0-2091 g Substanz gaben 0 5030 g Kohlensäure und 0-1036^ Wasser. III. 0* 1900^ Substanz gaben 0*4569 g Kohlensäure und 0-0931 g Wasser. In 100 Teilen: Gefunden Berechnet für I II III C 65-74 65-61 65-58 65-45 H 5-40 5-50 5-44 5-46 Daß die Substanz nicht mit Brenzkatechin, für welches dieselbe empirische Formel gilt, identisch sein konnte, ergab sich aus ihrer Aldehydnatur, ihrer Konsistenz und allen ihren Reaktionen. Ein Versuch, die Substanz mit Zinkäthyl zusammen- zubringen, fiel positiv aus. Er wurde in der Weise durchgeführt, daß 2 g der Substanz in eine unten zugeschmolzene Glasröhre gebracht, unter Kohlensäureatmosphäre gestellt und hierauf rasch im Kohlensäurestrom mit 5 g Zinkäthyl beschickt wurden, worauf das Rohr mit einem kohlensäuregefüllten Rückflußkühler versehen ward, der seinerseits durch ein doppeltgebogenes Glas- rohr mit Quecksilber gegen die äußere Luft abgesperrt werden konnte. Trotz fortwährender Kühlung von unten trat nach wenigen Minuten heftige Reaktion ein und es resultierte ein kornblumenblauer Körper. Nach zwölfstündigem Stehen wurde ein reichlicher Wasserüberschuß hinzugefügt, vom gebildeten Zinkhydroxyd abfiltriert und das Filtrat ausgeäthert. Nach Ab- dunsten des Äthers hinterblieben einige Tropfen eines Öles, die stark zimtartig rochen, jedoch war die Menge viel zu gering, um eine weitere Untersuchung zu erlauben, doch ist das Ein- treten dieser charakteristischen Reaktion ein weiterer Beweis für die Aldehydnatur des zu untersuchenden Körpers. 280 V. Gräfe, Oxydation des Aldehyds. Von der Vermutung ausgehend, daß es sich um ein Fur- furolderivat handle, wurde die Oxydation des Aldeliyds nach der für diese Derivate von Hill und Jennings^ gegebenen Methode ausgeführt. Die Substanz wurde mit einem reichlichen Überschuß an frisch bereitetem Silberoxyd, das in Wasser suspendiert war, gemischt und allmählich bis zum Sieden erhitzt. Hierauf wurde eine konzentrierte Sodalösung hinzugefügt, um das Silber zu fällen, wieder aufgekocht, der Niederschlag abfiltriert, dann bis zu einem geringen Rest eingedampft, nochmals filtriert, mit Salzsäure angesäuert und mit Äther ausgezogen. Nach V^er- dunsten des Äthers hinterblieb eine kleine Menge eines weißen kristallinischen Rückstandes, der sich aus heißem Wasser, in welchem er leicht löslich war, in winzigen Nadeln Umkristal- lisieren ließ. Der Schmelzpunkt, welcher exakt für das im Vakuum getrocknete Produkt bei 108° liegt, stimmt mit dem von Hill und Jennings für Methylbrenzschleimsäure gefun- denen überein, ebenso ergibt die analoge Bildungsweise die Identität meines Produktes mit dieser Säure. Bei energischerer Oxydation der ursprünglichen Substanz mit 3°/oigei' Kaliumbichromatlösung + Schwefelsäure resul- tieren flüchtige Fettsäuren, unter ihnen vornehmlich Essig- säure, die leicht überdestilliert und durch ihr Silbersalz bestimmt werden konnte. Ich hatte also keinen Grund mehr zu zweifeln, daß der zweite Aldehyd mit 2, — 5 Methylfurfurol identisch war. Die 5-Stellung des Methyls ergibt sich aus Maquenne's Ableitung des Methylfurfurol von Rhamnose, aus der es be- kanntlich durch Destillation mit Schwefelsäure gewonnen wird und deren Konstitutionsbeweis durch Fischer und Tafel. Durch die beschriebenen Versuche ist also festgestellt, daß die Holzsubstanz im wesentlichen ein Konglomerat von Vanillin, Methylfurfurol und Brenzkatechin ist. Es ist unschwer, nach diesem Befunde Czapek's qualitative Reaktionen seines 1 Am. Chem. Journal 15, 167. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 281 »Hadromal«, welches offenbar nichts anderes darstellte, als ein Gemenge, in welchem sich diese drei Substanzen befanden, auf die einzelnen Komponenten zu beziehen. Das Vanillin gibt die kirschrote Phloroglucinreaktion, die das Brenzkatechin nach Violett hinüberspielt, während eine Spur Methylfurfurol den Ton dunkler gestaltet. Der von Vanillin abweichende Geruch ist ebenfalls durch die Beimischungen erklärt. Die intensive Gelbfärbung mit Alkalien, die braunviolette Eisenreaktion, die ebenfalls als Hauptunterscheidungsmerkmale von Vanillin an- geführt wurden, fallen offenbar dem Methylfurfurol zur Last, die intensive Reduktion von Silberlösungen auch dem Brenz- katechin. Die angeführten Färbungen sind übrigens als Misch- farben schwer auf Einzelsubstanzen zu beziehen. Es sei auch noch folgende merkwürdige Tatsache erwähnt: Czapek gibt an, daß Kochen des Holzes mit Sulfitflüssigkeit die chromogene Substanz zerstöre und gründet auch auf der Leichtzerstörbarkeit seiner Substanz einen Unterschied gegen das resistente Vanillin. Nun berichten Brown und Tollens^ folgenden Versuch: Mais und Hollundermark wurde mit Sulfitflüssigkeit 4 Stunden auf 125° erhitzt. Nach dem Abkühlen wurde der Rückstand abge- preßt, gewaschen, zum Filtrat CaCOg zugesetzt, aufgekocht und filtriert. Das Filtrat war stark gefärbt, reduzierte Fehling'sche Lösung und gab intensiv die Phloroglucinprobe. Aus der ein- gedampften Flüssigkeit zog Äther kleine Mengen einer öligen Flüssigkeit und einer »wachsartigen« Substanz, welche die Verfasser für identisch mit »Hadromal« hielten. Daß Czapek wahrscheinlich das von mir analysierte Gemenge in Händen hatte, zeigt auch die Reaktion seines »Hadromal« mit Thymol- Salzsäure unter Zusatz von Kaliumchlorat, das mit diesen Reagenzien sich erst rotbraun, dann dottergelb färbt. Genau so verhält sich auch das Vanillin, wenn Kaliumchlorat in geringem Überschuß vorhanden ist. Auch die nahen Beziehungen, welche der genannte Autor zwischen seinem Produkt und Koniferyl- alkohol, ferner Eugenol auffand, deuten darauf hin. Die Zweifel, welche Czapek auf Grund einiger Reaktionen bezüglich eines Koniferingehaltes der verholzten Membrane äußert, veranlaßten 1 Ber. der Deutschen ehem. Ges., Bd. 2 (1902), p. 1464. 282 V. Gräfe, mich, eine Reihe Vergleichsproben mit reinen Reagenzien (Merck) durchzuführen, welche folgendes ergaben: Eine wässerige konzentrierte Koniferinlösung gibt mit Salzsäure (1 • 19 sp. G.) erst nach mehrstündigem Stehen eine merkliche blauviolette Färbung. Auch mit Phenol erfolgt die Färbung erst nach einiger Zeit, wird aber dann sehr intensiv und es fällt ein violblauer Niederschlag. Mit demKoniferinreagens von Mol isch (Thjnnol- Salzsäure-Kaliumchlorat) erfolgt allerdings bei konzentrierten Lösungen ein rascher Umschlag von Blauviolett nach Blutig- rot, doch kann der ursprüngliche blauviolette Ton nicht, wie Czapek meint, durch die Salzsäure bedingt sein, denn gerade bei Zusatz von nur einem Tropfen Säure entsteht die Violett- färbung und bei Hinzufügung weiterer Säure erfolgt plötzlich der Umschlag. Nimmt man die Lösungen von vornherein ent- sprechend verdünnt, so erfolgt niemals ein Umschlag nach Rot, sondern die blauviolette P'ärbung bleibt erhalten. Die schließliche Entstehung von Rotorange bei dieser Reaktion (nach Czapek) ist meinen Erfahrungen gemäß auf die Wirkung des Kaliumchlorats zurückzuführen, denn man braucht dem Gemisch bloß etwas mehr von diesem Oxydans zuzusetzen, um sofort die genannte Farbe und im weiteren Ver- laufe einen dottergelben Niederschlag zu erhalten. Es ist dies nichts anderes, als eine \'anillinreaktion, wie überhaupt die ganze Koniferinreaktion auf Bildung von etwas Vanillin beruht. Man kann dies leicht beobachten. Setzt man zu einer Koniferin- lösung etwas kristallisiertes Phenol und fügt Salzsäure hinzu, so erfolgt die Bildung der blauvioletten Farbe nur sehr lang- sam, da hier der Luftsauerstoff die Oxydation zu vollziehen hat, schneller am Lichte. Setzt man aber etwas Kalichlorat zu, so tritt sofort die entsprechende Färbung ein infolge energischer Oxydation des Koniferin zu Vanillin, wobei es instruktiv ist, an einer gleichzeitig angesetzten Vanillinlösung die Reaktion mit Phenol-Salzsäure zu vergleichen. Am klarsten wird der Vorgang, wenn man statt Phenol das Phloroglucin nimmt. Bei Zusatz von einer Spur Kalichlorat entsteht sofort die bekannte Vanillin-Phloroglucinreaktion. Ist etwas zuviel des Oxydations- mittels zugegeben worden, so geht die Oxydation bei beiden Untersuchungen über die Holzsubstanz. 283 (Koniferin und Vanillin) über das Vanillin hinaus und die Farbe schlägt, wie erwähnt, in Rotorange, respektive Dottergelb um. Nimmt man dagegen Brenzkatechin, so erhält man augenblick- blich eine grasgrüne Färbung. In stärkerer Konzentration jedoch blauviolett. Die meisten Autoren berichten, daß sich Holz mit konzentrierter Salzsäure gelb bis gelbgrün färbe. Nach meinen Erfahrungen gilt für den feinverteilten Zustand der wirksamen Substanzen in feinem Holzmehl, daß fast augenblicklich die F'ärbung mit Salzsäure grün ist und schließlich smaragdgrün wird, eine Farbe, die allerdings nach einigen Stunden gelblich wird und schließlich in Grau übergeht. Es sei übrigens erwähnt, daß sie durchaus bleibend gemacht werden kann, wenn man die Reaktion mit konzentrierter Bromwasserstoffsäure anstellt. Diese Farbe, welche von Gelbgrün beginnend über Dunkelgrün nach Gelb zurückgeht, möchte ich auf die Wirkung von Koniferin im Verein mit Methylfurfurol zurückführen, was folgender Ver- such plausibel macht: Gewaschenes Holzmehl wurde in gleicher Menge in drei Eprouvetten verteilt. In der einen blieb es ohne Zusatz, in die zweite kam noch etwas festes Koniferin und in die dritte einige Tropfen verdünnte MethylfurfuroUösung. Nun wurde in alle drei die gleiche Menge Salzsäure geschüttet, Nr. 1 gab die normale Übergangsfarbe von Gelb nach Grün, Nr. 2 wurde gelblich, dann rötlich und schließlich violett, was jedenfalls auf die Gegenwart des Phenols (Brenzkatechin) zu- rückzuführen ist; Nr. 3 wurde augenblicklich smaragdgrün und im weiteren Verlaufe schwärzlichgrün. Es scheint also beim Versetzen von Holz mit Salzsäure zuerst die Wirkung des Koniferin (gelb) einzutreten, vielleicht weil es frei in der Membran vorhanden, hierauf, wenn die Salzsäure ihre hydro- lysierende Tätigkeit entsprechend durchgeführt hat, die Reaktion des Methylfurfurol (grün), eine Farbe, die das Gelb des Koniferin deckt, die aber als unbeständig, bald wieder der ersteren weicht. Bei dieser Gelegenheit seien ein paar Worte über die Un- verläßlichkeit von Farbenreaktionen gesprochen. Speziell be- züglich der Holzreaktion wurde bisher auf die An- oder Ab- wesenheit dieser oder jener Substanzen fast nur aus dem Auf- treten oder Ausbleiben gewisser Farben oder gar Nuancen Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 20 284 V. Gräfe, geschlossen. Nun hängt aber die Farbe wie kaum etwas anderes von Konzentration und den Bedingungen, unter denen die Reaktion ausgeführt wird, ab. Beim Koniferin sahen wir, daß das Auftreten von Rot oder Blau durch ganz geringe Bedin- gungsverschiedenheiten herbeigeführt werden kann. Nun sind die Verhältnisse, wie sie in der verholzten Membran existieren, in der Eprouvette schlechterdings nicht nachzuahmen, da wir weder über die quantitativen Proportionen der von mir aufgefundenen Substanzen daselbst, noch auch über den Umstand orientiert sind, ob sich in allen Hölzern unter allen Umständen dieselben Körper bilden, denn es ist sehr wohl denkbar, daß unter verschiedenen Lebensbedin- gungen in verschiedenen verholzten Membranen auch Ver- wandte der von mir konstatierten Körper entstehen könnten, daß der eine fehlen, der andere durch ein Homologes ersetzt sein kann. Tatsächlich sehen wir auch die Phloroglucinreaktion durchaus nicht stets mit derselben Nuance eintreten. Bald ist sie rein vanillinähnlich, bald kirschrot, bald violett. Stellt man z. B. Vergleichsreaktionen mit VaniUin-Phloroglucin an, so muß man es stets so einrichten, daß die Substanzen an der Wandung der Eprouvette herabfließen. Denn nicht der Farbenton der Mischung in der Eprouvette ist maßgebend, sondern die Farbe am Eprouvettenrand oder an der Wandung und diese weicht oft erheblich von jener der Flüssigkeit ab. Stellt man beispiels- weise die Koniferinreaktion auf einer Tonplatte an, so erscheint stets die blaugrüne Farbe und niemals die rote Färbung, die bei großer Konzentration in der Eprouvette zu beobachten ist. Am besten stellt man annähernd die natürlichen Verhältnisse im Holze bei Vergleichen künstlich her, wenn man ein Stückchen reine Zellulose (Baumwolle) am Uhrglas mit den Lösungen der gefundenen Substanzen: Vanillin, Methylfurfurol, Brenzkatechin tränkt, mit Salzsäure versetzt und am Wasserbade zur Trockene bringt. Bei sorgfältigem Arbeiten erhält man genau die gleichen Nuancen wie bei Holz. Metoxylbestimmung" der Hoizsubstanz. Um annähernd die Menge des Vanillin zu erfahren, welches die Holzsubstanz enthält, führte ich eine Metoxyl- Untersuchungen über die Holzsubstanz. 285 bestimmung derselben aus. Der Versuch wurde mit dem von Benedikt und Grüssner für die Zeisel'sche Metoxyl- bestimmung modifizierten Apparate angestellt und genau nach Zeisel's Vorschrift für diese Bestimmung mit Jodwasserstoff- säure vom spezifischen Gewichte 1'7 durchgeführt. Da die Substanz leicht unter dem Einflüsse der Jodwasserstoffsäure verharzt, wodurch infolge Einhüllung unangegriffener Substanz die Jodmethylabspaltung teilweise verhindert werden kann/ wurden derselben nach Herzig's^ Methode acht Volumprozente Essigsäureanhydrid hinzugefügt. Es muß ferner bemerkt werden, daß die Substanz absolut trocken für die Bestimmung verwendet werden muß, da schon geringe Alkoholspuren zu hohe Zahlen resultieren lassen. Die erhaltenen Daten sind folgende: 0-2040^ Substanz lieferten 0-1573^' AgJ, entsprechend 0-01004^ CH3. 0"2486^ Substanz lieferten 01851^ AgJ, entsprechend O-OllS^CHg, 0-3005^' Substanz lieferten 0-2187^ AgJ, entsprechend 0-0139^ CH3. In 100 Teilen: CH, I. 4-9 Gefunden II. 4-8 III. 4-6 Berechnet für 10-0 Demnach wäre, wenn man aus den gefundenen Ziffern den Mittelwert nimmt, die Menge des in der Holzsubstanz befindlichen Vanillin, als einziger methylliefernder Substanz, mit 487o '^^^ Holzsubstanz anzunehmen. Die Methylzahl der Holzsubstanz (Menge des abspaltbaren Methyl ausgedrückt in Zehntelprozenten) wäre demnach 48. Diese Zahl stimmt an- nähernd mit der von Benedikt und Bamberger^ für das reine »Lignin« hypothetisch angenommenen Zahl 52 '9 1 Hans Meyer, Analyse und Konstitutionsbestimmung organ. Verb. (J. Springer, Berlin 1903) p. 494. •2 M. 9, 544 (1898), ferner Po me ranz M. 12, 383 (1891). 3 Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., Wien 1891, 292. 20* 286 V. Gräfe, Überein, welche aus dem von Schulze für die Eiche gefundenen Ligningehalt und der von den genannten Forschern für Eichenholz bestimmten Aiethylzahl kombiniert worden war. Untersuchung des Harzes. Der Alkohol, welcher zum Extrahieren des Holzes in der Vorbehandlung verwendet worden war, zeigte, zumal nach dem ersten Auskochen, tiefgelbe Farbe, welche von dem gelösten Harz herrührt. Wurde der Alkohol abdestilliert, so hinterblieb die Harzmasse, welche auf dem Wasserbad ein- gedampft und schließlich über kleiner Flamme in der Porzellan- schale von den letzten Alkoholspuren befreit werden konnte. Wurde nun ein winziger Splitter der beim Erkalten spröden Masse in der Eprouvette mit wenig Alkohol gelöst und sodann mit dem Phloroglucinreagens behandelt, so trat die bekannte Färbung sehr intensiv ein. Daß diese Reaktion nicht nur auf Rechnung von durch Alkohol aus dem Holz extrahierbarer freien Holzsubstanz, sondern auf der Wirkung von im Harz selbst eingeschlossenen chromogenen Körpern zu setzen ist, zeigte ein Parallelversuch mit dem Überwallungsharz ver- schiedener Koniferen, welches stets die Reaktion ziemlich stark, wenn auch nicht so intensiv zeigt, wie das durch Alkohol ausgezogene Harz, Gereinigtes Kolophonium zeigt die Reaktion nicht. Die überraschend intensive Färbung mit Phloroglucin ließ die Gewinnung der Holzsubstanz aus dem Harz verlockend erscheinen, doch haben meine diesbezüglichen Versuche bisher noch zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die Trennung des Harzes von der chromogenen Substanz durch Darstellung der Harzseifen mittels Natronlauge und Fällung mit Chlorcalcium erwies sich als schwer durchführbar, da der Rückstand immer wieder die Phloroglucinreaktion gab, offenbar infolge Mitgehens des Vanillinnatronsalzes. Mit konzentrierter Salzsäure digeriert, wird das Harz zunächst gelb und dann grün wie Holz selbst. Die Salzsäure nimmt aus dem Harz einen Körper auf, der sich mit Äther extrahieren läßt und beim Abdunsten desselben als weiße Substanz zurückbleibt, welche die Phloroglucinreaktion mit vanillinähnlicher Nuance gibt, während die entsprechende Untersuchungen über die Holzsubstanz. 287 Färbung bei Harz violetter ausfällt. Ich behalte mir die Weiter- führung der einschlägigen Versuche vor. Wenn die Intensität der Phloroglucinfärbung einen Schluß gestattet, so ist nach dem Extrahieren des Harzes aus dem Holze mindestens die Hälfte der farbgebenden Holzsubstanz mitentfernt worden. Der Umstand, daß das Harz die Holz- substanz so zähe und in verhältnismäßig großer Quantität in sich schließt, liefert auch eine plausible Erklärung für das Phänomen, daß selbst in den winzigsten Holzsplittern, wo doch nur eine äußerst gelinge Spur Holzsubstanz vermutet werden kann, die Phloroglucuireaktion noch auftritt, so daß bekanntlich mit ihr Holzelemente im Papier nachgewiesen werden. Es ist eben das Harz, welches, ein förmliches Reservoir für die Holz- substanz, durch zähes Umhüllen der Holzfaser auch die Quantität der chromogenen Substanz relativ stark vermehrt. Tatsächlich kann man noch in mehrfach gewaschenem Holz das Vorhandensein von Harz durch die Storch-Morawski'sche Reaktion nachweisen. Im übrigen erwähnt schon v. Höhne 1 in seiner Arbeit über das Koniferin, daß die verholzten Zellrnem- branen ein außerordentliches Anziehungsvermögen zu gewissen in Lösung befindlichen Körpern besitzen und führt dieses Vermögen auf Flächenanziehung, wie bei der Holzkohle zurück. Das konstante Vorkommen fremder Körper in der verholzten Membran hat ja bekanntlich Wiesner^ zuerst durch ihr Verhalten gegen Kaliumpermanganat gezeigt. Wie zähe diese Substanzen an den Membranen haften, beweist auch die oben erwähnte Tatsache, daß noch im ausgewaschenen Zellstoff, also nach mannigfachen, sehr energischen Operationen, sich der Geruch nach Vanillin bemerkbar macht. Wahr- scheinlich stehen die in der Holzsubstanz gefundenen Körper auch in genetischem Zusammenhang mit dem Harz, indem von diesem vielleicht Atomgruppen zu deren Aufbau geliefert werden, oder indem jene in harzige Substanzen übergehen, Berichten doch z. B. Hlasiwetz und Barth- über die 1 Zerstörung der Hölzer und der Atmosphäre. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss.. Wien, 49. Bd., I., 1864, p. 61. 2 Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., Wien, Bd. 52, II., p. 483. 288 V. Gräfe. Synthese eines Harzes aus Benzaldehyd mittels Phosphorsäure, welches sich als identisch mit Benzoeharz erwies. Die Bischoff-Nastvogel'sche Formel für Sylvinsäure, aus der das Kolophonium im wesentlichen besteht, mit ihren Benzol- komplexen und doppelten Bindungen läßt diese Anschauung als durchaus möglich erscheinen. Ihre Verwandtschaft mit den aromatischen Verbindungen dokumentieren die Harze durch ihren Übergang in aromatische Kohlenwasserstoffe beim Destillieren mit Zinkstaub und durch die Bildung von Dioxy- und Trioxybenzolen durch Behandlung mit schmelzendem Kali. Über die Entstehung der die Holzsubstanz bildenden Körper läßt sich heute schwerlich etwas aussagen, doch spricht sehr vieles dafür, daß sie der Zellulose entstammen. Für das Methylfurfurol wenigstens kann das heute mit einiger Bestimmtheit ausgesprochen werden, nachdem es Fe n ton und Gostling' gelungen ist, dasselbe in einfacher Weise aus der Zellulose selbst darzustellen. Die genannten Autoren be- handelten Ketohexosen (Laevulose), Zellulose (Filtrierpapier) mit einer gesättigten ätherischen Lösung von Bromwasserstoff und erhielten so die Kristalle eines Körpers, welcher am- moniakalische Silberlösung sowie Fehling'sche Lösung redu- zierte, die sonstigen Aldehydreaktionen zeigte und sich in Kalilauge mit tieforangeroter Farbe löste, mit Anilinacetat zuerst gelblich, dann dunkelorange färbte und sich als ein in der Methylgruppe bromiertes Methylfurfurol erwies, so wie ich es als Bestandteil der Holzsubstanz nachgewiesen habe. Die Verfasser leiten es von der Laevulose, für welche sie die Tollens'sche Laktonformel annehmen, in folgender Weise ab: O H OHC — C — C H I I C — C — CH^OH — 3H,0 ) Ho 0 H OH OH H 1 0 • gibt: Laevulose 1 Journal of chemical Society 1899, 423; 1901, 811. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 289 H H HC— C - C- C=:C— CHg 11 \ / O \o/ Methylfurfurol Das Derivieren des Methylfurfurol aus der Zellulose hat man sich wohl nach Prof. A. Green (Leeds)^ etwa in folgender Weise vorzustellen. Die nachstehende Formel für Zellulose als inneres Anhydrid der Glukose ergibt sich aus den Beziehungen der Oxyzellulose zur Isozuckersäure. (Tollens-Faber). CHOH-CH-CH— OH CHOH— GH- CH (OH)^ I >0 >0 +H2O = I > CHOH— GH— CHg GHOH-GH— GHgOH. Zellulose Dieses geht durch Wasserabspaltung über in: GHOH-GH-GHO I >o GHOH— CH-GH2OH. Dieses durch Hydratation in: GH = C-GHOH I >o>o GH — G— GHg, woraus durch Reduktion: GH = G— GH (0H)2 I >o GH z= G— GH, ■j und nachfolgende Wasserabspaltung endlich GH - G-GHO ! >o GH =: G-GH3 Methylfurfurol entsteht. 1 Zeitschr. f. Färberei und Textilchemie III.. 6, 1904. 290 V. Gräfe, Da das Methylfurfurol einen wesentlichen Bestandteil der Holzsubstanz ausmacht, ist seine Herleitung und Entstehung aus der Zellulose von größter Wichtigkeit. Stärke und Dextrin geben kein oder nur sehr wenig Methylfurfurol nach den Unter- suchungen von Fenton und Gostling, dagegen Zellulose 337oj so daß wohl der Schluß gerechtfertigt ist, daß die letztere, nicht aber Stärke und Dextrin die Gruppen enthalten, welche wie bei der Laevulose die Bildung von Methylfurfurol er- möglichen. Die Ansicht, welche aus physiologischen Gründen bisher vielfach gegolten hat, daß Zellulose gleichsam als Analogon der Stärke angenommen werden kann, wird durch das Vorgesagte erschüttert. Es darf nicht übersehen werden, daß vielmehr die Ketosen es sind, die im Pflanzenleben als Bau- material für die Holzsubstanz eine hervorragende Rolle spielen. Ob das V^anillin, respektive das Glukosid, aus welchem es entstehen dürfte, das Koniferin, aus dem Zellstoff hervorgeht, ist noch fraghch. Wahrscheinlich sind dann auch noch andere Körper an seiner Bildung beteiligt. Daß eine Ringschließung im Sinne der aromatischen Verbindungen bei Zellulose möglich ist, zeigt die Entstehung von Brenzkatechin bei der trockenen Destillation derselben. Es wäre heute müßig diesbezügliche Formeln aufstellen zu wollen, doch sind nach dieser Richtung Untersuchungen im Gang. Die Darstellung des Methylfurfurol aus der Zellulose und die Wahrscheinlichkeit, daß auch die übrigen der Holzsubstanz angehörigen Körper der Zellulose ihre Entstehung verdanken, ist eine neue Stütze für die wertvollen Wiesner'schen Reaktionen auf Holzsubstanz als Nachweis der Verholzung, denn es ist dann evident, daß die Komponenten der Holzsubstanz sich nur dort bilden können, wo das Vorhandensein von Zellulose- membran die Vorbedingung für ihre Bildung bietet. Welche Rolle die Bestandteile der Holzsubstanz im Leben der Pflanze spielen, ob sie trotz ihrer geringen Menge von wesentlichem Einfluß auf die Festigkeit und Tragfähigkeit von Stamm und Ästen sind, oder ob sie, wie ja ihr chemischer Charakter nahelegt, eine desinfektorische Wirkung üben, bleibe hier unerörtert. Untersuchungen über die Holzsubstanz. 291 Die Mäule'sche Reaktion. Eine Reaktion auf Holzsubstanz hat Mäule^ angegeben. Dieser Autor behandelte Schnitte ungefähr 5 Minuten mit 1 prozentiger Kaliumpermanganatlösung und legte sie nach dem Abspülen in Wasser in verdünnte Salzsäure bis zum Ver- schwinden des gebildeten Braunsteins. Mit konzentriertem Ammoniak betupft (er hielt sie über eine offene Ammoniak- flasche, so daß sie von den Dämpfen getroffen wurden), zeigte die verholzte Membran intensiv rotbraune Färbung. Der Um- stand, daß mit Hydroxylamin nach Seiiwanow behandeltes Holz die Reaktion trotzdem gab, während bekanntlich in diesem Falle die Phloroglucin-Salzsäurereaktion nicht mehr eintritt, ließ Mäule vermuten, daß seine Reaktion sich nicht auf den durch Phloroglucin nachweisbaren Körper der Holzsubstanz beziehen könne. Er zeigte ferner, daß er durch längere Einwirkung von Permanganat diesen Körper und mit ihm die Phloroglucin- reaktion allmählich und schließlich vollständig zerstöre, während die Ammoniakreaktion umso intensiver wird. Es wurde später- hin konstatiert, daß nicht nur Permanganat, sondern auch Be- handlung mit Chromsäure, Kaliumchlorat und Salpetersäure die Reaktion einleiten könne, jedoch die Anschauung, daß es sich hier um ganz neue Körper der Holzsubstanz handle, die jedenfalls verschieden seien von den die Phloroglucinreaktion bedingenden, blieb erhalten. Mit der Mäule'schen und der Wiesner'schen Phloroglucin- reaktion stellte nun F. C. v. Faber- vergleichende Versuche an. Er fand, daß bei den Nadeln von Pinus Mughus Scop. sich mit dem Phloroglucinreagens der Holzteil, das Verbindungs- gewebe des doppelten Gefäßbündels, ferner die Verdickungs- schichten der Epidermiszellen auf der nach innen liegenden Seite und schließlich, wenn auch nur ganz schwach, die Meso- phyllwände und die in das Innere derselben einspringenden Zapfen rot färbten. Mit dem Mäule'schen Reagens trat die ent- 1 Das Verhalten verholzter Membranen gegen KMn04, eine Holzreaktion, Fünfstück's Beiträge zur wissenschaftl. Botanik, Bd. IV (1900), p. 166. - Zur Verholzungsfrage. Ber. d. Deutschen bot. Ges. XXII, 177 (1904). 292 V. Gräfe, Sprechende Färbung bei allen genannten Teilen ein bis auf die Mesophyllwände und Zapfen, die ungefärbt blieben. Ähnlich waren die Versuche bei Boehmeria platyphylla. Daß die Mäule- sche Reaktion dort auftritt, wo die Phloroglucinreaktion nega- tives Resultat gibt, scheint nicht sicher zu stehn. Faber kommt durch die beschriebenen Versuche zu dem Schluß, daß die Mäule'sche Reaktion zur Konstatierung von Verholzung ver- läßlicher sei als die Phloroglucinprobe, da erstere nie bei evidenter Verholzung versage, letztere aber auch dort noch auf- trete, wo aus anatomischen Gründen Verholzung nicht anzu- nehmen sei, wie bei den parenchymartigen Mesophyllwänden von PinusMughus, oder den Bastfasern von Boehmeria, Fälle, in denen dann die Mäule'sche Reaktion negativ ausfalle. Daß diese Schlüsse unberechtigt sind, liegt auf der Hand. \'or allem ist nicht einzusehen, warum die Substrate der beiden Reaktionen verschieden sein sollen. Das Permanganat oder andere Oxydanzien, mit denen die Mäule'sche Reaktion ausge- führt wird, gehören zu den stärkst oxydierenden Agenzien, die wir besitzen. Daß durch solche Mittel die Körper, welche nach meinen Untersuchungen die Holzsubstanz bilden, nicht ange- griffen werden sollten, kann nicht wohl angenommen werden. Mit Hydroxylamin getränktes Holz gibt die Phloroglucin- reaktion nicht mehr, da die wesentliche Aldehydgruppe in die Oximgruppe verwandelt ist. Durch die Wirkung von Oxy- dationsmitteln und Salzsäure wird sie jedenfalls gespalten, so daß die Ammoniakfärbung mit dem Umwandlungsprodukte ein- treten kann. Es ist das aber durchaus kein Beweis, daß wir es da mit einem andern Körper zu tun haben. Ebensowenig stichhältig ist der Beweis, daß die Mäule'sche Reaktion dann intensiv eintritt, wenn durch längere Einwirkung des Permanganats das Substrat der Phloroglucinprobe »zerstört« ist. Im Gegenteile, durch die längere Einwirkung desOxydans wird es allmählich und schließ- lich vollständig oxydiert und die Oxydationsprodukte liefern dann die Ammoniakprobe. Was die Empfindlichkeit der beiden Proben anlangt, möchte ich auf Grund des Vorgesagten im Gegenteil behaupten, daß die Wiesner'sche die bei weitem ge- nauere ist. Denn durch die Oxydation erfolgt eine teilweise Untersuchuniren über die Holzsubstanz. ZJö 'ö Zerspaltung des Moleküls und so Verminderung der tarb- gebenden Substanz. Ist die Holzsubstanz nun von vornherein nur in Spuren vorhanden, wie aus der schwachen Phloroglucin- färbung des Mesophylls bei den Nadeln von Pinus Mughus ge- schlossen werden darf, so bleibt offenbar nach der Einwirkung des Permanganats zu wenig Substanz für den Eintritt der Ammoniakfärbung zurück. Meine diesbezüglichen Versuche haben noch kein ab- schließendes Resultat gezeitigt, doch konnte ich folgendes kon- statieren : Wenn man Vanillin mit einem geringen Überschusse einer einprozentigen Kaliumpermanganatlösung behandelt, hierauf Salzsäure bis zur Beendigung der Chlorentwicklung, respek- tive eintretenden Entfärbung oder schwach Gelbfärbung zusetzt und dann sehr vorsichtig unter fortwährender Kühlung und Zuhilfenahme eines roten Lackmuspapieres Ammoniak hinzu- fügt, bis die Lösung gerade anfängt alkalische Reaktion zu zeigen, so beobachtet man in diesem Moment einen plötzlichen Umschlag der fast farblosen Flüssigkeit nach Purpurrot. Diese Färbung bleibt, wenn ein geringer Ammoniaküberschuß ange- wendet wurde, unbegrenzt lange erhalten. Der Versuch in derselben Anordnung mit Methylfurfurol angestellt, gibt einen ganz ähnlichen Effekt, nur muß die ent- stehende F'ärbung mehr braunrot genannt werden In beiden Phallen bildet sich ein Niederschlag von Manganoxydhydrat, der abfiltriert werden muß. Koniferin liefert mit Kaliumpermanganat, ganz nach Vor- schrift Tiemanns^ für die Darstellung von Vanillinsäure be- handelt, sofort einen voluminösen Niederschlag von Braun- stein. Auf Zugabe von Salzsäure treten dieselben Erscheinungen *& auf wie in den vorgenannten Fällen, beim Kochen wird die Lösung hellgelb und nimmt mit Ammoniak eine purpurrote Farbe an. Brenzkatechin wird durch einprozentiges Permanganat kaum verändert und gibt mit Ammoniak auch keine Färbung. 1 Ber. d. Deutschen ehem. Ges. Bd. VII I, 512. 294 V. Gräfe, Die nach meinem Verfahren aus Holz gewonnene »Holz- substanz« gibt, analog behandelt, mit Ammoniak ganz ähnliche Reaktion wie Vanillin und Koniferin. Es muß erwähnt werden, daß die Farben im Kolben aller- dings oft anders nuanciert sind, als sie sich auf den Schnitten präsentieren, doch kann ich diesbezüglich nur auf meine früheren Bemerkungen über die Unzuverlässigkeit von Identifizierungen mittels Farbenreaktionen verweisen. Es ist auch nicht ausge- schlossen, daß wenigstens bei der Ausführung der Versuche mit Permanganat das durch Ammoniak gefällte Manganoxydhydrat die Farbe der Schnitte nach Braun hinüberzuspielen vermag. Die angegebenen Vorversuche sollen hier überhaupt nur einfach registriert werden; Schlußfolgerungen können erst nach Durchführung eingehenderer Versuche gemacht werden. Die Resultate der vorliegenden Arbeit sind, in Kürze zu- sammengefaßt, folgende: 1. Die von Wiesner entdeckten Reaktionen auf Holz- substanz, nämlich die Gelbfärbung mit Anilinsalzen und Rot- färbung mit Phloroglucin-Salzsäure, sowie die Färbungen mittels andrer Phenole sind Färbungen, welche die genannten Körper durch Zusammentreten mit den Bestandteilen der Holz- substanz bilden, wobei die Salzsäure vermittelnd wirkt. 2. Die Holzsubstanz ist nach meinen Untersuchungen kein chemisches Individuum, sondern besteht vornehmlich aus Vanillin, Methylfurfurol und Brenzkatechin, ferner Koniferin, welche zum Teil mit der Zellulose der Membran in ätherartiger Bindung stehn, zum Teil im Harz aufgenommen sind und zum geringsten Teile frei sich in der Membran finden. 3. Die ätherartige Bindung ist durch Hydrolyse mittels ver- dünnter Säuren oder Alkalien zu lösen. Da aber durch dieses Ver- fahren Furfurol aus den Pentosen des Holzes gebildet und durch die harzartigen Verbindungen dieses Produktes die Holz- substanz derart eingehüllt wird, daß eine Reinigung unmöglich erscheint, mußte ein Verfahren verwendet werden, welches diese Übelstände größtenteils vermeidet. Dieses wurde in der Anwendung von Wasser bei 180° im geschlossenen, luft- Untersuchungen über die Holzsubstanz. 295 leeren Raum oder in der Behandlung des Holzes mit dem elektrischen Strom in der Wärme gefunden. 4. Das Auftreten kleiner Mengen von Koniferin, welche nach Tiem ann und Haarmann, ferner v. Höhnel im Holz vor- kommen und die Ursache der blauen Färbung mit Phenol- Salzsäure-chlorsaurem Kali bilden, konnte mit großer Wahr- scheinlichkeit bestätigt werden. 5. Das Vanillin konnte auch in der Sulfitablauge der Zellulosefabrikation nachgewiesen werden. 6. Die Grünfärbung des Holzes mit konzentrierter Salz- säure (oder besser Bromwasserstoffsäure) ist höchstwahr- scheinlich dem Methylfurfurol in Verbindung mit dem Koniferin zuzuschreiben. 7. Die Intensität der Färbungen mit den Holzreagenzien, auch wenn nur die geringsten Spuren von Holzsubstanz vor- handen sind, erklärt sich einerseits aus der Emfindlichkeit der Phenolfarbstoffe überhaupt, andrerseits aus der außerordentlich feinen Verteilung dieser Substanzen durch das Harz, schließlich aus der Fähigkeit der Zellulose, eingedrungene Substanzen mit äußerster Zähigkeit festzuhalten. 8. Die mitilere Methylzahl der Holzsubstanz ist 48. 9. Die Möglichkeit einfacher Darstellung von Methyl- furfurol und Brenzkatechin aus der Zellulose sowie der Umstand, daß nichts gegen die gleiche Provenienz auch des Vanillin in der verholzten Membran spricht, machen die Ent- stehung der Holzsubstanzen aus der Zellulose sehr wahr- scheinlich. Die Wiesner'schen Reaktionen sind somit untrügliche Kennzeichen für Verholzung. 10. Der Begriff »Hadromal« als Bezeichnung des chromo- genen Körpers der Holzsubstanz ist als Individualbegriff zu streichen und wäre höchstens als Kollektivname für die von mir konstatierten Bestandteile der Holzsubstanz: Vanillin, Methyl- furfurol, Brenzkatechin aufzufassen. 11. Die sogenannte Mäule'sche Reaktion auf Holzsubstanz bezieht sich, soweit die Untersuchung bis heute geführt wurde, auf dieselben Körper, die auch mit den Wiesner'schen Reagenzien in Aktion treten. >96 Der Sandstein der Salesiushöhe bei Ossegg (Bölimen) von Hans Höfer. (Mit 1 Textfigur und 1 Kartenskizze.) (Vorgelegt in der Sitzung am 23. Juni 1904.) Dr. Friedrich K atz er schreibt in seiner vortrefflichen Geologie von Böhmen auf den Seiten 1361 und 1362 gelegent- lich der Besprechung des Oligozäns der Saaz-Dux-Leitmeritzer Braunkohlenablagerung: »Das Liegendste der Ablagerung bilden Sandsteine. — Erwiesenermaßen oligozän sind nur die Sandsteine am Nordrande der Erstreckung bei Ober-Leutens- dorf, Salesiushöhe bei Ossegg, Komotau, Tschernowitz und am kleinen Purberg. — Auch in diesen kommen quarzreiche Partien vor, wie z. B. bei Ossegg, welche hier Versteinerungen von Süß Wassermuscheln führen.« Damit steht Dr. Katzer in vollster Übereinstimmung mit allen jenen Geologen, welche vor ihm über den Sandstein der Salesiushöhe und über dessen Alter schrieben. Auch die jüngste Veröffentlichung, welche dieses Gebiet behandelt, nämlich jene von J. E. Hibsch,^ stellt den Sand- stein der Salesiushöhe- bei Ossegg (p. 22) in die untere Abteilung des Oligozäns und bemerkt, daß sich in diesem Sandstein auch Steinkerne einer nicht näher bestimmbaren Änodonta finden. 1 Geologischer Aufbau des Böhmischen Mittelgebirges. Nr. II des Führers für den IX. internationalen Geologenkongreß 1903. 2 Im Original heißt es »Aloisiushöhe« ; auf eine private Anfrage berichtigte Herr Prof. Hibsch diesen Druckfehler. Sandstein der Salesiushöhe. 297 Im Sommer 1903 veranlaßte mich eine größere montan- geologische Frage, die Umgebung Osseggs eingehender zu studieren, zu welchem Zweck ich auch alle Bohrergebnisse dieser Gegend sammelte und verarbeitete. Ich war nicht wenig überrascht, als ich fand, daß der Sandstein der Salesiushöhe hoch über dem Kohlenflöze liegt, welches die Ossegg-Brüxer Mulde führt und das als untermiozän angesehen wird. Diese Tatsache veranlaßte mich zur genaueren Untersuchung dieser Lagerungsverhältnisse. Die Salesiushöhe (424 m Seehöhe) liegt 1600 m WSW vom Stift Ossegg. Sie besteht aus einer hochaufgetürmten Felsgruppe, welche an ihrer Spitze ein Aussichtsplateau trägt; rings herum ist das Gebiet bewaldet, doch geben einige aus- gedehnte Steinbrüche nördlich und südöstlich von der Höhe und in dessen Nähe gute Aufschlüsse. Ein dritter größerer Steinbruch liegt näher der Stadt Ossegg, etwa 300 m westlich von der Südspitze des Neuteiches. Das hier (I der Karte) aufgeschlossene Profil ist folgendes: Unter einer schwachen Humusdecke liegt der Salesius- s and stein; er ist weiß mit einem starken Stich ins Licht- braune, in einer Bank jedoch auch dunkelrotbraun, besteht vor- wiegend aus 2 bis 3 mm großen Quarzkörnern, mit einzelnen erbsen- bis bohnengroßen bläulichweißen QuarzgeröUen und kleinen, lichtbraunen Feldspatfragmenten; das alles ist durch ein kieseliges Füllmittel innig verbunden, so daß auch die Quarz- körner häufig nicht scharf abgegrenzt erscheinen; dadurch bekommt der Sandstein stellenweise das Aussehen eines Ouar- zites. Infolge dieses kieseligen Bindemittels ist das Gestein sehr bis höchst fest. Es ist gebankt und verflächt mit 5 bis 10° nach SE. Im nördlichen Teile des Bruches ist der Sandstein auf etwa 8 m Höhe aufgeschlossen, während er im südlichen deut- lich auskeilt. Eine der hängendsten Bänke, etwa 1 m stark, führt sehr reichlich Steinkerne einer Nayadidae; ein gut erhaltenes Exemplar mit Schloßzahn konnte sicher als Unio bestimmt werden. In der rotbraunen Bank fand ich neben den stark eisenschüssigen Unio-KevnQn auch das Bruchstück eines Blattabdruckes; da Spitze und Grund sowie die feine Nervatur 298 H. Höfer, 5 I 1 ^ ^Ucijry^ ~D]iit>xä.t\ Jtiua. XiiftocftCicdi I«" © © O ? Sandstein der Salesiushöhe. 299 nicht erhalten sind, so ist die nähere Bestimmung dieses lanzettförmigen Blattes mit starkem Hauptnerv nicht möglich. Es fehlt also jedes paläontologische Mittel zur Bestimmung des Alters des Salesiussandsteines; dies kann nur an der Hand der Lagerungsverhältnisse geschehen. Unter dem Sandstein ist in dem beschriebenen Steinbruch ein meist feiner, gelber Sand aufgeschlossen, welcher ursprüng- lich den Anlaß zum Graben gab, und erst, als die Sandstein- decke infolge ihrer zunehmenden Mächtigkeit die weitere Ent- wicklung der Sandgrube hinderte, ging diese in den Steinbruch über. In dem Sande finden sich auch flache Konkretionen von Brauneisenerz, deren Durchmesser meist unter 5 ctn bleibt. Während meiner Anwesenheit sah ich den Sand nur in seinem obersten Teil entblößt, da der untere Teil mit herab- gestürzten Steinblöcken bedeckt war; die Brucharbeiter ver- sicherten mich, daß der Sand auch unter den Blöcken anstehe. Dies bestätigt auch ein Lichtbild, welches der Bergingenieur Herr V. Fürnkranz im Frühjahre 1904 aufzunehmen die Güte hatte, wofür ich ihm auch an dieser Stelle danke. Es zeigt auch deutlich das Auskeilen der flachliegenden Sandsteindecke gegen Süd. Der Sandstein in den Brüchen in der Nähe der Salesius- höhe (II und III der Karte) zeigt denselben petrographischen Charakter wie jener in dem vorher beschriebenen Aufschluß. Er unterscheidet sich jedoch dadurch, daß keine deutliche Schich- tung zu erkennen ist, er erscheint vollends massig und ist von saigerstehenden Laßen unregelmäßig durchzogen. In dem Bruche knapp nördlich von der Spitze der Salesiushöhe ist er auf etwa 10 m Höhe aufgeschlossen, ohne daß das Liegende erreicht ist. Dieses Sandsteinvorkommen bildet in der Karte annähernd ein Rechteck von etwa 850 w Länge in nordöstlicher Richtung und von ungefähr 400 in Breite. Große Blöcke dieses quarziti- schen festen Sandsteines findet man bis 700 m von der Süd- grenze der festen Masse weithin verstreut; auch nach NE ver- lieren sich einzelne derartige Blöcke bis nach Neu-Ossegg; ihre Kanten sind scharf oder nur wenig abgerundet. 80 m südwestlich von der Spitze der Salesiushöhe setzte die Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft knapp an der Sandstein- Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 21 300 H. Höfer, grenze ihr Bohrloch Nr. 7 in 390 -Om Seehöhe an; es erreichte in llO'lOm Tiefe das 4- 36 m starke Kohlenflöz, das auf grauen Letten lagert. Die Hangendschichten bestehen vorwiegend aus grauen und braunen Letten mit Einlagerungen von Sand (in 10-0 m Teufe l-30w, in 106-7 m nur 1 m stark) und zwei Sandsteinbänken (in 90*05 m — • 0-30 w, in 107 -7 in — {-Qm mächtig). Dieses Bohrloch hat also den höchstfesten Salesiussand- stein unterteuft und Schichten durchsunken, welche zweifels- ohne dem Miozän angehören. Die genannte Gesellschaft setzte auch 360 m südwestlich von der Salesiushöhe ein Bohrloch Nr. 9 in 380*0 ;;? See- höhe an, welches folgende Schichten durchteufte: Gebirgsart Stärke der Schichten m cm Gesamtteufe w cm Gelber Letten Grauer Letten Grauer Lettenstein i Grauer Letten Grauer Lettenstein . Cirauer Letten Grauer Lettenstein . Dunkelgrauer Letten Grauer Lettenstein . Dunkelgrauer Letten Grauer Lettenstein . Dunkelgrauer Letten Grauer Lettenstein . Dunkelgrauer Letten Grauer Lettenstein . 8 00 8 40 30 48 0 30 48 8 50 57 0 20 57 23 50 80 0 20 81 19 50 100 0 08 100 1 30 101 0 15 102 9 80 111 0 20 112 8 40 120 0 15 120 00 30 60 10 20 80 00 50 58 88 03 83 03 43 58 1 Lettenstein heißt der Bohrunternehmer Herr Thiele alle festere Ein- lagerungen im Letten; die mir vorliegenden Proben sind sehr feinkörnige, etwas mergelige Sandsteine, die hie und da auch Muskovitschüppchen führen. Sandstein der Salesiushöhe. 301 Gebirgsart Stärke der Schichten in cm Gesamtteufe m cm Schwarzbrauner Letten Grauer, sandiger Letten mit Rußflammen . . . Scliwarzer Letten mit Glimmer Letten mit Sand, Schwefelkies und Rußkohle Kohle fest und rein Kohlenschiefer mit Schwefelkies Ivohle rein und fest Brauner Letten mit Kohle Feste Glanzkohle Grauer Letten Grauer Ouarzsand o 0 1 0 l 0 4 0 2 0 1 30 20 00 16 35 20 30 30 52 80 92 125 126 127 127 128 128 133 133 135 136 138 88 08 08 24 59 79 09 39 91 71 63 Die beiden Bohrlöcher Nr. 7 und 9 lassen auch die Auf- fassung zu, daß trotz der unbezweifelten Höherlage des Sale- siussandsteines dieser das Liegende der Tertiärformation bilden konnte, daß er westlich gegen die beiden Bohrungen zu durch einen Verwurf abgeschnitten sei und die beiden Bohrlöcher im abgesunkenen Hangend geteuft wurden. Diese Deutung ist jedoch aus zwei Gründen absolut unzulässig, und zwar: 1. Die Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft teufte auch nördlich von der Salesiushöhe ein Bohrloch ab, welches eben- falls nur Miozänschichten durchsank; das Profil dieser Bohrung Nr. 4, in 406' Ow Seehöhe angesetzt,- ist das nachstehende: Gebirgsart Stärke der Schichten VI cm Gesamtteufe m cm Gelblichgrauer, erdiger Kies Eisenschüssiges, lehmiges GeröUe Grünlicher, fester Kiessand 0 3 0 95 45 85 0 4 5 95 40 0=, 21* 302 H. Höfer, Gebirgsart Stärke der Schichten m cm Gesamtteufc m cm Schwarzgrüner Letten mit Glimmer Gelbgrüner Letten mit viel Glimmer Grünlichgrauer Letten Grauer Letten mit Glimmer Gelbgrau gestreifter Letten mit Glimmer. . . . Dunkelgrauer und sandiger Letten mit Quarz- sand Gelbgrauer Letten mit röschem Quarzsand . Blaugestreifter Letten Gelbgrünlich gestreifter Letten Gelber Sand, etwas lettig Weißgrauer röscher Sand voll Glimmer- schuppen Grauer Letten mit gelbem Quarzsand Reiner, gelber Sand Grauer Letten Gelber Quarzsand Grauer Letten Grauer, feiner Sand mit Glimmer Dunkelgrauer, fester Letten Sandiger Lettenstein Grauer Letten mit Glimmer Grauer, feiner Sand mit viel Glimmer Grauer Letten Grauer Letten mit Kohlenspuren und Glimmer Lettenstein Grauer Letten mit Glimmer Feinkörniger, fester, grauer Sandstein Lettenstein Grauer Letten mit Glimmer Grauer, feinsandiger Letten mit Kohlenruß . . Fester, schwarzgrauer Sandstein Sehr fester, schmutziggelber Sandstein 0 4 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 2 4 0 12 0 3 2 4 0 0 3 8 0 2 0 4 12 65 30 25 30 50 35 30 40 55 40 30 30 20 70 40 75 95 55 30 85 95 20 35 15 30 20 10 00 65 15 55 0 10 10 10 11 11 11 12 13 14 14 15 16 16 19 23 24 37 37 41 44 48 49 49 52 60 60 62 63 67 SO 90 20 45 •75 25 60 90 30 85 00 85 05 75 55 90 85 40 70 55 50 70 05 20 50 70 80 80 45 60- 15 Sandstein der Salesiushöhe. 303 Gebirgsart Stärke der Schichten in cm Gesamtteufe in cm Dunkelgrauer Letten mit Kohle Unreine, weiche Kohle (Kohlenschiefer) . . . Schwarzbrauner, sandiger Letten Reine, feste Glanzkohle Grauer Letten mit Glimmer Reine, feste Glanzkohle Brauner, sandiger Letten mit Kohle (0'7 in) Schwarzer Letten mit Kohle Grauer Letten mit Glimmer Weißer, blähender Ton mit Glimmer 0 -to 1 95 0 50 0 65 1 15 1 15 0 85 0 90 1 45 1 10 80 82 83 83 84 85 86 87 89 90 00 50 00 65 80 95 80 70 15 !2. Der Liegendsandstein, der hier unmittelbar auf Gneis liegt und der vermöge dieser seiner Lagerung oligozän sein dürfte, hat petrographisch mit dem Salesiussandsteine fast gar keine Ähnlichkeit; jener ist von geringer Festigkeit, hat ein toniges Bindemittel, verwittert leicht, ist dunkler braun gefärbt und ist wenigstens stellenweise geschichtet. Es kann somit der höchst feste, wetterbeständige, quarzitische, vorwiegend massige und weiße Salesiussandstein mit dem 150;» nördlich anstehenden Liegendsandstein unniöglich identifiziert werden. Zwischen beiden liegt das mittels der Bohrung Nr. 4 durch- sunkene Miozän, wie dies im Profil (Seite 298) sichtbar ist. Dieses Profil wurde auf Grund der Katastralkarte und der genauen Höhenangaben, die ich nebst andern Daten der Güte des Herrn Berginspektors Rudolf Pokorny in Ossegg ver- danke, entworfen. Das Profil wurde von SE nach NW quer- weise zum Streichen gelegt, so daß die drei Bohrungen auf diese Vertikalebene projiziert werden durften. Die Kombination ergibt ein übereinstimmendes Verflachen der Flözsohle mit 9° südostwärts. Das Kohlenflöz zerschlägt sich gegen das Ausgehende hin in drei Bänke (Bohrloch Nr. 4) mit 2'öOin Kohle und zwei 304 H. Höfer, Bergmitteln von 1-30 ;// Gesamtstärke; gegen die Tiefe hin nimmt die Kohlenmächtigkeit allmählich zu, ist in der Bohrung Nr. 7 4- 4:6 m, in Nr. 9 schon Q-S2m und im Alexander- Luftschacht S'lm. Dies stimmt auch mit dem direkten Flöz- aufschlusse, der weiter östlich bei Ossegg gemacht wurde, überein. Während die Ergebnisse dieser drei Bohrungen auf eine relativ ruhige Flözablagerung verweisen, so ist dies im übrigen Teile des Profils nicht der Fall. Zeichnet man das Hangend des Liegendsandsteines ent- sprechend der Karte in das Profil ein, so muß das Kohlenflöz nördlich von der Bohrung Nr. 4 rasch aufsteigen oder ander- weitig gestört sein. Das Flözverflächen wurde im Alexander - Luftschachte (316-27 w Seehöhe) durch ein über 160 w langes Gesenke mit 7°, tiefer mät 1 ° 3' festgestellt. Zeichnet man dies in das Profil ein, so findet man in der Nähe der Bohrung Nr. 9 keinen Anschluß. Es liegt also südlich von der Salesiushöhe ein Ver- wurf, der höchst wahrscheinlich ein Sprung ist, dessen Saiger- höhe zirka 300 m betragen würde, wenn sich der Flözflügel des Alexanderschachtes nicht gegen das Ansteigen hin steiler stellen dürfte, wofür ja mehrere Wahrscheinlichkeitsgründe sprechen, in erster Linie der, daß im Alexanderschacht das Flöz in der Tiefe flacher (1 ° 3') liegt als im oberen Teile gegen die Grundstrecke zu (7°). Man kann also voraussetzen, daß die Sprunghöhe kleiner als 300 in sein wird. Mit welchem bisher in den nachbarlichen Bergbauen auf- geschlossenen Verwurf jener der Salesiushöhe zu identifizieren ist, läßt sich heute noch nicht sicher sagen, da sein Streichen unbekannt ist. Ich vermutete, daß er in das nachbarliche, west- lich vorliegende Marienfeld der Duxer Kohlenwerksgesellschaft fortsetzen könne, da in der sogenannten Revierkarte ^ an einer Stelle längs einer geraden Linie alle Flöz-Höhenschichtenlinien von -+-320 bis +260 m Seehöhe plötzlich aufhören. Auf meine 1 Geologische und Grubenrevierkarte des nordwestböhmischen Braun- kohlenbeckens, herausgegeben von dem vereinigten Brüx-Dux-Oberleutens- dorfer Bergrevier 1898. Sandstein der Salesiushöhe. 305 Anfrage erhielt ich auch den Bescheid, daß hier in der Tat das Flöz von einem mit 30 bis 35° generell östlich einfallenden Verwerfer abgeschnitten wurde, dessen Sprunghöhe mit 80 bis 100 ni geschätzt wird. Seine Verlängerung gegen Ost fällt etwas südlich von der Salesiushöhe, so daß es im hohen Grade wahrscheinlich ist, daß dieser Marienschachter Verwurf mit dem in meinem Profil eingezeichneten übereinstimmt. Im östlichen Teile des Mariagrubenfeldes sind noch mehrere kleinere Verwürfe bekannt. Es ist deshalb auch möglich, daß zwischen dem Alexander-Luftschacht und der Salesiushöhe eine Reihe von Sprüngen durchzieht, welche in ihrer Summe eine große Sprunghöhe ergeben würden. In der schon einmal erwähnten Revierkarte ist ein Ver- wurf zwischen den beiden Schächten Fortschritt I und II ein- gezeichnet, welcher generell nach W südlich vom Nelson- schachte III streicht. Er wird der Inundationsverwurf genannt, weil er während der Dux-Teplitzer Katastrophe die inundierten Schächte von den übrigen abgrenzte. Verlängert man in dieser Karte das mittlere Streichen des Inundationsverwurfes nach W, so zieht sich diese Linie süd- lich von der Salesiushöhe und der Bohrung Nr. 9 vorbei und fällt genau mit dem großen Mariaschachter Verwürfe zusammen; doch stimmen die Verflächungsrichtungen da und dort nicht überein. Daß Verwürfe in ihrer streichenden Fortsetzung wider- sinnisches Verflachen annehmen, also einer windschiefen Fläche entsprechen, ist eine oft erwiesene Tatsache. Ich verdanke Herrn Berginspektor R. Pokorny eine Karte, in welcher der Inundationsverwurf auf Grund neuerer Auf- schlüsse noch weiter nach West eingezeichnet ist als in der erwähnten Revierkarte. Diese Fortsetzung streicht jedoch nörd- lich von der Salesiushöhe durch. Ich vermute, daß der Inunda- tionsverwurf sich in seinem westlichen Teile gabelt. In dem Profil sollte im Alexander-Luftschachte derSalesius- sandstein, entsprechend seiner Entfernung vom Kohlenflöze, durchsetzen, was jedoch nicht der Fall ist. Es keilt also dieser Sandstein gegen Süd aus, was ja schon in dem früher beschrie- benen Steinbruche I beobachtet wurde, dort jedoch möglicher- weise auch als Denudationserscheinung erklärt werden konnte. 306 H. Höfer, Sandstein der Salesiushohe. Im Alexander-Luftschachte würde die ungestörte Fort- setzung des Salesiussandsteines mitten in dem Hangendletten eintreffen. G. Laube legt in dieses Niveau die Grenze zwi- schen der Mainzer und der helvetischen Stufe. Dieses Zwischenalter wäre deshalb auch dem Salesiussandsteine zu- zusprechen. Es scheint mir notwendig, daß nun auch das geologische Alter anderer Sandsteine dieses Gebietes, welches bisher durch- wegs als oligozän angegeben wurde, revidiert werde; so erwähnt J. E. Hibsch unmittelbar nach der Beschreibung des Salesius- sandsteines: »Die gleichen Steinkerne (nämlich jene der Ano- donten, richtiger Unionen) fand A. E. Reuß (1840) in den Sand- steinen des Proseiner Tales.« Diese Revision hat nicht bloß wissenschaftliche, sondern auch praktische Bedeutung, da unter dem oligozänen Sandsteine kein Kohlenflöz zu erwarten ist, während unter dem miozänen Sandsteine das Hauptflöz liegt. H. Höfer: Der Sandstein der Salesiushöhe bei Ossegg (ßölimen). Sitzungsberichte der kais. Aliad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII, Abt. I, 1904. tl. K. Hor- UNO GTAI^TSORUONIMII Q 07 Die südafrikanischen Testudo-Arten der Geometriea-Gruppe s. 1. von Kustos Friedrich Siebenrock. (Mit 5 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 23. Juni 1904.) Einige Schwierigkeiten bei der Bestimmung bereiten die südafrikanischen Testttdo- Arten aus der Geoitielrica-Gruppe s. 1. mit Ausnahme von T. geometrica Linne und T. octilifera Kühl, welch letzteren durch ihre habituellen Merkmale und durch die charakteristische Färbung sowohl unter sich als auch von allen andern leicht unterschieden werden können. Von den übrigen Arten aber, die teilweise sehr selten und daher nur in gezählten Exemplaren bekannt sind, gelangen meistens bloß die Schalen in die Museen und überdies sehr häufig noch mit verstümmeltem Plastron, weil sie bei den Eingebornen als Buchutäschchen, d. h. Riechpulverbehälter, in Verwendung stehen. So besitzt das Senckenberg-Museum in Frankfurt a. M. zehn Schalen, welche zu vier Arten gehören, aber kein einziges ganzes Exem- plar. Über sie hat schon Boettger (Ber. Senck. Ges. 1889) seinerzeit berichtet, allein einige dieser Bestimmungen scheinen mir nicht ganz richtig zu sein, wie ich mich zu überzeugen Gelegenheit hatte und in der Folge nachzuweisen versuche. Boettger hatte eben damals nicht alle bisher bekannten Arten zum Vergleiche vorliegen, was die Bestimmung bei der großen Variabilität einzelner Arten bedeutend erschwert trotz der aus- gezeichneten Abbildungen von Bou lenger (Fror. Zool. Soc. 1886 und Cat. Chelon. 1889), Bell (xMon. Test. 1835) und Smith (111. Zool. S. Afr., Rept. 1839). Für diese Zwecke werden 308 F. S i e b e n r o c k , eben die typischen Exe'mplare verwendet, während die nach- zubestimmenden Tiere infolge individueller Variationen oft ganz anders aussehen als jene. Dank des freundlichen Entgegenkommens von Seite der Museen in Frankfurt a. M., Berlin und München gelang es mir, fast alle südafrikanischen Testudo- Arten der Geometrica-Gruppe, die dem hiesigen Museum noch größtenteils fehlen, mit in den Kreis meiner Betrachtungen zu ziehen. Bloß T. strmichi Lidth (Not. Leyden Mus. XV, 1893) und T. seimundi Blgr. (Ann. Nat. Hist. (7), XII, 1903), von denen nur die Typen bekannt sind, konnten wegen Mangel an Autopsie nicht eingehender berück- sichtigt werden. Boulenger c. 1. hält letztere Art als zunächst verwandt mit T. tentoria Bell. Nach den beigegebenen Abbildungen zu schließen, dürfte sie aber der T. verreaiixii Smith viel näher stehen als der vorgenannten Art. Für T. tentoria Bell sind eben die stark tuberkelartig erhöhten \''ertebralia, auch schon bei ganz jungen Tieren, und die auffallend kleinen Areolen sehr charakteristisch. Schließlich spreche ich den Herren Kustos F. Römer, Prof. G. Tornier und L. Müller von den genannten Museen für die leihweise Überlassung ihres wertvollen Materials zu dieser Arbeit meinen verbindlichsten Dank aus. Boulenger i^Cat. p. 152) teilt die südafrikanischen Testudo- Arien der Geometrica-Gruppe nach dem Verhalten der Schenkel- tuberkel in zwei Gruppen. Da aber gewöhnlich nur die Schalen, wie schon hervorgehoben wurde, in unsere Hände gelangen, kann dieses Merkmal bloß in den seltensten Fällen angewendet werden. Um diese Arten in zwei Gruppen zu teilen, bietet die Schale selbst ein sehr sicheres Unterscheidungsmerkmal dar. Denn bei allen Arten ist das Axillare entvv'eder einfach oder es zerfällt in zwei Schildchen. Zur ersteren Gruppe gehören T.geo- metrica Linne und T. octüifera Kühl, zur letzteren die übrigen Arten. Auch die andern Merkmale, welche Boulenger c. 1. in seiner Synopsis anführt, scheiden nach meinem Dafürhalten Süjjafrikanische Testtido-Avtcn. 309 wenigstens teilweise nicht präzis genug die einzelnen Arten. Der Marginocostalwinkel ist hei mehr Arten anwesend, als B Olli enger angibt und bei den verschiedenen Exemplaren derselben Art sehr ungleich entwickelt; ja er kann bei dem einen Individuum sogar fehlen, während er bei einem andern stark hervortritt. Ebenso verhält es sich mit der gularen Mittel- naht, die innerhalb derselben Art bald länger, bald kürzer als die anale ist. Muß daher bei der Bestimmung hauptsächlich auf die Schale Rücksicht genommen werden, so ist man allerdings fast ausschließlich auf die Färbung derselben angewiesen. Sie tritt jedoch bei einer jeden Art mit einer solchen Gesetzmäßig- keit auf, daß sie als Unterscheidungsmerkmal ihren Zweck vollkommen erfüllt. Somit würde die Synopsis dieser Testitdo- Arien folgender- maßen lauten: Nuchalschild anwesend. I. Axillaria einfach. 1. Nuchale sehr schmal, verlängert; Rückenschale nicht oder nur sehr schwach gesägt geometrica. 2. Nuchale groß, hinten breit; Rückenschale sehr stark gesägt oculifera. II. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. a) Diskoidalschilder flach oder nur w^enig tuberkelartig er- haben; Areolen mit schwarzen Flecken. 3. Erstes Costale nicht größer als das vierte; nur gelbe Radien auf der Rückenschale anwesend boettgeri. 4. Erstes Costale größer als das vierte; gelbe und rote Radien auf der Rückenschale anwesend verreauxii. 5. Erstes Costale größer als das vierte; nur gelbe Radien auf der Rückenschale anwesend smithii. h) Diskoidalschilder stark tuberkelartig erhaben; Areolen ohne schwarze Flecken. 6. Wenige und schmale gelbe Radien auf der Rückenschale; ein gelber Fleck auf der Naht zweier Costalia trimeni. 310 F. Sieben rock, . 7. Viele und breite gelbe Radien auf der Rückenschale: kein gelber Fleck auf der Naht zweier Costalia tentoria. 8. Wenige und breite gelbe Radien auf der Rückenschale; Ocellen zwischen den Costalia fiskii. Da die beiden Arten der ersten Gruppe ohnedies nicht unschwer zu erkennen und nicht allzu selten sind, beschränke ich mich im folgenden auf die Arten der zweiten Gruppe. Testudo boettgeri Siebenr. Tcsludo sinithü, part. BoeUger, Bar. Senck. Ges. 1889, p. 285. Tesludo smilhü, var. Boettg'cr, Kat. Rept. Senck. Ges. 1, 1893, p. 10. Tcsludo boettgeri. Siebenrock, .Anz. Ak. Wiss. Wien, 1904, Nr. XVI. Länge des Rückenschildes 122 min, dessen Breite 94 mm, Höhe der Schale ß4mm. Rückenschale oval, vorn unbedeutend schmäler als hinten; Vorderrand mitten nur wenig ausgeschnitten, seitlich nicht gesägt; Vertebralgegend flach, Diskoidalschilder ohne tuberkel- artige Erhebungen; zwischen den Costalia und Marginalia keine Furche wahrnehmbar, die beiden Schilderreihen stoßen viel- mehr ganz flach aneinander. Nuchale sehr klein, unbedeutend länger als breit; Vertebralia breiter als lang, das dritte nahezu doppelt so breit als lang; erstes und zweites Vertebrale ebenso breit, drittes und viertes breiter als die entsprechenden Costalia. Auffallend ist der geringe Größenunterschied zwischen den Costalia. Dies äußert sich insbesondere beim ersten und vierten Costale, welche in der Ausdehnung kaum merklich verschieden sind, während sonst das erste Costale das letzte an Größe gewöhnlich erheblich übertrifft. Ebenso sind die hinteren Mar- ginalia, besonders das achte und neunte Paar, das meistens am breitesten ist, ganz wenig von den seitlichen in der Größe ver- schieden. Vorderlappen des Plastrons vorn ausgeschnitten; vom Hinterlappen ist bloß ein Stück anwesend, weshalb über das Verhältnis der gularen Mittelnaht zur analen keine Angaben gemacht werden können. Erstere ist verhältnismäßig lang, länger als bei viel größeren Schalen von T. smithii Blgr. und T. verreatixü Smith. Mit dem Außenrande des pektoralen und Südafrikanische Tcsttido-Avicu. i'> 1 1 abdominalen Schildes verbinden sich fthif anstatt vier Margi- nalia. Gewöhnlich liegt dem ersteren Schilde nebst dem vierten und fünften Marginale nur der vorderste Teil des sechsten an, während die hintere, größere Hälfte desselben und das folgende siebente Marginale mit dem Abdominale in Verbindung tritt. Bei dieser Schale begrenzt aber das sechste Marginale zur Hälfte noch den pektoralen Außenrand, seine hintere Hälfte, das siebente sowie ein Teil des achten Marginale ist mit dem abdominalen verbunden. Deshalb bilden hier bloß drei Margi- nalia den freien Hinterrand der Schale, dagegen bei den andern Arten vier. Diese Verschiebung der Marginalia, welche eine veränderte Verbindung derselben mit der Bri^icke verursacht, dürfte bloß auf eine individuelle Aberration zurückzuführen und daher als artliches Unterscheidungsmerkmal kaum ver- wendbar sein. Auch bei Schalen der andern Arten dieser Gruppe kommt dies zuweilen vor, wohl nur immer einseitig, und zwar dann, wenn auf der betreffenden Seite 12 anstatt 1 1 Marginalia anwesend sind. Die Schale von T. boettgeri Siebenr. besitzt aber ganz normal 11 Marginalpaare, von denen fünf mit der Brücke und nicht zwei, sondern drei mit dem Abdominale in Verbindung treten. Daher ist der Seitenrand des letzteren auch länger als bei den übrigen Arten dieser Gruppe, denn er übertrifft den pektoralen um ein Drittel der Länge, während der Unterschied gewöhnlich bloß ein Fünftel beträgt oder die Seitenränder der beiden Schilder können auch gleich lang sein. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. Die Färbung dieser Schale hat schon Boettger c. 1. vor- trefflich beschrieben, weshalb ich die einschlägige Stelle der Vollständigkeit halber im Wortlaute hier folgen lasse: »Zu dieser Art (nämlich T. smithii Blgr.) rechne ich mit Reserve auch ein Stück etc. Bei ihm zeigen sich auf dem zweiten Verte- brale fünf, auf dem ersten und dritten sechs, auf dem vierten und fünften sieben gelbe schmale Radien; das Caudale trägt fünf Strahlen, die sich unten in seiner Spitze vereinigen. Die Costalen besitzen sechs bis sieben, die Marginalen bald einen, bald zwei Strahlen. Die Zeichnung ist also erheblich verein- facht (im Vergleiche zu T. smithii Blgr.), hell schwefelgelb auf tiefem, aber mattem Schwarz; die gelbe Areole trägt einen 312 F. S i ebenrock, schwarzen Mittelfleck. Die Färbung und Zeichnung des Bauch- panzers ist dieselbe wie beim Typus der Art (J. smithii Blgr.), aber die braunen Zebrastreifen der Humeralen und Pektoralen sind zu einem uniform braunen, fünfeckigen Mittelfleck zu- sammengeflossen.« Dieser Beschreibung wäre noch beizufügen, daß die seit- lichen Radien des zweiten bis vierten Costale sich zu einer Längsbinde so wie bei T. trimeni Blgr. vereinigen, die bei keiner Schale von T. smithii Blgr. auch nur angedeutet ist. Ferner hat die Unterfläche der hinteren freien Marginalen und das Supracaudale eine einfache gelbe Färbung, bei T. sinithii Blgr. aber sind teilweise rudimentäre braune Radien anwesend, von denen zwei auf dem Supracaudale regelmäßig und am deutlichsten auftreten. Boettger c. 1. stellte diese Schale zu T. smithii Blgr., er spricht aber zugleich die Möglichkeit aus, daß sie vielleicht einer noch unbeschriebenen Spezies angehöre, da sie zwar im Habitus sehr mit der vorgenannten übereinstimmt, in der Färbung des Rückenpanzers jedoch erheblich abweicht. T. boett- geri Siebenr. hat in der Färbung der Rückenschale entschieden große Ähnlichkeit mit T, trimeiti Blgr., nur fehlen ihr auf der Naht zweier Costalen unterhalb der Längsbinde die kleinen gelben Flecken. Im Habitus gleicht sie am ehesten der T. smithii Blgr., die Schalenoberfläche ist aber noch flacher, insbesondere in der Vertebralgegend; der Hauptunterschied liegt jedoch im Größenverhältnis der Costalschilder. Nach dem soeben Gesagten glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Schale als Vertreterin einer neuen Art anspreche, obwohl die für das Beurteilen so wichtigen Körperteile, wie der Kopf, die Gliedmaßen und der Schwanz, gänzlich fehlen. Ich erlaube mir, diese neue Art nach Herrn Prof. O. Boettger zu benennen für seine große Liebenswürdigkeit, womit er mir das Recht einräumte, die Schalen der so seltenen Testtido- Arten aus Südafrika, die Eigentum des Senckenberg-Museums in Frankfurt sind, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Eine Schale aus Groß-Namaland dem Senckenberg-Museum in Frankfurt gehörig. Südafrikanische Tesliido-. \vt.cn. 313 Testudo verreauxii Smith. TcsHido verreauxii, Smith, Boettger, Ber. Scnck. Ges. 1889, p. 285. Testudo tentoria, part. Boettger, ebendaselbst. Von dieser seltenen xA.rt liegen mir sieben Schalen und ein Spiritusexemplar, cf , vor, welch letzteres von Prof. M. Weber in Amsterdam eingetauscht wurde. Über dasselbe hat schon seinerzeit J. Th. Oudemans (Zool. Anz. XVIII, 1895, p. 323) berichtet und auch hervorgehoben, daß die zwei von M.Weber in Klein -Namaland gesammelten Exemplare dieser Art ein u'ohlausgebildetes Horntuberkel auf der Hinterfläche des Ober- schenkels besitzen. Aus diesem Grunde ist T. verreatixii Smith von der Geometrie a-Gvu'^'^e weg- und zur Tentoria-Gvw^^Q zu stellen. Diese Transferierung ist jedoch überflüssig geworden, weil nach der neuen, von mir aufgestellten Synopsis das Ver- halten des Horntuberkels auf dem Oberschenkel als Arten- merkmal überhaupt nicht mehr in Anwendung kommt. Das besagte Exemplar weist folgende Maße auf: Länge des Rücken- schildes 93 imn, dessen Breite 71 min, Höhe der Schale 46 w?//. Rückenschale oval, hinten seitlich breiter als vorn, ziem- lich stark gewölbt; Vorderrand mitten winkelig ausgeschnitten, seitlich nicht gesägt, hinten aber sehr deutlich, wenn auch nicht stark. Diskoidalschilder nur wenig angeschwollen. Die Profil- linie der Rückenschale steigt vom ersten bis zur Areole des dritten Vertebrale sanft an und fällt besonders vom vierten Vertebrale zum Supracaudale steil ab. Der Winkel zwischen den Marginal- und Costalschildern sehr deutlich. Vertebralia breiter als lang; erstes und zweites Vertebrale schmäler, drittes ebenso breit und viertes breiter als die entsprechenden Costalia. Nuchale sehr klein, vorn aufwärts gebogen, kaum länger als breit. Supracaudale stark nach rück- und einwärts gekrümmt, mitten eine Längsfurche, welche aber nicht den unteren Rand erreicht. Letztere dürfte wohl auf eine .Anomalie zurückzuführen sein. Die starke Auswölbung des Supracaudale ist ein sekun- därer Geschlechtscharakter dieser Gruppe, der weniger in der Form des Plastrons als viel mehr in der genannten Weise zum Ausdrucke kommt. Marginalia vorn schmäler als hinten, am schmälsten seitlich, letztere werden von einer tiefen Längs- 314 F. Siebenrock, furche durchschnitten, die schon Oudemans c. 1. erwähnt hat. Die Schilder stark konzentrisch gefurcht, die Areolen der Dis- koidalschilder groß, vom zweiten und dritten Vertebrale viel breiter als lang. Plastron vorn und hinten ausgeschnitten. Gulare Mittel- naht so lang als die anale, die humerale länger als die femorale und bedeutend länger als die pektorale; die femorale Mittelnaht längerals die anale. Axillaria kleiner als die Inguinalia. Die ersteren in zwei Schildchen geteilt, von denen das hintere am größten ist. Oberkiefer mitten schwach hakenförmig, seitlich gezahnt; Vorarm vorn mit großen, abgerundeten, imbrikaten Schuppen bedeckt. Am Hinterschenkel ein großes Horntuberkel, umgeben von einem Kranze kleinerer. Schwanz mäßig lang; auf seinem Rücken liegen zwischen den kleinen Schuppen viel größere runde, die an der Schwanzspitze zusammenstoßen und sie voll- ständig bedecken. Diskoidalschilder braun, die Areolen gelb; die gelbe Farbe dehnt sich beim ersten Vertebrale vorn noch über die große Areole aus, während sie bei den übrigen Vertebralia dieselbe nicht ganz einnimmt, sondern ein quergestelltes breites Kreuz bildet, dessen vier Schenkel als breite Bänder zu den Ecken der betreffenden Schilder hinziehen. Nur zwischen den vorderen Schenkeln des zweiten bis vierten Vertebrale überschreitet die gelbe Farbe die Areole, indem von ihr ein kurzer Streifen aus- geht der aber nur bis zur Hälfte des Vorderrandes reicht und mit einem gelben, runden Fleck korrespondiert, der am Hinter- rande des zweiten und dritten Vertebrale gelegen ist. Dies dürften wohl die Andeutungen unvollkommen entwickelter Vertebral- streifen sein. Bei den Areolen der Costalia überschreitet die gelbe Farbe sehr stark ihre Grenze, aber es ragen fast immer von der einen oder andern Seite braune Streifen hinein, die teil- weise abgetrennt als kleine braune Flecken auftreten. Das Radiensystem ist durch die unregelmäßige und zum Teile sehr ausgedehnte Entfaltung der gelben Farbe auf den einzelnen Schildern nicht deutlich zum Ausdrucke gebracht. Nur das zweite bis fünfte Vertebrale hat je vier ziemlich breite Radien, während ein fünfter und eventuell sechster Strahl nur andeutungsweise vorkommt. Ebenso sind bei den drei ersten Südafrikanische Testudo- Arien. 315 Costalia nur die oberen Radien wohl ausgebildet, die unteren stellen teilweise kurze Fortsätze der Areolen dar, so wie dies auch bei den seitlichen der Fall ist. Die letzteren können bei manchen Exemplaren ansehnlich breit und mitsammen ver- bunden sein, so daß sie auf der Schale beiderseits ein breites Längsband bilden, wie dies an einer Schale aus Deutsch-Süd- westafrika schön zu sehen ist. Auf den Marginalia prädominiert die gelbe Farbe gleich- falls; bloß die rückwärtigen Schilder sind braun und entsenden von der gelben Randareole zwei breite Streifen, einen auf- und den andern vorwärts. Diese Streifen werden bei den vorderen und seitlichen Marginalia so breit, daß der braune Teil auf einen wagrechten, dreieckigen Fleck reduziert wird, während die Schilder sonst vollständig gelb erscheinen. Das ziemlich große Supracaudale besitzt fünf wohlausgebildete Radien, von denen der mittlere am breitesten ist. Die Färbung des Plastrons weicht insofern von Smith's Darstellung (111. Zool. S. Afrika, Rept. 1839, Taf. VIII) ab, als das braune Band nicht bei den Gularen beginnt, sondern erst bei den Pektoralen, weshalb der Vorderlappen bis auf einen braunen Querstrich auf dem linken Humerale einförmig gelb ist. Brücke sowie die Marginalia unten gleichfalls gelb; von den letzteren besitzen zwei bis vier einen kleinen braunen Fleck. Die Färbung des soeben beschriebenen Exemplares dürfte wohl nicht normal sein, wie der Vergleich mit andern Schalen beweist. Sie ist fast weniger ausgebildet als bei der Schale eines ganz jungen Tieres von 54 mm Länge, während die Schalen erwachsener Exemplare ein sehr reich gegliedertes Strahlensystem aufweisen. Insbesondere zeigt dies die Schale eines erwachsenen ? von 130 mm Länge, \ Ob mm Breite und 70 mm Höhe, Taf. IV, Fig. 4. Die Diskoidalschilder sind mäßig tuberkelartig aufgetrieben, aber nicht so stark als bei T. trimeni Blgr. oder bei T. tentoria Bell. Auch die Marginalia zeigen eine mäßige Anschwellung, sie bilden aber mit den anstoßenden Costalia keinen deutlichen Winkel und bei zwei andern Schalen treffen die beiden Schilder- reihen ganz flach zusammen. Vorderrand der Schale mitten tief Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 22 316 F. Siebenrock, ausgeschnitten und seitlich ebenso wie der Hinterrand schwach gesägt. Nuchale sehr klein, breiter als lang und vorn aufwärts- gebogen. Gulare Mittelnaht am Plastron bedeutend kürzer als die anale und diese doppelt so lang als die femorale, welche gleich ist der pektoralen; humerale Mittelnaht länger als die anale. Die Grundfarbe der Rückenschale ist dunkelbraun und jeder Schild enthält zweierlei Streifen, nämlich strohgelbe und zwischen diesen licht- oder leberbraune. Dadurch erhält die Schale ein sehr lebhaftes und zugleich charakteristisches Aus- sehen, denn die leberbraunen Streifen sind bei keiner andern Testudo-Ari aus der Geometrica-Gruppe s. 1. anwesend. Die eigentümliche Färbung, welche durch das Auftreten der licht- braunen Radien zwischen den strohgelben auf dunkelbraunem Grunde erzielt wird, bildet das hauptsächlichste Unterschei- dungsmerkmal zwischen T. verreauxii Smith und T. smithii ßlgr., da bei der letzteren die lichtbraunen Streifen gänzlich fehlen. Jedes Vertebrale besitzt vier gelbe Radien, die von der gleich gefärbten Areole ausgehen und ein schräges Kreuz bilden. Dieses wird beim dritten und vierten Vertebrale noch von einer frontalen gelben Linie durchschnitten, so daß die Zahl der Radien auf sechs steigt. Zwischen diesen liegen nun, mehr weniger deutlich ausgebildet, Radien von lichtbrauner Farbe in verschiedener Anzahl, und zwar seitlich gewöhnlich einer zwischen zwei gelben, nach vorn aber drei bis vier. Eine Ausnahme davon macht das fünfte Vertebrale wegen der Form und seiner differenten Anordnung der vier gelben Streifen. Die vorderen liegen sehr nahe nebeneinander und die rückwärtigen bilden einen stumpfen Winkel, wodurch seitlich ein ziemlich großer Zwischenraum entsteht, in dem zwei bis drei lichtbraune Radien Platz finden. Die rückwärtigen Radien sind zumeist weniger deutlich als die seitlichen wegen ihrer viel geringeren bange. Zuweilen verschmelzen die vorderen und rückwärtigen Radien zwischen den Areolen des ersten bis vierten Vertebrale zu einer breiten, rötlichgelben Längsbinde, Taf. V, Fig. 5. Aus der Betrachtung dieses Streifensystems läßt sich fol- gendes deduzieren: Die gelben Streifen scheinen die Ursprung- Südafrikanische Testudo- Arten. 317 liebsten zu sein, wie der Vergleich mit jungen Exemplaren zeigt, wo nur diese anwesend sind. Sie ziehen von der Areole gegen die Ecken hin, weshalb jeder Schild gewöhnlich so viele Streifen als Ecken hat. Die licht- oder leberbraunen Streifen entstehen erst nachträglich zwischen den gelben durch Resorp- tion der dunkelbraunen Farbe, weil diese aber nur unvoll- kommen vor sich geht, behalten die Streifen eine lichtbraune Färbung bei. Die Costalia besitzen vier bis fünf gelbe Radien und zwischen diesen gewöhnlich seitlich und unten lichtbraune in wechselnder Zahl, die seitlich immer größer ist als unten. Die seitlichen Radien können auch mitsammen verschmelzen und bilden dann beiderseits ein rötlichgelbes Längsband, das von der Areole des ersten bis zum vierten Costale reicht, Taf. V, Fig. 5. Bei den Marginalia ist auf den vorderen und hinteren eine geringere Radienzahl als auf den seitlichen. Das Supra- caudale hat gewöhnlich fünf gelbe Radien, die von der rand- ständigen Areole fächerförmig zu den Ecken hinstreben und zwischen diesen liegen die lichtbraunen, welche aber nicht so deutlich als die gelben sind. Auf den Areolen der meisten Dis- koidalschilder findet sich ein dunkelbrauner, kleiner Fleck vor. Die braune Längszone in der Mitte des Plastrons ist bei diesem Exemplar in einzelne Radien aufgelöst, die Boettger c. 1. ganz treffend als Zebrastreifen bezeichnet hat. Boettger c. 1., p. 284, hielt das eben beschriebene Exem- plar für T. tentoria Bell wegen den tuberkelartig erhabenen Schildern der Rückenschale. Der Vergleich mit einem Lidivi- duum der letzteren x^rt macht diese Bestimmung sofort hin- fällig. Das genannte Exemplar unterscheidet sich von T. ten- toria Bell, abgesehen von den viel weniger tuberkelartig erhabenen Diskoidalschildern und den bedeutend größeren Areolen derselben, besonders aber der Vertebralia, durch die Färbung des Rücken- und Bauchschildes, die so grundver- schieden ist, daß die Unterscheidung nicht schwer fällt, wenn man sich nicht durch die Form der Diskoidalschilder irreleiten läßt. Das typische Exemplar von T. verreatixii Smith war ein halberwachsenes Tier, weshalb in der betreffenden Abbildung die Anschwelluno- der Diskoidalschilder nicht deutlich genug 9 9* 318 F. Siebenrock, zum Ausdrucke gebracht wurde, wie dies Schalen von jüngeren Tieren beweisen, die mir in mehreren Exemplaren vorliegen. Sieben Schalen; davon drei aus Groß-Namaland und vier aus Deutsch-Südwestafrika; erstere sind Eigentum des Sencken- berg-Museums in Frankfurt, letztere des Museums in Berlin. Ein Exemplar in Spiritus von Jakhalswater (Klein-Namaland), Eigen- tum des Wiener Museums. Testudo smithii Blgr. Tcslndo smithii, part. Boettger, Ber. Senck. Ges. 1889, p. 285. Testudo tentoria, part. Boettger, ebendaselbst. Länge des Rückenschildes vom größten Exemplar, 9, 134 mm, dessen Breite 104 mm, Höhe der Schale 65 mm. Diese Maße verhalten sich beim kleinsten Exemplar, cT, wie 104:81:58. Rückenschale oval, hinten seitlich unbedeutend breiter als vorn, ziemlich stark gewölbt; Vorderrand der Schale mitten winkelig ausgeschnitten, seitlich ganzrandig, Hinterrand seit- lich etwas gesägt. Diskoidalschilder mehr weniger gleichmäßig gekrümmt, höchstens unbedeutend erhaben. Die Profillinie steigt vom ersten bis dritten Vertebrale sanft an und fällt hier, besonders aber vom vierten Vertebrale, steil ab. Die Marginalia bilden mit den Costalia nur beim kleinsten Exemplar, cf, einen Winkel, bei den andern drei Schalen ist an dieser Stelle eine tiefere Furche bemerkbar. Vertebralia breiter als lang; bei den zwei mittleren Exemplaren das zweite und dritte Vertebrale besonders breit, letzteres bedeutend breiter als das entsprechende Costale. Das dritte Vertebrale ist bei dieser Art überhaupt breiter als bei T. verreatixii Smith. Nuchale sehr klein, länger als breit. Supracaudale beim cf stark konvex und einwärts gebogen, bei den 9 9 mehr flach oder sogar eingebuchtet, mit dem freien Rande ab- und auswärts gekehrt. Plastron vorn und hinten ausgeschnitten. Gulare Mittel- naht ebenso lang oder kürzer als die anale, letztere ebenso lang oder länger als die femorale, welche so lang oder länger als die pektorale ist; humerale Mittelnaht viel länger als die anale. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. Südafrikanische Tesludo-. \vten. 319 Die Grundfarbe der Rückenschale ist bei dieser Art schwer zu bestimmen, weil die Schilder strohgelbe und dunkelbraune Radien von nahezu gleicher Breite besitzen, die von den großen gelben Areolen ausstrahlen. Die medialen Enden der dunkel- braunen Radien, die oft bis zur Mitte der Areolen hineinragen, lösen sich gewöhnlich los und bilden auf diesen dunkle Flecken in verschiedenfacher Zahl und dadurch wird die grelle Färbung der großen gelben Areolen wieder etwas abgeschwächt. Die Diskoidalschilder weisen zahlreiche gelbe Radien auf; Boettger c. 1. gibt beim dritten Vertebrale 10 bis 13 an. Diese Radien verlieren gegen die Peripherie der einzelnen Schilder ihre ursprüngliche lebhafte Farbe; sie wird entweder blässer oder dunkler, weshalb die Schale ein mehr fahles Aussehen bekommt. Dadurch unterscheidet sich diese Art in auffälliger Weise von T. verreauxü Smith, welche durch das Hinzutreten der licht- braunen Radien eine sehr bizarre Färbung annimmt. Plastron gelb mit braunen Radien, die von den Areolen der Schilder gegen die Mitte zu liegen, während sie an der Peripherie nur vereinzeint auftreten oder ganz fehlen. Diese Radien rücken auf den kurzen, rückwärtigen Schildern, d. i. den Femoralia und Analia zuweilen so nahe aneinander, daß sie große, dreieckige, braune Flecken bilden. An den vorderen Schildern, und zwar an den Gularia und Humeralia, verringert sich die Zahl der braunen Radien mehr weniger. Das kleinste von den vier Exemplaren, cf, hielt Boettger c. 1. für T. tentoiia Bell, weil die Marginalia geschwollen sind und wegen der Form des Nuchaleinschnittes. Ein Vergleich mit den andern Schalen dieser Art beweist jedoch, daß genanntes Exemplar nach der Form und Färbung der Rückenschale nur zu T. smithii Blgr. gehören könne. Eine Verwechslung wäre viel eher mit T. verreauxü Smith möglich als mit T. tentoria Bell, denn der Unterschied zwischen den ersteren liegt eigent- lich nur in der Färbung, während die morphologischen Merk- male der Schale, die in beiden Arten bedeutenden individuellen Variationen unterworfen sind, für die spezifische Charakteristik unbrauchbar werden. Darin mag wohl auch der Grund liegen, weshalb Gray (Cat. Sh. Rept. I, 1855 und Suppl. Cat. Sh. Rept. I, 1870) die genannten Arten nicht getrennt hatte. 320 F. Siebenrock, Vier Schalen aus Groß-Namaland; Eigentum des Sencken- berg-Museums in Frankfurt. Testudo trimeni Blgr. Boettger, Ber. Senck. Ges. 1889, p. 283. Länge des Rückenschildes beim größeren Exemplar, cf, 109 mm, dessen Breite 83 mm, Höhe der Schale? Diese Maße verhalten sich beim kleineren Exemplar, 9, wie 94 : 70 : 49. Rückenschale stark gewölbt, Vorder- und Hinterrand beim größeren Exemplar merklich gesägt, beim kleineren fast abge- rundet. Vorderrand mit einem winkeligen Ausschnitt, in dem das sehr kleine Nuchale hervorragt. Diskoidalschilder besonders beim größeren Exemplar stark konisch erhaben; ihre Areolen sind klein und etwas vertieft. Die Marginalia bilden mit den anstoßenden Costalia einen deutlichen Winkel und die ersteren besitzen oberhalb der Seitenkante eine tiefe Längsfurche, die sich beim kleineren Exemplar fast über alle Marginalia erstreckt, beim größeren aber nur auf die seitlichen. Erstes Vertebrale länger als breit, die übrigen Vertebralia verhalten sich um- gekehrt. Erstes und zweites Vertebrale bedeutend schmäler, drittes und viertes ebenso breit als die entsprechenden Costalia. Das kleinere Exemplar hat beiderseits 12 Marginalia, weil das letzte Paar in zwei Stücke geteilt ist. Damit im Zusammen- hange dürfte die Verbindung des sechsten bis achten Margi- nale mit dem seitlichen Abdominalrande auf der rechten Seite stehen, während sie links merkwürdigerweise ganz normal vom sechsten und siebenten Marginale hergestellt wird. Über die Form und Maß Verhältnisse der Nähte des Plastrons kann wenig gesagt werden, da selbes beim größeren Exemplar gänzlich und beim kleineren der Vorderlappen fehlt. Beim letzteren ist die pektorale Mittelnaht kürzer als die anale und diese ebenso lang als die femorale. Die Analschilder berühren mit ihren hinteren, äußeren Ecken den Hinterrand der Schale. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. Die von Boulenger (Cat. p. 163) gegebene Beschreibung der Färbung hat schon Boettger c. 1. durch Bemerkungen ergänzt. Nur möchte ich noch hinzufügen, daß die gelben Südafrikanische Tcstiido-Avten. 321 Radien der Diskoidalschilder sehr schmal sind und die seit- lichen auf den Costalen eine kontinuierliche gelbe Linie bilden. Sehr charakteristisch für diese Art dürften die breiten drei- eckigen Flecken auf der Unterfläche des dritten bis siebenten Marginale wegen ihrer intensiv schwarzen Färbung sein. Einen solchen Fleck besitzt auch das Supracaudale unten. Zwei Schalen aus Groß-Namaland; Eigentum des Sencken- berg-Museums in Frankfurt. Testudo tentoria Bell. Boulenger, Cat. p. 164. Länge des Rückenschildes beim größten Exemplar, 9, 1 17 intii, dessen Breite 94 mm, Höhe der Schale 67 mm. Beim kleinsten Exemplar verhalten sich diese Maße wie 61 : 56 : 36. Rückenschale stark gewölbt, Vorder- und Hinterrand deut- lich gesägt; ersterer mit einem winkeligen Ausschnitt, in welchem das kleine Nuchale hervorragt. Diskoidalschilder stark konisch erhaben, ihre Areolen sehr klein, noch kleiner als bei T. trimeiii Blgr. Die Marginalia bilden mit den an- stoßenden Costalia einen deutlichen Winkel, der beim größten Exemplar weniger stark hervortritt als bei den kleineren Schalen. Vertebralia breiter als lang; erstes und zweites Verte- brale schmäler, drittes und viertes ebenso breit als die ent- sprechenden Costalia beim größten Exemplar, alle vier Verte- bralia schmäler als die letzteren Schilder bei den zwei kleinen Exemplaren. Elf Paare Marginalia anwesend. Plastron vorn und hinten winkelig ausgeschnitten. Gulare Mittelnaht so lang oder kürzer als die anale, diese länger als die femorale und diese länger als die pektorale. Gularia vorn und seitlich mit scharfen Spitzen versehen; die Analschilder berühren mit ihren hinteren äußeren Ecken den Hinterrand der Schale. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. Die Rückenschale der zwei jungen Exemplare unter- scheidet sich in der Färbung dadurch von jener des erwach- senen Tieres, daß die gelben Radien sehr schmal sind, weshalb die schwarze Farbe erheblich vorherrscht. Beim erwachsenen Exemplar gleichen sich hingegen die gelben und schwarzen 322 F. Sieben rock, Radien in der Breite und dadurch erhält die Schale ein viel lebhafteres Aussehen als bei den jungen Tieren. Die Zahl der gelben Radien ist auch hier variabel; sie übersteigt beim größten und kleinsten Exemplar die von Boulenger c. 1. für die einzelnen Schilderreihen angegebene Grenze, ist aber beim mittleren Exemplar niedriger, so daß dieses Ähnlichkeit mit der Schale von T. trimeni Blgr. annimmt. Das Plastron ist genau so gefärbt wie in der Abbildung von Bell (Zool. Journ. 3, Suppl. Taf. XXIV). Die breite braune Mittelbinde beginnt bei den Gularia, welche bis auf die braunen Hinterränder gelb bleiben. Die seitlichen Marginalia haben auf der Unterfläche einen dreieckigen braunen Fleck, der mit der Wachstumszunahme der Schale zwar länger, aber schmäler wird. Auf der Oberfläche der Gularia ist ebenfalls ein drei- eckiger brauner Fleck mit der Spitze nach rückwärts gewendet, der für diese Art charakteristisch sein dürfte. Von den beiden Schalen, die Boettger c. 1. p. 284 zu dieser Art gestellt hat, gehört die eine, wie schon früher erwähnt wurde, zu T. verreauxii Smith und die andere zu T. smithii Blgr. T. tentoria Bell ist, abgesehen von der charak- teristischen Färbung der Schale, ganz leicht an den sehr koni- schen Diskoidalschildern mit den auffallend kleinen Areolen von den genannten Arten zu unterscheiden. Boettger hatte kein Exemplar von T. tentoria Bell vorliegen und daraus erklärt sich die verfehlte Bestimmung. Drei Schalen vom Gap ; Eigentum des Museums in München. Testudo fiskii Blgr. Boulenger, Cat. p. 165. Länge des Rückenschildes 99 mm. dessen Breite 72 mm, Höhe der Schale 47 mm. Rückenschale oval, hinten merklich breiter als vorn; Vorder- rand kaum gesägt mit einem dreieckigen Ausschnitt, in dem das Nuchale stark hervorragt; Hinterrand breit und schwach gesägt. Diskoidalschilder tuberkelartig erhaben. Die Marginalia bilden mit den anstoßenden Costalia einen deutlichen Winkel. Südafrikanische Tcstiido- krien. 323 Wenn Boul enger (Proc. Zool. Soc. 1886, p. 542) vom letzteren Faktum das Gegenteil berichtet, so dürfte dies auf die geringere Größe seines Exemplares zurückzuführen sein. Nuchale klein, nicht länger als breit und vorn aufwärts- gebogen. Sechs Vertebralia abnormerweise anwesend, weil zwischen dem vierten und fünften Vertebrale ein akzessori- sches Stück eingeschoben ist. Erstes Vertebrale etwas länger als breit, zweites bis fünftes breiter als lang; letztes bedeutend breiter als die übrigen Vertebralia und diese viel schmäler als die entsprechenden Costalia. Von den letzteren sind rechts fünf anwesend, weil das erste Costale, welches etwas länger ist als das normale auf der linken Seite, in zwei Hälften zerfällt. Dafür ist aber das vierte Costale bedeutend verkürzt, so daß die Sym- metrie der beiden Schalenhälften nicht merklich gestört wird. Marginalia rechts 11, links 12. Die Vermehrung auf der letz- teren Seite entstand durch die Teilung des elften Marginale in zwei Stücke. Die hinteren Marginalia sehr breit, bedeutend breiter als die seitlichen. Das unpaarige Supracaudale ist stark nach rück- und einwärts gekrümmt. Plastron vorn wenig, hinten tief winkelig ausgeschnitten; gulare Mittelnaht kürzer als die anale, ebenso lang als die femorale und länger als die pektorale. Hier stehen so wie bei T. boettgeri Siebenr. beiderseits fünf Marginalia mit dem Außenrande des pektoralen und abdominalen Schildes in Ver- bindung, weshalb am Hinterrande der Schale rechts drei und links vier freie Marginalia anwesend sind. Plastron im hinteren Teil unbedeutend konkav. Der sekundäre Geschlechtscharakter äußert sich hauptsächlich in der stark konvexen Form des Supracaudale. Axillaria in zwei Schildchen geteilt. Schilder der Rückenschale mit strohgelben Areolen, von denen ebenso gefärbte Radien ausgehen, die mit schwarzen, nahezu von der gleichen Stärke alternieren. Die Zahl der ersteren beträgt auf den Vertebralia fünf bis sieben, auf den Costalia acht bis neun und auf den Marginalia zwei bis drei; das Supracaudale besitzt sieben gelbe Radien, die von der rand- ständigen Areole fächerförmig emporsteigen. Die schwarzen Radien der Diskoidalschilder haben fast durchgehends die Tendenz der Bogenbildung, die immer vor dem Rande der 324 F. Siebenrock, Südafrikanische Tesiiido-Ai-iQn. gelben Areolen erfolgt. Dadurch entstehen die Ocellen zwischen den Costalschildern. Dieselben werden außer bei dieser Art in der Geometrica-Gi'M^pe nur noch bei T. ocuUfera Kühl beob- achtet, weshalb sie ein ausgezeichnetes Bestimmungsmerkmal bilden. Plastron strohgelb, in der Mitte von den Pektoralschildern an braun. Unterseite der Marginalia und des Supracaudale gelb; nur auf dem vierten bis siebenten Marginale braune Flecken anwesend. Obere Fläche der Gularschilder einfach strohgelb gefärbt. Eine Schale, cT, aus Capland; Eigentum des Wiener Museums. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Testitäo hoei/geri Siebenr. ; Schale von oben. Tafel II. Fig. 2. Testudo boettgeri Siebenr.; Schale in ^j^ Profi!. Tafel III. Fig. 3. Testiido siiiithii Blgr. ; Schale in '"/^ Profil. Tafel IV. Fig. 4. Testudo verreau.xii Smilh, adult.; Schale von oben. Tafel V, Fig. 5. Testudo verreauxii Smith, jun.; Schale in 3^ Profil. Fig. 6. Testudo fiskii Blgr.; Schale in s/., Profil. Sämtliche Figuren sind Originalaufnahmen in natürlicher Größe. Die Negative hiezu wurden in der k. k. graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien angefertigt, wofür ich dem Direktor derselben, Herrn Hofrat Prof. Dr. J. M. Eder, sowie Herrn Prof. A. Albert den verbindlichsten Dank ausspreche. F. SIEBENROCK: Testudo-Arten Südafrikas. Tafel 1. Testudo boettgeri Siebenr. F. SIEBENROCK-. Testiulo-Arten Südafrikas. Tafel II. 2. Testudo boettgeri Siebenr. F. SIEBENROCK: Testudo-Arten Südafrikas. Tafel III. 3. Testudo sinitliii Blgr. F. SIEBENROCK: Testudo-Arten Südafrikas. Tafel IV. Testndo verreauxii Smith, adnlt. F. SIEBENROCK: Testiido-Arteu Südairikas. Tafel V. Testudo verreauxii Smith, jun. 6. Testudo fiskii Blgr. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXin. BAND. VI. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN 327 Über statoeystenartige Ausbildung kristall- führender Zellen von stud. phil. Emil Thum. Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag. Nr. 65 der 2. Folge. (iMit 1 Tafel.) (Vorgelegt in der Sitzung am 23. Juni 1904.) Durch zahlreiche neuere Publikationen ist die Aufmerksam- keit auf die Lagebeziehungen der Inhaltskörper einer Zelle zum reizbaren Plasma gelenkt worden. Schon Dehneke ^ bespricht die Verhältnisse, wie sie bei den großen Stärkekörnern der Stärkescheide beobachtet werden. Sie liegen basal und durch geeignete Versuche über- zeugte er sich, daß die Schwerkraft diese Lage bedingt. Dehneke konstatiert einfach diese Tatsache, ohne irgend welche Schlüsse daraus zu ziehen. Seine Befunde wurden später vielfach bestätigt. Eine besondere Bedeutung erlangte jedoch diese Er- scheinung dadurch, daß sie zum Ausgangspunkt einer viel- besprochenen Hypothese geworden ist. Nach wiederholten anderweitigen^ Erklärungsversuchen über die Ursachen der 1 Karl Dehneke, »Über nicht assimilierende Chlorophyllkörner«, Inaugural-Dissertation, 1880. 2 Knight, PhilosophicalTransactions, 1806, Fl. I., p. 104; Hofmeister, Allgemeine Morphologie, 1 868, p. 629 ; C i s i e 1 s k i, Cohns Beiträge zur Biologie, 1872, Bd. II, Heft 2, p. 23. 328 E. Thum, geotropischen Bewegungen glauben nun Haberlandt und Nemec diese Ursache darin gefunden zu haben, daß bestimmte Inhaltskörper von verhältnismäßig hohem spezifischen Ge- wichte durch ihren Druck auf den protoplasmatischen Wand- beleg gewisser Zellen einen Reiz hervorrufen, auf den die einzelnen Organe der Pflanze, namentlich Stengel und Wurzeln, durch Einschlagen einer bestimmten Richtung antworten. Diese Hypothese, die von beiden Forschern in mehreren Arbeiten ^ vertreten und deren Richtigkeit durch Experimente verschiedener Art zu erweisen gesucht wurde, verdient um so mehr weitere Beachtung, als durch deren eindeutige Beweisführung die immer enger werdende Kluft zwischen Tier und Pflanze infolge einer neuen Analogie noch kleiner würde. Die Arbeiten beider Forscher ergänzen sich insoferne, als Haberlandt hauptsächlich den negativ geotropischen Stengel, Nemec^ die positiv geotropische Wurzel zum Gegen- stande seiner Untersuchungen wählte. Als Perzeptionsorgan des Stengels für den geotropischen Reiz faßt Haberlandt die durch den Besitz großer beweg- licher Stärkekörner auffallende Stärkescheide auf. Nemec wiederum erblickt in der mit beweglicher Stärke ausgestatteten Columella der Wurzel ein Organ, das in seiner Funktion vollständig analog den tierischen Statocysten der Wurzel die Fähigkeit verleihen soll, den Schwerkraftreiz zu perzipieren. Als solche spezifisch schwerere Körperchen werden Leukoplasten, Chloroplasten mit Stärkekörnern im Innern, 1 Haberlandt: 1. »Über die Perzeption des geotropischen Reizes«. Berichte der deutschen bot. Ges., Bd. XVIIL, 1900. — 2. »Über die Statolithen- funktion der Stärkekörner«. Ebenda Bd. XX., 1902. — 3. »Zur Statolithen- theorie des Geotropismus«. Pringsheims Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. XXXVI, 1901. 2 Bohumil Nemec: I. »Über die Art der Wahrnehmung des Schwerkraft- reizes bei den Pflanzen«. Berichte der deutschen bot. Ges., Bd. XVIII, 1900. — 2. »Über die Wahrnehmung des Schwerkraftreizes bei den Pflanzen«. Prings- heims Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. XXXVI, 1901. — 3. »Die Perzeption des Schwerkraftreizes bei den Pflanzen«. Berichte der deutschen bot. Ges., Bd. XX, 1902. Statocystenartige Ausbildung von Zellen. 329 Chloroplasten mit Kristalloiden, »anorganische Kristalle« an- geführt. Es ist auffallend, daß beide Forscher ihre Aufmerksamkeit lediglich den Lagerungsverhältnissen der Stärkekörner zu- wandten. N e m e c ^ erwähnt nur vorübergehend eine in N e s 1 1 e r' s- Arbeit: »Über die durch Wundreiz bewirkten Bewegungs- erscheinungen des Zellkernes und des Protoplasmas« mitge- teilte Beobachtung von Molisch, daß »die Lagerung vieler, namentlich sehr kleiner Kristalle von der Schwerkraft beein- flußt« wird. Auf Anregung des Herrn Prof. Molisch untersuchte ich die Lagerungsverhältnisse des bei den Pflanzen so allgemein verbreiteten Oxalsäuren Kalkes. Möglicherweise konnten sich im Laufe der Untersuchung Befunde für oder gegen die Stato- lithentheorie verwerten lassen. Die Literatur über das Vorkommen des Oxalsäuren Kalkes in der Pflanze ist ungemein groß. Von den einfachst gebauten Pflanzen angefangen bis herauf zu den höchstentwickelten Phanerogamen ist er fast in jeder Gruppe vorhanden; es gibt keine Gewebeart, in der er nicht schon nachgewiesen worden wäre. Aber über die Lageverhältnisse der Kristalle in unverletzten noch lebenden Zellen ist bisher noch wenig bekannt. Ja, wenn man die diesbezüglichen Abbildun- gen in der Literatur betrachtet, gewinnt man die Ansicht, als ob hier eine bunte Regellosigkeit herrschen würde. Es kommt dies wohl daher, daß man diesem wichtigen Inhaltskörper der pflanzlichen Zelle fast ausschließlich bei chemisch-physiolo- gischen Untersuchungen seine Aufmerksamkeit schenkte. Nur wenige Bemerkungen haben auf unser Thema Bezug. So eine bei Dehneke^: »Eine Beobachtung an Raphiden zeigt in gewisser Beziehung ein ähnliches Verhalten wie bei den stärkereichen Chlorophyllkörpern des Markes. Im Herbst findet man im Mark von Impatietis parviflora sehr feine Nädelchen 1 Bohumil Nemec, 1. c. 2, p. 84. - A. Nestler, p. 710. Sitzungsberichte der kaiseri. Akademie der Wissen- schaften in Wien. Mathem. naturw. Klasse; Bd. CVII, Abt. I. Juli 1898. 3 K. Dehneke, 1. c. p. 25. 330 E. Thum, von oxalsaurem Kalk, die nicht wie in der Rinde Bündel bilden, sondern zu wirren Haufen vereinigt sind. Diese liegen in auf- rechten Stengeln am Grunde der Zelle. Beim Umlegen des- selben begeben sie sich auf die Seitenwand und beim voll- ständigen Umkehren auf die Scheitelseite.« Pfeffer^ macht bei Spirogyra setiformis die Beobachtung, daß größere Zusammenhäufungen feinkörniger Ausscheidun- gen beim Umdrehen des Fadens nach der Schwere sish an- ordnen und von der Protoplasmaströmung unbeeinflußt bleiben. Weitere Beobachtungen betreffs Lagerung und passive Bewegung des Oxalsäuren Kalkes teilt uns Wakker^ bei zahl- reichen Pflanzen mit. Wakker war es hauptsächlich um den Nachweis zu tun, daß der oxalsaure Kalk stets in den Vakuolen gebildet werde. Um dies zu zeigen, behandelte er die Präparate mit einer lOprozentigen Salpeterlösung, die durch Eosin ge- färbt war. Nach dieser von de Vries angegebenen Methode können die sonst meist getrennten Vakuolen vereinigt werden. Das Plasma stirbt jedoch infolge starker Plasmolyse alsbald ab. In den so gebildeten großen Vakuolenräumen fand Wakker die Kristalle stets in typisch basaler Lagerung, was er als Haupt- beweis seiner Ansicht anführt. Fuchs^ berichtet über basal gelagerte Raphidenbündel bei Mesenibrymitheimim crystallimtm, Galittm Mollugo, Asperula iinctoria bei Anwendung starker Fixierungsflüssigkeiten. Hiezu käme noch die oben erwähnte Beobachtung von Molisch. Meine eigenen Beobachtungen lehren nun, daß die Lagerung des Oxalsäuren Kalkes im Innern einer Zelle, namentlich in der Form von Kristallsand, wohl- ausgebildeten größeren Kristallen und Raphiden in den meisten Fällen in der Form von vielspießigen 1 Pfeffer, >Über Aufnahme von Anilinfarben in lebenden Zellen« in Untersuchungen aus dem bot. Institute zu Tübingen, 1886, Bd. 2, p. 189. - J. H. Wakker, »Studien über die Inhaltskörper pflanzlicher Zellen«. Pringsheims Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. XIX, 1888. 3 A. Fuchs, »Über den Bau der Raphidenzellen«. Ost. bot. Zeitung, 1898, Nr. 9. Statocystenartige Ausbildung von Zellen. 331 Drusen, vielfach eine ganz gesetzmäßige ist und daß sie von der Schwerkraft bedingt ist.^ Die Beobachtungmethode ist ungemein einfach. Ziemlich dicke Schnitte (3 bis 4 Zellagen) werden im Mikroskope mit horizontal gestelltem Tubus und drehbarem Objekttische beob- achtet. Von den zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen möchte ich drei typische Fälle hervorheben. I. Sinningia Lindeni purpurea hört. (Gesneriacee). (Fig. 1, la, Ib, l L\ 1 d.) Längs der Gefäßbündel findet man zahlreiche Raphidenbündel führende Zellen in Reihen angeordnet. Sie haben große Ähnlichkeit mit Hanstei ns- raphidenführenden Schlauchgefäßen. Die Raphidenbündel erreichen etwas über die halbe Höhe der Zelle und sind durchwegs typisch basal ge- lagert. Schon bei der Drehung um einen kleinen Winkel ver- ändert das Bündel seine Lage 1 a, legt sich bei der Drehung um 90° auf die längere radiale Zellwand \b und bei weiterer Drehung gleitet das ganze Bündel längs dieser Wand auf die in normaler Lage oben befindliche Querwand (l c). Hiebei ver- schieben sich die zelleinwärts gelegenen Raphiden etwas nach unten, weil diese offenbar bei der Wanderung eine geringere Reibung zu überwinden haben als die am protoplasmatischen Wandbelege hingleitenden. Sie nehmen aber unten wieder die gleiche Lage wie die übrigen an (1^/). Dieses Spiel kann be- liebig oft wiederholt werden. II. Begonia (Begoniacee). (Fig. 2.) Ich untersuchte mehrere Arten (B. metallica L., B. rex. Putz. u. a.). Diese Pflanzen sind bekannt durch den großen Reichtum an schönen wohlaus- gebildeten Kristallen von oxalsaurem Kalk. In älteren Stengeln ist häufig fast jede Zelle mit einer Doppelpyramide oder einer Druse versehen. Ich benützte hauptsächlich junge Sprosse, in welchen bei der Mehrzahl der Fälle eine bestimmte Anordnung 1 Die Einschränkung in Bezug auf Drusen bezieht sich auf jene, die in- folge ihres Wachstums so groß geworden sind, daß sie fast das ganze Lumen der Zelle erfüllen und mit den Spitzen in den Zellwänden gleichsam verankert sind, ferner auf die bekannten Rosanoff'schen Drusen, die durch Zellulose- balken fixiert sind. 2 Hanstein, »Über ein System schlauchführender Gefäße etc.« Monats- berichte der Berliner Akademie, 1859, p. 705. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 23 332 E. Thum, der kristallführenden Zellen in Längsreihen zu erkennen ist. Es gilt dies namentlich für das Rindenparenchym, in welchem sich solche Reihen oft zentimeterweit verfolgen lassen. Ganz selten kommen auch im Marke kristallführende Zellen vor. Bei der Untersuchung von Längsschnitten im Horizontalmikroskop zeigte sich durchwegs basale Lagerung. Es war sehr schön anzusehen, wie bei der Drehung des Objekttisches die Kristalle momentan auf die neue physikalisch untere Seite sich be- wegten. Diese Bewegung trat schon bei sehr geringem Drehungs- winkel ein. in. Ruellia formosa Humb. & Bonpl. (Acanthacee). (Fig. 3.) Jede Zelle des Rindenparenchyms sowie jede Markzelle zeigt eine Menge Kristallsand. Nur selten konnte ich kleine Nadeln oder Pseudoktaeder bemerken. Ob bloß Kristallsand oder auch Nadeln und Pseudoktaeder vorhanden sind, hängt vielleicht unter anderem mit dem Alter der Pflanze zusammen. Der Gehalt an oxalsaurem Kalk steigt mit zunehmendem Alter. Alle diese Ausscheidungen zeigen im Horizontalmikroskop basale Lagerung, so daß die Ebenen der Kristallsandober- flächen aller Zellen parallel sind. Die einzelnen Teilchen befinden sich in lebhafter Brown'scher Molekularbewegung. Dreht man den Objekttisch, so hat man eine ähnliche Erscheinung, wie wenn man Sand in einer rotierenden Büchse beobachtet. Er wälzt sich immer auf die neue basale Wand. Die Bewegung tritt momentan ein. Bezüglich der Raphidenzellen bemerke ich, daß eine so deutliche Beweglichkeit, wie ich sie beschrieb, seltener zur Beobachtung gelangt. Als sehr geeignetes Studienobjekt kann ich noch Episcia tessellata Linden. (Gesneriacee) empfehlen. Sonst nehmen ja die Raphidenbündel in der Regel fast das ganze Zellumen ein. Allein auch hier kann man sich von der typisch basalen Lagerung überzeugen^ wenn man nur die Zellen in der Lage beobachtet, die sie in der Pflanze tatsächlich ein- nehmen. An die Raphidenzellen reihen sich jene Kristallzellen an, in denen die Nadeln nur etwa ein Fünftel der Zellhöhe erreichen. Dies ist bei Impatiens Balsamina L. und Impatiens parviflora DC. der Fall. Hier kommen neben Raphidenzellen solche vor, Statocystenartige Ausbildung von Zellen. 333 die an ihrer basalen Seite eine Unzahl feiner Nadeln besitzen, so daß die bei den Impatiensarten sonst so durchsichtigen Gewebe wie von schwarzen Punkten durchsetzt erscheinen. Solche Nadelhaufen bewegen sich beim Drehen des Objekt- tisches ziemlich langsam. Es dauert 5 bis 6 Minuten, bevor die neue basale Wand erreicht ist. Abgesehen von der schon erwähnten Begonia ist die Er- scheinung am wenigsten schön bei Drusen. fn ein und derselben Pflanze kommen leicht bewegliche und unbewegliche Drusen vor {AlchemiUa vulgaris L., junge Sprosse von Paeonia etc.). Sehr deutlich kann man jedoch basale Lagerung und leichte Beweglichkeit bei gewissen Crassu- laceen beobachten. So hat Mesembryanthenitmt drusenförmige Kristallaggregate von dieser FÄgensc\\a.{t,Bryophyllum calycimmi Salisb. hat in jeder Zelle des Rindenparenchyms und des Markes schön ausgebildete Kristallstäbchen, die bisweilen von einem Punkte ausstrahlen. Hinsichtlich des Kristallsandes bemerke ich, daß basale Lagerung fast stets zu beobachten ist, auch in solchen Zellen, wo er in Form feinster Körnchen ausgeschieden ist (groß- lumige Zellen an der Unterseite der schwimmenden Blätter von Trianea bogotensis Karst.). Ob dies auch in den Zellen von Vallisneria spiralis L. der Fall ist, weiß ich nicht anzugeben, da hier die Beobachtung infolge der sehr reichlich vorhandenen Chlorophyllkörner erschwert ist und ich auf einen künstlichen Eingriff in die Zelle von vornherein verzichtete. In Zellen, wo eine kräftige Protoplasmaströmung herrscht, wird solcher feinster Kristallsand, wie schon lange bekannt, mitgeschleppt (Wurzelhaare von Trianea bogotensis Karst.). Die Acanthaceen sind durch ihren Reichtum an oxal- saurem Kalk bekannt. Er findet sich in Form kurzer Nadeln, Körnchen, tafelförmigen Gebilden. Überall konnte ich basale Lagerung und leichte Beweglichkeit konstatieren. Ich führe nur folgende Beispiele an. Strobilanthes Dyerianns kort, und Apkelandra Porteana Morel, haben in jeder Markzelle sehr zahlreiche kurze Nadeln. Thimbergia scandens Pers. In jeder Markzelle Kalkoxalat in mannigfacher Form (Körnchen, Nadeln, Pseudoktaeder,Tafeln). 23* 384 E. Thum, Sanchezia nohilis Hook. Die Kristallzellen besitzen deut- liche Kerne und mehrere Stärkekörner in regelloser Anordnung. Gendarussa vulgaris Nees. Schon in ganz jungen Sprossen ist der oxalsaure Kalk in kleinen Körnchen, die bis- weilen deutliche Kristallumrisse zeigen, ausgeschieden. Reich daran sind die Zellen unmittelbar bei den Gefäßbündeln. Auch Chlorophyllkörner mit Stärkeeinschlüssen können in diesen Kristallzellen stets beobachtet werden. Spärlich ist der oxal- saure Kalk im Rindenparenchym, etwas mehr in den Mark- zellen. Es ist diese Pflanze zum Studium besonders geeignet. Ein sehr günstiges Untersuchungsmaterial liefern die Labiaten. Der oxalsaure Kalk ist hier in Form kurzer Nadeln, Körnchen und tafelförmiger Gebilde ausgeschieden. (Siehe Fig. 4, Lamium album L.) Querschnitte, die in der Höhe ausgeführt werden, wo das Mark noch nicht geschwunden ist, zeigen in jeder Zelle des Markes eine Menge der bezeichneten Gebilde. Bei Längschnitten liegen sie sämtlich basal und die Umlagerung erfolgt momentan. Dasselbe gilt für die Aus- scheidungen im Rindenparenchym. Es ist bemerkenswert, daß namentlich die Zellen oberhalb des beginnenden Schwundes der Markzellen reich an oxalsaurem Kalke sind, während die Zellen in den unteren Teilen des Stengels ärmer an deutlich auskristallisierten Formen sind. Die Nadeln sind zuweilen zu kleinen wirren Bündeln ver- einigt. So bei Galeobdoloii luteum L., lose finden sie sich bei Stachys recta L., Stachys spectahilis Chois., Stachys sibirica Li»k., Marrubium vulgare L., Leonurus villosus Des f. u. a. Bilder wie Lamium album geben noch Lamium purpureum L., Lamium inaculatum L., Lamium Orvala L., Lamium gargatiicum. L. u. a. Auch zahlreiche Kompositen besitzen Oxalsäuren Kalk mit den erwähnten Eigenschaften, z. B. Aster anmms L., Aster amellus L., Aster sagittifolius Willd., Riidbekia leciriiata L., HeliatitkiLs doroviicoides Lam. u. a. Es ist also die Ercheinung e ine weitverbreitete. ^ 1 Als das Manuskript der vorliegenden Arbeit fertiggestellt war, wurde ich von Herrn Dr. O. Richter auf einen Inhaltskörper der Nitellazellen auf- merksam gemacht. Es sind dies unregelmäßige, kugelige oder elipsoidische Statocj'stenartige Ausbildung von Zellen. 335 Dieser Befund hat eine eigentlich selbstv^erständliche Sache zum Gegenstande; jeder spezifisch schwerere Körper muß schließlich auf die basale Wand einer Zelle zu liegen kommen, falls der sonstige Zellinhalt genügend dünnflüssig ist. Es war naheliegend, dies mit der Statolithentheorie in irgend einer Weise in Verbindung zu bringen. Ich suchte zu ermitteln, ob zwischen dem Auftreten der Stärkescheide und den kristallführenden Zellen eine innige Beziehung bestünde. Allein es zeigte sich sehr bald, daß ein bestimmtes Verhältnis nicht zu ermitteln ist. In allen von mir untersuchten Pflanzen konnte ich mich von dem Vorhandensein einer typischen Stärkescheide überzeugen. Die Berechtigung der Statolithen- theorie vorausgesetzt, miüssen wir aber den kristallführenden Zellen von der oben beschriebenen Form eine Bedeutung zuschreiben. Ja, ich kann die Bemerkung nicht unter- drücken, daß, wenn es in der Pflanze irgend welche Zellen gibt, die auf Grund ihrer morphologischen Charaktere als Statocysten anzusprechen sind, es in allererster Linie die geschilderten Kristallzellen sind. Zu einer solchen Statocyste gehören nach Haberlandt und Nemec als wesentliche Bestandteile leicht passiv be- wegliche, spezifisch schwerere Körperchen in genügender An- zahl, die in einem dünnflüssigen Plasma eingebettet sind. Gebilde mit vielfach gefurchter Oberfläche. Ihre Größe wechselt. Die beobachtete Länge beträgt im Durchschnitt 50 fj., die Breite 40 [i. Durch Druck auf das Deck- glas gelingt es bisweilen, sie zu zertrümmern. Bei der Untersuchung zeigte sich, daß sie stets die von der Schwerkraft bedingte Lage einnehmen. Sie werden gleich den Stachelkugeln von der kräftigen Protoplasmaströmung fortwährend rotiert, ohne jedoch von ihr mitgenommen zu werden. Beim Umdrehen der sehr großen Zellen fallen sie sehr rasch auf die neue physikalisch untere Seite. Diese Körperchen sind wohl identisch mit den von 0 verton beschriebenen »Kon- glomeraten von Körnern« (Overton: »Beiträge zur Histologie und Physiologie der Characeen«. Bot. Zentralblatt, Bd. XLIV, Nr. 1, p. 7). Hinsichtlich der stofflichen Natur dieser Körper bin ich zu einem endgültigen Urteil nicht ge- kommen. Sie konnten durch Salzsäure und Schwefelsäure nicht in Lösung ge- bracht werden. Bei Behandlung mit Salpetersäure tritt eine Veränderung ein, indem sie sich unter Zurücklassung einer Menge feinster Körnchen lösen. Bei langem Einwirken von Kalilauge (10%) konnte Auflösung beobachtet werden, desgleichen bei Einwirkung von Flußsäure. Ich vermute, daß Kieselsäure vorliegt. 336 E. Thum. Darunter ist der plasmatische Wandbeleg der Zelle zu ver- stehen. Gerade dies trifft für unsere Kristallzellen in ganz beson- derem Maße zu. Entweder ist hier die Anzahl der spezifisch schwereren Körperchen eine sehr große oder es ist ein einziger großer Körper vorhanden, der mit seinen Kanten und Ecken verschiedene Stellen des Plasmas reizen kann, wodurch streng lokale Deformationen hervorgerufen werden können. Infolge des verhältnismäßig hohen spezifischen Gewichtes müssen die Kristalle durch ihren Druck in ganz besonderer Weise geeignet sein, tangentiale Druck- und Zugspannungen, auf die es ja wesentlich ankommt, hervorzurufen. Ganz besonders müssen aber jene Zellen wirksam sein, in denen der oxalsaure Kalk in Form von Kristallsand und sehr kleinen Kristallen ausge- schieden ist. Abgesehen davon, daß die Körperchen selbst bei sehr kleinen Lageveränderungen der Pflanze ihre Lage momentan ändern, so daß beim Umdrehen eine förmliche Revolution im Innern der Zelle vor sich geht, befinden sie sich in lebhafter hüpfender Bewegung, so daß sehr viele lokal differente Stellen des Plasmas gereizt werden können. Dazu kommt noch ein Punkt. Haberlandt und Nemec erblicken in dem Umstände, daß die Wanderzeit der in Frage kommenden Stärkekörner (d. i. die Zeit, innerhalb welcher beim Umdrehen der Pflanze die Stärkekörner ganz oder doch zum größten Teile auf die neue physikalisch untere Wand der Zelle sich umlagern) geringer ist als die geotropische Präsen- tationszeit (d. i. die minimale Reizungsdauer, in welcher die Pflanze auf den geotropischen Reiz noch antwortet), eine be- sondere Stütze für die Richtigkeit ihrer Theorie. In den Kristallzellen beträgt die Wanderzeit der spezifisch schwereren Körperchen nur sehr wenige Sekunden, die Bewegung tritt fast immer momentan ein und nur ganz selten sind zur Erreichung der neuen Ruhelage mehrere Minuten (5 bis 6) erforderlich. {Impatiens parviflora und /. balsamina) Dieses Moment muß für die Reizauslösung als besonders günstig bezeichnet werden. Statocystenartige Ausbildung von Zellen. 337 In der Anordnung dieser kristallführenden Zellen im Ver- gleiche zu der, wie sie den Statocysten Haberlandts und Nemec' zukommt, ergeben sich deutliche Unterschiede. Die Columella der Wurzel und gewisse Formen der Stärkescheide treten förmlich organartig auf. Haberlandt hat jedoch Formen beschrieben, wo die Stärkescheide nicht mehr einen ge- schlossenen Hühlzylinder darstellt, sondern in Form einer »Stärkesichel« auftritt. Auch einzelne Zellen mit den gefor- derten Eigenschaften werden von ihm als perzeptorische Zellen bezeichnet. Allein es hat sich gezeigt, daß auch andere Zellen, die nicht zur Stärkescheide gehören, ebenfalls von der Schwerkraft beeinflußte Stärkekörner besitzen. Haberlandt^ berichtet dies für Markzellen von Tradescmitia virginica. Aus dem Umstände, daß Stenge! dieser Pflanze nach vorsichtiger Entfernung der Stärkescheide dennoch schwach geotropisch reagierten und daß in den Markzellen spezifisch schwerere Körperchen (Stärkekörner) sich vorfanden, schließt er, daß unter gewissen Umständen eine geringe geotropische Empfind- lichkeit auch den Markzellen zukommt. Schröder^ konstatiert dieselbe Sache für Orobanche; typisch ist dies, wie ich mich überzeugte, bei Peperomia und in den Zellen älterer Inter- nodien von Siunmgia Lindeni piirpiirea hört, der Fall und dies dürfte auch sonst wohl zutreffen. Es ist kaum ein Grund vorhanden, solche Zellen nicht auch als Perzeptionszellen für dengeotropischen Reiz im Sinne von Haberlandt und Nemec aufzufassen. In der Anordnung der hier in Betracht kommenden kristallführenden Zellen kann im allgemeinen von einem regelm.äßigen Auftreten kaum die Rede sein. Nur selten treten sie ausschließlich als Begleiter der Gefäßbündel ähnlich der typischen Stärkescheide {Sinningia, Episcia) auf oder in Reihen (junge Sprosse von Begonia-Arten). Meist sind sie regellos verteilt oder bilden das ganze Mark- und Rindenparenchy m. 1 Haberlandt, 1. c. 1, p. 270. - Schröder, »Zur Statolithentheorie des Geotropismus«. Beiherte zum bot. Zentralblatt, Bd. XVI, Heft 2, p. 274, 1904. 338 E. Thum, Von Jost^ und Pfeffer^ ist übereinstimmend betont worden, daß ein vollkommen einwandfreier Beweis für die Richtigkeit der Statolithentheorie bisher noch nicht erbracht wurde. Es wird dies auch bei den bestehenden Verhältnissen außerordenthch schwierig sein. Wir werden uns daher vorder- hand begnügen müssen, den Grad der Wahrscheinlichkeit zu mehren oder zu mindern 3. Am meisten sprechen für die Statolithenfunktion der spezifisch schwereren Körperchen die von Haberlandt angestellten Schüttelversuche, die zeigten, daß durch rasches einseitiges Stoßen die geotropische Reaktion eher eintritt als bei ruhig in der Horizontallage gelassenen Pflanzen. F. Darwin^ hat diese Experimente gleichzeitig angestellt und ebenfalls mit positivem Erfolg. Es beruht dies nach der Ansicht von Haberlandt auf einer stärkeren Reizung der tangentialen Plasmahäute. Leider konnte ich die Versuche mit den oben angeführten Pflanzen nicht anstellen. Es ist aber zu erwarten, daß der Erfolg dieser wiederholten Stöße wegen der leichten Beweglichkeit der hier in Frage kommenden Statolithen ein ganz besonderer sein dürfte. Wiesner ^ hat bezüglich der Prüfung der Statolithen- theorie den Gedanken geäußert, die hieher gehörigen morpho- 1 Jost, Biol. Zentralblatt, Bd. XX, p. 161. 2 Pfeffer, > Pflanzenphysiologie «, p. 640 u. f. 3 Es muß wundernehmen, daß Haberlandt in der neuesten Auflage seines Werkes »Ph}'siologische Pflanzenanatomie« 1904 von der Statolithen- theorie wie von einer erwiesenen, vollkommen sicheren Sache spricht. Selbst auf zoologischem Gebiete herrscht in Bezug auf die Statocystenfunktion der bekannten Organe noch keine Einigung. So hält z. B. Hensen, entgegen der allgemeinen Ansicht der Ph3'siologen Deutschlands und Österreichs, daran fest, daß die halbzirkelförmigen Kanäle und die Otolithen (Statolithen) in erster Linie dem Hören dienen und erst sekundär das Tier von seinen Lageverhält- nissen im Raum in Kenntnis setzen. Es ist dies von Zenneck und Parker klar bewiesen worden. (Hensen: »Über das Hören der Fische«. Vortrag, gehalten im physiologischen Vereine zu Kiel, 6. Juli 1903.) Und doch sind für die Stato- cystenfunktion der im Tierreich in Betracht kommenden Organe ungleich bessere Beweise erbracht worden. ^ F. Darwin, »The Statolith-theory of Geotropism« in Proceedings of the Royal Society, vol. 71, Seite 365. 5 J. Wiesner, »Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane <■;, p. 36, diese Berichte, Bd. CXI, 1902. Statocystenartige Ausbildung von Zellen. '^39 logischen Momente am besten durch Vergleiche zu prüfen. So konnte er in den Blüten von Cliuia nobilis, die stark geo- tropisch reagieren, und in denen von CHvia miniata keine auf Statocysten Bezug habende differente Ausbildung konstatieren. Nemec^ jedoch widerspricht dieser Angabe. Ob hier ein Beobachtungsfehler vorliegt oder ob der ver- schiedene Befund auf verschiedener Ausbildung der unter- suchten Individuen beruht, kann ich nicht sagen. Es gibt jedoch tatsächlich nahe verwandte Pflanzen, die sich hinsichtlich des Gehaltes an spezifisch schwereren Körpern deutlich unter- scheiden. So besitzt z. B. Helianthns doronicoides Lam. in jeder Zelle innerhalb der Gefäßbündelzone einen großen wohl- ausgebildeten Kristall, außerdem Kriställchen von undeutlicher Form, während Helianthus hiberosus L. keinerlei kristallführende Zellen aufweist. Auf Grund der morphologischen Eigentümlichkeiten der oben beschriebenen Kristallzellen komme ich für meine Person zu der Ansicht, daß wir es hier mit typischen Stato- cysten zu tun haben. Ob sie es auch in physiologischer Hinsicht sind, bedarf noch des Nachweises. Ist es doch nicht entschieden, ob die Pflanze überhaupt als Statocysten wirk- same Zellen besitzt. Der Umstand, daß diese kristallführenden Zellen schon in ganz jungen Sprossen, auch an jenen Stellen, wo die geotropische Empfindlichkeit hauptsächlich lokalisiert erscheint, ja selbst unmittelbar unter dem Vegetationspunkte auftreten, wird vielleicht für die Funktion als Statocysten sprechen. Es wäre jedoch verfehlt, auf Grund einer morpho- logischen Analogie auf eine analoge Funktion zu schließen. Denn an den oben erwähnten Stellen findet bekanntlich ein reger Stoffwechsel statt. Es ist daher leicht verständlich, daß gerade an diesen Stellen der Oxalsäure Kalk in solchen Massen auftritt. Er kann also — und dies ist die herrschende Ansicht — als Auswurfsprodukt gedeutet werden, indem die Pflanze die für sie schädliche Oxalsäure in eine für den Zellsaft gar nicht oder doch nur sehr schwer lösliche Form, den Oxalsäuren Kalk, 1 B. Nemec, >Einiges über den Geotropismus der Wurzeln*. Beihefte zum bot. Zentralblatt, Bd. XVII, Heft 1, p. 58 u. f. 340 E. Thum, Überführt, ■^ der für den Stoffwechsel keine weitere Bedeutung mehr hat. Es ist aber dabei nicht ausgeschlossen, daß dem so gebildeten Oxalsäuren Kalk eine biologische Funktion zu- kommt. Tatsächlich wollen auch Stahl^ in ihm ein Schutz- mittel der Pflanzen gegen Schneckenfraß, Penzig^ in den großen, bestimmt orientierten Kristallen der Hesperideenblätter Durchleuchtungsprismen für die chlorophyllhaltigen Mesophyll- zellen erblicken. Und so ist es ja auch möglich, daß die be- weglichen Kristalle als Statolithen funktionieren. Doch darüber wissen wir bis jetzt noch nichts. Vielleicht bringt die Zukunft Tatsachen, die sich zu Gunsten dieser Vermutung verwenden lassen. Zusammenfassung. 1. Der im Pflanzenreiche so allgemein verbreitete Oxal- säure Kalk hat, wo er als Inhaltskörper der Zelle auftritt, im Gegensatze zu der bisherigen Ansicht, in den meisten Fällen eine gesetzmäßige Lagerung. Sie ist von der Schwerkraft bedingt und infolgedessen liegt er an der basalen Wand. Aus- genommen hievon sind jene Drusen, die mit ihren Spitzen in den Zellwänden förmlich verankert sind, die Rosanoff sehen Drusen, die durch Zellulosebalken fixiert sind und jene Aus- scheidungen in kryptokristallinischer Form, die von dem sich bewegenden Plasma mitgenommen werden. 2. Wenn man Organe der Pflanze mit solchen kristall- führenden Zellen aus ihrer normalen, vertikalen Lage bringt, so bietet sich ein überraschender Anblick. Es tritt momentan eine Wanderung dieser Inhaltskörper ein. Dreht man um einen ^ A. F. W. Schimper, »Zur Frage der Assimilation der Mineralsalze durch die grüne Pflanze«, p. 249, Flora oder allgemeine botanische Zeitung 1 890, Heft 3. 2 Ernst Stahl, »Pflanzen und Schnecken«. Eine biologische Studie über die Schutzmittel der Pflanzen gegen Schneckenfraß. Sonderabdruck aus der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft und Medizin, Bd. XXII, N. J. XV, p. 84 u. f. 3 0. Pen zig, »Über die Gegenwart von Beleuchtungsapparaten im Innern gewisser Pflanzen«. Atti d. Soc. d. Naturalist!. Modena 1883, ser. III, vol. 1, p. 7. Statocystenartige Ausbildung von Zellen. 341 Winkel von 180°, so sind zur Erreichung der neuen Ruhelage gewöhnlich nur wenige Sekunden notwendig. 3. In morphologischer Beziehung haben diese kristall- führenden Zellen mit den von Haberlandt und Nemec be- schriebenen Statocysten große Ähnlichkeit, denn die Lage der Kristalle ist von der Schwerkraft bedingt; durch ihre ungemein leichte Beweglichkeit und ihr verhältnismäßig hohes spezi- fisches Gewicht dürften diese Kristalle, die Statolithentheorie als richtig vorausgesetzt, besonders geeignet sein, das empfindliche Plasma zu reizen. Im Gegensatze zu den stärkehaltigen Stato- cysten ist für die Zellen mit beweglichen Kristallen eine gesetz- mäßige Anordnung im Innern der Gewebe im allgemeinen nicht vorhanden. Zum Schlüsse erfülle ich eine angenehme Pflicht, wenn ich meinem hochgeschätzten Lehrer, Herrn Prof. Dr. H. Molisch, für die vielfachen Anregungen, die mir im Laufe dieser Arbeit von seiner Seite zu teil wurden, meinen aufrichtigen Dank ausspreche. Desgleichen danke ich dem Herrn Assistenten Dr. Oswald Richter für das lebhafte Interesse, das er der Sache entgegenbrachte. 342 E. Thum, Statocystenartige Ausbildung von Zellen. Figurenerklärung/ Sämtliche Figuren sind mit dem Prisma gezeichnet. In .Anwendung kamen Objektiv 3 und Okular 5 von Leitz. Fig. 1. Partie aus der Nähe der Gefäßbündelzone von Sinningia Lindeni purpurea hört. Die Raphiden zeigen typisch basale Lagerung. Die mittlere Zelle ist in \a, \b, 1 c, 1 d in den ver- schiedenen Stellungen (45°, 90°, 135°, 180°) gezeichnet, wie sie beim Drehen des Objekttisches erscheinen. Fig. 2. Partie aus dem Rindenparenchym von Begonia metallica L. mit in Reihen angeordneten Kristallzellen. Fig. 3. Partie aus dem Stengelgrundgewebe von Ruellia formosa Humb. & Bonpl. sts Stärkescheide, kz Kristallzellen. Fig. 4. Partie aus dem Marke von Lamium purpureum L. Der Schnitt ist aus der Höhe, wo der Schwund des Markes noch nicht be- gonnen hat. 1 Für die Herstellung der Figuren bin ich meinem Studienfreunde Herrn stud. phil. Hugo Iltis sehr zu Danke verpflichtet. Tlnnii,E.: StatotTstenartige AiisMduiig l\i'Lstallfiihi*eTi(ler Zellen. 3. LitJtAiist\r.TlLBaiuwarfli,'Wieii . HugoJltisdel. Sitzungsberichte d.kais. Akad. d.\\^s., mathrnatunv. Classe,Bd.CXnr.AbtlU.1904. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAREN MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIIL BAND. Vli. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. 345 Zur Anatomie einiger Palmenblätter von Dr. O. Bobisut, Assistent am botanischen Institut der k. k. Universität Graz. (Mit 4 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 7. Juli 1904.) I. Die Blätter der Palmen sind vom anatomisch-physiologi- schen Standpunkt aus bisher noch sehr wenig untersucht worden. Auf Veranlassung Herrn Prof. Haberlandt's unter- nahm ich es, einige der bekanntesten Arten auf ihre ana- tomische Blattstruktur hin zu vergleichen und namentlich in Erwägung zu ziehen, inwiefei'n die anatomischen Verhältnisse des Blattes im Einklänge mit den natürlichen Standortsverhält- nissen stehen, eine Frage, die sich naturgemäß in erster Linie auf das Vorhandensein von Schutzeinrichtungen gegen über- mäßige Transpiration zuspitzt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle Herrn Prof. Haberlandt für die viel- fache Unterstützung und Anregung, die er meiner Arbeit an- gedeihen ließ, meinen verbindlichsten Dank zu sagen. IL Nipa fruticans. Taf. I, Taf. IV, Fig. 10. Von dieser schon durch ihre habituelle Ausbildung inter- essanten Palme wurden in Alkohol konservierte Fiedern unter- sucht, die Prof. Haberlandt auf Java gesammelt hatte. Die Fieder zeigt folgenden anatomischen Bau. Die Zellen der oberen 346 O. Bobisut, Epidermis sind verhältnismäßig klein, von der Oberfläche aus gesehen sind sie teils quer-, teils längsgestreckt, teils isodia- metrisch und lassen eine deutliche Anordnung zu Längsreihen erkennen, im Querschnitt erscheinen sie niedrig, mit mäßig ver- dickten Außenwänden. Spaltöffnungen treten in der oberen Epi- dermis nur höchst selten und vereinzelt auf, dagegen kommen in großer Zahl eigentümliche Gebilde vor, von denen später die Rede sein wird. Auf dieEpidermis folgt ein zweischichtiges Hypo- derm. Die obere Schicht setzt sich aus lückenlos zusammen- schließenden Zellen sklerenchymatischen Charakters zusammen, welche in der Oberflächenansicht quergestreckt und in regel- mäßige Längsreihen gestellt sind; die Zellen je zweier benach- barter Längsreihen erscheinen, weil die trennenden Wände meist sehr schief gestellt sind, regelrecht spitz ineinander verkeilt. Am Querschnitte der Fieder zeigen die Zellen rechteckigen Umriß, am Längsschnitte haben sie das Aussehen querdurchschnittener großlumiger Bastzellen (Taf. IV, Fig. 10). An Länge stimmen die Sklerenchymzellen mit den Epidermiszellen überein, über- treffen sie dagegen durchschnittlich um das Dreifache an Breite und Vg" t'is einmal an Höhe. Die gleichmäßige Verdickung der getüpfelten und verholzten Wände entspricht jener der Außen- wand der Epidermiszellen; der Zellkern sitzt der unteren Wand auf. Die untere Schicht des Hypoderms ist als V/assergewebe ausgebildet und besteht aus Zellen, die etwas höher sind als die Sklerenchymzellen, sonst aber nahezu isodiametrische Aus- bildung zeigen; die Wände sind kaum noch einmal so dick als die dünnen Wände 'der Pahsadenzellen, getüpfelt und unver- holzt; die untere Tangentialwand, welcher der Zellkern auf- sitzt, springt gewöhnlich konvex gegen das Mesophyll vor. Das Palisadengewebe, welches nun folgt, ist zweischichtig. Die Zellen der oberen Palisadenschicht sind bald bedeutend länger, bald ebenso lang oder selbst kürzer als die der unteren Schicht; dieses Längenverhältnis variiert ohne besonders ersichtlichen Grund schon an ein und demselben Querschnittsbild. Das Schwammparenchym setzt sich aus vier bis sechs Zellagen zusammen. An Querschnitten durch die Fieder erscheinen die Zellen des Palisaden-, wie auch des Schwammparenchyms lückenlos aneinandergereiht; Längsschnitte dagegen ergeben Zur Anatomie einiüfer Palmenblätter. 34/ 'o einen großen Reichtum an Interzellularen sowohl im Schvvamm- parenchym wie in der unteren Palisadenzellage. Den Abschluß des Blattes nach unten zu bilden dieselben Gewebe wip an der Oberseite. An das Schwammparenchym schließt ein ein- schichtiges Wassergewebe an, welches so gebaut ist wie das obere, nur daß seine Zellen durchschnittlich etwas kleiner sind; die Zellkerne liegen der oberen Tangentialwand an. Auf das Wassergewebe folgt eine vSklerenchymschicht, welche wieder denselben Charakter hat wie die obere Sklerenchymlage, meist aber aus zwei Zellschichten sich aufbaut. Die untere Epidermis ist ganz ähnlich gebaut wie die obere, doch sind die meisten Zellen längsgestreckt. Die zahlreichen Spaltöffnungen, welche in ihr auftreten, liegen, wie dies bei den Palmen wohl die all- gemeine Regel sein mag, alle mit ihrer Zentralspalte in der Längsrichtung der Fieder; auf ihren interessanten Bau wird gleich die Sprache kommen. Die angedeuteten Gebilde der oberen Epidermis sind auch hier zu beobachten. In dem grünen Mesophyll finden sich zahlreiche Gefäßbündel und kleine selb- ständige Bastbündel vor. Die Gefäßbündel sind von sehr ver- schiedener Größe, im übrigen nach dem allgemeinen Palmen- typus gebaut. Im Längsverlaufe der größeren Bündel sind die Palisaden- und Schwammparenchymzellen, welche oberhalb beziehungsweise unterhalb des Gefäßbündels liegen, oft auf weite Strecken hin unter Beibehaltung ihrer Gestalt, aber mäßiger Verdickung ihrer Wände in Wassergewebszellen umgewandelt; dadurch wird sowohl der obere wie der untere Wassergewebs- mantel des Blattes in kontinuierlichem Zusammenhange mit den wasserleitenden Wegen erhalten. Die isolierten Bastbündel verlaufen alle parallel der Längsrichtung der Fieder und er- scheinen am Blattquerschnitt in zwei mehr oder weniger ver- zogene Reihen angeordnet; die eine Reihe geht durch die Grenze zwischen Palisaden- und Schwammparenchym, die andere liegt im Schwammparenchym selbst; alle Bastbündel werden von einer Deckzellenschicht umscheidet, die sich auch an den Bast- belegen der Gefäßbündel wiederfindet. Bemerkenswert ist, daß der Fiederspreite Trichombildungen gänzlich abgehen. Aus der gegebenen Beschreibung ergibt sich, daß die Gewebedifferenzierung in der Nipa-Blattüedev veischiedene Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIll. Bd., Abt. I. '-^ 348 . 0. Bobisut, Details aufweist, die im Zusammenhange stehen mit den bio- logischen Verhältnissen der Palme. Wir wollen hier jedoch nur zwei Objekte näher erörtern: die eigentümlich gebauten Spalt- öffnungen und die angedeuteten merkwürdigen Gebilde an den beiden Epidermen. Wie bereits erwähnt, treten Spaltöffnungen fast ausschließ- lich auf der Unterseite der Nipa-Fiedevn auf und sind durch- gehends so orientiert, daß ihre Zentralspalte mit der Längs- richtung der Fieder zusammenfällt. Der Spaltöffnungsapparat (Fig. 1 bis 3) besteht wie bei den meisten Palmen aus Schließ- und Nebenzellen. Die Nebenzellen umgeben die beiden SchUeß- zellen in einem geschlossenen Kranz und sind gewöhnlich zu vier vorhanden, je eine seitlich von jeder Schließzelle, die beiden andern quer dazu; hie und da erscheint eine Spaltöffnung auch von fünf bis sechs Nebenzellen umsäumt (Fig. 3). Die Schließ- zellen sind mehr oder weniger tief unter das Niveau der Epi- dermis versenkt. Dadurch kommt eine waschbeckenförmige äußere Atemhöhle zu stände, deren Grund von den Außen- wänden der Schließzellen gebildet wird, während die konvexe Seitenkontur den nach abwärts gekrümmten Außenwänden der Nebenzellen angehört. Diese Atemhöhle wird vollständig von einer gelblichweißen, körnigen, in Äther und Chloroform leicht löslichen Wachsmasse ausgefüllt, welche geradlinig abschließt, wenn die Schließzellen verhältnismäßig tief eingesenkt sind, sich hingegen schwach konvex über das Niveau der Epidermis vorwölbt, wenn die Versenkung seichter ist. Im Querschnitte zeigt die Spaltöffnung folgenden Bau (F'ig. 1 und 2): Die Rücken- wand wölbt sich mäßig gegen die Nebenzelle vor, ist dünn, ohne Verdickungsleisten und besteht nur aus Zellulose. Die Bauchwand ist in ihrem ganzen Verlaufe dick und sehr charak- teristisch gebaut. Die Außenseite ist stark cutinisiert und er- scheint in der Mitte auf eine längere Strecke hin geradlinig abgestutzt, so daß die Zentralspalte am Querschnitte der Spalt- öffnung sich als ein langer Kanal darstellt. Oben springt die Cuti- cula als mächtiges äußeres Cuticularhörnchen vor und ebenso bildet sie unten einen spitzen inneren Cuticularzahn. Aber auch im Vorhofe sind von oben nach unten an Dicke abnehmende Cuticularleisten entwickelt, und der Hinterhof schließt an der Zur Anatomie einiger Palmenhlätter. 349 Übergangsstelle in die Zentralspalte ebenfalls mit einer Cuti- cularleiste ab; der Kontur der Bauchwandmitte ist gewöhnlich ganz glatt, seltener durchgehends mit sehr feinen Leisten ver- sehen. Alle diese Cuticularleisten der Bauchwand, vom äußeren Cuticularhörnchen angefangen bis zum untersten Zahn, springen so weit vor, daß sie im Querschnitte fest durch eine gerade Linie verbunden werden können. Von den beiden äußeren Cuticular- hörnchen der Spaltöffnung greift immer das eine über das andere vor. Ebenso sind die übrigen Zähne so gestellt, daß die der einen Schließzelle genau in die Lücken der andern hineinpassen. Nur die beiden untersten Cuticularzähne sind einander parallel ge- stellt und bilden einen engen, geraden oder etwas gewundenen Kanal, welcher von der inneren Atemhöhle in den kleinen Hinter- hof führt. Einen nicht minder befremdenden Eindruck als die Außenseite macht auch die Innenseite der Bauchwand; hier sitzt der Mitte eine mächtige Zelluloseleiste auf, die am Querschnitte halbkreisförmig in das Lumen der Schließzelle hineinragt; diese Zelluloseleiste geht parallel mit der Zentralspalte deren ganze Länge entlang und setzt sich noch etwas darüber hinweg mit verjüngten Enden auf die den beiden Schließzellen gemeinsamen Wände fort. Im Inhalte der Schließzellen tritt reichlich fein- körnige Stärke auf. Die Nebenzellen sind noch um gut ein Drittel höher als die Schließzellen und haben ein wohl entwickeltes äußeres Hautgelenk; ein inneres Hautgelenk fehlt. Die innere Atemhöhle wird ausschließlich von dünnwandigen Schwamm- parenchymzellen ausgekleidet; auch dem Spaltöffnungsapparat selbst sitzen dünnwandige Zellen in einem geschlossenen ein- schichtigen Kranz auf (Fig. 1, a). Schon das Vorkommen eines Wassergewebes deutet darauf hin, daß die Nipa-BVäitev, trotzdem die Palme meist direkt in Wasser wurzelt, unter Umständen eines ausgiebigen Schutzes gegen zu starke Transpiration bedürfen. Wenn auch die Pflanze nicht mehr zur eigentlichen Mangrovevegetation gehört, sondern oft schon in ganz süßen Flußläufen auftritt und demnach keiner Erschwerung der Wasserzufuhr durch hohen Salzgehalt des Substrates ausgesetzt ist, so tritt doch in den Mittagsstunden die Gefahr ein, daß die große Blatttläche wegen der starken Insolation durch die tropische Sonne stärker transpiriert, als 24* 3öO 0. BobisLit, sie von unten her mit Wasser versorgt wird. Einer solchen Gefahr wird, abgesehen von der Entwicklung des Wasser- gewebes, durch die charakteristische Ausbildung der Spalt- öffnungen vorgebeugt. Über die Mechanik des Öffnens und Schließens des Spaltöffnungsapparates läßt sich vorderhand, da nur Alkoholmaterial untersucht werden konnte, eine ganz bestimmte Ansicht nicht äußern; so viel aber ist sicher, daß die Bauchwand der Schließzellen bei Turgoränderungen eine Krümmung nicht erfahren kann, da sie stark verdickt und außen in ihrem ganzen Verlaufe mit vorspringenden Leisten versehen ist, die infolge ihrer oben geschilderten Anordnung bei der geringsten Krümmung der Bauchwände sofort eine gegenseitige Verspreizung derselben zur Folge hätten. Klar ist dagegen ohneweiters, daß wegen der besonderen Ausbildung der Bauchwände die Transpiration bei geschlossener Spalt- öffnung auf das denkbar möglichste Minimum herabsinken muß. Die Zentralspalte ist ungewöhnlich hoch und die zahl- reichen Cuticularleisten, die mit ihrem Ende so weit vorragen, daß sie in ihrer Aufeinanderfolge die Bauchwand geradlinig abschließen, sind so angeordnet, daß die der einen Bauchwand genau in die Lücken zwischen jene der andern hineinpassen. Das Charakteristische der A^^jca-Spaltöffnung ist also der ver- hältnismäßig lange, enge und zugleich gewundene Weg, den der aus der Atemhöhle nach außen austretende Wasserdampf zurücklegen muß. Schon um in den kleinen Hinterhof zu ge- langen, muß der Wasserdampf die enge und relativ hohe Spalte^ passieren, welche die einander parallel gestellten untersten Cuti- cularzähne bilden; nun muß er sich durch die hohe Zentral- spalte durchzwängen, um den Vorhof zu erreichen; und der Vorhof selbst mündet nicht frei nach außen aus, sondern durch eine feine Spalte der übereinander greifenden äußeren Cuticular- hörnchen. Zieht man außerdem noch in Betracht, daß die Spalt- ' Die an der Zentralspalte der Innenseite der Bauchwand aufgelagerte mächtige Zelluloseleiste dürfte zweifelsohne die Aufgabe haben, zu verhindern, daß bei Turgorschwankungen die Bauchwand an dieser Stelle Krümmungen erfährt; denn nur dann, wenn die Bauchwand stets gerade bleibt, ist die Gefahr einer Verspreizung ihrer Cuticularleisten und eines Offenbleibens der Spalt- öffnungen bei sinkendem Turgor ausgeschlossen. Zar Anatomie einiger Palmenblätter. 3ol Öffnungen eingesenkt sind und überdies die äußere Atemhöhle mit einem Wachspfropfen ausgefüllt ist, so kann man kaum in der Annahme fehlgehen, daß bei geschlossenen Spaltöffnungen die stomatäre Transpiration des Blattes nahezu ganz unter- brochen ist. Interessant ist ein Vergleich der Spaltöffnungen der Blatt- fiedern mit denen der scheidigen Hochblätter des Fruchtstandes. Die untersuchten Scheiden stammten von P'ruchtständen ab, die von Prof. Palla bei Palembang auf Sumatra gesammelt worden waren. Der anatomische Bau einer solchen Hochblattscheide ist im wesentlichen der folgende: Die obere Epidermis besteht aus längsgestreckten Zellen mit dicken Außenwänden; in ihr treten in reicher Menge den schon angedeuteten eigentümlichen Ge- bilden derLaubblattepidermis homologe, aber wesentlich anders ausgebildete Apparate auf. Die untere Epidermis hat minder langgestreckte Zellen, deren Außenwand papillös vorspringt und dünn oder mäßig verdickt ist; in ihr liegen zahlreiche normale Spaltöffnungen und überdies vereinzelt wieder die Gebilde der oberen Epidermis, doch in abweichender Gestalt. Auf beide Epidermen folgt ein einschichtiges Sklerenchym und einschichtiges Wassergewebe; das Sklerenchym weicht in seinem Baue nur unwesentlich von jenem des Fiederblattes ab; etwas mehr modifiziert erscheint das Wassergewebe der Ober- seite, indem seine Zellen wie die Sklerenchymzellen quer- gestreckt sind und stellenweise Interzellularen zwischen sich aufweisen. Das Assimilationsgewebe findet sich auf der Unter- seite des Hochblattes vor, da diese infolge der scheidenförmigen Ausbildung des Blattes als Außenseite allein entsprechender Beleuchtung ausgesetzt ist; es ist größtenteils sechs- bis acht- schichtig, die Zellen haben nicht Palisadengestalt, sondern sind mehr oder minder isodiametrisch. Gegen die Blattmitte zu geht das Assimilationsgewebe in Schwammparenchym über, dessen an das obere Wassergewebe angrenzende Zellen in einer zwei bis vier Schichten dicken Lage wie die Wassergewebszellen stark quergestreckt erscheinen. Größere und kleinere Gefäß- bündel mit dem Leptom vorgelagerten Bastrippen liegen teils im Schwammparenchym, teils im unteren Teile des Assimila- tionsgewebes sowie an den Grenzen beider Mesophyllteile. 352 0. Bobisut, Ebenso kommen zahlreiche isolierte, von Deckzellen begleitete Bastbündel vor, klein und ziemlich zerstreut im Schwamm- parenchym, dicht gehäuft und häufig sehr groß im Assimila- tionsgewebe, meist direkt an das untere Wassergevvebe an- stoßend. Die Spaltöffnungen dieser Hochblätter (Fig. 9 bis 11) sind zwar wie die der Blattfiedern eingesenkt und stimmen mit ihnen auch in der Größe und Anzahl der Nebenzellen überein; aber in ihrem sonstigen Bau weichen sie wesentlich ab. Die stark in das Lumen der Nebenzelle vorgewölbte Rückenwand ist nur in ihrer Mitte dünnwandig, nach oben und nach unten nimmt die Dicke ihrer Membran konstant zu. Dasselbe Ver- halten zeigt die Bauchwand; sie ist mit ihrer dünnen Mitte — die dicke Zelluloseleiste der Spaltöffnungen der Blattfiedern fehlt hier vollständig — gegen die Spalte vorgekrümmt; ihre beiden Verdickungsleisten bilden ein äußeres und ein inneres Cuticularhörnchen. Der Porus zeigt die gewöhnliche Differen- zierung in Vorhof, Zentralspalte und Hinterhof; der Kontur des Porus ist glatt, nur selten erscheint der Vorhof an der Über- gangsstelle in die Zentralspalte durch feine Cuticularleisten zart gezähnelt. An den Nebenzellen ist ein äußeres und ein inneres Hautgelenk entwickelt. Die Sklerenchymzellen, welche an die Nebenzellen grenzen, haben gewöhnlich bedeutend dickere, reich getüpfelte Wände (Fig. 10 und 11). Die durch die Einsenkung bedingte äußere Atemhöhle enthält keine Wachseinlagerungen. Die Spaltöffnungen der Hochblätter sind demnach, wie sich aus der Beschreibung ergibt, nach jenem bei Phanero- gamen so verbreiteten Typus gebaut, bei dem das Öffnen und Schließen durch entsprechende Krümmungen der Bauchwand ausgeführt wird. Es ist einleuchtend, daß hier ein so voll- kommener Verschluß der Ausführungsgänge des Durchlüftungs- systems wie bei den Blattfiedern nicht erfolgen kann. Es ist aber auch ohneweiters verständlich, daß die Pflanze auf die kompliziertere Ausbildung der Spaltöffnungen bei den Hoch- blättern verzichten kann. Die Infloreszenzen ragen ja nur mäßig über das Wasserniveau hervor und werden zu Mittag, der Zeit der stärksten Insolation, durch den Schatten der über ihnen Zur Anatomie einiger Palmcnblätter. 353 sich ausbreitenden mächtigen Fiederblätter hinreichend gegen direktes Sonnenlicht geschützt; überdies haben sie eine relativ kurze Lebensdauer und ihr eventueller Verlust durch Ver- trocknung dürfte höchstens die Infloreszenz in Mitleidenschaft ziehen, keineswegs aber die ganze Pflanze. Außer den Spaltöffnungen treten sowohl in der unteren wie in der oberen Epidermis der Laub- und Hochblätter häufig Zellgruppen auf, welche in der Oberflächenansicht und im Querschnitte vollständig Spaltöffnungen gleichen, von den typi- schen Spaltöffnungen der Blattunterseite aber schon durch ihre geringe, dabei jedoch annähernd konstante Größe auf den ersten Blick gänzlich abweichen. An den Blattfiedern sind die Gebilde auf beiden Oberflächen gleich gebaut, an den Hochblättern dagegen weichen die der Oberseite beträchtlich von denen der Unterseite ab und der Bau beider Arten ist wieder verschieden von dem, der den Gebilden der Blattfiedern zukommt. An den Blattfiedern liegen die Gebilde (Fig. 4 bis 8) ein- gesenkt in der Epidermis und setzen sich aus zwei Schwester- zellen zusammen, deren Trennungswand in der Längsrichtung der Fieder steht. Die Sklerenchymschicht zieht sich ohne Unter- brechung unter den Gebilden fort, zeigt aber meistens, ent- sprechend deren Einsenkung, eine mehr minder tiefe Ausbiegung nach unten zu; das Wassergewebe erscheint häufig dadurch unterbrochen, daß eine Sklerenchymzelle bis zur ersten Schichte des unverändert bleibenden Palisadengewebes, beziehungsweise Schwammparenchyms reicht. Das Ouerschnittsbild des Appa- rates selbst ist folgendes: Die beiden Zellen sind voneinander durch eine zentrale Spalte getrennt, welche in ihrer Ausdehnung etwa der halben Länge des Apparates entspricht. Die Wände, besonders die Außenwand, sind mehr minder dick, bloß die beiden nicht gespaltenen Enden der gemeinsamen Längswand erscheinen verhältnismäßig dünn. Von einer Differenzierung der Spalte in Vorhof, Zentralspalte und Hinterhof ist nur hie und da eine schwache Andeutung vorhanden. Ebenso erweitert sich die Spalte nur ganz ausnahmsweise nach unten zu zu einer Art rudimentärer Atemhöhle (Fig. 5). Häufig ist dagegen der in Fig. 6 dargestellte Fall, daß eine unter der Spalte liegende Sklerenchymzelle mit ihrer Membran weit hinauf in den Spalt 354 0. Bobisut, reicht und ihn wie ein Keil verstopft. Die Außenwand sowie die Bauchwand der beiden Zellen ist stark cutinisiert; die Cutini- sierung greift aber auch als schmal keilförmig auslaufende Platte über die ganze Rückenwand bis zur Sklerenchymzelle über und ebenso setzt sich die Cuticula der Bauchwände auf die den Spalt begrenzenden Wände der Sklerenchymzellen fort, so daß der ganze Hohlraum durch eine cutinisierte Membran- schicht abgeschlossen erscheint (Fig. 5). Der Hohlraum, welcher einer äußeren Atemhöhle entspricht, wird wie bei den typischen Spaltöffnungen vollständig von einer scheinbar wachsartigen Masse ausgefüllt, welche bei Erwärmung schmilzt, aber in Chloroform und Äther unlöslich ist. Diese Substanz setzt sich häufig bis in den Spaltraum fort. Sie besitzt eine gelblichweiße Färbung, enthält stark lichtbrechende Körnchen und Stäbchen und wird überdies von einer Anzahl von Sprüngen und Rissen durchsetzt; mit Jod und Schwefelsäure bleibt sie ungefärbt oder nimmt höchstens eine schwach gelbliche Farbe an, Alkanna- tinktur verleiht ihr eine schwach rote, Cyaninlösung eine schwach blaue Färbung. Soweit es sich aus dem konservierten Material erschließen läßt, besitzen die beiden Zellen lebenden Inhalt. Stärke konnte in ihnen und, wie gleich hier bemerkt werden mag, auch im Inhalte der Apparate der Hochblätter in keinem Falle nachgewiesen werden. Umgeben wird jedes Gebilde von vier, seltener von fünf bis sieben Epidermiszellen, welche in ihrer Ausbildung den Nebenzellen der gewöhnlichen Spaltöffnungen entsprechen, aber kein Hautgelenk aufweisen. Ahnlich, aber doch in manchen Punkten abweichend gebaut sind die Gebilde auf der Unterseite der Hochblätter (Fig. 12 und 13). Sie sind tiefer eingesenkt; die Grube jedoch, in der sie liegen, wird von keiner Verschlußmasse ausgefüllt. Die Rücken- wand der beiden Zellen ist dünn und nur mäßig gekrümmt oder gerade, die Bauchwand in der Mitte unverdickt, mit äußerem und innerem Cuticularhörnchen. Die zwischen den Zellen vor- handene Spalte entspricht dem Porus einer ganz oder nahezu ganz verschlossenen Spaltöffnung mit schmalem Vor- und Hinterhof, Eine innere Atemhöhle ist deutlich entwickelt; die Membranen der sie auskleidenden Zellen sind dünn oder nur wenig verdickt. Wie bei den normalen Spaltöffnungen des Zur Anatomie einiger Palmenblätter. Söo Hochblattes sind auch hier die Sklerench3^mzellen der nächsten Umgebung alle oder zum Teile dickwandiger und reich getüpfelt. Ganz anders nehmen sich die fraglichen Gebilde in der oberen Epidermis des Hochblattes aus (Fig. 14 bis 17), wo sie überaus reichlich auftreten. Sie liegen im Niveau der Epidermis, doch mit ihrem Außenkontur etwas unterhalb der Cuticularlinie der übrigen Epidermiszellen. Von oben betrachtet gleichen sie vollständig Wasserspalten mit großer runder oder elliptischer Öffnung (Fig. 16 und 17); die Rückenwände erscheinen nicht selten wellig verbogen. Nebenzellen sind ebenso häufig zu beob- achten wie sie gänzlich fehlen können. Querschnittsbilder lassen folgende Details erkennen. Die Rückenwand ist relativ dünn, ohne Verdickungsleisten. Die Bauchwand erscheint meist schwach vorgewölbt; die beiden Verdickungsleisten, die von ihrer dünnen Alitte ausgehen, sind auffallend schwach, ihre Dicke ist mehr- mals geringer als die Außenwand der gewöhnlichen Epidermis- zellen. Die Cuticula, welche die Bauchwand abgrenzt, ist sehr dünn und springt oben und unten zu je einem winzigen Hörnchen vor. Die Spalte mündet unten in eine meist geräumige Atem- höhle aus. Wenn auch infolge Mangels an entsprechendem Material ent- wicklungsgeschichtliche Untersuchungen nicht möglich waren, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß alle drei Kate- gorien der geschilderten epidermalen Gebilde phylogenetisch sich von Spaltöffnungen ableiten.^ Es ist wohl nicht anzunehmen, daß sie derzeit nur mehr rudimentäre funktionslose Spaltöffnungen darstellen; dagegen spricht schon ihr massenhaftes Vorkommen besonders in deroberen Epidermis. Sehr wahrscheinlich erscheint vielmehr die Annahme, daß die Gebilde Wasserspalten sind, die frühzeitig an den jungen Blättern in Aktion treten und bald, viel- leicht schon lange vor Beendigung des Wachstums der Blatt- organe, ihre Tätigkeit einstellen. Dann müssen naturgemäß Vor- richtungen getroffen werden, die schädlichen Wirkungen zu paralysieren, die sich aus dem Offenbleiben der Spalte, der Eingangspforte in das Blattinnere, ergeben können. An den 1 An der oberen Hochblattepidermis wurden in einigen wenigen Fällen entsprechende Übergänge gefunden, wie einen solchen Fig. 19 darstellt. 356 0. Bobisul, kurzlebigen Hochblättern genügt es zu diesem Zwecke, daß der unter der Spalte gelegene Interzellularraum von lückenlos zu- sammenschließenden Zellen abgegrenzt wird; an der exponier- teren Außenseite sind überdies die Wasserspalten eingesenkt und mit schmalem Ausführungskanal versehen, Einrichtungen, welche an der hinreichend geschützten Innenseite entbehrlich sind. Möglichst vollkommen müssen dagegen die funktionslos gewordenen Spalten an den Fiederblättern gegen das Blatt- innere abgeschlossen werden. Deshalb finden wir, daß die Spalte meist direkt durch eine Sklerenchymzelle abgeschnitten wird, nur ausnahmsweise in einen kleinen Interzellularraum ausmündet; häufig verstopft die Sklerenchymzelle durch ihre Membran einen großen Teil der Spalte selbst. Rückenwand und Bauchwand sind stark cutinisiert, und von der Bauchwand aus greift die Cutinisierung auf die ganze Membranpartie der subepidermalen Zelle über, welche den Spalt unten abschließt. Der ganze Apparat selbst ist eingesenkt, und die Grube, in der er liegt, wird vollständig durch eine äußeren Einflüssen gegen- über sehr widerstandsfähige Masse verstopft. Arenga saccharifera.^ Taf. ]1. Die Blattfiedern der Gomutipalme erscheinen oberseits dunkelgrün, unterseits schmutzigweiß gefärbt. Die Ursache der Färbung der Unterseite bildet vom biologischen Standpunkt aus den interessantesten Teil der Ergebnisse der anatomischen Untersuchung und wird deshalb eingehender zu besprechen sein. Vorerst sei aber in Kürze der anatomische Bau der Fieder überhaupt geschildert. Das Querschnittsbild zeigt in der Reihenfolge von oben nach unten folgende Gewebe: obere Epidermis, zweischichtiges Hypoderm, in Palisadengewebe und Schwammparenchym diffe- renziertes grünes Mesophyll, in welchem Gefäßbündel, Raphiden- schläuche und isolierte, aus ein bis wenigen Zellen zusammen- 1 Das Untersuchungsmaterial stammte aus dem botanischen Garten in Graz. Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 357 'o gesetzte Bastbündel liegen, einschichtiges Hypoderm und untere Epidermis. Die Zellen der oberen Epidermis sind von oben betrachtet isodiametrisch bis mäßig gestreckt und zu geraden Längsreihen angeordnet, deren Querwände aber im Gegensatze zu A^ipa meist sehr schief stehen. Auffallend ist die Erscheinung, daß die Zellen, welche über den Längsgrenzen der ersten Hypo- dermschicht lagern, durchschnittlich breiter und mehr isodia- metrisch sind; dementsprechend treten zweierlei Arten von Längsreihen hervor, solche mit breiten Zellen, welche isoliert verlaufen, und Längsreihen mit schmalen Zellen, welche zu zwei bis vier nebeneinander liegen. Am Querschnitt erscheinen die Epidermiszellen so hoch oder wenig höher als breit; die Außenwand ist ziemlich dick, etwas schwächere in collen- chymatischer Ausbildung auftretende Verdickung zeigen die Seitenwände und die Innenwand; die Cuticularschicht der Außenwand greift auf die Seitenwände über und geht bis zu der unverdickten Partie derselben. Spaltöffnungen treten in der oberen Epidermis nur sporadisch auf, am häufigsten am Blatt- rand; ebenso sind Trichome nur in spärlicher Zahl vorhanden. Das obere Hypoderm ist zweischichtig. Die an die Epidermis grenzende Zellage stimmt in Bezug auf .Anordnung, Größe und Dickwandigkeit der Zellen mit dem Sklerenchym der Nipa- Fiedern überein, unterscheidet sich aber wesentlich dadurch, daß die Wände ganz unverholzt sind und weniger reiche Tüpfel- bildung aufweisen, ferner erscheinen an Oberflächenschnitten die kurzen Längswände dünnwandiger als die breiten Quer- wände. Die untere etwas chlorophyllhältige Zellage, welche ausschließlich den Charakter eines VVassergewebes darbietet, zeigt an Oberflächenschnitten die gleiche Ausbildung und Gruppierung der Zellen wie die obere Schichte, nur sind die Wände bedeutend dünner; im Ouerschnitte wölben sich die Zellen stark gegen das Mesophyll vor. Das Palisadengewebe ist ein- bis zwei-, hie und da auch dreischichtig; stellenweise durchbricht es das Wassergewebe und grenzt unmittelbar an die obere Hypoderm-Zellage. Das Schwammparenchym ist vier bis fünf Zellagen hoch; die Abgrenzung gegen das Palisaden- gewebe ist nicht immer sehr scharf. Das untere Hypoderm setzt sich aus einer einzigen Zellschicht zusammen, die im 358 0. Bobisut. wesentlichen mit der ersten Schicht des oberen Hypoderms übereinstimmt. Die Zellen der unteren Epidermis erscheinen an Oberflächenschnitten größtenteils längsgestreckt und bedeutend länger als die der oberen Epidermis; wegen der dicken und seicht getüpfelten Radialwände ähneln sie hier Endosperm- zellen. Querschnitte ergeben, daß die Zellen niedriger sind als an der oberen Epidermis und daß die Innenwand im allgemeinen ebenso dick oder noch etwas dicker ist als die Außenwand. Spaltöffnungen treten in sehr großer Anzahl, auf und ebenso ist eine reichliche Trichomentvvicklung vorhanden. Die größeren Gefäßbündel werden beiderseits von je einer starken Bastrippe umscheidet; die Lücke zwischen dem oberen und unteren Bast- belag füllen dickwandige, reich getüpfelte Sklerenchymzellen aus. Im Palisadengewebe liegen zerstreut große Raphiden- schläuche, sie sind in der Längsrichtung der Fieder gestreckt und dementsprechend ist auch die Orientierung der Längs- achse ihres Kristallbündels. Sowohl das Palisadengewebe wie das Schwammparenchym durchsetzen der Länge nach zahl- reiche isolierte ßastbündel, welche bloß eine Zellage lang sind und aus einigen wenigen oder häufig überhaupt nur aus einer einzigen Zelle bestehen; die einzelne Bastzelle ist verhältnis- mäßig sehr kurz und durch dünne Querwände gefächert; ihr Lumen erscheint mit Ausnahme der verschmälerten Enden mehrmals breiter als die Dicke der unverholzten Längswände. Treten wir nun der Frage näher, wodurch die weiße Färbung der Blattunterseite bedingt wird. Bei oberflächlicher Betrachtung, selbst beim Gebrauch einer guten Lupe, kann man leicht zu der Meinung gelangen, es komme hier ein dichter Wachsüberzug vor. Dies ist aber durchaus nicht der Fall, es handelt sich vielmehr um einen eigentümlich zusammen- gesetzten dünnen Haarfilz, der gleichmäßig die Unterseite der Blattfiedern überzieht und wegen des Luftgehaltes seiner Zellen sie weiß gefärbt erscheinen läßt. Dieser Haarfilz steht in engem Zusammenhange mit dem Transpirationsschutze und es ist des- halb nötig, zuerst den Bau des Spaltöffnungsapparates kennen zu lernen. Die äußerst zahlreichen Spaltöffnungen liegen direkt im Niveau der Epidermis oder sind höchstens kaum merklich Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 359 eingesenkt. Nebenzellen sind nur zwei vorhanden; sie liegen seitlich an den Schließzellen und führen wie diese Chloroplaste. Das Querschnittsbild der Spaltöffnung ist folgendes (Fig. 5): Die stark gekrümmte Rückenwand der Schließzellen ist unverdickt, ebenso die Mitte der Bauch wand; ein schmaler Vor- und Hinter- hof ist wohl entwickelt. Die Cutinisierung der Außenseite der Bauchwand geht in die Atemhöhle hinein bis zur Grenze zwischen Schließ- und Nebenzelle; die steil aufstrebenden äußeren Cuticularhörnchen erscheinen an dör Eisodialöffnung durch vorspringende Leisten zart quergerippt, ebenso bisweilen die inneren Hörnchen an der Opisthialöffnung. Die Nebenzellen sind etwas höher als die Schließzellen, ihr Lumen zeigt wegen der stark sich vorwölbenden Rückenwand der zugehörigen Schließzelle eine herzförmige Gestalt; Hautgelenkbildung fehlt. Wie sich aus dieser Beschreibung ergibt, gehören die Spaltöffnungen des Ärenga-Bl&ttes einem der gewöhnlichsten Typen einer hygrophilen Pflanze an; ihr Bau ist ein ver- hältnismäßig einfacher und nicht darauf eingerichtet, über- mäßig gesteigerte Transpiration zu verhindern. Nun ist aber Arenga durchaus nicht eine Schattenpflanze, sondern ein statt- licher Baum, dessen mächtige Blätter der direkten Bestrahlung durch die Tropensonne ohne Schaden standhalten. Das wird nur dadurch ermöglicht, daß die transpirierende Unterseite von einer zusammenhängenden Haardecke überzogen wird, welche durch ihre besondere Ausbildung eine übermäßige Wasser- abgabe seitens des Blattes so gut wie ausschließt. Die Haar- decke liegt eng angepreßt der Oberseite an und verdankt ihre Entstehung zahlreichen Schildhaaren eigentümlichen Baues. Jedes Schildhaar setzt sich aus mehreren bis vielen Fußzellen zusammen, welche mit ihrer Basis im Niveau des inneren Konturs der Epidermis liegen, aber meist mindestens noch ein- mal so hoch sind als die Epidermiszellen und diese dem- entsprechend überragen (Fig. 3 und 4); von oben betrachtet erscheint das Fußstück als kreisförmige bis stark in die Länge verzogene elliptische Zellscheibe (Fig. 1 und 2). Die Außen- zellen haben durchwegs sklerenchymatischen Charakter, die Innenzellen sind meist dünnwandig; nicht selten sind auch einzelne oder auch alle das Haar begrenzende Epidermis- 360 0. ßobisut. Zellen sklerenchymatisch ausgebildet, und zeigt sich die gleiche Erscheinung auch an der unter dem Fußstücke des Haares gelegenen Hypodermzelle. Die Fußzellen sind am ausgewach- senen Blatt alle abgestorben; die unverdickt gebliebenen Innen- zellen sind mit einem braunroten Inhalt erfüllt, die skleren- chymatisch entwickelten Membranen haben zahlreiche Tüpfel und erweisen sich als stark verholzt. Der Schild des Haares ist eine in der Mitte mehrschichtige, vielzellige, in der Längs- richtung der Fieäer gestreckte Fläche, deren Randzellen oft schlauchförmig verlängert, gekrümmt und verästelt sind. Am ausgewachsenen Blatt ist es absolut nicht möglich, die Grenzen zwischen den einzelnen Schilden auseinander zu halten, da in die Ausbuchtungen des Randes eines Schildes sich die Rand- zellen der angrenzenden Schilde verkeilen und so ein inniger, fast lückenloser Zusammenhalt hergestellt wird. Am merk- würdigsten ist jedoch die zusammenhängende Schilddecke auf ihrer Unterseite gebaut. Hier sind zahlreiche Schläuche ent- wickelt, die dicht gedrängt beisammenstehen, reich gelappt sind und mit den Läppchen meist vollständig ineinander ver- zahnt erscheinen. Der so gebildete Filz liegt fest angepreßt der Epidermis an und schmiegt sich genau dem Kontur der Cuticula an; seine Membranen sind mehr minder verdickt und stark ver- holzt, während die oberen Wände der Schilddecke dünnwandig und unverholzt bleiben und stark zerknittert oder auch zum Teile gänzlich zerstört erscheinen. Leider war es aus Mangel an entsprechend jungen Blättern nicht möglich, die Entstehung der Haardecke entwicklungsgeschichtlich zu verfolgen; das, was hier über die Zusammensetzung des fertigen Gebildes gesagt ist, wurde durch eingehende Vergleichung von Quer- schnitts- und Oberflächenansichten erschlossen, und es muß künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben, ein vollständi- geres Bild der Ontogenese zu liefern. Die aus den Haftläppchen gebildete Filzdecke beginnt schon am oberen Ende des Schild- fußes und überzieht gleichmäßig die ganze Epidermis samt den Spaltöffnungen. Dadurch, daß die Außenwand der Oberhaut- zellen sich konvex vorwölbt, wird eine Verzahnung des Filzes mit der Epidermisoberfläche ermöglicht. Dies tritt besonders deutlich zutage, wenn an Querschnitten, wie es häufig geschieht, Zur Anatomie einicrer Palmenblätter. 361 'ö die Filzdecke von der Oberhaut etwas abgehoben wird; die durchschnittene Filzdecke erscheint dann an ihrer Basis als Spiegelbild des Außenkonturs der Epidermis (Fig. 5). Interessant ist die Verankerung des Haarfilzes an den Spaltöffnungen selbst. Der Spaltöffnungsapparat wird gewöhnlich von vier von den übrigen Epidermiszellen etwas abweichend gebauten Zellen umgeben: zwei kurzen Polzellen und zwei gestreckten Seitenzellen. Die Polzellen haben ganz allgemein an der dem Spaltöffnungsapparate zugewandten Kante zwei Papillen ent- wickelt, welche schief über die Spaltöffnung neigen (Fig. 18) Solche Papillen können aber auch an allen Ecken, an denen die Polzelle mit zwei Epidermiszellen zusammenstoßt, auf- treten; die Polzellen erscheinen dann, bei hoher Einstellung der Oberflächenansicht, in verschiedener Weise gelappt, an entsprechenden Querschnitten weisen sie die in Fig. 6 und 7 dargestellte Gestalt auf. Auch die Seitenzellen entwickeln häufig an der Grenze der Nebenzellen Papillen, welche über die Spaltöffnung neigen. Die Papillen sind gewöhnlich mit deutlichem Lumen versehen, können aber auch, wenn sie kleiner sind, bloße Membranvorsprünge darstellen. Durch alle diese papillösen Bildungen wird die Umgebung der Spalt- öffnung rauh gemacht und bewirkt, daß der Kontakt des Haar- filzes an den wasserabgebenden Punkten ein besonders inniger ist. Hiezu gesellt sich noch als eine weitere Anpassung die Erscheinung, daß die Membranen des Haarfilzes gerade über den Spaltöffnungen viel dicker sind als über den gewöhnlichen Oberhautzellen; man kann deshalb, wenn man eine größere Partie der Schilddecke ablöst und ihre Oberflächenansicht mikroskopisch untersucht, ohneweiters die Stellen auffinden, an denen sich Spaltöffnungen befunden haben; behandelt man mit Phloroglucin und Salzsäure, so treten solche Stellen durch ihre intensivere Färbung um so auffälliger hervor. Daß die papillösen Vorwölbungen der die Spaltöffnung umgebenden Epidermiszellen in inniger Wechselbeziehung zu der biologi- schen Bedeutung des Haarfilzes stehen, lehren uns die Spalt- öffnungen, welche des Schutzes der geschilderten Haardecke entbehren, wie auf der Hauptrippe der Fieder und auf der Blattspindel; hier fehlen die Papillen vollständig. 362 O. Bobisut, Die Schildhaardecke kommt nicht bloß Areitga sacchari- fera zu, sondern dürfte sich bei allen Arten der Gattung wieder- finden; beobachtet wurde sie in ganz gleicher Ausbildung wie bei Areitga saccharifera bei einer unbestimmten Areiiga-A.\X von welcher sich einige Fiedern unter dem von Prof. Haber- landt aus Java mitgebrachten Alkoholmaterial fanden.^ Da die Zellen im ausgewachsenen Zustand insgesamt abgestorben sind und Luft enthalten, so verleihen sie der Fiederunterseite eine eigentümliche grauweiße Farbe. Bemerkenswert ist die Erschei- nung, daß die Fieder auch nach wochenlangem Verweilen in Wasser ihre weiße Färbung nicht verliert; die Membran der Zellen muß also für flüssiges Wasser sehr schwer permeabel sein. Auf der unterseits vorspringenden Mittelrippe der Fiedern ist der Haarfilz ebenfalls entwickelt, aber viel lockerer gebaut. Die Zellen der Oberseite der Schildhaare sind dickwandig und stark gebräunt, so daß die Rippe durch sie schwärzlich gefärbt erscheint; auf älteren Blättern schilfert sich diese dickwandige, dunkelgefärbte Partie der Schildhaare leicht ab und es bleibt dann nur mehr der dünne, vielfach unterbrochene Filz der Unter- seite übrig. Auch auf der Spindel des Blattes finden sich der- artige Schildhaare zahlreich vor (Fig. 8). Ebenso treten sie zer- streut auf der Fiederoberseite auf, besitzen aber hier nur einen einfachen gebräunten Schild; nur am Rande der Fiederoberseite, wo auch Spaltöffnungen in großer Zahl auftreten, ist ein rudi- mentärer Filzüberzug zu beobachten. Anhangsweise mögen hier einige Beobachtungen angeführt werden, welche an den Spaltöffnungen der Mittelrippe und der Blattspindel gemacht worden sind. Neben normal ausgebildeten Spaltöffnungen, denen nur die Papillenbildung der Umgebungs- zellen abgeht (Fig. 9 und 10), kommen solche vor, die auf ver- schiedener Stufe der Entwicklung stehen geblieben sind (Fig. 1 1 bis 17). Auf jüngeren Blättern, deren Fiedern noch nicht aus- 1 Im anatomischen Bau ihrer Fiedern stimmt diese Arenga sp. prinzipiell mit Arenga saccharifera überein; das obere Hypoderm ist aber nur einschichtig, seinem Baue nach im wesentlichen mit der ersten Schichte der Arenga sacchari- fera übereinstimmend, und das Schwammparenchym setzt sich größtenteils aus drei Zellagen zusammen, weshalb die Fieder bedeutend dünner ist als bei Arenga saccharifera; Raphidenschläuche wurden nicht beobachtet. Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 363 'ö gebreitet sind, zeigen solche Spaltöffnungen keine Besonder- heiten in ihrer Ausbildung, da sie um diese Zeit hinreichend durch die noch dicht beisammenstehenden einfachen Schild- haare geschützt werden. Ihre Größe ist sehr verschieden (Fig. 1 \ , 12, 13, 16) und ebenso schwankend sind andere Ausbildungs- verhältnisse: Die Schließzellen können schwach eingesenkt sein oder gänzlich im Niveau der Oberhautzellen liegen, Neben- zellen sind vorhanden oder fehlen u. s. w. An ausgewachsenen Blättern sind die infolge des Abbrechens der Haarschilde nun- mehr unbedeckten Spaltöffnungen wesentlich verändert. Die Bauchwände sind fest zusammengepreßt, so daß die früher meist deutlich in Vor- und Hinterhof geschiedene Spalte ganz verschlossen ist, und gleichzeitig mehr oder weniger stark ver- dickt; an den kleinen Spaltöffnungen, welche die häufigsten sind, geht die Verdickung oft so weit, daß das Lumen nur mehr spaltenförmig erscheint. Meist noch früher, bevor die Verdickung der Bauchwände begonnen hat, fangen auch ein- zelne oder auch alle die Epidermiszellen, welche die Spalt- öffnung umgrenzen, an, ihre Membranen zu verdicken und werden schließlich zu Sklerenchymzellen (Fig. 12, 14, 15, 17). So werden die Spaltöffnungen, die sonst wegen ihrer Funktions- unfähigkeit gefährliche Eingangspforten in das Organinnere darstellen würden, in äußerst zweckmäßiger Weise unschäd- lich gemacht. Ceroxylon andicola.^ Taf. III. In Drude's Bearbeitung der Palm.en in den »Natürlichen Pflanzenfamilien« findet sich in dem Bestimmungsschlüssel für die Iriarteen-Gattungen bezüglich Ceroxylon und Juania die Stelle: »Blattfiedern. . . unterseits von Wachsüberzug weiß.« Dies ist nicht zutreffend; die weiße Färbung beruht vielmehr auf derselben Ursache wie bei Arenga saccharifera und dient auch bei der Wachspalme derselben Funktion, dem Trans- spirationsschutze. Die Fiedern von Ceroxylon sind dadurch 1 Das Untersuchungsmaterial stammte aus dem botanischen Garten in Graz. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 25 364 0. Bobisut, ausgezeichnet, daß sie auf ihrer Unterseite zahh'eiche durch- gehende Längsfurchen besitzen, welche ausschließhch unter den GefäßbündeUi liegen. Äußerlich sind diese Längsfurchen nicht wahrnehmbar, fallen aber um so mehr bei mikroskopi- scher Betrachtung eines Querschnittes auf, der schon bei Lupenbesichtigung auf seiner Unterseite fein gekerbt erscheint. Die Fiederspreite weist in den Hauptzügen folgenden ana- tomischen Bau auf (Fig. 4). Die Zellen der oberen Epidermis entsprechen in ihrer Ausbildung so ziemlich denen von Nipa fruticans, nur zeigen die Längswände der Oberflächenansicht Wellung. Unter der Epidermis befindet sich eine teils ein-, teils zwei-, hie und da auch mehrschichtige Bastlage. Die parallel der Längsrichtung der Spreite orientierten Bastzellen sind ziemlich lang und besitzen nur ein punktförmiges Lumen mit Ausnahme der Mitte, wo der Durchmesser des Lumens dem der Wanddicke gleichkommt, sofort aber nach den beiden Enden hin sehr rasch abfällt; die Wand besteht aus reiner Zellulose. Die Bastzellage wird sowohl an ihrer Grenze gegen die Epidermis wie in ihrem Zusammenhange vielfach von Längszügen zweierlei Zellen unterbrochen; besonders häufig und oft auf bedeutende Strecken hin konstant ist diese Unter- brechung an den Seitenwänden der Epidermiszellen. Die Zellen- züge verlaufen meist isoliert voneinander, bestehen also auf Querschnitten nur aus einer Zelle; seltener liegen sie zu zwei bis drei nebeneinander und nur ausnahmsweise übereinander. An Querschnitten erscheinen die Zellen annähernd gleich groß und können deshalb an Glyzerinpräparaten leicht miteinander verwechselt werden; an Längs- und Oberflächenschnitten er- kennt man dagegen sofort, daß sie zwei verschiedenen Kate- gorien angehören. Die einen sind Deckzellen, die andern stellen gestreckte Parenchymzellen dar, die, wenn sie zu zwei oder drei nebeneinander liegen, an den gemeinsamen Längswänden eigentümliche knötchenförmige Verdickungen aufweisen. Die Züge der beiderlei Zellen sind nicht räumlich voneinander getrennt, sondern wechseln in der Längsrichtung miteinander ab. Das Palisadengewebe ist zweischichtig. Das Schwamm- parenchym setzt sich meist aus vier Zellagen zusammen, da die Palisadenzellen, namentlich die der unteren Schicht, in der Zur Anatomie einiger Paimenblätter. 365 Breite wie aucii in der Größe überhaupt stark wechseln, so ist die Grenze zwischen den beiden Geweben an Querschnitten oft gar nicht ausgeprägt, tritt dagegen gewöhnUch scharf her- \or an Längsschnitten, wo die Schwammparenchymzellen iso- diametrisch oder quergestreckt erscheinen und an den Kanten durch größere Interzellularräume voneinander getrennt sind. In der Grenze der beiden Palisadenschichten treten vereinzelt iso- lierte Baslzellen auf, meist eine, seltener zu zweien, von dem- selben Charakter wie die der subepidermalen Bastlage; an der untersten Schwammparenchymschicht sind hie und da einzelne Zellen sklerenchymatisch ausgebildet. An das Schwammparen- chym schließt eine untere subepidermale Bastlage an, die aber ebenso viele Unterbrechungen aufweist, als Furchen vorhanden sind; sie entspricht ihrem Baue nach genau dem oberen Bast, wird aber von bedeutend weniger Zügen von Deck- und Paren- chymzellen begleitet. Die Zellen der unteren Oberhaut sind bedeutend niedriger und schmäler, aber viel länger als die der oberen Epidermis; die Außenwand springt konvex vor. Den interessantesten Teil der Anatomie der Ceroxylon- Fieder repräsentieren die am Querschnitt als Gruben erschei- nenden Längsfurchen unterhalb der Gefäßbündel ; in den Furchen allein treten Spaltöffnungen und Schildhaare auf, außerhalb der F'urchen besteht die Epidermis nur aus einheitlich gebauten gewöhnlichen Oberhautzellen. Der Grund der Furche ist so weit gegen das Gefäßbündel vorgerückt, daß zwischen seiner Epidermis und dem ein- bis zweischichtigen Bastbeleg des Leptoms eine einzige Schicht von bald dünn-, bald dick- wandigen Zellen liegt; die Tiefe der Furchen variiert im übrigen nicht unbeträchtlich; unter den kleinsten Gefäßbündeln sind die Furchen nicht selten ganz seicht. Auf den beiden Böschungen der Furche liegen in je einer Längsreihe die Spaltöffnungen. Der Spaltöffnungsapparat entspricht mit einigen Modifikationen dem \'on Arenga saccharifera. Die Schließzellen haben an- nähernd dieselbe Größe und Ausbildung wie bei der genannten Palme, nur sind die äußeren Cuticularhörnchen nicht so steil aufgerichtet (Fig. 1). Umgeben werden die Schließzellen von zwei Neben- und zwei Polzellen, welche sich alle mäßig über die Schließzellen vorwölben und so eine seichte äußere Atem- 25* 366 0. Bobisut, höhle bilden. Die Nebenzellen enthalten keine Chloroplaste; ihre Außenwand besitzt an der Schließzellengrenze eine stärkere Zelluloseauflagerung, welche ziemlich weit auch auf die Rücken- wand der Schließzelle übergreift. Arn Grunde der Furche finden sich, zu einer einzigen Längsreihe angeordnet, in größeren Abständen hintereinander die Insertionsstellen gestielter Schild- haare. Der Stiel ist in der Richtung der Furche häufig etwas schief geneigt und ragt über die Furche hinaus; er stellt einen aus Sklerenchymzellen zusammengesetzten Gevvebekörper dar (Fig. 2). Der Schild ist eine im zentralen Teile mehrschichtige, längsgestreckte Zellfiäche (Fig. 3), welche die Furche überdeckt und seitlich von ihr auf den nicht eingesenkten Teil der Unter- seite übergreift. Wie bei Arenga saccharifera ist es auch hier nicht möglich, an der ausgewachsenen Fieder die Grenzen der einzelnen Schilde wahrzunehmen, da die Schildfiäche eines bestimmten Haares mit ihrem Rande sowohl an die Schilde der beiden nächsten Haare derselben Furche wie auch seitlich an die der zwei Nachbarfurchen anstößt und die sich berührenden Ränder mit ihren schlauchförmig ausgewachsenen Enden mit- einander verfilzt sind; auch auf der Unterseite der Schilddecke^ namentlich in der Furche, wachsen die Zellen zu Schläuchen aus, welche sich hin und her krümmen und verfilzen. So ent- steht eine zusammenhängende Schutzdecke über der Epidermis, die allerdings in ihrer Ausbildung nicht so weit vorgeschritten erscheint wie bei Arenga saccharifera und der namentlich die Haftlappenbildung und die damit im Zusammenhange stehende festere Anheftung an die Epidermis abgeht; immerhin erscheint sie vollständig ausreichend, das Überschreiten eines für das Blatt gerade noch zulässigen Transpirationsmaximums zu ver- hindern, zumal da den Spaltöffnungen schon durch ihre Ver- senkung in eine Furche ein gewisser Schutz geboten ist. Die Zellen der Schilddecke sind am entwickelten Blatt alle abge- storben und lufthaltig; die deshalb weiß erscheinende Fieder- seite behält ganz wie bei Arenga saccharifera auch bei längerem Liegen im Wasser ihre Färbung. Die Zellwände des Schildes sind mit Ausnahme des Mittelstückes dünnwandig (Fig. 3) und ebenso wie die Wandungen der Stielzellen verholzt. Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 36/ Cocos nucifera.^ Tat'. 111, Fig. 5; Taf. IV, Fig. 1 und 2. Daß die Blätter der Kokospalme darauf eingerichtet sind, plötzlich gesteigerter übermäßiger Transpiration zu begegnen, ist bereits von Habe rl an dt beobachtet worden, welcher sich über die Anatomie der Blattfieder folgendermaßen äußert:- »Der anatomische Bau der Fiederblattspreiten weist auf ausgiebigen Transpirationsschutz hin. Die Epidermis besitzt sehr stark \'er- dickte Außenwände und einen krustenförmigen Wachsüberzug. Darunter befindet sich oberseits ein zweischichtiges Wasser- gewebe, dessen untere Zellage papillös in das Palisadengewebe hineinragt. Das Assimilationsparenchym ist bis auf die unterste Schicht, die aus isodiametrischen Zellen besteht, als Pali- sadengewebe entwickelt. Das mechanische System besteht aus I-Trägern, deren obere Gurtungen von isolierten Baststrängen gebildet werden, während die unteren Gurtungen aus den Bast- belegen der Gefäßbündel bestehen. Die Spaltöffnungen, unter- seits auftretend, sind sehr zahlreich und etwas eingesenkt; die Ausgänge des Vor- und Hinterhofes sind enge.« Diesen Ausführungen Haberlandt's sei an anatomischen Details noch hinzugefügt, daß im Assimilationsgewebe, etwas unterhalb seiner Ahtte, zerstreut große Raphidenschläuche auf- treten und den größeren Gefäßbündeln eine meist zweischichtige Sklerench\^mschiene aufsitzt, welche den Leptombastbeleg von dem einschichtigen Wassergewebe der Unterseite trennt (Fig. 2). Besonders aber möge die Aufmerksamkeit auf die eigentüm- lichen Schildhaare gelenkt werden, welche zerstreut auf der ganzen unteren Epidermis vorkommen. Diese Trichome sind (Flg. 1), bis auf die kurze Schildfläche, vollständig in einer tiefen Grube eingesenkt und zeigen folgenden interessanten Bau: Das Fußstück ist zwei- bis vierzellig. Die keulenförmigen Fußzellen ragen weit über das Niveau der benachbarten Epidermiszellen vor bis an den Rand der Grube, die sie vollständig ausfüllen. 1 Das Untersuchungsmaterial bestand aus Blattfiedern, welche von Prof. Haberlandt in Buitenzorg auf Java gesammelt wurden. 2 »Anatomisch-ph3'siologische Untersuchungen über das tropische Laub- blatt.« Diese Sitzungsber., Bd. CI, 1892, p. 806. 368 0. Bobisut, Die Membran ist unten, an den mit der Epidermis und Wasser- gewebszellen grenzenden Teilen, verhältnismäßig dünnwandig, sonst durchwegs bedeutend dicker ausgebildet; an der Schild- grenze ist eine besonders starke Verdickung in Form einer geschichteten Kappe entwickelt, welche bei Behandlung mit Eau de Javelle gänzlich verschwindet und wahrscheinlich eine Schleimmodifikation der Zellulose darstellt; die das Zellumen begrenzende Membranschicht nimmt bei Zusatz von Phloro- glucin und Salzsäure eine schwach rötliche Färbung an. Der Inhalt der Fußzellen besteht aus dichtem, körnigem Plasma mit großem Zellkerne. Die nur tote Zellen führende Schildfläche (Taf. III, Fig. 5) hat einen kreisförmigen bis elliptischen Umriß und setzt sich zusammen aus einem derbwandigeren, größten- teils zweischichtigen Mittelstücke, dessen Zellen einen braun- roten Inhalt enthalten, und aus einem zartwandigen farblosen Flügel; der einschichtige Rand des Flügels ist gelappt und erscheint an älteren Fiedern vielfach zerstört. Das Wasser- gewebe läuft unter dem Fuße des Schildhaares durch und fällt wie die darauffolgende nächste Schicht des Assimilations- gewebes, besonders an Längsschnitten, durch die Kleinheit seiner Zellen auf. Die Wachskruste der Epidermis zieht sich in die Grube hinunter bis an die Insertionsstelle des Haares. Über die Funktion dieser Trichome experimentell Näheres zu erfahren, war leider in Ermangelung eines lebenden Objektes nicht möglich. Da aber das Fußstück noch an alten Blättern aus lebenden, mit dichtem, körnigem Plasma erfüllten Zellen besteht, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Schildhaare Hydathoden darstellen; gegen die Annahme, daß sie wasser- aufsaugende Organe sind, für welche sich eine gewisse Ähn- lichkeit mit den Schuppenhaaren der Bromeliaceen anführen ließe, spricht die Erwägung, daß sie, wie es scheint, ausschließ- lich auf die Fiederunterseite beschränkt sind. Chamaerops humilisJ Taf. IV, Fig. 3 bis 6. Die zwei einzigen Arten der Gattung Chamaerops, Ch. hntni- lis und macrocarpa, sind im westlichen Mediterrangebiet ein- 1 Das Untersuchungsmaterial stammte aus dem botanischen Garten in Graz. Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 369 heimisch.* Ihre Heimat gehört also jenen warmtemperierten Gebieten an, in denen die heiße Sommerszeit regenlos, der kühlere Winter dagegen regenreich ist und in denen solchen klimatischen Bedingungen entsprechend die Holzgewächse dem immergrünen xerophilen Typus angehören.^ Es war dem- nach von vornherein anzunehmen, daß auch Chamaerops hiiinilis ausgesprochen xerophilen Blattbau aufweisen werde und diese Annahme wurde durch die Untersuchung bestätigt. Die Fächerspreite ist ihrer anatomischen Ausbildung nach fast isolateral (Fig. 3). Beide Epidermen sind gleich gebaut und führen zahlreiche Spaltöffnungen. Die Epidermiszellen er- scheinen in der Oberflächenansicht längsgestreckt, mit schwach gewellten Längswänden, im Querschnitte sind sie mehr minder quadratisch und derbwandig; die stärker verdickte Außenwand, welcher sich eine Wachskruste auflageit, ist bis auf eine schmale Innenpartie ganz cutinisiert und die Cutinisicrung greift auch tief hinab auf die Seitenwände über. Auf die obere wie auf die untere Epidermis folgt einschichtiges Wasser- gewebe, dessen Zellen in der Gestalt und in der Wanddicke mit den Epidermiszellen ziemlich übereinstimmen; die der Epi- dermis und dem Wassergewebe gemeinsamen Wände nehmen bei Zusatz von Salzsäure eine intensiv gelbe Färbung an, ohne jedoch verholzt zu sein. Das grüne Mesophyll, das sich aus neun und mehr Zellagen zusammensetzt, läßt keine Differen- zierung in typisches Palisadengewebe und Schwammparen- chym erkennen, sondern bildet ein einheitliches Assimilations- gewebe, das durch den festen Zusammenschluß seiner Zellen auffällt; halbwegs größere Durchlüftungsräume sind nur unter den Spaltöffnungen entwickelt, sonst finden sich, allerdings reichlich und ein zusammenhängendes Netzwerk bildend, nur feine Interzellularkanäle vor. An Längsschnitten erscheint dieses Assimilationsgewebe aus regelmäßigen Querreihen von größten- teils breiten Palisadenzellen zusammengesetzt, an Querschnitten zeigen m.eist nur die drei obersten, zum Teil auch die untersten Zellagen Palisadenausbildung, während der Mittelteil aus mehr 1 0. Drude, Palmen in den »Natürl. Pflanzenfamilien«, p. 32. 2 A. F.W. Schimper, Pflanzengeographie, 1898, p. 538. 370 O. Bobisut. I oder weniger isodiametrischen Zellen besteht. Die Chloroplaste wurden zu allen Zeiten stärkefrei befunden. Mechanischen Zwecken dienen isolierte subepidermale Bastbündel auf beiden Blattseiten; die der Oberseite sind zahlreicher und größer und grenzen an das Wassergewebe, während die minder zahl- reichen Bündel der Blattunterseite kleiner sind und meist, das Wassergewebe unterbrechend, direkt der Epidermis anliegen. Außerdem werden die größeren Gefäßbündel beiderseits von Bastsicheln umgeben, die häufig durch Ausfüllung der beiden Mittellücken mit Sklerenchymzellen zu einem mechanischen Hohlzylinder zusammenschließen; die Zellen solcher Bast- sicheln sind verholzt, während die der subepidermalen Bündel keine Verholzung zeigen. Die zahlreichen kleinen Gefäßbündel werden von großzelligen farblosen Parenchymscheiden abge- schlossen, deren Wände sich durch großen Tüpfelreichtum aus- zeichnen. Der Bau der Epidermis, das Vorkommen eines Wachsüber- zuges auf beiden Blattseiten und der Mangel eines Schwamm- parenchyms lassen bereits zur Genüge auf die Existenzbedin- gungen unserer Palme schließen. Vervollständigt wird die Charakterisierung der Palme als einer »sklerophyllen« Pflanze durch die Ausbildung der Spaltöffnungen. Der Spaltöffnungs- apparat ist etwas eingesenkt und die so geschaffene äußere Atemhöhle wird noch durch die Wachskruste vertieft, welche als etwas erhöhter Ringwulst über der Spaltöffnung abbricht. \n der Querschnittsansicht fallen die Schließzellen sofort durch die Verdickungsweise ihrer Wände auf (Fig. 4). Die stark konvexe Rückenwand ist nur an der unteren Ansatzstelle an die Nebenzelle unverdickt; die gleich darauf ansetzende Ver- dickungsleiste nimm.t rasch an Mächügkeit zu und setzt sich auf die ßauchwand fort, um in der Mitte dieser plötzlich abzu- brechen; die nahezu gerade abgestutzte untere Hälfte der Bauchwand ist unverdickt. Die obere Hälfte der Schließzelle besteht demnach aus solider Membran, das eiförmige Lumen liegt in der unteren Hälfte an der Bauchwand. Die Zentral- spalte ist etwas über der Mitte der Bauchwand gelegen und hört gerade da auf, wo das Lumen beginnt. Vor- und Hinter- hof sind prägnant entwickelt. Die Abgrenzung des Hinterhofes Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 371 gegen die Atemhöhle zu findet aber nicht durch die Rauch- wände der Schließzellen statt, sondern durch die herzförmigen Nebenzellen, welche mit ihrem unteren Lappen stark vor- springen und überdies knapp vor ihrem Anschluß an die Bauchwand ein Cuticularhörnchen aufweisen. Die Membran der Nebenzellen besitzt die Derbvvandigkeit der gewöhnlichen Epi- dermis beziehungsweise der Wassergewebszellen; die schmale Außenwand fungiert in ihrer Gänze als Hautgelenk. Die Mem- bran der Schließzellen ist bis auf eine schmale, innere, das Lumen umgrenzende Partie gänzlich cutinisiert. Diesen Bau weist die Spaltöffnung in ihrem zentralen, von der Zentral- spalte durchsetzten Teil auf. Ganz anders gebaut erscheinen die beiden Polenden der Schließzellen, über die Oberflächen- ansichten einen klaren Aufschluß erteilen (Fig. 6). Die Zentral- spalte ist nur etwa ein Fünftel so lang als die Schließzellen, also ausnehmend kurz. Etwas oberhalb der Ansatzstelle der den Schließzellen gemeinsamen dünnen Längswand beginnt das Lumen rasch sich zu erweitern und in gewisser Ent- fernung vor dem Ansetzen der Rückenvvand an die Epidermis- zelle hört die Verdickungsleiste auf. Die Rückenvvand ist also an ihren beiden Flanken dünnwandig und sie ist hier auch nicht cutinisiert. Längsschnitte durch die Schließzelle ergeben, daß sie an ihren beiden Polen nach unten zu sich erweitert und das Lumen infolgedessen hanteiförmig erscheint (Fig. 5). Bemerkenswert ist, daß auch die cutinisierte Außenwand der Polenden relativ dünnwandig ist. Die Schließzellen enthalten in ihren erweiterten Enden kleine Chloroplaste, die sich stets als stärkefrei erwiesen; auch die Nebenzellen sind etwas chloro- phyllhältig. Aus der gegebenen Beschreibung läßt sich ersehen, daß die Spaltöffnungen von Chaniaerops htimilis ihrem Mechanis- mus nach dem Gramineentypus angehören. Ihr xerophiler Bau- charakter gibt sich aber dadurch kund, daß ihre Zentralspalte so auffallend klein ist und der durch die Nebenzellen abge- schlossene Hinterhof an seinem Ausgang in die Atemhöhle sich stark verengt; die Atemhöhle selbst weist kaum größere Dimensionen auf als der Hinterhof, und die Assimilations- zellen, welche die Atemhöhle abschließen, lassen nur wenige 372 0. Bobisut, halbwegs größere Interzellularräume zwischen sich frei. Das Merkwürdigste in dem ganzen Baue der Spaltöffnung ist die Lage der Zentralspalte, die gerade über dem Niveau der Schließ- zellenlumina beginnt und demnach seitlich ausschließlich von dicken cutinisierten Membranen umgeben wird; diese Ver- schiebung der Zentralspalte nach oben zu dürfte in erster Linie den Schließzellen selbst zugute kommen, da auf diese Weise ihre Lumina, wie sich ohneweiters ergibt, einen viel besseren Transpirationsschutz erhalten, als wenn die Zentralspalte von dem in der Höhe der Lumina gelegenen Bauchwandteil gebildet würde. Trichome kommen auf der ganzen Blattunterseite zer- streut über den größeren durchscheinenden Nerven vor, ebenso auch, aber in geringerer Menge, auf der Oberseite. Sie stellen Schuppenhaare dar, deren zartwandige Schildfläche an älteren Blättern gänzlich abgestoßen ist; ihrer Funktion nach dürften sie Schutzorgane sein, die an sehr jungen Blättern dicht bei- sammenstehen und namentlich die in Entwicklung begriffenen Spaltöffnungen beschützen. Elaeis guineensis.^ Tal". IV, Fig. 7 bis 9. Die Gattung Elaeis enthält nur zwei Arten: E. gimieensis und melacocca. Von der letzteren sagt B. Seemann in seinem Buche »Die Palmen«: »Man findet sie stets an sumpfigen Schattenstellen, nie auf trockenem Boden oder an sonnigen Orten.« Der anatomische Bau der Blattfieder von Elaeis gui- neensis weist darauf hin, daß auch diese Art unter ähnlichen Existenzbedingungen vorkommen muß. Die sich etwas vor- wölbenden, mäßig verdickten Außenwände der beiden Epi- dermen haben nur eine relativ dünne, cutinisierte Außenpartie, von der aus die Cutinisierung auch auf die Mittelpartie der Seitenwände übergreift; ein Wachsüberzug ist nicht vorhanden. Das obere Hypoderm ist zweischichtig und seiner Funktion 1 Das Untersuchungsmaterial wurde von Prof. Hab erl an dt zu Buiten- zorg auf Java gesammelt. Zur Anatomie einiger Palmenblätter. 373 nach Wassergewebe mit reichem Schleiminhalte der Zellen; seine erste Lage ist lückenlos und ganz ähnlich wie bei Arenga saccharifera gebaut, die zweite wird vielfach von dem zwei- schichtigen Palisadengewebe unterbrochen und besteht aus Zellen, die papillös gegen das Mesophyll vorspringen und über den größeren Gefäßbündeln, hier derbwandiger ausgebildet, so weit gestreckt erscheinen, daß sie von dem Bastbelege des Hadroms nur durch die niedrigen Zellen einer das Bündel um- schließenden chlorophyllhaltigen Scheide getrennt sind (Fig. 7). Der Bau des unteren Hypoderms entspricht dem des oberen, nur ist es etwas kleinzelliger und die zweite Schicht wird so häufig vom Schwammparenchym durchbrochen, daß sie ganz rudimentär ausgebildet erscheint. Das mehrschichtige Schwammparenchym besteht aus einer Zellage dicken, durch Lufträume gesonderten Lamellen, die quer zur Längsrichtung der Fieder stehen; da in den einzelnen Lamellen die Zellen bloß kleine, meist an den Ecken auftretende Interzellularen zwischen sich aufweisen, tritt an Querschnitten der Schwamm- parenchymcharakter des Gewebes gar nicht hervor, während Längs- und Oberflächenschnitte klaren Aufschluß über die reiche Entwicklung der Durchlüftungsräume erteilen. Mecha- nischen Schutz gewähren der Fiederspreite isolierte Bündel aus bis auf ein punktförmiges Lumen verdickten Bastzellen; diese Bastbündel erscheinen am Querschnitt in zwei [Reihen angeordnet; die eine, aus großen zahlreichen Bündeln zu- sammengesetzt, liegt im Schwammparenchym, die andere, aus schwachen vereinzelten Bündeln gebildet, durchsetzt das Pali- sadengewebe. Bastbelege finden sich überdies am Hadrom und Leptom aller größeren Gefäßbündel vor. Im Palisadengewebe wie im Schwammparenchym treten zerstreut Raphidenschläuche auf, deren aus dicken Nadeln geformtes Kristallbündel von einer mächtigen Schleimmasse umschlossen wird. Zeigen schon die mäßige Cutinisierung der Epidermis- außenwände und das gut ausgebildete Durchlüftungssystem an, daß die Ölpalme an ihren natürlichen Standorten höchstens solchen Transpirationsmaximis ausgesetzt ist, denen noch immer durch volle Inanspruchnahme des Wassergewebes be- gegnet werden kann, so findet diese Schlußfolgerung in dem 374 0. Bobisut, Bau der Spaltöffnungen nur eine weitere Stütze. Die Spalt- öffnungen, welche dichtgedrängt auf der Unterseite auftreten, gehören ganz dem gewöhnlichen hygrophilen Typus an. Sie sind nicht eingesenkt, die Rückenwand ist dünn, die Bauch- wand mit zwei Verdickungsleisten versehen; Vor- und Hinter- hof sind typisch, beide mit Cuticularhörnchen abschließend, zwei kleine Cuticularleisten treten auch am Grunde des Vor- hofes über der Zentralspalte auf. Den beiden Nebenzellen kommt ein schön entwickeltes äußeres Hautgelenk zu. Wie bei Cocos sind auch bei Elaeis in Gruben eingesenkte Trichome vorhanden, die zweifelsohne Hydathoden darstellen. Sie kommen in ziemlicher Anzahl zerstreut sowohl auf der Ober- wie auf der Unterseite der Fiedern vor. Die Trichome der Unterseite sind wie folgt gebaut: Das Haar setzt sich aus einer meist etwas über die Grube vorragenden Keule zusammen, welche oben in ein, seltener zwei der Epidermis anliegende Anhängsel übergeht. Den Fuß des Haares bildet eine einzige Zelle, welche zur Hälfte in der Epidermis, zur Hälfte in der Keule steckt und an der Übergangsstelle der Keule in die Epi- dermis eine ringförmige, dickwandige Einschnürung (Fig. 9) zeigt; die basale Wand der P'ußzelle ist dünnwandig und getüpfelt. Über der Fußzelle wird die Keule mehrzellig. Die Innenwände der Keulenzellen sind verhältnismäßig dünn, aber mit Verdickungsfasern versehen, die zum Teile netzförmig sich verbinden; der hihalt besteht aus dichtem, körnigem Plasma mit Zellkern. Das Anhängsel der Keule ist gewöhnlich in Form eines wenigzelligen Zellfadens entwickelt (Fig. 8); die Zellen sind dickwandig und abgestorben, und häufig kann man beob- achten, daß das Ende des Anhängsels desorganisiert ist, und eine oder mehrere Zellen abgestoßen worden sind. Die Tri- chome der Oberseite stimmen prinzipiell mit denen der Unter- seite überein, unterscheiden sich aber von ihnen in mehreren Punkten. Die Keule ist schmächtiger und niedriger als die Grube; Anhängsel fehlen. Die Zellen sind abgestorben; die trennenden Wände sind stärker verdickt, besonders an den hier häufig in der Zweizahl vorkommenden Fußzellen. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, daß die Keulenhaare der Oberseite primäre Hydathoden sind, welche an den noch jugendlichen Zar Anatomie einiger PalmenbUitter. 375 Blättern funktionieren und nach deren Auswachsen ihre Tätiar- keit einstellen, während die Keulenhaare der Unterseite später in Aktion treten und auch an alten Blättern noch ihre Funktions- fähigkeit beibehalten. III. Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung zu- sammen, so finden wir, daß in jedem einzelnen Falle die ana- tomischen Struktureigentümlichkeiten der Blattfiedern in enger Beziehung zu dem natürlichen Standorte der betreffenden Palme stehen, also vollständige Anpassung an die herrschenden klimatischen Verhältnisse besteht. Es ist von vornherein zu erwarten, daß die Anpassung am deutlichsten gegenüber jenen Faktoren zutage treten muß, welche, wenn wir von der Licht- wirkung abstrahieren, in Wechselbeziehung miteinander die Ausbildung eines Assimilationsorgans am augenfälligsten be- herrschen: Luftfeuchtigkeit und Wärme. Elaeis guineensis ist eine Schattenpalme des feuchten Tropenklimas, und dement- sprechend zeigt der anatomische Bau der Blattfieder hygro- philen Charakter; die zahlreichen Trichomhydathoden weisen gleichzeitig darauf hin, daß die Transpiration wegen allzu hohen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft häufig auf ein Minimum herabgedrückt wird und deshalb das Wasser in flüssiger Form ausgeschieden werden muß. Chamaerops humilis ist die Be- wohnerin eines Gebietes, in welchem monatelang trockene Hitze herrscht und im Einklänge damit ist die Fächerspreite durchaus xerophil gebaut. Arenga saccharifera, Ceroxylon andicola, Cocos nucifera und Nipa fniticans heimaten zwar in immer feuchten tropischen Gebieten, aber ihre Blattflächen sind der direkten Insolation ausgesetzt und weisen deshalb in ihrem Bau Einrichtungen auf, die daraufhin abzielen, ein Über- schreiten des zulässigen Transpirationsmaximums möglichst hintanzuhalten. Die Wege, die hiebei eingeschlagen werden, sind je nach den Gattungen verschieden. Bei Cocos nucifera ist es in erster Linie die Epidermis selbst, welcher die Schutz- rolle gegen übermäßige Transpiration zufällt; ihre Außenwände sind stark verdickt und cutinisiert und eine zusammenhängende Wachskruste überzieht die Cuticula. Nipa frtiticans besitzt 376 O. Bobisut, in den Spaltöffnungen Organe, welche durch ihren so eigen- tümlichen Bau ausgiebigen Transpirationsschutz gewähren. Arenga saccharifera und Ceroxylon andicola endlich genießen durch den gleichmäßigen Haarüberzug der Fiederunterseite einen so vortrefflichen Schutz gegen die Überschreitung der zulässigen Transpirationsgröße, daß ihre Spaltöffnungen hygro- philen Charakter bewahren können; bei Ceroxylon, wo die Spaltöffnungen in unter den Gefäßbündeln hinziehenden Längs- furchen eingesenkt und so die Hauptwege der Transpiration schon eingeengt und einigermaßen geschützt sind, genügt eine einfachere Ausbildung der Haardecke, bei Arenga, deren zahl- lose Spaltöffnungen über die ganze Unterseite der Fieder zer- streut sind, zeigt der Haarüberzug eine bedeutend kompli- ziertere Zusammensetzung. Auffallend ist es, daß bei den speziellen Anpassungen an erhöhten Transpirationsschutz das Wassergewebe so gut wie keine Rolle spielt. Das Wasser- gewebe von Cocos micifera ist nicht viel mächtiger entwickelt als das von Elaeis guineensis; und Chamaerops htimilis besitzt gar nur ein einschichtiges kleinzelliges Wassergewebe. Diese Erscheinung spricht wohl dafür, daß die anderweitigen Schutz- mittel gegen übermäßige Transpiration so vortrefflich funktio- nieren, daß das Wassergewebe in der Ausbildung, in welcher es sich schon an hygrophilen Palmenblättern vorfindet, nicht abgeändert zu werden braucht, um seiner Aufgabe als lokaler W^asserspeicher zu genügen. Zur Anatomie einioer Palmenblätter. 37/ Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Nipa fniticans. Fig. 1. Spaltöffnung der Blattfieder im Querschnitte. Fig. 2. Eine Schließzelle bei stärkerer Vergrößerung. Fig. 3. Spaltöffnung der Blattfieder in Oberflächenansicht. Fig. 4 bis 6. Hydathoden der Blattfieder im Querschnitte. Fig. 7 und 8. Hydathoden der Blattfieder in Oberfiächenansicht; in Fig. 8 mit Einzeichnung der Verstopfungsmasse. Fig. 9 und 10. Spaltöffnungen des Fruchtstand-Hochblattes im Querschnitte. Fig. 11. Spaltöffnung des Hochblattes in Oberflächenansicht. Fig. 12. Hydathode der Unterseite des Hochblattes im Querschnitte. Fig. 13. Hydathode der Hochblatt-Unterseite in Oberflächenansicht. Fig. 14 und 15. Hydathoden der Hochblatt-Oberseite im Querschnitte. Fig. 16;); bis 18. Hydathoden der Hochblatt-Oberseite in Oberflächenansicht. Fig. 19. Abweichend gebaute Hydathode der Hochblatt-Oberseite. Tafel IL Arenga saccharifera. Fig. 1. Fußstück eines Schildhaares der Fiederunterseite im Quer- schnitte mit angrenzenden Epidermiszellen. Fig. 2. Fußstück eines Schildhaares der Mittelrippe ; die angrenzenden Epidermiszellen teilweise skierotisiert. Fig. 3 und 4. Fußstücke eines Schildhaares der Fiederunterseite am Blatt- quitt. Fig. 5. Fiederunterseite im Querschnitte mit durch den Schnitt abge- hobener Filzdecke. Fig. 6 und 7. Polzellen am Blattquerschnitte. Fig. 8. Schildhaar der Blattspindel in Oberflächenansicht. Hg. 9. Normale Spaltöffnung der Blattspindel in Oberflächenansicht. Fig. 10. Normale Spaltöffnung der Blattspindel im Querschnitte. Fig. 11 und 12. Rudimentäre Spaltöffnungen der Mittelrippe im Querschnitte. Fig. 13 bis 17. Rudimentäre Spaltöffnungen der Blattspindel in Oberflächen- ansicht; Fig. 13 und 16 von einem jungen, Fig. 14, 15 und 17 von einem alten Blatte. Fig. 18. Spaltöffnung der Blattunterseite in Oberflächenansicht. 378 O. Bobisut, Zur Anatomie einiger Palmenblätter. Tafel III. Ceroxylon andicola (Fig. 1 bis 4) ; Cocos nncifera (Fig. 5). Fig. 1 und 2. Fiederunterseite im Querschnitt; in Fig. 1 Grube mit Spalt- öffnungen, in Fig. 2 Grube mit Schildhaar. Fig. 3. Teil eines Schildhaares von der Fiederunterseite, von oben betrachtet. Fig. 4. Fiederquerschnitt. Fig. 5. Schildfläche eines Haares von Cocos nncifera in Oberflächen- ansicht. Tafel IV. Cocos nncifera (Fig. 1 und 2); Chamaerops htimilis (Fig. 3 bis 6); Elaeis gui- neensis (Fig. 7 bis 9); Nipa friiticaiis (Fig. 10). Fig. 1. Keulenhaar am Fiederlängsschnitte. Fig. 2. Teil eines Blattquerschnittes mit der Sklerenchymauflagerung der Leptombastsichel. Fig. 3. Blattquerschnitt. Fig. 4. Spaltöffnung im Querschnitte. Fig. 5. Spaltöffnung im Längsschnitte. Fig. 6. Spaltöffnung in Oberflächenansicht. Fig. 7. Teil eines Blattquerschnittes. Fig. 8. Keulenhaar der Fiederunterseite, von oben gesehen. Fig. 9. Keulenhaar der Fiederunterseite am Blattquerschnitte. Fig. 10. Teil eines Blattlängsschnittes mit der oberen Sklerenchymlage. Bobisill ,0.-. Ziir Anatomie eiiiiew PalnieiilJälter. Tid'.I. Vi. n. '«f fe ■18. 10. n w. LiüuAjuil-v.ThJIannw'arOl.Wen. Sitzungsberichte d.kais. Akad. d.WiSvS., inathruaturw. Classe, Bd. CXUl.Abth. 1.1904. ßoliisut ,0.; Ziir Anatomie einiger PalnienWättei-. 16, I \ / n / ^" h ^ 17. S^ \ i: ^ f Taf. n. %- tlo 73. il );■- ■ 'M 15. Ljth_AiulY.T}iJIannv^Rio dos Mortes« (bei S. Joao del Rey), unter welchen sich zwei kleinere, durch ihre außergewöhnlich helle Farbe auszeichnende Barren fanden, die J. Cloud als Palladiumgold erkannte. Hiedurch wird das Vorkommen des Palladiumgoldes auch in dem so südlich gelegenen Teile des Staates JVIinas fest- gestellt. Das Palladium ist bisher nur entweder als gediegen Palla- dium und als solches sehr selten oder als Palladiumgold, speziell im brasilianischen Staate Minas Geraes gefunden worden. a) Gediegen Palladium. Das Vorkommen von gediegen Palladium aus brasi- lianischen Goldseifen wurde zuerst durch Wo 1 las ton bekannt, indem er einige Körner neben gediegen Platin in einem goldführenden Sande, den er durch den portugiesischen Gesandten Souza Coutinho erhielt, nachwies. Wollaston fand neben den Platinkörnchen, die sich auch durch eine ganz eigentümliche Struktur auszeichnen, zwei Körner von gleicher Farbe und Glanz wie das Platin, jedoch von Königswasser viel leichter angegriffen wurden und auch eine divergent-faserige Struktur zeigten; neben Pd konnte auch etwas Pt und Ir nachgewiesen werden. Vorkommen von Palhidiiim und Platin in Brasilien. 383 .AUS der Beschreibung Wollastons der eigentümlich gestalteten Platinkörner, mit welchen das gediegen Pd ver- gesellschaftet ist, erscheint es mir als höchst wahrscheinlich, daß diese Probe vom Corrego das Lagens bei Conceicao do Serro herstammte, da nur dort das eigentümlich gestaltete gediegen Platin, wie später gezeigt werden wird, gefunden wird. Leider gelang es mir nicht, neuerdings in den platin- führenden Sanden dieser Lokalität das gediegen Palladium wiederaufzufinden, wo neben Gold, Palladiumgold, auch zweierlei Arten gediegen Platins vorkommen und eines genau mit dem von WoUaston beschriebenen übereinstimmt. Alle darin gefundenen Körner von silberweißer Farbe und zum Teil auch mit ausgezeichneter radialfaseriger Struktur erwiesen sich als gediegen Platin. Wohl aber fand ich unregelmäßige, zackige, ganz und gar nicht abgerollte Körner von gediegen Palladium von dunkel- grauer Farbe bis stahlgrau, neben selten vorfindlichem Platin und Palladiumgold in den Waschrückständen der goldreichen Jacutinga (false Zacotinga) des Itabirits von Itabira de Matto Dentro. Es ist erkenntlich an der leichteren Angreifbarkeit durch Königswasser, respektive schon durch Salpetersäure und durch die mikroskopischen Reaktionen mit Chlorkalium, Chlorammonium und Jodkalium in der Palladiumchlorid- lösung. An drei Körnern dieses gediegen Palladiums war keine radialfaserige Struktur erkennbar; sie waren, wie die mit \'or- kommenden seltenen Platinkörner, von massiger Struktur. Leider gelang es mir nur wenige solcher Palladiumkörner aus 175^ Palladiumgold mittels der Lupe auslösen zu können und werden erst spätere chemische Untersuchungen feststellen können, ob diese Körner von Pd wohl goldfrei sind. Das Vorkommen des gediegen Palladiums ist demnach niciit allein aus platin- und goldführenden Seifenlagern der Serra do Espinhaco (d. Wol laston), sondern auch aus den Itabiriten desselben Staates, zusammen mit Palladiumgold, nachgewiesen. 384 E. Hussak, h) Palladiumgold. Die ersten Mitteilungen über das Vorkommen eines eigen- tümlichen, silberähnlichen Goldes rühren schon vom Jahre 1700 her, der Zeit der ersten Goldfunde in Minas-Geraes. Ein Brief, geschrieben 1700 in Säo Paulo (der damaligen Capitania Säo Vincente), der kürzlich durch O. A. Derby zur Publikation gelangte (in Revista do histituto Histor e Geograph, de Sao Paulo, 1900, Vol. 5, pag. 286), gibt Nachrichten über die ersten Entdeckungen des Goldes im Distrikte von Sabara, Minas,durch Borba Gato und finden sich darin Angaben über ein silberähnliches Metall, das mit Gold vereint in den Seifen- lagern gefunden wurde und als »Prata« (Silber) bezeichnet wird. Diese Angaben beziehen sich sehr wahrscheinlich auf das damals noch unbekannte Palladiumgold, das in der dortigen, an Itabiriten reichen Region auch angetroffen wird. Auch befindet sich in der schon 1700 von den alten Portu- giesen auf Gold durchsuchten Gegend, nahe dem heutigen Orte Raposos, bei Sabara, ein Bach »Corrego da prata«, der diesen Namen bis heute beibehielt. Gediegen Silber oder Silbererze (abgesehen vom silber- haltigen Bleiglanz) wurden bis heute noch nicht in Brasilien nachgewiesen. Wie aus der kurzen ersten PublikationWollastons (1805) hervorgeht, wurde das Metall Pd zuerst in Waschrückständen brasilianischer Goldseifen, am wahrscheinlichsten aus dem Municip Serro stammend und zwar nur auf chemischem Wege nachgewiesen. So erwähnt Wolla ston das Vorkommen eines Iridium- erzes, des Platins und des Mitvorkommens von winzigen gerollten Zirkonkriställchen. In der zweiten Mitteilung (1809) beschreibt Wollaston ausführlicher die Beschaffenheit der Platinkörner und das Vor- kommen der Palladiumkörner und aus diesen Notizen geht nach den neuesten Funden hervor, daß die ersten Proben aus dem Muncip Serro und zwar aus dem Corrego das Lagens stammten. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 385 Vor der Entdeckung des Metalls Pd aber war den brasi- lianischen Bergleuten schon aufgefallen, daß in gewissen eisen- glanzreichen Goldseifenlagern (Cascalho) das ausgebrachte Gold sehr unrein, von heller, bald silberweißer Farbe, bald kupferrötlich war, auch sich als sehr brüchig zeigte. Diese Fehler der Goldbarren wurden auf die Anwesenheit von Platin- zurückgeführt, da damals das Palladium noch nicht bekannt war und beziehen sich hierauf die Angaben J. V. Coutos (1798 bis 1801) wie auch Clouds (1809). Da aber in diesen Fällen nicht mit Sicherheit eruiert werden konnte, ob das Palladium mit Gold natürlich legiert war oder als gediegen Palladium mit gediegen Gold vorkam, da nur palladreiche Gold- barren untersucht wurden, so fällt das Verdienst, Palladiumgold in natürlichem Zustande gefunden und untersucht zu haben, Berzelius zu. Das 1830 von Lampadius und Plattner untersuchte und als platinreiches Silbergold erkannte Goldvorkommen aus der Umgegend von Sabara, Minas, ist, wie unten weiter aus- führlicher angegeben wird, nachweisbar aus Jacutinga des Ita- birits (wahrscheinlich von Gongo Socco oder Itabira do Matto Dentro) gewesen und kam eine Verwechslung der Metalle Pt undPd vor, da damals letzteres noch wenig bekannt war. Nichts- destoweniger ist es aber sehr wahrscheinlich, daß das unter- suchte Jacutingagold gediegen Platin enthielt, wie dies tatsäch- lich für Gongo Socco und Itabira do Matto Dentro nach- gewiesen ist. Aus der Mitteilung von Berzelius geht auch mit Gewiß- heit hervor, das das erste brasilianische, quantitativ analysierte Palladiumgold aus dem Staate Goyaz stammte und der von Frobel gegebene Name »Porpezit« (nach einer angeblichen Lokalität Porpez oder Pompeio benannt) aus der Verunstaltung des Wortes Goyaz entstand. Berzelius schreibt (1835): »Unter dem Namen »Ouro podre« (faules Gold) hat mir E. Pohl eine Art gediegen Gold zugeschickt, welches in der Capitania Porpez in Südamerika vorkommt. Dieses Gold bildet vieleckige Körner von unreiner Goldfarbe, die vor dem Lötrohre schmelzen, wobei kleine Quarz- körner auf der Oberfläche schwimmen. Mit Borax geschmolzen 386 E. Hussak, färbt die Metallkugel denselben nicht und ist nach dem Erkalten geschmeidig. Nach Abzug der eingemengten Quarzkörner, deren iMenge eine geringe ist, besteht dieses Gold zufolge einer von mir an einem einzigen größeren, 0-623^ schweren Korne angestellten Analyse aus: Au 85-98% Pd 9-857^ Ag • 4-177o 100- -7, Von Kupfer zeigte sich keine Spur. Das analysierte Gold stammte also aus den Sammlungen des Wiener Geologen Poh 1, der bekanntlich den brasilianischen Staat Goyaz (früher wurden die Staaten als Capitania, später als Provincia, jetzt als Estado bezeichnet) bereiste. Pohl erwähnt in seinen »Beiträgen zur Gebirgskunde von Brasilien« von dem Vorkommen dieses Goldes jedoch nichts, seine Sammlungen sind aber bekanntlich im k. k. natur- historischen Hofmuseum in Wien seit 1837 aufbewahrt und daselbst fand sich unter Nr. 1099 und 1100, Brasilianisches Museum, ein als PdAu bezeichnetes Gold, von Arrayas, Capi- tania Goyaz, stammend. Der Güte des Herrn Direktors Prof. F. B er wert h in Wien verdanke ich eine Probe dieses Goldes und konnte ich mich überzeugen, daß selbes tatsächlich ein palladiumreiches Gold ist. Außerdem gibt schon v. Eschwege in seinem »Pluto Brasiliensis« 1832, pag. 77, an, daß das sogenannte Guro podre bei Arrayas in Go3^az 1740 schon reichlich gefunden wurde. Dieser Ort liegt östlich von der Stadt Palma, am Flusse gleichen Namens im Norden des Staates Goyaz, nahe der Grenze des Staates Piauhy. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das von Berzelius untersuchte PdAu von diesem Orte stammte und Porpez gleich- bedeutend mit Goyaz ist, weshalb auch der Name Porpezit ganz aus der mineralogischen Literatur verschwinden soll und auch nicht von Pompeo abgeleitet werden kann. \'orkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 387 Das PdAu von Arrayas, Goyaz, stammt ohne Zweifel aus Flußsanden, da es meist in gerollten Blättchen vorkommt, die Farbe desselben ist eine hellgraue, gelbliche bis schwach kupferrötliche. Eisenglanz zeigt sich mit selbem nicht ver- wachsen und auch die Analyse ergab Berzelius volle Ab- wesenheit von Fe und Cu. Trotzdem ist es aber sehr wahr- scheinlich, daß dieses PdAu auch aus Itabiriten stammt, wie alles Palladiumgold aus Minas Geraes und hat schon Pohl das Vorkommen von »Eisenglimmerschiefer in Goyaz« erwähnt. Auch ich konnte das Vorkommen von solchen Eisen- glimmerschiefern in konkordanter Lagerung mit typischen und schiefrigen, glimmerigen Quarziten (Itacolumiten) auf der Serra dos Pyrenaeos in Go^^az beobachten und scheint mir die Ver- breitung dieser Gesteinsserie nach dem Norden von Goyaz hin sehr wahrscheinlich. Die ersten Nachrichten über das Vorkommen von Palladiumgold im Gestein aus Brasilien verdanken wir Perc. Norton Johnson und W. A. Lampadius (1837). Johnsons Mitteilung lautet: »Das palladiumhältige Gold wird in der Grube Gongo Socco (statt Gorgo Socco) bei Caethe Minas durch das Verwaschen der »Zacotinga« (Jacutinga) gewonnen. Das Zacotinga (die Jacutinga) bildet ein aus- gedehntes Eisensteinlager, in welchem das palladiumhältige Gold nesterweise vorkommt und Glimmer, Manganerz und Quarz eingemengt enthält. Ich glaube, sagt Johnson, daß das Palladium teils gediegen, in Verbindung mit Gold, teils als Oxyd in dem Erze vorkommt. Lampadius hielt das braune Pulver (Überzug auf dem Palladiumgold) für ockrigen Limonit, überzeugte sich aber durch Analyse, daß es eisenreiches Palladiumoxydat, wahr- scheinlich Oxyd, ist. Man wird dieses finden, wenn man etwas von dem Erze in Salzsäure digeriert, wobei man sehen wird, daß sich Chlor- palladium bildet. Bis auf die letzten vier Jahre (1833) wurde das Palladium nicht aus dem brasilianischen Golde geschieden, aber seit dieser Zeit gab Johnson für die Besitzer der Grube Gongo 388 E. Hussak, Socco eine Scheidungsmethode an, durch welche das Gold rein dargestellt und das geschiedene nach England ausgeführt wurde. (Es folgt nun eine Beschreibung des Scheidungsprozesses, auf welche wir hier nicht weiter eingehen wollen.) Lampadius fiel es auf, daß auch eine Spur Platin mit dem Palladgold in dem Jacutingagolde (neben Osmium) gefunden wurde, und meint, es sei wahrscheinlich, daß auch eine geringe Menge Platinerz mit der Jacutinga vorkäme, oder aber die genannten Metalle Os und Pt Nebenbestandteile des Golderzes selbst wären. Gongo-Socco. Die Grube Gongo-Socco, 6 Meilen südöstlich von Cathe, wurde innerhalb der Jahre 1826 bis 1856 von der englischen Kompagnie »Imp. Brasilian Mining Association« bis zu einer Tiefe von 70 Faden mit dem größten Erfolge auf Gold ab- gebaut. Die Totalausbeute war 12.887 Ä;^ (32,528.098 Ib. troy) 20karatigen Goldes im Werte von 1,388.416 L. St. Das Gold kommt hier in gewissen Lagern des schiefrigen, stark gefalteten Eisenglimmerschiefers, Itabirit, vor, die oft in nur wenige Zentimeter starken Bändern, meist aber auch in kleinen linsenförmigen Einlagerungen (»bunches«) gewissen Teilen des mächtigen Itabiritlagers eingeschaltet sind und als »Jacutinga« bezeichnet werden. Bald werden diese Jacutinganester und -linsen als mürbe- locker, reich an Eisenocker, mulmigem Braunstein, oft mit Talk- blättchen vermengt, beschrieben, bald wieder als »soft mica- ceous« Eisenglanz, ohne Talkblätter, aber mit weißem Ton vermengt, bestehend angegeben, wie von Maquine. Die goldreichen Jacutingastücke genannter Lokalitäten: Gongo-Socco und Maquine, die ich zu untersuchen die Gelegen- heit hatte, bestanden aber aus hartem Eisenglanzschiefer, in dem der Quarz sehr zurücktrat; wenig erdiger Limonit und Braunstein fand sich neben vereinzelten Talkblättchen und steinmarkähnlichen Massen. Als akzessorische Mineralien fanden sich neben gerolltem Zirkon auch Rutil und Cassiterit. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 389 Wie reich diese Jacutinganester, besonders in den oberen bis zu 40 Faden Tiefe abgebauten Itabirits waren, geht aus den offiziellen Angaben Henwoods hervor, wie z. B. : Westlich von Duval's Shaft, 7 Faden Tiefe, in 7 Tagen 11 5.32 1 Ib. G. Zwischen Walker und Aveline Shaft, 3 Faden tief, in 2 Monaten 531.192 Ib. G. Westlich von Lyon's Shaft, 14 Faden tief, in 6 Tagen 516.654 Ib. G. Westlich von Lyon's Shaft, 14 Faden Tiefe, in 2 Tagen 140.821 Ib. G. Östlich von Lyon's Shaft, 34 Faden Tiefe, eine Masse von 30.000 Ib. G. Curtis Shaft, 34 Faden Tiefe, in 3 Stunden 105.000 Ib. G. Östlich von Gibbson's Shaft, 34 Faden tief, m 2 Tagen 219.018 Ib. G. Die zutage überliegenden Itabiritschichten, meist sehr quarzreich, erwiesen sich als sehr goldarm, kaum mehr als 1 g pro Tonne gebend. Bedeckt sind selbe von einem ganz jungen, eisenschüssigen Konglomerat, der sogenannten Canga, aus Quarzbrocken und Itabiritbruchstücken bestehend, welche ebenfalls goldführend ist und schon von den alten Bergleuten vor Beginn der Arbeiten der englischen Kompagnie deshalb durchwühlt und ausgewaschen wurde. Es möge schon hier hervorgehoben werden, daß nicht allein in Gongo-Socco, sondern auch an vielen anderen Punkten der in Minas weitverbreiteten Itabiritformation sich dünne, an Kalk- und Magnesiasilikaten reiche Kalksteinbänke eingelagert finden, und zwar mit gleichem Streichen. Es erscheint als notwendig, hier eine genauere Definition und eingehendere Beschreibung des Itabirits und der »Jacu- tinga« zu geben, da mehrfach der Itabirit schlechtweg als Jacutinga bezeichnet wird und der Itabirit an und für sich gleichfalls eine große Verschiedenheit sowohl in der Struktur wie auch in der mineralischen Zusammensetzung zeigt. So wurden auch als Itabirite (Eisenglimmerschiefer) Gesteine mit deutlicher Schieferstruktur bezeichnet, die den 390 E. Hussak, alten kristallinischen Schiefem konkordant eingelagert sind und als Glimmerschiefer, in denen der Biotit durch glimmerigen Eisenglanz ersetzt ist, zu bezeichnen sind. Anderseits gab man auch den Namen Itabirit körnigen, hauptsächlich aus zu Eisenoxyd umgewandelten Magneteisen- steinen, die ganz ohne Schieferstruktur sind. Als Itabirit sollen hier nur die schiefrigen, selten körnigen, aber dann auch deutlich schichtigen, bankartig gelagerten Quarzeisenglanz - Gesteine bezeichnet werden, die einer gewissen Schieferserie, aus Itabirit, Itacolumit, d. i. schiefrigen Muscovit (Sericit) führenden Quarziten, mit oder ohne Flexi- bilität, und diesen konkordant zwischengelagerten, grauen oder weißen, oft an Kalk-Magnesiasilikaten reichen Kalksteinen bestehend, angehören und geologisch jünger sind als die altkristallinischen Glimmerschiefer und Gneise. Den Itabiriten ist in den meisten Fällen eine poröse Struktur eigen, als ob ein Gemengteil aus selben durch das Wasser ausgelaugt worden wäre; wahrschemlich war dieser ein Karbonat oder ein leicht zersetzbares Silikat. Deshalb war auch in den alten, sehr goldreichen Itabirit- minen die enorme Wasserdurchlässigkeit dieser Schichten sehr gefürchtet. Als der einzige aber bemerkenswerte akzes- sorische Gemengteil der Itabirite ist nur Rutil zu nennen, der sicherlich aus der Zersetzung titanreicher Eisenerze herrührt; häufig erscheint in den Itabiriten der in Eisenoxyd um- gewandelte Magnetit (Martit), seltener Muscovit- und kleine Talkblättchen. Meist sind die Itabirite ganz kiesfrei und häufig von schmalen Quarzgängen und -schnüren durchzogen, sehr stark gefaltet und nach allen Charakteren als ein metamorphosiertes (kalkiges) Sediment zu deuten. Als Jacutinga sind die stets nur schmalen, kaum 50cm mächtigen nesterförmigen Einlagerungen und Bänder im Ita- birit zu bezeichnen, die sich durch einen, dem ganzen Itabirit sonst fremden, oft enormen Goldgehalt, vollständiges Fehlen der Kiese und Auftreten von bald talkreichen, bald rein tonigen Nestern im Vereine mit mulmigem Braunstein auszeichnen. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 391 Die.lacutingalager (-nester, -bäiider, -linien, -horses) zeigen nicht durchwegs die gleiche mineraUsche Zusammensetzung. Einesteils sind sie ausgezeichnet durch eine mulmige Beschaffenheit, hervorgerufen durch erdigen Braunstein und führen ein steinmarkähnliches Mineral, aus einem dichten Talkblättchenaggregat bestehend, und nicht selten Asbest- fasern, die durch Brauneisen gefärbt sind. Andernteils sind sie quarzreicher und mit Tonnestern, reinem Kaolin, meist durch Limonit gefärbt, die beim Ver- waschen keinerlei für granitische Gesteine etwa charak- teristische Minerale zurücklassen, wie durch das Vorkommen von schwarzen Turmalinsäulchen, die fest mit dem Eisenglanz verwachsen sind und durch Muscovitblätter ausgezeichnet. Die bald mulmig-erdige, bald feste Beschaffenheit der Jacutinga hängt nur von der Anwesenheit des Braunsteins und Limonits ab. Die verschiedene mineralische Zusammensetzung der Jacutinga läßt aber auf x'erschiedene Genesis derselben schließen. Sicherlich ist das ursprüngliche, nun in total zersetztem Zustande vorliegende Gestein im ersterwähnten Falle ein anderes gewesen als im zweiten. Wie erwähnt, kommen im Itabirit sehr häufig schmale, an Magnetit und Kalk-Magnesiasilikaten reiche Einlagerungen von Kalk vor und wird man, wie später von Candonga gezeigt wird, wo ein solcher im Granitkontakt veränderter, sehr gold- reicher Kontaktkalk im Itabirit eingelagert ist, zur .Ansicht gelangen, daß ein Teil der Jacutinganester solchen magnetit- reichen nun total zersetzten Kontaktkalken, die nesterförmig dem Itabirit eingelagert waren, gleichzustellen ist. Anderseits sind für die tonreichen, glimmerigen und turmalinführenden Jacutiganester (mit Cassiterit!) wohl eher ein granitischer Ursprung, von zersetzten pegmatitischen Adern herrührend, wahrscheinlich, umsomehr, da in manchen Itabiriten feldspatführende Quarzgänge mit durchgreifender Lagerung den Itabirit und mit ihm auch die Jacutinganester durchsetzen.' 1 Ausführliche Angaben über Jacutinga und Itabirit finden sich: Henwood, Metallif. Deposits, Vol. I. p. 214 bis 282. Vergl. auch Burton, Highlands of Hrazil., Vol. I, p. 301. 392 E. Hussak, So gibt auch Henwood an, daß der dünngeschichtete, oberUegende Itabirit 4 bis 7 Fuß dicke Lagen eingeschaltet enthält, die aus Quarz, Kalkspat, Eisenglanz und Talk bestehen, aber als sehr goldarm sich erwiesen. Schreiber dieses hatte Gelegenheit, eine Anzahl solcher goldreicher Jacutingastufen von Gongo Socco zu untersuchen, welche Mine seit 1860 außer Betrieb ist infolge Wasser- eintrittes und Zusammensturzes der Stollen, jetzt aber wieder eröffnet werden soll und fand, daß 1. hier keine Körner von gediegenem Palladium und Platin sich fanden. 2. das Gold in meist blättrigen Gestalten und von ver- schiedener Farbe und Feinheit erscheint. Das blättrige Palla- diumgold verrät sich schon durch seine hellere, meist kupfer- rötliche Farbe; außer diesem kommt aber auch hochkarätiges palladiumfreies Gold in mehr körnig-hackigen Gestalten mit vor. Vom Gongo-Soccogolde wurden eine Reihe von Analysen durch Mister J. P. Norton ausgeführt, die Henwood zitiert; es muß aber hierzu bemerkt werden, daß damals das Gold nur mittels »bateas« (Waschschüsseln) konzentriert und dann nach London gesandt wurde. Johnsohn fand (1833 bis 1841) in dem. zuerst 21-, dann 20 karatigen Golde von Gongo-Socco folgende Proportionen anderer Metalle in I Ib. troy unraffinierten Goldes: Jahr Faden Tiefe Ag Pd Cu Pt 1833 41 338-77 224-23 112 7-35 (5-88%) (3-89%) (1-94' Vo) (0-12 o/o) 1834 48 317-21 236 • 28 4-62 (5-470/J (4-19Vo) (0-070/J 1835 48 335-39 243 • 75 3-28 1836 48 280-46 177-46 3-80 1837 48 304-97 336-33 3-91 1838 55 264-81 214-59 2-36 (4-76%) (4-27%) (0-040/,) 1839 62 289-33 296 • 53 2-33 Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 393 Jahr Faden Tiefe Ag Pd Cu Pt 1840 62 247-47 238-04 — — (4 -4870) (4-S00/„) _ 1841 62 302-03 430*98 215-50 — - - (3-747o) Henwood zieht aus diesen Analysen Johnsons den Schluß, daß gegen die Tiefe hin (im Abbau) sich der Silber- gehalt wie auch der geringe Platingehalt augenscheinlich ver- minderte, während der Palladiumgehalt wie der des Kupfers des (unraffiniert zur Schmelze gegebenen) Goldes sich vermehrte. Aus den Analysen Johnsons geht hervor, daß der Palladiumgehalt des Gongo-Soccogoldes kein hoher ist und 5"/o nicht übersteigt. Bekanntlich hat Johnson aus der enormen Menge des in dieser Mine gewonnenen Goldes das Palladium abgeschieden und so war es schon 1845 ihm möglich, der R. Geological Society in London genügend gediegenes Palladium zur Prägung der Wollastonmedaille zur Verfügung zu stellen.^ Bemerkenswert ist hier der schon von Lampadius geahnte geringe Platingehalt des Goldes aus Itabiriten wie von Gongo-Socco. Das Zweitälteste bekannte Vorkommen von Palladiumgold, gleichfalls auf Grund von Analysen von P.Johnson, ist das von Candonga, östlich von Serro, Minas, welche Goldmine von V. V. Helmreichen studiert wurde. Im folgenden sollen hier zuerst die Originalnotizen V. Helmreich ens, zum Teil Henvvoods Werk entnommen (dem das Manuskript Helmreichens zur Verfügung stand), gegeben werden, um dann eigene Beobachtungen, die im Verein mit Ingenieur M. L isboa, der auch die Grube besuchte, gemacht wurden, anzufügen. 1 Quart. Journ. Geolog. Soc. London, 7. 1851, p. 2. 394 E. Hussak, Über das Vorkommen von Palladiumgold in einem Kontaktkalke von Candonga, Minas Geraes. I. Historisches. W. J. Henwood gibt in seinen »Observations on metalli- ferous deposits« 1871, T. I., pag. 175, eine kurze Notiz über ein Vorkommen von Palladiumgold im »Granit« von Candonga, Minas, welche der Art des Vorkommens wegen meine Auf- merksamkeit erregte und mich zu Nachforschungen über die heute gänzlich in Vergessenheit geratene Goldmine anregte. Henwood schreibt über dieselbe, sich zum größten Teile auf das Manuskript des jahrelang (1836 bis 1850) in Goldminen Brasiliens (Gongo-Socco, Morro-Velho etc.) tätig gewesenen, österreichischen Bergingenieurs V. v. Helmreichen berufend, folgendes: »Körnchen von Gold sind spärlich eingesprengt im Gemenge von Quarz, Feldspat und Magneteisen im Granit von Candonga, ganz ähnlich wie das Zinnerz in dem von Cornwall. Das goldführende Gestein verliert zeitweise durch Zurück- treten des Quarzes und Vorherrschen des Magneteisens ganz den granitischen Charakter (Habitus). In diesem eisenreichen Granit ist das Gold unregelmäßig und spärlich verteilt und mit 5 bis 8^/^ Palladium legiert (nach Analysen von P. N. Johnson), von hellgelber Farbe, so daß es manchmal gediegenem Silber ähnlich ist. Teils ist das Gold in den angegebenen Mineralien ein- geschlossen, teils finden sich wieder Mineralkörnchen im Golde eingeschlossen. Auch rauhflächige Goldkristalle finden sich auf drüsigen Hohlräumen, die Größe der spärlich verteilten Gold- körnchen ist von 0'012 bis 0*022 Inch schwankend. Die quarzreicheren Partien des Gesteins enthalten Nester von erdigem Braunstein und kleine oktaedrische Goldkristalle. Auch winzige, an beiden Enden ausgebildete Quarzkriställchen finden sich mitunter auf Spalträumen. Das goldführende Gestein ist durchbrochen von einer Reihe von Klüften ein und derselben Reihe (bounded by joints of one Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 39o series) und zwischen diesen Blättern, die verschiedenes Streichen besitzen, ist oft goldfreies Gestein zvvischengeschaltet, in beiden Teilen aber, dem goldführenden wie dem goldfreien, ist das Material ein vorherrschend granitisches. P. 311, 1. c, erwähnt Henwood nochmals, daß das gold- führende Gestein von Candonga ein Granit ist, aus gelbem Feldspat, weißem Quarz und Magneteisen bestehend, und p. 341, 1. c, hebt er nach v. Helmreichens Angaben hervor, daß das goldführende Lager von Candonga durch Quergänge (cross-veins) beeinflußt ist. Burton erwähnt in seinem Reisewerke »The Highlands ofBrazil«, 1869, p. 214, nur kurz, daß innerhalb der Jahre 1844 bis 1850 in Candonga, Municip Serro-Frio, eine englische Kompagnie »The Serra dea Candonga-Gold Min. Comp.« zwei bis drei Jahre tätig war und die Arbeiten aufgab. Zu W. L. v. Eschweges Zeiten (1820 bis 1830) war das Vorkommen von Gold im Gestein daselbst noch nicht bekannt, wohl aber wurde damals schon (vor 1814) aus dem »cascalho« der Plüsse Candonga und Guanhaes, am Fuße der Serra da Candonga, Gold ausgewaschen und erwähnt v. Eschwege, daß in dieser Gegend häufig über dem Grundgebirge, dem Gneis, Lager von Seifenstein sich zeigen und die Serra vor- waltend aus Eisenglimmerschiefer besteht (Gebirgskunde Brasiliens, 1832, p. 204). In seinem »Pluto Brasiliensis« verzeichnet v. Eschwege in der Goldproduktionsliste für 1814, Taf. 8, daß im Flüßchen Candonga ein Arbeiter 55 Oitavas und im Flusse Guanhaes 20 Arbeiter 780 Oitavas Gold auswuschen. Erst die klaren, wenn auch kurzen Mitteilungen V. V. Helmreichens (in den »Berichten über die Mitteilungen von Freunden der Naturwissenschaften«, Wien, 1847, II. Bd., p. 137) gaben mir Aufschluß über die Art des Vorkommens des Goldes auf der Serra da Candonga. V. V. Helmreichen explorierte 1844, auf Einladung genannter englischer Kompagnie hin, im Verein mit dem Commissioner Lott die Mine; leider aber blieb das ausführliche Manuskript Helmreichens hierüber, wie eine Reihe anderer Studien desselben Forschers, bisher unveröffentlicht und scheint Sitzb. d. mathem. naturw. KI.; CXIII. Bd., Abt. I. ' 27 ■ 396 E. H ussak, das Manuskript (der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien gehörig) verloren zu sein. V. V. Helmreichen berichtet dto. 6. Mai 1846 an Direktor V. Haidinger nach Wien über die Mine vonCandonga folgendes ; »Die Umstände bestimmten mich, vor dem Antritte meiner großen Reise über die Cordilleren noch einen Ausflug nach Minas Geraes vorzunehmen, um die Bergbaue von Candonga und Morro-Velho zu untersuchen und Betriebspläne für die- selben anzufertigen. Ich habe diese Geschäfte vollendet (Ibidem, p. 14'2.) In Candonga wurden während meines Dortseins mehrere neue Goldstände und selbst ein neues Lager angefahren. Alles das konnte jedoch die Auflassung dieses Bergbaues nur verschieben, aber nicht verhindern. Sehr merkwürdig waren mir die dortigen Lagerungs- verhältnisse, indem der Eisenglimmerschiefer hier in unmittel- barer Berührung mit der Granit-Gneisformation steht, während er auf der Serra do Espinhaco und ihren Nebenzweigen in der Regel nur in Gesellschaft des Itacolumites und der Talk-Ton- schieferformation auftritt. Der Eisenglimmerschiefer \'on Candonga wird samt den goldführenden Lagern von mächtigen granitischen Quergängen durchschnitten und ist im Hangenden wie im Liegenden von granitischen Gebilden umgeben. Merkwürdig ist es, wie das Hauptlager unter dem 27. Klafter- lauf seinen Charakter verändert. Oberhalb desselben besteht es aus emer eisenschüssigen Masse, körnigem magnetischen Eisen und selten aufgelösten Feldspat in sich schließend. Das Ganze ist so weich, daß bedeutende Mengen in kurzer Zeit mit der Picke verarbeitet werden können. Unter dem 27. Lauf wird es so fest, daß es nur durch Sprengarbeit gewonnen werden kann. Es besteht daselbst vor- züglich aus einer gelben, mehr oder weniger durchsichtigen, gehlenit(?)ähnlichen und strahlsteinartigen Masse, gemengt mit körnigem Magneteisen und Kalkspat. Ich werde bitten, dieses gelbe Mineral, das ich der Sammlung (des k. k. natur- historischen Hofmuseums) beischließe, näher untersuchen zu lassen und mich mit dem Resultate bekanntzumachen. Sie Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 397 werden von dieser Lagermasse mehrere Stücke mit und ohne Gold unter meiner Einsendung finden. Auch habe ich einige Stückchen von dem grünen Bildstein beigelegt, der daselbst vorkommt. (Ibidem, p. 146.) Candonga scheint einem Eisenglimmer- schieferzuge anzugehören, welcher sich auf der Ostseite und in gewissen Entfernungen von der Serra de Espinhaco, fast gleichlaufend mit ihr, wenngleich nicht ohne bedeutende Unter- brechungen, von Süden nach Norden hinzieht. Morro Agudo, am Piracicaba, Montelevade's Fazenda, Ita- bira do Matto Dentro und Candonga sind einzelne Punkte dieses Zuges. .:....« Soweit gehen die mir zugänglichen, kärglichen, aber bedeutungsvollen Nachrichten des um die Geologie von Minas Geraes hochverdienten österreichischen Bergingenieurs Virgil V. Helmre ichen. Aus diesen Angaben v. Helmreichens scheinen mir jedoch mit voller Klarheit folgende Tatsachen zu resultieren: 1. daß das goldführende Gestein in Candonga in Form • eines Lagers den Itabiriten (Eisenglimrherschiefern), die am Aufbau der Serra gleichen Namens eine Hauptrolle spielen, eingelagert ist; 2. daß diese Itabirite mitsamt dem goldführenden Lager durch verschiedene granitische Gänge, wohl Apophysen des in der Tiefe anstehenden jüngeren Granits, durchbrochen wurden. Ja, V. Helmreichen gibt sogar an, daß daselbst der Granit über dem Itabirit lagernd beobachtet wurde; 3 daß das Gold nicht gleichmäßig im Gestein verteilt ist, sondern zeitweise in dem durch ein gelbes Silikat (Gehlenit) ausgezeichneten Gestein stark angereichert erscheint (in bunches), zum Teil dies sich auch goldfrei fand. 4. daß das Gold dieses Lagers sich durch einen verhältnis- mäßig hohen Palladiumgehalt von 5 bis 8'Vo> wie in allen Jacutingalagern des Itabirits Brasiliens, auszeichnet. 27* 398 E. Hussak, Henwood gibt jedoch irrtümlich an, daß das Gold hier im Granit vorkäme, während v. Helm reichen das goldführende Gestein niemals als solchen bezeichnete. Im folgenden sollen die Gesteine und Art des Gold- vorkommens eingehender beschrieben werden, wie ich selbe einesteils durch Studium von Originalstufen v. Helmreich ens, andernteils durch neue Aufsammlungen an Ort und Stelle durch meinen Freund und Kollegen, Ingenieur M. Lisboa, den ich hierauf aufmerksam machte, in der alten Grube und auf der Serrada Candonga selbst ausgeführt, anstellen konnte und auch der geologische Bau der Gegend besprochen werden. IL Eigene, neue Beobachtungen. Im Verlaufe meiner letzten Europareise (1900) hatte ich Gelegenheit, durch Güte des Herrn Direktors, Prof. Dr. P. Groth und unter Führung meines geehrten Freundes, Prof. Dr. Grünling, in der königl. bayerischen Staatssammlung außer einer großen Zahl von goldführenden Jacutingastufen von Gongo-Socco, auch eine Probe eines eigentümlichen gold- führenden Gesteins mit der alten Etikette »Condonga, Minas« zu finden, die noch aus der alten Sammlung des Herzogs von Leuchtenberg stammte. Herr Prof. Groth hatte die Güte, mir von der ohnehin kleinen Probe ein kleines Schleifstück abzugeben und soll dieses in folgendem »(M. L.)« bezeichnet werden. Ein weiteres, davon verschiedenes Gesteinsstück erhielt ich durch freundliches Entgegenkommen und Güte des Herrn Direktors der Mineraliensammlung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Herrn Prof. Dr. F". Berwerth in Wien, nachdem ich vorher in Erfahrung gebracht hatte, daß, nach einer von Herrn Kustos Dr. R. Koechlin mir freundlichst zugesandten Liste der im Wiener Hofmuseum vorfindlichen brasilianischen Goldvorkommen, sich auch die nach dem Tode V. v. Helm- reichens daselbst angekauften Originale dieses Forschers von der Mine Candonga befinden. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 399 Diese Gesteinsprobe, sehr goldreich, soll im folgenden als >>(W. H.)« bezeichnet werden. a) Das erstgenannte Gestein (M. L.) könnte man nach bloßer makroskopischer Beobachtung als einen grobkörnigen Pyroxenfels oder als Amphibolit deuten, der sich bereits ziemlich in Zersetzung befindet, da die hellgrüne Hornblende sehr fein- faserig, ja schon stark in Asbest umgewandelt ist. Auf den Spaltrissen der beiden Hauptgemengteile, Pyroxen (Diopsid) und Hornblende (Aktinolith) zeigt sich schon makro- skopisch das hellkupferrötliche bis fast silberweiße Palladium- gold in dünnen, langen, unregelmäßigen Blättchen und Häutchen abgelagert, respektive verwachsen. Außer diesen Gemengteilen finden sich noch größere un- regelmäßige Magnetitkörner und selten auch Körner eines hell- braunen, schon stark in Zersetzung begriffenen, olivinähnlichen Minerals, das erst in Dünnschliffen richtig bestimmt werden konnte. Schließlich sind noch seltene weiße Körnchen eines Karbonates zu erwähnen. In Dünnschliffen (Taf. II, Fig. 1) zeigt sich das Gestein Zusammengesetztaus: 1. größeren, unregelmäßigen, langprismatischen Körnern eines monoklinen, fast farblosen Pyroxens, mit ausgezeichneter prismatischer Spaltbarkeit, der, wie Separatanalj^sen später zeigten, ein ganz tonerdefreier Diopsid ist; 2. ebensolche große Körner eines gleichfalls im Schliffe fast farblosen, monoklinen Amphibols, vom Pyroxen nur in Schnitten quer auf die Vertikalachse durch die Spaltbarkeit und in Längsschnitten durch die geringere Auslöschungsschiefe gut unterscheidbar. Dieser Amphibol, ein tremolithähnlicher, erscheint schon makroskopisch oft sehr feinfaserig und zeigt im Schliffe eine vorgeschrittene asbestartige Umwandlung, auf Klüften nicht selten erfüllt von Körnchen eines farblosen Karbonates. Als 3. Hauptgemengteil erscheint in großen unregelmäßigen Körnern Magnetit zwischen und in kleinen Oktaedern in den Bisilikaten als Einschluß. Die großen Körner zeigen schon 400 E. Hussak, makroskopisch auf angeschliffener Platte eine Umwandlung in Eisenoxyd. Auch trifft man mitunter runde Körner v-on Pyroxen vollständig vom Magnetit eingeschlossen. Keinerlei feldspatiger Gemengteil ist vorhanden, auch kein frischer Olivin sichtbar; es kommen aber in diesem Gestein selten rundliche, mit einer schmalen Eisenhydroxydzone um- kränzte Körner vor, die sich im Dünnschliff als vollständig in ein verworren-faseriges, zum Teil in ein radialfaseriges, ser- pentinähnliches Mineral zersetzt zeigen, aber keine frischen Mineralreste mehr enthalten. Als sekundäre Mineralien erscheinen hier außer dem er- wähnten Asbest noeh stellenweise, als Kluftausfüllung, farblose unregelmäßige Körner eines farblosen Ca-Mg-Karbonates und in diesem Gestein ziemlich selten. Das Gold, das der Art des Vorkommens nach gleichfalls als ein sekundär eingewandertes, infiltriertes Mineral anzusehen ist, ist, wie schon die Analysen Johnsons dartaten, als ein sehr (öYgVo ^^■) palladiumreiches zu bezeichnen, was auch schon durch die helle kupferrötliche, oft bis silberweiße Farbe zu er- kennen ist. Die Goldmenge in diesem Gestein (M. L.) ist eine relativ sehr große. Neben dem PdA erscheinen auch sehr selten winzige Körnchen eines reinen hochkarätigen Goldes, wie eine qualitative Analyse an einem kleinen Gesteinsstückchen dartat. Das feingepulverte Gestein wurde zuerst mit Klein'scher Lösung getrennt und der Magnetit mit dem Eisenglanz durch den Elektromagneten gesondert. Es verblieben hiebei nur die dünnen Pd-Au-Blättchen und wenige dunkelgold gefärbte Körnchen des hochkarätigen Goldes neben einigen frischen Silikatkörnern, welch letztere durch Flußsäure und Salzsäure entfernt wurden. Dann wurden die beiden Godsorten unter dem Binokular- mikroskop getrennt und beide qualitativ untersucht. Das Pd Au zeigte sich schon von schwachem Königs- wasser leicht lösbar und ergab nach Eindampfen und Auf- nehmen mit (HCl) unter Zufügung von (KCl) eine sehr starke Kalium-Palladium-Chloridreaktion. Es verblieben aber nach Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 401 dem l-ösen einige winzige, silberweiße Blättchen, die auch nach viermaligem Behandeln mit Königswasser nicht in Lösung gingen, demnach wohl Iridium oder Osmiridium sind. Das tiefgoldgelbe, hochtcaratige Gold gab keine Pd- Reaktion. Das zweite (W. H.), im Wiener Hofmuseum befindliche und von V. v. Helmretchen selbst gesammelte Stück, das ich untersuchen konnte, ist im wesentlichen aus den gleichen mineralischen Gemengteilen zusammengesetzt, wie das oben beschriebene, jedoch viel frischer und enorm goldreich. Das Gestein ist ziemlich grobkörnig und vorherrschend aus einem hellschwefelgelben Silikat und schwarzem Eisenerz zusammengesetzt, zwischen welchen als dritter Hauptgemeng- teil ein weißes Karbonat, hier ziemlich reichlich, in unregel- mäßigen Körnern sich eingestreut zeigt. Von Amphibol oder einem asbestartigen Zersetzungs- produkt ist hier makroskopisch nichts zu sehen, wohl aber ist in dem kleinen Stück, das ich erhielt, schon deutlich eine lagenförmige Struktur des Gesteins, eisenreiche mit silikat- reichen Lagen abwechselnd, zu beobachten. Das dunkelfarbige, anscheinend hochkarätige Gold ist in diesem Gestein allerorts in meist rundlichen Körnern bis zu 3 imn Durchmesser verteilt, nie in dünnen Blättchen oder von kupferroter Farbe, wie in dem (M. L.) Gestein und scheint hauptsächlich angereichert in den karbonatreichen Partien des hellgelben Silikates. Eine geschnittene und polierte Platte zeigt, daß das auf der linken Seite angereicherte Eisenerz aus zweierlei Mineralien besteht, einem mattschwarzen, von HCl leicht angreifbaren, dem Magnetit, und einem lebhafter metallisch glänzenden, von HCl unangreifbaren, dem Eisenglanz. Letzterer enthält öfter Magnetitkörner eingeschlossen und nicht selten umrandet er ganz größere Magnetitkörner. Auf der rechten Seite dieser Platte zeigt sich das hell- gelbe Silikat angereichert und in diesem Gemenge erscheint auch reichlich das Freigold, teils als Einschluß in den Silikat- körnern, teils auf den Trennungsklüften derselben erscheinend. 402 E. Hussak, Körnchen von Freigold finden sich aber auch im Magnetit als Einschluß, ebenso in den Karbonaten. In den drei Dünnschliffen konnte zuerst richtig bestimmt werden, daß das vorherrschende hellschwefelgelbe Silikat, das sehr dem Chondrodit ähnlich ist und schon von Dr. Koechlin auf der Etikette als »Chondrodit?« bezeichnet war, ein monokliner Pyroxen ist. Neben demselben wurden aber auch einige rundliche Körner eines olivenähnlichen Minerales im Dünnschliff beobachtet, die als ein Mineral der Humitgruppe schon an der Zvvillingsstreifung, dem optischen Verhalten nach etc. erkannt wurden, hier aber sehr selten vorkommen. Die Identifizierung dieses Gemengteiles mit Chondrodit gelang erst in den neugesammelten reichlichen Proben von Can- donga. Der pyroxenische Gemengteil ist seinem optischen Ver- halten nach (Maximum der Auslöschungsschiefe zur Vertikal- achse 35 bis 38°) als ein der Diopsidgruppe angehöriger Pyroxen erkannt und auch durch chemisch-quantitative Analyse bestimmt worden. Selten erscheinen neben diesem Hauptgemengteil im Dünnschliff farblose, durch die starke Lichtbrechung und chagrinierte Oberfläche sehr dem Olivin ähnliche, fast immer rundliche Körner des Chondrodits, der häufig von dünnen Zwillingslammellen nach (001) durchzogen ist. Das spezifische Gewicht dieses Chondrodits ist ein mit dem gleichfarbigen Pyroxen so nahe übereinstimmendes, daß eine Sonderung beider unmöglich war. Noch seltener erscheinen in diesem Gestein Körner eines Amphibois, eines hellgrünen Aktinolithes. Häufiger sind hier die Karbonate anzutreffen (Ca-Mg- Karbonat), die auch als Einschlüsse in den genannten Silikaten in Form winziger Körnchen getroffen werden. Der Magnetit umschließt nicht selten vollkommen größere Pyroxenkörner, so daß hier ebensowenig an eine regel- mäßige xA u SS c heidun gs folge der einzelnen Gemeng- teile zu denken ist, wie hinsichtlich des reichlich vorhandenen Goldes, das in allen Gemengieilen sich als Einschluß findet. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 403 Von diesem Gestein wurde eine quantitative Analyse mit besonderer Scheidung der einzelnen Gemengteile ausgeführt, die im großen und ganzen sicher einen Schluß auf die pro- zentuarische Zusammensetzung desselben zuläßt. Zuerst wurden die Karbonate und der leicht lösliche Magnetit aus dem nicht zu fein gepulverten Gestein mit 20*7^ kalter HCl ausgezogen. (Teil A.) Aus dem gut ausgewaschenen unlöslichen Teil wurden zuerst die größeren Körnchen von Gold vorsichtig mit der Lupe ausgelesen, der Rest mit KNa-Karbonat aufgeschlossen und die Schmelze in verdünnter HCl gelöst, wobei wieder etwas Gold zurückblieb. (Teil B.) Im Teil A wurden aus der Menge von Ca und Mg be- rechnet: CaCOg 18- 500/0 undMgCOg 3' 36%, aus der Eisenoxyd- menge als FCgO^ 12-107o. Im Gestein, Teil A und B, fanden sich insgesamt PdAu 4-60o/o. Der unlösliche Teil B wurde mit KNaCOg aufgeschlossen und wie eine gewöhnliche Silikatanalyse behandelt, die SiOg mit der CaO und Mg O -Menge als Diopsid berechnet zu 58* 147o während das ganze Eisen als Eisenoxyd 5*82% ergab. Von AlgOg waren Spuren nachweisbar, hingegen fand sich eine deutliche Ni-Spur. Demnach wäre im großen die prozentuarische Zu- sammensetzung des Gesteins aus folgenden Mineralien: PdAu 4-607o Silikate 58* 15 Magnetit 12-10 Hämatit 5-82 Karbonate 21 -80 102 -53% Als Silikate fanden sich, wie erwähnt, Diopsid, etwas Chondrodit und Aktinolith, als Karbonate Kalk- und Magnesia- Karbonat. Demnach kann die Berechnung nicht genau stimmen, da gewiß von dem in HCl leicht löslichen Chrondrodit, wenn er auch sehr selten nachgewiesen wurde, im Teil A sich 404 E. Hussak, SiOo und MgO befanden. Anderseits ist die Eisenmenge nicht ganz recht verteilt, da ein kleiner Teil als FeO in den Silikaten steckt. Nichtsdestoweniger gibt aber vorliegende Partialanalyse doch einen Überblick über die prozentuarische mineralische Zusammensetzung dieses Gesteins. Eine Bauschanal3^se desselben Gesteins (ohne Bestimmung des sehr wechselnden Glühverlustes und ohne Trennung der Oxydationsstufen des Eisens in Hinblick auf das spärliche Material) ergab mir: SiO^ - 48-987o PdAu 3-55 Fe^Og 12-66 AUO3 . 0-30 CaO 14- 18 MgO 19-01 (CO2) 1-30 a. Diff. 100 oo'7o Auch hier wurden deutliche Nickel- und Manganspuren nachgewiesen. Die Zusammensetzung des Gesteins stimmt im ganzen gut mit der eines «Websterits« überein. Auch von dem hellgelben P^MOxen (Diopsid) wurden, nach Trennung des grobgepulverten Gesteins mittels Thoulet'scher Lösung (D. 3- 1), zwei Analysen ausgeführt, die aber, da mit dem Diopsid infolge gleichen spezifischen Gewichts sicher auch etwas Chondrodit beigemengt war, weder mir noch meinem Freunde W. Florence, einem altei'fahrenen Chemiker ein ganz befriedigendes Resultat ergaben. (Unter I. meine, 2. Florence's Analyse, 3. Mittel aus beiden): I II. III. Si O. 55 ■ OO'Vo >^6 • 057o 55 • 527o .Uo"^' ! ^-3 1-58 1-65 NiO i Spuren - - - CaO 25-80 25-24 25-52 MgO :8-43 19-60 18-43 HgO ■ 0-56 — — 101 -527^ 102 -4770 100-127o Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 403 Auffallend ist bei beiden Analysen der Überschuß von P/y bis 272 Vo' ^^^' wohl auf den Fluorgehalt des spärlich bei- gemengten Chondrodits zurückgeführt werden kann. Im ganzen stimmt die auf lOO^o berechnete Analyse ganz mit der eines gewöhnlichen, thonerdefreien Diopsids. Den mikroskopischen und chemischen Bestimmungen nach, ausgeführt an den beiden Museumsproben, könnte man ver- sucht werden, dies Gestein als ein Eruptivgestein der Lherzolith-Pyroxenitgruppe, reich an Magnetit, angehörig zu betrachten und geradezu als Amphibolpjn'oxenit zu be- zeichnen. Die Karbonate wären als sekundäre Produkte zu deuten und tatsächlich landen sich solche auch auf den Spaltrissen der Bisilikate, wie das Palladgold, öfters abgelagert, andernteils finden sich aber auch Karbonatkörner als Einschlüsse in den Silikaten. Auch die große Frische des (W. H.)-Gesteinsstückes spricht schon gegen die sekundäre Natur der Karbonate, ferner ist die Beobachtung, daß das Gold sich in allen Gemeng- teilen eingewachsen findet, hervorhebenswert. Erst die Untersuchung der von M. Lisboa an Ort und Stelle gesammelten Gesteinsproben von Candonga gab den Auf- schluß über die Natur und Genesis des goldführenden Gesteins dieser Goldmine und sollen im folgenden dieselben beschrieben werden. a) Geologische Beobachtungen. Dieselben ergaben im wesentlichen nichts Neues und konnten nur \'. v. Helmrei c'hen's Beobachtungen voll- kommen bestätigt werden. Die Serra da Candonga besteht aus Itabirit, dessen Basis Granit und Gneis (Granitgneis) bilden; zahlreiche Gänge, zum Teil pegmatitische, duVchziehen die Itabiritschichten und mit diesen auch das schmale, denselben konkordant eingelagerte goldführende Lager. Letzteres wurde seinerzeit durch die nur drei Jahre dauernden Arbeiten der englischen Kompagnie, »The Candonga Gold- 406 E. Hussak, Mining Co. L.«, durch mehrere Stollen aufgeschlossen, von welchen jetzt noch zwei zugänglich waren und von M. Lisboa begangen wurden, ohne jedoch in diesen bessere Aufschlüsse über die Lagerungsverhältnisse erhalten zu können, da das goldführende abgebaute Lager am Orte sich als eisenreich, total mulmig zersetzt zeigte. Von einer Überlagerung des Itabirits durch den Granit konnte Lisboa nichts wahrnehmen, im Gegensatze zur An- gabe v. Helmenreichens. Derltabirit zeigt sich nur mit »Canga« überlagert (Desaggre- gationscanga, an Ort und Stelle gebildet, nicht durch Alluvion). Auf der alten Halde, in der Nähe der alten Aufbereitungshalle, konnte M. Lisboa eine Reihe von Gesteinsstücken, die als Taubes ausgesondert waren, sammeln und zeigte es sich, daß das Gestein des abgebauten Lagers genau mit dem in den Museen befindlichen Gesteinsstücken übereinstimmt. V. V. Helmreichen hebt in seiner Reisenotiz ausdrücklich hervor, daß das frische pyroxen-(gehlenit?-)reiche Gestein erst beim Abbaue gegen größere Tiefe hin (70 Klafter Stollen) an- gefahren wurde und steht es tatsächlich im Ausgehenden nicht an, sondern es sind hier nur mulmig zersetzte Lagen im Itabirit sichtbar, ganz ähnlich gewissen Jakutingalagern anderer Itabirit- minen. Von den Engländern wurden auch anfänglich nur diese mulmigen, eisenreichen, goldführenden Nester mit sehr schwankendem Erfolg abgebaut und als sie bei 70 Klafter Stollenlänge auf das harte Pyroxengestein stießen, ver- ursachte ihnen die Aufbereitung desselben große Schwierig- keiten. Schon V. Helmreichen gibt an, daß das Gold in diesem Lager sehr unregelmäßig verteilt erschien (»ganz wie in der Jakutinga«), so daß die englische Kompagnie mehrmals die goldführenden Nester verlor und eben in einem solchen Falle ihn als Experten berief. Als v. Helm reichen daselbst anlangte, hatten die Arbeiter schon wieder ein reiches Nest angetroffen und zwar diesmal in dem harten Gestein, von dem v. Helm- reichen Proben, mit und ohne Gold, an das Wiener Hof- museum sandte. (W. H.) Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 407 Die von M. Lisboa auf den Halden in Candonga ge- sammelten Gesteinsproben stimmen vollständig mit den von V. Helmreichen gesammelten überein und ergaben nach petrographischer Untersuchung erst Aufschluß über die Genesis desselben, wie des goldführenden Lagers im allgemeinen. b) Petrographische Untersuchungen. ■ Die von Lisboa gesammelten Gesteinsproben von Candonga erwiesen sich, wie schon erwähnt, identmineralogiscb zusammengesetzt, wie die Originalproben v. Helmreichens, zeigten jedoch, als durchwegs ganz frisch und unzersetzt, eine Struktureigentümlichkeit und ein stellenweises Vorwalten der Karbonate, wodurch schon von vornherein ausgeschlossen erscheint, daß dies Gestein eruptiven Ursprungs, etwa, ein Pyroxenit (Jakupirangit, Alnoeit) sein könnte. Ausgesprochen findet sich an diesen Stücken eine lagen- förmige, schichtige Struktur, indem sich abwechselnd 1 bis 10 cm breite Bänder zeigen, die folgendermaßen zusammen- gesetzt sind: L Lagen, oft bis 5 cni breit, von vorherrschenden, weißen Karbonaten, reich an Einschlüssen regellos verteilter, deutlich abgerundeter, wie abgeschmolzener Körner und Kristalle (zum- Teil mit deutlichen Kristallflächen) eines schwefelgelben Silikates, das als Chondrodit erkannt wurde. 2. Breitere (10 cm) Bänder eines dem Chondrodit ganz ähnlichen gelben bis grünlichgelben, grobkörnigen Pyroxens > öfters mit hellgrünen Aktinolithkörnern und schwarzen Magnetitkörnern vermengt. 3. Schmale, meist nur 1 bis 2 cm breite Streifen, vor- herrschend aus Magnetitkörnern bestehend, vermengt mit etwas Pyroxen. Diese Lagen wechseln unregelmäßig miteinander ab, so daß oft die reinen Pyroxen- und Magnetitbänder ganz vor- herrschen und die Karbonatlagen zurücktreten. Unter dem Mikroskope zeigte sich in Dünnschliffen, daß- in den karbonatreichen Lagen (a) der Calcit vorherrscht, leicht 408 E. Hussak, •erkenntlich an den zahlreichen polysynthetischen Zvvillings- lammellen nach — -— R {0112) in den großen Körnern, von trübweißer Farbe, mit ausgezeichneter rhomboedrischer Spalt- barkeit, gleichsam die Grundmasse bildend, in der die Silikat- körner eingeschlossen sind. Neben den Kalzitkörnern finden sich auch seltener Karbonatkörner, frei von aller Zvvillingsstreifung und mit stärkerer Lichtbrechung, die den qualitativen chemischen Proben nach sich als magnetitreich erwiesen, auch \-on Essigsäure schwer gelöst wurden und wohl Dolomit sind. Ähnliche Körnchen finden sich auch als Einschlüsse in den Calcitkörnern •und als Umrandung der Silikatkörner. Letztere, bis zu 3 mm groß, sind stets abgerundet und im Schliffe ganz farblos, wie Olivin, auf den Spaltrissen von einem feinfaserigen, gelben, serpentinartigen Zersetzungsprodukt er- füllt (cf. Fig 1, Taf. I); erst die durch Essigsäure aus den Karbonaten rein ausgelösten Körner dieses Silikats ergaben nach qualitativer chemischer Probe zur Gewißheit, daß selbe dem Chondrodit angehören, indem sie wie Olivin leicht in HCl unter Ausscheidung gelatinöser SiO^ löslich sind und neben starker Mg-Reaktion auch eine deutliche mikrochemische Fl-Reaktion ergaben. (Nach der Boricky'schen Methode.) Als Einschlüsse finden sich nicht selten Magnetitoktaeder in den Chondroditkörnein; merkwürdig ist eine oft sichtbare •Umrandung derselben durch farblose, wie gelappte Körner von Dolomit, vermengt mit einigen fast farblosen Pyroxenkörnern. Diese Dolomitkörner zeigen keine polysynthetische Zwillings- streifung und eine stärkere Lichtbrechung als der gleichsam die Grundmasse bildende Calcit. Sie zeigen sich auch vereinzelt im Calcitgemenge in Form kleiner zackiger Körnchen und Rhomboederchen als Einschlüsse. Mit den großen Magneteisenkörnern, die hier selten eine starke Um.wandlung in Eisenoxyd aufweisen, sind öfters runde Chondrodit- und eckige Pyroxenkörner verwachsen. In einem anderen Dünnschliffe fanden sich größere 4inregelmäßige Pyroxenkörner in Calcitgemenge, mit Ein- Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 409 Schlüssen von Magnetitoktaedern und Chondroditkörnern, letztere ganz vom Pyroxen umschlossen. Hiedurch ergibt sich folgende Ausscheidungsreihe der ein- zelnen Gemengteile: 1. Magnetit. 2. Chondrodit. 3. Pyroxen. 4. Karbonate. Von den Karbonaten scheint sich zuerst der Dolomit, dann erst der Calcit gebildet zu haben. Der zweite Teil desselben Gesteins ist ein grobkörniges Gemenge von vorherrschendem grünlichgelben Pyroxen, Diopsid mit selteneren hellgrünen Aktinolithkörnern und häufigeren Magnetitkörnern. (Taf. I, Fig. 2 bis 4.) Die Bisilikate sind stets sehr frisch und durch aus- gezeichnete Spaltbarkeit gekennzeichnet, der Magnetit ist teils in isolierten, oft zackigen Körnern verteilt oder auch mit den Bisilikaten innig, wie poikilitisch verwachsen, manchmal aber auch wie sekundär in die Spaltrisse des Aktinoliths einge- drungen. Die Umwandlung des Magnetits in Eisenglanz ist oft deutlich wahrnehmbar, indem das blutrote Eisenoxyd von den Rändern der Magnetitkörner aus sich in die Spaltrisse aller Silikate infiltriert zeigt. Selten ist auf Spaltrissen der Aktinolithkörner ein hell- grüner, schwach pleochroitischer Mg-Glimmer eingewachsen, dersicher eine sekundäre Bildung auf Kosten des Aktinoliths ist. Zum Teil ist auch hier schon, trotz der großen Frische des Gesteins, im Aktinolith eine faserige, asbestähnliche Um- wandlung bemerkbar, während in einigen Pyroxenkörnern sich auf den Spaltrissen derselben eine Zersetzung in ein fein- körniges Aggregat grünlichgrauer Körnchen nachweisen läßt. Weder Chondrodit noch Karbonate fanden sich in diesen silikatreichen Lagen des goldführenden Gesteins von Can- dbnga. Diese Lagen gleichen in ihrer mineralischen Zusammen- setzung ganz einem Magne titpyroxeni t. 410 E. Hussak, Die drei mit den vorigen abwechselnden Bänder des Gesteins von Candonga bestehen vorherrschend aus Magnetit- körnern, stark in der Größe wechselnd, von einem halben bis fünf und mehr Zentimeter.Neben Magnetit findet sich nur etwas Pyroxen, kein Chondrodit oder Aktinolith und auch keine Kar- bonate. Solche magnetitreiche Gesteinslagen müssen nun, wie leicht verständlich, bei weitgehender Zersetzung des Gesteins an sekundärem Eisenglanz und Limonit reiche Lagen im Itabirit, dem sie konkordant eingelagert sind, geben (ähnlich der »Jacutinga«) und wurden tatsächlich anfangs nur solche im Ausgehenden von der englischen »The Candonga Gold Mining Co.« abgebaut. Hervorgehoben muß werden, daß weder in den Ori- ginalstufen von Candonga aus den Sammlungen des Herzogs V. Leuchtenberg (M. L.), noch v. Helmreichens (W. H.), noch in den neuen Aufsammlungen M. Lisboas auch nur eine Spur von Kiesen nachgewiesen werden konnte. Schematisches Profil der Mine Candonga, ausgeführt von E. Hussak, nach Berichten von V. v. Helmreichen und Beobachtungen von L. Lisboa. C Fig. 1. G Gneisgranit. 7 Itabirit. C Canga. a Jacutingalager. h goldführende Jacutinga c Kalksilikatlager, g Pegmatitgänge. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 411 Handstücke der Kalksilikatgesteine, die Schichtung zeigend: Fig. 2. a strahliges Talkaggregat, b großprismatischer Aktinolith. c Magnetitkörner mit wenig Aktinolith. d vorwiegend Aktinolith mit einigen Chloritblättern und Magnetit. Fig. 3. e Calcit mit gelbem Pyroxen. c fast reiner Magnetit. Fig. 4. /Calcit mit Chondrodit. c vorwiegend Magnetit mit einzelnen Bisilicatkörnern, e Calcit mit Pyro.xen und Aktinolith. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 28 412 E. Hussak, Miguel Arrojado Ribeiro Lisboas, Min. a. Civ. Ing. Be- obachtungen, Notizen und Aufsammlungen von der Mine Candonga. »Die Mine Candonga liegt an dem Flüßchen gleichen Namens, welches am linken Ufer sich in den Rio Guanhaes er- gießt. Die Berge des Mineneigentums bilden die Wasserscheide zwischen dem Rio Guanhaes und dem Corrego de Canoas und werden als Serra de Candonga bezeichnet. Diese Wasser- scheide setzt sich nach Norden unter dem Namen Serra de Luciana weiterhin fort. Die Mine Candonga ist von der Stadt S. Miguel de Guanhaes zwei Leguas (12 kwi) entfernt. Wie schon v. Eschwege beschrieb, ist diese Region eine vorherrschend aus Gneis gebildete. Die Serras der genannten Wasserscheide bestehen aus Gneisgraniten und Gneisen und das Gebirge in der Umgebung der Mine Candonga hat die Konfiguration ähnlich der Granitberge von Rio de Janeiro, hohe Gipfel mit scharfen Umrissen zeigend. Das ganze Tal des Rio Guanhaes, vom Wege von der Fazenda do Born Successo an ist gebildet aus Gneisen und Graniten. Die in der Gegend von Serro so häufigen »Topf- und Seifensteine« wurden am ganzen linken Ufer des Rio Guanhaes nicht beobachtet. Auf den Höhen der Serra de Luciana und Candonga erscheinen die Itabirite und Eisensteine. Außerhalb Candonga und auf zwei anderen Punkten der Wasserscheide gegenüber hat der [tabirit keine große Ent- wicklung mehr, sondern es zeigt sich hier der Boden mit einer terra roxa (rote Erde) bedeckt, wie solche niemals in den Itabiritzonen der Serra de Espinhaco als charakteristisch ge- funden wird. Auf der Serra de Luciana und am Wege zwischen Serra Miguel und Sacramento erscheint der Itabirit (?) nur mehr ganz auf der Höhe und im Vergleich zur Gegend von Ouro preto oder Itabira wenig mächtig entwickelt. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 41c5 Die Mine Candonga. Die Mine ist zur Zeit vollständig verlassen und alle Stollen wurden zerstört. Die Arbeiten wurden seinerzeit auf einem Bergabhange gegenüber der Fazenda ausgeführt. Die Straße, die von der Fazenda zur Mine geht, besteht aus Gneisgranit fast vollständig bis zur Höhe der ersten nun verfallenen Stollen. Auf der Höhe des Berges erscheint die Jacutinga (Itabirit). a) Arbeiten der alten Mineiros. Die Entdeckung des Goldes in Candonga fand zuerst statt in der Auffindung eines Lagers goldführender Jucutinga, die ganz der anderer Itabiritminen, wie Itabira, Ouro-preto, gleicht. Die ersten Arbeiten bestanden in einem kleinen Tagbaue (Catta) auf der Bergflanke, von wo die Jacutinga auf Holz- schüsseln von Sklaven zu Tal gebracht wurde, um dort im Corrego mit Batea verwaschen zu werden. Die »Catta«, zumTeil durch Wald verwachsen, istnochimmer soweit erhalten, daß man schätzen kann, wie groß die Arbeiten in derselben waren. Im Vergleich zu denen der Jacutingaminen bei Ouro preto u. a. 0. waren selbe hier sehr unbedeutend. Das goldführende Jacutingalager konnte nicht beobachtet werden, weil dasselbe durch die abgestürzten tauben Itabirit- massen bedeckt war. Eine Waschprobe, in einer solchen Itabirithalde angestellt, ergab mit der Batea Gold. Nach Aussagen alter Ansässiger wurden schon von den ersten Arbeitern in dieser Jacutinga, dem Fallen der Schichten folgend, 2 bis 3 Stollen abgebaut und später verlassen und zerstört. Man kann hier die Aufeinanderfolge der Gesteine nicht recht verfolgen, aber es ist ohne Zweifel, daß die Jacutinga über dem Gneisgranit liegt, wie dies schon auf dem Wege zur Mine hin ersichtlich ist. Dies hindert nicht, daß möglicherweise ein Kontaktgestein von geringer Mächtigkeit in •dem Itabirit oder zwischen diesem und dem Granit einge- schaltet ist. 28* 414 E. Hussak, Mir scheint jedoch aus der Beobachtung an der alten »Catta« hervorzugehen, daß das goldführende Jakutingalager höher gelegen und nicht im unmittelbaren Kontakt mit dem Gneisgranit steht. Zwischen beiden existiert ein mehrere iMeter mächtiges^ steriles Jacutingalager. Die Arbeiten der alten Mineiros waren nur kleine und konnten kaum mehr als ein Jahr gedauert haben. Es scheint, daß noch eine andere alte »Catta«, aber auf der entgegengesetzten Seite des Berges im Betriebe war; mir war es aber wegen Fehlens eines Weges nicht möglich, selbe zu untersuchen. h) Arbeiten der The Candonga Gold Mining Cie. L.« Gleich nach der ersten Entdeckung der goldführenden Jakutinga ging die Mine in die Hände einer englischen Kompagnie über, die die Arbeiten im Tagbaue ganz aufgab. Die Jacutinga hat ein: Streichen 30 NO. Fallen 35 NW. Das Streichen der Itabiritschichten ist fast normal zur Längserstreckung der Serra und bestanden die Arbeiten der englischen Kompagnie darin, eine Reihe von Stollen in ver- schiedenen Horizonten von dem Bergabhange aus in die Jacutingalager abzubauen. Alle diese Stollen sind verfallen oder zerstört, durch über- fallendes Geröll die Stollen verschlossen und durch Baumwuchs überwuchert. Die Zahl der Versuchsstollen ist eine sehr große und zu- mindest in drei Horizonten angelegt. Vor den Stollenmundlöchern sieht man schon, durch die neue Vegetation gekennzeichnet, die Förderberge (Steinhalden) der Stollenbaue. Folgende Explorationsarbeiten wurden ausgeführt: I. Studium der Stollenausgänge und Reinigung der Stollen. Das Studium der Stollenmundlöcher zeigte, daß es ganz unmöglich war, alle Stollen freizulegen, da die vor denselben Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 41 O liegenden Halden aus festen Gesteinsblöcken bestehen, die nach Sprengung mit Pulver herausgeschleppt wurden. Ich konnte fünf solcher Stollen freilegen. Alle diese waren in derJucu- tinga angelegt. Drei davon waren große Gallerien von mehr als 2 in Höhe, die anderen zwei kleine V^ersuchsstollen. Alle diese waren auf eine Länge von 50 bis 100 w hin ab- gebaut, manche derselben sehr gefährlich, der eingestürzten Blöcke wegen. Keiner dieser Stollen zeigte die goldführende Jucutinga, alle schienen nur Versuch- oder Transportstollen zu sein. In manchen derselben zeigt sich die Jacutinga geteilt durch eine schmale, zirka 0^/2 Palmos breite tonige Schicht, die gleiches Streichen und Fallen wie die Jacutinga besitzt. Alle diese Stollen befinden sich in mittlerer Höhe des Iiabiiitberges. (Also nicht nahe dem Granitkontakt.) 2. Studien an den Halden. In dem am höchsten gelegenen Stollen war das geförderte taube Gestein ausschließlich Jacutinga. Am Fuße des Berges aber, fast ganz an der Straße, fand ich eine große Halde an einem Stollenmundloch, wo ich alle Silikatgesteinsproben von Candonga sammeln konnte. Es war dies die größte Halde der Mine. Dieser Stollen war aber nur ein Wasserlösungsstollen und im tiefsten Niveau der ganzen Mine angelegt; auch scheint, daß der ganze Stollen in festem Gestein gearbeitet war und dasselbe mit Pulver gebrochen ward. Sehr nahe diesem Stollen finden sich schon die gneis- granitischen Gesteine und erscheint es klar, daß dieser Stollen die zerbröckliche Jacutinga nicht durchfahren hat. Die Gesteine auf dieser Halde, die zu oberst lagen, stammten sicherlich aus den tiefsten Teilen des Stollens und gibt es keinen Zweifel, daß dieser Stollen einen goldführenden Gang durchstoßen hat. Die hier gefundenen Gesteine waren folgende: 1. Eruptiv- oder metamorphische Gesteine mit Calcit und gelbem Pyroxen, verschiedene Grade der Zersetzung (des Metamorphismus) zeigend. 416 E. Hussak, 2. Itabirite oder Eisengesteine. 3. Ouarzgesteine, anscheinend einem goldführenden Quarz- gänge entstammend. 4. Zersetzte Gesteine, anscheinend Serpentine. Diese wurden am Fuße der Halde gefunden, scheinen also mehr den der Oberfläche des Berges zuliegenden Teilen des Stollens entnommen zu sein, bevor der Stollen in das feste Gestein eindrang. 5. Granitische Gesteine in kleinen Blöcken. Es ist un- zweifelhaft, daß kleine Adern oder Gänge von Pegmatit oder pegmatitischen Quarzadern die obigen Gesteine des Stollens durchbrochen haben. Unter den sub I. genannten Gesteinen finden sich sehr verschiedene Typen, alle aber zeigen Über- gänge ineinander. Die Halden des Wasserstollens, wo alle Gesteine ohne Auswahl aufgestaut wurden, wie das goldführende Gestein mit Calcit und Pyroxen neben den tauben Pyroxengesteinen, zeigen zur Gewißheit, daß diese harten Gesteine nicht zur Gold- extraktion aufbereitet wurden. Diese Meinung wurde mir auch durch Sr. Capt. Filiciano, einem alten in Candonga Ansässigen, bestätigt, der mir mit- teilte, daß die Engländer nur in dem zerreiblichen, weichen Material arbeiteten und zwar in den hochgelegenen Stollen, die die Jacutinga durchfahren haben. Aus Obigem erfolgt, daß der Morro da Candonga zusammen- gesetzt ist aus: 1. Gneisen und Graniten, an der Basis des Berges. 2. Jacutinga (Itabirit), fast den ganzen Berg bildend, von der Mitte bis zur Höhe. 3. In der mittleren Höhe erscheinen harte Gesteine, die Pyroxengesteine. 4. Die Höhe des Berges erscheint von Canga bedeckt zu sein. (Also keine Überlagerung durch Granit, wie v. Helm- reichen angibt, konnte beobachtet werden.) Aus diesen neuen Beobachtungen und alten Notizen über die Arbeiten der englischen Kompagnie scheint zu folgen: 1. daß die Mine Candonga einen kompakten Erz- körper enthält, der von den Engländern nicht abgebaut wurde;; Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 417 2. daß derselbe leicht erreicht werden kann durch den tief- gelegenen Wasserlösungsstollen, der fast ganz offen in festem Gestein ist und innen noch erhalten ist ; 3. die Auslagen einer Explorationsarbeit können keine großen sein, da der Stollen noch relativ hoch liegt und fast ganz trocken ist, so daß keine Wasserschwierigkeiten vor- kommen dürften. Keiner der untersuchten Stollen war wasserhaltig und auch die Schurflöcher (Pocos) ohne Wasser. Petropolis, 29. Dezember 1903. M. Lisboa. Bemerkungen zu M. Lisboas geologischen Notizen und über die von ihm gesammelten Gesteine. Von E. Hussak. (Cf. die Figuren auf Seite 32 und 33.) In dem Profil (Fig. 1) ist: G der die Basis des Berges bildende, gneisartig struierte, feinkörnige Granit; /der die ganze übrige Höhe des Berges bildende Itabirit; C eine eisenschüssige Konglomeratdecke, die sogenannte Canga. Im Itabirit finden sich mit gleichen Streichen einge- schaltet; a Jacutingalager, zum Teile goldführend; Z^ schmale, tonige Lager von zersetztem granitischen (?) Material, und c nahe am Kontakt, mit dem die Basis bildenden Gneisgranit, das harte goldführende Kalksilikatgestein (Kontaktkalk); g die Itabiritschichten mit allen den sub a bis c genannten Ein- lagerungen werden durchsetzt von mehreren schmalen pegmatitischen Granitgängen. Die höher gelegenen, zum Teile goldführenden Jacutinga- lager sind meines Erachtens in der Entstehungweise ident mit dem durch den tiefen Wasserstollen erschlossenen harten Kontaktkalk, dem Kalksilikatgestein, nur tiefgehender, mulmig zersetzt, wie dies auch sicherlich das an Eisenerzen so reiche Kontaktkalkgestein mehr an der Oberfläche war. 418 E. Hussak, Die tonigen schmalen Einlagerungen aber im Itabirit stammen wohl aus der Zersetzung pegmatitischen Materials her, da selbe auch anderorts im Vereine mit gangquarzähnlichen Partien öfters gefunden werden und die reinen, nur eisen- schüssigen Tonmassen als zersetzte Feldspatmassen gedeutet werden können. Aus dem von M. Lisboa gesammelten Gesteinsmaterial geht hervor: Von den an Bisilikaten reichen, von mir als Kontaktkalke gedeuteten Felsarten finden sich, nach Untersuchung des von M. Lisboa auf den Halden des alten Wasserstollens reichlich gesammelten Materials, alle möglichen Übergänge ineinander. Bald sind es grobkörnige, bald feinkörnige Gesteine, bald mit deutlicher Schieferstruktur, bald körnig und besteht noch ein weiterer Wechsel darin, daß bald eines, bald das andere der fünf wesentlichen Gemengteile, wie: Magnetit, Pyroxen, Calcit, Aktinolith oder Chondrodit vor- herrscht. Bald sind es deutlich schiefrig struierte, grobkörnige Gesteine, vorwiegend aus Magnetit und gelbem Pyroxen bestehend, beide in gesonderten, zirka V2 ^^ breiten Lagen wechselnd, bald wieder regellos körnige Varietäten aus den- selben zwei Mineralien zusammengesetzt und ohne Lagen- struktur (cf. Figuren 2, 3, 4.) Zu diesen zwei Hauptgemengteilen tritt in einzelnen Proben mehr oder minder reichlich Calcit in weißen Körnern hiezu und scheinen gerade die karbonatreichen Kalksilikat- gesteine reich an Gold zu sein, wie dies aus den oben beschriebenen Mustern aus v. Helmreichens Sammlung her- vorgeht und auch durch zwei Analysen solcher, wenn auch nur qualitativ, wieder bestätigt werden konnte. Außerdem fällt es auf, daß auch auf den Halden, wo das scheinbar Taube abgesondert wurde, sich fast nur karbonatfreie Kalksilikatgesteine vorfanden, wie dies M. Lisboas Auf- sammlungen zeigen. Auch erwähnt schon v. Helmreichen, daß das harte Silikatgestein (der pyroxenreiche Kontaktkalk) der englischen Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 419 Kompagnie bei der Aufbereitung große Schwierigkeiten be- reitete. Unter den karbonatreichen Gesteinsstücken fanden sich auch solche, die, deutlich geschiefert, fast nur aus Chondrodit und Calcit bestanden. In der Struktur zeigen sich, wie erwähnt, noch solche Unterschiede, sei es in der Korngröße, sei es durch Vor- herrschen eines der Hauptgemengteile oder infolge vorhandener oder fehlender schiefriger Struktur und endlich an die an vielen Stücken verfolgbaren Umwandlungen und Mineralneubildungen, hervorgerufen durch Zersetzung der Bisilikate und des Magnetits. So zeigen einige Proben sich als sehr dünnschiefrig und vorwiegend aus meist zu Eisenoxyd umgewandelten Magnetit- körnern und -kristallen bestehend, zwischen welchen ein asbestartiges Mineral, umgewandelter Pyroxen und Aktinolith, verteilt ist. Diese Stücke erinnern manchmal sehr an gewisse Itabirit- gesteine. In anderen Handstücken ist wieder hellgrüner, groß- strahliger Aktinolith der Hauptgemengteil, abwechselnd mit fast reinen Magnetitlagen und an der Oberfläche der Aktinolith, lagen finden sich divergentstrahlige Partien von reinen, weißen Talkblättern. Zwischen den Aktinolithkörnern sind nicht selten regellos zerstreut dunkelgrüne Chloritblätter einge- sprengt. (Vergleiche die Bilder einiger Handstücke in beifolgenden Figuren.) Von dem in Fig. 4 skizzierten, durch M. Lisboa auf- gesammelten, deutlich schiefrig struierten Gestein, aus viel Magnetit, Karbonaten und etwas gelbem Pyroxen bestehend, wurden von mir zwei Teilanalysen ausgeführt, die folgendes Resultat ergaben: A. Eine Portion des feinstgepulverten Gesteins wurde mit 207o warmer HCl mehrere Stunden lang behandelt und darin der HCMösliche Teil bestimmt. Es fanden sich im Gestein 40 -2670 in HCl löslich. Der lösliche Teil bestand, nachdem die Kohlensäure durch den Glühverlust bestimmt war, folgendermaßen: 420 E. Hussak, Spur SiO^ F2O3 16-69o/o CaO 1201 MerO 1-66 CO. 9-80 40-167„ auf das ganze mit HCl behandelte Gestein berechnet (0'9307 g). Angenommen, daß das ganze Eisen als Magnetit vor- handen ist und abgesehen von der Spur gelösten Silikats (CaMg-Silikat) das ganze CaO und MgO als Karbonat da ist, so berechnet sich der in HCl-lösliche Teil folgendermaßen: Fe3 0, 16-137o CaCOg 21-50 MgCOg 3-49 Wie groß der Wechsel im mineralischen Bestand dieser Kalksilikatgesteine ist, erhellt nun daraus, daß eine zweite Analyse desselbe Magnetit-Pyroxen-Calcitgestems (Bausch- analyse) ganz verschiedene Zusammensetzung zeigte. Von diesem wurden 0-6785^ mit (K,Na) 2CO3 vor dem Gebläse geschmolzen, in verdünnter HCl gelöst, wobei sich ein großer Teil schwarzen Pulvers als unaufschließbar erwies, selbst nach mehrmaligem Schmelzen und abfiltriert wurde, um dann mit Kalibisulphat geschmolzen zu werden. Der unlösliche Teil erwies sich hiebei als reines Titan- eisen und betrug 23-247o- Der aufgeschlossene Teil des Gesteins bestand aus: SiOa 10-827o 27 CaO 16-74 MgO 5-33 Ilmenit 23*24 Glühverlust • 8 39 99 79Vo Hiedurch ist erwiesen, daß ein großer Teil des im Gestein enthaltenen Eisenerzes Titaneisen ist und sowohl ein Teil des Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 421 dem makro- und mikroskopischen Befunde nach allgemein als Eisenoxyd gedeutete Mineral als Ilmenit zu erklären ist. Weiters geht aus der Analyse des HCl-löslichen Teiles gewiß hervor, daß neben vorwaltendem Calcit auch Magnesium- karbonat vorhanden ist. Auch zeigt die obige Analyse, daß der Wechsel im mine- ralischen Bestand ein zu großer ist, um etwa diese Gesteine als Eruptivgesteine zu deuten, was auch insoferne aus- geschlossen erscheint, da die Karbonate in einer Weise auf- treten, daß sie als ursprüngliche Gemengteile ange- sehen werden müssen. Die Gemengteile dieser Kalksilikatgesteine (Kontaktkalke) sind : A. Hauptgemengteile: 1. Gelber bis grünlichgelber, thonerdefreier Pyroxen der Diopsidgruppe. 2. Hellgrüner Aktinolith in meist prismatisch verlängerten Körnern. 3. Dunkelgelber Chondrodit in runden Körnern und in abgeschmolzenen Kristallen. 4. Calcit, häufig, in großen Körnern. 5. Dolomit, sehr selten, in kleineren Körnern. 6. Magnetit, sehr häufig, in bis O'ö cm großen Körnern, selten in Oktaedern. 7. Ilmenit, in großen Körnern. B. Akzessorische Gemengteile: 8. Als solcher fand sich nur selten der Apatit. C. Umwandlungsprodukte der Hauptgemengteile: 9. Asbest, aus Aktinolith entstanden. 10. Talk, großblättriger, aus Aktinolith entstanden. 1 1. Chlorit, in ziemlich großen Blättern. 12. Hämatit, aus Magnetit entstanden. 13. Limonit, » » » 14. Pyrolusit. 15. Ist schließlich das Gold zu nennen, das einesteils a's ein hochkarätiges Gold in Körnern, andernteils als hellkupfcM- rötliches Palladiumgold in dünnen zackigen Blättchen erscheint 422 E. Hussak, und meines Erachtens gleichzeitiger Bildung mit den Bisilikaten zur Zeit der Umwandlung der dem Itabirit ein- geschalteten Kalklager, die durch Granitgänge metamor- phisiert wurden. Vorherrschend scheint das Gold in den noch karbonat- reichen Gesteinslagen angereichert zu sein und wahrscheinlich am meisten in der Nähe des Kontakts mit dem Granit. Der Granit, der die Basis des Itabiritberges »Morro da Candonga«, bildet, ist ein sehr feinkörniger Biotitgranit, der aus Quarz, fleischroten Mikroklinperthitkörnern und schwarzen Biotitblättchen besteht und als akzessorische Gemengteile wenige Zirkonprismen, häufiger aber winzige dünntafelige Monazitkriställchen führt und öfters deutlich eine gneisartige Struktur aufweist. Die dünnen ton igen Einlagerungen in der Jacu- tinga des Itabirits, die M. Lisboa sammelte, erwiesen sich als ganz reine Kaoline, nur durch Eisenhydroxyd bald hell- braun, bald braunrot gefärbt. Beim Verwaschen derselben mit der Batea hinterblieben nur viele Eisenerze, vorwiegend Eisen- glanz, weniger Magnetit und sehr selten Quarzkörner, keine irgendwie für Granit und Gneis charakteristische Gemengteile, wie Zirkon, Monazit oder Xenotim fanden sich. Dies tonige Lager kann aber nur von der Zersetzung der den Itabirit durch- setzenden pegmatitischen Gänge herrühren, in welchen der vorwaltende Feldspat es lieferte. An eine sekundäre Ein- wanderung des Tones ist kaum zu denken. Die Itabirite (resp. Jacutinga) zeigen von denen anderer altbekannter Fundorte keine Unterschiede, sind vorherrschend aus Quarz und Eisenglanz, bald großkörnig, bald feinkörnig undschiefrig, aber immer reich an meist zuMartit umgewandelten Magnetit. ••ö' über die Genesis des goldführenden Lagers von Can- donga: Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 423 Aus den petrographischen Untersuchungen der Gesteine des im Itabirit eingelagerten goldführenden Gesteins von Candonga glaube ich folgende Schlüsse ziehen zu können: 1. Daß dasselbe eruptiven Ursprungs nicht sein kann (etwa ein Pyroxenit, Alnoeit oder Websterit), da Karbonate in einer Weise an der Zusammensetzung des Gesteins teilnehmen, die auf eine gleichmäßige respektive gleichzeitige Entstehung derselben mit den Silikaten schließen lassen. 2. Aus der mikroskopischen Untersuchung der Gesteine geht, im Vergleiche mit anderen wohlbekannten ähnlichen Gesteinen, zur (ich möchte sagen) Gewißheit hervor, daß dies Gestein ein durch Kontaktmetamorphismus veränderter Kalkstein ist, ein Kalksilikatgestein. Schon das Vorkommen des fluorhaltigen Chondrodits, eines typischen Kontaktminerals und die Art des Auftretens der Karbonate in Verbindung mit den Silikaten läßt von vorn- herein diesen Schluß zu. Das den Kontakt hervorrufende Gestein ist nun auch in Candonga sicher nachzuweisen, indem schon V. Helmir eichen, wie auch M. Lisboa bestätigen konnte, angibt, daß der Itabirit mit samt dem konkordant demselben eingelagerten goldführenden Lager von einer Reihe von granitischen (pegmatitischen) Gängen durchbrochen sind. Tatsächlich finden sich an vielen Orten in den enormen Itabiritlagern von Minas Geraes, hauptsächlich in dem von Norden nach Süden streichenden Gebirge von Laffayette über Ouro preto hin gegen Serro da Conceicao einerseits und ander- seits über Itabira do Matto Dentro gegen Candonga und Guan- haes hin, in den Itabiriten häufig ganz schmale Kalksteinlager konkordant denselben eingelagert, die auch nicht selten reich an Silikaten, wie Aktinolith, Granaten (Spessartinu. a.), Magnetit (Martit) etc. sind. Ja, ich möchte daraufhin noch weiter gehen und die Hypo- these dahin weiter ausdehnen, daß die ganzen Jacutinga- lager der Itabirite, die ja vorherrschend aus mulmigen Eisenerzen, aber oft charakteristischerweise mit Talk, asbest- artigen Mineralien, hauptsächlich aber aus Eisenglanz (sekun- där?) und Martit vermengt, bestehen, Derivate solcher zersetzter, 424 E. Hussak, im Kontaktmetamorphismus veränderter Kalksteinbänke (Fe.- Mg.-Ca.-Karbonate sind. Sowohl in der Jacutinga allerorts, wie in dem goldführenden Gestein von Candonga ist bemerkens- wert: 1. Das unregelmäßige, oft enorm reiche Vorkommen (in »bunches«) des Goldes (wie ein solches mit den Kontakt- erscheinungen in Einklang zu bringen ist oder ob dieser Reichtum nur auf die nächste Umgebung des den Kontakt hervorgerufenen Granits beschränkt ist, ist, da die Arbeiten in dieser Mine auf keine größere Tiefe ausgeführt wurden, noch sehr ungewiß). 2. Das vollständige Fehlen der Sulfide in beiden genannten goldführenden Lagern (Nestern). 3. Das Gold von Candonga ist, wie das aller Jacutinga- lager, reich an Palladium. Jedenfalls erscheint mir aus den obigen Studien hervor- zugehen, daß das Goldvorkommen in Candonga ein kontakt- meta morphes ist und möglicherweise ein Licht auf die Genesis der Jacutingalager der Itabirite Brasiliens wirft. Ähnliche »Contaktmetamorphic ore deposits» wurden erst kürzlich eingehend von: Lindgren^, Weed- und Beck^ beschrieben. Am meisten stimmt das Vorkommen von Candonga mit dem von Schwarzenberg in Sachsen (Beck 1. c.) überein, nur daß in Candonga keine kiesigen blendeführenden Bleierze vor- kommen, ja überhaupt gar keine Kiese sichtbar sind, obwohl es nicht ausgeschlossen ist, daß z. B. Magnetkies oder Pyrit vorhanden war, die vollständig in Limonit oder Hämatit umge- wandelt wurden. Auffallend ist das vollständige Fehlen der Kiese in der Jacutinga der Itabirite ja auch. 1 Lindgren, Metasomatic processes in fissureveins, in »Genesis of ore deposits«, 1901, p. 498. 2 Weed, Ore deposits near igneous rocI.Ouro branco« will man das Metall bemerkt haben, dessen Er- scheinung in der Nähe von Eisenformation eine besondere Berücksichtigung verdient. « V. Eschwege teilt im Anschluß hiezu mit, daß sich auch auf den Berghöhen der Serra da Lapa über dem Arrayal (heute Stadt) da Conceicao unter der Dammerde allenthalben Gold mit eckigen Ouarzstücken und etwas Platin findet. Diese genannten Fundorte des Platins konnte ich in Gemeinschaft meines Freundes M. Lisboa in diesem Jahre selbst besuchen und werden im folgenden ausführlichere Berichte gegeben werden. Über das Vorkommen von Platin im Rio Abaete, Minas, das, wie erwähnt, schon J. V. Couto bekannt war, gibt v. Esch- wege folgende Nachrichten: Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 437 Von den vielen Bächen, die aus der Serra da Alatta da Cörda dem Rio Abaete (einem Zufluß des Rio San Francisco) zufließen, ist einer der beträchtlichsten der Ribeirao do Andrade, der vorzüglich wegen seines in den Geschieben und dem Sande enthaltenen Platins bemerkt zu werden verdient, welches man darin in abgerundeten Körnern, selbst von der Größe einer kleinen Bohne, findet, da es ge\vöhnlich in Brasilien nur als feiner Sand oder in Blättchen oder höchstens von der Größe eines Hirsekorns oder einer Linse (?) gefunden wird. Das spezifische Gewicht eines dieser größten Stückchen aus dem Ribeirao do Andrade fand ich bei Temperatur 15° R. 14-6. Wahrscheinlich kommt dieses Platin sowie die Diamanten aus den höheren Gebirgen der Itacolumitquarzbildung. Merkwürdig ist aber, daß alle diese Gewässer des öst- lichen Abhanges der Serra da Matta da Corda keine Spur von Gold zeigen. Ein eigenes Kapitel widmet v. Eschwege dem Platin in seinem »Pluto Brasiliensis«, das hier ausführlicher wieder- gegeben werden soll: Piatina. Dieses sonst so seltene Metall findet man in vielen Gegenden der Provinz Minas Geraes und obgleich das- selbe seit vielen Jahren schon in mehreren Goldlavras mit dem Golde, wovon man es seiner größeren spezifischen Schwere nicht trennen konnte, zusammenschmolz, so blieb doch seine Existenz lange Zeit unbekannt und man hielt es für schlechtes Gold, welches selbst, nachdem es gemünzt war, eine ins stahl- graue fallende Farbe behielt, die ihm an seinem wahren Werte im Handel schadete. Erst in den Jahren 1800 bis 1805, wo man die Diamanten- flüsse Indaia und Abaete durch eine eigens dazu ernannte Kommission untersuchte, deren Mitglied J. V. Couto war, der während seiner medizinischen Studien im Coimbra einige mineralogische Kenntnisse erworben hatte, wurde dieses Metall durch denselben e rkannt, welches hier auch nicht schwierig war, weil es ohne Gold und ungemengt mit anderen Metallen in den Geschieben des Rio Abaete in ziemlichen Quantitäten gefunden wurde. 438 E. Hussak, Nicht allein in den Nebenarmen, besonders in dem Ribeirao do Andrade, einem der beträchtlichsten Zuflüsse des Rio Abaete, sondern auch im Hauptstrome fand man das Platin. Ebenfalls fand man nachher vieles Platin in den Ribeirao das Lagens, nicht fern von dem Arrayal de Conceicao in Serro Frio, sowie selbst auf dem hohen Gebirge der Nachbarschaft dieses Ortes, ferners bei Villa Rica (Ouro preto) in einem kleinen Bache jenseit des hohen Itacolumy. Es kommt in diesen Bächen und Flüssen, die alle ihren Ursprung in der Itacolumitbildung nehmen, als feiner Sand und in abgerundeten meistens eckigen Körnern, selten (nur einmal von der Größe einer kleinen Bohne) vor. Lampadius erhielt 1833 von einem Schüler namens Brant aus Alinas Geraes gebürtig, eine Goldstufe aus der Umgebung von Sabara stammend, zum Geschenke, die, wie aus deren Beschreibung sicher hervorgeht, ein Stück gold- reicher Jacutinga aus dem Itabirit, wahrscheinlich von Itabira do Matto-Dentro oder Gongo Socco war. Lampadius und Plattner untersuchten selbe eingehend und gaben als Resultat folgende Zusammensetzung des aus dem Eisenglanzbrocken geschiedenen Goldes: Au 52 • 95% Pt 30-60 Ag 9-52 h- 1-42 94 -4970 Meines Erachtens handelt es sich hier um Palladium- gold, das auch etwas Platin enthielt, wie dies z. B. sicher für das PdAu von Gongo Soc.co nachgewiesen ist, und fand wohl eine Verwechslung der beiden Metalle Pt und Pd zum Teil statt, worauf auch einige Beobachtungen Plattners schon hinweisen. So schreibt dieser Forscher: »daß der durch Schmelzen mit schwarzem Fluß, Borax und Probierblei unter Kochsalzbedeckung erhaltene Regulus nach dem etwas schwierig erfolgten Abtreiben des Bleies nicht die Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 439 Farbe des Goldes oder des Silbergoldes hatte, sondern eine Farbe zwischen gelblichweiß und stahlgrau. Auch die Auflösung in Königswasser erfolgte sehr rasch und die Lösung hatte eine rötliche (PdAu) Farbe. Bei Fällung mit KCl entstand ein nicht unbedeutender gelber Niederschlag, der aber nicht die zitrongelbe Farbe des K2PtClg hatte, sondern sich ein wenig ins Rote neigte.« Letztere Reaktionen verweisen auf Palladium. Plattner kam zum Schluß, »daß das Platin in der Jacu- tinga nicht mit Gold legiert sein kann, sondern im gediegenen Zustand mechanisch verteilt in dem Eisenstein ist, ganz so, wie dies sicher auch in der Jacutinga von Gongo Socco und Itabira do Matto Dentro der Fall ist, wo das Platin neben viel Palladiumgold und reinem Gold nachgewiesen ist. Nicht ganz sichergestellt erscheint es, ob das von Svan- berg (einem Schüler von Berzelius, da dieser schon vor ihm über dies Platin Bericht erstattete), analysierte, durch einen aus- nahmsweise hohen Iridiumgehalt ausgezeichnete Platin tatsächlich aus Brasilien stammte, wie z. B. in Danas Syst. of Mineralogy, 1892, p. 27, und inHintzes Handbuch der Mineralogie, I. Bd., p. 138, angegeben ist. Berzelius schreibt hierüber: »Auch hat Svanberg ein für Osmiridium ausgegebenes Mineral aus Amerika analysiert, welches kleine, weiße runde Körner bildete, von denen einige dem Magnet folgten, die aus- gezogen wurden. Die übrigen hatten das spezifische Gewicht von 16 "94 und bestanden aus: Pt 55 • 447o Ir 27-79 Rh 6-86 Pd 0-49 Fe 4-14 Cu 3-30 Os Spur Verlust ■ . ■ 1-98 100- 00% 440 E. Hussak, Es ist jedoch möglich, daß Svanberg an anderem Orte, etwa in demvonHintze zitierten Neuen Jahrbuch für Mine- ralogie und Geologie, 1835, p. 185, Brasilien als Fundort dieses Iridiumplatins angibt. Auffallend ist das angegebene niedrige spezifische Gewicht. Der chronologischen Übersicht halber sei hier auch das zuerst von C. Leonhard (1843) in seiner Mineraltopographie und später von Domeyko in seiner Mineralogie Chiles ange- gebene Vorkommen des Platins in diamantführenden Fluß- sanden des brasilianischen Staates (Matto-Grosso) erwähnt. Neuesten Nachrichten englischer Bergingenieure zufolge wurde tatsächlich in den diamantführenden Sauden des genannten Staates (in der Umgebung von Diamantina) Platin in geringer Menge neben Waschgold gefunden und stimmt auch die geologische Beschaffenheit dieses wenig bekannten Diamantbezirkes sehr mit der des Munizips von Serro in Minas Geraes überein. Über ein anderes gleichfalls nicht sichergestelltes Platin- vorkommen in Minas Geraes, hei Camargos, nahe Ouro preto, berichtet der sonst als durchaus zuverlässiger und gewissenhafter Beobachter und Geolog bekannte Bergingenieur V. V. Helm reichen in seinem 1846 an Direktor v. Haidinger in Wien gerichteten Reisebriefe: Am Morro da Fraga ward ich aufmerksam gemacht, daß auf der »Facenda da Cruz das Almas« ein Metall gefunden worden ist, das für Platin gehalten wird. Ich kreuzte den Rio Gualaxo bei Bento Rodriguez und erreichte nach einer Stunde am- Corrego do Descoberto die Stelle, wo das fragliche Metall in einem grobkörnigen Quarz- felsen vorkommt, welcher, so wie dessen nächste Umgebung, den Grenzgebilden der Granit - Gneisformation an ihrem Abschnitt an die Itacolumitformation angehört. Dieser Quarz- fels, obwohl an und für sich fest, bricht doch leicht mit einer Brechstange in polygone Stücke infolge der vorhandenen Ablösungen, die man öfters mit einer gelblichen lehmigen Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 441 Masse bedeckt findet. In dieser Nähe kommt das fragliche -Metall höchstwahrscheinlich vor, zeigt sich aber erst durch das Waschen am Boden des Sichertroges (Batea),\vo man es nicht selten in Gesellschaft von Titaneisen findet, welches mitunter auch fest in dem Quarz eingewachsen vorkommt. Keines der herausgewaschenen Metallblättchen \\-ar rostig, manche kamen mir aber vor, als wären sie stahlartig angelaufen. Alle wirkten auf die Magnetnadel entschieden und reines Platin kann daher dieses Metall wohl nicht sein, doch ist es aber möglich, daß es in Verbindung mit Eisen oder daß es reines metallisches Eisen wäre. Neuerliche Nachforschungen an dieser Stelle von Seite meines Freundes Dr. J. C. Sena, Direktor der Esc. d. Minas in Ouro preto, den ich hierauf aufmerksam machte, führten bisher zu keinem entscheidenden Erfolge, da nur Waschproben aus dem Corrego do Descoberto gewonnen wurden. Anderseits ist es sehr leicht möglich, daß frische Bruch- stückchen der \-er\\'andten eisernen Brechstangen beim Ver- waschen mit der Batea zum Vorschein kamen und irrtümlicher- weise von V. Helm reichen für Eisenplatin gehalten wurden. Im folgenden \\-ird eine eingehendere Beschreibung dieser Fundstelle »Camargos« gegeben werden, wie auch der interes- santen goldführenden Sande des Corrego do Descoberto. Die von Sr. Di-. J. C. Sena gesammelten Proben von Camargos bestanden nur aus V^^aschrückständen der Bach- sande des Corrego do Descoberto. Diese bestand fast ausschließlich aus Bruchstücken und Mineralien der Itabirite, welches Gestein auch bei Camargos in großer Mächtigkeit entwickelt ist. Demzufolge fand sich auch in den Sauden ziemlich reichlich Gold, hochkarätiges und hell- rötliches Palladiumgold, Platin konnte aber nicht entdeckt werden. Es fanden sich jedoch in den konzentrierten Sauden neben Gold zwei silberweiße, kleine, metallische, unmagnetische Körner, die eine ganz an das Platin von Tijucal erinnernde mammelare Form besaßen und von welchen eines zur chemischen Prüfung geopfert wurde. 442 E. Hussak, Dies Körnchen war mit einer Hülle von erdigem Limonit überzogen und konnte mit dem Hammer plattgedrückt werden, wonach es eine hellere silberähnliche Farbe erhielt. Von Salpeter- säure ward es merklich angegriffen, jedoch nicht gelöst, erst schwaches Königswasser löste es vollständig. Nach Abdampfen der Lösung, Aufnahme mii HCl und Zugabe einer Spur KCl bildeten sich die für Palladium charakteristischen Kristalle von Kaliumpalladiumchlorid. Ebenso fand sich nur Pd-Reaktion in einer zweiten Probe mit Chlorammon. Das Filtrat gab eine starke Eisenreaktion. Bemerkenswert ist der Reichtum dieser Sande an großen prismatischen Xenotimkristallen (Dattastypus) und Monazit und Zirkon, Mineralien, die für granitische Gänge bezeich- nend sind. Alle diese Mineralien fanden sich in vvohlerhaltenen Kristallen. V. v. Helmreichen fand aber das an gediegen Eisen erinnernde stark magnetische Platin in einem Quarzgange am Ursprung des Corrego do Descoberto. Daß ihm eine Verwechslung mit Eisenstückchen, wohl von den Brechstangen bei Förderung des Gangquarzes abgefallen, passierte, darauf verweist auch eine Untersuchung und Mitteilung des Direktors do Museu Nacional de Rio de Janeiro im Jahre 1845. (Publiziert in Revista do Archivo Publico Mineiro A. 3. fasc. 3 bis 4, 1898, p. 758.) Direktor Fr. Custod. Alves Serrao berichtet nach einer offiziellen Aufforderung des Staates, daß die ihm zur Unter- suchung gesandten angeblich platinführenden Proben neben viel Eisenoxyd nur einige Stückchen gediegen Eisen ent- hielten. Die Dichte dieser Eisenstückchen fand er zu 7 - 4 bis 7 • 6%. Er ist der Ansicht, daß dies natürliches gediegen Eisen, aus den Itabiriten stammend, ist, worauf auch v. Eschwege seiner- zeit hinwies. Burtons Angaben über das brasilianische Platin in der Serra de Ouro branco und den Lavras des Barao de Itabira bei Marianna sind so kurz gehalten, daß kein Wiederauffinden des- selben hiernach möglich erscheint. Bemerkenswert ist, daß schon V. Eschwege auch die Serra de Ouro branco als Fund- ort des Platins angibt. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 443 Unwahrscheinlich erscheint jedoch die Angabe Burtons über das Vorkommen von Platin auf der Serra deUrubu am Rio San Francisco, da ersieh hierbei nur auf die Aussagen der Land- bewohner (»rounded steely grains, which in the cupel proved refractory») bezieht. Zuverlässig ist jedoch die Angabe über das Vorkommen des Platins im Staate Parnahyba do Norte, das zuerst Williamson in einem ausführlichen Berichte 1. c. beschreibt, welcher von Hartt fast vollinhaltlich in seiner »Geol. of Brazil« wieder- gegeben ist (jedoch ohne Profil, das anbei folgt.) Section along the Valley of the river Bruscus, showing the goldlodes about 6 miles length. (After Mr. Williamson.) 1. Syenitic Gneis. 2. Contorted Gneis, graduating into micaschists. 3. Crystalline Limestone. 4. Plumbaginous Schist. Williamson beschreibt eine Reihe von goldführenden Gängen, die am besten längs des Flusses Bruscus, auf eine Länge von über 6 engl. Meilen hin, in kristallinischen Gesteinen cambrischen Alters aufgeschlossen sind. Gebänderte syenitische Gneisgesteine wechsellagern mit gleichem Streichen, mit Glimmerschiefern und kristallinischen Kalksteinen, wie auch hauptsächhch mit blaugrauen kristal- linischen Schiefern, in welchen sich auch in einem Falle ein graphitischer Schiefer eingelagert fand. hl dieser Schieferserie treten die goldführenden Quarz- gänge auf, mit gleichem Streichen denselben eingelagert, zum Teile in linsenförmigen Massen, selten quer auf die Schieferung derselben verlaufend. Eine Reihe von solchen Gängen wurde gefunden, die, als von Süd nach Nord gehend, mit »Caxoeira Lima, Descobridora, Boa Esperanca etc.« bezeichnet wurden. In letzterem Gange, einem Quarzgang mit wenig Kiesen, als: Pyrit, Arsenopyrit, Kalkopyrit, Galenit und Blende, deren Zersetzungsprodukte als: Zinkkarbonat, Bleikarbonat und -chlorophosphat, Kupferphosphate, -arseniate und -karbonate, Antimonoxyd, natürlicher Schwefel, Kupfersulfat, Bleisulfat- Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIH- Bd., Abt. I. 30 444 E. Hussak, ►p- OJ to ►- 3 o o CA) c R o 3 a- S- o p «-*- €"*■ o D 3 rt) a- o o C r O 3 3 o o' 13 Ol o er 3 CO Ui Oq » in o 3 P CL C £. 3' 5' o o r> 3* 5' cn O 3 oq r«- cr « o i-tj n < ■-! w •-t c cn o C tfl w S" o NM* s oq rt- sr O o fr • f o fl) cn CK! cn OJ (6 CO ,to \ 3 .; Waterfall 350 feet Minas das Caxoeira Azogue Lode Lima Lode Descobrldora Lode Boa Esparanza Lode. »native Piatina«. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 445 und -Chromat selten zu nennen sind. Spärlich findet sich auch Freigold eingewachsen und Körnchen von Platin. Im Jahre 1865 hat sich eine englische Minenkompagnie unter dem Namen >^The Tasso Brazilian Gold Mining Cie. Ltd.« gebildet, um daselbst die Arbeiten zu beginnen, doch verlautete bisher nichts über Erfolg oder Inangriffnahme der Arbeiten in genannter Mine. Diese Angaben Mr. William sons erweisen, wie mir aus allen mir zur Verfügung stehenden, das Platinvorkommen betreffenden Arbeiten hervorzugehen scheint, zum ersten Male erwähnt, aufs entschiedenste das gleichzeitige Vor- kommen des Platins mit Gold in Quarzgängen der kristallinischen (cambrischen) Schieferformation. Wie später gezeigt werden wird, weisen auch andere von uns in Minas Geraes studierte Platinvorkommen auf einen ähnlichen Ursprung hin. Auch Henwood erwähnt a. a. O. wiederholt, daß die aus der Jacutinga gewaschenen Goldsande stets (in Gongo Socco) nach dem Schmelzen beim »Assay« einen geringen Platingehalt neben relativ großem Palladiumgehalt zeigten; das Gold enthielt 0-04 bis 0- 127^ Platin. Es erscheint daher sehr wahrscheinlich, daß auch in der Jacutinga gediegen Platin spärlich neben dem Palladiumgold vorkommt und gelang es mir tatsächlich, silberweiße, eckige Körner, die nach Lösen in Königswasser, Abdampfen und Auf- nehmen mit HCl unter Beifügen einer Spur KCl nur die Platinreaktion gaben, aus dem palladreichen Golde von Itabira do Matto Dentro auszulesen, obwohl selbes auch hier sehr spärlich zu sein scheint. Seit 1870 verlauten keine Nachrichten mehr über ein Platinvorkommen in Brasilien und die allbekannte (seit 1812) Fundstelle von Ribeirao das Lagens war ganz vergessen, bis 1902 mein alter Freund Dir. J. C. Sena, aus Conceicao selbst gebürtig, neuerdings Nachforschungen im selben Bache aus- führte und so glücklich war, nach den Angaben v. Esch- 30* 446 E. Hussak, vvege s das Platin wieder, wenn auch in spärlicher Menge, auf- zufinden. Von Dir. Sena erhielt ich schon 1902 die ersten Platinproben von Corrego das Lagens zur Untersuchung und 1903 hatte ich Gelegenheit, im Verein mit meinem Freunde Bergingenieur M. Lisboa auf eigene Kosten eine Explorationsreise in diese Gegend ausführen zu können. Diese Reise ging von Sahara aus über Caethe, immer längs dem östlichen Abfall der Serra do Espinhaco nordwärts, nach Conceicao und bis Serro. Während ich die alte Fundstelle am Corrego das Lagens (Tijucal und Corrego das Ouro branco) untersuchte, ging mein Kollege Lisboa nach Norden, um eine gleichfalls schon längere Zeit bekannte Pt-Fundstelle, deren Kenntnis wir Herrn Dr. Sabino Barroso verdanken, zu studieren. Selbe liegt am Fuße der Serra do Itambe, bei Serro, nahe einer alten Fazenda »Condado« am Corrego do Bom Successo. Von dieser Fundstelle befanden sich schon 1889 auf der Pariser Weltausstellung Stückchen bis zu Bohnengröße, durch den damaligen Direktor der Escola de Minas, Professor H. Gorceix, hingesandt. Wie wir erfuhren, verdankte dieser die Proben dem Dr. Sabino Barroso, und von demselben Herrn erfuhren wir auch den genaueren Fundort, was wir hiemit bestens dankend bestätigen. hl den folgenden Zeilen sollen nun die einzelnen Platin- vorkommen Brasiliens eingehender beschrieben werden und mit der am ältestbekannten, der vom Corrego das Lagens, be- gonnen werden. ö Platin vom Corrego das Lagens und Umgebung. Wie schon v. Esch wege in seiner Gebirgskunde Brasiliens im allgemeinen die orohydrographischen und geologischen Grundzüge der goldreichen und diamantführenden Gebirgs- ketten richtig gibt, bildet nach dem Verlassen der Wasser- scheide zwischen dem Rio Doce und Rio Sta. Barbara nahe Caethe die Serra do Espinhaco, auch Serra dos Vertentes genannt, deren südlicher Teil Serra da Lapa und deren nördliche Fortsetzung als Serra de Sto. Antonio bezeichnet wird, in einem von Süd nach Nord verlaufenden Streichen die Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 44 r Fortsetzung der Serra da Caraca und da Piedade, über Diamantina gehend und als Serra deGrao Mogor sich bis Bahia hin erstreckend. Der Abfall dieses enormen Kettengebirges nach Westen hin, gegen das Tal des Rio San Francisco, dessen Talgebiet und Vorberge aus paläozoischen (devonischen?) Schiefern, Kalksteinen und Sandsteinen besteht, ist ein sehr steiler, wie in einem Abbruchtal, längs einer enormen Verwerfung. Gegen Osten hin, den Zuflüssen des Rio Doce, ist der Abfall ein sehr allmählicher und eine Reihe von Gebirgsaus- läufern zeigt sich hier, die im geologischen Aufbau genau mit den »halbkristallinischen« Schiefergesteinen der Phyllit-, Ita- columit-, Itabiritformation der Hauptserra do Espinhaco über- einstimmen. Ich gebrauche hier deshalb den wenig logischen Ausdruck »halbkristallinische« Schiefergesteine, da diese ganze Schiefer- serie genau so schon im goldreichen Revier von Ouropreto auftritt und ganz und gar nicht den Charakter typischer kristallinischer Schiefer aufweist, sondern eher als umge- wandelte, metamorphosierte Sendimente, sei es cambrischen oder silurischen Alters, zu betrachten sind. Als Basis dieser Schieferserie treten in den tiefen Tälern des Rio das Velhas im Westen und des Rio do Peixe und anderer im Osten granitische Gesteine und Granitgneise auf, von denen in manchen Fällen nachgewiesen werden konnte daß sie jünger als die Itacolumite und Itabirite sind. Über diesen lagern die meist hochgradig zersetzten, durch Granat-, Staurolith- und Turmalingehalt ausgezeichneten Glimmerschiefer, aufweichen die oben erwähnte Itacolumit- Itabirit - Schieferformation ruht, in welcher sich nicht selten Kalksteine und glimmerreiche Quarzite konkordant eingelagert finden. Die Kalksteine führen an mehreren Orten reichlich Kalkmagnesiasilikate. Diese Schichtenserie des Itacolumit-Itabirit ist in der Serra do Espinhaco und deren Fortsetzung, der Serra do Grao Mogor, sehr steil aufgerichtet, so daß die durch Erosion (Abrasion) als Tafelland im allgemeinen erscheinenden höchsten Erhebungen genannter Serra fast nur aus den glimmerigen 448 E. Hussak, Quarziten, den Itacolumiten, bestehen, während erst gegen Osten hin unter denselben, in tieferem Niveau, die Itabirite und Phyllite erscheinen. In diesen glimmerigen Quarziten finden sich häufig kon- kordant graue und grüne dünnschiefrige Phyllite eingelagert, die sich durch eine auffallende Armut an Ouarz auszeichnen. Öfters sind solche reich an Chlorit oder Aktinolith, manchmal reich an weißem, talkähnlichem Muscovit, immer sehr dünn- schiefrigund nicht selten von Quarzlinsen durchzogen, während der Schiefer selbst als sehr quarzarm sich zeigt. Die an Quarz- linsen reichen Phyllite sind auch häufig goldführend, wie bei Diamantina. Auf diesen schiefrigen glimmereichen Quarziten und quarzarmen Phylliten liegen oft scheinbar deutlich diskordant konglomeratische Quarzite, worauf schon v. Helmreichen in seinen Studien über die diamantführende Itacolumitformation der Serra do Grao Mogor aufmerksam machte. Während in den seiner Arbeit beigefügten Bildern und Profilen oft diese Diskordanz deutlich ausgeprägt erscheint, erwähnt er doch schon, daß diese konglomeratischen Quarzite, deren deutlich klastische Struktur erst durch Verwitterung deutlich hervortritt, öfters den glimmerigen Quarziten und Philliten konkordant eingelagert zu sein scheinen. Auch ich konnte bei einem längeren Besuche der Diamant- region von Diamantina kein klares Bild von der Lagerungs- weise dieser konglomeratischen Quarzite bilden, da selbe, auf größere Distanzen gesehen, deutlich diskordant auf der Ita- columit-, Quarzit- und Phyllitserie gelagert erschienen, während anderseits sie sich auch öfters denselben scheinbar konkordant eingelagert zeigten. Diese konglomeratischen Quarzite wurden nun zuerst von V, Helmreichen von der Serra do Grao-Mogor als diamant führendes Gestein nachgewiesen und dessen Beobachtungen seither in vollstem Maße bestätigt. Ohne Zweifel hat gerade dieser konglomeratische Quarzit und dessen begleitende Gesteinsarten das Material für die diamantführenden Seifen (Cascalho) lager der Zone Diamantina- Gran Mogor bis gegen Bahia hin geliefert. Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 449 Die Itacolumit-Itabiritserie wird zum Teile von granitischen Gesteinen, zum Teile von basischen Eruptivgesteinen, aber nur in schmäleren Gängen und Massen, besonders körnigen Diabasen und uralitisierten Gabbros durchbrochen. Außer diesen erscheinen besonders auf dem östlichen Abhänge der Serra do Espinhaco gegen Conceicao und Serro hin und selbst in Diamantina zu Seifen- und Topfstein umge- wandelte körnige Pyroxen- und Amphibolgesteine, selten echte Serpentine, Dies sind im wesentlichen die Gesteinsarten, die am geo- logischen Aufbaue der ganzen Serra do Espinhaco teilnehmen, nur daß natürUch je nach der Wirksamkeit der Erosion in den tiefen Flußtälern der Granit zum Vorschein kommt und der widerstandsfähigere harte konglomeratische Quarzit auf der Höhe der Serra in auffallenderen Formen erscheint. Das Vorkommen des Platins ist vorderhand auch nur in Flußsanden (Cascalho) derjenigen Flüsse bekannt, die ihren Ursprung vom östlichen Abhänge der Serra do Espinhaco haben, den Zuflüssen des Rio Sto. Antonio, im Rio do Peixe und von den Ausläufern der Serra bei Diamantina gegen Osten hin, aus den Quellflüssen des Rio Guanhaes. Den südlichst gelegenen Fundort von Platin gibt zuerst V. Spix und v. Martius an in einem kleinen Bache südlich von Itambe do Matto, der seinen Lauf im Itabirit hat und nörd- lich von dem Corrego de »Duas pontes« gelegen ist. Es dürften dies die Quellen des heutigen Rio Tanque sein. Den Ort Itambe passierend, erreicht man gegen Norden reisend, den durch seine alten Eisenwerke berühmten Ort »Morro do Pilar« und eine Reihe kleiner Zuflüsse des Rio do Peixe, der sich in den Rio Sto. Antonio ergießt. Waschgoldproben, aus dem mächtige Itabiritberge durchströmenden, kleinen Flüßchen »Picao«, unmittelbar bei genanntem Orte Morro do Pilar stammend, zeigten neben zum Teile hochkarätigem Golde viel Palladiumgold und auch einige kleine, ganz undgarnicht gerollte Körnchen und Blättchen von Platin, die vollkommen mit dem vom Corrego das Lagens über- einstimmen. 450 E. Hussak, Der Rio Picao hat nicht etwa im Itabirit selbst, aus dem wohl höchstwahrscheinlich das Pd Au stammt, seinen Ursprung, sondern auf dem Serra da Lapa genannten Teile der Serra do Espinhaco, in den dem Itabirit auflagernden schiefrigen Quarziten, den sogenannten Itacolumiten, ebenso wie die übrigen Zuflüsse des Corrego das Lagens. Von Morro do Pilar nordwärts nach Conceicao gehend, überschreitet man den Ribeirao do Matta Cavallos und dessen Zufluß, den Corrego das Lagens, die sich beide in den Rio Sto. Antonio ergießen. Der lange, als platinführend erkannte Corrego das Lagens hat in seinem oberen Laufe den Zufluß des Corrego do Ouro branco auf der einen Seite eines vorgeschobenen Hügels von der Hauptserra aus, während auf der anderen Seite desselben der Corrego die Tijucal und der Corrego dos atoleiros entspringen und sich in den Ribeiro do Matto Cavallos ergießen. Alle diese Zuflüsse enthalten, wenn auch sehr spärlich, in den Sauden neben Gold auch Platin und da wir in den Cascalho- lagern des Corrego do Ouro branco mehrere Tage Arbeiten daraufhin anstellten, so soll hier eingehender auf dies Vor- kommen eingegangen werden. Der Corrego das Lagens selbst enthält auch in seinem unteren Laufe, nahe der alten Eisenhütte und Fazenda, etwas Platin, wie schon v. Eschwege und v. Spix und v. Marti us angeben. In diesem Teile hat er aber sein Bett in Itabirit- schichten und wird daselbst bis heute noch dies Gestein zur Eisenfabrikation (Fabrikation von Hufeisen für Maultiere) ver- wendet. Der Corrego do Ouro branco hat sein ganzes Bett nur in den schiefrigen Quarziten der Itacolumitserie, die aber auch hier stellenweise einen deutlichen konglomeratischen Charakter aufweisen. Auf der Höhe des Hügels ist ein Diabasgang anstehend, und finden sich GeröUe desselben auch in dem platinführenden Cascalho des Corrego do Ouro branco. Das breite Tal des Corrego das Lagens und Zuflusses wird von einem allerdings nur zirka 1 bis 2 in mächtigen Cascalho bedeckt, der beim Abräumen des obenliegenden groben Gerölls und der leichten Quarzsande am Quarzitboden (pissara), meist Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 451 mit wenig weißem Ton vermengt, die schweren Mineralien mit Gold und Platin enthält, die schließUch mit der Batea kon- zentriert wurden. Von den Edelmetallen ist das Gold das häufigere, ja, im Corrego do Tijucal ist es reichlicher wie das Plaiin zu finden, während im Corrego de Ouro branco letzteres vorherrscht. Als Begleitmineralien beider Metalle finden sich fast alle die Mineralien hier wieder, die so charakteristisch für das Vor- kommen des Diamanten in dem nahen Diamantinabezirk zu sein scheinen (sogenannte »Formacao«), in der Tat es aber nicht sind, da auch ohne jedwede Begleitung dieser Mineralien an verschiedenen Orten sich Diamanten finden. Die Mineralien, die hier das Platin begleiten, sind: 1. Vorherrschend Geschiebe eines schwarzen, dichten, oft faserigen Turmalinquarzgesteins, wie solche aus Quarz- gängen und -schnüren, die den Quarzit durchziehen, bekannt sind. 2. Viel Magnetit. 3. Ziemlich reichlich Eisenglanz. 4. Rutil, in prismatischen Kristallbruchstücken. 5. Anatas, in gelben oktaedrischen Kriställchen. 6. Ziemlich häufig langprismatischer Xenotim, gelb durch- sichtig, der vor kurzem wohl mit Unrecht als »Hussakit« um- getauft wurde. 7. Monazit, in fast ganz ungerollten Kristallen. 8. Senait, in schwarzen tafeligen, porösen Kristallfrag- menten. 9. Die unter dem Namen »Kaptivos« bekannten Paramor- phosen von Rutil nach Anatas. 10. Viele winzige, prismatische, oft rosenrote Zirkon- kriställchen. Konzentriert man die Sande mit der Batea, um die Edelmetalle zu gewinnen, so verbleiben mit diesen nur noch Eisenerze, Zirkon-, Monazit- und winzige oktaedrischeXenotim- kriställchen zurück. Genau dieselben Mineralien finden sich auch in den Waschrückständen des Corrego das Lagens und deren anderen Zuflüssen. Im Corrego do Tijucal, der wie der Corrego das Lagens im unteren Laufe sein Bett in- Itabiriten 452 E. Hussak, hat, ist der Cascalho sehr reich an Bruchstücken von Itabirit an Eisenglanz und Martitkristallen, so daß ich anfänghch des- halb der Ansicht war, daß das gediegen Platin aus dem Itabirite stamme, aus welchem es ja (wie von Gongo Socco und Itabira do Matto Dentro) bekannt ist. 11. Das Gold zeigt sich in allen VVaschresiduen als sehr stark gerollt in Form dünner, flacher, linsenförmiger Blättchen, nie in Kristallen und von zweierlei Farbe; einesteils ein sehr hoch- karatiges dunkelgoldgelbes Au, frei von Palladium und sehr arm an Silber, andernteils ein kupferrötliches helles Gold, das sich als stark palladiumhältig erwies. Stets kommen beide zu- sammen vor, letzteres (PdAu) seltener. 12. Das gediegen Platin ist im Gegensatze zum Golde niemals gerollt und von so eigentümlicher Form, CL h daß es von vornherein als sehr zweifelhaft erscheint, dieses als einen isolierten Gemengteil eines Gesteins zu betrachten, sondern sogleich an eine sekundäre Bil- dung des Platins, aus Lösungen abgesetzt, denken muß. Die merkwürdige Gestaltung dieses Platins fiel schon Wol- last on auf und gab er eine ganz richtige Beschreibung hievon. In beifolgender Figur 2, Tafel II, sind einige der häufigsten Formen wiedergegeben. Es sind bald mammilare traubige Gebilde, bald farnkraut- ähnliche, deren Enden aber niemals Kristallflächen zeigen, bald kugelige Formen und am häufigsten dünne, blättrige Krusten mit Glaskopfstruktur. Alle diese Formen sind innen hohl und dünnwandig, die Wand unter dem Mikroskop deutlich faserig ausgebildet, wozu bei dickeren Blättchen noch ein konzentrisch- schaliger Bau zu beobachten ist. Im Querbruche sehen solche zerbrochene Kügelchen und krustenförmige Blättchen, wie in folgenden Figuren es wieder- gegeben ist, aus. Auch die Oberfläche aller dieser Platingebilde zeigt nie etwa Kristallendigungen und häufig sind auf der hohlen Unter- Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 453 Seite, besonders der kugel- und krustenförmigen Gebilde, Ab- drücke von Kristallen zu beobachten, als ob sich das Platin auf scheinbar oktaedrischen Kriställchen abgesetzt hätte. Selten wurden einige kleine Platinkrusten gefunden, die auf ihrer hohlen Unterseite noch Reste eines total zersetzten weißen Silikates (?) anhaftend zeigten. Auch eine Verwachsung von kleinen, rundlichen Gold- kriställchen mit dem Platin wurde einige Male beobachtet. Selten finden sich in den Sanden noch dunkler gefärbte, bleigraue, eckige Körner von Platin, die keinerlei radialfaserige Struktur besitzen und vielleicht anderer chemischer Zusammen- setzung sind. Endlich ist noch hervorzuheben, daß in den feinsten Sanden auch nicht selten winzige, aber scharf ausgebildete Kristalle, Würfel, selten in Kombination mit dem Dodekaeder, von 0*2 bis 0-5 mm Größe und einmal auch ein Oktaeder von Platin gefunden wurden. Unter den aus den feinsten Platinsanden ausgelesenen winzigen Kriställchen fanden sich auch einige mit sehr glänzenden Flächen ausgestattete silberweiße Kriställchen, die sehr scharf die Form einer trigonalen PjTamide, das ist der trigonalen Bipyramide zweiter Art nach Groth zeigen und dem- nach wohl nicht als Platinkristalle zu deuten sind und wahr- scheinlich wie die dünnen sechsseitigen Täfelchen dem Osmiridium angehören. Auch von diesen besitze ich vorderhand zuwenig, um mit Erfolg entscheidende chemische Bestimmungen ausführen zu können. Es ist jedoch leicht möglich, daß in diesen scheinbar tri- gonalen Kriställchen nur verzerrte reguläre Kristalle, der Kom- bination: 001 . 1 1 1 vorliegen, indem beim Wachstum derselben nur die Flächen: 001 . 100.010 des Würfels und: llT-.Tll.TIT des Oktaeders vorwaltend ausgebildet sind, oder Zwillinge zweier Würfel nach dem Spinellgesetze verwachsen (111). Auffallenderweise zeigen auch die zahlreichen mit dem Platin in den Sanden des Rio Abaete vorkommenden ebenso winzigen Perowskitkriställchen dieselben verzerrten Formen der Kombination des vorherrschenden Würfels mit dem Oktaeder. 454 E. Hussak, Ob die scharf sechsseitigen Täfelchen auch nur verdrückte Oktaeder von Platin sind oder Osmiridium, ist erst durch scharfe mikrochemische Reaktionen zu entscheiden, die auszuführen mir hier an dem so spärlichen und winzigen Kriställchen nicht möglich ist. Das spezifische Gewicht dieses ersichtlich sekundär ge- bildeten, glaskopfähnlich struierten, faserige Überzüge bildenden Platins wurde an ausgesuchten größeren Stücken von 0*8094 g Substanz zu 20-20 und 20 "48 bestimmt, demnach also ein sehr reines Platin zu sein scheint. Das spezifische Gewicht ist auffallend hoch, da selbes für uralisches Pt von 14 bis 19 schwankt, aber häufig eisen- reich ist, was an dem brasilianischen Pt nicht nachgewiesen werden konnte. Auch für geschmolzenes Platin wird (nach Kemp 1. c.) nur 19 '7 angegeben, während es für gehämmertes Pt erst 21-23 beträgt. Anderseits könnte man der Meinung sein, daß dies brasilianische Platin reich an Iridium wäre, da es tatsächlich sehr schwer von Königswasser gelöst wird und auch schon von Svanberg 1. c. ein Platin, angeblich aus Brasilien, als sehr iridiumreich erkannt wurde, welches aber ein sehr niedriges spezifisches Gewicht besaß, während Dana in seinem Syst. of Mineralogy, p. 27, für uralisches Iridium- platin ein spezifisches Gewicht von 22* 65 bis 22 '84 angibt und auch tatsächlich ein Platin mit zunehmendem Iridiumgehalt auch ein höheres spezifisches Gewicht erlangen muß. Nach dem Lösen des Platins vom Corrego das Lagens in starkem Königswasser verblieben häufig wenige und sehr winzige schwarze Körnchen, die auch nach wiederholter Behandlung mit starker Säure nicht angegriffen wurden. Endlich ist noch zu bemerken, daß unter den aus den feinsten Sanden ausgelesenen würfeligen Kriställchen auch einige solcher sich fanden, die sich von den silberglänzenden Platinwürfelchen durch einen merkwürdigen speisgelben Met all glänz, der an Pyrit erinnert, auszeichnen. Leider ist es mir vorderhand noch nicht möglich, infolge des überaus kärglichen Materials zu entscheiden, ob dies Mineral auch Platin oder eine Platinverbindung, vielleicht Vorkommen von Paliadium und Platin in Brasilien. 45o Sperrylith(?) ist. In einer Probe fand ich, daß dasselbe von konzentrierter Salpetersäure schwer, aber vollständig und ohne Abscheidung von Schwefel gelöst wird nach Eindampfen der Lösung, Aufnahme mit HCl und nach Zufügung eines Tropfens KCl zu selber und nachfolgendem Abdampfen eine starke KPtCl-Reaktion gab und nach Zufügen von Amnion auch einen starken Eisenniederschlag ergab. Es ist demnach wohl ausgeschlossen, daß dies auch in würfeligen Kriställchen, wie das Platin, vorkommende speis- gelbe, an Pyrit erinnernde Mineral tatsächlich eine Pyrit- ader wäre, da es überdies in den Kristallen keinerlei Streifung auf den Würfelflächen, wie der Pyrit etwa, zeigt. Auch Sperrylith ist ausgeschlossen, da an einer neuen zweiten Probe, Glühen von 3 Kriställchen im offenen Glasrohr, keine Arsentrioxydbildung stattfand und sich die speisgelben Würfelchen auch nach dem Glühen vor dem Gebläse ganz und gar nicht veränderten. Ähnliche würfelige Kriställchen erwiesen sich auch als unlöslich in Salpetersäure, verloren auch bald beim Lösen in Königswasser die speisgelbe Farbe und wurden silberweiß wie das Platin. Diese Würfelchen scheinen demnach nur Platin mit einer speisgelben Anlauffarbe zu sein. Erst spätere, an reichlicherem Material mögliche chemische Untersuchungen werden hierüber sichere Aufklärung geben. Von Conceicao nordwärts gegen Serro reisend, hatten wir dank der freundlichen Aufnahme seitens des angesehenen Fazendeiros Corl. Pimenta Gelegenheit, innerhalb einer W'oche die Umgebung von Campinas und Tapanhoacanga zu studieren, und eine Reihe kleinerer Exkursionen in der durch das häufige V'orkommen von zu Seifen- und Topfsteinen zer- setzten, manchmal goldführenden Pyroxen- und Amphibol- gesteinen und alten Minen interessanten Gegend unternehmen zu können. An der Brücke, welche über den Ribeirao das Pedras, einem Zuflüsse des Rio do Peixe, geht, unternahmen wir Wasch- proben, da dieser Platz ersichtlich in früheren Jahrzehnten von 456 E. Hussak, alten »Mineiros« auf Gold und Diamanten ziemlich ausgebeutet wurde. Proben aus den Flußsanden dieses schon ziemlich starken Flusses ergaben neben ziemlich reichlichem, stark gerollten, hochkarätigen Golde auch einige wenige stark gerollte, zirka 1 mm große Platinkörnchen. Die Begleitminerialien sind hier genau dieselben wie in der Umgebung von Diamantina die der Diamanten, also vor- herrschend gerollte schwarze Turmaline, Rutil;, Disthen u. a., hier auffallend viel Epidot, wohl als ein Zersetzungsprodukt von Amphibol oder Pyroxenen deutbar, einem Gemengteil der in der Umgebung häufig auftretenden basischen Eruptiv- gesteine. Neben dem vorwaltend hochkarätigen Golde findet sich auch hier wie an den anderen oben angegebenen Platinfund- stellen wieder ein hellkupferrötliches Palladiumgold. Auch in verschiedenen käuflich erworbenen Waschgold- proben, aus der Umgebung von Serro stammend, konnten mehrmals Platinkörner in denselben nachgewiesen werden. Hervorhebenswert ist, daß das Platin nur auf dem östlichen Abhänge der nach Diamantina sich hinziehenden Serra do Espinhaco und hauptsächlich in den Quellflüssen der Zuflüsse des Rio Tanque, Rio Itambe, Rio Peixe, Rio Sto. Antonio und weiter gegen Osten hin auch des Rio Guanhaes bisher nachgewiesen wurde. Die meisten dieser kleinen Bäche und Flüsse haben ihren Ursprung in den schiefrigen Quarziten (Itacolumiten) der Höhe der Serra, die nur von konkordant denselben eingelagerten quarzarmen Phylliten begleitet sind und von wenig mächtigen basischen Eruptivgängen durchbrochen werden. Bisher ist das Vorkommen von Platin in den diamant- führenden Flüssen der Umgegend von Diamantina, die fast alle Tributäre des Rio San Francisco und des Rio Jequetin- honha sind, noch nicht bekannt geworden und hatte ich selbst Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 45/ Gelegenheit, eine größere Menge des aus dem Rio Pinheiros, einem Zuflüsse des Rio Jequetinhonha, ausgewaschenen Goldes zu untersuchen, ohne auch nur eine Spur von Platin darin zu finden. Auch in den vielen Hunderten von diamantführenden Sandproben, die ich seit 15 Jahren zu untersuchen die Gelegen- heit hatte, fand sich kein Platin, auch kein Palladiumgold, sondern nur stark gerolltes hochkarätiges Gold. Platin von Condado, Serro. Als der nördlichst gelegene und bekannte Fundort des Platins auf dem Ostabhange der Serra do Espinhaco ist die alte Fazenda Condado, am Fuße des Itambe do Serro gelegen, respektive der diese durchfließende Corrego do Bom-Successo zu nennen, welchen Fundort auch Freund M. Lisboa besuchte und Platinproben mitbrachte. Ein wallnußgroßes Stück Platin von dieser Lokalität war schon 1887 auf der Weltausstellung in Paris und befindet sich heute im Museum der Escola de Minas in Ouro-preto. Der kleine Bach (Corrego Bom-Successc) hat sein Bett hier nur in den steil aufgerichteten schiefrigen Quarziten, die an einigen Stellen von schmalen Gängen amphibolitisierter Diabase durchsetzt werden, ganz so wie in der Umgegend von Diamantina. Auch die mineralischen Begleiter des Platins sind hier genau dieselben wie in den diamantführenden Sauden (cas- calhos) genannter Diamantregion. Als solche sind folgende zu nennen: a) in den feinsten Sauden: viel gerollter, farbloser und zum Teil rosenroter Zirkon, viele Eisenglanzblättchen und Magnetit- oktaeder, nicht selten schwarze Turmalinfragmente, selten dünne Rutilprismen und Monazitkriställchen; b) in den groben Sauden: außer viel Quarz sehr häufig große, stark gerollte, schwarze Turmalinfelsstücke (feijäos der Mineiros von Diamantina), viel Xenotim, sowohl prismatischer als auch oktaedrischer, und viel Eisenerze, Eisenglanz, Martit und Pyrit, kein Anatas. Sehr selten fanden sich noch: Disthen, Zirkon und Columbit. 458 E. Hussak, In den mittelfeinen Sanden fanden sich außer diesen selten noch frische Pyritwürfel. Gold kommt auch hier wieder in zweierlei Form vor: als dunkles, hochkarätiges und als hellkupferrotes Palladiumgold, mit dem Platin in den schwersten feinen Sanden. Das Platin dieser Fundstelle zeigt genau dieselben traubigen, mammellaren und kugeligen, innen hohlen Formen (Taf. II, Fig. 3), wie das oben von Tijucal beschriebene, nur daß hier in Condado viel größere Stücke von Platin gefunden werden und neue Waschproben auch ein 4:g schweres gerolltes Platinstück enthielten. Stücke von V2 <^^^ Länge und 3 mm Breite sind nicht sehr selten, aber stets stark gerollt und von den scharfeckigen Quarzkörnern des Flußsandes zerkratzt. Kristall chen fanden sich hier im Vergleich zu Tijucal sehr selten und waren immer mikroskopische Würfelchen. Infolge der vollkommenen Übereinstimmung dieser Platin- vorkommen »Tijucal« und »Condado« nehme ich auch eine gleiche Entstehungsart für beide an, betonend, daß an eine primäre Bildung des Pt, etwa als Ausscheidung aus einem basischen Eruptivgestein, einem Olivinfels oder Gabbro, hier wohl nicht zu denken ist, sondern die Formen des stets un- gerollten Platins deutlich zeigen, daß es eine sekundäre Bildung, wahrscheinlich Absatz aus Platinlösungen, her- rührend von der Zersetzung platinführender Kiese oder einer dem Sperrylith ähnlichen Platinverbindung, ist und aus den an beiden Lokalitäten anstehend beobachteten schiefrigenQuarziten oder den dieselben überlagernden konglomeratischen Quarziten herstammt. Da das Gold, wie erwähnt, an beiden Fundorten stets sehr stark gerollt ist, im Gegensatz zum Platin, so kommen beide Edelmetalle wahrscheinlich nicht an derselben Stelle vor, obwohl andrerseits Gold mit Platin verwachsen gefunden wurde. Dies wird durch eine Beobachtung M. Lisboas bestätigt, der hervorhebt, daß der Corrego do Bom-Successo in Condado in seinen Ouellwassern neben Diamanten nur Platin führt und sein Bachbett nur im konglomeratischen Quarzit hat, während Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 4f)9 im unteren Laufe der Bach neben Platin auch relativ viel Gold, hochkarätiges und Palladiumgold enthält. Das spezifische Gewicht des Platins von Condado wurde an Stückchen im Gewichte von 0 • 3 1 2, 0 • 267 und 0 • 2492 j?^ als zwischen 15 bis 15 "75 gefunden. Dasselbe ist demnach sehr verschieden von dem des Platins von Tijucal bei Conceicao. Chemisch- qualitative Proben, an mehreren Körnern des Pt, von Serro ausgeführt, ergaben: 1. Daß es sehr reich an Palladium ist und demzufolge sich auch als sehr leicht löslich in schwachem Königswasser zeigt. Die salzsaure Lösung gab nach Zufügung von wenig Chlorammon neben starker Platinreaktion, Kristallen von Ammonplatinchlorid in Form gelber isotroper Oktaederchen auch eine sehr starke Palladiumreaktion in Form langer, dunkelgelber, stark doppelbrechender und stark pleochroitischer Nadeln. 2. Im Filtrate konnte kein Eisenniederschlag gefunden werden. 3. Ist diesPlatin, wie das vonTijucal, ganz unmagnetisch. Bezüglich der genauen chemischen Konstitution dieses Platins können erst später, nach Vollendung ausführlicher quantitativer, chemischer Analysen an genügendem Material Mitteilungen gemacht werden. Das spezifische Gewicht des Platins von Serro (Condado) kommt dem der meisten russischen Platinerze am nächsten, ist aber total durch den Eisenmangel von diesem verschieden. Ebenso steht es dem von Svanberg analysierten Iridiumplatin aus »Brazil« nahe im spezifischen Gewicht und muß auch ein hoher Palladiumgehalt im Platin, wie es bei unserem Vor- kommen der Fall ist, das spezifische Gewicht herunter- ziehen, ein Reichtum an Iridium aber das Gegenteil bewirken. So stimmt also das Platin von Condado bei Serro in vieler Hinsicht mit dem von Tijucal bei Conceicao überein, indem beide Formen zeigen, die auf eine sekundäre Bildung des Platins hinweisen, an beiden Orten die platinführenden Bäche ihren Ursprung nur in den schiefrigen Quarziten und den kon- Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 31 460 E. Hussak, glomeratischen Quarziten, den in der Diamantregion von Diamantina herrsehenden Formationen haben, in Gesteinen, die unzweifelhaft metamorphosierte Sedim.ente darstellen. Andrerseits unterscheiden sich aber beide sehr hinsichtlich ihres spezifischen Gewichtes und damit in ihrer chemischen Zusammensetzung. Hinsichtlich der Mächtigkeit der genannten Platinseifen- lager von Tijucal und Condado konnten wir in der kurzen Zeit unserer Explorationsreise keine umfassenden Beobachtungen anstellen und daher jetzt noch kein definitives Urteil über die Abbauwürdigkeit derselben geben. Soweit unsere Beob- achtungen gehen, sind die »Cascalholager« (Seifen) keine sehr mächtigen, da ja das Platin sich am reichlichsten auf der Höhe der Serra findet und daselbst die wasserarmen kleinen Bäche und Flüsse noch keine großen Erosionswirkungen hervor- bringen konnten. Andrerseits ist hervorhebenswert, daß die Seifenlager auf eine relativ weite Strecke hin sich als platinführend erwiesen, längs der ganzen Serra do Espinhaco, von Itambe do Matto Dentro bis gegen Itambe do Serro bei Diamantina hin und auch an den studierten beiden Fundorten Tijucal, z. B. 1 cm große, bei Condado bis 4: g schwere Platinkörner gefunden wurden. Demzufolge bin ich der Ansicht, daß diese Region syste- matisch auf das Platinvorkommen hin untersucht werden soll und werden wir, ich und Kollege M. Lisboa, im Laufe des Jahres diesbezüglich weitere Studien unternehmen. Als letzter bisher bekannter Fundort des Platins ist schließlich noch der Rio Abaete, gleichfalls im Staate Minas Geraes, zu nennen. Platin vom Rio Abaete, Minas. Bekannt war das Vorkommen von Platin im Rio Abaete, einem Zuflüsse des Rio San Francisco, in alter Zeit (1801) Nova Lorena de Diamantina auch genannt, schon J. V. de Couto und V. Eschwege, wie schon oben im historischen Teil dieser Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 461 Mitteilung eingehend erörtert wurde. Letztgenannter Forscher gibt als platinreich den Nebenfluß Ribeirao do Andrade an. In diesem Jahre wurden vom Staate Minas eine Reihe (6) von Konzessionen zur Ausbaggerung goldführender Flüsse des Staates erteilt und unter diesen befand sich auch der Rio Abaete. Ich hatte Gelegenheit, durch Güte des Herrn Konzes- sionärs eine große Menge von Flußsandproben, nicht allein aus dem Flußbette des Rio Abaete selbst auf große Strecken hin, sondern auch von einer Reihe von Nebenflüssen desselben zu untersuchen. Der Rio Abaete entspringt in der Serra da Matta da Corda, im Süden von Minas Geraes, einer Serra, die am linken Ufer des Rio San Francisco entlang sich nach Norden zieht, und zwar ziemlich parallel mit der Serra do Espinhaco, westlich davon gelegen. Die von dieser Serra, sowohl südöstlich hin die Zuflüsse des Rio Abaete als auch die nordwestlich dieser Serra be- findlichen Zuflüsse des Rio Paracatu, wie der Rio do Somno, Rio Sto. Antonio sind schon zu v. Eschweges Zeiten als diamantführend bekannt. Die geologische Beschaffenheit dieser Gegend ist aber im Vergleich zu der Diamantinas sehr ver- schieden, indem hier keine Schiefergesteine der Itabirit-Ita- columitserie erscheinen, sondern Schichtenglieder der fossil- leren paläozoischen Gruppe, wie selbe im Tale des Rio San Francisco auftritt, Tonschiefer, Sandsteine, dünn- geschichtete und graue Kalke. Deshalb ist von vornherein schon das vollständige Fehlen der für die Diamantsande der Gegend von Diamantina hoch- charakteristischen Minerale in den Diamantsanden von Rio Abaete bemerkenswert, indem hier die Titanminerale, Granit- minerale etc. fehlen und Jaspisgeschiebe neben »Favas« (von spezieller Zusammensetzung) neben Quarz und den erwähnten Gesteinsbrocken vorherrschen. Die den Diamant im Rio Abaete begleitenden Mineralien zeigen aber eine große spezifische Ähnlichkeit mit denen der Diamantregion von Bagagem und Canoas- Paracatu, im Südwesten von Minas Geraes, indem in allen 31* 462 E. Hussak, diesen Lokalitäten folgende Minerale sehr charakteristisch sind: 1. Stark gerollte, meist bohnengroße, hell- bis dunkelleder- braune Körner eines dichten Phosphates, das nach neuerlichen, von meinem Kollegen W. F'lorence ausgeführten Analysen als ein wasserhaltiges Barium - Aluminium - Phosphat erkannt wurde und in großer Menge vorkommt, dort als »marumbe« von den Arbeitern (garimpeiros) bezeichnet wird. 2. Ziemlich viel 2 bis 3 mm große Granatkörner, Almandin und Pyrop. 3. Erbsengroße Stücke des von mir seinerzeit aus den Diamantsanden von Agua-Suja und Bagagem, nördlich von Uberaba beschriebenen blaugrauen Titanoxyds, das in genannter Gegend gleichsam als ein Leitmineral des Diamants angesehen wird und als »bagageira« bezeichnet wird. In den feinsten Sanden findet sich noch; 4. Sehr reichlich 1 bis 2 nnti große, meist noch scharf- kantige Oktaederchen von Magnetit. 5. Ebensolche winzige Kriställchen von im feinsten Pulver dunkelbraun durchsichtigem isotropen Chromit, der vor dem Lötrohre leicht die Chromreaktion gibt, jedoch viel seltener. 6. Endlich noch ziemlich reichlich kaum 1 bis 2 mm große, fast immer scharf ausgebildete, schwarze Würfelchen von Perowskit, der unter dem Mikroskop sich als mit violbrauner Farbe durchsichtig, zwillingslamelliert und optisch anomal erweist, auch vor dem Lötrohr leicht die Titanreaktion gibt. Das reichliche Vorkommen der genannten Titanminerale, Titanoxyd und Perowskit, in den Sanden des Rio Abaete und dessen linker, von der Serra da Matta da Corda entspringenden Zuflüsse, wie des Magnetits ist leicht erklärlich, da schon 1880 Kollege Ingenieur Fr. P. de Oliveira (Ann. da Esc. de Minas, Ouro preto, Vol. I, 1881, p. 35 bis 95) auf einer Studienreise in die Gegend von Abaete Gesteinsproben vom linken Ufer des Rio Abaete, der Umgegend von Areado und anderen Orten mit- brachte, die zum Teil als Diabase, zum Teil als Gesteine der Lherzolithgruppe erkannt wurden. So fand sich ein grobkörniges Olivin-Pyroxengestein nahe der Fazenda do Buracao, ein typischer, an Perowskit sehr Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 463 reicher Pikritporphyr nahe Areado und am (Jorrego do Andaime. Auch das Vorkommen von körnigen, wohl titanreichen Magnet- eisensteinen in dieser Gegend wurde von Oliveira mehrfach beobachtet. Es erscheint mir als sehr vvahrscheinhch, daß alle diese genannten Gesteine, Diabase, Olivingesteine und Magneteisen- erze miteinander in genetischem Zusammenhange stehen und bin ich auch der Ansicht, daß das Platin, wie das des Urals, hier aus den 0 1 i v i n g e s t e i n e n stammt. Das Platin, von v. Esc h weg e sowohl im Hauptflusse Abaete wie besonders im Nebenflüsse Andrade angegeben, konnte jetzt nach den in diesem Jahre von dem Konzessionär des Flusses Herrn V. Nothmann ausgeführten Studien weder im Hauptflusse noch im Corrego de Andrade wiedergefunden werden, wohl aber in mehreren linken Seitenzuflüssen des Rio Abaete, nahe der alten Villa Matheus Jose, im Unterlaufe des Abaete, nahe dem Zuflüsse in den Rio San Francisco. Es wird hier stets von wenig und stark gerolltem Golde begleitet, während v. Eschwege als charakteristisch für dies Platin- vorkommen das Fehlen des Goldes angab. Das Platin des Rio Abaete und der Zuflüsse desselben unterscheidet sich in vieler Hinsicht von dem aus der Gegend von Conceicao-Serro, so: 1. Ist das Platin von Abaete fast durchwegs nur in stark gerollten dünnen Blättchen, niemals in den von Conceicao und Condado beschriebenen merkwürdigen Wachstumsformen, selten in kaum ^/^mm großen kubischen Kristallen an den Kanten sichtlich abgerollt, zu finden. 2. Ist es zum Teil sehr stark magnetisch und können hier, wie in manchen uralischen Platinsanden, ein magnetischer Pt-Teil neben einem unmagnetischen Pt-Teil abgetrennt werden. 3. Ist es in Königswasser relativ leicht löslich und gab eine starke Eisenreaktion, Palladium konnte in diesem Platin nicht nachgewiesen werden. Da die mineralischen Begleiter des Platins von Abaete vor- nehmlich aus Perowskit, Chromit und Magnetit bestehen und gerade in der Umgegend dieser platinführenden Flüsse, von der Serra da Matta da Corda entspringend, Olivingesteine im 464 E. Hussak. Verein mit Diabas anstehend nachgewiesen sind, so bin ich der bereits ausgesprochenen Ansicht, daß das Platin von Abaete aus diesen Olivingesteinen stammt ganz wie das des Urals. Resume. 1. Das Platin ist in Brasilien schon seit zirka 100 Jahren bekannt, wurde aber anfänglich, als das Palladium noch nicht entdeckt war, vielfach mit dem Palladiumgolde verwechselt und werden als Fundorte das Municip Serro Frio und der Rio Abaete angegeben. 2. Durch die in den letzten zirka 30 Jahren ausgeführten Explorationen und Studien konnte die Zahl der Platinfundorte vermehrt werden, so daß Platin nun bekannt ist; a) Als seltener Einsprengung in der den Itabiriten emge- lagerten goldreichen Jacutinga, wie von Gongo Socco. h) In goldführenden Quarzgängen des kristallinischen Schiefergebirges am Rio Bruscus, Pernambuco. c) In Begleitung des hier selteneren Diamants, wahrschein- lich aus den konglomeratischen Quarziten stammend, auf dem Ostabhange der Serra do Espinhaco, von Itambe do Matto Dentro bis Itambe do Serro hin. d) Im Rio Abaete und dessen linken Zuflüssen, hier sehr wahrscheinlich aus Olivingesteinen stammend. 3. Hervorhebenswert ist der große Unterschied der genannten Platinmetalle (sub c und d), indem das eine Platin von Conceicao, mit D 20-5, als unmagnetisch und palladium- frei, das von Condado als unmagnetisch und palladiumreich und das von Abaete als stark magnetisch, palladiumfrei, aber eisenreich gefunden wurde. Die D des Pt von Condado ist 15 bis löVa- ^o^ ^^"^ Platin des Rio Abaete konnte keine Bestimmung des spezifischen Gewichtes ausgeführt werden, da es unmöglich war aus dem feinen Pulver das Platin frei von Gold und Perowskit zu trennen. 4. Während das Platin in den sub 2 a, b und d genannten Lokalitäten sicher ein primärer Gemengteil oder Bildung ist, so erscheint mir diese Annahme ausgeschlossen zu sein für das Platinvorkommen längs der Serra do Espinhaco, wo das Platin in Begleitung des Diamants aus konglomeratischen Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. 4 65 Ouarziten stammt und eine so eigentümliche Form aufweist, daß man nur an eine sekundäre Bildung des Platins hier denken kann, etwa aus Lösungen abgesetzt aus zersetzten platin- führenden Kiesen, wie eine solche Bildung ganz gut denkbar ist, nachdem in den United States und Norwegen platinführende Kiese, wie Pyrrhotin, Covellin und Chalkopyrit nachgewiesen wurden und auch der Sperrylith aufgefunden ward. 466 E. Hussak, Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien. Erklärung zu Tafel Kalksilikatgestein von Candonga (Kontaktkalk). Figur 1. Inmitten von Calcit liegend, ist ein abgerundetes, randlich in Ser- pentin zersetztes Cliondroditkorn sichtbar. Figur 2. Körniges Gemenge von Calcit, Chondroditkörncrn und schwarzem Magnetit. Figur 3. (Unten) faseriger Amphibol, farblose Pyroxenstengel einschließend, (oben) Magnetit. Figur 4. (Unten) Pyroxen, Magnetitkörner einschließend, (oben rechts) Calcit, (links) Calcit mit Magnetit. (Dünnschliffe der neu von M. Lisboa gesammelten Proben vom alten Wasserstollen der Mine Candonga.) Erklärung zu Tafel IL Kalksilikatgestein von Candonga. Figur 1. (Oben und unten) Pyroxen, (Mitte) wenige Calcitkörner und etwas Amphibol, (rechts und links) Magnetit. (Schliff von der [WH]-Probe.) Platin von Tijucal und Serro. Figur 2. Zwei Platinstücke, Ober- unrl Unteransicht, von Tijucal bei Conceicao. Figur 3. Ein 0-5mm großes stalaktitisches Platingebilde von Condado, Serro. Hus s alt,E . : YoTkonauen vonTalladiuiii und Platiii in Bi-asilieii. Tafl. ^'MIc'''^ Chon/tr. CandongcL. t. Amph. IJt)LAnstA'.'nLBaiiiiwarfli,Wen . Sitzungsberichte d.kais-.'Mvad. d.Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXIII..\bth. 1,1904. Hiis s al«:,E . : Vorkommen von Palladium und Platin in BTasdli en . Taf.II. Candovffa. 2. Platia von Tyncal und. Serro. liith.Ansty.ThianinvarflL.Wiea. Sitzutifi^sberichte d.kais..4kad. d.Wiss., maöir-naturw. Classe, Bd. CXm.Abth. 1.1904. Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Kristallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie und Reisen. Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere sowie aus jenem der theoretischen Medizin, Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in be- sonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark INHALT des 8. und 9. Heftes Oktober und November 1904 des CXIII. Bandes, Abteilung- I der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse. Seite Wiesner J., Über den Einfluß des Sonnen- und des diffusen Tageslichtes auf die Laubentwicklung sommergrüner Holzgewächse. Photo- metrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete. (IV. Abhandlung.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.] 469 Doelier C, Die Silikatschmelzen. (II. Mitteilung.) (Mit 4 Textfiguren.) [Preis : 50 h = 50 Pfg.] 495 Molisch H., Die Leuchtbakterien im Hafen vonTriest. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 513 Nestler A., Zur Kenntnis der Symbiose eines Pilzes mit dem Taumelloich. (Mit'^1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 529 Schnarf K., Beiträge zur Kenntnis des Sporangienwandbaues der Poly- podiaceae und der Cyatheaceae und seiner systematischen Be- deutung. (Mit 1 Tafel.) [Preis : 70 h = 70 Pfg.] 549 Preis des ganzen Heftes: 2 K 10 h = 2 Mk. 10 Pfg. Abu 31 ISM SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. VIII. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. 32 469 Ober den Einfluß des Sonnen- und des diffusen Tageslichtes auf die Laubentwiek- lung sommergrüner Holzgewäehse. Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete. IV. Abhandlung von Julius Wiesner, w. M. k. Akad. (Vorgelegt in der Sitzung am 16. Juni 1904.) Auf die große Bedeutung des diffusen Tageslichtes für das Gedeihen der Pflanzen habe ich zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt. Mehrmals kam ich in meinen Schriften auf diesen wichtigen Gegenstand zurück, denselben von verschiedenen Seiten beleuchtend.^ Ich habe aber dabei Gelegenheit gefunden, auch das Ein- greifen des direkten Sonnenlichtes in die Entwicklung der Pflanzen zu erörtern. Ich zeigte, wie in kalten Vegetations- gebieten, sei es im alpinen oder im arktischen Gebiete, die direkte Sonnenbestrahlung fördernd auf' die Entwicklung der Pflanzen wirkt,^ hob aber auch hervor, wie in trockenen Gebieten der warmen und heißen Länder die Pflanze sich gegen die starke Insolation wehrt.^ Auch im heißfeuchten Vegetationsgebiete finden sich zahlreiche Einrichtungen, welche 1 Die heliotropischen Erscheinungen II. Teil, Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss., Bd. 43 (1880); Photometrische Untersuchungen auf pflanzenphysio- logischem Gebiete. Diese Sitzungsber., I., Bd. 102 (1893), IL, Bd. 104 (1895), III., Bd. 109 (1900). Weitere Hinweise in meiner Biologie, 2. Aufl. Wien 1902. 2 Photometrische Untersuchungen III. 3 Photometrische Untersuchungen III. 32* 470 J. Wiesner, der Pflanze dazu dienen, allzustarkes Licht abzuwehren.^ Indes selbst unter den Holzgewächsen der geniäßigten Zone werden solche Schutzeinrichtungen wahrgenommen. Es tritt uns dies am anschaulichsten bei jenen Sträuchern und Bäumen entgegen, welche panph otometrische Blätter ausbilden, das sind solche Blätter, welche allerdings befähigt sind, einen großen Teil starken diffusen Lichtes aufzunehmen, aber auch einen mehr oder minder großen Teil des Sonnenlichtes abzuwehren.^ Hingegen bringen uns die zahllosen Gewächse mit euphoto- metrischem^ Laube die hohe Bedeutung des diffusen Tages- lichtes zur Anschauung: Diese Gewächse stellen ihre Flächen konstant senkrecht auf die Richtung des stärksten diffusen Lichtes des ihnen zukommenden Lichtareals. Durch eingehende photometrische Studien bin ich zu dem Resultate gelangt, daß unsere krautartige Frühjahrsvegetation, insbesondere jene Frühlingspflanzen, welche sehr frühzeitig sich entfalten und auf freiexponierten Standorten auftreten, durch die Sonnenbeleuchtung eine Förderung erfahren, des- gleichen unsere sommergrünen Holzgewächse, deren Laubentwicklung in das Frühjahr fällt, gerade rücksichtlich ihrer Laubbildung. Über die Förderung der Frühlingsvegetation durch direkte Besonnung werde ich bei späterer Gelegenheit meine Erfahrung mitteilen. Die vorliegende Schrift hat den Zweck, zu zeigen, wie sich die sommergrünen Holzgewächse unter sonst gleichen Vegetationsbedingungen verhalten, wenn sie ausschließlich dem diffusen Lichte ausgesetzt sind und wie sie sich ausbilden, wenn sie auch der Sonnenbeleuchtung zugeführt werden. Es scheint mir aber hier notwendig, zunächst an eine wichtige Tatsache zu erinnern, welche ich schon bei früherer Gelegenheit eingehend erörtert habe, nämlich die Beschaffenheit des bei sogenannter Sonnenbeleuchtung herrschenden Lichtes betreffend. 1 Wiesner, Pflanzenphysiologische Mitteilungen aus Buitenzorg, I. Beob- achtungen über die Lichtlage tropischer Gewächse. Diese Sitzungsber., Bd. 103 (1899). 2 Wiesner, Über die Anpassung des Laubblattcs an die Lichtstärke. Biologisches Zentralblatt, Bd. 19 (1899). Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklun^. 471 o- Es gelingt nämlich nur im Experiment, reines (paralleles) Sonnenlicht auf die Pflanze einwirken zu lassen. Unter natür- lichen Verhältnissen ist die Pflanze bei bedecktem Himmel der ausschließlichen Wirkung des diffusen Tageslichtes ausgesetzt; ist aber der Himmel unbedeckt, so fällt auf die Pflanze immer ein Gemisch von direktem Sonnen- und diffusem Tageslichte. Gewöhnlich spricht man in einem solchen Falle von direkter Sonnenbeleuchtung und beachtet nicht den Strahlungsanteil, welcher als zerstreutes Licht auf die Pflanze wirkt. Dieser Anteil kann aber bei niederem Sonnenstande sogar bedeutend größer sein als der von der Sonne direkt ausgehende. Ich kann auf diesen Gegenstand hier nicht näher eingehen, sondern muß mich mit diesen Bemerkungen begnügen und verweise im übrigen auf meine diesbezüglich veröffentlichten Untersuchungs- ergebnisse.^ In meinen bisher veröffentlichten Studien über den Licht- genuß der Holzgewächse habe ich fast ausschließlich nur auf jene Werte des Lichtgenusses Rücksicht genommen, welche sich einstellen, wenn die Belaubung vollendet ist. Dann ist der Lichtgenuß innerhalb bestimmter Grenzen stationärgeworden. Durchgängig sind in meinen zahlenmäßigen Angaben über den »Lichtgenuß'< (»Photolepsie«)^ nur die stationären Werte gemeint. 1 Untersuchungen über das photochemische Klima von Wien, Kairo und Buitenzorg (Java) von J. Wiesner unter Mitwirkung von W. Figdor, F. Krasser und L. Linsbauer. Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss. mathem.- naturw. KL, Bd. 44 (1896). Ferner: Wiesner, Beiträge zur Kenntnis des photo- chemischen Klimas im arktischen Gebiete. Ebenda, Bd. 47 (1898). - Ich wurde von mehreren Seiten ersucht, für den Ausdruck »Lichtgenuß« einen (griechischen) internationalen Ausdruck in Anwendung zu bringen. So unter anderen von Percy Groom, dem Übersetzer von Schimper's Pflanzen- geographie auf pflanzenphysiologischer Grundlage. Ich meinte nun, daß sich der deutsche Terminus einbürgern würde. Späteren Anregungen habe ich Folge gegeben, schon aus dem Grunde, weil, wenn nicht von meiner Seite der gewünschte Terminus eingeführt werden würde, dies von anderer Seite geschehen würde. Ich habe ähnliches ja selbst erlebt; man hat die von mir entdeckte Beschleunigung der Transpiration grüner Pflanzen im Lichte als Chlorovaporation bezeichnet. .So schlug ich also den Ausdruck >Photolepsie« (Compt. rend. 1904 Mai) vor. Die Folge wird lehren, ob dieser Terminus mehr Anwert finden wird als der bisher gebrauchte Ausdruck »Lichtgenuß«. 472 . J. Wiesner, Allein ich wies schon früher auf die geringe Licht- reduktion, welche in der Krone entlaubter Holzgewächse statt- findet, hin und hob die Vorteile hervor, welche durch diesen hohen Lichtgenuß der Pflanze während der Belaubung zufallen. Auch betonte ich die in ökologischer Beziehung bemerkenswerte Tatsache, daß sich in der Regel nur solche Sträucher als Unterholz im Walde ansiedeln können, welche ihr Laub entfalten, bevor der Wald selbst belaubt ist.^ Auch habe ich später das Sinken des Lichtgenusses vom Beginne der Belaubung bis zur Erreichung des stationären Wertes an einem speziellen Beispiele (Birke, Betiila alba [verrucosa]) erläutert- und in einer Note, in welcher ich die Anpassung der Pflanze an die Lichtstärke erörterte, meine bis dahin gesammelten diesbezüglichen Erfahrungen in den Satz zusammengefaßt, daß die Minima des Lichtgenusses vom Beginne bis zur Vollendung der Belaubung immer mehr und mehr sinken und endlich einen stationären Wertannehmen.^ Für die Zwecke der vorliegenden Abhandlung ist es erforderlich, auf diesen Gegenstand näher einzugehen. Vor allem führe ich einige meiner Beobachtungen über die im Beginn der Belaubung herrschenden Minima des Lichtgenusses an und stelle dem »i\nfangsminimum« den entsprechenden stationären Wert gegenüber, um zu zeigen, wie hoch im Ver- gleiche zu dem letzteren die ersteren sich gestalten. Anfangsminimum Stationärer Werl 1 . Larix decidna 2. Ailanthus glandulosa 3. Acer platanoides .... 1 1-2 bis 1 2 1 5 1 1-4 bis 2 ■ 2 1 '"22 1 bis 1 3 4-2 • • • 55 1 bis 1 4. Fagus silvatica (Waldbaum) . . — bis 3 4 60 1 Photom. Unters., I, p. 312. 2 l^liotom. Unters., II, p. 660. 3 Compt. rend. 1904 Mai. Vgl. auch Photom. Unters., II, p. 660. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwickluna;. 473 o- In Betreff der Anfangsminima seien noch folgende Beispiele angeführt: Crataegus oxyacantha bis — 2-2 3 Prunus Padus bis 2-2 3-5 Ulnms campestris bis — 1-5 5 Vibiivnum lantmia — bis — 2 3 Platanus occidentaJis — bis — 2 4 Damit ist also ausgedrückt, daß z. B. die Platane im Beginne der Belaubung die Hälfte bis ein Viertel des gesamten Tageslichtes empfängt, Vihurnum lantana die Hälfte oder den dritten Teil desselben u. s. w. Diese Anfangsminima scheinen weniger konstant als die nach Vollendung der Belaubung sich einstellenden stationären Werte der Photolepsie zu sein. Daß indes auch diese letzteren mit der geographischen Breite und Seehöhe sich verändern und auch nicht unbeeinflußt sind von den Ernährungs- verhältnissen der Individuen und noch anderen Momenten, habe ich in früheren Abhandlungen genügend auseinandergesetzt. Wenn man die Anfangsminima mit den stationären Minimis vergleicht, so springt vi^ohl in die Augen, daß erstere stets beträchtlich höher als die letzteren sind; doch findet keine feste Proportionalität zwischen den ersteren und den letzteren statt. Aber insoferne scheint doch ein Parallelismus zwischen beiden vorzuherrschen, als häufig einem hoch gelegenen stationären Werte ein relativ hohes Anfangsminimum entspricht. Beim Niederschreiben dieser Abhandlung (Mai 1904) kam mir eine sehr interessante und inhaltsreiche Schrift von Hesselman^ zu, in welcher im Anschlüsse an meine Unter- 1 Henrik Hesselman, Zur Kenntnis des Pflanzenlebens schwedischer Laubwiesen. Mitteilungen aus dem bot. Inst, der Universität zu Stockholm. Jena 1904. (Beihefte zum bot. Centralblatt.) 474 J. Wiesner, suchungen über den Lichtgenuß der Pflanzen sehr eingehende Beobachtungen über den Lichtgenuß sommergrüner Gewächse mitgeteilt werden. In dem Kapitel »Über die Bedeutung des Frühlingslichtes auf die Ausbildung des Assimilationsgewebes etc.«^ weist Hesselman auf die hohen Lichtintensitäten hin, welche die sommergrünen Gewächse zur Zeit des Austreibens der Knospen genießen und bestimmt dieselben nach meiner Methode für Corylus avellana m\t bis — . 2-5 3 Hesselman ist also bezüglich der Anfangsminima zu analogen Resultaten wie ich gekommen. Diese hohen Minima, welche im Beginne der Belaubung herrschen, deuten schon darauf hin, daß in dieser Periode das Sonnenlicht viel reichlicher auf das sich entwickelnde Laub ein- wirken muß, als wenn die Belaubung vollzogen ist. Schon der Augenschein lehrt, daß die Einstrahlung von Sonnenlicht in den vollkommen belaubten Baum je nach der Art desselben dem Grade nach eine sehr verschiedene ist. Man vergleiche etwa die Buche mit der Lärche. Es ist ohneweiters ersichtlich, daß die Menge des direkten Sonnenlichtes, welches in die belaubte Krone der Lärche einstrahlt, weitaus größer sein wird als jene, welche in die Buche eindringt. So gewinnt es also schon von vornherein den Anschein, daß die Holzgewächse desto mehr an die direkte Sonnenbestrahlung angewiesen sind, je höher die Minima des Lichtgenusses gelegen sind. Von nicht geringem Interesse erscheint mir die Tatsache, daß man im Experimente die Laubentwicklung bei weitaus niedereren Lichtintensitäten herbeiführen kann, als jene Licht- stärken sind, unter welchen sie sich in der freien Natur zu voll- ziehen beginnen. Es muß hiebei aber die Beleuchtung so ge- wähltwerden, daß die einzelnen Sprosse der zu untersuchenden Pflanze nicht wie in der Natur ungleichen, sondern möglichst gleichen Beleuchtungen ausgesetzt sind. Man erreicht im Expe- rimente die gleichmäßige Beleuchtung entweder durch lang- same Rotation der aufrechten Pflanze um eine vertikale Achse 1 L. c. p. 402 bis 410. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 4/ö oder durch ausschließliche Beleuchtung in gleichmäßigem Oberlichte oder indem man an einer aufgerichteten Pflanze nur die dem Vorderlichte zugewendeten Knospen zur Entfaltung kommen läßt und die anderen verdunkelt oder wegschneidet. Nunmehr kann man das Laub sommergrüner Holzgewächse bei einer Lichtintensität zur Entwicklung bringen, welche nicht nur tief unter dem Anfangsminimum gelegen ist, sondern selbst bei Lichtstärk en, welche unterhalb des Mini- mums des Lichtgenusses (stationärer Wert) gelegen sind. So sah ich bei mehreren Versuchen das Laub von Acer plata- noides sich anscheinend noch normal bei einer Lichtintensität von entwickeln, während, wie ich schon hervorhob, das Anfangsminimum fi^ir die Laubentwicklung dieses Baumes bei — bis gelegen ist und das stationäre Minimum dem Werte — entspricht. Bei -r-?\-^ (Ende April und anfangs Mai) sah ich noch keine Spur von Etiolement; dies stellte sich erst bei viel kleineren Lichtintensitäten ein. Selbst bei war aber noch kein vollständiges Etiolement zu konstatieren. Wie kommt es nun, daß die in der freien Natur zur nor- malen Entwicklung gelangenden Individuen sommergrüner Holzgewächse so hohe Minima aufweisen? Der Grund hiefür liegt in der Tatsache, daß die im hellen (günstigen) Lichte zur Entwicklung gelangenden Sprosse die minder gut beleuchteten mehr oder minder vollständig zu unterdrücken vermögen. Ich habe mich durch Lichtmessungen davon überzeugt, daß Laub- knospen in einem zu ihrer Entwicklung ausreichenden Lichte zugrunde gehen, wenn andere Knospen besser beleuchtet sind. So fand ich, daß bei Acer plaianoides Laubknospen, welche einem Lichtgenuß von--— ausgesetztsind, durch Knospen unter- 40 drückt werden, welche eine Lichtstärke von — genießen. Bei o Philadelphtis coronarms kann man häufig schon ohne Licht- messung die Unterdrückung minder gut beleuchteter Knospen 476 J. Wiesner, wahrnehmen. Knospen, welche — genießen, unterdrücken oft schon Knospen, welche — ausgesetzt sind und doch bildet sich 1 dieser Strauch noch bei -- — anscheinend gut aus.^ 3o Auch bei krautartigen Pflanzen liegen die im Freien beob- achteten Minima des Lichtgenusses beträchtlich höher als jene, welche im Experiment zu beobachten sind. Diese Erscheinung ist darauf zurückzuführen, daß man in der Kultur alle Konkurrenz ausschließt, in der freien Natur aber 1 Auf die merkwürdige Korrelation der Laubentwicklung ungleich beleuchteter Seitensprosse habe ich schon vor längerer Zeit (1895) hingewiesen. (Lichtgenuß der Pflanze mit Rücksicht auf die Vegetation von Wien etc., 1. c. p. 608). Es wird dort auf Grund von \'ersuchen, welche mit verschiedenen sommergrünen Holzgewächsen angestellt wurden, gezeigt, »daß die am gün- stigsten beleuchteten Knospen zur normalen Entwicklung kommen und die ungünstig beleuchteten unterdrücken« und es wird diese Erscheinung »als Folge einer durch das Licht induzierten Korrelation der Organe« dargestellt. Es ist dies- bezüglich auch zu vergleichen: Wiesner Photom. Unters. I. (1893). In der zuerst genannten Abhandlung habe ich auf eine interessante Arbeit von Jost, Ber. d. Deutsch. Bot. Ges., Bd. XII (1894), p. 194, reflektiert, welche den Einfluß der Beleuchtung und Verdunklung auf die Laubentwicklung der Rotbuchen erörtert. Jost ist zu folgenden Resultaten gelangt: 1. Der ganze Baum am Licht: Allgemeine Wachstumsförderung durch das Licht; alle Knospen treiben aus. 2. Der ganze Baum im Dunkeln: Allgemeine Wachstumshemmung; nur einzelne Knospen treiben und verhindern die andern am Wachsen. 3. Der Baum im allgemeinen am Licht, nur einzelne Knospen verdunkelt: Förderung aller Lichtknospen; anderseits Hemmung der im Dunkeln befind- lichen Knospen sowohl durch die Dunkelheit als auch durch die andern treiben- den Knospen. 4. Der Baum im Dunkeln, nur einzelne Knospen im Lichte: Normales Austreiben der am Lichte befindlichen Zweige ; nicht so vollkommene Hemmung der Knospen im Dunkeln, wie im vorigen Falle. Jost findet also, daß auch im Finstern die besser sich entwickelnden Knospen die andern unterdrücken. Gerade jener Fall, der zur Erklärung der hohen Anfangsminima des Lichtgenusses normal beleuchteter Bäume heran- zuziehen ist, nämHch das Verhalten ungleich beleuchteter Sprosse, ist von Jost nicht in Betracht gezogen worden. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 477 die Pflanze den Kampf mit zahlreichen Konkurrenten zu führen hat und bei geringeren als jenen Lichtintensitäten, bei welchen wir sie im Freien gedeihen sehen, andern Mitbewerbern weichen muß. Die Epitrophie der Verzweigung beruht, so weit sie in der Ontogenese zustande kommt (z. B. bei Salix), auf diesem Ver- halten. Bei vertikaler Stellung der Hauptsprosse kann dieses Verhalten zur Unterdrückung von tiefer stehenden Sprossen durch höher situierte führen. Durch amphitrophe Verzweigung weicht die Natur den Verlusten an Trieben aus, welche im Gefolge dieses merkwürdigen Verhaltens sich einstellen.^ Auf diese und ähnliche Verhältnisse habe ich schon bei früheren Gelegenheiten die Aufmerksamkeit gelenkt.^ Die außerordentliche Höhe der Anfangsminima der Photo- lepsie sommergrüner Gewächse macht es schon von vornherein sehr wahrscheinlich, daß das Sonnenlicht bei der Laub- entwicklung derselben beteiligt ist. Inwieweit das Sonnen- licht (nämlich in dem oben erörterten Sinne) hierbei eine Rolle spielt, ob es für die Laubentwicklung notwendig ist oder nur begünstigend eingreift, soll auf Grund meiner Beobach- tungen in Kürze erörtert werden. Vorher möchte ich aber noch auf Versuche zurückver- weisen, welche ich mit verschiedenen krautigen unter normalen Verhältnissen befindlichen Pflanzen verschiedener Art, darunter auch solchen, welche an sonnigen Standorten vorkommen, an- stellte, um zu prüfen, ob man im stände ist, dieselben aus- schließlich im diffusen Tageslichte zur vollkommenen Ent- wicklung zu bringen. Es waren dies Reseda odorata, Impatiens Balsamina, Tropaeoliim majus, Ipomoea purptirea und Sednm acre. Die Pflanzen waren so aufgestellt, daß sie nur von Norden her beleuchtet waren. Die Aufstellung war allerdings insoferne eine für diese Pflanzen sehr günstige, als sie ungehindert fast das Licht des halben Himmels empfingen. Ich hatte dabei den Vorteil, daß die Versuchspflanzen stets an derselben Stelle 1 Über epitrophe und amphitrophe Verzweigung. Wiesner, Anisomorphie. Diese Sitzungsberichte, Bd. 101 (1892). - Phot. Untersuchungen, II, p. 608. 478 J. Wiesner, bleiben konnten, ohne auch nur von einem einzigen Sonnen- strahl getroffen zu werden. Ich brauchte nur in der kurzen Periode, in welcher die Sonne so weit nach Norden vorge- schritten war, daß sie ein paar Tage hindurch meine Versuchs- objekte durch kurze Zeit schwach streifte, für eine Abbiendung der direkten Sonnenstrahlen zu sorgen. Die Beleuchtung war eine schwache, wie meine lichtklimatischen Untersuchungen lehren. Um die Beleuchtung des Nordhimmels im Vergleiche zu andern Orientierungen zu charakterisieren, hebe ich folgende Beobachtung hervor: Das Lichtintegral betrug in Wien am 24. Mai 1898 bei einer Lichtsumme des gesamten Tageslichtes = 342, am Nord- himmel = 52, am Südhimmel :=z 172, am Osthimmel =: 121 und am Westhimmel 117.^ Meine Versuchspflanzen waren während der ganzen Versuchszeit (April bis September) im Durchschnitte bloß etwa dem vierten Teile des gesamten Tageslichtes ausgesetzt, welches letztere sie vollständig genossen hätten, wenn sie völlig frei exponiert gestanden wären. Aber trotz der angewendeten relativ schwachen Be- leuchtung kamen die ersten vier Pflanzen zur Blüte, ja zur Fruchtreife und bildeten keimfähige Samen aus. Reseda er- zeugte nur verhältnismäßig wenige Blüten. Sedtim acre bildete unter den gegebenen Beleuchtungsverhältnissen die Vegeta- tionsorgane sehr gut aus, gelangte aber nicht zur Blüte. ^ Es ist aus diesen Versuchen zu ersehen, daß selbst sehr lichtbedürftige Pflanzen ohne Sonnenlicht sich vollkommen normal entwickeln können, selbst v^enn sie nur etwa dem vierten Teil des gesamten Tageslichtes ausgesetzt sind. Meine Versuche mit sommergrünen Holzgewächsen wurden in der gleichen Weise wie die mit den früher genannten fünf Pflanzenarten vorgenommen. Ich berichte zuerst über die mit der Buche fFagtis silvatica) angestellten Versuche. Die Bäumchen waren in Topfkultur gehalten. Ein Teil derselben 1 Wiesner, Beiträge zur Kenntnis des photochemischen Klimas im ark- tischen Gebiete. Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wiss., Wien. Bd. 67 (1898). Daselbst auch p. 32 eine graphische Darstellung der Himmelsbeleuchtung. - Wiesner, Compt. rend. 2. Mai 1898. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklunsr. 4/9 O" war dem Lichte des nördlichen Himmels ausgesetzt und während der ganzen Versuchszeit (April bis Mitte Juni) traf sie kein Sonnenstrahl. Um die Wirkung der direkten Besonnung kennen zu lernen, wurde ein Teil der Versuchspflanzen auch dem östlichen und südlichen Himmelslichte ausgesetzt und auch der Be- leuchtung im vollen Tageslichte unterworfen. Die Aufstellung der Versuchspflanzen erfolgte in der Weise, daß die mittleren Lichtsummen auf den Aufstellungs- orten zur Versuchszeit folgende Werte darstellten: Freie Exposition: Lichtsumme (Integral) des gesamten diffusen Tageslichtes , . . . r= 100 Nordlage: Lichtsumme (Integral) des gesamten diffusen Tageslichtes =: 28 Ostlage: Lichtsumme (Integral) des gesamten diffusen Tageslichtes := 24 Südlage: Lichtsumme (Integral) des gesamten diffusen Tageslichtes = 26 *^&^ Es war beabsichtigt, die Lichtsumme in der Nord-^, Ost- und Südlage konstant zu machen und auf den Wert 25 ( — des 4 gesamten diffusen Lichtes) zu bringen, was aber, wie obige Zahlen lehren, nicht vollkommen gelungen ist, indes auf die abgezogenen Hauptresultate, wie wir sehen werden, keinen wesentlichen Einfluß hatte. In der Nordlage empfingen die \"ersuchspflanzen nur diffuses Licht. In der Ost- und Südlage aber außer dem diffusen noch direktes Sonnenlicht. Der Überschuß an Licht, welchen die Pflanzen in der Ost- und Südlage im Vergleiche zu den Pflanzen der Nordlage empfingen, entsprach dem direkten Sonnenlicht. Natürlich war dieserÜberschuß in der Südlage größer als in der Ostlage, infolge der größeren Sonnenhöhe. Der Versuch mit der in der Nordlage befindlichen Pflanze begann am 9. April, noch vor dem Schwellen der Knospen. Alsbald stellte sich Knospenschwellen ein und am 20. April waren die ersten Blattspitzen sichtbar. Am 1. Mai traten die 480 J. Wiesner, ersten Blattflächen hervor. Am 21. Mai war die Belaubung voll- endet. Alle Stengelglieder der neuen Sprosse waren unentwickelt, die ziemlich normal aussehenden Blätter waren schwach behaart. Die Blätter hatten eine durchschnittliche Länge von 42 mm und eine durchschnittliche Breite von 25 mm. Die Entwicklungsperiode des Laubes hatte ei n-e Dauer von 30 Tagen. In der Ostlage trat auch bald nach der Aufstellung (9. April) das Schwellen der Knospen ein. Die ersten Blatt- spitzen der sich öffnenden Knospen wurden am 16. April sicht- bar. Schon am 17. April lagen die ersten Blattflächen frei. Auch hier bildeten sich nur Kurztriebe aus, denn alle Stengel- glieder der neuen Sprosse waren unentwickelt. Die normal aussehenden Blätter waren im Vergleiche zu den in der Nordlage befindlichen bedeutend stärker behaart. Die Blätter hatten dieselben Dimensionen, wie die in der Nordlage ge- standenen und erschienen etwas lebhafter grün gefärbt als die der Vergleichspflanzen. Am 8. Mai war die Belaubung vollendet. Die Belaubungsperiode der Sprosse hatte eine Dauer von nur 22 Tagen. Süd läge. Aufstellung am 9. April. Die ersten Blattspitzen erschienen am 13. April, die Blattflächen wurden am 14. April sichtbar. Die Belaubung war am 5. Mai vollendet. Es bildeten sich teils Kurz-, teils Langsprosse aus, deren längste Inter- nodien 6 mm erreichten. Die Blätter waren auch stärker als die in der Nordlage zur Entwicklung gekommenen behaart, hatten eine durchschnittliche Länge von 53 mm und eine durchschnitt- liche Breite von 34 mm. Vom Öffnen der Knospen bis zur vollständigenAusbildung des Laubes verstrich gleich- falls ein Zeitraum von 22 Tagen; aber, wie aus den mit- geteilten Daten zu ersehen ist, trat die vollständige Belaubung früher als in der Ostlage ein. Im gesamten Tageslichte verlief die Entwicklung ähnlich so wie in der Südlage, mit dem kleinen Unterschiede, daß die ganze Ausbildung der Belaubung bloß 20 Tage in Anspruch nahm, also ein noch früherer Abschluß der Zweigentwicklung sich einstellte als in der Südlage. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 481 Aus diesen Versuchsreihen geht unzweifelhaft hervor, daß für die Laubentvvicklung der Rotbuche das diffuse Tageslicht ausreicht, daß aber das direkte Sonnenlicht die Laubentwicklung dieser Baumart beschleunigt und befördert. Zur Laubentwicklung ist, wie nunmehr der Vergleich der Anfangsminima des Lichtgenusses mit den stationären Werten lehrt, eine viel größere Lichtstärke erforderlich als zur Assi- milation, welche ja bei dem niederen stationären Werte auch noch, wenn auch in vermindertem Maße, stattfindet. Daß zur Laubentfaltung höhere Lichtstärke als zur Assi- milation selbst bei einem und demselben Gewächse erforderlich ist, lehren ja auch die immergrünen Holzgewächse, welche, wie ich schon bei früherer Gelegenheit hervorhob, die Laubknospen nur in der Peripherie der Krone zur Entfaltung bringen, während bei den entlaubten sommergrünen Gewächsen auch weit entfernt von der Peripherie der Krone noch Laubsprosse sich entwickeln können.^ Es scheint mir zweifellos, daß die direkte Besonnung die Laubentwicklung aller unserer sommergrünen Gewächse, deren Belaubung in den Frühling fällt, befördert. Es geht dies nicht nur aus den mitgeteilten, auf die Buche bezugnehmenden Beobachtungen, sondern auch aus zahlreichen Versuchen her- vor, welche ich mit anderen unserer Laubhölzer angestellt habe, insbesondere mit Ahornen (Acer campestre und Acer plata- noidesj, ferner aus vielen im Freien angestellten Beobachtungen. Diese letzteren beziehen sich auf Holzgewächse verschiedener Art, welche auf ihrem natürlichen Standort eine starke Ein- schränkung ihres Lichtgenusses erfahren haben. An frei exponierten Bäumen wird man bei den nach den Himmelsrichtungen orientierten Partien der Sprosse einen Einfluß der Lage auf die Laubentwicklung nicht oder nur in sehr schwachem Grade bemerken, nicht nur, weil ja bei solchem Vorkommen auch die Nordseite von der Sonne bestrahlt ist, und zwar umsomehr, je weniger dicht das Gezweige ist, sondern auch, weil in solchem Falle die große Masse des 1 Photom. Unters. I, p. 309 und 310. 482 F. Wiesner, einfallenden diffusen Lichtes die Unterschiede in der durch die Orientierung nach den Weltgegenden bedingten Beleuchtung stark verringert. Man kann es wohl mit Bestimmtheit aussprechen, daß die Laubentwicklung unserer sommergrünen Holzgewächse, zumal in der doch noch relativ kalten Epoche, durch die direkte Besonnung gefördert wird. Es zeigt sich also in Bezug auf die Belaubung unserer sommergrünen Holzgewächse eine analoge Erscheinung wie bei der gesamten nordischen und alpinen Vegetation und auch bei unseren krautigen Frühlingspflanzen, welche bei ihrer Entwicklung aus dem direkten Sonnenlichte Nutzen ziehen. Der Zweck der vollständigen Entlaubung unserer sommergrünen Gewächse liegt klar zu Tage: der Ein- strahlung des Gesamtlichtes (mit paralleler Sonnenstrahlung) möglichsten Spielraum zu gönnen. Daß die Laubentwicklung auf starke Lichtintensitäten angewiesen ist, zeigt sich noch deutlicher als bei den in unseren Gegenden heimischen sommergrünen Holzgewächsen bei jenen gleichfalls sommergrünen Sträuchern und Bäumen, welche wärmeren Gegenden entstammen, also zur Zeit der Vegetation in ihren Heimatländern größerer Lichtstärke ausgesetzt sind. Zu meinen Versuchen dienten Robmia psetuioacacia, Amorpha friiticosa und Brotissoitetia papyrifera, die beiden ersteren in warmen Gebieten Nordamerikas, die letztere in warmen Gebieten Ostasiens heimisch. Die Akklimatisation dieser drei Bäume ist bei uns vollkommen geglückt; allein ihre Herkunft aus wärmeren Ländern spricht sich in unseren Gärten und Anlagen darin aus, daß sie sich hier erst sehr spät belauben. Die Versuche, welche ich mit diesen drei Holzgewächsen ausführte, waren den oben mitgeteilten auf die Buche bezug- nehmenden analog. Es wurden in Töpfen kultivierte Exemplare verwendet und auch die Aufstellung war die gleiche. Es ist selbstverständlich, daß die zu den Versuchen verwendeten Individuen sorgfältig ausgewählt wurden, um zu möglichst gut vergleichbaren Resultaten gelangen zu können. Die Pflanzen wurden möglichst gleichmäßig gut kultiviert und es wurde dafür Sorge getragen, daß, abgesehen von der im X'ersuche variierten Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 483 Beleuchtung, die übrigen Vegetationsbedingungen möglichst konstant blieben, insbesondere Lufttemperatur, Luft- und Bodenfeuchtigkeit. So weit die direkte Sonnenbeleuchtung auf die Temperatur Einfluß nahm, waren die Versuchsptlanzen allerdings verschiedener Temperatur ausgesetzt. Die Versuche begannen anfangs Mai und wurden Mitte Juni abgebrochen. Während der Versuchszeit herrschten im Mittel folgende Beleuchtungsverhältnisse: ö* Freie Exposition: Lichtsumme (Integral) des gesamten diffusen Tageslichtes 100 Nordlage (N): Lichtsumme (Integral) des diffussen Tages- lichtes 33 Ostlage (E): Lichtsumme (Integral) des diffusen Tages- lichtes 30 Südlage (S): Lichtsumme (Integral) des diffusen Tages- lichtes 35^ Versuche mit Robinia pseudoacacia. Die Aufstellung erfolgte auf den Standorten N, E und S am 9. Mai. N. Beginn des Treibens am 25. Mai. Die Entwicklung des Laubes ging sehr langsam vonstatten. Am 26. Mai waren die gegen E und S exponierten Pflanzen schon reich belaubt, während die N-Pflanze noch im Beginne der Belaubung stand. Am 10. Juni war die Pflanze reich beblättert, sie hatte 120 Blätter ausgebildet, welche ganz normal aussahen, ja sogar merklich intensiver grün gefärbt erschienen als die E- und S- Pflanze. Die Pflanze treibt noch weiter. E. Das Treiben begann am 17. Mai. Bis zum 10. Juni hatten sich 136 Blätter gebildet. Die Pflanze treibt noch weiter. S. Das Treiben wurde schon am 15. Mai konstatiert. Bis zum 10. Juni hatten sich 135 Blätter gebildet. Die Pflanze treibt noch weiter. 1 Es war beabsichtigt, bei jeder der Expositionen (N,E und S) den dritten 'J'eil des gesamten diffusen Tageslichtes herrschen zu lassen, was aber nicht vollständig gelang. Sitzb. d. mathem. naturw. Kl. : CXIIL Bd., Abt. L 33 484 F. Wiesner, Blätter und Blättchen aller drei Versuchspflanzen stimmen in den Dimensionen miteinander nahezu überein. Eine ein- gehende Messung hat gelehrt, daß die Blättchen der N-Pflanze eben merklich größer waren als die der E- und S-Pflanze. Mittlere Gewichte der am vollkommensten aus- gebildeten Blätter. N 0-335^ E 0-328^ S 0-357^. Lebendgewicht des ganzen Laubes. N 35-60^ E 39-07^ S 47-74^. Erwähnenswert scheint es mir, daß die Sprosse der N- Pflanze viel gedrungener waren als die der E- und S-Pflanze; es hatten nämlich die Stengelglieder durchschnittlich nur den dritten Teil der Länge im Vergleiche zu den Internodien der beiden letzteren, welche im Mittel fast ganz miteinander über- einstimmen. Man sollte vermuthen, daß die auf dem E- und S- Standorte zur Wirkung gekommenen größeren Lichtintensitäten eine stärkere Hemmung des Längenwachstums der hiternodien hätten bewirken sollen. Allein tatsächlich war dies nicht der Fall. Und dies scheint mir umso bemerkenswerter, als, wie die zuletzt angeführten Zahlen lehren, die Produktion an organischer Substanz doch eine relativ recht beträchtliche war, jedenfalls nicht so gering ausfiel, als daß sich hieraus ein auffallendes Zurückbleiben der Internodien könnte ableiten lassen. Die Pflanzen auf den Standorten E und S empfingen von der ganzen Lichtmenge nicht so viel, als es der Fall gewesen wäre, wenn die Blättchen in unveränderlicher Lage geblieben wären. Mit steigender Sonnenhöhe erhoben sich die Blättchen in der bekannten Weise, wodurch ein Teil der parallelen Strahlung nur in geschwächtem Maße diesen Organen zugeführt wurde. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 485 &• Aus den vorgeführten Beobachtungen ist ersichtlich, daß das Laub der Robinia Pseudoacacia im ausschließlich diffusen Lichte, selbst wenn dies nur den dritten Teil des diffusen Gesamtlichtes beträgt, zu vollkommen normaler Entwicklung kommt. Die direkte Strahlung hatte allerdings eine sehr beträchtliche Beschleunigung der Entwicklung der Blätter herbeigeführt, sonst aber keine spezifische Wirkung hervor- gebracht. Versuch mit Amorpha fniticosa. Beginn der Versuche wie bei Robinia. Das Treiben der Knospen begann: N am 21. Mai E » 14. » S » 12, > Am 28. Mai waren die E- und S-Pflanzen bereits reich belaubt, während bei der N-Pflanze die Belaubung noch sehr schwach war. Am 10. Juni war diese letztere Pflanze auch schon gut beblättert, es hatten sich aber erst 55 Blätter vollkommen ausgebildet, während die E-Pflanze 94 und die S-Pflanze 86 hervorbrachte. Die Blätter hatten sich an allen Standorten in anscheinend völlig gleicher Weise ausgebildet. Nur waren die der N-Pflanze erkennbar dunkler gefärbt. Es zeigt sich also auch hier dieselbe Erscheinung wie bei Robinia, daß nämlich auf dem N-Standort das gebildete Chloro- phyll besser erhalten bleibt als an dem S- und E-Standorte. Offenbar reichen die Schutzeinrichtungen gegen Chlorophyll- zerstörung durch das Licht bei diesen beiden Gewächsen nicht völlig aus, um sie gegen die starke direkte Strahlung bei hohem Sonnenstande genügend zu schützen. Dieser Schutz ist, wie bekannt, hauptsächlich darin zu suchen, daß die Blättchen sich bei hohem Sonnenstande in die Richtung des einfallenden Lichtes zu stellen trachten. Werden sie künstlich in jener Lage zurückgehalten, welche sie bei mäßiger Beleuchtung angenommen haben, unter welchen Verhältnissen sie von den Sonnenstrahlen unter großen bis 90° gehenden Winkeln 33* 486 J. Wiesner, getroffen werden, so verlieren sie, wie ich schon früher zeigte, einen Teil ihres Chlorophylls.^ Am 10. Juni trieben noch alle drei Pflanzen weiter. Mittlere Lebendgewichte der am vollkommensten ausgebildeten Blätter. N 1-030^ E 1-033^ S 1-061^ Lebendgewicht des ganzen Laubes. N 36-85 E 51-52 S 61-88 Auch an Aniorpha wurden am N-Standorte weitaus ge- drungener gebaute Sprosse als auf den E- und S-Standorten beobachtet. Auch hier zeigte sich also, daß die Internodien der nur im diffusen Lichte gestandenen Pflanzen bei sonst normaler Ausbildung des Laubes eine auffallend geringere Länge als an jenen Standorten hatten, wo sie der direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt waren. Die mitgeteilten, auf Amorpha bezugnehmenden Beob- achtungen lehren im Grunde genommen dasselbe, was sich in den parallelen mit Robinia angestellten ergab: daß nämlich auch die Laubsprosse der ersteren im ausschließlich diffusen Lichte zur normalen Entwicklung gelangen, selbst wenn der Anteil dieses Lichtes nur den dritten Teil des gesamten diffussen Lichtes beträgt. Die direkte Sonnenstrahlung hat auch in diesem Falle keine spezifische Wirkung hervorgebracht, sondern nur beschleunigend und begünstigend auf das Wachs- tum gewirkt. Es ist hier nur von der Laubbildung die Rede gewesen. Wie die direkte Sonnenstrahlung auf die Blütenentwicklung wirkt, wurde nicht untersucht. Es sei nur bemerkt, daß die S-Pflanze ("Amorpha friiticosa) am 4. Juni zu blühen begann, an der 1 Wiesner: Die Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylls der Pflanze. Wien 1876. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 487 E-Pflanze erst am 12. Juni die Blütenstände sichtbar wurden, an welchem Tage dieN-Pflanzen noch keine Spur der Blütenanlagen erkennen ließen. Versuche mit Broussonetia papyrifera. Keines der von mir untersuchten sommergrünen Holz- gewächse ergab einen so beträchtlichen Unterschied in der Aus- bildung der Blätter, je nachdem sie während ihrer Entwicklung bloß dem diffusen oder auch dem Sonnenlichte ausgesetzt waren, als der Papiermaulbeerbaum. Es wurden die Topfpflanzen nach N, E und S wie in den früheren Versuchen aufgestellt, auch an demselben Tage, zu welcher Zeit diese Gewächse noch völlig unbelaubt waren, aber eben sich anschickten, ihre Knospen zu entfalten. Während die nach S orientierten Pflanzen schon am 14. Mai zu treiben begannen, trat bei der Exposition nach E das Treiben erst am 16. Mai ein und verzögerte sich bei den nach N gewendeten Exemplaren bis zum 20. Mai. Die S- und E-Exemplare waren schon schön grün belaubt (28. Mai), während das N-Exemplar noch sehr kleine, wenig entwickelte Blätter trug. Wie die Belaubung sich bei diesen drei Expositionen gestaltete, geht aus der nachfolgenden Zusammenstellung hervor, in welcher zum Vergleiche auch noch Zahlen angeführt sind, die sich auf das Laub eines im Freien stehenden, dem vollen Tageslichte exponierten Baumes beziehen. Exposition nach Zahl der ausgewach- senen Blätter (10. Juni) Dimension der größten Blätter Gewicht der größten Blätter Gesamt- gewicht! der ausgewach- senen Blätter Länge Breite N 40 36 42 11-42 16-3 22-4 24-8 6-9 w/« 10-6 12-2 14-5 0-34/ 0-52 1-24 1 51 13-8^ 22-5 36-2 E S Freistehender Baum 1 Im frischen Zustande bestimmt. '- Immer inklusive Blattstiel gemessen. 488 J. Wiesner, Es hatte sich also nicht nur eine beträchtliche Verspätung in der Laubentwicklung der bloß der Einwirkung des diffusen Tageslichtes ausgesetzt gewesenen Pflanze eingestellt; es ist auch die entwickelte Laubmasse im Vergleiche zu der, auch der Sonnenbeleuchtung zugänglich gemachten Pflanze sehr gering ausgefallen. Besonders auffallend ist das Zurückbleiben der Blatt- dimensionen bei der nach N exponiert gewesenen Pflanze. Man sieht aus obiger Zusammenstellung, daß das Blatt im völlig aus- gewachsenen Zustande eine desto größere Länge und Breite erreichte, je höher die Lichtintensität war, welcher es während seiner Entwicklung ausgesetzt war. Die förderliche Lichtwirkung ging in den mit der E und der S-Pflanze angestellten Versuchen von der direkten Wirkung der Sonnenstrahlen aus, womit nicht gesagt sein soll, daß nicht ein Äquivalent gleich intensiv diffuser Strahlung die gleiche Wirkung hätte hervorbringen können; die Erörterung dieser Frage bleibe indes hier unberührt. Aber das lehrt die Versuchs- reihe, daß mit der Zunahme der täglichen Lichtstärke die Blätter an Größe zunahmen. Aus diesen Beobachtungen über die Dimensionen der Blätter der Broussonetia papyrifera, welche bei verschiedener Lichtintensität erwuchsen, ist zu ersehen, daß wir hier ein Ge- wächs vor uns haben, dessen Blätter mit der Zunahme der Lichtstärke sehr beträchtlich an Größe zunehmen. Indes sind auch die Blätter dieser Pflanze jenem Gesetze unterworfen, welches ich schon in dem ersten Teile meiner »Photometri- schen Untersuchungen«^ nachgewiesen habe: daß nämlich mit steigender Lichtintensität die Größe der (typi- schen) Laubblätter nur bis zu einer bestimmten Grenze (Optimum) steigt, dann aber mit weiterer Steigerung der Lichtintensität die hierbei sich ent- wickelnden Blätter wieder an Größe abnehmen. Wie ich damals nachgewiesen habe, liegen die Optima bei ver- schiedenen Pflanzen verschieden hoch. Zweifellos kommt den Blättern von Broussonetia papyrifera ein sehr hohes Optimum 1 L. c. p. 330. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 489 ZU. Doch glaube ich, daß innerhalb der Verbreitungsbezirke dieses Baumes dieses Optimum überschritten wird, d. h. daß auf den Standorten dieses Baumes doch Lichtintensitäten herrschen, welche das Wachstum der hierbei sich entwickelnden Blätter herabsetzen. Ich habe dies selbst bei den in unseren Gärten auftretenden Bäumen bemerkt, indem die völlig ausgewach- senen Blätter nicht in der Peripherie des Baumes, sondern innerhalb der Krone das Maximum ihrer Dimensionen er- reichen. Es hat den Anschein, als würde das Blatt der Broussonetia papyrifera jede Lichtmenge ohne Gegenwehr auf sich ein- wirken lassen, die ihm auf seinem Standorte geboten wird und sich total anders verhalten, als die beiden auf lichtstarken Stand- orten vorkommenden, zuletzt abgehandelten Holzgewächse |^i?o- binia und AmorphaJ , welche bei hohem Sonnenstande durch eine Variationsbewegung ihre Blatt chen so stellen, daß das starke Licht, nämlich ein für sie schädlicher Lichtüberschuß, abgewehrt wird, vor allem zum Schutze des Chlorophylls^. Es ist aber von L. und K. Linsbauer^ nachgewiesen worden, daß die peripher gestellten, also die am stärksten beleuchteten und der direkten Isolation am meisten ausgesetzten Blätter der Broussonetia papyrifera sich gerade während der Zeit der stärksten Beleuchtung durch Konkavwerden ihrer Lamina nach oben so krümmen, daß sie einen Teil des auf sie fallenden Sonnenlichtes abwehren. Es sind also die peripher situierten Blätter dieses Baumes panphotometrisch, aber dieser panphoto- metrische Charakter ist nur zur Zeit stärkster Beleuchtung scharf ausgeprägt. Die im Innern der Krone stehenden Blätter bleiben fortwährend flach ausgebreitet. Im anatomischen Bau unterscheiden sich die bloß unter der Wirkung des diffusen Lichtes gestandenen Blätter der untersuchten Pflanzen nicht von den unter natürlichen Ver- hältnissen aufgewachsenen. 1 Wiesner 1. c. p. 44 ff. - Über eine Bewegungserscheinung der Blätter von Broussonetia papyri- fera. Berichte der Deutschen botanischen Gesellschaft XXI (1903), p. 27 ff. 490 J. Wiesner, Auch in der Stärke der Assimilation scheinen sie sich von den auf natürlichen Standorten erwachsenen nicht zu unter- scheiden. Ich habe gemeinschaftlich mit meinen Assistenten, den Herren Dr. K. Linsbauer und Dr. Jencic, die Blätter der an den genannten Standorten erwachsenen Pflanzen der bekannten Sachs'schen Jodprobe auf Stärke unterworfen und wir waren über das Resultat erstaunt. In keinem Falle war die Slärke- menge der N-Pflanzen geringer als die der E- und S-Pflanzen. Aber in der Mehrzahl der Fälle war die durch die Jodlösung hervorgerufene Bläuung gerade an den N-Pflanzen die stärkste. Da aber, wie wir gesehen haben, die Produktion der or- ganischen Substanz bei den besonnt gewesenen Pflanzen eine größere war, so muß geschlossen werden, daß bei diesen Pflanzen die Ableitung der Assimilate und deren Verwertung bei dem Aufbau der Organe rascher als bei den bloß dem diffusen Lichte ausgesetzt gewesenen Individuen vor sich gegangen sein mußte. Nach allen von mir v^orgenommenen Untersuchungen kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß unsere sommergrünen Holzgewächse ihr Laub im ausschließlich diffusen Lichte zur normalen Entwicklung zu bringen befähigt sind. Das Sonnenlicht wirkt nur beschleunigend, auch wohl begün- stigend, nicht aber spezifisch auf die Laubbildung ein. In der Organisation der im diffusen und im gemischten Lichte erwach- senen Blätter ergaben sich kleine, aber doch auch nur graduelle Unterschiede, so die schwache Behaarung bei im diffusen Lichte erwachsenen Blättern der Buche. Diese sommergrünen Bäume und Sträucher ziehen also aus der Bestrahlung durch die Sonne Vorteil. Es muß indes beachtet werden, daß in den obigen Versuchen die Menge des diffusen Lichtes, welches auf die in der Nordlage befindlichen Pflanzen einwirkte, nur etwa den dritten oder vierten Teil vom gesamten diffusen Tageslichte aus- machte. Es ist selbstverständlich, daß, wenn das gesamte diffuse Tageslicht auf die Pflanzen eingewirkt haben würde, die Totalwirkung auch rücksichtlich des zeitlichen Eintrittes der einzelnen Vegetationsphasen noch weniger hinter jener des gemischten (aus diffuser und direkter Sonnenstrahlung be- stehenden) Lichtes zurückgestanden wäre. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. 49 I Wahrscheinlich werden sich wärmeren Vegetations- gebieten angehörige sommergrüne Holzgewächse in ihrer Heimat genau so wie unsere sommergrünen Pflanzen bei uns gegen das diffuse und das gemischte Licht verhalten. Wenn solche Pflanzen bei uns diesen beiden Lichtqualitäten ausgesetzt sind, so tritt bei ausschließlicher Beleuchtung im diffusen Lichte eine sehr beträchtliche Verzögerung der Laubbildung ein. Besonders merkwürdig ist das Verhalten der Brousso- netia papyrifera, nämlich das starke Zurückbleiben der Blatt- gi-öße bei ausschließlich diffuser Beleuchtung im Vergleiche zu jener, welche sich im gemischten Lichte einstellt. Wenn nun auch die vorgeführten Versuche lehren, daß das diffuse Licht bei unseren sommergrünen Gewächsen aus- reicht, um deren Laub zur normalen Entwicklung zu bringen und sich zwischen den bloß im diffusen Lichte und den im ge- mischten Lichte zur Entwicklung kommenden Blättern nur graduelle Organisationsänderungen ergeben, so soll damit nicht gesagt sein, daß die Steigerung der durch die direkte Sonnen- strahlung bewirkten Lichtstärke nicht von großem Einflüsse auf die Produktionsmenge der durch die Laubblätter erzeugten organischen Substanz sein könne. Es geht dies ja schon aus den vergleichenden mit Broussonetia angestellten Beobachtun- gen hervor. Und die durchwegs beobachtete Raschheit der Laubentwicklung im gemischten Lichte ist ein weiterer Beleg dafür. Auf einen genauen quantitativen Vergleich bezüglich der Wirkung des direkten und des diffusen Sonnenlichtes ist hier nicht eingegangen worden, es sollte nur gezeigt werden, daß das Laub der sommergrünen Holzgewächse im aus- schließlich diffusen Lichte zur normalen Entwicklung gebracht werden könne und daß dieselbe bei sogenannter Sonnen- beleuchtung (nämlich im aus direktem Sonnen- und diffusem Tageslichte gemischten Lichte) stets eine zeitliche, in manchen Fällen (Broussonetia) eine materielle Förderung (d. i. eine relative Vermehrung der Substanzmenge) erfahre. Die Frage, welche Wirkung die direkte Sonnenstrahlung auf die Vorgänge der Laubbildung ausübt, ist hier nur indirekt, nämlich nicht durch das direkte Experiment beantwortet 492 J. Wiesner, worden; wenn hier von Sonnenbeleuchtung die Rede war, so war doch immer gemischtes Licht gemeint. In der oben genannten sehr wertvollen Abhandlung Hesselman's über das Pflanzenleben schwedischer Laub- wiesen werden zahlreiche Beobachtungen über Kräuter, Stauden und Holzgewächse mitgeteilt, aus welchen unter steter Bezugnahme auf den Lichtgenuß abgeleitet wird, wie groß die Produktion der organischen Substanz im »Schatten« und »in der Sonne« sich gestaltet. Es zeigt sich im allgemeinen eine bedeutend stärkere Produktion organischer Substanz in der Sonne als im Schatten. zAber auch bei Hesselman ist, wie in meinem oben mitgeteilten Versuche, unter Sonnenlicht ein Lichtgemisch zu verstehen, welches aus direktem Sonnen- und diffusem Tageslichte besteht. Über die spezifischen Wirkungen des direkten Sonnen- lichtes behalte ich mir \-or, in der Fortsetzung meiner photo- metrischen Untersuchungen zu berichten. Zusammenfassung der Resultate. L Die angestellten Beobachtungen lehren, daß bei der Laubbildung sommergrüner Holzgewächse das Minimum des Lichtgenusses mit fortwährender Blattbildung immer mehr und mehr sinkt und mit Vollendung der Belaubung einen stationären Wert erreicht. (Wurde für einzelne Fälle vom Verfasser schon früher konstatiert.) 2. Die Anfangsminima sind relativ sehr hoch gelegen. Beispielsweise beträgt das Anfangsminimum bei Fagiis silvatica (Wien, Waldbaum) Vs t>is Y^, das stationäre Minimum hin- gegen Vgo- 3. Diese hohen Minima stellen sich als Anpassungs- erscheinungen dar, welche auf einer merkwürdigen durch Licht ausgelösten Korrelation beruhen: Es kommen in der freien Natur nur die relativ am besten beleuchteten Laub- sprossen zur Ausbildung, welche die minder gut beleuchteten mehr oder weniger vollständig unterdrücken. 4. Im Experiment läßt sich das Anfangsminimum durch künstlich eingeleitete gleichmäßige Beleuchtung sehr stark herabdrücken, sogar unter das stationäre Minimum. Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklun"'. 49 Q 5. Unsere sommergrünen Holzgewächse vermögen unter dem ausschließlichen Einfluß des diffusen Tageslichtes sich normal zu belauben. Es gelang bei der Buche die Laubblätter selbst durch den vierten Teil des herrschenden diffusen Tages- lichtes innerhalb der normalen Entwicklungszeit des Laubes dieses Baumes (April bis Mai) zur völligen Ausbildung zu bringen. Es wurde dies konstatiert an Pflanzen, welche durch Aufstellung gegen den nördlichen Himmel der ausschließlichen Wirkung des diffusen Tageslichtes ausgesetzt waren. 6. Durch Kultur von Holzgewächsen, welche im Experiment so gegen den östlichen oder südlichen Himmel gewendet waren, daß sie an diffusem Lichte so viel erhielten, als die nach Norden gewendeten Pflanzen, erfolgte die Laubent- wicklung vergleichsweise beschleunigt, was auf die Wirkung des Sonnenlichtes zu stellen ist. 7. Bei sommergrünen Holzgewächsen, welche aus wär- meren Vegetationsgebieten stammen, tritt (hier in Wien) bei Kultur im ausschließlich diffusen Tageslichte eine noch auf- fallendere Verzögerung in der Belaubung im Vergleiche mit der in der Ost- und Südlage befindlichen Pflanze ein, als bei den einheimischen sommergrünen Holzgewächsen. 8. Die aus höher temperierten Vegetationsgebieten stam- menden sommergrünen Holzgewächse verhalten sich, bei uns im ausschließlich diffusen Lichte gezogen, rücksichtlich der erlangten Blattgröße so wie unsere einheimischen sommer- grünen Holzgewächse, insbesondere diejenigen der ersteren, welche wie Rohinia Psetidoacacia das starke Sonnenlicht abwehren, während Holzgewächse der genannten Gebiete, welche diese Eignung nicht oder nur in geringem Maße besitzen (Brotissonetia papyrifera), in der Blattgröße hinter den besonnten Pflanzen zurückbleiben. Bei diesen Gewächsen ist die durch die direkte Besonnung herbeigeführte Beschleunigung der Laubblattentwicklung im allgemeinen eine stärkere als bei unseren einheimischen sommergrünen Holzgewächsen. 9. Die im ausschließlich diffusen Tageslichte kultivierten Holzgewächse erhielten den dritten, beziehungsweise sogar nur den vierten Teil des gesamten diffusen Tageslichtes, 494 J. Wiesner, Einfluß des Lichtes auf die Laubentwicklung. während die Vergleichspflanzen an dem südlichen und östlichen Standorte dem dritten, beziehungsweise vierten Teile des ge- samten diffusen Tageslichtes und zudem der direkten Sonnen- strahlung ausgesetzt waren. Durch die Sachs'sche Jodprobe wurde in der Regel die größte Stärkemenge in den bloß dem diffusen Tageslichte aus- gesetzt gewesenen Blättern nachgewiesen. In keinem Falle war die Stärkemenge in den dem Nordhimmel exponiert ge- wesenen Blättern geringer als bei den andern Expositionen. Da aber in der Süd- und Ostlage mehr organische Substanz produziert wurde als in der Nordlage, so ist anzunehmen, daß die Ableitung der Assimilate und deren Verwertung im Aufbau der Organe bei den besonnt gewesenen Versuchspflanzen rascher vor sich gegangen sein mußte als bei den bloß dem diffusen Lichte ausgesetzt gewesenen Vergleichspflanzen. 10. Die herbstliche Entlaubung der sommergrünen Holz- gewächse hat den Zweck, eine relativ große Menge von Licht und damit auch direktes Sonnenlicht den Laubknospen zu sichern, was um so erforderlicher erscheint, als die Belaubung dieser Gewächse in eine relativ kalte Periode fällt und gerade zur Laubentwickiung eine große Lichtmenge erforderlich ist. 495 Die Silikatschmelzen (II. Mitteilung) von C. Doelter, k. M. k. Akad. (Mit 4 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 7. Juli 1904.) Meine am 18. Februar d. J. vorgelegte Arbeit über Silikat- schmelzen bezog sich zum größeren Teil auf Beobachtungen an erstarrten Schmelzen und auf die Bestimmungen der Schmelzpunktskurven von Silikatgemengen. Meine damals be- gonnenen Studien, welche die direkte Beobachtung der erstar- renden Schmelze unter dem Mikroskop beabsichtigen, habe ich fortgesetzt und eine größere Anzahl von Schmelzen auf diese Weise untersucht. Durch die Unterstützung der kaiserl. Akademie war es mir möglich, eine größere Anzahl von Quarzschälchen und Mikroskopöfen anzuschaffen. Schwierigkeit bereitet die Beschaffung des Materials, da nur Kristalle verwendet werden sollen, die möglichst rein sind. Das Kristallisationsmikroskop für hohe Temperaturen. In meiner ersten Mitteilung gab ich die Abbildung des elektrischen Ofens, welcher auf den Mikroskoptisch gestellt wird ; es erwies sich jedoch die Konstruktion eines besonderen Mikroskopes zur Beobachtung erstarrender Silikatschmelzen als notwendig. Dasselbe unterscheidet sich von den petrographischen Mikroskopen durch entsprechenden Abstand zwischen Objektiv 496 C. Doelter, und Mikroskoptisch. Es ist unten mit einem Nicol und einer Irisblende versehen. Jedes Nicol ist für 'sich drehbar, ebenso ist der Tisch des Mikroskopes drehbar und die Umdrehung meßbar. Der große Abstand zwischen Mikroskoptisch und dem Ob- jektiv gestattet nun höhere Öfen als den früher beschriebenen zur Verwendung zuzulassen. Dies ist notwendig, wenn man die Temperatur bis 1400° erhöhen will. Für Temperaturen bis 1260° ungefähr bediene ich mich des kleineren Ofens, der eine Höhe von zirka 54 ww hat; um die Temperatur noch mehr steigern zu können, wurde von der Firma W. C. Heraeus in Hanau ein höherer Ofen konstruiert (zirka SO mm Höhe). Durch die gute Abkühlung der Objektiv- linse vermittels Wasser, welches durch eine Kältemischung geflossen, gelingt es, diese Linse in unmittelbarste Nähe des Ofens zu bringen und daher auch etwas stärkere Vergrößerungen anzuwenden. Als Okular verwende ich Nr. 4. Mikrometrische Messungen vermittels eines Mikrometer- okulars sind durchführbar Die Adaptierung eines photographischen Apparates ist im Gange, um die verschiedenen Erstarrungsstadien wiederzu- geben. Als Objektträger dienen kleine Quarzglasschälchen (aus ge- schmolzenem Bergkristall), die vermittels eines Plaünträgers an jedem beliebigen Punkte des Ofens anzubringen sind. Nebenstehend eine Abbildung des von C. Reichert in Wien konstruierten Mikroskopes. Da bei sehr hoher Temperatur die Interferenzfarben nicht sichtbar sind, so ist man zur Unterscheidung auf die Kristall- form angewiesen, auch die geringere oder stärkere Brechbarkeit kann beobachtet werden. Da es sich aber nur um wenige Kristallarten handelt, so ist die Unterscheidung nicht so schwierig. Manche Mineralien scheiden sich mehr faserig ab, so mitunter der Augit, der oft außer deutlichen Kristallnadeln auch garbenförmige Aggregate bildet und ebenso derNephelin; letzterer läßt sich gut an den selten fehlenden trigonalen und hexagonalen Wachstumsformen erkennen. Selbstverständlich wird man auch die nachträgliche Untersuchung der erstarrten Die Silikatschmelzen. 497 Schmelze vornehmen, um die erhaltenen Resultate zu kon- trollieren. Es wurde eine Reihe von Mischungen teils von zwei, teils von drei Komponenten hergestellt, aus diesen wurde ein Glas Fig. 1. Kiistallisationsmikroskop für hohe Temperaturen. geschmolzen und davon ein dünner Schliff hergestellt, dessen Erstarrung beobachtet wurde. Die Erstarrungszeit betrug in dieser Beobachtungsreihe zirka zwei Stunden; die Versuche wurden aber derart aus- 498 C. Doelter, geführt, daß von zehn zu zehn Grad abgekühlt wird und dann durch 10 Minuten ein Stillstand in der Abkühlung eintritt, dann herrscht während dieser 10 Minuten konstante Temperatur und es können die Kristalle sich langsam abscheiden; hierauf wird wieder um 10° gekühlt und durch 10 Minuten die Temperatur wieder konstant gehalten u. s. f. Die Abkühlung um 100° er- folgt demnach in ungefähr 100 Minuten. Um die langsame Ab- kühlung zu erreichen, ließ ich einen besonderen kleinen Wider- stand konstruieren, der eben sehr langsam die Amperezahl ver- ringert. Für den Ofen ist ein Verbrauch von höchstens 5 Ampere nötig und kann die Verringerung so langsam erfolgen, daß man durch lange Zeit die Temperatur konstant erhalten kann und sogar eine Einstellung auf 5° erreichen kann. Es wurden Mischungen von zwei Komponenten und solche von drei untersucht. Da außer den direkten Beobachtungen unter dem Mikroskop auch noch Versuche mit den in Tiegeln durch zirka 7 Stunden erstarrten Schmelzen vorlagen, so war ein Vergleich möglich. Die Resultate waren fast stets dieselben. I. Mischungen von zwei Komponenten. 1. Mischungen von Labradorit und Augit. Über die Beobachtungen an erkalteten Schmelzen und über die Schmelz- punkte derselben wurde bereits früher berichtet. Es wurden untersucht die Mischungen Labradorit, Augit im Verhältnis 2:1,9:1. Mischung von 2 Labradorit, 1 Augit. Schmelzpunkt 1150°. Maximaltemperatur 1240°. Bei 1150° keine Kristallbildung. » 1140° einzelne sehr seltene Augitmikrolithe. » 1130° stärkere Augitbildung, gleichzeitig bilden sich ein- zelne rundliche Magnetite. » 1 120° scheiden sich viele Augitkristalle ab, ganze garben- förmiger Gruppen, nur wenig Plagioklas. » 1110° Fortsetzung der Augitbildung. » 1 105° scheidet sich der Plagioklas mesostatisch ab, gleichzeitig weitere Augitbildung. Die Silikatschmelzen. 499 Bei 1100° reichliche Plagioklasbildung, massenhafte Filz- bildung, wobei der Filz aus kleinen Nadeln von Plagioklas besteht. » 1090° scheiden sich zwischen den früher gebildeten Augiten noch größere Plagioklasnadeln ab. * 1075 bis 1060° weitere Plagioklasbildung zwischen den Augiten. y> 1050° starr. Mischung von 9 Labradorit, 1 Augit. Schmelzpunkt 1150°. Maximaltemperatur 1260°. Bei 1^50° findet keine Ausscheidung statt. » 1145° sehr wenige Augitnadeln und Büschel an sehr ver- einzelten Stellen. » 1140° starke Plagioklasbildung, dieselbe zeigt sich wie eine Mesostasis. » 1130° noch Augitnadeln in größerer Menge, gleichzeitig Plagioklasbildung. f 1100° weitere allgemeine Plagioklasbildung. » 1075° sehr viel Plagioklasnadeln. » 1040° bilden sich noch Plagioklasnadeln. ö' 1020° starr. Demnach bildet sich hier zuerst eine Spur von Augit, dann folgt starke Plagioklasbildung, wieder Augit und schließlich bis zur Erstarrung fortwährend Plagioklasausscheidung. 2. Mischung von 3 Anorthit, 1 Hedenbergit. Schmelz- punkt 1180°. Maximaltemperatur 1200°. Bei 1140° Augitbildung in sehr geringer Menge. » 1030° scheidet sich Plagioklas ab. » 1000° Anorthitbildung fast gleichzeitig damit: » 990° Augitbildung in größerer Menge. » 960° starr. Also zuerst Ausscheidung kleiner Augitmengen, dann die Hauptbildung des Plagioklases, hierauf größere Plagioklas- Augitbildung. Sitzb. d. mathera.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 34 500 C. Do elter, 3. Mischung von Lahr adorit und Olivin. Es wurde die früher^ erwähnte Mischung 3:1 unter dem Mikroskop unter- sucht. Mischung von 3 Labradorit, 1 Olivin. Schmelzpunkt 1190°. Maximaltemperatur 1255°. Bei 1150° Spuren von Magnetit. stark brechende Nadeln von Olivin, oft aufeinander senkrecht stehend (Fig. 2) oder Winkel von 45° bildend. weitere Bildung solcher Nadeln, keine Veränderung. Plagioklasbildung. starke Plagioklasbildung (filziges Aggregat von Nadeln), vielleicht Olivin? 1060 bis 1040° 1145' 1140' 1120' 1110' 1080' bilden sich Plagioklasnadeln. 1020° starr. Fig. 2. Aus dem Augit scheidet sich etwas Magnetit aus, dann unzweifelhafter Olivin, zum Schluß Labradorit. 4. Mischungen von Augit und Olivin. Mischungvon 10Olivin,90 Augit. Schmelzpunkt 1160°. Maximaltemperatur 1230°. Bei 1155° bilden sich lange Olivinnadeln. » 1150° Magnetitbildung. » 1140° bilden sich Augitnadeln, gleichzeitig daneben etwas Olivin. 1 Diese Sitzungsber., Februarheft, 1904. Die Silikatschmelzen. 501 Bei 1135° erscheinen größere Olivine, tafelartig, gleichzeitig. » 1130° starke Augitbildung. » 1125 bis 1100° starke Augitbildung. » 1050° starr. Der Oiivin ist das erste Ausscheidungsprodukt, aber Olivin und Augit bilden sich zwischen 1140 bis 1130° auch gleich- zeitig, später scheidet sich nur Augit ab. Angewandt wurde hier ein gelblichgrüner Chrysolith aus Ceylon, dessen chemische Zusammensetzung Michaela Vuc- nik durch eine Analyse feststellte. Sie erhielt folgende Zahlen: Analyse eines Olivins von Ceylon: SiO^ 40 FeO 11 MgO 47 CaO 0 21 33 48 57 99-59 Dies entspricht einer ungefähren Mischung von 8 (Mg.SiOJ (Fe,SiOJ. Der Schmelzpunkt beträgt zirka 1310°. Mischung von Augit 4 und Olivin 1. Schmelzpunkt 1180°. Maximaltemperatur 1260°. Erste Ausscheidung bei 1 150°. Einzelne Nadeln von Olivin. weitere Bildung von Olivin in einzelnen Kristallen. scheidet sich Magnetit ab, aber nur in sehr geringer Menge. Es bilden sich noch Olivine, Spur von Augit. starke Augitbildung. dasselbe. » 1000 bis 960° weitere Augitbildung. » 940° starr. Demnach scheidet sich von 1150 bis 1100° Olivin ab mit Spuren von Magnetit bei 1110°, hierauf kommt bis 960° die Augitbildung, bei 1100° findet neben reichlicher Olivinbildung 34* ei 1140 » 1110 » 1090 » 1020 502 C. Doelter, auch Abscheidung von geringer Menge von Magnetit und Augit statt. Mischung von 1 Hedenbergit, 2 Leucit. Schmelz- punkt 1150°. Dieser Versuch ergab, da etwas zu rasche Abkühlung ein- trat, nur Bildung von Augit zwischen 1100 bis 1050°. Der Leucit erstarrte glasig. 6. Mischungen von Albit und Olivin. Mischung von 1 Albit und 1 Olivin.^ Schmelzpunkt 1140°. Maximaltemperatur 1180°. Die erste Ausscheidung erfolgte bei 1085°. Kleine Nadeln, wahrscheinlich Olivin, es waren aber nur 3 bis 4 zu beobachten. 1075°. Magnetitbildung. 1060°. Es bilden sich unregelmäßige kurze Nadeln von Olivin, gleichzeitig Magnetitkörner. 1040°. Skelettartige Plagioklase. 1020°. Undeutliche Nadeln. 1010°. Magnetitbildung und Plagioklasbildung. (Eutektikum?) 1000 bis 980°. Glasbildung. 960°. Starr. Demnach bildet sich hier zuerst etwas Olivin, dann der in der Mischung nicht vorhanden gewesene Magnetit, hierauf Plagioklas (wahrscheinlich Andesin), dann wieder Magnetit und das reichlich vorhandene Albitglas. •-&' Mischung von Albit 4, Olivin 1. Schmelzpunkt 1150°. Maximaltemperatur 1185°. Die erste Bildung erfolgt erst bei 1120°. Es scheidet sich Magnetit aus. 1110°. Einzelne Olivinnadeln, fast gleichzeitig: 1105°. Magnetitbildung. 1 Es war hier und bei dem nächsten Versuche ein Olivin, angeblich von Almeklovdal (?), der ein Kalkeisenolivin ist, angewendet worden. Die Silikatschmelzen. 503 1100°. Größere Olivine, vereinzelt. 1090°. Vermehrung der Olivine. 1070°. Ebenso. 1030°. 01ivinsl 1170 und 1160° starke Augitbildung. » 1150° Wachsen der vorhandenen Augite. Plagioklasbildung. ebenso, daneben beobachtet man vereinzelt das Wachsen der Augite. Wachsen der Plagioklase, etwas Augit. 1130° 1120° 1110' 1090' 1060' weitere Plagioklasbildung. starr. Die bei 1120° wachsenden Kristalle müßten nach ihrer Bildung noch Zonenstruktur zeigen, da die Zusammensetzung der Schmelze ja eine andere war. Diese Mischung bot auch interessante Aufschlüsse über die Kristallisationsgeschwindigkeit des Augits. Es bilden sich zuerst wenige kurze Nadeln und vereinzelte Kriställ- chen mit mehr Anlehnung zu breiteren Tafeln bis 40° Unter- ^• 'iO f,0 so 100 120 Untcrkählunn Fig. 3. kühlung, hierauf sieht man einzelne Nadeln wachsen und länger werden, es bilden sich aus kleineren größere Nadeln und es schießen auch direkt plötzlich sehr große Nadeln an, es ist dieser Raum zwischen 40 bis 70° Unterkühlung gelegen; hierauf scheinen sich höchstens noch winzige Kriställchen zu Die Silikatschmelzen. 505 bilden, sei es, daß die Kristallisationsgeschwindigkeit abge- nommen hat, sei es, daß keine Augitsubstanz mehr vorhanden ist. Demnach wäre hier die Kurve viel spitzer als bei der Kristallisation des Augites. wenn derselbe allein geschmolzen wird.^ Oliom Maijnetit AuffU OUouv Jjufit AugW Plagioklas Auw^t Flacnoklas Flagioklas FlagLoklas sLarr 1200° 1130- 1175' 1150° 1125° 1100" 10 75" 1000° Fig. 4. 1150' 1145' 1130' Mischung von 15 Olivin, 50 Labradorit, 35 Augit. Schmelzpunkt 1190 bis 1200°. Maximaltemperatur 1220. Bei 1160° bildete sich Olivin in längeren Nadeln. etwas Augit, auch Olivin. kleine Mengen von Plagioklas und Augit. Bildung von viel Augit, fast gleichzeitig: » 1125 bis 1100° Plagioklasbildung. » 1060 » 1020° erneuerte Plagioklasbildung. » 1020° fest. Daher zwischen 1160 bis 1150° Olivinbildung; bei 1150 » 1120° Augitbildung; von 1145° an Plagioklasbildung. Bei 1150 bis 1 145° schieden sich Olivin, Augit und kleine Mengen von Plagioklas gleichzeitig aus, später die Hauptmasse 1 C. Do alte r, Zentralblatt für Mineralogie, 1903. 506 C. Doelter, des Augites, bei 1120° beginnt die Hauptmasse des Plagio- klases sich auszuscheiden. Mischungvon 15Magnetit, 75 Labradorit, 10 Augit. Der Schmelzpunkt beträgt 1195 bis 1200°, erhitzt wurde bis 1285°. Bei 1190° scheidet sich etwas Magnetit und Augit aus. » 1185° starke Plagioklasbildung. » 1180° Magnetit und Augit. » 1 170 bis 1 140° Ausscheidung von Plagioklas und Wachsen der Plagioklaskristalle. » 1080° scheiden sich neuerdings kleine Plagioklase aus. » 1050° ist alles fest. Trotzdem hier eine Unterkühlung nicht eintrat, war doch der vorherrschende Plagioklas nicht zu allererst ausgeschieden, sondern es bildet sich vor allem etwas Magnetit und Augit. Mischung von 45 Eläolith von Miasc, 45 Augit von Monti Rossi, 10 Magnetit vom Mulatto. Schmelzpunkt 1195 bis 1200°. Maximaltemperatur 1245°. Die erste Ausscheidung beginnt bei zirka 1180°. Bei 1180° Spuren von Magnetitbildung. » 1170° weitere Bildung von Magnetitkörnern. » 1165° einzelne Augitnadeln. » 1155° sehr starke Augitbildung, daneben etwas Magnetit. » 1140° weitere starke Augitbildung. » 1135° keine Veränderung. » 1130° einzelne Nepheline. » 1125° Bildung einzelner größerer Augitgruppen, zumeist von faseriger Beschaffenheit, etwas Nephelin. » 1120° keine Veränderung. » 1115° Nephelinbildung, in geringer Menge etwas Augit. » 1105° weitere Nephelinbildung. » 1100 bis 1080° Nephelinbildung. » 1040° starr. Ein Teil der Schmelze, offenbar der Nephelinrest, war glasig erstarrt. Die Silikatschmelzen. 50/ Aus den Untersuchungen geht her\'or, daß das Mengen- verhältnis, wie schon in der ersten Mitteilung hervorgehoben, im ganzen und großen doch einen beschränkteren Einfluß hat; Olivin, Magnetit, Augit scheiden sich zumeist vor Plagioklas, Leucit, Nephelin ab, wie wir es in den Eruptivgesteinen auch beobachten und nur teilweise gleichzeitig. Bei zwei Komponenten beobachten wir stärkere Unter- kühlung als bei drei Komponenten. Bei großem Überwiegen von Plagioklas gegen Augit scheidet sich bei zwei Kompo- nenten zuerst etwas Augit ab, dann folgt die Hauptmasse des Plagioklases and dann wieder die des restlichen Augits. Der Magnetit tritt häufig als Neubildung auf, er entsteht aus eisenreichen Augiten und Olivinen. Der Olivin schied sich auch bei drei Komponenten immer vor dem Labradorit oder Augit aus, ebenso scheidet sich Mag- netit vor Augit, Labradorit aus, Augit, Magnetit vor Nephelin. Der eutektische Punkt hat einen geringeren Einfluß, als theoretisch anzunehmen wäre. Den Vergleich der Ausschei- dungsfolge mit der der Eruptivgesteine und mit den Versuchen und Beobachtungen an erkalteten Schmelzen behalte ich mir bis zum Schlüsse meiner Untersuchungen vor, ebenso die theoretische Erklärung. Impfversuche. Ich muß noch einige Impfversuche erwähnen. Geschmolzene Hornblende, in welche Olivin als Impfstoff getaucht worden war, ergab bei Erstarrung außer Augit auch Olivin. Ich be- merke, daß übrigens die Olivinausscheidung aus Hornblende- schmelzen schon von Löwinson - Lessing'^ beobachtet worden war. Im Gegensatze dazu steht eine weitere Beob- achtung, nämlich daß bei Gemengen von Olivin-Augit durch Impfen mit Olivin sich in der Nähe der Impfstelle kein Augit odersehr wenig ausschied, dagegen fand Anreicherung an Olivin statt, beim Impfen mit Augit trat im Gegenteil Ausscheidung von wenig Olivin und mehr Augit ein. Ähnliche Resultate er- hielt M. Vucnik- mit Gemengen von Albit und Olivin. 1 Congres geolog. intern. St. Petersburg, 1899. '- Zentralblatt für Mineralogie, 1904. 508 C Doelter, Bei Gemengen kann also durch die Aussaat von Kristallen einer Komponente das Verhältnis der beiden Komponenten quantitativ geändert werden, dies ist aber nur dort möglich, wo die beiden Komponenten dieselbe qualitative Zusammensetzung haben. Bei manchen Verbindungen blieb die Impfung resultat- los; so konnte Granat aus seiner Schmelze durch Impfung mit einem höher schmelzbaren isomorphen Glied der Granatgruppe nicht zur Kristallisation gebracht werden. Auch der Versuch, aus Analcim durch Impfung mit Leucit Kristalle eines Natron- leucits zur Kristallisation zu bringen, mißlang. Resultate. Die Resultate dieser Versuche bestätigen also sowohl meine früheren Beobachtungen als auch die durch Beob- achtung erkalteter Silikatschmelzen erhaltenen. Gewisse Silikate haben die Tendenz, sich zuerst auszu- scheiden. Von Nichtsilikaten gehören hieher außer Magnetit auch Korund und Eisenglanz sowie Spinell. Olivin scheidet sich immer vor Augit und vor Labradorit aus, auch vor Nephelin. Der eutektische Punkt fällt oft mit dem Schmelz- punkt zusammen. Die Reihenfolge bei Augit-Labradoritgemengen ist zumeist die, daß Augit sich zuerst ausscheidet, aber namentlich bei Gegenwart einer dritten Komponente kann hier bei geringer Unterkühlung bei vorherrschendem Labradorit die Ausschei- dung so vor sich gehen, daß anfangs nur sehr wenig Augit ausgeschieden wird, dann die Hauptmasse des Labradorits, dann der restliche Augit oder die eutektische Mischung. Die Ursache, warum gewisse Substanzen die Tendenz haben, unabhängig von ihrer Menge sich zuerst auszuscheiden, liegt vor allem in der Schwerlöslichkeit der betreffenden Ver- bindungen im restlichen Magma. Der Schmelzpunkt hat wahr- scheinlich keinen direkten Einfluß. In der dissoziierten Schmelze sind teils Oxyde vorhanden (neben freien Ionen), teils kom- pliziertere AI -haltige Moleküle. Es erfolgt chemische Reaktion nach den Affinitäten. Die nun gebildeten Oxyde und einfache Salze sind schwer löslich Die Silikatschmelzen. 509 und können sich abscheiden (eine Ausnahme macht der Quarz, der aber bei hoher Temperatur nicht existenzfähig ist). Die Reihenfolge der Ausscheidungen stimmt mit der der Stabilität bei hoher Temperatur und dem Kristallisationsvermögen über- ein. Die zuerst ausgeschiedenen Substanzen besitzen große Stabilität bei hoher Temperatur und großes Kristallisations- vermögen. Ein direkter Zusammenhang mit der Basizität braucht nicht angenommen zu werden. Immer bildet sich, wo in einer Schmelzlösung MgO und SiO.3 vorhanden sind, entweder MggSiO^ oder ein Mg-Pyroxen (Enstatit oder monokliner Mg-Augit), wie auch andrerseits MgO und AlgOg leicht zu Spinell zusammentreten und FeO sich mit FcgOg zu Magneteisen verbindet, das sind lauter bei hoher Temperatur stabile Verbindungen, sie sind offenbar im Rest- Magma schwerlöslich und besitzen auch großes Kristallisations- vermögen. Korund, Spinell, Magnetit, Olivin, Augit sind auch diejenigen Verbindungen, welche sich aus der Schmelzlösung zuerst ausscheiden. Korund, Spinell könnten als metastabil an- gesehen werden, da sie sich meist nur bei rascher Abkühlung bilden; jedenfalls sind sie aber bei sehr hoher Temperatur die- jenigen, die sich am leichtesten bilden. Alle die zuerst ausgeschiedenen Verbindungen haben auch großes Kristallisationsvermögen und große Kristallisations- geschwindigkeit. Würde man bezüglich der Affinität Mg-, Ca-Silikate einer- seits, K-, Na-Silikate andrerseits vergleichen, so könnte man zu dem Resultate kommen, daß bei letzteren die Affinität von K, Na größer ist zu Si O^ als die von Ca, Mg zu Si O^- Wir haben aber bekanntlich unter den Mineralien keine reinen K- und Na- Silikate, sondern nur solche Alumosilikate. Wenn also die lonisierungstendenz der Alkalimetalle größer ist als die der Erdalkalimetalle, wie Abegg und Bodländer^ wohl mit Recht annehmen, so wird bei Alumosilikaten die Sachlage sich ändern. Die Affinität von Na und K dürfte bei diesen komplexen Verbindungen für SiOg wohl eher geringer sein. Aluminium 1 Zeitschr. für anorgan. Chemie. XX, 1899. 510 C. Doelter, hat nach Ab egg und B Ödländer große Tendenz zur Kom- plexbildung. Leider liegen keine Untersuchungen über die Dissoziation verschiedener geschmolzener aluminiumhaltiger und alumi- niumfreier Silikate vor; ohne Kenntnis derselben lassen sich die Verhältnisse schwer verfolgen. Die Versuche von Barus und Iddings^ beziehen sich nur auf drei geschmolzene Gesteins- magmen, es läßt sich daraus nur ersehen, daß das saure stärker dissoziiert war als das basische, inwiefern aber darin der Aluminiumgehalt eine Rolle spielt, wissen wir nicht. Vergleich der Silikatschmelzlösungen mit wässerigen Lösungen. In meiner ersten Mitteilung besprach ich ausführlicher einen Unterschied zwischen Silikatschmelzen und wässerigen Lösungen in Bezug auf die Schmelzpunktserniedrigung sowie den eutektischen Punkt bei Silikatgläsern. Seither habe ich noch die Resultate mehrerer anderer Versuchsreihen vor mir gehabt und sie bekräftigen mich in der Ansicht, daß wohl Unter- schiede vorliegen und daß die van't Hoff sehe Formel für die Gefrierpunktserniedrigung bei Silikatschmelzen kaum anwend- bar sein dürfte. Ob die Silikatschmelzen den Gesetzen der verdünnten Lösungen folgen, ist auch noch keineswegs festgestellt, wenn auch andrerseits eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, aber Abweichungen sind sicher. Ich habe früher einige Unterschiede gezeigt. (Die Silikatschmelzen, I. Alitteilung.)- Was die Berechnung des Molekulargewichtes durch die in 0-02 T- Formel t = A, worin A := ist, anbelangt, so kann M R sie nur dann berechtigt sein, wenn man verdünnte Lösungen nehmen würde und solche SiUkate, welche keine chemischen Umsetzungen im Schmelzflusse miteinander eingehen. Es ist ziemlich sicher, daß bei verschiedenen Konzentrationen t nur 1 American Journ. of science, 1894. - Diese Sitzungsber., Februarheft, 1904. Die Silikatschmelzen. 511 wenig Unterschiede zeigt und dieses spricht nicht für die An- wendbarkeit der Formel. Die bisherigen Berechnungen an verschiedenen Silikat- gemengen ergaben vor allem: 1. einen geringen Einfluß der Konzentration, 2. meist eine zu geringe Schmelzpunktserniedrigung, selten eine zu große, 3. nur dann eine gewisse Übereinstimmung der berechneten Schmelzpunktserniedrigung mit der beobachteten, wenn man ein ziemlich hohes Molekulargewicht der gelösten Komponente annimmt. In den bisher berechneten Fällen war aber eine gute Über- einstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung fast nie zu beobachten und liegt dies nicht nur an der Dissoziation oder Polymerisation und dem Umstände, daß man konzentrierte Lösungen hat, sondern auch an dem, daß auch Reaktionen in der Schmelze stattfinden, wodurch Störungen eintreten, welche die Anwendung der Formel verhindern. Es sind dann überhaupt nicht mehr die zwei Komponenten, die die Lösung bildeten, vorhanden, sondern mehrere. Ferner zeigen Silikate oft ein Verhalten wie isomorphe Mischungen. Bei drei Komponenten ergaben sich bei Mischungen von Labradorit, Magnetit, Augit oder Labradorit, Augit, Olivin keine sehr großen Schmelzpunktserniedrigungen und zumeist waren die Unterschiede bei sehr verschiedenen Konzentrationen sehr geringfügige, nur die Mischungen von Albit, Magnetit, Augit zeigen nach einigen vorläufigen Versuchen große Schmelz- punktserniedrigung, die auch mit der Konzentration wechselt. Alle diese abweichenden Verhältnisse sowie die in der ersten Mitteilung besprochenen zeigen, daß manche Gründe gegen die Anwendbarkeit obiger Formel sprechen. 513 Die Leuehtbakterien im Hafen von Triest von Hans Molisch k.M.k.Akad. Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag, Nr, 69 der 2. Folge. (Mit 1 Tafel.) (Vorgelegt in der Sitzung am 13. Oktober 1904.) Seit längerer Zeit mit Untersuchungen über die Lichtent- vvicklung der Pflanze beschäftigt, habe ich auch den Leucht- bakterien große Aufmerksamkeit geschenkt und mir zu diesem Zwecke von der zoologischen Station in Triest während der kühleren Jahreszeit regelmäßig von Zeit zu Zeit tote Fische und andere Seetiere nach Prag zusenden lassen.^ Die Tiere stammten alle aus dem Hafen von Triest und seiner Umgebung. Sie wurden entweder von den Fischern direkt gekauft oder vom Fischmarkt geholt oder aus den Aquarien der Station direkt entnommen. Sie leuchteten bei ihrer Ankunft in Prag entweder unmittelbar nach dem Auspacken oder 1 bis 2 Tage darauf. Gelegentlich eines dreiwöchentlichen Aufenthaltes in Triest hatte ich Gelegenheit gehabt, mich von der Häufigkeit des Leuchtens toter Fische und anderer Seetiere zu überzeugen und mir den Beweis zu verschaffen, daß ein großer Teil der am Markte zum Verkaufe angebotenen Fische bereits leuchtet. Wenn man nachts die Keller der Fischer betritt und in der Finsternis die Tausende Fische betrachtet, die hier aufbewahrt 1 Dem Direktor der zoologischen Station in Triest, Herrn Prof. Dr. Cori, bin ich für zahlreiche Tiersendungen im Laufe der letzten vier Jahre zu großem Danke verpflichtet. 514 H. Molisch. werden, so bietet sich dem staunenden Beobactiter ein eigen- artiges Schauspiel dar: Die zu Hunderten in den Körben Hegen- den Fische verbreiten an ihrer Oberfläche ein weißliches Licht. Bald sieht man nur einige wenige Punkte, die gleich Sternen sich von der übrigen Oberfläche abheben, bald größere Flecke, oder es leuchten ganze Organe, in seltenen Fällen die ganzen Fische, so daß man ihre Umrisse im Bakterienlichte erkennen kann. Solche Fische können ohne Schaden verzehrt werden, denn sie leuchten bereits, wenn die übelriechende Fäulnis noch nicht begonnen hat. Zur Sommerszeit leuchten, wie ich mich vielfach überzeugte, in Triest sehr viele von den Fischen, die zum Verkaufe am Markte bereit liegen. Von verschiedenen Seefischen und anderen Seetieren aus dem Hafen von Triest habe ich m den letzten vier Jahren sehr oft die darauf vorkommenden Photobakterien rein abgezüchtet, zunächst nur um ihre physiologischen Eigenschaften zu studieren. Meine darüber gesammelten Erfahrungen habe ich in meinem Buche »Leuchtende Pflanzen«^ verwertet. Nach und nach begann mich auch die Systematik dieser Bakterien zu interessieren ; ich suchte sie mit schon beschriebenen zu ver- gleichen, voneinander zu unterscheiden und da meines Wissens über Leuchtbakterien der Adria noch keine Beobachtungen systematischer Art vorliegen, so will ich hier jene Photo- bakterien, die mir im Laufe der letzten Jahre begegnet sind, genauer schildern. Es sind deren nicht viele, im ganzen vier Arten, doch dürften bei weiteren Untersuchungen wahrschein- lich noch mehr Spezies gefunden werden. Die gewöhnlichste Art ist Microspira photogena Molisch, recht häufig kommt Microspira Uiminescens Mo lisch vor, seltener ixiil Microspira gliscens Molisch auf und nur zweimal fand ich die durch ihre höchst intensive Leuchtkraft ausgezeichnete, auch auf Fischen der Nord- und Ostsee vorkommende Pseudomonas hicifera Molisch auf. Stets bemüht, die gefundenen Arten mit bereits beschriebenen Leuchtbakterien zu identifizieren — eine Arbeit, die die Geduld und die Ausdauer auf eine harte Probe stellt — » Molisch H., Leuchtende Pflanzen. Eine physiologische Studie. Jena, 1904. Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 515 war ich anfangs der Meinung, daß Microspira pkotogena Molisch identisch sei mit Bacillus Fisckeri (Beyerinck) Migtila, allein ich überzeugte mich schHeßlich durch Vergleich meiner Kulturen mitLebendkulturenvon5.F/scÄer/(Beyerinck) Mig. aus der Sammlung von Kral in Prag, daß Microspira pkotogena doch verschieden ist von B. Fisckeri, obwohl ich nicht zweifle, daß sie einander nahe stehen. Auch die andern, von mir aufgefundenen Photobakterien erwiesen sich als neu. Herr Dozent Kral in Prag, der Besitzer der bekannten Sammlung von lebenden Mikroorganismen, hatte auf mein Er- suchen die Güte, bei den im folgenden beschriebenen Arten mit Hilfe der von ihm eingeführten Methode ^ die Geißelfärbung durchzuführen und die meiner Abhandlung beigefügten Photo- graphien (mit Ausnahme von Fig. 3 und 7) herzustellen. Ich spreche Herrn Kral hiefür meinen Dank aus. Provisorisch habe ich in meinem bereits genannten Buche über leuchtende Pflanzen alle 4 Arten zu der Gattung Bacillus gestellt, nun aber kann ihre systematische Stellung auf Grund eines längeren Studiums und namentlich in Anbetracht ihrer Begeißelung genauer fixiert werden: drei von ihnen stelle ich zu Microspira und eine zu Pseiidomoiias. Bei dieser Gelegenheit vermag ich die Bemerkung nicht zu unterdrücken, daß es mitunter recht schwer wird zu ent- scheiden, ob eine Bakterie Pseitdomonas oder Microspira ge- nannt werden soll. Nach Migula gehört die erstere Gattung zu den Bakte- riaceen, die gerade, niemals schraubig gekrümmte Zellen be- sitzen, die erstere aber zu den Spirillaceen, welche Familie durch schraubig gewundene Zellen ausgezeichnet ist. Migul a^ sagt bei der Schilderung der Gattung Pseudomonas selbst: »Die Grenze gegenüber Microspira ist vielleicht eine künst- liche; es ist nicht immer möglich zu beurteilen, ob es sich bei eingeißeligen Formen um eine Microspira oder eine Pseudo- monas handelt.« Hierin stimme ich mit Migula vollkommen 1 Kral F., Über einfache expeditive Geißelfärbungsmethoden. Verhandl. der Ges. deutsch. Naturforscher und Ärzte 2. April. Leipzig 1903, S. 621. Ein Referat darüber im Bot. Zentralbl. 1904, Bd. XCVI, S. 243. 2 Migula W., System der Bakterien. Jena 1897 und 1900, IL Bd., S. 876. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 35 516 H. Molisch, Überein und ich bin der Meinung, daß manche Art gerade und gekrümmte Zellen erzeugen kann, und daß es dann von dem Belieben des Beobachters abhängen wird, ob er eine solche Form zur Pseudomonas oder zu Mikrospira stellt. So finden wir auch bei Migula Psetidomonas- Arten (Ps. ßuorescens [Flügge] Mig., Ps. acuta, Ps. violacea) mit gekrümmten Zellen, was eigentlich der Familiendiagnose der Bacteriaceen im Sinne Migula's widerspricht. Im folgenden seien nun die Beschreibungen der neuen Arten gegeben. I. Microspira photogena Molisch. {Bacillus photogenus M o 1 i s c h.) Gestalt. Gerade oder komma-, bohnenartig, selten S-förmig gekrümmte Stäbchen mit abgerundeten Enden. Zellen häufig mit einer 2 bis 3 mal längeren Endgeißel, selten mit einem aus 2 bis 3 Geißeln bestehenden Büschel.^ Siehe Fig. 1 und 2. Größe. 0'45[i bis 2 [i lang und etwa 0*3 [i breit. Nach Messungen in Anilinblauwasser.- Eigenbewegung. Eine Probe von einer 1 Tag alten Salzfleischpeptongelatinekultur zeigt, daß sich die Bakterien sehr lebhaft bewegen. Sie schwimmen sehr rasch durch das Gesichtsfeld oder bewegen sich mehr minder rasch kreiselartig um ihre Längsachse. Färbbarke it. Färbt sich mit den verschiedensten Anilin- farbstoffen (Gentianaviolett, Fuchsin, Methylenblau etc.), aber fast gar nicht nach Gram. Sauerstoffbedürfnis. Wächst gut bei gewöhnlicher Sauerstoffspannung, aber auch bei einer, die etwas geringer 1 Zur Beurteilung der Gestalt verwende ich lebende und nach gewöhn- licher Methode gefärbte Präparate. Geißelpräparate eignen sich hiefür nicht gut, weil die Zellen durch die Beizung und die damit verbundenen Prozeduren ziemlich aufquellen und alteriert werden. 2 Die in dieser Abhandlung über die Größe der Bakterien angegebenen Messungen beziehen sich insgesamt auf Präparate im Anilinblauwasser. Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 517 ist als in der atmosphärischen Luft, denn die Bakterie ent- wickelt sich oft sehr stark knapp unter der Oberfläche des festen Nähragars. Sie wächst auch schwach anaerob in Nähr- gelatine mit 37o Traubenzucker. Lichtentwicklung. Das Licht ist matt, weißlich, zeigt sich auf den verschiedensten, mit 3% Kochsalz versehenen Substraten: Gelatine, Agar, Bouillon, Kartoffeln und Milch. Immer nur bei Gegenwart von Sauerstoff. Bei fortgesetzter Kultur im Laboratorium verliert unsere Bakterie schon nach 2 bis 3 Monaten auf den gewöhnlichen Nährböden die Fähig- keit, zu leuchten, fast ganz, ohne aber aufzuhören, kräftig zu wachsen. Temperaturbedürfnis. Entwickelt sich etwa zwischen 0 bis 30°. Sehr gut bei Zimmertemperatur von 18 bis 20° C. Die Leuchtkraft nimmt in der Nähe der oberen Temperaturgrenze des Lebens ab. Gelatineplatte. ^ Stägige Kultur bei etwa 16 bis 18° C. Natürliche Größe. Aufliegende Kolonien bis 1 und l-bmm breit, kreisrund, gelblichweiß, schüsseiförmig einge- sunken. Nach 14 Tagen die Kolonien nicht viel größer (2 mm), bis auf das Glas eingesunken, so daß sie Luftblasen ähneln. Gelatinestich. Stich: Längs dieses bildet sich ein hohler, nicht von verflüssigter Gelatine erfüllter Kanal, der nach unten gewöhnlich spitz zuläuft. Die Wände des Kanals springen höckerartig in die Gelatine vor und sind mit hellbräunlicher Masse ausgekleidet. Der ganze Stichkanal sieht einem Eis- zapfen nicht unähnlich. Auflage. Eine solche fehlt, an Stelle dieser findet sich die kraterartige Öffnung des Kanals. Das Bild ist ungemein charakteristisch, da die Gelatine anscheinend nicht verflüssigt, sondern korrodiert wird. Gelatinestrich. Schon nach 2 Tagen bemerkt man, wie die feuchtglänzende Kultur in die Gelatine rinnenartig einsinkt. 1 Die Fleisclipeptongelatine, mit der ich arbeitete, wurde aus Rindfleisch hergestellt. Zu dem Fleischsaft wurden zugesetzt 1% Pepton, 30/q Kochsalz, 0-5% Glyzerin und schließlich wurde das Ganze mit Natronlauge schwach alkalisch gemacht. 35* 518 H. Molisch, Später zeigt sich, daß das Einsinken oder, wie man besser sagen kann, die Korrosion der Gelatine nicht gleichmäßig erfolgt, sondern seitlich und nach unten höckerartig erfolgt. In den höckerartigen Ausbuchtungen sammelt sich bräunlichgelbe Bakterienmasse an. Auf der Agarplatte erhält man gewöhnlich keine einzelnen gesonderten Kolonien, da sie sich zu rasch ausbreiten und sich vereinigen, so daß die ganze Platte in sehr dünner Auflage oder knapp unter der Oberfläche eine grauweiße zusammen- hängende Schichte bildet. Bringt man auf die Mitte einer Agarplatte eine Spur Impf- masse, so erhält man bei Zimmertemperatur häufig schon nach 6 bis 12 Stunden eine 1 bis 2 cm (!) im Durchmesser betragende runde, strahlig verzweigte Kolonie, die sich in der Folgezeit über die ganze Platte ausbreiten kann. Die Fig. 3 zeigt auf einer .Agarplatte oben 3 Kolonien von Microspira photogena 24 Stunden nach der Impfung bei Zimmertemperatur (16 bis 20°) mit ihrem charakteristischen Aussehen, das an die Ver- zweigungen im Kleinhirn (Lebensbaum) erinnert. Unten erblickt man 3 Kolonien von Bacillus Fischeri (Be3^er.) Migula, die in ihrem Wachstum sofort ihre Verschiedenheit von unserer Bakterie bekunden. Trägt man die Impfmasse in Form eines Striches auf, so entwickelt sich schon nach 12 bis 24 Stunden ein eigenartiges Bild, das am besten bald mit den Gängen des Borkenkäfers, bald mit einer moosartigen Verzweigung verglichen werden kann. Das Kolonienbild ist für unsere Bakterie sehr charak- teristisch. Agarstich nach 4 Tagen. Bis hinunter ziemlich stark entwickelt, wollfadenartig, schmutzigweiß. Auflage keine oder außerordentlich dünn über den ganzen Meniscus. Nach lOTagen hat sich die Bakterie vornehmlich knapp unter dem Meniscus bis zum Rande und bis zu einer Tiefe von etwa 3 inm ent- wickelt. Bouillonkultur. Getrübt, mäßiger Bodensatz, der sich beim Schütteln homogen verteilt, kein Häutchen. Milchkultur. Leuchtet stark und lang. Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 3 19 Chemische Leistungen; 1. Verflüssigt (korrodiert) die Gelatine. 2. Agar- und Kartoffelkulturen zeigen keinen charakte- ristischen Geruch. 3. Entwickelt in Nährgelatine mit3*^/oTraubenzucker kein Gas. Sporenbildung wurde nicht beobachtet. Vorkommen. Sehr häufig auf toten Fischen verschie- dener Art (Platessa passer, Cepola rtihescens) und andern See- tieren aus dem Hafen von Triest. II. Microspira luminescens Molisch. {Bacilhis luminescens Molisch.) Kurze, schwach komma- oder bohnenartig gekrümmte oder auch gerade plumpe Stäbchen, beiderseits abgerundet, manchmal nach dem einen Ende etwas zugespitzt. Die meisten besitzen eine polare Geißel, seltener ein polares Büschel, be- stehend aus 2 bis 3 Geißeln. Die Geißel ist 1 bis 3mal länger als die Zelle. (Fig. 4.) Größe. Gewöhnlich 0-5 bis 2 {Jilang und0*3bis0"6{xbreit. Eigenbewegung sehr lebhaft. Färbbarke it. Leicht nach den gewöhnlichen Methoden färbbar, aber nicht nach Gram. Sauerstoffbedürfnis. Aerob. Leuchtet nur bei Gegen- wart von freiem Sauerstoff. Lichtentwicklung. Schwach, mattweiß. Temperaturbedürfnis. Wächst fast gar nicht bei 3°, gut bei 10°, sehr gut bei Zimmertemperatur 16 bis 20°. wenig bei 27°, gar nicht mehr bei 31° C. Gelatineplatte. Nach 3 Tagen bei Zimmertemperatur (16 bis 20°). a) Natürliche Größe. Bei schütterer Kultur (Kolonien etwa ^2 <^^ voneinander entfernt) Kolonien etwa Y2 ^'^*^ breit, kreisrund, flach erhaben, saftig glänzend, sehr durch- scheinend, später weißlichgelb. Die aufliegenden mit einem helleren zentralen Punkt, die tiefliegenden kugelig, später von fast orangegelber Farbe. 520 H. MoHsch, h) öOfache Vergrößerung. Aufliegende Kolonien kreis- rund, hellgelb, fast regelmäßig mit einem gewöhnlich runden zentralen Nabel. Tiefliegende Kolonien ebenso, noch etwas dunkler gelb, aber kein Nabel. Gelatinestich. Stichkanal fadenförmig, rauh, Auflage flach, wenig erhaben, langsam sich ausbreitend, ziemlich durch- scheinend. Gelatine strich. Ausbreitung auf den Strich beschränkt, flach, sehr durchscheinend, fett glänzend, von schwach gelb- licher Farbe. A garstich. Stichkanal fadenförmig rauh, Auflage feucht- glänzend, gelblichweiß. Bouillonkultur. Bei Zimmertemperatur tritt nach 1 bis 2 Tagen starke Trübung ein, nach mehreren Tagen deutlicher Bodensatz, der sich beim Schütteln gleichmäßig verteilt. Chemische Leistungen: 1. Verflüssigt die Gelatine nicht. 2. Entwickelt in Salznährgelatine mit 37o Traubenzucker kein Gas. Sporenbildung wurde nicht beobachtet. Vorkommen. Ziemlich häufig auf toten Fischen aus dem Hafen von Triest, z. B. auf Scomber Scomber Lin. III. Microspira gliscens Mo lisch. (Bacillus gliscens Molisch.) Ähnelt der vorigen Art. Gestalt und Größe. Ungefähr wie bei B. luminescens, aber Stäbchen etwas schlanker und länger, zumeist 0-5 bis 3 [x. Begeißelung wie bei der vorigen Art. (Fig. 5.) Eigenbewegung sehr lebhaft. Färbbarkeit. Färbt sich leicht mit verschiedenen Anilin- farbstoffen, aber nicht nach Gram. Sauerstoffbedürfnis. Aerob. Lichtentwicklung. Licht mattweiß, sehr schwach, schwächer als bei der vorigen Art. Wegen der geringen Leucht- kraft gab ich dieser Bakterie den Namen gliscens (glimmend). Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 52 1 Temperaturbedürfnis. Wie bei der vorigen Art. Gelatineplatte. Bild der Kolonien fast so wie bei Micro- spira luminescens, aber im Alter (14 Tage) erhalten sie einen breiten, fast wasserklaren Rand. Es besteht daher jede auf- liegende Kolonie aus einer weißlichen mit Nabel versehenen zentralen Partie und einer periferen farblosen durchscheinenden Zone. Gelatinestrich. Ähnelt auffallend dem der vorigen Art, doch ist auch hier wieder eine wasserklare Berandung des Impf- striches bemerkbar, der Rand ist mehr gekerbt und die Farbe des Striches mehr weißlich, bei der vorigen Art mehr gelblich. Gelatinestich. Fast wie Microspira lumitiescens. Bouillonkultur. Fast wie bei Mici'ospira luminescens. Chemische Leistungen: 1. Verflüssigt Gelatine nicht. 2. Entwickelt in Salznährgelatine mit 37o Traubenzucker kein Gas. Sporenbildung wurde nicht beobachtet. Vorkommen. Auf toten Fischen aus dem Hafen von Triest. IV. Pseudomonas lucifera Molisch. (Bacillus hicifer M o 1 i s c h.) Im Monate Februar 1904 züchtete ich von einer toten, aus der Ostsee stammenden Seezunge (Solea vulgaris), später von grünen, aus Bremerhaven bezogenen Heringen und in jüngster Zeit von einem toten Fisch (Blennius ocellaris) aus dem Hafen von Triest eine Leuchtbakterie, die sich durch ihr intensives blaugrünes Licht in hohem Grade auszeichnete. Keine mir be- kannte Photobakterie leuchtet so stark, selbst das Licht des Bacterium. phosphoreum (Cohn) Molisch\ das ich bis vor kurzem nach meinen Erfahrungen für die am stärksten leuch- tende Bakterie gehalten habe, erscheint gegen das von Psetido- monas lucifera Molisch matt — bei jungen Kulturen. Bei 1 Molisch Hans, Leuchtende Pflanzen. Eine physiolog. Studie. Jena 1904. S. 60. 522 H. Molisch, älteren kann das Bacterinm phospkorenni allerdings wieder das Übergewicht erhalten. Das Licht unserer Pseudomonas hat besonders für das nicht ausgeruhte Auge eine prachtvolle blaugrüne Farbe. Das Licht einer jungen Strichkultur ist bereits am hellen Tage in einer Zimmerecke sichtbar und kann nachts auch in einer Entfernung von Y3 bis V2 ^ im Scheine einer gewöhnlichen Kerzen flamme schon wahrge- nommen werden. Bei meinen spektroskopischen Untersuchungen des Bak- terienlichtes ^ erhielt ich mit verschiedenen Bakterienarten stets nur kontinuierliche Helligkeitsspektra, die keinerlei Farben er- kennen ließen, weil die Intensität des Bakterienlichtes im all- gemeinen zu gering war. Das Spektrum der neuen Bakterie aber ließ wegen seiner relativ großen Intensität für das ausgeruhte Auge auch Farben, und zwar Grün und Blau erkennen. Es ist das der erste bekannte Fall, daß das Spek- trum des Lichtes eines pflanzlichen Lebewesens Farbenempfindungen hervorzurufen vermag. Das Spek- trum hatte ungefähr die Ausdehnung desjenigen von Bacteritint pkosphoretim Moli seh, das heißt von a 570 bis X 450. Die große Lichtintensität macht unsere Leuchtbakterie für Versuche über die Lichtentwicklung von Bakterien besonders geeignet und dies ist der Grund, warum ich es für passend halte, diese Bakterie genauer zu beschreiben. Gestalt. Wenn man die Form erfassen will, so ist man anfangs geneigt, die Zellen für Kokken zu halten, allein bei genauerer Betrachtung bemerkt man, daß neben den kugel- runden Gestalten auch sehr viele ovale, plumpe, beiderseits abgerundete Formen und endlich mehr minder lange Stäbchen vorkommen. Während in frischen, kurz vorher von Fischen abgezüchteten Kulturen die kugeligen und kurzen Stäbchen vorherrschen, treten bei fortgesetzt überimpfteu Kulturen auch längere Stäbchen in den 1 Vergl. darüber sowie über die Literatur meine Schrift: »Leuchtende Pflanzen«, L c. S. 129. Leuchtbakterien ini Hafen von Triest. 523 Vordergruiid und da sich hiezu auch Involutionsformen in Form von längeren Fäden hinzugesellen, erhält man ein für den Bakteriensystematiker recht verwirrendes Bild. Ihrer Form nach gehört die Bakterie zu den Bacteriaceen und da sie eine polare Geißel trägt, zu Pseudomonas. Die Zellen sind einzeln oder sehr häufig zu zweien, sehr selten zu dreien oder mehr. Die beweglichen Zellen tragen eine polare Geißel, welche zweimal länger ist als die Zelle. (Fig. 8.) Große. Die lebenden kugeligen Formen sind ziemlich groß, sie messen 1 "3 [x bis 2*5 [j., die stäbchenförmigen 2*5 [i- bis 4 [X und mehr. Eigenbewegung. Als ich meine ersten Kulturen auf Eigenbewegung prüfte, bemerkte ich davon nichts. Bei längerer Beschäftigung mit diesem Organismus fiel mir jedoch auf, daß unter Tausenden von Zellen, die nur Brown'sche Molekular- bewegung zeigten, einige wenige eine sehr deutliche aktive Bewegung aufwiesen. Entweder drehten sie sich rasch um ihre Achse, ähnlich einem Kreisel, oder sie schwammen rasch im Bogen oder gerade bald vorwärts, bald rückwärts, immer waren es aber nur einige wenige, die in der großen Masse der ruhen- den diese Bewegung darboten. Da ich des Verdachtes nicht los werden konnte, daß ich vielleicht doch unreine Kulturen vor mir hätte, legte ich neuerdings tadellose Reinkulturen an, aber wieder machte ich dieselbe Erfahrung, obwohl ich auch darauf achtete, daß die verwendete 3*'/oige Kochsalzlösung, in welcher ich die Bakterienprobe betrachtete, vollkommen steril war. Am schönsten trat die Bewegung in Plattenkulturen auf Salzagar auf. Hier waren die sich bewegenden Kokken, Diplo- kokken und Involutionsformen relativ häufig. Es ist begreiflich, daß bei der Seltenheit der aktiv beweglichen Individuen auch der Geißelnachweis sehr schwierig ist, indes war es doch in einzelnen Photogrammen möglich, zu zeigen, daß eine polare Geißel vorhanden ist. (Fig. 6.) Färbbarkeit. Färbt sich leicht mit Anilinfarbstoffen (Fuchsin, Gentianaviolett, Methylenblau), nicht oder wenig nach Gram. Gelatine platte. 3tägige Kultur bei Zimmertemperatur (16 bis 20° C.). 524 H. Molisch, a) Natürliche Größe. Aufliegende Kolonien. Rundlich (nicht wirklich kreisrund) von weißlicher Farbe, bei schütterer Saat durchschnittlich Yg *^^*^ breit, ziemlich erhaben. Die Kolonie läßt sich mit der Nadel als Ganzes abnehmen, im Gegensatz zu denen von Bacterium phosphoreiim Moli seh, die sich wie weiche Butter verschmieren lassen. h) 50fache Vergrößerung. Die aufliegenden Kolonien rundlich, erhaben. Der Rand bei den knapp unter der Oberfläche liegenden mehr bis vielfach gelappt — siehe Fig. 7, die tieferen ebenso oder kreisrund. Kolonie nicht selten aus einzelnen, mehr oder minder großen Brocken bestehend, die bei stärkerer Vergrößerung sich wieder aus kleineren, zu einem unregelmäßigen Netz zusammenschließenden Por- tionen aufbauen. Kolonien im auffallenden Lichte mit hellem, weißlich gelben Rand, im Innern grau. Im durch- fallenden Lichte ähnlich. Agarplatte. Stägige Kultur bei Zimmertemperatur (16 bis 20° C.). fl^ Natürliche Größe. Aufliegende Kolonien: Kreis- rund, bei sehr schütterer Saat V2 bis ^/^mm breit, weißlich, feuchtglänzend. Tiefliegende Kolonien: Rundlich oder unregelmäßig schollenartig. b) öOfache Vergrößerung. Aufliegende Kolonien: Im Gegensatz zu den Gelatinekolonien kreisrund, undeutlich radiär, Rand durchscheinend, Kolonie nach dem Innern schmutzigbraun. In der Mitte ein vorragender Nabel. Tiefliegende Kolonien: Unregelmäßig oder rundlich, schmutzigbraun. Gelatinestich. 7 Tage alt. Stich: Fein gekörnt, Wachstum schwach. Auflage: Weißgrau, feuchtglänzend, rundlich, schwach erhaben. Agarstic h. 7 Tage alt. Stich: Wachstum üppiger als in Gelatine. Körnelung mehr blasenartig. Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 525 Auflage: Üppiger als bei Gelatine. Gelatinestrich. Nach 7 Tagen. Bleibt auf die nächste Umgebung des Impfstrichs beschränkt. 1 bis 2 mm breit, flach, Rand unregelmäßig fein gelappt, matt bis mäßig glänzend, Oberfläche glatt oder rauh, oft etwas gekröseartig, weißlich, fast durchscheinend. Salzbouillonkultur. Getrübt, schwacher Bodensatz, der sich beim Schütteln homogen verteilt. Kein Häutchen. Leuchtet besonders beim Schütteln stark. In Salzmilch und auf Salzkartoffeln ruft er lang an- haltendes und prächtiges Leuchten hervor. Sauer Stoffbedürfnis. Wächst am besten aerob, leuchtet nur bei Gegenwart von freiem Sauerstoff. Temperaturbedürfnis. Wächst zwischen ungefähr +2 und 31° C., bei 2° minimal, schon recht gut bei 12°, noch besser bei 15 bis 20° C. Chemische Leistungen: 1. Verflüssigt Gelatine nicht. 2. Kartoffelkulturen riechen hefeartig und schwach ammonia- kalisch. 3. Entwickelt schon nach 1 bis 2 Tagen bei Zimmertempe- ratur in Salzgelatine mit 37o Traubenzucker reichlich Gas- blasen. Sporenbildung wurde nicht beobachtet. Lichtentwicklung ungemein intensiv. Licht von blau- grüner Farbe. Vergleiche ferner das auf Seite 521 bis 522 Gesagte« Vorkommen. Auf toten Fischen (Seezunge, Häring) der Nord- und Ostsee und des Hafens von Triest (Blennius ocel- laris, Platessa passer). Unsere Bakterie erinnert in manchen Eigenschaften an Bacterium phosphoreum M o 1 i s c h (Micrococcus phosphoretis Cohn), aber sie ist leicht durch folgende Eigenschaften davon zu unterscheiden. 526 H. Molisch, Bacterium phosphoreum Molisch Pseudomonas lucifera Molisch Kolonien Zellen 1) kreisrund r 2) homogen 3) butterweich, leicht verschmierbar unbeweglich keine Geißel rundlich, häufig am Rande unregelmäßig gelappt häufig zerklüftet, aus un- regelmäßigen Brocken be- stehend zäh, in Brocken mit der Nadel abhebbar nicht selten lebhaft beweglich eine polare Geißel Leuchtbakterien im Hafen von Triest. 527 Tafelerklärung. Fig. 1. Microspira phofogena Molisch. Reinlcultur. Vergrößerung 1000. Geißelfärbung. Die meisten Zellen haben eine polare Geißel. Fig. 2. Dasselbe, aber die Zelle besitzt ein Geißelbüschel. Fig. 3. In der oberen Hälfte der Petrischale drei einen Tag alte Kolonien von Microspira photogena Molisch in ihrer charakteristischen Ver- zweigung auf Salzagar. In der unteren Hälfte drei ebenso alte Kulturen von Bacillus Fischeri (Beyerinck) Mig. Fig. 4. Microspira Itiminescens Molisch. Reinkultur. Vergrößerung 1000. Geißelfärbung. Die meisten Zellen haben eine Geißel. Fig. 5. Microspira gliscens M o 1 i s c h . Reinkultur. Vergrößerung 1000. Geißelfärbung. Die meisten Zellen haben eine Geißel. Fig. 6. Pseudomonas lucifera Molisch. Reinkultur. Vergrößerung 1000. Geißelfärbung. In der Mitte eine Zelle mit einer Geißel. Fig. 7. Dieselbe Art. Zwei Kolonien auf der Gelatineplatte. Sie zeigen einen gelappten Rand und bestehen aus einzelnen Brocken, die bei stärkerer Vergrößerung sich wieder aus kleinen Portionen zusammensetzen. Molisch, H., Leuchtbakterien im Hafen von Triest. Xy • •TL:'..':^;";.,.'.-. •. <*'• . >*i tO s '). \ ^^. . »-•^••^ ••» ; ;. !♦^i£»^• •V--c>r>:: '-,: ..'-'i:-'- «^^'c: . ■ / ■ . - ^ ^y- ■ ■• ■ • • Licbtdruck v. Max Jaff4, Wien. Kral photogr. Sitzungsbericht d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse Bd. CXIII. Abt. I Wien 1904. 529 Zur Kenntnis der Symbiose eines Pilzes mit dem Taumelloleh von A. Nestler, (Mit 1 Tafel. 1 (Vorgelegt in der Sitzung am 3. November 1904.) I. Das so innige Zusammenleben eines Pilzes mit einer höheren Pflanze, wie wir es beim Taumellolch finden, wobei der Pilz stets eine ganz bestimmte Lage in der Frucht — zwischen Aleuronschichte und dem Nuzellarreste — einnimmt, niemals durch das Aleurongewebe in das Stärkeendosperm eindringt, aber auch im Vegetationskegel vorkommt, beim Aus- keimen der Frucht ebenfalls zur Entwicklung angeregt wird, durch den ganzen Halm emporwächst und wieder in die jungen Fruchtanlagen eines jeden Ährchens gelangt, ist gewiß einer näheren Beachtung wert, zumal dieses merkwürdige Ver- hältnis einige interessante Fragen anregt. Der Pilz gelangt nicht in die Wurzeln, auch nicht in die Blätter, sondern folgt, wie durch einen bestimmten Reiz ver- anlaßt, beständig nur dem Vegetationspunkte des Halmes. Die Pflanze erleidet durch den Pilz, der natürlich nur von seinem Wirt die notwendige Nahrung erhält, durchaus keine Schädi- gung; die Früchte sind sogar, wie wir sehen werden, gegen- über starken Sublimatlösungen und andern Giften sehr wider- standsfähig; ihre Keimung ist unter normalen Verhältnissen eine ausgezeichnete und, so weit meine Erfahrung reicht, weit besser als die andrer Loliumarten, 530 A. Ne stier, Der Nutzen, den der Pilz seiner Wirtspflanze gewährt, liegt vielleicht in analoger Weise — wie (nach Frank und Stahl) bei der endotrophen Mykorrhiza gewisser Orchideenknollen — darin, daß, wie ich bereits früher^ nachgewiesen habe und neuerdings Freeman- bestätigt hat, beim Keimen der Frucht die Pilzhyphen vollständig aufgelöst werden, daß also ihre Eiweißstoffe der Pflanze möglicherweise zugute kommen. Diese Leistung vorausgesetzt, können wir das Verhältnis jenes Pilzes zum Taumellolch als eine echte Symbiose be- zeichnen, welche in vielfacher Hinsicht von großem Inter- esse ist. Es ist zunächst zu bemerken, daß nach einer interessanten Untersuchung Lindau's^ Taumellolchfrüchte aus altägyp- tischen Gräbern, deren Alter auf 4000 Jahre geschätzt wird, den charakteristischen Pilz in derselben Form und Lagerung zeigen, wie das gegenwärtig in Ägypten vorkommende Loliuwi temulentum und daß somit, soweit die ägyptische Flora in Betracht kommt, in dem Verhältnisse dieses Pilzes zu seiner Wirtspflanze sich seit 4000 Jahren nichts geändert hat. Daß das auch für Europa gilt, ist v/ahrscheinlich; es läßt sich aber schwerlich nachweisen, da man hier so alte Loliumfrüchte kaum finden dürfte. Nach den Untersuchungen von Guerin* ist sicher, daß das gegenwärtig in Südamerika, Asien und Afrika vorkommende L. temulentum bezüglich des Pilzes dieselben Verhältnisse zeigt, wie der europäische Taumellolch. Das gegenwärtig über alle Erdteile verbreitete L. teinu- lentiim zeigt somit überall jenes interessante symbiotische Ver- hältnis, das. nach den Untersuchungen des altägyptischen Taumellolchs zu schließen, wahrscheinlich uralt ist. 1 A. Nestler, Über einen in der Frucht von L. temulentum L. vor- kommenden Pilz. — Ben der deutsch, bot. Ges. 1898, p. 213. 2 E. M. Freeman, The Seed-fungus of L. temulentum L., the Darnel. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1903, p. 1 bis 27. 3 G. Lindau, Über das Vorkommen des Pilzes des Taumellolchs in alt- ägyptischen Samen. Sitz, der kgl. Preuß. Akad. der Wiss., XXXV, 190 t. 4 P. Guerin, Sur la presence d'un Champignon dans l'Ivraie. — Journ. de Bot., 1898, p. 230 bis 238. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 531 Wir können wohl annehmen, daß der Taunnellolch ur- sprünglich pilzfrei war und daß seine Früchte durch einen parasitischen Pilz häufig infiziert wurden, der gerade bei dieser Pflanze ihm sehr zusagende Nährbedingungen vorfand. Durch diese Infektion dürften viele Loliumfrüchte in analoger Weise, wie ich es später für L. perenne und L. italicuin nachweisen werde, zu Grunde gegangen sein; einige jedoch zeigten eine solche Widerstandskraft, daß sie trotz der Anwesenheit des Pilzes in unmittelbarer Nähe des Endospermgewebes und im Vegetationskegel keine Schwächung ihres Keimvermögens er- fuhren. Es scheint in diesen F'ällen namentlich die Aleuron- schicht dem Vordringen des Pilzes zu den Reservestoffen der Frucht einen energischen Widerstand geleistet zu haben; denn es ist auffallend, daß man bei keiner, mit der charakteristischen Pilzschicht versehenen Frucht ein derartiges Eindringen des Pilzes, wie es bei L. perenne und L. italicum öfters beobachtet werden kann, gefunden hat. Diese widerstandsfähigen Individuen behaupteten sich also gegenüber den schwächeren Formen, deren Zahl allmählich immer geringer wurde. Von wesentlicher Bedeutung ist nun die Frage, ob gegen- wärtig alle L. temuIenlum-Fi'üchte den Pilz haben oder ob es auch pilzfreie Individuen gibt. Nach Vogl^ haben die meisten Körner von L. teimilentnm den Pilz; er konstatierte also auch pilzfreie Körner. Hanausek^ dagegen untersuchte viele Hunderte von Körnern und fand kein einziges pilzfrei. — Im Jahre 1898 habe ich im V^ersuchsgarten des pflanzenphysiologischen Institutes zu Prag (deutsche Universität) ein Beet mit L. termtlentum be- flanzt, von welcher Kultur ich noch heute eine große Anzahl von Ähren besitze. Von den gegenwärtig untersuchten zahl- reichen Pflanzen zeigte jede den Pilz, jedes Korn hatte seine charakteristische Hyphenschicht. 1 A. E. Vogl, Zeitschrift für Nahrungsmitteluntersuchung, Hygiene und Warenkunde, 1898, p. 28. 2 T. F. Hanausek, Vorläufige Mitteilung über den von A. Vogl in der Fru::ht von L. temulentttm entdeckten Pilz. Ber. der Deutsch, bot. Ges., 1898, p. 203. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 36 532 A. Nestler, Free man ^ hat Taumellolchpflanzen aus verschiedenen botanischen Gärten Europas (Bonn, Gent, Upsala, Marseilles, Vallombrosa, Lemberg, München, Lyon und Cambridge) unter- sucht und konnte mit wenigen Ausnahmen den Pilz kon- statieren; im allgemeinen sollen über 95% Samenkörner den Pilz haben, daher eine kleine Anzahl pilzfrei sei. Er nimmt daher zwei Formen von L. tem.iilentum an, eine pilzhallige und eine pilzfreie, letztere also in bedeutender Minderzahl. Diejenigen Körner, welche de'n Pilz enthalten, sollen nach Freeman besser entwickelt und größer sein als die pilzfreien. Ohne auf die aus dieser angeblichen Tatsache zuziehenden Konsequenzen bezüglich einer eventuellen von außen erfolgen- den Infektion jener pilzfreien Pflanzen durch Sporen näher ein- zugehen, möchte ich nur aus meinen eigenen Untersuchungen hervorheben, daß die Größe der (stets als pilzhaltig befundenen) Körner eines Ährchens sehr verschieden ist. Jedes Ährchen hat vier bis sechs normal gebaute Früchte und gewöhnlich außer- dem noch an der Spitze eine sterile Fruchtanlage. Das unterste Korn ist stets relativ bedeutend länger und dicker als das oberste, normal ausgebildete, welches gleichfalls in der bekannten Weise die Hyphenschichte zeigt; z. B. unterste Frucht eines Ährchens 7 mm lang, oberste normale Frucht 5 wm lang und dünner als die unterste; oder: unterste Frucht 7 mm lang, oberste nur 4-5 mm, lang, sehr schmal. In verhältnismäßig sehr kleinen, scheinbar verkümmerten, aber, wie die nähere Untersuchung zeigte, doch vollständig ausgebildeten Früchten habe ich stets die charakteristische Hyphenschichte gefunden. Man kann also aus der Größe der Frucht durchaus nicht auf das Fehlen oder Vorhandensein des Pilzes schließen. So interessant es wäre, mit pilzfreien Früchten experimentieren zu können, um zu erfahren, ob vielleicht doch ursprünglich pilzfieie Taumellolchpflanzen nachträglich von außen durch Sporen infiziert werden, so scheitern meines Er- achtens diese Experimente daran, daß man pilzfreie Früchte nicht nach der äußern Form, sondern nur durch mechanische Eingriffe vollkommen sicher erkennen könnte. Wenn man selbst 1 L. c, p. 18. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolcli. o33 annimmt, daß die zum Nachweis des Pilzes vorzunehm.enden Verletzungen in der Region des Aleurongewebes nicht so be- deutend zu sein brauchen, um die Keimfähigkeit des Kornes vollkommen zu vernichten, so bliebe immer noch die Frage offen, ob in dem Falle, wo in der Region der Aleuronschichte kein Pilz gefunden wurde, nicht doch bereits der V'egetations- kegel der Frucht infiziert war. Da ich bei meinen vielfachen Untersuchungen leider keine einzige pilzfreie Frucht finden konnte, war ich auch nicht in der Lage, mich davon über- zeugen zu können, ob jene Annahme sich auch beweisen lasse. Gesetzt den Fall — ich habe ihn, wie gesagt, niemals ge- funden — daß das eine oder andere Korn einer vorliegenden Ähre wirklich pilzfrei ist, so kann man daraus noch nicht den Schluß ziehen, daß alle Körner pilzfrei sind. Bei meinen Untersuchungen über das Vorkommen des Pilzes in den Früchten von L. teniulentum habe ich auch die sterilen Fruchtanlagen beachtet. An der Basis, also in dem kleinen Stielchen einer solchen Anlage, welche stets nur aus zwei Spelzen oder aus Spelzen und verkümmerten Staubgefäßen besteht, wurde niemals eine Spur des Pilzes gefunden. Dagegen zeigten die Staubbeutel solcher Anlagen, namentlich in den Winkeln der Pollenfächer, stets zahlreiche Myzelfäden, deren Dicke und Form dem charakteristischen Pilz der normalen Frucht entsprechen. Es läßt sich jedoch daraus kein Schluß auf die Identität jener Pilze ziehen; auch war, wie schon gesagt, eine Verbindung des Pilzes der sterilen Fruchtanlage mit dem Pilze desÄhrchens beziehungsweise des Halmes niemals nach- weisbar. Auch an der Innenseite der Spelzen wurden Hyphen und Konidien gefunden, die aber sicher nicht dem bewußten Taumellolchpilz angehören. IL Der Pilz in der Frucht von L. perenne L. und L. italicum A. Br. a) Lolium perenne L. Anders als bei L. temulenhim liegen die Verhältnisse bezüglich des Vorkommens eines Pilzes an bestimmter Stelle der Frucht bei L. perenne. 36* 534 A. Nestler, Ich habe seinerzeit^ Früchte dieses Grases, welche aus dem botanischen Garten (Prag) stammten, untersucht und konnte trotz vielfacher Bemühungen keinen Pilz finden, der dem Taumellolchpilz entsprochen hätte. Guerin^gibt an, daß er bei L. perenne nur ein einziges Mal den charakteristischen Pilz gefunden habe. Hanau sek^ konnte niemals in diesen P'rüchten den Pilz nachweisen. L.Hil tner.'^derVersuche über stickstoffsammelnde Eigenschaften der von dem Pilze bewohnten Loliumpflanzen anstellte, sagt, daß er durch eigene Untersuchungen meine und Hanausek's Beobachtungen in jeder Hinsicht bestätigen konnte. Dagegen haben Neubauer und Remer^ den Pilz ge- funden und der betreffenden Angabe die Bemerkung beigefügt, daß »ein solcher Fund beiL./^er^ww^ zu den Seltenheiten gehöre«. Freeman^ untersuchte 30 Pflanzen, von denen fünf den charakteristischen Pilz in der Frucht zeigten. Durch diese verschiedenen Angaben veranlaßt, habe ich neuerdings sowohl Früchte (bezogen von Haage und Schmidt, Erfurt) als auch ganze Pflanzen untersucht, welche ich in der Umgebung von Prag gesammelt hatte. Was nun zunächst die untersuchten einzelnen Früchte anbelangt, so fand ich von 50 Früchten 14 (d. i. 28"/o) n^it Pi'z- hyphen in verschiedener Lagerung. Es ist notwendig, über die Art des Vorkommens des Pilzes einige nähere Angaben zu machen. Ein Querschnitt durch eine Frucht zeigte folgende Eigen- tümlichkeiten: Zwischen Aleuronschichte und dem Nuzellargewebe deut- liche Hyphen eines Pilzes (Fig. 2, h), deren Lagerung etwas anders ist als bei L. temiUetitum: die Hyphen sind (nach Beob- achtung vieler Schnitte durch diese Frucht) meistens in sehr geringer Menge vorhanden, keine so dicke Schichte wie bei 1 L. c. 208. - Cit. nach Freeman, 1. c. p. 2. 3 L. c. 207. 4 Cit. nach H. Neubauer, 1. c. ^ H. Neubauer, Über die von A. Vogi entdeckte Pilzschicht in Lolium- früchten. Zentralbl. für Bakteriologie etc., IX. Bd., 1902, p. 653. 6 L. c. p. 10. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 535 L. tenmlenhtiu \ die H3'phen in der Regel parallel der Aleuron- schichte gestreckt, seltener ein wenig ineinander gewunden, niemals so dicht durcheinander verlaufend wie bei L. temulen- tum; Hyphen gegliedert, die Gliederung namentlich sehr deutlich nach Behandlung mit verdünnter Kalilauge sichtbar (Fig. 3); Dicke der Hyphe 2-4 [x. Dieselben Hyphen in analoger Lagerung auch an manchen Stellen zwischen Spelze und dem Gewebe der Fruchthaut (Fig. 1, h). Nach Form, Dicke und Septierung dieser H3^phen zu schließen, nehme ich an, daß es derselbe Pilz ist, wie der zwischen Aleuron- und Nuzellarschichte. Auf einer heraus- präparierten Aleuronschichte (Flächenansicht) wurden zwischen Hyphen auch vereinzelte Konidien gefunden. Diese auffallende Verteilung des Pilzes in der Frucht wurde einige Male nachgewiesen. In einigen andern Fällen wurden dieselben Hyphen wie früher gefunden, jedoch nur zwischen Spelze und Fruchthaut, nicht zwischen Aleuron- und Nuzellarschichte. Eine dritte Form: Ein breiter Raum zwischen Aleuron- und Samenschale (von dem Nuzellarreste ist nichts mehr zu sehen) ist vollständig ausgefüllt von wirr durcheinander verlaufenden, jedoch locker angeordneten Hyphen; Form derselben wie in den früheren Fällen. Derselbe Pilz, jedoch in geringer Menge, an manchen Stellen zwischen Spelze und Fruchthaut, wo diese beiden Schichten etwas gelockert sind und einen kleinen Hohlraum freilassen; ferner: Hyphen auch im Stärke- endosperm. (Genau dasselbe Bild, jedoch mit einer andern Pilz- art, habe ich bei einem Roggen gefunden, der nach seiner physiologischen Wirkung unbedingt als sogenannter Taumel- roggen bezeichnet werden mußte.) Zwischen den Hyphen zahl- reiche Konidien: 12[x lang, 2-4 [j. breit. Bemerkenswert ist ferner folgendes Vorkommen des Pilzes bei L. perennc: Hyphen an der Außenseite der Aleuronschichte, also analog wie bei L. temulentiim, jedoch meist nur sehr spärlich, an manchen Stellen in etwas größerer Menge; diese Schichte geht (am Fruchtquerschnitt betrachtet) rings um die Frucht, ist also auch an der Rinnenseite vorhanden, wo bei L. tennilentum niemals Pilzhyphen vorkommen. Gleichzeitig ist 536 A. Nestler, bei dieser Frucht von L. perenne am Fruchteinschnitte der Pilz auch zwischen Fruchthaut und Samenhaut nachweisbar. Schon aus diesen Untersuchungen einzelner Früchte von L. perenne geht deutlich hervor, daß hier ganz andere Verhältnisse vorliegen als bei L. temtilen- tum, nämlich ein Vorkommen eines Pilzes in der Frucht, wie man es in analoger Weise bei jedem Taumelroggen finden kann. Außer diesen Früchten wurden noch ganze Pflanzen mit eben reifgewordenen Früchten untersucht, welche an ver- schiedenen Orten um Prag gesammelt worden waren. Es zeigte sich, daß manche Pflanzen den Pilz weder in der Frucht noch im Halme besaßen; bei anderen wurde konstatiert, daß der Pilz in den Früchten aller Ährchen und im Halme selbst vorhanden war. Bezüglich des Vorkommens des Pilzes in der Frucht fand ich hier dieselben Verhältnisse, wie sie oben für einzelne Körner angegeben wurden: bald analog dem Vorkommen in in der Frucht von L. temulentum, bald wieder in allen Teilen der Frucht, auch im Stärkeendosperm. In einer noch nicht ganz reifen Frucht, bei welcher nur eine Hyphenschichte zwischen Aleuron- und Nuzellargewebe vorkam, zeigten die isolierten Hyphen eine eigentümliche Form (Fig. 4), wie ich sie bei L. temulentum niemals beobachtet hatte. Abgesehen von dieser Hyphenform, welche sich bei weiterem Wachstum möglicher- weise noch verändert hätte, scheint es wahrscheinlich, daß die Pilzspezies bei L. perenne dieselbe sei wie bei L. temulentum^ daß aber bei L. perenne keineswegs dasselbe sym- biotische Verhältnis vorliegt wie beim Taumellolch. Ich urteile, daß in jedem einzelnen Falle bei L. perenne eine Infektion von außen stattgefunden hat, welche mitunter alle Früchte ergreift, auch in das Stärke- endosperm eindringt und den ganzen Halm infiziert. Je nach den besonderen Verhältnissen des Standortes und der Witterung wird der Parasit auf L. perenne sich mehr oder weniger ausbreiten; daher mag es kommen, daß einmal kaum eine Frucht den Pilz enthält, ein andermal wieder verhältnis- mäßig viele den Parasiten zeigen. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 537 Wenn bei L. perenne dieselben Verhältnisse vorlägen wie bei L. temnleiitiim, dann müßte sich auch das Eindringen des Pilzes in den entstehenden Halm beim Keimen der Früchte von L. perenne nachweisen lassen, wenn man bei einer entspre- chenden Kultur von Tag zu Tag die sich entwickelnden Pflänzchen in analoger Weise wie bei L. temulentnm unter- sucht. Um hier eine Entscheidung zu treffen, wurden Früchte von L. perenne zunächst möglichst gut sterilisiert — Y^*^ in P/o Sublimat, dann zehnmal mit ausgekochtem destilliertem Wasser gewaschen — hierauf in sterilisierte Keimschalen ausgesät. Resultat: Von 59 Körnern waren 16 (d. i. 27%) nicht auf- gegangen, 43 entwickelten sich vollkommen normal. Der Prozentgehalt der nicht keimfähigen Früchte ist nahezu der- selbe, wie das früher konstatierte Verhältnis der Früchte mit Pilz {— 287o) zu denen ohne Pilz. Es wurden nun zunächst diese nicht keimfähigen Früchte genau untersucht; alle zeigten Pilzhyphen in verschiedener Anordnung: aj Hyphen Verteilung wie beim Taumelroggen; Vordringen derselben bis in das Stärkeendosperm; b) Hyphenanordnung wie bei L. teinulentum, zwischen Aleuron- und Nuzellarschichte, jedoch auch im Gebiete der Fruchtrinne, wo bei L. tetniilentinn niemals Hyphen vorkommen ; c) starke Pilzschichte zwischen Aleuron- und Nuzellargewebe, vereinzelt Hyphen zwischen Spelze und Fruchthaut und im Stärkeendosperm. Es scheint wohl keinem Zweifel zu unterliegen, daß die mehr oder weniger zahlreichen Pilzhyphen die Ursache des Nichtkeimens dieser Früchte sind. Es wurden nun die gut entwickelten Halme der ausge- keimten Körner untersucht. Falls wenigstens vereinzelt bei den Früchten von L. perenne ein Pilz dieselbe Rolle spielen würde, wie bei L. temulenhim, so müßte er beim Auskeimen der Frucht in die junge Pflanze gelangen und leicht nachzuweisen sein. Trotz der sorgfältigsten Untersuchungen dieser Halme, namentlich der Gewebepartien in der Nähe des Vegetations- 538 A. Nestler, kegels und der Knotenpunkte, konnte in keinem Pralle die Spur einer Pilzhyphe nachgewiesen werden. (Bringt man eine solche, aus mit Sublimat behandelten Früchten hergestellte Kultur unter Anwendung besonderer Schutzmaßregeln gegen Infektionen bis zur Fruchtreife, so wird man in den neuen Früchten höchst wahrscheinlich vergebens nach einem Pilze zwischen Aleuron- und Nuzellargewebe suchen. Leider konnte ich diesen Versuch heuer nicht mehr ausführen.) Diese sämtlichen Resulte der Untersuchungen der Früchte und Pflanzen von L. perenne bestimmen niich anzunehmen, daß das Vorkommen eines Pilzes in diesen Früchten keines- wegs vergleichbar ist mit dem symbiotischen Verhältnisse eines Pilzes zum Taumellolch, sondern daß bei L. perenne in analoger Weise wie bei dem von mir untersuchten Taumelroggen und wahrscheinlich auch bei anderen Grasfrüchten Infektionen von außen durch Pilze stattfinden, welche mehr oder weniger tief in die Früchte eindringen und das Keimvermögen derselben stören. Während die Früchte von L. temiüentum außerordent- lich gut keimen, trotz der konstanten Anwesenheit eines Pilzes, wurde allgemein beobachtet, daß L. perenne ein weit schlech- teres Keimvermögen besitzt. h) Lolium italicum A. Br. (:= L. multiflorum Lam.) In den Früchten von L. italicum A. Br. (aus dem Prager botanischen Garten) habe ich seinerzeit^ vergebens die charak- teristische Hyphenschichte gesucht. Neubauer und Remer- sagen, daß sie bei L. niultifloruin Lam. (:= L. italicum A. Br. Anm. des Verf.) trotz wiederholten Suchens den Pilz niemals zu Gesicht bekommen haben. Freeman^ fand unter 57 imter- suchten Pflanzen zwei mit dem Pilz. Die neuerdings von mir durchgeführten Untersuchungen dieser Früchte (bezogen von Haage und Schmidt, Erfurt) ergaben folgende Resultate: Von 50 untersuchten Früchten zeigten 13 (d. i. 267o) Pi^z- hyphen in verschiedener Anordnung: 1 L. c. p. 208. 2 L. c. p. 653. 3 L. c. p. 19. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 539 a) eine sehr lockere, schmale Pilzschichte zwischen Aleuron- und Nuzellargewebe, an einigen Stellen unterbrochen; die- selben Hyphen vereinzelt zwischen Spelze und Fruchthaut; die Gestalt der H3^phen gleicht denen von L. perenne; b) H3''phenanordnung wie bei L. teimilenhun, doch nicht so dicht; c) eine verschieden dicke Pilzschichte, der Aleuronschichte außen anliegend; an manchen Stellen ein breites, gegen die Samenschale zu konvexes Polster, pseudoparenchy- matisch erscheinend, ein Stroma, von welchem gegen die Samenschale zu sehr zahlreiche Konidien abgeschnürt werden; diese Konidien einzellig, walzenförmig, 12;x lang, 2 • 4 [X breit. Bezüglich einer eventuellen Identität dieses Pilzes mit dem von L. temnlenümt läßt sich nichts Bestimmtes sagen, da aus einer Ähnlichkeit der Hyphen kein Schluß gezogen werden kann. In analoger Weise, wie bei L. perenne, wurden auch Kulturen von L. italiciim angelegt, ferner die nicht gekeimten Früchte und die normal entwickelten Halme untersucht. Die Resultate sind dieselben, wie bei L. perenne: die nicht ge- keimten Früchte zeigen Pilzhyphen in der oben angegebenen Anordnung; die Halme lassen keine Spur eines Pilzes er- kennen. Man ist also durchaus nicht berechtigt, das eventuelle Vor- kommen eines Pilzes in den Früchten von L. iialicmn als identisch zu bezeichnen mit den Verhältnissen bei L. temn- lentmn. Es scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein, daß sowohl L. perenne als auch L. italicum, falls verhältnismäßig zahl- reiche Früchte derselben von Pilzen durchsetzt sind, dieselbe physiologische Wirkung äußern wie L. temiilentum und der sogenannte Taumelroggen. Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, daß es von hohem Interesse wäre, einen Roggen, der sicher als Taumelroggen er- kannt wurde, chemisch zu prüfen, ob er dieselben Alkaloide enthält wie L. teniiilentimi. 540 A. Nestler, III. Versuche, den Pilz von Lolium temulentum rein zu kultivieren. Ein Hauptbestreben bei allen Untersuchungen der Früchte von L. temulentum ging dahin, den mit der Pflanze und der Frucht so innig verbundenen Pilz rein zu kultivieren, um ihn eventuell zur Fruktifikation zu bringen, die Spezies zu be- stimmen und eine größere Menge dieses Pilzes chemisch zu prüfen, um zu erfahren, ob vielleicht der Pilz allein die im Taumellolch nachgewiesenen Gifte enthält. Bereits 1898 habe ich vielfache Versuche angestellt, um den unter bestimmten, notwendigen Kautelen aus der Frucht herauspräparierten Pilz auf verschiedenen Nährböden zum Wachstum zu veranlassen. Alle Versuche verliefen resultatlos; wohl entwickelte sich mitunter ein Pilz, der aber sicher nicht dem Taumellolchpilz entsprach. Freeman^ teilte die Früchte mit einem gut sterilisierten Messer durch einen Längsschnitt in zwei Teile; die Hälfte mit dem Einschnitte des Kornes wurde weggeworfen, aus der andern Hälfte wurde die Stärke entfernt und die Pilzschichte bloßgelegt. Mit sterilen Nadeln konnte er nun kleine Bestände der Hyphenschichte herauspräparieren. Als Nährböden ver- wendete er Bierwürzegelatine 2^0, Fleischextraktgelatine 2'yo und destilliertes Wasser. Der Erfolg war ein negativer. Ich habe neuerdings Kulturen der unter allen Vorsichts- maßregeln aus der Frucht isolierten oder der Aleuronschichte noch anhaftenden Hyphen versucht und als Nährböden benützt: Bierwürzegelatine; Bierwürzegelatine plus wässerigen Lolium- extrakt (hergestellt aus zerkleinerten Halmen und Früchten von L. temulentum); Loliumextrakt allein; Loliumextrakt plus Gela- tine, AgarAgar etc. etc.; Kulturen teils in sterilisierten Petri- schalen, teils auf Objektträgern, im hängenden Tropfen bei verschiedenen Temperaturen (bis 25° C.). Alle Versuche blieben ohne einen sicheren Erfolg. 1 L. c. p. 12. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. o41 Alle diese sorgfältig angelegten Kulturen ergeben, obwohl stets nur ein negatives Resultat zu verzeichnen war, doch eine bemerkenswerte Tatsache: Die in der Frucht von L. temiilentum zwischen Ale uron- und hyaliner Schichte befindlichen Hj^phen eines Pilzes haben unter den genannten V erhältnissen kein wei ter es Wachs tums- vermögen. Ich versuchte nun noch auf eine andere Weise den Pilz zu kultivieren. Ich benützte dazu kleine Gewebestücke mit dem Pilze aus jungen Keimpflanzen, und zwar unterhalb des Vegetations- kegels, dem der Pilz beim Wachsen der Pflanze bekanntlich beständig folgt. Das Fernhalten anderer Pilzsporen und nament- lich der Bakterien ist bei diesen Versuchen aus naheliegenden Gründen sehr schwierig. Es ist unbedingt notwendig, die be- treffenden Gewebestücke samt den deutlich sichtbaren Hyphen zwischen den Zellen bei Beginn der Kultur genau zu zeichnen, um eventuelle Veränderungen mit Sicherheit wahrnehmen zu können. Ich kann nur einen einzigen, sicheren Fall konstatieren, welcher zeigt, daß bei weiteren Versuchen die Kultur dieses Pilzes auf diese Weise vielleicht doch möglich sein wird: ein Loliumpilzfaden in einem geraden, längeren Interallularraum zeigte auf Bierwürzegelatine plus Loliumextrakt ein Wachs- tum; die einzelnen Zellen dieses Fadens trieben seitlich etwa 20 bis 30 [j. lange Zweige, dann hörte leider das Wachstum aus unbekannten Gründen vollständig auf. 'o IV. Eigentümliche Sehleifenbildung bei den jungen Pflanzen von L. temulentum L. Bei einem letzten Versuche, um den Loliumpilz zum Heraustreten aus der Pflanze und eventuell zur Fruktifizierung zu bringen, zeigte sich in der Regel eine eigentümliche, abnor- male Bildung, die ich hier kurz erwähnen will, da sie mög- licherweise auf den Einfluß des Pilzes in der Pflanze zurück- zuführen ist. 542 A. Nestler, Bei diesen Kultur\-ersuchen leitete micli folgender Ge- dankengang: Wenn eine mit gut sterilisierten PMichten hergestellte Kultur von L. termdeiitum auf ausgeglühtem Quarzsand oder sterilisier- tem Filtrierpapier ohne Zufuhr einer Nährlösung gelassen wird, dann hört das Wachstum, nachdem die Hahne 1 bis \-bdcm Höhe erreicht haben, auf; sie sterben allmählich ab. Es wäre nun denkbar, daß der im Halme aufwärts wachsende Pilz in dieser Lage aus seiner parasitischen Lebensweise in eine sapro- phytische übergeht, an der Obertläche des Halmes erscheint und fruktifiziert. Der Erfolg war der, daß in einigen Fällen nach Abschluß des Versuches sämtliche Pflänzchen von einer Fusa- riumart bedeckt waren, welche nach der Gestalt der Hyphen wahrscheinlich nicht identisch mit dem Taumellolchpilze ist; in anderen kamen verschiedene saprophytische Pilze zur Ent- wicklung; in seltenen Fällen blieb jede Entwicklung eines Pilzes vollständig aus. Da bei dieser Gelegenheit die oben erwähnten Schleifen- bildungen in der Regel sichtbar wurden, will ich die Versuchs- anstellung näher beschreiben. Große, verschließbare Glas- schalen wurden im hinern mit Filtrierpapier ausgekleidet oder der Boden mit ausgeglühtem Quarzsand bedeckt und im Heiß- luft-Sterilisierapparat bei 150° (1'^) sterilisiert. Um die Taumellolchfrüchte möglichst gut von anhaftenden Pilzkeimen zu befreien, wurden sie 10 bis 15 Min. in l^'/^iger Sublimatlösung gehalten, dann zehnmal mit sterilisiertem Wasser gewaschen und nach 24 stündiger Quellung ausgesät. Nach dieser Behandlung gehen fast alle Früchte sehr gut auf.^ 1 Die Früchte von L. temulentum können noch weit mehr vertragen; aller- dings ist dann die Zahl der keimenden Frijchte weit geringer: n) lO/ii Sublimat, l'^ lang eingewirkt; dann gründlich gewaschen; Kulturen bei Lichtabschluß: es keimten normal 69%; im Lichte: es keimten 55%; b) 1 Stunde in 2 ■ 5% Sublimat, dann gründlich gewaschen. Von 30 Körnern entwickelten sich 6 normal ; c) 24 Stunden in 10% Kupfervitriollösung, dann zehnmal mit sterilisiertem Wasser gewaschen. Erst nach 1 1 Tagen zeigten sich bei 7 von 48 Früchten kleine Halmspitzen, keine Wurzeln; in 24 Tagen wurden die Hälmchen \0 cm hoch; Wurzelbildung blieb vollständig aus. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 543 Bei allen diesen, nach einmaliger Benetzung mit steri- lisiertem destilliertenWasser sich selbst überlassenen, bei Licht- abschluß gehaltenen Kulturen zeigte sich stets, bisweilen ver- einzelt, öfters jedoch bei allen Pflanzen seitlich an der Achse je eine eigentümliche Schleifen- oder Ringbildung, wie sie meines Wissens bisher nicht beobachtet worden ist. In einer gewissen, fast konstanten Entfernung von dem hypokotylen Gliede, das bei diesen Kulturen stets sehr in die Länge gestreckt ist, zeigt sich eine Schleifenbildung, deren eines Ende aus dem unteren Teile des Halmes kommt, das andere verläuft in dem oberen Teile (Fig. 5, s). Bei genauer Betrachtung sieht man, daß diese Schleife aus einem kleinen Längsriß des Halmes hervorkommt (Fig. 7); der nach aufwärts gehende Teil der Schleife ist in der Regel mehr oder weniger gewellt (Fig. 8); die Schleife kann einen Durchmesser bis zu 2 "5 c«; erreichen. Mitunter entfaltet sich aus der Schleife ein Blatt, welches, entgegen den normalen Wachstumsverhältnissen, nach abwärts zu wachsen scheint und der Pflanze ein sehr eigentümliches Aussehen gewährt (Fig. 9). Die erste Andeutung dieser abnormen Bildung zeigte sich gewöhnlich in ungefähr 18 Tagen nach Anlegung der Kultur, bisweilen bereits nach 12 Tagen; in 25 Tagen waren mitunter sämtliche Pflanzen mit diesen Schleifenbildungen versehen; die Halme selbst waren I bis 1 -5 dem hoch, seltener nur 6 bis 9 cm. Nebenbei sei bemerkt, daß alle Pflanzen an der Austritts- stelle der Schleife eine starke Ausscheidung liquiden Wassers zeigen. Zur Erklärung dieser Bildungen ist folgendes zu sagen: Fig. 5 stellt eine derartige Pflanze mit Schleifenbildung in natürlicher Größe dar. Durch vorsichtiges Ziehen gelingt es, die obere, zur Schleife gehörige gelbliche Achse (Fig. 6, b) aus der oben vollständig geschlossenen farblosen Hülle (Fig. 6, k) herauszuziehen. Diese Hülle (k) ist das scheidenförmige Keim- blatt, die Schleife (s) und der aus dem Keimblatt heraus- gezogene Teil sind die Hauptachse des Halmes. Während bei normalem Wachstum das Keimblatt eine kurze, oben offene Röhre darstellt, aus welcher zunächst das erste Laubblatt her- vorkommt, ist bei diesen abnormalen Bildungen das Keimblatt 544 A. Nestler, gleichmäßig mit der Achse des Halmes emporgewachsen und bedeckt diesen wie mit einerlangen Kappe vollständig. Während das Keimblatt sein Wachstum bald vollständig einstellt, schreitet die Entwicklung des Halmes durch die Tätigkeit des Vegetationskegels {v) weiter vorwärts, und da das erste Laub- blatt eben infolge der geschlossenen Hülle sich nicht weiter emporstrecken kann, so wird das scheidenförmige Keimblatt an der lebhaften Wachstumszone der Halmachse durchbrochen ; es entsteht ein kleiner Spalt, durch welchen nun naturgemäß eine kleine Schleife zum Vorschein kommen muß. An dem unteren Teile der Schleife liegt, wie die anatomische Unter- suchung zeigt, der Vegetationskegel (Fig. 6, 8, 9, f.), durch dessen Tätigkeit die folgenden Blätter entstehen. Beachtet man die Lage dieses Vegetationskegels und die (in Fig. 9 durch einen Pfeil angedeutete) Wachstumsrichtung in der Schleife, so wird es ohnevveiters verständlich, daß das nächste sich aus der Schleife entwickelnde Blatt gezwungen wird, eine Wachstums- richtung einzunehmen, die der der Hauptachse der Pflanze gerade entgegengesetzt ist. Solche Formen, wie die in Fig. 9 abgebildete, findet man nicht selten. Die Schleifenbildung bei den in der angegebenen Weise angelegten Kulturen von L. temtileiitMin entsteht, wie schon gesagt, zahlreich im Dunkeln, seltener im Lichte; die Höhe der Kulturgefäße ist dabei ganz gleichgültig. Die genau unter denselben Bedingungen ange- legten Kulturen von L. perenne und L. italicum zeigten niemals j ene Schleifen bil düng; auch hier ist bei Kulturen unter Lichtabschluß das hypokotyle Glied stets sehr lang ge- streckt; darauf folgt das scheidenförmige Keimblatt, das jedoch stets eine oben offene Röhre bildet, durch welche die Halm- achse emporwächst, so daß sich die Laubblätter normal ent- falten können. Bei Hafer, Gerste, Roggen, Weizen und Mais konnte gleich- falls niemals eine derartige abnorme Bildung beobachtet werden. Ob die Ursache der Schleifenbildung bei L. termiilenttmi in besonderen morphologischen Verhältnissen dieser Keim- Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. 545 pflanze oder in dem Einflüsse des hier stets vorhandenen Pilzes liegt, kann ich nicht entscheiden. BezügHch des Vorkommens des Pilzes in einer Taumel- lolchpflanze mit Schleifenbildung ist folgendes zu sagen: Im hypokotylen Gliede (Fig. 9, h) habe ich nur ausnahms- weise Hyphen in den Interzellularen angetroffen, welche nach Form und Dicke wahrscheinlich nicht dem Taumellolchpilz angehören; oberhalb der Nebenwurzeln {n) wurden die charak- teristischen Hyphen stets, jedoch nur in geringer Menge ge- funden, dagegen sehr zahlreich unmittelbar unter dem Vegeta- tionskegel (f); der aus dem oben geschlossenen Keimblatte herausgezogene Halm {b) sowie das Keimblatt selbst haben den Pilz nicht. 546 A. Nestler. Symbiose eines Pilzes mit Taumellolch. Erklärung der Abbildungen. Lolium perenne L. Fig. 1,2: Querschnitt durch die Frucht, 5;? = Spelze; /^Epidermis der Fruchthaut; n = Nuzellargewebe; h = Hyphenschichte; a Aleuron- schichte. V. 300. Fig. 3. Aleurongewebe mit anliegenden Hyphen nach Behandlung mit ver- dünnter Kalilauge; Flächenansicht. V. 300. Fig. 4. Isolierte Hyphen aus einer noch nicht reifen Frucht, zwischen Aleuron- und Nuzellarschichte. V. 300. Lolium temulentum L. Fig. 5, 6: Keimpflanze mit eigentümlicher Sciileifenbildung. h = hypokotyles Glied; k = Keimblatt; s ^= Schleife; v = Lage des Vegetations- kegels; Z? (Fig. 6) = der aus dem scheidenförmigen Keimblatt {k) herausgezogene Halm. Natürliche Größe. Fig. 7. Ein Teil des Halmes an der Austrittsstelle der Schleife. Schwach ver- größert. Fig. 8. Schleife schwach vergrößert; der obere Teil {a) wellenförmig gestaltet; V = Lage des Vegetationskegels. Fig. 9. Keimpflanze mit Schleifenbildung, aus welcher sich das erste Laub- blatt (Z7j) entwickelt hat. Natürliche Größe. Nestiep,A.: Symbiose eines Pilzes mit TamueUolch. M.cLN. gey. von A.NesÜer. Lith-AiLstxThJBaniwai'öi.Wieii. Sitzung-sberichte d.kais. Akad. d."Wiss., maüirnaturw. Klasse, Bd. CXm. Abi. DI. WO*. SITZUNGSBERiCHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIIL BAND. IX. HEFT. ABTEILUNG L ENTH.\LT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. 37 549 Beiträge zur Kenntnis des Sporangienwand- baues der Polypodiaeeae und der Cyatheaeeae und seiner systematischen Bedeutung von Karl Schnarf. (Mit 1 Tafel.) Vorgelegt in der Sitzung am 3. November 1904. Die ersten Versuche einer umfassenderen systematischen Einteilung der Farne rühren von deutschen Botanikern her. Bernhardi^ unterschied 1799 zwei Gruppen: » Sporangiis gyro instrtictis« und »sporangiis gyro destitutis*. Der weiteren Ein- teilung legte er die Beschaffenheit des Indusiums zu Grunde. Beiderlei Einteilungsprinzipien — Sporangium und Indusium — wurden auch von den späteren Autoren in ihren Farn- systemen verwendet. Ohne hier näher auf die Geschichte der letzteren- ein- gehen zu wollen, möchte ich nur in Kürze auf deren wichtigste Etappen hinweisen. R. Brown=* teilte die Filices ein in: 1. Gyratae (die Poly- podiaeeae, Cyatheaeeae und Hymenophyllaeeae umfassend), 2. Gleieheneae, 3. Osmundaeeae und 4. Ophioglosseae, wobei er zuerst das Aufspringen des Ringes als Einteilungsprinzip in Anwendung brachte. Mit ihm beginnt die Aufstellung gewisser natürlicher Gruppen. 1 J. J. Bernha rdi, Tentamen novae generum filicum et specierum earum Germaniae indigenarum dispositionis (Schrader's Journal 1799). 2 Diesbezüglich vergl. J. E. Bommer, Monographie de la classe des Fougeres. 3 R. Brown, Prodr. Florae Novae Hollandiae (London 1810). 37* 550 K. Schnarf, Kaulfuß^ suchte durch Anwendung neuer Charaktere die Grundlage für eine natürHchere Systematik zu schaffen; von seinem System soll hier nur Erwähnung finden, daß er Gruppen, die ungefähr dem entsprechen, was wir heute unter Cyatheaceae und Hymenophyllaceae verstehen, von den Poly- podiaceae abtrennte. Die neuere Systematik schließt sich an Mettenius- an, der unter Benützung von Merkmalen des Sporangiums (Lage des Ringes und Richtung des Aufspringens) die Farne in acht Ordnungen einteilte: Polypodiaceae, Cyatheaceae, Hymenophyl- laceae, Gleicheniaceae, Schizaeaceae, Ostnundaceae, Maratti- aceae und Ophioglossaceae. Auf dieser von Mettenius geschaffenen Grundlage konnte die moderne, auf phylogenetischer Entwicklung begründete Systematik weiterbauen; auch sie benützte die Beschaffenheit der Sporangien, die vertikale, schiefe oder schräge Lage des Ringes, seine Ausbildung in Bezug darauf, ob er geschlossen ist oder nicht, die Art des Aufspringens der reifen Kapsel zur Abgrenzung der Familien. Daß in der modernen Systematik die Auffassung dieser Merkmale eine andere ist als in der älteren, die bloß nach logischen Einteilungsprinzipien suchte, ist dabei selbstver- ständlich. Jene konnte die Einteilungsprinzipien von dieser nur dann übernehmen, wenn sie damit natürliche Einheiten be- gründen konnte. Da es sich nun zeigte, daß die durch die Be- schaffenheit des Sporangiums abgegrenzten Familien tat- sächlich Einheiten im Sinne einer phylogenetischen Systematik seien, wurden die alten Einteilungsprinzipien beibehalten, die man mehr oder weniger als praktische, die Übersicht erleich- ternde Merkmale aufzufassen pflegte. Im folgenden glaube ich nun zur Begründung der Ansicht beitragen zu können, daß uns in der Tat schon die Sporangien an und für sich die Grundlage für eine natürliche Einteilung geben können. Die Lage und Beschaffenheit des Annulus allein — d. h. ohne Rücksicht auf andere Merkmale — würde uns 1 Kaulfuß, Das Wesen der Farnkräuter (Leipzig 1827). 2 Mettenius, Filic. horti bot. Lips. (1856). Spoiangienwandbau der Polypoäuiceae. 551 nie dazu berechtigen können, damit Familien abzugrenzen; diese Eigenschaften könnten offenbar ebensosehr der Ausdruck gemeinsamer Abstammung, als vielmehr eine durch ganz be- stimmte äußere Faktoren bewirkte Erscheinung sein. Auf das letztere zielt offenbar die Vermutung einiger Forscher^ hin, daß die schiefe Lage des Annulus, wie wir sie bei den Cyatheaceae finden, möglicherweise durch gegenseitigen Druck der Spor- angien im Sorus hervorgerufen sei. Wenn wir aber in einer und derselben Familie beobachten können, wie nicht nur der Annulus des Sporangiums stets dieselbe Lage aufweist, sondern auch der Wandbau des letzteren sich Zelle für Zelle bei den verschiedenen Gattungen und Arten der Familie wiederfindet, so können wir wohl mit Recht annehmen, daß der einheitliche Bau der Sporangien der Ausdruck einheitlicher Abstammung sei. Demnach wird uns der Wandbau der Sporangien Kenn- zeichen gemeinsamer Abstammung liefern, die durch die Wirk- samkeit äußerer Faktoren im Gegensatze zu andern syste- matisch verwertbaren Merkmalen nicht oder nur in ganz ge- ringem Ausmaße verwischt worden sind. Diese Auffassung wird, wie ich glaube, im folgenden ihre Bestätigung finden. Die Untersuchungen, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, erstreckten sich auf Polypodiaceae und Cyathe- aceae. Von den ersteren wurden insbesondere Asplenümi und nahestehende Gattungen untersucht, da es sich zeigte, daß Eigentümlichkeiten des Wandbaues der Sporangien unter Um- ständen auch einen Hinweis auf verwandtschaftliche Be- ziehungen innerhalb eines verhältnismäßig engen Formen- kreises zu geben vermögen. In letzterer Hinsicht hat bereits Fee- versucht, die Zahl der Ringzellen bei den Polypodiaceae systematisch zu ver- wenden, wobei er allerdings nur zu ganz ungefähr geltenden Resultaten gelangte.^ 1 So Bommer in Bull. bot. de France, Bd. XX, p. XVI. 2 Fee, Gen. fil., p. Uff. 3 So Fee, 1. c. p. 15: »L'anneau des aspleniacees, des helicogyratees et dicksoniees est assez generalenient multi-articule; celui des acrostichees et d'un assez hon nombre des polypodiacees est au contraire pauci-articulc.> 552 K. Schnart, Bevor ich auf die Besprechung des Sporangienwand- baues und seiner systematischen Anwendung eingehe, möchte ich noch auf zwei in neuester Zeit gemachte Versuche hin- weisen, neue Merkmale für die Farnsystematik heranzuziehen. Bower^ hat namentlich die Entstehungsfolge der Sporangien im Sorus verfolgt und sj^stematisch zu verwerten gesucht. Be- sonderes Interesse verdient ferner die von Goebel- gegebene Anregung, auch die geschlechtliche Generation zu berück- sichtigen. Wenn auch diesbezügliche, auch von Jakowatz^ unternommene Untersuchungen noch zu keinem Abschlüsse gekommen sind, so versprechen sie doch, unsere Kenntnisse über verwandtschaftliche Beziehungen unter den Farnen in mancher Hinsicht zu bereichern. Das Sporangium der Polypodiaceae ist im ausgebildeten Zustande durch den aufrechten, nicht geschlossenen Ring charakterisiert, der das Sporangium, oberflächlich betrachtet, in zwei symmetrische Hälften teilt. Sobald man aber den Wand- bau eingehender betrachtet, sieht man, daß die Zellen, welche die Wandung bilden, stets in derselben Anordnung bei sämt- lichen Sporangien einer Form wiederkehren und daß diese An- ordnung auf beiden Seiten verschieden ist. Um diese Verhält- nisse zu erläutern, betrachten wir Sporangien irgend einer Polypodiacee, die der Reife nahe sind, jedoch noch nicht die charakteristischen Verdickungen des Annulus zeigen. Da in diesem Stadium die Sporen noch durchsichtig sind, können wir den Wandbau deutlich überblicken. Fig. 1 und 2 zeigen uns Sporangien von Blechnmn occiden- tale, von verschiedenen Seiten betrachtet. Der leichteren Über- 1 Bower, Studies on the morphology of spore-producing members, IV. The leptosporangiate. 2 Goebel in Flora 1892, Ergänz. -Bd. p. 104 ff; ferner Organographie, II. Th., p. 410 ff. 3 Jakowatz in diesen Sitzungsberichten, Bd. CX, Abt. I, Dez. 1901. Sporangienwandbau der Polypodiaceae. o53 sieht halber möge hier in Kürze auf die Entwicklung der Sporangien hingewiesen werden.^ Eine Zelle der Epidermis wölbt sich vor und teilt sich zunächst durch eine der Epidermis parallel gerichtete Wand, worauf meist noch eine gleichgerichtete Wand in der äußeren Zelle auftritt. Hierauf entstehen in der äußersten Zelle nach- einander drei schräg gestellte Wände (Segmente 1 bis 3). Diese drei Wände lassen am Scheitel eine Zelle ungefähr von der Form eines Tetraeders übrig, dessen Spitze der Epidermis zu- gekehrt ist und dessen gewölbte, nach außen gekehrte Grund- fläche den Scheitel des jungen Sporangiums bildet. Diese Zelle teilt sich wieder durch eine horizontale Wand in eine innen- gelegene tetraedische Zelle, die der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Tapetums und der Sporenmutterzellen ist und eine den Scheitel des jungen Sporangiums bildende Zelle (Segment 4). Aus diesen Segmenten 1 bis 4 entsteht durch ganz gesetzmäßig verlaufende Teilungen die Wand des Sporangiums und der Fuß. Ohne auf die weitere Entwicklung dieser vier Segmente einzugehen, sei hier nur auf das Resultat jener hin- gewiesen, welches uns einen klaren Überblick über den ganzen Wandbau gewährt. In Fig. 1 und 2 sind die ursprünglichen Grenzen der Segmente 1 bis 4 stärker ausgezogen. Wir sehen zunächst, daß an der Bildung des Ringes die Segmente 1, 3 und 4 beteiligt sind. Im Ringe fallen uns zunächst vier, im Ver- gleich zu den andern schmälere Zellen auf, die künftigen Stomiumzellen; an diese schließen sich nach unten zwei Zellen an, die Hypostomzellen (nach C. Müller). Dieser Teil des Ringes im weiteren Sinne, nebst den sich unten anschließenden Zellen des Fußes, geht nach C. Müller aus Segment 3 hervor. Auf der dem Stomium gegenüberliegenden Seite befinden sich in unserem Falle acht ziemlich gleich gestaltete Ringzellen; diese entstammen dem Segmente 1. Der übrige, am Scheitel gelegene Teil des Ringes geht aus Segment 4 hervor. Betrachten wir nun die beiden Wandhälften, die durch den Ring voneinander geschieden werden. Wir wollen sie mit 1 Betreffs der Entwicklung vergl. Rees in Pringsheims Jahrbücher, V, 1866; Kündig in Hedwigia 1888 und insbes. C. Müller in Ber. deutsch, bot. Ges., Bd. 11, 1893. 554 K. Schnarf, C. Müller nach der Zahl der in ihnen in vertikaler Richtung verlaufenden Segmentgrenzen als uni- und bisuturale Seite unterscheiden. Auf der bisuturalen Seite (Fig. 1) sehen wir im unteren Teile der Kapsel vier auffallende Zellen a, b, c, d, deren Scheide- wände fensterkreuzartig gestellt sind. Diese vier Zellen, neben der sich nach unten anschließenden Reihe der Fußzellen, stammen vom Segment 2. Zu beiden Seiten der vier Zellen a, b, c, d liegen die beiden Zellen p und q, die dem Segmente 1, respektive 3 angehören. Nach oben hin schließen vier Zellen an, deren Scheidewände ungefähr senkrecht gegen den Ring ver- laufen; sie gehören dem Scheitelsegment 4 an. Auf der unisuturalen Seite (Fig. 2) sehen wir zunächst, dem Stomium zugewandt, zwei übereinanderliegende Zellen in und n, die, ebenso wie das Stomium, aus Segment 3 hervor- gegangen sind. Auf der andern Seite liegen drei Zellen, /, g^ und g.^, die wie die angrenzenden Annuluszellen von Segment 1 stammen. Der obere Wandteil der unisuturalen Seite wird meist von drei Zellen v, w^ und W2 gebildet, die durch Teilung des Scheitelsegmentes entstanden sind; die Richtung der Wände dieser letztgenannten Zellen verhält sich selbst bei derselben Art nicht ganz konstant. Endlich noch ein paar Worte über den Fuß des Sporan- giums. Dieser besteht stets aus drei Zellreihen, die nach den Untersuchungen C. Müller's ganz aus den Segmenten 1 bis 3 hervorgegangen sind. Eine Zellreihe ist der bisuturalen und die zwei andern der unisuturalen Seite zugekehrt. Die drei Zell- reihen sind nur selten gleich lang. Bei der jetzt betrachteten Form ist die Regel, daß der Fuß unten aus zwei Zellreihen (die den Segmenten 1 und 2 angehören) besteht, während in der Nähe der Sporenkapsel noch die dritte, dem Segment 3 ent- stammende Zellreihe hinzutritt. In andern Fällen (z. B. bei Aspleniumarten) ist zu beobachten, daß der Fuß unten ein- reihig, in der Mitte oder etwas oberhalb derselben zweireihig und erst ganz nahe der Sporenkapsel dreireihig ist, und zwar gehört die längste Zellreihe dem Segmente 1, die zweitlängste dem Segmente 2 und die kürzeste dem Segmente 3 an. Sporangienwandbau der Polypodiaceae. 555 Die Beschreibung des Wandbaues wäre nicht vollständig, wollten wir nicht die Beschaffenheit des reifen Sporangiums in Kürze betrachten. Zunächst zeigt der Annulus die bekannten charakteristischen Verdickungen, die bei der Funktion eine wesentliche Rolle spielen und in ganz derselben Weise sind in der Gegend des Stonniums zwei oder mehrere Zellen aus- gebildet, wodurch der Punkt, an w^elchem später das Aufreißen des Sporangiums erfolgt, vorgebildet erscheint. Bei unserer Form (Fig. 3) sind nur die beiden mittleren der vier Stomium- zellen verdickt. Die oberhalb und unterhalb derselben gelegene Stomiumzelle bleibt stets unverdickt, ebenso die (meist zwei) Hypostomzellen und (ebenfalls meist zwei) oberhalb des Stomiums gelegene Zellen (Epistomzellen). Der Wandbau des Sporangiums, für welchen hier als typisches Beispiel Blecknuni occidentale vorgeführt wurde, kehrt bei allen Polypodiaceae wieder. Die Abweichungen von dem eben beschriebenen Falle, wie wir sie bei verschiedenen Formen finden, sind geringfügig und betreffen stets nur sehr spät in der Entwicklung auftretende Teilungswände. Auch in den Fällen, wo der ganze Wandbau durch zahlreiche Scheide- wände komplizierter gestaltet wird, wie z. B. bei einigen Arten der Gattung Gyninogramme beobachtet werden kann, ver- mögen wir ohne besondere Schwierigkeiten den ganzen Bau- plan von Blechnum occidentale wieder zu erkennen. Ebenso ist stets ein Annulus und ein Stomium mit den charakteristischen Verdickungen ausgebildet, deren Lage vollkommen konstant ist; Abweichungen bei den verschiedenen Arten zeigen nur die Zahl der verdickten Zellen und der Umstand, ob zwischen den verdickten Zellen des Annulus und des Stomiums unverdickte Zellen eingeschoben sind oder nicht, ferner die Zahl der letzteren u. dgl. m. Wenn wir uns all dieses vor Augen halten, muß für uns die ganze Auffassung zunächst des Polypodiaceensporan- giums eine andere werden. Die Lage und Beschaffenheit des Annulus und die Ausbildung desselben können wohl als charak- teristische, augenfällige Merkmale gelten, sind aber wohl von sekundärer Bedeutung für die Auffassung unserer Familie als einer phylogenetischen Einheit. Das gleichmäßige Auftreten 556 K. Schnaif, desselben Wandbaues jedoch, der nämlichen Zellgrenzen — Dinge, die offenbar für die Funktion bedeutungslos sind — weisen uns in unzweifelhafter Weise auf eine gemeinsame Ab- stammung aller Formen hin, deren Sporangien den nämlichen Wandbau besitzen. Von diesem Standpunkte aus verlohnt es sich gewiß der Mühe, auf die kleinen Abweichungen und geringen Unter- schiede, wie sie bei verschiedenen Arten auftreten, des näheren einzugehen. Zwar werden von vornherein nur kleine, oft schwer zu beobachtende Abweichungen zu erwarten sein, da hier die umgestaltende Wirkung äußerer Faktoren offenbar viel geringer ist als bei den vegetativen Organen. Desto größere systema- tische Bedeutung muß aber einer solchen, wenn auch gering- fügigen Differenz beigelegt werden, wenn eine bestimmte Formengruppe eine solche gegenüber andern zeigt. Die Systematik der Farne, insbesondere der größeren Familien, hat ja ziemlich große Schwierigkeiten zu überwinden, wenn sie anders auf verwandtschaftlichen Verhältnissen auf- gebaut sein soll. Dies mag zum größten Teil auf einer gewissen Einförmigkeit in der Ausbildung der vegetativen Organe be- ruhen. Vergleichend-anatomische Untersuchungen^ haben es wahrscheinlich gemacht, daß die Polypodiaceae im großen und ganzen in dem anatomischen Aufbau ihrer Blätter eine An- passung an das Leben an relativ feuchten und schattigen Standorten zeigen. Wenigstens zum Teile dürfte sich darauf die in Anbetracht der großen Formenzahl relativ große Ein- förmigkeit im ganzen Habitus zurückführen lassen. Eine weitere Schwierigkeit der Polypodiaceensystematik liegt wohl darin, daß verschiedene Entwicklungsreihen der Polypodiaceae eine ähnliche Ausbildung in denjenigen Merkmalen erlangt haben können, die in der Einteilung in Unterfamilien verwertet werden- So scheint die Ansicht Prantl's^ nicht unberechtigt, daß die 1 W. Benze, über die Anatomie der Blattorgane einiger Polj'podiaceen (Berlin 1887), (Referat in Jus t's Jahrb. 1887, II); ferner A. Vi nge, Über das Blattgewebe der Farne (Bot. Zentralbl. 1887, 2, p. 290). 2 Prantl in Arbeiten des bot. Instit. zu Breslau, I, 1892, p. 12 ff; ähnlich spricht sich Giesenhagen aus (die Farngattung Niphobolus, Jena, 1901). Sporangienwandbau der Polypodiaceae. o57 heutigen Unterfamilien der Polypodiaceae nur bestimmte Ent- wicklungsstufen repräsentieren, die teilweise von verschiedenen Entwicklungsreihen erreicht wurden. Zu einem damit im Ein- klang stehenden Ergebnis gelangte ich wenigstens bei der Untersuchung des Sporangienwandbaues innerhalb einer Unterfamilie der Polypodiaceae. Die im folgenden mitgeteilten spezielleren Untersuchungen beziehen sich auf die Merkmale, die Sporangien von Arten der Gattung Asplenitim und verwandter Gattungen zeigen. Was unter Asplenium 7.u verstehen sei, war Gegenstand der verschiedensten Auffassung von Seite der Pteridologen. Während die einen, wie z.B. Hooker oder Mettenius, die Gattung Aspleniitm in einem sehr weiten Umfange nahmen (unter Einschluß von Athyrium und Diplazitim), lösten sie andere in eine größere Anzahl von Gattungen auf, wie z. B. Presl. Die Schwierigkeit lag eben darin, daß die innerhalb jeder der drei Hauptgattungen Asplenium im engeren Sinne, Diplazitim und Athyrium die Form und die Zahl der Sori auf einer Fieder nicht konstant sind, so daß sich also Übergänge ergeben, welche die Vereinigung in eine Gattung nahelegen, andrerseits aber die typischen Formen doch so sehr auseinander gehen, daß sie sich schwer in einer Gattung unterbringen lassen. Die Untersuchung der Sporangien der Gattung Asplenium, im engeren Sinne ergab nun, daß da überall ein Sporangium mit ganz charakteristischen Merkmalen vorhanden ist. Fig. 4 zeigt ein reifes Sporangium von Asplenium vivi- parnm. Wir sehen vier Stomiumzellen, die alle in bekannter Weise verdickt sind. Nach oben hin schließen sich an diese sofort die verdickten Annuluszellen an, ohne daß unverdickte Stomium- oder Epistomzellen dazwischen auftreten. Hypostom- zellen sind stets, und zwar in der Regel eine oder zwei vor- handen. Ferner zeigt der Fuß eine auffallende Beschaffenheit. Die drei Zellreihen, aus denen er besteht, sind untereinander ungleich lang, so daß er unten aus einer, weiter oben aus zwei und erst ganz in der Nähe der Kapsel aus drei Zellreihen besteht. ' Diels in Engler-Pran tl, Nat. Pflanzenfam., I, 4. 558 K. Schnarf, Diese beiden Merkmale, nämlich das Fehlen unverdickter Zellen zwischen den verdickten Stomiumzellen und den ver- dickten Annuluszellen einerseits und der im unteren Teile nur aus einer Zellreihe gebildete Fuß andrerseits, lassen sich stets leicht an frischem und Herbarmaterial wiederfinden. Sporan- gien, welche diese Merkmale nicht zeigten, konnte ich unter einer großen Zahl von Sporangien nur ganz vereinzelt beob- achten. Von der Gattung Asplenium wurden folgende Arten unter- sucht (der Aufzählung liegt die Diels'sche Einteilung in Sek- tionen zu Grunde): Sektion I, Neottopteris: ensiforme Wal L, sinuatum B e au v., sqttamulatum Bl., Nidus L. Sektion II, Hemionitidastrimi : Hemionitis L. Sektion III, Acropteris: septent7-ionale Hoffm., variahüe Hook., Seelosii Sieb., Germanicttm Weis. Sektion IV, Euaspleniuni: 1. Pinnatae: viride Huds., adtil- terintitn Milde, Trichomanes L., monanthemum h., platynettron Oakes, Petrarchae DG, longicauda Hk., Poolii Bkr., alatiim Hk. Bkr., lumdahLm Sw., anisophyllum Kze., attriculahim Sw., marimim L., obhtsahtm Forst., htcidtim Forst., ntucronatum Presl, Serra Langs.-Fisch., falcattim Lam., obesum Bkr., wiacüenhiifi Kze., caudaHim Forst, erechim Eovy, paleacemn R. Br.; 2. Compositae: Hookerianum Col., Ruta wiuraria L., fisstim Kit., Adianthiim nigrum L., cuneatum, Lam., lanceolatum Huds., fontamim Bernh., httlbiferinn Forst., ciciUarmm Sw., adiantoides Radds. Sektion V, Darea: flaccidum Forst, Belangeri Kze., vivi- pariim Presl, dimorphum Kze., Dregeanum Kze., rutifolium, Kze., viviparoides Kuhn. Aus der Sektion VI, Loxoscaphe, konnte ich aus Alangel an Material keine Form untersuchen. Die Zahl der untersuchten Arten ist groß genug, um sagen zu können, daß die ganze Gattung Asplenium in dem ange- gebenen Umfange durch Sporangien mit den angeführten Merk- malen ausgezeichnet ist. Hingegen zeigten die Gattungen Athyrium und Diplazitim gar nie derartige Sporangien; zwischen den verdickten Stomial- Sporangienwandbau der Polypodiaceae. 559 Zellen fand ich stets mindestens eine, fast durchwegs aber mehr unverdickte Zellen eingeschaltet. Untersucht wurden von diesen Gattungen folgende Arten: Diplaziiim: alternifolimn Presl, arborescens Mett., celti- difolnim Kze., escttJentum Presl, latifolinm (Don), Moore, plantaginetmi L., radicans Schk., Shepardi Lk., siluaticimi Presl, sorzogoiiense Presl. Athyrmm: acrosHckoides (Sw.) Di eis, aspidioides Schlecht., filix Jemina (L.) Roth, macrocarpimi (Bl.) Bedd., nipponictim (Mett.) Di eis, oxyphyllimi (Hook.) Moore, tmihrostim (Ait.) Presl. Hingegen zeigten die untersuchten Arten der Gattung Ceterach wieder volle Übereinstimmung im Sporangien- wandbau mit Asplenmm und ebenso die Arten der Gattung Scolopendrümi, soweit ich solche untersuchen konnte, und Pletii'osorus. Von diesen Gattungen wurden untersucht: Scolopendrümi: vulgare Sm., Brasilieiise Kze., hyhridtiin Milde, Hemionitis Lag., nigripes (Fee) Hk.^ Ceterach: alternans (Wall.) Kuhn, ojficinarum Willd. Pletirosorus rtitifolius (H k und Grev.) Fee. Als Resultat dieser Sporangienuntersuchungen ergibt sich auf Grund der früher entwickelten Anschauungen über den Sporangienwandbau als phyletisches Merkmal eine enge Zu- sammengehörigkeit der in die Gattungen Asplenium i. e. S., Scolopendrmm und Ceterach eingereihten Formen. Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Resultate, zu denen verschiedene Forscher auf ganz anderem Wege gelangt sind, wie die folgende Vergieichung mit der Literatur zeigen wird. Gehen wir dabei von der Gattung Athyriiim aus. Dieser 'Formenkreis wurde von den älteren Botanikern- mit Aspidiunt vereinigt, während er von den übrigen auf Grund der Be- schaffenheit der Sori und des seitlichen Indusiums zum min- desten in die Nähe von Asplcnitim gestellt wurde. Die ^ Dagegen zeigen die Sporangien von -^ Scolopendrmm Krebsii Kze.« nicht die Eigentümlichkeiten von Asplenittm i. e. S.; nach Luerssen (Farn- pflanzen, p. 112) ist diese Pflanze in der Tat eine Abnormität von Blechnum punctulaUim Sw. - Swartz, Syn. fil; Willd., Spec. pl. V, 276. 560 K. Schnarf, Schwierigkeit, auf Grund dieser Eigenschaften Athyrmm von Asplenium zu trennen, bewog Hooker^ und Mettenius'^ in ihrer Riesengattung Asplenium auch Athyrlum unterzubringen und dies konnte umsomehr gerechtfertigt erscheinen, als die Versuche Presl's,^ Fee's,^ Heuflers^ u. a., Athyrium auf Grund der Merkmale des Sorus und Indusiums zu trennen, zu einander teilweise widersprechenden Abgrenzungen führte.*^ Milde' führte auf Grund der Gestalt der Spreuschuppen {paleae clathratae — paleae cystopteroideae) und der Gefäß- bündelverhältnisse des Blattstieles eine Trennung von Athy- rium und Aspleuittm durch, der sich die meisten neueren Autoren anschließen. Indem Milde seine Untersuchungen auf nächststehende Gattungen ausdehnte, kam er zum Ergebnisse, daß die für Asplenium charakteristischen Spreuschuppen auch bei Ceterach und Scolopendrium auftreten, während sich Diplazium an Athyrium anfügte. Milde kam so zu folgender Einteilung seiner Unterfamilie der Aspleniaceae: a) Subtribus: Asplenieae. I. 1. Micropodium- Mett. II. 2. Asplenimn. 3. Ceterach. III. 4. ScolopendriufH. 5. Camptosorus. h) Subtribus: Athyrieae. 6. Athyrium mit den Sektionen: Euathyrium^ Diplazium, Callipteris, Hemidictyon. 1 Hooker, Spec. fil.; H. u. Baker, Syn. fil. , Baker, A Summary of the new ferns, 1892. 2 Mett., F"!!. h. bot. Lips., p. 67; ferner: Über einige Farngattungen, VI, Asplenium (Senkenb. Ges. 1859/61). 3 Presl, Tent. Pteridogr. 4 Fee, Gen. fil. 5 Heufler in Verh. Zool. bot. Ges. Wien, 1856. 6 Vergl. darüber Milde, Das Genus Athyrium, bot. Ztg., 1866, p. 372. ^ Milde, Über die Gefäßkryptogamen Schlesiens (Nova Acta XXVI, 11, p. 569); das Genus Athyrium (Bot. Ztg., 1866); Über Athyrium und Asplenium und Verwandte (Bot. Ztg., 1870). Sporangienwandbau der Polypodiaceae. 561 Milde kommt somit in Bezug auf die Auffassung der Aspleiiiaceae zu dem Ergebnis, daß sie aus zwei getrennten Gruppen oder besser Entwicklungsreihen besteht, von denen die eine Aspleninm, Ceterach, Scolopendrnmt umfaßt, während die andere im wesentlichen durch Atkyrmm und Diplazium vertreten ist. Die natürliche Stellung von Ceterach war mit dem Augen- blick gegeben, als erkannt wurde, daß die ganze Lage des Sorus der eines ^^/'/e/^mw entspreche^ und daß daslndusium nur mehr oder weniger rückgebildet sei^. Die vorhandenen Übergänge (Ceterach alternans) können geradezu eine Vereinigung mit Asplenhim rechtfertigen, wie es auch in neuerer Zeit geschehen ist.^ Das Indusium scheint in der Tat bei Ceterach in dem Maße rückgebildet worden zu sein, als das Spreuschuppenkleid stärker ausgebildet wurde, was gewiß biologisch zu verstehen ist. An Ceterach schließt sich ganz ungezwungen die Gattung Plettrosorus an. Scolopendrmm wird wohl von allen Forschern in die Nähe von Asplenitim gestellt. Da sich aber diese Gattung auf Grund ihrer ziemlich auffallenden und konstanten Merkmale leicht umgrenzen läßt, findet man in der Literatur kaum deutliche Hinweise auf besonders nahe Beziehungen zu Asplenium. In jüngster Zeit kam Hofmann* gelegentlich der Untersuchung von Scolopendrnim hybn'dum Milde zu einem Resultate, das sowohl der Ansicht Milde's^ über die hybride Natur dieser Form als auch der Auffassung Heinzes^ widerspricht, der eine hybride Entstehung leugnet. Hof mann macht es nun sehr wahrscheinlich, daß Scolopendrium hybridtmi eine deutliche Übergangsform zwischen den Gattungen Scolopendrium und Ceterach vorstellt; die Existenz einer solchen Übergangsform aber weist unbedingt auf nahe verwandtschaftliche Beziehun- gen zwischen Scolopendrium, Asplenium und Ceterach hin. 1 Mettenius, Fil. h. bot. Lips., p. 80. - Vergl. Luerssen, Farnpflanzen, p. 284 ff. und die dort zitierte Literatur. '^ Acherson, Synopsis I. ^ H o f m a n n, Über Scolopendrium hybridiim Milde (Ost. bot. Ztschr. 1 899). •^ Milde in Verh. Zool.-bot. Ges. Wien, Bd. 14, p. 235. •5 Heinz in Ber. deutsch, bot. Ges., Bd. 10, p. 413. 5G2 K. Schnarf, Auch auf Grund eingehender vergleichend-anatomischer Untersuchungen gelangte K. Thomae^ zu derselben Grup- pierung der Asplenieae. Die von ihm untersuchten Arten von Athyrmtn stehen im Bau der Gefäßbündel der Blattstiele wohl unterschieden den Arten der Gattung Asplenium gegenüber. Bemerkenswert ist ferner die Beobachtung dieses Autors, daß Scolopendrium vulgare mit Asplenhim Übereinstimmung zeigt. Wir sehen also, daß uns die Untersuchung der Eigentüm- lichkeiten der Sporangien zu einem mit auf anderen Wegen gewonnenen Ergebnissen übereinstimmenden Resultate geführt hat. Diese Übereinstimmung ist einerseits dazu geeignet, die verwandtschaftlichen Beziehungen unter den besprochenen Formen vollkommen klar zu legen, andrerseits die Richtigkeit des Gedankens zu erweisen, daß die Merkmale der Sporangien uns in klarer Weise verwandtschaftliche Beziehungen auch innerhalb verhältnismäßig kleiner Formenkreise zeigen können. Die Auffassung des Cyatheaceae in Bezug auf ihre syste- matische Stellung war stets eine schwankende. Kaulfuß- charakterisiert die Cyatheaceae im Gegensatz zu den Polypodi- aceae, die einen »annulus verus centralis« besitzen, durch einen »annulus verus excentricus«. Dabei rechnete er aber die Hynie- nophyllaceae zu den Cyatheaceae, die demzufolge in zwei Unterabteilungen zerfallen, deren eine die Hymcnophyllaceae und deren andere die eigentlichen Cyatheaceae bilden. Von den letzteren schloß er jedoch die Gattungen Dicksonia, Balantmm und Cibofium aus, die er zu den Polypodiaceae, und zwar unter die Davallioideae rechnete. Von späteren Autoren ordneten die meisten die Cyathe- aceae den Polypodiaceae unter, so Brongniart, Endlicher, Lindley, Fee, Smith, Moore, Hooker u. a. Als selbständige Gruppe neben den Polypodiaceae ließ sie vor allem M ettenius gelten. Auf die verschiedene Umgrenzung der Cyatheaceae, namentlich was Dicksonia und Verwandte betrifft, wird später noch hingewiesen werden. 1 Thomae, Die Blattstiele der Farne, Pringsheim's Jahrb., 17. Bd.,p. 1430". 2 Kaulfuß, Das Wesen der Farnkräuter (Leipzig 1827). Sporangienwandbau der Polypodiaceae. ODO Dem folgenden wollen wir die von Diels^ vertretene Auf- fassung zu Grunde legen. Danach umfassen die Cyatheaceae drei Unterfamilien: 1. Dicksonieae mit den Gattungen: Balantium, Dicksonia und Cibotnim. 2. Thyrsopterideae mit der einzigen Art: Thyrsopteris elegans. 3. Cyatheae mit den Gattungen Cyathea, Hemitelia, Also- phila. Untersucht wurden Sporangien der Dicksonieae und Cyatheae. Was bei dieser Familie die Untersuchung und den Vergleich der Sporangien erschwerte, ist vor allem der Umstand, daß für die Cyatheaceae die Sporangienentwicklung nicht so genau wie für die Polypodiaceae bekannt ist, bei denen uns die genaue Bekanntschaft mit der Entwicklung zugleich eine klare Übersicht, ein Schema gegeben hatte, das den Überblick über den Wandbau außerordentlich erleichterte. Betrachten wir Sporangien von Cyathea arborea (Fig. 7 und 8), so fällt uns zunächst der mächtige Ring auf. Dieser ist bekanntlich vollständig geschlossen; die Zellen desselben sind in derselben Weise wie bei den Polypodiaceae verdickt. In einer bestimmten Partie desselben sind diese Verdickungen weniger stark ausgebildet, es ist dies die Gegend, in der der Riß einzu- treten beginnt; manchmal ist diese Stomiumgegend noch dadurch stärker hervorgehoben, daß, ganz ähnlich wie bei den Polypodiaceae, verdickte Stomialzellen von unverdickten Ring- zellen oben und unten begrenzt werden; meist sind diese Grenzen so wie bei der jetzt betrachteten Form verwischt. Der Ring gibt uns auch hier die erste Orientierung für die Betrachtung des Wandbaues. Er teilt die Sporangienwandung in zwei Hälften, deren eine mit dem Fuße in direkter Verbin- dung steht, wärend bei der andern dies nicht der Fall ist; es mögen hier diese beiden Wandhälften als Stiel- und Deckseite unterschieden werden. Wir betrachten zunächst die letztere, die stets bedeutend kleiner und schmäler ist als die Stielseite. Fig. 5 zeigt ein 1 In Nat. Pnanzenfam., 1, IV. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 38 564 K. Schnarf, junges Sporangiüm von dieser Seite gesehen. Diese VVand- hälfte wird von sechs paarweise übereinandergestellten Zellen gebildet; im reifen Sporangiüm bleibt entweder dieser einfache Bau erhalten (vergl. Fig. 7) oder es sind in einigen der ur- sprünglichen Zellen Teilungswände aufgetreten (Fig. 9), wobei wir aber in der Lage sind, die ursprünglichen übereinander- gestellten Zellenpaare wieder zu erkennen. Die Stielseite ist bedeutend größer als die Deckseite und daher auch komplizierter (Fig. 6). Der Stiel sitzt dem untern Rande dieser Wandhälfte an; diese selbst ist aus einer Anzahl in Reihen gestellter Zellen gebildet; die Reihen gehen alle vom Stielansatze aus und endigen am Ringe. Fig. 6 zeigt die Stiel- seite eines jungen Sporangiums von Cyathea arborea. Der Stiel kehrt dieser Seite zwei Zellreihen zu, von deren obersten Zellen je zwei Zellreihen ausgehen, deren jede hier in zwei Zellen ge- teilt ist; auch ist meist noch zu beiden Seiten des Stieles je eine Zelle vorhanden, welche den unteren Teil des Ringes mit dem Stiele verbindet. In reifen Sporangien ist dieser Wand- teil durch weitere Zellteilungen in größerem oder geringerem Grade komplizierter gestaltet. (Fig. 8 und 10.) Bevor ich darauf eingehe, die Verbreitung der Sporangien mit dem soeben beschriebenen Wandbau zu besprechen, möge hier sogleich darauf hingewiesen werden, daß selbst bei einer und derselben Art die Zellwände nicht dieselbe Konstanz zeigen wie bei den Polypodiaceae. Dies gestaltet natürlich den Vergleich schwieriger. Immerhin ist es aber bei der größten Mehrzahl der zunächst zu besprechenden Formen ganz gut möglich, den beschriebenen Bauplan zu erkennen. Namentlich die sehr charakteristische Beschaffenheit der Deckseite gibt stets einen sicheren Hinweis.^ Diesen Typus von Sporangien fand ich bei den einander wohl sehr nahestehenden und teilweise schwierig voneinander zu trennenden Gattungen Cyathea, Heniitelia und Alsophila. Es wurden folgende Arten derselben untersucht: 1 Bezüglich der Entstehung und Orientierung der Sporangien im Sorus vergl. Bower, Studies on the morphology of spore producing members, IV. Leptosporangiate (Philos. transact. Roy. soc. Vol. 192, London 1900, p. 52 ff.). Sporangienwandbau der Pulypodiaceae. ODO Cyathea: arborea S m., Brimonis Wa.\\., Beyrichiana Fr., canaliciilata Willd., Ctmiiinghamii Hook, crenulata Bl., cuspidata Kze., dealbata Svv., divergens Kze., Dregei Kze., ebenniü Karst., excelsa Sw., frondosa Karst., hirsuta Bkr., instgnis Kat., Manniana Hkr., maraitioides K\L, mednllaris Sw,, Mettenii Karst., mexicana Schlecht., nmricata Kl f., Schanschin Alart., S^rra Willd., smtiata Hook, und Grev., spinulosa Wall., squamipes Karst., vestita Mart. Hemitelia: capeusis (L.) Br., CostaricensisMeii., glandu- losa Kuhn, grandiflora Spr., Jiorrida Br., Karsteniana KL, speciosa Kl f., spectabüis Kze. Alsophila: armata Pres), aspera R. Br., australis R.Br., axillaris Mett., blechnoides Hook., caudata J. Sm, contaminans Wall., criiiita Hook., excelsa R. Br., Gardneri Hook., glabra Hook., gigantea Wall., hirsiita Klf., infesta Kze., latebrosa Wall., leiicolepis Mart., procera (Willd.) Klf., priiinata Klf., ptibesceiis F>kx., radens Klf., Rebeccae F. M., Taenitis Hook., tomentosa Hook., villosa Desv. Bezüglich des Stomiums ist zu bemerken, daß die Gegend, wo das Einreißen beginnt, am Ringe stets leicht zu erkennen ist. Die Ringzellen sind dort in Hinsicht auf den Verlauf des Ringes schmäler und quer dazu breiter ausgebildet. In den meisten Fällen gehen diese Stomialzellen allmählich in die eigentlichen Ringzellen über. Eine schärfere Abgrenzung des Stomiums durch unverdickte Zellen konnte ich in einigen Fällen beobachten, so z. B. bei Cyathea Ctmiiinghamii, Cyathea Brtmonis, Cyathea ebenina, Alsophila priiinata. Doch auch in diesen Fällen war die Grenze kaum so konstant zu finden, wie es bei sämtlichen Polypodiaceae der Fall ist. Nur einige wenige Formen unter den untersuchten Cyatheae ließen Zweifel übrig, ob sich ihre Sporangien auf den typischen Wandbau zurückführen lassen. So waren bei Alsophila priiinata'^ beide Wandhälften aus zahlreichen polygonalen Zellen gebildet; ich halte es jedoch für wahrscheinlich, daß in diesem Falle beide Wandhälften 1 Von Presl {Ahh. bühm. Ges. d. Wiss. ö. Folge, 5, p. 344) in eine besondere Gattung Lophosoria gestellt. 38* 566 K. Schnarf, durch zahlreiche Teilungen komplizierter gestaltet wurden, so daß sie den ursprünglichen Bauplan nicht mehr erkennen lassen. Ein genauer Nachweis für diese Ansicht würde natürlich nur durch das Studium jüngerer Entwicklungsstadien zu er- bringen sein, die mir in meinem Materiale nicht zur Verfügung standen. Für meine Ansicht scheint mir zu sprechen, daß einer- seits diese Ai't sich im übrigen den Cyatheae gut einfügen läßt und daß andrerseits auch unter den Polypodiaceae Arten vor- kommen, — so konnte ich es bei einigen Gymnogramnie- Arien beobachten — deren Sporangien einen durch zahlreiche Zell- teilungen derart kompliziert gestalteten Wandbau besitzen, daß ohne die genaue Kenntnis der durch die Entwicklung gegebenen Übersicht eine Vergleichung mit dem Wandbaue bei den übrigen Polypodiaceae äußerst schwierig wäre. Am wenigsten Übereinstimmung mit den übrigen Cyatheae zeigte eine Form, die auch sonst in der Ausbildung ihrer vege- tativen Organe vereinzelt dasteht, nämlich Alsophila blech- noiäes^. Zunächst ist zu bemerken, daß sowohl Stiel- als auch Deckseite in ihrer Ausbildung nicht konstant sind. So zeigt Fig. Wa und b zwei Fälle des Wandbaues der Stielseite; die Deckseite fand ich bald von einem geschlossenen Ringe um- geben (wie Fig. 12), bald war auch diese Eigentümlichkeit ver- wischt. Im großen und ganzen scheint es mir sehr zweifelhaft, ob bei dieser Form der Sporangienwandbau sich mit dem der übrigen Cyatheae vergleichen lasse. Von den zuletzt genannten Formen abgesehen, die min- destens Zweifel übriglassen, zeigen die Cyatheae im Wandbaue ihrer Sporangien Übereinstimmung; diese aber können wir nur verstehen, wenn wir sie als den Ausdruck gemeinsamer Ab- stammung ansehen. Die geringfügigen Abweichungen bei den einzelnen Arten zu verfolgen und die Ergebnisse systematisch zu verwerten, scheint bei dieser Gruppe kaum möglich, weil die Sporangien derselben Art, ja desselben Sorus Abweichungen innerhalb gewisser Grenzen zeigen. Dieser Mangel an völliger Konstanz ist wohl zum größten Teile auf die Einwirkung äußerer Faktoren zurückzuführen, und zwar dürfte da, wie ich glaube, 2 Repräsentant der Presl'schen Gattung Metaxya. Sporangienwuiidbau der Polypodiaceae. ö6/ der Druck, den die Sporangien im Sorus aufeinander ausüben, eine Rolle spielen, zumal als hier derselbe umsomehr zur Geltung kommen wird, als die Cyatheae, im Gegensatze zu der Mehrzahl der Polypodiaceae, kurzgestellte Sporangien besitzen. So treffen wir nicht selten unter einer Anzahl von Sporangien, die den gewöhnlichen, etwa elliptischen Umriß zeigen, einige mit mehr oder weniger viereckigem Umrisse.^ Daß bei solchen Sporan- gien aus mechanischen Gri.inden etwas andre Zellteilungen eingetreten sind, ist begreiflich. Wenn aber auch Sporangien mit derartigem, etwas abnormalem VVandbau doch noch den den Cyatheae eigenen Bauplan erkennen lassen, ist es gewiß ein Beweis für die Richtigkeit meiner Ansicht über die phyle- tische Bedeutung des Sporangienwandbaues. Die Dicksonieae umfassen die drei ziemlich kleinen Gat- tungen Balanthiin, Dicksonia und Cibotüint. Diese wurden bis in die neueste Zeit verschieden umgrenzt und verschiedenen systematischen Abteilungen zugewiesen; so wurden sie dem Polypodiaceen-Tnbus der DavalUeae zugeteilt (z. B. von Kaul- fuß, Brongniart, Bommer) oder als eigener Tribus der Poly- podiaceae betrachtet (z. B. von Presl, xMoore, Hooker, Baker) oder zu den Cyatheaceae gestellt (Mettenius). 1 Daß auch Abweichungen vorkommen, welche den von den meisten Autoren in der Systematik benützten Charakter der schiefen Lage des Ringes nicht deutl i ch erkennen lassen, ist gewiß, wenn ich auch so weitgehende Verschiedenheiten, wie sie ßommer (Revue et Classification des Cyatheacees, Bull. Sog. bot. de France XX, p. XVI f.) angibt, nicht beobachten konnte. Bommer geht so weit, daß er sagt: »Les sporanges, qui se trouvent en dehors de cette action deviatrice (nämlich: de compression, que subissent les sporanges dans leur reunion en sores et qui amene ainsi la deviation de l'anneau), ceux situes au sommet du receptacle, ont un connecticule qui occupe la place qu'un developpement normal leur assigne dans la majeure partie des Polypodiacees«. Daß durch Druck kein Polypodiaceen-Sporangium in ein Cyatheen-Sporangium verwandelt wird, brauche ich wohl kaum zu beweisen. Übrigens meint auch Bower (1. c. p. 99 f), »that the oblique position of the annulus cannot be directly attributed to pressure during the development of the individuel. It seems to be a Charakter inherent in the race like any other inhereted structural character«. Es ist begreiflich, daß Bommer auf Grund seiner eben erwähnten Ansicht und in gänzlicher Verkennung der phyletischen Bedeutung der Sporan- gienmerkmale überhaupt auf die Anwendung der letzteren verzichten und die Cyatheaceae durch das »indusium infere libre« charakterisieren will. 568 K. S chnari, In die Gattung Dicksonia wurden aber auch eine Anzahl Arten gestellt, die wohl richtiger zu den Polypodiaceae, und zwar größtenteils zur Gattung Dennstaedtia zu rechnen sind, wie es auch zuerst Moore ^ auf Grund der Verschiedenheit im Indusium getan hat. Es sind dies eine Anzahl von Formen^ die in der Ausbildung ihrer vegetativen Organe (meist Baum- farne) eine sehr weitgehende Übereinstimmung mit den echten Dicksonien zeigen und auch in der Lage der Sori und der Be- schaffenheit des Indusiums sehr an diese erinnern. Dies ist auch die Ursache, warum sie früher zu Dicksonia gerechnet wurden, - obwohl schon die Beschaffenheit des Annulus sie den eigent- lichen Polypodiaceae zuweisen mußte. Ich konnte mich in der Tat überzeugen, daß bei diesen auch der ganze Sporangien- wandbau der eines Polypodiaceensporangiums ist. (Siehe Fig. 13 und 14.) Von diesen früher fälschlich zu Dicksonia ge- rechneten Formen konnte ich untersuchen: Dicksonia: adiantoides Hk, ßkr., anthriscifoUa Kl f., apii- folia Hook., cicntaria Sw., dissecta Sw., erosa Kze., ßaccida Sw., Mollucana Bl., nitidnla Kze., pilosiusctila WU\d., ptuicti- loba Michx., rnbiginosa Kl f., scabra Wall., tenera Sw., die von Moore zu Dennstaedtia gestellt wurden; ferner Dicksonia Phimieri Hook. r:z Saccaloma adiantoides (Sw.) Diels; Dicksonia sorbifoUa Sm. = Saccaloma sorbifolitini (Sm.) Christ. Diese Formen gewinnen ein besonderes Interesse im Zu- sammenhang mit den Untersuchungen Bower's. Bei einer Anzahl dieser Dennstaedtiineae kann man beobachten, daß der Annulus etwas schief und von den beiden Wandhälften die eine mehr flach, die andere mehr gewölbt ist. Dennoch lassen sich beide Seiten leicht niit dem VVandbau der typischen Polypo- diaceensporangien vergleichen. Die Abweichungen, die sich 1 Moore, Index fil. (London 1857). 2 Vergl. darüber Mettenuis, in Annales des sciences naturelles scr. 1\'. vol. XII, p. 80 bis 82; ferner Prantl, die Gattung Dennstaedtia, in .■\rb. d. bot. Inst. Breslau. I. p. 18ff. Sporangienwandbau der Polypodiaceae. ob9 bei einem Teile dieser Formen oder bei einem Teile der Sporan- gien eines Sorus beobachten lassen, sind genügend erklärt durch die Orientierung der Sporangien und die damit in Zu- sammenhang stehende unsymmetrische Ausbildung der beiden Wandhälften.i Ähnliche Verhältnisse kann man bei Diacalpe aspidioides und Peranema cyathcoides beobachten, die ich hier zum Ver- gleiche heranziehen will. Auch bei diesen Formen zeigt, ähnlich wie bei Dennstaedtia, der Ring, den ich stets am Stielansatz unterbrochen gefunden habe, geringe Abweichung von der auf- rechten Stellung.- Doch wieder zeigen beide Seiten Überein- stimmung mit dem typischen Bauplan des Pol^^podiaceen- sporangiums. (Fig. 15 bis 18.) Für die hier vertretene Auffassung des Sporangienvvand- baues sind gerade diese Fälle von Wert, weil sie zeigen, daß trotz der ein wenig schiefen Lage des Ringes und der unsym- metrischen Ausbildung der beiden Seiten der Wandbau doch den Polypodiaceae entspricht. Erstere Eigenschaften stehen, wie Bower's Untersuchungen zeigen, mit Entstehungsfolge und Orientierung der Sporangien im Zusammenhange. Die Über- einstimmung im Wandbau kann aber gewiß nur vom phylo- genetischen Standpunkt aus betrachtet und verstanden werden. Die Dicksonieae — unter Ausschluß der zu den Polypodi- aceae gehörigen Arten — zeigen in der Beschaffenheit ihrer Sporangien Übereinstimmung. Mit den Cyatheae haben sie die vollständige Ausbildung des Ringes gemeinsam; derselbe steht ziemlich aufrecht und es sind daher beide Wandhälften unge- fähr gleich groß. Damit hängt es wohl zusammen, warum die Dicksonieae von den älteren Botanikern von den Cyatheaceae getrennt und zu den Polypodiaceae gerechnet wurden; daß der Ring vollständig ist, konnte leicht übersehen werden, weil dies nur \'on einer Seite aus deutlich erkannt werden kann. Der Ring zeigt stets eine durch unverdickte Zellen deutlich abge- grenzte Stomialregion, die von 5 bis 8 schmalen und mäßig verdickten Stomiumzellen gebildet wird. Die beiden VVand- hälften, die man wieder als Stiel- und Deckseite unterscheiden ' Vergl. Bower, 1. c. p. 73. - Vergl. Bowcr, 1. c. p. 57. 570 K. Schnarf, kann (Fig. 19 und 20), bestehen aus zahlreichen Zellen, derart, daß es mir nicht möglich ist, so wie bei den Polypodiaceae und Cyatheae, eine übersichtliche Beschreibung des Wandbaues zu geben, zumal mir auch kein Material mit jüngeren Stadien zur Verfügung stand, deren einfacheren Bau ich einer Beschreibung hätte zu Grunde legen können. Jedenfalls glaube ich, daß es nicht möglich ist, den VVandbau dieser Gruppe auf den der Cyatheae einfach zurückzuführen. Sporangien von dieser Beschaffenheit fand ich bei allen drei Dicksonieengattungen. Ich habe folgende Arten unter- sucht: Balaiitnini: Culcita (L' Her it.) Kl f., stramineiim (Labile) Diels. Dicksonia: arborescens L'Herit., antarctica Br., Berteroana Hook., chrysotricha Moore, dubia Gaud., Karsteniana KL, lanata Col., Sellowiana Hook., sqtiarrosa Sw. Cibotium: Assamiciim Hook., gtaucescejts Kze., Menziesii Hook., Schiedet Schlecht, und Cham. Thyrsopteris elegans, von welcher Art es gewiß interessant wäre zu wissen, ob ihre Sporangien sich dem Cyatheae- oder Dicksofiieae-Typus anschließen oder einen selbständigen Typus zeigen, konnte ich aus Mangel an Material nicht untersuchen.^ Fassen wir die Ergebnisse, soweit sie die Cyatheaceae betreffen, zusammen und sehen wir dabei von den angeführten wenigen Ausnahmen ab, die nicht ganz aufgeklärt, andrerseits aber doch für die Systematik interessant sind, so sehen wir, daß die beiden größeren Unterfamilien der Cyatheaceae, nämlich die Dicksonieae und die Cyatheae, zwei verschiedene Sporangientypen besitzen, die allerdings eine gewisse Ähnlich- keit in der Beschaffenheit des Ringes aufweisen, welche als Hauptmerkmal für die Charakterisierung der Familie der Cyatheaceae herangezogen wird. Durch dieses Ergebnis wird natürlich die Frage angeregt, ob die Vereinigung der Dicksonieae und der Cyatheae in eine 1 Auch die von Bower (1. c. fig. 114, 115) gegebenen Abbildungen jestatten kein sicheres Urteil zur Entscheidung dieser Frage. Sporangienwandbau der Polypodiaceae. O < 1 Familie gerechtfertigt ist oder, besser gesagt, ob wir annehmen können, daß im Verlaufe der phylogenetischen Entwicklung von einem gemeinsamen Ausgangspunkte aus sich die Dick- sonieae und die Cyatheae entwickelt haben oder ob diese die Endglieder von den übrigen Leptosporangiatenfamilien paral- lelen Entwicklungsreihen repräsentieren. Der Vergleich des Sporangienwandbaues kann diese Frage, wie ich glaube, nicht entscheiden. Die Sporangien sind uns als phyletisches Merkmal wertvoll, wenn es sich darum handelt, innerhalb des Formenreichtums der rezenten Farnflora natürliche Einheiten zu schaffen, die durch ebensoviele Sporan- gientypen scharf und ohne Übergänge charakterisiert sind; aber wie diese Einheiten untereinander verwandt sind, darüber können wir durch diese Merkmale nichts erfahren. Diese Frage kann aber auch kaum durch die Heranziehung anderer Merkmale gelöst werden. Die habituelle Überein- stimmung kann gewiß ebensogut der Ausdruck konvergenter Entwicklung sein und dies umsomehr, als es ja auch unter den Polypodiaceae solche Formen gibt, so die früher genannten Dettnstaedtia- Avien, die sich durch ihren Sporangienbau un- zweideutig diesen anschließen. Ebenso ist es zweifelhaft, welche systematische Bedeutung wir der Verschiedenheit in der Aus- bildung des Indusiums bei den Dicksonieae und den Cyatheae beilegen sollen. Dagegen würde wahrscheinlich das genaue Studium der Sporangienentwicklung, das sich aber nicht nur auf die ersten Stadien und die Entstehung der Sporenmutterzellen zu be- schränken, sondern ganz besonders die Entstehung der Wand zu berücksichtigen hätte, in dieser Frage Klarheit schaffen. Die Konstanz des Wandbaues, wie sie für die Polypodi- aceae feststeht und wie wir sie bei den Dicksonieae und Cyatheae beobachtet haben, diese Tatsachen bilden die Grund- lage für die hier vertretene Auffassung des Sporangienbaues als eines phyletischen Merkmales, Die Einhaltung desselben Bauplanes, die Wiederholung derselben Zellteilungen. bei so zahlreichen und hin und wieder ganz extremen Lebensbedin- Sitzb. d. mathem. naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 39 5/ 2 K. Sc hnarf, gungen angepaßten Formen wie den Polypodiaceae und Cya- theaceae kann nur von phylogenetischen Gesichtspunkten aus verstanden werden ; verschiedene Entwicklungsreihen haben eben selbständig und auf verschiedene Weise ähnliche Organe derselben Funktion dienstbar gemacht. Wenn auch eine auf alle Leptosporangiaten ausgedehnte vergleichende Untersuchung keine die herrschende Einteilung wesentlich umgestaltenden, systematischen Konsequenzen haben dürfte, so würde sie doch in zweifelhaften Fällen die Frage nach der systematischen Stellung entscheiden helfen. Was für verwandtschaftliche Beziehungen unter den durch die Sporangientypen gekennzeichneten Gruppen bestehen, darüber kann zwar der Vergleich des Wandbaues nichts aussagen, doch dürfte der Vergleich der Entwicklungsgeschichte (nach Art des »biogenetischen Grundgesetzes«) manches enthüllen. Daß auch innerhalb einer kleineren Gruppe die Ver- gleichung des Wandbaues Hinweise auf verwandtschaftliche Beziehungen geben kann, wenn auch nicht in allen Fällen geben wird, geht wohl aus den die Unterfamilie der Asplenieae be- treffenden Untersuchungen hervor. Namentlich unter den Poly- podiaceae, deren Systematik noch in mancher Hinsicht als provisorisch bezeichnet werden muß, können ganz gewiß bei einigen Artengruppen durch die Vergleichung des Wandbaues verwandtschaftliche Beziehungen aufgeklärt werden. Zum Schlüsse sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor R. v. Wettstein, für die freundliche Leitung und weitgehende Förderung meiner Arbeit meinen besten Dank abzustatten. Sporangienwandbau der Polypodiaceae. 573 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Blechnum occidentale, nicht völlig reifes Sporangium, bisuturale Seite. Fig. 2. Blechnum occidentale, nicht völlig reifes Sporangium, unisuturale Seite. Bei 1 und 2 sind die ursprünglichen Segmentgrenzen stärker aus- gezogen. Fig. 3. Blechnum gracile, reifes Sporangium. Fig. 4. Asplenittm viviparum, reifes Sporangium. (In 1 bis 4 bedeutet st Stomium, hst Hypostomium und est Epi- stomium.) Fig. 5 bis 8, Cyathea arborea, 5 Deckseite und 6 Stielseite jüngerer Sporangien; 7 Deckseite und 8 Stielseite reifer Sporangien. Fig. 9, 10. Alsophila villosa, reife Sporangien, 9 Deckseite, 10 Stielseite. Fig. 11, 12. Alsophila blechnoides, \\a und b zwei beobachtete Fälle des Baues der Stielseite, 12 Deckseite. Fig. 13, 14. Dennstaedtia davallioides (Dicksonia nitidula); 13 bisuturale Seite, 14 unisuturale Seite reifer Sporangien. Fig. 15, 16. Peranema cyathoides; 15 bisuturale, 16 unisuturale Seite von reifen Sporangien. Fig. 17, 18. Diacalpe aspidioides; 17 bisuturale, 18 unisuturale Seite von reifen Sporangien. Fig. 19, 20. Cibotium Schiedet; 19 Stiel-, 20 Deckseite reifer Sporangien. 39* K. Schnarf, Sporangienwandbau der Polypodiaceae etc. K. Schnarf del. Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wiss., math.-naturw. Klasse. Bd. CXIII, Abt. I, 1904. Die Sitzungsberichte der matliem.-naturw. Klasse erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Kristallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie und Reisen. Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medizin. Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter dem Titel : »Monatshefte fürChemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark. \'^X SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. X. HEFT. JAHRGANG 1904. — DEZEMBER. ABTEILUNG L ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. (MIT 12 TAFELN, i ÜBERSICHTSKARTE UND 8 TEXTFIGUREN.) WIEN, 1904. AU SD ER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN, ai:<. KILÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. INHALT des 10. Heftes Dezember 1904 des CXIII. Bandes, Abteilung- I der Sitzung-sberichte der mathem.-naturw. Klasse. Seite Brezina A., Über dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.J 577 Step J. und Becke F., Das Vorkommen des Uranpecherzes zu St. Joachims- thal. (Mit 3 Tafeln, "1 Übersichtskarte und 4 Textfiguren.) [Preis: 1 K 70 h = 1 Mk. 70 Pfg.] 585 Porthehn L., v., Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Blüten. (Mit' 3 Tafeln und 1 Textfigur.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] . G19 Abel 0., Über einen Fund von Sivatheriuni giganienm bei Adrianopel. .(Mi^ 1 Tafel und 3 Textfiguren.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] .... 629 Albanese N., Ein neuer Fall von Endotropismus des Pollenschlauches und abnormer Embryosackentwicklung bei Sibbaldia, prociimbens L. (Mit*2 Doppeltafeln.) [Preis: 1 K= 1 Mk.] 653 Wielowieyski H., v., Über nutritive Verbindungen der Eizellen mit Nähr- zellen im Insektenovarium und amitotische Kernprozesse. (Vor- läufige Mitteilung.) (Mit '2 Tafeln.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.] , , . 677 Preis des ganzen Heftes: 4 K 10 h = 4 Mk. 10 Pfg. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE. CXIII. BAND. X. HEFT. ABTEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE. PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN. 40 57: Über dodekaedrisehe Lamellen in Oktaedriten. Von Dr. Aristides Brezina. (Mit 1 Tafel.) (Vorgelegt in der Sitzung am 1. Dezember 1904.) Literatur. A. Brezina und E. Cohen, Die Struktur und Zusammensetzung der Meteor- eisen, erläutert durch photographische Abbildungen geätzter Schnitt- nächen. Stuttgart 1887. Erklärung der Tafeln X und XI. A. Brezina, Die Meteoritensammlung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums am 1. Mai 1895. Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums. X, 267, 1896. E. Cohen, Über ein neues Meteoreisen von Ballinoo am Murchisonfluß, Australien. Sitzungsberichte der k. preußischen Akademie der Wissen- schaft, 1898, II, 20. A. Liversidge, The Narraburra Meteorite. Journal and proceedings of the Royal Society of N. S. Wales. XXXVII, 234—242, pl. XI -XXII, 1903. Im Jahre 1 887 untersuchte ich gemeinsam mit Prof. Cohen das Eisen von Tazewell; wir fanden in Platten nach einer Oktaederfläche Lamellen parallel den drei Höhenlinien der gleichseitigen Dreiecke und sprachen die Vermutung aus, daß diese Lamellen nach Dodekaederflächen verlaufen. Diese Vermutung fand ich bestätigt, als ich ebensolche Lamellen am Eisen von Ballinoo auffand; Prof. Cohen bestimmte ihren Kern als Schreibersit. Das von Liversidge beschriebene Eisen vom Yeo Yeo- oder Narraburra-Creek, das zur Gruppe der feinsten Oktaedrite gehört, zeigt solche Lamellen in einer das ganze Gefüge beherr- schenden Entwicklung und ich konnte durch die Messung 40* 578 A. Brezina., von Trassenwinkeln feststellen, daß diese Lamellen in der Tat den Dodekaederflächen parallel und je nach einer der Dode- kaederflächen dünntafelig ausgebildet sind; sie sind zum Teil skelettartig entwickelt, zum Teil aber auch an den Schmalseiten von Dodekaederflächen begrenzt. Eine mir zugekommene Platte des Narraburraeisens von 178^ Gewicht (Fig. 1 in natürlicher Größe) zeigt die Spuren von drei Oktaederflächen ; die vierte sehr flach gegen die Schnittfläche geneigte Oktaederfläche tritt nur in der Form ver- einzelter unregelmäßig begrenzter Fetzen in die Erscheinung. Die drei scharfen Oktaederspuren bilden miteinander Winkel von Og Og z=z 63-0 bis 68-5, im Mittel 65-8 Og Oj = 5 1 • 5 „ 56 • 5 „ „ 54 • 0 0^0^ = 57-5 „ 64-0 „ „ 60-8 180-6 oder auf 180° ausgeglichen 65-6, 53-8, 60-6. Zahlreiche bis 3 cm lange Schreibersitlamellen verlaufen ungefähr nach einer Höhenlinie des von den drei Oktaeder- flächen gebildeten Dreieckes und ergeben Spurenwinkel von Og ^2 = 27-0 bis 35-5, im Mittel 31-3 d^o.2 — 31-0 „ 37-5 „ „ 34-2. Der Vergleich mit der Unterseite der Platte zeigt, daß diese Lamellen zur Schnittfläche nahe senkrecht stehen; sie sind von ungefähr 1 mm dickem Wickelkamazit umgeben. Daneben tritt spärlich ein zweites System von kürzeren Schreibersitlamellen auf, welches Spurenwinkel von Og d^ r= 21-0 bis 38-0, im Mittel 29-5 ergibt. Eine dritte Spur ist an einem dickern Schreibersitkristall zu bemerken, wofür mit starker Unsicherheit (wegen der Klein- heit des Kristalles) o^d^ zu ungefähr 25°, d^o.^ zu 35° gemessen wird. Die Abbildungen von Liversidge zeigen auf andern Platten alle drei Systeme von Schreibersitlamellen in der Lage Dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. 579 von Höhenlinien der aus den Oktaederspuren gebildeten Dreiecke. Wird mit den oben gegebenen Oktaederspurwinkeln in die früher von mir veröffentlichte Tabelle eingegangen/ so ergibt sich für die Position der Schnittfläche gemessen berechnet für interpoliert für (16.13.10) (25.20.16) (764) 03 02 0103 65?6 53-S 60-6 6499 53-7 61-4 66? 1 54-0 59-9 65?5 53-S 60-6 Da die Interpolation für (16.13. 10) als Schnittfläche eine sehr genaue Übereinstimmung mit der Beobachtung ergibt, habe ich unter dieser Annahme die Spurenwinkel der drei sichtbaren Oktaederflächen und der drei zur Schnittfläche nahe senkrechten Dodekaederflächen ausgeführt. Die Bravais'sche Tangentenformel gibt für den Spuren- winkel a, den auf {likl) die Flächen {efg) und (miio) ein- schließen tg a =: tg [pqr] [uvn>] =z ptt-\-qv+rw worin [pqr] [uvn>] die beiden Zonensymbole sind: [pqr] = [fl—gk, gh—el, ek—fh] [ttvfv] z= [ko — In, Im — ho, hn — km]. Für die sechs aufeinanderfolgenden Winkel zwischen den steilen Oktaeder- und Dodekaederspuren bekommt man 1 Br ezina, Meteoritenstudien IL Über die Orientierung der Schnittflächen an Eisenmeteoriten mittels der Widmanstätten'schen Figuren. Denkschr. d. kais. Akad., Bd. XLIV, 121 — 158, 1881. 580 A. Brezina;, tg 03 4 = {h+k) [{h+kf+i (2 i+h—k)] "1 {r-+k^+r-) V3 tg d^ 02 = (/^+y^) [(/i-hy^)2+/ (2 /-Ä + ^)] -1 (/i2^.^2_,_/2) V. tg O2 i^i =r (/^ + /) P + /)2 + /i (9 Ä+yfe_/)] -1 (Ä2 + ^2_^/2) V. tg ^1 Ol =: (k + l) [{k + iy+h (2 /i-/^ + 0] -^ (h'^-^k^ + P) '/= tg Ol ^3 = (/ + /i) [(/ + Ä)2 + y^ (2 /^ + /-/0] -^ (7«- + /^^' + /^) Vs tg ^3 O3 - (I + h) [(1 + hy + k (2 k-l-hh)] -1 (P+y^2 + /2) V2. Sonach ergibt sich unter der Voraussetzung von (16. 13. 10) als Schnittfläche die Reihenfolge: 03 ^2 ^2 09 02 ^1 ^i^i Ol ^3 «igOg Oq Oo O2 Oj O1O3 berechnet gemessen 31?8 31-3 33?3 34-3 25?8 29-5 2798 24-1 32?5 ca. 25 28?6 ca. 35 65? 1 65-6 53?6 53-8 61?1 60-6 Die Übereinstimmung ist für das einzige genauer meßbare System sowie für die Oktaederspuren eine befriedigende und ließe sich durch Wahl eines hochzahligen Symbols noch ver- bessern, was jedoch angesichts der starken Unregelmäßigkeiten im Gefüge der Oktaedrite zwecklos wäre. Tafel XVII der Arbeit Liversidge's zeigt alle drei steilen Dodekaederflächen stärker entwickelt, wenngleich in sehr ver- schiedener Häufigkeit; hier tritt auch an mehreren dickern Schreibersitkristallen die Begrenzung durch weitere Dode- kaederflächen hervor, während die kleinen Schreibersitlamellen meist durch Skelettbildung eine sanduhrförmige Gestalt erhalten. Die Messung an den beiden langgestreckten Dode- kaedersystemen dieser Tafel ergab: Oi'ii di02 0-2^2 ^2 O3 2795 2995 3195 3295 27-8 25-8 33-3 31-8 berechnet. Dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. 581 Das Eisen vom Narraburra-Creek hat eine Lamellendicke von 0 'S— 0*4 mm und würde sonach zu den Oktaedriten mit feinen Lamellen gehören. Da es aber ein starkes Überwiegen der Felder bei großem Reichtum an Ni + Co zeigt (Ni 9-741, Co 0*474 nach Liversidge), so ist es nach der von Prof. Cohen vorgeschlagenen Systematik zu den feinsten Oktaedriten Off TM stellen. Ich untersuchte nun auch die Schreibersitlamellen andrer Oktaedrite auf ihre Orientierung. Eine Platte von Augustinowka, Elisawetgrad, Gouv. Ekaterinoslaw, Rußland, gefunden 1890, Oktaedrit mit feinen Lamellen O/" zeigt neben mehreren skelett- artigen Schreibersitkristallen drei bis 1 cm lange, 0*2 wm dicke Lamellen einer Richtung und eine einzelne, 1 mm, dicke und 6 mm, lange Lamelle einer zweiten Richtung. Die Messung der Spurenwinkel dieser und der oktaedri- schen Balkensysteme ergab a 5 = 69-5-72°, im xMittel 70°7 SS = 28— 33-5 » » 30-8 15 = 59—63 » .» 61-0 5a=:17— 18 » » 17*5 a 5 := (nur eine Lamelle) 44-5 55= » » » 26-2 Y.d — 40 — 51, im Mittel c4-5 J5 = 1 1— 20 » » 15*5 Die Reihenfolge der Oktaederspuren 70-7, 30-8, 61-0, 17-5 verglichen mit 74-8, 27-5, 59-0, 18-7 meiner Tabelle IV für die Fläche (10.8.1) zeigt, daß eine wesentliche Verbesserung dieses Symbols nicht möglich ist; die merklichen Abweichungen sind der Unregelmäßigkeit des Baues dieses aus kurzen, etwas wulstigen Lamellen bestehen- den Eisens zuzuschreiben. Die Berechnung der dodekaedrischen Spurenwinkel mit dem Symbol (10.8. 1) für die Schnittfläche ergab: 582 A. Brezina, g3 3S 5S Id ds 50 44?5 26-2 30-8 45-5 15-5 17-5 36-6 38-3 27-5 45-6 13-5 18-7 gemessen, gerechnet. Mit Ausnahme der nur einmal vertretenen Lamelle § zeigen die Lamellen eine hinreichende Übereinstimmung der Spuren- winkel. Eine Platte des Eisens von Joe Wright, Independence County, Arkansas, gefunden 1884, zeigt sowohl Reichenbach- sche (Troilit-) Lamellen nach den Hexaederflächen als auch Schreibersitlamellen. Das Gefüge ist hier etwas gestört, indem nicht nur kleine Verwerfungen auf kurze Längenerstreckungen sondern auch Krümmungen, besonders einzelner Oktaeder- systeme auftreten. Es finden sich alle drei Hexaederflächen und eine Dode- kaederfläche, für welche folgende Spurenwinkel gemessen wurden: Mittel berechnet (863) o(lTI);7(100) 11°- -26° 18-5 15^0 p (100) t: (OIO) 23- -36 29-5 33-1 7r(0l0)5(lTl) 13-5- -23-5 18-5 20-6 S(1T1)Z)(01T) 6- -18 12-0 22-0 Z)(01T)2(TT1) 23-5- -41-5 32-5 26-9 S(TIl)P(001) 1- -3 2-0 8-ß P (001)^ (TU) 59- -66 62-5 54-1 Die Übereinstimmung ist hier weniger befriedigend, was sich aus der Krümmung der Lamellen erklärt. Joe Wright gehört zu den Oktaedriten mittlerer Lamellendicke Om. Im allgemeinen ist die Übereinstimmung der Lage der Schreibersitlamellen mit Dodekaederflächen von derselben Ordnung der Größe, wie sie bei den übrigen Strukturelementen der Oktaedrite, den oktaedrischen Kamazitbalken und den hexaedrischen Troilitlamellen beobachtet wird. Dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. 583 Es sind sonach die vier hauptsächlichsten Bestandteile der Oktaedrite, welche bestimmten chemischen Verbindungen angehören, in ihrer Orientierung beständig: Der Kamazit nach Oktaederflächen; der Schreibersit nach Dodekaederflächen, sofern er nicht als Corona von Troilit-GraphitknoUen oder als isolierte, an Reichenbach'schen Lamellen haftende Kristalle auftritt; der Cohenit als Einlage von Kamazitbalken; der Troilit als hexaedrische Lamellen, sofern er nicht (eine seltene Ausnahme) in der Form von Zylindern auftritt, deren Orientierung noch nicht bestimmt wurde. Brezina, A. : Dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIIl, Abt. 1. 1904. 585 Das Vorkommen des üranpeeherzes zu St. Joaehimsthal von Josef Step, k. k. Btrgvcr-walter in St. Joachimsthal, und F. Becke, w. M. k. Akad. (Mit 3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 4 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 3. November 1904.) Die Auffindung eines radioaktiven Elementes in dem Uran- pecherz von Joachimsthal hat diese uralte Erzlagerstätte wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt und dies, so wie die Erfahrungen, die der eine von uns bei dem langjährigen Betriebe des Bergwerkes sammeln konnte und die manche der älteren Angaben über die Joachimsthaler Erzgänge zu erweitern, zu berichtigen und zu ergänzen erlauben, mögen es rechtfertigen, wenn hier eine Beschreibung des Uranerzvorkommens von Joachimsthal gegeben wird. ^ 1 Literatur über Joachimsthal. Die ältere Literatur ist zusammen- gestellt in: F. Babanek, Geologisch-bergmännische Karte mit Profilen von Joachimsthal nebst Bildern von den Erzgängen in Joachimsthal und von den Kupferkieslagerstätten bei Kitzbühel. Herausgegeben vom k. k. Ackerbau- ministerium Wien 1891. Die wichtigsten Publikationen seiner Liste sind: J. Fl. Vogl, Gang- verhältnisse und Mineralreichtum Joachimsthals. Teplitz 1856. — G. Laube, Geologie des böhmischen Erzgebirges. Prag, I, 1876; II, 1887. — F. Babanek, Über die Erzführung der Joachimsthaler Gänge. Österr. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1884. Aus neuerer Zeit nach der Publikation des Ackerbauministeriums ist zu erwähnen: Rene d'Andrimont, Las Filons de Pechblende de Joachimsthal (Boheme). Annales de la Societe geologique de Belgique, t. XXXI. Bulletin. Liege 1904. Vergl. auch p. 587. 586 J. Step und F. Becke, Dabei soll von den sonstigen geologischen Verhältnissen, von der übrigen Erzführung nur so viel erwähnt werden, als zum Verständnis des Uranerzvorkommens erforderlich erscheint. Topographische Übersieht. Die alte Bergstadt St. Joachimsthal liegt in einem jener steilen, N — S gerichteten Täler, die für den Südabhang des Erzgebirges so charakteristisch sind. Dem Haupttal, dem Stadtgrund, fallen, abgesehen von kleineren Seitengräben, von Nordosten zwei größere Seitentäler zu, der Dürrnberger- grund und der Zeileisengrund. Die meisten Erzgänge streichen in der Nähe des Stadt- grundes; sie waren durch den Kaiser Josef-Schacht und den Einigkeitsschacht zugänglich, wurden durch den unterhalb des Ortes im Haupttal angeschlagenen Danielistollen entwässert und bildeten zuletzt die k. k. östliche Grubenabteilung. Durch wiederholte Wassereinbrüche, deren bedeutendster 1881 erfolgte, wurden die tiefen Horizonte dieser Gruben vom VIII. bis XII. Joachimilaufe, die bis 350 tn unter den Danieli- stollen reichten, ersäuft und auflässig, während in den oberen Horizonten der Betrieb bis zum Jahre 1900 aufrecht erhalten wurde. Die weiter westlich auf der »Zimmerhöhe« gelegenen Erz- baue sind durch den in 917 * 7 m Meereshöhe angeschlagenen Wernerschacht zugänglich. Sie bilden die k. k. westliche Grubenabteilung, deren Baue bis 415-7 w unter dem Tag- kranz des Wernerschachtes herabreichen und im Niveau des Danieli- und ßarbarastollens mit den Bauen der östlichen Grubenabteilung kommunizieren. Außerdem bestehen im Dürrnberger Grund dieDürrnberger Baue des k. k. Ärars und im Zeileisengrund die Baue der Gewerkschaft Sächsisch-Edelleutstollen. Aufgelassen sind die hochgelegenen Baue der Schönerz- und Reichgeschiebzeche bei Gottesgab in den obersten Aus- läufern des Zeileisengrundes und des Rauschererbtales, eines in der Nähe des städtischen Steinbruches jenem von Norden zufallenden Seitengrabens. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. Oo/ Ebenso sind die in nordwestlicher Richtung gelegenen Aberthamer Baue und jene der Mauriziuszeche bei Hengster- erben nicht mehr im Betrieb. Keiner von diesen aufgelassenen Bauen hat Uranerz ge- liefert. Die Mauriziuszeche förderte Zinnerze. Allgemeine geologische Übersieht. Bekanntlich gehören die Erzgänge von St. Joachimsthal jener Zone meist gangförmiger Erzlagerstätten an, die sich um die Granitstöcke des westlichen Erzgebirges gruppieren und eine solche Abhängigkeit von der Verbreitung dieser stock- förmigen Intrusivmassen zeigen, daß der Schluß gerechtfertigt erscheint, sie seien auch ihrer Bildung nach abhängig von der Intrusion.^ Der Granitstock fand bei seiner Intrusion ein bereits ge- störtes Gebirge vor. Gneis und Glimmerschiefer. Gneis bildet die Höhen und Abhänge des Erzgebirges östlich von Joachimsthal. Er erscheint hier als Kern von un- gefähr ostwestlich streichenden Gewölben, die durch den bekannten Erzgebirgsbruch spitzwinkelig abgeschnitten sind. Gegen Westen tauchen die Gneise unter eine Hülle von Glimmerschiefern, die dann weiterhin im NW von Joachimsthal von Phylliten überlagert werden. So wie die Gneise sind auch die Glimmerschiefer der Gegend von Joachimsthal in Falten gelegt; die Faltung äußert sich in dem wechselnden Einfallen und in dem zonenweisen Wechsel der verschiedenen Varietäten der Glimmerschiefer. Diese Falten folgen im Gneis einem ganz bestimmten Tj^pus, 1 Karl Dalmer, Über das Alter der jüngeren Gangformationen des Erz- gebirges. Zeitschrift f. prakt. Geologie, 1896, p. 3. — Die westerzgebirgische Granitmassivzone. Ebenda 1900, p. 297. Betreffend die geologischen Verhältnisse von Joachimsthal vergl. vor allem : G. Laube, Geologie des Erzgebirges. Prag, Rivnäc I, 1876; II, 1887. F. Babanek, Geologisch-bergmännische Karte mit Profilen von St. Joachimsthal. Wien 1891. Herausgegeben vom k. k. Ackerbauministerium. F. E. Sueß, Bau und Bild der böhmischen Masse. Wien 1903. 588 J. Step und F. Becke, der in den von Laube mitgeteilten Profilen gut hervortritt; es wechseln steil stehende Südschenkel mit flachliegenden Nord- schenkeln ab. So in dem Profil von Pürstein über den Hohen Stein nach Oberhals oder in jenem von Tschernitz über den Seifenberg nach Kupferberg.^ Derselbe Faltungstypus, steile, Süd fallende und flache, Nord fallende Schenkel, beherrscht auch jene Glimmerschiefer- partie, die die Joachimsthaler Erzgänge beherbergt. Übergang von steilem Südfall zu flacherem Nordfall ist schon am Ausgange des Joachimsthaler Quertales bei Brand bekannt. Auf dem Sattel zwischen dem Haupttal und dem Dürrnberger Grund (•652 der Karte von Babanek) sieht man Nord fallende Glimmerschiefer. Etwas weiter nordöstlich, in Dürrnberg, beobachtet man in einem kleinen Steinbruch ober- halb des sogenannten »Glockenhäusels« Streichen N 70° 0 Fallen 50 bis 60° SSW. Westlich von dem Dürrnberger Schulhaus ist am westlichen Gehänge des Tales in einem größeren natürlichen Aufschluß mehrfaches Wechseln der Schieferungsflächen zu beobachten, die mehrere kleine Falten bilden. Alle nach Süden fallenden Faltenschenkel sind steil, die nach Norden fallenden flach. Die Messung ergibt: Südschenkel. Streichen N 85° O, Fallen 75° S. Nordschenkel » N 50° O, » 15° NW. Die nord- und südfallenden Schenkel schneiden sich in Faltenrücken, deren Antiklinallinien ein deutliches Ausheben in der Richtung gegen Osten (gegen den Gneiskern), ein Ein- fallen gegen Westen (gegen den Eibenstock- Neudecker Granit- stock) erkennen lassen. Sie fallen unter Winkeln von zirka 10° gegen S 80° W. Der folgende Rücken zwischen dem Dürrnberger Tal und dem Zeileisengrund sowie die Aufschlüsse in diesem selbst zeigen eine fast saigere Lage der Schieferungsflächen mit O — W-Streichen (städtischer Steinbruch im Zeileisengrund und ein kleiner Steinbruch am Talzwiesel zwischen Eibecken- und Rauschererbgrund). Hier ist eine merkliche Streckung des 1 Vergl. Laube, Geologie des Erzgebirges. II, p. 139 und 140. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 589 Gesteins angedeutet durch feine Fältelung der Scliieferungs- flächen. Auch diese senkt sich unter flachem Winkel nach W.^ In der Umgebung der Gruben, im Stadtgrunde und an dem Nebengestein der jetzt zugänglichen Erzgänge hat man über- all ungefähr W — O- oder WSW — ONO-Streichen und Fallen nach N oder NW. Die ganze Glimmerschieferpartie um Joachimsthal erscheint somit als eine in O — W mit merklicher Abweichung nach SW streichende, in Falten gelegte Hülle um die weiter östlich sich heraushebenden Kernmassen von Gneis. Die Faltenrücken und die Streckung der Gesteine, wo solche nachweisbar ist, senkt sich gegen W und senkrecht auf diese Streckung zeigen sich an zahllosen Stellen ungefähr N — S streichende und steil gegen O einschießende oder saigere glatte Querklüfte. Mit dieser Auffassung harmoniert nun auch das Auftreten der als »Geyerischer Kalkstrich« bekannten Kalkeinlagerung, welche östlich vom Stadtgrunde, in den tieferen Horizonten des Einigkeitsschachtes und in den oberen Horizonten des südlicher gelegenen Kaiser Josef-Schachtes angetroffen wurde, die dann ziemlich genau östlich in der Verlängerung des Streichens auf dem Türkner zwischen Stadt- und Zeileisengrund ansteht, aber in der Tiefe des Zeileisengrundes nicht zum Vorschein kommt. Auch sie hebt sich also gegen O zu aus. Diese in Falten gelegte Glimmerschieferhülle ist nun im W abgeschnitten durch den Eibenstock-Neudeker Granitstock. In der nächsten Nachbarschaft der Granitgrenze ist die 1 Nebenbei sei hier ein Fehler der Karte von Babanek angemerkt. Sowohl der städtische Steinbruch im Zeileisengrund neben dem Maria Theresia- Stollen als der erwähnte Talzwiesel beim Traum Gottes-Stollen stehen in Glimmerschiefer an. Der Porphyrgang, den Babanek dort angibt, zieht weiter westlich durch. Der große städtische Steinbruch ist auch die klassische Fund- stelle des »Skapolithglimmerschiefers« von Sandberg er (Untersuchungen über Erzgänge, II. Heft, Wiesbaden 1885, 219). Wir kommen auf diese Angabe zurück. Die von Babanek angenommene Diskordanz zwischen den >Skapo- lithschiefern« und den eigentlichen Joachimsthaler Schiefern (Beschreibung der geolog.-bergmänn. Verhältnisse der Joachimsthaler Erzlagerstätte, 1891, p. 9) beruht wohl auf der Wahrnehmung des verschiedenen Einfallens, das durch Faltung viel einfacher zu erklären ist. 590 J. Step und F. Becke, Lagerung der Glimmerschiefer von dem Umriß des Granit- stockes beeinflußt, wie schon die älteren Aufnahmen gezeigt haben. Das Streichen der Schiefer folgt dem Verlauf des Granitrandes, zwischen die Schiefer sind Lagen und Adern von Apliten eingedrungen und die Schiefer erinnern in Habitus und Struktur an Hornfels. Die Einlagerungen von Amphiboliten, Granat-Epidotfels etc. im Glimmerschiefer haben zu den uranführenden Erz- gängen keinen Bezug und werden deshalb hier übergangen. Petrographische Beschaffenheit der Joachimsthaler Glimmer- schiefer. Die Glimmerschiefer Joachimsthals zeigen ziemlich große Variabilität im Korne, im Mengenverhältnis der Gemengteile, im Gehalt an kohligen Sub- stanzen und erzigen Bestandteilen. Laube unterscheidet eine ziemlich große Anzahl von Varietäten, Babanek scheidet auf seiner Karte gleichfalls fünf verschiedene Arten aus. Auf diese Einzelheiten näher einzugehen, ist hier nicht der Ort. Für die Erzgänge ist von Bedeutung der Unterschied zwischen den hellen, muskovitreichen, häufig granatführenden, feldspatarmen oder -freien Glimmerschiefern und den dunkleren, biotitreichen und feldspat- führenden, zumeist granatfreien, oft etwas kohligen GHmmerschiefern, welche speziell als »Joachimsthaler Schiefer« bezeichnet wurden; die letzteren beherbergen die reichen Gänge. Diesen schließen sich auch jene Schiefer an, die Laube als Fahl- bandschiefer bezeichnet. Sie sind durch einen nicht unbeträchtlichen Gehalt an Kiesen ausgezeichnet, der sich durch rotbraune Verwitterungsfarbe verrät. Die Joachimsthaler Schiefer wurden von mehreren Punkten mikro- skopisch untersucht. Als wesentliche Gemengteile treten auf: Biotit, rotbraune Schuppen, oft nesterartig versammelt, sehr häufig in ein schwach doppeltbrechendes, chloritisches Mineral mit negativem Charakter der Doppelbrechung und übernormalen Interferenzfarben verwandelt, wobei Rutil ensteht. Muskovit. Schuppen und Tafeln randlich oft diablastisch in Zacken und Fortsätze aufgelöst, die Quarz- und Feldspatkörner umschließen; auch in feinschuppigen, an Sericit erinnernden Lagen und Häuten. Quarz in granoblastischen Lagen und Linsen in bemerkenswerter Weise frei von kataklastischen Störungen. Oligoklas-Albit. Körner, die sich randlich diablastisch auflösen und mit den Glimmern und dem Quarz verzahnen. Bisweilen als Porphyroblasten aus dem schuppigen Grundgewebe der Glimmer hervortretend. Diese .\us- bildung besonders schön im Dürrnberger Grund und am Edelleutstollen. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 591 Die Bestimmung beruht auf der Beobachtung schwach + Charakters nach der Hyperbelkrümmung, einer beträchtlichen -i- Auslöschungsschiefe in Schnitten annähernd parallel M und auf der Lichtbrechung, welche sich in allen Schnitten unter der des Quarzes hält, aber doch dem Brechungs- quotienten CO des Quarzes manchmal recht nahe kommt. Sehr selten beobachtet man Zwillingsbildung und dies ist offenbar die Ursache, daß die älteren Beschreibungen häufig Orthoklas oder nur Feldspat angeben. Zonenstruktur war nie zu beobachten. Dagegen zeigte sich an den Einschlüssen nicht selten jene Reststruktur, für welche Weinschenk den Ausdruck »helizitisch« eingeführt hat: Einschlüsse von Quarz, Erzkörnchen, Rutil durchziehen das Feldspatkorn in flach S-förmigen Kurven und deuten dadurch eine alte Schiefer- oder Fältelungsstruktur an, welche auf einen früher phyllitischen oder tonschieferähnlichen Zustand zurückweist. Der Feldspat ist insbesondere in den Proben aus der Nachbarschaft der Erzgänge stark getrübt oder auch in feinschuppige glimmerähnliche Neubildungen umgewandelt. Als akzessorische Gemengteile finden sich: Turmalin in unvollkommen ausgebildeten Säulchen, mitunter parallel- stengelige Aggregate bildend (städtischer Steinbruch im Zeileisengrund). Apatit, länglich eirunde Körner. Titanit, Aggregate kleiner trübgrauer Kriställchen. Pyrit, Eisenglanz, Rutil, letzterer im Quarz in schlanken, scharfen Säulchen von violettbrauner Farbe, im Biotit in kürzeren Körnern mit zarten, borstigen Fortwachsungen besetzt. In der Nachbarschaft der Erzgänge ist der Biotit fast gänzlich ver- schwunden und die Menge von Kaliglimmer scheint zuzunehmen. Seit den Untersuchungen Sandberger's^ figuriert in allen Beschrei- bungen Joachimsthals ein Skapolithschiefer und diesem ist auf Babanek's Karte ein ziemlich breiter Streifen in der Verlängerung des »Geyerischen Kalk- striches« zugewiesen. Proben aus dem klassischen Fundpunkt Sandberger's, dem städtischen Steinbruch im Zeileisengrunde, sowie solche von anderen Stellen des Zeileisengrundes und des Dürrnberger Tales ließen außer den oben genannten Mineralien keinen weiteren Gemengteil erkennen. Es scheint, daß der Oligoklas-Albit mit Skapolilh verwechselt wurde. Auch die braune pleochroitische Hornblende, welche Sandberg er anführt, kommt in keiner Probe vor; es dürfte der Turmalin dafür genommen worden sein, den Sand- berger nicht erwähnt. Im Bereich der Joachimsthaler Schiefer kommen merkliche Unterschiede vor; insbesondere werden zwei extreme Varietäten unterschieden, die auch in Bezug auf die Erzführung einen beträchtlichen Unterschied erkennen lassen. 1 F. Sandberger, Untersuchungen über Erzgänge, 2. Heft. Wiesbaden 1885. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 41 592 J. Step und F. Becke, Die eine Varietät, die milden Joachimsthaler Schiefer, sind durch geringen Quarzgehalt und Reichtum der glimmerigen Gemengteile aus- gezeichnet. In der Nähe der Erzgänge sind sie meist ziemlich licht gefärbt. Die Proben aus der Grube i zeigen einen fast völligen Mangel an Biotit, dagegen neben reichlichem feinschuppigen Sericit eine große Menge von chloritischen Bestandteilen, deren Beschaffenheit, namentlich deren Gehalt an feinen Rutilnadeln die Abstammung von früher vorhandenem Biotit nicht unwahrscheinlich macht. Die andere Varietät,2 hart, kurzklüftig, hellgrau gefärbt, ist durch Armut an glimmengen Bestandteilen überhaupt, Reichtum an Quarz ausgezeichnet. Muskovit in mehr vereinzelten Schüppchen ist nicht selten, auch Biotit kommt in spärlichen Blättchen vor. Man hat das typische Bild eines quarzi- tischen, weniger stark veränderten Glimmerschiefers. Erfahrungsgemäß sind die Erzgänge im milden Schiefer reicher als im kurzklüftigen. Porphyrgänge, Minettegang. Die Glimmerschiefer des Gebietes von Joachimsthal sind von zahlreichen Porphyrgängen durchzogen, welche mehr- fach untersucht wurden.^ Die schon von älteren Beobachtern ausgesprochene Meinung, daß die Porphyrgänge von Joachims- thal Apophysen des Neudeker Granitstockes darstellen, dürfte zu Recht bestehen. Die Porphyrgänge bilden ein recht unregelmäßiges Netz- werk, in welchem die Richtung parallel dem Granitrande (NW — SO) vorherrscht. Die Porphyrgänge durchsetzen daher spitzwinkelig die Schieferlagen. In neuester Zeit wurde im Tiefbau des Wernerschachtes, und zwar bei Ausrichtung des Bergkittlerganges südwärts vom Schweizer-Hauptquerschlage am II. Wernerlauf noch ein anderes Ganggestein angetroffen, das so wie die Quarzporphyre zu den Begleitern des Neudek-Eibenstocker Granits gehört, eine Minette von recht typischer Beschaffenheit. 1 Proben wurden untersucht vom Geistergang, Danieli-Umbruch und vom Geistergang, ober dem III. Wernerlauf, 13. Nordfirst. 2 Untersucht wurde eine Probe vom Geister Liegendgang, I. Werner- lauf, N vom Andreasgang. 3 Zirkel, Mikroskop. Gesteinsstudien. Diese Sitzungsberichte, 1863, XLVII. Bd., 226. — Laube, Geologie des Erzgebirges, I, 38, 1876. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 593 Das dunkelviolettbraun gefärbte Gestein erscheint dicht bis feinschuppig. Im Dünnschliff erkennt man als Gemengteile vorherrschend braunen Biotit in ziemlich dünnen Tafeln, ferner Pseudomorphosen, die jetzt wesentlich aus Calcit und einem bräunlichgrün gefärbten, chloritischen Mineral bestehen und eine parallele Fasertextur erkennen lassen, mutmaßlich Pseudomorphosen nach einem Pyroxen; trübe zersetzte Flecken, die wahrscheinlich auf Feldspat deuten, in geringer Zahl und spärliche Körner von Quarz. Auffallend ist das ziemlich reichliche Auftreten von ziemlich deutlich graubraun gefärbten Apatitnadeln, die alle anderen Gemengteile durchstechen. Hexagonaler Quer- schnitt und die optische Orientierung lassen keinen Zweifel an der richtigen Bestimmung. Minette ist bisher im Gebiet von Joachimsthal nicht beob- achtet worden, wohl kennt man sie aber aus dem benachbarten sächsischen Anteil des Erzgebirges.^ An der angegebenen Stelle wird die Minette vom Erz- gange durchsetzt und erweist sich somit dieser als jünger. Tertiäre Eruptivgesteine. In tertiärer Zeit wurde das Gebiet von Basaltgängen und Phonolithgängen durchsetzt, die mit dem benachbarten Erup- tionszentrum von Oberwiesenthal zusammenhängen dürften. Im Norden des Gebietes tritt als eine zirka 60 nt mächtige Ausfüllung einer von Tag bis zur Tiefe von 400 m nachweis- baren Spalte mit nahezu senkrechten Wänden die sogenannte Putzenwacke auf. Die Putzenwacke ist ein basaltischer Brockentuff, be- stehend aus faust- bis kopfgroßen Brocken glimmer- und augitreichen Basaltes, die zumeist gänzlich in eine zerreibliche, braune, erdige Masse umgewandelt erscheinen. Dieselbe Be- schaffenheit hat auch das Zement, welches die Brocken zu- sammenhält. In diesem liegen lose reichliche Tafeln von Glimmer, Augit und basaltischer Hornblende. Der Tuff enthält zahllose Brocken und Schollen von Schiefer, von Porphyr, die von den Wänden der Spalte stammen, von Granit, der offenbar aus der Tiefe emporgebracht wurde. 1 Z. B. bei Oberwiesenthal. Sauer, Erläut. zur geol. Karte von Sachsen, Blatt Oberwiesenthal, 1884. Minette in Laube, Geologie des Erzgebirges, ist in ganz anderem Sinne gebraucht und bezieht sich auf basische Aus- scheidungen in Granit. 41* 594 J. Step und F. Becke, In dieser Wacke wurden wiederholt Stücke von Lignit mit deutlich erkennbarer Holzstruktur gefunden. Es muß somit die Ablagerungsstätte auch nach oben Kommunikation besessen haben. Diese Putzenwacke ist also eine vulkanische Eruptiv- breccie, vergleichbar den von Branco beschriebenen Tuff- schloten im schwäbischen Jura. Auffallend ist die deutlich ausgeprägte Spaltenform der Lagerstätte mit steilen, fast saigeren Seitenwänden (vergl. die Karte). Die Putzenwacke wurde in der Westgrube auf den Stollenhorizonten einige Male durch- quert. In der Streichrichtung kann sie obertags auf zirka 4 km Länge verfolgt werden. Ihre Mächtigkeit erreicht 60 ni. In der westlichen Grube am Danieli-Stollen durchsetzt Basalt mit deutlicher Verdichtung am Salband die Putzenwacke; in dem trockenen Wassergraben westlich vom Stadtteich sieht man einen Gang von Phonolith in der Putzenwacke aufgeschlossen. In beiden Fällen läßt sich der Eruptivgang nicht über den Bereich der Putzenwacke hinaus verfolgen. Doch finden sich Stellen, wo jüngere Basaltgänge sowohl die Putzenwacke als die Nebengesteine durchsetzen. Der Brockentuff gehört somit zu den ältesten tertiären Eruptiv- bildungen. Außer dem Gange der Putzenwacke finden sich im Bereich der Joachimsthaler Erzgänge noch eine Anzahl wenig mächtiger Basaltgänge (in der montanistischen Literatur meist als Wackengänge bezeichnet). Ihre Mächtigkeit überschreitet selten 1 m, geht andrerseits häufig bis auf wenige Zentimeter herab. Sie lassen in der Regel sehr deutlich eine Verdichtung des Kornes gegen das Salband erkennen; die oft nur wenige Zentimeter betragenden auskeilenden Enden dieser Gänge zeigen eine ganz dichte Beschaffenheit. Das Gestein läßt häufig weitgehende Zersetzung erkennen, namentlich die dichten Sal- bänder bestehen oft nur aus einer dunkelgrünen, im berg- feuchten Zustande bisweilen plastischen Masse, die beim Trocknen zerbröckelt. Oft zeigt sich daran ein eigentümlicher weicher Seidenglanz, eine Folge der Zusammensetzung aus winzigen Blättchen eines chloritischen Minerals, die parallel der fluidalen Struktur angeordnet sind, die in der ursprünglich Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 595 glasigen Masse vorhanden gewesen sein dürfte. Durchaderung von faserigen, seidenartig glänzenden, dünnen Calcittrümchen ist eine häufige Erscheinung. An einem mächtigeren Gange dieser Art, der im Februar 1904 beim Betriebe eines Südmittelortes am Schweizergange, 9 m unter dem II. Wernerlauf in der Nähe des Hauptquer- schlages aufgeschlossen war, zeigte sich die innere Hälfte des Basaltganges mandelsteinartig ausgebildet. Proben dieses Gesteins zeigten ein sehr dichtes Gefüge mit merklicher Fluidalstruktur und als Gemengteile vorwaltend langsäulen- förmigen Augit, untergeordnet Pseudomorphosen nach Olivin in einer glasigen, durch viele Magnetite dunkel gesprenkelten Basis. Andere Vorkommnisse, die von Laube^ untersucht wurden, erwiesen sich als Nephelinbasalte. Jedenfalls verläugnet keines der hieher gehörigen Gesteine durch den Reichtum an dunklen Gemengteilen, vor allem Augit, die Armut an feldspatigen, die Zugehörigkeit zur atlan- tischen Sippe. Die Erzgänge. Die Erzgänge Joachimsthals zerfallen in zwei scharf geschiedene Gruppen, deren Lage abhängig erscheint von der Struktur des Glimmerschiefers, in dem sie aufsetzen: in die Morgengänge, deren Streichen ungefähr mit dem Streichen der Glimmerschiefer zusammenfällt, und in die Nordgänge, welche die Schichten des Glimmerschiefers beiläufig senkrecht durchsetzen. Die Morgengänge haben ein Streichen von Stunde 6 bis 7 und ein durchwegs nach Norden gerichtetes Einfallen. Zahl- reiche Pingen und Halden lassen erkennen, daß sie in der Nähe des Ausbisses ziemlich erzführend gewesen sein müssen. In der Tiefe erweisen sie sich mit wenigen Ausnahmen taub. In der gegenwärtig allein zugänglichen Westgrube (Wernerschacht) sind folgende Morgengänge (von Süd nach Nord) die wichtigsten: 1 Laube, Geologie des Erzgebirges, I, p. 48. 596 J. Step und F. Becke, Geiergang, Andreasgang, Kühgang, Segen Gottesgang, Dorotheagang, Eliasgang. Die Nordgänge haben zumeist steiles westliches Einfallen. Die wichtigsten im Grubenbau des Wernerschachtes sind von O gegen W: 1. Der Schweizergang, 2. Bergkittlergang, 3. Hieronymusgang, 4. Geistergang, 5. Widersinnige Gang mit steil östlichem Einfallen, 6. Rote Gang, 7. Fludergang. Die Nordgänge fallen, mit Ausnahme des Widersinnigen Ganges mit steil östlichem Verflachen, alle steil nach Westen (gegen den Granit) ein. Das Netz der Morgen- und Mitternachtsgänge erscheint im großen und ganzen abhängig von der Struktur der Schiefer. Im einzelnen wird es nicht selten beeinflußt durch den Verlauf der Porphyrgänge. Die Erzgänge erwiesen sich durchwegs jünger als die Porphyrgänge, da sie diese durchsetzen. Häufig folgen die Erzgänge eine Strecke weit den Porphyr- gängen, was mechanisch leicht verständlich erscheint. Bisweilen beobachtet man auch kleine Verwerfungen der Porphyrgänge durch die Erzgänge. Ganz anders verhalten sich die Gänge der tertiären Eruptivgesteine: Putzenwacke und Basalt zu den Erzgängen. Die Basalte haben bei ihrem Eindringen die Erzgänge bereits vorgefunden. Häufig folgen die bei der Basalteruption auf- gerissenen Spalten eine Strecke weit den Erzgängen, zumeist einem der Salbänder, seltener ist der Erzgang in der Mitte auf- gerissen worden. Sehr interessant gestalten sich bisweilen diese Durch- setzungen, wenn man sie durch mehrere Horizonte verfolgen kann. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 597 Lehrreich ist in dieser Beziehung das Verhalten des Basaltes zum Geistergange am Danielistollen. 20m unter dem Danielihorizont sieht man in einem Mittelort den Geister- gang vom Basaltgang mit steilem nördlichen Einfallen beinahe senkrecht durchsetzt; am Danielistollen sieht man den Basalt von Osten her mit steil nördlichem Einfallen an den Geister- gang herankommen, den Erzgang durchsetzen, eine Strecke von zirka 8 m dem westlichen Salbande des Geisterganges folgen und dann wiederum, aber mit entgegengesetztem (süd- lichen) Einfallen sich in der ursprünglichen Richtung fort- setzen. Vergl. Fig. 1 und 2. Fig. 3, 4 zeigt die Ablenkung eines Basaltganges durch den Geistergang. Noch komplizierter ist die Durchsetzung des Basaltes durch Porphyr- und Erzgang am Schweizergange. Am II. Wernerlauf sieht man den Basaltgang aus dem Liegenden, Porphyr durchsetzend, an den Erzgang herantreten und seinem östlichen Salbande durch zirka 100 m folgen. Er verliert immer mehr an Mächtigkeit und keilt schließlich aus. Am Danieli- horizont zeigt sich das komplizierte Bild Taf. II, das auch ohne weitere Beschreibung verständlich sein dürfte. Der Wacken- gang schleppt sich auch hier am östlichen Salbande des Erz- ganges, sendet bei zirka 10 m Entfernung vom Scharkreuz ein erstes Trum von Basalt ins Hangende, bei 20 m schlägt er sich ganz als schmales Trümchen ins Hangende, indem er den Erzgang durchsetzt. Der mächtige Gang der Putzenwacke schneidet die ihn kreuzenden Erzgänge, z. B. den Roten Gang, den Fludergang, glatt ab, und ohne merkliche Veränderung der Richtung konnte in neuerer Zeit die Fortsetzung dieser Gänge im Süden der Putzenwacke nachgewiesen werden. Alle diese Erscheinungen beweisen auf das deutlichste, daß die Erzgänge in ihrer Anlage und auch in ihrer Füllung älter sind als die tertiären Intrusionen und Eruptionen. Diese Ansicht kann nicht erschüttert werden durch die Angaben von Erzvorkommen auf den ^Wackengängen« und in der »Putzenwacke«. Die letztere enthält, sowie sie Bruch- stücke aller im Gebiet auftretenden Gesteine führt, wohl auch 598 J. Step und F. Becke, ■^^'- MitLclort '^Oirv iinteirgi^denv Baniclv St st jmsj^'^MMF^jm^^iTgjM^ Fig. 3. Fig. 4. ab ...Wackey Mittelort als I. First ober dem I. Wernerlauf, 28 m unter dem Danielistollen. ab und zu vereinzelt Brocken der Gangfüllung der von ihr durchsetzten Erzgänge. Dies widerspricht nicht dem jüngeren Alter der Tufferuption, sondern ist geradezu ein Beweis derselben. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 599 Für ein wenigstens teilweise jüngeres Alter der Erfüllung scheint die Angabe Babanek's zu sprechen, daß stellenweise auch die Wacke erzhaltig sei. So wird vom Junghäuerzecher- gang berichtet,^ daß im Liegenden des Andreasganges, woselbst er im Kalk ansteht, am 7. bis 11. Joachimilauf ein Adelspunkt angetroffen wurde. Der Gang wird von Wacke durchsetzt, die Wacke führte Rotgültigerz, mittagseits von der Scharung Uranerz. Proben dieses (oder eines ähnlichen) Vorkommens, von Babanek's Aufsammlungen herrührend, sind in der Werk- sammlung von Joachimsthal zu sehen. Das Erzvorkommen beschränkt sich auf äußerst zarte Anflüge von Rotgültigerz und gediegen Silber auf feinsten Klüften des zersetzten basal- tischen Gesteins und läßt sich ohne Schwierigkeit als sekun- däre Umlagerung der Erze des Erzganges nach der Intrusion des Basaltes erklären. Das Uranerz der Joachimsthaler Erzgänge. Wo immer im Joachimsthaler Erzrevier uranhaltige Erze auftreten, ist das Uranpecherz (Uranin, Pechblende der alten Bergleute) das ursprüngliche Uranmineral. Von anderen uran- haltigen Mineralen findet sich eine große Mannigfaltigkeit, aber alle diese sind sekundäre Bildungen, die wenigstens in Joachims- thal keinerlei Bedeutung für die Uranerzgewinnung haben. Das Uranerz hat aber in Joachimsthal eine ganz bestimmte, eigenartige Paragenese, die sich nicht nur an den jetzt in Abbau befindlichen Gängen, wie dem Schweizer- und Geister- gange beobachten läßt, sondern auch an der Hand der älteren Nachrichten und nach den in Sammlungen aufbewahrten Stufen bei früheren Uranerzanbrüchen in derselben Weise auftrat. Danach findet sich eine konstante Aufeinanderfolge von: 1. Quarz, 2. Uranerz, 3. Dolomit. 1 Über die Erzführung der Joachimsthaler Erzgänge. Österr. Zeitschrift für Bergbau und Hüttenkunde, 1884, 1, 21. 600 J. Step und F. Becke, Quarz in Form dünnerer oder dickerer Krusten, welche bisweilen in deutliche feine Kristallspitzen endigen, erscheint als älteste Bildung, die sich häufig direkt auf dem Neben- gestein des Ganges absetzt, oft auch die in den Gangraum hereingefallenen Gesteinsbruchstücke überdeckt. Über dem Quarz setzt sich dann das Uranerz in Krusten ab, welche anscheinend dichte Beschaffenheit und muscheligen Bruch zeigen und auf der freien Oberfläche jene charakteristi- schen nierförmigen bis traubigen Gestalten zeigen, die man in Sammlungen so häufig findet. Bisweilen sitzt auch das Uranerz direkt auf Nebengestein; daß in solchen Fällen die vorangehende Quarzbildung nicht wirklich fehlt, beweisen Stücke, an denen man in den Gang- raum hineingefallene Gesteinsbrocken sieht, welche auf drei Seiten von Uranerz überkrustet sind, während nur auf zwei Seiten sich darunter eine dünne Quarzkruste nachweisen läßt (Fig. 1, Taf. III). Solche Stücke beweisen, daß noch während des nach und nach erfolgenden Absatzes von Quarz und Uranerz Bewegungen im Gange waren, welche zu einem Zersprengen des Nebengesteins und Zerbrechungen der in die Gangspalte gefallenen Bruchstücke führten. Ähnliche Vorgänge, wenn sie während des Absatzes von Uranerz eintraten, führten wohl auch zu jenen Linsen und Nestern von Uranerz, welche allseitig von den charakteristi- schen nierförmigen oder traubigen Oberflächengestalten bedeckt sind. Solche »Nieren« wurden mit Vorliebe für Sammlungen ausgewählt und man begegnet ihnen daher häufig. Sie lassen quer durchschnitten zumeist eine dünne Quarzlage im Inneren erkennen und darüber Krusten von Uranerz, die nach beiden Seiten die freien Oberflächen kehren. Ein lehrreiches Stück dieser Art ist in Fig. 4, Taf. III nach einem Radiogramm im Durchschnitt dargestellt. Man erkennt, daß die einzelnen Schichten von Uranerz etwas ungleich auf die photographische Platte gewirkt haben. Zunächst über dem als weiße Linie auftretenden Quarz folgt schwächer wirkendes Uranerz auf der einen Seite, darüber dann eine stärker radio- aktive Schichte, welche beide Seiten überzieht. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 601 Über dem Uranerz folgt dann ein meist rötlich gefärbter Dolomit. Die rötliche Farbe ist nicht ursprünglich, sondern eine nachträgliche Oxydationserscheinung. Die ursprüngliche Farbe in den frischesten Partien ist schwach erbsengelb. Der Dolomit ist meist derb und oft ziemlich grobspätig; um so gröber, je reicher die Gangfüllung und je gröber die nierförmige Oberfläche des darunter liegenden Uranerzes. In manchen Stücken, z. B. vom Hildebrandgang, sieht man das Uranerz in feintraubigen Gestalten auftreten, die sich schließlich zu kleinen, wenige Millimeter messenden Kügelchen auflösen, die in feinkörnigem Dolomit förmlich schwimmen (vergl. Radiogramm Fig. 2, Tafel III). Bisweilen beobachtet man eine Wechsellagerung von Uranerz- und Dolomitkrusten. Die Sammlung der Edelleut- stoUengewerkschaft bewahrt prachtvolle Stücke dieser Art, die eine mindestens dreimalige Wiederkehr der Uranerzbildung erkennen lassen. Bisweilen kommt es auch vor, daß bei reichlichem Absatz von Uranerz die Karbonate nicht mehr in der ursprünglichen Gangspalte zum Absatz kommen, daß vielmehr der Gang am einen oder anderen Salbande nochmals aufreißt und erst hier der Dolomit — bisweilen mit Ausbildung von einfachen Kristall- formen — in Drusenräumen sich entwickelt. So wie alle Erzvorkommnisse der Joachimisthaler Gänge ist das Uranerz sehr ungleichförmig verteilt. Die anhaltende Füllung der Gänge besteht, abgesehen von den lettigen Zer- setzungsprodukten des Nebengesteins, aus Carbonaten, Dolomit und Kalkspat. In der Nähe der Uranerze ist die Gangfüllung dolomitisch. Innerhalb der Uranerzvorkommen zeigen sich häufig die reicheren Krusten im Liegenden des Ganges, während sie im Hangenden schwächer auftreten, oft auch ganz fehlen, wenn im Hangenden eine Gangbreccie auftritt. Ins Liegende abgehende Trümer und Ausläufer enthalten häufig sehr reine Uranerz- füllung. Das beständige Zusammenvorkommen von Quarz-Uran- erz-Dolomit, die regelmäßige Aufeinanderfolge dieser Mineral- bildungen, die Art ihrer Verwachsung erregen die Vermutung, 602 J. Step und F. Becke, daß es mit der Bildungsweise des Uranerzes, mit dem chemischen Prozeß seiner Abscheidung in irgend einem ursächlichen Zu- sammenhang stehe. Altersbeziehungen des Uranerzes zu den anderen Erzen des Joachimsthaler Erzreviers. Bekanntlich unterscheidet man in den Erzlagerstätten der westerzgebirgischen Granitmassivzone vier Erzformationen: 1. Die Zinnerzformation, 2. die kiesige Bleierzformation, 3. die Kobalt-Silbererzformation, 4. die Eisen-Manganerzformation.^ 1 und 2 sind durch Übergänge verbunden; die Zinnerzformation ist an den Granit und seine nächste Nachbarschaft gebunden, die kiesige Bleierzformation tritt in größerer Entfernung vom Granit auf, die beiden unter 3 und 4 angeführten Erzforma- tionen sind jünger als 1 und 2. Die Joachimsthaler Erze fallen unter die Kategorie 3. Innerhalb der Kobalt-Silbererz- formation lassen sich deutliche Altersunterschiede erkennen. Die Kobalt-Nickel-Arsenerze erweisen sich entschieden als ältere Bildungen gegenüber den Silbererzen: Argentit, Rotgültig- erz, Stephanit, gediegenes Silber. Dieses schon von den früheren Beobachtern ^ hervor- gehobene Altersverhältnis können wir nach unseren Erfah- rungen in der Grube und nach den Stufen der Sammlungen, die daraufhin durchgesehen wurden,^ durchwegs bestätigen. 1 Karl D almer, Die westerzgebirgische Granitmassivzone. Zeitschr. für prakt. Geologie, 1900, 297. 2 G. Laube, Erzgebirge, I, 1876, p. 183. — Franz Babanek, Über die Erzführung der Joachimsthaler Erzgänge. Österr. Zeitschr. für Bergbau und Hüttenkunde, 1884, 21. Babanek nimmt an, daß die jüngeren Silber-Uran- Wismuterze aus der Tiefe stammen, während die älteren Kobalt- und Nickel- erze durch Lateralsekretion gebildet sein sollen. — Rene d'Andrimont, Les Filons de Pechblende de Joachimsthal (Boheme). Annales de la Societe geo- logique de Belgique, t. XXXI. Bulletin. Liege 1904. 3 Außer der reichen Werksammlung in Joachimsthal wurden insbe- sondere geprüft: Die Sammlung des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums, die Sammlung der k. k. Geologischen Reichsanstalt, die dortselbst aufbewahrte Friese'sche Sammlung, die Sammlungen des Mineralogischen und des Minera- logisch-petrographischen Universitätsinstitutes. Herrn Regierungsrat Prof. F. Berwerth und Herrn Dr. R. Köchlin vom Hofmuseum sowie Herrn Ober- bergrat E. Tietze, Direktor der k. k. Geologischen Reichsanstalt und Herrn Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 603 An zahlreichen Stücken läßt sich das jüngere Alter der Silber- erze gegenüber denkobalt- und nickelhaltigen Kiesen erkennen, so daß es nicht nötig erscheint, einzelne Beispiele hiefür an- zuführen. Schwieriger ist es, bezüglich des Uranerzes zu einer präzisen Altersbestimmung zu kommen. Die gegenwärtig zugänglichen Baue zeigen nirgends an- stehende Silbererze und was an Uranerzen in den jetzt im Aufschluß befindlichen Teilen des Schweizer- und Geister- ganges zu beobachten ist, läßt nur an einzelnen Stellen das Altersverhältnis vom Uranerz zu den Kobalterzen^ erkennen, während zumeist das Uranerz mit seinen Begleitern, Quarz und Dolomit, ganz allein auftritt, wenn wir von dem in größerer oder kleinerer Menge auftretenden Schwefelkies und Kupferkies absehen, die überall vorkommen und teils älter, teils jünger als Uranerz erscheinen. Im Februar 1904 am II. Wernerlauf am Schweizergange, Südort, gesammelte Erzstufen zeigen die typischen Uranerz- krusten, bedeckt von Dolomit, über einer Breccie aus Stücken des lettig veränderten Nebengesteins, die mit dicken Quarz- rinden umhüllt sind. Dem Quarz sind reichlich Schwefelkies und Kupferkies eingesprengt, spärlicher silberweißer Speis- kobalt. Das Vorkommen von Uranerz über »speisigen Erzen« (Speiskobalt, Chloanthit, Nickelin in dichtem Gemenge) ist von verschiedenen älteren Vorkommnissen bekannt. Über das Verhältnis des Uranerzes zu den jüngeren Silbererzen geben nur einige Stufen Aufschluß, welche teils der Werksammlung zu St.' Joachimsthal, teils der Friese- schen Sammlung der k. k. Geologischen Reichanstalt angehören. Die Stufen der Joachimsthaler Werksammlung stammen vom Hildebrandgang, vom Stollort, 224 m unter dem Tag- kranz des Einigkeitsschachtes; zwei sind mit den Jahreszahlen 1884 und 1891 bezeichnet. Zwei andere tragen keine Jahreszahl. Dr. V. Waagen sei für die Erlaubnis zur Benützung der Sammlungen und für freundliche Hilfe bei der Durchsicht bestens gedankt. (F. Becke.) 1 Oftmals treten diese Kobalterze auch in zersetzter Form als sogenannte »Schwärzen« auf. 604 J. Step und F. Becke, Uiese Stücke bestehen aus derben, mehrere Zentimeter mächtigen Massen von Uranerz, an denen ab und zu noch das Nebengestein — zersetzter GHmmerschiefer — anhängt. Hie und da erkennt man die traubige Oberfläche des Uranerzes, bedeckt von Dolomit. An einem der Stücke sieht man sehr deutlich, daß nach dem Absatz des Uranerzes der Gang an beiden Salbändern wieder aufgerissen wurde, und in diesen Spalträumen haben sich, nun Proustit, Dolomit, Calcit in ganz hübschen Drusen abgesetzt. Außerdem sind die derben Massen des Uranerzes von dünnen Anflügen des lichten Rotgültigerzes durchzogen. An einer kleinen Stufe, welche im Mineralogischen Institut der Wiener Universität aufbewahrt wird und demselben Vor- kommen (Hildebrandgang) entstammt, sieht man auf dem Joachimsthaler Schiefer über einer Rinde von Quarz Krusten mit kleintraubiger Oberfläche von Uranerz aufsitzen, bedeckt von gelblichem, feinkörnigen Dolomit. Der Dolomit umschließt zerstreute Kriställchen von Kupferkies und ein kleines Nest von derbem Proustit. Auch hier kehren die feinen Anflüge von Proustit auf Klüften des Uranerzes wieder. Eine sehr überzeugende Stufe wird ferner in der Friese- schen Sammlung der k. k. Geologischen Reichsanstalt auf- bewahrt. Sie stammt gleichfalls vom Hildebrandgang, trägt die Jahreszahl 1886 und zeigt Uranerz, beiderseits traubig entwickelt, mit nierförmiger Oberfläche und darüber Dolomit mit reichlich eingewachsenem Proustit. Diese Stufen zeigen unverkennbar an, daß hier die Uran- erzbildung dem Absatz des Silbererzes voranging. Andere Stufen, die Uranerz und eines der Silbererze ent- halten, haben wir, trotzdem alle bedeutenderen Wiener Samm- lungen (wohl weit über 1000 Stufen) aufmerksam durch- gemustert wurden, nicht finden können. Dies ist wohl der beste Beweis, daß sich das Uran mit seinen ständigen Begleitern von den anderen Gangmineralien Joachimsthals fern hält und ein mehr selbständiges Auftreten liebt. Um so bemerkenswerter ist es, daß außerhalb Joachimsthal, in Pfibram, das Uranerz in der gleichen Begleitung eines jüngeren, rötlich gefärbten Dolomites auftritt. Ja, es wiederholt Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 605 sich hier sogar ein ähnliches Altersverhältnis zu den übrigen Gangmineralen. Eine Stufe vom Johannigang, Annaschacht, 13. Lauf, aufbewahrt in der Friese'schen Sammlung, zeigt auf rotem Hornstein feinkörnigen Bleiglanz, darüber schwarzes, nier- förmiges, stark glänzendes Uranerz und über diesem rötlichen Dolomit. Eine Stufe des Mineralogischen Institutes der Wiener Universität zeigt das Uranerz derb, mit rötlichem Dolomit verwachsen und durchzogen von Klüften, auf denen sich Anflüge von Proustit abgesetzt haben. Die Paragenese ist also zu Pfibram, wo das Uranerz nur als Seltenheit vorkommt, ähnlich wie in Joachimsthal: jünger als die vorherrschende Gangfüllung, älter als das Silbererz. Häufiger kann man beobachten, daß die Silbererze jünger sind als der rote Dolomit, und zahlreiche Stufen des Hof- museums und der Werksammlung von Joachimsthal bestätigen diese Regel. Da der Dolomit seinerseits, wo er mit Uranerz auftritt, jünger als dieses sich erweist, wird auch durch diese Stufen indirekt das Altersverhältnis — Uran älter, Silber jünger — festgelegt. Die wichtigsten Uranerzgänge des Joachimsthaler Erzreviers. Das Vorkommen des Uranerzes ist auf folgenden Erz- gängen bekannt, welche durchwegs der Gruppe der Mitter- nachtgänge angehören; auf den Morgengängen ist Uranerz nie gefunden worden. Östliche Grubenabteilung. Mariagang. Führte in der Nähe des Kalklagers Rotgültig- und Uranerze. Beckengang. Uranerz als Seltenheit mit den Erzen der Kobalt-Silberformation. Die Produktion war unbedeutend. Hildebrandgang. In den oberen Horizonten fand sich hier Uranerz mit Silbererzen zusammen vor. Vom Stollort (224 m unter dem Tagkranz des Einigkeitsschachtes =i516m Seehöhe) stammen die oben beschriebenen Stufen. Ober dem 606 J. Step und F. Becke, Stollort und dem ersten Joachimilaufe lieferte er in den Acht- zigerjahren Silber, Uran, Wismut und Arsen. Tiefer, bis zum 5. Joachimilauf (347 m unter Einigkeit = 393 m Seehöhe) wurde auf ihm Uranerz abgebaut. Unterhalb des 5. Joachimi- laufes tritt der Gang in das Kalklager ein und lieferte hier kein Uranerz mehr, sondern bloß Wismut, Weißnickelkies, Fahlerz und Buntkupferkies. Häuerzechergang. Sein Verhalten in den oberen Hori- zonten ist wenig bekannt; seine Mächtigkeit ist hier gering, sie nimmt in der Tiefe beträchtlich zu; auf den tieferen Horizonten zwischen 8. und 12. Joachimilauf (419 bis 497 m unter Einigkeit = 321 bis 243 m über Meer) lieferte er reichlich Rotgülden, Kobalt- und Uranerze. Evangelistengang. Auf diesem Gange sind ausgedehnte Verhaue aus früherer Zeit vorhanden; in späterer Zeit wurde er vornehmlich wegen der dort auftretenden Uranerze abgebaut. Das Hauptvorkommen von Uran fand sich unter dem Danieli- stollen (=r 591 m Seehöhe), dann am 2. und 5. Joachimilauf. Der Rose von Jerichogang ist ein Trum des Evan- gelistenganges. Von diesem finden sich prachtvolle Stufen von Uranerz mit dem typischen rot gefärbten Dolomit im Natur- historischen Hofmuseum, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts bereits dort vorhanden waren. Der Evangelistengang war nebst dem Hildebrandgang der Hauptlieferant für Uranerz in der östlichen Grubenabteilung. Westliche Grubenabteilung. Schweizergang. Auf diesem schon seit langer Zeit in Abbau stehenden Gange wurde bereits in alter Zeit die schwarze Pechblende gefunden und in den alten Betriebs- berichten erwähnt. So wird Uranerz im Jahre 1766 von einem Überhöhen am Danielistollen (=: 615 w Seehöhe) erwähnt. In den Jahren 1775 bis 1780 lieferte ein Mittelort ober Barbara (d. i. ober 670 m Seehöhe) neben Kobalterzen Pechblende. Der Schweizergang wurde in neuerer Zeit im Tiefbau am I. und II. Wernerlauf aufgeschlossen und zeigte hier auf große Strecken nur Uranerze neben unbedeutenden Mengen von Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 607 Speiskobalt und Kiesen (Kupfer- und Eisenkies, 540 bis 580 m Seehöhe). Bergkittlergang. Ist in alter Zeit in den oberen Hori- zonten und bis zu Tag stark abgebaut worden, doch ist über die Erzführung daselbst nichts bekannt. Im II. Wernerlauf (540 m Seehöhe) wurde er ausgerichtet und zeigte dort aus- schließlich Uranerz in dolomitischer Füllung. Hieronymusgang. Auf diesem Gange, und zwar im Niveau des Barbarastollens (Seehöhe 653 m) wurde Uranerz mit gediegen Wismut, Speiskobalt, Schwefelkies, Braunspat angetroffen. In größerer Tiefe ist er nicht aufgeschlossen. Geistergang. Einer der wichtigsten Erzgänge des Reviers, der seit den ältesten Zeiten Gegenstand intensiven Abbaues war. Dies bezeugen die ausgedehnten Halden und Pingen, die auf der Höhe westlich von Joachimsthal seinen Ausbiß be- zeichnen. Diese obersten Horizonte sind zur Zeit unzugänglich; daß aber hauptsächlich Silbererze Gegenstand der Gewinnung waren, ist sehr wahrscheinlich. Auch in späterer Zeit erwies sich der Geistergang reich an namhaften Erzanbrüchen. Die letzten reichen Silberfunde in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Geistergang erobert; sie lagen am Barbara- stollen (Seehöhe zirka 653 m). Der Geistergang ist gegenwärtig bis zum III. Wernerlauf (Seehöhe 502 m) aufgeschlossen. Die Verteilung der auf ihm abgebauten Erze zeigt nach vorhandenen Abbaukarten und Berichten die Karte. Besser, als es Worte vermöchten, zeigt diese Darstellung, daß das Uranerz in den tieferen Teilen des Ganges mehr und mehr zur Alleinherrschaft kommt, während sich in den höheren Horizonten eine bunte Mineralgesellschaft dem Uranerz zugesellt und es in den obersten Horizonten bis auf Spuren verdrängt. Die Region, in welcher das Uranerz allein als Füllung auftritt, beginnt etwa beim Danielihorizont (Seehöhe zirka 615 w). Bis zum Barbara- stollen (Seehöhe 655 m) kann man eine Übergangszone an- nehmen, in welcher die sulfidischen Erze sich mit dem Uranerz mengen. Oberhalb des Barbarastollens trat das Uranerz nur in untergeordneten Mengen auf. Leider ist es nicht gelungen, vom Geistergang Stufen auf- zufinden, welche das Altersverhältnis der Silbererze zu den Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 42 608 J. Step und F. Becke, Uranerzen zu bestimmen erlauben. Daß das Uranerz jünger ist als die »speisigen Erze« Speiskobalt, Weiß- und Rotnickelkies, Wismut, lehrte die Erfahrung (vergl. auch Laube, Geol. des Erzgebirges, 182, Nr. 11). Einige paragenitische Beobachtungen, welche zur Charak- terisierung der Vorkommnisse dieses Ganges dienen können und die an Mineralstufen der Wiener öffentlichen Sammlungen angestellt wurden, mögen hier Raum finden. Sie erweitern einigermaßen das Bild, welches a. a. O. Laube gegeben hat, indem sie zugleich das Wesentliche davon bestätigen. 1. Wismut in Skeletten, eingewachsen in dichten Speis- kobalt. 2. Milchweißer Quarz von Speiskobalt und Wismut in Skeletten durchwachsen, unter dem Barbarastollen, Geistergang. 3. Quarz, darüber schwarz angelaufener Millerit. 4. Chloanthit in Gitterkristallen, überrindet von Rotnickel- kies, eingewachsen in derben Kupferkies. 5. Speiskobalt in Gitterkristallen, darüber Silber fein- drähtig. 6. Rotnickelkies, überrindet von Speiskobalt in Gitter- kristallen, darin eingesprengt Wismut; die Lücken ausgefüllt von Brauneisen; Hohlräume darin erfüllt von Drahtsilber. Firstenbau unter dem Barbarastollen. Die Herkunft des Braun- eisens in dieser oft beobachteten Paragenese wird durch die folgende Stufe erläutert. 7. Chloanthit in Gitterkristallen, darüber stellenweise Arsen in traubigen Aggregaten; die Lücken ausgefüllt mit dichtem Markasit (Leberkies). In Drusenräumen des stellen- weise zersetzten Leberkieses gediegen Silber. 8. Körnige Quarzmasse, luckig, braunschwarz ockerig mit Pyrit durchsetzt; dünne Lage von feinkörniger Zinkblende und von Kupferkies; kristallinischer Quarz mit wenig Kupferkies, geht in Kristallspitzen aus; auf diesen Argentit in Kristallen und Aggregaten. 9. Derber körniger Bleiglanz, darüber faserige Zinkblende mit nierförmiger Oberfläche; über beiden auf korrodierter Ober- fläche Argentit. Vorkommen des Uranpecherzes in Joachimsthal. 609 10. Quarz mit Zinkblende, darüber dichter bis feinkörniger Kupferkies; darüber Kruste von feinkörnigem Bleiglanz; darüber Kalkspat, der in Drusen ausgeht; in diesen sitzen große Kri- stalle von Stephanit. Noch eines sonderbaren Erzvorkommens muß Erwähnung gemacht werden, das von allen anderen Joachimsthaler Vor- kommen wegen eines Begleitminerals völlig verschieden ist. Am Geisterhafigendtrum, im Firstenbaue ober dem II. Wer- nerlaufe, in der Nähe des Morgenganges, kam ein schwaches, bloß 1 bis 2 cm mächtiges Trümchen vor, das folgende Mineral- bildungen erkennen ließ. Die Füllung des Trümchens löst sich durch glatte Absonderungsklüfte vom Nebengestein. Zunächst dem Salbande finden sich auf die Kante gestellte, 3 bis 6 mm hohe und bis 1 imn starke, schön braune Biotittäfelchen. Sie zeigen alle charakteristischen Eigenschaften des Biotit, sind zweiaxig mit kleinem Axenwinkel, Dispersion pVleTi Sitzuug-sberichte d.kais. Akad. d.Wiss., mathriucturw. Klasse, Bd. CXIII.At)t.l.l904. B ecke F. mid .1. Step rVorkonmieii des Uraujjeoherzes m Joacliimsthal. Taf. n. LitlLAnstA-.TKBaiirovarth.Wien. Sitzung-sberichte d.kais. Aktid. d.Wfss., mathriiaturw. Klasse, Ed. CXII[.AbtI.19Ü4-. J. Step und F. Becker Üranpecherz von Joachimstal. Tafel III. 1 a Negative 1 a, 2 — i vom Mineral. Univ. Institut, 3 1 b von Hugo Hinterberger. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien, Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, ßd. CXIII. Abt, I., Wien, 1904. i 619 Ober den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Blüten von Leopold Ritter v. Portheim, (Biologische Versuchsanstalt in Wien.) Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien. (Mit 1 Textfigur und 3 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 10. November 1904.) Bei manchen Pflanzen wird, nach den Untersuchungen von Sachs^ und de Vries,- das Nicken der Blüten durch das Gewicht derselben hervorgerufen. Nach Frank^ soll diese Krümmung bei vielen, vielleicht bei allen Blütenstielen durch positiven Geotropismus zustande kommen. Vöchting,* welcher für einige Pflanzen, wie z. B. Galantims ttivalis, Helleborus die Last der Blüten als Ursache der Abwärtskrümmung des Blütenstieles anerkennt, vertritt betreffs der Blütenstellung von Viola odorata, Aqtülegia vulgaris, PolygonaHim miiUißortim die Ansicht, daß positiver Geotropismus die Ursache der Krümmung sei. Wiesner^ unterscheidet bei den durch das Blütengewicht hervorgerufenen Krümmungen zwischen toter und vitaler Last- 1 Sachs J., Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen. 1865, p. 93. 2 Vries de H., Über einige Ursachen der Richtung bilateralsymmetrischer Pflanzenteile. Arbeiten des botanischen Instituts in Würzburg. I. Bd., 1874, H. 2, 1872, p. 229. 3 Frank A. B., Beiträge zur Pflanzenphysiologie. I. Über die durch die Schwerkraft verursachten Bewegungen von Pflanzenteilen. 1868, p. 53, 86, 87. •i Vöchting H., Die Bewegungen der Blüten und Früchte. Bonn, 1882. ä Wiesner J., Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane. Sitzungsberichte der kais. .\kad. der Wissensch. in Wien. .Mathem.-naturw. Klasse, Bd. CXI, 1902, Abt. I. 620 L. V. Portheim, krümmung. Die Erstere äußert sich in der Weise, daß das durch die mechanische Wirkung der Last gekrümmte Organ in der so gegebenen Lage verbleibt, während bei der vitalen Last- krümmung der Pflanzenteil auf die in der genannten Weise zustande gekommene Krümmung in bestimmter, wenn auch bei verschiedenen Organen in verschiedener Weise reagiert. Wiesner meint, daß man da, wo eine Last einen Pflanzenteil krümmt, nicht von Geotropismus sprechen könne, da letzterer stets unabhängig von einer Lastwirkung zur Geltung kommt. Hingegen hat Wiesner stets sorgfältig auf die etwaige Mit- wirkung spontaner Nutationen Rücksicht genommen. Auf vitaler Lastkrümmung beruht nach Wiesner das Nicken der Blüten von Forsythia viridissima, Sympliyttun tuherostim und Convallaria majalis. Fitting^ ist in einem Referat über Wiesner's Unter- suchungen der Ansicht, daß die Versuche, welche zu obigem Befunde führten, nicht einwandfrei seien; er spricht die Meinung aus, die Krümmung des Blütenstieles bei Convallaria majalis könne, sowie bei dem von Vöchting untersuchten Polygo- natiim imiltißortun durch positiven Geotropismus verur- sacht sein. Um mir Klarheit über diese Frage zu verschaffen, habe ich die Versuche Wiesner's mit Maiglöckchen wiederholt. Ich habe absichtlich Wiesner's Versuchspflanze verwendet und keine andere Pflanze aus der Verwandtschaft von Convallaria, da sich ja auch nahe verwandte Pflanzen bezüglich der Ursache des Nickens der Blüten nicht immer gleich verhalten müssen. Bei Polygonaium multißorum konnte ich leider, da die Pflanzen zur Zeit der Inangriffnahme der Versuche schon sehr ent- wickelt waren, zu keinem klaren Resultat gelangen und werde ich die Beobachtungen im nächsten Frühjahr fortsetzen. Convallaria majalis L. Die Versuche wurden im Dunkeln und im Licht ausgeführt. Es wurden auch Pflanzen auf Klinostaten rotieren gelassen, 1 Fitting H., Referat über Wiesner J. : Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane. Botanische Zeitung, 1903, Nr. 19, p. 279. Einfluß der Schwere auf die Blütenrichtung. 621 wodurch je nach der Lage der Drehungsachse und des Objektes HeHotropismus beziehungsweise Geotropismus ausgeschaltet wurde. Die Versuchsergebnisse waren in voller Überein- stimmung mit den von Wiesner erzielten Resultaten. Infloreszenzachsen von Cavallaria niajalis wurden im Licht und im Dunkeln horizontal gestellt. Die Blüten mit noch wachstumsfähigen Stielen nickten stets nach abwärts; es war gleichgültig, ob sich die Blüten auf der Ober- oder Unter- seite befanden oder seitlich der Hauptachse inseriert waren. Blütenachsen wurden invers, im Dunkeln ruhend oder im Licht um eine vertikale Achse rotierend, aufgestellt. In beiden Fällen waren die Blüten nach unten gerichtet, die Stiele meist gerade. Da Fitting im Gegensatze zu Wiesner dieses Herab- hängen der Blüten auf positiven Geotropismus zurückführen zu können glaubt, war es zur Entscheidung dieser Frage not- wendig, eine Methode ausfindig zu machen, durch welche eine Unterscheidung der durch Geotropismus hervorgerufenen Wirkung von der durch das Gewicht des Pflanzenorganes ver- ursachten ermöglicht wird. Als geeignet hiezu erwies sich die Verminderung des Blütengewichtes durch Kastration. Zur Zeit des Aufbrechens der Knospen wurden die Staub- gefäße und der Fruchtknoten vorsichtig mittelst Scalpels und Pinzette entfernt. Zur Kontrolle und um dem Einwände zu be- gegnen, daß der durch den operativen Eingriff verursachte Wundreiz das Resultat beeinflusse, wurde bei einigen Pflanzen bloß das Perigon von den Blüten entfernt, bei anderen durch zwei Einschnitte mit dem Scalpel, wobei die Blütenblätter und der Fruchtknoten getroffen wurden, die Blüten verletzt. Die Versuchspflanzen befanden sich im Dunkeln in aufrechter, ruhender Lage. Bei den Pflanzen mit durch Zerschneiden verletzten Blüten und bei denen, wo die Blütenblätter abgelöst worden waren, nutierten die Blüten, doch war die Krümmung oft nicht so intensiv wie bei den Kontrollpflanzen. Es ist dies vielleicht darauf zurückzuführen, daß bei der Verletzung durch die hiebei unvermeidliche Beseitigung von Blütenteilen und durch das Vertrocknen des Fruchtknotens das Gewicht der Blüte etwas 622 L. V. Poitheim, verringert wurde. Fruchtknoten und Staubgefäße, welche des Schutzes der Perigonblätter entbehren, vertrocknen sehr schnell und scheinen sich auch im feuchten Räume nicht gut zu halten, so daß das Versuchsresultat hier nicht immer gleichmäßig aus- fallen konnte. Blüten, bei denen man den Fruchtknoten und die Staub- gefäße entfernt hatte, standen meist aufrecht, ihre Stiele waren nicht gekrümmt. In den Fällen, in denen eine ganz schwache Krümmung unterhalb der Blüte zu beobachten war, ist dieselbe wohl durch das Gewicht der Blütenhülle verursacht. Auf Tafel I (Fig. 1 bis 3) sind im Dunkeln, in aufrechter Lage gezogene Convallaria majalis abgebildet. Die Blüten der normalen Pflanze nicken alle (Fig. 1), die Stiele der drei ober- sten zerschnittenen Blüten des zweiten Blütenstandes (Fig. 2) sind auch gekrümmt, hingegen sind die Stiele der vier obersten kastrierten Blüten der dritten Infloreszenz (Fig. 3) gerade. Zur Kontrolle dieser Resultate diente folgender Versuch: Die Blütentrauben von drei Convallaria-Füanzen, deren Blüten- stiele alle mehr oder minder gekrümmt waren, wurden invers auf- gestellt, wodurch eine verschieden starke Krümmung der Stiele, bei manchen Geradstreckung erzielt wurde. Nun wurden die Blüten in der oben beschriebenen Weise behandelt und wieder in die umgekehrte Lage gebracht. Die Blüten der normalen Pflanzen hingen alle herab, ebenso die der Pflanzen, bei denen eine Verletzung durch Zer- schneiden stattgefunden hatte (Tafel I, Fig. 4). Anders ver- hielten sich die Blüten, aus denen Fruchtknoten und Staub- gefäße entfernt worden waren; sie behielten die Lage, welche sie vor der Operation eingenommen hatten, bei. (Tafel I, Fig. 5.) Da also weder bei diesem Versuche, noch bei den früheren Versuchen eine Abwärtskrümmung des Stieles der kastrierten Blüten zu beobachten war, was bei Betätigung von positivem Geotropismus hätte eintreten müssen, so ist der Schluß be- rechtigt, daß das Nicken der Blüten von Convallaria majalis nur auf die Wirkung der Blütenlast, hauptsächlich auf das Gewicht der Geschlechtsorgane zurückzuführen ist. Einfluß der Schwere auf die Blütenrichtung. 623 Im Nachfolgenden teile ich die Resultate mit, welche ich bei meinen Untersuchungen über die Stellung der Blüten bei Lüium candidtim erzielt habe. Lilium candidum L. Die langen Blütenstiele von Liliutn candidtim schließen mit der Blütenstandsachse einen spitzen Winkel ein. Die Stiele der jungen Knospen sind erst gerade, krümmen sich dann, indem die Unterseite konvex wird und weisen später eine Konvexkrümmung der Oberseite auf. Inzwischen öffnen sich die Blüten; der Stiel ist nun größtenteils gerade, nur hie und da ist eine schwache Krümmung an demselben zu beobachten; unterhalb der Blüte ist er aber scharf nach außen eingebogen, wodurch die Blüte in eine horizontale oder schräg nach abwärts gerichtete Lage, welche bis zur Befruchtung festgehalten wird, gelangt. Während sich der Blütenstiel früher immer mehr von der Infloreszenzachse entfernt hatte, nähert er sich derselben nach der Befruchtung wieder; die Unterseite des Stieles zeigt nun ein stärkeres Wachstum und die Früchte erscheinen schließlich vertikal gestellt. Zu den Versuchen wurden Topfpflanzen und abge- schnittene Blütenstände verwendet. Letztere wurden in mit Wasser oder mit feuchtem Sand gefüllten Gefäßen gezogen und hielten sich sehr gut, manchmal kam es an denselben zur Fruchtbildung. Die Krümmungserscheinungen waren aber hier nicht immer so deutlich zu sehen wie bei den ganzen Pflanzen. Die Knospen-, Blüten- und Fruchtstiele von Pflanzen, welche bei einseitig einfallendem Licht um eine horizontale Achse in horizontaler Lage rotierten, zeigten Krümmungen, welche auf Grund der Versuchsanstellung nur als durch Epi- nastie hervorgerufen angesehen werden können. Die Bewegun- gen der Stiele, welche eine Konvexkrümmung der Unterseite derselben bei den normal kultivierten Pflanzen zur Folge hatten, waren hier nicht zu sehen; sie kamen durch negativen Geotro- pismus zustande, was bei den invers orientierten Blütenstands- achsen auch deutlich zu Tage trat. Töpfe mit Lilmm candidiun wurden im Licht ruhend, invers aufgestellt. Der Blütenschaft war stark negativ geotropisch und Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. ^3 624 L. V. Portheim, mußte, um ein Aufwärtskrümmen zu verhindern, an einem Stabe befestigt werden. Zuerst krümmten sich die ältesten Stiele, denen die jüngeren in akropetaler Richtung folgten, aufwärts- Oft wurde die Vertikale erreicht, manchmal trat durch Epinastie verstärkt eine Krümmung über die Vertikale auf. Mit dem Größerwerden der Blüten wurde der Stiel gesenkt; unter der Blüte krümmte sich derselbe scharf nach außen, wodurch die Blüte in dieselbe Lage, welche sie bei den aufrecht stehenden Pflanzen einnahm, gebracht wurde. Auf einem Klinostaten umgekehrt angebrachte Pflanzen, welche um eine vertikale Achse gedreht wurden, zeigten die- selbe Erscheinung. Die Frage nach der Ursache dieser letzterwähnten Krüm- mung, durch welche die Blüten stets in eine bestimmte Lage gebracht wurden, in der sie bis nach der Befruchtung ver- harrten, war nicht in der gleichen Weise wie bei Convallaria majalis zu lösen. Versuche, welche mit abgeschnittenen Blüten- standsachsen im Dunkeln angestellt wurden, wobei einige der- selben mit unverletzten, einige mit zerschnittenen, andere mit kastrierten oder der Blumenblätter beraubten Blüten kultiviert wurden, ergaben alle eine Krümmung der Stiele, da wohl in allen Fällen das Gewicht der einzelnen Blütenteile ziemlich be- trächtlich war. Zu einem Resultate führte erst der Vergleich der Lichtpflanzen mit Pflanzen, welche im Dunkeln ruhend oder im Licht am Klinostaten gezogen wurden. Topfpflanzen rotierten am Klinostaten in der Weise, daß eine einseitige, heliotropische oder geotropische Einwirkung ausgeschaltet war. Auf Tafel II ist eine solche Lilie abgebildet. Der Stiel der unterstenKnospe war, wenn dieselbe während des Rotierens nach unten zu liegen kam, stark gekrümmt und schloß mit der Infloreszenzachse einen spitzen Winkel ein. (Tafel II, Fig. 6.) Wurde die Pflanze um 180° gedreht, wodurch sich die beobachtete Knospe nun oben befand, so war der Stiel nicht mehr so stark gekrümmt wie bei der früheren Lage, der Winkel mit der Hauptachse war schärfer. (Tafel II, Fig. 7.) Die stärkere Krümmung im ersten Falle kann nur durch das Gewicht der Knospe zustande gekommen sein. Einfluß der Schwere auf die Blütenrichtun.s:. 625 a- Im Dunkeln wiesen die Stiele der invers aufgestellten Infloreszenzen meist nur eine ganz schwache Krümmung auf, manchmal krümmten sie sich wohl aufwärts, kamen aber schließlich nur in eine schräge Lage. Die Biegung unter der Blüte war entweder gar nicht vorhanden, oder nur schwach angedeutet. Bei horizontal gelegten Lilien krümmten sich die Stiele zuerst negativ geotropisch, senkten sich aber dann und die Knospen, respektive Blüten nickten nach abwärts. Wurden die Knospen oder Blüten von dem herabhängenden Süele ab- geschnitten, so richtete sich derselbe wieder auf. (Fig. 8.) Im Dunkeln war bei den aufrecht stehenden Pflanzen von Lilimn candidtini der Winkel, den die Blütenstiele mit der Hauptachse bildeten, nicht so spitz, wie bei den Pflanzen im Licht. Die Stiele waren stark gekrümmt. Diese Krümmung wurde, wenn man die horizontal oder aufrecht stehenden Inflo- reszenzen in eine Lage brachte, in der die konkave Seite nach oben gerichtet war, alsbald beinahe aufgehoben oder ging wenigstens stark zurück. Die Krümmung unter den Blüten war bei den normal stehenden Lilien nur schwach, manchmal über- haupt nicht zu sehen. Wurde bei diesen Pflanzen dem ge- krümmten Blütenstiele die Blüte abgenommen, so richtete sich derselbe auf. Bei den Dunkelpflanzen, deren Blütenstiele länger und schwächer als die der Lichtpflanzen waren, zeigte es sich deutlich, daß der Stiel durch die Last der Knospe oder Blüte gekrümmt wird. Die Krümmung unter der Blüte war bei den im Dunkeln gezogenen Pflanzen, deren Blütenstiele biegungs- fähiger waren als die der im Licht kultivierten Lilien, nur schwach oder gar nicht zu beobachten. Die Wirkung des Blütengewichtes äußerte sich hier nicht, wie bei den Pflanzen im Licht, in der Biegung an einer bestimmten Stelle, sondern kam in der Krümmung des ganzen Stieles zur Geltung. Ob die Aufrichtung der Fruchtstiele durch negativen Geotropismus allein verursacht wird, oder ob auch noch andere Kräfte dabei beteiligt sind, wurde nicht näher geprüft. Die Lage der Blüten von Lilium candiduwi kommt durch Epinastie, negativen Geotropismus und vitale Lastkrümmung zustande. 43* 626 L. V. Portheim, Herr Hofrat Wiesner hat mannigfache Versuche ange- stellt, um zu prüfen, inwieweit Epinastie bei der Richtung der Blüten beteiligt sei. Einige Beobachtungen sind bereits ver- Fig. 8. Alle drei Stiele waren nach abwärts gerichtet. a) Die Blüte hängt herab ; h) die Blüte wurde abgeschnitten, der Stiel richtet sich auf; c) die Knospe wurde abgeschnitten, der Stiel ist nach aufwärts gekrümmt, öffentlicht.^ Andere noch nicht veröffentlichte, auf Erica hiemalis Hort, bezügliche Daten und Abbildungen hat mir Herr Hofrat Wiesner freundlichst zur Verfügung gestellt. ' Wiesner, J. 1. c. Einfluß der Schwere auf die Blütenrichtung. 627 Ich bringe dieselben im Anschluß an meine obigen Mit- teilungen vor. Diese Beobachtungen sind deshalb von beson- derem Interesse, weil sie lehren, daß ein Nicken der Blüten auch unabhängig von äußeren Richtkräften zustande kommen kann. Erica hiemalis Hort. Die Versuche wurden im Jänner und Februar dieses Jahres im Gewächshause des pflanzenphysiologischen Institutes unter- nommen. Die Pflanzen rotierten aufrecht am Klinostaten um eine vertikale Achse. Die Blütensprosse bildeten vor der Knospen- entfaltung, in welchem Stadium sie eine Länge von 0-5 bis 1 cm erreichten, mit der Hauptachse einen Winkel von 10 bis 20°, während die obersten und untersten blütenlosen Sprosse weniger abstehend waren. Die blütentragenden Sprosse sind stets relativ stark gekrümmt, während die Sprosse, welche keine Blüten besitzen, nicht oder nur schwach gekrümmt sind. Die Last der großen CoroUe hat auf die Richtung der Blüten keinen oder nur einen geringen Einfluß, wie die Ver- suche mit aufrecht oder umgekehrt aufgestellten und horizontal orientierten Sprossen lehrten. Ein Stock der Versuchspflanze wurde in horizontaler Lage ruhend aufgestellt. In diesem Falle zeigten die Blütensprosse der Oberseite dieselbe Krümmung wie die der Unterseite. Es geht aus diesen Untersuchungen hervor, daß die blüten- tragenden Sprosse von Erica hiemalis während der Blüten- entfaltung in erster Linie epinastisch sind und Lastwirkung nicht oder nur in untergeordnetem Maße erweislich ist. Aus den photographischen Abbildungen (Tafel III, Fig. 9, 10, 11) ist das Verhalten der Blütensprosse von Erica hiemalis bei aufrechter, inverser und horizontaler Lage der Zweige zu ersehen. Zusammenfassung. 1. Das Nicken der Blüten von Convallaria majalis kommt durch die Blütenlast zustande, beruht also nicht auf positivem Geotropismus. 628 L. V. Portheim, Einfluß der Schwere auf die Blütenrichtung. 2. Die Lage der Blüten von Lilium candidum. wird durch Epinastie, negativen Geotropismus und vitale Lastkrümmung bestimmt. 3. Die Blüten tragenden Sprosse von Erica hiemalis sind, nach Wiesner's Untersuchungen, während der Blüten- entfaltung epinastisch. Die Last der Blüten hat auf die Richtung derselben keinen oder nur einen geringen Einfluß. Die dieser Abhandlung beigegebenen photographischen Abbildungen wurden von Herrn Assistenten Dr. Alois Jencic, dem ich hiefür bestens danke, aufgenommen. Figurenerklärung. Tafel I. Im Dunkeln in aufrechter Lage gezogene Convallaria majalis. Fig. 1. Normale Pflanze: Alle Blüten nicken. Fig. 2. Die drei obersten Blüten zerschnitten: Die Stiele dieser Blüten sind gekrümmt. Fig. 3. Die vier obersten Blüten kastriert: Die Stiele sind gerade. Im Dunkeln in inverser Lage gezogene Convallaria majalis. Fig 4. Die jüngste Blüte unverletzt, die vier nächsten zerschnitten, die sechste Blüte unverletzt: Alle Blüten hängen herab. Fig. 5. Die drei jüngsten Blüten kastriert, eine Blüte unverletzt: Die jüngste Blüte hängt herab, der Stiel der zweiten ist schräg gestellt, der Stiel der dritten ist gekrümmt. Die unverletzte Blüte herabhängend. Tafel II. Lilium candidum in horizontaler Lage um eine horizontale Achse rotierend . Fig. 6. Der Stiel der untersten Knospe ist stark gekrümmt und schließt mit der Infloreszenzachse einen spitzen Winkel ein. Fig. 7. Die Pflanze wurde um 180° gedreht, die beobachtete Knospe befindet sich nun oben. Der Stiel ist nicht so stark gekrümmt, wie bei Fig. 6, der Winkel mit der Hauptachse ist schärfer. Tafel III, Erica hiemalis. Fig. 9. Umgekehrt aufgestellte Pflanze. Fig. 10. In aufrechter Stellung kultivierte Pflanze. Fig. 11. Horizontal orientierter Sproß. In allen Fällen ist die epinastische Krümmung ersichtlich. L. V. Portheim, Einfluss der Schwere auf die Blütenrichtung. Tafel 1. lO r? !N Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abt. I., 1904. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. L. V. Portheim, Einfluss der Schwere auf die Blütenrichtung. Tafel II. Sitzungsbericht d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse Bd. CXIII. Abt. I, 1904. Lichtdruck v. Max Jafle, Wien. L. V. Portheim, Einfluss der Schwere auf die Blütenrichtung. Tafel III. 10 11 Sitzungsberichte d. kai^. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abt. I. 1904. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 629 Über einen Fund von Sivatherium giganteum bei Adrianopel von O. Abel. (Mit 1 Tafel und 3 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 9. Juni 1904.) Herr Dr. F. X. Seh äff er hatte auf seiner letzten Reise in der europäischen Türkei Gelegenheit, bei Adrianopel eine Anzahl Säugetierreste aus den jungtertiären oder quartären Sand- und Schotterablagerungen des dortigen Gebietes zu erhalten. Als mir Herr Dr. Schaffer diese Funde zeigte, fiel mir sofort ein Knochenfragment auf, welches bei oberflächlicher Betrachtung wohl als Iliumfragment eines größeren Huftieres gedeutet werden konnte, sich von einem solchen aber durch das Vorhandensein großer blasenförmiger Höhlungen am ver- dickten Ende sowie durch sehr tiefe, verzweigte Eindrücke von Blutgefäßen an der Oberfläche unterschied. Diese Merk- male bestimmten mich, dieses Knochenfragment für das hintere Hörn eines Sivatherium zu deuten. Da jedoch von anderer Seite die Vermutung geäußert wurde, daß es sich um ein Becken- fragment handle, während eine dritte Meinung dahin ging, daß ein Geweihfragment des Riesenhirsches vorliege, so beschloß ich, mich im British Museum of Natural History durch eine Untersuchung der dortigen reichen Schätze von Cameloparda- liden davon zu überzeugen, ob meine ursprüngliche Vermutung gerechtfertigt war. Herr Dr. C. Forsyth-Major hatte die große Liebenswürdigkeit, in der prächtigen Sammlung fossiler Säuge- tiere des Britischen Museums mein Führer zu sein; die Be- trachtung der Schädelzapfen von Sivatheritmi giganteiim aus den Siwalik Hills verschaffte mir die Gewißheit, daß es sich 630 0. Abel, bei dem Reste aus den Sand- und Schotterbildungen von Adrianopel tatsächlich nur um den hinteren Schädelzapfen eines sivatheriumartigen Säugetieres, handeln könne und zwar ergab ein näherer Vergleich, daß das Fragment von Adrianopel in Form und Größe so sehr mit dem hinteren Hörn des Siva- thermm giganteum F&Xc. et Cautley übereinstimmt, daß ich kein Bedenken trage, das in Rede stehende Fragment dieser Art zuzuweisen, welche bisher nur aus den subhimalayischen Siwalikbildungen bekannt war. Herr Prof. E. Sueß vertraute mir nach meiner Rückkehr den fraglichen Rest zur näheren Untersuchung an. Ich erlaube mir, hiefür sowie für die weitere Förderung meiner Studien Herrn Prof. Sueß meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Daß es sich bei dem vorliegenden Reste keinesfalls um ein Beckenfragment eines größeren Säugetieres handeln kann, ergibt sich zunächst aus dem Vorhandensein eines großen, glattwandigen, stellenweise blasenförmig aufgetriebenen Hohl- raumes am verdickten Ende des Knochens, welcher gegen das Innere desselben mit kegelförmiger Spitze endigt. Würde das vorliegende Stück als ein Beckenfragment zu deuten sein, so müßte das verdickte Ende der distalen Partie des Ilium oberhalb der Acetabularregion entsprechen; in dieser Region treten aber, soweit mir bekannt ist und wie mir zwei so vorzügliche Säugetierkenner wie M. Schlosser und H. Pohlig bestätigen, niemals glattwandige Hohlräume auf. Würde die im Inneren des Hüftbeines befindliche Spongiosa auf irgend eine Weise entfernt worden sein, so könnte doch die Grenze gegen die Substantia compacta nicht vollkommen glattwandig und glänzend erscheinen und auch das Vorhandensein von mehreren quergestellten Leisten, welche blasige Abschnitte begrenzen, bliebe unerklärt. Schon dieses Merkmal genügt also, um die Deutung des vorliegenden Knochens als Beckenfragment aus- zuschließen; dazu kommt noch das Vorhandensein der oben erwähnten, sehr tiefen, reich verzweigten Gefäßrinnen auf der Oberfläche des Knochens, welche demselben ein geweihartiges Aussehen verleihen, jeden Gedanken an ein Hüftbeinfragment aber vollständig abweisen. Sivatherium giganteum. 631 Eben diese reich verzweigten, tiefen Gefäßeindrücke gaben andrerseits die Veranlassung zu der Deutung dieses Restes als Gevveihfragment eines großen Cerviden. In der Tat besitzt die Oberfläche des Fragmentes ein solches Aussehen und erinnert namentlich in der allgemeinen Form an die basale Partie eines Elchgevveihs; dennoch muß auch diese Deutung als falsch bezeichnet werden, da in der basalen Partie des Geweihs von Cervtts alces keine Hohlräume vorhanden sind und da das vorliegende Fragment an der Basis viel stärker verbreitert ist, als dies jemals bei einem Elchgeweih vor- zukommen pflegt. Es sind nun schon vor langer Zeit aus den unterpliozänen Siwalikbildungen Indiens Säugetiere bekannt geworden, deren Schädel mit mächtigen, in ihrer Gesamtform an das Geweih von Cervus alces erinnernden Zapfen besetzt ist. Diese Hörner enthalten jedoch an ihrer Basis Hohlräume, wie die Hörner der Cavicornier und vereinigen somit Merkmale der Cervicornier und Cavicornier. Dieses Säugetier wurde von W. E. Baker ^ zuerst als »the fossil Elk of the Himalaya« beschrieben. Dieser Mitteilung, welche im September 1835 erschien, folgte bereits im Oktober desselben Jahres eine Mitteilung von P. T. Cautley über das- selbe Tier, in welcher der Name Sivatherium aufgestellt wurde. ^ Im nächsten Jahre veröffentlichten H. Falconer und P. T. Cautley ^ ihre Abhandlung über »Sivatherium gigauteunt, a new Fossil Ruminant Genus, from the Valley of the Murkunda, in the Sewalik Brauch of the Sub-Himalayan Mountains«. Im Jahre 1837 folgte eine von Abbildungen begleitete Notiz von Colonel Colvin;* 1839 bildete J. F. Royle ^ den von Falconer 1 W. E. Baker, On the Fossil Elk of Himalaya. Journ. Asiat. Soc. Bengal., Calcutta, Sept. 1835, Vol. IV', p. 506. 2 P. T. Cautley, Journ. Asiat. Soc. Bengal., ibid. p. 585. 3 H. Falconer and P. T. Cautley, Sivatherium giganteum, a new Fossil Ruminant Genus, from the Valley of Murkunda, in the Sewalik Branch of the Subhimalaj'an Mountains. Asiatic Researches, Vol. XIX, 1836, p. 1. •* E. Colvin, Additional Fragments of the Sivatherium. Journ. Asiat. Soc. Bengal., Vol. VI, 1837, p. 152. 5 J. F. Royle, Illustrations of the Botany and other Brauches of the Natural History of the Himalayan Mountains. London, 1839, Vol. II, pl. VI. 632 0. Abel, und Cautley beschriebenen Schädel noch einmal ab. Schädel- reste von Sivatheriuni giganteum finden sich weiters in den späteren Arbeiten von Falconer und Cautley,^ Murchison ^ und Murie ^ abgebildet. Aus diesen Darstellungen geht hervor, daß Sivatkerium giganteum, zwei Paar Schädelzapfen besaß; die vorderen Stirn- zapfen sind bedeutend kleiner und schwächer als die hinteren Scheitelzapfen und erheben sich als kegelförmige Zacken auf den Stirnbeinen oberhalb der Augenhöhlen. Das hintere Zapfen- paar erhebt sich auf breiter, gerundeter Basis und erweitert sich nach oben zu einer breiten, gedrehten Schaufel* Das Britische Museum bewahrt eine Anzahl von hinteren Schädelzapfen des Sivatkerium giganteum und Abgüsse der- selben; es sind dies die folgenden Objekte: Nr. iM. 1336. Gipsabguß des Originalschädels Nr. 15283, der Type von Falconer und Cautley; am Originale fehlen die hinteren Schädelzapfen, welche an dem Gipsabguß^ ergänzt sind. Die Stellung der hinteren Schädelzapfen ist eine andere als in der rekonstruierten Figur bei Falconer und Cautley (Palaeontological Memoirs and Notes. Vol. I. Fauna antiqua Sivalensis, London 1868, pl. XXI, fig. 4). Nr. 15283 a. Gipsabguß eines Schädels aus der Gegend von Nahan (Siwalik Hills) im Museum von Edinburgh; umfaßt den hinteren Schädelabschnitt und die Basen der hinteren 1 H. Falconer and P. T. Cautley, Fauna Antiqua Sivalensis, pls. XCl, XCII und pl. A (unveröffentlicht). 2 Ch. Murchison, Palaeontological Memoirs and Notes of the late H. Falconer, Vol. I, Fauna Antiqua Sivalensis, London, 1868, p. 247 bis 279 (by H. Falconer and P. T. Cautley), pl. 19—21. 3 J. Murie, On the systematic Position of the Sivatherium giganteum of Falconer and Cautley. Geolog. Magaz., 1871, Vol. VIII, p. 438, pl. XII, XIII. 4 C. J. Forsyth-Major sagt über die hinteren Schädelzapfen von Siva- therium giganteum: >The posterior antler-like pair of horns, according to my view, evidently arises from the parietals.« (On the Fossil Remains of Species of the Family Giraffidae. P. Z. S. London. 1891, p. 322.) 5 Durch die große Liebenswürdigkeit des Herrn A. Smith -Woodward bin ich in die Lage versetzt, in der Textfigur 1 die Vorderansicht dieses rekonstruierten Schädels nach einer im British Mus. of Nat. Hist. angefertigten Sivatherinm giganteum. 633 Schädelzapfen. (Original von Colone! Colvin, Journ. Asiat. Soc. Bengal., 1837, Vol. VI, pl. 8; Royle, Botany of the Himalaya Mountains, London, 1839, Vol. II, pl. 6, Fig. 1 c; Falconer and Cautley, Fauna antiqua Sivalensis (un- veröffentlicht), pl. A, Fig. 2: Falconer and Cautley, Palaeontological Memoirs, Vol. I, London 1868, pl. XXI, Fig. 2). Nr. 39525. Ein fast vollständiger hinterer Schädelzapfen; die hinteren Zapfen des Schädels Nr. M. 1336 sind nach diesem Rest ergänzt. Abbildungen dieses Schädel- zapfens finden sich bei Falconer und Cautley in der »Fauna antiqua Sivalensis«, pl. A, Fig. 4 (unveröffentlicht) und in den von Murchison edierten Palaeontological Memoirs, Vol. I, Fauna antiqua Sivalensis von H. Falconer, London, 1868, pl. XXI, Fig. 3. Nr. 39524. Fragment eines hinteren Schädelzapfens. Abgebildet bei Falconer und Cautley (1. c, pl. A, Fig. 5). Nr. 39524 a. Fragment eines sehr großen hinteren Schädel- zapfens mit tiefen Gefäßfurchen. Nr. M. 1513. Fragment eines großen hinteren Schädelzapfens. Da es wünschenswert war, den Rest von Adrianopel namentlich mit dem Schädelzapfen Nr. 39525 näher zu ver- gleichen, so wendete ich mich nach meiner Rückkehr von London an Herrn Dr. Max Schlosser, welcher mir den im Münchener Museum befindlichen Abguß des erwähnten Schädel- zapfens mit größter Bereitwilligkeit zur Verfügung stellte. Kurze Zeit danach übersandte mir Herr A. Smith-Wood- ward einen zweiten Gipsabguß desselben Schädelzapfens, an welchem das obere abgebrochene Ende ergänzt ist; während jedoch an dem von Herrn M. Schlosser eingesendeten Abguß die Höhlung an der Basis zu beobachten ist, ist dieselbe bei dem zweiten Abguß verstrichen. Ich erlaube mir, auch an dieser Stelle für die Übersendung der Abgüsse beiden Herren meinen wärmsten Dank zu sagen. Photographie mitteilen zu können. Ich spreche den Herren A. Smith-Wood- ward und R. Lydekker für ihr außerordentHches Entgegenkommen meinen wärmsten Dank aus. 634 O. Abel, Der im Münchener Museum befindliche Gipsabguß stellt ohne Zweifel das Original Falconer's dar, wie aus der all- gemeinen Gestalt und den Umrissen sowie der Lage der Bruch- flächen hervorgeht. Die Falconer'sche Abbildung (Palaeonto- logical Memoirs, Vol. I, pl. XXI, fig. 3) gibt aber eine ganz falsche Vorstellung dieses Restes, weil der Zeichner kein Spiegelbild des Originals auf die lithographische Platte ent- worfen zu haben scheint und daher die Abbildung selbst ein Spiegelbild des Originals darstellt. Nun bezeichnet außer Falconer^ auch Lydekker^ dieses Hörn ausdrücklich als das linksseitige. Lydekker hat eine neue Rekonstruktion des Sivatheriumschädels versucht, die A. S. Wo od ward in seine »Outlines of Vertebrate Palaeon- tology« aufgenommen hat;^ nach dieser Rekonstruktion wendet der Scheitelzapfen so wie auf der Darstellung Falconer's und Murie's den einen kurzen Zacken nach oben, aber die breite Schaufelfläche nicht nach außen, sondern nach hinten, während die Vorderfläche des Scheitelzapfens von dem starken, gerun- deten Längswulst gebildet wird, welcher sich den ganzen Schädelzapfen von der Basis bis zur Spitze entlang zieht. (Fig. L) Leider ist bis jetzt kein Sivatheriumschädel entdeckt worden, an welchem die Zapfen noch am Schädeldach erhalten sind, sondern die bisher vorliegenden Schädeldächer tragen nur die Basen der Hörner, während die letzteren stets isoliert angetroffen worden sind. Es ist aus diesem Grunde nicht leicht zu entscheiden, ob der von Falconer abgebildete Schädelzapfen der rechten oder linken Schädelhälfte angehört und die endgiltige Entscheidung dieser Frage muß bis zur Entdeckung vollständigerer Reste verschoben werden. 1 H. Falconer, Palaeontological Memoirs and Notes, edited by Ch. Murchison, Vol. I, Fauna Antiqua Sivalensis, London, 1868, pl. XXI, fig. 4 (with the antlers restored), p. 268. 2 R. Lydekker, Catalogue of Fossil Mammalia in the British Museum (Nat. Hist.), part. II, London 1885, p. 60. 3 A. Smith- Woodward, Outlines of Vertebrate Palaeontology for Students of Zoology. Cambridge, 1898, p. 371, fig. 210. Sivathcriutn giganteum. 635 Wenn wir jedoch schon jetzt einen Versuch wagen wollen, den vorliegenden Scheitelzapfen zu orientieren, so müssen wir seinen Bau etwas eingehender betrachten. (Vergl. Fig. 1 und 2.) Der Scheitelzapfen entspringt mit einer ovalen Basis, deren Länge 187 und deren Breite 130 mm beträgt. Von hier aus erhebt sich der Knochen in Form eines schraubenförmigen Gewindes nach oben und außen. Die Dicke des Knochens ist an der ovalen Basis nicht überall gleich; an dem einen Ende des Ovals ist der Knochen 45 wm, an dem gegenüberliegenden aber nur 32 wm dick. Der Knochen ist an seinem unteren Ende hohl; soweit der Gipsabguß erkennen läßt, ist ein Teil der Höhlung noch mit Gestein ausgefüllt, so daß die wirkliche Tiefe derselben nicht ermittelt werden kann. Von jener Seite der Basis, wo der Knochen die Dicke von 45 mm erreicht, erhebt sich 135 m^m oberhalb des unteren Bruchrandes ein schräg abstehender Fortsatz in ähnlicher Weise wie der Trochanter tertius eines Rhinozerotidenfemur. Die Basis dieses schaufelartigen Knochenlappens bildet ein langgestrecktes, sehr schmales Oval von etwa 160 mm Länge und 40 mm Breite; die Höhe dieses ganzen Fortsatzes beträgt etwa 107 mm. Er ist am Ende halbkreisförmig abgerundet und, nachdem er sich früher etwas verjüngt hatte, wieder bis auf 35 mm verdickt. Nach oben und unten verläuft dieser Zapfen in den übrigen Knochen, ohne eine besonders ausgesprochene Kante zu bilden. Von der Spitze dieses Fortsatzes aus verlaufen auf der einen Flachseite zur Basis hinab sehr zahlreiche, tiefe, fast parallele Furchen, welche ohne Zweifel die Eindrücke von Blutgefäßen darstellen. Auf der anderen Flachseite sind gleich- falls derartige Eindrücke vorhanden, aber sie besitzen hier einen mehr unregelmäßigen Verlauf, sind nicht so tief und kreuzen sich wiederholt. Auf jener Seite nun, auf welcher die Blutgefäßeindrücke tiefer sind und parallel verlaufen, erhebt sich der Knochen zu einem stark komprimierten Kamm, welcher sich den ganzen Knochen von der Basis bis zum oberen Bruchende entlang zieht und an dem anderen Ende des von der Knochenbasis 636 O. Abel, gebildeten Ovals endigt; er liegt also mit seiner Ursprungstelle zwar auf derselben Seite des ganzen Knochens, ist aber doch von dem früher besprochenen seitlichen Zapfen ziemlich weit entfernt. (Fig. 2.) Dieser Kamm steigt von der Basis aus etwa 130 mm weit steil nach oben, biegt sich aber an dieser Stelle ab, erhebt sich Fig. 1. Sivatherium giganteitm Falc. et Cautl. (Photographie des Gipsabgusses eines Schädels aus den Sivvalik Hills [Nr. 15283 des Katal. der foss. Säugetiere des Brit. Mus. in London], Gipsabguß Nr. M. 1336; der Schädel ist abgebildet bei Falconer, Palaeont. Memoirs, Vol. I, Fl. XIX— XX. Die hinteren Schädelzapfen sind nach dem Fragmente Nr. 39525 des Brit. Mus. ergänzt und derart gedreht, daß der dicke, konkav- gekrümmte Wulst auf die Vorderseite zu liegen kommt. Mitgeteilt von Herrn A. Smith-Woodward.) Zirka i/j^g <^^'" natürlichen Größe. sodann relativ unbedeutend und verläuft als flache, schrauben- förmig gewundene Platte bis zum oberen Bruchende. Die Stärke dieses Kammes ist an seinem Rande von der Basis bis in die Nähe des oberen Endes nahezu dieselbe und beträgt durchschnittlich 13 mm. Sivatheriwm gigantenm. 63: Beide steil abfallenden Flächen dieses Kammes sind von sehr tiefen, zu dem Kammrande parallelen Gefäßeindrücken durchzogen. Gegen die Basis werden sie tiefer und zahlreicher. Auf jener Fläche des Kammes, welche allmählich in den früher besprochenen seitlichen Zapfen übergeht, ziehen sich drei sehr tiefe und breite Furchen den Knochen entlang; sie \ \ Fig. 2. Sivatkerium gigantettm Falc. et Cautl. (Neue Rekonstruktion des in Fig. 1 abgebildeten Schädels ; die Schädelzapfen sind so gedreht, daß der in Fig. 1 an der Vorderseite erscheinende dicke Wulst nach hinten, der Kamm dagegen nach vorne und außen und der kurze Zacken nach unten und außen zu liegen kommt.) Zirka i/j2 der natürlichen Größe. sind an der Stelle, wo die Abbiegung des Kammrandes erfolgt, also etwa 130 mm oberhalb des unteren Bruchrandes, einander sehr genähert, entfernen sich im weiteren Verlaufe nach oben etwas weiter voneinander, ziehen aber doch nahezu parallel bis zum oberen Bruchende des Knochens, wo sie durch- 638 0. Abel, schnittlich 40 mm voneinander getrennt sind und eine Breite von ungefähr 12 mm erreichen; die mittlere der drei Rinnen ist die breiteste, die dem Kammrande zunächst gelegene die tiefste. Auf der anderen Kammfläche sind diese Rinnen gleichfalls zu beobachten, doch ist ihr Verlauf hier unregelmäßiger, sie sind seichter und in zahlreichere Nebenrinnen aufgelöst, welche aber auch einen im ganzen und großen parallelen Verlauf zeigen. (Fig. 2.) Wir wollen nunmehr den oberen Bruchrand des vor- liegenden indischen Fragmentes betrachten. Der obere Bruchrand des Schädelzapfens besitzt eine Länge von 172 mm. Der Kammrand ist hier etwas angeschwollen und 27 mm, stark; auf eine Länge von etwa 85 wm behält der Knochenbruchrand nahezu dieselbe Stärke bei, verdickt sich aber rasch und sein Querdurchmesser beträgt an dem anderen Ende 58 mm. Von dieser stark verdickten Stelle aus zieht sich ein sehr kräftiger, gerundeter, durchschnittlich 60 mm im Durchmesser haltender Kamm in ziemlich gerader Richtung gegen die Basis herab, wo er allmählich verläuft, sich aber bis zu beiden Enden der ovalen Basis ausbreitet. Seine Oberfläche ist unregelmäßig grubig vertieft und diese Stelle erinnert ganz besonders an die Oberfläche eines Cervidengeweihes. (Fig. 1.) Wenn wir uns nunmehr über diesen Rest ein Gesamtbild zu machen versuchen, so sehen wir, daß von allen kammartigen Hervorragungen die zuletzt erwähnte die kräftigste ist und daß sie einen konkaven Bogen bildet, während der weit schwächere flache Kamm einen konvexen Rand besitzt. Zu beiden Seiten des dicken, rauhen Wulstes ist der Knochen ausgehöhlt; auf jener Seite, welche in den seitlichen kurzen Zapfen übergeht, ist diese Einsenkung gering, während sie auf der anderen, wo der Knochen in den flachen Kamm übergeht, weit beträchtlicher und namentlich oberhalb der Basis sehr deutlich ausgesprochen ist. Mit Rücksicht auf die konkave Biegung des dicken Wulstes und die konvexe Krümmung des flachen Kammes darf wohl mit Sicherheit angenommen werden, daß der erstgenannte dicke Wulst die Hinter- Sivatherium giganteum. 639 Seite des Schädelzapfens, der flache konvexe Kamm dagegen die vordere Seite desselben repräsentiert. Damit stimmt auch die geradere Richtung des dicken Wulstes und die schraubenförmig gewundene des Kammrandes überein. Wenn wir auf diese Weise Vorder- und Hinterseite zu orientieren versucht haben, so bleibt uns noch übrig zu unter- suchen, ob der vorliegende Scheitelzapfen der rechten oder linken Schädelhälfte angehören dürfte. Orientieren wir den Scheitelzapfen so, daß der dicke, konkav gekrümmte Wulst nach hinten und außen sieht, während der kleine, seitliche, schräge Zacken nach oben und innen, der flache Kamm aber mit seiner umgeschlagenen Vorderecke nach unten und außen sieht, stellen wir den Knochen also derart, daß er auf die rechte Schädelhälfte gesetzt zu denken ist, so haben wir folgendes zu beachten. Die Dicke des Knochens ist, wie wir früher gesehen haben, nicht überall gleich; sie ist am größten unterhalb des seitlichen, abstehenden, kleinen Zackens, schwächer am unteren Ende des flachen Kammes und am schwächsten am Ende des dicken Wulstes an der Hinterseite. Nun muß man sich vor Augen halten, daß der enorm entwickelte Knochenzapfen von der Schädeldecke getragen wird. Er stand, wie die an den bekannten Schädeln vor- handenen Reste der hinteren Schädelzapfen beweisen,^ ziemlich schräge vom Schädel ab. Es ist klar, daß der von der Knochen- masse der Schädelzapfen auf die Parietalia ausgeübte Druck an der unteren äußeren Ecke des Zapfens am stärksten zur Geltung kommt, während die obere Ecke desselben einen weit schwächeren Druck empfängt. Es ist aber weiters klar, daß sich der Knochen an der vom Druck der auflagernden Knochen- masse am meisten beeinflußten Stelle stärker verdicken wird, als an jenen Stellen, welche einen geringeren Druck aus- zuhalten haben. Die größte Stärke erreicht die Basis des Schädelzapfens unterhalb der Stelle, wo der seitliche Zacken abzweigt; diese 1 Vergl. Falconer, Palaeontological Memoirs, vol. I; Fauna Antiqua Sivalensis, pl. XIX und XXI, fig. 2. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 44 640 0. Abel, Stelle hatte also am unverletzten Schädel offenbar den stärksten Druck zu erleiden. Nachdem aber der dicke, rauhe Wulst die Hinterseite des Schädelzapfens bildet, wie wir gesehen haben, so kann der vorliegende Knochen nur als der linke hintere Schädelzapfen aufgefaßt werden, eine Anschauung, zu welcher auch Falconer, Cautley und Lydekker gelangt sind. Wenn aber dieser Schädelzapfen der linken Seite angehört, so ist die Rekonstruktion Falconer's und Murie's unbedingt falsch, denn diese Rekonstruktionen zeigen den Kamm nach außen, den seitlichen Zacken aber nach innen gewendet; derselbe steht aber, wie wir zu zeigen versucht haben, nach unten und außen ab, hat also eine ähnliche oder dieselbe Lage wie der Augensproß des Elches, des Riesenhirsches u. s. f. Falconer und Murie bilden in den Rekonstruktionen des Sivatheriumschädels neben den am vorliegenden Reste sichtbaren seitlichen Zacken des Schädelzapfens noch einen zweiten, kleineren ab, der unterhalb des ersten steht. Sollte der mir vorliegende Schädelzapfen Veranlassung zu dieser Rekon- struktion geboten haben, so muß gesagt werden, daß zu der Annahme eines zweiten, kleineren Zackens der vorliegende Rest keinen Anhaltspunkt geben kann; an der Stelle, welche unter dem einen Zacken den stark verdickten unteren Bruchrand des Zapfens bildet, stand sicher kein kleineres Hörn. Daß keine tatsächliche Beobachtung, sondern nur eine Vermutung die Veranlassung zu der Annahme gab, daß der Schädelzapfen von Sivatherium giganteum dreizackig war, geht aus folgender Bemerkung Falconer's hervor: ^ »They give undoubted proofs of having had two branches, the distinct bases of which are seen, and there is every reason to believe they had a third.« Auch an einer anderen Stelle sagt Falconer nur:^ »This appears to have been the centre of a third branch or offset from the common pedicle proceeding directly outwards.« 1 Falconer, 1. c, p. 268. 2 Falconer, 1. c, p. 267. Sivatherium giganteum. 641 Diese Vermutung von dem Vorhandensein eines dritten Zackens brachte Falconer sowohl auf der rekonstruierten Schädelansicht ^ als auf der Vorderansicht des berühmten Originals - (Nr. 15283 des Britischen Museums) zum Ausdruck; J. Murie schloß sich seiner Auffassung an und stellte den hinteren Schädelzapfen des Sivatherium giganteum gleichfalls dreizackig dar.-^ Diese Rekonstruktion ist in die meisten Lehr- bücher übergegangen. Lydekker'^ bildet dagegen nur einen kurzen stumpfen Zacken ab, den er ebenso wie Falconer, Cautley und Murie nach aufwärts stellt, während er die umgeschlagene untere Ecke des Kammrandes nach unten orientiert; nach Lydekker würde somit der dicke Längswulst auf der Vorderseite des Schädelzapfens zu stehen kommen, während die nach oben sich verjüngende Schaufel auf die Hinterseite zu liegen käme, und der ganze Schädelzapfen würde somit nicht nach hinten, sondern nach vorn gekrümmt sein, da der erwähnte dicke Längswulst konkav gebogen ist. Aus dem Vorangegangenen ist es klar, daß ich die Zapfen derart orientiere, daß der eine kurze Zacken, der die Stelle eines Augensprosses vertritt, schräge nach außen zu stehen kommt, während die Kammkante an der Vorderseite des Schädelzapfens verläuft und der dicke gerade Wulst an der Hinterseite desselben liegt. (Fig. 2.) Bei dieser Art der Rekonstruktion verliert auch der Schädelschmuck von Sivatherium gigantetmt teilweise das abenteuerliche Aussehen und erinnert in der Form und Richtung der Schädelzapfen mehr an gewisse Cerviden, wie z. B. an den Elch. Man darf wohl nicht aus den Augen lassen, daß die Entwicklung der mehr oder weniger zahlreichen Zacken an den Geweihen der Cerviden mit der Verwendung des Stirn- schmuckes als Waffe zusammenhängt und es läßt sich leicht vorstellen, daß der kurze starke Zacken des Sivatherium- 1 Falconer, 1. c, pl. XXI, fig. 4. 2 Falconer, 1. c, pl. XIX. 3 J. Murie, Geol. Mag., 1871, vol. VIII, pl. XII. 4 R. Lydekker, Die geographische Verbreitung und geologische Ent- wicklung der Säugetiere. Jena 1901, p. 280, Textfigur 47. 44* 642 O. Abel, hornes gleichfalls eine besonders geeignete Stoßwaffe gebildet haben mag.^ Wir haben nunmehr zu untersuchen, inwieweit der Rest aus Adrianopel mit dem Schädelzapfen des SivatJierhim gigan- teiim aus den Siwalik Hills übereinstimmt. Das vorliegende Fragment besteht aus sehr dichtem, starken Knochengewebe; das abgebrochene untere Ende läßt erkennen, daß in diesem Teile des Knochens, welchen wir als den unteren bezeichnen wollen, eine sehr weite und tiefe Höhlung vorhanden ist (Fig. 3), welche der Höhlung an der Basis des Schädelzapfens aus den Siwalik Hills entspricht, welchen wir soeben näher beschrieben haben. Diese Höhlung besitzt an der Basis einen eiförmigen Umriß; die Länge desselben beträgt 85, die größte Breite ungefähr 50 mm. Von hier aus zieht sich eine kegelförmige Höhlung ungefähr \bO m,m tief in das Innere des Knochens; sie ist vollständig glattwandig, verjüngt sich aber nicht gleich- mäßig, sondern ist durch schwache transversale Kämme in eine Anzahl kleinerer und größerer blasenförmig aufgetriebener Hohlräume zerlegt. Die zarten Knochenkämme sind stellen- weise entweder bei der Fossilisation oder beim Entfernen des den Hohlraum ausfüllenden Gesteins abgebrochen. An einigen Stellen sieht man die Eindrücke sehr zarter Gefäßrinnen an der Wand der Höhlung; solche feine Furchen setzen sich da und dort als Kanäle durch die erwähnten Hervorragungen fort, um an der anderen Seite wieder zum Vorschein zu gelangen. 1 M'Neill teilte Darwin mit, daß er trotz langer und sorgfältiger Beobachtungen über das Leben des Edelhirsches niemals eines der oberen Geweihenden vom Tiere als Waffe gebraucht sah, sondern daß nur die sich nach unten neigenden Augensprossen beim Angriff verwendet werden. Gleich- zeitig bilden die Augensprossen einen wichtigen Schutz für die Stirne. Dieselbe Beobachtung machte Sir Philipp Egerton; nach diesem Gewährsmann ver- suchen sowohl der Edelhirsch als der Damhirsch, die Augensprossen dem unterlegenen Gegner in den Leib zu bohren. Bei anderen Hirscharten scheinen indessen auch die oberen Geweihenden zum Angriff benützt zu werden (Ch. Darwin, Die Abstammung des Menschen, 2. Aufl., Stuttgart 1886, p. 488). Ich glaube daher, dem kurzen Zacken des Sivatheriumhorns die Bedeutung eines Augensprosses zuschreiben zu sollen; selbstverständlich kann hier nicht von einer Homologie der Organe, sondern nur von einer konvergenten Anpassung die Rede sein. Sivatherium gigantemn. 643 Die Beschaffenheit dieses Hohh'aumes ist so überaus charakteristisch, daß schon mit Rücksicht darauf an der Sivatheridennatur des Restes nicht gezweifelt werden kann. Die Übereinstimmung mit dem linken hinteren Schädelzapfen von Sivatherüim giganteum wird jedoch erst durch die allgemeine Form, die Beschaffenheit der Gefäßrinnen und die Größe des Restes hergestellt. Von der eiförmigen, im Inneren ausgehöhlten Basis ver- breitert sich der Knochen allmählich gegen oben, und zwar Fig. 3. Sivatherium giganteum Falc. et Cautl. (Ansicht des unteren Bruchrandes des linken hinteren Schädelzapfens aus einer Sandgrube zwischen Mustafa Pascha und Adrianopel, um die großen blasenförmigen Höhlungen im Innern des Knochens zu zeigen.) 2/5 der natürlichen Größe. fällt die Richtung dieser Verbreiterung ziemlich genau mit der Längsachse der eiförmigen Basis zusammen. Gleichzeitig krümmt sich der immer flacher werdende Knochen derart, daß die eine Flachseite konkav, die andere konvex erscheint. Wir wollen zunächst die konkave Fläche etwas eingehender be- trachten. (Tafel I, Fig. 1.) Das bezeichnendste Merkmal der Oberfläche dieses Ab- schnittes sind ungewöhnlich tiefe Gefäßrinnen, welche schon an der Basis beginnen und sich von hier nach aufwärts ziehen. Schon an der Basis zeigt sich eine starke Divergenz in der 644 0. Abel, Richtung dieser Gefäßrinnen; die eine Gruppe derselben zieht sich, aus ziemHch parallelen Furchen bestehend, gegen die eine obere Ecke der Fläche, während die zweite Gruppe, aus stärker divergierenden Strängen zusammengesetzt, gegen die entgegengesetzte obere Ecke verläuft. Die Mitte der Fläche ist nahezu frei von derartigen Gefäßrinnen und ist etwa 100 mm oberhalb des unteren Bruch- randes grubig vertieft; weiter gegen oben folgen noch einige unregelmäßig verstreute Gruben in der Mittellinie der Fläche. Versuchen wir' es, diesen Abschnitt des Restes aus Adrianopel mit einer Partie des Schädelzapfens von Sivatheritim giganteum in Einklang zu bringen, so sehen wir sofort, daß hier nur jene Fläche in Betracht kommen kann, welche von uns als die Vorder- und Außenseite bezeichnet worden ist, und zwar ist dies jener Abschnitt, welcher an dem Schädelzapfen aus den Siwalik Hills von dem Bruchrand an der Basis, dem Rande des schraubig gedrehten Längskammes und dem kurzen seitlichen Zacken begrenzt wird. Betrachten wir dagegen die rückwärtige, gewölbte F'läche des Adrianopeler Restes und vergleichen wir sie mit dem Schädelzapfen aus den Siwalik Hills, so ergeben sich einige Unterschiede. Bei dem Rest aus den Siwalik Hills wird die Hinter- seite des Zapfens der ganzen Länge nach von einem sehr kräftigen, geradlinigen Wulst durchzogen, welcher konkav ausgebogen ist und von welchem der Knochen einerseits in den flachen Längskamm, andrerseits in den seitlichen Zacken abfällt. Die Hinterseite des Restes aus Adrianopel ist zwar gleich- falls gewölbt, es kommt jedoch hier nicht zur Bildung eines scharf ausgesprochenen runden, starken Wulstes, sondern der Knochen fällt allmählich nach beiden Seiten hin ab. Gleichwohl steht es außer Zweifel, daß diese Fläche der in Vergleich gezogenen des Schädelzapfens aus den Siwalik Hills entspricht. Wenn auch der hintere starke Längswulst des indischen Restes bei dem Fragment aus Adrianopel nicht zur vollen Entwicklung gelangt, so stimmt doch die Linie der höchsten Sivaiherium giganteum, 645 Wölbung bei beiden Stücken vollkommen überein. Der einzige Unterschied besteht darin, daß der flache Längskamm des Parietalzapfens bei dem Adrianopeler Reste nicht die Drehung erleidet wie bei dem indischen, wodurch der Längskamm, der hintere Wulst und der Seitenzacken keinen so starken Winkel wie bei dem indischen Reste miteinander einschließen, sondern mehr in eine Ebene zu liegen kommen. Betrachten wir die Oberfläche der Hinterseite des Schädel- zapfenrestes aus Adrianopel genauer, so ergibt sich folgendes: Die Linie der stärksten Wölbung liegt dem Unterrande des Schädelzapfens näher als dem Oberrande. Die Oberfläche dieses am stärksten gewölbten Teils stimmt in ihrer Skulptur mit der Oberflächenbeschaffenheit des hinteren Längswulstes an dem indischen Schädelzapfen ganz überein; es ist dies auch an dem Reste von Adrianopel jene Partie, welche durch unregelmäßig verstreute Rauhigkeiten am ehesten an ein Cervidengeweih gemahnt. Zu beiden Seiten dieser Region dehnen sich dagegen wieder Gefäßeindrücke aus; diese sind ebenso wie an dem indischen Reste durchwegs schwächer als auf der Vorderseite des Schädelzapfens. Namentlich in dem Abschnitte, welcher die Hinterseite des Längskammes repräsentiert, sind die Furchen zahlreich und reich verzweigt; man kann jedoch zwei, etwa 55 mm voneinander entfernte, sehr breite und seichte Rinnen unterscheiden, welche offenbar stärkeren Blutgefäßen ent- sprechen und welche sich in der Nähe des oberen Bruchrandes verzweigen. Es ist kein Zweifel, daß die Breite dieser Rinnen und infolgedessen die Stärke der in ihnen laufenden Gefäße dafür sprechen, daß das Schädelzapfenfragment aus Adrianopel eine sehr beträchtliche Länge erreichte. Der obere Bruchrand des letztgenannten Restes ist an der dünnsten Stelle 32 mm, an der dicksten 61 mm, also etwa doppelt so stark. Die letztere Stelle entspricht dem oberen Ende des Wulstes der Hinterseite, wo derselbe in den Seiten- zacken übergeht. Die Substantia compacta hat an diesem Bruchrande eine durchschnittliche Stärke von ^mm; der Zwischenraum wird in der einen, dünneren Hälfte des Stückes von der Spongiosa gebildet, doch verschwindet dieselbe an jener Stelle des Bruchrandes, wo der Knochen stärker zu 646 0. Abel, werden beginnt und hier ist der Knochen ausschließlich aus der kompakten Substanz zusammengesetzt. Aus dieser Betrachtung geht hervor, daß zwar im Verlauf und in der Entwicklung des hinteren Längswulstes beide Schädel- zapfen voneinander etwas verschieden sind, daß aber die Lage des seitlichen Zackens, die Hauptachse des ganzen Knochens, die Hauptanordnung der Gefäßrinnen, die Beschaffenheit des Hohlraumes an der Basis und die Oberflächenbeschaffenheit der Hinterseite bei beiden Resten übereinstimmt. Wir haben nun noch einen Punkt in Erörterung zu ziehen, nämlich die Größe beider Schädelzapfen. Ein genauer Größenvergleich ist aus dem Grunde sehr erschwert, weil das Fragment aus Adrianopel an einer anderen Stelle der Basis abgebrochen ist als das indische und weil sowohl der Längskamm als der seitliche Zacken nicht intakt, sondern an den Rändern abgebrochen sind. Es läßt sich jedoch aus den allgemeinen Verhältnissen sowie aus der Knochen- stärke an der Basis schließen, daß der Rest aus Adrianopel einem etwas kleineren Tiere angehörte. Daß das Knochenfragment aus Adrianopel nichts anderes darstellen kann als das linke hintere Hörn eines Sivatherinen, dürfte aus den bisherigen Betrachtungen zur Genüge klar geworden sein. Da aber außer Sivatkermm noch eine Anzahl anderer Sivatherinengattungen aufgestellt wurde, ist es not- wendig, zu untersuchen, ob dieser Rest nur auf Sivatkerinm bezogen werden kann oder ob auch die anderen bisher bekannt gewordenen Camelopardalidengattungen bei einem Vergleich in Frage kommen können. Während Lydekker im Jahre 1878^ die Gattungen Hydaspitherhim, Sivatkermm, Bramatherium und Vishmi- therüim zu einer Familie, den Sivatheriden, vereinigte, ließ er im Jahre 1882 ^ diese Familie auf und stellte die Gattungen: Camelopardalis, Orasius, Vishnutherium, Helladotherium, 1 R. Lydekker, Indian Tertiär}'- and Posttertiary Vertebrata. Vol. I, 3; — Ser. X. 3. Crania of Ruminants. — Memoirs of the Geol. Survey of India, Calcutta, 1878, p. 159 (72). 2 R. Lydekker, Ibid., Ser. X, vol. II, Siwalik Camelopardalidae. p. 99 (1). Sivaiherütm gigantetim. 647 Hydaspitheritim, Bramatherium und Sivatherüim zu den Camelopardaliden. Zittel ^ unterschied zwei gleichwertige UnterfamiHen, die der Giraffinae {Helladotherium.,? Vishmttheriuin, AlcicephaUis, Santotherhtm, Palaeotragus und Camelopardalis umfassend) und die der Sivatherinae (Sivatkerhim, Braniatherhim, Hydaspi- theriufn, ? Urmiatheriuni). C. J. Fo rs y th-M aj o r - unterschied 1891 folgende Gattungen der Giraffiden (= Camelopardaliden): Giraffa (■=1 Camelopardalis) , Samothermm, Palaeotragus, Sivatheriimi, Hydasp itherium, Helladoth erium . M. Schlosser^ hält es für angezeigter, dem Vorgange Zittel's zu folgen und zwei gleichwertige Unterfamilien, die Giraffinae und Sivatheriinae anzunehmen. Die Giraffinae umfassen nach Schlosser folgende Gattungen: Camelopardalis, Orasiits, Alcicephahis, Samo- theriiim, Palaeotragus, HeUadotherinm und Hydaspitherittm (p. p., Hydaspitherimn grande, aber nicht Hydaspitlierium, megacephalnin, welches wahrscheinlich der Gattung Brama- therium angehört). Dieser Unterfamilie wäre noch die Gattung Okapia an- zuschließen. Die Sivatheriinae umfassen nach Schlosser die Gattungen Sivatherium, Bramatherium, Urmiatheritmt, Vishnutherium (ziz Bramatherium?), endlich eine Sivatheriinengattung (t=z Ur- miatherium?) aus China. Aus den beiden Gruppen der Giraffinae und Sivatheriinae sind bei unseren Vergleichen folgende Gattungen von vorn- herein auszuscheiden: Camelopardalis, Orasius, Alcicephahts, Samotheriiun, Palaeotragus, Helladotherium, Hydaspitherimn (grande), Okapia, Urmiatheriuni, Vish^tutherium, endlich die 1 K. A. V. Zittel, Handbuch der Palaeontologie, IV. Bd., 1893, p. 407 bis 412. '- C. J. Forsyth-Maj or, On the Fossil Remains of Spezies of the family Giraffidae. P. Z. S. London 1891. ^ M. Schlosser, Die fossilen Säugetiere Chinas nebst einer Odonto- graphie der rezenten Antilopen. Abhandl. der königl. bayer. Akad.- d. Wiss., II. KL, XXII. Bd., I. Abt., München 1903, p. 184. G 648 0. Abel, möglicherweise mit Urmiatherium identische, bisher nur durch Zähne bekannte Sivatheriinengattung aus den roten Tonen von Schansi und Sz'tschvvan in China. Somit bleiben außer Sivatherütm giganteum nur die beiden Arten der Gattung Brahmatherium, B. perimense Falc. und B. {Hydaspithermm p. p.) megacephalutn Lyd. für einen Ver- gleich mit dem Zapfenfragment aus Adrianopel übrig. Aber auch Bramathermm perimense Falc. kann nach der Entwicklung der Schädelzapfen, soweit dieselben bekannt sind, mit dem Rest aus Adrianopel nicht in näheren Vergleich gezogen werden. Der von Bettington ^ abgebildete Schädel des Brama- thermm perimense Falconer hält sich in bedeutend kleineren Dimensionen als der Schädel von Sivatherittm ^ und unter- scheidet sich von Sivatheritim hauptsächlich durch die ver- schiedene Beschaffenheit der Schädelzapfen. Während bei Sivatheritim knapp ober den Augenhöhlen zwei kleine, getrennte, schräg nach außen abstehende, kegelförmige Hörner sitzen und die beiden hinteren großen Zapfen sich von der höchsten Stelle des Schädels aus erheben, liegen bei Bramatheriiim ober den Augenhöhlen zwei große Hörner, welche sich von einer gemeinsamen Basis erheben, während auf dem Hinter- haupt zwei Scheitelzapfen von gleichfalls beträchtlicher Größe, aber mit getrennten Basen aufsitzen. Lydekker war zuerst der Meinung,^ daß die vorderen großen Stirnzapfen mit gemein- samer Basis bei Bramatherium den hinteren großen Zapfen mit getrennter Basis bei Sivatherium entsprechen, kam aber später von dieser Anschauung zurück^ und sprach sich dahin 1 A. Bettington, Memorandum on Certain Fossils, more particulary a New Ruminant, found at the Island of Perim, in the Gulf of Cambay. Journ. Royal Asiatic Society, 1845, p. 340. Note on same by Prof. Owen, p. 417. (Der hier abgebildete Schädel von Bramatherium perimense Falc. befindet sich im British Museum of Nat. Hist., Nr. 20009 Cat. of Fossil Mamm.) - R. Lydekker, Siwalik Camelopardalidae, 1. c, p. 130 (32). 3 R. Lydekker, Crania of Ruminants from the Indian Tertiaries, 1. c, p. 166 (79). Vergl. Textfiguren: Homology of horns of Sivatheridae and Camelopardalidae. 4 R. Lydekker, Siwalik Camelopardalidae, 1. c, p. 130 (32). Sivatherium gigantetim. 649 aus, daß die vorderen großen, auf gemeinsamer Basis sich erhebenden Zapfen von Brmnatheriwm den vorderen i Longo. Ricerche suUe Cucurbitacee ed il significato del percorso inter- cellulare (endotropico) del tubetto pollinico. (Reale Accademia dei Lincei. Anno CCC-1903.) 6 Murbeck 1. c. '' O. Porsch. Der Spaltöffnungsapparat von Casuarina und seine phy- letische Bedeutung (Österr. Bot. Zeitschr. 1904, Nr. 1 u. ff.) 666 N. Albanese, der Chalazogamie und des interzellularen Verlaufes des Pollen- schlauches ausgesprochen. Was zunächst die Ursache des interzellularen Verlaufes des Pollenschlauches betrifft, glaubte zuerst Nawaschin, daß sie in der Segmentation der Placenta liege und behauptete, es würde Chalazogamie in Pflanzen mit einer einzigen terminalen Samenknospe nicht gefunden werden.^ Nicht lange später ent- deckte aber Na wasch in selbst Chalazogamie bei Juglnns regia und in der Arbeit, die er darüber veröffentlichte, mußte er seine Meinung insofern ändern, daß er zum Schlüsse kam, die Veranlassung für den Pollenschlauch, ins Gewebe zu dringen, die Unfähigkeit, durch Hohlräume zu wachsen, sei.^ Letztere wurde als b^ser begründet auch von Murbeck angenommen. Nun zeigte Longo, daß auch dem Pollenschlauche jener Pflanzen, bei welchen er interzellularen Verlauf hat, die Fähig- keit zukommt, durch Hohlräume zu wachsen und drückte sich auf Grund auch anderer Beobachtungen folgendermaßen aus: »Der vom Pollenschlauche eingeschlagene Weg ist von der Anwesenheit besonderer chemotaktischer Substanzen bestimmt, welche bei den ersteren (bei Pflanzen mit endotropischem \'er- laufe des Pollenschlauches) im Inneren, wie bei den letzteren (Porogamen) an der Oberfläche der Gewebe zur Entwicklung kommen«.^ Wie steht es nun mit Sibhaldia} Bei dieser Pflanze zeigt der Pollenschlauch ein merkwür- diges Verhalten insofern, als er in die Fruchtknotenhöhle eintritt, um dann wieder ins Gewebe einzudringen. Überdies zeigten noch die Resultate einiger von mir angestellten Versuche, daß er durch Hohlräume wachsen kann. Ich ließ nämlich auf einem Objektträger in feuchter Kammer mit Abschluß jedes Nähr- stoffes Pollenkörner von Sibbaldia keimen und die größte Zahl derselben trieb nach kurzer Zeit einen langen zylindrischen Schlauch, welcher sich auch verzweigte. Der Pollenschlauch hat also die Fähigkeit, durch Hohl- räume zu wachsen, nicht verloren. Warum setzt er dann, wenn 1 Nawaschin. Über die gemeine Birke etc. S. 34. 2) Nawaschin. Bot. Zentralblatt Bd. LXIII, S. 355. 3 Longo 1. c. S. 21. Endotropismus des Pollenschlauches. 667 er einmal in die Höhle eingetreten ist, diesen Weg nicht fort, sondern dringt wieder ins Integument ein? Das Fehlen der Mikropyle kann für die Antwort auf diese Frage nicht in Be- tracht kommen, da man es als eine Folge, keineswegs als die Ursache des interzellularen Wachstums ansehen soll. Die Mei- nung Longo's bringt auch keine Erklärung, denn derWeg des Pollenschlauches durch die Interzellulare spricht nicht für die Annahme einer Ausscheidung seitens des Integumentes. Übri- gens ist diese Annahme für die Ciiciirhitaceen wohl berechtigt, denn dort verläuft der Pollenschlauch fortwährend im Leit- gewebe; sehr fraglich ist aber ihre Richtigkeit in Bezug auf jene Pflanzen, wo, wie z. B. bei Ulmus, Betula u. a. der Pollen- schlauch mechanisch verläuft. Bei 5/&^<2W/ü^ benützt der Pollen- schlauch die anatomischen Verhältnisse des Fruchtknotens, so das Leitgewebe im Griffel, die Struktur der Ovarialhöhle, die ihm entgegenreicht, die Interzellularen des Integumentes, um sich eine leichte Bahn zu brechen; da nun diese Bahn auch die möglichst kürzeste ist, glaube ich, folgende Erklärung geben zu können: Die Veranlassung für den Pollenschlauch von Sibbaldia, interzellular zu wachsen, liegt in dem Suchen nach dem leichtesten und zugleich kürzesten Wege. Nach der Ähnlichkeit des Fruchtknotens zu urteilen, dürfte die Ursache hei Alchemilla arvensis (L.)Scop. kaum eine andere sein. Über die Bedeutung des interzellularen Wachstums des Pollenschlauches für die Entwicklungsgeschichte herrschen zwei verschiedene Meinungen: Nawaschin hält die Erschei- nung für eine frühere, Murbeck für eine spätere als die Poro- gamie. Der Erstere fügt seiner bereits zitierten Arbeit über die Birke ein Schema an,^ in welchem die Übergangsstadien von der Befruchtung der Gymnospermen bis zum typischen Frucht- knoten der Angiospermen angegeben sind; alle vier Stadien, die dort das interzellulare Wachstum repräsentieren, besitzen eine normal entwickelte Mikropyle. Aus der Anwesenheit der- selben glaubte Murbeck folgern zu können, daß alle Fälle von 1 Nawaschin. Über die gemeine Birke. S. 33. 668 N. Albanese, Endotropismus als Erscheinungen späteren Datums zu be- trachten sind;^ er behauptete nämlich, die Mikropyle würde nicht existieren, wenn sie nicht schon in Betracht gekommen wäre. Dagegen kann man einwenden, daß die Mikropyle bei Casuarina, Betula u. s. w. nicht als erst bei diesen Spezies zur Bildung gelangtes Organ, sondern nur als Rest der bei den Gymnospermen existierenden Pollenkammer aufzufassen ist. Diese bleibt erhalten, wenn auch zunächst bei der Befruchtung funktionslos und wird später bei der Porogamie gebraucht. Das A^'orhandensein der Mikropyle liefert also keinen maßgeben- den Beweis für die Bestimmung des Alters der einzelnen Fälle. Bei Alchemilla arvensis ist es anders; die Mikropyle ist nicht mehr vorhanden; nachdem der Pollenschlauch den inter- zellularen Weg einschlug, schloß sich das Integument voll- kommen. Bei unserem Falle, bei Sibhaldia, geschah dasselbe. Es genügt, die Fig. 1 dieser mit der Fig. 1 von Mürbe ck's Arbeit zu vergleichen, um sich von der Ähnlichkeit dieser beiden Fälle zu überzeugen. Diese Ähnlichkeit, die natürlich mit der Gleichheit im Fruchtknotenbaue zusammenhängt, ist nur von zwei Abweichungen gestört; bei Sibbaldia tritt der Pollen- schlauch in die Fruchtknotenhöhle und verläuft, obwohl nur flüchtig, in derselben; später kommen dem Integumente von Sibbaldia die Eigenschaften eines Leitgewebes nicht zu und der Pollenschlauch verläuft durch dasselbe mechanisch. Das Wesen des interzellularen Verlaufes bleibt aber bei beiden Pflanzen dasselbe. Deshalb schließe ich mich bezüglich des Pollenschlauches von Sibbaldia procumbens L. der Meinung Murbeck's an, indem ich seinen interzellularen Verlauf als eine Erscheinung späteren Datums als die Poro- gamie betrachte. Zusammenfassung der Resultate des I. Teiles. 1 . Sibbaldia procumbens L. zeigt einen neuen Fall von Endotropismus des Pollenschlauches — dieser bricht sich, statt durch die Ovarialhöhle zu wachsen, einen Weg durch das Gewebe des Integumentes. 2) Murbeck 1. c. S. 17. Endotropismus des Pollenschlauches. 669 2. In Zusammenhang mit dem Verhalten des Pollen- schlauches steht die Struktur des Integumentes, welches sich vollkommen schließt, ohne eine Mikropyle frei zu lassen. 3. Die Veranlassung für den Pollenschlauch, durch das Gewebe zu dringen, liegt im Suchen nach dem kürzesten und leichtesten Wege. 4. Die Erscheinung ist als eine spätere als die Porogamie aufzufassen. II. Teil. Wie schon in der Einleitung angedeutet wurde, ist bei Sihbaldia der Fall ziemlich häufig daß in demselben Nucellus mehr als ein Embryosack zur Entwicklung gelangt. In solchen Fällen sind gewöhnlich zwei Embryosäcke nebeneinander ent- wickelt; doch habe ich ausnahmsweise deren drei und in einem einzigen Nucellus sogar fünf beobachtet. Alle vorkommenden Embryosäcke sind vollkommen entwickelt, alle Elemente sind in ihrem Inneren vorhanden, sie besitzen ungefähr dieselbe Größe und liegen dicht aneinander, nur von einer Wand getrennt. Sie zeigen eine große Ähnlichkeit mit den Embryosäcken von Alchemilla-Arten, bei welchen, wie Murbeck gefunden hat, auch deren viele zu stände kommen.^ Strassburger'-^ hat dasselbe Verhalten bei Rosa livida nachgewiesen. Da nun Sfbbaidia mit Rosa und Alchemüla zu einer Familie gehört, ist das Vorhandensein mehrerer Embryo- säcke als kein besonders merkwürdiger Fall zu betrachten; auch hier besitzen alle Zellen des sporogonen Gewebes die Fähigkeit, zu Embryosäcken auszuwachsen und in der Tat bilden sich oft mehrere zu solchen aus. Bei weitem interessanter sind die in Fig. 13, 14, 15 dargestellten Samenanlagen; in diesen sind zwei, respektive drei Embryosäcke in ganz getrennten Partien des Nucellus zur Entwicklung gekommen. Sie sind voneinander durch Nucellus- elemente getrennt, im übrigen zeigen sie ein ganz normales Verhalten. 1 Murbeck. Parthenogenetische Embryobildung bei der Gattung Alche- milla. 2 Strassburger. Die Angiospermen und die Gymnospermen. 670 N. Albanese, Eine Erklärung für diese Fälle dürfte kaum schwer zu finden sein. Eines muß vor allem angenommen werden: daß nämlich zwei sporogone Gewebe vorhanden gewesen sein müssen, um in verschiedenen Teilen der Samenanlage Embryo- säcke zu entwickeln; da nun aber in jeder Samenanlage stets nur ein solches Gewebe angelegt wird, ist die Anwesenheit von zwei derselben nur durch die Annahme erklärlich, daß der vorliegende Fall das Produkt der Verbindung von zwei Samenanlagen sei. Auch ist die Art und Weise, in der die Verbindung stattgefunden hat, nicht schwer festzustellen. An- fangs dürften zwei Ovularhöcker dicht nebeneinander gebildet worden sein; diese verhinderten beim Wachsen durch ihr Zusammendrängen das Integument in seiner Entwicklung der- art, daß zwischen ihnen überhaupt kein solches gebildet wurde, weshalb die Nucellen, die aus den Höckern entstanden, ohne Trennung aneinander zu liegen kamen und der äußere Teil des Integumentes die Hülle für beide bildete; endlich vereinigten sie sich durch Verschmelzung ihrer Elemente und so kam ein einziges Nucellus mit zwei sporogonen Geweben zu stände; von diesen bildete dann ein jedes seinen Embryosack. Das Integument konnte nicht so rasch wachsen, um sich am Scheitel schließen zu können, so daß der obere Teil des Nucellus nackt blieb. Die Fig. 18 und 14 zeigen am Gipfel des Ovulums eine Einschnürung (Ei), welche die Stelle, an der die Verschmelzung stattgefunden hat, andeuten dürfte. Aus dem Gesagten kann abgeleitet werden, daß in den besprochenen Fällen am Fruchtknoten in seinem Jugendstadium zwei Samenanlagen angelegt wurden. Da solche Fälle selten auftreten (unter 250 Frucktknoten fand ich deren nur drei), dürfte man sie vielleicht als Rückschlagsfälle zu betrachten haben, indem man annimmt, daß dieVorfahven vonSibbaldia eine mehrsamige oder wenigstens zweisamige Frucht produzi erten. Diese Annahme findet überdies eine Bestätigung durch die Betrachtung der Fig. 12, welche den Querschnitt durch einen Fruchtknoten darstellt. Es sind dort zwei Samenanlagen zu sehen, die voneinander ganz getrennt sind, und deren jeder ein regelmäßig entwickeltes Integument besitzt; hier haben also die Endotropismus des Pollenschlauches. 67 1 Samenanlagen ihre komplette getrennte Entwicklung erlangen können, so daß man dieses Stadium als das den oben beschrie- benen unmittelbar vorgehende betrachten kann. Es ist auch möglich, ein Schema zu bilden, dessen Glieder die Fig. 12, 13 (14), 15 sind und welches die Art zeigt, wie es im Frucht- knoten, durch Verwachsen von zwei Samenanlagen zu einer einzigen scheinbar einfachen Samenanlage kam. Ob bei Sibbaldia Polyembryonie zur Entwicklung kommt, konnte nicht festgestellt werden. Die Fähigkeit, einen Embryo zu bilden, könnte ja jedem Embryosacke zukommen; denn sie sind alle vollkommen entwickelt; wahrscheinlich bleibt aber die wichtigste Bedingung, das ist die Befruchtung, aus; denn stets habe ich nur einen Pollenschlauch in eine Samenanlage ein- dringen gesehen. Außer den vollkommen entwickelten Embryosäcken kom- men in der Mehrzahl der Samenanlagen auch solche Gebilde vor, welche als in der Entwicklung zurückgebliebene Embryo- säcke aufzufassen sind. Um die Antipodenregion und unterhalb derselben kommen rundliche oder ovale Gebilde vor, welche zumeist zwei Kerne enthalten. Ihre Zahl ist oft eine ansehn- liche; sie kann bis 6 oder 7 betragen (Fig. 11), gewöhnlich sind aber deren 3 oder 4 zu sehen (Fig. 10). Aus ihrer Größe, ihrer Lage und aus der Ähnlichkeit ihrer Kerne mit denen der Embryo- sackelemente muß man sie als Embryosäcke betrachten und ihr Vorhandensein zeigt, daß wenigstens die erste Kernteilung in der Mehrzahl der Mutterzellen vor sich geht; mit der Zeit erringen eine oder einige derselben einen Vorsprung und ent- wickeln sich auf Kosten der anderen weiter. Die Lage dieser Gebilde zeigt, daß sie immer aus den unteren Zellreihen des sporogonen Gewebes entstehen; dem- gemäß dürften die normalen Embryosäcke von den oberen gebildet werden; so erweist sich Sibbaldia als ein neuer Fall einer Rosacee, bei welcher der Embryosack aus den oberen sporogonen Zellreihen entsteht. Ein ähn- liches Verhalten fand Strassburger bei Rosa livida} 1 Strassburger. Die Angiospermen und die Gymnospermen. Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 46 672 N. Albanese, Solche unvollkommene Embryosäcke sind bei verschie- denen Pflanzen gefunden worden. Murbeck entdeckte sie bei Alchemilla- Arten und nannte sie » Miniaturembryosäcke «.^ Bei diesen Pflanzen liegen sie dem normalen Embryosacke parallel, so daß sie als von denen der Sibbaldia entwicklungsgeschicht- lich verschieden anzusehen sein dürften. Dasselbe gilt für die von Benson- bei Carpmus gesehenen und »abortive Embryo- säcke« genannten Bildungen, welche oberhalb des Embryo- sackes liegen. Die sterilen Makrosporen, die Treub^ bei Ca- stiarina entdeckte, wo sie als Bahn für die Pollenschläuche dienen, dürften auch einen analogen Fall repräsentieren. Was das Schicksal anbelangt, welches diese unvollkom- menen Embryosäcke erleiden, wurde mit Sicherheit nichts beobachtet. In den zwei Fällen, in denen in dem geschnittenen Fruchtknoten ein Embryo schon entwickelt war, waren keine solche vorhanden und obwohl diese zwei Fälle keinen ent- scheidenden Beweis liefern können, halte ich es nicht für zu gewagt, zu sagen, daß sie nach der Bildung des Embryo und der Erweiterung des Embryosackes durch die Endosperm- bildung das Schicksal der anderen sporogonen Zellen eingehen, daß sie nämlich resorbiert werden. Übersicht der Resultate des II. Teiles. 1. Der einsamige Fruchtknoten von Sibbaldia ist von einem mehr-, beziehungsweise zvveisamigen abgeleitet anzusehen. 2. Oft können mehrere sporogene Zellen einer Samen- anlage sich zu normalen Embryosäcken entwickeln. 3. Die obere sporogene Zellreihe liefert den normalen Embryosack, während von den unteren einige Zellen als unentwickelte Embryosäcke erhalten bleiben. Zum Schlüsse finde ich mich verpflichtet, Herrn Prof. R. V. Wettstein, unter dessen Leitung ich die Arbeit aus- geführt habe, für die mir gewährte freigebige Unterstützung den besten Dank auszusprechen. Murbeck. Parthenogenetische Embryobildung bei der Gattung Alche- milla. - M. Benson 1. c. Tafel 72, Fig. 51. 3 Treub 1. c. S. 180. Endotropismus des Pollenschlauches. 673 Verzeichnis der Literatur. 1. M. Treub. Sur les Casuarinees et leur place dans le Systeme naturel. (Annales du Jardin botanique de Buiten- zorg, publiees par M. Treub. V. X. Leide 1891.) 2. S. Nawaschin. Über die gemeine Birke und die morpho- logische Deutung der Chalazogamie. (Memoires de l'Aca- demie Imperiale des sciences de St. Petersbourg, V[P Serie, TomeXLII, N° 12.) 3. id. Ein neues Beispiel der Chalazogamie. Botanisches Centralblatt, LXIII, S. 353. 4. id. Über das Verhalten des Pollenschlauches bei der Ulme. (Bulletin de l'Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg, V. Serie, Band VIII, Nr. 5. Mai 1898.) 5. M. Benson. Contributions to the Embryology ofthe Amen- tiferae. Part I. (The Transaction of the Linneau Society of London. 2. Serie, Botany. Vol. III, Part 10. London 1894.) 6. Aschkenasi. Endotropischer Verlauf des Pollenschlauches bei Plantago. (Botanisches Centralblatt. B. LXIII. S. 355, Anmerkung 3.) 7. S. Murbeck. Parthenogenetische Embryobildung bei der Gattung Alchemüla. 8. S. Murbeck. Über das Verhalten des Pollenschlauches bei Alchemilla arvensis L Scop. und das Wesen der Chalazo- gamie. (Lund 1901.) 9. B. Longo. Ricerche sulle Cucurbitacee ed il significato del percorso intercellulare (endotropico) del tubetto polli- nico. (R. Accademia dei Lincei. Anno CCC 1903. Roma 1903.) 10. O. Po r seh. Der Spaltöffnungsapparat von Casuarina und seine phyletische Bedeutung. (Österr. bot. Zeitschrift. Jahrg. 1904, Nr. 1 u. ff.) 11. H. Molisch. Zur Physiologie des Pollens mit besonderer Rücksicht auf die chemotropischen Bewegungen der Pollenschläuche. (Sitzungsbericht der Mat.-Nat.-Wiss. Klasse der k. k. Akademie der Wissenschaften. Bd. CII, S. 420. Wien 1893.) 46* 674 N. Albanese, 12. M. Miyoshi. Über Reizbewegungen der Pollenschläuche. (Flora, Bd. 78 [1894] S. 76.) 13. M. Dalmer, Über die Leitung der Pollenschläuche bei den Angiospermen. (Jenaische Zeitschr. für Naturwiss. 1880, Bd. XIV. S. 39.) 14. C. Capus. Anatomie du tissu conducteur. (Annales de science naturelle botanique 1878, 6. Ser., T. VII, S. 282.) 15. H. Molisch. Über die Ursachen der Wachstumsrichtungen bei Pollenschläuchen. Sitzungsanzeiger der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, 17. Jänner 1889. 16. E. Strassburger. Die Gymnospermen und die Angio- spermen. 17. id. Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen. 18. Ch. Schkuhr. Botanisches Handbuch. Wittenberg 1791. 19. A. V. Braune. Salzburgische Flora. Salzburg 1797. 20. J. Gaertner. De fructibus et seminibus plantarum. 21. J. Sturm. Deutschlands Flora. 22. W. D. J. Koch. Synopsis der deutschen und Schweizer Flora. Ed. 1. Endotropismus des Pollenschlauches. 675 Erklärung der Abbildungen. Ps == Pollenschlauch. Frchtbl. = Fruchtblatt, respektive I = Integument. Fruchtknotenwand. iV ^ Nucellus. Fh = Fruchtknotenhöhle. E = Eizelle. Es = Embryosack. Fig. 1. Medianer Längsschnitt durch einen Fruchtknoten von Sibbaldia (schematisch) — links der Griffel mit der Narbe. — Der Verlauf des Pollenschlauches ist eingezeichnet. Fig. 2. Querschnitt durch einen Griffel. Im Inneren das Leitgewebe (L). Aus einem Safraninpräparate. Fig. 3. Stück des Integumentes mit einem Teile des Pollenschlauches, welcher in den Interzellularen verläuft (aus einem Safranin- präparate). Die Linie links zeigt den Rand des Fruchtblattes. Fig. 4. Medianer Längsschnitt durch einen Griffel, in den noch kein Pollenschlauch eingedrungen ist (aus einem Safraninpräparate). Fig. 5. Der Pollenschlauch im oberen Teile des Integumentes. Rechts unten der Embryosack mit der Eizelle und einer Synergide, deren Kern noch ersichtlich ist. In der Eizelle ist der Kern nicht zu unterscheiden; wahrscheinlich hat er sich schon geteilt. (Aus einem Hämatoxylinpräparate.) Die krumme Linie oben zeigt, wie in den anderen Präparaten, den Rand des Fruchtblattes. Fig. 6. Oberer Teil der Samenanlage. Die Zellwände sind gequollen und man sieht den Verlauf des Pollenschlauches; unten zwei Embryosäcke. (Aus einem Hämatoxylinpräparate.) Fig. 7. Verlauf des Pollenschlauches durch die Interzellulare unter der ersten Zellschichte. Auch hier sieht das Protoplasma schon verändert aus. (Aus einem Hämatoxylinpräparate). Fig. 8. Verlauf des Pollenschlauches im Fruchtblatte, in der Frucht- knotenhöhle und im Integumente. Die Zelle (Z) ist vom Pollen- schlauche beim Eindringen getötet worden. (Aus derselben Serie wie Nr. 6.) Fig. 9. Partie des Pollenschlauches im Integumente kurz vor dem Einbiegen gegen den Embryosack. (Aus einem Hämatoxylin- präparate.) 676 N. Alb an es e, Endotropismus des Pollenschlauches. Fig. 10. Längsschnitt durch den unterenTeil eines sporogenen Gewebes. Zeigt oben das untere Ende des normalen Embryosackes (N. E.) und unterhalb desselben fünf unentwickelte Embrjfosäcke. Die vier oberen zeigen nur einen Kern, wahrscheinlich deshalb, weil sie quer geschnitten sind. Der Untere ist der Länge nach geschnitten und besitzt zwei Kerne, (.'^us einem Safranin- präparate.) Fig. 11. Querschnitt durch den mittleren Teil eines Embryosackes mit zwei Antipoden (A). Ringsherum eine Anzahl unentwickelter Embryosäcke. (Aus einem Safraninpräparate.) Fig. 12. Ein Fruchtknoten mit zwei Samenanlagen (schematisch aus einem Hämatoxylinpräparate). Fig. 13 und 14. Zwei Schnitte aus derselben Serie, deren jeder einen Embryo- sack enthält. Zwischen beiden zeigt eine Einschnürung die Stelle, wo die Verschmelzung stattgefunden hat. (Aus einer Safraninserie.) Fig. 15. Ein Fruchtknoten mit drei Embryosäcken. Das Integument ist, wie in den zwei oberen Figuren, nicht geschlossen. (Aus der- selben Serie wie Fig. 6 und 8.) NB. Mit Ausnahme der Figuren 1 und 12 sind alle übrigen mit Zeichen- apparaten bei verschiedenen Vergrößerungen abgebildet worden. .Albane.se, N.: Eii(lotio])i.smu.s des Polleiisdilmiclies. Taf.J. ß.^'4 ir TA. «21 im lern 4. l. h • I »!■ ©. ^^ «5 -■ :V ^- ES-,. Es, Sitzungsberielue d.kais. Akad. (i. Wiss., malh.-naturw. Klasse, Bd. C:xni.Abt[.19U4'. Lith.Anst.v.'nLBaiinwaj1h,Wien. .'\l^al\ese,N.:Endot^opismlI,s des Polleasohlaiu-hes. Taf.I. Frhtbl. if. n. XE. n. V- r^ N. K n. \ 15. / S itzung-sberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-natunv. lüasse, Bd. ('.XIir.Abt.1. 1904-. LiÜLAnst;y.TKBaniiwarUl.1Vien. 677 Über nutritive Verbindungen der Eizellen mit Nährzellen im Insektenovarium und amito- tische Kernprozesse (vorläufige Mitteilung) von Dr. Heinr. Ritter v. Wielowieyski. (Mit 2 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 15. Dezember 1904.) In den Jahren 1885 und 1886 habe ich einige Abhandlungen veröffentlicht/ welche den Bau des Insektenovariums, ins- besondere'die intimen Verbindungen zwischen den Eizellen und anderen Elementen der Eiröhre sowie die Umwandlungen des Kerninhaltes bei jungen Ovarialeiern behandelten. Als Hauptergebnis diesbezüglicher Untersuchungen habe ich hiebei angegeben, daß die großkernigen Zellen, welche in der Endkammer der Eiröhren der Hemipteren enthalten sind und die von einigen Autoren (insbesondere Will) als Ooblasten angesehen werden — reine Dotterbildungselemente darstellen, die mit der Eibildung nichts gemein haben. Diese Dotterzellen wurden von mir weiter als mit den Ausläufern der Eizellen — den schon von Lubbock bekannt gemachten Yelk-ducts — verbunden erklärt, wobei ich die 1) V. Wi e 1 o w i e y s ki : Zur Kenntnis der Eibildung bei Pyrhocoris Aptertts. Zool. Anz. 1885. — Zur Morphologie des Insektenovariums. Zool. Anz. 1886. — 0 budowie jajnika u owadöw (Über den Bau des Insektenovariums). Sitzber. der Nat. Mat. Abteilung der k. k. Akad. d. Wiss. Krakau 1886. — Das Keimbläschenstadium des Geschlechtskernes; ein Beitrag zur Ent- wicklungsgeschichte der Geschlechtsprodukte. Zool. Anz. 1886. 678 H. V. Wielowieyski, letzteren als pinselförmig verzweigt und mit ihren feinsten Verzweigungen bis an die ersteren herantretend darstellte. Der Längsschnitt der Endkammer wurde somit derweise interpretiert, daß seine äußere zellige Schichte als Dotterzellen parenchym, die innere hyaline, längsstreifige Markschicht als ein Geflecht jener feinsten Dottergänge und deren Ver- zweigungen gekennzeichnet wurde. Inwiefern diesbezügliche Polemik die Verhältnisse jener Elemente zueinander definitiv aufzuklären vermochte, erhellt aus dem Umstände, daß, obwohl meiner Darstellung teilweise schon damals, und durch keinen geringeren Forscher als es Professor Korscheit ist — Recht gegeben wurde, dennoch in gewissen Punkten bis auf die jüngste Zeit gewichtige Bedenken entgegengebracht wurden, so daß manches einer erneuerten Untersuchung zu unterziehen war, um den Sachverhalt wenigstens von morphologischer Seite endgültig festzustellen. Insbesondere ist die Frage strittig geblieben, wie eigentlich die Markschicht der Endkammer beim Hemipterenovarium beschaffen ist — nachdem dieselbe von mir als ein kompliziertes Fasergeflecht, von anderen Forschern dagegen als ein flüßiger Brei aufgefaßt wurde, welcher aus der Auflösung der Zellen der Rindenschicht entstanden — von der Endkammer aus durch die Dottergänge den Eizellen zufließen und denselben sowohl Zellplasma, als auch sogar fertiges Kern-Chromatin zuführen sollte. Durch diese Kontroverse veranlaßt, benützte ich die sich mir letzten Sommer darbietende Gelegenheit, meine dies- bezüglichen Untersuchungen fortzusetzen und zu einer Reihe von Ergebnissen zu gelangen, die meine früheren Resultate einerseits vollkommen bestätigen, andererseits aber dieselben durch neue Daten vervollständigen. Als Untersuchungsobjekt dienten mir dieselben Hemipteren wie früher, also: Pyrhocoris Notonecta, Cimex, außerdem aber auch Syromastes Nepa, Hydrometra, sowie verschiedene Cica- diden — dann aber auch Aphiden und verschiedene Käferarten, die ich zur Vergleichung herangezogen hatte. Inwiefern mir diesmal die Schnittmethode eigentlich nichts besonders neues geliefert hat, was ich sonst nicht schon Nutritive Verbindune: der Eizellen bei Insekten. 679 'ö in meiner polnischen Arbeit abgebildet hätte, so hat mir eine altehrwürdige Methode Ergebnisse gezeitigt, die einige von den hierher gehörenden Fragen endgültig zu lösen in der Lage sind. Es ist die gewöhnliche Macerationsmethode. In schwacher Essigsäure und Alkohol mehrere Stunden lang eingetaucht, können die Endkammern der Hemipteren in ihre einzelnen Elemente derart zerlegt werden, daß in dies- bezüglichen, in Glyzerin untersuchten Stücken jede Zelle und jede Faser für sich untersucht und behandelt werden kann. Ein Blick auf ein solches Macerationspräparat zeigt auf den ersten Blick die vollkommene Richtigkeit meiner ursprüng- lich aufschnitten dargelegten Anschauung: die einzelnen jungen Eizellen werden mit ihren, oft ihre Längsdurchmesser beinahe ums 20 fache übertreffenden Dottergänge herauspräpariert, wobei diese Yelk-ducts bis zu ihren feinsten Verzweigungen in der Endkammer zu verfolgen sind. Das Bild, welches man hiebei bekommt (Fig. 1), erinnert an einen Blumenstrauß, dessen Stengel ungefähr im ersten Dritteil durch eine Zusammenschnürung fester aneinander gepreßt, in beiden entgegengesetzten Richtungen auseinander- gehend, hier mit Eizellen, dort mit Dotterzellen verbunden sind, wobei strikt nach dem Vergleichsobjekte gegen die ersteren zu eine Verdickung, gegen die letzteren eine Verdünnung und Verzweigung der Stengel zu beobachten ist. Den letzten Verzweigungen dieser Dottergänge, die sehr zart sind und leicht in Brüche gehen, haften die bekannten Nähr- oder Dotterzellen an, wobei zu konstatieren ist, daß die Verbindung durch das verjüngte Ende der im allgemeinen birn- förmig gestalteten Dotterzellen stattfindet und eine so intime ist, daß man die Grenze zwischen der Zelle und dem aus ihr hervorsprossenden Faden nicht entdecken kann und denselben deshalb als einen integrierenden Ausläufer der Zelle ansehen muß. Wie nunmehr die Ernährung der Eizelle der Hemipteren stattfindet, scheint von morphologischer Seite vollkommen auf- geklärt zu sein. 680 H. V. Wielowieyski, Die Eizelle schöpft nun nicht — wie es so viele Autoren behauptet haben — ihr Nährmaterial aus einer desorganisierten Plasmamasse, welche etwa als Detritus der Endkammerzellen zu gelten hätte, sondern sie wird durch ein System lebender Zellorgane geflattert, die zum Teil als Pseudopodien (Dotter- gang und dessen Verzweigungen) zum Teil als Drüsenzellen (Dotterzellen der Endkammer) fungieren. Alle Zerfallserscheinungen, die man in der Endkammer als Quelle der Nährsubstanz der Eizelle betrachtete (Korscheit, Stuhlmann, J. Groß, Lehrbuch von Korschelt-Heider u. a.), erweisen sich entweder — wie ich es schon 1. c. behauptete — als Kunstprodukte, die bei der Präparierung dieser äußerst zarten Organe leicht entstehen und unseren Einblick in diese interessanten Ernährungswege vereiteln, oder dürften erst nach erfolgter Obliterierung diesbezüglicher Dottergänge statt- finden. Die Endkammerzellen erscheinen somit bei all den untersuchten Wanzenarten als drüsige Elemente, die zur Zeit ihrer Funktionsperiode ihre Individualität beibehalten und nur mittelst der pseudopodienartigen Ausläufer mit jungen Eizellen in Verbindung stehen, einen nutritiven Apparat derselben bildend. Diesem Typus schließen sich am nächsten die Aphiden bei der Bildung der Wintereier an, wie es schon seinerzeit von Claus in Hauptumrissen bekannt gemacht wurde. An den Fortsätzen der Eizellen, die nach seiner Beschreibung in die aus wenigen Dotterzellen zusammengesetzte Endkammer heran- treten, ist ebenfalls eine pinselförmige Verzweigung zu kon- statieren, wobei die Verschmelzung je einer von diesen End- verzweigungen mit entsprechender Dotterzelle beobachtet werden kann (mir ist dies insbesondere bei Aphis platanoides gelungen). Der Unterschied von der vorhergehenden Gruppe besteht nur darin, daß, indem bei den Wanzen eine sehr große Anzahl Eizellen ihre Pseudopodien in die Endkammer ent- senden und der Markraum der letzteren ein sehr kompliziertes Geflecht von feinen Fäserchen darstellt, hier nur je eine oder höchstens zwei Eizellen zu Wintereiern werden und das ganze Ernährungssystem somit ein viel einfacheres ist. Nutritive Verbindung der Eizellen bei Insekten. 681 'o Als einen gewissen Übergang zu dieser Einrichtung könnten wir den Vorgang bei einigen sogenannten meroYstischen Ovarien der Hymenopteren und Lepidopteren anführen, wo hie und da mehr oder weniger stumpfe Fortsätze diesbezüglicher Eizellen in die darüberliegende Dotterkammer entsendet werden, ohne aber mittelst hesondererVerzweigungen mit den einzelnen Dotterzellen zusammenzuwachsen. Anschließend an die Verhältnisse bei den Hemipteren müssen wir diejenigen bei den Coleopteren (mit Ausnahme der Carabiden und Dytisciden, die recht abweichende Ver- hältnisse zur Schau tragen) im Kurzen besprechen, da dieselben äußerlich denjenigen bei den Hemipteren ziemlich ähnlich, rücksichtlich ihrer feineren Struktur und Funktion mit denselben doch allzu weitgehend identifiziert wurden. Bei Geotrtipes,MeloIontha, Telephorus, Cantharis, Coccinella und anderen, die ich untersuchte, habe ich schon 1. c. eine End- kammer beschrieben, die mit derjenigen der Hemipteren auch darin übereinstimmt, daß sie oberhalb des Keimlagers eine parenchyrnatische Ansammlung gleicher, ziemlich großkerniger Zellen enthält. Auf Längsschnitten, die ich schon damals anfertigte und die ich jetzt wiederholt aus frischem Material herzustellen die Gelegenheit hatte, ist mir auch jetzt vergönnt gewesen, mich zu überzeugen, daß diese Endkammern keine zellenlose Mark- schichte respektive »freie Plasmamasse« enthalten, aus welcher ein breiiger Zellendetritus den Eizellen entgegenfließen würde, um so weniger auch protoplasmatische Fortsätze der Eizellen enthalten, sondern in ihrem ganzen Innern von gleichartigen, dicht aneinanderliegenden, verhältnismäßig kleineren Zellen vollgestopft sind. Die Zellen sind vieleckig abgeplattet, fest aneinander- gepreßt, aber deutlich begrenzt und durch Maceration von ein- ander trennbar. Im unteren Teile der Endkammer grenzen sie an das Keimlager, das heißt an die Anhäufung embryonaler Ei- zellen, die sich von ihnen an dieser Grenzlinie durch ihre ver- hältnismäßig kleinen, im weiteren Verlaufe gegen den unteren Teil der Eiröhre zu, immer wachsenden Dimensionen als reifende Eizellen unterscheiden. 682 H. V. Wielowieyski, Den Mangel der Dottergänge habe ich 1. c. als ein Hindernis aufgefaßt, die Endkammer des Imagostadiums für ein dotter- bildendes Organ aufzufassen, nachdem die Eizellen von den Dotterzellen durch das Keimlager gesondert erscheinen. Wenn man aber die jüngeren Stadien ins Auge faßt, wo die Eizellen (als Keimzellen) noch alle im Keimlager befindlich sind und somit beinahe unvermittelt an die Dotterzellen grenzen — kann man annehmen, daß die nutritive Tätigkeit letzterer auch ohne Anwesenheit der Dottergänge in diesen Stadien vor sich gehen kann. Die in diesem Falle von den Endkammerzellen produzierten Nährsäfte würden hier somit, wie bei denjenigen Insekten, welche sogenannte meroistische Ovarien (das heißt oberhalb einer jeden Eikammer je eine Dotterkammer) besitzen, durch die Intercellularräume zirkulierend, bis an die jungen Eizellen herandiffundieren. Daß in diesem Stadium (welches der mut- maßlichen Funktionszeit dieses Organes entspricht), die nutritive Tätigkeit dieser Zellen dem Ei gegenüber auf cytolytischem Wege erfolgen sollte, habe ich vollen Grund zu bestreiten, worin ich mit Robes (Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 67) übereinstimme. Andeutungen etwaiger amöbo'idalen Form Veränderungen der jüngsten Eizellen, wie man sie in gewissen Fällen wahrnimmt, können hier als begünstigende Momente (Flächenvergrößerung etc.) gelten. Wenn wir nach der prinzipiellen Bedeutung der hier behandelten Vorgänge fragen, so müssen wir zugeben, daß solcherlei Zellverbindungen, wie dieselben in angeführten Ovarien der Hemipteren vorkommen, zwar in sonstigen tierischen (vergl. Schubergs Zellverbindungen etc., Zeitschr. f. wiss. Zool. 1904) und sogar pflanzlichen Geweben bekannt sind — im Gebiete der Keimzellen einen selteneren Fall dar- stellen. Die typische Isoliertheit der reifen Eizelle wird hier ja durch innige Verschmelzung derselben mit Gewebszellen ersetzt — wohl mit Gewebszellen, deren Ursprung demjenigen der Eizelle selbst am nächsten liegt, indem beiderlei aus dem- selben Keimparenchym entstehen. Um auch noch entferntere Analogien im Tierreiche anzu- führen, wo die Eizelle mittelst protoplasmatischer Fortsätze mit Nutritive Verbindung der Eizellen bei Insekten. 683 Nährzellen oder ähnlichen Gebilden im Zusammenhange steht, so haben wir bei wirbellosen Tieren vielleicht nur auf die mit einer Rhachis versehenen Ovarien der Nematoden (Ascaris), oder aber auf solche bei den Lamellibranchiaten zu ver- weisen (Cyclas, Scrobicularia). Dieses letztere Beispiel wäre um so treffender, als hier charakteristisch gestielte, durch einen langen Fortsatz mit dem Eierstocksepithel verbundene Eizellen vorliegen, welche während der Stoffaufnahme mit einzelnen Epithelzellen in einem so regen Verkehr stehen, daß die Zellgrenzen dieser letzteren (nach Stauffacher) gegen den Eistiel gänzlich verwischt werden. Weiterhin ist hier aber auch an das Verhalten der Eizellen im Eierstock der Säugetiere gegenüber ihren FoUikel- (Granulosa)-Zellen zu erinnern, welches zuerst vonFlemming,^ dann von G.Retzius (Vortrag in der anatomischen Gesellschaft in Berlin 10. Oktober 1889) bekannt gegeben wurde. Nach diesen Untersuchungen soll das Protoplasma des Säugetiereies mit den dasselbe umgebenden Granulosazellen vermittels feiner Fädchen verbunden sein, die durch die poröse Zona pellucida hindurchdringen. Diese Protoplasmafädchen, die hier den Ernährungsweg der Eizelle demonstrieren und auf den Ernährungsvorgang der Eizelle ein Licht werfen, stellen nun ein unzweifelhaftes Analogon zu den von uns oben behan- delten pseudopodienartigen Dottergängen der Hemipteren dar. In allen solchen Fällen finden wir eine Ernährungsweise der Eizelle vor uns, wo zwischen der ernährenden Blutflüssigkeit und dem zu ernährenden Gebilde ein lebender Zellorganismus als Vermittler auftritt, dessen Plasma mit demjenigen der Eizelle innigst verwachsen, ein einheitliches Ganzes darzustellen scheint.^ Zum Schlüsse dieser vorläufigen Mitteilung erlaube ich mir auf gewisse bemerkenswerten Phänomene hinzuweisen, die an den Zellkernen oben geschilderter Dotterzellen der End- kammer bei den Hemipteren zu beobachten sind, aber weder 1 Flemming: Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung. Leipzig 1882. 2 Vgl. auch die frisch erschienene Arbeit von MoUison: »Die ernährende Tätigkeit des Follikelepithels bei Melolontha.< Zeitschr. f. wiss. Zool. 1904. 684 H. V. Wiel owiey ski, bei den Aphiden, noch bei den Käfern, noch bei den Dotter- zellen der meroistischen Ovarien vorzukommen scheinen. Diese Prozesse bestehen in amitotischer Kernteilung, die in diesen Zellen vorkommt, irrtümlich aber als eine mit cyto- litischen Vorgängen innig verknüpfte Erscheinung betrachtet wurde, nachdem es feststeht, daß die Eiernährung nicht durch Auflösung der Dotterzellen stattfindet. Inwiefern ich diesen letzteren Vorgang ganz abweichend deuten muß und eine Cytolyse nur eventuell nach voll- kommenem Abschlüsse der Tätigkeit jener Zellen für zulässig halte — glaube ich auf Grund diesbezüglicher Beob- achtungen das Vorkommen der Amitose an jenen Zellkernen nicht bestreiten zu dürfen. Wiewohl ich nämlich die in der neuesten Arbeit von Groß^ gezeichneten Kernbilder als zum großen Teile durch die Präparation verändert ansehen muß (was auch darin zum Ausdruck kommt, daß der Verfasser auf Grund derselben Präparate die Markschicht der End- kammer ganz irrtümlich als homogene Plasmamasse beschreibt) — habe ich dennoch so prägnante Achterfiguren und ein- geschnürte Nucleolen zur Ansicht bekommen (Fig. 5, 7, 8), daß ich nunmehr keinen Zweifel mehr hege, daß es sich hier um amitotische Kernteilung oder Kernzerteilung handelt. Einen mittelbaren Beweis für diese Behauptung sehe ich außerdem in der Beobachtung^ daß in den Endkammern der Larven dieser Tiere meist nur einkernige Dotterzellen vor- kommen, wogegen die Zahl der zwei- und mehrkernigen mit der Reifung der Tiere bedeutend anwächst, ohne daß in diesem Stadium auch nur eine einzige karyokinetische Teilung an diesen großen und deutlichen Zellkernen vorzufinden wäre. Inwiefern ich den amitotischen Vorgang an wenigen un- zweifelhaften Fällen zu beobachten in der Lage war, kann ich denselben dahin formulieren, daß er bei Notonecta mit einer ziemlich gleichen Halbierung des entsprechend ver- längerten Kernkörperchens beginnt, sodann eine Einschnürung des oval gewordenen Kernumrisses erfolgt (Fig. 5, 6, 7, 8), wonach bei gleichzeitiger Einschnürung der Seitenwände 1 Jul. Groß, Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren, zugleich ein Beitrag zur Amitosenfrage. Zeitschr. für wiss. Zool. 1900. Nutritive Verbindung der Eizellen bei Insekten. 085 eine Scheidewand zwischen beiden Kernpartien sichtbar wird. (Fig. 9, 10.) Was das Chromatin des Zellkernes anbelangt, so tritt dasselbe bei Notonecta und Nepa teilweise als ein aus rund- lichen Mikrosomen bestehender Faden auf, der dicht unter der Kernmembran verläuft, wodurch auch der von Conklin^ beobachtete freie Raum um den Nucleolus erklärlich wird (Fig. 4, 6), teilweise aber auch in Form von vieleckigen Körnern, welche im Verlaufe eines hyalinen Fadennetzes zu liegen scheinen. (Fig. 7, 8.) Daß der Eintritt der amitotischen Kernteilung eine Alters- erscheinung und einen Vorläufer des Absterbens desselben darstellt, ist wohl nicht zu bestreiten, nachdem es ziemlich allgemein bestätigt wurde, daß solcherlei Zellkerne nicht mehr karyokinetische Teilung durchmachen können. Nachdem wir aber unwiderleglich dargetan haben, daß die Dotterbildungs- zellen im Laufe ihrer eiernährenden Funktion keiner Auflösung (Cytolyse) unterliegen, vielmehr aber als scharf individualisierte Elemente mit den Eifortsätzen kommunizieren — müssen wir annehmen, daß hier die amitotische Kernteilung eine Begleit- erscheinung der Dotterausscheidung ist. Daß dieselbe nicht als conditio sine qua non solcher Prozesse anzusehen ist, erhellt aus dem Umstände, daß die- selbe in anderen Dotterbildungszellen (z. B. in den Dotter- kammern sämtlicher meroistischen Ovarien) nicht vorgefunden wurde, vielmehr diese letzteren nach Ende ihres Lebenslaufes selbständig, unter charakteristischem Zusammenfließen des Chromatins der Zellkerne in Stücke zerfallen, eventuell auch (wie es schon beobachtet w^urde) von der Eizelle phagocytiert werden. (De Bruyne Archives de Biol. T. 15. 1898.) Um die Bedeutung der auf solchem Wege eintretenden Vielkernigkeit der Dotterzellen einigermaßen zu erklären, dürfte es vielleicht zulässig erscheinen, die amitotische Kern- teilung der Nährzellen der Hemipteren als im Dienste der Flächenvergrößerung der Kernsubstanz stehend zu betrachten 1 Conklin, Amitosis in the egg follicle cells of the Cricket. American Naturalist 1903. 686 H. V. Wielowieyski, und mit demjenigen Vorgang zusammenzustellen, wo der anfangs rundliche Kern der Dotterzellen gewisser meroistischen Ovarien (z. B. bei Forßcula nach Korschelr) in späterer Ent- wicklung vielfach ausgebuchtet und quasi mit Pseudopodien ausgestattet erscheint, welche als Flächenvergrößerung des Nährzellkernes zu erklären sind. Olejowa bei Hovodenka (Galizien), im November 1904. Tafelerklärung. Fig. 1. Macerationspräparat aus der Endkammer des Ovariums von Notonecta glauca. Die Nährzellen deutlich gesondert, hängen mit ihren Ausläufern an den Endverzweigungen der Dottergänge, welche von den zum Teil in der unteren Partie des Präparates befindlichen, zum Teil tiefer unten in der Eiröhre liegenden, jedoch abgerissenen Eizellen herrühren. Nach Zeiß. D. 2. mit der Kammer gezeichnet und nachher verkleinert. Vergr. zirka 200. Fig. \a. Endverzweigung eines Dotterganges mit daran haftenden Nährzellen, stärker vergrößert. Fig. \b. Teil des Fasergeflechtes aus dem Markraume der Endkammer. Zeiß. F. 2. Vergr. 550. Fig. 2. Zwei frisch herausgerissene und in der Blutflüssigkeit untersuchte Nährzellen desselben Organes. (a) einkernig, (b) zweikernig. Kerne wasserhell mit deutlich hervortretenden Nucleolen. Zeiß. F. 2. Vergr. 550. Fig. 3. Zwei ähnliche Zellen nach Behandlung mit Essigsäure-Alkohol und Methylgrünfärbung. Chromatin durch Gerinnung sichtbar geworden und tief grün gefärbt. Nucleolen ungefärbt. Protoplasma fein granuliert. Vergr. F. 2. 550. Fig. 4. Nährzellen aus der Endkammer des Ovariums von Nepa cinerea. Essigsäurealkohol. Doppelfärbung Eosinmethylgrün, wobei das Chro- matin dunkelviolett, die Nucleolen rot werden, alle Figuren bei F. 2. n. d. Kammer gezeichnet. Vergr. 550. Chromatinfaden aus deutlichen Mikrosomen zusammengesetzt, spirahg im Zellinhalt gewunden. Protoplasma außer dem großen Ausläufer noch mit zwei feinen versehen. Fig. 5. Mikrosomen. Weniger regelmäßig angeordnet. Nucleolus stark ver- längert, wahrscheinlich zur Teilung anschickend. lM[elöwieysld,H.v. iSutritive A'erbindimg dfa* EizeUea l)ei Insekten. Taf.I. \ x(l ^ fii^/IV' f ' 'rs^.* ', y6^;/ W I LiÜLAnstxThJBrminvartli^VinL. Sitzunffsberichte d.kais..\kad. d.Wiss., mathr-naüinv. Klasse, Bd.CXm.Abt.I.WO*. Mlelöwieyslü,HA::I^i[üith^eyerbindiing derEizdlm bei Insektm. Taf.E. \ ' 6. ''^■/> ! V, ( ■ i ' .'■ '-^ s, , «. /^;. ~N ;4-. \ n. 9. /ff ü. 15. Iiit)uAnstv,'nü?annwarfli>Vieti. Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., mathri\aturw. Klasse, Bd. CXIII. Abt. 1. 1904-. Nutritive Verbindung der Eizellen bei Insekten. 687 6. Nucleolus verdoppelt. Chromatinfaden spiral. 7. Nucleolus doppelt, Kern bisquitförmig verlängert, zur Teilung vor- bereitet. Chromatin beinahe netzartig verteilt. 8. Dasselbe mit deuthcher Einschnürung des Kernumrisses. 9. Nährzelle mit zw^ei in der Längsachse nacheinanderhegenden Kernen. 10. Nährzelle mit zwei nebeneinanderliegenden Kernen. Fig. 11. Nährzelle mit drei Kernen. Fig. 12. Nährzelle mit vier Kernen. Fig. 13. Nährzelle mit sieben Kernen. Frisch. Fig. 14. Besondere Nucleolenform mit Vacuole. Fig. 15. Nährzelle im Schrumpfungszustande. Chromatin in größeren Ballen. Sitzb.d. mathem-naturvv. KL; C.KIII. Bd., Abt. 1. 47 I Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Kristallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie und Reisen. Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medizin. Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark. u 3 2044 093 284 354 .\!*' -*:^c? «»> Ä>fe ' mm: Ui.^>^^-~' M* «r*^ ^;a '?,vv\i:;, :V,M!V: 4 ^. A \ -<-