} ae Er LEEREN REES Ki NEN ER I 23 “ir 3 Fast ae ERLSNT ne « Ste F an Bade u a iR » LER u y “| nX BF RER ER CLEN SERNRSNRSUCHENN SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. JAHRGANG 1896. ERSTER HALBBAND. JANUAR BIS JUNI. STÜCK I—XXXII MIT VIER TAFELN. BERLIN, 1396. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 2», Sepr, 0 LNEBALT. Seite Verzeichniss der Mitglieder am 1. Januar 16 . . . - I Adresse an Hın. Karı. Weınnorn zur Feier seines fünfzigjährigen Di aleung a am 14. a 1896 3 Fropesius: Über die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen . » » 2 22... 7 Dan: Vergleichende Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser . . . . ... 17 Scemauoiss: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardin.g.n.P. » » =... 0.0 8l Diers: Festrede . . . . e BR TE ed Bericht über die Politische ende Ranaoki’s des Masdkeen Er ee ee DR Bericht über die Acta Borussica.. . . A ee er Bericht über die Sammlung der gr schen ehe ee NN En EEE 0.0) Bericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften . 2. 2 2 2 2 2 nn nennen. 60 Bericht über die Prosopographie der römischen Kaiserzeit. . . . » 2 2 22 2 nenn. 6l a ER ERSPICLST ELDER Lg To EEE ey; Bericht über die Aristoteles- Commentare . . Er ee re NEN, Dad ee Bericht über die Ausgabe der griechischen Kirchenndler N PN a SE ae 20 eeneiber den Iihesaurus.Imguse latinae ©... ., 20. a, 0, 00 ae ee nen 0 TER DERKCHOREIOMBOLDTE StIfLUNENN 5 6 dr dee ee ee re an 6 EN ER TOTER SAVIENT-SUETDUE ES Te ee li ae rl OD Bericht über die Borr-Stiftung . . OB ae de en a erh Bericht über die Enuarp GERHARD- -Stiftung Sn OB Bericht über das Historische Institut in Rom . . . le ee ee A er Are 06 Bericht über die Hermann und Erıse geb. Hezckmann Were. Seftung ERS E i0V, re NER ISBN SB ussaneer See este 08 Personalv eränderungen. a les: - Fıscner und Niesern: Über Em Verhalten EN Bobechhn ide gegen einige hier inche ee ad ea: 73 Scwaubiss: Über die Copulation von Actinophrys sol Eures. . . U ne N - Birrz: Über die Bestimmung der Moleculargrösse einiger rear Sobstanzen "OR rl Adresse an Hın. Anvorr Kırcunorr zum fünfzigjährigen Doctorjubilaeum am 4. Februar 1896. BE A) Herrwis: Über den Einfluss verschiedener Temperaturen auf die Entwickelung der Froscheier. . . 105 Hansack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der römischen Gemeine . . ..... 111 Wurrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. (Zweite Mittheilung.). . . SoHlER) Praser: Über elektrische Schwingungen, welche durch Resonanz erregt Bon Keen aha ge- dämpft werden, ...... . .. BR EN. Horsorx: Über den zeitlichen Verlauf des ee nabfkon a ee 6: Sacnau: Über die Poesie in der Volksspracherder Nestorianen 2 0.22 2 u um rn Mertess: Über die Gaussischen Summen 5 217 Warsurs: Über die W irkung des Lichts auf die Burkenentduns 22 RR Da, SohntzHnBera von Olympia cn. ee ee, 28 Weser: Vedische Beiträge. IV. . a tar a u (208 Dirrmer: Beiträge zum Studium der Individualität Pe 295 Warresgacn: Über Widukind von Corv ey und die Erzbischöfe von Mainz . . 2 2 2.2.2.2...8939 Inhalt. Fısener: Configuration der Weinsäure ER Könter: Über die MoArreia Aakedaroviov Zenert e SerenkA: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan Voszr: Über das Spectrum von Mira Ceti . Kosser: Über die basischen Stoffe des Zellkerns . Hervert: Ergebnisse von Messungen der Intensität der See Era SE 1 Linie Balherg- Schuenke Reısser: Altbabylonische Maasse und Gewichte Hırscarerp: Aquitanien in der Römerzeit Diers: Zum delphischen Paian des Philodamos £ & Dünnter: Jahresbericht über die Herausgabe der en Oman historien Lyvoss und Borenarpr: Eine trilingue Inschrift von Philae (hierzu Taf. Iund II) . Ersvan: Zu der hieroglyphischen Inschrift. Hırsenrern: Zu der lateinisch-griechischen Inschrift > Duanxe: Über eine dämpfende Wirkung des magnetischen Feldes auf vobirende) Teck Frırsen: Über die Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares (hierzu Taf. um) Vırcnow: Anlage und Variation . . . SCHWENDENER: Das Wassergewebe im Bkrolier an RE (hie Taf. Iv) Branpes: Über die Siehtbarkeit der Röntgenstrahlen Kayser: Über die Speetren des Argon E. Scnmipr: Faust und Luther AR. SPIEGELBERG: Die erste Erwähnung le in einem lecken Texte Frosexius: Über vertauschbare Matrizen erle Coxze: Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Darlsche archaelen ee Instituts Harsack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen« £ Busse: Über diej »jenige punktweise eindeutige Beziehung zweier Flächenstücke anf ER bei weidher jeder geodaetischen Linie des einen eine Linie eonstanter geodaetischer Krümmung des anderen entspricht ® . Gorvstein: Über Küfmahiden mit Ren iessahlen Horeors und Wıex: Über Messung tiefer an, Weser: Vedische Beiträge. V. . ro: Frogexius: Über eziehungen zwischen den Prinidenien eines algebraischen Körpers und den Sub- stitutionen seiner Gruppe Er Dan: Die Verbreitung der Thiere auf hoher See Hırscnrerp: Zu Tibullus I, 7,11 Vanrex: Über Ennius und Lueretius . . » eich N ee ae Adresse an Lord Kervın zu seinem fünfzigjährig igen 1 Deofedkhr ‚nbilaeum VERZEICHNISS MITGLIEDER DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. JANUAR 1896. I. BESTÄNDIGE SECRETARE. Gewählt vonder Datum der Königl. Bestätigung Hr. Awerss . . . . . . phys.-math. Clase . . . . 1878 April 10. - Vahlen Be phil. hist: - Er 93AHEIND: ale nr 0. phil.chist. - DENE IIENO TE - Waldyer . . . . . . phys.-math. - 89a: I. ORDENTLICHE MITGLIEDER der physikalisch -mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Olasse Classe Bestätigung ——— ln Hr. Emil du Bois-Reymond . . - - 2 .= ,. ... .- . ‚1851... März 5, Hr. Heinrich Kiepert . . . 1853. Juli 25. - Heinr. Ernst Beyrich . a ee 1853 Aue: - Karl Friedr. Rammeisberg -. . » -» : “2... 1855 Aug. 15. EINER 2 ea UHR: nn 1806 Nov. 19, - Albrecht Weber. . . . 1857 Aus. 24. - Theodor Mommsen . . 1858 April 27. - Adolf Kirchhof . . . 1860 März 7. - Ernst Curtus . . . . 1862 März 3. RAin Alnoens) .: 10 una sub aenihniiy 1866 Aug. 18. BGB. u. u eier... 1878, Dee. 22. - Johannes Vahlen . . . 1874 Dee. 16. - Eberhard Schrader . . 1875 Juni 14. - Alexander Conze . . . 1877 Apnil 23. anSmım Schhöendenen 2 ar ae era 1879 Jul. 18. Benmann Munster mn 1880 März 10. 1 In Ordentliche Mitglieder der physikalisch - mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Classe Olasse Bestätigung A Be tn nah Br ee Hr. Adolf Tobler . . . . 1881 Aug. lb. - Wilhelm Wattenbach . . 1881 Aug. 15. - Hermann Dies. . . . 1881 Aug. 15. Br Hons Danape. Sn. nn. 2.15 ern = Wahelm Waldeyer » 200 nenn 2 18BA Rebel: - Alfred Pernce. . . . 1884 Apnil 9. - Heinrich Brunner. . . 1884 April 9. - Johannes Schmidt . . . 1884 April 9. = Mozarus Buchs 2 er eh SEAT -. .Pranz Enlhard Schulze. - . : u 00 2 u. NSS Tmmal - Otto Hirschfld. . . . 1885 März 9. = Walhelm won Bezold 2. u nee BAprlen: - Eduard Sachau . . . 1887 Jan. 24. - Gustav Schmolleer . . . 1887 Jan. 24. - Wilhelm Diüthey . . . 1887 Jan. 24. N U ee, Nele (O. = Karl August Möbtus“.. » . . 2 zen. . 2825188855 Ann 30 - Ernst Dümmlee . . . 1888 Dee. 19. - Ulrich Koeller. . . . 1888 Dec. 19. - Karl Weinhold. . . . 1889 Juli 25. ea Adolf KEmgler a nen 2 Ne ne he ee SIE an - Adolf Hamack. . . . 1890 Febr. 10. = Hermann) Karl Vogel 2 2.22 202 0 892er Malen Damesean AM EL TWEE 1892 März 30. - Hermann Amandus Schwarz. -. -. - .: 2... ...1892 Dec. 19. - Georg Frobenius a ls dein. il ee JEmal RRSChen= Hr An re a a ee. en BIS ARE Oscars Hera I u en a Inge ER RN Te ill. - Karl Stumpf . . . . 1895 Febr. 18. - Erich Schmidt . . . . 1895 Febr. 18. - Adolf Erman . . . . 1895 Febr. 18. = Redrich” BKoltrausch Sn nern 22,895 Aurel: - Emil Wabug . .°. . R . 1895 Aug. 13. - Heinrich von Treitschke . 1895 Aug. 13. (Die Adressen der Mitglieder s. S. VII.) III II. AUSWÄRTIGE MITGLIEDER der physikalisch-mathematischen der philosophisch -historischen Datum der Königlichen Classe Classe Bestätigung 4 A Hr. Robert Wüheln Bunsen in a RN er, BB; März 5. = (Charles Hermitetin Paris. . 2... .0 0... 10 718847 Jan.) 2. - August Kekule von Stra- Horse DRBOnDE ee ld März! Hr. Otto von Boehtlingk ix Leipzig... 22,44%. 77.,141885.1 N 082,30; - Albert von Kölliker ın \Würzburee:. . . er Seen 018925 März. 16: - Eduard Zeller in Stuttgart .. . ....,,1895 ‚Jan. 14. IV. EHREN- MITGLIEDER. Datum der Königlichen Bestätigung mA un Earl of Crawford and Balcarres in Dunecht, Aberdeen . 1883 Juli 30. Hr. Max Lehmann in Göttingen .°. . . 2.2... 1887 Jan. 24. - Ludwig Boltzmann in Wien . .». .». . . 2.2.1888 Juni 29. V. CORRESPONDIRENDE MITGLIEDER. Physikalisch-mathematische Classe. Datum der Wahl Hr. Alexander Agassiz in Cambridge, Mass. - Adolf von Baeyer in München. . . - Friedrich Beilstein in Petersburg - Eugenio Beltrami in Rom - Eduard van .Beneden in Lüttich - Francesco Brioschi in Mailand . - Stanislao Cannizzaro in Rom f - ‚Elein Bruno Christoffel in a - Ferdinand Colm in Breslau . - Alfonso Cossa in Turin - Luigi Cremona in Rom - Richard Dedekind in Braunschweig - Alfred- Louis-Olivier Des Cloizeaus in Paris - Armand- Hippolyte- Louis Fizeau in Paris - Walter Flemming in Kiel ß - Edward Frankland in London . - Remigius Fresenius in Wiesbaden . - Carl Gegenbaur in Heidelberg . - Archibald Geikie in London . - Wolleott Gibbs in Newport. R. 1. - David Gill, Kgl. Sternwarte am Cap der ne Amen 1890 - Benjamin Aplkarg Gould in Cambridge, Mass. - Karl Wilhelm von Gümbel in München . . - „Julius Hann in Wien . - Franz von Hauer in Wien - Rudolf Heidenhain in Breslau - Wilhelm His in Leipzig s - Johann Friedrich Hittorf in Andater : Sir Joseph Dalton Hooker n Kew . Hr. William Huggins in London Lord Kelvin in Glasgow Hr. Leo Königsberger in die - Adalbert Krueger in Kiel . - Rudolf Leuckart in Leipzig . - Franz von Leydig in Würzburg - Rudolf Lipschitz in Bonn - Moritz Loew; »y in Paris - Eleuthere- Elie- Nicolas Mascart in Parie 1895 Juli 18. 1884 Jan. 17. 1888 Dee. 6. 1881 Jan. 6. 1887 Nov. 3. 1881 Jan. 6. 1888 Dee. 6. 1868 April 2 1889 Dee. 19. 1895 Juni 13. 1886 Juli 15. 18850 März 11. 1895 Juni 27. 1863 Ausg. 6. 1893 Juni 1. 1856 Nov. 8. 1888 Dee. 6. 1884 Jan. 17. 1889 Febr. 21 1885 Jan. 29. Juni 5. 1883 Juni 7. 1895 Juni 13. 1889 Febr. 21. 1881 März 3. 1884 Jan. 17. 1893 Juni 1. 1884 Juli 31. 1854 Juni 1. 1895 Dec. 12. 1871 Ja 1: 1893 Mai 4. 1887 Febr. 10. 1887 Jan. 20. 1887 Jan. 20. 1872 April 18. 1895 Dec. 12. 1895 Juli 18. Physikaliseh-mathematisehe Classe. Datum der Wahl Hr. Karl Neumann in Leipzig - - : = 2.2. .....1893 Mai 4. - Simon Newcomb in Washington . . ». .» . ... 1883 Juni 7. - Wühelm. Pfeffer in Lapag - -. » » 4 2 2 ....,1889. Dee.. 1% 2 Eduard Diüiger in Bomm. 20.4 Wa Te % da, April. 3. - Georg Quincke in Heidelberg . . re re, März 12. - Friedrich von Recklinghausen in Strassbitirg en. 1865 - Eebr.. 26. - Gustav Retzil& ih Stockholm . - - » 2»... .189 Juni.l. - Ferdinand von Richthofen in Berlin . . . . . . 1881 März 3. - Heinrich Rosenbusch in Heidelberg . . . » . . 1887 Oct, 20. - George Salmon in Dublin . . . 0, 018418 Alanı DB. - Ernst Christian ‚Julius Schering in Göttingen E17 ee: - Albrecht. Schrauf in Wien . . . - 100... 1895, Jan 12, - Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand ER ITEER - Philipp Ludwig von Seidel m München . . . . . 1863 Juli 16... - .Japetus Steenstrup in Kopenhagen . . . . . .. 1859 Juli 11. Sir Gabriel Stokes in Cambridge -. . -» . ... . .„ 1859, Apnil 7. Hr. Eduard Sirasburger n Ban . . . ........ 1889 Dec..19. - ÖOito von Sirwe in Karlsruhe . . . . . . . .. 1868 April 2. - „James Joseph Sylvester m London . . . . . . 1866 Juli 26. EAmsst Topler ın Dresden 2 2.2. - * .%., 1879 März 13. - Gustav Tschermak n Wien. - - =. 2.2. ...1881 März 3. - Gustav Wiedemann in Leipzig - - - : » ... . 1879 März 13. - Heinrich Wild in Zurich . . 1881 Jan. 6, - Alexander William Williamson in High Pitfold, mere ... . een. SZ Nov. IeW - August Winnecke a Shehnshnfee ee, 1609 Vetr 23. Adol; Wüliner ip: Aachen ıe . ... . 2.0. w. 1889 März !. - Ferdinand Zirkel in Leipzig. . - -» » » 2. ...1887 Oet. 20. - Karl Alfred von Zittel in München . . . . . . 1895 Juni 13. Philosophisch-historische Classe. Hr. Wilhelm Christian Ahlwardt in Greifswald . . . . 1888 Febr. 2. - Graziadiö, Isäia Ascok in Mailand. . . . ......1887 März 10. - Theodor. Aufrecht in Heidelberg . . . » » . ..1864 Febr. 11. EDEN WER Nee EI 1893, Now.i30: Bronze Büchtler io. Bonn. . 2... a anames)3tr7 1882. ui. ne Gsorg=Bildersint Wien 2 2. a temele oa 188 April. Il. - Ingram Bywater in London. . . ».2.2.2....1887 Nov. 17. - Antonio Maria Ceriani in Mailand. . . ». . .....1869 Nov. 4. - Edward Byles Cowell in London . . . .» ......1893 April 20. - Leopold-Vietor Deliste in Paris. . » » 2 2... 1867 April 11. va Philosophisch-historische (lasse. . Heinrich Denifle in Rom . Wilhelm Dittenberger m Halle . Louis- Marie- Olivier Duchesne in Rom Julius Ficker in Innsbruck . Giuseppe Fiorelli in Neapel . Kuno Fischer in Heidelberg. Paul- Frangois Foucart in Paris Karl Immanuel Gerhardt in Graudenz Theodor Gomperz in Wien Wilhelm von Hartel in Wien : Friedrich Wilheln Karl Hegel in N i Antoine- Marie- Albert Heron de Villefosse in Paris Hermann von Holst in Chicago ‚Jean- Theophile Homolle in Athen . Friedrich Imhoof- Blumer in Winterthur. Vratoslav Jagie in Wien . Karl Justi ın Bonn : Panagiotis Kabbadias in Ren : Georg Kaibel in Strassburg . Franz Kielhorn in Göttingen Georg Friedrich Knapp in ee Sigismund Wilhelm Koelle in London Stephanos Kumanudes in Athen. Basil Latyschew m Kasan Giacomo Lumbroso in Rom . Konrad Maurer in München Adolf Merkel in Strassburg Adolf Michaelis in Strassburg Max Müller in Oxford Theodor Nöldeke in Strassburg. ‚Julius Oppert in Paris (Gaston Paris in Paris. Georges Perrot in Paris Wilhelm Pertsch in Gotha Wilhelm Radlof in St. Petersburg thx Ravaisson in Paris . Eugene de Roziere in Paris . Emil Schürer in Göttingen . Theodor von Sickel ın Rom . Christoph Sigwart in Tübingen . Friedrich Spiegel in München William Stubbs in Oxford Edward Maunde Thompson in London Datum der Wahl 1890 1882 1893 1893 1565 1885 1584 1861 1893 1893 1876 1893 1889 1887 1879 1850 1893 1887 1891 1880 1893 1855 1870 1891 1874 1889 1893 1888 1865 1878 1862 1882 1884 1888 1895 1847 1564 1893 1876 1885 1862 1882 1895 Dee. 18. Juni 15. Juli 20. Juli 20. Jdanziz Jan. 29. Juli 24. Jan 3: Oct. 19. Oct. 19. April 6. Febr. 2. Juli 25. Nov. 17. Juni 19. Dee. 16. Nov. 30. Nov. 3. Juni 4. Noy. 3. Juli 25. Dee. 14. Juni 21. Jan. 12% Febr. 14. März 13. April 20. Juli 24. Febr. 2. Jan. 10. Juni 10. Febr. 11 Juli 20. April 6. Jan. 29. März 13. März 30. Mai 2. Hr. Dr. vu Philosophisch-historische Classe. Datum der Wahl . Hermann Usener mn Bonn . . . ee ee ne Louis Vivien de Saint- Martin in De BIN ER 1867 April 11. Curt Wachsmuth in Leipzig . . ENSI ler Junızd: Ulrich von Wilamogitz-Möllendorff ; in Göttingen 257518917 Jung 4% Ludwig Wimmer in Kopenhagen . . . . . . . 1891 Juni 4. Ferdinand Wüstenfeld in Göttingen . . . . . .. 1879 Febr. DIE Karl Zangemeister in Heidelberg . . . . » . . 1887 Febr. 10. WOHNUNGEN DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER. Auwers, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW. Beyrich, Prof., Geh. Bergrath, Platz am Neuen Thor 1. NW. von Bezold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W. du Bois- Reymond, Prof., Geh. Ober-Medieinal-Rath, Neue Wilhelm- strasse 15. NW. Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W. Conze, Professor, Charlottenburg, Fasanenstr. 3. Curtius, Prof., Wirkl. Geheimer Rath, Matthäikirchstr. 4. W. Dames, Professor, Joachimsthalerstr. 11. W. Diels, Professor, Magdeburgerstr. 20. W. Dilthey, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Burggrafenstr. 4. W. Dümmler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königin Augusta-Str. 53. W. Engler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Motzstr. 89. W. Erman, Professor, Südende, Bahnstr. 21. Fischer, Professor, Dorotheenstr. 10. NW. Frobenius, Professor, Charlottenburg, Leibnizstr. 70. Fuchs, Professor, Kronprinzen -Ufer 24. NW. Harnack, Professor, Fasanenstr. 43. W. Hertwig, Professor, Maassenstr. 34. W. Hirschfeld, Professor, Charlottenburg, Carmerstr. 3. Kiepert, Professor, Lindenstr. 11. SW. Kirchhoff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirehstr. 23. W. Klein, Prof., Geh. Bergrath, Am Karlsbad 2. W. Koehler, Professor, Königin Augusta-Str. 42. W. Kohlrausch, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25». L. Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königgrätzerstr. 123°. W. Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W. Mommsen, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 8. Munk, Professor, Matthäikirchstr. 4. W. Pernice, Prof., Geh. Justiz-Rath, Genthinerstr. 13F. W. Planck, Professor, Tauentzienstr. 18%. W. Rammelsberg, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Gross-Lichterfelde, Bellevuestr. 15. Sachau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Wormserstr. 12. W. Erich Schmidt, Professor, Matthäikirchstr. 8. W. Joh. Schmidt, Professor, Lützower Ufer 24. W. Schmoller, Professor, Wormserstr. 13. W. Schrader, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kronprinzen-Ufer 20. NW. Schulze, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. NW. Schwarz, Professor, Villen-Colonie Grunewald, Boothstr. 33. Schwendener, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 28. W. Stumpf, Professor, Nürnbergerstr. 14/15. W. Tobler, Professor, Kurfürstendamm 25. W. von Treitschke, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hohenzollernstr. 8. W. Vahlen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthinerstr. 22. W. Virchow, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Schellingstr. 10. W. Vogel, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Astrophysikalisches Observatorium. Waldeyer, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Lutherstr. 35. W. Warburg, Professor, Neue Wilhelmstr. 16. NW. Wattenbach, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Corneliusstr. 5. W. Weber, Professor, Ritterstr. 56. SW. Weierstra/s, Professor, Friedrich-Wilhelmstr. 14. W. Weinhold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hohenzollernstr. 10. W. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. ). Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Brunser las über die uneheliche Vaterschaft in den älteren germanischen Rechten. 2. Hr. Fıscner legte eine Mittheilung des Privatdocenten an der Universität Greifswald Hrn. Dr. H. Bırrz vor über die Bestimmung der Moleculargrösse einiger anorganischer Substanzen. als Berieht über die Fortsetzung seiner mit Unterstützung der Akademie ausgeführten Untersuchungen. 3. Hr. Vırcnow überreichte seine Festschrift zur hundertjährigen Stiftungsfeier des medieinisch-chirurgischen Friedrich Wilhelms-Instituts »Hundert Jahre allgemeiner Pathologie«. 4. Hr. Weımmorn feiert am 14. d. M. sein fünfzigjähriges Doctor- Jubilaeum. Die Akademie begrüsst ihn an diesem Tage mit der um- stehend folgenden Adresse. Sitzungsberichte 1896. l a Ar * et A ln hehe SEDERHANIE hu N Adresse an Hrn. KARL WEINHOLD zu seinem fünfzigjährigen Doetorjubilaeum am 14. Januar 1896. Hochgeehrter Herr College! = Fäntzig Jahre sind verflossen. seit Sie mit einer Abhandlung über die Voluspa an der Universität Halle die philosophische Doctorwürde erwarben. Mit gerechter Befriedigung dürfen Sie heute auf die nam- haften Erfolge zurückblicken, mit welchen die unablässige Arbeit Ihres der germanistischen Wissenschaft gewidmeten Lebens gekrönt worden ist. Zu der Zeit, als Sie sich, angeregt durch Lacumans und JAcoB Grm, in den Dienst der germanischen Philologie stellten, sah diese als eine jugendliche Diseiplin noch ausgedehnte und unerforschte Arbeits- gebiete vor sich. Heute dürfen wir Sie zu den Männern zählen, welche seitdem die germanische Sprachwissenschaft und Alterthumskunde in hervorragender, zum Theil in bahnbrechender Weise gefördert haben. Im Wechsel der Jahre hat Ihre Lehrthätigkeit Sie an nicht weniger als sechs verschiedene Universitäten geführt. Eine der südlichsten und eine der nördliehsten Hochschulen deutscher Zunge. Graz und Kiel durften Sie zu ihren tüchtigsten Lehrkräften zählen. So hat Ihre Lauf- bahn Ihnen reichliche Gelegenheit geboten deutsche Volkssitte und Volks- sprache in den entlegensten Theilen deutscher Erde zu belauschen und zu erforschen und Sie haben von dieser Gelegenheit mit Meisterschaft Gebrauch gemacht. Nicht nur in deutschen Grenzgebieten. auch auf ausserdeutschem Boden haben Sie gewirkt, und durch die Gegnerschaft mit welcher der benachbarte Osten deutsche Sprache und Cultur abzu- stossen pflegt, jene Steigerung und Verfeinerung nationalen Empfindens an sich erfahren, wie sie dort so manchem Deutschen zu Theil wird. der nieht mit völlig unentwickeltem oder abgestumpftem Volksgefühl in die Fremde gegangen war. So haben Ihr äusserer Lebensgang, ursprüngliche Begabung und liebevolle Versenkung in Ihre Wissenschaft Sie ausgerüstet, eine erstaun- lich vielseitige und dennoch tief eindringende Thätigkeit für die Erfor- schung germanischen Volksthums in Vergangenheit und Gegenwart zu entfalten. 4 Gesammtsitzung vom 9. Januar. Ihre Arbeiten erstrecken sich auf das Gothische und Altnordische, auf das Hochdeutsche und seine Mundarten, auf Grammatik und Wörter- buch, auf Mythologie, Haus- und Privat-Alterthümer, Social- und Rechts- Geschichte und auf die von Ihnen in den letzten Jahren mit besonderer Vorliebe geptlegte Volkskunde. Ihre Forschungen umspannen die ver- schiedensten Epochen germanischer Vergangenheit von der Edda bis zu Lexsz und den Diehtern des Göttinger Bundes. von den Göttern der Walhalla bis zum Volksaberglauben der Gegenwart. von den heidnischen Todtenbestattungen bis zu den Weihnachtsspielen und Liedern Süd- Deutschlands und Ihrer schlesischen Heimat. In einem vielverbreiteten Werke haben Sie Denkart und Sitte, Stellung und Wirksamkeit der deutschen Frauen im Mittelalter zu sinniger Darstellung gebracht mit der Wahrheitsliebe des gewissenhaften For- schers. ohne Verschleierung von Zügen der Rohheit und Entartung aber mit gemüthvoller Wärme und idealem Schwung, und mit dem schliess- liehen Ergebniss und Bekenntniss. dass das Leben des deutschen Weibes in Haus und Familie wurzelt. Ihr grundlegendes Buch über altnordisches Leben gab uns eine lebendige und anschauliche Schilderung von Haus und Gesellschaft, Glauben und Dichtung, heroischer That und alltäg- lieher Beschäftigung des skandinavischen Alterthums. Innigen Dank schulden wir Ihnen auch für den in den Schriften unserer Akademie niedergelegten Beweis, dass wir über die heidnisch-religiösen Impulse altgermanischer Tapferkeit und Thatkraft noch etwas mehr wissen können und wissen. als das, was die im Bannkreise der elassischen Philologie gelegenen Quellen uns offenbaren. So sehr auch bei allen Ihren Arbeiten (die Genauigkeit der For- schung in Specialitäten eindringt, so vermeiden Sie es doch stets über dem Einblick in das Detail den Überblick über die Totalität des ger- manischen Uulturlebens zu verlieren. Immerdar haben Sie es verstanden die einzelne Erscheinung. die Sie ergründen. hineinzustellen in den grossen Zusammenhang der germanischen Alterthumskunde. Gestatten Sie uns, Ihnen an dem heutigen Gedenktage Ihrer wissen- sehaftlichen Entwickelung in treuer Collegialität die herzlichsten und auf- richtigsten Glückwünsche darzubringen. Möge es Ihnen beschieden sein, noch viele Jahre in unserm Kreise zu wirken und mit ungebrochener Arbeitskraft neue wissenschattliche Erfolge in den Kranz der errungenen hineinzuflechten. Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 16. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 16. Januar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Qlasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Frogextus las über die cogredienten Transforma- tionen der bilinearen Formen. 2. Hr. Esezer las über die geographische Verbreitung der Rutaceen im Verhältniss zu ihrer systematischen Gliederung. 3. Hr. Möpıvs legte eine Mittheilung vor: Vergleichende Un- tersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser, von Hrn. Prof. Dr. Fr. Danı in Kiel. 4. Hr. Scnurze legte eine Mittheilung des Assistenten am Zo0- logischen Institut hierselbst Hrn. Dr. Fr. Scraunısw vor: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n. g.n. Sp. Die Mittheilungen ı. 3, 4 folgen hier, 2 bleibt für die Abhand- lungen vorbehalten. Sitzungsberichte 1896. > | Uber die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen. Von G. FRoBEnIvs. ine Schaar von bilinearen Formen B=uB, +vB, heisst unter einer andern Schaar A=wuA, +vA, enthalten, wenn zwei von x und v» un- abhängige lineare Substitutionen P und @ gefunden werden können, die A in B transformiren; zwei Schaaren werden aequivalent genannt, wenn jede unter der andern enthalten ist. Da man zu jeder Form Glieder mit verschwindenden Coeffieienten hinzufügen kann, so darf man annehmen, dass die Anzahl »x der Variabeln der ersten Reihe und die Anzahl n der Variabeln der zweiten Reihe für die Form A dieselbe ist, wie für B. Dann kann man die Form A in eine aequivalente Form B dureh zwei Substitutionen P und @ überführen, deren Determinanten (von den Graden m und n) nicht verschwinden, so dass B in A durch die inversen Substitutionen P” und Q' übergeht. Eine Invariante von A erhält man, indem man die Coeffieienten von A nach m Zeilen und rn Spalten ordnet und den grössten gemein- samen Divisor aller Determinanten kten Grades dieses Systems be- rechnet. Stimmen die so (für k=1,2,3,---) ermittelten Invarianten zweier Formen A und B überein, so sind sie aequivalent, falls m = n ist, und die Determinante von A nicht identisch verschwindet. (WEIEr- strass, Zur Theorie der bilinearen und quadratischen Formen, Monatsber. 1868). Ist aber m von n verschieden, oder ist m = n und die Determi- nante von A für alle Werthe von x und » Null, so bestehen zwischen den partiellen Ableitungen erster Ordnung von A nach den m+n Variabeln lineare Relationen. Ermittelt man ein vollständiges System solcher Relationen, die von möglichst niedrigen Graden sind, so bilden diese Gradzahlen zusammen mit jenen grössten gemeinsamen Divisoren ein vollständiges Invariantensystem von A (Kroxecker, Algebraische Reduction der Schaaren bilinearer Formen, Sitzungsber. 1890). Ist m = n, und sind die gegebenen Formenschaaren A=uA, +0A, und B=uB,+rB, symmetrisch, oder sind A, und B, symmetrische, A,und B,alternirende Formen, so haben WEIERSTRAss und KRONECKER I* 8 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 16. Januar. eine beschränktere Art von Aequivalenz untersucht, indem sie die Bedin- gung stellten, dass die Substitutionen P und Q@ für die beiden Reihen von Variabeln übereinstimmend (congruent, cogredient) sein sollten, und in gleicher Weise lässt sich, wie ich gezeigt habe, der Fall behandeln, wo A und B beide alternirende Formen sind. Die für die Aequivalenz im weiteren Sinne nothwendigen Bedingungen sind selbstverständlich auch für die engere Art der Aequivalenz erforderlich. Dass sie aber auch hinreichend sind. war von vornherein nicht zu erwarten, und darf wohl als eins der interessantesten Ergebnisse jener Entwicklungen angesehen werden. Den eigentlichen Grund dieser merkwürdigen Erscheinung, der aus den bisherigen Untersuchungen schwer zu erkennen ist, voll- ständig aufzudecken, ist der Zweck der folgenden Zeilen. Sind irgend zwei Substitutionen P und Q von nicht verschwin- dender Determinante bekannt, die eine symmetrische (oder alternirende) Form A in eine Form B transformiren, die wieder symmetrisch (alter- nirend) ist, so leite ich aus P und Q eine Substitution R ab, die auf beide Reihen von Variabeln angewendet A in B überführt. Die Dar- stellung der Substitution R ist von den Formen A und B unabhängig und kann ausgeführt werden. ohne dass die Formen A und B selbst bekannt zu sein brauchen. Sie erfolgt auch für alternirende Formen nach derselben Regel wie für symmetrische. Daher wird jede sym- metrische und jede alternirende Form, die durch die Substitutionen P und @ wieder in eine symmetrische resp. alternirende Form transformirt wird. auch durch die auf beide Reihen von Variabeln angewendete Sub- stitution R in dieselbe übergeführt. Um den Gedankengang, der mich zu jener Regel geführt hat, kurz darzulegen, bemerke ich, dass alle Paare von Substitutionen X. F. welche die symmetrische (oder alternirende) Form A in die sym- metrische (oder alternirende) Form B überführen. aus einem solchen Paare P, Q hervorgehen, indem man mit dieser alle Paare von Sub- stitutionen U, V zusammensetzt. die A in sich selbst transformiren. Wenn es also eogrediente Substitutionen giebt, die A in B transfor- miren, so müssen sie sich unter den Substitutionen X —= PT, Y=V@ befinden. Sind nun P und Q nicht selbst cogredient,. so erhält man durch Vertauschung der entsprechenden Variabeln der beiden Reihen in Aund Baus P und Q ein zweites Paar von Substitutionen X,. F,. die A in B transformiren, und daraus zunächst ein Paar von Sub- stitutionen ,=P"X,,V,=Y,Q", die A in sich selbst transformiren. Aus einem solchen Paar kann man aber, indem man die Substitu- tionen wiederholt anwendet. neue herleiten, und indem man diese in geeigneter Weise linear combinirt, sogar eine ganze Schaar von Sub- stitutionenpaaren U, V gewinnen. Diese Schaar enthält zwar im All- Frosentms: Über die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen. $) gemeinen nicht alle Paare von Substitutionen, die A in sich selbst verwandeln. Man findet darin aber stets eine endliche Anzahl von Substitutionen U, V, für welche X = PU, Y=V@ eogredient werden. Die Coeffieienten der Substitutionen P, Q können durch Anwen- dung von rationalen Operationen allein aus den Coefficienten der aequi- ‚alenten Formen oder Formenschaaren A und B gefunden werden (vergl. meine Arbeit Theorie der linearen Formen mit ganzen Coefficienten, ÜrErre's Journ. Bd. S6, Einleitung und $ 13). Dagegen müssen, wie es in der Natur der Sache liegt, zur Bestimmung der Substitution R aus P und Q eine Anzahl von algebraischen Gleichungen gelöst werden. Ein besonderer Vorzug der hier entwickelten Methode zur Ermittlung von cogredienten Transformationen einer Form in eine aequivalente besteht darin, dass diese unumgänglichen irrationalen Operationen erst am Schlusse der ganzen Rechnung auszuführen sind. Für die ausführlichen Untersuchungen, die KRONECKER, Über die congruenten Transformationen der bilinearen Formen, Sitzungsber. 1874. und über die Algebraische Reduction der Schaaren quadratischer Formen, Sitzungsber. 1890 und 1891, angestellt hat, giebt die hier dargelegte überaus einfache Überlegung einen vollständigen Ersatz, und mit ihrer Hülfe können auch in der Arbeit von WEIERSTRAss die subtilen Er- wägungen umgangen werden, welche die genaue Behandlung des Falles der symmetrischen bilinearen (oder was auf dasselbe hinauskommt, der «uadratischen) Formen erfordert (vergl. meine Arbeit Über die Elementar- theiler der Determinanten, Sitzungsber. 1894). Sı. Seien a,b, c,--- die verschiedenen Werthe, für welehe die Function Ua) = Kl a)“ (eb) (x e)?--- vom Grade m —=2#+&+Yy+... verschwindet, und seien F(x), @(x), H(x)- -- beliebig gegebene ganze Functionen. Entwickelt man dann F(x): x) nach steigenden Potenzen von w—-a, so sei A Ar Ac-ı ae A + Aı(@-a) ale Aw) (2-0) (a-a) "aa (2— a)“ (x—a)“ das Aggregat der Glieder mit negativen Exponenten. Dieselbe Bedeutung Bi m 2 a G(x habe a), für die Entwicklung von & nach Potenzen von @—-b u.s.w. (2—b)® 5 Ve) Dann ist a RE et Be) Br ern eine ganze Function (m— 1)" Grades von ., die folgende Eigenschaften 10 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 16. Januar. hat: Entwiekelt man sie nach Potenzen von @—-a, so haben (w— a)", (vw a)'.... (0 a)“ dieselben Coeffieienten, wie in der Entwicklung von F(x) u. s. w., oder es ist x(a) = Fa), x’(a) = F’la),--- x“ (a) = FleU(a), x(b) = G(b), x’/(b) = @'b),--- x) = GP V(b),---. Genügt die ganze Function (m-1)'" Grades $(x) denselben Bedingungen, so ist Ha)-%(x) durch (x) theilbar und nur vom (m-1)"” Grade, also identisch Null. Ist z.B. keiner der Werthe a,b, ce... Null, so kann man eine ganze Function (m-1)“" Grades %(x) so bestimmen, dass (va) dureh (x) theilbar wird. Nachdem man nämlich das Vorzeichen von Ya (Vb, Ve.- ..) beliebig gewählt hat, entwickle man Y.w nach steigenden Potenzen von wa (—b, 2-6 ,..-) in eine Reihe, die mit Ya (Vb; Ve.---) anfängt und bezeiehne mit F(x) (a). lalon)\az: .) das Aggregat der ersten & (®,y.---) Glieder der Reihe. Ist dann %(x) die oben bestimmte Function, so fängt die Entwicklung von x) Vz nach Potenzen von —-a (0«—b.x—C,-:-) mit (w—a)“ ((-b)°, (0—c)? 4) an. und folglich ist %(#)’—x durch (x) theilbar. Dasselbe Verfahren ist auch anwendbar, wenn @—=(0 und zugleich —=1 ist, aber nicht. wenn dann &>1 ist, weil (x) - für @—=0 höchstens von der ersten Ordnung verschwinden kann. Ich bediene mich nun der Bezeichnungen und Sätze, die ich in meiner Arbeit Über lineare Substitutionen und bilineare Formen, Crkuue's Journ. Bd. 84. entwickelt habe. Sei U eine Form von nicht ver- schwindender Determinante, und sei Y(U)= 0 die Gleichung niedrig- sten Grades, der U genügt, also (0) von Null verschieden. Ist dann 4a) ax dureh Aa) theilbar, so ist (x( U))' U. Eine beliebige der auf diese Weise (durch bestimmte Wahl der Wurzeln Ya,Vb.yVe.-.-) erhaltenen ganzen Funetionen von U’ bezeiche ich mit A a oO) UT —YVU. Da die Determinante von V* gleich |V*] = IV’ ist. so ist auch die Determinante \ A ei ele. also von Null verschieden. Die eonjugirte Form von „U = U yIUy = U’. Unter den verschiedenen Ausdrücken von Y U’ giebt es also einen. welcher der Bedingung vo) =D) genügt, und unter den verschiedenen Ausdrücken von (Y U) einen, der gleich Y(U’) ist. In demselben Sinne gilt die Gleichung Frosesies: Über die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen. 11 vum)=yu"’=U!. Denn ist V’’=U, so ist (V"” = U". Da die Determinante von U a nicht verschwindet, so kann man sowohl U” als auch U’ ° als ganze Function von U darstellen. In ähnlicher Weise lässt sich jede algebraische oder transcen- dente Function von U definiren, die sich in der Umgebung der Stel- len a,b.e,‘': regulär verhält. Auch kann f(U) kürzer als das Re- siduum von (w#- U)" fix) in Bezug auf alle Wurzeln der charakte- ristischen Gleichung von U erklärt werden. In dieser Weise hat STICKELBERGER in seiner akademischen Antrittsschrift » Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen« (Leipzig 1881) die allgemeine Potenz U” definirt und bei der Lösung von linearen Differenzengleichungen und Differentialgleichungen benutzt. Eine weniger genaue Definition giebt SYLvESTER, Sur les puissances et les racines de substitutions lincaires, Compt. Rend. 1882, vol. 94. pP. 55. Wie bei der Herleitung der Tavror’schen Reihe aus dem Gaucnv'schen Integral gelangt man von der obigen Definition aus am einfachsten zur Entwicklung von f{(U) in eine con- vergente nach Potenzen von U oder U-aE fortschreitende Reihe. In dieser Gestalt wird die Function e" definirt und benutzt von Scuur, Zur Theorie der unendlichen Transformationsgruppen, Math. Ann. Bd. 38. Sind A und B zwei Formen von nicht verschwindender Deter- minante, und setzt man P= B(AB)*, so ist PAP— B(AB) *(AB\(AB)?=B, also Nele) all —ile Es gilt folglich der Satz: Sind A=Da,.x,y; und B=Yb..x,y; zwei beliebige bilineare For- men, deren Determinanten von Null verschieden sind, so giebt es zwei Substitutionen von der Form ( I ) W. = pa«th > Ya = Ip. ’ die A in B transformiren. In Bezug auf solche Substitutionen möchte ich noch die folgende Bemerkung hinzufügen: Die Bedingungen dafür, dass zwei Schaaren von bilinearen Formen dureh zwei Substitutionen der Form (1.) in einander transformirt werden können, haben nicht alle die separirte Form, dass gewisse Invarianten der einen den entsprechenden der andern gleich sind. Auch ist es bei dieser Beschränkung der Aequi- 12 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar. valenzbedingungen nicht möglich, die Formenschaaren in Classen aequivalenter Schaaren einzutheilen, weil durch Zusammensetzung von zwei Substitutionen der Form (1.) nicht wieder zwei Substitutionen derselben Form erhalten werden. Ist (U) irgend eine Function der Form U, so ist B2x(U)B=X(BAUB) und mithin ist, falls (U) — U} und U= BA gesetzt wird, N [e B"(BA)*B=(AB)*, also ut 3 =. P=B(AB) ”=(BA) 2p: Sind die Formen A und B beide symmetrisch oder beide alter- nirend, so ist daher P'=(B(4B)*) = (BA) *B—=(BA)’B=+P. Sind demnach A=Na,;x,.x; und B=>b ,x,x, zwei quadratische u DC _— Formen, deren Determinanten nicht verschwinden, ist also De Auß s b;. = b [0773 so kann A in B durch eine Substitution ” _— „ V. FrEr Pap®%3 transformirt werden, deren Üoefficienten Pia — Paß ein symmetrisches System bilden.‘ Und sind A — 0,5%,Ys und B >05 xy, zwei alternirende bilineare Formen, deren Determinanten nicht verschwinden, ist also U FE ER b; = b Ars «as joa aD 2a so kann A in B durch eogrediente Substitutionen — ? _ U L, >96 Ua Ye >77 3Y3 B 5 ' Sind A und B zwei symmetrische Formen. so genügt man der Gleichung P’'AP=B auch durch die Substitution Pr Ara Br HR die aber im allgemeinen nicht die Bedingung P'— P erfüllt. Vergl. Hrxry TaAver, On the Linear Transformations between Two (Quadries, Proceedings of the London Math. Soc., vol. XXIV, pag. 305. Meine oben erwähnte Arbeit über lineare Substitutionen scheint Hrn. TAger unbekannt geblieben zu sein nach seinen Bemerkungen auf S. 296, die durch die Untersuchungen in jener Arbeit ihre vollständige Erledigung gefunden haben, sowie nach seiner Arbeit On Orthogonal Substitutions that can be expressed as a Function of a Single Alternate Linear Substitution, American Journ. vol. 16. Frosexis: Über die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen. 13 transformirt werden, deren Coefficienten Ip — — Faß ein alternirendes System bilden, nämlich g.; = ip... Sind allgemeiner a;, und a,., d;, und d,;, y. und «,, y. und x, conjugirt complexe Grössen, so kann man die bilineare Form A durch zwei Substitu- tionen (1.) in 5 transformiren, in denen p;. und p,; eonjugirt com- plexe Grössen sind. S 2. Sei A eine bilineare Form von n Variabelnpaaren, seien P und Q zwei Substitutionen von nicht verschwindender Determinante, und sei PAQ= B eine mit A aequivalente Form. Sind A und B beide symmetrisch oder beide alternirend, so erhält man durch Übergang zu den con- Jugirten Formen WAR — RB und mithin PAQ= QAP, (Q-P)A=A(P'Q-), oder wenn man Q"’P=T, also P'Q" = U’ setzt, VA—AU: Daher ist U’A= UAU’= AU”, allgemein UA —= AU*, also auch wenn %(U) eine beliebige ganze Function von U ist, x(U)A = Ax(U’), und wenn die Determinante von %(U) nicht verschwindet, x(UJAx(U) = A, Px(U)Ax(U)Q= B, also wenn man FRI EEIS, KUN O—R setzt, SAR—= B. Sollen nun diese Substitutionen cogredient sein. so muss S—R, also Px(Uy = Qx(U), U=Q"P=x(U), x(U) = U sein, und umgekehrt, wenn R=(P'Q)?Q, ist, so ist auch RAR= B. Sind A,, A,, A,,--- mehrere symmetrische oder alternirende For- men der Art, dass die Formen PA,Q, PA,Q, PA,Q.-.- ebenfalls sym- metrisch bez. alternirend sind, so ist, da £ nur von P und Q ab- hängt. aber nieht von A und B, PAQ=RAR, PAQ=RAR, --- 14 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 16. Januar. also auch PA +WwA+%A; +: )Q= Rlw A +WwAs + U; Az.) R. Seien z.B. A und B zwei bilineare Formen, A’ und B’ die con- jugirten Formen, und seien die Formenschaaren vA+rA und uB+rB’ aequivalent, also Pud+rA)Q=uB+eb". Setzt man upon, uvm, ArTA—=A, A-A=A, BEBI—ZB:. BB Be so ist auch Pw.A,+%4A)Q=wBı+WB:. Da nun die Formen A, und BD, symmetrisch, A, und DB, alter- nirend sind, so kann man eine Substitution R so bestimmen, dass R(w A +WA)R—=wB, +wB,. R(uA+rA)R=ub+rb' wird, also die Gleichung KAR—DB besteht. von der die Gleichung RAR — B' eine Folge ist. Man ge- langt so zu dem Hauptresultate der oben eitirten Arbeit von KRONECKER (vergl. auch Cnrıstorrer, Theorie der bilinearen Formen, CrEırE's Journ. Bd. 68): Damit zwei bilineare Formen A und B durch cogrediente Substi- tutionen in einander transformirt werden können, ist nothwendig und hin- reichend, dass die Formenschaaren uA+vA' und uB+ vB aequivalent sind. $ 3. Die eben benutzte Methode lässt sich auch auf orthogonale For- men anwenden. Seien A und B zwei orthogonale Formen, also He RnB Be und seien P und @ irgend zwei Substitutionen, die A in B trans- formiren , PAQ=B. Geht man zu den conjugirten Formen über, so erhält man VASE IBE RZ AN TERN also (PP)A= A4(0Q)-, A(P'P)A = (QQ'-. Daher sind die Substitutionen U=PP, V=(QQy- = 4-04 ähnlich. genügen also derselben Gleichung UT) = 0 und UV) = 0, Ferner ist AA ZPE, FAUNA x(W), Fronexivs: Über die eogredienten Transformationen der bilinearen Formen. 19 mithin. wenn die Determinante von %(U) nieht verschwindet, x(U)yAx(V)=4A, PrlUD”Ax(V)Q—=B. Setzt man also A SAALE SE so ist MANS BD. Ist R eine orthogonale Form, so ist auch S— A"'R"B eine solche. Dazu ist erforderlich, dass R’— R", also, weil U — U— P’P ist, dass x(UP=x(W)P2, U=PP=x(Ü), x(U) — U? ist. Sind A,. A,. A,, -: mehrere orthogonale Formen, die durch die Substitutionen P. Q wieder in orthogonale Formen B,, b,, B,, :-- über- gehen, so kann man, da R und S von A und B unabhängig sind, zwei orthogonale Substitutionen R, S so bestimmen, dass RA, + +%4+.)S=uB +WwB +wB +: -- wird. und dass R und S von den Parametern u, .2,,u,, - nicht abhängen. Seien A und B zwei ähnliche Formen, die beide symmetrisch, oder beide alternirend, oder beide orthogonal sind. Es giebt also eine Substitution P, die der Bedingung EN ANEz 18) genügt. Daher ist auch 2 PX(A-rE\P=B-rE, also sind die Formenschaaren A— rE und B-rE aequivalent. Nun ist die Form E sowohl symmetrisch als orthogonal. Man kann daher die Regeln dieses oder des vorigen Paragraphen anwenden und erhält das Resultat: Ist P eine beliebige Substitution, so ist stets 1 R = (PP) *P= (PP\J* p--ı eine orthogonale Substitution (Keırann and Taır, Quaternions, Chap. X.). Diese genügt der Bedingung RA Ra BD. So ergiebt sich der Satz. den ich in Crerre’s Journal Bd. 84. S. 21 und 58, abgeleitet habe: Sind zwei symmetrische oder zwei alternirende oder zwei orthogonale Formen ähnlich, so sind sie auch congruent und können durch eine orthogonale Substitution in einander transformirt werden. Die Form 7 —= PP'—= PEP’ ist der Form E congruent. Setzt man also die entsprechenden Variabeln der beiden Reihen einander gleich, so geht die symmetrische bilineare Form U in eine quadratische Form über, die durch die Substitution P” transformirt wird. Dieselbe ist daher, wenn die Coeffieienten von P in eine Summe von Quadraten reell sind, eine definite positive Form, und folglich sind die Wurzeln 16 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. ‚Januar. a.b,c,..- der charakteristischen Gleichung von U alle reelle positive Grössen. Aus der Regel zur Bildung von 4(U) = U” folgt daher, dass auch die Coeffieienten jeder dieser Formen reell sind, und mithin ist A eine reelle orthogonale Substitution. Ist U irgend eine Form von nicht verschwindender Determinante, und ist p(x) — (v—a)* (ab) (x ec) -- — |eE-U] ihre charakteristische Determinante,. so ist die charakteristische Function von %/ ne gleich (2-x(a))* (e-xb)) (e-x(e))*--- = (a-Va)(eVby (Ve) ---. und folglich ist die Determinante dieser Form VU| = va” vb’ Ver- = Durch passende Wahl von Ya,yb,yYe,..:, also durch passende Be- stimmung von YU kann man daher erreichen, dass die Determinante von YU gleich dem einen oder dem andern der beiden Werthe von V |7| wird, ausgenommen, wenn die Exponenten #.%. u... alle gerade sind, also wenn (x) ein Quadrat ist. In diesem Falle ist en VD|= a® b? c?=»-»- eindeutig bestimmt. Ist } (x) — (x— a)? (2—b): (0—e)? . — Sl) so ist a] =Cı1)”5(o). Ist p(x) nicht in lineare Factoren zerlegt, so kann man die Coeffieienten der ganzen Function (x) aus den Coeffiecienten von &(.x) durch rationale Operationen erhalten, und diese Function ist eindeutig bestimmt durch die Bedingung, dass darin der Coefficient der höchsten Potenz von x gleich +1 sein soll. Durch geeignete Wahl von (PP') kann man also erreichen, dass It eine eigentliche oder eine uneigentliche orthogonale Substitution wird, ausser wenn die charakteristische Function von PP’ ein Quadrat ist. In diesem Falle ist das Vorzeichen der Determinante der Sub- stitution R von der Wahl jener Quadratwurzel unabhängig. 17 Vergleichende Untersuchungen über die Lebens- weise wirbelloser Aasfresser. Von Prof. Frıeprıcn Dan in Kiel. (Vorgelegt von Hrn. Mößıvs.) Di. Biologie im engern Sinne oder Ethologie, wie sie die Franzosen, um allen Missverständnissen vorzubeugen, in neuerer Zeit nennen, gehört zu den ältesten Zweigwissenschaften der Zoologie. Schon Aristoteles machte Beobachtungen über die Lebensweise der Thiere. Trotzdem hat sie nicht mit den anderen, neuen Zweigen der Zoologie gleichen Schritt gehalten und ist deshalb in neuerer Zeit vielfach unter- schätzt worden. Die einfache Beobachtung nämlich, welche in anderen Wissenschaften, in denen man allgemeingültige Gesetze kennt, wie in der Astronomie, so ausgezeichnete Dienste leistet, kann in der Ethologie neben brauchbaren Resultaten zu schädlichen Missverständ- nissen führen. Man wählte das Experiment, fieng sich Thiere ein und beobachtete sie unter bestimmten Lebensbedingungen. Durch diese Methode ist manches recht schöne Resultat erzielt worden: dennoch hat sie es nicht vermocht, sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Man kam zu unsicheren Resultaten, weil schon die Gefangenschaft und die Art der Gefangenschaft neue Bedingungen in sich barg und das Verhalten eines Thieres seinem physiologischen Zustand gemäss wechselt. In der Botanik mag das einfache Experiment genügen, nicht in der Zoologie. Endlich hat man noch die Statistik angewendet. Bei Organismen, welche in ihrem Medium annähernd gleichmässig vertheilt sind. hat auch diese Methode vorzügliche Resultate geliefert, aber ethologisch nur in Bezug auf ihre Verbreitung. Wenn man nach der Art der gegenseitigen Abhängigkeit der Organismen von einander fragt, so lässt uns auch diese Methode meistens vollkommen im Stiche. Im Vorliegenden übergebe ich den Fachgenossen einen ersten Versuch in der freien Natur Experiment und Statistik für ethologische Untersuchungen zu verbinden. Ich habe dazu die nekrophagen Thiere oder Aasfresser gewählt. möchte aber gleich bemerken, dass sich dieselbe Me- thode oder Verbindung von Methoden, d.h. von Experiment und Statistik, 15 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 16. Januar. auf alle ethologischen Gruppen wird anwenden lassen. Ich wählte zu- nächst gerade diese Gruppe, weil die Mittel hier relativ einfach waren und es sich bei Misserfolgen nur um Zeitverluste gehandelt haben würde. Das Experiment, welches sich nach vielem Umhertasten als be- sonders geeignet erwies, ist sehr einfach: ein todter Sperling wurde BT. zu verschiedenen Jahreszeiten und auf verschiedenem Gelände in ein eingegrabenes Becherglas gelegt, eine glockenförmige Glas- tliegenfalle darüber gestellt, dann in bestimmten Zeitintervallen der Fang eingeholt und bestimmt. In dem Spiritus (sp) fangen sich -— die fliegenden Insecten: im Becherglase findet man die nieht fliegenden Aasfresser, welche fast ausnahmslos nicht an glat- Fangapparat. fl Glasfliegenfalle, gl Becherglas, k Kork ten Glaswänden klettern können. 1 Vogelleiche, sp Spiritus, s? Stock, ıw Ringwall. Um regelmässige und vollstän- dige Fänge zu bekommen, erwiesen sich folgende Vorsichtsmaass- regeln als nothwendig. Auf die Glocke schreibt man mit: Diamant möglichst deutlich seinen Namen, und bemerkt, dass es sich um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt. Das Wort Wissenschaft hat beim deutschen Volke einen so guten Klang, dass es auch bei der unverständigen Jugend seine Wirkung nie verfehlte. Statt des Glas- stöpsels schliesst man oben mit einem Kork, weil Rehe und Kühe den Glasstöpsel abheben. Um den Rand herum legt man einen dunkeln, um 2-3°” erhöhten Wall (w) an und lässt ein Stäbchen von der Vogel- leiche in die Falle hinauf ragen, weil die Fliegen dann nicht wieder nach aussen kriechen, sondern möglichst vollständig in den Alkohol gelangen. Der Fang muss mindestens alle acht Tage eingeholt werden, weil sonst der Alkohol zu stark verdunstet und die Thiere faulen. Bevor ich die Resultate meiner ersten Untersuchung mittheile, muss ich kurz das erwähnen, was bis jetzt über die Lebensweise un- serer Aasfresser bekannt geworden ist. Dass die Larven verschiedener Dipteren und Käfer auf Aas leben, ist längst bekannt. Die ersten zu- sammenfassenden Mittheilungen über die Dipteren machte Scmmer in seiner »Fauna Austriaca, die Fliegen, Wien 1862—64«. Vielfach ergänzt wurden diese Angaben durch eine Zusammenstellung der Litteratur von F. Brauer (Denkschr. der Akad. Wien, math. Cl. 47 S. 17, 1883). Nach Scniser kommen die Larven folgender Gattungen auf animalischen Stoffen vor: Sarcophila, Sarcophaga, Cynomyia, Onesia, Lucilia, Pyrellia, Danr: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser. 19 Piophila, Thyreophora und Phora. — Die besten Angaben über die Lebensweise der Käfer finde ich in W.vox Frıcken’s »Naturgeschichte der in Deutschland einheimischen Käfer«, 1869 (4. Aufl. 1885). FRICKEN führt folgende Gattungen als an thierischen Stoffen gefunden auf: Creophilus, Aleochara, Necrophorus, Necrodes, Silpha, Catops, Hister, Sa- prinus, Nitidula, Omosita, Trox, Corynetes, Dermestes, Attagenus und An- threnus. Es wird von ihm auch schon eine Unterscheidung im Vor- kommen sowohl nach der Örtlichkeit als auch nach der Masse und dem Alter der thierischen Stoffe gemacht. Von Neerophorus mortuo- rum und Silpha thoracica wird ganz richtig angegeben, dass sie nur in Wäldern, von Dermestes lardarius, dass er in Häusern, von Neerodes, dass er an grossen Leichen, von Trox und Corynetes, dass sie an aus- getrockneten, thierischen Stoffen vorkommen. Man hätte danach er- warten sollen, dass G. JÄGer in seiner 1874 erschienenen »Thierwelt Deutschlands nach ihren Standorten eingetheilt«, wie andere Thiere, so auch die Aasfresser nach ihren verschiedenen Fundorten gesondert aufgeführt haben würde. Ihm scheint ein derartiger Unterschied aber entgangen zu sein; denn er führt zwar einen Theil der oben schon genannten Gattungen auf, nennt aber alle bei der Betrachtung des freien Landes. Der erste, der die sogenannten Würmer an mensch- lichen Leichen näher untersuchte, war H. Reısuarn (Verh. der Zool.- bot. Ges., Wien 1881 S.207). Er fand zwei Inseetenarten, Conicera atra und Rhizophagus parallelocollis. Nach ihm wurde dasselbe Thema im vorigen Jahre ausführlich von P. Mrexıv (La faune des Cadavres, Paris 1894) behandelt. Die Schrift ist interessant, weil sie zeigt, wie die einfache Beobaehtung hier als unzureichende Methode zu fal- schen Ergebnissen führen kann. Von Thieren, die bisher noch nicht als Aasfresser aufgeführt waren, werden namhaft gemacht die Gat- tungen: Musca, Anthomyia (eigentlich Homalomyyia), Cyrtoneura, Lon- chaea, Ophyra, Tenebrio, Ptinus, Philontus, dann noch ein Paar Klein- schmetterlinge, Springschwänze und namentlich mehrere Milbenarten. Die schon früher erkannte Thatsache, dass thierische Stoffe, je nach ihrem Zustand oder Alter, von verschiedenen Aasfressern besucht werden, will M£exıy praktisch verwenden, um das Alter einer gefun- denen Leiche zu bestimmen. Wenn nun auch der Grundgedanke rich- tig ist, so sind doch seine Ausführungen, wie meine Untersuchungen beweisen, vielfach unriehtig. Me£senıy unterscheidet bis zum dritten Jahre acht Stufen des Verfalls einer Leiche. Diese acht Stufen werden wohl auf drei bis vier redueirt werden müssen. Die erste Stufe, bei noch nieht riechenden Leichen, soll durch Musca domestica, Cyrtoneura sta- bulans und Calliphora vomitoria (eigentlich ©. erythrocephala) charakte- risirt sein. Es sind das drei Hausbewohner, und auf freiem Felde 20 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar. wird sich bei einer frischen Leiche schwerlich einmal eine von ihnen einfinden. Die zweite Stufe soll durch Zueilia caesar (wohl latifrons) und Sarcophaga carnaria charakterisirt sein; beide sollen erst auftreten. wenn die Leiche stark riecht. Freilich werden sie in Wohnungen nur dureh starken Geruch gelockt werden. Es sind nämlich Freiland- bewohner, die sich aber auf freiem Felde sofort bei der frischen Leiche einstellen. — Erst bei der fünften Stufe wird Phora (eigentlich Coni- cera) genannt. Sie kommt nämlich in geschlossenen Särgen auch dann noch vor, wenn die anderen Arten schon abgewirthschaftet haben. Auch hier ist die Ursache nicht ganz richtig erkannt. Die Gattung Phora im weitern Sinne enthält kleine, wenig fliegende Arten, die schon in einem engen Sarge fortexistiren können, während den anderen der Raum doch wohl zu eng sein mag. Jedenfalls fieng ich Phora und Conicera schon an frischen, noch nieht riechenden Thierleichen. In dieser kurzen ersten Mittheilung kann ich nieht meine sämmt- lichen Resultate zur Darstellung bringen. Schon eine Aufzählung aller bisher an Thierleichen gefundenen Arten würde viel zu umfangreich werden. da ich eine Anzahl neuer Arten beschreiben müsste'. Nur die Gruppen, welche in Betracht kommen, mögen genannt werden. Es wurden gefangen: Schnecken, Käfer, Kleinschmetterlinge,. Ameisen, Schlupfwespen, Dipteren, Springschwänze, Phalangiden, Milben und Würmer. Die Schlupfwespen, theils echte Schlupfwespen und Ptero- malinen, theils und besonders Exodonten, legen ihre Eier in lebende Fliegenmaden, sind also nicht zu den nekrophagen Thieren zu rechnen, wiewohl auch sie höchstwahrscheinlich durch den Geruch der Thierleiche angelockt werden. Ebenso fressen manche Käfer, welche sich häufig an Thierleichen finden, wohl fast ausschliesslich Fliegenmaden. Nicht sehr selten fängt man sogar einen Frosch, welcher bei seiner Jagd auf Fliegen in die Falle geräth”. Ich beschränke mich hier zunächst auf die Dipteren und zwar auch nur auf diejenigen Arten, welche in grösserer Zahl gefangen wurden. Die Dipterenlarven dringen meist von der Oberseite in die Thierleiche ein und besitzen die Eigenschaft, durch ein flüssiges Seeret die äusserlich etwas eingetrocknete Masse weieh und geniessbar zu machen. Sie stehen dadurch ethologisch den Käfern gegenüber, welche vermittels ihrer kräftigen Beine und ihres festen Körpers unter die Thierleiche zu gelangen suchen und diese dabei oft vollkommen einscharren (Todtengräber). ' Eine kleine Monographie der Gattungen Phora und Limosina werde ich an einem anderen Orte veröffentlichen und hier nur provisorische Namen verwenden. 2 Im Winter kommen auch Mäuse in Betracht, von denen ich allerdings noch keine fieng. Dante: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser. 21 Für die hier mitzutheilenden Versuche wurde immer ein todter Sperling verwendet. Kopf, Flügel, Beine und Schwanz wurden abge- schnitten, damit der Vogel das Glas nicht zu weit füllte. Weiter wurde dafür gesorgt, dass die Leiche nicht vollkommen austrocknete. Von den in Betracht kommenden ethologischen Factoren können also drei: die Grösse und Art der Leiche und ihr Zustand als an- nähernd constant betrachtet werden, so dass alle Abweichungen auf die beiden anderen Faetoren: Zeit und Ort zurückgeführt werden müssen. In der hier gegebenen Tabelle ist eine Reihe meist achttägiger Fänge, welche unter möglichst verschiedenartigen Verhältnissen, d.h. an verschiedenen Örtlichkeiten oder zu verschiedenen Jahreszeiten ge- macht wurden, dargestellt. Vergleicht man zunächst nur die in den ws Sirzungsiseriehte 1896. arluız: 3% ZW 3Wws: 6. 7B SINE IDG: 10. Haus | Wald | Wald | Wald | Sumpf| Feld | Düne |Buchen-| Eichen- |Fichten- wald wald | wald 25/4 -1/5|7/7-14/7| 5/12- 13/12 | 21/7-28/7 9/7- 14/7|18/8- 25/8 16/8- 23/8 |16/8- 23/8 16/8- 23/8 1. Calliphora erythrocephala (Me.)| ı1 — I _ — —_ — 3 | — 2 2. Homalomyia canicularis (L.) ..| 6 —_ _ _ _ -- — —_ _ — . Drosophila funebris (P.).....- I _ I — — —_ — u = — 4. Limosina exigua Rxo......... I _ — |! — — — _ _ — — 5- Phora rufipes (Me.) ......... 8 _ _ u — = = —_ _ — 6. Pollenia vespillo (F.)......... n— 23 —_ — — — — _ — — 7- Phora maculata Me. ........ _ 3 —— _ u —_ — _ _ Pollenia rudis (F.)..........- _ 35 — —_ 2 23 —_ -- _ 1 9. Borborus fimetarius Me. ..... _ 9 — — — —_ _ 6 2 2 0. Limosina umbratica n. sp. ....| — 12 — _ _ -- — 4 2 I E Phora pumila Mc. .......... - 29 | 23 —_ 40 — —_ Bow nz 12 . Sciara sylvatica M&.......... — I1 6 _ _ u — & | 3 . Rhyphus fenestralis (Scor.) ...| — 2 7 E= _ — = = | 2 I . Ducilia caesar (1..) .........- — —_ 3 _ — n— _ 1 — — . Calliphora vomitoria (L.)..... — u 2 — — == — 4 — 8 . Aricia pallida (F.) ..........- —_ —_ 18 —_ — >= = 10 = 2 Homalomyia diffieilis P. Stem.| — u 6 E — — —_ 3 _ ı Helomyza rufa Faut. ........ —_ — 7 —_ _ _ —- 19 8 4 9. Helomyza hilaris Zeır. ...... —_ —_ 6 — —_ = — 11 I 2 . Helomyza pallida Farr.......| — - I En _ — _ 5 2 33 . Drosophila obseura Faıı. ....| — — 107 — —_ I = 114 7 16 2. Dryomyza anilis Fauk........ — _ — — — — _ 5 9 1 Dryomyza zawadski Scuunm..| — — — 5 —_ —_ — —_ — — . Phora hiemalis n. sp. ........ u - — [ — =. = — — = 5. Trichoceru hiemalis (Geer.)...| — — — 3 —_ _- | — — E — 6. Lucilia sylvarım (Me.)....... — u — 2 8 2 —_ — _ — 7- Cyrtoneura caesia Mc.......- — | — — _ 56 En — Ab | 8. Helomyza similis MG......... le — | ı — — | — — u — 9. Nemapoda cylindrica (F.) ....| — | — Here — 147 — ll — — = 0. Phora coneinna Mg.......... ze I Fe 1. Psychoda phalaenoides ....... B= -—ı | — ER: = E= 2. Drosophila palustris u. sp..... _ = = al 3 — HI? — — me 33. Limosina quixquilia Hauw. ...| — En _ — ML = = Zu 5. Phora ciliata (ZETT.)......... no un + wa u Telrz jez Fa a ar ee: Haus | Wald | Wald | Wald | Sumpf | Feld | Düne |Buchen-) Eichen- | | || wald wald 14/7-6/8\25/4- 1/5|7/7- 14/7| 5/ı2- 13/12 |21/7- 28/7 18/8- 25/8 16 8-23/8 | 16/8- 23/8) 9/7-14/7| . Conicera atra Me. .......... . Sarcophuga carnaria (L.) .... . Sarcophaga albiceps Me. ..... . Sarcophaga haematodes Me. .. . Cynomyia mortuorum (L.) .... . Zucilia latifrons Scuim........ . Anthomyia platura Me....... . Anthomyia floralis (Farı.).... . Limosina vitripennis ZETT..... . Limosina erassinana Haı..... . Myospila meditabunda (F.) .... . Limosina pumilio (Me.) .....- . Oseinis pusilla (Me.)......... . Aricia lucorum (FauL.)....... . Drosophila flaveola Me....... . Limosina heteroneura Hauın...| — == — TI — Ei . Anthomyia einerella (Faır.)...| — = | = FE — 4 ie . Fucellia fucorum (Farr.)...... _ _ _ —_— ll 96 a . Scatophaga litorea (Farr.)....| — | | 2 a pr . Phora litoralis n. Sp. ........ -- — | | | | 7 = = Col. 1-7 verzeichneten Fänge, so bemerkt man, dass jeder von ihnen eine grössere Zahl von Arten, meist auch in grösserer Individuenzahl enthält. welche in den übrigen Fängen entweder ganz fehlen oder doch in weit geringerer Zahl sich finden. Der erste Fang wurde im Hause, und zwar im Aquarium des Kieler Zoologischen Instituts ge- macht. Die 5 ersten Thierarten sind für ihn charakteristisch. Die drei folgenden Fänge wurden im Walde, und zwar in einem grösseren, hügeligen Buchenwalde in der Nähe von Kiel (Rönnerholz) gemacht, der erste im Frühling, der zweite im Sommer und der dritte im Winter. Auch sie sind sowohl unter sich als auch von den anderen fast vollkommen verschieden. Die Arten 6-25 vertheilen sich auf die drei Fänge so, dass auf den Frühjahrsfang 6-ı3, auf den Sommerfang 11-21 und auf den Winterfang 23-25 entfallen. Die Arten 26-34 sind die Hauptvertreter in einem Sommerfange, wel- cher auf einem sehr sumpfigen, dicht mit hohem Schilf und hier und da mit Büschen bewachsenen Gelände am Wellsee bei Kiel ge- macht wurde. Ebenso sind die Arten 34-44 die fast ausschliess- lichen Vertreter eines Julifanges, welcher auf einem trockenen, sehr sonnigen Roggenfelde bei Elmschenhagen, einem hügeligen Ge- lände. welches von Wald, Wallheeken und Wiesenland ziemlich weit entfernt ist, gemacht wurde. Zum Schluss kommt dann noch ein Dann: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser. 23 Augustfang, welcher am Meeresstrande, auf einer mit Strandhafer bewachsenen freien Sanddüne in der Nähe von Dahme an der Ostsee gemacht wurde. Für ihn sind die Arten 45-55 charakteristisch. — Ich habe diese Fänge vorangestellt, um zu zeigen, dass Fänge, welche in der oben angegebenen Weise gemacht werden, recht verschieden ausfallen können. Die 'Thatsachen beweisen aber, wie sich gleich zeigen wird, dass die Ursache der Verschiedenheit in den verschie- denen Lebensbedingungen zu suchen ist. Die Col. S-ıo der Tabelle geben Auskunft über drei weitere Fänge, welche alle zu gleicher Zeit in verschiedenen Wäldern gemacht wurden, der erste im Buchenwald, der zweite im Eichenwald und der dritte im Fiehtenwald, alle in der Nähe von Dahme. Die drei Plätze hatten gemein, dass sie schattig waren und ziemlich trockenen, ebenen Humusboden besassen. Man darf also wohl annehmen, dass die Lebensbedingungen weit weniger verschieden waren als in den schon angeführten Fällen. Das Resultat ist überraschend. Von den 22 Thierarten sind S allen drei Fängen gemein, S sind wenigstens in zwei Fängen vertreten, und nur 6 Arten bleiben zurück, welche auf einen einzigen Fang beschränkt sind. — Noch grösser wird die Ähnlichkeit, wenn man den Dahmer Buchen- waldfang mit dem Sommerfang aus dem Rönner Buchenwald, also den 8. Fang mit dem 3. der Tabelle vergleicht. Obgleich der erstere im August 1894, der zweite im Juli 1895 gemacht wurde, obgleich der Wald bei Dahme ganz eben, das Rönnerholz stark hügelig ist, obgleich endlich beide Orte um mehr als 60°” von einander entfernt liegen, sind doch ı2 Arten beiden gemein, ja die Arten finden sich sogar in annähernd gleicher Individuenzahl. Die Ähnlichkeit ist so gross, dass es sich hier nicht um einen Zufall handeln kann, sondern dass meine Fänge thatsächlich als Maassstab der relativen Häufigkeit nekrophager Dipteren gelten können. Um alle Zweifel über diesen Punkt zu beseitigen, sind in der folgenden Tabelle die Fänge zusammengestellt, welche an demselben Orte nach einander gemacht wurden. In der ersten Zeile ist Ort und Zeit des Fanges, in der zweiten die Zahl der Fangtage angegeben. Ist irgend eine Störung eingetreten und der Fang deshalb als nicht ganz vollständig zu betrachten, so ist die Zahl eingeklammert. Die dritte Zeile gibt die mittleren Temperaturen, welche mir nach den Beob- achtungen des Kieler physikalischen Instituts von den HH. Prof. L. Weser und C. Jensen gefälligst angegeben wurden. — Die Tabelle zeigt das Auftreten und Verschwinden der verschiedenen Dipteren- Arten nach der Jahreszeit. Man bemerkt zunächst, dass einige Arten sich nur in wenigen Fängen nach einander finden (16, Aricia pallida), während andere vom Frühling bis in den Herbst hinein 2% 5} 25/4-ı/5 | 10/5-16/5 -23/5 | -30/5 | -5/6 -11/6 | -19/6 -24/6 -30/6 | -7/7 | -ı4/7 Zahladerllape.. een nepes een Te | 5 | (6) | (8) 5 6 | (7) ze IR Temperaturmittel O°............. 12.7 | 12.8 |11.2 13.5|15.3 17.3 12.9 17.4| 17.2| 16.2) 16.3 16.7 1. Pollenia vespillo (F.).......... ss I |-|1-|1-|1-|—-|1-|1-|—- | —_—|ı— 2. Phora maculata....2......... —_ je ll | — | 3. Pollenia rudis (R.)..... ........ 13 — le | = 4. Sciara sylvatica Me. ......... 6 I — u — | I 2 8 320] 6 I 5. Borborus ‚fimetarius Me. ...... - 3 2 I-|-|-|-|1|1—- | | — 6. Phora pumila Me. «2.2.2...» 18 I 1. 124) — [36 Ira] aıar)ıaa | 23 | 27 7. Rhyphus fenestralis (ScoP.) ... = I 2 Soız I 34 2.11,7421:923120721029 8. Calliphora vomitoria (L.)...... = — —|ı | —|2 |— | —| 1) — | 2 2 OIELDONTECABSHE NN) Annan — _ —-|-|-|3|-|—-|3|—-|3|— 10. Homalomyia diffieilis P. Stein... —_ E= lea | — || 2 1241746 | 13 ı1. Drosophila obseura Fat. ..... n— — —| 2 2: [20° 47 |7127390| 357] Konnte ı2. Helomyza rufa FauL.......... — u —|—-|'—-|ıı) 2 I 7 I 73 13. Helomyza hilaris ZETT. ....... —|ı 2 1/92 |. — | 6 I 14. Helomyza nemorum Me........ — | == — 1,6 | 6 a 2 ı — | — 15. Helomyza pallida Farr........ — = ee ale |, | = 16. Aricia mallida (E-) ........... n - —_-—ı-1-|-|-|—-|12),\01 BE 17. Trichocera hiemalis (GEER.).... _— — — 1 — | | — je — la 18. Phora hiemalis n.SPp. .......+. | | — —|-|1-|-|1-|—- 1. Pollenia vespillo (F.) ......... 23 — — — | I—|I— 2, Pollenia rudis (B.) »:.2.....0... 35 a a ee | | 5 ll | 3. Phora pumila Me. ........... 29 I WS) I 31—|4 I len 4. Rhyphus fenestralis (Scor.) .... 2 m |s (12| 8) 5 03.087 or saure 5. Calliphora vomitoria (L.) ...... —_ le | 311-1114 I Zu 6. Ineiliaveaesar (U) seen. — — — | IlIı- -—|-|1-/|24|24|4 \— 7. Aricia lardaria (F.) .......... _ — ie 317 164 (rar or Iı— 8. Helomyza rufa Far. ......... —_ I — | — | — | 3 ler Gl len 9. Helomyza hilaris ZEIT. ....... Ss | | INT ae: Se 10. Helomyza nemorum Me. ...... — u Be IR) — | — |; 9 2 | —. | =- ı1. Helomyza pallida Farr........ osx I1ıl—|3 een 12. Dryomyza zawadskü Scnumn... — —_- | -1-|1-|-— ee l— 13. Trichocera hiemalis (GEER.).... _— — u — | Ba N 24 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 16. Januar. Rönnerholz, auf einem trockenen Hügel, 1895. wenigstens einzeln gefangen wurden (6, Phora pumila). Die ersteren kann man als stenochron, die letzteren als euryehron bezeichnen. Von den stenochronen Thieren treten einige im Frühling auf (1 und 2), andere im Sommer (16) und noch andere im Herbst oder Winter (17 und 18). — Auch die Regelmässigkeit des Auftretens ist ver- schieden. Einige Arten zeigen sich während der Zeit ihres Vor- kommens fast in jedem Fange, oft sogar in ganz regelmässiger Individuenzahl (6 und ı 1) andere treten in geringerer oder grösserer Unregelmässigkeit auf (5 und 9). Wir werden wohl nicht sehr fehl- gehen. wenn wir annehmen, dass für die ersteren (es sind kleinere Arten) die Existenzbedingungen günstig waren, während die letzteren an etwas abweichende Verhältnisse angepasst sind. Es liegt z. B. die Dann: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser. 25 Dahmerholz 1894. Rönnerholz, Hügel, 1895. 16/8-23/8-31/8| -8/9 |-13/9 17/10-24/10\-31/1o\-7/ıxl-x4/xr-ar/zn-28/17 -5/12)-23/12-20/12|-27/12 Zahle dev Tape... ou euer 00. on. 7 SE IKSS ES N Tees Tl Temperaturmittel C9............ 12.7 |13.710.811.01 6.4 4.8 |7.4| 9.2 | 6.4 | 2.3 |2.1| 3.8 |-1.9 | 0.7 1. Pollenia vespillo (F.)......--.» —e = | —l — | — Ze 2. Phora maculata.........---- _ |-1-|1— — Bee 3. Pollenia rudis (F.) ....-..--- — |-|1—-|— — —_—-|_-—|i|12|1-ı- - —-ı— 4. Sciara sylvatica Me........-- 6 ı1|14|5 _- |-1-- -1-i- - - | — 5. Borborus fimetarius Me. ..... 6 RaleA7 | 5 — _-—ı-ı -|-|-|- - — We 6. Phora pumila Me. .........» 19 22,23 16 . 1 — lee | 7. Rhyphus fenestralis (Scor.) ...| — |—|—- | — I 6: 3 Deal el—ı— | en 8. Calliphora vomitoria (L.)..... 4 —|1|1— _ -- | Il I— | —|—-| —| — | es 9. Lueilia caesar (L.) Be atslaladsreie I — — _ _—ı 1-1 -ıi-ı - - | — 10. Homalomyia diffieilis P. Stein.. 4 9I1|1— — - | _ı— | —_ | Hl ee ı1. Drosophila obscura Far. .... 114 |50|34| 4 —e —|ıl6|4ı | —|-ı—ı —| — ı2. Helomyza rufa Faıı......... 19, |17\| 4 | 2 5 — | RE Br | —. || |) — | —.| 13. Helomyza hilaris Zeit. ...... X era, e8 | 1 BE ee 14. Helomyza nemorum Me......- Sea lie NE 6 12 3/|8ıe2l7ı|l—-|-|-|i —-| — 15. Helomyza pallida Faı....... 5 ar E72 9 3/1414 |8|I — I|—- ı !ı— | — 16. Aricia pallida (F.) .....----- 10 8| ı | — _ _ | p= — | 17. Trichocera hiemalis (GEER.)... —_— ||| 2 —|ıı 2 3 ı |—!3 ı!ı 18. Phora hiemalis n.Sp. ......»» ea — | N = —|—| —|ı | = all Rönnerholz, Waldsumpf, 1895. 1. Pollenia vespillo (F.)......... — ——— _— — |—| — | — | — =) = 2. Pollenia rudis (F.) .......-.. —_— 1-11 = —|5|—| —| | | jur 3. Phora pumila Me. .........- 19 |22]23| 16 — |—|-—|ı ver —l—-|—| — 4. Rhyphus fenestralis (ScoP.) ... le 4 [Erkun| 3 ee ee ee 5. Calliphora vomitoria (L.) ....- 4 —|1—|— hal u) — BE BEN BR 6. Lueilia caesar (L.) ....- nr, I —ı2|ı— _— |— | | -|1-|-i- -|-|— 7. Aricia lardaria (F.).......-.- I l — ll, ale 8. Helomyza rufa FauL........- 2 Werd 2 — 2 1011.16 3l-1-|-|1—| 9. Helomyza hilaris ZEIT. ...... ErF 1308 je u ;sI|3|2|2| —|—| — | — I 10. Helomyza nemorum Me....... Tore 5er ı1. Helomyza pallida Faur. ..... 5 | 3|7 | 2 2 2 ||| qu|ı ı | —| — 12. Dryomyza zawadskü Scnumn.. _ =: 8 | E= — — |12| 26 | 24 | 10.03. 5 | — 93 13. Trichocera hiemalis (GEER.)... _— |-1-|— _ ee er Er 3| — | I Vermuthung nahe, dass die grösseren Arten, wie Calliphora vomitoria und Zueilia caesar an grösseren Thierleichen ihr speeielles Wirkungs- feld finden. Freilich würde der Beweis dafür noch experimentell zu erbringen sein. Man würde festzustellen haben, ob sich diese Arten an grösseren Thierleichen regelmässig einfinden. Bevor wir weiter gehen, müssen wir kurz die Ursachen für das Auftreten einer Thierart festzustellen suchen. Man hört oft die An- sicht äussern, dass das Auftreten einer Thierart zu einer bestimmten Jahreszeit stets durch die Temperaturverhältnisse gegeben sei. Man nimmt also an, dass eine bestimmte Wärmemenge nöthig sei, ein Thier unter sonst günstigen Verhältnissen zur Entwiekelung oder zum Auf- treten zu bringen. In manchen Fällen mag diese Annahme annähernd 26 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 16. Januar. riehtig sein, sicher aber nicht in allen. Für die Annahme scheinen z. B. meine Erfahrungen an Drosophila obscura zu sprechen. Um das zu zeigen, gebe ich eine Curve, welche ihre Häufigkeit in den Fängen, j Inn NA | | ll) ill ‚AL 23 30 SIW IR ER 0 ZMIEELRE 230734 HER 12. 24K 34. JU/A2I 28. SIEI3 20. 25 Curve, welche die Häufigkeit von Drosophila obseura während des Sommers zeigt. 4 Nullpunkt der Curve. 00 C. Nullpunkt einer Temperatureurve. Die drei höchsten Zahlen sind eingeschrieben. Unten steht das Datum. alle auf dieselbe Zahl von Fangtagen berechnet, graphisch wiedergibt, und stelle eine Temperaturcurve daneben. Für andere Thiere scheint mir ebenso fest zu stehen, dass die Temperatur auf ihr Erscheinen einen nur secundären Einfluss hat. Die Existenz von Frühlings-, Herbst- und Winterthieren dürfte sich kaum mit dieser Annahme ver- einigen lassen. Wir bemerken nämlich bei allen in gleicher Weise, dass ihr erstes und ihr massenhaftes Auftreten an relativ warme Tage gebunden ist. Ich glaube, wir können auch hier, wie in vielen anderen Fällen, der Ansicht nicht entrathen, dass sich auf der Erde durch den Wechsel der Jahreszeiten, wie durch den von Tag und Nacht. Periodieitäten herausgebildet haben, welche vollkommen in die Constitution des Organismus übergegangen sind. Physikalische Verän- derungen waren die Ursache der Periodieität, bestimmen aber jetzt nicht mehr allein die Perioden, sondern können dieselben nur mehr oder weni- ger abändern. Als unzweifelhaftes Beispiel dieser Art kann immer die Mimose gelten, welche ihre Blätter je nach der Tageszeit öffnet und schliesst. auch wenn sie an einen vollkommen dunkeln Ort gebracht wird. In vielen Fällen handelt es sich entschieden um Anpassungen direct an physikalische Verhältnisse. So kommen die grösseren Phora- Arten. Ph. maeulata und Ph. hiemalis in den kühleren Jahreszeiten vor Dann: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aastresser. 27 und sind im Sommer durch die kleinere Ph. pumila vertreten. Den physikalischen Verhältnissen entsprechend sind die beiden ersteren Arten einander ähnlich. Sie haben sich vielleicht unabhängig von einander gebildet, aber unter dem Einfluss ähnlicher Verhältnisse. Eine Vermischung ist ausgeschlossen, hier nicht durch örtliche, son- dern durch physikalische Barrieren, durch den Frost des Winters und die Wärme des Sommers, gegeben. — Nicht immer handelt es sich indessen um Anpassungen direct an die physikalischen Verhältnisse. Oft ist es das Auftreten der Nahrung oder der Feinde, welche das Vorkommen zu einer bestimmten Jahreszeit bedingen. Viele Aasfresser leben zugleich in faulenden Pilzen oder in faulenden Vegetabilien, und da diese Stoffe sich besonders im Herbst massenhaft in unseren Wäldern finden, so sind auch jene Thierarten im Herbst am zahl- reichsten vertreten. Dahin gehören die Gattungen Helomyza, Dryomyza, Trichocera u.s. w. Da die Vegetation ihrerseits wieder von den phy- sikalischen Verhältnissen abhängig ist, so bleiben diese es immerhin in letzter Instanz, welche das Auftreten aller Thierarten bestimmen. Wenden wir uns jetzt den vier bei Dahme gemachten Fängen zu, so bemerken wir, dass sie in Bezug auf manche Thierarten auffallend genau in das Schema hineinpassen. Ich verweise besonders auf die Nr. 6, ı1, ı2 und 16, da diess kleine, vollkommen angepasste und deshalb regelmässig auftretende Arten sind. Andere, ebenfalls kleinere Arten zeigen dagegen für die beiden Orte bedeutende Differenzen. So sind Sciara (4) und Borborus (5) in den Fängen bei Dahme häufiger, während im Rönnerholz Rhyphus fenestralis, die bei Dahme zu fehlen scheint, regelmässig gefangen wurde. Ich hatte schon darauf hinge- wiesen, dass das Rönnerholz sich besonders durch hügeliges Gelände von dem Dahmerholz unterscheidet. Wir dürfen also wohl annehmen, dass die gefundenen Unterschiede auf die dadurch gegebene Verschie- denheit der Lebensbedingungen zurückzuführen sind. — Um nun zu untersuchen, in wie weit geringe Verschiedenheiten der Lebensbedin- gungen eine Abweichung der Fauna zur Folge haben können, wurden in demselben Walde, im Rönnerholz, Parallelfänge gemacht, einerseits an einem möglichst hohen, trockenen Orte und andererseits an einem von dem ersten entfernten Orte km möglichst tiefliegenden etwa ı unmittelbar neben einem Waldtümpel, der auch im Sommer nicht vollkommen austrocknete. Niedere Vegetation und Unterholz fehlte an beiden Orten. Die Fänge vom hochgelegenen Orte sind die bisher betrachteten. die des tiefliegenden stehen in der unteren Abtheilung der Tabelle S. 24/25. — Man sieht, dass beide Reihen nicht unbe- deutend von einander abweichen. Manche Arten zwar, wie Rhyplus, Calliphora und Lueilia sind hier wie dort gleich häufig, andere aber 28 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 16. Januar. wie Phora zeigen recht erhebliche Abweichungen, und noch andere konnten in der einen oder anderen Reihe vollkommen fortbleiben, weil es sich nur um ganz vereinzelte Individuen handelte. Aus dem Angeführten ist ersichtlich, dass die verschiedenen Thierarten sich den Lebensbedingungen gegenüber verschieden verhalten. Einige sind an ganz specielle Verhältnisse angepasst. Wir können sie als stenotop bezeichnen. Andere dagegen scheinen gegen Veränderungen weniger empfindlich zu sein, sie können also eurytop genannt werden. Nachdem so an den Fangserien dargethan ist, wieviel auf einen einzelnen Fang an einem Orte zu geben ist, kehren wir jetzt wieder zur ersten Tabelle zurück. um noch einige weitere Schlüsse aus der- selben zu ziehen. Ein Thier, welches an verschiedenen Orten erbeutet wurde, braucht nicht immer eurytop zu sein. So kommen aus leicht ersicht- lichen Gründen Hausbewohner oft auf frisch gedüngten Feldern vor, nicht selten auch an verkehrsreichen Landstrassen, und da Landstrassen durch Wälder und Einöden führen, fängt man sie mehr oder weniger vereinzelt fast überall. Man muss schon sehr einsame und von allem menschlichen Verkehr weit entfernte Orte aufsuchen, um sich ganz von ihnen frei zu machen, zumal da die Geruchswahrnehmungen bei den Fliegen ganz ausserordentlich hoch entwickelt sind und dabei ihr Flug von nicht geringer Schnelligkeit und Ausdauer ist. — Ebenso schwer ist es, in Schleswig-Holstein Fänge zu machen, welche gar keine Waldthiere enthalten. Da alle Felder, wenigstens im Osten der Provinz, von breiten Wallhecken, den sogenannten Knicks um- geben sind, kann man sich kaum um einige hundert Meter von allem Buschwerk entfernen. Wiesen und Seeufer wechseln hier ab mit troekenen Hügeln, und die Dünen am Strande der Ostsee sind eng umgrenzt von Wiesen, Feldern und Wäldern. In allen solchen Fällen sind allein die Individuenzahlen ausschlaggebend. Calliphora ery- throcephala kommt nur in dem Hausfang in grösserer Zahl vor, fehlt aber auch in den schattigen Wäldern nicht ganz, da die Fang- plätze nicht weit von Fahrstrassen entfernt waren. Immerhin müs- sen wir sie zu den Hausbewohnern zählen. Eine nahe verwandte Art C. vomitoria kommt unter den verzeichneten Fängen nur im Walde vor. Trotzdem fieng ich sie einmal im Zoologischen Institut zu Kiel mit der vorhergehenden Art zusammen in nicht geringer Zahl. Es war nämlich vor einigen Jahren, als ein todter Elephant angekauft war, der einen ganz ausserordentlich starken Verwesungs- geruch verbreitete und deshalb jenen Waldbewohner vielleicht aus dem km etwa 1” entfernten Düsterbrooker Gehölz herbeilockte. Eurychron sind Nr. 11, ı2 und ı3, da sie zugleich im Frühlines- und im Sommerfan 3 | 8 Danr.: Untersuchungen über die Lebensweise wirbelloser Aasfresser. 29 des Rönnerholzes sich finden. Nr. ıı ist ausserdem eurytop, da sie sieh nicht nur im Walde, sondern auch im Schilf zahlreich findet, also an zwei Orten, welehe nur das gemein haben, dass sie, wenig- stens unmittelbar am Boden, dicht beschattet sind. Eurytop sind auch Conicera atra (34) und Phora eiliata (45). Doch scheint es, als ob die letztere Art mehr die Nähe von sumpfigen Gewässern liebt. s ist das ein Punkt, in welchem der Dünenfangplatz mit dem Schilf- fangplatz übereinstimmte. Für Conicera atra aber scheint der etholo- gische Ort, d. h. die speeiellen Lebensbedingungen, an welche das Thier angepasst ist, überhaupt noch nicht getroffen zu sein, da ich das kleine Thierehen dann in grösserer Zahl gefangen haben müsste. Vielleicht wird es durch die Ausdünstung des Bodens angelockt, wenn sich ältere Leichen in der Tiefe befinden. Der Umstand nämlich, dass man die Maden dieser Fliege an älteren Leichen der Kirchhöfe fast ausschliesslich gefunden hat, legt die Vermuthung nahe, dass die Eier auf‘ den noch lockern Boden abgelegt werden und die aus- geschlüpften Larven tief in den Boden und durch die gelockerten Spalten der Särge zu den Leichen gelangen. In geringerm Um- fange sind derartige Wanderungen junger Larven von Lucilia durch Scenmer direet beobachtet worden (Fauna Austriacal p. 589). — Eurytop scheint nach der Tabelle auch Pollenia rudis (7) zu sein. Doch liegt hier ein ganz besonderer Fall vor, wie es schon die Verschiedenheit der beiden Fundorte: schattiger Wald und sonniges Feld, vermuthen lässt. Es handelt sich hier nämlich um eine Fliege, bei welcher Weibehen im ausgebildeten Zustande überwintern, um im nächsten Frühjahr vielleieht den einzigen Stamm für die Nachkommenschaft zu liefern. Es sind Freilandbewohner, die aber während des Winters oft tief in unsere nicht sehr umfangreichen Wäldchen eindringen. um sich unter Laub und Moos vor der Kälte zu schützen. Im Frühling fieng ich nur Weibehen. — Ein interessantes Resultat, das sich aus der Tabelle ergibt, ist die wechselseitige Vertretung bestimmter For- men oder Formenkreise an den verschiedenen Orten. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Calliphora erythrocephala ein Hausbewohner, ©. vomitoria ein Waldbewohner ist. Beide zusammen stehen als Schatten- bewohner den Arten der Gattung Sarcophaga als Freilandbewohner gegenüber. Ein gleicher Unterschied ergibt sieh zwischen der Gat- tung Homalomyia mit H. canicularis im Hause und AH. diffieilis im Walde einerseits und der Gattung Anthomyia andererseits. Es sind Gattungen mit kleineren Arten. — Manche Gattungen haben an den verschiedenen, ethologischen Orten je einen oder einige Vertreter. &s handelt sich da gewissermaassen um vicarürende Typen, wenn wir uns eines Ausdruckes aus der Thiergeographie bedienen dürfen. 30 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe, vom 16. Januar. Aus der Gattung Zucilia ist L. caesar Waldbewohner, L. latifrons Freilandbewohner und Z. sylcarum Sumpfbewohner. Aus der Gattung Drosophila ist D. funebris Hausbewohner, D. obscura Waldbewohner, D. palustris Sumpfbewohner und D. flaveola Freilandbewohner. Aus der Gattung Limosina ist L. exigua Hausbewohner, L. umbratica Wald- bewohner, Z. quisquilia Sumpfbewohner, L. obtusipennis Freilandbewoh- ner und Z. heteroneura Meerstrandsbewohner. Aus der Gattung Phora ist Ph. rufipes Hausbewohner, Ph. pumila Waldbewohner, Ph. coneinna Sumpfbewohner, Ph. eiliata Freilandbewohner und P%. litoralis Meer- strandsbewohner. Diese Beispiele, denen sich übrigens noch weitere anreihen lassen, werden genügen, das Gesagte zu demonstriren. Damit schliesse ich meine vorläufige Mittheilung. Es ist ein kleiner Bruchtheil von dem, was ich auf dem neubetretenen Gebiete bisher erkannt habe. Ich hoffe aber, dass es genügen wird, den Wertlı der Methode zu zeigen und zur Mitarbeit anzuregen, denn viel ist noch zu thun auf dem weiten Gebiete der Ethologie. Auf ein schon in Aussicht stehendes Resultat, welches in den vorliegenden 'Thatsachen nur durch- sechimmert, sei mir gestattet kurz hinzuweisen. Die in höheren Thier- gruppen schon erkannte Regel, dass jedes Thier im Haushalt der Natur eine ganz bestimmte, nur ihm zukommende Rolle spiele, scheint auch bei den zahlreichen niederen Thierarten Gültigkeit zu haben. Es ist das ein nothwendiges Postulat der Selectionstheorie, nach welcher die Lebensbedingungen unter der Wirkung des Kampfes ums Dasein (die einzelnen Arten schufen. Noch ein anderer allgemeiner Gesichtspunkt sei wenigstens kurz angedeutet. Es ist das Verdienst Hexsex’s, nachgewiesen zu haben, dass die Plankton - Organismen äusserst gleichmässig vertheilt sind. Ich möchte diesen Satz verallgemeinern, und behaupten, dass die aller- meisten Thiere da, wo sie vorkommen, in ihrer Wechselbeziehung zur Nahrung weit gleichmässiger vertheilt sind, als man bisher ahnte. Ist die Nahrung selbst gleichmässig vertheilt, so sind es meistens auch die Consumenten, und die Sinnes- und Bewegungsorgane zur Gewinnung der Nahrung treten zurück. Als Beispiel dieser Art können die meisten Planktonthiere gelten. Ist dagegen die Nahrung ungleich vertheilt, so steht mit dieser Ungleichmässigkeit die Ausbildung der Sinnes- und Bewegungsorgane immer genau im gleichen Verhältniss. Die Fänge müssen also, mit Zuhülfenahme dieser Funetionen, auch hier annähernd gleich ausfallen. Über den Zeusungskreis von Paramoeba eilhardi n.g. n.Sp. Von Dr. Frırz ScuAauvinn. Assistenten am Zoologischen Institut zu Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Scnutze.) Im Laufe der letzten zwei Jahre hatte ich wiederholt Gelegenheit, in den Meerwasseraquarien des Berliner Zoologischen Instituts einen amoebenartigen Organismus zu beobachten, der mir besonders wegen seiner Kernverhältnisse auffiel. Er war einkernige, und der Kern zeigte den bei Rhizopoden sehr verbreiteten bläschenförmigen Bau; neben demselben lag stets ein stark lichtbrechendes, kugeliges oder wurstförmiges, scharfbegrenztes Gebilde, wie es bei keiner Amoebe bisher beobachtet war. Lange Zeit konnte ich keine anderen Stadien auffinden und auch nicht die Art der Vermehrung dieser Rhizopoden beobachten. Zum eingehenden Studium und zur sorgfältigen Züch- tung dieser Amoebe wurde ich erst veranlasst, als ich bemerkte, dass dieselbe sich auf Deekgläsern einfand. die senkrecht in die Aquarien gehängt waren, um die Verwandlung von Foraminiferenschwärmern zu verfolgen. Diese Beobachtung erweckte nämlich die Vermuthung, dass die Amoeben nur im Schwärmsporenstadium auf die Deckgläser gelangt sein könnten. — Schon vorher war mir aufgefallen, dass gleichzeitig mit dem epidemischen Auftreten der Amoeben in denselben Gläsern auch in grossen Mengen kleine braungelbe, zweigeisselige Flagellaten sich zeigten. Eine genauere Untersuchung der letzteren ergab, dass sie ganz ähnliche Kernverhältnisse wie die Amoeben auf- wiesen, nämlich auch einen stark lichtbrechenden Körper neben dem bläschenförmigen Kern. Vermittels der Deckglasmethode und durch Anlage von Reineulturen in kleinen Glasschalen, sowie dureh Zucht und Beobachtung in meinem Mikro-Aquarium'! gelang es festzustellen, dass die erwähnten Amoeben und Flagellaten nur verschiedene Zu- ! Scnavpınn, Ein Mikro-Aquarium ete., in: Zeitschr. wiss. Mikroskopie. 1594, Bd. XI, S. 326. 32 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar. stände «desselben Organismus sind. Die Amoeben, die sich durch Zweitheilung vermehren, gehen am Ende ihres vegetativen Lebens in den Oystenzustand über. Der Cysteninhalt theilt sich in zahlreiche Theilstücke. die sich zu den zweigeisseligen Flagellaten ausbilden und die Cystenhülle verlassen. Die Flagellaten sind dureh die Vermehrung Figurenerklärung. Alle Figuren stellen Stadien von Paramoeba eilhardi dar und sind mit dem Wisker'schen Zeichenapparat nach der Natur entworfen; Fig. I und VI nach lebenden Thieren, die übrigen Figuren nach Praeparaten. Die Individuen waren mit Sublimat fixirt und mit Eisenhaematoxylin (nach Bexpa-Hewesnam) gefärbt. Vergrösserung von Fig. I und III—VI etwa , von Fig. und VI—XII etwa =. Die Originalzeicehnung wurde bei der Reproduction etwas verkleinert. A bedeutet in allen Figuren =Kern, NA= Nebenkörper, D=Diatomeen, «= Amylum, cA — Chromato- phoren. Fig. 1 und II Amoebenzustand, II—V Cystenzustand, VI—XII Flagellatenzustand (VII—XII 5 Stadien der Längs- theilung der Flagellaten). durch Längstheilung charakterisirt und gehen zuletzt unter Verlust der Geisseln in den Amoebenzustand über. Diesen Entwickelungseyklus konnte ich in seinen wichtigsten Stadien nieht nur an den lebenden Thieren, sondern auch an Serien conservirter und gefärbter Individuen verfolgen. Im Folgenden sollen ganz in Kürze nur die Endresultate meiner Beobachtungen mitgetheilt nn nn 0 “ r . ei = 7* Scenaupins: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n.&. n. sp. 33 werden: eine ausführliche Begründung derselben, sowie eine genaue Darstellung der Untersuchungsmethoden behalte ich mir vor. Ich nenne den amoebenähnlichen Organismus zu Ehren des Ver- fassers der »Rhizopodenstudien«, meines verehrten Lehrers, des Hrn. Geheimrath Prof. Dr. Franz Eınnarp Scnurze, » Paramoeba_eilhardi«. Zu dem Gattungsnamen »Paramoeba« muss ich von vornherein bemerken, dass er durchaus provisorisch ist, denn ich glaube sicher, dass man bei vergleichendem Studium gewisser Flagellaten den Schwär- merzustand unseres Organismus bei einer schon bekannten Gattung dieser Protozoen wird unterbringen können. I. Der Amoebenzustand (Fig. I und I). Die Grösse (der Paramoeba schwankt zwischen 10 und go u. Der Körper liegt meistens flach scheibenförmig der Unterlage auf, doch kann er wie bei jeder Amoebe seine Gestalt sehr verändern. Von dem Rande der Scheibe gehen allseitig stumpflobose, fingerförmige Pseudopodien aus (Fig. I und I), deren Länge selten die Hälfte des Scheibendurehmessers übertrifft. Das Plasma ist meistens farblos, selten hat es, namentlich bei ganz jungen Exemplaren, eine schwache, diffuse, gelblich- braune Fär- bung, die, wie weiter unten gezeigt werden soll, wahrscheinlich von den Chromatophoren der Flagellaten herrührt. Bei den kleinsten Amoeben erscheint der Weichkörper gleichmässig fein granulirt, bei älteren ist eine Scheidung in dunkleres Entoplasma und hyalines Eetoplasma meist recht deutlich ausgeprägt (Fig. I). Das körnige Entoplasma ist dieht mit Flüssigkeitsvacuolen durchsetzt, die in den centralen Theilen grösser sind, als in den peripheren (Fig. I). Dass eine derselben pulsirte, habe ich nicht beobachtet, doch wechseln sie sehr langsam ihre Lage zu einander, was auf Strömungen im Plasma schliessen lässt. Paramoeba ist sehr träge, sie kriecht sehr langsam und kann oft stundenlang auf derselben Stelle verharren. Von Inhaltsgebilden des Weichkörpers fallen zunächst Nahrungs- körper auf. Die Amoebe verzehrt hauptsächlich einzellige Algen, Diatomeen und Bakterien, die sie wie andere Amoeben umifliesst. Die Verdauung findet im Entoplasma in Nahrungsvaeuolen statt. Das dunkle Aussehen des Entoplasma rührt von zahlreichen Körnchen her, die dasselbe erfüllen. Erstens finden sich kleine farb- lose, zart conturirte Körperchen von unbekannter Bedeutung: zweitens grössere, scharf conturirte, unregelmässig eckige Körner: dieselben sind doppeltbrechend, haben einen grüngelblichen Schimmer und liegen häufig zu Conglomeraten vereinigt: sie lösen sich leicht in Mineralsäuren 34 Sitzung der physikalisch - matlıematischen Classe vom 16. Januar. und dürften Exeretkörnehen sein, wofür besonders ihre Ähnlichkeit mit den durch Scuewıakorrs Untersuchungen bekannt gewordenen Excretkörnern von Paramacium sprieht. Ähnlich stark lichtbrechende aber farblose Kügelchen bräunten sich in Osmiumsäure und lösten sich leieht in Alkohol. dürften also wohl als Fett gedeutet werden. — Bei sehr starker Vergrösserung bemerkt man schon am lebenden Thier, deutlicher noch am conservirten und gefärbten, dass das ganze Plasma feinwabige Structur aufweist, auch das bei schwacher Vergrösserung hyalin erscheinende Ektoplasma ist mit feinen etwa Zu grossen Waben dieht durchsetzt (Fig. I). Besonders erwähnt sei, dass es mir nicht gelungen ist, Stärke durch die Jodreaction im Weichkörper der Amoeben nachzuweisen, während die Flagellatengeneration reichlich Stärke enthält. Der Kern liegt gewöhnlich im Centrum des Entoplasmas: er besitzt kugelige Gestalt und hat einen Durchmesser von 7-IOou. Im Leben erscheint er als helle Blase mit grösserm, centralen, stärker liehtbrechenden Binnenkörper. Eine deutliche doppelteonturirte Mem- bran ist nieht zu erkennen, obwohl sich der Kern scharf von dem übrigen Plasma abhebt. Im hellen Raum, zwischen Binnenkörper und Kerngrenze, kann man bei stärkster Vergrösserung ein feines Netz- werk erkennen, in dessen Knotenpunkten sich stärker lichtbrechende Körnchen befinden, die sich bei Färbung als Chromatin erweisen. Dicht neben dem Kern liegt stets das bereits zu Anfang erwähnte, stark lichtbrechende, scharf conturirte Gebilde. Ich will dasselbe zu- nächst mit einem ganz indifferenten Namen, etwa als »Nebenkörper« bezeichnen. Bei den kleinsten Amoeben ist es kugelig und ungefähr von derselben Grösse, wie der Kern. In diesem Stadium zeigt der Nebenkörper nur einige dunklere Granulationen im Innern und ist von einem hellen Hof umgeben. Mit dem Wachsthum der Amoeben streckt er sich in die Länge und nimmt wurstförmige Gestalt an. Seine Gestalt (Fig.I und II NA) und sein Bau sind so charakteristisch, und so deutlich ist er im Leben zu erkennen, dass ich es für kaum möglich halte ihn zu übersehen, weshalb er das beste Merkmal unseres Organismus ist. Der wurstförmige Körper liegt stets der Oberfläche des Kerns dicht auf und lässt während des grössten Theils des Amoebenzustands drei scharf gesonderte Abschnitte erkennen (Fig. Iund IINÄ), ein mittlerer stark liehtbrechender Abschnitt hebt sich scharf von zwei blassen halb- kugeligen Seitentheilen ab. Das Mittelstück erscheint am lebenden Thier grob granulirt und zeigt bisweilen eine feinnetzige oder auch längs- streifige Struetur. Die ihm zu beiden Seiten aufsitzenden hellen Halb- kugeln enthalten im Innern ein oder wenige stärker lichtbrechende Körnchen. Scnaupinx: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n.g. n. sp. By) Besonders bemerkenswerth ist das Verhalten des Nebenkörpers gegen Farbstoffe. Während er mit den gewöhnlichen Kernfärbemitteln, wie Safranin, Boraxcarmin, Eosin, Haematoxylin sich wenig oder gar nicht färbt, nimmt sein Mittelstück bei Anwendung der Eisen- haematoxylinfärbung nach BrnpAa-Hripennam (Eisenoxydammoniakbeize, Haematoxylinfärbung, Ausziehen mit Eisenoxydammoniaklösung) eine tiefdunkelblaue Färbung an. Behandelt man die Amoeben vor der Beize mit Bordeauxroth, so bleibt das Chromatin des Kerns ungefärbt, wäh- rend das Mittelstück tiefschwarz wird; doch ist zu bemerken, dass hierbei nur die im Leben stark liehtbrechenden Körnchen, die dasselbe dieht erfüllen, die Färbung annehmen, die Zwischensubstanz bleibt farblos: ebenso färben sich in den seitlichen Halbkugeln nur die Körn- chen schwarz. Die im Nebenkörper enthaltenen Körnchen verhalten sich also den Farbstoffen gegenüber ebenso, wie die CGentrosomen (bez. Mikrocentren) in den Sphaeren der Metazoenzellen. Ohne auf die Structur- veränderungen des Kerns und Nebenkörpers während des Amoeben- zustands noch weiter einzugehen, will ich hier nur erwähnen, dass der Kern am gefärbten Thier ausserordentlich deutlich die schon erwähnte feinnetzige (nach meiner Auffassung wabige) Structur aufweist. Der centrale Binnenkörper färbt sich ebenso intensiv, wie die Chromatin- körnchen in den Knotenpunkten des Netzwerks. In der Umgebung des Kerns und Nebenkörpers erscheint das Plasma nieht vacuolär (Fig. I). Die Theilung der Amoebe habe ich leider nur zweimal am lebenden Thier beobachten können, sie erfolgt, ähnlich wie bei anderen Amoeben' als allmähliche Zerreissung in zwei Stücke. Das Verhalten des Kerns und Nebenkörpers bei der Theilung konnte ich bisher nicht vollständig ermitteln. In den beiden Fällen, in denen ich die Theilung beobachtete, besassen die Thiere schon zwei Kerne und zwei Nebenkörper. Nun habe ich aber unter den eonservirten Amoeben solche, die schon zwei Neben- körper auf entgegengesetzten Seiten des Kerns aufweisen; hieraus dürfte folgen, dass die Theilung des Nebenkörpers vor der des Kerns erfolgt. In den betreffenden Amoeben zeigten die Kerne bereits Veränderungen, die auf eine mitotische Kerntheilung hinwiesen. Näheres wird hierüber in meiner ausführlichen Arbeit mitgetheilt werden. — Je grösser die Amoeben werden, desto grösser werden auch die Kerne und Neben- körper, doch übertlügelt zuletzt der Nebenkörper den Kern bedeutend im Wachsthum. Die grössten Amoeben, die ich beobachtet habe (90 u Durchmesser) zeigten einen Nebenkörper von doppelter Grösse als der Kern: auch hatte er seine Structur verändert. Die Differenzirung in U Vergl. Scuaupınv, Über Kerntheilung etc. bei Amoeba erystalligera GruBER in diesen Sitzungsber. 1394, S. 1029. 36 Sitzung der physikalisch-marhematischen Classe vom 16. Januar. Mittelstück und Seitentheilen war verschwunden, und der ganze Körper erschien als Kugel mit netziger Structur; in den Knotenpunkten des Maschenwerks befanden sich grössere kugelige Körner (etwa I u gross), die bei der Heıvexnam’schen Centrosomenfärbung (Bordeauxroth, Eisen- haematoxylin) tiefschwarz gefärbt wurden. Wenn die Nebenkörper diese Structur zeigen, befinden sich die Amoeben häufig schon im Be- ginn der Eneystirung. I. Der Cystenzustand. Das erste Anzeichen für den Beginn der Eneystirung besteht darin, dass der vacuoläre Bau des Entoplasmas zurückgebildet wird. Die Nahrungsreste werden ausgestossen, die Pseudopodien eingezogen, die Thiere runden sich ab; sie nehmen Kugelgestalt oder mehr un- regelmässig abgerundete Formen an; das Plasma wird diehter und stärker lichtbreehend, was durch das Auftreten kleiner glänzender Körnchen (dotterartige Reservestoffe) in demselben bedingt ist. Die ausgeschiedenen Nahrungsreste bleiben auf der Oberfläche des Weich- körpers liegen und werden mit anderen umherliegenden Fremdkörpern durch eine gallertige Schicht zu einer Detritus-Hülle verbunden. Unter dieser Hülle wird dann eine zweite doppelt eonturirte Membran auf der Oberfläche des Weichkörpers gebildet. Die Undurchsichtigkeit des Plasmas in der Cyste und die mehr oder weniger dichte Umhüllung mit Fremdkörpern machte es unmöglich, das Verhalten des Kerns und Nebenkörpers am lebenden Thier zu verfolgen. Doch habe ich die Hauptstadien der Schwärmerentwickelung an conservirten und ge- färbten Cysten so häufig verfolgt, dass die Entstehung der Flagellaten durch Theilung des Cysteninhalts als sicher gelten kann. Die Mög- lichkeit, dass die Schwärmer eingedrungene Schmarotzer sein könnten, ist auch ohne Kenntniss der Vorgänge in der Cyste, von der Hand zu weisen, weil erstens die Flagellaten dieselben merkwürdigen Kern- verhältnisse (Nebenkörper) aufweisen und zweitens die Umwandlung der Flagellaten in Amoeben direct beobachtet werden konnte. Die Zeit vom Beginn der Eneystirung bis zum Ausschlüpfen der Flagellaten währt 12-36 Stunden. Die an Serien von conservirten und gefärbten Cysten ermittelte Entwickelung der Flagellaten ist kurz fol- gende. 1. Stadium: Theilung des Nebenkörpers (Fig. Ill). In den Cysten, die kurz nach der Ausbildung der Cyste con- servirt waren, fand sich der Kern noch unverändert, der Nebenkörper war entweder noch in der Einzahl vorhanden oder bereits in zahl- en Scuaupinn: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n.g. n. sp. all reiche Theilstücke zerfallen. Leider vermag ich Sicheres über die Art seiner Theilung nicht anzugeben. Das Vorhandensein zahlreicher hantelförmiger Theilstücke dürfte darauf hinweisen, dass eine Ver- mehrung derselben dureh Zweitheilung erfolgt. Sicher ist jedenfalls, dass die Theilung des Nebenkörpers vor der des Kerns erfolgt. 2. Stadium: Theilung des Kerns (Fig. IV). Über den Modus der Kerntheilung habe ich ebenfalls noch nichts Sicheres ermitteln können, obwohl ich bereits 65 Oysten untersucht habe; sie scheint aber sehr schnell zu erfolgen (vielleicht auf multiple Weise?). Das Resultat der Kernvermehrung zeigt Fig. IV, wo bereits zahlreiche kleine Kerne vorhanden sind. Je einer derselben hat sich zu je einem Nebenkörper begeben und demselben dicht angelegt. Die kleinen Kerne zeigen ebenso wie die Mutterkerne den bläschenförmi- gen Bau. 3. Stadium: Theilung des Plasmas (Fig.V). Das Plasma hat sich etwas von der Cystenhülle zurückgezogen. Die Kerne mit ihren Nebenkörpern haben sich radiär angeordnet, und der Cysteninhalt ist ähnlich wie bei superfieieller Furchung in so viele radiäre Theilstücke zerfallen, als Kerne mit Nebenkörpern vorhanden waren. In den Theilstücken liegen die Kerne proximal, die Nebenkörper distal (Fig. V). Auf diesem Stadium kann man den blastulaähnlichen Cysten- inhalt schon an der lebenden Cyste erkennen. Nach kurzer Zeit geben die Theilstücke die radiäre Anordnung auf und liegen unregelmässig in der Cyste durch einander. Einzelne zeigen bereits langsame Bewe- gungen. Hierauf wird die Cystenwand an einer Stelle gesprengt, und die Schwärmer treten als kleine, wie es mir schien farblose, mit zwei Geisseln versehene Flagellaten heraus. “ II. Der Flagellatenzustand. Die Schwärmer, die zu -Zeiten in ungeheueren Mengen auftraten, sind oval, seitlich etwas comprimirt und am Vorderende schräg ab- gestutzt oder etwas ausgebuchtet (Fig. VD). Vom Grunde dieser Aus- buchtung senkt sich ein nicht sehr scharf ausgeprägter, röhrenförmiger Schlund in das Innere etwa bis zur Mitte des Körpers: neben der Mund- öffnung inseriren die beiden gleich langen Geisseln. Der Kern liegt im hintern Theil des Körpers, der Nebenkörper in der Richtung der Längsaxe dicht vor ihm. Der erstere ist im Leben sehr blass und kaum zu erkennen, der letztere sehr deutlich. Die jüngsten Flagel- Sitzungsberichte 1896. 4 38 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar. laten schienen mir noch farblos zu sein, später nehmen sie eine gelb- liche und dann sogar braungelbe Färbung an, die, wie man bei aus- gewachsenen etwa 12 u grossen Individuen deutlich erkennt, an zwei Chromatophoren gebunden ist. Dieselben stellen gekrümmte Platten dar und nehmen den grössten Theil der Bauch- und Rückenseite ein. Sie liegen dieht unter der Oberfläche und lassen an beiden Seiten des Körpers nur einen schmalen Spalt frei. Pyrenoide sind nicht in ihnen vorhanden. Kern und Nebenkörper liegen in dem von ihnen frei blei- benden Mitteltheil des Körpers. Ob die Chromatophoren schon bei den die Cyste verlassenden Flagellaten als ungefärbte Platten vorhanden sind, vermochte ich bei der Kleinheit und Beweglichkeit der Schwär- mer bisher nicht zu entscheiden. Die Oberfläche des Körpers weist nicht eine besondere differenzirte Hautschicht auf. Schon diese kurze Beschreibung zeigt, dass die Schwärmer von Paramoeba ausserordent- liche Ähnlichkeit mit gewissen lange bekannten Flagellaten aufweisen, nämlich mit den Angehörigen der Gattung Cryptomonas. Die Gestalt, der Schlund, die, Geisseln, die Chromatophoren zeigen vollständige Übereinstimmung. Nur ein dem Nebenkörper vergleichbares Gebilde ist bei Oryptomonas nicht beobachtet; da diess aber ein wichtiger Be- standtheil unserer Organismen ist und die Möglichkeit, dass er von den zahlreichen Beobachtern der Uryptomonas-Species übersehen sein könnte, wegen seiner Deutlichkeit ausgeschlossen ist, kann ich vor- läufig die Flagellaten von Paramoeba nicht zu Cryptomas stellen. Mög- lich ist es allerdings, dass von allen Beobachtern der Nebenkörper, der ja sehr scharf hervortritt, für den Kern. gehalten und der sehr blasse und durch die Chromatophoren verdeckte Kern übersehen wurde. Doch ist diess vorläufig nur eine Vermuthung. Bei Chilomonas para- maechum STEIN, die von vielen Forschern nur für eine farblose Varietät von Cryptomonas ovata gehalten wird, finde ich ein dem Nebenkörper ähnliches Gebilde nicht, doch werde ich in nächster Zeit diese Frage noch weiter verfolgen, besonders untersuchen, ob Chilomonas vielleicht auch Amoebenzustände besitzt. Bei den Flagellaten von Paramoeba ist der von den Chromato- phoren frei gelassene Raum in der Mitte des Körpers häufig dicht mit stark lichtbrechenden Körnchen erfüllt. Bei Anwendung der Jodreaetion erwiesen sich dieselben als Stärke (Fig. VIa. Am dichtesten waren sie in der Nähe des Nebenkörpers gedrängt, und wenn nur wenige Amylumkörner vorhanden waren, befanden sie sich stets auf der Oberfläche oder in der nächsten Umgebung des Nebenkörpers. Dieser Umstand legte die Vermuthung nahe, dass der letztere ein dem Py- renoid der Chlamydomonadinen und anderer Flagellaten vergleichbares Gebilde sei. Leider sind aber die Amylumkerne der Flagellaten, be- Schaupinx: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n.g. n.sp. 39 sonders ihr Verhalten bei der Theilung, so wenig genau untersucht, dass ein Vergleich aus diesem Grunde vorläufig unmöglich ist. Gegen die Auffassung des Nebenkörpers als Pyrenoid dürfte geltend gemacht werden können, dass dieses Gebilde hier nicht, wie gewöhnlich, in Verbindung mit den Chromatophoren steht und dass bei dieser Auf- fassung seine Bedeutung im Amoebenzustand vollständig räthselhaft bliebe. Übrigens will ich noch besonders betonen, dass kein Bestand- theil des Nebenkörpers selbst, auch nicht seine blasse Hülle, sich bei Jodbehandlung blau färbt; die Stärkekörner liegen stets ausserhalb des hellen Hofes, der den Nebenkörper umgibt (Fig. VI und VI). Bei einem Vergleich mit den Amylumkernen der Flagellaten wird von besonderer Wichtigkeit das Verhalten bei der Kerntheilung sein, das, wie ich nunmehr in Kürze zeigen will, bei unserm Nebenkörper sehr merkwürdig ist. Die Vermehrung der Paramoeba-Flagellaten erfolgt, wie bereits anfangs erwähnt wurde, durch Längstheilung. Auf die genaue Schil- derung der Körpertheilung, die in ganz ähnlicher Weise wie bei Chilomonas erfolgt, kann ich hier nicht eingehen. Nur das Verhalten des Kerns und Nebenkörpers sei an der Hand der Fig. VII-XII er- läutert. Im ruhenden Zustand besitzt der Kern kugelige Gestalt (Fig. VI); er zeigt deutlich die Netzstructur mit den Chromatinkörn- chen in den Knotenpunkten des Maschenwerks, im Centrum liegt ge- wöhnlich der stark färbbare Binnenkörper. Der vor dem Kern. ge- legene Nebenkörper besitzt kugelige oder wurstförmige Gestalt und lässt stets zwei differente Bestandtheile unterscheiden, einen stark lichtbrechenden körnigen, der sich mit Eisenhaematoxylin stark färbt, und einen blassen, nicht färbbaren. Die Lage der beiden Theile zu einander ist sehr wechselnd: sehr häufig findet sich das in Fig. VII dargestellte Verhalten, wo der farblose Theil in einer dellenartigen Vertiefung des gefärbten liegt, so dass der letztere, im optischen Durchschnitt, wie getheilt erscheint. Der helle Hof um den Neben- körper ist stets deutlich zu erkennen. Das erste Anzeichen für den Beginn der Längstheilung ist eine Streckung des Nebenkörpers (Fig. VII); er nimmt Spindel- oder besser Hantelform an: die beiden Pole der Spindel werden von färbbaren. das Mittelstück von den nicht färbbaren Bestandtheilen gebildet. Beim Beginn der Spindelbildung des Nebenkörpers befindet sich der Kern noch in Ruhe, dann tritt aber auch er in Vorbereitung zur Theilung ein, die auf mitotische Weise erfolgt. Der Binnenkörper verschwindet und die Kernsubstanz erscheint als gleichmässig fein- körnige Masse; zugleich bemerkt man, dass der Kern seine Gestalt verändert hat: er rückt (Fig. IX) mit einem breiten Fortsatz gegen 4* 40 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 16. Januar. das Mittelstück der Nebenkörperspindel vor und umfliesst dasselbe allmählich. Erwähnt sei, dass die Nebenkörperspindel schon während dieser Vorgänge genau auf der späteren Theilungsebene des Körpers senkrecht steht. In Fig.X ist die Kernsubstanz bereits ganz um die Spindel herumgeflossen und umgibt sie ringförmig. Nun fangen die kleinen Chromosomen an, sich um die Mitte der Nebenkörperspindel an- zusammeln und sich zu einer in der späteren Theilungsebene des Kerns gelegenen Aequatorialplatte (Xp) anzuordnen. Fig. XI zeigt die fertige Kernspindel; die Pole der Nebenkörperspindel liegen an den Polen der Kernspindel. Eine sehr zarte, feinstreifige Struetur deutet an, dass die Chromosomen mit den Polkörpern durch Fäden in Verbindung stehen. Fig. XI zeigt, dass die Aequatorialplatte in zwei Tochter- platten zertheilt ist, die sich mit ihren Polkörpern bez. Nebenkörpern schon weit von einander entfernt haben. Die Längstheilung des Körpers hat bereits begonnen. Nach der Durchschnürung des Mutterthieres nimmt der Kern jedes Tochterthieres wieder bläschenförmige Structur an und rückt an das Hinterende. Die Details der hier nur angedeuteten Kerntheilung werden in meiner ausführlichen Abhandlung mitgetheilt werden. Die hier gege- bene Schilderung genügt aber doch, wie ich glaube, um auf die grosse Übereinstimmung in dem Verhalten des Nebenkörpers mit der Bildung der Hrrruann’schen Centralspindel bei den Metazoenzellen hinzuweisen. Ob aber diese Ähnlichkeit genügt, um daraus auf eine Homologie des Nebenkörpers mit den Sphaeren der Metazoen zu schliessen, will ich hier nicht entscheiden. Dass ausserdem das Verhalten gegen Farb- stoffe übereinstimmt, ist schon erwähnt worden. Nachdem ich auf die Beziehungen des Nebenkörpers zu den Py- renoiden und zu den Sphaeren hingewiesen habe, bleibt noch eine dritte Möglichkeit übrig, nämlich eine Homologisirung mit den Neben- kernen der Infusorien. Doch scheint mir dieselbe vorläufig ebenso unwahrscheinlich, wie die Auffassung des Nebenkörpers als Pyrenoid. Zum mindesten müsste man das Verhalten des Nebenkörpers bei einer etwaigen Copulation der Flagellaten kennen, um ihn mit den Neben- kernen der Infusorien vergleichen zu können. Schliesslich scheint mir die Idee, dass der Nebenkörper Beziehungen zu allen drei Gebilden (Pyrenoiden, Sphaeren, Nebenkernen) haben könnte, nicht zu absurd, um ausgesprochen zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass durch Differenzirung nach verschiedenen Richtungen aus nebenkörperähn- lichen Gebilden sowohl Pyrenoide, als Sphaeren, als Nebenkerne her- vorgegangen seien. Doch ist eine Discussion dieser Frage bei unseren geringen Kenntnissen der Protozoen-Stammesgeschichte vorläufig noch unmöglich. Scnavpınx: Über den Zeugungskreis von Paramoeba eilhardi n.g. n. sp. 41 Die Umwandlung der Paramoeba-Flagellaten erfolgt, nachdem sie ihre Geisseln und Chromatophoren rückgebildet haben. Sie sinken auf den Boden, nehmen allmählich kugelige Gestalt an und entwickeln Pseudopodien. Bisweilen sind noch Reste der Chromatophoren in den kleinen Amoeben wahrzunehmen. Die Kerne und Nebenkörper erleiden bei der Umwandlung der Flagellaten keine Veränderungen. Mit der Erreichung des Amoebenzustands ist der Zeugungskreis der Paramoeba eilhardi geschlossen. Ohne hier auf die Litteratur einzugehen und die systematische Bedeutung der geschilderten Entwickelung eingehend zu würdigen, was später ausführlich geschehen soll, will ich nur erwähnen, dass der Zeugungskreis einer Amoebe mit einem Flagellaten nur eine Be- stätigung des von den meisten Autoren angenommenen innigen Zu- sammenhangs dieser beiden Protozoengruppen ist. Diese Annahme basirte bisher auf dem Vorkommen von Amoeben mit Geisseln (Mastig- amoeba F. E. Schurze) und auf der Fähigkeit zahlreicher Flagellaten, Pseudopodien zu entwickeln. Doch sind schon ähnliche Beziehungen zwischen rhizopoden- und flagellatenartigen Organismen vor meinen Beobachtungen nachgewiesen worden. Protomonas amyli und Pseudo- spora besitzen nach den Angaben von Krrgs' eine sich selbständig vermehrende Flagellatengeneration. Bei weiterm Studium der Fla- gellaten werden sich sicher noch weitere derartige Übergangsformen auffinden lassen. ! Kress, Flagellatenstudien; in: Zeitschr. wiss. Zool. 1893. Bd. 55, S. 280. Ausgegeben am 23. Januar. ie cl or RR a Mr et ” br . h ira hl IFVESTEESGT ET GT in zu are I ehe ö Bi a re ee Kar ‚ rg TRITT RR Teen a 6: an i SE winken DECKE TEILE PIE IA { 4. erh ee Zn TAT STE Irre ee Te u ! D N ROTE TREE tu DE NEAR re HasAtu aha Auge u 2: DE u HAPE ’ li et ie u / il POT / ie Taraen ie] i 4 % \ Er n Fre: a’} ; 7 6) wi iu ei BEN MR r ® p j . % PR ar f ? fe ee, Y er Bier - Ki” ö ins I£ er ene i as y # \ Fi > ae 6 j j Bart ia iss “ss „s # % R en 6 ’ = Er >; q Pa u ara 71 Hey - ‚ I Se i | Ay F = Hi, a A , > v 2 |. 43 1896. 1. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 16. Januar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. l. Hr. Weser hielt einen Vortrag betitelt: Vedische Beiträge Nr. IV (Schluss). Die Mittheilung wird später erscheinen. 2. Der Vorsitzende legte das vom Verfasser übersandte Werk vor: Dr. E. Baurrenor, Das Münzwesen der Mark Brandenburg unter den Hohenzollern bis zum Grossen Kurfürsten, von 1415 bis 1640. Ausgegeben am 23. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, >. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 23. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages König Frıeprıcr's II. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. Der vorsitzende Secretar eröffnete die Sitzung, welcher Seine Excellenz der vorgeordnete Hr. Minister D. Dr. Bosse beiwohnte, mit folgender Rede. Seit acht Jahren hat die Akademie die Freude, zwei Herrschern des Hohenzollernhauses an dem heutigen Festtage ihre Huldigung dar- bringen zu dürfen. Sie spricht Sr. Majestät dem regierenden Kaiser und Könige die ehrfurchtsvollen Glückwünsche zu seinem Geburts- feste aus, sie dankt ihm ehrerbietigst für das unseren Bestrebungen fort und fort geschenkte Wohlwollen und hofft, dass sein heisses Be- mühen, das Ansehen unserer Nation und zugleich den Frieden der Welt zu erhalten, wie bisher von Erfolg gekrönt sein möge. Zu gleicher Stunde aber gedenkt sie auch nach altem Herkommen des grossen Ahnen, der unsere Akademie und unser Vaterland neu- gegründet hat. Frreprıcn der Grosse hat nach langem Schlafe die von Preussens erstem Könige gestiftete Societät der Wissenschaften zu frischkräftigem Leben erweckt und sofort in die vorderste Reihe der europäischen Institute gestellt. Er hat sie mit seinem Geiste, seiner Energie erfüllt und ihr so sehr seinen Stempel aufgedrückt, dass er Sitzungsberichte 18%. B) 46 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. heute noch fast wie ein Lebender durch diese Räume waltet, diese Räume, deren Urväterhausrath uns an die einfache und doch so ge- waltige Zeit erinnert, wo das scharfe Auge des grossen Königs das Kleinste und das Grösste im Staate mit gleicher Umsicht überschaute, wo des Helden Krückstock nicht bloss über seinen Grenadieren und Beamten, sondern auch über seinen lieben Akademikern waltete. Wer könnte, wenn aufihn die Rede kommt, des Preisens ein Ende finden! Mit jeder Äusserung, die aus seinem Nachlass neu bekannt wird, steigt die Bewunderung vor diesem unvergleichlichen Geiste, mit jedem Acte seiner Regententhätigkeit, den die Archive an’s Licht ziehen, steigt die Dankesschuld, die der Nation ihm gegenüber erwächst. Ein sol- cher Heros ist wie ein hoher Bergesgipfel. Je weiter man sich ent- fernt, um so mehr überragt er alles Andere. Kein Wunder, dass die heroische Geschichtsscehreibung sich mit besonderer Liebe dieses Helden bemächtigt hat. Wie er selbst, der unbestechliche Historiograph seines Hauses, es einmal ausspricht: »Die Stärke der Staaten ruht in den grossen Männern, welche die Natur ihnen zu guter Stunde be- scheert«, so preisen wir heute am Vorabende seines Geburtstages die gesegnete Stunde, da dieser Herrscher das Licht erbliekte. Der ma- terialistischen Geschichtsbetrachtung, welche gern die schöpferische Persönlichkeit aus dem Strom der Zeit ausschalten möchte, wird es nie gelingen, das Geheimniss dieses allesbeherrschenden Willens aus der kleinlich errechneten Summe der zeitbeherrschenden Factoren zu er- klären. So sehr Frıeprıcn ein Kind seiner Zeit ist, so sehr ist er auch zugleich ihr Vater. Gorrue, der widerstrebend dem Einfluss des einzigen Mannes sich hingegeben, hat das richtige Wort ausgesprochen, als er im Jahre 1778 hier verweilte und das bunte Kriegsgetümmel nach dem Takte des greisen Königs sich regen sah. »Von der Be- wegung der Puppen«, schreibt der Dichter, »könne man auf die grosse alte Walze, FR gezeichnet, schliessen, welche diese Melodien eine nach der anderen hervorbringe«. Diese alte Melodie hat mächtig fortgetönt durch unser Jahrhundert. Was er in entsagungsvoller Jugend als das Wesentliche im Menschen- leben erkannte, was er als Herrscher selbst in unerreichter Weise ge- übt, das hat der Philosoph von Sanssouci als heiliges Vermächtniss seinem Volke hinterlassen: den Respeet vor dem kategorischen Indi- cativ des Wissens und vor dem kategorischen Imperativ des Willens. Beides, das Wissen und das Gewissen, entspringt derselben Wurzel, wie es unsere Sprache prophetisch andeutet, wie es das Griechenvolk genial erkannte. Und wie des grossen Sokrates grösserer Schüler die erste Akademie gründete, auf dass dort wahrhaftiges, vom leeren Schein befreites Wissen den Willen läutere und zur höchsten Sittlichkeit er- .-—.—-—.. Diers: Festrede. 47 ziehe, so schrieb Frieprıcn am Anfange seiner Regierung, als er an die Neubelebung unseres Instituts heranging: »Unsere Akademie muss nicht zur Parade, sondern zur Instruction sein«. So hielt er später mit Strenge daran fest, dass der Ehrensitz seiner Akademie nicht zum Ruhesessel würde. Die Acten unseres Archivs wissen davon zu er- zählen. Es war aber des Königs immer waches Auge nöthig, um diese ganz ausserordentliche Leistung zu erreichen, welche der erste Beamte des Staates von seinen Unterbeamten, ja von jedem Bürger verlangte. Als sich daher das treue Auge schloss und eine weniger feste Hand an’s Steuer trat, war es nicht zu verwundern, dass die Staatsmaschine immer langsamer arbeitete und schliesslich den Dienst versagte. Erst die schwere Zeit, als Deutschland und Preussen geknechtet zu Boden lag, weckte wieder den friderieianischen Geist. Und mit der Nation erhob sich auch die Wissenschaft aus ihrem Winterschlafe. Frırprıcn Wıirnern III., der auf der ersten akademischen Kunstausstellung als Kronprinz ein Bild der Athena ausgestellt hatte, bewies nun, wo er die Zügel der Regierung ergriffen, dass er die Bedeutung der hehren Göttin nicht bloss äusserlich erfasst hatte. Er erkannte, dass die niedergetretene Nation nur durch Stärkung ihrer geistigen Kräfte em- porgerissen werden könne. Die Gründung der Berliner Universität hob den gesunkenen Muth, und frisches Leben strömte aus dem neu- geschaffenen Musensitz in die Jugend des Volkes. Frisches Leben ergoss sich von da auch in die benachbarte Akademie, die erst jetzt ihrer Bestimmung in vollerem Maasse zu entsprechen im Stande war. Wie damals in der Zeit der Befreiungskriege die wesentlichen Einrichtungen getroffen worden sind, die unserem Vaterlande den Weg zu seiner jetzigen Grösse bahnten, so hat auch unsere Körperschaft in jener Zeit die Gestalt gewonnen, in der sie zum Segen des Vaterlandes bis zur Stunde gewirkt hat. Ehe die Ideen, welche die Geschiehte schaffen, sich hienieden verwirklichen und aus goldener Aetherhöhe auf die Erde herab- senken, bedarf es langer, langer Zeit. Wer auf der Höhe steht, sieht die lichten Gestalten früher, und er beeilt sich, den Völkern im Thale die frohe Kunde zuzurufen und sie zum festlichen Empfange der Him- melsgäste vorzubereiten. Ein solcher Seher auf dem Berge war HERDER. Bereits in Frırprıcn’s Tagen war in seinem Prophetenauge der Ge- danke der deutschen Einheit aufgeblitzt. Aber er, der eben zum dritten Male von unserer Akademie gekrönt worden war, verzweifelte an Frıeprıcn’s deutschem Berufe, als dessen Buch von der deutschen Litteratur erschienen war. So sandte er seine Preisschrift: » Vom Einfluss der Regierung auf die Wissenschaften und der Wissenschaften auf die Regierung« an das eben glänzend aufgehende Gestirn Joser's Il. Ar P9) 48 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Das Begleitschreiben beginnt mit der Strophe, die dem patriotischen Manne aus tiefster Brust kam: O Kaiser! Du von neunundneunzig Fürsten Und Ständen, wie des Meeres Sand, Das Oberhaupt: Gieb uns, wonach wir dürsten, Ein Deutsches Vaterland! Aber Hrrper’s Traum zerrann gar bald. Von Österreich konnte das Heil nieht mehr, von Preussen konnte es noch nicht kommen. Ver- gebens war es, dass Prizer zur Zeit der Julirevolution sehnsüchtig vom Süden hierher blickte: Adler Friederich’s des Grossen, Gleich der Sonne decke du Die Verlass’nen, Heimatlosen Mit der gold’nen Schwinge zu. Der Adler Frıieprıen’s schlief noch immer, und noch immer flogen die Raben um Barbarossa’s Berg. Die Jünglinge, die Deutschland hatten befreien helfen und in glühender Begeisterung die Einigung des Vater- landes ersehnten, wurden mit Hoffen und Harren alt, eine zweite Ge- neration, die noch stürmischer pochte und mit Gewalt zum Ziele drängte, sank muthlos zurück, und erst der dritten ward es vergönnt, nach schweren Kämpfen durch Blut und Graus zur golden winkenden Kaiserkrone vorzudringen. Ja, schwer war das Werk, und gerade den führenden Geistern erschien es bis zum letzten Augenblicke am schwersten. Ein kleiner Vorfall, der sich damals in diesem Saale abspielte, spiegelt die Stim- mung. Es war im Januar 1868. Zu der Festrede, die dem Her- kommen gemäss der neuerwählte Secretar hielt, war König WırueLn und seine hohe Gemahlin erschienen. Die Einleitung seines Vortrages über Vorraıke schloss der Festredner mit den Worten: »FrıEDRIcH wird, des sind wir heute schon gewiss, der Gründer des Deutschen Reiches heissen«. Nicht so gewiss als der kühne Redner war dessen der greise König. Denn mit freundlichem Ernste sagte er ihm am Schlusse der Sitzung: »Wenn Sie noch einen Schritt weiter gegangen wären, so hätte ich den Saal verlassen müssen«. So zweifelnd sah man damals noch den Ereignissen entgegen, welche die heutige Jugend als selbstverständlich anzusehen sich gewöhnt hat. Niemand dachte damals, und die Eingeweihten am wenigsten, dass so bald darauf ein günstiges Geschick die Erlösung bringen, Niemand ahnte, dass genau drei Jahre später derselbe König unter dem unermesslichen Jubel des ganzen deutschen Volkes sich im Spiegelsaale zu Versailles die Kaiser- krone auf’s Haupt setzen würde. Heute, wo wir dankbar und sicher uns des Besitzes dieses köst- lichen Kleinodes erfreuen, geziemt es auch der Akademie, in die von Diers: Festrede. 49 der ganzen Nation begangene Erinnerungsfeier freudig einzustimmen und so den Doppelklang dieses Festtages in vollerem Accorde aus- klingen zu lassen. Denn auch sie hat Ursache, sich der errungenen Güter zu erfreuen und den beiden grossen Männern heute dankbar zu huldigen, die, neben dem Heldenkaiser und seinem auch uns un- gesslichen Sohne stehend, das grosse Werk vollbracht haben. Vor Allem gedenken wir heute des greisen Feldmarschalls, der unsere Armeen zu Sieg und Ehren geführt hat. Morrtke verkörpert uns jene ideale Verbindung von Wissen und 'Thatkraft, auf welcher seit Frieprıcn’s Tagen die Überlegenheit unseres Heeres beruht, In ihm vereinigte sich höchste wissenschaftliche Begabung mit eminentem praktischen Scharfblick und unantastbarer Reinheit des Charakters zu einer Harmonie, wie sie nur bei wenigen Heroen der Geschichte sich findet. Unser Volk wird sein hohes Bild stets in Dankbarkeit vor Augen haben, vor Allem aber die Akademie, deren grösster Stolz es ist, ihn lange Jahre unter ihren Ehrenmitgliedern gezählt zu haben. Das war kein leerer Titel — dergleichen kennt unsere Kör- perschaft nieht —, sondern wie er durch vollwichtige wissenschaft- liche Leistungen sich diesen Anspruch erworben, so fasste er auch selbst seine Stellung als Mitglied in diesem Sinne auf. Denn er er- schien nicht nur bei den öffentlichen Sitzungen, wo wir ihn im Trauer- jahre 1888 zuletzt sahen, sondern auch bei wichtigen wissenschaft- lichen Berathungen. So hat sein einsichtiger Rath und seine empfeh- lende Fürsprache grosse Unternehmungen gelingen lassen, die ohne ihn für uns schwerlich ausführbar gewesen wären. Wer die Geschichte Deutschlands in unserem Jahrhundert über- blickt, wie sie in dem grossen Jahre ihren natürlichen Zielpunkt ge- funden, und die geistigen Einflüsse wägt, welche die Nation immer mehr zu Preussens Führung hindrängten, wird dabei der Einwirkung unserer Akademie nicht vergessen dürfen. Denn wie sie in ihrer Stiftungsurkunde als eine »teutschgesinnte Societät der Scientzien« bezeichnet wird, so hat sie von je her ihre Wirksamkeit nicht ängst- lich innerhalb der schwarzweissen Grenzpfähle eingeschlossen, sondern gern wissenschaftliches Streben gefördert, wo immer in Deutschland es sich zeigte. Was Wiırıueım von Humsorpr bei der Ausgestaltung der Berliner wissenschaftlichen Institute voraussah, dass hierdurch ein ent- scheidender Einfluss auf das gesammte geistige und sittliche Leben Alldeutschlands ausgeübt werden würde, das hat sieh voll bewahr- heitet. Preussens wirksamste Propaganda hängt mit der Thätigkeit unserer Universitäten und der damit verbundenen wissenschaftlichen Gesellschaften auf das innigste zusammen, und deshalb war es der glücklichste Gedanke, durch Gründung der Universität Strassburg die 50 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. lange entfremdeten Brüder deutschem Wesen wiederzugewinnen. Diese Wirkung der Wissenschaft musste sich natürlich erhöhen und verviel- fachen, als das Deutsche Reich jetzt nicht mehr ein blosser Begriff, sondern eine lebendig wirkende Kraft geworden war. Die Ehrenpflicht, die deutsche Wissenschaft nunmehr in grösserem Maassstabe zu ver- treten, trat an Preussens vornehmstes wissenschaftliches Institut heran, und mit der wachsenden Bedeutung der Reichshauptstadt wuchs auch zusehends die Sphaere der in ihr wirkenden geistigen Potenzen. In weiser Einsicht dieser erhöhten Verpflichtungen sind damals die Mittel unserer Akademie erheblich vermehrt worden. Diesem an höchster Stelle ihr bewiesenen Vertrauen dankte sie durch eine erhöhte Reg- samkeit und vervielfältigte Thätigkeit. Während im Jahre 1870 der am Geburtstage des Königs erstattete Bericht über unsere wissenschaft- lichen Unternehmungen und Stiftungen nur 3 Nummern umfasste, finden sich ro Jahre darauf bereits 6 verzeichnet, und heute nach 25 Jahren haben wir mit nahe an 20 Berichten öffentlich Rechenschaft abzulegen. Damit wird aber nur ein Theil unserer Thätigkeit berührt, das, was unmittelbar von der Akademie und den ihr angegliederten Instituten geleistet wird. Die ebenso wichtige Thätigkeit nach aussen, welche anregend und fördernd auf die wissenschaftlichen Bestrebungen der nichtakademischen Gelehrtenwelt einwirkt, ist in dem heute zu erstat- tenden Berichte nicht einbegriffen. Aber so sehr sich auch hier die Zahl der von der Akademie bewilligten Unterstützungen gemehrt hat, in der Zahl allein erblicken wir nicht den Fortschritt. Nicht wie viel, sondern was und in welchem Geiste gearbeitet wird, das ist das We- sentliche. Freilich zu einer solchen Würdigung unserer Thätigkeit sind wir, die wir mitten in der Arbeit stehen, nicht berufen, und die Zeit ist dazu noch nicht gekommen. Wir werden anderen Richtern und späteren Zeiten das Urtheil überlassen müssen, wie wir mit unserem Pfunde gewuchert haben und wie der allgemeine Aufschwung, den das deutsche Volk seit dem Frieden von Versailles genommen, die Kraft unserer Akademie beflügelt hat. Aber trotzdem sind einige Veränderungen im inneren und äusseren Wissenschaftsbetriebe während der letzten 25 Jahre so deutlich her- vorgetreten, dass sie auch von denen bemerkt werden müssen, denen es nicht gegeben ist, wie unserem RankE, die Gegenwart gleichsam aus Siriusferne anzuschauen und zu beurtheilen. Die Weltstellung, die sich Deutschland in jenem grossen Jahre errungen, brachte es mit sich, dass auch wir an überseeische Colonien dachten. Wir kamen spät, da die Theilung der Welt längst geschehen, und so zogen wir nicht die besten Loose. Aber so gering auch der baare Ertrag dieser afrikanischen und Südseecolonien für jetzt sein u m nr un un Diers: Festrede. 51 mag, so gefährlich dieser Besitz erscheint bei der begehrlichen Eifer- sucht unserer seemächtigen Nachbarn, der ideelle Gewinn, den dieses Neuland für uns abwirft, wiegt wohl schon allein die Kosten und Gefahren der Erwerbung und Behauptung auf. Die politische und handelspolitische Bedeutung der Colonien darf ich hier übergehen, ob- wohl sie in erster Linie in Betracht kommt. Aber hervorheben möchte ich, in wie fern unsere Wissenschaft dadurch berührt und bereichert worden ist. Welch drückendes Gefühl war es vordem für unsere Tropen- forscher, die auch aus unserer Akademie alljährlich in stattlicher Zahl entsandt wurden, wenn sie, belästigt und beargwöhnt, im besten Falle geduldet unter dem Schutze fremder Flaggen jene Gegenden Afrikas durehquerten, welche mit unwiderstehlichem Reize die kühnen Rei- senden anziehen! Heute steht es anders. Auf deutschem Grund und Boden kann jetzt der Gelehrte die Wunderwelten des Südens durch- streifen, Fauna und Flora kennen lernen, klimatische und geologische Beobachtungen machen und Lande und Leute erforschen. Mag er am Götterberge oder am Kilima Ndscharo seine Entdeckungsreisen machen wollen, überall darf er auf befreundete Stationen rechnen, die seinen Ausflügen als Stützpunkt, seinen Sammlungen als Aufbewahrungsort dienen. Seine Landsleute, die sich dort niedergelassen, stehen mit den uneivilisirten Bevölkerungen jener Colonien in stetem Verkehr und sind so im Stande, sichere Aufnahmen der anthropologischen, sprach- wissenschaftlichen und religionsgeschichtlichen Thatsachen zu vermit- teln, welche der Ankömmling gar nicht oder nur mangelhaft erkunden kann. Und doch ist die vollständige Aufnahme solcher primitiven Cul- turen wissenschaftlich von der höchsten Bedeutung. Denn nur durch diese Analogien gelingt es, die eigene Vorzeit unseres Volkes und der Menschheit überhaupt aufzuhellen und unsere Entwickelung einiger- maassen zu begreifen. Bald wird der letzte Elephant erlegt, der letzte Urwald gerodet, der letzte Wilde der Cultur erlegen sein; darum ist es jetzt die höchste Zeit, hier noch für die Forschung zu retten, was zu retten ist. Vor Allem kommt natürlich der Ertrag der jüngst erworbenen Ge- biete der Naturwissenschaft zu Gute. Von Jahr zu Jahr mehrt sich mit der Zahl der Forscher und Siedler das neue Material, das uns die Colonien liefern. Zugleich fliesst die wissenschaftliche Belehrung von hier aus wieder zurück und regt die rationelle Ausbeutung der dortigen Naturschätze an. So haben unsere Botaniker, Zoologen, Eth- nologen, Meteorologen, Geologen und Geographen alle Hände voll zu thun, um jene Bereicherung unseres Wissens dem allgemeinen Nutzen zugänglich zu machen. Wie zu Aristoteles’ Zeit, heisst es heute » Afrika 52 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. bringt stets was Neues«, und damit die Naturwissenschaft dabei nicht allein bemüht werde, spendet gleichzeitig das alte Pharaonenland aus Felsengräbern oder versandeten Ruinen in wunderbarer Fülle plastische, epigraphische und litterarische Denkmäler, welche das Staunen und die Mitarbeit der gelehrten Welt erwecken. Aegyptologie und Assy- riologie, römische wie griechische Philologie, Jurisprudenz wie Theo- logie, fast alle Gebiete der Geisteswissenschaften sind fortdauernd mit der Bearbeitung jener hochwichtigen Funde beschäftigt. Der ehren- volle Antheil, den dabei Deutschlands Wissenschaft genommen, hat die Anerkennung gefunden, dass in diesem Winter zum ersten Male ein Abgesandter unserer Akademie an den Ausgrabungen der aegyp- tischen Alterthumsverwaltung Theil nehmen darf. So wird bei der Freilegung der wunderbaren Tempel von Philae neben französischer und englischer Wissenschaft auch die deutsche nicht unvertreten sein. Zweifellos werden diesen Wettstreit der Nationen in Afrika die besten Segenswünsche der ganzen gebildeten Welt begleiten. Durch den Wechselverkehr mit den neugewonnenen Schutzbe- fohlenen wird unsere Cultur in unmittelbare Verbindung mit dem Islam gebracht, der uns vordem nur von fern zu interessiren pflegte, wenn weit hinten in der Türkei die Völker auf einander schlugen. Aber jetzt sind es Unterthanen des Deutschen Reiches, welche die Religion Mohammed’s bekennen und, soweit sie der Civilisation gewonnen sind, meist arabische Cultur angenommen haben. Da nun Recht wie Religion dieser Bevölkerung auf dem Koran und seiner Tradition beruht, so treten an unsere Orientalisten praktisch-wissenschaftliche Aufgaben heran, an die früher Niemand denken konnte. Auch diese Anregung kann nicht ohne Wirkung auf unsere akademische Verpflichtung bleiben. Wir sorgen für die geistige Cultur unserer dortigen Unterthanen und zugleich für das Ansehen unserer Regierung, wenn wir diese arabischen Studien kräftiger als bisher unterstützen. Als unser Currıus unmittelbar nach dem Kriege im Orient reiste, sprach man ihm überall, wo gebildete Menschen wohnten, die Er- wartung aus, Deutschland würde gewiss seine neugewonnene Macht- stellung dazu benutzen, die Interessen von Kunst und Wissenschaft auch im Auslande kräftiger zu vertreten. Dieser Verpfliehtung und Erwartung ist unsere Regierung, soweit es in ihren Kräften stand, nachzukommen bemüht gewesen. Der Zeustempel in Olympia und der Zeusaltar in Pergamum sind des nicht minder Zeuge als das Mauso- leum des Antiochos auf dem Nimrud-Dagh, an dessen Entdeckung unsere Akademie auch unmittelbar betheiligt war. Olympia vor Allem hat nicht nur durch den Reichthum der künstlerischen und wissen- schaftliehen Ausbeute die Erwartungen seines Entdeckers weit über- Diers: Festrede. 53 troffen, es hat auch ein neues Ethos in die wissenschaftliche Schatz- gräberei eingeführt. Indem Deutschland auf jeden Erwerb von Kunstdenkmälern verzichtete, gab es ein Beispiel edler Uneigennützig- keit, das für alle Culturnationen verbindlich wurde, die seitdem in regem Wetteifer den Spaten auf elassischem Boden angesetzt haben. Es wäre verlockend, allen den wissenschaftlichen Untersuchungen und Unternehmungen nachzugehen, welche die Akademie bei Mit- gliedern und Nichtmitgliedern, Inländern und Ausländern angeregt oder ermuntert, begonnen oder fortgeführt hat; es wäre reizvoll und lohnend, hierbei der Zeiten Wandel zu beobachten und die äusseren und inneren Einflüsse festzulegen, welche seit Schöpfung des neuen Reiches auf Stellung und Durehführung jener Aufgaben eingewirkt haben. Aber Zeit und Kraft versagt sich so schwierigem Unterfangen. Nur auf einige tiefer liegende Zusammenhänge sei hier in der Kürze hingewiesen, weil sie für die künftige Ausgestaltung unserer Anstalt wichtig erscheinen. Schon mehrfach ist an dieser Stelle von hervorragenden Meistern, die wie von einer hohen Warte auf das verwirrende Getriebe der Wissenschaften hinabschauen, die Frage berührt worden, ob die be- dauerliche Zersplitterung der gelehrten Fächer im Zu- oder Abnehmen begriffen sei. Der Eine sieht mit Trauer, ganz im Gegensatze zu dem unwiderstehlichen Drange der Nationen zu politischer Einigung, in dem Gelehrtenbetriebe eine trennende und atomisirende Kraft thätig; die grossen Reiche der Wissenschaft, wie sie noch zu Anfang unseres Jahrhunderts bestanden, seien in kleinere Territorien und durch fort- gesetzte Theilung in wahre Liliputstaaten zerschlagen worden, in denen Souveraine thronten, die mit Verachtung auf ihre Grenznachbarn herabsähen und jedes Gefühl verpflichtender Gemeinsamkeit verloren hätten. Gegenüber dieser beklagenswerthen Kleinstaaterei der Wissen- schaft weist ein Optimist auf die Beispiele eneyklopaedischer Forschung hin, die gerade in den letzten Gelehrtengenerationen hervorgetreten seien, er erinnertan die wahrhaft weltumwälzenden Verallgemeinerungen, welche die Lehre von der Erhaltung der Energie und die Descendenz- theorie auf alle Zweige der Naturwissenschaft, ja über diese hinaus ausgeübt habe. Wie erklärt sich der Zwiespalt dieser Autoritäten? Gewiss nicht daraus, dass der Pessimist den Geisteswissenschaften, sein Gegner den Naturwissenschaften angehört. Vielmehr haben, wie immer in solchen Fällen, Beide Recht. Die centrifugale wie die entgegen- gesetzte Bewegung läuft in den Wissenschaften wie in den Nationen neben einander her. Es geht hier wie im Bergwerksbetriebe. Wenn die zu Tage liegenden Gänge, die einst mühelos das Gold dem Gräber in den Schooss warfen, erschöpft sind, so werden die schwächeren 54 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Arbeiter von selbst dazu geführt, sich örtlich zu beschränken und sich gleichsam in einem Schachte zu vergraben, um die versteckten und vergessenen Fundörter in treufleissiger Arbeit auszubeuten. Kein Wunder, dass sie in dieser gnomenhaften Abgeschiedenheit den Zu- sammenhang mit der übrigen Welt vergessen, ihrer Fündlein sich stolz erfreuen und ihr Schatzgräbergeheimniss wie den Stein der Weisen hüten. Kein Wunder auch, dass bei der ungeheuren Zunahme der Mitarbeiter, oberflächlich betrachtet, diese Art von Sonderbetrieb der herrschende zu sein, dass der grosse Zusammenhang aller menschlichen Erkennt- nisse verloren zu gehen scheint. Aber es scheint nur so: denn neben jenem Einzelbau gewalıren wir doch auch noch andere Betriebe, in denen die Herren umfangreicher Werke königlich schalten und walten. Auch sie sind in ihren einzelnen Schachten zu Hause wie der niedrigste Arbeiter, und in manchen Gruben sind sie wohl tiefer gestiegen als die Anderen. Aber sie übersehen das Ganze und verfolgen die inneren Zusammenhänge der goldführenden Adern. So treiben sie, kühn durch- breehend, von einem Schacht zum andern ihre Stollen und weisen die günstigen Strecken zum Abbau an. Klar enthüllt sich diesen Minen- fürsten der ganze Bau des Gebirges; reicher Gewinn lohnt ihre Aus- beute, und das erschürfte Gold wird die Münze der Menschheit. Doch sprechen wir ohne Bild! Es konnte in der That eine Zeit lang scheinen, als ob die sich unheimlich schnell vollziehende Absprossung neuer Einzelwissenschaften die Wissenschaft selbst ver- nichten würde. Diese Gefahr ist, wenn die Zeichen nicht trügen, bereits vorüber. Wie in der Lehre des Empedokles sich Hass und Liebe an einem scharfen Wendepunkte scheiden, der Hass, der die Elemente trennt, und die Liebe, die sie zusammenführt, so ist auch für die moderne Wissenschaft die Grenze erreicht, vielleicht schon über- schritten. Der blindwüthende, vereinzelnde Hass lässt nach, die holde Aphrodite führt die Wissenschaften wieder zu freundnachbarlichem Ver- kehr zusammen. Auch unsere Akademie hat das Walten des Neikos erfahren, und die schärfere Trennung der beiden Classen, die durch die vermehrte Geschäftslast geboten war, hat nicht eben zur Milderung der Gegensätze beigetragen. Aber die letzten Jahre haben, wie auf- merksamen Beobachtern nicht entgehen wird, die Einzelnen wie die beiden Classen einander genähert. Verwandte Fächer, die noch vor kurzem durch tiefe Klüfte getrennt schienen, vereinigen sich wieder. Das Zusammenarbeiten der Akademiker, das früher als Ideal vor- schwebte, verwirklicht sich mehr und mehr, und der Einzelne spürt vervielfachte Kraft in dem Arme sich regen. Unsere Zeit steht im Zeichen der Corporation. Alle Stände, alle Staaten suchen sich zu mächtigen Interessengemeinschaften zusammen- . ee Dıers: Festrede. 55 zuschliessen. Wie sollte dies Streben in unserer Akademie nicht be- sonders deutlich sich ausprägen, wie sollte unsere altorganisirte Ge- lehrteninnung heute dem wirthschaftlich Schwachen nicht eine beson- ders werthvolle Stütze werden können! Denn auch im Gelehrtenstande hat sich die sociale Lage des Einzelnen ganz unvergleichlich verschlech- tert. Die 'Thätigkeit des Gelehrten war vordem eine auskömmliche; das Schaffen auf‘ wissenschaftlichem Gebiet nicht bloss ehrenvoll, son- dern auch bescheidenen Gewinn bringend. Der deutsche Buchhandel, der auf, gleicher geistiger Höhe mit der deutschen Wissenschaft voran- schritt, hatte die Möglichkeit, auch die strenge Fachwissenschaft ge- bührend zu berücksichtigen und dadurch die Verbreitung unserer Ge- lehrsamkeit unendlich zu fördern. Das ist Alles und rapid seit dem Kriege anders geworden. Der plötzliche industrielle Aufschwung stei- gerte die Löhne, die Lebenshaltung unserer Arbeiter wurde eine kost- spieligere, die Erfolge, welche ihre Vereinigungen in der Lohnfrage und gerade auf dem Gebiete des Buchdruckergewerbes gehabt haben, dies und Anderes hat die technische Herstellung der Bücher so ver- theuert, dass die Möglichkeit, gediegene wissenschaftliche Litteratur zu veröffentlichen, nieht mehr in der alten Weise vorhanden ist. Dazu kommt die immer weiter gehende Verästelung der Wissenschaften, welche eine unverhältnissmässige Vermehrung der Zeitschriftenlitteratur zur Folge gehabt hat. Und während die Mittel der staatlichen und Privat-Bibliotheken von diesen Wucherpflanzen aufgezehrt werden, findet die selbständige, grosse, ernste Production immer schwieriger den Weg zur Öffentlichkeit. So droht unsere Gelehrsamkeit zu versiegen oder zu verflachen. Nur die Modewissenschaft wird gepflegt, nur das finger- fertig geschriebene Handbuch oder das mit allem Raffinement der Technik hergestellte Bilderbuch scheint ein annehmbares Verlagsobjeet. Hier müssen auch die Akademien helfend eingreifen. Obgleich sie selbst in ihren buchhändlerischen Unternehmungen schwer unter der Ungunst der Lage leiden, sind sie doch verpflichtet, soviel es nur irgend möglich ist, die echte, entsagungsvolle Gelehrtenarbeit zu fördern. Der Gross- betrieb hat das Kleingewerbe aus dem Felde geschlagen. Nun wohl, das ist zu beklagen, aber nicht zu ändern. So müssen also, soll über- haupt die Wissenschaft weiter bestehen, unsere Akademien die gelehrte Arbeit der Einzelnen zu organisiren suchen. Dieser Grossbetrieb ist unserem Institute nichts Neues. Der Meister, der zuerst das Schlagwort hier ausgesprochen, hat selbst Muster solcher gemeinschaftlichen Arbeit gegeben. Ausserhalb wie innerhalb der Akademie hat er Grosses durch- geführt und Grösseres begonnen. Aber so sehr wir solchem Vor- bilde nachstreben, mit unserem Willen und unserer Kraft ist wenig gethan. 56 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Die Ausstattung unserer Akademie, die vor zwanzig Jahren nach deutschem Maasse gemessen noch eine glänzende heissen durfte, ent- spricht längst nicht mehr. dem Bedürfnisse und dem weittragenden Einflusse unserer Akademie. Wenn nicht die hochsinnige und ein- sichtige Hülfe unserer hohen Regierung und die oft bewährte Muni- ficeenz Sr. Majestät uns entgegen käme, würden wir schon jetzt die dringendsten Aufgaben unterlassen, die angefangenen abbrechen müssen. Bisher lag eine peinliche, aber unvermeidliche Ungerechtigkeit darin, dass nicht alle Gebiete der Wissenschaft gleichmässig angebaut, ja dass für deutsche Sprache und Litteratur, deren Pflege uns durch den ausdrücklichen Befehl unseres Stifters an’s Herz gelegt ist, nur in be- scheidenstem Maasse gesorgt werden konnte. Eine hochherzige Stiftung, welche in diesem Jahre zum ersten Male in Wirksamkeit treten wird, kann hier vielleicht helfend und ausgleichend eintreten. Aber auch dann werden sich unsere neuen Pläne leider so beschränken müssen, wie es weder der Würde der Akademie noch dem Ansehen dieser Studien wohl anstehen möchte. Dieser Mangel tritt in einer wichtigen Angelegenheit noch fühl- barer hervor. Wie unser Vaterland sich zusammengeschlossen und das stammverwandte Ostreich in festem Bündniss sich angegliedert hat, so ist es natürlich, dass die vornehmsten wissenschaftlichen In- stitute beider Reiche engere Fühlung zu gewinnen trachteten. Be- stehen doch alte gemeinsame Bande, wie denn die Monumenta Ger- maniae die Erinnerung an ihren Gründer, den Freiherrn von Stein, und an die Tage der siegreichen Waffenbrüderschaft lebendig erhalten haben. So konnte es nicht überraschen, dass sich jüngst die Wiener Akademie mit ihren reichsdeutschen Schwestern zu gemeinsamem Wirken zu verbinden wünschte. Unsere Körperschaft hat die dargebotene Hand nicht ganz zurückweisen, sie hat wenigstens bei einem grösseren Unternehmen sich betheiligen‘ zu müssen geglaubt. Aber weiter zu schreiten zu bindenden Cartellverträgen, dazu hat sie noch nicht den Muth gefunden. Denn wie sie bisher an den erprobten Grundsätzen preussischer Finanzpolitik festgehalten hat, so möchte sie auch jetzt keinen Schritt in’s Ungewisse thun. Wie könnte sie ruhigen Gewissens fremden Unternehmungen die Hand reichen, ehe sie ihre dringendsten eigenen geborgen weiss? So vertrauen wir denn der Zukunft. Die Leiter unserer Bildung, die unsere Lage kennen und anerkennen, wer- den Wege finden, um den grossen Zielen, die der deutschen Wissen- schaft und den deutschen Akademien vorschweben, die würdige Aus- führung zu sichern, und der erwachte Bürgersinn wird hoffentlich, wenn er den leuchtenden Beispielen americanischer Freigebigkeit weiter nacheifert, auch der Akademien eingedenk bleiben. u a nn 1 Dıiers: Festrede. 57 Zu unserer grössten Freude ist im Westen der Monarchie vor kurzem eine Schwesternanstalt gegründet worden. Die altehrwür- dige Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen hat sich nach aka- demischem Muster reorganisirt und ist unter glückverheissenden Zeichen in den Bund der deutschen Akademien eingetreten. Wir wünschen, dass auch sie mit der Zeit in die Lage versetzt wird, den grossen Aufgaben, welche diese Körperschaften im nächsten Jahrhundert zu erfüllen haben werden, im grossen Stile gerecht werden zu können. Unsere Akademie aber geht zwar nicht ohne Sorge, aber doch auch nieht ohne zuversichtliche Hoffnung dem dritten Jahrhundert ihrer Wirksamkeit entgegen. Mag die Zukunft schwarze oder heitere Loose in ihrem Schoosse tragen, solange Hohenzollern unseren Staat lenken, werden sie unser nicht vergessen. Denn sie haben von jeher erkannt, dass der Baum der Wissenschaft hundertfältige Frucht trägt und dass er in Zeiten der Noth gerade die reichlichste Pflege erfordert und belohnt. Oder hat, um von unserer Geschichte zu schweigen, nicht auch der letzte Krieg im Osten mit wahrhaft typischer Deutlichkeit uns vor Augen gestellt, wie die modernen Mittel der Cultur nur dem Staate zum Nutzen gereichen, der sich in geistiger und sittlicher Diseiplin an Haupt und Gliedern um wahrhaft gründliche Bildung bemüht? Die banausische Routine dagegen, die billig und schnell zum Ziele zu gelangen wähnt, hat ihren Lohn dahin. Deutschland aber, das den fremden Völkern reiche Schätze idealer Bildung zuführt und da- durch unwägbare, aber künftig centnerschwer in’s Gewicht fallende Einflüsse ausübt, darf hinter keiner Nation in diesen friedlichen Er- oberungen zurückbleiben. Der endliche Sieg fällt dem Volke zu, das am meisten ideale Kräfte zu entfalten weiss. Denn von Athena’s Hand herab reicht Nike den goldenen Kranz. So wird die Sieges- göttin, die Kaiser Wırnerm in Krieg und Frieden gekrönt hat, auch seinen Nachfolgern nieht untreu werden, wenn sie dessen heiliges “ Vermächtniss bewahren, allezeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete natio- naler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung. Alsdann wurden die folgenden Berichte über die fortlaufenden grösseren wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie und über die mit derselben verbundenen Stiftungen und Institute erstattet. 58 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Politische Correspondenz Frırorıcn's des Grossen. Bericht der HH. ScnumortEer und Navde. Die Redaction der Politischen Correspondenz Frieprıcn's des Grossen lag auch 1895 in den Händen der HH. Dr. Treusch von BurrLar und Dr. Herrmann. Der Letztgenannte schied am 1. October 1895 aus, an seine Stelle trat Dr. BerrmuoLp Voız. Erschienen ist der 22. Band. Er reicht vom Juli 1762 bis zum März 1763 und enthält die Ordres des Königs für die letzte Zeit des siebenjährigen Krieges, sodann aber namentlich seine Weisungen für die Friedensverhandlungen in Hubertusburg. Es ergiebt sich die Thatsache, dass König Frieprıcn, so viel Freiheit er auch seinem ausgezeichneten Unterhändler HERrTzZBERG liess, doch die Leitung der Verhandlungen im Wesentlichen in der Hand behielt. Für die Zeit der Friedensverhandlungen wurden aus dem Königlich Sächsischen Haupt-Staatsarchiv zu Dresden die Berichte des sächsischen Bevoll- mächtigten voy Frrrscn aufgenommen, soweit sie Aufzeichnungen über Unterredungen mit dem König enthielten und so die Ordres des Königs erläutern und ergänzen konnten. Im Übrigen sind auch für diesen Band neben den Acten des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin solehe aus dem Hausarchiv und dem Generalstabsarchiv zu Berlin, sowie aus dem Haus- und Staatsarchiv zu Stuttgart und dem Haus- und Staatsarchiv zu Gotha benutzt worden. Da dies vorläufig der letzte Band ist, in welchem die militairische Correspondenz des Königs in den Rahmen der Publication hineingezogen wird. so haben wir hier dem Grossen Generalstab für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der uns sein Kriegsarchiv zugänglich gemacht und jede Unterstützung gewährt worden ist. Familienarchive, in denen sich Befehle des Königs an seine Offieiere aufbewahrt finden, sind uns nur in seltenen Fällen zugänglich gewesen; einzelne, so zuletzt das Gräflich Götzen’sche Familienarchiv, sind uns mit grosser Liebenswürdigkeit erschlossen wor- den. Diesem 22. Bande, welcher für die obenerwähnte Zeit 637 Num- mern bringt, ist ein aus 51 Nummern bestehender Nachtrag aus der Zeit des siebenjährigen Krieges angehängt. — Der Druck für den 23. Band hat begonnen. Acta Borussica. Bericht des Hrn. ScHMOLLERr. l. Die Acten, welche sich auf die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preussens beziehen, haben im Jahre 1895 keine wesentliche Förderung erhalten, da Hr. Dr. Krauske bis 1. Oec- Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 59 tober anderweit beschäftigt war. am ı. October einem Rufe als ausser- ordentlicher Professor der Geschichte nach Göttingen folgte und damit aus seiner regelmässigen Thätigkeit für diese Actenserie ausschied. Wir bedauern in ihm einen ausgezeichneten Mitarbeiter zu verlieren. Als Resultat seiner Thätigkeit hinterlässt er uns, ausser dem ersten fertig gestellten Bande, der bis 1714 reicht, eine nahezu vollständige Abschriftensammlung für die Jahre 1714 — 1723 und sehr umfangreiche Vorarbeiten für 1723 —1740. Ein Nachfolger für ihn ist noch nicht gewonnen. II. Der Briefwechsel zwischen König Frreprıcn Wiırnerm 1. und dem Fürsten LeoroLp von Dessau, der als besonderer Beilageband erscheinen soll. beschäftigte Dr. Krauske bis zu seiner Übersiedelung nach Göttingen. Er wird diesen Band auch in seiner jetzigen Stellung fertig machen und mit einer Einleitung versehen. Wir hoffen, dass derselbe bis Ende 1896 gedruckt vorliege. II. Hr. Dr. Hıyrze hat fortgefahren, die Materialien für die Behördenorganisation und Justizverwaltung aus der Zeit von 1740 bis 1756 zu sammeln. IV. Hr. Dr. W. Naupe hat den Einleitungsband zur preussischen Getreidehandelspolitik im 18. Jahrhundert, welcher die französische, englische, italienische, spanisch - portugiesische, hansische, Deutsch- Ördensche und holländische Getreidehandelspolitik vom 13.— 18. Jahr- hundert auf 443 Seiten darstellt, fertig gestellt und die Drucklegung besorgt: er wird in diesen Tagen ausgegeben werden. Wenn dieser Band scheinbar über den Rahmen der Acta Borussica hinausgeht, so ist er doch die nothwendige Voraussetzung für das Verständniss der preussischen diessbezüglichen Politik. Ein weiterer Band, der eine summarische Darstellung der preussischen Getreidehandelspolitik bis 1740 und die Acten von 1713—1740 enthalten wird, geht in kür- zester Zeit in die Druckerei. V. Freiherr Dr. vox Schrörrer war beauftragt, die ersten Monate des Jahres 1895 die Materialien zur Geschichte der sächsischen Woll- industrie des ı8. Jahrhunderts, die zur Vergleichung mit den schlesi- schen und brandenburgischen Zuständen nöthig erschienen, zu sammeln und hat dann daraus einen zusammenhängenden Überbliek ausgearbeitet. Vom ı. November v. J. an ist Dr. Bracnr als Hülfsarbeiter eingetreten und beauftragt worden, zunächst die brandenburgischen Archivalien über Tuchindustrie, Wollhandel und Einschlägiges in der Zeit bis 1713 zu durchforschen. VI. Dr. vox Scnrörter hat vom Mai 1895 an in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Mexavıer, Directorialassistent am Königlichen Münzecabinet, die Bearbeitung der preussischen Münz- und Geldgeschichte des 13. Jahr- 60 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. hunderts übernommen, nachdem längere Verhandlungen unserer Com- mission mit der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu einem glücklichen Abschluss gekommen waren und das vorgesetzte Ministe- rium seine Zustimmung, deren wir nach dem Wortlaut unseres Statuts bedurften, gegeben hatte. VI. Hr. Bergassessor Hager, Assistent an der Bergakademie, setzt im Einverständniss mit dem Herrn Handelsminister seit Anfang d. J. die Auszüge aus den Acten der Bergwerks-, Hütten- und Sa- linenverwaltung fort, die vor ihm Assessor SchwEmann besorgt hatte. Sammlung der griechischen Inschriften. Bericht des Hrn. Kırcanorr. Im Laufe des verflossenen Jahres ist der Druck der von Hrn. KornLer redigirten Supplemente zur zweiten Abtheilung der Attischen Inschriften sowie der dazu gehörigen, von Hrn. Dr. Kırcuner zusam- mengestellten Indices zu Ende geführt worden und die Ausgabe dieses Bandes (IV, 2) so eben erfolgt. Da der zweite Band der nordgriechi- schen Inschriften, welcher die Delphischen Urkunden zu befassen be- stimmt ist, vorläufig hat zurückgestellt werden müssen, so ist unter- dessen mit dem Drucke des dritten, dessen Redaction Hr. DirTEx- BERGER übernommen hat, begonnen worden. Ferner ist der Aufgabe einer Zusammenstellung der Peloponnesischen Inschriften näher ge- treten worden und Hr. Prof. Fränker, dem diese Arbeit übertragen worden ist, mit der Sammlung und Bearbeitung des Materials einer ersten Abtheilung (Aegina, Korinth, Sikyon, Phlius, Argolis, Troezen, Epidauros, Hermione) beschäftigt. Endlich ist es der Zuvorkommen- heit Hrn. W. R. Pıron’s zu verdanken, dass ein zweites Heft der Inselinschriften in Aussicht gestellt werden kann; derselbe hat uns versprochen, die Inschriften von Lesbos und Tenedos auf Grund des von ihm selbst an Ort und Stelle gesammelten und revidirten Mate- rials für unsere Sammlung bearbeiten zu wollen. Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht der HH. Mommsen und HırscHreun. Der Druck der Nachträge zu dem 6. Bande (Inschriften der Stadt Rom) hat in Folge einer Erkrankung und einer längeren Urlaubsreise des Hrn. Hürsen nur bis Bogen 392 gefördert werden können. Den Abschluss der Nachträge stellt der Herausgeber für das Ende des Jahres in Aussicht. uni TE A en a un an ann el un nn u Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 61 Von dem ıı. Band (Mittel-Italien) hat Hr. Bormany die Meilen- steine dem Druck übergeben. Hr. Inm hat mit der Drucklegung des ihm übertragenen Instrumentum zu diesem Bande begonnen. Die Vervollständigung des Materials für den ersten Theil des ı3. Bandes (Gallien) hat Hr. HırscnreLn auf einer längeren Reise in Frankreich zum Abschluss gebracht und die Drucklegung dieses Theils mit den Inschriften von Aquitanien begonnen. Die Fortführung der zweiten Abtheilung des Bandes (Germanien) gedenkt Hr. ZAnGEMEISTER nach einer Revisionsreise am Rhein im Laufe des Jahres in Angriff zu nehmen. Den Druck der zweiten Hälfte des ı5. Bandes (stadtrömisches Instrumentum) hat Hr. Dresser nach Verarbeitung des in Rom, Paris und London auf seiner vorjährigen Reise gesammelten Materials wie- der aufgenommen. Der Abschluss des von den HH. Momnsen, HirscuhreLp und von Domaszewskı bearbeiteten 3. Supplementbandes (Orient und Donau- provinzen) ist durch zahlreiche Funde, die Aufnahme erheischten, ver- zögert worden, so dass der Druck der Indices erst gegen Ende des Jahres hat beginnen können. Die Ausgabe des Bandes mit den von Hrn. Kırrert neu bearbeiteten Karten kann jedoch für dieses Jahr in sichere Aussicht gestellt werden. Die pompejanischen Wachstafeln, welche die erste Abtheilung des 4. Supplementbandes bilden werden, hat Hr. Zanerneister dem Drucke übergeben und hofft denselben jetzt ohne Unterbrechung zu Ende zu führen. Die Drucklegung des dritten Fascikels des 8. Supplementbandes (Mauretanien) ist von den HH. Cassar und Dessau begonnen und bis Bogen 102 gefördert worden. Die Benutzung des epigraphischen Archivs, das sich zur Zeit in den Räumen der Königlichen Bibliothek befindet, ist unter den durch die Beschaffenheit der Sammlung gebotenen Cautelen jeden Dienstag von 11-ı Uhr gestattet. Prosopographie der Römischen Kaiserzeit. Bericht des Hrn. Monnsen. Hr. Kress hat den ersten Band der Prosopographie bis zum 15. Bogen gefördert. Der zweite von Hrn. Dessau bearbeitete Band ist im Satze beendet; derselbe hofft den dritten Band, dessen Fort- führung er an Stelle des erkrankten Hrn. vox Ronpen übernommen hat, in diesem Jahre dem Abschluss nahe zu bringen. Sitzungsberichte 1896, 6 62 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Corpus nummorum. Bericht des Hrn. Monmnusen. Von der ersten Abtheilung der nordgriechischen Sammlung (Da- cien, Moesien, Thrake) hat Hr. Pıck die Bogen 7-16 zum Druck ge- bracht. Die Hoffnung, diese Abtheilung im Lauf des vergangenen Arbeitsjahres im Drucke zu vollenden, ist nicht in Erfüllung gegangen. Für die zweite Abtheilung (Makedonien) hat Hr. GägLer die Vorarbeiten fortgeführt, der Satz aber hat noch nicht begonnen. Für die Bearbei- tung der kleinasiatischen Münzen aus dem Fonds der Monnusenx-Stiftung sind die litterarischen Vorarbeiten unter der energischen Leitung des Hrn. Kugırscuek in Wien so weit geführt worden, dass deren Abschluss im nächsten Arbeitsjahre erhofft und alsdann die Ausarbeitung des Werkes selbst in Angriff genommen werden kann. An Stelle des aus der Commission für die Herausgabe des Corpus nummorum ausscheidenden Hrn. Mommsen wurden die HH. Diers und Könter gewählt. Aristoteles - Commentare. Berieht des Hrn. Diers. Im verflossenen Jahre ist Ammonius in Categorias (IV 4), heraus- gegeben von A. Busse, fertig gestellt worden. Ausserdem wurde an Philoponus de anima (XV), herausgegeben von M. Hayopuck, Philo- ponus de generatione et corruptione (XIV 2), herausgegeben von G. Vıreıuı, und am Anonymus in Rhetorica (XXI 2), herausgegeben von H. Rage, gedruckt. Der Commentar des Ammonius de Inter- pretatione (IV 5) ist von A. Busse, desselben ungedruckter Commentar in Analytica (IV 6) von M. Warziıes druckfertig gestellt worden, ebenso der Pseudo-Alexander in Sophisticos elenchos (I 3) von demselben. Collationen wurden besorgt hauptsächlich für Themistius (V), dessen Paraphrasen sämmtlich in Arbeit genommen sind. An die Stelle des ausgeschiedenen Hrn. ZELLER ist Hr. Stumpr in die Commission eingetreten. Ausgabe der griechischen Kirchenväter. Berieht des Hrn. HArnAcK«K. ı. Der Contract mit der J. C. Hinrichs’schen Buchhandlung in Leipzig für die Herausgabe der griechischen Kirchenväter ist im Laufe des Jahres abgeschlossen worden. 2. Die Finanzlage des Unternehmens ist noch nicht gesichert, doch hat S. Exeellenz der Herr Minister pro 1895/96 und 1896/97 nen TEE EEE nn ne URN Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 65 je 3000 Mark und für den Hülfsarbeiter Hrn. Lie. Dr. Horı ein Stipen- dium von 1500 Mark bewilligt, so dass die Arbeiten fortgesetzt wer- den konnten. 3. In dem verflossenen Jahr hat Hr. Horr für die Ausgabe eine achtmonatliche Reise nach Italien gemacht, Hr. Dr. Stäuuım befindet sich z. Z. in Paris, um Clemenshandschriften zu collationiren, und be- giebt sich von dort nach Florenz. 4. Der ı. Band der Werke Hippolyt's (herausgegeben von Bon- wErsch und Acneuıs), sowie der ı. Band der Werke des Origenes (herausgegeben von KortscnHAu) befindet sich im Drucke. Die Unter- suchung einer für die indireete Überlieferung der Kirchenväter wich- tigen Gruppe von Mss., der Sacra Parallela, ist von Hrn. Horz zu Ende geführt worden. Die Ergebnisse werden von ihm demnächst in einem besonderen Bande veröffentlicht werden. Der zweite Band der altchristlichen Litteraturgeschichte (die Chronologie enthaltend) ist von Hrn. Harnack soweit gefördert worden, dass die erste Hälfte des Bandes im Frühjahr d. J. zum Druck gelangen wird. 5. In Vorbereitung sind: Die sibyllinischen Orakel (MExpELssonN in Dorpat), Justin (vox GEBHARDT und HarnaAck), die apokryphen neu- testamentlichen Schriften (BErEnpts in Dorpat und von Dosscnürz in Jena), Clemens Alexandrinus (Stäruım in Nürnberg), die alttestament- liehen Commentare des ÖOrigenes (Krostermann in Kiel), die histori- sehen Schriften des Eusebius (Schwartz in Giessen und Heıker in Helsingfors). Thesaurus linguae latinae. Bericht des Hrn. Diers. Die statutenmässige Pfingsteonferenz der Delegirten der fünf be- theiligten Akademien fand am 3. und 4. Juni 1895 in München statt, wo der Finanz- und Arbeitsplan für das Jahr 1895/96 festgestellt und die Wahl der beiden Secretäre, der HH. Dr. Oscar Hry in München und Dr. Paur Sakorowskı in Göttingen, vorgenommen wurde. Voll- ständig verzettelt liegen jetzt vor von Dichtern: Varro’s Menippea, Lu- krez, Catull, Vergil, Tibull, Publilius, Phaedrus, Lucan, Calpurnius, Seneca’s Tragoedien, Statius, Terenz, theilweise Plautus, Properz, Ovid, Martial. Von Prosaikern: Historicorum et oratorum fragmenta, auetor ad Herennium, Cicero ad familiares, ad Quintum, ad Brutum, Seneca’s Suasorien, beträchtliche Theile von Varro de lingua latina, Livius, Cicero’s rhetorischen Schriften, Seneca’s Controversien, Plinius’ Natur- geschichte. Excerpirt wurden Ampelius, Ammian, Martianus Capella, Sidonius Apollinaris, Hegesippus, Censorinus, Regula Benedieti, Rutilius 6* 64 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Namatianus, Corippus, u. A. Die Excerpirung der Zeitschriften und sonstigen Litteratur wird fortgesetzt. Zur Herstellung der von SrupE- munp begonnenen Fronto-Ausgabe wurde von unserer Akademie Hrn. Dr. Haurer in Wien eine Summe von 1000 Mark zur Verfügung gestellt. Auch für andere wichtige Editionen, die dem Thesauruswerke zu Gute kommen sollen, sind Unterstützungen aus den Mitteln der Thesaurus- kasse in Aussicht genommen worden. So für Manilius, Celsus und Apuleius de virtutibus herbarum. Yy® a 2 Humsoror - Stiftung. Bericht des Vorsitzenden des Curatoriums Hrn. E. vu Boıs-Reymon». Das Curatorium der Hungorpr-Stiftung für Naturforschung und Reisen erstattet statutenmässig Bericht über die Wirksamkeit der Stif- tung im verflossenen Jahre. Von den »Ergebnissen der Planktonexpedition der HunmsoLpr- Stiftung« sind seit dem letzten Bericht erschienen: Hessen: Methodik der Untersuchungen; ©. Arsreın: Vertheilung der Salpen; A. BoRsERT: Vertheilung der Doliolen; O. SEELIGER: Pyrosomen: H. Smmrorn: Gastro- poden; H. J. Hansen: Isopoden, Cumaceen und Stomatopoden: J. Reı- sıscHn: Phyllodoeiden und Typhloscoleeiden; L. Bönmie: Turbellaria acoela. Der Zuschuss, den die Hunsorpr-Stiftung für dies Unternehmen gewährt hat, ist verbraucht. Die Zuschüsse zu den folgenden Theilen werden von Sr. Majestät dem Kaiser und Könige allergnädigst aus dem Dispositionsfond gewährt. Mit der zweiten Unterstützung aus den Mitteln der HumsoLpr- Stiftung hat Hr. Dr. Prare seine Studien über die chilenische Meeres- und Landfauna auf den südlichsten Theil des Landes ausgedehnt. Im October, November und December 1894 untersuchte er die Provinz Puerto-Montt und die Insel Calbueo. Vom Januar bis Anfang Mai 1895 widmete er sich der Erforschung des Territoriums der Magellanstrasse und einzelner Theile des Feuerlandes. Durch das liebenswürdige Ent- gegenkommen des Gouverneurs von Punta Arenas hatte er Gelegenheit, auf chilenischen Kriegsschiffen seine Exceursionen bis zum Beagle-Kanal und der Kap Hoorn-Region auszudehnen. Ein kurzer Aufenthalt auf den Falklands-Inseln beschloss die Reise, von der er im Sommer 1895 nach Europa zurückkehrte. Von sämmtlichen Stationen liegen umfassende Sammlungen aus allen Abtheilungen des Thierreiches vor, welche nur zum Theil von Dr. Prare selber untersucht werden können, zum anderen Theil an Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 65 andere Forscher abgegeben worden sind, damit dieselben, wenn irgend möglich, im Laufe der nächsten fünf Jahre wissenschaftlich bearbeitet werden. Als erste Frucht seiner Reise hat Dr. Prarz eine Abhandlung über die Phylogenie und die Entstehung der Asymmetrie der Mollusken in den Zoologischen Jahrbüchern (1895. Abth. für Anatomie) veröffentlicht. Aus den Mitteln des verflossenen Jahres bewilligte die Aka- demie dem Hrn. Dr. Max VErworn, Privatdocenten in Jena, zur Fort- setzung seiner biologischen Studien am Rothen Meere eine Beihülfe von 1500 Mark; dem Hrn. Dr. Wıruern Morrıcke, Privatdocenten in Freiburg im Breisgau, eine solche von 6000 Mark zu einer geologi- schen Reise in die chilenischen Andes. Die für das laufende Jahr zu Stiftungszwecken verwendbare Summe beläuft sich ordnungsmässig abgerundet auf 7500 Mark. Das Capital der Stiftung hat im Jahre 1895 keinen Zuwachs «erhalten. Sarıenr - Stiftung. Am Vocabularium iuris prudentiae Rom. ist die Arbeit in diesem Jahre weiter gefördert, so dass im Frühlinge ein zweites Heft er- scheinen kann. Von den Herausgebern ist Hr. Dr. E. Th. Scnurze aus- geschieden und Hr. Dr. A. Hrın an seine Stelle getreten. Die Arbeiten für den Supplementband zu den Acta nationis Ger- manicae universitatis Bononiensis hat Hr. Dr. Knop in Strassburg laut seinem Berichte im Wesentlichen vollendet. Die Einsendung des Manuseripts ist für das Frühjahr in Aussicht gestellt. An Stelle des aus der Commission ausgeschiedenen Hrn. Monnsen wurden die HH. WemmorLp und HırschreLn gewählt. Borr- Stiftung. Berieht der vorberathenden Commission. Zum 16. Mai 1895, als dem Jahrestage der Stiftung, ist der volle zur Verfügung stehende Jahresertrag von 1894. im Betrage von 1350 Mark, dem Privatdocenten Dr. Krerscnner hierselbst als Bei- hülfe zu einer im Interesse seiner Vorarbeiten für eine griechische Grammatik beabsichtigten Reise nach Griechenland zugetheilt wor- den. — Der Jahresertrag der Stiftung beläuft sich zur Zeit auf 1720 Mark. 66 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Epvarn GERHARD- Stiftung. Die für das Jahr 1895 aus der EnuArp GERHARD-Stiftung verfüg- bare Summe wird, wie in der letzten Leisnız-Sitzung am 4. Juli 1895 mitgetheilt wurde, für spätere Vergebung reservirt. Historisches Institut in Rom. Bericht des Vorsitzenden der Commission Hrn. WATTENBACH. Die akademische Commission hat in diesem Jahre einen schweren Verlust erlitten durch den Tod ihres Vorsitzenden, Hrn. v. SvsEr, welcher nicht nur mit dem hingebendsten Eifer und bewunderungs- würdiger Umsicht das historische Institut recht eigentlich ins Leben gerufen und zur Blüthe gebracht hat, sondern auch dadurch dazu vorzüglich befähigt und im Stande war, dass er zugleich als Direetor der Staatsarchive das Institut auch von dieser Seite aus als ein seinen Zielen dienendes betrachtete. Er hat es deshalb nicht allein mit reichen Geldmitteln unterstützt, sondern auch eine vorzügliche Arbeits- kraft aus dem Kreise seiner Beamten in den Dienst des Instituts stellen können. Aus diesem Grunde ist auch gegenwärtig die fernere Gestaltung des Instituts eine sehr ungewisse, und vor der Wahl eines neuen Directors der Staatsarchive ist es nicht zweckmässig erschienen, die Commission zu ergänzen, welcher ausser mir nur der Hr. Prof. Lenz angehört. Die wiederholten Erkrankungen, welche Hrn. v. SysEeL im ver- gangenen Jahre heimgesucht haben, verhinderten ihn an der Abfassung eines Berichtes, so dass gegenwärtig ein Zeitraum von zwei Jahren zu überblicken ist. Als dirigirender Secretar steht dem Institut Hr. Prof. FrIEDENSBURE vor, dessen geschickte Leitung und rastlose Thätigkeit die lebhafteste Anerkennung verdienen; Assistenten sind Dr. ScheLLnass und Dr. Kupke, Hülfsarbeiter Dr. Heivennam; Hr. Dr. Kırwnine ist im December 1894 ausgetreten. Den Hauptgegenstand der Arbeit bilden nach wie vor die so hochwichtigen, meist im Vaticanischen Archiv befindlichen Nuntiatur- berichte, welche jedoch den vollen geschichtlichen Werth erst durch die Verbindung mit anderen ergänzenden Actenstücken erhalten. Diese in den verschiedensten Archiven und Bibliotheken Italiens und Deutsch- lands aufzusuchen und auszunutzen, dienen vorzüglich die dreimonat- liehen Sommerferien, während welcher das Vaticanische Archiv ge- schlossen ist. Alle Beamte haben sich dieser Aufgabe mit grösstem Br; Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 67 Eifer gewidmet, und die vorliegenden Bände, welche durchgehends die bereitwilligste Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen gefunden haben, bezeugen das glücklicbe Ergebniss ihrer Arbeiten. Erschienen ist im Jahre 1894 der zweite und letzte Band der Publication von dem ehemaligen Assistenten Jos. Hansen, jetzt Stadt- archivar in Köln, welcher wesentlich die Berichte derjenigen päpst- lichen Legaten und Nuntien enthält, die auf dem Reichstage zu Regensburg 1576, dem Kölner Paeificationstage von 1579 und dem Augsburger Reichstage von 1582 die Interessen der Curie wahrzu- nehmen hatten; ausserdem einen Anhang, sowie Nachträge zum ersten Band, zu welchen die für. das Institut erworbenen Manuseripta Mi- nucciana den Hauptbestand geliefert haben. Ferner im Mai 1895 der erste Band der vierten Abtheilung, welcher die Nuntiaturberichte des ersten Jahres des Mantuaner Erb- folgekrieges (1628) enthält, bearbeitet von dem früheren Assistenten Dr. Kıewnine. Im Druck befindet sich ein Band, welcher die erste Hälfte der Nuntiatur des Grafen Portia (1573 und 1574) enthält, bearbeitet von dem Assistenten Dr. SCHELLHASS. In Vorbereitung zum Druck befindet sich eine Anzahl von Bänden, deren Abschluss vorzüglich dadurch verzögert wird, dass von so vielen verschiedenen Seiten her die zur Ergänzung nothwendigen Materialien beschafft werden müssen. Während sich nun die Beamten des Instituts wesentlich mit diesen Aufgaben beschäftigen, versäumen sie es doch nicht, den recht zahlreichen deutschen Gelehrten, welche theils durch schriftliche An- fragen, theils bei persönlicher Anwesenheit in Rom an dem Institut einen Anhalt und Nachweisungen für ihre Zwecke und Aufgaben suchen, nach Möglichkeit behülflich zu sein. Reichlicher Stoff hat sich bei diesen Arbeiten auch für die Sammlung sehr interessanter Miscellaneen ergeben, für welche eine Gelegenheit zur Veröffentlichung in periodisch erscheinenden Heften gewünscht wurde, doch war es bis jetzt nicht möglich, einen Verleger dafür zu finden. Dem Institut angegliedert ist nun ferner die Redaction des im letzten Jahresbericht (1894) erwähnten, durch die Munificenz Seiner Majestät des Kaisers und Königs ermöglichten Repertorium Germa- nicum, dessen erster Band, das erste Jahr Eugen’s IV. umfassend, sich im Druck befindet. Die Leitung derselben hat der Archivar Dr. ArsoLrp, dem die HH. DDr. Kaurmann, HaLtLer und LuLves zur Seite stehen. Hat sich auch die Hoffnung auf Erschliessung von Materialien von politischer Bedeutung nicht erfüllt, so gewähren doch 68 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. die Suppliken und Pfründenverleihungen tiefe Einblicke in die Ver- hältnisse der deutschen Stifter und werden namentlich für die Speeial- geschichte von reichem Ertrage sein. Die Durcharbeitung des sehr umfangreichen und weitschichtigen Materials erfordert erstaunliche Mühe, Ausdauer und Geduld: nicht geringere die Arbeit für die Erklärung und Richtigstellung der vor- kommenden Namen von Orten und Personen. Für die weitere Fort- führung ist bedeutend vorgearbeitet. Schliesslich ist es erfreulich, mittheilen zu können, dass anstatt des früheren unzulänglichen Locals es gelungen ist, im Palazzo Gius- tiniani ein allen billigen Ansprüchen genügendes Unterkommen für das Institut zu finden. Hermann und Erıse geb. Hrcknann WENTZEL- Stiftung. Die Hermann und Erise geb. Heckmann WENTZEL-Stiftung wird an ihre Aufgabe, wichtige wissenschaftliche Unternehmungen zu er- möglichen und zu fördern, ihrem Statut gemäss erst nach Schluss des laufenden ersten Rechnungsjahres herantreten können. Gegenwärtig ist nur von den innerhalb des Jahres in dem Cura- torium vorgekommenen Änderungen Mittheilung zu machen. Das als Seceretar der philosophisch -historischen Classe gewählte Mitglied Hr. Monmnsen ist mit dem Rücktritt von dem akademischen Amt aus dem Curatorium ausgeschieden und der Vorsitz damit auf seinen Stellver- treter Hrn. Auwers am ı. October 1895 übergegangen. Die erforder- liche Ergänzung des Curatoriums durch Zuwahl eines Secretars der philosophisch -historischen Classe ist durch statutenmässig vollzogene Wahl des Hrn. Vanıen erfolgt. Kant- Ausgabe. Bericht des Hrn. DıLTraey. Nachdem die Akademie eine Kant-Ausgabe beschlossen hat, welche alle noch erreichbaren Briefe, Handschriften und Vorlesungen des grossen Denkers verwerthen soll: ist die von ihr eingesetzte Commission, welche aus den HH. Dirıs, Divruey, Stumpr, VAHLEn und Weısnorn besteht, zunächst an die Maassregeln für die Gewinnung und Sammlung des Materials, und an die Verständigung mit den Gelehrten, welche die Abtheilungen der Briefe, der einzelnen hand- schriftlichen Aufzeichnungen und der Vorlesungen übernehmen, heran- getreten. Die Kaiserlich Russische Regierung hat mit dankenswerther Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 69 Bereitwilligkeit die Dorpater Kanrt-Handschriften zur Benutzung über- sandt. Hrn. B. Ervmasv in Halle ist die Akademie zu grossem Dank dafür verpflichtet, dass derselbe die von ihm hergestellte sehr um- fangreiche Abschrift der in das durchschossene Exemplar der Baun- GARTEN’ schen Metaphysik von Kant eingetragenen wissenschaftlichen Aufzeichnungen unseren Arbeiten zur Verfügung gestellt hat. Ebenso ist die Akademie Hrn. Reıcke in Königsberg grossen Dank dafür, schuldig, dass er den reichen Schatz seiner Sammlungen, Handschriften und Abschriften ihrem Zwecke eröffnet hat. Hr. Reıckz wird auch die Ausgabe der Briefe übernehmen, mit deren Sammlung er seit langen Jahren beschäftigt ist. Hr. Hrıyrze in Leipzig wird die Ab- theilung der Vorlesungen leiten und selbst die über Logik, Meta- physik und Religionsphilosophie herausgeben. Andere Verhandlungen schweben noch. Die Berichte über die Monumenta Germaniae historica und das Kaiserliche archaeologische Institut werden später mitgetheilt, sobald die Jahressitzungen der leitenden ÜCentraldireetionen stattgefunden haben werden. Zum Schluss berichtete der Vorsitzende über die seit dem letzten Friepricns- Tage im Januar 1895 in dem Personalstande der Akademie eingetretenen Änderungen. Die Akademie hat durch den Tod verloren das ordentliche Mit- glied Heisrıcn vox SygeL: die auswärtigen Mitglieder: der physi- kalisch-mathematischen Classe Franz Neumann in Königsberg, der philosophisch-historischen Classe Sir Hexey Rawrinsox in London und Ruporr von Roru in Tübingen: die correspondirenden Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe HH. Arruur CAavLey in Cam- bridge, James Dana in New Haven, Conneetieut U. S. A., Tuonmas Hvxter in London, Sves Lupvie Loven in Stockholm, Kart Lupwis in Leipzig, Lornar Mever in Tübingen, Lupwıs Scarärzı in Bern. Neu gewählt wurden zu ordentlichen Mitgliedern der physika- lisch-mathematischen Classe Hr. Frıeprıcn Kontrauscn und Hr. Enı. Wargurs; der philosophisch - historischen Classe HH. Karı Srunpr. Örıcn Scnmivt, AnporLr Erman, HEeIsRIcH von TRrEITScHkE. Zu corre- spondirenden Mitgliedern wurden gewählt: in der physikalisch- mathematischen Classe HH. Arexanper Acassız in Cambridge U. S.A., Aurren Louis OLıvier Des Croizeaux in Paris, Arroxso Cossa in Turin, Sitzungsberichte 1896. 7 70 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar. Wirnerm von GÜNmBEL in München, Wırrıam Hussıns in London, Morıtz Lorwv in Paris, ÖLEUTHERE MascarT in Paris. ALBRECHT SCHRAUF in Wien, Ausrecnt vos Zitten in München: in der philosophisch - histo- rischen Classe HH. Wırmern Raprorr in St. Petersburg und Epwarn Maunpe Tnonmrson in London. An Stelle der im Laufe des vergangenen Jahres zurückgetrete- nen Secretare der Akademie. der HH. Monnsen und nu Boıs- Reymonn sind die HH. Dıiers und Warpever gewählt und von Seiner Majestät dem Kaiser und König bestätigt worden. Ausgegeben am 30. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. — = ——— eu 71 1896. V. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 30. Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Fıscner legte die umstehend folgende von ihm und dem Kreisthierarzt hierselbst Hrn. W. Neger herrührende Abhandlung vor: Über das Verhalten der Polysaecharide gegen einige thieri- sche Secrete und Organe. 2. Hr. Scuuzze legte die gleichfalls hier folgende Mittheilung des Hrn. Dr. Fr. Scnaunisx hierselbst vor: Über die Copulation von Actinophrys sol Enkes. 3. Hr. Schwarz legte eine später in diesen Berichten abzu- druckende Mittheilung des Professors an der Universität Wien Hrn. Dr. Franz Mertens vor: Über die Gavssischen Summen. 4. Hr. Kırcnnorr feiert am 4. Februar sein fünfzigjähriges Doctor- jubiläum. Die Akademie begrüsst ihn an diesem Tage durch die unten folgende Adresse. 5. Die philosophisch-historische Classe hat zur Herausgabe der im B. G. Teubner’schen Verlage in Leipzig erscheinenden, von Hrn. Dr. Herman Scnöxe in Köln bearbeiteten Schrift des Apollonius von Kition mepi ap8pwv 600 Mark bewilligt. Hr. vu Boıs-Reymoxp hat das seit dem ı.Juli 1867 bekleidete Amt eines Secretars der Akademie mit Schluss des abgelaufenen Jahres Sitzungsberichte 1896. 8 72 : Gesammtsitzung vom 30. Januar. niedergelegt, und die physikalisch-mathematische Classe hat an seiner Stelle Hrn. Warpever zum Secretar gewählt. Durch Allerhöchste Cabi- netsordre vom 20. Januar hat Seine Majestät der Kaiser und König diese Wahl zu bestätigen geruht. Das correspondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hr. Gruserpe Fıorerzı zu Neapel ist am 30. Januar verstorben. ee Ze na ee Über das Verhalten der Polysaccharide gegen einige thierische Secrete und Organe. Von Ent, Fischer und WILHELM NIEBEL. Bi Veränderung der complieirteren Kohlenhydrate. im thierischen Organismus ist eine so wichtige physiologische Frage, dass sie seit 70 Jahren der Gegenstand zahlloser Untersuchungen war. Man hat sich jedoch dabei geflissentlich auf diejenigen Polysaecharide be- schränkt, welche leicht zugänglich sind und welche als Bestandtheile der thierischen Nahrung das Interesse zunächst in Anspruch nehmen: dahin gehören Stärke. Cellulose, Rohrzucker, Milchzucker und Maltose. Zu ihnen gesellt sich noch das Glykogen als der weit verbreitete thierische Reservestoff. Weniger wählerisch war man bezüglich der Thiere. Ausser dem Menschen sind Hunde, Kaninchen, Hühner und Rinder, in selteneren Fällen Katzen, Schweine, Schafe, Pferde und Ratten benutzt worden. Von thierischen Flüssigkeiten wurden geprüft hauptsächlich: Speichel, Magensaft, Pankreasseeret, Darmsaft, Blut, Galle, Harn, Thymus und Fleischflüssigkeit. Inzwischen hat die chemische Kenntniss der Polysaecharide eine wesentliche Erweiterung erfahren, und ihre Prüfung gegen die Enzyme des Pflanzenreiches oder der Mikroorganismen, insbesondere der Hefe- arten, ist von neuen Gesichtspunkten aus studirt worden. Das wesent- lichste biologische Resultat dieser Untersuchungen ist der Nachweis, dass der alkoholischen Gährung der Polysacecharide allgemein die Spal- tung derselben in Monosaccharide durch die Enzyme der verschiedenen Hefen vorausgeht'. Die bei jenen Untersuchungen gesammelten Erfahrungen über die grosse chemische Verschiedenheit nahe verwandter Mikroben führten zu der Vermuthung, dass ähnliche Unterschiede vielleicht auch bei den höheren Thierspecies bestehen. Wir haben deshalb ! E. Fıscuer, Ber. d. D. chem. Ges. 27, 2985 und 3479. 28, 1429; ferner FiscHER und Linpser, ebenda 28, 984 und 3034. gS* 74 Gesammtsitzung vom 30. Januar. eine vergleichende Untersuchung über die Wirkung der wichtigsten Seerete von Säugethieren, Vögeln, Fischen und Amphibien auf eine grössere Anzahl von Polysaechariden angestellt und sind dabei in der That auf einige recht bemerkenswerthe Unterschiede gestossen. Am ausführlichsten wurden, wie auch schon von früheren Be- obachtern, geprüft: Stärke, Glykogen, Maltose, Rohrzucker und Milch- zucker; dazu kommen die bisher mit thierischen Säften nur sehr wenig behandelten Polysaccharide Trehalose und Melitose (Raffinose) und endlich das Amygdalin, sowie vier künstliche Glucoside, deren Verhalten gegen die Enzyme der Hefe, das Emulsin und die Diastase schon bekannt ist!. Da es uns auch bei den thierischen Organen allein auf die en- zymatischen Wirkungen ankam, so haben wir in der Regel mit klar filtrirten Lösungen bez. Infusen gearbeitet und die Thätigkeit lebender Zellen durch Zusatz von anaesthesirenden Mitteln aufgehoben. Nur in einigen Fällen wurde das zerkleinerte Thierorgan nach passender Reinigung direet, aber ebenfalls unter Zusatz antiseptischer Mittel benutzt. Am häufigsten kam das Blutserum zur Verwendung, weil dasselbe auch von kleineren Thieren am leichtesten in genügender Quantität beschafft werden kann. Dasselbe wurde, wenn möglich, von dem Blutkuchen abgegossen, mit 5 Procent des betreffenden Kohlenhydrats versetzt und unter Zugabe von ı Procent Toluol (oder bei einigen Controlversuchen auch nach Zusatz von ı Procent Thymol) 24 Stunden im Brutofen aufbewahrt. Wenn der Rlutkuchen sieh nicht absetzte, wurde die ganze Masse durch ein feines, reines Drahtnetz getrieben, mit der gleichen Menge Wasser verdünnt, durch Papier filtrirt, dann mit 24 Procent des Kohlenhydrats versetzt und im übrigen behandelt wie zuvor. Die löslichen Kohlenhydrate mit Einschluss des Glykogens wurden fest, aber fein gepulvert zugegeben und durch Schütteln gelöst. Die Stärke kam als 2 procentiger Kleister zur Anwendung und wurde mit so viel Serum versetzt, dass die Gesammtflüssigkeit 1.4 Procent Stärke enthielt. Um das Infus der Magen- und Dünndarmschleimhaut herzustellen, wurden stets die ganz frischen aufgeschnittenen Organe durch Spülen mit kaltem Wasser und loses Hinüberstreichen mit der flachen Hand sorgfältig gereinigt, dann die Schleimhaut mit einem Messer abgeschabt und sofort mit der dreifachen Gewichtsmenge destillirten Wassers, unter Zusatz von ı Procent Toluol bei 10°C. 24 Stunden ausgelaugt. An Stelle a Fischer u, Nieser; Polysaccharide und thierische Organe. [55) des Toluols wurde in einigen Fällen, z.B. bei der Prüfung der Dünndarm- schleimhaut von Rind und Pferd gegen Rohrzucker, 5 Procent Fluor- natrium mit demselben Erfolge angewandt. Dem filtrirten Infus wurden dann 2 Procent des löslichen Kohlenhydrats und speciell bei der Stärke das gleiche Volumen 2 procentiger Kleister zugegeben. War die Wir- kung negativ, wie bei Rohrzucker und Melitose, oder sehr schwach, wie beim Milchzucker, so wurden, speciell für Dünndarm, Control- versuche mit der frischen Schleimhaut selbst angestellt in der Art, dass man ı Gewichtstheil der letzteren mit 3 Theilen Wasser und 2 Procent des Kohlenhydrats unter Zusatz von ı Procent Toluol, oder auch bei gänzlicher Abwesenheit des letzteren gleichfalls 24 Stunden bei 34° digerirte. Bei der Ringelnatter ist der ganze Darm wegen der Kleinheit des Organs zur Herstellung des Infus benutzt worden. Magenschleimhaut, Pankreas, Hoden und Schilddrüse wurden genau in derselben Weise wie die Darmschleimhaut zum Infus verarbeitet. Der Nachweis der Monosaccharide nach beendeter 24 stündiger Einwirkung des Serums oder der Infuse erfordert zunächst die Aus- fällung der Eiweissstoffe: das geschah durch Zusatz von ı bis 2 Tropfen 5oprocentiger Essigsäure und kurzes Aufkochen der Flüssigkeit. Bei dem Blut der Fische und der Ratte muss man zur Ausfällung des Eiweiss zuerst einen Tropfen starker Natronlauge und dann erst die Essigsäure zusetzen. War das angewandte Polysaccharid oder Glucosid ohne Wirkung auf die Frnume’sche Lösung, so konnte das klare Filtrat des Monosaccharids direet in der gewöhnlichen Weise titrirt werden. Bei Maltose und Milchzucker dagegen diente zum Nachweis der Mono- saccharide die Phenylhydrazinprobe, und die quantitative Bestimmung unterblieb wegen der Unsicherheit, welche die indireeten Methoden der Titration oder Polarisation in diesem Falle darbieten. Dagegen haben wir das Phenylhexosazon gewogen, um einen gewissen Anhalt über den Grad der Spaltung zu gewinnen. Der Übersichtlichkeit halber stellen wir unsere Resultate in der folgenden Tabelle zusammen. Man erkennt daraus sofort, dass Stärke, Glykogen und Maltose von den Secreten der verschiedenen Thiere ganz gleichmässig ange- griffen werden. Das steht in Einklang mit allen früheren Beobach- tungen, die so zahlreich sind, dass wir sie hier nicht alle anführen können. Als ganz neu glauben wir aber unsere Versuche über das Blut der Fische, Reptilien und Amphibien, sowie über die Wirkung des Hühnerkropfs. der Schilddrüse und des Hodens bezeichnen zu 76 Gesammtsitzung vom 30. Januar. Blutserum Repti en Säugethiere er phi- Fische lien 2 bien Flussbarsch® ä (Esox Lucius) (Lucioperca sandra) Aal (Tinca vulg.) (Anguill. vulg.) Sander (Abramis brama) Schleie Ringelnatter Schildkröte Frosch Karpfen (COyprinus carpio) Brasse (Perca fluv.) Hecht NnGlyeorenz error IN Maltoserr. mer. IV. Milchzucker ..... V. Rohrzucker.. ..... VI. Trehalose ....... VII. Melitose (Raffinose) VII. @-Methylglucosid. | |— | | IX. ß-Methylglucosid | — > X. a-Methylgalactosid | — | — XI. ß-Methylgalaetosid | — XII. Amygdalin....... | — + bedeutet Hydrolyse; die beigefügte Zahl zeigt bei Stärke, Glycogen, Rohrzucker, Trehalose eirende Zucker nur Glucose ist. Bei Maltose und Milchzucker ist die Menge des Phenyl- — bedeutet keine Hydrolyse. ? bedeutet so schwache Reaction, dass das Resultat zweifelhaft war. Fıscner u. Nıeser: Polysaecharide und thierische Organe. a u Wässerige Auszüge Verdauungstractus Wässerige Auszüge =| Magen- Pe Bauch- u» z| Galle 2 | schleim- Dünndarmschleimhaut 3 speicheldrüse = ® 3 = haut S| (Pankreas) |n "Io > B- z z 1 q| 7 Junges, Altes | nr Kalb | Rind | Ring | Pferd 8, names: = 2 & | ei = =| 2 | 20.188] |.#|:|s =| 8 = 2 SIR Ss|E/=|=| Frl lo 2|| © 2 18 > gI=<|sıs)2/5|2.12|5 818181 8 rg = || = eeelseie jaassisieitjsslsıe|ı & | E |@|8l8|- je [Pf PET. TuS 7} s|eo|l=| mn P|I lan jet rs KHK Ilnaleımn | | 3E SE SE ER SR SH SE SE Sees + + + |I+ YA 7 25 |25|10/35|30|25|25|75| |60 85 80 60 |25 15 Io 30 | 90 | + ee + +++ + + + + |\2= ILS IE6 | 30 |30|20|35| 12 |20| 12 |60 16|60 16| 50 70 20 |8 | 30| | 35| 90 18 10 Ber au jr FE 1 re + se - + Im. [+ + | 25 |25|31/35|23|38|81 0238| | ||+| 62 30 || ze || aa | mg. Hexosazon mg. Hexosazon auf o!2 Maltose + |+-/+/+/+ +/| + + IV. — | 88 |84J100] 9 |18| 4 |85| 2 |? =) — — | || | I26| |a7| mg. Hexosazon auf o!2 Milchzucker | ++! |+| f allen: | ses dl; _ |30|60|_|16 lie a licher: | | 90 | Il | 100) ea +/+/+|+ | 15 10 35 |30| 15 | 20 | VI _ TSlelr 20 25|—| | | — = _ I-1- | — [5 60 | ts e 4 I & vn. Aereenne Zee Be ZaspRER Te 1 fee vIu Bez er eu ee | eHern =ar= = re ele + IX. _ 25 _ _ _ 15 X. | XI. | E + + XI. _ | | | _ | | 45 | j70 und den Glucosiden in Procenten die Hydrolyse an unter der Voraussetzung, dass der redu- hexosazons in Milligramm für o‘2 des Disaccharids angegeben. 78 Gesammtsitzung vom 30. Januar. dürfen. Die Hydrolyse der Stärke und des Glykogens geht selbstver- ständlich in allen Fällen wenigstens theilweise bis zum Traubenzucker; denn wenn auch zuerst Maltose entsteht, so wird dieselbe doch hinter- her gleich weiter gespalten werden. Deshalb sind auch die in der Tabelle angegebenen Zahlen stets unter der Voraussetzung berechnet, dass der reducirende Zucker Glucose sei. Ganz anders sind die Resultate beim Milchzucker. Dass derselbe nicht schon früher ausführlich mit den thierischen Flüssigkeiten geprüft wurde, hat wohl seinen Grund in der Schwierig- keit, die Spaltungsproducte zu erkennen, welche erst durch die Auf- findung der Phenylhydrazinprobe beseitigt ist. Directe Versuche mit Blutserum scheinen bei diesem Zucker nicht ausgeführt worden zu sein. Man weiss zwar, dass grössere Mengen desselben, subeutan ein- gespritzt oder verfüttert, zum Theil in dem Harn wieder erschei- nen, und man konnte danach wohl vermuthen, dass er im Blut nicht leicht hydrolysirt werde, aber der Beweis, dass gar keine Spaltung dureh das Blutserum stattfinde, ist erst für die betreffenden Thier- arten durch unsere Beobachtung erbracht. Über die Wirkung des Dünndarms auf Milchzucker sind die Angaben verschieden. Nach CArL Vorr' soll er im Darm des Kaninchens nicht hydrolysirt werden, da- gegen haben W. Paurz und J. Vosrr?” vor kurzem zweifellos nachge- wiesen, dass der mittlere Theil des Dünndarms (Jejunum) des neu- geborenen Kindes den Milchzucker spaltet. und etwas später zeigten Rönnann und Larre” dasselbe vom Dünndarm des Kalbes und des jungen, sowie ausgewachsenen Hundes, während beim Rind ihr Re- sultat negativ war. Unsere Versuche, bei welchen allerdings die Wir- kung des Schleimhautinfus 24 Stunden dauerte, haben auch bei aus- gewachsenen Rindern und alten Pferden eine unverkennbare Spaltung ergeben, aber dieselbe ist, wie die beigefügten Zahlen zeigen, bei jungen Thieren viel stärker als bei alten. Das hängt wohl mit der veränderten Nahrung zusammen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei dauernder Fütterung eines alten Thieres mit Milch die Darm- schleimhaut wieder grössere Mengen des betreffenden Enzyms produ- eiren würde. Bei den übrigen Secreten, welche zur Untersuchung kamen, war keine Hydrolyse des Milchzuckers wahrzunehmen. ! Zeitschrift für Biologie 28, 282. 2 Ebenda 32, 304. ® Ber. d. D. chem. Ges. 28, 2506. Fischer u. Nıeser: Polysaecharide und thierische Organe. 79 Rohrzucker. Das Verhalten des Rohrzuckers gegen thierische Secrete ist sehr ausführlich von Cr. BERNARD! studirt worden. Er fand, dass derselbe beim Menschen, Hund und Kaninchen von dem Magensaft wenig, von den Secreten des Dünndarms sehr stark hydrolysirt wird, wäh- rend Blut, Galle, Speichel, pankreatischer Saft, ferner Aufgüsse von Lymphdrüsen und den Schleimhäuten des Mundes, Oesophagus, Ma- gens, Dickdarms und der Blase gar keine Wirkung ausüben. Diese Resultate sind später von vielen Autoren bestätigt worden. Unsere Versuche führen im Wesentlichen zu denselben Resultaten. Das Blut- serum war bei zwölf verschiedenen Thieren, unter welchen sich auch Fische und Amphibien befanden, ohne jede Einwirkung auf den Zucker, und ebenso negativ verhielt sich das Infus der Magenschleimhaut. Da- gegen haben wir beim Zwölffingerdarm des Rindes im Gegen- satz zu den anderen Thieren ebenfalls keine Spaltung beob- achtet. Die Versuche wurden an zehn verschiedenen Ochsen, Kühen und Kälbern mit ganz frischem Darm, welcher theils als Infus, theils direet im zerkleinerten Zustande zur Verwendung kam, ausgeführt. . Auch beim Schaf war die Wirkung auf Rohrzucker negativ. Das Re- sultat bestätigt eine ältere, bisher wenig beachtete Angabe von V. PaA- scuurin” über die Indifferenz des Dünndarms von Schaf und Kalb gegen Rohrzucker; es zeigt ferner, wie vorsichtig man bei der Generalisirung auf diesem Gebiete sein muss und rechtfertigt gerade die von uns unternommene Ausdehnung des Versuches auf eine grössere Zahl von Thierspecies. Wir sind natürlich weit davon entfernt, aus dem obigen Versuch einen definitiven Rückschluss auf das Schicksal des Rohrzuckers im lebenden Rinde zu ziehen; wir halten es vielmehr für sehr wahr- scheinlich, dass auch hier der Zucker, bevor er in die Blutbahn ge- langt, grösstentheils invertirt wird. Aber die Ursache der Inversion kann nicht in der Thätigkeit des Dünndarms gesehen werden. Trehalose. Dieser Zucker ist nach den neueren Untersuchungen im Pflanzen- reich viel verbreiteter, als man früher wusste und wird offenbar in manchen Fällen als Reservestoff verwerthet. Durch die Arbeiten von BourgueLor kennt man auch ein Enzym, die sogenannte Trehalase, ' Vergl. Vorlesungen über den Diabetes, deutsch von Ü. Posner; ferner Mıvra, Zeitschrift für Biologie. 1895. S. 266. ® Mary's Jahresber.. Thierchemie. 1871. Q x . s0 Gesammtsitzung vom 30. Januar. welches denselben sehr leicht in Traubenzucker verwandelt. Dasselbe findet sich in verschiedenen Schimmelpilzen. Selbst das Grünmalz ist, wie BOURQUELOT' zuerst beobachtete, und wie der eine von uns aus- führlicher” dargethan hat, ebenfalls im Stande, eine langsame Hydro- lyse dieses Polysaecharids zu bewirken. Endlich fanden BouURQUVELOT und Grev (Compt. rend. soc. de Biolog. 1895, 515 und 555), dass die Trehalose durch den Dünndarm des Kaninchens, aber nicht durch das Blutserum des Hundes, den menschlichen Harn oder durch die Pan- kreasdrüse des Kaninchens gespalten wird. Wir waren deshalb nicht besonders erstaunt zu sehen, dass auch das Infus der Dünndarm- schleimhaut vom Pferde und Rinde eine ähnliche Wirkung hat. Die Spaltung ist allerdings nieht immer stark, aber doch, wie die Zahlen der Tabelle beweisen, derart, dass sie sicher auf die Anwesenheit eines hydrolysirenden Enzyms schliessen lässt. Beim Schaf und der Ringelnatter war dagegen der Darm ohne Wirkung. Ungleich merkwürdiger sind die Beobachtungen beim Blutserum. Hier treten die Fische in Gegensatz zu allen untersuchten Warm- blütern; denn ihr Blut ist allein befähigt, die Trehalose zu spalten. Aber auch bei ihnen sind noch auffallende Unterschiede bemerkbar. Das Serum der Karpfen zeigt eine sehr starke Wirkung, bei der Brasse und dem Barsch ist dieselbe erheblich schwächer und beim Hecht abermals verringert. Beim Aal war das Resultat schon zweifel- haft und bei der Schleie und dem Zander ganz negativ. Der Versuch mit Karpfenblut wurde fünfmal mit demselben Erfolge wiederholt: er beweist von neuem, wie verschiedenartig die Organe nahe verwandter Thiere ehemisch wirken können, und wir zweifeln nicht daran, dass man bei Ausdehnung solcher Studien noch mehr derartige Abweichungen finden wird. Ob die Erscheinung beim Karpfen mit seiner etwas eigen- artigen Lebens- und Ernährungsweise in Zusammenhang gebracht wer- den kann, lassen wir dahingestellt. Melitose (Raffinose). Dieselbe wird bekanntlich vom Invertin der Hefe ebenso leicht hydrolysirt. wie der Rohrzucker. Wir hatten deshalb erwartet. dass sie im Dünndarm der Pferde gespalten werde. Unser negatives Resultat ergänzt die neuere Angabe von Paurz und Vocer’, dass die Dünn- darmschleimhaut des Hundes die Melitose nicht verändert. Das Rohr- ' Compt. rend. soc. de Biologie. 17. Juni 1895. ® Ber. d. D. chem. Ges. 28, 1432. » Zeitschrift für Biologie. 32. 304. en ty Fiscuer u. Nıeser: Polysaecharide und thierische Organe. sl zucker spaltende Enzym des Dünndarms ist also zweifellos mit dem Invertin der Hefe nicht identisch. Auch Blutserum und die übrigen untersuchten Organe sind ohne Wirkung auf die Melitose. Glueoside. Die künstlichen Glucoside des Methylalkohols sind gegen manche pflanzlichen Enzyme ebenso empfindlich, wie die natürlichen Derivate der Phenole. So wird das a-Methylglucosid vom wässerigen Auszug der Bierhefe leicht gespalten und noch rascher unterliegt die ß-Ver- bindung der Wirkung des Emulsins'. Ähnlich verhalten sich die beiden Galactoside, nur erfolgt ihre Spaltung viel langsamer”. Wir hatten deshalb erwartet, auch eine Hydrolyse dieser Ver- bindungen durch das eine oder andere thierische Enzym zu finden. Am ausführlichsten wurde das a-Methylglucosid geprüft, weil es der so leicht spaltbaren Maltose nahe verwandt zu sein scheint. Aus dem durchweg negativen bez. zweifelhaften Resultate muss man folgern, dass entweder die Maltase der Hefe von der Maltase der thierischen Organe verschieden ist oder dass die Hefe ausser der Maltase und dem Invertin noch ein besonderes Enzym für die a-Glucoside enthält. Die erstere Annahme halten wir für die wahrscheinlichere. Für das 8-Methylglueosid wurde eine zwar schwache, aber doch unverkennbare Spaltung (15 Procent) durch den Auszug von Pferdedünn- darm festgestellt. Letzterer zeigt also eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Emulsin, welche auch beim Amygdalin wieder deutlich zu Tage tritt. Bei Anwendung der Darmschleimhaut selber war die Wirkung etwas stärker (25 Procent). Die Veränderung des Amygdalins im Thierkörper ist wiederholt und wohl am ausführlichsten von A. Morıssra und G. Ossı” untersucht worden. Dieselben stellten fest. dass der Inhalt des Dünndarms beim Kaninchen aus dem Glucosid reichliche Mengen von Bittermandelöl und Blausäure freimacht, während beim Hunde diese Spaltung in viel geringerem Maasse eintritt. Unsere Versuche, bei welchen es sich nur um die Prüfung enzymatischer Wirkungen handelte, sind nicht mit Darminhalt, sondern mit der sorgfältig gereinigten und abgelösten Schleimhaut, bez. deren wässerigem Auszug angestellt. Auch hier zeigte sich ein auffallender Unterschied der Wieder- käuer (Rind und Schaf) vom Pferde und Kaninchen; denn bei ersteren ! E, Fıscner, Berichte d. D. chem. Ges. 27. 2985 u. 3479. ®2 Ebenda 28. 1429. Über die Spaltung des a-Methylgalactosids durch Bierhefe soll bald Näheres mitgetheilt werden. ® Atti Acad. Lincei. 1876. 82 Gesammtsitzung vom 30. Januar. blieb das Glueosid ganz unverändert, während bei den letzteren eine starke Spaltung eintrat. Als Produete derselben wurden Bittermandelöl, Blausäure und Zucker nachgewiesen, und die Procentzahlen, welche die Tabelle für die Spaltung angibt, sind aus der Menge des titri- metrisch bestimmten Traubenzuckers so berechnet, als wäre das Amyg- dalin nach der Gleichung C.H,,NO,, + 2H,0 = 20,H,,0, + 0,H,0 + HCN zerfallen. Vor kurzem hat aber der Eine von uns eine Spaltung des Amygdalins durch die Enzyme der Hefe kennen gelehrt, bei welcher nur die Hälfte des Zuckers abgelöst wird und das sogenannte Mandel- nitrilglueosid entsteht!. Ob diese partielle Zerlegung auch durch die Enzyme des Dünndarms bewirkt wird, haben wir wegen der schwie- rigen Erkennung des neuen Glucosids nicht geprüft. ! Berichte d. D. chem. Ges. 28. 1508. nn nn re nn nn a a a a a 83 Über die Copulation von Actinophrys sol Errse. Von Dr. Frırz ScHAuDinn, Assistenten am Zoologischen Institut der Universität zu Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Scnurze.) Di: Conjugation der Infusorien ist häufig Gegenstand genauer Unter- suchung gewesen, und die im Innern des Weichkörpers sich abspie- lenden Vorgänge sind durch die berühmten Arbeiten von (GRUBER, Bausıanı, Burrscuui, Maupas und Herrwic genau bekannt geworden. Es zeigte sich, dass die bei Infusorien entdeckten Kernveränderungen von der grössten Bedeutung für die allgemeine Befruchtungslehre waren; es ist sogar die Conjugation der Infusorien von manchen Autoren! direet Befruchtung genannt worden, jedenfalls gilt sie allgemein als eine Vorstufe der Metazoenbefruchtung. In anderen Protozoengruppen sind die Kernverhältnisse bei der in vielen Fällen bereits beobachteten Verschmelzung fast ganz unbekannt geblieben. Nur bei Gregarinen (Monocystis) ist durch die gründliche Untersuchung von Worters’ Kern- verschmelzung, also Copulation festgestellt worden. In der niedrigsten Protozoengruppe, den Rhizopoden, findet sich die Conjugation bei vielen Formen, doch ist noch in keinem Falle die Verschmelzung der Kerne beobachtet worden. VErworN’, der die Conjugation von Difflugien genauer unter- suchte, gibt zwar an, bisweilen nebenkernähnliche Bildungen be- obachtet zu haben, und glaubt hieraus schliessen zu dürfen, dass bei diesen Rhizopoden sich ähnliche Vorgänge, wie bei der Infusorien- conjugation abspielen. Doch konnte er wegen des ungünstigen Objeets keine völlige Klarheit über diese Processe erlangen, und daher blieb der Vergleich mit den Infusorien nur eine Vermuthung. ı Z.B. O. Herrwis, Die Zelle und die Gewebe. Jena 1893, S. 212. ® M. Worrvers, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen in: Arch. mikr. Anat. 1891 B.37 S. 99. ® Verworn, Biologische Protisten-Studien II in: Zeitschr. für wiss. Zool. 1890, B. 50 S. 443. 84 Gesammtsitzung vom 30. Januar. Ruvsngrer' und ich’ haben auch verschmolzene Difflugien in Schnitte zerlegt und mit neueren Färbemethoden behandelt, aber keine Nebenkerne nachweisen können. Wir kommen unabhängig von ein- ander zu dem Schluss, dass die Nebenkerne VErworn’s durch irgend welche Stoffwechselproduete oder aufgenommene Fremdkörper vorge- täuscht worden sind. Kernverschmelzungen konnten wir aber beide weder hier noch bei verschiedenen anderen Rhizopoden (Centropyzis, Cyphoderia, div. Heliozoen, Foraminiferen) nachweisen. Auch Jounson‘”, der die Verschmelzung von Actinosphaerium auf Schnittserien studirt hat, konnte in keinem Stadium Kernveränderungen oder Verschmelzungen bemerken, die Kerne befanden sich stets in Ruhe; er fasste daher die Vereinigung dieser Rhizopoden als einfache Plasmaverschmelzung, »Plastogamie«, auf. Die von mir’ bei Foraminiferen beobachtete Ver- schmelzung kann ich vorläufig auch nur für Plastogamie halten. Das massenhafte Auftreten von Actinophrys sol Eure. in Süsswasser- aquarien des Berliner Zoologischen Instituts gab mir Veranlassung, bei dieser ausserordentlich günstigen Form die häufig erfolgende Ver- schmelzung genau zu verfolgen. Es ergab sich das interessante Re- sultat, dass die Kerne der vereinigten Individuen nur bei Beginn der Eneystirung im Stande sind zu verschmelzen, und dass vorher, wie bei der Befruchtung der Metazoen, die Kernsubstanz in beiden Zellen durch mitotische Theilung und Ausstossung der einen Theilhälfte in Gestalt eines Richtungskörpers auf die Hälfte redueirt wird. Dieser Process verläuft in so schematisch einfacher Weise, dass er bei der Fülle des Materials mit Hülfe der Deckglasmethode wiederholt leicht zu ver- folgen war, auch die Anfertigung von Dauerpraeparaten aller Stadien machte wenig Schwierigkeiten. Die Deckgläser, die auf den Boden der Aquarien gelegt wurden, bedeckten sich oft schon in einem Tage mit vielen Hunderten von Heliozoen in allen möglichen Stadien der Eneystirung: die Oysten blieben auch bei der Fixirung, die mit heissem Sublimat-Alkohol erfolgte. und bei der Färbung haften. Als schönste und deutlichste Kernfärbung bewährte sich die Behandlung mit Eisen- oxydammoniak und Haematoxylin nach Bexpa-Heiennam, die ich schon wiederholt für verschiedene Protozoen zur Total- wie Schnitt- färbung empfohlen habe. ! Ruunsrer, Beiträge zur Kenntniss der Rhizopoden II—\V in: Zeitschr. für wiss. Zool. 1895, B. 61 S. 71—79. 2 Scuauvinn, Über Plastogamie bei Foraminiferen in: Sitz.-Ber. Ges. naturf. Fr. Berlin 1895, Heft ı2. 3 Jonssox, The Plastogamy of Actinosphaerium in: Journ. of Morph. 1894, V.9 p- 209— 270. A210. Se Scuauvinx: Über die Copulation von Actinophrys sol Eurn«. 85 Im Folgenden sollen meine Resultate über die Copulation von Actinophrys nur ganz in Kürze mitgetheilt werden; ausführlich werden meine gesammten Beobachtungen über Bau und Fortpflanzung dieses Heliozoons in Verbindung mit Studien über einige andere Heliozoen mitgetheilt werden, mit denen ich mich augenblicklich noch be- schäftige. Actinophrys sol ist so oft und so gut untersucht worden, dass ihr Aussehen und allgemeiner Bau als bekannt vorausgesetzt wer- den darf. Was diese Form für die Untersuchung besonders gün- stig macht, ist ihre Durchsichtigkeit und Lebenszähigkeit; sie kann Tage lang in der feuchten Kammer unter dem Deckglas lebend er- halten werden. Wie bekannt, zeigt Actinophrys ein grobvacuoläres Ektoplasma, das ohne scharfe Grenze in das dichtere, feinvacuoläre Entoplasma übergeht. Im Centrum des letztern liegt der stets in der Einzahl vorhandene Kern; derselbe zeigt im Zustand der Ruhe eine feinnetzige Lininstructur mit eingestreuten kleinen Chromatinpartikeln. Unter der deutlich doppelt conturirten Membran befindet sich eine Lage grösserer kugeliger Binnenkörper, die sich Farbstoffen gegenüber wie das Chromatin verhalten. Die Pseudopodien sind mit stark licht- brechenden Axenfäden versehen, die durch das Ekto- und Entoplasma bis zur Oberfläche des Kerns zu verfolgen sind, wo sie der Membran mit einer kleinen fussplattenartigen Verbreiterung aufsitzen. Man kann sie mit der Hrinennam’schen Eisenhaematoxylin -Färbung schön distinet schwarz färben (Fig. ]). Actinophrys vermehrt sich durch Zweitheilung. Vor dem Beginn der Körpertheilung, die mit Kerntheilung verbunden ist, werden stets die Pseudopodien eingezogen und die Axenfäden derselben rückge- bildet: sie lösen sich ganz auf und ihre Substanz ist nur noch als stärker lichtbreehende, mit Eisenhaematoxylin stark färbbare, den Kern umgebende Zone zu erkennen. Nach dieser Vorbereitung theilt sich der Kern mitotisch, in sehr ähnlicher Weise, wie die Kerne von Actinosphaerium, die von R. Hrrrwıs!' und BrAUVErR” genau untersucht sind. Die Kernmembran bleibt erhalten, es werden Polplatten und Protoplasmakegel gebildet; die Aequatorialplatte enthält sehr zahl- reiche, kurz stäbehenförmige Chromosomen, die schon vor ihrer An- ordnung zur Platte die Spaltung zeigen. Ein wichtiger Unterschied von Actinosphaerium zeigt sich darin, dass hier bei Beginn der Kern- theilung ein typisches Knäuelstadium, wie bei Zuglypha, gebildet wird. Centrosomen konnte ich auf keinem Stadium mit der Hemrxnarv’'schen U R. Herrwis, Die Kerntheilung von Actinosphaerium Eichhorni. Jena 1384. 2 Brauer, Über die Eneystirung von Actinosphaerium Eichhorni Eursc. in Zeitschr. für wissensch. Zool. 1894, B.58 S. 189. 56 Gesammtsitzung vom 30. Januar. Färbung nachweisen (auf die Einzelheiten werde ich in meiner aus- führlichen Mittheilung eingehen). Nach beendeter Kerntheilung erfolgt die Durchschnürung des Körpers, worauf die Theilstücke wieder Pseudo- podien bilden. Da die mit Kerntheilung verbundene Körpertheilung Figurenerklärung. Alle Figuren stellen Stadien der Copulation von Actinophrys sol Enrec. dar; sie sind nach Praeparaten ge- zeichnet, die mit Sublimatalkohol fixirt und mit Eisenoxydammoniak - Haematoxylin nach BexpA - Heınexnary gefärbt 8 [ R s 5 B Sa = . “ waren; Vergr. etwa = Fig. I zwei copulirte freischwimmende Individuen; A=Kern; Psa—=Pseudopodienaxen. Fig. II 1 Beginn der Eneystirung; @—=Gallerthülle; Y=innere Cystenhülle; A=Kerne, die in der Knäuelbildung begriffen sind. Fig. III Bildung der Richtungsspindeln (Rsp). Fig.IV Bildung der Richtungskörper (RX), die redueirten Kerne (X) liegen schon central in ihren Zellen, Beginn der Zellverschmelzung. Fig. V Kernverschmelzung (A); die Richtungs- körper durchwandern die Cystenhülle. Fig. VI Ausbildung der Theilungs- oder besser Furchungsspindel (7sp), die Richtungskörper, die bereits ausserhalb der Cystenhülle liegen, werden rückgebildet, sie haben schon ihre starke Färbbarkeit verloren. — Alle Figuren sind mit dem Wiseer'schen Zeichenapparat entworfen. stets bei eingezogenen Pseudopodien stattfindet, glaube ich, dass nie- mand vor mir dieselbe beobachtet hat, weil alle Autoren ihre Thei- lungsstadien mit strahlenden Pseudopodien abbilden. Alle haben nur das Wiederauseinandertreten zweier schon vorher plastogamisch ver- bundener Individuen beobachtet, das sehr häufig erfolgt und bei dem die Pseudopodienaxen erhalten bleiben. Bevor ich zur Besprechung der CGopulation schreite, muss ich noch kurz die Eneystirung solitärer Individuen beschreiben. Dieselbe ist schon von Crenkowsky' ziemlich richtig erkannt worden, wenn er natürlich auch die Kerne noch nicht berücksichtigt hat. I N A Er ee Scnauvinn: Über die Copulation von Actinophrys sol Eurnc. 87 Beim Beginn der Eneystirung ziehen die Thiere ihre Pseudopo- dien ein und scheiden zugleich eine dicke, wasserhelle Gallerthülle aus. Die Axenfäden werden wie bei der Theilung rückgebildet. Unter der Gallerthülle wird auf der Oberfläche des Weichkörpers eine zweite, dünnere, zähflüssige und stark lichtbrechende Hülle abgeschieden. Zugleich verdichtet sich das Plasma, die Vacuolen verschwinden, der Weichkörper sieht feinkörnig aus. Nur die pulsirende Vacuole ver- schwindet noch nicht, sie setzt ihr langsamer werdendes Spiel noch eine Weile fort. Durch die Rückbildung des vacuolären Baues wird der Durch- messer der Thiere bedeutend kleiner, die vorher glatte Membran auf der Oberfläche des Weichkörpers wird hierbei in zahlreiche Falten und Fältchen geschlagen. Hierauf theilt sich der im Centrum des Körpers gelegene Kern auf mitotische Weise, und die Oyste. zerfällt in zwei Tochtereysten, die sich abrunden, ihre Hülle vervollständigen und im Innern dotterartige Körner bilden. Einige Male habe ich eine Theilung der Tochtereysten beobachtet, gewöhnlich giengen aber schon die aus der ersten Theilung hervorgegangenen Cysten in den Ruhe- stand über. Der Weichkörper zog sich von der gefalteten Hülle zurück und bildete auf seiner Oberfläche eine zweite glatte, harte und sehr undurchlässige Membran. In diesem Zustande verharrten die Cysten einige Tage, worauf ein kleines, einkerniges Heliozoon herausschlüpfte. Die Copulation der frei schwimmenden Thiere ist schon vielfach beobachtet worden. Es können 2—- 30 und mehr Individuen verschmelzen, doch sind sie im frei beweglichen Zustande, so lange Pseudopodien vor- handen sind, stets nur plastogamisch verbunden, d.h. die Kerne ver- schmelzen nicht. Wie Fig.I zeigt, ist nur das Ektoplasma verschmolzen. Die Karyogamie findet erst bei Beginn der Eneystirung statt, wie schon zu Anfang erwähnt wurde; es verschmelzen immer nur die Kerne je zweier Individuen mit einander, so dass bei der Eneystirung grösserer Colonien in einer gemeinsamen Gallerthülle Gruppen von eopulirenden Paaren sich finden. Fig. I zeigt zwei frei schwimmende, verschmolzene Individuen, die Pseudopodienaxen fehlen auf den einander zugewandten Seiten der Kerne, und jeder Kern ist mit einer gesonderten Entoplasmazone um- geben. Bei der Eneystirung sinken die Doppelthiere auf den Boden und umgeben sich unter Einziehung der Pseudopodien, wie die soli- tären Individuen, mit einer Gallerthülle (Fig. I). Innerhalb der ge- meinsamen, wie mir schien, von den Pseudopodien gebildeten Hülle ! Cienkowsky, Beiträge zur Kenntniss der Monaden in: Arch. mikr. Anat. 1865, B.ı S. 227. Sitzungsberichte 1896. 9 too) Gesammtsitzung vom 30. Januar. sondert nun jedes Individuum eine besondere Membran auf seiner Ober- fläche ab, die sich wie bei der Enceystirung des einzelnen Thieres in zahlreiche Falten legt (Fig. II 7). Die kleinen Falten erscheinen im optischen Durchschnitt (Fig. I) wie unregelmässig durcheinander gelagerte tangentiale Stäbchen. Nach diesen Vorbereitungen schicken sich die vorläufig noch central ge- legenen Kerne zur mitotischen Kerntheilung an, die häufig in beiden Zellen gleichzeitig erfolgt; in anderen Fällen kann aber der eine Kern dem andern auch sehr in der Entwickelung vorauseilen. In Fig. II ist der rechte Kern im Beginn der Knäuelbildung, während der linke hierin schon weiter fortgeschritten ist. Mit dem Beginn der Spindel- bildung rücken beide Kerne aus dem Centrum der Zellen an die Ober- fläche und stellen sich senkrecht zu derselben mit der Längsaxe der Spindel ein (Fig. II). Die Spitze des distalen Protoplasmakegels liegt unmittelbar der Cystenhülle an. Fig. II zeigt die beiden Richtungs- spindeln in verschiedenen Stadien der Ausbildung; in der rechten be- finden sich die Chromosomen noch in der Aequatorialplatte vereinigt; man bemerkt die zu Polplatten verdickte Kernmembran. Sowohl inner- halb des Kerns wie der Protoplasmakegel macht sich eine deutliche Längsstreifung bemerkbar. In der linken Spindel sind bereits die Tochterplatten gebildet, die mit den Polplatten verschmolzen sind. Nachdem die Kernhälften sich getrennt haben, rückt die proxi- male Hälfte in das Centrum der Zelle und bildet sich zum ruhenden Kern um, indem die Netzstructur wieder hergestellt wird. Die distale Hälfte wird, mit wenig Plasma umgeben, zu einer kleinen kugeligen Zelle mit stark färbbarem, als strueturloser Chromatinklumpen erschei- nendem Kern und geht genau so wie die Richtungskörper der Meta- zoeneier allmählich zu Grunde. Die Reductionsspindeln nehmen bei Actinophrys nicht wie bei den Metazoeneiern eine bestimmte Lage zur späteren Theilungsebene der Zelle ein, sondern haben sehr wechselnde Stellung, weshalb der Name Richtungsspindel und Richtungskörper hier nicht zutrifft; ich empfehle die Namen Reduetionsspindel und Reductionskörper für diese Bildungen bei Protozoen. Das Endresultat der Reductionskörperbildung liegt in Fig. IV vor; in beiden Zellen liegen die in Ruhe befindlichen Kerne im Centrum, während die Reductionskörper der Cystenmembran anliegen. Letztere ist in der Mitte zwischen beiden Zellen schon aufgelöst und die Weich- körper sind hier bereits vereinigt. Die Verschmelzung der Zellleiber schreitet unter Auflösung der Scheidewand allmählich weiter vor und auch die Kerne nähern sich; sie legen sich schliesslich an einander und verschmelzen vollständig (Fig.V). Aus den beiden halbkugeligen Cysten ist eine grössere kugelige Scnauninx: Über die Copulation von Actinophrys sol Eursc. 89 geworden. Diese nunmehr einkernige Cyste verhält sich im weitern ebenso wie die solitären Cysten; der Kern theilt sich mitotisch und es zerfällt die Cyste in zwei Tochtereysten, die sich (bisweilen nach nochmaliger Zweitheilung) in derselben Weise wie bei niehteopulirten Thieren in Ruheeysten umbilden, aus denen nach einigen Tagen ein junges Heliozoon wieder ausschlüpft. Fig. VI zeigt die Ausbildung der Theilungs- oder vielleicht besser Furchungsspindel. Die Reduetions- körper sind, obwohl schon blasser geworden, noch deutlich zu er- kennen. Sie liegen schon ausserhalb der Cystenhülle in der Gallerte: bei der Ausbildung der Ruheeysten sind sie gewöhnlich schon ver- schwunden. — Bisweilen, bei sehr kleinen Actinophrys, gieng die Copu- lationseyste ohne vorherige Theilung direet in den Ruhezustand über. Die Einzelheiten der hier kurz geschilderten Copulation werden nach Vollendung meiner anderen Untersuchungen an Rhizopoden im Zusammenhang mit diesen mitgetheilt werden, und ich werde dann auch auf einen Vergleich mit der Conjugation der anderen Protozoen und der Befruchtung der Metazoen näher eingehen. Hier sei nur auf die grosse Übereinstimmung der hier besprochenen Vorgänge mit der Copulation der Gregarinen, wie sie von Worrers' geschildert wird, hingewiesen, was vielleicht auf eine allgemeinere Verbreitung der Riehtungskörperbildung auch innerhalb der Protozoen schliessen lässt. I A. a. O1 SJIo2f. Q* Re Kr an Armes; 1 Me ". ARE EN ai Spa Dr La RER Ar ha hihi ie We Bee he Ak rinasr are eh neh al EL Je a “ h = “artılaı) D s f tr h n #7 AR,® Wi TAT In } Tr - ar DV, i ni Dahn hi, DER rg M: 5 h 5 ! itae I: Hub ı = x Er { m % ner K v web Rue! Br R f N & Dei a a u. $ rn r ww . er De y 2 Y = a “ s N \ % i - K} ' . | o , 2 Zi - u Ne) De Über die Bestimmung der Moleculargrösse einiger anorganischer Substanzen. Von Heinrich BıLtz in Greifswald. (Vorgelegt von Hrn. Fıscner am 9. Januar [s. oben S. 1].) Y etwa Jahresfrist habe ich an dieser Stelle" über eine pyroche- mische Untersuchung berichtet, welche die Ermittelung der Gasdichte einiger anorganischer Substanzen bei sehr hohen Temperaturen be- zweckte. Mit Hülfe eines eigens dazu construirten Gebläsebrenners gelang es, im Prrror'schen Gasofen eine Hitze von über 1700°C. zu erreichen, ohne dass weitere Hülfsmittel, z. B. ein grosser Schornstein zur Erhöhung des Zuges im Ofen, nöthig gewesen wären. Als ein geeignetes Material zur Herstellung der Gefässe, in welchen die Dichte- bestimmung nach dem Gasverdrängungsverfahren ausgeführt wurde, erwies sich die in der Königlichen Porcellanmanufactur in Berlin von Dr. Hecnr gefundene »Masse 7«, welche bei der genannten Tempera- tur kaum die ersten Anfänge von Erweichung zeigt. Es war zu hoffen, dass aus ihr gefertigte Gefässe sich noch bei bedeutend höheren Hitzegraden würden benutzen lassen. Hierauf bauend, setzte ich, ebenfalls mit Unterstützung der Königlichen Akademie, die im vorigen Jahre abgebrochene Versuchsreihe im Herbst dieses Jahres fort, wo- bei meine Aufgabe eine doppelte war: einmal eine noch höhere Temperatur als 1700° zu erzielen und dann bei dieser mit Apparaten aus »Masse 7« Dichtebestimmungen auszuführen. In der That gelang es, eine Heizvorrichtung zu construiren, die den gehegten Erwartungen entsprach, sie sogar übertraf. Bequem wurde mit einem mit Wassergas gespeisten Ofen eine Hitze erzielt, die ich auf 1900° schätze; gemessen konnte sie aus den unten an- gegebenen Gründen nicht mehr werden, dagegen war es möglich, durch geeignete Mässigung der Flamme und Abkürzung der Brenn- ! Sitzungsber. 1895, 67. 92 Gesammtsitzung vom 30. Januar. — Mittheilung vom 9. Januar. Do be} zeit eine Temperatur zu gewinnen, die zu 1800° gemessen wurde, die höchste, die meines Wissens luftthermometrisch bisher bestimmt worden ist. Eine Ermittelung der vollen Hitze des Ofens und ferner Versuche bei ihr konnten leider nicht ausgeführt werden, weil die aus »Masse 7« gefertigten Pyrometer nicht weit über 1800° zu- sammenschmelzen: etwa bei 1S00° erweichen sie so stark, dass es als ein Glücksfall betrachtet werden muss, wenn ein Apparat eine oder gar einige Dichtebestimmungen aushält. Wassergas ist bekanntlich ein Gemisch von Wasserstoff und Kohlenoxyd, das durch Überleiten von Wasserdampf über glühenden Coke erhalten wird. Seiner grossen Diffusionsgeschwindigkeit wegen und ferner deshalb, weil es bei der Verbrennung eine viel geringere Menge Luft als das Leuchtgas verbraucht, wodurch das Volumen der Verbrennungsgase und die durch sie fortgeführte Wärmemenge ver- ringert wird, eignet es sich als Heizstoff in allen Fällen ganz vor- züglich, in denen es auf eine möglichst intensive Erhitzung ankommt. Da es trotz dieser prächtigen Eigenschaften in Europa nur wenig in Verwendung ist, war es nicht leicht, Gelegenheit zur Ausführung wissenschaftlicher Versuche mit ihm zu bekommen. Um so dankbarer muss ich für das gefällige Entgegenkommen der Firma JuLius Pıyrscn in Berlin sein, welche mir in uneigennützigster Weise nicht nur Gas und Arbeitsraum, sondern auch die reichen Hülfsmittel ihres Werkes in Fürstenwalde an der Spree zu meinen Versuchen zur Verfügung stellte. Für meine Versuche musste ein eigener Ofen construirt werden, weil die in der Fabrik benutzten Öfen nur eine Hitze von etwa 1700° liefern. Die Einzelheiten dieses Ofens werde ich demnächst an anderer Stelle mittheilen. Im Prineip ähnelte er dem vielfach benutzten PERROT- schen Ofen; wie dieser, bestand er aus einem innern Ofenraum, dem eigentlichen Feuerungsraum, in den von unten her die brennende Gasmasse hineinströmte, um hier im wesentlichen zu verbrennen. Die Abgase schlugen mit Flammen untermischt über den obern Rand dieses Raumes, wandten sich nach unten, den innern ÖOfenraum umspülend und eine Ausstrahlung der Gluth möglichst verhindernd, und vereinigten sich dann in dem Abzugskanal. Dieser bestand zum Theil aus einem eisernen Rohr, welches durch ein weiteres eisernes Rohr der Länge nach führte, oben und unten gegen dieses abgedichtet. Durch den hierdurch gebildeten Mantelraum strich die Gebläseluft und wurde auf etwa 600° vorgewärmt, ehe sie in den unter dem innern Ofenraum stehenden, vollkommen in den Ofen eingemauerten Brenner gelangte. Dieser Brenner bestand aus zwei parallel dieht neben ein- ander liegenden Spalten, aus deren einer das Wassergas, aus der anderen die Gebläseluft, beide unter Druck ausströmten. Der Ofen nme Birrz: Moleculargrösse einiger anorganischer Substanzen. 93 war aus Magnesiasteinen der Carı Später’schen Magnesitwerke zu Veitsch in Steiermark gebaut, weil andere Materialien bei der Tem- peratur des Ofens geschmolzen wären. Diese Steine sintern im Ofen zu einer sehr festen Masse zusammen, ohne jedoch ihre Gestalt zu verändern; beste Chamotte schmilzt bei der gleichen Temperatur selbst in grossen Quantitäten zu einer verhältnissmässig dünnen Flüssigkeit zusammen. In diesem Ofen kann Platin in beliebiger Quantität geschmolzen werden, wobei die erwähnten Magnesiasteine ein gutes Tiegelmaterial abgeben. Auch die höchstschmelzenden SeEsEr’schen Pyrometerkegel- chen (Nr. 36), welche den Angaben der Versuchsanstalt der König- lichen Porcellanmanufactur in Berlin zufolge bei 1850° niedergehen, schmolzen vollkommen zusammen. Bei dem Versuch stand das Probe- kegelchen in einem kleinen Gefäss aus Bogenlichtkohle, welches seiner- seits in einem Tiegel aus Veitscher Magnesiastein mittelst Kohlepulvers eingebettet war, so dass das Kohlenstoffeylinderehen vor dem Verbrennen geschützt war und seinerseits den Pyrometerkegel vor einer Berührung mit anderen, das Schmelzen etwa erleichternden Materialien schützte. Der Hitze dieses Ofens hielt auch die »Masse 7« nicht mehr stand, so dass bei den Diehtebestimmungen eine Mässigung der Tem- peratur geboten war; da es anderseits im Interesse der Arbeit lag, bei möglichst hoher Temperatur Versuche auszuführen, also mit stark erweichten Apparaten gearbeitet werden musste, erklärte es sich, dass von zahlreichen Versuchen, die ich anstellte, nur eine beschränkte Anzahl erfolgreich war. Die Apparate aus »Masse 7« waren Ähnlich wie die im vorigen Jahre von mir benutzten; nur hatte ich den Versuch gemacht sie innen glasiren zu lassen, um einige Unbequemlichkeiten, die das Arbeiten mit innen nicht glasirten Apparaten bot, zu vermeiden. Leider war diess nicht geglückt, vielmehr zeigte die innere Glasur Undichtigkeiten, die sehr störend waren. Schliesslich gelang es aber doch, auch die hier- durch bedingten Schwierigkeiten zu umgehen, namentlich in einem Falle, in dem ein Apparat bei der ersten Benutzung derart zusammen- sinterte, dass die innere Glasurschicht dieht wurde und so ein Gefäss, wie ich sie mir alle gewünscht hätte, entstand. Mit ihm wurde die unten zu erwähnende Temperaturmessung ausgeführt. Infolge der Undichtigkeiten der inneren Glasur drang beim Rei- nigen der Apparate Feuchtigkeit in die poröse Wandung der Gefässe ein, die natürlich entfernt werden musste. Diess geschah durch ein an- dauerndes Austrocknen in einem langen Ofen, welcher von unten durch einen Reihenbrenner erwärmt wurde: währenddessen wurde mit einem Platinrohr, das mir zu diesem Zweck von der bekannten Firma W.C. 94 Gesammtsitzung vom 30. Januar. — Mittheilung vom 9. Januar. Hrrävs in Hanau leihweise in gefälligster Weise überlassen worden war, Luft durch den Apparat gesaugt. Die mit dem oben erwähnten Pyrometer ausgeführte Temperatur- messung gab folgendes Resultat. Temperaturmessung. Volumen ausgetreten aus dem dem a, Druck Ablesetemperatur Hauptapparat Compensator B 151%8 12528 40° 768"" De Volumen des Hauptapparates verringert um das des Compensators 168°%78. Temperatur: 1800°. Die Aufgabe weiterer pyrochemischer Untersuchungen wird es sein, ein Material zu finden, das noch oberhalb. 1800° genügend Stand hält, das gasdicht schliesst und chemisch auf möglichst wenige der zur Untersuchung kommenden Substanzen einwirkt. Sollte dieses sich fin- den, so würden mit Hülfe des oben beschriebenen Wassergasofens oder für noch höhere Temperaturen mit Hülfe eines eigenartig zu bauenden elektrischen Ofens sich zahlreiche wichtige Untersuchungen zu Ende führen lassen. Arsenige Säure. Mit den beschriebenen Vorkehrungen gelang es, die vor Jahres- frist verfolgte Dissociation' der Arsenigsäure-Molecüle As,O, bis zum voll- kommenen Zerfall zu Molecülen As,O, zu verfolgen: denn bei 1800° fand sich, wie nach dem Verlauf der damals publieirten Curve zu er- warten war — und anderseits diese bestätigend — für die Dichte des Arsentrioxyds der für die halbirte Formel berechnete Werth. Die zu dem Versuch verwandte arsenige Säure war wie damals aus reinem arsensauren Natrium durch schweflige Säure gefällt und durch Waschen der abgeschiedenen Krystalle und Umkrystallisiren gereinigt. Zu dem Versuch wurde sie in Pastillenform verwandt, so dass das betreffende Stückchen ohne Eimerchen in den Apparat gebracht wurde. Dichtebestimmung. mm 080538 arsenige Säure gaben 5°6 bei 23°, 771 ber. 2.0, ==0.84. Dichte: 6.93 Die von Kouzge in seinem Kurzen Lehrbuch der anorganischen Che- mie im Jahre 1877 ausgesprochene Prognose, es werde sich auch das Arsenigsäure-Molecül As,O, bei hohen Temperaturen ebenso zerlegen lassen, wie die auch anderweitig beobachteten complieirteren Moleeüle, ı Sitzungsber. 1895, 83. And en Bırrz: Moleeulargrösse einiger anorganischer Substanzen. 95 hat durch meine Versuche eine Bestätigung gefunden. Nur verhält sich die arsenige Säure für die Untersuchung der Dissociationsverhältnisse in so fern günstiger als die meisten anderen Verbindungen, als bei ihr auch die Grösse der complieirteren Moleeüle durch Dichtebestim- mungen innerhalb eines Temperaturintervalls von mehr als 200° con- stant erhalten wird. Hierbei sei eine Curve gegeben, welche die Dis- a sociation der arseni- Diehte: 13.7 Zara aa, za GAB 7.3168 gen Säure unter den a0, Verhältnissen der Gasverdrängungsme- thode zwischen 500° und 1800° darstellt. Sehr wahrschein- lich wird auch das Dichte: Antimontrioxyd, das a nn sap auae ums uaeb, mach. den V. und €. ae Mever’schen Unter- suchungen! in der Hitze des Perror'schen Gasofens, also bei 1100°-1200°, aus Molecülen Sb, 0, besteht, bei höheren Temperaturen kleinere Molecüle aufweisen. Die beabsichtigte Verfolgung der Dissociation musste jedoch unter- bleiben, da bei den angewandten Versuchstemperaturen (von 1350° an aufwärts) die Masse der Apparate, und zwar Porcellan ebenso wie die »Masse 7« von Antimontrioxyd angegriffen wird, wobei ganz geringe Volumina, ı bis 1.2 Ce. Gas, aus dem Apparate austraten. Vielleicht wird sich die Dissociation in Platingefässen beobachten lassen Dissoeiation der arsenigen Säure zwischen 500° und 1800°. Selen und Tellur. Selen und Tellur sind densimetrisch bisher nur von H. SAıntE CLAIRE Devirre und L.Troosr in den Jahren 1860-1863 untersucht worden und zwar nach dem Dumas’schen Verfahren unter Anwendung von Por- cellangefässen. Die Resultate dieser Untersuchung’, die als Beispiel von dem hervorragenden Geschick jener französischen Gelehrten in der Aus- führung pyrochemischer Messungen die grösste Bewunderung verdient ! V. und €. Meyer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 12,1282. 1879. ?2 Devirre und Troosr, Ann. de chim. phys. III. 58, 290. 1860. Compt. rend. de l’Acad. des sciences 56, 894. 1863. — Bemerkt muss allerdings werden, dass die Mehr- zahl der von Devırre und Troosr bei hohen Temperaturen gefundenen Versuchsresultate trotz ihrer Annäherung an die berechneten Werthe nicht aufrecht zu erhalten sind, da unter Einführung der richtigen Temperaturwerthe sich zum grossen Theil unmögliche Werthe für die Dichten berechnen. 96 Gesammtsitzung vom 30. Januar. — Mittheilung vom 9. Januar. — sind doch seit jener Zeit nie wieder Dichtebestimmungen nach der Dunas’schen Methode bei höchsten Temperaturen ausgeführt worden — sind aber mit Fehlern behaftet, die zumal bei den späteren Messungen sehr bedeutend sind: die für die Berechnung der Gasdichte nämlich nöthige Versuchstemperatur war viel niedriger als Devırıe und Troost nach ihren mit dem Jodthermometer ausgeführten Messungen annahmen. In der, wie V. Meyer später zeigte, falschen Annahme, das Jodgas dis- soeiire nicht, berechneten sie aus den Daten einer Dumas-Dichtebestim- mung des Jods unter Einsetzung des bekannten Werthes für die Dichte von J, die Temperatur; so fanden sie für den Siedepunkt des Cadmiums 860°, für den des Zinks 1040°, während diese Körper in der That bei 770° (CARNELLEY und CARLETON Wirnıans) und 930° (VıoLrE) sieden. Die bei diesen Temperaturen ausgeführten Dichtebestimmungen des I + 770a Selens lassen sich durch Multiplication der Dichtewerthe mit 969, I+ oa A Re 939° Jeicht umreehnen, wobei man findet: I+ 1040@ resp. Dichte des Selen nach den DevırreEe-Troosr'’schen Versuchen Devirre-Troosrt'sche neu berechnet Rechnung bei 770° Ziel 7-67 PRRNST Derl®, 6.37 939 Sr: 6.38 Da die Dichte sich zu Se,= 5.53 berechnet, ist die Dissociation der bei niedrigen Temperaturen beständigen eomplieirteren Selenmole- eüle, deren Grösse uns bisher nicht bekannt ist, bei 930° schon ziemlich beendigt und würde die Dichtebestimmung bei 1000° voraussichtlich schon den für Molecüle Se, berechneten Werth ergeben. Die im Jahre 1863 publieirten Versuche sind bei höheren Hitze- graden ausgeführt worden; bei einer jodometrisch zu 1420° bestimmten Temperatur (die vielleicht ı 100° bis 1200° betragen haben mag) fanden Devirze und Troost unter Berücksichtigung ihrer Temperaturmessung den Werth 5.68. Durch Einführung der wirklich vorhanden gewesenen Temperatur würde sich dieser Werth bedeutend redueiren, also unter den für Se, berechneten sinken. Leider lassen sich diese damaligen Versuchsresultate nicht umrechnen, weil die Angabe der Einzelbeob- achtungen fehlt und ferner der Dissociationsgrad des Jod unter den Verhältnissen der Dumas’schen Dichtebestimmungsmethode bei den be- treffenden Temperaturen nicht bekannt ist. Es würden diese letzten Versuchsergebnisse also dafür sprechen, dass das Selen keine Moleeüle Se, besitzt. sondern aus complieirten, noch nicht bekannten Molecülen direet zu Molecülen Se, zerfällt. a u TE Bırrz: Moleculargrösse einiger anorganischer Substanzen. IM Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Tellur, für das Devirıe und Troost bei jodometrisch bestimmter Temperatur von 1 390° bis 1439° den Werth 9.00 und 9.01 mit dieser Temperatur berechneten (Te, — 8.83), Werthe., die aus dem gleichen Grunde wie beim Selen auf eine erheblich kleinere Dichte schliessen lassen. Also müsste auch Tellur bei grosser Hitze aus einatomigen Molecülen bestehen. Es ist merkwürdig, dass die Devirze-Troost'schen Werthe diese naheliegende Beurtheilung bisher nicht gefunden haben, trotzdem die Unhaltbarkeit ihrer Temperaturangaben längst bekannt ist, dass man aus ihnen vielmehr auf die der Analogie zum Schwefel wegen aller- dings naheliegende Annahme, die Selen- und Tellurmolecüle seien zwei- atomig, geschlossen hat. Auf jeden Fall war eine Nachprüfung jener unter schwierigsten Ver- hältnissen ausgeführten Beobachtungen nach dem bequemern V. MEver- schen Verfahren nöthig, und diese habe ich jetzt ausgeführt. Dabei hat sich ergeben, dass die DevırLr- Troosr’schen Versuche bei Tellur und die mit Selen über 1000° gemachten Beobachtungen sicher falsch sind; denn selbst bei 1750° bis 1800° besitzen Selen und Tellur die für die zweiatomigen Moleeüle sprechenden Gasdichten. Selen. 0°0465 Selen gaben 7°3 bei 20°, 757”"4. Dichte: 5.54. ber. Ser—'5.52:. Tellur. 0°0722 Tellur gaben 6°%8 bei 21°2, 7544. Dichte: 9.13. ber Fer 903. Erst durch diese Bestimmungen hat die bisher allgemein herrschende Annahme von der Zweiatomigkeit der Selen- und Tellurmolecüle ihre experimentelle Bestätigung erhalten. Ich beabsichtige baldmöglichst an die Bearbeitung der Frage zu gehen, wie gross die Molecüle der genannten Elemente bei niederen Temperaturen sind, und hoffe dem- nächst darüber berichten zu können. Zum Schluss sei es mir gestattet, allen den zahlreichen Helfern und Förderern meiner Arbeit zu danken. In erster Linie der Firma JuLivs Pıntscn, deren Entgegenkommen ich schon erwähnt habe, dann der Königlichen Porzellanmanufaetur in Berlin, welche mir die Ap- parate aus »Masse 7« nach meinen Plänen lieferte. Hr. Geh. Rath V. Mever in Heidelberg hatte die grosse Gefälligkeit, mir aus dem ihm unterstehenden Laboratorium mehrere Apparate, so die zu den Ver- 98 Gesammtsitzung vom 30. Januar. — Mittheilung vom 9. Januar. suchen nöthigen Gasbüretten zu leihen; die Platinschmelze W.C. Hrräus in Hanau stellte mir, wie erwälnt, ein langes Platinrohr zur Verfügung. Bei der Construction des Ofens und der Beseitigung zahlreicher kleiner Schwierigkeiten, die das Arbeiten an einem fremden, anderen Auf- gaben bestimmten Ort fast täglich bietet, bin ich in dankenswerthester Weise von den Ingenieuren der Firma Juzivs Pıntsch, namentlich dem ersten Ingenieur des Fürstenwalder Werkes, Hrn. Hancke, unterstützt worden. Ganz besonders werthvoll ist mir die Hülfe des Hrn. stud. phil. GERHARDT PREUNER gewesen, der auch in diesem Jahre fast die gesammten akademischen Ferien meiner Untersuchung gewidmet hat, bis auf die letzte Zeit, in der mein Bruder stud. phil. Wırseım Bıyrz seine Stelle einnahm. u u nn ET ne u 39 Adresse an Hrn. AnoLr KiRcHHoFF zum fünfzigjährigen Doctorjubilaeum am 4. Februar 1896. Hochgeehrter Herr College! An dem Tage, wo Ihnen die Berliner Universität das goldene Doector- diplom überreicht, darf auch die Akademie der Wissenschaften in der Reihe der Glückwünschenden nicht fehlen. Denn der 4. Februar 1846, wo Sie Ihre Quaestionum Homericarum particula vertheidigten, be- deutet nicht nur für Sie, sondern für die ganze Wissenschaft einen Ehrentag. Ist doch jene Arbeit des Jünglings der erste Stein gewesen zu dem stolzen Bau der Untersuchungen über die Odyssee, die Wour’s historische Kritik mit Lacnmann’s eindringender Analyse verbindend die homerische Frage, und nicht bloss für die Odyssee, prineipiell gelöst zu haben scheinen. Ihre Jugendliebe zum griechischen Epos hat Sie durch’s Leben begleitet, wie Sie denn später uns das Wesen der Hesiodeischen Lehrdiehtung und noch jüngst die Scherze des Margites und Frosch- mäusekrieges historisch verständlich zu machen bemüht gewesen sind. Bei seiner Homerhypothese war F. A. Worr hauptsächlich von dem späten Aufkommen der Schreibkunst in griechischen Landen ausgegangen. Hier setzten Ihre epigraphischen Studien ein, die Sie schon während Ihrer Studienzeit begonnen und bereits damals auf die italischen Monumente ausgedehnt hatten. So erschienen drei Jahre nach Ihrer Promotionsschrift die mit AurrecHut gemeinschaftlich be- arbeiteten »Umbrischen Sprachdenkmäler«, welche für die Entzifferung des umbrischen Dialektes dieselbe Bedeutung haben wie ÜHAMmPOLLION’s Entdeckungen für die Hieroglyphen. Indem Sie bei diesen Schrift- studien auch die deutschen Runen berührten, gelang es Ihnen, hier zuerst einen berühmten Fälscher zu entlarven, der sein trauriges Handwerk später auch auf dem Gebiete der griechischen Epigraphik zu treiben wagte, auf dem Sie Sich unterdessen zum anerkannten Meister emporgeschwungen hatten. Die Technik dieser Wissenschaft hatten Sie bei Altmeister Böckn erlernt, der Ihre ausdauernde Kraft und glänzende Divinationsgabe 100 Gesammtsitzung vom 30. Januar. an den christlichen Inschriften des Corpus Inscriptionum Graecarum erprobte. Dann schritten Sie zur attischen Blüthezeit vor. Mit der »Chrono- logie der attischen Volksbeschlüsse für Methone« und der hinterher durch Wiederauffindung des Steines glänzend bestätigten Herstellung der Ehreninschrift für Phanokritos eröffneten Sie im Jahre 1861 die lange Reihe Ihrer akademischen Abhandlungen, nachdem Sie ein Jahr zuvor als Vierunddreissigjähriger in unsere Körperschaft eingetreten waren. In derselben Linie liegen Ihre bald darauf veröffentlichten Untersuchungen über die Schatzmeister der Athena und der anderen Götter, Muster philologischer und historischer Behandlung. Unterdessen schlossen sich Ihre Forschungen über die Schrift- entwickelung bei den Völkern Griechenlands und Italiens zu dem classischen Werke zusammen, das den Titel trägt: »Studien zur Ge- schiehte des griechischen Alphabets«. Hier wurden an die Stelle der Unsicherheit und Empirie, wie sie in der bisherigen Schriftbetraehtung geherrseht hatten, Methode und historische Einsicht gesetzt, und die hierdurch ermittelten Culturzusammenhänge haben auf die griechische und italische Frühzeit ein helles, ungeahntes Licht geworfen. Es gereicht unserer Akademie zu besonderer Ehre, dass dieses kanonische Buch, das jetzt in vier Auflagen verbreitet ist, zuerst in ihren Ab- handlungen erschien. Die von Jahr zu Jahr zahlreicher werdenden Funde und die nicht zum mindesten durch Ihre Arbeit sicherer gewordene Methode der epigraphischen Forschung veranlassten unsere Akademie zu einer Er- neuerung des Böckm’schen Corpus. Es ward ein vollständiger Neubau beschlossen. dessen Leitung Ihrer bewährten Kraft anvertraut wurde. Im Jahre 1873 erschien der erste Band des Corpus Inscriptionum Atticarum, mit dem Sie Selbst die neue Sammlung eröffneten, die seit- dem von Attika nach Nordgriechenland, den Inseln des aegaeischen Meeres und Westeuropa rüstig weitergeschritten ist. Dieser erste Band konnte bereits Ihre Reconstruetion der Tributlisten verwerthen, welche die mit grossem Erfolge durch Hrn. Könter begonnene Herstellung vollendete. Es folgten die so überaus wichtigen Arbeiten auf dem Gebiete des attischen Staatsrechts »über die Tributpflichtigkeit der attischen Kleruchen« und »zur Geschichte des athenischen Staats- schatzes«, die eine Fülle von Licht über die Glanzzeit des attischen Reiches ergossen. Es ist selbstverständlich, dass auch die zeit- genössische Litteratur, Herodot, die oligarchische Schrift über den Athenerstaat, Andokides und vor allem Thukydides aus Ihrer seltenen Kenntniss jener Epoche und ihrer monumentalen Überlieferung über- raschende Aufklärungen erhielten. nt Adresse an Hrn. Kırcnnorr. 101 Bei diesen Schriftwerken spielte auch wieder das Compositions- problem, von dem Sie in Ihrer Jugendschrift ausgegangen waren, bedeutsam mit. Die originellste Anwendung fand Ihre früh erworbene Meisterschaft der Analyse in der Kranzrede des Demosthenes, deren wunderliche Composition Sie aus der Zusammenarbeitung zweier Ent- würfe scharfsinnig erklärt haben. Früh hat Sie der Reiz gelockt, dem kein echter Philologe wider- stehen kann, aus neuerschürften Quellen die echte Gestalt der antiken Schriftsteller herzustellen. So haben Sie als Dreissigjähriger Plotin und Euripides mit der bei Lacnmann erlernten Kunst der Recensio zuerst urkundlich edirt und später das durch moderne Übermalung fast unkenntlich gewordene Bild des Aeschylus wieder in den ursprüng- lichen, freilich stark verwitterten Farben hergestellt. Eine jede dieser Editorenleistungen, die auch in der vorsichtigen Handhabung der Kritik musterhaft genannt werden dürfen, hat eine neue Epoche für die Textbehandlung jener Schriftsteller eingeleitet. Wir lassen vieles bei Seite, was den Stolz geringerer Geister ausmachen würde. Überall entdecken wir in der Art, wie Sie die Fragen stellen und beantworten, die unerbittliche Logik eines Geistes, der die Wahrheit sucht und nichts als die Wahrheit. So strahlen Ihre Schriften dieselbe Würde und Hoheit aus, die Ihrer ganzen Persönlichkeit aufgeprägt ist. In Ihrer akademischen Antrittsrede haben Sie, verehrter Jubilar, die Leistungen Ihrer Zeit im Aufblick zu Ihren grossen Vorgängern als Epigonenwerk bezeichnet. Wir aber, Ihre akademischen Genossen, dürfen heute, wo wir den Erntekranz auf Ihre fruchtschweren Garben legen, bekennen, dass Sie uns nicht als Epigone erscheinen, sondern als Diadoche, der das von den Vätern ererbte Reich trefflich ver- waltet, gesichert und erweitert hat. Möge es Ihnen beschieden sein, noch lange darin als Herrscher zu walten, der Wissenschaft zum Nutzen und zur Ehre der Akademie! Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 6. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, Teart Ian v u „Drolih 2%) ann ah De SE) et Rn“ = n A BT; ar Aue J fük ae kur Ai N N F N Ir j ii in Er, » TE m 4 \ Tee U u . 7 ia er vun ar ei + u ar Sale 3 iv 3a) L Ha) u we Pe sr, ine Br x 758 ' a LIE Dede BE ai Lama” he we . “A Malt * Ör BR Are ei u y 2 v b is ans en g . Bee 7? E } “ Be P ” . a ' er; - y “. ’ £ R * “ % 103 SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Herrwıs machte die umstehend folgende Mittheilung über den Einfluss verschiedener Temperaturen auf die Entwicke- lung der Froscheier. 2. Derselbe legte ferner eine Serie von mikroskopischen Prae- paraten vor, welche Hr. Prof. Erık MüLtLer aus Stockholm bei seinen im II. Anatomischen Institut der hiesigen Universität angestellten Un- tersuchungen über die Regeneration der Urodelenlinse er- halten hatte. Sitzungsberichte 1896. 10 er IEAT af lm: Wi sure SICHER RTHRNN eo F u hl “ E Es : x Zu: eure nee a Sn R ee N AIREN a IR Pa Eee, SI Nyon. IB mh De a j 5 2, R % I TE ame hen] & De An a { STE TUE EL) An DIT: r KIT AFTER Laut UST, a. AR KENT TERN “ I Iren ae ANIEFR Aa R u ARTE DT 2 j tawlantil inne is Wen men, a a Über den Einfluss verschiedener Temperaturen auf die Entwickelung der Froscheier. Von Oscar HErTwiG. 1 den 2 letzten Frühjahren habe ich neben anderen Versuchen auch solche über den Eintluss verschiedener Temperaturen auf die Entwicke- lung der Froscheier vorgenommen. Anfangs machte ich die Versuche der Art, dass ich kleine Wassergefässe mit Eiern in verschieden er- wärmte Thermostaten stellte. Diese Methode verliess ich aber bald, da sie zu umständlich ist, wenn es sich um eine grössere Reihe un- gleicher Temperaturen handelt. Auch ist wenigstens ‘bei höheren Wärmegraden durchfliessendes Wasser behufs besserer Versorgung der Eier mit Sauerstoff erwünscht. Ich richtete mir daher einen Apparat in folgender Weise ein. In einem im Souterrain gelegenen Zimmer, dessen Temperatur sich Wochen lang constant erhalten liess, wurde nahe der Decke ein kleines Wasserbassin mit Überlauf angebracht, aus welchem ein kleiner Wasserstrom in einer geschlossenen Leitung in einen Kessel und durch denselben in einer langen Spiralröhre hindurchgeleitet wurde. Aus der Spirale floss das Wasser dureh die enge Öffnung einer ausgezogenen Glasröhre unter constantem Druck in ein kleines Bassin. Der Kessel war mit Wasser gefüllt, welches durch einen Bunsenbrenner, der durch einen Thermoregulator regulirt wurde, er- wärmt und auf constanter Temperatur erhalten wurde. So liess sich ein Wasserstrom von nahezu constanter Temperatur gewinnen. Der- selbe wurde durch 10 neben einander in 2 Etagen aufgestellte Bassins hindurchgeleitet. Diese waren je nach ihrer Stellung durch einfache oder durch weite Doppelheber mit einander verbunden. Da durch die 10 bis nahe zum Rand gefüllten Bassins nur ein kleiner aber eontinuirlicher Wasserstrom hindurchging, zeigte jedes Bassin je nach seiner Entfernung von der Wärmequelle in Folge der Wärmeabgabe an die constant gehaltene Aussentemperatur eine immer geringer werdende Wassertemperatur an. Bei den Versuchen im vorigen Jahr konnte ich in einem einzelnen Bassin Temperaturschwankungen von 0°5 C. nicht vermeiden. Da ich in diesem Frühjahr die Versuche 10* 106 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar. noch einmal wiederholen will, habe ich den Apparat soweit ver- bessert durch Benutzung elektrischer Thermoregulatoren, dass die Schwankungen nur noch o°ı €. betragen. Auf diese Weise lassen sich mit fliessendem Wasser gefüllte Bassins herstellen, deren Temperatur- differenzen sich zwischen 15° und 35° der Scala bewegen. Um die Temperaturen von 0-10° zu erhalten, habe ich mich desselben Prin- cips bedient. Das Leitungswasser wurde unter eonstantem Druck in einer Spiralröhre durch einen gut isolirten Kessel geleitet, der 2 Mal am Tage mit einem Gemisch von Eisstücken und Salz gefüllt wurde. Durch eine Glascapillare floss dann das etwa auf 0° abgekühlte Wasser durch eine Reihe auf einander folgender Bassins hindurch. Doch konnte ich bei diesen Versuchen Schwankungen der Temperatur um 2° im Laufe des Tages nicht vermeiden. In die Bassıns wurden die gleichzeitig befruchteten Eier in Draht- kästen gebracht, die bis in die Mitte des Wassers hinabreichten. Als allgemeine Ergebnisse möchte ich. folgende 5 Punkte hervor- heben. ı. In Wasser von 0° findet bei befruchteten Eiern, die tage- lang in einen Eisschrank gestellt werden, keine Entwickelung statt. Begonnene Entwickelung bleibt stille stehen. Doch können, wie schon Oscar SCHULTZE gefunden hat und ich jetzt bestätigen kann, Tage und Wochen lang auf o-Temperatur gehaltene Eier sich noch normal weiter entwickeln, wenn eine langsame Erwärmung stattfindet. 2. Die Froscheier entwickeln sich normal, aber mit sehr ver- schiedener Geschwindigkeit innerhalb einer Temperaturscala von 2° bis 33°. Sie unterscheiden sich hierin sehr von den Eiern der warm- blütigen Thiere, wie denn zum Beispiel Hühnereier nur Schwankungen innerhalb geringer Grenzen vertragen.. 3. Die Eier von Rana fusca und Rana esculenta zeigen geringe Verschiedenheiten von einander. Bei dem im März und April lai- chenden Landfrosch liegt die obere Temperaturgrenze etwa bei 27° C., bei der Ende Mai und Juni laichenden Rana esculenta dagegen bei 32-33°0., also etwa um 5° höher. Es scheint daher bei den bei- den Froscharten eine ungleiche Anpassung an Temperaturen, ent- sprechend den verschiedenen Laichzeiten, eingetreten zu sein. Es ist zu erwarten, dass bei Aana esculenta auch die untere 'Temperatur- grenze höher liegt als bei Rana fusca: dieser Punkt soll noch in nächstem Frühjahr untersucht werden. Viertens lässt sich feststellen, dass die Froscheier auf verschie- dene Temperaturen durch langsameren oder schnelleren Verlauf ihrer Entwickelung gleichsam wie Thermometer genau reagiren. Der Höhe der Temperatur während eines bestimmten Zeitintervalls entspricht Hervwıs: Einfluss der Temperatur auf die Entwickelung der Froscheier. 107 jedes Mal eine ganz bestimmte Entwickelungsstufe. So ist z.B. bei einer Brutwärme von 15° das Ei von Aana esculenta nach 9 Stunden in 8 Zellen getheilt, bei 32°25—33°. dagegen schon zu einer kleinzel- ligen Keimblase geworden mit vielen Hunderten von Zellen, die bei starker Lupenvergrösserung als kleine Körnchen erscheinen. Erst nach 24 Stunden ist das bei 15° sich entwickelnde Ei etwa auf einem entsprechenden Stadium angelangt, während das Ei bei maximaler Temperatur zu dieser Zeit schon Rückenmark, Hirnblasen und Chorda entwickelt hat und Kopf und Schwanzende deutlich unterscheiden lässt, ein Stadium, das bei 15° erst am 6. Tag, also nach der drei- fachen Zeit, erreicht wird. Am 3. Tag zeigt das Froschei bei 15° den Beginn der Gastrulaeinstülpung, bei 33° hat sich eine Larve ent- wickelt mit ziemlich langem Ruderschwanz, mit schmalem Flossen- saum, mit 2 Haftnäpfen, mit eben hervortretenden Kiemenfäden. Bei einer Temperatur von 28-29° dagegen tritt am 3. Tag der Schwanz erst als ein kleiner, dorsal emporgekrümmter Höcker auf. Am 6. Tag sind die Eier bei maximaler Temperatur schon zu kleinen, lebhaft herumsehwimmenden Kaulquappen geworden, mit diekem Leib und langem Ruderschwanz, mit Hornzähnchen im Mund, mit Kiemen, die durch Umwucherung in eine Athemhöhle einge- schlossen sind, mit spiral aufgewundenem Darmkanal, mit dichtem Ge- fässnetz im Gallertgewebe. Dieses Stadium erreicht bei 15° das Froschei etwa erst in der vierfachen Zeit. Denn am 20. Tag sieht zwar äusserlich die Kaul- quappe ähnlich aus, zeigt aber die Kiemenfäden noch frei nach aussen hervortretend und die Bildung einer Hautfalte erst eben eingeleitet. Noch beträchtlicher werden die Entwickelungsdifferenzen, wenn wir zu Temperaturen von 2-5° herunter gehen. Hier ist das Froschei am 6. Tag, an welchem bei maximaler Tem- peratur schon grosse Kaulquappen entwickelt sind, noch eine Keim- blase, wie dort nach 10 Stunden. Am S. Tag beginnt die Gastrulation, ‚las Ei zeigt einen hufeisenförmigen Urmund, wie bei einer Temperatur von 15° am 3. Tag. Noch am ı2. Tag ist das Ei kugelig, mit sehr engem Urmund und punktförmigem Dotterpfropf, es zeigt noch keine Anlage von Medullarwülsten. Als ein letztes Resultat der Versuche hebe ich endlich noch hervor, dass bei Überschreitung des Wärmeoptimums um ı° die Eier rasch absterben. An der Grenze kommt es zu abnormer Entwiekelung. Letztere ist schon am eigenthümlichen Verlaufe des Furchungsprocesses erkennbar. Der Verlauf der Theilungsebenen wird gestört. Am vege- tativen Pol schneiden die Theilebenen nicht durch. So entstehen Eier, die am animalen Pol in kleine Zellen abgetheilt sind, am vegetativen 108 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 6. Februar. Pol aber eine ungetheilte Dottermasse zeigen. Bei der Gastrulation wird die Dottermasse nicht mit in das Innere der Urdarmhöhle auf- genommen, daher entwickeln sich Gastrulae mit abnorm grossem Dotter- pfropf und aus ihnen wieder Embryonen mit Spina bifida. In wie weit bei verschiedenen Temperaturgraden Modifieationen in der Entwickelung der einzelnen Organe und zeitliche und örtliche Verschiebungen eintreten, wurde bis jetzt nicht genauer verfolgt. Ge- ringe Verschiedenheiten sind jedenfalls hier und da (z.B. im Verlauf der Gastrulation, der Bildung des Nervenrohrs u. s. w.) vorhanden. Fragen wir nach den im Ei gelegenen Ursachen für den un- gleich rasch regulirten Ablauf der Entwickelungsprocesse bei verschieden hohen Temperaturen, so lässt sich als wichtigste derselben die ver- schiedene Geschwindigkeit erkennen, mit welcher sich die Processe der Zelltheilung abspielen. Die Geschwindigkeit der Zelltheilung aber hängt wieder ab von dem Vollzug complieirter chemischer Processe, Bildung von Nucleinsubstanzen u. s. w. Daher möchte in letzter In- stanz der langsamere oder raschere Ablauf des Entwickelungsprocesses im Ei darauf zurückzuführen sein, dass die zur Entwickelung erforder- lichen complieirten chemischen Processe in einer gesetzmässigen Ab- hängigkeit zur Temperatur der Umgebung stehen, durch welche sie in genauen Verhältnissen beschleunigt bez. verlangsamt werden. Ausgegeben am 13. Februar. — nn 109 1896. vH. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 6. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. Hr. Harnack hielt einen Vortrag über das Zeugniss des Igna- tius über das Ansehen der römischen Gemeinde. Mittheilung erfolgt umstehend. wur re « at 4 en in BR AN... Om er 2 = E N PR War Ask Ay a ur U “M kei) db KW iD irdi & AHA u RN, pi EM Pr i u er DET 17: u HIER: Aa na ERETTN B X » de 06 RE» 4 u Dt M T N en j} Er ce Fl PRIELEITEN | 2 er af Zain Ae Kal a 5 N RONIT ern 7 wer a Pe IE u a B* va Be 5 BR Pa E we . . \ a BARON i A j a ei 12 dr dr rc ne 2 Br u ri ij 4 SE DI, BO rt ae ee 7 121 Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der römischen Gemeinde. Von ApouLr HArNAcK. en den Abhandlungen » Die ältesten christlichen Datirungen und die An- fänge einer bischöflichen Chronographie in Rom« (Sitzungsberichte 1892 S. 617 ff.), »Das Zeugniss des Irenaeus über das Ansehen der römischen Kirche« (a. a. O. 1893 S. 939 ff.) und »Der erste Clemensbrief« (a. a. O. 1894 S. 261 fl. 601 ff.) füge ich eine Untersuchung des Zeugnisses des Ignatius über das Ansehen der römischen Gemeinde. Von den sieben Briefen des Ignatius kommt nur der Römerbrief in Betracht, und zwar handelt es sich um folgende Stellen: Die Adresse: Iyvarıos, 6 kat Oeodopos, TN EXenuevn Ev ueya- Acıornrı marpos iwiorov Kal Inoov Äpıorov ToV uoVvov viov aurov, ERKANTIA Nyarnnuevn kaı medwrıouevn ev HeAnuarı rov HeAyoavros Ta mavra A Eortw, kara ayannv Inoov Xpıorov rov Heov nu@v, Yrıs Kal mpokddnra Ev TOr® xwptov Poualwv, a&ı0deos, a&tlomperns, d&to- nakdpıoTos, a&ıemawvos, A&ıemitevktos, d&layvos, Kal Tpokadnuevn TNS Aryanns, XpIOTOVouoS, TATPWVVHOS' MV Kal aomalouaı Ev OvonaTı Inoov Xpıiorov viov TaTpos' Kara odpka Kal Tvevua NVv@uevors mdoN EevroAn aurov, MenAnpwuevos yapıros Beov AdlarpiTws Kal AmodwALc- nevoıs amo mavros aNAoTpiov ypwuaros, mAeiota €v Invov XpioT® To #eo Numv Aumuws yalpeıv. Cap. 3: Oiderore Eßaokdvare oVdevi‘ AAAovs Edidagare: eyw de HEeA® iva kareıva Beßaa I a uahnrevovres EvreiXeode. Cap. 4: Oüy os Ilerpos kai IlavAos Ötaraovonar buiv' ereivor Amo- ToAoL, Eyw Katdkpıros: Ekewor EXevdepoı, Eyw de uexpı vuv ÖovXos, Z.1fl. Der Text ist, dank den Bemühungen Zaun’s und Lientroor's, fast durch- weg gesichert; Z. 4 bietet dieser kar@ miorw kat @yanınv (nach der längeren griechischen Recension, dem Armenier und dem armenischen Martyr. Ignatii). Der Metaphrast giebt die Adresse in starker Verkürzung; es fehlt Alles von Z. 5 (a&10deos) bis Z.7 (marpo- vvaos), dazu noch Anderes. Auch der Syrus Curet. hat gekürzt, bringt aber die Worte von Z.4 (jrıs) bis Z. 7 (xpırröovouos) wesentlich unverändert, also auch das mporadnra ev Tom xopiov Poyualov und das mpokaßnuevn Ts dyanmns (ev ayamı). Z.12 ovdeva Zaun nach der kürzeren griechischen Recension. 20 112 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 6. Februar. AAN eav madw, amexeidepos Inoov Xpiorov, kai avaornoonaı &v aut® EXevdepos. Cap. 9: Mvnuovevere Ev rn Mpocevyn Vuov ns Ev Zvpia ErkAn- las, NTıs Aavri Euov mowevi To Hew xpnra. novos aurnv Invovs XpıoTos ErmIokomnoe Kal N Uuov ayamı. Die Adresse des ignatianischen Römerbriefes gehört zu den schwie- rigeren Stellen der ältesten patristischen Litteratur; dazu: die Eigen- thümlichkeiten des vom Semitischen beeinflussten, wenig geschmack- vollen und rhetorischen Stils des Ignatius sind hier potenzirt. Auf Jeden, der die classische Sprache der Griechen kennt, muss dieses Convolut von Sätzen, von unklar gedachten und ungriechisch_ stili- sirten Gedanken, von formelhaften Ausdrücken und wechselnden, ein- ander störenden Bildern zunächst abschreekend wirken. Kommt nun noch Abneigung gegen den theologischen Inhalt hinzu, so entstehen Bekenntnisse wie das Lacumann’s, er habe »den Ignatius durchgeackert mit höchstem Widerwillen gegen das rein dumme Zeug«'. Hätte der berühmte Philologe es über sich gebracht, den Ignatius mit derselben Hingebung zu studiren, wie andere Schriftsteller des Alterthums und sich bemüht, ihm gerecht zu werden, so hätte er finden müssen, dass der Märtyrer trotz seiner geschmacklosen Rhe- torik doch nieht unverständig geschrieben hat, und dass hinter der abstossenden Ausdrucksweise eine Persönlichkeit steht, die kennen zu lernen der Mühe werth ist. Doch sollen die folgenden Ausführungen nieht eine Ehrenrettung des bedeutenden Bischofs und seiner Briefe bringen: eine solche ist nach den eindringenden Arbeiten der letzten zwanzig Jahre nicht mehr nöthig. Es handelt sich vielmehr lediglich um das Zeugniss des Ignatius für die Stellung und das Ansehen der römischen Gemeinde. Dieses Zeugniss ist von ganz besonderem Werthe, erstlich um seines Alters willen — es stammt aus der Zeit Trajan’s oder Hadrian’s —, zweitens weil es nicht von einem römischen oder abendländischen Schriftsteller, sondern von einem orientalischen her- rührt, der aus Antiochien kommt und in Kleinasien schreibt, drittens weil die Ignatiusbriefe in der byzantinischen Kirche ein hohes An- sehen erlangt haben. Vergleicht man die Adresse mit den Adressen der anderen fünf Briefe, die Ignatius an Gemeinden geschrieben hat, so springt sofort so- wohl die allgemeine Ähnlichkeit wie der bedeutende Unterschied in die Augen. Die Ähnlichkeit liegt in der Art des Aufbaues, zum Theil auch in den Mitteln der Ausführung; der Unterschied tritt in den volleren, man darf sagen — überschwänglichen Tönen entgegen, die Ignatius I! K. Lacunanx’s Briefe an M. Havpr, herausgegeben von VAntEn (1892) S. 164. Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 113 hier anschlägt, obschon er auch in der Adresse z. B. der Briefe nach Ephesus und Smyrna nicht karg gewesen ist. Nicht weniger als fünf- mal ist der Name Christus in der Aufschrift genannt und dreimal mit der Gemeinde in Beziehung gesetzt. Mit syrischer Rhetorik wird die Gemeinde als die »begnadigte«', als die (von Gott) »geliebte «*, die »erleuchtete«, und dazu als die Tpokadnuevn, werden ihre Glieder als nvouevor maon evroAn Incov Äpıorov, als MemAnpwuevor yapıros deov und als amocıwAuevor amo mavros AaMoTpiov ypwuaros be- zeichnet. Aber selbst damit hat sich der Schriftsteller noch nicht begnügt, sondern der Gemeinde noch sechs, mit qa&0s zusammen- gesetzte Praedicate, sowie zwei andere neugeprägte (XpıoTovouos, Tarp@vvuos) gespendet und sie somit in einer Fülle von Accorden gefeiert. Es wäre jedoch ein Irrthum, zu meinen, der Schriftsteller habe wie ein schlechter Panegyriker ohne Überlegung und Auswahl die Praedieate zusammengerafft. Ein genaues Studium seiner Inseriptio- nen zeigt vielmehr, dass ihn in seinen Gemeindebriefen stets ein be- stimmter Eindruck von den besonderen Gaben oder den besonderen Zuständen der einzelnen Kirche geleitet hat. Die sorgfältig gearbei- teten Adressen sind der Eigenart jeder Kirche angepasst; andernfalls, wo er die Eigenart nicht näher gekannt hat, sind sie so knapp und inhaltslos wie die des Briefes an die Magnesier — knapp im Stile des Ignatius. Wir dürfen demnach sicher annehmen, dass den besonderen und hochgegriffenen Praedicaten, mit denen die römische Gemeinde beehrt wird, auch ein besonderer Eindruck, den Ignatius von dieser Ge- meinde aufgenommen hat, entspricht. Da er aber selbst bisher nie- mals in Rom gewesen ist, so kann dieser Eindruck nur den Wirkun- gen entstammen, die die römische Gemeinde bereits bis nach An- tiochien hin ausgeübt hat, bez. dem allgemeinen Urtheile, welches in den christlichen Gemeinden des Reichs über sie verbreitet war. Das erhöht den Werth seines Zeugnisses. Gleich in den ersten Worten tritt die besondere Stellung der römischen Gemeinde hervor: sie wird als eAenuevn Ev ueyaXeıoryrı marpos KTA. bezeichnet. Der Ausdruck, verglichen mit dem ähnlichen ad Ephes. inser.: eiVAoynuevn Ev neyedeı Beov, stellt eine Steigerung dar: in dem Zustande oder wahrscheinlicher in dem Gnadenbesitz dieser Gemeinde, d.h. in ihrer Grösse und Kraft, spiegelt sich die Majestät Gottes”. Von keiner anderen Kirche hat Ignatius das aus- ! Vergl. Epist. ad Philad. und ad Smyrn. inser. ® Vergl. Epist. ad Trall. inser. ® Zu neyakeıorys s. I Clem. 24. 5; Luc. 9, 43; II Pet. ı. 16. 114 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 6. Februar. gesagt. Aber auch das medwriouevn ... kara ayannv Inoov Xpiorov ist nicht als ein allgemeiner religiöser Ausdruck zu verstehen, der von jeder Gemeinde gilt. Weder in der Verbindung mit ev OeAnuarı noch absolut kommt $wrileodaı in den anderen Briefen vor, während an- dere Praedicate häufig wiederholt werden: von der römischen Ge- meinde gilt, dass sie den Willen Gottes kennt und solche Erleuchtung nach der Norm der Liebe Christi bethätigt' — das wollen die Worte besagen. Ist nicht der erste Glemensbrief ein Paradigma auf das Lob, welches Ignatius der römischen Gemeinde hier gespendet hat? Nach diesem Lobe fährt er fort: nrıs kat mpokdadnra Ev TOnw xwpiov Pouaiwv, a&gıodeos, üELompenns, A&ionakdpıoTos, A&ıemaıvos, aEıenitevkTos, üblayvos, Kal mpokaßnuevn TNs aryarns, XptoTovouos, TATPWVUNOS. Diese Worte sind seit mehr als zweihundert Jahren Gegenstand der Controverse. Speeiell den Ausdruck mpokadnraı Ev TORw Xwpilov Ponaiwv hat Casaugoxus barbarisch und unverständlich genannt und damit zu Correeturen des überlieferten Textes aufgefordert. Solche sind in der That versucht worden; allein die Bezeugung der frag- lichen Worte ist so vortrefflieh — ohne Schwanken bieten sie der kürzere und der interpolirte Originaltext, beide Lateiner, der Syrer und beide Armenier, dazu der Metaphrast? —, dass man Alles daran- setzen muss, sie zu rechtfertigen. So verschieden die Auslegungen im Einzelnen sind — darin stimmen sie meines Wissens zur Zeit alle überein, dass pokadmodau nichts anderes als »den Vorsitz führen« heissen könne, und dass Ignatius der römischen Gemeinde einen zwiefachen Vorsitz beigelegt habe, nämlich a) ev Torw xwptov Poualwv (also einen so zu sagen realen) und b) ns ayarns (einen ideellen)*. Was jenen Vorsitz betrifft, so fassen die Einen die Worte ev TORT® ywopiov Pouaiwv als Bezeichnung des Gebiets, über das sich der Vorsitz der römischen Gemeinde erstreckt; die Anderen sehen in ihnen eine Angabe des Orts, an welchem die römische Gemeinde ihre Praesidentenwürde ausübt. Die, welche an das Gebiet denken, scheiden sich wieder in solche, welche die Sitze, bezw. das Gebiet suburbiearischer Bischöfe oder etwas Ähnliches für das yoptov Poualwv ! Die Worte kara ayamıv kA. sind gewiss ebenso auf redoreuevn (nicht auf dexycavros) zu beziehen wie &v deAnuarı KTA. ® Nur das syrische Martyrium giebt romos nicht wieder. Die LA »chori« des jüngeren Lateiners zeigt, dass ihm xopiov vorgelegen hat. » S. Liswrroor z. d. St.: »There is doubtless here a reference back to the fore- 2oing mporadyra Ev roro xı\. The church of Rome, as it is first in rank, is first also in loves. Harsack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 115 hier halten', und in solche, welche rathen, ohne nähere Bestimmung an die Landschaft (Distriet) der Römer zu denken’. Die, welche das ev TOT® KTA. local fassen, müssen das Gebiet, über das sich der Vorsitz erstreckt, suppliren oder behaupten, dass der römischen Kirche ein absolutes mpokadnodau beigelegt werde, sei es weil der Rang der Stadt Rom als der Welthauptstadt einfach auf die römische Ge- meinde übertragen werde, sei es weil die römische Kirche als die Kirche der Apostelfürsten die Praesidentin der Christenheit sei. Es giebt endlich auch Exegeten, die »yoptov Ponatwv« nicht von Ev TOTw, sondern von mpokadnodaı abhängen lassen; dabei will Bussen ev TOT@ beibehalten wissen (er erklärt es: »in dignitate«, »in officio suo«), Hr. Zaun schreibt ev rUr® und übersetzt »als Vorbild« (unter x@piov Pouatwv das ganze römische Reich, d. h. die ehristliehen Bewohner desselben verstehend, während Bussen an einen abgegrenzten Bezirk denkt); andere Correeturen, wie z. B. ev Hpovw für ev Tonw, oder Erklärungen wie die, statt xwpiov sei ywptwv zu lesen und durch ronos yoptov Pouaiwv werde Rom als Regionenstadt bezeichnet (so Nirscnr), oder romos sei als Rang (Würde) zu verstehen, trotzdem aber sei der Genitiv x@ptov von diesem Wort abhängig, dürfen wohl bei Seite bleiben. Was sodann den Ausdruck mpokadnuevn ns ayanns betrifft, so setzt man »die Praesidentin« — »die Erste« und versteht unter ayarn entweder die sich in der Liebesthätigkeit erweisende Liebe (so ge- wöhnlich) oder den Liebesbund (d.h. die ganze über die Welt zer- streute Christenheit). Die letztere, dem römischen Dogma conforme Erklärung lässt den Ausdruck als wesentlich identisch mit mpoka- Anuevn Ev TOT® ywptov Pouatwv erscheinen, wenn man hier ev TOTw «TA. rein local und den Vorsitz als absoluten fasst. Keine dieser Erklärungen ist bisher zur Herrschaft gelangt; das Problem, welches die Stelle bietet, ist heute noch so wenig gelöst, wie in den Tagen, da Casaugonus, PrAarson und Isaac Voss sich mit ihm beschäftigten. Weil ich glaube, dass nicht alle Hülfsmittel zum Verständniss der Stelle erschöpft worden sind, und dass das Verhältniss von mpokadnra und mpoKadnuevn bisher unrichtig aufgefasst worden ist, wage ich es, die schwierigen Worte auf’s Neue zu behandeln. ! Z.B. Wieserer, Christenverfolgung (1878 S.ı18): »Es lässt sich sowohl aus philologischen wie aus sachlichen Gründen nicht bezweifeln, dass die römische Ge- meinde bei Ignatius als Vorsitzerin der anderen christlichen Gemeinden des römischen Stadtbezirks erscheint«. 2 Liswrroor z. d.St.: »The romos xopiov 'Ponaov therefore will have a looser signification. denoting generally ‘the country or distriet of the Romans’, and the church of Rome itself is so entitled, as the prineipal church in this region, just as the church of Jerusalem might be said poradjodaı Ev Toro xwpiov "lovdatov«. 116 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 6. Februar. Seine Adressen in den übrigen Briefen hat Ignatius also formirt: oa | B ea ’ in KA ’ % [4 > ” [4 AJ Tn exkAnota rn a&iouakapiotw rn ovon ev Epeow rns Actas (Epheser- brief) — ErkAnoia rn ovon Ev TpdaAXeoıw Tns Avtas, ErXektn Kal agıodew (Trallerbrief) — ... ev © aomalouaı TNv ErkAnolav Tyv oboav ev Mayvnoia rn mpos Mawvöpw (Magnesierbrief) — 'ErkAnoia rn ovon ev ®iAadeAdia ns Actas, nAennevn KTA. (Philadelphener- brief) — ErkAnola ... rn ovon ev Zubpvn rns Acias (Smyrnäerbrief). Dazu ist zu vergleichen Philad. 10, Smyrn. rı, Polyk. 7: n EkkAnota n ev Avrıoyeia rns 2uptas. Ephes. 21, Magn. 14 (bis), Trall. 13, Röm.g: n exkAnola n Ev Zvpia. Röm.2: 6 Emiokomos Auplas. Aus dieser Übersicht folgt, dass Ignatius an zwei Regeln in seinen Briefen an die christlichen Gemeinden festgehalten hat, erstlich die Gemeinde als 7 ovoa €v .. zu bezeichnen, zweitens zu dem Städte- namen den Namen der Provinz (selbst bei Ephesus!) hinzuzufügen'. Das Fehlen der Provinz in der Aufschrift des Magnesierbriefs ist nur eine scheinbare Ausnahme; in diesem Falle nämlich wäre Maryvnota rns Actas nicht deutlich gewesen, da es ein lydisches Magnesia nicht weit von der gleichnamigen Stadt am Maeander giebt”. Zu beachten ist, dass er zwar constant Avrıöoyeia »rns 2vptas« schreibt, dass er aber diese Kirche auch einfach »n ExkAnoia ij ev 2vpia« nennt, eine Bezeichnung, die die Frage erweckt, ob damit ein besonderes Ver- hältniss der Kirche von Antiochien zur ganzen Provinz angedeutet sein soll (s. u.). Wendet man das hier Festgestellte auf die Adresse des Römer- briefs an, so entspricht das „rıs Tpokadnrau dem n7 ovoa,. das Ev TORT® xwptov Pouatwv dem Ev Eodeow ns Actas oder ev Avrıoyeia rns 2vpias. Man muss daher die locale Fassung des Ausdrucks mpo- kadnraı Ev KTX. festhalten‘. Dann aber entbehrt das mpokadnraı der näheren Bestimmung. Dass dies misslich ist, haben Voss und Zaun mit Recht behauptet. Diejenigen, die hier keinen Anstoss nehmen, verweisen auf das absolute mpokadnuevov, das Magn.6 zweimal steht (rapawo Ev öuovola Heov amovdalere ravra mpdoceıv, MpoKadnuevov TOoV EMIOKOTOV eis TUmov Heov, Kal TWv TPEOBUVTEHWV Eis TUMOV Tvv- ! Die Klammern im Epheserbrief bei r7s Acias hätte Lismrroo'r streichen müssen. Übrigens schreibt auch Irenaeus II, 1,1: "wavvys ... ev Epeow rijs Antas dtarpißov, und die lugdunensischen Christen bezeichnen sich in ihrem Briefe selbst als oi ev... Aovy- dovvo ns TaAXlas mapoıkovvres dovAoı Äpıoron. ?2 In dem Polykarpbrief schreibt Ignatius: MMoAvkapro Emokorw ErkAnoias Luvpvaiov. Diese Verkürzung mag hier auf sich beruhen bleiben. ® Richtig Nirscnr (Die Theologie des hl. Ignatius 1880 S.64 n.2): »Ev row giebt die örtliche Lage der also begrüssten Kirche an. 'Ev drückt bei Ignatius stets diese locale Lage in seinen Grussformeln aus. Diese Worte sprechen also nicht aus, wie weit sich das Präsidium der begrüssten Kirche erstreckt, sondern zeigen nur an, wo sie ist.« en un Harnack: Das Zeugniss des Ignatins über das Ansehen der röm. Gemeinde. 117 eöpiov T@Vv ANOOTOAWV, Kal TW@v Ölakov@v KTA. ... AAN Evmönre T@ ETIOKOTW Kal Tols mpokadnuevoıs). Allein wem der Bischof und die Presbyter vorsitzen, bedurfte keiner Erläuterung. Dagegen ist ein von der römischen Ekklesia ausgesagtes allgemeines » Vorsitzen« unerträg- lich dunkel. Nur eine werdßacıs eis aAXo Yevos bewirkt es, dass diese Dunkelheit nicht von allen Exegeten empfunden wird. Sie denken unwillkürlich entweder an die unzähligen Stellen, wo die Stadt Rom als mpokadnuevn Tns oikovuevns o.ä. (s. in der kirchlichen Litteratur z. B. Theodoret ep. 113), wo Provineialhauptstädte als rpo- kadelöuevar in ihren Provinzen bezeichnet werden, oder an den spä- teren kirchlichen Vorrang Roms bez. seines Bischofs. Aber nicht um die Stadt Rom handelt es sich hier, sondern um die Christen- gemeinde Roms, und nicht um den Vorrang des römischen Bischofs in späterer Zeit, sondern um die Gemeinde am Anfang des 2. Jahr- hunderts. Wo also ist der unentbehrliche Genitiv zu mpokadnodaı zu finden, wenn doch daran festgehalten werden muss, dass ev TOr® local zu nehmen ist? Hr. Zany räth uns, diesen Genitiv in dem »xoptov Pouatov« zu finden, mithin den allerdings ungefügen Aus- druck &v TOrw xoptov Pouaiwv aus einander zu reissen. Allein er be- merkt selbst sehr richtig, dass dann »ev Torw« unerträglich wird und eorrigirt werden muss. Zu solch einem Eingriff wird man sich jedoch erst entschliessen dürfen, wenn alle Interpretationsmittel versagen. Aber — der gesuchte Genitiv, der angeben soll, worauf sich das mporadnodaı der römischen Ekklesia bezieht, steht wirklich im Text. Wenige Worte nach mpokdadnraı Ev TOonw® KTA. liest man: »mpokaßnuevn ns ayamns.« Die Ausleger sehen hier durchweg eine zweite Art des mpokadnodaı, das von der römischen Ekklesia aus- gesagt wird. Ist das wahrscheinlich? Die sechs dazwischen stehenden, mit d&tos zusammengesetzten Worte sind nach Inhalt und Form ein grosses asyndetisch eingeschobenes Epitheton ornans. Lautete aber unsere Stelle: yrıs mpokadnra Ev TOTw ywplov Ponatwv (kat) mpo- kaßnuevn ns @yanns — wer würde daran zweifeln, dass es sich hier nicht um einen zwiefachen Vorsitz, sondern nur um einen ein- fachen handelt? Bekanntlich ist die Beisetzung des Partieipium zum Verbum finitum desselben Wortes im semitischen Griechisch recht häufig (s. die LXX, Aet. Apost. 13,45: oi lovdatoı avreXeyov Toıs imo rov [IavAov Aeyouevoıs avrıkeyovres kai BAaorcbnuovvres), und Ignatius ist auch sonst in seiner Sprache durch das Semitische bestimmt. Das »Kal« aber vor mpoKadnuevn war nothwendig, um nach der Einschal- tung von sechs Worten den Begriff mpoka@nodaı wieder aufzunehmen. fasst man dieses »kai« als »und zwar«, so hat man nicht einmal nöthig, auf das semitische Griechisch zu verweisen. Der Schriftsteller 118 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 6. Februar. hatte die Determinirung des Begriffs mpokadnodaı unterbrochen durch Einschiebung von Adjeetiven; er nimmt nun — und zwar passend vermittelst des Partieipiums — den Begriff wieder auf und führt ihn zum Abschluss. Diese Erklärung wird durch die Beobachtung gestützt, dass in der Reihe der neun Attribute nach Tpokadnrau nur vor TPO- kadnuevn ein »kal« steht. Dadurch charakterisiren sich die sechs Ad- jeetive a£ıwdeos KTA. als rhetorische Einschiebungen, während xpıoTo- vouos, TATpwvvuos zu dem das mpoKadnraı wieder aufnehmende rpo- kadnuevn ns ayanns gehört. Zu erwägen ist aber, ob das Partieipium das Verbum finitum einfach wieder aufnimmt, oder :ob es ihm nicht durch die Wieder- aufnahme eine neue Nüance giebt. In diesem Falle gehört unsere Stelle in die Reihe von Beispielen, die Wıner (Neutestamentliche Gram- matik ” S. 333) zusammengestellt hat: Umakovwv ayoAN Ummkovoa, dev- yov Excbevyeı, Pevywv Exeidev eis rnv Tavpeov maXaiorpav karebuye. Auch die oben angeführte Stelle Act. 13,45 gehört hierher; denn das Verbum finitum avreAeyov wird durch das Partieipium avrıAeyovres kai PAaorbnuovvres nicht nur wieder aufgenommen, sondern in einer bestimmten Richtung verstärkt. Nun haben sich zwar, soviel ich sehe, die Ausleger sämmtlich dabei beruhigt, mpokadnodaı Tns ayarnıns durch »den Vorsitz führen in der Liebe« (Lientroor: »having the presideney of love«) zu übersetzen, um dann diesen Ausdruck als » die Erste in der Liebesthätigkeit« o. ä. zu fassen. Aber » Vorsitz (in) der Liebe« ist ein sonderbarer Ausdruck, und »die Erste in der Liebes- thätigkeit« ist eine kaum statthafte Verallgemeinerung desselben. Kann rpokadnodaı nicht anders gefasst werden? Soll der Bischof als » Vor- sitzender (in) der Wahrheit« bezeichnet werden, wenn er im pseudo- elementinischen Brief an Jakobus (e. 2 u. 17) mpokadelouevos aAndelas genannt wird? Geht hier nicht vielmehr die Bedeutung » Vorliegen«, » Vorstehen« in die andere über: »Schützer (Vertheidiger) der Wahr- heit«, oder: »der für die Wahrheit eintritt«? Ist es an unserer Stelle nicht ähnlich? Ist nicht im Verbum finitum das mpokadnodaı allge- meiner gedacht. um dann in dem bereits in das Auge gefassten Aus- druck mpokadnuevn ns ayamns seine Determinirung zu erhalten? Es giebt in der That eine Beobachtung, die es wahrscheinlich macht, dass der Verfasser bereits bei dem nrıs kat Tpokadnra an die ayarmn gedacht hat, mpokadnuevn rns ayarıys also nur eine Fortführung des ersten Ausdrucks ist; man beachte nämlich die schöne Steigerung, welche sich in der Adresse ergiebt: ERKANTLA NYarrnuevn, ERKÄNTIAa TEepwTIouevn Kara ayannv Inoov Xpıorov, ERKANTIA YTIS Kal TpoKadnraı TNs dryanns. Haryack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 119 Diese Steigerung würde gestört bez. verwirrt werden, wenn das po- kadnraı Ev TOT® xwpiov Pouaiwv ein Glied für sich bilden würde. Im anderen Fall ist die @yarmn der römischen Gemeinde das eigent- liche Leitmotiv in den Lobpreisungen des Ignatius. Diese allgemeineren Erwägungen mögen durch eine genauere Betrachtung des Einzelnen ihre Begründung und Rechtfertigung finden. nris kai! mpordßnraı] Das dem lateinischen »praesidere« genau entsprechende mpoxadnodaı behält in allen Beziehungen, in denen es gebraucht wird, seine Grundbedeutung: »vor etwas sitzen, liegen oder wohnen«. Dieses »vorsitzen« kann sowohl räumlich (im strengen Sinn) sein, als die Bedeutung »zum Schutz, zur Bedeckung, Bewachung, Vertheidigung« erhalten (gewöhnlich mit dem Genitiv, aber auch mit Praepositionen), als drittens — im übertragenen Sinn — wie unser Wort »vorstehen« den »Vorsitz«, die »Leitung« bedeuten. In letz- terem Falle kann es auch absolut gebraucht werden, wenn sich näm- lich die Beziehung von selbst ergiebt (oi mpokaßnuevor Apyxovres). Wird das Wort im Sinne von »Vorsteher sein« gebraucht, so wird es in der Regel mit dem Genitiv verbunden oder mit Ei ce. Genitiv, während mit ev der Ort, an dem das Vorsitz-führen stattfindet, ange- geben wird (so auch im Lateinischen, s. Tertull., Apol.ı: »in ipso fere vertice civitatis praesidentibus’). Heisst mpokadnodaı »beschützen«, »ver- theidigen«, so kann mit ev, emiu.s. w. sowohl das Gebiet bezeichnet werden, auf das sich der Schutz erstreckt, als der Ort, von dem aus die Vertheidigung geschieht, bez. in vielen Fällen wird Beides zusammen- fallen. In diesem Sinne ist mpoxadnodaı und mporadilew in der militärischen Sprache (vergl. besonders Polybius) häufig, s. D, 25: ai mpoxadnueva rov Ponalov Ev rn Tvppnvia Övvaneıs. II. 26: Aevkıos AiuiXos 6 mpokadnuevos Eni Tov Kara rov Aöptav rorwv. VII, 3: Övo uev yap Ponatoıs kara ryv IraXlav nera Tov imnarwv EvreAn mpoekddnro orparoreda. Auch der Genitiv ist hier häufig, s. IH. ı 10: BovAouevos dıa Tovrwv Tpokadnodaı Tov Ex Tns Tepav mapeuBoAns Tpovouevovrwv, Il, 24: TO kedaAuov Tov Tpokaßnuevov ns Pouns Öuvauewv, V,59: karaAnYouevov TA Teva Kal MpoKadnoouevov Aa Tov aurov Tpayuarwv. Gregor Nyss., Orat. II in XL martyr. (Opp. Paris. 1638. T. II p. 505): Tayua oTpatıwrıkov Kata Tyv Yelrova ! öorıs hebt im Unterschied von ös hervor, dass das Subject, von dem die Rede ist, nach einer charakteristischen Seite näher bestimmt werden soll, s. das rs Ignat., Rom. 9; Act. 10, 41.47. Das beigesetzte ka’ zeigt an, dass dieses Charakteristicum gegen- über den bereits angeführten eine Steigerung bedeutet. Act. 11, 28 (codd. multi): prıs kai. ® Auch in dem Satze Tertullian’s de praeser. 36: »Percurre ecclesias apostolicas, apud quas ipsae adhuc cathedrae apostolorum suis locis praesident«, ist »suis locis« streng local zu nehmen und nicht als das Gebiet zu fassen, über das sich die Praesidentschaft erstreckt. Sitzungsberichte 1896. 1l 120 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 6. Februar. moAv mavros Tov Edvovs mpos Tas T@v Bapßdpwv Öpnas TrpoKadı- uevov. Für Verbindungen aber, wie mpokadnoda Tns ayanns, ns aAndeias, KTA. bietet der classische Sprachgebrauch meines Wissens kein Beispiel. Sie müssen daher als ungriechische bezeichnet werden!. Endlich braucht wohl nicht erst besonders darauf hingewiesen zu werden, dass die Bedeutungen »vorstehen« und »schützen« aufs engste zusammengehören und daher leicht in einander übergehen. Während nun von allen anderen christlichen Gemeinden ein ein- faches eivaı ev moNeı ausgesagt wird, wird mit einem steigernden kai (angeschlossen an nAenuevn, Nyarrnuevn, TedwTIouevn — man erwartet also eine weitere religiöse Aussage) der römischen Gemeinde ein mpokadyodaı Ev... beigelegt: diese Gemeinde residirt nicht, wie die anderen Gemeinden, in loco, sondern sie praesidirt. Gewiss scheint mir, dass das ev auch hier streng local zu fassen ist. Da- für spricht die Parallele mit den anderen Gemeinden. Dazu kommt, dass das Gebiet, über das sich die Praesidentschaft erstreckt, durch Ev TOT® ganz ungewöhnlich ausgedrückt wäre, und dass der Gedanke, die christliche Gemeinde sei Praesidentin der Stadt Rom oder des römischen Territoriums oder gar des römischen Reichs am Anfang des 2. Jahrhunderts ein vollkommen unmöglicher ist. Wird die römische Gemeinde vom Verfasser als »Praesidentin« bezeichnet, so kann das immer nur auf dem religiösen Gebiete oder in Beziehung auf andere christliche Gemeinden gesagt sein’. Also ist der Ausdruck: ev TOn® xoptov Pouaiwv, wie man ihn auch deuten will, jedenfalls streng local — als der Ort, wo sich die Gemeinde befindet — zu fassen. ev TOT® xwptov Ponatwv] Wir haben gesehen, dass Ignatius die ehristliehen Gemeinden, an die er schreibt, stets nach der Landschaft (Provinz) bezeichnet. in der sie liegen. Bereits Hr. Zanw hat darauf hingewiesen’, wie der Bischof auch sonst die Landschaft hervorhebt: »Ignatius reist nicht von Antiochia nach Seleueia u. s. w., sondern von Syrien nach Rom (Rom. 5: Ephes. ı), oder vollends aus dem Orient in den Oceident (Rom. 2): die, welehe ihm von Antiochien aus vorangeeilt und nachgefolgt sind, kommen aus Syrien (Rom. 10; Philad. ı1), und die Gesandten der asiatischen Gemeinden reisen nach Syrien (Smyrn. ı2; Polyk. 7. 8).« Schon dies will beachtet sein; hiernach erwartet man: €ev Poun ns Iraxias. Allein abgesehen davon, dass ! Nicht gehört das Philonische: yevreos onppyeis mporaßnnevn, hierher; denn eine sinnliche Anschauung ist hier sehr wohl möglich. 2 Dabei ist nur das als möglich bezw. als wahrscheinlich einzuräumen, dass das Praedieat, welches Ignatius der römischen Christengemeinde geben will, in einer gewissen Analogie steht zu geläufigen Praedieaten der Stadt Rom (Tporadnuevn ns oikovuevns). ° ]gnatins von Antiochien S. 307 f. Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 121 dieser Ausdruck höchst wunderlich wäre, ist zu beachten, dass Ignatius die Bezeichnung »Italien« niemals braucht, obgleich sie ihm öfters nahe lag. Die Bezeichnung nun, die er hier anwendet, entspricht einem »rns IraXtas«, nur schränkt sie den Begriff ein: er schreibt: xwpiov Pouaiwv. Man darf hier wohl vermuthen, dass er nach einem terminus, der dem Acta, Zvpia u. s. w. parallel wäre, gesucht hat. Vielleicht war ihm »Italien« ein zu weiter Begriff; unvermögend ihn näher zu bestimmen, half er sich mit xwpiov Ponatwv. Dass dieser Ausdruck unmöglich das römische Reich bedeuten kann', sollte man nieht leugnen’. Er kann nur einen Bezirk (Distriet) bezeichnen?. Wie gross sich Ignatius diesen Bezirk gedacht hat, lässt sich nicht sagen. Er hat es schwerlich selbst genau gewusst. Aber was ihm vor- schwebte, lässt sich noch aus der Parallele, der Bezeichnung der Kirche Antiochiens als n exkAnota 7 €v Zvpia (vergl. auch den Emiokomos 2uptas), erkennen. Zwar hat Hr. Zanv (a. a. 0. S. 307 f.) in Abrede gestellt, dass »Syrien« hier mehr bedeute, als etwa das hinzugesetzte » Asien« bei Tralles oder Philadelphia; allein niemals hat Ignatius eine der asiatischen Stadtkirchen als n exkAnoia ı ev Acia (rns Actas) bezeichnet (ohne den Städtenamen). Lässt es sich auch nicht striet beweisen, so muss man es doch für wahrscheinlich halten, dass Ignatius durch jene Bezeichnung die antiochenische Kirche als die syrische Hauptkirche hat vorstellen wollen. Es gab bereits zu seiner Zeit in Syrien auch andere christliche Gemeinden mit Bischöfen (Philad. 10); aber sie standen wohl in einer gewissen Abhängigkeit ' Xopa Ponatov bedeutet in der Stelle Macar. Magnes. Apokr. III, 38, auf die Lismrroor verwiesen hat, das römische Reich: (MavAos 6 amooToAos) Ev arymrpw ka xopa Ponatov avararov. ® Unter Berufung auf den syrischen Sprachgebrauch (K&wen3> |32]) meint Hr. Zaun (a.a. O. S.309 n.ı) unter xopiov 'Pouaiov das ganze von den Römern be- wohnte oder beherrschte Gebiet verstehen zu müssen. Aber der Gedanke, dass die Christengemeinde in Rom den Vorsitz über das römische Reich führt, ist unerträglich; dass sie aber im römischen Reich ihren Wohnsitz hat, brauchte Ignatius nicht erst zu sagen. ° Lisnvroor: »The words xöpos (place), xöpa (country) and xopiov (distriet) may be distinguished as implying locality, extension and limitation respectively. The last word commonly denotes either »an estate, a farm«, or »a fastness, a strong- hold« or (as a mathematical term) »an area«. Here, as not unfrequently in later writers, it is »a region«, »a distriet«; but the same fundamental idea is preserved (xöpos : yoplov — äpyyupos : äpyupıov).« ÖOrigenes in Joann. T. VI (l p. 239 Lomnarzsch) sind oi rov xopiov moAfra die Bürger gewisser Distriete. Ganz ähnlich wie Ignatius xopiov Ponalov braucht Epiphanius (haer. 47,1) den Ausdruck »r0 rov Ponatov yepos«; er schreibt von den Enkratiten: eioi de kai Ev uepemı ris Acias Kal Ev m Iravpov kal NaupiNov kai Kı%lkov yi kal ev laXaria, 707 de Kal Em ro rov Pouaiwv jepos, AANA Kal Em rjs rov Avrıoyeov ns Zupias. Unmittelbar vorher nennt er den Landstrich Phrygia adusta »xopiov«. 112 122 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 6. Februar. von der antiochenischen'. Wie dieser Gemeinde, so wollte er auch der römischen eine Bezeichnung geben, die ein ganzes Territorium als den Bezirk ihrer regelmässigen Wirksamkeit erscheinen liess. Aber Ignatius hat nicht mpokadnraı ev rn moAcı Pouaiwv” oder ev xopiw Pouatwv geschrieben, sondern Ev TOTw® xwptov Ponatwv. Wie ist dieser Ausdruck zu deuten? Man wird daran denken müssen, dass der Gebrauch von Towos im semitischen Griechisch (entsprechend dem Gebrauch des syrischen 121) sowohl ein höchst freier, als speciell in Bezug auf Orts- und Länder- namen ein pleonastischer gewesen ist. In ersterer Hinsicht sei auf die LXX und Stellen wie I Clem. ad Cor. 7 (ueravolas TOTov Eöwkev 6 Öeomorns) u. c. 63 (TOVv Tns Ümakons TOTOV AvanmAnpwoavTes) ver- wiesen; in letzterer ist die fast constante Einschiebung des 521 im Syrischen bei Länder- und Städtenamen auch im Griechischen nach- geahmt worden. Die Stelle aus dem alten apokryphen Brief des Abgar an Christus (Euseb., h. e. 1,13: owrnpı ayado davevrı Ev Tonw lepo- coAVuwv) ist von den Exegeten öfters hier angeführt worden, ferner Clem. Hom. I, 14, wo aber der Text unsicher ist (mod® emı rov ns Jovdatas yeveodaı Torov); auch auf Luc. 9,10 glaubte man verweisen zu dürfen (text. recept.: eis TOToV Epnuov TOAEws kakovuevns Bnhoaida). Auf diese Analogieen gestützt nahmen Lienrroor u. A. an, TOMos sei auch an unserer Stelle pleonastisch. Lientroor übersetzte zwar: »in the country of the region of the Romans«, wollte aber »country« als identisch mit »region« gefasst wissen. Der Einwurf Zany’s, nicht bei Landschaften, sondern nur bei Städten werde roros pleonastisch eingeschoben, ist nicht richtig. Man wird sich dabei beruhigen dürfen, dass TOTos ywpiov eine Bildung ist wie Buuos öpryns, meAayos daAdo- ans, emubaveıa Tapovotas u.8s.w. — nicht eigentlich ein Pleonasmus, sondern ein umständlicher und übervollständiger Ausdruck. Diese Erklärung ist den beiden anderen vorzuziehen, an die man denken könnte, nämlich TOmos sei = moAıs, oder der ganze Ausdruck sei ein militärischer. Für jene Annahme spricht die Analogie mit den anderen Adressen, und das Fehlen des Artikels vor TONW wäre bei einem Schriftsteller wie Ignatius kein Hinderniss; allein romos als ! Hier sind die Nachweisungen zu vergleichen, die Hr. Ducuesne, Fastes £pise. de l’ancienne Gaule I p. 36f. 38. über die Metropolitankirchen in ältester Zeit ge- geben hat. Sie bedürfen freilich der Einschränkung und Sichtung, aber sind doch lehrreich. Jedenfalls haben die Verhältnisse, auf die der 6. Kanon von Nicaea anspielt, bez. die er ordnet, in embryonaler Gestalt schon in der Urzeit der Kirche bestanden. 2 Die Orientalen sagten gerne »moxıs 'Ponatwv« für »Rom«, s. Mart. Polyc. ms. Mosq. (Schluss): yxovoev dovyv ev 7 Pouaiov möxeı vrapyov. Tatian, Orat. 35: Eryarov de rn Popatov Evöiarpiwas möoXe. Kuseb,, h. e. VII, 30, 19: ois äv ol kara rıyv 'IraXiav kai a P ‚ a nr . B nv Poynatov mONIv ETIOKOTOL TOV ÖOyYJaTos EemiaTeNNoıev. [7 . ® [73 er - € Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 123 »Stadt« zu fassen, ist höchst precär. An ein militärisches Bild könnte man denken wegen mpokadnodaı; allein es fehlt doch jeder bestimmtere Hinweis darauf, dass der Verfasser, der sich allerdings zur Zeit unter Soldaten bewegte (Rom. 5: Evöedeuevos Öeka Aeomapdoıs, 6 eotıv OTpa- TI@TıKov TAypa) und soldatische Ausdrücke brauchte (ad Polye. 6: ÄRKENTa, ÖEOEPTWP, denoctTa, u.s.w.), hier an Militärisches gedacht hat an die Liebe der römischen Gemeinde denkt er. Also ist ev TOT® xwptov Pouaiwv einfach — »in agro Romano«. aEıodeos, aEiompernns, A&iouakapıoros, aELemawvos, aElemiTeuKTos, agıoayvos — Kal TpoKaßnuevn TNS üyanns, XpIoTovonos, maTpw@vvuos] Zunächst schiebt Ignatius asyndetisch sechs, mit d&10s zusammengesetzte Adjeetive ein: er liebt es auch sonst, gerade solche zu gebrauchen. In ihrer Zusammenstellung hat der Verfasser das Gegentheil eines logi- schen Stils und eines feineren Sprachgefühls offenbart; denn @&tos hat in den von ihm gebrauchten Compositionen nicht überall denselben Sinn. Zuerst wird die Gemeinde als solche bezeichnet, die Gottes würdig ist, sodann als der Ehre”, der Seligpreisung und des Lobes würdig. Unsicher ist, was das fünfte Praedicat bedeutet’, entweder » würdig, dass man sich mit ihr vereinige«, oder »würdig des Erfolges«. Letztere Bedeutung ziehe ich vor; denn die andere erscheint hier zu speeiell; doch wage ich nicht sicher zu entscheiden. Das letzte Attribut‘ kann nur als »würdig in Reinheit« verstanden werden. Nach diesen ein- geschobenen Exelamationen nimmt Ignatius das mpokxadnraı wieder auf, um es näher zu bestimmen (s. 0... Noch war nicht gesagt, worauf sich das mpokadnodaı der römischen Gemeinde bezieht: nun folgt die Determinirung — auf die @yarrın. In dem Momente geht die Bedeutung des Begriffs » Vorstehen« nothwendig in die andere über: »Schützen, Vorsorge tragen, Procuriren«. Der römischen Gemeinde kommt ein Tpokadnodaı zu, sofern sie die Schützerin (Patronin) der Liebe ist’. » Patrona (procuratrix) caritatis« — für diesen Sinn sprechen ' Ausser den hier gebrauchten finden sich noch a&iayarıros (Philad. 5), d&o- Habuacros (a.a.0.), a&ıomoros (Philad. 2, Polyc. 3, Trall. 6: kara&iomorevouevor; an allen drei Stellen im schlimmen Sinn), a&omAoros (Magn. 13), a&iovouaros (Ephes. 4). Adıo- mperys findet sich im Superlat. auch Magn. 13, a&oßeos auch Trall. inser., Magn. 2, Rom. ı, Smyrn. 12, äfiouaräpıoros auch Ephes. inser. u. 12, Rom. ı0. Auch ä&os selbst wird von Ignatius oft gebraucht. ® Wenn d&iorpemjs so zu übersetzen ist. Das Wort findet sich auch bei Xeno- phon, Conv. 8,4. Auch a&iouarapıoros findet sich bei Xenophon, Apol. 34, ferner akıerawvos und d&ıemaiveros. ® S. Liswrroor’s Note z. d. St. Das Wort ist m. W. ar. Aey., aber s. ävemireukros, ebemitevkros und dveemirevkros. * Es ist m. W. auch är. Aey. ° Wenn der Bischof »mporadelönevos aAndeias« in dem pseudoclementinischen Brief heisst. so ist an seine Praesidentenwürde innerhalb irdischer Verhältnisse (in der Ge- meinde) nieht mehr gedacht; nur das Wort »praesidere« ist beibehalten, aber der 124 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 6. Februar. auch die beigesetzten Worte xpıorovouos' und Trarpwvvuos. Das erstere — eine merkwürdige Bildung — darf, soviel ich sehe, nicht mit Lieutroor als »observing the law of Christ« noch mit dem alten Lateiner als »habens Christi legem« noch als » Christum tamquam legem habens« gefasst werden, sondern ist = »von Christus be- herrscht« (Ableitung von veuw). Also ist auch nicht auf Stellen wie Gal. 6, 2 zu verweisen. Dennoch zeigt sich ein naher Zusammenhang zwischen mpokadnuevn ns ayanıs und XpLOTOvouos: indem die Ge- meinde sich als procuratrix caritatis bethätigt, erweist sie sich als xpıorovouos; denn die brüderliche Liebe und Christi Herrschaft ge- hören zusammen. Das andere Wort hat auch die engste Beziehung zu dem mpokadnodaı rns ayarns; denn »Gott ist die Liebe«; wo also von Jemandem ausgesagt werden kann, dass er mit der Liebe in Verbindung steht, da giebt man ihm damit ein göttliches Attribut”. Übrigens — wer unsere Stelle als in den Ausdrücken militärisch gefärbt beurtheilt, kann in xpıorovouos den Feldherrn erkennen und sich bei Tartpwvvnos erinnern, dass, während die römischen Heeresabtheilungen ihre Namen nach Menschen hatten oder sonst irdische Bezeichnungen führten, diese Truppe ihren Namen nach dem himmlischen Vater führt. Gedanke ist in den anderen übergeführt, dass er der Schützer (Vertreter) der Wahrheit sei (»Vorsteher der Wahrheit — im strengen Sinn — wäre ein Unsinn). Ebenso ist hier an eine eigentliche Praesidentschaft nicht zu denken; denn man kann nicht »Praesident über die Liebe« sein; aber auch daran ist nicht zu denken, dass die römische Gemeinde direct als diejenige vorgestellt werden soll, welche alle übrigen in der Liebe übertrifft; denn von den anderen Gemeinden ist hier nicht die Rede (das erkennt auch Nırscur, a.a. O. S.65 an: »Ignatius will nicht sagen, die römische Kirche übertreffe alle in ihrer Liebe und Wohlthätigkeit; denn dann würde er eine andere Construction gewählt haben«). Also bleibt nichts übrig, als mporad7odaı hier im Sinne von »procurare« zu nehmen. Nırscntr. freilich meint die Deutung »Vor- steherin über die Liehe« festhalten zu können; aber um sie zu halten, muss er fol- gende willkürliche Erklärung geben: »das Praesidium der römischen Kirche erstreckt sich über das ganze Gebiet der christlichen Liebe und Liebesthätigkeit; sie steht autoritativ leitend und ordnend an der Spitze der gesammten christlichen Liebesthätig- keit der Gläubigen. Das Gebiet ihrer Autorität reicht also so weit, als der Glaube und die Liebe reichen, somit über die ganze Christenheit, über die ganze Kirche«. Die Berufung Nırscnar’s darauf, mporaßyuevos rjs avaroAs heisse Praesident über den Osten, also heisse mpoxad. r. ayanıs Praesident über die Liebe, verschlägt natürlich nicht; denn die Liebe ist keine Region. Aber selbst wenn die Analogie zuträfe, heisst »Liebe« nicht »gesammte christliche Liebesthätigkeit« und die »gesammte christliche Liebesthätigkeit« ist nicht = »Christenheit«. I ypıorovvuos ist weniger gut bezeugt und aus dem folgenden Wort entstanden. 2 Lıicwrroor bemerkt nach der Verweisung auf Ephes. 3, 14f.: »The Lexicons give no other example of this word, though the derivatives marpwvuwuros, TaTpwvvjuKÖs, are not uncommon in later writers, and rarpovv/wos occurs even in Aeschylus Pers. ı51 TO marpovumov yevos nuerepov (where BrosrıeLn would read ro marpovuuov @v KTA.). This same play also offers a good analogy to the preceding word in /Tepaövouos ver. 916.« Nicht rarpovvuos, wohl aber Zaravovvuos habe ich gefunden, nämlich in der Vita Euthymii c. 9, 14 (ve Boor p. 36f.): 6 yap Zaravavuuos drumv kara vov diampiera Layıwvas. Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 125 Noch ist ein Wort über den Sinn von »a@yarrn« hier zu sagen. Pearson hat dies bei Ignatius häufige Wort an einigen Stellen als hlosse Redetloskel verstehen wollen (7 ayarn vuov wie 7 evaeßeua vuov oder 7 ayıorys üUuov), so Trall. 3.13; Rom. 9 (bis); Smyrn. 12: Philad. ıı. Allein mit Recht bemerkt Lientroot, dass dies ein Ana- chronismus wäre. Von Anderen sind dieselben Stellen und Smyrn. 6 so gedeutet worden, als sei ayarn — der Liebesbund, die Brüderschaft. Allein an keiner Stelle ist diese fragwürdige Bedeutung gefordert. Trall. 3 heisst der Bischof der Traller, Polybius, »ro e&eumAdpıov ns aryarıns buov«, d.h. »Polybius was an illustration of their affeetion for the martyr« (Lieruroor). Trall. ı3 (aomaleraı vnas ayanın Zuvp- vaiwv Kal Epeoiwv), Rom. 9 (uovos aurnv Inoovs XpıoTtös emiokomneei Kal 7 Uuov ayann ... aomaleraı Üuas TO Euov Tmvevua Kal 7 ayarn Trov erkAnoıwv), Philad. ı ı (aomalera vnas ı ayann Tov ddeAbov Twv ev Tpwaöı, ef. Smyrn. 12) genügt die Bedeutung »Liebe« nicht nur, sondern sie ist Rom. 9 (erste Stelle) sogar gefordert. Aber auch Smyrn. 6 (wo es von den Haeretikern heisst: wepi ayanns oÜ ueXeı abrols, ol Tepi ynpas, ol Mepi Öpebavov, ol Tep! Öedeuevov, ob Trepi mewovros n Örywvros) sind weder die Agapen im technischen Sinn gemeint', noch der Bruderbund, sondern das Wort fasst die nachher einzeln genannten Werke der Barmherzigkeit zusammen. Nur der Zu- sammenhang gestattet, es mit »Liebesthätigkeit« zu übersetzen. Hier- nach heisst auch an unserer Stelle ayanı nichts Anderes als »Liebe«°; gemeint aber ist natürlich die thätige Liebe. Die römische Kirche wird als procuratriw der Bruderliebe gefeiert. Zu vergleichen ist das Lob, welches um das -Jahr 170 der Bischof Dionysius von Korinth der römischen Gemeinde gespendet hat (bei Euseb., h. e. IV, 23): €& üpxns Univ Edos ori TovTo, mavras uev adeABoVs MOLKIAWS Eevep- yereiv, EkkAnolaıs TE moAAaıs Tals karta macav TmoAıv Eedodıa TEuTEIV, bOE Ev TNV T@V ÖeouEV@v Teviav avayrvyovras, Ev uEeTaAAoıs ÖE adeAcboıs Umapyovaıw Emiyopnyovvras: ÖL @v meumere apyndev &bo- diwv narpormapadorov Edos Poualwv Pwpatoı BvAAarrovres. Auch an den I. Clemensbrief, jenes römische Gemeindeschreiben, ist zu erinnern, sowohl um seiner Gesammthaltung willen, als wegen Stellen wie ce. 21, 7f.; 49-55. Erscheinen doch die Ehrentitel, die Ignatius der römischen Gemeinde giebt (mporadnuevn Tns ayarmns, xpıoTovouos, TATpWvvuos), wie ein Echo des 49. Capitels jenes Briefs: 6 Exwv ayannv Ev XpioT® Momoarw TA ToV ÄpioTov Tapayyeruara To Uwos eis 6 avayeı 1 aydın averdınynrov Eortıw. ayann KoAAa ! Wie Smyrn. 8. ?2 Nach Nirscnt, a. a. OÖ. S.65f., bezeichnet @yarı sowohl die gesammte christ- liche Liebesthätigkeit als den gesammten Liebesbund der christlichen Kirche. 126 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 6. Februar. nuas ro Bew ktX. Da Ignatius nicht selbst in Rom gewesen ist!, so erklärt sich das hohe Lob, welches er der Gemeinde spendet, am besten durch die Annahme, dass er ausser den thatsächlichen Be- weisen römischer Bruderliebe (Übersendung von Unterstützungen) auch schriftliche Kundgebungen der Gemeinde gekannt hat. An solehe — wenn man nicht eine willkürliche Zusammenstellung annehmen will — wird auch passend bei den letzten drei Ruhmes- titeln, die Ignatius der Gemeinde giebt, zu denken sein. Die römi- schen Christen sind: (1) Kara oapka Kal Tvevua Nvwuevoı maon evroAn Inoov XpıoTov, (2) menAnpwuevor xapıros Heov AdLarpitws, (3) amodwAıouevor Amo MavTros AAAOTpIOV XpwuaTos. Alle diese drei Praedicate können aus dem römischen Schreiben nach Korinth (dem Clemensbrief) vortrefflich abgeleitet werden; denn (1) in dem Schreiben hat sich die römische Gemeinde in vorzüglicher Weise über so viele Sittengebote verbreitet, dass das »iv@uevor KTA.« aus dem Brief klar hervorgeht. Aber auch (2) das »rerAnpwuevoı KTA.«“ empfängt von dort sein Licht. Die Festigkeit, mit der die römische Gemeinde die ihr geschenkte geistliche Erkenntniss vertritt, ist einer der hervorstechendsten Züge in dem Briefe neben dem Selbstbewusstsein, daher der heilige Geist durch sie rede (ce. 63). Endlich zu dem dritten Stück — die Gemeinde *wird mit reinem Wasser verglichen, dem keine trübende Farbe beigemischt ist” — kann man sich erinnern, dass 50-60 Jahre später Irenaeus den I. Ülemensbrief benutzt hat, um an ihm die Reinheit des apostolischen Glaubens, wie ihn die römische Gemeinde bezeugt und überliefert hat, nachzuweisen. Das Lob des Ignatius besagt, dass die römische Kirche durch keine Haeresie ent- stellt ist‘ (während in den orientalischen Gemeinden bereits Haeretiker verschiedener Art ihr Wesen trieben. Man muss annehmen, dass dies auf wirklicher Kunde beruhte. Soviel wir wissen, ist Rom auch später selten der Ausgangspunkt haeretischer Bewegungen gewesen ; sie wurden vielmehr dorthin verpflanzt. Indessen ist das keineswegs in jeder Hinsicht ein Lob. ! Dass er Personen gekannt hat, die in Rom gewesen waren, ist freilich mehr als wahrscheinlich. Speciell gilt das von dem Epheser Krokus, der Rom. ro genannt ist. 2 Über ddarpiros s. die Note Licmwrroor’s z. d. St. und zu Ephes. 3; es heisst nieht »unzertrennlich« hier, sondern »ohne zu schwanken«. 3 Zu arodwAıenevor s. d. Note von Licwrroor (und ad Philad. 3: ovx orı map’ uuiv nepiouöv ebpov AAN dmoöwAouov); sehr treffend verweist er auf Stobaeus Flor. I, 73: deös ... elAukpıv) Kal ÖwAıouevav Exeı Tav aperav amo mavros TO Ovaro maßeos. * Ähnliches später oft, s. z. B. Theodoret ep. 116 u. a. »Romae nulla haeresis exorta est«. Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 127 Ausser der Adresse finden sich in dem kurzen Schreiben des Ignatius noch drei Stellen, an denen die Bedeutung der römischen Gemeinde hervortritt!. Die Stelle c.3 besagt, dass die römische Gemeinde niemals irgend Jemandem etwas missgönnt”, also auch nicht das Martyrium —, vielmehr Andere® (für das Martyrium) instruirt habe'. Diese Angabe kann nicht aus der Luft gegriffen sein. Wiederum ist es der erste Clemensbrief, der ihr eine Unterlage giebt; man vergleiche besonders e. 5-7, 1: €. 45-46, 1; e.55°. Wenn Ignatius fortfährt: &yo de Herw Iva kakreıva Beßua n a nahnrevovres Evrer- Aeode, so macht das »xai« Schwierigkeit. Wahrscheinlich ist als Gegensatz zu @ ua®nrevovres EvreAXcode ein a Eeavroıs EvreAXeode zu denken, und der Sinn ist: »wie das bei euch stets fest und ge- wiss bleibt, was ihr euch selbst befehlt, so wünsche ich, dass auch das fest und gewiss bleibe, was ihr in euren Briefen vorschreibt«, seil. die wirkliche Leistung des Martyriums im gegebenen Fall (sie sollen also ihn, den fremden Bischof, nicht durch falsche Fürsorge um sein Martyrium bringen). Dass hier der römischen Gemeinde ein uadnrevew" und EevreAXeodaı beigelegt wird, darf somit nicht dem besonderen Zusammenhang entnommen oder gepresst werden. Auch andere Gemeinden werden als »lehrende« (in bestimmter Hinsicht) bezeichnet, und Ignatius will ihr Schüler sein (s. Ephes. 3. 10 u. s. w.); ! Dazu mag auch auf die Stellen e.ı: &oßovua ryv buov ayamıv, un aurı ne döınjan' Univ yap ehyepes Earıv, 6 BeXere moımcaı, und c. 8: ouk Erı HeAw kara avdpomovs (nv- rovro de Earaı, &av bueis HeAyonre PBeAjoare, iva kat bueis BeAnrijre) hingewiesen sein, wo Ignatius die Befürchtung ausspricht, die römische Gemeinde könnte ihren Einfluss gebrauchen, um sein Martyrium zu hintertreiben. Man muss daraus schliessen, dass dem Ignatius bekannt gewesen ist, dass die Gemeinde Beziehungen zu den höchsten Kreisen besass. Näheres lässt sich darüber leider nicht sagen; aber von dem Schluss des paulinischen Philipperbriefs — wo Christen ex ns oikias rov Kalvapos grüssen — bis zu Commodus-Mareia-Vietor (und weiter) läuft eine Kette von Zeugnissen dafür, dass die Christengemeinde in Rom in ‚Beziehungen zum Kaiserhof gestanden hat. Die Bitte, sein ‚Martyrium nicht zu hintertreiben, ist der Hauptzweck des Römerbriefs des Ignatius. 2 So ist das eßaokavare zu fassen und nicht als »verleumden«, s;c.7: Paokavia Ev dulv un Karoıkeitw. ° Damit können nur ausserrömische Christen gemeint sein. * Das »edrödkare« kann hier, wie der Context lehrt, nicht im allgemeinen Sinne stehen, sondern muss sich auf das Martyrium beziehen; so auch Liemrroor, der mit Recht Ephes.3 vergleicht. Dann aber ist auch schon das »eßaokavare ovdevi« auf das Martyrium zu deuten. 5 Schriftstellerische Abhängigkeit der Ignatiusbriefe vom ersten Clemensbrief ist übrigens nicht nachweisbar (die Stellen, die Hr. Zaun, Ignatius v. Antioch. S.618 ver- gliehen hat, beweisen nichts); aber wenn auch die Sätze- und Wörtervergleichung zu einem negativen Resultat führt, so ist es doch walırscheinlich, dass Ignatius den Clemens- brief gekannt hat. % Sensu transitivo, s. c.5 und Ephes. 3. 10. Sitzungsberichte 1896. 12 128 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 6. Februar. evreAXeodaı aber braucht er Rom. 4 von seiner eigenen Person (eyw ypadw Macs TaIs ERKÄNCLaIS Kal EvreNAouaı racıy). Also lässt sich aus diesen Worten nichts für eine besondere Bedeutung der römischen Gemeinde schliessen, ebensowenig wie aus dem »edıda&are«, da es weder eine ständige, noch eine amtliche, noch eine allgemeine Thätigkeit der römischen Gemeinde zum Ausdruck bringt, sondern, wie der Zu- sammenhang lehrt, auf specielle Ermahnungen anspielt, die die römische Gemeinde in Bezug auf das Martyrium gegeben hat. Die zweite Stelle (c. 4) besagt, (1) dass Petrus und Paulus der römischen Gemeinde — das darf man suppliren — Diataxen gegeben haben; bei keiner anderen Gemeinde bemerkt Ignatius das (nur von den ephesinischen Christen gilt, dass sie lavAov ovuuvoraı sind, Ephes. 12); (2) dass diese Apostel Märtyrer geworden sind'. Diese Thatsachen müssen notorisch gewesen sein: aber wahrscheinlich ist doch auch auf I Clem. 5 zu verweisen, wo ebenfalls Petrus und Paulus zusammen genannt sind” und an ihr Martyrium erinnert wird. Einen Vorrang oder Vorzug der römischen Gemeinde hat Ignatius aus der Beziehung des Petrus und Paulus zu ihr nicht abgeleitet. Die dritte Stelle (e. 9) ist die wichtigste. In allen Briefen empfiehlt Ignatius seine verwaiste Gemeinde der Fürbitte der Schwesterkirchen (s. z. B. Magn. 14: uvnuovevere ... Ev TaIs TPoGevyals Uu@V ... TNS ev Zvpia ErkAnolas ... eis TO a&wänvan nv Ev 2upia EkkAnolav dıa ns Ekreveias Vuov Öpoorwodnva), und ad Polye. 7 kann er sogar schreiben: een n EkkAnoia ı ev Avrıoyeia Tns 2uplas eipnveveı, ws EONAWAn yoı, dıa Tns npocevxns iuov. Allein die Stelle in unserem Brief scheint doch sehr anders zu lauten: uovos (rnv Ev Zupia EKKAN- olav) Inoovs Xpıorös Emiokonnoe” Kal n Uuov ayann. Die antio- chenische Kirche wird hier der Obhut der römischen Gemeinde an- vertraut; diese Obhut wird als eine »bischöfliche« bezeichnet, und die Liebe der Gemeinde wird in dieser ihrer bischöflichen Funetion unmittelbar nach und neben Jesus Christus genannt! Gewiss dürfen diese Thatsachen nicht abgeschwächt werden; allein man muss zugleich darauf achten, wodurch sich nach Ignatius die emiokomn der römi- schen Gemeinde über die antiochenische vollziehen soll. Mvnuovevere ev TN Tpocevyn buwv Tns Ev Aupla ErkAnolas, NTIS AvTi Euov Mot- uevı T® Bew xpnrau, heisst es in dem voran stehenden Satze. Nur ! Dies-folgt aus dem Wort eXevdepos nach der Erklärung, die Ignatius ihm giebt. ® Richtig Liewrroor: »It is worth observing that this phenomenon appears in the earliest document emanating from, as well as in the earliest document addressed to the Roman church, after the death of the two Apostles«. ® Gott selbst als Bischof (Hirte) Magn. 3, Polye. inser. und in unserem Capitel unmittelbar vor den oben angeführten Worten: roıuevı ro Bew xpijraı. Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 129 an die Fürbitte ist appellirt; weder von der Absendung eines Boten oder gar eines Administrators ist die Rede; nicht einmal von Briefen, die sie nach Antiochien richten sollen, wird gesprochen; vielmehr denkt sich Ignatius die Emiokomn der römischen Gemeinde ebenso ideal — in seinem Sinne freilich erst recht real — wie die Eemıokom Jesu Christi. Die ayarn der römischen Gemeinde ist für ihn das Entscheidende, wie in der Adresse, so hier. Man wird also urtheilen müssen: Ignatius hat in allen seinen Briefen um Fürbitte für die an- tiochenische Gemeinde gebeten und in solcher Fürbitte eine mächtige Kraft gesehen, aber nur in dem römischen Schreiben hat er von einem »emioKomelv« gesprochen. Will man das nicht für zufällig halten — und vielleicht ist es nicht zufällig —, so folgt, dass er auf die Für- bitte der römischen Gemeinde als der mpokadnuevn ns ayanns ein besonderes Gewicht gelegt hat. Unter der Aufsicht Jesu Christi und durch die Fürbitte der römischen Gemeinde wusste er seine verwaiste Kirche geborgen'. Die Ergebnisse dieser Studie sind folgende: 1. Ignatius hat die römische Gemeinde vor anderen christlichen Gemeinden hervorgehoben, aber nirgendwo ein Amt in ihrer Mitte — weder Bischof noch Presbyter noch cathedra — auch nur genannt. Das ist um so bemerkenswerther, als er sich in den anderen Briefen mit dem Bischof und den Klerikern viel zu schaffen macht und sie hoch feiert. 2. Ignatius hat die römische Gemeinde um ihres Glaubens, ihrer sittlichen Erkenntniss und Kraft, ihrer Festigkeit, Lehrreinheit und Lehreinheit sowie um ihrer thätigen Liebe willen gepriesen (ausserdem war ihm bekannt, dass die Gemeinde in höheren Kreisen Einfluss besass). 3: Einen Supremat der römischen Gemeinde über die anderen Ge- meinden hat Ignatius nirgends vorausgesetzt. Wenn er sie »rpokadn- uevn ns @yarmns« genannt hat, so dachte er daran, dass sie in be- sonderem Sinne durch Wort und That die procuratrix der »caritas« war und sich die Sorge für andere Gemeinden zur Pflicht gemacht hatte. Dieses »mpokadnuevn ns aydıns« schwebte ihm schon vor, als er die Worte »mpokadnra Ev TOnw xwpiov Pouatwv« nieder- schrieb. In dieser Phrase ist ev TOn® «TA. rein local zu fassen, den ! Ignatius bleibt in seiner Aussage noch immer hinter dem zurück, was die römische Gemeinde bereits einer Schwestergemeinde gegenüber unternommen hatte. Sie hat in dem Brief nach Korinth (um d. J. 95) factisch ein »emeroreiw« über die dortige Christengemeinde ausgeübt. 130 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 6. Februar. Platz bezeichnend, an welchem das mpokadnodaı stattfindet. Die Be- zeichnung des Platzes selber aber als »ronos yopiov Pouaiwv« ist entweder einfach = xwptov Ponatwov oder (unwahrscheinlich) = moAıs xopiov Pwnatwv. In beiden Fällen ist mit Absicht ein grösserer Distriet — aber nicht das römische Reich — genannt, um die rö- mische Gemeinde ebenso auszuzeichnen, wie die antiochenische durch den Namen EkxkAnoia ns Zvpias ausgezeichnet wird. Schwerlich aber ist zu verkennen, dass Ignatius, indem er in der Adresse dieses Briefs das ihm sonst geläufige »n EkkAnola rn ovon Ev« durch »rn ErkAnoia n mpokadnraı Ev« ersetzt, die römische Gemeinde aus der Zahl der anderen hervorheben wollte. 4. Die besonders hohen Attribute, die Ignatius der römischen Gemeinde spendet, können — von der allgemeinen Kunde abgesehen, die man über ihre ausgezeichnete Haltung und Thätigkeit in der ganzen Christenheit besass — sehr wohl aus dem Eindrucke abgeleitet werden, den das römische Gemeindeschreiben (der Clemensbrief) auf‘ den Bischof gemacht hat. Von hier aus sind auch andere Züge in seinem Römer- briefe zu verstehen. 5. In dem »aAAovs E&didagare« bez. »uaßnrevovres EvreAXeode« ist keine Anspielung auf ein Lehramt oder eine regelmässige Lehr- thätigkeit der römischen Gemeinde in Beziehung zu anderen Gemein- den enthalten. 6. Ignatius hat an das besondere Verhältniss der Apostel Petrus und Paulus zu der römischen Gemeinde und an den Märtyrertod dieser Apostel erinnert, ohne von hier aus irgend welche Vorrechte oder einen besonderen Vorzug der Gemeinde abzuleiten. 7. Ignatius hat, gemäss seiner Einsicht, dass die römische Ge- meinde vor allen anderen in der Bruderliebe treu und wachsam ist, ihrer Fürbitte für seine verwaiste Gemeinde wahrscheinlich eine be- sondere Kraft beigemessen und in diesem Sinne von einem bischöf- lichen Wirken der Gemeinde für die entfernte Schwester gesprochen ; aber er hat nicht daran gedacht, die antiochenische Kirche wirklich der Leitung der römischen zu unterstellen, wie denn auch das »emioko- mreiv«, von der Liebe einer ganzen Gemeinde ausgesagt, nur tropisch verstanden werden kann. — Die römische Gemeinde besass zur Zeit des Ignatius noch kein Ansehen und keine Rechte, die sie nicht den natürlichen Verhält- nissen ihrer Lage und Grösse sowie ihrer sittlichen Kraft und ihrer oekumenischen Sorge für die anderen Gemeinden verdankte. Sie war unstreitig die erste Kirche der Christenheit. Kannte sie der antio- chenische Bischof Ignatius als solche, so dürfen wir sicher sein, dass en [7 ” . - -- ” ” D Harnack: Das Zeugniss des Ignatius über das Ansehen der röm. Gemeinde. 131 dieses ihr moralisches Ansehen damals bereits in weiten Kreisen der Christenheit feststand. Mehr als ein moralisches Ansehen und die in der Liebe sich darstellende Grösse dieser Kirche hat Ignatius in seinen Worten nieht zum Ausdruck gebracht — von Hierarchischem oder Klerikalem oder den besonderen Rechten einer Persönlichkeit in Rom findet sich auch nicht eine Spur. Aber wer nicht aus- schweifende Wünsche hegt, wird finden, dass ein glänzenderes Zeug- niss im Zeitalter Trajan’s oder Hadrian’s für die Erhabenheit der römischen Kirche gar nicht erwartet werden kann. Er wird aber ferner urtheilen müssen, dass Ignatius den späteren Ansprüchen der römischen Kirche unbewusst einen bedeutenden Dienst geleistet hat; denn er hat seine Worte so gewählt, dass sie, aus dem Zusammen- hang gerissen, vom Standpunkt einer späteren Zeit beleuchtet und auf den Papst (statt auf die Gemeinde) angewendet, als Zeugnisse für sehr entwickelte Stufen des Papstthums (für den Universalepi- skopat des römischen Bischofs, für das allgemeine Lehramt der rö- mischen Kirche, u. s. w.) erscheinen können. Diese geschichtlichen Bildungen bezeugen sie nun freilich nicht, aber sie enthüllen uns die tiefliegenden Wurzeln ihres Ursprungs. Ausgegeben am 13. Februar. Berlin. gedruckt in der Reichsdruckerei, Sitzungsberichte 189%. 13 „= A 7 TE | at, ee im Rome En. m Stan DE ink (Mit Ne een nu een | Ye nr hen, Are ee - ar ee re i en se dr N leer it EN lee Are e rnR 3 A ee Te ud ala nm ae rn RE DILaLTe) wer: E AR Hure rl ee ae ARTE ENT eo er h nr ea ee nearn ve BT Se En re Ir FT u - lite Anl N il ee Er Te di | e 4 Ra es in ua rn En Er = ragt an nn rer Are n nein, et rn IRINA a a ae h h lee] tanndie ulerpkö: re PR pe cu un wre” Be TE u ) Ki Fun BE Te en ' BT” zeig u s ar En R - 1 ‚ “ Br er Dur, y° ; = t I: gr % Dee) N PR .4 u eu a, > Hi A ed ad rer ie Ya „u* re I - rn 4 a R fr ' s om 7 ‚ BL errET 25 N FE N E ; a h Pat nr. u u Eos r 1896. vi. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 13. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Sacnau las über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. Die Mittheilung erfolgt in einem der nächsten Stücke. 2. Hr. Kreiv legte die umstehend folgende zweite Mittheilung des Hrn. Dr. L. Wurrr in Schwerin i. M. zur Morphologie des Natron- salpeters vor. Die HH. Dr. Max Norrtner, Professor der Mathematik an der Uni- versität Erlangen, und Dr. Hrısrıcn WEBER, Professor der Mathematik an der Universität Strassburg, sind von der Akademie zu correspondi- renden Mitgliedern ihrer physikalisch-mathematischen Classe gewählt. Sitzungsberichte 1896. 14 Bi ce en rn 5% ß Y- Pas his} v As: BERGE ix Dr AK Dr k, i er. - Ba "dr f ® j » ’ u “ . Bin % h THAN AEUaE Be EM. | 7.11: 788 Jam. HEARERE: 2; Er IHN HIRIRARTNT IR An 7 " LI ER = YARus hf? OT Un SU uf; Mn - . En neh, Al aerei hbaihee Er 1 Age ah au Beh U u : als ziel aut „HNle u BETT SL, } au i i WIE’ FRE LITE TI ı An r Nr so nn IN) Bil. EM h n Ti haien ey 170 ID PIRTE | I Lakkı r Ay ELF) wu. int ul ie ra, 7 Ihn nn PORT’) v.N + Hr Ah ir Pe’ SITE ir Aa ne Da rue Wr, imma 5 frihl Ye ana Anl Eee in fr, er { Ya Falle ang jr) } ni BUTLe, 135 Zur Morphologie des Natronsalpeters. Von Dr. LupwıG WuLrr in Schwerin i. M. Zweite Mittheilung. (Vorgelegt von Hrn. €. Krrın.) b. Strahlige nicht paralleltheilige Wachsthumsformen. Wahrend bei allen früher! beschriebenen Bildungen die Angehörig- keit der Theile eines Exemplares zu einem Individuum gut ersicht- lich ist, kommen strahlige Wachsthumsformen vor, bei denen die neu entstehenden Subindividuen gegen die zunächst gelegenen Sub- individuen geneigt sind, so dass bei stark zusammengesetzten Wachs- thumsformen zuletzt ein sehr unregelmässig erscheinendes Gewirr von verschieden orientirten Krystallen entsteht. Während sich die paralleltheiligen Wachsthumsformen besonders in Folge von anfänglichen Übereoncentrationen bilden, entstanden die typisch entwickelten strahligen als nachträgliche Gebilde, wenn ich langsame Verdunstungskrystallisationen monatelang fortsetzte. Ent- weder treten zuerst kleine Ansätze von neuen Krystallen an den einspringenden Kanten der incompacten Exemplare auf, worauf das Wachsthum dieser Ansätze weit schneller fortschreitet, so dass die nicht paralleltheiligen Partien die ursprünglichen Krystalle überwuchern und später ganz umschliessen; oder es treten auch Ansätze an den Krystallen auf, so dass dieselben ganz die Gestalt annehmen, wie es für mikroskopische Krystallisationen mit Zusatz von Natronwasser- glas in der oben eitirten Mittheilung, Fig. 3, angegeben ist. Ob auch die Individuen der mikroskopischen Ansätze nicht paralleltheilig waren, konnte ich bei der Kleinheit derselben nicht entscheiden. Die eingehende Arbeit von Tscuermar” über die gewundenen Quarzkrystalle veranlasste mich, auch bei den nicht parallel aufge- ! Diese Berichte 1895. S. 715— 732. ® Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften 1894, Bd. 41, S. 365. 14* [ . 136 Gesammtsitzung vom 13. Februar. bauten Wachsthumsformen von Natronsalpeter zu untersuchen, ob sich eine regelmässige Anordnung in den Abweichungen von der Parallelität erkennen lässt. Leider lernte ıch die Arbeit erst gegen das Ende meiner bis- herigen Krystallisationen mit nieht parallelen Wachsthumsformen von Natronsalpeter kennen, so dass ich nur an einigen wenigen Exem- plaren noch die Untersuchungen ausführen konnte, die hier folgen. Es ist nicht zu verkennen, dass meist bei den benachbarten Exeniplaren die Verschiebung derselben so stattgefunden hat, dass die später entstandenen Krystalle gegen die vorher entstandenen so verschoben sind, dass ı. eine Nebenaxe den benachbarten Exemplaren gemeinsam er- scheint, und 2. die dieser Axe parallelen Rhomboederflächen der später ent- standenen Krystalle gegen («ie früheren die Lage von Flächen flacherer Rhomboeder erhalten. Neben unregelmässig angeordneten Gruppen, deren Unregelmässig- keiten durch wechselnde Verschiebungen nach verschiedenen Neben- TE axen erklärt werden könnten. finden sich auch ausgeprägt reihenförmige Wiederholungen nach einer gemeinsamen Nebenaxe. In einem Falle konnte ich eine Reihe von acht Krystallen unter- suchen, die die Richtung einer Nebenaxe ge- meinsam hatten. In Fig. ı ist der untere Theil dieser Gruppe dargestellt, deren Anordnung der mikroskopi- schen Gruppe in Fig. 3 der früheren Mittheilung entspricht'. Die unteren 6 Exemplare liessen eine Ein- stellung des Bildes des Spaltes zu, für die Flächen der letzten Individuen waren die Re- tlexe nur annähernd einzustellen. Die ersten 6. Rlächen waren um 1° 5): AST eo 82 2002 0°48' gegen einander geneigt. Die 7. war gegen die 6. um etwa 3°, die 8. gegen die 7. um etwa 9° geneigt, so dass die 8. Rhombo- ederfläche gegen die erste um etwa 21° gedreht erschien. Es kommen noch grössere Abweichungen vor, so dass in einem andern Falle das vierte Flächenpaar gegen das erste um etwa 35° cedreht erschien. ! Diese Berichte 1895. S. 719. u nn Wovrrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. 837 Die meisten Gebilde sind aber unregelmässig und schlecht spie- gelnd, «deshalb halte ich mich nicht für berechtigt, irgendwie für oder wider die Tscnermar schen Erklärungsweisen aus meinen Beobachtun- gen Folgerungen zu ziehen. Einen sehr abweichenden innern Aufbau zeigten «die Krystalle hei Zusatz von Natriumchlorid. Es finden sich daselbst auf manchen Rhomboederflächen Auf- blätterungen. von gekrümmten Flächen begrenzt, so dass ein Schnitt Fig. 2. durch einen Krystall mit zwei solchen Rhomboedertlächen in Fig.2 wieder- gegeben ist. Die einzelnen Theile dieser Auf- blätterungen haben unter einander und mit dem Hauptkrystall ungefähr auch eine Nebenaxe gemein- sam, doch sind wegen der Krümmungen keine Messungen möglich. ‘s unterscheiden sich die Aufblätterungen beim Zusatz von Natrium- ehlorid genetisch von den übrigen nicht paralleltheiligen Wachsthums- formen bei reinen Lösungen. Während letztere als secundäre Gebilde beobachtet wurden, lassen sich die Aufblätterungen bis an das Wachs- thumscentrum verfolgen, wie in Fig.2 angedeutet ist. Ausserdem haben die Aufblätterungen nicht die Eigenschaft der beschriebenen Wachsthumsformen, dass sie sich durch grössere Wachsthums- geschwindigkeit auszeichnen. Im Gegentheil bleiben die Aufblätterun- gen auf Flächen mit geringer Wachsthumsgeschwindigkeit ganz zurück und sind nur andeutungsweise zu erkennen. Sollte für die Bildungen die Tscuermar'sche Erklärung der vici- nalen Zwillingsbildung zutreffend sein, so würden in Fig.2 die un- regelmässigen Partien das Hauptindividuum wie bei Durchdringungs- zwillingen «durchdringen, so dass ein Exemplar meiner Collection, welches nach 2x 2 parallelen Rhomboederflächen die Aufblätterung zeigt, als ein Hauptindividuum mit zwei durchdringenden verzwilling- ten Partien zu deuten sein würde. V. Zwillinge und Viellinge. Nach vier Gesetzen habe ich Gelegenheit gehabt, Zwillingsbildungen am Natronsalpeter zu beobachten, nämlich nach —+Rk}oıı2!, nach oRk}oooı!, nach —2Kk)o22ıl und nach ARk}ıorıl, welche vier Verwachsungsarten auch am Kalkspath gefunden sind, und von denen die erste für Natronsalpeter lange bekannt ist. 138 i Gesammtsitzung vom 13. Februar. a. Verzwillingungen nach —+Rkjorı2!. Bei manchen langsamen Züchtungsversuchen mit grossen Mengen Lösung finden sich wie bei den mikroskopischen Versuchen Zwillinge nach —+R, besonders zu Anfang, vereinzelt sogar in grösserer An- zahl. Im Verlaufe der Krystallisationen entstehen sie gelegentlich an Gruppen welche schwammen, oder nach dem Herabfallen von Schwimm- exemplaren auf den Boden, so dass sie besonders leicht bei abnormen Bildungsweisen der Krystalle entstehen. Damit hängt auch der Um- stand zusammen, dass die Zwillinge meist reich an lamellären Ein- schlüssen sind, doch finden sich selten auch ganz einschlussfreie Zwillinge, die keinerlei Zwillingscontactflächen im Innern erkennen lassen. Die Zwillinge sind durchweg länglich, doch rührt diese Gestalt nur von dem Beginn des Wachsthums her, bei dem das Wachsthum der Zwillinge längs der beiden Individuen gemeinsamen Kantenrichtung vorwiegt. Später wachsen die Zwillinge ebenso wie die Individuen weiter, so dass die längliche Form mehr und mehr zurücktritt, auch habe ich einzeln ganz kurz entwickelte Zwillinge gefunden. Meist sind sie nur einendig entwickelt, weil sie vorwiegend an Krystall- gruppen auftreten. Die gegenseitige Lage und Grösse der Zwillingsindividuen ist sehr variabel. Meist ist ein Individuum vorwiegend entwickelt und Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. erscheint das kleine Individuum kürzer als das andere, derartig, dass nur am freien Ende die Zwillingsbildung hervortritt. In Fig. 3 ist ein derartiges Exemplar im Durchschnitt gezeichnet, wie sie ähnlich oft vorkommen. Sind die Individuen nahezu gleich stark entwickelt, so liegen sie meist neben einander, so dass vom freien Ende her gesehen, die Individuen die in Fig.4 im Querschnitt angegebene Lage haben. Selten entstehen auch Durchdringungsexemplare, indem das grosse Exemplar das kleinere umschliesst. Fig.5 stellt einen Längsschnitt durch ein derartiges Exemplar dar. m Wovrrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. 139 Einige Exemplare zeigten genau die Lage der beiden Individuen, wie sie bei der künstlichen Zwillingsbildung stattfindet, so dass nicht Fig. 6. nur vom Ende her, sondern auch von der Seite herein ein einspringender Winkel vorhanden war, wie es Fig. 6 zeigt. Da die Verzwillingung nach —#R auch beim Kalkspatlı vorkommt, und meist in der Form von lamellenartigen Einlagerungen, so habe ich oft nach eingelagerten Zwillingsla- mellen beim Natronsalpeter gesucht, aber nie derartige Gebilde gefunden. Die Zwillingstläche —+4Rk}oıı2| ist nur gelegentlich als reflec- tirende Trennungstläche zu beachten, wenn nämlich an einzelnen Stellen die unregelmässige Verwachsung der Individuen durch ein- springende Winkel unterbrochen wird, deren Kante genau in die Ebene der Zwillingsebene fällt, wie zwischen @ und 5 in dem Quer- schnitt der Fig.4. Sonst sind die Grenzen der verzwillingten Individuen meist unregelmässige Contactflächen, und nur bei kleinen, sehr kleinen Krystallen ist die Grenze der Individuen im Innern nicht ersichtlich. Drillings- und Viellingsbildungen, in denen allen Individuen eine Kantenrichtung gemeinsam ist. scheinen oft vorzukommen, sind aber nur in seltenen Fällen deutlich constatirbar, da die Individuen meist incompaet sind, so dass zweierlei Erklärungsweisen möglich sind, nämlich durch Annahme von einfacher Zwillingsbildung aus nicht ganz einheitlichen Individuen, oder durch An- nahme von Wiederholung der Zwillingsbildung. Fig. 7. Ganz ausgeschlossen ist die erstere Erklärung bei einem Exemplare, von dem in Fig.7 ein Querschnitt weil sich das eine Individuum in Form einer Platte gegeben ist, zwischen die mit ihm verzwillingten Exem- plare drängt. Die Partien des Querschnitts, welche den minder gross entwickelten Individuen angehören, sind schraffirt. Eine Complication der Zwillingsbildung nach verschiedenen Flächen von —#XR habe ich nur einmal beobachtet, doch war die Entwicke- lung nur unvollkommen. b. Zwillinge nach oRk}ooo1ı!. Bei den Exemplaren, die mit verticaler Hauptaxe aufgewachsen waren, habe ich 1893 zwei Zwillinge und einen Drilling nach oR ge- funden, jeden zu verschiedener Zeit; 1895 fand ich mehrfach Zwil- linge in einer Lösung bei wiederholten Versuchen. 140 Gesammtsitzung vom 13. Februar. Die Ausbildung der Zwillinge ist aber nicht der Ausbildung ana- log, die man am Kalkspatlı meist beobachtet, wo die verzwillingten Fin 8 Exemplare meist als Juxtapositionszwillinge er- Vz scheinen, mit oR als Symmetrieebene, sondern es sind Durchdringungsexemplare, wie sie beim Kalkspath minder häufig vorkommen. Das beste Exemplar der Zwillinge ist in Fig. 8 dargestellt. Das kleinere Individuum ragt an zwei Stellen aus der Masse des Hauptindivi- duums hervor. Ich hätte die Verwachsung für zufällig ge- halten, aber dieselbe ist so vollkommen ent- wickelt, dass nirgends im Innern die Contactstellen der beiden Indi- viduen sichtbar werden, so dass der Krystall seiner Homogenität nach zu den besten meiner mehrjährigen Züchtungen gehört. Mithin Fig. 9. war auch ohne Messung jeder Zweifel an einer wirklichen Zwillingsbildung ausge- schlossen. Der Drilling ist zwar nur matt in seiner Substanz, aber äusserlich vollkommen ent- wickelt, und ist die Lage der Individuen so, wie es Fig. 9 angibt, so dass die beiden klei- nen Exemplare parallel zu einander stehen. Nur in einem Falle habe ich die Zwillingsbildung nach —+R bei den Exemplaren, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen waren, beobachten können, sonst zeigten letztere nur Zwillingsbil- dungen nach oR. c. Zwillinge nach —2Rk)o221!. Sehr mannigfaltig ist die Verzwillingung, die ich bei Krystallen aus Lösungen mit Zusatz von Kochsalz beobachten konnte. Alle Krystalle haben, wie früher! angegeben wurde, einen eigenartig unregelmässigen innern Aufbau; bei Zwillingen treten diese Unregel- mässigkeiten noch intensiver hervor, besonders da, wo die verzwil- lingten Individuen an einander stossen. Durch diese Unregelmässigkeiten wird die Erkennung und Deu- tung von complieirteren Gruppen sehr erschwert, da Messungen wegen der Flächenbeschaffenheit (vergl. frühere Fig. ı2) nicht recht ausführbar sind. Hierzu kommt noch, dass symmetrische Verzwillingungen hier ! Diese Berichte 1895. S.727- Wüvrrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. 141 selten sind, so dass auch die Fläche —2Rk}o22ı| als Symmetrie- ebene nicht augenfällig ist. Dagegen lassen sich die Verzwillingungen leichter verfolgen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf die Lage der Fläche oo P2zk}ı120| richtet, die je zwei verzwillingten Exemplaren gemeinsam ist, denn dieser Fläche sind je vier Kanten derselben parallel, was sich leicht verfolgen lässt, besonders weil auch die Unregelmässigkeiten des Auf- baus so orientirt sind, dass sie diese Parallelität meist nicht stören. Die einfachen Zwillinge, sowie auch die minder complieirten Viel- linge zeigen, dass die Exemplare mit einer Rhomboederfläche eines Individuums am Boden aufliegen, welches durchaus nicht immer das vorwiegende Individuum zu sein braucht. Je nach der Lage der Zwillingsfläche zu dieser Auflagerungs- tläche zeigen die Zwillinge zweierlei Form, wie diess in Fig. ıo dar- ol ON S? ? SZ \ gestellt ist, wo die sichtbaren Flächen des am Boden aufliegenden Rhomboeders mit 1,2,3, ihre Gegenflächen mit (1) (2) (3) bezeichnet sind, während am andern Individuum die hierzu symmetrisch lie- genden Flächen mit 1,2,3, (1) (2) (3) bezeichnet sind. In dem mittlern Exemplare der Figur liegt die Zwillingsebene über der oberen Polkante des rechten Rhomboeders (zwischen 2 und 3), so dass die Zone, in der sie mit ı liegt, senkrecht zur Bildfläche liegt. Deshalb ist die Verzwillingung und Symmetrie leicht zu erkennen, trotzdem immer die Exemplare seitlich gegen einander verschoben er- scheinen. Bei dem rechts und links gelegenen Zwillingsexemplare ist die Zwillingsebene eine der seitlich gelegenen Flächen —2Rk(o221), so dass die Ausbildung der Exemplare sehr unsymmetrisch erscheint. Die Lage der Individuen des rechts gezeichneten Zwillings im Vergleich zum links gezeichneten ist wegen der Lage der Zwillingsebenen streng spiegelbildlich. Wegen der unregelmässigen Flächenentwickelungen wurden natür- lich bei der goniometrischen Messung recht erhebliche Abweichungen gefunden. doch zeigten auch besser entwickelte Exemplare bei der Sitzungsberichte 1896. 15 142 Gesammtsitzung vom 13. Februar. Messung Resultate, die auf weniger als 20' genau mit den berech- neten Werthen übereinstimmten. Die Entwickelung der Drillinge, Vierlinge u. s. w. ist weit viel- seitiger, besonders deshalb, weil bei ihnen nicht nur neben einander liegende verzwillingte Individuen vorkommen, sondern auch mehrfache Durchdringungen, so dass ich nur auf einige besonders gut entwickelte Exemplare näher eingehen werde. Bei Drillingen kommen sowohl Wiederholungen der Zwillings- bildung nach derselben, wie nach verschiedenen Flächen —2Rr}o221! vor, meist ohne symmetrische Entwickelung. Fig. 11. In Fig. ıı ist ein vollkommen gleichmässig entwickeltes Exemplar gezeichnet, in dem die beiden untergeordneten Individuen gleich gross und von gleicher Lage sind, so dass das Exem- plar einen Übergang zu einer Durchdringung zweier Individuen bilden könnte, die ich aber nicht beobachtete. Sind die kleinen Individuen eingeschlossen, so erkennt man die Contactflächen durch den ganzen Hauptkrystall bis zum Wachsthumscentrum nach den Boden- flächen hin. Die Drillinge sind auch meist mit einer Rhomboeder- fläche eines Individuums aufgewachsen. Ein Theil der Vierlinge besteht aus einem vorwiegenden Indivi- duum, das von 3 untergeordneten Individuen durchdrungen wird, die zuweilen alle parallel stehen, zuweilen von verschiedener Lage sind. Fig. 12. Auch hier wie bei den Drillingen ähnlicher Bil- dung ist eine Fläche des Hauptindividuums Auf- lagerungstfläche und die Contaetflächen der klei- nen Individuen sind bis an das Wachsthums- centrum zu verfolgen. Von regelmässigerm Aufbau waren zwei Vierlinge, deren Individuen je zwei und zwei parallel waren. Fig. ı2 stellt davon ein Exem- plar dar. Es ist dasselbe so gezeichnet, dass die Fläche, der in allen vier Individuen je 4 Kanten parallel liegen, senkrecht zur Zeichenebene liegt. Je zwei benachbarte Individuen sind nach Flächen — 2Rk\o221| verzwillingt, die unter einander parallel sind, wo- durch die abwechselnden Individuen in parallele Stellung zu einander kommen. Unter den Fünflingen fanden sich Exemplare mit 4. 3 und 2 parallelen eingeschlossenen untergeordneten Individuen, sowie voll- ständig unregelmässige Gruppen. m Wurrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. 143 Bei den Exemplaren mit mehr als 5 Individuen überwiegen die Verzwillingungen nach verschieden gelegenen Zwillingsebenen, so dass wegen der schlechten Flächenentwickelung es gar nicht immer zu verfolgen ist, wie die Individuen alle zu einander in Beziehung stehen. Nur ein Sechsling verdient noch besonders erwähnt zu werden. Erstens weil er fünf Individuen enthielt, die nach —2R so ver- zwillingt waren, dass einerseits 3 Individuen und andererseits 2 da- mit verzwillingte Individuen parallel unter sich waren, weil die 4 Zwillingsebenen alle parallel waren. Zweitens weil das 6. Individuum zu den 2 parallelen Individuen in Zwillingsstellung nach Rk}oııı} sich befand, worauf ich im nächsten Abschnitt noch zurückkom- men muss. d. Zwillinge nach Rk}ıoıı!. Vereinzelt habe ich früher zwillingsartige Exemplare gefunden, bei denen R als Zwillingsebene erschien. Wegen der goniometrischen Abweichungen von den verlangten Winkelwerthen (die allerdings bei vielen Verzwillingungen von Natronsalpeter vorkommen) könnten die Exemplare durch zufällige Verwachsung erklärt werden. Diese Erklärungsweise lässt sich aber nicht anwenden für die zwei Verzwillingungen nach R, die ich zwischen den Zwillingen nach — 2Rk}o22ı| fand, weil die nach AR«/ıoıı! verzwillingten Indivi- duen nicht am Boden auflagen. Die eine der betreffenden Gruppen besteht aus 4 Individuen, von denen je zwei nach einer Fläche von — 2X verzwillingt sind. Beide Paare sind weiter nach R verzwillingt. Sind I, II, IH, IV die 4 Exemplare, so sind I und I nach —2R I und II nach R II und IV nach —2R I und IV nach R verzwillingt. Die beiden Zwillingsebenen R sind nach —2R ver- zwillingt, die beiden Zwillingsebenen —2R nach R. Die innige Combination beider Verzwillingungen wird durch den engen Zusammenhang zwischen den Formen Rk}ıoı 1) und —2Rk}o221! ermöglicht. Am besten ersieht man diess aus dem Vergleich der bei- den rechts und links in Fig. 10 gezeichneten Zwillinge. Die Zwillings- ebene —2XR halbirt die stumpfen Winkel von den Flächen ı und ı. Deshalb sind die Schnittlinien von ı und ı in beiden Figuren den senkrechten Winkelhalbirenden der Flächen ı parallel. 144 Gesammtsitzung vom 13. Februar. Drehen wir jetzt einen Krystall (hier den rechten) um 180° in der Bildebene, so erhalten beide die in Fig. 13 angegebene Lage. Die mit einer Rhomboederfläche aufliegenden Individuen sind nun in Zwillings- 39.13, stellung nach AR. Auf beiden Flächen ı sind ö die Schnittlinien mit ı parallel, und die Winkel der Flächen zu ı sind in beiden Fällen gleich. Daher sind beide Flächen R einander parallel. Da ausserdem beide Flächen die Richtung der Winkelhalbierenden gemein haben, sind auch die 2 Krystalle mit den Flächen 3, 2, ı mit ein- ander nach R verzwillingt. Des Sechslings, in dem ein Individuum zu zwei anderen in Zwillingsstellung nach R. sich befand, habe ich schon erwähnt, sowie dass die 5 Exemplare nach parallelen Flächen — 2R verzwillingt waren. Hieraus erhellt, dass alle fünf Individuen eine Fläche oo Pak}ı120| gemeinsam haben, der in jedem der 5 Indivi- duen 4 Kanten parallel waren. Diese Fläche ist auch dem 6. Individuum gemeinsam, so dass auch hiervon 4 Kanten der betreffenden Ebene parallel liegen. Durch diese Parallelität erhält die sonst unregelmässig geformte Gruppe eine leicht zu übersehende Regelmässigkeit. VI. Mechanische Zwillingsbildung und Flächenbildung. Die eingehende Untersuchung der künstlichen Zwillingsbildung und Flächenbildung beim Kalkspath von O. MüseE' veranlasste mich, die Experimente am Natronsalpeter zu wiederholen, die er am Kalkspath ausführte, von denen die Zwillingsbildung nach —+R schon von TscHErMAK angegeben war”. Stets sind die in Zwillingsstellung übergeführten Partien von unzähligen Lamellen in unverschobener Lage durchzogen, so dass die künstlichen Zwillingspartien auch bei vollständig glasigem Material ihre Durchsichtigkeit verlieren. Auch die Darstellung von künstlichen Flächen —+Rk}oıı2} lässt sich am Natronsalpeter leicht ausführen nach der von O0. Müssr ange- gebenen Methode, d.h. wenn man durch einen leichten Schlag ein ! Neues Jahrbuch für Mineralogie u. s. w. Beiträge zur Kenntniss der Structur- flächen des Kalkspaths. 1883. S. 32—54. ® Mineral.- petrogr. Mittheilungen IV. 1882. S. 117. Wuvrrr: Zur Morphologie des Natronsalpeters. 145 Messer in die bei der künstlichen Zwillingsbildung entstandene ein- springende Kante parallel —#R eintreibt. Sie ist wie beim Kalk- spath von gutem Glanze. Die Basisfläche ist beim Natronsalpeter wie bei Kalkspath eine minder deutliche Strueturfläche, die sich leicht herstellen lässt durch Wegschneiden einer Polecke eines gut glasigen Rhomboeders, wenn man das Messer so führt, dass es nicht nach oben weggleiten kann. Die durch Schnitt erhaltenen Flächen parallel OR sind durchweg rauh. aber an manchen Stellen erkennt man glänzende Streifen oder vertiefte Flächen, die oR angehören. Daneben treten auch noch Andeutungen von Flächen auf, die zwischen OR und —+#R liegen, doch sind die Flächen nicht genügend reflectirend. um Messungen anzustellen. wie sie OÖ. Müser am Kalk- spatlı durehführte. Die Flächen & P2«(1120) hat O. Müsez nach zwei Weisen her- gestellt, einmal durch Pressen von Rhomboedern zwischen zwei Pol- kanten, weiter durch mehrfache Zwillingsbildung nach —+KRk(o112). Beide Methoden ergeben auch bei einschlussfreiem Natronsalpeter analoge Flächen. Die Flächen, die durch Pressen zwischen zwei Pol- kanten entstehen, sind nur uneben. Dagegen gelingt die zweite Darstellung bei genügend gutem Material sehr leicht. Hat man einen verzwillingten Ansatz durch Einschneiden erhalten und spaltet parallel —FRk(o1ı12) den Anisatz Fig. 14. ab, so kann man senkrecht zu einer be- ; nachbarten Polkante wiederum einschnei- den. Wie O. Müssz entwickelt hat, geht dann die Trennungsfläche —tRk)oıız2! in die Lage von & P2x}ı120! über. In Fig. 14 ist seine Figur copirt, und ich habe mehrfach aus Natron- salpeter solche Exemplare erhalten. Der erste Schnitt ist nach a bc erfolgt, die erste Abspaltung parallel adec. Der zweite Schnitt ist nach a' b' c' erfolgt, wobei dfge, das mit ade«e einer Fläche —+Rk}oıı2! angehörte, in die Lage von w Pak}|1120| kommt, d. h. für das Ansatzstück, welches in Zwillingsstellung sich befindet. Ist parallel —+R nicht der ganze Zwillingsansatz abgespalten, sondern ein Theil desselben stehen geblieben, so hindert das die Bil- dung von guten Flächen ooP2«k}ı120| durchaus nicht, sondern es bröckelt bei der zweiten Zwillingsbildung (durch Schnitt) alle ver- zwillingte Substanz ab, und die tiefste Fläche —+Rk}oıı2| geht in Sitzungsberichte 1896. 16 146 Gesammtsitzung vom 13. Februar. dem zweiten Ansatz in ©P2 über. Es hängt diess damit zusammen, dass (wie O. MüseE S. 34 angibt) bei der Zwillingsbildung parallel einer Fläche —FRk}oıı2! eine Loslösung der nach anderen Flächen — JR vorhandenen verzwillingten Theile stattfindet. Hiernach zeigt also Natronsalpeter nicht bloss in Bezug auf seine Hauptspaltbarkeit, sondern auch auf seine sonstigen Strueturflächen eine grosse Analogie zum Kalkspath, und die Abweichungen beruhen auf der geringeren Festigkeit des Natronsalpeters im Vergleich zu dem viel härteren Kalkspath. Eine sehr abweichende Abspaltung der verzwillingten Ansätze tritt ein, wenn man parallel —+Z, nicht längs der Polkante des ur- sprünglichen Rhomboeders, sondern quer gegen dieselbe einen Theil abzuspalten sucht. Es entstehen zuweilen gekrümmte Platten, die von zwei cylindri- schen Flächenstücken begrenzt werden, deren Axe die Richtung der ur- sprünglichen Polkante des Rhomboeders ist. Diese gekrümmten Platten sind bei einem so spröden Material wie Natronsalpeter recht auffallend, und nur bei sehr guten Krystallen zu erhalten. Ausgegeben am 20. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 20. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. l. Hr. ScumorLter legte den ersten einleitenden Band der Acta Borussica, Getreidehandelspolitik »Die Getreidehandelspolitik der Euro- päischen Staaten vom 13.—18. Jahrhundert. Darstellung von W. Naupe; Berlin 13896« vor und knüpfte daran eine Abhandlung über die historische Entwickelung der Verfassung und der Politik des (retreidehandels. 2. Der Vorsitzende legte das von dem Verfasser in zwei Exem- plaren eingesandte Werk vor: »Das langobardische Lehnrecht von Karı Leumann. Göttingen 1896«. Ausgegeben am 27. Februar. Sitzungsberichte 1896. 149 1896. X. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 20. Februar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. Pranck las: Über elektrische Schwingungen, welche durch Resonanz erregt und durch Strahlung gedämpft werden. Die Mittheilung folgt umstehend. 151 Über elektrische Schwingungen, welche durch Resonanz erregt und durch Strahlung sedämpft werden. Von Max PLaAnck. In meiner vorigen Mittheilung' an die Akademie habe ich die Bedin- gungen der stationären Resonanz untersucht, welche eintritt, wenn eine vollkommen periodische, im Übrigen beliebige, im freien Luft- raum fortschreitende elektromagnetische Welle auf einen geradlinigen Resonator trifft, dessen Lineardimensionen klein sind gegen die Länge der erregenden Welle. Es ergaben sich damals für die vom Resonator emittirte und absorbirte Energie aus den allgemeinen MAxweır'schen Feldgleichungen ganz bestimmte Beträge, ohne dass ein näheres Ein- gehen auf die Natur des Resonators nöthig gewesen wäre. Wenn im Resonator Vernichtung von elektrischer Energie durch JouzeE'sche Wärme stattfindet, so wird beim stationären Mitschwingen sowohl diese als auch der Betrag der Emission durch Absorption von Energie gedeckt. Wenn aber, wie häufig bei den Herrz’schen Schwingungen, und immer bei denjenigen Schwingungen, welche die Wärmestrahlung der Sub- stanzen bilden, die Jouze’sche Wärme gar nicht in Betracht kommt, so ist die Absorption genau gleich der Emission. Dann äussert sich der Einfluss der Natur des Resonators nur in einer einzigen charakteristi- schen Constanten: der Phasendifferenz zwischen der erregenden (primä- ren) und der erregten (secundären) Welle, welche von dem Unterschied der Eigenperiode des Resonators und der Periode der primären Welle her- rührt. In welcher Weise aber die Phasendifferenz durch diesen Unter- schied der Perioden, sowie durch andere Eigenschaften des Resonators beeinflusst wird, lässt sich nicht unmittelbar übersehen, ebenso wenig die weitere Frage, wie der stationäre Zustand überhaupt zu Stande kommt. Dies wird erst möglich, wenn man zur Betrachtung von Schwin- gungen mit veränderlicher Amplitude und Wellenlänge übergeht, wobei der Allgemeinheit halber auch die erregende Welle als veränderlich an- ' Sitzung vom 2ı. März 1895. Diese Berichte 1895. S. 289. 152 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 20. Februar. zunehmen ist. Dann zeigt sich allerdings ein etwas näheres Eingehen auf die Natur des Resonators als nothwendig; doch wollen wir, um speciellere Voraussetzungen möglichst zu vermeiden, zunächst unter- suchen, ob nicht, ähnlich wie in dem Falle stationärer Resonanz, auch hier sich Sätze allgemeinerer Art aufstellen lassen, ohne dass man allzu tief in beschränkende Annahmen einzugehen braucht. Das wird sich nun in der That als durchführbar erweisen unter einer gewissen Be- dingung, welche ganz der früher gemachten Annahme entspricht, dass die Lineardimensionen des Resonators klein sind gegen die Wellenlänge. Nur kann man hier, bei veränderlichen Wellen, nieht mehr von einer Wellenlänge in bestimmtem Sinne sprechen, sondern man muss statt dessen einführen das Produet der bekannten Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Wellen und einer gewissen Zeitgrösse, welche ich unten den reeiproken Werth der » verhältnissmässigen Änderungsgeschwindig- keit« des elektromagnetischen Feldes nennen werde. Die Bedingung, dass dieses Product gross ist gegen die Lineardimensionen des Resona- tors, schliesst, wie sich zeigen wird, zugleich die andere mit ein, dass die Schwingungen schwach gedämpft sind. Wie im Falle der stationären Resonanz findet auch bei veränder- lichen Schwingungen im Resonator Emission und Absorption elektro- magnetischer Energie statt. Betrachten wir einmal den Speecialfall, dass die erregende Welle Null ist; dann ergibt sich auch die Absorption gleich Null, und wir erhalten das einfache Abklingen einer irgendwie einmal im Resonator angefachten Schwingung. Da wir die Jouze’sche Wärme gar nicht in Betracht ziehen wollen, so erfolgt die Veraus- gabung der Schwingungsenergie nur durch Emission. Hier kommt also der Einfluss der Dämpfung durch Strahlung am charakteristisch- sten zum Vorschein, über den zuerst einige allgemeinere Worte vor- ausgeschickt werden sollen. So oft bisher die Dämpfung einer elektrischen oder akustischen Schwingung rechnerisch behandelt wurde, ist gewöhnlich die Rolle, welche die Ausstrahlung bei der Dämpfung spielt, ausser Betracht gelassen worden, oder, wenn von ihr ausdrücklich die Rede war, hat man sie doch von vornherein als in das Glied mit inbegriffen ange- nommen, welches die Dämpfung durch Leitungswiderstand bez. durch Reibung bezeichnet‘. Und doch sind beide Arten von Dämpfung im ' H. Herz, Wien. Ann. 36 S.ı2, 1889, hat zuerst eine Berechnung der während einer elektrischen einfach periodischen Schwingung ausgestrahlten Energie ausgeführt, und Hr. Porscarz, Öseillations &leetriques, Paris 1894, p. 92 ff., hat eine Methode zur Bestimmung der Dämpfung durch Strahlung angegeben, die jedoch von der hier ent- wiekelten gänzlich verschieden ist. Weiter ist mir keine Behandlung dieses Gegen- standes bekannt. Pranex: Über elektrische Schwingungen. 153 Grunde verschieden. Die letztgenannte spielt bei langsamen Schwin- gungen die Hauptrolle. Je schneller die Schwingungen werden, um so kleiner wird bekanntlich bei der nämlichen Reibungsconstanten das logarithmische Decrement. Gerade das Umgekehrte findet statt bei der Dämpfung durch Strahlung. Während diese bei langsamen Schwin- gungen im Allgemeinen ganz zu vernachlässigen ist, nimmt ihre Be- deutung für schnellere Schwingungen rasch zu, so dass sie schon bei den Herrz’schen Schwingungen, wenn der Leitungsdraht nicht gar zu dünn ist, den Einfluss der inneren Dämpfung übersteigt. Doch ist dies, wie ich am Schluss dieser Arbeit an einem speciellen Beispiel zeigen werde, nicht so zu verstehen, als ob die durch Strahlung be- wirkte Dämpfung mit wachsender Schwingungszahl unter allen Um- ständen zunimmt; denn sie hängt nicht allein von der Schwingungs- zahl ab. Ein weiterer charakteristischer Unterschied ist, dass die Dämpfung dureh Reibung oder durch Leitungswiderstand wesentlich von der inneren Beschaffenheit des Resonators abhängt, die Dämpfung durch Strahlung dagegen nur von den Bedingungen, welche an der Grenze und im Innern des Mediums gelten, das den Resonator umgibt, im Übrigen aber gar nicht von der Natur des Resonators. Die Dämpfung durch Reibung oder Leitungswiderstand kann man in gewissen Fällen gänzlich ausser Acht lassen, ohne einen prineipiellen Fehler zu be- gehen, die durch Strahlung niemals. Denn es hindert einerseits nichts, anzunehmen, dass die Jouze' sche Wärme in gewissen gut leitenden Substanzen, oder dass die innere Reibung, etwa in einer schwingenden Stimmgabel, ganz zu vernachlässigen ist. Andererseits aber verliert auch eine absolut elastische Stimmgabel, welche in der Luft schwingt, unter allen Umständen Energie in ganz bestimmtem Betrage durch Aussendung von Wellen in die Luft. Wenn sie isolirt im Vacuum schwingt, kann man allerdings von jeglicher Dämpfung absehen, dann fällt aber auch die Möglichkeit der Erregung von Schwingungen durch Resonanz fort. Bei elektrischen Schwingungen fehlt die Analogie mit dem akustischen Vacuum ohnehin völlig. Hiermit hängt auch zusam- men, was ich schon in meiner früheren Arbeit erwähnt habe: dass die. Berücksichtigung der durch Strahlung bewirkten Dämpfung für jeden Resonator, auch bei absoluter Übereinstimmung seiner Eigen- periode mit der Periode der erregenden Welle, ein bestimmtes end- liches Maximum des Mitschwingens ergibt, während man im Falle der Beschränkung auf Reibungswiderstände die Stärke der Resonanz bei vollständiger Übereinstimmung der Perioden beliebig gross, und bei verschwindender Reibung über alle Grenzen gross findet, im Wider- spruch mit den Thatsachen. 154 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Die bei Weitem wichtigste Eigenschaft der Dämpfung durch Strahlung ist aber die, dass sie dem Prineip der Erhaltung der Ener- gie Genüge leistet, ohne dass man ausser der Schwingungsenergie noch eine andere Energieart einzuführen braucht, während bei der inneren Dämpfung stets Schwingungsenergie verloren geht und Wärme erzeugt wird. Man muss daher die durch Strahlung bewirkte Dämpfung zu den sogenannten conservativen Wirkungen rechnen. Dieser »conser- vativen Dämpfung« kann man dann die durch Reibung oder Leitungs- widerstand bewirkte Dämpfung, welche immer im Sinne der Verzeh- rung von Schwingungsenergie thätig ist, als »eonsumptive Dämpfung« gegenüberstellen. Das Studium der conservativen Dämpfung scheint mir deshalb von hoher Wichtigkeit zu sein, weil sich durch sie ein Ausblick eröffnet auf die Möglichkeit einer allgemeinen Erklärung ir- reversibler Processe durch conservative Wirkungen — ein Problem, welches sich der theoretisch-physikalischen Forschung täglich drän- gender entgegenstellt. Doch muss die Weiterführung dieses Gedankens anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. 2. 72 Es sollen nun die Schwingungen eines im Luftraum oder Vacuum befindlichen geradlinigen elektrischen Resonators untersucht werden, auf den irgend eine gegebene elektromagnetische Welle trifft, unter der Annahme, dass die Dämpfung lediglich durch Strahlung erfolgt. Eine etwa stattfindende innere Dämpfung und Erzeugung von JouLE- scher Wärme lässt sich übrigens leicht zur Vervollständigung der unten aufzustellenden Energiegleichung anbringen. Wir machen, wie in der vorigen Arbeit, einen Punkt des Resonators zum Anfangspunkt der Coordinaten und legen die Z-Axe in die Richtung der in ihm stattfin- denden elektrischen Schwingungen, setzen ferner allgemeiner als dort: Ip; r N (*-). (1) Dann stellen folgende Ausdrücke die 6 Componenten der elek- trischen und der magnetischen Kraft in einer vom Resonator nach allen Riehtungen ausgehenden Welle vor, gültig für alle Zeiten ? und für solehe Entfernungen 7, welche gross sind gegen die Lineardimen- sionen des Resonators: 0? F ERROR" ®Ff ı #2 F I=- Y- =. nn dw dz ay 02 9227 6% | (2) ) 2 2 aa i Ne & M==-— De F N —) \ ce dyat ce dw dt — —— ww Pranck: Über elektrische Schwingungen. 155 oder, wenn man die Polareoordinaten einführt: C=TrCOSPSINS y=rsingsins z=rCosSS 5 a, 398 : m ee iurgen ae IF 39# Y=|— —-— —|cospsinscoss ), (. sr a) LEONE, (3) Tao an, 1.98% 2-7 —— sin?> + — ”—-(1-3c0s?$) c* dt? r or L Is He i kassel ce draft nn ı ®F BEE (4) ee ES Fang Be N U wobei Nun nehmen wir ausser dieser vom Resonator ausgehenden, als »seeundär« zu bezeichnenden Welle eine irgendwo in grosser Ent- fernung erregte »primäre« Welle an, welche über den Resonator und das ihn umgebende Feld hinwegstreicht. Ihre Krafteomponenten seien XYZLM'N‘. Dieselben sind überall ausserhalb der primären Er- reger endliche und stetige Funetionen des Ortes und der Zeit und brauchen nicht periodisch zu sein. Dann stellen auch die Summen: EN eV ZI WESER ME EMS NEN einen im Luftraum möglichen elektromagnetischen Vorgang dar, der auch in Wirklichkeit eintreten wird, wenn die entsprechenden Grenz- bedingungen erfüllt sind. Es handelt sich nun darum, diesen Vorgang zu untersuchen und die für den Resonator gültigen Grenzbedingungen zu befriedigen. Zu diesem Zwecke führen wir von vornherein eine vereinfachende Beschränkung ein. Wir setzen nämlich fest, dass die Lineardimensionen des Resonators klein sein sollen gegen alle die- jenigen Längen, welche durch den Ausdruck: ” X Mr ax 5) at dargestellt werden, falls man für X irgend eine elektrische oder ma- gnetische Krafteomponente der primären oder secundären Welle in irgend einem Punkte des Luftraumes zu irgend einer Zeit einsetzt. Man kann diese Beschränkung auch so ausdrücken, dass das Produet der Länge des Resonators und der »verhältnissmässigen Änderungsgeschwindig- 156 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. keit« des elektromagnetischen Feldes klein sein soll gegen die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit ce. Für periodische oder nahezu periodische Wellen heisst dies, dass der Resonator klein sein soll gegen die Wellen- länge. Berechnen wir nun für den betrachteten Vorgang die Energie- menge, welche im Zeitelement dt durch eine Kugelfläche mit dem An- fangspunkt der Coordinaten als Mittelpunkt nach aussen strömt. Den Radius der Kugel Ä können und wollen wir gross annehmen gegen die Lineardimensionen des Resonators, dagegen klein gegen alle Aus- drücke von der Form (5). Das heisst: . = klein gegen X. (6) Da nun nach den allgemeinen Gleichungen des elektromagnetischen B 1 9X R = R Feldes der Quotient ng Ne der Grössenordnung der räumlichen c ct S \ = 3N ? Differentialquotienten F7 u.s. w. ist, so folgt, dass das Product von R in einen räumlichen Differentialquotienten einer Kraftcomponente klein ist gegen die Kraftcomponente selbst. Aus dem Satze von Poyntıne ergibt sich die gesuchte Energie- strömung als: = | dS[}(Y’+ YN+N)-(Z+Z) (+ M)leos(re)+:.-], wobei die angedeutete Summation sich auf die eyklische Vertauschung der Buchstaben xyz bezieht und die Integration über alle Elemente dS der Kugelfläche zu erstrecken ist. Diese Energiemenge zerfällt in 3 Theile: E,+ Es+E; (7) entsprechend der Zerlegung des Ausdrucks: (Y+Y)(N+N)-(Z+Z)(M+M) iasdre,:3 "Theile: (YN-ZM\)+(YN-ZM)+(YN+YN-Z'M-ZM) und ebenso für die beiden anderen, auf y und 2 bezüglichen Glieder. 1. Der erste Theil der ausströmenden Energie ist: edt L x 3 2 : z m — S ’’N 1 a f gar { Al DB Pr 7 4 I Pr H Ben £ Bi —— ” E, = fas[o Zw + Z1 NN) + NM vo | Er entspricht dem Fall, dass der Resonator ganz beseitigt und die primäre Welle allein im Felde vorhanden ist. Da nun die primäre Welle für sich allein einen in der Natur möglichen Vorgang darstellt, TE en u aan Prascx: Über elektrische Schwingungen. 157 so bedeutet nach dem Energieprineip E, zugleich die Abnahme der gesammten innerhalb der Kugelfläche befindlichen Energie der iso- lirten primären Welle in der Zeit dt. Bezeichnen wir daher die inner- halb der Kugel vom Radius AR befindliche elektromagnetische Energie für den Fall, dass die primäre Welle allein im Felde vorhanden ge- dacht wird, mit V, so haben wir: Br (8) 2. Der zweite Theil der ausströmenden Energie ist: ISBE HA Pr e 9 En m 1 ja oa - ZM) + (ZL-XN)Y +(XM-YL) li Er entspricht der Ausstrahlung des Resonators. Zur Ausführung der Integration benützen wir die durch (3) und (4) in Polarcoordinaten ausgedrückten Werthe der elektrischen und magnetischen Kraftcom- ponenten und erhalten zunächst: ande El N sr ar 1 jasein ke IR € el d or wobei der Kürze halber statt () einfach AR gesetzt: ist. Da Eh or nun in dem Öberflächenintegral F nur von R und f abhängt, so erhält man: oF d 92 va 02F (#ir- 1 = jessors. 4r9Ret\RoaR & At ar ®F (a F R&F Tara (r- e* =) oder anders geschrieben: dt R) a () 2R 9&F Br II = - or ce? aRat 98 > 3 Hierin ist nach (1) zu setzen: Also eu, I fi 2 TR SE wenn unter f” der zweite Differentialguotient von f nach t verstanden wird. Ebenso: ES ’ R ee 4 R Ru TR. Fo re Hieraus erhält man, in abgekürzter Schreibweise: 9F 9° a 4 RER, l TEL KL 2 gr ET a Der 7 aRat a 158 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Setzt man noch zur Abkürzung: aF\ 2aR/ı rn De R (iR) ” e (tt \=#. (10) so wird aus (9): 5 oıW 2 A de (*- ey ) (11) Da endlich nach der Voraussetzung (6) für alle Zeiten: VE RUN EN ; — f' klein gegen /, ebenso =, klein gegen f’, u.s.w., (12) c u de so kann man ohne merklichen Fehler in dem Ausdruck von fR=0 gesetzt denken und f als Function von ? allein betrachten. 3. Der dritte Theil der aus der Kugelfläche ausströmenden Energie ist: E, — jas \ YVuNEr- YN'-Z'M-ZM)- > | 4m, R oder, wenn man für X,Y,Z,L,M,N nach (3) und (4) ihre Werthe setzt: RÄT ie. a o?F 3—-4jas sus |(X cosp cosS + Y'sinp coss — Z' sin) - Rat ee INH TAB +c(L'snpg—-M' cos) SP RaEl: Da nun die gestrichelten Grössen nebst ihren Differentialquo- tienten im Centrum der Kugel endlich und stetig sind, so lassen sie sich für alle Punkte in der nächsten Umgebung des Centrums nach dem Tavror’schen Satze als lineäre Funetionen der rechtwinkeligen Coordinaten «yz darstellen, und zwar gilt diese Entwickelung auch noch für die Punkte der Kugelfläche, weil nach der zu (6) gemachten Bemerkung das Product von R in einen räumlichen Differentialquo- tienten einer Krafteomponente klein ist gegen die Krafteomponente selber. Wir haben daher für irgend einen Punkt der Kugelfläche: E—PANET (= ) Rsınz cosp + ( ”): Rsınssing+ (= 0 D 9 . |R eos u.s. w. für die übrigen 5 Krafteomponenten, wobei der Index 0 be- deutet, dass r—=(0 zu setzen ist. Dann ergibt die Substitution des Werthes von F aus (1) und die Integration über die ganze Kugelfläche, unter Vernachlässigung der Glieder, welche R im Zähler als Factor haben: A WR aa Fa nn u a zinE Prawck: Über elektrische Schwingungen. 159 Nun ist aber nach den Gleichungen des elektromagnetischen Feldes: een 0% Jo 0777 ce \8 Jo e dt Folglich: u=-3 [22/7 a oder: a pi g ıf 191 B— de, (An)-Zr| ’ (13) wobei f auch wieder, wie oben in dem Ausdruck von E,, ohne we- sentlichen Fehler als Function von ? allein betrachtet werden kann. 3 3- Die gesammte im Zeitelement dt aus der angenommenen Kugel- tläche ausströmende Energie (7) ist nach dem Energieprineip gleich der Abnahme der innerhalb der Kugelfläche befindlichen Energie, also, wenn wir die letztere mit 7 bezeichnen: au > d#+E+E+B—0, (14) oder mit Substitution der Werthe aus (8), (11) und (13): „(u-r+w+ —Zof f)- ff" FA=0. (15) Mittelst dieser Gleichung wird sich f als Funetion der Zeit t bestim- men und somit die Aufgabe lösen lassen, die Schwingung des Reso- nators anzugeben, falls die in seine Richtung fallende elektrische Kraft- componente Z/ der erregenden Welle für alle Zeiten gegeben ist. Man ersieht sogleich aus der Gleichung, dass im Allgemeinen f'" von der Grössenordnung c’Z, (16) sein wird. Vor Allem handelt es sich nun um den Werth der gesammten inner- halb der Kugel vom Radius R vorhandenen Energie U. Untersuchen wir zunächst das den Resonator unmittelbar umgebende elektromagnetische Feld, bis zur Entfernung R, welche gross ist gegen die Lineardimen- sionen des Resonators. Soweit die Gleichungen (I) und (2) in diesem Raum überhaupt gelten, lässt sich erkennen, dass hier überall die Krafteomponenten der primären Welle verschwindend klein sind gegen die seeundäre Welle. Denn nach (16) ist: W222 7, von der Grössenordnung "— . [3 160 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Aber nach (12) ist durch Differentiation nach t: Rom klein gegen f”. c z Folglich: Ar PR Zs klein gegen Ra’ (17) was nach (2) und (1) nichts Anderes heisst, als dass Z/ klein ist gegen Z fürr= R. Wir können also, wenn es sich um die Berechnung der Energie U handelt, in der Entfernung R und um so mehr in allen kleineren Entfernungen, auch da, wo die Gleichungen (2) gar nicht mehr gelten, die primäre Welle gegen die secundäre ganz vernach- lässigen. Fassen wir nun die letztere in’s Auge, für solche Entfer- nungen r, welche kleiner als R, aber immer noch gross sind gegen die Lineardimensionen des Resonators. Da nach (6) überall und zu allen Zeiten: oF : ae = klein gegen RF oder: 9F klei c9aF — es hl sl a no so ist a fortiori überall: El p eın gegen = 972 == R: Nun ist innerhalb des betrachteten Gebietes gg von gleicher oder > ne TE 7}. } kleinerer Grössenordnung als —, und „ ist nach (1) von gleicher Ord- r? 2 SH ae : nung wie —_,;; also haben wir für das betrachtete Gebiet: FF FF — klein gegen ce? : ar 85 02°". und die Gleichungen (2) gehen über in: oe 3er er X— S Y— — Z= 0002 992 92° 1 n2 i 1 n9 F ( I 8) )? }? De. Mr. N=0. [4 9Y dt ce gx dt Die elektrischen Krafteomponenten lassen sich daher schreiben: EEE EL Pranck: Über elektrische Schwingungen. 161 und mit der schon wiederholt benutzten Annäherung: 0 NZ 9=-l),. —- =f)Z das Potential eines elektrischen Dipols vom Moment /(l), gerichtet nach der Z-Axe. Hierdurch ist das elektrische Feld in dem unter- suchten Gebiet (r kleiner als A, aber gross gegen den Resonator) bis auf verschwindend kleine Grössen bestimmt. Für solche Entfernungen r, die in endlichem Verhältniss zu den Dimensionen des Resonators stehen, bleibt noch eine weit ausgedehnte Willkür in den Annahmen über die Beschaffenheit des Feldes be- stehen. Wir wollen nun in der Folge den einfachsten Fall voraus- setzen, dass die gesammte innerhalb der Kugelfläche mit dem Radius R befindliche Energie von derselben bekannten Form ist, wie die Energie eines in einfachen Schwingungen begriffenen elektromagne- tischen Systems, bei denen sich fortwährend elektrische und magne- tische Energie in einander umwandeln. Die erstere setzen wir pro- portional dem Quadrat des Moments /{(f) des elektrischen Dipols, die letztere proportional dem Quadrat der Intensität des elektrischen Stro- mes zwischen den Enden des Dipols, welehe durch ff) bestimmt wird. Also haben wir: U-SKPR+ 1, (19) wobei A und ZL positive Constanten bedeuten, die von der Beschaffen- heit des Resonators abhängen, nicht aber von AR, weil sich das Feld, dessen Energie U ist, bis auf Entfernungen vom Resonator erstreckt, welche im Vergleich zu dessen Grösse als unendlich anzusehen sind. Ferner ist: P 1 K gross gegen —,, R3 und L gross gegen 1 eR e) wie sich ergibt, wenn man durch Quadrirung der Krafteomponenten in (3) und (4), zunächst für r—=R, den Ausdruck der Energiedichte des Feldes bildet und weiter bedenkt, dass die Energiedichte in der Entfernung R vom Resonator jedenfalls klein ist gegen die Energie- dichte in Entfernungen, welche klein gegen R sind. Bei dieser Grössenordnung von Ä und ZL folgt aus (12), dass a fortiori für alle Zeiten: Kf gross gegen ei „| und R 1: Lf gross gegen N 162 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Nun ist leicht zu sehen, dass in Gleichung (15) die Grössen V, W und „Z;f gegen U verschwinden, wobei man nur die Werthe von V und W in (8) und (10), sowie die Grössenordnung von Z/ in (16) zu berücksichtigen hat. Ausdrücklich muss aber bemerkt werden, dass die Glieder, die wir hier in Gleichung (15) vernachlässigen, keines- wegs klein, zum Theil sogar gross sind gegen die folgenden Glieder derselben Gleichung, welche wir beibehalten, und deren Einfluss erst bei der Integration über grössere Zeiten hervortritt. Die vorgenom- mene Vereinfachung ergibt somit: I N) oder nach (19): vo) y 2 ent z' el) ul ae N Für diese aus 4 Gliedern bestehende Gleichung ist charakteristisch, dass jedes der beiden ersten Glieder nach (20) und (16) gross ist gegen jedes der beiden letzten Glieder. In Folge dessen sind die beiden ersten Glieder von der nämlichen Grössenordnung, also: Kf von der Grössenordnung Lf". (22) Vernachlässigt man, um eine erste Annäherung zu gewinnen, die beiden letzten Glieder ganz, so ergibt sich in bekannter Weise eine einfach periodische, ungedämpfte und unerzwungene Schwingung, deren Periode von dem Verhältniss X:L abhängt. Die Berücksichti- gung der folgenden kleinen Glieder ergibt daher eine geringe Ab- weichung von einer einfach periodischen Schwingung, und zwar liefert das dritte Glied den Einfluss der ausgestrahlten Energie, das vierte den Einfluss der aus der primären Welle absorbirten Energie. Aus den Beziehungen (20) und (22) lässt sich eine wichtige Be- dingung zwischen den Constanten X und Z ableiten. Nach (20) ist: : ep Lf' gross gegen FE ; (23) Dagegen ist nach (22): Lf"' von derselben Grössenordnung wie Af'. Folglich: Lf' gross gegen a7 oder: g K; Y23 Lf" gross gegen 7 i 5 2 5 C* eo oder endlich, mit abermaliger Benutzung der Beziehung (23), a fortiori: Pranex: Über elektrische Schwingungen. 163 und dies ist nur möglich, wenn: K klein gegen c®L®. (24) Mit Weglassung des Factors f' in (21) erhält man die lineare Differentialgleichung: Kf+ ff" = A, (25) welche sich, wie man sieht, von der Gleichung einer durch eine äussere Kraft Z) erzwungenen und durch Reibung gedämpften Schwin- gung nur dadurch unterscheidet, dass der Einfluss der Dämpfung nicht durch ein Glied mit f, sondern durch ein Glied mit f” dar- gestellt wird. 54 Die zuletzt gewonnene Differentialgleichung für die Schwingung im Resonator ist von dritter Ordnung, lässt sich aber sogleich all- gemein auf eine solche zweiter Ordnung zurückführen. Denn von den drei Wurzeln der ceubischen Gleichung: D) K+ La -— a°®=0, ua 3c® welche bekanntlich der Bildung des allgemeinen Integrals zu Grunde gelegt werden müssen, sind offenbar zwei complex, liefern also eine alternirende Schwingung; die dritte aber ist positiv und entspricht daher einem Vorgang, bei dem die Werthe der Kräftecomponenten beständig zunehmen. Indem wir einen solchen Vorgang, der hier keine Bedeutung hat, ausschliessen, lösen wir die Differentialgleichung (25) dadurch, dass wir setzen: arte) + BF +) = Pd) (26) und die Constanten «a und 8, sowie die Function p geeignet bestimmen. Dies geschieht am einfachsten auf folgendem Wege: durch Differen- tiation der letzten Gleichung nach ?, Multiplication mit - und Ad- dition zu (25) erhalten wir: 2 dp ae 5 za + +za)) mr gede Weiter ergibt sich‘ durch Multiplication von (26) mit (2+32) und Subtraetion von der letzten Gleichung: \x 2P\\ ,, \2a . Na _y.2 PL 28 era tz ta) Sitzungsberichte 1896. 18 164 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Diese Gleichung wird befriedigt, wenn man setzt: - 28 K-a|L+—)=0, =( + rn) 0 2a. 2B 34 -8[2 +35) = 2 do 28 ! Zr SANT, Zr — Bi 30° dt | 2.) ar Von diesen drei Gleichungen ergeben die beiden ersten unter Berück- sichtigung der Beziehung (24) mit derselben Annäherung, die wir bis jetzt immer benutzt haben: mie Ar 57 3er und die dritte unter Berücksichtigung der Beziehung (20), die, wie für /, so auch für g gilt: en P u? so dass die Differentialgleichung (26) übergeht in: 1 SR I" + ar! + K=2, (27) Dies ist die bekannte Form der Gleichung für eine durch eine gegebene äussere Kraft angeregte und durch innere Reibung gedämpfte Schwingung. Sie lehrt, dass bei schwach gedämpften Schwingungen die Dämpfung durch Strahlung sich von der Dämpfung durch Reibung nur dadurch unterscheidet, dass der Dämpfungscoefficient im zweiten Glied der Gleichung nicht eine von der Substanz des Resonators ab- hängige Constante, sondern eine ganz bestimmte Grösse ist, umgekehrt proportional dem Quadrate der Periode der maximalen Resonanz und dem Cubus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen im um- gebenden Medium. Die Periode der maximalen Resonanz (hier nur unwesentlich unterschieden von der Eigenperiode des Resonators, die in Folge der Dämpfung etwas grösser ist) wird gegeben durch: a 2=V & (28) und das logarithmische Decrement der Dämpfung durch: e er: RE. {a ram zel Ti (29) ’g oder auch: url 67" "Fr (39) wenn A=(r, die Wellenlänge im Luftraum bezeichnet. Pranck: Über elektrische Schwingungen. 165 Aus (24) folgt, wie schon wiederholt bemerkt wurde, dass o eine kleine Zahl ist. Umgekehrt ergeben sich X und Z aus o und r, in folgender Weise: e 167° 4” Ze Man kann also das ganze Verhalten des Resonators, anstatt durch K und Z, auch durch +, und c charakterisiren und erhält dann aus (27) die Schwingungsgleichung: 20 4m? Zc’eTo Pe ES f > /= Zi. (31) $ 5- Wir wollen das gefundene Schwingungsgesetz zunächst dazu ver- wenden, um den in meiner vorigen Untersuchung behandelten Fall der stationären Resonanz, wie sie durch eine vollkommen periodische primäre Welle hervorgerufen wird, vollständiger zu erledigen, als es damals, ohne ein näheres Eingehen auf die Natur des Resonators, möglich war. Dort blieb in dem Ausdruck, welcher die Abhängigkeit der Amplitude «x der Resonatorschwingung von der A der primären Welle darstellt, noch eine gewisse Constante, die Phasendifferenz 0-0, unbestimmt, und es liess sich von vorn herein nur so viel sagen, dass dieselbe um so kleiner sein wird, je besser die Uebereinstimmung ist zwischen der Periode der primären Welle und der Eigenperiode des Resonators. Hier werden wir erkennen, in welcher Weise jene Phasen- differenz bei gegebener Periode r der primären Welle von den charak- teristischen Constanten co und r, des Resonators abhängt. Die primäre Welle sei wieder gegeben durch': Zu = Acos (+). Die Secundärschwingung im Falle der stationären Resonanz wieder durch: 5 . f(2mt f=asin (= +2). T wobei A und z positiv gewählt sind. Dann wird die Differential- gleichung (31) für alle Zeiten befriedigt, wenn: ar | an (: I) BethmA\T 7 0 ! A.a.0. Gleichung (1r). 166 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 20. Februar. und: - 3er: A (32) Daraus folgt: . 7E 7r Da A und «>0, so kann man ö-Ö zwischen + —- und — „ anneh- men. Im Allgemeinen wird nun, da c klein ist, die Differenz d-d nahe } 7 7 R . gleich — oder - „ werden, d.h. z verschwindet, und es findet keine 7-7 merkliche Resonanz statt. Nur in dem speciellen Fall, dass — E klein ist, rückt d-d von dem Grenzwerth fort, und es tritt Resonanz ein. Dann kann man ohne wesentlichen Fehler die letzte Formel schreiben: ; 22T m—T tg (0-0) = es oder nach (30): a 3X n—r er) Sz’ T Ferner aus (32): 3x? = 0-8). Tem cos (d’—6) Diese Formeln bleiben gültig auch für den allgemeinen Fall, dass 7,-r ganz beliebig ist, da dann die Resonanz ohnehin verschwindet. Die letzte ist identisch mit der früher für die stationäre Resonanz gefundenen Beziehung. $ 6. Wir betrachten schliesslich den speciellen Fall, dass die primäre Welle verschwindet, also Z,—=0. Dann haben wir im Resonator ein- fach eine Schwingung, die mit constanter Dämpfung abklingt. Wenn man die Constanten des Resonators X und Z kennt, lässt sieh aus den obigen Formeln die Periode r, und das logarithmische Deerement 7 bereehnen, und wir können dadurch die Theorie mit der Erfahrung vergleichen. Am eingehendsten hat sich mit dem Studium der elektrischen Resonanz Hr. Bserkxes beschäftigt. Seine Resonatoren waren allerdings kreisförmig gebogen, so dass die hier entwickelten Formeln nicht un- mittelbar auf seine Messungen mit Resonatoren anwendbar sind: da- gegen befand sieh unter seinen »Oscillatoren« ein geradliniger, in der ra Pranex: Über elektrische Schwingungen. 167 Form eines vollständigen Umdrehungskörpers'. Als Capaeitäten dienten zwei Messingscheiben von je 30° Durchmesser, welche in ihren Mittel- punkten an Messingröhren von etwas mehr als 1°” Dicke befestigt waren. Diese Röhren konnten wieder über zwei dünnere Röhren gleiten, so dass die Gesammtlänge des ÖOseillators durch Ausziehen zwischen 74 und 135°” verändert werden konnte. Die dünneren Röhren waren durch kleine Messingknöpfe verschlossen, zwischen welchen die primären Funken spielten. Die Constanten A und ZL dieses Apparates lassen sich aus der Gleichung (19) entnehmen. Bedenkt man nämlich, dass f das Moment des elektrischen Dipols, also das Product aus der augenblicklichen La- dung e einer Scheibe und dem Abstand / der Scheiben bedeutet, so folgt: f=el, (33) ferner: de wenn J die Intensität des Stromes im Leiter bezeichnet. Nun sei die elektrostatische Capacität einer einzelnen Scheibe mit dem Durch- messer D°: Dann ist die elektrische Energie einer mit e geladenen Scheibe: 2 1 € me? CoD und die elektrische Energie des ganzen Feldes bis zu Entfernungen, welche gross gegen /, aber klein gegen die Wellenlänge sind, ange- nähert gleich der Summe der von beiden Scheiben einzeln herrüh- renden Energien: 2 Ip TE j 2 Kf — oder mit Rücksicht auf (33): a 27 nn: Für die magnetische Energie desselben Feldes erhält man ferner aus (19) und (34) den Ausdruck: AlP— LP. ' V. Bserenes, Bihang till K. Svenska Vet.-Akad. Handlingar. Band 20. Afd.r. Nr. 5. Über elektrische Resonanz II. S. 6. 1895. ® Z.B. Kırcanorr, Vorlesungen über Elektrieität, S. 36. 168 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. Es ist also das Product ZL/” nichts anderes als das Selbstpotential' des geradlinigen Leiters im elektrostatischen Maasse: / 2 TB — 2 jog 3 2 eo oder 2 21 L = el log © A wenn p den Radius des ringförmigen Querschnitts bezeichnet. Die gefundenen Werthe von X und L in (28) eingesetzt ergeben für die Eigenperiode des Öseillators: 2r Me a nn =— u log =@ C 7 eo und für die Wellenlänge: al ARD = (35) Das logarithmische Decrement sc endlich folgt aus (30): 8m®lD EZ haREn: (36) Für den Bsrrkses’schen Öscillator ist nach den obigen Angaben D=30”, e=(0%"5 zu setzen. Für / und X hat Hr. BJErknes” fol- gende zusammengehörige Werthe gemessen, Alles in Centimetern: DA 99 134 23520 413.5 518.0. Hiernach ist die Voraussetzung der Theorie, dass A gross ist gegen /, zwar angenähert, aber doch nicht so weit erfüllt, dass man eine genaue Übereinstimmung der theoretischen mit den experimentellen Werthen erwarten könnte. Mit den drei angegebenen Werthen von / berechnet sich % aus der Formel (35) zu: ae 431.2 516.7 wodurch die Theorie, soweit es hier möglich ist, bestätigt wird. Mit den theoretischen Werthen von A erhält man ferner in den drei Fällen aus der Formel (36) das logarithmische Deerement der Dämpfung durch Strahlung: 02029 0.30 0.32. Die Dämpfung ist also immerhin so schwach, dass die Anwendung der theoretischen Formel für eine angenäherte Berechnung gerecht- fertigt wird. Wie man ersieht, wächst die Dämpfung hier mit zu- Z.B. M. Wıen, Wien. Ann. 53, S. 929, 1894. ® V, BsErKnEs, 4.2.0. p.9. Praner: Über elektrische Schwingungen. 169 nehmender Wellenlänge, da in der Gleichung (36) mit wachsendem A der Zähler schneller zunimmt als der Nenner (vergl. die Bemerkung oben S. 153). Hr. Bserkses hat aus verschiedenen Versuchen das logarithmische Deerement seines geradlinigen Oscillators im Gesammtmittel zu 0.4 berechnet'!. Sinn und Grösse der Abweichung des wirklichen Werthes von dem theoretischen erklären sich wohl hauptsächlich aus den beiden folgenden Umständen: Erstlich ist zu berücksichtigen, dass der oben berechnete Werth von sich auf den isolirt aufgestellten Oseillator bezieht, während bei den Brerknes’schen Versuchen ziemlich ‘dicht neben dem Öseillator, nur wenige Centimeter von ihm entfernt, die für die Messungen be- nutzte lange Drahtleitung ihren Anfang nahm, durch welche die Ab- fuhr der Energie noch weiter gefördert wird. Zweitens ist der Einfluss der »consumptiven« Dämpfung in Be- tracht zu ziehen, welche von dem Leitungswiderstand sowohl der Messingröhren, als auch namentlich des Funkens herrührt. Beträgt der Gesammtwiderstand der Leitung w Ohm, also im elektrostatischen Maasse: so ist wegen der Jouze’schen Wärme die Energiegleichung (14) zu vervollständigen durch das Glied: J?:w.10° + — 2 Gz dt. Dies bedingt in der Gleichung (21) den Zusatz: J2w10° + oder, da nach (34): EDS I me h Somit erhält man in der Gleichung (27) noch das weitere Dämpfungs- glied: welches, durch das dort schon vorhandene dividirt, das Verhältniss der Dämpfung durch Leitungswiderstand: o, zu der Dämpfung durch. Strahlung: © liefert: ı V, Bierknes, a.a.0. S. 34. 170 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar. u __w-10° 3c®L oder mit Berücksichtigung von (28): So 3 (A \-w-10° oe $&m\l as, Setzen wir nun c=3:10', und nehmen schätzungsweise den Wider- stand des Funkens (die Rohrleitung kommt dagegen nicht in Betracht) zu w= 10 Ohm an, im Anschluss an eine Berechnung von Hrn. BJErkNESs, so ergibt sich damit für die drei oben berechneten Fälle: w 030 0a 01 oO und daraus das logarithmische Decrement der eonsumptiven Dämpfung: 0.09 0.07 0.06 Mithin die Gesammtdämpfung des isolirt aufgestellten Oseillators: c+02—0.38 0.37 0.38, welche den gemessenen Werthen schon näher kommt. Immerhin spielt bei den hier betrachteten Schwingungen die Strahlung offenbar die Hauptrolle unter den dämpfenden Wirkungen, während der Leitungs- widerstand, sowie etwaige andere Umstände erst in zweiter Linie in Betracht kommen. Dies steht auch in vollkommener Übereinstimmung mit den Anschauungen, zu welchen Hr. Bjerkxes durch seine Versuche gelangt ist. Ausgegeben am 27. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. a — SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 27. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Konrrauscn legte die umstehend folgende Mittheilung aus der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt vor: Über den zeit- lichen Verlauf der magnetischen Induetion, von Hrn. Dr. L. HoL&orn. 2. Hr. Erman theilte eine vorläufige Nachricht des z. Zt. bei den Ausgrabungen auf der Insel Philae beschäftigten Hrn. Lupwıs BORCHARDT mit über die Auffindung einer dreisprachigen Inschrift des ersten römischen Statthalters von Aegypten, des praef. Alexandriae et Aegypti, C. Cornelius Cn. F. Gallus. _ Die Inschrift liegt in hierogly- phischer, in lateinischer und griechischer Redaction vor und berichtet über Kriegsthaten des Cornelius Gallus, der uera@ Tv karaAvow ToVv ev Aiyinto Baoı\ewv p@ros imo Kaivapos kararraßeıs genannt wird. Er hat in ı5 Tagen einen Aufstand in Oberaegypten niedergeschlagen, hat verschiedene Städte genommen, er hat aethiopische Gesandte in Philae empfangen und hat sein Heer ultra Nili catarrhaetas geführt. — Genauere Mittheilungen sind in Aussicht gestellt. Die Akademie hat den Professor der mathematischen Physik in der Faculte des Sciences zu Paris, Hrn. Jurrs-Heneı Pomcar£, Mitglied Sitzungsberichte 1896, 19 172 Gesammtsitzung vom 27. Februar. des Institut de France, und den Direetor der Deutschen Seewarte, Hrn. Wirkl. Geh. Admiralitätsrath Dr. Geore Neumaver zu Hamburg zu correspondirenden Mitgliedern in ihrer physikalisch -mathematischen Classe gewählt. Über den zeitlichen Verlauf der magnetischen Induction. Von Dr. L. Horsorn. Mittheilung aus der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt. (Vorgelegt von Hrn. Kontrauscn.) Die Meinungen sind noch vielfach getheilt darüber, ob die magne- tischen Veränderungen in Eisen- und Stahlkörpern durch innere Reibung merklich verzögert werden oder nicht. Nach A. OBErBEck!' z. B. treten solche Verzögerungen nicht auf, und der Magnetismus folgt der mag- netisirenden Kraft momentan, sobald »man die bei schnellem Strom- wechsel sehr erhebliche Einwirkung der inneren Induetionsströme in den Eisenkernen mit berücksichtigt«. Die magnetisirenden Kräfte erzeugte OBERBECK bei seinen Versuchen mit Wechselströmen, deren Schwingungszahlen etwa 50 bis 200 in der Secunde betrugen. Neuerdings haben J. Horkınson, E. Wırson und F. Lyvarı” Ver- suche mit Ringen aus dünnem Eisendraht angestellt, die sie mit Wechselströmen von der Schwingungszahl 5, 72 und 125 magnetisirten. Sie finden zwischen den so bestimmten Magnetisirungseurven und der gewöhnlichen, auf ballistischem Wege gefundenen Curve Unterschiede, die von der Schwingungszahl abhängen. Diese Abweichungen werden auf eine zeitliche Verzögerung der Magnetisirung zurückgeführt, die man als magnetische Viscosität bezeichnet hat. In der vorliegenden Arbeit wird auf eine noch von Hrn. von HELn- HOLTZ gegebene Anregung der Verlauf der magnetischen Induetion nach einer anderen Methode an einem Vorgange untersucht, welcher den Vor- theil der Einfachheit bietet. Die zu untersuchenden Eisenkörper werden in einer Spule von einem Strome magnetisirt, der zu einer bestimmten Zeit geschlossen wird; kurz darauf wird der Stromkreis einer con- ! A. ÖsErBEcK, diese Berichte 1883, S. 975. Wıen. Ann. 21, 672, 1884. 2 J. Horkınson, E. Wırsox und F. Lyvarr, Proc. R.S. London 53, 352, 1893. 198 [ef * 174 Gesammtsitzung vom 27. Februar. eentrischen seeundären Spule geöffnet und aus dem Ausschlag eines ballistischen Galvanometers die magnetische Induetion bestimmt, die zur Zeit der Stromöffnung vorhanden war. Erfolgt die Stromöffnung, während der Strom noch im Ansteigen begriffen ist, so erhält man eine Induction, die von dem variabeln Selbstinduetionscoeffieienten’ des Eisens, sowie von der Rückwirkung des secundären Kreises auf den primären abhängig ist. Um von allen diesen schwer zu berechnenden Einflüssen unabhängig zu sein, wurde nur die Induction, welche un- mittelbar nach Ausbildung des primären Stromes bestand, mit der eines spätern Zeitpunktes verglichen. Um auf diesem Wege noch mit einer kurzen Dauer der Magnetisirung arbeiten zu können, war die Zeiteonstante der beiden Stromkreise sehr klein zu machen. Zu diesem Zwecke war besonders die Masse des Drahtes für die Spulen und für das Galvanometer, welcher die Zeitconstante unter sonst gleichen Verhältnissen proportional ist, möglichst klein gewählt. Die Schliessung des primären Kreises und die Öffnung des secun- dären geschah mit Hülfe eines Hermnorzz’schen Pendelunterbrechers, der nicht die gewöhnliche Form besass, wie sie ScHitLer' beschrieben hat, sondern nach Analogie des früher von Hernnorrz” . benutzten Unterbrechers abgeändert war. Das Pendel traf nämlich nur einen Hebel, wodurch der secundäre Kreis geöffnet wurde. Der vorauf- gehende Schluss des primären Stromkreises wurde dadurch hervor- gebracht, dass eine Platinspitze, die durch einen Seitenarm mit der Achse des Pendels verbunden war, in eine mit Quecksilber gefüllte Schale tauchte. Um Erschütterungen der Quecksilberoberfläche mög- lichst zu vermeiden, war sowohl der Träger für die Pendelachse, wie der für das Quecksilbergefäss fest mit der Zimmerwand verbunden. Ausserdem war es für eine gute Wirkung des Apparats erforderlich, dass die Quecksilberoberfläche und die Platinspitze stets sorgfältig rein gehalten wurden. Zu diesem Zweek wurde das Quecksilber vor dem Gebrauch jedesmal erneuert oder filtrirt und die Spitze zeitweilig ausgeglüht. Der stromunterbrechende Hebel war in bekannter Weise auf einem Schlitten befestigt, der mit Hülfe einer Mikrometerschraube um 60"" verschoben werden konnte. Die Schraube von o0””5 Ganghöhe diente zugleich zur Messung der Bruchtheile der Millimeter. Weil es bei den vorliegenden Beobachtungen nicht auf so geringe Zeitunterschiede ankam, wie man sie sonst mit dem Pendelunterbrecher zu messen ! ScHitLEr, PoGG. Ann. 152, 535, 1874. ® v. Hernnorız, Pose. Ann. 83, 518, 1851. Horsorx: Über den zeitlichen Verlauf‘ der magnetischen Induction. 175 pflegt, so fiel das Pendel nicht aus der horizontalen Lage herab, sondern beschrieb nur einen Winkel von etwa 30° bis zum Durch- schlagen des Hebels und wurde alsdann auf der anderen Seite der Gleichgewichtslage durch eine mit Gummischlauch ausgefütterte Holz- klemme aufgefangen. Hierdurch war vermieden, dass die Spitze auf den Boden des Gefässes aufschlug oder durch Zurückschwingen des Pendels aus dem Quecksilber wieder heraustrat. Der primäre Strom blieb also dauernd nach dem Fall des Pendels geschlossen. Der Verschiebung des Schlittens um 1"” entsprach ein Zeit- unterschied von 0.000636 Secunden. Dieser Werth ergab sich als Mittel für verschiedene Schlittenstellungen, bei denen der Zeitunterschied nach der Povirzer'schen Methode gemessen wurde. Hierbei benutzte man nach dem Vorgang von HeınHortz (a.a.0.S.533) eine Nebenleitung zum Galvanometer, um das allmähliche Ansteigen des Stromes zu berücksichtigen. Im primären Stromkreise befanden sich zwei Spulen von gleicher Wickelung, von denen die eine als Magnetisirungsspule verwendet wurde. Die andere blieb leer und diente zur Messung der Feldstärke. Es konnte auf diese Weise die Rückwirkung, die der magnetisirte Körper auf den primären Strom ausübt, berücksichtigt werden. Beide Spulen waren bifilar gewickelt, und es wurde oft die eine Windungs- reihe als secundäre Leitung benutzt. Der Wickelungsraum der Spulen nahm je eine Länge von 600”” ein und enthielt in vier Lagen 1230 Doppelwindungen aus Kupferdraht von 0”"8 Durchmesser, die nm auf ein Glasrohr von 9"" Durchmesser gewickelt waren. Ausser die- sem Paar Spulen wurden auch noch andere von geringerer Länge und mit mehr oder weniger grösserm Kupfergewicht zu Vorversuchen benutzt. Als Versuchskörper dienten Bündel aus feinem Eisen-.und Stahl- dralıt von 300” mm messer von ©. Länge. Die einzelnen Drähte hatten einen Durch- 20 bis 0””25; sie wurden durch eine Glasröhre von 4" innerm Durchmesser zusammengehalten und waren einzeln durch einen Schellacküberzug von einander isolirt. Bei allen Versuchen, die mit diesen Drahtbündeln angestellt wurden, ergab sich das Resultat, dass der Magnetismus sofort in voller Stärke auftrat, sobald der magnetisirende Strom die volle Stärke erreicht hatte. Zum Beispiel fand in einem Falle, wo der primäre Kreis ausser den beiden Spulen noch 5 Ohm Widerstand und eine Aceumulatorenbatterie von 16 Volt enthielt, und wo sich das Eisendrahtbündel in der Spule II befand, dass der mag- netisirende Strom zur vollen Stärke angewachsen war, wenn sich der Pendelschlitten auf dem achten Theilstrich befand, also 0.00508 Se- 176 Gesammtsitzung vom 27. Februar. eunden nach dem Schluss des primären Stromkreises verflossen waren. Von daan war auch die magnetische Induetion im Dralıtbündel constant, wie weit auch der Schlitten des Pendels verschoben wurde. An diesen Verhältnissen wurde im wesentlichen nichts geändert, als die Eisen- drähte durch das Stahldrahtbündel ersetzt wurden. Beispielsweise folgen hier die Ausschläge, die am Galvanometer bei der Magnetisirung der Drahtbündel beobachtet wurden. } Spule mit Leere Spule, Spule mit Leere Spule, Eisendraht Mittelwerthe Stahldraht Mittelwerthe 0.00128 282.9 43-1 301.7 114.6 282.8 298.8 285.8 298.0 0.00254 293.9 54.1 343-6 128.8 294.0 343-9 294.2 343-7 0.00508 295.1 55-5 352.0 130.9 294.9 351.0 295.0 351.1 0.03816 294.8 55.5 352.0 130.8 295.0 351.0 295.2 351.1 t bezeichnet hier den Zeitunterschied zwischen Schluss des pri- mären und Öffnung des secundären Kreises. Die Feldstärken in der Magnetisirungsspule betrugen beim Eisendrahtbündel etwa 48 0. G.S. und beim Stahldrahtbündel etwa 40. Im ersten Falle enthielt der seeundäre Stromkreis ausser dem Galvanometer (109 Ohm) und den Inductionswindungen (1.30hm) noch einen Zusatzwiderstand von 200 Ohm. Will man also die Ausschläge für den Stahldraht mit denen für den Eisendraht vergleichen, so sind die letzteren mit 2.8 zu multiplieiren. Die niedrigste Feldstärke, die bei dem Stahlbündel noch ange- wandt wurde, betrug 16, bei dem Eisendrahtbündel 2. Auch hier war keine Zunahme der Magnetisirung mehr vorhanden, wenn der Pendelschlitten den 8. Theilstrich passirt hatte, der Zeitunterschied zwischen Schluss des primären und Öffnung des secundären Strom- kreises also über 0.005 Secunden hinausging. Durch besondere Vorversuche wurde noch constatirt, dass bei dauerndem Schluss des secundären Kreises keine Änderung eintritt. So ergab der Ausschlag des Galvanometers bei der Magnetisirung des Eisendrahtbündels bei der Feldstärke 2 im Mittel 239.4 Scalentheile, wenn das Pendel den Hebel öffnete, dagegen 210.6 Scalentheile, wenn der Hebel durch einen Kupferdraht überbrückt war und der secundäre Kreis deshalb stets geschlossen blieb. Berücksichtigt man, dass hier- Housorn: Über den zeitlichen Verlauf der magnetischen Induction. 177 bei das Dämpfungsverhältniss einmal 1.033, das andere Mal 1.332 be- trug, und berechnet aus jedem Ausschlage denjenigen ohne Dämpfung, so findet man die innerhalb der Versuchsfehler gleichen Werthe 243.3 und 241.2. Bei diesen Versuchen ist also nach einer Zeit von höchstens "/20o Seeunde der Magnetismus bereits zu seiner vollen Stärke ent- wickelt gewesen. Aus der Art des Ansteigens lässt sich ferner schliessen, dass die Magnetisirung auch noch in viel kleineren Zeiträumen der magnetischen Kraft sehr nahe folgt. Die von Horkınson, WiıLson und Lyparr gefundenen Abweichungen bei Wechselströmen von der Schwingungszahl 5 bis 125 müssen also einen andern Grund haben, als eine Trägheit des Magnetismus. Ferner wurden mit einem festen Stab aus Schmiedeeisen von 300"”" Länge und 4””5 Dicke Versuche angestellt. Als in der Magne- tisirungsspule eine Feldstärke von etwa 50 hergestellt wurde, ergaben sich z. B. folgende Galvanometerausschläge: : Spule Leere Spule, mit Eisenstab Mittelwerthe 0.00254 353-8 53-7 351.2 0.00508 402.9 59.3 401.1 0.01018 405.5 59-9 405.9 0.02036 405.7 59.75 406.0 0.03816 405.7 59.8 406.0 Die Ausbildung des magnetisirenden Stromes dauerte hier wegen der grösseren und zusammenhängenden Eisenmasse länger als bei den Drahtbündeln; dementsprechend erscheint auch der volle Magnetismus erst nach etwa 0.010 Secunden, erfährt aber von da ab keine Zu- nahme mehr. Bei den Versuchen war das zu magnetisirende Probestück vorher durch vielfaches Öffnen und Schliessen des primären Stromkreises so oft magnetisirt, dass der remanente Magnetismus constant geworden war, oder es war ein Commutator im primären Stromkreis angebracht, den man vor jedem Loslassen des Pendels umlegte, so dass das Probe- stück stets ummagnetisirt wurde. War dagegen der Eisenstab oder das Drahtbündel vorher durch Einwirkung eines Wechselstromes von beständig abnehmender Stärke sorgfältig entmagnetisirt, so wuchs nach jedem Schluss des primären Stromes, wenn dieser stets dieselbe Rich- 178 Gesammtsitzung vom 27. Februar. tung hatte, der remanente Magnetismus an und der temporäre nahm dementsprechend fortwährend ab. Diese Erscheinung, die schon von Fromme! u. A. beobachtet worden ist, hängt aber bekanntlich nieht von der Zeitdauer, sondern nur von der Zahl der auf einander folgen- den Schliessungen ab. Es erwies sich diess auch im vorliegenden Falle; denn das Anwachsen hatte denselben Betrag, mochte die Zeit- dauer der Schliessung mehrere Minuten oder nur einige Tausendstel Secunden betragen. ! Fromme, Wien. Ann. 4, 76, 1878. 179 Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. Von EpvArD SAcHAU. (Vorgelegt am 13. Februar [s. oben S. 133].) K meiner Abhandlung »Skizze des Fellichi-Dialekts von Mosul« 1895 ist in $ 26 eine kurze Übersicht über die Speeimina des Neu- aramäischen Vulgärdialekts der Nestorianer gegeben, welche auf meine Veranlassung in Mosul, Telkef und Alkös gesammelt und aufgezeichnet worden sind. Daselbst ist auf diejenigen Bestandtheile der Sammlung hingewiesen, welche den Anspruch erheben können als eigentliche Litteratur-Denkmäler zu gelten, eine Anzahl Erzeugnisse der Kunst- poesie aus den letzten drei Jahrhunderten. Das älteste Gedicht ist datirt vom Jahre 1590. Wenn aber dies Datum aus später anzuführen- den Gründen vielleicht anfechtbar- ist. so können wir uns auf ein um 21 Jahre jüngeres Gedicht beziehen, dessen Datirung vom Jahre 1611 keinerlei Bedenken unterliegt. Wenn nun auch mit Bestimmtheit an- zunehmen ist, dass die Volkssprache in dem ganzen Umfange der ihr eigenthümlichen Formen schon viele Jahrhunderte früher vorhanden gewesen, so bin ich doch nach dem mir zur Verfügung stehenden Material von Handschriften, Inschriften und Urkunden nicht in der Lage, eine frühere, wenn auch nur ganz sporadisch auftretende Ver- wendung des Volgare für litterarische oder nichtlitterarische Zwecke nachweisen zu können, obwohl ich seinen Einfluss auf die Vocalisation, z. B. von Bibel- Handschriften, schon in einer viel früheren Zeit zu er- kennen glaube. In der Arabischen Welt war es das Arabische Christen- thum, z. B. in solehen Centren wie im Kloster des Mär Sdbi zwischen Jerusalem und dem Todten Meere, welches die Vulgärsprache zuerst für Zwecke der Litteratur verwendete. Unter den Aramäern ist ein Gegensatz zwischen Christenthum und Islam nicht vorhanden; sie waren und sind alle Christen und hatten ausserdem in den bäuerlichen Ge- meinden der Ebenen wie der Gebirge im Allgemeinen gewiss recht wenig Veranlassung zum Schreiben, Kirche und Olerus bedienten sich 180 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. nur der elassischen Sprache des Alterthums, in der Schule war nur Raum für diese; aber während sie. organisch stillstehend, die Litteratur beherrschte, lebte im Munde der Millionen die Vulgärsprache, unbe- achtet und ungepflegt, aber frei treibend und wuchernd und nach organischen Gesetzen aus Altem das Neuere entwickelnd. Was die räumliche Heimat des Fellichi betrifft, so möchte man nach den spärlichen Angaben über die Heimat der einzelnen Dichter die Ebene jenseits des Tigris mit Telkef und Alkös und weiter nordwest- lich, also die Westabhänge des Zagros, als solche ansetzen. Denn Israel und Damianus stammen aus A/kös, Jausip Gemdäni sowie Thomas aus Telköf und David aus Nuhadhrä. Indessen einer der Dichter, Hnänisö', war Bischof von Rustäk, auf der Ostseite des Zagros (s. LAYArD, Ninive und Babylon S. 287), und Johanndn Bischof von Mäwänd, einer Ortschaft in Targäwar, ebenfalls auf dem Ostabhang des Zagros. Wenn also auch diese Dichter in weiter Ferne von einander gelebt haben, so schreiben doch alle in der Hauptsache denselben Dialekt, was deshalb hervorgehoben zu werden verdient, weil gegenwärtig die Dialekte der einzelnen Landschaften im Gebirge ganz erheblich von einander abzuweichen scheinen. Viel mag zu der Einheitlichkeit dieser poetischen Dietion der Umstand beigetragen haben, dass die Dichter, welche die ersten Compositionen im Patois versuchten, mehr oder weniger von der Sprache ihrer Bildung und ihres geistlichen Berufes, sowie eventuell von der Sprache der Vorlage, der sie nachdichteten, abhängig waren und in vielen Fällen je nach Bedürfniss von Metrum, Reim, Akrostichie und anderem, wo die Volkssprache ein entsprechen- des oder bequemes Wort nicht zu bieten schien, «das erforderliche aus der classischen Sprache, nöthigen Falls mit geringen Änderungen ver- sehen, in ihre Dietion herübernahmen. Die Rücksicht auf die Familie. auf Frauen und Kinder, welche nur die Volkssprache kennen, dürfte der Hauptgrund gewesen sein, der gebildete, auf das Wohl ihrer Nation bedachte Cleriker bestimmte, in der Volkssprache Diehtungen zu schaffen, welche am Herd des Bauernhauses von Mann und Weib, Kind, Knecht und Magd ver- standen und gern gehört wurden. Mag auch die aufschäumende Festlust bei Hochzeiten und anderen Gelagen sich früh in reimenden Verschen geäussert haben, auf die litterarische Erhebung der Volks- sprache hat jedenfalls das sinnige Streben weniger Männer, welche den Frauen, den Familien Erbauung und Belehrung in ihrer Mutter- sprache zuzuführen wünschten, den entscheidenden Einfluss ausgeübt. — Sacuau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 181 I. Von den Dichtern. Von den beiden ältesten Dichtern erwähnen wir zunächst den Priester Israel aus A/kös, dessen Gedichte von den Jahren 1611 und 1632 n.Chr. datirt sind. Er ist der einzige der Volksdichter, der schon vorher als Dichter der elassischen Sprache bekannt war. In einer vom Jahre 1684 zu A/kös datirten liturgischen Handschrift der Bibliotheque Nationale zu Paris findet sich eine Anzahl kirchlicher Gesänge (s. Katalog von H. Zorengere S. 216 Nr. 283. 17) und ähn- liche in den Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin Ms. orient. fol. 619 Bl. 246° (datirt vom Jahre 1715), Ms. orient. quart. 547 Bl.ıı5’-ı17 (datirt Urmia 1871) und Ms. orient. quart. 565 Bl. 193°-200* (datirt vom Jahre 1834). Vergl. auch CAarvanı, Liber thesauri, Rom 1875 S. 96-100. Von Dichtungen des Priesters Israel im Volksdialekt besitzen wir in der Handschrift der Königlichen Bibliothek zu Berlin (Nr. 223 meiner Sammlung Bl. 79". 93* und 200°) folgende drei: 1. Ein Busslied, bestehend aus 63 Strophen, von denen jede sechs siebensilbige Zeilen hat. Zwei Reimketten durchziehen die Strophe, denn die Zeilen ı. 3.5 und 2.4.6 haben jede Gruppe ihren besonderen Reim. Erste Strophe: 1AASA 120 Zu Son LA Lusax iNasi,o isaus Zi Lau Lois ol .lNos.cd 185045 uso lädois AVANT ERS Der Dichter erwähnt sich selbst in Str. 35 und giebt das Datum dieses Gedichtes in der letzten Strophe: Sao. 1x5 omax im 1208 26 Laoado> 1a 1.10.) Saul) 24x ‚Liam AAN „oAn2 van 22 „I asalı, »Gedichtet von einem sündigen Greise, Namens Priester Israel, Im Jahr 1922 des Griechen, Des Königs der Makedonier. Betet für mich um Sündenvergebung, Ihr Volk der Syrer.« An einer anderen Stelle (Str. 26) erwähnt er. dass er, als er dies Gedicht schrieb, 70 Jahre alt war: ix las 1s5e San “Läs 15553 „Lo 1228 „Jos zimo No “52 ıS 1sabas 120 ‚ix uiamo Las 03 „Sail, 302 SL vo 182 (Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. »Weh mir! In den Büchern habe ich gelesen Ganze siebzig Jahre lang, Aber kein Gebot habe ich gehalten, Und mehr als mein Alter ist meine Sünde gross geworden. Weh mir, wenn er mich verstösst In jenes Reich des Heulens und Zähneklapperns. « Wenn also Priester Israel im Jahre 1922 = 1611 n. Chr. 70 Jahre alt war, so ist er 1541 n. Chr. geboren. Dasselbe Gedicht Arabisch in S. 224 Bl. 45”. 2. Ein Busslied, in dem besonders der Gehorsam gegen die Worte des Apostels Paulus gepredigt wird. Es besteht aus 83 Strophen, die Strophe aus drei mit einander reimenden siebensilbigen Zeilen. Erste Strophe: 13m 1323 oBaxy Land om lASo ‚AA 1x9a0> 1modo Der Dichter erwähnt sich selbst in Str. 84, giebt aber das Jahr, in dem er geschrieben, nicht an (vergl. Str.82). Arabisch in S. 224 1 3. Ein Lobgesang auf die Solomonis, die Mutter der Makkabäer, und ihre Söhne. Die dichterische Form ist dieselbe wie in Nr. 2, volksthümliche Dreizeiler, je drei reimende siebensilbige Zeilen. Arabisch in S.224 Bl.97". Erste Zeile: No. ass No So 152 210 „aa .2NaHass us 1.00 Der Dichter nennt sich in Str. 3 und giebt in Str. 35 das Jahr d. Gr. 1943 =1632 n. Chr. als das Datum dieses Liedes an: Lsos Apl Ass 200 H5o> >2 Heil Wenn, wie oben angegeben, Priester Israel 1541 geboren war, so war er, als er dies Lied dichtete, ein Greis von gı Jahren. Unter solchen Umständen muss die Ziffer Sul verdächtig erscheinen; viel- leicht ist sie verschrieben aus Saul 1923 ='1612. n."Chr. Der Mitte und zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gehört der Priester Jausip Gemdäni an, mit vollem Namen Jausip Bar Gemäldin aus Telköf. Uber seine Lebenszeit s. weiter unten S. ı86, Er ist als nn ee Sıcnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 183 Dichter der elassischen Sprache mir nicht bekannt. Von seinen Dich- tungen in der Volksmundart sind folgende sechs in der Handschrift meiner Sammlung (Nr.223 Bl. 2”. 16”. 36”. 65”. ı13* und 125°)! vor- handen: ı. Eine Dichtung, betitelt 2Nasäs2»% As »Vom Heilsplan«, handelnd von der Erschaffung Adam’s, von der Geburt Christi und seinem Erlösungswerk. Aufforderung zur Busse. Der Dichter hofft, dass Gott ihn und sein Volk von den Muhammedanern erlösen und das Reich der Griechen wiederherstellen wird. Er erwähnt sich selbst an mehreren Stellen, aber nur in allgemeinen Ausdrücken. Das Ge- dieht besteht aus ı12 Strophen, die Strophe zu vier reimenden acht- silbigen Zeilen. Erste Strophe: za 107828 od iusax 2502 Nasa Luxe Im 0mo5 1230.82 1n0d0 „Lois 13 1500 Zada Ich habe diese Lieder nie singen hören, nehme aber an, dass jede Zeile nach derselben Melodie gesungen wird. 2. Eine sehr populäre Predigt in Versen über die hauptsächlichsten sittlichen Gebote des Christenthums, bestehend aus 117 Strophen, die Strophe zu vier zwölfsilbigen Zeilen, die mit einander reimen. Erste Strophe: 1230.83 Luo5o 1soiso im52 lass Hoäxo 1silo W102 Loäs il 15 Isaxo low Ziugps 2. Zar zo ad .1x050 139.3 Nur ixias 28 Der Dichter erwähnt seinen Namen in der letzten Zeile und deutet in Str. 8 an, dass er ein Greis ist: wuBs 3150 wAamıuıo >15 „as „os » Vielleicht dass er (Gott) mich annimmt, der ich schon im Greisen- alter und an meinem Lebensende stehe. « In der Überschrift (Bl. 16°) ist das Jahr Gr. 1901 Ziel = 1590 n. Chr. als Datum dieses Gedichts angegeben. S. hierüber weiter unten. 3. Eine populäre Predigt in Versen über viele der in den Evan- gelien berichteten Parabeln: atsol > WaS> 2ändo> ! Dieselben in Arabischer Übersetzung in 8.224 Bl. 1%. 7b. 19». 37%. 54». 60%, 184 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. Es besteht aus 178 Strophen, die Strophe zu vier reimenden zwölfsilbigen Zeilen. Erste Strophe: id: Ad Hans Lugre aucı ioui 1 auo 1ounäde as N5ä> > inäas aaa „ol 1.No,no .lom 02 man a xl 2x315 Nach der Schlussnotiz auf Bl. 65* ist dies Gedicht A. Gr. 1977 — 1666 n.Chr. verfasst. Aus dem Gedichte selbst ist über den Ver- fasser niehts zu entnehmen. 4. Ein Busslied 1x4 AoA> 2A550> von 140 Strophen, die Strophe zu vier siebensilbigen Zeilen. Erste Strophe: mi as „oA! dom 228 soNor Lass Asia „202 to 1 wS2 zuuäso Nach formellen Rücksichten lassen sich verschiedene Bestandtheile in diesem Gedicht unterscheiden: a) Die ersten ı9 Strophen haben alphabetische Anfänge von 2 bis 9. Die ersten drei Zeilen der Strophen reimen, während die vierte Zeile als Refrain lautet: 0 LI zus b) Die Strophen 20-31 haben denselben Refrain und alpha- betische Anfänge von $ bis &. Ob zwischen a) und 5) (d.h. Bl.67* Z.9-10) die Strophen, welche die Anfänge $ bis & hatten, ausge- fallen sind? c) Von Str. 32 bis zum Ende. In diesen Strophen ist der eben genannte Refrain nicht vorhanden, und alle vier Zeilen der Strophe haben denselben Reim. 5. Ein versifieirtes Apokryphon De infantia Christi Ado Is ini in 83 Strophen, die Strophe zu vier achtsilbigen, reimenden Zeilen. Erste Strophe: imo50o 1550 1352 laxs Lux lu 28 Zsäsı Ada Lsaxo lats Loams Au .iNoMlo ist Iaxo uno Sıcnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 185 Das Gedicht handelt in der Hauptsache von der Reise des Christus- kindes nach Aegypten und den von ihm verrichteten Wunderthaten. Es ist nicht vollständig, denn es schliesst mitten in der Erzählung von Lazarus, der ursprünglich ein Diener Pharao’s war und später von Christus auferweckt wurde. Vergl. das Evangelium infantiae sal- vatoris Arabicum bei 'Tıscnenporr, Evangelia Apoerypha S. ı8ı ff. Von den Räubern Titus und Dumachus (bei TıscHennorr S. 193) s. hier Bl.ı1g? Str. 54. Dies Gedicht ist eine Übersetzung eines Hymnus von Göwargis Wardd, s. S.188 Bl.6°-9”; der Schluss desselben (von Bl. 8? Z.7 an) fehlt in der Übersetzung. 6. Ein grosses Gedicht über den Heilsplan Nasäsa0 As (wie Nr. ı) von 606 Strophen, die Strophe zu vier achtsilbigen, reimen- den Zeilen. Der Prolog hat 36, der Haupttheil 520 und der Epilog 50 Strophen. Der Prolog handelt von der Schöpfung und dem Sün- denfall, der Haupttheil giebt eine pathetische Darstellung des Lebens Christi wohl nach einem apokryphen Evangelium. Die Strophen 61 und 62 (Bl.136°. 137°) sind fast identisch mit den Strophen 81 und 82 (Bl.123*) des vorher genannten Gedichtes De infantia Christi, ver- muthlich in Folge der Abhängigkeit von derselben Quelle. Der Epilog ist ein Busslied. Hier in Str. 39 (Bl.199°) erwähnt der Dichter das Jahr d. Gr. 1973 =1662 als das Datum dieser Dichtung: 230.8 Sag NIX “ls Lo> 1x32 128 lim, sd Ava, ixo Anfang des Prologs: Im 151 lol omaxs Lama aD 1s0ä50 ANA 2ast Luodo ‚lie Lsax 255 ausäs Anfang des Haupttheils: 1m0> Las WN2Has Lois ol Wusnano wäs 132 > yasdas „LS, 150. Mas Die drei für die Bestimmung der Lebenszeit des Dichters vor- handenen Jahresangaben sind 186 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. 1901 = 1590 (Bl. ı6P), 190771666 (Bl.053), 1072176022 (Bl71993). Die erstere Angabe findet sich in der Überschrift, die zweite in der Unterschrift, nur die dritte kommt in dem Gedichte selbst vor, rührt also unzweifelhaft von dem Dichter selbst her, während die beiden ersteren vielleicht lediglich auf der Autorität des oder der Copisten ruhen. Die Zahl 1590 nöthigt zu der unnatürlichen An- nahme, dass Jausip etwa schon in seinem 10. und dann noch in seinem 86. Jahre gedichtet habe; diese wird aber durch den oben -S. 183 eitirten Vers unmöglich gemacht, in dem der Dichter andeutet, dass er bereits ein Greis war, als er dies durch den Schreiber von 1590 datirte Gedieht schrieb. Die Zahl 1901 2g2 dürfte daher aus einer anderen, etwa 18 pl 1971 = 1660 verschrieben sein. Ein dritter Volksdichter des 17. Jahrhunderts ist ein mir ander- weitig nicht bekannter Bischof Johanndn von Mdäwdnd, einer Ort- schaft, die nach Englischen Missionsberiehten auf Persischem Gebiet in der Landschaft Targäwar ungefähr auf der Linie Köcdnes- Urmia liegen muss." In seiner Dietion findet sich mehr Eranisches Sprachgut als bei Israel und Jausip, aber auch noch andere Besonderheiten, die im Einzelnen untersucht zu werden verdienen. Das einzige mir vorliegende Gedicht von ihm ist in zwei Ex- emplaren überliefert, S.223 Bl.99’-ıı2” und S.232 Bl. 66?°-77*. Es hat in der einen Handschrift 160, in der anderen 156 Strophen, jede Strophe zu vier achtsilbigen Versen. Die ersten drei Zeilen der Strophe reimen mit einander, während die vierte Zeile als Refrain überall wiederkehrt. Arabisch in S.233 Bl.56°. Anfang in 8.223: DN,ä53 023 omas Lusox ı PAYTE-TING.) 302 wDl Nass 123x033 180043 12 SA ou 23 a 221x033 180043 2 Load UN 303 22 wiaxo Ns 1son. 2 Is ou 22 ı A. Rırey, Progress and prospeets of the Archbishop’s Mission to the Assyrian Christians, London 1889, S.44; The Archbishop of Canterbury 's Mission to the Assyrian Christians, London 1891, S.1o (Märwänä!). Sacnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 187 In S.232 beginnt das Gedicht mit Str.2 in folgender Fassung: au 128035 180. zaa8 LA Wso> 32 Liaxo i\as WNoni 12 AN oo 2> Der Inhalt ist eine populäre Darstellung von der Schöpfung an den sieben Tagen, von Sündenfall und Sündfluth, vom Bösen in der Welt, von der Unterdrückung der Christen durch die Muhammedaner, Paraenese und Schilderung des jüngsten Gerichts. In den beiden letzten Strophen berichtet der Dichter, dass er diese Schrift A.Gr. 1973 = 1662 n. Chr. verfasst hat: in 28 im Nas >32 155 FERN SEGEN 2S ao so 8 ul Kim As Er N ou 2 amdso lin 502 156 2lassno 1425 iusas 1adnad No „sxo is SI “60 23 In der Aufzählung der Dichter, deren Lebenszeit bekannt ist, sind jetzt den drei Dichtern des 17. Jahrhunderts zwei Dichter des 19. Jahr- hunderts anzuschliessen, der Priester Damianus Bar Jöhanndn Gundird aus Alkös und Tömd Singäri aus Telkef. Von dem ersteren sind drei Gedichte vorhanden, das eine datirt von 1855, das zweite von 1856, das dritte nicht datirt. Dieselben Gedichte Arabisch in S. 233 Bl. r‘. neo". ı. S.232 Bl.3” Ein Lied über die Hölle, eine Busspredigt in Versen, bestehend aus 160 Strophen, die Strophen zu sechs sieben- silbigen Zeilen. Eine doppelte Reimkette durchzieht jede Strophe, in- dem je die Zeilen ı. 3.5 und die Zeilen 2. 4.6 mit einander reimen. Erste Strophe: „Is Zamx „ala Hass ‚Lsomäse i0d2 L „Soo us 2980 Zoıdo .1.So „ua 1\soxdo „Ann 2, 1.000 zud DET AN) ERS NW} > Vr Sitzungsberichte 1896. 20 188 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. > 5 Das Datum 1855 ist in der Überschrift gegeben: 992 3x liumsal mas Ay warnen iur Zus 2Nn5o> NM 2. 8.232 Bl.ı7” Ein Lied' von der Glückseligkeit des Himmel- reiches 1NaaN0> 120.003 As in derselben Form wie Nr. ı. Erste Strophe: na 158 2 us iso ‚wAaAD Snoas Län Aus25l> Ddanuo aaa Asdano ‚A002 10mas 01) „NOsa2 1, Duo Das in der Überschrift gegebene Datum ist as92 1856 n. Chr. 3. S.232 Bl.77” Ein Marien-Lied von 30 Strophen, die Strophe zu vier siebensilbigen Zeilen, die mit einander reimen. Ausserdem folgt am Ende jeder Zeile das Wort zu38, und jede Strophe hat als fünfte Zeile eine Refrainzeile von sechs Silben. Erste Strophe: zu „128 0 “andaxe ZU „130m? moAI Se IK, u ‚155 Adr> Add ‚ui „il Sans 2A. Noas ‚zus 27 zus 075 Von demselben Priester Damianus liegt auch ein Gedicht in Alt- syrischer Sprache vor (S.232 Bl. 24”-30*) über die von dem Emir Muhammed von Ravenduz Mitte März 1832 in Alkö$ begangenen Greuel. Über Tömd Singäri aus Telkef fehlt es in der handschriftlichen Überlieferung an ehronologischen Angaben. Nach den von Soc? ein- gezogenen Erkundigungen lebte er in der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts. Von ihm sind fünf Dichtungen vorhanden, sämmtlich in S:232. Arabisch in. 8.233 Bl. 24 Ba. esr arros ı. Bl.30 Ein Lied zum Lobe des Mönchsthums, in dem ausser Pachomius und Arsenius und anderen (Adulahad EWANCP)) auch die Heiligen Franciscus, Bernardus und Dominicus gefeiert werden. Die dichterische Form ist aus der ersten Strophe ersichtlich: 1200 „io 1uad „15 „Slam ii 2532133 Jain! „I 2800 15al, A402 1269 10 us2k, „a Des 28 uno alo ' Den Anfang dieses und des vorhergehenden Liedes s. bei Guimı, Z.DMG. 37, 314— 318. ® Die Neuaramäischen Dialekte S.214 Anm. 201. Sacnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 189 2. Bl. 39” Ein Marien-Lied, Aufforderung zur Anbetung der Maria, eingeleitet durch eine Betrachtung über den Sündenfall und Eva. Erste Strophe: .ixBat> 1uoäso isoäso 1552 ls Hoäxıo .1ssio Nun Lis ll 15 .1ssaxo lim Ziucs wA Zuaxs 28a » 12850 i1sos lsau Son 2l5l> ‚2820 3. Bl.45* Eine Busspredigt in Versen, herausgegeben in meiner Abhandlung »Skizze des Fellichi-Dialekts von Mosul« S.79-91, trans- litterirt und übersetzt von Socm a.a. 0. S.144. 214. 4. Bl. 54° Eine versifieirte Predigt populärster Art von 109 Strophen. Auf Bl.58” ist Palladius (Historia Lausiaca) und auf Bl. 63° Augustin erwähnt. Erste Strophe: 152 Ad Hose Au “wol Aus ul Lume 0 use 6 “erat 5a gan. ‚8830 „IS u007 Hasoss a ua Horaiık, 5. Bl. 80’ Ein Gedicht über die Hölle und wie es den Bösen dort geht. Auf Bl. 85° wird Augustin citirt. 96 Strophen. Erste Strophe: 12a 195 100s0 ind, mode läso 152 zxs 113% Sas 845 285 soX „Saadon zul ‚sin zahsı> an is? Wasasato „uf o Aus manchen Stellen dieser Gedichte ergiebt sich zur Evidenz, dass Tömd Singäri unter dem Einfluss der römisch-katholischen Kirche, welehe von Mosul ihre Mission unter die Nestorianer ge- tragen hat, steht. Zu den Diehtern,. deren Zeit unbekannt ist. gehören Bischof Hndnisö’ von Rustikd und David der Blinde von Nuhadhrd. Von ersterem liegt nur ein einziges Gedicht in S. 223 Bl.89°-93* vor, eine fromme Betrachtung: Preiset Gott, haltet seine Gebote und ge- denket der Vergeltung im Jenseits. In 27 Strophen. Erste Strophe: au, oddax odan ass id) ax ID 202 Saa> ume iso 1in9 „odan ‚usa „Son uns 52 A an Der Verfasser nennt sich in Str. 26: 1HAD05> Sams. wand 5 28 28% 2180 20* 190 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. Mit seinem Wohnorte an der Persischen Grenze harmonirt das mehrfache Vorkommen von Eranischem Sprachgut. Dasselbe Gedicht Arabisch in S. 224 Bl. 50”. Von David aus Nuhadhrä, der Landschaft nordwestlich von dem Gebiet von Alkös bis zum Khdäbür und vom Tigris bis zu den Bergen, sind zwei Gedichte überliefert, aber keine Angaben über seine Zeit. Aus der Überschrift in S. 336 Bl. 13°: 0 uroNnlo Ld2Tas Mord imasD 502 Zssan „As zus kann vielleicht gefolgert werden, dass er noch lebte, als diese Hand- schrift geschrieben wurde, d.i. 1883. Aus den anderen Stellen, wo sein Name genannt wird (Bl. 17” in der letzten Strophe des Marien- Liedes, Bl.93* in der Überschrift der Tenzone) ist weiter niehts über seine Lebensverhältnisse zu entnehmen. 1. 8.336 Bl. ı3°-ı7” Ein Marien-Lied, Gebet an die Maria in 65 Strophen, die Strophe zu vier reimenden Zeilen von verschiedener Silbenzahl (5-8). Erste Strophe: 1soäs0o la5> lxs m 1890..u050 13 135 Z2eösn 2a8a Re, DELIS “60 Schlussstrophe: 123573 imaon L 16a 10. Zi 13080 WEL “am ET AN „Iso 2. Bl.93°-ı00* Ein Wechsellied zwischen dem Cherub und dem Räuber. S. hierüber weiter unten S. 196. Zum Schluss ist noch eine Anzahl von Gedichten anzuführen. deren Verfasser in den Handschriften nicht genannt sind. 1. S.232 Bl. 92°-ı03* Eine fromme Betrachtung, eine Art Busslied. Grundgedanke: Erlöse uns von dem Übel. In 94 Strophen. Arabisch in S. 233 Bl.77°. Erste Strophe: 1559 ii 1 inpoLol 10 Halı, 123 185 1oäso Znd, Asa ul Hoaks ‚1.02 Liswas> iNas Assaxis “Ada gas Sacnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 191 2. Bl.103°-1ı07° Ein Lied von der Versuchung Christi durch den Bösen in der Wüste. Titel: 24,00 „3s> 15538 In 54 vier- zeiligen Strophen. Arabisch in S.233 Bl.85°. Erste Strophe: Asa aa Ko BAT «iso iai9 us1so PER ERS .Jondl> in5ois „I8so Diese beiden Gedichte erinnern durch Inhalt und Form sehr an die Art des Toma Singäri und könnten sehr wohl von ihm gedichtet sein. 3. Bl. 107’-ı23* Ein Busslied: Wir haben gesündigt. daher hat sich Gott von uns abgewandt — in Str. ı-ı1ı8. Von da an (Str. 119-247) eine Schilderung der Pest (Cholera?) in Akrd, Mosul, besonders aber in 9@&,9 im Jahre 1738 n. Chr. Sie brach in Pioz am 20. April aus, nachdem sie zuerst in Akrd und Mosul aufgetreten. Der Dichter zählt ‘die Verluste auf, welche die einzelnen Häuser er- litten, indem er die Familien, mehrfach auch einzelne Personen mit Namen anführt. In 247 Strophen, die Strophe zu drei reimenden, siebensilbigen Zeilen. Arabisch in S.233 Bl.S8°. Erste Strophe: si 20x 2.sax AN ACH As, 2180 ‚Asso JSas ano Anfang des Berichts über die Pest: 10V Asolip Zaxs 11350 wo5asmaNln .1sAos uni 184; Der Dichter schliesst mit einer frommen Betrachtung, beginnend mit Str. 214: wa AA L 0 Laeä.ds Nis 2180 „LS 1850 us2s Von wem und wann dies Gedicht geschrieben sein mag, ist aus dem Gedicht selbst nicht zu ersehen. Indessen legt seine Detail- Kenntniss von Sachen und Personen die Vermuthung nahe, dass er nicht lange nach dem Unglücksjahr, d. i. 1738, gedichtet hat. 4. 8.336 Bl. 82”-84” Ein Iyrisches Gedicht, Liebeslied von Mämö (einem Mädchen aus Nisibis?), in welche ein Bischof von Adhar- baigdn verliebt war. Erste Strophe: 192 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. ‚in, RE) wu 28 5asäx wo lsoäso 192 das Ausona2 ZAaÄSısn0o 155 Lois 5. Bl. 84’-87” Ein Hochzeitslied, theils Altsyrisch, theils in der Vulgärsprache. Zuerst ein Wechsellied zwischen dem, der draussen ankommt, und denen, die schon im Hause versammelt sind (Altsyrisch); dann ein Wechsellied zwischen dem Wein, Becher, Krug und Schlauch (Fellichi). Anfang des ersten Theils: ‚Aad 0 iN2> 007 And Aml REN saras RT) Anfang des zweiten Theils: “Asia lisa lmn „ss so ia „Anadx Asaso „sd 185 olo uAXE «mn? 0lo Dasselbe Gedicht Fellichi und Arabisch in S. 343 Bl. 19‘. 6. Bl. 79°-82” Zwei weltliche Wechsellieder, Tenzone oder Contrasti.' a) Bl. 79* Streit der Monate, wer der schönste sei, in 17 vier- zeiligen Strophen. Fellichi und Arabisch in S.343 Bl.ı4°. Erste Strophe: JSasmi 2a mi SasA som? wDcrso „Soiuo 233018 !äsno „wsanaıs “md 1900 b) Bl. 80’ Wechselrede zwischen dem Golde und dem Weizen in 19 vierzeiligen Strophen. Fellichi und Arabisch in S. 343 Bl. ion Erste Strophe: li ZNomäx uöN ul „Omo5No „us lid 210 1505 ‚sand as orse 1ul> 7. Bl. 87’-100* Vier geistliche Wechsellieder. a) Bl. 87” Wechsellied zwischen dem Teufel und der Sünderin: 21. mo 1555 In 29 Strophen. Fellichi und Arabisch in S. 343 Bl. 22°. Anfang: ! Vergl. Gasrary, Geschichte der Italienischen Litteratur I S. 135. u Sacnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 193 ana 181.2 Don „Bu Nm ou wos 18 10x Amnäs Tas lölso sn au 2äduo El ns 15 Als AA Loop ats nad, 2 G, Z2imulo .2ATSSo Las „o b) Bl. 89” Geschichte von dem Zusammentreffen zwischen Petrus (Simeon Kephas) und Simeon Magus in Rom und Dialog zwischen ihnen. In 10 Strophen, die Strophe zu 1o Zeilen. Erste Strophe: 15.20 „osx 2502 Han 100005 AN82 1xia „amual 280m Sovaxo Lk, 1558 10a Han Lusfo o34N0.s Joino 2äumno „Jasio Luocäd Ns nd ‚SS >53 „asi> c) Bl.gı” Ein Wechsellied zwischen Maria und Christus, der ihr als Gärtner erscheint. In ı3 vierzeiligen Strophen. Erste Strophe: du 13289 Zaxans as aa in Nun 2iu2 ua „20? a dp ia d) Bl. 93°-100* Wechsellied zwischen dem Cherub und dem Räuber (s. 8.196). Aus dem Titel Au 1so3so 1o.Ä> 2Nia 50? >»03>2 könnte man schliessen, dass David (aus Nuhadhrä) auch der Verfasser der vorhergehenden Wechsellieder sei, aber im Vorhergehen- den ist sein Name nicht genannt.' ! Von den im Vorstehenden verzeichneten Gedichten sind neuerdings heraus- gegeben von Dr. Lınzuarskı, Die neuaramäischen Handschriften der Königlichen Biblio- 194 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. II. Eine Tenzone von Narses. Alt- und Neusyrisch. Die religiöse Poesie der Syrer erlebte nach ihrer Begründung im 4.—6. Jahrhundert durch Ephraem, Balai, Isaak von Antiochien, Narses, Jacob von Serügh im Osten ihres Sprachgebietes eine späte Nachblüthe im ı3. und 14. Jahrhundert, wo eine Anzahl. begabter, des dichterischen Wortes in hohem Maasse mächtiger Männer wie Wardä, Khamis und andere den alten Wein in neue Schläuche gossen, indem sie vermuthlich im Zusammenhange mit Neuerungen im Gesang Neuerungen und Variationen in der Form durch Reim, einfache und doppelte Reimketten, kunstvolle Strophenbildung, Einführung eines Prologs und Epilogs, Refrain und anderes anstrebten und einführten. Die Syrische Dichtung und Litteratur überhaupt geht mit dieser Nach- blüthe zu Ende, aber der Brauch und die Fähigkeit, in Syrischer Sprache zu dichten, hat sich unter den Gebildeten der Nation bis auf den heutigen Tag erhalten. Den Übergang vom Alten zum Neuen sehen wir in der Person les oben erwähnten Priesters Israel aus A/kö$ an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts verkörpert. Das Neue ist die Einführung der Vulgärsprache, denn die dichterischen Formen, welche Israel und seine Nachfolger wählten, sind schon sämmtlich in jener letzten Blüthezeit der classischen Poesie vorhanden, und dass sie in den Gegenständen Anlehnung an Älteres suchten, indem sie älteren Dichtungen nach- diehteten oder sie übersetzten, ist nach der Natur der Dinge nicht anders zu erwarten. Neu und eigenthümlich erscheint auf den ersten Anblick unter (len Poesien der Volksdichter das Wechsellied, der Dialog in Versen, hier vertreten durch einen Trattato dei mesi, die Dialoge zwischen Gold und Weizen, dem Teufel und der Sünderin, Maria und Christus. Petrus und Simon Magus, dem Räuber und dem Cherub. Diese Dichtungsart war mir bis dahin aus der Altsyrischen Litteratur nicht bekannt. Wenn ich in $26 meiner Abhandlung »Skizze des Fellichi- Dialekts von Mosul« an gewisse Dichtungen des Narses erinnerte, so entstammte diese Combination dem Studium der Handschrift der Königlichen Bibliothek S. 174. 175. 176, welche ich für meinen gegen- wärtig im Druck befindlichen Katalog der Syrischen Handschriften der genannten Bibliothek zu bearbeiten hatte. Die dort ausgesprochene Vermuthung hat seitdem ihre Bestätigung gefunden. Die Tenzone thek zu Berlin, Weimar 1896 das Gedicht Nr.3 S.183, dasjenige von Hnänisö' S.189, übersetzt in Band 2 S. 283. 317; übersetzt ausserdem auch Nr. 5 S. 192, Nr.6 a und 5 in demselben Band 2. Ps ee TE Sacnav: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 195 der Felliehi-Diehter ist keine neue Form, sondern schon bei Narses völlig ausgebildet vorhanden, und die eine Fellichi-Tenzone ist eine Übersetzung und Bearbeitung einer Tenzone von Narses. Narses, bisher mehr dem Namen nach als aus seinen Werken bekannt, ist als Lehrer, Bibel-Gelehrter und Dichter einer der Be- gründer der Nestorianischen Kirche und Litteratur. Der Generation nach Theodorus von Mopsuestia (gestorben 428) angehörig, ein glühen- der Verehrer und Vertheidiger desselben, der mit dem Schwert der Rede ihn an seinen Gegnern rächen will, hat er in Edessa gewirkt und an der Schule gelehrt, dann (etwa nach 489), nach seiner Ver- treibung von dort, in Nisibis an einer neubegründeten Schule seine Thätigkeit fortgesetzt. An der Übersetzung, Erklärung und Ver- breitung der biblischen Arbeiten des Theodor hat er einen hervor- ragenden, im Einzelnen noch nicht genau festzustellenden Antheil genommen. Als Dichter ist er, gefeiert von seinen Landsleuten als die Harfe des heiligen Geistes 23aU>2 Luo3>2 ZAsa. der erste und älteste Sänger seiner Nation, sein Beispiel hat die nachfolgende Entwickelung mächtig beeinflusst, und seine Gesänge leben noch gegen- wärtig im Gebrauch der Nestorianischen Kirche fort. Narses hat nach der Überlieferung der Syrer eine Sammlung von 365 grösseren Gedichten 2339230 geschrieben, von denen 25 in der Berliner Handschrift vorhanden sind. Die Zahl 365 wie die Angaben der Handschrift, dass jedes einzelne Gedicht an einem bestimmten Tage des Kirchenjahres vorzutragen ist, weisen darauf hin, dass der Dichter seinem Volke eine Sammlung von Gesängen der Andacht und Erbauung für das ganze Jahr, vermuthlich bestimmt für den Vortrag in der Kirche, geben wollte. Von diesen 25 Diehtungen zeigen neun eine Gliederung in zwei Theile, den eigentlichen Memrä und die Süghithä, was sonst mit Klagelied, Elegie oder dergleichen übersetzt zu werden pflegt, hier aber ein Wechsellied, eine Tenzone bezeichnet. Dem Dialog geht eine kurze Aufklärung über den historischen Zusammen- hang vorher. Es wird z.B. erzählt, wie das Christuskind geboren, wie die Perser durch den Stern darauf aufmerksam geworden, wie sich die drei Weisen auf die Reise begeben und vor der Krippe angekommen sind, das Kind angebetet und ihm Geschenke dargebracht haben. Dann beginnt das Zwiegespräch zwischen der über diesen Besuch er- staunten Maria und den drei Fremden. In anderen von diesen Tenzonen wird das Gespräch zwischen drei und vier Personen geführt. Die neun in der Handschrift vorhandenen Dichtungen dieser Art sind folgende: ı. Bl. 46° Zwischen Maria und den heiligen drei Königen. 2. Bl. 59° Zwischen Maria und dem Engel. NP m . or v . . b nJ 196 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. 3. Bl. 71" Zwischen Christus und Johannes .dem Täufer. 4. Bl. 83” Zwischen dem Volke, Johannes dem Täufer, der Kirche und Herodes. Bl. 125° Zwischen Nestorius und Üyrillus. Bl. 148° Zwischen Kain und Abel. Bl. 173” Zwischen Christus und den Pharisäern. Bl. 215” Zwischen dem Cherub und dem Räuber. 9. Bl. 228” Zwischen dem Könige (dem Verfolger der Märtyrer) und den Märtyrern. Ob Narses die Form des Wechselliedes erfunden oder ob er sie aus der Griechischen Litteratur entlehnt und welchen Vorbildern er nachgedichtet hat, mag späterer Untersuchung überlassen bleiben. Der Dichter erscheint in seinen Schriften als eine mächtige, eigenartige Persönlichkeit, und dass er auch in der Litteratur seine eigenen Wege gehen konnte, beweist seine epische Ausbildung der Josephs-Geschichte (Handschriften der Königlichen Bibliothek S.219 und Ms. orient. quart. 802); doch wird man a priori die Nachbildung eines Griechischen Originals für das wahrscheinlichere halten. Das achte der eben aufgezählten Wechsellieder liegt uns in der Volkssprache in der Bearbeitung des David von Nuhadhrä (s. oben S. 190) vor. Dass auch die anderen geistlichen Wechsellieder im Fellichi zwischen Maria und Christus, dem Teufel und der Sünderin, sowie zwischen Petrus und Simon Magus ebenfalls dem Narses nachgedichtet sind, ist wahrscheinlich, kann aber erst durch weitere Handschriften- Funde und Studien bewiesen werden. ann OQ\caı Wir geben im Folgenden: 1. Die Sughithä des Narses nach S. 174. 175.176 Bl. 214°-217®. 2. Eine Deutsche Übersetzung. 3. Die Fellichi-Version des David von Nuhadhrä nach 8.336 Bl. 93°-100%. 2380102 21f cam Nam Bas inod.ues ı PEN NEON 10.‘ 39 gl» as wa mänpAl) ‚us 185 Joaio wos Sao xolo iNasI 38 2 Six ano 1240 19808 Sax NH 2a o AI 185 oNasıdo u nu anne SacHau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. A094 32 180 wB0 männl AS A209 10 Joan wos 3 AuNlD Lusax 0050 .<3 Au2023 aim Zaml Auoi> As „An Al as Ass loc ou aaa 285 Zul asor Nm > Las m So 8 a0 1a. in mASAS 952 155 iu 1a wo 155 2854 .ioc mA mp2 Sasın 2äu0 ul A002 ad NOAuN2 2080 Aus 1202 ALsorsl 2044 as As 2550 Airo 0 Aado isoda loc Amx ad ı1s5as 204880 2007 „ad> 1x vouln „Sol acro ZNsam 00 Hr we Zink „S is: NuNZ aulo Asl 185 80 28 Haas 2a&s 2nulo "adinl Ne) „I uxdo RN do „> SD 252 As Sax „So ud „Io Ass 1ando Au 10 28 2122 wuz Y30 2 fo] 197 15033 198 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. gAin log Dun Zus 10 15033 ax Ko Mu 2582do Haus 0 las? lu ax a as Nasa 4 war 002 252 us ıı adaal 1do Aunlo Abas Aassıı 05 «ad Aa a2 ul Sasi> Auflo Abs0l> ul Asl 210u\ 12 130533 san 28 Su „5Nlo is od moi 00 um NL, indol Zilk I Yaser aal,axio oo 20 13 8 nl sosi25 loc 1\o As a2 20 “aan 280 .Naxn2 So Sasio Ag 4 ann Do „Ban 007 Su 14 15033 zasan 20 asax oc Las 15x wcodan Zr ‚288 uNlo Auitel ulo 4 A022 gul H5A2 oo Sup 15 sa5 1dıde HA? 2028 sad 007 1 Luwo5 ‚SI 28 soN «usxo “was zpl) 100“ „0 dor 16 150553 »S 12 2 NS 2 DS 21\ 20 gasi 00 Al, 2m 28 As2 Ss I Sacmau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 199 ’ Mom zalD 1190 „0 da 17 „Asax Ss Y3% oa A5 Ag 1850 ad us5Alo ‚NE 5A ER wo waso 1285 sna> No 18 15033 8 Nass 2108, Zul 105 3axlo Dasn Aslo „giul 0 23123 25528 r 1Ie Ba? 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Februar. 215 0 “arms onäl 24 iso32 1238 21al52 105ad ul 1\o 1897N0 1532 2X ‚149 os iNls> ocıslo 4 waasi ausd a8 19 md, 25 mal ads 108, 2.853 as 0 1 2säs "mat AL aasaa Aso Nuam 2AIM ZI Wan 26 15033 and ad 205 2ander Aan 2212 oaado> ic .19 so No 159 .adıa [97 I AD ZNIm Hin Kar io Änml> >28 venäx> Sax al no ins zunio „od AGlo DorBl> usbaxo Asa ulo uAul 1030 28 150533 Ssio „> nie Is 1a290 No 152 is5as And ia a2 35 Aslo I „ Aal AmO uNaZ Ya 29 &o „I 82 iok> 20 “300 «0 ass Sax z30o „wadax 002 is2 Au Io »S Sası> as2 ax 28 30 13053 AD 18 1sor 25823 md als ZNsK „and a8 las Luwodo Sıcnau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 201 ss na as2 was 28 31 RN oAxlo im D Acıd as AS uns 2dune NA Soä> 1o5ad ul No & Ssuax 28 Zuän w 32 13032 189702 153u06 15055 “a8 Ask dor älad „ads; 85 222 us wo Sum 18 As2 2 0 33 era „also Hin Aus io ll ld undo „2007 A532 “8 voransdsp I 1289710 153u0 Zas 34 15033 235 u Lu uldo iasal 2 za) AHio Au 28 22002 Aslo 4 NSUREL Klar OLCH X 3 Lou 73 133u0 LuW052 23x 03 15 5eko .‚uSAS 5 ml, zı2lo nd N las vB20 36 15033 won 285 1xino 2482 ua No 1xia luup oA Ausdo 23543 85) SI „S Adwils ixino Zäsw wP5Rano uam 24une 1saä „oo läs> arme „Bde „So nwras „ao 202 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. ws aus Ama Is 103 „00 wasoähs 1 Aäs0l>2 gl 1saul Aslo -AmANO And, TEKus SI as Ani As ad due Walls 2cro saa os 2AIu 220 ans add 7328 saausdsn ul N) 12033 PARK.) Ha imı Ana oda sau 1x ‚2383 & 23033 1050 scan 28 180 ms 25g HA%0> gut Nax oc 2ix S sun 282 200 DIA DI Budz .2 um Soul sau ul. as dani? 132 wisse 18 asaay Io Auso ix ‚ie 12072 ad Sax ın s5A 1m 2ä5> aus, „ao S a5 1002 00 2007 iı.xo ie\ 05 ad Aus .ıaos 28 «au Lubolo wW3DO maX 035 RW A007 „ad 1sıx 19529 SI au 202 2 NE Nas 2132 wie 28 38 3% 40 41 44 1so33 4 15033 4 15033 1 18033 u [89] [==] MS Sıonau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. Nocı ixssi> 208 nmus 45 sod5äl mo 0007 “ua? om as liuso 1soda „aA „aaa , „ad 1559 1m ass 46 15053 (Bl. 217”) oo am? z>l2 woroadı afaas Do 20.1 Jos BAER 25 amd I “BD On wuiXo as 47 12% ano 03m „Tammd> Om mas 105 62 „0a Zu una ot sl> Isimo 18 48 19033 „oral ‚o ale 24.09 salz 28 085 2, H nuAzrlD A dI 1usax 49 AdimAls 18515 Zar wu 003 1d.ue asus „sedl 28 .ambao wo Sa> 23% & INWDON 50 13033 1007 mäl> >18 Ausın Sıx an5> L1oulso „1007 Iuml? 185Nd uonamäs gas SD non ion z>ıd 1a, 200 ads apsso> 2518 sd Sitzungsberichte 1896. 21 on - 204 Cherub Räuber Cherub Räuber Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. Io II Übersetzung. Bei der Kreuzigung habe ich ein Wunder geschaut, Als der Räuber unseren Herrn anrief: »Gedenke meiner, o Herr, an dem Tage, da du In das unvergängliche Himmelreich eingehst.« Er brachte sein Gebet dar Dem gekreuzigten König und bat um seine Gnade, Und der Gnadenreiche erhörte seine Stimme Und gewährte Aufnahme seinem Gebet. »Gedenke meiner, o Herr«, rief er am Kreuze, »Wenn du in jenem Reich dich offenbarst. Und in jener Glorie, in der du kommst, Werde ich deine Gnade sehen, da ich dich bekenne.« Der Herr sprach: »Weil du mich bekennst, So wirst du heute mit mir im Paradiese sein. Vertrau, o Mann, dass Niemand dich verhindern soll, In das Reich, auf das du schaust, einzugehen. Nimm als Zeichen das Kreuz mit dir Als den gewaltigen Schlüssel, mit dem Die grosse Pforte des Paradieses geöffnet wird, Damit Adam, der einst verstossene, wieder eintrete.« Das Wort des Herrn, ein vom König Untersiegelter Befehl, Wurde dem Räuber übergeben, Und nachdem er es empfangen, ging er zum Paradiese. Das hörte der Cherub, eilte herbei, Packte den Räuber am Thor, Hielt ihn zurück mit seinem Schwerte Und sprach also zu dem Erschreckten: »Sprich, o Mann, wer hat dich geschickt? Was willst du? Wie kommst du hierher? Welch ein Grund führt dich her? Verkündige mir, was dich hergebracht.« »Ich will dir sagen, was du zu wissen verlangst. Halte dein Schwert zurück und hör meine Worte. Ein Räuber war ich, um Gnade habe ich gebeten, Dein Herr schickt mich, dass ich hier eintrete.« »Welche Macht hat dich hergeführt Und zu diesem majestätischen Ort gebracht? Wer hat dich durch das Flammenmeer hindurchgeführt? Wer schickt dich, dass du Eden betretest?« »Durch die Kraft des Sohnes, dessen, der mich schickt, Bin ich hindurchgedrungen und hergelangt unbehindert. Durch ihn habe ich alle Mächte überwunden Und bin hergekommen, um einzutreten, wie er mir versprochen. « — | Sıcuau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 205 Cherub 12 »Du bist ein Räuber, wie du sagst. Unser Ort hier lässt sich nicht stehlen. Sein Gehege wird durch den Speer geschützt. Drum geh, o Mann, du hast den Weg verfehlt.« Räuber ı3 »Wohl war ich ein Räuber, bin aber umgewandelt, Und nicht zum Stehlen kam ich her. Sieh, den Schlüssel Edens habe ich bei mir, Zu öffnen und einzutreten ohne Hinderniss.« Cherub 14 »Schrecklich ist unser Ort, nicht gangbar für dich. Feuer umgiebt ihn wie eine unerstürmbare Mauer, Das Schwert flammt um ihn herum. Wie konntest du dich erfrechen hierher zu kommen ?« Räuber 15 »Schrecklich ist dein Ort, wie du sagst, Aber nur bis dein Herr gekreuzigt ward. Er hat den Speer des Leidens aufgepflanzt, Und jetzt tödtet dein Schwert nicht mehr.« Cherub 16 »Seitdem Adam verstossen, Habe ich keinen Menschen hierher kommen sehen. Dein Geschlecht ist aus dem Paradiese verstossen. Du findest keinen Einlass. Streite nicht.« Räuber 17 »Seitdem Adam gesündigt, Zürnt dein Herr unserem Geschlecht. Er hat sich aber versöhnen lassen und das Thor geöffnet. Darum ist es überflüssig, dass du hier stehst.« Cherub 18 »Du musst wissen, dass ein unreiner Mann Hier nicht eintreten kann. Du hast getödtet und Blut vergossen. Wer hat dich zum Ort der Gerechten gebracht ?« Räuber 19 »Wisse, dass dies der Wille ist von dem, Der die Unreinen rein macht, der mit mir gekreuzigt worden. Mit dem Blut seiner Seite hat er meine Sünde abgewischt, abgewaschen, Und er hat mich zum Paradiese geschickt. « Cherub 2o »Geh, o Mann. Streite nicht. Ich handle nach meinem Befehl. Den Lebensbaum, der hier ist, Werde ich mit dem Speer gegen euer Geschlecht vertheidigen.« Räuber z2ı »Geh, o Wächter. Lern und sieh. Die Frucht des Lebens in deinem Garten Habe ich verlassen, wie sie auf Golgatha hing, Damit unser Geschlecht frei hier eintreten könne.« Cherub 22 »Adam und Eva haben einen Schuldbrief geschrieben, Der nicht getilgt werden kann. Durch Urtheilsspruch sind sie von hier vertrieben, Dass sie auf der Erde der Dornen in Niedrigkeit leben sollen.« 21* 206 Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber 23 197 pe {9} in 26 tf 28 30 32 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. »Hör, o Cherub: Die Schuld ist getilgt. Der Schuldschein ist an das Kreuz geheftet. Mit Blut und Wasser hat dein Herr ihn ausgewischt, Mit Nägeln hat er ihn zerrissen, ohne einen Lohn zu erhalten.« »Euer Geschlecht ist aus dem Paradiese vertrieben Und kann auf keine Weise hierher zurückkehren. Die Schneide des Schwertes wird geschwungen, Und wenn ihr kommt, wird sie euch treffen.« »Der Vertriebene ist zum Hause seines Vaters zurückgekehrt, Denn ein guter Hirte ist ausgezogen und hat ihn gefunden. Das von der Herde verloren gegangene Lamm, Er hat es auf seine Schultern geladen und heimgetragen.« »Heute habe ich etwas Neues erschaut, Eine Spur, die in das Paradies führte. Die Spuren Adam’s habe ich gesehen, Der von hier vertrieben wurde und nie zurückkehrte. « »Jesus, dein Herr, hat das Neue gewirkt, Dass er den gefangenen Adam ausgelöst hat. Er hat die Todten aus dem Scheol erweckt Und hat mich vorausgeschickt für sie das Thor zu öffnen. « »Ich bin der Cherub. Wie konntest du eindringen In die Wache, die mir anvertraut! Aus Feuer bin ich, unbesiegbar, Du aber ein Adamssohn. Was erfrechst du dich!« »Ich bin deinesgleichen, und wir beide Haben einen gemeinsamen Herrn. Seine Macht ist erhaben über dich und mich. Ich fürchte mich nicht, denn er hat mich gesandt.« »Du darfst hier nicht eintreten. Dieser Ort wird nicht betreten. In ihm wird die göttliche Majestät gefeiert, Und das Flammenschwert behütet ihn.« »Du kannst Niemanden mehr zurückhalten. Dein Schwert ist stumpf und weich geworden. Das Kreuz hat das Paradies geöffnet, Es kann nicht mehr verschlossen werden. « »Hast du nicht aus der Heiligen Schrift vernommen Vom Cherub und dem Schwert, das geschwungen: wird, Den Weg zum Paradiese zu beschützen, Damit das Geschlecht Adam’s nicht eindringt?« »Hast du nicht aus der Offenbarung gelernt, Dass dein Herr herabgekommen und unseren Leib angenommen, Dass er sich mit dem verstossenen Adam versöhnt, Auf dass er, der gezürnt hatte, ihn in das Paradies zurückführe?« 2 nn nn Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Räuber Cherub Sacnav: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 207 34 35 36 38 39 40 41 44 »Das Flammenschwert wird geschwungen Und behütet den Baum des Lebens. Es erschreckte den Adam, als er gesündigt hatte. Wie kommt es, dass du dich nicht fürchtest?« »Bei mir ist das Zeichen deines Herrn, Das dein Schwert stumpf macht. Es hebt den Urtheilsspruch auf Und führt den vertriebenen Adam zurück.« »Die Ordnungen der Engel stehen hier, Tausende, unzählbare, Majestätische Schaaren. Nicht kannst du unter sie treten.« »Die Ordnungen und Schaaren, von denen du sprichst, Erblicken das Kreuz und erschrecken. Das Zeichen des Sohnes erfüllt sie mit Ehrfurcht, Sie beten es an und erweisen mir Ehre.« »Das Zeichen meines Herrn ist auf dem Wagen, Ruhend auf dem Thron und vor uns verborgen. Wie kann es sein, dass du, wie du sagst, Sein Zeichen trägst und hältst?« »Oben ist seine Majestät auf dem Wagen, Unten ist sein Kreuz auf Golgatha. Mit seinem Blut hat er eine neue Urkunde geschrieben, Adam in das Paradies zurückzuführen. « »Der du Blut vergossen, wer bist du? Der du Menschen getödtet, wer schiekt dich? Das Schwert flammt dir entgegen, Die feurige Waffe wehrt dich ab.« »Diener des Königs, erschrick nicht. Aufgehoben ist die Vollmacht, die dein Herr verfügt. Das Kreuz bringe ich dir als das Zeichen. Schau es an und bezwinge deinen Zorn.« »Das Kreuz Jesu, das du mir gebracht, Wage ich nicht anzuschauen. Es ist wahrhaftig und schrecklich. Ich halte dich nicht mehr zurück. Tritt ein in das Paradies, denn so hat er gewollt.« »Das Kreuz des Herrn hat das Gehege durchbrochen, Das bisher uns von euch trennte. Der Zorn ist erloschen, der Friede gekommen, Und der Weg zum Paradiese verwehrt Niemandem mehr den Zugang. « »Der Getödtete hat sein Blut (am Kreuze) hergeschickt, es mich schauen lassen, Damit ich das Schwert, das ich hielt, fahren liesse. Schrecklich ist das Zeichen, das du mir gebracht. Ich gehorche. Tritt ein als Erbe des Paradieses.« 208 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. Räuber 45 »Die Auferstehung ist den Menschen zu Theil geworden, Die aus ihrer Heimat vertrieben waren. Cherube und Engel, freuet euch mit uns, Dass wir in euer Reich gelangt sind.« Cherub 46 »Gross ist die Gnade, die euch gekommen, Ihr Kinder Adam’s, die gesündigt hatten und gestorben waren. Geh ein, o Räuber, ungehindert. Das Thor ist offen für die Eintretenden.« Räuber 47 »Gross und gepriesen ist die Gnade des Herrn, Dessen Gnade und Liebe mich geschaffen. Ihr Engel, freut euch mit uns, Dass wir mit euch vereinigt worden.« Cherub 48 »Das scharfe Schwert, das ich trug, Hat das Kreuz von euch abgewendet. Ihr heimgekehrten Vertriebenen, fürchtet euch nicht, Tretet ein in das Paradies mit Jubel.« Räuber 49 »Preis im Paradiese, dass ihm Friede geworden. Heil auf der Erde, der Befreiung geworden. Gesegnet das Kreuz, das mich in den Gottesfrieden zurückgebracht Und mit euren Schaaren wieder vereinigt hat.« Cherub 50 »Ich bekenne dich, o Herr des Weltalls, Der du den verstossenen Adam zurückgeführt Und durch den Räuber, der deine Gnade anflehte, Das Thor, das verschlossene, geöffnet hast.« Räuber 51 »Ich bekenne dich, auf dessen Geheiss Der Räuber in das Paradies eintrat, Der du dem Menschen die frohe Hoffnung bescheert, Dass er zurückgekehrt in die Heimat, aus der er verstossen war.« Felliehi. „u sofa „B0> ZNadıme as ı/ı waaaA 2ämılo AH „am Zul Han Soron Horasiut Hormduiz 10cus BAR 152 1 Na 2 Hau and al} .nn 13 .Na0> mau WN50l inass 2/2+3 1238 ls od ou au mo 136145 2238 nas ou> 150 2No ‚132% >15 yoranis usaaa uaAm lim Han SacHau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 2,2 „Amo W500\n 1sas wis I oauo Nocıas „2 Lowäds aup2 1oul ol 8500 18. ui us gadı, Sad (Bl. 93") „Au,amma Lownä9 aaad> ao Sau url Aa ZN 2a > 1H0da 18ımx Nies 2258 zaXso 181,83 No\uo FD aNaso als 2äso 156455 oc Hano ‚in Ho arwl inasas Wudaxio yoazsma wo 122 251 2 „Au, 5amul gadau 1218 u2 Aau2 wo Aiun 100 godgm 28 Homis yon? 2a 1mulo Hosassaa> lol 1 Atirdo warn Hall, «Awlaso Has „aA Zap 152 gad25 wo oa galk no yasind nase Hoi waaman dor 1222 ws (B1.94°) „gads awäs 80 aan So .noAx zas goiudul Wo Du 2025 A Samul Ygohzoän WNuocr 92 „oäksy 1sl> 2502 up2do Homs 200 93 Znsie ldasp 1 .‚HoNoads «282 ZI Ad0l> 2A “Aimse Loc ID ERANET 11032 us “Asi 1uocr 28 1x2 also „unse SäSo “Apaad “sn am iihsan Sal NAD 15082 Aulo uSuAul icdo 1630 „Nun 152 gamas Asia Aul 10a 24 zu 2hndol Aso 26 ads ad 52 yalıa Le (Bl.94°) „lasäs,sa 152 2nsk up2 20 24 502 209 3/4+5 4/7 5/8 1803 OCT N /ı0o 15033 9/12 15053 210 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 13. Februar. „d\saro io iaso „Alan 10 10/13 Zaud u 102 dp 2a 20 2880 2 Kun asp Was 8 > Liu 1x2 18 No „56230 mAd>o usa udn No „5a Wslras 11/14 Zsoia 15V in So Lade adax I 2ias 1xsäs 2 zsoäö> 1uSo öra 1siu ‚is 22 185 282 galıno Naala ul 420 4 yoamui> 92 HodNl Dias 203 1so32 4 12/15 ‚goie Not z0u0 382 2004 aup2 Is gadlaxz „> Ninma oc 1x5 Luwos (Bl.95°) „gas&s0> orol Auors Hgosimo I gsixo DASS 2 wo z21 gasıs> inc. 02 „o 13/16 1s0än Nun 28 282 ixs2 1n5 un 21 Ho oin I 120 insi> oo “onamsik 82.ä4, ‚Ausaa 28 1232 2502 52 do 2 Aslce 29 4 Hamas Z1SK, ZN Zap 1soda 1. 14/17 Hoi 260äAl „2 PERS „io gadın 262.2 Lead 252 baten geoladama 122 1muä, 21302 gro wog > Alm Aloma 20 2 15/18 1soäa wasa 28 222 5oi Laie 2äuf > 3 so Yasoas 12 1adzo Au 86H ‚Wis L Hobassa ww 15105 FEISAN 25685 2ä80 (Bl.g5’) AAats 43072 Alan aaa 16/19 2A 2a, änsan 2, 2x9 um2> 202 1oäno har Sa Nas audpp 1025 ‚amd Lim insk 228 waren ocılo SıcHau: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 10 Aocı No Alan Zi L 10 1 ZN 2 Ar ac 1mdam 02 1AH> Hain La ul ‚132 „onamsl 152 IN Lwois zas Doris 20 uno Sol, isoin L 10 Döspoima gonsk> aksp up 25142 Dad Laos Sa 2daltis ‚Döloauıp 92 “doiss us 015 lcipo mom > 320 ulsorn zinlo lau warm 21.59 (B1.96°) da 285 2,8) 2a vous > ie „uds 205 Seh also uam 185 aninas 225280 2a Axdo Arides uonjoäs im ol las isoin L Aussasa „ou 8m oruS,s Zoo 2a rl Hoi wo 1025 ‚Nds 155 1äuso Zins Hals INS unl> om „anamık ULEN 0 “15 228 „oma 515 13 „anohlo 20h, WAsan. 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Februar. 8302 1195 Hoi Lunar Naosms0 liuoul la, 1) 1Wäxsan Amis uomslo Sax no na Nuyano ‚Is0Lsa> 1n5ol mAS> waren Zcido 132 gadına „Aiax iso 152 «0 1öoin 13 galsoNo yadiä.io Hadıms H>0 na Do u udn 180 -aidas ‚io Aa,saml Lu (Bl.97') »>2 Päy Actlo Ho5os “Ixto gaxiV „nz dor 252 goan oH0 warmen oval wäs Has0o wi aranan us5 155 220 Hoi no? „ad Nanan ocrl> «inia 280 131 1slo Abo» gas „Aus L no ki a u ua 28 „5A uplo 12180 In 0 Z2Nmos imdn als Zhuar .ia2 Ahoi in 5ds 122 Hohl 180 1072 1x1) Assop 28 Lian 18 27%0 2nälsals ixdo gasiu Nors ol pas “an AI ads 28, „1073 na > in EC 13 YoaSo godıax 28 0 Las (Bl.07”) 2m gras gadacd 18 15iu0 1sohno Ba imaoa gadun5 araks> 1502 Zar uän ‚Hadin 92 Aulo inl wol 185 mp2> 282 oa gadıax 8 ul 281 wo 15030 1 goan “als Auılo Lux no 2Iaas> gedS 1näl, 2sop mp 2 Nouno aböpän ad mal 2h2amap 24/27 20h 25/28 13033 27/30 13033 4 28/31 29/32 23033 r 39/33 SacHAu: Über die Poesie in der Volkssprache der Nestorianer. 233855 Has Isiuo Zlias lol 2 24 in ul 2oupäds Aul> La> 11 Sad Nöisamno Zauo z>id Nanan ‚lau Han „A omsalın Alias 28 Hp Aulo wol Aul lo? 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Von Franz MERTENS Professor an der Universität in Wien. (Vorgelegt von Hrn. Schwarz am 30. Januar [s. oben S. 71].) Die grösste Schwierigkeit bei der Bestimmung der Gaussischen Sum- men besteht bekanntlich in der Feststellung eines Vorzeichens. Man findet für die Summe Sl s’2ri = (DE 0 bei ungeradem n leicht die Gleichung n-1 S®—=(-1)?’n und es ergibt sich, wenn n-1\? sl) gesetzt wird, Rn: Um aber R aus dieser Gleichung bestimmen zu können, muss man wissen, ob R positiv oder negativ ist. Dies lässt sich in folgender Weise entscheiden. Man hat zunächst die Gleichung : in—l sei (14:)S = > Man gelangt zu derselben, wenn man in der vorstehenden Summe die Glieder mit geradem s von denen mit ungeradem trennt. Die Summe der Glieder mit geradem s fällt mit S zusammen. Der In- begriff der Glieder mit ungeradem s wird, da man s durch n+2r ersetzen und r alle ganzzahligen Werthe von 0 bis n—1 annehmen lassen darf, n—1 m —= De ee eh m — (N ® z — vs. 0 218 Gesammtsitzung vom 27. Februar. — Mittheilung vom 30. Januar. Weiter ist Zn—l sm An—l geri 2n n Den 20, 0 0 Zerlegt man nämlich die Summe Bn—1 semi m >> en" 0 in die Summen 4n—l si 8n—1 Sri (1) Der, PRIZE 0 An so geht die zweite derselben nach Ersetzung von s durch 4n+s in An—1 s’ri >I5); en 0 über und es wird 4n—1 2_: sm T=,(1+-1))e®. Da hierin die Glieder mit ungeradem s fortfallen, so folgt nach Er- setzung von s durch 2s ml gi = 2> GER 0 Andererseits geht die zweite der Summen (1) nach Ersetzung von $ durch 82—s in Aa HE m gi Sen Bez 1 f) über und es ergibt sich 4n—1 Sri T 2>, en 1) Es wird also auch An—1 s’ri (1+:")S ar (ders i)R Eee, 0 und daher An—1 An—1 R 2 cos 8s’w — > sinss’w, 0 1 wo Er 7 .64n Diess vorausgeschickt, ist der Gleichung sin’(2s+1)’» — sin’(2s—1)'"w — sin 8sw sin (85’+ 2)@ | MERTENs: Über die Gaussischen Summen. 219 zufolge: sin’(2s+1)’o — sin’(2s—1)’w sin 8s@ : Summirt man von s—=1 bis s=4n-1, so ergibt sich sin (8s°+ 2)» — cos 2w sin 8s’w + sin 2w cos8s’w — sin’3’w—sin’w sin’5’w— sin’3’w cos 2wR + sin 2w(R —1) — SET Erle sin’(8n — 1)’o — sin’(8n — 3)’w RR sin 8(4n — 1) Wird diese Gleichung in der Gestalt sin® sinso N; 1 1 3er 5 + sin’3’w (00 a) tl ] 1 (cos 2» + sin 2w)R — sin ® (= An sins® sin 16w sin 16® sın 24w eier 2% 1 j sin’(8n — 1)’@ sin 8(4n—3)® sin 8(4n—1)w) “ sin $(4n— 1)@ geschrieben, so sind alle Glieder der rechten Seite positiv; denn es ist sin 20 sin @ sin & sin 8@ und 1 S 1 = 1 ST 1 sin8® “ sin 16w “ sin 24w sin 8(4n —1)@ Es ist also (cos2»+ sin 2w)R und daher auch R positiv. Ausgegeben am 5. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1896. 22 IE Ä ei ie = 5 _ E EN AR EL a h Er $% Fr a: f; Mn .’ Ina u te N fin B um "a en 2 dis Fn | SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 5. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Warsure machte die umstehend folgende Mittheilung über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentwickelung. 2. Hr. Scuurze legte eine von Hrn. Prof. Dr. E. Serenka in München eingereichte, Ergebnisse seiner mit Unterstützung der Aka- demie auf Borneo und Sumatra angestellten Untersuchungen enthal- tende Mittheilung vor: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. — Dieselbe wird in einem der nächsten Stücke ver- öffentlicht werden. DD [37] Sitzungsberichte 1896. my; Ze “= a a b HR AAN aa PIERRE - id naliaere sb zum j” y Ps u .- 8 TE Be N 2270, wi, Br, Banl | rer + Shi Zerrinı WL An 17 / ı "a AL IALE un E zandıl N Pr: RK. Bien I ee ae . “ DU ‚ ) \ ıla8 SR (ar 4 j stanrraynd L . [BAESa, f h 0 erindi AT ers ® u B a j name ya Urs ainiän Pr 4 i Eu 2 L all ler AHA] KR. s alas IR Ft A u bg - I 5 2 u: r - ; A 5 u j 5 \ - a ee Über die Wirkung des Lichts auf die Funken- entladung. Von E. WARBURG. Su EL Im Jahre 1837 entdeckte H. Herrz' einen Einfluss des Lichts auf die elektrische Funkenentladung in der Luft. Zieht man nach Hertz die mit Kugeln versehenen Pole des Inductoriums so weit aus einander, dass der Funke eben nicht mehr übergeht, und entzündet in 1-4” Abstand den elektrischen Liehtbogen, so entsteht gleichzeitig mit ihm wieder der Funkenstrom und versagt auch wieder, wenn der Lichtbogen erlischt. Nach den Versuchen von HERTZ sind es die ultra- violetten, im Liehtbogen enthaltenen Strahlen, welche die Wirkung aus- üben. E. Wırpemann und H. Egerr” wiederholten und erweiterten diese Versuche, indem sie die Pole einer Influenzmaschine mit zwei parallel geschalteten Funkenstrecken u und v verbanden. Wurden die Elektroden von « so weit aus einander gezogen, dass die Entladung zwischen ihnen eben noch überging, so fand der Ausgleich der Elektrieitäten sofort bei v statt, wenn © mit elektrischem Bogenlicht bestrahlt wurde. Bei andern Versuchen leiteten sie den Strom der Influenzmaschine über eine Funkenstrecke und ein Telephon zur Erde. Je nachdem die ultra- violetten Strahlen von der Funkenstrecke abgeschnitten wurden oder sie trafen, war der Ton im Telephon unreiner und tiefer oder reiner und höher, folgten also die Entladungen langsamer und unregelmässiger oder rascher und regelmässiger auf einander. Ein wichtiges Resultat der Versuche von WIEDEMANN und EBErRT war, dass die Bestrahlung nur auf die Kathode wirkt. Harrwacns® zeigte, dass eine negativ geladene Zinkplatte, von ultravioletten Strahlen getroffen, sich in die Luft langsam und voll- ständig entlädt und sogar eine schwache positive Ladung annimmt, dass also die Wirkung der Strahlung nicht auf die Funkenentladung ! H. Herrz, diese Berichte 1887. S. 487. ®2 E. WIEDEMANN und H. Eserr, Wien. Ann. 33, 241, 1888. ® W. Harrwacas, Wien. Ann. 33, 301, 1888. [S} 224 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März. beschränkt ist. Diese Beobachtungen wurden von Harrwacns selbst sowie von STOLETOW, Rısnı, Bıcnar und BroxpLorT u. A., neuerdings besonders von ELstEr und GEITEL verfolgt und erweitert. $ 2. Die Versuche, welche mitzutheilen ich mir erlaube, betreffen die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung und haben mich hinsichtlich dieser Wirkung zu einer Auffassung geführt, welche von der üblichen, wie ich glaube, abweicht. Schon öfter hat man beobachtet, dass, wenn man die Potential- differenz zwischen zwei in einem Gase befindlichen Elektroden bis zu einem für die Entladung hinreichenden Werth gesteigert hat, die Entladung zuweilen nicht sofort erfolgt, sondern erst nach einiger Zeit. Doch hat erst Hr. Jaumans' neuerdings diese Erscheinung, welche er die Verspätung nennt, genauer studirt, gezeigt, dass sie nicht von störenden Umständen, wie Staub u. dergl. abhängt, und auf ihre Bedeutung für den Entladungsvorgang hingewiesen. Hr. Jau- MANN zieht nämlich aus dieser Erscheinung den Schluss, welchen auf Grund anderer Versuche bereits vor längerer Zeit Hr. A. TörLer” ge- zogen hatte, dass der Funkenentladung ein anderer Vorgang voraus- geht. Die Natur dieses Vorganges ist noch dunkel; seine Dauer hängt von verschiedenen zum Theil noch uncontrollirbaren Umständen ab, ist nach Hrn. Jaumann gross, wenn man die Potentialdifferenz zwischen den Elektroden langsam steigert, wird dagegen durch Schwankungen der elektrischen Kraft abgekürzt. Bei meinen Versuchen wird nun die Wirkung von plötzlich an die Funkenstrecke angelegten Potentialdifferenzen während einer sehr kurzen Zeit nach dem Anlegen beobachtet. Dabei hat es sich gezeigt, dass die hauptsächliche Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung darin besteht, unter diesen Umständen die Dauer jenes Vorganges abzukürzen. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt. $ 3. Vonden beiden Elektroden ı und 2 der Funkenstrecke (Fig. 1) ist 2 stets zur Erde abgeleitet, ı kann mit der Collectorplatte J eines Konrrauscn’schen Condensators verbunden werden und zwar erstens dauernd, zweitens während einer sehr kurzen Zeit. Im ersten Falle wird, nachdem der Collectorplatte eine passende Ladung ertheilt ist, die zur Erde abgeleitete Condensatorplatte durch eine Mikrometerschraube langsam von der Collectorplatte entfernt, und dadurch das Potential auf dieser gesteigert, bis der Funke zwischen ı und 2 übergeht. In diesem Augenblick wird das Potential der Collee- torplatte an dem mit ihr verbundenen Braun’schen Elektrometer E ab- 1 G. Jaumann, Wien. Ann. 55, 656. 1895. ®2 A. TörLer, Pose. Ann. 134, 217. 1868. nn Warsurs: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung. 225 gelesen‘. Um dabei der Verspätung Rechnung zu tragen, suchte ich zuerst einen Werth des Potentials, bei welchem die Entladung ein- trat und legte darauf ein kleineres Potential an; erfolgte die Ent- Fig. 1. ladung nicht in 5 Minuten, so nahm ich an, dass das angelegte Potential kleiner sei, als das zur Entladung nöthige, da ich 5 Mi- Fig. 1a. nuten übersteigende Verspätungen nicht beobachtet P habe. Darauf wurden wieder grössere Potentiale an- ern gelegt und das kleinste Potential bestimmt, welches da innerhalb 5 Minuten die Entladung bewirkte. Dieses I Potential nenne ich die statische Entladungspotential- differenz. Prineipiell die gleiche Anordnung ist kürzlich von Hrn. Jaumann benutzt worden. Im zweiten Fall ist mit der geladenen Collectorplatte das durch Ebonit e und Schellack s isolirte, oben zugerundete Messingstück m, mit der Elektrode ı die durch Schellack s isolirte Messingröhre R verbunden, in welcher der Messingdraht AB gleiten kann: derselbe ! Die Theilung des zu den meisten Versuchen benutzten Elektrometers ging bis zu 10000 Volt und gab zwar die relativen, nicht aber die absoluten Potentialwerthe richtig an, welche durch Multiplication der Angaben mit ı, 2 erhalten wurden. Letzteres ermittelte ich mit Hülfe zweier Hochspannungsacceumulatoren, von zusam- men 1680 Elementen, welche hinter einander geschaltet bei der Messung eine E.K. von 3460 Volt hatten. Die Messung der E. K. geschah, während die einzelnen Reihen der Accumulatoren neben einander geschaltet waren, durch ein bis 65 Volt gehendes Präeisions-Voltmeter nach Rars. 226 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März. erhält Führung durch den mit ihm verbundenen Stift Z, welcher sich in einem Schlitz des Rohres R bewegt. In R ist eine Spiralfeder P gelagert, welche gespannt wird, wenn man den Draht in der Richtung von A nach B in die Röhre einschiebt und ihn vermittelst des Hakens B in die zur Erde abgeleitete Feder F einhakt. Drückt man die Feder F hinunter, so wird AD ausgelöst, schiesst, durch die Spiralfeder ge- trieben, zurück und stellt mittelst des metallenen Stückes C auf kurze Zeit zwischen m und AB, damit auch zwischen der Collectorplatte I und der Elektrode ı leitende Verbindung her. Nahe dem Ende seiner Bahn entlädt AB die Elektrode ı durch Anschlag an eine Erdleitung. Die Zeit, während deren B auf m schleift, wurde durch die Poustrer’sche Methode zu 0.0012 Secunden bestimmt. Indessen ist das maassgebende Zeitintervall 7 zwischen dem Zeitpunkt, zu welchem ı geladen, und dem Zeitpunkt, zu welchem die leitende Verbindung zwischen ı und der Colleetorplatte aufgehoben wird, grösser, da vor Ein- tritt des metallischen Contacts ein Funke zwischen m und B übergeht. Findet nun in der Zeit r keine Funkenentladung zwischen ı und 2 statt, so sinkt das Potential der Collectorplatte von dem An- fangswerth V auf den kleineren V’ herab, indem bei dem Contact zwischen m und B ohne Änderung der Ladung die Capaeität des Leitersystems von C auf C' gesteigert wird. V’ ist die zwischen den - : en ; Elektroden ı und 2 hergestellte Potential-Differenz, und es ist ; = — Findet in der Zeit 7 eine Funkenentladung zwischen ı und 2 statt, so sinkt die Elektrometerablenkung auf einen sehr kleinen Werth C W berechnet werden. herab, dabei kann V' aus dem bekannten Werth Die Capacität C' betrug stets 0.000135 mf. Bei den Versuchen zeigte es sich, dass bis zu einem gewissen Werth des Potentials V' die Entladung nie eintritt; dass bei weiterer Steigerung von V' Werthe erreicht wurden, bei welchen die Entladung manchmal eintritt, manchmal nieht, bis endlich bei hinreichender Steigerung von V' die Entladung in der Zeit r immer eintritt, doch wurde dieser Werth bei den im Dunkeln angestellten Versuchen nie erreicht. Ich will die zum Eintritt der Entladung jedesmal erforder- liche Zeit die Verzögerung und die zuletzt beschriebenen Versuche die Verzögerungsversuche nennen. Das Resultat einer auf ein bestimmtes Potential V' bezüglichen Verzögerungsversuchsreihe soll im Folgenden immer durch einen Bruch e bezeichnet werden, dessen Nenner angiebt, wie oft der Versuch gemacht wurde, und dessen Zähler angiebt, wie oft dabei die Entladung eintrat. Der Verzögerungsversuch 2 unterscheidet sich vom Versuch 1, welcher zur Bestimmung des statischen Entladungspotentials dient, Warsurc: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung. 227 nicht nur dadurch, dass bei ı die Wirkung des angelegten Potentials während unbegrenzter Zeit, bei 2 während der kleinen Zeit r nach dem Anlegen des Potentials beobachtet wird, sondern auch dadurch, dass das Potential bei ı sehr langsam, bei 2 sehr schnell auf einen bestimmten Werth gebracht wird. Nach Hrn. Jaumann' befördert nun eine grosse Änderungsgeschwindigkeit des Potentials den Eintritt der Entladung, und die Wirkung dieses Umstandes scheint sich in einigen Fällen geltend gemacht zu haben (vergl. $ 5). $ 4. Ich lasse nunmehr die Beschreibung der Versuche folgen, welche mit Eisen-, Messing-, Zink-, Platinkugeln; in Luft und Wasser- stoff bei verschiedenen Drucken; im Dunkeln, im Tageslicht und in elektrischem Bogenlicht angestellt wurden. Das Bogenlicht wurde durch eine Quarzlinse auf die Kathode concentrirt und bei einigen Versuchen durch Glas- oder Glimmerscheiben filtrirt. $ 5. Die Elektroden ı und 2 sind die blank geputzten Eisenkugeln von 2°”6 Durchmesser eines in freier Luft aufgestellten Funkenmikro- meters. Die Schlagweite 6 (kürzester Abstand der Kugeloberflächen) ist oı. Der redueirte Barometerstand war 766”"”5, die Temperatur {= 17?°2, die relative Feuchtigkeit r—= 52 Procent. Das statische Ent- ladungspotential V, ergab sich im Tageslicht zu 4740 Volt mit etwa 15 Secunden Verspätung, im Bogenlicht zu 4500 Volt, wie immer in diesem Fall, ohne Verspätung. Das Resultat der Verzögerungsversuche ist in den Bezeichnungen des $ 4 durch folgende Tabelle wiedergegeben, in welcher die e-Werthe unter die entsprechenden Potentialwerthe ge- setzt sind. V' 2940 3360 3840 4320 4800 8880 [6) Ina Diumkelnis se Seremekaeteienre — 10 Im Bogenlicht, durch 0°"'6 dicke ) o 10 Spiegelglasplatte filtrirt .... \ 10 1o : [6) 10 InwBogenlichverere ee = = : 10 1%) 10 Zu den Verzögerungsversuchen im Dunkeln ist Folgendes zu be- merken. Bei Potentialen, bei welchen die Entladung manchmal ein- tritt, manchmal nicht, werden selbstverständlich nicht immer dieselben Ergebnisse erhalten. Oft rückt auch das Potential, bei welchem die Entladungen beginnen, und welches in dem vorliegenden Fall grösser als 888o Volt ist, hinauf oder hinunter. Auf wechselnden atmosphae- rischen Verhältnissen schien das nicht zu beruhen, ebenfalls nicht auf verschiedener Behandlung der Elektroden, wie Art des Putzens oder der- gleichen; auch war eine Corrosion der Elektroden durch die schwachen benutzten Funken kaum bemerkbar. Dagegen hat sich bei diesen so- ! G. Jaumann, Wien. Ber. Bd. XCVII, IIa.S.765. 1888. 228 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 5. März. wie bei anderen Versuchen ergeben, dass mehrfaches, die kurze Zeit T dauerndes Anlegen eines Potentials, bei welchem keine Entladung ein- tritt, die Verzögerung vergrössert. Dass die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Entladung abnehme, wenn bei vorangegangenen Ver- zögerungsversuchen die Entladung ausgeblieben ist, scheint auch aus den vollständigen Protokollen hervorzugehen. Die mitgetheilten Versuche zeigen nun, dass das statische Ent- ladungspotential durch die Kathodenbelichtung nur unbedeutend ver- ändert wird. Dagegen ist durch die Belichtung mit Bogenlicht die Verzögerung stark vermindert. Die hauptsächliche Wirkung der Ka- thodenbestrahlung auf die Funkenentladung besteht also nicht in einer Veränderung der statischen Entladungspotentialdifferenz, sondern in der Verminderung der Verzögerung. - j Wie aus der Tabelle hervorgeht, tritt im Bogenlicht bei dem Verzögerungsversuch die Entladung bei V’=3360 schon zuweilen, bei V'= 3840 immer ein, während unter diesen Umständen die statische Entladungspotentialdifferenz gleich 4500 gefunden wurde. Das heisst, dass bei raschem Anwachsen des Potentials ein kleinerer Werth desselben die Entladung hervorruft, als bei langsamem An- steigen desselben, was dem Satz des Hrn. Jaumann entspricht ($ 4). Im Dunkeln wird diese Wirkung wahrscheinlich durch die Verzö- gerung verdeckt. Auch das durch Spiegelglas filtrirte Bogenlicht vermindert die Verzögerung; diese Wirkung wird also auch durch sichtbare Strahlen ausgeübt (vergl. $ 6— 10). $ 6. Ähnliche Versuche wurden mit Messing- und Zinkkugeln angestellt. —. u -— . Messingkugeln 2°”6 Durchmesser. ö&=0%1002. V.= 4680 Volt im Tageslicht, 5=766"*7, t=19°5, r=—55 Proeenk V' 2940 3420 3840 4320 4800 5820 6720 7800 8940 o [e) [6) 6 Im Dunkeln ....... Tom 1o 10 10 Im Bogenlicht durch ) o Io Spiegelglasscheibe \ 10 10 5 [6) 5 Io Im Bogenlicht ..... - — 10 Io 10 Zinkkugeln 2°%62 Durchmesser. 6 = 01006. V.= 4680 Volt im Tageslicht, 5b = 7665, t= 20°, r=55 Procent. V' 2880 3420 3840 4320 4800 5760 6900 7800 3880 {0} 2 Im Dunkeln ....... & 3 Io Io Io Io Im Bogenlicht durch ) [6) I 10 Glasscheibe ..... \ 10 10 10 5 o 8 10 Im Bogenlicht ..... — = — — Io Io Io Io Warsurs: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung. 229 Die mitgetheilten Ergebnisse sind von den mit Eisenkugeln er- haltenen nicht wesentlich verschieden. Doch war es bei Zink und Messing nicht möglich, das statische Entladungspotential im Bogen- licht zu bestimmen. Näherte sich nämlich hier das Potential dem im Tageslicht bestimmten Entladungspotential, so wurde der HarLwacns- Effect so stark, dass es bei der angewandten Condensatorcapacität nicht gelang, die Funkenentladung herbeizuführen. $ 7. Im Folgenden stelle ich alle für Eisen-, Messing- und Zink- kugeln von 2°”6 Durchmesser von mir im Tageslicht gefundenen Werthe des statischen Entladungspotentials zusammen und zwar in der absoluten elektrostatischen Einheit des C. G. S.-Systems, welche gleich 300 Volt gesetzt wurde. BaırEe hat mit Kugeln von ı und 3°” Durch- messer gearbeitet; durch Interpolation finde ich, dass nach ihm bei Kugeln von 2°6 Durchmesser für ö&=o"ı V,=15.04, für ö=o@15 V,=20.63 wäre. Danach sind die von mir gefundenen Werthe auf ö=0""ı umgerechnet worden. bi) b t r Vo Vo aufd=oL red. cm mm Eisen.... 0.1 766.5 DS 52 Procent 15.80 15.8 0.112 766.5 19.6 52 ” 17.20 15.9 0.112 764-5 19.5 53 » 17.00 USeT Messing . 0.1002 766.7 19.5 ACER, 15.6 15.6 Zinke2. a. 0.1006 766.5 20 5» 15.6 15.5 Die Substanz der Elektroden hat also für ö&=0o""ı jedenfalls keinen erheblichen Einfluss auf das statische Entladungspotential. Das auf ö= 0""ı bezügliche Mittel der V,-Werthe ist 15.7; es bezieht sich auf b= 766”"", t=19°, r=53 Procent. Nach Baıre’s' Angaben würde für Kugeln von 2°”6 Durchmesser und ö=o"r V,—=15.04 sein. Für Kugeln von 2 En cm Durchmesser und ö=0%ı findet Bamıe V,= 15.12, PascHen” 15.84-16.08, also auch grössere Werthe als Barre. Eine genaue Vergleichung ist nicht möglich, da bei den genannten Be- obachtern genaue Angaben über den Barometerstand und die relative Feuchtigkeit fehlen, welche letztere nach Baızre? einen grossen Ein- fluss hat. $ 8. Versuche nach Art der $$ 5— 7 beschriebenen habe ich auch in gasverdünnten Räumen angestellt. Als Elektroden dienten (Fig. 2) die Kugeln ı und 2 von 0°"7 Durchmesser, enthalten in dem Glas- gefäss @. Die Schlagweite ö betrug 4°s5. Die Zuleitungsdrähte waren mit Siegellack in Glasröhren g eingekittet, welche durch Glasschliffe s in die Rohrstutzen r eingesetzt wurden; in diesen waren die Drähte ı J.B. Baıtrr, Ann. chim. et phys. (5) T. XXV, 531. 1882. ® F. Paıschen, Wien. Ann. 37, 81. 1889. ® Baırre, Ann. chim. et phys. (5) T. XXIX, 185. 1833. Fig. 2. chen mit Phosphorpentoxyd; durch das Quarzfenster Q kann die Kathode ı mit Bo- genlicht bestrahlt werden. Das Biegrohr f wird durch einen Hahn gegen die Luft- pumpe abgeschlossen; von f zweigen drei Röhren ab, von denen eines zu einem Manometer führt; die beiden anderen sind mit Hähnen versehen und dienen dazu, den Apparat mit Luft bez. mit Wasser- stoff zu füllen. $g. Eisenkugeln, 07 Durchmesser. ö = 4@s5. In Luft. Druck p=3077. V, im Tageslicht 2700, im Bogenlicht 3120 Volt. V' 2460 2880 3360 8940 InrDunkenmrrere o 10 Im Tageslicht..... I: 10 230 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März. mit diekem Schellacküberzug versehen, welcher die leitende Berüh- rung mit der Glaswand verhinderte. Das Rohr R enthält ein Schiff- | Im Bogenlicht .... = — i I \ ae: mm Wh \ V, im Tageslicht 1500 Volt. V' 1800 1920 7680 8820 , e {e) o Im Tageslicht..... _- — Ä o Im Bogenlicht..... — — 10 In Wasserstoff. mm P— 29,3: V, im Tageslicht 1920 Volt. V' 1920 2400 6720 7740 8700 Im Dunkeln ...... = 2 = Io 10 10 m . 7 Im Tageslicht .... — m Tageslich = R o Im Bogenlicht .... — ? 1 Warsurs: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung. 231 MIETE 7R V, im Tageslicht 960, im Bogenlicht 1260 Volt. V' 900 1440 4920 5880 6900 7920 9000 Im Dunkeln ..... = 2 en 3 .e 10 10 10 10 10 Im Tageslicht.... _ g sıiic = Im Bogenlicht.... — 10 10 p — I mn I K V, durch das angewandte Elektrometer nicht bestimmbar. V' 900 2460 3000 5940 6960 7920 8940 Im Dunkeln ..... 2 2 2 & x 9 Im Bogenlicht ... — Bemerkungen. ı. Bei der Bestimmung des statischen Ent- ladungspotentials V, im Dunkeln zeigten sich zuweilen bedeutende, 2 Minuten erreichende Verspätungen. Die Bestimmung von V, im Bogenlicht wurde in vielen Fällen, wie bei den Versuchen des $ 6, durch den Harrwachns-Effeet vereitelt. War die Bestimmung möglich, so trat die Entladung ohne bemerkbare Verspätung ein, und es ergab sich für Drucke unterhalb 30"" in Luft und in Wasserstoff V, grösser im Bogenlicht, als im Tageslicht. Es scheint danach der Ladungs- verlust durch den Harrwachs- Effect der Funkenentladung unter Umständen hinderlich zu sein. Nun scheint bei dem Harzwacns- Efteet elektrische Conveetion stattzufinden, so dass vor einer von diesem Effect betroffenen Kathode eine Wolke negativ elektrisirter Theilchen sich befindet. Diese müssen die elektrische Kraft an der Kathode schwächen und können dadurch die Funkenentladung hindern. 2. Die Verzögerungsversuche ergaben in gasverdünnten Räumen dasselbe Resultat wie in Luft von atmosphaerischer Dichte, nur in noch auffälligerer Weise. So trat in Luft von den Drucken 11"” und 30"”", bei welchen das statische Entladungspotential 1500 bez. 2700 Volt betrug, bei dem Verzögerungsversuch im Dunkeln die Entladung selbst dann nicht ein, wenn das Potential SSoo angelegt wurde. Die Potentialwerthe, welche bei dem Verzögerungsversuch im Bogenlicht noch Entladung ergaben, waren stets grösser als das im Dunkeln bestimmte, aber etwas kleiner als das im Bogenlicht be- 232 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 5. März. stimmte statische Entladungspotential; sofern hier das letztere in Be- tracht kommt, ist das Verhalten in gasverdünnten Räumen dem im $ 5 geschilderten Verhalten in freier Luft entsprechend. Weiter tritt die charakteristische Beziehung hervor, dass der kleinste Potentialwerth, bei welchem die Entladung immer, und der grösste, bei welchem sie nie eintritt, im Bogenlicht viel näher als im Dunkeln an einander liegen. Beispielsweise unterscheiden sich diese Werthe bei Wasserstoff von 29”"5 Druck im Bogenlicht um weniger als 500, im Dunkeln um mehr als 2000 Volt. Endlich geht aus der Tabelle hervor, dass auch das durch die Fensterscheiben filtrirte Tageslicht in allen Fällen die Verzögerung ver- kleinert. Wegen der wechselnden Beschaffenheit des Tageslichts sind genauere Angaben nicht möglich. $ 10. Ähnliche Versuche wurden mit Platinkugeln angestellt; dabei wurden kleine Potentiale durch ein Braun’sches Elektrometer gemessen, dessen Scala nominell bis 1700 Volt ging und mittelst des Hochspannungs-Aceumulators berichtigt wurde. Platinkugeln 0°7 Durchmesser. 0=4"s5. In Luft. — 20.0 V, im Tageslicht 2700, im Bogenlicht 3360 Volt. V' 2520 3000 3480 3960 4920 7920 9060 {6} Im Dunkeln ....... — 10 Im Bogenlicht durch ) rothe Glasplatte. . 10 Im Bogenlicht Eee [e) I I 6 9 Spiegelglasscheibe 10 10 10 10 10 h o I 10 Im Bogenlicht...... - = 6) 10 To mean, V, im Tageslicht 1620, im Bogenlicht 2040 Volt. V' 1440 1920 2400 2940 3960 7360 9000 ImsDonkelne re: er wa 10 10 Im Bogenlicht durch } o 1 rothe Glasplatte... \ 10 10 Im Bogenlieht durch o 3 I Spiegelglasplatte . 10 10 10 Im Bogenlicht...... Te Warsurs: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung g. Ze m) p= 0”°95. V, im Tageslicht 590 Volt. V' 978 1081 2520 3000 3960 9000 Im Dunkeln........ > 5 . Bi o Im Bogenlicht durch I 7 rothe Glasplatte... 10 1o 701 Im Bogenlicht durch JG 6 Spiegelglasplatte . | 1o 10 Im Bogenlicht...... ae 10 In Wasserstoff. p — 2 70) V, im Tageslicht 1920 Volt. V' 1860 2400 4860 5880 6840 7860 8940 Im Dunkeln..... = 2 2 - = 10 10 1o 10 10 Im Tageslicht... ar Ss 20 10 10 10 Im Bogenlicht... > ee 10 10 mm N V, im Tageslicht 960, im Bogenlicht 1260, im Bogenlicht durch Glas- scheibe ıo8o Volt. V' 960 1440 1500 1920 2040 2940 3000 3960 5040 6000 7020 7920 8940 Im Dunkeln....... = = z = + L 2 10 10 10 10 10 10 10 8 Im Tageslicht ..... ir ne 10 10 10 Im Bogenlicht dureh 10 10 Glasplatte....... 10 10 Im Bogenlicht ..... Brad: ı0 10 Do V' 874 978 1070 2040 3000 3900 5040 6960 7920 8940 Im Dunkeln....... = = 3 =: 4 2 1 10 10 10 10 10 10 10 Im Bogenlicht durch | o [e) 2 85 ıo rothe Glasplatte.. 10 6) 10 10 10 Im Bogenlicht durch | 8 10 Spiegelglasplatte . 10 10 Im Bogenlicht ..... zen 10 10 Bemerkungen. ı. Bei der Bestimmung des statischen Ent- ladungspotentials in Luft von 12””8 und 29””6 Druck wurden Ver- spätungen bis zu 3 Minuten erhalten. 234 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März. 2. Bei den Verzögerungsversuchen, welche ähnlichen Verlauf wie bei den Eisenkugeln nahmen, wurde hier etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Wirkung der verschiedenen Strahlengattungen gerichtet. Aus den Tabellen ist ersichtlich, dass rothes Licht sich unwirksam zeigt, dass aber durch Spiegelglas filtrirtes Bogenlicht noch wirkt, und dass die Wirkung durch Einschalten der Glasplatte viel weniger bei Wasserstoff als bei Luft geschwächt wird. Der letztere Punkt wurde dureh andere, nicht angeführte Versuche bis zu Drucken von 30”” bestätigt. In Wasserstoff von 12"”6 Druck wurde noch die schwächende Wirkung einer Glimmerplatte von o””3 Dicke mit der einer Spiegel- glasplatte von 6”" Dieke verglichen. Die Verzögerungsversuche er- gaben Folgendes. V' 900 1440 1920 2400 Im Bogenlichtnter ee — — Im Bogenlicht durch Glasplatte ..... — 7 10 Im Bogenlicht durch Glimmerplatte .. — 2 - ide) Io $ı1. Das hauptsächliche Resultat, welches aus der vorliegenden Untersuchung hervorgeht, ist dieses: steigert man die Potentialdifferenz zwischen zwei metallischen Elektroden, welche sich in atmosphaerischer Luft oder in gasverdünntem Raum befinden, langsam, bis die Funken- entladung erfolgt, d.h. bis zur statischen Entladungspotentialdifferenz, so ergiebt sich diese wenig verschieden, mag die Kathode bestrahlt werden oder nicht. Eine Potentialdifferenz. einige Tausendstel Secunden lang angelegt, kann sieben oder mehr Mal grösser als die statische Entladungspotential- differenz sein, ohne die Entladung im Dunkeln zu bewirken, ruft aber, wenn auch wenig grösser als die statische Entladungspotentialdifferenz, im kräftigen Bogenlicht die Entladung stets hervor. Dabei ist das Intervall der Potentialdifferenzen, innerhalb dessen die Entladung manchmal eintritt, manchmal nicht, sehr gross im Dunkeln, sehr klein im kräftigen Bogenlicht. — Der experimentelle Beweis für diese Behauptungen wurde für Potentialdifferenzen bis zu 10000 Volt geführt. $ ı2. Diese Resultate lassen sich auf verschiedene bekannte That- sachen anwenden. In dem $ ı erwähnten Versuch von Herrz wird während kurzer Zeit durch das Inductorium eine hohe Potentialdifferenz zwischen den Elektroden hergestellt; damit in dieser kurzen Zeit die Entladung ein- trete, muss die Verzögerung herabgemindert werden; dies ist es haupt- sächlich, was die Kathodenbestrahlung leistet. In den $ ı eitirten WAaRBURG: Über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung. 235 Aufsätzen von Hertz und von E. Wırpemann und Egerr scheint die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung als eine Verringerung des statischen Entladungspotentials aufgefasst zu werden. Doch hat in einer späteren Arbeit! Herrz selbst schon die Auffassung, zu welcher mich die vorliegenden Versuche geführt haben, angedeutet. Nach- dem er nämlich mitgetheilt hat, dass die Belichtung den Funken die Fähigkeit, zu sehr schnellen elektrischen Schwingungen Anlass zu geben. entzieht, fährt er fort: »Wie in den erstgenannten Versuchen das Licht den Eintritt der Entladung hinsichtlich der Länge der Funken er- leichterte, so erleichtert es hier den Eintritt derselben hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs. Ich glaube aber gefunden zu haben, dass auch schon in jenen ersten Versuchen die zeitlichen Verhältnisse der Ent- ladung von wesentlicher Bedeutung für das Phaenomen sind«. Die Versuche, welche ihn auf diese Ansicht führten, hat Hertz auch später nicht beschrieben. Bei Versuchen über die Schlagweite in verschiedenen Gasen schal- tete Farapay” zwei Funkenstrecken v und © parallel, « in freier Luft, v in dem zu prüfenden Gase und suchte die Länge von « zu bestim- men, bei welcher die Funken bei « und nicht bei » übergingen. Er fand aber, dass es ein gewisses Intervall für die Länge von u gab, bei welchem manchmal bei v, manchmal bei « der Funke erschien. Dieses Resultat erklärt sich durch die unter scheinbar gleichen Ver- suchsbedingungen wechselnde Dauer der Verzögerung. Wird aber dann, wie bei den Versuchen von E. WIEDEmAnn und EBERT, die eine der beiden parallel geschalteten Funkenstrecken bestrahlt, so wird an dieser wegen der an ihr herabgeminderten Verzögerung die Entladung immer eintreten. Da das Intervall der Potentialwerthe, für welehe manchmal Ent- ladung eintritt, manchmal nicht, im Dunkeln gross, im Bogenlicht klein ist, so werden die Funken einer durch eine Influenzmaschine bethätigten Funkenstrecke im letztern Fall in nahezu gleichen Zeit- intervallen, im erstern Fall in sehr ungleichen Zeitintervallen auf ein- ander folgen, wie es E. Wırpemann und Egerr beobachtet haben ($ r). Endlich kommt es bei der Erregung sehr schneller elektrischer Schwingungen durch den Funken darauf an, dass das Potential auf einen sehr hohen Werth ansteigt, ehe die Entladung einsetzt; daher ist hier eine bedeutende Verzögerung vortheilhaft und wirkt die Be- liehtung unvortheilhaft. Umgekehrt ist die Verzögerung dem An- sprechen eines Gasrohres auf elektrische Schwingungen ungünstig; ! H. Herrz, diese Berichte. ı0. November 1887. S. 898. ® M. Faravay, Exp. res. in electrieity and magnetism. $ 1390 ff. 236 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 5. März. dieses Ansprechen wird daher, wie EwsTEr und GerreL' gefunden haben, durch die Belichtung erleichtert. Einen grossen Theil der mitgetheilten Versuche hat Hr. Dr. A. Herz für mich angestellt, wofür ich demselben sehr zu Dank verpflichtet bin. Nachschrift. Nach Beendigung dieser Arbeit las ich einen Aufsatz des Hrn. Swyssepauw’, in welchem der Satz aufgestellt wird, dass durch ultraviolettes Licht das dynamische Entladungspotential in viel grösserem Verhältniss als das statische erniedrigt werde. Jenes bezieht sich auf den Fall eines rasch, dieses bezieht sich auf den Fall eines langsam sich ändernden elektrostatischen Feldes. Der er- wähnte Satz des Hrn. Swyseepauw deckt sich theilweise mit meinen Resultaten. Doch ist die Versuchsmethode des Hrn. SwynsEDAuw eine ganz andere, als die meinige; auch gab mir der Aufsatz des Hrn. Swyneepauw keine Veranlassung, von dem Vorstehenden etwas wegzulassen. ! J. Ersrer u. H. GerreL, Wien. Ann. 52, 450. 1894. ® Swrynsepauw, C.R. zo. Jan. 1896. T. 122, S.131. Ausgegeben am 12. März. 237 1896. X. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 5. März. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. DieLs. Der Vorsitzende legte eine Abhandlung des Hrn. Currius vor: Die Schatzhäuser von Olympia. Mittheilung erfolgt umstehend. Sitzungsberichte 1896. 24 “ fe FR f Sr. Die Schatzhäuser von Olympia. Von E. Currıus. D:. Thesaurenterrasse am Kronion ist unter den Ruinenstätten Griechen- lands einzig in ihrer Art. Denn wo haben wir eine Reihe von zehn Gebäuden deutlich vor uns, von denen jedes sicher benannt wird und die wir noch durch zwei früh verschwundene ergänzen können? Sie bilden eine gleichartige Reihe, und doch hat jeder Bau seine besondere Bedeutung, seine eigene Geschichte. Andere Bauten sind auf heimi- schem Boden erwachsen, diese sind Vertreter,der verschiedensten Städte in Mutterland und Colonien, wie sie sich nur in nationalen Festorten, wie Delphi und Olympia, zusammenfinden können. Vor Ausgrabung der Altis hatten wir keine Vorstellung von dieser den Hellenen so eigenthümlichen Bauanlage. Um die Zeit, da Urrıcas (1837) und ich, seinen Spuren folgend, mit der Untersuchung von Delphi beschäftigt waren, dachten wir noch daran, dass die Thesauren als Rundgebäude in Tholosform angelegt worden wären!. Olympia zeigte zu unserer Überraschung, dass das templum in antis die herkömmliche Form ge- wesen sei. So erklärt sich der Sprachgebrauch des Polemon, welcher das Schatzhaus von Metapont vaos Merarovrivov nennt (Frg. ed. PrELLER p- 50), ein Sprachgebrauch, welchen Kar BörricHer mit vollem Recht als Beweis benutzt hat, dass das Wort vaos sich nicht auf Culttempel ! Urrıcns erinnerte an Cisternen nach Analogie der favissae, in denen auch religiosa quaedam e donis consecratis aufbewahrt wurden, so dass Gellius favissae als Synonymum von thesauri anführt (Noct. Attie. II ro). 24* 240 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 5. März. beschränken lasse. In diesem Sinne hatte auch das samische Heraion valokoı MANPEIS T@V Apxaiwv Teyvov (Strabo p. 637). Da die Aufdeckung dieser Terrasse eine so besondere und hervor- ragende Bedeutung hat, ist es eine Aufgabe, der wir uns nicht ent- ziehen können, alle geschichtlichen Erinnerungen, welche sich an die olympischen Schatzhäuser knüpfen, eingehend zu erwägen, eine Auf- gabe, deren Lösung bis jetzt noch nicht ernstlich durchgeführt wor- den ist!. An keinem Orte können wir die Darbringung von Weihgeschenken in allen Formen so genau verfolgen wie in Olympia. Wir unterscheiden die vorgeschichtlichen, welche bei den Altären der Altis massenhaft im Boden gefunden worden sind, Denkmäler ur- alter Pietät, welche zur Zeit, da Olympia blühte, längst in tiefem Schutt vergraben lagen. Es sind kunstlose Bilder aus Thon und Erz, welche die Bauern und Hirten an den Stufen der Altäre liegen liessen, um ihre Anwesenheit zu bezeugen, Bilder von Rindern und Pferden, für welche sie den göttlichen Segen erflehten. Sie bezeugen gewisse Hauptplätze des Cultus der Vorzeit von Olympia und ziehen sich in dichten Massen unter den Fundamenten des ältesten Tempels, des Heraion, hin (FurtwäÄnsLer, Bronzen S. 1ff.). Unsere geschichtliche Kunde der Weihgeschenke beginnt mit der Zeit, da die Edelmetalle in Hellas Eingang fanden und einen neuen Maassstab einführten. An Stelle anspruchsloser Gaben, die nur eine flüchtige Spur des Gebers hinterlassen sollten, traten Gegenstände, welche schon durch ihren Stoff etwas Ausserordentliches waren und vielbesprochene Merkwürdigkeiten des griechischen Landes bildeten. Platten oder Ziegel von" lydischem Gold genügten, Staunen zu er- wecken und wurden, wie sie von Kroesus geschenkt waren, bei dem von Herodot (1 50) beschriebenen Löwendenkmal in Barrenform ver- wendet. Als Aufbewahrungsorte der den Göttern geweihten Kostbarkeiten dienten zuerst die Hinterräume der heiligen Gebäude. Dieser Gebrauch ist neuerdings von Jons WırLıan WuıtE in dem Vortrag The opisthodomus on the acropolis at Athens, den er im März 1894 in der American school of classical studies in Athen ge- halten hat, eingehend erörtert worden. Er stimmt mir auch in der Lesung und Verwerthung von C.TI. A. IV ı, ıc, Z.25 (omodev Tov Tns Adnvaias apyaiov vew, Stadtgeschichte S. 132) vollkommen bei (8. 23, Anm. 86). Die Scholien zu Aristophanes’ Fröschen ı191/3 bestätigen ' Der Anfang einer geschichtlichen Behandlung der Thesauren ist gemacht worden in der Berliner Doctordissertation von Franz Rıcmver. 1885. En Currıus: Die Schatzhäuser von Olympia. 241 die hier angenommene Lage des altattischen Schatzraumes, und bei dem Tempel in Korinth hat man das tiefe Hintergemach mit Recht aus diesem allgemeinen Brauch erklärt (Dörrrenn, Ath. Mitth. XI 301). Wenn also ein so wesentlicher Theil des ältesten Tempels der Altis dazu gedient hat, mannigfaltige und kolossale Weihgeschenke von Korinth aufzunehmen, die zum Theil unbewegt auf ihrem Platz geblieben sind, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Korinther es gewesen sind, die den Opisthodom des Heraion neu erbaut oder für ihre Zwecke eingerichtet haben. Auch der vergoldete Zeuskoloss der Kypseliden (Strabo 353. 378) hat hier seinen Platz gehabt nach dem Zeugniss des Agaklytos (Fr. Hist. Gr. IV 233). Nebenräume dieser Art konnten auf die Dauer nicht genügen. Es wurden besondere Gebäude zu diesem Zwecke in den Heiligthü- mern aufgeführt, entweder offene Hallen, wie die Stoa der Athener in Delphi (daher bei Photius oroal als Synonym von Tazuıea), um Weihgeschenke, die der Gottheit gesandt waren, vereinigt unter einem schützenden Dache aufzustellen, oder es waren Tempelbauten, welche die religiöse Weihe zum vollen Ausdruck brachten. Die Form dieser Scehatzhäuser war dieselbe in Delphi und in Olympia; sie ist, wie wir voraussetzen dürfen, von dort übertragen worden. Die Thesauren hatten ihre Analogie mit Geldniederlagen, wie sie sich auch in Bürgerhäusern fanden. Daraus erklärt sich auch der Sprachgebrauch, dass man die in den Heiligthümern gestifteten The- sauren als »Häuser« der Stifter bezeichnete. So spricht Plutarch von dem oixos der Korinther in Delphi und die von Ware (S. 12) zu- sammengestellten Inschriften bezeugen, dass auch in Delos dies ein stehender Sprachgebrauch war. Ebenso bei Grammatikern und Lexiko- graphen (oikos ömıodev Tov vaov Schol. Demosth. XII, 14). Im Hin- bliek auf die Aufbewahrungsplätze in bürgerlichen Räumen hält Pau- sanias, da er auf die delphischen Thesauren zu reden kommt, es für angezeigt, ausdrücklich hervorzuheben, dass es sich hier nicht um Niederlagen von Geldsummen handele, sondern um öffentliche Denk- male von Gottesfurcht und Reiehthum. Es gab auch öffentliche $n- cavpoi für profane Zwecke, Magazine, wie die drei dnoavpoı OnAwv, öpyavov, olrov in Kyzikos zeigen (Strabo 575). Die Übereinstimmung der Bauart der Thesauren in Delphi und Olympia erklärt sich aus der gleichen Bestimmung der Gebäude. Denn die einfachste Form eines dorischen Heiligthums, der Antentempel, entsprach am besten dem doppelten Zweck; der geschlossene Binnen- raum diente, die geweihten Schätze sicher aufzubewahren, während die offene Halle die Festgemeinde zur Anschauung einlud. 242 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 5. März. Diese Gebäude lagen entweder am Wege zerstreut, wie sie jetzt wieder in Delphi vor uns auftauchen und wie sie bei Euripides als ein wesentlicher Theil von Delphi geschildert werden (Androm. 1092: dıaoreiyeı Heov ypvoov Yeuovra yvaxa, Oncavpovs Bporwv), oder sie wurden in einer besonderen Gegend reihenweise aufgerichtet, wie in Olympia am Fusse des Kronion. Die Sikyonier sind vorangegangen. Ihre Tyrannen waren am eifrig- sten, amphiktyonische Heiligthümer durch Bauwerke zu schmücken, wie Olympia und Delphi bezeugen. Von Myrons Bau, nach seinem Renn- siege 648, wissen wir, dass er zwei Thalamoi enthielt, d. h., wie wir anzunehmen haben, kunstvolle, zur Aufnahme von Kostbarkeiten be- stimmte Schränke, die für uns in doppelter Beziehung eine geschicht- liche Bedeutung haben. Erstens durch das Material, tartessisches Erz, das wahrscheinlich über Italien nach Sikyon gelangt war (Griech. Gesch. I’ 243) und von dem Seeverkehr der Stadt ein glänzendes Zeugniss ablegte: das Gewicht war auf dem kleineren Schrank genau verzeichnet. Zweitens durch die Kunstform; denn der eine hatte eine Front in dorischem Tempelstil, der andere in ionischem. Wir er- kennen darin das kunstsinnige Bestreben der Tyrannen, Erfindungen, die in den verschiedensten Gegenden gemacht waren, durch ihre Künstler nebeneinander zur Ausführung zu bringen. Wo der Bau des Myron gelegen habe, wissen wir nicht. Denn das Schatzhaus, in welchem Pausanias die genannten Weihgeschenke sah, lässt nach seinen Bauresten keinen Zweifel darüber, dass es wenigstens ein Jahrhundert nach Myron erbaut worden ist. Dass der myronische Thesaurus einer der ältesten gewesen sei, wird dadurch bestätigt, dass er auch von anderen Staaten benutzt worden ist, ihre Weihegaben unterzubringen, wie die Korinther in Delphi befreundeten Staaten ihren Thesaurus aufschlossen, namentlich den Lydern. Sie fühlten sich ihrer alten Beziehungen wegen gewisser- maassen als mpo&evo: des Heiligthums und verschafften Auswärtigen ein Gastrecht daselbst. Wer das berühmteste Denkmal im olympi- schen Sikyonierschatzhaus, das goldene Messer des Pelops, gestiftet habe, ist nicht überliefert. Ein Schnitzbild des Apollon stammte von den epizephyrischen Lokrern. Das merkwürdigste Weihgeschenk aber war das Elfenbeinhorn der Amaltheia, dessen ausführliche Widmungs- inschrift Pausanias (VI, ı9) mittheilt. Es stammte von den Cherron- nesiten am thrakischen Bosporos und gehörte der kurzen Blüthe des von dem Kypseliden Miltiades gestifteten Reichs an. Miltiades selbst war als Dynast genannt, und die Eroberung der Festung des Aratos (reıyos Aparov EAövres) als Anlass der Weihung bezeichnet. Sie muss vor 495 fallen, weil damals die Bedrängniss des Reiches durch Currıus: Die Schatzhäuser von Olympia. 243 die Skythen begann. Die Besetzung von Lemnos um 500 kann als der Höhepunkt seiner Macht angesehen werden. Nun hat sich ein Fragment von braunem Sandstein erhalten, das zu einem Architrav- block des sikyonischen Schatzhauses gehörte. Von der Inschrift ist KYY sicher, und da der Thesaurus mit dem bosporanischen Reich in wohlbezeugter Beziehung steht, so liegt es nahe genug, hier die Weihung eines der Kypseliden zu vermuthen, die das Reich gegründet haben. Der Rest des voranstehenden Namens wird am leichtesten Buthos oder Buthes' ergänzt. Zu den ältesten Grimdern von Schatzhäusern in der Altis gehören nach den Sikyoniern die Megareer. Ihre Stiftung (XI) wurde mit einem glücklichen Kampfe gegen Korinth in Verbindung gesetzt, einem Kriege, der bis in die Zeit der lebenslänglichen Archonten von Athen hinaufgerückt wurde. Das merkwürdigste Weihgeschenk war eine Gruppe von Cedernholz, die Herakles im Kampfe mit Acheloos dar- stellte. Sie erinnert unwillkürlich an das glänzendste Werk aus der Regierung des Theagenes, der eine Gebirgsquelle nach der Hauptstadt führte und beim Ursprung derselben dem Acheloos einen Altar er- riehtete, um das Gedächtniss seines Werkes zu erhalten (Paus. I, 41, 2). Da es nun sehr wahrscheinlich ist, dass, wie die Korinther und die Sikyonier, auch die Megareer den Wunsch hatten, nach dem Sturz der Geschlechter von dem neuen Aufschwunge ihrer Stadt gemeinde ein Denkmal in Olympia zu errichten, so konnte die glän- zende Herrschaft des Theagenes nicht deutlicher bezeugt werden als durch die Acheloosgruppe, und wir können annehmen, dass damals auch die Erinnerung früherer Thaten bei den letzten Nachbar- fehden sich erneuert hat. Trru setzt auch die Giebelgruppen unter Theagenes. Wenn die Schatzhäuser der Sikyonier und Megareer ungefähr gleichzeitig waren, so sind auch beide später erneuert worden und zwar zu einer Zeit, da von Seiten der olympischen Behörden die planmässige Herstellung einer Thesaurenterrasse beschlossen worden ist. Die Geschichte dieser Terrasse können wir nur aus vereinzelten Thatsachen näher zu bestimmen suchen. Von dem Bau der Geloer (XII) lässt sich nachweisen, dass seine Front ursprünglich dem benachbarten Stadium zugekehrt gewesen ist, und der von Kyrene (VII) hat einmal seine besondere Plattform gehabt. Daraus folgt, dass erst in späterer Zeit für sämmtliche Thesauren von ! Purcorn, Arch. Zeitung XXXIX (188r) S.1ı74, nimmt Bovdos an als Sohn eines Kypselos. Rösr, Inser. antiquissimae n. 27, denkt an Hörner eines grossen Stier- opfers, das Kypselos der Tyrann dargebracht und wovon er die Hörner mit Erlaubniss der Sikyonier an ihrem Thesauros als Weihgeschenk angebracht habe. 244 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 5. März. Olympia eine gemeinsame Terrasse und eine gleiche Frontriehtung ge- gen Süden durchgeführt worden ist. Diese Zeit zu bestimmen müssen die architektonischen Kenn- zeichen benutzt werden, aber mit grosser Behutsamkeit. Denn in Olympia sind auch gleichzeitige Bauten nicht in gleichem Stil auf- geführt worden. Was hier von auswärtigen Staaten gestiftet war, stand unter heimatlichem Einfluss. Jede Stadt wollte ihre Kunst zur Schau stellen. Sikyon schickte das fertige Material seines Schatz- hauses (I) nach dem Alpheios, und der »karthagische« Thesaurus (IV) erinnert in seinen alterthümlichen Bauformen an den mittleren Burg- tempel von Selinus. Von den Thesauren des Mutterlandes aber weisen doch die am meisten charakteristischen Bauformen, wie namentlich das Profil des Säulencapitells, auf eine Periode, welche jünger als die Bauzeit des Heraion, aber älter als die des Zeustempels ist. Andere Zeitbestimmungen sind durch die Staatengeschichte ge- geben. Sybaris (VII) war schon 510 vom Boden verschwunden, Byzanz (VI) hat 513 seine Selbständigkeit eingebüsst. Wir werden also, da wir eine gleichartige Reihe von Bauanlagen vor uns haben, mit der Bauzeit im Ganzen nicht über den Anfang des 5. Jahrhunderts hinabgehen können. ' Schwieriger ist es, einen Anfangstermin zu finden. Im Anfang des 6. Jahrhunderts gab es keine wichtigere Epoche für Olympia als den Fall von Pisa. Sparta erhob sich nach Bewältigung seiner Gegner zu neuer Vormacht. Wie nach dem Fall der Kypseliden die Isthmien 582, nach dem der Orthagoriden die Nemeen 578 als Kennzeichen der erneuerten Vormacht Spartas begründet worden sind (K. Fr. Hermann, Gottesdienstl. Alterth. $ 49, 5), so musste es jetzt das Bestreben der Lakedämonier sein, auch Olympia zu neuen Ehren zu bringen. Es war auch nach den blutigen Kriegen, welche die Pisatis verwüstet (Paus. VI 22, 2; Weıssengorv’s Hellen S. 1.3 ff.), ein dringendes Bedürf- niss, die Schreckenszeit zu sühnen und die heilige Gegend mit neuer Würde auszustatten. In diesem Streben gingen die Eleer und Lakedä- monier zusammen. Damals, glaube ich, ist der Umbau des Heraion erfolgt. Das Innere desselben liegt uns im Grundriss mit vollkommener Klarheit vor Augen. Die Säulen im Innern sind durch Mauern mit der Cellawand verbunden und bilden auf jeder Seite geräumige Nischen. Sie waren, so wie sie Pausanias noch zu seiner Zeit benutzt fand, von Anfang an zur Aufstellung von Standbildern bestimmt. Es war eine Gallerie von Kunstwerken, deren Schulzusammenhang uns genau über- liefert ist. Wir erkennen eine Gruppe von Bildwerken, die sämmtlich von Schülern des Dipoinos und Skyllis herrührten, sämmtlich Werke u Currıws: Die Schatzhäuser von Olympia. 245 derselben Technik, der polychromen Bildsehnitzerei, welche in Sparta besonders blühte und durch lydisches Gold eine vielbewunderte Aus- stattung erhielt. Sie waren symmetrisch in den Tempelnischen auf beiden Seiten vertheilt. Sparta stand damals auf der Höhe seiner Macht und seiner inter- nationalen Verbindungen. Es war Zeit, etwas Grosses zu unternehmen und der hellenischen Welt zu zeigen, dass die Tyrannen nicht die ein- zigen Urheber gottesdienstlicher Kunstwerke seien. So erklärt sich am einfachsten die planmässige Ausstattung des damals einzigen Tempels der Altis zu einem Museum plastischer Kunst, wie sie bei den Lake- dämoniern eine glänzende Entwickelung erlebt hatte. Auch ist mir sehr wahrscheinlich, dass damals jener Confliet zwischen Korinth und den Eleern stattgefunden hat, von dem Plutarch de Pythiae oraec. e.13 berichtet. Die Gemeinde der Korinther hatte nach ihm den Antrag gestellt, die Weihgeschenke der Kypseliden sollten, als von der Stadt gegeben, durch die Behörden des Heilig- thums anerkannt werden. In Delphi, sagt Plutarch, habe man sich willfährig gezeigt, in Olympia aber nicht. Diese Überlieferung er- scheint glaubwürdig, und der ablehnende Bescheid erklärt sich da- durch, dass die Kypseliden von Anfang an in hervorragendem Grade einen dynastischen Charakter hatten; eine Thatsache, die auch He- rodot I ı4 ausdrücklich bezeugt: ... ev T@ Kopıwdlov Onoavpw‘ aAndei de Aoyo xpewuevo ov Kopivdiwv Tov Önuoriov Eotiv 6 Amoavpos, aAAa Kvyrerov rov Heriwvos. Von demselben Contliete zwischen Elis und Korinth berichtet Pausanias V 2, 3. Anders war es bei den Orthagoriden. Sie haben es sich zur Ehre gerechnet, wie Bürger griechischer Staaten persönlich um den Ölkranz zu kämpfen, und ihre Widmung nannte neben dem Tyrannen Myron den Demos der Sikyonier. So erklärt sich, dass die Stiftungen Sikyons anerkannt und für seine Weihgeschenke ein Neubau gestattet wurde. Die ganze Terrasse erstreckte sich ungefähr 125” ununterbrochen von Osten nach Westen und diente dazu, dem Kronion nach der Ebene hin ein neues Ansehen zu geben. In stattlicher Reihe erhoben sich ı2 Tempel aus Kalkstein mit ihren Giebelfronten dieht neben einander und boten einen Anblick, wie ihn kein anderes Heiligthum der Helle- nen gewähzte, Denkmäler der Pietät weit von einander entlegener Griechenstädte, wie sie sich für ein amphiktyonisches Heiligthum in vorzüglichem Grade eigneten. Das Fundament ist ein Bau aus Kalkstein, der in der Gegend bricht und zu solidem Quaderbau gut zu verwenden war. Die ganze Anlage muss einer Zeit angehören, da man in grossem Stil für die Würde der Altis energisch thätig war. 246 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 5. März. Die Gebäude waren, wie oben gezeigt, entweder Erneuerungen älterer Stiftungen oder neue Gründungen. Neu gegründet wurde das der Kyrenäer (VII), das wir der Zeit Battos des Glücklichen (etwa um 550) zuschreiben dürfen. Es war die Blüthe der Stadt, welche einer zweiten Colonisation folgte, und da wir die alten Beziehungen zwischen Olym- pia und Libyen kennen (Paus. 5,15), werden wir nicht fehl gehen, wenn wir annehmen, dass die Colonisten des zweiten Zuges sich vor- zugsweise im Alpheiosthal gesammelt und so ein näheres Verhältniss mit Olympia begründet haben. Die Plattform der Kyrenäer ist erst später in die grosse Terrasse aufgegangen. Noch deutlicher sind die Beziehungen zu Epidamnos (V) gegeben, da wir wissen, dass die nach dem Fall von Pisa auswandernden Dys- pontier einen ansehnlichen Theil des neuen Stadtvolkes bildeten (Strabo 357. Thuk. ı, 27). Das dicht bevölkerte Alpheiosgebiet bot überhaupt für überseeische Auswanderung ein reiches Material, und die Korinther waren eifrig beflissen, den Überschuss elischen Landvolkes für ihre Colonialpolitik auszubeuten (Ges. Abh. I 198). Es war hier also ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Mutter- und Colonialland wie in Delphi, nur dass das Heiligthum nicht so maassgebend und selbstthätig bei der Auswanderung mitwirkte, wie das des pythischen Apollo, der zu den überseeischen Ansiedelungen seine unentbehrliche Sanetion gab und dafür bestimmte Leistungen der Pietät in Anspruch nahm (Ges. Abh. II 469). Es war vielmehr eine freie Bethätigung der Heimatsliebe und der Anhänglichkeit an das Heiligthum, das die Ausgewanderten als ihren geistlichen Mittel- punkt anzusehen sich gewöhnt hatten. So lange wir Olympia aus der Ferne betrachteten, erschien es uns, von den Änderungen des Spielprogrammes abgesehen, als etwas im Wesentlichen sich Gleichbleibendes und Unveränderliches. Seitdem wir im Alpheiosthale heimisch geworden sind, ist es anders geworden. Das geschichtliche Leben tritt uns auch hier entgegen; ein besonderes Stück hellenischer Volksgeschichte, das wir als solches noch nicht beachtet hatten, ist vor uns aufgetaucht, und auch manche Überliefe- rung des Alterthums hat neue Bedeutung für uns gewonnen. So die von der achäischen Vorzeit bei Ephoros und Pausanias; die Königs- stadt Pisa, die man zu einem wesenlosen Schatten verflüchtigt hatte, ist mit ihren Landmarken, urkundlich bezeugt, wie auch das uralte Salmone (Arch. Zeitung 35 S. 197, 37 8.158), aus dem mythischen Dunkel wieder hervorgetreten. Currius: Die Schatzhäuser von Olympia. 247 Welche Zähigkeit aber das geschichtliche Leben in Pisa gehabt, bezeugen jetzt die 1SSo gefundenen Erztafeln, die in den Jahren 365 ff. Pisaten als Schirmherren des Heiligthums nennen, und Geschlechter der Pisaner haben bis in die späte Kaiserzeit Ehren und Ansehen in Olympia gehabt (Arch. Zeitung 35 S. 39). Die ältere Geschichte von Olympia ist im Wesentlichen davon abhängig, welchen Einfluss Sparta dort hatte. Der Synoikismos von Elis hat, wie ich in den Sitzungsberichten 1895 S. 793ff. nach- gewiesen, die lakedämonische Macht am Alpheios gebrochen und dem attischen Einfluss Bahn gemacht. Aber auch vorher hat sich Sparta nicht auf der Höhe des Ansehens erhalten, die es nach Iphitos gehabt hat, denn in den Zeiten, da seine Hegemonie erschüttert war, konnte es auch als Schirmherr des Heiligthums seine Macht nicht aufrecht erhalten. Es war das 7. Jahrhundert, da die Halbinsel für und wider Sparta gespalten war und fremde Tyrannen, mit Pisa verbündet, die Leitung des Festes an sich rissen, oder sich, wie die Kypseliden, mit ihren Schätzen in Olympia einbürgerten. Pisa selbst hatte in diesem Jahrhundert den Charakter einer Tyrannis. Omphalions Geschlecht hatte mit Hülfe des Volkes eine Fürstenmacht erreicht, eine Macht, welche sich durch drei Genera- tionen behauptet hat. Nach dem Sturz der Kypseliden wurde auch der Enkel des Omphalion besiegt, und wir können nicht umhin, hierin den glänzendsten Erfolg lakedämonischer Politik zu erkennen. Von der Prostasie der Pisäer in Olympia reichen die letzten Spuren nach dem Zeugniss des Julius Africanus bis in die ‘22. Olym- piade nach der 30. (Africanus ed. Rurcers p. ı1 Ihoawoı ravrnyv T nEav kaı ras e&ns KB). Um 570 also ist die Tyrannenburg gefallen; eine neue Ordnung der Dinge musste beginnen. Sparta hat seinen grossen Erfolgen in den verschiedensten Zeiten auch künstlerischen Ausdruck zu geben gesucht. Denkmäler der messenischen Kriege waren die berühmten Dreifüsse des Gitiadas; aus den medischen Kriegen stammt die "Perserhalle‘; die Niederlage der Athener wurde durch das Standbild der leierspielenden Sparta von Aristandros sowie die grosse Götter- und Kämpfergruppe in Delphi gefeiert. Für Olympia bedurfte es nach dem Siege Spartas zunächst keiner Prachtwerke, sondern fester Gründungen. Die alte Abhängigkeit von Stadt Elis wurde in voller Strenge erneuert; die Altis musste nach Zerstörung von Pisa inmitten einer nur von Grundbesitzern, Bauern und Hirten bewohnten offenen Flusslandschaft ihre Selbständigkeit haben, d. h. ihren eigenen Herd, ihre Hestia. ihr Prytaneion. Dies 248 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 5. März. Gebäude ist jetzt erneuert oder gegründet. Es lag an der Pforte, die auf nächstem Wege nach Stadt Elis führte, um zu zeigen, dass jetzt der Schwerpunkt auf der entgegengesetzten Seite liege. Nach den blutigen Bürgerkriegen musste auf dem Altar der Hestia eine neue, reine Flamme entzündet werden, die fortan Tag und Nacht glühte. Er war der geistliche Mittelpunkt der neugeord- neten Altis, Anfang und Ende des Rundgangs der Opferpriester (Altäre von Olympia S. 9). Von ihm wurde die mit Alpheioswasser gemengte Opferasche jährlich auf den Zeusaltar gebracht, der dadurch von Jahr zu Jahr zu einer immer steigenden Höhe anwuchs. So wurde Alles auf die Ehre des Zeus zurückgelenkt. Er war der Hausherr und Herdgott, und wenn den Königen von Sparta als höchstes Ehrenrecht die Priesterthümer des Zeus Lakedaimon und des Zeus Uranios über- tragen worden waren (Herod. VI, 56), so konnten die Herakliden keine höhere Aufgabe haben, als den Zeusaltar auch am Alpheios zum hervorragenden Mittelpunkte des religiösen Dienstes zu machen. Nach dem Sturz der Tyrannen und ihrer Dynastenpolitik wurde in Religion und Staatswesen das Volksthümliche von Neuem zur Geltung gebracht, und zu diesem Zweck war der Dienst des hellenischen Zeus, des gemeinsamen Volksgottes, besonders wichtig und wirksam. Denn dadurch erhielt Olympia bei seiner Abhängigkeit von Elis zu- gleich den Charakter eines dem ganzen Volke angehörigen Orts, und wie es in Arkadien einen Platz gab, der als Apkaöırov allen Arkadern in gleicher Weise gehörte (Pelop. I, 309), so könnte man Olympia ein Hellenikon nennen. Lakedämonischer Einfluss bezeugt sich auch darin, dass in dem mit dem Zeusaltar so eng verbundenen Prytaneion nur in dorischer Mundart die Festlieder erschallen durften (ömooa aöovaw Ev T® Tpv- raveiw, bwvn....eotw n Awpıos Paus. V, 15,12). Hier war auch der wirthschaftliche Mittelpunkt, an dem die Ehrengäste des Zeus empfangen und bewirthet wurden; hier waren Küche und Keller und die zum Betriebe eines grossen Haushalts unentbehrlichen Wasservorräthe. Das Andere, was Noth that, war die Ordnung der Verwaltung, welche jetzt, da in der Pisatis kein städtischer Mittelpunkt mehr vorhanden war, wiederum ganz an Stadt Elis gebunden wurde. Von hier gingen alle entscheidenden Maassregeln aus; für die laufenden Angelegenheiten musste aber eine ständige Behörde am Alpheios ihren Sitz haben, ein Ausschuss des elischen Landadels, das war der »olym- pische Rath«, die Bule.. Am Südrande der Altis, wo die grossen Strassen von Westen und Osten sich begegneten, ist das Buleuterion in seinen Fundamenten erkannt worden. Es sind zwei doppelschiffige Currıus: Die Schatzhäuser von Olympia. 249 Langsäle, von denen der eine im Süden, der andere im Norden einem viereckigen Mittelbau angebaut worden ist. Dieser Mittelraum ist der Kern des Ganzen: es war der Sitzungssaal des nach lakedämonischem Vorbilde eingerichteten, oligarchischen Rathes, der die Einnahmen und Ausgaben überwachte. Bei wachsenden Geschäften sind die beiden Langhäuser nach einander entstanden, um die Urkunden des Heilig- thums aufzunehmen; die beiden halbrunden Hinterräume mit je zwei Kammern haben, wie auch DörrreLp annimmt, als Schatzraum des Heiligthums gedient. Die Geschichte des Schatzes von Olympia (r& iepa As ypiuara GöTTLInG opuse. acadd. p. 306) geht auf den Fall von Pisa zurück; die ersten Bauten im Heiligthum, deren Erwähnung geschieht, werden aus der Beute des pisäischen Krieges abgeleitet: sie bildete also nach der Überlieferung den ältesten Bestand des Schatzes. Das sind die beiden Gründungen, die eine im Norden, die andere am Südrande der Altis, die der Zeit nach 570 angehören; Grün- dungen der Epoche, in welcher die endgültige Ablösung des Heilig- thums aus den Machtansprüchen der alten Hauptstadt von Pisatis durchgeführt wurde. Damals war das ganze Alpheiosthal diesseits und jenseits in Aufruhr, ein ansehnlicher Theil des Volkes hing noch an den Traditionen der achäischen Vorzeit und zog es vor, die Hei- mat aufzugeben, um sich nicht der neuen Ordnung der Dinge zu fügen. Nicht Pisa allein wurde zerstört, sondern auch Skillus, Olym- pia gegenüber, Makistos, Dyspontion. Geschlechter der Dyspontier leiteten sich von den Pelopiden her. Die verödeten Ortschaften wur- den neu bevölkert, der Domanialbesitz der Dynasten von Pisa wurde parcellirt und in Gemeindeland, Gutsbesitz und Bauernhöfe vertheilt (Arch. Zeitung 35 S.198). Olympia war in der Pisatis der einzige ummauerte Ort; in stren- ger Abhängigkeit von Elis mit örtlicher Selbstverwaltung republica- nisch neu geordnet. Lakedaimon hatte seine Hegemonie hergestellt und musste auch in Olympia, wo es vor den Augen aller Hellenen durch feindliche Heerzüge und zähe Widersetzlichkeit die tiefsten De- müthigungen erlitten hatte, seinen neugewonnenen Einfluss bethätigen und in seinem Sinne Ordnung schaffen. Mit den administrativen Re- formen stehen die auf künstlerische Ausstattung der Heiligthümer be- züglichen Neuerungen in unverkennbarem Zusammenhang, zwei in grossem Stil unternommene Anlagen, in denen man eine mit grossen Mitteln ausgerüstete und auf hohe Ziele gerichtete, kraftvolle Ober- leitung nicht verkennen kann. Erstens. die Ausstattung des Heraion, eine grossartige Weihe- gabe, wie sie sonst in griechischen Tempeln nicht nachgewiesen wer- 250 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 5. März. den kann. Sie war, wie wir voraussetzen müssen, mit einem Neubau der Cella verbunden, die keine dynastischen Prunkstücke enthielt, wie der Opisthodom, sondern gottesdienstliche Bilder, an denen nur die Werkmeister, die hier zu Ehren der Gottheit gearbeitet haben, ge- nannt wurden. Die Ausstattung kann nicht von Einzelnen herrühren, auch nicht von auswärts, da sonst die Herkunft angeführt sein würde; sie kann also nur von Staaten herstammen, welche hier zu Hause waren. Die Werke waren sämmtlich Proben einer in Sparta blühenden Künstlerschule. Der Mittelpunkt der grossen Bildgruppe waren Zeus und Hera, so dass auch der Öultus der alten Landesgöttin dem olym- pischen Gott angeschlossen wurde, den die Lakedämonier zum allei- nigen Mittelpunkt des ganzen Heiligthums zu machen von Anfang an mit besonderem Eifer bestrebt gewesen sind. Zweitens die Thesauren, die derselben Epoche angehören, eine architektonische Gründung, welche deutlicher als alle anderen sonst in Griechenland nachweisbaren Gruppen von Tempelbauten eine feste Oberleitung zeigt, der es in bewundernswürdiger Weise gelungen ist, weit entlegene Staaten zu einer grossen, gemeinsamen Anlage zu ver- binden, eine vorzügliche Leistung vorortlicher Hegemonie. Kyrene vereinigte seine Sonderterrasse mit der grossen Plattform, und die Geloer, die sich den schönsten Platz mit dem Blick auf das Stadion ausgesucht hatten, schlossen sich willig der Frontstellung nach Süden an. Alle verbanden sich zu einem einheitlichen Werk, wie es sonst nirgends zu Stande gekommen ist, Dorier, Achäer, Ionier, Aeoler. Die Schatzhäuser gehören, wie wir gesehen haben, im Grossen und Ganzen dem 6. Jahrhundert an, und das nach den Karchedoniern benannte ist das einzige, dessen Stiftung wir dem 5. Jahrhundert zu- eignen müssen, wenn wir auf Grund des Namens seinen Ursprung mit der Schlacht von Himera in Verbindung setzen. Dies Gebäude ist in mehrfacher Rücksicht von allen anderen unterschieden. Es ist das einzige, bei dem die Baumeister genannt sind, und zwar drei neben einander, Pothaios, Antiphilos und Megakles, und ebenso das einzige, welches seinen Namen von den besiegten Feinden hat, statt von dem Sieger. Es war also von Anfang an wie ein Tporatov gedacht, eine dekarn ano T@Vv MoXeuiov, wenn wir nicht annehmen wollen, dass Syrakus schon früher ein Schatzhaus gehabt hat, welches dann von der fremd- ländischen Beute im Volksmund den Namen des karthagischen erhalten habe. Da nun auch die Inschriften des sikyonischen Schatzhauses sich nicht über den Anfang des 5. Jahrhunderts hinaufrücken lassen, so liegt die Vermuthung nahe, dass die beiden Schatzhäuser, welche zum westlichen Flügel der Terrasse gehören, die jüngsten von allen seien, Currws: Die Schatzhäuser von Olympia. 251 und sehon RıcHter hat sie in seiner Dissertation als solche der älteren Reihe, die er von Gela beginnen lässt, gegenübergestellt. Auch weisen die Kiesel- und Porossteine, welche nach Dörrreıp’s Beobachtung (Baudenkmäler S. 45 und Ausgrabungen V 35) in den Fundamenten der Thesauren von Sikyon und Karthago sowie der beiden einst zwischen ihnen gelegenen gefunden sind, auf eine gleiche Entstehungszeit dieser westlichen Gruppe hin. Das 6. Jahrhundert, dem die Thesauren angehören sowie die Gruppenbilder im Heraion, folgte den Zeiten der Revolution, dem Jahrhundert der Tyrannen. Jetzt wurde, was die Überlieferung der Halbinsel an die Namen Iphitos und Lykurgos anknüpfte, wiederher- gestellt. Darum glaube ich auch die Vermuthung aussprechen zu dürfen, dass in dieser Epoche, deren Thatsachen ich zusammengestellt habe, auch der Diskus im Heraion aufgestellt worden sei, der die beiden Namen vereinigte, deren Gedächtniss man jetzt wieder. zu vollen Ehren bringen wollte. Die Denkmäler, die wir betrachtet haben, sind Zeugnisse der grossen Zeit Spartas, da es, im Auslande hoch an- gesehen, von Neuem an der Spitze der Eidgenossen stand, und stellen uns zugleich einen wichtigen Abschnitt der Geschichte von Olympia vor Augen; denn die Zeit nach 570 ist zwischen der Iphitosepoche und dem Synoikismos von Elis der wichtigste Abschnitt der Ge- schichte von Olympia. nn be, Be ar Br j fr “a. Br & | Wertareta Hero 2 EN Bio @ 7 Bar Br { w ze er 1 % u Dan ya [ep | ur; y \ u 7 end Ki # e hy; 253 Vedische Beiträge. Von ALBR. WEBER. (Vorgetragen am 16. Januar [s. oben S. 43].) 4. Das achtzehnte Buch der Atharvasamhitä. (Fortsetzung und Schluss.) Dritter anuväka. a. Composition. ln den 73 Sprüchen dieses anuväka finden sich nur 32 auch im Rik vor, nämlich 2 X, 18, 8, — 6 X, 16, 13,— 7X,56,1, — ı8 IX, 86, 43, — ara, IV 2, 16-19, 3841 X, 13,2. 1.3. Ay, — 42-48 X, 15, 12.7. Ile 5. 8.9. 10, — 49-52 X, 18, IO-I3, —53. 55 X, 16, 8.6, — 56 X, 17, IA, — 57 X, 18, 7, — 58 X, 14, 8, — 60 X, 16, 14, — 65 X, 8, I, — 66 X, 123, 6, — 67 VII, 32, 26. Der Rest ist der Ath. S. eigenthümlich, soweit sich die Sprüche nicht auch noch im Yajus vorfinden; im Todtenbuche des Taitt. Är. (VI) nämlich finden sich aus unserem anuväka folgende Verse vor (wobei auch die dem Rik angehörigen Verse mit aufgeführt sind): ı.2 in 1,13. IA, — 3 mn 12,1, -61n 4,2, — 7in 3, 2. 4,10, — 3in 4,II, — 9 in A, 9, — 38 in 5, 2, — 49-52 in 7,2-4. I, — 5zin I, Id, — 5; in 4, 8; — 58. 60 iN 4, 7, 3, — 65 in 3, I, — 66 in 3, 3. Von den Lesarten des T. Är. gilt, wie bereits bemerkt, dass sie fast durchweg zum Rik, nicht zum Atharvan stimmen, hier und da jedoch zeigen sich auch eigene Lesarten'. Bei Kaucika, s. BLOoMFIELD p.4 10. 411, geht die Verwendung wieder sehr durch einander: ı.2 in 80, 44. 45, — 3 in 81, 20, — 4 in 80, 37. 82, 26. 33, — 5.6 in 82, 26, — 7in 80, 36, — 8.9 in 80, 31. 32. 35. 82, 3I, — ıoin 81, 47. 86, 17. 87,4, — ıı in 81, 47, — ı2in 81, 46. 87, Ber 13 in Sa 3720 = 7 in 84, Io, — ısin 88, 16, — res in 85, 26 (resp. 25 in 81, 39. 35, 26 und zo in 80, 53), — 42 in 89, 13, — 44-45 in 87; 23] 0 a LATAS 87, 22, — gin 86, NO —ı 5 in 86, ! wo die Lesarten von T zu R stimmen, führe ich sie nicht besonders an. Die eigenen Lesarten sind auch hier z. Th. sehr sonderbar. Sitzungsberichte 1896. 25 254 Sitzung der phil.- hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. 8, — 5; in 81,9, — ss; in 80, 5, 83, 20, — 2 in 82, 9, — 6o in 82, 26, — 61-67 in 86, 17 (6ı ausserdem noch in 81, 48. 82, 36, — 62 in 82, 37), — 69 in 85, 27, — zo in 33, 19, — zı in 81, 33, — 72 in 86, 2. 88, 17, — 73 in 85, 24. Unverwendet bleiben 14-16. 19-24. 38-41. 43. 50. 51. 54. 57-59. 68. Auch hier steht die disparate Vertheilung der Verse über die einzelnen Paragraphen des Kaucikas. in Einklang mit der bunten Durch- einanderwürfelung des Inhalts derselben in der Reihenfolge des Textes. Es beziehen sich nämlich ı-3 (im Anschluss an das Ende von anuväka 2) auf die hinterbliebene Wittwe, — 4 anustarani-Kuh, — 5. 6 Kühlung und Entsühnung des Platzes, wo die Verbrennung stattgefunden hat, — 7-9 Reise nach dem Jenseits, — Io-12 Gebet des Erben an Yama und die Väter, — ı3 an Yama, — 14-16 an die Väter, — 17.18 Lustration und Heimkehr der Theilnehmer, — 19-24 an die Väter, — 25-35 Gebet des Erben, — 36-41 Entsühnung der beiden Wagen (havir- dhäna), — 42-48 an die Väter, — 49-52 Bestattung (Begräbniss), — 53-55 desgl. (Verbrennung), — 56 Gebet des Erben, — 57 Rück- kehr der Weiber von der Bestattung, — 58 Aufforderung an den Todten zur Reise hinüber, — 59 an die Väter, — 60 Kühlung und Entsühnung des Platzes für den rogus, — 61-63 Bitte des Erben um die Gunst des Vivasvant (Vater des Yama), — 64 an die Väter, — 65-67 an Agni und Indra, — 683. 69 viaticum, — 70. 71 ignis TO- galis, — 72. 73 Aufforderung an den Todten zur Reise zu den Vätern. 5 b. Erklärung. 1-3. Diese drei Verse schliessen, wie bereits zu 2, 61 bemerkt, direct an die dortige Situation an. Der Todte liegt gewaschen, ge- kleidet und geschmückt auf der Bahre. Der Erbe hat ihm bereits die Insignien seines Standes (Stab, Bogen oder Viehstachel) abgenommen. Da naht sich die Gattin, legt sich zum letzten Male neben ihn, und zwar zu dem Zweck von ihm Nachkommenschaft und Habe zu erhalten, und wird dann (von wem? ist im Verse nicht gesagt) auf- gefordert, sich von ihm weg zu begeben und wieder in die Welt der Lebenden einzutreten. Es weist dies! selbstverständlich darauf hin. dass die Wittwe sich nicht mit dem Gatten verbrennt, trotzdem dies wohl in päda 3 von v.ı als alter Brauch vorausgesetzt wird, sondern dass sie leben bleibt, und noch weiter auch Kinder be- kommen, resp. sich verheirathen darf. Es sind somit gerade diese Verse von entscheidender Bedeutung auch für die in der Gegenwart so ' ef. auch Kaugika 80, 44.45; nach dem Kalpa zu T.: athä ’sya bharyam upasam- vegayati, täm prati gatah savye pänäv abhipädyo ’tthäpayati. Weser: Vedische Beiträge. 255 viel verhandelte Frage der Wiederverheirathung der Wittwen'!. — Und zwar findet sich v. ı ausser hier noch im Taitt. Är. VL, 1, 13°, v. 2 ibid. ı4 resp. Rik X, 18°, 8 und v.3 im T.VI, ı2, ı vor. 1. Hier dieses Weib, des Gatten Welt sich wählend, legt sich nieder zu dir, o du Sterblicher‘, dem Hingegangenen! der alten Satzung folgend; gieb du ihr hier Nachkommenschaft und Habe. Statt dharmam puränam hat T. Är. die sonderbare Lesart: vievam puränam; — der Wortlaut dieses Verses scheint mir zweifellos dahin zu gehen, dass die Wittwe dem dharma puräna zufolge sich zu dem Todten legen musste, um mit ihm zu sterben, dass man aber zur Zeit der Abfassung desselben zwar das dazu gehörige Ceremoniell noch beobachtete, aber nur zu dem Zweck, um grade umgekehrt die Wittwe durch den Todten selbst dem Leben wieder zuführen zu lassen. 2. Erhebe dich, Weib! her zur Welt der Lebendigen. Du liegst hier bei Einem, dessen Lebensgeister dahin gegangen sind. Komm her! | Du hast diese deine Gattinnschaft gegen deinen Gatten, der deine Hand ergrif, der dich zu haben wünschte, voll erfüllt. gatäsum R. A., itäsum T., — dadhishos A., didhishos R., — tave "dam R. A., tvam(!) etat T., — sambabhüva(!) T. 3. Ich sah ein junges Weib hingeführt werdend, lebend den Todten zugeführt werdend, | als sie von blindem Dunkel umhüllt war, vorwärts, weg, führte ich sie dann. || yuvatim äcarantim mritäya jiväm pari T., dies sind gute Lesarten, durch die das doppelte niyamäanäm vermieden und der Weg zu der richtigen Lesart: jiväm mritebhyah (statt jivam ritebhyah) gewiesen wird. — yä tamasä prävritä 'si T., — prävritäsit A., — präcim aväcim avayann (erklärt durch: vayam avemah, jänimah) arishtyai T., präkto apäcim anayam tad enäm A. — Klarer kann die Errettung der Wittwe von der alten Sitte, sie zu verbrennen, wohl nicht ausgesprochen wer- den. Da der Ath. Veda doch speeciell für die Kshatriya bestimmt ist, bei denen die Sitte der Wittwen-Verbrennung besonders im Schwange war’, muss es Wunder nehmen, dass diese Verse uns darin überhaupt erhalten sind (v. 2 ist ja durch die Riks. geschützt). ! nach Manu 9, 66 war sie unter dem alten König Vena den Menschen erlaubt. 2 s.Rown in ZDMG.VIII, 469. Wırson Sel. Works (ed. Rosr) II, 287. 278.292. 298. ® in Bezug auf Ror#’s Auffassung dieses Liedes stimme ich L. v. ScHRÖDER (s. Wiener Z.K.M. IX ı12, 1895) durchaus bei. * „martya« AT; — weder der Vocativ noch das Wort selbst passen hierher. Ich vermuthe, dass wir maryam zu lesen haben: »zu dir, ihrem dahingegangenen Liebsten«, dieses im Rik (cf. maryo na yoshäm) übliche Wort marya, das von ymar »gedenken« herzuleiten ist, s. Abh. über den räjasüya p. 46”, ist der späteren Zeit ganz verloren gegangen. R 5 als dharma puräna (v.r). — Nach J. Grımm’s elassischer Abhandlung »Über das Verbrennen der Leichen« 1849 wäre es bereits alt-indogermanischer Brauch ge- 25° 256 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Für unseren Vers hat die Verfälschung des Inhalts freilich schon früh begonnen, denn bei Kauc. 87, 20 wird derselbe zu v.4, resp. (nieht auf die Wittwe, sondern) mit diesem auf die (anustarani-) Kuh bezogen, welche dem Todten als Reitthier in das Jenseits dienen soll (der Ausdruck pariniyamänäm wird dabei aus dem Texte in das sütram übernommen, gewissermaassen als ein jnäpakam, lingam, für die Richtigkeit dieser Art der Verwendung! Auch im kalpa zu T.VI,ı2,ı p.719 wird der Vers auf diese räjagavi bezogen, und zwar nach deren Freilassung (utsrijya); die Beziehung auf die Wittwe war eben unbequem, und wurde daher in dieser Weise escamotirt. Der vierte Vers wird bei Kauceika (l.c. und 80, 37, s. noch 81, 33") mit Recht auf diese Kuh bezogen (T. kennt ihn nicht). 4. Kundig, o Kuh! der Welt der Lebendigen, dem Pfad der Götter nachschreitend (bist du). | Dieser hier ist dein Herr (gopatih), sei ihm ge- wogen (treu). Zur Himmelswelt lass ihn hinansteigen. || aghnyä, ein altvedisches Wort, fälschlieh durch »untödbar« er- klärt (hier diese Kuh gerade wird ja geschlachtet), eigentlich wohl »hellfarbig« wie usriyä, s. Ind. Stud. 17, 306. 307; — panthäm für pan- thänam wohl metri e.; — te zweisilbig, svargam dreisilbig zu scan- diren. 5.6. Diese beiden Verse sind an das Feuer des rogus gerichtet, und haben, wie es scheint, dessen Entsühnung resp. die Lustration des Platzes, wo der rogus sich befindet, zum Gegenstande. Beide Sprüche sind incorreet überliefert, finden sich resp., mit erheblichen Varianten freilich, der zweite in Rik X, 16,13 [unter den Anhängseln dieses Liedes] und der erste in den fünf uns erhaltenen Yajus-Texten (Maitr. II, 10,1. Käth. XVII, ı7. Kapishth. samh. XXVIN, ı. Ts. IV, 6,1,1. Vs. XVII, 6) vor. Und zwar verdienen, was zunächst v. 5 be- trifft, die Lesarten der Yajus-Texte unbedingt den Vorzug vor den hiesigen. Der Text lautet nämlich daselbst: , üpa jmänn üpa vetase 'va tara nadishv ä | / [4 . ägne pittäm apäm asi mändüki! täbhir ä gahi || üupa dyäm A., secundär, — vetasäm ävattaro nadinäm A., vetase "vattaram nadishv ä& Ts.', — päda 4 fehlt in A., findet sich resp. wesen (Kleine Schriften Il, 293. 294), dass die Wittwe dem Gatten im Tode folgte. Die Angaben darüber finden sich sowohl für die Griechen p. 225. 226, wie für die Ger- manen (speciell die gothischen Heruler) p. 241, nach Procop, und für die altnordischen Völker (ef. Brynhild und Sigurd p.269), und für die Slaven (p. 290); bei den Russen an der Wolga allerdings erst aus dem zehnten Jahrhundert (Ibn Foszlan). ! atigayena rakshakatvam yathä bhavati, tathä upagato vartase Säy. zu Ts. (Bibl. Ind. p. 568). Weser: Vedische Beiträge. 2 nur in Maitr. sö vor, gehört dagegen in Ts., Kap., Vs., Käth. zu dem daselbst folgenden Hemistich. Der Vers dient im Yajus (s. Mahidh. zu Vs., sowie Käty. 18, 2, 10) dazu, um das agnikshetram, den Platz, auf dem der Feueraltar ge- schichtet werden soll, mit einem Besen, der, resp. dessen Stiel aus Rohr (vanca) besteht, an welches ein Frosch', Lotusblumen und Rohr- zweige (vetasatarucäkhä) gebunden sind, abzukehren, offenbar um damit eine kühle Grundlage zu schaffen. Hier mag der Vers um- gekehrt den Zweck haben, die Stelle, wo der rogus gestanden hat, abzukehren, und wieder kühl, frisch zu machen. — Nach Kaucika 82,26 gehört der Vers zu dem Einsammeln der Knochen am dritten oder neunten Tage nach der Verbrennung; dies ist wohl aber eine secundäre Verwendung. 5. Zur Trift, zum Röhricht, zu den Flüssen steige hinab. Agni, du bist die Galle(?) der Gewässer [Froschweibchen ! komm’ mit ihnen her]. jman für ajman (lat. agmen), Trift, Weide, Flur, Erde” (dyäm, A., hat hier nichts zu suchen); — vetasa, Weide, Yvi, vieo, — pittam, tejah Mahidh. und Säy. Da die Bedeutung: Galle hier nicht recht passen will, so möchte ich, da pittam doch wohl in alt-indoger- manischer (im Präkrit neubelebter) Weise = pitam »gelb« ist, und mir dieses Wort wieder nur als eine Nebenform zu pina »fett« er- scheint, pitta hier direet mit »Fett«® übersetzen. Die mythische Beziehung Agni’s zum Wasser (des Blitzfeuers zu den Wolken) liegt im Veda vielfach vor. Zu dem vierten päda, der hier im Athı. nicht vorliegt: »Frosch- weibehen! komm mit ihnen (den Gewässern) herbei«, cf. unten v. 60. Der Frosch ist, s. Ind. Stud. IX, 414”, Symbol des Regens’, der kühlen Feuchtigkeit, des (alljährlichen) frischen Wiederauflebens. 1 s. Ind. Stud. IX, 274. 275. ?2 ebenso auch jmä (abzutrennen von kshmä, die Geduldige), Gen. jmas, und ajra. Die Beziehung von @ypos, ager, Acker (lautverschoben, daher nicht Lehnwort) auf Feld- bau ist somit secundär. Auch arare ist ursprünglich nur: zutreffend (zurecht) machen, fügen, bereiten (skr. ara Speiche, aram zutreffend); (aritra Boot und aratrum Pflug haben zwar die Wurzel und im Wesentlichen auch das Affix gemein, gehören aber ver- schiedenen Sprachperioden an). In ähnlicher Weise hat murus, moene ursprünglich nichts mit Erd- oder Stein-Arbeit zu thun, sondern bedeutet: Flechtwerk (Pallisade), ymü, müta Korb, müla Wurzelgeflecht (Kunx Z.VI, 318); auch dam (dampati, domus) geht auf binden (von Fellen zum Zelt) zurück; die Beziehung von zimmern zum Holz ist erst secundär. — Der Begriff: bauen ist im Übrigen wohl schon vor alter Zeit mit dem Caus. der ybhü verbunden (bhäva Baumeister; & auch bhavana Haus). 3 ist unser fett, feist = angels. f&tt, ahd. feizit, goth. faitips, so ergiebt sich auch für diese Wörter die Beziehung zu ymı (mapos), skr. pi (pita, pitta). % cf. Ath. 4,15,14.15 (vorher geht Rik 7,103,1) »schrei los! Froschweibchen! ziehe den Regen herbei, den plätschernden! | schwimm in die Mitte des Tümpels, ausspreizend dabei das Bein || O du khanvakha-, o du khaimakha-Rufende, du in der 258 Sitzung der phil. -hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Der ganze Spruch stammt aus einem volksthümlichen Feuer-Ritual. Agni soll selbst (zur Trift, zum Röhricht) zu dem Flusse hinabsteigen, um das Wasser, dessen pittam er ist, zur Kühlung und Befeuch- tung des durch ihn verbrannten Bodens herbeizuschaffen, und der an den feuchten Besen gebundene Frosch soll ihm dabei helfen und die Regenwasser zu gleichem Zwecke herbeischaffen. — Auch v. 6 hat entschieden den Zweck, die Feuerstelle wieder feucht und kühl zu machen, er ist, wie schon bemerkt, ein Anhängsel (v. 13) zu Rik X, 16; s. auch Taitt. Är. VL, 4, 2'. 6. Welchen (Platz) du gebrannt hast, o Agni, den lass wieder kühl werden! | Saftreich soll hier wachsen Halmgras sich weit ausbreitend. l kiyämbv ätra R., kyämbür atra A. T. (kiyatä 'py ambunä yuktä käcid oshadhih Säy.), — rohatu A.R, jäyatäm T., — päkadürvä R. (paripakvadürvä Säy.) T., cändadürvä A. (cända für kända?); — vyal- kacä vividhacäkhä Say. 7-9. Drei den Todten zur Reise nach dem Jenseits auffordernde Verse. Nach Kauc. 80, 36 ist v.7 zur Anrede an den Todten be- stimmt, nachdem man die Feuer vor ihn hingebracht hat, agnayah (? agnin!) pretasyä ’gre kritvä 'bhimantrayate (Schol., Broonrıerp p. 368). Nach dem kalpa zu T.VI, 3,2 ist v.7 der zweite Vers aus einem an Yama gerichteten navarcam, dagegen nach dem kalpa zu T.VI, 4, 9-11, wo die drei Verse 7-9 (in der Reihenfolge 9. 7. 8) zusammenstehen, dienen dieselben zum Einsammeln. der Knochen vom rogus. Das gmagd- nam wird mit Wasser besprengt, und die Hauptfrau des Todten (Bibl. Ind. p. 673) bindet an die linke Hand zwei schwarzrothe Fäden, stellt sich auf einen Stein, wischt ihn (wen?) einmal mit apämärga-Körnern ab und ergreift mit v.9 einen Knochen vom Kopfe des Todten. 7. Dies ist dein Eines, dort drüben ist dein Eines (Andres); mit dem dritten Lichte lagere dich zusammen. | Beim Lagern sei schön von Leib, lieb den Göttern im höchsten Versanmlungsort. || Dies ist zwar ziemlich dunkel, kann sich aber wohl nur auf den Todten beziehen (so auch Säyana), nicht auf das Feuer. Dreifach ist sein (des Todten) Licht (jyotis), seine Kraft, ı. hier, während des Lebens, 2. dort, paras, in der Gruft(?), 3. im höchsten »sadhastha«, wo er sich nunmehr lagern soll, schön von Leib, so dass ihn die Götter lieb gewinnen; Säyana zu Rik bezieht die drei Lichter auf Agni, Mitte Plätschernde! | spendet Regen, ihr Väter! gewinnt (mir) das Herz der Winde!« || täduri bringe ich mit ytäd, tand zusammen; — die Frösche werden als Väter ange- redet! — khanvakhä, khaimakhä sind Onomatopoia, dieselben, die unserm Frosch- »(JQuaken«, dem griechischen KoaE PBperexe£ zu Grunde liegen. Anderweit heisst es vom Frosch auch, dass er ät karoti (cf. äshkäranidhanam), s. Festgruss an Roth p. 136”-4, ! nach dem kalpa in Schol. dazu (Bibl. Ind. p. 670) dient der Vers zum Sam- meln der Knochen vom rogus. Weser: Vedische Beiträge. 259 Väyu (präna) und Äditya, während zu T. auf das eigene Licht des Agni, auf die Leiche und den paramätman (!). — tanvsac R., tanvsä A., samvecanas tanüvai T. (beide Male). Säyana (zu Rik) zieht den Genitiv direct zu samvecane; der Instrum. scheint mir der hiesigen Situation besser zu entsprechen; — parame sadhasthe A.T., parame janitre R. 8.9. Nach Kaucika 80, 31. 32. 35 zum »Holen« der auf eine Bahre gelegten Leiche bestimmt, resp. nach 82, 31 zum »Holen« der nach dem Brande übrigen mit Duftpulver zu bestreuenden Knochenreste, resp. zu den »harini« genannten Versen gehörig. Auch nach dem kalpa zu T. VI, 4,9 dient v.8 zur Ansprache an die in einem kumbha oder sata gesammelten Knochen. Beide Sprüche enthalten (so wenig wie 7) nichts, was für die Art der Bestattung, ob durch Brand oder durch Begräbniss, entscheidet, zum Einsammeln von Knochen eignet sich jedoch v. 9 jedenfalls ganz gut. 8. Steh auf, geh fort, laufe fort! Schaff dir dein Heim im schwan- kenden (!) Versammlungsort, | einträchtig mit den Vätern, ergötze dich da am Soma und an den Freiheiten. || krinushva parame vyoman T., krinushva salile sadhasthe A.; — ist hier etwa unter svadhäbhih, da es parallel mit somena steht, schon nach der spätern Weise, die das Wort mit Ysvad in Verbindung gebracht hat, pitrinäm annam, die Speise der Väter, zu verstehen? — In T. VI, 4, ır lautet das zweite Hemistich: Yamena tvam Yamyä samvidäno "ttamam näkam adhi rohe 'mam || (mit der Variante am Schlusse adhirohayai 'nam findet sich dieses Hemistich resp. auch in Vs. XII, 63), wobei denn von Interesse ist, dass neben Yama auch Yami als im Jenseits thronend gedacht wird, s. unten p. 289 (zu 4, 51). 9. Schiesse vorwärts! trage dir einen Leib zusammen! nicht möge ein Glied von dir verloren gehen, nicht ein Knochen | gemäss dem dir inne- wohnenden Willen lagere dich; wo auf der Erde du dir es erkiesest, dahin gehe.|| Dass dieser Vers sich vortrefflich zum Sammeln der Knochen' eignet wie Kaueika und Schol. zu T. ihn verwenden, liegt auf der Hand. Aber ob er sich auch ursprünglich darauf bezog, ist doch frag- lich; der Todte soll eben mit seinem ganzen Leib, mit allen Gliedern sar- vatanıh sälgah im Jenseits wieder erstehen. Mittlerweile, bis er dahin gelangt, geniesst er die völlige Freiheit der Bewegung, kann von seinem tumulus aus, der ihm als fester Punet dient, überall umher- schweifen; dies ist die svadhd, die ihm zu eigen ist. — Die Wurzel sku, ceu, ceyu, schliesslich eyu (ebenso durch ? weiter gebildet skut, ccut, ! nach Kaugika 82, 27 werden (s. unten p. 24 bei v.60) die Gebeine eines Brähmana mit kshirotsikta, Milch-Ausbruch, die eines Kshatriya mit madhütsikta, Honig(?)-Ausbruch, die eines Vaicya bloss mit Wasser besprengt (s. BLoonrieLo p. 22, 2); nach dem kalpa zu T.VI,4,1o p. 675 unterschiedslos mit Wasser. 260 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. ceyut, eyut) wird von rascher dahinschiessender Bewegung gebraucht, und zwar vom Springen sowohl wie vom Fallen; s. Kuus Z. X, 463. — In T. VI, 4.9 lautet der Vers: uttishthä 'tas, tanuvam sambharasva, me’ha gätram ava hä mä cariram | yatra bhümyai vrinase(!) tatra gacha, atra tvä devah savitä dadhätu || und steht vor dem hiesigen v.7. Zu dem zweiten Hemistich s. unten p. 273 bei v. 58. Der vierte päda mit seiner Erwähnung des devah savitä erscheint weit alterthümlicher, als unser hiesiger päda 3, der überhaupt einen etwas secundären Ein- druck macht. 10-12. Mit diesen drei Sprüchen erfleht der Erbe für sich die Gunst der Väter und der Götter. Nach Kaue. 81, 46 wäscht er sich zunächst mit v.ı2 die Hände, und spült dabei mit v. ıo den Mund aus. Ebenso beim pindapitriyajna 87, 3. 4. Auch 86, 17 giebt eine für den »kartä gotrinac ca« bestimmte Verwendung an (BLoomrFIELD P3370): 10. Mit Werkkraft mögen mich die soma-würdigen Väter salben, die Götter mit Meth und mit ghrita. | Zum Sehen mich weiter fortführend, zum Greisenalter mögen sie mich als einen das Greisenalter Erreichenden wachsen machen! || cakshushe, statt cakshase; — jaradashtim; dies ist jenes aller- dings eigenthümlich gebildete, speciell den Sprüchen der grihyasütra angehörige Wort, das von M. Have mit Zarathustra (!) in Verbindung gesetzt wurde. ı1. Mit Werkkraft salbe mich Agni, Weisheit (medhäm) salbe mir Vishmu in den Mund, | Reichthum mögen mir zuwenden die Vigve devds, gütig mögen mich die Gewässer (und) der Wind reinigen. || ı2. Mitra (und) Varumna haben mich umgethan (umgeben), die Aditya mögen mich, die leuchtenden (?svaravah), wachsen machen, | Werkkraft salbe mir Indra in beide Hände; Savitar mache mich das Greisenalter erreichend (langlebig). 13. Dieser Vers greift auf Yama zurück; bei Kauc. 81, 37 wird er mit 2,49 zusammen verwendet. — Yama wird hier nicht als der zuerst Geborene, sondern als der zuerst Gestorbene der Sterb- lichen bezeichnet. Der als der Erste der Sterblichen starb, der als der Erste dahin ging in diese (!seine!) Welt, | den Sohn des Vivasvant, den Versammler der Leute, Yama den König, ehret mit Opferspenden. || Zu lokam etam (so auch oben ı, 55) s. Böntuinek in den Berichten der K. Sächs. Ges. der Wiss. 1893, p. 129fg. (»iste mundus«); — zum zweiten Hemistich s. 1, 49 (T.VJ, ı, 1). 14-16. Diese drei Verse greifen in eingehender Weise auf die Väter zurück. Die rishi der Rik-Lieder werden hier speciell als Weser: Vedische Beiträge. 261 »Väter« aufgeführt. Die hiesige Aufzählung macht der in Ath. IV, 29 vorliegenden gegenüber, über welche bereits Roru zur Lit. und Gesch. des Weda p. 43-45 (1845) gehandelt hat, einen secundären Eindruck; eine besondere Beziehung aber zeigt sich zu Vievämitra. — Bei Kaucika findet sich für diese Verse keine Verwendung; es ist dies, bei der Stellung des Namens Vicvämitra darin, immerhin auffällig. 14. Gehet hin, ihr Väter und kommt (wieder) her! Dieses Opfer ist für euch mit Meth gesalbt. | Gebt uns hier holden Besitz und spendet uns mit allen Mannen versehenen Reichtum. || dravine "ha, wohl aus dravinam iha, mit vollzogener Elision des m von dravinam vor dem ö von iha, und darauf erfolgtem samdhi, s. Pet. W. unter iva I, 820 (1855); — oder aber aus dravinä iha bha- dram und Letzteres statt bhadrä; beim Neutrum Differenz im Nu- merus! — datto aus: datta u. 15. Kanva, Kakshivant, Purumidha, Agastya, Cyavdgva, Sobhari(n), Arcandinas, | hier der Vigvdmitra, Jamadagni, Atri mögen uns behüten, Ka- gyapa und Vämadeva. || Die Namen im ersten Hemistich sind aus mandala I. V. VIII, im zweiten Hemistich aus II und IV. — Die Bezeichnung des Vicvä- mitra als »ayam« »Öier dieser« ist wohl so aufzufassen, dass der Vers in dieser Form für einen Angehörigen des Geschlechts des Vievämitra bestimmt ist, wie ja auch unten in v.63 und 4,54 die Vievämiträh ausdrücklich (der Text hat freilich vieva@miträh) als diejenigen! angeredet werden, welche dem Yama lobsingen sollen. — Hiermit ist denn wohl auch in Bezug zu bringen, dass das Kaucika- sütram direet den patronymischen Namen des Vicvämitra führt, somit als für sein königliches Geschlecht speciell bestimmt erscheint, s. Verz. Berl. S. H.II, p. 1263, »Episches im Veda« p. 20/3 (Sitz.-Ber. 1891 p. 786fg.). 16. o Vigvdmitra! o Jamadagni?! o Vasishtha! Bhäradvdja! Gotama! Vämadeva! | Unsern Schmutz (?) hat Atri erfasst (auf sich genommen?) um (unserer) demüthigen Bitten willen; hochgepriesene Väter ! seid uns gnädig. Diese Namen gehören den mädhyamä rishayas der Riksamhitä an, doch fehlen Gritsamada (I) und Kanva (VII); an ihrer Stelle steht Jamadagni, der auch im Gänkh. g. unter den mädhyamäs erscheint ! in v.46 werden allerdings die »früheren Väter« als vasishthäs bezeichnet, doch ist es theils ungewiss, ob dies Wort hierbei als nomen gentile zu fassen ist, theils gehört der Vers dem Rik an (X, ı5,8) und beweist somit nichts für den Ath. Veda. Anders hier mit v.ı5, sowie mit v. 63, welche beiden Verse nur hier in A. sich vorfinden; und an unserer Stelle wenigstens ist Vicvämitra denn doch auch ganz entschieden nomen proprium. ®2 Vicvämitra und Jamadagni erscheinen auch sonst noch mehrfach neben ein- ander, s. Sitz.-Ber. 1891 p. 786. 262 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. (zwischen mandala II und 1V) und Gotama. Auch liegt hier eine an- dere Reihenfolge vor. Auf Vievämitra, mandala III, der hier an der Spitze steht, folgen (ausser Jam. und Got.) die rishi von mandala VI. VI. IV. V. — Statt gardir vermuthe ich sardir, und bringe dieses in Verbindung mit sardigridi Ts. VII, 4,19,2 (Ind. Stud. XI, 313: strivyafjanam ... ye 'yam madhyamä gärbhadhärmi sä), sowie mit sridara (stinkend?), Schlange, sridägus in Särdägava, lat. sordes, sordidus, ahd. sertan »coire«, ags. serdan, mhd. serten (» versorten«). — Man könnte jedoch auch chardir »Schutz« lesen; dann ist der Sinn gerade umgekehrt; — namobhih, der Instrum. ist der Casus des Preises. 17.18. Diese beiden Verse gehören wohl zur Lustration der zur frohen Heimkehr von der Stätte des Todes sich anschickenden Ver- wandten. Nach Kaucika 84,10 wird v.17 für Weiber verwendet, die mit aufgelösten Haaren, dreimal nach links, die rechten Schenkel schla- gend, um (die Stätte?) herumgehen; — Vers ı8 (Rik IX, 86, 43) ge- hört nach Kaue. 88,ı6 zu einer ganz andern Gelegenheit, resp. zu einer dabei erforderlichen Besalbung (abhyanjana). 17. Wessen Sünde (ripram) abwischend (lustrirend) ziehn sie vor- über? Lebensdauer spendend, immer weiter neue. || Gedeihend an Nachkom- menschaft und Besitz möchten wir duftig(?) sein in unsern Häusern. || Das erste Hemistich kann sich sehr wohl auf Frauen beziehen, die eine Lustration mit Wasser begehen; das zweite dagegen bezieht sich entschieden auf die nach Hause heimkehrenden Theilnehmer an der Bestattung, die dort »duftig«, d.i. wohl frei von dem eklen Geruch der Leichenstätte, hausen wollen. 18. sie salben sich, sie salben sich ein, sie salben sich voll; sie lecken (nach) Lust, sie salben sich mit Meth. | Den beim Ausbruche des (soma-) Stroms dahineilenden Stier erfassen sie, Goldgeschmückt, das Opfer- thier bei diesen (?). Hier handelt es sich wohl geradezu um ein soma-Gelage' nach der Heimkehr, zu Ehren des Todten. Für den Rik bezieht Säy. den ersten päda auf die Mischung des soma mit Milch; doch weist das Ätmanepadam wohl auf die reflexive Bedeutung. — Wenn der »Strom« (oder ist hier etwa ein soma-Gefäss damit gemeint, wie an anderen Stellen mit samudra?) ausgegossen wird, fliegt der gewaltige stier- ähnliche Saft eilig heraus, und die Priester mit goldgeschmückten Fin- gern (°päväh, hier = °pavayah?) suchen ihn »in diesen« (welches ! zu dem »sich mit Soma salben« cf. unser Studentenlied »wir aber woll’n im Leben uns balsamiren, um desto ferner dem Tode zu sein«; auch bei dem samudra, als soma-Gefäss, erinnert man sich an unser stndentisches: » Welt- meer«, als Name eines grossen Humpens. .——n .- ——— Weser: Vedische Beiträge. 263 Femininum zu ergänzen ist, bleibt unklar, ob etwa: rätrishu? Say. ergänzt vasativarishu, versteht somit darunter eine Mischung mit Wasser) als Opferthier zu verwenden. 19-24. Diese Verse, für die Kaucika keine Verwendung hat, kehren wieder zu den Vätern zurück. 19. Was Euch erfreulich, Väter! und angenehm (soma-artig), da- mit vereinigt Euch, denn Ihr seid ruhmreich. | Ihr Atharvan! ihr kavi! horcht auf! wohlweise, beim Fest gerufen werdend. Statt: sväyacaso hı bhütäm lese ich: yacaso hi bhütä, und das gänzlich sinnlose: te arvänah ersetze ich durch: atharvänah, oder te 'tharvänah, da die Atharvan sonst bei der in v. 20 weiter fortfahrenden Aufzählung (s.1, 55) fehlen würden. 20. Welche Atri, Angiras, Navagva (da sind), geopfert Habende, Gabe Gewährende, Thniende, | oder welche Opferlohn Empfangende, Fromme ihr da seid, Platz auf diesem barhis nehmend, berauschet Euch. || Laien (Hemistich ı, in dritter Person) sowohl wie Priester (Hem. 2, in zweiter Person) aus den alten Geschlechtern, jetzt in den Reihen der Väter stehend, sollen herbeikommen. — Die folgenden vier Verse sind aus Rik IV, 2, 16-19. 21. Ebenso wie unsere fernen (pardsah), alten Väter die heilige Ord- nung (ritam) erstrebend (waren), | erreichten hier diese Reinheit die (nach ihr) Schauenden, Lieder-singenden; den Boden spaltend, befreiten sie die Rothen (Kühe). äcacänäh A., schlechte Lesart für: äcushänäh R., das ich auf Yevas zurückführe, ä-cvas = aspirare. Dagegen scheint mir didhyatah (A.) besser als didhitim (R.); — kshäman, neutr., eigentlich Geduld (Ykshä = ksham, wie gä neben gam), dann eoneret: die geduldige Erde (kshamä, kshmä), der Erdboden, hier: der Boden des Wolken- Stalles, aus dem die »rothen« Lichtkühe (arunyah = usriyäh) durch das Gebet der frommen Sänger befreit werden (s. v.43). 22. Gutes Werk verrichtend, schönleuchtend die Götter ehrend, wie Erz die Geschlechter der Götter blasend (gestaltend), | das Feuer entzündend, Indra erhebend, schufen sie uns eine weite, rinderreiche Versammlung. devä janimä steht für devänäm janimä, wie es im nächsten Verse direct heisst'; die Väter haben die »Geschlechter der Götter« gerade so geschaffen, wie der Werkmeister aus dem Erz »Gestalten« bläst, formt; — der vierte päda ist hier nach der Ath.-Lesart urvim gavyäm parishadam no akran übersetzt; die Rik-Lesart: ürvam gavyam pa- Y s. zu diesem »supäm suluk« Rorm in den Berichten des siebenten Internat. Orient. Congresses (Wien 1886), ärische Section p.ıfg. »über gewisse Kürzungen des Wortendes im Veda« (1889); — ef. noch: vicvä devänäm janimä vivakti Ath. IV, 1,3. 264 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. rishadamto agman besagt: »den rinderreichen Stall (die Wolke?) um- sitzend zogen sie«. 23. Wie Viehheerden auf der Weide erschaute er (wer?) die Geschlechter der Götter in der Nähe, o du Gewaltiger! | Die Sterblichen liessen weite Wünsche erschallen für das Gedeihen des Freundes, seines weiteren Le- bens. | Dieser Vers scheint mir im Rik (von wo aus er hierher bloss deshalb, weil er eben dort zwischen v.17 und v.ı9 des betreffenden Liedes steht, herüber genommen ist), nur eine Glosse zu v. 17 (hier 22) zu sein, resp. eine Parallelstelle zur Erklärung des darin vorliegenden dunkeln Ausdrucks: devä janimä, für den hier der klare Ausdruck: devänäm janimä gebraucht ist. Der Singular des Verbums (akhyat) passt nicht in den hiesigen Zusammenhang. Der Inhalt ist im Übri- gen wesentlich mit dem von v.ı7 (22) identisch. Während nach v.17 (22) die Väter die Geschlechter der Götter gestaltet haben, thut hier der »er« (der Dichter?) das Gleiche; er sieht dieselben so deutlich vor sich, wie Viehheerden auf der Weide. Und zum Danke dafür jauch- zen die (durch ihn hierüber belehrten) Sterblichen ihm, dem Freunde (ari), entgegen, bringen ihm ihre urvacis, »breiten Wünsche« (?) für das Gedeihen seines Lebens dar. Wer aber ist der im Vocativ mit ugra Angeredete? nach Säy.: agne! Ist etwa ugrah zu lesen? 24. Wir haben dir (für dieh) es gemacht (was zu machen war); haben unser Geschäft gut verrichtet. In die heilige Ordnung haben sich gehüllet die aufleuchtenden Morgenröthen. | Alles das ist heilvoll, was die Götter be- hüten. Lasst uns ein hohes (Lied) beim Feste singen, mit guten Mannen versehen. Wer hier der mit fe Angeredete ist, erhellt nicht (auch hier Säy.: he agne). An der hiesigen Stelle kann man sich ja freilich den Todten damit angeredet denken. — Das zweite Hemistich lautet im Rik ganz anders, hier hat es den Wortlaut des in mandala II, 23,19. 24, 16. 35.15 vorliegenden Schluss-Refrains der betreffenden Lieder. Der letzte päda findet sich daselbst noch öfter, s. I, ı. 2. 27. 29. 33. 39. 42. 43. 25-35. Diese Verse dienen nach Kaucika 85,26' zur Ansprache bei dem Sammeln der Knochen durch den ältesten Sohn. Nach 81,39 wird resp. 25 am Schluss des särasvatahoma verwendet, und nach 82,53 v. 30 beim Wenden des Kopfes nach allen die hin (keeit pratidicam cirah kurvanti). — Die Sprüche zerfallen ersichtlich in zwei Gruppen (25-29 und 30-35): " aus Kauc. 85, 26 indro mo (v.25) 'dapür (v. 37) ity ä ’tah möchte man übri- gens schliessen, dass in Kaucika’s Text 37 vor 36 stand, da 36 doch wohl schwerlich zu 25-35 mit hinzugehören kann; das ä in ä& 'tah ist hier resp. wohl »exelusives zu verstehen ? WEBER: Vedische Beiträge. 265 25. Indra, von den Marut begleitet, schütze mich von Osten her, wie die Erde den auf ihre Arme gefallenen Himmel oben (stützt). | Wir opfern den Platz-schaffenden, Weg-schaffenden (Göttern), welche von den Göt- tern ihr hier seid, als Theilnehmer an der Opfergabe. || 26. Dhätar, mit der Nirriti, schütze mich von Süden her — | — | 27. Die Aditi mit den Äditya schütze mich von Westen her — I— | 28. Soma mit den Vigve deväs schütze mich von Norden her, — | == | 29. als fester Halter halte dich(? mich!), Savitar, der mit aufwärts gerichtetem Lichte Strahlende wie den Himmel oben. | Wir opfern den ..|| Statt bähucyutä ist in 25-28 ersichtlich °eyutäm zu lesen; ebenso ist in 29 id direet in md zu corrigiren, da nur so ein rich- tiger Parallelismus zu 30fg. sich ergiebt; auch ist in 29 wohl: ürdh- vabhänuh zu lesen statt ürdhvam bhänum. — Die Verse 30fg. enthalten allem Anschein nach eine Antwort des Liturgen auf seine in 25-29 dem Todten in den Mund gelegte Bitte um Schutz (seiner Freiheit, svadhä) nach allen Weltgegenden hin ebenso sicher wandern zu kön- nen, »wie der Himmel auf den ausgebreiteten Armen der Erde ruht«. Die Vertheilung der Himmelsgegenden, O. Indra mit den Marut, S. Dhätar und Nirriti, W. Aditi und die Äditya, N. Soma und die Vieve deväs ist eine alterthümliche (s. Ind. Stud. 17, 292-95). Yama ist noch nicht Gottheit des Südens, dagegen scheint der Westen als besonders gefährliche Gegend zu gelten, da er (neben dem Dhätar) der Nirriti zugetheilt ist, welche beiden Gottheiten sonst bei diesen Aufzählungen nicht vorkommen. 30. Im Osten setze ich dich bis zur Zusammenrollung in (den Besitz voller) Freiheit ein, wie die Erde den auf ihre Arme gefallenen Himmel (trägt). || 31. Im Süden .., — 32. Im Westen .., — 33. Im Norden .., — 34. Im Centrum (dhruvdydm digi) .., — 35. Im Zenith (ürdhwäydm digi) .. | wir opfern .. || Auch hier ist natürlich bähuceyutim zu lesen; woran das zweite Hemistich: wir opfern .. von v. 35, wohl durchweg (auch bei 31-34) hinzuzufügen ist. Es hat dies auch keine Schwierigkeit, während die Hinzufügung des Refrains: »wie die Erde den Himmel .. (trägt)« mit dem Eingange der Sprüche 31-35 sich nieht in Verbindung bringen lässt, resp. also nur als rituelle Floskel erscheint. — Von Wichtigkeit ist hier aber der Ausdruck purd samvritah, welcher die Dauer der freien Bewegung des Todten, resp. also seine Weiterexistenz über- haupt an den Termin einer Weltperiode knüpft. Unter samvrit, Zu- sammenrollung, ist nämlich allem Anschein nach der Kataklysmus zu verstehen, der Untergang der Welt durch den agni samvartaka, das zusammenrollende, zerstörende Feuer, s. Nrisinha Up. I, 2. II, 3. 266 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Ind. Stud. IX, 90. 138. 139 (Yvart, vertere, wälzen, samvarta Um- wälzung). 36. 37. Für diese beiden Verse findet sich bei Kaucika keine Verwendung; ich möchte meinen, dass sie je einzeln an einen der beiden havirdhäna-Wagen gerichtet sind, auf die sich v. 38-40 in ihrer hiesigen Stellung allem Anschein nach beziehen, die beiden Wagen nämlich, auf denen die für das Opfer bestimmten Materialien an Korn, Meth, soma etc. zur Stelle der Feier herbeigefahren werden. 36. Du bist ein Halter, bist fest, bist»nach Wunsch wandelnd. 37. Du bist voll Wasser, bist voll Meth, bist voll Wind. dhartä dharuno, — diese beiden Wörter, welche wir schon in v. 29 vorfanden, sind etwa der Anlass dazu, dass die Verse 25-29 (35) gerade Aier ihre Stelle gefunden haben; oder sie sind, umgekehrt, absichtlich gewählt, um an v. 29 anzuschliessen. — vansaga (cf. das spätere mätam-ga, als Name des seine eigenen Wege gehenden, brün- stigen Elephanten) »nach Belieben gehend« ist ein alter, im Rik mehr- fach sich findender Name des Hirsches, hier wohl aber appellativisch zu fassen. — Wasser und Meth werden in die Krüge gethan, die in der Gruft beigesetzt werden, und »Luft« ist für den Todten in der Gruft nicht minder nothwendig. 38-41. Diese vier Verse sind, bis auf den Eingang: »itac ca mä "mutac cä 'vatäm«, der sich nur hier findet, aus Rik X, 13, 2.1. 3.4 entlehnt und beziehen sich, auch dort wie hier, auf die beiden ha- virdhäna-Wagen. Der hier erste Vers findet sich (ohne den Vor- schlag) auch in T. Är. VI, 5,2, wo er anscheinend (es handelt sich dort um einen Yama-yajna) nur wegen des ersten Wortes: yame (das aber mit Yama hierbei direct nichts zu thun hat) eingefügt ist. Grass- mAnN Ss Beziehung des Verses resp. Liedes auf Himmel und Erde ist mir sehr zweifelhaft. Behütet mich hier und dort! ihr Beiden (Wagen). Dieser vorgeschobene Spruch ist der Grund, warum der päda 4 des hier an erster (im Rik an zweiter) Stelle stehenden Verses an der Spitze des hiesigen zweiten Verses (39) steht, während der vierte päda des im Rik ersten Verses hier fehlt. — Die beiden Wagen enthalten Alles, was für das Ceremoniell der Leichenfeier selbst, sowie specjell auch als viaticum für den Todten von Nöthen ist. 38. Damit ihr Beiden daherkommt wie zwei Zwillinge mit einander wetteifernd, haben Euch Beide die den Göttern ergebenen Menschen vorge- holt. | So setzet Euch denn Beide je auf Euren Platz, (dessen) kundig, [und gewährt unseren Tropfen (soma) eine gute Lagerstelle]. || yame ist Neutrum und daher die Beziehung auf die havirdhäna klar ersichtlich. — aitam ist in Ath. unrichtig oxytonirt, resp. aber Weser: Vedische Beiträge. 267 wohl nur ein Fehler der ed., s. Wniırsey Index p. 54; ich möchte im Übrigen aitam, gegen den padapätha, in ä& + äitam zerlegen. — Ich habe in der Übersetzung den vierten päda (päda ı in v. 39) aus dem Rik zwar herangezogen, aber durch [] eingeschlossen resp. markirt. 39. ich schirre Euch Beiden ein altes Lied an, mit demüthigem Danke (namobhih). | Euer Schall verbreitet sich (überall hin), wie der Sang (?) des Opferers. Alle Unsterblichen mögen ihn hören. || eti A., etu R. und in den Yajus-Texten, wo der Vers sich mehrfach vorfindet (Vs. XI, 5. Ts. IV, ı,ı,2. Käth. XV, ıı. Maitr. II, 7, 1); daselbst lautet resp. das zweite Hemistich: » Alle Söhne der Unsterblichen mögen es hören, und wer sonst die himmlischen Räume (dhämäni) bewohnen mag«; — sürih A., süreh R. Unter säri ist im Rik nicht wie im elassischen Sanskrit der Priester, Weise, sondern gerade umgekehrt, im Gegensatz zu stotar, jaritar, grinant, der auspressende, opfernde Laie zu verstehen, der sunvant (Ysü, resp. in bereits weiterer Entwickelung der zum Opfer Zugelassene: süya- mäna, Ysü; zur Bildung vergl. cubh-ri, bhü-ri, sthü-ri); /ier aber übersetzt Mahidhara das Wort durch pandita; Säyana zu Rik giebt es durch stotar, zu Ts. (p. 5) durch särya (!!); — unter pat/uyd versteht Mahidhara und Säyana die auf dem richtigen Wege verharrende ähuti: ich möchte lieber an die Litanei, cantilena, denken. 40. Mit diesem Verse weiss ich in seiner Ath.-Gestalt absolut nichts zu machen; ausser den Veränderungen im Eingange (trini statt pafca) und der durchgängigen Ersetzung der ersten Person des Ver- bums durch die dritte, zeigt er' in: anvaitat (so nach Wuırsey Index P- 55 die Mss.) eine gar nicht aufzulösende Wortform! (wohl für: anv-ait fad?). Freilich auch der Rik-Text ist ein völliges Räthsel, aber doch wenigstens grammatisch correct. Also nach dem Rik: Die fünf Stätten (paddni) des Opfers (?rupo)” habe ich erschritten, der Vierfüssigen® gehe ich nach mit (meinem) Gelübde. | Durch die Silbe(?) messe ich sie (den Hymnus Ath.) ab. In dem Nabel (Mittelpunkt) der heiligen Ordnung reinige ich (Alles?). || ! rüpo ist nach Wurrney Index p.251 nur ein Fehler der Ed. für rupo. s. die nächste Note. ? ?rupo yashtrinäm svargam äropayitur yajnasya Säy.; an und für sich wäre die irrige Erschliessung einer Yrup aus ropay ja ebenso möglich, wie die factisch er- folgte Erschliessung einer Ygup aus gopay. Letzteres freilich ist ein Denominativum, während ropay eine absonderliche Causal-Bildung. — An den beiden andern Stellen im Rik, wo das Wort rup und zwar in Verbindung mit agra, resp. einmal auch mit ärupita vorkommt, nämlich agre rupa ärupitam jabäru IV,5.7 und: päti priyam rupo agram ibid. 8 (wo aber die Parallelstelle III, 5, 5 ripo liest), wird es durch »Erde« erklärt. Lupwıs (Rik V, 334) versteht unter rup »die zum Säen aufgerissene Erde« s. auch IV, 315. 316. ® darunter ist wohl die vie zu verstehen, trishtubädi chandasam kriyam Say. 208 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. trini A., panca R., anvarohae A., °%ham R., — änvaitad A., anv emi R., — mimite arkam A., mima etäm R., — abhisampunäti A., adhisam punämi R. — »Je unklarer, mystischer, geheimnissvoller ein Spruch, um so bedeutungsvoller«, scheint die Ath. Überlieferung zu denken, und hat daher den ohnehin schon räthselhaften Vers noch mehr verballhornt. 41. »Erwähltet ihr für die Götter den Tod? Warum erwähltet ihr nicht das Unsterbliche für die (menschlichen) Geschlechter?« | Den rishi Bri- haspati nahmen sie sich als Opfer, sein liebes Leben gab Yama dahin. | kam fasse ich hier im Sinne von kim; das zweite Mal hat der Ath.-Text geradezu kim statt kam; — avrinita könnte auch 3. Pers. Sgl. Ätmanep. sein; — den dritten päda habe ich nach der Rik-Lesart übersetzt: brihaspatim yajnam akrinvata rishim, da die Ath.-Lesart: briha- spatir (?) yajnam atanuta rishih mir sinnlos erscheint; — ärireeit R. (alt), ärireca A. (secundär); — der Vers scheint Vorwürfe an die Götter zu enthalten, dass sie nicht auch den Menschen die Unsterblichkeit gegeben haben, und dass sie sogar es angenommen haben, dass sich Brihaspati für sie als Opfer hergab (von Prajäpati wird dies ja in dem brähmana- Texte wiederholt ausgesagt), und dass auch Yama starb (um König der Todten zu werden). — Dieser Vers hat wegen seiner Bezie- hung zum Todten und zu Yama alle Ansprüche darauf, hier im Todtenbuche zu stehen; aber der vorhergehende Vers verdankt seine Stelle hier wohl nur dem Umstande, dass er eben im Rik zwischen X,13.2 und 4 steht (weshalb dies dort der Fall ist? und wie überhaupt daselbst die Verse 3-5 an die Verse ı.2 angefügt sind, non liquet). 42-48. Mit diesen Versen (= Rik X, 15,12.7.11.5. 8-10, also er- hebliche Differenz in der Reihenfolge) gelangen wir wieder zu einem Opfer an die Väter, und zwar nach Kaucika sowohl für 42 (89,13), als auch für 44-48 (87, 27.22) zu dem alle Neumondstage zu be- gehenden pindapitriyajna »Manenopfer mit Klössen«. Für v.43 hat Kaucika keine Verwendung, dem Inhalt nach gehört er indessen offen- bar zu derselben Gelegenheit, wie v.42.44fg. Die Beziehung zum pindap. braucht deshalb freilich nieht die ursprünglich im Sinne ge- habte zu sein. 42. Grepriesen seiend, hast du, o Agni Jätavedas! die Opferspenden Jortgetragen, sie wohlduftig machend. | Du gabst sie den Vätern. Nach Lust haben sie geschmaust. Iss nun auch selbst, o Gott! die dargebotenen havis. || idito A., ilito R., — kritvi R. (alt), kritvä A. (secundär). 43. Sitzend im Schoosse der Rothen (arunindm), spendet Reichtum den Euch verehrenden Sterblichen, | den Söhnen, o Väter, von diesem Gute ge- währet! ‚Schenket hierher Kraft. || Weser: Vedische Beiträge. 269 Die »Rothen« arunyas sind nach v. 21 (Rik IV, 2,16) die rothen Kühe, deren Stall die Väter vormals durch ihre Lieder geöffnet, die sie resp. daraus befreit haben. Zum Danke dafür sitzen sie nun in ihrer Mitte, und lassen sich Meth, Milch und soma trefflich schmecken. — Könnten etwa speciell die rothen Abendwolken gemeint sein? 44. O ihr von Agni verschmausten (agnishvdttäih) Väter! kommet hierher! Sitz für Sitz nehmet ein, o ihr von trefflicher Führung! | Ver- zehret die auf dem barhis (Opferstreu) dargebotenen havis (Spenden). Und gebt uns mit allen Mannen versehenen Reichthum. || attä R., atto A., — barhishy athä rayim R., barhishi rayim ca nah A., — dadhätana R., dadhäta A., agnishvättäh, der alte Ausdruck für das spätere agnidagdha, die nicht mit Feuer Bestatteten sind hier also ausgeschlossen! im letzten Verse des Rik-Liedes (nur 3 Verse weiter) stehen jedoch die agnidagdha neben den anagnidagdha. 45. Herangerufen (sind). unsere soma- würdigen Väter zu den auf dem barhis befindlichen lieben Schätzen. | Sie mögen herbeikommen, sie mögen hier hören, sie mögen obsprechen (segnen), sie mögen uns helfen. |] t@ "vantv (te avantu) R. A.; besser wäre te 'vantv (te äAvantu), so dass mit Avantu ein neuer Absatz beginnt. 46. Welche unseres Vaters Väter und Grossväter nachgezogen sind dem soma-Trunk, die trefflichsten, | mit ihmen, den danach Verlangenden, ein- müthig möge Yama, (ach danach) verlangend, nach Lust die havis verzehren. ye nah pürve pitarah somyäsah R., ye nah pituh pitaro ye pi- tämahäh A. (diese Variante beruht wohl eben darauf, dass in A. die pitarah somyäsah soeben erst im vorhergehenden Verse da waren). 47. Die nach den Göttern dürsteten, lechzend, Spendung - kundig, Zimmerer von Lobliedern nebst Hymnen. | Komm her, o Agni, mit tau- send Götter-Verehrern, mit den wahrhaftigen kavi, den bei dem warmen Trank sitzenden rishi. || stomatashtäso R. A., aber erklärt durch: stomänäm samyak- kartärah; ich vermuthe, dass tashtäro zu lesen ist; arkaih steht dann im Sinne von arkatashtärah; — yähi suvidatrebhir arvän R., sa- hasram' devavandaih A. (Vertauschung der Lesarten von v. 9.10 im R.); — satyaih kavyaih pitribhir R. (alte Lesart), satyaih kavibhir rishibhir A.; — gharmasadbhih yajnasädibhih Say. 48. Welche wahrhaftigen havis- Verzehrenden, havis-Trinkenden, mit Indra dem Raschen, mit den Göttern, auf gleichem Wagen. | Komm heran, o Agni, mit den wohlweisen herwärts, mit den späteren, mit den früheren rishi, den bei dem warmen Tranke Sitzenden. || ! sahasram unflectirt, wie dies, auch bei gatam, oft geschieht (gerade wie im Deutschen). Sitzungsberichte 1896. 26 270 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. dadhänäh R., turena A. (alte Lesart?); — zu der Vertauschung in päda 3 s. soeben, — pitribhih R., rishibhih A., paraih pürvaih d. i. mit allen. 49-52. Mit diesen vier Versen (Rik X, ı8, 10-13) kehren wir wieder zu der Bestattung des Todten zurück, und zwar handelt es sich dabei, s. Rorn in ZDMG. VII, 469, entschieden um Begräbniss, nicht um Verbrennung, während sie bei Kaucika für den pindapitri- yajna Verwendung finden, 49 in 86,10, und 52 in 86, 18; für v.50.51 hat er keine Verwendung. — Die Verse finden sich auch in T. Är.V, 7. 2-4. 1, und beziehen sich nach dem kalpa dazu (p. 694 n.) sämmtlich, und zwar in dieser Reihenfolge, auf die Aufsetzung von loshta, Erd- schollen, in den vier Himmelsriehtungen. _Unstreitig beziehen sie sich auf die Einsenkung in die Erde und auf Herstellung eines Hügels über der Leiche, mittelst Aufrichtung von dgl. loshta, resp. loga. 49. Krieche (mın) ein hier in die Mutter Erde, in die weiträumige, breite, hochheilvolle. | Wolleweich ist die Erde dem Opferlohn- Geber (dem Frommen). Sie beschütze dich auf deiner Weiterreise von vorn. || ürnamradäh prithivi A., ürnamradä yuvatir R., »eine wollenweiche Jungfrau« entschieden ein volksthümlicher Ausdruck ; — prapathe puras- tät A., nirriter upasthät R.; auch hier ist die Lesart der Riks. »von dem Schoosse des Unheils« älter und besser; — dakshinävaty eshä T. wohl secundär. 50. Hebe dich empor, o du, » Breite«! Drücke nicht niederwärts. Sei dhm leicht zugänglich und leicht einlässlich. | Wie die Mutter den Sohm mit dem Zipfel (ihres Kleides), bedecke du ihn, o Erde! Die Wurzel evanec ist der späteren Sprache unbekannt; — sit tibi terra levis! 51. Sich emporhebend stehe du, » Breite«! fest. Tausend Pfosten mögen sich an (sie) lehnen. | Diese Behausungen hier, von ghrita triefend, freund- lich, mögen alltäglich ihm Deckung gewährend sein. || hi tishthasi T., su tishthatu R. A. ; — »tausend Pfosten«, im Innern der Gruft wurden wohl kleine Stäbe als Steifen aufgestellt, um das Nachrutschen zu verhindern; — ghrita ist das Symbol des Segens (wie Öl bei den Griechen ete.), — earanäh von Ycar, celare, helan; von derselben Y auch cälä, Halle (eig. deekend). 52. Ich steife hier die Erde (über) dir auf. Hier diese Scholle nieder- legend, möge ich nicht zu Schaden kommen. | Diese Säule mögen die Väter festigen. Hier möge Yama dir Sitze verleihen. dhärayanti A., °yantu R., te tatra A., te 'tra R. (besser), — krinotu A., minotu R. (besser). 53. 54. Diese beiden Verse (52 =Rik X, 16, 8) beziehen sich ebenfalls auf die Bestattung, aber auf eine Verbrennung. Nach Weser: Vedische Beiträge. 271 Kauc. 87,9 wird mit v. 52 ein idäcamasa, Becher für den idä ge- nannten Opferantheil, auf das Haupt des Todten gesetzt; während die anderen Opfergefässe auf die übrigen Glieder desselben gelegt werden. Ganz ebenso auch nach dem kalpa zu Taitt. Är. VI, 1,18 (p. 653), wonach sie resp. mit saurer Milch und Butter, dadhnä sar- pirmierena gefüllt sein sollen. Der Wortlaut des Verses bedingt jeden- falls die Beisetzung eines Bechers auf dem rogus, wie denn auch die im Rik vorhergehenden Verse sich auf diesen beziehen. Für v. 54 hat Kaucika keine besondere Verwendung. 53. Diesen Becher hier, o Agni, stosse nicht um! lieb (ist er) den Göttern und den soma - würdigen (Vätern). | Dieser Becher hier, aus dem die Götter trinken, — in ihm mögen die unsterblichen Götter sich berauschen. || ayam yac A., esha yac R., — mädayantäm A., T., °yante R. 54. Welchen vollen Becher Atharvan dem dahinstürmenden Indra dar- brachte, | in dem vollzieht er (Indra?) den Genuss des wohlbereiteten, in dem reinigt sich stetig der Saft. || Ein metrisches mixtum eompositum, I gäyatra, I jJägata, 2 traish- tubha päda; — dazu das doch wohl secundäre Wort vievadänim; — der Vers ist hiernach eben ein secundäres Product, woran auch die Beziehung auf Atharvan (Singul.) nichts ändert. Dem Wortlaut nach würde es sich im Übrigen hier wohl nicht um einen mit dadhi und sarpis, sondern um einen mit soma gefüllten Becher handeln. 55. Auch dieser Vers (Rik X, 16, 6) bezieht sich auf den Todten auf dem rogus. Nach Kauc. 80, 5, resp. nach der paddhati dazu (BLoonrieLn p. 368) soll der Vers verwendet werden, um damit die Bisswunde mit Feuer zu brennen, die eines der drei im Verse ge- nannten Thiere dem in Folge davon Gestorbenen beigebracht hat, um als Sühne dafür zu dienen. Nach 83,20 wird der Vers resp. wie es scheint beim Sammeln der Knochen (asthinäce p. 369) verwendet. Nach dem kalpa zu T. Är. VI, 4,8 p.672 gehört er zu der dritten von drei sruvähuti, die dem ignis rogalis dargebracht werden. Unstreitig ist der Vers zur Entsühnung einer durch ein böses Thier verursachten Beschädigung oder Beseitigung eines der Gliedmaassen oder Körper- theile (der Leiche, Säyana) bestimmt. 55. Welches (Glied) von dir ein schwarzer Vogel angestossen hat, oder eine Ameise, oder Schlange, oder Raubthier, | das mache Agni, der Alles Verzehrende, gesund, und Soma, der in die Brähmana Eintritt gefunden. 56. Dieser Vers (Rik X, 17. 14) ist seinem Wortlaute nach in den Mund des Erben gelegt zu denken, der, nach beendeter Bestat- tung, damit durch irgend welche saftreiche, resp. nasse Kräuter sich reinigt oder reinigen lässt. Nach Kauc. 82, 9, resp. der paddhati 26° 272 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. dazu, wird der Vers zum Einwurf‘ von 26 Halmen (pinjülir ävapati) in einen Fluss oder Teich verwendet. Milchreich (saftreich) sind die Kräuter, milchreich ist mein Wort. | Was die Milch der Milch der Gewässer ist; damit sollen sie mich schmuck machen. | mämakam vacah R. (richtig), m. payah A. (verderbt), — apäm payaso yat payas A., apäm payasvad it payas R., — cumbhantu A. (gut), cundhata R. 57. Auch dieser Vers (Rik X, ı8, 7) bezieht sich auf die der Bestattung folgenden Lustrationen, speciell auf die der dabei betheiligt gewesenen Frauen. Kaucika hat dafür keine Verwendung. Über die Art der Bestattung enthält der Wortlaut nichts, doch steht der Vers im Rik in einem Begräbnissliede. — Nach dem kalpa zu T. Är.VI, 10, 8 dient der Vers einfach dazu, dass sich die Ehefrauen (patnayah), die an der Feier Theil nehmen, damit die Augen salben. Hier diese Frauen, die unverwittwet und gute Gattinnen sind, salben sich (die Augen) mit Salbe und Butter. | Ohne Thränen, ohne Krankheit, schön mit Juwelen geschmückt, mögen die Gattinnen zuerst den Platz besteigen (nach Hause gehen?). || agre sarveshäm prathamata eva yonim griham ärohantu äga- chantu Säy. zu R., — agre itah param yonim svasthänam ärohantu präpnuvantu Säy. zu T.; — bei der Procession der nach der Stätte (yonim) resp. heimwärts Ziehenden gehen die verheiratheten, unver- wittweten Weiber, geschmückt, an der Spitze des Zuges; — sam spricantäm A., sam mricantäm T., sam vicantu R.,: — sucevä (suratnä A. R.). — Dieser Vers hat, durch die willkürliche Verwandlung des letzten Wortes: agre in agneh, als vedische Beweisstelle für die Wittwenverbrennung eine Rolle gespielt, zu der er keine Berechtigung hatte, s. Wırsox, Seleet works ed. Rost II, 275 (R. A. S. XVI, 266), COLEBROORKE, Misc. Ess. I, 135, Max Mürrzer, Chips I, 35 (1867). 58. Dieser Vers (Rik X, 14, 8) wendet sich wieder zu dem Todten zurück. Über die Art der Bestattung erhellt aus dem Wortlaute nichts. Kaucika hat keine Verwendung für ihn. Aber der kalpa zu T. VI, 4,7 führt den Vers für die zweite sruvähuti in dem ignis rogalis auf. Komme zusammen mit den Vätern, mit Yama, mit Erfüllung der Wünsche, im höchsten Luftraum. | Hinter (dir) lassend das Gemeine, gehe wieder ein in eine Behausung, komme zusammen mit einem Leibe, in voller Werkkraft. || sam svadhäbhih T., sam yamena R.A., — hitväyä 'vadyam R. (alte Doppelbildung), hitvä 'vadyam A.; — samgachasva R., °chatäm A. — Das Wort aradya leite ich von ava her; das Suffix Zya ist hier im Anlaut geschwächt zu dya, gerade wie in anapadyatä für anapalyatä Weser: Vedische Beiträge. 208 Ath. IV, 17,6: die Erklärung von anavadya durch an+a-+ vadya lei- det, abgesehen von dem bedenklichen Umstande, ein doppeltes a pri- vans annehmen zu müssen, schon daran Schiffbruch, dass vadya gar nicht »preiswürdig« (das ist vandya), sondern vielmehr »unsagbar, tadelnswerth« bedeuten würde. — Das zweite Hemistich lautet in T. Är. yatra bhümyai vrinase (s. oben bei v.9 p. 260) tatra gacha, tatra tvä devah savitä dadhätu, womit Mürzer Rikv. (preface p- XLVII) die eigenthümliche Erklärung des Wortes astam durch Säyana: astam vriyamänäkhyam griham in Verbindung bringt. 59. Dieser Vers, für den Kaucika ebenfalls keine Verwendung hat, greift wieder auf die Väter zurück, der erste päda ist resp. identisch mit dem von v. 46. Welche unseres Vaters Väter und Grossväter sind, die da eingegangen sind in den weiten Luftraum, | Denen möge uns(!) heute der Selbstherrscher, der Führer der Lebensgeister, nach Wunsch Leiber zubereiten. || Da dieser Vers den Zusammenhang zwischen v. 58 und 60 unter- brieht, möchte ich meinen, dass er nur als Parallelstelle zu v. 58 päda 4 (tanvä, tanvah) hier seine Stelle gefunden habe; — in päda 3 ist nah ziemlich überflüssig, es müsste denn zu asuniti zu ziehen sein; der »Selbstherrscher, der (unsere) Lebensgeister weiterführt«, ist natürlich Yama. Zum Reiche desselben gelangen nur die »asavas«, Lebensgeister, der Frommen; ob sie mit einem neuen Leibe zusammen- kommen, hängt von der Gunst Yama’s, resp. der Väter ab. 60. Dieser Vers, dessen zweite und dritte Zeile aus Rik X, 16,14 (ef. Taitt. Är. VI, 4,3) entlehnt sind, greift wieder auf die Be- stattung, resp. Verbrennung auf dem rogus, zurück, und ist zur Ent- sühnung, resp. Abkühlung des durch das Feuer geglühten Platzes des- selben bestimmt, resp. offenbar mit dessen Besprengung verbun- den. Vermuthlich handelt es sich dabei, ebenso wie bei v.6, um Ab- kehren mit einem feuchten Besen, an den ein Frosch gebunden ist. Sanft sei dir der Nebel, sanft lagere sich auf dich hinab der Reif. | O du kühle, du mit Kühlung verbundene! du erfreuliche, mit Erfreuung verbundene! | Froschweibchen! sei wohlauf in den Gewässern! Sünftige wohlig hier dies Feuer. || nihära von Yghar Cl. 3, » begiessen«, cf. ghrita, eig. Guss, äghära, — ava ciyatäm; die Grammatiker bringen dieses Passivum der yei keiodaı mit Ycad in Verbindung (s. Pet. W.), — mandükyä (he prithivi man- dükastriyä vrishtipriyaya Säy.) su samgama imam R., mandükyäsu (mandükaplavanayogyäsu apsu Säy.) sam gamaye 'mam T., mandüky (ki nach Wurrser Index p- 216) apsu cam bhuva imam A., — har- shaya R., camaya A. T. — Hier scheint mir in der dritten Zeile die Ath.-Lesart die richtigere, doch lese ich mandüki als Voc. Fem. 274 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. (manduk’ könnte etwa Nom. Sgl. Masc. von mandükin sein). — Nach der paddhati zu Kaucika 82, 26 p. 221 wird der Vers (nebst v. 5. 6 unseres anuväka) bei dem Sammeln und Besprengen der Knochen am dritten oder vierten Tage verwendet: die Knochen des Brähmana resp. mit Wasser und Milch, die des Kshatriya mit madhütsikta, die des Vaieya bloss mit Wasser besprengt (s. oben p. 259"'). Ganz ebenso der kalpa zu T. Är. p. 670, wo jedoch als Termin der folgende oder der dritte, fünfte, resp. siebente Tag angegeben wird. 61-63. Diese drei an Vivasvant, den Vater des Yama, gerich- teten Verse flehen um dessen Gunst für den Erben und dessen Ge- nossen, die in v.63 wieder, s. oben bei v.ı5, als vievamiträh, p.i. doch wohl als Vievdmiträh, Angehörige des Geschlechtes des Königlichen Vicvämitra Kaucika bezeichnet werden. — Zur Verherr- lichung des Vivasvant s. oben I, 35.53. 59. 2, 32. 33; man betet ihn an, um dadurch Schutz vor seinem Sohn Yama zu gewinnen. Nach Kaueika 81,48 findet eine Oblation mit v.61 am Schluss der Verbrennung der Leiche statt, nach 82,36 wird resp. mit diesen Versen nach dem dritten Tage ein für Vivasvant bestimmter sthä- lipäka geopfert, wobei die dritte Libation mit v. 61.62 stattfindet; nach 86, 17 endlich werden v. 61-67 auch beim pindapitriyajna ver- wendet. 61. Vivasvant schaffe uns Freiheit von Furcht, er der wohlschützende, reichlichgebende, gutgebende. | Hier diese Mannen mögen reichlich sein. Rinderreiches, rossereiches Gedeihen sei bei mir. l 62. Vivasvant gebe uns Unsterblichkeit. Fort gehe der Tod. Unsterb- liches komme zu uns. | Hier diese Mannen schütze er bis zum Greisenalter. Nicht mögen ihre Lebensgeister (früher) zu Yama hingehn. || 63. Er, der da im Luftraum gleichsam mächtig festgehalten wird (fest- steht), der kavi (König?) der Väter, Weiseste der Weisen, | Ihn ehrt, o ihr Vigvamitrds! mit Opferspenden. Dieser Yama möge uns noch weiter zu leben gewähren. || Statt antarikshena (so die Mss.) lese ich mit Wnırsey Index p. 25 antarikshe na; — pramatir matinäm, mati ist hier Masculinum, wie navrıs. Das zweite Hemistich kehrt ganz identisch in 4.54 wieder. 64. Dieser aus fünf achtsilbigen päda bestehende Vers ist an die Väter gerichtet, als deren »kavi« Vivasvant soeben erwähnt wurde, und schliesst sich der Spruch somit leidlich an v. 63 an, gehört resp. mit Recht zu dem pindapitriyajna, wofür ihn Kaucika 86, 17 anwendet, kann jedoch auch zu jeder anderen beliebigen Väter-Feier gehören. Steiget hinauf zu dem höchsten Himmel, ihr rishi, fürchtet Euch nicht, | Ihr somatrinkenden soma-Trinker! Dies havis wird für Euch bereitet. Wir sind zum höchsten Licht gelangt. || PETE | [>11 WEBER: Vedische Beiträge. 2 divam uttamäm lies div’ "uttamäm; zur Sache s. oben 2, 48. 65-67. Diese drei Verse (Rik X,8,1. 123,6. VII, 32,26) haben im Rik selbst keine Beziehung zum Todtenopfer, werden jedoch von Kaucika 86,17 für den pindapitriyajna verwendet, und die beiden ersten Verse stehen auch im Todtenbuche des Taitt. Är. (VI, 3,1.3) am Beginn eines yaAmya sükta. Sie sind resp. an Agni, Äier wohl an den ignis rogalis gerichtet, wie er denn ja in v. 66 auch direet als »in den Schooss des Yama« führend bezeichnet ist. Der dritte Vers ist an Indra gerichtet, und bittet ihn um Schutz für das Leben, so dass auch dieser Vers immerhin an diese Stelle passt. 65. Mit hohem Lichte strahlt Agni hervor. Der Stier brüllt nach den beiden Ufern hin (erfüllt sie mit seinem Brüllen).| Die höchsten Enden des Himmels erreicht er. In dem Schooss der Gewässer wächst der Ge- waltige. || yäty R., bhäty A. T., — antä- upamä» ud änal R., antäd upa- mäm ud änad A., antäd üpa mäm ud änad T. (upetya mäm madiyam yajamänam pretam Säy.!!, danach handelt es sich also auch, nach Säyana’s Ansicht, um den ignis rogalis, und für die /iesige Verwen- dung des Verses wird dies ja wohl auch richtig sein). 66. Als die im Herzen sich (danach) Sehnenden Dich den Schöngefie- derten zum Himmel fliegen sahn, | den goldbeschwingten Boten des Varuna, den in den Schooss des Yama tragenden Vogel. || Dieser jedes Nachsatzes entbehrende Relativ-Satz' erwähnt zwar den Yama, hat also Bezug hierauf, steht aber ausser jeder Verbin- dung mit dem, was vorhergeht oder folgt. 67. Indra! bring uns Willenskraft herbei, wie ein Vater den Söhnen | hilf uns, o du Vielangerufener, bei diesem Gange. Mögen wir lebend das Licht erlangen. || 68. 69. Diese beiden Verse beziehen sich auf ein dem Todten mitzugebendes Viaticum, einen Krug mit Kuchen sowie mit Sesam- gemischten Saatkörnern. Nach der paddhati zu Kauc. 85,27 (Broon- FIELD P. 370) wird dies Alles mit v. 69 auf die Knochen gelegt. Das Gleiche gilt auch für 4, 25.26. 32. 33.43. Dies mag bei der Ver- brennung mit der Zeit so üblich geworden sein, bei dem Begräbniss dagegen fand die Beisetzung des Kruges wohl in der Gruft statt. Die in v. 68 erwähnten Ärüge passen resp. nicht zu dieser Angabe der paddhati, die daher auch diesen Vers gar nicht erwähnt. ' er erscheint so auch im Rik ohne jeden innern Bezug zu v.5, resp. v.7; Sayana hilft sich leicht: he vena ... tväm yadä ... abhipacyanti, tada tvam upagachasi ’ti geshah! Der Vers ist im Rik wohl nur eine Parallelstelle zu v. 5, resp. eine Glosse zu dem daselbst sich findenden pakshe hiranyaye (hier: hiranyapaksham). 276 Sitzung der phil. -hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. 68. Welche mit Kuchen bedeckten Krüge die Götter (hier) für dich ‚Festhielten (festhalten), | die mögen dir alle »svadhd«-enthaltend sein, madhu- reich, ghrita-träufelnd. || svadhd ist hier natürlich in der secundären Bedeutung des Wortes als pitrinäm annam, die durch eine volksetymologische Bezie- hung zur Ysvad entstanden ist, zu verstehen. Ursprünglich ist damit (s. 2, 20. 35. 3, 30 ete.) die völlig freie Bewegung der ausgehauchten Lebensgeister gemeint, yatra bhümer vrinase tatra gacha, s. bei v. 9 und 58. 69. Welche Saatkörner ich dir hier hinschütte, mit Sesam gemischt, »svadhd«-reiche, | die mögen dir kraftvoll, gedeihlich sein, die möge dir König Yama verstatten. || dhänä' anukirämi lies dhänä ’nu°, — vibhvih prabhvih gute volks- thümliche Formen; — räjä ist metri ce. zu tilgen; — es hängt also von Yama’s Gunst ab, ob der Todte von den Wohlthaten des Viati- cums Gebrauch machen kann. 70. 71. Diese beiden Verse sind an den rogus und an das auf ihm befindliche Feuer gerichtet. Nach Kaucika 83, ı9 wird jedoch v. 70 verwendet, indem der Liturg von »der Wurzel eines Baumes« das vorher dahin Gelegte wegnimmt(!), während für v.7ı in 81, 33 die richtige Verwendung beim Anzünden des rogus durch den »Jüng- sten« angegeben wird. 70. Gieb wieder, o Baum! den, der hier auf dich niedergelegt ist, | damit er im Sitz des Yama sitze, Weises redend. | In 2,25 wird die hölzerne Truhe, in der die Leiche versenkt wird, als »Baum« (vriksha) bezeichnet; hier erhält der Holzstoss, auf dem er verbrannt wird, diesen Namen (vanaspati). 71. Fasse ihn an, o Jätavedas! kraftvoll sei deine Gluth! | brenne seinen Leib zusammen, dann aber setze ihn in die Welt der Frommen. | 72. 73. Nun noch zwei Sprüche an den Todten selbst. Nach Kaucika 86, 2 wird v.72 bei einem Opfer an die in der Gruft befind- lichen Knochen verwendet, indem man einen mit Butter und Meth gefüllten Topf an der Stelle des Kopfes niedersetzt, und nach 88, 17 bei einer Begiessung der pinda beim pindapitriyajna; v.73 dient (nach 85, 24) dazu, dass der Jüngste damit beim Opfer an die Knochen dieselben in die Gruft (garta) niederwirft. Jedenfalls liegt auch bei diesen Verwendungen noch die unmittelbare Beziehung zur Leiche vor. 72. Welche deine früheren und welche deine späteren Väter dahin- gegangen sind, | denen möge ein Strom ghrita zukommen, hunderttropfig, ausströmend. | ! dhänä ydhä, Setzkorn, Saatkorn. x DD Weser: Vedische Beiträge. ers Offenbar für eine Begiessung sei es der Leiche, sei es der Gruft oder des rogus mit ghrita bestimmt. 73. Besteige hier dieses (Lager, deine) Jugendfrische abstreifend. Die Deinigen (sväh) mögen hier erhaben leuchten (? herblicken?), | geh’ fort bis hin — bleibe nicht in der Mitte! — zurück, zu der Welt der Väter, welche hier die erste ist. || Man könnte vayah auch zu etad ziehen, und zu unmrijänah ergänzen: »alles Üble«; — statt: prathanam zu sagen: prathamo yo atra ist sehr weitschweifig. Indessen wir haben hier solche umschrei- bende Relativsätze (ye... tän...) mehrfach. Oder sollte etwa zu über- setzen sein: »als der Erste dort«, »um dort der Erste« zu sein? Frei- lich sollte man dann wohl eigentlich: tatra, nicht: atra, erwarten. Auch würde dies, da prathama meist nur eine locale resp. zeitliche Bedeutung, nicht: die Bedeutung der Superiorität zu haben pflegt, wohl nur bedeuten können: »vor allen Andern, früher als sie«. Der vierte anuväka. a. Composition. Die Zahl der aus der Riks. entlehnten Verse ist hier sehr gering; es sind ihrer nur zwölf und dieselben gehören fast alle nicht von vorn herein zum Todtenritual, sondern sind nur nebenher damit in Bezug gebracht. Es sind dies die Verse: 28 X, 17, 11, 29 X, 107,4, — 45-47 X, 17, 7-9, — 58.60 IX, 86, 19. 16, — 59 VI, 2,6, — cı 1, 82,2, — 69 1], 24, 5, — 88 V, 6,4, — 89 1, 105, 1. Auch in dem Todtenbuch des Tait. Är. (VI) finden sich nur sieben der hiesigen Sprüche wieder, nämlich: ı6. ı7 in 8, 1.2, — 28 in 6, 2, — 34 m a in 6, u) —e u in 1, 6, — 55 im (O, Arike Kaucika giebt Bestimmungen über die Verwendung (s. Broon- FIELD P. 411): 1-ı5 in 81,45 (1 speciell noch in 80,23, = in 81,10, 5.6 in 81,7, ı4 in 80, 52), — ı6 in 86, 3, — 26 in 85, 27, — zı in 80, 17. 52*, — 32in 85,27, — 35 in 82, 22, — sin 86,5, — in 86,1, — 38 in 87, 2I, — 39. 4o in 88, 24. 23. 25, — 4ı in 86,18. 87,22. — 42 in 84,6, — 43 in 85, 27, — 44 in 80, 35. 82, 31*, — 49. ;5o in 82, 40. 4I, — sı in 80, 5I, — 52 in 85, 25, — 53-55 in 86, 6.7.11, — 56 in 80, 46. 47, — sr in 80, 46. 86, 2. 88,17, — 6ı in 88, 27, — 62 in 83,27, — 63 in 88,28, — 64 in 88, 5, — 65 in 89, 14, — 66 in 86, 10, — 68 in 87,27, — 69 in 82, 8, — 71.72 in 87,8. 88, 2. 3, — 73.74 In 87,8. 88, 4, — 75 in 88, II, — 78-80 in 87, 8. 88,4, — Sı in 88, 26, — ss in 89, 13. — Es fehlen Vorschriften für 31 Verse, näm- lich 17-25. 27-30. 33. 34. 45-48. 58-60. 67. 70. 76. 77. 82-87. 89. 278 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Dieser disparaten Vertheilung der Sprüche über die einzelnen Capitel des Kaue. entspricht denn eben auch hier der quodlibetartige Charakter ihrer Reihenfolge im Texte. Und zwar ist hier deutlich ersichtlich, dass es sich um eine Art Nachlese, um zum Theil recht secundäre Zu- thaten handelt, die gelegentlich geradezu den Charakter der Verwässe- rung der in anuv. 1-3 vorhergehenden, älteren Sprüche tragen (cf. z.B. ı2 im Vergleich zu 2, 4). Den Anfang macht eine ziemlich einheitliche Gruppe von 15 Versen, die sich auf den ignis rogalis, resp. die darin vorliegende » Aufnahme« der drei sacralen Feuer, und auf die Opfergeräthe, die dem Todten mitgegeben werden, bezieht, und sich metrisch sowohl wie sprachlich (jjäna mehrfach viersilbig, ob etwa geradezu durch yajamäna zu er- setzen?, jätävedasah ebenfalls mehrfach viersilbig) auszeichnet. Es fol- gen (16-27) sehr eingehende Sprüche für das dem Todten mitzugebende Viatieum, Krüge voll Flüssigkeiten und Körnern, dabei Rückgriff aut die frühere (3,68.69) kürzere Darstellung, resp. Wiederholung der- selben; 28-30 Spenden von soma, — 31-34 Ausstattung des Todten mit Kleidung und Viaticum (zum Theil Wiederholungen), — 35. 36 Spende an die Väter, — 37.38 Sprüche an die am rogus stehenden Verwandten, speciell an den Erben, — 39-41 Wasserspende an die Väter, — 42-44 Vjaticum (zum Theil Wiederholung), — 45-47 an Sarasvati (wiederholt aus I, 41-43), — 48 »Erde zur Erde«, — 49 der Erbe nimmt die beiden Ochsen an sich, die bisher bei der Feier fungirt haben, — so Opfer- lohn, — sı-54 asthiyajna (parnanara?), — ss5-57 Erbantritt (ef. 2, 59. 60), — 58-60 soma-Spende (für die Väter?), — 61-65 desgl. Väterspende, — 66.67 Gruft, — 68 barhis für die Väter, — 69. 70 averruncatio für die Lebenden, — 71-89 Väteropfer. b. Erklärung. 1-15. Der Anfang kehrt wieder zu dem Act der Bestattung, und zwar hier der Verbrennung der Leiche, zurück. Diese 15 Verse sind an die drei heiligen Feuer, die hier speeiell mit dem Namen: jätavedas benannt werden, gerichtet, und zwar, wozu auch Kauc. 81, 45 stimmt, Seitens des Erben zu reeitiren. Kaucika hat jedoch noch einige be- sondere Verwendungen. Nach 80, 23 dient v.ı dazu, um, wenn der Verstorbene auswärts (vishaye) sich befindet, damit das sogenannte samäropanam (s. Ind. Stud. IX, 311) der drei Feuer in die beiden arani zu vollziehen, während die vv. 2. 5. 6 nach Kaue. 81, 7. 10 zur Bei- setzung der Opferlöffel ete. (juhü, upabhrit, dhruvä) neben der Leiche (eines ähitägni) dienen und v. 14 nach Kauc. 80, 52 dazu dient, die Leiche auf den mit Gräsern bedeckten Holzstoss zu legen. — Die pP = _— en uw. WeßEr: Vedische Beiträge. 279 vielfach metrischen Absonderlichkeiten dieser Verse treten allein schon für ihre secundäre Abfassungszeit ein. 1. Besteiget die Erzeugerin! o ihr Feuer auf den Wegen der Väter. Ich führe euch (in sie) hinein. | Der Spendenführer hat die Spenden (fort) geführt eifrig. Setzet vereint den Opferer ein in die Welt der From- men. || Ich lese jätavedasah tonlos, als Vocativ, und scandire es vier- silbig, metri e.; in päda 4 streiche ich yuktä, und lese ijänam vier- silbig, aus gleichem Grunde; oder wenn man yuktä behalten will, müsste man etwa das nam von ijänam bei Seite lassen. Unter der Erzeugerin ist wohl eigentlich der Himmel zu verstehen, steigt zum Himmel auf mit euren Flammen; bei der actuellen Verwendung des Verses aber behufs des samäropanam, die in dem zweiten päda (samärohayämi) ihren speciellen Ausgangspunkt hat, wird wohl unter jJanitri die eine (untere) arani zu verstehen sein (aus ihr wird der ignis rogalis entnommen; die obere arani gilt als der Vater). — Die Feuer werden angerufen, den Todten ebenso in den Himmel hinauf- zubringen, wie sie dies mit den Opferspenden zu thun gewohnt sind. 2. Die göttlichen Zeiten (deväh ritavah) halten das Opfer in Ordnung, die Opferspende, den Opferkuchen, die Löffel, die Opfergeräthe, | auf diesen von den Göttern betretenen Pfaden ziehe dahin, auf denen die Opferer zur Himmelswelt gehen. || sruco ist zu tilgen, als eine zur Erklärung von yajnäyudhäni in den Text gekommene Glosse; — svargam ist dreisilbig zu lesen; — im zweiten Hemistich wird der Todte angeredet. 3. Schau geradeswegs nach dem Pfade der heiligen Ordnung, auf welchem die frommen Angiras gehen.| Gehe du auf jenem Pfade zum svarga, wo die Aditya madhu verzehren. Im dritten Himmel oben lass dich nieder. Fünf traishtubha päda, im dritten ist yähi und svargam je drei- silbig zu lesen, im vierten yatra ädityä, mit Hiatus. 4. Drei schöngefiederte (Vögel) beim Klirren des oberen (soma-Press- steins) haben auf dem Rücken des Himmels, auf der (obersten) Spitze Platz gefunden. | Die Himmelswelten vom amrita durchdrungen mögen Saft und Kraft dem Opfernden melken. || Die drei Vögel sind entweder die drei heiligen Feuer, von denen in v.ı die Rede war, oder die drei heiligen Opferlöfel (v.2), die nun- mehr in v. 5 speciell an die Reihe kommen; — mäyü fasse ich als Lo- cativ zu mäyu, »Blöken« (cf. gomäyu, ajamäyu); — vishtap, das Aus- einanderstehen, die Verzweigung, Gabelung, Spitze; — svargä drei- silbig, — statt vishthäh lese ich vishtäh; — duhräm ist eine schöne alte Form für duhatäm; das r ist ja freilich hier wie sonst noch räthselhaft. 280 Sitzung der phil.- hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. 5. Die juhü trägt den Himmel, die upabhrit den Luftraum, die dhruvd trägt die Erde, die Grundlage (für Alles). | Die mit ghrita bedeckten Him- melswelten mögen Wunsch für Wunsch dem Opfernden melden. || Das erste dädhära ist zu tilgen, dyäm zweisilbig zu lesen; — ebenso ist mäm (nach prati) zu tilgen, svargäh dreisilbig zu lesen; — die der Leiche beigelegten Opferlöffel sollen den Todten zum Himmel tragen. 6. dhruvd! ersteige die Erde; die Alles nährende. Upabhrit! er- steige die Luftwelt. | Juht! gehe zum Himmel mit dem Opfernden. Durch den sruva als Kalb sind die Himmelsgegenden fett (voll), melke du sie dir alle, die gütigen. || Wiederum fünf traishtubha päda; dhruva ä ist als dhruv’ä zu lesen, — vicvabhojasam viersilbig (oder jägata päda!); — im dritten päda ist gacha zu streichen, dyäm zweisilbig zu lesen; im letzten päda ist sarvä oder dhukshva dreisilbig zu lesen, und das a von ahriniya- mänäh hat zu bleiben; — ahriniyamänäh, nicht zürnend, gütig; — der sruva ist kleiner als die drei sruc, gilt daher als deren Kalb, wäh- rend sie als Mutterkühe (cf. parvati und pärvateyi in Vs. 1,19). — Nach dem Intermezzo in 5. 6, betreffend die Opferlöffel, wendet sich der Text in v.7 fg. wieder zu den heiligen Feuern zurück. 7. Mittelst der Furthen setze sie über grosse Fernen hin, (auf dem Wege), auf welchem die opfernden Frommen dahin gehen. | Da schafften sie dem Opfernden Platz, als die Wesen die Himmelsgegenden in Ordnung brachten. || Statt mahir iti ist wohl auch hier wie in I, 49 mahir anu zu lesen; — das’ Subjeet im ersten und dritten päda ist nicht genannt, entweder also noch die drei Opferlöffel oder die drei heiligen Feuer. 8. Das vordere Feuer (der ähavaniya) ist der Gang der Angiras, der gärhapatya ist der Gang der Aditya, das südliche Feuer ist der Gang der Opferlöhne. | Zu der Hoheit des mit Gebet geordneten Feuers gehe du ein, im Besitze aller deiner Glieder, ganz, kräftig. Vier traishtubha päda und ein jägata päda (der vierte); — An- rede an den Todten, der im Besitz aller seiner Glieder bleiben soll (cf. das sonstige: sängah sarvatanüh) trotz der Zerstörung ihres Gefüges durch die Verbrennung: — zu Angirasäm ayanam gegenüber dem ädityänäm ayanam s. »Episches im ved. Ritual«, Sitzungsber. 1891 p- 807. 8ı2 (Gat. IV, 4, 5, 19). — mahimänam agner ist metri c, zu lesen: mahimän’ "agner. — sarva, »ganz«, lat. salvus, 0Xos, cf. sar- ratät salüt; die Wurzel ist sar, serere (nectere), eig. »verknüpft«, vollständig, ganz, gerade so wie vieva auf Yvic vineire zurückgeht, ef. padvinca. (Im Lat. gehören zu sarva noch servare, »ganz« halten, und soll° in sollemnis, sollers); — cagmah von yYcak, entweder di- Weser: Vedische Beiträge. 281 rect aus einer Nebenform: cag, oder mit unregelmässiger Erweichung des k vor nasalisch anlautendem Affıx (ef. rigmiya). 9. Das vordere Feuer brenne dich sanft von vorne, sanft brenne dich hinten der gärhapatya. | Das südliche Feuer brenne dir sanft eine Decke, einen Panzer; von Norden, von der Mitte, vom Luftraum her. Von jeglicher Himmelsrichtung her schütze ihm, o Agni, vor dem Grausigen. || Fünf traishtubha päda; — lies pürvo 'gnish tvä, — paccät drei- silbig, — ebenso auch dakshinägnish dreisilbig, — dico 'gne; — das durch das samäropana aus allen drei heiligen Feuern herstammende Feuer des rogus soll nur sanft und milde brennen (s. anuv. 2, 4), keinen Schmerz verursachen; — earman (unser »Helm«) bezieht sich entweder auf die schützende »Decke«, welche die Glieder der anusta- rani den Gliedern des Todten bieten, s. 2,58, so dass sie, nicht diese der verzehrenden Glut des Feuers ausgesetzt sind. Oder die Feuersglut ist selbst ein »Schutz« für dieselben gegen anderweite Gefahren, s. päda 5. 10. Ihr, o Feuer, möget mit euren sanftesten Formen den Opfernden hier zur Himmelswelt | fahren, Last-führende Rosse werdend, dorthin, wo die Götter zusammen schmausen. | yüyam agne statt y. agnayah, eine hübsche Incongruenz, cf. Ind. Stud. 4, 430 (vayam pipämi 1, 35,4). Rork in den Acten des Wiener Internat. Orient. Congresses |. c.; — ijänam viersilbig, svargam dreisilbig zu scandiren, — abhi gehört zu vahätha. Statt prishtiväho ist pashthaväho zu lesen; dieses letztere Wort ist mit der Zeit unverständlich geworden und wird daher in mehr- facher Weise verballhornt; pashtha ist von Ypac, festbinden, wovon päca, pacu stammen, abzuleiten, welche Wurzel ihrerseits theils mit space (pacyati), den Blick worauf fest machen, spähen, identisch ist, theils mit der im Auslaut erweichten Form paj (päjas, pajra), panj (paüjara), rmyvvw, pangere (neben pax, pacis) zusammenhängt (ef. noch unser fahen und fangen); — cf. auch paksha fahs, fax (Haar- sehopf‘). ı1. Sanft, o Feuer, brenne ihm von hinten, sanft von vorn, sanft von oben, sanft von unten brenne ihn. | Als Einer, aber dreifach vertheilt, o Jätavedas! schaff ihn richtig in die Welt der Frommen. || Statt samyag lies sam (seltsam! woher diese Umwandlung?). ı2. Sanft mögen ihn die entzündeten Feuer, die jätavedas, anfassen, den opferreinen Spross des Prajäpati, | gar ihn machend (kochend), mögen sie (ihn) nicht (nichts von ihm) herab (fort) schleudern. || Ein traishtubha und zwei jägata päda; — klar ist hier die secundäre Beziehung zu 2,4; — ava eikshipan, es soll bei dem Ver- brennen nichts bei Seite kommen, s. 2, 26. 282 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. 13. Das Opfer geht ausgespannt dahin, zurichlend den Opfernden, hin zur svarga-Welt. | Ihn, den Ganz-geopferten, mögen die Feuer sich schmecken lassen, die Jätavedas den opferreinen Sprossen des Prajäpati, gar ihn machend (kochend); mögen sie (ihn) nicht (nichts von ihm) herab- schleudern. || Vier traishtubha päda und ein jägata päda; — ijänam viersilbig, svargam dreisilbig; — sarvahutam; in der Regel werden allerlei Ab- schnitte (avadäna) des havis dargebracht; der Todte aber wird »ganz« geopfert; — päda 4.5 kehren identisch aus v.ı2 wieder; der Autor thut sich auf diese Verballhornung von 2, 4 wohl etwas zu Gute, Oder handelt es sich etwa nur um zwei »Parallelformulare« ? 14. Der Opfernde hat den geschichteten Agni (rogus) bestiegen, um von dem Rücken der Oberfläche(?) zum Himmel aufzufliegen. | Ihm, dem Frommen, leuchtet aus dem Gewölk hervor (entgegen) der lichtvolle himm- lische Pfad, der von den Göttern betretene. || ijjänac viersilbig, — statt eittam lies eitam, — mit näka kann hier wohl nur die Oberfläche des rogus gemeint sein? — pra bhäti nabhaso fünfsilbig zu lesen, — svargah panthäh im Sinne von svargasya p. 15. Agni (sei) dir (bei deinem Opfer) hotar, Brihaspati sei dir adh- voryu, Indra stehe als brahman zu deiner Rechten. | Dargebracht geht dieses vollbrachte Opfer (dahin), wohin der frühere Gang der Gespendeten (Opfer- spenden stattgefunden hat). Die Verbrennung der Leiche wird hier also in 13-15 geradezu als ein Opfer hingestellt. 16-27. Diese zwölf Sprüche, resp. Verse beziehen sich auf ein dem Todten mitzugebendes Viaticum, wobei zunächst unklar bleibt, ob es sich um Verbrennung der Leiche oder anderweite Bestattung derselben handelt. Nach Kauc. 86, 3 wird v. 16 (-24) zur Beisetzung von Töpfen, die je mit den im Spruche genannten Stoffen gefüllt sind, bei den in einem garta zu vergrabenden, von der Verbrennung übrigen Knochen verwendet. Auch 26 (25. 26 waren schon als 3,68.69 da; und 26 kehrt hier nochmals, als 43 wieder) wird nach Kauc. 85,27 bei dem Einwerfen von Saatkörnern bei derselben Gelegenheit gebraucht. — Und auch der kalpa zu Taitt. Är. VI, 8,1, wo eine ganz ähnliche Li- tanei sich findet, giebt die gleiche Verwendnung an. Die beiden päda: lokakrito (16-24) hatten wir schon oben 3,25 bei einer analogen auf die Himmelsgegenden sich beziehenden Verrichtung; — in den Sprüchen 25.26 handelt es sich nicht um Töpfe (caru 16), sondern um Krüge (kumbha) und sind beide Verse direet an den Todten gerichtet. 16. Der mit Kuchen und Milch gefüllte Topf sei hier hingesetzt. | Wir opfern den Platz-schaffenden, Weg-schaffenden, welche von den Göttern ihr hier seid, als Theilnehmern an den Opfergaben. || u rennen Zu WeßeEr: Vedische Beiträge. 283 17. Der mit Kuchen und saurer Milch gefüllte Topf ... — 13. Der mit Kuchen und Tropfen (drapsa?) gefüllte .., — 19. Der mit K. und ghrita .., — 20. Der mit K. und Fleisch .., — 21. Der mit K. und Speise (anna, Reiss?) .., — 22. Der mit K. und madhu (Meth) .., — 23. Der mit K. und Saft (rasa) .., — 24. Der mit K. und Wasser . ., — apavän, mit Wasser gefüllt, ein sonderbares Wort, apa, Wasser, kommt sonst nur am Ende von Compositen vor. 25.26 s. oben 3, 68.69; — 27 steigende Umversieglichkeit .. || Der Spruch 27 liegt nur mit seinem pratika vor, und ist bisher nicht weiter aufzufinden gewesen. Auch zur Zeit der anukramani war der Spruch schon auf diese beiden Wörter beschränkt, da sie ihn als yäjushi gäyatri, also als sechssilbig, bezeichnet. 28-30. Für diese drei Verse (v.28.29 sind dem Rik entlehnt, X, 17,11. 107,4) hat Kaucika keine Verwendung; sie beziehen sich auf den soma, somit hier wohl auf eine soma-Spende für den Todten, sei es wie 16-27 auf ein Viaticum für ihn selbst, sei es auf eine zu seinen Gunsten an die Väter gemachte dgl. Spende (ef. v. 33. 38). — Nach dem kalpa zu T. Är. VI, 6,2 wird v. 28 als zweiter (vor ihm v. 35 als erster) Spruch zur Anfüllung eines über dem asthikumbha befind- lichen Deckels (? chadam p. 685) mit saurer Milch und Meth ver- wendet. 28. Der Tropfen sprang nach der Erde, nach dem Himmel hin, nach dieser Stätte und nach der, welche die frühere ist. | Den nach gemein- samer Stätte hinstrebenden Tropfen opfere ich gemäss den sieben Priester- ordnungen. || prithivim anu dyam A.T., sowie die meisten der vielen Yajus- Stellen, wo der Vers sieh vorfindet (s. L. vow ScHröper, Maitr. S. IV p- 279. 1886), prathamä> anu dyün R., — samänam yonim R.A., tritiyam yonim T. — Beim Auspressen des soma springen Tropfen bei Seite; diese werden durch diesen Spruch sämmtlich eingefangen. 29. Den hunderttropfigen Wind (-artig rauschenden), Lied (-artig singenden), den Himmelskundigen erschauten diese Männer-leitenden ( Weisen?) als einen Schatz, | die da einfüllen und die da darbieten stetig, sie melken für sich den Opferlohn mit seinen sieben Müttern. || rayim A., havilı R., — sarvadä A., samgame R., — duhrata (schöne alte Form) dakshinaäm A., dakshinäm duhate R.; — nricakshas, Männer schauend, Männer leitend, hier wohl nieht auf die Götter, sondern wegen des zweiten Hemistichs auf die weisen Menschen zu be- ziehen? oder sind etwa die Späher Varuna’s gemeint? — Die »sieben Mütter« sind wohl die sieben hoträs von v. 28; einer dieser bei- den Verse könnte somit etwa nur Parallelstelle zu dem andern sein. Nöthig ist hier gerade keiner von Beiden; da indessen v. 28 hier auch 284 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. in T. Är. VI steht, so hat er ein gewisses Vorrecht für sich, hier zu stehen. 30. Sie melken den Schlauch, den. Becher mit vier Öffnungen, aus der methreichen Mutterkuh » Gebet«, zum Wohlsein, | die schäumende Kraft, die Aditi (-artige) für die Leute. Schädige (die) nicht, o Agni, im höch- sten Luftraum. || yduh mit dem Aceusativ der Person und der Sache; man könnte übrigens auch idäm mit kocam, kalacam gleich construiren: »und die idä;« — idä ist das personifieirte Gebet, eig. die »Anregung«; — madanti eig. jauchzend, im Plural von aufschäumendem heissem Wasser gebraucht; — aditim, Ewigkeit, sei es von ydä spalten, oder von ydä binden; was hier speciell unter aditi gemeint ist, erhellt nieht recht: ich fasse es als ein Beiwort zu »idä«. 31-34. Diese vier Verse gehen wieder auf die durch v. 28-30 unterbrochene Ausrüstung des Todten, hier mit Gewand und Viaticum, zurück. Auch nach Kaucika 80, 17. 52*' wird v. 31 (s. oben 2, 57) zur Einhüllung der Leiche in ein noch ungetragenes (ahata) neues Gewand gebraucht, v. 32 dagegen nach 85, 27 beim Einschütten von Saatkörnern in den garta, der die Knochen aufnehmen soll (v. 33. 34 werden von Kauecika nicht besonders erwähnt). Nach dem kalpa zu Taitt. Är. VI, 7,5 (p. 694) findet mit v. 34 eine nach links (apasa- vyam) gerichtete Umherstreuung von mit Sesam gemischten Körnern, dhänäs, statt. 31. Dieses Kleid giebt dir Gott Savitar zu tragen; | in dies Fest- kleid dich für König Yama hüllend wandele du! || devah savitä, dies giebt dem Spruch ein alterthümliches Colorit; in der Zeit der Yajus-Sprüche ist Savitar durchweg der regierende Gott, — tärpyam Festkleid, Ehrenkleid, Ytarp, s. »Königsweihe« pP. 44: 72 (1894). : 32. Saatkorn ward Melkkuh, ihr Kalb ward der Sesam | von ihr, der unversieglichen, lebt er im Reiche des Yama. 33. Diese hier sollen dir, o NN., Melkkühe, Wunsch-melkende, sein! | scheckig, röthlich gleichförmig (-farbig), verschiedenförmig (-farbig), den Sesam zum Kalb habend, mögen sie dir dienen! || Im zweiten päda fehlt am Schlusse eine Silbe, ob etwa ha hinzu- zufügen? — rüpa in sa° vi? kann auch sonst auf: Form wie auf: Farbe bezogen werden. 34. Scheckige Körner (Bohnen?), gelbe, röthliche, schwarze und rothe Körner sollen Diesem, Dir, Melkkühe sein. | Den Sesam zum Kalb habend, Kraft Diesem hier melkend, sollen sie alle Tage willfährig sein. || ' lies daselbst: eitopari, statt: eit£opari (BLoomrieLp p. 215 n.17). Weser: Vedische Beiträge. i 285 Im ersten päda asya, im zweiten Ze, im dritten asmai, bunt durcheinander!; im Taitt. Är. lautet das erste Hemistich ohne diese Incongruenzen, aber weit kürzer: enir (linguales n) dhänä harinir arju- nih santu dhenavah; — anapasphurantih nicht wegstossend, nicht störrisch, also: willfährig. 35. 36. Diese beiden Verse gehören zu einem Spreng-Opfer an die Väter. Nach Kaucika 82, 22 dient resp. v.35 zur Begleitung einer Opferspende, die auf dem Rücken einer ein fremdes Kalb säugenden Kuh', die auf dem Verbrennungsplatze zu melken ist. stattfindet, während v.36 nach 86, 5 bei einer Begiessung (abhivishyandya, seil.: asthini) der gesammelten Knochen mit Wasser, und auch nach dem kalpa zu T. Ar. VI,6,ı bei der Anfüllung eines Deckels (? chada) über dem Knochen- kruge mit saurer Milch und Meth verwendet wird: — v. 36 erscheint mir als eine Art Parallelformular zu v. 35. 35. In den vaigvänara (das Feuer) opfere ich diese Spende, den tausend- ‚fachen, hunderttropfigen Born. | Er trägt den Vater, die Grossväter, die Ur- grossväter trägt er schwellend. || sähasram catadhäram utsam A., säh. utsam cat., etam T. (wo- durch das Metrum vollständig wird), — sa bibharti A., tasminn esha T., — pitämahän prapitämahän A., pitämaham prapitämaham T., — bibharti pinvamänah A., bibharat pinvamäne T. (vardhamäne pürya- mäne kumbhe Säy.); — im dritten päda ist die penultima kurz, gegen das Metrum, — prapitämahän (oder °han) ist viersilbig zu scandiren. 36. Dem tausendtropfigen, hunderttropfigen Born, dem unversieglichen, der sich ausbreitet auf dem Rücken der Fluth (?salilasya, der fluthenden Atmosphären?), | dem Kraft aus sich Melkenden, Willfährigen nahen (ehrer- bietig) die Väter in voller Freiheit (svadhäbhih). || 37. 38. Diese beiden Verse beziehen sich auf die Hinterbliebenen. Der erste Vers speciell, wie es scheint, auf die am Holzstoss ver- sammelten Verwandten, welche aufgefordert werden, denselben zu be- sichtigen. Nach Kauc. 86, ı lässt der Liturg mit diesen Sprüchen die Verwandten (sajätän) die gesammelten, in der Grube befindlichen Knochen besichtigen. Es kommt nur darauf an, was unter kasdmbu? zu verstehen ist, ob der Holzstoss? oder der Knochenhaufen? — Der zweite Vers ist speciell an den Erben (oder den Todten?) gerichtet (Kauc. 87, 21 zieht auch diesen Vers wie 39, 40 zum pindapitriyajna). ! dies ist hier, wie 80, 25, die Bedeutung von apivänyavatsa (Compositum! nicht, wie BLoonrieErp giebt: api vanya°); cf. nivanyavatsa, nivanya, nivänidugdham (Schol. Käty. p. 518, 5). ® kasaämbu ist wohl mit kagipu, kasipu »Matte, Kissen« in Bezug zu bringen. Sitzungsberichte 1896. 27 286 Sitzung der phil.- hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. 37. Hier ist der Haufen (kasämbu) durch Schichten geschichtet. Schaut auf ihn hin, o ihr Verwandten! | Dieser Sterbliche geht zur Unsterblichkeit ein. Schafft ihm, soweit die Verwandtschaft reicht, Behausungen. || Das ava in Verbindung mit pac weist, streng genommen, auf etwas unten, auf der Erde, Befindliches hin: indessen nothwendig ist dies wohl nicht. Die Verwandten sollen dafür sorgen, dass es dem Todten nie auf Erden, solange er nicht seine Reise zum Himmel glücklich absolvirt hat, an einem sicheren Absteigequartier fehle, in das er heimkehren kann, wenn er von seinem vergeblichen »Fluge« zum Himmel ermüdet ablassen muss. 38. Hier sei du, Besitz gewinnend, hierher dein Denken richtend, hierher deinen Willen richtend, | hier sei du, (immer) reicher an Mannes- kraft, Jugendkraft besitzend, nicht niedergeschlagen. || Wenn auf den Todten bezüglich, bedeutet der Vers: lass nicht ab, schöpfe hier immer wieder neue Kraft zu neuen Versuchen, zum Himmel zu gelangen. 39. 40. Diese Verse gehören zu einer Wasser-Spende an die Väter; nach Kaucika 88, 23. 24 werden sie beim pindapitriyajna ver- wendet; v. 40 bei einer Begiessung des Feuers mit Wasser, v. 39 bei einer erst danach folgenden Ausspülung des Mundes, und zwar unter Hinzufügung des Spruches: »meine Urgrossväter', Grossväter, Väter mit ihren Frauen mögen sich (hieran) letzen, mögen (dies) einschlürfen « (äcämantu), indem er nach links hin umherspritzt. 39. Den Sohn, den Enkel erfreuend mögen hier diese madhu- reichen Wasser, | den Vätern Freiheit (2? svadhäim) und Unsterbliches spendend, die göttlichen Wasser, Beide erfreuen. || Ist unter svadhä hier etwa pitrinäm annam zu verstehen?, unter amritam der Nektartrank?, — wer sind die »Beiden« in päda 4°, doch wohl die in päda ı genannten: »Sohn und Enkel«? 40. Ihr Gewässer! treibet den Agni hin zu den Vätern! Mögen die Väter dies mein Opfer gern geniessen! | Sie, die an die Kraft der Feuer (?) sich anschliessen, sie mögen uns mit allen Mannen versehenen Reichtum gewähren. || Statt: äsinäm \irjam lese ich, freilich wohl etwas kühn: agninäm ürjam. 41. Auch dieser Vers gehört zu einer Väterspende. Nach Kaucika 86,18 wird er bei der Anzündung des samkasuka (ignis ro- galis) gebraucht”, nach 87,22 resp. beim asthiyajna. ! und zwar sind hierbei die drei zärtlichen Ausdrücke: pratatämaha, tatamaha, tata gebraucht. ® im Schol, bei BLooxriern p. 370 lies samäptam cmagäne eitasya (nicht: citta- sya) karma. — Weser: Vedische Beiträge. 287 Sie zünden den unsterblichen ghrita-frohen havya-Träger an; | er kennt die niedergelegten Schätze, die in die Ferne gegangenen Väter. 42-43. Diese beiden Verse greifen wieder auf das dem Todten mitzugebende Viaticum (s. in 16-25) zurück. Nach Kaucika 84, 6 (schol. p. 369) essen alle Verwandte von dem im Spruche Genannten (sayavasya caroh sarve svagotrajäh bhojanam kurvanti), während 43 nach 85,27 beim Hinstreuen von Körnern verwandt wird. 42. Welchen Rührtrank, welches Mus, welches Fleisch ich dir (hier) einfülle | die sollen dir svadhä-reich, madhu-reich, ghrita-träufelnd sein. || Indem der Liturg sich einfüllt, füllt er den Mund dessen voll, für den die Spende bestimmt ist; — svadhä gehört hier sicher zu Ysvad. 43 (s. 26 resp. anuv. 3, 69; — Parallelvers zu 42). 44. Dieser Vers ist wieder an den Todten gerichtet, sei es auf dem rogus, sei es in der Gruft. Nach Kaucika 80, 35. 82, 31 gehört der Vers zu den harinyas (»holenden« Versen), mit denen die Leiche zum rogus herbeigeholt wird; dahanadece niyamänam harinibhir abhi- mantrayate p. 368. Dies ist der frühere, der spätere Eingang, auf welchem deine früheren Väter dahingegangen sind. | Welche seine(!) Vorgänger und Anhänger (abhi- shäcah) waren, die mögen dich führen zur Welt der Frommen. | asya in päda 3 bezieht sich wohl auf niyänam, also etwa: die den Eingang zuerst und die ihn in deren Gefolge betreten haben; — oder asya steht für te, s. v. 34. 45-47. Diese drei an die Sarasvati gerichteten Verse (Rik X, 17,7.9.8) hatten wir bereits im ersten anuväka als v. 41-43. Sie passen ja ganz gut auch in den Schluss eines Todten-Rituals. Kaucika verwendet sie vereinzelt bei verschiedenen Spenden an die Väter, 48. Dieser Vers ist an den Todten gerichtet, und zwar dem Inhalt nach (»Erde zu Erde«) bei der Beerdigung, nicht bei der Ver- brennung desselben. Kaucika erwähnt ihn nicht. Dich, (der du) Erde (bist), lasse ich eingehen in die Erde. Uns ver- längere Gott Dhätar die Lebenszeit. | Weg, ihr Dahingegangenen! er sei Eure (Euch?) Schätze findend. So sollen die Todten unter die Väter eingehn. || Für prithivyäm ä ve° ist zu lesen prithivyä "ve°; — parä ist von paraitä (lies: paretä) abzutrennen und ita dazu zu ergänzen. 49. Der Erbe fordert die beiden Rinder (Kauc. 82,40), welche bei der Leichenfeier mitgewirkt (die Leiche oder das Opfermaterial herbeigeschafft haben), auf, von ihrer nefasten Arbeit wieder zurück- zukommen, und fortab ihm dienstbar zu sein. Heran, vorwärts, kommt Beide! Streift das ab, was Euch Beiden hier die (bösen) Anzeichen sagten. | Kommet von ihm her heran, ihr beiden. Stiere! 20° 288 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Darüber aber will ich (nun) Herr sein (?). Seid mir hier brauchbar, der ich (Euch) für die Väter (mur zeitweise?) hergegeben habe. || abhibhä, eig. Anschein, dann Unglück bedeutender Anschein, hier wohl von der Unreinheit der Leichenbestattung zu verstehen, — zu aghnya, eig. ahanya »hellfarbig«, ef. usriya, s. Ind. Stud. 17, 306. 307, — Statt va äya proponire ich vaciya 1. pers. Pot. Ätm. (freilich Yvae ist parasmaipadin; auch sollte man wohl eher weiya erwarten!); Wurr- xey (Index p. 261. 262) giebt vaciyo als Lesart der Manuseripte und substituirt dafür: vasiyo; — statt mama ist metri e. wohl me zu lesen. 50. Mit diesem Verse wird allem Anschein nach der für die Feier bestimmte Opferlohn in Empfang genommen; nach Kaucika 82,41 be- steht derselbe mindestens aus zehn Kühen. Her kam zu uns diese Tüchtige (Kuh), aus Freundlichkeit uns von Diesem (dem Erben) gegeben, die gut melkende, Jugendkraftreiche. | In Ju- gend die Lebenden einmischend (einsetzend, und) in das Greisenalter hinein, möge sie (dieselben) den Vätern hinzuführen. jarä fasse ich als Locativ, gleich eonstruirt mit yauvane. 51-54. Von diesen Versen scheinen 51. 52 dazu dienen zu sollen, Glieder, resp. Knochen, des Todten auf Gräsern (barhis) zu ordnen, während v. 53 zur Herstellung eines parnanara »Blatt- mannes«, d.i. eines, für den Fall, dass die Leiche nicht zur Hand ist, aus 360 parna-Blättern resp. -Stielen herzustellenden Stellvertreters derselben’ (s. Ind. Stud. IX, 310 zu Aitar. br. VII, 2) bestimmt scheint, und v. 54 sich vielleicht noch anschliesst. Nach Kauc. 80, 5ı wird v. 51 gebraucht, um die Gräser und Brennhölzer (darbhän edhän) zu »streuen«, auf welche die Leiche zur Verbrennung gelegt wird; v. 52 nach 85,25 zur Deckung der Knochen, Gliedweise (yathäparu), be- hufs des asthiyajna, endlich 53. 54 nach 86, 6. 7, bei derselben Gele- genheit, resp. 53 bei der Bedeckung der Knochen mit Blättern, 54 bei der mit Steinen. — Nach dem kalpa zu Taitt. Är. VI, 7,7, wird v. 51 einfach nur beim Streuen von barhis gebraucht; — v. 52 scheint eigent- lich nur ein Parallelformular zu 5ı zu sein. 51. Dieses barhis bringe ich den Vätern dar, lebendiges” streue ich den Göttern darüber. | Besteige du dies, o Mann, opferrein seiend. Mögen dich, den Dahingeschiedenen, die Väter anerkennen. || bharämi A., bharema T., — jivam devebhya uttaram strinämi A., devebhyo jivantam uttaram bharema T., — tad äroha purusha! medhyo bhavan A., tat tvam ärohä '"sau® medhyo bhava T.; — metri ce. lies ı J. Grium 1. c. p. 298. 306 vergleicht hierzu ein schwedisches Kindermärchen von den Smälands-Inseln. ®? man möchte meinen, dass trockenes Gras als barhis für die pitar, frisches für die Götter gegeben wird? ® Vocativ, asau o NN; Bibl. Ind. p. 696 hat irrig: aso. Weser: Vedische Beiträge. 289 jänan statt jänantu, oder pitara zweisilbig; — der vierte päda lautet in T. ganz abweichend: Yamena tvam Yamyä samvidänah, eine Les- art, welche wegen der (seltenen) Erwähnung der Yami, als mit Yama zusammenthronend (s. oben p. 259 bei v. 8), als alterthümlich erscheint. 52. Du hast Platz genommen auf diesem barhis, bist opferrein ge- worden, mögen dich, den Dahingeschiedenen, die Väter anerkennen, | Gelenk für Gelenk trage dir einen Leib zusammen. Die Glieder ordne ich dir durch einen Spruch. Zu jänantu, pittarah s. das zu 51 Bemerkte; — der Todte muss sich erst wieder einen neuen Leib, Glied für Glied, beschaffen. 53. König Parna, (dies) Polster von Stielen, (und mit ihm) Kraft, Stärke, Gewalt, Wucht kam zu uns heran, | Lebensalter den Lebenden spendend, zur Langlebigkeit, zur Hundertjährigkeit. || Unter »König Parna« ist wohl der stattliche Baum parna, paläca, Butea frondosa, zu verstehen, dessen Blattstengel tsaru (daher tsarü- nam zu lesen statt carünäm) zur Herstellung des »parnanara« verwendet werden, paläcavrintäni Gänkh. er. IV, 15,19. Käty.XXV,8, 15, trini sha- shticatäni paläcatsarunäm Kauc. 83,24. (Nach dem Schol. zu 86, 6 p- 376 handelt es sich (wohl secundär!) um durchlöcherte Töpfe, resp. Topf-, caru-, Scherben), — ürjo als Nominativ, also Thema ürjas, sonst nur in: ürjasvant. i 54. Welcher Antheil der Kraft diesen hier erzeugt hat und als Esser der Speisen (hier) zur Herrschäft gelangt ist, | den ehret, o Vigvämiträs! mit Spenden, dieser Yama gebe uns weiter zu leben. || Hier ist Vieles dunkel. Der ürjo bhägah könnte sich etwa nach v.53 auf den »parna« beziehen, durch dessen tsaru das Blattgerippe hergestellt (erzeugt) worden ist. Andererseits scheint aber doch, dem päda 4 zufolge, Yama darunter gemeint zu sein? — in päda 2 ist die Hauptschwierigkeit das Wort: acmä, welches wegen des dabeistehen- den »annänäm«: »Esser« zu bedeuten scheint, und zwar so, dass Yama als Todesgott, resp. » Verzehrer aller anna« bezeichnet wäre, — unstreitig ist dabei mit acmä 'nnänäm ein Wortspiel mit: gmagdäna (Ath.V, 31,8. X, 1,18) bezweckt; — agman ist nun aber in der Bedeutung: Esser unbelegt, und nur in der Bedeutung: Stein bekannt. Kaucika (86, 7) verwendet den Vers in der That zu der Bedeckung der Knochen mit Steinen (schol. zu 86, 10 ciläbhir vishamäbhir ishtakäbhir vä prasavyam ecinvanti emacänam). — Das zweite Hemistich ist uns schon von 3,63 her bekannt, wo die Mss. ebenfalls wie hier vicvamiträh lesen, und zwar beide Male, s. Wnrrney Index p. 275, als Nominativ betonen, vievamiträh: s. hierzu meine Bem. zu 3,15.16. 55-57. In diesen drei Versen kommen die Lebenden zu ihrem Recht: v.55 dient zur Aufrichtung des neuen Hausstandes, v. 56 zum 290 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. Eintritt des Erben in die Würde des Todten (ef. 2, 59. 60), v. 57 ist ein Allsegen für die Todten, Lebenden und die künftigen Geschlechter. — Nach Kaucika 86, ıı dient v.55 beim asthiyajna, 56. 57 dagegen (Kauce. 80, 46. 47) bei der Verbrennung der Leiche. Der Liturg nimmt das Gold, das der Todte getragen, in die rechte Hand, besprengt es mit äjya, und reicht es dem ältesten Sohne, der mit 56 die nun leere rechte Hand des Todten abwischt. Auch v.57 wird nach dem Schol. ibid. dabei verwendet; ausserdem aber beim asthiyajna 86, 2 (bei Anfüllung eines Topfes mit sarpis und madhu und Nieder- setzung desselben an der Stelle des Kopfes) und beim pindapitriyajna 88, 17 (bei Begiessung der pinda mit äjya). — Nach dem kalpa zu T. Är. VI, 6, ır wird v. 55 beim Hinwerfen von »allerlei Kraut« aus einer pätri, in die man es zusammengethan (pätriyam sarvaushadhih samyutya ävapati), gebraucht. 55. Wie die fünf Mänava für Yama einen Palast (?harmyam) säten (?aufwarfen, ?bauten), | so werfe ich (euch) hier einen Palast hin(auf), damit ihr mir zahlreich seid. || Dieser Spruch hat durch die Erwähnung der »fünf Mänava« einen alterthümlichen Charakter. harmyam dreisilbig beide Male, — evä A., evam T. (secundär!), — yathä me bhürayo 'sata A., yathä 'säma Jiva- loke bhürayah T. (seeundär). — Der Spruch ist wohl in den Mund des Erben zu legen, der damit das neue Hauswesen antritt. 56. Trage dieses Gold, welches dein Vater vorher trug. | Die rechte Hand des zum Himmel gehenden Vaters wische du ab. || Das Abwischen beseitigt wohl den an der Hand durch Abstreifen des goldenen Ringes begangenen Frevel. 57. Welche Lebenden und welche Todten, welche geboren sind, und welche noch geboren werden, | denen ströme ein Bach von ghrita, ein netzender madhu- Strom. || Statt yajniyäh ist jajnayah zu lesen; — »das Land wo Milch und Honig fliesst« ist auch bei uns noch ein Bild des Segens; speciell in der Welt der Seligen fliessen diese Ströme (ghritakulyäh, payah?, madhu° (Gatap. XI, 5. 6. 4). 58-60. Für diese drei dem Rik entlehnten Verse (IX, 86, 19. VI, 2, ıo. IX, 86, ı6), die der Reihe nach an Soma, Agni, und wieder an Soma gerichtet sind, liegt aus dem Inhalt kein direeter Bezug zum Todtenritual vor, und auch Kaucika hat keine Verwendung für sie. Alle drei Verse zeigen erhebliche Varianten (meist Verballhornungen) zum Rik-Texte; sie gehören wohl zu einer soma-Spende an die Väter (ch-yz oM): 58. Der Stier unter den Weisen läutert sich, der einsichtige, der För- derer der Sonne, der Tage, der Morgenröthen, des Himmels; | der Odem en un nn Weser: Vedische Beiträge. - 291 der Flüsse, macht klingen die Becher, in des Indra Herz eindringend, mit Geisteskraft. matinäm ist hier masculinisch zu fassen (uavrıs) s. anuv. 3, 63; — somo R. und Sämas. ı, 569. 2,171; süro A. (was ja ganz guten Sinn giebt); — alınah R.. ahnäm A. Säm. (beide Male), — pratarito 'shaso R., °to "shasäm A. (°tä ush° ist wohl nur ein Fehler der Ed.?). Säm. (beide Male), — kränä R. (die alte Lesart?), pränä Säm. (beide Male), pränah A., — avivacat R., acikradat A. Säm. (beide Male), — härdy ävican manishibhih R. Sam. (beide Male) härdim ävican manishayä A. (dies ist besser als °shibhih). 59. Dein flimmernder Rauch möge einhüllen, am Himmel seiend, licht, ausgebreitet. | Denn wie mit dem Lichte der Sonne glänzest du mit (deinem) Leibe, o du Reinigender! || rinvati R.. ürnotu A., — pävaka, wie fast stets, so auch hier paväka zu sprechen; — krip, corpus. 60. Vorwärts geht der Strom zum Stelldichein des (mit) Indra. Der Freund verletzt nicht das dem Freunde (gegebene) Versprechen. | Wie ein Liebhaber zu den Weibern hinzukommen (strebt, so) soma zu den Bechern, auf hundertbahnigem Pfade. || pro ayäsid indur R. Säma I, 557. II, 564, pra vä (für vai! se- cundär) eti indur A., — nishkritam R. Säm. (beide Male), nishkritim A., — samgiram R. Säm. (beide Male), samgirah A., — marya iva yuvatibhih samarshati R. Säm. (beide Male), marya iva yoshäh samar- shase A. (wobei samarshase in alterthümlicher Weise als infinitiver Dativ zu fassen ist?). 61-65. Diese fünf Verse gehören zu einer Spende an die Väter. Der erste Vers (Rik I, 82, 2), sowie die Verse 63-65 kommen nach Kaucika beim pindapitriyajna zur Anwendung, v. 62 nach 83, 27 bei einem Opfer an dieselben des Abends, wenn die Knochen des Todten verloren gegangen sind (asthinäce). Mit v.61 schüttelt man nach 83,27 den Schurz aus (?uttarasicam avadhüya), mit v.63 treibt man die Väter fort (88, 28), mit 64 werden Reisskörner (tandula) geopfert (88, 5) und mit v.65 wird nach 89, ı4 das Feuer wieder hereingeholt. 61. Sie assen, sie berauschten sich, sie schüttelten die Lieben?) ab, | sie rühmten sich, selbstglänzend. Als jüngste Sänger (2) bitten wir. || priyä R. und alle sonstigen Texte', priyä” A., — navishthayä mati R. und alle sonstigen Texte, yavishthä imahe A. — (der Rik- Refrain yojä nv indra te hari fehlt). — Wenn der Vers wie hier, und in den Yajus-Texten, auf die Väter angewendet wird, müssen sie als Subject gedacht und unter den priyäs sie verstanden wer- 1 s, v. ScHRÖDER, Index zu Maitr. 292 Sitzung der phil. - hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. den. Im Rik und Sämaveda (1, 415) sind darunter entweder die yajamänäs (Säy.) oder die Götter zu verstehen. Der Sinn des zweiten päda scheint zu sein: sie waren so ausgelassen, dass sie (Alles) von sich abschüttelten, alle Sorgen vergassen; cf. den späteren avadhüta, absolutus, Bezeichnung eines religiösen Bettlers. Was aber soll die hiesige Lesart: priyän, »sie schüttelten die Lieben von sich ab«? soll dies etwa bedeuten: sie waren so ausgelassen, dass sie auch alle Sorge für ihre Lieben vergassen (cf. die symbolische Handlung des Abschüttelns des oberen Kleidzipfels bei Kaucika). — Nicht minder auffällig und mir denn auch völlig unklar, ist die hiesige selbstän- dige Lesart des vierten päda, in welcher yavishtha an das navishtha der anderen Texte (das aber eventuell gar nicht von nava, sondern von Ynü kommt, so Säyana) erinnert. Man möchte Äier den Accu- sativ (viprän) lesen, der in päda 2 so befremdlich ist. 62. Kommt her, Väter! soma-würdig, auf den tiefen, von den Vätern begangenen Pfaden, | Lebensdauer uns gebend und Nachkommenschaft und hänget Euch an uns mit Füllen von Reichthum. || 63. Geht (nun wieder) fort, Väter ! soma-würdig, auf den tiefen, voll- gedrängten Pfaden. | In einem Monat kommt dann wieder her zu unsern Häusern, um havis zu verzehren, gute Nachkommenschaft habend, gute Mannen habend. püryänaih im padap. (Wuıtsey Index p.187) durch püh-yänaih er- klärt; wir hatten das Wort, das ich als püryamäna auffasse, schon in 1,57 (wo der Rik pürvyebhih liest); metri e. ist püriyänaih zu lesen, und daher immerhin auffällig, dass nicht die (auch metrisch) richtige Form püryamänaih dasteht; — der dritte päda zeigt, dass es sich hier um ein monatliches Manenopfer handelt; — statt suviräh möchte man suvirän (zu grihän hinzuziehen) lesen; suprajasah ist ja ebenso gut wie als Nominativ auch als Accusativ zu fassen. 64. Wenn Agni von Euch ein Glied zurückliess, als er (Euch) zur pitri- Welt führte, der Jätavedas, | das mache ich Buch (hier) wieder ganz. Im Voll- besitz Eurer Glieder (sängdäh), Väter, mögt Ihr im Himmel Euch erfreun. 65. Jätavedas war als Bote ausgesandt, Abends, beim Neigen des Tages, als ein von den Männern zu Begrüssender. | Du gabst (die Spende) den Vätern. Mit Lust (svadhayd, Ysvad?) assen sie. Iss nun auch selbst, o Gott, die dargebotene Spende. | 66. 67. Diese beiden Verse wenden sich wieder an den Todten, und zwar bezieht sich der erste entschieden auf Begräbniss, nicht auf Verbrennung, nach Kauc. 86,10 (Schol. p. 370) jedoch auf das Schichten des emacäna mit Steinen (ciläbhih) und Brennziegeln (ishta- käbhih) über den gesammelten Knochenresten (cf. 2, 50. 3,49). Für v. 67 hat Kaucika keine Verwendung. Weeer: Vedische Beiträge. 293 Dort ist das Loch (die Gruft), hier ist dein Geist. Wie Weiber das Knäblein, bedecke du ihn, o Erde. kakutsala, » vielleicht Liebkosungswort für kleine Kinder « Pet.W., ich weiss auch nichts Besseres; cf. 2, 50 mätä putram yathä sicä, 51 jäyä patim iva väsasa. 67. Es mögen leuchten die Welten, wo die Väter sitzen, ich setze dich in die Welt, wo die Väter sitzen. 68. Es folgt ein kurzer Spruch aus einem Väteropfer, nach Kauc. 87, 27 zum pindapitriyajna gehörig beim Aufstreuen von barhis. 68. Welches unsere Väter sind, für die bist du barhis. 69. 70. Zwei Verse (69 =RikI, 24,5) zur Entsühnung der Le- benden. Der Tod ist eine Strafe Varuna’s, vor der dieselben hier- durch gefeit werden sollen. Nach Kauc. 84,8 vollzieht damit der Älteste der Hinterbliebenen eine Begiessung (avasincati. am ersten Tage nach der Verbrennung der Leiche). 69. Löse, o Varuna! den obersten Strick von uns, ab den unteren, weg den mittleren. | Dann mögen wir, o Aditya, in deinem Gebote schuldlos sein für (alle) Ewigkeit (? aditaye) || ' 70. Fort von uns löse, Varuna, die Stricke sämmtlich, den der beim Zusammenziehen gebunden wird, wie den der bei dem Auseinanderziehen (dient). | Dann wollen wir leben hundert Herbste, durch dich, o König, die verborgenen Dinge behütend. || samäme, vyäme contractio, distraetio; — oder ob etwa hier: Vertrag? und Bruch desselben? — gupitä = gupitäni, guptäni, aus der irrthümlich und seeundär aus go-pa erschlossenen Ygup. 71-50. Diese Sprüche gehören zu einem Väteropfer, nach Kau- cika zum pindapitriyajna, nach 87, 8 bei der Herausnahme von je drei mushti (Handvoll) Korn für jede Gabe, nach 88, 4. ı 7 bei der Darbrin- gung der Spenden. 71. svadhd, namas, dem Agni kavyavdhana, — 72. .. dem mit den Vätern verbundenen Soma pitrimant, — 73: .. den mit dem Soma ver- bundenen Vätern, — 74. .. dem mit den Vätern verbundenen Yama. 75. dies ist hier für dich, Urgrossvater!, svadhä, und für die, welche nach dir sind, — 76. ..., Grossvater! ...,; — 77- -.., Vater! ... 78. svadhd den auf der Erde weilenden Vätern, — 79. .. im Luft- raum .., — 80. .. im Himmel .. kavyavähana aus kravya°, — pratatämaha, tatämaha, tata, zärt- liche Bezeichnung, ef. unser: Tatte (wohl auch: Tahte), ohne Laut- verschiebung, weil eine Art Onomatopoion. 81-87. Auch diese Sprüche gehören einer gleichen Gelegenheit an, s. Kauc. 88, 26; sie kehren resp. mit Varianten auch im Yajus- Ritual des pindapitriyajna wieder, s. Vs. II, 32. 294 Sitzung der phil.- hist. Classe vom 5. März. — Mittheilung vom 16. Januar. $Sı. namas, Väter ! eurer Kraft, namas, Väter ! eurem Saft. 82. ... Grimm (bhäma), ... Zorn (manyu). 83. ... dem, was bei Euch grausig (ghoram), ... was bei Euch hart (krüram) ... 84. ... was bei Euch günstig (givam), ... was bei Euch heilvoll (syonam). 85. namas Euch, Väter ! svadhä Euch, Väter ! 86. .. welche Väter dort sind, Väter ! dort seid ihr; dort hinter Euch sind. sie, Ihr möget die Besten von ihmen sein. 87. Welche Lebenden hier sind, o Väter! hier sind wir; hinter uns sind sie, wir mögen die Besten von ihnen sein. In v. 86 ist pitara vor 'tra, in v.87 pitaro vor Jivä Vocativ, daher tonlos zu lesen. 88. Auch dieser Vers (Rik V, 6, 4) gehört zu der gleichen Gele- genheit und zwar nach Kauc. 89.13, wozu auch der Inhalt stimmt, zur Einlegung von Brennholz (samidho "bhyädadhäti). 88. Wir wollen dich anzünden, o Gott Agni, den leuchtenden, alter- losen, | welches (so dass dies) als deine preiswürdigste Entzündung am Him- mel leuchten mag. Bringe Saft deinen Sängern. || Fünf achtsilbige päda. ä te agne R., ä tvä 'gne A., syä R., sä A. 89. Dieser Vers (Rik I, 105, 1) hat zunächst keine Beziehung zum Todtenritual, Kaucika hat auch keine Verwendung für ihn. 89. Der Mond läuft zwischen den (Wolken-)Gewässern am Himmel dahin wie ein Vogel. | Nicht finden, o Ihr mit goldener Radfelge! die Blitze eure Spur. Ihr beiden Welten! vernehmet dies mein (Wort). || vidyuto R. (Vocativ), vidyuto A. (Nominativ). — Man möchte mei- nen, dass hier unter den »mit den goldenen Felgen Leuchtenden « die zum Himmel aufsteigenden Frommen zu verstehen sind'; so wenig- stens würde der Vers einen Bezug haben, der ihn mit Recht an den Schluss dieses Buches gebracht hätte; auch vidyutah, Vocativ, liesse sich gut auf sie beziehen; — päda 5 ist der Schlussrefrain einer grösseren Anzahl von Versen, resp. Liedern im ersten mandala. ' im Rik, wo vidyutah Vocativ ist, gehört hiranyanemayah dazu, resp. beide Wörter zusammen. — te 295 Beiträge zum Studium der Individualität. Von W. Dıiurary. (Vorgetragen am 25. April 1895 [s. Jahrg. 1895, St. XXI, S. 419].) Mi dieser Abhandlung beginne ich Beiträge zum Studium der indivi- duellen Unterschiede in der Menschennatur: dieselben gehören also der vergleichenden Psychologie des Menschen an. Die beschreibende und zergliedernde Psychologie breitet sich in der vergleichenden Psychologie aus, wie der Stamm eines Baumes in seinen Zweigen. Das be- schreibende und zergliedernde Verfahren setzt sich in dem ver- gleichenden fort. Während aber die allgemeine Psychologie, auf welche ich mich in der letzten Abhandlung beschränkt habe, die Gleichförmigkeiten des Seelenlebens zu ihrem Gegenstande hat, sucht die vergleichende gerade die individuellen Differenzen, die Abstufungen der Unterschiede und die Verwandtschaften einer wissenschaftlichen Behandlung zu unterwerfen. Die allgemeine Seelenlehre lässt diese Unterschiede zurücktreten. Ihre Beschreibung und Analyse ist über- wiegend auf die in allen Individuen gleichartigen Bestandtheile und die in allen gleichförmigen Processe des Seelenlebens gerichtet. Sie möchte den Zusammenhang, wie er am normalen Menschen überall einstimmig auftritt, erfassen. Die ganze Menschheit bildet ihr Object, aber sie sucht das Gleichartige und Gleichförmige in ihr zu erfassen, unter Ab- straetion von den individuellen Unterschieden, von deren Abstufungen und von den so bedingten Verwandtschaften. Gerade diese Verhält- nisse macht die vergleichende Seelenlehre zu ihrem Gegenstande. Damit ergreift sie nun Probleme von der grössten Bedeutung. Auch sie hat die Menschheit zu ihrem OÖbjeete. Aber auf dem Grunde der Gleichartig- keit von Bestandtheilen und der Gleichförmigkeit von Processen, wie sie durch alle Individuen der Menschheit hindurch gehen, treten in dieser Menschheit nun Individualität, Abstufungen der Unterschiede zwischen Individualitäten, Verwandtschaft, Typus auf: diese bilden das Objeet der vergleichenden Psychologie. Eben in der unermesslichen Fülle singulärer Gestaltungen lebt sich die Menschheit aus. Welche Probleme entstehen hier gerade aus der regelmässigen Verbindung individuell 296 Sitzung der phil. -hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. differenzirter Züge zu typischen Grundformen des Seelenlebens! Solche Grundformen sind die beiden Geschlechter, die Racen, die Natio- nalitäten, die landschaftlichen Besonderheiten, die Verschiedenheiten des mitgegebenen Naturells, innerhalb derselben die auffälligen Typen der vier Temperamente, nun gar die elastische Fülle ausgebildeter Unterschiede, wie sie den Dichter vom Religiösen, den Mann der Wissenschaft von dem des praktischen Lebens, den Griechen der perikleischen Zeit von dem Italiener der Renaissance trennen. Die vergleichende Psychologie möchte nun beschreiben, wie in solchen typischen Grundformen bestimmte Züge regelmässig verbunden sind und die Processe erkennen, welche in dieser Besonderung des all- gemeinen Seelenlebens wirksam sind. Indem die Seelenlehre diese Aufgaben zu behandeln sucht, tritt sie in die Reihe der vergleichenden Geisteswissenschaften. Ik Gleichartigkeit der Menschennatur und Individualität. Die Geisteswissenschaften gehen aus von dem in der inneren Erfahrung gegebenen seelischen Zusammenhang. Darin, dass Zu- sammenhang im Seelenleben primär gegeben ist, besteht der Grund- unterschied der psychologischen Erkenntniss vom Naturerkennen, und da liegt also auch die erste und fundamentale Eigenthümlichkeit der Geisteswissenschaften. Da im Gebiet der äusseren Erscheinungen nur Neben- und Nacheinander in die Erfahrung fällt, könnte der Gedanke von Zusammenhang nicht entstehen, wäre er nicht in der eigenen zu- sammenhängenden Einheitlichkeit gegeben. Diese ist ohne Hypothesen über eine einheitliche Spontaneität oder seelische Substanz, durch un- sere inneren Wahrnehmungen und deren Verbindungen, im Structur- zusammenhang des Seelenlebens gegeben. Von demselben sind alle Einheitsbildungen und alle einzelnen Zusammenhänge umfasst. Hinter diesen Zusammenhang können wir nicht zurückgehen; er ist die einheit- liche Bedingung für Leben und Erkennen. So enthält er den sicheren Ausgangspunkt für die Psychologie. Darin, wie in diesem Struetur- zusammenhang Wahrnehmung und Denken mit Trieben und Gefühlen und diese mit Willenshandlungen in einander greifen, ist innere Zweck-' mässigkeit als Grundeigenschaft des seelischen Zusammenhangs primär gegeben. Nun erwirkt dieser Structurzusammenhang vermittelst der zunächst nur der Beschreibung und Analyse zugänglichen Processe der Association, Reproduction und Verschmelzung weiter die structurelle und zweckmässige Gliederung des erworbenen seelischen Zusammen- hangs, der dann die bewussten Acte bedingt und die Erinnerung EEE Dirıney: Beiträge zum Studium der Individualität. 297 ermöglicht. Er erwirkt die zunehmende Artieulation der seelischen Leistungen, welche in der Entwickelung der geistigen Lebenseinheit stattfindet. So macht dieser Structurzusammenhang, als eine einheit- liche Kraft, dies Wort ohne jede metaphysische Substantialisirung genommen, den lebendigen Wirkungszusammenhang inner- halb des Seelenlebens und der geschichtlichen Welt wenig- stens innerhalb eines gewissen Umfangs verständlich. Und so kann er nun auch einer beschreibenden und analytischen Psychologie einen sicheren und naturgemässen Gang von dem Ganzen zu den Gliedern, von dem am meisten umfassenden Zusammenhang zu den Einzel- zusammenhängen ermöglichen'. Auch für das Verständniss der Indivi- ! Diese obigen Sätze über den Structurzusammenhang näher zu entwickeln und ihren Werth für die Gestaltung, einer beschreibenden und zergliedernden Psychologie darzuthun, war der Zweck der Abhandlung Sitzungsberichte 1894, 20. December; nicht aber handelt es sich in ihr, wie der Aufsatz in der Zeitschrift für Psychologie von Hrn. Essınanaus (1895, October) annimmt, um bessere Würdigung der psychischen Einheiten im Allgemeinen (S.177f.), auch nicht um die Thatsache der Structur, welche nicht bloss den Psychologen, sondern nach Obigem jedem über sich Re- fleetirenden geläufig ist (S.193). Wenn nun der eben erwähnte Aufsatz einwen- det, dass auch das von mir skizzirte Verfahren hypothetischer Bestandtheile und ihrer Erprobung an den Thatsachen bedürfe, so habe ich das selbst ausgesprochen (S. 2. S.53), hier liegen die Berührungspunkte zwischen constructiver und beschreibender Psychologie; trotzdem ist, dabei bleibt’s, Stelle und Tragweite des Hypothetischen in einer derartigen analytischen Psychologie eine gänzlich andere, als wenn die ana- lytischen Ergebnisse durch Hypothesen von selbständigen Empfindungseinheiten, psycho- physischem Parallelismus, Determinismus, unbewussten Vorstellungen ergänzt werden und nun hieraus construirt wird. Denn zunächst ist der Structurzusammenhang selbst in ganz sicherer Weise gegeben. Wie seine einzelnen Glieder stückweise erfahren und mit- einander verbunden werden, ist S. 33. 34. 38.68 eingehend dargelegt. Doch wird in den einzelnen probirenden oder die Erinnerung nachträglich aufmerksam distinguirenden Acten nur der im Lebensverlauf selber von einer Vorstellungslage zu einer Willens- bestimmung fortgehende Structurzusammenhang, wie er der Ausdruck unserer einheit- lichen structurellen Lebendigkeit ist, zu solchem distinet constatirenden Bewusstsein gebracht. Durchlaufen wir ja auch in den Erinnerungen aus unserem früheren Leben den ganzen Zusammenhang in einheitlichem Zuge. Aus solchen einzelnen Fällen wird dann der allgemeine Begriff des Structurzusammenhangs abstrahirt und auf das Ganze des Seelenlebens übertragen. In diesem Sinne ist (im Gegensatz zu Zeitschr. 192f.) der Ausdruck: »Der Structurzusammenhang wird erlebt« (S. 68) zu verstehen, worauf ja der Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satze hinführt; ebenso S. 72. Ferner ist ebensowenig gegründet, wenn die Sicherheit dieser Erfahrung Zeitschr. S.189 herab- gemindert wird durch die Einbeziehung der Auslegung thierischer Bewegungen, in denen der Structurzusammenhang sich äussert. Auf solche thierische Bewegungen nahm ich vielmehr nur Bezug, um zu den inneren Wahrnehmungen und deren Ver- bindungen überzuleiten; die Zergliederung der Vorgänge, in denen wir des Structur- zusammenhangs gewiss werden, kommt natürlich mit keiner Silbe auf die Auslegung jener Bewegungen zurück, und so durfte mir eine solche Gedankenfolge nicht unter- geschoben werden. Bleibt es so bei der erkenntnisstheoretisch und psychologisch so wichtigen völligen Sicherheit der Kenntniss vom Structurzusammenhang, so steht es mit dem weiter skizzirten Verlauf der analytischen Psychologie, welcher nun den Structur- zusammenhang gerade als »Erkenntnissmittel« braucht (gegen Zeitschr. 192), freilich 298 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. dualität wird er sich uns nun wichtig erweisen. Das Ideal der Geistes- wissenschaften ist ja das Verständniss der ganzen menschlich-geschicht- lichen Individuation aus dem Zusammenhang und der Gemeinsamkeit in allem Seelenleben. Wenn der innere Zusammenhang des Seelenlebens durch Verbindung der Erfahrungen im Denken erfasst, beschrieben und analysirt ist, wenn die Gleichförmigkeiten in der Verbindung der etwas anders; die »Inductionen«, »Schlüsse auf das Nichtgegebene«, »Hypothesen, welche einzeln dem wissenschaftlichen Gedankengang eingeordnet sind« (S. 5), »Er- proben von Hypothesen als wichtigste Methode psychologischen Fortschreitens«, welche nach diesen meinen ausdrücklichen Worten in dem weiteren Verlauf der analytischen Psychologie auftreten (S. 53), können Ziele, wie die Analyse der seelischen Vorgänge oder Producte, die Feststellung von Einzelzusammenhängen natürlich nicht in einer keinem Zweifel ausgesetzten Weise erreichen. Das versteht sich von selbst. Aber etwas ganz Anderes wäre es freilich, wenn ich von geringmerklichen Vorgängen oder Thatsachen, vom Innewerden, das schwer gegenständlich gemacht werden kann, von sofortigem Vergessen, als constatirbaren Thatsachen, zu der Hypothese »unbewusster Vorstellun- gen« überginge. Indem mir dies zugeschrieben wird (S.193), ist es dann leicht, die Unterschiede der skizzirten analytischen Psychologie von der constructiven (in Bezug auf deren begriffliche und historische Bestimmung ich an anderer Stelle die Einwürfe richtig stellen werde) in ein Nichts oder so gut als ein Nichts verschwinden zu machen. Diese Hypothese von den unbewussten Vorstellungen habe ich S. 40 entschiedenst ab- gelehnt, und hiernach war es wohl billig, den einzelnen Ausdruck: »nicht fietive Essenzen, sondern psychische Wirklichkeiten« zu interpretiren, der nach dem ganzen Zweck der Seiten 5o ff. an den Willenszusammenhängen festlegen will, dass sie, als solche, in die Erfahrung fallen können, wie ich sie mir ja eben als Zusammenhang, der mein Handeln bestimmt, jederzeit zum Bewusstsein bringen kann. Wird mir dann in Bezug auf die Durchführbarkeit einer solchen analytischen Psychologie das Bedürf- niss, doch auch den Zusammenhang der Reproduction zu erklären, entgegengehalten (Zeitschr. 187): so unterscheide ich ja eben den lebendigen Wirkungszusammenhang, dessen Glieder im Bewusstsein liegen, von den zwischen Nichtbewusstem und Bewusstem verlaufenden Vorgängen, und hebe hervor, dass letztere in einer solchen analytischen Psychologie nur nach Abfolge und Zusammenhang beschrieben werden können (S. 40ff.). Und wo hätte ich in der Darlegung des Zusammenhangs der Entwickelung solche Grenzen einer analytischen Psychologie überschritten? Wird mir endlich die in Beschreibung und Analyse enthaltene Unsicherheit entgegengehalten, so hebe ich sie ja selbst hervor (S. 2), auch können Vergleichung der Ergebnisse verschiedener Beobachter und Experiment diese Unsicherheit eben nur mindern (übrigens kann bei Beschreibung der Aufmerk- samkeit diese wirklich [trotz Zeitschr. zo1], weil sie eben verschiedene Seiten hat, ohne Widerspruch zugleich als »verstärkte Bewusstseinserregung« beschrieben und ein »willentliches Verhalten« an ihr herausgehoben werden, wie auch bei anderen Psycho- logen beides nebeneinander vorkommt). Aber eine Psychologie, wie ich sie skizzirte, welche von einer sicheren Grundlage aus dem lebendigen Wirkungszusammenhang im Seelen- leben nachgeht und in diesem Verlauf Beschreibungen, Analysen, Einzelzusammen- hänge vorlegt, deren etwaige Unsicherheit durch andere Beobachter überall controlirt und auf die Probe weiterer concreter Untersuchung gestellt werden kann, ist doch in Bezug auf die in ihr zurückbleibende Unsicherheit nicht dem Grad (Zeitschr. 197 ff.), sondern der Art nach unterschieden von dem hypothetischen Charakter einer Psycho- logie, welche das in die Erfahrung Fallende zu einem Causalzusammenhang durch Hypothesen wie psychophysischen Parallelismus, unbewusste Vorstellungen etc. ergänzt und glaubt, solche Ergänzungen an den Erscheinungen erproben zu können. Es bleibt dabei, dass dies Verfahren einstweilen zwecklos ist, weil bei der geringen Bestimmtheit a nn EDEN EEE Dirrney: Beiträge zum Studium der Individualität. 299 Bestandtheile und in den Einzelzusammenhängen, die in jedem mensch- lichen Seelenleben auftreten, festgestellt sind: dann entsteht die Aufgabe der Einordnung des Besonderen, der ganzen Gliederung und Individuation der geistig geschichtlichen Welt in diese Gemein- samkeit und diesen Zusammenhang. Eine andere Eigenthümlichkeit der Geisteswissenschaften ist dann von den weiteren Eigenschaften ihres Erfahrungskreises ab- hängig. In jedem einzelnen Seelenleben strebt sein Strueturzusammen- hang, eine befriedigende seelische Verfassung herbeizuführen, und so “ist das Bewusstsein eines selbständigen inneren Werthes von dem sich Fühlen jedes Individuums unabtrennbar. Hieraus ergiebt sich, dass der Schwerpunkt der Geisteswissenschaften aus dem Erkennen des Generellen, in welehem unter Abstraetion von den Unterschieden alle einzelnen Menschen übereinstimmen, hinüberrückt in das grosse Problem der Individuation. Die Wissenschaft strebt hier sich der Fülle des individuellen Lebens zu bemächtigen. Aus dem liebevollen Verständniss des Persönlichen, dem Nacherleben der unerschöpflichen Totalitäten, als welches in der eigenen Lebensmächtigkeit gegründet ist, entspringen so die grossen historischen Schöpfungen. In der Biographie am einfachsten stellt sich diese selbständige Werthung der Person, welche den Geisteswissenschaften eigen ist, dar. Und an die Darstellung des Singularen, welche doch Erkennen des Zu- sammenhangs schon enthält, schliesst sich nun die Aufgabe, Unter- schiede, Abstufungen, Verwandtschaften, kurz die Individuation dieser menschlich-geschiehtlichen Wirklichkeit nach ihren Zusammenhängen, deren Kern die Motivation ist, zu erfassen. Aus den Eigenschaften des Erfahrungskreises der Geisteswissen- schaften ergiebt sich dann noch ein weiterer Zug. Die Auffassung eines Zusammenhangs in einem Seelenleben fanden wir nach dessen Structur von seiner selbständigen Werthung unabtrennbar. Sehen des Thatsächlichen ist daher mit Vollkommenbheitsvorstellungen ver- dieser zur Verification verwandten Erscheinungen verschiedene Hypothesencomplexe gleich gut erprobt werden können und diese Hypothesen für die Einzelerklärung doch nichts leisten. Und auch dabei bleibt es, dass »Eigenschaften« wie das Auftreten von Nothwendigkeit im Denken und von Sollen oder Normen im Handeln bisher noch keine »überzeugende Zergliederung gefunden haben« (S. 18). Woraus mir freilich die Be- hauptung, sie seien »irreductible Dinge«, nicht hätte gemacht werden sollen (Zeitschr.182). Dies ist ungefähr so richtig, als wenn die Zeitschrift mich sagen lässt: »die constructive Psychologie hätte eigentlich Nichts geleistet« (S.166) oder: die Associationspsychologen „machten sich Vorschriften darüber, ob die Zahl ihrer Elemente gross oder klein sein müsse« (S.180). Ich erwarte eine überzeugende Zergliederung solcher Thatsachen oder auch der heroischen Willenshandlung, welche sich zu opfern und das sinnliche Dasein wegzuwerfen vermag. Es wird wohl, sage man nun zunächst oder für immer, im Seelenleben etwas Incommensurables anerkannt werden müssen. 300 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. bunden. Das was ist, erweist sich als nicht lösbar von dem, was es gilt und was es soll. So schliessen sich an die Thatsachen des Lebens die Normen desselben. Das Wesenhafte in den Lebenser- scheinungen ist der Ausdruck des lebendigen Werthzusammenhangs in ihnen, und dies Wesenhafte drückt sich seinerseits in den Ideal- vorstellungen und in den Normen aus, welche die Äusserungen dieses Lebens von innen regeln. Hier entspringt ein grosses methodisches Problem, von dessen Auflösung der Zusammenhang der Geisteswissen- schaften abhängt. Die theoretischen Sätze dürfen nicht losgelöst werden von den praktischen. Die Wahrheiten dürfen nicht gesondert werden von den Idealvorstellungen und den Normen. Denn diese Trennung in zwei Classen von Sätzen, von welchen die einen enthalten, was ist und die anderen sagen, was sein soll, nimmt den Erkenntnissen ihre Fruchtbarkeit und den Idealen und Normen ihren Zusammenhang und ihre Begründung. Sonach gilt es, den Zusammenhang zu finden, in welchem aus dem Wesenhaften der grossen menschlichen Lebens- bethätigungen die Normen derselben hervorgehen. Da Thatsachen und Normen untrennbar verbunden sind, geht die Verknüpfung beider durch alle Geisteswissenschaften hindurch. Ihr Kennzeichen in der Psychologie ist die Unterscheidung des Normalen als ihres nächsten Gegenstandes von dem Anomalen; sobald man aber erst einmal hierauf aufmerksam geworden ist, so bemerkt man, wie diese Unterscheidung in der ganzen psychologischen Begriffsbildung bedeutsam mitwirkt. Dann sind alle systematischen Geisteswissenschaften so strueturirt, dass die Erkenntniss des entsprechenden Thatsachensystems in sich die Praemissen für die Normen desselben enthält, und zwar dieses eben, weil Werthung und Zweckzusammenhang schon im Thatsachensystem enthalten ist. Denn dieses Thatsachensystem ist schliesslich überall in der Structur des Seelenlebens begründet, und diese enthält die Richtung auf Erzeugung der Lebenswerthe in sich. Ja selbst die Historie wird immer Be- schreibung, ursächliche Erkenntniss und Urtheil verbinden: nur nicht ausschliesslich moralisches Urtheil, sondern dasjenige, das aus den Werthbestimmungen und Normen aller menschlichen Lebens- bethätigungen hervorgeht. Verwerflich, obwohl sittlich ehrwürdig, ist das ausschliesslich moralische Urtheil eines ScHLosser oder GERVINUS, aber Urtheil über das Geschehene ist an und für sich von der Dar- stellung desselben unabtrennbar. Aus diesen Erörterungen erhellt das Verhältniss zwischen der generellen und der vergleichenden Psychologie. Geistige Lebens- einheiten, die unter Umständen stehen, bieten sich zunächst dem Verstehen dar. Aus ihrer Lebendigkeit und ihrer Werthentwickelung ergiebt sich ihre Singularität, sowie das dieser zukommmende selbst- Dirruey: Beiträge zum Studium der Individualität. 301 ständige Interesse. Es ist unvermeidlich, dass alle durch diese Ein- heiten gebildeten Lebensformen denselben singularen Charakter zeigen. Sonach kommt dieser schliesslich der ganzen geistigen Welt zu. Aber dieselbe hat von der Lebenseinheit aufwärts auch eine andere Seite. Sie zeigt Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit. Dies folgt schon aus dem Verhältniss der Naturgrundlage zu dem Geistigen. Grosse ge- setzliche Verhältnisse durchwalten die ganze Natur, und indem sie das bedingende Milieu für die geistige Welt bilden, äussern sie sich in dieser durch eine Gleichförmigkeit ihrer Wirkungen. Es ist aber zugleich durch die Gleichartigkeit und innere Verwandtschaft des Geistigen bedingt. In dieser geistigen Welt selbst besteht eine Gleich- artigkeit und innere Verwandtschaft, welche sich als Allgemeingültig- keit im Denken, Übertragbarkeit der Gefühle, logisches Ineinander- greifen der Zwecke und als Sympathie äussert. Schon die Stoa, die durch sie bedingte römische Jurisprudenz und das auf sie gegründete natürliche System des 17. Jahrhunderts hat diese Gleichartigkeit der Menschennatur unter allen Himmelsstrichen und unter allen geschicht- lichen Bedingungen herausgehoben.- So sind von der geistigen Lebenseinheit ab bis zu den Systemen der Cultur in den Formen der Organisation überall Gleichförmigkeiten verbunden mit der Individuation. In jeder einzelnen Geisteswissen- schaft kommt diese Verbindung zum Ausdruck. Sie bildet eines der eigensten Probleme der Geisteswissenschaften. Sie ist für die Gestaltung einer jeden von ihnen von entscheidender Bedeutung. Überall in den- selben wird darum gekämpft, in welchem Umfang Gleichartigkeit, Gleiehförmigkeit, Gesetze das Einzelne bestimmen, von welchen Punkten ab das Positive, das Geschichtliche, das Singulare auftritt. Insbesondere die Wirthschaftslehre, die Rechtswissenschaft und die Politik sind erfüllt von leidenschaftlichem Streit hierüber. Überall besteht auch die Tendenz, sich dem inneren Zusammenhang zu nähern, in welchem das Gleichförmige Grundlage der Individuation ist. Es sind nun die vergleichenden Methoden, durch welche das Positive, das Geschicht- liche, das Singulare, kurz die Individuation selber Gegenstand der Wissenschaft wird. Schon die wissenschaftliche Bestimmung der einzelnen geschichtlichen Erscheinung kann nur durch die Methode universalgeschichtlicher Vergleichung vollzogen werden. Eine Er- scheinung erleuchtet die andere. Alle zusammen erleuchten die einzelnen. Seit den tiefsinnigen Arbeiten von WINKELMANN, SCHILLER und den Romantikern hat diese Methode immer an Fruchtbarkeit ge- wonnen. An sie schliesst sich vermittelst der freien Verwerthung der Analogie zum Zweck der Verallgemeinerung, wie sie insbesondere seit der Aristotelischen Schule. PoLysrus, MaccntaverLı und Vıco grosse Sitzungsberichte 18%. 28 x 302. Sitzung der phil. - hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v: 25. April 1895. Historiker und politische Denker geübt haben, diejenige vergleichende Methode, welche genau bestimmte allgemeine Sätze zu gewinnen strebt. Sie hat sich an der Sprachwissenschaft gebildet, wurde dann auf die Mythologie übertragen, und es liegt in der Öonsequenz des Dargelegten, dass jede systematische Geisteswissenschaft im Verlauf ihrer Ent- wicekelung zu vergleichenden Methoden gelangen muss. Die Psycho- logie als Grundwissenschaft des ganzen Gebietes wird, indem sie ver- gleichende Wissenschaft wird, sehr viel dazu beitragen können, diese Tendenz in den Geisteswissenschaften unseres Jahrhunderts zu fördern und den Fortschritt in dieser Richtung zu beschleunigen. 2. Allgemeine Gesichtspunkte in Bezug auf die menschliche Individuation. Es sind nun für die Auffassung der menschlich - geschichtlichen Individuation allgemeine Gesichtspunkte aufgestellt worden, welche ich im Folgenden zusammenstelle. Ich gebe sie in dem allgemeinsten Zusammenhang, in welchem sie innerhalb der Geschichte der Philo- sophie zur Geltung gelangten. Dabei versteht sich von selbst, dass ihr Werth für uns nur von ihrer empirisch-psychologischen Begründung abhängen kann. Soweit unsere Kenntniss des Universums reicht, dürfen wir an- nehmen, dass es aus denselben Stoffen zusammengesetzt sei. Und da mit den Gesetzen der Gravitation das Verhalten aller Gestirne über- einstimmt, welche eine zulängliche Beobachtung gestatten, so dürfen wir auch annehmen, dass dieselben Gesetze alle noch so ver- schiedenen Theile des Weltalls durchwalten. So bestehen in dem Weltganzen Constanz von Masse und Energie, Gleichartigkeit der Stoffe und Gleichförmigkeit in den gesetzlichen Beziehungen derselben zu einander. Und die psychischen Vorgänge, welche nun an der Materie auftreten (Ausdrücke freilich, bei denen immer hinzuzudenken ist: sofern sich in solchen abstracten Begriffen die menschliche Ge- gebenheit, aus der sie entnommen sind, ausdrücken lässt), zeigen ebenfalls in gewissem Umfang Gleichartigkeit ihrer Bestandtheile und Gleichförmigkeiten in ihrem Verlauf. An dem Wirklichen tritt nun aber dem Intellect eine zweite Grundeigenschaft entgegen. Auf der Grundlage aller dieser Gleich- förmigkeiten erhebt sich das Singulare. Jedes Singulare ist von dem anderen verschieden. Lerısnız forderte im Garten von Charlottenburg die Hofdamen der philosophischen Königin auf, zwei gleiche Blätter zu Dirıney: Beiträge zum Studium der Individualität. 303 suchen: so veranschaulichte er ihr sein Prineipium identitatis indis- cernibilium. Und Gleichheit bezeichnet, wo von wirklichen und gra- duell abstufbaren Dingen der Ausdruck gebraucht wird, nur die Annä- herung an das gänzliche Verschwinden jedes Unterschiedes. Seine höchste Anwendung hat dies Prineip auf menschliche Lebenseinheiten. — Da aber ist es nun der Individuation des Wirklichen wesentlich, dass gewisse Grundformen, welche wir hier zunächst als Typen bezeichnen wollen, in dem Spiel der Variationen immer wiederkehren. In einem solchen Typus sind mehrere Merkmale, Theile oder Functionen regelmässig mit einander verbunden. Diese Züge, deren Verbindung den Typus ausmacht, stehen in einer solehen gegenseitigen Relation zu einander, dass die An- wesenheit des Einen Zugs auf die des anderen schliessen lässt, die Variation im Einen auf die im Anderen. Und zwar nimmt diese ty- pische Verbindung von Merkmalen im Universum in einer aufsteigenden Reihe von Lebensformen zu und erreicht im organischen und dann im psychischen Leben ihren Höhepunkt. Dies Prineip des Typus kann als das zweite, welches die Individuation beherrscht, angesehen werden. Dies Gesetz ermöglichte es dem grossen ÜuVIEr, aus versteinerten Resten eines thierischen Körpers diesen zu reconstruiren. Und dasselbe Gesetz in der geistig geschichtlichen Welt hat Fr. A. Worr und Nıesunr ihre Schlüsse ermöglicht. Seine Begründung und Verwerthung für die menschlich -geschichtliche Welt kann natürlich ebenfalls nur in psy- chologischen Erfahrungen liegen. — In der organischen und geschicht- lichen Welt treten dann Abstufungen des Lebenswerthes der Gebilde auf, welche mit den Abstufungen der Articulation von Theilen oder Funetionen in Verhältniss stehen. Es entstehen Reihen, in denen die Lebenswerthe in einer bestimmten Richtung zunehmen. So bilden den Gipfel der Arthropoden die Ameisen und Bienen, den Gipfel der Wirbel- thiere bildet die menschliche Organisation. Schliesslich ist aber dieser Begriff des Lebenswerthes und was mit ihm zusammenhängt uns nur in der menschlich-geschichtlichen Welt primär gegeben. Das Prineip, das hier innerhalb der Individuation zur Geltung gelangt, kann als das der Entwickelung bezeichnet werden. — Diese Verschiedenheiten und Entwickelungsstufen finden wir aber in der ganzen organischen und geistig geschichtlichen Welt in inneren Verhältnissen zu dem physischen und geistigen Milieu, in welchem sie auftreten. Bestimmte Unterschiede in diesem entsprechen bestimmten Unterschieden in der Individuation. Graden jener Unterschiede entsprechen Grade in diesen. Der einfachste und primäre Fall ist die Einzelperson, umgeben von ihrem Milieu, oder anders ausgedrückt unter physischen und geistigen Umständen. Darstellung dieses Verhältnisses ist jede Lebensgeschichte. Ebenso kann aber die Relation einer Staatsverfassung oder der Litteratur 28* 304 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. eines Volkes zu den Naturbedingungen und den historisch -gesellschaft- lichen Factoren analysirt werden. Von Aristoteles ab bis auf den grossen Analytiker TocgurviurE und seine Nachfolger sind Staats- verfassungen und grosse Krisen des staatlichen Lebens einer solchen Analyse unterworfen worden. "Tame hat ein classisches Beispiel in seiner englischen Litteraturgeschichte gegeben, das Verhältniss litterarischer Zustände zu ihrem Milieu zu untersuchen, und die er- heblichen Lücken, die er in seinen Analysen, z. B. der des Verhält- nisses von SHAKSPERE zu den ihn umgebenden Umständen liess, fordern zu einer Fortbildung seiner Methoden auf. Soll dies Prineip auf seine Tragweite für das Problem der Individuation und zugleich auch auf die Grenzen dieser Tragweite geprüft werden, so müssen die grossen gleichförmigen Beziehungen, welche zwischen der Individuation und den Umständen bestehen, theoretisch entwickelt werden. — Wie könnte man diese Verhältnisse in der Kürze aussprechen! Aber wenn die Gedankenmässigkeit des Weltalls in seiner universalen mathematischen Gesetzlichkeit, in der Beziehung gleichartiger Theile nach quantitativ geordneten Gesetzen gelegen ist: so öffnete sich doch von jeher der Sinn der Welt für den künstlerischen Blick und für die philosophische Contemplation am tiefsten in dieser Individuation, in dieser Speeci- fieation nach Individuen, Arten, Gattungen, Lebensformen, typischen Gestalten und typischen Verhältnissen. Wie GorTHE einmal sagt: die Natur scheine Alles auf Individualität angelegt zu haben. Wie dann die Natur-Philosophen verschiedener Länder dies Räthsel durch Begriffe, wie Individuation, substantiale Formen, bildende Kräfte, Entwickelung, Differentiiren und Integriren zu lösen suchen, wobei sie es freilich nur in allgemeinen Begriffen und den zu ihnen ge- hörigen Worten wiederholen. Die höchste Stufe, in welcher diese Züge der Individuation alles Wirklichen auftreten, ist das menschlich -geschichtliche Leben. Auch auf dieser Stufe bilden Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit die Grundlage der Individuation, diese erreicht aber hier ihren Höhe- punkt. An ihr haftet nun auch hier ein selbständiges Interesse. Während wir in der Natur nur das Gesetzliche suchen, wird hier das Singulare zum Gegenstande der Wissenschaft. Wenn ich ge- wahre, wie erhitztes, flüssiges Blei, das in kaltes Wasser tropft, verschiedene wunderliche Formen annimmt. so kann ich an diesen Formen als solchen nur ein flüchtiges Interesse haben: an den Ge- setzen, welche diese Formen bestimmen, haftet ausschliesslich die Aufmerksamkeit des Naturforschers. Und wenn im lebendigen Ver- hältniss für den Araber sein Pferd bereits einen selbständigen Werth als eine Individualität gewinnt oder für den Jäger sein Hund: unter — ne u - were. Dirrnev: Beiträge zum Studium der Individualität. 305 dem Gesichtspunkt der Naturwissenschaft ist doch jedes thierische Individuum nur nach seinem Verhältniss zur Art interessant. Wogegen immer neue Biographien die grosse singulare Thatsache Frırpricn der Grosse oder GoETHE zu erforschen streben. Die Erforschung der hier auftretenden Abstufungen, Verwandtschaften, Typen ist daher von höchstem Interesse. Man könnte nun annehmen, dass den dargestellten zwei Seiten am geistig-geschichtlich Wirklichen zwei Arten von Wissenschaften eorrespondirten, die generellen Theorien und die vergleichenden Wissenschaften. Aber gerade die in einem Gebiet bestehenden Be- züge zwischen diesen beiden Arten von Erkenntnissen sollen erfasst werden. Das Denken, welches auf den lebendigen Wirkungs- zusammenhang des Seelenlebens gerichtet ist und den Mittelpunkt der generellen Theorien bildet, soll nach dem modernen Ideal des Wissens auch die Individuation erhellen. Diese Aufgaben werden gerade durch Wissenschaften gelöst, deren jede die Feststellung des Gemeinsamen in einem Gebiete mit der in ihm verwirklichten Individuation zu Einem System zu vereinigen strebt. Und zwar enthält unsere Erkenntniss nach ihrem gegenwärtigen Bestande drei Systeme von generellen Wahrheiten. Dieselben beziehen sich auf drei grosse Ordnungen von Inhalten am Wirklichen. Sie können nicht auf Einen die Wirklichkeit umfassenden Causalzusammen- hang zurückgeführt werden. Das Ideal der Erklärung aller Erschei- nungen durch Einen Inbegriff genereller Wahrheiten ist unerreichbar. Die mechanische Theorie der Erscheinungen hat zunächst da ihre Grenze, wo die Zelle auftritt. Wohl ist der Versuch methodisch ge- fordert, aus den bekannten chemischen und physikalischen Processen die Vorgänge in der organischen Natur, als welche einen Theil der äusseren Wirklichkeit bildet, abzuleiten. Aber solange dieser Versuch keinen ausreichenden Erfolg hat, müssen neue generelle Wahrheiten als hinzutretend zu unserer Erkenntniss der physikalischen und chemischen Eigenschaften der Materie da eingeführt werden, wo die Zelle auftritt. Wenn wir dann an das organische Leben innere Zustände gebunden finden, welche im Menschen eine besondere Gestalt annehmen und auf Grund der inneren Erfahrung hier als die der menschlich-geschicht- lichen Wirklichkeit beschrieben werden können: so besteht zunächst keine methodische Forderung, die generellen Wahrheiten, welche dieses Gebiet beherrschen, auf gesetzliche Verhältnisse in der äusseren Natur zurückzuführen. Je mehr das Naturerkennen die ihm gegebenen Er- scheinungen auf die Bewegungen im Raum vertheilter Massen zu- rückführt, desto entschiedener sondert sich die im Selbstbewusstsein gegebene innere einheitliche Lebendigkeit von ihnen. Keine Zeit 306 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung- v. 25. April 1895. ist absehbar, in welcher die gemeinsamen Züge im Verhalten dieser Lebendigkeit durch die Leistungen von Gehirnzellen und Nervenfäden begreiflich gemacht werden können. Und diejenigen, welche vom Eintreten einer solchen Zeit überzeugt sind, müssen doch inzwischen, bis sie eingetreten, den Werth derjenigen Arbeitsweise anerkennen, die für das menschlich-geschichtliche Gebiet psychologische Wahr- heiten zu finden strebt, welche sowohl die Gemeinsamkeiten als die Individuation in ihm fassbar zu machen geeignet sind. Die einzelnen Geisteswissenschaften heben durch einen Vor- gang von Analysis und Abstraction einzelne Zweckzusammen- hänge aus der menschlich -geschichtlichen Wirklichkeit heraus. Die generellen Wahrheiten, zu welchen sie gelangen, gelten entweder einfach von dieser ganzen Wirklichkeit, oder sie müssen doch einmal als Folgewahrheiten solcher, die von ihr gelten, unter Hinzunahme concreter Bedingungen, aufgezeigt werden können. Und zwar verhält sich die Psychologie zu diesen einzelnen Geisteswissenschaften als deren Grundwissenschaft. Beschreibend, analysirend und verglei- chend eröffnet und begründet sie die Erkenntniss der menschlich - geschichtlichen Welt. Sie kann diese ihre Function nur erfüllen, wenn sie die Erklärungsprincipien für die in dieser Welt bestehende Indi- viduation entwickelt. 3. Die Kunst als erste Darstellung der menschlich-geschicht- lichen Welt in ihrer Individuation. Die menschlich-geschichtliche Welt, wie sie auf dem Grunde von Gleichförmigkeiten durch die so räthselhafte Individuation sich wie ein Stamm in getrennten Ästen ausbreitet, ist der centrale Gegen- stand der darstellenden Künste, namentlich der Plastik, Malerei, er- zählenden und dramatischen Poesie. Nur an der Peripherie dieser dar- stellenden Künste liegen die künstlerischen Nachbildungen der Thier- welt und der Landschaft, in denen das erlebte individuirte Seelenleben aus der Lebendigkeit des Künstlers in untere Stufen projieirt wird. Überall bereitet die darstellende Kunst nach einem grossen geschicht- lichen Gesetze dem wissenschaftlichen Studium dieser Welt den Weg. Aber das, was diese Künste über die menschlich-geschichtliche Welt und deren Individuation in ihr aussprechen, das behält auch nach jeder wissenschaftlichen Erforschung dieses Gebietes seinen selbstän- digen Werth. Kein wissenschaftlicher Kopf kann je erschöpfen, und kein Fortschritt der Wissenschaft kann erreichen, was der Künstler über den Inhalt des Lebens zu sagen hat. Die Kunst ist das Organ des Lebensverständnisses. Dirrner: Beiträge zum Studium der Individualität. 307 Für die Auffassung der so entstehenden Beziehungen zwischen Lebenserfahrung, Kunst und Wissen kann so ein durchgreifendes Ver- hältniss in einem ersten Satze festgestellt werden. Wir können die Thatsache selber feststellen, dass die Auffassung der Lebenswirk- lichkeit durch die unlösliche Verbindung von Lebenserfahrung, Kunst und wissenschaftlichem Denken bedingt ist, ganz im Gegensatz zu der Naturerkenntniss, welche gerade auf der Abstraetion von dem Sinnenschein der vulgären Erfahrung beruht. Auf jeder Stufe unseres geistigen Lebens besitzen wir unser Wissen über die menschliche Lebenswirklichkeit und die in ihr stattfindende Individuation im Zu- sammenhang der lebendigen Erfahrung mit den Werken der Kunst und den Leistungen der Wissenschaft. Dass die Kunst auf der Erfahrung des Lebens beruht und in dieser ihr Material hat, ist selbstverständlich. Sie malt Himmel und Hölle, Götter und Gespenster nur mit den Farben, die in der Lebens- wirklichkeit enthalten sind. Sie steigert nur die in dieser enthaltenen Bestandtheile. Aber auch die Lebenserfahrung eines jeden von uns kann von den Einwirkungen der Kunst auf ihn nicht getrennt werden. Wir alle würden nur einen geringen Teil unseres gegenwärtigen Ver- ständnisses menschlicher Zustände besitzen, hätten wir uns nicht ge- wöhnt, durch das Auge des Dichters zu sehen und Hamlets und Gretehen, Richards und Cordelien, Marquis Posas und Philipps in den Menschen um uns zu gewahren. Und wie die Kunst in der Lebenserfahrung selbstverständlich ihre Grundlage hat, so auch die Wissenschaft. Endlich bleibt wie die Lebenserfahrung so auch die Wissenschaft in gewissem Umfang an künstlerisches Vermögen und künstlerische Mittel gebunden. Nur durch sie kann der Geschichts- schreiber, der sociale Schriftsteller, der politische Denker Menschen und Zustände vergegenwärtigen. Daher sind Höhepunkte der Ge- schichtsschreibung immer eigentlich durch solche der Poesie bedingt. Grosse Geschichtsschreiber begannen nicht selten mit dichterischen Versuchen, und hervorragende Dichter gaben öfter der historischen Kunst einen mächtigen Anstoss. Und um den Kreis dieser Bezie- hungen ganz zu schliessen, muss gegenüber der Lehre von einer wild- wachsenden Kunst, welche im vorigen Jahrhundert Geltung gewann und auch heute wieder Propaganda macht, bemerkt werden, dass jeder grosse darstellende Künstler, insbesondere jeder Dichter mit der Bildung und den geistigen Kämpfen seiner Zeit in einem inneren Verhältniss gestanden hat. So entsteht in jedem von uns sein Verständniss der Lebens- wirklichkeit durch das Zusammenwirken von Lebenserfahrung, dar- stellender Kunst und wissenschaftlichem Denken, das uns von überall 308 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. her beeinflusst. Die Menschenwelt, welche wir in der Lebenserfahrung besitzen, wird uns durch Kunst, Historie und abstracte Wissenschaften zu gesteigertem Bewusstsein gebracht. Das Leben eines jeden von uns nach seinen tiefsten Bezügen vermag nur in dieser Atmosphaere von bildender Kunst, Darstellung, Dichtung, Geschichtsschreibung und wissenschaftlichem Denken sich auszuathmen, zu wachsen und sich zu gestalten. Daher ist das Leben selber immer geschichtlich bedingt, ohne dass wir es uns klar machen. Maler waren unsere Lehrer, im Antlitz der Menschen zu lesen und Gestalt und Geberde zu deuten. Dichter sind unsere Organe, Menschen zu verstehen, und sie be- einflussen die Art, wie wir in Liebe, Ehe und mit Freunden unser Dasein führen. Geschichtsschreiber geben uns ein Verständniss der historischen Welt, in welche doch jeder durch sein Wirken mit irgend einem Grad von Verständniss eingreifen soll. Es ist so. Der Gehalt der menschlich-geschichtlichen Welt in ihrer auf dem Boden des Gleichartigen und Gleichförmigen erwach- senden Individuation ist unabtrennbar im Leben selber, in dem künst- lerischen Darstellen und dem wissenschaftlichen Begreifen uns gegeben. Der ganze Unterschied der Naturwissenschaften von den Geistes- wissenschaften macht sich hier in seinen Folgen geltend. Auf dem Grunde dieses Zusammenhangs, in welchem wir die darstellende Kunst fanden, betrachten wir sie nun als das Organ, welches die menschlich-geschichtliche Welt und deren Individuation der Menschheit zum Verständniss bringt. In ihr findet sich die Mensch- heit selbst. Die Besonnenheit über das Leben ist in ihr immer da, auf welcher Stufe und in welcher Region sich auch die Menschheit entwickele. Die Betrachtung dieser Function der darstellenden Kunst erfasst nur Eine Seite an ihr. In Bezug auf die anderen darf ich mich auf frühere Darstellungen beziehen. Diese Seite derselben aber versuche ich nun in einigen weiteren Sätzen darzustellen. Die darstellende Kunst erweitert den engen Umkreis von Erleben, in den jeder von uns eingeschlossen ist, sie hebt den in dunklem und heftigem Innewerden enthaltenen Zusammenhang des Lebens in die helle, leichte Sphaere des Nachbildens, sie zeigt das Leben, wie esin mächtigeren auffassenden Vermögen, als die unseren sind, sich abspiegelt, und sie rückt es in eine Ferne von dem Zusammenhang unseres eigenen Handelns, durch welchen wir ihm gegenüber in einen freien Zustand gerathen (Scnirzers Ver- gleich der Kunst mit dem Spiel). So erweitert sich der Horizont unseres Daseins durch die Schöpfungen vieler grossen Genies, die sich einander ergänzen, in das Unermessliche. Man hat nach dem Recht der historischen Poesie gefragt. Abgesehen davon, dass überragende Dirr#er: Beiträge zum Studium der Individualität. 309 Willensmacht, der grösste Gegenstand aller Poesie, an den Personen von Sage und Geschichte vornehmlich auftritt, ist es ein unvertilgbares Bedürfniss, die Erweiterung des Horizontes von Leben, Kraft, Existenz nach allen Seiten zu erstrecken, sonach auch in der Linie des ge- schichtlichen Daseins; das Herausheben der innersten menschlichen Lebendigkeit in einer geschichtlichen Situation und Gestalt wird aber immer nur in der Poesie vollkommen vollbracht werden. Diese erste Gruppe zusammengehöriger Sätze erläutern wir. Dabei müssen wir zunächst, um den Vorgang des Nachbildens und Ver- stehens aufzuhellen, von der inneren Erfahrung, von dem Erleben der eigenen Zustände ausgehen. Und zwar tritt in ihm innerer Zusammen- hang unserer Zustände auf, stückweise, hier und da, doch so, dass die inneren Erfahrungen sich in einander fügen. Erleben eines eigenen Zustandes und Nachbilden eines fremden Zustandes oder einer fremden Individualität sind nun im Kern des Vorgangs einander gleichartig. In jedem erfüllten Lebensmoment ist die Totalität unserer Gemüths- ‚kräfte wirksam. Unterscheidet sich doch Gegenwart zunächst dadurch von Vergangenheit und Zukunft, dass sie ein solcher von der Totalität unserer Kräfte erfüllter Moment ist, wogegen Vergangenheit und Zu- kunft zunächst Vorstellungsbilder sind, die nur mittelbar andere Re- gungen in sich aufnehmen. Und zwar ist dieser erlebte Zustand wie ein Praedicat an das Subject unserer Person gebunden; immer ist er, wenn auch noch so dunkel, auf den Zusammenhang unseres Lebens bezogen und innerhalb desselben localisirt. Diese Merkmale des Erlebens kehren in dem Nachbilden der Lebensäusserungen an- derer Personen wieder. Wir können zunächst das Verstehen eines fremden Zustandes als einen Analogieschluss auffassen, der von einem äusseren physischen Vorgang vermittelst seiner Ähnlichkeit mit solehen Vorgängen, die wir mit bestimmten inneren Zuständen verbunden fanden, auf einen diesen ähnlichen inneren Zustand hingeht. In diesen Bestimmungen liegt doch nur eine rohe und schematische Darstellung dessen, was im Ergebniss der Nachbildung enthalten ist. Denn diese Vorstellung in Form eines Schlusses löst die inneren Zustände, sowohl den, aus welchem geschlossen wird, als den anderen, welcher nun durch Schluss ergänzt wird, aus dem jedes- maligen Zusammenhang des Seelenlebens los, während doch durch die Beziehung auf diesen das Nachbilden erst seine Sicherheit und seine nähere Bestimmtheit empfängt. Dies kann auch durch folgende That- sachen bestätigt werden. Die Interpretation fremder Äusserungen ist eine sehr verschiedene, je nach der Kenntniss des Zusammenhangs, dem eine solche Äusserung angehört, oder nach dem Typus des Seelenlebens, der ihnen, ohne Reflexion darüber, doch in den meisten 310 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. Fällen zu Grunde gelegt wird. Und die Grenze unseres Verständnisses liegt immer da, wo wir nicht mehr aus dem Zusammenhange heraus nachbilden können. Aber die Glieder des Nachbildungsvorgangs sind gar nicht bloss durch logische Operationen, etwa durch einen Analogie- schluss, mit einander verbunden. Nachbilden ist eben ein Nacherleben. Ein räthselhafter Thatbestand! Wir können dies etwa, wie auf ein Urphaenomen, darauf zurückführen, dass wir fremde Zustände in einem gewissen Grade wie die eigenen fühlen, uns mitfreuen und mittrauern können, zunächst je nach dem Grade der Sympathie, Liebe oder Verwandtschaft mit anderen Personen. Die Verwandtschaft dieser Thatsache mit dem nachbildenden Verstehen ergiebt sich aus mehreren Umständen. Auch das Verstehen ist von dem Maass der Sympathie abhängig, und ganz unsympathische Menschen verstehen wir über- haupt nicht mehr. Ferner offenbart sich die Verwandtschaft des Mit- gefühls mit dem nachbildenden Verstehen sehr deutlich, wenn wir vor der Bühne sitzen. Wir stellen dann nicht nur vor, wir nehmen nicht nur wahr: wir erleben die seelischen Zustände nach. Und dieser innige Antheil entspringt nun nicht aus den Bezügen unserer eigenen Interessen zu dem, was auf der Bühne vorgeht. Die Rückbeziehung auf das, was uns selbst begegnen könnte, enthält nicht den Grund unserer Seelenbewegung. Das Gegentheil ist der Fall. Wo diese Beziehung sich geltend macht, da giebt sie diesem nachbildenden Verstehen einen Zusatz von roher und stärkerer Art, welcher dessen ruhigen Abfluss kreuzt und stört. Daher wir, je näher etwa durch die dramatische Darstellung der Vorgang uns auf den Leib rückt, um so mehr durch den Abstand der Beschaffenheit des Vorgangs von unseren eigenen Verhältnissen Sicherheit für das ruhige, mitempfin- dende Nachbilden erhalten müssen. Helden der Sage, Könige und historische Personen sind schon hierdurch, nieht nur durch ihre Be- deutung für die Tragödie geeignet, wogegen uns die Nähe der Per- sonen im Lustspiel nur darum nicht stört, weil durch die Natur seines Inhalts Bezüge auf eigenes grosses Leid ausgeschlossen sind. Dazu kommt, dass der grosse Lustspieldichter immer durch etwas Groteskes in der Erfindung und in den Charakteren uns aus der Sphaere des Alltaglebens herausrückt. Gerade das Groteske, das an manchen Figuren von SHAKsSPERE, RABELAIs, Dickens getadelt wird, adelt ihre Kunst. Gemäss diesen Verhältnissen hat auch die wissenschaftliche Auslegung oder Interpretation als das kunstmässig nachbildende Verstehen immer etwas Genialisches, d.h. sie erlangt erst durch innere Verwandtschaft und Sympathie einen hohen Grad von Vollendung. So wurden die Werke der Alten erst im Zeitalter der Renaissance ganz Dirraev: Beiträge zum Studium der Individualität. 311 wieder verstanden, als ähnliche Verhältnisse eine Verwandtschaft der Menschen zur Folge hatten. Dieses innere Verhältniss, das die Trans- position ermöglicht, bildet sonach die Voraussetzung aller hermeneu- tischen Regeln, und dieselben können nur aus einem auf diesem leben- digen Verhalten beruhenden methodischen Vorgehen gegenüber den ver- schiedenen Gegenständen die einzelnen Bestimmungen ableiten. Aus demselben lebendigen Verhalten entspringen auch in erster Linie die Ergänzungen des Überlieferten und die Ausscheidungen des Unechten, welche rationalen Factoren auch sonst noch mitwirken mögen. Es giebt keinen wissenschaftlichen Process, welcher dieses lebendige Nachbilden als untergeordnetes Moment hinter sich zu lassen vermöchte. Hier ist der mütterliche Boden, aus dem auch die abstraetesten Operationen der Geisteswissenschaften immer wieder ihre Kraft ziehen müssen. Nie kann hier Verstehen in rationales Begreifen aufgehoben werden. Es ist umsonst, aus Umständen aller Art den Helden oder den Genius begreif- lich machen zu wollen. Der eigenste Zugang zu ihm ist der subjec- tivste. Denn die höchste Möglichkeit, das Gewaltige in ihm zu erfassen, liegt in dem Erlebniss seiner Wirkungen auf uns selbst, in -der fort- dauernden Bedingtheit unserer eigenen Lebendigkeit durch ihn. Der Luther Ranke’s, der Winkelmann GorrtneE’s, der Perikles des Tnuu- KYDiDEs sind aus einem solchen Verhältniss von Lebensmacht eines Helden hervorgegangen. Die Natur der Nachbildung fremder Gestalt und Zuständlichkeit empfängt nun aber in der nachahmenden Kunst noch besondere Züge, welche sie von den Erfahrungen des Lebens selber trennen. Von diesen Zügen, wie sie im obigen Satze zusammengefasst sind, bedarf nur Einer noch einer näheren Erörterung. Die Welt, die ein Künstler darstellt, seine Menschen, Situationen, Schicksale sind wie durch einen ‘ Rahmen von dem Zusammenhang, in dem unsere eigne Existenz steht, abgeschnitten. Die Wechselwirkungen, in welche unser Da- sein verflochten ist, reichen nicht zu ihr hinan. Die Wellen, in denen unser eigenes Schiff schwimmt, berühren diesen Personen nicht die Füsse. Wiederum von der Verflechtung von Wirken und Leiden, welche ihre Welt ausmacht, kommt keine Wirkung leisester Art an uns heran. Es ist ein Vorgang, welcher in sich einen Zu- sammenhang hat, aber mit unserem Leben in keiner Art von Causalverhältniss steht. Daher ist die Thätigkeit des Dichters und seines Zuschauers, wie ScHiLLER richtig sah, dem Spiel vergleichbar. Ernst und Arbeit ist, was im Zusammenhang unseres Zwecklebens von uns gethan wird. Was, diesem entnommen, nur dem Gesetz unter- worfen ist, die Structur unseres Seelenlebens in heitere Thätigkeit zu versetzen, das ist Spiel, und das befreit unsere Seele, welche in 312 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. der Unterthänigkeit unter dem harten Zweckzusammenhang des Lebens oft sich verzehren will. Die darstellende Kunst giebt aber mehr als Nachbildungen des menschlichen Lebens. Das typische Sehen und Darstellen ist ihr Kunstgriff, im Thatsächlichen die Regel des Geschehens zu geben. So enthält sie eine Anleitung zu sehen. Diese Er- kenntniss ist ebenfalls durch die frühere Darstellung vorbereitet. Dort sahen wir bereits weitere Eigenthümlichkeiten der Auffassung seelisch- geschichtlicher Zustände durch den selbständigen Werth der Person und die Untrennbarkeit des Thatsächlichen von Werthbestimmungen und Normen bedingt. Hieraus ergiebt sich nun die Bedeutung des Typischen in der Poesie. Auch in dem typischen Sehen begegnen sich künstlerisches und wissenschaftliches Auffassen. Es ist die Form, in welcher das Kunstwerk, zumal die Dichtung, das Wieder- kehrende der Unterschiede, Abstufungen und Verwandtschaften in der menschlich-geschichtlichen Welt besitzt. Ich betrachte einen Schlitt- schuhläufer oder eine Tanzende. Die Angemessenheit der Bewegun- gen ist für mich untrennbar mit der Auffassung derselben verbunden. Ich verbinde diese Bilder mit den verwandten Erinnerungsbildern unter dem Gesichtspunkt ihrer Angemessenheit und Vollkommenbheit. Die Sachvorstellungen kann ich hier nur durch Anstrengung und Übung von den Werthvorstellungen trennen. So entsteht für jeden Theil menschlicher Lebensäusserungen ein Typus ihrer angemessenen Ausführung. Derselbe bezeichnet ihre Norm, wie sie zwischen den Abweichungen nach beiden Seiten liegt. So repraesentirt nun eine typische Lebensäusserung eine ganze Classe. Das ist der nächste Sinn, in welchem wir den Begriff des Typischen anwenden. Indem ich nun aber diejenigen Züge eines solehen Typus, welche das Regel- hafte der ganzen Gruppe ausdrücken, betone oder gleichsam mit stär- keren Strichen verzeichne, kann ich weiter auch das in diesen Linien Herausgehobene als Typus bezeichnen. Der Begriff des Typus be- zeichnet dann also das herausgehobene Gemeinsame. Auch so behält der Typus noch seine Bildlichkeit. In diesem Sinne finden wir auch den Ausdruck zunächst technisch gebraucht, wenn der Arzt Coelius (wahr- scheinlich im 2. Jahrhundert n. Chr.) vom Typus des Wechselfiebers spricht und darunter die Regel seines Ablaufs versteht. So sprechen wir überhaupt von einem typischen Verlauf. In diesem Sinne giebt SHAKSPERE Typen der Leidenschaften. In ihm sind die vier Tempe- ramente genial gesehene Typen der physisch bedingten Gemüths- anlagen. Wir dürfen nun aussprechen, dass das Auffassen des Menschlichen in einem entwickelten Bewusstsein stets typisch war und sein musste. Daher ist es gar nicht ein Ergebniss der Kunst- Divruey: Beiträge zum Studium der Individualität. 313 entwickelung, sondern ist jedem künstlerischen Darstellen von der Lebenserfahrung her eigen. Fassen wir zusammen. Die Kunst versucht auszusprechen, was das Leben sei. Die ganze Individuation der menschlich - geschiecht- lichen Welt kommt zuerst in der Poesie zum Verständniss, lange bevor die Wissenschaft sie zu erkennen strebt. Und zwar ist das Mittel für die Darstellung des Gleichförmigen, der Wiederkehr von Unterschieden, Abstufungen und Verwandtschaften das typische Sehen. Wenn die Begriffe, in deren Anordnung die wissenschaftliche Classification diese Individuation zu erfassen sucht, entweder Substanzen, wie Pflanzen oder Thiere, oder praedicative Bestimmungen, wie Krankheiten oder Verbrechen oder Leidenschaften, bezeichnen, dann auch praedicative Relationen, wie sie in Lebensverhältnissen und Schicksalen liegen, so umfasst auch das typische Wahrnehmen der darstellenden Kunst, da es dieselbe Aufgabe zu lösen hat, gleichmässig das Typische an Personen, Zuständen, Verhältnissen und Schicksalen. Es ermöglicht der Poesie, Erfahrungen zu verdichten und gedanklich zu durchdringen, so dass sie einen lebenserfahrenen Mann befriedigen kann. Sie vermittelt das Ver- ständniss des Lesers oder Hörers. Unser begrenztes Vermögen der Nach- bildung würde sich durch die Winkel und Räthsel des Partieularen nur mühsam durchwinden, wenn nicht Linien des lebendigen Zusammenhangs im typischen Darstellen herausgehoben oder stärker verzeichnet wären. Endlich entspricht der Art, wie die Wissenschaft die ganze Individuation der Lebenswirklichkeit durch das entgegensetzende, ein- theilende und classifieirende Verfahren darzustellen sucht, in der höchsten darstellenden Kunst das Verfahren, durch die Bezüge einer Anzahl von Personen gleichsam diese ganze Lebens- wirklichkeit zu repraesentiren. So sind in der Schule von Athen sowie in der Disputa Rapnarı'’s ganze Scharen von Vertretern der ent- sprechenden geistigen Cultur durch die Bezüge einer Anzahl von Per- sonen dargestellt. Im Sommernachtstraum sind Illusionen und Irrungen der Liebe als ein Scherz, an dem sich das souveräne Bewusstsein gerade darum so ergötzt, weil er den Tiefsinn der Erhaltung des Lebens be- rührt, in typischen Bezügen repraesentirt. Das Leben würfelt die Perso- nen bunt durcheinander; aber wie naturalistisch auch ein Künstler sei, von seiner Grösse ist unabtrennbar, dass er die wesenhaften Bezüge derselben heraushebt. Und in der Art, wie der Künstler eine Atmo- sphaere, eine Welt bildet, in welcher seine Figuren sich bewegen und verbunden sind, kommt seine ganze Seelenverfassung und der aus ihr stammende Gesichtspunkt, unter welchem seine Auffassung der Lebenswirklichkeit in einem Werke steht, am tiefsten zum Aus- druck. Diese Art, Atmosphaere und Weltkörper eines grossen Werkes 314 Sitzung der phil.- hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. zu bilden, entspringt aus dem primären und lebendigen Verhalten des darstellenden Künstlers zur äusseren Lebendigkeit. In diesem entsteht die Werthvertheilung, fast möchte ich sagen die Theilung der Lebendigkeit an Figuren und Vorgänge. Daher muss hier auch schliesslich der tiefste Grund für die geschichtlichen Formen der künstlerischen Darstellung enthalten sein; aus ihm fliessen dann erst die Unterschiede der Technik. Diese Vertheilung der inneren Lebendigkeit an Figuren und Vor- gänge, die so entstehende Artieulation eines Werkes, die Werth- vertheilung, welche dessen einzelnen Gliedern ihre Bedeutung zumisst, enthält Personen, Handlungen und Schicksale in sich. So ist jedes grosse Werk eine Welt für sich. Die Individuation in ihm ist von dem inneren Mittelpunkte des Werkes aus vollzogen. Da aber die Reihe der Werke eines grossen Dichters Eine Entwieckelung aus- machen, so besteht in Bezug auf die Individuen, welche in ihnen auftreten, eine innere Verwandtschaft. Sie gehören Einer Familie an. Ein bestimmter Umkreis von typischen Personen macht diese Familie aus, und sie haben unter einander als Geschöpfe derselben Diehterphantasie eine Familienähnlichkeit. Jede von ihnen hat etwas vom Blut des Dichters mitbekommen, jede ist in einer bestimmten Weise formirt und hingestellt. Diese Subjectivität kann auch vom grössten Dichter nicht überwunden werden. Jener RankeE’sche Wunsch, sein Selbst auszulöschen, um die Dinge zu sehen, wie sie gewesen sind, ist für den Dichter noch viel unmöglicher als für den Geschichts- schreiber. So ist also schliesslich das Typische der Personen und Be- züge durch ihr Verhältniss zur Subjecetivität des Dichters und ihre Funetion im Ganzen jedes Werkes nothwendig gegeben. Woraus denn die Familienähnlichkeit dieser Personen und ihr gleichsam systematisches Verhältniss in einem Ganzen, das dureh die Subjeetivität des Dichters bedingt ist, entspringt. Gehen wir von einem besonderen Falle aus. Die älteren Maler strebten, die bleiben- den Züge der Physiognomie in einem idealen Moment, der für dieselben am meisten praegnant und bezeichnend ist, zu sammeln. Möchte nun eine neue Schule den momentanen Eindruck festhalten, um so den Ein- druck des Lebens zu steigern: so giebt sie die Person an die Zufälligkeit dieses Momentes hin. Und auch in diesem findet ja eine Auffassung des Inbegrifis von Eindrücken eines gegebenen Momentes unter der Einwirkung des erworbenen seelischen Zusammenhangs statt; eben in dieser Apperception entspringt die Verbindung der Züge von einem gefühlten Eindruckspunkte aus, welcher Auslassungen und Betonungen bedingt: so entsteht ein Momentbild ebenso der Apperceptionsweise Dirrmey: Beiträge zum Studium der Individualität. 315 des Malers als des Gegenstandes, und jede Bemühung, zu sehen ohne zu appereipiren, so gleichsam das sinnliche Bild in Farben auf einer Palette aufzulösen, muss misslingen. Was noch tiefer führt, der Eindruckspunkt ist schliesslich durch das Verhältniss irgend einer Lebendigkeit zu der meinigen bedingt, ich finde mich in meinem Lebenszusammenhang von etwas Wirkendem in einer anderen Natur innerlich berührt; ich verstehe von diesem Lebenspunkte aus die dorthin convergirenden Züge. So entsteht ein Typus. Ein Individuum war das Original; ein Typus ist jedes echte Portrait, geschweige denn jede Gestalt in einem Figurengemälde. Auch die Poesie kann nicht ab- schreiben, was vor sich geht. Wenn ein Dramatiker ein wirkliches Gespräch copiren möchte, mit all dem Zufälligen, Incorreeten, Läppi- schen, Gedehnten, das ihm anhaften mag, so wird er die Leser lang- weilen: wie weit bleibt er so in der Wirkung hinter der genialen Verdichtung und Erhöhung zurück, welche das Zufällige, das Impulsive, das Versinken mitten im Gespräche in uns selbst zugleich steigert und simplifieirt: aber immer wird auch ein soleher Versuch abzu- schreiben durch die Subjectivität dessen, der hört, erinnert, nach- bildet, bedingt sein, da alle diese Vorgänge vom Zusammenhang der erworbenen Begriffe und Bilder aus beeinflusst werden. Dann aber giebt jeder Gestalt, die in einem Drama oder einer erzählenden Dichtung auftritt, die Vertheilung der inneren Lebendigkeit an Figuren und Vorgänge ihre bestimmte Funetion im Ganzen, eine gewisse Ab- grenzung gegenüber den anderen und etwas vom Blut ihres Schöpfers. So hat sie stets etwas Typisches und gehört immer zu der Familie des Dichters und seiner Zeit. Hieraus ergiebt sich, dass die Darstellung der Individuation immer subjeetiv, und zwar persönlich, national und in geschichtlicher Abfolge bedingt ist. Ich erörtere hier nur die in der geschichtlichen Abfolge hervortretenden Unterschiede in der Darstellung der Indivi- duation, und auch diese nur auf dem engeren Gebiete der europäischen dichterischen Literatur. Die grossen Epochen in der Geschichte der Poesie von Europa sind zugleich Abschnitte in der dichte- rischen Auffassung von der Individuation der allgemeinen Menschennatur. An der Grenze der theologisch bedingten Entwickelung der ionischen Colonialgriechen stehen die Gesänge des Homer. In ihnen finden wir, wie in den Dramen SnaAxspeErr's, die Macht der Trans- scendenz gebrochen. Wie auch diese grössten dichterischen Werke der alten Welt entstanden sein mögen: eine ausserordentliche Macht, emporzutauchen aus dem Dunst von Todten- und Götterglauben und nun Leben und Welt mit unbefangener Wahrhaftigkeit und Objectivität 316 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. anzusehen, äussert sich in ihnen. Denken wir uns einen Dichter- genius und die von diesem grössten Dichter der antiken Menschheit geistig bedingten Genossen des Dichterverbandes: dann war dieser Homer Aristokrat in seiner Gesinnung: eine feine freigeistige welt- freudige Luft umgiebt ihn. Sein Götterstaat zeigt innere Beziehungen typischer Gestalten; in diesen ist Macht mit gewissenlosem, reue- losem, von keinen äusseren Schranken bedingtem Lebensdrang ver- bunden, wodurch diese Gestalten dann den serupellos dahinfahrenden Naturmächten ähnlich sind. Die Helden sind von diesen Göttern nur äusserlich bedingt: wie die Vertrauten in der französischen Tragödie beschwichtigen oder erregen dieselben die heroischen Menschen. Denn das ist nun das Entscheidende, dass diese Helden das Gesetz ihres Handelns in sich selbst tragen müssen und dass jedem von ihnen wirkliches Leben nur so lange dauert, als ihm die Sonne leuchtet. Denn nach dem Tode verliert sich die Seele in ein unerreichbares Todtenland, wo sie in einem Halbleben vegetirt. So erhebt sich mächtig, selbständig, ganz allein auf sich selber ruhend die Wirklichkeit des Heldenthums. Das sind die Bedingungen, unter welchen zum ersten Male in der Dichtung ganze, volle und fein durchgebildete Gestalten von Indivi- duis hingestellt werden. Das Kunstmittel, sie hinzustellen, ist die Rede. Das Heldenthum, so wortkarg bei den Germanen, wird in diesem Volk der Öffentlichkeit und der Rede aufgeschlossen durch Reden von einer so impulsiven Lebendigkeit, dass kein griechischer Tragiker sie wieder erreichte. Man lese die Worte der Andromache, die zuerst den Leichnam Hektors erblickt. Wie sie sich beklagt, dann plötzlich den Todten anredet: »Jetzt in Aides’ Wohnung hinab zu den Tiefen der Erde Gehest Du: ich hier bleib’, in Schmerz und Jammer verlassen, Eine Wittwe im Haus und das ganz un- mündige Söhnlein«. Wie dann die Bilder vom jammervollen Schick- sal dieses Sohnes sie unwiderstehlich anlocken und festhalten: bis ganz plötzlich das Bild des nackten Todten sich wieder vor ihr erhebt, in sonderbarer Naturwahrheit verwebt mit der Erinnerung an das feine Linnen zu Hause. Einen schönen Contrast dazu bilden dann ihre späteren Worte, als die Leiche nach Ilion gebracht ist; schon tauchen die ruhigeren Bilder seiner Heldenmacht in ihr auf, auch gedenkt sie dessen, was nach seinem Fall ihr nun bevorsteht; dann bricht ganz impulsiv die Anrede an Hektor hervor, die Ver- gangenes und Künftiges in einem schönen einheitlichen Gefühl zu- sammenfasst. »Unaussprechlichen Gram der Verzweiflung schufst Du den Eltern, Hektor; doch mich vor allen betrübt nie endender Jammer! Denn nicht hast Du mir sterbend die Hand aus dem Bette Dirwney: Beiträge zum Studium der Individualität. a gereichet, Noch ein Wort mir gesagt voll Weisheit, dessen ich ewig Dächte bei Tag und Nacht, wehmüthige Thränen vergiessend. « Der neunte Gesang nähert sich im Wechsel der Reden der Form des Dramas. Auch SuAxspEre lässt so von einer ruhenden Lage aus, die uns auf dem gemeinsamen Boden des Lebens zunächst uns einzugewöhnen gestattet, die gesteigerten Leidenschaften gern erwachsen. Die Ge- sandten finden den Achill, »wie er labte sein Herz mit der klingenden Leier«, ihm gegenüber sitzt schweigend Patroklus; nun empfängt Achill die Gesandten höflich und gemessen; er wird dann im Laufe des Gesprächs fortgerissen dazu, den unbezähmbaren Hass gegen Agamemnon in seiner Seele und den Traum von Handlungen, der sich an diesen Hass knüpft und ihn Tag und Nacht verfolgt, ganz auszusprechen; die ungeheuere Scene endet mit dem Bewusstsein unwiederherstellbaren Bruches; die Gesandten kehren zurück und theilen lakonisch das Ergebniss mit. Das damalige Leben selber spricht hier zu uns. Wir blicken in Achill hinein. So hat Homer zuerst wirkliche Individuen geschaffen, welche über das Wirkliche hinausragen und es doch typisch repraesentiren, dazu ausgestattet mit der ganzen natürlichen Beweglichkeit des Lebendigen. Die Grenzen, in welchen seine Einsicht in die Individuation sich bewegt, sind die der Zeit selber. Sein ganzer Gesichtskreis ist von der aristokratischen Gesellschaft erfüllt, diese allein hat ihm ein Schicksal; jenseit ihrer steht Thersites, wie Smaxsrere’s Volk, realistisch, derb, komisch, mit missachtendem Spass und zugleich selbstverständlich mit Prügeln überschütte. Die Unterschiede der Individuen innerhalb dieser aristokratischen Gesellschaft sind die natürlichen; nach Geschlecht, Alter, Temperament, nach Graden von hoher Herkunft, Macht und heldenhafter Kraft. Alle diese vor- nehmen Naturen werden von einfachen durchgreifenden Motiven und Leidenschaften bewegt. Alle aber haben, im Vergleich mit den Helden SHAKSPERE’S, etwas in der Natürlichkeit Ruhendes, Keiner von ihnen wird als Energie, Machtwille von einem vorschwebenden Zweckzusam- menhang, den ihm seine Leidenschaft eingiebt, planvoll vorwärts ge- trieben, wie Richard III., Heinrich IV. oder Macbeth. Hiervon ist Achill selbst das grösste Beispiel, der davon träumt, in Phthia ruhig zu leben und nur durch Umstände vorwärts geschoben wird. Und alle haben dieselben Durchschnittsvorstellungen, keinem von diesen Menschen wird noch die Individualität ganz frei und abgerundet durch einen Ideenkreis, der ihr entsprechend ist und ihn von anderen trennt und der dann bis in die Sprache hinein ihn individualisirt. Der Fortschritt über Homer hinaus lag für die Tragödie in der Ver- tiefung des seelischen Gehaltes innerhalb des Rahmens von Götter- und Sitzungsberichte 1896. 29 318 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. Heroengeschichte. Er lag für die Komödie in der Aufstellung einer Fülle von Charaktertypen, die auch das moderne Lustspiel mächtig in seiner wei- teren Entwickelung bedingt haben. Die Tragödie hat sich in der grossen Bewegung des griechischen Geistes ausgebildet, welche über die Götter- geschichten ein ideales Ordnungsprineip erhob, wie es den gesteigerten moralischen und rationalen Begriffen gemäss war. So wurde zum Angel- punkt des Tragischen Gegensatz, Leiden und Versöhnung durch die Kraft dieses idealen Ordnungsprineips. Die Kritik des Sagenstoffs aus dem moralisch rationalen Gesichtspunkt macht sich schon in dem Chor- gesang des Stesichorus bemerkbar. In den bedeutendsten Dramen von Aeschylus und Sophokles herrscht die Richtung auf einen solchen idealen Zusammenhang. Ist doch auch die Ideenlehre Plato’s in meta- physischer Form eine Darstellung dieses idealen Ordnungsprineips, und an dem Kampf zwischen diesem und der Göttereonvention hat auch er in seiner Schrift über den Staat theilgenommen. So fällt Confliet und Versöhnung bei Aeschylus und Sophokles ausserhalb der Person. Ihre Menschen sind einheitlich geformte Typen; auch den complieirteren von ihnen fehlt die Perspective in eine unergründliche Innerlichkeit, aus welcher der tragische Conflict entspränge. Auch die vom Sturm der Leidenschaft am meisten geschüttelten gehen doch nicht als frei- wirkende Energie vorwärts durch das Leben. Und wie diese attische Tragödie so sich aufbaut, antithetisch und typisch in ihrem Kern, konnte der rhetorische Geist sich ihrer bemächtigen und den Gegen- satz, auf dem sie beruht, in den antithetischen Formen der Rede bis in alle Glieder des dramatischen Ganzen durchführen. Die Bedeutung des Leidens in ihr, der Pomp der Darstellung, die Maske, das Musikalische begünstigen ein sich ausathmendes Pathos. Keine Ruhelage, sichtbar gemacht durch die natürliche Hingebung an andere Lebensmomente, unterbricht die Gemüthsbewegungen und giebt uns wieder einen Maass- stab für ihr Ansteigen. Selten tritt in den Reden der Wechsel des Sujets, des Angeredeten, der Stimmung auf, welcher so recht das Zeichen der natürlichen Lebendigkeit ist. Noch seltener ist das Für- sichsein auch mitten im Gespräch. Echt rhetorisch sind die Personen durch ihre antithetischen Stellungen bestimmt. Erst mit Euripides erhalten diese tragischen Typen ein individuelleres Leben. Insbeson- dere der Machtmensch, diese so wichtige tragische Figur, erhält in dem Zeitalter der sophistischen naturrechtlichen Reflexion ein Bewusst- sein, eine Atmosphaere von Begriffen über seinen Machtwillen, durch welche er gedanklich zur vollen Person abgerundet wird. Über alle {rüheren Darstellungen der menschlichen Innerlichkeit reicht Plato hinaus, welcher in dieser Rücksicht der grösste Künstler der Griechen nach Homer war; sein Sokrates ist eine der paar Gestalten, welche der Dirıney: Beiträge zum Studium der Individualität. 319 ganzen Menschheit angehören. Am lebendigsten und mannigfaltigsten hat sich aber nach Homer die griechische Kraft, Menschen hinzustellen, in den Charaktertypen der Komödie geäussert; von ihnen ist die moderne Komödie bis zu Morni£re hin bedingt. Und von hier geht nun auch ein Weg zur theoretischen Dar- stellung der individuellen Verschiedenheiten in der Menschennatur. Wie es sich auch mit der Entstehungsweise der Schrift über die Charaktere von Theophrast, welche uns so verstümmelt überliefert ist, verhalten mag: jedenfalls sind sie, wie Orro Rıssrck in seinen für die Litteraturgeschichte höchst bedeutenden Untersuchungen nachge- wiesen hat, das letzte Ergebniss der reichen griechischen dialogischen, rhetorischen und dichterischen Litteratur, welche Typen komischer oder niedriger menschlicher Charaktere herausarbeitete. Hier liegt also litterarisch der erste Versuch vor, eine Zusammenstellung menschlicher Charaktertypen zu geben, und gerade dass diejenigen Typen, welche von den Beobachtern des täglichen Lebens, den Sittenschilderern und komischen Dichtern des Alterthums mit der mimischen Kraft der süd- lichen Völker geschaffen worden sind, zu einem besonderen Ganzen verbunden auftreten, machte diese kleine Schrift für die Psychologie menschlicher Charaktertypen unschätzbar und gab ihr, seitdem sie 1527 zuerst theilweise gedruckt wurde, für die'Litteratur der Sittenschilderung und der Darstellung des gemeinen Lebens einen besonderen Werth. Die theoretische Reflexion über Charaktere und Sitten setzte sich in der Lit- teratur des 16. und 17. Jahrhunderts fort, und insbesondere MonTAIsne und La Bruv£re behalten einen dauernden Werth. Eine zweite antike Quelle von Reflexion über menschliche Charaktere fliesst in der Affecten- lehre. Diese wurde durch die stoischen Philosophen und durch die von ihnen bedingten römischen Schriftsteller zu einer ausserordentlichen Feinheit der Classification durchgebildet. Mehr als mit dem Studium der Dichter stand sie mit der Rhetorik in Beziehung. Auch an sie schliesst sich dann die philosophische Schriftstellerei der drei grossen modernen Jahrhunderte der Kunst und Poesie vom 15. bis 17., und bedingt vielfach Künstler und Dichter. Eine dritte antike Quelle für die Begründung und Beschreibung menschlicher Typen ist die Lehre von den vier Temperamenten, dem sanguinischen, choleri- schen, melancholischen und phlegmatischen, wie wir sie bei Galen zuerst ausgebildet antreffen. Auch sie wurde ein wesentlicher Bestand- theil der Psychologie der Renaissance und enthielt für die bildende Kunst und die Poesie den Stoff wichtiger Anregung. So hatte denn die Dichtung und bildende Kunst des 15., 16. und 17. Jahrhunderts tragische Typen, wie sie insbesondere Seneca den Dramatikern überlieferte, komische Typen, deren Tradition durch 29* 320 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. Plautus, Terenz und den lebendigen Anschluss der italienischen Komödie an diese Landsleute sich vollzog, und eine breite Litteratur über die Temperamente, die Charakterformen und die Classen der Leidenschaften vor sich. Das Problem der Individuation trat an die Dichter dieser Jahrhunderte unter Bedingungen heran, welche einzig günstig waren. Daher hat denn die grosse Epoche der modernen Kunst vom ı5. bis 17. Jahrhundert die Individuation, wie sie auf der Grundlage der gemeinsamen Menschennatur sich verwirklicht, zu einer viel tieferen und allseitigeren Darstellung gebracht als das Alterthum. In zwei Richtungen hat sich die Poesie und in dieser besonders das Drama damals entfaltet. Die romanischen Dichter sind vor Allem auf die Führung der Handlung gerichtet, sie bedienen sich mit Vor- liebe der aus dem Alterthum überlieferten Typen, nur Ein grosser Schöpfer von Charakteren tritt in ihrer erzählenden Litteratur hervor, CERVANTES, und nur Einer in ihrer dramatischen Litteratur, MoLIERE. Dieser bezeichnet die letzte Vollendung und Verfeinerung der komischen und niederen Charaktertypen, welche aus der griechischen in die römische, aus dieser in die italienische und französische Litteratur gelangt war. Es ist das Letzte und Äusserste in der mimischen Durchbildung chargirter Charakterrollen; so ist es auch das Theatra- lischste, was je auf der modernen Bühne erschienen ist. Die andere Richtung der dramatischen Poesie, welche den germanischen Völkern angehört, hat die volle innere Lebendigkeit der individuellen Menschen- natur zuerst in dem Drama sichtbar gemacht. Man muss an SHAKSPERE studiren, was die Poesie über das grosse Problem der menschlichen Individuation zu sagen hat. Auch Er ist, so gut als die griechischen 'Tragiker, von einer mächtigen geistigen Bewegung getragen. Durch diese grossen drei Jahrhunderte, vom fünfzehnten bis in die ersten Jahrzehnte des sieb- zehnten, wächst beständig die Anerkennung des Werthes der Indivi- dualität sowie des Rechtes von Energie, Machtwillen und Leiden- schaften; der selbständige religiöse Process im Innern der Person und die ideale religiöse Erfüllung ihrer Lebenssphaere gelangen zur Geltung; die Autonomie wissenschaftlichen Denkens und die Voll- endung der individuellen Besonderheit durch die selbständige Farbe der Gedanken werden erobert. Das erfüllt diese Jahrhunderte. In den Gegensätzen von Katholieität, Protestantismus und Renaissance macht es sich geltend. Indem SmakspErE in den neuen Ideen lebte, entsprang ihm aus der Verbindung der Renaissance mit dem prote- stantischen Geiste ein Gefühl des Lebens und der Welt, das über beide hinausging. Gleichviel, wie lang oder kurz das Leben sei, in der Bethätigung der in uns liegenden Energie zu leben, unseres Dirıney: Beiträge zum Studium der Individualität. 321 Wesens froh zu werden, den Aufgaben, die aus ihm entspringen, genug zu thun, in der Schönheit und dem Glück, die in unserem Umkreis liegen, sich auszuleben, dabei aber in Besonnenheit das Recht und Maass, das die Verhältnisse uns zutheilen, einhalten: das ist die neue Regel des Lebens, welche er nicht in abstractem Denken, son- dern an den Bildern des Daseins selber mächtiger als irgend einer vor ihm zum Ausdruck bringt. Hieraus ergıebt sich, dass ihm der tragische Conflict in die Person selbst fällt. Er ist in der Tiefe der Seele selber angelegt. In einem Charakter, dessen Mächtigkeit sonst in die Region glänzender in der Phan- tasie sich ausstrahlender Lebensbethätigung fällt, ist eine Unangemessen- heit in der Structur, vermöge deren er nun doch einem pathologischen Processe anheimfällt. So entsteht vor unseren Augen aus dieser mächtigen seelischen Structur des Heiden, in Folge einer solchen Unangemessen- heit in ihr, plötzlich herausgelockt aus der Tiefe durch Bedingungen des Lebens, die zu dem, was nun geschieht, in keinem Verhältniss stehen, eine Leidenschaft, die dann wie ein Traum den Helden vor- wärts treibt, ganz von innen, eine Flamme welche äusserer Nahrung kaum bedarf, der Zerstörung entgegen. Sofern diese Leidenschaft das Recht und Dasein Anderer verletzt oder zerstört, aber auch nur dann, tritt das Bewusstsein hiervon in den Gewissensbissen als ihre Strafe auf. Denn das ist für SmAkspEerE keine Strafe, sondern bei- nahe ein schönes Schicksal, dass der Tod die Gewaltigsten, Schönsten und Reinsten früh hinwegnimmt. Wie denn auf einer höheren Stufe der europäischen Entwickelung SchHiLLer dasselbe Gefühl zum Aus- druck bringt. So liegt das Tragische ihm nicht im Widerstreit gegen die Gewalten der Welt, sondern im Innern, in der Structur der Seele, in einem da gelegenen Missverhältniss. Daher muss sich nun dieser ungeheuere Verstand ganz concentriren auf die Erfassung und das Verständniss der eigengearteten Person. Diese Person ist bei ihm nicht von Umständen formirt, sie entwickelt sich nicht, Umstände scheinen ihren ungestümen Verlauf nirgend zu hemmen; als ob sie direet aus der Tiefe der Gottheit als Energie hervorbräche und ungestüm ihren Lauf durch die Welt nähme. Er kennt noch nicht den geschicht- lichen Menschen, die Bedingtheiten des Lebens scheinen für ihn nicht da zu sein. Seinem Zeitalter und dem Geist seiner Natur entsprechend hat er ein höchst lebendiges Gefühl für die Atmosphaere von Klima, Land und gesellschaftlicher Gliederung; wir. atımen Venedig oder Nebel und Haide des Nordens; aber er macht das Handeln seiner Helden noch nicht aus den geschichtlichen oder gesellschaftlichen Bedingungen verständlich. Bedingtheit eines Schicksals ist für ihn 322 Sitzung der phil.- hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. auch nicht da. Es ist schliesslich auch bei ihm 'eine transscendente Ordnung, aus welcher die individuellen Energien hervorgehen. So sind es auch Verhältnisse von Contrast und Parallelismus, wie sich ihrer die vom Fresco bedingten grossen italienischen Maler bedienten, durch welche er seine Helden erleuchtet. Er lässt die Figuren so sehen, wie man im wirklichen Leben andere Menschen erblickt, von aussen nach innen. So hat er sie auch von den äusseren Zügen seiner Quellen her gebildet. Wider- sprechende Handlungen oder Züge hält er fest und gerade hieraus empfangen seine Personen die äusserste Lebendigkeit. Öfters verbleibt in ihrem Innern etwas Unfassbares.. Nur in seinen früheren Stücken lässt er, wie in Richard III., seine Bösewichter über den letzten Grund ihres Charakters sich selbst aussprechen. Er bringt die grösste Natürlichkeit hervor, indem er auf die Grundlage der allgemeinen menschlichen Nothwendigkeit das Individuum stellt. Er mischt das Alltägliche in den Fortgang der grossen Action. So in der Ein- leitung der Geistererscheinung des Hamlet und in der Verschwörungs- scene des Julius Caesar. Er geht von der Ruhelage immer wieder aus, um gleichsam einen Maassstab für die Energie der Leidenschaft zu haben. Impulsive Bewegungen wechseln bei ihm, jede Rede ist durch sie zerschnitten, mitten im Gespräch macht die einsame Individualität sich geltend und scheint einen Moment lang nur sich zu hören und für sich da zu sein. Die typischen Unterschiede der Lebensalter sind ihm immer gegen- wärtig. Die unschuldige Vertraulichkeit, das ahnende Umblicken, das anschmiegend Süsse des Knabenalters hat er besonders schön ge- zeichnet. Niemand hat dann den Gegensatz der Geschlechter und ihre darauf gegründete, naturgewachsene Beziehung mit tieferem Griffel gezeichnet. Die Männer seiner Wahl sind ganz Kraft, und die Frauen, die er liebt, ganz Empfänglichkeit, Güte und Hingabe. Der vornehmste Typus des Mannes ist ihm der des Machtwillens. Die politische Welt zeigt ihn dem damaligen Dichter überall am Werk, und er findet ihn wieder in den Bewegern der Historie. Von dem Agamemnon des Homer ab haften die Augen der Dichter an ihm. Sein Ziel ist Herrschaft, sein Organ der von einem mächtigen Verstande geleitete Willen; daher halten sich seine Mittel in den Grenzen dessen, was erlaubt ist nach der Staatsraison, nach der Geltung der bestehenden Kräfte, unter welehe dann auch Halten von Verträgen, Treue und Loyalität begriffen sind, solange das Gegentheil nicht nothwendig wird. In den zwei vollkommensten Reiterstatuen der Renaissance ist dieser Typus so ausgesprochen, dass er beinahe physischen Schrecken erregt. Die vollkommenste Darstellung eines Dirvney: Beiträge zum Studium der Individualität. 323 Menschen «dieser Art in einer ganzen Lebensentwickelung ist der Heinrich Bolingbroke, Herzog von Hereford, der dann als Heinrich IV. zur Königswürde gelangt ist, in Richard II. und den beiden Theilen Heinrich IV. In fast übermenschlicher Grösse ist dann im Caesar diese Machtherrlichkeit dargestellt, ähnlich wie in manchen römischen Statuen und Büsten. Diesem Typus benachbart ist die Tyrannen-Natur. Seneca bereitet diesen Typus vor. Die Renaissance hat ihn geschaffen. Sein speci- fisches Merkmal ist der Ausschluss jedes moralischen Grundsatzes oder Gefühls. Aber das unterscheidet ihn von so manchen Caesaren- Naturen der alten Welt, dass verschlagene, rücksichtslose Benutzung der Menschen und Umstände zur Durchsetzung des eigenen Selbst in ihm verbunden ist mit einer Tapferkeit äussersten Grades, mit wörtlicher Todesverachtung. Maccntverır's Schrift über den Fürsten hat das Bildniss dieses Mannes so hingestellt, nach dem Leben selbst, nämlich nach den Tyrannen, Päpsten und CGondottieren der Renaissance, dass er in ganz Europa sichtbar wurde. Nach ihm ist MarrLowr's Tamerlan und Jude von Malta gebildet, dann Suaxspere’s Richard Il., sein Macbeth und der Edmund im Lear. Diese Figuren müssen auf der Bühne von Schrecken umgeben sein. Wogegen dann Jago und der König im Hamlet sich den gewöhnlichen Bösewichtern annähern. Nach der anderen Seite grenzt an den Typus des Machtwillens eine Form des Charakters, welche das Lebens-Ideal SmAxsrEreE’s ent- hält. Es ist der von der Vernunft, dem Maass und der Gerechtig- keit geleitete und so aus selbstthätiger Kraft bestimmte heroische Mensch, welcher den in den Verhältnissen liegenden Forderungen des Schicksals an sein Wirken folgt, ohne doch unter die Herrschaft des blossen Machtwillens hierdurch zu gelangen. Dieser Typus war von den Römern stoischer Observanz zur höchsten Vollkommenheit gebracht. SHAKSPERE giebt ihm nun aber eine innere, fröhliche Lebendigkeit, die aus ihm selbst und seiner Zeit stammte. So macht diese Form des Charakters sich als Ideai seines eigenen Lebens zuerst in der Heiter- keit der selbstmächtigen Natur Heinrich’s V. geltend. Die Jugend einer solchen Natur, ihr Vermögen, sich dem buntesten Treiben hinzugeben und sich doch selbst zu behaupten, im Überschwang des Lebens sich immer selbst wiederzufinden, hat er im Gefühl seiner eigenen Existenz in den beiden Theilen Heinrich IV. dargestellt. Dann entfaltet sich auf Grund der festen Verhältnisse des Erbrechtes in Heinrich V. die Vollendung einer solchen Natur. Dieser König ist siegreich im Krieg, aber er lebt zugleich zum Wohl seiner Unterthanen. » Wieviel Behagen muss ein König missen, des sich der Einzelne freut?« »Der Selav, ein Glied vom Frieden seines Lands, geniesst den Frieden, doch sein rohes 324 Sitzung der phil. - hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. Hirn weiss wenig, wie wach der König ist zum Schirm des Friedens, des Tag’ am besten doch dem Bauer frommen.« Noch in der Scene seines Leichenbegängnisses am Beginn Heinrich’s VI. liegt der Nach- glanz seiner Existenz gleichsam über der ganzen Welt. »Ein lichtrer Stern wird deine Seele werden als Julius Caesar oder Kassiopeia.« In der männlichen und stark pessimistischen Epoche bildet sich dieser Typus fort zu der Form eines Mannes, der dem Anprall einer Welt gegen- über in ruhiger Würde sich behauptet, und zwar, weil er den Stössen des Schicksals gegenüber ein Unzugängliches besitzt, das davon nicht getroffen werden kann, das Bewusstsein der Selbstmacht und Würde seines Willens. Die grössten Darstellungen dieser Charakterform sind der Brutus im Julius Caesar und der Horatio im Hamlet. Man höre Antonius, wo er das letzte Wort über Brutus spricht. »Dies war der beste Römer unter allen: Denn jeder der Verschworenen, bis auf ihn, that, was er that, aus Missgunst gegen Caesar. Nur er verband aus reinem Biedersinn und zum gemeinen Wohl sich mit den Anderen. Sanft war sein Leben, und so mischten sich die Element’ in ihm, dass die Natur aufstehen durfte, und der Welt verkünden: Dies war ein Mann!« — Ganz dieselbe Charakterform, auf nordischem Boden ein Römer, ist Horatio, der von sich selbst sagt: »Ich bin kein Däne, sondern ein antiker Römer.« Hamlet sagt von ihm: »Seit meine theure Seele Herrin war von ihrer Wahl und Menschen unterschied, hat sie dieh auserkoren. Denn du warst, als littst du nichts, indem du Alles littest; ein Mann, der Stöss’ und Gaben vom Geschick mit gleichem Dank genommen: und ge- segnet, wes Blut und Urtheil sich so gut vermischt, dass er zur Pfeife nicht Fortunen dient, den Ton zu spielen, den ihr Finger greift. Gebt mir den Mann, den seine Leidenschaft nicht macht zum Sclaven, und ich will ihn hegen im Herzensgrund, ja in des Herzens Herzen wie ich dich hege.« — So verbindet sich in dem letzten Ideal Suarspere’s der Römer stoischer Observanz mit der Lebensenergie des protestantischen Engländers jener Tage. Darin be- steht eben die grosse Stellung SmAkspErE’s, dass er, mitten in das Ringen der gewaltigen Potenzen von Renaissance und Reformation ge- stellt, eine höhere Form von Lebens- und Weltansicht daraus entwickelt. Nur der darf als ein grosser Dichter gelten, welcher mit den Mächten und Schmerzen seiner Zeit gekämpft hat und so zu einer Auffassung des Menschen und des Schicksals gelangt ist, aus welcher nunmehr Kraft zu leben für seine Zeit- und Schicksalsgenossen entspringt. Der letzte grosse Typus des Mannes, den SHAKSPERE schuf, ist der Mensch, in welchem die Intelleetualität in irgend einer Weise überwiegt. MarrowE hat in seinem Doctor Faustus den ersten Dirrney: Beiträge zum Studium der Individualität. 325 Charakter dieser Art zu kunstmässiger Darstellung gebracht. Faust am Studirtisch: das ist der Anfang des Stückes; aus der wissenschaftlichen Beschäftigung, zumal in den metaphysischen Nebeln von Deutschland erhebt sich in ihm der Wille, durch die Kraft des Geistes Macht, Lebensfülle und Ruhm zu erlangen, Herrschaft über die Natur, Wissen, das die Seele vom Zweifel löst, und Gewalt über die Menschen. Da sind die kommenden Jahrhunderte in einer ersten Gestalt vorgebildet; wie denn der Wille zur Macht über die Natur auch Bacon leitet und die dunklen mystischen Wege zu dieser Herrschaft noch in manchen Ge- danken, Bildern und Bezeichnungen seiner Methodenlehre dem Bacon gegenwärtig sind. SnAxspERE hat in sichtbarem Erinnern an dies tiefste Werk des alten Genossen MArLowE seinen Prospero geschaffen, in welchem eine ruhige, weise, zur höchsten moralischen Reife gelangte Herrschernatur dargestellt ist, die durch die Macht des Geistes die geheimnissvollen Naturkräfte bezwingt. Wie Faustus hat er weltab- wesend ein Wissen ohne Gleichen durch Studien errungen. »Der Still’ ergeben, mein Gemüth zu bessern, bemüht mit dem, was, wär's nicht so geheim, des Volkes Schätzung überstieg!« In die Familie dieser Menschen von überwiegender Intelligenz und Reflexion gehört dann SHAKSPERE’S tiefste Charakterschöpfung, der Hamlet. Auch ist eine weitere Modifieation dieses Typus, in welcher das Überwiegen der In- telleetualität Grübelei des Gemüthes zur Folge hat, von ihm dargestellt in seinem mit ähnlichem Tiefsinn wie Hamlet ausgestatteten nachdenk- lichen und melancholischen Jaques in dem Lustspiel: »Wie es Euch gefällt«. Andere Typen entstehen, wo Einzelaffeete eine pathologische Stärke in einer Seele erringen. So stellt er die Liebesleidenschaft in ihren verschiedenen Formen mehrfach als regierende Kraft in einer Seele dar, zunächst als unwiderstehlichen Affeet eines Sinnesmenschen im Romeo, dann in Verbindung mit einer Herrscher-Phantasie im Antonius, fer- ner in der Vereinigung mit soldatischer Wildheit im Othello, an den sich dann auch der blind ungestüme sieilianische König Leontes im Wintermärchen anschliesst. Die Maasslosigkeit fürstlichen Selbst- gefühls hatte schon MArLowe in seinem Eduard dargestellt, und sie ist dann die herrschende Leidenschaft in Smaxspere’s Richard I. und Lear. Persönlicher Stolz als herrschender Affeet, der zur Verneinung der Geltung der ganzen übrigen Welt vorwärts getrieben wird, ist typisch dargestellt im Coriolan, und er ist im Percy einer Natur zu- gemischt, die sich sonst dem Ideal Suaxspere’s annähert. Geldgier und der Hass gegen die umgebende fremde Race regieren den Shylock. Andere Typen liegen unter diesen tragischen oder grossen Na- turen, in einer tieferen Region. Einer dieser Typen gehört der leich- 326 Sitzung der phil. - hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. ten und heiteren venezianischen Gesellschaft an; von weleher die dunklen Figuren des Antonio und des Shylock sich abheben, oder der Hofgesellschaft in einigen Komödien und im Hamlet. Unter diesen Figuren ragen als eine besondere Geistesform, welcher SHAKSPERE viel von seiner Zeit und aus sich selbst mitgegeben hat, die sanguinischen Naturen hervor, deren Lebendigkeit in Ein- fällen, Bildern, in einem beständigen Funkeln des Geistes sich äussert. Auch in ihnen regiert die Phantasie, das Leben ist da das Fest, das diese Phantasie sich selber giebt. Mercutio und Benediet sind schöne Beispiele solcher Menschen. Ihnen gegenüber liegen die animalischen Naturen. Das Thier im Menschen ist hier genau nur mit so viel Vorstellungen ausgestattet, als es erzeugen muss, um zu leben. Das Triebleben wirkt in ihnen stossweise, unwiderstehlich, furchtbar. Die gewaltigste Schöpfung dieser Art ist Caliban. Die unzähmbare Wildheit eines Wolfes, die sinnliche Gier eines grossen Affen, die Mordlust der mächtigen Katzen, dazu Furcht und Unterwürfigkeit eines durch Schläge bös gewordenen Hundes machen ein ganz eige- nes Geschöpf aus ihm, das seine Nachfolger erst in den Erfindungen des im Animalischen schwelgenden Swırr finden sollte. Cloten steht ihm zunächst, dann ein Stück weiter ab Ajax. Eine Combination gut- müthiger phlegmatischer Animalität mit einer spielenden Leichtigkeit der Gedanken und des Witzes, wie sie bei sehr dieken Personen öfters vorkommt und gerade durch die scheinbaren Widersprüche, welche so entstehen, einen immer neuen und unwiderstehlichen Zauber ausübt. ist Grundlage für eine der sublimsten Charakterschöpfungen SmAKsPERE’S — seinen Falstaff. Diese Figur ist die grösste humoristische Erfindung SHAKSPERE'S. Sie wirkt wie das Leben selbst. Sie ist nicht ohne Vor- gang, ohne Zweifel ist sie durch RAgrraıs vorbereitet, aber SnaksPERE erfüllte sie mit der ganzen lärmenden Wirthshausfröhlichkeit seiner übermüthigen Jugend und seiner Genossen aus jenen Tagen. Die Frauen-Naturen SHAxRsPERE’s stehen in ihrer grossen Melhr- heit in einem beabsichtigten schärfsten Contrast zu den männlichen. Die animalischen Naturen finden sich auch hier, wie die schlechte, weib- liche Gesellschaft in Heinrich IV, Cressida und die Amme in Romeo und Julia. In seinen idealen Frauen, der Julia, Desdemona, Ophelia, Imogen, Miranda und Cordelia, regiert Empfänglichkeit, Hingabe, passives Ver- halten gegenüber der männlichen Kraft, wogegen selbständiges Denken Grundsätze, sowie das Vermögen, das Leben sich selber zu gestalten, gänzlich zurücktreten. Sie bilden eine Stufenfolge von Julia, in welcher das Triebmässige wie im starken Duft einer südlichen Blüthe sich aus- atlımet, deren Leidenschaft momentan kommt, Alles niederwirft und nur Phantasie, kein klares Denken in ihr entbindet, bis zu den vom | Dirsuey: Beiträge zum Studium der Individualität. 327 ganzen Triebleben freien und in einen Aether von Reinheit getauchten Gestalten der Miranda, Hermione und Cordelia. An sie schliessen sich. durch die Schönheit der Natur ihnen verwandt und doch einen an- deren Typus repraesentirend, die Frauen, in denen ein sicheres und klares Bewusstsein ihrer Stellung und ihrer Theilnahme an dem wirk- lichen Leben des Mannes herrscht. Eine solehe Natur mit einem Zusatz von Beschränktheit und Humor ist die Lady Percy, das Ideal jedoch einer Frau dieser Art hat er in der Gemahlin des Brutus, der edlen Portia, gezeichnet. Diese steht mit seinem männlichen Römer-Ideal in derselben Welt. Dies sein höchstes Ideal siegreicher Macht des Willens und Denkens hat er dann auch Einmal in einer weiblichen Gestalt, der Porzia im Kaufmann von Venedig, dargestellt. Machtweiber stehen besonders in seinen historischen Stücken neben den politischen Helden und Verbrechern. Seine psychologisch interessanteste weibliche Ge- stalt ist Cleopatra, diese Tigerkatze, in welcher alle Instinete der Sinn- lichkeit, der Herrschsucht und der Unbeständigkeit unter den weichsten Formen sich verbergen. Diese Übersicht über die Charaktere Suaxspere's genügt, um in den folgenden Untersuchungen benutzt zu werden. Die Familienähnlich- keit aller dieser Typen, die Art, wie sie den Menschen der Zeit ent- sprechen, das innere Prineip ihrer Sonderung in einer Individuation: das sind die Punkte, welche hier sehon durchleuchten und für die Verwerthung SmaxspErE’s in unserer Untersuchung den Ausgangspunkt bilden müssen. Die dritte Epoche in der Auffassung der menschlichen Indivi- duation dureh die Dichtung entsteht unter den Voraussetzungen des 17. Jahrhunderts. Unter dem Einfluss dieses grossen Jahrhunderts bereitet sich eine neue Auffassung des Menschen vor, und in dem 18. setzt sie sich durch. Das Universum ist nach dieser Auffassung des 17. und ı8. Jahrhunderts durch physische Gesetze determinirt. Die Völker stehen nach ihr unter den Bedingungen der Race, des Klimas, der geographischen Provinz, der wirthschaftlichen Kräfte, welche der Boden bietet, und der historischen Verfassung, welche dem Zeitalter eigen ist. So lebt das Individuum unter Bedingtheiten complieirter Art. Es wird formirt von einem Milieu, es wirkt in der Bedingtheit einer wirthschaftlichen und socialen Lebensordnung. Unter diesen Um- ständen entsteht eine ganz neue Auffassungsform der menschlichen In- dividuation. Diese hat dann ihren Ausdruck in einer ganz veränderten Technik. Diese neue Betrachtungsweise des menschlichen Daseins wie eines naturgeschichtlichen Vorgangs liess zunächst eine Kunstform entstehen, welche die ganze Entwickelungsgeschichte eines Menschen inmitten 328 Sitzung der phil. - hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. seines Milieu hinzustellen sucht. Diese poetische Form ist einer wissen- schaftlichen verwandt, welche sich nun auch ausbildete. Das ist die biographische Darstellung wie in einem Milieu ein bedeutender Mensch sich entwickelt. Die zweite Kunstform, die nun neu geschaffen wurde, ist die Darstellung der Gesellschaft, welche den Dichter umgiebt, nach ihren typischen Charakteren und Bezügen. Auch sie hat in ihrer gedankenschweren umfassenden Absicht ein wissenschaftliches Gegen- stück in der gleichzeitig sich ausbildenden Gesellschaftslehre. Die dritte Kunstform hat die Darstellung des Zusammenhangs geschicht- licher Bedingungen mit geschichtlichen Charakteren und Schicksalen zum Gegenstande. Das ist das historische Drama und der historische Roman. Auch sie hat ein wissenschaftliches Gegenstück. Von VOLTAIRE, Hunme und GisBon ab bildete sich die moderne Geschichtsschreibung aus, und eben in Deutschland und im Zeitalter unserer elassischen Poesie hat sie des geistigen Zusammenhangs geschichtlicher Zeiten sich bemächtigt. Damit entstand dann die diehterische Bewältigung einer ganz neuen Seite der Individuation. Dass die beiden ersten poetischen Formen in diesem Zusammen- hang entstanden sind, wird kaum bestritten werden. Beide treten zunächst in der Dichtgattung des Romans auf. Der Roman ist die Form, in welcher das bedingte und eomplieirte Leben am vollsten, weitesten und feinsten und doch zugleich nach seinen gleichsam physiologischen Zusammenhängen zur Darstellung kommt. Insbeson- dere von GoErnHE’s Wahlverwandtschaften ab werden die psycho-physi- schen Bedingtheiten, unter denen die menschlichen Typen sich aus- bilden, in ihrem Einfluss verfolgt. Der Roman ermöglicht zugleich, Bedingungen, Zusammenhänge und Stufen einer Bildungsgeschichte zur breiten Darstellung zu bringen. In Wilhelm Meister wird nach RousseAau’s Vorgang der Bildungsroman begründet, welcher die Entwickelung eines Menschen von seinem Milieu aus zum Gegenstande hat. Überhaupt ist GoETHE der schöpferische Dichter dieser neuen, poetischen Zeit. Er ringt auch damit, ihr im Faust eine dramatische Form zu finden, breit und locker genug, die Entwickelung eines Menschen in sie zu bringen. Sein Vermögen, innere Lebenszustände unter ihren Bedingungen zum Aus- druck zu bringen, im weiteren Sinne könnte man es seine Iyrische Genialität nennen, ermöglichte ihm, innere Zustände einer ganzen Lebensentwickelung in loser Verknüpfung neben einander zu stellen und hierdurch diese Entwickelung zu repraesentiren. Da in ihm selber diese inneren Zustände zusammenhingen, lag in ihnen ein stiller, leise merklicher Zusammenhang, in welchem Leser und Hörer fortgezogen werden. Und da er, wie kein zweiter Dichter, die Stufen des Lebens typisch ausgelebt hatte, ist in innerlicher Wahrheit ihrer Darstellung Divrney: Beiträge zum Studium der Individualität. 329 mit Wilhelm Meister und Faust nichts zu vergleichen. Die Form des Bildungsromans fand dann in dem Öfterdingen von Novauıs, in dem Sartor Resartus von CARLYLE, dem Copperfield von Dickens und vielen anderen Romanen weitere Verwerthung. Viel breiter und gewaltiger noch hat sich der Roman entwickelt, welcher die Gesellschaft zum Gegenstande hat, wie sie die Gegenwart eines Dichters ausmacht. Die universelle und tiefe Tendenz forderte die Ausdehnung in die grössten Dimensionen. So entstand die phantastische Ausdehnung von Barzac’s »menschlicher Komödie«, dem Gegenbild der göttlichen Komödie Dante’s. Hieran schliesst sich dann der Romancyklus von Zora mit seinen ungeheuren Dimensionen. Es ist eine von den natur- wissenschaftlichen Gedanken geleitete, aber dann doch von der eigenen modernen Lebensverfassung ganz bedingte Auffassung der Individuation, die hier zum Ausdruck gelangt. Übrigens hat bei uns GoTTrrıepd KELLER ein verwandtes engeres Problem mit ähnlichen Mitteln in höchst be- lehrender Weise aufgelöst; er hat in den Leuten von Seldwyla aus dem Milieu einer Schweizerstadt Charaktere, Leidenschaften und Schick- sale in einer Anzahl von Novellen fasslich gemacht. In diesem ge- sellschaftlichen Roman werden neue Charaktere geschaffen, in welchen die Combination der Eigenschaften von dem gesellschaftlichen Milieu so bedingt ist, dass ihre Möglichkeit in diesem gelegen ist. Doch ist die Entstehung dieser Darstellung der Individuation im gesellschaftlichen Roman klar vorliegend. Dagegen erregt vielleicht Verwundern, wenn ich behaupte, dass das historische Drama in sei- nem vollen Verstande erst damals entstanden ist, dass SCHILLER es schuf und dass es nach dem ersten genialen Wurf des Don Carlos in seiner tiefen, langen und verzehrenden Arbeit am Wallenstein ent- standen ist. SCHILLER zuerst hat einen grossen geschichtlichen Zu- sammenhang in der Causalverkettung seiner Glieder poetisch darge- stellt. Realistisch wahr, historisch tief und erschöpfend sind die ge- schiehtlichen Bedingungen hingestellt; im Wallenstein ist ein histori- scher Charakter geschaffen, und in strengem Erweis der Nothwendig- keit, welche die Glieder der Handlung von den geschichtlichen Be- dingungen aufwärts verbindet, ist ein wahrhaft geschichtliches Ver- ständniss seines Schicksals gegeben. ScHizLEr löst hier das geschicht- liche Räthsel der grössten deutschen Persönlichkeit des dreissigjährigen Krieges so, das die nachfolgende Geschichtschreibung im Wesentlichen diese Lösung nur zu bestätigen vermochte. Er schuf als der erste Dichter einen historischen Charakter. Ich verstehe unter einem solchen eine Verbindung von Eigenschaften, welche durch eine geschichtliche Lage bedingt ist und nur aus dieser verständlich wird. Er zuerst vermochte dies, weil in ihm ein angeborenes, instinetives, naturstarkes 330 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. Verhältniss zu der geschichtlichen Welt bestand. Beruhte doch die Grösse seines eigenen Wesens eben auf der Verbindung einer mäch- tigen impetuosen dichterischen Phantasie damit, dass er immer nur in der Hingabe an allgemeine Zwecke, in der Vertiefung in die grossen, über die Person hinaus reichenden Inhalte eine Befriedigung für die strebenden Kräfte fand. So fand er sich dem mit grossen Inhalten erfüllten geschichtlichen Willen verwandt. Und seine historischen Studien machten ihm selbstverständlich, dass ein solcher nur in seinem Zusammenhang mit der geschichtlichen Inhaltlichkeit einer Zeit und seiner hierdurch bedingten Structur verstanden werden kann. So wurde auch das historische Drama genöthigt, sich in grossen Dimen- sionen auszubreiten. Nur in drei Stücken hinter einander löste SchiLLER die Aufgabe, von «len grossen geschichtlichen Potenzen, welche die Lage des Helden erwirken, zu dem inneren Confliet, der durch seine Seelenverfassung bedingt ist und endlich zu seinem Untergang genau bestimmt, positiv folgerichtig und lückenlos vorwärts zu schreiten. Alle historischen Stücke vor dem Wallenstein sind verglichen mit ihm immer Verbindung historischer Bilder, umgeben von einer geschicht- lichen Atmosphaere. Mit einer einzigen Kunst ist dieser geschichtliche Charakter ent- wickelt. Sein Schattenbild war im Lager und im ersten Act der Piceolomini immer gegenwärtig. Der Zuschauer erwartete ihn beständig. Schon diese lange Erwartung steigert die Wirkung seiner Erscheinung ausserordentlich, wenn er nun im zweiten Act der Piceolomini in »lebender Gestalt« auftritt. Sein dämonischer Machtwille und sein ungeheures schöpferisches Vermögen wurden gefühlt, ehe er erschien. Seine astrologischen Manipulationen gehen vor ihm her. Geheimniss umgiebt ihn. Und zwar tritt er eben in dem Momente auf, wo er nach langem Zögern die erste Entscheidung zu treffen genöthigt ist. Nur noch eine kurze Spanne Zeit ist von diesem Momente bis zu seiner Ermordung. Sein Charakter kann also nur gleichsam ana- lytisch entwickelt werden. Mit einer nie dagewesenen Kunst werden die Thatsachen und Zusammenhänge, deren es zum Verständniss seines Charakters und der Nothwendigkeit seines Schicksals bedarf, wie ganz zufällig und höchst natürlich, besonders in Gesprächen Anderer über ihn mitgetheilt. In wunderbar poetischer Wendung tauchen die Bilder seiner Jugend unmittelbar vor seinem Tode auf und machen ihn nun- mehr erst ganz verständlich. Man vergleiche, wieviel von der wirk- lichen historisch-politischen Lage, von den historischen Motiven .in irgend einem Stücke Smarspere's vorkommt mit dem, was dieses ge- schichtliche Genie so ohne Pedanterie ganz natürlich dem Leser zum Verständniss an die Hand zu geben weiss. Versuchen wir nun an Dırıney: Beiträge zum Studium der Individualität. 331 der Darstellung des Wallenstein zu begründen, dass hier zuerst ein geschichtlicher Charakter uns in der Poesie entgegentritt. Wallen- stein ist eine Willensnatur, eine Herrscherseele. Im Bewusstsein der Macht zu leben und zu wirken liegt für ihn allein Glück. Ihn um- giebt wie alle königliche Naturen das Schweigen. In dieser Einsam- keit nun spinnt er unablässig Pläne, welche die ganze politische Welt seiner Zeit umfassen. Auch für die, welche ihm am Nächsten stehen, war er von Kind auf unfassbar. Seine Frau, die Gräfin Terzky, Thekla stehen unter dem furchtbaren Zauber dieser Königsnatur. Selbst in seinem astrologischen Aberglauben, der ihn mit Jupiter verbindet, ist etwas Königliches. Er ist absolut furchtlos. Spricht sich hier wie in dem Heinrich Suaxsprre’s königliche Genialität und ihr Recht aus, so dringt ScmirLer in diese tiefer als SmarspErRE ein durch den Begriff des schöpferischen Vermögens. Er gebraucht den transscen- dentalen Idealismus als Mittel des Verständnisses für die praktische Genialität. Verlassen vom grössten Theil seiner Armee, findet Wal- lenstein »innen im Marke die schaffende Gewalt, die sprossend eine Welt aus sich geboren.« Ein Schöpfungswort liegt in ihm. Die Äusserung dieses schöpferischen Vermögens ist die Organisation seines Heeres, in welehem sein Geist sich seinen Körper schuf. »Alle führt an gleich gewaltigem Zügel ein Einziger.« Wohl benutzt er auch die Schwächen der Menschen, aber das ist doch das Wesentliche, dass er jede positive Kraft in ihrer Art gebraucht und ihr dadurch das Gefühl ihres Werthes giebt. Eine solche Natur ist ebenso Politiker als Feldherr. Ja eben diese Verbindung muss ihm Nothwendigkeit sein. »Ein König aber, einer der es ist, ward nie besiegt noch als durch Seinesgleichen.« Daher kann dieser gewaltigste deutsche Heer- führer der Zeit auch nur in der Begründung einer selbständigen fürst- lichen Macht Genüge finden. Dieser Zauber seiner Person ist aber in der mächtigen Breite seines Temperamentes, in seiner universellen Lebendigkeit und Mensch- lichkeit gegründet. Wie tief ist dieser Blick Schizzer’s in eine prak- tische Genialität, wie überlegen ist er hierin Smarsperer. Als Kind des humanistischen und transscendental- philosophischen Zeitalters giebt ScHILLER in seiner reifen Zeit seinen grossen wirksamen Menschen diese freie Lebendigkeit einer ganzen Menschennatur zur Grundlage. Er lässt Leidenschaft, Schuld und Untergang nur in der lebendigen Be- thätigung des ganzen Willens entstehen, in welcher alle Kräfte rege werden und alle Motive und Seiten des Menschen in Wirksamkeit treten. Wie oft sind der Monolog im Wallenstein und der im Tell getadelt worden! Die idealisirende Form gebe ich preis. Aber in- haltlich betrachtet, entspringen sie doch nur aus dem Bewusstsein 332 Sitzung der phil. - hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. von der freien Lebendigkeit der Menschennatur, als in welcher auch bei grosser Gewalt Eines Beweggrundes doch die ganze Breite der Existenz anklingt, mithandelt und Geltung fordert, wo an einer ent- scheidenden Stelle des Lebensweges ein Willensentschluss in Frage ist. Diese Breite des Temperaments und der menschlichen Lebendig- keit kommt nun auch anderen Personen gegenüber zur Geltung, und gerade in sie hat SchHitzer tiefsehend den Zauber Wallenstein’s ver- legt. Aber wenn er so sich in Jeden und Alles temperamentvoll hineinfühlt, so mag sich doch dadurch weder der Leser noch der Schauspieler täuschen lassen. In jedem Moment besitzt Wallenstein doch zugleich sich selbst und seinen harten Herrscherwillen. Viel- leicht ist das Dämonische einer solchen Natur nie so dargestellt worden als in den Gesprächen Wallenstein’s mit den Kürassieren, in den zwei Unterredungen mit Max und dann in einer anderen Tonart in den Verhandlungen mit Questenberg in Gegenwart der Generale. Voll- ständig wahr ist Wallenstein’s Gefühl für Max: »denn über alles Glück geht doch der Freund, der’s fühlend erst erschafft, der’s theilend mehrt«, und ebenso wahr ist sein Hohn über die Idee, Thekla mit Max zu verbinden. Nichts lächerlicher, als Wallenstein als treu- herzigen Freund oder Hausvater in solchen Scenen zu verstehen oder zu spielen. Diese Zweideutigkeit zeigt sich in tragischer Tragweite in seinem hinterhaltigen Verfahren mit Butler und dann in dessen Bewill- kommnung in Eger. Was für Herzenstöne! »Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährte«. Was in der schweigsamen Tiefe dieser Seele vorgehen kann, zeigen die Worte an die Herzogin über Thekla: »Es giebt Schmerzen, wo der Mensch sich selbst nur helfen kann: ein starkes Herz soll sich auf seine Stärke nur verlassen. « Das Alles sind Eigenschaften eines grossen geschichtlichen Willens- menschen, wie Historie und Politik sie uns jeder Zeit vor Augen bringen und wie jetzt ScuiLLEr’s Genie sie erfasste. Nun zeigt sich aber die geschichtliche Structur dieses Charakters in einer Verbindung von Zügen, deren Möglichkeit nicht durch zeitlose Genialität sondern durch die historische Verfassung des Wallenstein’schen Zeitalters be- dingt ist. Der erste dieser Züge ist das Zögern, Stehen und Manövriren Wallenstein’s. Es ist oft als Charakterschwäche aufgefasst worden. Man kann SchitLer nicht gründlicher missverstehen. Bloss aus den Quellen selbst entstand ihm dies Bild: Manövriren, Anknüpfen von Fäden, die immer wieder fallen gelassen werden können, Passen auf den Moment. Und eben diese Eigenschaften sind bezeichnend für die ganze Kriegskunst und Politik der Zeit. Es ist in diesem grossen Jahrhundert etwas Rechnendes, eine Art von mathematischer Ver- Dirı#ey: Beiträge zum Studium der Individualität. 335 fassung des militairischen und politischen Geistes, entsprechend der Herrschaft der mathematischen Naturwissenschaft. So wird sein mili- tairisches Verfahren Gustav Adolf gegenüber geschildert: »Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er gräbt sich tief und tiefer nur im Lager ein u.s.w.«. Und dem entspricht seine Politik: »Ein grosser Rechenkünstler war der Fürst von je her; Alles wusst er zu be- rechnen, die Menschen wusst er gleich des Brettspiels Steinen nach seinem Zweck zu setzen und zu schieben«. Dieses rechnende Vermögen ist nun in einer historischen Sin- gularität eigenster Art mit dem astrologischen Glauben Wallenstein’s verbunden. Der Weg geht wie durch einen unterirdischen Gang, den die Geschichte gegraben hat; denn diese hat durch den mathe- matischen Charakter des Zeitalters die Möglichkeit einer Verbindung der angegebenen Eigenschaften mit der auf mathematischer Speeu- lation beruhenden Astronomie und Astrologie herbeigeführt. Diese Verbindung entsprach einem Zeitalter, in welchem Krrrrr, der grosse Zeitgenosse Wallenstein’s, dessen Eroberungen in der Region des Him- mels lagen, rechnende Astronomie, Speculation über die Gestirnkräfte und Astrologie vereinigte. Und zwar erfasst Schiszer diese geschicht- liche Combination von Zügen in ihrer ganzen Tiefe. Sein philoso- phischer Geist verstand das Menschlich -Tiefe in diesem Glauben. Der Panpsychismus des Jahrhunderts bildet den Hintergrund für die Macht der Astrologie; »Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes bis in die Sternenwelt mit tausend Sprossen hinauf sich baut, an der die himmlischen Gewalten wirkend auf und nieder wandeln«. So dürfen an diesen Sternglauben vermittelst einer alten metaphysischen Lieblingsvorstellung Scrwrer’s auch Max und Thekla den Ursprung ihrer Liebe knüpfen. Die letzte aus der geschichtlichen Combination der Kräfte ent- stammende Verbindung von Zügen in Wallenstein ist religiöse Indiffe- renz, welche nicht in wissenschaftlichem Denken, sondern in Herrsch- sucht, Glauben an seinen Stern, Kenntniss der religiösen Narrheiten, Menschenverachtung und Staatsraison gegründet ist, und die nun mit den religiösen Leidenschaften als mit Kräften rechnet. In Wallen- stein’s Realismus der düsterste, zweideutigste Zug. »Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf, und wer der Vorderste ist, führt die Herde.« »Messbuch oder Bibel — mir ist’s all eins.« Die Confessionen verbleiben ihm äusserlich, er selbst ist nur Verstand und Machtwille, auch diese Religionskräfte zu beherrschen, und sein Glaube ist das Geschöpf dieses Machtwillens. Dieser Glaube hat etwas Königliches. Er fühlt sich durch die Constellation seiner Geburt mit dem Planeten- system verbunden. Vor seiner Ermordung — wer gedächte nieht Sitzungsberichte 1896, 30 334 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 5. März. — Mittheilung v. 25. April 1895. des Todes von Faust, wie denn der zweite Theil desselben ScHiLLER so viel verdankt — umgiebt ihn etwas Gespenstiges — Jupiter ist verdunkelt — »wenn ich ihn sähe, wär’ mir wohl. Es ist der Stern. der meinem Leben strahlt, und wunderbar oft stärkte mich sein An- blick«. Zu diesem Königsglauben gehört auch die Überzeugung, dass den grossen Geschicken ihre Geister schon voranschreiten. Aus der geschichtlichen Combination und dem von ihr bedingten Charakter lässt ScmiLLer den inneren Verlauf in diesem Charakter, die Entscheidung, die Schuld und den Untergang in streng gedachtem geschichtlichen Causalzusammenhang folgen. Nur ein philosophisch und historisch so geschulter Geist wie ScHiLLer konnte diese Fülle geschichtlichen Details in einen so realistisch historischen und doch so strengen Zusammenhang bringen. Drei Möglichkeiten liegen vor ihm bei seinem Auftreten. Er kann die Bedingungen des Kaisers annehmen und resigniren. Dies ist durch seine Herrschernatur aus- geschlossen. Er kann sich selbständig zwischen die Parteien stellen, gestützt auf seine Armee und so den Frieden dietiren und als Reichs- stand seinen Platz einnehmen. Dies will die Armee. Er selbst möchte es. Hier aber macht sich der innere Widerspruch in seiner ganzen politischen Lage geltend. Er kann nicht das Heer erhalten, ohne alle Reichsstände auf es zu hetzen. Er kann es nicht im Namen des Kaisers leiten und gegen diesen zugleich benutzen. Auch die Schweden lassen nicht mit sich spielen. So wird er ihnen entgegengedrängt. Auch der Zusammenhang der Handlung im Wallenstein ist echt historisch. In diesem dichterischen Zeitalter, unter dem Gestirn des gesell- schaftlichen und des historischen Romans und Schauspiels und des öntwickelungsromans, leben wir heute noch. Die allseitige Bedingt- heit des Menschen, seine Abhängigkeit von der ihn umgebenden Ge- sellschaft, seine Geschichtlichkeit, und wie er nun doch unter diesen Umständen nach einer ihm eigenen schöpferischen Kraft sich entfaltet und zu einer wenn auch immer bedingten Wirksamkeit gelangt: das ist, was einem Dichter in einem Zeitalter der Naturwissenschaft, der politischen Oekonomie und der Geschichte vorschwebt. Wenn in be- rechtigtem Gegensatz zu vorübergehenden naturalistischen Übertrei- bungen dieser dem Erfassen des Wirklichen zugewandten Seite der Diehtung heute auch das Recht ihrer anderen Seite, nach welcher sie von der Totalität unserer Gemüthskräfte aus das Wirkliche idealisirt und seelischen Zusammenhang verbildlicht, sich stärker und theilweise in neuer Einseitigkeit geltend macht, sei es in einem neuen Symbo- lismus oder in dem nie veraltenden Idealismus: so werden solche Rich- tungen, um lebenskräftig zu sein, den Fortschritt, den wir schilderten, Dirımey: Beiträge zum Studium der Individualität. 335 in sich aufnehmen müssen, und ein wichtiges Element dieses Fort- schrittes in die Tiefen des Wirklichen bleibt immer das zunehmende Verständniss der Individualität. Im Zeitalter Gorrne’s ist nun aber die Individuation zum Gegen- stande der Wissenschaft geworden. Hier besteht ein merkwürdiger Zusammenhang. Eben da, wo diese neue Art, die Individuation zu sehen, in GOETHE zum höchsten Ausdruck gelangt, ist sie von dem ganzen Wissen der Zeit getragen. Es ist eine grosse geistige Bewegung, von welcher die Dichter von Diperor und Rousseau bis auf GOETHE und SCHILLER emporgetragen werden. Und eben in dieser Zeit wird nun zuerst auch auf dem Gebiet der Wissenschaft das Problem der Individuation in der organischen Welt verfolgt, Gesichtspunkte, Be- griffe und Methoden bilden sich, welche dann von GorTHE ab auch für die Erkenntniss der Individuation in der Menschenwelt benutzt werden konnten. Die vergleichenden Naturwissenschaften gelangen von Burrox und Cvvier ab zu strenger Durchbildung. Und in ihren Fuss- stapfen, nicht am wenigsten durch HERDER, GOETHE und SCHILLER in dieser Übertragung bedingt, gelangen die Geisteswissenschaften in das Stadium der vergleichenden Methoden. Ausgegeben am 12. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. il eg f | dad = de ee 7 ah Mala) Perrt CR F cr u en rLuT et CH EL ET BT ea DT f WE Au Antw? Z rredln path IR 1 Ur nt AEIAUET 7, a wir ne mag { tie ie a ee Dere Aa IN PHANIITERE - Hndr Ob TR Lohr 4 y Ixg Fat Ran LA a AHLIF 2 j R in Tr EI Ltr ur WEN TERN Ana. $ I. inıP ER Dur re ya u FT i iv a j ’ 33 »r Ya r run vi ‘ N 8 Ir AahıR ’ mai ce r b [7 ! TEE An SEE I u N 0 < l r ı% 5 \ s x 2 ’ an 22 x es “ - F N 4 FH z ’ x J 4 Pi ’ R 2 U . N % - h I Br ‚ in ? R 1 = j [2 337 1396. XIV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 12. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. AUwers. l. Hr. Warrensacn las die umstehend folgende Abhandlung über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 2. Hr. Fıscner machte die gleichfalls unten folgende Mittheilung über die Configuration der Weinsäure. 3. Hr. Coxze berichtete über die unter Leitung des Hrn. DörrreLn in Athen vorgenommenen Ausgrabungen. 4. Die philosophisch-historische Classe hat zur Herausgabe der Werke Kanr's ihrer für diesen Zweck eingesetzten Commission 1900 Mark, ferner dem Assistenten an der Königlichen Bibliothek hierselbst Hrn. Dr. Paczkowskı zu agrarhistorischen Untersuchungen 1200 Mark bewilligt. Die von der Akademie vollzogene Wahl des vormaligen Professors der Physik und Chemie an der Universität Amsterdam Hrn. Dr. J. H. vanr Horr, z. Z. in Rotterdam, zum ordentlichen Mitgliede der physi- kalisch-mathematischen Classe ist von Seiner Majestät dem Kaiser und König durch Allerhöchste Cabinetsordre vom 26. Februar bestätigt worden. Sitzungsberichte 1896. 3l E F . zo ’\ a1 A D 339 Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. Von W. WATTENBACH. Dem Geschichtschreiber des zehnten Jahrhunderts, Widukind, Mönch von Corvey, verdanken wir fast allein unsere Kenntniss von der Er- hebung des Königs Heinrich I. und von seiner Regierung, und er ist eine unserer bedeutendsten Quellen auch für die Regierung Otto’s des Grossen. Leider hat er, ein eifriger Nachahmer des Sallust, nach einer für uns sehr bedauerlichen Kürze des. Ausdrucks gestrebt und erregt dadurch häufig Zweifel an der richtigen Auslegung seiner Worte, so wie den Wunsch nach tieferem Eindringen in den von ihm nur in knappster Weise angedeuteten Gegenstand. Es ist natürlich, dass darauf viel Scharfsinn verwandt worden ist; es ist leicht begreiflich, dass dieser Scharfsinn auch gelegentlich auf Irrwege geführt hat. Sein Werk ist ein rechter Tummelplatz für Hypothesen geworden. Nicht allein aber die Kürze des Ausdrucks erschwert uns das Verständniss; er sagt auch aus anderen Gründen viel weniger, als er weiss, wie er mitunter selbst uns mittheilt. Dass er über die Verhältnisse und Vorgänge, wenigstens über die, deren Schauplatz nicht zu weit von seiner Heimat entfernt war, gut unterrichtet war, ist augenscheinlich und auch leicht begreiflich. Die Äbte der könig- lichen Klöster, zu denen Corvey gehörte, besuchten die Reichstage, mindestens die Landtage, und sie mussten ihre Mannschaften zum Reichskrieg stellen; heimkehrende Vasallen hatten viel zu erzählen von ihren Erlebnissen. Hochstehende politische Gegner wurden dem Abte zur Aufbewahrung zugeschickt, und gewiss suchte mancher hochstehende Mann das berühmte Kloster auf. Dazu kamen persön- liche Beziehungen zur Kaiserfamilie. Widukind hat sein Werk der Tochter des Kaisers, der jugendlichen Äbtissin von Quedlinburg, ge- widmet, und wenn auch diese zu jung war, um ihm etwas erzählen zu können, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass er mit den dort viel verkehrenden Angehörigen des Kaiserhauses Berührung ge- habt hat. Wir dürfen freilich nie vergessen, dass er als Mönch nur ausnahmsweise einmal sein Kloster verlassen durfte. Doch hat er 3l* 340 Gesammtsitzung vom 12. März. 946 die vom böhmischen Herzog gestellten Geiseln gesehen, welche der König dem Volke zeigen liess (II, 40), aber er nennt den Ort nicht. Auch die Verlesung des Kaiserbriefes, für dessen Erhaltung wir ihm so sehr dankbar sind, in Werle (Burgdorf bei Goslar) scheint er selbst angehört zu haben (IH, 10). Auf den Landtagen bedurfte ja der Abt einer schriftkundigen Begleitung, und viele brauchbare Schreib- gelehrte pflegten nicht in einem Kloster zu sein. Von höfischem Einfluss auf seine Darstellung ist aber nichts wahrzunehmen: sehr unbefangen und offen spricht er von den trau- rigen Zerwürfnissen in der kaiserlichen Familie'. Es wird auch zugegeben, dass er, hierin verschieden von Hrot- suit, nach dieser Richtung hin sich nicht habe bestimmen lassen. Dagegen wird ihm in anderer Beziehung die Bezeichnung als "unbe- fangen’ bestritten. So von Hauck, Kirchengeseh. Deutschl. III, 313, weil er, von seinem sächsischen Patriotismus befangen, bewusst oder unbewusst nicht immer der Wahrheit treu bleibe, und das wird zu- zugeben sein. Dagegen gebraucht A. Mırras” das Wort in eigenthüm- licher, meiner Meinung nach nicht richtiger Bedeutung. Nicht dass er die Dinge falsch angesehen oder dargestellt habe, wird ihm hier zum Vorwurf gemacht, sondern nur, dass er vieles aus Rücksicht auf die Erzbischöfe von Mainz verschwiegen habe. Daran kann auch gar kein Zweifel sein; er sagt es selbst. In Betreff der Erzbischöfe Hatto und Friedrich liegt es klar zu Tage; Wilhelm war sein Zeitgenosse und kommt in dem ursprünglichen Werke nicht vor, erst in der Fortsetzung wird sein Tod erwähnt, und ein rühmendes Lob seiner Person hinzugefügt. R. KorPpkE ist es, der zuerst diese Verhältnisse in seiner scharfsinnigen, ich möchte sagen spitzfindigen, Weise behandelt und daraus ein ganzes System entwickelt hat. Wilhelm von Mainz erscheint da geradezu als Be- herrscher und Leiter der litterarischen Überlieferung; auf seinen Wink schreiben und schweigen Widukind und Hrotsuit, sie getrauen sich nicht, etwas Anderes auszusagen, als was dem Erzbischof behagt. Von Widukind sagt Korrke, dass Wilhelm sein Beschützer. sein ! Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass durch die Autorität von Warrz (Jahrb. 3. Aufl. S.15) sich die nach meiner Meinung gänzlich falsche Meinung fest- gesetzt hat, welche auch z. B. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands III, 22 einfach als feststehende Thatsache anführt, Heinrich habe das reiche Erbgut der Hatheburg für sich behalten, was gänzlich unberechtigt gewesen wäre. Es giebt dafür keinen anderen Anhalt, als dass Wid. II, ıı sagt, Thankmar habe es nicht verschmerzt, dass er des Erbgutes seiner Mutter beraubt sei. Aber da die Ehe für ungültig erklärt war, konnte er gar nicht erben, und dieses Erbgut wird den Verwandten der Mutter zugefallen sein. ® Erzbischof Friedrich von Mainz und die Politik Otto’s des Grossen. Wissen- schaftliche Beilage zum Jahresbericht d. Askan. Gymn. zu Berlin, Ostern 1895. Warrengach: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 341 Auftraggeber, Förderer und Censor war. Diesen Behauptungen trat G. Warrz entgegen und — ich darf wohl auch meinen eigenen Ein- fluss durch das Buch über die Geschichtsquellen Deutschlands im Mittelalter in Anschlag bringen — es war wenig mehr die Rede da- von. Nun aber ist diese Auffassung wieder neubelebt worden durch W. GunpracH', der auch Liudprand in jene Kategorie stellt, und Ausust MıTTae a.a. 0. Letzterer besonders hat mit vielem Scharfsinn seine Ansicht aus- führlich entwickelt. Deshalb ist es mir zeitgemäss erschienen, diese Frage noch ein- mal zu erörtern, denn nach meiner Ansicht sind es irrthümliche An- sichten, welche hier sich festzusetzen drohen. Wir lesen bei Mırras fortwährend von einem "Mainzer Einfluss’ und es wird damit eine Richtung bezeichnet, welche im Gegensatz zur ottonischeu Politik stand. Diese Politik bestand in der reicheren Ausstattung der Bisthümer und einiger Klöster mit vermehrten Be- sitzungen und Rechten, womit eine, die freie Wahl ausschliessende, eigenmächtige Besetzung der erledigten Stellen und eine starke Heran- ziehung zum Heeresdienst verbunden war. Dieses System hatte seine zwei Seiten; es vermehrte den geistlichen Einfluss, der mit der Zeit ungebührlich gewachsen ist, und aus diesem Grunde ist es von H. v. SyBEL getadelt worden. Aber dieser hat sich in seinem Tadel wohl zu sehr durch die Erfahrungen späterer Zeiten bestimmen lassen. Es gehörten allerdings zur Handhabung dieses Systems kraftvolle und selbstbe- wusste Herrscher, die auch verstanden, es weiter auszubilden, und wie zielbewusst namentlich Heinrich I. das verstanden hat, das hat erst kürzlich A. Hauck in seinem ausgezeichneten Werk über die Kirchengeschichte Deutschlands (III, 339-440) nachgewiesen und dar- gestellt. Es war ja nicht in diesem System begründet, dass die fol- genden Kaiser nur persönlich und von Fall zu Fall regierten, und die Ausbildung von Institutionen, welche schon unter Karl dem Grossen in voller Wirksamkeit bestanden hatten, vollständig unterliessen. Nur dadurch ist es zu erklären, dass nach einem so mächtigen Herrscher, wie Heinrich II. gewesen ist, das königliche Kind, das noch keinen eigenen Willen hatte, machtlos und mittellos dastand und ein Spiel- ball der Bischöfe war, welche man über alles Maass hatte mächtig werden lassen, während die weltlichen Fürsten in Selbstsucht und Eigen- nutz dem Reiche ganz entfremdet waren. Für Otto I. aber gab es wohl sicher kein besseres Mittel, die Regierung zu kräftigen. Er hatte in den schweren Bürgerkriegen ! Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit (1894) I, S.28ff. 67 ff. 342 Gesammtsitzung vom 12. März. die Abneigung der Bischöfe erfahren, und zugleich die ausserordent- liche Nützlichkeit treuer Bischöfe, wie namentlich Udalrich’s von Augs- burg, kennen gelernt: er kannte auch die Unzuverlässigkeit der grossen Vasallen, und hatte sich von der Trüglichkeit des Mittels überzeugt, durch Familienbande die Herzogthümer in Abhängigkeit zu bringen. Hier war eben nichts zu machen, da die Erblichkeit der grossen Lehen fest eingewurzelt, die Selbständigkeit der Herzöge schwer zu beschränken war, und an das Gegengewicht einer Volksvertretung damals noch nicht gedacht werden konnte. Was er dennoch gethan hat, die Einsetzung von Pfalzgrafen zur Wahrnehmung der königlichen Rechte, das haben die Nachfolger nicht festzuhalten und fortzubilden verstanden. Bisthümer aber und die grossen Abteien gewährten die Möglichkeit, bei jeder Erledigung zuverlässige Männer an diese ein- flussreichen Stellen bringen zu können. Die Gebiete derselben durch- setzten die Herzogthümer, sie waren fortwährend durch die Übergriffe der Herzöge und Grafen gefährdet und dadurch genöthigt, am Hofe eine Stütze zu suchen. Nur musste man ihnen dafür auch etwas bieten. nieht nur Schenkungen von Gütern und Rechten, sondern auch eine Betheiligung an der Regierung. Und dabei konnte man sie ohne- hin nieht entbehren. Da die Laien nun einmal die von Karl dem Grossen ihnen zugemuthete und theilweise aufgezwungene litterarische Bildung endgültig abgeschüttelt hatten, waren sie ohne ihren 'Pfaffen‘, wie man später sagte, hülflos; sie konnten ohne ihn keinen Brief lesen oder schreiben, keine Rechnung führen. In den kleinsten Ver- hältnissen machte sich das geltend, und noch viel mehr in den grossen der Reichsregierung. Es war.aber auch durchaus nieht etwa neu, was Otto schuf; die starke Betheiligung der Geistlichkeit an den Staats- geschäften finden wir schon in der Zeit der Merowinger, und wie sehr es in den Verhältnissen und Anforderungen der Zeit begründet war, das erkennen wir daraus, dass es in allen mittelalterlichen Staaten ebenso stattfand. Das Neue bestand nur darin, dass Otto die ihm früher abgeneigte Geistlichkeit für sich zu gewinnen wusste. Dass andererseits für die Geistlichkeit hierin die Gefahr einer grösseren und zunehmenden Verweltlichung lag, ist klar, aber die war schon durch die längst vorhandenen Zustände gegeben, welche radical zu verändern dem ganzen Gesichtskreis, auch der Geistlichkeit selbst, damals fern lag. Der reformatorischen Richtung innerhalb der Kirche hat aber Otto sich immer günstig und förderlich erwiesen. Aber warum waren die Bischöfe ihm feindlich? Es ist bekannt, dass König Heinrich die Salbung und Krönung ablehnte, und dass Widukind, darin vielleicht nieht ganz aufrichtig, nur Bescheidenheit als Grund dafür angiebt. Wenn wir uns aber erinnern. wie unter den Warressach: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 343 letzten Karolingern die Bischöfe die Regierung in Händen hatten, wie Salomon von Constanz und Hatto von Mainz walteten, wie König Konrad noch zuletzt durch die Synode zu Hohenaltheim den Versuch machte, mit Hülfe der Bischöfe und geistlicher Waffen das Aufkommen der herzoglichen Gewalt zu brechen, so erkennt man leicht, dass für Heinrich die gewichtigsten Gründe vorhanden waren, sich dem Über- gewicht der Bischöfe zu entziehen. Selbst der hervorragendste Ver- treter der neuerwachsenen autonomen Herzogsgewalt, der siegreiche Widersacher des Königs, verzichtete er auf das aussichtslose Bestreben, das karolingische Königthum herzustellen, und vermuthlich ist schon in dem Rathe Konrad’s, ihn zum Nachfolger zu wählen, die Über- zeugung ausgesprochen, dass dieses, von ihm selbst mit so grosser Anstrengung verfolgte Ziel unerreichbar sei. Er musste wissen, dass Heinrich ihm auf diesem Wege nicht folgen konnte'. In diesen schweren Zeiten blutiger Bürgerkriege, und furchtbarer Heimsuchungen durch Ungarn, Normannen und Slaven. denen man eben wegen des inneren Zwistes nicht widerstehen konnte, versuchte und erreichte Heinrich die Einigung des Reiches auf anderer Basis. Anstatt sich in schwere Kämpfe mit den Herzögen von Schwaben und Baiern einzulassen, worin Konrad seine Kräfte erschöpft hatte, erkannte er die Stellung der Herzöge an, wie sie geworden war, und begnügte sich mit der Anerkennung seiner Oberhoheit: dem Herzog von Baiern, dem tapferen Vorkämpfer gegen die Ungarn, überliess er sogar die Einsetzung der Bischöfe. Zu dieser Politik konnte er aber die Bischöfe nicht brauchen. Stand auch er persönlich mit den sächsischen Bischöfen gut, welche auch der Synode in Hohenaltheim fernblieben, so waren doch sonst gerade sie es, welche durch die Usurpationen und Übergriffe der Herzöge schwer zu leiden hatten; ihnen zu helfen aber war für den Augenblick unmöglich, wenn man dem Zustande eines permanenten Bürgerkrieges ein Ende machen wollte. Auch mochte ihm doch vielleicht die Gefahr einer Bevormundung durch die Bischöfe nicht unbedenklich erscheinen. In den romanischen Ländern verfügten sie schon geradezu über die Krone, unbekümmert um legitime Erbfolge. wie sie es einst auch im westgothischen Reiche getrieben hatten, bis es daran zu Grunde ging. Es war auch nicht mehr ungewöhnlich, dass sie den neuen Herrscher durch Capitulationen verpflichteten. Nicht unmöglich ist es, dass auch Heinrich etwas der Art zugemuthet wurde; war er doch mit Hatto von Mainz schon vorher in offenen Kampf gerathen. Aber er hatte sich unzugänglich erwiesen, und in der Zeit der Bedrängniss und Noth war alle Opposition verstummt. Hat sich ı Hauck S.ı6 bezweifelt es freilich. 344 Gesammtsitzung vom 12. März. doch auch gegen Karl Martell und gegen Herzog Arnulf von Baiern die celericale Abneigung erst später entwickelt; zur Zeit der Noth nannte man Arnulf noch nicht den Bösen; man empfand, dass er des übergrossen Landbesitzes der Klöster bedurfte, um den Ungarn widerstehen zu können: man fühlte, dass es besser sei, die reichen Landgüter zu verlieren, als die Existenz einzubüssen. So ist auch erst später das Märchen aufgekommen, welches Heinrich wegen der mangelnden kirchlichen Salbung im Gegensatz zu Otto I. als das Schwert ohne Griff bezeichnete. Damals freute man sich, dass er das Schwert kräftig führte, und auch nach dem Aufhören der un- mittelbar drohenden Gefahr blieb noch Alles ruhig dem siegreichen Helden gegenüber. Otto I. nahm die Salbung und Krönung ruhig an, doch waren die Bischöfe ohne Antheil an der Wahl. Noch hören wir nichts von bischöflicher Opposition. Aber die in ihrer Willkür und Eigenmächtig- keit beschränkten Grossen, die sich gegen Heinrich nicht hervorgewagt haben, lehnen sich auf gegen den jugendlichen Herrscher, den nicht ein gleicher Glanz der alten Siege ziert, wenn er auch schon gegen Wenden und Ungarn sein Schwert erprobt hat, der aber auch wohl nicht die Weisheit des alten Königs in der Behandlung der Persönlich- keiten besass. Hunde tragen zur Strafe des Friedensbruches, das war freilich dem alten Volksrecht gemäss, aber man that es doch sehr ungern, und von Heinrich wird die Anwendung dieser Art der Be- strafung nicht berichtet. Sobald nun aber einmal der Bann gelöst ist, es endlich einmal wieder einen frischen, fröhlichen Aufstand gegen den König giebt (938), da finden wir nun bald auch den Erzbischof Friedrich von Mainz auf dem Schauplatz. Er war ein frommer Mann, stark im Gebet und Almosengeben, ein grosser Prediger: auch die Bekehrung oder Vertreibung der Juden lag ihm sehr am Herzen. Aber dass durch solche Eigenschaften eine dem weltlichen Staate gefährliche politische Thätigkeit nicht ausgeschlossen ist, das zeigt uns die Geschichte aller Jahrhunderte und kann uns auch die Gegenwart lehren. Auch Hauck sagt (III, 396) von Erzbischof Heribert von Köln: "Es charakterisirt ihn die im Mittelalter nicht ganz seltene Verbindung von asketischer Gesinnung und politischem Ehrgeiz. Solche zugleich asketische und ehrgeizige, herrschbegierige Pfaffen waren recht zahlreich im Mittel- alter, und es ist die schlimmste Sorte. Sehr fromm war Friedrich, sagt der Fortsetzer des Regino, nur das war an ihm auszusetzen, dass wo auch nur ein einziger Gegner des Königs auftauchte, er sich stets als der Zweite im Bunde dazu gesellte. Wie erklärt sich das? Bekämpft er die Verflechtung der Warrensac#: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 345 Kirche in die Angelegenheiten des Staates? Dafür haben wir nicht das geringste Anzeichen. Auch bei Mırras, der es (S. 30) aus den Worten Ruotger’s, des Biograhpen des Erzbischofs Bruno von Köln, nachzuweisen sucht, kann ich einen solchen Beweis nicht finden. Auch mit Hauck, dessen so hervorragendes Werk sonst grosse An- erkennung verdient, bedauere ich in Bezug auf den Erzbischof Friedrich nicht übereinstimmen zu können. Er bezeichnet ihn (III, 34) als den Vorkämpfer der bischöflichen Opposition gegen die Tendenzen des Königs’, aber von denen konnte doch damals noch kaum die Rede sein, und wenn das der Fall gewesen wäre, warum wäre es nicht irgendwo ausgesprochen, da doch von seiner Feindseligkeit gegen den König genug die Rede ist? Nirgends findet sich die geringste Hinweisung darauf. Als das eigentliche Ziel seines Strebens aber bezeichnet Hauck (S. 35), zu vermitteln und Frieden zu stiften, und er beruft sich dabei auf Äusserungen Widukind’s in diesem Sinne, aber die gehören gerade zu den durch den "Mainzer Einfluss’ bestimmten Stellen, auf die wir noch zurückkommen. Dagegen ist der Fortsetzer des Regino, der in vorzüglich nahem Verhältniss zum Erzbischof Wil- helm stand', der ohne Frage politisch klarer sah als Widukind und sehr gut unterrichtet war, zu dem oben erwähnten Urtheil gekommen, welches unbegreiflich wäre, wenn er Friedrich nur als übereifrigen Friedensstifter gekannt hätte, und er musste es doch eigentlich am besten wissen. Ebenso wenig stimmt aber auch dazu die Darstellung Ruotger’s. Beide kennen ihn als entschiedensten, wenn auch ver- steckten, Feind des Königs. Räthselhaft ist sein Verhalten. Angenommen, dass er die Her- stellung eines rein kanonischen Kirchenwesens erstrebt hätte, so ist doch gar nicht abzusehen, was dafür durch die Betheiligung an jeder Verschwörung gegen den König hätte gewonnen werden können Mir scheint die Lösung in einem Gedanken zu liegen, von dem ich einmal an einer Stelle, ich glaube in einem Programm, gelesen habe, welche ich leider nicht wiederfinden kann, von dessen Richtigkeit ich aber überzeugt bin. Als die Westfranken sich der Normannen nicht mehr erwehren konnten, wählten sie, unbekümmert um die legitime Erbfolge, den tapferen Odo zum König. Kaum ist ihm der Sieg gelungen, kaum hat die augenblickliche Noth aufgehört, so besinnen sich die Grossen: sie sollen dem Mann gehorchen, der noch kürzlich in ihrer Mitte ! Allgemein angenommen ist die Vermuthung GiEsEBrREcHT's, dass er der spätere Erzbischof von Magdeburg, Adalbert, war. Ich habe im Vorwort zur Übersetzung seines Werkes 1890 die Vermuthung ausgesprochen, dass er ein Halbbruder des Erz- bischofs Wilhelm gewesen ist. 346 Gesammtsitzung vom 12. März. nicht zu den Vornehmsten gehörte? Das scheint ilınen unerträglich, und sie wenden sich wieder dem Karolinger zu. So war es auch hier. Gegen Heinrich hatte man nicht gewagt sich zu rühren. Aber jetzt ist die unmittelbare Gefahr beseitigt; warum sollen noch ferner die stolzen Franken den Sachsen unterthan sein, die sie hassen und gering schätzen? Wie stark der Gegensatz der beiden Stämme war, tritt uns bei Widukind überall sehr lebhaft entgegen, und es wird auch Odo nicht wenig geschadet haben, dass er sächsischer Abkunft war. Man glaubte also, den Sachsen jetzt nicht mehr zu brauchen, und hoffte, ihn abschütteln zu können. Wir können das ja aus den Erfahrungen unseres Jahrhunderts, besonders der ersten Jahrzehnte, ganz gut verstehen. Die Sachsen, was nach den damaligen Verhält- nissen ungefähr den heutigen Preussen entspricht, haben das Reich von seinen übermächtigen Drängern befreit, jetzt können sie gehen. Die Herrschaft gebührt den alten Herren. Eberhard hat einst auf das Königthum verzichtet, jetzt liegt die Sache anders. Es gelingt, den noch sehr jungen Bruder des Königs zu gewinnen, seinen Ehr- geiz aufzustacheln; aber daran kann kein Zweifel sein, dass nicht ihm zu Liebe die verschworenen Grossen sich in Gefahr begaben, und Liudprand sagt das ganz offen: ohne allen Zweifel wollte man ihn benutzen und dann fallen lassen. Der Herzog von Lothringen hätte sich mit einem selbständigen Königthum begnügt, allenfalls als fran- zösischer Vasall, was er schon geworden war, und der König von Frankreich — nun, mit dem würde man sich abfinden, so gut es eben ging. Denn. charakteristisch genug! bei der inneren Zwietracht ist sofort auch der liebe Nachbar betheiligt. Es war eine Verschwörung, um das verhasste Sachsengeschlecht zu stürzen, die Franken wieder zur Herrschaft zu bringen. Und liebens- würdig oder bescheiden waren die Sachsen nicht: die ganze Bewegung ging ja davon aus, dass sächsische Vasallen den in früherer Zeit dort ausgestatteten fränkischen Herren nicht mehr gehorchen wollten, son- dern nur dem König, wie die Franken. Dann aber, so dachten ohne Zweifel die Verschworenen, dann würde auch der Erzbischof wieder der erste Mann im Reiche sein, wie einst Hatto. Wir wissen leider nichts über Friedrich’s Herkunft, doch bezweifle ich nicht, dass er ein Franke war. Auf die anderen Bischöfe hat er offenbar grossen Einfluss, auch ihnen wird die gute alte Zeit der bischöflichen Herrschaft vorgeschwebt haben. Rothard von Strassburg und Adalbero von Metz werden als seine Vertrauten genannt, zu Sachsen hat er keine Beziehungen. Auch dieser Adalbero war überaus fromm, besonders in späterer Zeit ein wahrer Vater der Warrengach: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 347 Mönche und ihr Reformator. Er war aber aus sehr vornehmem, fränkischem Geschlecht, selbst den Karolingern verwandt, und da- mals ein eifriger Theilnehmer an der Verschwörung. Diesen Plänen machte der unerwartete Tod Eberhard’s und Gisel- bert’s (939) ein Ende. Bedrohlich genug war die Sache gewesen; Widukind führt die Rettung des Königs wesentlich (II, ır) darauf zurück, dass durch einen zufälligen Umstand die Führer der Franken unter einander in Zwist geriethen, und noch unmittelbar vor der Katastrophe bemerkt er (U, 24), es sei schon fast alle Hoffnung ge- schwunden gewesen, dass die Sachsen noch ferner am Reiche bleiben würden. * Es gehört zur richtigen Würdigung der Sachlage noch ein Um- stand, der nach meiner Meinung gewöhnlich falsch aufgefasst wird. Es gab kein Herzogthum Franken. Eberhard hatte keinerlei Hoheit über die Franken. Wo findet man je fränkische Landtage? wo ist ein fassbares Herzogthum Franken mit bestimmten Grenzen? Widu- kind nennt alle fränkischen Herren "duces Francorum. Sie haben vollkommene Immunität und keinen Herzog über sich; sie waren als der herrschende Stamm zerstreut und ihr Führer und Herr war nur der König, der deshalb bei der Krönung fränkische Tracht an- nahm. Eberhard heisst urkundlich niemals Herzog, und wenn König Konrad in einer Urkunde vom 18. Februar 913 der Zeit gedenkt, als er Herzog war, so bedient er sich da des üblichen Sprach- gebrauchs. Ein Herzogthum Franken aber gab es nicht und deshalb konnte auch Eberhard nicht, wie andere Herzöge, in seiner Terri- torialgewalt eine Befriedigung finden. Jetzt war Eberhard nicht mehr am Leben. Im Jahre 941 ent- stand eine neue Verschwörung, sogar gegen das Leben des Königs: sie ging von seinem eigenen Bruder Heinrich aus und unzufriedene Sachsen waren dabei betheiligt, doch war auch wieder Erzbischof Friedrich dabei'. Er konnte das nun einmal nicht lassen. Er musste einmal wieder in seiner Weise vermitteln. Aber auch jetzt ohne Erfolg. Da schien noch einmal eine Aussicht sich zu eröffnen, die Sachsen zu beseitigen. Derselbe Konrad, der durch sein Eintreten für: den König emporgekommen war, des Königs Schwiegersohn, Herzog von Lothringen, blieb nach dem ersten italienischen Feldzuge des Königs zurück mit dem Auftrage, Berengar zu bekämpfen. An- statt dessen vertrug er sich mit diesem und versprach ihm die könig- ! Die Worte Widukind’s II, 38: 'secunda conjuratione ceulpabilem’ bezieht Mrrras mit Recht, wie mir scheint, mit Werra auf diese Verschwörung. 348 Gesammtsitzung vom 12. März. liche Herrschaft in Italien, wenn er sich nur unterwerfen wolle. Otto, und sogar Adelheid, mussten ihren gefährlichsten und widerwärtigsten Feind gnädig empfangen, so schwer es ihnen auch wurde: er erhielt die Krone Italiens als Lehen, obgleich Otto sicher wusste, dass auf seine Gelöbnisse nichts zu geben sei. Konrad aber fühlte sich be- leidigt durch das Missfallen, welches Otto ihm nicht verborgen haben wird, und schloss sich seinem Schwager Ludolf an, der erbittert war durch die zweite Heirath seines Vaters und den Übermuth seines Oheims Heinrich, der jetzt beim König den grössten Einfluss besass und sich der besonderen Zuneigung der jungen Königin erfreute. Und wieder erheben sich alle, unter sich sehr verschiedenen Elemente der Opposition. Und wieder ist Erzbischof Friedrich dabei; er verlässt Italien fahnenflüchtig schon mit Ludolf. Was er gewollt habe, sagt uns leider Niemand, aber für strengere Klosterzucht und eine welt- fremde Ruhe der Kirche ist er gewiss nicht in’s Zeug gegangen. Es wird doch wohl auch hier das eigentliche Ziel gewesen sein, die Sachsenherrschaft zu brechen. Auch dieser Versuch missglückte, und nun starb auch Friedrich (25. Oet. 954). Der König erhob nun seinen eigenen Bastard Wilhelm, einen noch sehr jungen Mann, zum Erzbischof, von dem er grössere Zuverlässigkeit erwartete und in der Folge auch erfuhr. Auch sagt uns Niemand etwas von anfänglicher Entzweiung, aber es hat sich von ihm ein Brief an den Papst Agapit vom Jahre 955 erhalten, in welchem er in trotzigster Weise gegen die beabsichtigte Errichtung des neuen Erzbisthums Magdeburg Einspruch erhebt. Er eifert gegen die Vermischung der Ämter von Bischof und Herzog und meint damit unzweifelhaft den Erzbischof Bruno von Köln, der das Herzogthum Lothringen zu verwalten erhalten hatte. Ganz unverblümt greift er auch den Abt Hadamar von Fulda an, den vertrautesten diplomatischen Agenten seines Vaters, den Widukind überaus hoch hielt. Hier also, heisst es, ist ganz deutlich die Mainzer Opposition gegen die ottonische Politik! Aber welche denn? Die Übertragung eines Herzogthums an einen Erzbischof war doch eine ganz vereinzelt dastehende Erschei- nung, und Mırras hat hier ganz Recht, wenn er (S. 19) sagt: "Beide, Friedrich und Wilhelm, empfanden gleich schmerzlich , wie der Schwer- punkt der deutschen Kirche, trotz Primat und Vicariat, trotz Tradition und Privilegien, von Mainz nach Köln sich verschob.. Das war der brennende Punkt. Nicht anders steht es auch mit der Opposition gegen die Errichtung des Erzbisthums Magdeburg: dass dazu der Sprengel von Halberstadt dem Mainzer Erzbischof entzogen werden soll, dass Otto Wilhelm’s Widerspruch durch eine päpstliche Bulle zu brechen versucht und ihn bei Seite schiebt, das ärgert ihn. Es wäre Warrengach: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. 349 viel verständiger gewesen, Halberstadt zur Basis des neuen Erzbis- thums zu nehmen, aber regelmässig finden wir solche Fragen als nur das kirchliche Besitzrecht betreffende mit der äussersten Hartnäckigkeit bestritten; die Frage der Zweckmässigkeit für Reich und Kirche kommt dagegen gar nicht in Betracht. Sehr selten sind Fälle, wie der, dass Bischof Wolfgang von Regensburg freiwillig dem Anrecht seiner Kirche auf Böhmen entsagte, weil ein eigenes Bisthum in Prag für die kirch- liche Gestaltung nützlicher erschien. In der Magdeburger Sache siegte Wilhelm mit seinem Widerstand, und sobald Halberstadt aus dem Spiele gelassen war, hörte die Spannung auf. Wilhelm’s Aufbrausen war nur ganz vorübergehend, der Anlass ein rein persönlicher ge- wesen; von g61r an (wie Mırra@ selbst nachgewiesen hat) ist Wilhelm mit seinem Vater im besten Einvernehmen und mitthätig bei der Er- richtung des neuen Erzbisthums. Von einem prineipiellen Gegensatz ist keine Spur, und Wilhelm übernimmt mit grossem Vergnügen die Aufsicht über seinen jungen Stiefbruder und die Reichsregentschaft in Abwesenheit des Kaisers. Gerade in dieser Zeit der hergestellten Harmonie aber soll er nun Widukind den Auftrag gegeben haben, seine Geschichte zu schreiben, und dieser soll darin kein Wort von der Stiftung des Erzbisthums Magdeburg gesagt haben, weil er der einstigen Opposition der Mainzer gegen diese Pläne Rechnung tragen musste (S.23). Ebenso sorgfältig aber verschweigt er auch jede Beziehung zum Erzbischof Wilhelm, ja er nennt ihn gar nicht und widmet sein Werk der ‘Tochter des Kaisers. Wie in aller Welt soll man sich diese Dinge reimen? wie auch bei solehem Zartgefühl das Lob Hadamars? Und auch alle die wendischen und dänischen Bisthümer, die doch, so viel wir wissen, keinen Anstoss erregt haben, werden mit Stillschweigen übergangen. Ganz eigenthümlieh ist die Auffassung GunpracH's'. Widukind widmet sein Werk der Tochter des Kaisers, um daraus die Geschichte ihres Volkes und die Thaten ihrer Ahnen kennen zu lernen; sie war eben zur Äbtissin des Stifts Quedlinburg ernannt und stand in ihrem zwölften Jahre. Ihr, meint Gunpracn, hätte der Mönch unmöglich dieses Werk darbringen können ohne die Ermächtigung durch seinen höchsten geistlichen Vorgesetzten, und das war eben der Erzbischof Wilhelm, damals gerade Reichsregent. Daraus wird dann weiter ein Auftrag, dieses Lehrmittel für die jugendliche Kaisertochter auszu- arbeiten. Wir wissen durchaus nichts von einer so straffen Diseiplin; war aber eine solche vorhanden, so lag es doch, wie mir scheint, am ! Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit I (1894) S.67 ff. 350 Gesammtsitzung vom 12. März. nächsten, einen solchen ehrenvollen Auftrag in der Widmung zu er- wähnen, und es war zur Deckung gegen Vorwürfe sogar nothwendig. Ist es aber diesen wunderlichen Erklärungsversuchen gegenüber nieht viel einfacher, sich vielmehr an die Worte Widukind’s zu halten, die zu keinem Einwand berechtigen? Der Ruhm seines Volkes, so sagt er, habe ihn angetrieben, von den Legenden der Heiligen, mit denen er sich bis dahin beschäftigt habe, überzugehen zu der Ge- schiehte der Sachsen. Es sind die Heldenthaten, die ihn besonders anziehen, vom Kriegsgetümmel schreibt er gern, man hört den Wieder- hall der Erzählungen heimkehrender Vasallen. Wie mit ihren Sachsen Heinrich und Otto die Höhe der Herrschaft erreicht und behauptet haben, das darzustellen ist sein Ziel. Darüber hinaus reicht sein Ge- dankenkreis nicht, von der Kaiserkrönung ist keine Rede, und die Wechselfälle des Papstthums berührt er gar nicht. Das liegt ihm gar zu fern. Sein Sehfeld war, wie Hauck (S. 312) es treffend aus- drückt, zu beschränkt, und das spricht, wie ich meine, sehr ent- schieden gegen den von KorrkE angenommenen Aufenthalt am Hofe oder auch eine Inspiration durch den Erzbischof Wilhelm; er müsste da eine ganz andere Auffassung gewonnen haben. Die Stiftung der neuen Bisthümer ist ihm ja natürlich nicht unbekannt gewesen; er muss sie aber als ausserhalb seiner Aufgabe gelegen betrachtet haben, und ebenso die Stiftung des Erzbisthums Magdeburg, so auffallend es auch ist, besonders wenn er, wie MırraG wahrscheinlich zu machen sucht, dort gewesen ist. Aber noch wunderbarer wäre es doch, wenn er auf einen Wink des Erzbischofs Wilhelm die Erwähnung unter- lassen hätte: es ist auch in der That gar nicht abzusehen, was diesen dazu hätte veranlassen können. Dagegen ist ganz klar und auch längst anerkannt, dass Widu- kind in Betreff der Erzbischöfe von Mainz gewisse Rücksichten ge- nommen hat. Er hat über Hatto zuerst ganz unbefangen die volks- thümliche Tradition über Adalberts von Babenberg Untergang und die gegen Heinrich beabsichtigte Hinterlist aufgenommen, aber in der für die Kaisertochter und natürlich auch für weitere Kreise bestimmten Abschrift den Namen getilgt, ohne doch jede Spur der ursprünglichen Fassung auszulöschen. Die Stellen lauten in unseren Handschriften verschieden; es scheint, dass im Original mehrfach geändert war und die Abschreiber bald diese, bald jene Wendung vorzogen. Ganz ähnlich finden wir über Erzbischof Friedrich recht scharfe Urtheile, aber auch bei den wichtigsten Gelegenheiten eine auffallende Zurückhaltung. Er berichtet II. 24 den Abfall der Bischöfe (939). ohne zu erwähnen, dass der Erzbischof sich nach Metz in den Mittelpunkt der Verschwörung begab. Dann heisst es (e. 25): "Die Ursache des Ab- m——— er EEE Warrensach: Über Widukind von Corvey und die Erzbischöfe von Mainz. ol falls auszusprechen und die königlichen Geheimnisse kund zu thun, ist uns zu hoch (super nos est), aber der Geschichte glauben wir genug- thun zu sollen. Was wir uns hierbei etwa zu Schulden kommen lassen, möge Verzeihung finden‘. Dunkle Worte! Sollte es wirklich nur eine Bemühung wegen mehr kanonischer Kirchenzucht sein, welche er so ängstlich verbergen muss? oder hat er vielleicht die tieferen Gründe selbst nieht gewusst? Dann fährt er fort und berichtet, dass der Erz- bischof des Friedens halber an Eberhard geschiekt war und einen eidlich bekräftigten Vertrag geschlossen hatte, den aber der König nicht be- stätigen wollte. Vielmehr liess er den Erzbischof wegen Überschreitung seiner Vollmacht verhaften. Dass gleich nach seiner Entlassung derselbe auch an der Verschwörung 941 gegen das Leben des Königs betheiligt war, sagt Widukind nicht, doch scheint er II, 38 darauf Bezug zu nehmen (s. oben S. 347). Ebenso hat er II, ı3 die Betheiligung des Erzbischofs an der letzten Verschwörung 953 nur angedeutet, berichtet aber e. 14, dass derselbe, als der König den ihm abgedrungenen Vertrag zerreisst, für denselben eintrat und dadurch allen Freunden und Räthen des Königs abscheulich wurde: seine auch hier vorgewendete Friedensliebe scheint Widukind selbst doch gar zu fadenscheinig erschienen zu sein. Dann fährt er fort: "Über ihn halten wir uns nicht für berechtigt, ein unbe- fugtes Urtheil zu fällen (temere judicare), aber was wir von ihm wissen, dass er gross war im Gebet bei Tage und bei Nacht, gross im Spenden von Almosen, hervorragend im Worte der Predigt, das hielten wir für recht, nicht zu verschweigen: im Übrigen ist Gott der Richter über die Dinge, deren man ihn beschuldigt. Endlich sagt er noch (e. 16), dass auf dem Tage zu Fritzlar (953) der Herzog Heinrich viele und schwere Beschuldigungen gegen ihn ausgesprochen habe, wegen deren der König und fast das ganze Heer ihn für schuldig erachtet habe. Den Inhalt der Anklagen theilt er aber nicht mit. Endlich in Langenzenn (954) lässt er (e. 32) den Erzbischof mit einer Rede sich rechtfertigen, deren Tartuffe selber sich nicht hätte schämen dürfen. Aber von kano- nischer Kirchenzucht ist darin nicht die Rede. Der König verzichtete auf den Reinigungseid, zu welchem der Erzbischof sich erbet; er wusste wohl, was darauf zu geben sei. Sein Bruder Heinrich war nicht so langmüthig, er liess den Erzbischof Herold von Salzburg, der auch in die Verschwörung verwickelt war, blenden. Gewöhnlich schützte der geistliche Charakter vor Strafe, nur selten erreichte sie den Hochver- räther. Kanonisch war freilich das Verfahren nicht, und Erzbischof Wilhelm tadelt es scharf in seinem Briefe. Das ist also ganz klar, dass Widukind in Hinsicht auf die Mainzer Erzbischöfe zurückhaltend und furchtsam gewesen ist. Etwas mag dabei auf die Scheu des einfachen Mönches vor der Würde seines höchsten 352 Gesammtsitzung vom 12. März. geistlichen Vorgesetzten gerechnet werden. Aber es war doch auch nicht immer ungefährlich, die Wahrheit zu schreiben. Je weniger noch ge- schrieben wurde, desto empfindlicher war man. Regino fürchtete sich, die Wahrheit zu sagen, aus Furcht vor einem Machthaber, den er nicht nennt, der aber wahrscheinlich der damals in Lothringen mächtige Westfrankenkönig Carl der Einfältige war, und doch ist ein Stück seiner Chronik, welches von seinen eigenen Schicksalen berichtete, aus- geschnitten und vernichtet. Eine alte Magdeburger Chronik (ausge- schrieben vom Chronographus Saxo 982) weist näheres Eingehen auf die Unthaten des Erzbischofs Gisiler ab, um nicht die von ihm mit Lehen bedachten Vasallen zu erzürnen, Arnold von St. Emmeram im Anfang des ır. Jahrhunderts fürchtet sich noch vor den Nachkommen der Widersacher des h. Emmeram, und Cosmas von Prag sagt freimüthig, dass er vieles verschweigen müsse, um nicht die Machthaber zu er- zürnen. So mag es denn auch Widukind zu gefährlich erschienen sein, die unmittelbaren Vorgänger des Erzbischofs Wilhelm, Hatto eines Mord- planes, Friedrich des Hochverraths zu bezichtigen. Ich glaube nicht, dass wir andere Gründe zu suchen brauchen. 353 Configuration der Weinsäure. Von Enmır Fischer. Die empfindlichste Lücke in dem stereochemischen System der Zucker- gruppe bildet augenblicklich die Unsicherheit über die Configuration der d-Weinsäure; denn nach den bisher bekannten Thatsachen lässt sich nicht entscheiden, welche von den beiden folgenden Formeln derselben zukommt': COOH COOH H-C-OH Ho-0 -H HO-C-H H-6-OH COOH COOH Da aber alle stereochemischen Betrachtungen von der Weinsäure ihren Ausgang genommen haben, da ferner diese Säure mit anderen interessanten Producten des pflanzlichen Stoffwechsels, wie Äpfelsäure, Asparagin u. s. w., in einfache Beziehung gesetzt ist, so habe ich trotz vieler Misserfolge die Lösung jener Frage immer wieder versucht, bis ich schliesslich auf folgendem Wege zum Ziele gelangt bin. Die Rhamnose hat nach meinen früheren Untersuchungen” die Configuration: COH H-C-0H H-0-OH ee CHOH? CH; Dieselbe lässt sich nun nach dem schönen Verfahren von Wont in eine Methyltetrose von der Formel: I H-C-OH HO—-C-H CHOH? OH; ! Vergl. Ber. d. D. chem. Ges. 27. 3221. 2 Ber. d. D. chem. Ges. 27. 384. Sitzungsberichte 1896. 32 354 Gesammtsitzung vom 12. März. verwandeln. Wird letztere endlich mit Salpetersäure oxydirt, so ent- steht d-Weinsäure. Da unter den gleichen Bedingungen aus der Rhamnose die /-Tri- oxyglutarsäure und aus der Rhamnohexonsäure die Schleimsäure ge- bildet wird, da ferner in diesen beiden Fällen nachgewiesenermaassen das Methyl abgespalten wird, so ist es zweifellos gestattet, den Über- gang der Methyltetrose in Weinsäure ebenso zu deuten und durch folgendes Schema darzustellen: COH 000H H=0-OH H-C-OH HO-C-H +60= po-G-n +09 + 2H20 | CHOH COOH CH; Methyltetrose d-Weinsäure Aus der Formel der d-Weinsäure folgt für die daraus durch Jodwasserstoff entstehende Äpfelsäure', welche bekanntlich der optische Antipode der in den Vogelbeeren enthaltenen Säure ist, die Con- figuration: COOH | H-0-0H 'H; COOH Da die gleiche Äpfelsäure auch aus einer Asparaginsäure entsteht, so ergiebt sich für letztere die entsprechende Formel: GOOH H-C-NB: CH, COOH Selbstverständlich gelten diese Schlüsse nur unter der allerdings sehr wahrscheinlichen Voraussetzung, dass bei der Wirkung des Jod- wasserstoffs oder der salpetrigen Säure keine solche Veränderung der Configuration stattfindet, wie sie in neuester Zeit von WALDEN” bei der Einwirkung von Chlorphosphor auf Äpfelsäure beobachtet wurde. Die d-Weinsäure entsteht bekanntlich auch durch Oxydation des Traubenzuckers und der d-Zuckersäure. Bei Benutzung der Configura- tionsformeln ist der Vorgang folgendermaassen darzustellen: COOH H-0-OH COOH HO-0-H el. H-C-OH HO-C-H ai FE ou 7 COOH COOH ! Bremer, Bull. soc. chim. 25. 6. 2 Ber. d. D. chem. Ges. 29. 133. Fıscuer: Configuration der Weinsäure. Sa) Derselbe entspricht also genau der Verwandlung von Schleim- säure in Traubensäure', und man hätte diesen Vergleich schon früher benutzen können, um für d-Weinsäure obige sterische Formel zu ent- wickeln. Ich habe das aber nicht gethan, weil mir der Schluss zu unsicher schien und weil jeder Missgriff auf diesem doch recht neuen Gebiete grosse Verwirrung und Schaden bringen muss. Aus dem gleichen Grunde halte ich mich aber auch für verpflichtet, vor den höchst gewagten Folgerungen zu warnen, welche kürzlich Hr. Wınruer” aus der Spaltung racemischer Verbindungen auf die Configuration der Componenten gezogen hat. Ich kann dieselben im Einzelnen um so weniger anerkennen, als mir die Grundlage derselben fehlerhaft zu sein scheint, wie ich bei anderer Gelegenheit ausführlicher darlegen will. Dass Hr. Wıstuer bei der d-Weinsäure mit seiner Prognose zu- fällig das Richtige getroffen hat, beweist gar nichts. Denn wenn es sich nur um die Wahl von rechts und links handelt, so ist bei jeder Prophezeiung von vorn herein Aussicht auf 50 Procent Treffer gegeben. Abbau der Rhamnose. Derselbe vollzieht sich verhältnissmässig glatt, wenn man genau der Vorschrift folgt, welche A. Wonr* für die Verwandlung des Trauben- zuckers in d-Arabinose gegeben hat. Als Ausgangsmaterial dient das Rhamnosoxim, welches schon von Jakogı! durch Auflösen des Zuckers in einer wässerigen Lösung von reinem Hydroxylamin bereitet wurde. Bequemer ist aber seine Darstellung nach dem Verfahren, welches Wonrr für Glucosoxim angegeben hat. 77° salzsaures Hydroxylamin werden in 25°" heissem Wasser ge- löst; dazu fügt man eine Lösung von 25° Natrium in 300°" absolu- tem Alkohol und entfernt nach dem Erkalten das abgeschiedene Chlor- natrium durch Filtration. Trägt man in die erwärmte Mutterlauge 182° gepulverte, krystallisirte, wasserhaltige Rhamnose ein, so findet bald klare Lösung statt, und nach dem abermaligen Abkühlen er- folgt beim Reiben die Krystallisation des Oxims. Nach ı2 Stunden betrug die Menge desselben 80° und aus der eingedampften Mutter- lauge wurde nochmals die gleiche Menge erhalten, so dass die Ge- sammtausbeute fast go Procent des angewandten Zuckers erreichte. Zur Umwandlung in das Tetracetylrhamnonsäurenitril CH,(CHO.C,H,O),.CN ! Ber. d. D. chem. Ges. 27. 394. ? Ebenda 28. 3000. ® Ebenda 26. 730. * Ebenda 24. 696. 356 Gesammitsitzung vom 12. März. com werden 25° gepulvertes trockenes Oxim mit 100°" Essigsäureanhydrid und 25° gepulvertem trocknen Natriumacetat in einem Kolben von 2' Inhalt mit aufgesetztem Luftkühler unter Umschwenken erwärmt, bis die Reaction unter lebhaftem Aufkochen der Flüssigkeit eintritt. Die Erscheinung ist also genau die gleiche, wie sie Wont beim Glu- cosoxim beobachtet hat. Man fügt nun 500°” Wasser und unter Abkühlen 60° Natriumhydroxyd in Form von starker Natronlauge hinzu, trennt nach dem Durchschütteln die wässerige Lösung von dem ÖL, wäscht letzteres nochmals mit kaltem Wasser und nimmt dann mit Aether auf. Die aetherische Lösung wird filtrirt und eingedampft. Der Rückstand erstarrt beim längeren Stehen krystallinisch. Durch Ein- tragen eines Krystalls kann das Festwerden sehr beschleunigt werden. Durch Umkrystallisiren aus 7oprocentigem Alkohol erhält man ein farbloses Praeparat. Die Ausbeute an reinem Nitril beträgt etwa 70 Procent des angewandten Oxims. Für die Analyse wurde das Praeparat über Schwefelsäure getrocknet. Analyse: 0°1904 gaben 0°3580 CO, und 0°1009 H,O. Berechnet für Cr4 Hıg NOg Gefunden GI sTen 51.3 EI 725.8 5.9 Das Tetracetylrhamnonsäurenitril schmilzt bei 69-70°. In heissem Wasser löst es sich in merklicher Menge und fällt beim Erkalten als bald erstarrendes Öl aus. In warmem absoluten Alkohol ist es ausser- ordentlich leicht löslich und scheidet sich daraus beim Erkalten in grossen wasserhellen Krystallen ab. In kaltem Alkohol löst es sich ziemlich schwer. In Aether und Benzol ist es recht leicht, dagegen in Petrol- aether schwer löslich. Acetamidverbindung der Methyltetrose. Um aus dem Tetracetylrhamnonsäurenitril das Cyan und die Acetyl- gruppen abzuspalten, wurde dasselbe ganz genau nach der Vorschrift von Wont mit einer ammoniakalischen Lösung von Silberoxyd behandelt. Nach Entfernung aller Silberverbindungen resultirte eine farblose Lösung, welche beim Verdampfen im Vacuum aus dem Wasserbade ein Gemenge von Acetamid und der Verbindung der Methyltetrose mit Acetamid als krystallinische Masse zurückliess. Durch Umkrystallisiren aus warmem g96procentigen Alkohol wird dieselbe leicht rein erhalten. Die Ausbeute beträgt etwa 35 Procent des angewandten Tetracetylrhamnonsäurenitrils. Für die Analyse wurde das Praeparat bei 100° getrocknet. 0°1928 gaben o°3251 CO, und 0°1340 H,O. Fischer: Configuration der Weinsäure. BD Berechnet für Co H,s N, O5 Gefunden B7R46.L5 46.0 H 77 7-7 Die Substanz schmilzt bei 196-200° (corr. 201- 205°) unter Zer- setzung und schmeckt süss. Sie ist in Wasser, besonders in der Wärme, sehr leicht löslich und krystallisirt daraus in farblosen Prismen. In heissem absoluten Alkohol ist sie schon ziemlich schwer löslich und krystallisirt daraus in feinen, meist büschelförmig vereinigten Nadeln. Sie redueirt die Fenuise’sche Lösung nicht. Beim Erwärmen mit ver- dünnten Mineralsäuren wird sie rasch in die Methyltetrose und Acet- amid gespalten. Der Zucker ist in Wasser und Alkohol leicht löslich. Er wurde bisher nicht krystallisirt erhalten und deshalb nieht näher untersucht. Verwandlung der Methyltetrose in d-Weinsäure. Für die Oxydation des Zuckers ist seine Isolirung überflüssig. Man kann dafür direct die Acetamidverbindung verwenden. indem man sie erst durch verdünnte Salpetersäure hydrolysirt und dann durch stärkere Säure oxydirt. Dementsprechend wurden 3° der Acetamidverbindung mit 135°" einer dreiprocentigen Salpetersäure auf dem Wasserbade eine Stunde lang erwärmt und dann die Flüssigkeit, welche die 2ofache Menge Feutine’scher Lösung redueirte, ungefähr auf das halbe Volumen ein- gedunstet. Jetzt fügte man so viel starke Salpetersäure und Wasser hinzu, dass das Gesammtvolumen 12” 32 Procent Salpetersäure enthielt. Dies Gemisch wurde 24 Stunden auf 55-60° erwärmt, wobei sich die Oxydation durch reichliche Gasentwickelung kundgab, und dann im Vacuum ungefähr bei der- betrug und die Flüssigkeit selben Temperatur zum Syrup verdampft. Nachdem durch Zusatz von Wasser und abermaliges Eindampfen im Vacuum die Salpetersäure fast vollständig entfernt war, wurde der Rückstand in 500°” Wasser ge- löst, mit Caleiumearbonat in der Siedehitze neutralisirt, aus dem heissen Filtrat die Weinsäure durch Bleiacetat gefällt und letzteres durch Schwefelwasserstoff zerlegt. Die Mutterlauge hinterliess beim Ver- dampfen die Weinsäure sofort krystallisirt. Dieselbe gab mit Chlor- :aleium keine Reaction auf Traubensäure und drehte das polarisirte Lieht nach rechts. Das Drehungsvermögen entsprach nach einer ap- proximativen Bestimmung demjenigen der Rechtsweinsäure. Das Prae- parat wurde ferner in der üblichen Weise in das saure Kaliumsalz verwandelt, welches nach einmaligem Umkrystallisiren rein war. Sitzungsberichte 1896. 33 358 Gesammtsitzung vom 12. März. Analyse: 0%2120 Substanz gaben 0°0973 K,SO,. Berechnet für KC,H3;0; Gefunden K 20.78 Procent 20.6 Die Ausbeute an Weinstein betrug 0%7 für 3° Acetamidmethyl- tetrose, das ist 29 Procent der Theorie. Um das Salz noch weiter zu identifieiren, wurde es in der rofachen Menge Normalsalzsäure gelöst und optisch geprüft. Die Flüssigkeit drehte im Eindeeimeterrohr 0°82 nach rechts, während gewöhnlicher Weinstein unter denselben Bedingungen eine Rechtsdrehung von 0°77 zeigte. Die Differenz liegt innerhalb der Beobachtungsfehler. Bei diesen Versuchen bin ich von Hrn. Dr. G. Pınkus unterstützt worden, wofür ich demselben auch hier besten Dank sage. Ausgegeben am 19. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 359 1896. XV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 19. März. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. 1. Hr. Könrer las die umstehende Abhandlung: »Über die Morıreia Aakedaınoviov Xenophon’s«. 2. Die HH. Erman und Sacuau legen eine Mittheilung des Hrn. Dr. G. Reısser vor: »Altbabylonische Maasse und Gewichte«. Die Mittheilung erfolgt später. Sitzungsberichte 1896. 54 Air En nn ) ”r » I EIN Furt | er %ir een, ei BR; » [ Be „u } Ihul f H l 1125 N En 2 ” u as z sc | m 2 r L 361 Über die TToAıreia Aokedonuoviwv Xenophon’s. Von Urrıca KÖHLEr. oe den kleinen Schriften Xenophon’s ist für den Historiker die unter dem Titel MloAıreia Aakedauoviov überlieferte weitaus die wichtigste. Enthält dieselbe doch die, wenn wir von den Notizen Herodot’s über die Gesetzgebung Lykurg’s und das spartanische Königthum im ersten und sechsten Buch absehen, ältesten und verhältnissmässig vollstän- digsten Nachrichten über die spartanischen Einrichtungen und Sitten. Der Werth, welchen die Schrift Xenophon’s in dieser Hinsicht trotz ihrer offenkundigen Schwächen und Mängel für uns hat, ist im All- gemeinen wenigstens nie verkannt worden; weniger anerkannt scheint die autoritative Bedeutung zu sein, welche die Schrift im Alterthum, vom vierten Jahrhundert ab, als Quelle für die spartanischen Dinge gehabt hat. Nicht allein der Lykurg Plutarch’s steht, um von den, von Nikolaos von Damaskos angefertigten und den unter Plutarch’s Namen überlieferten Excerpten der xenophontischen Schrift zu schwei- gen, in der Darstellung und Würdigung der spartanischen Zucht unter Xenophon’s Einfluss, auch Aristoteles hat in seiner moArreia Aake- dauuoviov und in der Politik nachweislich trotz des verschiedenen hi- storisch-politischen Standpunktes einen ausgiebigen Gebrauch von der Abhandlung Xenophon’s gemacht, und in den Fragmenten des Stoikers Sphairos, welcher dem Reformkönig Kleomenes II. bei der Wieder- herstellung der lykurgischen Einrichtungen als Rathgeber zur Seite stand, begegnet man seinen Spuren', so dass in der That unser Wissen ! Die Erörterung der Ernährung der Knaben einschliesslich der schiefen Auf- fassung der «Awreia in der Schrift Xenophon’s 2, 5 ff. war in der /Toxıreia Aaredaınoviov des Aristoteles, wie das Excerpt des Herakleides 13 zeigt, und zwar wie es scheint in engem Anschluss an den Wortlaut der Quelle aufgenommen. Ebenso beruht, was Aristoteles Pol. 1263a über Gütergemeinschaft bei den Spartanern sagt, auf Xen. 6; die kowovia raldov hat Aristoteles mit Bedacht weggelassen. Die Formulirung der staats- rechtlichen Stellung der spartanischen Könige Aristot. Pol. 1285a kann wenigstens aus Xen. 13, ıı entlehnt sein. Dass die kritische Auslassung des Aristoteles Pol. 1333 haupt- sächlich gegen Xenophon und die der Schrift Xenophon’s zu Grunde liegende Werth- schätzung der spartanischen Institutionen und des Schöpfers derselben gerichtet ist, hat 34* 362 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 19. März. von dem spartanischen Wesen hauptsächlich von Xenophon direct und indireet abhängt!. Die IloAıreia Aakedauoviwv Kenophon’s bietet in- dess dem Verständniss eigenthümliche Schwierigkeiten, und es giebt unter den erhaltenen Erzeugnissen der griechischen Litteratur kaum eine zweite Schrift des gleichen Umfangs, welche, als Ganzes betrach- tet, zu so vielen Zweifeln und Controversen Anlass gegeben hat wie diese. Sowohl. für die Erklärung der xenophontischen Abhandlung wie für die Beurtheilung und Würdigung derselben ist die Frage der Genesis der Schrift von grundlegender Bedeutung. Auch über die Genesis und Tendenz der IloAıreia Aakedawuoviwov ist mehrfach und in verschiedenem Sinne gehandelt worden. Jede Untersuchung, welche die unter dem Titel /loxıreia Aare- daıuoviov auf uns gekommene Abhandlung Xenophon’s als Ganzes zum Gegenstand hat, muss von einer Analyse derselben ausgehen. Es ist das Verdienst Ernst Naumann s, dadurch, dass er die Vekonomie der Schrift aufgeklärt hat, sowohl die Umstellungstheorie Haase’s, Srein (Bemerkungen zu Xenophon’s Schrift »Vom Staate der Lacedaemonier« S.16) richtig gesehen; zu dem von SrEın Gesagten wäre hinzuzufügen, dass die von Aristoteles bestrittene Behauptung, die Spartaner würden durch ihre Institutionen wpoös maoas ras aperas angeleitet, von Xenophon (ro, 4) mit Emphase ausgesprochen wird. — Vergl. Sphairos bei Athen. IV 14ıc (von den Syssitien) mit Xen. 5, 3. — Dass Dikaiarchos in dem, was er über das spartanische Wesen berichtet hatte, mehr oder weniger von Aristoteles in der TMoxıreia A. abhängig war, ist vorauszusetzen. Hiernach stehe ich nicht an, die exacten Angaben über die Beiträge zu den Syssitien bei Plut. Zye. ı2, vergl. Dikaiarchos bei Athen. IV ı4rc, auf Aristoteles zurückzuführen; Dikaiarchos hat die Angaben in lako- nischen Maassen, die er bei Aristoteles vorfand, auf attische Maasse reducirt. ! Dass es nicht überflüssig ist, dies zu betonen, mag ein Beispiel zeigen. Nach den modernen Handbüchern traf in Sparta Feiglinge ausser anderen Ehrenstrafen der Verlust der politischen Rechte; als Beweisstellen werden angeführt Herodot VII 104, Thuk. V 34, Xen. roX. Aar. 9,4 ff., Plut. Ages. 30. Xenophon, der ausführlich von dem Loose der dmodeıAıdoavres oder rpeoavres handelt, beschreibt die Zurücksetzungen und Beschimpfungen, welche sich die rpeoavres seitens ihrer Mitbürger gefallen lassen mussten; Niemand wollte ihr Tischgenosse in den Syssitien sein, sich mit ihnen verschwägern und dergl. mehr; von der Entziehung der politischen Rechte schweigt er. Mit Xenophon stimmt Herodot wesentlich überein. Thukydides erzählt, den Spar- tanern, die sich auf Sphakteria den Athenern ergeben hatten, sei nach der Heimkehr durch einen übrigens einige Zeit darauf widerrufenen Gemeindebeschluss das Recht, Staatsämter zu bekleiden, entzogen worden, weil viele vornehme Männer darunter waren und man besorgte, diese würden als Beamtete, wenn ihnen Nachtheiliges wider- führe, Unruhen stiften. Plutarch berichtet, die rpeouvres hätten das Ämterrecht ver- loren, hierauf folgt ungefähr das Nämliche, was bei Xenophon steht, ausserdem aber, die rpeoavres hätten geflickte Kleider tragen und den Bart zur Hälfte scheren müssen; daran schliesst sich die bekannte Geschichte an, wie nach der Niederlage von Leuktra das Gesetz auf den Rath des Königs Agesilaos eludirt wurde. Augenscheinlich ist bei Plutarch Verschiedenartiges verbunden und obendrein Erfundenes hinzugefügt; damit fällt aber auch die Geschichte von dem oogıonua des Agesilaos, gegen welche allein schon das Schweigen Xenophon’s in den Hellenika sowohl wie in dem Enkomion des Königs die modernen Historiker hätte misstrauisch machen sollen. z- "\ ” Zu ’ [= Ü Könrer: Über die ToAıreia Aakedarıoviov Xenophon’s. 363 wie die Hypothese Coger's, die Schrift sei unter Xenophon’s Namen in einem Auszug auf uns gekommen,. widerlegt zu haben'. Aber dass eines der Capitel, in welche wir jetzt die Schrift eingetheilt lesen, in den Handschriften verstellt sei und den Platz wechseln müsse, hat auch Naumann annehmen zu müssen geglaubt. Der Verdacht ist ge- rechtfertigt, dass die Analyse Naumanw’s den Intentionen des Schrift- stellers nicht überall gerecht wird. Xenophon hebt damit an, dass Sparta seine Grösse den Einrich- tungen Lykurg’s verdanke, der in seiner Gesetzgebung nicht allein nicht fremde Muster nachgeahmt, sondern vielmehr das Gegentheil von demjenigen verordnet habe, was in anderen griechischen Ge- meinden zu Recht bestehe. Damit ist das Thema der Schrift gestellt. Die Vorzüglichkeit der spartanischen Einrichtungen und die Weisheit des Gesetzgebers soll dargethan werden. Demgemäss handelt der Ver- fasser zuerst von der Kindererzeugung (rekvoroia), d.h. von der Er- ziehung des weiblichen Geschlechts und den Ehegesetzen; hierauf von der öffentlichen Erziehung der männlichen Jugend in den drei Alters- classen der maıides, veaviokoı und nßB@vres; sodann von der Lebens- führung (diara kal emırndeunara) der Erwachsenen, den gemeinsamen Mahlzeiten und den körperlichen Übungen, der von dem Gesetzgeber zum Zwecke der Hebung des Gemeinsinns den einzelnen Bürgern ein- geräumten Freiheit, im Bedürfnissfalle fremdes Eigenthum, wie Sklaven, Pferde und Vorräthe, zu benutzen’, den Vorschriften und Einrichtungen, welche bezwecken, die Bürger von dem Streben nach Erwerb und Reichthum ab- und zur Übung der bürgerlichen Tugenden, der Tapfer- keit und des Gehorsams gegen die Gesetze und Obrigkeiten anzu- halten, und von der Gerontenwürde als Preis eines tugendhaften Le- bens. Die Methode ist immer die gleiche: der Autor geht von den Zuständen in den übrigen griechischen Staaten aus, ohne sich auf Einzelheiten einzulassen, und beschreibt die spartanischen Institutionen nicht sowohl in der Substanz, wie in ihren von dem Nomotheten beab- sichtigten heilsamen Wirkungen: nur ein Mal sind zwei Gemeinden, die Boeoter und die Eleer, mit Namen genannt (2, 12); auf die Ein- richtungen und Zustände in Attika ist stillschweigend öfter Bezug genommen. Nachdem Xenophon als Ergebniss des Vorausgehenden es ausge- sprochen hat, dass in Sparta die Bürger durch das Gesetz zur Übung ! Naumann, De Xenophontis libro qui Nakedaıuoviov moNıreia inscribitur 1876. ® Cap. 6, 3 wird gelesen: kai Immoıs de boavrws (nämlich kown) xpovra 6 yap aote- vjoas i) dendeis oxyuaros 7 rayv moı BovAndeis apıreodlar, ıv mov 1ön Immov övra, Naßov Kal xpnodueoos ka\os ümokaßiornow. Wie man das sinngemäss interpretiren soll, verstehe ich nicht. Der Satz wird verständlich, wenn man das erste 7 streicht; oynua bedeutet allgemein vehieulum “Transportmittel”. Der Grund der Interpolation liegt auf der Hand. 364 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 19. März. aller Tugenden angehalten würden! und denjenigen, welche den vom Staate ihnen auferlegten Verpflichtungen nicht nachkämen, die schwerste Strafe, nämlich die Ausstossung aus der regierenden Gemeinde der Homöen, gesetzt sei’, geht er über zu den militärischen Institutionen Lykurg’s und handelt von dem Heeresaufgebot, der Formation des Heeres und der Taktik, von der Lagerordnung und von den Rechten der Könige als Heerführer. Es folgt das viel besprochene und in der That für die Beurtheilung der Schrift äusserst wichtige vierzehnte Capitel nach der überlieferten Ordnung des Textes. Xenophon erklärt hier, dass, wenn ihn Jemand fragen sollte, ob die Gesetze Lykurg’s noch immer ungeschwächt in Kraft seien, er diese Frage allerdings mit gutem Gewissen nicht würde bejahen können; er weist hin auf das Treiben der spartanischen Harmosten in den griechischen Städten und die in den vornehmen Kreisen Spartas eingerissene Sucht, als Beamtete im Auslande zu Herrschaft, Reichthum und Ehren zu ge- langen, Umstände, welche bewirkt haben, dass, während die übrigen Hellenen früher (nämlich in den Zeiten des peloponnesischen Krieges) den Spartanern die Hegemonie antrugen, dermalen Viele von ihnen sich gegenseitig encouragiren, die Rückkehr unter die Herrschaft Spar- tas abzuwenden; und bekennt schliesslich, dass die Satzungen Lykurg’s nicht mehr wie. vordem befolgt werden. Hierauf werden, wenn wir uns an die überlieferte Ordnung halten, noch die verfassungsmässigen Ehrenrechte der Könige im Staate beschrieben; mit einem stillschwei- genden Verweis auf die Beschreibung der den Königen nach dem Tode erwiesenen Ehren bei Herodot schliesst die Schrift. Allgemein wird behauptet, dass die Erörterung über den theil- weisen Verfall der lykurgischen Ordnung an der Stelle, an welcher sie in den Handschriften überliefert ist, den Zusammenhang in un- zulässiger Weise unterbreche und ursprünglich am Schlusse gestanden ! Cap. 10,4 ist ös &mein karenadev orı, Omov oi BovAöuevo Emıuerovvraı (st. em- neNeiodaı) Ts üperjs, obx ikavoi eloı as marpidas avkeıw kA. zu lesen, wie schon Haase vermuthet hat; die Entstehung der Corruptel ist leicht ersichtlich. Andere Vorschläge, welche zur Heilung der Stelle gemacht worden sind, sind nichtig. ®2 In der Auslassung über das Homöenrecht (10,7) sind die Worte xkal oudev vmeAoyioaro (Lykurg) ovre ewuarwv ovre xpnuarwv aofeveav anstössig, weil sie inhaltlich nicht recht motivirt sind. Derjenige, welcher wegen Verarmung den vorgeschriebenen Beitrag zu den Syssitien nicht leisten konnte, ging der politischen Rechte verlustig, was von Aristoteles (Pol. ı271a) als dem Zweck der Institution widersprechend getadelt wird; und gebrechliche Spartaner liess die Sitte der Kinderaussetzung und die harte Erziehung nicht aufkommen. Die Worte Xenophon’s enthalten, wenn ich recht sehe, eine versteckte Kritik der athenischen Oligarchie vom J. 411, welche den Besitz der politischen Rechte auf die dvwvaroraroı Tois ouuanıy kal rois xpyuacıv beschränkte (Aristot. mox. AB. 29, 5). Die Öligarchen in Athen hätten, insinuirt Xenophon, nicht die körper- liche und ökonomische Leistungsfähigkeit als Bedingung für den Besitz des activen Bürgerrechts setzen sollen, sondern die äapern wie der spartanische Gesetzgeber. Könrer: Über die MloAıreia Nakedanoviov Xenophon’s. 365 haben müsse. Man kann vielleicht der Ansicht sein, dass Xenophon es so besser gemacht haben würde, allein das ist eine secundäre Frage; vorher war zu erwägen, ob Gründe erkennbar sind, welche Xenophon bestimmen konnten anders zu verfahren. Die in den ersten dreizehn Capiteln beschriebenen Institutionen, die Gerusia und das Ephorat ein- geschlossen, werden von ihm als Schöpfungen Lykurg’s beschrieben'; das Königthum gehörte auch nach Xenophon nicht zu den Einrich- tungen Lykurg’s, der Gesetzgeber hatte es vorgefunden. Von diesem Gesichtspunkt aus konnte es Xenophon formell gerechtfertigt erschei- nen, das Geständniss, die Gesetze Lykurg’s seien nicht mehr wie früher in Kraft, an die Beschreibung der militärischen Einrichtungen anzu- schliessen statt sie bis an’s Ende aufzusparen. Nach Xenophon hatte Ly- kurg einen Vertrag zwischen den Königen und der Gemeinde gestiftet; seine Meinung kann nur die gewesen sein, dass durch den von dem Gesetzgeber gestifteten Vertrag die Rechte der Könige fixirt worden waren. Diese Ansicht hat sich Xenophon gebildet, weil, wie er selbst angiebt, die Könige und die Ephoren, letztere als die Vertreter der Ge- meinde, jeden Monat, also wohl im Beginn jeder der regelmässigen Gemeindeversammlungen, Eidschwüre wechselten, hinsichtlich der spar- tanischen Verfassungsgeschichte weitaus die wichtigste Nachricht, welche auf uns gekommen ist. Der eigentliche Grund aber, welcher für Xenophon bei der Disposition des letzten Theiles seiner Schrift be- stimmend gewesen ist, ist ohne Zweifel ein anderer gewesen. Dem conservativen Geiste Xenophon’s ist, wie er ebenfalls andeutet, das heroische Königthum der Herakleiden als der feste Hort des spartani- schen Staates im Vergleich mit den Verfassungskämpfen und - wechseln anderer griechischer Staaten erschienen, obwohl er für die Bedeutung des Ephorats im Staatsorganismus, wie die auf diese Behörde bezüg- liche Stelle zeigt, keineswegs blind gewesen ist. Dass neben der Macht der Ephoren das Königthum nicht viel mehr als ein Ornament am Staatskörper war, hat er bewusst oder unbewusst ignorirt. Bei dieser Auffassung musste die Beschreibung der Ehrenrechte der Könige im Staate sich Xenophon als der würdigste Abschluss seiner Schrift darstellen. Von dem vierzehnten Capitel hängt die chronologische Bestimmung der Schrift Xenophon’s ab. Darüber, dass das vierzehnte Capitel in ! Nur an einer Stelle (12,3) wird eine Einrichtung als nachlykurgisch aus- drücklich bezeichnet. Die Stelle ist in den Hss. lückenhaft überliefert, ich lese (es ist die Rede von der Ausstellung der Lagerwachen): vov ö’ 707 kat imo £evav (vonileraı, mapadvXNarrovan de) abrov Tıves Fuumapovres. Die Neuerung, die Aussenposten des Lagers auch durch Söldner beziehen zu lassen, muss unter den Augen Xenophon’s, also wohl im J. 394 im Kriege in Böotien von Agesilaos eingeführt worden sein. 366 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 19. März. der Zeit der Gründung des zweiten attischen Bundes geschrieben ist, welcher ausgesprochenermaassen seinen Mitgliedern Schutz gegen die Herrsehsucht der Spartaner gewähren sollte, also nach 378, ist man jetzt wohl so ziemlich einig'; aber dieselben Gelehrten, welche diese Ansicht begründet haben, sind der Meinung, das vierzehnte Capitel sei, was die Entstehungszeit anlangt, von den übrigen Theilen der Schrift zu scheiden, und auch hierin haben sie Zustimmung gefunden. Man findet, zwischen der lobpreisenden Schilderung der spartanischen Zustände in den ersten dreizehn Capiteln und der im vierzehnten Capitel gerügten sittlichen Decadence bestehe ein Widerspruch, der nur durch die Annahme erklärt werden könne, dass das vierzehnte Capitel der bereits abgeschlossenen Schrift von Xenophon später zu- gesetzt worden sei, und hat auch einen äusseren Anhalt hierfür in der Fassung der Eingangsworte des Capitels zu erkennen geglaubt. Wiırnerm Nıtsche hat deshalb die Abfassung der Schrift ohne den nach- träglichen Zusatz in das Ende’, Erssr Naumann in die erste Hälfte der achtziger Jahre nach dem Königsfrieden gesetzt. Allein die Corruption und der Luxus in den vornehmen Kreisen der spartanischen Bürger- schaft und die Satrapenwirthschaft mancher Harmosten datirte von dem Siege Spartas im Kriege mit Athen und zum Theil noch früher; diese Dinge waren in den achtziger Jahren nicht weniger notorisch wie in den siebziger. Xenophon schildert in den ersten dreizehn Capiteln die spartanischen Einrichtungen und Zustände, wie sie nach den In- tentionen des Gesetzgebers sein sollten und seiner eigenen Auffassung nach bis vor Kurzem auch wirklich gewesen waren; das Zugeständniss zu machen, dass dermalen nicht mehr Alles beim Alten sei, legte ihm, wenn nicht seine Gewissenhaftigkeit, so doch die Rücksicht auf den Credit bei seinen Lesern auf. Ein Widerspruch von der Art, dass man genöthigt wäre, verschiedene Abfassungszeiten zu statuiren, liegt da nicht vor. Nach der Ansicht derer, welche verschiedene Abfas- sungszeiten annehmen, müssten wenigstens 6-7 Jahre zwischen der Schrift in ihrer ursprünglichen Gestalt und dem nachträglichen Zu- satz liegen: dass Xenophon die kleine Schrift so lange unpublieirt hat liegen lassen, ist wenigstens nicht wahrscheinlich’. Ich glaube, ! Die ebenfalls vorgeschlagene Datirung in das J. 394 ist schon deshalb unzu- lässig, weil Xenophon in diesem Jahre im Heere des Agesilaos aus Kleinasien nach Griechenland zurückgekehrt ist und im Sommer bei Koroneia mitgekämpft hat. Aber auch andere Gründe sprechen dagegen. 2 Nrrsche, Über die Abfassung von Xenophon’s Hellenika 1871, S. 54. ® Die Eingangsworte des Capitels, auf welche man sich berufen hat, lauten: Ei de Tis ne Epoıro ei Kal vov Erı or Öokovaıw oi Avkoupyyov vono: akivyroi Ötanevew, TOVTO ja Ai’ ovk av Erı Apacews elmoyu, Man erklärt das zweite &rı 'so würde ich das nicht mehr (nämlich wie‘ früher, als ich das Vorausgehende niederschrieb) behaupten können.’ ru Tr . n r u © _ Könter: Über die /Tloxırera Aakesauuoviov Nenophon’s. 367 '; dass die Schrift um das Jahr 376 als Ganzes von Xenophon ver- fasst worden ist!. ’ Für die richtige Würdigung eines Litteraturwerkes ist es uner- lässlich, die Vorläufer desselben in Betracht zu ziehen. Die sparta- nischen Zustände waren vor Xenophon von Kritias beschrieben worden, der im Jahre 403 als das gefürchtetste Mitglied der Dreissig um’s Leben kam. In den aristokratischen Kreisen Athens, denen Kritias ange- hörte, war es, seitdem Kimon den Ton angegeben hatte, Modesache, mit der Bewunderung der spartanischen Einrichtungen und Sitten zu coquettiren; wie man in dem perikleischen Kreis hierüber dachte, zeigt sich in dem von nationalem Stolze erfüllten Vergleich, welchen Thuky- dides im Epitaphios den Redner zwischen dem athenischen und dem spartanischen Wesen ziehen lässt. Eine bestimmte Vorstellung von der Schrift des Kritias über Sparta ist aus den wenigen erhaltenen Frag- menten schwer zu gewinnen. Allgemein, wie es scheint, wird angenom- men, Kritias habe mehrere Politien verfasst, in denen von den griechi- schen Hauptstaaten besonders gehandelt war. Diese Ansicht gründet sich darauf, dass eine Aussage über die Üppigkeit und Prachtliebe der Thessaler als ev rn moAıreia OeooaAwv stehend angeführt wird?. In anderen Excerpten, die als aus der IloArreia Aauredauoviov stammend bezeichnet sind, sind oder waren Sitten und Gebräuche verschiedener griechischer Staaten oder Völkerschaften, darunter der Thessaler und Athener, mit den spartanischen zusammengestellt. Eine derartige ver- gleichende Betrachtungsweise scheint mir mit der Annahme, Kritias habe die Politien der Spartaner, Thessaler, Athener und vielleicht noch anderer griechischer Hauptstaaten jede für sich beschrieben, un verträglich zu sein. Ich schliesse aus den erhaltenen Fragmenten, dass in der Schrift über Sparta durchgehend die Zustände in anderen griechischen Staaten zum Vergleich herangezogen waren, so, dass das Licht auf Sparta fiel, die Institutionen und Zustände anderer Staaten den spartanischen als Folie dienten. Durch das vereinzelte Citat ev ın moXıreia OeooaAov wird diese meine Auffassung nicht umge- stossen; dass, wenn in der Schrift über Sparta die Verhältnisse in Wenn das die einzig mögliche Erklärung wäre, so würde den Schriftsteller Xenephon der Vorwurf treffen, seinen Lesern ein Räthsel aufgegeben zu haben. Das En des Nachsatzes ist als, allerdings unlogisch, aus dem Vordersatz wiederholt zu fassen. Ein ähnlicher logischer Fehler liegt c.8,5 vor, wo es statt 10 mudoxpnoroıs vouos mei- deodaı correct hätte heissen müssen To Trois vouoıs meiderda. Für gleichzeitige Ab- fassung hat sich auch Epvarn Meyer, der früher anders geurtheilt hatte, neuerdings ausgesprochen (Forschungen zur alten Geschichte S. 249). ! Die Abfassungszeit der Schrift war schon von Coser wesentlich richtig be- stimmt worden (Nov. lect. S.721f., um 380). ?2 Athen. XIV 663a vgl. XII 527a. 368 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 19. März. anderen griechischen Staaten mitbeschrieben waren, ein Mal eine auf die Thessaler bezügliche Aussage als ev rn moAıreia OeooaAov stehend angeführt werden konnte, wie wenn es eine Schrift des Kritias über die Thessaler gegeben hätte, ist begreiflich. Eine zutreffende Parallele zu der vorauszusetzenden Beschaffenheit der Schrift des Kritias bietet die MoAıreia Aakedaruoviov Xenophon’s, in welcher die spartanischen Institutionen, um ihre Vorzüglichkeit zu erweisen, ebenfalls den In- stitutionen anderer griechischer Staaten gegenübergestellt werden. Aufschluss über die Disposition der Schrift des Kritias gewährt ein Fragment, welches augenscheinlich in den Anfang der Schrift gehört. "Apyouaı de Toı, heisst es da, dmo yYeverns avdpwnov. Ws av BEeATIoTos TO F@ua YEvorto Kal ioyvporaros, ei 6 durevov Yuu- valoıro kal Eodioı Eppwuevws Kal TAAUUTWPOM TO VOuad, Kan uNTnp Tov maniov TOoV ueAAovros Ereodar, ioyvoı TO owua Kal Yuuvaloırro (Cem. Arzx. Strom. Vl2, 9). Dass das unter Kritias’ Namen, aber ohne Angabe des Buches überlieferte Citat aus der Schrift über Sparta stammt, ist aus dem Hinweis auf die körperlichen Übungen der Frauen zu folgern, welcher nach Sparta führt; entscheidend ist auch hier der Vergleich der IloAıreia Aakedarnoviov Xenophon’s, der nach den Eingangsworten fortfährt: aurika Yap Tepi Tekvomollas, va && apyns ap£wuaı KTA. Der Schluss ist nicht abzuweisen, dass Xeno- phon sowohl in der Anordnung seiner Schrift wie in der vergleichen- den Gegenüberstellung der spartanischen und der Institutionen anderer griechischer Staaten sich nach der älteren Schrift des Kritias gerichtet hat. Wie Xenophon, muss Kritias im ersten Theil seiner Schrift von der Erziehung der weiblichen und männlichen Jugend gehandelt haben; die politische Verfassung, die Regierungsbehörden werden bei der vorauszusetzenden systematischen Anordnung der Schrift ähnlich wie bei Xenophon beiläufig zur Sprache gekommen sein; mit Recht ist hervorgehoben worden, dass, was von den Fragmenten des Kritias hierher gehört, sich ausschliesslich auf die Lebensführung der Bürger und auf sociale Verhältnisse bezieht. Die Berührungspunkte zwischen den Schriften Xenophon’s und seines Vorgängers sind aber hiermit nicht zu Ende. Zu den auf- fallenden Dingen, die mit dem Gedächtniss des Kritias verknüpft sind, gehört, dass der Prosaschrift über Sparta eine metrische Schrift zur Seite ging, die ein Mal unter der Bezeichnung Eunerpoı moATeiaL angeführt wird und die sich, wie durch die Fragmente bewiesen wird, inhaltlich im Wesentlichen mit jener deckte. Ein echtes Kind des ausgehenden fünften Jahrhunderts hatte Kritias, der Schüler der So- phisten wie des Sokrates, seine vielseitige Begabung und Bildung auf so ziemlich allen in der damaligen Zeit gangbaren Gebieten der Prosa- Könter: Über die Moxıreia Naredaıoviov Xenophon’s. 369 litteratur und Poesie bethätigt, bevor er sich in vorgerückten Lebens- jahren in den Strudel des politischen Lebens stürzte'; ein hervor- ragend politischer Kopf wie sein Geistes- und Gesinnungsverwandter Alkibiades ist er sicher nicht gewesen, wenn er auch als Mitglied der Dreissig schärfer in der Sachlage gesehen haben mag als die Mehr- zahl seiner Collegen; er würde sonst auch den litterarischen Ruhm dem politischen Einfluss nicht vorangestellt haben. Den absonderlichen Ge- danken, denselben Gegenstand in Prosa und in Versen zu behandeln, kann Kritias wohl nur aus Eitelkeit und um der Reclame willen gefasst haben. Von der Elegie ist ein längeres, durch eine Auslassung leider unterbrochenes Stück übrig, welches sich auf die Syssitien, insbe- sondere auf das Trinken während der Mahlzeiten bezieht; aus dem- selben Zusammenhang stammt ein kleines Fragment der Prosaschrift. Uber das Trinken auf den Syssitien lässt sich auch Xenophon aus (5; 4). Nachdem Xenophon zuerst von der, von Lykurg verordneten Frugalität der Speisen gesprochen hat, fährt er fort, der Gesetzgeber habe ras oUk avaykalas mooeıs von den öffentlichen Mahlzeiten ver- bannt und im Übrigen Jedem der Tischgäste freigestellt, nach seinem Durste zu trinken. Worauf das geht, insbesondere was mit den OUK Avaykaaı moceıs gemeint ist, erhellt aus den Fragmenten des Kritias. Nach der Beschreibung des Kritias trank man sich weder zu noch wurde Reih um getrunken, wie im übrigen Griechenland, wo man sich entweder wie in Thessalien gegenseitig zutrank oder die Becher wie in Athen rechtsum kreisten; Jeder hatte seinen eigenen Becher vor sich stehen, aus welchem er ausschliesslich trank; die ! Kritias erscheint als politisch thätig zuerst in dem Übergangsstadium zwischen dem Sturze der Vierhundert und der Wiederherstellung der demokratischen Institutionen, und zwar in der Reihe der gemässigten Oligarchen, die ihr Haupt in Theramenes hatten (von dem unlauteren Zeugniss in der Rede gegen Theokrines, nach welchem Kritias zu den Vierhundert gehört hätte, sehe ich ab). Den Antrag auf die Heimberufung des Alkibiades, der von Samos aus der Beschränkung des activen Bürgerrechts auf die besitzende Klasse zugestimmt hatte (Thuk. VIII 86), muss Kritias gleich nach dem Sturze der Vierhundert gestellt haben, wie Thukydides auch andeutet (VIII 97). Nach der Wiederherstellung der Demokratie hat er Athen verlassen müssen; wie anzunehmen ist, hatte er sich der Restauration widersetzt (daher die Bezeichnung als woroönuoraros ev rn Önnorparia in der Rede des Theramenes bei Xen. Hell. II 3,47); als Urheber seiner Verbannung ist Kleophon, das Haupt des wieder zur Herrschaft gelangten Demos, durch die Stelle in der Rhetorik des Aristoteles ausreichend bezeugt. Aus dem Exil ist Kritias erst nach dem Fall Athens heimgekehrt; über seine Wirksamkeit in Thessalien wird sich erst urtheilen lassen, wenn die thessalischen Verhältnisse auf- geklärt sein werden; auf die darauf bezügliche Aussage Xenophon’s lässt sich ein sicheres Urtheil nicht gründen. Die litterarische Thätigkeit des Kritias muss natur- gemäss in der Hauptsache in seine frühere Zeit fallen; von den bekannten Schriften gehört nachweislich allein die Elegie an Alkibiades in die letzte Periode seines Lebens (und zwar wahrscheinlich in die Zeit, nachdem er Athen verlassen hatte); die Schrift über Sparta dieser ebenfalls zuzuschreiben hat man keinen triftigen Grund. Vergl. FeErDınannp Dünnter im Hermes 1892 S. 265f. 370 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 19. März. aufwartenden Sklaven hatten darüber zu wachen, dass nie ein Becher leer wurde. Daher war nach der poetischen Schilderung des Kritias das maasslose Trinken, welches anderwärts die Bürger an Geist, Körper und Vermögen schädigte, ausgeschlossen; man trank genug, sich heiter zu stimmen, aber während der Mahlzeiten herrschte die Zwcbpoovvn; es fielen keine aioypot Aoyoı und auch die aufwartenden Diener 'be- trugen sich anständig. Die für alle gleiche Diät, damit schliesst das Fragment, erhält die Spartaner gesund und kräftig für körperliche Anstrengungen'. Dieselben Gedanken, zum Theil etwas anders ge- wendet, kehren wieder bei Xenophon. Das Gewicht dieser Beob- achtung wird dadurch verstärkt, dass Kritias und Xenophon in der Auffassung der Syssitien als einer dem sittlichen und materiellen Wohl der Bürger dienenden, nach Xenophon von dem Gesetzgeber für diesen Zweck geschaffenen Einrichtung zusammenstehen gegen Herodot und Platon, Ephoros und Aristoteles, von denen die beiden Erstgenannten die gemeinsamen Mahlzeiten zu den militärischen Institutionen des spartanischen Gesetzgebers gerechnet, Ephoros und Aristoteles den- selben eine social-politische Bedeutung beigemessen haben. Das mora- lische Verdammungsurtheil, welches Xenophon in den Amouvnuovev- para (1 2,12) über Kritias fällt, hat nicht verhindert, dass er bei der Abfassung der IloAıreia Aakedaruoviwv nicht allein äusserlich, in der Anlage und Disposition, sich nach der Schrift seines Vorgängers gerichtet, sondern, wenigstens was die Syssitien anlangt auch dessen Auffassung und Gedanken sich angeeignet hat. Ob in der Schrift des Kritias über Sparta die militärischen In- stitutionen, denen Xenophon, allerdings nicht allein aus sachlichen Gründen, einen längeren Abschnitt gewidmet hat, besonders behandelt waren, ist vielleicht zu bezweifeln; von den erhaltenen Fragmenten spricht keines dafür; die von Xenophon in dem Abschnitt über den Felddienst (12,4) angeführte Vorschrift, welche den Spartanern gebot auch im Lager wegen der dem Heere beigegebenen Heloten die Lanze nicht abzulegen, findet sich in einem der Prosafragmente des Kritias (Liban. I S5 Rske.) in einem andern Zusammenhange, nämlich an einer Stelle, an welcher Kritias von dem Verhältniss der Spartaner zu den Heloten gehandelt hatte, während Xenophon in seiner Schrift die Höri- gen sowohl wie die Unterthanen und die Classe der des Homöenrechtes nicht theilhaften Spartaner (drroueioves) geflissentlich ignorirt und immer nur an die herrschende Gemeinde gedacht wissen will. Aber das ist nebensächlich; dagegen liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen den ' Athen. X 432d, das Prosafragment Athen. XI 463e. Den Anfang des metri- schen Fragmentes lese ich: kai 100° Eos Zmaprn jeNermua Te Keiuevov Earı | mivew Tijv abrov (st. ryv aurıv) oivoopov KUNIKa. Könter: Über die /loXrreia Aaredarnoviov NXenophon’s. 374 Schriften der beiden Autoren darin, dass, während Xenophon alle zur Be- sprechung kommenden Einriehtungen oder Gebräuche auf Lykurg zurück- führt und gewissermaassen als Exeget des Gesetzgebers redet, in keinem der Fragmente des Kritias auf Lykurg oder den Gesetzgeber Bezug ge- nommen ist. Verbindet man hiermit die andere Thatsache, dass in der Tradition über Lykurg Kritias nie allein oder mit anderen als Zeuge genannt ist, so wird man zu dem Schlusse gedrängt, dass Kritias, ähnlich wie die gleichzeitigen Historiker Hellanikos und Thuky- dides, den spartanischen Gesetzgeber ignorirt und damit die geschicht- liche Existenz Lykurg’s in Zweifel gestellt, wenn nicht negirt hatte. Ich halte es auch nach den neuesten, einschneidenden Untersuchungen über die Lykurglegende nicht für zwecklos, das, was Xenophon in seiner Schrift gelegentlich über Lykurg aussagt, einer näheren Be- trachtung zu unterziehen. Xenophon will an einer Stelle (ce. 8) er- klären, wie es gekommen sei, dass die Bürger in Sparta den Obrig- keiten und Gesetzen mehr gehorchen als in anderen griechischen Staaten. Er führt drei Gründe zur Erklärung an: erstens habe Lykurg, bevor er an das Gesetzeswerk ging, die kparıoroı in der Bürgerschaft für seine Ideen gewonnen, seitdem gingen die vornehmen Bürger der Menge in der Unterwürfigkeit gegen die Obrigkeiten mit gutem Beispiele voran; zweitens, er habe, unterstützt von den kparıoroı, in dem Ephorat eine starke, mit Straf- und Coereitivgewalt gegen Private und Beamtete bekleidete Behörde eingesetzt'; drittens endlich, er habe seine Gesetze " Die Behauptung Evvarnp Mryer’s (Forsch. z. a. Gesch. S. 248), in der Aussage Xenophon’s über die Creirung des Ephorats liege, dass Xenophon die in der späteren Zeit herrschende Ansicht, nach welcher das Ephorat nicht zu den Institutionen Lykurg’s gehört hatte und jüngeren Ursprungs war, bereits gekannt habe, beruht auf ungenauer Exegese; eixöos bezieht sich nicht auf die Einrichtung des Ephorats, sondern lediglich auf die Mitwirkung der »panoro: bei dem Act. — Die Auslassung Xenophon’s über die Macht der Ephoren hat die Commentatoren ohne Grund in Verlegenheit gesetzt. Nachdem Xenophon bemerkt hat, dass die Ephoren befugt waren Geldbussen über Bürger jedes Standes zu verhängen und sofort einzuziehen, und pflichtvergessene Beamte zu suspendiren, zu verhaften und auf den Tod anzuklagen, fährt er fort: Tooauryv de Eyovres Ölvazıy ob Worep ai aNNaı moNeıs Encı (ol Ebopor) roVs aipehevras del üpxeiv TO Eros ömwos av BovAwvraı, AAN Gomep oi TUpavvor Kal oil Ev ToIs yYuuvıroıs ayacıv emordraı, nv Tıva aiodavovrar mapavouovvra Tı, eudvs rapaypnua koAdlovar. Xenophon will den Unterschied zwischen den Zuständen in Sparta und in anderen griechischen Staaten hervorheben; während in diesen, meint er, die Beamteten erst am Ende ihres Amtsjahres zur Verantwortung gezogen werden (in Athen durch die evdvva), ist in Sparta die Sache so, dass Vergehen der Beamteten durch die Ephoren auf der Stelle geahndet und dadurch einem weiteren Amtsmissbrauch vorgebeugt wird. Die von Dixvorr und A. aufgenommene Conjectur Eyovras für Exovres ist eine Schlimmbesserung von der ärgsten Sorte. Wohl aber wird statt rooauryv besser gelesen werden roıavryv, da es hier nicht sowohl auf den Grad wie auf die Beschaffenheit ankommt. Der Vergleich der ab- soluten ‚Gewalt der Ephoren mit der Tyrannis, der den Spätern geläufig ist (Aristot. Pol. 12705 dia TO mv dpyiv eivar Nav ueyaıyv kal inorvpavvov; 1265 a.E. Plat. de legg. 1V 712 D), begegnet an dieser Stelle zum ersten Mal. 372 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 19. März. vor der Verkündigung durch einen Spruch des delphischen Orakels sancetioniren lassen. Die Frage, wie es Lykurg möglich gewesen sei, seine harten Gesetze den Spartanern aufzuerlegen, hat frühzeitig die Geister beschäftigt; man liess ihn die Gesetze als Vormund und Stell- vertreter des einen von den beiden Königen, seines Neffen, eingeführt haben. Dass Lykurg sich vor der Gesetzgebung unter den kparıoroı eine Partei gebildet habe, spricht Xenophon als seine persönliche Mei- nung aus, die er durch ein rekunpiov begründet; und wir haben keine Ursache, ihm das zu bestreiten. Was Xenophon als seine Vermuthung vorträgt, wird von den Spätern als Thatsache berichtet; man brachte damit die Einrichtung der Gerusie in Verbindung; ein Niederschlag der gelehrten Discussion hinsichtlich der Zahl der Geronten, die sich hieran knüpfte und an der Aristoteles und Sphairos betheiligt waren, liegt bei Plutarch im Lykurg (ce. 5) vor. Damit hängt es ohne Zweifel zusammen, dass die Spätern Lykurg nicht als Stellvertreter seines un- mündigen Neffen die Gesetze geben lassen, sondern als dieser König war, mit verschiedener Motivirung. Wie sich Xenophon das Ver- hältniss Lykurg’s zu den Königshäusern der Herakleiden gedacht hat, ist aus seinen Äusserungen über die Einführung der Gesetze nicht zu entnehmen. An einer anderen Stelle der Schrift, an welcher er das hohe Alter der lykurgischen Gesetze betont (9, 8), lässt er den Schöpfer des spartanischen koouos, ohne für seine Person eine Bürgschaft dafür übernehmen zu wollen (Aeyeraı), in der Zeit der dorischen Einwanderung gelebt haben, kara rovs HparXeidas, wie er es ausdrückt. Nach dieser Aussage kann es scheinen, als wenn Xenophon Lykurg gar nicht als zum Geschleehte der Herakleiden ge- hörig angesehen hätte; jedenfalls kann er ihn nicht in Beziehung zu einem bestimmten König, sei es nun des Hauses der Agiaden, wie es in der bei Herodot vorliegenden Tradition der Fall ist, sei es des Hauses der Eurypontiden, wie in der jüngeren Tradition, gesetzt haben. Nach der Ansicht Xenophon’s hatte Lykurg die von ihm entworfenen Gesetze durch den delphischen Gott gutheissen lassen; er hatte sich zu diesem Zweck, begleitet von den kparıoroı, nach Delphi begeben. Auch diese Auffassung ist Xenophon eigenthümlich. Herodot trägt bekanntlich zwei Aoyoı über den Ursprung der lykurgischen Gesetze vor; nach dem einen Aoyos hatte Lykurg die Gesetze von Kreta in Lakonien eingeführt; nach dem anderen Aoyos waren sie ihm von dem delphischen Apollon eingegeben worden. In der jüngeren Tradition sind die beiden Aoyoı Herodot’s in der Weise verbunden und um- gebildet, Lykurg habe, nachdem er sich auf Kreta mit den dortigen Einrichtungen bekannt gemacht hatte, sich mit dem delphischen Orakel in Betreff der in Sparta einzuführenden Gesetze berathen. Nach der 2 Könter: Über die Moxıreia Aakedaoviov Xenophon's. Sl in der Schrift Xenophon’s vorgetragenen Ansicht waren die sparta- nischen Gesetze ein geistiges Product Lykurg’s; die Betheiligung des delphischen Orakels an der Gesetzgebung war darauf beschränkt ge- wesen, dass das Orakel auf Lykurg’s Veranlassung die von ihm ent- worfenen Gesetze gebilligt und dadurch sanctionirt hatte. Es ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse zu constatiren, dass Xenophon in der Tradition über Lykurg und seine Gesetzgebung eine mehr oder weniger selbständige Stellung einnimmt. Die Anregung zur Abfassung seiner Schrift über Sparta kann Xenophon durch die mehr als dreissig Jahre ältere Schrift des Kritias, die ihm in der Form und im Inhalt in manchen Stücken als Richt- schnur gedient hat, gewiss nicht erhalten haben. In älterer und neuerer Zeit ist der Schrift Xenophon’s eine praktische Tendenz bei- gemessen worden, aber in der Bestimmung der der Schrift, wie man gemeint hat, zu Grunde liegenden Absicht, eine praktische Wirkung hervorzubringen, gehen die Ansichten weit aus einander. Die Genesis der Schrift ist in der neueren Zeit aus den in den ersten Jahrzehnten des vierten Jahrhunderts in Sparta herrschenden politischen Zuständen erklärt worden; die Schrift soll von dem in der Heimath verbannten und als Schützling Spartas im Peloponnes lebenden Autor im Auftrag oder wenigstens im Sinne seines Gönners und Freundes, des Königs Agesilaos verfasst worden und gegen die Reform- oder Umsturzpartei gerichtet gewesen sein, welche der Sieger im Kriege mit Athen, Ly- sander, wie man meint, in’s Leben gerufen hatte!. Ich halte diese Ansicht für unbegründet und irrig; sie beruht auf einer meines Er- achtens fehlerhaften Auffassung der spartanischen Verhältnisse. Dass Lysander nach den Zurücksetzungen, die ihm am Schlusse des grossen Krieges seitens der Regierungsgewalten in seiner auswärtigen Politik, allerdings nicht unverschuldet, bereitet wurden, sich mit Umsturz- gedanken getragen hat, ist psychologisch gerechtfertigt, und es ist glaubhaft bezeugt, dass er in der letzten Periode seiner Laufbahn die Einführung eines Wahlkönigthums an der Stelle des bestehenden erb- lichen Königthums im Schilde geführt hat, eine Reform, die, wenn sie verwirklicht worden wäre, den Bruch der Macht der Ephoren im Staate voraussichtlich im Gefolge gehabt haben würde. Aber Lysander war zur Zeit des Erscheinens der Schrift Xenophon’s, wenn diese, wie ich glaube, in der ersten Hälfte der siebziger Jahre verfasst ist, seit nahezu zwanzig Jahren nicht mehr unter den Lebenden, politisch war er seit ! Ausgeführt ist die These in dem Buche von Bazın, La republique des Lacede- moniens de Xenophon 1885, der indess die Abfassung der Schrift (mit Ausnahme des 14. Capitels) in das Jahr 394 setzt. Mit dem Kreise des Königs Agesilaos hat die Schrift Xenophon’s zuerst Coser (Nov. lect. S. 709 ft.) zusammengebracht. 374 Sitzung der philosophiseh-historischen Classe vom 19. März. dem Ende des peloponnesischen Krieges ein todter Mann, wenn er auch noch ein Mal ein selbständiges militairisches Commando geführt hat. Eine Partei hat Lysander nicht hinterlassen. Dass es eine Reformpartei unter der Führung Lysander’s nieht gegeben hat, ist in den Geschichten von seinen Bemühungen, eines von den Orakeln in Delphi Dodona und der Oase Siwah als Werkzeug für seine dunkeln Pläne zu gewinnen, in- direet ausgesprochen. In der That war die Gemeinde der spartanischen Homöen, deren Existenz auf der Herrschaft im Lande begründet war, kein Boden für Reform- oder Umsturzparteien. Die Einsicht, dass das Herrenrecht im Lande wesentlich auf der von den Vätern geschaffenen Staatsordnung beruhe und dass bei jeder Umgestaltung dieser die Gefahr entstehen würde, zugleich mit der Form werde auch der Inhalt in die Brüche gehen, stand auch den weniger gebildeten Mitgliedern der herrschenden Classe offen. Daher hat der spartanische Staat als soleher auch die Zertrümmerung seiner äusseren Machtstellung durch die Schlacht von Leuktra überstehen können. Umsturzpläne sind in der spartanischen Gemeinde im Laufe des fünften und des vierten Jahr- hunderts aus Ehrgeiz oder gekränkter Eigenliebe mehr als ein Mal ge- schmiedet worden; diese Unzufriedenen gehörten meist den Königs- häusern an; am nächsten liegt hier das Beispiel des Königs Pausanias, des Zeitgenossen Lysander’s, welchem Aristoteles (Pol.13015) nach Ephoros das Projeet zuschreibt, das Ephorat zu stürzen. Eine ernste Gefahr war von diesen auf eine Änderung des Regierungssystems ge- richteten Bestrebungen einzelner Mitglieder der herrschenden Classe und ihrer persönlichen Anhänger nicht zu besorgen; das wird durch das Schicksal Lysander’s, in dessen Seele sich verletzter Stolz und un- gemessener Ehrgeiz als treibende Motive verbanden, am besten be- wiesen. Eine wirkliche Gefahr erwuchs dem Staate, wenn sich in der Classe der vom Homöenrecht ausgeschlossenen Spartaner der Geist des Umsturzes regte, wie die Verschwörung des Kinadon im ersten Jahre des Königthums des Agesilaos gezeigt hat; dass die Schrift Xenophon’s auf diese Kreise berechnet gewesen sei, wird Niemand behaupten wollen. Hätte die Schrift den neuerdings ihr zugeschriebenen oder überhaupt einen ähnlichen Zweck gehabt, so würde der Autor von dem seiner Auffassung nach vor Kurzem eingerissenen Verfall der Zucht und Sitte der Väter ausgegangen sein und nicht beiläufig in ein paar -Sätzen davon gesprochen haben, die an einen nachträglichen Zusatz haben denken lassen. Nach einer älteren Ansicht hat Xenophon die FToArreia Naxe- Öaunoviov verfasst in der Absicht, den übrigen Hellenen in der Be- schreibung des lykurgischen Staates ein Muster zur Nachahmung auf- zustellen. Diese Auffassung, die auch jetzt noch ihre Vertreter hat, Könter: Über die Moxıreıa Aakedaroviov Xenophon’s. 375 stützt sich auf den -wie ein Faden sich durch die Schrift ziehenden Vergleich mit den übrigen griechischen Staaten. Aber diesen Be- standtheil hat Xenophon, wie wir sahen, der Sache nach der Schrift des Kritias entlehnt; in einer im Dienste einer Partei in Sparta ver- fassten Schrift wäre die Parallele jedenfalls ganz deplacirt gewesen. Der Gedanke, die lykurgischen Institutionen, das Heerwesen einbe- griffen, den Feinden Spartas in einer zu diesem Zwecke verfassten Schrift zur Nachahmung zu empfehlen, konnte Xenophon, solange er als spartanischer Schützling in Skillus lebte, wenn er nicht unglaub- lich harmlos war, nicht kommen. Die Frage der Genesis eines Schriftwerkes ist, wofern nicht der Autor selbst wenn auch nur indireet darüber Auskunft giebt, von allen Fragen der höhern Kritik die heikelste und mit absoluter Sicher- heit überhaupt nur in seltenen Fällen zu beantworten. In Fällen, wo jeder Fingerzeig seitens des Autors fehlt, muss für die Unter- suchung neben dem Inhalt die Abfassungszeit maassgebend sein. In der Zeit, in weleher Xenophon die [Iorıreia Aakedaoviwv verfasst hat, ist nach Ermittelungen, deren Ergebniss ich keinen Grund habe zu misstrauen, die /loAıreia Platon’s in die Öffentlichkeit gelangt; nach diesen Ermittelungen hat Platon den 'Staat' innerhalb des Zeit- raums zwischen 380 und 370 abgeschlossen‘. Den gewaltigen Ein- druck, welchen das epochemachende Werk bei dem Erscheinen in den gebildeten Kreisen, nicht zum wenigsten in dem Kreise der So- kratiker, hervorgebracht haben muss, kann auch der moderne Leser ermessen. Ich glaube, dass Xenophon, der als politischer Verbannter den Zusammenhang mit dem geistigen Leben seiner Vaterstadt nicht aufgegeben hat, durch die Leetüre des Buches Platon’s vom Staate, welches ihm bald nach der Publication bekannt geworden sein muss, zur Abfassung der kleinen Schrift über das spartanische Staatswesen angeregt worden ist. Dem Entwurf des reinen Vernunft- oder Ideai- staates in dem Werke Platon’s steht das spartanische Staatswesen in der Beschreibung Xenophon’s als der beste unter den in der Wirk- lichkeit existirenden Staaten zur Seite; dass das reale Object in dieser Auffassung ideal verklärt erscheint, ist, auch abgesehen von der Per- sönlichkeit des Verfassers, begreiflich. Wie Platon in seinem Buche sich an die Stelle des Nomotheten versetzt und von diesem Stand- punkt aus auf speculativem Wege den Staat der Zukunft in den Grund- zügen entwirft, sind in der Schrift Xenophon’s nicht sowohl die spar- ! S. Susemmr, Die genetische Entwickelung der plat. Philos. II S. 296 (zw. 380 und 370); ZELLER, Philosophie der Gr. Il ı4 S. 554 (um 375); Ferv. Dünnter, Chrono- logische Beitr. zu einigen Platon. Dial. 1890 (rund zw. 380 und 375) und Zur Composi- tion des Plat. Staates 1895 S. 32 (nicht lange nach 380). os [37 Sitzungsberichte 1896. 376 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 19. März. tanischen Institutionen selbst, deren Kenntniss meist vorausgesetzt wird. beschrieben, wie die aus denselben erschlossenen ethischen und andere Motive und Tendenzen des Gesetzgebers. Wenn man der Schrift Nenophon’s den ihr angemessenen Titel geben wollte, so müsste derselbe lauten: Von dem Geiste der Gesetze Lykurg’s, wepi ns aiperews rov Avkovpyov vouwv. Dass Xenophon, den Niemand für einen originellen Geist wird erklären wollen, seine Schrift, so wie sie ist, eoneipirt hat, ohne von aussen her dazu angeregt worden zu sein, muss, wie mir scheint, von vorn herein bezweifelt werden. Den Zusam- menhang in Einzelheiten nachweisen zu wollen, ist misslich, weil Platon in seinem Entwurf des Zukunftstaates sich notorisch an Einrichtungen des spartanischen Staates, nach ihm einer Abart oder Missbildung des reinen und wahren Staates, angelehnt hat und daher die Beweisführung Gefahr läuft, sich im Zirkel zu bewegen; dazu kommt, dass Platon nicht der erste gewesen ist, der die ethisch-politische und sociale Saite angeschlagen hat. Aber die in ganz ungenügender Weise be- gründete Behauptung Xenophon’s, in Sparta habe eine kowwvia Tal- Öwv Kal xpnudrov existirt, wird eigentlich doch erst verständlich, wenn kurz vorher die Kinder- und Gütergemeinschaft als eine Grund- bedingung des vernunftgemässen Staates aufgestellt worden war, wie es im Werke Platon’s thatsächlich geschieht. Die auffallende Erschei- nung, dass Xenophon in seiner Schrift die Heloten und Periöken, d.h. die als Leibeigene und Unterthanen der Spartaner ackerbau- und ge- werbtreibende Bevölkerung des Landes ignorirt, hat in dem Buche Platon’s wenigstens eine Analogie, insofern als Platon auf das für die materiellen Bedürfnisse der Wächter und Regenten seines Staates aufkommende Andos näher auch nicht eingeht. Wenn Xenophon bei Gelegenheit der Syssitien von den oUk dvaykataı moceıs spricht, so erinnert man sich der Erörterung über die o0k dvaykataı ndoval in der Politie Platon’s (VIII 558f.), und so liesse sich vielleicht auch noch Anderes anführen. Aber ich bin mir bewusst, dass, wer nicht aus der vergleichenden Gesammtbetrachtung des Werkes Platon’s und des Essays Xenophon’s die Überzeugung eines genetischen Zusammen- hangs geschöpft hat, durch diese und ähnliche Erwägungen auch nicht zum Glauben an einen solchen bekehrt werden wird. Die floArreia NAaredauoviov steht, was die Klarheit der Gedanken und des Aus- drucks anlangt, hinter anderen Schriften Xenophon’s zurück; dieser nicht zu verkennende Unterschied muss es gewesen sein, welcher den Kritiker Dionysios Magnes bewogen hatte, die Schrift Xenophon ab- zusprechen. Ich habe beim Durchlesen der [loArreia Aakedauuoviwv immer die Empfindung, dass Xenophon, als er die Schrift eoneipirte, einer äusseren Anregung folgend sich eine für ihn subjeetiv und ob- Könter: Über die Moxıreia Naredauoviov Nenophon’s. 377 Jeetiv nieht lösbare Aufgabe gestellt hat; die Schrift hat in formeller und materieller Beziehung etwas Embryonenhaftes. Die Anregung, welehe Xenophon, wie ich glaube, durch die Leetüre des "Staates’ Platon’s erhalten hatte, hat nachgewirkt; in der in einer späteren Periode verfassten Kvpovraudeia hat Xenophon, von den geschicht- lichen Thatsachen absehend und in manchen Stücken an seine ältere Schrift sich anlehnend, in der ihm von Natur eigenen Klarheit und seichten Durchsichtigkeit das Idealbild eines weisen Monarchen und Reichsgründers ausgeführt. Ausgegeben am 26. März. 35* i N "i er Pr je at Ama nl Ar 2: un Ari LET TE Shih, rad Ari Be ne Fra an y. y ra a i bil iv ir bern neh, ni: D =, E | . a Fasil HEFT P ut kistun h E de EL } h Ay Er, k Aut Abba ulmdug dä " ri / s/ “pt Hua euer all TREE urn, AnklandV enleioatenkar ac N Pl DAEAIT öl nr 4 I; PER | y v Ben, a b “ iv eh Pati bi j Eh u N TE r 4 D u s D re Tr Y E: Fr j h E o " € en > u PM I Bi RS v . u bei ’ hr 2. 2 SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 19. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. pu Boıs-Reymoxn legte eine Abhandlung des Hrn. Geh. Med.- Raths Prof. G. Frırsch hierselbst vor: Über die Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaars. Er ' h j . na - Y Mae» | 3 Fr r Ft \ . r Ki, Kt Er e er in u“ PR MH _ = # u - 7 j um BER 1 ‚ i Mr ' ( Sn N % > L D ‚ 381 Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. Von Prof. Emm SELENKkA in München. (Vorgelegt von Hrn. Scnurze am 5. März [s. oben S. 221].) Winrend eines achtmonatlichen Aufenthalts in Borneo und Sumatra war ich bemüht, Embryonen des Orang-Utan und verschiedener Gibbon- Arten zu sammeln. Ein Theil des erbeuteten Materials gieng leider durch Schiffbruch verloren; doch gelang es einer Expedition erprobter Jäger, welche ich auf zehn Monate in das Nordwestgebiet Borneos schickte, den Verlust nahezu wieder zu decken. Es wurden im Ganzen einige Dutzend Embryonen des Orang-Utan und des Hylobates erbeutet und zahlreiche Schädel beider Affenformen nebst vielen Skeleten praeparirt. Meine Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der An- thropoiden sind noch nicht zum Abschlusse gelangt. Beiläufig mag hier erwähnt sein, dass der Embryo des Orang-Utan wie des Hylobates und Siamanga von einer Membrana deeidua reflexa umwuchert wird, und dass die Scheibenplacenta beider Formengruppen die grösste Ähn- lichkeit aufweist mit derjenigen des Menschen. Ich fasse hier meine Beobachtungen über die Rassen des Orang- Utan, ferner über einige Variationen der Schädelbildung und über das Milch- und Dauergebiss dieser Thiere zusammen. Die aus- führliche Arbeit über den Schädel des Orang-Utan, welche ich im Be- griff bin, in Gemeinschaft mit meinem Collegen Dr. J. Rayke zu Ende zu führen, wird noch im Laufe dieses Jahres als VI. Heft meiner »Stu- dien« zur Publication gelangen. An 300 Schädel des Orang-Utan (»orang« bedeutet Mensch, »utan « heisst Wald) wurden im rechtsseitigen Stromgebiete des Kapuas ge- sammelt. Über die erlegten Thiere wurde von einem verlässlichen Schweizer Jäger, mit welchem ich längere Zeit gejagt hatte und der von mir gut eingeschult war, Buch geführt. Nicht sowohl verschiedene Species, sondern nur Rassen oder Localvarietäten des borneanischen Orang-Utan vermag ich zu unter- 382 Sitzung der phys.-matl. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. scheiden. Diese Rassen sind durch natürliche Schranken von einander getrennt: in erster Linie durch Ströme und Flüsse, in zweiter durch Berg- und Hügelrücken. Da die grossen Ströme Borneos in Folge der täglichen Regengüsse niemals seicht werden oder gar eintrocknen und, aus inneren Gebirgen entspringend, in radiär ausstrahlenden langen Flussläufen das ausgedehnte Flachland durchziehen, so dass die ganze riesige Insel in ein Dutzend oder mehr Hauptsegmente getheilt wird, die wiederum durch Seitenflüsse und zahllose Kanäle sich in Neben- SBinesischeo Moser w rn y a“ } > Sarawak J ee Soländisch & u Dad MORE: Borneo YET 2 ER Genepai 2 a ® Kar Sandah Batangtu L Batangeu B edıntan Gegqnator — ST .— ,.Surom 7 EIN Br 2 an-S0uos sche eB IMWoröÖnrst-dekecborneo>. parzellen abgliedern — so erscheint das Eiland gewissermaassen als ein Süsswasser- Archipel, dessen einzelne Inseln und Halbinseln für alle Tieflandbewohner, welche weder schwimmen noch fliegen können, die Bedeutung abgeschlossener Gebietstheile haben. Die Orang-Utans sind nun weder Schwimmer noch Bergsteiger, und so wird es erklärlich, dass ein Fluss oder ein Bergrücken der Ausbreitung der Rassen eine wenn auch nicht unüberwindliche, so doch nur ausnahmsweise über- schreitbare Barriere entgegenstellt. Serenka: Die Rassen und der Zalınwechsel des Orang-Utan. 383 Die Verbreitungsbezirke der Gibbons sind weit ausgedehnter, da diese alle schmäleren Flüsse zu überspringen vermögen, indem sie sich, unterstützt durch die. Pendelbewegungen der Baumzweige, auf weite Entfernung durch die Luft schwingen, da sie ausserdem Bergrücken von mässigen Höhen ohne Schaden übersteigen. Sechs Rassen des Orang-Utan konnte ich im nördlichen Ka- “ puasgebiete unterscheiden. Die Blasrohrpfeile der Dajak haben die natürliche Verbreitung dieser hereulischen Affen offenbar wenig beein- trächtigt; denn einmal ist die Bevölkerung allzu dünn gesät, um einen erfolgreichen Vernichtungskampf gegen diese im Grunde harmlosen Geschöpfe auszuüben, und ausserdem schützt diese Affen der Aber- glaube, dass sie Menschen oder höhere Geister seien. Nebenstehende Karte gibt über die Wohnorte der beobachteten Orang-Utan-Rassen nähere Auskunft. Aus anderen als den hier verzeichneten Theilen Borneos erhielt ich keine Orang-Utans, obwohl ich auch den Süden der Insel, nämlich den Unterlauf des Banjer oberhalb Banjermassin, besuchte. Was die von WarracE im Sarawakgebiete erlegten Orang-Utans betrifft, so scheinen diese der hier aufgeführten Dadap-Rasse nahe zu stehen oder mit ihr identisch zu sein. Doch sind meine eigenen Er- fahrungen zu beschränkt, um diese Frage zu entscheiden. Denn als ich Sarawak durchzog, war unlängst ein Ukas erlassen, welcher die Jagd auf Affen untersagte, und nur einer persönlichen Unterredung mit dem Herrscher des Landes, dem Rajah Brooke, verdankte ich die Erlaubniss, eine beschränkte Anzahl von Menschenaffen zu schiessen. 1. Die Rassen. Sowohl die eingeborenen Dajaks, als auch die an den Küsten und Flussläufen ansässigen Malayen kennen drei Orang-Utan-Formen: ı. den Maias tschappan oder Maias pappan, von dunkler Haar- farbe und mit schwarzem Gesicht, das erwachsene Männchen durch mächtige Backenwülste geziert; 2. den Maias kessar oder Maias kesär, erkennbar an dem rostgelben oder rostrothen, struppigen Haar- kleide, der hellen Hautfarbe, dem derben Gliederbau und dem thieri- schen Gesichtsausdruck; das Männchen besitzt keine Wangenfalten; 3. den Maias rameh oder Maias orang, ausgezeichnet durch die stark" pigmentirte Haut, die dunkle Farbe des Haares und den »menschlichen« Ausdruck; die Männchen entbehren ebenfalls der Backen- wülste. — Allgemein verbreitet ist die Ansicht, dass die Tschappan- und Rameh -Männchen bisweilen gegenseitig die Weibchen austauschen 384 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. — eine Legende, die wohl ihren Grund darin hat, dass die Weib- chen dieser beiden Formen äusserlich nicht zu unterscheiden sind — dass sie dagegen die weiblichen Maias kesar verschmähen. Obwohl die hier aufgeführten sechs Rassen sich scharf gegen einander abgrenzen lassen, so macht sich innerhalb dieser Formen- kreise eine weitgehende Variabilität geltend. So finde ich z. B. bei mehreren Rassen vereinzelte Kleinschädel mit überraschend kleinem ' Gehirn, echte Nanocephalen im Sinne Vırcnow’s. Die Sagittalerista, erzeugt durch Vergrösserung der Temporalmuskeln, fehlt bisweilen selbst den ältesten Männchen, während sie bei den Weibehen niemals vorkommt. Grosse Verschiedenheiten bieten Form und Dicke der Hirn- kapsel, in zwei Exemplaren liegt ein echter »Papierschädel« vor. Form und Lage der Nasenbeine unterliegt den weitesten Schwankungen, und die Gestalt des Augenhöhleneingangs, des Hinterhauptloches zeigt noch bedeutendere Unterschiede als bei den Menschenrassen. Eine häufige Erscheinung ist die Berührung des Schläfenbeins mit dem Stirnbein, das Vorkommen eines os epiptericum: in drei Fällen wurde ein os japonicum beobachtet u. s. w. Die genaue Beschreibung und Würdigung dieser Befunde muss -der ausführlichen Publication vor- behalten bleiben. Die von mir im nördlichen Kapuas-Gebiete beobachteten Rassen des Orang-Utan lassen sich folgendermaassen kurz charakterisiren. DI A. Männchen mit Backenwülsten. ı. Landak-Rasse. Pithecus satyrus landakkensis. — 22 Schädel. Behaarung tief rothbraun, selten braungelb. Schädel mikrencephal (kleinhirnig); er misst beim Männchen 450-420, im Durchschnitt 430'°””, beim Weibchen 390-350, im Durchschnitt 370°”. Makro- gnath (langkiefrig). Selten finden sich vierte Molaren. Vorkommen: im Landak’schen (Landstrich nahe der nördlichen Westküste Borneo’s). 2. Batangtu-Rasse. P. satyrus batangtuensis. — 10 Schädel. Haar tief braun. Schädel mikrencephal (kleinhirnig); er misst beim Männ- chen 437-400, im Durchschnitt 420°”, beim Weibehen 420-350, im Durchschnitt 380°”. Makrognath (langkiefrig). Die Rasse zeigt einen ausgedehnten Verbreitungsbezirk, nämlich vom rechten Ufer des Ketungau-Flusses bis abwärts am rechten Ufer des Kapuas-Stromes nahe Batangtu. b 3. Dadap-Rasse. P. satyrus dadappensis. — 38 Schädel. Haar dunkel rothbraun. Schädel megalencephal (grosshirnig), nämlich beim Männchen 534-470, im Durchschnitt 500°””, beim Weibchen 490-360, SEeLEnkA: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. 385 cbem im Durchschnitt 440 messend. Makrognath (langkiefrig). Wohn- bezirk am linken Katungau-Ufer, in der Umgebung des Dadap-Berges (nördlich vom Genepai). B. Männchen ohne Wangen wülste. 4. Genepai-Rasse. P. satyrus genepaiensis. — 26 Schädel. Haar tief rothbraun. Schädel mikrencephal (kleinhirnig); er misst beim Männchen 435-390, im Durehschnitt 410°”, beim Weibchen 410 -360, im Durchschnitt 370°”. Makrognath (langkiefrig). Simognath, d. h. der vordere Schnauzentheil des Ober- und Unterkiefers ist stark nach aufwärts gebogen. Vorkommen: am linken Ufer des Katungau, in der Nähe des Berges Genepai. 5. Skalau-Rasse. P. satyrus skalauensis. Sg Schädel. Haar dunkelbraunroth. Schädel megalencephal (grosshirnig), nämlich beim Männchen 500-440, im Durehsehnitt 480°, beim Weibehen 440-330, im Durehschnitt 380” messend. Brachygnath (kurzkiefrig). Ver- breitung am linken Ufer des Katungau, westlich vom Dadap- Gebiete. Als Unterrasse, vielleicht nur als eine Art Familientypus, kann die Rantai-Rasse, P. satyrus rantaiensis, betrachtet werden. Die 9 mir vorliegenden Schädel von Rantai (nordwestlich vom Skalau- gebiete) zeichnen sich aus durch auffallend geringe Capacität; sie sind mikrencephal und messen beim Männchen 430-340, im Durech- schnitt 380°, beim Weibchen 335—-321°””, im Durchschnitt 340°”. Das Haar ist tiefbraun, der Schädel brachygnath. Da das Wohn- gebiet dieser Thiere nicht durch nennenswerthe Barrieren, wie Gebirge oder Flüsse, geschieden ist, verdient diese Unterrasse vielleicht nur den Namen einer zufälligen, kurzlebigen Nebenform. 6. Tuak-Rasse. P. satyrus tuakensis. Haar straff und derb, rostgelb bis rostroth. Haut röthlich, wenig und dann nur bräun- lich pigmentirt. Gestalt plump, Gesichtsausdruck roh. Von den Ma- layen Maias kesär d. i. grober Maias genannt. Vertreter dieser Rasse kamen in früheren Zeiten am häufigsten nach Europa, da sie zäh- lebiger sind als die übrigen. Auch die Jungen zeigen schon das hell- farbene Haar. Sie sind in der Regel weniger gelehrig und scheuer, als die Maias rameh und tschappan. Aus den wenigen mir vor- liegenden weiblichen Schädeln kann ich nur entnehmen, dass die- selben mikrencephal und macrognath sind. Wir haben diese Rasse ausschliesslich am obern Mrekai-Flusse gefunden. Es ist aber wahr- scheinlich, dass eine hellfarbige Abart auch in anderen Gegenden Borneos vorkommt. Diesen borneanischen Abarten würden sich noch zwei sumatra- nische Rassen, die ich einstweilen unter dem Namen Pithecus suma- 386 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. tranus zusammenfasse, anschliessen. Beide sind auf den nordwest- lichen Zipfel der Insel beschränkt. 7. Deli-Rasse. P. sumatranus deliensis. Erwachsene Männchen besitzen breite Wangenfalten. Behaarung braunroth bis fuchsroth; Gesicht schwarz. Schädel (nach fünf, im Münchener Museum befind- lichen, von Hofrath Dr. Marrıy erbeuteten Exemplaren) mesencephal, beim Männchen 485-445”, beim Weibchen 340°” messend. Vor- kommen: im linken Stromgebiete des Langkat und in Deli. Diese »grössere« (?) Art wird von den Eingeborenen Mawas kuda oder Pferde-Mawas genannt. Es wäre wohl richtiger, diese Spielart als P. sumatranus lang- katensis zu bezeichnen; um eine Verwechselung mit der borneanischen Rasse P. satyrus landakkensis zu vermeiden, habe ich einen andern Namen gewählt, obwohl das Thier gegenwärtig in Deli sehr selten geworden ist. 8. Abong-Rasse. P. sumatranus abongensis. Über diese Rasse kann ich vorläufig nur von Hörensagen und nach Büchern berichten, dass die erwachsenen Männchen der Wangenwülste entbehren, und dass die Behaarung der Thiere dunkelbraun ist. Vorkommen: nörd- lich vom Stromgebiete des Langkat, in der Nähe des Berges Abong- abong. Wegen ihres »menschlichen« Aussehens und ihrer gracileren Körperform wird diese Spielart von den Malayen Mawas messiah oder Menschen-Mawas genannt. 2. Das Milchgebiss. Der Durchbruch der Milchzähne wurde aus sieben Kinderschädeln des Orang-Utan ermittelt. Die Reihenfolge des Erscheinens unter- liegt den grössten Schwankungen wie folgende Formeln beweisen, = \r " N a5: N se N 5 RR Ko SUN ER \t \r \ \t \ se N & .\ N \ \s OS ee N\ \ N 6 EN EN \ AN \ 8 Pe EN \ ge N IND & & \ yo N\ \ \ \ \ \ \ \ ie 8 | Canin. | 7 7 | Canin. 8 9 | Canin. 8 ıo | Canin. 8 | | | | | 6 | Praemol. II 5 6 | Praemol.11l | 5 Praemol. II | Praemol. II | | | | | 9 , Praemol. I 10 ıo | Praemol.1 9 6 | Praemol. I 7 | Praemol. I | 9 Unt. Ob. Unt. Ob. Unt. Oh. = ZUok Ob. aus 2 und r Q Schädel aus ı 5% und ı 2 Schädel ein * Schädel ein g* Schädel zusammengestellt. combinirt. Durchbruch der Milchzähne des Orang-Utan. SELENKA: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. 387 in denen die arabischen Zahlen die relative Zeitfolge des Durchbruchs bedeuten. Da die gleichnamigen Zähne in der rechten und linken Kieferhälfte gleichzeitig hervortreten, sind nur die rechtsseitigen Kieferhälften gezeichnet. Wo die Folge des Durchbruchs nicht mehr festzustellen war, sind die Zahlen weggelassen. 3. Das Dauergebiss. In der Entwickelung des Dauergebisses lassen sich fünf, oder falls überzählige Backenzähne vorhanden, sechs bis sieben Phasen unterscheiden. Erste Phase. Ausnahmslos kommen die vorderen Molaren zuerst zum Vorschein. Zweite Phase. Nach längerer Pause folgen die zweiten Mo- laren und alle Schneidezähne. Die Reihenfolge des Durchbruchs dieser 12 Zähne in OÖber- und Unterkiefer unterliegt individuellen Schwankungen, so dass ich nur zwei Regeln in der Rangordnung ihres Auftretens erkennen kann: ı. gleichnamige Zähne folgen ge- wöhnlich unmittelbar auf einander, und zwar erscheinen die des Ober- kiefers meistens früher als die des Unterkiefers; 2. äusserst selten brechen zwei benachbarte Zähne unmittelbar nach einander hervor. Dritte Phase. Nach längerer Pause erscheinen die vorderen und hinteren Praemolaren, in wechselnder Ordnung, aber rasch nach einander. Vierte Phase. Unmittelbar schliessen sich die Eckzähne an, die jedoch, zumal bei den Männchen, sehr langsam wachsen. Fünfte Phase. Den Eckzähnen folgen nach einer längeren Pause die dritten Molaren. Sechste und siebente Phase. Überzählige vierte und fünfte Molaren kommen erst zum Vorschein, nachdem die Eckzähne fast oder ganz vollkommen ausgebildet sind. Die folgenden Zahnformeln, in welchen die arabischen Zahlen die Reihenfolge des Durchbruchs der Dauerzähne bedeuten, sind aus je drei verschiedenen, im Wechsel befindlichen Gebissen zusammen- gestellt. Einen typischen Unterschied im Rhythmus des Durchbruchs zwischen Männchen und Weibchen konnte ich nicht entdecken. Die Formeln A und B dürften das häufigere Vorkommen darstellen. Zum Vergleiche habe ich die typischen Formeln der Dentition des Hylobates concolor und des Menschen beigefügt. Nur die rechte Hälfte der Gebisse ist berücksichtigt. Ob. bedeutet »Oberkiefer«, Unt. »Unterkiefer«. 388 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. & x ‚6 het B \ 2a» we EN ae NE e AN \s NE ku iR \ y \ x N \ et we \” ° AN \ A N 14 | Canin. | 13 14 | Canin. 13 14 | Canin 13 | | | 9 | Praemol. 11 10 ı2 | Praemol. II 11 ı2 | Praemol. 11 11 | | A. ır | Praemol. I 12 B. 10 | Praemol. I 9 (6 Io | Praemol. I | 9 | 2| Mol.I I 2| Mol.I \z 2| Mol. I I | | | | 8| Mol. 6 8| Mol. 5 4| Mol. I 3 | | 16 | Mol. II \ı5 16 | Mol. III | ı5 16 | Mol. III Iz5 Unt. Oh. Unt. Ob. Unt. Oh. Orang-Utan, Orang-Utan, Orang-Utan, aus drei Gebissen zusammen- aus drei Gebissen zusammen- aus drei Gebissen zusammen- gestellt. gestellt. gestellt. x \r y N \ yo“ e pe" de N ns" 6 \ BRC \ BR \s \ \sf HN HN N N \ “N 8| Canin. 12 13 | Canin. 14 | 9 | Praemol. II 7 ı2 Praemol.I | ır i ır | Praemol. I 10 ı0 | Praemol.1I 9 F ı | Mol.I 3 3| Mol.I 4 | ı3 | Mol. II 14 7| Mol. 8 ı5-ı6 | Mol. II 15-16 ı5 | Mol. II 16 Unt. Ob. Unt. Ob. Mensch Hylobates coneolor. (nach Dıiertreis). Normale Reihenfolgen des Durchbruchs der Dauerzähne. Genauern Aufschluss über die Zeit des Hervortretens der Dauer- zähne gibt eine Tabelle. 1. Die Hälfte der gleichnamigen Dauerzähne tritt zuerst im Öberkiefer, die Hälfte zuerst im Unterkiefer auf, nämlich gewöhnlich erscheinen zuerst im Unterkiefer: Dieselbe lehrt ferner folgendes. inn. Ineis., äuss. Incis., Mol. 3; Serenka: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. 359 zuerst im Öberkiefer: Mol. ı, Mol. 2, Can. Ganz anders verhält sich das Gebiss des Hylobates, wo allgemein zuerst die gleichnamigen Zähne des Unterkiefers hervortreten, vielleicht mit Ausnahme des 2. 1. Praemolaren. 2. Kein einziger Zahn des Dauergebisses nimmt in der Zeitfolge des Erscheinens eine ganz constante Stelle ein. 3. Die grössten Verschiedenheiten in der Reihenfolge des Durch- bruchs weisen die Eekzähne, nächst diesen die inneren Schneidezähne und die zweiten Molaren auf. 4. Die zwei vorderen Molaren und die Inceisivi nehmen in der Zeitfolge die ersten acht Stellen ein; nur ein Mal unter 32 beob- achteten Fällen drängen sich die Canini schon an die vierte Stelle. 5. Verzögerung des Durchbruchs eines Zahnes durch und seinen Nachbar wurde nur in sechs Fällen constatirt. Die wesentlichen Unterschiede in Betreff des Durchbruchs der Dauerzähne zwischen Mensch und ÖOrang-Utan laufen also darauf hinaus, weit langsamer dass beim Orang-Utan die zweiten Molaren früher, vordern Praemolaren später erscheinen, und dass die Eckzähne, beim Männchen, wachsen, bis zur völligen Ausbildung erheischen. die zumal jedenfalls mehrere Jahre Inn. Ineis. Molari is 5 Molaris IV En aa | =—> ıbis ı9 bedeutet die Zeitfolge des Durch- kiefer der beob-) B bruchs der Dauerzähne Unt.=Unter- achteten lat Fälle |, 2 3/4|5|6|7|8|9 rolıı 12 1314/1516 | 17 | 18, | Molaris I.... (0) 18 17] ı | | | | I. Phase. 15.39» Unt 18 117] | De Inn. Ineis. ...| Uhnt 12 5lajl2|ı | Molaris IT... Ö. 16 6|3|1]2|2|2 J 2 2 | 1172. Unt. 13 62 213 | SIT Phase, (0% 9 ı|ı]4|2 I E Äuss. Ineis...| Unt 8 Zul |er \ ! % O. 9 I 3\2|3 Praemol. AR O. 4 2 ı|ı | hr Unt 2 ı|ı ; III. Phase. N ü RR 0. 2 Tal Er | \ Nr sa Kr 4 I 3 Be ee 0. 14 1110| 3 IV. Phase. er Unt 18 I I I 3 Dt I Molaris = 58 Unt. 36 ı 22/13 \v. se O. 37 ı [15/21 Unt. 2 meistens | | 0. 19 Oberkief. |VE-VIL Pine O. I | Molaris V 390 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. 4. Überzählige Zähne. Das Dauergebiss des Orang-Utan weist zwar in der Regel die gleiche Zahl Zähne auf, wie das des Menschen, nämlich 32. Auf- fallend häufig, bei 20 Procent der erwachsenen Schädel, finden sich jedoch überzählige Zähne, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass diese Procentzahl noch etwas vergrössert würde, wenn man lediglich Schädel der vollständig ausgewachsenen Thiere berücksichtigt. Ein rechtsseitiger dritter Praemolaris fand sich als Mehrzalın nur bei zwei alten Männchen, das eine Mal oben, das andere Mal unten. In beiden Fällen erschien der vordere Praemolaris zwischen Caninus und vorletzten Praemolaris eingekeilt. Rechtsseitig drei obere Schneidezähne traf ich nur ein Mal bei einem alten Weibchen an. Siebenunddreissig Schädel, d.h. 20 Procent aller Schädel erwach- sener Thiere. weisen überzählige hintere Molaren auf. Sie tre- ten, so weit diess nachweisbar, erst längere Zeit nach der Ausbildung der Weisheitszähne hervor, erreichen selten die Grösse des Mol. 3, sind meist viel kleiner, bisweilen winzig und dünn, fallen oft frühzeitig aus oder bleiben auch wohl, wie aus einigen Greisenschädeln ersicht- lich, tief unter dem Alveolarrande im Kieferinnern stecken. Für das Vorkommen dieser 4. und 5. Molaren gelten folgende Regeln. 1. Überzählige vierte Molaren treten etwa doppelt so häufig bei Männchen als bei Weibchen auf. 2. Sie finden sich anderthalb Mal so häufig im Unterkiefer als im Öberkiefer. 3. Sobald ein überzähliger vierter Molaris nur einseitig im Kiefer auftritt, so liegt derselbe doppelt so häufig links als rechts. 4. Schädel der Landak-Rasse zeigen nur selten überzählige Zähne; in den übrigen Rassen erscheinen sie nahezu in gleicher Häufigkeit. Auch bei sumatranischen Orang-Utan-Schädeln sind überzählige Backenzähne bekannt geworden, desgleichen bei den Schädeln des Gorilla und des Schimpanse. Nachstehende Tabelle gibt nähere Aufschlüsse über das Vor- kommen vierter und fünfter Molaren im Schädel des Orang-Utan. Das häufige Vorkommen überzähliger Molaren darf nicht als ata- vistische oder Rückschlags-Erscheinung, sondern muss als caeno- genetische und zwar als progressive Bildung gedeutet werden. Es handelt sich hier um die Anlage eines Zukunftsgebisses, und zwar, da die Molaren mit den Zahnkeimen des sogenannten Milch- gebisses in einer Flucht liegen und gleich dieser zur »ersten Zahn- SELEnkA: Die Rassen und der Zahnwechsel des Orang-Utan. Von 84 Schädeln erwachsener Männchen Von ı1o Schädeln erwachsener Weibchen Summa 391 Summa Unten beiderseits ein Molaris 4...... 4 Fälle 6 Fälle ı0o Fälle 34 Zähne Unten links ein Molaris 4........... are 2 5 3a Oben links ein Molaris 4............ 4 I 5 33 Oben beiderseits ein Molaris 4....... 2 I 3 34 Unten rechts ein Molaris 4.......... 2 I 3 34 Oben und unten beiderseits ein Mo- RS ano a ae aD 2 _ 2 36 Oben links und unten beiderseits ein BITOlANIBSAR. erefers en setaensnenn el Maren sten. _ 2 2 35 Oben rechts und unten beiderseits ein IVOLOTTS ae stelkneeninie 2 — 2 35 Oben rechts ein Molaris 4........... _ 2 2 38 Oben beiderseits zwei und unten beider- seits ein molarer Mehrzahn ....... I — I 38 Oben beiderseits und unten links ein IM OlaNISTAN Set eieseeieie eleeeeienere Te ‚Mn — aa 35 Oben links und unten rechts ein Mo- SA last a etc: eu tretsnarskenenspetafetere:e — Den I, 34 Summa 21 Fälle Summa 16 Fälle Im ganzen 37 Fälle generation« gehören, um den Neuerwerb hinterer Dauerzähne der Milchzahnreihe. Für diese Deutung sprechen folgende Gründe. Die katarrhinen Affen, auch die fossilen Vorgänger, besitzen nur 32 Dauerzähne und erzeugen nur sehr selten überzählige Molaren; es dürfen daher die einzelnen Zähne gleichen Namens bei allen katarrhinen Affen als morphologisch gleichwerthig, als homolog betrachtet werden. Bei kleineren Arten scheint sogar eine Reduetion der Backzähne sich anzubahnen, indem z.B. bisweilen bei Hylobates concolor sowohl die hinteren Praemolaren, als die dritten Molaren durch Kleinheit sowie durch Schwäche ihrer Wurzeln, letztere auch durch frühzeitiges Aus- fallen, auf einen Verkümmerungsprocess hindeuten. Anders bei den grossen Menschenaffen, dem Gorilla, Schimpanse und Orang-Utan: die ersten drei Molaren dieser Gattungen gleichen zwar in Form und Zeit des Erscheinens durchaus denen der übrigen Katarrhinen, so dass deren Gleichwerthigkeit oder Homologie mit den drei Molaren der übrigen Altweltaffen nicht zu bezweifeln ist: aber bei diesen drei Anthropoiden brechen längere Zeit nach dem Auftreten der dritten Molaren sehr häufig überzählige hintere Molaren hervor als Neubildungen. So gewagt es im allgemeinen ist, die Entstehung eines, Organs auf die Wirkung mechanischer Zug- und Druckkräfte zurückzuführen, so dürfen solche Erklärungsversuche doch nicht von der Hand ge- wiesen werden, wenn sie sich auf blosse Modificationen vorhandener Organanlagen beziehen. In diesem Sinne scheint es erlaubt, die Ver- anlassung zur Entstehung neuer Zähne in der zunehmenden Ver- 5) Sitzungsberichte 1896. 36 392 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. März. — Mittheilung v. 5. März. längerung der Kiefer zu suchen. Die Vergrösserung der Kau- muskeln bewirkt eine Vergrösserung ihrer Ansatzflächen am Kiefer, und die auffallende Verlängerung des horizontalen Astes des Unter- kiefers, welche gegen Schluss des Zahnwechsels stattfindet, wird auch das Hinterende der Zahnleiste in Mitleidenschaft ziehen können und derselben Gelegenheit bieten, die ihr innewohnende Fähigkeit zu ent- falten, nämlich Zahnkeime zu entwickeln. Der Umstand, dass über- zählige hintere Molaren ı. am häufigsten im Unterkiefer auftreten, wo der Platz für überzählige Mahlzähne frühzeitiger und reichlicher be- messen wird, 2. doppelt so häufig in den grössten, also in den männ- lichen Schädeln gefunden werden, scheint dieser Erklärungsweise das Wort zu reden. Ein umgekehrtes Verhalten wie bei den grossen Anthropoiden ist bisweilen, wie erwähnt, im Dauergebiss des Hylobates concolor und auch des Menschen zu finden: nämlich die Tendenz der Rückbildung entsprechend der relativen Kleinheit der Kiefer. einiger Backenzähne Das epitheliale Rudiment eines vierten Mahlzahnes beim Menschen, ferner das ganz vereinzelte Vorkommen eines kleinen vierten Molaren beim Hylobates sind vielleicht als atavistische Reminiscenzen einer reichlicheren Bezahnung ihrer grosskiefrigen Vorfahren zu betrachten. Ausgegeben am 26. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 333 1896. XV. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 26. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Vogen machte die umstehend folgende Mittheilung: Über das Speetrum von Mira Ceti. 2. Hr. Erman legte eine von den HH. Capt. G. Lvoxs und Reg.- Baumeister L. BorcHArpT eingesandte ausführliche Mittheilung über die bereits im Bericht vom 27. Februar erwähnte, auf der Insel Philae gefundene dreisprachige Inschrift vor. Dieselbe wird in einem der nächsten Berichte erscheinen. 3. Hr. Dümuter überreichte die erste Lieferung des von dem Privatdocenten an der Universität Greifswald Hrn. Dr. W. Arrmann mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten Werks: Die Urkunden Kaiser Siegmund’s (1417-1438). Innsbruck 1896. 4. Die philosophisch-historische Classe hat dem Privatdocenten an der Universität Marburg Hrn. Dr. W. Jupeıcn zu einer archaeo- logischen Reise nach Kleinasien eine Unterstützung von 1500 Mark bewilligt. Die Akademie hat zu correspondirenden Mitgliedern gewählt: in ihrer physikalisch-mathematischen Classe Hrn. Sitzungsberichte 1896. 37 394 Gesammtsitzung vom 26. März. VıcTor MEYER, Professor der Chemie an der Universität Heidel- berg; und in ihrer philosophisch -historischen Classe die HH. Jonan Lunviıs Heıgere, Professor der elassischen Philologie an der Universität Kopenhagen, und Hersricn Weir, Mitglied des Institut de France, in Paris. EEE EEE 395 Uber das Spectrum von Mira Ceti. Von HA. C. Vocer. 1589 Prof. Wırsıne hat am 3., 10., 13., 20., 21., 22. und 29. Februar d. J. bei einer Expositionsdauer von ıo bis 32 Minuten 11 Spectro- gramme von Mira Ceti mit Benutzung des photographischen Refractors des Potsdamer Observatoriums erhalten, die sehr detailreich sind, und auf denen die Linien des Wasserstoffspeetrums, die in diesem Stern- speetrum merkwürdiger Weise hell erscheinen, ausserordentlich deut- lich hervortreten. Da mir keine Untersuchungen über das Spectrum von Mira Üeti bekannt sind, welche Anspruch auf grössere Genauig- keit machen könnten, glaube ich, dass die hier mitgetheilten Messun- gen, die ich gemeinsam mit Prof. Wırsıne ausgeführt habe, nicht ohne Interesse sein werden'. Die hellen Wasserstofflinien erscheinen auf allen Platten sehr breit und kräftig; es ist aber im höchsten Grade auffallend, dass die Wasserstofflinie He nicht hell erscheint, sondern an ihrer Stelle die bekannte starke Absorptionslinie des Sonnenspeetrums 4 (Ca) anzu- treffen ist. Die Annahme, dass an dieser Stelle im Emissionsspeetrum des Wasserstoffs auf dem Sterne Mira Ceti kein Maximum des Ab- sorptionsvermögens gelegen wäre, ist natürlich gänzlich ausgeschlossen, so lange man an dem Grundpfeiler der Speetralanalyse, dem KırcHnorr- schen Satze, festhält, nach der Barmer’schen Formel für das Gesetz der Wellenlängen der Linien des Wasserstoffspeetrums auch kein Zwei- fel obwalten kann, dass die Linie von der Wellenlänge 397.02 un eine Wasserstofflinie ist. Man ist daher zunächst gezwungen, der zuerst von Miss ÜLEerkE gegebenen Erklärung beizutreten, dass diese Linie durch die breite Caleiumlinie (A 396.356 un) absorbirt werde. Dazu ist aber die Annahme erforderlich, dass über der Schicht, welche die ! Mir sind nur die vorläufigen Messungen von Esrın an einer Aufnahme des Speetrums von Mira Ceti von Pıckerıng Astr. Nachr. Nr. 3124, sowie die von Frosr ebenfalls an einem Pıcrerıng’schen Spectrogramme ausgeführten Messungen bekannt, welche sich in der englischen Ausgabe des Lehrbuchs der Sternspectral- analyse von ScHeiner (A Treatise on Astronomical Speetroseopy, p. 310) befinden. Die Linien sind hier nur auf 144 genau angegeben. 312 396 Gesammtsitzung vom 26. März. hellen Wasserstofflinien gibt, eine kühlere Schieht von Caleiumdampf gelegen sei. Eine derartige Constitution der Atmosphaere des Sternes ist aber wegen des höheren Atomgewichtes des Caleiumdampfes nur als temporäre denkbar, und es wäre daher von grösstem Interesse, mit Sicherheit nachweisen zu können, dass die hellen Linien nur zur Zeit des Helligkeitsmaximums auftreten. Dazu sind jedoch grössere Mittel erforderlich, als sie gegenwärtig dem Observatorium zu Gebote stehen. Zu den nachstehenden Beobachtungen ist zu bemerken, dass ausser den Wasserstofflinien keine anderen hellen Linien im Speetrum von Mira Ceti auftreten. Es machen zwar einige Stellen den Ein- druck von hellen Linien (ganz besonders bei A 389.4um, A 390.6 um und A 435.0un), es sind dieselben aber ohne Zweifel nichts anderes als linienarme Gegenden des Speetrums, die nur deutlicher als im Sonnenspeetrum, wo sie auch vorhanden sind, hervortreten. Eine Vergleichung des Speetrums von Mira Ceti mit dem Sonnenspeetrum ergibt, mit Ausnahme der hellen Wasserstofflinien, von Hy ab nach dem Violett zu eine nahezu vollkommene Übereinstimmung, dagegen zeigen sich Abweichungen von Hy nach dem rothen Ende des Spec- trums hin, und es treten die für die Speetra der Classe IIla so cha- rakteristischen, einseitig nach Roth verwaschenen Bänder auf (Mira Geti zeigt bekanntlich ein typisches Speetrum der Classe IIl«). Diese Wahrnehmung ist im Einklang mit den Scnemer’schen Untersuchungen ! über die Spectra der Spectralelassen Ha und Ila, welche im breeh- bareren Theile des Spectrums von Hy an nur wenig von einander ab- weichen und sich hauptsächlich nur dadurch unterscheiden, dass die Absorptionslinien in den Spectren der Olasse IIIa im allgemeinen breiter und kräftiger erscheinen, als in den Speetren der Classe Ila. Eine gute Übereinstimmung mit dem Sonnenspeetrum ist in der Zusammenstellung der Messungen durch das Zeichen © angedeutet. Über die hellen Wasserstofflinien sei noch bemerkt, dass sich eine geringe Verschiebung derselben nach Roth vermuthen liess. Einigermaassen genaue Angaben über die Grösse dieser Verschiebung, sowie auch über die Bewegung des Sternes im Visionsradius, sind bei der Kleinheit der Speetrogramme unmöglich. Es ist ferner keine An- deutung einer Verdoppelung der Wasserstofflinien (hell und dunkel) wie in dem Speetrum der Nova Aurigae oder in dem von ß Lyrae gegeben, nur befindet sich dicht bei der Linie HT eine kräftige Ab- sorptionslinie von derselben Breite, wie die helle Linie, die an das Aussehen dieser Linie im Spectrum von ß Lyrae erinnert. ' Publ. des Astroph. Obs. Bd. VII, Il. Schrauben- Ablesung atı2 6.04 1-57 7-92 8.63 8.69 8.84 9.02 9.56 9-94 10.21 11.03 11.36 11.63 11.94 12.06 12.19 12.33 12.45 12.62 12.73 12.85 12.97 13.06 13.98 14.75 15-37 15.60 15.94 16.13 16.39 16.55 16.78 11.54 17-94 18.46 18.77 18.90 18.99 19.78 19.85 20.04 20.15 20.36 20.52 20.65 20.93 21.08 21.85 VoGeEL: Über das Speetrum von Mira Ceti. Beschreibung Helle Linie. Helle Linie. Absorptionslinie, breit, beiderseitig ver- waschen. Wie die vorige. Helle Linie. Absorptionslinie. Desgl. Desgl. Desgl., breit, verwaschen. Desgl., deutlicher als die vorhergehende. Absorptionslinie, kräftig, breit. Absorptionslinie. Desgl. Desgl. Absorptionslinie } Helle Linie Absorptionslinie. berühren einander. Linienartige helle Stelle im Speetrum. Absorptionslinie. Helle Stelle, linienartig. Absorptionslinie. Helle Stelle, linienartig. Absorptionslinie. Helle Stelle, linienartig, sehr auffallend. Absorptionslinie, breit, matt. Breiter Absorptionsstreifen, verwaschen, oR6o breit, entsprechend 1.0 zu. Absorptionslinie, breit. Absorptionslinie. Desgl. matt. Wie die vorige. Absorptionslinie, breit, auffallend. Helle Stelle, linienartig. Breiter Absorptionsstreifen, o®35 breit, entsprechend 0.6 zu. Absorptionslinie. Desgl., schmal. Desgl., schmal. Desgl., etwas matt und verwaschen. Heller Streifen. Absorptionslinie, kräftig. Verwaschener matter Absorptionsstreifen. Helle, linienartige Stelle im Speetrum. Absorptionslinie, etwas verwaschen. Absorptionslinie, kräftig, etwas verwaschen. Helle Stelle, ziemlich breit. Absorptionslinie, sehr zart. Absorptionslinie, stark. Absorptionslinie, schwächer als die vorige. Absorptionslinie, schmal. W.L. un Syst. Rowr. ——o 377-2 379-9 382.0 382.6 383.6 383.7 384.0 384.2 385.0 385.6 386.0 387-3 387-9 388.3 388.8 389.0 389.2 389.4 389.6 389.9 390.1 390.3 390.5 390.6 392.2 393-5 394-5 394-9 395-5 395.8 396.3 396.5 396.9 398.3 399.0 399.9 400.5 400.7 400.9 402.4 402.5 402.9 403.1 403-5 403.8 404.0 404.6 404.9 406.3 Bemerkungen Se, © stark. OK (Ca) [0) (0) © 395.3 © 395.7 © 396.2 © 396.4 wenig auffallend. © He (Ca) Onur zarte Liniengruppen. © Im ©-Speetrum nicht auffallend. Im ©-Speetrum zarte Linien. Im ©-Speetrum nicht auffallend. Im ©-Speetrum 4 starke Linien. © © 404.2 © © 406.4 398 Schrauben- Ablesung m 22Rro 22.31 22.58 22.90 23.76 24.19 24.50 24.60 25.08 25-34 25.48 25.79 25-97 26.85 27.20 27.88 28.29 28.95 29.47 Gesammtsitzung vom 26. März. Beschreibung Absorptionslinie, etwas stärker. Desgl., deutlich. Desgl., breit, scharf begrenzt, auffallend. Matte Absorptionslinie. Helle Linie, sehr stark. Matte Absorptionslinie, breit, verwaschen. Absorptionslinie. Hellere Stelle. Absorptionslinie. Desgl. Hellere Stelle. Absorptionslinie, ziemlich breit. Absorptionslinie, durch helle Stelle von der vorigen getrennt. Absorptionslinie. Absorptionslinie, kräftig, verwaschen. Absorptionslinie. Desgl., etwas schwächer. Absorptionslinie, schmal, scharf. Breite, scharf begrenzte Absorptionslinie, auffallend. sprechend 0.6 u. sehr Breite oRog4, ent- Absorptionslinie, sehr schmal. Desgl., schwach. Absorptionslinie, etwas verwaschen. Desgl., schmal. Absorptionslinie. Desgl., fliesst mit der vorigen zusammen. Absorptionslinie. Hellere Stelle, linienartig. Absorptionslinie, breit. Desgl. Absorptionslinie, matt. Helle, sehr starke Linie. Absorptionslinie, matt, breit. Breite hellere Stelle, auffallend. Absorptionslinie, matt, sehr breit. Desgl. breit, matt, beiderseitig verwaschen. Anfang eines Absorptionsstreifens, nach Roth verwaschen. Mitte des Streifens. Absorptionsstreifen, matt. Anfang eines Absorptionsstreifens, nach Roth verwaschen. Anfang eines Absorptionsstreifens, nach Roth verwaschen. Absorptionsstreifen, matt. Anfang eines Absorptionsstreifens, nach Roth verwaschen. Mitte des Streifens. W.L. un Syst. Rowr. 406.8 407.2 407.8 408.4 410.1 411.0 411.6 411.8 412.8 413.3 413.6 414.3 414.6 416.6 417-3 418.8 419.8 421.3 422.5 423-3 424.0 425.2 425.5 427.2 427-5 428.9 429.4 430.0 430.7 431.4 434-1 434-5 435.0 435-5 439-8 442.2 442-4 443.8 446.2 450.6 452-7 454-5 454,8 —_—_m Bemerkungen © O©4 starke Linien 407.7 bis 407.96. © Liniengruppe. Hs Nicht auffallend im ©-Speetrum. (0) © Liniensystem 413.2 bis 413.5 Linienarme Gegend im ©-Spee- trum. © 414.4 © 416.77 © Liniensystem. © [0) © 422.7 (Ca) (Liniengruppe 422.45 bis 422.75). © starke Doppellinie 425.08. © © starke Doppellinie. © Liniensysteme im ©-Speetrum, bei 429.37 eine auffallende Lücke. © @ 430.8 Im ©-Spectrum bei 431.5 Ende der Liniengruppe @. Hy © 435.0 linienarme Stelle. Gänzlich abweichend vom Son- nenspeetrum. Voger: Über das Speetrum von Mira Ceti. 399 Sehrauben- W.L. un Ablesung Beschreibung Syst. Rowr. Bemerkungen B 8. 5 5° Breiter Absorptionsstreifen. = \ 42.82 459.1 4317 Desgl. en 43.98 = 462.9 44.23 Absorptionsstreifen , schmal. 463.8 e 5 en Gänzlich abweichend vom Son- 45.04 Anfang eines Absorptionsstreifens, nach 466.6 7 nenspeetrum. Roth verwaschen. P 46.25 Desgl. : 471.0 46.93 Matter Absorptionsstreifen, beiderseitig 473-5 verwaschen. 47-44 Anfang eines Absorptionsbandes. 475-5 Ausgegeben am 9. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. et REN 2 A Ahee aß” & » 401 1396. XV. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 9. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Schwarz trug einen von Hrn. Weıerstrass herrührenden rein geometrischen Beweis des Fundamentalsatzes der pro- jJeetivischen Geometrie vor. Derselbe wird in dem im Druck be- fndlichen II. Bande der »Gesammelten Werke« des Hrn. WEIER- strass mitgetheilt. 2. Hr. nu Boıs-Reynoxn legte die hier folgende Mittheilung des Professors an der Universität Marburg Hrn. Dr. A. Kosser vor über die basischen Stoffe des Zellkerns, als Ergebniss der mit Unter- stützung der Akademie von dem Verfasser ausgeführten Untersuchungen. 3. Hr. Danes überreichte die gleichfalls hier folgende Mitthei- lung des Directors des Kgl. Geodätischen Instituts Hrn. Geh. Reg.- Raths Prof. Heınerr in Potsdam: Ergebnisse der Messungen der Intensität der Schwerkraft auf der Linie Colberg-Schnee- koppe. Sitzungsberichte 15%. 38 403 Über die basischen Stoffe des Zellkerns. Von Prof. Dr. A. Kosser in Marburg a. L. (Vorgelegt von Hrn. E. pu Borss-Reymoxp.) D:. Nucleinstoffe befinden sich in den Kernen thierischer Zellen vielfach in salzartiger Verbindung mit basischen Substanzen, welche mehr oder minder ausgeprägten eiweissähnlichen Charakter haben. Ein soleher Körper ist das Histon', welches ich in den Kernen der rothen Blutkörperchen der Vögel gefunden habe, und das auch in den Zellen der Thymusdrüse vorkommt”, ebenso das Protamin, welches Miescuer aus den Spermatozoen des Lachses dargestellt hat”. Die weite Verbreitung dieser basischen Stoffe des Zellkerns lässt annehmen, dass sie nicht minder wichtige Bestandtheile des Zell- kerns sind, wie die Nucleinstoffe, die ihnen als Säuren gegenüber- stehen. Die Aufklärung der chemischen Natur dieser basischen Stoffe ist also ein Schritt zu der Erkenntniss der eigenthümlichen chemischen Verhältnisse des Zellkerns. In dem Bestreben, den einfachsten dieser basischen Stoffe meinen Untersuchungen zu Grunde zu legen, begann ich zunächst das Pro- tamin des Lachsspermas zu bearbeiten. Miescner’ und Pıccarn° hatten versucht diesen Stoff rein darzustellen. Ersterer hatte das Protamin charakterisirt als eine stark basische Substanz, deren Zusammensetzung der Formel C,H,,.N,O,(OH) entspricht, während Pıccarn für das Platin- doppelsalz die Formel C,,H,N,O,,2HCl+PtCl, annahm. Ich habe mit Hülfe eines Verfahrens, dessen Prineip weiter unten angegeben ist, das Protaminsulfat aus Lachssperma dargestellt und bin bei der ! Horpe-Sevrer's Zeitschrift für physiologische Chemie. 1884. Bd. 8. S. 5ır. Linıexrerp, Zur Chemie der Leukocyten, ebenda. 1894. Bd. 18. S. 482. Mıescuer, Die Spermatozoen einiger Wirbelthiere. Verhandlungen der natur- forschenden Gesellschaft in Basel. 1874. Bd. 6. S. 138— 208. era: 5 Ber. d. D. chem. Ges. 1874. S.1714. 404 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 9. April. Analyse des Praeparats zu der Formel (,,H,,N,O,,, H,SO, für die bei 100° getrocknete Substanz gelangt!. Gefunden Berechnet für ie II. II. IV. V. Cr6Hzr N, O3: H> SO, (6 38.67 38.35 38.40 — — 38.79 H 6.97 6836 6.96 — — 6.67 N — — — 25.20 ° — 25.45 H,SO, — _- — — 19.95 19.79 Diese Analysen sind im Winter 1894/95 von Hrn. ALEXANDER Workowıcz ausgeführt worden. Bemerkenswerth ist das Verhalten dieses Körpers zu Kochsalzlösung. Versetzt man eine Lösung des salzsauren Protamins aus Lachssperma mit dem doppelten Volumen einer concentrirten Kochsalzlösung, so scheidet sich das Protamin- chlorhydrat als Oel ab. Diese Eigenschaft lässt sich gut bei der Reinigung des Protamins verwenden. Da mir die Beschaffung grösserer Mengen Lachssperma Schwierig- keiten verursachte, so war mein Bestreben darauf gerichtet, ein an- deres Ausgangsproduet für die Darstellung dieser basischen Stoffe aus- findig zu machen. Ein solches bot sich in den Testikeln des Störs. In den Spermatozoen dieses Fisches fand ich neben den Nuclein- stoffen eine Substanz, welche dem Protamin des Lachsspermas sehr ähnlich ist. Die charakteristischen, beiden Körpern gemeinsamen Eigen- schaften und ihre gemeinsame physiologische Beziehung machen es wünschenswerth, beide mit einem gemeinsamen Namen zu benennen, und hierzu dürfte die von MiescHer eingeführte Bezeichnung »Protamin« wohl am besten geeignet sein. Man kann sodann das Protamin des Lachsspermas als »Salmin«, das Protamin des Störspermas als »Sturin« bezeichnen. Das Sturin habe ich als Prototyp für die basischen Stoffe des Zellkerns einer näheren Untersuchung unterworfen. Zur Darstellung des Sturins werden die aus den Hoden ausge- schüttelten und mit Alkohol extrahirten Spermatozoen mit verdünnter Schwefelsäure ausgezogen und die saure Lösung mit Alkohol gefällt. Das Sturinsulfat scheidet sich ab, wird zur weiteren Reinigung in das schwer lösliche Pikrat übergeführt und aus diesem wiederum das Sulfat gewonnen. Letzteres bildet ein weisses, amorphes, in Wasser leicht lösliches Pulver, dessen Lösung mit Natronlauge und Kupfer sofort in der Kälte Violettfärbung gibt. Auch das Salmin gibt, wie ich fand, die Biuret- reaction. Die Analyse des Sturins führte zu der Formel? ! Bei dem Versuch, das Moleculargewicht des Protamins zu bestimmen, trat eine Erhöhung des Siedepunkts von Wasser durch die von mir dargestellte freie Base nicht ein. ?2 Diese Formel konnte aber trotz einer grossen Anzahl von Analysen noch nicht völlig sicher festgestellt werden, und es ist möglich, dass sie nach den Analysen an- Kosser: Über die basischen Stoffe des Zellkerns. 405 (Cs H.. N,0).H,SO,+H;0. Aus den Spaltungsprodueten ergibt sich, dass man ein Multiplum dieser Formel, also mindestens C,H,N;O,,H,SO, annehmen muss. Die Eigenschaften des Sturins sind, wie erwähnt, denen des Salmins sehr ähnlich, doch wird das Sturin weniger leicht durch Koch- salzlösung gefällt. Zur Gewinnung der Spaltungsproducte des Sturins kochte ich die Base S Stunden mit Schwefelsäure. In der Lösung befinden sich meh- rere Basen, von denen ich bisher zwei rein dargestellt habe. Die erste Base erwies sich als identisch mit dem von E. SchuLze und STEIGEr' in den Lupinenkeimlingen entdeckten Arginin C,H,,N,O.. Die freie Base ergab bei der Analyse folgende Werthe: Berechnet für Gefunden CH4N, 0. C 41.55 41.58 41.38 H 8.54 8.55 8.05 Auch gelang es leicht, das von Hepım” neuerdings beschriebene basische Silbersalz in schönen Krystallen zu erhalten, deren Analyse zu folgenden Resultaten führte: Cermden Berechnet für - CsHr, NK O2+Ag NO; ++H; OÖ (6 20.78 20.40 H 4-79 4.25 N 20.12 19.83 Ebenso konnte das zweite von Hrpıy beschriebene Silbersalz C‚H,N,0,,HNO,+AgNO, in Nadeln dargestellt werden. Dasselbe ergab bei der Analyse: ehsee.. ne GeHL4N; 02, HNO;+Ag NO; Ag 26.38 26.54 Das Arginin ist nicht nur in den verschiedensten Pflanzentheilen von ScHuLzE aufgefunden, sondern neuerdings auch von Hevıy als Zer- setzungsproduct aller darauf- hin untersuchter Eiweisskörper „ eharakterisirt worden. 2 Das zweite Spaltungspro- duct besitzt ebenfalls basische Eigenschaften und zeichnet sich durch ein schön krystallisirendes derer Salze, mit denen ich beschäftigt bin, noch corrigirt werden muss. Immerhin habe ich geglaubt, diese Zahlen, die nicht erheblich von den richtigen abweichen können, wegen ihrer auffallenden Beziehung zu der unten mitgetheilten Formel des Histidins schon jetzt anführen zu sollen. ! Horre-Seytver’s Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd.ır. S.43. ®2 Horpe-Seyrer's Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. 20. S.186, Bd. 2r. S.155 und S. 297. 406 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 9. April. Chlorhydrat aus. Hr. Prof. Baver hatte die Gefälligkeit diese Kry- stalle zu untersuchen und theilte mir im October 1895 folgendes über die Resultate der Krystallmessungen mit. Krystallsystem: rhombisch, volltlächig. Flächen I. Krystall II. Krystall p=F (110) p n= P% (101) d=+PX& (012) d k=2P2 (121) o=0oP (oo1) 0 Axensystem: a:b:c = 0.76665:1:1.71104. Winkel (Normalenwinkel) gem. (I. Kıystall) gerechnet gemessen (II. Krystall) n/o DS 65° 52" p/o zo 253' zo 253' 70 253° pin 34 58 34 58 p/k 20 cca! 19 28% plp (S.k.) 39 163 39 9 39 9 d/o 40 33 40 37% Das Axensystem ist aus p/o und p/n des I. Krystalls berechnet. Die Analyse des Chlorhydrats führte zu der Formel C.H.Ns0, , 2HCI+ 2H,O oder C;H,N,O,, HCI+-H,;0. Gefunden Berechnet für . u. II. Cr2Hz5N6 012 05 CsHr2N3 ClOz C 34.12 34.55 34.58 34.20 34-37 H 6.20 5.83 6.22 6.18 572 N 20.28 20.29 20.31 19.95 20.05 cl 16.89 16.833 16.84 16.86 16.94 H,O? 8.38 8.55° 8.59 Aus dem Chlorhydrat lässt sich die freie Base in Krystallblättchen gewinnen. Sie ist in Wasser ziemlich leicht, in Alkohol wenig lös- lich, in Äther und Chloroform unlöslich oder fast unlöslich und er- theilt dem Wasser alkalische Reaction. Die Analyse der freien Base ergab: Berechnet für Gefunden CraHasN60, CsH5Nz, 0; C 46.07 46.15 46.45 H 6.56 6.41 5.81 N 27.30 26.92 27.10 ! Schimmermessung auf #. ° Gewichtsverlust bei 105°. ® Berechnet für 2 Molecüle Krystallwasser. u re EEE KosseL: Über die basischen Stoffe des Zellkerns. 407 Die Formel C,,H,N,O, muss nach den Analysen als die wahr- scheinlichere bezeichnet werden. Eine Bestimmung des Moleceulargewichts mit Hülfe der Siede- methode in Phenol ergab ein Moleeulargewicht von 296, welches hin- reichend mit dem von der angegebenen grösseren Formel verlangten Gewicht 312 übereinstimmt. Hrn. Dr. Küster, welcher mir mit den Apparaten des hiesigen chemischen Instituts bei diesem Versuch behülf- lich war, statte ich meinen besten Dank ab. Die Base bildet gut krystallisirende Salze, auch ein in Nadeln erscheinendes Platindoppelsalz. Das phosphorwolframsaure und das wolframsaure Salz sind in heissem Wasser leicht löslich und fallen beim Erkalten der Lösung in Krystallen aus. Ich schlage für diese neue Base den Namen »Histidin« vor. Ausser dem Arginin und dem Histidin entsteht, wie es scheint, noch eine dritte Base, welche ich bisher noch nicht isolirt habe. Das Sturin zeichnet sich von allen bekannten eiweissartigen Stoffen dadurch aus, dass es bei seiner Spaltung entweder gar keine oder nur sehr geringe Mengen von Monoamidosäuren liefert. Zunächst ergibt sich die Abwesenheit der Tyrosin bildenden Gruppe im Mo- lecül des Protamins dadurch, dass dieses keine Rothfärbung mit Mır- Low s Reagens zeigt. Von dem Fehlen der übrigen Monoamidosäuren kann man sich durch folgenden Versuch überzeugen. Man spaltet Sturin durch achtstündiges Kochen mit Schwefelsäure und fällt die Lösung der Spaltungsproducte, ohne erheblich zu verdünnen, mit Phosphorwolframsäure. Die Basen werden hierbei niedergeschlagen, während die etwa vorhandenen Amidosäuren in Lösung bleiben würden. Wenn man nun das Filtrat des Phosphorwolframsäure -Niederschlags durch Baryt von der überschüssigen Phosphorwolframsäure befreit und nach Korrpanz's Methode verarbeitet, so findet man, dass die Menge des darin enthaltenen Stickstoffs eine ziemlich geringe ist. Nach zwei übereinstimmenden Versuchen ergab sich, dass 6.5 Procent des ge- sammten, nach Ksenpanr's Methode nachweisbaren Stickstoffs in Form der durch Phosphorwolframsäure nicht fällbaren Verbindungen ent- halten ist. Das Sturin ist also ein Stoff, den man in mancher Hin- sicht als einen eiweiss- oder peptonähnlichen bezeichnen muss, in dem aber gewisse charakteristische Spaltungsproducte der Eiweisskörper und Peptone, nämlich die Amidosäuren, an Menge sehr zurücktreten oder völlig fehlen. Hiernach ist es wahrscheinlich, dass in den Prota- minen derjenige Theil des Eiweissmoleeüls in isolirtem Zustand vor uns liegt. aus welchem die basischen Spaltungsproducte hervorgehen. In manchen Zellkernen findet sich, wie ich früher dargethan habe, an Stelle des Protamins eine andere Substanz. das Histon. Dieses ist 408 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 9. April. ein mit basischen Eigenschaften ausgestatteter Eiweisskörper, der sich leicht daran erkennen lässt, dass er durch einen geringen Überschuss von Ammoniak aus seinen Lösungen herausgefällt wird. Die Ent- stehung des Histons wird durch folgendes Experiment beleuchtet. Wenn man die ammoniakalische Lösung eines Protamins zu der Lösung eines Eiweisskörpers hinzufügt, so entsteht ein Niederschlag, der sich vom Histon nicht unterscheiden lässt. Somit entsteht das Histon bei alka- lischer Reaction der Lösung aus Protamin und Eiweiss, ebenso wie das Nuclein bei saurer Reaction aus Nucleinsäure und Eiweiss her- vorgeht. Es zeigt sich also, dass diejenige Substanz, welche als Muttersub- stanz des Arginins und vielleicht noch anderer basischer Spaltungspro- duete des Eiweiss zu betrachten ist, sich mit der grössten Leichtigkeit an das Eiweissmolecül anlagert und auf diese Weise die Bildung neuer Proteide veranlasst, die bei der Spaltung mehr Arginin liefern müssen als die ursprünglichen Eiweisskörper. Wo im Organismus Protamine - und Eiweiss neben einander vorhanden sind, ist Gelegenheit zu dieser eigenthümlichen Anlagerung gegeben, und sie spielt wahrscheinlich auch bei der Bildung der Eiweisskörper eine Rolle. So kann man die von Hepıy gefundene Thatsache erklären, dass die ursprünglichen aus Thieren und Pflanzen isolirten Eiweisskörper bei ihrer Spaltung bald mehr bald weniger Arginin liefern. Es ergibt sich ferner aus meinen Untersuchungen, dass auch die basischen Stoffe des Zellkerns die Neigung haben, sich mit Eiweiss- körpern zu vereinigen und diese in chemischer Bindung festzuhalten. Zr 409 Ergebnisse von Messungen der Intensität der Schwerkraft auf der Linie Kolberg-Schneekoppe. Von F.R. HELneERT, Director des Königlichen Geodätischen Instituts in Potsdam. (Vorgelegt von Hrn. Dames.) Das Königliche Geodätische Institut hat nach Besprechung mit Hrn. W. Danmes im Sommer des Jahres 1894 unter Anwendung von in- variablen Halbsecundenpendeln auf 22 Stationen des trigonometrischen Netzes der Königlichen Landesaufnahme von Kolberg bis zur Schnee- koppe die Intensität der Schwerkraft im Anschluss an die Haupt- stationen Wien und Potsdam bestimmt. Zugleich wurde die geogra- phische Breite astronomisch ermittelt, um die Schwerestörungen dureh die Lothabweiehungen controliren zu können. Die Ergebnisse sind durch eine Tabelle und eine graphische Darstellung übersichtlich dar- gestellt. wozu folgendes noch zur Erläuterung dienen mag. Die Columnen Nr. ı bis 4 der Tabelle geben Namen und geo- graphische Lage der Stationen, Nr. 8 und 9 das anstehende Gebirge und seine Diehte nach gütiger Mittheilung der Königlichen Geologischen Landesanstalt. Die 5. Columne gibt die Intensität der Schwerkraft im Anschluss an die absolute Bestimmung in Wien durch vos ÜPPOLZERr. Diese Werthe von g wurden in üblicher Weise wegen Meereshöhe, Un- ebenheiten des Terrains und Attraction der Schicht der Erdkruste zwischen der Station und dem Meeresniveau auf letzteres redueirt (g') und sodann mit der normalen Schwere y im Meeresniveau nach Maassgabe meiner Formel von 1884 verglichen: Y%,=9"7800 (14+0.005310 sin’®), wo & die geographische Breite ist. Die sich ergebenden Unterschiede ’—Y’ wurden noch um 000035 vermindert, weil meine Formel an absolute Messungen der Schwere angeschlossen ist (hauptsächlich an diejenige in Berlin von Besser), welche die Schwerkraft um diesen Betrag kleiner ergeben als die Wiener Bestimmung. Die verbleibenden Unterschiede, die Schwerestörungen, zeigt die 6. Columne, jedoch in anderer Be- zeichnung: um sie auf die Schwerkraft zu beziehen, muss anstatt Meter Milliontel-Meter gelesen werden. 410 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 9. April. Wie ich aber früher gezeigt habe (vergl. namentlich »Die Schwer- kraft im Hochgebirge« Berlin 1890, S. 40-42), kann man näherungs- weise die Schwerestörungen in eindeutiger Weise zurückführen auf die Anziehung einer ideellen Massenschicht im Meeresniveau, deren Stärke J) unterhalb der Beobachtungsstation bei Annahme von 2.4 als Dichte gerade so viele Meter beträgt als die Schwerestörung Milliontel-Meter. Die Annahme 2.4 ist selbstverständlich willkürlich und nur der Ein- fachheit halber gewählt: für eine andere Annahme ® der Dichte ist die Stärke D,—= 2.4 D:6. Genau genommen muss die störende Masse auf das Meeresniveau verdichtet gedacht werden. In der Zeichnung ist der An- schaulichkeit wegen die Störungsschicht D etwas unterhalb des Meeres- niveaus eingetragen, und zwar ist 2) von einer horizontalen Mittellinie aus nach oben und unten zu gleichen Theilen verzeichnet. Zwischen den Stationen ist geradlinig interpolirt, was allerdings nicht ganz richtig ist; jedoch zeigt der Verlauf des Meridianschnittes der störenden Schicht, dass das so erhaltene Bild ein ziemlich zutreffendes sein wird. Schwerestörungen und Lothabweichungen von Kolberg bis zur Schneekoppe. Grünbergshöhe Tirschtiegel Bomst Wolfersdorf Arnswalde Neustädtel Sand zZ Zugleich gewinnt man die Überzeugung, namentlich durch den im Gebirge liegenden Theil, wo die Stationen sich eng zusammen- drängen und dadurch controliren, dass die Messungen von 9 recht genau sein müssen. In der That ergab eine Discussion der Messungs- fehler, dass der mittlere Fehler eines Werthes der Dieke der Störungs- schicht, insoweit die Beobachtungsfehler in Betracht kommen, kleiner als #30" sein wird, welcher Betrag sich durch die Unsicherheit der Herxvert: Ergebnisse von Messungen der Schwerkraft. 471 Reduction auf das Meeresniveau bei den vier hochgelegenen Gebirgs- stationen etwa verdoppelt. Die Dicke D der Störungsschicht beträgt von der Ostsee bis zum Klorberge auf der pommerschen Seeenplatte etwa +210”, wo die Station Bartin auf Jurakalk kein wesentlich anderes Verhalten zeigt, als die beiden anderen Stationen auf Sand. Vom Kleistberge auf der Seeenplatte bis zum Thal der Netze ist etwa —ı00” Störung, im Warthethal null, dann bis Tirschtiegel etwa +30”. Dann erfolgt eine ziemlich plötzliche Steigerung bis Bomst, von wo ab, unter dem Oderthal weg bis auf 20°" nördlich vom Gröditzberg — trotz des sandigen Bodens — eine Dicke der störenden: Schicht über + 300” nahezu gleichförmig besteht. Der schwere Basalt des Gröditzberges und der ebenso schwere silurische Thonschiefer in Ludwigsdorf ver- hindern nicht eine allmähliche Abnahme der Dieke der Störungsschicht bis auf null. Weiterhin ist dieselbe negativ, im Mittel etwa — 200”; ein Einfluss des anstehenden Bodens und Gesteins, ob Lehm, Porphyr oder Granitit, ist dabei nicht ersichtlich. Man könnte hieraus, wie aus dem theilweise ziemlich raschen Wechsel des Betrages von 2) schliessen, dass die wirklichen Störungs- massen zwar nicht nahe an der Oberfläche, aber auch nicht tiefer als vielleicht 20 oder 30 km lägen; da indessen die eindeutige ideelle Schicht durch unendlich viele Annahmen über die wirklichen Störungsmassen erklärbar ist, so muss man mit solehen Deutungen sehr vorsichtig sein. Nichtsdestoweniger können dieselben nützlich werden, wenn von anderer Seite her noch wissenschaftliche Beobachtungen oder Hypo- thesen hinzutreten. Wenn ich soeben wiederholt gesagt habe, dass die ideelle Schicht eine eindeutige sei, so muss ich einschränkend noch hinzufügen, dass, genau genommen, nur die Unterschiede der Werthe von D längs der Linie Kolberg-Schneekoppe unzweideutige Ergebnisse sind. Die posi- tiven D-Werthe besagen also nur, dass im Vergleich zu den negativen ein Überschuss von ideeller Störungsmasse vorhanden ist. Beispiels- weise ist jedenfalls unter dem Oderthal die Störungsschicht um 500" grösser als unter dem Netzethal. Im allgemeinen hat man sich aber bei jedem Werthe von D noch eine unbestimmte Constante hinzuzu- denken, die man für eine Gegend so wählen kann, dass die Summe der verbesserten D-Werthe null wird. Auf der Linie Kolberg-Schnee- koppe ergibt sich dafür nallezu — 90”. Mit dieser Constanten werden die Angaben auf eine mittlere Beschaffenheit der Erdkruste unterhalb des Meeresniveaus in der betreffenden Gegend bezogen. Verbessert man in der Zeichnung die Dicke der Störungsschicht um — 90”, so ändert sich das Bild nicht wesentlich. Nur im Gebirge 412 Sitzung der physikalisch -matlıematischen Classe vom 9. April. wird dann die theilweise Compensation der oberirdischen Massen durch die darunterliegende ideelle Störungsschieht etwas stärker; sie erreicht aber noch bei weitem nicht den Betrag (von 50 Procent und mehr) wie in den Alpen. Es ist übrigens selbstverständlich, dass die Frage nach dem Grade der GCompensation der Massen des Riesengebirges durch unterirdische Defecte zu einer abschliessenden Beantwortung noch mehr Beobachtungsmaterial einerseits im Gebirge selbst, andererseits in der weiteren Umgebung bedarf (vergl. meine Untersuchung für die Tiroler Alpen in der »Schwerkraft im Hochgebirge« $4 8.37 u. f.). Die 7. Columne der Tabelle gibt die Lothabweichungen im Sinne »astronomische minus geodätische« Breite. Um diese Zahlen abzuleiten, wurden zunächst die beobachteten geographischen Breiten um die von der Königlichen Landesaufnahme gegebenen, auf geodätischem Wege von Rauenberg bei Berlin aus abgeleiteten vermindert. Die so erhal- tenen Unterschiede hätten für den nächstliegenden Zweck einer allge- meinen Uontrole der Ergebnisse der Schweremessungen ausgereicht; ich habe sie jedoch behufs allgemeinerer Verwendung auf das für West- europa plausiblere System der Lothabweichungen in Breite redueirt, welches ich 1887 in den » Verhandlungen der Permanenten Commission der Internationalen Erdmessung in Nizza« aufgestellt habe. Die Re- duetionen schwanken von Kolberg bis zur Schneekoppe von +58 bis +43: sie ändern somit den Gang der Lothabweichungen wenig. In der Zeiehnung sind diese letzteren als Ordinaten auf derselben Ab- seissenaxe wie das Erdprofil aufgetragen; der Übersichtlichkeit halber sind die Ordinaten-Endpunkte durch eine Linie (mit Striehen und Punkten) verbunden. Ein positiver Ordinatenwerth bezeichnet An- ziehung von rechter Hand, Süd, her. In der Nähe des Gebirges macht sich seine Anziehung ersicht- lich geltend; der grösste Werth der Lothabweichung ist in 917" Höhe auf der Station Alter Bruch am Hange der Koppe erreicht (er dürfte überhaupt nahezu das längs des Hanges stattfindende Maximum dar- stellen); auf der Koppe ist die Lothrichtung von den südlich gele- genen Massen beeinflusst. Auffallend sind nun ferner die grossen Loth- abweichungsbeträge in Goray. Tirschtiegel und Bomst. Sie sind eine Folge des Gegensatzes der unterirdischen Störungsmassen von Kleistberg bis Tirschtiegel einerseits und von Tirschtiegel bis Gröditzberg anderer- seits, wobei anzunehmen ist, dass die Störungsmassen sich in ungefähr gleicher Weise wie im Meridian auch zu beiden Seiten desselben nach Ost und West erstrecken. Auf dieses Verhalten konnte schon im Nizzaer Bericht geschlossen werden, wenn auch mit geringerer Sicherheit. Der geringe Betrag der Lothabweichung in Grunau erklärt sich dureh die Compensation der Anziehungen nach Nord und Süd. In den Herxnerr: Ergebnisse von Messungen der Schwerkraft. >) > 413 Lothabweichungen von Kolberg, Bartin und Klorberg scheint die At- traction der Masse der pommerschen Seeenplatte vorzuherrschen, da- gegen der Einfluss der positiven unterirdischen Störung zurückzutreten, so dass letztere nach Ost und West wohl nur eine geringe Ausdeh- nung haben dürfte. Schwerestörungen und Lothabweichungen 2. Geogr. Bene Breite BSOlBENE... 2.2.0.0: a 54 64 Bllorbere . .......=.-.... 53 51.8 Bleistber® ..........- 53 28.3 Arnswalde..:...... 53 10.1 Sehlsgrund ........ 52 52.8 anray. 2: S2n353 arschtiegel........ 52 22.2 Sternen Beg:8 _ Grünbergshöhe...... 51 56.3 Neustädtel ........ 51 41.6 Wolfersdorf ....... 51 27.9 Gröditzberg ....... 51 10.7 Ludwigsdorf ....... 50 58,5 Va ee 50 55.6 ECwersdorf ........ 50 53.4 Bonsdorf ......... 50 51.3 ONE sera 50 49.6 Bersdorf.......... 50 48.4 Querseifen......... 50 46.9 Alter Bruch ....... 50 46.0 Schneekoppe ....... 50 44.3 | | von Kolberg bis zur Schneekoppe. 2. | | Länge I von | Greenwich | 3° 1. Ideelle | Lothab- Meeres- || g | störende |weichung höhe | > Schicht |in Breite | | 0=2.4 | a.—2. 60 | 450| +190 | + 2.7 177 | 406| +230 [+ 3:8 180 3490| — 70 = 0.4 60 339| — 90 | + 2.0 109 296| —ı60 | + 4.8 114 288| + 30 \+ 8.9 53 2834| +40 | +94 75 | 288 | +310 | +10.4 200 | 243| 4340 | + 7.4 93 | 244| +310 | + 6.4 189 | 2712| 430 + 477 393 18| +140 | +5. 608 049| 0 + 4.6 358 | 0860| — 90 | + 3.1 343 | 068| —240 | + 6.6 390 055| —250o | + 9.0 383 | 054| —230 | +12.9 785 | 9.80973| —ı60 | +15.4 728 | 993 | —ı00 | +16.8 917 | 948| —ı50 | +18.1 1605 | 7194| —ı70 | +11.6 alle Se mit Bundsandstein im S. Anstehendes Gestein und derel. | [ Sand | Jurakalk | Sand Diluvialer Sand | Basaltkegel |Silurischer Thonschiefer | jim SW. Quadersandstein | Diluvialer Lehm | Granitit | Porphyr | | Granitit Ausgegeben am 16. April. woanaaaanalw ww. oo Dichte desselben 5) zur Red. o\ diente 2.53 o' zur Red. o\ diente 2.80 5 5 5 5 5! zur Red. o\ diente 2.73 2 4: Rus Aue mar, Ci I Inu 415 1896. XIX. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 9. April. Sitzung der philosophisch -historischen Classe. Vorsitzender Seeretar: Hr. Diers. Hr. Wemmorv las: Zur Geschichte des heidnischen Ritus. Die Mittheilung erfolgt in den Abhandlungen. 417 Altbabylonische Maasse und Gewichte. Von Dr. GEORGE REISNER in Berlin. (Vorgelegt von den HH. Ervmax und Sacnau am 19. März |s. oben S. 359].) Aus dem Funde der Thontafeln von Tello, der Tempelrechnungen aus der Zeit der II. Dynastie von Ur enthält, sind etwa 500 Tafeln als Geschenk des Hrn. Jaues Smox den Königlichen Museen zuge- gangen. Bei der Durchsicht dieser Tafeln, mit deren Herausgabe ich beschäftigt bin, haben sich mir neue Aufschlüsse über das bisher sehr mangelhaft bekannte altbabylonische Maass- und Gewichts-System er- geben, die ich im Folgenden darlegen werde. Gewichts-System. Man hat schon früher vermuthet, dass ebenso wie in späterer Zeit, so auch in dieser Epoche 60 Sekel (@IN) = ı Mine (MA-NA) und 60 Minen = ı Talent (FUN) sind. Meıssser (Beiträge zum altbab. Privatrecht S. 94) hat ferner nachgewiesen, dass ein Sekel mehr als 90 Se betrug. Zwei grosse Tafeln, V.A. Th. 2243 und 2244, die für verschiedene Gegenstände und Stoffe den Werth in Silber angeben, bestätigen die bisherige Vermuthung und beweisen weiter, dass ı Sekel = 180 Se ist. Um diese Texte richtig zu verstehen, geht man am besten von Beispielen aus, in denen das fragliche Se nicht vorkommt. Es ist klar, dass die folgenden Abschnitte: 80 GIS U-DA 8 TA KASAB-BI ı0 GIN 5 GIS PA-TUR (HI-A) ı0 TA KASAB-BI !/, GIN 72 GIS ZI-MUS SA GIS KU-RU ı2 TA KASAB-BI 6 GIN Sitzungsberichte 1896. 39 418 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 9. April. — Mittheilung vom 19. März. zu übersetzen sind: 80 (Stück) U-DA Holz zu 8 Stück (pro Sekel) beträgt 10 Sekel Silber. 5 (Stück) PA-TUR Holz zu 10 Stück (pro Sekel) beträgt '/ Sekel Silber. 72 (Stück) .... Holz zu ı2 Stück (pro Sekel) beträgt 6 Sekel Silber. Ein anderer Abschnitt lautet nun aber: 87 GIS BAR-DUMU 60 TA KASAB-BI ı GIN SHI-3-GAL 2ı SE Nach dem eben Bemerkten bedeutet dies: 87 (Stück) BAR-DUMU Holz zu 60 Stück pro Sekel beträgt ı1/; Sekel 21 Se Silber. Wir haben also 87/6 = 1?7/o GIN = 1"); GIN + 1/eo GIN: die 7/eo Sekel entsprechen also den 21 Se der Tafel. Folglich ist ı Sekel = 60 & x RO Rode Eine Anzahl anderer Abschnitte führen zu demselben Ergebniss. Z.B. ı Mine @U-AB-BA-IB zu 5 Minen pro Sekel beträgt '/s Sekel 6 Se. Danach ist 1/, Sekel = !/6 Sekel + 6 Se. Also: '/, Sekel weniger !/6 Sekel = 6 Se. 130 Sekel — 6 Se. TSekel = Bor Se: Ein dritter Abschnitt lautet: 5 GUN ı5 MANA SI-KUNIN 2 GUN-TA KASAB-BI 2'/, GIN 221[2 SE Das heisst also: 5 Talente 15 Minen Erdpech (?) zu 2 Talenten pro Sekel beträgt 2'/z Sekel 22"/, Se Silber. Da 2 Talente Erdpech ein Sekel kosten, so kosten 5 Talente desselben 2! Sekel, und die ı5 Minen Erdpech müssen also den Preis der 22'/, Se darstellen. Eine Mine Erdpech kostet also 5 150: & RER: X s 180 (Se) s 1.5 Se und für einen Sekel (= 130 Se) kauft man - Ne 120 Minen 1.5 (Se Erdpech. Da man nun aber nach dem Text 2 Talente für einen Sekel bekommt, so müssen 120 Minen = 2 Talente, 60 Minen = ı Talent sein. Reisser: Altbabylonische Maasse und Gewichte. 419 Dafür dass 60 Sekel = ı Mine sind, bringt folgender Abschnitt den Beweis: 986 GUN 30 MANA KU uns UD 10 GUN TA KASAB-BI 1'), MANA 8!/, GIN 27 Se. Das heisst: 986!/, Talente Erdpech zu 10 Talenten pro Sekel beträgt ı'/z Mine 8'/, Sekel 27 Se Silber. Demnach kostet ı Talent Erdpech !/ıo Sekel und 986'/, Talente kosten 98.65 Sekel, die also = ı!/, Mine 8!/, Sekel 27 Se sein müssen. Da nun, wie wir oben gesehen haben, 180 Se einem Sekel gleich sind, so sind 27 Se = 3/20 Sekel und 8!/, Sekel + 27 Se sind 8.65 Sekel. Es verbleiben also für die 1!/, Minen 90 Sekel: eine Mine ist also = 60 Sekel. Flächenmaasse. Die Reihenfolge der altbabylonischen Flächenmaasse Jr T(GAN), SYLT (SAR), Mel (GIN) und *% (SE), ist wohl bekannt; ihr Ver- hältniss zu einander ist es aber nicht. Dass 60 GIN = ı SAR sind, ersieht man jetzt aus den Angaben einer der neuen Tafeln V. A. Th. 2213, die folgendermaassen lautet: Zeile ı: 11872/; SAR 2'/; GIN. Land mit sam IST bepflanzt.(?) : davon, : 1405/6 SAR für den Tempel der Göttin Nin-gir-su, : 75°/; SAR für den Tempel der Göttin Ningiszidda, : Summa: 216'!/, SAR abgeerntet, : Rest: 971 SAR ı2!/, GLN nicht abgeerntet. Nu ov Die Rechnung ergiebt uns 1187?/; SAR 212 GIN weniger 216!J, SAR —= 971!/6 SAR 2!/» GIN, wobei die gefundenen !/s SAR 2!/z GIN den 12!/; GIN in Zeile 6 gleich sein müssen. Folglich sind 10 GIN = '/s SAR und 60 GIN = ı SAR, wie das von vornherein zu vermuthen war. Auch im Verfolg wird auf derselben Tafel wieder '/; SAR gleich ı0o GIN und ?2/; SAR + 10 GIN gleich 5/6 SAR gesetzt. Aus den Angaben der Tafel V. A. Th. 2210 ergiebt sich des weiteren, dass 1500 SAR gleich einem G@AN ist. Es heisst hier auf der Rückseite II, 17: 5 GUD-APIN 120 SAR-TA A-SAG ls GAN Das heisst »5 Pflugochsen (?) zu je 120 SAR [d.h. wohl: die 120 SAR zu pflügen vermögen] (genügen für) ein Feld von !/; GAN«. Folglich 420 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 9. April. — Mittheilung vom 19. März. sind 5 X 120 oder 600 SAR='/; GAN und ı GAN ist gleich 1800 SAR. Eine Reihe anderer Posten bestätigen dies. So steht z.B. auf Me . N or . a _ der Rückseite II. 5: »274'/z mal 200 SAR macht ein Feld von ax »>< »>> GAN (= 30'/; GAN, s. unten)«. Nun sind 274'/z mal 200 SAR = 54900 SAR, die also — 30!/; @AN sein müssen. Folglich ist auch hier ı GAN (= Be SAR) — 1800 SAR. 3 1/2 Uber die eigenthümliche Bezeichnung der Vielfachen und Brüche des GAN wnterrichten uns zwei grosse Tafeln V. A. Th. 2201 und V,A. Th. 2202, die glücklicherweise vollständig erhalten sind. Sie geben die Grösse der Aussaat für verschiedene Felder an, wobei die einzelnen Posten in folgender Art angegeben sind: »Ein Feld von (22 GAN zu 14), GUR Getreide (pro GAN).« Auf der Rs. werden die Summen der Felder und der Aussaaten auf- gestellt, z. B. »Summe der Felder, die eine Aussaat von 1%/; GUR pro GAN erhalten haben, beträgt ax (( GAN.« Wie sich aus diesen Summen ergiebt, ist die Einheit, mit der man multiplieirt, das (fr T BUR-GAN und dieses (Jr T ist nicht als 10 GAN zu verstehen, wie man nach dem Zeichen ( angenommen hat, sondern als ı @AN'. Ein Zehntel von einem «571 ‚ oder das vermeintliche @GAN wird in diesen Tafeln nur in SAR ausgedrückt. Die Vielfachen und Brüche von einem (BUR-) G@GAN werden so ge- schrieben: TE 1I= !(BUR) GAN (= 25 SAR) a ee » » ee. 50 5) se Ne » » (= 100 77) N ». (= 680,5) » — IO » » (vergl. VER: 32) » pe) (6) [0/6] » » » =D OONU SE WE SOMIT) | Zum Beweis dieser Annahme dienen die folgenden Rechnungen: I. Auf der Rs. II, 2 der oben erwähnten Tafel V. A. Th. 2201 steht (A) AA «5 ’ als die Summe der Felder, die eine Aussaat ! Dies ist vielleicht sogar BUR-GAN zu lesen, vergl. VR. 32 Ende. Reısser: Altbabylonische Maasse und Gewichte. 421 von 1+/; GUR pro GAN erhalten haben. Die einzelnen Eintragungen über solche Felder sind nun: Vest Bo % | >< GAN m: FR Kae y 5 2° 92 « Ke a x « | en Fe. Rewe re ee En » . 3 c - 5 aA Die Zusammenaddirung dieser Posten ergiebt als Summe (B) ı X 204 6» GAN. D ” “ . ” a Ä Nach meinen obigen Annahmen ist nun zwanzig ( — Aw > ö n ERIEIFES sechs »< —= zwei (. sodass die eben gefundene Summe B AAA « @AN macht, was gleich der auf der Tafel angegebenen Summe A ist. II. Auf der Rs. II 5 derselben Tafel wird als die Summe der Felder, für die ein Aufwand von 1!/; @GUR pro GAN nöthig war, (A) AA >>> Sf Tangegeben. Die einzelnen Eintragungen lauten: Ve. X ER GAN SE ae « | ® » 107; 2: | « | | » EEE Kai u » 11% LS° 2G | ( >—t | » Die Zusammenaddirung dieser Posten ergiebt als Summe (B) 7X 14 Ä 4 > 3 »>- GAN. Nach meinen Annahmen sind vier —< gleich ein + ein »<, vier- zehn ( gleich ein X + vier d, und sieben X gleich ein + ein «. Die Summe B beträgt also DAI« ><>>> (AN, was gleich der auf der Tafel angegebenen Summe A ist. III. Noch ein Beweis lässt sich aus der Summe der verausgabten Getreidemengen gewinnen. Diese Summe beträgt Rs. II, 6: (A) 212 GUR 165 KA. Rechnet man die einzelnen Posten, die die Tafel angiebt, nach den obigen Annahmen aus, so erhält man: 422 Sitzung der phil.- hist. Classe vom 9. April. — Mittheilung vom 19. März. Rs. II. ı ? = 12 >)) GAN zu 1a GUR pro 0 GAN [macht 3 GUR] » I, J 4 AA“ « « (= 32) » » 14; » ge 5 » [ » { 57"2/20 » ] » I. 3 Re 6) » » 173/30 » » » [ » g'8lzo » ] » I, ö A e 111) » » 1! /- » » » [ » 739 16/36 » ] >, A % «4 „>>> = 85"/,) » » I! » » » [ » 1285 20» ] oder 212 GUR 165 KA, Zusammen: 212!1/,0 » d. h. die auf der Tafel angegebene Summe A. IV. und liefert ferner den Beweis, Auch die Tafel V. A. Th. 2 dass 202 bestätigt unsere Annahme x —= !/ss GAN und T — 1/2 GAM Auf Col. II der Rs. ist. auf 1682/20 GUN an. giebt sie nämlich die Aussaat für drei Felder Lässt man zunächst das a das im zweiten Felde vorkommt, unberücksichtigt, so ergiebt die Zusammenzählung der einzelnen Posten: AA; SL (#5 16) GAN zu 1!/, GUR pro GAN en 875/20 GUR) x ««< | x x S »>— = = 395/o) » 7 Ele » i » » [ » 14/20 » ] B922 = 8) » » T ll. » » » [ » 9'2/20 » ] Zusammen: 1681/30 @ UR Wir haben also nur 168'/,. anstatt der von der Tafel angegebenen (esammtzahl : von des x in x Isnorierung und RN = Abschnitt giebt Ein zweiter 641 GÜR 255 KA an. berücksichtigt, I 6 S 2/30 dem zweiten Felde herrühren. und dieser Unterschied muss der Folglich ist: von mal 14/;, GUR= 136 (GAN). die Aussaat für 20 GUR drei andere Felder auf Lässt man nun ein 1 im dritten Felde un- so ee die Zusammenzählung der einzelnen Posten: -— » » oder 641 GUR der Folglich ist: 250 KA. T mal i&; 7, ee » » [ » I Il. » » » [ » I!/s T = 5/60 = "ra , GUR pro GAN [macht So GUR]- 2 1 570% 30 » 5 Zusammen: 6415/6 GUR Wir haben also 641 GUR 2 n ) 250 KA anstatt auf der Tafel angegebenen Gesammtzahl von 641 GUR 255 KA. GUR (oder 360 KA) (FAN). 5 hA Reısser: Altbabylonische Maasse und Gewichte. 423 Einige andere Tafeln bestätigen diese Ansätze. Auch beachte man, dass von dem T nur ein. » » N » ein, » » »—- nicht mehr als fünf, » mo» » » ». zwei, ) » Ä » » » neun, » a GE » » fünf, » » ’®: » » » neun vorkommen. Die bisherige Annahme, nach. der «ir T= ı10o@GAN, »><—=5GAN und» = 1 GÄAN sein sollen, würde schon an dieser Thatsache scheitern, auch wenn nichts anderes gegen sie einzuwen- den wäre. Nach der Analogie des Gewichtsystems würde ı GIN als Flächen- maass auch 180 SE enthalten. Wenn dem so ist, so lauten die Flächenmaasse nach den obigen Ausführungen folgendermaassen: ı GAN = 1800 SAR ı SAR= 60 GIN ı GIN = ı8o(?) SE. Hohlmaasse. Das System, das uns der altbabylonische Cylinder V. A. 2596' kennen gelehrt hat, wird auch auf den neuen Tafeln ausschliesslich verwendet. Das »1-4£,=TT” bedeutet also 10 AA, das f 120 KA und das @UR beträgt 300 KA. Nach dem a oder dem zT findet man meistentheils den Zusatz »König« (oder vielleicht richtiger »des Königs«), was zu der Annahme führen könnte, dass noch ein gemeines System (wie das neubab. mit dem GUR zu ı80o AA) neben einem königlichen existirt hätte. Da aber sonst‘keine Spur eines gemeinen Systems vorhanden zu sein scheint, so wird man gut thun, weitere Beweise abzuwarten. Ausser dem AA und dem GUR kommt auch das @IN (mit dem- selben Zeichen geschrieben, wie der Sekel) vor, in dem Verhältniss von 60 GIN = ı KA. So z.B. heisst es in einer Liste von Ausgaben, wo die verschiedenen Werthangaben in gewöhnliches Getreide oder Öl umgerechnet werden: ı Veröffentlicht von Leunann und MEIıssner in MEıssser, Beiträge zum alt- bab. Privatrecht. 2 ® Die Zeichengruppe 55 wird nur nach den Zeichen ı bis 9 KA gebraucht. 424 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 9. April. — Mittheilung vom 19. März. Zeile 3: »106 ERU A-GAM zu 4 GIN Öl pro Stück macht 7 KA 4 GIN Öl.« Demnach sind 424 GIN weniger 4 GIN = 420 GIN so viel wie 7 KA, und ı KA ist gleich #°/. GIN = 60 @IN. Zeile 12: »86 ERU A-GAM zu 4 GIN Öl pro Stück macht 52/;, KA 4 GIN Öl.« Demnach sind 344 @IN weniger 4 GIN = 340 GIN so viel wie 52/3 KA, und ı KA ist gleich =; =IHOIGIN: 3 2 Weiter heisst es: Auch in der Summe am Schluss ist 10 GIN + #6 KA= 5/6 KA, sodass ıo GIN = !/& KA ist und / [6 % I AA = 601GIM Ich stelle hier noch einmal die Resultate dieser Arbeit zusammen: I I. h SORT >= I IH. Gewichte. ı Talent (FUN) = 60 Minen (MANA) ı Mine = 60 Sekel (GIN) ı- Sekel = 180 SE. Flächenmaasse. Lt AN = 1808, SAR I SAR= OO GEN ı GIN = ı8o(?) SE. = re @GAN (oder ı [36 GAN (oder 29 50 ılıs GAN (oder 100 '/; G@GAN (oder 600 ı (BUR-) GAN ı0o GAN 60 GAN » = 600 GAN I I Hohlmaasse. — EEETK (EIEA-TIT-O = 3600 GUR SAR) SAR) SAR) SAR) 1. FUR= SIENN—=300 23 10 NA ı KA= 60 GIN Reısser: Altbabylonische Maasse und Gewichte. 425 FETT = 40 KA uua | Ss Ta Bee = boy GUR Y u En ice ee U, „ro nl,» eu » » = 240» = Als 2) N ee » Ä 10 U Be co. > Ross = too > nn =3600 w ls. auch oben). Wir finden also bei jedem Maasssystem, bei den Hohlmaassen, den Flächenmaassen und den Gewichten zunächst einige Bezeichnungen, die dem betreffenden Systeme eigenthümlich sind. wie z.B. das SAR bei den Flächenmaassen. Eine andere Bezeichnung aber, nämlich das GIN, ist allen Systemen gemeinsam und eine andere, das SE, wenig- stens zwei Systemen gemeinsam. Diese zwei scheinen in dem Ge- wichtssystem entstanden zu sein und bei den anderen Systemen (wenig- stens bei den Flächenmaassen) secundäre Bildungen zu bezeichnen. Zahlbezeichnung. Eine besondere Eigenthümlichkeit' der Tafeln von TErLo, die so noch nicht bekannt ist, ist die Bezeichnung der Zahlen 9, 8, 7, 19, 18, 17 u.s. w. Man schreibt nämlich für 9 nur ausnahmsweise neun Striche (so z. B. bei 9 @GUR) und schreibt in der Regel stattdessen <«!T 10 LAL ı, »ıo weniger I« und ebenso verfährt man, wenn auch seltener bei 8 und 7, so z. B. wird 37 einmal om 40 LAL 3 »40 weniger 3« geschrieben. Das Zeichen LAZ, das ich mit »weniger« wiedergegeben habe, wird auf den Tafeln vielfach verwendet, um den Fehlbetrag zu bezeichnen, ebenso wie hl YY SI-A den »Über- schuss« in Rechnungen bezeichnet. So z.B. heisst es, dass ein Hirte so und so viele Schafe LAZL »schuldig bleibt,« nachdem eine An- ! Auch Jensen, Kosm. S.106 Anm. 2 fasst, worauf ich nachträglich aufmerksam gemacht werde, «<1Y richtig als undeviginti auf. «IT ist wahrscheinlich ein Schreibfehler (des assyrischen Schreibers?) für «IT: Vergl. auch OPPrerr, ZNEX 3 Sitzungsberichte 1896, 40 426 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 9. April. — Mittheilung vom 19. März. zahl geliefert worden ist. Wichtig für die Auffassung der hier be- sprochenen Erscheinung sind auch die Beispiele «>= .1 »20 GUR = PP + S = weniger 2 GUR« und «My »IT »20 GUR weniger 180 KA«, so x > = on ee AT Nr . Sr wie: SI-YJYI-GAL GIN Im SE »1/, GIN oder 45 SE weniger 5 SE« (= 40 SE). Aus der hier besprochenen Sehreibung (T Y_ »zehn weniger eins« erklärt sich übrigens nun auch das spätere, bisher noch unerklärte Zeichen 4%, das als Abkürzung für 9 dient; schon auf unseren Tafeln . ae] ,s . B B>— . hat, wo es weniger sorgfältig geschrieben ist. das (T Y oft eine .. ” ‘ schräge Riehtung e fo} o Ausgegeben am 16. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. PR 427 1396. XX. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 16. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Hırschrern las die umstehend folgende Abhandlung: Aqui- tanien in der Römerzeit. 2. Hr. Diers legte im Auftrage des correspondirenden Mitgliedes Hrn. Weir die Publication des vierten von der französischen Expedition in Delphi gefundenen Hymnus vor: »Un Pean delphique a Dionysos« (Extrait du Bulletin de corresp. hellenique XIX), und knüpfte einige Bemerkungen an, welche unten unter dem Titel: »Zum delphischen Paian des Philodamos« abgedruckt sind. 3. Hr. Dümnter überreichte den unten folgenden Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica für das Jahr 1895. 4. Die philosophisch-historische Classe hat Hrn. Weser zur Heraus- gabe des 18. Bandes seiner »Indischen Studien« 720 Mark, und dem Sitzungsberichte 1896, 41 428 Gesammtsitzung vom 16. April. Gymnasialdirector a. D. Hrn. Geh. Reg.-Ratlı W. Scnmiz in Köln zur Herausgabe eines in tironischen Noten geschriebenen Abschnitts «es Cod. Vatie. Christinae 846 saec. IX 550 Mark bewilligt. Das correspondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hr. AnoLr MERKEL ist am 30. v.M. zu Strassburg verstorben. Aquitanien in der Römerzeit. Von Orro HirscHrELo. e allen Provinzen des römischen Reiches wird kaum eine so selten in unserer historischen Überlieferung genannt, als Aquitanien. Durch das unwegsame Pyrenäengebirge von Spanien abgeschlossen und abseits der grossen Heerstrasse liegend, die, durch die Narbonen- sis der Meeresküste entlang laufend, Italien mit jenem Lande verband, im Westen vom Ocean umsäumt, im Norden durch die Garonne von dem Keltenlande getrennt, hat Aquitanien seit seiner Unter- werfung, ohne je in den Strudel der grossen Politik gezogen zu werden, ein stilles Dasein geführt und sich auch unter der Römerherrschaft seine Individualität bewahrt. Was wir von der Vergangenheit des Landes wissen, verdanken wir, neben den Nachrichten Caesars und der antiken Geographen, den Inschriften und wenn man auch in diesem geschichtslosen Lande nicht erwarten darf, in ihnen bedeutsame historische Thatsachen verzeichnet zu finden, so dürfte doch der Versuch gerechtfertigt erscheinen, das Wenige, was unsere Quellen über dieses Land und die Eigenart seiner Bewohner lehren, in kurzer Zusammenfassung hier vorzulegen. Unsere Betrachtung wird sich dabei auf den Theil beschränken, der allein auf den Namen Aquitanien im ethnographischen Sinn Anspruch er- heben kann, nämlich auf das Gebiet zwischen den Pyrenäen und der Garonne, denn der von Augustus mit diesem Lande zu einer Provinz vereinigte rein keltische Strich zwischen der Garonne und Loire ist, wie es bei dem grundverschiedenen Charakter der so verbundenen Nationalitäten nicht anders sein konnte, niemals mit dem eigentlichen Aquitanien zu einem organischen Ganzen verschmolzen. Erst kurz vor ihrer Unterwerfung durch die Römer treten die Aquitaner in unseren Gesichtskreis. Wir erfahren nämlich durch Caesar (b. G. III, 20), dass sie oder doch ein Theil derselben! in ! Auf freundschaftliche Beziehungen der Römer zu einem Theile Aquitaniens deuten die Angaben Caesars b. G. III, ı2, 4: Piso Aquitanus, amplissimo genere natus, cuius avus in civitate sua regnum obtinuerat amicus a senatu nostro appellatus,; wahrschein- lich ist dies aus Anlass des Sertorianischen Krieges geschehen. In dieselbe Zeit wird 41* 430 Gesammtsitzung vom 16. April. dem Sertorianischen Kriege, im Anschluss an ihre Stammesgenossen jenseits der Pyrenäen, mit den Römern im Kampfe gestanden, den sonst nirgends genannten Legaten L. Valerius Praeconinus geschlagen und ge- tödtet, den Proconsul der Narbonensis L. Mallius aus ihrem Lande mit Zurücklassung seiner Bagage zu fliehen gezwungen haben. Da derselbe in Spanien, wie Livius und andere Schriftsteller berichten, durch L. Hirtuleius, den Quaestor des Sertorius, eine entscheidende Niederlage erlitt, so wird ihn dieses Missgeschick auf seinem Rück- zuge durch Aquitanien getroffen haben. Pompejus hat dann nach Beendigung des Sertorianischen Krieges Räuber und zusammenge- laufenes Gesindel' aus dem Heere des Sertorius, wie Hieronymus berichtet', also wohl keltiberische Landsknechte, die in Spanien zu lassen gefährlich schien, in dem Pyrenäenort angesiedelt, der unter dem Namen Lugdunum Convenarum (heute St.-Bertrand) in der Folge- zeit eine für diese Gegenden nicht unbedeutende Entwickelung ge- nommen hat. Wahrscheinlich ist die Aufsicht über diese Ansiedelung dem Statthalter der narbonensischen Provinz übertragen worden, die vielleicht sogar in jener Zeit sich bis in diese Gegend erstreckt hat”. Die Eroberung Aquitaniens ist nicht von Caesar selbst, sondern von seinem jugendlichen Legaten P. Lieinius Crassus im dritten Jahre des Gallischen Krieges vollzogen worden. Mit ı2 Legionscohorten und zahlreicher Reiterei fällt er in das Gebiet der Sotiates ein®’, be- das Bündniss mit dem König der Nitiobroges fallen, deren Gebiet sich, wenigstens in der Kaiserzeit, südlich über die Garonne, also in das eigentliche Aquitanien er- streckt zu haben scheint, vergl. Caesar b. G. VII, 46, 5: Teutomatus Olloviconis filius, rex Nitiobrogum, cuius pater ab senatu nostro amicus erat appellatus. — Vergl. auch Dio- dor 34, 36 (zum Jahre rıı/ıro v. Chr.): Kovrwviaros rıs 6 Baoıkevs ns IaNarıkjs moNews ns ovro KkaNovuevns "lovropas .. &iXos de Kal evunayos "Poynalov ... dıa ’Ponatov de Tapel- Anpos tv Ev ITaNaria Paoıkeiav, wo Zippel in Jahns Jahrbüchern für Philologie 1888 S. 613 ff. Aarroöpas für ’lovröpas einsetzen will(?). ! Hieronymus adversus Vigilantium II p.357 col.389 seq. ed. Migne: Vigilantius, caupo Calagurritanus (so heisst er col. 387), nimirum respondet generi suo, ut qui de la- tronum et convenarum natus est semine, quos On. Pompeius edomita Hispania et ad triumphum redire festinans in Pyrenaei iugis deposuit et in unum oppidum congregavit, unde et Convenarum urbs nomen accepit, eine Nachricht, die vielleicht aus Sallusts Historien stammt. Wenn Hieronymus a. a.O. den Vigilantius als de Vettonibus, Arevacis, Celtiberis descendens bezeichnet, so wird auch diese Angabe über die hauptsächlich unter den Convenae vertretenen Stämme derselben Quelle entnommen sein. Vergl. auch Caesar b. e. III, 19, 2: fugitivis ab saltu Pyrenaeo, die mit den Römern in Verhandlungen ein- getreten seien (quibus licuisset legatos mittere), offenbar Überbleibsel des Sertorianischen Heeres. — Über die Verbannung des Herodes Antipas und seiner Gattin Herodias nach Lugdunum vergl. diese Sitzungsberichte 1895 S. 399 Anm.1. ® Vergl. Danville notice de l’ancienne Gaule S.242 und Blade revue des Pyrenees 5 3 Sontiates ist allerdings die Überlieferung in der Handschriftenelasse « bei Meusel, während die Handschriften der Classe ß die Form Sotiates, Sociates, Sosiates HırscHrern: Aquitanien in der Römerzeit. 431 siegt dieselben nach heftigem Widerstand und erobert ihre hoch- gelegene, befestigte Stadt; ihr König Adiatunnus, oder richtiger nach Ausweis der Münzen Adietuanus', ergiebt sich mit seinen 600 Treu- genossen. Darauf rückt Crassus in das Gebiet der Vocates und Tarusates vor. Die Aquitaner verbinden sich unter einander und senden nach Spanien zu den stammverwandten Cantabrern um Hülfe, die ihnen Mannschaft und tüchtige, schon unter Sertorius erprobte Führer senden. Crassus greift das Lager der an Zahl weit überlegenen, nach der vielleicht übertreibenden Angabe Üaesars bis auf 50000 gewachsenen Feinde an und während diese die Römer abzuschlagen suchen, dringt ein Theil der Reiterei auf Schleich- wegen durch das unbesetzte Hinterthor in das Lager ein. Die Feinde, überall umzingelt, lösen sich in wilder Flucht auf und wer- den von der Reiterei zum grössten Theile niedergehauen: darauf ergiebt sich fast ganz Aquitanien dem Crassus und stellt den Römern Geiseln. 2 So lautet in den wesentlichen Zügen die Schilderung Caesars”, auf den auch die wenigen sonst erhaltenen Berichte” über die Er- oberung Aquitaniens zurückgehen, eine Schilderung, die in topogra- phischer Hinsicht die Praeeision und Deutlichkeit sehr vermissen lässt, die wir an ihm, wo er seine eigenen Thaten erzählt, zu bewundern gewohnt sind. Es tritt klar zu Tage, dass ihm Aquitanien ein fremder geben; aber mit Recht haben Kübler und Meusel, der zuerst die früher unterschätzte Bedeutung derselben in das richtige Licht gesetzt hat, im Gegensatz zu der Mehrzahl der Herausgeber die letztere Lesart in den Text gesetzt. Denn sowohl die Codices des Orosius VI, 8, 19-20, der hier aus Caesar schöpft, geben Sotiates bezw. Sociates, als auch der gleichfalls von Caesar abhängige Nicolaus Damascenus bei Athenaeus VI, 54 p- 249: Zorıavov. Plinius n. h. IV, 108 bietet Sottiates und wahrscheinlich ist im Itine- rarium Hierosolymitanum p. 550, 5 das überlieferte Scittio mit Danville notice de l’an- cienne Gaule S.613 in Sottio zu corrigiren. Entscheidend ist ferner die in der folgen- den Anmerkung eitirte Münzlegende: SOTIOTA. Bei Dio XXXIX, 46, 2 ist der Name Zorıaras oder Zorrıaras in Amaras corrumpirt. ! Adiatunnus ist bei Caesar b. G. III, 22, ı in der Handschriftenclasse « überliefert, während ß Adcatuannus giebt (Adiatuanus vermuthet Meusel); sein wahrer Name auf der Münze REX ADIETVANVS FF | SOTIOTA, vergl. De Sauley: chefs Gaulois in Annales de la Soc. de numismat. II, 1867 p.ıg tab. I, 33 und Delatour atlas des mon- naies Grauloises tab. XI, 3605. Bei Nicolaus a. a. O. ist Aödıarouov überliefert. Die Mün- zen gehören, wie die römische Sprache und wahrscheinlich auch die auf ihnen dar- gestellte Wölfin zeigt, der Zeit zwischen dem Feldzug des Crassus und der definitiven Einrichtung der Aquitanischen Provinz durch Augustus an, Caesar hat demnach, we- nigstens bei den Sotiates, die Königsherrschaft unter Anerkennung der römischen Oberhoheit bestehen lassen. ®? Caesar b. G. Ill, 20—27. 3 Dio XXXIX, 46; Orosius VI, 8, 19— 22; ebenso Nicolaus an der oben ange- führten Stelle. Florus III, 10, 6: Agwitani, callidum genus, in speluncas se recipiebant: iussit includi ; morabantur in silvis: iussit incendi geht allerdings auf Livius zurück. 432 Gesammtsitzung vom 16. April. Boden ist und er hat in der That das Land nur flüchtig nach Be- endigung des ganzen Krieges besucht und kennen gelernt!'. Weder erfahren wir, von welcher Seite Crassus seinen Einmarsch vollzogen hat, noch wird der Ort genannt oder genauer bezeichnet, an dem die den Krieg entscheidende Eroberung des Lagers stattgefunden hat. Von den drei genannten Stämmen, in deren Gebiet sich der Kampf abspielt, erscheinen die Vocates vielleicht auch bei Plinius, die Tarusates nur bei Caesar und die versuchten Identificationen der letzteren mit ähnlich klingenden antiken und modernen Namen sind durchaus hypothetisch’. Dagegen liegt es nahe, die Sotiates mit Danville und anderen Geographen in die Gegend von Sos zu setzen, wenn auch freilich der Gleichklang des Namens täuschen kann und andere Localisirungen versucht worden sind’. Ist dies zutreffend, so muss Crassus von Norden her in Aquitanien eingebrochen sein, was ohnehin wahrscheinlich ist, da er bei den Andecavi, im heutigen Anjou, überwintert hatte und von dort nach Aquitanien gesandt wurde, demnach wohl auf dem kürzesten Wege, durch das Land der friedlichen Pietones und Santoni’ seinen Marsch vollzogen haben wird: der Krieg wird sich dann im Nordwesten Aquitaniens abgespielt haben, wozu einerseits die Lage der von Caesar aufgezählten Stämme, die sich sofort dem Sieger unterwarfen, soweit sie uns bekannt ist, ! Hirtius b. G. VIII, 46: Caesar cum ... Aquitaniam numquam ipse adisset, sed per P. Crassum quadam ex parte devicisset, cum duabus legionibus in eam partem Galliae est profectus, ut ibi extremum tempus consumeret aestivorum. (Juam rem sicuti cetera cele- riter felicitergue confecit; namque omnes Aquitaniae civitates legatos ad Caesarem miserunt obsidesque ei dederunt. (Quibus rebus gestis ... Narbonem profectus est. ® Die Vocates hat man mit den bei Plinius IV, 108 genannten Basabocates (im Riccardianus Basaboiates) identifieirt, wobei vorausgesetzt wird, dass das Wort aus zwei Namen Basaltes], Bocates corrumpirt sei; über die Identification mit den Boiates s. unten S. 454 Anm. 5. Danville S. 678 hält, gleichwie schon vor ihm Cellarius, die Vocates für die Vasates und sucht (S. 634) die Tarusates, die Valesius mit den Latusates, Andere mit den Toruates bei Plinius a. a. O. identificiren, in der Diöcese von Aire (dep. des Landes): "il y a toute apparence que le nom de Tarusates se conserve dans une partie du diocese d’Aire sous le nom de Tursan ou plutöt Teursan’; vergl. Desjardins geographie 2 S. 363 und 645 Anm. 2: "il faut done oser avouer que nous ne savons ol etaient ces deux. peuples'. Im Westen von Aquitanien sind sie ohne Zweifel zu suchen. ® Camoreyt l’emplacement de l’oppidum des Sotiates (in Revue de Gascogne 1883) nimmt für sie die Gegend von Lactora in Anspruch, doch sind seine Gründe keines- wees beweisend. #2. Caesarıb..G, IN, 7.2. ° Caesar b. G. Ill, ı1, 5: ex Pictonibus et Santonis reliquisgue pacatis regionibus ; vergl. Danville S.612. Der Umstand, dass Crassus sich vor seinem Einfall in das Gebiet der Sotiates durch Zuzug aus dem westlichen Theil der Narbonensis verstärkt (b. G. III, 20, 2: multis praeterea viris fortibus Tolosa et Carcasone et Narbone, quae sunt civitates Galliae provinciae finitimae his regionibus, nominatim evocatis), ist in keiner Weise für diese Frage zu verwerthen. HırscHreLp: Aquitanien in der Römerzeit. 433 stimmt'!, andererseits, dass die Convenae im Südosten des Landes unter ihnen nicht genannt werden, die demnach wohl unter den ‘wenigen entferntesten Stämmen’ zu verstehen sind, die, in den un- zugänglichen Pyrenäenthälern vor einem Angriff in der Winterszeit sich sicher fühlend, ihre Unabhängigkeit zunächst behaupteten’. An der Erhebung Galliens unter der Führung des Helden aus dem Arvernerstamme Vereingetorix hat Aquitanien direeten Antheil nicht genommen, wenn es auch dem Nitiobroger-König Teutomatus Hülfstruppen gestellt hat” und in unmittelbarer Nähe des Landes der kühne Cadurker Lucterius den Kampf noch über den Fall von Alesia hinaus fortführte. Caesar, den grössere Aufgaben nach Italien riefen, hat sich, wie in Gallien überhaupt, so noch mehr in Aquitanien an einer raschen Ordnung der Verhältnisse genügen lassen und auf eine vollständige Unterwerfung des Landes Verzicht geleistet‘. Es hat daher noch zweier Feldzüge bedurft, um den letzten Widerstand hier zu brechen: im Jahre 716 = 38 v. Chr. hat Agrippa und etwa zehn Jahre später M. Valerius Messalla diese Aufgabe im Auftrage des jungen Caesar gelöst. ! Caesar nennt, offenbar ohne die geographische Reihenfolge einzuhalten und mit Übergehung der Sotiates, deren Ergebung er vorher berichtet hat, die Tarbelli, Bigerriones, Ptianii, Vocates, Tarusates, Elusates, Gates, Ausei, Garumni, Sibuzates, Cocosates, deren Namen zum Theil in den Handschriften schwanken. Nur an dieser Stelle genannt werden die Ptianii, Gates, Garumni und Sibuzates; über die versuchte Identification der Vocates und Tarusates mit ähnlichen Namen bei Plinius vergl. S. 432 Anm. 2. Die Garumni (oder Garunni) sind natürlich an der Garonne zu suchen, aber ob am Oberlaufe derselben in dem Gebiete der Convenae, wie die meisten Neueren an- nehmen, oder an der Mündung derselben im Gebiete der von Caesar nicht genannten Bituriges Vivisci, die von der Unterwerfung nicht ausgeschlossen sein konnten, ist ganz zweifelhaft. Sicher zu localisiren sind die Tarbelli (bei Dax = Aquae Tarbellicae), die Bigerriones im heutigen Bigorre, die Elusates (überliefert ist Flustates) bei Eauze (= Elusa), die Ausei (bei Auch); die Cocosates hat man bei Coaequosa (dep. des Landes) finden wollen, doch ist die Localisirung sehr zweifelhaft (Desjardins geographie II S. 362 fz.). Jedenfalls ist der äusserste Südosten von Aquitanien nicht vertreten. — Die Beinamen Sersignani und Quattuorsignani, die Plinius (n. h. IV, 108) den Cocosates und Tarbelli (vergl. auch die leider schlecht überlieferte spanische Inschrift: CIL.II n. 3876 eines Tarbellus IIIIsi[g]na- nus), werden diese Stämme wohl von den Cohorten des Crassus, die die Unterwerfung vollzogen, erhalten haben, vergleichbar den von den Caesarischen Legionen entlehnten Beinamen der Narbonensis. Die Erklärung Allmers rev. epigr. 3 p- 395: "les Tarbelles quattuorsignani, c’est-@-dire & quatre surnoms ou & quatre marques divisionnaires, mais bien sür pas @ quatres enseignes de cohortes romaines’ ist gewiss verfehlt. ?2 Caesar b. G. III, 27, 2: paucae ultimae nationes anni tempore confisae, quod hiems suberat, id facere neglexerunt. Möglich ist freilich, dass Caesar die Convenae nicht unter diesem Namen gekannt hat; über die Identification mit den Garumni vergl. die vorhergehende Anmerkung. 3 Caesar b. G. VII, 31, 5: Teutomatus (oder Teutomotus), Olloviconis filius, rer Nitio- Dbrogum... cum magno mumero equitum suorum et quos ex Aquitania conduxerat ad eum nervenit. * S. oben S.432 Anm. 1. 434 Gesammtsitzung vom 16. April. Über die Expedition des Ersteren wird nur von einem glänzen- den Siege berichtet', ein Anhalt zur Localisirung desselben fehlt jedoch vollständig. Etwas besser sind wir über Messalla’s Feldzug unterrichtet durch den Dichter Tibullus, der seinen Gönner begleitete, sich daselbst militärische Orden verdiente” und in dem zum Preise des Triumphes verfassten Gedichte die Thaten desselben in Aquitanien in folgenden Versen (I, 7, 9 ff.) verherrlichte: non sine me est tibi® partus honos: Tarbella Pyrene testis et Oceani litora Santonici, testis Arar Rhodanusque celer magnusque Garumna, Carnuti et flavi caerula lympha Liger. Als der Hauptschauplatz des Krieges, der sich freilich wohl über ganz Aquitanien bis tief in die Pyrenäenthäler ausgedehnt haben mag”, wird also der äusserste Westen Aquitaniens: das Gebiet der Tarbelli und die Küste des Oceans (denn die littora Oceani Santonici sind sicher- lich nicht nur auf das Santonengebiet zu beschränken) genannt. Doch zeigt der letzte Vers, dass sogar weit über die Nordgrenze Aquitaniens hinaus, in das Carnuter-Land, also bis in die Gegend von Orleans, ein Vorstoss erfolgt ist, demnach wohl ein grosser Theil des westlichen Galliens sich an dem Aufstand betheiligt hat. So erklärlich dies ist, so räthselhaft ist dagegen die Nennung des Arar und Rhodanus, die in die Gegend von Lyon oder noch weiter nordöstlich einen Zug Mes- salla’s vorauszusetzen zwängen. Aber weder weiss unsere Über- lieferung von einem solchen zu berichten, noch würde Tibull dann den Messalla in diesem Gedichte und an anderer Stelle nur als Besieger der Aquitaner preisen’, noch halte ich schliesslich für denkbar, dass der Diehter nach dem gewaltigen Rhöne-Strom der viel kleineren Ga- ronne das Epitheton magnus gegeben haben sollte. Das meines Er- ! Appianus b. e.V, 92: vien kara KeAtov av Akvıravav &mıbavns, yv Aypimmas ayov ebavn, vergl. Eutrop. VII, 5. ® Vergl. die vielleicht auf Sueton zurückgehende Biographie Tibull’s (Bährens Tibullische Blätter S. 3): cwius et contubernalis Aquitanico bello militaribus donis donatus est. Non sine Marte ibi conjieirt Bährens a.a. O. S.ız und in seiner Ausgabe. Vergl. v. 4: guem tremeret forti milite vietus Atax, wo Scaliger ohne Noth Azur für den Atax einsetzen will. Der Atax (heute Aude) entspringt in den Pyrenäen nahe der spanischen Grenze (nordwestlich vom Mont-Lonuis); es ist daher nicht nöthig, die Niederlage der Aquitaner mit Mommsen Röın. Gesch. V S.73 in die Gegend 'unweit Narbonne’ zu verlegen. 5 Tibull. I, 7,1: Aunc fore Aquitanas posset qui frangere gentes; 11,1, 33: gentis Aquitanae celeber Messala triumphis. Auch Suetonius: Augustus ce. 21 spricht nur von Aqui- tanien, nicht vom übrigen Gallien; desgleichen Eutropius VII, 9 und die epitome de Caesaribus I, 7. Die fasti triumphales zum Jahre 727 (CIL. I? p.ı8o) lassen den Mes- salla allerdings ex Gallia triumphiren, vergl. Appian. IV, 38: orparıyyov Emeuyrev em Kex- robs adıorauevovs kal vıryjaavrı Edwke Opiaußevoa, doch ist Gallia und KeAroi sicher nur als allgemeine Bezeichnung für Aquitanien zu verstehen. 4 ” - . Er ” 3 = HırschreLp: Aquitanien in der Römerzeit. 435 achtens evident Richtige hat bereits Scaliger' erkannt, dessen Wiege an der Garonne gestanden hatte und der daher für die geographische Unmöglichkeit dieser Zusammenstellung ein lebhafteres Gefühl als die deutschen Herausgeber des Dichters hatte, indem er für den Arar Rhodanusque den Atur Duranusque, den Adour und die Dor- dogne einsetzte, deren Namen freilich den Römern ebensowenig als den mittelalterlichen Codices-Schreibern bekannt gewesen sein werden und daher fast mit Nothwendigkeit der Verderbniss in die viel und meist zusammen genannten Rhöne und Saöne anheimfallen mussten’. Das Epitheton celer passt zwar vortrefflich für den rapidus Rhodanus, aber nicht minder auf die Dordogne, die gemeinsam mit der Garonne als festinus in aequora lapsu von dem einheimischen Dichter Sidonius Apollinaris besungen wird’. Die endgültige Constituirung der aquitanischen Provinz hat Augustus, der das Land wohl bereits während des Üantabrischen Krieges, als er in einem Pyrenäenbad bei einer Erkrankung in Spanien Heilung suchte‘, kennen gelernt hatte, ohne Zweifel erst während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Gallien in den Jahren 738-741 = 16-13 v. Chr.’ bei der definitiven Gestaltung des ganzen von Caesar eroberten Landes vollzogen. Aquitanien in seiner natürlichen Begrenzung zu einer selbständigen Provinz zu machen, hat er nicht für angezeigt erachtet, weniger wohl, weil sein Umfang zu klein war, als vielmehr, weil ihm, entsprechend seiner vorsichtigen, auf Schwächung der keltischen Nationalität gerichteten Politik, eine Zerstückelung des gallischen Gebietes und eine Mischung der Kelten mit den Völker- ! In seinen Oastigationes ad Tibullum zu der Stelle; auch die evidente Verbesse- rung in v. 9: Tarbella, für das überlieferte /ua bella, rührt von Scaliger her. 2 Ist doch selbst in mehreren Ausgaben der Castigationes (ich habe die Pariser vom Jahre 1577 und die Antwerpener von 1582 eingesehen) der Atur und Duranus wieder zum Arar und Rhodanus geworden, so unsinnig auch dadurch die Anmerkung Scaligers wird. Von den neueren Herausgebern hat, so weit ich sehe, kein einziger die Verbesserung aufgenommen; Bährens erwähnt sie wenigstens unter dem Text. ® Sidonius earmin. XXI, ro2; vergl. auch Ausonius Mosella v. 464: gelido Du- rani de monte volutus. * Über das darauf bezügliche Epigramm des Krinagoras vergl. Gardthausen: Augustus II, S. 373 Anm. 35—36; man wird vielleicht mit Geist: Krinagoras S.4 an die Aquae Tarbellicae (heute Dax) zu denken haben, da diese nach Ptolemaeus II, 7, 8 Aquae Augustae hiessen. 5 Auf diesen Aufenthalt bezieht Mommsen rev. de philolog. 13, 1889 S.129 = Eph. epigr. VII p. 446 ff. gewiss mit Recht die bei Bracciano gefundene Inschrift des Cn. Pullius Pollio, der als Proconsul der Narbonensis [comes, denn so, nicht legatus, ist meines Erachtens zu ergänzen, Imp. Caes.] Augus|ti i]n Gallia comat|a itemque] in Aquita[nia] war. Über die bemerkenswerthe Scheidung von Aquitanien und der Gallia comata, die hier noch deutlich hervortritt, während später ganz Gallien, ausser der Narbonensis, unter diesem Namen verstanden wird, hat Mommsen a. a. O. gehandelt. 436 Gesammtsitzung vom 16. April. schaften südlich von der Garonne wünschenswerth erschien'. Daher hat. er die keltischen Stämme zwischen der Garonne und Loire’, unter ihnen die einst so mächtigen Arverner, zu Aquitanien geschlagen und aus diesen ganz heterogenen Elementen die neue Provinz Aquitanien gebildet, die einem Statthalter mit praetorischem Rang, der in Poitiers residirt zu haben scheint”, unterstellt wurde. Wie befremdlich diese unnatürliche Vereinigung dieser in Sprache und Sitte grundverschie- denen Nationalitäten nicht nur den unmittelbar Betheiligten erschienen ist, klingt deutlich aus Strabo’s Worten heraus, mit denen er gerade bei diesem Anlass entschieden ablehnt, in seinem der physischen Geographie gewidmeten Werk auf die durch äussere Umstände ge- botenen politischen Grenzbestimmungen einzugehen‘. Wann diese Vereinigung wieder gelöst worden ist, lässt sich nur annähernd bestimmen. Den terminus ante quem bietet die, alle Provinzen in kleinere Verbände auflösende Reform Dioeletians, die uns in dem Provinzialverzeichniss vom Jahre 297 und speeiell für Gallien in der allerdings ein Jahrhundert jüngeren Notitia Galliarum vorliegt. Hier ist das alte Aquitanien als Provincia Novempopulana von dem als zwei Provinzen eonstituirten nördlichen Gebiete zwischen Garonne und Loire geschieden, und wenn die Notitia Galliarum statt der nach dem Namen zu erwartenden neun Völker zwölf in dieser Provinz aufführt, so müssen drei, die sich auch mit annähernder Sicherheit noch bestimmen lassen, erst später, und zwar wahrschein- lich erst nach Dioeletian, als eigene Civitates constituirt sein, während sie früher nur Theile der neun Völkerschaften gebildet hatten’. Die ! Vergl. Gardthausen a. a. O. S. 665. Die Helvii sind nach Strabo IV, 2, 2 p- 190 damals auch zu Aquitanien gezogen worden; demnach werden sie, die Richtig- keit der Angabe vorausgesetzt, vorher nicht, wie sicher in späterer Zeit, der Narbo- nensis einverleibt gewesen sein; wenn bei Caesar b. G. VII, 75,2 für das unerklärliche Eleutetis oder Heleutetis, wie vermuthet worden ist, Helvis zu lesen sein sollte, so würden sie damals zum Arverner-Gebiet gehört haben. ® Strabo IV, ı,ı p.177 und IV, 2, ı p.189 giebt die Zahl auf ı4 an, zählt aber dann in $2 nur ı2 auf; es ist zwar nicht unbedenklich mit Desjardins anzunehmen, dass die erstere Zahl an beiden Stellen verdorben sei, doch ist nicht zu sehen, welche Stämme noch ausser den von Strabo genannten in diesem Gebiet gemeint sein könnten. 3 Dies hat man mit einiger Wahrscheinlichkeit daraus geschlossen, dass dort Claudia Varenilla, die Frau des Statthalters von Aquitanien, bestattet worden ist (Esperandieu epigraphie Rom. du Poitou n. 77). * Strabo IV, 1,ı p.177: ooa uev obv dvoıkos Ömpıorar dei Aeyeıv Tov Yenypabov kal doa EOvırös, Orav 7) Kal ununs ü&ıa, 00a ©’ ol jyeuoves mpos ToVs kaupovs moNıTevölevoL diararrovoı MOIKIA@S, üpkel kav Ev kedakaiw Tıs elmm, ToD 0° arpıBous AAAoıs Tapayapnreov. 5 Allmer rev. epigr. 3 (1895) S.395 hält die Aturenses, Benarnenses, Elloro- nenses für diese erst im 4. Jahrhundert zu eigenen Civitates gewordenen Stämme. Die- selbe Ansicht hat bereits Brambach in seiner Untersuchung über die Notitia provincia- rum et civitatum Galliae im Rheinischen Museum 23 (1868) S. 300 fg. ausgesprochen. Unzweifelhaft richtig ist die Behauptung betrefis der beiden ersten, deren Existenz als HırscHrerLp: Aquitanien in der Römerzeit. 437 Bezeichnung der ursprünglichen Aquitaner als novem populi ist aber sicher älter als Dioeletian, wie eine in Hasparren (Basses-Pyrenees) im Gebiet der Tarbeller gefundene Inschrift erweist, die in schlechten Hexametern ein als flamen und duumvir (der Tarbeller) und als magister pagi sich bezeichnender Mann mit Namen Verus dem Genius des Pagus geweiht hat, weil er ad Augustum legat|i| munere funetus, pro novem optinuit populis seiungere Gallos. Diese in neuerer Zeit viel behandelte Inschrift' wird man weder in die Zeit des Augustus hinaufrücken dürfen, der sicherlich nicht die von ihm getroffene Vereinigung sofort wieder rückgängig gemacht hat’, noch der Diocletianischen Zeit der unge- fügen Verse wegen zuschreiben, deren Unbeholfenheit vielmehr auf Rechnung des dichterisch wenig begabten Mannes aus dem kleinen Pyrenäenort zu setzen ist. Nach den Schriftformen, an die natürlich nicht der für die Culturcentren des römischen Reiches gültige Maass- stab angelegt werden kann, dürfte die Inschrift dem Anfang des dritten Jahrhunderts angehören’. Sie bezeugt also eine Lostrennung der Aqui- taner von den stammfremden Galliern nördlich von der Garonne, eine Trennung, die aber nicht als Constituirung einer eigenen Provinz auf- gefasst zu werden braucht, sondern sich auf eine Loslösung in fiscaler und militärischer Hinsicht beschränkt haben wird, wie eine solche bereits in der früheren Kaiserzeit nachweislich bestanden hat’ und vielleicht später aufgehoben worden sein mag. selbständige Civitas vor der Notitia Galliarum nicht bezeugt ist, wie auch noch später für die Aturenses der gewiss aus alter Zeit stammende Name vieus Iulü gebraucht wird; für die letzten wird man dagegen, was Allmer selbst als möglich zugiebt, wahrschein- lich die Bigerriones (in der Notitia: civitas Turba, ubi castrum Bogorra) einzusetzen haben, da Iluro auf einem auch von mir in Pau gesehenen Meilenstein aus guter Zeit, wie mir schien (der Stein ist allerdings an der Stelle leider beschädigt) c(iwitas) ge- nannt wird (Blade: epigraphie de la Gascogne n.ı69 giebt das c allerdings nicht) und schon der Umstand, dass von hier aus die Meilen gezählt werden, auf eine selbstän- dige Civiras schliessen lässt. ! Es genügt auf die Schriften (nebst drei Briefen Mommsens) bei Blade a. a. O. S. 74 ff. und S. 204 ff. zu verweisen. ®2 Diese von Renier ganz unzureichend begründete Ansieht hat mit neuen Ar- gumenten Sacaze: les neuf peuples et l’inscription d’Hasparren in dem nach seinem Tode herausgegebenen vortrefflichen Werk: Inscriptions antiques des Pyrenees. Toulouse 1892 S. 542 ff. zu stützen versucht, der die Inschrift unter Augustus oder in die ersten Jahre des Tiberius setzt; dass aber die Inschrift nicht dem Anfang der Kaiserzeit angehören kann, ist nach Inhalt und Form mit Bestimmtheit zu behaupten. 3 In die Zeit kurz vor Diocletian setzt sie Mommsen bei Blade a. a.0. S. 212; auch ich habe früher (noch im CIL. XIII zu n. 412) dieser Ansicht beigepflichtet, doch macht mir die Inschrift trotz ihrer Unbeholfenheit in ihrer einfachen Fassung einen älteren Eindruck. * Strabo IV, 2,1 p.1g0: ro rov Bırovpiyov Tovrwv (Viviscorum) Edvos Ev roıs Akon- ravols aXNoBvAov iöpvrar kai ob auvreXei avroıs. Sacaze a. a.O. glaubt in dieser Scheidung das Resultat der Gesandtschaft des Verus erkennen zu dürfen. — Auf die Trennung in Betrefl der militärischen Aushebung bezieht Mommsen bei Blade S. zır die Unterschei- 438 Gesammtsitzung vom 16. April. Auf welche Zeit die Benennung Aquitaniens nach den neun darin ansässigen Volksstämmen, zu denen übrigens die keltischen Bituriges Vivisei nicht zu zählen sind, zurückgeht, ist demnach nicht mit Sicher- heit zu bestimmen. Strabo, dem es um Vollständigkeit seiner An- gaben hier nicht zu thun ist, nennt von ihnen nur drei: die Tarbelli, die Ausci und die Convenae, schickt aber voraus, dass mehr als zwanzig kleine und unbekannte Volksstämme das Land bewohnen', deren Namen zum Theil bei Caesar (b. G. II, 27) und in grösserer Vollständigkeit in dem Verzeichniss des Plinius (n. h. IV, ı08), der hier nicht aus den Commentarien des Agrippa, sondern aus einer älteren geographischen Quelle schöpft”, sich finden. Ptolemaeus (IH, 7) nennt fünf Stämme mit ihren Städten, ausser den drei von Strabo erwähnten die Ovarapıoı Kal moXıs Koociov und die Aarıoı kaı moXıs Taora. Die ersteren sind un- zweifelhaft der sonst Vasates genannte Volksstamm’°; gänzlich unbekannt dagegen sind die Adrıor. In einer kurzen, aber eindringenden Unter- suchung über die Geographie des römischen Aquitaniens hat neuer- dings Allmer’ den Nachweis für die bereits von Desjardins® ausge- sprochene Vermuthung zu erbringen versucht, dass die Aarıoı mit den Lactorates zu identifieiren seien, demnach Lactora früher den Namen Tasta geführt habe. Diese Ansicht halte ich für verfehlt, vorzüglich deshalb, weil Lactora bereits im Jahre 105 als officieller Name bezeugt ist, demnach von Ptolemaeus mit einem anderen Namen nicht bezeichnet werden konnte. Dagegen stimme ich Allmer darin vollständig bei, dass die Gabales, die im Texte des Ptolemaeus zwischen den Ovarapıoı und Avokıoı stehen, an die falsche Stelle gerathen und zwischen die Vellavi und Ruteni zu setzen sind’, die Aarıoı also zwischen den Vasates und dung der vier cohortes Aquitanorum von den zwei cohortes Biturigum, die er auf die keltischen Bituriges Cubi deutet. Mir ist wahrscheinlicher, dass die Bituriges Vivisei zu verstehen sind, die eben von vornherein eine Sonderstellung eingenommen haben. Der dilectator per Aquitanica|e] XI populos aus der Zeit des Pius ist sicherlich auf die ıı bei Ptolemaeus aufgezählten Völker zwischen Garonne und Loire zu beziehen (vergl. Allmer musee de Lyon 1 S. 150 fg.), was ebenfalls dafür spricht, dass die Bituriges Vivisei, deren Hauptgebiet südlich der Garonne lag, in der Aushebung von ihnen geschieden waren. I Strabo IV, 2,1: Eorı de Edvn av Akovıravov mAeiw ev TOv elkocı, HKpa de Kal adoka. Vergl. Cuntz in Jahns Jahrbüchern, 17. Suppl.-Band S. 520. Eingehend handelt über sie C. Jullian inser. Rom. de Bordeaux 11 S.ı71fl. Allmer in seiner Revue epigraphique du Midi de la France IIl (1895) S. 388 ff. Desjardins geographie de la Gaule III S.1ı61 Anm. 4. Wenn Zippels Vermuthung (s. oben S.429 Anm.r) das Richtige träfe, so wäre der Name bereits in der Zeit der Republik nachweisbar. Ein Zeichen für die Corruptel ist auch die Anknüpfung vmö uev rovs [aßaxovs, während Ptolemaeus sonst regelmässig mit v@’ ovs oder vmo de rovrovs fortfährt und nur den Namen setzt, wo derselbe durch ein anderes Volk getrennt ist (vergl. Il, 7, 9. 11.12, wo jedoch nach Allmers richtiger Bemerkung Apovepvovs für Aboktovs zu schreiben ist; 11,8,8) oder wo er mit anderen vorher zusammen genannt ist (II,8,5). Eine Ausnahme macht die Wendung 1], 9, 7: ävaroAırarepoı de rov Pıuov. 2 3 4 5 Hırschrern: Aquitanien in der Römerzeit. 439 Ausci gelegen haben müssen. Demnach scheint es mir sehr wahrschein- lich, dass der Name eorrumpirt ist aus HAovoarıoı, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass die zu ergänzenden Buchstaben -Aovo dem Worte Aarıoı bei Ptolemaeus in [aßaAovs unmittelbar vorausgehen. Die Elu- sates erscheinen aber bereits bei Caesar und Plinius, ihre Stadt ist vielleicht schon im ersten, sicher im Anfang des dritten Jahrhunderts Colonie' und im vierten Jahrhundert sogar die Metropolis der Provineia Novempopulana geworden, so dass das Fehlen dieses Volksstammes bei Ptolemaeus an und für sich befremden müsste. Ist diese Vermuthung richtig, so hat ihre Stadt ursprünglich den Namen Tasta geführt, und in der That ist der Name Elusa vor dem Ende des vierten Jahrhunderts nicht bezeugt”, wie auch die Colonie nicht als colonia Ehısa, sondern als colonia Elusatium bezeichnet wird, so dass wahrscheinlich erst spät, wie in den meisten gallischen Städten, auch hier der alte Ortsname durch den Volksnamen verdrängt worden ist. Von diesen fünf bei Ptolemaeus genannten Gauen sind dann im zweiten und dritten Jahrhundert vier geschieden und als selbständige Civitates organisirt worden: sicher gilt dies von den Consoranni, die vorher ohne Zweifel zu den Convenae gehörten, und den Boiates (in der Notitia Boates genannt), die den Bituriges Vivisei angehört haben werden, wahrscheinlich ist es von den Lactorates und den Iluronenses. Erst dann, etwa am Anfang des dritten Jahrhunderts, dürfte, wie Allmer annimmt, der Name novem populi, der in der Inschrift von Hasparren erscheint, für das südliche Aquitanien in Gebrauch ge- kommen sein. Eine ganz eigenartige Stellung nimmt das von mir schon er- wähnte Lactora (heute Lectoure) ein. Als gesonderter Verwaltungs- bezirk tritt es in der aquilejensischen Inschrift des ©. Minicius Italus aus dem Jahre 105 auf, der mehrere Jahre vorher procurat(or) pro- vinciarum Luguduniensis et Aquitanicae item Lactorae gewesen war. Nach Mommsens Ansicht, der auch ich mich früher angeschlossen habe, bildet diese administrative Absonderung des Bezirks Lactora gewisser- maassen das Vorspiel zu der später eingetretenen Trennung der No- vempopulana von dem keltischen Aquitanien‘. Nach erneuter Prü- ' Die einem [,/]/a|m(en)] Rom(ae) et Aug(usti), II vir, quaestor von dem ord(o) Elu- sat(ium) gesetzte Inschrift (Blade a.a.O.n.ıı=CIL. XIII, 548) gehört den Buchstaben- formen nach wahrscheinlich dem ersten, spätestens dem Anfang des zweiten Jahrhunderts an. [Co]lonia Elusatiu[m]| wird sie in einer wohl dem Anfang des dritten Jahrhunderts zugehörigen Inschrift (Blade n. 9 = CIL. XII, 546) genannt. ® Ammianus XV,11,14 setzt sie, wenn der Name nicht verdorben ist, fälschlich in die Narbonensis. ® Mommsen zu CIL.Vn. 875: 'quod Lactora Traiani aetate ita nominatur, ut Aqui- tania non videatur comprehendi, pertinet sine dubio ad originem provinciae quae postea fuit Novempopulonae' ; vergl. Röm. Gesch. V S. 38 Anm. 2. 440 Gesammtsitzung vom 16. April. fung kann ich diese Auffassung nicht mehr für zutreffend erachten. Denn Lactora, das nirgends vorher genannt wird, kann unmöglich als Gesammtbezeiehnung des iberischen Aquitaniens oder auch nur eines grösseren Theiles desselben verwandt worden sein, sondern bezeichnet sicher nur das nachweislich eng begrenzte Gebiet von Lactora im äussersten Nordosten des alten Aquitaniens, das sich nur wenig über die Stadt erstreckt haben wird!. Diese Stadt ist nun, ähnlich wie Dea Augusta im Vocontier-Lande”, nach Ausweis der Inschriften, sicher seit Kaiser Marcus, vielleicht aber schon wesentlich früher, die Stätte des mit dem Kaisereult in nahe Beziehung gesetzten Taurobolien- dienstes gewesen, dem mehr als die Hälfte der dort zum Vorschein gekommenen Inschriften gewidmet sind’. Dieser heilige Bezirk ist also wohl spätestens unter Trajan aus dem übrigen Aquitanien eximirt und, vielleicht sogar als kaiserlicher Besitz, der direeten Verwaltung des kaiserlichen Procurators übergeben worden, wozu sehr wohl stimmt, dass keine einheimischen Beamten neben dem ordo Lactoratium' er- scheinen, hingegen ein kaiserlicher Procurator, anscheinend aus der Zeit des Marcus und Verus’, dort bezeugt ist. Der Cult, der in Lactora geübt worden ist, besteht in der Dar- bringung von Taurobolien an die Magna Mater, meist von Privat- personen, besonders Frauen, selten, und zwar nur wenn das Tauro- bolium für den Kaiser oder das Kaiserhaus vollzogen wird, von Seiten der res publica oder des ordo von Lactora“. Von einem provinzialen ! Ob die Lactorates überhaupt als Volksstamm zu fassen sind oder vielmehr als Bewohner der Stadt Lactora, wie die Tolosates von Tolosa gebildet sind, kann füglich bezweifelt werden und sich so ihr Fehlen bei Plinius (die bei ihm genannten Latusates sind gewiss nicht mit den Lactorates zu identificiren) und Ptolemaeus erklären. 2 Vergl. meine Gallischen Studien in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 103 (1883) S. 299 mit Anm.I. ® Unter den bisher dort gefundenen 39 Inschriften sind 22 Taurobolieninschriften, von denen die einen im Jahre 176 zu Ehren des Kaisers Marcus, die anderen in den Jahren 239 und 241 zu Ehren Gordians und des kaiserlichen Hauses der Magna Mater geweiht sind. Auch die nicht datirten gehören diesen Jahren oder doch derselben Zeit an, wie die vollständige Gleichförmigkeit der Ausführung und die gleichen Priesternamen erweisen; nur eine Inschrift (Blade a. a. ©. n.106=(. XIII, 504) ist etwas älter, da die Dedication sich als diejenige bezeichnet, guae prima L[a]ctor|a]e taurobolium feeit. * Der ordo Lact. erscheint nur in einer Inschrift aus dem Jahre 241: Blade n. 117 = C. XIII, 5ı1, die für das Heil Gordians und seines Hauses, daneben aber auch pro statu civitat. Lactor. geweiht ist. 5 Blad& n. 127=(C. XII, 528, die Grabschrift eines T. Aelius Leo (also viel- leicht ein Freigelassener oder Sohn eines Freigelassenen des Kaisers Pius) procurator [Au)gustorum. 6 Blade n. oz und 117 =. XII, 511 und 520; auch die von Privatpersonen voll- zogenen Taurobolien werden wohl stets bei Gelegenheit der öffentlichen Taurobolien stattgefunden haben, wie das in zwei Inschriften von Lectoure ausdrücklich bezeugt ist: vires fauri quo propri(e) per tauropolium pubflice) factum fecerat (Blade n. 113 und rı5 Hırschrerp: Aquitanien in der Römerzeit. 441 Kaisereult, wie er in Lugudunum und fast allen Provinzialeentren aus- geübt worden ist, oder auch nur von einer Mitwirkung anderer Ge- meinden Aquitaniens ist in Laetora keine Spur vorhanden. Demnach wird man, wenigstens insofern diese Stadt in Betracht kommt, der Annahme nicht beipflichten können, dass ‘unter Trajan die Novempopulana ihren eigenen Landtag erhalten hat, während die keltischen Distriete Aquitaniens nach wie vor den Landtag von 1 Lyon beschiekten‘'. Aber ist es denn überhaupt sicher, dass die iberischen Stämme Aquitaniens, wie allgemein angenommen wird, bei dem Landtag in Lugudunum vertreten gewesen sind und an den Culthandlungen bei dem Altar der Roma und des Augustus theil- genommen haben? Ich glaube diese Frage verneinen zu müssen: denn jenes Coneilium in Lugudunum, das an ältere heimische Tra- ditionen anknüpft”, ist der Centralpunet der keltischen Nation mit Einschluss der stammverwandten Belger, mit der die von beiden grundverschiedenen Aquitaner nur äusserlich durch Augustus ver- bunden worden waren’. Es ist daher schwerlich ein Zufall, dass unter den zahlreichen in und ausser Lyon gefundenen Inschriften von gallischen Provinzialpriestern bisher nicht eine einzige den Namen eines aquitanischen Stammes trägt‘. Ja, es ist wohl daraus zu er- klären, dass, während Tacitus die Gesammtzahl der Gaue von Gallien auf 64 angiebt, die Zahl der auf dem Altar in Lyon verzeichneten nach Strabos Zeugniss nur 60 betragen hat, was gleichfalls darauf schliessen lässt, dass die vier aquitanischen Stämme hier nicht ver- treten waren’. Fraglich bleibt, ob das eigentliche Aquitanien über- =(.XIlI, 522 und 525); auch der sonst regelmässige Zusatz hosä(i)s suis will nichts anderes besagen. ! Mommsen Röm. Gesch. V S.88 Anm. 2. ? Über die gallischen Coneilia zu Caesars Zeit vergl. Guiraud les assemblees provinciales S. 45 fe. ® S. oben 8.435 Anm. 5. * Vergl. die Zusammenstellung der Priester bei Allmer-Dissard musee de Lyon 11 S. 133, wo Priester aus 9 Stämmen der Lugdunensis, 5 der Belgica, 8-9 von Aqui- tanien aufgezählt werden; Allmer bemerkt selbst (a. a. O. S. 7): ‘il est tres remarquable que sur les inscriptions relatives 4 cette association jusqu’a present conmues me s’est encore rencontree la mention d’aucun des peuples de l’ Aquitaine meridionale. 5 Strabo 1IV,3; 2 p.Ig2: Eortı de Bwnos a&LoNoyos emiypabnv Exav Tov edvov e£nkovra rov apıduov. Dagegen Taeitus ann. IIl, 44 (bei dem Aufstand des Florus und Saerovir im Jahre 21 n. Chr.): at Romae non Treveros modo et Aeduos, sed quattuor et sexaginta Galliarum civitates descejvisse, eine Zahl, die durch den Scholiasten zu Vergil’s Aeneis I, 286: ©. Iulius Caesar quattuor et sexaginta vietis Galliarum civitatibus und auch durch Ptolemaeus, der in Aquitanien 67, in der Lugdunensis 25, in Belgieca 22 Gaue zählt (vergl. Mommsen R.G.V S.86 Anm. 2), bestätigt wird, obgleich in der Zeit zwischen Tiberius, für dessen Zeit, nicht für die des Schriftstellers, die Worte des Taeitus zu gelten haben, und Ptolemaeus wohl Veränderungen betreffs der einzelnen Gaue sich vollzogen haben konnten, wenn auch die Gesammtzahl dieselbe geblieben ist. So sind 442 Gesammtsitzung vom 16. April. haupt einen eigenen Landtag besessen hat!. Ein Zeugniss dafür besitzen wir nicht; doch deutet allerdings auf eine gemeinsame Vertretung die Sendung jenes Verus hin, der offenbar im Auftrage nieht nur seines Stammes, sondern der gesammten Novempopulana ihre Lostrennung von dem keltischen Aquitanien bei dem Kaiser er- wirkt hat. Bevor Aquitanien von den Römern unterworfen wurde, hat ein Zusammenschluss der einzelnen Stämme, wenn nicht das ganze Land vom Feinde bedroht war, allem Anschein nach nicht bestanden. Das lehrt auch der Bericht Caesars über den Eroberungszug des Crassus: erst nach der Unterwerfung der Sotiates, die sich als Vorkämpfer für ganz Aquitanien ansahen’, und dem Fall ihrer festen Stadt schliessen sich die aquitanischen Stämme zu gemeinsamem Handeln mit den Stammesgenossen in Spanien zusammen ® und selbst dann bleibt die Action auf den Westen des Landes beschränkt. An der Spitze der Gaue scheinen noch zu Caesars Zeit Könige gestanden zu haben‘, während im Keltenlande damals bereits grossentheils die Monarchie von der aristokratischen Verfassungsform verdrängt war’. Die Be- wohner des Landes haben auch in der Kaiserzeit, wie die Inschriften- funde lehren, meist in kleinen Ortschaften, weit zerstreut in den Gebirgsthälern der Pyrenäen, wohl als Hirten, Jäger und, soweit die Dates bei Ptolemaeus, in denen wir die Elusates zu erkennen glauben (s. oben S. 439), wohl erst später als eigene Civitas gezählt worden und bei Gründung des Altars in Lugudunum, wie auch Mommsen a.a.0. S.88 Anm.ır annimmt, nur vier Völkerschaften im südlichen Aquitanien: die Tarbelli, Vasates, Ausci und Convenae selbständige Gaue gewesen. Die Angabe Strabos als ungenaue, runde Zahl zu neh- men, wie es Nipperdey (zu Taeitus a. a.O.) und Andere thun, sind wir bei der Be- stimmtheit derselben keineswegs berechtigt; aber ebensowenig darf man mit Desjardins geographie de la Gaule III S.167 ff. annehmen, dass die rheinischen Gaue der Triboci, Vangiones, Nemetes, Ubii (die übrigens ihre eigene ara Ubiorum besessen haben, die damals schwerlich schon eingegangen war) erst gegen Ende der Regierung des Augustus oder kurz darauf hinzugetreten seien. Man hat meines Erachtens verkannt, dass die Zahl 64 zwar als Gesammtzahl der Gaue Galliens (mit Einbegriff der Aqui- tania) angegeben, aber nirgends gesagt wird, dass sie alle auf dem Coneilium Galliarum vertreten waren. Bei der im Text aufgestellten Erklärung löst sich diese anscheinende Differenz in der, wie mir scheint, einfachsten Weise. ! Das coneilium procerum in einer christlichen Inschrift aus dem Gebiet der Con- venae (Leblant inser. chret. II n. 595@a = C. XII, 128) ist nicht als Beleg für einen Aqui- tanischen Landtag in der älteren Kaiserzeit zu verwenden. 2 Caesar b. G.III, 21, 1: cum Sotiates superioribus vietorüs (wohl im Sertorianischen Kriege, s. oben S. 430) freti in sua virtute totius Aquitaniae salutem positam putarent. 3 Caesar b. G. III, 23: tum vero barbari commoti, quod oppidum et natura loci et manu munitum paucis diebus .. expugnatum cognoverant, legatos quoque versus dimittere, coniurare, obsides inter se dare, copias parare coeperunt. * Vergl. oben S.429 Anm.ı. 5 Mommsen, Röm. Gesch. III® S.235 fg.; eine Aufzählung der von Caesar in Gal- lien erwähnten reges bei Napoleon hist. de Cesar II S. 40 Anm. 4. Hırsc#hreLp: Aquitanien in der Römerzeit. 443 der wenig fruchtbare Boden es zuliess, als Bauern' ein der Zusammen- siedelung abholdes Leben geführt und, abgesehen von dem keltischen Burdigala, das in der Kaiserzeit als blühender Handelsplatz einen grossen Aufschwung nahm und zahlreiche Kaufleute, besonders aus Gallien, aber auch aus Spanien, Griechenland und dem Orient an sich zog”, grössere Städte nicht hervorgebracht. Nur von den in Lugdunum durch Pompejus angesiedelten Convenae, denen fast das ganze Pyrenäengebiet ursprünglich zugewiesen zu sein scheint, sagt Plinius, sie seien zu einer Stadt zusammengesiedelt worden (in oppi- dıum contributi)”, und gerade diese Stadt trägt, gemäss der Nationalität der hier Angesiedelten, einen keltisch-römischen Namen. Ihnen und den früh romanisirten Ausei, die ein Schriftsteller aus der Zeit des Claudius als die elarissimi Aquitanorum bezeichnet‘ und bei denen Catull’s Gediehte nicht nur Leser, sondern auch Nachahmer gefunden haben’, ist, ohne Zweifel von Augustus, das latinische Recht ver- liehen worden®, das dem dritten grösseren Stamm in Aquitanien, den Tarbelli, wohl als Strafe für die führende Rolle in dem von Messalla unterdrückten Aufstande, versagt geblieben ist. Als Golonie bezeichnet Ptolemaeus nur Lugdunum Convenarum, eine der späteren Kaiserzeit angehörige Inschrift auch Elusa’, dessen Blüthe vielleicht dem Niedergang der benachbarten Ausci zuzuschreiben ist‘. Die übrigen Gaue führen nach gallischer Sitte den Namen civitas’, die ! Auch die mehrfach in den Pyrenäeninschriften wiederkehrenden Namen Mon- tanus, Silvanus, Rustieus weisen auf Wald- und Bergbewohner und Bauern hin. Von der Bearbeitung der auch jetzt reichen Ertrag liefernden Marmorbrüche bei St.-Beat legt der dort gefundene Silvano deo et Montibus Numidis (so, nicht Nimidis scheint zu lesen) von zwei Männern geweihte Altar Zeugniss ab: gu primi hine co- lumnas vicenarias (20 Fuss lang) c(a)elaverunt et exportaverunt: Sacaze n. 314 = (. XIII n. 38. Auch sind dort noch Spuren antiker Marmorbrüche nachweisbar; vergl. Barry bull. dell’ instit. archeol. 1862 S. 143. ® Vergl. die Zusammenstellung bei Jullian inser. Romaines de Bordeaux I S.149 ff. ® Vergl. Hieronymus an der S. 430 Anm. ı angeführten Stelle: in unum oppidum congregavit. * Pomponius Mela III, 2, 20; noch Ammianus XV, ır, 14 sagt: Novempopulos Ausci commendant et Vasatae.. Doch kommen sie in der Notitia Galliarum erst an zweiter Stelle hinter der metropolis civitas Elusatium, die ihnen dann wiederum gegen Ende des 6. Jahrhunderts diese Ehrenstellung hat abtreten müssen (vergl. Mommsen: chronica I S. 554 fg.). 5 Vergl. die dem Gedicht Catull’s auf den passer der Lesbia nachgeahmte Grab- schrift des Hündchens Myia: Blade a.a.0. n.7o=(. XIII n. 488. % Strabo IV, 2, 2 p.ıgı: deöwkacı de Aarıov Poaioı kat rov Akoviravav rıaı, kada- mep Avokioıs kai Kovovevaıs. ? Vergl. S.439 Anm. 1. ® Vergl. oben Anm. 4. 9 (Civitas Conven(arum): Sacaze n. 77=Ü. XII n. 234 (a.52); civitas Lactor.: Blade n.117 =(. XIU n. zır (a. 241); über die c{iwitas?) Iluro s. oben S. 436 Anm. 5. Sitzungsberichte 1896. 42 444 Gesammtsitzung vom 16. April. kleinen Ortschaften werden als pagi oder vici' bezeichnet, die ohne Zweifel nicht selbständig waren, sondern der Civitas, in deren Gebiet sie lagen, zugehörten’. Freie Gaue (civitates liberae), wie sie in dem Keltenlande nicht selten sind, finden sich südlich von der Garonne überhaupt nicht. Die Beamten tragen in den grösseren Gauen den in den lati- nischen, wie römischen Colonien gewöhnlichen Titel duwoviri, die sich, so spärlich sie in den Inschriften auftreten, doch mit Sicherheit bei den Hauptstämmen, den Convenae, Ausei, Tarbelli und Elusates nach- weisen lassen’, wie auch Quaestoren wenigstens bei den beiden letzten bezeugt sind‘. Dagegen fehlt es bisher gänzlich an Belegen für die den obersten Magistrat vertretenden Praefeeten und merkwürdiger Weise auch für Aedilen, die sonst ja selbst in den nichtstädtischen Gemeinden sich zu finden pflegen. An der Spitze der pagi und viei stehen magistri, denen gleichfalls Quaestoren als Hülfsbeamte beigegeben sind’. Decurionen können in den städtischen Gemeinden nicht ge- fehlt haben; bezeugt sind sie, in einer allerdings verdächtigen In- schrift‘, bei den Convenae, ferner in Lactora und Elusa’. Nur bei den Ausei erscheint endlich ein im nördlichen Aqui- tanien nicht seltener curator eivium Romanorum, ebenfalls ein Zeichen ! Über den magister pagi auf der in Hasparren gefundenen Inschrift vergl. oben S. 437; pagani Ferrarienses im Gebiet der Bigerriones: Blade n.153 = (C. XIII n. 384 (zwar nur von Oihenart gesehen, aber doch wohl mit Unrecht von mir im Corpus als verdächtig bezeichnet). — Vici finden sich in Inschriften bei den Convenae: vikani viei Florentini in unmittelbarer Nähe von St.-Bertrand: Sacaze inscriptions antiques des Pyrenees n.79 = €. XIII n. 258; bei den Bigerriones die vicani Aquenses in Bagneres-de- Bigorre: Sacaze n.460—=(. XIII n. 38; sodann bei den Tarbelli der später zur civitas Aturensium gewordene vwicus Juli (die Nachweise sind im €. XIII p. 55 zusammen- gestellt), der zwar erst im Jahre 506 zum ersten Mal erwähnt wird, aber doch wohl, wie sein Name wahrscheinlich macht, auf die frühe Kaiserzeit zurückgeht. — Wann das castrum Bogorra der Notitia Galliarum (XIV, ır p. 607 Mommsen) begründet ist, ist nicht bezeugt. ? So bekleidet der magister pagi von Hasparren munieipale und Priesterämter bei den Tarbelli: Blade n. 897 = C. XI1 n. 412. Bei den Convenae: Sacaze n. 57 =. XIII, 9, zwar in St.-Lizier im Gebiete der Consoranni gefunden, aber gewiss auf die Convenae zu beziehen, denen jene allem Anschein nach damals noch attribuirt waren; bei den Ausci: Blade n. 206 = ('. XI n. 446; bei den Tarbelli: Blade n. 87 und 168 =. XIII n. 412 und 407. * Bei den Elusates: Blade n.ır= (. XIII n. 548; bei den Tarbelli, wenn der Quästor auf die Civitas, nicht auf den Pagus zu beziehen ist, die Inschrift von Has- parren. ° Bei den Consoranni ein mag(ister) quater et quaestor: Sacaze n.58 = C. XI n.5; über die Inschrift von Hasparren vergl. S. 437; ob mehrere magistr! zusammen fungirt haben, ergiebt sich aus den aquitanischen Inschriften nicht; dass sie auf ein Jahr bestellt waren, ist wohl unzweifelhaft. Sacazenıny ACHERN. 257. ” Blade n.117 = C. XII n. 5ıı und Blade n.9 und ır= (. XII n. 546 (hier im Gegensatz zu der plebs) und 548. Hırschrern: Aquitanien in der Römerzeit. 445 der höheren Romanisirung dieser Gegend in Folge des zahlreichen Zuzugs römischer Bürger. Sein niederer Stand — er ist ein Frei- gelassener und bezeichnet sich als Lehrer der Buchsehrift und Bret- spieler’' — wird sich daraus erklären, dass er unter Oberaufsicht des summus curator civium Romanorum provinciae Aquitaniae gestanden hat, der in Lyon seinen Sitz gehabt zu haben scheint”. Die In- schrift eines curator eivitatis Elusatium” gehört dagegen einer so späten Zeit an, dass ein Rückschluss auf die Existenz dieses Amtes in der älteren Kaiserzeit nicht zulässig ist. Noch seltener als die Beamten sind die Priester vertreten, mit Ausnahme der dem Kaisercult dienenden flamines, die bei den Ausci, Tarbelli und Elusates, hier sogar mit dem vollen Titel flamen Romae et Augusti, erscheinen‘. Dagegen haben sich Götterpriester in diesem, wie die Inschriften lehren, von Göttern fast dichter als von Men- schen bevölkerten Lande bis jetzt überhaupt nicht gefunden, son- dern nur religiöse Localgenossenschaften, die den Namen consacrani” führen. Bei der grossen Menge von Inschriften, die wir aus diesen Gegenden besitzen, wird man, auch wenn vielleicht in den städtischen Centren noch Götterpriester in Zukunft auftauchen sollten, doch mit Sicherheit annehmen dürfen, dass die in den Pyrenäen gewiss seit ur- alten Zeiten verehrten Gottheiten eigene Priester nicht besessen haben, sondern dass ihnen ohne grössere Tempel und Ceremonien von den ein- fachen Gebirgsbewohnern ein höchst anspruchsloser Natureultus zu Theil geworden ist. Das bestätigen auch die Funde der kunstlosen, durch- gängig kleinen, ja winzigen Altärchen, die theils mit ganz kurzen In- schriften, theils ohne jede Schrift oder Ornament diesen Gottheiten ! Blade n. 202 = (. XI n. 444: (©. Afranio Olari lib(erto) Graphico, doctori librario (vergl. Blümner: der Maximaltarif des Diocletian S. 118 zu VII, 69: "Lehrer der Bücher- schrift, nicht der gewöhnliche Schreiblehrer der Elementarschule’; Digg. 50, 6, 7: librarü qui docere possint), lusori latrunculorum, cur(atori) c(ivium) R(o)manorum). >2 Allmer-Dissard musee de Lyon 11 S. 367. 3 Leblant nouveau recueil des inscriptions chretiennes n. 294 = C. XIII n. 563. * Blade n. ır = C. XIII n. 548; vergl. Blade n. 57 und 87 = C. XII n. 445 und 412. 5 Sacaze n.21= Ü. XII n. 5379 und XIII n. 397: consacran(i) Borodates auf einer in Toulouse befindlichen, aber gewiss aus den Pyrenäen stammenden Inschrift und daher von mir in Band XIII wiederholt; consacrani ohne Zusatz: Sacaze n. 241 —= (. XIII n.147. — Dieselbe Genossenschaft bei den Gabales: Histoire de Languedoc vol.V n. 2020; ein col(lega) et consacranius in einer Salonitaner Inschrift: C. III n. 2109. Die Glossen geben das Wort durch ovusorns wieder (Corpus glossar. Lat. II p. 112 und 442 s. v.). Ebenso gebraucht es Tertullian apologet. c.16: qui crucis nos religiosos putat, consecraneus (consectaneus die Codices F und ce bei Oehler) erit noster und ad na- liones I, 12: qui nos crucis antistites „affirmat, consacraneus (so richtig Gothofred; der Codex giebt consa...eos, wofür Reifferscheid sicher verkehrt consacerdos in den Text gesetzt hat) erit noster. 42* 446 Gesammtsitzung vom 16. April. geweiht sind!. Ganz fremdartige Namen treten in ihnen auf, die sicherlich mit wenigen Ausnahmen der Sprache angehören, die nicht nur vor der römischen Oceupation, sondern selbst vor der Einwande- rung der Kelten in diesem Landstrich die herrschende war. Ob man dieselben als iberische, wie es gemeinhin geschieht, bezeichnen darf, kann aber zweifelhaft erscheinen, da sie mit den in Spanien bezeugten Götternamen so gut wie keine Übereinstimmung zeigen”, wie auch das- selbe von den Personennamen gilt. Es ist daher in hohem Grade wahr- scheinlich, dass wir hier einer ligurischen oder doch aus ligurischen und iberischen Elementen gemischten Bevölkerung uns gegenüber befinden: denn .dass die Ligurer bis nach Aquitanien sich erstreckt haben, ist kaum zu bezweifeln®, wenn auch die Bildung des Namens Aqui- ! Das Museum von Toulouse giebt das beste Bild von diesen Altärchen, die man sofort an dem Material und der Form als aus den Pyrenäen stammend erkennt. Die Inschriften sind gesammelt in dem oben genannten Werk von Julien Sacaze inscriptions antiques des Pyrenees.. Toulouse 1892. — Eine in sich geschlossene Serie bilden die ganz winzigen, meist auf kleinen Untersätzen stehenden viereckigen Altärchen aus Pyrenäenmarmor, die in und bei Montserie in grossen Massen (etwa 80, zum Theil aber ohne Inschrift) gefunden und grösstentheils dem Gott Erge, daneben auch dem Jupiter und Mars geweiht sind (vergl. Frossard le Dieu Erge. Paris 1872). ® Man vergleiche die Gegenüberstellung der in Spanien und Aquitanien bezeugten nichtrömischen Götternamen bei E. Hübner monumenta linguae Ibericae S.252 ff. Von den in den Pyrenäen verehrten Gottheiten, wie Abellio, Aereda, Ageio, Aherbelste, Artehe, Baeserte, Baicorixus, Ele, Erge, Exprcennius, Garre, Iseittus, Leherennus, Su- tugius, Xuban u. a. m. findet sich keine in Spanien wieder. ® Skylax periplus $ 3 (Geogr. graec. min. ed. Müller I p. 17): dmöo de IBypwv Eyov- raı Aiyves kai "Ißnpes wuyades uexpı moranov "Podavov. Über das höhere Alter der Ansiede- lung der Iberer bez. der Ligurer in diesen Gegenden vergl. Luchaire in dem in der fol- genden Anmerkung genannten Buche S. 2rff. und D’Arbois de Jubainville les premiers habitants de l’ Europe 1? p. 368 ff. und Il? p. 206. — Einer freundlichen Mittheilung des Hrn. Sıesrın in Leipzig, mit dem ich diese Frage zu erörtern Gelegenheit hatte, entnehme ich Folgendes: 'Ligurer in Aquitanien nennt der in Aviens Ora Maritima uns erhaltene Periplus, welcher die politischen Zustände des Westens um das Jahr 470 v. Chr. wieder- gibt. Nachdem Avien v.90—107 die oestrymnische Halbinsel (die Bretagne) geschildert, nennt er v. 146 f. südlich derselben einen "grossen Busen’, d. i. den Meerbusen von Biscaya, der bis zu dem Lande Ophiussa sich erstreckt, welches, von den Saefes und Cempsi be- wohnt, südlich der Bucht von Lissabon (v. 174—177) an der Grenze der Cyneten (v. 200) sein Ende findet. Das Land Ophiussa umfasst somit unzweideutig den Westen und Nord- westen der Pyrenäenhalbinsel. ‘Nördlich von Ophiussa wohnen die Ligurer und die Dragani’ (v.196). Da an die Landschaft im N.-O. der Pyrenäen nicht gedacht werden kann, weil Avien in ihr bis zum Lez (v. 613) nur Iberer kennt, so bleibt nur die Annahme übrig, dass die Ligurer in Aquitanien sassen. Abgesehen von den dürftigen Fragmenten des Pytheas besitzen wir über Nordspanien und die Westküste Galliens bis auf Caesar keine weiteren Nachrichten; wir dürfen uns deshalb nicht wundern, dass über die früheren Völkersitze dieser Länder keine Avien ergänzenden Zeugnisse auf uns gekommen sind. Doch ist es das Wahrscheinlichste, dass Theopomp, der Frgm. 22104 von einer einst ligurischen, jetzt theilweise verlassenen Küste spricht r ar \ ’ \ \ r v ee EP ‚ ’ ‚ we) x (maper\eov de rnv xXopav rnv ev TPOTNV epnuov, nv EVELOVTO TPOTEPOV Irikovpoı kat Apßa&avol HırscHrern: Aquitanien in der Römerzeit. A447 tania selbst, wie zahlreiche ähnlich gebildete Ortsnamen in Spanien! erweisen, ohne Zweifel iberisch ist. In diesen Localgottheiten, denen zum "Theil die modernen Ortsnamen? ihre Entstehung verdanken, haben wir sicherlich grossentheils Personificationen der für diese Gegend charakteristischen Naturerscheinungen von Berg, Wald und Wasser zu erkennen‘, wie die daneben auftretenden Dedieationen an die Fontes und Nymphae, an die Montes und Silvanus bestätigen. Insbesondere der Baumeultus steht in erster Linie: ein Baum findet sich mehrfach auf den Altären, selbst auf einem dem Jupiter und der Minerva ge- weihten, dargestellt‘, vier Dedicationen sind an den Gott Fagus ge- kat Evßıoı, Alyves To yevos), den atlantischen Ocean, nicht das Mittelmeer oder die obere Rhöne im Auge hat. Wenn ferner Artemidor bei Stephanus Byzantius p.416 den Namen der Ligurer vom Ligerfluss ableitet, so ist diese Etymologie zwar vermuthlich falsch, aber sie deutet doch auf Nachrichten, die von westlichen Wohnsitzen der Li- gurer sprachen’. “In römischer Zeit, als in Aquitanien längst Iberer die führende Stellung ein- genommen hatten, begegnen uns hier zahlreiche Völkernamen, die unzweifelhaft un- iberischen Charakter tragen. Uniberisch ist die so häufig vorkommende Endung auf -ates; mir ist in der Pyrenäenhalbinsel kein einziger Name bekannt, der sie trüge. Aber ligurisch ist bekanntermaassen diese Endung, vergl. Müllenhoff, Deutsche Alterth. 3,187, wo die Beispielsammlung bedeutend vermehrt werden könnte. Nun finden sich in Aquitanien Vocates, Tarusates, Elusates, Sibusates, Cocosates, Sedi- boviates, Onobrisates, Oscidates, Sybillates, Bercorcates, Vellates, Toruates, Sottiates, Latusates, Vasates, Sennates, Agessinates. Im Iberischen sind ferner "Ableitungen auf nn und Z! unbekannt, im Ligurischen gewöhnlich’ (Müllenhoff 3,178). In Aqui- tanien finden sich aber Tarbelli (vergl. die ligurischen Magelli und Statielli), Sybillates, Vellates, Pinpedunni, Lassunni, Consoranni, Sennates, Aginnum, Mosconnum, Te- lonnum. Weitaus die Mehrzahl der aquitanischen Stadt- und Volksbenennungen muthet‘ uns uniberisch an; nur folgende Namen, die in ähnlichen Formen in Spanien nach- weisbar sind: Atur (Aturia), Ausei (Osca), Belendi (Blendium), Calagurris (Calagurris), Eliimberris (Iliberis), Bigerriones (Bigerra), Iluro (lluro), Turba (Turbula) weisen anf iberischen Ursprung hin. Während die auf der Pyrenäenhalbinsel vorkommenden Namen, wenn wir von den keltischen absehen, die Verwandtschaft unter sich auf Schritt und Tritt verrathen und zu einem erheblichen Theil aus dem Baskischen erklärt werden können, stehen die aquitanischen Namen fast völlig ohne Zusammen- hang mit ihren Brüdern südlich des Gebirges und haben daher jeder Forschung bis auf die Gegenwart fast durchgängig ein Halt geboten’. — Auch aus der verschieden- artigen körperlichen Beschaffenheit der Bewohner Aquitaniens will Hr. Sızerın auf ligurische Herkunft der westlichen Bevölkerung schliessen, während er die östliche zum grösseren Theil als Nachkommen der später eingedrungenen Basken (Vascones) ansieht. ! Lusitania und die zahlreichen auf -tanus auslautenden Volksnamen; vergl. Humboldt gesammelte Werke II S. 69; auch Mauretania gehört derselben Bildung an. Ob der Stamm des Wortes Aquitania iberisch oder ligurisch ist, bleibt zweifelhaft; latei- nisch ist er sicher nicht. ® Vergl. Luchaire eiudes sur les idiomes Pyreneens de la region Frangaise (Paris 1879) S. 92: aux divinites Aherbelste, Artehe ou Artahe, Baeserte, Erge, Ilixo, Lex cor- respondent les noms de localites de l’Arboust, Ardet, Basert, Montserie, Luchon, Lez’. ® Luchaire a. a. 0. * Sacaze n.315 =. XIII n.45. Vergl. auch Roschach: catalogue du musee de Toulouse S.65 n.149: 'cippe en marbre, andpigraphe; la fagade principale est decoree d’une 448 Gesammtsitzung vom 16. April. richtet, offenbar die lateinische Übersetzung des unter seinem heimi- schen Namen uns nicht bekannten Buchengottes, und nicht minder als lateinische Umnennung werden die Sex Arbores und der Sewarbor deus anzusehen sein, denen drei Altäre in der Nähe von Lugdunum Con- venarum geweiht sind'. Dagegen von römischen Gottheiten ist nur der Jupiter optimus maximus, wie überall, so auch hier öfter vertreten, der ein Mal’ mit dem für diese Naturreligion charakteristischen Epi- theton: auctor bonarum tempestatium versehen ist, ein anderes Mal den heimischen Beinamen Beisirisse trägt”, der vielleicht mit dem mehrfach genannten Gott Baicorixus identisch ist. — Nur eine Widmung richtet sich an Juno, ebenso vereinzelt sind dieselben an Apollo, Isis und, wenn die Lesung überhaupt zuverlässig ist, an Mithras®. Etwas häufi- ger, jedoch besonders in dem Gebiet des einigermaassen romanisirten Lugdunum Convenarum, sind Diana, Mars mit verschiedenen Beinamen’, Minerva, Mercurius und der durch die Phoenieier in Gallien und Spanien eingeführte Hercules®; daneben zuweilen die zwar auch im keltischen Aquitanien vielfach vertretene Tutela, deren Cult aber doch wohl, wie die zahlreichen Dedicationen an diese Gottheit in Spanien erweisen’, als ursprünglich iberisch anzusehen sein wird. Auf die Anschauungen der alten Aquitaner von einem zukünftigen Leben gestattet vielleicht die sehr primitive Darstellung auf einer mit Örnamenten verzierten Grabstele einen Schluss, auf der die Verstorbene, auf einem Pferde sitzend, umgeben von zwei Fischen, ferner einem Delphin und einem Meerstier, also als eine Art von Nereide erscheint®. — Christliche arbre comnifere en relief. Ce monument se rattache au culte des arbres dont nous avons deja retrouve plus d’une preuve'. h ! Sacaze n. 255—257 = (C. XII n.129. 132.175. — Über den Baumeultus bei den Germanen vergl. E. H. Meyer: Germanische Mythologie $ 114 und im allgemeinen das bekannte Buch von Boetticher: Der Baumeultus der Hellenen, besonders S.495 fl. Be- treffs der Kelten sagt Maximus Tyrius dissert. 8,8: Kerroi aeßovoı ev Ata » @yamyıa de Aros KeArtırov byrnAn Opüs. 2 "Saecaze n.72 — C. XII n.6: ® Sacaze n. 406 = C. XII n. 370. * Deo Mitr. liest Sacaze n.4ı2 (= C. XIII n. 379) in einer sehr zerstörten In- schrift; doch ist mir die Richtigkeit der Lesung sehr zweifelhaft. 5 Häufig Marti Leherenni oder Leherenno; auch letzterer Name allein in zahl- reichen Inschriften (vergl. Sacaze im Index p. 562 s. v.), so dass dieser Gott wohl mit Mars identificirt ist. ° Vergl. Silius Italieus: Punica III v. 415 ff. über die Liebschaft des Hereules mit Pyrene, der Tochter des Königs der Bebiyker. Über den Zusammenhang des Hercules- Cult in Gallien mit Melkarth vergl. Desjardins geographie de la Gaule 11 S. 131 ff. ° CIL. 11 Suppl. p.ı130 s.v. und. Huebner zu CIL. II n. 3021; vergl. auch seine Monuimenta linguae Ibericae S. LXXXV Anm. 105. ° Abgebildet bei Sacaze n. 2490 (= Ü. XIII n.ı5r). Ob man freilich mit Allmer rev. £pigr. 111 S.8 n. 809 in den rosaces et rouelles ornees die Gestirne sehen darf, so dass "la defunte au sortir de la vie s’en va ainsi directement au ciel par dela des mers et la voite etoilee', ist mir doch zweifelhaft. Hırsc#rerv: Aquitanien in der Römerzeit. 449 Inschriften sind in diesem Gebiet nicht häufig; die älteste sicher datir- bare ist im Jahre 347 gesetzt', jedoch gehört eine wegen der auf dem Steine eingemeisselten Tauben mit Wahrscheinlichkeit für christlich erklärte Grabinschrift unzweifelhaft der vorconstantinischen Zeit an’. Die einheimischen Götternamen sind im Wesentlichen auf die Ge- birgsthäler der Pyrenäen beschränkt, ausserhalb derselben treten sie nur in dem Gebiet der Aturenses® und vereinzelt bei den Ausei auf, während sie bei den übrigen Stämmen der Novempopulana nicht nach- weisbar sind‘. Ihnen entsprechend tragen in diesen Gegenden auch die Eigennamen der Männer und Frauen, soweit sie nicht römisch sind, ein durchaus fremdartiges Gepräge, das sie von den sonst im römischen Reiche vertretenen Namen auf das schärfste unterscheidet. Auch sie werden demnach wohl als ligurisch--iberische zu bezeichnen sein. Zwar hat gerade ein um die Erforschung der aquitanischen Sprache in neuerer Zeit besonders verdienter Forscher, Achille Luchaire, den Nachweis anzutreten versucht, dass in den aquitanischen Namen kel- tische Elemente und Formen überwiegen’, während er selbst in seinen früheren Schriften die von Wilhelm von Humboldt in seinem Werke über die Urbewohner Hispaniens aufgestellte Ansicht, dass die Be- wohner Aquitaniens Iberer gewesen seien, durch eingehende Ver- gleichung der Formen und Lautgesetze des Baskischen und Gascogni- schen als richtig zu erweisen bemüht gewesen war”. Aber so wenig ! Leblant inser. chret. de la Gaule II n. 596 = C. XlII n. 299. ®2 Leblant a.a.0. n.621c=C.XII n. 13. ® Wie die dem Mars Lelhunnus dort geweihten Altäre erwiesen haben. * So absolut, wie Sacaze les anciens dieux des Pyrenees (St.-Gaudens 1885) S. 22 dies thut, möchte ich allerdings diese Begränzung nicht behaupten; im Gebiete der Tarbelli, zu denen ursprünglich wohl auch die Aturenses gehört haben, sind die In- schriftenfunde zu spärlich, um diesen Schluss er silentio zu verstatten. ° Luchaire a.a.O0. S.93: "au point de vue linguistique l’element celtique nous parait dominer dans les noms divins des inscriptions votives, tout aussi bien que dans les noms d’individus’ und S. 95 fg.: "au premier coup d’oeil ces inscriptions presentent, avec quelques noms gaulois faciles a discerner, une quantit bien plus considerable d’appellations quı ne paraissant ni latines, ni celtiques, ont ete rattachees par les epigraphistes meridionaux & une langue que les uns proclament de souche ibero-euskarienne et que les autres plus prudents se contentent d’appeler idiome pyreneden. Mais ... il est incontestable que les noms indigenes des marbres pyreneens appartiennent en tres-grande majorite a l’ancien ganlois'. % Vergl. seine nur zwei Jahre vor dem genannten Buche erschienenen Schriften de lingua Aguitanica (Paris 1877) und les origines linguistiques de I’ Agquwitaine (Abdruck aus dem Bulletin de la Societe des sciences, lettres et arts de Pau 1877) mit dem Motto aus Littre: 2’ Aguitain, du cöte des Pyrendes, etait sans doute un idiome iberien et radi- calement distinet du gaulois’; vergl. S. 5: "la forme des noms divins s’accorde parfaitement avec les lois phonetiques de l’euskara’ und S.69: 'de cet ensembles de preuves il ressort clairement, que la langue des Aquitains etait, comme l’idiome iberien de l’Espagne, de la meme famille que celle des Basques actuels’. Ebenso entschieden spricht er sich in der ersten Schrift für den iberischen Charakter der aquitanischen Sprache aus. — Die 450 Gesammtsitzung vom 16. April. ich auf diesem linguistischen Gebiete mir ein selbständiges Urtheil zuzutrauen wage, so kann ich doch nicht verhehlen, dass seine Be- weisführung mich keineswegs überzeugt hat und dass die von allem Keltischen grundverschiedenen Namen der Menschen und Götter es mir unmöglich machen, mit Luchaire an eine starke Keltisirung Aqui- taniens zu glauben', gegen die auch der enge Zusammenhang der Aquitaner mit den Iberern jenseits der Pyrenäen im Sertorianischen Kriege und in dem Kampfe gegen Crassus und das vollständige Fehlen der im Keltenlande so häufigen ascia auf den Grabinschriften zu sprechen scheint. Dass Kelten auf ihrer Wanderung nach Spanien auch Aqui- tanien durchzogen und einzelne Theile des Landes oceupirt haben, ist natürlich nicht zu bestreiten’, und wenn die Namen der uns bekannten Könige in Aquitanien, wie mit Recht bemerkt worden ist, meist kel- tischen Charakter zeigen, so wird man darin gewiss ein Zeugniss für die Unterwerfung eines Theiles der einheimischen Bevölkerung durch die keltischen Eroberer zu erkennen haben’. Wenn man aber geglaubt hat, bei Caesar die ausdrückliche Be- stätigung dafür zu finden, dass eines der aquitanischen Völker, und zwar gerade dasjenige, das als Vorkämpfer für Aquitaniens Unab- hängigkeit zuerst mit Crassus die Waffen kreuzte: die Sotiates, ein keltischer Stamm gewesen seien und keltisch gesprochen haben, so muss ich diese Annahme als verfehlt bezeichnen. Caesar erzählt näm- lich‘, dass der König der Sotiates: cum sescentis devotis, quos illi sol- durios appellant, einen Ausfall gemacht und sich dann dem Crassus er- geben habe. Diese Institution beschreibt er dann‘ folgendermaassen: soldurios, quorum haec est condieio, ut omnibus in vita commodis una cum üs fruantur, quorum se amiecitiae dederint, si quid his per vim ac- cidat, aut eundem casum una ferant aut sibi mortem consciscant; neque ad- huc hominum memoria repertus est quisguam, qui eo interfecto, cuius ami- citiae se devovisset, mortem recusaret. Ist diese Sitte nun als keltische oder als iberische anzusehen? Für das Letztere könnte man, aber doch nur sehr bedingt, geltend machen, dass dieselbe Sitte von Sallust bei Schilderung des Sertorianischen Krieges als bei den Keltiberern in ältere Litteratur über die iberische Sprache bespricht Huebner monumenta linguae Ibericae in den Prolegomena, ! Luchaire etudes S. 96: ‘la predominance des noms gaulois peut tenir a la celtisation trös- avancde de 1’ Aquitaine au moment ou les Romains en prirent possession'. ® Vergl. auch Kiepert: Lehrbuch der alten Geographie $ 442: "Aquitania... ein wenig ergiebiges Terrain, wodurch sich leicht erklärt, dass dasselbe von den nach Süden vordringenden Kelten nicht in Besitz genommen, sondern durchzogen wurde, um jenseits der Pyrenäen vortheilhaftere Erwerbungen zu machen. Luchaire a.a. 0. S. 38. %* Caesar b. G. 1II, 22. HırscureLp: Aquitanien in der Römerzeit. 451 Spanien heimisch berichtet wird', für das Erstere, dass in ähnlicher Weise wie Caesar von den solduriü, Tacitus von den germanischen comites berichtet”, woher auch Jacob Grimm das Wort als deutsches — obligatus oder devinctus erklärt”. Nach Caesars Angabe müsste man aber gerade das Wort soldurü als aquitanisches fassen, da er es als speciell bei jenen heimisch bezeichnet und es demnach für aquitanisch erklären’ oder, wenn man es trotzdem für keltisch hält, hierin mit Luchaire einen sicheren Beweis dafür erblicken, dass der aquitanische Stamm der Sotiates zu Uaesars Zeit keltisch gesprochen habe’. Wenn ich recht sehe, so giebt die einfache Lösung des Räthsels eine An- gabe des Nicolaus von Damascus, die offenbar nichts Anderes ist, als eine direete Wiedergabe der Caesarischen Stelle. Aödıdrouov Tov T@v Zwrıavov BaoıN\ea, so berichtet er in dem 116. Buche seiner Universal- geschichte‘, Edvos de Tovro keArıköv, E&akoriovs Eye Aoyddas Trepi abrov, obs kadeıodaı ümo IaAarov rn TarTpio YAorrn coAWovpovs’ Tovro Ö Eortiv EAAnvioTi evxwAınatoı, woran sich dann die fast wört- liche Wiedergabe der Caesarischen Stelle anschliesst. Die Worte Edvos de TOovVTo KkeATıkov sind nun, wie man sieht, ein eigener und zwar sicher irriger Zusatz des Nicolaus, dagegen zeigen die Worte: oVs ka- Aeıodaı imo Iadarov rn rarpiw YAorrn oAWovpovs, dass Nicolaus bei Caesar nicht quos illi, sondern quos Galli soldurios appellant ge- lesen hat, und ich zweifle nicht, dass Caesar in der That so geschrieben und demnach das Wort nicht für ein aquitanisches, sondern für ein keltisches erklärt hat‘. Ob die Sitte selbst bei den Kelten oder bei ! Sallust. höstor. fragm. I, 125 ed. Maurenbrecher. Als Gewährsmann wird Sallust genannt von Servius ad Georgica IV v. 218: 'trawit hoc de Celtiberorum more, qui, ut in Sallustio legimus, se regibus devovent et post eos vitam refutant. Dasselbe berichten, offenbar aus denselben Quellen, Valerius Maximus II, 6, ıı: Celtiberi etiam nefas esse ducebant proelio superesse, cum is occidisset, pro cuius salute spiritum devoverant und Plutarch Sertorius e. 14: &dovs Ö’övros 'Ißnpıkov (ungenau statt KeAnßnpıkov) Tovs ep! Tov apyovra rerayjıevovs ovvamodvnokewv abro meoovrı kal rovro TOv Exei Bapßapwv karaomeıoıv (= devotio) ovonalovrov. ® Taeitus Germania e. 14; gegen die vollständige Identification der comites mit den soldurii wendet sich Baumstark: Urdeutsche Staatsalterthümer S. 949 {g. Von den Kelten berichtet Caesar (b. G. VlI,40,7) eine ähnliche Sitte betreffs der Clienten: quibus more Gallorum nefas est eliam in extrema fortuna deserere patronos. ® J. Grimm Geschichte der deutschen Sprache 13 S. 95. * Aus dem baskischen Wort zaldi (= Pferd) will Thierry histoire des Gaulois I S.433 Anm. 4 das Wort als 'chevalier, gentilhomme' erklären. ° Luchaire eudes S. 38. © Bei Athenaeus VI, 54 p. 249 = Frgm. histor. Graee. II p. 418 ed. Müller, der ebenfalls natürlich Caesar als Quelle annimmt. ” So vermuthet Kaibel zu Athenaeus a.a. ©. für das überlieferte ZiAodovpovs oder ZiN\odovvovs. ° Dass die Endung des Wortes -urius auf keltischen Ursprung hinweist, be- merkt Luchaire a.a.O.S. 38 und bereits Grimm a.a. 0. 452 Gesammtsitzung vom 16. April. den Germanen, oder vielleicht bei beiden unabhängig sich gebildet hat, muss dahingestellt bleiben; als iberisch wird sie aber gewiss nicht anzusehen sein, sondern von den Kelten nach Spanien über- tragen und daher gerade bei dem Mischvolk der Keltiberer heimisch geworden sein. Wenn auch demnach in den ebeneren Theilen Aquitaniens kel- tische Elemente offenbar vorhanden gewesen sind, so ist von einer durchgreifenden Keltisirung Aquitaniens doch sicher nicht zu sprechen, und die Angabe Strabos, dass die Aquitaner sowohl in ihrer körper- lichen Beschaffenheit, wie in ihrer Sprache sich durchaus von den Kelten unterscheiden und den Iberern ähnlich sind', braucht nicht auf die von den Kelten kaum betretenen Gebirgsthäler der Pyrenäen beschränkt zu werden, in denen allerdings die ursprüngliche Bevöl- kerung mit ihrer altheimischen Religion und Sitte sich am reinsten erhalten hat. Ihre Sprache hat freilich im öffentlichen Verkehr der römischen weichen müssen, und es ist bezeichnend, dass in ganz Aquitanien keine einzige Inschrift mit einer anderen als lateinischen Aufschrift zu Tage gekommen ist’; aber in den stillen, vom Ver- kehre abgeschiedenen Pyrenäendörfern, wo nicht die bereits im Alter- thum wohlbekannten und besuchten Bäder einen Sammelpunkt von Fremden bildeten, hat sich der heimische Dialekt sicherlich dauernd als Umgangssprache erhalten, deren Spuren wohl noch in dem in diesen Gegenden heimischen Gaseognischen bewahrt geblieben sind’. Nur ein einziger Stamm südlich der Garonne ist nach unzwei- deutiger Überlieferung sicher keltisch gewesen, die Bituriges Vivisei: uovov yap on To rov Bırovptyov Tovrwv (nämlich Viviscorum) Edvos, sagt Strabo', ev roıs Akovıravors aAAodbvAov löpvra Kal oV ovvreXei avroıs. Dass sie Kelten gewesen sind beweist nicht nur der Name ! Strabo IV,1,1ı p. 176: rovs ev Akvıravods TeNews EENANayuevovs ob TH YAoTT 1ovov aANa Kal Tols amnacıy Eubnpeis "IBnpow naAXov 7 laxaraıs und IV, 2,1 p.18g9: am\os yap eimeiv oi Akvıravoi diahepovoı ToV laXarıkov BVAov Kata Te Tas TOV OWNATWV Kataokeväas Kal KaTa Tv yAörtrav, Eoikacı de uarXov”Ißnpow. Vergl. dazu Caesar b. G. I, 1,2: hi omnes (Belgae, Aquitani, Celtae) lingva, institutis, legibus inter se differunt. ® Dasselbe gilt natürlich von den Münzen, vergl. Mommsen Röm. Gesch. V S. 72 Anm.r: 'Aquitanische Münzen mit iberischer Aufschrift giebt es nicht, so wenig wie aus dem nordwestlichen Spanien, wahrscheinlich weil die römische Oberherrschaft, unter deren Tutel diese Prägung erwachsen ist, so lange dieselbe dauerte, d. h. vielleicht bis zum Numantinischen Krieg, jene Gebiete nicht umfasste’. ® Die von einigen neueren französischen Gelehrten, besonders von Blade, im Gegensatz zu Humboldt vertretene Ansicht, dass das Baskische und Gascognische erst in Folge der Eroberung Aquitaniens durch die Vascones am Ende des 6. Jahr- hunderts in das Land gekommen und die herrschende Sprache geworden sei, kann hier unerörtert bleiben, denn auch unter dieser Voraussetzung müsste man erwarten, Spuren des ursprünglichen Dialekts in dem heutigen noch wiederzufinden. * Strabo IV, 2, ı p.190. HırscHrerp: Aquitanien in der Römerzeit. 453 des Volkes, sondern auch die Inschriften, die neben den römischen auch keltische Namen in grosser Zahl enthalten. Der Name aber zeigt, dass sie zu dem zwischen Garonne und Loire ansässigen grossen Stamme der Bituriges, die dort den Beinamen Cubi tragen, gehören. Woher diese Ansiedler gekommen sind, wird nicht berichtet, und nur der Name Vivisei kann dafür einen Anhalt geben. Dieser in der Formation an die Scordiseci und Taurisei erinnernde Name! ist nun allem Anschein nach keltisch” und findet sich nur wieder in dem Gebiet der Helvetii, wo Viviscus, das heutige Vevey, in den Itinera- rien erscheint”. Dass aber dieser Gleichklang nicht als zufällig zu betrachten sei, dafür spricht die von Caesar verbürgte Nachricht, dass bei seiner Ankunft in Gallien die Helvetier im Begriffe waren, ihre Heimat zu verlassen und in das Gebiet der Santoni überzusiedeln. Ein solches Unternehmen, quer durch ganz Gallien bis an die west- liche Meeresküste zu ziehen, ist, wie man zugeben wird, nur unter der Voraussetzung zu erklären, dass sich in jenem Gebiet bereits ein eng befreundeter oder verwandter Stamm befand, der ihnen die An- siedelung dort zu gestatten sich bereit erklärt hatte. Caesar nennt allerdings die Bituriges Vivisci überhaupt nicht, er hat aber, wie be- reits früher bemerkt worden ist‘, von Aquitanien überhaupt nur eine sehr vage Anschauung gehabt und auch diese erst ganz gegen Ende seines Aufenthaltes in Gallien erlangt. Jedoch führt auch seine An- gabe direct auf das Gebiet, in dem die Bituriges Vivisei ansässig waren. Denn die Santoni sind ihre nächsten Nachbarn auf dem nördlichen Ufer der Garonne und haben sich wahrscheinlich vor der Einwanderung der Bituriges weiter südlich über diesen Fluss hinaus erstreckt, da noch in der Augusteischen Zeit Tibull® die ganze aqui- tanische Meeresküste als Zitora Oceani Santonici bezeichnet. Diese Vermuthung über die Verwandtschaft der Vivisei und Hel- vetii erhält vielleicht eine weitere Stütze durch die Angaben, die wir über die Herkunft der Letzteren besitzen. Taeitus® führt zum Be- weis für die Ansiedelungen der Gallier in Germanien an: inter Her- ! Viveisei ist die durch Inschriften und Schriftsteller gut bezeugte Form; bei Ptolemaeus und in den Notae Tironianae heissen sie Vibisci. ® Vergl. Zeuss: Die Deutschen und die Nachbarstämme S. 239 Anm. Dass die Taurini, die ligurischen Ursprungs sind, von einigen Schriftstellern auch Taurisei genannt werden (vergl. Müllenhoff II S.83 Anm. 2 und S.249 Anm. r), spricht nicht dagegen; vergl. auch Müllenhoff III S. 189: 'Das Keltische, wie das Griechische, Latei- nische, Deutsche, Littauische und Slavische, kennt fast nur die Ableitung -isc; im Ligurischen aber ist -isc gar nicht nachzuweisen’. ® Itiner. Anton. p. 352: Vibisco; Peutinger.: Vivisco, Ravenn. IV, 26: Bibiscon. * Oben S. 430. 5 Oben S. 432. % Taeitus Germania ce. 28. 454 Gesammtsitzung vom 16. April. cyniam silvcam Rhenumque et Moenum amnes Helvetü, ulteriora Boüi, Gallica utraque gens, tenuere. Aus dieser ursprünglichen Nachbarschaft mag sich erklären, dass die Helvetier nach Caesars Bericht nicht nur die benachbarten Stämme der Rauraci, Tulingi und Latobrigi zum Mitziehen bewogen, sondern auch Boiosque qui trans Rhenum inco- luerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppugnarant, re- ceptos ad se socios sibi adsciscunt, deren Zahl angeblich 32000 betragen haben soll.‘ Diese Bojer hat Caesar dann nach Besiegung der- Helvetier auf Bitten der Haeduer in dem Gebiet derselben ange- siedelt. Nun finden sich aber ebenfalls Boii in dem südwestlichen Gebiet der Bituriges Vivisci, die in der Notitia Galliarum zu einer eigenen, der Novempopulana zugetheilten Civitas Boatium (dem heu- tigen pays de Buch’) geworden sind, aber bereits in einer spätestens dem 3. Jahrhundert angehörigen Inschrift von Bordeaux wird ein cives (für eivis) Boias' und im Itinerarium Antoninianum p. 456 die Station BDoü als letzte vor Burdigala auf der Strasse von Spanien nach Aquitanien verzeichnet. Wenn dieser Stamm, wie sein Name wahrscheinlich macht, kel- tisch ist’, so darf man wohl annehmen, dass er gemeinsam mit den Bituriges Vivisei hier eingewandert sein wird, und man wird darin einen weiteren Beleg für die Herkunft dieses Volkes erblicken können. Denn dass diese Bojer, wie angenommen worden ist“, den mit den Helvetiern ziehenden Stammesgenossen vorausgeeilt seien und die West- küste Aquitaniens erreicht hätten, ist nach Caesars Bericht nicht wahr- scheinlich; noch weniger aber, dass jene von Caesar bei den Haeduern angesiedelten Bojer etwa von Augustus hierher verpflanzt worden seien. Wichtiger als dieses Argument, das, so lange die keltische Natio- nalität der Boiates nicht sicher nachgewiesen ist, anfechtbar bleibt, scheint mir aber folgende Erwägung. Caesar b. G. I c. 32. 2 Caesar b. G.I c. 28. ° Notitia Galliarum XIV, 7. p. 606 M.: civitas Boatium. mit dem Zusatz in jünge- ren Handschriften: guod est Boius oder Bovis. * Jullian inseriptions de Bordeaux I n. 45 = C. XII Nr. 615, vergl. Jullian In.7 = C.XI1l Nr. 570: 1.0. M. Boi. Tertius, wo vielleicht Boi(as) zu ergänzen ist. ° Allerdings bestreitet dies Allmer rev. epigr. III S. 399, weil Strabo die Bitu- riges Vivisei als den einzigen fremden Volksstamm im südlichen Aquitanien bezeichne. Aber die Boii oder Boiates haben damals sicher, ebenso wie die Medulli im heutigen Medoc, nur einen Annex der Bituriges Vivisei, nicht einen eigenen Gau gebildet. Die Identität der Boiates mit den Vocates bei Caesar (b. G. III c. 23 und 27), die von den Basaboiates oder Basabocates bei Plinius (n. h. IV, 108, wo Jullian inser. de Bordeaux 11 S. 189, der ebenfalls die Identification für sicher hält wohl richtig Basaltes], Boiates restituirt) allerdings schwerlich zu trennen sind, ist zwar der geographischen Lage und dem Gleichklang des Namens nach nicht unwahrscheinlich, aber nicht sicher erweisbar. 6% Robert in den Memoires de la Soc. archeol, de Bordeaux 1V S. 202. 1 HırschreLp: Aquitanien in der Römerzeit. 455 Nach dem bei Livius erhaltenen Bericht, über den ich in diesen Sitzungsberichten' gehandelt habe, geht die gallische Wanderung sowohl nach Italien wie nach dem Norden von den Bituriges aus. Letz- tere richtet sich, unter Führung des Sigovesus, auf den Hereynischen Wald’, also gerade dorthin, wo sicher die Bojer und Helvetier und, wenn meine Vermuthung richtig ist, auch die Vivisei ihre Sitze ge- habt haben. Ist nun jene unzweifelhaft aus keltischer Tradition ge- schöpfte Angabe richtig’, so haben bereits hier entweder Bituriges und Vivisei neben einander gesiedelt oder die Bituriges mit dem Bei- namen Vivisei, so zum Unterschied von den gallischen Bituriges Cubi genannt, einen einzigen Stamm dort gebildet und haben von dort aus den Zug an die Garonne angetreten, ohne dass man eine Mischung mit den Bituriges Cubi in Gallien anzunehmen genöthigt wäre. Ich glaube, dass diese Annahme in der That die wahrscheinlichste ist, besonders auch im Hinblick auf die grosse Verschiedenheit, die in den bei den Cubi und Vivisei gefundenen Inschriften hervortritt. Dem- nach haben, wenn meine Ansicht das Richtige trifft, die Bituriges Vivisei dieselbe Wanderung gemacht, wie die gleichfalls am Hereyni- schen Walde ansässigen und durch einen zweiten Namen ebenfalls von ihren Stammesgenossen, den Voleae Arecomieci, unterschiedenen Volcae Teetosages, die an der östlichen Grenze Aquitaniens ihre Sitze ge- funden haben‘. In welcher Zeit die Wanderung der Bituriges Vivisci nach dem Südwesten Galliens erfolgt ist, darüber schweigt die Überlieferung. Aber der Umstand, dass Caesar die Bituriges Vivisci überhaupt nicht nennt und die. Bituriges Cubi schlechthin als Bituriges bezeichnet, spricht dafür, dass die Ansiedelung dieses Volkes an der Garonne nicht lange vor Caesars Zeit erfolgt sein wird’. Sie mögen ursprüng- ! Timagenes und die gallische Wandersage in diesen Sitzungsberichten 1894 S.331 ff. ®? Abweichend davon giebt Justinus XXIV,4 die Illyriei sinus und Pannonia als Endziel der Wanderung an. Vergl. über diesen Zug Müllenhoff II S. 261 ff., der ihn gleichzeitig mit dem italischen um das Jahr 400 n. Chr. setzt. ® Die Annahme von Arbois de Jubainville: les premiers habitants de !’ Europe (evste Auflage) S. 278 Anm. ı, dass bei Livius ein Missverständniss des Wortes biturix, das im Keltischen einen sehr mächtigen König bezeichnet, vorliegt, halte ich nieht mehr (wie S. 343 der oben genannten Abhandlung) für wahrscheinlich und zur Erklärung der Nennung der Bituriger jedenfalls nicht für ausreichend. — Ob die Wanderung selbst als historisch anzusehen ist oder vielmehr die Bituriges von Germanien eingewandert und also die Tradition umzukehren ist, wie es Müllenhoff, D. Alt.-K. II S. 277 betreffs der Volcae Teetosages annimmt, kann dahingestellt bleiben, da die Existenz der Bi- turiges in Germanien auch bei dieser Annahme bestehen bleibt. * Vergl. Müllenhoff II S. 275 ff. und die vorhergehende Anmerkung. 5 Die Bojer wenigstens haben ihre Sitze am Hercynischen Wald erst nach dem Einfall der Kimbern in Gallien verlassen: Posidonius bei Strabo VII, 2,2 p. 293. Vergl. 456 Gesammtsitzung vom 16. April. lich ein kleines Gebiet oceupirt haben, das dann durch Augustus, dem gemäss seiner Politik die Stärkung des keltischen Elementes im südlichen Aquitanien erwünscht sein musste, seinen späteren Umfang auf Kosten der Tarbelli und der benachbarten, an dem durch Messalla unterdrückten Aufstande betheiligten Volksstämme', wahrscheinlich auch auf Kosten der angrenzenden Santoni erlangt haben wird. Müllenhoff II S. 265 und III S. ı7ı: "auch die untere Garonne mag erst verhältniss- mässig spät von den gallischen Bituriges Vivisei, wahrscheinlich nur einer Abthei- lung der tiefer im Innern wohnenden Bituriges Cubi, besetzt sein’. ! In erster Linie der Vocates oder Boiates, wenn die S.454 A.5 besprochene Identification dieser Stämme richtig ist. Zum delphischen Paian des Philodamos. Von H. Disks. Wir verdanken die Herstellung dieses vierten Hymnus, der bei den französischen Ausgrabungen in Delphi zu Tage gekommen ist, dem ausgezeichneten Geschicke H. Weı.'s', dessen Führung wir uns auch hier im Ganzen ruhig überlassen können. Aber indem wir an seiner Hand dieses merkwürdige Probestück der Lyrik des vierten Jahrhun- derts (es scheint in Philipp’s oder Alexander’s letzter Zeit verfasst) durchgehen, ist es vielleieht möglich, die durch die genau bestimmten Lücken vorgeschriebenen Grenzen der Herstellung noch etwas enger zu stecken oder dem Ausdrucke, der ganz den nüchternen Charakter der Poesie jener Zeit trägt, noch grössere Einfachheit zurückzugeben. Der Dichter beginnt seinen Paian an Dionysos, nachdem er seinem dithyrambischen Gefühle stilgemäss in einigen Epikleseis Luft ge- macht, wie es sich geziemt’, ab ovo: s ov Onßaıs mot’ Ev eviaıs Zyvi yeivaro kakimaıs Ovova ' mavres Ö [aorepes ayx]opev- cav, mavres de BporoL y|apn- » aav aaıs Bjayxıe, yevvaıs. Zum 8. Vers bemerkt der Herausgeber: » A mavres de Bporoil semble s’opposer naturellement mavres 6 adavaroı yöpevoav. Ce supplement se presente tout d’abord a Vesprit, mais un peu de reflewion le fait ecarter aussitöl. Chez Sophocle, Bbacchus conduit le cheur des astres. Voir An- tig. 11416.« Ich möchte glauben, dass das erste Gefühl berechtigt war. Beiden Gedanken aber entspricht das einen scharfen Gegensatz zu Bpo- roi bildende oüpavidaı. Die Lesung mavres Ö [oupavidaı ylopevoav füllt die Lücke genau aus”. ! Bulletin de correspondance hellenique XIX p. 393 ff. ® Vergl. WENIGER, Das Collegium der 16 Frauen und der Dionysosdienst in Elis. Weimarer Progr. 1883 S. 6. IESTELSIVEERNNEGOLIT. 5: 458 Gesammtsitzung vom 16. April. Für mein Empfinden stört die Einführung eines neuen Verbums xapnoav in dem zweiten Gliede die Anapher V. 9. 10. Man sähe lieber xapevres, so dass xopevoav auch zu Bporol und xapevres auch zu den ovpavidaı passte. Aber die Lücke zwischen BPOTOIX und AXXIE umfasst nur ıo Buchstaben, so dass nicht nur xapevres caıs, sondern auch das von Weir gebotene xapnoav caıs, wenn man’s genau nimmt, durch den Raum ausgeschlossen wird'. Ich möchte daher vorschlagen mavres Öe Pporoi, y|apır » cas, ®@ Blayxıe, yevvaıs. Zu ßporoi ergänzt sich dann xopevoav und als Apposition dazu fügt sich in etwas höherem Stile yapıw an, etwa wie bei Pindar Pyth. Ing: öbpa Oeuwv iepav Ilvdova Te kai öphoöıkav yas oubaAov KeNaönoer' Akpa UV Eomepa, e [4 N = enranvaoıcı Onßaıs xapıv ayavi re Kippas. In der zweiten Strophe versteht der Dichter auch seine Heimat- gegend (er stammt von Skarpheia) anzubringen, um dann die Epi- phanie des Gottes in Delphi selbst zu schildern. Die dritte hat er nach attischem Vorbilde dem eleusinischen Iakchos gewidmet, die nach Werıir’s Herstellung so lautet: »» [Oivoda]A&s öde xepi max- Awv Slemjas Evdeoıs [oVv olo]- Tpoıs EuoAes uvyovs |EXe]v- ‚ owos av’ [avdeuw]öeıs‘ (Evor & loßarx' © Iferaulav) [edvos EvO’| amav ErAdöos [ylas alup’ elvvaeraıs [piAov] Een|or|raus öpytov öoliwv Ta]k- ‚s yov |xAeleı oe‘ Bporois movwv @ı&|as Ö' öpluov [aAvrorv]. Bei dem jetzt brennenden Streite über die Bedeutung des diony- sischen Elementes in den eleusinischen Mysterien wäre es von grosser Wichtigkeit, wenn das Bild des Iakchos, wie er mit weingefülltem Becher einherstürmt, wirklich bei einem Diehter des vierten Jahr- hunderts nachweisbar wäre. Nach meiner Meinung ist es gerathener, trotz der »heiligen Kelter« den kvkewv des eleusinischen Dienstes vor- ! Nur ausnahmsweise wird I mit dem vorhergehenden Vocale in eine Stelle zu- sammengefasst. Diers: Zum delphischen Paian des Philodamos. 459 läufig vor solcher Vermischung mit dem dionysischen Tranke zu be- wahren und an dem traditionellen Bilde des fackelschwingenden Iakehos festzuhalten. Vielleicht gelingt es Anderen besser, dies mit den hier übel zugerichteten Resten des Steines zu vereinbaren. Ich möchte unterdessen vorschlagen: » [Nurrıplaes' de yeıpı mar- Awv Öleulas Evdeoıs [vv oie]- Tpoıs EuoAes uvyovs |[’EXe]v- owos av’ [avdeuw]deıs. Der Schluss der Strophe V. 32ff. scheint mir nicht ganz sicher her- gestellt. Ich weiss aber nichts Besseres. Die vierte Strophe ist mit Ausnahme des ersten Verses ‚+ [mavvuxiew] de Kat xopoıs verloren. Der Herausgeber denkt, dass die Reisen des Gottes nach Lydien und anderen Ländern geschildert waren, und gibt von der fünften Strophe folgende Herstellung: ss [’E]v[dev Elm’ oABias xHovös OerlEwoas] EreAcas, ü ss ornlo]e uevos Te OAvumilas EEopliav Te «Neılr]arv. Er erklärt Oer&woa als Aphrodite, versteht unter OAvuria Hera, und unter dem aus Markellinos bezeugten €&&opia die Ausschliessung des Gottes aus dem Olymp, die er durch seine 'Thaten auf der ganzen Erde zu einer »berühmten« gemacht habe. Ich gestehe hier nur zögernd zu folgen. Zunächst der Stil. Sollte der Dichter, der sonst doch ziemlich einfach schreibt, plötzlich in die Manier des Lykophron verfallen sein? Dann ist V.55 nicht a ornoe, was dialektisch bedenklich ist (aber s. V.ı40 ornoaı), son- dern AXZTHTE überliefert, und dem fügt sich das TEMENOZTE OAYMTTIas so wohl, dass wir vielleicht gut thun, auf der Erde zu bleiben und an die olympische Altis zu denken, wo der Cult des Dionysos seit unvordenklichen Zeiten unter besonders alterthümlichen Formen gefeiert wurde”. Daran würde sich, nach berühmtem Muster? gebildet, [raA]lav Te kNerrav, was die Lücke genau ausfüllt, anschliessen. Die Aceu- »AEZ ou AEZ. Les copies different« H. Wrır. oeAas ist nach demselben V.28 ausgeschlossen. deuas selbst wäre in der periphrastischen Weise gebraucht, wie es z. B. bei Parmenides und Empedokles öfter erscheint. Der Hauptbegriff liegt im Attribut. ® S. das oben eitirte Programm von WENIGER. ® Soph. Antig. 1115 roAvovvue Kaduelas äyarıa vuubas kat Aıös Bapvßpenera yevos, \ ’ ’ r ‚ p = r = kAvrav os anbereıs IraXtav, nedeıs de marykoivors Exevorvias Anoüs Ev koAnoıs, Baryev KIA» Sitzungsberichte 1896. 43 460 Gesammtsitzung vom 16. April. sative reuevos, IraXAiav hängen von Emi ab, wie das an erster Stelle stehende dortn. Also muss sich in 0oAßlas ydovos OEA (oder OEA) Bann. ! ein Land bergen. Der Dichter spricht zweimal von der 6Aßla Erxas. So könnte man an xdovos 0’ ErfAados] denken, wenn die Ergänzung in Raum und Zusammenhang passte. Das ist nicht der Fall. Das richtige Wort fand ich nicht. Mit 0° EAAomias oder OeroaXtas ist es schwerlich getroffen. An die Vollendung der Mission des Gottes auf Erden schliesst sich sofort (alrika) die Apotheose durch Apoll und die Musen an: 6° uleAwav] adavalrov| Es aeı Mauava. Die letzten Strophen sind praktischen Zwecken gewidmet. Es gilt den Tempelbau, der sich durch das ganze vierte Jahrhundert hin- zieht, dem Eifer der Amphiktyonen zu empfehlen. Da, wo nach einer grossen Lücke des Steins die neunte Strophe einsetzt, hören wir von dieser mpa&ıs, und in begeisterter Ahnung preist er in der zehnten das künftige Geschlecht selig, das den Tempel für ewig unantastbar gründet. Es folgt eine genauere Schilderung der kostbaren Aus- schmückung, wie sie die delphische Priesterschaft geplant hatte, und der Dichter gibt sich willig dazu her, dieses Programm seinem Paian einzuverleiben. Der Tempel soll golden von goldenen Bildsäulen der Leto und Artemis (wenn ®eary V.ı24 richtig gelesen ist) und doch wohl auch Apollons selbst erglänzen. Er (der Tempel oder Apollon?) soll prangen im weissen Glanze des Elfenbeins und des einheimischen Materials: 125 Kouav Ö Aplylaivovr' E[Xeb]avfrivor] [vv] 6° (oder [un]ö'?) auroxdovı koouwı. So gebührt natürlich auch dem zweiten Gotte, der im Winter in Delphi herrscht, ein ähnliches Prachtwerk der Bildhauerkunst: Str. II. 13 IlvOıaoıw de mevdern- poww|ı T|porauls] Erage Bak- xov Ovoiav yopov Te To|A- 135 Awv| KkvrAlav auANav (Evor © 1o]Bary’ [® leraulav) revxew': aXobeyylelolıv Ö Apxolvoaus] ivov aßpov ayarua Barxol[v] ev EM.P... xpvoewA Aeov- 10 Twv ornoalıl Ladewı re T[ev]- Eu Hewı TpEemov Avrpov. Diers: Zum delphischen Paian des Philodamos. 461 Den Ausdruck aAuodeyyeow Ö' apyovoas toov erklärt Hr. Weir: (quand les jours regnent aussi longtemps que les nuits) est une periphrase pour ionuepta. Das will mir sprachlich und sachlich nicht recht gefallen. Ich möchte ergänzen apyx[ovrwv] und an die goldenen Statuen in Le- bensgrösse denken, welche die attischen Archonten ihrem Eide getreu in Delphi aufstellen mussten, wenn sie wider die Gesetze fehlten'. Der Diehter hebt die Grösse der Statue besonders hervor, da es den Priestern natürlich bei ihrer Tempelcolleete darauf ankam, dass für solche Prachtwerke die entsprechenden Summen von den Gläubigen aufgebracht würden’. Die auch von Hrn. Wr nicht ergänzten Buchstaben V.139 ENEMT.P... werden wohl nur vor dem Original richtig gedeutet werden können. Den Sinn &v Levyeı oder ev Badpoıs kann man ja wohl errathen. ! Arist. Pol. Ath. 7,4 oi 6’ &vvea apxovres Suvivres mpos TO Aw kareparılov avadıjaeıv avöpıdvra xpvoovv, edv Tıva rapaßooı rov vouov,. Plato Phaedr. 235D ka voı E&yo Gomep 0i Evvea apyxovres bmıoyvounar xpvanv eikova Inouerpyrov eis AeAbovs avaßyceıw. Plut. Sol. 2 v. Wıramowrrz Aristoteles u. Athen I 45, 7 g. E. — Die Construction ist natürlich @yaAyıa Irov aktopeyyeoiw (Sc. ayakuacıv) apyovrov. ® Die Belohnung für diese poetische Reclame hat der Dichter durch die am Schlusse aufgezeichneten Privilegien erhalten, deren Mittheilung den Namen des Dichters ®irodaumı Alvpoıdanov Ikapber kal rois adeXbors Emiyever ...vrioa und das Jahr äpyovros "Ervuovda darbietet. a u, h - 5 D 4 | Ai j F" he! er An A 4 j re I er ar een: ron SFR ) ar ee Dr i } Isih Br © u U. 8 re Ti: Mn EIRU 7 ee we N , in Zu K Te eh e. Aus NEED 1 R \r Bir | PN rohr BT 17 EN OAER ur D PIRNETT TG Li Mm DriE) 463 Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. Von E. Dümnter. Di. 22. Plenarversammlung der Centraldirection der Monumenta Ger- maniae historica wurde in diesem Jahre vom 9. bis ıı. April in Berlin abgehalten. Durch eine Reise wurde Hr. Prof. Mommsen an der Theil- nahme verhindert, Hr. Hofrath MAAssen aus Innsbruck fehlte. Anwe- send waren die HH. Prof. Bressrau aus Strassburg, Geh. Justizrath Brunner, Prof. Dove aus München, Geheimerath Dümmrer als Vor- sitzender, Geheimerath von Herr aus Erlangen, Prof. HoLper-EesEr, Prof. MüntsAcHer aus Wien, Prof. SchErFer -BoıcHorst und Geheimerath WATTENBACH. Seine Excellenz Hr. Geheimerath von SYBEL war uns am I. August durch den Tod entrissen worden. Im Laufe des Jahres 1895/96 erschienen in der Abtheilung Auctores antiquissimi: 1. Chronica minora saec. IV. V. VI. VII ed. Tu. Mommsen II, 2 Sr, H2INERE in der Abtheilung Seriptores: 2. Deutsche Chroniken I, 2 (der Trierer Silvester, das Anno- lied); 3. Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad annum 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, recogn. Frıd. Kurze; 4. von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Bd. XXI, heraus- gegeben von H. BressLaAu. Unter der Presse befinden sich ein Folioband, 8 Quartbände. In der Sammlung der Auctores antiquissimi steht nur noch die demnächst zu erwartende Schlusslieferung des 3. Chronikenbandes aus. Ein ausführliches Register über alle 3 Bände ist Hrn. Dr. Lucas in Charlottenburg übertragen worden. Im Anschluss an diese Chroniken hat Hr. Prof. Momusen seit dem Sommer 1895 die Ausgabe des älte- sten Theiles des Liber pontificalis bis auf Constantinus I. (F 715) über- nommen und zum Zwecke einiger Nachvergleichungen im Januar eine 464 Gesammtsitzung vom 16. April. Reise nach Italien angetreten. Vorstudien für diese seit Jahrzehnten vorbereitete und längst mit Sehnsucht erwartete Ausgabe bringt das neue Archiv. Der Beginn des Druckes ist für den nächsten Sommer in Aussicht genommen. In der Reihe der Seriptores ist der Druck der merowingischen Heiligenleben im 3. Bande der SS. rerum Merovingicarum durch Hrn. Dr. Kruscn ununterbrochen fortgeschritten und hat nach vielen voran- gehenden Gebilden frommer Diehtung mit Cäsarius von Arles festen historischen Boden erreicht. Die Vollendung des Bandes darf noch in diesem Jahre erhofft werden. Der 3. Band der Schriften zum Investiturstreite ist seit vorigem Sommer in Fluss gekommen; an Stelle des früher dafür thätigen Dr. Dieteriıch ist Hr. Dr. Hrısgıcn Bönmer als neuer Mitarbeiter seit dem ı. Mai eingetreten. Den bedeutendsten Antheil hat jedoch an diesem, wie an dem vorhergehenden Bande, Hr. Dr. Sackur in Strassburg, zumal durch die Bearbeitung von Auszügen aus Gerhoh von Reichersberg. Nach einigen Schriften aus der Zeit Heinrich’s V., darunter zwei von dem bekannten Honorius von Autun, tritt nunmehr der Streit Frie- drich’s I. mit Alexander IH. in den Vordergrund. Erst nach den darauf bezüglichen Stücken soll dann eine Anzahl von Nachträgen auch für das ıı. Jahrhundert sich anschliessen, deren Umfang sich um so we- niger übersehen lässt, als auch Hr. Dr. Hamre in England noch einige bisher unbekannte Abhandlungen über die Priesterehe aufgefunden hat. Der Druck des 30. Foliobandes der alten Reihe der Seriptores ist nach längerer Unterbrechung seit December wieder aufgenommen wor- den und zwar mit der Chronik des Erfurter St. Petersklosters. Die ausführlichen vorbereitenden Untersuchungen zur Entwirrung der thü- ringischen Geschichtsquellen des späteren Mittelalters, welche Hr. Prof. Horver-E66ER im neuen Archiv niedergelegt hat, haben die Ausgabe zwar wesentlich verzögert, aber auch entlastet. Neben den Ergebnissen, welche dieselben für den vorliegenden Band gehabt haben, sollen sie auch einem schon früher beschlossenen Bande von Monumenta Erphes- furtensia saec. XI. XII. XIV in der Reihe der Handausgaben zu Gute kommen, dessen Druck im Sommer beginnen wird. Eine Reise nach Thüringen im September 1895 diente ebenfalls diesen Studien. Für die zweite Hälfte des 30. Bandes sind Nachträge zur Ottonischen und Salischen Zeit bestimmt, u.a. des Rangerius Vita Anselmi und des Abtes Desiderius Miracula S. Benedieti. Hr. Dr. Boenmer nimmt auch für diese Partie als Helfer die Stelle des Hrn. Dr. Dirrerıcn ein, während ein neuer Mitarbeiter, Hr. Dr. Egertarn aus Giessen, nach seinem für den Sommer bevorstehenden Eintritt an den italienischen Chroniken des folgenden Bandes mitarbeiten soll. Dünnter: Monumenta Germaniae historica. 465 In der Reihe der deutschen Chroniken ist ScHRöDErs Ausgabe der Kaiserehronik in erwünschter Weise durch den damit zusammen- hängenden Trierer Silvester und das schon lange sehnlich erwartete Annolied ergänzt worden. In dem 3. Bande gelangte der Text von Enikel’s Fürstenbuche durch Hrn. Prof. Srrauca in Halle zum Abschluss, und es wurde als Anhang das von Hrn. Coneipisten Dr. Jos. Lauren in Wien herausgegebene Österreichische Landbuch gedruckt. Somit er- übrigen nur noch Register und Einleitung, die im Laufe des Jahres nach- folgen werden. An dem 6. Bande hat Hr. Prof. SermüLrer in Innsbruck seine Thätigkeit mit Eifer fortgesetzt und auf einer Reise nach England im Frühjahr 1895 sowie nach Oberösterreich weitere Handschriften des Hagen ausgebeutet, auch die Zwettler Denkmäler an Ort und Stelle bearbeitet, doch werden noch fernere Studien in Wien und München nöthig sein, um den Umkreis dieser Chroniken genauer festzustellen. Die von Hrn. Dr. Hrıyr. Meyer in Göttingen unter Leitung des Hrn. Prof. Rörne herauszugebenden politischen Sprüche und Lieder in deutscher Sprache sind in regelmässigem Fortschritt begriffen und zeigen einen wachsenden Reiehthum an Material. Hr. Prof. Horzanp in München hat uns seine in früherer Zeit dafür angelegten Sammlungen freund- lichst zur Verfügung gestellt. Die Abtheilung Zeges hat am 9. März durch den Tod ihres rüstigen und verdienstvollen Mitarbeiters Hrn. Dr. Vıcror Krause einen schmerz- lichen Verlust erlitten, um so schmerzlicher, als dadurch zunächst wieder der 2. Band der Capitularia regum Francorum betroffen wird, der durch die Erkrankung des Hrn. Prof. Borrrıvs schon einmal eine lange Hem- mung erlitten hatte. Dennoch hoffen wir, das nur zum Theil abge- schlossene Sachregister sowie die fehlende Einleitung mit Aufzählung der Handschriften noch in diesem Jahre fertig zu stellen. Die Aus- gabe des Benedietus Levita, für welche Krause im Winter vor einem Jahre eine Reise nach Rom unternommen hatte, ist dem Privatdocenten Hrn. Dr. Emm Secret in Berlin übertragen worden. Für die grosse Ausgabe der Leges Wisigothorum hat Hr. Prof. Zeumer im Frühling 1895 in Paris den Codex Euricianus und andere Handschriften verglichen, gefördert durch die stets von Neuem zu rühmende Gefälligkeit der HH. Deriste und Hrsrı Omoxt, welch letz- terer besonders auch Hrn. Dr. Kruscn durch vielfache Auskünfte ver- pfliehtete. Der Druck kann vielleicht schon in diesem Geschäftsjahre beginnen, während die Geschichte der westgothischen Gesetzgebung einer besonderen Ausführung vorbehalten bleibt. Mit der neuen Aus- gabe der Lex Baiuwvariorum ist der Prof. Frhr. von Scnwisp in Inns- bruck betraut, der in den Osterferien 1897 deshalb die italienischen Bibliotheken zu besuchen gedenkt. 466 Gesammtsitzung vom 16. April. Von den durch Hrn. Dr. Schwarm in Göttingen weiter geführten Constitutiones imperatorum steht der Druck des 2. Bandes im Register. Hr. Dr. Scuaus hat sich an den Correeturen desselben in erspriesslicher Weise betheiligt. Für den 3. Band sind noch manche Nachträge er- forderlich, bevor er druckreif werden kann, für den 4., zumal die Zeit Ludwig’s des Baiern, eine Archivreise nach München und an den Rhein, welche im nächsten Sommer stattfinden soll. Ein neuer Mit- arbeiter bleibt für diese Abtheilung ein hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit zu befriedigendes Bedürfniss. Auch für die Leges ebenso wie für die Seriptores hat die Reise des Hrn. Dr. Haımpe nach England viel- fältigen Ertrag geliefert, werthvolle Beiträge aus England und Frank- reich verdanken wir für die Constitutiones imperatorum auch dem Hrn. Dr. Heru. Herrke in München. In der Abtheilung Diplomata hat Hr. Prof. BressLau, unterstützt von den Mitarbeitern Brocn und Mryer, den Druck der Urkunden Heinrich’s II. langsam, doch stetig fortgesetzt. Während er selbst dafür in Paris und Besancon einige Nachträge sammelte, besuchte Brocn die Archive von Vercelli, Novara, Pavia, Mailand. Durch seine Entdeckungen ist der hervorragende Antheil, welchen Bischof Leo von Vercelli unter Otto II. und Heinrich an der Abfassung von Königs- urkunden gehabt hat, klar hervorgetreten und wird in einer Abhand- lung des neuen Archivs näher beleuchtet werden. Für die von Hrn. Prof. MüntsacHer zu bearbeitenden Karolinger- urkunden hat sein Mitarbeiter Dr. Dorscnu von Ende März bis Mitte October 1895 einen grossen Theil Italiens bis hinab nach Neapel bereist und neben einigen unbekannten Stücken für viele bekannte bessere Formen der Überlieferung gefunden. Eben jetzt wird zu dem gleichen Zwecke Venedig und Friaul, das noch fehlte, von ihm nachgeholt. Unter den Vorständen, welche seine Zwecke in gefälliger Weise för- derten, sind besonders P. Enrte von der Vaticana und ArcırrETE ToNonI in Piacenza rühmend hervorzuheben. Eine empfindliche Einbusse erlitten die Arbeiten des Hrn. MüntsacHer durch die Berufung seines zweiten Mitarbeiters M. Taneı als Professor nach Marburg, doch wird derselbe von dort aus benachbarte Gebiete wie Fulda und Hersfeld, Trier und Prüm noch ferner bearbeiten, und in Wien ist in der Person des Dr. Max ScHhepy ein anderer Hülfsarbeiter an seine Stelle getreten. Eine Reise des Hrn. Dr. Dorscn nach Belgien und dem nördlichen Frank- reich wird für das nächste Jahr erforderlich. Von den Hrn. Prof. Scherrer-Boıcuorst für die Vervollständigung (ler staufischen Königsurkunden bewilligten Mitteln hat er selbst mit günstigem Erfolge in Unteritalien und Sieilien eine Anzahl Archive besucht, und sein Mitarbeiter Scnaus hat zu demselben Zweck im er . . . lo Dünmter: Monumenta Germaniae historica. 467 November bis Januar das obere Italien bereist. Einige weitere Stücke lieferte auch Hr. Dr. Brocn. In der Abtheilung Zpistolae hat, nachdem der Text des Registrum Gregorü zu Ende gedruckt war, Hr. Dr. Harrmasv in Wien mit Hülfe des Doctorandus WENGER seine Arbeiten an dem Register fortgesetzt, welches ein sorgfältig ausgeführtes Bild aller sprachlichen Eigenthüm- lichkeiten Gregor’s darbieten soll. Die Vollendung des Druckes darf im Laufe des Jahres erwartet werden. Für den 5. Band der Epistolae hat zwar Hr. Dr. Hanpe die Briefe Einhard’s, Frothar's. sowie einen Theil der päpstlichen druckfertig gemacht, während anderes von mir vorbereitet wurde, allein die Un- zulänglichkeit unserer Sammlungen nöthigte doch vor allem, neues Material herbeizuschaffen. So begab sich denn Hr. Dr. Hampe nach einem kleineren Ausfluge nach München und Karlsruhe im Mai von Mitte Juli 1895 bis in den Februar 1896 nach England, um in um- fassenderer Weise, als es seit langer Zeit geschehen war, die dortigen Bibliotheken für die verschiedenen Abtheilungen zu durchsuchen. Eine hervorragende Stelle nahm darunter wegen der stets drohenden Ge- fahr einer Zersplitterung ihrer Bestände die jetzt dem Mr. Frxwick ge- hörende Bibliothek in Cheltenham ein, der allein 34 Tage gewidmet wurden. Ein ausführlicher Bericht über diese besonders auch für das 13. Jahrhundert fruchtbare Reise ist in Vorbereitung. Von der wich- tigen und durch ihre Tironischen Noten schwierigen Handschrift des Servatus Lupus in Paris verdanken wir dem Prof. pe Vrıes in Leiden eine ungemein sorgfältige Vergleichung. Eine kürzere Reise nach Brüssel und Paris würde für diesen und den folgenden Band noch wünschenswerth sein. In der Abtheilung Antiquitates hat Hr. Prof. Herzger6-FrÄNKEL in Czernowitz durch einen Urlaub für den Sommer endlich die nöthige Musse gewonnen, um das schon lange vorbereitete Register der Salz- burger Todtenbücher zu Ende zu führen, doch bedarf es wegen der darin zu gebenden Erläuterungen einer Reise auf einige österreichische Bibliotheken. Von dem durch Hrn. Dr. Traugr in München heraus- gegebenen 3. Bande der Poetae latini Carolini fehlt nur noch das Re- gister, welches Hın. Dr. Nerr als Hilfsarbeiter übertragen ist. Für den 4. Band der Poetae ist Hr. Dr. von WINTErFELD hierselbst, als Mit- arbeiter seit einem Jahre eingetreten, hierzu durch eingehendes Studium der altrömischen wie der mittelalterlichen Dichter besonders berufen. Er hat sich seiner Aufgabe auch mit so nachhaltigem Eifer unterzogen, dass der Druck der ersten, den Schluss der karolingischen Zeit ent- haltenden Hälfte vielleicht noch in diesem Geschäftsjahre beginnen kann. Eine nochmalige Vergleichung der Handschrift der Gesta De- 468 Gesammtsitzung vom 16. April. rengarü in Venedig besorgte Hr. Dr. Scnaus auf seiner Reise, Gedichte aus dem Ende des 10. Jahrhunderts in Vercelli verglich Hr. Dr. Brocn. Das Neue Archiv hat unter der Leitung des Hrn. Prof. Bressrau in dem erweiterten Umfange von 50 Bogen seinen geregelten Fortgang gehabt und gebietet nach wie vor über eine reiche Fülle werthvoller Zu- sendungen. In den Redactionsausschuss ist an Stelle des Hrn. von SyBEL Hr. Prof. Scu£Errer - BoicHorsT eingetreten. Vergleichungen verdanken wir ausser den schon Genannten be- sonders noch den HH. Legx:eve in Paris, Mons. Ameruı in Monte Cassino, Dr. Jur. Kock in Rom, Prof. Pırenne in Gent, Canonicus TrucHET in St. Jean de Maurienne. Hr. Prof. HoLper-EssEr wurde bei seinen Ar- beiten auf der Bibliothek in Jena von Hrn. Oberbibliothekar Dr. MüLLer in zuvorkommender Weise unterstützt und bei seinen Erfurter Studien von Hrn. Oberlehrer Dr. Brver daselbst. Aus Magdeburg besorgten ihm die Archivare HH. Dr. Turuner und Dr. Liege Abschriften. Allen diesen Herren, ganz vorzüglich aber auch dem Auswärtigen Amte des Deutschen Reiches für seine stets gefällige Vermittelung und vielen Archiv- und Bibliothekvorständen des In- und Auslandes, unter denen namentlich Paris, Brüssel, Gent zu erwähnen sind, sei unser wärmster Dank gewidmet. Eine trilingue Inschrift von Philae. Von Henry GEORGE Lyons und Lupwıe BoRCHARDT. (Vorgelegt von Hrn. Erman am 26. März [s. oben S. 393).) Hierzu Taf. I und II. Die von der aegyptischen Regierung unternommenen Ausgrabungen auf der Insel Philae haben unter anderen Funden von wissenschaft- licher Bedeutung in den letzten Wochen ein Denkmal zu Tage geför- dert, dessen historische Wichtigkeit es uns nahe legt, dasselbe hier vor der zu erwartenden Gesammtpublieation der diesjährigen Ausgrabungs- resultate besonders zu veröffentlichen. Im Norden der Insel wurde nämlich vor dem westlich vom Stadt- thor gelegenen Tempel des Augustus’, nachdem die dort befindlichen kop- tischen Hausruinen fortgeräumt worden waren, in der Axe des Tempels etwa ı1" vor der Front desselben — s. die umstehende Skizze — in dem alten Pflaster aus Sandsteinplatten ein Viereck von eingelegten Granitschwellen vorgefunden, auf welchem wohl früher ein Altar, der Sockel einer Statue oder etwas Ähnliches gestanden hatte. Zwei dieser Granitschwellen — dieselben sind durch Schraffur in der Zeichnung be- ! Die Weihinschrift auf dem herabgestürzten vorderen Architrav dieses Tempels lautet: ANGE ORKBATOJRIKAUZFARISEIB AZTE OST HEIRATEN ERIDETTHEEIH ENIMOMNAIOYPOBPIOYBAPBAPOY Auf drei zusammengehörigen Bruchstücken einer Inschrift, welche hier in koptischen Häusern verbaut waren, steht ferner: AYTOKP A /WHHIIIIIIIDEITTIILETNDIIETGEN u DY RYNMITIIIIIIIIITETTTITITTTLTTTITIIE N VIII N ZUHTETEELITSTITILLITIEELTTEELLLLLETTHITHITLITITTTLITTITTTIHITTININ TONCWTHPAKAIEYEPFTETHN OIAMOSIAWN KAIAWAEKACXOINOY ı#$ wo. Der fragliche Tempel ist also augenscheinlich dem Kaiser Augustus in seinem 18. Jahre unter dem Praefecten P. Rubrius Barbarus von den Bewohnern Philae’s und des Do- dekaschoenos erbaut worden. 470 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. sonders hervorgehoben — zeigten nach oberflächlicher Reinigung auf der nach oben liegenden Seite Schriftspuren und wurden daher zur näheren Untersuchung aus dem sie umgebenden Pflaster herausgehoben'. Sie enthalten die in drei Sprachen — aegyptisch, lateinisch und griechisch — abgefasste, vom ersten Jahre des Augustus datirte Siegesinschrift des ersten römischen Praefecten von Aegypten, des C. Cornelius Gallus. Diese Stele, deren Gesammtansicht Taf. I zeigt, bestand ursprüng- lich aus einer grossen, vorn und an den vorderen Kanten glatt bearbei- ” “ 6 5 se) aaa SETZTEN f / VI: j Die beiden — Sinckeder | reilmguen |_R Snechzife — De ARM / Y/ teten, auf den Seiten und hinten rauh gelassenen Platte von Granit, wie solcher in Assuan nahe bei Philae gebrochen wurde. Ursprünglich war sie also dazu bestimmt, in irgend eine Wand eingelassen zu werden. Vielleieht schon bei Erbauung des Augustustempels, also im Jahre 18 dieses Herrschers, wurde die Stele jedoch der Länge nach durchge- sprengt und, nachdem die Bruchflächen wieder bearbeitet waren, in das Fundament des Bauwerks vor dem Tempel verbaut. Hierbei wurden auch Stücke der oberen Rundung, sowie an einigen Stellen Theile der unteren Aussenkanten der beiden Stelenhälften abgearbeitet. In ihrem heutigen Zustande misst die rechte Hälfte der Stele 1754x0"56, die linke 1"37x0”52. Die Dieke ist durchschnittlich 0°35. Die Breite des in der Mitte in Folge der Wiederbearbeitung der Bruchflächen fehlenden Streifens lässt sich auf etwa 0”oS bestimmen. Die Dimen- sionen der Stele waren demnach früher rund 1765 x 116. Die obere Rundung des Steines wurde ehemals ausgefüllt durch die auf fast allen aegyptischen Stelen übliche Darstellung der geflügelten ! Die übrigen Granitstücke wurden natürlich auch herausgenommen, zeigten aber keine Inschriften; nur ein ganz kleines Bruchstück, mit der Darstellung einiger Federn der geflügelten Sonnenscheibe, kam noch zum Vorschein. Stadr- Mauer Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896, Taf. I. Ir 1 1 G. Lvons und L. Borcharpr: Eine trilingue Inschrift von Philae. AR vißl., U Zu N i I ’ \ v ee j ’ ", By T . ‘ u n bn KR in 2 { ıE ) LZ Dy AL» B ER 2 . [ >e fr 1) ur Ä Fb ’ « _ u j . in 4 / ie # LIE a D > Ok - I; ’ fr ji + rs f Les d . Ze 5 n n a D N Fur ER # is: (N: . ER R A ul, | © hr ar £ | j u. A RE : Dh FA a \ ur Rn ST VA « ’ T Te el N ber 97 \ je 7 f a l MAINE j “ HR, 0 © Fu “ / ' | ’ v ' 5 £ ’ ver R 2 L . VER EA ‘ u we e B AR 2 + ’ ' * Tan; n - =: er eo LE En | A EN Tr Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896. G. Lvons und L. BoRcHARDT: trilingue Inschrift von Philae. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896. Ta vr al 7 a N 4 Zr , BP 0 DER u BEER 2 73 a”, Dr Zu “x 7 Aa: u 3 ur; + x 3 eu sy G. Lyoss und L. BoRCHARDT: 5 Inschrift von Philae. 7 . men men, Lyonss und BorcnAarpr: Eine trilingue Inschrift von Philae. 471 Sonne, um welche sich zwei Uraeen ringeln, dabei die auf diese Dar- stellung bezügliche kurze Inschrift. Hierunter folgt, durch eine breite horizontale Linie getrennt, in der Mitte der Stele ein der aegyptischen Kunst fremdes! Bild, welches, wie Alles auf diesem Stein, in vertieftem Relief ausgeführt ist. Ein Reiter — wie die dabeistehende Inschrift- zeile besagt, soll es der Kaiser selbst sein — sprengt gegen einen in’s Knie gesunkenen, behelmten Feind an, der den Schild zur Deckung erhebt. Rechts und links von dieser Scene sind je drei Namen von Göttern angebracht, die auf Philae und in der Gegend des ersten Katarakts verehrt wurden. Darunter folgen 10 Zeilen hieroglyphischen und je 9 Zeilen lateinischen und griechischen Textes. Die Inschriften des Steines, die an und für sich schon, wohl wegen der Schwierigkeit der Granitbearbeitung, nicht gerade sehr sorgfältig ausgeführt waren, haben durch die gewaltsame Zerstörung der Stele und durch die Zeit sehr gelitten und sind daher nicht leicht lesbar. Etwas hilft die rothe Farbe, mit der alle Buchstaben einst aus- gemalt waren und von der noch Spuren vorhanden sind. Am schlimm- sten steht es mit dem hieroglyphischen Text, dessen Zeichen der Stein- metz oft bis zur völligen Unkenntlichkeit entstellt hat und der so stark corrodirt ist, dass man ihn eigentlich nur bei ganz guter Beleuchtung von der Seite her lesen kann (vergl. Taf. I). Die hier folgende Lesung ist nach Original, Abklatsch und Photographien zusammengestellt, be- darf indess noch vieler Verbesserungen’. Über der geflügelten Sonne steht‘: Si tl N, Die Beischrift des Bildes (nach rechts sw) lautet: Mi/Rine Yes) eNıD ! Eine ähnliche Darstellung, aber aus noch späterer, christlicher Zeit, befindet sich u. a. am Tempel von Kalabscheh unter der Silko - Inschrift. ® Ich habe auch meinerseits unter Beihülfe der HH. Scuärer und SerHE die hieroglyphische Inschrift nach Abklatsch und Photographie revidirt und Hrn. Borc#arvr's Abschrift fast überall bestätigt gefunden. Einige sichere Änderungen und Zusätze habe ich in den Text eingesetzt, andere nöthige Bemerkungen in den folgenden Anmerkungen beigefügt. Erman. — Die lateinische und griechische Inschrift ist nach dem Abklatsch von Hrn. Kress und mir revidirt worden; die geringen Abweichungen der Lesung des Hrn. Borcuarpr sind unter dem Text angegeben. Die umränderten Buchstaben in Z.5 aE — 7 LEG — 5 TR — stehen auf einem abgebröckelten Fragment, dessen Abklatsch nicht vorlag. Hırscarerv. ® Bei grösseren Lücken (resp. unlesbaren Stellen) giebt die Zahl der horizontalen Striche die Zahl der fehlenden Gruppen an. * Das Schild scheint nur Kaivap enthalten zu haben, doch ist die kleine Schrift im Schild hier und unten so missrathen, dass jede Deutung gewagt ist. BorcHarpr GGZ—_NN N l | N liest hier GG 472 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. Rechts von dem Bilde (nach Links davon (nach rechts links gewendet): gewendet): a in;r» dar ES une soll) mager Suse NS u a I 7 iS T wa) Ans 3 = % Nm = SE a® BAR #8 dr Selen Aug en Amar weser _ {>} 9 Er UR Ze —| 11 Rarlmgh, Se \lIeR Sr N HSSEmCh Ve SET NEUNZIIKE ! Die übliche späte Verwechselung von =] und FJ, die die Inschrift auch bei dem Determinativ hat; doch sieht das Zeichen oft auch wie l aus. — ? Es wird ja zu lesen sein, wie Augustus auch sonst heisst (Lers. Könb. 729 n.). — ° Das Schild enthielt noch einen anderen Namen vor Kaivap. — * So (d.h. =, ist wohl zu lesen, m wenn auch die das nd vertretende Schlange sehr unförmlich gerathen ist. — ° In dem 23 (mn?) noch ein kleines Zeichen. — ° Anscheinend zwei Zeichen, das erste senkrecht, die 5 ne] nicht zu dem erwarteten Lad passen. — ? Unter Z glaubt man %—— oder ll etwas Ähnliches zu sehen. — ® Ob EL —! oder Zeichen von ähnlicher Lage. — 1° Statt I kann es auch | oder ähnlich heissen. — " IS M> — 12 So BoRCHARDT nach dem Original. — "° Bis zur Lücke eigentlich nur | » sicher. — !* | <> unsicher. — 15 Oder za — 3% Nicht &,.. N Lyoss und Borenarpr: Eine trilingue Inschrift von Philae. 473 ? RUF AU NITEALEN- Wh & Egg NN Ne — Su | —e 0 # —J%& ro Sn, 88 Sn NOOOZ X e zn IS SE U N ll d NR Baar 2] - YSFIMENZEINSEE | |; 1 en I ll „888 ON =, 3) vers 2 ? 7 22 > an 7 Ur elLeiı- % Z N NN N KG x Mm Be LEITIRERE Lens Ne ST t2dsysl- nF 1% 10 se ERER ISETSIETIK ET ZRE sup SHIRT SI GG: AH + \ 2 o . ! Oder RR GR 2 Lies —> für <>? — ° In nit sn sind nur die zwei 2 elf NN N . NG N und das zweite ? sicher; die nächste Gruppe könnte man wohl auch an » Grenzen « lesen. — * Oder E 2? — 5 Oder ein Zeichen für Kapelle? — ° Das seltsame Zeichen & ist vielleicht ein entstelltes > — ' ®& zweifelhaft, der Strich unter ) mag ein &2_ sein. — ° & fraglich. — ° Die ersten vier Gruppen sind erhalten, lassen aber jede Deutung zu. — !° Oder ] IB BorcHArDpr liest IB) ES en — = >uS | sehr fraglich; BorcHARDTr . — " Das erste Zeichen ein senkrechtes wie l. die fol- NN gende Gruppe könnte u.a. etwa RS sein; an Stelle des ji ist vielleicht | mit einem [>] Zeichen darunter zu lesen. — !* Oder &? 5? — !° Man möchte dr lesen. — !° Unter dem CI ein Zeichen wie ein grosses €, vielleicht ein missrathenes Y. — " Von dem wr ist nur das Ende erhalten, doch ist die Lesung sicher. — '!* Man ist ver- sucht das obere Zeichen N zu lesen. 474 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. l ON En SA BIT IN N FR NPISEE PL mann, NIE es = Ti Am» I Arno ierTe = N see et - N 7 ul 75, wrngan——N 1 1 99) Ns .X ZN: m NS GG; N — FZ —| ZEN AN) ra Zu der hieroglyphischen Inschrift. Von Aporr Ernuan. Eine zusammenhängende Übersetzung der hieroglyphischen In- schrift lässt sich nicht geben, da die Lücken und zweifelhaften Lesungen überall den Zusammenhang unterbrechen. Was sich mit einiger Sicherheit verstehen lässt, ist etwa folgendes. Im Jahre 1, im 4. Wintermonat (dem sogenannten Pharmuthi) am 20. Tage, unter der Majestät des »schönen Jünglings, des ....... ‚ des Herrschers [der Herrscher] ....... Caesar«, des ewig lebenden. Es (?) war ein starker Fürst, der Herr der beiden Länder, mit [starkem?] Arm, der sein [Erbe?]; ergreift, ..... er thut Aegypten wohl und das Land Mr" ist mit seiner Schönheit überfluthet; er thut Gutes dem ...... -Lande und TER das .....-Land. Er hat die Fremdländer ergriffen, ein Bogen‘ tapfer im |Kampfe?], stark...... Er hat in Schrecken zerstört, die en schlagend. Von hier an — der Mitte von Z. 3 — sind nur noch einzelne Worte zu erkennen, die sich alle auf Kampf und kriegerische Macht beziehen. Er ist wie Horus. Er bezwingt das Land P-üent (was vielleicht in ! Unter dem sum vielleicht ein __n; das W zu gross. — * Beide um fraglich. — N er — 5 statt a? — ° Oder n: — ° —_& kann auch —> und ZI sein: Q “ auch © £ De, an wohl ®. — ”’ n fraglich. — ° Man könnte das Folgende wohl 8 Be Zeh lesen. — ° Ob das Schild mit AN begann, ist nicht sicher zu a erh ie srs stehen zwei unlesbare Striche. 1° Name Aegyptens; aus Steph. Byz. s. v. Ae\ra darf man wohl schliessen, dass er in dieser Zeit besonders für das Delta verwendet wurde. !! So hat der Text, doch wüsste ich nicht, dass man s$mr sonst so für den Schützen gebrauchte. ——— In) Eine trilingue Inschrift von Philae. Lyons und BorcHArDt: »yoseip« (ZUIVIZvg Yoeu) 3 Li — »aoroısum zued« (INC peu) Jd 6 — »aoypısun ayos« (IN N%4S) /IIJAI 8 — (S 10po V SOUT 4S94Y ‚919 TOSPEINAV op peu) A -1 LIADIV G — dl®) ta S. WI.LSOH € #4 ® LAMVHOMOE "UIH, sap U9YURLIE A VIdHLZIdVXIdOLUHVNAZIOVI3 /IXdVUOLAONIOXZVLNOMNVIILZHL3ILNONNVdI IPN3NDUOIOIVZIJZIZIHIUFILZONIWVEIVZV ALNVZVUWAZIVAZHN3WON3JAOLAVOIHUZV \IVILVIALZIHLNAZ IVANOHIBONHVVI3SWNIVCE INMdoIVOoOU433VZVLAOVO$PIZEZIFINIFWZVLZIIV IZAOLIGOLNAZZVZHAMINZOLVINVLVNMIZEVLV 7VVIVSHONHLZIZSOVLZVLVMAOLUAJIVZHL NOLNIZAVVLVANHLVL3ZWNDIVWOIZ DARG IA -0LALLLSNOD HVIdoIHLYV //IN /NFSOHD - 009-SILIGAV- SYTIHd-AV-WAdoIHLIV-SIO NWO-INAWWOD -JQIVdAH.L- VLVTONd -LNA ITAdOd - IBAOAN - WADOT - WIAO - NI-OLDA JIYHLNI-WANOLLDIYFA-WAUVHI-SATIOAA-AHIF IAOL-UOLVNOAIXYZ-WAITYA-A-UNO LDIA-FID INOILDII4A4-SAWINd-ILIADAIV- LI-IVINaNV » sH9IN - ISOd: SANYWON : SH, LVUZI030&XVZHLZV.LYAIVIUOIOIVN3ZVIW VZO3VIZVAAOLVYIAVUNVIN3ZOIUIVAZIVV ıızA3VIZVOZIOoLNVZISJVLOUAHWVYVIVSH® !ILVALZAOLVSVYNHLYVIVLVMNOoLZVdVYd3U HAIWVYISYNOLUOYNIZHIOBZONZFZWOSVVVLVN N3SUNI3V3NON3SWVEVLILNVNOLZVNOW3J ZIVZIVd3WHVA3VIVA3LN3UNSNVZVLZOoU ZIVNOoUAZOLOJUNDGSVIZVEIULUAJIVNZ, /VVA4Z0IAAOIVNJZOIVHNdONZOIV TIN 14 » SIIIN.LVd AL \ 'NVNAL- 0143094 - WVTALAL- NI- 39 DIT, /LOVIAS - AHNIAIWAOA - WADHU : WA - ILdAOAIV - SAJIOAN - JAOAN - ONVWOR \AEDVHUV.LVD -TIN:- VALTA-ALIDOYIXY- SILTD OaIW SoATodsOlIdA SIDIWVAID ILdoD SC \-WALSOH-SAHIAO-AX-SAIA-VA.LNI-SICIVEIHL LDIFI4IVAd- SOoLDIAIA-I-IAIIQ- SJUVSYIVD-V NDS 2 ENDESATTEINGOIEE oT 4 Sitzungsberichte 1896. 476 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. Piwnt, den alten Namen der Weihrauchländer zu verbessern ist), und die Neger und die Hnw (?) scheinen ihn zu verehren. Seine Macht scheint bis an die Grenze der aufgehenden Sonne (?) zu reichen, im Osten der beiden Aegypten und wiederum bis nach M3>-nw, dem fabelhaften Berge, der den Himmel im Westen stützt und bis zum Lande der Mws, womit wohl das bekannte Westvolk M$w$, die »Maschawascha«, gemeint sein wird. Dann folgt, ohne erkennbaren Zusammenhang' mit dem Vorher- gehenden: Er errichtete den Tempel (?Kapelle?), er liess die [Opfer- vorräthe] gedeihen, er erfreute die Götterbilder, er schenkte Treffliches den Göttern der (uelllöcher (Elephantine), er errichtete ein Denkmal des grossen Geistes, unter dem letzteren mir nicht bekannten Wesen ist vielleicht der Chnum von Elephantine zu verstehen, von dem auch die nächsten Sätze zu handeln scheinen. Wird doch in diesen u. a. gesagt, dass er den Nil für ihn herbeiführt (scil. aus den Quelllöchern von Elephantine), und zwar mit dem für diese Thätigkeit des Chnum ständigen? Aus- drucke bs Ap. Dann (am Ende von Z.6) stossen wir auf die Partikel sk, die offenbar einen neuen Abschnitt der Erzählung bezeichnet. Ich möchte etwa übersetzen: Als er (so) immer? den ...... wohlgethan hatte und Vortreffliches |gethan hatte| und Ober- und Unteraegypten gebaut (sic) hatte ...., da geschah irgend etwas. Was dieses neue Ereigniss war, lässt sich aus dem Folgenden errathen, wo wir Worte wie Kampf und mit starkem Arm am Tage des .... antreffen. Es ist also von einem Kriege die Rede und demnach heisst es denn auch in Z.8: er beruhigte die Fürsten von Aethiopien, er ...... die Grossen der Mnti*, er verehrte die Isis (?) von Rnw’ gross .... in Philae. Und weiterhin: Sen die reine Stätte (d.h. Philae) des Gottes mit verborgener Gestalt (Osiris) vor (?) den Fürsten beider Aegypten. Vielleicht ist auch von Abgaben oder Tributen die Rede, denn auf die eben erwähnten Worte folgt Atr, das in der Regel »zinsen« bedeutet, und sie geben in (?) seinen [Speicher?]‘. Daran aber schliesst sich, muthmaasslich als Apposition, der Name des Herrschers, der ja ebenso den Schluss einer solchen Inschrift bilden muss, wie er ihren Anfang bildet. ! Ich will damit nicht leugnen, dass ein Zusammenhang vorhanden ist, aber bei dem Zustand der Inschrift entgeht er uns hier ebenso wie im Folgenden. ® Z.B. Brussch, Dict. geogr. p. 1332. ® ?sk ddnf snfr wörtlich wohl »als er wohlthuend geblieben war«. * Der Text wird pdt- Mntiw »Bogenvolk der Mnt’« zu lesen sein; die Mnti sind eines der mythischen Neunbogenvölker. ° Ich kenne diesen Stadtnamen nicht. ® Man möchte lesen al B >| N: oder etwas ähnliches. — re ANNMAM Lyons und Borcuarpr: Eine trilingue Inschrift von Philae. 477 Fassen wir noch einmal zusammen, was wir von dem Inhalt der Inschrift verstanden haben: ı. Am 2o. Pharmuthi des Jahres ı des Kaisers (ist die Stele errichtet). 2. Der Fürst von Aegypten hatte alle Barbaren bezwungen. 3. Auch beschenkte und verehrte er die Götter von Elephantine. 4. Er führte einen Krieg gegen die Fürsten von Aethiopien und that danach irgend etwas bei den Göttern von Philae. 5. Der dies gethan hat, ist der Kaiser. Diesem Inhalt entsprechend sind oben auf der Stele dargestellt oder doch durch Inschriften angedeutet: 1. Der Fürst des Landes Mr' und [Ober-| und Unteraegyptens ..... Caesar. 2. Die Götter von Elephantine: Chnum, Satis und Anukis. 3. Die Götter von Philae: Osiris, Isis und Horus. Wenn der hieroglyphische Text eine Wiedergabe des lateinisch- griechischen sein sollte, woran man ja nach der ganzen Anlage des Denkmales nicht wohl zweifeln kann’, so ist Cornelius Gallus schlecht genug von den philensischen Priestern bedient worden. Sie haben seinen Feldzug in Aegypten mit Stillschweigen über- gangen, haben seine Thaten gegen das Aethiopenreich nur in allge- meinen Redewendungen erzählt und haben, was das Auffallendste ist, ihn selbst ganz aus der Inschrift beseitigt. Für die beiden ersten Abweichungen werden politische Rücksichten maassgebend gewesen sein; die Priester von Philae konnten doch nicht wohl das Verderben Theben’s feiern und thaten gut, auch den Aethiopenkönig nicht zu kränken, für den ihr Tempel vor anderen eine heilige Stätte war. Dagegen brauchen wir es nicht aus politischem Hass oder gar aus kluger Vorsicht zu erklären, wenn an Stelle des siegreichen Praefeeten durchweg der Kaiser genannt ist, als sei dieser selbst in Elephantine gewesen und habe die Aethiopen bekriegt und habe ihre Ge- sandten in Philae empfangen. Diese für unser Gefühl ungeheuerliche Änderung? wird den philensischen Priestern vielmehr als ziemlich selbstverständlich erschienen sein, denn es wäre ja gegen alles Her- kommen gewesen, wenn sie in einer Inschrift an heiliger Stätte die ! Vergl. das oben S.474 Anm. 10 bemerkte. 2 Auch das Äussere entspricht dem der mehrsprachigen Ptolemäerinschriften, zu oberst die hieroglyphische Redaction, darunter die anderen. 3 Man könnte denken, die Inschrift nenne zwar den Gallus nicht, beziehe sich aber doch auf ihn und nicht auf den Kaiser und man könnte dafür anführen: r. die Art, wie nach der Nennung des Kaisers im Datum, mit einen »es war 44* 478 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. kriegerischen Thaten eines Unterthanen verewigt hätten. Sie haben diese Siegesinschrift einfach nach dem Schema verfertigt, nach dem schon unter den Thutmosis und Amenophis die Erfolge des aegyp- tischen Heeres verewigt wurden: erst das Datum mit dem Königs- namen, dann an diesen sich knüpfend eine poetische Schilderung der Macht des Herrschers, dann ein Hinweis auf die neueste That und als Beschluss wieder der Name des Königs. Das alles mit Über- gehung aller Einzelheiten, die ja die poetische Färbung des Textes beeinträchtigen könnten, und selbstverständlich ohne Erwähnung der Feldherren, die zu dem Siege verholfen haben; von dem hoch- geschraubten Standpunkt dieser Poesie aus giebt es eben in der Welt nur Götter, die zum Siege verhelfen, den Pharao, der ihn erringt, und elende Barbaren, die er vernichtet. Die Priester von Philae sind also nur nach ihren alten Über- lieferungen verfahren, als sie den Feldzug des Gallus in so eigen- thümlicher Weise verherrlicht haben. Ob er selbst mit dieser Fassung der hieroglyphischen Inschrift einverstanden gewesen wäre, ist freilich zu bezweifeln, aber vielleicht hat er nie erfahren, was die Priester der »reinen Stätte« in ihren »Gottesworten« auf sein Denkmal ge- schrieben haben. Zu der lateinisch-griechischen Inschrift. Von ÖOrTro HirscHFELD. C. Cornelius On. f. Gallu|s eqjues Romanus, pos|t| reges a Caesare Deivi f. devictos praefect{us Alex]andreae et Aegypti primus, defectioni|s] Thebaidis intradies XV, quibus hostem v|icit bis acie, victor, V urbium expugnator : Borel[se]- os, Copti, Ceramices, Diospoleos Meg|ales, Op]hieu, ducibus earum defectionum interf|e]- s ctis, exercitu ultra Nili catarhacteln transdjucto, in quem locum neque populo Romano neque regibus Aegypti |arma ante sjunt prolata, Thebaide communi omn]|i]- um regum formidine subact[a], legjatis re]gis Aethiopum ad Philas auditis eog|ue] rege in tutelam recepto, tyrann|o] Trliakontas]choen[i] ...... Aethiopiae constituto, Die[is] patrieis et Nil|o adiutlori |d(onum) d(at)?]. ein Fürst« fortgefahren wird, als sei dieser Fürst eine von dem Kaiser verschiedene Person; 2. den Titel j »Fürst«, der für einen Herrscher Aegyptens zu gering erscheint. Gegen das erste Bedenken ist aber zu erinnern, dass, wie schon oben bemerkt, der Periodenbau der Inschrift bei ihrer Lückenhaftigkeit unklar bleibt, so dass wir nicht wissen, ob diese Übersetzung »es war« des wnn richtig ist. Es könnte z. B. auch als Hülfsverbum zu einem im Folgenden stehenden Verbum gehören. Das Bedenken gegen den Titel »Fürst« erledigt sich durch die Beischrift des Reliefs, wo der Kaiser den gleichen Titel trägt; der späte Hierogrammat von Philae muss also in dem Worte mehr gesehen haben als seine Vorfahren. Lyoss und Borenarvr: Eine trilingue Inschrift von Philae. 479 10 [T]eios KopvyAıos Tvatov vios [arN[os immeb]s Ponalov, uera Tv kardaAvoıw Tov ev Alyimto Baoııewv mp@ros bmo Kata|apos]| rjs Alyumrov karaoradeis, ryv Onßaica &- mooTacav Ev Tevrekaldeka huepaıs Ols [ev maplarakeı kara kparos viırjoas av TO Tovs ıj- ‚yeuovas rov avrırafanıevov ENeiv, mev|re mo]Acıs Tas ev &E Ebodov, Tas de er moNiopkilas] karaNaßouevos, Bopjoww, Köomrov, Kepayurmn|v, Ausom]oAıv veyarnv, Odınov, kat av ri) arparıa Ü- 15 mepapas rov karaparınv Aßarov, arpar|eias obdeyu]as mpo abrov yevouevns kal avumacav mu|v] Onßaida un Umorayeıoav rois BacıXkevow |bmora&jas, de&auevos re mpeoßeıs Aldıorov ev Pi- Aaıs kai mpo£eviav mapa ToV Bacıkews Alaßov, rU]pavvov re rs Tpıakovraaxoivov rorapyials] mas ev Aldıoria karaorıjoas, ©eors mar|pioıs, Njer» ovvAnmropı xapıornpıa. An die vorstehende Darlegung schliesse ich einige Bemerkungen zu dem lateinischen und griechischen Text an'. Der erstere ist, wie es der Sprache des herrschenden Volkes gebührt, in gröfserer Schrift vor den griechischen gestellt; dem Hieroglyphentext ist freilich vor beiden der Vorrang gelassen worden. Die Abweichungen in der Fassung deuten auf eine einigermassen selbständige Redaction beider Texte: die griechischen Worte ras uev EE Ecbodov, Tas de ek ToNL- opkias kara\aßouevos sind im Lateinischen nur durch das Wort expugnator wiedergegeben, dagegen steht für die vollere und prahle- rische Fassung im Lateinischen: ewercitu ultra Nili catarhacteln trans-] ducto, in quem locum neque populo Romano neque regibus Aegypti alrma ante? s]unt prolata, Thebaide, communi omn|iJum regum formidine sub- act[a] im griechischen Text: ovv rn orparıa Umepapas Tov KaTapakınv Aßarov® orpar|eias] ovdenu]as po aUTOV Yevouevns Kal olumacav rnlv] Onßaida un Ümorayeıoav roıs Bacıkevow [ümorag las. Die Herstellung des Textes ist im Wesentlichen gesichert; in dem mittleren Bruch sind, abgesehen von der ersten grösser geschriebenen Zeile, etwa sechs bis acht Buchstaben zu Grunde gegangen. Zweifel- haft bleibt die Ergänzung in Z.8, wo nach dem Abklatsch NI// vor AETHIOPIAE gestanden zu haben scheint. Im griechischen Text ist die Lesung: Tpıakovraoyoivov Torapyia[s] was ev Aidıomia unzweifel- haft; man könnte daher daran denken, [u]ni[ws] einzusetzen, doch wäre einerseits diese Bezeichnung recht anstössig, andererseits ist dann für den letzten Buchstaben von Trjiakontas]choen[i] kein Raum vorhanden. Daher ist wohl mit Masrero’ [ln [ine] zu schreiben, wenn auch ! Publieirt ist dieser Theil der Inschrift, nach einer vorläufigen Copie des Hrn. BorcHarpı, von Manarry im Athenaeum 14. März 1896 mit Nachträgen in der Nummer vom 21. März. Von Hrn. Sıyce, der die Inschrift gesehen hat, ist eine englische Über- setzung ohne den Originaltext in der Academy vom 14. März gegeben worden. 2 Für antea ist der Raum nicht ausreichend; signa für arma, wie Manarry er- gänzt, ist an sich ebenso zulässig, ich habe das etwas kürzere Wort des Raumes wegen vorgezogen. 3 Über diese nur Priestern zugängliche Nilinsel bei Philae vergl. Pırrscunann bei PauLy-Wıssowa s. v. * Verel. den vorläufigen Bericht in der Revue eritique vom 16. März 1896, den ich während der Drucklegung erhalte. 480 Gesammtsitzung vom 16. April. — Mittheilung vom 26. März. der Raum dafür knapp ist. — Welches Wort am Schluss der In- schrift dem griechischen yapıornpıa entsprochen hat, ist ebenfalls nicht sicher; am nächsten liegt wohl d(onum) d(at), was auch zu den allerdings sehr unsicheren Buchstabenresten zu stimmen scheint; der Schluss der Zeile war augenscheinlich nicht beschrieben. Die auf den 20. Pharmuthi des Jahres ı des Caesar (April 725) datirte Urkunde bietet das älteste Beispiel der Rechnung nach Kaiser- jahren; am nächsten steht ein kürzlich von Hrn. Kress veröffentlichter Papyrus, auf den mich derselbe hinweist, der aus dem dritten Jahre des Kaisers datirt ist' und dann zwei demotische Urkunden aus dem siebenten Jahr, in deren einer das erste Jahr des Kaisers er- wähnt wird”. Die Schriftformen sind zwar nicht schön, entsprechen aber der Zeit; die Ausführung der griechischen Inschrift verräth freilich ge- ringe Sorgfalt. Auch die Formen deivi, die[is] patrieis neben Ablativ- formen auf is passen für die Zeit des Augustus”. — Der Name Augustus erscheint auf diesem im Jahre 725 gesetzten Denkmal natürlich nicht; auffallen könnte in einer solchen Inschrift das Fehlen des bereits im Jahre 714 von Caesar angenommenen Praenomen Imperator, doch fehlt es dafür auch aus der späteren Zeit des Kaisers nicht an Beispielen. Die Persönlichkeit des Mannes, der dieses Monument gesetzt hat, des als Feldherr und Dichter reich begabten Cornelius Gallus, der durch die Freundschaft des jungen Caesar aus niederem Stande zu hohen Würden erhoben, im Jahre 728 durch die kaiserliche Ungnade und das Verdammungsurtheil des Senats zum Selbstmord getrieben wurde, war auch vor Auffindung dieses Documents wohl bekannt‘. Sein Vorname Gaius wird erst durch unsere Inschrift ganz sicher gestellt. Ebenso nennt ihn Hieronymus zum Jahre 1985 und der Übersetzer des Eutropius Paeanius. Die besten Handschriften des Eutropius (VII, 7) bieten zwar Gnaeus, jedoch die andere Handschriftengruppe G(aius), so dass auch Eutropius allem Anschein nach ihm den richtigen Vor- namen gegeben hat’. Eine fernere Bestätigung bietet die vor etwa ıo Jahren in Rom gefundene Inschrift eines ©. Cornelius Galli libert(us) Hermia“, die demnach auf ihn zu beziehen sein wird. ' Aegyptische Urkunden aus den Kgl. Museen zu Berlin II Heft 6 n. 543 Z.9 und 18. ® Vergl. Krarz Wiener Studien 5 (1883) S. 315; GarpıHAUsEen Augustus 1, ı Vergl. Mouusen r. @.d. A.? S. 190. Die Schriftstellerzeugnisse bei Becker Gallus I?S.ı6ff.; Pascat in Rivista di filologia 16 (1888) S. 399 fl. ° Mit Recht hat daher Rurkr ihn in seine Ausgabe eingesetzt. ® Bull. comunale di Roma 1886 p. 332 n. 1367; mir aus dem für die Prosopo- graphie gesammelten Material von Herrn Kress mitgetheilt. 4 Lvoss und Borcnarpr: Eine trilingue Inschrift von Philae. 481 Zum ersten Statthalter von Aegypten unmittelbar nach der Er- oberung im Jahre 724 berufen, ist Gallus aus dieser Provinz wohl nicht lange vor seiner Katastrophe abberufen worden'. Der Titel, der ihm hier gegeben wird’: praefect[us Alex]andreae et Aegypti (im griechischen Text ist aus Versehen Erapyos ausgefallen) findet sich in Inschriften meines Wissens sonst nicht, so vortrefflich er der Sonderstellung Alexandrias dem übrigen Aegypten gegenüber entspricht, die in dem gesammten Beamtenorganismus des Landes deutlich zur Erscheinung kommt. Ähnlich lautet der Titel bei dem Alexandriner Philo in Flaceum e.ı: 6 PAaxkos ... kadioraraı ns ANe&avöpelas kal ns xopas erirpomos und bei Josephus b. J. IV, 10,6: dterovrı ryv Al yuntov kal ruv Are&avöpeıav Tıßepiw Are&avöpw (vergl. II, 18,7: 6 TNS TONEWS HYEuov). Über die Thaten des Gallus in Aegypten berichtet Strabo XVII, 1,53 p.819: [daAXos uev Ye KopviAuos, 6 Tpw@Tos karaoradeis Erapxos ns xopas ümo Kaioapos (vergl. die ganz ähnliche Benennung in unserer Inschrift), ryv re Hpwwv moAıw amooracav EreNdwv Öl öAlywv eiNe, oracıy Te yevndeivav ev rn Omßaidı dıa Tovs Bopovs Ev Bpa- xei kare\voe. Auf diesen letzteren Zug, der also im April des Jahres 725 bereits beendet war, demnach in die erste Zeit seiner Statthalter- schaft fiel, bezieht sich unser Monument’, ein charakteristisches Zeugniss für die ruhmredige Eitelkeit des Mannes, der, wie Dio‘ berichtet, in ganz Aegypten seine Standbilder errichten und seine Thaten in die Pyramiden eingraben liess. Auf denselben Zug geht wohl auch die Angabe des Ammianus Marcellinus (XVIL, 4, 5): Cornelius Gallus, Octaviano res tenente Romanas, Aegypti procurator ewhausit civitatem (Thebas) plurimis interceptis, wenn auch bei Hieronymus die darauf bezügliche Notiz: Thebae Aegypti usque ad solum erutae sich zum Jahre 1990 = 727 u. e. findet”. — Die Zeit der Einnahme von Heroonpolis ist nicht bezeugt; dass sie in unserer Inschrift, die offenbar nur den Zug gegen die Thebais zu verherrlichen bestimmt ist, nicht erwähnt wird, berechtigt nicht zu dem Schluss, dass sie erst später erfolgt sei. ! Vergl. Momusen a. a. O. S.106: 'constat Cornelium Gallum primum praefectum rexisse Aegyptum ab a. u. c. 724, maiestatis postulatum esse et manus sibi intulisse a. 728; quo anno provincia abierit, nom traditur neque quiceguam obstat, quominus anno certe 727 successorem acceperit. 2 Zu [imrev]s Ponaiov vergl. Momusen St.-R. III S. 483. 3 Vergl. oben S.476: ‘vielleicht ist auch von Abgaben oder Tributen die Rede’. * Dio 53,23, der zum Jahre 728 die Katastrophe und den Tod des Gallus er- zählt: eikovas &avrov ev An, &s eimeiw, ın Alyimrw Eornoe kal ta Epya öva Ememomkei Es Tas mupauidas &oeypavre. ° In der Armenischen Übersetzung des Eusebius (ed. Schoene p. 140) sogar erst zum Jahre 1991 oder 1992: Thebaica suburbia in Aegypto funditus eversa sunt. Bei Hieronymus folgt unmittelbar darauf der Selbstmord des Gallus. 482 Gesammtsitzung vom 16. April, — Mittheilung vom 26. März. Von den in der Inschrift genannten fünf Städten ist Koptos und das als AwomoXAıs ueyaAn bezeichnete Theben bekannt genug; über die drei anderen Städte theilt mir Hr. Serur Folgendes mit: "Boresis ist unbekannt. Die nach Koptos genannte Stadt Kepanırn könnte möglicherweise identisch sein mit Balläs, südlich von Koptos, wo sich heute der Hauptsitz der aegyptischen Töpfereien befindet. Das nach Theben genannte Odbınov würde eine correete Wiedergabe der - "Schlangenstadt’ \ IR WUN® zwischen Hermonthis und Latopolis (Esneh) sein‘. Anders urtheilt nach einer mir freundlich zugegangenen brief- lichen Mittheilung Hr. Wırcxen in Breslau; er schreibt: "Ophieon ist offenbar dieselbe Ortschaft, die in den Ostraka (aus der Kaiser- zeit) mehrfach als Qbımov (oder auch ungraeeisirt Qi) begegnet, und nach Ausweis der Ostraka auf dem alten Stadtgebiet von Theben selbst gelegen hat. Die Etymologie ist ganz klar. Es ist nichts anderes als die correete Transscription des alten thebanischen Tempelnamens ipit (oder ähnlich), der auch in dem Gottesnamen Auevadıs, d.h. der Amon von Ophi, steckt. Danach ist Ophieon auf dem Ostufer, bei Karnak zu suchen. — Auch die Kepanın begegnet in den Ostraka als eine Ortschaft, die gleichfalls auf dem alten Stadtgebiet von Theben lag, jedoch auf dem Westufer (auch sonst ja bekannt). In den Ostraka (und auch im Pap. Taur. VII) in der Form (Ta) Kepa- ueta. Die Inschrift nennt also drei Ortschaften auf dem Boden des alten Thebens: Diospolis 7 neyaAn, Kepanırn und Odınorv.' Die Entscheidung dieser Frage muss den Aegyptologen überlassen bleiben; doch scheint mir das von HH. Erman und SErTHE geäusserte Bedenken gegen die Nennung kleiner Ortschaften auf dem Gebiete von Theben', die kaum als Städte hätten bezeichnet werden können, vor und nach der Nennung der Gesammtstadt AwomoXıs ueyaXn nicht unberechtigt zu sein. Die Zerstörung der Stele, von der gewiss auch die übrigen Ehrendenkmäler des Gallus nicht verschont geblieben sind, ist, wie die Einmauerung derselben in das Pflaster vor dem im Jahre 7412 erbauten Tempel des Augustus wahrscheinlich macht’, wohl unmittel- bar nach der Verurtheilung des Gallus erfolgt. I Man könnte freilich darauf die Thebaica suburbia in der Armenischen Über- setzung des Eusebius beziehen. ® Verel. oben S.469 Anm. ı; die daselbst mitgetheilte Weihinschrift aus dem ı8. Jahr des Augustus ist übrigens bereits vor 30 Jahren von Wescher im Bull. dell’ instit. archeol. 1866 S. 51 veröffentlicht worden. Ausgegeben am 23. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. # 483 SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 23. April. Sitzung der philosophisch -historischen Ülasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. Hr. Stunpr las »Über die musikalische Section der Aristo- telisechen Probleme«. Die Mittheilung erfolgt in den Abhandlungen. Ausgegeben am 30. April. Sitzungsberichte 1896. 45 SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 23. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Der Vorsitzende las über die mittleren Eigenbewegun- gen in den drei ersten Grössenelassen der teleskopischen Fixsterne. 2. Hr. Wargure legte eine aus dem physikalischen Institut der hiesigen Universität hervorgegangene umstehend mitgetheilte Arbeit des Hrn. Wırı. Dvane aus Cambridge, Mass. vor: Über eine dämpfende Wirkung des magnetischen Feldes auf rotirende Isolatoren. 45* 487 Über eine dämpfende Wirkung des masnetischen Feldes auf rotirende Isolatoren. Von WiırLıam DuAnE aus Cambridge, Mass. (Vorgelegt von Hrn. WARrBurG.) Se IS der Beobachtung der Schwingungen, welche verticale Cylinder aus isolirenden Substanzen zwischen den Polen eines ver- ticalen Elektromagneten ausführten, bemerkte ich, dass die Dämpfung der Schwingungen zunahm, wenn der Elektromagnet erregt wurde. Bei den meisten Versuchen war der einige Centimeter lange Cylinder an einem dünnen 15°" langen Glasrohr befestigt. Die Axen des Glas- rohres und des Cylinders fielen in die Drehungsaxe, und das System war an einem Platindraht aufgehängt. Die Schwingungen wurden durch Spiegelablenkungen beobachtet, der Spiegel (versilbertes Gläs- chen) war an dem Glasrohr befestigt. Die genannte Erscheinung wurde beobachtet bei Schwefel, Paraffin, Quarz (Cylinderaxe parallel der optischen Axe), Hartgummi, Glas, vene- tianischem Terpentin. Die drei erstgenannten Substanzen verhielten sich diamagnetisch, das benutzte Glas paramagnetisch. Das Feld, in welchem die Cylinder sich bewegten, war bis auf einige Procent homogen. $ 2. Bei diesen Versuchen war die Drehungsaxe senkrecht zu den magnetischen Kraftlinien; fiel hingegen die Drehungsaxe in die Rich- tung der Kraftlinien, indem die Schenkel des Elektromagneten hori- zontal gestellt wurden und Draht und Glasrohr durch die durchbohrten Halbanker hindurchgiengen, so bewirkte die Erregung des Elektro- magneten keine Zunahme der Dämpfung. $ 3. Die in $ı beschriebene Erscheinung rührt nicht von elektro- statischen, von den stromdurchflossenen Drahtwindungen des Elektro- magneten ausgehenden Kräften her; denn sie blieb ungeändert, als der Cylinder von einer fast geschlossenen zur Erde abgeleiteten Metall- hülle umgeben wurde; auch hatte Trocknen der Luft durch Phos- phorpentoxyd keinen Einfluss. 488 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 23. April. Die Erscheinung rührt auch nicht von Induetionsströmen her, welche in der Masse des Öylinders bei seiner Bewegung im Felde ent- stehen. Denn unter der Annahme einer oberen Grenze für das speci- fische Leitungsvermögen konnte berechnet werden, dass aus dieser Ur- sache eine Dämpfung sich ergeben würde, welche nicht den 10”°ten Theil der wirklich beobachteten ausmacht. Die Erscheinung rührt auch nicht von einer Wirkung des Feldes auf den Aufhängedraht her, denn sie blieb aus, wenn der Cylinder aus dem Felde entfernt, der Draht aber in demselben belassen wurde. Endlich rührt die Erscheinung nicht her von einer durch das Feld bewirkten Vergrösserung der Luftreibung, denn sie blieb unge- ändert, als der Cylinder in einem durch eine Wasserluftpumpe eva- euirten Glasrohr aufgehängt wurde. Es scheint nur die Annahme übrig zu bleiben, dass hier ein neuer Effeet vorliegt, welcher im magnetischen Felde auf Isolatoren ausgeübt wird. $ 4. Genauere Versuche wurden zunächst mit Paraffineylindern gemacht: dieselben bewegten sich in einem fast geschlossenen Glas- rohr, auf dessen Boden Phosphorpentoxyd gebracht war. Es zeigte sich dabei, dass der vom Felde herrührende Theil des logarithmischen Decrements der Schwingungen nahezu constant war; um einen sehr geringen Betrag nahm er mit abnehmender Amplitude ab. Bei der von Hinsteptr genauer untersuchten Dämpfung durch magnetische Hysteresis nimmt umgekehrt das logarithmische Deerement mit abnehmender Amplitude erheblich zu; dadurch ist eine Erklärung der Erscheinung durch magnetische Hysteresis eines Eisengehalts der untersuchten Körper ausgeschlossen. $5. Weiter wurde die Beziehung der Felddämpfung zur Feld- stärke untersucht. Zur relativen Messung der letzteren machte ich von der Thatsache Gebrauch, dass das Feld vermöge seiner nicht voll- ständigen Homogenität und vermöge mangelnder Symmetrie des Cylin- ders bezüglich der Drehungsaxe stets eine Ablenkung des Cylinders hervorbrachte. Es wurde so eingerichtet, dass die Richtung im Cylin- der, welche sich in die Richtung der Kraftlinien einzustellen suchte, senkrecht zu diesen war. Alsdann ist die Ablenkung, wenn klein, dem Quadrat der Feldstärke proportional. Es wurde nun für verschiedene Feldstärken an einem Paraffin- eylinder von 1°”25 Radius und 2°” Länge die Ablenkung und die Dämpfung gemessen. Als Dämpfung bezeichne ich den reeiproken Werth der Zeit, nach Ablauf deren eine Amplitude auf _ ihres An- fangswerthes redueirt ist, oder das natürliche logarithmische Deerement Duane: Dämpfende Wirkung d. magnet. Feldes auf rotirende Isolatoren. 489 getheilt durch die Halbschwingungsdauer. In der folgenden Tabelle bedeuten &, und e, die Dämpfung ohne und mit Feld, ,— e,-e, mithin die Felddämpfung. En & D & (im Felde) (ohne Feld) ap (Ablenkung) D 0.00573 0.00372 0.00201 9.02 221 Kto: 0.00527 0.00362 0.00165 7-81 2.10.X. 107° 0.00492 0.00353 0.00139 6.87 2.02%X ı0 * 0.00457 0.00336 0.00121 Sm 2.10 X. Toy Da n innerhalb der Beobachtungsfehler constant ist, so ist die Felddämpfung g;, dem Quadrat der Feldstärke proportional. $6. Unter der Voraussetzung, dass die Felddämpfung ein von der Amplitude unabhängiges logarithmisches Deerement hat, ist das dämpfende Drehungsmoment —= b’x Winkelgeschwindigkeit und >T -) wo 5? bei constanter Feldstärke und gleichem Material nur von den Dimensionen des Cylinders abhängt, und 7 das Trägheitsmoment des Cylinders ist, sofern die Trägheitsmomente der übrigen Theile des schwingenden Systems zu vernachlässigen sind. Findet nun die Wir- kung auf das Innere statt, so dass das auf einen Theil des Cylinders wirkende dämpfende Moment dem magnetischen Moment dieses Theils proportional ist, dann ist 5° mit der Masse proportional, &, folglich 1 r2 proportional mit —, wo r der Cylinderradius ist, und unabhängig von der Länge. Die Versuche ergaben zunächst für zwei Paraffineylinder von demselben Radius, deren Längen sich wie 1:2 verhielten, &,; bei der- selben Feldstärke innerhalb der Beobachtungsfehler gleich. Die folgende Tabelle enthält die Resultate von Versuchen mit Paraffineylindern von verschiedenen Halbmessern bei derselben Feld- stärke. Für den kleinsten Cylinder war wegen des Trägheitsmoments der übrigen Theile eine in der Tabelle angebrachte Correetion von einigen Procenten nöthig. Radius Em En Re des Cylinders (mit Feld) (ohne Feld) SET 77% 1.24 0.00283 0.00213 0.00070 1.06 X 10 ° 1.02 0.00341 0.00239 0.00102 1.07 X 10 ° 0.32 0.02047 0.01155 0.00892 0.95 X ı0 3 Die in der letzten Columne verzeichneten Werthe des Productes r*e, sind innerhalb der Versuchsfehler gleich, diess ist mit der gemachten Annahme in Übereinstimmung. 490 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 23. April. $ 7. In der folgenden Tabelle ist für einige Substanzen der von den Dimensionen der Cylinder unabhängige Werth r*e,, redueirt auf die den benutzten Feldstärken nahe liegende Feldstärke von 4500 (.G.S., verzeichnet. Substanz Radius ner € E des des A Ga $y—=&mn—:, Feldstärke redueirt auf Cylinders Cylinders (mit Feld) (ohne Feld) Feldst. 4500 Schwefel ...... 1.08 0.01016 0.00137 0.00879 4500 10.25 X ı0 ? GOUarza een 122 0.00170 0.00064 0.00106 4600 1.59 X 0: Paratüineer een 1.02 0.00341 0.00239 0.00102 4500 1.07 X 10 ® Gas a a 2er 0.88 0.00208 0.00134 0.00074 4800 0.51X1o 3 Von allen verzeichneten Substanzen zeigt also der Schwefel den Effeet weitaus am stärksten; in der That wird er bei Schwefel im vorliegenden Fall schon durch rohe Beobachtung bemerkt. Versuche mit verschiedenen Schwefeleylindern und Cylindern aus verschiedenen Paraffinstücken ergaben Werthe für r*e,, welche von den angegebenen nicht sehr verschieden waren. $8. Die Thatsache, welche aus den mitgetheilten Versuchen hervorgeht, lässt sich kurz dahin beschreiben, dass auf einen im magnetischen Felde um eine senkrecht zu den Kraftlinien stehende Axe sich drehenden Isolator eine der Winkelgeschwindigkeit ent- gegengerichtete und ihr nahezu proportionale dämpfende Kraft wirkt. Ist nun der Isolator paramagnetisch, so würde eine derartige Wirkung aus der Annahme erklärt werden können, dass die magne- tische Axe des Isolators nieht mit der magnetischen Kraft des Feldes zusammenfällt, sondern gegen diese im Sinne der Drehung verschoben ist. Eine etwas allgemeinere zur Erklärung hinreichende Annahme wäre die, dass für einen ruhenden Isolator der inducirte Magnetismus nach Aufhören der magnetischen Kraft nicht sofort, sondern nach messbarer Zeit verschwindet. Verschwindet er sehr schnell, so ergibt sich die beobachtete Proportionalität der dämpfenden Kraft mit der Geschwindigkeit. Für einen diamagnetischen Isolator mit wahrer diamagnetischer Polarität würde sich aus der entsprechenden Annahme eine die Drehung beschleunigende Wirkung ergeben. Indessen enthält nach verschie- denen Theorien des Diamagnetismus (vergl. Maxweır, Electrieity and Magnetism Chap. XXI) auch ein diamagnetischer Körper paramagne- tische Polarität. Nach solchen Theorien erscheint die Anwendung der gegebenen Erklärung auch auf diamagnetische Körper möglich. .— 49] Über die Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. Von Prof. Gustav Fritsch in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. E. pu Bors-Reymonp am 19. März |s. oben S. 379.) J Hierzu Taf. III. BD: Aufschwung, welchen das Studium der Anthropologie in neuerer Zeit genommen hat, die Ausbreitung unserer Kenntniss der Menschen- rassen durch die rasch steigende Erweiterung des Verkehrs in früher schwer zugänglichen Gegenden, hat naturgemäss auch die Aufmerk- samkeit wissenschaftlicher Kreise wieder mehr auf die Ausbildung des menschlichen Haares und die Unterschiede hingelenkt, welche die verschiedenen Rassen in dieser Beziehung darbieten. Eigenthümlicher Weise ist dabei aber der Haarboden selbst, in dem das Haar entsteht und wurzelt, auffallend wenig beachtet worden, ob- gleich doch beim Haar, wie in anderen Systemen, das Studium der Entstehung erst den richtigen Einblick und die correecte Würdigung der Merkmale gewährleisten konnte. Es scheint bisher nur ein einziger, nennenswerther Versuch ge- macht zu sein, dieser Seite der Frage näher zu treten und zwar durch die verdienstvolle Arbeit des Hrn. Görre! über das Haar des Buschweibes. Mit der an Hrn. GörrE bekannten Beobachtungstreue hat er damals seine Befunde verzeichnet und seine Resultate aus den Beobachtungen zusammengefasst, die gewiss zutreffender ausgefallen wären, wenn das zur Untersuchung verwandte Material verlässlicher und die Möglichkeit ausgedehnterer Vergleichungen geboten gewesen wäre. Das sogenannte Buschweib »Afandy« war eben kein Busch- weib, sondern eine Bastard-Hottentottin, wie ich in meinem Buch über die Eingeborenen Süd-Africa’s (S. 281) bereits im Jahre 1872 nach- ! Über das Haar des Buschweibes im Vergleich mit anderen Haarformen. Diss. inaug. Tübingen 1867. 492 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. gewiesen habe. Dieser Umstand erklärt das Schwankende, Unsichere in den Befunden trotz der Beobachtungstreue des Autors, worauf weiter unten zurückzukommen sein wird. Da seitdem entsprechende Untersuchungen fast vollständig ruhten, so war ich mir seit langen Jahren dieser Lücke in unserer Erkenntniss bewusst, aber vergeblich versuchte ich auf den verschiedensten Wegen zuverlässiges Untersuchungsmaterial in die Hände zu bekommen. Erst meine letzte als Unternehmung der Humboldt-Stiftung aus- geführte Reise im Jahre 1894 gab mir Gelegenheit, wenigstens wieder einen Anfang mit diesen wichtigen und interessanten Untersuchungen zu machen; das Nachstehende ist das Ergebniss derselben und ver- folgt die Absicht, eine erweiterte Grundlage für das Studium des Ent- stehens der Rassenmerkmale am menschlichen Haar zu geben, obwohl ich mir bewusst bin, dass der Natur der Sache nach die dadurch gewonnene Einsicht nur eine sehr unvollständige und lückenhafte sein kann. Es galt zunächst festen Fuss in diesem unbegangenen Gebiet zu fassen, und es war daher nöthig, ein möglich scharf begrenztes Feld der Untersuchung zu wählen, um sich in den Merkmalen indivi- duellen Charakters nicht vollständig zu verlieren. So entstand der Plan von jeder möglichst frisch zur Verfügung stehenden Leiche stets einen bestimmten Streifen der Kopfhaut, nämlich in der Medianebene des Scheitels, in der Breite von 1°” bei etwa 10°” Länge abzutragen, welcher in sechs Stücke getheilt auf drei verschiedene Weisen con- servirt wurde. Ein Drittel kam in ı procentige Chromsäure mit Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure, das zweite in Jodalkohol mit nachfolgender Er- härtung in doppeltchromsaurem Kali von steigender Concentration, das letzte Drittel in Mürter’sche Lösung der üblichen Stärke. Das Chrom- säurematerial zeigte eine auffallend starke Neigung zur Schrumpfung, zumal wenn der Essigsäurezusatz etwas reichlicher war, die über- stehenden Haare wurden unansehnlich und macerirten zum Theil deutlich; besser verhielt sich schon das Jodalkohol-Material, obwohl es eine geringere Schnittfähigkeit annahm; bei weitem am besten be- währte sich aber auch hier die Mürrer’sche Lösung, in welcher die Stücke der Kopfhaut kaum an Gestalt und Umfang etwas einbüssten. War das Haupthaar noch ganz erhalten, so wurden von demselben auch Proben zur Herstellung von Querschnitten u. s. w. aufbewahrt. Bei der Verarbeitung des conservirten Materials nach Celloidindurch- tränkung in der Heimath zeigte sich, dass die Vergleichung der Quer- schnitte des freien Haarschaftes nicht von der vermutheten Wichtigkeit war, weil der typische Querschnitt sich schon im oberen Theil der u ZZ Frrrsen: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 493 Wurzel deutlich ausgebildet fand. Es wurden aber Querschnittsprae- parate nach bewährter Methode in genügender Zahl hergestellt, um dieses Resultat zu verbürgen. ı. Gruppirung der Haare. Die Gruppirung der Haare auf der Kopfhaut als Rasseneigen- thümlichkeit hat eine ganz hervorragende Beachtung von Seiten der Anthropologen gefunden, ja, man kann wohl sagen, eine grössere Beachtung, als sie in der That verdiente. Wurden doch die soge- nannten »büschelhaarigen« Menschen von Hvuxrey und E. Häcker in eine besondere Abtheilung des Menschengeschlechtes verwiesen. Ge- nauere und gründlichere Untersuchungen haben gelehrt, dass eine derartige Abgrenzung unthunlich sei, und dass sehr verschiedene Momente sich vereinigen, um ein »büschelhaariges« Fliess entstehen zu lassen, wie Gruppirung, Einpflanzung, Krümmung, Querschnitt und Länge des Haares, sowie die Haartracht. So gewiss also die »Büschelhaarigkeit« bestimmte, besondere Rassenmerkmale des Haares zur Voraussetzung hat, so gewiss ist es, dass die flüchtige Betrachtung des äussern Habitus beim Kopfhaar nicht genügt, um solche Merkmale zu erkennen und wissenschaftlich festzustellen. Dasselbe gilt, wenn auch in verschiedenem Grade wie bei den Büscheln, von sogenannten Frangen, Strähnen und Locken des Haupthaares. Sobald man der Sache richtig auf den Grund gieng, musste man sofort erkennen, dass alle menschlichen Haare des Kopfes in Gruppen auftreten, freilich von sehr verschiedener Zahl und Anordnung. Da- hei zeigte sich gleichzeitig, dass neben einer gewissen Zahl von Haaren der normalen, mittleren Stärke eine geringere, sehr wechselnde Menge von viel schwächeren Haaren in den Gruppen gefunden wird, deren Erscheinen oder Fehlen mit den Rassenmerkmalen keine deutliche Beziehung erkennen liess. Gleichwohl könnte sich auch in diesem Auftreten eine Besonder- heit der Rasse kennzeichnen, und es gibt Autoren, welche darauf vielleicht sogar einen besondern Werth zu legen geneigt sind, in- dem sie die Verhältnisse bei den haartragenden Thieren zur Ver- gleichung herbeiziehen. Ein grosser Theil derselben zeigt, wie be- sonders NArHusıus in seinen werthvollen- Untersuchungen nachgewiesen hat, und wie die Zoologen bei Beschreibung der Thiere ganz allge- mein es verwerthen, zweierlei Haare von sehr ungleichem Charakter, nämlich: lange, steife Haare von beträchtlicher Stärke, das soge- nannte Oberhaar oder Contourhaar, wohl auch Grannen genannt, ge- 494 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. wöhnlich auch durch besondere Färbung ausgezeichnet, und darunter dieht stehende, kürzere, weichere und dünnere Haare meist hellerer Färbung, Unterhaar oder Wollhaar, auch Flaum genannt. Die Cultur der Merinoschafe hat gelehrt, dass der Mensch durch künstliche Züchtung im Stande ist, die Menge des Unterhaares im Vergleich zum Oberhaar zu vermehren, ja das letztere fast gänzlich in Wegfall zu bringen. Diese Züchtung beweist jedenfalls die Ver- wandlungsfähigkeit der Anlagen in einander und damit zugleich ihre nahe Verwandtschaft. Es ergibt sich daraus ohne weiteres, dass es nieht überall glücken wird, ein Ober- und ein Unterhaar sicher zu unterscheiden, sondern dass vielfach zweifelhafte Übergangsformen gefunden werden müssen; nur eine für die bestimmte Thierspeeies formulirte Vergleichung des Vorkommens beider Formen in den ver- schiedenen .Abänderungen kann da, wo die extremen Haarbildungen noch weit genug aus einander liegen, die Möglichkeit der Unterscheidung geben. Die Anwendung für den Menschen könnte gleichfalls nur in einer vergleichenden Reihe begründet werden, welche von einer Form ausgeht, die Ober- und Unterhaar ganz unzweifelhaft zu unterscheiden erlaubt, bis zu solchen, wo unter steigender Rückbildung des Ober- haares schliesslich eine Behaarung übrig bleibt, welche nur noch den ausgesprochenen Charakter des Unterhaares zeigt. Da schon der Aus- gangspunkt, das deutliche Vorkommen beider Haarformen neben ein- ander beim Menschen fehlt, so ist es ganz willkürlich, den Haarwuchs irgend einer Rasse, z.B. der Buschmänner, plötzlich als ausschliess- lich entwickeltes Unterhaar anzusprechen (GÖTTE). Die vergleichende Untersuchung der Rassenhaare zeigt im Gegen- theil, dass eine einzige Haarform, die ich immer noch richtiger als Oberhaar glaube ansprechen zu müssen, den merkwürdigen Abände- rungen verfällt, welche wir zum Theil bereits als Rassenmerkmale des menschlichen Haares kennen. Das Auftreten zarter, schwacher Haare, die dem Wollhaar der Thiere ähnlich sind, zwischen den Normalhaaren, wie sie beim Menschen zur Beobachtung kommen, bestätigt nur die eben ent- wiekelte Anschauung; denn auch bei den Rassen, wo das Haupt- haar nach Görrr’s' früherer Behauptung nur Unterhaar sein sollte, kommen solche schwache, den Wollhaaren ähnliche Bildungen vor: man müsste dabei also ein Unterhaar des Unterhaares annehmen. In der That ist die Auffassung dieser schwachen, als Regel marklosen Haare zwischen den Normalhaaren bei den Autoren eine ! Görre, Über das Haar des Buschweibes u. s. w. Frrrscn: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 405 verschiedene, und es ist ein unzweifelhaftes Verdienst, welches siehı Hr. Augurrin' erworben hat, in einer ziemlich beträchtlichen Reihe von Fällen durch Zählung und Messung genauere Daten über das Vorkommen solcher Flaumhaare zwischen den anderen zu sammeln. Es ergibt sich, dass ihre Häufigkeit auch bei derselben Rasse (also hier der mittelländischen) in sehr weiten Grenzen schwankt, in offen- barer Abhängigkeit vom Alter und zum Theil vom Geschlecht. Im ganz jugendlichen Alter erscheinen sie zahlreich und geben Procent- zahlen von 50, 67. 49, während sie im Pubertätsalter relativ spär- licher werden (etwa 25 Procent), um gegen das höhere Alter wieder zuzunehmen (64-70 Procent). Diess wechselnde Auftreten lässt wohl nur die eine Erklärung zu, dass ursprünglich schwach angelegte Haare in der Pubertätszeit bei hoher Vitalität aller Gewebe und zumal (er Haaranlagen zu starken, normalen Haaren werden, wohingegen die Involutionsperiode bei dürftiger Ernährung der Wurzeln ein Sinken des Durchmessers der Haare bewirkt, wenn sie nicht ganz ausfallen. Es mag zunächst eine offene Frage bleiben, in wie weit bei diesem Process eine allmählich steigende und sinkende Ausbildung eines Haares auf derselben Papille statthat, oder ein wirklicher Haar- wechsel unter besonderer Ausbildung anderer Papillen der Nachbar- schaft. Hier ist unsere Aufmerksamkeit an erster Stelle darauf zu richten, wie sich die Gruppirung der Haare auf dem Scalp bei verschiedenen Rassen gestaltet, wobei die Einordnung schwacher Ersatzhaare zwischen die normal starken erst in zweiter Linie Be- achtung finden soll. Die Bilder, welche zu dieser Untersuchung von verschiedenen, leider noch viel zu wenig zahlreichen Rassen angefertigt wurden, sind alle in derselben Weise gewonnen und zeigen gleichwohl ein ausserordentlich verschiedenes Aussehen.” Das betreffende mit Chromessigsäure oder Mürrer’scher Lösung conservirte und mit Celloidin durchtränkte Hautstück wurde ohne Rücksicht auf die Richtung der austretenden Haare mit dem Mikro- tom flach abgetragen, und es wurden die ersten, noch am Rande Papillendurchsehnitte zeigenden Scheibehen zur Darstellung benutzt. Es fand sich dabei, dass die verhornte Hautschicht den Haaren in sehr wechselnder Weise in die Tiefe folgt, so dass zuweilen um die Haargruppe auf dem Schnitt ein heller von Hornsubstanz erfüllter Kreis als Durchschnitt des einsinkenden gemeinsamen Trichters ! Gasron Augurtin: Über physiologische und pathologische Verschiedenheiten des Haarbodens. Diss. inaug. Berlin 1895. 2 ® Die ganze, der Akademie vorgelegte Sammlung besteht gegenwärtig aus 56 Figuren auf 14 Tafeln. 496 Sitzung der phys.-matlı. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. entsteht, während in anderen Fällen die benachbarten Haare ihre besonderen triehterförmigen Einsenkungen haben; oder die Ober- hautepidermis schliesst sich so glatt und fest um die austretenden Haare, dass es gar nicht, oder in geringem Grade zur Bildung solcher Einsenkungen kommt. Obwohl solehe Abweichungen vielfach individuell zu sein schei- nen, so sind in den vorliegenden Fällen jedenfalls die mit besonders trockener, fester Haut begabten Wüstenbewohner durch die letzt- erwähnte geschlossene Einpflanzung der Haare ausgezeichnet, da die an- geführten Beispiele von Mogrebinern (Tunis), Arabern und Abessyniern stammen. Einsenkungen mittlern Grades finden sich an den Proben von der Haut mehrerer Fellachen, einer Sudanesin und einer Europäerin. Ein ganz allgemeiner Überblick sämmtlicher dargestellten Bilder der Haaranordnung lässt unzweifelhaft erkennen, dass beim Menschen als Regel zwei Haare zusammen austreten, viel seltener sind es drei, oder zwei Paare erscheinen so weit genähert, dass eine Gruppe von vieren entsteht. Die sehr schwankenden Angaben in den Autoren sind zum Theil so zu erklären, dass die gesondert zu betrachtenden schwachen Ersatzhaare in der Gruppe mitgezählt wurden, was hier nicht geschehen ist. Bei einer durch Unglücksfall zu Grunde ge- gangenen jugendlichen Fellachin, die im kräftigsten Alter stand, und einem männlichen, erheblich ältern Manne desselben Stammes er- scheint die Dreizahl häufiger als gewöhnlich, wobei ein besonders starkes Haar häufig links und rechts von je einem etwas schwächern eingefasst erscheint, während zwei gleich starke Haare seltener ge- funden werden. »Haarkreise«, wie Pıweus als Bezeichnung für die Gruppirung vorschlug. werden auf diese Weise nicht wohl entstehen können: der Ausdruck liesse sich aber gut verwerthen, wenn man eine Gruppirung höherer Ordnung unter Hinzuziehung der feinen Ersatzhaare ins Auge fasst. In sehr vielen Fällen lässt sich eine solehe Gruppirung höherer Ordnung, zu welcher die erwähnten Doppelpaare schon zu rechnen wären, nachweisen, und gerade in dieser dürften die ver- breitetsten Rassenmerkmale erkannt werden. Bildet man aus solchen Gruppen, den ansteigenden Zahlen fol- gend, eine Reihe, so nähme das Praeparat eines Arabers aus Alexan- drien die tiefste Stelle ein, da bei ihm die einfachen Haarpaare mit spärlich eingefügten Ersatzhaaren durchaus vorherrschen; es folgt das- jenige eines Mogrebiners, wo die Doppelpaare, hier und da durch die schwachen Haare vermehrt, auch schon grössere Gruppen bilden. Hieran würden sich die Fellachenproben anreihen, wo ausser den einzelnen mit ı oder 2 Ersatzhaaren verse wen auch 3, wie erwähnt, häufig sind, Frersc#n: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 491 oder 3-+1 schwaches, oder 4+ 2 schwaches in engere Verbindung als Gruppe höherer Ordnung treten. Die Dreizahl (2+1 schw.) herrscht auch vor bei dem Indier, hier und da auf 4 erhöht, und ebenso bei der Europäerin, während eine andere Europäerin in den Gruppen höherer Ordnung schon häufig 5 aufweist. Die dunkel, schwärzlich pigmentirten Africaner, bei schwieriger genauerer Stammbezeichnung hier als Sudanesen vermerkt, haben keineswegs besonders zahlreiche Gruppen in ihrem Haarboden, wie eine Person mit kräftigem Haar- wuchs und eine andere Sudanesin mit ziemlich dürftigem noch deut- licher erkennen lassen. Bei weitem am obersten Ende der Reihe steht die von einem Abessynier stammende Probe, wo die ursprüngliche Paarigkeit der Haare wirklich hier und da in unregelmässig angeordnete Gruppen von 6 und 7 Haaren aufgelöst ist, die man wohl im Sinne von Pıncus als »Haarkreise« bezeichnen könnte. Die mässig dicken, sehr dunkel pigmentirten Haare dieses Mannes bildeten einen dichten schwarzen Haarschopf, der nur ein welliges Aussehen darbot und keine Spur von spiralig gedrehten Haaren ent- hielt. Die Beobachtung lehrt daher ohne weiteres, dass selbst diese Gruppirung höherer Ordnung keinen ersichtlichen Einfluss auf die Haartracht hat, wie es der Huxrey’schen Unterscheidung der » büschel- haarigen Menschen« entnommen werden konnte. Die »Büschelhaarig- keit« der Haartracht muss daher auf anderen Grundlagen beruhen. Die Flächenschnitte der Haut werden ausser den Haarscheibehen natürlich auch die Querschnitte der auf der Haut mündenden Drüsen- schläuche zeigen, also der Schweissdrüsen und der Talgdrüsen, von denen die ersteren uns hier nur vom Gesichtspunkt der Rassenhaut inter- essiren, da sie zu den Haaren keinerlei Beziehung erkennen lassen, während diess bei den Talgdrüsen in hohem Maasse der Fall ist. Am übersichtlichsten, man könnte sagen, am meisten schematisch erscheint in dieser Beziehung das Praeparat von einem Araber aus Alexandrien. Auf demselben findet sich der Haarquerschnitt als Regel traulich gesellt mit einem kleinen, lichten Lumen, dem Ausführungs- gang der zugehörigen Talgdrüse; gelegentlich erkennt man alsdann anschliessend an den Gang einen ausserordentlich feinen Querschnitt des Flaumhaares, welches seiner Feinheit wegen nicht überall mit Sicherheit erkannt werden kann. Mündet die Talgdrüse, wie es vielfach der Fall ist, schon in die trichterförmige Einsenkung des Haarbalges, so wird das Bild unregelmässig und wechselnd je nach der mehr zufälligen Anordnung der Hornsubstanzen und Glashäute, die den Trichter ausfüllen. Häufig markiren sich die Mündungen gar nice” mehr deutlich, sei es, dass 498 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. ihre Lumina verwischt, sei es, dass die Drüsen überhaupt nur un- vollkommen entwickelt sind. Über diese auffallend wechselnden Ver- hältnisse kann man nur sicher entscheiden, wenn andere Schnitt- richtungen zu Rathe gezogen werden. Die feinen Kanälchen der Schweissdrüsen sind im allgemeinen gerade auf der Kopfhaut wenig zahlreich; man erkennt sie an den dieken Hautschnitten noch am besten; doch ist im photographischen Bilde die Möglichkeit der Verwechselung eines solchen Kanälchens mit einem durchschnittenen Flaumhaar nicht ausgeschlossen, so bei dem Praeparat vom Mogrebiner, wo sich auch die Talgdrüsen in star- ker Rückbildung befanden. Bei kräftiger Entwickelung der Kanalwände werden sie durch die Haematoxylinfärbung sehr dunkel, wie es die Hautschnitte der guropäer, Fellachen und Sudanesen zeigen; sie markiren sich als schwärzliche Fleckchen, in denen das Lumen gewöhnlich gar nicht deutlich kenntlich wird. Zufälligkeiten der Krümmung an den verschiedenen Hautstücken beeinflussen das Bild, welches der durchschnittene Papillarkörper der Haut darbietet; nur bei sehr ebener Gestaltung der Oberfläche wird er vom Rande her in einiger Ausdehnung als ein dunkles Netzwerk sichtbar. 2. Die Einpflanzung und Krümmung der Haare in der Kopfhaut. Die soeben besprochenen Flachschnitte der Kopfhaut lassen fast niemals richtige Querschnitte der einzelnen Haare erkennen, sondern man sieht, dass dieselben stets mehr oder weniger schräg getroffen sind. Diese Erscheinung hängt naturgemäss mit der in wechselndem Maasse schrägen Einpflanzung der Haare in der Haut zusammen. Der Winkel, welchen das Haar mit der Hautoberfläche bildet, beträgt auf dem Scheitel auch bei Europäern zuweilen 45° oder noch weniger und nähert sich in anderen Fällen, ebenfalls bei unseren Rassen einem rechten; dazwischen variirt die Neigung der Einpflanzung in mannigfaltiger Weise. Indem hier als Extreme zwei Beispiele von Personen derselben Rasse gewählt wurden, ist schon angedeutet, dass es zur Zeit wenigstens unthunlich erscheint, in diesem Merkmal be- sondere Rasseneigenthümlichkeiten zu erkennen. Bekanntlich wirken die Arreetores pili durch ihre Contraction aufrichtend auf die Haare, sie gleichzeitig etwas über die Hautober- fläche hervordrängend (Gänsehaut). Solehe Einflüsse scheinen aber hier an den Praeparaten als Erklärung für die Unterschiede nieht wohl angebracht, da die im Tode etwa vorhandene Contraction ganz Nö Je Zn EZ Frrrsca: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 499 gewiss bereits vorüber war, als die Hautstücke in die Conservirungs- flüssigkeiten kamen, die Conservirung aber sicher nicht vorwiegend eontrahirend auf diese Muskeln wirken konnte. Es erweist sich unmöglich, eine Schnittrichtung der Haut zu finden, in welcher auch nur ein grösserer Theil der getroffenen Haare sich wirklich genau im Längsschnitt zeigte; selbst die zur nämlichen Gruppe gehörigen Haare sind nieht untereinander parallel, sondern weichen in verschiedenen Richtungen ab, indem sie ihren eigenen Weg suchen. Jedes der Praeparate zeigt diese Unabhängigkeit der einzelnen Haare von den Nachbarn; besonders charakteristisch ist in dieser Beziehung ein Praeparat, welches einen Schnitt durch die Kopf- haut eines Arabers darstellt: die genauer gruppirten Haare, hier meist zwei, convergiren deutlich gegen die Austrittstelle, es erscheint da- her nur eins von beiden im Längsschnitt; die dazwischen liegenden Paare sind schon so abweichend, dass sie nur in ganz schrägen Schnitten getroffen wurden. Das in der Tiefe lockere Fettgewebe scheint bei der Ausbildung der Haare die oben den Papillen entsprechende Regelmässigkeit der Anordnung nicht festhalten zu können und erlaubt ein seitliches Aus- weichen. So macht sich auch in dieser Hinsicht ein Bildungsprineip geltend, welches eine Erklärung für die so mannigfaltigen Erscheinungen des Haarwuchses abgeben kann: nämlich dass derselbe durchaus von den vorhandenen Widerständen, sowie den Druck- und den Spannungsverhältnissen der benachbarten Theile aufein- ander abhängig ist, worauf sogleich weiter einzugehen sein wird. Wenn auf diese Weise die Art der Einpflanzung an den Haaren bisher wenig lehrreich erschien, so musste doch die Schnittrichtung durch die Kopfhaut längs der Haare einen andern Punkt klarstellen, welcher vom Standpunkt der Rassenvergleichung von vorn herein als einer der wichtigsten angesehen wurde. Es handelte sich dabei um die genaue Beantwortung der Frage, wie weit in die Wurzeln hinein sich die am freien Haarschaft beobachteten Krümmungsverhältnisse verfolgen liessen? Daran kann sich erst die zweite Frage anschliessen, wie diese Krümmungen etwa zu Stande kommen’? Solche Fragen sind schon vor Jahren aufgeworfen, aber nach unvollständiger Beantwortung wieder in Vergessenheit gerathen, so dass es nothwendig erachtet wurde, sie aufs neue zu stellen. Dem in allen Haaruntersuchungen, zumal aber der Hausthiere, so verdienstvollen Narnusms' gebührt die Priorität, zuerst auf die Das Wollhaar des Schafes in histologischer und technischer Beziehung. S. 89,90. Sitzungsberichte 1896. 46 500 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. Krümmungsverhältnisse der Haarwurzeln hingewiesen zu haben, wo- bei er allerdings auf die besondere Bildung der Schafwolle den Ton legen wollte, deren Gestaltung er mit grosser Sorgfalt nachgieng. Die Übertragung mancher durch Narnusıvus festgestellten Beobachtungen beim Schaf auf die entsprechenden Haarbildungen beim Menschen hat viel Verwirrung in die einschlägigen Fragen gebracht. An der angedeuteten Stelle beschreibt der Autor auch sehr eingehend die Krümmungsverhältnisse der Wollhaare auf der Haut und bemerkt sehr richtig, dass die einzelnen Haare der Schafwolle in der That keine Spiralen bilden, sondern dass die Krümmungen auf einer aller- dings krummen Fläche liegen. Indem die benachbarten Haare der Wolle sich eng aneinander anschliessend die gleichen, welligen Krüm- mungen mitmachen, entsteht die Erscheinung, die man beim echten Wolltliess »Stapel«e nennt. Welche Momente dabei einwirken, wie Feuchtigkeit, Verklebung durch Fellschweiss und Stauchung von den verklebten Enden her, hat Naruusıus genau und ausführlich ge- schildert. Diese Vorgänge interessiren uns hier weniger, weil beim Men- schen, wie ich im Anschluss an frühere Erörterungen nochmals aus- drücklich betone, bisher wirkliche Stapelbildung nicht beob- achtet wurde, weshalb auch die Bezeichnung von »Wolle« menschlichen Haaren nicht zukommt. Stärker gekrümmte Haare werden beim Menschen stets spiralig gedreht, ihre Krümmungen bleiben also nicht. wie bei der Wolle, in einer Fläche, und jedes Haar macht daher seinen eigenen Weg, olıne Anlehnung an die Nachbarhaare, indem sich die selbständigen Spiralen durch einander schlingen. GörrTE bestätigt im allgemeinen auch für sein menschliches Ma- terial die Krümmung der Wurzelscheiden, indem er weiterhin ganz richtig von der wirklich spiraligen Krümmung der einzelnen Haare spricht, ohne diesen durchgreifenden Unterschied von Narnusıus’ An- gaben über die Krümmung und Stapelbildung des Wollhaares weiter zu berühren. In der That lässt sich die Angabe der genannten Autoren über die Krümmung der Wurzelscheiden bei spiralig gedrehtem Menschen- haar leicht bestätigen, und dieselbe fällt um so stärker aus, je enger die Spirale des Haares gewunden scheint; dabei ist aber zu bemerken, dass die Krümmung der Wurzel nicht sowohl spiralig, sondern meist säbelförmig, also in einer Ebene gebogen, gefunden wird. Eine ge- ringe seitliche Abweichung aus der Krümmungsebene kommt indessen gelegentlich auch zur Beobachtung, wie sie beispielsweise das in der Figur ı am untern Rande stehende Haar hatte. Offenbar muss ein nur Frrrscn: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 501 säbelförmig gekrümmtes Haar, sobald es, frei werdend, anfängt, sich um seine Längsaxe zu drehen, eine spiralige Form annehmen. Schwieriger erscheint der Versuch, eine Erklärung für die Krüm- mung der Wurzelscheiden selbst zu geben, was in der That von den Autoren gar nicht ernstlich versucht worden ist. Es dürften hierbei sehr verschiedene Momente zusammenwirken, deren genaueres Studium die Beschaffung reichlichern Materials dringend erheischt. An erster Stelle wird die kräftige, suceulente Bildung der Kopf- schwarte, wie sie den Rassen mit spiralig gedrehtem Haar eigen zu sein pflegt, begünstigend auf das Verlassen der gestreckten Anlage wirken, indem die schnelle Zellvermehrung nicht nur der Haarele- mente selbst, sondern auch die entsprechend mächtige Ausbildung der anderen Bestandtheile der Haut, zumal der Talgdrüsen, Schweiss- drüsen und der Arreetores pili eine Masse weicher, bildungsfähiger Zellgruppen schafft, welche sich gegenseitig bedrängen und zum ein- seitigen Ausweichen je nach Lage der Verhältnisse zwingen. GörttE fand bei seinem Material die Wurzelscheiden an ihrem tiefsten Ende »hakenförmig umgebogen«; ich glaube, diese Bezeich- nung ist nieht ganz zutreffend, da die thatsächlich vorhandene Ab- weichung der Riehtung dieses tiefsten Theiles nicht sowohl einem »Haken« ähnlich sieht, sondern vielmehr sich als ein Resultat der Stauchung der in die Tiefe vorgeschobenen Haarwurzel gegen die widerstandsfähige Galea darstellt, während das umliegende, ganz lockere Fettgewebe einen genügenden Widerhalt nieht mehr zu leisten vermag. Die Berechtigung dieser Anschauung ergibt sich aus der Ver- gleichung anderer Proben, auch wo gar keine Krümmung der Haar- wurzeln zur Beobachtung kommt. Besonders lehrreich ist das ent- sprechende Praeparat von einem Mogrebiner, der unter den Erschei- nungen allgemeiner Kachexie nach übergrossen Körperanstrengungen (Wüstenreise) starb, nachdem die Entkräftung schon einen starken Haarausfall veranlasst hatte. Auch bei einem Araber mit durchaus straffem Haar ist bei den am tiefsten eingepflanzten Haaren die Stau- chung gegen die Galea zu bemerken. Bei dem Mogrebiner hatte offen- bar der Schwund und das Zusammensinken früher suceulenterer Haut- schichten die eigenthümliche Erscheinung veranlasst; diesem Zustand entspricht auch die fast vollständige Atrophie der Talgdrüsen in der Haut. Die Neigung zu stärkeren Wucherungen macht sich ferner bei dem spiralig gedrehten Kopfhaar an den Wurzelscheiden selbst be- merkbar. Solche Wucherungen der äusseren Wurzelscheide sind auch bei Europäern gelegentlich von den Autoren erwähnt worden und zwar, abgesehen von den Auswüchsen an Embryonalhaaren, an Haaren 46* 502 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. erwachsener Personen besonders an der Stelle, wo der Arreetor pili sich an das Haar anlehnt. Manche Autoren (NEumans) wollten darin die Symptome gewisser Erkrankungen (Prurigo, Lichen ruber, senile Atrophie) sehen, was von Anderen, z.B. Lesser, mit Recht abge- lehnt wurde, da die Erscheinung ebenfalls bei gesundem Kopfhaar auftreten kann. Indem ich diese Behauptung Lesser’s ausdrücklich bestätige, mache ich wiederum darauf aufmerksam, dass die besondere Häufigkeit des Auftretens dieser Auswüchse der äusseren Wurzelscheide an dem An- satz des Arrector ein Zeichen dafür ist, wie solche Abweichungen von den Spannungsverhältnissen der Umgebung abhängig, und wie plastisch die Theile selbst noch in den mittleren Abschnitten sind. Das Alter mag wohl mit der Häufigkeit ihres Auftretens etwas zu thun haben, aber im übrigen finden sie sich an der starken, vollsaftigen Kopfschwarte der dunkelpigmentirten Rassen bei gesundem Haar sehr häufig und keineswegs auf die Ansatzstelle des Arreetor beschränkt. Die Haut, von welcher die hier in Rede stehenden Praeparate stammen, machte ebenso wie das Haar einen durchaus gesunden Ein- druck, die bereits etwas ältliche Person (50 Jahre?) war wohlgenährt und starb an einer inneren Krankheit. Talgdrüsen und Schweissdrüsen, zumal die ersteren, sind üppig entwickelt, die äusseren Wurzelscheiden proliferiren bis tief hinunter gegen den Bulbus hin. Die vielfach verzweigten Auswüchse der- selben schnüren sich zuweilen vollständig ab oder sind nur durch einen dünnen Stil mit dem Mutterboden verbunden. In diesen Ab- schnürungen kommt es häufig zur Bildung wohlcharakterisirter Perl- kugeln, welche durch ihre concentrische Schichtung und Andeutung von Kernresten den unverkennbaren Eindruck durch die Abkapselung allmählich veränderter, zusammengebackener Epithelzellen machen. Die Beobachtung solcher Perlkugeln war eine der ersten Be- sonderheiten, welche mir bei der Untersuchung der Negerkopfhaut auffiel, und ich war geneigt, bei der Spärlichkeit entsprechender An- gaben für unsere Rassen, dieselben unter die besonderen Merkmale einzureihen. Sie sollen bei Europäern von E. Lesser genauer be- schrieben sein, doch war es mir ebenso wenig wie Hrn. AUBURTIN möglich, die betreffende Arbeit in die Hände zu bekommen. Darauf bezügliche Angaben Giovannını's, der sie bei eiteriger Entzündung frei im Eiter liegend vorfand, würden hier als entschieden pathologisch nicht verwerthbar sein; seitdem hat aber auf meine Veranlassung Hr. Augurrın' selbst mit grossem Fleiss eingehende Nachforschungen 1 A.a.0. S.15—16. Frrrsch: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 503 nach dem Vorkommen solcher Bildungen in unseren Gegenden an- gestellt und dasselbe als viel verbreiteter gefunden, wie man früher anzunehmen geneigt war (25 Procent aller untersuchten Fälle). Schon die Häufigkeit des Vorkommens würde es unwahrscheinlich machen, darin eine Krankheitserscheinung zu sehen, was auch sonst durch die betreffenden Beobachtungen in keiner Weise unterstützt wird; es handelt sich bei den Europäern aber wohl meist um locale oder allgemeine Erscheinungen von Rückbildungen (Senescenz), ob diess auch für die nigritische Haut gilt, beziehungsweise in wie junge Jahre die Bildung von Perlkugeln an den Wurzelscheiden bei solchen Stämmen hineinreicht, möchte ich bis auf weiteres als offene Frage behandeln. Die Besprechung anderer Besonderheiten, welche die Haarlängs- schnitte darbieten, soweit sie nicht die hier aufgeworfene Frage der Rassenmerkmale berühren, möchte ich für eine spätere Gelegenheit vorbehalten. 3. Die Gestaltung der Haare und Haarwurzelscheiden auf dem Querschnitt. Wie oben erwähnt, ist der Winkel, unter welchem die Haare in die Kopfhaut eingepflanzt sind, ein ausserordentlich verschiedener, und liess sich ein Einfluss dieser schrägen Einpflanzung auf die Be- sonderheiten des Haares nicht nachweisen. Während zur Feststellung der Haargruppirung ein tangential zur Oberfläche gerichteter Hautschnitt am geeignetsten erschien, musste die schräge Einpflanzung Berücksichtigung finden, wenn es sich darum handelte, genaue Querschnitte der betreffenden Theile zu erhalten. Anfänglich machte ich nach der von mir früher angegebenen Methode Querschnitte der freien Haarschafte zur Vergleichung. Es stellte sich indessen bald heraus, dass der typische Querschnitt des Haares schon sehr früh in der Wurzel erreicht wird, so dass man auf die Herstellung eines besondern Haarquerschnitt-Praeparates verzichten kann. Demnach wurden die Querschnitte so angefertigt, dass die Rich- tung derselben möglichst genau senkrecht auf derjenigen der aus- tretenden Haare stand; da die Richtung, wie oben beschrieben, nicht eine ganz gemeinsame ist für alle Haare, so lässt sich diess Ziel auch nur annähernd erreichen. Unter der Menge der sich im Schnitt darbietenden Querscheibehen der Haare kann man aber ohne Schwierigkeit durch die Betrachtung der Seitenansichten die genau quer getroffenen feststellen. Ausserdem geben aber die so entstehenden Schrägschnitte der Haut einen vortrefflichen, gedrängten Überblick über die Lage und 504 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. Anordnung der einzelnen, die Haut zusammensetzenden Organe, so dass solche Praeparate zum vergleichenden Studium warm empfohlen werden können. Der erste Autor, welcher eingehendere Untersuchungen über die Gestalt der Haarquerschnitte anstellte und sie zur Feststellung der Rassenmerkmale verwerthete, war bekanntlich Pruxer-Ber', welcher bereits im Jahre 1863 eine umfangreichere Vergleichung derselben veröffentlichte. Spätere Autoren, darunter ich selbst, stützten sich gelegentlich auf ihn, doch fehlte es auch nicht an ablehnenden Er- örterungen darüber, z.B. von Hrn. HıreEnnorr, der im Anschluss an eigene Untersuchungen über das Haar der Japaner alle menschlichen Haare als oval im Querschnitt erklärte. Dabei scheint mir von dem letztgenannten Autor zu wenig berücksichtigt zu sein, dass es sich ja um Rassenmerkmale handelt und nieht um sogenannte Speeies- unterschiede, dass also von ihm ein Maass der Beständigkeit des Vorkommens vorausgesetzt wurde, welches zu beanspruchen man gar nicht berechtigt ist. In diesem Sinne ist auch die hier zu beschreibende Unter- suchungsreihe ausgefallen: sie erweist nach meiner Überzeugung die Berechtigung, solche Haarquerschnitte als Rassenmerkmale zu ver- werthen, und gibt andererseits die Möglichkeit, durch übermässiges Betonen der Übergänge und vereinzelten Abweichungen alle Unter- scheidungen über den Haufen zu werfen. So hatte Pruxer selbst? in der eitirten Abhandlung bereits ovale und runde Querschnitte von Japanern abgebildet, es kommen also doch auch runde Quer- schnitte vor. Das erste überraschende Ergebniss der vergleichenden Schräg- schnitte war die Beobachtung, dass der besondere Querschnitt des Haares bereits dieht oberhalb des Bulbus, wo die innere Wurzel- scheide noch erhebliche Breite zeigt, schon vollkommen fertig an- gelegt gefunden wurde. Ebenso ersichtlich und nicht weniger auffallend war mir, dass der Neigungswinkel des Haares, wie er die Krümmung des Schaftes nicht bedingte, auch die Form des Querschnittes nicht deutlich be- einflusst. Dadurch wird die gelegentlich aufgestellte Behauptung hinfällig, dass die schräge Einpflanzung des Haares durch Druck der festeren Oberfläche die Abplattung, und diese wieder die Krümmung des frei hervortretenden Schaftes veranlasste. ! De la chevelure comme caracteristique des races humaines. Memoires de la Soeiete d’Anthropologie. Paris 1863. 2 A.a.O. Taf.T Fig.9. Frrrscn: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 505 Thatsächlich pflegen die Haare mit rundlichem Querschnitt häufig ziemlich steil eingepflanzt zu sein, man beobachtet andererseits aber Europäer, deren schräg eingepflanzte Haare einen auffallend rund- lichen Querschnitt zeigen, während andere viel steilere, ganz wech- selnde, rundlich ovale, dreieckige oder runde Querschnitte darbieten. So zeigt ein Araber mit schrägstehendem Haare rundliche, ein Fellah mit kaum stärkerer Neigung der Haare vorwiegend ovale Querschnitte. So sind bei der Sudanesin, wo die säbelförmig gekrümmte Wurzel den Haarboden verhältnissmässig gerade aufsteigend verlässt, die Haarquerschnitte oval oder platt dreieckig oder selbst nierenförmig. Daher muss die Bildung des Haarquerschnittes von anderen als den soeben angeführten Besonderheiten abhängig sein. Sehr bemerkenswerth erscheint an den Schrägschnitten der Haut auch die Gruppirung der verschiedenen Drüsen. Von diesen finden sich die Talgdrüsen um die Haarkreise in sehr wechselnder Mächtig- keit geordnet nahe an der festeren Lederhaut, stets gegen die Tiefe zu von den Bündeln der quer durchschnittenen Arreetores pili um- fasst. Sind die Talgdrüsen atrophisch, so sind die gleichwohl gut, oft sogar auffallend stark ausgebildeten Arrectores gleichsam haltlos und lassen eine gleich regelmässige Anordnung nicht weiter erkennen. Dass die Contraction der Arreetores durch ihre eigenthümliche Anfügung an die Talgdrüsen eine Entleerung des Secretes derselben in den Haarbalg befördern muss, erscheint mir zweifellos. Erst ein ganzes Stück weiter abwärts begegnen wir in dem Schräg- schnitt den ebenfalls äusserst ungleich in Bezug auf die Mächtigkeit ausgebildeten Schweissdrüsen, welche in der troekenen Haut der Araber und Berberstämme nur wenig entwickelt erscheinen, bei den Fellahs, Abessyniern und Sudanesen viel stärker auftreten und keineswegs mit den Talgdrüsen alterniren, sondern häufiger gemeinsam mit ihnen stark entwickelt gefunden werden. 4. Die Gestalt des Bulbus und der Papilla pili. Wenn man in Erwägung zieht, wie die Hartgebilde der Haut aus weichen, wuchernden Zellmassen auf einer festeren, bindegewe- bigen Unterlage entstehen, so ist schon damit die Vorstellung ge- geben, dass diese Unterlage mehr oder weniger einen bestimmenden Einfluss auf die Form der entstehenden Gebilde ausüben muss. So wird in der Histologie ganz allgemein darauf hingewiesen, dass der Zahn in seiner ursprünglichen Anlage einen Abguss der Zahn- papille darstellt, auf welcher er sich bildet. In analoger Weise war wohl darauf zu rechnen, dass auch die besondere Form des Haares 506 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. nicht unabhängig sein könne von der Gestalt der Papille, auf der sich dasselbe, sie im Bulbus pili umfassend, durch proliferirende, nach einer Richtung vorgeschobene Zelllager bildet. Gleichwohl scheint eine vergleichende Untersuchung über die Gestaltung der Haarpapillen und eine Erörterung, ob sich darauf Be- sonderheiten der Haarform zurückführen liessen, bisher gänzlich unter- blieben zu sein. Wenigstens ist mir selbst darüber nichts bekannt geworden. Es war um so mehr angezeigt, diese Lücke in unserer Kenntniss der Rassenmerkmale des menschlichen Haares auszufüllen, als sich bei den Vergleichungen herausstellte, wie tief unten in den Wurzelscheiden bereits der typische Querschnitt des Haares ange- legt ist. Die Annahme, dass schon die Gestalt der Papille die Haarform beeinflusst, hat sich bei der Untersuchung als zweifellos herausgestellt, und dieser Befünd erklärt in erfreulicher Weise die bereits besproche- nen negativen Ergebnisse sonstiger Erklärungsversuche. Aber auch in verschiedenen anderen Beziehungen erwies sich das Studium des Bulbus und der Papilla pili besonders lehrreich. Am Europäerhaar mit dem meist rundlichen Querschnitt durfte man natürlich von solcher Untersuchung bessere Auskunft nicht er- warten; die Papille ist hier auch ein auf dem Querschnitt rundlicher Zapfen, der sich auf einem verjüngten Hals kolbenförmig erweitert. Dagegen gestaltete sich das Bild des Papillendurchschnittes an den abgeplatteten Haaren der farbigen Rassen wesentlich anders, wie es unter den vorliegenden Fällen die der Kopfhaut einer Sudanesin entnommenen Praeparate besonders deutlich erkennen liessen. Hier zeigten sich die Papillenquerschnitte der Regel nach nicht rund, sondern mit ovalem oder trapezoidem Querschnitt ausgestattet; auch nierenförmige Querschnitte kamen häufig vor (Fig. 2). Dabei stellte sich heraus, dass der Bulbus pili die Papille mit seinen tiefsten Zelllagen nicht dieht umschliesst, sondern dass sich hier eine eigenthümliche Zwischensubstanz findet. Der Umriss der Papille selbst ist also nieht durchaus identisch mit dem Umriss der Höhlung in der Haarzwiebel, welche ihr aufsitzt. Bei unseren Rassen, wo eine gleiche Vollsaftigkeit der Kopf- schwarte nicht zur Beobachtung gelangt, wird die Entwickelung dieser Zwischensubstanz eine besondere Mächtigkeit nicht erlangen und ent- zieht sich daher viel mehr der Beobachtung; doch sehe ich mich ver- anlasst. ihr Vorkommen als ein allgemeines anzunehmen und möchte im Hinblick auf die lebhafteren Proliferationserscheinungen der Haar- wurzelanlagen überhaupt diese Zwischenschicht als eine local um die Papille stärker ausgebildete und differenzirte Basalmembran auffassen. Frrrscn: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 507 Um die platten Papillen werden die in die Tiefe des Haarbalges vordringenden und sich zur Zwiebel umstülpenden Schichten der äusse- ren Wurzelscheide schon durch die ungleiche Raumvertheilung eine verschiedene Anordnung und Ausbildung ihrer Elemente erfahren. Die von den auf der Papille sich höher entwickelnden Zellen, dem so- genannten Keimlager des Haares, nach aussen vorgeschobenen Tochter- zellen werden von vornherein kein auf dem Querschnitt rundliches, sondern, ebenfalls der Papille entsprechend, ein abgeplattetes Bündel - darstellen. Nimmt man die Anlagen der Haarbälge im allgemeinen als eylin- drisch an, wie es ja die Beobachtung selbst lehrt, so muss der durch die Nachbartheile und zumal durch die Circularfaserschicht des Haar- balges auf den Inhalt ausgeübte Druck weiter befördernd und ver- stärkend auf eine solche erste Ungleichmässigkeit der Anlage einwirken. Wo an den Langseiten einer abgeplatteten Papille eine stärkere An- sammlung der nachweislich hier proliferirenden Zellen vorhanden ist, wird sich durch das allseitige Drängen der Elemente der Druck im Haarbalg auf die im Centrum vorgeschobenen, allmählich sich streeken- den Haarfasern geltend machen, und es wird ein ebenfalls abgeplattetes Haar von wechselnder Form des Querschnittes das Ergebniss des Vor- ganges sein. Die mächtige Cireularfaserschicht des Balges mit ihren länglichen, fast stäbehenförmigen Kernen wurde häufig, z.B. auch durch Hrn. von KÖöLLıker, direct als Muskelfaserschicht angesprochen, doch ist er, wie ich glaube mit Recht, später von dieser Anschauung zurück- gekommen und sieht sie als bindegewebig an, da ja auch sonst im regelmässig gefaserten, fibrösen Gewebe solche gestreckte Kerne vorkommen. Aber auch ohne wirklich eontraetil zu sein, wird die Festigkeit und Spannung der Ringfaserschicht wohl im Stande sein, einen energischen Druck auf den Inhalt des Balges auszuüben und zur Umbildung der Bulbuszellen zu Haarfasern und zur Vorwärts- drängung derselben nach aussen beitragen. Diese Verhältnisse muss man im Auge behalten, um zu ver- stehen, dass auch ohne besondere Papillenform gelegentlich Haare von ovalem oder unregelmässig dreieckigem Querschnitt gefunden werden. In solchen Fällen ist die selbständig auftretende ungleich- mässige Wucherung der äusseren Wurzelscheide in dem allseitig gleich- mässig contrahirten oder comprimirten Haarbalg die Ursache, dass die Regelmässigkeit des Haarquerschnittes verloren geht. Die Abplattung oder selbst Einbiegung des Haares findet sich dann stets anlagernd an die stärkere Ausbildung der Wurzelscheiden, während der Balg selbst eylindrisch geblieben ist. Sitzungsberichte 1896. 47 508 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. Die Neigung zu derartigen Unregelmässigkeiten in allen Systemen des Körpers pflegt gerade bei gemischten Rassen, wo die Vererbung keine so sichere Grundlage für die Ausbildung darbietet, wie es bei den reinen Rassen der Fall ist, besonders häufig aufzutreten, zumal wenn mehr oder weniger pathologische Einflüsse mit ins Spiel kommen. So ist es ganz begreiflich, dass auch bei unseren europäischen, so ausserordentlich gemischten Stämmen Material, von Hospitalleichen stammend, die beschriebenen Abweichungen in hervorragendem Maasse zeigt, und so vielfach Veranlassung geworden ist, solchen Unter- suchungen überhaupt mit Misstrauen zu begegnen. Beispielsweise zeigten die Hautschnitte, welche von einer sieben- undvierzigjährigen Frau, die an Apoplexie starb, trotz rundlicher Papillen Haare von unregelmässigem bald ovalem, bald dreieckigem Querschnitt, wie er sonst nur Barthaaren eigen zu sein pflegt. Auch bei den Fellahs Aegyptens, einer ebenfalls sehr stark gekreuzten Rasse, sind die Querschnitte der Haarwurzeln vielfach wechselnd in derselben Kopfhaut gebildet. Als ein weiterer Beweis für die Richtigkeit der entwickelten Anschauung darf wohl das Verhalten der sogenannten Kolbenhaare angesehen werden. Verliert das Haar im Balg durch Senescenz oder pathologische Vorgänge seinen Zusammenhang mit der Papille, so ver- ändern sich auch die vordem vorhandenen Spannungsverhältnisse in demselben. Während das Haar langsam weiter nach aussen zum Aus- fall gedrängt wird, sei es, dass ein auf der Papille sich neu bildendes Haar das alte austreibt oder, ohne Neubildung eines solchen, nur die Contraetion des atrophirenden Balges wirkt, immer gleichen sich die Spannungsverhältnisse in dem verödeten Theil des Haarbalges aus, und das Kolbenhaar bekommt einen kreisförmigen Querschnitt, während das tiefste Ende sich pinselförmig auffasert. Da die Kolbenhaare ausser dem regelmässig runden Querschnitt sich durch ihre Pigmentarmuth auszeichnen, so erscheinen sie in Querschnittspraeparaten als rundliche hellgelbe Flecke, und ist der Kolben selbst getroffen, mit unsicherm zerfasertem Umriss. 5. Die Ausbildung des Pigmentes in den Haaren. Die Beobachtung, dass auch bei sonst stark pigmentirtem Haar die Kolbenhaare fast ohne Pigment angetroffen werden, leitet diese Betrachtungen hinüber zu dem letzten Punkt, welcher hier erörtert werden soll, nämlich die Frage nach der Herkunft des Pigmentes in den Haaren. Durch private Mittheilungen ist mir bekannt geworden, dass erste Autoritäten in dem vorliegenden Gebiet gerade diese Frrrscn: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares.. 509 Frage als eine besonders schwierige, zur Zeit vielleicht unlösbare be- trachten. Nach dem Ergebniss der vorgelegten Untersuchungen kann ich mich dieser pessimistischen Meinung nicht anschliessen und möchte der Überzeugung Ausdruck verleihen, dass die Praeparate zu einem positiven Urtheil in der Sache berechtigen. Schon die auffallende 'Thatsache, dass plötzlich in dem Haar Pigmentmangel eintritt, wenn das Haar, von seiner Papille gelöst, noch eine Zeit lang als Kolbenhaar weiter vegetirt, konnte auf die Bedeutung der Papille für das Auftreten des Pigmentes im Haar hinweisen. Es ist nieht zu leugnen, dass gleichwohl noch verschiedene Deutungen über den Vorgang selbst zulässig wären, doch fallen die- selben gerade durch die Untersuchung des Haarbodens der Nigritier in eine allein übrig bleibende zusammen, welche sich eng an Hrn. von Körrier’s' Angaben über die Herkunft des Pigmentes in den ÖOberhautgebilden anschliesst. Vielleicht wäre auch meine Überzeugung nicht so bestimmt ge- worden, wenn mir nicht der Zufall in dem Material der einen Suda- nesin ein Untersuchungsobjeet zugeführt hätte, welches gerade in diesem Punkte an Klarheit nichts zu wünschen übrig liess. Dieselbe hatte theilweise ergrautes Haar, und da das noch unveränderte ein kräftiges, tiefschwarzes Pigment führte, so kann man an den Prae- paraten alle Übergangsstufen von dem pigmentreichen bis zum weissen Haar neben einander sehen. Verfolgt man solche Haare, wo nur noch wenig vorhanden ist bis gegen die Papille, so sieht man, dass hier ganz vereinzelte pigmentführende Elemente auftreten, deren Verhalten durchaus cha- rakteristisch ist und eine Verschiedenheit der Deutung nach meiner Überzeugung gar nicht zulässt. In der Papille selbst finden sich noch vereinzelte, pigmenthaltige Zellen, die meist eontrahirt sind, aber in der bereits oben erwähnten weichen Umhüllung der Papille, welche man den Papillenmantel nennen könnte, haben sie sich angesammelt; sie platten sich hier gegen die Papillenoberfläche ab und senden lange dünne Fortsätze zwischen die eylindrischen Zellen des Keimlagers (Fig. 2). Da dicht darüber im Bulbus die jungen Haarfasern bereits Pigment führen, geschlossen lagernde Fortsätze von Pigmentzellen aber nicht mehr gefunden werden, so müssen sich dieselben in der bezeichneten Region auflösen und ihr Pigment an die noch weichen aufnahme- ! Sitzungsber. d. Würzburger Phys.-med. Gesellschaft. 510 Sitzung der phys.-math. Classe v. 23. April. — Mittheilung v. 19. März. fähigen Haarfasern abgeben. Gleichviel wie das Pigment im Körper überhaupt entsteht, den Haaren wird es zugeführt durch pigmenthaltige Zellen, die in die Papille gelangen und von hier sehnell nach dem Papillenmantel durchtreten, um so zwischen die Haarzellen zu gelangen. Damit steht das Bild in Übereinstimmung, welches sich beim Haarschwund entwickelt, wie es an einem Praeparat des Mogrebiners mit einer Zwillingspapille mir kenntlich wurde; hier umzieht ein weitmaschiges Netz verzweigter Pigmentzellen die Bulbus-Elemente, sich scharf davon abhebend, da hier auch eine Verarmung an Pigment sich anbahnt. Vergleicht man damit den Längsschnitt eines Haar- balges von demselben Individuum, wo das Haar bereits nach oben vorgeschoben ist, so sieht man die von der noch vorhandenen Papille durchgetretenen Pigmentmassen als unregelmässige Schollen in dem Raum des leeren Haarbalges liegen. Wo das Haarpigment noch in mittlerer Mächtigkeit erscheint, wie es z.B. an den Praeparaten einer anderen Sudanesin sehr schön zur Beobachtung gelangt, umkleidet die Papille ringsum ein prächtiges Netzwerk der verzweigten Pigmentzellen, dessen Maschen immer noch locker genug sind, um die Bulbuszellen zwischen sich aufzunehmen. Im Vergleich mit diesen, im jugendkräftigen Zustande ungemein stark pigmentirten Haaren ist dasselbe auch in den dunkleren Haaren unserer Rassen verhältnissmässig dürftig, und ich habe an solchem Material entsprechend klare Bilder der Pigmenteinwanderung in das Haar nieht gewinnen können, wodurch sich der Zweifel und die Unsicherheit über die Herkunft des Pigmentes in den Haaren theil- weise erklären mag. Die vorstehende, flüchtige Übersicht über einige der hervor- stechendsten Erscheinungen, welche die Betrachtung der umfang- reichen Reihen von Praeparaten darbot, konnte leider auf manchen wichtigen Punkt nicht näher eingehen, über den eine genauere Dar- legung vorbehalten bleiben muss. ß Dahin gehören vor allen Dingen vergleichende Beobachtungen über das Auftreten der Ersatzhaare zwischen den normalen oder aus- fallenden Haaren, über den Haarwechsel im allgemeinen, sowie über die besonderen Merkmale der zugehörigen anderen Theile der Haut, zumal der Talgdrüsen und Arreetores pili. In diesem Sinne kann das Vorstehende nur als eine einleitende Studie gelten, die zu ver- öffentlichen ich mich vielleicht nieht entschlossen hätte, wenn es Ferrser: Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 511 nieht wünschenswerth erschienen wäre, den Stand dieser Unter- suchungen, nachdem ich mich fast zwei Jahre damit beschäftigte, klarzustellen, ausserdem aber die öffentliehe Aufmerksamkeit in den wissenschaftlichen Kreisen mehr auf den Gegenstand zu lenken und so Hülfskräfte zu gewinnen. Denn es ist durchaus nothwendig, umfangreicheres Material zu beschaffen, bevor es möglich ist, manche der so hochinteressanten einschlägigen Fragen zu erledigen. Wäre es mir nicht vergönnt ge- wesen, das zur Untersuchung verwandte Material selbst aus Africa zu holen, so würde es wohl heute noch fehlen. Vergeblich habe ich mich sowohl vor meiner letzten Orientreise als nach derselben bemüht, aus unseren Colonien brauchbares Material für die Untersuchung zu gewinnen. Ich bitte daher die Unvollständig- keit desselben mit Nachsicht zu beurtheilen. Von Figuren habe ich diesen Mittheilungen nur zwei als Proben beigeben können, da sie, wenn in ausreichender Zahl reprodueirt, das für diese Berichte Zu- lässige überschritten haben würden. Der genaueren Darlegung muss demnach auch die Veröffentlichung zahlreicherer Figuren vorbehalten bleiben. Figurenerklärung. Fig. 1. Querschnitt der Scheitelhaut einer sudanesischen Selavin in der Längsrichtung der Wurzelscheiden. Alter etwa 50 Jahre. Alexandrien. Lin. Vergr. 30. Lichtdruck. Fig. 2. (Querschnitt des Haarbulbus von demselben Individuum. Er- grauendes Haar mit einzelnen Pigmentzellen; ovale Papille mit deutlichem Mantel. Lin. Vergr. 200. Lichtdruck. Ausgegeben am 30. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1896. 48 Ihnen race | Kahl Be Pr. eh ER EUR rs x f f ELF mn Bus, % „fl 4 A| ' ö s " " Ari, 2 f > ö u u ılai: Bu Ina; “, 4 k Tal), TE. u u | Wr wur av: r \ ! ) ni Ha Hin Taf. II. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896. Fritsch: Über die Ausbildung der Rassenmerkmale des menschlichen Haupthaares. 4 n - fa SITZUNGSBERICHTE _ KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 30. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Vmenow las über Anlage und Variation. Die Mit- theilung folgt umstehend. 2. Hr. Erman legte einen von Hrn. Reg.-Baumeister BoRCHARDT unter dem 28. März d. J. eingesandten ausführlichen Bericht über den baulichen Zustand der Tempelbauten auf Philae vor. Die Akademie wird diesen Bericht dem Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten zur eventuellen Veröffentlichung mittheilen. 3. Hr. Scnwarz legte eine Arbeit des Hrn. F. Bussr, stud. math. der hiesigen Universität, vor über diejenige punktweise ein- deutige Beziehung zweier Flächenstücke auf einander, bei welcher jeder geodätischen Linie des einen eine Linie con- stanter geodätischer Krümmung des andern entspricht. Die- selbe wird in einem der nächsten Stücke dieser Berichte mitgetheilt. 4. Hr. Dr. H. Varuınger, Professor der Philosophie an der Uni- versität Halle, überreicht der Akademie das erste Heft einer unter Sitzungsberichte 1896. 49 514 Gesammtsitzung vom 30. April. dem Titel »Kantstudien« erscheinenden philosophischen Zeitschrift, welche sich zur Aufgabe stellt, die von der Akademie unternommene neue Kant-Ausgabe vorzubereiten und zu unterstützen. Die Akademie hat das ordentliche Mitglied ihrer philosophisch-historischen Olasse HEINRICH von TREITSCHKE am 28. April, und das correspondirende Mitglied ihrer physikalisch -mathema- tischen Classe ADALBERT KrUEGER in Kiel am 21. April durch den Tod verloren. 4 IDEALE 5 U DU wu je J1 Anlage und Variation. Von Rup. VIRcHow. Seit länger als einem Jahrhundert bewegt sich die pathologische Forschung mit zunehmender Sicherheit in der Aufsuchung der ört- lichen Veränderungen, welche die Krankheit, d. h. die abweichenden Lebenserscheinungen, bedingen. Schon als Morsasnı seine berühmten Bücher de sedibus et causis morborum in die Welt schickte, führte er den Nachweis, dass jede Krankheit ihren »Sitz«, also einen be- stimmten Ort (oder bestimmte Orte) im Körper hat. Damit begründete er im Prineip die pathologische Anatomie und gab zugleich den An- stoss zu jener durchgreifenden Veränderung auch der klinischen Me- diein, welehe die Lehre von den essentiellen Fiebern mehr und mehr zurückdrängte und an ihre Stelle die Kenntniss der Localpathologie einführte. In der Verfolgung dieser Richtung ist man von den regionären Erkrankungen allmählich zu den Organ-Erkrankungen, und von ihnen zu den Erkrankungen der Gewebe und schliesslich zu den Erkrankungen der Zellen gelangt, nicht auf einem constructiven, sondern auf einem empirischen Wege. In den Zellen, den Sitzen des Lebens, wurde auch der Sitz der Krankheit erkannt. Die nachweisbaren Verände- rungen der Zellen und der ihnen aequivalenten Gebilde erscheinen somit als das Wesen der Krankheit. Und indem dieses Wesen zugleich den Grund der Krankheit enthielt, fielen gewissermaassen Sedes und Causa zusammen, und die Forschung nach den Causae morborum trat in die zweite Linie des Interesses. Trotzdem würde man den Pathologen, und am meisten den praktischen Ärzten, schweres Unrecht anthun, wenn man annehmen wollte, dass sie jemals vergessen hätten, nach den Ursachen zu fragen, welehe die Abweichungen in den Lebensthätigkeiten der Zellen her- vorbringen. Im Gegentheil, kein Gebiet der gesammten Biologie hat so viele Untersuchungen über die Ursachen aufzuweisen, als gerade die Pathologie. Wer nur irgend einen Blick in das grosse Capitel von der Aetiologie werfen will, der wird sich leicht überzeugen, wie 49* 516 * Gesammtsitzung vom 30. April. eifrig das Bestreben der Pathologen gewesen ist, die essentiellen Ver- änderungen der erkrankten Theile auf fassbare Ursachen zurückzuführen. Begreiflicher Weise traten unter diesen Ursachen die Einwirkungen äusserer Agentien in den Vordergrund der Betrachtung, selbstverständ- lich am meisten die mechanischen, oder, wie man sie mit Vorliebe genannt hat, die traumatischen, nächst ihnen die chemischen, aber auch die physikalischen. Man braucht nur die populär gewordene Lehre von der Erkältung und den Erkältungskrankheiten ins Auge zu fassen, um zu erkennen, in welcher Ausdehnung die Ärzte, leider nur zu häufig ganz willkürlich, die Kälte als eine Krankheitsursache verwerthet haben. Im Laufe unseres Jahrhunderts sind dazu die para- sitären Ursachen gekommen, thierische und pflanzliche, makroskopische und mikroskopische, anfangs vereinzelt, dann in stürmischer Aufein- anderfolge. Mancher hat in der Freude neuer Entdeckung die ruhige Überlegung eingebüsst. So ist es möglich geworden, dass Viele in den parasitären Wesen die »Krankheitswesen« vor sich zu sehen glaubten und dass gegenwärtig von einzelnen Fanatikern behauptet wird, es gäbe überhaupt keine Krankheit ohne Bakterien oder Proto- zoen. Hat man doch sogar die Frage aufgeworfen und zum Gegen- stande experimenteller Untersuchung gemacht, ob es überhaupt Leben ohne Bakterien gebe. Man hätte mit demselben Rechte fragen können, ob es ein anderes Leben gebe, als bakterielles. Diesen Verirrungen gegenüber mag es genügen, zu sagen, dass es auch in dieser Zeit nicht an Warnungen gefehlt hat, die Gesetze der Logik und die Erfahrungen der nüchternen Beobachtung nicht zu verlassen. Auch die Parasiten, obwohl selbständige Lebewesen, sind für den Pathologen nur Krankheitsursachen; sie sind nicht Krankheits- wesen und nicht die Krankheit selbst. In der Classe der Causae externae nehmen sie eine bedeutungsvolle, in gewissem Sinne in der That die bedeutendste Stelle ein. Aber es würde keinen gesunden Menschen geben, wenn die Anwesenheit der genannten Parasiten allein genügte, um den Körper krank zu machen. Ganz von selbst hat sich die Aufmerksamkeit daher wiederum den Causae internae zugewendet, welche in der allgemeinen Patho- logie nie aufgehört haben, ein Gegenstand der Lehre zu sein, welche aber von der grossen Masse der Neuerer eine Zeit lang in das Be- reich der Fabel verwiesen worden sind. Zur Entschuldigung lässt sich sagen, dass die Erforschung der Causae internae ungewöhnlich grosse Schwierigkeiten darbietet. Diese Schwierigkeiten sind dop- pelter Art. Einerseits sind es logische Schwierigkeiten, welche durch eine mangelhafte Terminologie gesteigert werden. Die eine derselben be- . FE JE Vırcmow: Anlage und Variation. 517 ruht in der Zweideutigkeit des Ausdrucks: »innere«. Nach dem popu- lären Sprachgebrauche, den auch die Medieiner angenommen haben, heisst Alles, was innerhalb der Grenzen des lebenden Körpers vor- handen ist oder wirkt, »intern«. Eine ätzende Substanz, welche die Eigenschaft besitzt, Verbindungen mit den Geweben des Körpers ein- zugehen, die das Leben schädigen oder gänzlich aufheben, heisst, so lange sie auf die äussere Oberfläche des Körpers einwirkt, ein Ätz- mittel und gilt als Causa externa. Gelangt dieselbe Substanz in den Magen und erzeugt sie da die gleichen Veränderungen, so nennt man sie ein Ätzgift (Venenum corrosivum) und sie gilt als Causa interna. Noch mehr ist dies der Fall, wenn die Substanz vom Magen aus resorbirt und in die Circulation gebracht wird, so dass sie auf ganz entfernte innere Theile schädigend einwirken kann. Nicht selten tritt hier keine Ätzung ein, selbst wenn der Tod dadurch herbeigeführt wird. Dann nennt man sie kurzweg Gift. Es ist leicht ersichtlich, dass es sich dabei durchweg um dieselbe Substanz handelt, die von aussen gekommen ist. Für das Verständ- niss der Vorgänge wird nichts dadurch gewonnen, dass man dieselbe einmal eine Causa externa, ein andermal eine Causa interna nennt; im Gegentheil, es entsteht dadurch eine arge Verwirrung. Auch wenn die Substanz im Körper eine neue Verbindung eingeht und nur in dieser Verbindung wirksam wird, wie es z.B. bei Säuren und Alkalien der Fall ist, wird das Verständniss sehr erleichtert, wenn man dabei beharrt, die Causa externa eine externa bleiben zu lassen. Das gilt für alle Gifte, auch für die nicht ätzenden. Und gleichwie es für die Gifte gilt, so gilt es auch für die Para- siten, insbesondere für die Bakterien. Sie bleiben mindestens so lange, als sie überhaupt Sonderexistenzen mit eigenem Leben sind, Causae externae, auch wenn sie in das Innere von Organen oder gar von Zellen eindringen. Am besten wird man sich das klar machen an den makro- skopischen Parasiten. Ein Mensch oder ein Schwein, das in vielen seiner Theile Finnen (Cysticercus cellulosae) mit sich herumträgt, steckt eben voll von Causae externae, auch wenn alle diese Finnen schliesslich absterben. Es verhält sich damit ebenso, als wenn der Mensch zahl- reiche »fremde Körper«, z. B. Schrotkörner oder Kohlenstückchen, im Leibe hat. Am augenfälligsten verhalten sich in dieser Beziehung die Trichinen, von denen ich nachgewiesen habe, dass sie in die Primitiv- bündel der Muskeln selbst einwandern und nur soweit, als dies ge- schieht, am Leben bleiben, dann jedoch möglicher Weise sehr lange Zeit, zuweilen mehrere Decennien hindurch. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sind dies »geheilte« Fälle. Aber man darf nicht vergessen, dass dabei keine Restitutio in 518 Gesammtsitzung vom 30. April. integrum erfolgt ist. Es handelt sich eben um eine Defecetheilung, gerade so wie wenn im Leibe eines Menschen eine Flintenkugel oder ein Schrotkorn »eingeheilt« oder ein Parasit »eingekapselt« ist. Nun geschieht es aber nicht selten, dass an solchen Stellen (bei Kugeln oft, bei Triehinen und Finnen seltener oder weniger bemerkbar) früher oder später neue Störungen, z.B. entzündliche Processe, auftreten. Dann erweist sich die Stelle der Defectheilung als ein Loeus minoris resi- stentiae und die Defeetheilung selbst als eine Causa interna. Naturwissenschaftlich gesprochen ist die Causa interna also verän- dertes oder in irgend welcher Weise abnormes, nicht selten neuge- bildetes und von Anfang an abweichendes Gewebe. Vermöge seiner Abnormität trägt es in sich die Möglichkeit, der Ausgangspunkt neuer Störungen der Lebensverrichtungen zu werden. Diese Möglichkeit hat man dispositio oder bei einer besonderen Stärke der Veränderung prae- dispositio genannt und daraus für die systematische Aetiologie die Berechtigung abgeleitet, die Causa interna als Causa praedisponens zu bezeichnen. Wir sind gewohnt, im Deutschen dafür kurzweg » An- lage«, griechisch » diathesis«, zu sagen. So correct diese Unterscheidung der Ursachen in äussere und innere ist, so ist sie doch immer von Neuem, bald für längere, bald für kürzere Zeit, in Misseredit gerathen, hauptsächlich deshalb, weil die Annahme einer Anlage in vielen Fällen eine ganz willkürliche war und nur als ein Lückenbüsser für den mangelnden Nachweis wirklicher Gewebsveränderungen diente. Manche sogenannte Anlage, die sich einer grossen Anerkennung erfreute, ist mit Recht in Ver- gessenheit gerathen, seitdem man die Thatsachen, welche man da- durch erklären wollte, auf andere Weise genügend zu deuten im Stande war. Als anschaulichstes und zugleich ältestes Beispiel dafür kann der Aussatz (Lepra) angeführt werden, der Jahrtausende lang als eine erbliche Krankheit gegolten hat, obwohl aussätzige Neugeborene nicht vorkommen, sondern nur in aussätzigen Familien die Krankheit in auf einander folgenden Generationen sich häufig wiederholt. Seitdem der Lepra-Baecillus aufgefunden ist, erklärt man diese Wiederholung aus neuer Infeetion der nachfolgenden Generationen; mit dem Glauben an die Erblichkeit des Aussatzes ist auch das Bedürfniss, eine lepröse Anlage zu statuiren, verschwunden. Man würde sicherlich schneller aus den Schwierigkeiten, welche die Definition des Begriffes » Anlage« mit sich bringt, herausgekommen sein, wenn sich nicht dieser Begriff in einer doppelten Richtung ent- wickelt hätte. In dem vorher dargelegten Gedankengange gelangt man zu einer mehr anatomischen Auffassung von der Natur derjenigen Veränderung, welche die krankhafte Anlage darstellt: der disponirte m — Vırcnow: Anlage und Variation. 519 Theil ist durch äussere Einwirkungen in seiner Einrichtung geändert. Dies wird namentlich bei den erworbenen Anlagen erkennbar. Aber ein grosser Theil der Anlagen manifestirt sich nicht durch Merkmale, die an der anatomischen Einrichtung der Gewebe wahrgenommen wer- den, sondern durch abweichende Thätigkeiten derselben, also durch Veränderungen der physiologischen oder, vielleicht besser ausgedrückt, der biologischen Eigenschaften: die erkennbare Störung gehört dem funetionellen Gebiete an. Diese Gruppe von Anlagen findet sich vor- wiegend bei ursprünglichen oder, wie man kurzweg zu sagen pflegt, bei angeborenen Anlagen. Hier häufen sich die sprachlichen und damit die logischen Schwierigkeiten. Nicht bloss deshalb, weil die Versuchung nur zu nahe liegt, das Angeborene auch für erblich zu halten, sondern noch mehr deshalb, weil man noch immer nicht dazu gelangt ist, das Pathologische nicht schlechtweg als krankhaft anzusehen. Ich will hier nicht von Neuem die oft von mir betonte Nothwendig- keit nachzuweisen suchen, diese Begriffe zu sondern; ich beschränke mich darauf, in Kürze die verschiedenen Fälle zu unterscheiden, welche uns bei dem Studium der Anlagen entgegentreten: I. Ursprüngliche Anlagen können auch extrauterin, nach der Geburt, entstehen, wenn neues Gewebe gebildet wird, welches in seinem Typus von dem früheren Gewebe oder von dem Gewebe, das normaler Weise hätte entstehen sollen, abweicht. So ist eine Narbe jedesmal verschieden von dem Gewebe, zu dessen Ersatz sie bestimmt ist. Obwohl sie in der Regel aus Bindegewebe besteht, so ist dieses Bindegewebe doch nachweisbar verschieden von dem früheren Binde- gewebe des Ortes oder des Organs, in welchem sie entsteht. Daher verhält sie sich auch verschieden gegen Einwirkungen, von denen sie betroffen wird. 2. Ursprüngliche Anlagen können schon vor der Geburt, intra- uterin, entstehen und bei der Geburt vorhanden, also angeboren (eongenital) sein, ohne doch auf Vererbung bezogen werden zu dürfen. Viele von ihnen sind postgenerativ, aber während des Foetallebens, dureh Einwirkungen, welche schon gebildete Theile des Kindes im Mutterleibe betrafen, entstanden. Sie gehören also zu den erwor- benen Foetalanlagen. Eine Synostose von Knochen, welche sich getrennt entwickeln sollten, kann erst entstehen, wenn die Knochen vorhanden sind; eine Lähmung, mag sie vollständig oder unvollständig sein, setzt die Praeexistenz von Muskeln und Nerven voraus. 3. Ursprüngliche Anlagen können im strengen Sinne des Wortes erblich (hereditär) sein. Das bedeutet, dass die Ursache zu ihrer Entstehung schon bei der Conception wirksam, dass sie also im 520 Gesammtsitzung vom 30. April. Ovulum oder im Sperma vorhanden war und durch die Conception übertragen wurde. Dagegen setzt es nicht voraus, dass die Ver- änderung des befruchteten Ovulum anatomisch erkennbar sei; es ge- nügt, dass bei der Gestaltung der embryonalen Gebilde jede weitere Einwirkung ausgeschlossen, die abweichende Bildung also aus einer immanenten Ursache allein zu erklären ist. Die Zeit, wo diese Ab- weiehung manifest wird, ist für die Deutung nicht entscheidend: sie kann der eigentlichen Embryonalperiode oder den späteren Monaten des Foetallebens oder den extrauterinen Wachsthumsabschnitten oder auch der Pubertät oder selbst dem Greisenalter angehören. Nur müssen es selbstverständlich Bildungsvorgänge sein, auf welche sich die Erklärung beziehen soll. Als Beispiel mögen die Haare dienen. Gerade in ihrer Bildung treten erbliche Eigenthümlichkeiten in besonderer Schärfe hervor. Aber nur eine beschränkte Anzahl derselben ist schon bei der Geburt vorhanden. Man denke nur an die Bildung der Schamhaare und des Bartes, welche erst spät, zum Theil erst mit oder nach der Pubertät hervorwachsen und doch sehr häufig erbliche Besonderheiten zeigen. Auch die Länge und die Farbe des Haares erreicht, namentlich bei der weissen Rasse, erst spät charakteristische Eigenschaften. Ursprünglich blondes Haar dunkelt meistentheils allmählich nach, um nicht selten ausgemacht brünett zu werden. Jedoch ist dies nicht so zu verstehen, dass blonde Theile des Haares brünett werden, sondern so, dass die nachwachsenden, später gebildeten Theile pigmentreicher sind, als die zuerst entstan- denen. Die Anlage dazu steckt aber schon in den Haarwurzeln. Schwieriger verständlich sind die erblichen Übertragungen functio- neller Anlagen. Schon die Constatirung solcher Anlagen ist höchst unsicher, wenn dieselben erst in einer späteren Zeit des Lebens be- merkbar werden. Nirgends zeigt sich dies so deutlich, als in der Psychiatrie: es giebt nicht wenige Familien, in denen ein Angehöriger nach dem anderen in Geisteskrankheit verfällt, nachdem er ein ge- wisses Lebensalter erreicht hat. Die Geisteskrankheit äussert sich durch ein abweichendes functionelles Verhalten des Gehirns, aber es ist bis jetzt noch nicht gelungen, constante anatomische Veränderungen aufzufinden, welche die abweichende Function genügend erklären. Dass diese Abweichung nicht schon bei der Geburt oder bald nachher be- merkbar wird, begreift sich leicht, wenn man erwägt, dass die zu höherer Function berufenen Elemente des Gehirns beim Neugeborenen noch unentwickelt sind, aber wir kennen die einzelnen Phasen der extrauterinen Ausgestaltung des Gehirns noch zu wenig, um eine zu- verlässige Theorie der abweichenden Anlagen geben zu können. Dies ist auch der Grund, weshalb die neueren Versuche, eine sogenannte in. Vırcaow: Anlage und Variation. 521 Criminal-Anthropologie zu schaffen, mit so enthusiastischen Hoffnungen sie auch begonnen wurden, in den Anfängen stecken geblieben sind. Und doch kann man nicht umhin, die principielle Berechtigung der Annahme cerebraler Anlagen anzuerkennen. Das beweist die fast aus- nahmslose Benutzung des Begriffes »erbliche Belastung« durch die Psychiatriker, obwohl über die Zulässigkeit desselben im einzelnen Falle eigentlich nur im Sinne heraldischer Stammbäume entschieden wird. Gerade auf dem Gebiete der functionellen Anlagen stossen wir aber auf jene weit ausgedehnte Reihe individueller Eigenschaften, welche sich erblich übertragen, ohne irgend etwas Krankhaftes an sich zu haben. Es sind dies im strengsten Sinne physiologische Anlagen. Auf ihnen beruht die unendliche Mannichfaltigkeit des geisti- gen Lebens der Menschen, welche völlig unbegreiflich sein würde, wenn wir annehmen müssten, dass die scheinbare Übereinstimmung im Gehirnbau der verschiedenen Individuen in der That eine gleich- mässige Zusammensetzung des Denkorgans beweise. Dass eine der- artige Gleichmässigkeit in Wirklichkeit nicht besteht, ist anatomisch unschwer zu demonstriren, und man darf zuversichtlich erwarten, dass es gelingen wird, bei weiterer Forschung die erkennbaren Ab- weichungen im anatomischen Bau in einen näheren Zusammenhang mit den Besonderheiten der functionellen Befähigung zu bringen. Vor der Hand und für die gegenwärtige Betrachtung muss es genügen, die Stellung im biologischen Systeme zu bezeichnen, wohin diese physiologischen Anlagen gehören. Sie sind eben Erscheinungen der Variation. ; Solche Erscheinungen treffen wir in allen Zweigen der biologi- schen Wissenschaft. Sie bedeuten jene geringeren Abweichungen von dem Typus, welche innerhalb einer Art (Species) von Lebewesen zu Stande kommen, ohne die Gesammterscheinung derselben aufzuheben oder unkenntlich zu machen und ohne den Fortbestand des betreffenden Lebewesens direet zu gefährden. Wenn die Variation sich erblich von Generation zu Generation fortpflanzt, so entsteht eine Rasse. Das lässt sich, wie Darwın in unzweideutiger Weise gezeigt hat, durch die Erfahrungen der Domestication oder Züchtung positiv beweisen. Bekanntlich ist Darwın aber noch einen Schritt weiter gegangen, indem er durch die erbliche Fortpflanzung weiterer Abweichungen innerhalb der Rasse eine neue Art entstehen liess. Seine Nachfolger haben es dann leicht gefunden, auch ohne positive Nachweise der Um- gestaltung die theoretische Formel für die Entstehung neuer Gattun- gen (Genera) zu construiren. Für die vorliegende Untersuchung ist es nicht nöthig, über die Rasse hinauszugehen. Da wir es nur mit dem Menschen zu thun 522 Gesammtsitzung vom 30. April. haben, so genügt es, bei der Variation im gewöhnlichen Sinne stehen zu bleiben. Bei dieser muss aber betont werden, dass es eine dop- pelte Art derselben giebt: die individuelle und die erbliche. Der Unterschied zwischen denselben liegt nicht einfach in der Abweichung als solcher, oder, anders ausgedrückt, in dem Wesen derselben, son- dern in der Art ihrer Entstehung. Es ist selbstverständlich, dass eine erbliche Variation genetisch anders interpretirt werden muss, als eine individuelle, und ebenso, dass keine erhliche Variation entstehen kann, wenn nicht eine individuelle voraufgegangen ist. Letztere kann also auch ohne Weiteres als primäre, erstere als secundäre be- zeichnet werden. Handelt es sich um ganze Individuen, wie sie die Zoologie und die Botanik, oder auch die Physiologie und die Pathologie, zunächst ins Auge zu fassen gewohnt sind, so sind in der Regel zwei ver- schiedene Generationen dazu erforderlich, die individuelle (primäre) und die erbliche (secundäre) Variation zu Stande zu bringen. Anders innerhalb der socialen Einrichtung eines zusammengesetzten Indivi- duums, bei der Betrachtung einzelner Organe oder Gewebe, wo die- selbe Zelle oder dasselbe Gewebsstück sowohl die individuelle Varia- tion erleiden, als auch die erbliche Fortpflanzung derselben einleiten kann. Die Vorgänge der Reizung verlaufen an bindegewebigen und an epithelialen Gebilden häufig in dieser Art, und die Pathologen haben sich daher daran gewöhnt, im Laufe vieler irritativer Processe zwei Stadien zu unterscheiden: ein Stadium der Hypertrophie, welches der einfachen Variation entspricht, und ein späteres Stadium der Pro- liferation, in welchem die erbliche Variation der Elemente zur Herr- schaft gelangt. Es gehört eine anhaltende Beschäftigung mit den einzelnen Acten dieser Vorgänge dazu, um den Eindruck der Fremdartigkeit zu über- winden, welchen die pathologischen Processe gegenüber den physio- logischen auch bei längerer Betrachtung machen. Und doch entstehen physiologische Anlagen nicht anders, als pathologische, gleichviel ob wir sie an einzelnen Zellen oder Geweben, oder an ganzen Individuen studiren. Für diejenigen, welche in den sogenannten Individuen so- ciale Organismen sehen, die aus einzelnen Zellen hervorgegangen und aus solchen zusammengesetzt sind, schwindet der scheinbare Gegen- satz bald; wer dagegen die strengere analytische Methode der Patho- logie nicht in sich aufgenommen hat, der schwankt in der Deutung auch der physiologischen Anlagen ohne Leitfaden hin und her. Für den Pathologen giebt es keine Möglichkeit der Ent- stehung einer primären Variation ohne eine äussere Ur- sache. Alle entgegenstehenden Erklärungsversuche beruhen ersicht- Vırcnow: Anlage und Variation. 523 lich auf blossen Formeln, welche jeder mechanischen Anschauung widerstreiten. Innere Ursachen werden erst bei der secundären Varia- tion, d.h. bei der Vererbung, wirksam. Bei dieser können äussere Ursachen hemmend oder begünstigend, aber nicht bestimmend, ein- wirken. Denn die Vererbung wird durch innere Zustände der Zellen bewirkt, welche an der Substanz derselben haften. Sie können län- gere oder kürzere Zeit latent bleiben, bis durch äussere Ursachen ihre Thätigkeit geweckt und ihre Existenz manifestirt wird. BrumesgBAacH nannte die innere Ursache den Bildungstrieb (Nisus formativus); die Neueren, die an die Stelle einer Kraft jedesmal eine körperliche Substanz zu setzen bestrebt sind, haben dafür den Bildungsstoff ge- setzt. So ist allmählich das Wort Protoplasma oder kurz Plasma in Gebrauch gekommen. Wenn man der geschichtlichen Entwickelung dieses Begriffes nachgeht, so gelangt man bis in jene Periode der englischen Patho- logie und Physiologie, wo, hauptsächlich durch Hrwsox und Jomn Hunter, die Forschung über die Ursache des Lebens auf die Suche nach dem sogenannten Lebensstoff gerichtet wurde. So wenig es diesen Männern gelungen ist, den gesuchten Stoff zu entdecken, so erfolglos ist die Arbeit der Neueren geblieben. Eine Zeit lang glaubte man bei Verfolgung des Weges der englischen Pathologen den Lebens- stoff in dem Fibrin erkannt zu haben, dem man deshalb den auch jetzt noch missbräuchlicher Weise angewendeten Namen des Plasma bei- legte, aber bei einer exacten Analyse überzeugt man sich, dass ge- rade diejenigen Gewebstheile, denen man vorzugsweise eine Ausstat- tung mit fibrinösem Material zuschrieb, nichts davon besitzen, und dass die Neubildungen im menschlichen Körper keineswegs aus Faser- stoff hervorgehen. So ist es gekommen, dass in der Sprache der Morphologen das Protoplasma keine chemische Bedeutung behalten hat, überhaupt nicht als eine besondere, durch constante Merkmale charak- terisirte Substanz betrachtet wird, sondern nur eine Titulatur für die Zellsubstanz geworden ist. Wer eine genauere Erörterung über die Ausgestaltung und Entwickelung der Zellen und über die Herstellung der »Anlagen« vornehmen will, der kommt heutigen Tages mit einem Plasma nicht mehr aus: er braucht immer mehrere Plasmen. Das Leben ist an sich ja keine einfache Erscheinung. Es äussert sich durch besondere Thätigkeiten. Will man diese Lebensthätigkeiten auch nur in den allgemeinsten Beziehungen vorführen, so gelangt man zu jener Dreitheilung, die ich seit langer Zeit der cellulartheore- tischen Betrachtung zu Grunde gelegt habe: Nutrition, Formation und Function. Die Annahme, dass dieselbe Substanz diese drei ganz ver- schiedenartigen Thätigkeiten auszuüben im Stande sein sollte, verträgt 524 Gesammtsitzung vom 30. April. sich nicht mit der Voraussetzung ihrer einheitlichen Zusammensetzung. Eine Thätigkeit, die, wie die Nutrition, auf die Selbsterhaltung gerichtet ist, kann nicht gleichzeitig als ihr Ziel die Bildung neuer Zellen haben, denn da diese durch eine Theilung der alten Zellen zu Stande kommt, so hat sie in Beziehung auf die letzteren einen zerstörenden Charakter. Noch weit weniger ist es angängig, die specifische Function der Nerven und der Muskeln, die weder etwas mit Selbsterhaltung, noch mit Fort- pflanzung zu thun hat, auf eine gleichartige Thätigkeit zurückzuführen. Dazu kommt, dass gerade diejenige Thätigkeit, welche für die gegen- wärtige Untersuchung vorzugsweise in Betracht kommt, nämlich die Formation, keineswegs allen Zellen oder Geweben zukommt, dass viel- mehr die höchst entwickelten, wie die Ganglienzellen, die rothen Blut- körperchen, die Flimmerepithelien, dieselbe entweder ganz entbehren oder höchstens in sehr unvollkommenem Maasse besitzen. Funetio- nelle Thätigkeit im engeren Sinne ist bei manchen Zellen mit hervor- 'agend formativen Eigenschaften, wie bei denen des Bindegewebes oder der Knochensubstanz, kaum nachzuweisen. Lässt sich daher der Gedanke nicht wohl zurückdrängen, dass die vitale Substanz der verschiedenen Zellen keine einheitliche Zu- sammensetzung besitze, so wird man nicht umhin können, das soge- nannte Protoplasma in mehrere Substanzen zu zerlegen, welche in derselben Zelle coexistiren können. Nichts liegt näher, als die Vor- stellung, dass nur ein Theil der Zelle die Ernährung, ein anderer die Function, ein dritter die Neubildung besorgt. Auch würde man dieser Auffassung wahrscheinlich längst näher getreten sein, wenn nicht die verschiedenen Zellen eine so mannichfaltige innere Einrichtung be- sässen, dass darüber die Vorstellung von der Einheitlichkeit des Le- bens in Gefahr zu gerathen schien. Aber Leben ist doch nicht bloss die Thätigkeit der Selbsterhaltung, wenn diese auch die erste Voraus- setzung aller Fortexistenz des Lebens darstellt. Und wenn man für Selbsterhaltung Ernährung einsetzt, so wird man nicht vergessen dürfen, dass der sogenannte Stoffwechsel weder das Wesen der Func- tion, noch das der Formation zu erklären vermag. Will man in der That eine einheitliche Substanz als Trägerin des Lebens, so kann es unmöglich dieselbe sein, welche die speeifische Thätigkeit der einzelnen Zellen vermittelt und welche naturgemäss auch als Grund der verschiedenen Anlagen der Zellen, Gewebe und Organe, sowohl der physiologischen, als der pathologischen, betrachtet werden muss. So ist es gekommen, dass zuerst die Botaniker das Ernährungs- plasma (Trophoplasma) von dem speeifischen Gewebsplasma (Idioplasma) unterschieden haben. Aber es ist nicht gelungen, für jede dieser beiden Arten eine besondere chemische Substanz mit bestimmten Eigen- Vırcnow: Anlage und Variation. 525 schaften nachzuweisen. Die Arbeit der Neueren ist daher mehr auf die morphologischen Eigenschaften, also auf die Struetur des Proto- plasma gerichtet gewesen. Schon die mikroskopische Untersuchung, unterstützt durch die Anwendung immer neuer Färbemittel, hat das Vorhandensein einer Fülle der mannichfaltigsten Bildungen im Innern der Zellsubstanz erschlossen. Nach der erschöpfenden Darstellung, welche Hr. WALDEvyEr vor Kurzem von den neueren Ansichten über den Bau und das Wesen der Zellen geliefert hat, ist es unnöthig, darauf näher einzugehen, zumal da für die Frage der Anlagen, die uns hier beschäftigt, entscheidende Gesichtspunkte dadurch nicht ge- wonnen worden sind. Noch weniger liegt eine Veranlassung vor, die rein hypothetischen Theorien zu besprechen, welche, bei dem Mangel entscheidender Kenntnisse über die chemische Natur der vitalen Stoffe und über den Einfluss der feinsten sichtbaren Verhältnisse auf die Lebensthätigkeiten, mit grossem Scharfsinn ausgesonnen worden sind. Von grösserer Bedeutung ist die Erforschung der Zellkerne ge- worden. Lange Zeit hindurch hatte man die Aufmerksamkeit vor- zugsweise der ausserhalb des Kerns gelegenen Zellsubstanz, die man deshalb auch als das eigentliche Protoplasma bezeichnete, zugewendet. Freilich galt schon in der sogenannten Zellentheorie von ScHLEIDEN und Scuwann der Kern als der eigentliche Zellbildner (Cytoblast): man glaubte in ihm das erste erkennbare Element der Organisation über- haupt zu sehen. Aber diese Theorie hat vor den Thatsachen nicht standgehalten, so sehr sie der traditionellen Meinung von einer Ur- zeugung entsprach. Mit jedem neuen Nachweise für die erbliche Fortpflanzung von Lebenselementen ist der Glaube an eine Generatio aequivoca stärker erschüttert worden, und auch die Pathologie, eines der letzten Bollwerke derselben, ist ihr verloren gegangen. Nichts- destoweniger hat der Zellkern in den Augen der Biologen eine erhöhte Bedeutung gewonnen, und es darf als ein Verdienst der Pathologen betrachtet werden, dass sie diese Bedeutung früh erkannt und ver- theidigt haben, freilich nicht für einen Zellkern, der als selbstän- diges Produet der Organisationskraft eines amorphen Bildungsstoffes entsteht, sondern für den Zellkern der fertigen Zelle, in welcher er als der Mittelpunkt der ernährenden und bildenden Vorgänge er- scheint. Man wusste längst, dass die Kerne sich sowohl chemisch als funetionell von dem gewöhnlichen Protoplasma unterscheiden. Die neueren Forschungen haben gelehrt, dass sie besondere chemische Sub- stanzen enthalten. Seit der Entdeckung des Nucleins durch MiEscHER hat sich die Zahl dieser Substanzen schnell vermehrt. Aber zugleich hat sich gezeigt, dass es verschiedene Nucleine und Verbindungen von 526 Gesammtsitzung vom 30. April. Eiweisskörpern mit Nucleinsäuren giebt, und es lässt sich mit Be- stimmtheit erwarten, dass aus dieser Verschiedenheit manche Eigen- thümlichkeiten der vitalen Thätigkeit werden erklärt werden. Das- selbe gilt von der morphologischen Structur der Kerne, deren Be- deutung für die Erzeugung neuer Zellen durch die bahnbrechenden Untersuchungen von Fremnise über die Karyokinese in helles Licht gestellt ist. Die Kerne sind eben die regulatorischen Centren für das Zellenleben: sie bestimmen Maass und Richtung der regenerativen Vor- gänge, durch welche nicht nur die Erhaltung der typischen Struetur und die Wiederherstellung der normalen Thätigkeit gesichert, sondern auch die Fortpflanzung und das Wachsthum der Zellen und der Ge- webe bedingt wird. Mit ihrem Untergange schwindet das Leben. Wenn manche Elemente, wie die rothen Blutkörperchen, auch nach dem Verlust der Kerne noch gewisse physiologische Functionen er- füllen, so ist dies doeh nicht mehr das volle Leben mit allen Bürg- schaften der Dauer. Denn das Blut ist ausser Stande, seine Verluste aus sich selbst zu decken: es bedarf dazu der Zuführung neuer, ur- sprünglich kernhaltiger Elemente aus den blutbereitenden Organen. Aus diesem Grunde ist das Blut auch nicht, wie man es seit den ältesten Zeiten geglaubt hat, der selbstthätige Träger der Anlagen und der an diese geknüpften Vererbung bestimmter Eigenschaften. Die traditionelle Lehre von den erblichen Dyskrasien musste in dem Augenblick aufgegeben werden, wo die Zusammensetzung und Mischung des Blutes als abhängig von Einflüssen erkannt wurde, die ausser- halb desselben gelegen sind. So wird es verständlich, dass die moderne pathologische Forschung sich mehr und mehr denjenigen bleibenden Geweben zugewendet hat, in welehen volle Zellen enthalten sind, durch deren Thätigkeit regulatorische Processe ermöglicht werden. Insbesondere für die Ergänzung des Zellen- bestandes und für die Erweiterung desselben bedarf es gewisser Mutter- gewebe (Matrieulartheile), welche dem Organismus neue Elemente zur Verfügung stellen. Werden die Muttergewebe verzehrt oder zerstört, so hört auch die Fähigkeit des Organismus zu regenerativer Thätigkeit in dieser Richtung auf. So ist die Erzeugung der Zähne geknüpft an die Existenz von Zahnkeimen, das Wachsthum und die Erhaltung der Haare an die Integrität von Haarwurzeln, die Bildung und das Wachsen der Knochen an das Vorhandensein von Knorpel und Beinhaut. Und um- gekehrt entbehrt der erwachsene Organismus der Möglichkeit, Muskel- primitivbündel oder Ganglienzellen zu erzeugen, weil die dafür noth- wendigen Muttertheile schon bei der ersten Bildung vollständig ver- braucht werden. Anlagen zu formativen Processen können daher nur in solehen Muttertheilen gesucht werden. Vırcnow: Anlage und Variation. DT Um diese Thatsache zu begreifen, ist es nicht nöthig, über das Gebiet der wirklich zu beobachtenden Vorgänge auf bloss eonstructive Möglichkeiten hinauszugreifen. Wenn neuerlich Hr. Wrısmann den Satz vertheidigt, dass überall die erbliche Fortsetzung der Anlagen an ein Keimplasma gebunden sei, welches sich von der Conception her in den Theilen erhält, so mag diese Formel zugelassen werden, insofern das Keimplasma innerhalb von Zellen gedacht wird; nur muss man sich dann darüber klar werden, dass damit nichts Neues gesagt ist, und dass damit die weitere Untersuchung nicht abgeschnitten werden darf, ob der Kern oder der Zellkörper Träger dieses Keimplasma ist. Die zweite Hypothese des Hrn. Weısmann von sogenannten Iden, d.h. kleinsten, nicht mehr sichtbaren Theilchen des Keimplasma, welche selbständig alle vitalen Eigenschaften besitzen sollen, fördert das Ver- ständniss nieht im Mindesten, denn sie ist nichts als eine Art von Cy- tomorphismus, der in ganz willkürlicher Art die Zelle mit einer Unzahl kleinster Zellchen erfüllt. Die in der Vorstellung mit ähnlichen Eigenschaften ausgestatteten Granula des Hrn. Aurmasx haben wenig- stens den Vorzug, dass sie gesehen werden können, aber dass jemals von ihnen in der Physiologie oder der Pathologie ein praktischer Ge- brauch gemacht werden könnte, ist nicht abzusehen. Vorläufig und voraussichtlich für lange Zeit dürfte dem interpretativen Bedürfniss durch den Nachweis von Zellen in den Geweben, z. B. im Binde- gewebe, vollständig Genüge geschehen sein. Der Hergang der wirklichen Entwickelung typischer und der Er- zeugung neuer Gewebe ist ohne solche Hypothesen vollständig durch- sichtig. Die erblichen Eigenschaften haften an den Geweben und ihren Zellen: diese sind die Träger der Anlagen. So lange die Anlagen sich in typischer Weise zu erkennen geben und so lange die von ihnen erzeugten neuen Gewebe sich in homologer Weise entwickeln, hat das Verständniss keine Schwierigkeit. Wenn Knorpel wiederum Knorpel, Bindegewebe wieder Bindegewebe, Epithel wieder Epithel erzeugt, so entspricht der Vorgang, auch wenn er in abnormer, also atypischer Stärke auftritt. doch ganz dem physiologischen Herkommen. Auch der Umstand, dass abnorm gewucherter Knorpel häufig ossifieirt, d.h. in ein anderes, wenngleich verwandtes Gewebe, das Knochengewebe, übergeht, ändert an dem Urtheil niehts, da die Anlage zur Ossification allem Knorpel, auch dem sogenannten permanenten, anhaftet und da eine primäre Erzeugung von Knochengewebe überhaupt nicht vorkommt. Nur diejenigen können einen Anstand daran nehmen, welche den von mir so oft erörterten Vorgang der Metaplasie (des Transformismus) nicht zugestehen wollen. Sie sollten sich doch daran erinnern, dass das aus Bindege- webe bestehende Periost und das weiche, zellenreiche Knochenmark 528 Gesammtsitzung vom 30. April. gleichfalls wuchern und in Knochengewebe umgewandelt werden kön- nen. Es mag ja verwunderlich erscheinen, dass dasselbe Gewebe, das knöcherne, auf dreierlei Art entstehen, ja aus dreierlei Matrices er- zeugt werden kann; für einen unbefangenen Beobachter folgt daraus nur, dass die Anlage nicht nothwendig an ein Gewebe von bestimmter Structur gebunden ist. Sehen wir doch, dass Knorpel auch durch direete Metaplasie in Fettgewebe übergehen kann und dass das Knochen- mark ganz gewöhnlich im fortschreitenden Alter dieselbe Metamorphose macht, obwohl es auch die Anlage zur Erzeugung rother Blutkör- perchen besitzt. Diese Beispiele mögen zugleich das Verhältniss von Anlage und Variation erläutern. Nehmen wir nun ein paralleles Verhältniss aus der Pathologie. Eine Knochengeschwulst (Osteoma) entsteht auf dieselbe Weise, wie der gewöhnliche Knochen, bald aus Knorpel, bald aus Bindegewebe, bald aus Mark. Der histologische Vorgang bietet keine Verschieden- heit von der typischen Össification. Aber es giebt hier mancherlei, sehr sonderbare Variationen. So habe ich bei früheren Gelegenheiten in der Akademie die Geschichte der Exostosis cartilaginea und ver- schiedener, zum Theil sehr abweichender Bildungen, z. B. der Knochen- eysten, erläutert. Hier zeigt sich die Anomalie, dass Stücke des nor- malen Knorpels, welche eigentlich verknöchern sollten, hinter der Verknöcherungslinie liegen und kürzere oder längere Zeit knorpelig bleiben, sich also wie permanenter Knorpel verhalten. Oft erst nach langer Zeit — es können Decennien darüber hingehen — beginnt in ihnen eine formative Thätigkeit, der Knorpel wuchert und bildet all- mählich eine Geschwulst (Chondroma). Diese kann nun ihrerseits wieder lange persistiren, sie kann auch in kleineren oder grösseren Abschnitten einschmelzen und eystisch werden, aber sie bleibt an einem ganz un- gehörigen Orte; sie ist also ihrem Umfange, ihrem Sitze, ihrer Er- weichung, obwohl nicht ihrem Gewebe nach, heterolog. Es kann aber auch geschehen. dass der wuchernde Knorpel seitlich, ganz ausserhalb der Axe des Knochens, herauswächst, einen scheinbar selbständigen Nebenast erzeugt, und dass später in diesem Auswuchs eine Verknöcherung eintritt, zuweilen eine ganz dichte, wie elfen- beinerne, zuweilen eine spongiöse, in deren Maschenräumen neues Mark entsteht. Das ist eben die merkwürdige Exostosis cartilaginea, die gänzlich verschieden ist von der gewöhnlichen Exostosis ossea, welche aus dem Bindegewebe des Periosts hervorwächst. Es mag hinzugefügt werden, dass es noch eine andere Art von Östeomen giebt, die am Knochen sitzen, aber nicht mit demselben zusammenhängen, und die weder aus dem primären Knorpel, noch aus dem Periost, sondern aus dem benachbarten Bindegewebe der . [89] 9 Vırcnow: Anlage und Variation. 5 Weichtheile, z. B. der Muskeln, hervorgehen. Ich habe diese discon- tinuirlichen Osteome parosteale genannt. Sie sind verwandt mit jener seltenen und extrem heterologen, multiplen Össifieation, die sich gelegentlich in grosser Ausdehnung durch die subeutanen Regionen des Rumpfes und der anstossenden Glieder hindurch entwickelt und den Menschen wie mit einem inneren Panzer oder Korbe überzieht. Überall ist es Bindegewebe, welches die Matrix für diese Knochen- bildung hergiebt, aber Bindegewebe, welches in der typischen Ent- wickelung nicht die mindeste Anlage zur Össification zeigt. Die An- nahme eines Keimplasma mit Iden hülfe für das Verständniss gar nichts. Nur die Kenntniss des verwandtschaftlichen Charakters von Bindegewebe und Knochengewebe macht diese Form der Heterologie einigermaassen begreiflich. Weiss man einmal, dass es eine Meta- plasie von Bindegewebe zu Knochengewebe giebt, so fügen sich auch diese aussergewöhnlichen Fälle in dieselbe Regel, nach welcher wir die Bildung von Knochenplatten in der weichen Hirnhaut oder in den serösen Häuten der Brust und des Unterleibes in das System einordnen. Alle diese Fälle gehören in die Kategorie der Variation eines an sich typischen Herganges. Denn die Einzelheiten des Vorgan- ges der Knochenbildung sind in allen genau übereinstimmend. Wenn auch in keinem der eben genannten Fälle Periost als Matrix (dient, so haftet doch in allen die Anlage zur Össification an Bindegewebe. Verfolgt man die Geschichte der einzelnen Fälle, in welchen Bindegewebe ossifieirt, so ergiebt sich in der Mehrzahl derselben, dass es irritative Processe sind, durch welche die Össification hervor- gebracht wird. Der praktische Arzt sagt dafür häufig, es seien ent- zündliche. Über die Natur der Reizung lässt sich zuweilen nichts Sicheres ermitteln; dann ist man sehr geneigt, eine innere Ursache, z. B. eine Dyskrasie, anzunehmen. Man stützt sich, nicht mit Unrecht, auf die Erfahrung von der Häufigkeit syphilitischer Exostosen und Hyperostosen. Ich möchte in dieser Beziehung daran erinnern, dass das Virus syphiliticum auch eine äussere Ursache ist, selbst wenn es nach innen versetzt ist, und dass überdies die Localisation seiner Wirkung auf einzelne Theile in der Regel durch die mechanische Einwirkung äusserer Gewalt bedingt wird. Eine eingehende Erörterung dieses causalen Herganges würde hier zu weit führen. Ich will nur hervorheben, dass die besten Beispiele von Exostosen und Hyper- ostosen aus rein mechanischen, äusseren Ursachen, Stössen, Reibungen u. s. w. hergeleitet werden können. Hier handelt es sich also um evident erworbene Störungen. Ähnliche Betrachtungen, wie die der atypischen Knochenneu- bildungen, lassen sich für zahlreiche andere pathologische Processe Sitzungsberichte 189. 50 530 Gesammitsitzung vom 30. April. und für die mannichfaltigsten Orte im Körper anführen. Die Inter- pretation derselben schwankt je nach Zeit und Menschen hin und her. Insbesondere in der Lehre von den krankhaften Geschwülsten ist dieses Schwanken noch bis in die neueste Zeit in sehr unbe- quemer Stärke fühlbar. Bald neigt man zur Annahme äusserer Ur- sachen, insbesondere mechanischer, bald sucht man das Gebiet der Anlagen zu erweitern. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, dass Einseitigkeit in der Deutung fehlerhaft und oft gerade zu schädlich ist. Die praktischen Chirurgen bringen immer neue Beispiele trau- matischer und erblicher Geschwülste, die pathologischen Anatomen immer neue Fälle von persistirender Anlage ursprünglich typisch an- gelegter Theile. Eine prineipielle Erledigung dieser Differenzen ist unmöglich. Die Erfahrung lehrt, dass ganz ähnliche Fälle verschieden interpretirt werden dürfen. Aber die Interpretation ist häufig sehr schwierig. Dazu trägt namentlich ein Umstand bei. Indem man die Matri- cularanlagen zu ermitteln sucht, stösst man nicht selten auf gewisse Orte, wo ein an sich normales Gewebe der Ausgang für eine Ge- schwulst geworden ist, wo aber normaler Weise dieses Gewebe nicht vorkommt. So geschieht es, dass man Knorpel in der Haut der Wange oder in der Tiefe der Weichtheile des Halses trifft, an Stellen, wo sonst gar kein Knorpel gefunden wird. Zuweilen hat dieses Knorpel- gewebe typische Eigenschaften ganz speeifischer Art: es ist z. B. Netz- knorpel. Durch grössere Reihen von Beobachtungen hat sich der Nachweis führen lassen, dass dies abgesprengte Theile des Ohrknorpels sind, nicht etwa des fertigen, sondern des noch unfertigen, foetalen. Die foetale Einrichtung der Kiemenbögen und der mit ihnen verbun- denen Spalten zeigt manchmal den Weg, auf dem die getrennten Theile verschoben sind. Das führt’auf eine Heterotopie der Anlagen. Ganz dieselbe Reihe von Vorkommnissen lässt sich an den Zähnen nachweisen. Zuweilen werden Zahnkeime im Innern der Kieferknochen eingeschlossen und zurückgehalten. Dann kann sich aus ihnen ein Odontom entwickeln, das beträchtliche Grösse und die sonderbarste Metaplasie erfährt. Manchmal liegen heterotope Zähne ganz ausser- halb der Zahnreihen, z. B. am harten Gaumen oder im Oberkiefer neben der Nase; bei Pferden trifft man versprengte Zähne und daraus hervorgegangene Odontome in der Basis eranii. Nicht ganz dieselbe Erklärung ist auf die Zähne anwendbar, die nicht selten in Ovarial- eysten gefunden werden. Immerhin ist daran festzuhalten, dass für die Bildung von Zähnen nur eine Art von Matrix bekannt ist, näm- lich der hauptsächlich aus Schleimgewebe bestehende Zahnkeim, und dass mit Sicherheit noch niemals die Bildung von Zahnkeimen aus Vırcnow: Anlage und Variation. 531 einem anderen Gewebe, als aus der Schleimhaut des Mundes, nach- gewiesen ist. Ausgezeichnete Beispiele von Heterotopie und heterotoper Ge- schwulstbildung bieten die Schilddrüse und die Nebennieren, von denen aus abgesprengte Stücke bis in weite Entfernungen zerstreut werden können. In dem Gebiet der Teratome giebt es die wunderlichsten Mischgebilde, in denen neben gewöhnlichen Geweben niederer Ordnung Muskeln, Nervensubstanz, Flimmerepithel gefunden werden. Solche kennt man aus dem Mediastinum, den ÖOvarien, den Testikeln u. s. w. Wir sind jetzt gewöhnt, sie sämmtlich auf Heterotopie zu beziehen. Aber der Mechanismus der Absprengung ist schwer erkennbar, ja selbst die Stelle derselben ist oft nieht nachzuweisen, und es begreift sich daher, dass immer wieder von Neuem der Gedanke an eine gänz- lich heterologe Entwickelung aus einer, normaler Weise nicht mit dem Charakter einer Anlage ausgestatteten Matrix hervortritt, und dass schliesslich mehr die Tendenz des Untersuchers, als die Untersuchung selbst das Ergebniss dietirt. Der vorsichtige Untersucher wird daran festhalten, dass keine, noch so heterologe Bildung auf Urzeugung zurück- geführt werden darf, dass auch nicht jedes Gewebe Matrix für neues Gewebe, selbst nicht für homologes, sein kann, dass daher jede Neu- bildung auf ein an sich mit matrieularen Eigenschaften ausgestattetes Gewebe bezogen werden muss. Er wird aber auch im Auge behalten, dass dieses Gewebe an seinem typischen Orte liegen kann, dass je- doch Dislocationen sehon in der Embryonalzeit nicht seltene Vorkomm- nisse sind und Heterotopie kein Gegenbeweis gegen erbliche Über- tragung ist. Er wird endlich darauf achten, dass die verschiedensten Gewebe, sowohl matrieulare, als neoplastische, der Metaplasie zu- gänglich sind und dass die fertigen Gebilde von der Anlage sowohl, als von ihren primären Stadien erheblich verschieden sein können. Variation, Metaplasie und Heterotopie sind die Mittel zur Er- zeugung der Anlagen. Ausgegeben am 7. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. i ADER ß un " Pi j a Ne Das ir KrAbch " Du ni RR I, E \ Ya ent wr Al. irn : al Ze | 7 we ra De 533 1896. XXIV. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 7. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen lasse. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. l. Hr. SchweEnpener las über das Wassergewebe im Gelenk- polster der Marantaceen. 2. Hr. Scuuzze legte eine Mittheilung des Privatdocenten Dr. Branpes (Halle a.S.) vor: Über die Sichtbarkeit der Röntgen- strahlen. 3. Hr. Warsgure legte eine Mittheilung des Prof. Dr. Kayser (Bonn) vor: Über die Speetren des Argon. Die unter ı-3 aufgeführten Mittheilungen folgen umstehend. Sitzungsberichte 1896. 51 i .‘ Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. Von S. SCHWENDENER. Hierzu Taf. IV. D: Blätter der Marantaceen sind bekanntlich am oberen Ende des Stieles mit einem heliotropisch empfindlichen Gelenkpolster ausge- stattet, das bei manchen Vertretern dieser Familie eine sehr ansehnliche Länge (20-30””) erreicht. In seinem Bau zeigt dieses Polster zu- nächst die bekannten Züge, welche den krümmungsfähigen Gelenken überhaupt, daneben aber auch den zugfesten Organen anderer Art, speciell der Monocotylen zukommen: die Gefässbündel nach der Mitte zusammengezogen (Fig. 8), die stärkeren Bastbelege auf der Innenseite des Mestoms, das Rindenparenchym stark entwickelt und turgescent. Zu diesen gewöhnlichen Zügen kommt indessen noch eine Besonder- heit, welche die Marantaceen-Polster vor allen anderen auszeichnet: es ist dies jenes eigenartige, aus gestreckten radialen oder schräg aufwärts gerichteten Zellen zusammengesetzte Gewebe (Fig. 6), das ich früher' wegen der an Bastzellen erinnernden Wandstruetur als »mechanische Einrichtung besonderer Art« beschrieben und abge- bildet habe. Diese Zellen besitzen in der That bemerkenswerthe mechanische Eigenschaften; sie bleiben beim Welken und Austrocknen des Polsters gerade gestreckt, ohne Verbiegungen oder Knickungen in der Längsrichtung, was immerhin auf eine erhebliche Biegungs- festigkeit schliessen lässt. Dagegen hat sich die Angabe, dass die Zellen Luft führen, bei genauerer Untersuchung als irrthümlich her- ausgestellt; sie enthalten in Wirklichkeit wässerigen Zellsaft, der freilich an Längs- und Querschnitten rasch verdunstet und dann durch Luft ersetzt wird. Dass es lebende Zellen sind, geht auch aus der Contraction des Primordialschlauches in plasmolysirenden Lösungen und aus dem Vorhandensein von Zellkernen hervor. ! Das mechanische Prineip, S.83 (1874). 536 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. Das in Rede stehende Gewebe ist also ein wasserführendes, und dieser Befund gibt der von O. G. Prrersen' gewählten Bezeichnung » Wassergewebe« eine sichere anatomische Stütze; er genügt aber doch nicht, um diese Bezeichnung vollständig zu rechtfertigen. Denn zum Begriff eines typischen Wassergewebes gehört ausser dem wässerigen Inhalt noch die weitere Eigenschaft, von dem gespeicherten Wasser- vorrath einen erheblichen Bruchtheil an benachbarte Gewebe abge- ben und den Abgang unter günstigen Verhältnissen wieder ersetzen zu können. Es lässt sich nun aber leicht constatiren, dass das fragliche Ge- webe dieser Bedingung Genüge leistet. Lässt man abgeschnittene Blätter welken, so nimmt die Dicke des Wassergewebes und damit auch das Volumen desselben merklich ab, während die übrigen Theile des Polsters vorerst noch keine Veränderung zeigen. Es ist das die- selbe Erscheinung, die an Blättern von Peperomien, Begonien, Bro- meliaceen u. s. w. wiederholt untersucht wurde, hier also als bekannt vorausgesetzt werden darf, und die auch in unserem Falle zu der Annahme berechtigt, dass die unveränderten Gewebe, speciell die chlorophyliführenden, Zufuhr aus dem Wasserreservoir erhalten haben. Mit dieser Eigenschaft des Wassergewebes, sich beim Welken stärker zu contrahiren als das benachbarte Rindenparenchym, stehen bei den Marantaceen die Krümmungen im Zusammenhang, die man an der Länge nach halbirten Polstern oder an beliebigen Radial- schnitten durch dieselben beim Liegenlassen beobachtet. An solchen Praeparaten ist nämlich das Wassergewebe nur auf der Aussenseite vertreten, und da es auch in der Längsrichtung die stärkste Ver- kürzung erfährt, so krümmt sich diese Seite concav. Dasselbe Ver- halten zeigt in der Regel auch die Mittelrippe der Blattspreite und zwar schon im unverletzten Zustande, weil hier das Wassergewebe, das zum mindesten im basalen Theil fast immer vorhanden, nur auf der Unterseite zur Entwickelung kommt und dann auf Querschnitten einen mondsichelförmigen Beleg darstellt. Die durch ungleiche Contraction bewirkte Krümmung kann in- dess leicht wieder beseitigt werden, indem man das Object mit Wasser benetzt oder in irgend einer Weise die Zuleitung von Wasser er- möglicht. Die Zellen stellen alsdann den ursprünglichen Turgor wieder her, und die beim Welken eingetretene Volumverminderung des Polsters ' Essrer-Prawır, Natürliche Pflanzenfamilien, 1]. Theil, 6. Abth. S. 33. Leip- zig 1889. — Dass die langgestreckten Zellen »unter einem Winkel nach unten biegen«, wie schon Körnıcke (Nouveaux Memoires de la Societe imp. des naturalistes de Mos- eou, t. XI p. 297) angegeben, trifft übrigens nicht zu. Der spitze Winkel-ist nach oben geöffnet (Fig. 6). SCHWENDENER: Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. 937 verschwindet. Das fragliche Gewebe besitzt hiernach in jeder Hinsicht die Eigenschaften eines typischen Wassergewebes. Der anatomische Charakter dieses Gewebes ist nun aber ein so eigenartiger, dass auch die davon abhängigen Bewegungen bei der Ab- und Zufuhr von Wasser ein besonderes Gepräge erhalten. Schon die Steifigkeit der gestreckten Zellen, welche eine wellenförmige Verbiegung der Längswände nicht gestattet, lässt mit Sicherheit vor- aussehen, dass die Mittel und Wege, durch welche die Volumände- rungen herbeigeführt werden, von den bekannten wesentlich abweichen müssen. Das ist denn auch thatsächlich der Fall, und es soll im Folgenden gezeigt werden, wie die Mechanik der fraglichen Bewe- gungen beschaffen ist. Zur Lösung der gestellten Aufgabe wurden im Ganzen 23 ver- schiedene Arten untersucht, die meisten freilich nur zu dem Behufe, das Gemeinsame oder Abweichende im anatomischen Bau zu con- statiren. Das specielle Studium der Veränderungen, welche das Wassergewebe beim Welken und in Folge heliotropischer Krümmungen des Polsters erfährt, musste auf einige wenige Formen, von denen das erforderliche Material leicht zu beschaffen war, eingeschränkt werden. Mit Rücksicht auf die mangelnde Übereinstimmung in der Be- zeichnung der Arten bei den verschiedenen Autoren habe ich nach- stehend die Namen der untersuchten Marantaceen nach der von EICHLER eontrolirten Etiquettirung in den Gewächshäusern des hiesigen bo- tanischen Gartens zusammengestellt. Verzeichniss der untersuchten Arten. Maranta arundinacea L. B | Calathea Jagoriana Recer. » bicolor KoErn. » Litzei E. Morr. » eximia REtEL. » longibracteata Lıxnt. > Kerchoveana E. Morr. » ornata KoErn. var. regalis. » noctiflora REGEL et Korrn. | » princeps REGEL. » oblongifolia REGEL. » pulchella Koern. Stromanthe Porteana A. GrisEr. | » rotundifolia KoErn. Ctenanthe Kummeriana Eıcnt. » rufibarba Fenzı. » setosa EıcHL. „ smaragdina Linpen. Calathea albicans A. Bronsn. ” variegata Korn. N » argyracea Koern. » zebrina Lıxpt. » flavescens Lınor. 1. Mechanik der Volumänderungen. Bevor ich auf die Sache selbst eingehe, ist es nothwendig, die dorsiventrale Natur des Marantaceen-Polsters hervorzuheben. Dieselbe hat zur Folge, dass das Wassergewebe auf der Oberseite häufig aus etwas längeren oder kürzeren Zellen besteht als auf der Unterseite, 538 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 7. Mai. und dass auch der Winkel, den diese Zellen mit der Längsaxe bilden, für die beiden Seiten ungleiche Werthe ergibt. Übereinstimmend und darum bei der Untersuchung vergleichbar sind überhaupt nur solche Stellen, welche zu beiden Seiten der Mittellinie symmetrisch gelegen sind, also z.B. Radialschnitte von der rechten und linken Flanke, aber auch diese nur dann, wenn sie dem gleichen Abstande von der Basis entsprechen. In ungleichen Abständen zeigen nämlich die Winkelgrössen auch auf einer und derselben Längslinie kleinere oder grössere Unter- schiede. Unter Berücksichtigung dieser Umstände führt der Vergleich zwischen dem frischen und dem welken Zustande des Polsters be- züglich der Vorgänge im Wassergewebe zu nachstehenden Folgerungen. ı. Der Winkel, den die schief gestellten Zellen (Fig. ı und 6) mit der Längsaxe bilden, wird beim Welken kleiner. Die peripheri- schen Enden derselben rücken in Folge dessen etwas nach innen, und die Dieke des Wassergewebes nimmt um ebensoviel ab. Bei COtenanthe setosa war z. B. in einem Falle der fragliche Winkel, auf’ den Flanken gemessen, im frischen Zustande = 34-35°, im welken noch 30-31°. Dabei verminderte sich die Mächtigkeit des Gewebes um etwa 16 Procent. 2. Die Querschnittsform der schief gestellten Zellen, welche in der Regel einem Sechseck mit zwei quer-tangential verlaufenden Seiten entspricht (Fig. 2), wird beim Welken in der Längsrichtung des Polsters zusammengedrückt, in der Art, dass die eben erwähnten quer gestellten Seiten sich nähern (wobei allerdings häufig auch Wellungen eintreten) und die rechts und links liegenden Winkel des Sechsecks sich verkleinern (Fig. 3). Sind also a, b in Fig. 4, A zwei turgescente Zellen einer Längs- reihe im Querschnitt, so nehmen sie beim Welken (in schematisirter Darstellung) die unter B gezeichnete Querschnittsform an. In diesen zwei Sätzen sind die Veränderungen, welche die Ab- gabe von Wasser in den schiefgestellten Zellen bewirkt, in der Haupt- sache ausreichend charakterisirt. Einzelne Punkte bedürfen aber gleichwohl der näheren Darlegung, da sie in dem Gesagten nicht inbegriffen sind. Man könnte sich z. B. vorstellen, dass die Zellen, indem sie beim Welken sich stärker aufrichten, mit ihren Membranen der Länge nach auf einander gleiten, weil thatsächlich Schubkräfte im angedeuteten Sinne ausgelöst werden. Allein der feste anato- mische Verband zwischen den betreffenden Membranlamellen ver- hindert einen solchen Vorgang, der überhaupt in ausgewachsenen Geweben nirgends nachgewiesen ist. Ein Gleiten findet also nicht statt. Dagegen hat die Winkeländerung der in Rede stehenden Zellen SCHWENDENER: Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. 539 mancherlei innere Spannungen zur Folge, von denen die in der Längsrichtung des Polsters hervortretenden, weil sie mit messba- ren Wirkungen verknüpft sind, hier noch speciell erwähnt werden mögen. Da die schräg gestellten Zellen beim Welken mit ihren peri- pherischen Enden sich nicht bloss nach innen, sondern zugleich nach oben bewegen, so drücken sie in dieser Richtung auf die benach- ‚ barten Gewebe und somit auch auf die Epidermis. Im oberen, der Spreite zugekehrten Theil des Polsters kommt in Folge dessen lon- gitudinale Druckspannung, im unteren Theil dagegen Zugspannung zu Stande. Diese Spannungen finden ihren Ausdruck in der un- gleichen Verkürzung, welche die verschiedenen Längsabschnitte des Polsters beim Austrocknen erfahren. Markirt man solche Abschnitte am frischen Polster durch 'Tuschpunkte, so ergeben die Messungen nach eingetretenem Welken von unten nach oben zunehmende Ver- kürzungen. Diese betrugen z. B. bei Ctenanthe setosa nach 23 stün- digem Liegen im Zimmer zunächst der Basis nur 0.8 Procent, am oberen Ende dagegen ı2 Procent. Das Nähere ist aus nachstehender Übersicht zu ersehen. Ursprüngliche Längen in Millimetern 3.4 3.2 3-3 3.0 3.0 3.0 Verkürzungen in Procenten........ 0.8 7.4 9.5 OS TO: 3 12 Man sieht, dass die procentischen Werthe nach oben hin durch die hier herrschende Druckspannung gesteigert, nach unten hin durch die Zugspannung abgeschwächt werden. Das arithmetische Mittel be- trägt für die Gesammtlänge von 18"”9=8.2 Procent. Die Bewegungen des Wassergewebes erinnern hiernach auch in unserem Falle an das Spiel eines Systems von Blasbälgen, die man sich in Gestalt eines Cylindermantels um eine centrale Axe gruppirt denkt. Als Längsrichtung derselben wäre aber nicht, wie bei anderen stielrunden Organen, die radiale, sondern eine unter verschiedenen Winkeln zur Polsteraxe geneigte anzunehmen. Ein von aussen wir- kender seitlicher Druck hätte unter diesen Umständen zur Folge, dass die einzelnen Blasbälge sich radial verschmälern und gleichzeitig steiler aufrichten, wobei die Wanddicke des Cylindermantels sich entsprechend verkleinern müsste. Das ist im Wesentlichen auch das Verhalten der schräg gestellten Zellen des Wassergewebes. Die Schrägstellung der fraglichen Zellen keln, die zwischen 30° und 70° variiren — ist übrigens bei den allerdings unter Win- Marantaceen nicht durchgreifend, wenn auch immerhin die Regel. Man beobachtet z. B. genaue oder doch annähernd genaue Radial- stellung bei Maranta bicolor und Kerchoveana (Fig. 5 und 7). Hier heben sich ausserdem die gestreckten Zellen, die bei M. bicolor zwei Stock- 540 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 7. Mai. werke bilden, nur durch ihre Länge von den darunter liegenden ab; auch diese letzteren gehören zweifellos zum Wassergewebe, das nach innen überhaupt nicht scharf abgegrenzt erscheint. Man kann wohl ganz allgemein sagen, dass die genannten Arten in der Differenzirung der Gewebe hinter den übrigen zurückgeblieben seien. 2. Heliotropische Krümmungen. Ähnliche Veränderungen, wie bei der Zu- und Abfuhr von Wasser, erfährt unser Gewebe auch in Folge der heliotropischen Krümmungen, welche das Polster zur Herstellung einer für das Blatt günstigen Licht- lage ausführt; nur dass hierbei die Concav- und Convexseite sich na- türlich entgegengesetzt verhalten. Bei Calathea Litzei waren z. B. die schräg gestellten Zellen auf der convexen Flanke eines ziemlich stark gekrümmten Polsters um 49° gegen die Längsaxe geneigt, auf der eoncaven Seite aber nur um 40°. Schwächere Krümmungen ergeben für die nämliche Pflanze Differenzen von 3-5°, während gerade Pol- ster an den Flanken, gleiche Abstände von der Basis vorausgesetzt, keine Neigungsunterschiede aufweisen. Zu übereinstimmenden Resultaten führten auch Messungen am Polster von Calathea smaragdina und ornata var. regalis. Der Neigungs- winkel betrug bei der erstgenannten Art 70° auf der convexen und 65° auf der econcaven Seite, bei der letztgenannten auf denselben Seiten 35° und 30°. Die concave Flanke ergibt also immer kleinere Winkel- werthe als die convexe. Diese Neigungsänderungen, welche bei ra- dialer Stellung der gestreckten Zellen ausgeschlossen sind, nehmen offenbar mit der Krümmung ab und zu und tragen nieht unwesent- lieh dazu bei, die Krümmungswiderstände zu vermindern. Da nun das Kleinerwerden der Winkel beim Welken, wie wir ge- sehen haben, eine Volumverminderung und somit Abgabe von Wasser bedeutet, so dürfen wir dieselben Beziehungen auch für die bei der Krümmung concav werdende Seite voraussetzen. Hier wird also Wasser abgegeben. Umgekehrt tritt auf der convexen Seite gleichzeitig mit dem Grösserwerden der betreffenden Winkel eine entsprechende Volum- vermehrung ein. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass bei der helio- tropischen Krümmung ein Theil des wässerigen Zellinhaltes von der concaven nach der eonvexen Seite hinüberströmt, wobei natürlich der Filtrationswiderstand zahlreicher Zellhäute überwunden werden muss. Die Wege, welche die Wassertheilchen hierbei zurücklegen, sind aller- dings nicht leicht zu ermitteln; man wird aber kaum fehlgehen, wenn man die fragliche Strömung mindestens zum Theil im Wassergewebe selbst sich vollziehen lässt. Solche Strömungen in tangentialer Rich- SCHWENDENER: Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. 541 tung sind offenbar auch bei anderen Polstern gewöhnliche Begleit- erscheinungen der Krümmung. Das Wassergewebe scheint übrigens bei diesen heliotropischen Krümmungen sich rein passiv zu verhalten, d.h. für sich allein auf einseitige Beleuchtung nicht zu reagiren. Ich folgere dies aus der Thatsache, dass Polster, deren Centraleylinder sammt Rinde mittelst einer feinen Messingröhre herausgebohrt war, sich nicht mehr krümm- ten. Eine nur einmal beobachtete scheinbare Ausnahme, mit aller- dings sehr deutlicher Krümmung, fand bei der nachträglichen mikro- skopischen Untersuchung ihre Erklärung in dem Umstande, dass beim Herausbohren des centralen Cylinders der grössere Theil der Rinde stehen geblieben war. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass dieser Rest eines als reizbar bekannten Gewebes die Krümmung veranlasst hat. An den übrigen, gerade gebliebenen Polstern war ein solcher Rest in nennenswerthem Maasse nicht mehr vorhanden. Aus der nämlichen Thatsache geht ferner hervor, dass die Re- actionsfähigkeit der Rinde durch die Verwundung, welche beim Durch- bohren stattfindet, nicht aufgehoben wird. Die dadurch hervorge- rufenen Wundreize sind also nicht im Stande, die heliotropischen Krümmungen zu verhindern. Mit diesen Thatsachen und Deutungen steht nun allerdings die Beobachtung, dass das Polster nach Entfernung des Wassergewebes (bis auf einen kleinen Rest) selbst bei unverletzt gebliebener Rinde sich meist ebenfalls nicht mehr krümmt, in auffallendem Widerspruch. Allein die betreffenden Versuche sind meines Erachtens nicht als be- weiskräftig anzuerkennen, obschon die Wiederholung derselben im direeten Sonnenlicht, sowie im Auer’schen Gasglühlicht (und selbst- verständlich jedesmal in nahezu dampfgesättigter Luft) fast immer das- selbe Resultat ergab. Bedenken erregt namentlich der Umstand, dass die Reste der schräg gestellten Zellen sich bald mit Luft füllen, wo- durch das praeparirte Polster ein grauweissliches Aussehen erhält und dann offenbar weniger durchleuchtungsfähig ist; ferner die Thatsache, dass einmal eine ziemlich starke Krümmung beobachtet wurde, aller- dings erst mehrere Tage nach der Operation. Überhaupt wird die Gewinnung sicherer Ergebnisse durch die Langsamkeit, mit welcher die Polster, auch im unversehrten Zustande, reagiren, sehr erschwert. Wären die am häufigsten beobachteten Erscheinungen beweis- kräftig, was ich beweifle, dann bliebe nur die Annahme übrig, dass das Wassergewebe zwar nicht krümmungsfähig, aber für Licht empfäng- lich sei, die Krümmung selbst also durch das Rindenparenchym be- wirkt werde, bis zu welchem der Reiz durch Leitung fortgepflanzt würde. 542 Sitzung der physikalisch -matlıematischen Classe von 7. Mai. Die Unfähigkeit des Wassergewebes, sich bei einseitiger Be- leuchtung activ zu krümmen, hätte natürlich für den Fall, dass sie mit Unempfindlichkeit gegen Licht gleichbedeutend wäre, ausser den mechanischen auch optische Folgen, indem die einfallenden Licht- strahlen eine erhebliche Schwächung durch Absorption, innere Re- flexion u. s. w. erfahren würden, bevor sie das reizbare Gewebe erreichen. Nach photometrischen Messungen, welche hierüber angestellt wurden, löscht nämlich das Wassergewebe allein etwa 50 Procent und unter Hinzunahme der Epidermis und der angrenzenden Pallisadenschicht etwa 66 Procent des einfallenden Lichtes aus, so dass das letztere im krümmungsfähigen Parenchym nur mit dem dritten Theil der ur- sprünglichen Intensität zur Wirkung gelangt. Das Verfahren betreffend, nach dem diese Messungen ausgeführt wurden, sei bloss bemerkt, dass dasselbe auf der Vergleichung der Helligkeit zweier Öffnungen in einem Diaphragma beruhte, von denen jede durch eine Stearinkerze beleuchtet wurde. Eine dazwischen be- findliche Pappwand isolirte sowohl die Lichtquellen wie die beiden Öffnungen. Vor dem Diaphragma war eine Milchglasplatte befestigt, welche das einfallende Licht gleichmässig vertheilte. Die eine der Öffnungen war frei, die andere mit einem Sehnenschnitt durch das Wassergewebe bedeckt. Regulirte man jetzt die Abstände der beiden durch die Wand geschiedenen Stearinkerzen so, dass die Öffnungen gleich hell erschienen, so waren folgerichtig die durchgelassenen Liehtmengen unter sich gleich, und das Verhältniss zwischen den einfallenden konnte nach bekannter Formel aus den Abständen be- rechnet werden. Beträgt z. B. nach stattgefundener Regulirung der Abstand der Kerze von der mit dem Wassergewebe bedeckten Öffnung = 32”, derjenige von der freien Öffnung — 55°”, so verhalten sich die ein- fallenden Lichtmengen wie 55°: 32°, also wie 3025 : 1024. Es werden hiernach beim Durchgang durch das Praeparat 3025 — 1024 = 2001 Ein- heiten ausgelöscht, d. h. ziemlich genau % der ursprünglichen In- tensität. Ähnlichen Absorptionen, die immer noch zu den relativ schwachen gehören, begegnet man auch bei anderen Geweben, sofern sie keine oder nur spärliche Zwischenzellräume besitzen. Ein 0””5 dieker Schnitt durch das zweijährige Mark von Aucuba japonica absorbirte z.B. 49 Pro- cent des einfallenden Lichtes, das viel luftreichere grüne Rindengewebe von Sambueus nigra (ohne Periderm) schon bei 0""28 Dieke 80 Procent. Noch höher steigt die Absorption in den Laubblättern. Sie erreicht z.B. im helleren Theil der Blattspreite von Ctenanthe setosa bei einer mm Dieke von 0””17 = 90 Procent. SCHWENDENER: Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. 543 Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen besitzt hiernach, verglichen mit anderen Geweben, eine relativ hohe Durch- leuchtungsfähigkeit, wie sie nur bei vollkommen oder annähernd interstitienlosen Zellverbänden mit wässerigem Inhalt zu beobachten ist!. Es erübrigt jetzt noch, auf eine anatomische Eigenthümlichkeit hinzuweisen, welche den Marantaceen-Polstern ausnahmslos zukommt, deren physiologische Bedeutung mir aber nicht ganz klar geworden ist. Ich meine das subepidermale Assimilationsgewebe, welches die schief gestellten Zellen umgibt und von der Fläche gesehen bald auf verschieden gestaltete grüne Inseln vertheilt, bald auch als zu- sammenhängendes grünes Netzwerk erscheint, dessen Maschen mit farblosen Zellgruppen ausgefüllt sind. Dass in diesem local begrenzten Gewebemantel eine lebhafte Kohlenstoff- Assimilation stattfindet, lässt sich schon aus der grossen Zahl der Spaltöffnungen folgern, welche über den grünen Zellen zer- streut liegen. Es kommen etwa 300 bis 500 auf den Quadratmilli- meter, während der Blattstiel viel kleinere, oft sogar sehr kleine Zahlen ergibt. Selbst die Blattspreite bleibt in dieser Beziehung hinter dem Polster zurück. Einige weitere hierauf bezügliche An- gaben sind nachstehend tabellarisch zusammengestellt. Zahl der Spaltöffnungen x | ro Quadratmillimeter Name der Pflanze pro Q 2. | Polster | Blattstiel | Spreite Maranta Kerchoveana . 360 | 15 60 » oblongifolia . . 240 4 110 Stromanthe Porteana . . 300 4 140 Otenanthe setosa..... - 190 18 140 Calathea Litzei ..... 580 12 | to » princeps.... || 460 a0 05.200 ” pulchella ...|| 510 6 120 » smaragdina .. | 310 20 170 ! Bekanntlich weisen auch die bestausgebildeten Wassergewebe, wie sie z. B. bei den Peperomien vorkommen, bei grösserer Mächtigkeit zuweilen Zwischenzellräume auf. Es scheint dies mit dem etwas gesteigerten Chlorophyligehalt zusammenzuhängen. So besitzt das Wassergewebe von Peperomia Fenzlü und P. pereskifolia, mit zerstreuten Chlorophylikörnern in jeder Zelle, deutliche Intercellularen, welche vom grünen Paren- chym ausgehen und zwischen den Radialreihen der Wasserzellen mehr oder weniger weit nach aussen verlaufen. Bei Peperomia tenerrima, maculosa, incana, latifolia u. a. da- gegen, wo der Chlorophyligehalt ein viel geringerer ist, fehlen diese Zwischenräume. Auch die gestreckten Zellen der Marantaceen, die nur wenige oder keine Chlorophyll- körner enthalten, sind unter sich interstitienlos verbunden; allein die zahlreichen Spalt- öffnungen, welche den subepidermalen grünen Zellgruppen entsprechen, wirken mit den zugehörigen kleinen Athemhöhlen ähnlich, wie beliebige tiefer gelegene Lufträume. >44 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 7. Mai. Diese Zahlen sind allerdings ohne Correeturen nicht ohne Weiteres vergleichbar, weil die Schliesszellen auf dem Polster in der Regel etwas kürzer sind als auf dem Blattstiel (z. B. im Verhältniss von 6:7 oder 4:5) und auch hinter denen der Blattspreite gewöhnlich um eine Kleinigkeit zurückstehen. Für unsere Frage ist dies aber ohne Belang. Den Autoren gegenüber, welche die Spaltöffnungen in erster Linie als Regulatoren der Transpiration betrachten, bemerke ich noch, dass ich diese Ansicht für unbegründet halte. Nach meiner Über- zeugung stehen die Spaltöffnungen zweifellos zunächst im Dienste der Kohlenstoffassimilation, welche bekanntlich von der Mitwirkung des Lichtes abhängig ist; es sind die speeifischen Organe für die Auf- nahme der Kohlensäure aus der Luft. Dieselben sind demgemäss auch so eingerichtet, dass sie bei Tage sich öffnen und bei Nacht geschlossen bleiben'. Ausserdem lehren die Vorkommnisse am Marantaceen-Polster, dass die Spaltöffnungen stets von grünen Zellen umgeben sind und den farblosen Partieen fehlen, obschon letztere die Transpiration, wenn es sich überhaupt darum handelte, ebenso gut besorgen würden. Zahlreiche Spaltöffnungen kennzeichnen also das zugehörige Ge- webe als ein assimilirendes. Auch darf in unserem Falle wohl ange- nommen werden, dass die im Polster erzeugten Kohlenhydrate in diesem selbst ihre Verwerthung finden und nicht erst anderen Organen zugeführt werden. Diese Annahme hat jedenfalls die Wahrscheinlich- keit für sich. Aber natürlich ist damit die Frage, wie und wo die Verwerthung stattfinde, noch nicht gelöst. Nur so viel lassen die anatomischen Verhältnisse noch deutlich erkennen, dass die umhüllen- den grünen Zellen mit dem Wassergewebe in irgend einer näheren Wechselbeziehung stehen. Denn wo das letztere sich ein Stück weit auf der Unterseite der Blattmittelrippe hinaufzieht, was Regel zu sein scheint, da fehlen auch die grünen Zellen und die zahlreichen Spalt- öffnungen nicht. Und dasselbe beobachtet man in den viel selteneren Fällen, wo die schräg gestellten Zellen sich nicht bloss scheitelwärts auf die Mittelrippe erstrecken, sondern auf der morphologischen Ober- seite des Blattstieles auch ein Stück weit herunterlaufen, wie z. B. bei Calathea rufibarba. Immer erscheint der assimilirende Mantel als constanter Begleiter des Wassergewebes. Dem letzteren ist mit anderen Worten eine periodisch fliessende Zuckerquelle beigegeben, welche vielleicht dazu bestimmt ist, die wasseranziehende Kraft der gestreckten ! An dieser Darstellung halte ich entgegen den widersprechenden, aber nicht einwandfreien Beobachtungen Lerrseg’s u. A. fest. Die Frage wurde in meinem In- stitut wiederholt geprüft, zuletzt in sehr eingehender Weise von Dr. H. ScHELLENBERG, welcher das Nähere hierüber demnächst veröffentlichen wird. SchwEnDENErR: Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen. 545 Zellen zeitweise zu verstärken. Entscheidende Belege zu Gunsten dieser — oder auch irgend einer anderen — Auffassung sind indess nicht leicht beizubringen, weil die mikrochemischen Methoden der Zucker- bestimmung noch allzu mangelhaft sind. Es müsste vor Allem gezeigt werden, dass mit dem Wasser auch etwas Zucker aus den gestreckten Zellen abfliesst, weil hieraus das Bedürfniss nach Wiederersatz sich ganz von selbst ergeben würde'. Erklärung der Abbildungen. Fig.1. Stück eines radialen Längssehnittes durch den mittleren Theil des Gelenkpolsters von Cienanthe setosa. In der oberen Hälfte der Figur eine längs durchschnittene Spaltöffnung, darunter eine kleine Athemhöhle, in der Um- gebung chlorophyllführende, durch Schattirung bezeichnete Zellen. Vergr.250. Fig.2. Schnitt durch das Wassergewebe derselben Pflanze, senkrecht zur Längsrichtung der schiefgestellten Zellen geführt, in frischem Zustande. Die Zellen bilden Reihen, welche in einer durch den Radius und die Längs- axe des Polsters gehenden Ebene liegen. Vergr. 250. Fig. 3. Ein ähnlicher Schnitt, dem welken Zustande des Polsters ent- sprechend. Die quer gestellten Wände haben sich genähert, die rechts und links liegenden Winkel verkleinert, die Seiten der Polygone mehr oder we- niger verbogen. Vergr. 250. Fig. 4. Schematisirte Darstellung der in Fig. 2 und 3 veranschaulichten Formveränderung der schief gestellten Zellen. A Querschnittsform im frischen, B im welken Zustande. Fig. 5. Stück eines radialen Längsschnittes durch das Polster von Maranta bicolor. Die gestreckten Zellen des Weassergewebes bilden hier 2 Schichten und sind ziemlich genau oder doch annähernd radial gestellt. Der Übergang zum Rindenparenchym ist hier überhaupt ein mehr allmäh- licher. Vergr. 130. Fig. 6. Medianer Längsschnitt durch das Blattpolster von Calathea pulchella. Das Wassergewebe ist auf der morphologischen Oberseite (in der 1 Auf makrochemischem oder optischem Wege würde vielleicht der Nachweis, dass das Wassergewebe im welken Zustande etwas weniger Zucker enthält als im frischen, gelingen. Dazu gehört aber ein viel grösseres Material, als mir zur Ver- fügung steht. 546 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. Figur links) nur auf das Polster beschränkt, geht dagegen auf der Unterseite auch auf die Blattmittelrippe hinüber. Vergr. 2. Fig.7. Stück eines radialen Längsschnittes durch das Gelenkpolster von Maranta Kerchoveana. Die gestreckten Zellen des Wassergewebes bilden hier nur eine Schicht, stehen aber ebenfalls radial wie bei M. bicolor. Vergr. 130. Fig. 8. Querschnitt durch das Polster von Ctenanthe setosa. Dasselbe ist seitlich etwas zusammengedrückt, die Rinde auf der morphologischen Oberseite erheblich dicker als auf der Unterseite. Vergr. 8. Ben 7896: ne Rn FIRE ww IL IT Schwendener:Das Wassergewebe im Gelenkpolster der Marantaceen . 947 Über die Sichtbarkeit der Röntgenstrahlen. Von Dr. @. BrRANDESs, Privatdocent der Zoologie in Halle a. S. (Vorgelegt von Hrn. Scruzze.) BD: italienische Physiker Sarvıoxı hat nach einer Mittheilung in der Naturwissenschaftlichen Rundschau (Jahrgang 1896, Nr. 15, S. 133) Untersuchungen über die Durchlässigkeit der verschiedenen Medien des thierischen Auges gegenüber den Röntgenstrahlen angestellt und dabei gefunden, dass ganz besonders die Linse auffallend wenig durch- lässig ist für die neuen Strahlen. Diese Angabe brachte mich auf die Vermuthung, es möchte vielleicht die Unsichtbarkeit der Röntgenstrahlen in der starken Ab- sorptionsfähigkeit der Linse ihren Grund haben. Diese Vermuthung liess mich wünschen, Aphakische auf ihr etwaiges Wahrnehmungs- vermögen gegenüber Röntgenstrahlen zu prüfen. Hr. Privatdocent Dr. Braunschweıe hatte die Liebenswürdigkeit, mir sein Dienstmädchen, dem er wegen hochgradiger Kurzsichtigkeit beide Linsen (die rechte allerdings erst theilweise) extrahirt hat, zu einem Vorversuche zu- zuschicken. Hr. Prof. Dr. Dors, dem ich meinen Gedankengang aus- einandersetzte, ging sofort in zuvorkommendster Weise auf meine In- tentionen ein und erklärte sich bereit, mindestens einen Vorversuch zu machen. Hierzu wurde ein sehr starkes Inductorium benutzt und eine grosse birnförmige Röhre, deren Boden mit einer Schicht von Jod- rubidium bedeckt war. Nachdem die Röhre völlig eingehüllt und das Zimmer ganz und gar verdunkelt war, wurde das junge Mädchen, das noch obendrein durch Vorhalten eines schwarzen dichten Papiers jede Möglichkeit eines Eindringens normaler Lichtstrahlen ausschloss, mit dem Gesicht in die Nähe der Röhre geführt und meldete sofort, nachdem die Röhre in 'Thätigkeit gesetzt war, eine deutliche Licht- empfindung auf dem linken Auge. Als wir dann eine Nachprüfung vornahmen, um zu sehen, ob irgendwelche wirkliche Lichtstrahlen das Auge treffen könnten, machten 548 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 7. Mai. wir die erstaunliche Beobachtung, dass auch in unserem normalen Auge durch die Röntgenstrahlen ein Reiz ausgelöst wird. Wenn ich mich frage, wie es wohl kommen mag, dass von den vielen Forschern, die sich mit Röntgenstrahlen beschäftigen, diese Wirkung auf die Retina, die eine durchaus ansehnliche genannt werden muss, unbeobachtet geblieben ist, so glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich den Grund dafür in der Überlegenheit der von uns benutzten Röhre sehe. Ich habe eine ganze Anzahl von Röhren auf die Sichtbarkeit der Röntgen- strahlen untersucht, aber nur noch eine kleine, von Siemens stam- mende gefunden, welche sichtbare Röntgenstrahlen lieferte; aber die Liehtempfindungen waren in diesem Falle so schwach, dass ich sie vielleicht nur gesehen habe, weil ich sie kannte und suchte. Die von Prof. Dorv hergestellte Röhre ist — wie ich schon anführte — mit Jodrubidium gefüllt; dieses Salz ist nach den vergleichenden Unter- suchungen Prof. Dorv’s allen anderen Substanzen, welche Röntgen- strahlen verstärken, auch der Edison-Substanz, dem wolframsauren Caleium, weit überlegen. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Röhre ein sehr starkes Vacuum (etwa 8°” Schlagweite) besitzt. Nachdem nun dieser erste Versuch so über Erwarten gelungen war, bat ich Hrn. Prof. Dorn, mit mir die Frage weiter zu verfolgen. Zuerst galt es festzustellen, dass es wirklich die von RÖöNTGEN entdeekten Strahlen sind, welche die Reizung der Netzhaut verur- sachen. Die hierzu nöthigen Versuche wurden in der Weise ange- stellt, dass ich mir einen dichten, völlig undurchlässigen Pappeylinder über den Kopf stülpte, dessen untere Öffnung mit einem beim Photo- graphiren üblichen Sammettuche geschlossen wurde. Auch vom hellsten Licht der elektrischen Bogenlampe war in diesem Raum nicht das Geringste zu bemerken. Sobald ich nun in diesem Dunkelraum in den Bereich der Röntgenstrahlen kam, bemerkte ich eine Lichterscheinung in beiden Augen, die an der Peripherie die grösste Intensität zeigte. Schloss ich jetzt die Augen, so änderte sich die Erscheinung in nichts. Auch das Dazwischenbringen einer grossen Aluminiumscheibe, die eine einfache elektrische Reizung ausgeschlossen haben würde, hatte keinen Einfluss auf das Lichtbild. Als ich dann eine Brille aufsetzte, in der Hoffnung, die Ab- sorption der Röntgenstrahlen dadurch so zu steigern, dass eine Licht- empfindung ausblieb, wurde ich sehr enttäuscht, da noch immer ein deutliches Lichtbild — wenn auch in etwas veränderter Form — vor- handen war. Auch eine doppelte Brille liess es nicht verschwinden oder auch nur verblassen. Als ich darauf aber eine dicke Schaufenster- Glasscheibe mir in dem dunklen Raum vor die Augen hielt, entdeckte ich den Grund für diese Unwirksamkeit der Gläser: die ganze Scheibe Branpes: Über die Sichtbarkeit der Röntgenstrahlen. 549 erstrahlte nämlich im prachtvollsten Fluorescenzlicht. Schloss ich Jetzt die Augen, so empfand ich völlige Dunkelheit. Dasselbe erreichten wir dadurch, dass wir die Glasscheibe ausser- halb des Dunkelraumes vor die Strahlenquelle brachten; ich konnte auf diese Weise genau angeben, wann das Glas vor die Röhre ge- halten und ebenso, wann es wieder entfernt wurde. Damit scheint mir der Beweis erbracht zu sein, dass die von uns beobachtete Reizung der Netzhaut durch Strahlen verursacht wird, welche die Eigenschaften der von Röntern entdeckten besitzen. Eine andere Frage ist die nach dem Orte des Eindringens der Röntgenstrahlen in das Auge. Um hierüber einigermaassen Klarheit zu bekommen, liess ich in ein Brillengestell mit kreisrunder Gläserfassung anstatt der Gläser Aluminiumscheiben setzen, auf die nun einmal eine centrale Bleiblende (ungefähr vom Durchmesser der Iris) angebracht wurde, das andere Mal eine periphere Bleiblende, die genau vor der Pupille ein 2”” im Durchmesser haltendes Loch besass. Die erstere ergab ein viel deutlicher ausgesprochenes peripheres Lichtbild, als wir es vorher beobachtet hatten. Die zweite dagegen versagte nicht, wie ich eigentlich erwartet hatte, sondern liess ebenfalls eine deutliche Liehtempfindung zu Stande kommen. Wir konnten aber durch einen anderen Versuch beweisen, dass nicht die centrale Öffnung in der Bleiplatte die wirksamen Strahlen durchgelassen hatte, sondern dass dieselben ausserhalb der Brillen- scheiben ihren Weg in die Augenhöhle und zum Bulbus gefunden hatten. Wir nahmen nämlich eine grosse Bleiplatte, bohrten eine kleine Öffnung in sie hinein und leiteten durch dieses Loch die Röntgenstrahlen in die Pupille. Von irgend welchem Reiz auf der Netzhaut war aber nieht das Geringste zu verspüren. Die erwähnten Lichtempfindungen habe ich nicht etwa allein gesehen, sondern in gleicher Weise auch Hr. Prof. Dr. Dorv und sein Assistent Hr. DiTTENBERGER, Hr. Geh. Rath v. Hıprer, Hr. Privat- docent Dr. BraunschwEie, Hr. Dr. VörLner und ein Aphakischer, ein intelligenter Mann, der hiesige Polizei-Inspeetor Weise. Jeder der Herren hat beim ersten Augenblicke — ohne danach etwa suchen zu müssen — die Lichterscheinung bemerkt. Die Untersuchung des einseitig Aphakischen hat das Ergebniss gehabt, dass das linsen- lose Auge im Wesentlichen dasselbe Lichtbild sieht, als das nor- male: durch das kleine Loch in der Bleiplatte dringen ebenso- wenig wie beim normalen Auge wirksame Strahlen bis zur Retina. Daraus folgere ich. dass die Linse nicht allein verantwortlich zu machen ist für die Absorption der Röntgenstrahlen. Ich kann denn auch mit gutem Grunde als ebenfalls sehr wenig durchlässig den Sitzungsberichte 1896. 52 550 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. Glaskörper bezeichnen. Wir haben einen Theil des Glaskörpers von Rind und Schaf in einem Paraffinbehälter, dessen Boden aus dünnem Papier bestand, gleichzeitig mit der Linse, der Hornhaut, der Retina und der Bulbuswand der beiden genannten Thiere mittels Röntgenstrahlen photographirt und ein Bild erhalten, welches mich ‚darauf schliessen lässt, dass die Absorption der gesammten Glaskörper- masse grösser ist als die der Linse. Fragen wir uns nun, wie denn die beobachteten Liehtwirkungen zu Stande kommen, so kann ich mich nur dahin äussern, dass ich glaube, die durch die Weichtheile der Orbita dringenden Röntgenstrahlen erreichen nur dort die Re- tina, wo sie von den verschiedenen Theilen des Auges weiter nichts als die Bulbuswandung zu durchsetzen haben, um auf die Netzhaut zu treffen. Ob die nervösen Elemente der Netzhaut direet von den Röntgen- strahlen gereizt werden, wage ich natürlich vorläufig nicht zu ent- scheiden. Unmöglich scheint es mir nicht! Nach Kümneır's Unter- suchungen über die Beugungserscheinungen bei Röntgenstrahlen (Abh. d. naturf. Ges. Halle. Bd. XXI) hat sich die Wellenlänge auf etwa 34 berechnen lassen, eine Zahl, die durch CArLmettE und LuviLLier ganz neuerdings eine Bestätigung erfährt. Die unserem Auge für gewöhn- lich sichtbaren Strahlen liegen zwischen 0.8 und 0.44. Ich könnte mir wohl denken, dass auch längere oder auch kürzere Wellen im Stande sind, auf die nervösen Endorgane der Retina zu wirken, wenn sie nur die davorliegenden Schichten (Linse, Glaskörper) zu durch- «ringen vermöchten. — Näherliegend ist allerdings die Annahme, dass die Röntgenstrahlen irgend einen Bestandtheil des Auges, viel- leicht das Pigment, zum Fluoreseiren bringen und dadurch eine Licht- quelle schaffen, welehe nun ihrerseits auf die nervösen Elemente der Netzhaut wirkt. Bisher ist es uns allerdings nicht gelungen, an irgend welchen Theilen des thierischen Auges unter der Einwirkung der Röntgenstrahlen Fluorescenz zu beobachten. Ich hoffe, hierüber im Verein mit Hrn. Prof. Dorv durch einige weitere Experimente Klarheit schaffen zu können. Auch an dieser Stelle will ich nicht versäumen, Hrn. Prof. Dors für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der er meinen Bitten ent- gegengekommen ist, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 551 Über die Spectren des Argon. Von Prof. Dr. H. KAyseEr in Bonn. (Vorgelegt von Hrn. WArsurc.) ir vorigen Sommer habe ich einen Theil des blauen Argon -Speetrums veröffentlicht', in der Hoffnung, dass ich in sehr kurzer Zeit auch die übrigen Theile des blauen und das rothe Spectrum würde folgen lassen können. Leider hat sich das aus verschiedenen Gründen als unmöglich erwiesen, deren vornehmlichster die Unbrauchbarkeit des Bonner physikalischen Institutes ist. Dasselbe liegt an einer der be- lebtesten Strassenecken, und der Wagenverkehr bringt derartige Er- schütterungen hervor, dass es unmöglich ist, in diesen Räumen irgend welche Untersuchungen auszuführen, welche standsichere Aufstellung der Apparate erfordern. In den Theilen des Specetrums, bei welchen eine halbe Stunde Expositionszeit ausreicht, kam ich ganz gut vorwärts, wenn schon manche Platte unscharf wurde. Wenn aber 2-3 Stunden nöthig sind, so wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Gitter so lange unersehüttert bleibt und scharfe Spectra liefert, immer geringer; ich habe in der That oft zwölf Aufnahmen und mehr machen müssen, bevor eine brauchbare erzielt wurde. Mehrfach wollte ich die Arbeit als in Bonn undurchführbar aufgeben, aber eine gelungene Platte ermunterte mich immer von Neuem zum Ausharren. In den Theilen des Spectrums mit den kürzesten Wellenlängen, d.h. unter etwa 300uu, und im Roth, Gelb und Grün reichen drei Stunden noch nicht aus, um alle Linien zu erhalten, und mit 4-8 Stunden habe ich wohl Spectralaufnahmen erhalten, aber sie waren sämmtlich so unscharf, dass von einem Aus- messen nicht die Rede sein konnte. .! Chem. News 72. 552 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. ® So habe ich denn schliesslich eine vollständige Untersuchung der Argon-Spectra aufgeben müssen und lege hier die Theile vor, die ich unter den traurigen Bonner Verhältnissen erledigen kann. Das Argon wurde aus Luft in bekannter Weise hergestellt, indem dieselbe, von CO,, H,O und O befreit, mehrfach über glühenden Magne- siumdraht geleitet wurde. So entstand ein Gas, welches etwa 60 Pro- cent A enthielt. Ich bin Hrn. Dr. BETTEnDorFF hier zu grossem Danke verpflichtet, der mir zweimal grössere Mengen so gereinigten Gases herstellte. Das Gas wurde in ein Gefäss von nebenstehender Form gebracht: B fasst etwa 400°”, oben ist eine rechtwinkelig umgebo- gene, mit Hahn versehene Capillare angeblasen; C B es sind zwei Elektroden eingeschmolzen, die eine Schlagweite von 6-8"”” zwischen sich lassen. Das Rohr ist mit Theilung versehen. Unten ist es durch einen Schlauch mit dem offenen Gefäss € verbunden. Beide Gefässe werden mit Kalilauge gefüllt, durch den Hahn unreines A, dann ein gleiches Volumen OÖ ein- gelassen, und nun lässt man die Funken eines Inductionsapparates durch das Gasgemisch schlagen. Es bildet sich NO,, welches von der Kalilauge absorbirt wird. Anfangs nimmt das Volumen sehr schnell ab, dann langsamer, schliesslich gar nicht mehr. Ich habe stets so lange Funken übergehen lassen, bis in den letzten 24 Stunden keine Volumabnahme sichtbar war. Der O war elektrolytisch aus mit Phosphorsäure angesäuertem Wasser hergestellt. Zum Schluss habe ich stets etwa 20-30°”” elektrolytischen H zuge- füllt und eine Explosion eintreten lassen, um etwa vorhandene Kohlen- stoffverbindungen in CO, überzuführen und so zu beseitigen. Es wurde nun das Gefäss € gesenkt und von Kalilauge entleert, B etwas erwärmt und dadurch noch etwas Flüssigkeit ausgetrieben. Dann wurde in © etwas Pyrogallussäurelösung gebracht, welche beim Erkalten von B in dieses hineingesogen wurde und den überschüssigen O beseitigte. Nach 24-stündigem Warten wurde die Capillare mit der Quecksilberluftpumpe verbunden, an welcher sich andererseits ein etwas Phosphorpentoxyd enthaltendes Gefäss D befand. Dies wurde unter starkem Erhitzen der Glastheile auf etwa o””ooı evacuirt, endlich durch Öffnen des Hahnes das A aus Gefäss B nach D übergeführt, aus welchem nach Bedarf zum Füllen der GeissLer- Röhre entnommen wurde. Trotz aller Vorsichtsmaassregeln ist es mir nicht immer gelungen, das A vollständig rein zu erhalten; es waren oft noch Spuren von N und © vorhanden, welche aber bei dem kleinen Druck, der für Kayser: Über die Speetren des Argon. 553 die Entwickelung der Argon-Speetra am günstigsten ist, kaum stören. Es treten nur manchmal Spuren der Cyan- und Stickstoffbanden im Ultraviolett auf. Die GeissLer-Röhren habe ich in zwei verschiedenen Formen ver- wandt: für den sichtbaren Theil hatten sie die gewöhnliche Gestalt von zwei durch eine Capillare verbundenen weiteren Theilen, in denen sich Aluminiumelektroden befinden. Für die kürzeren Wellenlängen aber, die durch Glas nicht mehr hindurchgehen, habe ich eine Form benutzt, die im Wesentlichen von V. Scnumann stammt, dem ich für nähere Auskunft darüber verbunden bin. Die Figur giebt eine An- sieht des vorderen Theiles des Rohres in natürlicher Grösse. A ist ein Quarzstöpsel, dessen Endflächen planparallel und senkrecht zur optischen Axe sind. Die Kegelfläche des Stöpsels ist matt und wird in das Glasrohr eingeschliffen. Vor dem Einsetzen des Stöpsels bringt man eine Spur Fett an seinen obersten Rand: durch den Luftdruck wird beim Auspumpen das Fett noch etwas weiter hineingetrieben, aber die nach dem Geısster-Rohr liegende Hälfte des Stöpsels bleibt trocken, und es gelangen keine Fettdämpfe in das Rohr. Der Elektrode habe ich die von Ames benutzte Form eines Cylinders aus Aluminiumblech ge- geben, durch den man frei hindurchsehen kann. Die zweite Hälfte des Rohres hat eine eben- solche Elektrode und be- sitzt ein Seitenröhrchen zum Einlassen des Gases. Die Argon-Röhren bereiten grosse Schwie- rigkeiten bei der Benutzung, indem regelmässig nach einiger Benutzung der Gasinhalt aus dem Rohr verschwindet, namentlich bei Erzeugung des rothen Speetrums. Es ist bekannt, dass Elektroden aus Platin zerstäuben und das Innere des Rohres mit einem Platinspiegel über- ziehen, während Aluminium diese unangenehme Erscheinung für ge- wöhnlieh nicht zeigt. Im Argon aber zerstäubt auch Al. Sobald das eintritt, fängt der Gasinhalt an abzunehmen, das Rohr beginnt zu tluoreseiren, schliesslich gehen die Entladungen nicht mehr hindurch. Sind die Elektroden dünn, o""s5, so erreicht man dies Ende selten, sondern schon vorher werden die Elektroden glühend, tropfen ab, und das Geisster-Rohr springt. Ich habe daher später die Elektroden von 2-3” Dieke machen lassen, und es scheint mir, dass mit der geringeren Erhitzung auch die Zerstäubung und das Verschwinden des Gases geringer geworden ist. Immerhin ist es noch vorhanden, selbst bei den grossen Cylinderelektroden. Wo das verschwindende A bleibt, ob es eine Verbindung mit dem zerstäubenden Al bildet oder nur von 554 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 7. Mai. diesem absorbirt wird, habe ich nicht feststellen können; jedenfalls wird es durch Erhitzen der Al-Spiegel nicht wieder frei. Ebenso wenig habe ich die Bedingungen für die sehr verschiedene Lebens- dauer der Röhren finden können: manche Röhren hörten schon nach 2-3 Stunden auf, brauchbar zu sein, andere halten 40-50 Stunden und mehr aus. Durch diese Erscheinung wird die Untersuchung wesentlich erschwert: ich habe wohl an 50 verschiedene Röhren füllen müssen. Es ist durch Crooxes bekannt, dass das rothe Spectrum entsteht, wenn man einfache Entladungen durch die Röhre gehen lässt, dagegen das blaue Spectrum, wenn man mit der Induetionsrolle einen Conden- sator verbindet und eine Funkenstrecke einschaltet. Das ist im All- gemeinen richtig, wenn der Druck etwa 2"" beträgt, was für die Er- zeugung des rothen Spectrums am günstigsten ist. Bei kleinerem Druck kann man aber auch ohne Leidener Flasche und Funkenstrecke das blaue Spectrum erhalten, bei höherem Druck mit beiden das rothe. Im Allgemeinen sind dann freilich beide Spectra gemischt vor- handen, ebenso bei dem günstigsten Druck von 2””, wenn die Stärke des Stromes nicht passend regulirt ist. Es ist viel leichter, das blaue Spectrum rein, d. h. ohne Linien des rothen Speetrums, zu erhalten, als umgekehrt; für das rothe Spectrum muss die Stromstärke genauer dem Gasdruck angepasst werden. Dadurch wird es aber möglich, das rothe Spectrum ganz rein zu erhalten, und die meisten meiner Platten zeigen auch von den stärksten Linien des blauen Specetrums keine Spur. Der Strom wurde dureh einen Inductionsapparat von 15°” Schlag- weite gegeben, welcher mit 4-6 Accumulatoren hinter einander ge- schaltet betrieben wurde, mit einer Stromstärke von S-ı2 Amp. Zur Erzeugung der Spectra diente ein der Berliner Akademie der Wissenschaften gehöriges Concavgitter grösster Art von 65 Krüm- mungsradius, 6 Inch Öffnung. Die Röhren wurden dieht vor den Spalt gestellt, die Capillare parallel dem Spalt: bei den Röhren mit Quarzstöpsel war natürlich die Capillare senkrecht auf den Spalt ge- richtet. Zur Ermittelung der Wellenlängen waren zwischen Spalt und Röhre noch Eisenelektroden quer gegen den Spalt aufgestellt, zwischen welchen durch einen zweiten Inductionsapparat ein Funke erzeugt wurde. Beide Lichtquellen waren stets während der ganzen Expo- sitionsdauer in Thätigkeit, und ich glaubte, damit sei eine Verschie- bung des Eisen-Speetrums gegen das Argon-Speetrum ausgeschlossen. Leider aber erwies sich diese Annahme als falsch. Auf verschiedenen Platten zeigten sich die Argonlinien gegen die Eisenlinien nach Roth oder Violett verschoben, und zwar ging die Verschiebung nach beiden Seiten bis zu 0.2 A.E. Kayser: Über die Speetren des Argon. 555 Ich erkläre mir diese Erscheinung auf folgende Weise. Denken wir uns die beiden vor dem Spalt befindlichen Lichtquellen nicht ganz richtig aufgestellt, sondern so, dass die erste nur die eine Gitter- hälfte belichtet, die zweite nur die andere Hälfte. Wenn beide Liecht- quellen dieselbe Wellenlänge aussendeten, so würden die durch beide Gitterhälften erzeugten Bilder doch genau zusammenfallen, falls die photographische Platte genau in der Bildebene des Gitters liegt. Wird aber die Platte einwärts oder auswärts geschoben, so entstehen zwei Linien, die unschärfer werden und deren Mitten sich desto mehr ent- fernen, je falscher die Platte steht, und die ihre Lage, rechts und links, vertauschen, sobald man die wahre Bildebene passirt. Dabei verhält sich der Abstand der Bildmitten A, zum Fehler der Platten- einstellung B, wie die halbe Gitterbreite @ zum Krümmungsradius R: BG ne - : A RR: Ständen die Lichtquellen noch schlechter, so dass z. B. nur das erste und dritte Drittel des Gitters von ihnen beleuchtet wäre, so wäre G@ gleich 3 der Gitterbreite u.s. w. Ich habe nun versucht, wie gross in der Praxis B werden kann, ohne dass man es an der Unschärfe der Linien merkt. Ich glaube danach, dass man einen Einstellungsfehler von ı"" nicht beobachten kann, wenn das Gitter voll beleuchtet ist, dass auch noch Fehler von 2 und 3” Platten er- geben, die durchaus brauchbar sind. Ist aber das Gitter nicht voll beleuchtet, so wird der Strahlenkegel schmaler, die Linien werden also viel schärfer, und man wird noch brauchbare Platten erhalten, selbst, wenn B das Zwei- bis Dreifache beträgt. Bei meinem Gitter beträgt die Breite 140”", R = 6500"””; nimmt man an, die beiden Hälften, oder die beiden äusseren Drittel, seien beleuchtet gewesen, so würde für eine Verschiebung von o.2 A.E., d. h. 0""ı auf der Platte, A=9 resp. 6””5 werden, was zwar unwahrscheinlich gross, aber immerhin möglich ist. Die meisten Verschiebungen, welche ich beobachtet habe, sind auch höchstens halb so gross, erklären sich also auf diese Weise ganz gut. Bei ihren Untersuchungen über das Spectrum des Cleveitgases haben Runse und Pascnuex' ähnliche Verschiebungen beobachtet. Sie wollen sie durch den Astigmatismus der Bilder erklären und dadurch vermeiden, dass nur dasselbe kleine Stück des Spaltes von beiden Lichtquellen beleuchtet wird. In der That. denkt man sich etwa den Spalt gekrümmt, und von der einen Lichtquelle ein 1°” langes Stück beleuchtet, von der zweiten nur 1", so wird das Bild der ersten Quelle verschoben werden, da jeder Punkt des Spaltes durch lange Linie abgebildet wird. Trotzdem kann ich mm eine 15—20 ! Astrophysical Journal III S. 6 (1896). 556 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. diese Erklärung für die von mir beobachteten Verschiebungen nicht acceptiren, weil dabei die Linien sehr unscharf werden müssen. Wenn die Mitte einer Linie um 0.2A.E. anders gemessen werden soll, so muss diese Linie um 0.4A.E. breiter sein, d. h. sie muss total unscharf erscheinen, was bei mir nicht der Fall war. Wohl aber halte ich es für möglich, dass die theoretisch ja zweifellos richtige Erklärung von Runge und PascHen in den extremen Fällen bei mir mitgewirkt hat, so dass die falsche Einstellung B nicht so gross zu sein braucht, als ich oben berechnete. Ich habe diese Erscheinung so ausführlich besprochen, weil sie von fundamentaler Wichtigkeit für die Auswerthung von Gasspectren ist. Die Schwierigkeit verschwindet, sobald die Lichtquellen so breit sind, dass das ganze Gitter beleuchtet wird. Aus diesem Grunde ist die von Russe und Pascnen benutzte Methode, von der GEISSLER-Röhre mit einer Linse ein Bild auf dem Spalte zu entwerfen, sehr zu empfehlen, da man da- durch breitere Lichtkegel erhält, die das Gitter ganz füllen. Ich habe indessen nur wenige der letzten Aufnahmen in dieser Weise gemacht. Nachdem ich mir den Grund der Erscheinung klar gemacht, habe ich mit möglichster Sorgfalt die Einstellung der Platte vorge- genommen, Eisenfunken und GeıisstLer-Rohr so gestellt, dass das Gitter voll beleuchtet war. Bei 3 verschiedenen Aufstellungen erhielt ich nun gut übereinstimmende Resultate, die ich als richtig betrachtete. Die Platten mit verschobenen Linien waren nun auch brauchbar, da sich die Wellenlängen durch Addition einer Constanten corrigiren liessen. Für die Richtigkeit der Wellenlängen fand ich dann noch eine schöne Bestätigung: bei einer Aufnahme eines Quarzrohres er- schienen die beiden Aluminiumpaare bei 3961, 3944 und 3092, 3082 zwischen den Argonlinien, und es ergab sich für sie die RowLanp's Messungen entsprechende Wellenlänge'. Als Normalen sind ausschliesslich von RowLanp gemessene Linien benutzt. Von der erreichten Genauigkeit wird man am besten ein Bild erhalten, wenn ich für einige Linien sämmtliche Messungen an- führe. Ich nehme dazu die stärkste Gruppe des rothen Spectrums: 4158.734, —692, —736, —716, —711, -690, —715, -733, —719, — 700, — 711, —708, - 700, 713, 717. 4162.941, —866, —904, —885, -933. 4164.309, —323, —317, —28I, —293, -—293, -—316, —326, -327, —319, —314, -309, —306, —295, — 292. ' Es scheint mir übrigens dieses Auftreten der Aluminiumlinien von Interesse zu sein, da mir aus der Litteratur kein Fall bekannt ist, dass in GeisstLer- Röhren Linien der Elektroden sichtbar werden. Vielleicht kann man so in A auch Linien anderer Metalle erhalten und damit die Wellenlängen bei kleinem Druck bestimmen. Kayser: Über die Speetren des Argon. 557 4182.007. -997. -010, -977, -978, -993, —022, —OI7, —000, —971, —017, —OI2, —000, —009, —-OII. 4190.846, —831, —868, —853, —844, —830,-—824, -853, -838, —821, —857, —824, —841, —838, —-851, —838. 4191.168, —-I94, —167, —149, —126, —146, —163, —149, -193, —151, -183, -162, -153, —171, —162. 4198.452, —443, —457, —420, —435, —414, —433, —463, —424, 419, 443, "432, 440, 433» 432, -441. 4200.814, -781I, —802, -790, -796, -767, -802, -830, -765, —782, -785, —802, -—800, —804, —791I, —807. In der folgenden Tabelle gebe ich bei jeder Linie die Zahl der Beobachtungen, aus denen das Mittel genommen ist, und den mittleren Fehler an. Beim rothen Spectrum habe ich nur zwischen den Wellenlängen 3319 und 4702 das Speetrum vollständig photographiren können. Das Spectrum besitzt nur wenige Linien von kürzerer Wellenlänge, die ich auf schlechteren Platten gemessen habe, so dass der mittlere Fehler etwa o.ı A.E. betragen mag. Unter 2967 habe ich keine rothe Argonlinie mehr erhalten; bei einer leidlich scharfen Aufnalıme mit 7 Stunden Exposition und sehr starkem Strom erschienen aus- schliesslich die Silieiumlinien und die Quecksilberlinie 2536. Von den Linien mit grösserer Wellenlänge als 4702 habe ich nur die stärksten bis 5912 einige Male auf scharfen Platten erhalten und gebe daher ihre Wellenlänge nur bis auf 0.01 A.E. an. Da ich für die Untersuchung des Spectrums nach gesetzmässigem Bau auch die übrigen rothen, gelben und grünen Linien brauchte, habe ich sie mittels Plangitter und Speetrometer zu bestimmen ge- sucht und führe meine Messungen in der Liste mit auf, aber nur bis auf 0.1 A.E. Es sind Mittel aus 3—4 Messungen, die meist bis auf ıA.E. übereinstimmen. Als Normalen zur Berechnung der Ocularmessungen sind die photographisch bestimmten Linien in erster und zweiter Ordnung benutzt. Bei dem lichtstärkeren blauen Spectrum reichen meine photo- graphischen Messungen von A= 2762 bis A= 5145. wobei aber die kürzesten Wellenlängen wenig genau sind, da sie nur auf ı oder 2 Platten messbar waren. Auch hier habe ich die wenigen Linien, die noch im rothen liegen, durch Ocularmessung ergänzt. Von den Speetren des Argon sind bisher Messungen von ÜRoOokES' mit einem Prismenapparat, und von Eper und VArenta” mit einem ! Croores, Chem. News 7I p.53 (1895). ®2 EDER und Varenta, Wiener Anzeiger 1895, XXI. 358 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. kleinen Concavgitter veröffentlicht worden. In beiden Arbeiten ist aber das rothe und blaue Spectrum nicht getrennt worden. ÜROOKES giebt zahlreiche Linien als beiden Speetren gemeinsam an, Ever und Varenta geben das rothe Spectrum zwischen 5060 und 3319 und bezeichnen eine Anzahl der Linien als auch im blauen Spectrum vor- kommend. In den folgenden Listen habe ich die Messungen beider Arbeiten zum Vergleich mit aufgeführt. Die Tabellen enthalten in der ersten Spalte die Wellenlängen, in der zweiten die ungefähre Intensität, wobei ı die schwächste, ıo die stärkste Linie bezeichnet, in der dritten Spalte die Zahl der Beobachtungen, in der vierten den mittleren Fehler, in der fünften endlich die Messungen von Ever und VArLentA (E) und von Crooxzs (Ü). ı. Rothes Spectrum des Argon. N | Inten- | Zahl d. Mittler. | N Inten- Zahl d.|Mittler. | sität | Beob. | Fehler sität | Beob. | Fehler 2967.35 5 T | zoo 3554-435 | 5 I | 007 | 3554-47 E. 2968.39 2 I | 100 3556.135 2 4 , 005 | 3556.16E. 2972.60 I I | 100 3559.601 ME: 3 | 036 | 3559.66E. 3021.52 4 I | 100 3563.362 3 9, 018 | 3563.46E. 3125.70 4 2 | 030 | 3564-423 3 9 | 007 | 3564.48E. 3131.90 2 2 | 010 3567.789 | 4 0 | 007 | 3567.84E. 3175-11 I I 100 3572.416 | 2 6| 009 | 3571.89E. 3244.51 I I 100 3599.822 I 2 | 036 | 3295.44 2 I 100 3606.677 5 ıı | oız | 3606.77 E. 3302.50 3 2 | 020 3632.766 | 3 9 | oı15 | 3632.83E. 3303.08 I 1. |.100| 3634.586 | 3 8 | 013 | 3635.60E. 3319.459 | 3 4 | 005 | 3319.35E. 3643-227 2 5 | orıı | 3643.27E. 3325.626 2 4 | 027 3650.258 2 14 | 018 | 3649.95E. 3341.637 I 2 | oog | 3654-962 I 6 | o17 3360.146 I 4 | 045 3659.632 | 2 9 | 007 | 3659.70E. 3373-586 2 | 3373.64 E. 3663.392 | I 5 | oıo | 3381.573 | 1 2 |o054 | 3670.783 2 9 007 | 3670.8ıE. 3387.698 | ı 2 | 036 | 3675.353 | 1 6 | 007 | 3675.38E. 3388.464 | I 2 7015 3691.001 | 2 9 | 007 | 3691.07E. 3389.955 | ı 2 | oı5 3696.587 | ı 6 | 030 | 3696.66E. 3392.885 2 2 | 009 | 3392.99. 3738.030 1 2 | 003 | 3738.03E. 3393.848 3 6 | 005 | 3393.90E. 3743-808 I 2 | oız | 3743.89E. 3398.016 | I 2 | 005 3770.440 3 ı0 | oıg | 3770.81E. 3406 287 I 2 | 018 | 3775-476 1149 2 | 018 | 3775.62E. 3442.640 I 2 | 036 | 3781.461 | 2 9 | oıo | 3781.46E. 3455-076 | I 2 | 009 | 3801.049 | I 2 | 018 3461.192 3 6 | 006 | 3461.21E. 3834.768 | 4 | 8 | oıo | 3834.83 E. 3476-894 I 2 | 005 | 3476.94E. 3850.693 INS: | 3 | 030 | 3850.70E. 3493.435 I 2 | 030 3866.353 | 1 | 2 | 007 | 3866.44 E. 3506.650 | 2 6 | o2ı 3506.59E 3894.795 | 2 | 3 | oı5 | 3894.76E. 3509.934 1 2 | 036 3900.065 | ı | 2 | 026 | 3900.04E. 3514.513 I 2 | 060 | 3514.67 E 3947-645 | 4 | ı2 | oıo | 3947.70. 3545-947 I 3 | 016 | 3545.87 E 3949.107 | 6 | 13 | 007 | 3949.13 E. Kayser: Über die Speetren des Argon. 559 A 4044-565 4046.027 4046.620 4054.663 4154-657 4158.722 4162.906 4164.309 4182.002 4190.841 4191.841 4198.162 4200.799 4205.007 4251.329 4259-491 4266.425 4272.304 4300.249 4304-033 4333-714 4335-491 4345-322 4363.970 4510.851 4522.389 4596.205 4628.623 4702.504 4732-4 4738.2 4768.3 4807.8 4849.9 4882.3 4889.4 4969.6 5010.4 5051.3 5063.2 5120.0 5152.7 5162.6 5188.46 5221.9 5254-4 5275-3 5412.8 5421.9 5442.1 5451.87 5458.2 Inten- sität HO-BH HH DNDU POHL H NH HH BFH DH HH FH DD DT HT Pr OFT NUM SIO "Om mann HB NR DB. Zahld. Beob. 16 Mittler. Fehler 006 036 015 021 009 004 014 004 004 003 005 003 004 012 008 006 006 005 005 030 005 006 006 o0I5 018 018 008 0Io 039 016 020 4044-56E. 4046.01 E- 4054.68E. 4158.63E. 4164.36E. 4182.07E. 4190.76E. 4191.15E. 4198.42E. 4200.76E. 4251.25E. 4259.42E. 4266.41 E. 4272.27E. 4300.18E. 4333-64 E. 4335-42E. 4345.27E. 4363.93 E. 4510.83E. 4522.45E. 4596.25E. 4628.66 R. 4702.38E. 4768.80E. 4888.27 E. 5054.07E. 5060.27 E. 4044.00. 4156.6C. 4159.50. 4164.50. 4183.0(. 4191.5C. 4198.0(. 4201.00. 4251.5C. 42595. 4266.00. 4272.00. 4300.50. 4333-5 0. 4345.00. 4509.50. 4514.0C. 4594-50. 4629.50. 4701.2C. 4879 C. 4965.50. 5012 C. 5065 C. 5165 C. 5185.8C. 5222 C. 5258 C, 5421 C. 5444 C. 5456 C. A 5496.02 5506.7 5929-2 5558.80 5572.71 | 5581.3 | 5589-4 5599.6 5606.84 \ 5650.90 5659.4 5683.0 5690.1 5772-5 5802.4 5832.3 | 5860.6 5882.78 | 5888.93 | 5912.22 | 5928.5 \ 5943-5 5987-5 | 5999-5 6013.6 6025.8 6031.5 | 6043.0 6052.7 | 6059.5 6098.8 6106.1 \ 6145.6 6155.2 6170.3 | 6172.9 6212.5 | 6217.5 6296.8 6307.8 6368.0 6384-5 6415.2 6676.5 6752.7 6786.5 6870.6 6937.8 6964.8 7029.2 7066.6 | 7146.8 Inten- sität “IH OH m HD DU DH HH NH OD HH BD DH RR PU HH HH HH BD BD DNB H=—,H HH FH UN HH FH FH DT mn Mittler. Fehler 031 080 o0Io 030 010 020 041 025 oı a [ee] [957 ER oı [e.] [e) [077 m mnnm Arm 560 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. A Inten- | Zahl d.|Mittler. N Inten- | Zahld.| Mittler. sität | Beob. | Fehler sität | Beob. | Fehler 7271.6 I 7263 C. MSIUBET 2 1383-9 2 Ta 1: 7635.6 2 7646 C. 7503-4 2 7506 C. 7723-4 2. Blaues Speetrum des Argon. 2762.11 3 3204.469 2 2 .| oı2 2774-90 I 3210.678 I 2 | 027 2796.66 | 2 | 2794-40. 3212.737 I ZU NOTrS 2824.47 | ı 2830.2?C. ||| 3222.183 I 2 | 004 2842.88 | 2 | || 3236.812 I 2 | 016 2853.27 1 3237.920 I 2 .| o2ı 2855.2 a | 3243845 | 4 | 4 | o13 2878-79 2 | 3245.638 I 3 | 018 2834.2 5 | | 3249.972 4 a oral 2891.73 2 | \ 3251.888 3 3 | 005 2896.91 I | 3263.722 | 2 4 | oo 2924.68 I l| 3263.953 | ı 3) 008 2931.52 2 2929.60. | 3271.122 I 3 | 033 | 2942.94 5 2942.7C. 3273.46 | I 3.) 012 | 2955.37 2 , 3281.867 3 4 | oıo| 2979.16 4 2978.60. | 3282.661 2 3 :| 005 3000.63 2 | 2998.20. 3285.913 8 4 | 004 3002.67 4 3289.201 2 3 | 009 3024.078 | 3 27 oe] 3293.768 | 4 3 | oıo 3027.181 I 2 | oı2 | ı 3298.652 2 3 | 010 3029.015 | 2 2, No20) 3301.938 | 7 4 | 007 3031.759 I 2 009 | 3305-249 2 30.005 3033.620 2 2 | 009 | 3305.720 I 3 | oro 3039477) ı | 2 | oso| | 3306.99 | x | 3 | oro 3046.130 | I 2 | 005 | 3307.368 3 3 | 008 3048.552 10 | 281702 | 3308.040 I 3 | 016 3054.846 3 2 |oıo| || 3311.318 | 6 4 | 007 | 3064.830 | 2 2 |oı2| 3064.70. i\ 3314.622 | I [' 2- | 027 | 3066.998 | I 2 1005 | N3323.677| 2 2 | 006 3073.212 2 2 | 005 | | 3327-441 I 2 | oı2 3083.720 | ı 2 | 005 3084.8?0. || 3332.972 | ı 2 | 005 3093.478 | 3 2 | 005 3092.70. 3336.269 6 3 | 010 3110.44I | I 2 | 005 | 3339.602 I 2 | 012 3116.162 | ı 2 | 006 | 3341-518 I 2 | 012 3125.980 | ı 2 | 005 | || 3342.532 | ı 2 | oı2 3127.996 I 2 | 008 | | 3344-857 6 3 | oıo 3139.15 3 | 2 | 004 | 3348.161 I 2 | 006 3usstı| 2 | 2 1004 | 3351.112 | 3 3 | 005 3161.519 3 2 | 009 3352.248 2 2 | 005 3165.480 I 2 | 005 3355.298 I 2 | 006 | 3169.812 4 2 | 006 ı 3358.633 6 3 | 005 3171.767 I 2 | 024 | 3361.418 2 2 | 008 3181.174 | 3 2 | 007 || 3361.973 | ı 2 | 008 2183 1717| ı 2 | or2 | 3365.660 I 371/015 3187.970 | ı | 2 |oos | | 3366.758 | ı 3 | ors 3194.400 | I | 2 | 004 || 3371.077 | ı 2 |o18| 3roprHlogul ir 221015 3376.618 3 2 | 008 | Kayser: Über die Spectren des Argon. 561 x Inten- | Zahl d.| Mittler. \ Inten- | Zahl .d.|Mittler: sität | Beob. | Fehler sität | Beob. | Fehler 3379-674 I 2 | 034 3548.680 2 72 (Kos 3388.706 4 3 | o19 3388.00. 3555.107 I 2 1021 3391.959 4 3 | 019 3556.167 I 2 | 022 3404.432 I 2 | oıs5 3557-029 I 2 | o22 3413.665 I 2 | 008 3558.670 I 27022 3417.608 I 2 | 008 3559-695 8 9 | 009 | 3559.66E. 3558.2C. 3421.821 2 3 | oIı 3561.213 7 9 | 006 | 3561.13E. 3560.0(. 3424.385 | 1 2 | 009 3562.388 I 2 | 009 3429.846 | ı 3 | 027 3563.198 | ı 2 | oog | 3563.46E. 3430.650 I 4 | 013 3564.586 I 2 | 045 3438.174 2 2 | 009 3565.221 2 8 | 006 3564.00. 3445-254 I 2 | 010 3573-290 I 2 | 045 3450.223 I 2 | 006 3576.808 8 ıo | 007 | 3576.79E. 3575.0C. 3454.298 2 5 | oro 3453.50. || 3579.000 I 2 |ols 3455-572 | I 2 | 006 |] 3580.439 | ı 3 009 3464.364 2 5 | 020 | 351.802 4 ıo | 007 | 3581.83E. Te 3466.533 | 2 5 | 018 | 3582.547 | 7 10 | 007 | 3582.51 E. an 3471.443 | I 2 | 018 ll 3585.203 | ı 4 | 045 3472-713 I 2 | 018 | 3586.122 I 2 | 030 3473-368 I 2 | 006 | 3587.122 I 2 | 030 | 3476.926 | 5 6 | 005 | 3476.94E. 3475.7C. ||| 3588.633 9 9 | 007 | 3588.58E. 3587.0C. 3478.410 2 6 | 006 3592.198 I Su Kot 3480.636 5 6 | 006 3603.981 I 2 | o1s 3484.121 I 2 | 012 3606.056 2 8 | o1o 3605.0?Ü. 3488.316 I 4 | o21 3622.354 | 2 7 | oıo 3617.5?0. 3491.030 | 2 5 | 012 3637.212 I 3 | oıo 3491.440 5 6 | oo Blade 3638.015 7 10 | 010 3631.7?C. Ba9L.723 | 7 6 | 006 | 3491.71E. 3640.022 | 2 9 | 007 3493.562 I 2 | 005 3650.313 I 2 | 024 3495.193 I 4 | o15 3651.141 I 722030 3497-219 I 2.033 | 3655-474 3 912005 3498.419 I 3 | 045 | 3656.270 I 9 | 022 3499.815 3 5 | 008 || 3660.635 I 9 | 009 3500.724 I 2 | 006 | 3669.700 I 5 | 044 3502.841 2 4 | 008 || 3670.07 1 I 2 | o15 3503.730 2 7 | 008 | | 3678.478 2 8 | 008 3506.426 I 2 | 009 3680.124 I 6 | 030 3507.268 1 2 | 008 | 3692.739 I 4 | o2ı 3507-.795 I 25 Kors | 3696.160 I 27 0022 3509.475 3 6 | o01o | 3710.167 I 2 | 024 3509.61 | 3 6 | oıo | 3712.941 | 2 2 7024 3511.286 | 8 6 | oo5 3508.8?C. ||| 3714.744 | I 3. | 024 3511.804 I 4 | 010 3716.704 I 4 | 024 3514351 | 4 4 | 008 ı 3717.367 | ı 8 | o17 3514-576 4 5 | 016 |3514.67E. 3513.50. ||| 3718.403 3 ıı | oo5 | 3718.39E. 3718.0C. 3518.079 I 4 | 036 3720.617 I ıo | 010 3520.191 3 7 | 012 3519.2C. | 3724-697 2 7 | 027 | 3521.431 2 zu Nor, 3520.50. 3725-665 I | 060 3522.100 I 6 | oıg 3729.450 9 | 12 | 007 3729.44E. 3729.8C. 3535514 | 3 6 | o12 3534.30. || 3733.122 | ı | 2 | 014 3545.792 | 5 7 | 016 | 3545.87E. 3544.5C. 3735.52 | ı | 2 | 048 3546.005 | 5 7 | o2ı | 3546.07E. 3547.5?C. ||| 3738.094 | 3 | ı1 | 004 | 3738.03E. 3738.5 C. 562 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. ee, x Inten- | Zahld.|Mittler. N Inten- | Zahl d. | Mittler. sität | Beob. | Fehler sität | Beob. | Fehler 3747-135 I 275039 3960.591 2 7 | 021 3750.428 I 3 | oıo 3968.496 4 ıı | 006 | 3968.54E. 3967.80. Se 8 | 019 3974-646 2 7 | o2I 3756-541 I 4 | oı2 3974-859 I 2 | 018 3763-715 3 9 | 008 3979-541 3 IT | 009 3978-5 C. 3765:463 5 ı2 | 006 | 3765.43E. 3766.00. 3988.378 I 5 | 018 3766.286 2 II | 012 3992.196 2 10 | 008 3770.719 | 2 ıo | oıo | 3770.81E. 3770.50. 3995.035 I 2 | 060 3776.385 I 3 | oıro 4010.052 I 2 | 030 3781.018 6 ı2 | 004 | 3781.07E. 3780.8C. 4011.527 I 2 | 035 3786.536 | 2 10 | 015 4014.002 6 ı2 | 006 | 4013.97E. 4013.00. 3795:5097| 3 9 | 009 4017.986 I 2 | 015 3796.882 I 3 | 036 4023.730 I 3 | 044 3799.596 | 2 9 | oı15 3799-5 0. 4034.022 | 2 9 , 010 4033.00. 3800.429 I 3 | 060 4035.624 2 9 | 006 3803.381 2 9 | 006 3803.50. 4038.966 | 2 8 | 010 3808.746 | ı 6 015 | 4043.039 4 ı2 |! 009 | 4043.02E. 4044.00. 3809.649 | 3 o , 005 | 3809.58E. 3809.50. I 4053.111 I 5 | oıo 3819.300 I 3 | 093 4068.171 I 2 | 045 3825.865 I 5 | 020 4072.159 7 ır | 007 | 4072.15E. 4072.5C. 3826.976 3 Io | 008 3827.50. 4072.579 3 9 | oIo 3830.585 I 6 | 040 4076.854 2 6 | 012 3841.709 I 5 | oı5 5077-204 2 5 | oıs | 4077.47E. 3844-921 I 6 | 014 4079.712 2 9 | oro | 4079.83E. 3845-535 I 6 | 016 3845.50. 4080.872 I 2 | 027 3846.860 I 3 | 006 4082.535 2 9 | oı2 | 4082.59E. 3850.715 8 II | 006 | 3850.70E. 3851.50. 4089.041 I Su |N02%5 3854.522 I 3 | 042 4097.265 I 2 | 090 3855.366 I 22033 4099.602 I 2 | 018 3856.210 | ı 4 | 034 4104.107 | 7 10 | 016 | 4104.10E. 4105.00. 3858.456 | 2 6 | 009 4112.916 I 5 | 039 3868 718 6 ıı | 007 | 3868.68E. 3868.50 4131.913 4 7 | 009 | 4131.95E. 4131.50. 3872.326 2 7 | o13 3871.80 4146.761 I 2 | 030 3874.288 I 3 | 040 4156.295 2 6 | 013 3875-406 | 3 10 | 008 3875.5 C 4173.504 I 2 | o27 3880.432 | ı 4 | 039 4179-479 I 4 | 003 3891.550 | 2 8 | 009 4183.106 | 2 3 | o19 4183.0?C. 3892 ı28 4 9 | 009 | 3892.10E. 3892.00 4189.774 I 2 | o22 3900.763 2 8 | 022 4202.106 2 4 | o15 3907.896 I 2 | 090 4203.609 I 4 | 036 So | 6 | o22 4218.843 3 5, 006 3914.931 3 9 | oı8 | 3914.93E. "3915.00 4222.839 | 3 6 | oı5 3924.798 | ı 2 | o35| | 4227.146 | 2 4 | 018 3925.903 | 3 8 | 009 | 3925.98E. 3927.5 C 4228.310 | 5 8 | 007 | 4228.30E. 4228.5(. 3928.749 | 7 ır | 009 | 3928.82E. 3928.5 C | 4229.015 I 2 | 036 3931.382 | 2 9 | 016 4229.813 1 2 | 063 3932.717 | 4 9 008 , 3932.71 E. 3931.8C 4237-395 | 3 6 | o1o 3937.208 | ı 3 | 039 | 4266.684 | 6 9 | 006 | 4266.41E. 4266.00. 3944-409 | 4 9 | 005 | 3943.50. || 4275.327 | ı 4 | 014 3946.290 | 4 10 | 009 4277:.718 6 8 | 004 4277.0C. 3952.892 I 6 | 013 \ 4283.054 3 7 joı5 3958.529 | 2 3 | 013 | 4298.222 | ı 2 loıs| Fe Kayser: Über die Spectren des Argon. 563 r Inten- | Zahl. Mittler.| | R | Inten- | Zahl. Mittler. sität | Beob. | Fehler | sität | Beob. | Fehler 4300.824 2 7 | oı2 4299.0?C. | 4503.I11 I 2 | 012 4309.311 | 2 7 | o20| | #545-220 | 5 4 | 007 | 4545.28E. 4543-5 ( 4331-354 | 6 | 10 | 007 | 4331.31E. 4333.50. || 4579.527 | 5 4 | 007 | 5579-.49E. 4579-5 ( 4332.205 3 9 | 005 | 4332.15E. | 4590.081 5 5 009 4586.90. 4337-244 I 3 | o15 | 4609.742 6 7 | 005 | 4609.69E. 4608.0(). 4343.904 | 2 Ha EOT3 | 4637-351 2 2 | 050 4348.222 | 10 9 | 007 | 4348.1ıE. 4348.5C. ||| 4658.079 | 4 3 | 005 | 4658.01E. 4656.5 ( 4352.368 4 9 | 007 | 4727-027 na 4 | 008 | 4726.96E. 4726.6( 4362.229 | 2 5 | 018 | 4736.065 | 5 4 | oı2 | 4736.03E. 4734-5 C 4367.952 | I 5 | 033 | 4765.028 | 3 5 | 013 | 4764.99E. 4763.0C. 4370.928 4 9 | 009 en re | 4806.173 6 6 | 007 | 4806.10E. 4805.00. 4371-504 | 4 9 | 009 | 4371.46E. 5% 7° | 4847-963 | 3 | 6 | oı2 | 4847.95E. 4847.5C. 4375-201 I 3 | 090 | | 4880.004 4 6 | 009 4879 C. 4376.112 5 6 | 030 | 4376.15E. | 4933.406 | ı 2 | 009 | 4938 C 4379-827 | 6 9 , 005 | 4379.79E. 4376.5C. || 4965.239 | 2 4 | 015 4965.50 4383.900 2 2 | 020 | 5009.426 2 3 | 060 5007 Ü 4400.271 3 7 | 003 | 4400.20E. 5017-331 I 2 | 030 5or2 Ü 4401.156 | 5 9 , 006 ara 185095 | 5062.18 | 2 | 3 loı2| 5065 C 4408.095 I 3 | oı2 | 5141.909 Ta er 5140 C 4421.113 | I 6 | oı5 | 4421.06E. 5145565 | 2 | 2 | 060 4426.165 9 9 | 005 | 4426.15E. 4422.50. || 6114.1 3ER 6120 Ü 4430.355 | 6 9 | 006 | 4430.35E. 4426.50. | 6140.9 2 4431.172 4 9 | 005 | 4431.13E. 1 6172.3 |- 3 | 6173 C 4434-037 2 6 | 018 I 6215.6 N! 4439.539 I 4 | 030 | 6243.7 2 | 6232?C 4443-545 I 2 | oo5 6482.8 I 4449-123 | 2 4 | 013 | 6638.6 2 6628? 0. 4460.682 2| 4 036 | 66442 | 3 | 4475-015 | 2 | 4 | o19 | 4475-15E. | 66842 | 2 | 4482.003 | 5 | 6-15 | 4482.03E. 4478.30. | | | | Vergleicht man meine Messungen mit denen von Ever und VA- LENTA, so zeigt sich eine sehr. erfreuliche Übereinstimmung, da die Differenzen meist nur wenige Hundertel einer A.E. betragen, was wohl die äusserste erreichbare Genauigkeit für ein Gitter von 075 Krümmungsradius ist, wie es EpER und Varenta benutzten. Bei Üroores sind die Fehler natürlich viel grösser, sie erreichen mehrere Ansström sche Einheiten. Einzelne auffallende Differenzen sind fol- gende: ÜCrookeEs giebt im rothen Spectrum die Linien: 3904.5, In- tens. 8, und 5746, Intens. 6, welche bei mir vollständig fehlen. EpER führt die Linie 3900.04 mit der Intensität S an, während sie bei mir die Intensität ı hat. Im blauen Spectrum giebt Croorkes eine Linie 4938 mit der Intensität 10, welche bei mir nicht existirt; auch Runse und Pascnex haben diese Linie nicht gesehen. Bei den drei Beobachtern finden sich sehr erhebliche Unterschiede in den geschätzten Intensitäten. Dabei stimmen meine Schätzungen besser mit denen von Ürookes als mit Ener und Varesta. Ich möchte 564 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 7. Mai. darauf aber wenig Gewicht legen: diese Schätzungen sind ja stets un- sicher, sind beeinflusst von dem angewandten Apparate und der Platten- sorte, ausserdem sind auch die Intensitäten selbst wohl veränderlich mit Druck und Stromstärke. Da nun weder Crookes noch Ever und VaArentAa die beiden Spectra rein getrennt hatten, so haben sie andere Bedingungen gehabt, und es mögen die Intensitäten wirklich in man- chen Fällen verschieden von den meinigen gewesen sein. Sehr viel Arbeit habe ich auf das Suchen nach gesetzmässig ge- bauten Linienserien verwandt. Wenn auch bei dem grossen Linien- reichthum ein solches Suchen wenig aussichtsvoll schien, so wäre es doch sehr werthvoll gewesen, wenigstens Andeutungen zu finden, ob man es mit einem einheitlichen Elemente zu thun hat, und an welche Stelle des natürlichen Systems dasselbe gehört. Leider sind meine Bemühungen ohne Erfolg geblieben. Das blaue Spectrum zeigte gar nichts von Paaren oder Triplets. Im rothen Spectrum habe ich zwar 3 Triplets gefunden, nämlich: A I/A Differenz 4702.504 2126527 4628.623 2160470 Be 4596.205 2175708 373 4363.970 2291491 3063-97 33956 4300.249 2325447 ns 4272.304 2340657 4251.329 2352206 33950 .8 86 4190.842 2386156 . 4164.309 2401359 Hier ist, wie man nach den bei anderen Elementen beobachteten Triplets erwarten muss, die Schwingungsdifferenz zwischen der ersten und zweiten Linie etwa doppelt so gross, wie zwischen der zweiten und dritten. Aber die Intensitäten ändern sich nicht gesetzmässig, so dass ich keinen Werth auf diese 3 Triplets legen kann. Die chemische Natur des Argon ist daher durch die Spectralanalyse nicht aufgeklärt. Aber ich möchte doch hervorheben, dass ich auch nichts beobachtet habe. was zum Schlusse veranlassen könnte, das Gas sei ein Gemisch mehrerer Elemente. Ausgegeben am 21. Mai. 565 1896. XXV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 7. Mai. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. VaHLen. l. Hr. E. Schmipr las über 'Faust und Luther‘. 2. Hr. Erman legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. Wırneım SPIEGELBERG, Privatdocenten in Strassburg vor 'Die erste Erwäh- nung von Israel in einem aegyptischen Texte. Beide Mittheilungen folgen umstehend. Sitzungsberichte 1896. 53 md, } Fr Bun Ink kit i TER a A tg) Ba ie AINTIE i ER Pu Kal Dr Da AT a eh re Bu " tinf Valle Rh Na ÜR U More en u. per Ira He Ir NAT KON: Be er Fr ’ + Ware)? tr ao BIT: EEE BEL pP 7.004} FIN Ale Fr a aut u dee £ 200% KFEU RE Bi: . j A. gt ag ne BOT X ie B Br AT ANEeN. Au , | RT E" DUTMDINEESEEIT. je DIALER een De EHRE van SE h4, ni 4A PR Be UT En f f a! ERDE . Pe LP yr%& [>71 {er} -] Faust und Luther. Von ErıcH ScHMipT. k: ir einer älteren Abhandlung »Faust und das sechzehnte Jahrhundert« (Goethe-Jahrbuch 3, 77; Charakteristiken 1887 S.ı) habe ich die Frankfurter Historia von 1587 aus dem Gesichtspunkte der höheren Kritik zu betrachten und ihren Urheber auf seine Bildung, seine Ten- denz, seine Technik, seinen Stil hin zu kennzeichnen versucht. Der populäre Zweck dieses Aufsatzes gestattete vielfach nur eine rasche Andeutung; wichtige Fragen wurden nur eben aufgeworfen; auch bin ich der Gefahr nicht ganz entgangen, in jenem Sammelproduct des Reformationszeitalters schlummernde Motive zu wittern, mit denen doch erst Goethe’s Dichtung den alten Rohstoff weihevoll durchgeistigt hat, und von gewissen tiefen Ansichten Jacog BurckuArpr's über die Cultur der Renaissance einen zu freigebigen Gebrauch zu machen. Seither ist unserer im Faustischen Bereich so unermüdlichen und schier unübersehbaren Forschung mancher neue Fund geglückt, obwohl sich Einzelne bei blossen Wiederholungen und Entlehnungen bescheiden und von den letzten umfassenderen Gaben das dieke Buch des Oceul- tisten KıesEwETTEr (Faust in der Geschichte und Tradition, 1893) nur mit grosser Vorsicht benutzt werden darf. Aber die dämmerigen Pfade des historischen Faust haben neues urkundliches Licht empfangen: zu altbekannten Scheltreden gegen den »fatuus«, den »turpissimus ne- bulo«, die »eloaca multorum diabolorum« aus den Kreisen der Trithe- mius, Mutianus, Melanchthon. zu den bunten Nachrichten von zweiter Hand, zu dem Ingolstädter Rathsprotokoll, wonach 1528 der Wahr- sager Dr. Georg Faust ausgewiesen wurde, trat unter anderm ein Beleg dafür, welch starkes Gewicht Adelige wie Philipp v. Hutten den Prophezeiungen des Philosophus Faustus beimassen (Vierteljahr- schrift für Litteraturgeschichte 2, 156: vergl. 314), und ein Zeugniss, dass 1520 Dr. Faustus Philosophus die erkleckliche Verehrung von zehn Gulden erhielt, weil er dem Bambergischen Bischof Georg Schenk von Limburg, einem hochgebildeten Mann, »ein natiuitet oder indi- cium gemacht« (ebenda 3,177). Vergl. auch Kıusze, Beilage zur Allg. Zeitung 1896 Nr. 9. SL 568 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. In der Historia wollten Scner£er und Eıuinser die Spuren einer verschütteten höheren Auffassung und Darstellung des Helden auf- decken, was der Kritik nicht Stand hielt, da sich vielberufene, aller- dings pathetische Stellen, wie die Vergleichung Faust's mit den Gi- ganten, als obenhin entlehnt herausstellten und die genialen Erfurter Zusätze ihre besondere Geschichte haben (Szamarörskı, Euphorion 2,39). Doch schärfte Scnherer's Vorwort zu seinem phototypischen Neudruck das Augenmerk für die Bahnen der Überlieferung, und Er- LINGER förderte die Quellenkunde (Zeitschrift für vergleichende Litte- raturgeschichte N. F. 1, 156; 8.157 Älteres). Nachdem Zarscke in Brauxe’s Ausgabe (Halle 1878; Sitzungsberichte der Sächsischen Gesell- schaft 1888 S.ı82) mit aller Akribie die Geschichte der Drucke ent- wirrt, den ältesten und die ihm auf dem Fusse gefolgten Erweiterungen reinlich geschieden hatte, war ja erst die Grundlage für eine strenge Analyse geboten. Wenn nun durch Szamarörskı und Genossen (Viertel- jahrschrift 1, 161 und Fräske, Bauer ebenda 4, 361) dargethan ward, dass der Frankfurter Anonymus lange kosmographische, dämonolo- gische, meteorologische Abschnitte aus einem jener auf des Honorius Speculum zurückgehenden Elucidarien, das grosse dürre Reisecapitel aus landläufigen Erdbeschreibungen, die Sprichwörtermasse, die Mepho- stophiles endlich seinem Opfer höhnisch ins Gesicht schleudert, aus Sammelbüchern und ihren Registern, lehrhafte Reime aus Brant’s Narrenschiff und Luther’s Tischreden, dass er die Listen von Brat- fischen, Vögeln oder Musikinstrumenten, noch dazu in alphabetischer Folge, aus dem lateinisch-deutschen Lexikon des Dasypodius, seiner Quelle zugleich für die Genealogie der Helena, abgeschrieben hat — so konnte mein Urtheil über den Stumpfsinn und die Unselbständig- keit des phantasieleeren Pedanten kaum zu hart erscheinen. Aber solche Einwände treffen heute nicht mehr den Unbekannten, der 1587 aus Speier die Druckvorlage an Spies schiekte, sondern einen älteren Anonymus, denn Mircnsack hat in Wolfenbüttel eine der Frankfurter Historia vorausliegende Handschrift, übrigens nicht das Original, ent- deckt und mit einer grossen Einleitung zum Druck gerüstet, der hof- fentlich nieht allzulang auf sich warten lässt. Dann wird auch Ge- legenheit sein, den kleineren Karlsruher Fund WirneLn MEvER's, vier von dem Nürnberger Christoph Rosshirt sowohl knapp als ausführ- lich niedergeschriebene Abenteuer Dr. Georg Faust’s, nebst den Samm- lungen und Hypothesen des gelehrten Herausgebers zu besprechen (München 1895, Verlag der Königl. Akademie). Meyer wundert sich darüber, dass man je aus der Fausthistoria den Geist eines strengen Lutherthums habe herauslesen wollen. Diese von mir zuerst aufgeworfene Frage möchte ich hier näher erörtern E. Scuuipr: Faust und Luther. 569 und in den Belegen nicht sparsam sein, auf den ungeheuren Schwall jedoch antikatholisch-lutherischer Beispiele und Erinnerungen, mit dem Widmann 1599 die alte Handlung vollends überschwemmt hat, nicht genauer eingehen und auch die beiden protestantischen Nach- fahren des 17. und 13. Jahrhunderts, Pfitzer und den Christlich Mei- nenden, fast ganz aus dem Spiele lassen. Ich rede unbekümmert um die mir durch des Entdeckers Güte wohlbekannte Wolfenbütteler Hand- schrift, deren Abweichungen keinen Werth für unsern besonderen Gegenstand besitzen, nunmehr natürlich auch unbekümmert um Zarnck&’s mühsame Prüfung des Spies’schen Verlags (Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 4. September 1833) und um Widmung und Vorrede der Spies’schen Historia, weil diese Blätter erst 1587 zu der alten Masse getreten sind. Mehr darf und will ich Hrn. Mitcnsack nicht vorweg- nehmen. Dass der Verfasser, der allerdings in vielen locker aufgefädelten Abenteuern des dritten Theiles kaum mehr als redactionelle Buch- binderarbeit vollzogen und gelegentlich ein Prooemium (Cap. 38) vor- geheftet hat, ein entschiedener Protestant, ein Mann von ausgeprägten theologischen Interessen war, kann nicht dem geringsten Zweifel unter- liegen. Gewiss hat er in der Blüthezeit der oft so gesalzenen Schwank- und Anekdotenbücher auch stark mit dem rohen Unterhaltungs- bedürfniss der Menge gerechnet, wie es Luther niemals gethan hätte, und dergestalt gerade dem dritten theils ergetzlichen, theils gruseligen Abschnitt, vielleicht wider Willen, einen durchschlagenden Erfolg verschafft; aber überall, wo wir seine eigene Meinung und Feder geschäftig sehen, drängt er sich warnend und bekennend als gehar- nischter Sittenprediger vor. Er entnimmt der Lutherbibel eine Fülle von Sprüchen, vom Titelblatt an bis zum Schlusssiegel der letzten Seite: ı. Petri 5 »Seyt nüchtern vnd wachet« u. s. w., jenem Vers, den Luther’s Auslegung »mit gülden Buchstaben« zu schreiben rieth (s. auch Lercheimer, Kloster 5, 264). In den Naturwissenschaften blutwenig beschlagen, für die griechische Heroensage auf karge Hilfs- mittel angewiesen, ohne jeden freieren philosophischen Drang, bar aller Sympathie für hohen Geistesflug, wie sie doch Marlowe’s Pathos bald mit kühnem Titanismus vertrat, der lateinischen Sprache mächtig, aber den alten Dichtern fremd oder feind, zeigt er sich in Controversen der damaligen Theologie wohlbewandert, und es ist immerhin möglich, obgleich unerweisbar, dass er Theologie studirt hat. Nicht in Witten- berg, denn er macht arge Localschnitzer, wenn er von einem Spesser Wald als dem Beschwörungsort oder einem Dorfe Rimlich als der Todesstätte spricht, und mag Strassen- und Personennamen vom Hörensagen her ungenau wissen (vergl. Kiesewetter S. 241). Derlei 570 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 7. Mai. Fehler hielt schon Augustin Lercheimer, ein alter Melanchthonianer, sich auf seine Wittenbergische Studienzeit berufend, aber auch auf Manlius und Trithemius gestützt, 1597 in der 3. Ausgabe seines Büchleins »Christlich Bedenken und Erinnerung von Zauberei« (Binz 1888 S. 41; Bobertag bei Spemann 97, 156) dem Anonymus ingrimmig vor: ihm ist Faust nur ein teuflischer Bube und Schmarotzer, der Erzähler ein »lecker«, die Historia eitel Lügen und Teufelsdreck, ja er möchte sie missverständlich genug für eine Schmähschrift gegen Wittenberg halten. In der früheren Fassung des »Bedenkens« stand zu lesen, man habe gehofft, der leidige Gast werde sich in Witten- berg »auss der Lehr die da im Schwang gieng, bekehren vnd bessern « — diese freie, aber doch historisch mögliche Deutung strich Ler- cheimer dann, wohl um den Schein zu meiden, als sei der Genius loei für den Besucher Melanchthon’s nicht heilkräftig genug gewesen. Gewiss ist es ein zweischneidiges Motiv, wenn in der Historia Faust schon als Knabe in die Lutherstadt kommt und gerade auf der Reformatorenuniversität sich dem Teufel ergiebt. Mochten die Einen rechnen: selbst Wittenberg konnte (diesen frevlen Geist nicht vor dem tiefen Sturz beschirmen, so liess Widmann den jungen Faust im katholischen Ingolstadt, dessen Hochschule Luther 1524 in einer heftigen Flugschrift gebrandmarkt hatte, auf Abwege gerathen, doch ohne Polemik gegen den Wohnort Eck’s, denn es galt ja, wenn auch mit einem argen Widerspruch zwischen dem so dick aufgetragenen Antipapismus und dem anfangs ganz braven Ingolstädter Studium, den Abfall von der Theologie zu bewahren. Pfitzer (S.62) verlegt, scheinbar mit kluger Berechnung, alles ausdrücklich in die Zeit »vor Lutheri sel. Reformation, da das alte Päpstliche Wesen annoch überall, im Sehwang ware« (vergl. den Christlich Meinenden S. 4). Und wir wissen ja, wie ärgerlich bis ins ı8. Jahrhundert hinein manchem Orthodoxen die Wittenbergische Heimat Faust’s und seine vermeinte geistliche Würde eines Dr. theol. blieb; musste doch noch auf dem- selben Frankfurter Theaterzettel, der Lessing’s »Minna von Barnhelm« ankündigt, der Prineipal Kurz-Bernardon de- und wehmüthig erklären, Faust sei jüngst zweimal ganz irrthümlich Professor Theologiae (Witten- bergensis) genannt worden (Mentzel S. 513). Goethe’s bündiger Satz (an Zelter 5, 331): »Die Geschichte von Faust wurde nach Wittenberg verlegt, also in das Herz des Protestan- tismus, und gewiss von Protestanten selbst« enthält mehr die geist- reiche Unterlegung moderner Gedanken als eine Auslegung des alten Motivs, das in den bekannten Melanchthonisch -Manlianischen Berichten über den 1526 oder 1528 anzusetzenden Besuch Faust's in Wittenberg seine ausreichende Erklärung finden mag. E. Scanıpr: Faust und Luther. 571 Das manchen Lutheranern Bedenkliche dieses geweihten Schau- platzes für ein Teufelsbündniss und für wüste akademische Fastnacht- possen zugestanden, darf man sich doch dadurch gegen die lutherische Gesinnung des Erzählers nicht bestechen lassen. Er vermeidet jede leise Anspielung auf die theuren Männer Martinus und Philippus, er- wähnt nur in einem allgemeinen Satz gegen Ende die Gottesgelehrten der Stadt und bekundet gleich anfangs seine fromme Tendenz, indem Faust’s Abfall von der Wittenbergischen Theologie als die verhängniss- volle Peripetie erscheint. Schon auf der ersten Seite wird, vor einem paedagogischen Excurs, über Faust’s Studium bemerkt: »Er ist aber von diesem Gottseligen Fürnemmen abgetretten vnd Gottes Wort miss- braucht«, und auf der dritten lautet die Formel recht theologisch: »wolte sich hernacher keinen Theologum mehr nennen lassen, ward ein Weltmensch«. Er hat einen »geschwinden Kopff«, wird mit Glanz Magister und Dr. theologiae, heisst aber wegen seines »thummen, vnsin- nigen vnd hoffertigen Kopffs« allzeit der »Speculierer«, legt in böser Gesellschaft »die H. Schrifft ein weil hinder die Thür vnd vnter die Banck«, grübelt Tag und Nacht über Zauberbüchern, wird Medieiner und Astrolog, will auf »Adlers Flügeln« »alle Gründ am Himmel vnd Erden erforschen, dann sein Fürwitz, Freyheit vnd Leichtfertigkeit stache vnd reitzte ihn also«, und ergiebt sich aus »stoltzem Hochmuht, Verzweifllung, Verwegung vnd Vermessenheit«, den Giganten und dem bösen Engel vergleichbar, der Hölle, um »die Elementa zu speculieren «, wozu seine gottgegebenen Talente nicht ausreichen. Als »der Er- fahrne der Elementen, vnd der Geistlichen Doctor« unterschreibt er den Blutpact. Satz für Satz, fast Wort für Wort lässt sich diese Darstellung aus Luther’s Schriften! erläutern. Sein Ideal ist (Tischreden 2) »ein Erbar, vleissiger vnd züchtiger Student, der sich nicht auff hohe ding begab, noch in Lüfften hin vnd her fladderte, Sondern lies sich be- gnügen bey dem nidrigen vnd blieb bey dem Fundament vnd bey den ersten gründen«. Dagegen graut ihm (82) vor einem jungen Wittenberger, der »gottlose Fragen« über die Engel und die Schöpfung niederschrieb: »wolte die Schrifft nach seinem Kopff drehen, vnd schier einen neuen Epicurismum anrichten«. Den verirrten Studenten Valerius N. hat er selbst vom Teufelsbündniss errettet (302°; vergl. Widmann S. 547, Pfitzer S. 305). Er wird nicht müde, jeden Miss- brauch der Geistesgaben, die Vermessenheit der Vernunft, das Klü- geln und Disputiren bei den Schwarm-, Rotten- und Flattergeistern, ! Ich eitire die 2. Wittenbergische Folio- Ausgabe, die Tischreden nach dem ersten Druck Aurifaber’s, die Historia nach Braune, Widmann nach Scheible’s Kloster IT, Pfitzer nach Keller, den Christlich Meinenden nach Szamatölski. 572 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. welche die heilige Schrift »unter die Bank schieben«, das stolze Speeuliren zu verdammen'. Er warnt oft vor der Vermengung von Philosophie und Theologie (z. B. zu Gal. 3) und würde den reinen Philosophus einen »heillosen Sophisten« schelten. Er scheidet den »geistlichen Menschen« und den »Weltmenschen« (zu Gal. ı). Von ! 4,81: sich selbst gefallen und mit Talenten kitzeln »ist das ergste laster, vnd ein lauter Teufels hoflart ... denn je höher die gaben sind, je schendlicher werden sie verderbt«; 6,472 »je höher Leute, je schwinder vnd scheffers verstandes sie ge- wesen sind«, desto mehr lachen sie des ewigen Lebens; 4, 120°: der Teufel treibt sein Spiel besonders mit den »köpffen, die etwas geschickt sind ... vermessen sich, alles mit jrem kopffe vnd dünckel zu fangen vnd zu fassen«. Supplement, Eisleben 1565 Ilız2: »Aber was brüsten vnd stoltzieren wir doch? Es sind alhie viel Stu- denten, wen sie jrgends ein halbjar zu Wittenberg gewesen, so sind sie also voller künst, das sie sich lassen gelerter düncken denn ich sey«; ihre Kunst scheint denen draussen centnerschwer, wiegt aber nur ein Quintlein; das sind »Schnorrköpfe« und »stoltze Esel« (ebenda 164?). 8, ı14?: »der Satan vnd die Menschliche Natur, können die vermessenheit nicht meiden«; zu Gal.6: die »Eitelehr« ist eine Seuche. Immer wieder schilt er »grosse hoffart vnd vermessenheit, Stoltz vnd auffgeblasenes hertz, Ehrgierigkeit« der Schwärmer (z. B. Tischr. 394). 3, 156: »Wo werden aber die bleiben, die, wie die starcken grossen Risen ein Berg auff den andern tragen, vnd bawen den Thurn zu Babel«.. Man entschlägt sich der Schrift: sie wird »vnter die Banck ge- worffen« (Tischr. 62); Suppl., Eisleben II 413° der Papst mit seiner Lehre hat »ge- leuchtet wie ein dreck in der Latern, denn er hat das Euangelium unter die Banck gesteckt«. Die selbstherrliche Vernunft aber ist des Teufels »Braut, Fraw Vnhulde, die spitzige Vernunfft« (4,144), »des Teufels Braut, Ratio, die schöne Metze« (12, 348), und wird bedeutet (Suppl., Eisl. 1565 II 2ı1) »Jungfraw V. halte da das maul zu«; Tischr. 74 »Menschliche vernunfft verzweifelt entweder, oder ist vermessen. Wo sie verzweifelt, so stirbt sie sine crux et luw. Ist sie aber vermessen, so gehet sie auch dahin, vnd wird betrogen«; »Der Glaube aber ist also geschickt, das er der Vernunfft den hals vinbdrehet, vnd erwürget die Bestien« (zu Gal. 3). 3, 140 »Ein rechter Theo- logus wird nicht durch verstehen oder lesen, oder tieff sinnen, sondern durch ein gut leben, ja durch sterben vnd verdammnis«. Luther verwirft, dabei gern seines weisen Mahners Staupitz eingedenk (11, 60°), die höllische Speculatiua Theologia, »die Epiceurer, die stoltzen vnd vermessenen Klüglinge« (Tischr. 3) und die ganze uns teuflisch in den Himmel emportäuschende via speculatiua (10, 429); fern bleiben ihm » Theologi in arte Speculatiua, die mit gedancken spielen, vnd mit speeuliren vmbgehn« (Tischr. 2032), überhaupt alles Speculiren und rein vernünftige Grübeln (252). »Klügel nicht mit dem Teuflischen Quare, worumb, in Göttlichen worten vnd wercken« (28°); 4, 121 »Also mus man nicht speculirn vnd fladdern« wie die »Fladdergeister ... die da faren ins Schlauraffenland« (4, 316), nicht mit Gedanken in die Wolken gen Him- mel klettern wie »solche Fladdergeister, so gerne speculiren von hohen dingen, wollen ein loch durch den Himel boren, vnd ersehen, alles was Gott selbs ist vnd thues (4, 133°), aber (4, 136) »las einen andern disputirn vnd vergeblich forschen, Was Gott droben im Himel fürhabe, denn du wirst doch nicht erlangen, ob du dich zu tod speculirst«; verboten sind (4, 314?) »die klugen gedancken, damit die vernunflt gen Himel fladdert, vnd Gott in der Maiestet suchet vnd forschet, wie er im Himel regiere«; derlei ist (4, 288) »ein rechte Ertzböse tücke des ergesten Teufels« oder »blosse gedancken vnd spitzige Sophisten fündlin, darüber man in Schulen disputiret«. Aber »Juncker Fürwitz« thut sich keck hervor: »So haben die Rotten ... zwey grosse vorteil im Pöbel, Das eine heisset Fürwitz, das ander Vberdrus. Das sind zwey grosse Thor, da der Teuffel mit Hewwagen, ja wol mit der gantzen Helle durch feret« (zu ı. Kor. 15). E. Scamipr: Faust und Luther. ale: dem Segen anderer Berufe durchdrungen, ist er natürlich am meisten um die rechte Arbeit und den so nöthigen Nachwuchs im theo- logischen besorgt (Tischreden 6), und so laut er den heilsamen, von Gott gestifteten Stand der Ärzte rühmen kann (6, 343), meint er doch, dass gerade den Medieinern der epieureische Materialismus und dessen Lieblingsspruch Zde bibe lude, post mortem nulla voluptas wohl thue (8, 32°; der Vers oft bei Luther lateinisch und deutsch, z. B. 3, 420°). Faust ist also ein abtrünniger » Weltmensch«, der noch gegen Ende von seinen »ftliegenden Teuffelischen gedancken« (Historia S. 116) spricht und dessen Schicksal sich jeder zur Lehre nehmen soll, »son- derlich aber die eines hoffertigen, stoltzen, fürwitzigen vnd trotzigen Sinnes vnd Kopffs sind« (118). Er pactirt mit dem Teufel. Der Geist Mephostophiles dient ihm fortan »in Gestalt eines grauwen Münchs« (15. 23 f.), »in gestallt vnd Kleydung eines Franeiscaner Münchs, mit einem Glöcklin«, wie in einer bekannten wuchtigen Flugschrift dem- selben Luther, den das Wormser Ediet 1523 als geistlich verkappten Teufel brandmarkte, der höllische Versucher in der Kutte naht und der Reformator derlei antipapistische Fabeln gern erzählte. Auch wird in diesen Abschnitten der Historia teuflischer Lärm recht pro- testantisch durch den Vergleich geschildert: »als wann die Münch singen« (vergl. Luther 8, 206°). Doch will ich mich nicht bei einzelnen Redensarten” und Nebendingen aufhalten, sondern zwei Hauptmotive ! Tischr. 298: der Teufel als Diener in einer Klosterküche (Bruder Rausch); »damit man jn kennen kondte, zogen sie jm ein Mönchskappen an, vnd bunden eine Schelle oder Glöcklin dran, als ein zeichen«. Luther glaubt, dass der Geist Bier holte u.s. w., und spricht gleich darauf von »Wichtelen«, wie E. Sommer mit Recht zu unserer Fauststelle an die Glöckchen der kleinen Hausgeister erinnert hat. — 4, 97 »„Darumb habens auch die Maler eben recht troffen, wenn sie den Teufel malen, in einer Münch Kappen, vnd seine Teufels klawen vnten erfür gehen, Denn er von anfang der Welt nichts anders thut, denn die Welt mit Müncherey verfüret«. ®2 Historia ı4 »Da wirdt gewisslich der Teuffel ... den Faustum den Hindern haben sehen lassen«: Luther Tischr. 293° der Teufel »lies jn in hindern sehen«. — Hi- storiaı7 »da der Teuffel jhm, wie man sagt, den armen Judas sang« und ı13 »Als nı der Geist Fausto den armen Judas genugsam gesungen«: Verse Luther’s Tischr. 240. — Historia 24 »wie auch zwar nach dem Sprichwort D. Faustus den Teuffel zu Gast geladen hat«, rı2 »den Teuffel zu Gast geladen« (vergl. ı13 oben), 119 Moral des Ganzen »den Teuffel nit zu Gast zu laden« (ebenso Vorrede S.9): Luther Tischr. 235 »Man sol den Teufel nicht zu Gaste laden, er kömpt sonst wol vngebeten«, 289, 294; XI 2, 265 »Summa, Man darff den Teufel nicht zu gast bitten«. — Historia ıg »Er meynet der Teuffel wer nit so schwartz als man jn mahlet, noch die Hell so heiss, wie mann davon sagte, &e.«: Luther 3, 341? »Epicurer, Lucianer ... sagen der Teuffel sey nicht so schwartz wie jn die Maler malen, vnd die Helle sey nicht so heis, als die Pfaffen predigen«. — Historia 46 Randnote »Teuffel du leugst«: Luther 12, 310 „Wider Hans Worst«, die Lügenbücher seien leicht abzuwehren »mit einem wörtlin, das heist, Teuffel du leugst«. — Lieblingsworte wie »geplerr« s. u. 574 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. herausheben: die fleischliche und die geistige Verirrung, oder nach Luther’s Ansicht die Thaten des schwarzen und des weissen Teufels (vergl. zu Gal.ı und den Excurs zu Gal. 3 »Von der geistlichen Zauberey «). Beides fliesst aus dem Begriffe des » Weltmenschen«, lutherisch gesagt: des »Epieurers«. Dem Satze, dass Faust unablässig von der »Aphrodisia« gestochen wurde, gehen die bedeutsamen Worte voraus (S.25): »Doctor Faustus lebt also im Epieurischen Leben Tag und Nacht, glaubet nit dass ein Gott, Hell oder Teuffel were, vermeinet Leib vnd Seele stürbe miteinander«. Man gedenkt — ohne dass hier Erwägungen über den Aristoteles der Scholastik, über die moderneren Commentare Eck’s u. s. w. anzustellen wären — sogleich jenes viel- berufenen Protestes in der Flugschrift »An den christlichen Adel« gegen den blinden heidnischen Meister Aristoteles: »Es thut mir wehe in meinem hertzen, das der verdampte, hochmütige, schalcekhafftige Heide mit seinen falschen worten, so viel der besten Christen ver- füret, vnd genarret hat«, dass man meinen könnte, der böse Geist habe das Studiren aufgebracht. »Leret doch der elend Mensch, in seinem besten Buch, de Anima, dass die Seel sterblich sey, mit dem Cörper« (6, 564). Und wie später Mephostophiles an der einzigen Stelle, wo ihm ganz ausdrücklich ein »gottloser vnd falscher Bericht« in den Mund gelegt wird (S. 46), sagt: »die Welt, mein Fauste, ist vnerboren vnd vnsterblich«, so bekämpft Luther gleich im Anfang seiner Interpretation der Genesis die aristotelischen Irrlehren von der Ewigkeit der Welt und der Sterblichkeit der Seele (vergl. Suppl. Eis- leben 1565 II 370° »Der weise Man Aristoteles schleusset fast dahin, es sey die Welt von Ewigkeit gewesen« u. s. w.). Er aber ist über- zeugt, »aller Philosophen speculation« vermöge die Unsterblichkeit nicht zu erforschen und der Speculirer schnappe nur gleich dem Hunde beim Aesop nach dem Schein (12,112°). In einem besonderen Ab- schnitte der Tischreden und sonst häufig genug befehdet Luther die gottlosen Epieurer, namentlich den Lucianer Erasmus, der den »Epi- curum im bosem« trage, und definirt einmal kurzweg (6,125°): die nichts von Auferstehung und ewigem Leben halten, »Diese hiessen bey den Heiden Epicurei, Die Poeten halten sie für Sewe, vnd nennen sie auch Sewe«. So grimmig brauchte er ein harmloses Scherzwort des Horatius (Epieuri de grege porcus) gegen die neuen »Epicurer vnd Sew« (3,501) sowohl im geistigen als im fleischlichen Sinn. Darum spricht die Historia später ganz sinn- und stilgerecht von Faust’s »Säuwischem vnd Epieurischem leben« (S.105; vergl. auch Widmann S. 691 ff.; Pfitzer S. 513 ffl.): er beschläft »siben Teuffelische Succubas«, zeugt mit seinem höllischen Schlafweib, der Helena, einen wunderbar E. Scauipr: Faust und Luther. 5 frühreifen prophetischen Sohn und stillt gleich anfangs die Aphro- disia statt im Ehestande bei Buhlteufeln (S. 27, 39). Den Aberglauben an solche Unzucht hat Luther mit seinem Zeitalter in vollem Maasse getheilt und von Ineubis, Suceubis, Kielkröpfen, Wechselbälgen oft ein derbes Wort gesagt!'. Ja, die naive Marginalfrage der Historia über Helena’s Kind Justus, Quaestio an Baptizatus fuerit (S. 106), ist dem Reformator keineswegs fremd, wie verschiedene Erwägungen der Tischreden über die Taufe von Missgeburten und Teufelssprösslingen beweisen?. Dass aber Faust im Anfang seines Bundes beabsichtigt »sich Ehelich zuverheyraten vnd zu weiben«, ist ein gewaltsames protestantisches Motiv zur Polemik gegen den Eheteufel und den Coe- libat: Mephostophiles spricht im 10. Capitel stellenweise ganz predigt- mässig über den göttlichen Ehestand, den die Pactbedingungen seit Widmann ausdrücklich verbieten (doch siehe schon Historia S. 25 u.), und an den Haaren wird die Bemerkung herbeigezogen: »da ohne das der München vnd Nonnen art ist, sich nit zuverehelichen, sondern ver- bieten vielmehr dieselbige« (bei Widmann will Faust anfangs sieh »mit Pfaffen Köchin vnd Concubinen behelffen«, S. 317 mit riesigem Excurs; Pfitzer S.ı14). So ungeheuer wird ein Lieblingsthema der geistlichen Litteratur und des protestantischen Dramas hier aufgebauscht, dass der Höllenfürst in Person herbeistürmen muss. Belege aus Luther’s Schriften und Reden aber wären für den Gegensatz zwischen der christlichen Ehe und dem mönchischen Hurenleben, für die unermüd- liche Bekämpfung des Coelibats, für die gesunde Lehre, dass Freien besser als Brennen sei (zu 1. Kor. 7), ganz überflüssig. Dass in den Disputationen über Dämonologie und Kosmographie und was darauf folgt weder ein genialer Titanismus noch — jene ! Tischr. 300? über Incubi und Suceubi (vergl. zum 6. Cap. der Genesis 10, 150). 2992: auch die Melusina war ein Succubus. 300: der Teufel »kan sich in einer Frawen vnd Mannes gestalt verkeren. Jam est quaestio, Ob das rechte Weiber seien? vnd obs rechte Kinder seien?« Nein, es sind Teufel, ein »geplerr«. 296°: der Teufel schwängert Mägde (5,49), die dann Kielkröpfe (300°) gebären. Diese Kielkröpfe sind nur eine seelenlose massa carnis. Über die Zeugungsfähigkeit der Teufel spricht Luther mehrmals schwankend (3or). Interessant ist Widmann’s Angabe (S. 795), Helena sei nicht schwanger, sondern nur »auffgeblehet« gewesen, das Kind dann unter- geschoben worden. ® S.456: ein Weib hatte eine Ratte geboren; »da einer fragte, Ob man solche Monstra vnd vngehewre solte teuffen, sagt er, Nein, Denn ich halte es für vnuer- nünfftige Thier, die nichts denn das leben haben, vnd sich regen vnd bewegen können, wie andere Bestien. Da ein ander weiter fragte, Ob sie auch eine Seele hetten, sprach er, Ich weis nicht, ich hab Gott nicht drümb gefragt«. — 301 »als Doctor Luther vber Tisch gefraget ward, ob man auch solche Wechselkinder pflege zu teuffen, Da antwortet er: Ja, denn man kennet sie nicht balde im ersten jare, sondern kennet sie allein an dem, wenn sie die Mütter also aussaugen«. 576 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. einzige Stelle ausgenommen — eine besondere teuflische Verruchtheit waltet, wurde schon angedeutet. Gelegentlich redet Mephostophiles im Stil eines armen Schächers; sonst kramt er alten Unsinn und krause Phantastereien aus, von denen auch Faust’s Fahrten gen Himmel und zur Hölle voll sind, ohne dass sich sagen liesse, ob der Anonymus in diesen meist compilirten Abschnitten gewisse satirische Zwecke verfolge oder nur etwas Abstruses und Frevles auftischen wolle. Na- türlich kann hier auch vom Fegefeuer die Rede sein, das er sonst mit Luther verwirft. Fassen wir zusammen, dass es sich um den Fall Lu- eifer’s, die Hierarchie der Engel und Teufel, die Art des Himmels, die Substanz und den ganzen Zustand der Hölle, die Weltschöpfung, das Paradies, die Gestirne, das Wetter, um Astrologie mit besonderer Rück- sicht auf Kalender und »Natiuitet« handelt, dass diese Capitel recht ungleich gearbeitet sind und dass mehrmals etwas für blosses »Ge- plerr vnd Gauckelwerck« (S. 52), »lauter Phantasey oder traum« (S. 50) erklärt wird. Stellen wir dem gegenüber, wie Luther über solche Themata und über das Walten seines »weissen« Teufels denkt. Der Feind der eigenrichtigen Speculation muss, wie wir zur Genüge sahen und in Bezug auf die Ewigkeit der Welt specieller erkannten, alle diese Gegenstände ausschliessen. Er sagt also (Tischreden 29): » Wie sind wir denn so vermessen vnd vnsinnig, ausser vns vber die Woleken zufladdern, von göttlicher Maiestat, wesen vnd willen zu speculiren, die vnser blinden tollen vernunfft viel zu hoch, vnbegreifflich vnd vnerforschlich ist? ... da werden eitel Gemsensteiger, die stürtzen vnd brechen den Hals«. Faust will der »Erfahrne der Elementen « sein und alle Gründe des Himmels und der Erde, das Regiment Gottes und des Teufels erkennen — Luther verwirft es »die Gottheit aus- zuspeculiren«, spricht sehr zurückhaltend über die Elemente und die Sphaeren, die Schöpfung und den Fall der Engel, die aristotelische Theorie des Himmels (10, 10-12). Während z.B. die Historia den Teufel, freilich pedantisch genug, jene alte von Dionysius Areopagita bis über das 16. Jahrhundert hinaus fortgepflanzte Eintheilung der Engel vortragen lässt (S. 27), ist das Problem der Engelschöpfung für Luther ein »speculirn von vnnötigen Sachen«, wozu Moses nie- mand verleiten wollte (Tischreden 56°), und des Dionysius Disputa- tion de coelesti hierarchia eitel Geschwätz (10, 97). Desgleichen ver- wirft er die scholastische Eintheilung der Hölle und des Himmels (10, 598°). Über das Paradies, das der reisende Faust von ferne liegen sieht, redet der Erklärer der Genesis stets ungemein vorsichtig; nur die vier Flüsse sind bekannt (5, 22°; 10, 37. 41). Er ist geneigt, die Winde für hauchende und schnaubende böse und gute Geister zu E. Scaamipr: Faust und Luther. DU. Pr halten (Tischreden 303)', verwirft die aristotelische Erklärung aller Meteore aus natürlichen Ursachen (10, 203), will kein Forschen der Vernunft über das Himmelswetter (3,591?) und lehnt die Astrologie anders als Freund Philippus, dem sie mindestens eine »pulchra phan- tasia« war, ab”. Vom Teufel spricht er unaufhörlich, soweit die Bibel . und die überreiche, auch am eigenen Leibe so hart gemachte Erfah- rung der Gegenwart den grossen Feind bezeugen, geht aber was sein Regiment anlangt (s. besonders die Auslegung von Eph. 6) nieht auf Beschreibungen des höllischen Reiches aus, sondern bleibt bei allge- meinen Sätzen über dies Kaiserthum und der 2. Petri 2 gebuchten Lehre: der Satan sei mit Ketten gebunden, dass er der Hölle ange- höre, doch sitze er noch nicht fest, sondern tobe draussen herum (vergl. Historia S. 28, dagegen S.47). Vor der Macht des Teufels und vor dem Wissen des Tausendkünstlers, selbst in geistlichen Dingen, hegt Luther einen ungeheuren Respect und steht allzeit in Waffen, wie das seine gewaltige Heer- und Feldpredigt über den Epheserbrief so heldenhaft darthut. »Denn er ist ein Doctor vber alle Doctor dazu ein Fürst der Welt. Sihe, was Wunder thut er bey vnd durch seine Zeuberer, wie seltzam er jnen hilfft, vnbegreiffliche ding zu thun ... Kan er nu Wetter machen, Blattern schaffen, in Lüfften füren, vnd also mit den Heiligen spielen, dazu mit Christo selbs, Was solte er nicht vermögen mit seinen Gottlosen vnd Vnchristen « (2,468)? Aber der Erzlügner »geugelt«; obwohl er als kluger Geist Zukünftiges wissen mag, oft den Leuten nur etwas vor (4. 101’), täuscht ihre Sinne, macht ein blosses »geplerr«®. Wer sich aus ! Vergl. 10, 203°: Feuerzeichen sind entweder göttliche oder teuflische fliegende Lichtlein; Drachen u. s. w. kommen vom Luftspiel böser Geister. Zu Eph. 6. Tischr. 277: »Etliche [Teufel] sind auch in den schwartzen vnd dieken Wolcken, die machen Wetter, Hagel, Blitz vnd Donner, vergifften die Lufft, Weide etc. Wenn solchs ge- schicht, so sagen die Philosophi vnd Ertzte, es sey Natürlich, schreibens dem Gestirne zu, vnd zeigen ich weis nicht was für vrsachen ein solches vnglücks vnd plagen«; vergl. meine Einleitung zu »Goethe’s Faust in ursprünglicher Gestalt« 3. Aufl. S.LXIX über Pfitzer und Goethe (auch Widmann S. 392. 415). ®2 Tischr. 5330 »Von der Astrologia halte ich nichts« (zugleich gegen Copernicus); auf unsicheren Beobachtungen ruhend gehört sie nicht zu den freien Künsten (10,19); er glaubt an Himmelszeichen, aber nicht an ihre Auslegung (9, 539) durch die in den Tischreden so oft bekämpften »Sternkücker« und will vom Einfluss der Gestirne und von Horoskopen nichts wissen (Tischr. 580°; 5,15). Wie später Fischart und seine Vorder- männer spottet er der astrologischen Kalendermacher (Tischr. 580°): »Das aber haben sie gewis in jrem Almanach, das ınan im Sommer nicht Schnee setzet, noch Donner im Winter, im Lentz pflügen vnd seen, gegen dem herbst einerndten etc. Das können die Bawren auch wol«: Historia S.42 »Es waren seine Calender nit, als etlicher Vner- fahrnen Astrologen, so im Winter Kalt vnd Gefroren, oder Schnee, vnd im Sommer in den Hundstagen, Warm, Donner oder Vngewitter setzen«. ® Der Lügengeist betrügt die Sinne, es sind keine Mirakel (4, 137?); zum Beleg dafür erzählt Luther gern (hier, Tischr. 2882, zu Gal. 3) die Geschichte der Maid, die ihren 978 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 7. Mai. seiner Wehr locken lässt, dass er mit dem Teufel disputire, ist ver- loren (zu Eph. 6). Das Reisecapitel zeichnet in dem öden Itinerarium zwei dem Protestantismus vor allem verhasste und so oft in einem Athem ver- maledeite Orte aus, Rom und Constantinopel. Bevor Faust den Va- tican zum Schauplatz seiner Possen macht, heisst es (S. 59): »Doct. Faustus sahe auch darinnen alle seines gleichen, als vbermut, stoltz, Hochmut, Vermessenheit, fressen, sauffen, Hurerey, Ehebruch, vnd alles Gottloses Wesen dess Bapsts vnd seines Geschmeiss, also dass er hernach weiters sagte: Ich meint, ich were ein Schwein oder Saw dess Teuffels, aber er muss mich länger ziehen. Diese Schwein zu Rom sind gemästet vnd alle zeitig zu Braten vnd zu Kochen«. Nicht anders schilt Luther, der zumal in der Brandschrift » Wider das Baps- tum zu Rom vom Teufel gestifit« alle Register zieht, die höllische Grundsuppe, den prunkenden Antichrist, die geistlichen Mastsäue'. Die Historia führt dabei protestantische Seitenhiebe gegen den »Ablass«, die »Mess vnd fürbit für die verstorbene Seel«, das »Fegfeuwer«, wozu es keiner einzelnen Zeugnisse Luther’s bedarf, und lässt später, des Papsts und Türken Mord verkettend, ihren Helden in »new Rom« bei den Weibern des Serails als Mahomet sein Müthlein kühlen, bis er »im ÖOrnat vnd Zierde eines Bapsts in die Höhe« fährt. Wie Luther das »freie Sewleben« der Türkei, wo die Mahometisten als eitel Hurenkinder gleich Hunden und Säuen Hochzeit halten, ver- dammt und erklärt, Mahomet mit seinem groben schwarzen Teufel sei nicht der Antichrist — »aber der Bapst bey vns ist der rechte Endechrist, der hat den hohen, subtilen, schönen gleissenden Teufel « Eltern als Kuh erscheint, die aber St. Macarius mit seinen »geistlichen« Augen erkennt, denn ihm kann der Teufel kein »geplerr« machen. »Ein geplerre vnd gespenst« Suppl. Eisleben 1565 II 471°. Geistig vom höllischen Todesschrecken: »ein eitel Teufels ge- spenste vnd lauter fantasey« (zu Gal.3). »geplerr«: Historia S. 15, 22, 52. Über Träume: zur Geschichte Joseph’s Cap. 40. So gross Luther’s Aberglaube ist, gelegentlich erklärt er eine Teufelsgeschichte seiner Frau doch für »lauter Somnia« (Tischr. 618). Aber der Teufel kann z.B. auch ein kriegerisches Pfeifen- und Posaunengetön vormachen (Tischr. 288) wie im 56. Cap. der Historia. Von seinen mannigfachen Verwandlungen ist Luther überzeugt; »desgleichen gleube ich, das die Affen eitel Teufel sind« (Tischr. 288, 294), vergl. Historia S. 51, 91-93, 108. ! Oft »Je neher Rom, je erger Christen« (6, 556; 3, 303°). Der Papst ein »Ab- gott, mit vnerhörter pracht ... Luciferische hoflart« (6, 555°); der »Ratenkönig zu Rom« (7, 5182); das Schandleben des Papsts und seiner »Puseronen« (7, 347°); Rom die »aller ergeste grundsuppe aller Teuffel in der Helle« (7. 532—54r). ein »Ratten- nest« des Bapsts vnd seiner Cardinal, des Teuflels heimlich Gemach« (3, 525). Mit dein papistischen Geld »werden nur faule vnfletige vnd vnzüchtige Sewe gemestet«, „Beuche vnd Mastsew« (7, 207?); die Klöster, da »mülsige Leute sich mesten, wie die Sew Rangen« (Tischr. 454). — Luther erzählt gern die Fabeln von Höllenpacten der Päpste (Tischr. 335°), worin ihm Widmann (S. 770 ff.) und Pfitzer folgen. E. Scunipr: Faust und Luther. 579 (2, 442 £.). Endlich fehlt in der Compilation (S. 62 u.) ein Zwischen- sätzchen gegen die Reliquien nicht, allerdings ohne lutherische Derb- heit (7, 441 »tote Knochen«, »bescheisserey«, 549°; 12, 351° eitel Trug von »lausigen, gnetzigen, schebichten München «). — Lutherischen Geistes voll ist die Darstellung der Katastrophe (Cap. 62 ff.), auf deren Vorbereitung im 52. Capitel, der Geschichte vom alten Mann, ich unten näher eingehen werde. Faust hat nur noch einen Monat vor sich, da wird ihm bang »wie einem gefangenen Morder oder Räuber«, er weint, verfällt, gestieulirt unsinnig, lebt ganz einsam, ergiesst seine Pein in heftigen Selbstgesprächen und bringt zwei solche verzweifelte Klagen in lauter Apostrophen mit vielen Ach und OÖ zu Papier, sich der schwersten Sünden zeihend und ohne jede Hoffnung auf das Heil seiner Seele: »Ach Leyd vber Leyd, Jammer vber Jammer, Ach vnd Wehe, wer wirdt mich erlösen? wo sol ich mich verbergen? wohin sol ich mich verkriechen oder fliehen? Ja, ich seye wo ich wölle, so bin ich gefangen«. Den »Melancholischen« schlägt der Teufel vollends nieder durch Hohn- reden über seine Unrettbarkeit, und verspricht dann nur, »doch falsch vnd der heyligen Schrifft zu wider«, er wolle ihm die Höllenpein, die Faust selbst beweglich schildert (S. 114, fast gleich S. 37), durch »einen stählin Leib vnd Seel« erleichtern. Der Anonymus wird nicht müde, die Hilf- und Trostlosigkeit des »armen Verdampten« auszu- malen: »wer wil mich Elenden erretten? Wo ist mein zuflucht? wo ist mein Schutz, Hülff vnd Auffenthalt? Wo ist meine feste Burg?« Aber ihm ist dies Lutherlied von refugium et virtus nicht gesungen, und wenn er eine letzte warnende Oratio an die Freunde hält, so hegt er doch nur »Judas Rew« (S. 117). Schon anfangs hatte er leidenschaftlich geklagt und gewünscht: »O dass ich nie geboren were worden«, »er wolte aber keinen Glauben noch Hoffnung schöpffen, dass er durch Buss möchte zur Gnade Gottes gebracht werden« (S. 31). fr ist nun einmal hart gefangen. Von verzweifelten Selbstmördern und den listigen Ränken der Hölle erzählt ihm Mephostophiles (S. 32). »Doctor Faustus hatte wol jmmerdar eine Rew im Hertzen ... aber sein Rew war Cains vnd Jude Reuw vnd Buss, da wol ein Rew im Hertzen war, aber er verzagte an der Gnade Gottes, vnd war jm ein vnmöglich Ding, dass er wider zur Hulde GOttes kündte kom- men. Gleich wie Cain, der also verzweiffelte, Seine Sünde weren grösser, denn dass sie jhme verziehen möchten werden, Also auch mit Judas, &e.« (S. 33). Wieder predigt ihm sein Geist die ewige Verdammniss (S. 38 f£.) und schlägt die »melancholischen« Gedanken an Besserung mit den Worten zurück: »Wann du auch vor deinen groben Sünden zur Gnade Gottes kommen köndtest, aber es ist nun 580 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. zu spat, vnd ruhet Gottes Zorn vber dir« (S.4r). Diese Motive kehren also in der Katastrophe mit grösster Wortfülle und durchaus nicht ohne Redegewalt wieder. Die Studenten hätten Faust gern »durch gelehrte Theologos auss dem Netz dess Teuffels errettet« — ein von Widmann entsetzlich breitgetretenes Motiv (S. 671, 673, 695, 721, 736fl., 753, 761) — »nun aber ist es zu spat« (S.117). Sie mahnen ihn, Gott um seines lieben Sohnes Christi willen als armer Sünder um Gnade anzurufen und so die Seele zu retten — »Das sagte er jnen zu, er wolte beten, es wolte jm aber nit eingehen, wie dem Cain, der auch sagte: Seine Sünde weren grösser, denn dass sie jhme möchten verziehen werden«. Nun folgt der furchtbare Tod', und mit einem kräftigen christlichen Endspruch tritt unser Anonymus ab. Wir stehen hier durchweg auf dem Granitboden der Lutherischen Gnadenlehre, wie sie im »Sermon von der Busse«, in der Auslegung der Briefe Pauli und in allen anderen Schriften des Reformators fort und fort verkündigt wird. Nicht die blosse Contritio oder Attritio, der Werkgerechtigkeit zu geschweigen, sondern die frohe Hoffnung auf unsern Erlöser Jesus Christus, der getroste Glaube an die Gnade, die Gewissheit der göttlichen Barmherzigkeit für den reuigen Sünder macht die Freiheit des Christenmenschen. Wenn das Gewissen, nach einem Lieblingswort Luther’s, »zappelt und zagt«, sollen wir Gott nicht für einen grausamen Tyrannen, Stockmeister und Meister Hans, den Henker, halten, denn das ist die höchste vom Teufel angerichtete Lästerung des Herren (8, 365°). Darum will Luther auch nichts von jenem furchtbaren Richter, den mittelalterliche Legenden, das Jutten- spiel oder Michel Angelo’s Gemälde darstellen, hören. Das böse Ge- wissen, in Dramen des 16. und 17. Jahrhunderts gleich dem mosaischen »Gesetz« neben Tod und Teufel personifieirt, treibt zur Hölle: es ist »ein böse Bestia vnd böser Teuffel«, ein »Monstrum«, den Erinnyen des Orest vergleichbar (XI 2, 174. 202°). Schon wer melancholisch die Einsamkeit sucht, ist schlimm gefährdet, denn Caput Melancholi- cum est Diaboli paratum Balneum (Tischr. 319; 12,167). Mit Psalmen tröstet Luther das »arme Seelichen«, dass es die bösen Geister nicht dureh Traurigkeit in Verzweiflung führen, fangen und verschlingen (3. 102). Jeder Selbstmord kommt vom Teufel (vergl. Widmann S. 722, Pfitzer S. 600, den Christlich Meinenden S. 28). Der Trostlose leidet ' Vergl. Tischreden 2962: Luther erzählt von einem Pfeifer bei Erfurt, den der Teufel. holen sollte. Man verordnet ihm Wächter und Mahner, um Mitternacht löscht ein Sturmwind alle Lichter und reisst ihn unter grossem Geprassel und Getümmel durch’s Fenster hinaus; am Morgen findet ınan die Leiche schwarz mit kreuzweis ausgestreckten Armen in einem Bach liegen. Eine verwändte Geschichte 297. E. Scauivr: Faust und Luther. 581 die Pein eines Mörders, sein Gewissen liegt im Kerker und sitzt im Stock (3,181; zu Gal. 3). Er wird gern mit Cain und Judas ver- glichen, die ohne rechte Reue und Busse verzweifelten!. So ein elender Mensch wälnt, Christus sei weit von ihm »vnd lasse jn hie niden in der Helle, dem Teuffel im hindern« (4, 166°); er achtet seine Sünde stärker als Christi Blut (8, 467). Der Teufel aber als Schänder und Lästermaul disputirt mit uns: siehe, das hast du gethan und das gelassen (3, 377), bringt schreckliche Beispiele und Drohworte aus der Schrift (3, 390°), schreit den Armen an »nu stiekestu in deinem vnglück, Eraus, Eraus du Bluthund« (3, 183°) und weiss unter man- cherlei Larven das Seelehen mit Donnerschlägen zu zerrütten (3, 225 ff.). Darauf soll der Mensch, ohne Scrupel unter die Fittiche der Gluck- henne kriechend (3, 349), nicht hören, geschweige denn mit dem tückischen Feind disputiren (auch Tischr. 169), vielmehr nur rufen: »Hebe dich Teuffel, halts maul, mein Herr Christus der mich erlöst hat, lebet« (3, 306), oder: »Was gehn dich Teuffel meine Sünden an? Hab ich mich doch nicht an dir versündiget, sondern an meinem Gott« (3, 360). Der Teufel sagt: »O du must zur Höllen«... »Nein, das will Gott nicht, Da fare hin, Teuffel vnd die böse Welt« (4, 153). Satan giebt die letzten Mordstiche und Gifttränke (4, 257) und bläst die Gedanken wie eine Glut an: »Du bist ein schendlicher Mensch, vnd nicht werd, das dich die Erde tregt, Wie tharstu denn für Gott komen, vnd jn Vater nennen?« (4, 260), »es ist verlorn« (II, 251). Dann ist der Ungläubige zu schwach, die Teufelsgedanken in den Abgrund zu schicken und die Zähne zusammenzubeissen, sondern er schreit: »O weh der Tod wil mich fressen, O zeter die Helle sperrt den rachen weit auff, vnd wil mich verschlingen« (4, 530), »Ach, wehe mir, diese straff habe ich verdienet mit meiner bosheit, mut- willen vnd vngehorsam, Was sol ich nu thun? Wohin sol ich mich keren« (XI 2,44), »O ich armer elender Mensch« (3, 136°). So klingen Luther’s Spottverse »wider Epieurum« (»Wer auff gut sewisch leben wil«) aus: »Denn wündscht ein solcher Epicurer Awe, wer nie geborn wer«, 1 7,47 »Judas Busse«; 4, 201?; Xl 2,153? (»der Teuffel hat auch seine Rew«); 1, 104? »nu ist die Judas rew one die gnade gemacht«; 1, 104 der Papst muss sagen, »das die Judas rew vnd Galgen rew die beste Busse sey«; 7, 103 »Ob nu schon jemand seine sünde vnd aller sünd schaden, on lieb vnd glauben betracht, so hilfft er doch nicht für Gott, Denn der Teuffel vnd alle verdampten haben auch solche Rew, die man heisset auff Deudsch, Judas Rew, vnd Galgen Rew«. Suppl. Eisleben 1565 II 339 »So schürt der Teuffel auch zu, damit er vns in verzweifelung treibe, wie er dem Cain vnd Judas dem Verreter gethan hat«; 4,209 »verzweinelte Leute, die an Gott vnd seiner Gnade verzweiueln wie Cain vnd Judas der Apostel«; ı1, 261 »wie Kain sagt: Meine Sünde ist grösser denn das sie mir vergeben werden müge. Item, wie Judas sagt: ich habe das vnschüldige Blut verrhaten«. Historia s. o. Sitzungsberichte 1896. 54 582 Sitzung der philosophisch--historischen Classe vom 7. Mai. : l l In Faust’s Verzweiflungsreden fordern endlich die Ausrufe: » Ach Vernunfft vnd freyer Will« und gleich darauf »Ach, ach Vernunfit, Mutwill, Vermessenheit vnd freyer Will« ein besonderes Augenmerk; denn während die vorhin verglichenen Partien Motive von der breiten Heerstrasse des Lutherthums bringen, haben wir es hier mit subtilen Gedanken zu thun, die nur der Eingeweihtere vortragen kann. Gewiss, dass Luther die Willensfreiheit schlechterdings ablehnte, wusste auch wer seinen Handel mit Erasmus nicht näher verfolgt und die Schrift De servo arbitrio weder lateinisch noch deutsch gelesen hatte; aber die Formel »Vernunft und freier Wille« und ihre Anwendung gerade auf die letzten Lebenskrisen zeugt von innigerer Vertrautheit mit der Lehre und Redeweise Luther’s, der oft! genug auseinandersetzt: »also [wie der Glaube] reden vnd ruffen vermag weder die vernunfft, natur, noch freier wille. Darümb verzweifeln sie, so bald sie anfechtung von jren sünden fülen, vnd erwürgen sich entweder, ertrencken, hencken sich, oder werden gerürt von dem schlage, oder geraten in eine stete schwermütigkeit oder Melancholey« (Suppl. Eisleben 1565 II 35), oder von der Gewissensangst: »Wo ist da ein freier wille? wo ist die ver- nunfit?« (zu Gal. 3). 2. Mitten in diesen Partien vernimmt man nun aus dem Munde des höllischen Predigers Mephostophiles acht Verse (S. ıır), die, wie STUCKENBERGER (Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte 1, 159) gezeigt hat, von Luther stammen, in der Aurifaber’schen Ausgabe der Tisch- reden als zwei vierzeilige Sprüche getrennt’, aber schon bei Stang- wald 1571 und bei Selneccer 1577 verbunden. Hieran knüpft sich die Frage, ob ausser diesem Citat und gewissen Reflexen die dann von Widmann so reichlich ausgeschrie- benen Tischreden Luther’s schon dem Anonymus als unmittelbare oder wenigstens anderen Berichten direet zugeleitete Quelle gedient haben. Ich glaube: ja, und fasse zunächst, um bei dem langen ! 5,204; Tischr. 152 »Das sind die grossen Thaten, die vnser Freier wille aus- richtet, das er das Hertz nicht tröstet, sondern machts je lenger je mehr verzagt, das es sich auch für einem rauschenden Blate fürchtet«. Oft lehrt er mit seinem Augu- stinus, der freier Wille, vielmehr des Teufels Gefangener, tauge nur zur Sünde ohne Gottes Gnade und könne den Teufel nicht los werden, die Freiheit des Gewissens nicht erringen. »der freie wille, die vernunfft« 3, 222, 358 u. Ss. w. 2 S. 204 »Schweig, leid, meid vnd vertrag«, 611 »Wer was weis, der schweig«. Der Anonymus hat den einen zu seinem Zwecke parodirt, den andern »Weistu was so schweig« kaum zufällig wie Mathesius eitirt (mit zwei Varianten: 3 »behalt« für »halt«, 4 fehlt »mit seinem breiten fuss« nach »Vnglück«; s. Goedeke, Dichtungen von D. Martin Luther 1883 S. 150). © E. Scuuipr: Faust und Luther. 583 Finale zu bleiben, das 52. Capitel rasch ins Auge, das Herman Grinm (Preussische Jahrbücher 47, 450: Fünfzehn Essays 1882 S. 192 ff.) geraden Wegs auf die Confessionen Augustin’s' zurückführen wollte, während W. Meyer, ohne dieser Behauptung zu gedenken, jüngst das 52. und 53. Capitel genauer als bisher an den nahverwandten Er- zählungen Luther's (Tischreden 285°) und Lercheimer’s (Kloster 5, 315, Binz S.S6) gemessen hat. Liest man bei ilım S. 30 die drei Texte neben einander, so kann über ihren Zusammenhang kein Zweifel be- stehen: Luther’s kurze Erzählung aus den Vitis patrum von einem Alt- vater, der den grunzenden Teufel durch herzhaftes Gespött verjagt, ist bei Lercheimer und in der Historia zum Abschluss der trefflichen Episode des frommen alten Mannes verwerthet worden. Da Lercheimer und der Anonymus theilweise fast wörtlich übereinstimmen, Lercheimer aber das 1585 erst handschriftlich existirende, ihm bei später Bekannt- schaft so verhasste Faustbuch gewiss nicht benutzt hat, so muss ent- weder unser Bericht auf dem »Christlichen Bedenken« fussen oder für beide eine gemeinsame Quelle angenommen werden. Im ersteren Falle wäre die durch Mirensack’s Fund veränderte Frage nach der Entstehungszeit des Urcodex überraschend einfach gelöst: der An- onymus hätte dann seine Historia zwischen 1585 und 1587 geschrieben. Ohne diesem schwierigen Problem, das auch noch bis zur Wolfen- bütteler Publication vertagt werden muss, und allen anderen sachlichen oder formalen Ähnlichkeiten Lercheimer gegenüber nachzugehen, will ich vor der Hand nur erklären, dass ich hier, von W. Meyer ab- weichend, eine gemeinsame Quelle suche. Allerdings sind die An- klänge sehr verführerisch; aber sollte der Anonymus, der doch nach allen bisher gesicherten Ergebnissen kein behender Schriftsteller war, seinen Lercheimer das eine Mal treuer, das andere Mal (z.B. in Cap. 33) ganz frei benutzt haben? Und warum hätte nicht schon er aus dem »Christlichen Bedenken« andere Faustgeschichten aufgenommen, die gleich der Nachdrucker” desselben Jahres dankbar an sich raffte? Ich glaube also, dass schon vor Lercheimer die Geschichte von Faust's Warner und eine der Lutherischen nahverwandte Anekdote von dem abgetrumpften Poltergeist mit einander verbunden waren, glaube auch, 4,3: ein alter »vir sagax medicae artis peritissimus« warnt den Jüngling vor Manichäischen Büchern. ® Hier verbietet schon die wiederholte Contamination benachbarter Geschichten Lercheimer's die Annahme gemeinsamer Quellen. — Kloster 2, 1038 Faust hetzt zwei Bauern zusammen: Lercheimer, Kloster 5, 282; 1039 F. verwandelt ein Pfaffen- brevier in ein Kartenspiel: L. 232 (Pfitzer S. 273 erzählt das von einem französischen Zauberer); 1040 F. frisst einen rohen Hecht: L. 289; 1041 F. verschlingt einen Haus- knecht: L. 284; 1042 F. haut einem den Kopf ab: L. 283; 1052 F. bewirkt den. Nasen- zauber: L. 290, 291. 54* 384 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. dass der auffallende medicinische Beruf des gottesfürchtigen Nachbars mittelbar oder unmittelbar aus der Erinnerung an Augustin stammt, und lasse endlich die Nebenfrage offen, ob die Worte »kürrete wie ein Saw« statt Lercheimer’s »kröchet« u. s. w. von Luther’s Ausdrücken »girren vnd grunzen« »Getöne und Gekirre« abzuleiten seien, indem der Historienschreiber nachträglich der Tischreden gedacht hätte. Die Stimmung der beiden Capitel aber darf wiederum echt lutherisch ge- nannt werden, ist doch die Ansprache des Alten als rechte Buss- und Trostpredigt eines guten christlichen Nebenmenschen gefasst (z. B. Luther 3, 522°, zur vierten Bitte im Vaterunser u. s. w.) und erinnert doch das Abenteuer zwischen dem durch »Christlich Gebett vnd Wandel« wie durch derben Humor gewappneten Greis und dem rumpelnden Teufel, der keinen Spott vertragen kann, nicht bloss an jene eine Stelle der Tischreden, sondern an Luther’s ganzes persön- liches Verhältniss zum Erbfeind!. Gustav Freytag’s lebhafte Darstel- lung ist allen gegenwärtig. Im Gegensatze zum Melanchthonischen Kreise, dessen Fausttra- dition man jetzt bei W. Meyer bequem übersehen kann, bietet uns Luther eine einzige Erwähnung des schlimmen Gastes (Tischreden 16°): »Da vber Tisch zu abends eines Schwartzkünstlers Faust genant ge- dacht ward«, sprach der Doctor im Allgemeinen über teuflische An- fechtungen; aber es war leicht, dies und jenes aus seinem Vorrath in den Bereich Faust’s hinüberzuziehen — wie ähnlich ist z. B. die Buhlgeschichte S. 299 den Kuppeleien des Erzzauberers — und Wid- mann hat davon den ausgiebigsten Gebrauch gemacht’. KıEsEWwETTER's Meinung jedoch, es müsse in allen derartigen Tischreden der Name ! „Polter- vnd Rumpelgeister« 4, 318; einer plagt einen frommen Pfarrer (Tischr. 289); Luther selbst wurde auf der Wartburg dergestalt angefochten (290). Der Teufel macht säuische Musik, aber die edle Musica vertreibt ihn gleich dem Gebet (305°; 5.538), wie schon Saul’s Geschichte lehrt. Luther schlägt auch sehr drastische Mittel gegen den »Junker Bombart vor«: grobe Schimpfworte, Einladungen im Stile Gottfried’s von Berlichingen, unsaubere Gebärden u. dergl. Tischr. 169 »er solt mich mit züchten zu reden etc. lecken«; 280? »so weise man jn flugs mit einem Furtz ab«; besonders 290: das Weil des nachts vom Poltergeist geplagten Bremischen Propstes Jacob »wendet den Arss zum Bette hinaus, vnd lest jme einen Vortz (mit züchten zu reden) vnd spricht, Sihe da Teufel, da hastu einen Stab, den nim in deine Hand, vnd gehe darmit Walfart gen Rohm zu deinem Abgott dem Bapst, vnd hole dir Ablas von jme, Spottet also noch des Teufels dazu. Nach dem bliebe der Teufel mit seinem Poltern aussen. Quia est superbus Spiritus, et non potest ferre con- temptum«. — Der Eheteufel und das alte Weib, dem er den Lohn, ein Paar Schuhe, so ängstlich von fern reicht (Hans Sachs): Luther 4,15 und 205, Tischr. 437?. 2 8.279 ff. »Erzehlung, was D. Luther von D. Fausto gehalten hab« (Tischreden 162, 280° — von Kiesewetter irrthümlich vermisst —, 285, 299°. 289, 298, 290, 299°). S. 285 will er sich auf ein besonderes Schreiben berufen. Er übernimmt noch vieles andere aus den Tischreden, und Pfitzer folgt ihm darin. E. Scaumipr: Faust und Luther. 585 Faust, der nur von den Herausgebern aus Vorsicht unterdrückt worden sei, wiederhergestellt werden, ist völlig aus der Luft gegriffen. Wir sahen, wie in der Geschichte vom alten Mann Lercheimer oder seine Vorgänger den namenlosen Altvater durch Faust ersetzte. In einem früheren sehr wichtigen Capitel der Historia, an der Spitze des dritten Theiles (Cap. 33, S. 74). lesen wir dagegen ein Abenteuer Faust’s, das weder Luther noch Lercheimer diesem zuschreiben. Wir können auch hier die Quellenuntersuchung fördern, ohne sie zu erledigen. Die Historia erzählt, dass Kaiser Karl V. einst zu Innsbruck den auf Praxis beim Adel anwesenden berühmten Arzt und Schwaız- künstler Faust, um eine Probe seines »Warsager Geists« zu sehen, in sein Gemach beschied, ihm volle Sicherheit zusagte und die Be- schwörung Alexander’s des Grossen und seiner Gemahlin forderte. Das versprach Faust unterthänig mit der Belehrung, er könne nicht die sterblichen Leiber der beiden eitiren, sondern uralte Geister, die das Paar einst gesehen, würden in ihrer Gestalt erscheinen, auch dürfe der Kaiser während des Schauspiels kein Wort reden. Er öffnet die Thür: geharnischt kommt Alexander und »neigt sich mit einer tieffen Reuerentz« vor Karl, »ein wolgesetztes dickes Männlein, rohten oder gleichfalben vnd dieken Barts, roht Backen, vnd eines strengen An- gesichts, als ob er Basiliscken Augen hett«. Nachdem er mit einer zweiten Verbeugung zur andern Thür hinausgegangen ist, tritt gleich ehrerbietig seine Gemahlin herein: »sie gieng in einem gantzen blawen Sammat mit gülden Stücken vnd Perlen gezieret, sie war auch vber- aus schön vnd rohtbacket, wie Milch vnd Blut, lenglicht, vnd eines runden Angesichts« (vergl. die Schilderung Helena’s S.94). Karl freut sich nicht betrogen zu sein, »gleich wie das Weib den Propheten Samueln erweckt hatt«, und prüft die Treue dieser Geistererscheinung vollends, indem er an dem Bild, das ihm wie ein Stock still hält. »hinden im Nacken ein grosse Wartzen« wiederfindet, wovon er oft gehört hat. Eine solehe Geschichte ging von Kaiser Maximilian im Schwange. Wierus (De praestigiis daemonum, Kloster 2, 188) erzählt, dass nach einem Hofgespräch — die Stadt wird nicht genannt — über Heetor und Achill ein namenloser Schwarzkünstler unter der Bedingung des Schweigens sich zur Citation dieser Helden erboten habe: schrecklich kommt der riesige gewappnete Trojaner, gegen den dann der Grieche seinen Spiess schüttelt, mit einer Verneigung vor dem Kaiser ent- schwinden sie; König David aber, der unmotivirter Weise nach ihnen erscheint, verbeugt sich nicht, weil er, wie der Spiritist erklärt, nur von Christus übertroffen werde. Diese, von Steinhart-Bütner (s. das Sammelsurium, Euphorion 2, 762) fabulos erweiterte, Geschichte steht 386 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 7. Mai. unserem Capitel ferner und mag, gleich einigen Versreihen des Hans Sachs, besser zu dem köstlichen Erfurter Bericht über Faust’s Homer- colleg gezogen werden. Hans Sachs hat am 12. October 1564 die »Historia: Ein wunder- barlich gesicht keyser Maximiliani, löblicher gedechtnuss, von einem nigromanten« gedichtet (Folio V 2,232-1579 — Keller-Götze 20, 483): Wie solcehs vor sechs-und-viertzig jarn Von seinr gnad hofgsind hab erfahrn Zu Wels, weil ich noch ledig was, Das mir warhafft anzeiget das. Also 1518, ein Jahr vor Maximilian’s in eben diesem oberösterreichi- schen Städtchen erfolgtem Tode (12. Januar 1519); doch muss entweder eine irrige Berechnung der Jahre oder eine falsche Datirung des Ge- dichts angenommen werden, da Hans Sachs nur in der Zeit von 1513 auf 1514 in Wels geweilt zu haben scheint. Sein sonst durchaus glaubhafter Schluss bestätigt, dass die Zauberanekdote einen thatsäch- lichen Untergrund hat, und die Angabe, Erzherzogin Maria sei »vor kurtzer tag und stund« auf einem Jagdritt tödtlich gestürzt, verweist das herzliche Begehren des Witwers, sie noch einmal zu schauen, in das Jahr 1482 (nach Lercheimer um 1515). Ein Gaukler wird ihn irgendwie durch ein Schattenspiel getäuscht haben. Bei Hans Sachs verspricht am gastlichen Innsbrucker Hof ein ungenannter Nekromant drei beliebige Erscheinungen: der Kaiser fordert Hector, Helena und seine Maria. Jener unterrichtet den Kaiser, wie er den Geistern ab- klopfen solle, gebietet strenges Schweigen und vollzieht in einem magischen Kreise die Beschwörung. Der Dichter weiss Hector mit trotzigem Muth, Helena mit naivem Schönheitsreiz auszustatten und schwingt sich auf die reinste Höhe seiner Kunst in den der Maria ge- widmeten Versen: wie sie so züchtig und demüthig, traurig und sehnlich »in eim blawen rock« daherkommt, »als ob sie noch im leben wer«, und Maximilian überwältigt die Arme ausbreitet mit dem Schrei: »Das ist die recht, Von der mein hertz all freud empfeeht«. So bricht er den Zauber, der Geist schwindet im Dampf und Getümmel, der Nekro- mant aber hält dem Kaiser, der ihn schliesslich reich begabt, nachdem er sich auf die Unwiderstehlichkeit der Liebe berufen hat, die durch seine Übertretung bewirkte Halsgefahr vor. In Luther's Tischreden 301° lesen wir: »Von Samuel, so König Saul erschein, was es gewest. Doctor Martinus ward gefraget, Da Samuel, auff des Königs Saul begeren, von der Warsagerin, jm er- schienen were, ob es der rechte Prophet gewest? Sprach er, Nein, sondern were ein Gespenst vnd böser Geist gewest. Welchs damit beweiset wird, das Gott in Mose [3,19£.] verboten hat, das man die E. Scnauipr: Faust und Luther. 587 Warheit nicht sol von den Todten fragen, Sondern ist nur des Teufels Gespügnis gewest, in der gestalt des Mannes Gottes, Gleich wie ein Zeuberer vnd Schwartzkünstiger, der Abt von Spanheim, hatte zu wegen bracht, das Keiser Maximilian, alle verstorbene Keiser vnd grosse Helden, die Neien [9] Besten, so man also heist, in seinem Gemach, nach einand gehend, gesehen hatte, wie ein jglicher gestalt vnd bekleidet war gewest, da er gelebt, vnter welcher auch gewest war der grosse Alexander, Julius Caesar, Item, des Keisers Maximi- liani Braut, welche der König von Franckreich Carolus Gilebosus [Gib- bosus; es handelt sich in der wirren Anekdote um Karl VIII. und Anna von Bretagne] jme genommen hatte«. Lercheimer (Kloster 5, 288, mit unwesentlichen Zuthaten Binz S. 38) erzählt von demselben Abt unter anderm ein Abenteuer, das er »zu mehrmaln von ansehenlichen glaubwirdigen leuten gehört«. Johannes Trithemius überredete den hochlöblichen Kaiser Maximilian, der heftig um den Tod seiner geliebten Maria von Burgund trauerte, zu dem »gefehrlichen fürwitz«, sie ihm als Augentrost zu beschwören. In dem Gemach ist nur ein dritter Zeuge anwesend; niemand darf während der Erscheinung ein Wort reden. »Maria kompt hereinn gegangen, wie der gestorbene Samuel zum Saul, spatzirt fein seuberlich für jnen vber, der lebendigen wahren Marien so einlich, dass gar kein vnder- scheid war vnd nicht das geringste darann mangelte. Ja in anmerckung vnd verwunderung der gleicheit, wird der Keyser eingedenck, das sie ein schwartz flecklein zu hinderst am halss gehabt, auff das hat er acht vnd befinds auch also, da sie zum andernmal fürvber gieng. So eben weiss der teufiel, wie ein jeder geschaffen ist, vnd so ein gute gedechtnuss hat er, vnd ein solcher Meister ist er im abcontrofeien. Da ist den Keyser ein grauwen ankommen, hat dem Abt gewincket, er sol das gespenst weg thun: vnd darnach mit zittern vnd zorn zu jm gesprochen: Mönch, macht mir der possen keine mehr: vnd hat bekannt wie schwerlich vnd kaum er sich habe enthalten, dass er jr nicht zuredete. Wann das geschehen were, so hette jn der böse geist vmbbraeht. Darauff wars gespielt: aber Gott hat den frommen Gotts- förchtigen Herrn gnediglich behüt vnd gewarnet, dass er hinnfort soleher schawspiele müssig gienge.« Der Ort ist nicht genannt. Hans Sachs bezeugt die mündliche Überlieferung im engeren, Lercheimer die mündliche Überlieferung, die wir auch für Luther an- nehmen, im weiteren Kreise. Fortlaufende Sage hat aus dem ano- nymen Zauberer (Hans Sachs, Wierus) den berühmten Johannes Tri- themius gemacht (Luther, Lercheimer), und an seine Stelle ist endlich, gewiss auch schon durch mündliche Tradition und nicht erst durch den Verfasser der Historia, derselbe Doctor Faust gesclioben worden, 588 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 7. Mai. über den gerade Trithemius 1507 die volle Schale seiner Verachtung ausgeleert hatte. Dass der 1516 verstorbene Abt von Sponheim, Ste- ganograph und Geheimphilosoph, am kaiserlichen wie am branden- burgischen Hofe grosses Ansehen genossen und mit Maximilian in persönlicher Verbindung gestanden, förderte den ersten Act der Über- tragung. Das Local ist bei Hans Sachs und in der Historia Innsbruck. Lercheimer scheint auf den ersten Blick die ursprüngliche, weil ein- fachste, Form darzustellen, dass nämlich der um Maria trauernde Witwer sich zur Citation dieser einzigen Person verführen lässt, und er theilt das Motiv des sehnsüchtigen Schmerzes mit Hans Sachs. Doch macht dieser, gleich Luther, die Verbindung der Maria mit an- dern, fernen Gestalten schon für die Urform des Berichtes wahrschein- lich. Wierus und Hans Sachs führen uns in die troische Heldensage, Wierus auch zum alten Testament; Hans Sachs allein, hierin Goethe's Vorläufer, ruft Helena herbei; Luther, abgesehen von seinem Massen- aufgebot an Kaisern und Heroen (neun, wie in Listen des Meister- singers) und von Julius Caesar, nennt den grossen Alexander und — die Stelle ist confus aufgezeichnet — Maximilian’s Braut; die Historia bietet Alexander und seine Gemahlin. Die Geister werden bei Luther, Lercheimer, dem Anonymus ausdrücklich, mehr oder minder scharf, für teuflisches Blendwerk erklärt, in allen drei Fällen mit Berufung auf Samuel und die Hexe von Endor'. Sie neigen sich bei Wierus und dem Anonymus. Überall das Gebot des Schweigens, das nur bei Hans Sachs verletzt wird. Bei ihm ist überhaupt der Kaiser thätiger, bei Lercheimer, der wenigstens von schwer bezwungener Redelust spricht, ein ergrimmtes Opfer spiritistischer Verführung. Lercheimer und der Anonymus bieten gleichmässig das Motiv, dass die Frau an einem schwarzen Mal oder einer Warze hinten am Hals erkannt wird (die Wolfenbütteler Handschrift giebt das etwas anders und noch naiver), was in der Geschichte Maximilian’s und Maria’s hübsch motivirt, für Karl V. und die Gemahlin Alexander’s aber höchst lächerlich ist. Nach- dem aus ehronologischen Gründen an Maximilian’s Stelle sein Enkel eingesetzt worden war, hatte Maria von Burgund ihr schönes Platz- recht verloren und musste, absurd genug, das untrügliche Kennzeichen der Gattin Alexander’s überlassen. Dies kleine Motiv ist allerdings sehr auffällig, doch weicht im sonstigen Verlauf unsere Historia so weit von Lercheimer’s Erzählung ab, dass eine Benutzung des »Christ- lichen Bedenkens« abzulehnen und auch hier eine gemeinsame Tradi- tion zu behaupten ist. Ob der Anonymus seine freie Ausarbeitung der ! Historia S.74 Faust hat einen »Warsager Geist«: vergl. ı. Sam. 28,7 und Apostelgesch. 16, r6. E. Scumivr: Faust und Luther. 589 mündlich überlieferten Sage auch im Hinblick auf Hans Sachs be- reicherte — was nicht vor der fünften, 1579 aus dem Nachlasse zu- sammengestellten Folio geschehen sein könnte, denn es giebt keinen Einzeldruck —, darf gefragt werden, da der »gantze blawe Sammat« an Maria’s »blawen rock« erinnert, während die folgenden Worte der Historia »mit gülden Stücken vnd Perlen gezieret« nur zufällig mit dem »güldin stück« und den »perlein« Helena’s bei Hans Sachs über- einstimmen könnten. Auf das Innsbrucker Local möchte ich weiter kein Gewicht legen. Luther’s Tischrede ist uns durch die Einleitung und durch die Beschwörung Alexander’s interessant, würde aber als knapper Auszug kaum für eine Quelle gelten dürfen, wenn nicht die nächste Nachbar- schaft ein ganzes Nest verwandter Motive böte. In der Historia folgen auf einander die Geschichten von der Innsbrucker Beschwörung (Cap. 3 3) und von einem Ritter bei Hofe, dem Faust ein Hirschgeweih anzau- bert und der sich dafür rächen will (Cap. 34 £.; mit der Doublette Cap. 56); dann ganz sprungweise (Cap. 36) die Anekdote, wie Faust ein Fuder Heu sammt Wagen und Pferden frisst, und nochmals, recht unge- schickt, wie er ein Fuder Heu verschlingt (Cap. 40); dazwischen Cap. 38 das Abenteuer Faust’s mit dem Juden, der ihm ein Bein zum Pfand absägen muss, und Cap. 39 die kleine Geschichte, dass ein Rosstäu- scher den von Faust gekauften Gaul im Wasser in ein Strohbündel verwandelt sieht und, als er den Zauberer am Fuss zupft, ihm das ganze Bein auszieht. Freilich, diese Geschichten sind weit verbrei- tet!" und dem Anonymus gewiss von da und dort her bekannt gewe- sen aber sollte es reiner Zufall sein, dass Luther’s Tischreden eine ganz ähnliche Folge darbieten? S. 307: Wildfeuer verschluckt »einen Bawr mit Pferd und Wagen«; ein Mönch (Lindener's Messpfafte Schrammhans) frisst für einen Kreuzer — Historia S.S3 »vmb ein Creutzer oder Löwenpfenning« — einem Bauer ein Fuder Heu weg; ein Schuldner lässt sich von einem Juden scheinbar ein Bein aus- reissen und entgeht durch diese teuflische Sinnestäuschung der Zah- lung; 308: Kaiser Maximilian’s Vater hat einem Gaukler Ochsen- füsse angezaubert und wird von diesem zur Rache, nachdem ihn ein ! Goedeke, Schwänke des sechzehnten Jahrhunderts, 1879 S.144 (Zimmerische Chronik: Ludwig von Liechtenberg und der Rosstäuscher, S.146 ein Bauer zieht ihm ein Bein aus), S.ı47 (Lindener — in der Historia nicht benutzt —: Schrammhans zaubert aus den Fenstern guckenden Bürgern Hirschgeweihe an), S.147 (Lindener: Schrammhans verkauft einem Bauer Säue, die sich in Strohwische verwandeln, und lässt sich von ihm im Wirthshaus ein Bein ausreissen), S.148 (Bütner: Baumann’s Pferd frisst in einer Viertelstunde mehr als zwei Fuder Heu; sein verkauftes Pferd verwan- delt sich in ein Bund Stroh, der Käufer reisst ihm ein Bein aus), S.ı49 Schramm- hansens Gänse werden zu Strohwischen, der geprellte Jude reisst ihm ein Bein aus). 590 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. künstlicher Lärm ans Fenster gelockt, mit einem andern Schmuck be- dacht, denn »da kriegte er am Heubte ein gross Geweih von Hirsch- hörner, das er den Kopff nicht kondte wider zum Fenster hinein bringen«. Wohlgemerkt, ich erblicke hier zwar ein gegebenes Prineip der Anordnung, aber keineswegs des Anonymus alleinige Quelle, son- dern glaube auch dafür an umlaufende Sage, wie denn die Historia den Ritter, der im Fenster »mit seinem Hirschgewicht weder hinder sich, noch für sich« kann, zwar »mit Namen nicht nennen wöllen«, aber sehr naiv durch eine Randnote bezeichnet: Erat Bbaro ab Har- deck (»Ritter N.« bei Widmann, ZLjiber|. Baro ab Hard. bei Pfitzer, Baron von Hard beim Christlich Meinenden). Und die Hardeck-Brü- schenk!' nahmen ja am kaiserlichen Hofe hohe Ehrenstellen ein; der berühmte Heinrich, Maximilian’s und vorher Friedrich’s Günstling, ist wohl gemeint. Schon Widmann ist, mit einem Flüchtigkeitsfehler (S. 502, von Pfitzer eorrigirt), zu Kaiser Max zurückgekehrt, in der »Erinnerung« Luther’s Anekdote eitirend (S. 600); desgleichen Pfitzer, der S. 434 Lercheimer und Luther verbindet und sein Capitel mit einer kritischen »Nota« eröffnet: »Der Author, welcher den D. Faustumr hat erstlich in den Druck gegeben, hat sich dess Namens verstossen, dass er gesetzt, es sey Käiser Carolus V gewesen; aber im rechten Original ist es Käiser Maximilianus I.«. Der platte Christlich Meinende (S. 20) beginnt einen ungeheuren Periodenbau rationalistisch: »Wo es wahr ist, was von Maximiliano I. erzehlet wird«, um ihn moralisirend zu beschliessen: »so muss man erstaunen, wie dieser sonst löbliche Käyser hierüber keinen Abscheu gehabt«. Dass endlich Goethe im Urplan zum 2. Theile seines »Faust« nicht einen namenlosen jungen Kaiser, sondern der alten Sage gemäss Kaiser Max vorführen wollte, hat uns erst die Weimarische Ausgabe der Paralipomena gelehrt (15°, 174). Während Marlowe in einer doppelt und schlecht überlieferten Scene (Breymann S. 120) Alexander und »his beauteous Paramour«, die »a wart or moale in her necke« hat, vor dem Kaiser erscheinen lässt und die spätere Quarto vor ihrem Charles, also Karl V., den Darius hinzufügt, die deutschen Volksdramen aber das Geisterschauspiel mannigfach vari- iren?, bis der jüngste Leipziger Mischmasch sogar Bismarck und Fer- ! Luther zum ıo1. Psalm 3,462? erzählt von Friedrich III. und seinem »Brühe- schencken« — vergl. auch Krones, Allg. d. Biogr. 3,455 —., was Goedeke, Dichtungen von D. Martin Luther S.ı87, wunderlich missverstanden hat, denn er interpretirt: »brüheschenk, der verdünnten Wein schenkt, dann übertragen, ein schwacher, nach- giebiger Herr, treuloses Gesinde«! 2 Vergl. Bielschowsky, Bericht der Kgl. Gewerbeschule zu Brieg 1881 S. 50. Im Geschmack des 17. Jahrhunderts treten antike, besonders aber alttestamentliche Gestalten hervor. Helena wurde auf dem Danziger Theater, laut Schröder, nach Carolus magnus E. Schuipr: Faust und Luther. 591 dinand von Bulgarien herbeiholt, beschwört Goethe, frei und gross- artig mit alten Motiven schaltend, Helena und Paris, um so eine Brücke zur classisch-romantischen Phantasmagorie zu schlagen, in der Züge der epischen und der dramatischen Überlieferung die idealste Ver- klärung finden sollten. beschworen; sie erscheint noch in einem ezechischen Puppenspiel, das auch Alexander den Grossen bewahrt hat, wie der Weimarische Text (Schade 1856) ihn allein und das von Creizenach so richtig charakterisirte Ulmer Puppenspiel, der Historia und Marlowe treu, nur Alexander ınd seine Gemahlin zeigt. Ihren Namen in U »Padamera« hat schon Schade scharfsinnig auf Marlowe’s »paramour« zurückgeführt, s. auch Creizenach S.385. Den Versuchen Grimm’s, Werner’s (Zs. für österreichische Gymnasien 1893 S.199) und vor allem Bielschowsky’s (Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte 4, 193), unsere Volksschauspiele ganz von Marlowe loszureissen, kann ich nicht beitreten, was ein ander Mal dargelegt werden soll. Zu den Listen in Bielschowsky’s Programm ist noch nachzutragen: im Berliner Puppenspiel (Lübke, Zs. für deutsches Alterthum 31, 148 vergl. 114) erscheinen Lucretia, David und Goliath, Judith und Hohofernes, Salomo; im Wiener (Kralik und Winter, Deutsche Puppenspiele 1885 S. 179) wird nur erzählt, dass Faust dem Herzog von Parma, dem er dann Hörner anzaubern heisst, »das grosse Wunder gezeigt« habe; Bulgarien, s. Tille, Doctor Johann Faust. Volksschauspiel vom Plagwitzer Sommertheater (Engel, Heft X); die Erscheinungen in den czechischen Stücken (Alexander, Helena, David und Goliath) mustert Kraus, Das böhmische Puppen- spiel vom Doctor Faust 1891 S. 46 und bietet einen neuen Text, worin statt der Helena eine schöne Eleonora auftritt, um derentwillen die Studenten Pavia zerstörten (S. 137)! Die Geistererscheinungen in Goethe’s schwierigem Paralipomenon Nr.65 (Weimarische Ausgabe 15°, 177) sind noch unaufgeklärt und werden es wohl bleiben. f f rn u ch PN, m Fu TI 7° Kur RER LSETIRT PR ra! . 7 sin va A, LE SH ER u i ir Kalaell. nd Su, Herb eh | Re } DER a, 2 44h Be Ä 1 - I at ! PR ERTETTTEE Pe ei Wen U N rr f af - s kit, tr eu se DRAN Äyener wur Bw i A u br | « Ir a ; y ’ { & IR / u \ 4 fr b D ’ ve. = F ’ _ R Y Die erste Erwähnung Israels in einem aegyptischen Texte. Von Dr. WILHELM SPIEGELBERG, Privatdocent in Strassburg i. E. (Vorgelegt von Hrn. Erman.) nter den zahlreichen werthvollen Fundstücken, welche FLmpers Prrrıe während seiner letzten Wintercampagne auf der Westseite des alten Theben zu Tage gefördert hat, ist ein beim Abschluss der Aus- grabungsarbeiten in dem Tempel des Merneptah gefundenes Monument von so weittragender Bedeutung, dass sein wesentlichster Inhalt schon jetzt mitgetheilt zu werden verdient'. Es ist dies eine grosse, völlig unbeschädigt erhaltene Stele aus dunklem Granit, welche auf beiden Seiten längere Inschriften trägt. Ursprünglich in dem Tempel Ame- nophis’ II. stehend, wurde sie nach der Zerstörung dieses Bauwerks mit dem übrigen Baumaterial desselben für den Tempel des Merneptah benutzt. Die Seite, auf welcher Amenophis II. der Nachwelt seine stolzen Bauten kündete’, wurde durch die Art der Aufstellung un- sichtbar gemacht, da man es nicht für nöthig hielt, die alte Inschrift zu beseitigen; auf der noch unbenutzten Seite hat Merneptah seine Siege verherrlicht. Der grösste Theil dieser in mehreren Exemplaren angefertigten 28 zeiligen Inschrift, welche aus dem 5. Jahre des Königs datirt ist, giebt eine lebendige und poetische Schilderung des Libyereinfalls unter Merneptah. Nur in den letzten Zeilen, welche die Siege des Königs 3 ! Der ganze Text wird in der Gesammtpublication der von Frixvers Pr'rrıE gefundenen Denkmäler erscheinen, mit deren Bearbeitung der Unterzeichnete beauf- tragt ist. 2 In dieser Inschrift findet sich auch eine Beschreibung des auf der Westseite Thebens gelegenen Tempels Amenophis’ III. Die Stele selbst fiel mit dem erwähnten Tempel dem Fanatismus Amenophis’ IV. zum Opfer und wurde von Sethos I. wieder »erneuert«. ® Die Fragmente eines in Karnak gefundenen Exemplars bei Dünıcnen: H.J.1I Tafel ı. - 594 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. über die Barbaren zusammenfassen, wird auch der anderen Feinde Aegyptens gedacht. Der in Frage stehende Text lautet: © I 1 „O0 mm um R® 1 NE ; er der 53] ji q au I in alex a ATLNSFETERNIRTAS JETTA IR ZIERTANT, 5% & ENInlRe ISARelN IRA), KURESE EIG »Die Fürsten sind zu Boden gestreckt, indem sie den Gruss (=}>%) sprechen. Nicht eins unter den Neunbogenvölkern erhebt sein Haupt. Verwüstet ist(?) 7Arme (Libyen), Cheta ist zur Ruhe gebracht, das Kanaan ist gefangen mit (?) jedem Bösen, fortgeführt ist Askalon, bemächtigt hat man sich Gazers, Jenoam ist zu Nichts gemacht. Israel ist ein kahles Land (?) ohne Frucht (?), Hor (Palaestina) ist zur Wittwe Aegyptens geworden', alle Länder insgesammt sind in Frieden. Jeder, der umherschweifte, ist von dem. König Binere - Miamun, Sohn der Sonne, Merneptah- Hetephermet, mit Leben begabt gleich der Sonne jeden Tag, gezüchtigt worden. « Commentar: Für die Identifieirungen der Localnamen verweise ich auf W. Max Mürrer: Asien und Europa nach altaegyptischen Denkmälern. In NN u ist das —> nicht ganz sicher, doch scheint mir die Identität mit Askalon zweifellos. Zu der Construction mAw m K-d-r- N e@ 5 Serge F vergl. Pap. Assorrt 4/10 IN mh imw »man bemächtigte sich = IB L = ihrer«. E- | N air ist die in der Thutmosisliste AN N \D 84 ! In dieser poetischen Wendung liegt ein Wortspiel (Hr und 2srt) vor. N: . .. . . . = Spiegensers: Die erste Erwähnung Israels in einem aegyptischen Texte. 595 > e S ? : (var. | ) geschriebene Stadt, in welcher man mit Recht m er- kannt hat!. een: <> EN F . N En Lc If N II | Ye Isirör- ist im Gegensatz zu den übrigen <> au durch ein Länderdeterminativ bezeichneten Localnamen der einzige deutlich als Stamm determinirte Name, in ihm haben wir zweifellos die aegyptische 'Transcription von >80” vor uns. Da nun dieser Stamm unter palaestinensischen Orten genannt ist, so dürfen wir wohl den Schluss wagen, dass Israel” sich zu der Zeit, als es von Mer- neptah geschlagen wurde, in Palaestina aufhielt. Aber mehr können wir dieser poetisch gehaltenen Stelle nicht entnehmen. So lässt sich auch der Wohnsitz von Israel nicht genauer bestimmen, da die Namen scheinbar willkürlich nebeneinander gestellt sind. Wenn auch in der Reihe Askalon- Gazer- Jenoam eine geographische Anordnung von Süden nach Norden gegeben zu sein scheint, so muss man sich doch An- gesichts der ersten zusammenhanglosen Gruppe Libyen- Cheta- Kanaan fragen, ob man ein Recht hat, das folgende Israel nördlich von Je- noam zu suchen. Übrigens bietet die Übersetzung der Stelle grosse Schwierigkeiten, an h - : . da —S%&e fkt ein neues Wort ist, welches durch den folgenden Si ; > Negativsatz nicht genügend erklärt wird. Denn es bleibt zweifelhaft, Re =0 A : ob wir —S durch »Frucht« oder durch »Samen« in dem Sinne zZSselel@l von progenies zu übersetzen haben‘. Beides ist möglich. fkt könnte möglicher Weise mit dem Priestertitel fAti zusammenhängen, dessen Übertragung »Kahlkopf« aber noch keineswegs gesichert ist. Für denjenigen, welcher durchaus übersetzen will, bieten sich demnach zwei Übertragungsmöglichkeiten: »Israel ist ein fi ohne Samen (omepna)« und »J. ist ein fAt ohne Frucht«. Im ersteren Falle könnte man fkt als »Eunuch« o.ä., im letzteren Fall als »kahles Feld« o.ä. deuten. Allein mehr als rathen lässt sich hier eben nicht. Sicher ! Siehe Mürter: Asien und Europa S. 160. — Die Gleichung # = findet sich auch in Abcw für »23 »Hügel« und in Adb>on> für 123 »Gibeon«. ? Die aegyptische Umschrift setzt zunächst das semitische Prototyp >s737 voraus (s. Mürter: a. a. 0.99); indessen ist auch die Gleichung Fl=% gesichert (s. Boxpı: Lehnwörter S. 69). 3 Ob wir im ı2. vorchristlichen Jahrhundert in Israel noch den Stamm zu sehen haben, welcher später dem nationalen Verband seinen Namen gab, oder ob unter diesem Namen bereits eine Vereinigung von Stämmen zu verstehen ist, wage ich nicht zu entscheiden. * Zu der letzteren Bedeutung vergl. insbesondere die Obeliskeninschrift der m Er er] Es Hatsepsut (Basis 8.) Z. 3 und 5 & neben faN m — ooo0 596 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 7. Mai. bleibt nur, dass in dieser Stelle die Niederlage Israels poötisch be- schrieben ist. Der Schlusssatz übersetzt sich am ungezwungensten in der obigen Weise, fasst also die einzeln genannten Fremdvölker zusammen, welche von Merneptah gezüchtigt wurden. Möglich bleibt indessen auch die Deutung auf die Zukunft!. »Jeder, der umherschweift (d. i. jeder ein- fallende Barbar) wird in Zukunft von dem König gezüchtigt werden.« Damit würde also den Feinden Aegyptens gedroht werden. — In dem prunkhaften Bericht dieser Zeilen ist uns die Nachricht über einen Feldzug des Merneptah gegen Palaestina erhalten geblieben. An ein aggressives Vorgehen seitens des Königs ist wohl kaum zu denken. Vielmehr dürfte es sich um eine Erhebung palaestinensischer Stämme — vielleicht im Zusammenhang mit dem Einfall der Libyer — handeln, welche von dem Pharao glücklich niedergeschlagen wurde. Es liegt auf der Hand, dass in unserer Stelle für die Bibel- kritik eine werthvolle neue Quelle erschlossen ist, wenn auch die »Exodusfrage« durch sie noch nicht gelöst wird. Hr. Ermay bemerkte im Anschluss an die vorstehenden Mit- theilungen des Hrn. SpiEgELBERG: Der neue glänzende Fund Perrıe’s beweist, wie Hr. SPIEGELBERG richtig hervorgehoben hat, zunächst nichts für oder gegen die Exodusgeschichte. Er zeigt, dass König Menephtha Israel bekriegt hat: er macht es weiter wahrscheinlich, dass Israel damals ein Stamm und kein fester Staat war und dass es sich in Palaestina befand. Ob aber Israel damals aus Aegypten kam oder ob es je in Aegypten gewesen ist, darüber ist dem Denkmal des Menephtha nichts zu entnehmen. Indessen darf man doch hervorheben, dass es ein merkwürdiges Zusammentreffen ist, dass gerade König Menephtha als Bekrieger Israels erscheint, sind doch die meisten Gelehrten, die es bisher ver- sucht haben, den Pharao der Exodusgeschichte zu bestimmen, dabei auf diese Zeit gekommen. Denn wenn die alttestamentliche Tradition die Juden die Städte Ramses und Pithom erbauen lässt, so denkt sie sich augenscheinlich Ramses II. als den Pharao der Bedrückung, unter dem Moses geboren wird. Und wenn auch Ex. 2, 23-25 (Da er- eignete es sich lange Zeit hernach, dass der König von Aegypten starb) nicht zu derselben Quelle gehört, die Ramses und Pithom nennt, so dass also der Pharao des Auszugs nicht direct als Sohn und Nach- ! Erman: N. Gr. $ 233. SpieserserG: Die erste Erwähnung Israels in einem aegyptischen Texte. 597 folger des Bedrückers bezeichnet wird, so bleibt die Exodusgeschichte doch immer am Ende der Regierung Ramses’ II. oder an der zunächst darauf folgenden Zeit haften. Und ebenso nennt die aegyptische Volks- sage vom Auszug der Unreinen, die uns in einem manethonischen Fragment (bei Josephus, contra Apionem I, 26) bewahrt ist, als den König dieses Auszugs einen »Amenophis«, dessen Vater Ramses und dessen Sohn Sethos hiess, also sicher den König, den Africanus Amen- ephthes nennt, unseren »Menephtha« oder Merneptah, den König der Prrrıe’schen Inschrift. Ausgegeben am 21. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerci. Sitzungsberichte 1896. 55 Di uk ai Re Dane u Ki R) Wr WIE, a u Pr fi i j r j rl a rt N j . x “| ‚art er { tl ‚7 mir“ Yun, a IE A RE HI ee) j 2 K ’ 7 ö FH I IE 1 2 w Ar | Zip | 5 a “ >» ä 12} AN > P * 599 1896. AXVI. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 21. Mai. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEN. l. Hr. Erman legte eine Bearbeitung des Papyrus P. 302 4 der Königl. Sammlung vor, der die Reden eines Lebensmüden und seiner Seele enthält. Die Mittheilung wird in den Abhandlungen erscheinen. 2. Hr. Frosensus las eine Abhandlung ‘Über vertauschbare Matrizen‘, 3. Hr. Coxze legte den Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts vor. Beide Mittheilungen folgen umstehend. 4. Das Institut de France übersendet "Le Centenaire de l’Institut 1795-1895. 5. Hr. Heıseıcn WınkLer überreicht der Akademie den ı. Theil einer 'Germanischen Casussyntax'. 6. Die physikalisch-mathematische Classe hat zur Ausführung wissenschaftlicher Unternehmungen bewilligt: ihrem Mitgliede Hrn. WeEIERSTRAss zur Fortsetzung der Herausgabe seiner gesammelten Werke 2000 Mark; ihrem Mitgliede Hrn. Kreıs zu Reparaturen an Apparaten zu krystallographischen Untersuchungen 118 Mark 75 Pf.; ferner dem Privatdocenten an der Universität Göttingen Hın. Dr. O. BÜRGER zur Ausführung einer zoologischen Forschungsreise in den Anden von Colombia 3000 Mark; Hrn. Dr. L. Wvurrr in Schwerin i. M. zur Fort- Sitzungsberichte 1896. 56 600 Gesammtsitzung vom 21. Mai. setzung seiner Versuche über Krystallzüchtung 1500 Mark; Hrn. Dr. Paur Kuckuck auf Helgoland zur Fortsetzung seiner Untersuchung der dortigen Algenflora 1200 Mark; dem Professor an der technischen Hochschule zu Karlsruhe Hrn. Dr. K. Furrerer zur Fortführung seiner geologischen Studien in den Südost-Alpen 1000 Mark; dem Director der psychiatrischen Klinik zu Breslau Hrn. Prof. Dr. WERNIcKE zur Herstellung eines photographischen Atlas von Schnitten durch das Gehirn 2000 Mark; dem Öberbibliothekar Hrn. Dr. G. VarLentım hier- selbst zur Bearbeitung einer allgemeinen mathematischen Bibliographie 2500 Mark; Hrn. Dr. K. VErHorF in Bonn zur Fortsetzung seiner Studien über Myriopoden, Isopoden und Öpilioninen 600 Mark; dem Privat- docenten an der Universität Strassburg i. E. Hrn. Dr. A. Torngvıst zu einer geologischen Erforschung der Gebirge von Recoaro und Rhio in der Provinz Vicenza 1500 Mark; dem Privatdocenten an der Univer- sität Heidelberg Hrn. Dr. A. Brrue zu einer Reise nach Neapel be- hufs Fortsetzung seiner physiologischen Untersuchung des Central- nervensystems von Carcinus maenas 500 Mark. Die philosophisch -historische Classe hat zur Fortführung ihrer wissenschaftlichen Unternehmungen bewilligt: ihren Mitgliedern Hrn. Kırcnnorr zur Fortsetzung der Arbeiten für Sammlung der griechischen Inschriften 4000 Mark; Hrn. Ders zur Fortsetzung der Arbeiten für die Herausgabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles 7200 Mark; Hrn. SchmoLLer zur Fortführung der Arbeiten für Her- ausgabe der politischen Correspondenz FRrıEpricHs U. 6000 Mark; ferner Hrn. Innoor-Brumer für die Fortführung der Sammlung der nordgriechischen Münzen 1000 Mark. Dieselbe Classe hat ihrem Mit- gliede Hrn. Dirrery für die Arbeiten an der Kant-Ausgabe 2000 Mark, dem Custos an der Universitätsbibliothek zu Jena Hrn. Dr. G. Stem- HAUSEN zur Herausgabe von Privatbriefen des 14. und 15. Jahrhunderts 600 Mark bewilligt. Überdies hat die Akademie dem Geheimen Sanitätsrath Hrn. Dr. Larnr in Zehlendorf zur Herausgabe seines Werkes über die Literatur der Psychiatrie, Neurologie und Psychologie im 16. und 17. Jahrhun- dert 250 Mark bewilligt. Die Akademie hat zu correspondirenden Mitgliedern ihrer physi- kalisch-mathematischen Classe gewählt: den Professor der Physik an der Universität Würzburg Hrn. Dr. WırnerLm Konranp RÖNTGEN, und den Professor der Anatomie an der Universität München Hrn. Dr. Kart Wırnerm von KuprrEr. 601 Über vertauschbare Matrizen. ; Von G. FrogEnıvs. In Jahre 1884 veröffentlichte WEIERsTrAss in den Göttinger Nach- richten eine Arbeit Zur Theorie der aus n Haupteinheiten gebildeten com- plexen Grössen, deren Ergebnisse er schon 1861 in seinen Vorlesungen vorgetragen hatte, und im Jahre 1835 legte Depekısp ebenda unter demselben Titel seine eigenen diesen Gegenstand betreffenden Unter- suchungen vor, die er zum Theil schon 1871 in der zweiten Auf- lage der Dmiıcnzer’schen Vorlesungen über Zahlentheorie mitgetheilt hatte. Sieht man von der philosophischen Einkleidung jener Ent- wicklungen ab, so bildet ihren Angelpunkt ein algebraischer Satz, der, wie auch Depekmp (S. 157, (90)) besonders hervorhebt, alle übrigen Resultate in sich begreift. Dieser gilt aber in einem wei- teren Umfange, d. h. unter geringeren Voraussetzungen, als er in jenen Arbeiten bewiesen ist, und lässt sich in rein algebraischer Form so aussprechen: I. Sind a,,, (& ß=1,2,.-n; y=1,2, :-- m) irgend mn’ Grössen, die den Bedingungen > } en Ay a5 — m Ans On, 3% A r genügen, und setzt man daß — I Aapıy Lys Er so ist die Determinante n“” Grades | a,;| ein Product von n linearen Functionen der m unabhängigen Variabeln &,, 0," % m Dieser Satz lässt sich noch etwas verallgemeinern. Schon Stupv hat in seiner Arbeit Über Systeme von complexen Zahlen (Göttinger Nachrichten, 1839) darauf hingewiesen, dass viele der in diesem Zu- sammenhange abgeleiteten Resultate sich von bekannten Sätzen der Theorie der linearen Transformationen nur in der Ausdrucksweise unterscheiden. Ich werde mich daher hier der symbolischen Bezeich- nung für die Zusammensetzung der Matrizen (Formen) bedienen, die ich in meiner (im Folgenden mit L. eitirten) Arbeit Über lineare Sub- stitutionen und bilineare Formen (Creıte’s Journal, Bd. 84) auseinander- gesetzt habe. Mit ihrer Hülfe kann dann der Satz so formulirt werden: 56* 602 Gesammtsitzung vom 21. Mai. II. Ist fi®, y, 2, --) eine beliebige Function der m Variabeln x, y, 2,::-, sind A, B, C,--- m Formen, von denen je zwei vertauschbar sind, und sind Q,, Ay; A," (resp. bi, da, Da 5 GG; &,°-) die Wurzen der charakteristischen Gleichung von A (resp. B, C,---), so lassen diese Wur- zeln sich einander, und zwar unabhängig von der Wahl von f, so zuord- nen, dass die Determinante der Form f(A, B,C,---) gleich dem Producte Far» br» Cır ---) fans Bas €a5 *--) flQns Bas 6a; ++) --- wird. Wendet man diesen Satz auf die Funetion r—-f(@,y,2,:--) an, wo r ein unbestimmter Coeffieient ist, so erkennt man, dass er iden- tisch ist mit dem (scheinbar) allgemeineren Satze: . III. Die Grössen f(a, , d,, &>**-), F(@s, da» €»), Flags da> Ca °*)s sind die Wurzeln der charakteristischen Gleichung der Form f(A, B, ©, ---). Der Satz enthält, da die Zuordnung der Wurzeln für jede Function f dieselbe ist, in sich selbst das Mittel, dieselbe zu definiren. Sind nämlich &,y,2,-'- unabhängige Variable (unbestimmte Coeffi- ejenten), und wendet man ihn auf die Form Ar+ By+Cz+::: an, so erkennt man, dass as +by+cz+, ae t+by+oz+, ac +by+tcsz +, die Wurzeln ihrer charakteristischen Gleichung sind, wodurch die gesuchte Zuordnung bestimmt ist. Dies Theorem ist eine Verallge- meinerung des L. $3, III entwickelten Satzes: IV. Sind r,, r,,:--r, die Wurzeln der charakteristischen Gleichung der Form A, so sind f(r,), f(r.), :' f(r,) die Wurzeln der charakteristischen Gleichung der Form f(A). Setzt man diesen leicht zu beweisenden Satz als bekannt vor- aus, so braucht man, um zu dem allgemeinen Satze III zu gelangen, nur noch folgenden speciellen Fall davon zu beweisen: V. Sind A und B zwei mit einander vertauschbare Formen, und sind x und y zwei Variable, so sind die Wurzeln der charakteristischen Gleichung der Form Ax+ By ganze lineare Funetionen von x und y. Denn nehmen wir diesen Satz als bewiesen an, so ist die Determi- nante der Form Er+Ax+By gleich (r+a0+by)(r+@,0+b,y) --. Setzt man @—=1 und y—=0, so erkennt man, dass a,,a,, ::- die Wurzeln der charakteristischen Gleichung von A, oder wie ich der Kürze halber sagen will, die Wurzeln von A sind, und ebenso, dass b,,b,, »-- die- selbe Bedeutung für B haben. Ist nun die Form € mit A und B ver- tauschbar, so ist C auch mit Ax+ By vertauschbar. Daher lassen sich die Wurzeln a0 +b,y, a,0+b,y, :-- von Ar+ By den Wurzeln «4,6%,» von Ü so zuordnen, dass die Wurzeln von (Ax+ By)+Cz gleich (a, + by) + 0,2, (a,0+ b,y) + €,2, --- werden. Ebenso erkennt man, dass Frogenws: Uber vertauschbare Matrizen. 603 der analoge Satz für ein System von beliebig vielen Formen gilt, von denen je zwei mit einander vertauschbar sind. Nach dem Satze L.$1,H behält aber das System diese Eigenschaft, wenn man zu seinen Formen beliebige Funetionen von A, B, ©, :-- hinzufügt. Fügt man zunächst A* hinzu, und sind A,,h,--: die Wurzeln von A?’ in passender Anord- nung, so sind ,c+b,y+c2+:"+hu(=1,2:--- n) die Wurzeln von Ax+By+Cz---+A’u Setztmany=z=---—=(,so sind also a,0 + h,u die Wurzeln von Ax+ A’u, und da diese nach Satz IV gleich a,0 + a’u sind, so muss A,=a; sein. Ebenso sind die Wurzeln der Form Ax+By+Cz+---+A’u+B’v+ABw gleich ace+by+02+:-+au + b}v + h,w, wo h,,h,,:- h, die Wurzeln der Form AB= BA in passender Anordnung sind. Andererseits sind die Wurzeln der Form pA+gB gleich pa,+ gb, und daher die Wurzeln der Form Axr+ By+(Cz+--- +(pA+gB)* gleich ac +b,y+c,2+-- +(pa,-+ gb,)”. Die Vergleichung dieser beiden Ergebnisse zeigt, dass h, — a,b, ist. Wenn man also durch Zerlegung der Determinante von Ax+ By in ihre linearen Factoren findet, dass den Wurzeln a,,a,,:--a, von A die Wurzeln d,,b,,:-- b, von B in dieser Reihenfolge entsprechen, so sind a,b,, a,b, :-- a,b, die Wurzeln von AB in der entsprechenden Reihenfolge (vergl. L.$7, X). Daher sind die Wurzeln von (AB)C entsprechend geordnet gleich (a, 5,) €, (a,6,)6,,:'(a,d,)c,. So erhält man den Satz III für ein Pro- duct von beliebig vielen Formen und weiter für eine beliebige lineare Verbindung solcher Producte, also für eine beliebige Function von MB U, Auf Grund dieser einfachen Bemerkungen haben wir uns also nur noch mit dem Beweise des Satzes V zu beschäftigen. Dabei werde ich von dem Inhalt der Arbeit L. möglichst wenig voraus- setzen und zugleich die Gelegenheit benutzen, einige der Sätze, die ich dort mit Hülfe einer unendlichen Reihe erhalten habe, auf einem einfacheren Wege abzuleiten. Die oben angegebenen Sätze über vertauschbare Formen kannte ich schon zur Zeit der Abfassung der Arbeit L., wie man aus einigen darin gegebenen Andeutungen leicht erkennt. Einen Theil meiner Resultate über die vertauschbaren Formen habe ich L. $ 7, Satz XU bis XV zusammengestellt. Dieselben sind von Voss (Über die mit einer bilinearen Form vertauschbaren bilinearen Formen, Sitzungsber. d. math.- phys. Classe der Akad. zu München, Bd. XIX, S.283) mit Hülfe der Normalform von WeıErsTrAss bewiesen. Wenn ich bisher nicht auf diese Ergebnisse zurückgekommen bin, so hat dies folgenden Grund: Sind die Formen A,B,C,:-- alle Funetionen einer und derselben Form R, so sind je zwei von ihnen vertauschbar. Für diesen Fall ergeben sich die aufgestellten Sätze alle aus dem Satze IV. Sie würden 604 Gesammtsitzung vom 2]. Mai. also von trivialem Inhalte sein, würde der Satz gelten: Sind je zwei der Formen A,B,C,--- vertauschbar, so lassen sie sich alle als Functionen einer und derselben Form R darstellen. Dieser Satz wäre ein Analogon eines bekannten Ager’schen Satzes aus der Theorie der algebraischen Gleichungen. Während man aber bei dem algebraischen Satze für R eine Function von A,B,C,--- wählen kann, ist dies, wie das einfachste Beispiel zeigt, hier nicht der Fall. Denn ist 010 (001 vol, a-\unnl. 000 000 so ist = B= AB=BA= 0. Also ist jede Function von A und B von der Form F= aA+bB+cE, und jede Function von F von der Form pE+gqF. Ob aber ohne diesen Zusatz jener Satz der Formentheorie richtig ist oder nicht, habe ich bisher noch nicht entscheiden können. Im Zusammenhang damit steht eine andere Frage in der Theorie der vertauschbaren Matrizen, die bisher noch nicht gelöst ist, nämlich die nach der Beschaffenheit eines Systems von m linear unabhängigen Matrizen (des Grades n), von denen je zwei vertauschbar sind, und nach dem grössten Werthe, den m haben kann. A== Si Ist die Determinante a—=|A| der Form A von Null verschieden, so giebt es eine inverse Form A”, welche durch jede der beiden Bedingungen (9) AA —ATIA—IE eindeutig bestimmt ist. Multiplieirt man sie mit der Determinante a, so heisst aA” die adjungirte Form und soll mit A bezeichnet werden. Sie besteht aus den Elementen b,;, wo b,, in der Determinante [A| die dem Elemente a;. entsprechende Unterdeterminante, also eine ganze Funetion der Elemente von A ist, und kann daher auch ge- bildet werden, wenn a=0 ist. Sie genügt den Gleichungen (2.) AA=AA=aE. Die Determinante (3.) rE-A|= y(r) heisst die charakteristische Function, die Gleichung #(r) = 0 die cha- rakteristische Gleichung von A. Die adjungirte Form von rE-A ist Frosgenıus: Über vertauschbare Matrizen. 605 eine Form F, deren Elemente ganze Funetionen (n-1)“” Grades von r sind, und die deshalb auch mit F(r) bezeichnet werden mag. Dann ist (4.) (rE- A)F(r) = F(r)(rE- 4) und (5.) (rE- A)F(r) =o(r) E. Entwickelt man Fo)=B+Rr+Rr+.. nach Potenzen von r, so ergiebt sich aus (4.), dass jede der Formen F,,F,,F,,''- mit A vertauschbar ist. Ist per)=a+ar +tar+.- +aur, so ergeben sich aus (5.) die Gleichungen — A, =, 9 —AF, +F = a,E, — AR, EM = BR, = Aa, a5 Ins — Ay E, n-1 — An Ist nun B eine andere Form, so multiplieire man diese Gleichungen rechts mit B°, B',.-- B" und addire sie. Setzt man FB)=KR+FB+-.+ FB", so erhält man (6.) — AF(B)+ FB)B=og(B). Bei der besonderen Vorsicht, womit man bei der Bildung von F(B) auf die Stellung von B zu achten hat, wird man von diesem Resultate nur dann vortheilhaft Gebrauch machen können, wenn B mit jeder der Formen F,, F,,F,,--- vertauschbar ist. Dann ist (7.) (B-A)F(B)=g(B), d.h. aus der Gleichung (5.) geht wieder eine richtige Gleichung hervor, wenn man darin die Unbestimmte r durch irgend eine mit A und F(r) vertauschbare Form B ersetzt, ein Prineip, von dem ich in der Arbeit L. ausgiebig Gebrauch gemacht habe. Setzt man B=A, so erhält man die Gleichung (8.) p(A)=0. Dieser Fundamentalsatz der Formentheorie ist von CAyLEY ge- funden und, wie ich glaube, zuerst in A Memoir on the Theory of Matrices, Phil. Trans. vol. 148 veröffentlicht worden, aber ohne allge- meinen Beweis. In der oben angegebenen Gestalt wurde er von 606 Gesammtsitzung vom 21. Mai. Pascn, Über bilineare Formen und deren geometrische Anwendung, Math. Ann. Bd. 38, S.48 bewiesen. Auf demselben Wege kann man nun auch zu dem zweiten Fundamentaltheorem der Theorie gelangen: VI. Ist s(r) der grösste gemeinsame Divisor aller Unterdeterminanten (n-1)”" Grades der Form rE-—- A, und ist & (9.) u(A) = 0 die Gleichung niedrigsten Grades, der die Form A genügt, und wenn 4(A)=0 irgend eine andere Gleichung ist, der A genügt, so ist %,(r) durch \(r) theilbar. Durch die Gleichung — uUl(r), so ist r SUSE ee, — HH) KH wird eine ganze Function F der beiden Variabeln r und s definirt. Aus der Gleichung er) -e() = (r-5) Fls,n), folgt or) E-9(4) = (E-A)F(A, r) und mithin ist nach (8.) (10.) (rE- A)F{A,r) = g(r)E und a F(4,r) (T.) (rE-A) Sant Die adjungirte Form von r&E-A ist demnach gleich F(A, r), ist also eine ganze Function von A, deren Elemente ganze Functionen von r sind. Folglich sind auch F,, F,, F,,--- ganze Functionen von A, und damit B mit jeder dieser Formen vertauschbar sei, genügt es, dass B mit A vertauschbar ist. Unter dieser Bedingung gilt also die Gleichung (75) (B-A)F(A,B)=g(B). Die Elemente der Form F(A,r) sind die Unterdeterminanten (n—1)"" Grades von rE-A, sind also sämmtlich durch $(r) theilbar. Entwickelt man die Determinante (3.) nach den Elementen einer Zeile, so erkennt man, dass auch $(r) durch $(r) theilbar ist. Demnach sind die Elemente der Form F(4;r ee. >(r) die eine ganze Funetion von A ist, ganze Functionen von r, und nach (10.) ist (rE-A)G(A,r) =w(r)E. 3 ß aner Frogentus: Über vertauschbare Matrizen. 607 Nach dem oben ausführlich entwickelten Prineip erhält man daraus eine richtige Gleichung, wenn man für r irgend eine mit A vertausch- bare Form B setzt. Ist B=A, so ergiebt sich die Gleichung (9.). Sei andererseits %(r) irgend eine solche ganze Function von r, dass 4,(A)=0 ist. Setzt man dann Aue) — (es) —eH (sen), so- ist x(e)E-x(4) = (rE-A)H(A, r), also (rE-A)H(A,r)=x(r)E und mithin x(r)@(A,r) = W(r) H(A,r). Die Form @(A,r) besteht aus n* Elementen 9,;(r), die ganze Functionen von r sind und nach der Voraussetzung keinen Theiler gemeinsam haben. Auch die n* Elemente A,;(r) der Form H(A,r) sind ganze Funetionen von r. Aus den n? Gleichungen xr)ges(r) = Ulr)hes(r), deren symbolische Zusammenfassung die letzte Gleichung ist, folgt daher, dass %(r) dureh Kr) theilbar ist. Mithin ist Y(A)=0 die Gleichung niedrigsten Grades, der A genügt, und jede andere solche Gleichung hat die Gestalt W(A)g(A)=0, wo g(r) eine ganze Function von r ist. Speciell ist $(r) durch U(r)*$heilbar. Indem man aber die Determinante (3.) nach r differentiirt, erkennt man, dass jede Wurzel der Gleichung Y(r)= 0 auch die Gleichung #(r) = 0 befriedigt, dass also eine Potenz von \(r) durch #(r) theilbar ist. Den Satz VI habe ich L. $3 zum ersten Male ausgesprochen und mit Hülfe der unendlichen Reihe bewiesen, in die sich (r#- A)! entwickeln lässt. Aber auch auf den vorstehenden Beweis habe ich L. $ 3 und besonders $13 hingewiesen. Dieser folgenreiche Satz hat aber bisher nur wenig Beachtung gefunden. Den speeciellen Fall, wo %(r) ein Theiler von r"—1 ist, den ich L. $ 3, VIII auch besonders hervorgehoben habe, hat Lirscurz in der Arbeit Beweis eines Satzes aus der Theorie der Substitutionen, Acta Math. Bd. X, durch Betrachtungen bewiesen, die im Wesentlichen mit den obigen übereinstimmen, bei denen also von der Zerlegung der rationalen ganzen Functionen in lineare Faetoren kein Gebrauch gemacht wird. Auch Kroxzcker hat diesen Satz in der Arbeit Uber die Composition der Systeme von n’ Grössen mit sich selbst, Sitzungsber. 1390, ausführlich behandelt. Diesen Autoren ist es aber entgangen, dass ich jenen Satz schon 1877 als Speeialfall des allgemeinen Satzes VI bewiesen habe. Auch den eng- 608 Gesammtsitzung vom 21. Mai. lischen und americanischen Algebraikern, die sich so viel mit der Theorie der Matrizen beschäftigt haben, ist mit wenigen Ausnahmen (Young, TABER) meine Arbeit ebenso unbekannt geblieben, wie die grosse Arbeit von LA6UERRE, Sur le caleul des systemes lineaires, Journ. de l’ecole polyt. tom. 25 cah. 42 p. 215. Einen anderen, aber weniger einfachen Beweis des Satzes VI giebt E. Weyr, Zur Theorie der bilinearen Formen, Monatshefte für Math. und Physik, Bd.ı S. 187. 8.2. Genügt eine Form A der Gleichung A'=0, so ist Y(r) ein Divisor von r*, also ist Ar) = r" eine Potenz von r, und mithin ist &(r) = r". Umgekehrt muss, wenn alle Wurzeln der charakteristischen Gleichung von A verschwinden, A"=0 sein. Über solche Formen gilt der folgende Satz, ein specieller Fall des Satzes V, dessen Be- weis ich hier nach L. $ 3, VII wiederhole: VII. Ist die Form B mit der Form A vertauschbar, von der eine Potenz verschwindet, so ist die Determinante von A+B der von B gleich. Aus der Gleichung r" = #(r) = |rE-A| folgt, wenn man r—=-1 setzt, JA+£|=1. Ist s eine unbestimmte Grösse, so ist auch (B+sE)"' mit A vertauschbar. Setzt man (B+sE)'"A=(, so ist dieser Vertauschbarkeit wegen "= (B+sE)"A"=0, und folglich ist auch |C+Z]| = 1. Nun ist aber (B+sE)(C+E)= A+B+sE, also auch IB+sE|:|C+E| > |A+B+sE|, und mithin, wenn man s=0 setzt, |BI=|A+B|* Der wesentlichste Fortschritt, den WeEIERsSTRAss in der Theorie der Formen über Caveny und Jacogı hinaus gemacht hat, besteht darin, dass er gelehrt hat, auch Formen, von denen eine Potenz verschwindet, oder allgemeiner, deren charakteristische Gleichung nur eine Wurzel hat, noch weiter zu zerlegen, ausser wenn die niedrigste Potenz, die verschwindet, die n“ ist. Der Satz VII macht es möglich, die folgende Entwieklung ohne Anwendung dieser Zerlegung durchzuführen, also ohne die Theorie der Elementartheiler zu benutzen. $ 3. Seien a,b,e,--- die verschiedenen Werthe, für welche die cha- rakteristische Function or) = (r-a)"(r -b)" (re) der Form A verschwindet. Dann giebt es nach einer Verallgemeine- rung der Lasranee’schen Interpolationsformel eine ganz bestimmte ganze Function (r—1)” Grades f(r), die durch (r -b)®(r—e)’:-- theil- bar ist, und für die f(r)—1 durch (r-a)“ theilbar ist. Entsprechen a — Frosenivs: Über vertauschbare Matrizen. 609 in derselben Weise den Wurzeln d,c,-:- die Funetionen g(r), hr), ---, so ist (1.) olse lol a weil die Differenz zwischen der linken und rechten Seite eine ganze Funetion (n—1)"" Grades ist, die durch (r-a)*, (r—b)?, (r—e)”, --- also durch die ganze Function n“" Grades er theilbar ist. Die Function f(r) kann auch als der Coeffiecient von (s-a)"' der Entwicklung von (2) er)-pl) I r—s pls — nach aufsteigenden Potenzen von s-a definirt werden. Zunächst ist nämlich in der Entwicklung dieser Function nach fallenden Potenzen von s der Coeffieient von s' gleich 1. Da ferner diese Function nur für die Werthe s=a,b,c,---, aber nicht für s=r unendlich wird, so ergiebt sich aus dem Residuensatze die Gleichung (1.). Weil der Ausdruck (2.) eine ganze Function von r ist, so sind auch seine Residuen /(r),g(r), A(r), --- ganze Functionen höchstens (n— 1)" Grades von r. Die Entwicklung des zweiten Gliedes der Differenz Se (r-s)p(s) r-s nach steigenden Potenzen von s-a enthält keine negativen Potenzen von s-a, die des ersten ist ee ae eier). falls die letzte Reihe die Entwicklung von N ish, Folglich ist p(s) He) en er) ‚ wo $({r) eine ganze Function (&— 1)" Grades von r ist. Mithin ist f(r) durch &(r)(r-a)"“ theilbar, ebenso g(r) durch &(r)(r—b)®,---, und weil jede der Funetionen g(r), h(r), --- durch (r—a)* theilbar ist, so ist nach (1.) auch /(r)—-1 durch (r—a)* theilbar. Ich will jetzt die Bezeichnung ändern und die » Wurzeln von p(r) mit a,,a,,''-a,, die verschiedenen unter ihnen mit q,,@,,:--q, und die ihnen entsprechenden ganzen Functionen (n—1)“" Grades mit ®,(r), $,(r),---&,(r) bezeichnen. Nach Gleichung (1.) ist dann (3-) Eo()=1 und mithin (4-) S9(4)=E. Ferner ist &,(r)(#,(r)—1) durch #(r) theilbar, und wenn x und A ver- schieden sind, auch &,(r) &,(r). Folglich ist 610 Gesammtsitzung vom 21. Mai. (5-) (#(4)) = 9(4), 9.(4)9(4) = 0. Ist endlich (6.) 3am(4)-A= A, so sind nach dem Satze IV die Wurzeln der charakteristischen Gleichung von A, alle Null, und daher ist 45=0. Die durch die Gleichungen (4.) und (5.) ausgedrückten Eigenschaften der Formen #,(A) hat auch Srtupy, Recurrirende Reihen und bilineare Formen, Monatshefte für Math. und Physik, Bd.II, behandelt. Auf einem anderen Wege habe ich sie in meiner Arbeit Über die schiefe Invariante einer bilinearen oder qua- dratischen Form, Creıre’s Journ. Bd. 86, $6, hergeleitet. Ist B eine mit A vertauschbare Form und sind &,,%,,° x, und y Variable, so ist (z.E + yg1(A) B) (2% E + yp2(A) B) --- (amE + y9n(A) B) — m (E+ ypı(A)B MR y9s(A)B Buben „es & &a 7 Alle übrigen Glieder der Entwicklung des Productes verschwin-- den, z. B. ist &,(A)B $,(A)B = 9,(A)$,(A)Bb’? = 0. Multiplieirt man die Form auf der rechten Seite noch mit 3 x,$,(A), so ergiebt sich nach (5.) 39(4)+y(p(MB+P(MB+--- +@m(A)B)- Nach (4.) ist folglich (7.) (Zu9.(4)) RE +Yyp(A)B) = (yB+3%9.(4)) II), und daher sind auch die Determinanten dieser beiden Formen ein- ander gleich. Die Determinante von &,E+ye,(A)B ist die (homogen gemachte) charakteristische Function von —d,(A)B, also eine ganze homogene Function “” Grades von x, und y, worin der Coefficient von x; gleich 1 ist. Die Determinante von 3x,®,(A) ist nach Satz IV ein Product von n Factoren 2%, 9,(4)- Sie verschwindet nicht iden- tisch, weil sie nach (4.) für ne, =--=z,=1 den Werth 1 hat. Folglich ist auch die Determinante der Form yB+3x,#,(A) von Null verschieden und ein Product von % linearen Funetionen der Variabeln %, 0,0%, und y. Setzt man 2, = xa,-r, so wird nach (4.) und (6.) 3%9(A)=a8a9(4)-rE=aA-rE+ oA, Da aber A, mit @A+yB-rE vertauschbar ist und A) = 0 ist, so ist nach $2 die Determinante von @A+yB-rE+zxA, gleich der von aA+yB-rE. Diese ist also ein Product von n linearen Funetionen von x, ywundr. Damit ist der Satz V bewiesen, aus dem dann der allgemeinere Satz III folgt. —. u Frosgenivs: Über vertauschbare Matrizen. 611 $4. Seien A,, A,,:-- A, m Formen, von denen je zwei vertauschbar sind. Sind für y=1,2,---m (enBe een) so folgt aus A,A,= A,A, Aaß die Elemente von A,, (1 -)) S Aary ABS > Aus Ayfy- Dann ist, wenn &,, %,,'':%, und r Variable sind, (*) x) (2.) 134,2, -rE| = Ir! + rm mr), y L 3 wo rW), vr), ---r\) die Wurzeln der charakteristischen Gleichung von A, sind. Ist Are GB — Z/Aray Ay, Y Br so sind Be, (3-) na die Wurzeln von A. Durch die Formel (2.) sind die Wurzeln der Formen A,, A,, -: A, und A einander in bestimmter Weise zugeordnet, und um für dies Entsprechen eine bequeme Ausdrucksform zu haben, will ich r' (resp. r"”) die x“ Wurzel von A, (resp. von A) nennen. Ist dann fu, %,’'-w.) eine Function von %,%,''%,, so ist er, 72,--- 70) die x“ Wurzel der Form f(A,, A,,--- A,). Durch Coeffieientenvergleichung ergiebt sich aus (2.) ) >ar — Ilse — I laar dar » [23 [a und 0. a Er "r } = > (a. 033 Zw A543.) = >> ee) (3 TIEEN) == (EZ aß %) (Z Adar x) ’ DaN ,B «BB » a * A und mithin ist (4.) Setzt man also (5 ) I Au Uper — Ca Or so ist (6.) Zr) = 0.89. 78, also 612 Gesammtsitzung vom 21. Mai. Nun füge ich zu den bisher allein gemachten Voraussetzungen (1.) noch die weitere Annahme hinzu, das m=n ist, und dass die Grössen (8.) Audy — Hay bei Vertauschung der beiden letzten Indices ungeändert bleiben. Dann sind die Elemente g,, der Form A;A,—= 4,4, gleich Ir = >2 Auf Aarıy = >= Ayay Aard: « « Da der erste Ausdruck bei Vertauschung von © und y ungeändert bleibt, so gilt dasselbe von dem zweiten. Mithin ist auch Is == >> Apaz Aa = > Uafy Ayra ’ [27 « also (9.) AsA, — A,As = >> Afay Aa: a Nach Satz III ist die x“ Wurzel von 3a,,, a, und A, gleich 3a die von A,A, gleich r$’r‘”, und mithin folgt aus (9.) (10.) a 1 Die Gleichungen (Geiee) rar, — > Aeay Tor zwischen den Unbekannten r,,7,,''-r, haben also n Systeme von Lösungen / (12.) naent'ın=r',..n=nm @=1,2,:-.n) und weiter keine, wenn man von der Lösung, =n=:"=rn,=(ab- sieht, falls sie nicht unter (12.) enthalten ist. Denn setzt man 3r,2,=[tr, so ist (13.) rer — ZAaBTa- « Folglich verschwindet die Determinante |A-rE]| = Iran ++ War), also ist r—=$r,x, einer der n Functionen xrWx, gleich, oder es be- 67 steht eine der n Gleichungen (12.). So ergiebt sich zunächst der folgende Satz, der sich von allen bisher auf diesem Gebiete erhaltenen Resultaten dadurch unterscheidet, dass in seinen Voraussetzungen keine Ungleichheit vorkommt: VII. Befriedigen die n’ Grössen qa,s aloy die Gleichungen Aaay — Aaybs I lay %55 — Ars yBy » r r vo Frogenws: Über vertauschbare Matrizen. 613 so genügen die Coefficienten der linearen Factoren, in die sich die Deter- minante |3a.3, 2,—reag | = Ir x, +..: +’. —r) I ” zerlegen lässt, sämmtlich den Gleichungen Tor, = ZAapyTa [3 und sind die einzigen Lösungen derselben. Nach Formel (7.) ist nun weiter (14.) [es] = BÜh und daraus folgt der durch seine Praecision ausgezeichnete Satz von DeDekınp: IX. Genügen die n’ Grössen a,,, den Gleichungen Aaßdy — days >= Any Arßs — >> Agrs Aray» r r und ist die aus den Grössen Ca — >= dar Adern = > Age Aßar 8 “8 gebildete Determinante n“" Grades von Null verschieden, so haben die Gleichungen rar, = 2 Ayla & genau n verschiedene Lösungen r,— r\), und die aus diesen Lösungen ge- bildete Determinante n“” Grades ist von Null verschieden. Ist Ir® —0(, so kann man n Grössen %,,%,,°-'%,, die nicht alle Null sind, so bestimmen, dass die n Grössen (3.), die Wurzeln der charakteristischen Gleichung von A, sämmtlich verschwinden, und mithin verschwindet eine Potenz dieser Form A. Die nothwendige und hinreichende Bedingung für das Verschwinden jener Determinante besteht also darin, dass es in der Formenschaar Ay eine Form giebt, von der eine Potenz Null ist, ohne dass sie selbst Null ist (vergl. WEIERSTRASS, a. a. O. S.402). Ist || von Null verschieden, so sei (s®) das complemen- täre System zu (r'”), d. h. das conjugirte System des inversen, also wenn e,, die Elemente von E sind, (15 .) >= rn s$ — eaß » > N — Eur * x Dann folgt aus (10.) die Gleichung (16.) Guy = Er * und (17.) wi >06,355 614 Gesammtsitzung vom 21. Mai. also auch (18.) N ya. ß Durch diese Gleichungen sind daher die Verhältnisse der n Grössen Eu Sr > s” vollständig bestimmt. Jeder Wurzel r der Gleichung |A-rE| = 0 entsprechen so n Grössen 8,8, :-: 8, deren Verhältnisse durch die Gleichungen ST —D 0858 (19.) ni B 38 bestimmt sind. Sei (20.) |? ea — Aa — o(r), und sei in dieser Determinante die dem Elemente re,;—a,, entspre- chende Unterdeterminante gleich $,;(r). Ist dann r eine Wurzel der Gleichung $(r) = 0, so folgt aus den Gleichungen (13.) und (19.), dass ds = pr,s; ist, wo p von « und 8 unabhängig ist. Nun ist aber #(r)= 39, und nach (15.) ist Sr,s,—=1. Mithin ist p = $/(r), also (21.) Pas) — Pr) raSB. Bedeutet nun wieder r eine Unbestimmte, so ergiebt sich durch Partialbruchzerlegung 920) _ Sl) 1 2 TE) Fa Mithin ist in der Determinante (20.) .) .(&) vs (22.) el) = el) „u die dem Elemente re,,—a,, entsprechende Unterdeterminante. Ist r) irgend ein System von n” Grössen, dessen Determinante nicht verschwindet, so stellen, wie DEDErImD a.a. 0. S. 146 bemerkt, die durch die Gleichungen (16.) definirten Ausdrücke a,,, das all- gemeinste System von Grössen dar, die den Bedingungen des Satzes IX genügen. _— nu nun rn rn en tee 615 Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. Von ALEXANDER Üo0NZeE. in Rechnungsjahre 1895/96 fand die jährliche ordentliche Gesammt- sitzung der Centraldirection am 17. bis 20. April 1895 statt. Es nahmen an ihr Theil die HH. Conze, HırschreLn, KEKULE von STRADoNITZ, KıE- PERT, KIRCHHOFF, LOESCHCKE, MicHAELIS, SCHÖNE; verhindert waren die HH. Currius, KRÜGER und ÖvErBEcK. In dieser Versammlung wurden dem Statute gemäss vornehmlich die Stipendienbewerbungen erledigt, die Berichte des Generalsecretars und der Secretariate in Rom und Athen, sowie die der Leiter wissenschaftlicher Unternehmungen des Instituts entgegengenommen, die Wahl von Mitgliedern vollzogen und der Finanzplan für das Jahr festgestellt. Als Mitglied der Centraldireetion wurde an Stelle des verstorbenen Hrn. von Brunn Hr. von Carıst in München gewählt, als dieser aber auf telegraphische Mittheilung ablehnte, anstatt seiner Hr. Zanee- MEISTER in Heidelberg, welcher die Wahl angenommen hat. Zu Ehrenmitgliedern des Instituts wurden gewählt die HH. Hunu- BERT in Berlin und Fürst von RavouLım in Petersburg, zu ordentlichen Mitgliedern die HH. Duchesne in Rom, Erman, HiıLLEr VON GÄRTRINGEN, Karkmann in Berlin, Jurıus Lange in Kopenhagen, Erıch PErNIcE in Berlin, FLinpers Prrrıe in London, WiIsnEreLp, damals in Berlin, jetzt in Münster, ferner zu correspondirenden Mitgliedern die HH. Anerung in Rom, Asxırıs in Chalki, Cantareruı in Rom, Cart in Lausanne, Casırı in Rhodus, Cumoxt in Gent, Dissarp in Lyon, FÜHRER in Mün- chen, Harı, EpHem Errenpı in Constantinopel, Horrraux in Lyon, Karımka in Constantinopel, ALrrep KörtE, damals in Constantinopel, jetzt in Bonn, ManworAkakıs in Karpathos, Marıanı in Rom, Noack in Darmstadt, Parox in Grandhome, Aberdeenshire, Parront in Syrakus, Sarıpakıs in Rhodus, Savıenonı in Rom, SpAGNUoLo in Verona, VAGLIERI in Rom und Wipe in Lund. Das Auswärtige Amt verlieh entsprechend den in der Gesammt- sitzung beschlossenen Vorschlägen der Centraldireetion die Stipendien 7 Sitzungsberichte 1896. 5 616 Gesammtsitzung vom 21. Mai. für 1895/96 den HH. DrAGENDORFF, FREDRICH, SSCHRADER und WIEGAND, sowie das für christliche Archaeologie dem ‚Hrn. CarL Schaipr. Am 4. Februar d.J. beglückwünschte die Centraldireetion -ihr Mit- glied Hrn. Kırcanorr zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums. Durch den Tod verlor das Institut zwei langjährige Mitglieder der Centraldirection, die HH. Krüser (7 17. Januar 1896) und OVERBECK (F 8. November 1895), das letzte Ehrenmitglied der Centraldirection Hrn. Fıorernı (7 29. Januar 1896), das Ehrenmitglied Freiherrn von Morrureo (} 9. März 1896), die ordentlichen Mitglieder HH. GErFrRoY (F 14. August 1895), Gustav HiscHreLD (f 20. April 1895), G. Jarra (+ 24. December 1895), Neerı ( 18. Februar 1896) und Sir GEORGE SCHARF (} 19. April 1895), die correspondirenden Mitglieder HH. Duca S. CASTROMEDIANO (+ 26. August 1895), Ernst EıcHLer, welcher lange Jahre hindurch seine künstlerische Kraft in den Dienst der Instituts- unternehmungen gestellt hatte (F 7. December 1895), GIRBAL (7 19. Fe- bruar 1896), Ketzer (+ 28. April 1895), D. Koxınıs (} 6. März 1806), G. Mürzer-Turin (+ 13. Juli 1895), PascAaLE (7 8. October 1895) und Rapınsky (f 27. October 1895). Die in Berlin erscheinenden periodischen Schriften wurden auch in diesem Jahre vom Generalsecretar unter Beistand des Hrn. Korrpr herausgegeben. Zu einem neuen Hefte der »Antiken Denkmäler«, dem dritten des zweiten Bandes, wurde der Anfang gemacht mit Her- stellung einer Chromolithographie und eines Liehtdrucks nach neuen klazomenischen bemalten Thonsarkophagen in den Königlichen Museen hier und mit der Fortführung von Zeichnungen korinthischer Pinakes ebenfalls in den Königlichen Museen. Der 10. Band des »Jahrbuchs« mit dem »Anzeiger« erschien, ihm wie auch den römischen und athenischen »Mittheilungen« beigegeben das alle fünf Jahre neu her- zustellende Verzeichniss der Institutsmitglieder. Ein viertes »Ergän- zungsheft« der Jahrbücher wurde in der Drucklegung begonnen, eine gemeinsame Arbeit der HH. Cıcuoriws, Humans, JUDEICH, WINTER über »Hierapolis Phrygiae«. Cart Huyann’s Antheil ist die letzte ge- druckte Arbeit, welche er noch selbst erledigt hat. Er sollte das Jahr, über welches hier berichtet wird, nicht lange überleben. Der zweite Theil der »Architektonischen Studien« von SERGIUS Iwanorr, Pompejanisches enthaltend, ist mit einem Texte von Hrn. Mau erschienen. Das dritte Heft,. welches Aufnahmen und Restau- rationen der Caracalla-Thermen bringt, das letzte der Reihe, ist in der Herstellung der Tafeln bereits weit vorgeschritten. Mit ihm wird das Institut die ihm testamentarisch aufgegebenen Publications-Verpflich- tungen erfüllt haben. nn ln nn Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 617 Mit Genehmigung und mit Unterstützung der Generalverwaltung der Königlichen Museen ist ein vollständiges Exemplar aller beim In- stitute ausgeführten und käuflichen photographischen Aufnahmen in der Bibliothek der Königlichen Museen zur Aufstellung und damit zur Benutzung hier arbeitender Fachgenossen gebracht. Hr. Rogert hat die Ausarbeitung des Textes zu Band III, ı der »Antiken Sarkophage« so weit gefördert, dass der erste Theil des Manuscripts im Januar der Verlagshandlung übergeben werden konnte und dass der Rest im Sommer d. J. wird geliefert werden können. Wir dürfen daher dem Erscheinen des Theilbandes, dessen Tafeln fertig sind, im laufenden Jahre entgegensehen. Zu Revisionen hat Hr. Rogerr auf der Königlichen Bibliothek in Berlin gearbeitet und am Schlusse des Rechnungsjahres eine Reise nach Rom angetreten. Zur Vermehrung des Apparats haben die HH. Anmerune und Burze bei- getragen; manchen Ertrag verspricht ferner ein in Halle in Privatbesitz von Hrn. Rogerr aufgefundenes Skizzenbuch aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Die Arbeiten für die Sammlung und Herausgabe der »Antiken Terracotten« sind unter Leitung des Hrn. KEKULE von STRADONITZz auf die Fertigstellung des Typenkatalogs und des die römischen Thon- reliefs enthaltenden Theiles gerichtet gewesen. Den Typenkatalog hat Hr. Winter zu etwa einem Drittel druckfertig hergestellt, 204 Seiten, welche jedesmal zusammengehörige Abbildungen und zugehörigen Text enthalten. Die Gesammtzahl der Seiten des Ganzen wird vermuthlich geringer ausfallen als im vorigen Jahresberichte, bevor man hinrei- chend weit mit den Zusammenstellungen vorgeschritten war, veran- schlagt worden ist. Der Druck des Textes zu dem von Hrn. voxn RoHDEN besorgten Relieftheile hat wider Verhoffen noch nicht beginnen kön- nen, die Tafelvorlagen liegen zu zwei Bänden, von 76 und 69 Tafeln, geordnet vor. Der Druck des Textes des Hrn. G. KörtE zu dem in seinen Tafeln längst fertigen Bande II, 2 der »Etruskischen Urnen« ist so weit vor- geschritten, dass der Halbband binnen Kurzem wird erscheinen können. Die vorläufige Vollendung der mit Unterstützung der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin erscheinenden Fortsetzung der GeruarnD’schen Sammlung »Etruskischer Spiegel«e hat Hr. G. Körte nicht so schnell erreichen können, wie nach dem vorjährigen Jahres- berichte zu erwarten war. Heft 14 wird aber binnen Kurzem aus- gegeben werden können, und die zwei dann noch übrig bleibenden Hefte ist Hr. Körre bestrebt im laufenden Jahre erscheinen zu lassen. Hr. Loescucke war durch seine Betheiligung an den Arbeiten der Reichs-Limes-Commission das Jahr hindurch derartig in Anspruch De 618 Gesammtsitzung vom 21. Mai. . genommen, dass die von ihm unternommene Sammlung der »Chalki- dischen Vasen« nur durch Vermehrung des Materials aus Berlin, Brüssel und Oxford einen Fortschritt hat machen können. Für die Neuausgabe der Statue antiche von Auprovanpı hat die Centraldireetion sich mit Hrn. SchrEigBEer über eine Beschränkung der dazu noch erforderlichen Vorarbeiten geeinigt. Deren Erledigung wird Hr. ScHREIBER aber nicht vor dem Ende des laufenden Jahres näher treten können. Hr. von Domaszewskı war an einer erheblichen Förderung der vom Institute unterstützten Sammlung von römischen Reliefs mit mili- tärischen Darstellungen durch seine Betheiligung an der Aufnahme und Bearbeitung der Reliefs der Marcus-Säule gehindert. Die Arbeiten für die unter Leitung der HH. Currıvs und KAuPpERT mit Unterstützung des Königlich Preussischen Unterrichts-Ministeriums und des grossen Generalstabes erscheinenden »Karten von Attika« waren auf Herstellung der Generalkarte im Maassstabe ı : 100000 ge- richtet. Es wird beabsichtigt, im Herbst d. J. eine erste Lieferung von vier Theilblättern herauszugeben. Von dem im Auftrage der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften zu Wien und mit Unterstützung des Instituts erscheinenden » Attischen Grabreliefs« der HH. Conze, MıcnArLıs, POSTOLAKKAS, VON SCHNEIDER, Löwy und BrRÜCKNER ist die siebente Lieferung, wie immer 25 Tafeln mit Text umfassend, erschienen. Die achte Lieferung ist der Vollendung im Drucke nahe, die neunte und zehnte sind im Manuscript und in den Tafeln erheblich gefördert. Zu dem, was er- reicht wurde, hat die äusserst dankenswerthe Mitwirkung des Hrn. WOoLTErs und jüngerer Institutsgenossen in Athen wiederum sehr er- heblich beigetragen. Hr. Kıeseritzey hat die Arbeiten zur Herausgabe der »Südrussisch- griechischen Grabreliefs« gegen amtliche Verpflichtungen zurückstellen müssen, welche ihm erst im laufenden Jahre gestatten dürften, an die Fertigstellung des Manusceripts Hand zu legen. Der seit längerer Zeit unterbrochene Druck des 8. Bandes der »Ephemeris epigraphica« ist wieder aufgenommen worden. Ein um- fangreicher Nachtrag des Hrn. Hüsser zu dem Supplementbande der spanischen Inschriften und der Index werden den Band abschliessen. Bei der römischen Abtheilung des Instituts nahmen die Publieationen ihren Fortgang mit Erscheinen des 10. Bandes der »Mit- theilungen«, ebenso die Sitzungen, an welchen sich bei längerem Aufenthalte in Rom Hr. Mommsen mehrfach auch mit Vorträgen be- theiligte. Auch die Führungen und Vorträge beider Herren Secretare = ei a en nn ren Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 619 fanden so, wie üblich, statt, und Hr. Mau wiederholte seinen Cursus in Pompeji im Juli. Gemeinsame Studienausflüge wurden gemacht nach der Hadrians-Villa bei Tivoli, nach Ostia und nach dem durch die Ausgrabung seines Tempels bekannt gewordenen Orte Conca (Satricum). Zum fünften Male und wieder mit wesentlich gleichem Programme widmeten sich ferner die Herren Secretare PrTErsen und Hürsen, für Neapel und Pompeji auch Hr. Mav, einem Cursus für deutsche Gymna- siallehrer, der vom ı2. October bis 7. November stattfand. Es waren von deutschen Staaten vertreten Preussen mit fünf, Bayern, Sachsen und Württemberg mit je zwei Theilnehmern und Baden, Hessen, Mecklen- burg-Schwerin, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen- Altenburg, Anhalt, Reuss ä. L., Hamburg und Elsass- Lothringen mit je einem Theilnehmer. Die Thätigkeit des ersten Secretars war fast das ganze Jahr hin- durch in erster Linie in Anspruch genommen durch das bereits im vorigen Jahresberichte seinem Beginne nach und in seinem Verhältnisse zum Institut erwähnte Unternehmen der Aufnahme und Herausgabe der Reliefs der Marcus-Säule. Die Königlich Italienische Regierung liess. im April v. J. mit der Herstellung des Gerüstes beginnen, wo- durch sie wie durch Betheiligung des Hrn. CALperısı und sonst in jeder nur zu wünschenden Weise das Unternehmen unterstützte. Sobald das Wetter es erlaubte, folgten die Aufnahmen der Photographien durch Hrn. Anperson, gleichzeitig mit ihnen die Revisionen der Reliefs durch die HH. Prrersen und von Domaszewskı. Ausgewählte Theile der Re- liefs wurden noch geformt, und mit Beginn des September war die ganze Arbeit an der Säule selbst beendet. Es schlossen sich sofort die Schritte zur Herausgabe an, für welche Hr. PETErseEn den be- schreibenden Theil übernommen hat, während Hr. Monusen eine historische Einleitung, Hr. Carperısı die Aufnahme und Erläuterung der Architektur der Säule, Hr. von Domaszewskı die historische Er- klärung der Reliefs beitragen wird und die Tafeln in der vormals Fr. Bruckmann’schen Verlagsanstalt in München ausgeführt werden. Das Werk soll im laufenden Jahre erscheinen. Bei einer derartig ungewöhnlich starken Inanspruchnahme des ersten Seeretars hätte die Beschreibung vaticanischer Seulpturen kaum fortschreiten können ohne das dankenswerthe Eintreten des Hrn. Ane- zung, welcher sich dieser Aufgabe freiwillig widmete. Der zweite Secretar, Hr. Hürsen, arbeitete ebenfalls neben seiner laufenden amtlichen Thätigkeit für die grosse, stets vom Institute wie eine eigene angesehene Unternehmung der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, das Corpus inscriptionum latinarum, insbesondere für die Nachträge zu dem die Stadtrömischen Inschriften enthaltenden Bande VI. 620 Gesammtsitzung vom 21. Mai. Die Anschaffungen für die römische Instituts-Bibliothek waren durch die Lage des Bibliotheksfonds gehemmt, aber Schenkungen wurden uns auch diesmal zu Theil, so dass im Ganzen ein Zuwachs von 201 Nummern zu verzeichnen ist, darunter allerdings sehr viel nur kleine Schriften und Sonderabdrücke. Umfangreiche Zuwendun- gen werden verdankt der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Centraldireetion der Monumenta Germaniae, der Kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften zu Wien, der Königlichen Akade- mie der Wissenschaften zu Budapest, dem Königlich italienischen und dem französischen Unterrichtsministerium, ferner den HH. Busirı-Vıcı und Wiırrert in Rom, ÜresperLranı in Modena und NıcoLas Dumsa in Wien. Für die Herstellung des Realkatalogs der römischen Bibliothek war Hr. Mau fortgesetzt thätig, indem er die systematische Ordnung der Zettel weiterführte, für einzelne Abschnitte beendete. Das Secretariat in Athen gab von seinen »Mittheilungen« Band 20 heraus und liess die Herstellung der fünfjährigen Register zu dieser Zeitschrift beginnen. Die Herausgabe der Funde vom thebanischen Kabirenheiligthume stockte anderen Obliegenheiten gegenüber, welche aber im laufenden Jahre der Fortführung der Arbeit nicht mehr im Wege sein dürften. In die »Mittheilungen« hat der Bericht unserer schwedischen Fachgenossen, der HH. WıpE und KsELLBEre, über ihre Ausgrabungs-Untersuchung in Kalauria Aufnahme finden können, wo- bei wir den Herren für das dem Institute erwiesene Entgegenkommen zu Danke verpflichtet bleiben. Die Sitzungen fanden unter Leitung der Secretare, der HH. DörrrELD und WOoLTERs, mit reger Betheiligung von Besuchern ver- schiedener Nationen statt; insbesondere hat uns die Arbeitsgemein- schaft mit der Kaiserlich und Königlich Österreichisch - Ungarischen Station, welche Hr. Wır#erm vertrat, zum Besten der Sache gefördert. Auch die Vorträge der Secretare vor den Bauten und in den Museen nahmen ihren Fortgang, die des zweiten Secretars in dreifacher Weise, indem einmal eine etwa vierzehntägige Periegese für den weiteren Kreis von Alterthumsforschern und Freunden stattfand, sodann Vor- träge für einen engeren Kreis und Übungen nur für die Stipendiaten abgehalten wurden. Im April und Mai haben wieder die Studienreisen in den Pelo- ponnes mit Hinzunahme von Delphi und die Insel- und Küstenreise, welche dieses Mal bis Troja ausgedehnt wurde, stattgefunden. Die Führung hatte beide Male Hr. Dörrrern, aber Hr. Worters nahm auch an der einen Hälfte der Inselreise Theil. Ausserdem benutzte Hr. rennen ne nn. Are CoxzeE: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 621 Worters einen Theil seines Urlaubs im Juli und August zu einem Studienaufenthalte in Italien. Unter den wissenschaftlichen Unternehmungen des athenischen Secretariats standen auch in diesem Jahre die von Hrn. Dörrreın fort- gesetzte Ausgrabung in Athen und die von Hrn. Worrers geleitete Bearbeitung der auf der Akropolis gefundenen Vasen im Vordergrunde. Die Geldmittel zu der Ausgrabung, für welche das Institut über entsprechende Fonds nicht verfügt, verdanken wir wiederum der Liberalität dieses Mal folgender deutscher Gönner: Der Hr. Reichs- kanzler, Hr. Dr. Bangerger in Berlin, Frl. Dagıs in London, HH. Drr- BRÜCK, Leo und Co. in Berlin, Hr. Geheimer Commerzienrath Krupp in Essen, Hr. Commerzienrath Leumann in Halle, Hr. Franz Freiherr von Lirperueipe in Berlin, Hr. Prof. Marrıws in Bonn, Hr. Geheimer Commerzienrath E. von MEnpeLssonn, HH. Franz und ROBERT von MEnDELssonn in Berlin, Hr. Geheimer Commerzienrath von Mervissen in Köln, Hr. R. Mosse in Berlin, Hr. Geheimer Commerzienrath von Prraun in Stuttgart, Hr. Prof. Preuner in Greifswald, Hr. Prof. SchuLtze in Bonn, Hr. Geheimer Commerzienrath SıeeLe in Stuttgart, die Weıp- mann sche Buchhandlung in Berlin, Hr. Oberpraesident von WıLAmowItz- MÖLLENnDorRFF in Posen, Hr. Consul Zuntz in Bonn. Hierzu kam ein schon im vorigen Jahresberichte erwähnter, damals noch unverwendet gebliebener Beitrag, welchen die englische Archaeologin Miss Jane Harrıson unaufgefordert geleistet hatte. Es standen im Ganzen 18500 Mark zur Verfügung, welche bei der Legationscasse eingezahlt sind und dort verrechnet werden. Die Arbeiten begannen am ı. November mit der Aufdeckung des West- abhangs des Areopags, sie wandten sich dann weiter nach Süden zu gründlicher bleibender Freilegung der in den vorigen Jahren auf- gedeckten antiken Strasse und der Wasserleitung, sie wurden auch, aber bei dort gründlicher Zerstörung der antiken Reste ohne beson- deren Erfolg, gegen die Höhe der Pnyx hinaufgeführt, kehrten dann noch einmal an den Westabhang des Areopags zurück und wurden endlich in die Einsenkung zwischen der Höhe des sogenannten Theseustempels und dem Areopag, in die heutige Poseidonstrasse, gerichtet, wo Hr. Dörrrenn die Hallen am alten Stadtmarkte ansetzen zu dürfen und dafür durch die Ausgrabung auf zwei Grundstücken einen Anhalt gefunden zu haben glaubt. Die eingehenden Berichte des Hrn. DörpreLp selbst erscheinen in den athenischen Mittheilungen des Instituts. So verschieden auch bei der Unklarheit, welche über Hauptpunkte der antiken Stadt-Topographie Athens herrscht, die An- sichten über die bisherigen Funde des Hrn. DörrreLp noch ausfallen, darüber ist nur eine Stimme, dass dieser erste energische Versuch, durch 622 Gesammtsitzung vom 21. Mai. Ausgrabung neue Aufklärung zu schaffen, ein äusserst zweckmässiger und seine Fortsetzung dringend zu wünschen ist. Hierfür möchten wir auf Fortdauer der uns bisher erwiesenen Unterstützung und auch auf das fördernde Entgegenkommen von griechischer Seite rechnen dürfen. Die Bearbeitung der Akropolisvasen hoffte Hr. Worrers durch vollständige Herstellung aller Abbildungen um einen wesentlichen Sehritt der Publication näher bringen zu können. Durch die Mit- wirkung des Hrn. Harrwıe und die zeichnerische Thätigkeit des Hrn. GILLIERON und eines jüngeren Künstlers gelang das auch mit den mehr oder weniger umfangreichen Resten von etwa 70 Vasen. Weiter zu kommen muss im laufenden Jahre versucht werden. Eine kleine Ausgrabung der Reste einer Villa unweit Phaleron wurde durch Hrn. Wırsann ausgeführt, welcher sonst die Untersuchung der vorpersischen Architekturreste auf der Akropolis mit Erfolg fort- setzen durfte, wofür der griechischen Generalephorie auch an dieser Stelle zu danken ist. Die zweijährigen Studien des Hrn. ALrrep KörtE im nördlichen Kleinasien, welche auf Anregung des athenischen Secretariats durch dankenswertheste Bewilligung der Direetion der anatolischen Eisen- bahn-Gesellschaft ermöglicht wurden, sind mit dem ı. October v.J. ab- geschlossen. Wir richten unseren Dank auch hier an den Vorsitzenden der Direction, Hrn. von Küntmann in Constantinopel. Die Veröffent- lichung der wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Reisen und Forschun- gen hat Hr. Körte in den athenischen Mittheilungen des Instituts be- gonnen, die Sammlung aller von ihm aufgenommenen Photographien aber dem athenischen Secretariat übergeben. Der Zuwachs der Bibliothek in Athen belief sich auf rund 200 Nummern, erheblich weniger als im Vorjahre. Die zur Verfügung stehenden Mittel erweisen sich bei der stets wachsenden Benutzung der Bibliothek dureh deutsche und fremde Gelehrte immer mehr als unzureichend; um so mehr ist das Institut zu Danke verpflichtet für Schenkungen, namentlich grössere, wie sie eingingen vom Reichsamte des Innern, dem Königlich Preussischen Unterrichtsministerium und der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin, von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, der Ecole Frangaise, der American und British School in Athen, der archaeologischen Gesell- schaft dort, der Association pour l’encouragement des etudes greeques in Paris, der archaeologischen Gesellschaft in Berlin, der Kaiserlichen Universität zu St. Petersburg, dem Kaiserlich Ottomanischen Museum in Constantinopel, und von Privatgönnern Miss Harrısos, HH. BennDorr, Laryscnev, Tocızesco, Torr u. A. Eine besonders werthvolle Zuwen- ee nn En nn nn Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 623 dung fiel durch Frau Buresc# zu, welche den für unsere Bibliothek wünschenswerthen Theil der philologischen Bücher ihres am 2. März d.J. in Athen verstorbenen Gemahls schenkte. Die Sammlung der photographischen Negative, von welchen Co- pien abgegeben werden, hat sich wieder erheblich vermehrt. Der Generalseeretar beendete im ersten Anfange des Rechnungs- Jahres seine im vorigen Jahresberichte erwähnte Reise nach Griechen- land und besuchte im September v.J. die Versammlung deutscher Philo- logen und Schulmänner zu Köln, wo die Besprechungen über die Be- ziehungen der Archaeologie zum Gymnasialunterricht, wie sie in Görlitz, München und Wien stattgefunden hatten, noch ein Mal fortgesetzt wur- den. Die Mehrzahl der deutschen Regierungen hatte ihr Interesse an diesen auch vom Institut nach wie vor verfolgten Bestrebungen durch Abordnung von Vertretern nach Köln bekundet. Es waren zugegen von Seiten Preussens Hr. DeEıtErs, von Bayern Hr. Arnorp, von Würt- temberg Hr. von ScHwABE, von Sachsen Hr. Peter, von Baden Hr. Wasner, von Mecklenburg Hr. Künse, von Hessen Hr. SoLpan, von Sachsen-Weimar Hr. WENIGER, von Sachsen-Coburg-Gotha Hr. Rauch, von Braunschweig Hr. DaugEr, von Anhalt Hr. Krüser, von Schwarz- burg-Sondershausen Hr. Frırsch, von Bremen Hr. Sanper. Aus Öster- reich war als Vertreter des K. K. Unterrichtsministeriums Hr. von Har- TEL anwesend, als Theilnehmer an den Besprechungen namentlich die HH. Hoppe und ScHEINDLER aus Wien. Vom Institute wurde hierbei ein in der vormals Bruckmanw’schen Anstalt in München hergestellter Probedruck der bereits im vorigen Jahresberichte erwähnten Wandtafel (Grabstele der Hegeso vom Dipylon in Athen) vorgezeigt und so zweck- entsprechend gefunden, dass inzwischen bereits mehr als 300 Bestel- lungen darauf von deutschen und österreichischen Anstalten einge- laufen sind. Auch dieses Mal schliessen wir mit unserem Danke an den Ver- waltungsrath der Dampfschifffahrts-Gesellschaft des österreichischen Lloyd für die Erleichterungen, welche er den Reisen der Beamten und Stipendiaten des Instituts hat zu Theil werden lassen. Ausgegeben am 4. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1896. 58 ER 63 03 \ at urn ! ah 2 Nail ö " h TR EWR vorn) L} 2 ABER: Kur fs Yy N nissan 4 ara v HWinvgg AN { RANDE ) ale Fakat ai Era vr "IR Alt u dia) TH ir zer LO nr! FR ne ya Numoan Re Mi Mr E BEBITER ME ne ld ah var 1 LT # ala Ku am HM HURRKINY U N As Al 9) IR fi R I " ir {nes Altı insbe Wi igtlugdlı re VO Ur IkmE-Hian Kae oe ) Laie ‚narlärk ll rl uk Ka h \ nah irmaleini re Du Kiuf Au. DIRIEHENNGT an Yi | IEILATEL rar F urarel Fi N Ir u Ka 197 v MON In m Va EN Hat u. no WETTE | : ar u Ei NIS ei} 11a 21 Wil oil ww j \ 1 f v j 4 f A f h I i 1 „ui i 4 ELTA, “# sh eine u 4 Ar ö A 40 Iutiiulpe ne ik nur aa 1DR ' ATi) ar. ar ‘ An E dr u “ I} BE un um und u . j u Lu AG ba. 3 gen © : Ar hi ar Bi iz 1896. XXVI. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 4. Juni. Sitzung der philosophisch--historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLen. Hr. Harnack las über "Die pseudojustinische Rede an die Griechen‘. Die Mittheilung folgt umstehend. Sitzungsberichte 1896. 59 2 Re EN ae if HT AI Bi: 4 nit ha EEE EN. "NAT a A "Sc BET 0, R TEN 627 Die pseudojustinische „Rede an die Griechen“. Von Apvour HAarnNAcK. D. am 24. August 1870 verbrannte Strassburger Justincodex (saec. XII. vel XIV.) enthielt zwei patristische Unica, den Brief an den Diognet und die Oratio ad Graecos. Abschriften des Codex, von Gelehrten des 16. Jahrhunderts besorgt, und eine von Prof. Cunıtz im Jahre 1842 für den Herausgeber der griechischen Apologeten, OrTTo, angefertigte Collation ersetzen uns einigermaassen den schweren Verlust'. Von den genannten beiden Schriften hat der Brief an den Diognet eine besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen und gilt mit Recht als eine hervorragende Schrift des christlichen Alterthums; die wenig umfangreiche Oratio ad Graecos dagegen ist etwas vernachlässigt worden. Das ist wohl begreiflich; denn das Schriftehen bietet in der That, gemessen an den übrigen griechischen Apologieen, nicht viel Bemerkenswerthes. Indessen stammt es doch aus der classischen Zeit der christlichen Apologetik und enthält manche originelle Züge, die einer Beachtung würdig sind. Dazu kommt noch ein Anderes: im Jahre 1855 publieirte W. Cureron in seinem Spieilegium Syriacum syrisch (p. 33-42) und englisch (p. 61-69, 99 f.) »Hypomnemata«, die einen griechischen Senator Namens Ambrosius zum Verfasser haben sollen. Cureron erkannte sofort, dass diese »Hypomnemata« nichts Anderes sind als eine Bearbeitung der im Argentoratensis dem Justin beigelegten Griechenrede. Der syrische Codex, aus dem ÜvrEron die Schrift geschöpft hat, ist der Nitriacus Mus. Brit. Add. 14658 (Cod. 987 bei WriısHT, Catal. of the Syr. Mss. in the Brit. Mus. London 1872, P. III p- 1158) saee. VII., derselbe Codex, dem wir die pseudomelitonische Apologie, den Brief des Mara an Serapion und manches andere Wichtige verdanken. Die Gurrrox’sche englische Übersetzung hat Orro zur Recension der Schrift in seiner Ausgabe der griechischen Apologeten herbeigezogen; allein diese Übersetzung ist selbst nicht fehlerfrei, und ! Der Codex ist beschrieben von Orro (Corpus Apolog. Vol. Il? 1879 p. XIII ff., daselbst auch ein Facsimile, welches den Anfang der Oratio ad Graecos enthält), vergl. meine Abhandlung über die Überlieferung der griech. Apologeten i. d. »Texten u. Unters. z. altchristl. Litt.-Gesch.« Bd. I H.ı.2 (1882) S.79 fl. 59* 628 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 4. Juni. Orro hat sie nur eklektisch benutzt, ohne eine pünktliche Unter- suchung des Verhältnisses der beiden Texte vorauszuschicken. Eine solche ist aber bisher überhaupt noch nicht angestellt worden. Vor- aussetzung derselben ist eine zuverlässige Einsicht in den syrischen Textbestand. Mein verehrter College, Hr. Barrneen, hat die Güte gehabt, die Schrift zum ersten Male ins Deutsche zu übersetzen und mir in Bezug auf alle aufsteigenden Fragen jede gewünschte Auskunft zu geben. Ich lasse im Folgenden erstlich seine Übersetzung sammt seinen Noten abdrucken!' — Alles, was in dem Syrer Zusatz zum grie- chischen Text ist, habe ich mit kleineren Typen setzen lassen —, so- dann gebe ich eine Recension des griechischen Textes auf Grund des Argentoratensis (G) und des Syrers (S); hieran knüpfe ich Unter- suchungen über das Verhältniss von G und S, sowie über die charak- teristischen Züge der Schrift, ihre Zeit und ihren Verfasser. 1. Die syrische Recension. Hypomnemata, welche geschrieben hat Ambros, ein Oberster Griechenlands, der Christ wurde. Und es schrieen gegen ihn alle seine Mitsenatoren, und er floh vor ihnen und schrieb [und] zeigte ihren ganzen Wahnsinn. Und im Anfang seiner Worte hob er an und sprach: 1. Glaubt nicht, griechische Männer, dass in unpassender und ungerechtfertigter Weise meine Trennung von eurer Sitte stattgefunden ! Hr. Barrugen schreibt: »Die deutsche Übersetzung ist so wörtlich wie möglich gehalten. An einigen Stellen lässt sich ein befriedigender Sinn nicht erreichen. Dies liegt theils daran, dass der syrische Text durch Abschreiber eorrumpirt ist, theils daran, dass der syrische Übersetzer seine griechische Vorlage nicht überall verstanden hat. Die Handschrift, der Cureron seinen Text entnommen hat, stammt aus dem 7. Jahrhundert. Trotz dieses hohen Alters enthält sie nicht wenige Schreibfehler. Dass griechische Eigennamen unter den Händen eines syrischen Schreibers eorrumpirt wurden, kann nicht auffallen. Der Text bietet Pelope (= Penelope), Rhna (= Rhea), Philippos statt Pelopiden, Nykurg (= Lykurg), u.s. w. Eine Anzahl von Schreib- fehlern in syrischen Worten lässt sich, zum Theil mit Hülfe des Griechen, sicher emendiren (s. etwa ı2 Fälle in den unter dem Text der Übersetzung gegebenen Noten). Bei einer weiteren Reihe von Stellen ist es mindestens wahrscheinlich, dass der vor- liegende Text corrumpirt ist (s. etwa ro Fälle a. a. O.). Die verhältnissmässig grosse Zahl dieser Fehler macht es wahrscheinlich, dass zwischen der Abfassung der Über- setzung und dem Schreiber unserer Handschrift schon ein längerer Zeitraum lag. Dass der Übersetzer den griechischen Text nicht überall verstanden hat, ist in sechs Fällen evident (s. u.). In Bezug auf das Verhältniss der vom Syrer (S) gebotenen Recension zu der des Griechen (G) enthalte ich mich des Urtheils. Ich bemerke nur, dass die Über- schüsse bei S mehrfach griechisches Wort- und Satzgepräge durchblicken lassen. Die Annahme, dass diese Überschüsse vom Übersetzer herrühren, ist daher nicht wahr- scheinlich.« Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 629 hat. Denn ich bin eingetreten in eure ganze Weisheit der Poesie, der Rhetorik und der Philosophie. Und nachdem ich irgend etwas Richtiges nicht ge- funden hatte oder der Gottheit Würdiges', wollte ich auch in die Weisheit der Christen eintreten? und lernen und sehen, welche® und wann ... und was ihre® Neuheit und Fremdheit ist, oder auf welche Nachrichten ® vertrauen diejenigen, welche in dieser [Weisheit] unterrichtet werden‘, um das Wahre zu sagen. Griechische Männer! Als ich prüfte fand ich nicht irgend eine Thorheit wie bei dem berühmten Homer, welcher sagt in Bezug auf die Kriege zweier Versuche”: »wegen Helena gingen viele von den Griechen in Troas zu Grunde fern von ihrer geliebten Heimat«. Denn zuerst sagen sie von Agamemnon, ihrem König, dass er wegen der Brunst® seines Bruders Menelaos und wegen der Heftigkeit seiner Wuth und wegen der Unzähmbarkeit seiner Begierde hingehen wollte und die Helena einem aussätzigen Hirten entreissen. Als aber die Griechen im” Kriege gesiegt und Städte verbrannt und Weiber und Kinder in die Gefangenschaft geführt hatten, und das Land angefüllt war mit Blut und die Flüsse angefüllt waren mit Leichnamen, da wurde Agamemnon selbst als gefangen geführt erfunden durch die Liebe zu Briseis. Und Patroklos, heisst es, wurde getödtet, und es trauerte, heisst es, über ihn Achilleus, der Sohn der Göttin Thetis; und Hektor, heisst es, wurde ge- schleift, und Priamos und Hekuba weinten über den Verlust ihrer Kinder, und Astyanax, heisst es, der Sohn Hektor’s, wurde von den Mauern Ilions geworfen, und seine Mutter Andromache trug der grosse Ajax fort, und der welcher der Fort- führende war, ging nach kurzer Zeit an Gier zu Grunde". Von den Listen aber des Odysseus, des Sohnes des Laertes und von seinen Morden, wer möchte [davon] erzählen! Denn für hundert und zehn Freier wurde an einem Tage sein Haus ein Grab, und es wurde angefüllt mit Leichen und ı deomperes. 2 boys = aveadeiv Coh. ad gent. 8E Oro 3 S. 40. 3 „bon = oirwes. Das Praedicat hinter »wann« scheint ausgefallen zu sein; vergl. Coh. ad gent. r CO (Orro S. 20) Eöofe nor ka\®s Exew, mp@rov ev robs rjs Peoweßeias juov Te kal buov eferdoaı ÖldarkdNovs, olrıves Kal 6001 Kal Kal’ obs yeyovanı xpövovs. * Nämlich: der christlichen Weisheit. 5 Curer. übersetzt: on what good things, indem er das Wort für den Plural von tab = »gut« hält. Aber es müsste der Plural des Feminin (Zabatha) gebraucht sein (vergl. NöLpere, Syr. Gram. $2or). Es ist /ebe auszusprechen. Dies Wort steht für on (dkoal) Mt. 4, 24, Me. 1,28, 13,7; für run Mt. 9, 26, Luc. 4,14; für 7yos Luc. 4, 37; für Aoyos Luce. 5,15, und für andere griechische Synonyma. 6 oi Tauryv mardevöuevor. Was mit diesem Ausdruck gemeint ist, kann ich nicht sagen. Cureron’s Auskunft, es sei der Krieg gemeint, in dem sowohl Götter wie Menschen thätig waren, scheint mir ungenügend zu sein. Vielleicht steckt in mm& ein Fehler. ® Statt des überlieferten ıny»w217 (= »wegen des Wahnsinns«) ist auf Grund von G (ärpaoia) zu lesen nmv2ı (in syrischer Schrift sind die beiden Worte noch ähnlicher). Auch unten entspricht griechischem äxpacia syrisches sm. ° Die Präposition = scheint vor sap ausgefallen zu sein. !° Falsch Curer.: and that which had been captured in war after a little while was consumed in lust. »Der Fortführende«, d.h. der die Andromache in die Gefangenschaft Fortführende, ist Ajax. Die Worte „rrydeis bmö yavias jAlokero hat S missverstanden. 7 630 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. Blut, er', [p. >] der durch seine Schlechtigkeit Lobpreisungen erwarb, weil er einer höheren Weisheit bar” war, und er, von dem ihr sagt: er schwamm auf dem Meer und hörte? die Stimme der Sirenen, weil er seine Ohren mit Wachs verstopft hatte. Achilleus aber, der«Sohn des Peleus, der einen Fluss übersprungen und Troas zerstört‘ und Hektor getödtet hatte, dieser euer Held wurde ein Sclave der Polyxena und wurde von einer todt daliegenden Amazone besiegt; und seine Rüstung zog er aus und Hochzeitskleidung zog er an, und zuletzt wurde er der Liebe geopfert. 2. Dies nun von den Helden. Und es wäre billig’, dass dir Homer überlassen würde, wenn dein® thörichtes Gerede [nur] so weit gegangen wäre, von Menschen zu erzählen, und nicht auch von Göttern. Denn das auf die Götter Bezügliche schäme ich mich sogar auszusprechen. Denn sehr böse und anstössig? sind die er- dachten Worte und widerlegbar und unglaublich und, wenn ich gezwungen werde, lächerlich. Denn lachen muss man, wenn man ihnen naht, und glaubt nicht, wenn man sie hört, Götter nämlich, von denen nicht einer die Gesetze der Rechtscliaffenheit und Keuschheit und Schamhaftigkeit bewahrt hat, sondern als Ehebrecher und in Unmässigkeit bewegten sie sich, und wurden des Todes, wie es recht gewesen wäre, nicht schuldig befunden. Denn der Herr der Götter, jener Vater der Götter und Menschen, wie ihr sagt, war nicht bloss ein Ehebrecher, denn das wäre zu wenig gewesen, sondern auch ein Mörder seines Vaters und ein Liebhaber von Knaben. Zuerst nun will ich von dem Ehebruch sprechen, wobei ich mich schäme. Denn der An- tiope erschien er als Satyr, und als Gold floss er auf Danae, und ein Stier war er bei Europa und ein Schwan bei Leda. Die Liebe der Semele aber, der Mutter des Dionysos bewies sowohl seine® Brunst als auch die Eifersucht der keuschen Hera. Und den Phryger Gany- medes raubte er als Adler, damit nämlich ein schöner und hübscher Knabe ihm Mundschenk wäre. Es tödtete aber jener Herr der Götter seinen Vater Kronos, damit er seine Herrschaft ergriffe. O wie viele Vorwürfe lasten auf dem Herrn der Götter! und wie vieler Tode ist er schuldig als Ehebrecher und als Magier und als Knabenliebhaber!' Lest dem Herrn der Götter, 0 griechische Männer, das Gesetz des Vatermordes vor und der Schuld des Ehe- bruchs und der Schande der Schmutzigkeit der Knabenliebe! ! Die Copula in m) scheint gestrichen werden zu müssen. 2 Curer. übersetzt nach der überlieferten Lesart ma: because through the excess of his cunning he concealed himself. Statt m» absconditus ist zu lesen m>i expers, vergl. G: änoıpos. Übrigens hat der Übersetzer den Satz örı ö& ayaßns ppovjwews duoıpos nv unrichtig zum Vorhergehenden gezogen, wodurch die ganze Pointe verloren gegangen und das Folgende confus geworden ist. ® Falsch Cure'r.: and heard not. * Statt pr fugit lies "p> destruxit, vergl. G: karaorpeyras. 5 Dies ungefähr muss der Sinn des nicht ganz intact erhaltenen Textes sein. ° Statt »dein« war jedenfalls »sein« beabsichtigt. G oRAnpot. ®$ Text: »ihre.« Jedoch genügt die Tilgung zweier Punkte, um das Masec. herzustellen. ° D.i. Zauberer. Das syr. Wort ist falsch mit den Pluralpunkten versehen. Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 631 Wie viele Ehebrecher hat unterwiesen der Herr der Götter, wie viele Knaben- liebhaber doch und Magier und Mörder! Denn wenn es sich findet, dass Jemand die Ehe gebrochen! hat, so braucht er nicht sterben, denn er hat dies gethan, um dem Herrn der Götter zu gleichen; und wenn es sich findet, dass er ein Mörder ist, so hat er als Entschuldigung den Herrn der Götter; und wenn Jemand ein Magier ist, so hat er es von dem Herrn der Götter gelernt; und wenn [p.%] er ein Knaben- liebhaber ist, so ist der Herr der Götter sein Vertheidiger. Wenn aber Jemand von Heldenkraft reden will, so war Achilleus stärker als der Herr der Götter selbst; denn er tödtete den, der seinen Freund getödtet hatte. Der Herr der Götter aber weinte über seinen sterbenden Sohn Sarpedon, indem er betrübt war. Und Pluto, der ein Gott war, raubte die Kore; die Mutter der Kore aber lief umher und suchte ihre Tochter in allen Einöden. Und Alexander Paris, als er die Helena geraubt hatte, erfuhr die rechtmässige Strafe als ihr gewaltsamer Liebhaber; Pluto aber, der ein Gott war, welcher die Kore raubte, blieb ohne Vorwurf. Und Menelaos, der ein Mensch war, wusste, wie er sein Weib Helena suchen sollte; Demeter aber, die eine Göttin war, wusste nicht, wo sie ihre Tochter Kore suchen sollte. 3. Mag Hephästos die Eifersucht fahren lassen und nicht neidisch sein; denn er wurde gehasst”, weil er alt war und lahm; Ares aber wurde geliebt, weil er jugendlich war und von schöner Gestalt. Es fand aber eine Überführung des Ehebruchs statt. Nämlich Hephästos hatte die Liebe seines Weibes Beltis und des Ares nicht bemerkt. Es sagte aber Hephästos, als er es erfuhr: »Kommt, seht eine lächerliche und unverständige Sache, wie mich, der ich der ihre bin, schändet Beltis, die Tochter des Herrn der Götter, der ich der ihre bin (sic), und sie ehrt den Ares, der ihr fremd ist«. Und dem Herrn der Götter missfiel es nicht, denn er war ein Freund derer, die diesen gleichen. — Penelope ® aber blieb zwanzig Jahre Wittwe, da sie ihren Mann Odysseus erwartete, und war über die Arbeiten gebeugt(?)* und trieb beständig Kunstarbeiten, während alle jene Freier sie bedrängten; Beltis aber, die eine Göttin war, verliess ihren Mann Hephästos, während er ihr nahe war, weil sie von Liebe zu Ares besiegt war. Hört, griechische Männer! wer von euch wagt dies zu thun, oder ertrüge es auch nur zu sehen? Und wenn einer es wagte, welche Marter wäre ihm aufbewahrt oder welche Schläge? Kronos aber, der ein Gott war, der alle diese (sie) Kinder aufass, wurde nicht einmal vor Gericht geführt. Aber sie sagen, dass der Herr der Götter, sein Sohn, allein vor ihm gerettet wurde; denn getäuscht wurde die Gier ° seines Vaters Kronos, weil sein Weib Rhea‘®, die Mutter des Herrn der Götter, ihm einen Stein reichte statt des Herrn der Götter, ihres Sohnes, damit er ihn nicht auf- ässe. Hört, griechische Männer, und denkt nach über diesen Wahnsinn. Denn das stumme Vieh, das auf der Trift weidet, kennt seine Speise und geht nicht an fremd- artige Speise. Und auch die wilden Thiere und auch das Gewürm und auch die Vögel kennen ihre Speise; von den Menschen aber [p. Ko] darf man nicht sprechen; ihr kennt ihre (sie) Speise und seid einsichtig. Kronos aber, der ein Gott war, biss einen Stein, indem er seine Speise nicht kannte. Darum, o griechische Männer, wenn ihr solche Götter haben wollt, tadelt euch nieht gegenseitig, wenn ihr solche Dinge thut. Und zürne nicht auf deinen Statt »°7 (»dass er begehrte«) lies “7 (»dass er die Ehe gebrochen hat«). Statt »oons (Curer.: he is forgotten!) lies sınos (G ueuionro). Text: Pelope. Statt ss»bos», das kein Wort ist, ist vielleicht sbux» zu lesen. Statt des überlieferten »Wahnsinn« wird zu lesen sein »Gier«; vergl. oben e. r. Text: RHNA. aa» » 632 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. Sohn, wenn er darauf sinnt, dich zu tödten, denn er gleicht dem Herrn der Götter. Und wenn Jemand mit deinem Weibe die Ehe bricht, warum achtest du ihn als Feind, und den Herrn der Götter, der ihm gleicht, betest du an und verehrst du? Und was tadelst du dein Weib, wenn es die Ehe gebrochen hat und ohne Strafe bleibt! und die Beltis verehrst du und lässt sie in Tempeln wohnen? Über- redet Solon, seine Gesetze aufzuheben, und Lykurg?, keine Gesetze zu geben! Mögen sie ihren Areopag aufheben und nicht mehr richten, und ein Rath sei den Athenern nieht mehr! Mögen die Athener den Sokrates loslassen (?)°, denn einer, der dem Kronos gliche, ist ihm nicht nahe gekommen! Und mögen sie nicht tödten den Örestes, der seine Mutter getödtet hat; denn siehe, der Herr der Götter hat Schlimmeres als dies an seinem Vater gethan! Auch Oedipus hat übereilter Weise sich Böses angethan, als er seine Augen blendete, weil er seinen Vater getödtet hatte ohne es zu wissen. Denn er sah nicht auf den Herrn der Götter, der seinen Vater tödtete und ohne Strafe blieb. Und Medea, die ihre Kinder getödtet hatte, treiben die Korinther aus und verehren und ehren Kronos, der seine Kinder aufass! Und Alexander* Paris raubte rechtmässig die Helena, damit er dem Gott Pluto gliche, der Kore raubte. Mögen die Männer vom Gesetz befreit werden, und mögen die Städte liederlichen Weibern [zu Theil] werden und eine Wohnstätte für Magier sein! Darum, o griechische Männer, weil eure Götter gleich euch niedrig sind(?)’, und eure Helden kraftvoll® sind, wie eure Dramen berichten und eure Erzählungen verkünden’ .... Betreffend die Nöthe des Orestes® aber und das Lager des Thyestes und, die Unreinheit der Pelopiden’; und betreffend Danaos, der in Neid tödtete und beraubt war! seiner Kinder in ihrer Trunkenheit; und auch das Mahl des Thyestes rächte sein Leichnam''. Und Prokne'” schreit bis jetzt, indem sie umherfliegt, und auch ihre Schwester zwitschert, indem ihre Zunge abgeschnitten ist. Was aber soll man sagen von dem ! Missverständniss des Übersetzers, s. Curer. ®2 Text: Nykurg. 3? mws kann heissen »loslassen« oder »aufheben«; keins von beiden befriedigt; vermuthlich ist der Text corrumpirt. * Die Präpos. > vor dem Namen ist zu streichen. ° Der syr. Text ist vermuthlich eorrumpirt. Gemäss G imo drpacias 7NeyxOncav wird in panıs das Verb pirno>s stecken, in 7°ewv ein Wort, das »ihre Unmässigkeit« bedeutet. $ Der Übersetzer las entweder ävöpero: statt ävavöpoı, oder pabm ist Schreibfehler für pobrr (Curer.). ” Der Nachsatz fehlt, wie bei G, s. O'rro (2. Aufl, S.ır Anm.15). Der in der 3. Aufl. (S.13 Anm.ı7) angenommene Vorschlag SaurpeE’s ös vor ai map’ buiv Opa. ior. eönA. zu tilgen, findet an S keine Stütze. ® Statt omonsı wird zu lesen sein ososxı (Arpeos); das Wort ä@yn scheint der Übersetzer nicht verstanden zu haben. ® Statt oo&sı (Philippus) des Textes ist zu lesen o12}5s7. 1% 73 als Peal (ohne Punkt, wie im Text) = orbatus fuit, als Pael (mit Punkt) = orbavit. Auch hier hat der Übersetzer den griech. Text nicht verstanden. 1! Die sinnlose Übersetzung zeigt doch so viel, dass der Übersetzer das von Orro eingesetzte @ vor Epıvies nicht las. 12 Lies x:pmen. Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 633 Mord des Ödipus, der seine Mutter [zum Weibe] nahm, und dessen Brüder, die seine Söhne waren, sich gegenseitig tödteten. 4. Und auch eure Feste hasse ich, denn es giebt keine Maasse dessen, was dort geschieht, und für die süssen die Sorge bannenden Flöten, welche spielen zur Bewegung, und die Zubereitung von Salben [p- we], mit welchen ihr salbt, und die Kränze, die ihr aufsetzt. Und in der Grösse eurer Schlechtigkeit habt ihr die Scham ver- gessen, und blind geworden sind eure Erkenntnissvermögen, und ihr rast! vor Unmässigkeit und liebt das Lager der Lüge. Und wenn dies von einem Anderen gesagt wäre, so würde man vielleicht die Anklage gegen ihn erheben, dass es nicht wahr sei”. Aber es sagen es eure Poeten, und es verkünden es eure Loblieder und eure Dramen. 5. Kommt also, lasst euch unterweisen durch das Wort Gottes und durch die tröstende Weisheit. Freut euch und werdet ihrer theil- haftig und erkennt den unvergänglichen König und werdet bekannt mit seinen Knechten, die sich nicht der Rüstung rühmen und nicht Morde vollbringen. Denn unser Feldherr begehrt nicht Grösse der Kraft noch auch Reiter” und ihre Schönheit noch auch Berühmtheit des Geschlechts, sondern er begehrt eine reine Seele, welche eine Mauer der Gerechtigkeit umschliesst. Es lehrt uns aber alle Zeit das Wort Gottes und die Verheissungen unseres guten Königs und die Thaten Gottes. O0 Seele, die erkauft ist durch die Kraft des Wortes! O Trompete des. Friedens ohne Krieg! O Lehre, die das seelische Feuer löscht! die nicht Poeten macht und nicht Philosophen ausrüstet noch Rhetoren, der einen Volkshaufen hat (sie)', sondern [welche] erzieht und bewirkt’, dass der Sterbliche nieht stirbt, und die Menschen von der Erde [als] Götter hinaufführt® in das Gebiet oberhalb der [Himmels]veste. Kommt, lasst euch erziehen und werdet wie ich; denn auch ich bin gleich euch gewesen. Ende. ! Curer.: ye have been tempted. Diese Bedeutung hat das Verb allerdings als echt syrisches Wort; an dieser Stelle aber ist es nichts Anderes als das griechische Erßarxevönevor mit syrischer Flexion. 2 Der Übersetzer hat den griech. Text wieder missverstanden. inreov statt TUmwv (CURE'.). * Der Text ist corrumpirt. Curer. übersetzt: the crowd-followed orator; aber xoofn hat die Pluralpunkte (vergl. pyropas dewvovs), während das folgende Pronomen im Sing. steht. 5 Statt “=> lies 2> (more), cf. Curer. ° Statt pon probs: son ja nonmsabı ist vermuthlich zu lesen xs4s p2a1: mon swmabı 72», wodurch genaue Übereinstimmung mit G gewonnen wird. 3 634 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. 2, INpos "EAAnvas. 1. Mn ümoxaßnre, © vöpes "EAAnves, dAoyov N Avemikpırov eival uov TOV Ek TOV Üuerepwv EHov ywpıouov' oVdev Yap Ev auroıs eüpov Öcıov 7 Heodıkes: avra Yap Ta Tov Tomrov Uuov ovvde- para Avoons kat dkpacias EOTi uvnueia. TO Yap Ev Tmawela Trap’ vu TpoVyovrı dorrov Tıs Tavrov avdpwnwv EoTiv Apyakewraros. TpP@TIoTa ev yap pacı rov Ayaueuvova, Tn Tov ÜoeAdov akpacia Eerirerauevn Avoon Kal ükaraoxerw Eemidvuia ovvepyovvra, Kal TMV Auyarepa mpos Hvolav ebdornoavra dovva kal Tacav Tapdsaı TNV Erxada, Iva pionra nv EXevnv amo Aempov mouevos NPTTague- vnv. ÖTOTE ÖEe Kal TOV MONEHOV KATAOXOVTes aiyuaAw@ToVUS Nyaryov, avrös Ayaneıvov mo Xpvonioos aiyudAwros myero [kai] mpos Tov ’ en A 7 „7 „y E x x fr Oeridos mawa Bpıontdos Everev Exdpav nparo. auros Öe IlnAniaons, 6 norauov mnoncas, Tpoiav karaorpeyas, "Erropa yeipwoduevos, Norv&evns 6 npws bu@v ÖovAos Nv, Umo Audlovos verpas veviknTo‘ \ ‚ v2 RE ’ \ \ » ’ r ra Heorevkra Oma amodvoduevos, vunırnv OTOANv Evövoduevos, DIN- Tpwv una Eyivero Ev To rov AnoAAwvos vno. 6 yap Iarıjoıos Aaep- TIaoNs Ek Kkaklas apernv Evemopevoaro‘ OTı de ayahns r 7 » m D = = E x aioypornra. ÖWasare Adnvav al 'Aprenv Ta Tov yuvankav Epya kat Awvvoov Ta dvöpov. TI veuvov Emideikvvraı yvvn OTMAOLS KEKOOUNueEvN, avıp ÖE kvußadoıs Kal orennacı Kal EoÖnrı yuvareia KadAwTıLöuevos x ’ La \ ’ % m Kal 6pyıav OVv AyeAn yvvamkwv; 3. Tovyap Tpıeomepov AAkeiönv, TOv TOv ayovov NynyTopa, TOV di avöpelav adonevov, Tov rov Auös viov, Os Bpıapov karemehve Acovra 4 8 oXyo SYLBURG Io kai em DıEts, em G — 10 em Aavan SYLBURG, so auch S — ı1 xal S, fehlt in G — ıı im’ G, » Er’) S, &m’ Orro — 12 zu ZeueAns fügt S hinzu »der Mutter des Dionysus« — 12 Zeueäys "Hpas G, »der keuschen Hera« S — 13 S schreibt: »Und den Phryger Ganymedes raubte er als Adler, damit nämlich ein schöner und hübscher Knabe ihm Mundschenk wäre« — 16f. G (S fehlt hier) bietet EN? EHEN , REN, 2 ‚ nur Kat To EPOHEVO AUTOV Alakton OKEUGVTI TOVy AUVTOV davarov OUK EHAVTEVOATO. BerrLıos erkannte richtig, dass in okevovrı »drokevovri« (Norte Iokeiov rı) stecke, nachdem schon MAarAnus epmuevo avrov vorgeschlagen und für den Aecakiden »Hyaeinth« eingesetzt hatte; der Autor hat entweder drei Fälle erzählt, in denen Apollo's Unvermögen hervorgetreten sei (Daphne, Neoptolemus, der im Tempel des Apollo getödtet wurde, und Hyaeinth), der Abschreiber aber hat kat To (eponevo avrov) "Yakıydo nach T@ Epouevo abrov Alakidy ausge- lassen und dann rov aurov Havarov statt T. abrov #9. geschrieben — oder der Autor hat geschrieben: 7® Epoyevo abrod "Yarıvdo drokevovrı und der Abschreiber hat Aiaxiöy hinein- gebracht — 20 marpa\w@v STEPHANUS — 20 masapaortias G — In S fehlt der Anfang des Capitels bis Z.9 kararpivrouev (aber seine Ausführungen zeigen, dass er über Kronos dasselbe gelesen hat, und ausserdem giebt er den Satz über Pluto und Demeter wörtlich wieder); sodann fehlt der Satz Z.14—-19 (kai ravra bis mopvirov), endlich auch der Schluss von Z. 21 Öidafare an — 25 dAkidyv G — 25 rov av Diers, TovG — 25 jy...aG= jyıropa — 26 adönevov ist durch untergeschriebenes v in alöönevov verwandelt — 26 vpıap G. 636 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. Kal TMoAUKpavov WAETEV Vopav, Üv Ö Arypıov dkduarov 6 Vvekpwaas, Bi er} [4 e [4 La e id x ’ öpvıdas Ö' avöpoßopovs imrauevas kadeXeıv 6 Övvndeis, kal Kuva Tpt- 4 ’ 7 e ’ [4 ’ ’ 9,8 x Ar [4 kapnvov EE Avov 6 avayayav, Alyelov Ö' Oyvpov Teıyos aKvBdaAwv kade- Le e ‚ [4 \ NICH e ’ x em a, „ Aeiv 6 Övvndeis, Taupovs de Kal EXaov 6 üveAwv @v uVE@Tnpes Eıtveov TUp, 6 Kal Kapmov xpvoeov areXeyovs amoAaßwv, 6 Epmerov ioßoAov äveAwv kal AyeAwov — Tivos Evekev Ekravev, ol Hens eimeiv — Kal rov Eevorrovov Bovoıpıv, Kal 6 öpm mnöycas Iva Adßn Vowp Evapdpov pw, pn nn n bdop Evapdp \ » ’ e ’ e \ m \ n \ a Dwvnv amodıöov, ws Aoyos, 6 TA TOGavTa Kal ToLavra Kal TNAIKAUTA Öpacaı Övvndeis, ws vimios imo oaripwv kararvußakıodeis Kal Umo yuvarkeiov Epwros hrrndeis imo Avöns YeAwons Kata yAovrov TUNTO- uevos nero, Kal TeXos, rov Neoceov xırava amodvoaoda un duvn- deis, mupav kart aurov abros momoas TeXos EXaße Tov Piov. Herw ro Indos Hbawros, kaı un bhoveitw ei mpeoßurns @v Kal kuAAös rov moda nenionro, Apns de mediAnTo veos @v Kal bpalos. Errei oUv, WA 7 e \ \ e er e x ” ’ ” [4 BA ävöpes EAAnves, oi uev Beol Vu@v Umo akpaclas m\eyxOncav, dvavdpoı de Di Npwes Un@v, ws ai Tap vum Öpauaprovpyol ioropiaı EönAwaav, \ \ 3 [4 „7 [4 [4 \ ps ’ \ ra nev Arpews aryn Oveotov Te Aeyn al IleAonıov uion kai Aavaov dHovw bovevovra kal arekvovvra ueuehvouevov, kal Ta Ove- orreıa deimva a Epıvves nprvov. kai Ilporvn uexpı vuv EnTepwuern Yoa, Kal raurns n aöeABN YAwooortunros Terpıyev ; Kerponis. Ta Yap Oiöimodos kevrpa TI ÖeL Kal Aeyew, kal rov Adlov bovov Kal unTpös yauov, Kal TNv T@v AdeAb@v auTov kal TEKVWwV Ana ANAmAoKToviav; 4. Kai ras ravnyvpeıs Uu@v uenionKa' Auerpoı Yap Ekel TANOUO- val, Kal auXoL yAadypol ErkaNovnevoi TPOS OIOTPWÖELS Kıvnaeıs, Kal kÜpwv mepiepyot xpiceis, kat oreoavwv mepideceis. Kal T® TOOOVUTW cop® TOV KAaKov TNV Aldo Meprypdbere, kal vovv npovode, imo arpaclas ErPakyevöuevor' Kal Tas Avooiaus Kal Avoowoeoı xpaodaı eiwdate nigeow. emo O6 av iuw Erı Kal ToVTO‘ TI ayavarreıs, "EX- Anv @v, MpOSs TO TEKRVoV Cov, ei TOv ia wmoVuevos EmıßovAeveı or‘, 3 6 dvayayov Norre, ö fehlt in G — 3 abyeov G — 3 kadexeiv G, kadaipeıv SYL- BURG 4 6 äveA@v Norte, ö fehlt inG — 5 0s SauppeE, in G fehlt es, ö.... aroXa- Pov Dıeıs, &Aaßev G — 5 dmo oreAeyovs STEPHANUS — 5 Epmeröv G, 6 Epmeröv SAUPPE — 6 6 äveaov Notre — 7 öpn G, 6 öpn Orro — 7 mmönoas G, mövoas MARANUS — 7f. EvavOpov bovyv dmodıdovra G — IO Aidov G — II &ooiovy G — 12 Kaß’ abrov will Svr- pHAanus, ich lasse die Incorrectheit bestehen — 13 rov (nXov Orwro — 16 os ai GS, ai SıurrE, damit die folgenden Accusative auf eöyAwcav bezogen werden können, allein ai map’ buiv bis pprvov ist ein unpassender Nachsatz; mir scheint in G und S nach eöyAweav etwas zu fehlen — 17 veorov re S, Bvestov G — 18 Srepmantus, Oro u. A. haben nach ärekvovvra »Alyvrrov« eingeschoben, aber nothwendig ist die Einschiebung nicht (übersetze: »und einen Betrunkenen der Kinder beraubte«) — 19 deimva & StEPHA- nus, GS bieten @ nicht — 19 ’Epıvvies G — 22 7 adeApy Diers, adeaApn G — 20 yAuc- coröunros G — 20 7 Kerpomis fehlt in S— 2ı xal r. A. govov fehlt in S (Homoeote- leuton). — In S fehlt die grössere erste Hälfte des Capitels bis Z.12 (roV Piov) ganz; das Folgende aber ist wiedergegeben — 26 mnpovode Dies, rvpAovode S, mAy- povode G. u 20 25 Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 637 Kal el TIS Cov TOV Yauov TeovAnke, Ti Tovrov Exdpov iryn, Tov öde n RS 7 \ a > f = önoov auto oeßn; TI ÖE ueubn vov Tnv yuvama ükoAdotws locav, NR n > a en se rn nv Öe Abpoötrtnv vaoıs Teriunkas; Kal ei uev Tavra üb’ Erepwv nv E} [4 ’ r x x x ’ ’ ' Las \ m eipnueva, Karmyopla Eöogev eivaı WıAn Kal our aAndeıa, vuv de Tavra r e [7 y x x r ’ . [al G r ’ ol Üuerepoı ddovor Tomral kal al Tap Univ Kekpdyaoı ioTopiaı. 677 7 „7 77 \ ’ ’ ’ 5. "Erdere Aoımöv, Avöpes "EAAnves, kal vobla arapauıAyTw Kowo@vnoate kat Helv Aoyo mawWeidnre kal uadere Baoııea apdap- x ” ’ ’ ” E Tov Kal TOVS TOVTOV Npwas Entyvore ouy OnAois ... cbovov Epyalo- uevovs. autos Yap Iuov 6 OTparnyos ob Bovkeraı owudrwv AAKıV x ’ ’ ’ ’ ’ ’ ’ [4 ” \ ’ x Kal TUTWV eluopeblav old eüryeveias bpvayna, aAAa wuynv Te kadapav Kal ÖOLITNTL TETEIXLOUEVNV' Non de Öimvek@s EmIoTaTrwv nuıv 6 Helos Ao- 4 x \ ke) ’ La. ’ x ’ ’ yos Öldaokeı Kal Ta Tov BaoıXews Nuov ovvdnuara kal mpageıs Heias — "N \ ’ 2 x ’ Ey [4 E \ La @ da Aoyov Övvduews Wuyn Öukvovuern, @ oaAmıyE eipnvin Yuyns moNeuovuevns, &® nadov dewov duyadevripiov, @ Tupos Euyruyov x G KA ’ \ a, ” [ oßeotın ÖwaokaNkia, NTISs 0 TMomras To, oÜ $ıAo00Bovs karaokevaleı oVde pijropas Öewovs, AAAa TawWevovoa more Tovs Hvn- x ’ ’ En x ’ r rovs ahbavarovs, Tovs Bporovs Heovs, Er yns be nerdyeı eis TOVS Umep Oo v Y ’ ‚ e ’ g 2 E 1 \ E72 Avumov Öpovs. EAdere, mawWevdnte: yiveode ws Eyw, OTı Kaya nunv e € a m en ES 7 \ n @S Üuels. TaUTA ME Eike, TO TE TNs maudelas Evdeov kal TO TovV Aoyov Övvarov: örı kadamep Emaoıdos ayados Ek BwAeov Egeprvoaı Mmomoas puyadeveı dewov Epmerov, olTws 6 Aöyos E& aurwv TW@v tms Wuyns uvyov Ta Ödewa ns aiodnoews amexavveı nadn, Tpw@rov Eenvuar, >= en \ [4 m 7 m E a) \ x x du ns mav Öewov bVerau, Eydpaı Epeıs ImXos Epıdein Ovnoı Kal Ta Onoıa Tovroıs. Enidvpias oVv amexadeions evöios 7 wuyn Kal yaı- viooa Yiveraı. TapaAvdeioa be TW@V MEpl TOV TPAXNAoVv aUTNs Kak@v > > an \ > TEPIDPEOVTWV ATEpPXETaL TpOS TOV Tomoavra aurıv' dei Yap dmo- karaotadnvaı 00ev ameoTn. I e rıs oov S, em ou G, oov STEPHANUS, er’ !oov Oro (nach oreovAnke das Fragezeichen setzend) — 4 vielleicht mit SaurrE karyyopi’ av 5 ioropiat G, »Lob- lieder und Dramen« S — In S ist das ganze Capitel wiedergegeben, aber der Satz eirou (vorige Seite Z.28) bis reriunkas Z.3 steht in einem früheren Capitel. — Zur Sache vergl. Tatian Oratır: mopvelav newonke , 22: TIs oUk av xAevaneı Tüs ÖnnoreNeis mavnyüpeis vuov .... Kivovuevo mapa bucıv ob BovAonar auvöiarideodat — 6ff. der Eingang erinnert, wie ALEXANDRE gesehen hat, an sibyllinische Orakel — 8 vielleicht rovrov rovs mit StE- PHANUS — 8 jpwas G, »Knechte« (dusas) S — 3 oUy öre Aaoıs dovov G, ovmore krA. Oro, aber S hat von »sich der Waffen rühmen« gelesen, also stand wohl örAoıs im Texte, wie BAErHGEN vorschlägt (eine Lücke vermuthete schon Srepmanus) — Io rUrov G, im- rewv S — II cal fehlt in G — Ir 70n bis Aöoyos GS, als Glosse von Oro gestrichen — 12 Öidaokeı habe ich aus S ergänzt, in G fehlt es — 12 Cap.ı,3 G owveuara — 13 © dia Aoyov Övvaneos wuyn dukvovuevn, so stelle ich aus G (os .... eis wuxiv durvov- aevn) und S (»o Seele, die erkauft ist durch die Kraft des Logos«) her — 13 os.. eipy- vıxjs G, »o Trompete des Friedens« S, schon Maranus schrieb eipyviry — 15 oßeotıköv didankarıov G — I8f. yYiveode krA., s. Galat. 4, 12 — 19 weis, hier endigt S, der nur die erste grössere Hälfte des Capitels bietet — 22f. s. Galat. 5,20.21 — 23 £pi- dein G — 25 mepıAvBeisa G, mapax. Oro — 25 6e fügt Srermanus ein — 27 nach ämeorn hat G die Glosse ödev rıs &yevero 7 eorıw. Oro hat sie getilgt. 638 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. 3. Auf den ersten Blick scheint die Vergleichung von S mit G ein besonders lehrreiches Bild von dem Verhältniss syrischer Übersetzungen zu den griechischen Originalen zu ergeben und die öfters gemachte Wahrnehmung zu bestätigen, dass diese » Übersetzungen « sehr frei ge- wesen sind. In diesem Sinne ist denn auch unser syrischer Text gewöhn- lich beurtheilt worden. Allein bei näherer Betrachtung kommt man zu einem ganz anderen Ergebnisse. Allem zuvor ist darauf hinzu- weisen, dass wir ein Ähnliches Beispiel in Bezug auf das Verhältniss von Original und syrischer Übersetzung — wenigstens was die alt- christliche Litteratur anlangt — nicht besitzen. Ich habe im I. Theile der »Altehristlichen Litteraturgeschichte« S.885 f. alle uns bekannten syrischen Übersetzungen biblischer, apokrypher und patristischer Texte älterer Zeit zusammengestellt. Die Zahl ist sehr gross; aber in keinem einzigen Falle auch nicht in der Übersetzung apokrypher Stücke oder der Ignatiusbriefe — begegnet uns etwas Ähnliches. Um- schreibungen, Hinzufügung oder Weglassung einzelner Worte und Sätze, Verdeutlichungen u. s. w. sind häufig; aber hier handelt es sich um ganz andere Manipulationen. Von den c. 107 Zeilen des grie- chischen Textes bietet der Syrer nur ce. 57; statt der ce. 50 fehlen- den hat er aber mindestens ce. 75 ganz neue eingesetzt. Somit ent- hält diese »Übersetzung« in ihrer bedeutend grösseren Hälfte einen fremden Stoff und hat ihrem Originale nicht viel mehr als die Hälfte entlehnt. Ferner trägt sie einen ganz anderen Titel (Yrouvnuara) als das Original, um vom Verfasser noch zu schweigen. Unter solchen Umständen wäre man überhaupt nicht berechtigt, von einer Übersetzung zu sprechen, wenn nicht der ganze Aufriss der beiden Schriften identisch wäre, und wenn nicht das, was der Syrer dem Original entnommen hat, wörtlich genau mit der Vorlage stimmte. Was den ersten Punkt betrifit, so bedarf es nur eines flüchtigen Blicks auf den Anfang und namentlich auf die Schlussausführungen von S, um zu erkennen, dass er den Gedanken von G nichts Wesentliches hinzugefügt hat, und das bestätigt sich durch eine Prüfung der mittleren Partien. Überall handelt es sich um Hinzu- fügung secundärer Dinge, die ziemlich breit entwickelt werden, um eine Vermehrung der Beispiele und Belege, die viel weniger sorg- fältig und zweckentsprechend ausgewählt sind als in G@. Was aber den zweiten Punkt anlangt, so sticht die schrankenlose Freiheit, die sich S in Bezug auf‘ Zusätze erlaubt hat, grell von der Gewissen- haftigkeit ab, mit der der Übersetzer alles das übertragen hat, was er überhaupt übersetzte. Hier ist er so pünktlich verfahren, dass man seine Sr nie rin in u ETHETEREEE n < Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 639 Arbeit als eine treue Version rühmen darf. Indessen das paradoxeste Problem bieten nicht die Zusätze — auch ein treuer Übersetzer kann sich solche in grossem Umfange erlaubt haben, um den Eindruck der Schrift durch gehäufte Beispiele zu verstärken —, sondern die Streichungen. Ein bestimmtes Princip lässt sich hier so wenig nach- weisen, wie bei den Zusätzen. An ein paar Stellen könnte man an- nehmen, dass das Streben nach Kürze ihn bestimmt, an einer Stelle, dass er die Vorlage nicht verstanden hat; allein diese Annahmen sind ganz unsicher, ja sie verbieten sich geradezu durch die Einsicht, dass er vom Streben nach Kürze sonst nirgends geleitet wird, und dass er auch schwierige griechische Sätze richtig aufzufassen ver- standen hat. Somit bleibt — da sachliche Gründe, die ihn zu Streiehungen bewogen haben können, nicht nachweisbar sind — nur das Urtheil übrig, dass ihn lediglich die Absicht geleitet hat, eine vorhandene Schrift, die ihm für seine Zwecke passend schien, umzu- modeln, zu bereichern und sich anzueignen. Sobald man das erkannt hat, erhebt sich die Frage, ob der sy- rische Übersetzer für diese Umwandelung verantwortlich ist oder ob er nicht vielmehr eine bereits umgewandelte griechische Vorlage über- setzt hat. Hr. Barrucen hat oben bemerkt, dass die Überschüsse bei S mehrfach griechisches Wort- und Satzgepräge durchblicken lassen, und dass daher die Annahme, diese Überschüsse rührten vom Über- setzer her, nicht wahrscheinlich sei. Zu demselben Urtheil gelangt man aber auch, wenn man auf den Inhalt der Zusätze blickt. Sie enthalten schlechterdings nichts Syrisches', dagegen sind sie aus einer reichen Kenntniss der griechischen Mythologie, Legende und Geschichte geschöpft. Die Zusätze handeln von Patroklus, Hektor, Priamus, He- kuba, Astyanax, Andromache, Odysseus, Penelope, Achilles, Sarpedon, Alexander-Paris, Menelaus, Hephaestos, Ares, Aphrodite, Rhea, Kro- nos, und wiederum von Solon, Lykurg, dem Areopag, den Athenern und Sokrates, endlich von Orestes, Oedipus, Medea und den Korin- thiern. Diese Zusätze sind doch nicht von einem syrischen Über- setzer etwa in Edessa gemacht; sie sind unstreitig griechischen Ur- sprungs. Damit ist weiter der ganz verschiedene Titel in @ und in S zusammenzuhalten. In G ist unsere Schrift mit »rov aurov« als ein ! Dass von Beltis statt von Aphrodite gesprochen wird, gehört natürlich dem Übersetzer an; allein nur dieses Wort stammt von ihm, die Geschichte, in der es vor- kommt, gehört der griechischen Mythologie an. Ebenso sind kleine Zusätze, wie »ihr König« bei »Agamemnon«, »Menelaus« bei »Agamemnon’s Bruder«, »Achilles« bei »Sohn des Peleus«, »Mutter des Dionysus« bei »Semele« dem syrischen Übersetzer zuzuweisen. Wie eine syrische oder von einem Syrer interpolirte christliche Apologie aussieht, kann man an der pseudomelitonischen Apologie studiren, die sich in derselben syrischen Handschrift findet, in welcher die Oratio ad Graecos überliefert ist. 640 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. Werk des Justin bezeichnet (sie steht zwischen der pseudojustinischen Expositio reetae fidei und der ebenfalls pseudojustinischen Epistula ad Diognetum); in S trägt sie nicht nur einen anderen Verfasserna- men, sondern auch eine ausführliche Aufschrift, die ein Stück beglei- tender Tradition enthält: »Hypomnemata, welche geschrieben hat Am- brosius, ein Oberster Griechenlands, der Christ wurde. Und es schrieen gegen ihn alle seine Mitsenatoren und er floh vor ihnen und schrieb und zeigte ihren ganzen Wahnsinn.« Endlich erinnere ich daran, dass der Übersetzer dort seine griechische Vorlage wörtlich genau wieder- gegeben hat, wo wir ihn an G controliren können. Derselbe Mann, der so gewissenhaft übersetzt hat, kann unmöglich der Verfasser der Zusätze sein. Somit ergiebt sich, dass dem Syrer nicht & vorlag, sondern eıne griechische Bearbeitung von G (G°), die er treu reprodueirt hat. Das Verhältniss von G’ zu G bleibt freilich noch räthselhaft. Man kann G’ kein Plagiat nennen, denn es ist nichts anderes als eine zwar sehr bereicherte, aber auch sehr verschlechterte neue Ausgabe von G. Sehr verschlechtert nenne ich sie, weil die straffe und schöne Dispo- sition von G@ in G° stark verwischt ist, weil neben die zweckmässi- gen Beispiele, die & bietet, ja z. Th. an ihrer Stelle, eine Fülle von ganz unzweckmässigen, eilig zusammengerafften Geschichten eingear- beitet ist, endlich weil breite Tiraden und Wiederholungen den Sprach- und Stilcharakter der ursprünglichen Schrift trüben. Auf den Gedan- ken, dass G’ auch nur an einer Stelle gegenüber G im Vortheil ist, kann man nirgendwo kommen'; vielmehr erweist sich & überall als das zu Grunde liegende Original. Die Zusätze in G?” zeigen, wie oben bemerkt, kein bestimmtes Prineip. Indessen giebt es doch zwei Stellen, in denen man etwas von der Absicht des Bearbeiters errathen kann. Während der ur- sprüngliche Verfasser lediglich an den Diehtern die Falschheit des Griechenthums nachweist und seinen Bruch mit den »griechischen Sitten« nur von hier aus motivirt, fügt der Bearbeiter im Eingang der Rede den Satz ein: »denn ich bin eingetreten in eure ganze Weisheit der Poesie, der Rhetorik und der Philosophie«”, und erklärt weiter, dass er das Christenthum zu untersuchen begonnen, nachdem er es umsonst mit der griechischen Weisheit versucht habe. Der Be- arbeiter giebt sich also als einen Suchenden, wie Justin, der nach einem langen Wege beim Christenthum endet; der ursprüngliche Ver- ! Auch nicht bei dem Satze in G c.4, Z.26ff., den G*, anscheinend besser, schon in e.3 bringt; allen da nun der Satz Z.3—5 in G? ganz unpassend auf 2.23— 28 folgt, so erkennt man doch, dass das Ursprüngliche in G zu suchen ist. 2 ®2 Die Formulirung ist allerdings schwerlich unabhängig von c.5 Z. 15f. in G. Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 641 fasser sagt davon nichts, ja er preist die göttliche Lehre, nrıs ovÜ PiAo00Bovs karaokevaleı. Der Bearbeiter hat diesen Satz allerdings stehen gelassen; aber nach dem, was er stehen gelassen hat, kann man ihn bei seiner grossen Unselbständigkeit überhaupt nicht beur- theilen. Die andere Stelle findet sich im 3. Capitel. Hier hat G* fol- gende Satzgruppe eingeschoben: »Überredet Solon, seine Gesetze auf- zuheben, und Lykurg, keine Gesetze zu geben! Mögen sie ihren Areopag aufheben und nicht mehr richten, und ein Rath sei den Athenern nicht mehr! Mögen die Athener den Sokrates loslassen(?)... Und Medea, die ihre Kinder getödtet hatte, treiben die Korinthier aus und verehren und ehren Kronos, der seine Kinder aufass!... Mögen die Männer vom Gesetz befreit werden, und mögen die Städte liederlichen Weibern zu Theil werden und eine Wohnstätte für Magier sein!« Der Bearbeiter zeigt hier, dass die griechischen Städte seine Heimat sind, was namentlich aus dem Schlusssatz hervorgeht'. Bei der völligen Inhaltslosigkeit aller übrigen Zusätze des Bearbeiters hat man ein Recht dieses Stück coneret zu fassen und aus ihm einen innerlichen Antheil des Schriftstellers an dem Zustande der griechischen Städte — viel- leicht speciell Korinths; denn das Beispiel ist sonst recht gesucht — herauszulesen. Nun erinnere man sich aber, dass die zum Syrer ge- langte, G* begleitende Tradition über den Ursprung der Schrift dahin lautete, dass sie von einem »Öbersten Griechenlands«, Ambrosius, verfasst sei, der seinen Übertritt zum Christenthum vor seinen auf- geregten »Mitsenatoren« vertheidigen wollte. Der Bearbeiter ist hier- nach Ältester in einer griechischen Stadtverwaltung gewesen, und das stimmt in der That trefflich zu dem einzigen concreten Stück, welches er der alten Vertheidigungsschrift hinzugefügt hat. Gegen jene Tradition ist also nichts einzuwenden; aber noch mehr — in der Aufschrift, wie sie der Syrer gegeben hat, steht ein Wort, welches das Verhältniss von G’ und & zu beleuchten scheint. »Hypo- mnemata«, so beginnt sie, »welche geschrieben hat Ambrosius, ein Oberster Griechenlands«. Dass der Syrer hier nicht Eigenes bietet, sondern übersetzt, zeigt der, stehengelassene griechische Aus- druck »Hypomnemata«. Aber wie kann diese lebendige, kurze Rede, die in G einfach und sachgemäss [Ioos "EAAnvas heisst, als »Hypo- mnemata« bezeichnet worden sein? Weder Commentari, noch Acten, noch Notizen können gemeint sein. War die Rede, die auch in G’ noch immer den Charakter einer energischen Ansprache trägt, ohne Aufschrift überliefert, so konnte es schwerlich Jemandem nachträg- ! Die ersten Beispiele sind noch allgemein und geben an sich keinen geographi- schen Fingerzeig. Sitzungsberichte 1896. 60 642 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 4. Juni. lich einfallen, ihr den ganz unpassenden Titel »Hypomnemata« zu geben'. Doch Einer konnte diesen Titel wählen, nämlich der Be- arbeiter selbst, wenn er damit ausdrücken wollte, dass er kein origi- nales Werk vorzulegen die Absicht habe, sondern eine Compilation bieten wolle aus Abschriften und Aufzeichnungen, die er sich ge- macht. Diesen Charakter hat nun aber in der That G° im Verhält- niss zu G. Wir haben oben festgestellt, dass aus G nur ce. 57 Zeilen stammen, c. 50 Zeilen, die in @ stehen, weggelassen, dagegen «e. 75 neue Zeilen hinzugefügt sind. Man braucht nur anzunehmen, dass der unselbständige Senator Ambrosius auch diese 75 Zeilen nicht aus eigenen Mitteln beschafft, vielmehr zum Theil aus seiner Leetüre einer oder mehrerer anderer Schriften entlehnt hat. so erklärt sich der Titel »Hypomnemata« einigermaassen®. Auch so bleibt freilich der littera- rarische Vorgang noch auffallend, ja räthselhaft genug, und es wird sich nicht leicht eine Be schlagende Parallele aus der alten Litte- ratur beschaffen lassen” Wer dieser a gewesen ist, darüber wissen wir nichts. Currron dachte an den Freund und Schüler des Origenes, von dem Epiphanius beiläufig einmal erwähnt, er sei Tov dıabavov Ev alkaıs Paoııkais gewesen (haer. 64, 3); allein diese Hypothese ist mit Recht zurückgewiesen worden. Was wir von Ambrosius wissen, fügt sich schlecht oder gar nicht zu unserem griechischen Buleuten'. Über die Zeit der Bearbeitung lässt sich nur sagen, dass sie noch in die vor- constantinische Zeit fallen muss, bez. vor die letzte grosse Verfolgung. Sie gehört also dem 3. Jahrhundert an. ! Darauf, dass die Bedeutung des Wortes abgeblasst war, wird man sich schwer- lich berufen dürfen. ®2 Davon ist abzusehen, dass bei Plato einmal vrsuwnna die Abschrift eines Briefes (Copie, Exemplar) bezeichnet (ep.ız p.363€); allein das, was G? mit seinem Titel »Hypomnemata« gemeint hat, scheint doch auf dieser Linie zu liegen = Nieder- zeichnungen eines von Anderen bereits schriftlich überlieferten Stoffs. ® Ich gebe daher den Vorschlag, den Titel »Hypomnemata« in G? auf diese Weise zu erklären, nur als Versuch. Die andere Möglichkeit, dass die ursprüngliche Schrift von dem Buleuten Ambrosius stammt, die Bearbeitung von einem unbekannten Griechen, hat die Thatsache gegen sich, dass nur in der Bearbeitung das Interesse an den griechischen Städten hervortritt, und dass der Titel »Hypomnemata«, auf die im Argentoratensis vorliegende Urgestalt bezogen, schwer zu erklären ist. Indessen soll die Möglichkeit doch offen bleiben. * Schwerlich mehr als ein neckischer Zufall ist es, dass man in dem Schlusssatz der Rede Spuren von Valentinianismus zur Noth nachweisen kann, und dass von dem Freunde des Origenes, Ambrosius, berichtet wird, er sei, bevor er katholischer Christ wurde, Valentinianer gewesen. Jene Spuren sind doch ganz unsicher; auch Clemens Alex. konnte so schreiben, wie unser Verfasser geschrieben hat. Pan nn un Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 643 4. Die Bearbeitung, in welcher der Syrer die Schrift kennen gelernt hat, lassen wir nun bei Seite und untersuchen das ursprüngliche Werk. Dem Umfang nach ist es die kleinste Apologie, die wir aus dem christ- lichen Alterthum besitzen; aber sie ist gut disponirt, durchsichtig aus- geführt und als schriftstellerische Leistung nicht unbedeutend. Mit Recht hat Semisch den Stil der Rede als gedrängt, körnig, voll Leben und rhetorischer Färbung bezeichnet'; am Schlusse erhebt sie sich zu poetischem Schwung. Mit Recht aber hat derselbe Gelehrte auch auf die verhältnissmässig grosse Zahl gekünstelter Ausdrücke hingewiesen. Ihr Verfasser liebt die Patronyma statt der Eigennamen zu gebrauchen (6 IlmAniadns, 6 Idaxnoıos Aueprıadns, 6 ueyaAwvvuos Anrolöns, 6 Aia- Kiöns. 6 AAkeiöns); selbst Homer’s Namen umschreibt er: 6 Ev maudera rap’ bu mpoVywv. Er hat eine Vorliebe für gesuchte Ausdrücke wie TPOTIOTAa, ApyaXewraros im Sinne »der elendste«, 7 vobla amapawANN- TOS, I TUTWV Eebuopdia, TO elyevelas bpvayna, TO Ev mawWdela TrpoVyovTı poırav, n Tupös Euvyov aßeorırn ÖwWaoraNia u. s. w. Allein diese Geziertheit ist augenscheinlich Schulüberlieferung; hinter ihr steht ein ernster Charakter, der überzeugt ist, durch den Nachweis der unsitt- lichen Tendenzen des Heidenthums und der Sittlichkeit des Christen- thums die ganze Religionsfrage zu entscheiden. Wir besitzen keine zweite Apologie, die so ausschliesslich das Problem auf dem sittlichen Boden hält. Aus dem Schlusscapitel erkennt man, dass der Ver- fasser die christliche Metaphysik, wie die anderen Apologeten, aner- kennt: aber er streitet nicht um die Philosophie, sondern um die Grundfrage, das Sittliche. Wir mögen finden, dass er es sich etwas leicht gemacht hat, indem er aus Homer und Hesiod die Unsittlich- keit des Griechenthums nachweist; aber die Schriften dieser Poeten waren noch immer, ja in steigendem Maasse wieder, die Hauptbücher der griechischen Cultur, und ein Kampf gegen sie keineswegs eine überflüssige Sache. Das Unsittliche der Mythologie, das Unwürdige und Gemeine der Charaktere, welche die Dichter den griechischen Göttern und Heroen liehen, die schamlose Üppigkeit, mit der die religiösen Nationalfeste gefeiert wurden — sie waren noch immer Mächte, welche das Aufkommen einer ernsten Gesinnung und einer reinen Lebensführung niederhielten. Gegen sie streitet unser Ver- fasser, und mit ihnen begründet er seine Trennung vom Griechen- thum: ovVdev yap Ev auroıs eüpov Öcıov 7 Heobies. Dass die Werke der gefeiertsten Dichter »Avoons kai akpacvias uvnuera« sind, ist ! ‚Justin d. Märtyrer. I. Bd. S. 164. 60* 644 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 4. Juni. das Thema der drei ersten Capitel. Den puritanischen Eifer des Redners wird Niemand bekritteln, der erwägt, dass man sich an jenen Gedichten erst wieder freuen kann, nachdem sie durch einen scharfen Schnitt von allem Religiösen getrennt worden sind. Das hat die christliche Apologetik geleistet und damit der Menschheit einen Dienst gethan, den weder Plato noch die Cyniker zu leisten vermochten. Nachdem der Verfasser in kurzen Zügen das Unsittliche der homerischen Helden hervorgehoben, schliesst er seine Ausführung mit den Worten: &ortı 7 maca pay'wöta, Mıddos re kaı Oövocelas üpxn Kal reAos, yvvn (c.1). Aber die Götter Hesiod’s sind nieht besser als die Helden Homer’s, sondern schlimmer; auch hier läuft schliesslich Alles auf das Weib heraus oder gar auf naturwidrige Sünden (e. 2). Nicht anders steht es mit dem grossen Heros Herakles'. Dazu kommen die unsittlichen Theaterstücke und vor allem die in Orgien verlaufenden Feste: Tas mavnyYpeıs Uuov ueuionka. So ist es ein Milieu des Gemeinen und Obseönen, in welchem sich die Götter und die Helden, die Schauspieler und die Zuschauer bewegen. Das ganze Griechenthum lebt in der Luft des Lasters, und die eigenen Dichter und Schriftsteller sind schamlos genug, als Pornographen all das Gemeine aufzuzeichnen und zu überliefern. Dem gegenüber glaubt der Verfasser nieht nöthig zu haben, erst zu erweisen, dass das Christenthum die strengste Sittlichkeit fordert und darbietet; er sieht das augenscheinlich als anerkannt an und begnügt sich deshalb da- mit, zum Übertritt in flammenden Worten aufzufordern; den glänzen- den Siegespreis will er nicht verschweigen: ob Tomras ou, oV bAoosbovs karaokevaleı oVde piropas dewovs, AANa Maudevovoa moıer rovs Hvnrovs adavarovs, Tovs Bporovs Heovs, Ek yns de HET- dyeı eis obs Umep "OAvumov Opovs. Was ihn selbst bewogen hat, dem Christenthum beizutreten, sagt er am Schluss ausdrücklich: ravra ue eiXe, TO Te ns maıudelas Evbeov kal TO ToV Aöyov Övvarov. Auch ohne diese Versicherung wüssten wir es. Unsere Schrift ist als justinisch doppelt bezeugt”, erstlich durch den Codex Argentoratensis — aber dieses Zeugniss ist fast ein nega- tives; denn sie steht dort zwischen zwei sicher pseudojustinischen Schriften —, zweitens, wahrscheinlich, durch Eusebius; denn wenn er in seinem Katalog justinischer Schriften (h. e. IV, 18, 3.4) schreibt: ! Bei der Schilderung der Thaten des Herakles wird auf eine Unternehmung angespielt, welche meines Wissens von keiner Quelle sonst berichtet wird: 6 öpn myöyoas Iva Aaßn Vdop Evapdpov bwvnv Amodıdov. Überhaupt zeigt der Verfasser eine treffliche Kenntniss der griechischen Mythologie und Legende. 2 Unter welcher Aufschrift sie der Verfasser von G?, Ambrosius, gelesen hat, wissen wir nicht. Harnack: Die pseudojustinische »Rede an die Griechen«. 645 kaı aNNos 6 Ilpos "EAAnvas, Ev © nakpov Tepi TAeioTwv Tap nuv Te kal Tols EAAyvov BiAooödboıs Inrovuevov Karareivas Aoyov, mepi ns T@v Öauovwv Ötladaußaveı Picews' Aa oVöev Av Emelyoı ta vov naparideodau: al aödıs Erepov Ilpöos "ErAnvas eis nuas EeANAvBev aurov ovyypanpa, 0 kal Emeypayrev EXeyyov, so liegt die Annahme nahe, dass unter der an zweiter Stelle genannten Schrift INpos "EAAnvas unsere Rede zu verstehen ist. Zwar trägt sie im Ar- gentor. nicht die Aufschrift »e&Xeyyos«:; allein dieser zweite Titel scheint seeundär zu sein, wird aber durch den Inhalt unserer Schrift vollkommen gerechtfertigt; denn dort, wo sie die Ausführungen zu- sammenfasst (e.3 Z.14 ff.), heisst es: Erei oUv, üvöpes "EAAnves, oi uev Heol Vuov Umo Akpaoias nAeyxOncav', üvavöpoı Öe vi npwes Uuov, KTA. Allein trotz dieses alten Zeugnisses® kann die Schrift unmöglich von Justin herrühren. Zwar haben Tentzer, Nourry, RuinAart, MarA- nusS, KEstner, TzscHirser u. A. den Ursprung von Justin festhalten zu können geglaubt; allein GrABE, Oupıs, HErBI6, NEANDER, SEMISCH, Donarpson, Orto u. A. haben mit Recht widersprochen. Nicht nur bildet die Stildifferenz — Justin schreibt höchst diffus, weitschweifig und nachlässig — ein unüberwindliches Hinderniss, sondern er er- zählt auch den Hergang bezw. die Motive seiner Bekehrung ganz anders als unser Verfasser; ausserdem finden sich offenkundige Wider- sprüche zwischen dieser Rede und den echten Schriften Justin’s”. Ist unsere Schrift dem Justin abzusprechen, so fehlt ein sicherer Anhalt, um ihre Zeit näher zu bestimmen’. Doch fallen folgende Erwägungen ins Gewicht: ı. die Schrift ist von jenem Ambrosius verarbeitet worden, der selbst noch dem 3. Jahrhundert angehört (s. 0.), 2. sie weist in ihrem Schlusscapitel Züge auf, die es nicht wahrscheinlich machen, dass sie der frühesten Periode der christlichen Apologetik zuzuweisen ist: der rhetorisch-philosophische Schwung erinnert an den Protrepticus des Clemens; das Absehen von der ur- christlichen Eschatologie — die befreite Seele kehrt sofort nach dem Tode zu Gott zurück: der yap amokaraoradnvaı 6dev aneorn — spricht gegen die älteste Zeit, und die beiden, wenn auch still- schweigenden Citate aus dem Galaterbrief des Paulus, sind der ältesten Apologetik fremd’. Die Argumente sub ı und 2 begrenzen einander: ! S. auch das »iMey£e« c.2 Z.12 und 15. 2 Ganz sicher ist es nicht, da Eusebius die von ihm gemeinte Schrift nicht näher charakterisirt hat. 3 S. Semisch, a.a. O.I S. 166. * Zur Bestimmung des Orts und des Verfassers fehlt jeder Fingerzeig. 5 Ob Tatian’s Oratio benutzt ist (s. ec. 4), lässt sich nicht sicher entscheiden. 646 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 4. Juni. man wird daher schwerlich irren, wenn man die »Rede« auf die Zeit zwischen e.ıSo und e. 240 ansetzt. Dass man nicht unter die Regierungszeit des Philippus Arabs herabsteigen darf, folgt auch aus dem Satz 'e.2 Z.19 fl.: avayvore TO Ai Tov kara TarpoAw@v vouov Kal TO noıyelas MPOOTIUOV Kal Tnv TrudepaoTtias aioxpornyra, denn er beweist, dass das an letzter Stelle genannte Laster noch als Laster galt, nicht aber als Verbrechen; zu einem Verbrechen aber wurde es durch die Gesetzgebung des Philippus gestempelt (siehe meine Ab- handlung über die Pistis-Sophia in den »Texten und Untersuchungen zur altehristlichen Litteraturgeschichte« Bd.VII, H.2, S.100 ff.). Die dogmatischen Bilder, die der Verfasser braucht, erinnern auch am meisten an die des Clemens Alex. (»Protrepticus« und »Paedagog«). Der »unvergängliche König«, der »Logos« und die » Weisheit« bilden die Trias des Verfassers. Aber der »göttliche Logos« ist das eigent- lich wirksame Prineip. Er ist der Paedagog, der Feldherr, der Vor- steher, der Lehrer und der Arzt. Alle diese Functionen des Logos werden im Schlusscapitel kurz berührt, und dementsprechend sind seine Anhänger die zu erziehenden Jünger, die »Heroen«, die Schüler und die von den »furchtbaren Leiden der Sinnlichkeit« geheilten Kranken. Echt gnostisch — gnostisch im Sinne des Clemens — wird gesagt, dass die von der Lust befreite Seele sofort zu .ihrem Schöpfer aufsteigt, und echt hellenisch gilt die wieder erlangte Un- sterblichkeit, der Eintritt in die überolympischen Räume als Ver- gottung des Menschen (maWevovoa Toıeı Tovs Ovyrovs ahavarovs, rovs Bporovs Heovs, &k yns de uerayeı eis rovs brep "OAvumov Opovs). Eine solehe Sprache ist unseres Wissens in der grossen Kirche vor dem Ausgang des 2. Jahrhunderts nicht gesprochen worden. Wie unsere Schrift unter die Werke Justin’s gerathen ist, ist ganz unbekannt. Wahrscheinlich schon im Laufe des 3. Jahrhunderts sind dem Justin mehrere Sehriften beigelegt worden, die ihm nicht gebühren; denn der Katalog von Werken Justin’s, den Eusebius (h. e. IV,ı8) bietet, ist schwerlich nur in Bezug auf unsere Schrift übervollständig. Ausgegeben am 11. Juni. 647 1896. XXVIN. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 4. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Hr. Munk las: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. V. Mittheilung. Die Mittheilung erscheint in einem der nächsten Berichte. Ausgegeben am 11. Juni. | Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei | | 649 SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 11. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEN. l. Hr. Lanvorr hielt einen Vortrag “über das Verhalten eir- eularpolarisirender Krystalle im gepulverten Zustande. Die Mittheilung wird später in diesen Berichten erscheinen. 2. Hr. van 'r Horr überreichte die von ihm und Wiırs. Oswarp herausgegebene "Zeitschrift für physikalische Chemie’, XX.Bd. 1. Heft. 3. Die Königl. Akademie der Künste zu Berlin übersendet den ersten Band der zur Jubelfeier ihres 200 jährigen Bestehens als Fest- schrift erschienenen, von dem ständigen Secretär derselben Professor Dr. H. Mürter verfassten Geschichte der Akademie der Künste. 4. Das correspondirende Mitglied der Akademie, Hr. V. Jacıd in Wien, übersendet den von ihm herausgegebenen Codex Slovenieus rerum grammaticarum. Petropoli 1896. 5. Vorgelegt wurde der von dem Hrn. Verfasser eingesendete Band "über die Palpen der Rhopaloceren, von Enzıo Reuter. Hel- singfors 1896. Sitzungsberichte 1896. 61 651 Über diejenige punktweise eindeutige Beziehung zweier Flächenstücke auf einander, bei welcher jeder geodaetischen Linie des einen eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des anderen entspricht. Von F. Busse, Studiosus der Mathematik in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Scuwarz am 30. April [s. oben S. 513].) Di. Aufgabe, zwei Flächenstücke in der Art punktweise eindeutig auf einander zu beziehen, dass jeder geodaetischen Linie des einen Flächenstückes eine geodaetische Linie des anderen entspricht, wurde zuerst von Hrn. Berrranı' für den speciellen Fall, dass das eine - Flächenstück eine Ebene ist, behandelt und später von Hrn. Dısı” allgemein gelöst. Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet das allgemeinere Problem: Unter welchen Bedingungen lassen sich zwei Flächenstücke S und & in der Art punktweise eindeutig auf einander be- ziehen, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächen- stückes 3 entspricht? Imaginäre Flächen werden von der Betrachtung ausgeschlossen. I. Aufstellung der Differentialgleichungen des Problems. Die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächenstückes & werden als Funetionen conjugirter complexer Parameter «, © von der ! Berrrramı, E. Risoluzione del problema: Riportare i punti di una superficie sopra un piano in modo che le linee geodetiche vengano rappresentate da linee rette. Annali di Matematica pubblicate da B. Torrorını, t.VII, p.185; 1866. ® Dısı, U. Sopra un problema che si presenta nella teoria generale delle rappre- sentazione geografiche di una superficie su di un’ altra. Annali di Matematica, 2? serie, t. III, p. 269; 1870. 61* 652 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. Art betrachtet, dass das Quadrat der Länge des Linienelementes des Flächenstückes 3 die Form erhält (1) de’ — pdudı. Die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächenstückes S seien als Funetionen derselben Parameter dargestellt, so dass die- jenigen Punkte der beiden Flächenstücke S und 3 einander zugeordnet werden, welche denselben Werthepaaren w, v entsprechen. Das Quadrat der Länge des Linienelementes des Flächenstückes S ist von der Form ds’ — Edu’ + 2Fdudv + Gdv?. Die Differentialgleichung der Linien constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 3 ist (2) Writer 1 ai 3 a log p\' Ge 1 ap Ss dlogg 5 BE; 5 ou 2 au oo ww 2 av und die Differentialgleichung der geodaetischen Linien des Flächen- stückes S (3) v' — A+ Bo’ +” + Dv”, wobei die Coefficienten A, B, C, D Funetionen der Grössen E, F,@ und deren ersten Ableitungen in Bezug auf die Variabeln « und » sind. Der gestellten Bedingung zufolge müssen die aus der Gleichung (3) sich ergebenden Werthe von v” und ©” die Gleichung (2) be- friedigen. Durch Ausführung der angedeuteten Rechnung ergiebt sich aA „4B 94 BB 10 + (FE) et au av u ° oW 2 au el Wald GB) 1 9° alogp\’ A nr ev gu | av au p Ww 2 av d ee: + (& + 20D)o" +10." =0. w) Da diese Gleichung für alle Werthe von v bestehen soll, so müssen die Coefficienten der Potenzen von v’ einzeln gleich Null sein. Daraus folgen die für das Bestehen der verlangten Beziehung zwischen den Flächenstücken S und 3 nothwendigen und hinreichenden Be- dingungsgleichungen (4) ll Du: \ aD. ae R (5 vw u B ‚m _ 1% 3[(9logp (6) au de oW 2 | au (7) ee ee rn nn RETTEN Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 653 I. Integration der Differentialgleichungen des Problems. Wegen der Gleichung (5) kann __ alogf, ._ alogf, (8) A gesetzt werden, wobei f, eine Function der beiden Argumente «, v bezeichnet. Die Differentialgleichungen (6) und (7) erhalten in Folge dessen die Gestalt (0) ı ıf, _3 (dlogf, Ey 1 dp 3 [(2logp F 9 a ou 2 du (10) 1 ı%, _3 felogf, a 1 °P _3(9logp 3 fi WW 2 Ri] oWw 23 99 Durch Einführung zweier Functionen xz(u,v) = x und E(u,v) =£ von der Beschaffenheit, dass [ob S [>b} Mm a rer ist, nimmt die rechte und linke Seite der Differentialgleichung (9) die Gestalt des von A. CayLevy mit dem Namen der Scuhwarz’schen Derivirten bezeichneten Ausdruckes an: x IE \2 RS (WEN 2 ee en REN Ta v2) 3 \ar a Megmn Tage] WERT: u \ 9% FT au Diese Gleichung wird befriedigt, wenn ei gesetzt wird. Da die rechte Seite der Differentialgleichung (12) der charakte- ristischen Eigenschaft jenes Ausdruckes gemäss ungeändert bleibt, wenn an die Stelle der Function £ eine lineare gebrochene Function derselben gesetzt wird, so ergiebt sich als allgemeines Integral der Differentialgleichung (12) Aa ME Ws® Verl wobei V,, V,, V,, V, Funetionen des Argumentes v bezeichnen, welche, wie vorausgesetzt werden kann, der Bedingung Be genügen und im Übrigen willkürlich sind. Aus der Gleichung (13) ergiebt sich 98 dr au au (V, +, (13) (14) h= 654 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. Wird in analoger Weise die Differentialgleichung (10) behandelt, indem zwei Functionen y(w,vo)= y und n(u,v) = von der Beschaffen- heit eingeführt werden, dass N Rt (15) A Tas ist, so wird als allgemeines Integral der durch diese Transformation ent- stehenden Differentialgleichung erhalten pr: U, a U;n = ST anaEn Um wobei U, U,, U,, U, Funetionen des Argumentes u bezeichnen, welche, wie vorausgesetzt werden kann, der Bedingung U, = U, U, =1 genügen und im Übrigen -willkürlich sind. Aus der Gleichung (16) folgt Ku EYE av } un aus, Aus der Vergleichung der beiden Ausdrücke für die Function f,, (14) und (17), ergiebt sich (18) U, +Un=V/;,+V.E. Es sind nun drei Fälle zu unterscheiden, je nachdem jede der beiden Functionen U, und V,, oder nur eine derselben, oder keine von ihnen beständig gleich Null ist. I. Wenn U=0, vV=0, so ergiebt sich aus der Gleichung (18) USA const,— = Aus den Gleichungen (15) und (17) folgt h=e.K. Da es genügt, von allen ähnlichen Flächenstücken nur eins zu betrachten, so kann (19) =» gesetzt werden. 2. Nur eine der Functionen U,,V, ist beständig gleich Null. Es sei zunächst 08 IV.|> 0. Aus der Gleichung (18) ergiebt sich U,-V, 5 v 4 -— | —— Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 655 Aus der zweiten der Gleichungen (11) folgt — 1 dU,, ST u 4 Damit die Funetion $ für conjugirte complexe Werthe ihrer Ar- on0 r e £ - R 1 gumente positive reelle Werthe annimmt, müssen die Functionen v 4 und u conjugirte complexe Grössen sein. Aus der Gleichung (14) folgt dU, D h Zu U: Bei passender Wahl der Parameter «,v ergeben sich für die Functionen $ und f, die Ausdrücke h 1 De und die Werthe der Coeffieienten B und € sind in diesem Falle D (20) ie ER. Wenn die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte einer reellen Fläche als Functionen conjugirter complexer Variabeln «, o» betrachtet werden, so nehmen in dem Ausdrucke für das Quadrat der Länge des Linienelementes die Coeffieienten E und @ conjugirte complexe Werthe an, während der Coefficient F reelle Werthe annimmt. Es müssen daher für eine reelle Fläche die Ausdrücke 1 N N Ve or nz Ile 2“ (3 u ze au T ner 2) 1 ECHTE Weka Sa a: A) FH a) a an -#,) eonjugirte complexe Werthe annehmen. Da dies in dem vorliegenden Falle den Gleichungen (20) zufolge nicht eintritt, so giebt es kein der gestellten Aufgabe genügendes reelles Flächenstück, für welches nur U, beständig gleich Null ist. In derselben Weise erledigt sich die Annahme V,=0, [U,|>0. 3. Wenn |U,|>0, At so lässt sich eine Funetion ZL(w,v) = L von der Beschaffenheit ein- führen, dass die Gleichungen aL 773 (2 1°) U, —— Br ar Un, 656 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. ‚9L 3 (21°) Ve, Me ahse befriedigt werden. Bei Einführung neuer Parameter (uw) = w und vv) = v', welche den Bedingungen del 3 { u _ Ten “du genügen, ist für das Bestehen der Gleichung (18) nothwendig, dass oL Le oL ou d. h. die Funetion Z muss eine Function des Argumentes «+ sein. Umgekehrt wird die Gleichung (18) befriedigt, wenn die Funetion Z eine beliebige Function des Argumentes w+v ist. Werden die Parameter v, v» von vorn herein so gewählt, dass sie mit den Parametern «, © übereinstimmen, so ergiebt sich aus der Gleichung (21°) für die Function &, wenn u+v—=w gesetzt wird, der Ausdruck an _dL do dw? Die Function $ kann daher eine beliebige Function des Argumentes w sein, welche für reelle Werthe ihres Argumentes positive Werthe annimmt. Aus der Gleichung (17) folgt (23) a er utrv—w, (c+ (oe)dw)' wobei c eine Integrationsconstante bezeichnet. Wegen der Symmetrie der Differentialgleichungen (9) und (10) in Bezug auf die Funetionen f, und & ist umgekehrt (23°) plw) = fılw) y utv=w, (e, + R (w) dw). wobei jetzt /(w) eine willkürliche Function des Argumentes w be- zeichnet, welche nur der Bedingung unterworfen ist, dass sie für reelle Werthe ihres Argumentes positive Werthe annimmt. II. Geometrische Deutung. Es werde zunächst folgende Betrachtung angestellt: Zwei Flächenstücke, % und ®, seien punktweise eindeutig so auf einander bezogen, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes 7 eine geodaetische Linie des Flächenstückes ® entspricht. Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 657 Die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächenstückes ® werden als Functionen conjugirter complexer Parameter v, v von der Art betrachtet, dass der Ausdruck für das Quadrat der Länge des Linienelementes die Form annimmt de” — p'dudıv. Die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächenstückes 5 seien Funetionen derselben Parameter, so dass diejenigen Punkte der beiden Flächenstücke $ und ® einander zugeordnet werden, welche denselben Werthepaaren v,v entsprechen. Bei dieser Wahl der Para- meter möge sich für das Quadrat der Länge des Linienelementes des Flächenstückes ff der Ausdruck ds'” = E'’du’ + 2F'dudv + G’dv” ergeben. Die Differentialgleichung der geodaetischen Linien der Fläche ®# ist 8 log go’ y 9 log p' „ [2 (24) = au 0% und die Differentialgleichung der geodaetischen Linien der Fläche % (25) ve" = A' + Bio + O'v" + Die’, wobei die Coeffieienten A’, B', C', D' Funetionen der Grössen E', F,@ und deren ersten Ableitungen in Bezug auf die Variabeln « und » sind. Der gestellten Bedingung zufolge müssen die Differentialgleichun- gen (24) und (25) identisch sein. Daraus ergeben sich die für das Bestehen der verlangten Beziehung zwischen den Flächenstücken 5 und ® nothwendigen und hinreichenden Bedingungen AN; MW=N- Br a log p’ se 9 log eo du” dv Es werde nun ein Flächenstück S, von der Beschaffenheit ein- geführt, dass das Quadrat der Länge des Linienelementes desselben durch den Ausdruck (26) ds, — f,dudv dargestellt wird, wobei f, die durch die Gleichungen (8) definirte Hülfsfunetion bezeichnet. Da der Definition der Function f, gemäss Bosch ce _ lost 6177 ev ist und nach (4) die Gleichungen Ai; >) I o 658 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. bestehen, so sind nach dem Ergebnisse der oben angestellten Betrach- tung die beiden Flächenstücke S und 8, in der Art punktweise ein- deutig auf einander bezogen, dass jeder geodaetischen Linie des einen eine geodaetische Linie des anderen entspricht. In dem zweiten Abschnitte hatten sich als den gestellten Be- dingungen genügende Integrale der Differentialgleichungen des Pro- blems ergeben: I. ph wobei die Function f, keiner anderen Beschränkung unterliegt, als dass sie für conjugirte complexe Werthe der Argumente u, v positive Werthe annimmt; FW) | (c, 4 I (w) dw) wobei die Function f(w) eine beliebige Function ihres Argumentes ist, welche für reelle Werthe ihres Argumentes positive Werthe an- nimmt. Das erste Integral ergiebt nur solche Flächenstücke 3, welche auf die Flächenstücke S, abwickelbar sind. Es ist daher dieser Fall durch die Disr'schen Untersuchungen vollständig erledigt. Weil in dem zweiten der oben angegebenen Integrale die Fune- tion f(w) eine Function des Argumentes w—= u+v ist, so besteht für die Geltung dieses Integrals die Voraussetzung, dass das Flächenstück S, in eine Rotationsfläche verbiegbar ist. Da die Function /,(w) eine beliebige Funetion ihres Argumentes ist, so kann das Flächenstück S, die Biegungsfläche einer beliebigen Rotationstfläche sein. Auf Grund der von Hrn. Dıxı aufgestellten Formeln ergiebt sich hieraus, dass in diesem Falle zum Flächenstücke S als Ausgangsfläche jedes auf eine Rotationsfläche abwiekelbare Flächenstück und nur ein solches ge- wählt werden kann. Wenn das Flächenstück S auf eine Rotations- fläche abwickelbar ist, so werden mit Hülfe des zweiten Integrals aus jedem Flächenstücke S, den Bedingungen der Aufgabe genügende Flächenstücke X abgeleitet, welche auf das zugehörende Flächenstück S, den Gleichungen (1) und (26) zufolge conform abgebildet werden. Da jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S bei der punktweisen Beziehung desselben auf das Flächenstück S, eine geodaetische Linie dieses Flächenstückes entspricht, so entspricht jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S, bei der conformen Abbildung desselben auf das Flächenstück 3 eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 3. Die Flächenstücke S, und 8 sind aber auch die einzigen, welche sich in der Art conform auf einander abbilden lassen, A — ; utrv—=w, Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 659 dass jeder geodaetischen Linie des einen eine Linie constanter geo- daetischer Krümmung des anderen entspricht. Denn das erste Inte- gral ergiebt nur Flächenstücke, welche den Bedingungen des Disr’schen Problems gemäss auf einander bezogen werden; diese aber werden niemals, wenn von der Ähnlichkeit im Grossen und Ganzen abgesehen wird, in Folge dieser Beziehung conform auf einander abgebildet. Das Ergebniss der vorstehenden Untersuchung kann folgender- maassen zusammengefasst werden: Zu den Flächenstücken 3, welche sich auf ein Flächenstück 8 in der Art punktweise eindeutig beziehen lassen, dass jeder geodae- tischen Linie des Flächenstückes $S eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 3 entspricht, gehören die Flächenstücke S,, welche den specielleren Bedingungen der Dixr'schen Aufgabe ge- nügen. Ausser den Flächenstücken S, giebt es nur in dem Falle noch andere, den allgemeineren Bedingungen der hier gestellten Auf- gabe genügende Flächenstücke 3, wenn das Flächenstück 5 die Bie- gungsfläche einer Rotationsfläche ist. Jedes dieser Flächenstücke 3 ist, in Folge seiner den Bedingungen der vorliegenden Aufgabe ge- nügenden Beziehung auf das Flächenstück S, in der Weise auf eines der Flächenstücke S, conform abgebildet, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S, eine Linie constanter, im Allgemeinen von Null verschiedener geodaetischer Krümmung des zugehörenden Flächen- stückes 3 entspricht. Die Flächenstücke S, und die in der angegebenen Weise auf die Flächenstücke S, conform abgebildeten Flächenstücke sind ebenfalls auf Rotationsflächen abwickelbar und stellen alle Flächen- stücke 3 dar, welche auf ein in eine Rotationsfläche verbiegbares Flächenstück S den Bedingungen der vorliegenden Aufgabe gemäss bezogen werden können. Ist das Quadrat der Länge des Linienelementes des auf eine Ro- tationsfläche abwickelbaren Flächenstückes S in der Form ds’ — E(u)( du’ + dv’) gegeben, so sind die Ausdrücke für die Quadrate der Längen der Linienelemente der den Bedingungen der Disrt’schen Aufgabe genügen- den Flächenstücke 5, 1. ds’ — E(u) (du + dv*), : E(u) ( du? d -) ds, = = = + . m(E(u)+m) \E(u)+m m Daraus ergeben sich mit Hülfe der Gleichung (23°) folgende Aus- drücke für die Quadrate der Längen der Linienelemente der übrigen 660 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. Flächenstücke 3, von denen jedes in der oben angegebenen Weise auf eines der Flächenstücke S, conform abgebildet ist ii, = ee — (du? + dv’), (ce + 2[ Eau)’ et E(u) ( du’ dv ) = 2 jr ; Ar m(E(u) +m)[c, +2 eu du EIER m(E(u) + m)? IV. Folgerungen und weitere Untersuchungen. Wird vorausgesetzt, dass der Ausdruck für das Quadrat der Länge des Linienelementes des auf eine Rotationsfläche abwickelbaren Flächen- stückes S, wie früher in der Form ds, = f,(u + v)dudv dargestellt ist, so ist die Differentialgleichung der Linien constanter fo) geodaetischer Krümmung des Flächenstückes $, LE g_ 1 Kr ur (° log f, \? Fo L EA 3 (alogf,\? ae E ou 2% Tr 2) Diese Differentialgleichung ist wegen der Differentialgleichungen (9) und (ro) mit der Differentialgleichung (2) der Linien eonstanter geodae- tischer Krümmung des Flächenstückes $ identisch. Daher entspricht auf den conform auf einander abgebildeten Flächenstücken S, und 3 jeder Linie constanter geodaetischer Krümmung des einen Flächenstückes eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des anderen und um- gekehrt. Die Flächenstücke $S, und 3 sind aber auch die einzigen in dieser Art eonform auf einander abgebildeten Flächenstücke. Wird überhaupt untersucht, unter welchen Bedingungen zwei Flächenstücke S und 8° in der Art punktweise eindeutig auf einander bezogen werden können, dass jeder Linie constanter geodaetischer Krümmung des einen Flächenstückes eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des anderen entspricht, so ergiebt sich, wie sogleich ge- zeigt werden soll, dass die beiden Flächenstücke S’ und > conform auf einander abgebildet sein müssen, dass daher allein die oben be- trachteten Flächenstücke S, und 3 den Bedingungen dieses Problems Genüge leisten. Sind die Variabeln, als deren Funetionen die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächenstückes 3’ dargestellt sind, con- jugirte complexe Parameter «, v» von der Beschaffenheit, dass sich für das Quadrat der Länge des Linienelementes der Ausdruck de" — p'dudv nn - Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 661 ergiebt, so ist die Differentialgleichung der Linien constanter geodae- tischer Krümmung des Flächenstückes 3 LER me aHEN LER; 7 ı\2 (27) a Hi Te Hua a d ge 9logp v+ Z g v a1 3 dlog op 0. 5 o Qu 2 gu p av“ 2 eL) Werden die rechtwinkligen Coordinaten der Punkte des Flächen- stückes S’ als Functionen derselben Parameter betrachtet, so dass diejenigen Punkte der beiden Flächenstücke S’ und 3’ einander zu- geordnet werden, welche denselben Werthepaaren v, v entsprechen, so möge sich für das Quadrat der Länge des Linienelementes des Flächenstückes 5’ der Ausdruck ds” — E’du* + 2F’dudv + G’dv’ ergeben. Die Differentialgleichung der Linien constanter geodaetischer Krüm- mung des Flächenstückes 5’ ist (28) (E'+ 2F'V + G@W*)v"" — 3(F' + GW)v”” + M(u,v,v')v”" + N(u, v, v') — 0. Durch Vergleichung der beiden Differentialgleichungen (27) und (28), welche der gestellten Bedingung zufolge identisch sein müssen, ergiebt sich in der That EG 003 Ist das Quadrat der Länge des Linienelementes der auf eine be- liebige Rotationsfläche abwickelbaren Fläche S, auf die Form gebracht ds; — du’ + p’(u)dv*, so ist nach den Untersuchungen des Hrn. Darsoux' das erste Integral der Differentialgleichung der Linien von der constanten geodaetischen Krümmung #, ds a,+k, B (u) du (29) a @ ol(u) VW —[a, + k, [o(u)du] Aus dieser Formel ergiebt sich für die geodaetischen Krümmungen k, und x zweier einander entsprechenden Linien constanter geodae- tischer Krümmung der Flächenstücke S, und 3 die Beziehung »—=ck,-a. Ist die geodaetische Krümmung %, gleich Null, so stellt die Gleichung (29) den bekannten die geodaetischen Linien auf Rotations- flächen betreffenden Crarmaur’schen Lehrsatz dar und zwar hat die in diesem Lehrsatze vorkommende Constante den Werth a. ! Lecons sur la theorie generale des surfaces, Ill. partie, p. 1352 f. V. Anwendung auf die Flächen constanten Krümmungs- maasses. Es sollen nun alle Flächenstücke 3 bestimmt werden, welche sich auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses S in der Art punktweise eindeutig beziehen lassen, dass jeder geodaetischen j Linie des Flächenstückes S eine Linie constanter geodaetischer Krüm- 662 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. - | j } \ i j mung des Flächenstückes 3 entspricht. Nach den Untersuchungen der HH. Berrraumı und Dix lassen sich auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses 5 die Theile einer jeden Fläche constanten Krümmungsmaasses S, und nur einer solchen in der Art punktweise eindeutig beziehen, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S eine geodaetische Linie des Flächenstückes S, entspricht. Weil die Flächen constanten Krümmungsmaasses auf Rotations- flächen abwickelbar sind, so sind nach dem Ergebnisse des dritten Abschnittes noch diejenigen Flächenstücke 3 zu bestimmen, welche sich auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses $, der Weise conform abbilden lassen, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S, eine Linie constanter Se ar Krümmung des Flächenstückes > entspricht. Zu diesem Zwecke ist das Quadrat der Länge des Linienelementes der Fläche constanten Krümmungsmaasses S, in der allgemeinsten Weise in der Form darzustellen u nn nn ds, = f, (w)dudo, ut—=w. Aus der Bedingung, dass das Krümmungsmaass Ä, der Fläche S, constant ist, ergiebt sich für die Funetion f,(w) die Differential- gleichung FE le 2 d’log/lw), (30) = en const. — mr du? Es sind zwei Fälle zu unterscheiden, je nachdem das Krümmungs- maass Ä, von Null verschieden ist, oder den Werth Null besitzt. Wenn K,z0 ist, so ist das allgemeine Integral der Differentialgleichung (30) j ak? abet» Aw) =fWu+V)= (Hey wobei a und 5 willkürliche reelle Constanten bezeichnen. Die Will- kürlichkeit der Constanten 5 wird durch die Bedingung beschränkt, dass sie positiv oder negativ sein muss, je nachdem %, reell oder rein imaginär ist. Busse: Über eine punktweise Beziehung von Flächen auf einander. 663 Aus der Formel (23°) ergiebt sich in diesem Falle für das Qua- drat der Länge des Linienelementes der Fläche 3 der Ausdruck 4kı arbe'“ D. a — 3 - er (ec, — Akta - be,e® vor Das Krümmungsmaass dieser Fläche mm 4ac, ist constant und kann jeden beliebigen Werth annehmen. 2,-Ist K=l. so wird AZ + v) — Derutn, wobei a und 5b willkürliche reelle Constanten bezeichnen. Für den Fall ZU ergiebt sich für das Quadrat der Länge des Linienelementes der zu- gehörenden Fläche 3 der Ausdruck DB: BT (c, + b’(u + v))' Das Krümmungsmaass dieser Fläche do” ist constant und negativ. Ist so ergiebt sich don — SUITE dudv. (ac, + bet”) Das Krümmungsmaass der in diesem Falle erhaltenen Fläche $ 1 en 4ac, ist constant und kann jeden beliebigen Werth annehmen. Aus der vorstehenden Untersuchung ergiebt sich der Satz: Auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses S, können die Theile einer jeden Fläche constanten Krümmungsmaasses 3 und nur einer solchen in der Art conform abgebildet werden, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S, eine Linie con- stanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 3 entspricht. Dieser Satz gilt auch in der Form: Auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses S, können die Theile einer jeden Fläche constanten Krümmungsmaasses 664 Gesammtsitzung vom 11. Juni. — Mittheilung vom 30. April. 3 und nur einer solchen in der Weise conform abgebildet werden, dass jede geodaetische Linie des Flächenstückes 3 einer Linie con- stanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes S, entspricht. Auf den in dieser Weise conform auf einander abgebildeten Flächen- stücken entspricht nach dem Ergebnisse des vierten Abschnittes jeder Linie constanter geodaetischer Krümmung des einen Flächenstückes eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des anderen, und diese con- formen Abbildungen von Flächenstücken auf einander sind die einzigen punktweisen eindeutigen Beziehungen von Flächenstücken 5’ auf die Theile von Flächen constanten Krümmungsmaasses von der Beschaffen- heit, dass jeder Linie constanter geodaetischer Krümmung auf den Theilen der Fläche eonstanten Krümmungsmaasses eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 5 entspricht. In Verbindung mit dem oben erwähnten von den HH. Berrramı und Dmı erhaltenen Resultate ergiebt sich nunmehr aus dem am Ende des dritten Abschnittes ausgesprochenen Satze: Auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses S können die Theile einer jeden Fläche constanten Krümmungsmaasses > und nur einer solchen in der Art punktweise eindeutig bezogen werden, dass jeder geodaetischen Linie des Flächenstückes S eine Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes 3 ent- spricht. Auch dieser allgemeinere Satz kaun in der Form ausgesprochen werden: Auf die Theile einer Fläche constanten Krümmungsmaasses $ können die Theile einer jeden Fläche constanten Krümmungsmaasses > und nur einer solchen in der Art punktweise eindeutig bezogen werden, dass jede geodaetische Linie des Flächenstückes 3 einer Linie constanter geodaetischer Krümmung des Flächenstückes S entspricht. Besonders bemerkenswerthe Sätze ergeben sich in den Fällen, in welchen die Fläche S5 die Ebene oder die Kugel ist. Ausgegeben am 18. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, —— — 665 1896. XXX. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 18. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. l. Hr. Warvpever las: Die Gaudalanhänge des Menschen. Die Mittheilung erscheint in einem der nächsten Berichte. 2. Hr. Mösgıvs legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. GoLpsteıs, hierselbst, vor: Über Aufnahmen mit Röntgenstrahlen. 3. Hr. Kontrausen legte eine Mittheilung aus der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt vor: Über die Messung tiefer Tem- peraturen, von den HH. Dr. L. Horsorv und Dr. W. Wırn. Beide Mittheilungen folgen umstehend. Sitzungsberichte 1896. 62 667 Über Aufnahmen mit Röntgenstrahlen. Von Prof. E. GoLDSTEIN in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Mögrvs.) a8 meiner Beschäftigung mit den Röntgenstrahlen habe ich eine grössere Reihe von Aufnahmen hergestellt zur Orientirung darüber, ob die Abbildung nach dem Röntern'schen Verfahren auch ausser- halb des medieinischen Gebietes für andere Zweige der Wissenschaft von Nutzen sein könnte. Die vorgelegten Bilder' beziehen sich zunächst auf Zoologie und Botanik. Hinzugefügt sind einige Auf- nahmen menschlicher Theile. Man hat dem Röntern’schen Verfahren gegenüber vor zu hohen Erwartungen mit dem Hinweis gewarnt, dass es nur Schattenbilder geben könne. Aber auch die detaillirtesten Bilder des Mikroskops bei durchgehendem Lichte, namentlich in monochromatischer Beleuch- tung sind im selben Sinne nur Schattenbilder, die auf der Retina entworfen werden, wenngleich durch concentrationsfähige Strahlen. Vor den Schattenbildern der Mikroskopie aber hat das Röntern’sche Verfahren den Vorzug, nicht beschränkt zu sein auf Körperschnitte von minimaler Dicke, sondern den Inhalt einer grossen Zahl von Schichten von zusammen erheblicher Dicke in einem einzigen Bilde scharf darzustellen. Perspecetivische Deckung und Kreuzung wirkt dabei bis zu einer gewissen Grenze nicht hindernd; die Gegenstände verhalten sich für die Rönrtern’sche Abbildung wie für das Auge durehsiehtige aber gefärbte Objecte von verschwindendem Brechungs- vermögen, so dass die Umrisslinien der weiter hinten gelegenen Theile durch die vorgelagerten wahrgenommen und zwar unverzerrt wahr- genommen werden können. Wie die perspectivische Kreuzung bei der optischen Betrachtung derartiger Objeete nur eine sattere Färbung der sich deckenden Stellen erzeugt, so erhält das (positive) Röntgenbild ' Von den vorgelegten Aufnahmen ist für diesen Abdruck nur eine als Beispiel reprodueirt, das Röntgenbild des Gehäuses von Conus vexillum (S.670). Es zeigt die inneren Windungen. 62° 668 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 18. Juni. an Kreuzungs- und Überschneidungsstellen nur eine grössere Schwär- zung, während die sich kreuzenden Conturen scharf erkennbar bleiben, so lange überhaupt noch Strahlen durch die Schichten hindurchgehen. Nur dann könnte die Eigenschaft, lediglich Schattenbilder zu liefern, eine Minderwerthigkeit der Rönreen’schen Aufnahmen ergeben, wenn, wie es die allerersten Aufnahmen zu zeigen schienen, das Bild eines Objects nur durch seine äusserste Umrisslinie, wie der Schatten eines absolut undurchsichtigen oder völlig gleichmässig durchscheinenden Körpers dargestellt würde. Sobald sich aber zeigt, und dies ergeben die beigefügten Bilder, dass zwar nicht die von der äussersten Schicht reflectirten Strahlen, dafür aber in reichster Detaillirung alles das abgebildet werden kann, was unter der Voraussetzung hoher aber differenzirter Durchsichtigkeit alle übrigen, inneren Schichten des Körpers würden erkennen lassen, so scheint damit sogar eine höhere Stufe der Wahrnehmung und Darstellung gegenüber der blossen Ober- flächenabbildung gegeben zu sein. Wohl unter den meisten Ver- hältnissen würde bei gegebener Wahl das Auge unter Verzieht auf das Reflexlicht der Oberflächen die Bilder der diaphan gemachten Objeete im durchgehenden Lichte vorziehen, vorausgesetzt, dass die Bilder ı. eine hinreichende Differenzirung für Körper von nicht sehr verschiedenem Absorptionsvermögen, 2. eine ge- nügende Feinheit des Details und 3. eine genügende Em- pfindlichkeit der Abbildung zeigen, um auch dünne Schichten sehr wenig absorbirender Substanzen zur Darstellung zu bringen. Nach diesen drei Richtungen aber waren an den RÖNTGEN- schen Aufnahmen bisher berechtigte Ausstellungen gemacht worden. Die vorgelegten Bilder sind vielleicht geeignet nachzuweisen, dass diese Vorwürfe nicht die Methode an sich, sondern nur eine unge- nügende Ausnutzung derselben treffen. Die Bilder zeigen, dass eine Feinheit der Detailzeichnung bei den Röntezn’schen Aufnahmen erreicht werden kann, welche über die Sehschärfe des normalen menschlichen Auges vielleicht schon hinausgeht. Die Details der Aufnahme z. B. bei dem Kalkschwamm (Leuconia aspera), ferner bei der Abbildung einer Koralle (Turbinaria cinerascens), besonders aber bei dem Bilde der hohlen Seeigelstacheln sind so fein und dichtgedrängt, dass das Celloidinpapier der Positivcopien sie kaum noch wiedergeben kann, während sie mit der Lupe auf den beigelegten Negativen gut erkennbar sind. Auf dem Bilde der Seeigelstacheln (Centrostephanus rodgersi und Echinothrix calamaris) liegt eine dichte Schraffirung in Linien von theilweise weniger als o"”ı Breite. Auf den ebenfalls beiliegenden Bildern menschlicher Hände (zweier Erwachsener und eines Knaben) ist die diehte Äderung der Spongiosa nicht nur in den Fingern und Gorpsrein: Über Aufnahmen mit Röntgenstrahlen. 669 Mittelhandknochen, sondern auch in den Knochen der Handwurzel scharf zu erkennen. Vielleicht werden derartige Aufnahmen, von anderen denkbaren Verwendungen abgesehen, dazu dienen können, das Detail des Knochenwachsthums durch verschiedene Altersepochen bei einem und demselben Individuum zu verfolgen, was bisher natürlich ausgeschlossen war. Die haarscharfe Abbildung eines eingeschlossenen Nadelstücks auf zwei anderen vorgelegten Handbildern, bei der auch das Öhr der Nadel absolut scharf erscheint, wird neben dieser Schärfe der Spongiosabilder kaum noch auffallen. Ein anderer Mangel der anfänglichen Aufnahmen war die anschei- nende Unmöglichkeit, schwach absorbirende Objecte, also z. B. dünne Schichten organischer Gewebe zur Darstellung zu bringen. Eine Anzahl Tafeln zeigen demgegenüber, wie selbst die zartesten Blüthen, ebenso auch Laubblätter sich nach dem Röntern’schen Verfahren photogra- phisch abbilden lassen. Man erkennt an den vorgelegten Röntgenbildern der Apfelblüthe, der Rose, des grossblüthigen Gartenmohns, der Seerose (Nymphaea alba), der Aquilegia, des Maiglöckchens (Convallaria majalis), des Fingerhuts (Digitalis purpurea) u.s.w. deutlich nicht nur in scharfen Umrissen die Formen der Blüthen, sondern man sieht auch durch die Blumen- und Kelehblätter hindurch die Staubgefässe, Stempel und Fruchtknoten. Bei den Blumenblättern der Nymphaea sind auch die feinen Längsnerven der Blätter zu erkennen; die rundlichen kleinen Flecke an den Blättern der Gartenrose stellen Wassertröpfehen dar, mit denen die Blüthe besprengt war. Die Aufnahme nach Röntern kann also für Blüthenformen nicht nur die Aufnahme mit der Camera in gewissem Maasse ersetzen, son- dern sie zeigt bei seitlicher Aufnahme noch erheblich mehr, als die Camera bei der optischen Undurchlässigkeit der Theile abbilden kann. Dasselbe ist in noch höherem Maasse der Fall bei Knospen, die von den angeführten Species ebenfalls abgebildet sind. Die Knospen lassen ihren gesammten Inhalt erkennen. So könnten derartige Bilder min- destens dazu dienen, die bisherigen schematischen Blüthendurehschnitte direet zu erhalten, die Lagerung der Theile in den Knospen zu con- statiren und gewünschten Falls an einer und derselben Knospe con- tinuirlich zu verfolgen. — Nicht ohne Interesse ist vielleicht auch das Bild der Cocosnuss. Man erkennt deutlich den Faserverlauf in der dieken Schicht, in welche die harte Nuss eingebettet ist, offenbar weil trotz der Hintereinanderlagerung so zahlreicher Fasern gewisse Hauptzugsriehtungen vorhanden sind; man sieht ferner die harte Nuss mit den Einbuchtungen an ihren Nabelpunkten, erkennt die Dicke ihrer Schale, den von ihr umschlossenen Hohlraum und in demselben sehr deutlich die Höhe, bis zu der noch die Milch reicht, 670 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 18. Juni. welche letztere dureh ihre Absorption gegen die Röntgenstrahlen er- kennbar wird. Die erwähnten botanischen Objeete habe ich ohne Beirath eines Fachmannes ausgewählt, lediglich zu vorläufiger Prüfung der Methode. 3ei speeiell darauf gerichteter Wahl der Objeete wird das Verfahren hoffentlich auch zur Bearbeitung specieller botanischer Probleme aus- genutzt werden können. Auf zoologischem Gebiete haben sich einerseits ebenfalls sehr zarte Objeete abbilden lassen, — ich verweise auf das Bild der zahl- reichen Arme einer in Spiritus conservirten Aectinie (Anthea cereus), — andererseits haben sich bei zahlreichen festeren Objeeten Bilder erhalten lassen, die wie z.B. die schon erwähnte Koralle (Turbinaria cinerascens) oder die Seefedern (Pennatula phosphorea), besonders aber ein theilweise noch mit seinen Stacheln versehener Seeigel (Echinus melo) kaum das Oberflächenbild einer Camera- Aufnahme vermissen lassen werden; so sehr zeigt die Differenzirung im Rönrtern-Bilde neben der Darstellung des Innern zugleich auch die feinen mit Dieke- und Dichtedifferenzen verknüpften Details der Oberfläche. Man sieht bei dem Seeigel auf dem Röntgenbilde die auf der Oberfläche liegenden Stacheln und das Muster der Plattennähte ete. zu- sammen mit der im Innern liegenden sogenannten Laterne. “ Ferner aber, und dies war natürlich der Hauptzweck der Aufnahmen, haben sich zahlreiche Bilder ergeben, die von den Camerabildern sehr wesentlich abweichen, und die vom Körperinnern der Thiere Dar- stellungeiıt liefern, die sonst nur durch schwierige und langwierige Arbeit geübter Fachmänner zu erzielen sind. Doch ziehe ich es vor, die Beurtheilung des Werthes, den das Verfahren für zoologische Unter- suchungen künftig noch haben könnte, be- rufenerer Seite zu überlassen. Der dritte Vorwurf, der den Röntgen- bildern bisher gemacht wurde, war der Mangel einer ausreichenden Differenzirung in der Abbildung von Körpern nahe gleicher Dichte, wie es die weichen Gewebe des menschlichen und thierischen Körpers sind. Lange Zeit schien es, dass alle weichen Or- gane des Körpers gleiche Absorption für Conus vexillum die Röntgenstrahlen besässen, und wenn Pe a GoLosrein: Über Aufnahmen mit Röntgenstrahlen. 671 es jetzt bereits gelingt, einzelne weiche Organe auf einem Fluorescenz- schirm wahrnehmbar zu machen, so scheint doch die Anschauung noch allgemein verbreitet zu sein, dass Muskeln, Fett, Bindegewebe und ebenso die verschiedenen Gewebselemente eines und desselben Organs ganz gleich absorbiren. Auch dieser Vorwurf gegen die Methode erscheint nicht mehr zutreffend. In einigen Tafeln gebe ich die mittels der Rönteen’schen Strahlen gewonnenen Bilder von Schnitten durch verschiedene Fleisch- praeparate, unter anderen: Rinderzunge, Schweinefleisch und Wurst. Die Stücke, denen die etwa 2-3""” dieken Schnitte entnommen wurden, waren zunächst Räucherwaaren. Man erkennt auf den Bildern nicht nur das bekannte Muster der Salamiwurst dadurch, dass das Fett die Röntgenstrahlen viel leichter durchlässt, als die Fleischsubstanz, man erkennt die abweichende Durchlässigkeit des Fetts und die Sonderung der Muskelbündel auch an den Fleischdurchschnitten und in dem Bilde der Zunge sehr schön u.a. die bekannte Durchflechtung der Muskel- fasern. Gegen die Beweiskraft dieser Aufnahmen könnte noch der Einwand erhoben werden, dass die verschiedenen Gewebselemente vielleicht verschiedene Anziehung gegen das Salz besitzen, das dem Fleisch vor dem Räuchern zugefügt wird, und dass die Differenzirungen der Bilder demgemäss nur auf verschiedener Absorption durch ver- schieden starke Salzablagerung beruhten. Daher habe ich gleiche Versuche auch bei frischen Fleischpraeparaten vorgenommen; die Re- sultate waren analog. Schnitte durch eine ganz frische Kalbszunge zeigten das gleiche Muster der sich kreuzend durchflechtenden Muskel- fasern, ebenso frisches Rindfleisch die Anordnung der Muskelbündel, und an einem Schnitt durch eine frische Kalbsniere grenzte sich bei der Aufnahme der Kern gegen die Rindensubstanz ab. Die benutzten Schnitte hatten verschiedene Dieke, zwei bis mehrere Millimeter. Was die Technik der Aufnahmen betrifft, so erwähne ich, dass zu den Versuchen ein Inductorium von 25°” indieirter Funkenlänge diente, das aber nur bis zu etwa 15°" langen Funken erregt wurde. Die Röntgenstrahlen wurden für die meisten der vorgelegten Bilder mittels der Röhren erzeugt, welche die hiesige Allgemeine Elektrieitäts- Gesellschaft für diesen Zweck herstellt. Es sind Kugeln mit zwei kleinen einander gegenüberstehenden concaven Aluminiumkappen, zwischen denen in der Mitte sich ein schräg gestelltes Platinblech befindet, das entweder allein oder mit einer der beiden Aluminium- flächen zusammen als Anode benutzt werden kann. Bei den meisten Aufnahmen war die photographische Platte 25—-30°" von dem Platin- blech entfernt, für die Cocosnuss 50°”. Der grösste Theil der Bilder ist auf Schleussnerplatten hergestellt, die mit Oxalat und Eisenvitriol 672 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 18. Juni. entwiekelt wurden. — Bei der Aufnahme feuchter (z. B. mit Spiritus durehtränkter) Praeparate wurde über das schwarze Papier, in welches die Platten gehüllt waren, noch ein oder zwei Blatt dünnes Perga- mentpapier gelegt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Hrn. Geheimrath Morsıus herzlichen Dank auszudrücken für die leihweise Überlassung zahlreicher Objeete aus der zoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde, ebenso den Herren Vorstehern der einzelnen Abtheilungen der Samm- lung für ihre sehr bereitwillige Unterstützung. Y, pp N) log (+) + Ylw), wo m die Anzahl der irreductibeln Factoren von ® (x) und Ylw) eine nach ganzen positiven Potenzen von w fortschreitende, für hinreichend kleine Werthe von w convergente Reihe bezeichnet. Er beweist mittelst dieses Satzes nicht nur die Irreduetibilität einiger Zahlengleichungen, sondern er macht auch noch auf mehrere andere arithmetische und algebraische Fragen aufmerksam, die sich mit seiner Hülfe erledigen lassen, namentlich auf die Frage nach der Dichtigkeit der Primzahlen, für welche eine gegebene Congruenz eine bestimmte Anzahl von reellen Wurzeln hat. Diese Untersuchung soll hier nach den von ihm gegebenen Andeutungen weiter ausgeführt werden. \ Ich habe die folgende Arbeit im November 1880 verfasst und die darin entwickelten Resultate meinen Freunden STICKELBERGER und Depekınp mitgetheilt. Ihre Grundlagen stehen in engster Beziehung zu den Gesetzen, nach denen die rationalen Primzahlen in einem al- gebraischen und speciell in einem normalen Körper in ideale Prim- factoren zerlegt werden. Nach einigen Bemerkungen in DEDEkınD’s Schriften musste ich annehmen, dass dieser sich mit der Erforschung jener Gesetze seit langer Zeit beschäftigt hatte, und in der That sandte er mir auf meine Anfrage am 8. Juni 1882 das Skelett dieser Theorie, das er unter dem Titel Zur Theorie der Ideale am 10. September 1894 65* 690 Gesammtsitzung vom 25. Juni. in den Göttinger Nachrichten publieirt hat. Ich hatte immer gewünscht, dass dieser Abriss vor meiner eigenen Arbeit veröffentlicht würde, und dies war mit der Grund, weshalb ich mich erst jetzt zu ihrer Herausgabe entschlossen habe. Indessen habe ich den gruppentheo- retischen Theil der Untersuchung schon 1887 in der Arbeit Über die Congruenz nach einem aus zwei endlichen Gruppen gebildeten Doppelmodul, Crerze’s Journal Bd. 101 publieirt. Wenn man die in Depekmp’s Arbeit dargelegten Beziehungen als bekannt voraussetzt, lässt sich die vorliegende Untersuchung wesent- lich abkürzen. Auf diesem Wege hat Hurwırz den in $5 dieser Ar- beit entwickelten Satz gefunden, wie er mir in einem Briefe vom 2. Januar 1896 mitgetheilt hat. Dies Schreiben hat mich bewogen, meine ursprüngliche Absicht, die vorliegende Untersuchung ganz um- zuarbeiten, aufzugeben, und sie, von einigen Kürzungen abgesehen, genau in der Form zu veröffentlichen, wie ich sie 1880 abgefasst habe. STE Sei © die Gruppe aller n!=s Substitutionen von zn Symbolen. Sind A,B,S Substitutionen von ©, und ist S"AS=DB, so heissen A und B ähnliche Substitutionen, und S$ heisst die "Transformation, die A in B überführt. Die Gesammtheit der Substitutionen von ©, die einer bestimmten und folglich auch unter einander Ähnlich sind, nenne ich eine C/lasse von Substitutionen. Besteht eine Substitution einer Classe aus e Cyklen von fi,fss»--/. Elementen, so nenne ich die Zahlen f},,fs, ---/., welche der Bedingung (2.) frhr Hp genügen, die Invarianten der Classe, weil ihre Übereinstimmung die nothwendige und hinreichende Bedingung für die Ähnlichkeit zweier Substitutionen ist (Caucav, Ewercices d’analyse et de physique math. tom. 3, p. 165). Diese Classen, deren Anzahl / sei, mögen so angeordnet werden, dass eine spätere Classe nicht eine grössere Anzahl von Invarianten be- sitzt als eine frühere. Die erste Classe besteht also aus der identischen Substitution E und hat n Invarianten, deren jede gleich 1 ist; die zweite Classe hat n—1 Invarianten, von denen eine gleich 2, die anderen gleich 1 sind, u.s.w., die /* Classe hat nur eine Invariante n. Dabei ist die Anordnung der Classen, welche gleich viele Invarianten haben, ganz willkürlich gelassen. Ist A eine der Zahlen von 1 bis /, F irgend eine Substitution der A" Classe, und sind $,. S,,:-: 8, die s Substitutionen der Gruppe © in irgend einer Reihenfolge, so sind 1 g-1 G gl Gr Sı E81, Sg FS,, ae Ds FS, ee A a UL u m Frosenxtms: Zur Theorie der Primideale. 691 alle Substitutionen der A" Classe. Sind v, derselben gleich F, giebt es also v, mit F vertauschbare Substitutionen, so sind je v, jener s Sub- stitutionen einander gleich. Ist daher s, die Anzahl der verschiedenen Substitutionen der A" Classe, so ist s = 8,2,. Sei p(x) eine ganze ganzzahlige Function n'“" Grades von x ohne quadratischen Theiler, in welcher ich der Einfachheit halber den Coef- fieienten von x” gleich 1 voraussetze. Sei p eine positive rationale Prim- zahl, die nicht in der Diseriminante d von p(x) aufgeht, und sei efd=P,lt) Pit) --- Pl) (mod.p), wo P,, P,, --- P, Primfunetionen (mod. p), bez. von den Graden Fı:F; : f. seien. Ist fein gemeinschaftliches Vielfaches von fi, ff. und P(t) eine Primfunction f"" Grades, so giebt es f, verschiedene ganze Funetionen x von f, die der Congruenz P,(x)= 0 (modd.p, P) genügen. Ist x, eine derselben, so sind =, a =3,, RL 7 ten die übrigen, und es ist #=x,. Sind daher n,%,,''-&, die n ver- schiedenen Funetionen von f, die der Congruenz p(2)=0 (modd. p,P) ge- nügen, und ist a? =«,, U =a;, + =%,, SO stimmen X,, 4g,:''%,, ab- a» gesehen von der Reihenfolge, mit &,, &,, ::: x, überein, und die Sub- stitution De D, > ") D&D, besteht aus e Cyklen von je fi, >: f. Elementen. Ist p(x) gegeben, so hängen die Zahlen f}, f. : f. allein von der Primzahl p ab, die Substitution F aber ausser von p auch noch von der Wahl der Prim- funetion P. Wie man dieselbe aber auch wählen mag, so ist doch die Classe von Substitutionen, der F angehört, immer dieselbe, und mithin ist diese durch p allein vollständig bestimmt. Wir wollen daher sagen, diese Classe von Substitutionen und die Primzahl p ent- sprechen einander. Ist Y(&,, &,, ::- x) eine Function von 2,2%, %,, so bezeichne n ich die Function Y(x,, x, :-- x,) auch mit Ya, 2, &,)r- 9 Sind &,&,°-- &, die » Wurzeln der Gleichung (x) = 0, so ist jede ganze ganzzahlige symmetrische Function von Z,&,: &, eine ganze ganzzahlige Function der Coeffieienten von p(x) und daher der analogen Function von @,, &, x, (modd. p, P) congruent. 8 2. Sei & eine beliebige Gruppe von Substitutionen, g ihre Ordnung, und sei Y(f,, &, :-- Z) eine ganze ganzzahlige Function der n unab- hängigen Variabeln 4, £, :-- 4, welche durch die Substitutionen von 692 Gesammtsitzung vom 25. Juni. 6 und nur durch diese ungeändert bleibt. Ausserdem sei sie so gewählt, dass die ” verschiedenen Functionen, in welche X durch die Substitutionen von & übergeht, auch verschiedene Werthe haben, wenn man &=&,'t4=ÖZ, setzt. Nach Aseı genügt man diesen Forderungen, indem man YUdh,b,. dt) = Mut +bata + +L,u) tı t; Elm Cor tz B- ba, die Substitutionen von & durchläuft, und u, ww, «, ganze Zahlen sind, für die nur gewisse Werthe auszuschliessen sind. Von einer solehen Funetion / will ich sagen, sie gehöre zu der Gruppe ©. Durchläuft dann S alle s Substitutionen von ©, so ist Ie-v(, &, DE &.)s) — (x) setzt, WO eine ganze ganzzahlige Function s“" Grades von x, auf die ich nun die Formel (1.) anwenden will. Da sich in dieser p’" nach Potenzen von w in eine beständig convergirende Reihe entwickeln lässt, so kann man auf der linken Seite der Gleichung (1.) eine endliche Anzahl von Primzahlen weg- lassen oder allgemeiner in einer endlichen Anzahl von Gliedern die Zahlen v, durch beliebige andere constante Coefficienten ersetzen, ohne dass diese Gleichung ihre Form, also die ganze Zahl m ihre Bedeu- tung ändert. Ss Macht man in Y > ee Z,) nur die 77 in Bezug auf 6 ver- schiedenen Substitutionen der Gruppe ©, so ist das Quadrat des Diffe- renzenproductes der erhaltenen Werthe 2 — UlVlErn: a) ler Eee, [23 $ 3 A M eine von Null verschiedene ganze Zahl. Ich schliesse von der folgenden Betrachtung nicht nur die in der Diseriminante d von (x), sondern auch die in d’ aufgehenden Primzahlen aus. Sind dann A und B zwei Substitutionen von &, so kann die Congruenz Ya, 23," &)a= Ua, ,&%, * %,)» (modd. p, P) nieht anders bestehen, als wenn AwB in Bezug auf & ist, d.h. wenn AB" in © enthalten ist. Denn da d’ eine symmetrische Function von es ist, so ist 2 U =Tly (a,8 5° 20,)-Vla,2r, ° ©,))? (modd.p, P). b Wären also A und B nicht in Bezug auf 6 aequivalent, so wäre einer der Faetoren dieses Productes eongruent 0 (modd. p, P), und daher wäre d’ durch p theilbar. ee Bi nn a Frogenivs: Zur Theorie der Primideale. 693 Zunächst ist die Anzahl v, der reellen Wurzeln der Congruenz ®(x)=0 (mod.p) zu bestimmen. Nennt man zwei Functionen einer Variabeln x congruent, falls ihre entsprechenden Üoeffieienten der Reihe nach eongruent sind, so ist ?(a)=II («—-V (a1 ,%2,°-2©,)s) (modd.p,P), weil die Coeffieienten von ®(x) symmetrische Funetionen von Er &, Saniete a sind. Mithin sind die s Ausdrücke x, , x, , --- ,)s die Wurzeln der Con- gruenz ® (x) = 0 (modd.p, P). Damit eine dieser Wurzeln Yx,, x,, --- x.) einer rationalen Zahl congruent sei, ist nach dem Frrmar'schen Satze nothwendig und hinreichend, dass IN a) — (v (@, 2, °*- &.)) =ulE, ,0, 2%) (modd. p. P) ist. Sei x Ep, 10) Y & ER 2 Da" In a OR 2 und | z '); falls V =, =, =w, ist. Dann lautet die obige Bedingung U (a, ta," Zu)s = Va, PL, 2 Tu)se Mithin müssen die Substitutionen S und SF in Bezug auf die Gruppe 6 einander gleich sein, oder es muss SFS" in 6 enthalten sein. Daher giebt die Zahl v, an, wie viele der s Substitutionen SIEB, ; SHS... .. SHS,- der Gruppe © angehören. Sei F eine Substitution der A" Classe und 9, die Anzahl der in & enthaltenen Substitutionen dieser Classe. Unter jenen s Substitutionen befindet sich jede Substitution der A” Classe und jede,o, = mal. Folglich sind 9, — dieser Substitutionen in © enthal- A OA ten, und mithin ist (3-) Wi ne S% Nunmehr ist die Anzahl m der irreduetibeln Factoren von ®(x) zu ermitteln. Zu dem Zwecke benutze ich den folgenden Satz (CamırLeE Jorpan, Traite des substitutions, 8 366): Ist & eine Gruppe von Substitutionen, zu der die Function WE, &, :-- &,) gehört, ist 5 die Gruppe der Gleichung ()=0, D der grösste gemeinsame Divisor von & und 95, und sind d und A die Ordnungen der Gruppen D und 5, so genügt Y einer irreduc- : h ; : \ s ; tibeln Gleichung vom Grade g Mit rationalen Coeffieienten. Sind RE 5 5 FERE = A,B,--- die za Bezug auf & verschiedenen Substitutionen von $, so sind %,, %z, :-- die Wurzeln dieser Gleichung. 694 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Ist S, eine der s Substitutionen von ©, und durchläuft @ alle Substitutionen von ®, so bilden die Substitutionen 5,'@S, eine Gruppe g9““ Ordnung, die ich mit 8768, — ©, bezeichnen werde. Die Function VE, Es Zus, gehört dann zu der Gruppe G,. Seien nun Ye Paar W8 5 die ce verschiedenen Wurzeln eines irreduetibeln Divisors c'" Grades der Gleichung ®(2)=0. Der Grad der irreduetibeln Gleichung, der Ä ; h 3 \,, genügt, ist nach dem obigen Satze e = ga, wenn d‘) die Ordnung des grössten gemeinsamen Divisors D, der Gruppen 5 und 6, ist L / BER} Fer ER ec und mithin ist d®ı+ d® ee Dre Diese Summe hat also für alle irreductibeln Faetoren von ®(x) einen und denselben Werth A. Daraus folgt, dass (4-) da +aM +... +4" — mh ist, wo m die Anzahl der irreductibeln Factoren von ®(x) bezeichnet. Ist d’ die Anzahl der Substitutionen der A” Classe in D_, so ist dA9—=8!d”® und mithin a Ebenso ist aber auch ec = mh = >} dal > (za) ) — 203 am). en [o r ac Sind @,, @,--- @,, die Substitutionen der A" Classe in 6, so sind S2'G,8,, 82 @,8,, -: 82'G,,S, die Substitutionen der A” Classe in ©.. Mithin ist 3d() die Anzahl der Substitutionen ST GSı ’ Say Ga a be} Ss GS, . Ss" G3S, ’ 5 G2S, BR Sa Gr, » Se 1 S 1 a 36,8, 8:6 2:5 .87G0,.6,, welche in 9 enthalten sind. In der ersten Zeile stehen sämmtliche Substitutionen der A” Classe, und jede 5 Mal. Ist daher A, die An- zahl der Substitutionen der A“ Classe in der Gruppe $, so sind von den Substitutionen dieser Zeile — in 9 enthalten, und folglich, da diese Zahl von @, Se ist, unter den ee aufgeführ- ten Substitutionen 9, A, u Mithin ist 2d = NM h,-- und daher EI = SA (5.) ne 2, Ihn ’ h zer S Frosenws: Zur Theorie der Primideale. 695 Durchläuft p, alle Primzahlen, die der %“" Classe von Substitu- tionen entsprechen, so ergiebt sich jetzt aus den Formeln (1r.), (3.) und (5.) 2 RE N 1 2 cm . (2% ) 108 (4) + 20) » x Nach einer früheren Bemerkung ist es dabei gleichgültig, ob die in den Diseriminanten d und d’ aufgehenden Primzahlen ausgeschlossen werden oder nicht. Setzt man 1 w (6.) zn —log| ) + Bw), wo sich die Summe auf alle der A" Classe von Substitutionen ent- sprechenden Primzahlen bezieht, so ist also (7) I, = Do) Indem man in dieser Gleichung für © andere und andere Gruppen wählt, erhält man so viele Gleichungen, als es Gruppen giebt. Ich behaupte, dass dieselben zur Bestimmung der (von © unabhängigen) ! Unbekannten W, vollständig ausreichen (vergl. Urerre’s Journal Bd. 101, S. 280). Man wähle aus jeder Classe von Substitutionen eine aus, und nehme für & die Gruppe der Potenzen derselben. So er- hält man / Gleichungen, aus denen man die / Unbekannten W, suc- cessive ermitteln kann, falls man die Classen von Substitutionen in der Weise anordnet, wie es in $ı festgesetzt worden ist. Denn in der ersten dieser Gleichungen besteht © allein aus der identischen Substitution E. Es kommt darin also nur die Unbekannte W, mit einem von Null verschiedenen Coeffieienten vor. In der A” Glei- chung besteht & aus den Potenzen einer Substitution F der A" Classe. Sind f fa, :'' /. die Invarianten dieser Classe, so hat eine Potenz von F entweder die nämlichen e Invarianten, oder sie hat mehr als e In- varianten. In der betreffenden Gleichung hat daher W, einen von Null verschiedenen Coeffieienten, und es kommen ausser W, nur solche Un- bekannte V,,W,--: vor, deren Indices kleiner als A sind. Damit ist die Behauptung dargethan, und es folgt aus dem System der Glei- chungen (7.), dass W,(w) eine lineare Verbindung mehrerer Potenz- reihen Vz) ist, also ebenfalls in eine nach ganzen positiven Potenzen von fortschreitende convergente Reihe entwickelt werden kann. Nennt man also den durch die Gleichung (8.) pr = D,los( 1) + Din) WAR bestimmten Coeffieienten D, die Dichtigkeit der Primzahlen p,, so ist 696 Gesammtsitzung vom 25. Juni. h I. Ist p(x) eine ganze ganzzahlige Function n“" Grades, und sind Fi» Fa; °F beliebige positive ganze Zahlen, deren Summe gleich n ist, so ist die Dichtigkeit der Primzahlmoduln, für welche p(x) in ein Produet von e Primfunctionen von den Graden f,, fa,‘ f. zerfällt, gleich der An- zahl derjenigen Substitutionen der Gruppe von (x), welche aus e Cyklen von Fi: fa: f. Elementen bestehen, dividirt durch die Ordnung dieser Gruppe. Wenn also in der Gruppe von g(x) solche Substitutionen exi- stiren, so giebt es unzählig viele Primzahlen, die dieser Classe von Substitutionen entsprechen. Wenn es aber in der Gruppe von g(«#) keine Substitution giebt, die aus e Cyklen von f, fs, '- f. Elementen besteht, so lässt sich zeigen, dass es nur eine endliche Anzahl von Primzahlmoduln geben kann, in Bezug auf welche p(x) einem Pro- duete von e Primfunetionen von den Graden fi, f, :;: f. eongruent ist. Indessen ist es im Hinblick auf diese Ergänzung des obigen Satzes vortheilhafter, ihn so auszusprechen (vergl. Devekınn, Über den Zu- sammenhang zwischen der Theorie der Ideale und der Theorie der höheren Congruenzen; Göttinger Abh. Bd.23): II. Ist ein Körper n“" Grades gegeben und e positive ganze Zahlen FF; /, deren Summe gleich n ist, so ist die Dichtigkeit der rationalen Primzahlen, welche in e ideale Primfactoren von den Graden f,, fa, JS. zerfallen, gemessen an der Dichtigkeit aller Primzahlen, gleich der Anzahl derjenigen Substitutionen der Gruppe des Körpers, die aus e Oyklen von Fı: fa» f Symbolen bestehen, dividirt durch die Ordnung der ganzen Gruppe. Die Dichtigkeit der Primzahlen, welche der X“ oder u” Classe : ie Dr Eur & von Substitutionen entsprechen, ist offenbar D,+D, = en Sei v eine der Zahlen von 0 bis n. Betrachtet man dann alle diejenigen Classen, von deren Invarianten v und nicht mehr als v gleich 1 sind, so erhält man den Satz: II. Die Dichtigkeit der Primzahlmoduln, für welche eine Congruenz ola) = 0 genau v reelle Wurzeln hat, ist gleich der Anzahl der Substitutionen der Gruppe von (x), welche genau v Symbole ungeändert lassen, dividirt durch die Ordmung dieser Gruppe. 3. Ich hatte Deperısn gegenüber die Vermuthung geäussert, dass um- gekehrt, wenn in einem Körper eine rationale Primzahl in e ideale Prim- factoren von den Graden fi, f. zerfällt, auch seine Gruppe eine € Frosenws: Zur Theorie der Primideale. 697 Substitution enthalten müsse, die aus e Cyklen von f, ,f, : f. Sym- bolen besteht. Enthält die Gruppe des Körpers keine solche Substi- tution, so folgt aus dem Satze Il nur, dass die Diehtigkeit der ent- sprechenden Primzahlen 0 ist. Damit wäre aber nicht ausgeschlossen, dass solche Primzahlen in endlicher und sogar in unendlicher Anzahl existirten. Für die Primzahlen, die nicht in der Diseriminante des Körpers aufgehen, ergiebt sich, wie mir DEDERInD antwortete, der von mir vermuthete Satz in der That aus seiner Theorie. Die bezügliche Stelle seines Briefes vom S. Juni 1832, worin dieselben Bezeichnungen benutzt sind, wie in dem Abriss von 1894, lautet so: Ist eine rationale Primzahl vp =WP --P,, wo WM, + P, ver- schiedene Primideale in v von den Graden f,, fs, f. sind, so giebt es in der Gruppe ® des Körpers © eine Substitution \,, die aus e' Cyklen von F»J»f. Elementen besteht. Denn, wenn alle a—=1, mithin alle 9,=g sind, so ist X ge- meinschaftlicher Theiler aller 9,®’p,' und überhaupt aller mit ® con- jugirten Gruppen p®’p"; da diese aber, wenn wirklich ® die Gruppe von ©, d.h. © die Norm von @ ist, keinen gemeinsamen Theiler haben', so mus X=1, 9=1 sein, d.h. p ist durch kein Primidealquadrat in theilbar. Da ist gi Wr ern ur TR Se ud, woW,=o"'Ve, und Eu ZZ m 032 Zelt Er Zelt EEE ale ersetzt man in der Zerlegung $=®#9, %+--- +2, Y jeden einzelnen Complex ®o,'Y durch das vorstehende System der f. Complexe, so wird ® überhaupt in e MI re Complexe ®p zerlegt, deren jedem bekanntlich” eine Permutation von © (eine Wurzel der irreductibeln Gleichung vom Grade n’) entspricht; die Permutation /, verwandelt dieselben in die Complexe Pol, bringt also eine Permutation dieser ” Complexe (Elemente) ® hervor, bei welcher die in ®p,'Y enthaltenen f/ Complexe (Elemente, Wurzeln) eyklisch in einander übergehen. ! Vergl. C. Jorpan, Traite des substitutions, Nr. 382, und meine Arbeit Über endliche Gruppen, Sitzungsber. 1895, S. „179. 2 2 Über endliche Gruppen $4. 698 Gesammtsitzung vom 25. Juni. $4- Ich will jetzt den Begriff einer Classe von Substitutionen enger fassen, als in $ı, dadurch dass ich durchgängig an Stelle der alle Substitutionen umfassenden Gruppe © eine bestimmte Gruppe 5 nehme. Zwei Substitutionen A und B der Gruppe 5 sollen conjugirt heissen, wenn es in 9 eine Substitution 7 giebt, die der Gleichung H"AH —=B genügt. Die Gesammtheit der Substitutionen von 9, die einer ge- gebenen eonjugirt sind, nenne ich eine Classe von Substitutionen der Gruppe 9. Je zwei conjugirte Substitutionen sind auch ähnlich, aber nicht je zwei ähnliehe Substitutionen von 5 sind conjugirt. Besteht eine Substitution einer Classe aus e Cyklen von f, ,f , ''/, Elementen, so sind diese Zahlen zwar Invarianten der Classe, aber es sind nicht ihre sämmtlichen Invarianten. Ist / die Anzahl der Classen und F eine Substitution der A" Classe, und sind H,,H,,‘-- H, die h Substitutionen von 9, so sind (10.) MH, B-H,, HE, RB, HD, die sämmtlichen Substitutionen der A" Olasse. Sind v, derselben gleich F, giebt es also in 9 v, mit F vertauschbare Substitutionen, so sind je v, dieser % Substitutionen einander gleich. Ist A, die Anzahl der verschiedenen Substitutionen der A" Classe, so ist daher A = »,h,. Da v, die Anzahl der Transformationen irgend einer Substitution der r“" Classe in sich selbst bezeichnet, so ist I von EisEnsSTEIN (ÜRELLE'S 2 Journal Bd. 35, S.120) die Dichtigkeit der A" Classe genannt worden. Sei nun Q ein normaler Körper A" Grades, d.h. ein solcher, dessen conjugirte Körper mit ihm identisch sind, und sei vo die Art aller ganzen Zahlen in ©. Ist p ein Primideal in vo, so nenne ich eine ganze Function mehrerer unabhängigen Variabeln «,, %,, 4, °':, deren Coeffieienten ganze Zahlen in vo sind, durch » theilbar, wenn alle ihre Coefficienten durch » theilbar sind. Man ordne die Glieder einer solehen ganzen Function so, dass wu, --- vor uU, --- steht, falls von den Differenzen a-«d, b-b, c-c,:-- die erste, die nicht verschwindet, positiv ist (vergl. Gauss’ Werke, Bd. 3, S.36). Dann ist das Anfangsglied des Productes mehrerer ganzen Functionen gleich dem Produete der Anfangsglieder der einzelnen Factoren. Lässt man in Jedem Factor die durch p theilbaren Glieder weg, so ist also das An- fangsglied des Productes nicht durch » theilbar, falls in keinem der Factoren alle Coeffieienten durch » theilbar sind. Daher kann ein Produet mehrerer ganzen Funetionen nicht durch » theilbar sein, ohne dass einer der Factoren durch p’ theilbar ist. n Frosenıus: Zur Theorie der Primideale. 699 Sei 5 die Gruppe der A Substitutionen, die den Körper Q in die h conjugirten Körper überführen. Wenn eine Zahl »® durch die Substitution 7 der Gruppe 5 in w übergeht, so will ich "= w, setzen. Sind H,, H,,--- H, die Substitutionen von $, bilden w, , @,, :- @, eine Basis der Art o, und ist o) — (2;)7,, so sind die Coefficienten der ganzen Function h («) («) 12) Vase j 11, (u uo —u8, —'—Uuw, = ol(u, U, %U,; “,) rationale ganze Zahlen. In der Entwicklung von Pt @ı + Uwe +: ° + Una, Ur, Un, ©" Un) nach Potenzen von %, %, u, sind ferner alle Coeffiecienten gleich Null. Man kann daher jeden einzelnen Coefficienten durch seine p“ Potenz ersetzen, und findet so, falls p die durch »p theilbare rationale Primzahl ist, lu + +0 ,U,U,.-Ww)=0 (mod.p), also / (u, (@} ey: + uw — @ 0) =0 (mod.p). Folglich muss einer der Factoren dieses Productes durch p theil- bar sein, es muss also in der Gruppe 5 eine Substitution F geben, für welche Sela), RE (Wo), = (Wr); mithin auch, wenn &,,%%,,'''x, rationale ganze Zahlen sind, (ma ++) = (mw + + own) ist. Auch sieht man leicht, dass es nicht mehr als eine derartige Substitution geben kann, wenn p nicht in der Grundzahl des Körpers aufgeht. Da nun jede ganze Zahl » der Art o auf die Form 28, + +00 gebracht werden kann, so giebt es in der Gruppe 5 eine Substitu- tion F der Art, dass jede Zahl in o die Congruenz (TT.) w=wr (mod.p) befriedigt. Die Substitution F und das Primideal p will ich einander entsprechend nennen. Dieser Satz bildet die Grundlage der Eingangs erwähnten Arbeit von DepDEkınp, Zur Theorie der Ideale. Er selbst hat ihn, wie er mir am 14. Juni 1882 schrieb, aus der leicht zu beweisenden Existenz einer ganzen Zahl # abgeleitet, welche, falls f der Grad von p ist, (mod.p) einer irreductibeln Congruenz f“”" Grades mit rationalen Coeffi- eienten genügt, und welche man zugleich so wählen kann, dass sie - x . . 00 Gesammtsitzung vom 25. Juni. nicht durch p, wohl aber durch jedes andere in p aufgehende Prim- ideal theilbar ist. Den obigen Beweis habe ich im November 1880 STICKELBERGER mitgetheilt. Das Prineip, auf dem er beruht, die Benutzung von ganzen Funetionen mehrerer Variabeln, hat Kroxecker in der im Jahre 1882 erschienenen Festschrift Grundzüge einer arithmetischen Theorie der alge- braischen Grössen zum Fundament der Idealtheorie gewählt. Ist Pp,.=P., so ist das Product der A mit p conjugirten Prim- ideale Pı Pa pn —= N(pe) = pf. Ist A=ef, und geht p nicht in der Discriminante d des Körpers Q auf, so sind von diesen Ah Idealen je f einander gleich, und wenn etwa P,,P,, ‘pP, verschieden sind, so ist (12.) 0p —Pı Pa Pe. Entspricht dem Primideal p die Substitution F, so entspricht dem Primideal p, die Substitution H'FH,. Den in p aufgehenden Prim- idealen entsprechen daher die Substitutionen (Io.), d.h. die sämmt- lichen Substitutionen der Classe, welcher F angehört. Ich sage da- her, diese Classe von Substitutionen der Gruppe 5 entspreche der rationalen Primzahl p. Es handelt sich jetzt umgekehrt darum, wenn eine Classe von Substitutionen gegeben ist, die Dichtigkeit der ent- sprechenden Primzahlen zu bestimmen. $5- Sei & eine Gruppe 9” Ordnung, ein Divisor von 9, und & eine Zahl in o, welche durch die Substitutionen von © und nur durch ter diese ungeändert bleibt. Geht £ durch die .- n in Bezug auf & verschiedenen Substitutionen von 9 in &,,&,.'&, über, so ist II(@-5,) = #(@) die irreduetible Function mit rationalen Coeffieienten, die für = #£ verschwindet. Sei p eine Primzahl, die weder in der Diseriminante d’ dieser Function noch in d aufgeht, und p ein in p enthaltenes Primideal. Ist Y(a)=0 (mod.p) für eine rationale ganze Zahl a, so ist II(a— £,)=0 (mod. p), und folglich muss einer der Factoren dieses Productes durch p theil- bar sein, und nur einer, weil d’, also auch &,—£, durch p nicht theil- bar ist. Ist &,=a(mod.p), so ist ?=&,(mod.p). Umgekehrt folgt aus dieser Congruenz oder Z(,-1) (5-2) (&,-p+1)=0, dass £, I Id einer rationalen Zahl @ (mod. ») congruent ist, und dass diese die Con- Frogentws: Zur Theorie der Primideale. 01 gruenz Y(a)=0 (mod.p) befriedigt. Die Anzahl der reellen Wurzeln dieser Congruenz ist also gleich der Anzahl der Zahlen &,,&,.:-£, die der Gongruenz &=&,(mod.p) genügen. Ist &,.=£, und Sa II (x-2.) = ®(@), ’ so ist (13.) (x) — (7 (2), und daher ist die Anzahl v, der reellen Wurzeln der Congruenz ®(x) = 0 (mod. p) gleich der A der Zahlen &,,&,: &,, welche die Con- gruenz FE (mod. p) befriedigen. Ist F die dem Primideal » ent- sprechende Substitution von 5, so ist = Eur (mod.»). Damit also 2.=£&n, sei, muss En, = Ex, sein, und folglich müssen H,F und H, in Bezug auf & einander gleich sein. Die Zahl v, giebt daher an, wie viele der A Substitutionen FR, HboH,,.c- HybeH, der Gruppe & angehören. Ist F eine Substitution der A" Classe, so stellt diese Reihe die sämmtlichen Substitutionen der 2“ Classe und jede = Mal dar. Giebt es also 9, Substitutionen der A" Classe in ®, 28 D ball: Ana ; ee so sind 9 = jener Ah Substitutionen in & enthalten, und folglich ist 2,8 h (14.) rn u Die Anzahl der irreductibeln Factoren von ®(x) ist ferner nach Formel (13.) gleich (15.) Un >,9%- Durchläuft p, alle rationalen Primzahlen, die der X“ Classe von Substitutionen entsprechen, so ergiebt sich daher aus den Formeln (1.), (14.) und (15.) Si nlaı pe) = (£19) log (+ Bw). H hy AS Indem man hier für &© der Reihe nach alle cyklischen Unter- gruppen von 5 setzt, erhält man eine Reihe von Gleichungen, die aber nicht ausreichen, um schliessen zu können, dass ee EN h, 1 an (16.) ey 7, los (.) +D,(w) ist. Zu den Theilgleichungen, in welche jene Relation zerfällt, führt folgende Überlegung: Ist r relativ prim zu f, so sind die Substitutionen F und F’ ähnlich im Sinne des $1, aber nicht nothwendig conjugirt in Bezug auf 5. Sind sie nicht conjugirt, so gehören sie zwei ver- 702 Gesammtsitzung von 25. Juni. schiedenen Classen an, etwa der A” und der u” Classe. Da auch F eine Potenz von F” ist, so ist jede Substitution von 5, die mit der einen dieser beiden Substitutionen vertauschbar ist, auch mit der andern vertauschbar. Folglich ist v, —=v,, also auch A, = A,. Ferner enthält die Gruppe & entweder keine der beiden Substitutionen H,FH,} und H,FH7 = (H,FH7) oder beide, und mithin ist auch 9%= 9. Durchläuft r die p(f) Zahlen, die zu f theilerfremd sind, so vereinige ich die Classen, denen die Potenzen F’ angehören, zu einer Abtheilung. Eine solche Abtheilung kann man auch so er- halten: Man nehme eine cyklische Untergruppe von 5 und die mit ihr conjugirten Gruppen. Ist f ihre Ordnung, so nehme man in dem System dieser Gruppen die Elemente, deren Ordnung gleich f ist. Wenn nun die / Classen in m Abtheilungen zerfallen, so denke ich die Bezeichnung so gewählt, dass die Classen 1, 2, :-- m alle ver- schiedenen Abtheilungen angehören, diese m Classen aber seien in derselben Weise wie in $1ı angeordnet. Enthält die «“ Abtheilung ausser der Classe u noch die Classen &, ß, y, --, so ist ,—=9,—=9s; — Ist also Ak, die Anzahl der in der «“” Abtheilung vereinigten Classen, so ist ,+9.+95+9,°'' = %k,9,. Durchläuft nun p, die Prim- zahlen, die den sämmtlichen in der «“" Abtheilung vereinigten Classen entsprechen, so ist 2 ER) = (Hr gch) los (1) + Din) und daraus folgt, wie in $2 (17.) Sr I, log (.) +V,(w). Es ergiebt sich also das Resultat: IV. Hat in der Gruppe 5 die Substitution F die Ordnung f, und durchläuft r die g(f) zu f theilerfremden Zahlen, so ist die Anzahl der verschiedenen Substitutionen von 5, die den »(f) Potenzen F' conjugirt sind, der Dichtigkeit der rationalen Primzahlen proportional, die diesen Olassen von Substitutionen entsprechen. Wenn es gelänge die Formel (16.) zu beweisen, so würde sich für die Dichtigkeit der Primzahlen p,, die der A” Classe von Sub- stitutionen entsprechen, der einfache Ausdruck . hy 1 (18.) DI en ergeben, es würde also der Satz gelten: V. Jeder Classe von Substitutionen der Gruppe 5 entsprechen un- zählig viele rationale Primzahlen. Ihre Dichtigkeit ist der Anzahl der ver- schiedenen Substitutionen der Classe proportional. Frogenıs: Zur Theorie der Primideale. 703 Oder: Die Dichtigkeit der Primzahlen, die einer Classe von Substitutionen der Gruppe 9 entsprechen, ist der Dichtigkeit der Classe gleich. Den Primidealen p,,P,,‘': p, entsprechen der Reihe nach die Sub- stitutionen (10.), von denen v, gleich F sind. Unter den verschie- denen Primfactoren P,,}%,,: », von p befinden sich folglich 7 die der Substitution F entsprechen. Nimmt man daher in die Reihe 3p," jede Primzahl p nicht ein Mal, sondern so viele Male auf, als es der Substitution F entsprechende in p aufgehende Primideale giebt, so ist . > pr =; log (4) + Vlw). VI. Jeder Substitution der Be 9 entsprechen unzählig viele Prim- ideale. Ihre Dichtigkeit ist dem reciproken Werthe der Ordnung der Sub- stitution gleich. Sitzungsberichte 1896. 66 ER rar “ Ten ma 2 inleaagäted Re P } rl Je rl # in 4 af ? a a Be ne 2%. 1 RER AR Do: j Ne ech ein.‘ r RR" re BEHTED® IT ea nen ET Toy HU ar de: he € Nah ei \n Bi 2 is Ya jomt war ur 2 w) vr us A All Aiu Pate Die Verbreitung der Thiere auf hoher See. Von Prof. Frıeprıcn Dan. (Vorgelegt von Hrn. Mösıvs.) Ph. Verbreitung und Schwarmbildung pelagischer Thiere hat seit der Plankton-Expedition recht viel von sich reden lassen. Es handelt sich um Fragen, die nur durch die statistische Methode zu lösen sind. — Dass nicht alle pelagischen Thiere immer gleichmässig im Ocean oder auch nur über grosse Meeresgebiete verbreitet sind, wie es Hrnsen als Regel gefunden hat, ergab sich bereits auf der Plank- ton-Expedition selbst. Das Wie und Warum aber blieb meist dunkel. Licht über derartige Punkte verbreitet zu sehen, ist deshalb erwünscht. Jeder, der eine grössere Fahrt durch den Ocean macht, ist im Stande zur Lösung dieses Problems beizutragen. Ich benutzte die Fahrt nach dem Bismarck-Archipel dazu, eine Untersuchung fortzusetzen, die ich während des letzten Theils der Plankton-Expedition im Jahre 1839 in einer gewissen Vollkommenheit angefangen hatte. Ich verzeichnete nämlich Alles, was ich während der Fahrt vom Schiffe aus erkannte. Man bekommt durch derartige Beobachtungen ein Bild von dem Thierleben auf hoher See. Da manche Thiere nieht übersehen werden können, kann man für sie die derzeitige Verbreitung feststellen. Für manche Thiergruppen kann man auch die Art der Verbreitung, besonders die Schwarmbildung fest- stellen. Durchaus unrichtig würde es allerdings sein, wenn man aus der Vertheilung solcher Thiere, die theils eine recht erhebliche Eigen- bewegung besitzen, theils mehr oder weniger über die Wasserober- fläche hervorragen, ohne Weiteres Schlüsse auf alle pelagischen Thiere machen wollte. Wenn ich die Resultate der Hinreise nach dem Bismarck-Archipel schon jetzt zusammenfasse und nicht erst die Rückreise abwarte, so ist der Grund ein zweifacher: einerseits hat man gerade an Bord hinreichend Zeit zum Niederschreiben, andererseits möchte ich aber 66* 706 Gesammtsitzung vom 25. Juni. auch möglichst bald andere Reisende veranlassen, ähnliche Beob- achtungen zu machen, indem ich zeige, dass die sichere Erkennung der Species keineswegs erforderlich ist, um wissenschaftlich verwerth- bare Resultate zu liefern. Als Thiere, welche ich in den Kreis meiner Beobachtung gezogen habe, sind zu nennen: Delphine (oder allgemein Wale), Vögel (meist Schwimmvögel), Meerschlangen, Fische (besonders fliegende Fische), Janthinen (hier sind die Zahlen vielleicht nieht absolut zuverlässig), Quallen (und zwar die grösseren Acraspeden), Sipho- nophoren (hier sind es Physalien, Velelen und Porpiten, auf welche geachtet wurde, weil sie allein bei jedem Wetter erkennbar sind). In meinen Notizen wurden unter günstigen Umständen auch Unter- scheidungen und Angaben, welche die Species betreffen, gemacht, doch lasse ich diese hier vorläufig bei Seite, da es für die weitere Verwerthung derselben einer vollständigeren Litteratur bedarf, als ich zur Hand habe, und sie ausserdem für die augenblickliche Aufgabe nicht erforderlich sind. Täglich wurde höchstens 4 Stunden lang beobachtet, meist aber nur 2 Stunden, da es während dieser Zeit einer angespannten Auf- merksamkeit bedarf und diese Zeit mir vorläufig auch ausreichend erschien. Die Ausdehnung des der Beobachtung unterliegenden Streifens der Fahrtlinie ist der Thierart nach sehr verschieden. In einem ge- ringen Grade hängt sie auch ab von dem Wetter und der Bewegung des Meeres. Bei gutem Wetter und annähernd stiller See wird man Delphine und andere Wale einen Kilometer weit bemerken, mittel- grosse Vögel mindestens 500” weit, fliegende Fische 50”. (In grösserer Entfernung werden diese meist auch nicht vom Schiffe auf- gescheucht.) Nach allen anderen Thieren wurde etwa über einen Streifen von 10-15” Breite ausgeschaut. Zur Beobachtung steht man am besten vorn auf der Back des Schiffes. Es wird dieser Platz allerdings meist für den Ausguck re- servirt. Die Herren Capitaine Suppmer der »Sachsen« und Dewers der »Stettin« gestatteten mir aber gern für meinen Zweck dort zu ver- weilen, wie ich denn überhaupt jenen Herren und den übrigen Offi- cjeren der beiden Lloyddampfer für ihr freundliches Entgegenkommenh zu Dank verpflichtet bin. Ich gebe zunächst eine tabellarische Übersicht der wichtigsten auf der Reise beobachteten Thiere. i SS N ES ER SEE DB. Daur: Die Verbreitung der Thiere auf hoher See. u | [== SI Monat |” 13 14 17 18 19 20 21 22 23 24 2 Zeit der Beobachtung ıı Uhr 25 M. ı Stunde 3.Uhr 7.M: ı Stunde 9 Uhr go M. 2 Stunden 2 Uhr 15 M. 2 Stunden 9 Uhr 7M. 2 Stunden 4 Uhr 26 M. ı Stunde 9 Uhr 14 M. 2 Stunden 2 Uhr 23M. 2 Stunden 7 Uhr 52M. ı Stunde 3 Uhr 6M. 2 Stunden 7 Uhr oM. ı Stunde 8 Uhr 42M. ı Stunde 3 Uhr 35 M. 2 Stunden 6 Uhr 35 M. ı Stunde 9 Uhr ı2 M. + Stunde 3 Uhr 44M. 2 Stunden 9 Uhr 42 M. 2 Stunden 3 Uhr 52M. 2 Stunden 9 Uhr 45 M. ı Stunde 4-Uhr 5M. 13 Stunde 9 Uhr 7M. ı Stunde 4 Uhr 25 M. ı Stunde 7-Uhr 7M. Stunde 4 Uhr‘ 33 M. 14 Stunde 7 Uhr oM. ı Stunde 4 Uhr 25 M. 14 Stunde 7 Uhr oM. ı Stunde 4 Uhr 29 M. ı Stunde - Be Orts- bestimmung Neapel 40° 28'N 14° 22'0 36° 55' N 18° 29' 0 ” 34° 53' N 24° 42'0 32°ıg' N 30° 28' O0 Port Said 27 8’ N 34° ı8' OÖ » 22°29' N 37° 22'0 Zeit 10 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr 9 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr 12 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr ı2 Uhr Del- derselben phine Io Vögel Flie- gende Fische pita Mittelmeer Kreta Rothes Meer 2 Uhr Bab- el-Mandeb roUhr Abends bis6 Uhr Aden Cap Gardafui 708 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Zeit der Orts- Zeit |Del- | _ _|Schlan- Por- Monat | Tag el ; - : Beobachtung thina | lagia | pita 7 Uhr 7M. 8° 35' N ı Stunde 72° 55'0 4 Uhr 33 M. » | Bell = ı Stunde 27 TEUhnaze: 6° 58' N | I 9„|—-1— | — | ı Stunde 78° 10' OÖ | » | 4 Uhr 38M. » — | = 2| 91 — | - | — | 8Uhr | ı Stunde \ Colombo | 29 7 Uhr 3M. 6 5’N | ı2 Uhr | — | — | — | 660 | — | — | — |28.3. ı2 Uhr | 1 Stunde 83° 48'0 Abfahrt | 30 | 8 Uhr 32 M. 616'N | ı2 Uhr | — I —_ „ı-| -| — | | ı Stunde 89° ıg' O | » | 4 Uhr ı8M. » _— | I 3535| —- | — 4 | ı Stunde „ sr In, Uhre2saM. 555'N |2Uhr| — | — | — 4\|—- | - | — 4 Uhr | | ı Stunde 94° 19' O Pulo Bras April | ı 7 Uhr 3oM. Varela 3 Uhr | — | 116 8ı| -—ı- | - | — | ‚1 Stunde | 30 M. | 3 Uhr 25M. | » » -|—- |. 3 — | -|-— | ı Stunde 2 8 Uhr 29 M. | Singapore ZAUhTE _ — — — | — | Wasser trübe + Stunde „ 9 | 4 Uhr 53M. a zuNDlT2,/Uhri = 2| — 19 | 60 | — | — | 9Uhrvon ı Stunde 104° 12' OÖ Singapore „ ıoı 9UhroM. 2°23'S | ı2 Uhr 2|—- | — ıl- | -| — Wasser \ 1 Stunde 105° 41' 0 brackig ” » 4 Uhr 27 M. » » ul ee ı Stunde » 220 EonlührzseM. Tanjong | 2 Uhr | — | — | — 35I-| oo | — ı2 Uhr | ı Stunde Priok ıo M. Batavia ” ı2 | 2 Uhr 45M. 6 ı'S | ı2Uhr | — | 23| — 6 _ Java | ı Stunde 109° 32' 0 » ı3| 9Uhr 5M. 6 7'S |ı2Uhr | — | — I — 21 4 2 oo Sel | | ı Stunde 113° 30'Ö en 4 Uhr goM. » _ — 8 3) —- | u | ı Stunde 252) 2 olUhr. SIM. 5°42'S | ı2Uhr | — Il — 31 | - | — Salayer- | ı Stunde ° | 121° 23' 0 Strasse 16 | 9 Uhr 25 M. < 2S | mUhr| — | — | - || — | — | — | ı Stunde 124° 37' OÖ » » | 2 Uhr goM. » _ _ ı | 1361 — _ _ | ı Stunde ” 7a ET AUH av: 1°55'S | ı2 Uhr | — Il — z3|—- | —-|— | ı Stunde 127° 28' OÖ 2 Uhr 24 M. » n = em I ı|ı — = en ı Stunde 18 7 Uhr oM. 0438 |ı2Uh | — | — | — 53|- ı-— | — | Pitt-Enge ı Stunde 131° 23'0 2 Uhr 33 M. » » N 30. |, — Ne 0 ı Stunde » ı9 | 7 Uhr zoM. I9e2"S 772. Uke N 8 — | — — | — | Geefvink-Bay ı Stunde 135007. 0 2 Uhr 4gıM. » » — 2| —- | 1334| — | — | — | ı Stunde 20 | 7 Uhr 39M. 13118212. Un | 2er 6I|—-— | — | — Wasser | ı Stunde 138° 49'O gelblich Danr: Die Verbreitung der Thiere auf hoher See. 709 a TE nn Zeit der Orts- Zeit | Del- Schlan- Flie- Jan- | Pe- | Por- Be | Tag Beobachtun besti derselben | phi Nase en gende 'hü 1 ; g estimmung |derselben | phine sa Mische) Yıina | lagia | pita April | zo | 2 Uhr 39 M. Sun Sa nr24Uhrus le sl — 2 — | — | — ı Stunde 138° 49’ O | | ” 21 8 Uhr 9M. 2a TS raslührg a or Germania- ı Stunde 141° 31'0 | | Huk » | 2 Uhr 28M. » Im ;:j® ı Rs Pr ı Stunde | | 22 | 4 Uhr 44M. 3aA6uS. ur2 Ehre — = _ — — — Kaiserin ı Stunde 144° 50' OÖ | | Augusta -Fl. » 30 | 4 Uhr 4goM. | Friedrich- | 4 Uhr | — 2| — 2|——ı —|-—| ı Stunde W.-Hafen Mai I 6 Uhr 43 M. | Langemak- | 9 Uhr _ 46 | — 3oo| — | — — 11 Uhr ab ı Stunde Bai 2o M. » ” 3 Uhr 58 M. » ı Uri — | — | — 3531ı—-|1-|- Neu- ı Stunde | Pommern » 2 7 Uhr 3ı M. eırS | 12Uhr| — | — | — 3 — | —- | — ı Stunde IR T) » » 2 Uhr 24 M. ” » —_ 6| — ı1ı|ı — _—ı— | ı Stunde Zu dieser Tabelle ist Folgendes zu bemerken: ı. Es sind von den zur Beobachtung gelangten Thieren einige vereinzelt auftretende Formen fortgelassen. 2. Auch Alles, was nicht in die bezeichnete Be- obachtungszeit fiel, blieb fort. 3. Die verzeichnete Zahl ist die Indi- viduenzahl, welche in der angegebenen Beobachtungszeit erreicht wurde. Scharen konnten natürlich nur annäherungsweise abgeschätzt werden. Stets wurde auch verzeichnet, wie sich die Mengen innerhalb der Beobachtungszeit vertheilten. Meist war die Vertheilung ziemlich gleichmässig. Hierzu wird weiter unten nur ein Beispiel folgen. 4. Das Zeichen co bedeutet, die Thiere traten so zahlreich auf, dass Zählen unmöglich war. 5. Um aus den aufgeführten Zahlen die auf einer bestimmten Meeresfläche vorhandenen Individuen annähernd berechnen zu können, bemerke ich, dass die »Sachsen« (von Neapel bis Singa- pore) etwa 124, die »Stettin« (von Singapore bis Matupi) etwa 10 See- meilen in der Stunde läuft. Da Strömungen zugleich mit dem Schiffe auch die umgebende Wasserfläche versetzen und da starke Winde nicht vorkamen, so werden diese Durchschnittsgeschwindigkeiten bessere Werthe liefern als die Berechnungen der an den betreffenden Tagen wirklich zurückgelegten Wege. 6. Was die Delphine und Vögel anbetrifft, so geben die Beobachtungen an einzelnen Tagesstunden keineswegs ein richtiges Bild für ihre Häufigkeit und Verbreitung. Um einigermaassen richtige Resultate zu bekommen, muss man auf sie dauernd achten oder die wachhabenden Offieiere bitten, auf sie auf- merksam gemacht zu werden. Das hier Mitgetheilte wird wenigstens zeigen, dass diese Thiere auf dem Meere nicht so gemein sind, wie 10 Gesammtsitzung vom 25. Juni. man wohl annimmt. Meine ausführlichen Notizen über diese Gruppen werde ich vielleicht später verwerthen. 7. Als Pelagien habe ich alle Quallen verzeichnet, welche mir vom Schiff aus als Pelagien erschienen. Alle anderen Medusen blieben in der Tabelle unberücksichtigt, weil sie nur local beobachtet wurden. Was nun zunächst die Schwarmbildung im Allgemeinen anbetrifft, so zeigt die Tabelle, dass Thiere, die an einzelnen Tagen in geringerer oder grösserer, oft in sehr grosser Zahl auftraten, an anderen Tagen während einer ganzen Stunde in keinem einzigen Exemplar gesehen wurden. Die Frage ist: wie weit sind derartige Differenzen wirklich auf Schwarmbildung zurückzuführen, d. h. in wie weit handelt es sich thatsächlich um augenblickliche regellose Ansammlungen der betreffen- den Thierform an irgend einer Stelle im Ocean? Zur Lösung dieser Frage will ich zunächst bemerken, dass mir viele der gesehenen Schwärme von dem Capitain oder von Passagieren, die häufig dieselbe Fahrt ge- macht hatten, vorausgesagt wurden. Dies lässt schliessen, dass gewisse Thiere mehr oder weniger dauernd an bestimmten Theilen des Oceans, etwa in bestimmten Stromgebieten u.s.w. zahlreich zu treffen sind. Dann würde aber der Begriff »Schwarm« nicht mehr zutreffend sein; denn wir sprechen nur dann von einem Schwarm, wenn eine gewisse Art in einer Gegend auf einen Wald, einen Sumpf u. dergl. in ihrer Verbreitung beschränkt ist. Die erste Aufgabe, die sich jeder wissen- schaftlich gebildete Passagier auch auf sehr befahrenen Dampferlinien stellen kann, würde also sein, festzustellen, ob die sogenannten Schwärme immer oder wenigstens in gleichen Jahreszeiten immer an denselben Stellen angetroffen werden. Meine Beobachtungen können dabei für unsere Dampferlinie als erste sichere Grundlage dienen. Einige allgemeine Resultate fallen schon bei dieser ersten Beob- achtungsreise dermaassen in die Augen, dass ich mir nicht versagen kann, darauf aufmerksam zu machen. Zunächst ist auffallend, dass im Mittelmeer während der 7 Tage ausser Delphinen und Vögeln kein Thier beobachtet wurde. Es scheint mir daraus hervorzugehen, dass wenigstens im März der östliche Theil des Mittelmeeres arm an Ober- flächenthieren ist. Zwischen Genua und Neapel sollen fliegende Fische häufig sein. Vielleicht werden sie durch die Strömung aus dem Atlan- tischen Ocean dorthin geführt. Für den dauernden Aufenthalt der- selben scheinen, wenigstens im östlichen Theil des Mittelmeeres, die Lebensbedingungen ungünstig zu sein, mögen nun die Temperatur- schwankungen oder der hohe Salzgehalt die Ursache sein. Als zweites, für mich eigenthümliches Resultat ist zu nennen, dass während der ganzen Fahrt keine Physalien und Velellen beob- achtet wurden. Da diese Thiere gar nicht übersehen werden können Daur: Die Verbreitung der Thiere auf hoher See. 711 und wir sie während der Planktonfahrt in den wärmeren Theilen des atlantischen Oceans fast überall, oft sogar in ausserordentlich grosser Zahl beobachten konnten, nehme ich an, dass sie in dem befahrenen Theil des Indopaeifischen Oceans gänzlich oder doch zeitweise fehlen. Dafür kommen für dieses Gebiet die Meerschlangen als neu hinzu, und ebenso traten Pelagien, die auf der Planktonfahrt relativ spärlich beobachtet wurden, öfters ausserordentlich massenhaft auf. Es mögen dann noch über einzelne der beobachteten Thiergruppen kurze Bemerkungen folgen. Die Delphine sahen wir zuweilen (25. März und 15. April) in Scharen von Hunderten in geschlossener, mehrfacher Reihe, langsam gegen den Wind ziehen, indem sie abwechselnd, und zwar immer zahlreich zu gleicher Zeit, mit dem ganzen Körper aus dem Wasser sprangen. Es sind das wohl nicht Jagden, sondern Spiele. Dass es sich bei ihnen wirklich in vielen Fällen um Spiele handelt, wird noch unzweideutiger, wenn sie zu 5 bis 20 Stück vor dem Kiele herschwim- men und bisweilen ro Minuten lang bald eine Seite, bald auch die Bauchseite nach oben kehren, bald auch ganz aus dem Wasser her- vorspringen. Ich habe mich dabei vergeblich bemüht, die Bewegungen des Schwanzes direct zu sehen. Vögel beobachtet man theils einzeln, theils in Scharen, theils auch als Begleiter des Schiffes. Begleiter, die auf Abfälle warteten, hatte unser Schiff nur im Mittelmeer und im Rothen Meer, und zwar auch hier nur in der Nähe der Küsten. Auf dem freien Indischen Ocean kam uns oft tagelang wie auf dem wärmeren Theile des Atlan- tischen Oceans während der Planktonfahrt kein Vogel zu Gesicht. In der Nähe der Küsten zeigten sich stets Vögel, und zwar oft in grossen Scharen. Bald machen die Vögel mit den Delphinen gemeinsame Jagd, bald auch mit mittelgrossen Fischen, welche in grossen Scharen auftreten und schon in grosser Entfernung dadurch auffallen, dass sie unmittelbar an der Oberfläche schwimmen und häufig aus dem Wasser springen. Die Seeleute nennen diese Fische Bonitos, doch scheinen sie fast alle pelagischen Fische unter diesen Namen zusammen- zufassen, welche sie nicht Flug- und Haifische nennen. Im Rothen Meer und in der Strasse von Malakka trat Sula fusca häufig auf, an anderen Orten erschienen Möwen. — An einem Regentag in der Javasee (14. April) kamen auch vier Seeschwalben der Species Anous stolidus an Bord geflogen. Die Seeleute nennen sie Dösköpfe, weil sie sich bei langsamer Annäherung mit einem raschen Griff leicht fangen lassen. Die erste Schlange wurde im Indischen Ocean am 27. März ı2 geographische Meilen vom nächsten Lande entfernt beobachtet. 712 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Sie war, ebenso wie die Exemplare der Malakka-Strasse, braun. In jenem Meeresarm wurde sie am ı. April Vor- und Nachmittags am zahlreichsten beobachtet. Etwa ıo Schlangen kamen hier auf die Stunde. Danach würden etwa 40 Schlangen auf einem Quadratkilo- meter zu finden sein. Die Schlangen der Javasee waren grösser und weisslich. Alle schienen vor dem Schiffe nicht sonderlich grosse Angst zu haben. Nur langsam schlängelten sie sich zur Seite. Eine grosse gelbe Schlange in der Bandasee (16. April) war von zahlreichen kleinen Fischehen umgeben. Vielleicht finden diese in ihrer Nähe Schutz, ebenso wie der Lootsenfisch beim Hai, wie andere kleine gebänderte Fischehen bei Physalien und wie ein braunes Fischehen bei einer braunen Rhizostoma-artigen Qualle an der Küste von Neu-Guinea. Die fliegenden Fische scheinen in den tropischen Theilen der Oceane von allen pelagischen Thieren am regelmässigsten auf- zutreten. Abgesehen vom Mittelmeer und vom nördlichen, salzhaltigen Theil des Rothen Meeres findet man in der Tabelle nur 4 Stunden, in welchen kein einziger Flugfisch beobachtet wurde. Bei Annähe- rung an die Küste werden sie im Allgemeinen seltener und kleiner. So wurden in der Pitt-Enge zwischen Salvatti und Battanta trotz der ausserordentlich grossen Tiefen nur jugendliche Exemplare beob- achtet. Die vollkommen erwachsenen Flugfische kommen meistens, ebenso wie die ganz jungen, mehr vereinzelt vor, während die halb- wüchsigen gewöhnlich in Scharen zusammen leben, theilweise zu Hunderten und mehr. Es handelt sich dabei sicher nicht immer um verschiedene Arten; denn auch die halbwüchsigen traten bis- weilen in der einen Hälfte der Beobachtungszeit zerstreut, in der anderen scharenweise auf. Vielleicht waren in diesem Falle Raub- fische zwischen sie gefahren. Ausserdem wurde die im Atlantischen Ocean immer einzeln auftretende sogenannte vierflügelige grosse Form hier überhaupt nicht beobachtet. — An einem Tage, es war der 23.März, Morgens, im freien Theil des Indischen Oceans, traten die fliegenden Fische so zahlreich auf, dass es unmöglich war, ihre Zahl abzuschätzen. Durchschnittlich kamen in jeder Minute etwa 60 Stück aus dem Wasser, und kaum vergingen zehn Secunden, ohne dass ein einziges Thier erschien. Auch am Nachmittag desselben Tages waren sie noch recht zahlreich. Die niedergeschriebenen Zahlen mögen als Beispiel der Vertheilung auf eine Stunde dienen. 4 Uhr 33 Min. Anfang. 4,34 — 2fl. 4,35 — ıfl. 4, 36— ıfl. 4,37 —ıfl. ,373 —ıfl. ,38 —2fl. 4,384 — 2fl. „41 — ıfl. 4,42 — 2fl. 4,44 — ıfl. 4,454 — ıfl. ,46 — ıfl. ,48+ — ıl. 4,49 — ıl. 4,50 — ıfl. 4,51 — ıfl. 4,514 — ıfl. 4,524 — ıl. 4,55 — ıfl. ,56— ıfl. ,58+ —2fJl. 5 Uhr— 3fl. 5,2 — 41l. Daur: Die Verbreitung der Thiere auf hoher See. Rus nr WE 5 MiBpE 1 a 1 IP ee 55 ı Eee Pre ee a en 503 rl. 15 fl. 5,76 — 2. 5, 17 — 1. 5,19 nf. 5,198 — 2fl. 5,20 — ıfl. ,21 — fl, 5,214 — ıfl. 5,24 — ıfl. 5,25— ıM. 5,26 — 21. 526$— ıfl. 5,27 —ıfl. 5,274 — ziül. 5,28— ıfl. 5,284 —2fl. 5,282 — 2fl. 5,29—-30fl. 5, 294 — gofl. 5,30 — ıfl. 5, 30 -— ıfl. 5,30$— 311. 5, 31 — ıl. 5, 324 — ıfl. 5,355 — ıfl. 5, 36 — ıll. 5,39 — rl. 5, 398 — 2fl. 5,42 — ıfl. 5,424 — 21l. 5,422 — ıfl. 5,434 — ıfl. 5,444 — ıfl. ,45 — fl. 5,454 — 1fl. 5,458 — ıfl. 5,454 — ıfl. 5,46 — 21l. 5,462 — ıfl. Bar AN.5,A72 3825,48 24. = 14 Stunde, Die Farbe der fliegenden Fische scheint auch bei derselben Art einer grossen Veränderlichkeit unterworfen zu sein, da oft gleichgrosse Individuen mit halb schwefelgelben oder halb leuchtend blauen Brust- tlossen gleichzeitig aus dem Wasser kommen. Doch dürften in dieser Beziehung nähere Angaben noch erwünscht sein. Es wurde oft behauptet, dass die fliegenden Fische durch Licht angelockt würden. Es dürften deshalb auch über diesen Punkt statistische Aufzeichnungen wichtig sein. Von den drei Thieren, welche ich auf der »Sachsen« in die Hand bekam, war das eine in eine vollkommen dunkele Cabine, das zweite in eine schwach erleuchtete und das dritte in eine hellerleuchtete Cabine geflogen, alle drei durch das runde Fensterchen gegen den Luftzug. Auch in den beiden ersten Fällen waren hell erleuchtete Fenster in der Nähe. Schliesslich mögen noch einige Bemerkungen über den Flug der fliegenden Fische auch hier gestattet sein. Nachdem Mösgıus nachge- wiesen hatte, dass die Flossen nur als Fallschirm wirken, hätte man glauben sollen, dass sie kein Zoologe mehr für Flügel halten sollte. Wenn dies dennoch geschah, so lag es wohl daran, dass das Zittern der Flügel noch nicht hinreichend erklärt war. Ich habe mich von Neuem überzeugt, dass das Flattern oder Zittern stets nur dann ein- tritt, wenn der Schwanz das Wasser streift und in demselben kräf- tige Bewegungen ausführt. Da auch die HH. KürentuaL, DriescHh und Kerstine, welche oft Gelegenheit hatten, fliegende Fische zu be- obachten, mir mittheilten, sie seien derselben Ansicht, so dürfte da- mit wohl diese Streitfrage als erledigt anzusehen sein. Sogenannte Schwärme wurden besonders bei Pelagien und Porpiten beobachtet. Die Porpiten waren einmal in der Javasee (am 13.April) fast eine halbe Stunde lang, also etwa eine geogra- phische Meile weit, so zahlreich, dass sie nicht gezählt werden konnten. Sie fanden sich bald in Streifen, bald kamen auf einen Quadratmeter 5-ıo Individuen, bald auf Strecken von 10” nur einzelne Indivi- duen. Etwas weniger deutlich war die Streifenbildung bei Pelagia, 714 Gesammtsitzung vom 25. Juni. immerhin aber erkennbar. An den dichten Stellen kamen hier bis- weilen etwa 5 Individuen auf einen Cubikmeter. Der Pelagienschwarm vom 18. März im Rothen Meer wurde 2 Stunden lang beobachtet, war also wenigstens 45” lang; da die Streifen desselben aber einmal die Fahrtlinie in einem sehr spitzen Winkel zu schneiden schienen, setzten die Pelagien während dieser Zeit eine halbe Stunde lang aus. Ralum, Bismarck-Archipel, den 6. Mai 1896. Zu Tibullus I, 7,11. Von Orrto HirscHrFELD. In diesen Sitzungsberichten S. 434 fg. habe ich einer Vermuthung Scaliger's Erwähnung gethan, der für das an der oben genannten Stelle überlieferte Arar Rhodanusque die Lesung Atur Duranusque vor- geschlagen hat. Ich war der Meinung, dass Scaliger dieselbe in seinen Castigationes ad Tibullum ausgesprochen habe und nur in Folge eines Druckversehens in einigen Ausgaben die ursprüngliche Lesart stehen geblieben sei, da die Anmerkung Scaliger’s zu der überlieferten Lesart mir wenig zu passen schien. Diese Annahme hat sich mir aber bei weiterer Nachforschung als irrig erwiesen und ich habe sie daher in die Separatabzüge meiner Abhandlung nicht aufgenommen. Viel- mehr hat Scaliger, als er seine Castigationes schrieb, noch an der über- lieferten Lesart festgehalten und die Bedenken, die ihm die Überliefe- rung bereits damals gemacht zu haben scheint, durch eine ihn offen- bar selbst wenig befriedigende Erklärung zu beschwichtigen gesucht. Die Conjeetur ist nämlich von Scaliger selbst nie publieirt worden, sondern gehört, wie L. Müller in seiner Ausgabe des Tibullus (1874) S.XX anmerkt, zu den zuerst von Francken in den Abhandlungen der Akademie von Amsterdam X, 1866 S. 41 Anm. aus Scaliger’s in der Leidener Bibliothek befindlichem Handexemplar seiner Elegiker- ausgabe (1569) veröffentlichten Randbemerkungen. Über die hier in Betracht kommende Conjeetur verdanke ich der Freundlichkeit des Hrn. de Vries, Conservators an der Leidener Universitätsbibliothek, folgende Mittheilung: Die Lesart »testis Atur, Doranusq. celer« (so, nicht » Duranusque«) ist von Jos. Just. Scaliger’s Hand geschrieben am Rande der Ausgabe: »Catullus Tibullus Propertius. Antverpiae, Ex off. Christ. Plantini. M.D. LXIX« pag.98 zu Tib.1,7, ı1, Exemplar der Leidener Universitäts- bibliothek 755 H. 23 (olim Lips. 59). In dieses Exemplar hat Scaliger die Collation der beiden Hss. des Cuiacius und eines »fragmentum peroptimum« (cf. E. Hiller im Rhein. Museum 29. 1874. S.97) des Tibullus eingetragen. Bei jenen Varianten notirt er als Siglen der Hss.: V,CC, VA (CA). Bei der Lesart zu Tib.I,7, 11 teslis Atur, 716 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Doranusq. celer wird aber nichts Weiteres notirt; sehr wahrscheinlich ist diese also keine Variante einer jener Handschriften, sondern eine Conjeetur Scaliger’s. Die Schrift Scaliger's in dieser Lesart 1,7, 11 ist grösser und kräftiger als diejenige, in welcher er die Varianten der Hss. eintrug und scheint mir diese Lesart erst später von Scaliger hinzugefügt zu sein. Ob aber erst nach dem Erscheinen seiner Casti- gationes, lässt sich natürlich nicht mit einiger Sicherheit sagen‘. Dass Scaliger in der That erst nach dem Erscheinen seiner Castigationes auf diese Vermuthung gekommen ist, ist meines Er- achtens nicht zu bezweifeln, da er sie sonst sicherlich in seiner Aus- gabe nicht unerwähnt gelassen haben würde. | — hu | Über Ennius und Lucretius. Von J. VAHLEN. E; ist ein schönes Praeconium, welches dem Dichter Ennius von seinem geistesverwandten Nachfolger Lucretius zu Theil geworden, der im ı. Buch seines Gedichtes bei der Frage über die Natur der Seele auch eine von Ennius ausgesprochene Ansicht erwähnt und daraus den Anlass zieht zu einer episodischen Verherrlichung des Dichters, deren es für die theoretische Darlegung nicht bedurft hätte, dies in ähnlicher Weise, wie er z.B. auch den Empedocles abbiegend vom geraden Wege (t 716-733) gepriesen hat. Über Ennius aber schreibt er V. 112 ignoratur enim quae sit natura animai, nata sit, an contra nascentibus insinuetur, et simul intereat nobiscum morte dirempta, ı1s an tenebras Orci visat vastasque lacunas, an pecudes alias divinitus insinuet se, Ennius ut noster cecinit, qui primus amoeno detulit ex Helicone perenni fronde coronam, per gentes Italas homimum quae clara chueret; 120 etsi praeterea tamen esse Acherusia templa Ennius aeternis exponit versibus edens, quo neque permanent animae neque corpora nostra, sed quaedam simulacra modis pallentia miris; unde sibi exortam semper florentis Homeri 125 commemorat speciem lacrimas effundere salsas coepisse et rerum naturam espandere dictis. Diese Darstellung gewährt im Zusammenhang mit einigen ander- weitigen Zeugnissen und Anführungen eine hinreichend klare Vor- stellung darüber, wie Ennius im Eingang seiner Annalen den be- rühmten Traum erzählt hatte, in welchem Homer, aus der Unterwelt aufsteigend, ihm erschienen sei und (nach Pythagoreischer Lehre) verkündet habe, dass seine Seele, nach mancherlei Wanderungen, 7 I x . - ” ‘18 Gesammtsitzung vom 25. Juni. jetzt in des Ennius Körper wohne. Man erkennt leicht, dass Lucre- tius hier mehrfach in den Worten des Ennius selbst sich bewegt. Wer an den Traum des Aeneas und die Erscheinung des Hector (Aen. ı1 270 ff.) sich erinnert, in somnis ecce ante oculos maestissimus Hector visus adesse mihi largosque effundere fletus, captatus bigis — — ei mihi, qualis erat, quantum mutatus ab illo Hectore qui redit — — wird über den Zusammenhang des von Cicero erhaltenen Ennianischen Verses visus Homerus adesse poeta und der Worte bei Lucretius laeri- mas effundere salsas Coepisse nicht im Zweifel sein und kein Bedenken hegen, dass auch Virgil’s ei mihi, dem Servius sein Ennü versus bei- gefügt, aus dieser Darstellung des Ennius entlehnt sei, zumal ein solcher Ausdruck des horror beim Anblick des aus der Unterwelt emporsteigenden Homer so angemessen war, wie bei Cicero im Traum des Seipio (de re p.vı IO, 10) quem ubi agnovi, equidem cohorrui. Aber auch eine Wendung wie simulacra modis pallentia miris, die so oder ähnlich bei Virgil wiederkehrt (Aen.x 822 ora modis A. pallentia miris; 1354 ora modis attollens pallida miris; vıı 89 multa modis simulacra videt volitantia miris), wird, obwohl Virgil auch unmittelbar aus Lucretius geschöpft hat, in diesem Falle wohl richtiger auf Ennius als gemein- same Quelle beider zurückgeleitet. Vor allem aber gehört hierher Acherusia templa (120). Zwar hat Lucretius den Ausdruck auch ohne Zusammenhang mit Ennius gebraucht (m 86 vitare Acherusia templa petentes, ibid. 25 nusguam apparent Acherusia templa), und Ennius selbst ihn in der Andromacha angewendet, in den Versen, die so zu ordnen sein werden. Acherusia templa alta Orei, salvete infera, pallida leti, nubila tenebris loca'. Denn wenn Varro eitirt (de 1. L. vı 6) templum dieitur .... sub terra, ut in Andromacha "Acherusia templa alta Orei salvete infera, ohne dass man sieht weshalb er etwas übersprungen hätte, Cicero aber, der für seine ! Freien anapaestischen Rhythmus haben andere angenommen, und ich zweitfle nicht an der Richtigkeit der Annahme. Dagegen bleibt mir ein Bedenken bei pallida Zeti, nicht über die Schreibung, sondern über das Verständniss; man könnte pallida leti verbinden (todtenbleich), wie Silius Italieus ı 165 schreibt guem postquam diro sus- pensum robore vidit Deformem leti Jamulus, der eine besondere Vorliebe für diesen Genitivgebrauch hat, oder Ovid Met. x 616 mens interrita leti, und was Haupt zu Met. ı1 765 erwähnt. Aber möglich war auch, und wäre einfacher, pallida leti loca zu verbinden, wie Luer. ıı 42 Tartara leti schreibt. EEE VAuten: Über Ennius und Lucretius. 719 Zwecke die Anrede salvete infera nicht gebrauchen konnte, (Tuse. ı 21, 48) quae est anus tam delira, quae timeat ista, quae vos videlicet, si physica nom didieissetis, timeretis, Acherusia templa alta Orci, pallida leti nubila tenebris loca, so ist klar salvete infera an das Ende zu setzen, ist kein Grund vorhanden, und die Anrede mitten hineingestellt, hin- dert nicht die weitere Ausmalung der Acherusia templa. Aber diese Verse sind es nicht, denen Lucretius seinen Ausdruck entnimmt, son- dern wie seine ganze Darstellung, von divinitus insinuet se (116; vergl. Ennius V.ıı) angefangen, dem Traum entlehnt ist, so schliessen wir aus ihm, dass Ennius auch hier die Acherusia templa, aus denen er den Homer aufsteigen lässt, in einigen Versen gezeichnet hatte. Aus dem Angeführten wird begreiflich, dass man ein paar Zeug- nisse über Redewendungen bei Ennius auf diese Stelle des Lueretius zurückführen zu können geglaubt hat. Erstens das Zeugniss des Ser- vius zu Aen. vı 304 (agmen agens equitum et) florentes aere catervas: Ennius et Lucretius florere (flores, florens) dicunt omne quod nitidum_ est: hoc est secutus Vergilius, aliter acyrologia est: Lucretius “florebat navibus pontus. Der Vers des Lueretius, den Servius anführt, findet sich nicht so bei ihm, aber gemeint ist der in den Handschriften ver- derbt überlieferte Vers v 1442 tum mare velivolis florebat propter odores, den Lachmann (S. 347) so hergestellt hat iam mare velivolis florebat puppibus, et res, doch ohne damit schon jedes Bedenken zu beschwich- tigen. Was aber Servius über jlorere bei Ennius und Luceretius be- merkt, hat man geglaubt auf die wahrscheinlich dem Ennius entlehnten Worte bei Lueretius semper florentis Homeri.. species (124) beziehen zu dürfen: eine Vermuthung, der ich früher selbst, obwohl ich das Zeugniss unter die Incerta (xxıv) gestellt hatte, zweifelnd Ausdruck gegeben, und die meine Nachfolger mit mehr Zuversicht befolgt und geltend gemacht haben. Allein schon der Vers des Virgil (der xı 433 wiederkehrt), an den Servius seine Bemerkung knüpft, lässt es wenig glaublich erscheinen, es sei dabei an die species semper florentis Ho- meri bei Lucretius gedacht, die hier in Gegensatz gegen die simulacra pallentia gestellt vielmehr als die eines del (wovros, BaAAovros (nach Scaliger’s Meinung') oder eines der perpetuum aevi florem (nach Ovid’s Ausdruck Met. ıx 436) bewahrt hat, vielleicht auch wie ein Audıdpews mauıyvxos bei Sophocles (Electr. 841) oder wie Tiresias bei Callimachus (v 129) mervvuevos Ev verveoow, gedacht ist; denn selbst der florens Jacchus bei Catull (Lxıv 251), über den Welcker zum Theognis p. Lxxxıx, folgt anderer Vorstellung. Dagegen ist die Übertragung von florere auf den Glanz der Waffen oder bewaffneter Schaaren, wie in dem Vers des ! zur Append. Virg. S. 180. Sitzungsberichte 1896. 67 720 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Virgil, oder wie in dem von Servius angeführten Vers des Lucretius auf den Glanz des schiffebedeckten Meeres, auch sonst nicht ohne Beispiel, wie -Valerius Flaceus schreibt v 564 varüs floret via discolor armis oder Claudian vır 133 floret cristatis exereitus undique turmis, ver- muthlich auch Aceius in dem Vers, den Nonius 503, 20 für fervere anführt, aere atque ferro fervere, igni insignibus florere, obwohl die Her- stellung der Worte noch nicht gelungen scheint!. Aber bei Ennius ist diese Verwendung heute nicht nachweisbar. Doch hat Lueretius wenigstens los und florere auch noch nach einer anderen Richtung in figürlichem Sinne gebraucht, vom Glanz zwar, aber vom Glanz des Lichtes und des Feuers. Er schreibt ıv 450 ommia quae tuimur fieri tum bina tuendo, bina lucernarum florentia lumina flammis, binaque per totas .aedes geminare supellex, und verwandter Art ist bei ihm auch 1900 donec flammai fulserunt ‚flore coorto, und bei Apuleius Metam. vım 15° die iam provecto et sole ‚florido, und was Naevius schreibt in dem Vers des Lyceurgus Ut videam Volcani opera haec flammis fieri flora, den Nonius 109, 25 zu dem jetzt nicht erhaltenen Lemma jlora anführt. Aber auch von dieser An- wendung hat sich bei Ennius keine Spur erhalten. Doch bringen die eitirten Worte des Lueretius bina lucernarum florentia lumina flammis einen verstümmelten Vers des Ennius in Erinnerung /ychnorum hımina bis sew, den so Macrobius Sat. vı 4,18 des griechischen Wortes wegen dem Vers des Virgil (Aen. 1726) dependent Iychni laquearibus aureis an die Seite gestellt hat. Der am Anfang unvollständige Vers verlangt, um vollen Gedanken zu erhalten, zu dem dastehenden Subjeet ein Verbum, und zwar ein Verbum in der Bedeutung leuchten’ oder ‘glänzen. Denn was sollte anders gesagt sein, als (vermuthlich bei Schilderung eines Gastmahls) ‘es glänzten die Lichter der zwei mal IC Seen ah < S. Sealiger zum Manilius S. 414. ® S.zud. St. Colvius bei Oudendorp. S. 550. Da hier wie bei Scaliger a.a. O. auch Bezug genommen ist auf das Homerische ävdos mupos und Aeschylus Prometheus V.7, so sei darüber folgendes bemerkt. Was Kparos zum "Hbaoros sagt TO vöv yap avdos, mavreyvov mupös oeAas, Avyroisı KAeyas omacev, hat mit dem in Frage stehenden Gebrauch von flos und /lorere nichts zu thun; wenn es aber in den Scholien zu dieser Stelle heisst, raura Epedilwv "Hbarorov dyaıw, &s el EXeyev Tv mov Koouov, kal mapı To Oynpov abrap Emel mupos avdos amertaro, mavoaro dt AoE, so ist die erste Erklärung richtig (avdos = decus), der Homerische Vers aber lautet gemeinhin (1x 212) abrap &rei Kara müp Exan kal BAOE Eyapavdn, woneben in den Scholien auch die vom Scholiasten des Aeschylus angeführte Form und noch eine Mischform als Lesung Einiger eitirt . e F ” * ” ALTE r . ev vw ’ Z „.ı\ wird; wenn aber hier im A an die Anführung der Variante örı & rıoı ypabera abrap ’ x x v ’ ’ ” E. * - \ N w Emei mupös ävdos ürentaro kA. die Bemerkung geschlossen wird, yeXoiov de mupös avdos os podov avdos Tod momrovd To müp dewomomoavros, so wäre denkbar, dass klügelnder Anstoss an mupös ävdos dieses ursprüngliche durch eine andere Fassung ersetzt hätte. VAuten: Über Ennius und Lueretius. 721 sechs Leuchter.‘ Dafür aber gewährt der eitirte Vers des Lucretius, der die Auernarum lumina mit dem Epitheton florentia flammis bezeich- ‚net, das zutreffende und völlig ausreichende Verbum florebant flammis. Ist also die Vermuthung triftig, dass der Vers des Ennius vos so gelautet habe florebant flammis /ychnorum lumina bis sex, so gewinnen wir für Lucretius’ Wendung das genaue Vorbild, werden aber Servius’ Zeugniss, dass Ennius und Lueretius florere von allem gesagt, was glänzend sei, um so zuversichtlicher von der species semper ‚florentis Homeri trennen, und vielmehr annehmen dürfen, dass .bei jener Bemerkung des Grammatikers vorzugsweise an diese beiden parallelen Verse der beiden Dichter gedacht war. Über Zychni, das griechische Wort, das Ennius und Virgil ge- setzt, sei noch bemerkt, dass Lucretius, der hier /ucernarum lımina vorgezogen, anderswo, wie derselbe Macrobius a.a.O. anführt, quin etiam nocturna tibi, terrestria quae sunt, Lumina, pendentes Iychni (v 295) geschrieben, und demselben Maerobius danken wir den Spott des Lu- eilius (1 35 Lachm.) porro KAworodas Avyvovsque ut dieimu oeuv@s ante pedes lecti atque lucernas; Varro aber meint (de l1.L. v 119) /ucerna post inventa, quae dicta a hıce aut quod id vocant Avxvov Graeci. Zweitens hat man an die /acrimae salsae, die bei Lucretius a.a. O. (125) Homer vergiesst, sich erinnert bei dem Zeugniss des Servius zur Aeneis ı 173, das vollständig so lautet nach Thilo’s Anordnung: denn die Handschriften lassen darüber Zweifel, die ich für meine Zwecke übergehen kann. Zu Sino’s Worten also über das geraubte Palladium, nec dubüs ea signa dedit Tritonia monstris. viw positum castris simulacrum, arsere coruscae luminibus flammae arrectis salsusgue per artus sudor üt terque ipsa solo (mirabile dietu) emicuit, bemerkt der Erklärer: salsus sudor: bene addidit 'salsus‘, ut significaret laborem futurum, ne forte alter in simulacro quilibet umor intelligeretur. salsus sudor : indieium commoti numinis fwisse dieitur. Probo sane displicet 'salsus sudor’ et supervacue positum videtur. hoc autem Ennius de lamis diwit. Da nämlich das.Epitheton salsae zu lamae (das wäre 'salzige Sümpfe, Moräste‘) sich nicht wohl zu fügen schien, so lag die Ver- muthung nahe, und sie ist von Mehreren ausgesprochen worden, dass bei Servius de lacrimis zu schreiben, und so das Zeugniss mit jenem 67* 722 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Vers des Lucretius zu verbinden sei'. Und dabei sind meine Nach- folger verblieben, die sich nur freuten, dafs sie für diese geringfügige Berichtigung einen anderen Gewährsmann namhaft machen konnten. Meiner Vermuthung hatte u. a. J. Bernays ausdrücklich zugestimmt, als er im Rhein. Mus. xvı S.318 (Ges. Abhandl. u S. 201f.) bei Be- handlung einer Stelle aus der Chronik des Sulpieius Severus (r 33, 5 p- 35 Halm.) die umgekehrte Herstellung, aus lacrimas lamas, zu be- gründen suchte, wobei er nicht unterliess an den Gebrauch des Wor- tes bei Horaz Epist. ı 13, 10 viribus uteris per clivos, flumina, lamas, und an den dazu von dem Commentator Cruquii angeführten Vers des Ennius (Ann. 557) siwarum saltus latebras lamasque lutosas zu er- innern. Und so konnte es scheinen, dass auch umgedreht die Be- richtigung des Sulpieius Severus der Herstellung in dem Zeugniss des Servius zur Unterstützung gereichte. Allein gerade dieser Vers des Ennius, der /amas lutosas nennt, hatte im Zusammenhang mit ande- rem Ad. Kiessling zu einer anderen Ansicht geführt, die er mir zu- nächst brieflich (27. Dee. 1878) mittheilte, dann auch durch einen seiner Schüler (Quaestiones Servianae von R. Halfpap gen. Klotz, Greifs- wald 1882 p. 47) bekannt machen liess, so dass ich mich der Nöthigung nicht wohl entziehen kann, auf seine Combination ein- zugehen und ihre Widerlegung, da ich sie für grundlos halten muss, zu versuchen. Kiessling also ging von einem Zeugniss der Veroneser Scholien zu demselben Vers der Aeneis (nm 173) aus, das ich gleichfalls vollständig hierher setzen muss (Keil p. 86, ı8) Sal- susque per artus] sudor üt. hoc epitheton demonstrativum, quo totius cor- poris sucus etiam gustu potuerit agnosci: |Salsus nam]que laborando manat de corpore sudor. Probus malo epitheto putat usum poetam, critici vero natu- ralia |epitheta a poetis] nusguam inhoneste putant locari. Hierin meinte er in dem herrenlosen’ Vers salsus Namque laborando manat de corpore sudor den Ennianischen Vers gefunden zu haben, auf den die Bemer- kung bei Servius zu demselben Vers des Virgil hoc de lamis dixit En- nius sich beziehe. Es sei, erklärte er, die Rede von der Anstrengung beim Passieren der silvarum saltus latebras lamasque lutosas, die der vom Comm. Cruquii erhaltene Vers des Ennius bezeichne; und dieser Vers also gebe die Vermittelung an die Hand, indem auf ihn gleicher- weise der Vers salsus Namque laborando manat de corpore sudor und die Angabe, Ennius habe das Epitheton salsus de lamis gebraucht zurückgehe, die sich demnach als richtig erweise. Der "herrenlose’ Vers, den Kiessling für einen Ennianischen nimmt, war freilich be- ! Das Epitheton salsus von Thränen hat Lucrez auch sonst, 1 920 et lacrimis salsis umectent ora genasque, und haben andere, wie Accius V.420 R. lavere salsis vultum lacrimis, gebraucht. En Un a 0 Vasen: Über Ennius und Lueretius. 2 kannt genug: Lachmann hatte ihn zu Lucretius vı 944 manat item nobis e toto corpore sudor erwähnt, indem er den ohne Diechternamen angeführten für eine aus ungenauer Erinnerung stammende Dublette dieses Verses hielt, überdies bemerkte, da die Handschrift nur ... que laborando habe, könne für Mai’s Namque auch Atque oder Usque ge- schrieben werden, Henricus Keilius p. 86, 20 versum mirabilem effecit hunc, 'Salsus namque laborando manat de corpore sudor'; und genau so hat ihn auch die zweite Bearbeitung der Veroneser Scholien von Arnold Herrmann (Donaueschingen 1870) beibehalten, Kiessling wenigstens mit Namque; dass aber der Vers mit salsus und namque an zweiter Stelle ein Ennianischer nicht sein konnte, hätte Kiessling nicht un- bekannt sein sollen, s. Lachmann zu Luer. ıv 604 und vı 1067; werth- voller wäre gewesen, wenn bei der wiederholten Untersuchung der Handschrift über die Grösse des Zwischenraums genauere Auskunft zu erlangen gewesen wäre. Ob nun der Vers (ich sehe von salsus ab, lasse auch dahingestellt, ob namque oder atque oder usque ge- standen) ein verschlechterter Doppelgänger von Lucretius vı 944 ist, wie Lachmann meinte, oder, was nicht minder möglich gewesen, zu dem Ennianischen Vers 399 tum timido manat ex ommi corpore sudor (vergl. 436 totum sudor habet corpus multumque laborat), oder ein selbständiger Vers des Ennius (wofür ihn auch Bergk zu halten geneigt war, der auch über salsus richtig geurtheilt, Op. ı S. 259), oder von irgend einem anderen Dichter, wer wollte das entscheiden oder auf so vagen Annahmen, die durch nichts zu erhärten sind, weiterbauen? Dass aber die beiden Scholien in naher Beziehung zu einander stehen, ist bei genauer Betrachtung nicht zu verkennen, und es hätte sich aus der Vergleichung mit Sicherheit dedueiren lassen, dass in dem angeführten Vers kein salsus gestanden und der Vers zu diesem Zweck überhaupt nicht angeführt worden, sondern zu dem Be- weise, dass kein anderer sudor bei Virgil und dem Palladium verstan- den sei, als der welcher bei Anstrengung dem Körper entfliesst. Denn darauf geht bei Servius bene addidit 'salsus ut significaret laborem fu- turum, ne forte alter in simulacro quilibet umor intelligeretur, und in den Veroneser Scholien epitheton demonstrativum, quo totius corporis sucus etiam gustu potuerit agnosci. Aber selbst wenn in dem Vers salsus ge- standen und der Vers den salsus sudor bei Virgil hätte begründen sollen, würde Kiessling’s Annahme um nichts haltbarer sein, die das Seltsame ergiebt, dass, während es bei Servius hiess, Ennius habe die lamae salsae genannt (denn nur das kann es doch bedeuten, wenn er sagt, hoc, das Epitheton salsus, Ennius de lamis dixit), nach Kiessling der sudor, den die Anstrengung beim Übersteigen der lamae ausge- presst, salsus genannt worden. 124 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Soviel war nöthig, um einer haltlosen aber scheinbaren Com- bination zu begegnen, die leicht Jemanden bestricken könnte. Was aber die Angabe des Grammatikers betrifft, Ennius habe das Epithe- ton salsus von den /amae angewendet, also nicht bloss /amas lutosas, sondern auch /amas salsas genannt, so ist dieselbe nichts desto weniger für vollkommen richtig zu halten und von der Berichtigung de la- crimis abzusehen. Dies verbürgt uns auch hier Lucretius, wenn er v 794 schreibt: nam neque de caelo cecidisse animalia possunt, nec terrestria de salsis exisse lacunis. Denn wenn man beachtet, was der Commentator Cruquii (vergl. Acro) zu Horatius ep. ı 13, 10 bemerkt, lamas lacunas maiores continentes aquam caelestem ete., und was der Epitomator Festi p. 86, 8 Th. lustra significant lacunas lutosas quae sunt in silvis aprorum cubilia, und p- 83, 34 lacuna, id est aquae collectio, a lacu derivatur, quam alü la- mam, alü lustrum dicunt, so erkennt man leicht, was. Lucretius von den l/acunae aussagt, konnte Ennius mit gleichem Recht auf die /amae anwenden, und fragt man nach einer Gelegenheit, bei welcher Ennius von den salsae lamae gesprochen, so weist uns auch hier Lucretius den Weg, der von der Entstehung der lebenden Wesen spricht, d. h. einem Gegenstand, über den Ennius durch den Mund Homer’s im Ein- gang der Annalen sich belehren liess. Doch wie man darüber denkt, das Zeugniss de lamis muss ungeändert stehen und muss den Incerta verbleiben. Die Berichtigung der Worte des Sulpicius Severus, um auf sie noch einmal zurückzukommen, die aus der parallelen aber umgekehr- ten Verderbniss in dem Zeugniss des Servius Gewinn zu ziehen schien, würde, da diese nun entfällt, doch nur geringen Abbruch erleiden, wenn sie an sich genügend gefestigt wäre. Bernays, der angiebt, dass die in Betracht kommenden Worte der Chronik ı 33, 5 (p. 35,18 Halm) in der ed. prince. und in der einzig vorhandenen Vaticanischen Handschrift so lauteten castra hostium haud longe sita praesens pericuhum ostendebant, neque cuiguam eweundi in proelium animus: plures lachrymas et latebras petiverant, hat im Hinblick auf die dem Sulpieius vor- liegende Darstellung, ı. Reg. 13, 6, die bei den Septuaginta so lautet: Kal EkpVßn 6 Aaös Ev ToLs OMNAaioıs Kal Ev Tas udvopus Kal Ev Tas merpas kal €v roıs B0dpoıs Kal Ev Toıs Adkkoıs, und bei Hieronymus absconderunt se in spelumeis et in abditis', in petris quoque et in antris et in cisternis, dem Sulpieius Severus für das unmögliche lachrymas et ! in abditis ist auffällig neben den specielleren Bezeichnungen, und als Wieder- gabe von €v rais avöpaıs würde man eher einen. Ausdruck wie in stabulis erwarten. ee een Mi it es ee ee see ie ee ee. u, AA en er ee. ee Vauren: Über Ennius und Lueretius. 12:5 latebras die Schreibung lamas et latebras zugesprochen, die an sich keinem Bedenken Raum giebt, wenn auch diese Zusammenstellung an dem. Ennianischen Vers silvarım saltus latebras lamasque lutosas keine Unterstützung finden kann, da hier nicht, wie Bernays meint, latebras lamasque lutosas zusammengeordnet sind, sondern vielmehr silvarum saltus lamasque lutosas in dieser Verbindung als die /atebrae bezeichnet werden, die hier verstanden sind. Allein Bernays’ Lesung ist zweifel- haft geworden durch genauere Angabe über die Schreibung der Vati- vel latebras eanischen Handschrift. Halm nämlich giebt an, sie habe plures lacrimas petiverant, mit der ausdrücklichen Bemerkung, vel latebras sei von erster Hand übergeschrieben. Das war also ein Verbesserungsversuch für. das unverständliche /acrimas, der als Überlieferung nicht gelten kann. Daher Halm, an Bernays’ Vermuthung /amas für lacrimas sich haltend, so edirte plures lamas petiverant, indem er von dem Über- geschriebenen absah. Aber diese Fassung weckt ein anderes Be- denken: wollte Sulpieius statt der Häufung von Synonymen im grie- chischen Texte und bei Hieronymus nur Eins setzen, so war es nicht eben angezeigt, nur eine species wie /amas, sondern angemessen das genus, d.i. /atebras zu nennen. Darin empfand der Schreiber der Handschrift, der vel latebras über lacrimas setzte, meines Erachtens richtiger, und man wird ihm folgen müssen. So wenig an Bernays’ Vorschlag /amas et latebras auszusetzen war, nach dem, was jetzt über die Schreibung der Handschrift bezeugt ist, wird man dem Sulpieius neque cuiquam eweundi in proelium animus: plures latebras petiverant zu vrestituiren haben. Und war statt /atebras mit der beliebten Metathesis /atrebas geschrieben, stellte /acrimas sich leicht genug ein. Hr. Landgraf hat in dem Archiv für lateinische Lexikographie Bd.ıx S.446 bemerkt, dass für die bisher nur aus einem Scholion zu Juvenal x 238 bekannte Aceusativform inguinem "einen zweiten Beleg das im Corp. gloss. v 58ı vollständiger als bei Isid. x 270 eitirte Enniusfragment biete.‘ In den von G. Goetz a.a.O. herausgegebenen Excerpta ex codice Cassinensi lautet die Glosse: teterrimus pro fero nimium vweteres tetrum pro fero dixerunt ennius tetros elephantos ad in- qguinem. Dieselbe Glosse auch in dem Placidus codieis Parisini des- selben Bandes p. 157 feterrimus. proferonimium tetrum enim. veteres pro ‚fero dixerunt. ut ennius tetros elefantos, aber ohne den Zusatz. Diesen Zusatz glaubt Landgraf dem Ennius als 'einen gewiss richtigen und passenden’ vindieiren zu können. Was ad inguinem bedeute, bedeuten könne, ist freilich klar und hätte kaum der Belege bedurft, die 726 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Landgraf beibringt, aber was es in Verbindung mit tetros elephantos zu bedeuten habe und wie jenes mit diesem metrisch zu verbin- den sei, darüber belehrt Landgraf nicht, und ich hege Zweifel an der Richtigkeit des Zusatzes. Mich hat vielmehr auch hier Lucre- tius auf einen anderen Gedanken geführt. Denn wenn er schreibt v 1302 inde boves lucas turrito corpore, tetras, anguimanus, belli docuerunt volnera Poeni sufferre et magnas Martis turbare catervas, derselbe auch ı 537 sicut quadrupedum cum primis esse videmus in genere anguimanus elephantos, so möchte ich glauben, in anguimanus, das an erster Stelle auch mit dem Epitheton Zetras verbunden ist, sei das Wort gegeben, das in den Glossen in der Form ad inguinem sich erhalten habe, die aus einem unverständlich gewordenen anguiman’ leicht verlesen werden konnte. Das Bruchstück des Ennius würde demnach so zu schrei- ben sein tetros elephantos anguimanus, und wir fänden Lucretius abermals auf der Fährte seines gepriesenen Vormanns. Bei Isidorus a.a.O. lautet die aus derselben Quelle stam- mende Glosse Zeterrimus pro fero nimium. tetrum enim veteres pro fero, ut Ennius: tetros (tetrosque) elephantos, in einer Handschrift tetros ele- phantos tenuimus. In dem. Zusatz tenuimus glaubte ich ehemals das wiederholte «t ennius zu erkennen, und würde dies andern Ver- muthungen (wie dass es aus Zeferrimus entstanden oder in Zerrwimus zu verbessern sei) auch jetzt noch vorziehen. Allein man wird bei derselben Glosse den Zusatz in dieser Form von dem andern nicht trennen dürfen, und, irre ich nicht, ist anguimanus, wie ad inguinem, so auch dieses tenuimus, das auf einem andern Punct dem ursprüng- lichen näher bleibt, zu erklären ausreichend. Übrigens kann Hr. Land- eraf, der bemerkt, dass ‘das Bruchstück nach L. Müller in das vı. Buch der Annalen gehört, aus den ersten Versen des Lucretius entnehmen, dass dasselbe mit gleichem Recht den Punischen Kriegen zugewiesen werden kann. Denn wenn auch kein Zweifel besteht, dass auch im Kriege mit Pyrrhus, den das vı. Buch darstellt, die Elephanten auch bei Ennius eine Rolle gespielt haben, zumal bekannt ist und von Varro de l. Lat.vır 39 bezeugt wird, dass in diesem Kriege die Römer zuerst Elephanten zu Gesicht bekommen und von daher die auch von Lueretius angewendete Bezeichnung /uca bos stamme, so wird doch kein Besonnener behaupten wollen, dass grade dieses Bruchstück Vanten: Über Ennius und Lucretins. MO dort, und nicht anderswo, z. B. in der Darstellung des Hannibali- schen Krieges seine Stelle gefunden. Es wird das Bruchstück bleiben müssen, wohin ich es ehemals gestellt hatte, unter den Incerta der Annalen. Noch einen Vers des Ennius hilft uns, so Gott will, Lucretius berichtigen oder die Berichtigung sichern. Der V. 534 der Annalen wird von Nonius (555,15) so angeführt: falarica telum maximum. Verg. Lib. vırır (702) 'sed magnum stridens contorta falarica vemit Ful- minis acta modo. Ennius 'quae valide veniunt falarica missa. Über die falarica handelt Leo im Hermes xvuı 569 und der dort auch von ihm angeführte Siegelin im Rhein. Mus. xxxvı S. 356. Die in Be- tracht kommenden Zeugnisse sind bekannt und finden sich bei bei- den erwähnt. Für meinen Zweck wichtig ist vor allem die Stelle des Virgil, mit der Nonius den Vers des Ennius gepaart hat, und die ich vollständig anführe; denn sie bringt die Wucht zum Aus- druck, mit der die falarica geschleudert zu werden pflegt, die mit der Gewalt des Blitzes verglichen wird. tum Bitian ardentem oculis animisque frementem, non iaculo, neque enim iaculo vitam ille dedisset, sed magnum stridens contorta falarica venit, Fulminis acta modo, quam nec duo taurea terga, nec dupliei squama lorica fidelis et auro sustinuit. Von anderen Berichtigungsversuchen sehe ich ab: sie scheinen mir in das Gesunde zu schneiden. Denn Anfang und Ende des Verses quae valide veniunt und falarica missa sind, dünkt mich, heil und unversehrt, und ist nach ihnen der Sinn zu bestimmen. Dagegen fehlt die Mitte des Verses und Gedankens in Folge einer Lücke, was bei Nonius kein vereinzelter Fall ist. Das dastehende aber spricht dafür, es sei eine vergleichende Form gewesen, in welcher die fala- rica eingeführt worden: also etwa (denn die Form der Ergänzung bleibt unsicher, nicht die Ergänzung selbst und die Lücke) quae valide veniunt velut alta falarica missa, worin quae valide veniunt von den Blitzen gesagt sein soll, wie veniunt cum fragore, cum igne veniunt bei Festus S. 92 Th. wiederholt von den manubiae Iovis gesetzt ist, und von den Blitzen also heisst es ‘die mit Gewalt kommen, gleichwie eine aus der Höhe geschleuderte falarica.. Virgil hat die Gewalt, mit der die geschleuderte falarica niederschlägt, mit der Blitzesgewalt verglichen. Dass aber der um- gekehrte Vergleich, den uns die erhaltene Form des Ennianischen Verses an die Hand gab, nicht minder angemessen war, das lehrt Sitzungsberichte 1896. 68 728 Gesammtsitzung vom 25. Juni. Lueretius und giebt damit der Berichtigung den Halt, den sie be- darf. Er schreibt vı 323 mobilitas autem fit fulminis et gravis ictus, et celeri ferme percurrunt fulmina lapsu, nubibus ipsa quod ommino prius incita se vis colligit et magmum conamen sumit eundi, inde ubi non potuit nubes capere inpetis auctum, exprimitur vis atque üdeo volat impete miro, ut validis quae de tormentis missa feruntur. Adresse an Lord KELVIN zu seinem fünfzigjährigen Jubilaeum am 15. Juni 1896. Hochgeehrter Herr! Di Königliche Akademie der Wissenschaften bringt Ihnen zu dem heutigen Tage ihre aufrichtigen Glückwünsche. Sie freut sich, zu- gleich daran erinnern zu dürfen, dass fast genau fünfundzwanzig Jahre verflossen sind, seit die Akademie die Ehre hatte, Sie unter ihre Mit- glieder aufzunehmen. Höchst inhaltsreich für die Physik waren die vergangenen fünfzig Jahre; unter den grossen Errungenschaften treten besonders hervor die Begründung und die Ausbildung der mechanischen Wärmetheorie und der gewaltige Ausbau der Elektrieitätslehre mit dem grossartigen Aufschwung ihrer Anwendungen. An allen diesen Erfolgen sind Sie in hervorragendem Maasse betheiligt. Ihre Bestätigung einer der ersten aus der Thermodynamik ge- folgerten Thatsachen, der Abhängigkeit des Gefrierpunktes vom Druck, bedeutete nicht nur das Auffinden eines merkwürdigen Vorganges, sondern sie enthielt eine Stütze, welche für die neue Lehre in ihrer Entwickelungszeit von unschätzbarem Werthe war. Eines der funda- mentalsten Probleme der mechanischen Wärmetheorie, die Festlegung der absoluten Temperaturscala, förderten vor Allen Sie durch Ihre berühmten Versuche mit JouLe über die innere Ausdehnungsarbeit der Gase. Es ist ein schöner Erfolg dieser Messungen, dass dieselben jetzt, nach vierzig Jahren, die Grundlage technischer Betriebe zur Ver- flüssigung von Gasen zu bilden anfangen. Schon zu Beginn Ihrer Laufbahn leiteten Ihre elektrostatischen Untersuchungen Sie zu dem mathematisch bedeutenden und physikalisch fruchtbaren Prineip der elektrischen Bilder. Sie entwickelten ferner eine vollständige Theorie der thermoelektrischen Ströme und zeigten die Richtigkeit Ihrer An- schauungen durch die Auffindung des »Thomson-Effeetes«. Auch die Pyroelektrieität der Krystalle wurde von Ihnen auf praeeise Annahmen zurückgeführt. Sie waren weiter der Erste, welcher die Schwingungs- 730 Gesammtsitzung vom 25. Juni. dauer elektrischer Oseillationen bei der Funkenentladung berechnete; Ihrer Formel war eine der bedeutendsten Anwendungen vorbehalten: sie hat dazu gedient, die Schwingungsdauer und daraus die Gesehwin- digkeit fortschreitender elektrischer Wellen zu bestimmen. Der experimentelle Theil jener Arbeiten bildete zugleich den An- lass, Ihre eminente Begabung in der Erfindung instrumenteller Hülfs- mittel zu verwerthen. Sie beschenkten die Elektrieitätslehre mit einer Reihe origineller und typischer Messinstrumente und Messungsmethoden für wissenschaftliche wie für technische Zwecke. Ihr Antheil an dem transatlantischen Telegraphen sichert Ihnen in der Geschichte der Elektrotechnik eine der höchsten Stellen. Von grosser Bedeutung war endlich auch die geräuschlose Arbeit, durch welche Sie, theils durch Ihre Instrumente, theils durch das beharrliche Drängen auf ein ein- heitliches Maasssystem, der praktischen Einführung der absoluten elektrischen Einheiten den Weg gebahnt haben. In Ihren Arbeiten bewundern wir die Kühnheit und Sicherheit, mit welcher Sie Ihre Schlüsse ziehen, mögen Sie Versuche des Labo- ratoriums berechnen oder aus der Energie der Strahlung auf die Dichte des Aethers schliessen; mögen Sie nach den Gezeiten des Meeres die Festigkeit des Erdballs beurtheilen, oder durch die Gesetze der Wärme- leitung die ferne Vergangenheit unseres Planeten erschauen. Nur einzelne von Ihren Entdeckungen haben wir namhaft ge- macht, aber auch wenn wir sie alle aufgezählt hätten, so würde damit das Bild Ihrer Leistungen nicht erschöpft sein. Durch eine grosse Zahl zusammenfassender wissenschaftlicher Darstellungen aus den ver- schiedensten Gebieten, durch das in Gemeinschaft mit Taır verfasste Lehrbuch der theoretischen Physik, nicht minder durch eine Reihe anziehender und klarer Vorträge populärer Art sind Sie in hervor- ragendem Maasse ein Lehrer der heutigen Generation geworden, und unter den lebenden Physikern dürfte es wenige geben, welche Ihnen nicht als Schüler zum grössten Dank verpflichtet sind. Sie blicken auf ein Leben zurück, welches für die Wissenschaft und für die Cultur reiche Früchte getragen hat. Dass die Ernte noch nicht abgeschlossen ist, dürfen wir mit vollem Vertrauen wünschen und hoffen. Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 2. Juli. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Telsjestelste ste Ta TE TE TS STE Tee Te Te Te Te Hl AN. SITZUNGSBERICHTE | DERFES KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 4 | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 9. Januar 1896. BERLIN 1896. \ VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ee "IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. \ ; . 1 .. . PR H ga ti RT RR a | RL 4 4 Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die "Mörkiahentehie der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen one A TR Bela en = Se 97] 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Oectav regelmässig Donnerstags acht Tage nach ‚jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalenda- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke ‚erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Beriehte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, ‚die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade _ Nummern. $2 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht. über an die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. Sa. h . Das Verzeichniss der SIRBEBRUBENED. Druckschriften Ks Sestelähelten a $ 28. 1. Die zur Aufpaline in die Sizungsheriehlen be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen, $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oetav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören , sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus r j 4 Be NN SE } theilung wird erst a wenn die Stücke de des "etfhger Stüc dazu den ge in betreffenden Classe, EN Abwesende "Mitglieder, “ sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung al: eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes - zu unentgeltlicher e "N RE auszugsweise oder auel scher Sprache ver TER REB er einer a a N 5 Neben ‚der yollstindigen Ausgabe di beriehte können bestimmte Ka ori ee auch en in c R “Bad. is 19 Jeder Verfasser einer ‚unter den 5 lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit em Ums welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2: Dem Verfasser steht i, aufs ar e gleiche Sonderabdrü b ur Zahl von noc h zweilı sofern er hiervon Bert demr edi i igire n de e n ns e- % g tar Anzeige gemacht } >. Ye ar % RER. zusammen, rolle daı A Derselbe Seeretar führt die Sornienhe r tion "und den Druck. ‚der in dem ai 2.1, Dex! redigirende Secretar ist für den geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwor Für alle übrigen "Theile derselben sind nach Richtung nur die Verfasser ‚veraufworllicb. y7 erzletzlerzleralerelerelerzietzierzlerelerelerzierl SITZUNGSBERICHTE DER | KÖNIGLICH PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ® r, “ i | % ZU BERLIN. HM. IM. 16. Januar 1896. ABEDPR 3 DS Ba / BERLIN 1896. | a . @ RR VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Er; e IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. k: +7 Pu. at le Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) sl. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. $ 2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftliehen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. ga. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder eorrespon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewölnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzselinitten sollen Abbildungen auf durchaus | \ | | \ | | | | Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe. $ 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. 89. 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publicirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und ınit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. 1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitigdemredigirenden Secere- tar Anzeige gemacht hat. 85. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $ 29, 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. —— ae > SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. IV. 23. Januar 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberiehte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) Anl 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. 8.2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei-einer der Olassen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Olasse statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzsehnitten sollen Abbildungen auf durchaus Notliwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 57 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe Ss 8. 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verziehten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. S 9. l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- beriehte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. s 1. l. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschatt- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig demredigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat. $ 5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redae- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $.2%. l. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. tn ee ne Dre en in 5] SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. V. 30. Januar 1896. MIT DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE. JANUAR 1896. EI DMronNr (BRAUN > DSOLEE BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. DRS 12 Mit aem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die ienatabechee. der Kennt Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind. an deren . Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welehe unter anderen folgende ’ Bestimmungen gelten, 2 x Bi je N (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der „Sitrungsberichteri) 3% 8,1: 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - - historischen Olasse ungerade Nummern. 8.2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über“ die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sikeongsberichlen über- wiesenen ESCHEEENANEN Arbeiten, und zwar in ‚der e Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung ' eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus | Nothwendiges beschränkt Be Der S ie StB Text eisen Holzschnitte | fertig besonders beizugebenden Tafeln. die ei aa egbelleEee ist. 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IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) Sal: 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe: ungerade Nummern. 2 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten, Sa. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder ‚bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 86. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in de scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. W der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Olasse $ 8: 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. Sag. l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. SI; 1. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. $ 5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar. $ 29. 1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. ne — SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Vin. 13. FegruAr 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. f Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter Se folgende Bestimmungen gelten. ae 1 A ‘ RR ke J ur yx (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der Sitzungsberichte.) RR > vn PR Sal, 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. $2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- y h fi theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten | geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. 8 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung. | druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus liche Mittheilung ‚darf in ‚keinem Falle. vor der A Kae > Nothwendiges beschränkt werden. Der S ee theilung wird erst begonnen, ‚wenn die Ad Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig. Be - von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche - Auflage eingeliefert ist. Aiy, si rn } WB 57 Eine für die Sitzungsberichte bestimmt des betreffenden Stückes anderweitig, sei Basik, auszugsweise oder auch in weiterer Ausführ scher Sprache veröffentlicht sein ‚oder weri der Verfasser einer aufgenommenen wissensehaftli Ei Mittheilung diese anderweit früher zu Veröffentlichen er beabsichtigt, als ihm dies ‚gesetzlich zusteht, Br dazu der Einwilligung der mern ‚der betreffenden Du RG DE * dr VER er i% v 3. Auswärts werden Correcturen nur Auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit. auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht: A S k SER 1. Neben der vollständigen Ausgabe Be, berichte können bestimmte Kategorien ee f ‘ Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publ ieirt _ werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem eos, in den Buchhandel gebracht werden. 3,2, Wer, Se VD: 1: Jeder Verfasser at unter den „Wissenschatt- lichen Mittheilungen « abgedruckten. Arbeit erhält u unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, 3 au welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. ” 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Be gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung ‚abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem re di gire, n denS eere- tar Anzeige Baal hat. PO BAR ar j a EN $: 5 Den Bericht über jede Rn Sehne tele der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redar- N tion und den Druck der in dem gleichen Stück ‚erschei- p ‚nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Ei heisst er der redigirende Secretar. ze $ 29. 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt: des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser FRESntgORE OR: D er j “ % u MN SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN - AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. IX. X. 20. FEBRUAR 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. eeerEnEeSereBeBgEmSSEErEpSESESREmESETDIE eh h Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der | Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgs ‚ Bestimmungen gelten. er Br (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der „Sitzungsberichte«.) 8.1. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. 8.2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersieht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. ga. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. & 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus u — . Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sin ; besonders rg: Tafeln di le Auflage eingeliefert ist, - ‘der Verfasser einer eh ,% Nothwendiges beschränkt werden. ‚Der $ tz ı theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke ı des Bee eläbnn Stückes Aal. auszugsweise oder auch i in weiterer Au scher Sprache veröffentlicht sein oder weı Mittheilung diese anderweit früher beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich dazu der Einwilligung der Gesammt betreffenden Classe, 77... 7 IS 8 BE 3. Auswärts werden Correeturen Verlangen verschickt. Die Verfasser verzi b ten damit auf Brsehaluies ihrer Auen HS a f R 9, har, ne Er Neben der vollständigen Ausgabe der D) berichte können bestimmte gg nschaftlic Mittheilungen auch abgesondert ‚in der werden, dass dieselben mit ‚Sondertitel un in den Buchhandel gebracht werden. Aa BIS a $ 1. Sr lichen Miichellungan« abgedruckten = geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem ber nschla; 2. Dem Verfasser steht frei, auf se gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von i zu unentgeltlicher eigener Vertheilung : Be per, sofern er hiervon rechtzeitig dem re d ters 1 See, r tar Anzeige gemacht hat. 2 N 5: s } N h 3 Er Den Bericht über jede einzelne Sitzung Secretar zusammen, welcher darin den vv Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über tion und den Druck der in dem gleichen Stü nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser | heisst er der redigirende Secretar. $ 29. x k 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des. geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte erantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die V ar ie” verantwortlich. } SITZUNGSBERICHTE . DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. xl. 27. Fegruar 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) 81. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. SED: 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichurig geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. S Aa. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. S 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- Jemie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe 88. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. SEE 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und init besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. 1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat. $ 5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte, Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $. 29. 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. ——eRs —— fe: 2 SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN \ ZU BERLIN. u XI. XI. 5. März 1896. Ba FE Tan a ae a na ns TEN BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. . IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) 81. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. $ 2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28, 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- ılemie oder der betrefienden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- "theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. $7 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe $ 8. 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. 8.9. 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. l. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird, 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. $ 5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. 8 29. l. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. ii ——— u ee. SITZUNGSBERICHTE t KÖNIGLICH PREUSSISCHEN £ : AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN i D | ZU BERLIN. B XIV. | 12. März 1896. BE I a ee De nd dd = BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER,. Octav re een u age jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine ‚durch den Band ‚olime Unterschied \ ’ A ist, AEG At e nat > Reine für die ;beri Stlearigen der Pilosophisch“ ha Nummern. er KB arte 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht er die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mi j theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten AS ne geschäftlichen Angelegenheiten. y 2. Darauf folgen die den _Sitzungsberichten über wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar. in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das tück gehört. el druckfertig übergebenen, dann die, welche in. in früheren ’ Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen ee rigen Stücken nicht erscheinen ‚konnten. ” BEN RE 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druck el riften 'wird vierteljährlich ausgegeben. en EDEN 1. Die zur Aufnahme in die Sitz | stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitz ng druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitg, ee sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermitte eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgli zu benutzen. 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Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf Geh £ A) a ee W PUR um u DE Nat nt “ler Hi een DE N A de n 35, Mr Yes N Zuct RAR Va ENTE Ra EL u ur 2 u. che Mittheilung darf“ in in kin alle v des betreffenden Stü kes ande „” ne | nach jeder | FE. STesTelster tere ee SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. XV. XV. 19. März 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. RER EN yaalS 98 Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die Monatsberiehite ds Knie ich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu _ erscheinen lei an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter n ander gelten. a a A N * 2 (Auszug aus dem | Replamenn für die Redaction Ay -Sitzungsberichte«.) Sl Nothwendiges beschränkt werden. Der Sat 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in TR | theilung wird erst begonnen, wenn die Stö Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach | Text einzuschaltenden Holzschnitte fert 3 Jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- besonders beizugebenden Tafe In voll jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit | Auflage ‚eingeliefert I NE iR, . fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal Beade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Noikmern. . Eine Hür die ee Veh \ liche Mittheilung darf i in keinem Falle v vor des. betreffenden Stückes ‚anderweitig, Bi sei ei SE auszugsweise oder auch ‚weiterer A scher ‚Sprache veröffentlicht sein oder werd er Verfasser \ einer aufgenomme; en v ssei Mittheilung Kalese- le ges 8.2.) 1. 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LE Y* £ , x wrG ae, “r “ RR N | le Ge h M SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. xXVvo. 26. März 1896. Derdrr ODOLSHER _ BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberiehte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«e zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte».) $ 1. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Beriehte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. g2 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. N 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. 1. Die zur Aufnalıme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8:6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 8,7 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur _ auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe S8 Ss . 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. SH 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und ınit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. 1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. $5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $ 29. 1. Der redigirende Secretar ist für den Inlialt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. —eea—— 5 AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN . ZU BERLIN. XVII. XIX. 9. Arnın 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1831 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction Be »Sitzungsberichte«.) $1. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ‚ausserdem eine durelh den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über ‘Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. Ss 2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über ‚die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten- geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. ‚druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- zigen Stücken nicht erscheinen konnten. ‘4. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. & 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ilrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- «lemie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. 87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betrefienden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe $ 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. $ 9. 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. gl. 1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschatt- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat. $5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $ 29. 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. ——o>—— terrasse ee SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. xX. 16. Arrın 1896. MIT TAFEL I vso I. ENTER BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. i v 5 Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königkehl Preussischen Akademie der Wissenschaten zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter ER folgende ee gelten. ' (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der Stzungeberihte ) Fo sl. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die simmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine dureh den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. / 8.2. l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten, SA. j 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften wird vierteljährlich ausgegeben. 5 28: 1. Die zur Aufnalıme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- Jdemie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzselinitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. "Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in ‚den Text nen Holzschnitte. fer tig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle BES Auflage eingeliefert ist.) 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Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzunge- berichte können bestimmte Kategorien. wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in. der Weise publicirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und | fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem URN, in “den Buchhandel; SEnEsehE werden. #r ‚E Pan 2 S 11. > EN hi 4 ‚1. Jeder Verhsar einer unter den BR lichen Mittheilungen» abgedruckten Arbeit. erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke ‚mit einem Umschlag, : auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, aufs seine Koneieee gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl: von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen x sofern er hiervon rechtzeitig. dem re digiren« den Seer e tar Anzeige gemacht hat. ) A: ddr TEN, N Pre g 5, ER DIR.) 220 s Den Bericht über ei einzelne Sitzung stellt. der Secretar zusammen, welcher darin den "Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redae- h tion und den Druck der in ‚dem gleichen Stück e schei- machaft Bi ut ER, ee nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in Bine heisst er der redigirende Seren Ra a 1. Der redigirende Betndanh ist für ‚den "Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. i SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. XXI XXu | 23. Arrın 1896. MIT TAFEL II. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. ER 2 L . BR, ur At af Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben a8 one ech Königlich Preussischen Akademie der sage zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende XL Bestimmungen gelten. Sr RENT RR: Rn 12,8 ö TEN Br. £' (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der N Bin 4 $1. Nothwendiges beschränkt. werden. er Be einer Mir 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- 'theilung wird erst begonnen, wenn er den Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach Text einzuschaltenden Holzschnitte fe ig s d jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- besonders ge Een kan er: jahr Sahöfigen: Stücke bilden vorläufig einen Band mit ‚ Auflage SSH ISCH are, fortlaufender Paginirung. 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Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften Mittheilungen auch abges on dem An. der We Esel Er j wird vierteljährlich Mn N | werden, Ser, dieselben” mit Sonderti ol u Be ’ $ 28. > ı Paginirung versehen und. mit beso jerem Verkn M | ei mDiergzu Aka) in die Sitzungsberichte Bin in den Buchhandel gebracht werd n. “ Bi S Su | stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung h : ni ” IM 3 Veoh R A | druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, r > $ | sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung | 1. Jeder Verfasser ei Er 1% ine isch: | eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erh 1 nen | zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- | geltlich fünfzig Sonderabdrücke. mit einem Umse lag, auf = dirender Mitglieder, welche direet “S der Gesammt- welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. or Re 1 akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten we yahe 4 vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- gleiche Sonderabdrücke bis z en | glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren zu unentgeltlicher eigener - Vertheilung abziehe | Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem | sofern er ‚hiervon rechtzeitig dem redigiren € | zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. tar Anzeige gemacht hat; N m | Unter allen Umständen hat & Gesammtakademie } Ce a % 4 oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die | RAN y akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. Du Den Bericht ‚über jede ‚einzelne R A Secretar zusammen, welcher d: in Vorsitz tz hatt \ $ 6. | Derxselbe Secretar führt die Oberaufsicht über ie Res - 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in | tion und den Druck der in ‚dem. gleichen Stück © Er Octav in der gewöhnlichen Sehrift der Sitzungsberichte nenden wissenschaftlichen oa in dieser Bm nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche | heisst er ‚der ‚redigirende Secretar. AR der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses IDAE/ a0, i 7 Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist | “ ‚$ BI N ee | nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- . Der redigirende Seeretar ist für nn t : ‚lemie oder der betreffenden Olasse statthaft. a Theils der Sitzungsberichte veranty ortlich. h | 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder 4 tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus | Richtung nur ‚die Mofa verantw itwortlich, EN | ' | « Ed b Vs u Er IR 1 M VRR ” 4 ———— a —— % a u RL Be u Sl; , g . Ä 5 ‚ DR SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. XXI. 30. Aprın 1896. SORB2B BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. | c- ae a Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 Babe & Honzkiherichte der ‚Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und ı an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus ei Eh für die Redaction der. Sitmungsberichte = ei Sul: $ 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- j jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - "metnrlacheni Classe ungerade Nummern. e $ 2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- | rigen Stücken nieht erscheinen konnten. ga. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ER SEREN $ 28. ’ l. Die zur Kuppe in die Sitzungsberichte. be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. k akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. $ 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte Abwesende Mitglieder, Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- des ‚betreffenden Stückes | auszugsweise oder auch in weiterer Aus _ der Verfasser einer aufgenommenen wisse Viss lichen. Mittheilungen« abgedruckten Arbeit e er hä ‚geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag tar Anzeige gemacht = > NH nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; Du, rei a es sind. Er > BRREN ; u EEE we; Be A Fu Re Satz. ‚einer er Mi Nothwendiges beschränkt. werden. 2 ae Aneicn ist, %r 2 h m IRr I En Eine. für ie Sezungsbeien bentiimmi wisse liehe Mittheilung ‚darf in keinem ‚Falle vor. ee abe anderweitig, sei es au führung, = scher ‚Sprache veröffentlicht sein. ‚oder werden. 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Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung Abwesende Mitglieder, druckfertig vorgelegt werden. sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ilırem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nielit angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitglielde zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnalıme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. S 6 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oetav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akalomier nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- ‚lemie oder der betreffenden Classe statthaft. t 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit. Einsendungen auswärtiger oder correspon- _ a a > 2 P) f} und es sind Nothwendiges beschränkt werden. Der RR einer au ‚beilung: wird erst begonnen, wenn die Stöcke der i in. besonders beizugebenden. Tafeln. die vol e_ erforderliche Beine eingeliefert un f Bet | Eine für die Siiaungeberichte besiimtnte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgab ‚des betreffenden Stückes ‚anderweitig, sei es ‚auch nu auszugsweise oder auch in weiten r Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht” sein’ ‘oder werden. “ . der Verfasser einer aufgenommenen "wissenschaftlichen. 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Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl‘ on zu unentgeltlicher eigener ' Vertheilung. abziehen E lassen, “ } sofern er hiervon rechtzeitig a igire age \ Penn tar Anzeige gemacht hat, 2 ei ER. RE $5. ® . ERREE, ER Den Bericht über jede einzelne si tzung. stellt ahnt Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz ‚hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Reılac- | tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar. en BR ul: Ri | E4 , RP h & h Nr ER Et DR | 1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen 'Theile derselben sind nach jeder tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Richtung nur die Verfasser verantwortlich, “4 ‘a ” a N r 2 e . E A I An RN NE > NRE A. PEST DA . 5 Br 1 Or r h , i “ SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. XXV. 21. Mar 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben r »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«e zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter ‚anderen folgend J Bestimmungen gelten. De (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der „Sitzungsberichte«) Ey $1. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. 8.2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über ‚ Jie in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Enkanmnben gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. | 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. 8 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberiehte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. S 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberiehte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- Jemie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus | Richtung nur die ‚Verfasser verantwortlich. ee) % Nothwendiges beschränkt et Der ‚Satz ‚einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und. besonders beizugebenden Tafeln Se volle erforderlich Auflage eingeli fert A Au PER F $ A ' 17) =, Be RT % es Re Er MR (4 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte ' chaft- "liche Mittheilung darf in ‚keinem Falle vor der Ausgabı ‚des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nu auszugsweise ‚oder auch in weiterer Ausführung , in deut- scher Sprache veröffentlicht : N ‚oder werden. ‘der Verfasser einer aufgenomm en wissense atlichen Mittheilung diese, anderweit inter zu von , verö 1 . beabsichtigt, als ihm dies gesetz] ich _ zusteht, dazu der Einwilligung der ge ‚ode betrefienden ‚Olasse a ren. R.. > ‘ $ RK Br. PR ee er N RE: RN ag 3. Auswärts werden ‚Correeturen nur auf = de res Verlangen veıschiekt. Die Verfasser verzichten N auf Erscheinen ihrer es nac 1. Neben der vollständigen De un Sitzungs- | berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher | l Mittheilungen auch abgesondert in der Weise public ‘werden, dass dieselben mit Sondertitel an fortlaufender Paginirung versehen und mit besondkegm 5 | in den Buchhandel gebracht werden. RR Br j 8 1. An K rs : er Da | Yu Jeder Verfasser einer unter den senscha; lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit ende man | geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschl: chl: Haie welchem der Titel der Arbeit wiederholt v wird. 2. Dem Verfasser steht frei, aut achne Kon ri gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihunde, zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig. demred ligire: ‚der tar Anzeige gemacht hat. h N Bd RT Den Bericht über jede einzelne Siung welt de Secretar zusammen, welcher darin d este hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht üb er die tion und den Druck der in dem ‚gleichen ick erschei! nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eier heisst er der redigirende ee EN B Mi $ 29 j Bu 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. ” \ Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder | f ’ı \ > u - ee SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN » -XXVIL XXVII. 4. Junı 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. | IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissensebafsch. zu erscheinen aufgehört, an deren Stelle »Sitzungsberichttes getreten, für welche unter a anderen tolgenal Bestimmüngen gelten. ö RES Br (Auszug aus dem Reglement für die Redaetion der. „Sitzungaberichte) af es N $ı. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- | jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine dureli den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - ZulBrareN Classe ungerade Nummern. 82. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. t 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen’ Sitzung, druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Selıriften ordnungsmässig zu beschliessen. 86. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Text einzuschaltenden Holzschnitte fe fertig sind und. vo liehe Mittheilung darf i in keinem Falle vor des betreffenden Stückes ‚anderweiti 7 dazu der Einwilligung der Gesammtakndemie BR. ler betreffenden Classe N: An: 8,0 x Er EN und es ‚sind Nothwendiges. beschränkt ee Satz einer Mit- teilung wird erst : begonnen, wenn. die Stöcke der in den besonders _ beizugebenden“ Tafeln“ die = n Auflage eingeliefert ist. EIN a0 7, u BT Eine für die Sitzungsberichte bestimmte } ee f Big he auszugsweise ‚oder auch in weiterer Ausführung , in deur- scher Sprache veröffentlicht sein | oder werden "Went ‚der Verfasser einer aufgenommenen ra en Mittheilung diese anderweit früher. zu veröff Bentlic) hen heabstohligt,; als ihm dies gesetzlich zusteht, Beine 8. Doschihe werden Correeturen nur anf an Verlangen verschiekt. Die Verfasser verzi auf Erscheinen ‚ihrer a a Aue BER r 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Se beriehte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem SR preis r} in den Buchhandel Beh werden. ; Be u ER AN: u. i ae Br: gr Zu lichen D Miedeilungen. ae Arbeit erhält m unen! ; geltlich fünfzig. Sonderabdrücke mit einem Umschl: au ae der Titel der Arbeit wiederholt ‚wird. Br i . Dem Verfasser ‚steht frei, auf ‘seine Kosten i A Sonderabdrücke bis zur Zahl. von noch ı zweihunder zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu nackt 5 sofern er hiervon rechtzeitig dem r edigirenden Score ? tar Anzeige gemacht hat. ar Wer % a Su EA ) 5. . u Ki Den Bericht über Ten ‚einzelne Stang ll de 5 Secretar zusammen, welcher «darin den V orsitz ‚atte. } Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über lie Re tion und den Druck der in ‚dem gleichen $ Stück erachelz nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; ; in onen, see heisst er der redigirende Seeretar. | $29. ‚1, Der Tedigirende Seeretar ist für EN Inbalı a des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. : Für alle übrigen Theile derselben sind nach u; Richtung nur die Verfasser verantwortlich. IS ETTETLTLSSLTEr er eerele rare re rlereterslerztereterzterzterzlert SITZUNGSBERICHTE 5 KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN "ZU BERLIN. 11. Juwı 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. ralereleretereterelerelerelereterelereleral] Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1381.haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. u ns ae S (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) Sa 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- Oetav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit Auflage eingeliefert ist. | fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten $7 . ausserdem eine dureliı den Band ohne Unterschied der Kine Ear-die Sitinschechtätheite < na Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- lich « Mittheilune darf. Hi er 9% Falle vor ra = j nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- das Betreffenden Bel Mn Se VE kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über ex Sen I len SUB, Eh auch Dr Ä Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade BUSZUENWEIREN oder BER a! Ausführung, in deut- ı Namen! scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn 8.2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- tigen Stücken nicht erscheinen konnten. Sa. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckselimiften wird vierteljährlich ausgegeben. g 28. 1. Die zur Aufnalıme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nielitmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder dureli ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. 8 6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betrefienden Classe statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe $ 8. 3. Auswärts ‘werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. SER 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publicirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und it besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. 1. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschatt- liehen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig demredigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat. $ 5. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher Jarin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $ 29. 1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich, Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. ee [———————— = SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN # AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 18. Junı 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Anzeige. Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten. (Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.) $.1. 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- Jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern. S 2. 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gelıö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. Sa. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28. 1. Die zur Aufnalıme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nielitmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durelı ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die Gesammtakalemie oder die Classe die Aufnalıme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen, 8.6. 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mitteilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- lemie oder der betreffenden Olasse statthaft. 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist. Se Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe S 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen. 8.9: l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden. $ 11. 1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruekten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. Sun. Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar. $ 29. l. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsherichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. TS — — SITZUNGSBERICHTE DER _ KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. XXX 95. Junı 1896. BERLIN 1896. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. | \ 037 50 Anzeige. TR, et 4 u pi a ’ h “ % 1: E Ir za F 4 ER ) Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben Er MongehePrhta: der! Kö öniglich Preussischen Akademie der Wissensohaften zu erscheinen aufgehört, und es sind } an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter Feen folgende 1] Bestimmungen gelten. % ae (Auszug aus dem Re für die Redaction der ötrungsbrchen) “ ö ? $1. EN aLEe Nothwendiges beschränkt werden. Der Ente na 4 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke. der in den 4 Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach Text einzuschaltenden Holzschnitte. en, und. von jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- | besonders ‚beizugebenden Tafeln un vol ee Ierliche ge jahr gehörigen” ‚Stücke bilden vorläufig einen Band mit Auflage se: = Fr ar Br ge fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten | x: ck IR = Be? Bi k | ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der ’ Y aa Be Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- | lie Be Sag Te te wiss Epr mede nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- | GR RAR EN ER e vor ER ER kalisch-mathematischen Classe allemal gerade, die über los des betreffenden Stüc ER SErReings sei es A 2 ur Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade a ‚oder Ban, 3 eite rer "Ausführung € g, in rt) Nommıarn. F Pr )) seher Sprache veröffent icht ‚sein ei 4 SER | der Verfasser einer & genommenen Nun 1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über, Mittheilung diese „ anderweit ‚früher en die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung Bereneen dazu der Biere der Gesammtakadem geschäftlichen Angelegenheiten. Ds _ betreflenden Clas: et 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- |, } KR r Ka wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar indr | 3. A ee aue-au beso es > Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. Verlangen verschickt, 2 Die Verfasser verz ichten ami Zn druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren | auf Erscheinen ihrer H ach ar rs Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen Er: 7 el ; STR LRE n Kin ; EN rigen Stücken nicht erscheinen konnten. Be 15 EEE I Be RN ANA SLR, Ba N NSTER IC: Er Neben der vollständigen. DER der Sit berichte können bestimmte Kategorien. wissenschaftli ice : _ Mittheilungen auch abgesondert i in. ‚der ee Re \ e | werden, dass dieselben mit Sondertitel r 828. EN | Paginirung versehen und. mit besonderem \ 1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- | in den ed 1 EAheaeha yceRilg % a : 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. wird vierteljährlich ausgegeben. - ir stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung Z a #; druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, RUHR 2 an san Fr | sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung | 1. Jeder Verfasser einer unter den »\ ft- eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit e ent- zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- geltlich. fünfzig Sonderabdrücke mit einem an dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- welchem der Titel der Arbeit wie erholt 3% akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der 2. Dem Verfasser steht frei, auf ne gr vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- gleiche Sondershärtiäke bie. enden von Be glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. Unter allen Umständen hat die 'Gesammtakademie ul: AN N SHARE, | oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die Me, $, Bert Be ET | akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen. le). 77 Den Bericht über jede einzel Sieng i = | Seeretar zusammen, welcher darin den Vo } IR | RE, 1 Derselbe Secretar führt ‚die Oberaufsicht we x de Mel 2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in tion und den Druck der in dem gleichen $ Stück er Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nenden wissenschaftlichen . a in dieser nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche heisst er der redigirende ‚Seeretar. Kae, der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses _ \ ” BE e) Ak Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist BINWELERE . 29. ey Be ER nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- | 1. Der tedigirende‘ RER ie für den 4 demie oder der betreffenden Classe statthaft. } geschäftlichen Theils der Sitzungsherichte a jehe- » 3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder 3 tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus | Richtung nur die Verfasser ET Bl VERZEICHNISS DER »WISSENSCHAFTLICHEN MITTHEILUNGEN« zu St. XXX. Seite Frogeniüs: Über Beziehungen zwischen den Primidealen eines algebraischen Körpers und den Sub- stitutionen seiner Gruppe . . -: SE SEN 7 UT RS SE ll >) Daur: Die Verbreitung der Thiere auf AR RR E na 1 ARE EN ET A Gr a EEE IRRE ERZEOUN DUL LOSE VAREL BEE RR TAT TE TE ERENTO Vauten: Über Ennius und Lueretius . . . E27 Adresse an Lord Kervıy zu seinem fünfzigjährie igen Bo habilzeiie RN A A A ER) ABHANDLUNGEN DER AKADEMIE aus den Jahren 1894, 1895, 1896. ENGLER: Über die Gliederung der Vegetation Usambaras und der angrenzenden Gebiete . . . M. 3.50 Dünsrer: Über Leben und Schriften des Mönches Theoderieh (von Amorbach) . . 2.2... 2— Schurze: Hexactinelliden des Indischen Oceans. I. Die Hyalonematiden . . . . ep!) Danuszs: Die Plesiosaurier der süddeutschen Liasformation . 2» 2. 2 2 2 2 m m m nn nn m Bi Vıircnow: Über die culturgeschichtliche Stellung des Kaukasus . . .» 2 2 22.2.2202...” 6,50 SacHAu: Skizze des Eellichi-Dialekts von Mosul . . „2.2. 0 nn 2 mn em DL Schurze: Hexactinelliden des indischen Oceans. II. Die Hexasterophora . » » 2 .2.2.2.2..»..950 Wennorn: Zur Geschichte des heidnischen Ritus . . 2... u nn ee SCHEINER und Hırayama: Photographische Aufnahmen Fraunhofer’scher en a ef. Heysoxs: Die Segmentirung des Insectenkörpers . . on 2— KarsreeiscH: Die Nenplatonische, fälschlich dem Galen ee Schrift pös Tas aupov mepl DUNGISBEANALYONEHEE TO. ERIDUER Fake ale ee a ee ne 1 ee Sıess: Westfriesische Studien. . . DNS REN a ka END tee Manrcr OL ANZEIGE. I FE N Seit dem 1. Januar 1882 gibt die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin wöchentliche »Sitzungsberichte« heraus. Die dafür geltenden Berunununeh finden sich im Aus- | zuge auf der zweiten Seite dieses Umschlages abgedruckt. } Um dem mathematisch - naturwissenschaftlichen Leserkreise den ihn näher Ankara Theil des Stoffes der »Sitzungsberichte« in bequemerer Form darzubieten, wird ein Auszug aus diesen Berichten unter dem Titel: | vr MATHEMATISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE MITTHEILUNGEN | 1 1 | AUS DEN SITZUNGSBERICHTEN DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN herausgegeben. Diese Sonderausgabe enthält sämmtliche Arbeiten aus dem Gebiet der reinen Mathematik wie aus dem der theoretischen, experimentellen und beobachtenden Naturwissenschaften in vollständigem Abdruck, welche in Sitzungen der Akademie von deren Mitgliedern oder ihr fremden Verfassern mitgetheilt in die »Sitzungsberichte« aufgenommen wurden. Auch demselben Gebiet angehörige geschäftliche‘ Berichte, Preis- - Aufgaben und -Ertheilungen, Adressen, Reden und dergl. mehr, finden darin Platz. Die »Mittheilungen« erscheinen bis auf weiteres in Monats- ; heften, welche jährlich einen Band ausmachen. Das zu einem Monat gehörige Stück wird in der | Regel am zweiten Donnerstag des folgenden Monats ausgegeben. Ri Die Akademie versendet ihre »Sitzungsberichte« oder die »Mathematischen und Naturwissenschaftlichen Mittheilungen« an diejenigen Stellen, mit denen sie im Schriftverkehr steht, wofern nicht im besonderen Falle anderes vereinbart wird, jährlich drei Mal, nämlich: j “ die Stücke von Januar bis April in der ersten Hälfte des Monats Mai, / Ba en » Mai bis Juli in der ersten Hälfte des Monats August, l Sen » October bis December zu Anfang des nächsten Jahres ou nach Fertigstellung | des Registers. Diejenigen Empfänger, welchen Theile des Jahrgangs 1895 nicht En sein sollten, werden ersucht, hiervon baldigst bei der Akademie Anzeige zu, machen, da eine Berücksichtigung etwaiger Reclamationen nur in Aussicht gestellt werden kann, wenn dieselben spätestens bis zum Ende des Jahres 1896 a werden. Wegen des buchhändlerischen Bezuges der »Sitzungsberichte« u. s. w. siehe unten. 2 an > I Zn x \ - " r me . W BE a Fu zizh unse ne De Ze a ea ee en 3 In Commission bei Geore Reiner in Berlin erscheinen in wöchentlichen Stücken: SITZUNGSBERICHTE . DER “ KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. \ gr. 8. Geheftet. Preis des Jahrgangs 12.M. i Getrennt von denselben erscheinen ausserdem, ebenda in Commission, in Monatsheften: = B MATHEMATISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE MITTHEILUNGEN BE AUS DEN SITZUNGSBERICHTEN DER Araee KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Dr x ZU BERLIN. \ gr. 8. Geheftet. Preis des Jahrganges 8 M. i 4280 PN Rh | | N rin “4 | | h INIENUNNNNNIUUNN 3 9088 01298 9463