ed end a an a haweang US ER Mr ET + Au en ac A, " mn, I (02 ' j } | \ I 1 \ ) ' ] i I N r { | IE) \ 47 IKEA RN | f Auen a N i [/ N Me } Al N ' vn 1 Ye j N f HR \ vis I N A N TA SON ZN al [N | AN TTNAENAR HN ' M | Ha ) Alm MONK IHK IE N nu | N {) II an. R A Y N iu | [HD HAN AN at SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. JAHRGANG 1908. ERSTER HALBBAND. JANUAR BIS JUNI. STUCK I—XXXI MIT NEUN TAFELN UND DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER AM 1. JANUAR 1908. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 41964 — N RR SA er A a FE PNEISIEER Seite Verzeichniss der Mitglieder am 1. Januar 1908 . . . . eg I Nersst: Zur Theorie der galvanischen Polarisation; Anwendung zur Sehne He Reiz- wirkungen elektrischer Ströme . . . a a ee De 3 Meyer: Das erste Auftreten der Arier in der (Beechichee, ee © Er td 1. Rosentnau: Zerlegung hochcomplieirter chemischer Verbindungen im Eeheankendenn magne- tischen Kraftfeld. . . . . u: 5 5 ee 20 Diers: Der Schlüssel des Artemistampels zu nee (hieraa Taf. D. ee 27 Rusxer: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer des Menschen und einiger Säuge- thiere vom energetischen Standpunkte aus betrachtet . » » 2 2 2 2 2 2.2....82 H. Poroxıe: Über recente allochthone Humusbildungen. . . AS Koser: Über eine ungedruckte Ode Friedrich’s des Grossen von 1742, eeroruag en! Jahresbericht über die Sammlung der griechischen Inschriften . » . 2 2 22.2... 81 Jahresbericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften . . . m ep: Jahresbericht über die Prosopographie der römischen Kaiserzeit (1.—3. Jahrhundert) et! Jahresbericht über den Index rei militaris imperii Romani . ». . 2 2 2 2 22.0.0085 Jahresbericht über die Aristoteles- Commentare . . a ea ler 28D Jahresbericht über die Politische Correspondenz Parmpnicn! s dee Erosion Se EEE 1.8 Jahresbericht über die Griechischen Münzwerke . © 2 2 2 2 2 2 2 2 2 22 2..86 Jahresbericht über die Acta Borussia . . 5 Pa N NE ENT Jahresbericht über die Ausgabe der Werke von ee ee N a et ubresberichtnuberzdiesKAnn-Ausgabe, 2 00 0000 ent Jahresbericht über die Ausgabe des Ibn Saad. . . . . a A ea Meiste, Jahresbericht über das Wörterbuch der aegyptischen act SER SE Bälmesbernichtmüberstdasw Eher ea a9 Jahresbericht über das »Pflanzenreich» . . . ee se N, Jahresbericht über die Geschichte des Bieeteenhramelu RE N N Jahresbericht über die Ausgabe der Werke Wırners von Humsormmrs . . 22... 9 Jahresbericht über die Interakademische Leienız-Ausgabe. . » 2 2 2 2 2 22.92 Jahresbericht über das Corpus medieorum Graecorum . » 2 2 2 2 2 2 nn. Jahresbericht der Deutschen Comniission. . . N en Fe ... 96 Jahresbericht über die Forschungen zur er ehichte der neuhuchdentchen SeHnesprache = 105 nimESberichigde ak uNtEorDn Stun nr 110% EIpSbenichtgder SAvIGnva Stun are ee een ee 20 Jahresbericht der Borr-Stiftung . . ee (0) Jahresbericht der Hersann und Erıse N wi ENTZEL- kung u I ((, Jahresbericht der Kirchenväter- Commission . . 5 oh Jahresbericht der Commission für das Wörterbuch er dankschen eache) 9,112 Jahresbericht der Akademischen Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin . . . 2... .. 115 Übersicht der Bensunalveranderungengen en a en ee ee Inhalt. Scnorixy: Über Beziehungen zwischen veränderlichen Grössen, die auf gegebene Gebiete beschränkt sind. Zweite Mittheilung. . . ö E 6 5 Fıscner und F. Wrepe: Über die Bestimmung der Verbrennungewaune een ve bindungen mit Benutzung des Platinwiderstandsthermometers Warzurs und G. LerrnÄuser: Über die Analyse der Stickoxyde durch ihre Ansorpnee speetra im Ultraroth . . . » eh et kn ae, Br ee ee H. Poroxır: Eine Classification der Kaustobiolithe Eon 0.-0 0 0 O. Scnurrze: Zur Histogenese des Nervensystems . . . 38 E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Ohsnesisch Tarkistan (hier Taf. II) E. Rascn: Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Körpern . . . ... W.Gorsan: Zur Entstehung des Gagats : Penex: Der Drakensberg und der Quathlambabruch.. : Branca: Vorläufiger Bericht über die Ergebnisse der Trinil- "Expedition se Atndenizeiieh Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin ne Rusens und E. Lavengung: Das Reflexionsvermögen de RER Koser: Aus der Vorgeschichte der ersten Theilung Polens Munk: Über die Funetionen des Kleinhirns. Dritte Mittheilung (Schluss) von Wıramowırz-MoELLENDoRFF: Pindar’s siebentes nemeisches Gedicht . . . . . . Lanporr: Untersuchungen über die fraglichen Änderungen des Gesammtgewichtes cheniseh sich umsetzender Körper. Dritte Mittheilung . Branca: Nachtrag zur Embryonenfrage bei Iechthyosaurus A. vox Le Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut- Schahri en Tat. 1m Scnuzze. F.E.: Die Lungen des africanischen Strausses (hierzu Taf. IV) van’r Horr: Untersuchungen über die Bildung der oceanischen Salzablagerungen. (Schluss.) LI. Der Verband für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalz- lagerstätten R PıscHer: Ins Gras beissen - NG Fropenıus: Über Matrizen aus ol Flementen. re er ehe N Hannack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5 Hernmerr: Trigonometrische Höhenmessung und Rekrachonsrosiknenen in nr Nähe des Meeresspiegels NE Koser: Jahresbericht über die babe der Mens Conaae hiakcerea See Adresse an Hrn. Anorr vox BaEyEr zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum am 4. Mai 1908 . A. Euckex: Über den Verlauf der galvanischen Polarisation durch Condensatorentladung; Anwendung auf die Nervenreizung Fıscuer: Synthese von Polypeptiden. . . . ; RER; -J. Stark: Über die Spectra des Sauerstofts (Doprtane Effect bei Katalseanlen © J. Stark und W. Sızvsiıse: Über die spectrale Intensitätsvertheilung der Kanalstrahlen in Wasserstoff ee Scnuzze, F.E.: Zur Anatomie der Cetsceenlungs (hierzu Taf.V) . . Warpeyer: Die Magenstrasse BR: Senurze. W.: Wortbrechung in den een enden va.‘ o M. Werisann: Pseudodemocritea Vaticana . 5 en Prasck: Über die kanonische Zustandsgleichung Eon ee Erste Mittheilung. Meyer: Die Bedeutung der Erschliessung des alten Orients für die geschichtliche Methode und für die Anfänge der menschlichen Geschichte Iiherhau pt ver I. Scnur: Über die Darstellung der er Gruppe durch lineare homogene Substitutionen. . . ae G. Mörrter: Bericht über die Aufnahme ar hieroglyphlachen, mi) een Felsen- inschriften im Alabasterbruch von Hatnub in Mittelaegypten. . . . . SE Kexure vox Sıranosirz: Die Geburt der Helena aus dem Ei (hierzu Taf. vIaRX). 679 691 N Si lz72leT=1-72IT- ET T=ISTelSTelerelsTelerelerelereleTSeT=lerzierSler=lor=jerzJeTJETSlSTelSTJSTJST=JST=lerSlerelSTSlSTelSTelere in} 5 1908. | I. SITZUNGSBERICHTE c DER 4 KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesanmtsitzung am 9. Januar. (S. 1) Nernst: Zur Theorie der galvanischen Polarisation; Anwendung zur Berechnung der Reizwir- kungen elektrischer Ströme. (S. 3) Meyer: ‚Das erste Auftreten der Arier in der Geschichte. (S. 14) J. Rosentaan: Zerlegung hochcomplieirter chemischer Verbindungen im schwankenden magneti- schen Kraftfeld. (S. 20) Diers: Der Schlüssel des Artemistempels zu Lusoi (hierzu Taf. I). (S. 27) MIT TAEEL 1. MIT DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE AM 1. JANUAR 1908. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Ä sJ | ie 4 HSONIAN DEN; nn Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das.druckfertige Manuseript zugleich einzuliefernist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheiluug soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde,. so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. ga. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u.s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel «lie Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazueine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $ 5.7 Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Seoretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $6, ; i Die an die Druckereiabzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser _ seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. i Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die | Verfasser. Fremde haben diese erste Gr an das | vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern ' und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfä ingliche ' Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- | girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehı- kosten verpflichtet. | Aus 88. | Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftliehen Mittheilungen , ‚Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden, Von Gedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn. die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. x 89. Von den Sonderabdrucken aus den Siisungeb erteilen erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akaderse ist, ; > zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- & enlares er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke : auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigierenden Seeretar an- q gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr X: Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- z exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem s redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare” auf ihre R Kosten abziehen lassen. RR Von den Sonderabdrucken aus ‚den Abhandlungen De hält ein Verfasser, welcher Mitglied der . Akademie TR ‘zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 'rei- 3: exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem: Zwecke auf Kosten der Akademie weitere "Exemplare. bis zur "Zahl J ' von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis | zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, | . sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr "Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu ax der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem | | | e t En redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihr Kosten abziehen lassen. nn ie $ 17. er Eine für die See een Schriften ber stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe anjener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) . 5% 1 RE VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 1. JANUAR 1908. I. BESTÄNDIGE SECRETARE. Gewählt von der Hr. Auwers phys.-math. Classe . - Wahlen . phil.-hist. - - Dies . . phil. -hist. - - Waldeyer . phys.-math. - I. ORDENTLICHE MITGLIEDER. Physikalisch-mathematische Classe Philosophisch-historische Classe Hr. Adolf Kirchhoff Hr. Arthur Auwers . Be RE", - Johannes Vahlen . - Eberhard Schrader - Alexander Conze . - Simon Schwendener - Hermann Munk . NEN - Adolf Tobler - Hermann Diels - Hans Landolt - Wilhelm Waldeyer . ee - Heinrich Brunner . - Franz Eilhard Schulze a - Otto Hirschfeld - Eduard Sachau - Gustav Schmoller . - Wilhelm Diüthey . - Karl Möbius . VE - Adolf Engler OB AN - Adolf Harnack - Hermann Amandus Schwarz Mes Datum der Königlichen Bestätigung 1878 April 10. 1893 April 5. 1895 Nov. 27. 1896 Jan. 20. Datum der Königlichen Bestätigung — 1860 März 7. 1866 Aug. 18. 1874 Dee. 16. 1875 Juni 14. 1877 April 23. 1879 Juli 13. 1880 März 10. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1884 Febr. 18. 1884 April 9. 1884 Juni 21. 1885 März 9. 1887 Jan. 24. 1887 Jan. 24: 1887: Jan. 24. 1888 April 30. 1890 Jan. 29. 1890 Febr. 10. 1892 Dee. 19. 1 Physikalisch - mathematische Classe ". Georg Frobenius Emil Fischer Oskar Hertwig . Max Planck . Emil Warburg Jakob Heinrich van’t Hoff Theodor Wilhelm Engelmann . Wilhelm Branca Robert Helmert . m Philosophisch -historische Classe oo Hr. Karl Stumpf . - Erich Schmidt . - Adolf Erman . - Reinhold Koser - Max Lenz . donitz a - Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff . Heinrich Müller-Breslau . Friedrich Schottky . Robert Koch . Hermann Struve - Heinrich Zimmer . - Heinrich Dressel . - Konrad Burdach . - Richard Pischel - Gustav Roethe . - Dietrich Schäfer - Eduard Meyer . - Wilhelm Schulze - Alois Brandl Hermann Zimmermann Adolf Martens Walther Nernst . Max Rubner . Johannes Orth Albrecht Penck Heinrich Rubens - Friedrich Müller . - Andreas Heusler . (Die Adressen der Mitglieder s. S. IX.) - Reinhard Kekule von Stra- Datum der Königlichen Bestätigung — 1893 Jan. 14. 1893 Febr. 6. 1893 April 17. 1894 Juni 11. 1895 Febr. 18. 1895 Febr. 18. 1895 Febr. 18. 1895 Aug. 13. 1896 Febr. 26. 1896 Juli 12. 1896 Dec. 14. 1898 Febr. 14. 1898 Juni 9. 1899 Aug. 2. 1899 Dec. 18. 1900 Jan. 31. 1901 Jan. 14. 1902 Jan. 13. 1902 Mai 9. 1902 Mai 9. 1902 Juli 13. 1903 Jan. 5. 1903 Jan. 5. 1903 Aug. 4. 1903 Aug. 4. 1903 Nov. 16. 1904 April 3. 1904 Juni 1. 1904 Aug. 29. 1904 Aug. 29. 1904 Aug. 29. 1905 Nov. 24. 1906 Dec. 2. 1906 Dec. 2. 1906 Dec. 2. 1906 Dec. 24. 1907 Aug. 8. 1907 Aug. 8 II. AUSWÄRTIGE MITGLIEDER. Physikalisch- mathematische Classe Philosophisch -historische Classe De Hr. Eduard Zeller in Stuttgart - Theodor Nöldeke in Strass- burg - Friedrich Trhosf: Dh in Winterthur . - Theodor von Sickel in en - Pasquale Villari in Florenz . - Franz Bücheler in Bonn Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W.. - Eduard Swess in Wien - Eduard Pflüger in Bonn RT a Ehe: Rochus Frhr. von Lilieneron in Schleswig - Hr. Leopold Delisle in Paris ; Sir Joseph Dalton Hooker in Sunningdale F Hr. Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand - Adolf von Baeyer in München IV. EHRENMITGLIEDER. Earl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, Le Hr. Max Lehmann in Göttingen eh ; - Friedrich Kohlrausch in Marbure : Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Borlin Hr. Friedrich Althoff in Steglitz . : - Richard Schöne in Berlin Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in Bern Hr. Konrad von Studt in Berlin - Andrew Dickson White in Ithaca, N. S III Datum der Königlichen Bestätigung —— 1895 Jan. 14. 1900 März 5. 1901 Jan. 14. 1902 Nov. 16. 1904 Mai 29. 1904 Oet. 17. 1905 Aug. 12. Datum der Königlichen Bestätigung 1883 Juli 30. 1887 Jan. 24. 1895 Aug. 13. 1900 März 5. 1900 März 1900 März 1900 März 1900 März 1 1900 Dee. 1 vg Hr. V. CORRESPONDIRENDE MITGLIEDER. Physikalisch-mathematische Classe. Alexander Agassiz in Cambridge, Mass. Henri Becquerel in Paris Ernst Wilhelm Benecke ın Sue Eduard van Beneden in Lüttich . Oskar Brefeld in Charlottenburg . Heinrich Bruns in Leipzig . Otto Bütschli in Heidelberg Stanislao Cannizzaro in Rom Karl Chun in Leipzig Gaston Darboux in Paris : Richard Dedekind in Braunschweig . Nils Christofer Duner in Upsala Ernst Ehlers in Göttingen . Rudolf Fittig in Strassburg Max Fürbringer in Heidelberg Albert Gaudry in Paris . Archibald Geikie ın London . Woleott Gibbs in Newport, R.]1. . David Gill in London . Paul Gordan in Erlangen Karl Graebe in Frankfurt a.M. Ludwig von Graf in Graz . Gottlieb Haberlandt in Graz . Julius Hann in Wien Vietor Hensen in Kiel Richard Hertwig in München . William Huggins in London . Adolf von Koenen in Göttingen Leo Koenigsberger in Heidelberg . Henry Le Chatelier in Paris Michel Levy in Paris. Franz von Leydig in Bockenbes 0. a T.. Gabriel Lippmann in Paris BR Hendrik Antoon Lorentz in Leiden Hubert Ludwig in Bonn. Datum der Wahl 1895 1904 1900 1887 1899 1906 1897 1888 1900 1897 1880 1900 1897 1896 1900 1900 1889 1885 1890 1900 1907 1900 1899 1889 1898 1898 1895 1904 1893 1905 1898 1887 1900 1905 1898 Juli Febr. Febr. Nov. Jan. Jan. März Dee. Jan. Febr. März Febr. Jan. Oct. Febr. Febr. Febr. : Jan. Juni Febr. Juni Febr. Juni Febr. ? Febr. April Dec. Mai Mai Dee. Juli Jan. Febr. Mai Juli 18. 18. Sir Physikalisch-mathematische Classe. . Eleuthere Mascart in Paris . Franz Mertens in Wien . Henrik Mohn in Christiania Alfred Gabriel Nathorst in Stoc rein Karl Neumann in Leipzig : Georg von Neumayer in Nensiadt a. Ba asdti. Simon Newcomb in Washington . Max Noether ın Erlangen u Wilhelm Ostwald ın Eros ächen Kar Sachsen Wilhelm Pfeffer in Leipzig . Emile Picard in Paris ; Edward Charles Pickering in Ceperdpe, ae ; Henri Poincare in Paris . Georg Quincke in Heidelberg . Ludwig Radlkofer in München William Ramsay in London Lord Rayleigh in Witham, Essex . Hr. Friedrich von Recklinghausen ın Sarg Gustaf Retzius in Stockholm Wilhelm Konrad Röntgen in München Heinrich Rosenbusch in Heidelberg Georg Ossian Sars in Christiania Friedrich Schmidt in St. Petersburg . Hugo von Seeliger in München Hermann Graf zu Solms- Laubach in Strassburg . Hr. Johann Wilhelm Spengel in Giessen . Eduard Strasburger in Bonn Johannes Strüver in Rom Julius Thomsen in Kopenhagen August Toepler in Dresden . Melchior Treub in Buitenzorg . Gustav Tschermak in Wien. William Turner in Edinburg . Woldemar Voigt in Göttingen . Karl von Voit in München . Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam Otto Wallach in Göttingen . Eugenius Warming in Kopenhagen Heinrich Weber in Strassburg . August Weismann in Freiburg i. B. . Julius Wiesner in Wien . Adolf Wüllner in Aachen Ferdinand Zirkel in Leipzig Datum der Wahl 1895 1900 1900 1900 1893 1896 1883 1896 1905 1889 1898 1906 1896 1879 1900 1896 1896 1885 1893 1896 1857 1898 1900 1906 1899 1900 1889 1900 1900 1879 1900 1881 1898 1900 1898 1900 1907 1899 1896 1897 1899 1889 1887 Juli Febr. Febr. Febr. Mai Febr. : Juni Jan. Jan. Dee. Fehr. : Jan Jan. März Febr. Oct. Oct. Febr. 2 Juni März Oct. Febr. Febr. Jan. Juni Jan. Dee. Febr. Febr. März Febr. März März März Febr. Febr. Juni Jan. Jan. März Juni März Oct. 18. 22. 22. VI Philosophisch-historische Classe. ee ——— Hr. Wilhelm Ahlwardt in Greifswald . - - : » 2..2.2...1888 Febr. 2. =# “Karl von Amsıra in München - .- .. 7... 22% 7575190043 Jan8218% - Ernst Immanuel Bekker in Heidelberg . . . . . . . 1897 Juli 29. - Friedrich von Bezold in Bonn. -. . . : 2 2.2. ...1907 Febr. 14. - Eugen Bormann in Wien . . en ea. Zu - „James Henry Breasted in Char A ee OT = Ingram Byywaler-in Oxford - . - = . . Pri.0 0.771887 Novi - Rene Cagnat in Paris. . - - re. 1 ETIOAON See - Arthur Chuquet in Villemomble (Seine). FE Er IIOTFREepr IT A Tous: Duchesnem Rom. . . 2 002 ATS IST = Benno‘ Erdmann-ın’ Bonn . „u 2.2.2282 „aan I0eTaree - eg BEariing in Strassburg . -» - : .7 20. 22. 2.1907 Jun 13. - Paul Foucart in Parıs . . er A il - Ludwig Friedländer in Sach RE denk 1er - Theodor Gomperz in Wien. . . TE ERS OCTd - Francis Llewellyn Griffith in Bd ll) Alain E - Gustav Gröber ın Strassburg - . : 0.0... 22%. 1900 Tann: - Ignazio Guidi in Rom . . nr INTER - Georgios N. Hatz dakis in Athen en äinie 0:- = Albert Hauck in\.eipieg . » . 202 20% DIS - Bermard Haussoullier in Paris. : : : : : 2 2 2... 19077 Ma 7 72 - Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen . . . . . . . 1896 März 12. - Karl Theodor von Heigel in München . . . . . ..... 1904 Noy. 3. - Max Heinze in Leipzig . . N is. - Antoine Heron de Villefosse in Paris ee SI SMHebr = Ton Heuzeyın Paris = 2 2 2m. Zur. 2 ei AORTA - Edvard Holm in Kopenhagen . . . . 2... ... 1904 Nov. 3. = />-Thöophsle‘ Homolle in Pas’: 2: 22... WI EIEHBSTENova - Christian Hülsen n-Rom- » = > 2... 2". 2 2» 1907 Mai 02: - Vatroslav Jagie n Wien. . . tete ae MLESUFDEEEEIN: - William James in Cambridge, ae er aka ie - Karl Theodor von Inama-Sternegg in Innsbruck = nr 1900: = Adolf Jühcher in Marburg ; „0:72 5° „a an. ie SA I0BE NE - Karl Justi in Bonn . . SEE TE SI3ENDFERNE - Panagiotis Kabbadias in Athen. NEN ABEN ISERNo ve? - Frederie George Kenyon in London . . . . . . . .. 1900 Jan. 18. - Franz KRielhorn in Göttingen -. - = © #222... 1880 Dec. 16. - Georg Friedrich Knapp in Strassburg . . . . . . . 1893 Dec. 14. - Basü Latyschew in St. Petersburg . . . » ». . . .. 1891 Juni 4. = Friedrich Leo ın Göttingen‘ » = „meer 7791906 Nov - August Leskien in Leipzig . -. - » » 2 2... .. 1900 Jan. 18. - “Hanse Devasseur in Paris . - 3 2.2.0 % 2. 1900 Tamzsriss - Friedrich Loofs in Halle a.S.. 2 x » „un 2 2- 1WE Non. - Giacomo Lumbroso in Viareggio. » » = = 2... 1874 Nor. 12. Philosophisch-historische Classe. Hr. Arnold Luschin von Ebengreuth in Graz - John Pentland Mahaffy in Dublin - Gaston Maspero in Paris . ; - Wilhelm Meyer- Lübke in Wien - Adolf Michaelis in Strassburg . - Ludwig Mitteis in Leipzig . - Gabriel Monod ın Versailles - Benedictus Niese in Halle a.S. - Heinrich Nissen in Bonn - (Georges Perrot in Paris . : - Wilhelm Radloff in St. Petereburg - Moriz Ritter in Bonn ; - Karl Robert ın Halle a.S. . ; - Victor Baron Rosen in St. Petersburg . - Anton E. Schönbach in Graz 5 - Richard Schroeder in Heidelberg . - Emil Schürer in Göttingen . - Eduard Schwartz in Göttingen - Emile Senart in Paris - Eduard Sievers in Leipzig . - Henry Sweet in Oxford . ; Sir Edward Maunde Thompson in Tod 5 Hr. Vilhelm Thomsen in Kopenhagen . - Grirolamo Vitelli in Florenz . - Heinrich Weil in Paris i - Julius Wellhausen in Göttingen - Wilhelm Wilmanns ın Bonn. - Ludvig Wimmer in Kopenhagen . - Wilhelm Windelband in Heidelberg - Wilhelm Wundt in Leipzig . . . . . .» Se vn Datum der Wahl 1904 1900 1897 1905 1888 1905 1907 1905 1900 1884 1895 1907 1907 1900 1906 1900 1893 1907 1900 1900 1901 1895 1900 1897 1896 1900 1906 1891 1903 1900 INHABER DER HELMHOLTZ-MEDAILLE. Hr. Santiago Ramon y Cajal in Madrid (1904). - Henri Becquerel in Paris (1906). INHABER DER LEIBNIZ-MEDAILLE. a. Der Medaille in Gold. Hr. James Simon in Berlin (1907). db. Der Medaille in Silber. Hr. Karl Alexander von Martius in Berlin (1907). - A. F. Lindemann in Sidmouth, er a Juli Jan. Juli Juli Juni Febr. Febr. Febr. Jan. Juli Jan. Febr. Mai Jan. Juli Jan. Juli Mai Jan. Jan. Juni Mai Jan. Juli März Jan. Juli Juni Febr. Jan. 21. 18. I) 6. 21. 16. 14. 16. 18. 17 10. 14. 2. 18. 5. 18. 20. 2. 18. 18. 6. 2. 18. 15. 12. 18. 18. VII BEAMTE DER AKADEMIE. Bibliothekar und Archivar: Dr. Köhnke. Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. —Dr. Ristenpart. — Dr. Harms, Prof. — Dr. Czeschka Edler von Maehrenthal, Prof. — Dr. von Fritze. — Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Miller von Gaertringen, Prof. WOHNUNGEN DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER UND DER BEAMTEN. Hr. Dr. Auwers, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW 68. - = Branca, Prof., Geh. Bergrath, Lutherstr. 47. W 62. - - Brandl, Professor, Kaiserin Augusta-Str. 73. W 10. - = Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W 62. - = Burdach, Professor, Grunewald, Schleinitzstr. 6. - = (Conze, Professor, Grunewald, Wangenheimstr. 17. - - Diels, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Nürnberger Str. 65. W 50. - - Dilthey, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Burggrafenstr. 4. W 62. - - Dressel, Professor, Charlottenburg, Uhlandstr. 193. - = Engelmann, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Neue Wilhelmstr. 15. NW 7. - - Engler, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Steglitz, Neuer Botanischer Garten. - - Erman, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Steglitz, Friedrichstr. 10/11. - - Fischer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hessische Str. 1—4. N 4. - = Frobenius, Professor, Charlottenburg, Leibnizstr. 83. - - Harnack, Prof., Wirkl. Geh. Ober-Regierungs-Rath, Fasanenstr. 33. W 15. - = Helmert, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Geodätisches Institut. - - Hertwig, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Grunewald, Wangenheimstr. 28. - - Heusler, Professor, Eisenacher Str. 103. W 30. - - Hürschfeld, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Charlottenburg, Carmerstr. 3. - - van’t Hof, Professor, Lietzenburger Str. 54. W 15. - = Kekwe von Stradonitz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Landgrafen- Str Hl 9m W262: - = Kirchhoff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 23. W 10. - = Koch, Prof., Wirkl. Geh. Rath, Exe., Kurfürstendamm 52. W 15. - - Koser, Wirkl. Geh. Ober -Regierungs- Rath, Charlottenburg, Carmer- Sins Ö) - - = Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kaiserallee 222. W 15. - = Lenz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburger Str. 52. W 50. - = Martens, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Gross -Lichterfelde-West, Fontanestr. 22. - = Meyer, Professor, Gross-Lichterfelde-West, Mommsenstr. 7/8. - = Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W 10. - - Müller, Professor, Zehlendorf, Albertinenstr. 3. - - Müller-Breslau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Kurmär- kerstr. 8. - = Munk, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 4. W 10. - = Nernst, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Am Karlsbad 26a. W 35. - - Orth, Prof., Geh, Medieinal-Rath, Grunewald, Humboldtstr. 16. - = Penck, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Knesebeckstr. 48/49. W 15. > Pischel, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Halensee, Joachim - Friedrich- Str. 47. Planck, Professor, Grunewald, Wangenheimstr. 21. Roethe, Professor, Westend, Ahornallee 30. Rubens, Professor, Neue Wilhelmstr. 16. NW.7. Rubner, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Kurfürstenstr. 99a. W. 62. Sachau, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Wormser Str. 12. W 62. Schäfer, Prof., Grossherzogl. Badischer Geh. Rath, Steglitz, Fried- richstr. 7. Schmidt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburger Str. 57/58. W 50. Schmoller, Professor, Wormser Str. 13. W 62. Schottky, Professor, Steglitz, Fichtestr. 12a. Schrader, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kronprinzenufer 20. NW 40. Schulze, Franz Eilhard, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. NA. Schulze, Wilhelm, Professor, Kaiserin Augusta-Str. 72. W 10. Schwarz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald. Humboldtstr. 33. Schwendener, Prof.. Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 28. W 10. Struve, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Enckeplatz 3a. SW 48. Stumpf, Prof., Geh. Regierungs-Ratlı, Augsburger Str. 61. W 50. Tobler, Professor, Kurfürstendamm 25. W 15. Vahlen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthiner Str. 22. W 35. Waldeyer, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Lutherstr. 35. W 62. Warburg, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25b. von Wilamowitz- Moellendorf', Prof., Geh. Regierungs-Rath, Westend, Eichenallee 12. Zimmer, Prof., Geh. Regierungs-Ratlı, Halensee, Auguste-Victoria-Str. 3. Zimmermann, Wirkl. Geh. Ober-Baurath, Calvinstr. . NW 532. Ozeschka Edler von Maehrenthal, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Stendaler Str. 3. NW 5. Dessau, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Charlottenburg, Car- merstr. 8. von Fritze, Wissenschaftlicher Beamter, Courbierestr. 14. W 62. Harms, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Friedenau, Ringstr. 44. Freiherr Hiller von Gaertringen, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, An der Apostelkirche 8. W 30. Kölmke, Bibliothekar und Archivar, Charlottenburg, Goethestr. 6. Ristenpart, Wissenschaftlicher Beamter, Oldenburger Str. 42. NW 21. Schmidt, Karl, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Bayreuther Str. 20. W 62. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SITZUNGSBERICHTE 1908. l. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 9. Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Nersst las über die Theorie der galvanischen Polari- sation und ihre Anwendung zur Berechnung der Reizwir- kungen elektrischer Ströme. In dem Vortrage wurden zunächst die Gleichungen für die Polarisation löslicher Metallelektroden besprochen und sodann die Anwendung der so gewonnenen Formeln auf die physiologischen Reizwirkungen durch elektrische Ströme erörtert. Insbesondere wurde gezeigt, dass sich für den durch Stromstösse ausgeübten Reiz eine einfache Formel ergibt, indem der Strom, der gerade noch einen Reiz ausübt, der Quadratwurzel aus seiner Zeitdauer umgekehrt proportional ist. Durch die Versuche verschiedener Forscher konnte dieses Gesetz quantitativ geprüft werden. 2. Hr. Fıscner legte eine von ihm und Dr. F. Wrepe ausgeführte Untersuchung vor: Über die Bestimmung der Verbrennungs- wärme organischer Verbindungen mit Benutzung des Platin- widerstandsthermometers. (Ersch. später.) Durch die verbesserte thermometrische Messung wurde eine grössere Genauigkeit in der Bestimmung der Verbrennungswärme von Benzoesäure und Rohrzucker erreicht. 3. Hr. Meyer machte eine Mittheilung über das erste Auf- treten der Arier in der Geschichte. Bemerkungen zu den von H. Wınckter aus den chetitischen Urkunden von Bo- ghazkiöi nachgewiesenen arischen Götternamen in Mitani (nordwestliches Mesopotamien) aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. 4. Hr. Branca überreichte die weitere Ausarbeitung seiner Mit- theilung vom 25. Juli 1907 zu der Frage, ob Ichthyosaurus gleich- zeitig vivipar und stirpivor gewesen sei. Die Abhandlung wird noch in den Jahresband 1907 aufgenommen werden. 5. Hr. Fıscuer legte eine Mittheilung von Prof. J. RosentHAL in Erlangen vor: Zerlegung hochcomplicirter chemischer Ver- bindungen im schwankenden magnetischen Kraftfeld. Chemische Verbinduugen von der Art, wie sie durch Enzyme hydrolytisch ge- spalten werden — Proteine, Glukoside, Poly- und Disaccharosen —. zerfallen in ganz Sitzungsberichte 1908. 1 2 Gesammtsitzung vom 9. Januar 1908. ähnlicher Weise unter Bildung der gleichen Spaltungsproducte, wenn sie in das Innere eines von starkem, in regelmässigen Intervallen unterbrochenem Gleichstrom oder von Wechselströmen durchflossenen Solenoids gebracht werden. Die Zahl der dazu er- forderlichen Stromunterbrechungen oder Stromwechsel ist für verschiedene Substanzen verschieden — bei Stärke z.B. gleich 340— 380 in der Secunde. Die Zerlegung dieser Substanz wird genauer beschrieben und die Übereinstimmung mit der durch diastatische Enzyme bewirkten nachgewiesen. Schliesslich wird auf die Analogie mit den chemi- schen Wirkungen des Lichts hingewiesen und die Ansicht ausgesprochen, dass es sich um eine Übertragung der Energie des Aethers auf die materiellen Molekeln handle, welche dadurch zum Zerfall in kleinere Bestandtheile angeregt werden. 6. Die folgenden Druckschriften wurden überreicht: durch Hrn. ScnhmorLzer Acta Borussica. Denkmäler der Preussischen Staatsver- waltung im 18. Jahrhundert. Behördenorganisation. Bd. 4. Hälfte ı. 2 (1723 — 1729). Bearb. von G. ScnumoLzLer und W.Sroıze. Berlin 1908, Bd. 9 (1750— 1753). Bearb. von G. Scumorter und O. Hıyrze. Berlin 1907; durch Hrn. Dies Bd. 2 Hälfte ı der zweiten Auflage seiner Ausgabe der Fragmente der Vorsokratiker. Berlin 1907; ferner Ferpı- NAND Von Rıcatnuoren’s Tagebücher aus China. Ausgewählt und heraus- gegeben von E. Tıessen. Bd. ı. 2. Berlin 1907. Weiter wurden die zwei Unternehmungen der Humgorpr-Stiftung betreffenden Schriften überreicht: zwei Arbeiten enthaltend Ergebnisse der Reise des Hrn. Prof. Tiuuıwentus nach Polynesien und Neu-Seeland, E. SAuERBEcK, Eine Gehirnmissbildung bei Hatteria punctata. Halle 1905 (Aus den Nova Acta der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Bd. 85), und Jura Gist, Das Gehirn von Hatteria punctata. Naumburg a. S. 1907; und drei Berichte des Hrn. Prof. H. Kraarsch über seine Reise nach Australien in den Jahren 1904—-1907. 7. Die Akademie hat aus ihrem Fonds für wissenschaftliche Unter- nehmungen bewilligt: durch ihre physikalisch-mathematische Classe 500 Mark Hrn. Prof. Dr. Anorr Scnmmmr in Potsdam zur Beschaffung von Instrumenten für magnetische Messungen auf hoher See; durch ihre philosophisch-historische Classe 500 Mark Hrn. Prof. Dr. Gustav Beexwans in Erlangen zur Herausgabe des Liber diurnus curiae Romanae des Andrea da Santa Croce, und 500 Mark Hrn. Privat- docenten Dr. Koxrar Ziesrer in Breslau zu einer Reise nach Italien behufs Vergleichung von Handschriften der Biographien Plutarch’s. Die Akademie hat das auswärtige Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe Lord Kervıy in Largs (Schottland) am 17. De- cember 1907 durch den Tod verloren. Nernst: Polarisation und Nervenreizung. 3 Zur Theorie der galvanischen Polarisation; An- wendung zur Berechnung der Reizwirkungen elek- trischer Ströme. Von W. Nerssrt. I. Wir betrachten zunächst eine lösliche Metallelektrode, die in eine beliebige Lösung taucht; durch einen hindurchgeschickten Strom wird dann je nach der Stromrichtung Metall in Lösung gehen oder abgeschieden werden. Die Änderung der elektromotorischen Kraft der Elektrode wird in diesem Falle durch die Änderung der Kon- zentration der Ionen des betreffenden Metalls bestimmt, und letztere hängt einerseits von der hindurchgeschicekten Strommenge, anderseits von dem durch Diffusion bedingten Ausgleich der Konzentrations- differenzen ab. Die Differentialgleichungen, denen diese Konzentrationsänderungen unterworfen sind, wurden bereits von H. F. Wesrr' aufgestellt und für einzelne Fälle diskutiert; neuerdings (1896) gelang es bekanntlich Warsgurg”’, durch Integration derselben für Wechselströme weitgehende Folgerungen für das Verhalten sogenannter unpolarisierbarer Elek- troden aus jenen Gleichungen herzuleiten. Auch die Konzentrationsänderungen, die an der Grenze zwischen zwei nicht miteinander mischbaren Lösungsmitteln infolge elektrolyti- scher Überführung auftreten, sind denselben Differentialgleichungen unterworfen’; daß derartige Konzentrationsänderungen ferner für ge- wisse physiologische Prozesse maßgebend sind, glaube ich schon vor einiger Zeit wahrscheinlich gemacht zu haben‘. Im folgenden seien zunächst die erwähnten Differentialgleichungen für gewisse Grenzbedingungen näher behandelt und hierauf einige An- wendungen der so gewonnenen Resultate auf die Vorgänge der elektri- schen Reizung gemacht. ! WıEDEmAnNns Annalen 7 540 (1879). ® Ebenda 67 495 (1899). 3 Nernsr und Rırsenrero, ebenda. Vierte Folge 8 600 (1902). * Gött. Nachr. Math.-physik. Klasse, Heft ı (1899) S. 104. 1* 4 Gesammtsitzung vom 9. Januar 1908. 2. Der Strom fließe der x-Achse parallel, zur Flächeneinheit der Elektrode wirke der Strom i zur Zeit t. (1) i= fl); bei Beginn (= 0) herrsche in der Lösung, die wir uns in Richtung der x-Achse unendlich ausgedehnt denken, die konstante Konzen- tration @,. Überall gilt dann die bekannte Diffusionsgleichung dc 0°C (2) Be wenn ferner der Strom i in der Zeitheit die Salzmenge vi zur Elek- trode transportiert, so gilt (3) k—- =vi für 2=o, was lediglich die Bedingung dafür ist, daß an der Elektrode die Diffusion nur nach einer Seite hin erfolgen kann. Anstatt (2) setzen wir, indem wir nach x differentiieren, 0°C u de dadt 9@’ und indem wir als neue Variable! dc 2 (4) a — m einführen, wird dm 27 (5) a wo für m nunmehr die Grenzbedingungen gelten: für = o und beliebige x gilt m=o; für <= oo und beliebige t gilt m=o; fürs —torgill; m—=m= fl). Durch diese einfache Substitution erreichen wir, daß wir nun ohne weiteres die vielen Lösungen verwenden können, die FourIEr und spätere für das Problem der Wärmeleitung in einem unendlich ausgedehnten Stabe bei verschwindender äußerer Wärmeleitung für verschiedene Randbedingungen gegeben haben. Ist so m als Funktion von x und ? gefunden, so haben wir zwei Wege zur Berechnung der gesuchten Konzentrationen. Einmal gilt ! Kırcanorr, Theorie der Wärme, S.25; ScHeve, Dissertation, Berlin 1895, S.8. Nernsr: Polarisation und Nervenreizung. 5 = z (6) e—=6+ [m da; sodann aber ist auch de =6+ dt ot und bei Berücksichtigung von (2) t 0) (7) (— e de. dx o 3. Als erstes Beispiel betrachten wir den Sinusstrom; wir setzen N T j av ce=asin|n!-+- — |), somit m, = —-cos nt 2» k (n gleich 2” mal Zahl der ganzen Stromwechsel pro Sekunde). Als Lösung finden wir bei RıEmann-Weser, Differentialgleichungen II, S. 109 nach einigen einfachen Umformungen av = ve nn ze (e—2)? er (« +9? Se a hr T 2 o worin & eine Integrationsvariable bedeutet. Das zweite Glied der rechten Seite verschwindet für große Werte von Z, d.h. das erste Glied liefert die Lösung für den stationären Zu- stand. Durch Integration nach (6) oder einfacher nach (7) folgt dann leicht für = 0, d. h. für die an der Elektrode herrschende Kon- zentration (9) G— sinne 7) als Lösung für den stationären Zustand. Dies ist der bereits von WaRrgure (a.a. O.) erhaltene Ausdruck. Betrachten wir nunmehr die Wirkung unreiner Sinusströme. Ein derartiger Strom läßt sich bekanntlich ausdrücken durch eine Summe von der Form = a cos nt a, cos 2ni+ a, cosz3ni—+...; 6 Gesammtsitzung vom 9. Januar 1908. worin n die Schwingungszahl des Grundtons bedeutet. Die Lösung für den stationären Zustand ergibt sich analog Gleichung (9) zu (10) c=6+ I sin ar nee VnVk 4 & 4 Die mittlere Stromstärke, wie sie durch ein Wechselstrominstru- ment (Dynamometer, Hitzdraht) gemessen wird, ist in diesem Falle' Re —n m a, 2 a, 2 (4) Ve+®@+ad+...=ay ı+ a Nun hat der Ausdruck, der in Gleichung (10) in der Klammer steht, wenn wir y= ni setzen, die Form F(y). Das Maximum dieser Funktion muß, weil n dann nicht mehr darin vorkommt, von n un- > . r E a 5 abhängig sein und für bestimmte Werte der Verhältnisse — usw. einen Fir a ganz bestimmten Wert besitzen. Da nach Gleichung (11) andrerseits a die mittlere Stromstärke bei gegebenen Werten der Verhältnisse — a usw. der Amplitude des Grundtons proportional ist, so erkennen wir, daß auch für unreine Sinusströme die Konzentrationsdifferenzen c— c, der Quadratwurzel aus der Frequenz proportional sein müssen, wenn nur die Bedingung erfüllt ist, daß mit der Änderung der Schwingungs- zahl n die Amplitudenverhältnisse der Obertöne zum Grundton sich nicht ändern. Dieses Resultat ist insofern von praktischer Bedeutung, als das obige Quadratwurzelgesetz demnach auch für jeden beliebigen rotie- renden Wechselstromerzeuger gelten muß, wenn nur mit wachsender Tourenzahl der betreffenden Maschine die Form der Stromkurve sich nicht ändert; diese Voraussetzung wird in Wirklichkeit immer nahe erfüllt sein, und es werden besonders dann, wenn die Grundscehwingung stark ausgeprägt ist, die geringfügigen Deformationen, welche die Stromkurve mit der Tourenzahl etwa doch erfährt, praktisch zu ver- nachlässigen sein. 4. Konstanter Strom. Die Lösung für diesen Fall läßt sich ohne weiteres den Formeln entnehmen’, die früher bei einem analogen Problem bereits entwickelt wurden; wir haben hier die Bedingung VIE T— m = const. ' Vgl. z.B. Beperı und Ürenore, Wechselströme S.143ff. Berlin bei Springer 1895. 2 Nernst und RıEsEnFeLp, a.a. 0. Nernsr: Polarisation und Nervenreizung. 7 und entnehmen der Gleichung (13a) der erwähnten Arbeit die Lösung! ‚YV- (1 2) —o=WnN 6 rk Für manche experimentelle Untersuchungen wird sich in erster Linie die Benutzung der Kondensatorentladung empfehlen, die bekannt- lich bei fehlender Selbstinduktion der Gleichung 7 t 7% ı= —e gehorcht. Mit der rechnerischen Behandlung dieses Problems ist Hr. Dr. Eucken beschäftigt, der, wie ich auch hier mit Dank erwähnen möchte, mich u. a. auf das für unsre Zwecke so wichtige Integral Gleichung (8) aufmerksam machte. 5. Schließlich wollen wir noch kurz den Fall eines Stromstoßes beliebiger Form besprechen. Wir können einen solchen nach Fourıer stets in eine Summe von Sinusströmen auflösen und finden dann als Lösung eine der Gleichung (8) entsprechende Summe. Da uns wesentlich nur die Lösung für & = 0 interessiert, so er- halten wir für c—c, eine Summe aus Gliedern der Form worin, wie sich durch einfache Rechnung ergibt, ” = cos |nt+ = [ee ad, Tore — 7 77 Ss — - — — 2 .p t ade. 0% z=o k k lt, 4 2Vr kest5, ak zu setzen ist. Damit haben wir die allgemeine Lösung des in Rede stehenden Problems; freilich wird sich wegen der Schwierigkeit, die beiden Integrationen für den zweiten Ausdruck durchzuführen, im speziellen Fall mit dieser Lösung meistens wenig anfangen lassen. Anwendungen. 6. Die obigen Gleichungen liefern zugleich eine Theorie der Rei- zung durch Stromstöße, wenn man die Annahme macht, daß die Reiz- schwelle erreicht wird, sobald an der Grenzfläche des Protoplasmas der Zellen durch den Strom eine gewisse Konzentrationsdifferenz A = (—(6, ! Die obige Gleichung findet sich ferner abgeleitet und auf die Polarisation von Metallelektroden angewandt in einer sehr bemerkenswerten Arbeit von S. R. MıLner (Philosoph. Mag. Mai 1905). 8 Gesammtsitzung vom 9. Januar 1908. hervorgerufen ist. Ein Reiz würde hiernach gerade dann eintreten, wenn durch den Strom eine Konzentrationsdifferenz in einem A er- reichenden oder übersteigenden Betrage sich eingestellt hat. So ergibt sich nach Gl. (9), daß ein Wechselstrom dann einen Reiz ausübt, wenn die Gleichung av See m Dei (13) A = auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl | von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis } zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitir dem redigierenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch _ mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be. treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. RE - Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis. zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf‘ ‚es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Br ‘ Sr e Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- 31 SITZUNGSBERICHTE 1908. nl. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. Rugner las: Das Wachsthumsproblem und die Lebens- dauer des Menschen und einiger Säugethiere vom energeti- schen Standpunkt betrachtet. Es wird nachgewiesen, dass in der intra- und extrauterinen Zeit für die Bildung von ı% Lebendgewicht der Organismen bei Thieren ganz übereinstimmende Summen von Energie aufgewendet werden. Ganz ähnlich verhält es sich auch, wenn man die von 1% ausgewachsenem Thier während des Lebens umgesetzten Energiemengen unter- sucht. Nur der Mensch nimmt gegenüber allen untersuchten Thieren eine Ausnahme- stellung ein. Die vorgetragenen Beobachtungen geben die Möglichkeit, gewisse theo- retische Fragen hinsichtlich der maximalen Lebensdauer zu erörtern. 2. Hr. BrancA legte eine Arbeit von Hrn. Prof. Dr. H. Poronıe vor »Über recente allochthone Humusbildungen.« Bei der Aufsuchung der, gegenüber den autochthonen so sehr seltenen allo- chthonen Humusbildungen hat sich ergeben, dass auch der, bezüglich seiner Genesis noch unklar gebliebene »Alpenmoder« hierher gehört; denn er hat sich als ein aus Alpen- trockentorf ausgeschlemmtes und thalabwärts geführtes Humusgestein, d. h. als Schlämm- moder, ergeben. Der besonders von den Ufern des Bodensees her bekannte, sogenannte Schwemmtorf ist kein Torf, sondern ebenfalls als Moder, d.h. als Schweminmoder, an- zusprechen. 3. Hr. Branca übergab ferner seine nunmehr ausgearbeitete Ab- handlung: Fossile Flugthiere und der Erwerb des Flugver- mögens, über deren Inhalt eine vorläufige Mittheilung in der Sitzung der Classe am 7. Juli 1904 gemacht wurde. (Abh.) Sitzungsberichte 1908. 5 32 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer des Menschen und einiger Säugethiere vom energeti- schen Standpunkte aus betrachtet. Von Max Rupner. Das Waehsthum in Thier- und Pflanzenwelt ist eine der fundamen- talsten und markantesten Erscheinungen der belebten Natur. Den allbekannten sichtbaren Vorgängen der Massenzunahme entsprechen eigenartige mikroskopisch nachweisbare Veränderungen im Zellinnern, mit denen uns vor Allem die Entwicklungslehre bekannt gemacht hat. Sie hat durch die morphologische und experimentelle Bearbeitung der Befruchtungsvorgänge überraschende Fortschritte erzielt und die Ver- erbungslehre in neue Bahnen gelenkt. Im Gegensatz zu diesem kraftvollen Aufschwung histologischer Forschung, insbesondere auf dem Gebiete des intrauterinen Lebens, hat man den Erscheinungen des extrauterinen Wachsthums, vor Allem, was die allgemeinen Äusserungen desselben und die ernährungsphysiolo- gischen Processe anlangt, wenig Interesse entgegengebracht. Weder die Art der Massenzunahme noch die Dauer derselben, noch die Vor- bedingungen des Wachsthums oder die Gründe desselben sind genauer untersucht worden. Eine nähere Betrachtung der Physiologie der Wachsthumsver- hältnisse scheint mir nicht nur im allgemeinen Interesse der Wissen- schaft zu liegen, sondern auch mit Rücksicht auf die specielle Förde- rung der Säuglingsernährung dringend geboten. Eine vergleichende physiologische Betrachtung kann zweifellos zur besseren Stütze un- serer gegenwärtigen Anschauungen beitragen. Von früheren Bemühungen, die Frage des Wachsthums verglei- chend zu behandeln, ist nicht viel zu berichten; das Wichtigste ist wohl der Versuch Burrow’s, das Wachsthum, d.h. die Jugendperiode aller Thiere in eine nähere Verbindung zu deren maximalem Alter zu bringen. Gerade in der damaligen Zeit eines lebhaften Auf- sehwungs naturwissenschaftlichen Denkens, in den letzten Jahrzehnten des ı8. Jahrhunderts konnte die offenkundige Thatsache der un- Rusner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 33 gleichen Lebenslänge grosser und kleiner Thiere sich der speculati- ven Betrachtung nicht entziehen, und es war in der Erwartung der Auffindung von Naturgesetzen am Ende nicht verwunderlich, wenn man sich den Lebensgang jedes Thieres nach einem bestimmten Schema, in welchem der Wachsthumszeit, der Periode kräftigster Entwicklung, dem Alter, gewisse Theile der ganzen Lebenszeit zugewiesen waren, geordnet dachte. So glaubte Burros, die maximale Lebensdauer währe sechs mal so lang wie die Jugendzeit. Fast ein Jahrhundert später, 1856, hat dann Frovurens diesen Gedanken wieder aufgegriffen und durch einige Untersuchungen über die Dauer des Lebensalters und der Jugendzeit, letztere gemessen nach bestimmten anatomischen Charakteren der Thiere, zu belegen gesucht. Sein Material, ausschliesslich Beobachtungen an Säugern, ist aber sehr spärlich und nicht gerade sehr beweisend gewesen; ja, das Burrox- Fıourens’sche Gesetz hat bei den Zoologen der späteren Zeit keinen Beifall gefunden, weil man es durch Verallgemeinerung leicht ad ab- surdum führen konnte. Wersmann (Über die Dauer des Lebens, Jena 1832) begründet die Ablehnung dieser Anschauungen mit dem Hin- weise, dass es Gruppen von gleich langlebigen Thieren gebe, bei denen unmöglich solch constante Zahlenbeziehungen zwischen Dauer der Jugendzeit und gesammter Lebensdauer bestehen könnten. In der Gruppe der Thiere, welche 200 Jahre erreichen sollen, finden wir den Elephanten, Hecht und Karpfen, in der Gruppe der 4oJjährigen das Pferd, Kröte und Katze, in der Gruppe der 2oJjährigen Schwein und Krebs. Will man also nach Frourens annehmen, die Jugendzeit währe ein Fünftel der ganzen Lebensdauer, so müsste diese bei den 200 jährigen 40 Jahre dauern, es widerspricht aber jeder Erfahrung, dass Hecht und Karpfen erst nach 40 Jahren ausgewachsen sein sollen, ja soviel Zeit braucht nicht einmal der zu dieser Gruppe gehörige Elephant. Die Jugendperiode kann demnach, wie man jetzt annimmt, in keinem gleichbleibenden Verhältniss zur Lebenslänge in der Thier- welt stehen, den inneren Grund der verschiedenen maximalen Lebens- zeit sucht man vielmehr in den Eigenheiten der Fortpflanzungsweise, die zum Zwecke der sicheren Erhaltung der Species verschiedene Lebenszeiten nothwendig macht. Ist durch die Production der Fort- pflanzungsstoffe ausreichend für die Species gesorgt, so erlischt die Nothwendigkeit der Individualexistenz, der Organismus altert und stirbt. Der Burron-FrLourens’sche Gedanke ist somit entbehrlich geworden. Schalten wir aber zunächst die Fragen der Lebensdauer von der Betrachtung ganz aus und wenden wir uns dem Problem der Wachsthumsperiode allein zu, so scheinen in dieser Hinsicht, wie 5° 34 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. man glaubt, sehr einfache Verhältnisse bei den Thieren gegeben. Da die verschiedenen Organismen durch die Natur mit verschiedener Körpergrösse gebildet werden, so sieht man in der Wachsthumsdauer einen zwar numerisch noch nicht überall exact bestimmten, aber doch sehr einfachen Vorgang, man setzt voraus, dass die Bildung grosser Thiermassen eben mehr Zeit erfordert als jene der kleinen Organismen. Wie gesagt, näher begründet und analysirt ist diese Anschauung bis- her nicht. Man könnte aber wenigstens für die Säugethiere ihre Wahrscheinlichkeit mit dem Hinweis auf die gleichheitlichen quanti- tativen Aufgaben des Wachsthums stützen, da das Gewichtsverhältniss vom Mutterthier und Neugeborenen sich durchschnittlich wie 100:8 verhält, also die Leistungen der Wachsthumsperiode in analoger Ver- mehrung des Anfangsgewichtes um ein gleiches Multiplum bestehen. Für die ungleiche Dauer der Wachthumszeit in Abhängigkeit von der Masse des Thieres liesse sich als Beispiel anführen, dass die Fliegen- made schon in ı Tage, die Maus in 2ı Tagen, der Elephant in 8766 Tagen (= 24 Jahren) ihre maximalen Körpergewichte erreichen. . Die Annahme der Massenbildung als entscheidendem Factor der Jugendzeit ist von bestrickender Einfachheit, und wenn man so extreme Beispiele wählt, ein besonders schlagendes Argument. Schliesslich aber möchte man, dem eausalen Denken folgend, gerade wissen, warum das eine Wesen eben in dem Wachsen fortfährt, wo das andere sein Wachsthum mit Bruchtheilen eines Grammes Leibessubstanz abschliesst. Es ist auch ausserdem gar nicht erwiesen, dass Made, Maus und Elephant nach ganz den gleichen Lebensgesetzen wachsen und in einheitlicher Stoffwechselthätigkeit dem Endziel sich nahen. Die Resultate könnten das Ergebniss sehr verschiedener Processe von Wachs- thumsvorgängen sein. Man darf nicht nur das Endergebniss unge- heuer verschiedener Endgewichte betrachten, sondern man muss die relativen Leistungen ins Auge fassen durch die Bestimmung der Zeit, in welcher gleichartige Gewichtsveränderungen erzielt werden. Eine solche Feststellung des relativen Wachsthums einzelner Speeies könnte zu wichtigen physiologischen Ergebnissen führen, weil möglicherweise in der Ähnlichkeit gleicher Weachsthumsgesetze auch verwandtschaftliche Beziehungen einzelner Species zum Ausdruck kommen könnten. Das Wachsthum ist eine Grundeigenschaft der Zelle und in seiner Zeitfolge ursächlich mit der Geschwindigkeit der Zell- theilung verbunden. Leider besitzen wir nur ein sehr spärliches Material über die Dauer der gesammten Jugendzeit bei Säugethieren, ja so wenig sicheres, dass sich hierauf eine einigermaassen befriedigende vergleichende Be- rechnung nicht gründen lässt. ic Rusner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 35 Dagegen sind vor Allem von Busse und seinen Schülern einige Angaben über die Zeiten, welche zur ersten Verdoppelung des Ge- wichts von neugeborenen Thieren nothwendig sind, gemacht worden. Wenn wir damit auch nur einen Theil der ganzen Jugendzeit hin- sichtlich der Wachsthumsleistung kennen lernen, so erfahren wir gerade durch sie über die Periode des raschesten Wachsthums einiger Species etwas Näheres. Das Ergebniss dieser Beobachtungen ist ein ein- deutiges und zwingendes; die Zeiten der Verdoppelung sind nicht eonstante Werthe, sondern ausserordentlich verschieden, sie betragen: beim Kaninchen 6 Tage beim Menschen ı80 Tage bei der Katze 9% i» » Schaf 15 #63 beim Hund eo» » Rind 47 » » Schwein 14 » » Pferd 60 » Die Wachsthumsintensität ist in hohem Maasse ungleich. Diese Ungleichheit der relativen Intensität kann sich unmöglich nur auf die Periode unmittelbar nach der Geburt beschränken, vielmehr ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass für die weiteren Verdoppelungszeiten zwar nicht dieselben, aber specifisch und gleichmässig steigende Zeit- werthe sich ergeben müssen. Die obigen Verdoppelungszeiten sind Constanten der betreffenden Species, sie schwanken zwischen Kaninchen und Mensch um das 30 fache. Wenn man weiter erwägt, dass manche Bacterien eine Verdoppelung ihrer Masse in 20 bis 30 Minuten er- reichen, so beweist dies, dass, wenn wir uns bisher mit der Vor- stellung haben genügen lassen, es bestimmte die absolute Grösse der Lebewesen die Wachsthumszeit, wir an einer sehr wichtigen und fundamentalen Eigenschaft der Lebewesen, der specifischen Wachs- thumsintensität, achtlos vorübergegangen sind. Bei den einzelligen Wesen hatte man sogar schon lange der ungleichen Geschwindigkeit, mit der die Zelltheilung erfolgt, Be- achtung geschenkt. Dies Problem der specifischen Wachsthums- intensität näher in seinem Wesen aufzuklären, dürfte daher wohl eine nicht unwichtige Aufgabe sein; ich will zunächst in dieser Abhandlung nur einige Säugethiere, für welche ich nähere Zahlenangaben besitze, und den Menschen einer genaueren Analyse unterziehen. Die ungleiche Geschwindigkeit, mit der die verschiedenen Orga- nismen ihre Jugend durchlaufen, muss uns zunächst vom teleolo- gischen Standpunkte aus in hohem Maasse befremden, denn es scheint sich in dieser Erscheinung offenbar ein ungleicher Aufwand an Nährmaterial für ein und denselben Endzweck auszudrücken. Das eine Wesen muss lange leben, um seine Gewichtsverdoppelung zu ge- winnen, ein anderes hat in Kürze dieselbe Entwickelungsstufe erreicht; 36 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. wenn ein Organismus wie der Mensch aber 30mal so lange braucht, wie ein Kaninchen, um seine Masse zu verdoppeln, so muss er eben 3omal so lange Nahrung verzehren, um relativ so viel Leibessubstanz zu erwerben wie das Kaninchen. Welche Wege die Natur thatsächlich in den quantitativen Ver- hältnissen einschlägt, kann man a priori nicht sagen; ich habe daher versucht für diese Vorgänge einen genaueren zahlenmässigen Belag zu finden. Ich stelle fest, wie gross die Lebensleistungen jedes der oben in der Tabelle aufgeführten Organismen ist, wenn je ı kg durch Wachsthum in den näher verzeichneten Zeiten auf das Gewicht von 2 kg ansteigt. Die Berechnung kann folgenden Weg einschlagen: Die Lebensvorgänge bei der Ernährung lassen sich bekanntlich messen, indem man die beim Ernährungsvorgange verbrauchte Energie- menge als Ausgangspunkt nimmt; ebenso lässt sich der Wachsthums- gewinn einheitlich statt in Gewichten, in der Verbrennungswärme aus- drücken, welche es repräsentirt. Auf Grund von verschiedenen Thier- analysen bin ich zu der Annahme gekommen, dass ı kg Anwuchs mit rund 1722 kgeal. zu bewerthen ist. Hierzu haben wir noch den Ener- gieaufwand, den das Thier durch seinen Stoffwechsel während der Verdoppelungszeit von I zu 2 kg zu leisten hat, zu rechnen. Die Summe beider — Wachsthumsgrösse und Ernährungsumsatz — giebt uns einen Ausdruck für den Gesammtenergieaufwand für die Verdoppelung, woraus man dann die specifischen Eigenthüm- lichkeiten ersehen könnte. Für eine Reihe der in Betracht kommenden Säuger und den Menschen verfüge ich über eigene Messungen des Kraftwechsels, für einige der fehlenden Werthe konnte ich aus der Litteratur die nöthigen Grundlagen schaffen. Wenn es auch nicht immer Neugeborene waren, die der Stoffwechseluntersuchung unterzogen sind, so wissen wir auf Grund des von mir erwiesenen Oberflächengesetzes, dass bei den Säugern ihr Stoffwechsel nicht der Masse, aber genau der Oberfläche pro- portional verläuft. Man kann daher die gewünschten Grössen des Energieverbrauchs für jede beliebige Kleinheit der Thiere, also auch für die Neugeborenen, durch Rechnung finden. Wenn die Thiere wachsen, so müssen sie natürlich auch um eine bestimmte Masse mehr an Nahrung aufnehmen, als wenn sie ausgewachsen sind. Dieses Mehr an Nahrung wird zunächst erfordert, um die Gewichtsvermehrung zu bestreiten. Da aber im Allgemeinen nicht jeder Überschuss über den dringenden Bedarf zum Wachsthum zurückgehalten werden kann, sondern durch die Ernährung selbst die Wärmebildung etwas steigt, so muss dieser Umstand auch noch Berücksichtigung finden. Diese Russer: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 3m letztere Steigerung der Wärmeproduction habe ich als speeifisch dyna- mische Wirkung der Nahrung bezeichnet, sie hängt von der Zusammen- setzung der Kost ab, von dem Mischungsverhältniss der Eiweiss- stoffe, Fette und Kohlehydrate. Für die säugenden Thiere sind diese Verhältnisse dadurch wohl bekannt, dass man ja die Milchen, mit denen sie sich ernähren, kennt. Somit lässt sich auch berechnen, welche die Wärme steigernde Wirkung ihre Nahrung besitzt. Nenne ich die Gesammtnahrungsmenge des Thieres in der Ver- doppelungsperiode als Unbekannte « (in Calorien ausgedrückt), das gewonnene Körpergewichtswachsthum (in Cal.) a, die Erhaltungsdiät, die durch Versuche bekannt ist, e (in Cal.) und % eine Constante für die Wärmesteigerung durch die genossene Kost (specifisch dyamische Wirkung), so lässt sich x ableiten, denn = e-+k-x-+a, wovon e, k und a bekannt sind. Führt man auf Grund dieser Betrachtung die Bereehnung durch und bestimmt den Energieverbrauch in Kilogrammealorien, um unter sich vergleichbare Zahlen zu erhalten für ı kg Lebendgewicht bis zur Verdoppelung auf 2 kg, so gewinnen wir den gesuchten spe- eifischen Energieaufwand beim Wachsthum verschiedener Speeies. Das Resultat für den Energieaufwand bei der Verdoppelung war folgendes, ausgedrückt in Kilogrammealorien (Reincal.)': Pferd 4512 | Schwein 3754 Rind 2243 und 4304 Schaf 3926 | Katze 4554 Mensch 28864 | Kaninchen 5066 Das Ergebniss ist ein wohl ganz unerwartetes: Die zur Verdoppelung des Lebendgewichtes eines Thieres aufgewendete Kräftesumme ist mit Ausnahme des Menschen dieselbe, gleichgültig, ob die Thiere rasch oder langsam wachsen. Man könnte dies Wachsthumsgesetz das Gesetz des constanten Energieaufwandes heissen. Zur Bildung von ı kg Thiergewicht werden rund 4808 kgeal anNahrungsmaterial aufgewendet, bei der Entwickelung des Menschen gerade sechsmal soviel. Bei dem langsam wachsenden Pferd findet keinerlei » Verschwendung« von Energie statt, sondern der gleiche Verbrauch wie bei dem schnell wachsenden Kaninchen oder der Katze, obschon diese Thiere zur Zeit ihrer Geburt um das Tausendfache im Körpergewicht verschieden sind. Der auf natürlichem Wege bei der Muttermilchernährung vollzogene Anwuchs kostet bei allen Thieren ! D.h. die Gesammtenergie der Nahrung abzüglich des Energieinhalts von Harn und Koth. 38 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. relativ genau das Gleiche. Die Natur arbeitet bei den verschiedenen Species nach dem gleichen ökonomischen Prineip, und nur für den Menschen ist es durchbrochen. Wie sich die dem Menschen nahe- stehenden Anthropoiden verhalten, ist leider nicht sicher zu sagen, nach der Meinung eines Sachkundigen würde das Wachsthum dieser ein ziemlich rasches sein. Es wäre daher wichtig, diese Frage durch besondere Untersuchungen, am besten im Heimathlande der Anthro- poiden, aufzuklären. An diese wichtige Thatsache knüpft sich gleich die weitere, in welcher Art denn die Natur dieses energetische Grundgesetz zur Durch- führung bringt, ob sich die einzelnen Organismen etwa dadurch unter- scheiden, dass die einen verhältnissmässig mehr oder andere weniger von der Nahrung für das Wachsthum erübrigen. Prüft man, wieviel von dem gesammten aufgenommenen Energie- inhalt der Nahrung bei den verschiedenen Species als Wachsthum er- worben wird — ich nenne dies den Wachsthumquotienten —, so findet man Folgendes: Von ıo0 kgeal. der Zufuhr sind im Anwauchs: beim Pferd 33.3 Procent beim Schwein 40.0 Procent » Rind BET » » Hund 34.9 » » Schaf 38.2 » ı bei der Katze 33.0 » » Menschen 5.2 » | beim Kaninchen 27.7 » Der Mensch nimmt wieder eine Sonderstellung ein, er er- übrigt nur 5.2 Procent der Zufuhr während der ersten Verdoppelungs- periode, die Säugethiere dagegen im Mittel 34.3 Procent, also über das Sechs-, fast das Siebenfache. Die Säugethiere verhalten sich, was diese Verwerthung des Nährmaterials für das Wachsthum anlangt, ganz ähn- lich den bestwachsenden Bacterien z. B. wie bacillus pyocyaneus und bact. coli, bei denen ich bei ersterem 27.7, bei letzteren 30.38 Procent der Energie der Nahrung als Wachsthum erübrigen sah. Die Lebewesen wachsen nur bei einem zureichenden Überschusse der Nahrung über die Erhaltungsdiät. Auch über diese Grösse ertheilt uns das energetische Wachsthumsgesetz genaue Auskunft. Wenn man die Energiemenge des Erhaltungsfutters = 100 setzt, so findet sich für die Gesammtnahrungsaufnahme bei den beobachteten Säugern: beim Pferd 189 | beim Schwein 212 » Rind | » Hund 202 » Schaf 2.11 bei der Katze 197 » Menschen 120 beim Kaninchen 194 Mittel der Thiere 202. Rusner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 39 Die Thiere bewältigen behufs des Wachsthums doppelt soviel Nahrung, als sie im einfachen Erhaltungsfutter zu sich nehmen müssen, der Mensch dagegen nimmt in dieser Lebensperiode stärksten Wachsthums nur um ein Fünftel mehr an Stoffen auf, als er sonst im ausgewachsenen Zustand bedürfte. Die geringe Nahrungsauf- nahme des Säuglings liegt nicht in der kleinen Leistungsfähigkeit seiner Verdauungsorgane; wie man aus dem späteren Leben ersehen kann, sind die letzteren sogar recht leistungsfähig. Leuxarr und HERBERT Spencer haben behauptet, dass die ernäh- renden Flächen des Magendarmkanals der Thiere mit steigender Körpergrösse nur im Quadrat wachsen, während das gewicht im Cubus zunähme, woraus folge, dass, je grösser ein Thier sei, desto schwieriger die Gewinnung eines Nahrungsüberschusses sich gestalte, und dass die grossen Thiere sich deshalb langsamer fortpflanzten. Diese Anschauungen werden durch meine Versuche widerlegt. Die jungen Thiere jeder beliebigen Grösse von der Maus bis zum Fohlen sind in der Lage, in gleicher Weise ihre Wachsthumsdiät zu bestreiten. LeUKART und Spencer haben nur die anatomischen Verhältnisse beachtet, dagegen ausser Acht gelassen, dass die physiologischen Leistungen bei gleichem anatomischen Substrat ganz andere sein können. Bei dieser ausserordentlichen Gleichheit der ernährungsphysiolo- gischen Leistung der Säugethiere und der exceptionellen Stellung des Menschen ist es von grösster Bedeutung, die Nahrung der ÖOr- ganismen näher zu betrachten. Die einzige Zufuhr besteht in dieser hier in Frage kommenden Zeit in Muttermilch; die Milchen der hier besprochenen Organismen sind in ihrer Beschaffenheit genau bekannt. Berechnet man sich die Vertheilung der Energie der ganzen Milchen auf die einzelnen Componenten, wie Eiweiss, Fett, Milchzucker, so findet man, dass hinsichtlich der Eiweissstoffe, die ja in erster Linie bei der Wachsthumszunahme von Bedeutung sind, nur die Zu- sammensetzung der menschlichen Milch, durch ihre ausserordentliche Eiweissarmuth eine besondere Stellung einnimmt, also ganz und gar im Einklang mit dem sonstigen eigenthümlichen Verhalten des mensch- lichen Säuglings im Wachsthumsgesetz, während die übrigen Orga- nismen sehr gleichmässige Eiweissvorräthe besitzen; nur beim Ka- ninchen, das sehr rasch wächst, finden wir etwas mehr Eiweiss als im Durchschnitt bei den übrigen Thieren. Die Milchen spiegeln in ihrer procentigen Zusammensetzung die Aufgaben wieder, die ihnen die Natur im Wachsthum zuweist. Fett- und Zuckergehalt der Milch haben nur die Function den Eiweiss- umsatz in Thieren, wie auch beim Säugling, auf das tiefste Niveau 40 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. herabzudrücken, um dadurch die maximalste Menge von Eiweiss für das Wachsthum zu erübrigen. Das energetische Grundgesetz des Wachsthums giebt die Erklärung für eine bisher schwer deutbare Beziehung zwischen den Salzen der Milch und der Zusammensetzung der Asche der da- von ernährten Organismen. Buner (Lehrbuch der physiol. und patholog. Chemie 1894, S. 97) hat darauf hingewiesen, dass das Ver- hältniss der verschiedenen anorganischen Stoffe zu einander in der Milch fast genau der Aschezusammensetzung des Thierleibes ent- spreche. Die Milchdrüse sammelt alle anorganischen Bestandtheile genau in dem Gewichtsverhältnisse, in welchem der Säugling ihrer bedarf, um zu wachsen und dem elterlichen Organismus gleich zu werden. Später zeigte BunGe, dass der Aschegehalt der Milch bei solchen Thieren, die rasch wachsen, grösser sei als bei langsam wachsenden. Sehen wir vom letzten Punkte ab, so hat sich das obige Gesetz Bunge’s insofern nicht vollkommen bestätigen lassen, als zwischen Salz- gehalt des Neugeborenen beim Menschen und der Muttermilch keine Über- einstimmung besteht. Man nimmt jetzt mit vollem Rechte an, dass bei dem so sehr langsamen Wachsthum des Menschen viel Salze durch die Ausscheidungen zu Verlust gingen. Aber diese Erklärung be- friedigt nicht, denn dann müssten sich auch bei den anderen Säugern, die doch recht verschiedene Wachsthumsgeschwindigkeiten haben, auch Differenzen, und zwar sehr erhebliche, ergeben. Dagegen erläutert das energetische Grundgesetz diese Verhältnisse aufs beste. Da die Säuger, den Menschen ausgenommen, für die gleiche Menge Anwuchs die gleiche Menge Calorien nöthig haben, nehmen sie auch annähernd die gleichen Milch- und Salzmengen auf, und aus diesem Vorrath wählt die neuwachsende Masse so viel aus, als sie Salze braucht; der Rest geht durch den Harn und Koth im Stoff- wechsel nach aussen, und diese Verluste werden sich alle gleichmässig gestalten müssen. Nur der Mensch zeigt durch die enorme Nahrungs- quantität, die er wegen der abnormen Dauer der Wachsthumszeit zur Erhaltungsdiät nothwendig hat, die bekannte, auch in anderen Beziehungen schon berührte Ausnahme. Sehen wir so das extrauterine Wachsthum unter der Herrschaft des energetischen Wachsthumgesetzes, so ist es ein naheliegender Ge- danke, auch das intrauterine Leben im Mutterleibe auf ähnliche Beziehungen hin zu untersuchen. Denn es wäre der Vernunft wider- sprechend, geradewegs mit dem Acte der Geburt den einheitlichen Entwickelungsgang entzwei zu schneiden. Der Beweis des ener- getischen Gesetzes in der Fötalperiode ist sehr schwierig. Vor Allem ist die Grösse des Stoffwechsels im Mutterleibe noch Rusner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 41 umstritten, doch kann man meines Erachtens es als gesichert er- achten, dass der Embryo mehr Wärme pro Körpergewichtseinheit bildet als das erwachsene Mutterthier. Zunächst liess sich feststellen, dass die Wachsthumsgeschwin- digkeitdesNeugeborenenund dieEntwickelungsdauer zweifel- los zusammenhängen, wie folgende Beispiele zeigen: Zeitdauer der Verdoppelung beim Wachsthum Entwickelungsdauer Tage Tage Pferd 60 333 — 343 Kuh 47 285— 290 Schaf 15 144 — 150 Mensch 180 280 Schwein ı4 116 Hund 8 63 Katze 9 56 Die Entwickelungsdauer nimmt auch im Allgemeinen mit der Grösse des Thieres ab. Eine Ausnahmestellung hat der Mensch. Schaf und Mensch haben gleiches Geburtsgewicht. Beim Schaf dauert die Entwickelungsdauer nur halb so lange als beim Menschen. Noch weit stärker differirt allerdings das extrauterine Wachsthum. Unter gewissen berechtigten Annahmen kann man den Energie- verbrauch im intrauterinen Leben schätzen, und wenn diese Zahlen auch nicht so genaue sind wie für die Neugeborenen in der Periode ihrer ersten Gewichtsverdoppelung, so berechtigen sie doch zur Annahme der Gültigkeit des energetischen Wachsthumsgesetzes. Ich finde als Wärmeentwicklung während der Bildung von ı kg Lebendgewicht im intrauterinen Leben beim Pferd 2028 kgeal. Rind 1915 Schaf 2728} 2240 kgeal. im Mittel Schwein 2210 Hund 2318 kgeal. Addirt man hierzu den Gewinn von ı kg Lebendgewicht in kgeal., so findet man als Wachsthumsquotienten 40.5 Procent, also mehr als im extrauterinen Leben, was sich daraus zum grossen Theil erklärt, dass im intrauterinen Leben das Mutterthier eine ganze Reihe von Leistungen für Rechnung des Embryo mitbesorgt, wodurch relativ mehr für den Ansatz übrig bleibt. Das energetische Grundgesetz der Wachsthumsgeschwindigkeit klärt uns also über eine ganze Reihe von Erscheinungen und Eigen- thümlichkeiten der Wachsthumsernährung auf. 42 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. Was bedeutet das Wachsthumsgrundgesetz aber seinem inneren Wesen nach? Da bei dem Wachsthum der Säuger die Producte aus Zeitdauer des Wachsthums und Kraftwechsel constant sind — den Menschen ausgenommen —-, so sind eben die Anwuchs- zeiten bis zur Verdoppelung des Thieres genau umgekehrt pro- portional dem Kraftwechsel. Je weniger Tage zum Anwuchs nothwendig sind, desto intensiver ist der Kraftwechsel, und ebenso beschleunigt ist aber auch das Wachsthum. Das Wachsthum ist also eine Funetion des Stoffwechsels der Neugeborenen, die Wachsthumsquote constant. Ein Thier, das einen intensiven Stoffwechsel hat, erübrigt durch das gleichsinnig ge- steigerte Wachsthum in kürzerer Zeit so viel, um seine Gewichts- verdopplung zu erreichen, wie ein anderes mit kleinerem Stoffwechsel in langer Zeit. Der Wachsthumstrieb, wie er sich in der Wachs- thumsquote ausdrückt, ist bei den Thieren in der gleichen Wachs- thumsperiode derselbe. Die zweite Bedingung, welche zu dem Ergebniss des ener- getischen Wachsthumsgesetzes führt, ist der Kraftwechsel, wel- cher in demselben Maasse ansteigt, wie die Verdopplungszeit kürzer wird. Diese Erfahrung lässt sich nun auch anders formuliren, da uns die Beziehungen der Kraftwechselintensität zur Masse des Thieres genau bekannt sind. Beide folgen streng dem Oberflächen- gesetz. Dem intensiveren Kraftwechsel der kurzen Verdopplungszeit entspricht pro Kilo Thier eine proportional gesteigerte Oberfläche. Damit ist auch das absolute Gewicht der Thiere scharf bestimmt. Der grösseren Wachsthumsgeschwindigkeit entspricht zwar immer ein kleineres Thier, aber nicht Körpergewichte, die etwa umgekehrt proportional zu diesen Zeiten stehen, sondern solche Gewichtsmassen der Thiere, die sich rechnerisch nach dem Oberflächengesetz aus dem Kraftwechsel berechnen lassen. Das energetische Wachsthumsgesetz hängt also in seinem Ergeb- niss eben von der absoluten Grösse des jeweiligen Neugeborenen mit ab. Wachsthumsquotient und die von der relativen Oberfläche ab- hängige Intensität des Kraftwechsels der Körpergewichtseinheit be- stimmen das zahlenmässige Ergebniss des Wachsthumsgesetzes. Extrauterines und intrauterines Leben unterscheiden sich hinsicht- lich der wirksamen Factoren keineswegs, nur quantitativ mit Bezug auf den Wachsthumsquotienten. Den letzteren könnte man geradezu als einen Ausdruck des Wachsthumstriebes ansehen, den man gerne als eine Äusserung vererbter Grundeigenschaften der Zelle betrachten wird. Beim Men- schen ist dieser Wachsthumstrieb klein. Um eine blosse Zu- Pape Russer: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 43 rückhaltung des Wachsthums bei demselben durch einen abnorm nie- drigen Eiweissgehalt der Kost kann es sich nicht handeln. Wenn die menschliche Milch geringe Eiweissmengen führt, so hat sie sich eben dem geringen Wachsthumstrieb angepasst. Würde es sich nur um ein künstliches Niederhalten der Wachsthumsgrösse während der Brust- nahrung handeln, so würde zweifellos später bei anderer Nahrung das Kind einholen, was es früher an Wachsthumsmöglichkeit eingebüsst hatte. Davon ist aber nichts bekannt. Auch wenn man von Anfang an Kuhmilch reicht, hat die Mehrzufuhr an Eiweiss keine andere Folge, als dass der den Wachsthumsbedarf überschreitende Eiweiss- antheil einfach zersetzt wird. Ein Vortheil des langsamen menschlichen Wachsthums liegt mög- licherweise in der Begünstigung der Entwicklung des Gehirnes, das bei der langsamen Ausbildung der übrigen Organe des Körpers erst spät mit nervösen Apparaten belastet wird, welche zur Innervirung der vegetativen Organe bestimmt sind. Im normalen Lebensverlauf beginnt die Entwicklung der Orga- nismen im intrauterinem Leben mit der Erweckung eines Wachsthums, das durch einen hohen Wachsthumsquotienten ausgezeichnet ist, beim Neugebornen ist der Quotient bereits niedriger und sinkt dann weiter von Periode zu Periode bis zur Vollendung des Wachsthums, dem Ende der Jugendzeit. Bis zu diesem Momente hat die Schaffung der Körper- gewichtseinheit bei den Thieren einen gleichheitlichen Energie- aufwand gekostet, nur der Mensch nimmt durch den grossen Energie- aufwand eine andere Stellung ein. Wenn also alle Thiere in das Stadium der Vollendung des Wachs- thums treten, nachdem sie bis dahin pro Kilo dieselben Energiemengen verbraucht haben, so ist der Gedanke naheliegend, auch zu fragen, wie sich denn dann die entsprechenden Werthe des relativen (pro ı Kilo Körpergewicht berechneten) Energieverbrauchs bis zum Lebensende verhalten; mit anderen Worten, ob irgend eine Beziehung zwischen dem Verbrauch an Energie und Lebens- dauer besteht und welcher Art dieselbe ist. Dieser Gedanke ent- wickelt sich logisch aus dem energetischen Wachsthumsgesetz; es fusst dieses auf experimentellen Thatsachen, nämlich der Feststellung eines gleichartigen relativen Energieverbrauchs in der ganzen Jugendperiode. Der Versuch, hierüber Aufklärung zu gewinnen, kann naturgemäss sich nur auf den Umfang der oben angestellten Beobachtungen er- strecken. Bis jetzt sind Bemühungen, die verschiedene Lebensdauer der Species zu erklären, überhaupt nicht gemacht worden. Allenfalls könnten als Versuche dieser Art nur zwei Vorkommnisse in der Litte- ratur hier genannt werden. 44 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. Das Burron-Frourens’sche Gesetz ist aus dem Grundgedanken eines schematischen Aufbaues der Altersperioden der Thiere entstanden; es besagte aber nichts über die Gründe einer solehen Ordnung. Da Burron starb, ehe die neue Aera der Entdeckung des Sauerstoffs und seiner physiologischen Functionen ein Gemeingut der Wissen- schaft geworden war, konnten seinen Erwägungen natürlich auch keine präciseren Vorstellungen über die Art der maassgebenden Lebens- processe zu Grunde liegen. Es liess sich aber dieses Gesetz auch späterhin als keine physio- logische Nothwendigkeit voraussehen, da ja der Aufbau der lebenden Substanz in der Jugendperiode keineswegs auf denselben ernährungs- physiologischen Grundlagen beruht wie das Leben des ausgewachsenen Individuums. Die Neubildung der Organmasse und die Lebenserhaltung des erwachsenen Thieres sind verschiedene Processe. Es hat sich das Gesetz nach der Meinung der späteren Autoren überhaupt auch nicht als empirisches Mittel der Lebensdauerbemessung verwerthen lassen. Auch wenn man die hypothetische Voraussetzung hätte machen wollen, dass die Langsamkeit oder die Schnelligkeit des Wachsthums eine be- stimmte Function der Stoffwechselintensität im Sinne eines gleich- artigen Wachsthumsquotienten sei, was ja nicht a priori bewiesen ist, würde man über die Dauer des Lebens des ausgewachsenen Thieres aus rein physiologischen Gründen keine Aussage haben machen können. Die durch die allgemeine Erfahrung anscheinend begründete längere Lebensdauer der Thiere mit grosser Körpermasse hat später LorzE veranlasst, wenn man so sagen darf, eine Consumtions- hypothese aufzustellen. Der Erklärungsversuch, der sich wesentlich auf die Verschiedenheit der Grösse der mechanischen Arbeits- leistung gründete, ist aber ein sehr primitiver geblieben und wäre wohl auch bei näherer Betrachtung schwer zu begründen gewesen. Lorze meinte: »Grosse und rastlose Beweglichkeit reibt die organische Masse auf, und die schnellfüssigen Geschlechter der jagd- baren Thiere, der Hunde, selbst der Affen stehen an Lebensdauer sowohl dem Menschen als den grossen Raubthieren nach, die durch einzelne kraftvolle Anstrengungen ihre Bedürfnisse befriedigen.« Auch diese Hypothese ist namentlich von WEısmanx zurückgewiesen worden, indem er betonte, dass schnelllebige Vögel sogar träge Amphibien an Lebenslänge übertreffen können. Weder für die Frourens’schen noch für Lorze’s Anschauungen haben sich genügende Beweise finden lassen. Wenn man aber auch alle Einwände gegen diese Hypothesen wird gelten lassen müssen, so schliesst dies doch nicht aus, dass sich vielleicht im Thierreiche Gesetzmässigkeiten für die Lebens- Russner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 45 dauer finden lassen, die aber nur für bestimmte, vielleicht aber recht grosse Gruppen von Species Geltung haben könnten. Nur von diesem Gesichtspunkt ausgehend, habe ich bei den Säugethieren und dem Menschen versucht, ein Bild ihres Energie- verbrauchs während ihres ganzen Lebens festzustellen. Hier stösst man aber auf ausserordentliche Schwierigkeiten, die in der ungenügenden Feststellung des wahren Lebensalters liegen. Dies gilt weniger für den Menschen als vielmehr vor Allem hinsicht- lich des Alters der Thiere. Immerhin habe ich für einige Fälle ein verwendbares, wennschon nicht völlig einwandfreies Material gefunden, das in folgenden Zahlen sich wiedergegeben findet: Gewicht Lebensdauer Jugendzeit nee Pferd 450 kg 35 5 30 Rind 450 » 30 4 26 Mensch 60 » So 20 60 Hund 2, RR ST 2 9 Katze 3°,» 9-5 1-5 8 Meerschweinchen 0.6 » 027 0.6 6 Zur Feststellung des mittleren Energieverbrauchs für das ganze Leben nach der Jugendzeit kann man, um Vergleichszahlen zu er- halten, diese Berechnung am besten für den Ruhezustand durchführen, wobei aber zu bedenken ist, dass die wahren Werthe durch ge- legentliche Arbeitsleistung höher ausfallen können. Das Resultat war folgendes: Reincalorien (Kgrel.) pro Kilo für die Lebenszeit nach beendigtem Wachsthum Pferd 163900 Rind 141090 Mensch Mittel der Thiere Hund 164000 Katze 223800 Meerschweinchen 265000 Soweit man es also bei der noch etwas unsicheren Altersbe- stimmung, besonders der kleineren Thiere, erwarten konnte, gehen die Werthe des Gesammtenergieverbrauchs wenigstens insoweit über- ein, dass man behaupten darf, ı kg Lebendgewicht der Thiere nach dem Wachsthum verbraucht während der Lebenszeit annähernd ähnliche Energiemengen. Nur der Mensch zeich- net sich durch seine ganz besonders hohen Zahlen des Energieumsatzes vor allen übrigen Organismen aus. Mit Rücksicht auf das für die Jugendzeit festgestellte Energiegesetz, das 46 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. die gleichen Verhältnisse zum Ausdruck brachte, zeigt sich das Leben der Thiere durch einen weit niedrigeren, zwischen den Species wenig differirenden Krafteonsum gegenüber dem viel höheren Energieconsum des Menschen charakterisirt. Die lebende Substanz des Menschen bleibt ihrer ganzen Leistung nach durchaus nicht, wie man gewöhnlich mit Bedauern sagt, hinter den Leistungen anderer Warmblüter zurück, son- dern steht diesen im Gegentheil weit voran. Soweit reichen die Thatsachen. Mit ihrer Wiedergabe allein kann man sich nicht genügen lassen, denn es ist einleuchtend, dass bei einem so merkwürdigen gesetzmässigen Verhalten der lebenden Substanz doch tiefere Gründe, die auf das Wesen der letzteren sich gründen, voraus- gesetzt werden müssen. Das Protoplasma versagt seinen Dienst, wenn es bestimmt begrenzte, bei vielen Säugern gleichmässig grosse Leistungen vollzogen hat. Die Ergebnisse legen also ‚die Vermuthung nahe, es möchte die Begrenzung des Lebens vielleicht seine ursächliche Erklärung in dem Zusammenbruch der Zerlegungsfähigkeit des Proto- plasmas finden. Die Spaltung der Nahrungsstoffe und die damit ver- knüpfte Umwandlung der potentiellen Energie derselben ist mit fort- währenden Stellungsänderungen der Atomgruppirung des Protoplasmas verknüpft, mit Arbeitsleistungen in der lebenden Substanz auf Kosten der Nahrung, wobei sich die Nahrungsstoffe nach ihrem physiolo- gischen Verbrennungswerth vertreten. Die vorliegenden Zahlen würden also annähernd der Vorstellung entsprechen, dass die lebende Sub- stanz nur eine begrenzte Zahl von Lebensactionen der Zer- störung von Nahrungsstoffen ausführen kann, der schliesslich eine vollkommene Erschöpfung folgt. Bei kleinen Thieren ist die Summe dieser möglichen Leistungen schnell, bei grösseren erst in langen In- tervallen gegeben. Das Lebenssubstrat des Menschen zeichnet sich durch eine ganz besonders grosse Widerstandskraft aus, es ist aber kaum anzunehmen, dass es den einzigen Fall von Langlebigkeit in der Natur darstellen wird. Bei dem Kraftwechsel und der beständigen Bewegung innerhalb der lebenden Substanz müssen allmählich Schädigungen und irreparable Nachtheile eintreten, welche der absoluten Grösse des Energieumsatzes proportional gehen und allmählich zum Tode führen. Eine solehe Consumtion trotz genügender Ernährung ist vielleicht ein Gedanke, der uns nicht sehr wahrscheinlich klingen mag. Schliess- lich geht doch die Lebensbewegung und der Kraftwechsel weiter, seit- dem es Belebtes in der Natur giebt, ohne dass eine Erschöpfung dieser Leistungen anzunehmen wäre. Rusner: Das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer. 47 Die Erklärung ist, wenn man überhaupt eine Schwierigkeit des Verständnisses hier finden will, sehr einfach. Bei den einzelligen Wesen, die sich durch einfache Theilung fortpflanzen, giebt es, so sagt man, keinen Tod, jedes neu gebildete Wesen ist in gleicher Weise wieder tauglich zum Leben. Dieses Verhältniss wird nach Beobachtungen, die ich an Hefe- zellen angestellt habe, ein ganz anderes, wenn man durch einen Kunstgriff die Zellen zwingt, ohne Wachsthum zu leben. Man kann ihnen dieselbe Nahrung bieten, mit der sie sonst wachsen könnten, kommen sie aber nicht zur Vermehrung, so altern sie und gehen in wenigen Tagen zu Grunde. Sie sind jetzt in diesem wachs- thumslosen Zustand erstaunlich kurzlebig geworden. Nur das Wachs- thum, die Umformung und neue Mischung der Materie ist der Urquell des Lebens, nur sie können die Folgen einer ein- seitigen Lebensäusserung, wie der Kraftwechsel eine ist, beseitigen. Bei dem erwachsenen Säugethier ist aber diese Umformung und Mischung völlig ausgeschlossen. Mit der Erreichung des Endes der Jugendzeit, ja, schon einige Zeit vorher, wird die Potenz des Wachs- thums in den Fortpflanzungsorganen concentrirt. Von einem bestimmten Zeitintervall ab treten die das Wachs- thumsprineip enthaltenden Potenzen an die Geschlechtsorgane, und die übrigen Zellen des Organismus verlieren die Fähigkeit, weiter sich zu entfalten. Die maximale Grösse der Species ist erreicht. Ob wir nun diesen Termin als etwas einfach in der Organisation Liegendes betrachten wollen oder ob die lebende Substanz der Zellen des Körpers nach einer gewissen energetischen Leistung das Wachs- thumsprineip leichter an die Geschleehtsdrüsen abgibt, mag unent- schieden bleiben. Es wird Aufgabe der Zukunft sein, die Gültigkeit dieser Gesetze näher zu erforschen; voraussichtlich werden sich verschiedene Gruppen gleich eonstruirter »lebender Substanzen« ergeben, deren gegenseitiger Vergleich uns vielleicht dann weitere Gesichtspunkte zu erneuter Forschung giebt.' ! Die ausführlichen Mitteilungen meiner Untersuchungen werden an anderer Stelle erfolgen. Sitzungsberichte 1908. 6 48 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. Über rezente allochthone Humusbildungen. Von Prof. Dr. H. Poronıe. (Vorgelegt von Hrn. Branca.) Seit Jahren beschäftigte ich mich mit den rezenten Humus- und verwandten Ablagerungen, ursprünglich nur in der Absicht, aus dem Vergleich der Entstehung dieser rezenten Bildungen mit den Tat- sachen, die die fossilen Humus- usw. Ablagerungen bieten, für die Genesis der letzteren Daten zu gewinnen. Im Hinblick auf die noch vielfach hervortretende Neigung, die Steinkohlenlager als allochthon anzusehen, d. h. als entstanden aus an- geschwemmtem Pflanzenmaterial (Pflanzenteile an zweiter Lagerstätte), ist es daher von besonderem Wert, nun wirklich einmal einige rezente Vorkommnise dieser Art in ihrer Erscheinungs- und ihrer Entstehungsweise genauer kennen zu lernen. Zu dem Zwecke habe ich in 1906 zwei Fälle näher untersucht. Der Darlegung schicke ich die folgenden Definitionen voraus: Wo es sich um einen Transport von lebendem oder im Absterben begriffenem oder eben abgestorbenem Material handelt, sei von Ver- schwemmung die Rede bzw. von Sschwemmhumus für das ent- stehende Gestein, das sein kann Schwemmoder oder Schwemm- torf; findet jedoch eine durch Wasser bewirkte Umlagerung von bereits gebildetem Humus statt, so sei von Schlämmhumus ge- sprochen, der sein kann Schlämmoder oder Schlämmtorf. Hier- bei erfolgt ein Ausschlämmen und Schlämmen eines bereits durch Zersetzung entstandenen brennbaren Bioliths, eines Kausto- bioliths, womit naturgemäß eine mehr oder minder weitgehende Sepa- ration der Bestandteile nach ihrem Gewicht und nach ihrer Größe verbunden ist. H. Poronız: Über recente allochthone Humusbildungen. 49 1. Schwemmhumus. Über Schwemmtorf verweise ich auf die Darlegungen, welche ich in meiner Klassifikation und Terminologie der rezenten brenn- baren Biolithe und ihrer Lagerstätte 1906 S. 71 gegeben habe". Schwemmoder. Wie die allbekannte Tangstranddrift auffällige Strandwälle erzeugen kann, so können dies auch angeschwemmte Pflanzenreste, die, ursprünglich dem Lande angehörend, ins Wasser geraten sind und nun von diesem wieder auf ein Ufer gebracht werden. Bei uns ist besonders auffällig die aus Röhrichtbestand- teilen, besonders Stengelteilen von Rohrschilf (Arundo phragmites) zusammengesetzte Stranddrift, die in mehr oder minder mächtigen Ansammlungen vorkommt, freilich oft genug nur von niederge- legten und zu natürlichem Häcksel mehr oder minder zerkleinerten Massen der an demselben Ufer wachsenden Röhrichtpflanzen her- stammend. Dieses Material kann sich ebenfalls zu Strandwällen an- häufen; sie begleiten die Ufer unserer havelländischen und anderer Gewässer, wie z. B. die Ufer des Müggelsees. Nur selten erhalten sich solche Ansammlungen in bemerkenswerteren Schichten, da oft genug alles verwest; insbesondere aber, weil diese Stranddrift von der Kultur beseitigt wird, und zwar dort, wo sie bis 1.5 m mächtig werden kann, wie an der Südküste des Stettiner Haffs, durch Ver- brennung, damit die bedeckten lebenden — oft zum Schutz der Küste und im Interesse von Landgewinnung” erst angepflanzten — Röhrichtbestände nicht »erstickt« werden. Freilich ein wirkliches vollständiges Ersticken des Rohrschilfes speziell würde nur bei aus- nahmsweise mächtigen Aufschüttungen erfolgen können, da Arundo phragmites die Fähigkeit besitzt, durch recht dicke Schichten wieder durchzustechen; aber die durchstechenden Sprosse bleiben doch zu- nächst kleiner und nehmen erst nach und nach wieder nutzbringende Größe an. Eine natürliche mächtigere Ablagerung von Landpflanzenstrand- drift hat C. Schröter in der von ihm gemeinsam mit O. Kırcaner her- ausgegebenen Arbeit: »Die Vegetation des Bodensees«° beschrieben. Er bezeichnet die Ablagerung als »Schwemmtorf«, und zwar setzt er hier das Wort selbst in Anführungsstriche; weiter unten sagt er dann nur: »Überführung mit Gesteinsmaterial würde zweifellos solche An- ! Von dieser Schrift erscheint von der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt herausgegeben eine sehr erweiterte 2. Auflage unter dem Titel »Die rezenten Kaustobiolithe«. 2 So z.B. am Stettiner Haff, am Kurischen Haff, am Bodensee usw. ® Bodenseeforschungen, Neunter Abschnitt II. Lindau 1902. S. 39—42- 6* 50 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. häufungen zu einer ‚torfähnlichen‘ Schicht zusammenpressen.« J. Frün hingegen' nennt das Material solcher Ablagerungen ohne Beschränkung Schwemmtorf. Ich erwähne das, weil aus dem Weiteren hervor- gehen wird, daß es besser zu den Moderbildungen (Schwemmoder) gerechnet wird. Schröter beschreibt a. a. OÖ. die größeren der in Rede stehenden Ablagerungen wie folgt: »Die braunen Pflanzentrümmer bestehen aus abgerollten Holz- stücken, Zweigfragmenten, Rindenfetzen, Rhizomteilen usw. und bilden eine über metertiefe Aufschüttung, in welcher die sukzessiven Wasser- stände ihre parallel verlaufenden ‚Strandlinien‘ hinterlassen haben. Die Masse hat das Aussehen eines lockeren Torfs; sie ist von Wasser durchtränkt, und man sinkt tief darin ein; die Grundlage bildet der vollständig zerriebene feinere Detritus; eingestreut sind größere Pflan- zenfragmente, die am Wasserrande von den Wellen hin- und herge- tragen werden.« Kırcnser” hat auch bernsteinähnliche Gerölle von »Fichtenharz« im Schwemmoder von Langenargen gefunden. Ich habe zum Studium solcher Ablagerungen das Ufer des Boden- sees untersucht und kann danach das Folgende berichtigen. Was zunächst die mächtigste Ablagerung angeht, die sich zwischen der Schussenmündung und Langenargen (im Württembergischen) be- findet, so stammt ihr Material von den Ufern der in den Bodensee mündenden Schussen, die bei Hochwasser zeitweilig viel Pflanzen- material erhält, wie ich das selbst noch zu beobachten in der Lage war, was aber nach Vervollständigung der begonnenen Regulierung ganz hintangehalten werden wird. Die Überschwemmungen schaffen auf den anliegenden Streuwiesen Abraum, der zum Teil mitgenommen wird, und das bewegtere Wasser des Flußbettes selbst bringt an den Steilküsten Bäume zum Sturz und reißt sie zum Teil mit sich fort. Als ich Ende August 1906 dort war, waren noch die Folgen aus dem Frühjahr zu beobachten. Der Fluß hatte durch reißende Gewalt von einer östlichen Steiluferstrecke ganze Stücke mit Vegetationsbe- stand, darunter große und ziemlich viele Bäume zum Sturz gebracht. Sobald das verschwemmte Material in das Wasser des Bodensees gerät, beginnt der Kampf zwischen der im Norden einmündenden Schussen, die es hinauszuführen bestrebt ist, wie ihr bereits eine mächtige Sandbank im Bodensee vorgelagert ist, und zwischen dem von dem vorherrschenden West- und Südwestwinde gepeitschten Bodenseewasser. So kann’ bei Sturm in einem einzigen Tage ! Frün und Scarörer: Die Moore der Schweiz, 1904, S. 213. 2a OMSFAONU TAT: ® Nach zuverlässiger Mitteilung des Hrn. Handelsgärtners Albert Schöllhammer. ar H. Poronıe: Über recente allochthone Humusbildungen. 51 so viel Pflanzendetritus an den Strand geworfen werden, daß 2m mächtige Ablagerungen entstehen; wesentlich aus Material, das namentlich im Frühjahr, von der Schussen herausgeführt, Zeit hatte, sich voll Wasser zu saugen und daher vor der Sandbank unterzusinken, um auf dem Boden des hier flachen Seewassers abge- lagert zu werden. Das Material wird naturgemäß mehr oder minder separiertt an den Strand geworfen und wird von den Anwohnern »Seekot« auch »Gemür« genannt. Das in Rede stehende Lager befindet sich im Besitze des Hrn. SCHÖLLHAMMER, der es zur Verwendung bei seinen Kulturen als »Garten- erde« abbaut. Zu der Zeit, als ich dort war, war es ziemlich tief ganz ausgetrocknet: ist es doch durch seine Lage am Nordufer des Sees der direkten Sonnenwirkung stark ausgesetzt. Hiermit dürfte es zu- sammenhängen, daß es mir bei diesem und überhaupt bei so expo- nierten Lagern nicht gelungen ist, in ihnen auch nur einen Regen- wurm zu finden; auch Hr. ScnörLLuammer hat in seinem Lager nie einen solchen gesehen. Es steht dies ganz in Gegensatz zu den Ab- lagerungen gleicher Art an vor der Sonne geschützteren Stellen am Süd- ufer des Bodensees (auf der Schweizer Seite), z. B. östlich von Rorschach, wo ich im Schwemmoder zahlreiche Regenwürmer auffand, während in bergfeuchtem Torfe (unentwässerter Reviere) eben Regenwürmer und ihre Begleiter niemals vorhanden sind. Die Ablagerungen sind verschieden, je nachdem ihr Material eine geringere oder größere Verschwemmung bzw. Wassereinwirkung erlitten hat. Ist dieser Einfluß gering, so sind die Materialien weit weniger ausgelaugt als die z. B. von der Schussen gelieferten. Aber auch da, wo die Auslaugung eine ge- ringere ist, ist doch der Einfluß der Atmosphärilien meistens ebenso weitgehend wie dort, wo sich — wie in geeigneten Wäldern — Moder bildet. Schwemmtorf könnte aus Pflanzendetritus nur da entstehen, wo dieser frisch in gehörigen Lagen an den Strand kommt und schnell genug, wie bei der Torfbildung, zum hinreichenden Abschluß vor den Atmosphärilien gelangt oder wo er unter stagnierendes Wasser gerät. Außer Rohrschilfresten finden sich in den in Rede stehenden Schwemmoderlagern, deren Bestandteile alle den Charakter von natür- lichem Häcksel tragen, Holzstücke und Gerölle, Blattreste der ver- schiedensten Pflanzenarten, Kiefern- und Fichtenzapfen und andre Früchte und Samen. Die Samen, wenn nicht gerade ganz frisch her- zugeführt, nur von solchen Arten, die eine resistentere Schale be- sitzen. So ist es bemerkenswert, daß von Quercus-, Corylus-, Aesculus- Samen sich nur die hohlen, leeren Schalen finden, ein Hinweis auf die reichlicheren Verwesungsbedingungen, die herrschen, so dal das zurückbleibende Gesamtmaterial in der Tat als Moder anzusprechen 52 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. ist. Diese vielen, oft nur kleinen, zuweilen ohne bemerk- bare Öffnungen versehenen leeren Schalen geben eine gute Erklärung ab für die Entstehung der so häufigen fossilen Samensteinkerne, z.B. des Karbons. Alles leichter Zersetzliche überhaupt ist in diesem Schwemmoder verschwunden, sehr gegen- sätzlich zum Torf, in dem sich, sofern die Objekte von vornherein unter reine Fäulnisbedingungen geraten, noch leichtzersetzliche Teile vorfinden'. Auch ich war in der Lage, bernsteinähnliche Harzgerölle in diesem rezenten Schwemmoder, von der Fichte und wohl auch der Kiefer, zu beobachten, sowie von harzigen Substanzen, mit denen die Schiffe bestrichen werden. Bei der Veränderung, die diese Harzstücke erlitten haben, werden sie von Anwohnern direkt wie Ko- lophonium für Streichinstrumente benutzt. Hr. ScuöLLuanmer machte mich darauf aufmerksam, daß alter, sehr stark zersetzter Schwemmoder, einmal ausgetrocknet, kein Wasser mehr annimmt. Bei der schweren Zersetzbarkeit von Harz ist diese Erscheinung wohl auf eine Anreicherung an harzigen Substanzen zu- rückzuführen, und das gibt einen Wink, wie man sich die Ent- stehung des rezenten Denhardtits” und des tertiären Pyro- pissits vorzustellen hat. 2. Schlämmhumus. a EBERMAYER hat seinerzeit unter dem Namen Alpenhumus’ auf einen fast pulverförmigen Humus der nördlichen Kalkalpen hingewiesen, der bisweilen meterdicke Schichten bildet, auf denen Hochwald stockt. Regenwürmer sind höchst selten, nur ganz vereinzelt vorhanden. Nach dieser und der weiteren Beschreibung EsBEruAYERS ergibt sich nichts über die Genesis des Alpenmoders, die auch bis heute unbekannt ge- blieben ist‘. Ich habe daher die Kalkalpen, und zwar den Rätikon besucht, um den Versuch zu machen, die schwebende Frage aufzu- klären. Die Auffindung des Gesteins selbst machte keinerlei Schwierig- keiten; es fand sich in kleinen, gelegentlich auch größeren Ansamm- lungen und entsprach in jeder Hinsicht der Beschreibung EBERMAYERS. Die Genesis des von mir untersuchten Alpenmoders findet nun die folgende Erklärung: ! Vgl. die bezügliche Zusammenstellung sowie über die Begriffe Fäulnis usw. meine vorn zitierte Klassifikation, besonders die 2. Auflage derselben. ®2 Vgl. meine Klassifikation S. 81. Alpenmoder, Powonız, Klassifikation S. 76. * Vgl. z.B. Ramanns Bodenkunde, 2. Auflage 1905, S. 156 und 177. H. Poronı£: Über recente allochthone Humusbildungen. 53 Die dicht in Polstern und Rasen aufwachsenden Pflanzen haben die Neigung, Trockentorf (= Rohhumus) zu bilden, in hervorragendem Maße. Aber nicht die stoffliche Zusammensetzung solcher Arten ist es, die sie zur Humusbildung prädestiniert, sondern nur die Tatsache, daß sie durch ihren Aufbau die Wirkung der Atmosphärilien auf den Boden durch die Bildung einer diehten Decke mehr oder minder ab- zuhalten vermögen. Gerade unter den Alpenpflanzen sind nun polster- und rasenbildende Arten bekanntlich eine gewöhnliche Erscheinung und daher ebenso die Bildung von Trockentorf aus diesen Arten dort, wo die Bedingungen für eine Humusbildung günstige sind. An sol- chen Örtlichkeiten bilden auch solche Pflanzenarten Trockentorf, die auch gern in großen Beständen und unter Umständen vorwiegend dort leben, wo die Bedingungen zur Humusbildung fehlen. Das ist z.B. der Fall mit Nardus stricta, die auf dem St. Gotthard Trockentorf er- zeugt, besonders zwischen den dortigen »roches moutonne@es« und auch auf diesen. Es beteiligen sich hier die verschiedensten Pflanzen an der Trockentorfbildung, wie Carex curvula und Goodenoughü, Salix, Eriophorum Scheuchzeri. Man kann ihn als Alpentrockentorf bezeich- nen, wenn man Wert darauf legt, auszudrücken, daß dieser Trocken- torf in den Alpen u.a. wesentlich aus Alpenpflanzenarten hervorge- gangen ist. Noch weitergehend könnte man von Carex curvula-Trocken- torf usw. sprechen, wenn einmal ein ausschließlicher oder fast aus- schließlicher Bestand einer bestimmten Art vorhanden ist. Der Florist wird aus solchen Bezeichnungen vielfach entnehmen können, woher der 'Trockentorf stammt, z.B. wenn er Carex firma-Trockentorf hört, daß es sich um einen Trockentorf der Kalkalpen handelt und wenn von Carex curvula-Trockentorf die Rede ist, daß dieser seine Lager- stätte auf Urgestein gehabt haben dürfte. Aber eine weitere Bedeu- tung haben solche Zusätze zu dem Begriffe » Troekentorf« im allge- meinen nicht, zumal da der auf die Eigenart der Bodenbeschaffenheit gebotene Wink nicht unbedingt stets zu entnehmen ist; denn wenn auch die betreffenden Arten freilich meist in ihrem Vorkommen auf die genannten Gesteine beschränkt sind, so ist es doch nicht immer sicher der Fall. So kommt das das Urgebirge liebende Rhododendron fer- rugineum auch gern auf Humus vor neben dem kalkholden Rhododen- dron hirsutum in den Kalkalpen, wenn nur hier eine genügende Humus- lage gebildet worden ist, wie z.B. am Lüner See, wo ich übrigens auch den Bastard zwischen beiden Arten fand. Es ist dabei wohl zu beachten, daß wir über die Eigenschaften, die die einzelnen Pflanzen- arten dem Trockentorf geben, meist gar nicht unterrichtet sind; und dann ist noch zu berücksichtigen, daß durchaus nicht gesagt ist, daß ein Vorkommen z.B. von Carex curoula auf einem Trockentorf diesen 54 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. nun als aus der genannten Pflanze entstanden ergibt, denn es kann die Vegetation gewechselt haben. Es hat also wenig Wert, von Carex curvula-, Eriophorum alpinum- usw. Trockentorf zu sprechen. Vor der Hand — bis sich die Notwendigkeit weiterer Gliederung ergibt — würde es daher genügen, von Alpentrockentorf zu reden. Besondere Einflüsse können nun aus dem Trockentorf die Ent- stehung bemerkenswerter Moderbildung veranlassen. Geeignet für eine solche Untersuchung über die Genesis des Alpenmoders fand ich im Rätikon die Strecke zwischen Brand und dem in 1924 m Meereshöhe liegenden höchstgelegenen größeren Alpen- see, dem Lüner See, und noch weiter hinauf auf dem Wege zum Scesaplanagipfel. Bei der Schattenlaganthütte (auf dem Wege von Brand nach dem Lüner See) findet sich ein Alpenmoderlager bis $ m mächtig mit Waldbestand. Die Entstehung dieses Moders ist dort die folgende. An hinreichend steilen Hängen drückt der im Winter auflagernde Sehnee auf die Trockentorfdecke nach abwärts, so daß diese Decke zu kleineren oder größeren Schollen auseinanderreißt; sie erhalten dadurch zwischen sich freie Bahn für die Wirkung der Atmosphä- rilien. Wo nun vermöge größerer Steilheit des Gehänges die Schnee- decke das Bestreben einer stärkeren Abwärtsbewegung aufweist, kippt er die Schollen um, indem sie dabei vielfach um 90° nach abwärts gedreht werden. Die Pflanzendecke dieser Scholle ist nunmehr senk- recht zum Gehängewinkel gerichtet, und der Humus selbst liegt dann zu Tage. Die dadurch bedingte leichtere Zugänglichkeit des Humus für die Atmosphärilien ist die Ursache für seine Umarbeitung zu Moder und für seine leichtere Angreifbarkeit durch herabfließendes und rieselndes Wasser; daher denn auch die häufigen Andeutungen von vertragenem Humus (Schläimmhumus) in den geeigneten Gebieten. Vielfach findet sich solcher Schlämmhumus, und zwar speziell Schlämm- moder, z. B. auf dem Wege zwischen dem Lüner See und einem kleinen See vor dem Scesaplanagipfel. Sogar auf tieferliegenden Schnee- feldern kann man solchen aus Trockentorf hervorgegangenen und nicht nur durch Wasser transportierten, sondern auch durch Wind dislozierten Alpenmoder beobachten. Solche Schneefelder sind dann mit einem schwarzschmutzigen Anfluge behaftet, der, wie es scheint, hier und da mit Kryokonit verwechselt worden ist. Ein schönes Bei- spiel bot mir Ende August 1906 das als Miniaturgletscher entwik- kelte Schneefeld, das in den kleinen See mündet, der sich bei der toten Alpe vor dem Scesaplanagipfel befindet. Der Schneedruck des nächsten Winters arbeitet in dem ange- gebenen Sinne fort, d.h. schiebt und überkippt die Humusschollen H. Poronıe: Über recente allochthone Humusbildungen. 55 weiter talabwärts. An ruhigeren, weniger steilen Stellen häuft sich der wandernde Humus durch Ausschlämmung und Wassertransport, vermengt mit Gesteinsblöcken, zum großen Teil Steinschlag, an und bildet Lager, die einen Hochwald zu tragen vermögen. Daß der Humus solcher Lager kein typischer Torf werden kann, ist klar; denn die Atmosphärilien haben hier weitgehenden Zugang, und Torf for- dert für seine Entstehung möglichsten Abschluß derselben. Ist ein Hang so steil, daß er einer Vegetation, die Trockentorf bildet, nicht oder nur untergeordnet, etwa an Treppenvorsprüngen, Halt ver- leiht, so ist Alpenmoder am Fuße eines solchen Hanges nicht zu finden. Der Alpenmoder ist pulverig, krümelig, er kann aber auch bei dichter Packung von torfähnlichem Habitus sein; er ist dann zwar dicht, aber zerfällt außerordentlich leicht. Die in dem Moder vor- kommenden Steine charakterisieren sich durch ihre frische und eckig- kantige Beschaffenheit, wie gesagt, als Steinschlag, als frisches Bruch- material. Regenwürmer müssen im Alpenmoder in der Tat selten sein, obgleich sie eigentlich in demselben auftreten müßten; ich selbst habe keine beobachtet: vielleicht ist aber die Durchschnittstemperatur in den Regionen, in denen Alpenmoder auftritt, für diese Würmer zu kalt, die für die Gestaltung der Humusböden so überaus wichtig sind. So entsteht denn aus Trockentorf durch weitere Zerset- zung und durch Verschleppung des gebildeten Materials typischer Moder ohne jede Mitwirkung von Regenwürmern, wie das in gleicher Weise der Fall ist bei der Entstehung von Torf- moder (Staubtorf, Bunkerde) aus Moortorf nach der Entwässerung von Mooren auf ihrer Oberfläche, der dann aber meist sehr bald eine Besiedelung von Regenwürmern erfährt. Wo die Bodenbewegung durch die periodischen Einflüsse des Wassers zu lebhaft ist — und das ist in den Alpen meist der Fall — vermag sich natürlich kein Alpenmoder zu halten, wenigstens nicht in mächtigeren Ablagerungen. Diese finden sich daher wesent- lich an dem Fuß der Hänge, an den Grenzen zwischen Talsole und Steilhängen, wie das schon erwähnte Vorkommen bei der Schatten- laganthütte. Der in dem Moder stockende Wald selbst erzeugt durch seine Streu Trockentorf und etwas (autochthonen) Moder; so daß zwar der Schlämmoder den bei weitem überwiegenden Teil ausmacht, je- doch noch anderes hinzukommt. In diesem Alpenmoder sind also vorhanden: a) Allochthone Bestandteile: I. Schlämmoder, 2. Steinschlag; 1 Sitzungsberichte 1908. 56 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 16. Januar 1908. b) Autochthone Bestandteile: 3. Waldtrockentorf, 4. Waldmoder. Die Tatsache, daß es gerade die Kalkalpen sind, die dureh solche Ablagerungen ausgezeichnet sind, steht aber mit dem Kalk an sich in keinem Zusammenhange, etwa durch irgendeinen chemischen Einfluß, den dieser auf die Bildung des Moders ausüben möchte. Wie denn auch in den Kalkalpen auf dem Moder bzw. Trockentorf kalkfliehende Pflanzenarten wachsen, vorausgesetzt, daß die Moder- bzw. Trockentorfschicht eine genügende Isolierschicht bildet. Findet sich doch, wie gesagt, unter solchen Bedingungen selbst Rhododendron ferrugineum in den Kalkalpen. Das Vorkommen von reichlicherem Alpenmoder gerade in den Kalkalpen erklärt sich vielmehr dadurch, daß bei der vergleichsweise leichten Verwitterbar- keit des Kalkes Steilhänge und dadurch bewegte Verhältnisse hier ständig sind, also für eine Bewegung des Trockentorfes seine Um- bildung zu Moder und für die Verschleppung desselben die günstig- sten Bedingungen herrschen. Ist dem so, so muß unter Umständen auch in Gebirgen aus anderem Gesteinsmaterial — etwa Granit oder Sandstein — »Alpenmoder« entstehen können, wenn auch meist nicht in so auffälliger Entwicklung wie in Kalkgebirgen. In der Tat ist dies der Fall, wie mich Beobachtungen im Buntsandsteingebiet des Schwarzwaldes lehrten, wo sich vielfach geringere Mengen von » Alpen- moder« derselben Entstehung aus Trockentorf —- wenn auch hier na- türlich nicht von Alpenpflanzen — vorfinden. Anschließend sei darauf hingewiesen, daß die ruhelosen Boden- verhältnisse, die in geologisch jüngeren und daher noch stark der Ab- tragung und starker Wasserzirkulation unterliegenden hohen Gebirgen vorhanden sind, die Hauptursache dafür abgeben, daß sie Moorbildun- gen nur untergeordnet entwickeln, sowohl in ihren ständigen feuchten Höhenlagen, als auch in ihren Tälern. Im Gegensatz zu den ursprüng- lich ebenfalls hohen, aber jetzt alten und älteren Gebirgen, wie dem Riesengebirge, dem Harz und dem Schwarzwald, die durch ihre ruhi- geren Oberflächenformen in ihren feuchten Höhen günstige Bedingungen für die Entstehung und das Festhalten von Moortorf bieten, der freilich durch die künstliche Entwässerung der Moore immer mehr reduziert wird. Werden erst einmal die Alpen in ihr Altersstadium getreten sein, so werden auch sie die Bedingungen für die Entstehung größerer Moore erreicht haben. Einen schönen Beleg hierzu bietet die von Frün' ! Frün und Schrörer, Die Moore der Schweiz. 1904. - H. Poronıe: Über recente allochthone Humusbildungen. 57 gegebene Moorkarte der Schweiz, auf der zwar sehr zahlreiche und große Moore im Vorlande der Alpen, im »Mittellande« der Schweiz, angegeben sind, jedoch nur sehr spärliche, kaum beachtenswerte Torfvorkommen in den Alpen selbst. Aus der vorausgehenden Darstellung ergibt sich, daß von rezenten Humusbildungen, sofern sie allochthon sind, unterschieden werden können: I. Von Moderarten: a) Schlämmoder (= Alpenmoder) und b) Schwemmoder (= sogenannter Schwemmtorf‘). II. Von Torfarten: a) Schlämmtorf und b) Schwemmtorf. Im vorstehenden ist also für zwei Fälle wirklich das Vorhandensein von Allochthonie dargetan worden. Aber selbst zusammen mit den anderen bekannten Fällen soleher Art handelt es sich doch immer nur um beschränkte Vor- kommnisse gegenüber der ungeheuren Menge und Ausdeh- nung autochthoner Bildungen: der Moore. Dasselbe aber gilt doch auch sicher bezüglich der Genesis der fossilen Kohlen. Ausgegeben am 23. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei eu N I ul ER Hrn ul hr Kinn EI) EN. um DUAL SU Isar La Bin: DOht RER, , a w DM u > Ihe 7 RN ir Bi a j 2 N, ieW; A Klik 3 EN "N 4 ne Min Bm! an 1% ’ HEN Kal) 59 SITZUNGSBERICHTE 1908. In. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. * Hr. Stumer trug vor: »Zur Theorie des inductiven Schlusses.« Der Schluss von Thatsachen auf Gesetze setzt in dreifacher Weise apriorische Erkenntnisse voraus: ı. sofern der Begriff eines Gesetzes überhaupt nur aus der Ver- gegenwärtigung apriorischer Wahrheiten gewonnen werden kann, 2. sofern die Wahr- scheinlichkeitsprineipien, nach denen sich die Glaubwürdigkeit der Gesetzeshypothese im einzelnen Falle bemisst, aus dem Begriffe der Wahrscheinlichkeit analytisch, also aprio- risch, einleuchten, 3. sofern der Zusammenhang zwischen den Prämissen und dem Schlusssatze, wie in jedem richtigen Schlusse, so auch im inductiven einen a priori ein- leuchtenden Satz ergeben muss, wenn man jenen Zusammenhang zum Inhalt eines Urtheiles macht. a Sitzungsberichte 1908. dr MrT il N rt ih ran u 1 but \ ne FE RR | odT Au Bu: I m Bi Dr N Bin + ur N MR My iso uf ALy y ih] BEN TU 5 TR, ' Ka Son im: y P% IST=IST=IST=JST=ISTSJ TS] TSJ ST] STzJETzJETSJSTSJSTSISTSISTSJETSIETSJSTSITSI-TSI-T-ISTeIT 1m IV. _SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN ADENIE DER WISSENSCHAFTEN. -; Sr, 7 #* I ; N EuuE? Festrede.. (S. u ahre esberichte über die akademischen Unternehmungen und Jahresberichte der Stiftungen. (S. 81) die ‚Personalveränderungen. (S. 116) St RK GLICHEN. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. et: = 4 Neo 1 | COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $1l. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften «. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- deimischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefernist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u.s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen, Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazueine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. - (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Aus $6. } Die an die Druckerei abzuliefernden Manusceriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen, Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen, Umfängliche Correcturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- - girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. 1 Aus $8. \ Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im 1} Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- . abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- . treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. i | Von Gedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die 4 Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 1 89. # Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberiehten 3 1 1 erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- | exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis | zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, | sofern er (liess rechtzeitig dem redigierenden Seeretar an- j j gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abidrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder ethalten 50 Frei- exemplare uni dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. 2 Von den’Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. I My 2 Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dar in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jene: Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- SITZUNGSBERICHTE 1908. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 23. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages König Frıeprıcn’s 1. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung, welcher der vorgeordnete Minister, Se. Excellenz Hr. Dr. Horrr, beiwohnte, mit einer Ansprache, in der unter Hinweisen auf die Feiern der Königlichen Geburtstage in den Jahren 1808 und 1858 dem Kaiserlichen und Königlichen Protector die Glückwünsche der Akademie und der Dank für die im Jahre 1907 bewilligten wichtigen dauernden Zuwendungen darge- bracht wurden. Sodann hielt Hr. Koser den nachstehenden wissenschaftlichen Festvortrag: Die Mitteilung, die ich dieser Versammlung an dem heutigen zwiefachen Festtage zu bieten habe, wird den beiden erhabenen Fürsten, denen unsere Feier gilt, zu gleichen Teilen gedankt. Durch die Huld Seiner Majestät des Kaisers, der aus seinem Dispositionsfonds die er- forderlichen Geldmittel freigebig zur Verfügung stellte, ist die Staats- archivverwaltung in die Lage versetzt worden, den größten Teil der Originalbriefe König Frırprıcns Des GroszEn an VOLTAmE von den Erben des Dichters anzukaufen. Ergänzungen zu dieser überaus wert- vollen Erwerbung ließen sich bei vier verschiedenen Gelegenheiten auf dem antiquarischen Markte gewinnen. So ist jetzt ein beträcht- licher Teil des Nachlasses von VorrAme in preußischen Archiven ge- borgen, nachdem andere Teile schon bald nach dem Tode des Dichters in den Besitz der russischen Regierung übergegangen waren. Wie Vorrame selber bei Lebzeiten auf dem Boden seines Vaterlandes keine bleibende Stätte gefunden hat, ist jetzt also auch diesen hinter- lassenen Schriftensammlungen in der Fremde eine Unterkunftsstätte bereitet worden. Sitzungsberichte 1908. 9 ID 6 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Es ist nicht meine Absicht, heute über die neue Ausgabe des Briefwechsels zwischen Frırprıcn DEM (ROSZEN und VOLTAmRE zu be- richten, die auf Grund der von uns erworbenen Handschriften vor- bereitet wird und demnächst erscheinen soll. Auch will ich nicht unternehmen, den sich über zweiundvierzig Jahre hin erstreckenden Verkehr zwischen dem König und dem Dichter zu schildern, wie das oft und an andrer Stelle auch von mir selber versucht worden ist. Vielmehr soll aus der Masse der neu gehobenen Schätze nur ein einzelnes Stück, eine bisher unbekannte Dichtung des Königs, herausgegriffen und mitgeteilt werden. Eine Ode, die in mehr als einer Richtung Stoff zur Betrachtung und Anlaß zur Erörterung bietet. Indem dieses Gedicht hier zur Mitteilung gelangt, wird für den heu- tigen Tag lediglich eine alte Überlieferung der Akademie wieder auf- genommen; denn mehr als einmal sind zu Lebzeiten des Großen Königs, der nicht nur der Wiederhersteller und Schirmherr der Aka- demie, sondern auch ihr eifriger Mitarbeiter war, Erzeugnisse seiner Feder hier in diesem Kreise an die Öffentlichkeit getreten; ich darf an die denkwürdige Festsitzung des 27. Januar 1772 erinnern, in der in Gegenwart der erlauchten Schwester des königlichen Verfassers, der Königin Lusse Urrıke von Schweden, hier die Abhandlung »Über den Nutzen der Wissenschaften und Künste in einem Staate« durch eines der Mitglieder verlesen wurde. Wir wußten aus einem Briefe König Frienrıchs an VOLTAIRE vom 25. Juli 1742, daß dem Briefe eine Ode angeschlossen war, eine poetische Rechtfertigung «des Breslauer Friedens, den der König soeben mit der Königin MaArıa Tueresıa abgeschlossen hatte, eine Recht- fertigung überhaupt der preußischen Politik im Ersten Schlesischen Kriege. Den Veranstaltern der Kehler Gesamtausgabe der Werke Vorrames hat diese Ode in dessen Nachlasse noch vorgelegen; sie führen den Titel an »Über die Urteile, die das Publikum über diejenigen fällt, die mit dem unglückseligen Beruf der Politiker betraut sind«'. Die Ode selbst teilten sie nicht mit. Sie galt seitdem als verschollen; der Herausgeber unserer akademischen Ausgabe der (Euvres (de Frederic le Grand, J. D. E. Preusz, hat sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vergeblich bemüht, ihrer hab- haft zu werden. Jetzt endlich ist sie zum Vorschein gekommen und zu uns gelangt. Der Verfasser hatte die Ode von der Sammlung seiner litera- rischen Werke, die er einige Jahre vor dem Siebenjährigen Kriege ! Sur les jugements que le publie porte sur ceux qui sont charges dans la societe eivile du malheureux emploi de politiques. Die Worte dans la societe eivile ergänze ich aus dem Original. Koser: Festrede. 6: als (Euvres du philosophe de Sanssouci drucken ließ, ausgeschlossen. Vielleicht hatte er nicht einmal eine Abschrift zurückbehalten. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob der Philosoph von Sanssouei «damit einverstanden sein würde, wenn er sähe, daß man, wie es jetzt üblich ist, die von ihm beiseite geschobenen ersten Entwürfe seiner Ge- dichte hervorzieht und ihre Varianten den endgültig angenommenen Texten gegenüberstell. Im vorliegenden Falle aber darf für die Veröffentlichung gerade dieser Ode der nämliche Umstand noch heute geltend gemacht werden, mit dem einst ihr Dichter die Abfassung und weiter die Mitteilung an Vorrame begründete. Er meinte, daß nicht leicht zuvor in einer Ode so viel von Politik gesprochen worden sei, und dieses politische Interesse ließ ihn sich darüber hin- wegsetzen, daß seine Alexandriner, wie er bekannte, nicht so har- monisch wären, wie man es wünschen könnte. Die Ode, eine Verteidigung der Berufspolitiker, ist dieser ihrer allgemeinen Tendenz nach ein Seitenstück zu der poetischen Epistel von 1749, die in den (Euvres du philosophe de Sanssouei als » Ver- teidigung der Könige« (Apologie des rois) erscheint. Sie entspricht ihrem besonderen Inhalt nach der Flugschrift, die der König zur Recht- fertigung seines Friedensschlusses wenige Tage nach der Abfassung der Ode unter dem Titel » Brief des Grafen ““ an einen Freund « nieder- schrieb, um sie insgeheim zu Köln drucken und demnächst in Frank- reich verbreiten zu lassen, die er dann zurückzog, um die französische Empfindlichkeit zu schonen, und die ich, nachdem 1742 die Druck- legung eingestellt worden war, vor jetzt dreißig Jahren im Auftrage der Akademie in der Sammlung der »Preußischen Staatsschriften aus der Regierungszeit Frreprıcns II.« veröffentlicht habe. Die Ode ist weiter ihrem Inhalt nach ein Vorläufer zu den zeitgeschichtlichen Denk- würdigkeiten des Königs, zu der Histoire de mon temps, ein Memoire vor den Memoiren. Daß Frırprıcn in dem Augenblick, wo er die Ode verfaßte, sich bereits mit dem Plane trug, seine eigne Geschichte zu schreiben oder zu diktieren, wissen wir aus einem Briefe des Freiherrn von Pörısırz vom 7. April 1742. Unsre Ode erscheint in ihren erzählenden Strophen geradezu als eine Skizze zu der Geschichte des Ersten Schlesischen Krieges; und wenn in der Entwieklung der nationalen Literaturen insgemein der prosaischen Historie eine histo- rische Poesie vorangegangen ist, so weist also FRIEDRICHS DES GROSZEN historiographische Betätigung, dank einem Zufalle, die gleiche Ab- folge auf. Ein Prolog zu der Histoire de mon temps, ist unsre Ode weiter ein Epilog zum Antimacchiavell. Ein Epilog, aber keine Palinodie, kein Widerruf. Der Kampfeston gegen den Macchiavellismus der Staats- 92 64 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. lenker wird in der Ode kräftig und scharf angeschlagen wie zwei Jahre früher im Antimacchiavell; ja noch schärfer, denn die Polemik der Ode erhält eine persönliche Spitze. Und zwar nach einer schon im Antimacchiavell vorgezeichneten Richtung. Dem Verfasser des Antimacchiavell haben bei seiner Abrechnung mit der politischen Moral des Florentiners zwei Franzosen vor Augen gestanden. Der eine, der erste Bourbonenkönig, in der idealen Ver- klärung des Vorrameschen Heldenepos, der Hrxrı IV der Henriade. Eine Nachwirkung der Henriade nannte der preußische Kronprinz seinen Antimaechiavell. Die hochherzigen Gesinnungen Heikricas IV. sollen dem politischen Urteil Maßstäbe und dem politischen Verhalten Ge- setze geben '. Der andre Franzose weilte noch unter den Lebenden. Es war der alte Kardinal Freurv, ehedem der Erzieher und damals bereits seit mehr als einem Jahrzehnt der »Prinzipalminister« König Lup- wıcs XV., der dritte in der Reihe der großen Prälaten, die im 78 und ı8. Jahrhundert die Geschicke Frankreichs gelenkt haben. Gegen Fıeurv enthält der Antimacchiavell einen unverhüllten Angriff; der preußische Kronprinz nennt ihn dort »den weisen und geschiekten Minister, der in Frankreich am Staatsruder sitzt und dem es bei den Lehren MaccutaveErzs viel zu wohl geworden ist, als daß er auf halbem Wege sollte einhalten wollen.«e Gegen Frrury richtet sich auch unsre Ode. Der Kronprinz hatte sich sein Urteil über den‘ Leiter der fran- zösischen Politik beim Ausgang des Krieges von 1733 bis 1735 ge- bildet. Frankreich hatte damals seine Verbündeten, Spanien, Sardinien und den König StanısLaus Leszezynskı von Polen, verlassen, um sich durch einen Sonderfrieden mit dem Wiener Hofe die Erwerbung von Lothringen zu sichern, obgleich bei Beginn des Kampfes das französische Kriegsmanifest verkündet hatte, daß König Lupwıs keine Vorteile für sich begehre, sondern lediglich für die Freiheit der polnischen Königs- wahl, zugunsten des Piasten SranısLaus gegen den von Rußland und Österreich unterstützten sächsischen Kurfürsten die Waffen erhebe. Die überraschende Schwenkung der französischen Politik, der Sonderfriede von 1735, berührte den Kronprinzen von Preußen um so peinlicher, als er selbst an die Schilderhebung Frankreichs gegen Österreich poli- tische Entwürfe angeknüpft hatte. Die schwere Erkrankung Frieprıcn Wirnerns I. im Herbst 1734, gegen das Ende des ersten Feldzugs, ließ wenig Hoffnung für das Leben des Königs; der zweiundzwanzig- ! FriEDRICH an VorrAıRE, 26. Juni 1739: »Ce que je medite contre le machia- velisme est proprement une suite de la Henriade. C'est sur les grands sentiments de Henrı IV que je forge la foudre qui &ecrasera Cesar Borgia.« Per Br Koser: Festrede. 65 Jährige Thronerbe mußte sich die Frage vorlegen, wie er, während dieses Krieges zur Nachfolge berufen, seine Stellung zu den krieg- führenden Mächten wählen wolle. Er näherte sich dem bei seinem Vater beglaubigten französischen Gesandten mit der gewichtigen An- deutung, daß er den Franzosen ein Bundesgenosse werden könne wie einst Gustav Aporr, vorausgesetzt daß man ihn seinen Vorteil finden lassen wolle. Die Genesung des Königs ließ für politische Erörterungen dieser Art keinen Raum, aber als im folgenden Herbst Frankreich jenen Sonderfrieden schloß, durfte der Kronprinz sich dazu beglück- wünschen, jetzt nicht zu den Verbündeten zu zählen, denen die selbst- herrliche, rücksichtslose Großmacht das Nachsehen gelassen hatte. Er bezeichnete damals in einem vertraulichen Brief an einen der Staats- männer seines Vaters, den General Grumskow, diesen Friedensschluß des Kardinals Fırury als eine Probe der feinsten Hinterlist, zu der je ein Minister gegriffen habe; denn Frankreich habe seine Erklärung zugunsten der polnischen Wahlfreiheit nur als Deckmantel für seine Umtriebe und seine unersättliche Vergrößerungsgier benutzt. Er blieb dabei, den Frieden von 1735 einen schimpflichen zu nennen, der den Franzosen bei den spätesten Geschlechtern schaden werde. Er eiferte sieh in die Stimmung hinein, aus welcher der Antimaechiavell er- wachsen ist; er schalt das ganze Getriebe der Politik jener Tage mit seinen Listen und Ränken ein kindisches Spiel, in welchem der ge- winne, der am feinsten täusche. Der Kardinal Freurv aber hieß ihm seitdem der Maechiavell in der Kutte, der Macchiavell in der Mitra, der geweihte Maechiavell, der »dem Himmel dient und die Welt betrügt'«. Diesem Staatsmanne also, der ihm als der Typus des falschen Freundes und unzuverlässigen Verbündeten galt, sah der junge Fürst sich gegenübergestellt, als er am 31. Mai 1740 den preußischen Thron bestieg. »Wer wird sich künftig diesen Leuten anvertrauen dürfen!«, so hatte er vor fünf Jahren empört ausgerufen. Jetzt sah er sich von eben diesen Franzosen umworben. Man versteht, daß er nur zögernd die ihm zum Bündnis dargebotene Hand ergriff und schnell sie wieder losließ. Ohne einen Verbündeten in den Kampf gegen Österreich eingetreten, wäre er doch bereit gewesen, an Österreichs und Englands Seite seine Waffen gegen Frankreich zu kehren, wenn ihm unter englischer Vermittelung Niederschlesien abgetreten worden ! Man findet die einschlägigen Äußerungen nachgewiesen in »Friedrich der Große als Kronprinz« S. 264 (2. Aufl... In dem jetzt für das Geheime Staatsarchiv erworbenen Brief Frırprıcns an VorrAırE vom 6. Juni 1740 finden sich die Worte »le vieux Machiavel mitre« dick mit Tinte überzogen, offenbar durch den Empfänger, der nicht darauf verzichten wollte, den Brief herumzuzeigen, aber nicht wünschen konnte, daß Freury erfuhr, wie er und seine Staatskunst in diesem Briefwechsel gekenn- zeichnet wurden. 66 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. wäre; noch nach der ersten Schlacht kam er auf diesen Vorschlag zurück. Die starr ablehnende Haltung des Wiener Hofes veranlaßte dann den König von Preußen, sich auf die entgegengesetzte Seite zu stellen. Aber noch kurz vor Unterzeichnung des preußisch-franzö- sischen. Bündnisses vom 5. Juni 1741 sagte er zu dem französischen Gesandten im Rückblick auf den Frieden 1735: »Mein Freund, ich habe immer den König von Sardinien vor Augen, dem Frankreich Mailand versprochen hatte, und der nichts bekommen hat.« Er war entschlossen, sich nicht in derselben Weise betrügen zu lassen. »Ungläubig, ungläubig, das sei Euer Wahlspruch!« schärft er bei Beginn des Krieges einem seiner Gesandten ein, und »trompez les trompeurs« lautet aus dem Feldlager sein lakonisches Marginal auf einen Bericht des Auswärtigen Amtes. »Dupons les plutöt que d’etre dupe« lesen wir als eigenhändigen Zusatz unter einer diplomatischen Instruktion eben aus diesen Tagen vor der militärischen und politischen Entscheidung’. Sich nieht überlisten zu lassen, ist für den jungen König geradezu ein Ehrenpunkt. Während der Verhandlungen von 1741 mit dem britischen Kabinett schreibt er an seinen Minister Popewırs über den König von England: »Der Cäpten« — so nennt er Georg II. — »glaubt uns hinter das Licht zu führen, als Westfale, das heißt mit aller denkbaren Plumpheit; ich, der ich mich schämen würde, von einem Italiener genarrt zu werden, ich würde mich selbst de- mentieren, wenn ich das Spielzeug in der Hand eines Mannes aus Hannover würde«. 3 In dem Briefwechsel mit Vorrame aus den Tagen des Ersten Schlesischen Kriegs knüpft der Verfasser des Antimacchiavell an die Ideengänge dieser seiner Streitschrift unmittelbar an. »Ich habe augenblicklich mit etwa zwanzig, mehr oder weniger gefährlichen Macchiavellen zu argumentieren« schreibt er am 8. Januar 1742. In kühner Zusammenstellung, die er sich als Souverän erlauben darf, setzt er hinzu: »Ich stelle mir vor, daß Gott die Esel, die dorischen Säulen und die Könige geschaffen hat, um die Lasten dieser Welt zu tragen; die liebenswürdige Poesie steht vor der Tür, ohne Audienz zu erhalten. Der eine spricht nur von Grenzen, der andre von Rechten, noch ein andrer von Indemnisation:; wieder einer von Hilfstruppen, von Ehekontrakten, von Schuldenabtragung, von Intrigen, von Empfehlungen, von Dispositionen. Man verkündet, daß Ihr etwas getan, woran Ihr niemals gedacht habt; man vermutet, daß Ihr ein ' In diesen Zusammenhang gehört auch der von den Österreichern aufgefangene, oft zitierte Brief vom 12. Mai 1741; Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen 1,244. Koser: Festrede. 67 Ereignis übel aufnehmen werdet, worüber Ihr Euch freut; man schreibt aus Mexiko, daß Ihr den und den angreifen wollt, den Ihr doch zu schonen interessiert seid; man zieht Euch ins Lächerliche; man kritisiert Euch, ein Zeitungsschreiber verfaßt eine Satire auf Euch, die Nachbarn zerfleischen Euch; ein jeder wünscht Euch zum Teufel und überhäuft Euch dabei mit Freundschaftsbeteuerungen — das ist die Welt.« Der nächste Brief, aus dem Hauptquartier zu Olmütz vom 3. Februar 1742, spinnt diesen Faden weiter: »Die Hinterlist (supercherie), die Unzuver- lässigkeit und die Doppelzüngigkeit sind unglücklicherweise der vor- herrschende Charakter der meisten der Leute, die an der Spitze der Nationen stehen und die ihnen zum Beispiel dienen sollten. Es ist eine gar demütigende Sache um das Studium des menschlichen Herzens bei solehen Anlässen. « Aus Vortaıres Antworten erklingt ein durch leise, behutsame Kritik gedämpftes Echo dieser Klagen und Anklagen. Vorraıke spricht die Befürchtung aus, daß der König auf diesem Wege zu allzu starker Menschenverachtung gelangen wird: »Eure Majestät malt so trefflich die edlen Schelmenstreiche der Politiker, die eigennützigen Bemühungen der Höflinge, daß Sie damit enden wird, an der Zuneigung der Menschen jeglicher Art irre zu werden.« Und indem er in verständnisvollen Versen die Schwierigkeiten der Aufgabe des Staatsmannes anerkennt, deutet er doch zugleich an, daß sein Held mit diesen Schwierigkeiten bei glücklichem Anpassungsvermögen sich abzufinden weiß. Die Gloire und die Politik, so ruft er ihm zu, seien die Tyrannen, denen er jetzt diente: La Politique a son cöte Moins eblouissante, aussi forte, Meditant, redigeant ou rompant un traite, Vient ınesurer vos pas que cette Gloire emporte. L’Interet, la Fidelite Quelquefois s’unissant, et trop souvent contraires, Des amis dangereux, de secrets adversaires, Chaque jour des desseins et des dangers nouveaux, Tout €ecouter, tout voir, et tout faire a propos, Payer les uns en esperance, Les autres en raisons, quelques-uns en bons mots; Aux peuples subjugues faire aimer sa puissance, Que d’embarras! que de travaux! Regner n’est pas un sort aussi doux qu’on le pense; Qu’il en coüte d’etre un heros. In einem anderen dieser an den König von Preußen gerichteten, halb prosaischen und halb gereimten Briefe erteilt Vorrame den andern Diplomaten einfach den Rat, es mit diesem Meister der Kunst lieber nicht aufzunehmen: 68 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Ministres cauteleux, ou pressants ou jaloux, Laissez-läa-tout votre art, il en sait plus que vous. Il sait quel interet fait pencher la balance, Quel traite, quel ami convient a sa puissance, Et toujours agissant, toujours pensant en roi, Par la plume et l’epee il sait donner la loi. Der Kronprinz Frırprıcn hatte seine Streitschrift gegen Mac- CHAVELL unter dem Eindruck der ersten europäischen Haupt- und Staatsaktion, der er zugeschaut hatte, schnell niedergeschrieben, in starker, überzeugter Ergriffenheit, in einer Art Enthusiasmus'. Er hatte die Feder angesetzt, ohne zureichende Kenntnis weder der Zu- stände und Erfahrungen, aus denen einst Maccnıveur seine Ratschläge ableitete, noch der Bedingungen, Hemmnisse und Fährlichkeiten des politischen Handelns überhaupt. Die Zustimmung zur Drucklegung dieser improvisierten Kritik hatte Vorramrr, dem die Handschrift zunächst nur zur persönlichen Einsicht übersandt wurde, dem Ver- fasser abgeschmeichelt. Als darüber der Regierungsantritt kam, wollte der nunmehrige König sein Imprimatur zurückziehen und die ganze Auflage des in Holland schon zur Hälfte abgesetzten Werkes auf- kaufen, ohne doch, als der den Druck vermittelnde VorrAıreE Einwände erhob, ein bindendes Verbot auszusprechen. Denn offenbar war in- mitten ganz neuer Interessen, im Drange der Regierungsaufgaben, diese Frucht seiner Rheinsberger Muße aus seinem Gesichtskreis schon herausgetreten, und er hoffte vielleicht, das Geheimnis des anonym er- scheinenden Traktats gewahrt zu sehen. Es konnte nicht ausbleiben, daß seine Gegner aus dem Arsenal des Antimacchiavell alsbald Waffen gegen den Verfasser entnahmen und den Theoretiker gegen den Praktiker auszuspielen versuchten. Als wenige Wochen nach dem Antimaechiavell die Deduktion der preußischen Ansprüche auf Schle- sien im Druck erschien, bemerkte eine österreichische Gegenschrift aus der spitzigen Feder des Freiherrn von BArtenstein ironisch: »Der Urheber der Deduktion hätte vielleicht in dem Macchiavello, welchen Herr Vorrame mit Anmerkungen, die aber nicht die seinigen sind, herausgegeben hat, nähere und eigentlichere Beweistümer für seine ! Stärker noch als im Antimacchiavell äußert sich dieser Enthusiasmus in der langen Ode, die Frıevrıcn am 9. September 1739 anläßlich der Greuel des damaligen Türkenkrieges an Vorraıre sandte ((Euvres des Frederie le Grand r, 316; in der dem- nächst vorzulegenden neuen Ausgabe des Briefwechsels mit VorrAıre 1 295): eine flammende Philippika gegen die Politik des Ehrgeizes, mit der Beschwörung Monarques malheureux, ce sont vos mains fatales Qui nourrissent les feux de ces embrasements; La Haine, l’Interet, deites infernales, Preeipitent vos pas dans ces egarements. Koser: Festrede. 69 Sache gefunden.« Und als am 11. Juni 1742 Frieorıcn II. zu Breslau seinen Frieden mit Marıa Tnurresıa geschlossen und das Bündnis mit Frankreich verlassen hatte, schrieb der französische Marschall Beuır- Isıe, daß der König von Preußen MaccntveLL in seinen politischen Grundsätzen zum Führer gewählt habe. Berrtr-Iste hat in eben der für den König von Frankreich be- stimmten Denkschrift', in der sich dieses Urteil findet, einen wesent- lichen Faktor in dem Zersetzungsprozeß des preußisch-französischen Bündnisses selber scharf hervorgehoben: die Langsamkeit und die Fehler der Kriegführung auf seiten der Verbündeten Preußens — die alte und ewig neue Ursache des Mißerfolgs und der Auflösung der Koalitionen. Die militärischen Leistungen der einen Partei ent- sprachen nicht dem, was die andre erwartete und was ihr versprochen war. Wenn man nicht alles erfülle, was man verheiße, so hatte der König von Preußen bald nach Unterzeichnung des Bündnisses dem französischen Gesandten in erregter Rede erklärt, so könne man sich auf ihn nicht mehr verlassen, als auf das Laub im November. Er hatte mit dürren Worten hinzugesetzt: Ein langer Krieg kann mir nicht zusagen. Darin lag der Schlüssel seines Handelns. Zwischen den politischen Ansprüchen und Bestrebungen der Franzosen und ihren militärischen Leistungen bestand ein Mißverhältnis. Argwöhnte der preußische König auf der einen Seite, daß sie den Koalitionskrieg gegen die bisherige Vormacht des Reiches benutzen wollten, um in Deutschland die französische Schutzherrschaft über eine Anzahl »Klein- könige« (reguli)’, über eine lose Gemeinschaft ungefähr gleich starker Mittelstaaten, aufzurichten, so überwog doch bei ihm angesichts jener schlaffen und wirkungslosen Kriegführung die Besorgnis, daß er in dem allgemeinen Schiffbruch der Koalition seinen bereits gesicherten, mit den eignen Waffen erstrittenen Gewinn wieder verlieren könne. In solehen Erwägungen hat er unter Benutzung britischer Dienst- willigkeit die Fühlung mit dem Wiener Hofe nie ganz aufgegeben. Die Ende April 1742 ihm zugehende Meldung seines Vertreters am Hof des neuerwählten Wittelsbachischen Kaisers, daß ein französischer Agent Farcıs seit vier bis fünf Wochen wegen des Friedens in Wien verhandle, ließ ihn in jenem Augenblick den Vorsatz aussprechen, um jeden Preis den Franzosen zuvorzukommen‘. Doch bedurfte es noch des Sieges von Chotusitz, um die Abneigung Marıı 'Tuerestas gegen einen Frieden mit dem Verlust von Schlesien zu überwinden. ! 2o. Januar 1743; bei Brocır, Frederie II et Marie-Therese 2, 390. ® Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen 2, 13. 3 Ebenda 2, 142. Zur Sache vgl. meine Darstellung »König Friedrich der Große« I, 180 (3. Aufl.). 70 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Der Kardinal Freurv hat immer beteuert, daß die Nachricht von der Sendung jenes Farcıs nach Wien des Grundes entbehre, auf einem Mißverständnis beruhe, und wir werden in der Tat anzunehmen haben, daß Fargis eine mythische Gestalt und kein historisches Seitenstück zu dem Fürsten von Wırn gewesen ist, durch dessen geheimnisvolle Vermittlertätigkeit Fraury im Jahre 1735 seinen Sonderfrieden mit Wien geschlossen hat. Der König von Preußen hatte an seinem Teile alle Veranlassung, mit der durch einen seiner diplomatischen Bericht- erstatter ihm zugehenden so weittragenden Meldung politisch zu rechnen. Immerhin ist diese Meldung für seinen Friedensschluß nur ein Grund unter vielen gewesen und nicht der entscheidende geblieben; daß er diesen Grund bei Abwehr der ungünstigen Beurteilungen, die der Breslauer Friede fand, in das Vordertreffen führte, war unter dem publizistischen Gesichtspunkt das Gegebene. In unsrer Ode über die unbilligen Urteile des Publikums, denen die Staatslenker ausgesetzt sind. wird die Unzuverlässigkeit der fran- zösischen Politik einseitig und ausschließlich als Beweggrund für den Friedensschluß hingestellt'. Nach der strategischen Regel, die FrreprıcHh seinen Generalen oft eingeschärft hat, daß die stärkste Form der Defensive die Offensive sei, hat der Verfasser der Ode seinem alten tiefgewurzelten Mißtrauen gegen den Kardinal Freury noch einmal lebhaften Ausdruck gegeben. Um so mehr, als eben jetzt Vorraıre den Leiter der fran- zösischen Politik als den Mann des Schicksals angesungen hatte. Denn Vorrames Ode auf den Krieg von 1741, durch die der König von Preußen unmittelbar zu seiner poetischen Behandlung desselben Gegen- standes veranlaßt wurde, richtet sich nicht nur »an die Königin von Ungarn, Maria Theresia von Österreich«, wie die Überschrift besagt, sondern ebenso oder noch mehr an den Kardinal Freury. Nur in den beiden ersten Strophen wird Maria Theresia angeredet, die Tochter ' In dem eigenhändigen Schreiben an den Kardinal Freury vom 12. September, das sich mit der Ode in der apologetischen Tendenz berührt, erwähnt König Frıeorıch die angebliche Verhandlung von Farcıs nicht, sondern sagt: »Je veux ne point croire des choses ä demi prouvees, je veux meme tächer de me persuader que je me suis abuse sur bien des choses.« Dagegen enthält der Brief nach andrer Richtung eine scharfe Spitze. Freury hatte in eineın Schreiben an den österreichischen Feldmar- schall Graf Könıssese vom rr. Juli 1742, das zur Anbahnung von Friedensverhandlungen bestimmt war, über die Einflüsse geklagt, durch die er bestimmt worden sei »a entrer dans une ligue qui etait si contraire a mon goüt et a mes prineipes«. Dieser Brief war dureh den österreichischen Gesandten im Haag alsbald in die Presse gebracht worden. Auf die angeführte Stelle bezieht sich in jenem Schreiben des Königs von Preußen an Freury die schneidende Frage: »et, en un mot, peut-on m’accuser d’avoir si grand tort de me tirer d’une alliance que celui qui gouverne la France avoue d’avoir con- tractee a regret?« Politische Korrespondenz 2, 270. Preußische Staatsschriften aus der Regierungszeit Friedrichs Il., ı, 331#. Koser: Festrede. 71 der Helden, die dem Deutschen Reich Herren waren, die hochherzige Prinzessin, die der Achtung aller ihrer Feinde sich erfreut und die der Franzose (»dont le goüt de la gloire est le seul goüt durable«) be- kämpft und bewundert, anbetet und bedrängt. Vorrames Ode enthält des weiteren das Verdammungsurteil über den Krieg der Koalition gegen diese Fürstin: das stolze Deutschland ist durch befremdliche Bande, wider seinen Willen, an das französische Reich geknüpft und gibt in diesem Zustand für ganz Europa einen Gegenstand des Be- dauerns ab; der lange Kampf zwischen Deutschland und Frankreich war hundertmal weniger grausam als jetzt ihre traurige Freundschaft. Könige, die Wohltäter heißen wollen, geben den Befehl zur Ver- heerung aus, künden die Ruhe an und entfesseln den Sturm; sie vermeinen die zitternden Völker zum Glück zu führen auf den blutigen Pfaden des Unheils. Darum wird Freurv aufgefordert, mit seiner allgeachteten Hand die blutbefleckte Pforte des Janustempels zu schließen. Frrurv, der verehrungswürdige Greis, dem das Geschick die Jahre des glücklichen Nestors zuteilte, der Weise, den nichts be- unruhigt und nichts überrascht, er soll die Welt des tiefen Friedens, der seine eigne Seele erfüllt, nieht berauben. Und endlich werden die Künste, die Töchter des Himmels, des Friedens und der Grazien, gepriesen, die Künste, deren Fortschritte das Pfand der Unsterblichkeit sind, während alle jene Staatsverträge, die gebrochen werden und das Gemetzel nach sich ziehen, jene gepriesenen, aber eitlen Eintags- triumphe vergehen und in die Nacht des Grabs sinken. VorrAmEe mußte sich sagen, daß diese seine Ode in mehr als einer Beziehung seinem erlauchten Gönner, dem preußischen Könige, nicht gefallen würde. Es galt also, eine unbefangene Miene anzu- nehmen. Der Abschluß des preußischen Friedens mit Österreich bietet eine Anknüpfung, eröffnet dem findigen Poeten eine Hintertür. Der Augenblick ist günstig, dem König diese flammende Deklamation gegen den Krieg, ehe sie ihm von dritter Hand zugetragen wird, zu überreichen. »Hier eine Ode,« schreibt ihm Vorrame Anfang Juli, »die ich gegen Euch Monarchen hinkritzelte, die Ihr damals darauf versessen schient, meine Mitbrüder, die Menschen, zu ver- nichten. Der Herr der Nationen', Friedrich der Große, hat meine Wünsche erhört, und kaum war meine Ode, gut oder schlecht, ge- macht, als ich erfuhr, daß Eure Majestät einen sehr guten Vertrag gemacht hat.« VorramrE scheint geglaubt zu haben, daß mit dieser kühnen Wendung seine Ode hinreichend sicher eingeführt sei; denn ! Die Ausgaben haben die blutige Lesart »le saigneur des nations«. Das Original des Briefes ist nicht erhalten. 72 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. er wagte bereits, dieser Entschuldigung zwischen den Zeilen sofort, wieder zwischen den Zeilen, eine Anschuldigung folgen zu lassen: »Ein sehr guter Vertrag. Sehr gut für Sie ohne Zweifel; denn Eure Majestät hat Ihren tugendhaften Geist geschult, auch sehr politisch zu sein. Aber ob dieser Vertrag gut für uns Franzosen ist, darüber zweifelt man in Paris. Die eine Hälfte schreit, daß Ihr unsre Leute dem Belieben des Waffengottes preisgebt, die andre Hälfte schreit auch, und weiß nicht, worum es sich handelt; ein Paar Abbes von Saint-Pierre' segnen Euch inmitten der Schreierei. Ich bin einer dieser Philosophen, ich glaube, daß Sie alle Mächte zwingen werden, Frieden zu schließen, und daß der Held des Jahrhunderts der Friedenspender für Deutschland und Europa sein wird. Ich schätze, daß Sie an Schnelligkeit übertrumpft haben — und nun zitiert VorLTAırE sich selbst, seine zu Freurys Ruhme angestimmte Ode —: Ce vieillard venerable a qui les destinees Ont de l’heureux Nestor accorde les ann&es. Achill ist geschiekter gewesen als Nestor; glückliche Geschicklichkeit, wenn sie zum Glück der Welt beiträgt. « König Frıeprıcn also blieb die Antwort auf diese Ode und diesen Begleitbrief keinen Augenblick schuldig. »Mein lieber Voltaire, « schreibt er am 25. Juli 1742, »ich bezahle Sie nach Art der großen Herren, d. h. ich gebe Ihnen eine sehr schlechte Ode für die gute, die Sie mir geschickt haben, und noch mehr, ich verdamme Sie dazu, sie zu korrigieren, um sie besser zu machen ... Die Königin von Ungarn ist höchst glücklich, einen Sachwalter gefunden zu haben, der sich so trefflich wie Sie auf die Spitzfindigkeit und die Ver- führungskünste der Sprache versteht. Ich beglückwünsche mich, daß unsre Händel nicht vor Gericht geschlichtet werden; denn in An- betracht Ihrer Gesinnungen für diese Königin und in Anbetracht Ihrer Talente hätte ich gegen Apoll und Venus nicht stichhalten können. « Der königliche Dichter läßt seine poetische Gegenrede einsetzen mit einem kräftigen Quousque tandem’: ! Auch der Abbe von Tiron, Castel de Saint-Pierre, der Verfasser des »Projet pour rendre la paix perpetuelle en Europe« von 1712, hatte gegen Friedrich geschrieben. Vel. J. G. Drovsen, Über die Schrift Anti-Saint-Pierre und ihren Verfasser; Monats- bericht der K. Akademie vom August 1878. = Dites, jusques A quand votre lyre immortelle Pour les Autrichiens se profanera-t-elle? Die Mitteilung des französischen Textes muß der in den »Publikationen aus den preußi- schen Staatsarchiven« (Leipzig, S. Hirzel) demnächst erscheinenden neuen Ausgabe des Koser: Festrede. 12 Wie lange noch, sag’ an, wird sich die Leier dein, Der Ewigkeit geweiht, für Österreich entweihn? Sag’ an, welch falscher Gott ergriff dich statt des wahren? Als Kämpe frohndest du der Tochter der Cäsaren! Ward denn in diesem Rausche Die Liebe dir zum Tausche, Als die Vernunft dahingefahren ? Von Vortame, dem Lobredner der Königin von Ungarn, geht die Ode unvermittelt über auf die Verbreiter trüber Kunde und die Münzer schiefer Urteile, die Journalisten. Die Presse hatte während des Ersten Schlesischen Krieges da, wo sie zu jenen Zeiten bereits größere Bewegungsfreiheit besaß, d.h. in Holland, England und in einzelnen deutschen Reichsstädten, gegen Preußen überwiegend eine feindselige Haltung eingenommen und sich für die Verbreitung von Nachrichten, Urteilen und Stimmungen der offiziösen Preßpropaganda der gegnerischen Kabinette zur Verfügung gestellt. König Frieprıcn ist in jüngeren Jahren gegen die seinem Staate, seinem Heere und ihm persönlich geltenden Preßangriffe keineswegs unempfindlich gewesen bis er zu der Losung »Niediger hängen«, zu seinem stolzen »Il faut mepriser cela« gelangte'; er hat noch im Siebenjährigen Krieg einen Discours sur les satiriques und einen Diseours sur les libelles als anonyme Antworten auf öffentliche Verunglimpfungen, die er nicht ohne Grund als bestellte Arbeit betrachtete, drucken lassen. Auf‘ den gleichen Ton wie diese späteren Prosaschriften® ist unsere Ode gestimmt: »„Briefwechsels zwischen Friedrich dem Großen und Voltaire« vorbehalten bleiben. Die oben gebotene Verdeutschung in den Maßen des Originals glaubt in möglichster Anlehnung an den Wortlaut den Sinn getreu wieder zu geben. ! Dem Herausgeber der französichen Gazette de Cologne hat manim Jahre 1741 durch Vermittlung eines handfesten Kölners eine empfindliche körperliche Züchtigung zuteil werden lassen, von der König Frıeorıcn nachmals (1780) an der Tafelrunde zu Sanssouci erzählt hat, er betrachte sie als einen Ausfluß seines jugendlichen Feuers, habe aber zeigen wollen, daß der König von Preußen lange Arıne habe; vgl. J. G. Droysen in der Zeitschrift für preußische Geschichte 13, S.9—ır, und Gespräche Friedrichs des Großen mit H. de Catt und dem Marchese Lucchesini (1885) S. 269. In Friedrichs Discours sur les libelles von 1759 wird einem Libellisten der wohl- meinende Rat erteilt: »A votre place je craindrais ces hommes puissants qui ont les bras si longs«. (Euvres de Frederic le Grant 9, 57. 2 In dem Discours sur les libelles sagt der Verfasser von den Libellisten: »Ils trafiquent de ces injures, et il les distribuent au gr& des protecteurs qui savent re- connaitre leurs services«; er läßt einen von diesen Leuten bekennen: »J’ai des correspondances secretes A plus d’une cour, et je tiens ä quantite de seigneurs qui me craignent et me recherchent; je me suis fait un empire par mon industrie, je domine sans Etat, et je regne despotiquement sans puissance .... Ce qui me rend redoutable, c’est que je suis le precepteur du publie; je dirige ce que je veux qu’il pense.« 74 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Hört ihr den feilen Schwarm? Gewinnsucht läßt sie schreien. Schamlose Schwätzer sind’s, der Lüge Papageien. Dies Hohepriestertum, bestellt von Mammons Gnaden, Verpestet alle Welt mit seinen Opferfladen. Und alle Winde eilen, Die Düfte zu verteilen, Mit Lug und Fabeln schwer beladen. Der Aufnahme dieser Botschaft, der Entstehung einer öffentlichen Meinung und ihren Schwankungen gilt die nächste Strophe: Der Pöbel hängt am Schein. Leichtfertig allezeit, Schwimmt er im breiten Strom der Oberflächlichkeit?. Im Spiel der Leidenschaft läßt er dahin sich treiben Und wird sich allemal dem Überschwang verschreiben. Was gestern hat gegolten, Wird heute schon gescholten — Der Tadel aber wird dir bleiben. Von der urteilslosen und zum Urteil nicht. berufenen Menge beruft sich der Dichter auf die Wissenden, auf die großen Staats- männer des vorangegangenen Jahrhunderts: Ich ruf’ Euch, Richelieu! Don Haro! große Seelen! Hellt auf, was Nacht und Graun bedecken und verhehlen. Laßt dringen unsern Blick bis in die Herzensfalten Der Männer, welche heut an Eurer Stelle walten. Laßt unser Auge schauen, Was Eure Jünger brauen Und was sie tief verborgen halten. Die Entlarvung des Verbrechens erfolgt zunächst nur allegorisch, ohne daß der Mann des Trugs, der Fourbe politique, mit Namen genannt wird: Schon hat den Mann des Trugs mit ihrer sichern Hand Die Wahrheit zum Gericht aus Nacht hervorgebannt. Wie täuschte uns das Bild, das sich von außen bot! Wer unterdrückt erschien, erweist sich als Despot; Entlarvt wird der Verbrecher, Der eben noch mit frecher Gewalt die Unschuld hat bedroht. ! »Effrontes babillards, perroquets de mensonge.« Ähnlich in dem Begleitbriefe zu der Ode: »Je m’embarrasse tres peu des cris des Parisiens, ce sont des frelons qui bourdonnent toujours; leurs brocards sont comme les injures des perroquets et leurs jJugements aussi graves que les deeisions d’un sapajou sur des matieres metaphysiques.« ®2 Zu den Versen »Le vulgaire leger nage toute sa vie sur la frele apparence ou la superfieie« ist die Stelle im »Discours sur les libelles« zu vergleichen: »Si le peuple etait sense, on pourrait se rire des libelles, quels qu’ils fussent; mais ces indignes £cerits sont un mal reel, parce que le monde peu instruit, enclin ä eroire le mal plutöt que le bien, regoit avidement de mauvaises impressions, qu’il est diffieille de deraciner.« Die Parallelstellen würden sich häufen lassen. 2 Koser: Festrede. 75 Jetzt wird die Mythologie aufgeboten, um die Handlung aus der Allegorie in das Leben, in die Gegenwart hinüberzuführen. Noch im Angesicht des Olymp wird l’Etendard prussien aufgeptlanzt: Doch horch! Wer ruft mir zu? Ich höre Pallas’ Stimme: »Belehre, kläre auf sie alle, die die schlimme »Verleumdung hat berückt. Den Trug gilt’s aufzudecken. »Das Preußenbanner will die Hölle Dir beflecken. »Dein Vaterland zu rächen, »Laß laut die Wahrheit sprechen, »Laß sie die Lüge niederstrecken. « Für die in den nächsten fünf Strophen auf Athenas Gebot enthaltene historische Erzählung muß vorausgeschickt werden, daß Frieprıen hier von einer Geschiehtsauffassung ausgeht, die ihm gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen war und die sich allgemein kennzeich- nen läßt als der damalige Standpunkt des deutschen Protestantismus und der deutschen Libertät, d. h. des landesfürstlichen Anspruchs auf Selbständigkeit gegenüber dem Ausgreifen der kaiserlichen Machtfülle. Von diesem Standpunkt aus erschien ihm der ganze Verlauf der neueren deutschen Geschichte als ein fortgesetzter Kampf der Reichsstände gegen die Vergewaltigungsversuche der Habsburgischen Kaiser‘. Nicht nur Kart V. und die Ferdinande, auch seinen älteren Zeitgenossen, den letzten Habsburgischen Kaiser, hat Frieprıcn solcher tyrannischen Gelüste geziehen, wie er in der Folge gegen seinen jüngeren Zeit- genossen Joseph I. diese Anklage wiederholt hat. Unter diesem Ge- sichtspunkte erscheint ihm in unsrer Ode der europäische Koalitions- krieg gegen Österreich, der sich neben andern Zwecken den gesetzt hat, den Erben der österreichischen Macht. den Herzog von Lothrin- gen, von dem Kaisertum auszuschließen, als eine bewaffnete Erhebung gegen die österreichischen Anschläge auf tatsächliche Vererblichung der deutschen Wahlkrone. Und somit wird Österreich angerufen und angeklagt: Du stolzes Österreich, vom Römeraar getragen, In Eisen möchtest du die armen Deutschen schlagen. Der Schmied ist schon am Werk, die Sklavenkette droht, Doch anders ordnet es des Schicksals Machtgebot. Um Hilfe uns zu schaffen, Steht eine Welt in \Waffen; Ringsum bist du von Glut umloht. Nachdem so der weite Hintergrund gezeichnet ist, behandelt die nächste Strophe den besonderen Streit zwischen Österreich und ! Vel. über Frıeprıcns Anschluß an diese Auffassung meinen in der Akademie vorgetragenen Aufsatz »Brandenburg-Preußen in dem Kampfe zwischen Imperialismus und reichsständischer Libertät«, Historische Zeitschrift 96, 122fl. 76 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Preußen und seine Anlässe. Die preußischen Ansprüche auf Schle- sien, die Unterdrückung der schlesischen Protestanten durch die österreichische Landesherrschaft, die von FrIEDRIcH oft hervorgehobene Förderung, die seine Sache durch die freudige Zustimmung dieser evangelischen Schlesier erfahren hat, alles das findet in vier Zeilen von treffsicherer Prägnanz Platz: Ein altes Erbe war an dein Gebiet gebunden, Der Väter Schwäche einst durch Übermacht entwunden, Dein Zepter drückte hart das mir selbeigne Land. Jedoch der Unschuld Recht lieh Stärke meiner Hand: Für Ungarns Königin Fuhr Schlesien dahin In zweier harten Schlachten Brand. Und jetzt erst wird uns die Gestalt vorgeführt, gegen welche die Ode ihre Spitze richtet, der neunundachtzigjährige Kardinal Frrury: Im alten Königsbau, des Louvre Prachtpalast, Trägt Frankreichs Atlas stark des großen Reiches Last. Unsterblich ist sein Leib, die Seele göttlich-hell, Dank Isis und Apoll und dank Macchiavell. Mit gleißender Gebärde Täuscht Himmel er und Erde, Der Falschheit unergründ’ter Quell. Es folgt die dem Verfasser der Ode stets gegenwärtige Erinnerung an Freurvs Untreue gegen die Verbündeten von 1735; aus ihrer Zahl wird hier nur der König von Spanien, ein König für drei, genannt, dessen damaliges Schicksal Freury jetzt dem Wittelsbachischen Kaiser, für dessen Kur und Krone der Waffenbund zusammengetreten ist, bereiten zu wollen scheint: Des Bunds Gefährten hält er hundertfach umsponnen, Lohn lockt und Ehrgeiz sie; der Sieg scheint ihm gewonnen, Europa sieht er schon im Bann der Dienstbarkeit. Da wendet sich das Glück, und schnell ist er bereit, Wie Spanien noch eben, So heute preiszugeben Des Kaisers Thron im Waffenstreit. Noch einmal, auf dem Höhepunkt der Handlung, führt der Dichter sich selber redend ein: Ich sah voraus! Und eh’ der Blitzstrahl niederfuhr, 3egegn’ ich dem Verrat auf seiner finstern Spur. Auf Fargis dort in Wien! kann zum Beweis ich zeigen — Ich scheid’ aus Fleurys Bund und aus dem blut’gen Reigen; Im Kampf um die Beute Laß ich die grimme Meute, Mir ward des Friedens Los zu eigen. ! Im Original hat der König zu »Fargis a Vienne« die Anmerkung gegeben: »De Fargis, furet politigue dont le Cardinal s’est servi a Vienne.« Koser: Festrede. ii Dann wird der Grundgedanke der Ode, die Abwehr der unbilligen Urteile über die mit dem unglücklichen Beruf des Staatsmannes be- trauten Personen, wiederaufgenommen und in melancholischer Klage zusammengefaßt: Triebfedern spielten hier, profaneın Blick verhüllt, Chimären wirr und wild, Entwürfe trugerfüllt. Ihr armen Sterblichen! Als dieser Erde Götter In Anbetung verehrt, und doch das Ziel der Spötter! Den Lästerzungen allen Als Opfer heimgefallen, Harrt Ihr umsonst auf einen Retter. Eine Schlußstrophe kehrt, wie es dem 18. Jahrhundert geläufig ist, zur Mythologie zurück. Das Beispiel Phaethons mag uns warnen vor allzu hohem Flug der Entwürfe. Die Strophe fällt aus der Ten- denz des Ganzen heraus, aber sie entspricht Stimmungen und Er- wägungen, die für den Augenblick bezeichnend waren und für das Ge- samturteil über den Breslauer Frieden nicht übersehen werden dürfen. Der junge, soeben dreißigjährige Fürst, der siegreiche Führer der unbedingt besten Truppen in Europa, besaß bei starkem Selbstbewußt- sein ebenso viel Selbstbeherrschung und übte Selbstkritik. Er besaß die Fähigkeit, im gegebenen Augenblick innezuhalten, die Mäßigung, die dem echten Staatsmann unentbehrlich ist und die das Gegengewicht gegen den dem Wesen der Macht innewohnenden Drang nach immer weiterer Machtentfaltung bilden muß. Er hatte das Augenmaß für das Erreichbare. Wie denn Maccnrverr die wahre staatsmännische Größe darin gesehen hat, daß man nur das will, was man kann. Und nicht umsonst hatte Frırprıcn in seiner Schrift gegen MaccHrAvELL von dem Eroberer aus Notwendigkeit den Eroberer aus Leidenschaft geschieden, als dessen Typus ihm Kaxı XI. erschien. Mit Karr XL. hatte man den Eroberer Schlesiens bereits vergleichen wollen. Jetzt, im Augenblick der Unterzeichnung des Friedens, schrieb Frıevrıcn aus seinem letzten böhmischen Feldlager an seinen Freund JorDas, er hoffe, daß man ihn nicht mehr für so unsinnig halten werde, wie er im Anfang des Krieges verschrieen worden sei. In demselben Briefe hat Frreprıcn auf Grund seiner ersten praktischen Erfahrungen die vielumstrittene, aber im Antimacchiavell von ihm noch nicht gewürdigte Grenze zwischen öffentlicher und privater Moral zu bestimmen versucht. Er will den Stoikern und ihrem Prinzipieneifer antworten, daß für ihre starre Moral vielmehr das Land der Romane als der von uns bewohnte Kontinent sich eigne. Daß es sich bei dem Privatmann nur um seinen individuellen Vorteil handle, der unbedingt dem Wohle der Gesellschaft untergeordnet werden müsse. Bei einem Souverän gelte es den Vorteil einer ganzen Sitzungsberichte 1908. 10 78 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Nation, den zu sichern seine Pflicht sei. So müsse er sich selbst und seine Verpflichtungen opfern, wenn diese dem Wohlergehen seiner Unter- tanen zu widerstreiten anhöben. Daß auch Privatleute mitunter ge- neigt seien, nicht nach den Geboten der bürgerlichen Moral, sondern nach den Grundsätzen der verschrieenen Staatsraison zu handeln, darauf hat Frieprıcn bei Übersendung seiner Ode den Friedensapostel VorraımrE mit der Erinnerung geführt: »Sie deklamieren nach Ge- fallen gegen die, welche ihre Rechte und Ansprüche mit bewaffneter Hand vertreten; aber ich erinnere mich einer Zeit, zu der, wenn Sie ein Heer gehabt hätten, dies unfehlbar gegen die Desfontaines, die Jean-Baptiste Rousseau, die van Duren usw. usw. marschiert wäre. « VOLTAIRE, mit diesem launigen Winke an seine nicht immer phi- losophischen Fehden mit literarischen und buchhändlerischen Gegnern erinnert, hat sich begnügt, auf die Ode und den begleitenden Prosatext dem Verfasser zu erwidern, daß diese Ode ein ganz neuer Stoff sei, voll wahrer und hoher Poesie und Philosophie. Noch ganz im Tone des Antimacchiavell gehalten, noch keine Absage an den Antimacchiavell, bezeichnet die Ode doch schon eine Abkehr von ihm — mit ihrem stillschweigenden Zugeständnis, daß es nicht klüglich, nicht ratsam ist, anders zu handeln als die andern. Diese Nutzanwendung, welche die Ode, die Vorläuferin der histori- schen Denkwürdigkeiten des Verfassers, dem Leser überläßt, sie macht der König das Jahr darauf in dem Vorwort zu dem ersten Entwurf seiner Memoiren! ohne Rückhalt, mit schneidender Schärfe. Das Po- litische Testament von 1752 hat dann dem vierzehn Jahre früher so hart angelassenen Maccmmaverr eine Art Genugtuung gegeben: »Mac- chiavell sagt, daß eine uneigennützige Macht inmitten ehrgeiziger Mächte unfehlbar zugrunde gehen würde; es tut mir sehr leid, aber ich bin genötigt einzugestehen, daß Macchiavell recht hat.« Die »Apologie des Rois« endlich, die ich im Eingang mit unserer Ode zusammenstellte, sagt mit durchsichtiger Beziehung wieder auf Mac- CHIAVELL, daß man aus den Freveltaten eine Wissenschaft, eine Lehre abgeleitet habe; es folgen dann zwei Verse, die der Verfasser über die Ode von 1742 hätte als Motto setzen können: ! Nach einer Abschrift aus dem zu Petersburg befindlichen Teile des VoLrA1rE- schen Nachlasses mitgeteilt von H. Drovsen im Programm des Königstädtischen Gym- nasiums zu Berlin von 1904. Der vorangestellte Satz: »Du plus petit Etat jJusqu’au plus grand, l’on peut compter que le prineipe de s’agrandir est la loi fondamentale du gouvernement« — findet sich ähnlich bereits in den Considerations sur l’etat pre- sent du corps politique de l’Europe von 1738: »Le prineipe permanent des princes est de s’agrandir, autant que leur pouvoir le permet« usw. (Euvres 8, 15. =] Koser: Festrede. Die Weisheit selbst begann den Lehren zu entsprechen Und ward verbrecherisch im Kampf mit den Verbrechen !. VOoLTARE hat sich beim Erscheinen des Antimacchiavell gerühmt, daß allein seinem Rate die Drucklegung dieses einzigen Werkes zu danken sei; er freue sich, daß ein König auf diese Weise, ihm in die Hand, den Eid vor der Welt geleistet habe, gut und gerecht zu sein. Der Philanthrop glaubte dem jungen Herrscher eine Fessel an- gelegt, den Jünger der Aufklärungsphilosophie auf ihre Staatstheorie und ihren Moralkodex verpflichtet zu haben. Noch einmal ist ein preußischer Kronprinz bei der Staatstheorie in die Schule gegangen. Wie der Einsiedler von Rheinsberg sich mit jugendlicher Begeisterung unter das Banner der philosophischen Aufklärung stellte, so ist hundert Jahre später der nachmalige König Frieprıcn Wırnerm IV. in den Zauberkreis der Romantik getreten, hat der Predigt Harrers mit Andacht gelauscht und auf die Worte des Meisters geschworen. Ihr Ideal suchten beide in entgegenge- setzter Richtung; die Leidenschaft, mit der sie Partei ergriffen, war die gleiche. Ganz verschieden aber wieder bei dem einen und bei dem andern das Verhältnis, in das ihr Handeln, ihre praktische Politik zu der ihnen anempfohlenen Theorie trat. Dem Monar- chen des 19. Jahrhunderts ist die Theorie stets eine Fessel, ein »Gebot« geblieben, und seine dogmatische Gebundenheit durch dieses Gebot ließ ihn zum Nachteile seines Staates auf Waffen verzichten, deren die Nachbarn Preußens sich unbefangen bedienten. Ja, es ist treffend bemerkt worden, daß diesem Könige unter dem Gedanken- ballast seiner Theorie die Fähigkeit zu einheitlichem Handeln über- haupt verloren gegangen ist”. Sein großer Vorgänger hat die Fessel, in die ein Vortamr ihn verstricken wollte, zerrissen wie eine fläch- serne Schnur. Auf den Irrfahrten über das stürmische Meer der Meta- physik, von denen Frirprıcn spricht, war er zu der Überzeugung gelangt, daß der Mensch nicht geschaffen sei, zu philosophieren, da ihm die Natur dazu ausreichende Organe nicht verliehen habe, son- dern zu handeln; der Philosoph auf dem Throne, mit seiner durch- aus reflektierenden Art, hat doch die frische Farbe der Entschließung ! (Euvres de Frederic le Grand, 10, 209: Et de tant de parfaits on fit une science; Le monde fut peuple d’illustres scelerats; Pestes du genre humain et fleaux des Etats; La sagesse elle-m&eme adopta ces maximes Et devint eriminelle en combattant les crimes. 2 Vorraıre an den Präsidenten HrnAurr, 31. Oktober 1740. 3 Fr. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat (1908) S. 248, 249, 262. s0 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. nicht verloren, er besaß den Willen und die Kraft, nach dem Wahl- spruch aus der Renaissancezeit »resolut zu leben«. Als ein Jugend- traum ihn trog, als das Leben ihn lehrte, daß er nicht hoffen könne, die Welt zu bessern und zu bekehren, war er keinen Augenblick darüber zweifelhaft, daß er die Welt nehmen müsse, wie sie sei, und sich an die Gewohnheit der andern anzupassen habe'. Er hielt, was er schon als Kronprinz sich vorgesetzt hatte: jedenfalls solle man ihn daraus nicht anklagen dürfen, seine Interessen fremden Mächten ge- opfert zu haben’. Den sentimentalen Idealismus VoLrAmes ersetzte Friepricn für sein Handeln durch einen Idealismus härterer Art, durch die unbedingte Unterwerfung seiner Persönlichkeit unter das Gebot des Staatswohls, durch die Betätigung des antiken Wortes, daß das die edelsten Seelen sind, die bei der vollen Empfänglichkeit für den Genuß und bei klarer Vorstellung von bevorstehenden Mühsalen und Opfern sich doch nicht verleiten lassen, der Gefahr aus dem Wege zu gehen. Mit seinem Friedensschluß von 1742 war der junge König von dem Wege der Gefahr abgelenkt.: Aber das Friedenslos, das er am Schlusse seiner Ode preist, war noch nicht verdient. Dem gleichsam spielenden Anfang dieser Regierung mit ihren glänzenden, schnell geborgenen Erfolgen reihten sich die Zeiten schwerster Anfechtung an, die den Nachweis der echten Größe von ihm erst forderten. In seinen jüngst bekannt gewordenen gedankenreichen Betrachtungen über das Wesen historischer Größe hat Jako Burckuarpr neben der »abnormen Leichtigkeit in allen geistigen Funktionen, im Erkennen sowohl wie im Schaffen« als »kenntlichste und notwendigste Er- gänzung« des großen Mannes feststellen wollen: »die Seelenstärke, die es allein vermag, im Sturm zu fahren«. »Schicksale von Völkern und Staaten«, sagt der schweizerische Historiker, »Riehtungen von ganzen Zivilisationen können davon abhängen, daß ein außerordent- licher Mensch gewisse Seelenspannungen und Anstrengungen in gewissen Zeiten aushalten kann«. Daß Frieprıch DER GroszE dies im Sieben- Jährigen Krieg »in so supremem Grade« vermocht habe, darin sieht BuroxmAarpr alle zeitherige mitteleuropäische Geschichte bedingt‘. In seiner moralischen Widerstandskraft unter den zermalmenden Schlägen des Schicksals hat Frıeprıcn die härteste Probe der Mannhaftigkeit bestanden und den Satz bewährt, daß es die Kraft des Gemüts ist, die den Sieg erringt. ! »De pareilles r&ilexions et bien d’autres mürement pesces ım’ont oblige a me eonforıner a la coutume des princes« (aus dem ersten Avantpropos zu der Histoire de mon temps). 2 Publikationen aus den Staatsarchiven 72, 170. (1. Nov. 1737). > J.Burcknaror, Weltgeschichtliche Betrachtungen, herausgeg. von ÖRrr, S. 236, 237. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. s1 Frieprıcn hat vorausgewußt, daß Größe erst im Unglück voll sich offenbart‘. Er hat nachmals wehmütig bemerkt, daß das Glück, das die Jugend begleite, oft dem vorgerückten Alter sich versage. Gewiß hatten auf den steilen Höhen, über die sein Lebenspfad führte, von den Begleitern seiner Jugend viele sich verloren, vor allen auch der Frohsinn, der, nach VorrA1kes artigen Versen, auf Frieprıcns schlesischer Kriegsfahrt von 1740 mit auf die Reise gegangen war. Aber nicht alle Begleiter waren untreu geworden. An einer denkwürdigen Stelle in seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges stellt Frreprıcn sich das Zeugnis aus, daß ihm nur zwei Verbündete geblieben seien, um mit ihrer Hilfe einen ehrenvollen Ausweg zu finden: Mut und Aus- dauer. Das Blatt, auf dem diese Worte stehen, ist wohl das stolzeste seiner Geschichtschreibung. Es steht so hoch über dieser gereimten ersten Skizze seines historisch-politischen Rechenschaftsberichts, die ich heute hier mitteilen durfte, wie den jugendfrohen Eroberer von Schlesien der herbe Held des Siebenjährigen Krieges überragt, welcher der Mann des Jahrhunderts geworden war. Es folgten die Jahresberichte über die wissenschaftlichen Unter- nehmungen der Akademie sowie über die ihr angegliederten Stiftungen und Institute; für die physikalisch-mathematische Classe gab Hr. Auwers, für die philosophisch-historische Classe Hr. Dirrs diese Be- richte in abgekürzter Form. Die ausführlichen Berichte folgen hier. Sammlung der griechischen Inschriften. Bericht des Hrn. von WıLamoWwITz-MOELLENDORFT. Die Inschriften von Amorgos (XI 7) sind vollendet und werden in diesen Tagen ausgegeben. Der wissenschaftliche Beamte der Aka- demie, Freiherr HırLer von GAERTRINGENn, hat das Manuskript endgültig redigiert und zum Drucke gebracht, woran der Verfasser, Hr. DELAMARRE, durch Krankheit verhindert war. Auch die Indices hat Freiherr HırıLer von GAERTRINGEN verfaßt. Der Abschluß ward zu- ! Ode sur la fermete ((Euvres ro, 16): Ce n'est point dans un sort prospere Que brille un noble caractere, Dans la foule il est confondu; Mais si son c@ur croit et s’eleve Lorsque le destin se souleve, C'est l’eEpreuve de la vertu. 82 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. letzt noch dadurch verzögert, daß ein amorginischer Stein mit der längsten Inschrift der Insel in das Athenische Museum kam und von der dortigen Verwaltung mit dankenswerter Zuvorkommenheit uns zur Bearbeitung überlassen ward; die Inschrift erscheint gleichzeitig in der athenischen Ephemeris. Auch die thessalischen Inschriften (IX 2), bearbeitet von Hrn. OÖ. Kern, sind ausgedruckt: die Indices hat auch hier Freiherr Hirrer VON GAERTRINGEN übernommen und so weit gefördert, daß der Band um Ostern erscheinen wird. Hr. Professor Kırcnner hat im Sommer die große Aufgabe so gut wie vollendet, die nacheuklidischen attischen Inschriften in Attika aufzunehmen oder zu revidieren. Das würde nicht möglich gewesen sein, wenn nicht das vorgeordnete hohe Ministerium ihm für ein Jahr Urlaub gewährt hätte und sämtliche Behörden und Fachgenossen Griechenlands ihm das größte Entgegenkommen bewiesen hätten. Außer dem Generalinspektor Hrn. KagsBanıas, unserem korrespon- dierenden Mitgliede, müssen wir die Abteilungsdirektoren in dem Zentralmuseum, die HH. Stars und Leoxarnos, mit besonderer Dank- barkeit hervorheben. Hr. Lroxarnes, Direktor der Epigraphischen Abteilung, hat in gewissem Sinne geradezu mitgearbeitet. Ein be- sonderer Glücksfall war es, daß Hr. A. Wırneıu eine Zeitlang sich auch in Athen befand und seine unvergleichliche Kenntnis der attischen Steine bereitwillig Hrn. Kırcmner zur Verfügung stellte. Wie das Deutsche, so haben auch alle übrigen archäologischen In- stitute unser Unternehmen in jeder Weise gefördert, so daß wir nach allen Seiten nur zu danken haben. Die Insel Chios ist von Hrn. Dr. JacosstuarL mit gutem Erfolge bereist worden, und da ihre Steine sich ohne Heranziehung der be- nachbarten Küste nicht genügend bearbeiten lassen, hat er auch das Gebiet von Erythrä besucht, wo andauernd wichtige Steine zutage treten, aber im höchsten Grade gefährdet sind. Auch da ist Wichtiges gewonnen worden. Andere Inschriften von Erythrä verdanken wir der freundlichen Fürsorge von Hrn. Direktor Tu. Wıreann. Über diese Ergebnisse wird im Laufe des nächsten Jahres berichtet werden. In demselben wird voraussichtlich Hr. Dr. Freprıcn den Druck seines Heftes (XII S) beginnen. Eine Bereisung von Euböa durch Hrn. Dr. Erıcn Zıesarrn erfolgt in diesem Frühjahr. Über den energischen und höchst erfreulichen Fortgang, den die überaus schwierige Samm- lung der delischen Inschriften nimmt, haben uns die HH. M. Horrzaux und F. Dürrsacn, in deren Händen diese Unternehmung der fran- zösischen Akademie liegt, in liebenswürdigster Weise immer auf dem laufenden erhalten. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 83 Frau Geheimrat DiTTENBERGER, die Witwe unseres hochverdienten Mitarbeiters, hat unserm Archive eine sehr wertvolle Sammlung von Scheden, namentlich für die nordgriechischen Landschaften, aus dem Nachlasse ihres verewigten Gemahles überwiesen, Hr. W. Hasıvck ebenso den Abklatsch einer archaischen Inschrift von Prokonnesos, wie denn überhaupt unser Unternehmen von mehr Seiten Förderung empfängt als wir einzeln aufzählen können. Gewiß läßt sich ein Werk dieser Art, das allen zugute kommen soll, nur durch all- gemeine Teilnahme durchführen; aber auf Dankbarkeit hat auch der kleinste Beitrag Anspruch, und wir können versichern, daß er sie findet. Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht des Hrn. Hırscureın. Auch in diesem Jahre hat Hr. Hürsen die Hauptarbeit auf die Fortführung der Namenindices zu Band VI gerichtet. Der Index cogno- minum ist fertiggestellt, der Index nominum bis zum Anfang des Buch- stabens D ausgearbeitet. An dieser Arbeit beteiligten sich, abgesehen von gelegentlichen Helfern, wiederum Hr. Dr. Aurısenma und nach dessen anderer Verpflichtungen wegen erfolgtem Rücktritt Frl. Dr. Cesano, Privatdozentin an der Universität Rom, ferner zwei Mit- glieder der American School, Miß Taxzer und Miß Bkucr, die in dankenswerter Weise fast zwei Monate unentgeltlich die Arbeit eifrig gefördert haben. — Die Vorarbeiten für das Auctarium Addendorum sind stetig fortgesetzt worden. Der Druck des Namenindex zu Band XI mußte aus Mangel an Typen vor längerer Zeit unterbrochen werden, soll aber jetzt, nach- dem Hr. Bormann das Verzeichnis der Nomina peregrina, mit dankens- werter Unterstützung von verschiedenen Seiten, insbesondere von Hrn. WirHern ScHuze, fertiggestellt hat, wieder aufgenommen werden. — Auf wiederholten Reisen in Italien hat der Herausgeber die Addita- menta mit Unterstützung früherer Schüler im wesentlichen erledigt und den Index Auctorum erheblich gefördert. Hr. Bormann hofft den Satz der Indices und der Additamenta ohne Verzögerung zu Ende zu führen. Von Band XII ist der zweite Faszikel des zweiten Teils erschie- nen. Er enthält die Inschriften von Germania inferior in der Bear- beitung des Hrn. v. Domaszewskı, ferner die Meilensteine von Gallien und Germanien in der Bearbeitung der HH. Monusen (7), HirscHhreLn und v. Domaszewskı. Letzterer hat mit Unterstützung des Hrn. Finke in Heidelberg die Addenda zu den Steininschriften von Germanien fertiggestellt, doch wird die Drucklegung derselben erst später er- 84 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. folgen können. — Hr. Bony hat die Sammlung und teilweise Aus- arbeitung der Nachträge zu Band XII, 3 fortgesetzt. Über die gallisch-germanischen Ziegel berichtet Hr. Srriser, daß von größeren Sammlungen nur noch die in Mainz und Trier, ferner die belgischen und ein Teil der schweizerischen nicht aufgenommen sind. Der Endtermin der Arbeit sei vorläufig noch nicht sicher zu bestimmen, doch sei die Sammlung des massenhaften Materials hin- reichend vorgeschritten, um eine erschöpfende Auskunft über die Fundplätze und Aufbewahrungsorte der Ziegel zu ermöglichen. — Die bereits im vorigen Jahre begonnenen Indices sind besonders von Hrn. M. Bang weitergefördert worden. Von Band XV (Instrumentum der Stadt Rom) hat Hr. Dresser im vergangenen Jahre die lateinischen Broncestempel zum Druck gebracht; für die griechischen wie auch für die umfangreiche Abteilung der Gemmen und Ringe liegt das Manuskript druckfertig vor. — Für die Nachträge sind die Descemetschen Scheden und Durchreibungen ohne großen Ertrag durchgearbeitet warden. Hr. Lonmnarzscn hat nach längerer Unterbrechung die Drucklegung der Neubearbeitung der republikanischen Inschriften (1°) bei den In- strumenta publica wieder aufgenommen und hofft dieselbe jetzt stetig weiterzuführen. Hr. Mau hat die Nachträge zum IV. Supplementband zum Druck gebracht. Die Indices sind fertiggestellt und der Druckerei übergeben. Der Druck des von Hrn. Dessau mit Hrn. Cacnar redigierten Supplements der afrikanischen Inschriften ist bis zu Bogen 162 ge- langt; die Abteilungen Tripolitana und Byzacena sind ausgedruckt. Die Herausgeber hatten sich nach wie vor der Unterstützung des Hrn. Merry in Tunis zu erfreuen. Verzögernd wirkten die vielen neuen Funde, die wiederholt nicht nur zur Umarbeitung des Manu- skripts, sondern selbst zur Umstoßung des Satzes nötigten. — Hr. Dessau hofft im Jahre 1908 den größten Teil der noch restierenden Masse der afrikanischen Inschriften zum Druck zu bringen. Das unter Leitung des Hrn. Dessau stehende epigraphische Archiv ist aus der Kgl. Bibliothek nach den provisorischen Räumen der Aka- demie (Potsdamer Straße 120) überführt worden, wo es wie bisher am Dienstag, 1ı2—2 Uhr, der Benutzung offenstehen wird. Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Bericht des Hrn. Hırscarern. Hr. Kress ist im abgelaufenen Jahre durch die amtlichen Ge- schäfte seiner neuen Stellung in Marburg so sehr in Anspruch ge- nommen worden, daß es ihm nicht möglich war, seine Arbeit an Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 55 der Prosopographie zum Abschluß zu bringen. Auch Hr. Dessau hat sich darauf beschränken müssen, die ihm übertragenen Beamtenlisten auf dem laufenden zu erhalten und die Nachträge zu dem alpha- betischen Teil durch Eintragung der neuen Funde zu vervollständigen. Index rei militaris imperiü Bomani. Bericht des Hrn. Hırscnreı». Hr. Rırteruıng hat die Namenliste der römischen Offiziere aus dem Ritterstande weiter vervollständigt. Mit Rücksicht darauf, daß die höheren Offiziere, namentlich im ersten und dritten Jahrhundert, aus dem Centurionenstande hervorgegangen sind, wurde auch eine Namenliste der Centurionen hinzugefügt. Im übrigen konnte die Arbeit infolge längerer Krankheit des Bearbeiters und der nach seiner Rück- kehr eingetretenen größeren Inanspruchnahme durch seine Berufstätig- keit wenig gefördert werden. Aristoteles - Kommentare. Bericht des Hrn. Diers. Im abgelaufenen Jahre wurden zwei Bände vollendet: VII. Sim- plieius in Categorias, herausgegeben von K. Karsrrriscn, und XXI. 1. Eustratius in Posteriora, bearbeitet von M. Havover. Das letzte Heft des XII. Bandes und zugleich das letzte des gesamten Kom- mentatorenwerks Philoponus’ Kommentar in Analytica Posteriora mit dem Anonymus in der Bearbeitung von M. Waruies, ist im Druck bis zum 18. Bogen fortgeschritten. Der Abschluß des ganzen Unter- nehmens ist also in kurzem zu erwarten. Politische Correspondenz Frırvrıcn's des Grossen. Bericht der HH. Scumorzer und Koser. Die Drucklegung des 32. Bandes hat Hr. Dr. Vorz so weit ge- fördert, dass dessen Ausgabe unmittelbar bevorsteht. Die 760 hier vereinigten Nummern erstrecken sich auf die Zeit von Anfang März bis Ende October 1772 und betreffen in ihrer überwiegenden Mehr- zahl die Verhandlungen, die nach Unterzeichnung des preussisch- russischen Vertrages vom Februar 1772 zwischen den beiden Sig- natarmächten und dem Wiener Hofe geführt wurden und in den Ver- trägen vom 5. August zum Abschluss kamen. Neben der damit bei- gelegten Frage der polnischen Theilung galt die Aufmerksamkeit der 86 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. preussischen Politik insonderheit den russisch-türkischen Friedens- verhandlungen, die durch die Auflösung des Congresses von Fok- schani unterbrochen wurden, und, seit dem Staatsstreich König Gus- tav’s III. von Schweden im August 1772, dem dadurch verursachten Zwist zwischen den Höfen von Stockholm und St. Petersburg, durch den der König von Preussen als Bundesgenosse Russlands in einen Krieg mit Schweden hineingezogen zu werden besorgte. Griechische Münzwerke. Bericht des Hrn. Dkesser. Die Arbeiten für die griechischen Münzwerke sind während des verflossenen Jahres im Allgemeinen nicht so gefördert worden, wie es wünschenswerth gewesen wäre. Hr. GAEBLER hat nach der Ende 1906 erfolgten Publication des ersten Fascikels des macedonischen Bandes (III) die weitere Bear- beitung unterbrochen. Hr. Münzer war wiederum durch amtliche Verpflichtungen derart in Anspruch genommen, dass er der zweiten Abtheilung der thraeischen Münzen (Band I, 2) nur wenige Ferien- wochen widmen konnte, und in ähnlicher Weise war auch Hr. Kv- BITSCHEK nicht in der Lage, die für den verflossenen Sommer in Aus- sicht gestellte Drucklegung des karischen Bandes zu beginnen. Ein Fortschritt, wenn auch kein besonders erheblicher, ist für die übrigen Theile des nordgriechischen und kleinasiatischen Münz- werks zu verzeichnen. Hr. Resume hat für Band I, 2 die sehr ausführliche Einleitung zu den Münzen von Tomi vollendet und die Bearbeitung der Prä- gungen dieser Stadt weitergeführt, soweit es seine durch Habilitation und andere Öbliegenheiten in Anspruch genommene Zeit gestattete; auch die immer noch zahlreich eingehenden Nachträge zu diesem Bande wurden verarbeitet. Für die erste Abtheilung des thraeischen Bandes (II, ı) hat Hr. Strack die Beschreibung der Münzen von Abdera fertig gestellt und die Bearbeitung der Münzen von Aenus begonnen; im Sommer dieses Jahres denkt er das Manuseript für Abdera, Aenus und Anchialus der Akademie vorlegen zu können. Die zeitraubenden Vorarbeiten für die Gebiete von Mysia und Troas hat Hr. von Frıtze so weit zum Abschluss gebracht, dass mit der Herstellung des Manuscripts für den mysischen Band bald be- gonnen werden kann; es ist zu wünschen, dass diese Arbeit nun- mehr rasch durchgeführt wird. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 87 Acta Bborussica. Bericht der HH. ScnmoLLer und Koser. Die Thätigkeit unserer sämmtlichen Mitarbeiter, der H. H. Prof. Dr. Hıwtze, Dr. Freih. von ScuröTTER, Dr. StoLze, Dr. Rıcner, Dr. Hass und Dr. SkarLweır ging in gewohnter Weise rüstig voran. Wir sind in der Lage, Anfang 1908 drei fertige Bände auszugeben; ı. von Dr. Hırze Band XI der Behördenorganisation, der vom August 1750 bis Ende 1753 reicht, und endlich der wissenschaftlichen Welt den auf die innern Verhältnisse bezüglichen Theil des politischen Testa- ments von Frieprıca d. Gr., nach dem Original gedruckt, vorlegt; 2. von Dr. Storze die zwei Bände IV, erste und zweite Hälfte der Be- hördenorganisation, welche die Acten von 1723 bis 1729, die Zeit der definitiven Durchführung der großen Reformen von 1718 bis 1722 enthalten. Die Fortsetzung von Dr. Srorze, Behördenorganisation, Band V, 1730, ist bis zum 14. Bogen vorangeschritten. Der zweite Band der Münzgeschichte von Dr. von ScHRÖTTER, welcher die wichtige Zeit der Einführung des Graumasv’schen Münzfusses enthält (1740 bis 1756) ist in seinem ersten Theile, der Darstellung, bereits gedruckt; der zweite Theil, die Acten, sind schon bis April 1753 gelangt. Die drei anderen Mitarbeiter sind in Materialsammlung und Vorarbeiten emsig vorangeschritten: Dr. Racner in der Bearbeitung der Zoll-Aceise und Handelspolitik vor und nach 1713, Dr. Skarwzır in der Aus- arbeitung der Getreide- und Magazinverwaltung von 1740 bis 1756, Dr. Hass in der Behördenorganisation vom siebenjährigen Kriege an. Ausgabe der Werke von WEIERSTRASS. Über den Fortgang der Herausgabe von Wriersrrass’ Mathema- tischen Werken wurde zuletzt vor drei Jahren hier berichtet. Der damals angekündigte Druck der Vorlesungen über Elliptische Func- tionen hat erst im abgelaufenen Jahre begonnen werden können und ist gegenwärtig bis zum 13. Bogen vorgeschritten. Kant- Ausgabe. Bericht des Hrn. VAuren. In der Abteilung der Werke ist Band VI (Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft und Metaphysik der Sitten) veröffentlicht. Das Erscheinen von Band V und IX in diesem Jahre ist gesichert. Der Druck des handschriftlichen Nachlasses (Band XIV) hat be- gonnen. Die Ausgabe ist den HH. Antiquaren Ex Hırscn und S. Harrer in München für Mitteilung von zwei ungedruckten Briefen Kants dankbarlichst verpflichtet. s8 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Ibn Saad- Ausgabe. Bericht des Hrn. Sacnav. Während des verflossenen Jahres sind die folgenden zwei Bände im Druck fertig geworden und werden demnächst zur Ausgabe ge- langen: Band VI, Biographien der berühmtesten Männer des ältesten Islams, welche aus der Stadt Küfa in Westbaby- lonien gebürtig waren. Herausgegeben von Prof. Dr. K. ZETTERSTEEN, Upsala. BandIV, 2. Abteilung, Biographien derjenigen Muslims, welche sich nach der Schlacht am Berge Ohod im Jahre 627 Muhammed angeschlossen haben. Herausgegeben von Prof. Dr. J. Liepert, Berlin. Beiden Herren sei an dieser Stelle der Dank der Akademie bezeugt. Alle übrigen Teile des Werkes sind im Druck befindlich. Von diesen dürfte Band II, ı. Abteilung: Über die kriegerischen Expeditionen Muhammeds, herausgegeben von Hrn. Prof. Dr. J. Horovırz, zur Zeit Professor an der muhammedanischen Universität zu Aligarh in Ostindien, in der ersten Hälfte dieses Jahres (1908) erscheinen. Wörterbuch der ägypüschen Sprache. Bericht des Hrn. Erman. Das Berichtsjahr gehörte zum ersten Male der Ausarbeitung des Manuskriptes an, an der die HH. Ermav und GArDImER den größten Teil des Jahres und die HH. Junker, ROEDER und SETHE vorüber- gehend tätig waren. Die Leitung lag in den Händen des Hrn. Erman, während Hr. Serue das Manuskript einer Revision unterzog. Im ganzen wurden 828 Seiten des vorläufigen Manuskriptes fertiggestellt, die 537 ägyptische Worte behandeln. Der Eindruck, den wir von dieser ersten Jahresarbeit gewonnen haben, läßt sich dahin zusammenfassen, daß der wissenschaftliche Fortschritt unsern Hoffnungen entspricht, daß aber die Schwierigkeiten der Arbeit unerwartet große sind. Sie liegen in der langen Geschichte der Sprache, in der Vieldeutigkeit der Schrift und vor allem darin, daß die ägyptischen Schreiber seit der Mitte des zweiten Jahrtausends einander ähnliche Worte in unerhörter Weise miteinander vertauschen und vermischen; nur bei sehr behutsamem Vorgehen und eindringender Untersuchung können wir dieses Wirrwars Herr werden. Daher hat es sich auch als untunlich herausgestellt, Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 89 die Worte in ihrer alphabetischen Reihenfolge durchzuarbeiten, wir müssen sie vielmehr zunächst gruppenweise behandeln, so wie sie ein- ander inhaltlich oder äußerlich erläutern. Und weiter sehen wir uns genötigt, das vorläufige Manuskript ausführlicher zu gestalten, als dies eigentlich in unsrer Absicht liegt; denn wir können noch nicht über- sehen, was sich bei dem einzelnen Worte einmal als wesentlich zeigen wird. Unsre Arbeit wird daher zunächst weit langsamer vonstatten gehen, als wir es dachten, indessen dürfte jedes weitere Jahr unsre Bahn glatter machen. Neben der Verarbeitung gingen die Verzettelung und die Neben- arbeiten in beschränktem Maße fort; an den letzteren arbeiteten die HH. Burcnuarpotr, RuscHh, Storck und Frl. MorsEnstern. Es wurden verzettelt 4428 Stellen und alphabetisiert 181427 Zettel. Im ganzen sind bisher verzettelt 45985 Stellen, die etwa 1018000 Zettel ergeben haben, davon sind bisher 976019 alphabetisiert, die bis auf 31933 der Benutzung zugänglich gemacht sind. Um auch die Eigennamen für die Verarbeitung nutzbar zu machen, müssen deren rund 90000 Zettel, die bisher nur im groben geordnet sind, neu durchgesehen werden; diese Aufgabe wurde von Hrn. GrArow zunächst für die Namen der Orte, Götter und Könige erledigt, für die Personennamen wurde sie von Hrn. Erıan begonnen. Neues Material verdankten wir in diesem Jahre hauptsächlich Hrn. Garviner, der die Papyrus der Pariser Sammlung und solche von Leiden und Liverpool für uns kopierte. Im einzelnen wurden verzettelt: Religiöse Literatur: Libro dei funerali (Hr. VogELsang). — Zaubertext Salt 825 (Hr. BurcnAarpr). — Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit nach der Stele des Vatikans (derselbe). Ältere Literatur: Die neuen Handschriften des Sinuhe und der Bauerngeschichte (Hr. Garpıner). — Veterinärpapyrus Kahun (Hr. Wreszisski). Geschäftliche Papyrus des neuen Reichs: Papyrus Mayer A, die Papyrus der Bibliotheque nationale und Fragmente aus Gurob (Hr. GARDINER). Späte Papyrus: Geographischer Papyrus aus Tanis und Faijum- papyrus (Hr. Burcnarpr). Tempelinschriften: Fortgesetzt wurden Medinet Habu (HH. GarDIner und Raske), Karnak (HH. Serue, Roerper und Grarow). Ab- geschlossen Derelbahri und Gurna (Hr. Rorprr). Grabinschriften: Königinnengräber (Hr. Srrue). Tempel griechischer Zeit: Hr. Junker setzte Edfu unter Mit- wirkung des Hrn. Boyrav fort. 90 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Einzelne Denkmäler: Dariusstelen (Hr. BurenAarpr). — Ein- zelnes aus dem British Museum und den Museen zu Kairo, Stockholm, Berlin (HH. Burenarprt, GARDINER, RANKE, ROEDER, SETHE). Das Tierreich. Bericht von Hrn. F. E. Scauurze. Obwohl schon am Schluß des Vorjahres mit der Drucklegung der von den HH. Prof. von Darza TorrE und Kırrrer bearbeiteten 24. Lieferung begonnen wurde, gelang es nicht, diese Bearbeitung von erheblichem Umfange im Berichtsjahre zur Veröffentlichung zu bringen. Bei der Anwendung der internationalen Nomenklaturbe- stimmungen auf die behandelte Gruppe der Gallwespen (Cynipidae) wurden zeitraubende formale Änderungen des sonst abgeschlossenen Textes notwendig. Der Hauptgrund der verlangsamten Herausgabe des » Tierreichs« liegt aber in der Teilung des Arbeitsprogramms durch die Inangriff- nahme eines Nomenklators der Gattungen und Untergattungen. Die Dringlichkeit dieses zweiten Unternehmens, welches die Grundlage für die erfolgreiche Durchführung einer nicht gering zu schätzenden Aufgabe des »Tierreichs« zu bilden hat, und die besonderen Schwierig- keiten, die hierbei zu bewältigen sind, habe ich in den beiden letzten Jahresberichten schon angedeutet. Ich freue mich, über einen guten Fortgang dieser Arbeit berichten zu können und halte mich zu der Hoffnung berechtigt, noch vor dem Jahre ı9ıo über Plan und Um- fang des abgeschlossenen Werkes einen eingehenden Bericht vorlegen zu können. Eine besondere Förderung hat das Unternehmen vor kurzem durch das Entgegenkommen des Hrn. Prof. von Darra TorRE in Innsbruck gefunden, der sich in dankenswerter Weise bereiterklärte, an den mühsamen Vorarbeiten teilzunehmen, die zur Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der bisher registrierten Gattungsnamen erforderlich erscheinen. Das Pflanzenreich. Bericht des Hrn. En6Ler. Von dem Pflanzenreich, Regni vegetabilis conspectus, das sich immer mehr zu einer Sammlung vollständiger Monographien ent- wickelt, sind im Jahr 1907 sechs Lieferungen mit insgesammt 61 Druck- bogen erschienen, mit den Bearbeitungen der Polemoniaceae von Prof. A. Branp, der Calceolarieae von Prof. Kränzuıs, der Erythroxylaceae von Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 91 O. E. Scuurz, der Styracaceae von Dr. Jaser Perkıss, der Potamogeto- naceae von Prof. AscHErsoxn und Dr. GRAEBNER, der Orchidaceae- Coelo- gyninae von dem verstorbenen Prof. Prırzer und Prof. Kränzuın. Ausser diesen ausgegebenen Lieferungen sind noch fünf andere im Druck, von denen namentlich die Sarraceniaceae und Nepenthaceae hervorgehoben sein mögen, welche von Prof. MacrArrane in Philadelphia bearbeitet werden. Geschichte des Fixsternhimmels. Aus der für das Unternehmen eingesetzten Commission sind im Jahre 1907 die Mitglieder vo Brezorp und Vocrr durch den Tod ausgeschieden. Die Sammlung der Catalogörter wurde, nachdem in der ersten Hälfte des Jahres noch 54362 Werthe eingetragen waren, vorläufig geschlossen, und dann der zweite Abschnitt der Arbeit: die Über- tragung der zusammengestellten Örter auf das Aequinoctium 1875 be- gonnen. Diese Übertragung ist gegenwärtig bis zur Reetascension 2"ı2” vollendet, mit einstweiligem Ausschluss der sehr nahe an den Polen stehenden Sterne. Zu dem Druck des Fehlerverzeichnisses hatte Hr. A. F. Liwpemann wiederum die Güte einen Beitrag, in Höhe von 3000 Mark, zu ge- währen. Der Druck ist bis zum Bogen 4S fortgeschritten; es stehen nur noch die Govurn’schen Cataloge für 1875 und der grösste Theil der auf ein späteres Aequinoctium gestellten Cataloge aus. Commission für die Herausgabe der „Gesammelten Schriften Wirnuerm von Humskorors‘“. Bericht des Hrn. Scauipn. Die beiden 1907 erschienenen Abtheilungen des sechsten Bandes der von Hrn. Prof. Dr. Leırzmanx bearbeiteten »Werke« greifen mit ihren letzten Stücken aus dem linguistischen ins ästhetische Gebiet hinüber und zeigen wiederum einen bedeutenden Zuwachs. Schon ausgedruckt ist die grosse Studie über die » Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus« u. s. w. (VII, 1); im Manuscript abge- schlossen eine Sammlung von Paralipomenis, die wegen ihrer Kürze oder ihres fragmentarischen Zustandes nicht wohl eingereiht werden konnten, sowie von anderen Nachträgen nebst Auskünften über ver- lorene oder weggebliebene Schriften (VII,2). Die folgenden Bände, ohne Vorarbeit aus grossen handschriftlichen Massen zu schöpfen, gebieten ein langsameres Tempo. 92 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Empfindliche Versäumnisse in Gebhardts nachgelassenem Katalog der Briefbestände des Staatsarchivs heilt jetzt revidirend und ergän- zend Hr. Dr. Srraneer, dem sich dabei auch die Nothwendigkeit er- geben hat, kleine Supplemente zu den Politischen Denkschriften zu liefern. Neben ihm sind wir Hrn. Privatdocenten Dr. S. Krrrer in Bonn, Fräulein Marızr von Bunsen in Berlin und der Publie library in Boston (für photographische Mittheilung eines langen werthvollen Schreibens an Körner über Schiller) verpflichtet. Interakademische LEısN1Z- Ausgabe. Bericht des Hrn. Lenz. Hr. Warpever hat in der öffentlichen Sitzung am 27. Juni 1907 (vgl. Sitzungsberichte 1907 S. 617 ff.) einen ausführlichen Bericht über die Entstehung und Entwicklung des Planes dieser Ausgabe gegeben; ich kann mich also darauf beschränken, an die Hauptpunkte jener Darstellung zu erinnern und den gegenwärtigen Stand der Arbeit zu bezeichnen. Der Gedanke einer kritischen Gesamtausgabe der Werke von Leiwssız wurde von der Academie des Sciences morales et politiques zu Paris auf der ersten Generalversammlung der internationalen Asso- ziation der Akademien (Paris 1901) angeregt. Er fand allgemein Beifall, und die Assoziation beauftragte die Academie des Seiences und die Academie des Sciences morales et politiques zu Paris und unsre Akademie, sich über den Umfang des Unternehmens zu orientieren und an der Hand eines Verzeichnisses der für die Publikation in Betracht kommenden Stücke der nächsten Generalversammlung einen Plan vorzulegen, der die Grundlage für die Entscheidung des Ob und Wie der Ausgabe bilden könnte. Die drei Akademien widmeten sich dieser Arbeit während der Jahre 1902 und 1903. Von französischer Seite wurden Frankreich, Belgien, Holland und England auf Leibniziana bereist, von unsrer Seite ein Katalog aller gedruckten Stücke an- gefertigt, dann gemeinsam ein Aufruf an die Archive, Bibliotheken und zahlreiche Privatpersonen erlassen — der zum Teil zu über- raschenden Entdeckungen führte — und endlich und vor allem die genaue Verzeichnung des in Hannover liegenden Nachlasses von Leısyız unternommen. Besonders die letzte Arbeit zeigte, daß man den Umfang und die kritischen Schwierigkeiten des Werkes unterschätzt hatte. Infolgedessen ersuchten die drei Akademien die zweite Generalver- sammlung der Assoziation (London 1904), ihnen ihren Auftrag auf weitere drei Jahre zu verlängern, indem sie in Aussicht stellten, bis Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 93 zu der dritten Tagung das bisher gesammelte Material revidieren und als einen kritischen Katalog der Leisnız-Handschriften veröffentlichen zu können. Die Assoziation erklärte sich hiermit einverstanden. In der Tat wurde bis zum Frühjahr 1906 dieser kritische Katalog im Manuskript ziemlich vollendet. Es stellte sich aber auch heraus, daß er etwa zehn Bände in Quarto zu je 60 Bogen umfassen und seine Drucklegung etwa drei Jahre und rund 80000 Mark Kosten beanspruchen würde. Angesichts dieser Tatsache kam unsre Akademie zu dem Entschluß, auf diese Drucklegung eines immer doch nur vor- bereitenden Werkes zu verzichten und vielmehr sobald wie möglich an die Ausgabe selbst zu gehen. Zu derselben Auffassung gelangten die beiden französischen Akademien. Man verständigte sich also über die weitere Behandlung des Kataloges und über Ziel, Teilung und Organisation der Arbeit für die Ausgabe, und unterbreitete der dritten Generalversammlung der Assoziation (Wien 1907) den Vorschlag: »Von der Drucklegung des geschriebenen Katalogs soll abgesehen werden, dagegen ist letzterer mechanisch zu vervielfältigen insoweit, daß den Bibliotheken der zur Vereinigung gehörigen Akademien so- wie einigen andern Bibliotheken Exemplare zugestellt werden können. Mit der vollständigen Ausgabe der Werke Leisnizens soll alsbald be- gonnen werden, und sind die genannten drei Akademien damit zu betrauen.« Die Assoziation hat demgemäß beschlossen und damit das Unternehmen gesichert. Die interakademische Leisnız-Ausgabe wird also von der Academie des Seiences und der Academie des Sciences morales et politiques zu Paris und unsrer Akademie im Namen der Assoziation der Akademien aus- geführt. Die drei Akademien haben sich überzeugt, daß eine schlechter- dings vollständige Ausgabe, die alles, was je von und an Lrızsız ge- schrieben worden ist, enthielte, in absehbarer Zeit und mit den zur Ver- fügung stehenden Mitteln nicht geleistet werden kann, aber auch für die Bedürfnisse der Wissenschaft nicht notwendig und nicht einmal wünschenswert ist. Sie haben also nur eine » wissenschaftlich voll- ständige« Ausgabe ins Auge gefaßt. Auch bei dieser Beschränkung wird freilich das Werk rund 50 Quartbände umfassen und erst in 30 bis 40 Jahren vollendet sein. In die Leitung und in die Kosten der Arbeit haben sich die drei Akademien so geteilt, daß den beiden französischen Akademien die mathematischen, erkenntnistheoretischen und logischen, die naturwissenschaftlichen und medizinischen, die juristischen und naturrechtlichen Schriften, unsrer Akademie dagegen die politischen, staats- und volkswirtschaftlichen und die historischen und sprach- wissenschaftlichen Schriften, und außerdem die gesamten Briefe und Denkschriften überwiesen sind; über die metaphysischen und theolo- Sitzungsberichte 1908. 11 94 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. gischen Schriften hat man noch keine Vereinbarung getroffen. Die Arbeit selbst wird gemeinsam bleiben, so zwar, daß zum Teil fran- zösische Mitarbeiter unter unsre, und deutsche Mitarbeiter unter fran- zösische Leitung treten werden. Auf unsrer Seite haben wir uns zunächst zur Bearbeitung der Briefe und Denkschriften, als der unsres Erachtens wichtigsten und notwendigsten unter den uns überwiesenen Abteilungen, entschlossen. Die Leitung liegt in den Händen unsrer »Leıssız-Kommission«, die zur Zeit aus den HH. Dirrury, Harnack, Koser, Lexz (als Vorsitzendem), Pranck, ScHhmipT, Schwarz und Stumer besteht; Hr. Dıers ist, nach- dem er von 1901—1906 den Vorsitz geführt hatte, im Frühjahr 1906 wegen seiner Überhäufung mit andern Geschäften ausgeschie- den. Als Mitarbeiter stehen uns einstweilen die seit 1902 für uns in dieser Sache tätigen HH. Dr. Kasırz und Dr. Rırter, und dazu die französischen HH. Rıyaunp, SırE und Vesıor zur Verfügung. Mit der Leitung der Arbeit im einzelnen haben wir Hrn. Dr. Rırrer be- traut. Diese Herren sind seit dem Sommer 1907, auf Grund eines von Hrn. Dr. Rırter entworfenen Planes, mit der Bearbeitung der ersten drei Bände beschäftigt, welche die Briefe und Denkschriften von 1662— 1672 (bis zur Übersiedelung des jungen Lrisxız nach Paris) umfassen werden. Hr. Dr. Kasırz, der die philosophischen und theologischen Briefe übernommen hat, ist bereits an die Her- stellung des kritischen Apparates gegangen und hofft, bis Ostern 1909 sein Manuskript vollendet zu haben. Hr. Dr. Rırrer ist noch in der Sammlung und Kollation der Drucke und Abschriften be- griffen; er bearbeitet die politischen und biographischen Stücke, also im wesentlichen auch sämtliche Denkschriften (unter ihnen die zum Ägyptischen Plan gehörigen, die den ganzen dritten Band be- anspruchen werden). Über den Stand der Arbeit bei den französi- schen Herren werden wir demnächst Nachricht erhalten; sie haben bereitwilligerweise die naturwissenschaftlichen Briefe übernommen. Im allgemeinen hoffen wir diese ersten drei Bände so zu beschleunigen, daß sie 1g9ıı erscheinen können. Die Vorbereitungen für die Vervielfältigung des Katalogs werden inzwischen auf beiden Seiten fortgesetzt. Nachdem die einzelnen Be- arbeiter desselben schon im Laufe des Jahres 1906 ihre ausführlichen Konzepte in Reinschriften auf Oktavzetteln kondensiert haben, han- delt es sich jetzt um die kritische Kombination dieser (acht) parallelen Anteile. In diese Arbeit haben sich die HH. Kasırz, Rırrer und Rıvaup in der Weise geteilt, daß jeder die Zusammenstellung und Verantwortung für bestimmte Perioden übernommen hat. Leider wird auch die Umschrift des Ganzen mit autographischer Tinte zu einem Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 95 erheblichen Maße von diesen Herren persönlich geleistet werden müssen. Die erste, von Hrn. Dr. Rırter redigierte Abteilung des vervielfältigten Katalogs steht daher erst im April d. J. zu erwarten. Die andern Abteilungen werden voraussichtlich so schnell folgen, daß wir den wichtigsten Vorteil eines solchen allgemein zugänglichen Katalogs — auch Außenstehende zur Kontrolle unsrer Arbeit zu veranlassen — noch für die ersten drei Bände der Ausgabe genießen können. Unsre Mitarbeiter bedienen sich einstweilen ohne große Beschwerde ihrer Konzepte und Reinschriften. Erfreulich ist endlich, daß Zufall oder planmäßiges Verfolgen neuer Spuren immer noch zu weiteren Funden von Lemxız-Hand- schriften führen. So sind erst kürzlich die verloren geglaubten Ori- ginale der Briefe des jungen Leıssız an den Augsburgischen Theo- logen Spitzel (1668— 1672), und aus seinen späteren Perioden Briefe an den Wolfenbüttelschen Minister Baron von Steinberg, die Herzogin Benedicete von Braunschweig und den Abbe St. Pierre zum Vorschein gekommen. Dagegen sind die Nachforschungen nach der zweiten Hälfte des Nachlasses Johann Christians von Boineburg — dessen erste Hälfte seinerzeit im Schönbornschen Archiv zu Wiesentheid ge- funden wurde — bisher vergeblich geblieben. Corpus Medicorum graecorum. Bericht des Hrn. Dirrs. Die Akademie berichtet heute zum ersten Male über ein neues Folgeunternehmen, das ihre philosophisch -historische Klasse nach der Beendigung des Corpus Aristotelicum in Angriff genommen hat. In Gemeinschaft nämlich mit den Königlichen Gesellschaften der Wissen- schaften zu Kopenhagen und Leipzig ist eine unter den Auspizien der Internationalen Assoziation der Akademien stehendes Corpus medicorum antiguorum begonnen werden, von dem die genannten drei Akademien den griechischen Teil, das Kuratorium der bei der Universität Leipzig bestehenden Puschmanv-Stiftung den lateinischen übernommen haben. Die Arbeiten für beide Abteilungen stützen sich auf einen von der Kopenhagener und unserer Akademie aufgenommenen Katalog der Handschriften der antiken Ärzte, dessen beide Teile in den Abhand- lungen unserer Akademie 1905 und 1906 veröffentlicht worden sind. Ein erster Nachtrag dazu ist in den Abhandlungen 1907 erschienen. Dort ist auch ein ausführlicher Bericht über den ganzen Plan mit- geteilt, aus dem hier herausgehoben sei, daß die Sammlung des 11 96 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Corpus M. graecorum auf 32 Bände Großoktav berechnet ist, deren Verlag die B. G. Teubnersche Buchhandlung in Leipzig übernommen hat. Davon sollen Hippokrates 2, Galen ı3 Bände füllen. 3 Bände sind für die kleineren Mediziner reserviert, unter denen auch manches Ungedruckte sich befinden wird. So ist ein Exzerpt aus dem Arznei- buche des Arztes Philumenos (2. Jahrh. n. Chr.) in der Bearbeitung von M. Werrmans bereits im Text vollendet und wird als kleine Probe des Werkes demnächst ausgegeben werden. Die Leitung des Unternehmens liegt in den Händen einer von der Assoziation erwählten autonomen Kommission, deren Mitglieder sind die HH. Gourerz (Wien), Lro (Göttingen), Hrızere (Kopenhagen), Ivgere (Leipzig), BywAter (London), Krumsacher (München) und der zum Obmann dieser Kommission ernannte Berichterstatter. Die Berliner Akademie hat zur Durchführung des Unternehmens eine aus Hrn. v. Wıramowırz und dem Berichterstatter gebildete be- sondere Kommission eingesetzt. Sie hat Hrn. Privatdozenten Dr. J. Mewarpr in Berlin zum Redakteur des Corpus ernannt. Diese Wahl hat die Bestätigung der autonomen Kommission der Assoziation gefunden. Unsere Akademie hat als Arbeitsraum für das Corpus ein Zimmer in dem Nebengebäude unseres provisorischen Heims eingerichtet, wo auch die bereits gesammelten Materialien eine übersichtliche Aufstel- lung gefunden haben. Deutsche Kommission. Bericht der HH. BurvAcaH, RoETHE und ScHmipr. In die Kommission neu eingetreten ist Hr. Hruszer. Im Juni siedelte die Kommission aus dem Hause Behrenstraße 70 in die zeitweilige Behausung der Akademie, Potsdamer Straße 120, über; es stehen ihr dort außer einem für die Mitglieder der Kommission bestimmten Sitzungsraum ein großes und drei kleinere Arbeitszimmer zur Verfügung, die sich durch Helligkeit und Geräumigkeit vorteilhaft vor den früheren Räumen der Kommission auszeichnen. Der Umzug gab Anlaß zu einer erheblichen Ergänzung des bisherigen Inventars, das sich bei der steten Vermehrung der Aufgaben und Mitarbeiter der Kommission schon längst als unzureichend erwiesen hatte. Die Inventarisierung der literarischen deutschen Hand- schriften schritt ruhig fort. Die Rücksicht auf die verfügbaren Mittel verbot diesmal eine Steigerung des Tempos; wir haben aber Grund, zu hoffen, daß die verständnisvolle Förderung des vorgesetzten Ministeriums es uns ermöglichen wird, im kommenden Jahre mit Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akadeimnie. 97 vermehrten Kräften und Mitteln die Handschriftenaufnahme zu be- schleunigen. In der Schweiz war die Arbeit dieses Jahres besonders ergiebig. Der Leiter der Stiftsbibliothek in Einsiedeln, Hr. P. GAgrıer Mrıerr, spendete aus dem reichen Schatz der ihm anvertrauten Handschriften mit gewohnter Gelehrsamkeit weitere Beschreibungen (in der Haupt- sache Mystik, daneben einiges Medizinische). Die im vorigen Bericht angekündigte Verbindung der öffentlichen und Universitätsbibliothek zu Basel mit den Inventarisationsarbeiten der Akademien hat wert- volle Früchte getragen. Im September des vergangenen Jahres emp- fing das Archiv die umfängliche, von Prof. Bısz’ sicherer Hand genau nach unsern Grundsätzen ausgeführte Beschreibung derjenigen Hand- schriften der Baseler Abteilung A (Theologie, Papier), die in den Rahmen unsers Inventars fallen. Wie Prof. Binz mitteilte, sind außer- dem bereits beschrieben, aber für den Baseler Katalog noch nicht kopiert, auch die in Betracht kommenden Bände der Abteilung B (Theologie, Pergament) und einige Sammelbände der Abteilung F (Artes). Das Verzeichnis der Abteilung A erschien dann unter dem Titel: »Die deutschen Handschriften der öffentlichen Bibliothek der Universität Basel, erster Band« (Basel 1907) als Festgabe der Baseler Bibliothek für die Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner im Druck. Die Vorrede dieser verdienstvollen Publikation, die der Initiative des Hrn. Oberbibliothekars Dr. Kart Unrıstorm BERNOUILLI verdankt wird, betont ausdrücklich, daß die Anregung zu der jetzigen Durchführung der Katalogisierung und ihre Form auf die deutsche Kommission der Berliner Akademie zurückgehe. Ein Vergleich mit Hänels summarischen Beschreibungen veranschaulicht sofort, wie trefl- lich sich das Zusammenwirken der von der Akademie vertretenen rein wissenschaftlichen und der dortigen bibliothekarischen Interessen be- währt hat. Es sei insbesondre auf die Abteilungen AX und AXI verwiesen, die über zahlreiche seit Jahrhunderten unverzeichnet und vernachlässigt aufgestapelte Handschriftenbände beriehten und manche für die deutsche und die mittellateinische Literatur interessante Stücke ans Licht ziehen. Für die deutsche Mystik findet sich dabei freilich nicht so viel Neues, als bei der Bedeutung Basels für diese Bewegung vielleicht erwartet werden konnte. — Hr. Prof. Dr. Fernmasn VETTER in Bern hat noch gegen 60 Beschreibungen von St. Gallener Hand- schriften eingesendet (Reihen altdeutscher Personennamen, Sprichwörter, Rätsel, Beichtformeln, Briefe Alkuins und anderer, Schriften des Äneas Sylvius). Für Österreich ist die Handschriftenaufnahme leider immer noch nieht so in Gang gekommen, wie es zu wünschen wäre. Einige 98 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Handschriften der Wiener Hofbibliothek haben Hr. Dr. V. Junk in Wien und Hr. Prof. Ent Henrıcr in Berlin beschrieben. Aus Graz sandte eine Beschreibung Hr. Dr. Fernınanp EicHLer. Rüstigen Fortgang hat dagegen die Handschriftenaufnahme in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek genommen. In das Be- richtsjahr fallen etwa 120 Beschreibungen, die wir größtenteils wieder der fortgesetzten treuen Mühewaltung der HH. Dr. Leiiseer und Dr. Prrzer verdanken. Aus den Arbeiten des Hrn. Prof. vox DER LEYEN und seines Gehilfen, des Hrn. Dr. Mauszer, für die deutsche Mystik erwuchsen vier zum Teil sehr umfängliehe Beschreibungen mystischer und katechetischer Stücke (Meister Eckhart, Tauler, Marquart von Lin- dau u. a.). Gelegentliche Beschreibungen von Münchener Handschriften lieferten die HH. stud. Kart Schröper (Berlin) und stud. Erıcn EıcnLer (Greifswald). — Eindringende Ergänzungen zu seinen vorher summari- scher gefaßten Beschreibungen mehrerer Kemptener und Passauer Handschriften steuerte Hr. Prof. Karı. Eure (Königsberg) bei (darunter Kemptener Bruchstücke des Willehalm Ulrichs von Türheim). — Auf Baden und Württemberg hat sich bisher die Inventarisationstätigkeit der Akademie noch nicht erstrecken können. Doch hat Hr. BurpacH im letzten Sommer einen Aufenthalt in Heidelberg, Karlsruhe, Stutt- gart und Tübingen benutzt, um durch Beratungen mit den maß- gebenden Behörden und Personen eine geeignete Organisation vor- zubereiten. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, lassen aber bei dem Entgegenkommen, das Hr. Burvacn überall, insbesondere auch bei dem badischen Kultusministerium gefunden hat, einen glück- lichen Ausgang erwarten. — Eine Handschrift der Hofbibliothek zu Karlsruhe beschrieb Hr. cand. phil. M. Vorst. — In Dresden setzte Hr. Dr. Manırıus seine beschreibende Tätigkeit fort. In Breslau ist dank dem hingebenden Eifer des Hrn. Ober- lehrers Dr. Krarper die Beschreibung der in Frage kommenden Hand- schriften der Kgl. und Universitätsbibliothek dem Abschluß nahe- gebracht: nahezu 200 Aufnahmen sind der Ertrag dieses Jahres. Die geistige Geschichte Schlesiens ist fast in allen Beziehungen hier vertreten: voran steht wieder die reiche geistliche Literatur; sonst fallen ins Auge Fabelliteratur, didaktisch-satirische und Novellen- diehtung, zahlreiche Pestrezepte. Ein mittelniederdeutsches Erbauungsbuch aus Calbe a.d. Milde, das u.a. Dietrich Engelhus’ Ars moriendi enthält, hat Hr. Prof. Borcnuine in Posen behandelt. — Aus Naumburg hat Hr. Oberlehrer Dr. Hamreı mehrere Beschreibungen von Rechtshandschriften gesandt. — In den Fuldaer Manuskripten, die Hr. Oberlehrer Dr. Wırsann in Fraustadt neu aufgenommen hat, war namentlich das Jesuitendrama sowie die Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 99 neulateinische Kleinpoesie der Epitaphien, Memorialverse, Chrono- gramme u.ä. reicher vertreten. Ebenso gehörten die Handschriften, die Hr. Berraror in Frankfurt a. M. erledigt hat, überwiegend in den Kreis der lateinischen Schulpoesie; doch enthielten sie auch deutsche Sprüche und Weihnachtspredigten, sowie ein allegorisch- geistliches » Würzgärtlein« in deutschen Versen. ; Hr. Dr. Drerrıne, der die systematische Durchforsehung der kleineren Bibliotheken der Rheinprovinz übernommen hat, hat die Bibliothek des Bergischen Geschichtsvereins zu Elberfeld, in Bonn die Universitätsbibliothek, die Stadtbibliothek, die Bibliotheken der Stiftskirche, Münsterkirche, Remigiuspfarre, ferner die Bibliothek des Freiherrn von Eltz-Riebenack zu Wahn, die Pfarrbibliotheken zu Oberkassel, Königswinter, Grau-Rheindorf und Neuß (hier auch die Bibliothek des Altertumsvereins), endlich die Frei- herrlich von Mirbachsche Bibliothek zu Harff und andre Privat- bibliotheken in Mülheim a. d. Ruhr und Neuß besucht und fest- gestellt, ob und was sie von geeignetem Material enthalten. Eingesandt hat Dr. Deerrime bisher die Beschreibung einer Handschrift des Stadt- archivs zu Cleve (Chronik Gerts van Scheuren) und vor allem zweier wichtiger Codices aus der Fürstlich Salm-Reifferscheidtschen Sehloß- bibliothek zu Dyck, deren einer u. a. eine niederländische Fassung von Mandevilles Reisewerk enthält, während der andre neben Maer- lants »Blume der Natur« einen besonders wertvollen, der Komburger Handschrift an Alter und Wert bedeutend überlegenen Reinaerttext bietet, den Dr. Deszrıme demnächst zu publizieren hofft. Unser eifriger Mitarbeiter für Westfalen, Hr. Bibliothekar Dr. Böner in Münster, beschrieb aus der Pfarrbibliothek zu Metelen (Kreis Steinfurt) eine umfängliche mittelniederdeutsche Sammelhand- schrift, aus der Dechaneibibliothek zu St. Nikolaus in Höxter zwei kleinere Stücke. Sehr viel reichhaltiger erwies sich die Sayn-Witgen- steinsche Schloßbibliothek zu Berleburg, in der Dr. Bömer unter anderem neue Wigaloisfragmente, ein mittelhochdeutsches poetisches Speeulum humanae salvationis, vor allem eine anscheinend noch un- bekannte mittelhochdeutsche Dichtung von der Pilgerfahrt des träu- menden Mönches feststellte. Die Schloßbibliothek des Grafen von Fürstenberg-Stammheim, die aus Stammheim kürzlich für 50 Jahre leihweise auf die Universitätsbibliothek zu Münster übergeführt ist, ergab diesmal neben Stammbüchern des 17. Jahrhunderts mittelfrän- kische Kartäuserbiographien und eine neue Handschrift von Gottfr. Hagens Cölner Chronik sowie namentlich von der Weberschlacht, die bisher nur in einer einzigen recht mangelhaften Handschrift bekannt war. Im übrigen nahm Dr. Böner die Handschriften der Bibliothek 100 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. des Altertumsvereins zu Paderborn auf, die lateinische und mittel- niederdeutsche Verse historischen Inhalts, ein mittelniederdeutsches Gebetbuch aus Marienborn und viel sonstige niederdeutsche Erbau- ungsliteratur brachte. Sie dominierte auch in den Handschriften der Universitätsbibliothek zu Münster, die Bömer diesmal beschrieb; her- vorzuheben ist allerlei mittelniederdeutsche Übersetzungsprosa geist- lichen Inhalts. Prof. Jostes stellte für die Beschreibung eine mittel- deutsche geistliche Sammelhandschrift aus seinem Besitze zur Ver- fügung. Aus der Stadtbibliothek zu Lübeck beschrieb Hr. Dr. Hasen mehrere niederdeutsche und niederländische Codices, in denen die holländische Mystik (Ruusbroek, Gerhard Zerbold) vorantrat. — Hr. Prof. Borentiıne untersuchte vier Handschriften der Bibliothek des adligen Damenklosters zu Ebstorf, deren sehr reicher Inhalt das geistige Leben dieses Frauenstifts im 15. Jahrhundert abspiegelt. — Den Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Hannover hat für unsere Zwecke außer Hrn. Bibliothekar Dr. Karı Meyer auch Hr. Ober- lehrer Dr. Brırı. seine Aufmerksamkeit zuzuwenden begonnen. Hr. Prof. Dr. Emm Hrnrıcr hat im Berichtsjahre wieder hunderte von Handschriften der Wolfenbütteler und Braunschweiger Bibliotheken und Archive sowie des Stadtarchivs zu Hildesheim sorgfältig gemustert. In Hildesheim wurden vornehmlich Chroniken von ihm durchgesehen; in Wolfenbüttel und Braunschweig beachtete Prof. Hrxrıer ins- besondere Handschriften des Cornutus, Facetus, Brevilogus, des De- cretum Gratiani, Manuskripte von Joh. Caselius und Andr. Mylius; über einige seiner Funde hat er im »Braunschweigischen Magazin « Bericht erstattet. Da sich herausstellte, daß der gedruckte Katalog der Braunschweiger Stadtbibliothek auch für oberflächliche Orientie- rung nicht ausreiche, hat Prof. Hexrıcı sich entschlossen, nicht nur in Braunschweig, sondern auch in Wolfenbüttel jede Handschrift, auch wenn sie nach den Katalogen gar nichts versprach, selbst zu durehsuchen und diese mühsame Arbeitsweise, die es ihm z.B. auf- erlegte, die Wolfenbütteler Handschriften Helmstedt 1—500 größten- teils noch einmal gründlich zu prüfen, blieb nicht ohne Ertrag. Prof. Hrxrıcıs Beschreibungen sind besonders reichhaltig im Buchen der Einzelverse, die in Prosatexten eingelegt oder zu Sammlungen ver- einigt sind. Kleinere lateinische Dichtungen aus Miscellanhandschriften der Bodlejana in Oxford, geistlichen und medizinischen Inhalts, sind auch von Hrn. Dr. Scnaarrs in Liverpool in großer Anzahl verzeichnet worden; den Inhalt von deutschen Stammbüchern des Britischen Museums in London analysierte Hr. Dorcn. — Von der zeitweilig Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 101 verschollenen Handschrift des Ebernand von Erfurt, die sich jetzt in der Privatsammlung von Rob. Garnett zu Baltimore (Maryland) be- findet, gab Hr. Dr. Gro. Prıersr eine eingehende Beschreibung. Die Verwaltung des Handschriftenarchivs lag unter der Oberaufsicht seiner akademischen Leiter auch im verflossenen Jahre wieder in den Händen des Assistenten Hrn. Dr. Frırz Beurexp, der, zugleich als Volontär an der Königlichen Universitätsbibliothek tätig, den Pflichten des doppelten Amtes kaum hätte genügen können, wenn ihm nicht im Interesse seiner Archivarbeiten durch das vorgesetzte Ministerium die bibliothekarische Dienstzeit für einen Teil des Jahres um täglich zwei Dienststunden verkürzt worden wäre. Es ist Aussicht vorhanden, daß er künftighin seine ganze Arbeitskraft dem Hand- schriftenarchive der Deutschen Kommission wird widmen können. Auf dem gesamten Gebiete der Inventarisierung ist ein größeres Gleichmaß der Beschreibungen angestrebt und gutenteils auch erreicht worden. In Zukunft soll den Handschrifteneinbänden, aus denen sich wertvolle Schlüsse ziehen lassen, erhöhte Aufmerksamkeit zu- gewendet werden. Für die Einbände der Inkunabeln sind bekanntlich durch die Bemühungen des Hrn. Bibliotheksdirektors Dr. SchwEnkKE fruchtbare Erkenntnisse gewonnen worden, und durch die von ihm an- gewendete Methode (Bleistiftschraffierungen auf weichem über den Ein- band gelegten Papier) lassen sich ohne Mühe ausreichende Abdrucke herstellen. Stattlich ist die Sammlung der durchgepausten Wasser- zeichen angewachsen. Alsratsam hat sich herausgestellt, daß künftig bei den medizinischen Bestandteilen der aufgenommenen Handschriften kurze Beschreibungen aller etwaigen Zeichnungen gegeben werden. Um die Gefahr doppelter Beschreibung zu verhüten, die durch Umsignieren der Bestände oder durch das Wandern von Handschriften (namentlich privaten Besitzes) entstehen könnte, hat die Deutsche Kom- mission kleine Zettel des folgenden Musters drucken lassen: Handschrift iin Besitz ist nach den Grundsätzen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Herrn UN 19 aufgenommen worden. 102 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Es wäre sehr zu wünschen, daß, wie die Hof- und Staatsbibliothek zu München das schon getan hat, so auch möglichst alle andern Be- sitzer von Handschriften gestatteten, diese Zettel auf den Innendeckeln der für die Akademie beschriebenen Codices anzubringen. Der Ver- merk würde zudem spätere Benutzer in den Stand setzen, durch An- frage bei dem Handschriftenarchiv der Akademie sich unter Umständen lange Arbeit zu ersparen. Das Archiv besitzt jetzt über 3000 Handschriftenbeschreibungen, von denen gegen 250, die zunächst in summarischer Form eingereicht werden mußten, künftiger Ergänzung bedürfen. Gegen 2000 von diesen Beschreibungen sind bis jetzt auf etwa 110000 Zetteln nach den in den frühern Berichten angegebenen Gesichtspunkten katalogisiert worden. An den Verzettelungsarbeiten beteiligten sich unter Leitung Dr. Bruresps die HH. cand. phil. Trausorr Böune, Dr. FriepemAnn, cand. phil. GEnseL, Dr. KOTZENBERG, Dr. ARTHUR MÜLLER, Dr. Reıskr, Dr. Stenmans, cand. phil. Max Voısr. — Zu einem ergänzenden Zettel- katalog des gedruckten Materials, der für die Zukunft in Aussicht genommen ist, hat Dr. Sremmann einen Anfang gemacht, indem er begonnen hat, die gedruckten kleineren erzählenden und lehrhaften mittelhochdeutschen Dichtungen zu verzetteln. Mit dem Besitz wächst auch die wissenschaftliche Nutzbarkeit des Archivs, das im Berichtsjahre vielfach von hiesigen und auswärtigen Gelehrten befragt worden ist. Dem Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin in Leipzig, Hın. Prof. Dr. Supkorr, wurde auf sein Er- suchen gestattet, das für die Geschichte der Medizin in Betracht kommende Material aus den Beschreibungen des Archivs kopieren zu lassen. Die Handbibliothek des Archivs umfaßt gegen 300 Nummern, bleibt also immer noch hinter den bescheidensten Ansprüchen zurück, zumal die in demselben Hause befindliche Bibliothek der Akademie ihrer Zusammensetzung nach nur in seltenen Fällen geeignet ist auszuhelfen. Von wichtigern Zuwendungen seien hier (außer dem schon genannten Baseler Katalog) dankbar erwähnt: Die deutschen Handschriften der Großherzoglichen Hof- und Landesbibliothek Karlsruhe (Bd. 3 bis 5, Beitr. II); Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Band 2; Bibliotheca apostolica Vaticana Cod. Palat. Lat. Tom.I; drei Programme des Gymnasiums zu Flensburg. Von den »Deutschen Texten des Mittelalters« wurden voll- endet Bd. VIII (Heinrichs von Hesler Apokalypse, aus der Danziger Handschrift herausgegeben von Karr Herrn), Bd. IX (Thilos von Kulm Liber de septem sigillis, aus der Königsberger Handschrift heraus- Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 103 gegeben von Kart KocnenDörrrer) und Bd. XII (Der große Alexander, aus der Wernigeroder Handschrift herausgegeben von Gustav Gurn). Im Satz weit fortgeschritten sind Bd. X (Der Prediger von Sankt Georgen, aus der Freiburger und Karlsruher Handschrift heraus- gegeben von Karr Rırper), Bd. XI (Die Predigten Taulers, aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift, sowie aus Schmidts Ab- schriften der verbrannten Straßburger Handschriften herausgegeben von FErDINANnD VETTER) und Bd. XII (Die Meisterlieder des Hans Folz, aus der Münchener Originalhandschrift, aus der Weimarer und der Berliner Handschrift herausgegeben von Auscusr Mayer). Begonnen ist endlich der Satz von Bd. XIV (Die Wolfenbüttler Priamelhandsehrift, herausgegeben von Karr Eurise). Gefördert wurden die » Texte« durch die HH. Dr. Bure in Hamburg, Dr. Graunise, Dr. Perzer, Dr. Raske in München, Prof. Dr. Hrexrıcı in Wolfenbüttel, Prof. Dr. Panzer in Frank- furt a. M., Prof. Dr. Sıevers in Leipzig; insbesondere aber hat Hr. Prof. Dr. Karr von Kraus in Prag ihnen dauernd sein fruchtbares und tätiges Interesse zugewendet. Hr. Prof. Schöngach in Graz hat der Kommission seine Abschrift des »Belial« Otto Raspes für die »Texte« geschenkt. Lebhaften Dank verdient endlich die Bereitwilligkeit, mit der die be- teiligten Bibliotheken durchweg die Leihfrist für ihre Handschriften so ausgedehnt haben, daß die langwierigen Druckkorrekturen nach den Handschriften selbst gelesen werden konnten; die Kommission rühmt insbesondere die Geduld, mit der das Stift Engelberg, sowie die Großherzogliche Bibliothek zu Weimar und die Herzogliche Biblio- thek zu Wolfenbüttel den Wünschen der Akademie Rechnung ge- tragen haben. Die Wieland-Ausgabe wurde 1907 so weit gefördert, daß ein Verlagskontrakt mit der Weidmannschen Buchhandlung entworfen und genehmigt werden konnte, auf Grund dessen nun zunächst in steter Folge die von Hrn. Dr. Homever in Berlin bearbeiteten Jugendschriften und aus der zweiten Abteilung die von Hrn. Dr. Staprer in Straß- burg zum ersten Neudruck gerüstete Shakespeareübersetzung erscheinen sollen. Um das Briefkorpus hat Hr. Dr. vov KozLowskı durch genaue Abschriften aus der in Halberstadt liegenden Korrespondenz mit Gleim sich ein dankenswertes Verdienst erworben. Der vorjährige Bericht der Kommission mußte melden, daß der Provinzialausschuß der Rheinprovinz ein Gesuch der Akademie um finanzielle Unterstützung des »Rheinischen Wörterbuchs« abgelehnt habe. Inzwischen aber ist eine sehr erfreuliche Wandlung eingetreten: es darf mit Zuversicht erwartet werden, daß der Provinzialverband von 104 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Ostern 1908 ab dem Wörterbuch eine regelmäßige Subvention auf eine Reihe von Jahren gewähren werde. An diesem Umschwung hat ein sehr wesentliches Verdienst die »Gesellschaft für Rheinische Ge- sehiehtskunde«, die sich entschlossen hat, das Wörterbuch nicht nur gleichfalls finanziell zu stärken, sondern sich mit der Akademie zu gemeinsamer Herausgabe des Werkes zu verbinden. Über das Er- gebnis der noch schwebenden Verhandlungen wird im nächsten Jahre zu berichten sein. Der geplante Bund der Rheinischen Gesellschaft mit der Akademie scheint sachlich den besonderen Aufgaben des Rheinischen Idiotikons so glücklich zu entsprechen, daß diese Gemein- schaft auch für ähnliche Unternehmungen vorbildlich werden könnte. Über die Arbeit am »Rheinischen Wörterbuch« berichtet das auswärtige Mitglied der Kommission, Hr. Fraxck in Bonn, das Folgende: Im Laufe dieses Jahres wurden ausgegeben: ı. Nummer 2—3 der »Anfragen und Mitteilungen«, deren wissenschaftlicher Inhalt größtenteils wieder von Dr. Jos. MÜLLER zusammengestellt ist; sie be- handelt in Proben und Sammlungen die Wörter und Begriffe: groß, Haar, Kartoffel, Lüge, Kaffee, magerer Mensch, kalt, altes Haus, Stuben- hocker, Gefängnis, gleich und gleich gesellt sich gern, einträchtig handeln u.a.; 2. die Probe II, die hauptsächlich den Zweck verfolgte, die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auf feste Redensarten ohne ausge- prägtes mundartliches Wortmaterial zu lenken. Außerdem haben Dr. Trense und Dr. MürLer Anfragen in kleinerem Kreise ergehen lassen. Da unsere bisherigen Versuche, die eine etwas ausgedehntere Tätigkeit und etwas eigenen Antrieb der Mitarbeiter erforderten, doch nur von beschränktem Erfolg waren, haben wir 2 Fragebogen mit bestimmten Einzelfragen fertiggestellt, die noch vor den Weihnachts- ferien zunächst an die Seminare und Präparandenanstalten verschickt worden sind. Der im vorigen Bericht erwähnte Erlaß des Kultusministeriums zur Unterstützung unserer Sache trägt uns zwar noch immer Zu- schriften von einzelnen Schulbehörden ein, aber es läßt sich doch schon jetzt feststellen, daß auch er für wichtige Gebiete der Provinz den gewünschten Erfolg nicht gehabt hat. In der Hauptsache müssen wir den Kreis unserer Mitarbeiter jetzt wohl als geschlossen ansehen. Dabei dürfen wir uns nicht ver- hehlen, daß ein sehr großer Teil der früher Angemeldeten uns nur für ganz bestimmte Einzelfragen von Nutzen sein wird. So ergibt sich immer klarer die Notwendigkeit, den Stoff im Laufe der Jahre durch persönliche Aufnahmen zu ergänzen. Als besonders erfreulich ist andererseits hervorzuheben, daß an einer Anzahl von Seminaren Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 105 und Präparandenschulen unter der Leitung einzelner Lehrer oder Lehrerinnen systematisch gesammelt wird. Neuer Stoff ist weiter eingegangen, aber naturgemäß nicht mehr in der früheren Höhe, da die arbeitsfreudigen Helfer sich schon mehr oder weniger ausgegeben haben. Ein genauerer Bericht über die Tätigkeit unserer sammelnden Mitarbeiter ist in den » Anfragen und Mitteilungen« S. 50f. gegeben. Hr. Dr. Gorzex von der Städtischen Bibliothek in Köln hat uns ein reichhaltiges Verzeichnis der mundartlichen Literatur in uneigen- nütziger Weise aus bloßem Interesse an der Sache geliefert, wofür ihm auch hier unser Dank ausgesprochen sei. Mit der Ausnutzung älterer Texte konnten erst schwache Anfänge gemacht werden, da es an Arbeitskräften fehlte. Seit dem 19. März ist Hr. Dr. Hrrmans Teucnerr aus Loppow, Kreis Landsberg a. W., als Assistent hier in Bonn für das Wörter- buch tätig, allerdings mit beschränkter Arbeitszeit. Er hat sich mit schnellem Verständnis in die ihm fremden rheinischen Mundarten hin- eingefunden. Neben ihm ist seit dem Sommer eine Dame und stunden- weise eine weitere Hilfskraft beschäftigt. Die Anzahl der vorläufig im Wörterbucharchiv fertiggestellten Zettel beläuft sich auf 40000, von denen 30000 alphabetisch ein- geordnet sind. Dr. Jos. Mürrrr schätzt die noch in seinem Besitz befindlichen fertigen Zettel auf‘ 25000; Dr. Trexse in Rheydt meldet 20000 fertige und geordnete Zettel an. Forschungen zur Geschichte der neuhochdeutschen Schrifisprache. Bericht des Hrn. Burpacn. Der weite Rahmen meiner im Auftrage der Akademie vorberei- teten Publikation Vom Mittelalter zur Reformation, die auf die mannig- fachen Ziele einer aus den Quellen schöpfenden bildungsgeschichtlichen Forschung gerichtet, verschiedenartige Stoffgebiete durchpflügt, alt- deutsches wie lateinisches Schrifttum gleichermaßen berücksichtigt und über die Grenzen zwischen philologischer Edition, Literarhistorie, Stil- und Sprachgeschichte, Geschichte und Diplomatik hin und her schreitend, danach streben muß, die Methoden getrennter Disziplinen zu vereinigen, verlangt an mehreren Stellen gleichzeitig Sammlung, Sichtung und Zurüstung zerstreutesten Materials. Hierbei stand mir außer zeitweiliger Unterstützung durch andere jüngere Hilfsarbeiter, die indessen sich alle meinem Unternehmen nur nebenher widmen konnten, von Anfang an dauernd und mit ungeteilter Kraft leider nur 106 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Hr. Dr. Pıur zur Seite. Seit dem ı. Oktober 1907 verfügte ich indessen auch über seine Hilfe nicht mehr unumschränkt, da er zur Siche- rung seiner Existenz sich genötigt sah, in das Schulamt einzutreten. Daß ihm darin von den vorgesetzten Behörden auf mein Ersuchen Diensterleichterung gewährt wird, muß ich im Interesse meiner für die Akademie unternommenen Arbeiten dankbar anerkennen, und es ist das diesen zu Gute gekommen. Immerhin war es in Folge der Weitschichtigkeit meiner Aufgaben und in Folge der Notwendigkeit, an verschiedenen Orten zugleich vorausarbeitend Hand anzulegen, unter den bezeichneten Umständen mir im Verein mit meinem Assistenten auch im verflossenen Berichtsjahre noch nicht möglich, von den für die einzelnen Abteilungen und Bände vorbereiteten Editionen und Untersuchungen ein fertiges Ganzes an die Öffentlichkeit zu bringen. Der gegenwärtige Stand meiner Arbeiten ist folgender: Abteilung I. Texte und Untersuchungen zur Vorgeschichte des deutschen. Humanismus. Band ı. Der Briefwechsel. des Cola di Rienzo: der Text dieser neuen kritischen, mit Hilfe des Hrn. Dr. Pıur besorgten Ausgabe (vgl. Sitzungsberichte 1907, S. 78ff.), dessen endgültige Herstellung noch in letzter Stunde durch die erforderliche nochmalige, zeitrau- bende Heranziehung weiteren handschriftlichen Materials aus italieni- schen Bibliotheken und Archiven verzögert worden ist, befindet sich im Druck; der als besonderer, zweiter Teil erscheinende Kom- mentar (s. Sitzungsbericht 1907, S. Sof.) ist im wesentlichen abge- schlossen und kann sogleich nach der Drucklegung des Textes in den Druck gehen. Band 2. Aus Petrarcas ältestem deutschen Schülerkreis: diese Pu- blikation frühhumanistischer lateinischer Denkmäler aus der Hand- schrift 509 der Olmützer Metropolitankapitel-Bibliothek, deren Druck- legung bereits 1905 erfolgen sollte (s. Sitzungsberichte 1905, S. 141), habe ich zurückhalten müssen, da sich das zum Verständnis und zur Kritik einzelner darin enthaltener Stücke dienende Material vermehrt hat und so weitere Untersuchungen unumgänglich wurden, bei denen mich die HH. Dr. Pıur und Dr. Anz zeitweise unterstützten; wenn ich an diese Arbeit die letzte Hand zu legen bisher durch die an- schwellende Masse der übrigen Aufgaben verhindert gewesen bin, so hoffe ich, sie doch im Laufe dieses Jahres in den Druck geben zu können. Band 3. Briefwechsel Petrarcas und anderer italienischer Humanisten des XIV. Jahrhunderts mit deutschen Zeitgenossen: hierfür sind die Vor- arbeiten zum größeren Teile beendet; auch ist mit der Textherstellung Jahresberichte der Stiftungen. 107 einer größeren Reihe von Briefen begonnen; für andere sind die nötigen Abschriften und Kollationen hergestellt. Erforderlich bleibt noch die Benutzung einiger Florentiner Codices, die teilweise Auto- graphen sind, und einer Handschrift der Biblioteea Angelica in Rom; das Erscheinen des Bandes ist nach dem Rienzobande geplant. Band 4. Privatbriefe Kaiser Karls IV. und seines Kanzlers Johann von Neumarkt: die Arbeit an diesem Bande, in dem alle rhetorisch bedeutenden Briefe der berühmten Summa Cancellariae Karoli IV. zum ersten Male in kritischer Gestalt und viele Briefe Johanns von Neumarkt aus anderen Sammlungen ans Licht treten, befindet sich in einem weit vorgerückten Stadium. Abteilung III. Die deutsche Prosaliteratur im Zeitalter der Luxemburger. Band ı. Der Ackermann aus Böhmen: der Text dieses von mir im Verein mit Hın. Dr. Aroıs Berxt (Leitmeritz) herausgegebenen Werkes (s. Sitzungsberichte 1907, S. Sıf.) ist druckfertig. Abteilung IV. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der ostmittel- deutschen Kanzleisprache. Band ı. Ein schlesisch-böhmisches Formelbuch in lateinischer und deutscher Sprache aus der Wende des XIV. Jahrhunderts: diese Ver- öffentlichung (vgl. darüber Sitzungsberichte 1907, S. 82 und S. 373) ist im wesentlichen druckfertig. Band 2. Aus den Anfängen der schlesischen Kanzleisprache: der Text ist im wesentlichen druckfertig. Humsoror- Stiftung. Bericht des Hrn. WALDEYER. Die für 1907 verfügbaren Mittel im Betrage von 9000 Mark sind als zweite Rate Hrn. Dr. WArTtHEeR von Kneger zu seinen vulkano- logischen Studien auf Island überwiesen worden. Leider ist die Expedition des Hrn. vos Kxeser durch den Tod ihres Leiters, der diesen bei der Erforschung des vulkanischen Gebietes von Askja ereilte, jählings unterbrochen worden. Obwohl keine absolute Sicherheit vorliegt, muß angenommen werden, daß Hr. vox Kxeser mit einem seiner Begleiter, dem Maler Ruprorr, beim Befahren eines der Kraterseen der genannten Gegend ertrunken ist. Es sind, zum Teil auf Kosten der Stiftung, weitreichende Nachforschungen zur Aufklärung des Unglücksfalles unternommen worden, haben aber bis jetzt noch nicht zur Auffindung der Leichen oder zu bestimmten Anzeichen geführt, daß in 108 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. der Tat der Tod durch Ertrinken erfolgt sei. Nach den Berichten des zur Zeit der Katastrophe in einer andern Gegend des Askjagebietes tätigen zweiten Begleiters des Hrn. vos Kseger, des Hrn. SpETHmAns, sowie des Konsuls Havsrern bleibt aber kaum eine andre Annahme als die vorhin angegebene bezüglich des Unglücksfalles übrig. Die geologisch- paläontologische Wissenschaft verliert in Hrn. vox Kxeser eine ihrer tüchtigsten jungen Kräfte! — Falls noch aus dem Nachlasse des Hrn. von Knesen wissenschaftliche Mitteilungen über die Expedition sich ermöglichen lassen, wird über diese später berichtet werden. Von frühern Unternehmungen der Hungorpr-Stiftung liegen eine ganze Anzahl von Veröffentlichungen vor: T. II. IV. vr Weitere Ergebnisse der Planktonexpedition. Bd. 2. Ha: Karı ZeLmka, Die Rotatorien. Bd. 3. La: Karı Branpr, Die Tintinnodeen. Systema- tischer Teil. . Lf3: A. Pororskv, Die Acantharia. Teil 2: Acan- thophracta. Bd. 3. Lh4: A. BoreerT, Die tripyleen Radiolarien. Me- dusettidae. Kiel und Leipzig 1906/07. H. Bückısse, Über die Phonolithe der Rhön und ihre Be- ziehungen zu den basaltischen Gesteinen. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1907, XXXWVLJ, ı8. Juli, S. 669— 699. Eine zweite Publikation von Hrn. Bückme aus 1907 be- findet sich lediglich bei den Stiftungsakten. W. Vorz, Vorläufiger Bericht über eine Forschungsreise zur Untersuchung des Gebirgsbaues und der Vulkane von Sumatra in den Jahren 1904— 1906. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1907, VI, 7. Februar, S. 127—140. Derselbe, Das geologische Alter der Pithecanthropusschichten bei Trinil, Ost-Java. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geo- logie und Paläontologie. Festband 1907, S. 256—-271. L. Scuurzze, Aus Namaland und Kalahari. Bericht an die Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin über eine Forschungsreise im westlichen und zentralen Südafrika, ausgeführt in den Jahren 1903—1905. Jena 1907. Bd. Os Von der durch Hrn. Tuıwextws ausgeführten Forschungsreise nach Australien, die insbesondere der Untersuchung von Hatteria gewidmet war, sind eine Reihe weiterer Publi- kationen, die von Hrn. Prof. BurckuAarvr in Basel und unter dessen Leitung verfaßt worden sind, eingelaufen. 1. Jura Gist: Das Gehirn von Hatteria punetata, Naum- burg a. S., Lippert & Co., 1907. Jahresberichte der Stiftungen. 109 2. Ernst SauerBeck, Basel: Eine Gehirnmißbildung bei Hatteria punctata. Nova acta. Abh. der Kais. Leop.- Carol. deutschen Akademie der Naturforscher, Bd. LXXXV Nr. ı, Halle 1905. 3. Run. Burcxnarpt, Basel: Das Zentralnervensystem der Selachier. Ebendaselbst, Bd. LXXII Nr. 2, Halle 1907. Dieses Werk Burcknarprs beruht zum Teil auf‘ Material, welches ihm durch Hrn. Tuıuextus übergeben worden war. VI. Eine Reihe von Veröffentlichungen des Hrn. Prof. Dr. H. Kraarscn in Breslau über die Ergebnisse seiner austra- lischen Reise, im ganzen zwei weitere Reiseberichte, ab- gedruckt in der Zeitschrift für Ethnologie 1906 und 1907, ferner »Ergebnisse meiner australischen Reise«, Korre- spondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. XXXVII. Jahrgang, Nr.9— 12, Braunschweig 1907. Die für 1908 verfügbaren Mittel betragen in runder Summe 3300 Mark. Surıenr- Stiftung. Bericht des Hrn. Brunner. I. Vom Vocabularium Jurisprudentiae Romanae ist im verflossenen Geschäftsjahre Band II, Heft ı (daetylotheca — doceo), bearbeitet von Hrn. GrurEe in Buschweiler erschienen. Von Band III, dessen Be- arbeitung Hr. Hrsky in Wien übernommen hat, sind die beiden ersten Bogen (habeo) gedruckt. Bogen 3 ist im Satz. Der Bearbeiter des vierten Bandes, Hr. Braszıorr in Wien, hat noch kein Manuskript eingeliefert. Von Band V (v—z) sind die ersten 5 Bogen (radieitus — rescribo) gedruckt. Mit der Herstellung weiteren Manuskriptes ist der Bearbeiter, Hr. Vorkmar in Berlin beschäftigt. II. Über die Neubearbeitung von Homrvers Werk »Die deutschen Rechtsbücher und ihre Handschriften« berichten die HH. BorchLine in Posen und Juris Gierke in Königsberg, daß das Verzeichnis der Handschriften ergänzt und berichtigt und eine Anzahl von Nummern druckfertig gestellt worden sei. Durch Aufnahme der Handschriften des alten Kulm und der landläufigen Kulmischen Rechte hat das Verzeichnis einen Zuwachs von etwa 30 Nummern erfahren. Die im vorjährigen Berichte in Aussicht genommene Reise nach Schlesien, Sachsen und Böhmen hat Hr. Borcnuins wegen Erkrankung auf Ostern 1908 verschieben müssen. Sitzungsberichte 1908. 12 110 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. IN. Über die Arbeiten an dem zweiten Band der Magdeburger. Schöffensprüche ist ein Bericht in diesem Jahre nicht eingelaufen. IV. Von den für das Jahr 1906 verfügbaren Zinsen der SavıcnY- Stiftung sind 3 200 Mark für die Zwecke des Wörterbuchs der älteren deutschen Rechtsprache und ı 200 Mark Hrn. Herrmann U. Kantorowicz für die Herausgabe des inzwischen erschienenen ersten Bandes seines Werkes: »Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik« be- willigt worden. Bopp- Stiftung. Bericht der vorberatenden Kommission. Am 16. Mai 1907 hat die Königliche Akademie der Wissen- schaften den Jahresertrag der Borp-Stiftung in zwei Raten verliehen, und zwar die größere Rate in Höhe von goo Mark Hın. Prof. Dr. Max WArtEser in Säckingen in Anerkennung und zur Fortsetzung seiner Arbeit über die philosophische Grundlage des älteren Buddhis- mus, die kleinere von 450 Mark Hrn. Oberlehrer Dr. Jouanses HERTEL in Döbeln zur Fortsetzung seiner Arbeiten über die Geschichte des Paäcatantra. Herrmann und Erise geb. Hrckmann WEnTzeL- Süftung. Bericht des Curatoriums. Aus den im Jahre 1907 verfügbar gewordenen Stiftungserträg- nissen sind bewilligt worden: 6000 Mark zur Fortführung des Wörterbuchs der deutschen Rechtssprache, 4000 Mark zur Fortführung der Ausgabe der ältesten grie- chischen christlichen Schriftsteller, 4000 Mark zur Fortführung der Prosopographie der römischen Kaiserzeit, Jahrh. IV— VI, 4000 Mark als zweite Rate der Beihülfe zur Herausgabe des Vorırzkow’schen Reisewerkes, ı000 Mark als erste Rate eines Zuschusses zur Herausgabe einer Karte des westlichen Kleinasiens von Prof. A. Prıuippson. Der letztgenannte Reisende der Stiftung bearbeitet auf Grund seiner Aufnahmen zunächst eine topographische Karte im Massstab 1:300000, die Kleinasien vom Aegäischen Meer bis 30° 10’ Ost v. Gr. umfassen und in 6 Blättern bei J. Perthes in Gotha erscheinen soll. Das Curatorium hat beschlossen, dieses Unternehmen mit dem vom Jahresberichte der Stiftungen. Ar] Verleger verlangten Zuschuss zu unterstützen, während weiter eine geologische Ausgabe nach Vollendung der topographischen Karte von der Verlagshandlung veranstaltet werden wird. Der Druck an den Bänden I und IV des Vorsrzkow’schen Reise- werkes ist fortgegangen, erschienen ist im Berichtsjahr das 2. Heft von Bd. II mit neun kleineren entomologischen Arbeiten. Über den Fortgang der älteren Unternehmungen der Stiftung berichten die hier folgenden Anlagen I und I. Anl.1. Bericht der Kirchenväter-Commission für 1907. Von Hrn. Harnack. An Stelle des verstorbenen Mitglieds der Commission, Hrn. von GEBHARDT, wurde Hr. Horr, ordentl. Professor der Kirchengeschichte an der Universität Berlin, gewählt. 1. Ausgabe der griechischen Kirchenväter. In dem Jahre 1907 ist der ı7. Band der Kirchenväter- Ausgabe erschienen, nämlich: Eusebius, Werke Bd. 2, Teil 2: Die Kirchengeschichte, Buch VI—X (hrsgeg. von Scnwartz und Monusen t). Im Druck befinden sich zwei Bände, nämlich: Der Einleitungsband zur Kirchengeschichte des Eusebius (hrsgeg. von SCHWARTZ), und Die Apokalypse des Esra (hrsgeg. von Viorer). Der Vollendung nahe ist das Manuskript für die Drucklegung des Werks /Iepi äpxov des Origenes (hrsgeg. von Korrsonav). Eine größere Unterstützung, um sich ganz der Vollendung der Ausgabe des Clemens Alexandrinus widmen zu können, erhielt Hr. Sränzın. Ferner wurden beträchtliche Summen auf Herstellung photo- graphischer Reproduktionen von Handschriften verwendet (für die Arbeiten der HH. Enurnarp, Preuscuen, Bipez, PARMENTIER, STÄHLIN und Frl. von Weper). Durch diese Reproduktionen wurden kostspielige Reisen, die sonst nötig gewesen wären, vermieden. Unterstützt wurde endlich Hr. Kırsr zur Vollendung seiner Ausgabe des armenischen Eusebius. Von dem » Archiv für die Ausgabe der älteren christlichen Schrift- steller«, in dessen Redaktion Hr. Carr Scnmivr an Stelle des Hrn. von GEBHARDT eingetreten ist, wurden sechs Hefte ausgegeben, nämlich: Bd. XVI (XXXD Heft 2a: Boxnwerscn, Die unter Hippolyts Namen überlieferte Schrift über den Glauben. 12* 112 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Bd. I(XXXT) Heft 2b: Kocn, Vincenz von Lerinum und Gennadius. Derselbe, Virgines Christi. Die Gelübde der gottgeweihten Jungfrauen in den ersten drei Jahrhunderten. Bd. I (XXXI) Heft 3: Scuervmann, Propheten- und Apostel- legenden. Nebst Jüngerkatalogen des Dorotheus usw. Bd. I (XXXI) Heft 4: ScnarkHuausser, Zu den Schriften des Makarios von Magnesia. Bd. II (XXXI) Heft 1: Carr Scnmprt, Der erste Glemensbrief in koptischer Übersetzung. Bd. II (XXX) Heft 2a: Dousart, Zur Textgeschichte der Civitas Dei Augustins. 2. Prosopographia imperii Romani saec. IV—VI. Die Arbeiten gingen in ordnungsgemäßer Weise fort. Hr. Jürıcner, der Leiter der kirchengeschichlichen Abteilung, ist, nachdem das Ma- terial so gut wie abgeschlossen vorliegt, mit der Gestaltung und kritischen Ordnung desselben beschäftigt. Hr. Serex, der Leiter der profange- schiehtlichen Abteilung, läßt, nachdem die Untersuchung des Libanius abgeschlossen ist, nunmehr die großen byzantinischen Chronographen und Literarhistoriker sowie neben den lateinischen auch die griechischen Inschriftenwerke exzerpieren. Die Arbeit an den letzteren ist durch Hrn. GroAs und seine Mitarbeiter sehr gefördert worden. Unter der Leitung der HH. Enrnarn und Preiwscrirrer wurde die Exzerpierung der Acta Sanetorum fortgesetzt und nähert sich dem Abschlusse. Anl. Il. Bericht der Kommission für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, für das Jahr 1907. Von Hrn. Brunner. Die akademische Kommission in Sachen des Rechtswörterbuchs trat am 7. April 1907 in Heidelberg zu ihrer siebenten Sitzung zu- sammen. Anwesend waren die HH. Brunner, FRENSDORFF, ROETHE, SCHROEDER, Freiherr von Schwinn und die Herren Mitarbeiter Freiherr Dr. von Künssgere, Dr. Prrers und Dr. Wanur. Die Kommission prüfte den Stand des Zettelarchivs durch Stichproben, beriet über Quellen, die noch verzettelt oder ausgezogen werden sollen und über die im Entwurf vorgelegten Siglenverzeichnisse. Auf Grund der Prüfung des Archivbestandes beschloß sie die Ausarbeitung der Wortartikel zu- nächst für die Rechtswörter von A bis Am systematisch in Angriff zu nehmen. Für/diese soll eine Wortliste angelegt und zum Zweck der Überprüfung und der Verteilung der Wortartikel in Umlauf ge- setzt werden. Jahresberichte der Stiftungen. 13 Berieht des Hrn. ScuroEDER. Entsprechend den von der Kommission gefaßten Beschlüssen wurde, unter zeitweiliger Zurückstellung anderer Arbeiten, eine Stammliste der Rechtswörter von A bis Am angelegt: ebenso eine Liste der im Wörterbuche zu verwendenden Siglen, nachdem ein erster Ent- wurf bei der Kommission in Umlauf gesetzt und von dieser begut- achtet worden war. Beide Listen sollen vervielfältigt und den Be- arbeitern zugestellt werden. Von den Hilfsarbeitern Dr. von Künssgere, Dr. Prrers und Dr. Want wurden einzelne, dem Buchstaben A an- gehörige Probeartikel verfaßt und der Kommission ‚zur Begutachtung vorgelegt. Am ı. November ist Dr. jur. Fernımann Birser als weiterer ständiger Hilfsarbeiter eingetreten, so daß die dureh die anderen Auf- gaben verursachten Rückstände nunmehr werden aufgearbeitet werden können. Die Vervielfältigungsarbeiten sind durch Anschaffung einer Schreib- maschine wesentlich erleichtert worden. Als Grundstock für eine als unentbehrlich erkannte Handbibliothek wurden verschiedene Wörter- bücher angekauft, für welche die Kommission die Mittel bewilligt hat. Die Beschleunigung der Arbeiten hat dadurch eine wesentliche Förde- rung erfahren. In den Zettelschatz des Archives wird auch das bisherige Rechts- wörterverzeichnis aufgenommen, obwohl die Umschreibung auf die für das Archiv bestimmten Zettelformulare einen großen Arbeitsaufwand erfordert. Der Umfang des Zettelschatzes hat sich in dem abgelaufenen Jahre bedeutend vermehrt und dürfte die Zahl von 500000 bereits übersteigen. Über die im Laufe des Jahres ausgezogenen Quellen gibt das unten folgende Verzeichnis Auskunft. Das Neuhinzugekommene ist weniger zahlreich als in den letzten Jahren, weil die ständigen Hilfsarbeiter sich wegen der anderen Aufgaben weniger mit dem Ex- zerpieren beschäftigen konnten. Auch im Jahre 1907 sind uns eine Reihe erwünschter Einzel- beiträge, zumal solcher aus ungedruckten Quellen, zugegangen, so insbesondere von den HH. Prof. von Anmıra in München, Dr. Birser in Wien (jetzt Heidelberg), Landesgerichtsrat H. Brank in St. Peter in der Au, Dr. Fruume und Dr. Fınkz in Heidelberg, Prof. Förster in Würzburg, Oberst a. D. Freiherrn von Gurrengere in Würzburg, Dr. Hrerwacen in Nürnberg, Prof. Hıs in Königsberg, Dr. Könıger in München, Oberarchivassessor Dr. Menkıne in Stuttgart, Dr. jur. LANBERT Graf von ÖBernporrr in Heidelberg, Archivar Dr. Scnauss in Wies- baden, Oberbibliothekar Geh. Hofrat Dr. Wırxx in Heidelberg. Möge der überaus dankenswerte Vorgang der genannten Herren in immer weiteren _ 114 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Kreisen Nachahmung finden. Bei den Arbeiten der Wiener Kommission war die Unterstützung durch Hrn. Prof. Zyena in Prag hinsichtlich der Ausbeutung der deutsch-böhmischen Quellen besonders wertvoll. Verzeichnis der im Jahre 1907 ausgezogenen Quellen. (Die Beiträge der österreichischen Kommission sind mit ** bezeichnet.) Abel, P., Veraltende Bestandteile des mhd. Wortschatzes. 1902: Dr. von KünssBErG. Althochdeutsche Glossen, gesammelt und bearbeitet von Steinmeyer und Sievers (fortgesetzt): Dr. von Künsspere. Augsburg, Stadtrecht (vollendet): Dr. Cosrenzer, München. Bech, F., Lexikalische Beiträge aus Pegauer Handschriften des 14. und ı5. Jhs. 1887: Dr. von Künssgere. **Beiträge zur Kunde steirischer Geschichtsquellen. ı2. bis 26. Jahrg.: jur. Baver, Wien (Seminar von Schwind). Berlinisches Stadtbuch, hrsg. v. Clauswitz 1883: Dr. E. Brure, Berlin. Berthold von Regensburg, hg. Pfeiffer u. Strobl. Wien 1862. 1880: Dr. KotzEngErs, Berlin. Bibliothek der ältesten deutschen Literaturdenkmäler, 2. bis 5.: Dr. von KünssgeEre. Bremen, Urkundenbuch, hrsg. R. Ehmck und W. von Bippen, ı. und 2.: Assessor W. Ernst, Berlin. Bogen, Privileg von 1341 (Verh. d. hist. Ver. f. Niederbayern 43, 107): Dr. Paur Hrapır, Graz. Chroniken der deutschen Städte, ıo. und ıı.: Dr. Schmeipter, Berlin. *Egerer Schöffengericht, Achtbuch 1310— 1390, ı. Teil, hrsg. v. Sigl: jur. F. Saupny, Prag (Seminar Zycha). Emdener Brücheregister 15. Jh. Jahrb. d. Ges. f. bild. Kunst zu Emden. 7, 14 fl.: Prof. Hıs, Königsberg. Fruin, De middeleeuwschen rechtsbronnen der kleinen steden van het sticht van Utrecht, 1. und 2.: Prof. van VLEUTEN, Lausanne. Gesamtabenteuer, hrsg. F. H. von der Hagen, 3 Bde.: Dr. Korzengere, Berlin. Johansen, Chr. Die nordfriesische Sprache. Kiel 1862: Dr. Wanr, Frankfurt a. M. Kehrein, J., Sammlung alt- und mitteldeutscher Wörter aus lateinischen Urkunden 1863: Dr. von KünssgEre. Klöntrupp, Alphabetisches Handbuch der Rechte des Hochstifts Osnabrück, 3 Bde.: Dr. von Künssgere. Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben, 3.: Privatdozent Dr. von Mörrer, Berlin. Landshut, Bestätigungsbrief 1321 (Verh. d. hist. Ver. f. Niederbayern 18, 81): Dr. PAur Hrapvır, Graz. Liebegott, Der Brandenburgische Landvogt. Halle 1906: Dr. LroroLn Prrers. “Magdeburger Schöffensprüche für Brüx, hrsg. v. Schlesinger (Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen 21): jur. W. Langer, Prag (Seminar Zycha). Monumenta Boica, 45. und 46. (teilweise): Dr. Oserseıper, München. *Monumenta historica ducatus Carinthiae, 3. und 4.: Prof. Puntscnarr, Graz. *Monumenta Egrana, hrsg. v. H. Gradl, Bd. 1: jur. J. Gorz, Smichow (Seminar Zycha). Monumenta Germaniae historica, Diplomatum Karolinorum tomus I: Dr. Lrororn PErELS. "*Monumenta Hungariae juridico-historiea, tom. V, pars 2: jur. R. Zankn, Wien (Seminar von Schwind). Monumenta Zollerana, 3. und 4.: Dr. H. Hrerwasen, Nürnberg. Neue Mitteilungen aus dem Gebiet hist.-antiqu. Forschungen, 21. Bd.: Rechts- praktikant L. Kewuwer, Karlsruhe. *Olmütz, Stadtbuch des Wenzel von Iglau, hrsg. v. Saliger: jur. F. Bauer, Prag (Seminar Zycha). “Privilegien der Stadt Eger, hrsg. v. Gradl: jur. J. Gorz, Smichow (Seminar Zycha). *Quellen zur Geschichte der Stadt Wien. II, 3: Dr. Paur Hravır, Graz. Rheinische Urbare, Bd. ı: Dr. Bırger. Salbücher des Amtes Marburg. Zeitschr. d. Ver. f. hess. Gesch. NF. 29, 172: Prof. Hıs, Königsberg. Jahresberichte der Stiftungen. 115 *Salzburg, Landesordnung 1328: jur. R. ZankL, Wien (Seminar von Schwind). Sankt Gereon, Urkundenbuch von: Dr. Bırcer. *Schlesinger, Deutsch-böhmische Dorfweistümer: jur. H. Terscn, Prag (Seminar Zycha). Schück, R., Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik. 2 Bde.: Dr. Leororv Pereıs. Schwabenspiegel, Lehnrecht (vollendet): Assessor W. Ernst, Berlin. Sello. Beiträge z. Geschichte d. Landes Würden, Oldenburg 1841: Prof. Hıs, Königsberg. Siegburg. Quellen zur Rechts- u. Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte. I. Siegburg: Prof. van Vreuren, Lausanne. *Stadtbuch von Falkenau, hrsg. v. Rietsch: jur. LAnGHAmmer, Prag (Seminar Zycha). Steiermark, Urkundenbuch von, hrsg. v. Zahn, 1. und 2.: Dr. von Künssgere. *Tomaschek, Deutsches Recht in Österreich: jur. Hupzcık (Seminar Zycha). * Trient, Die ältesten Statuten, hrsg. v. Tomaschek: jur. Zankr (Seminar von Schwind). Uhland, Alte hoch- u. niederd. Volkslieder: Dr. von Künssgere und E. Rosescekr. Westfälisches Urkundenbuch, D, 3. und 6.: Dr. von Künssgere. Wirtembergisches Urkundenbuch, 9. und ro.: Dr. Menrıng, Stuttgart. Württembergische Geschichtsquellen, hrsg. v. Statist. Landesamt, 1. bis 4.: Dr. Menrıng, Stuttgart. Württembergische Geschichtsquellen, hrsg. v. d. Kommission f. Landesgeschichte, 2. bis 4.: Dr. Menrıne, Stuttgart. Akademische Jubiläums-Stiftung der Stadt Berlin. Bericht des Hrn. WALDEYER. Im Jahre 1906 sind die Verhandlungen mit Frau Prof. SeLenkA, München, über neue Ausgrabungen in Trinil auf Java zum Abschlusse gekommen. Der Zweck des Unternehmens war einmal, das geologische Alter der betreffenden Schichten nach Möglichkeit genau festzustellen und dann nach etwaigen weitern Resten von Pithekanthropus zu suchen. Da feststand, daß die betreffende Fundstätte noch ein großes Material wichtiger Fossilien birgt und die Berliner Museen von Trinil nur wenig besitzen, so erschien das Unternehmen, selbst wenn keine weitern Pithekanthropusfunde gemacht würden, dennoch empfehlens- wert. Frau Serenka hat in Begleitung der HH. Dr. Erserr und Dr. Moszkowskı im Frühjahr 1907 ihre Reise angetreten, und die Aus- grabungen sind bis zum 15. Oktober 1907 fortgesetzt worden. Leider traten zwischen Frau Prof. Serenka und ihren obengenannten wissen- schaftlichen Beratern Mißhelligkeiten auf; indessen ist eine reiche Aus- beute von Fossilien gemacht worden, von denen ein Teil bereits in Berlin eingetroffen ist, der Rest in Kürze erwartet werden darf. Für Hrn. Dr. Erserr trat auf einige Zeit Hr. Dr. Drxıseer (Freiburg i. B.) ein und zuletzt Hr. Dr. Carruaus in Java. Sobald sämtliches Fund- material eingetroffen ist, wird die Bearbeitung desselben in Angriff genommen werden. Für das Jahr 1908 stehen in runder Summe abermals 14000 Mark zur Verfügung. 116 Öffentliche Sitzung vom 23. Januar 1908. Die Jahresberichte über die Monumenta Germaniae historica, das Kaiserliche Archaeologische Institut und den Thesaurus linguae latinae werden in den Sitzungsberichten veröffentlicht werden, nachdem die betreffenden Jahressitzungen stattgefunden haben. Schliesslich wurde über die seit dem Frırprıcns-Tage 1907 (24. Januar) bis heute unter den Mitgliedern der Akademie einge- tretenen Personalveränderungen Folgendes berichtet: Die Akademie verlor durch den Tod die ordentlichen Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe Wırnern von BEzoLn, Kar Krrın und Hermann Karı VoGEL; die auswärtigen Mitglieder derselben Classe MaArceLin BErRTHELOT in Paris und Lord Kervın in Netherhall, Largs; das Ehrenmitglied Se. Majestät König Oskar Il. von Schweden; die correspondirenden Mitglieder der physikalisch-mathematischen Ölasse Damrrees MENDELEJEW in St. Petersburg, Henrı Moıssan in Paris und Morırz Lorwy in Paris; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch-historischen Classe Fernımann Justı in Marburg, Antonıo Marıa Crrıanı in Mailand, Frieprıcn Brass in Halle a. S., THEODOR Aurreent in Bonn und Kuxo Fıscuer in Heidelberg. Neu gewählt wurden zum ordentlichen Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe Hemsıch Rugens; zum ordentlichen Mitglied der philosophisch-historischen Olasse AnprrAsS HEUSLER; zu correspon- direnden Mitgliedern der physikalisch-mathematischen Classe Kar GrAEBE in Frankfurt a. M. und Orro Warracu in Göttingen; zu cor- respondirenden Mitgliedern der philosophisch - historischen (lasse Frieorıcn von Bezorn in Bonn, Arruur Unugurr in Villemomble (Seine), GABRIEL Monon in Versailles, Morız Rırter in Bonn, CUnkristian HüLsen in Rom, Bernarp Haussousuıer in Paris, Kar Rogerr in Halle a. S., EpuArnD SCHwWARTZz in Göttingen, Jaues Henry BrEASTED in Chicago und Jurivs Eurine in Strassburg. Ausgegeben am 30. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Gesammnitsitzung am 30. Januar. (S. 117) In Scnortkr: Über Beziehungen zwischen veränderlichen Grössen, die auf gegebene Gebiete be- iR schränkt sind. I. (S. 119) Fischer und F. Wrepe: Über die Bestimmung der Verbrennungswärme organischer Verbindungen mit Benutzung des Platinwiderstandsthermometers. (S. 129) BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 1908. V 1 SITZUNGSBERICHTE | | KÖNIGLICH PREUSSISCHEN Ü AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberiehte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussisechen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2, Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefernist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthimasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnahmen u.s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung besehliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«e, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung dureh die Gesammt-Akademie. (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Aus $6. Die an die Druckerei abzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sieh nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sinı diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des "Manuseripts vorzunehmen. Dee hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leieltten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. ; Aus $8. Von allen in die Sitzungsberiehte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be-_ treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigierenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akalemie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akalemie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an-_ gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. . 8 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jene) Stelle anderweitig, sei es auch nur BUSELER 117 SITZUNGSBERICHTE 1908. V. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 30. Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *1. Hr. Lenz las über einen Reformversuch des Ministers von Massow in Bezug auf die medieinischen Unterrichtsanstalten des preussischen Staates (1802). Der Plan war ein Stück der Unterrichtspolitik Massow’s, die eine Auflösung der Universitäten in Fachschulen bezweckte. Den Beginn machte er mit der Mediein, da es hier bereits eine Fachschule gab, das Collegium medieo-chirurgieum in Berlin. Massow wollte dieselbe zu einer Oberschule für den praktischen Unterricht machen, den theoretischen Unterricht aber auf zwei Facultäten (Halle und Königsberg; Frankfurt und Duisburg sollten aufgehoben werden) beschränken. Hierzu hatten Reır und Hure- ran zwei Gutachten geschrieben, deren Differenzen unter einander, wie zu Massow’s Ideen geschildert wurden, woran sich eine vergleichende Charakteristik beider grossen Ärzte schloss. 2. Hr. Scnorrky machte eine zweite Mittheilung über Beziehun- gen zwischen veränderlichen Grössen, die auf gegebene Ge- biete beschränkt sind. Die Mittheilung gibt eine Fortsetzung der Untersuchungen, deren erster Theil sich im Sitzungsbericht der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. December 1907 findet. 3. Hr. Pıscuer legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. E. Sırc in Berlin vor: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chinesisch-Turkistan. (Ersch. später.) Die Mittheilung ist eine Fortsetzung der in den Sitzungsberichten von 1907, S.466 ff. veröffentlichten Arbeit. Sie gibt drei neue Bruchstücke, eins in Särada-, zwei in Brähmi-Schrift, von denen die beiden letzten die Grammatik mit Commentar enthalten. Durch das unter II behandelte Bruchstück wird der Werth einiger bisher unbekannter Lautzeichen bestimmt. 4. Die folgenden Druckschriften wurden vorgelegt: Inscriptiones Graecae. Vol. XII. Inseriptiones insularum maris Aegaei praeter Delum. Fasc. 7. Inseriptiones Amorgi et insularum vieinarum ed. I. Delamarre. Berolini 1908; A. Harnack, Die Apostelgeschichte. (Heft III der Bei- träge zur Einleitung in das Neue Testament.) Leipzig 1908; L. De- Sitzungsberichte 1908. 13 118 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. vıste, Recherches sur la librairie de Charles V. Paris 1907; Souvenirs du Baron de Frenilly. Publies par A. Cuuqurr. Paris 1908; P. Ascner- son und P. GrAEBNer, Synopsis der mitteleuropäischen Flora. Lief. 54. 55. Leipzig 1907; Libanii opera rec. R. Forrster. Vol. 4. Lipsiae 1908. Die Akademie hat das eorrespondirende Mitglied ihrer philo- sophisch-historischen Classe Baron Vıcror von Rosen in St. Peters- burg am 23. Januar durch den Tod verloren. | Scaowrxv: Über Beziehungen zwischen ebenen Flächen. 11. 119 Über Beziehungen zwischen veränderlichen Grössen, die auf gegebene Gebiete beschränkt sind. Von F. ScuoTTtkY. Zweite Mittheilung. $ 3. Un die Art der Transformationen genauer festzustellen, die y er- fährt, wenn x einen Grenzpunkt oder eine Grenzlinie von A umkreist, nehmen wir an, dass die einzelnen Grenzlinien reguläre analytische Curvenzüge sind, z. B. vollständige Kreise oder Ellipsen. Darin liegt keine wesentliche Beschränkung, da man durch conforme Abbildung der Fläche immer erreichen kann, dass die Randlinien reguläre Curven werden. Wesentlicher ist folgendes. Wir fordern von der aufzustellenden Beziehung (x, y), dass y nicht nur im Innern, sondern auch an den Randlinien von A eine reguläre Function von x ist, dass ferner in der Nähe jedes Grenzpunktes entweder y selbst, oder eine reelle lineare Function von y, sich darstellen lässt in der Form —ilog(E), wobei E eine Function von x bedeutet, die an der betrachteten Grenzstelle regulär ist und in ihr von der ersten Ordnung verschwindet. In den durchgeführten Speecialfällen sind diese Annahmen erfüllt. Die Frage, ob und in welcher Weise sie sich als nothwendige Folge der alten Voraussetzungen herausstellen, kann übergangen werden. Aus der zweiten Annahme folgt, dass bei der Umkreisung des Grenzpunktes a jeder Zweig von y eine lineare Transformation erfährt, deren sich selbst entsprechende Punkte zusammenfallen. Es ist also nur ein Werth, dem ein Zweig von y zustrebt, wenn man x den Punkt a unendlich oft umkreisen lässt, im positiven oder im negativen Sinne. Es ist dies zugleich der reelle Werth, den y im Punkte a hat; denn log (E) wird sowohl dadurch unendlich, dass man x unendlich oft den Punkt a umkreisen lässt, als auch dadurch, dass x sich dem Punkte a nähert. 120 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. Definirt man ferner eine Grösse p durch die Gleichungen dy I d’u BE ur ge so ist p eine im Innern und an der Grenze von A eindeutige reguläre Function von x. Sie verschwindet für x = co, falls dieser Punkt nicht zu den Grenzpunkten gehört, von der vierten Ordnung. Unendlich wird sie nur in den Grenzpunkten, und zwar von der zweiten Ordnung; das Produet («—.a)’ p hat den Werth 4 für 2= a. In dem besonderen Fall, wo nur Grenzpunkte vorhanden sind und keine Grenzlinien, ist demnach p eine rationale Function von «. Bestimmt man, den obigen Angaben entsprechend, den Ausdruck von p, so enthält derselbe, abgesehen von den Werthen a, noch eine Reihe von Üoeffiecienten, die zunächst willkürlich sind; sie sind natürlich so zu bestimmen, dass die linearen Transformationen, die y erfährt, wenn x die singulären Punkte umkreist, reell werden. Da y in der ganzen x-Ebene, abgesehen von den singulären Punkten, nur Werthe annimmt, deren zweite Goordinate positiv ist, so ist die eindeutige Function & = \(y) nicht über die Grenze der positiven Halbebene fortsetzbar. Wir lassen jetzt diesen speciellen Fall beiseite. Der Voraus- setzung nach ist y an den Randlinien regulär, also fortsetzbar über die Grenze von A hinaus. Es nimmt ausserdem y an den Randlinien nur reelle Werthe an. Denn denken wir uns von einem Punkte x, im Innern von A, beliebig nahe einer Randlinie, eine kleine Strecke xx, gezogen, die durch die Grenze hindurchgeht, so muss auch die entsprechende Linie Y,y, durch die Grenze von B hindurchgehn; an- dernfalls würde der inneren Linie y,y, eine Linie x,x, entsprechen, die das Innere von A verlässt, was unmöglich ist. Es sei y, der reelle Werth, den ein Zweig von y in dem Punkte x, einer Randlinie annimmt. Dann kann y—y, im Punkte &, nur von der ersten Ordnung verschwinden, denn sonst würde y nicht nur auf der Randlinie reell sein, sondern auch auf bestimmten von x, aus in das Innere von A führenden Linien. Dies ist unmöglich. Hieraus folgt, dass die Funetion /(y) in dem Punkte y, der Grenze von B regulär ist. Ist andererseits y, ein Punkt auf der Grenze von B, in dem sich \(y) regulär verhält, dann muss der entsprechende Punkt &, = \(y.) auf einer Randlinie von A liegen, und es ist zu- gleich ein Zweig von definirt, der im Punkte x, den Werth , hat. Denken wir uns nun, dass der Punkt x von x, aus die Randlinie beliebig oft durchläuft, in dem Sinne, dass das Innere von A zur Linken bleibt. Dann muss, da innerhalb A die zweite Coordinate von % positiv Scnorrky: Uber Beziehungen zwischen ebenen Flächen. 11. 121 ist, auf der Randlinie sich y beständig im positiven Sinne ändern. Es ist nicht ausgeschlossen, dass y an einer Stelle unendlich wird. Dann geht y beim Durchgange durch diese Stelle von +00 zu — 0 über. Aber es ist nicht möglich, dass y die ganze reelle Linie durchläuft, wenigstens dann nicht, wenn mehr als eine Randlinie vorhanden ist, denn sonst würden für die übrigen Randlinien keine Werthe übrig bleiben. Demnach wird, wenn wir x auf eine Randlinie von A be- schränken, y beschränkt auf eine begrenzte Strecke der reellen Linie. Die Endpunkte n7,n' werden nie erreicht; sie würden unendlich oft wiederholten Umläufen im positiven oder negativen Sinne entsprechen und sind nur als Grenzwerthe zu betrachten. Beachtet man, dass auf diese Weise jeder Zweig von y längs jeder Randlinie verfolgt werden kann, so erhält man auf der reellen Linie der y-Ebene un- endlich viele sich nicht deckende Strecken; innerhalb jeder Strecke ist die Funetion Y(y) regulär; die Endpunkte aber sind singulär. Natürlich sind zu den singulären auch die Häufungsstellen der End- punkte zu rechnen. Es gehe y bei einmaligem Umgange um eine Randlinie in %.(y), bei nmaligem in x,(y) über. Die Grenze von %,(y) ist dann 7 für n—=+%,Y fürn = — 00; n und » sind demnach die sich selbst entsprechenden Punkte der Transformation y’=x(y), und diese Trans- formation kann so dargestellt werden: Yen) YV—ı — q zz Mr Hierbei ist q eine positive Grösse, denn y und y' liegen zwischen den reellen Werthen x, »‘, wenn x auf die Randlinie beschränkt wird. Die Function 2 = Y(y) ist in der positiven Halbebene regulär und eindeutig; sie lässt sich, durch die definirten Strecken hindurch, in die negative fortsetzen. In der letzteren ist aber \/(y) nicht ein- deutig, und noch viel weniger der Zweig von \(y), den wir erhalten, wenn wir durch irgend eine andere Strecke in die positive Halbebene zurückkehren. Dagegen sind die charakteristischen Functionen der Fläche A, angesehen als abhängig von y, in der ganzen y-Ebene ein- deutig und regulär, mit Ausnahme der bereits definirten Punkte der reellen Linie. Der in meiner Dissertation eingeführte Begriff der charak- teristischen Functionen einer Fläche zeigt sich demnach als funda- mental auch für das Cararu£onvorvy'sche Problem, das dem der con- formen Abbildung mehrfach berandeter ebener Gebiete entschieden verwandt ist. Wir müssen absehen von den vorhandenen Grenzpunkten des Gebietes A. Dasjenige Gebiet, das nur durch die Randlinien von A 122 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. begrenzt wird, nennen wir \. Da die Linien als reguläre Curven angenommen sind, so lassen sich die charakteristischen Functionen von A definiren als diejenigen im Innern und an der Grenze von A eindeutigen regulären Functionen von x, die an der Grenze reelle Werthe haben. Von ihnen gilt folgendes (vgl. meine Dissertation, oder die unter gleichem Titel im Journ. f. Math., Bd. 83 erschienene Arbeit): Sie sind unter einander durch algebraische Gleichungen ver- bunden, und zwar lassen sich auf unendlich viele Arten zwei unter ihnen auswählen: s= f(x), t=g(&), durch die alle andern rational mit reellen Coefficienten ausgedrückt werden. Das Rırmann’sche Ge- schlecht & der algebraischen Gleichung 4(s, {) = 0, die zwischen s und 7 besteht, ist um ı kleiner als die Zahl der Randlinien von N. Ist x, ein beliebiger Punkt im Innern oder auf der Grenze von A, so giebt es charakteristische Funetionen von « — also rationale von s, £ —, die in x, von der ersten Ordnung verschwinden. Ist r eine solche, so kann man x in eine reguläre Potenzreihe von r entwickeln und deshalb sagen, dass nicht nur s und ? sich im Punkte «x, regulär verhalten, sondern auch & an der entsprechenden Stelle des alge- braischen Gebildes eine reguläre Funetion von s, ist. Den +1 Randlinien von U entsprechen, punktweise eindeutig, +1 reelle CGurven des Gebildes (s, 2). Ist z ein Punkt (s, {), der nicht auf einer dieser + ı reellen Curven liegt, so gehört dazu ein conjugirter (s‘, f) oder «', und zu einem von beiden, aber nur zu einem, ein völlig bestimmter Punkt x im Innern von U. Es zerfällt also das Gebilde (s, £) symmetrisch in zwei conjugirte Hälften, die durch die c+ 1 reellen Curven von einander getrennt sind; diejenige Hälfte, die dem Gebiete A entspricht, nennen wir A. Durch die Gleichungen s—= f(x), = g(x) wird demnach eine eindeutige reguläre Beziehung (s, t; &) zwischen A und U hergestellt: und zwar ist sie eindeutig-regulär mit Einschluss der Grenzen. Sondern wir jetzt von A diejenigen im Innern gelegenen Punkte ab, die den Grenzpunkten von A entsprechen. Wir nennen sie « und die conjugirten «'; letztere liegen ausserhalb. Wir bezeichnen ferner mit D das Continuum, welches von A übrig bleibt, wenn man die Punkte & fortlässt. Dann haben wir einen Bereich D, der genau ebenso viele Grenzpunkte und Grenzlinien besitzt wie A, und (s,t; x) ist eine vollständig reguläre eindeutige Beziehung zwischen A und D, mit Einschluss der Grenzpunkte und Grenzlinien. Fügen wir noch die andere Beziehung (x, y) hinzu, so entspringt aus beiden eine reguläre Beziehung zwischen D und der positiven Halbebene: (s,t; y). Aber diese letztere Beziehung kann analytisch fortgesetzt ScHorrky: Über Beziehungen zwischen ebenen Flächen. II. 123 werden, einerseits über die reellen Gurven des Gebildes hinaus. andererseits über die reelle Linie der y-Ebene, und zwar einfach da- durch, dass man conjugirten Werthen von y eonjugirte Punkte des algebraischen Gebildes entsprechen lässt. Dies ist zulässig, da die Variable y reell ist, wenn man den Punkt (s,?) auf eine Randlinie von D und somit den Punkt x auf eine Randlinie von A beschränkt. Nun können wir (s,£: y) auffassen als eine gegenseitig reguläre Beziehung zwischen dem ganzen Gebilde (s,{), von dem nur die Punktepaare z, « ausgeschlossen sind, und der ganzen y-Ebene, von der allerdings die unendlich vielen singulären der reellen Linie aus- zuschliessen sind. Hierbei sind s und t eindeutige Functionen von % in der ganzen Ebene: yist eine unendlich vieldeutige von s,f, die nur singulär wird in den Punktepaaren #,«. Die Art, wie yin den Punkten z,« unendlich wird, ist natürlich diese: eine reelle lineare Function von y muss sich in der Form —ilog(Z) darstellen lassen, wo Keine an der betrachteten Stelle reguläre Function von (s, /) ist, die in diesem Punkte von der ersten Ordnung verschwindet. Beschreibt der Punkt (s, t) eine geschlossene Linie, die innerhalb D verläuft, so entspricht dieser eine geschlossene Linie in A; es er- fährt demnach y eine Transformation der schon vorher definirten Gruppe. Beschreibt aber (s, ?) einen Weg in D), der von einer reellen Curve zu einer anderen führt, und kehrt dann auf dem symmetrisch entsprechenden Wege zu dem Anfangspunkt zurück, so nimmt offen- bar auch y den anfänglichen Werth wieder an. Da man nun jeden Periodenweg zerlegen kann in zwei geschlossene Wege, von denen der eine innerhalb D verläuft, während der andere symmetrisch ist, so sieht man, dass y auf geschlossenen Wegen des Gebildes überhaupt keine andern Transformationen erfährt, als die der bereits definirten Gruppe. Sind Grenzpunkte von A, und somit auch Punktepaare «,«', nicht vorhanden, so kann man sagen, dass die Gleichung @ (s,)=0 vollständig aufgelöst wird, indem man s und Zals eindeutige Func- tionen von y darstellt. Im anderen Falle sind die Punkte «,« von der regulären Darstellung ausgeschlossen. d I Ä Setzt man = =, so genügt w der linearen Differential- u gleichung, 2 ar (6) nn U — 9 di? p in der p eine reelle rationale Function von s,t bedeutet. Nehmen wir an, dass tin einem der Punkte «,« den Werth {, hat, und dass 124 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. t— t,in diesem Punkte nur von der ersten Ordnung verschwindet. Alsdann wird p an derselben Stelle unendlich von der zweiten Ordnung, und zwar ist dort 4p(f—t)’ gleich ı. Dies sind die eigentlich singulären Punkte der Differentialgleichung: als uneigent- liche kommen diejenigen hinzu, in denen das Differential di ver- schwindet oder unendlich wird. Dem Falle, wo gar keine Grenz- punkte, sondern nur Grenzlinien existiren, entspricht diejenige Classe linearer Differentialgleichungen mit algebraischen Coeffieienten, die gar keine eigentlichen singulären Punkte besitzen. Wir haben hier diejenigen Functionen s = F(y), {= G(y) be- trachtet, in welche die charakteristischen f(x) und y(x) übergehn, wenn man die Variable y einführt. Dies sind eindeutige automorphe Funetionen; man kann sie — wenigstens in dem Hauptfalle, wo keine Grenzpunkte existiren; der andre kann als Grenzfall aufgefasst werden — durch Producte linearer Functionen von % darstellen, falls man die linearen Substitutionen als gegeben annimmt. Andrerseits sind die charakteristischen Functionen /(x) und g(2), wenn nicht in andrer Weise, durch das Dirıcnter'sche Prineip bestimmt. Durch die beiden Gleichungen f(x) = F(y), y(2) = @(y) wird die Beziehung (x,) de- finirt; es werden aber damit zugleich — da man zwei Gleichungen hat — auch die Coeffieienten der linearen Substitutionen festgelegt. $ 4. Ich kehre zu den besonderen Fällen zurück. Es sei wieder B die positive Halbebene, A die ganze Ebene, mit Ausnahme einer endlichen Anzahl sich nieht schneidender Strecken. Diese sollen alle auf einer Geraden liegen, und zwar auf der reellen Linie. Der Fall, wo einzelne sich auf Punkte redueiren, wird sich von selbst ergeben. Die Grenzen von A sind hier nicht reguläre Linien, sondern eigentlich zweiseitige Polygone, und die charakteristischen Functionen von A sind in dem Endpunkte a einer solchen Strecke im Allgemeinen nieht reguläre Functionen von x, nur von VY@—a. Indessen gehört in diesem Falle die Variable x selbst mit zu den charakteristischen Funectionen; man kann != x setzen; eine zweite ist: en. und durch s,? lassen sich alle übrigen rational ausdrücken. Die Endpunkte der Strecken betrachten wir nicht als unmittelbar gegeben; wir definiren sie, um die Auflösung transcendenter Glei- chungen zu vermeiden, auf folgende Weise: Scnorrky: Über Beziehungen zwischen ebenen Flächen. II. 125 Wir nehmen in der y-Ebene eine Anzahl von Kreisen an, deren Mittelpunkte alle auf der reellen Linie liegen, und deren Flächen sich gegenseitig weder decken noch berühren. Es ist zulässig, dass einer dieser Kreise alle übrigen umschliesst; unter seiner Fläche verstehen wir dann das Gebiet ausserhalb der Peripherie. Ebenso kann an die Stelle eines der Kreise eine Gerade treten, die auf‘ der reellen Linie senkrecht steht. Das durch die angegebenen Linien begrenzte Gebiet wird durch die reelle Linie symmetrisch in zwei Hälften zerlegt. Die obere Hälfte nennen wir C; sie ist ein Polygon mit lauter rechten Winkeln, dessen Seiten abwechselnd durch Halbkreise und Streeken der reellen Geraden gebildet werden. Dieses Gebiet © denken wir uns conform abgebildet auf die obere Hälfte der x-Ebene. Wir führen also eine Funetion x von y ein, die innerhalb € nur Werthe der positiven Halbebene an- nimmt, und zwar jeden einmal. Lässt man y von einer bestimmten Stelle die Randlinie von C in positivem Sinne durchlaufen, so durch- läuft © stetig wachsend alle reellen Werthe von — co bis +00. «ist ausserdem im Innern und auf der Grenze von € eine reguläre Function da von , aber es verschwindet 7 den Eekpunkten von der ersten 4 Ordnung. % ist eine reguläre Funetion von x im Innern der positiven Halbebene; auf ihrer Grenze, also auf der reellen Linie, bilden die- jenigen Punkte eine Ausnahme, die den Eekpunkten von ( entsprechen. Diese Punkte bezeichnen wir mit (a). Durch sie zerfällt die reelle Linie der x-Ebene in eine Anzahl von Intervallen. Wir wollen die- Jenigen Intervalle gerade nennen, die den geradlinigen Stücken der Grenze von ( entsprechen, die übrigen ungerade. Betrachten wir zuerst x als Function von y. An jedem der Halbkreise, die zur Begrenzung von C gehören, ist x reell. Daraus geht hervor, dass die Function über diese Linie hinaus in der Weise fortzusetzen ist, dass sie in dem Bildpunkte den conjugirten Werth erhält. Wir kommen so in ein neues Gebiet ©‘, das genau wie das vorige begrenzt ist durch Theile der reellen Linie und dazwischen liegende Halbkreise. Aber hier nimmt « nur Werthe an, deren zweite Coordinate negativ ist. Wenn wir dies fortsetzen, auch bei den übrigen halbkreisförmigen Randstrecken von C, so wird die ganze positive Halbebene zerlegt in eine Folge von unendlich vielen Ge- bieten. Die Grenze zwischen einem Gebiete und einem benachbarten ist stets ein Halbkreis; auf diesem nimmt x nur reelle Werthe an, und zwar solche, die einem ungeraden Intervalle angehören. Wenn demnach y sich beliebig in der positiven Halbebene be- wegt, so kann x zwar beliebig oft die reelle Linie durchkreuzen, 126 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. aber immer nur in einem ungeraden Intervalle. Wenn wir mit A die ganze x-Ebene bezeichnen, mit Ausnahme der geraden Intervalle der reellen Linie, so bleibt & im Innern von A, wenn y auf die positive Halbebene beschränkt wird. Es ist leicht zu sehen, dass auch das Umgekehrte stattfindet. Die Beziehung (x, y) ist hiermit, geometrisch sehr einfach, definirt. Aber sie lässt sieh auch analytisch in sehr einfacher Weise ausdrücken. Man kann die Function = \(y), durch die geraden Randstrecken von € oder die eines anderen Theilgebietes, in die negative Halb- ebene fortsetzen; sie ist eine in der ganzen Ebene eindeutige auto- morphe Funetioa von y, und die Gruppe der Substitutionen unmittelbar gegeben. Es seien , 3, y drei Eckpunkte des Polygons C; a, b, c die entsprechenden Werthe von x, ferner allgemein «,,®, ein Werthe- paar, das aus ©, durch eine und dieselbe Substitution (A) der Gruppe hervorgeht. Alsıdann ist: mn |) Bi en und Z(y) das folgende Product von Linearfactoren der Variabeln y: A) Ya, yv—ß, z Ey= IMS rer I 11 E —ß, en Schliesslich ist noch der Fall zu besprechen, wo an die Stelle einer oder mehrerer Streeken Punkte treten. Die Modifieation, die die Figur alsdann erfahren muss, ist leicht zu erkennen; es müssen auch die entsprechenden geraden Strecken des Polygons C gleich o werden, d. h. die Kreise müssen sich berühren. Wenn speciell die Grenze von A nur durch drei Punkte gebildet wird, so erhält man die be- kannte Figur eines Dreiecks, dessen Seiten durch drei sich berührende Kreisbogen gebildet werden. Wir wollen noch ein letztes Beispiel durchführen, das geometrisch sehr durchsichtig ist, analytisch allerdings weniger einfach. Es sei A die ganze Ebene, mit Ausnahme dreier Kreisflächen. Wir ziehen den Orthogonalkreis und bezeichnen mit A, den innerhalb desselben liegenden Theil von A. Die Grenze von A, ist wiederum ein Poly- gon mit sechs rechten Winkeln. Diejenigen drei Seiten des Polygons, die Theile des Orthogonalkreises sind, nennen wir gerade — obwohl auch sie gekrümmt sind —, die drei anderen ungerade. ı Vergl. meine Arbeit: Über eine specielle Function, welche bei einer bestimmten linearen Transformation ihres Arguments ungeändert bleibt. Journ. f. Math., Bd. 101. sä . Scaorrky: Über Beziehungen zwischen ebenen Flächen. Il. 127 Die Fläche A, müssen wir uns nun conform abgebildet denken r auf eine andere D, der y-Ebene, deren Begrenzung zwar ebenso be- schaffen ist wie die von A,. Sie soll ebenso aus drei getrennten Strecken eines Kreises, und, rechtwinklig zu diesem, aus drei Kreis- bogen bestehen, die in das Innere führen. Es soll aber die Abbildung so beschaffen sein, dass den geraden oder Orthogonalkreis-Streeken der einen Figur die ungeraden der anderen entsprechen. Dass hier- für die Anzahl der verfügbaren Constanten gerade ausreicht, ist unmittel- bar zu sehen. Das Innere des zweiten Orthogonalkreises nennen wir B. Betrachten wir & als Function von y und beschränken zunächst y auf das Innere von B,. Dann wird x auf das Innere von A, be- schränkt. Rückt y nach der Grenze von D,, und zwar nach einem Kreisbogen ?, der nicht ein Theil des Orthogonalkreises ist, so rückt x nach der Grenze von A, aber nach einer Strecke des Orthogonalkreises. Die Function = Y(y) ist daher über A hinaus so fortzusetzen, dass zwei Punkten y,y', die zu einander in Bezug auf die Kreisstrecke A symmetrisch sind, zwei Punkte x, x’ der anderen Ebene entsprechen, die zu einander in Bezug auf den Orthogonalkreis symmetrisch liegen. Nun erfüllen, wenn x auf die Fläche A, beschränkt ist, die Bildpunkte von x in Bezug auf den Orthogonalkreis den ganzen übrigen Theil der Fläche A. Es bleibt demnach . in der Fläche A, wenn y von B, aus durch eine Grenzstrecke A, die nicht dem ÖOrthogonalkreis an- gehört, in ein Nachbargebiet B/ eindringt. Diese Betrachtung lässt sich fortsetzen, genau wie vorhin. Es folgt daraus: Wenn die Variable y in dem Orthogonalkreis B bleibt, der in ihrer Ebene gezogen ist, so bleibt x im Gebiete A. Aber auch das Umgekehrte gilt; man hat daher eine reguläre Beziehung (x,y) zwischen dem Gebiete “A und einer Kreisfläche oder Halbebene B. Betrachten wir jetzt die charakteristischen Functionen der Fläche A. Unter ihnen giebt es auch solche, die nicht nur an den drei Kreisen, sondern auch in den dazwischen liegenden Strecken des Orthogonal- kreises reell sind. Die letzteren Funetionen sind rational durch eine einzige unter ihnen ausdrückbar: diese eine, f, ist zugleich diejenige, welche die Abbildung von A, auf die Halbebene vermittelt. Eine zweite charakteristische Function von A (aber nieht von A,) ist: s—= V—Ilt—a) = YR(t), wenn wir mit a die Werthe von ? in den sechs Eekpunkten von 4, bezeichnen. Angesehen als abhängig von y ist ? auch eine charakteristische Function der Fläche B,, und auch desjenigen Gebietes D, das wir er- halten, wenn wir die drei Randkreise von BD, vervollständigen und 128 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. den Orthogonalkreis fortlassen. s dagegen gehört nicht zu den cha- rakteristischen Funetionen dieser zweiten dreifach zusammenhängenden Fläche B, wohl aber is. s und £ sind eindeutige Functionen von & ebensowohl wie von y in den Ebenen dieser Variabeln; man hat dem- nach zwei Auflösungen der Gleichung s® = X(f) durch eindeutige automorphe Funetionen mit je 3g—3 ganz verschiedenen Moduln; die Beziehung (x,y) entsteht, wenn man diese eindeutigen Funetionen von x und y einander gleichsetzt. Die Differentialbeziehung, die in diesem Falle zwischen x und % besteht, ist folgende. Setzt man — 23 — ao ar za h dy rn 5 VR() dw U: dw v so genügt u der Differentialgleichung du Zap +4 +hrP+ht+h)u=0o (vgl. Journ. f. Math., Bd. 83, S. 348). v genügt einer Differential- gleichung genau von derselben Form, nur mit dem Unterschied, dass an die Stelle von /h,,/,, Ah, andere Constanten treten. Hätten wir statt dreier nur zwei Kreise genommen, so hätten wir die doppelte Lösung der Gleichung °—= (1—)(I—k’f) bekommen, die Jacogı gegeben hat, wobei s und ? einmal als ein- deutige Functionen einer Grösse x dargestellt werden, die der Gleichung flgx) = f(x) genügen, und zweitens als eindeutige Functionen einer Grösse y, die mit x in der Verbindung steht: Bl ee: Fischer und F. Wrepe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 129 Über die Bestimmung der Verbrennungswärme organischer Verbindungen mit Benutzung: des Platinwiderstandsthermometers. Von Enmır Fischer und FRANZ WReE»e. (Vorgetragen in der Sitzung vom 9. Januar 1908 [s. oben S. 1].) Be den Bestimmungen von Verbrennungswärmen organischer Ver- bindungen, die wir vor drei Jahren mitteilten', wurde eine BERTHELOT- sche Bombe nebst Kalorimeter benutzt, die auf elektrischem Wege geeicht waren; mithin wurden die Verbrennungswärmen auch in elek- trischen Einheiten erhalten. Die Grundeichung unseres Apparates war von den HH. W. JarGEr und von STEINWEHR in (der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt zu Charlottenburg ausgeführt worden mit einer Genauigkeit, die von ihnen auf 2 Promille des Wertes geschätzt wurde. Da die Ungenauig- keit der Messungen zum erheblichen Teil durch die Verwendung eines Quecksilberthermometers veranlaßt war, so lag der Gedanke nahe, dieses durch ein elektrisches Thermometer zu ersetzen. Das ist von den HH. JAEGER und von StEMmWEHR bei der neuen Grund- eichung unseres Kalorimeters geschehen. Durch diese Maßregel und andere kleine Veränderungen am System, wie z. B. erhebliche Vermehrung der Wassermenge, ist es ihnen ge- lungen, den Fehler des Eichungswertes so weit herabzusetzen, daß er nach einer an uns gerichteten Privatmitteilung sicher nicht mehr als 0.5 Promille beträgt. Wir haben nun mit demselben Instrument und unter den gleichen Bedingungen einige Verbrennungswärmen bestimmt und glauben, auch hier, insbesondere durch die bessere thermometrische Messung, eine größere Genauigkeit erzielt zu haben, als dies früher möglich war. Denn bei Substanzen, die gut verbrennen, betrug die Abweichung vom Mittel bei ı° Temperaturerhöhung nicht mehr als 0.5 Promille. Wir haben die verbesserte Methode benutzt, um für einige Sub- stanzen, besonders für Rohrzucker und Benzoesäure, die Ver- brennungswärme möglichst genau festzustellen, damit sie als Grund- wert für die Eichung andrer Bomben benutzt werden kann. ! Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904, XX, S. 687 ff. 130 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. Entsprechend der Grundeiehung unsres Kalorimeters sind alle Werte für die Verbrennungswärmen in Kilowattsekunden bestimmt und nur diese dürfen als Originalwerte betrachtet werden. Zum Ver- gleich mit andern Verbrennungswärmen, die in Kalorien ausgedrückt sind, haben wir allerdings eine Umrechnung vorgenommen, bei der eine Kilowattsekunde gleich 0.2390 Kalorien gesetzt wurde. Wir bemerken jedoch ausdrücklich, daß diese umgerechneten Werte alle Fehler enthalten. die in der Bestimmung des Verhältnisses von Wattsekunde zur Kalorie liegen, und daß auch die Änderung der spezifischen Wärme des Wassers mit der Temperatur zur Zeit nicht genau genug bekannt ist. Der von uns angenommene Wert von 0.2390 scheint am genauesten für die Temperatur 15° zuzutreffen. Wie aus der später gegebenen Tabelle hervorgeht, liegen unsere eigenen Bestimmungen alle zwischen 15° und 20°. Für die Messungen selbst waren diese Temperaturunterschiede gleichgültig, da unser Ka- lorimeter nach den Beobachtungen der HH. JAEGER und vo STEINWEHR keinen Temperaturkoeffizienten zeigte. Beschreibung des Apparates. Als Kalorimeter benutzten wir das übliche, den Chemikern wohlbekannte Modell. Die Berruzrorsche Bombe war in der von Kröker angegebenen Weise modifiziert und von Peters (Berlin) geliefert. Sie hatte einen Inhalt von 275cem und ihr Innenraum war vollständig mit Platin in der Stärke von 0.3 mm von Heraeus (Hanau) ausgekleidet!. Das zylindrische Messinggefäß, in dem sich die Bombe und das Platinthermometer befinden, hatte ı5 cm Durchmesser und 26 cm Höhe. Das Gewicht desselben betrug 7238, mit der Wasserfüllung 4450g — gewogen in Luft. Die Menge des Wassers war so groß gewählt, daß die Polklemmen der Bombe sich etwa 24cm unterhalb der Oberfläche befanden. Zum Rühren des Wassers glaubten wir anfangs dem Quirlrührer, den erst BErTHELoT und später Loneumme beschrieben haben, den Vor- zug geben zu müssen, weil bei seiner Anwendung keine mit Wasser benetzten Teile aus der Flüssigkeit herausgehoben werden. Um die Wärmeleitung noch möglichst zu verringern, hatte der von uns be- nutzte Quirlrührer als Stiel eine starke Hartgummistange, die unge- ! Die HH. T. W. Rıcuaros, L. J. Henperson und H. L. Freverr haben bei der von ihnen gebrauchten Bombe den zur Dichtung verwendeten Bleiring mit einer Blattgoldschicht überzogen, um seine Oxydation zu verhindern (s. Proc. of the Am. Acad. 42. (21) 576). Wir haben diese Maßregel bei unserem Apparat nicht ange- wendet, weil der Bleiring höchstens zu $ mm Breite für den Sauerstoff freiliegt. Er überzieht sich bei den Versuchen wohl mit einer ganz dünnen Oxydschicht, die aber als Schutz gegen die fortschreitende Oxydation bleibt, so daß wir die Wärmemenge, die bei der einmaligen Verbrennung entsteht, für so gering halten können, daß sie für uns nicht in Betracht kommt. Fischer und F. Wreoe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 131 fähr ı cm unter dem Wasserspiegel mit dem eigentlichen aus Metall gefertigten Rührer in Verbindung stand. Die Geschwindigkeit des Motors wurde so reguliert, daß der Rührer ungefähr 45 Touren (Hin- und Herdrehung) in der Minute machte. Im Verlauf unserer Untersuchungen sind wir aber zu der Überzeugung gekommen, daß die Rühranordnung nicht ausreichend ist, um eine thermisch ganz gleichmäßige Mischung des Wassers herbeizuführen. Daß die HH. Berruerror und Loxsumme mit diesem Rührer zufrieden gewesen sind, erklärt sich vielleicht aus dem Umstande, daß sie die Temperatur mit dem Quecksilberthermometer gemessen haben, dessen Leistungsfähigkeit zur Entdeckung des Fehlers nicht mehr ausreichte. Übrigens hat Laneseın schon vor längerer Zeit anıegeben', daß der Quirlrührer vor dem Ringrührer keinen Vorteil bietet. Unsere Erfahrungen wurden bestätigt durch die Versuche der HH. JAEGER und von STEINWEHR, welche die Temperatur des Wassers im Kalorimeter an verschiedenen Stellen mit einem 'IThermoelement prüften und bei Anwendung des Quirlrührers größere Unterschiede beobachteten. Sie fanden, daß insbesondere die kleine Wasserschicht unterhalb der Bombe nicht genügend mit dem übrigen durchgerührt wird. Wir sind deshalb zu der älteren Rührvorrichtung, dem vertikal auf und ab gehenden Ringrührer zurückgekehrt. Das übliche, auch von Sronmansn gebrauchte Modell des Ring- rührers, wie es von Hugershoff (Leipzig) und anderen deutschen Firmen geliefert wird, wurde noch durch Hinzufügen von zwei weiteren Ring- platten verstärkt, um die von uns verwendete größere \Wassermasse genügend bewältigen zu können. Allerdings entsteht bei dieser Rührvorrichtung ein kleiner Fehler, worauf auch Bertneror und Loneumme” hingewiesen haben, dadurch, daß ein Stück der Messingstangen, die den Rührer halten, beim Auf- und Abgehen benetzt in die Luft über dem Kalorimeter eintritt. Aber dieser Fehler wird eliminiert, weil er in den Temperaturgang des Apparates während der Messung eingeht und folglich jedesmal bestimmt wird. Jedenfalls zeigen sowohl die Messungen der Eichung wie unsere Bestimmungen eine erheblich bessere innere Übereinstimmung bei An- wendung dieses Ringrührers, dessen Tourenzahl wir auf 45 pro Minute (jede Tour eine Auf- und Abbewegung) normierten. Wie oben angegeben, betrug die Wassermenge in unserenı Kalori- meter 3727 g, mithin fast 3 bis 5 mal soviel, als die meisten Autoren früher angewandt haben. Dadurch wird allerdings die Temperatur- ! Zeitschr. f. angewandte Chemie 1896. 489. Vgl. auch ebenda 1900 Heft 19—50. 2 W. Lonsvimine. Hauptmethoden der Bestimmung der Verbrennungswärme, Berlin 1897, S.6. 132 _ Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. erhöhung bei der Verbrennung entsprechend kleiner; da aber ander- seits die Temperaturmessung durch das Platinthermometer außerordent- lich viel genauer ist, so überwiegen die Vorteile, welche die Anwendung der großen Wassermenge hat. Wir rechnen dahin einerseits die geringe Differenz zwischen Anfangs- und Endtemperatur, die bei den später angeführten Verbrennungsbestimmungen 0.9° bis 1.6° betrug, und anderseits den Umstand, daß die Bombe sich ganz in Wasser befindet. Das von uns benutzte Platinwiderstandsthermometer war das- selbe, das die HH. JAEGER und von STEINWEHR bei der Eichung der Bombe benutzten. Seine Konstruktion, Empfind- lichkeit, Zuverlässigkeit und Eichung ist von diesen Herren eingehend geschildert worden!, ebenso wie die Vorrichtungen zum Messen des Widerstandes. Zur leichteren Orientierung wollen wir hier folgende kurze Angaben darüber machen: Das Platinwiderstandsthermometer (s. Fig. I) bestand: aus einem Drahte von reinstem Platin der Firma Herxzus (Hanau) von o.ı mm Stärke und ungefähr 35 em Länge. Dieser war, mit einem Seidenfaden umsponnen und mit Schellack bestrichen, isoliert in ein Messingkapillarrohr X eingezogen. An beiden Enden waren je 2 isolierte Kupferdrähte angelötet, die aus der Kapillare herausragten und an vier Klemmschrauben s,—s, des Ebonitkopfes #, der die Enden des Rohres verschloß, angelötet waren. Die Lötstellen von Platin und Kupfer lagen so tief, daß sie sich während der Messungen im Wasser des Kalori- meters befanden. Die Trägheit des Instruments war so gering, daß sie bei unseren Messungen nicht berücksichtigt zu werden brauchte. t 1. W. JAEGER und H. von StEınwEHr, Bestimmung des Wasserwertes eines BertHerorschen Kalorimeters in elektrischen Einheiten. Verhandl. d. D. Physik. Ges. 5. 50 (1903). — Ill. Dieselben, Erhöhung der kalorimetrischen Meßgenauigkeit durch Anwendung von Platinthermometern. Ebenda 5. 353 (1903). — III. Dieselben, Beitrag zur kalorimetrischen Messung von Verbrennungswärmen. Zeitschrift f. physik. Chemie. 53. 2. 153 (1905). — IV. Dieselben, Bemerkung zu einer Veröffentlichung der HH. RıcHArvs, HENDERsSoNn und Forses. Ebenda 54. 4. 428 (1906). — V. Dieselben, Anwendung des Platinthermometers bei kalorimetrischen Messungen. Zeitschrift f. In- strumentenkunde 1906, 8. 237. — VI. Dieselben, Eichung eines Berrarrorschen Ver- brennungskalorimeters in elektrischen Einheiten mittels des Platinthermometers. An- nalen d. Physik IV. 21 (1906) 23. — VII. W.Jaeser, Über die Empfindlichkeit des Platinwiderstandsthermometers. Zeitschrift f. Instrumentenkunde 1906, 9. 278. Fischer und F. Wreoe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 133 Das Instrument war von den HH. JAEGER und von STEINWEHR geeicht. Zur Kontrolle haben wir dann in längeren Zwischenräumen seinen Fundamentalabstand wiederholt bestimmt. An den folgenden Tagen: 1., 2., 21., 24. November 1904; 4. Januar 1905; 23. März 1905; 15. Januar 1906; 22. Mai 1906 und 7. Januar 1907 wurde dazu mehr- mals der Widerstand abwechselnd in Eis und in Wasserdampf ge- messen. Nachdem die anfänglich starken Depressionserscheinungen durch einen Heizstrom reduziert worden waren, blieb der Fundamental- abstand konstant. Es betrug im Mittel: W;o00 9.5737 Ohm W. 6.8984 » Wooe—W. 2.6753 Ohm (deprimiert). Die Abweichungen der einzelnen Messungen waren im allgemeinen sehr gering, immer aber viel kleiner, als es für die angestrebte Ge- nauigkeit von 0.0001° für eine Temperaturdifferenz von ı° von Be- lang sein könnte. Außerdem war zur Eichung des Instruments die Abweichung der Widerstandskurve zwischen 0° und 100° von der Geraden durch Vergleich mit den Angaben eines geprüften Quecksilberthermometers bei 25° und 40° bestimmt. Danach ergab sich als Widerstand für eine bestimmte Temperatur u der Wert We Weaepn (I + u+ Bu), worin | 2 7:00 xrom: und, 6 = 0.623x10, \ v Übrigens ist die genaue Eichung des Thermometers für die Be- stimmung der Verbrennungswärmen nicht von wesentlichem Belang, weil durch die Benutzung desselben Instruments bei der elektrischen Eichung und bei der Bestimmung der Verbrennungswärmen etwaige Fehler herausfallen. Meßapparate: Für die Widerstandsmessung waren außer einem sehr empfindlichen Differentialgalvanometer' mehrere Stöpselwider- stände, ferner ein Manganinwiderstand von S Ohm, der direkt mit dem Platinwiderstand verglichen wurde, und endlich ein leicht ver- stellbarer, großer variabler Widerstand erforderlich. Da gewöhnliche Schleifkontaktwiderstände nicht die nötige Präzision geben, und das Arbeiten mit Stöpselwiderständen wegen der Unzuverlässigkeit der Kontakte bei so schnellem Umstöpseln, wie es hier nötig wäre, Un- zuträglichkeiten im Gefolge hat, so benutzten wir für den letztge- ! Kugelpanzergalvanometer nach Dusoıs-Rurens von Siemens & Halske, mit Differentialschaltung der Spulen. Sitzungsberichte 1908. 14 134 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. nannten Widerstand nach dem Beispiel der HH. JAEGER und vox STEIN- WEHR einen Kompensationsapparat von Worrr (Berlin). Messung: Wie bei den älteren Messungen mit dem Quecksilber- thermometer können auch bei den Bestimmungen mit dem Wider- standsthermometer drei Perioden unterschieden werden: ı. der Vor- versuch, während dessen der gleichmäßige Gang der Temperatur beob- achtet wird, 2. der Hauptversuch, der mit der Einleitung der Ver- brennung beginnt und bis zum Wiedereintritt eines gleichmäßigen Temperaturganges ausgedehnt wird, und 3. der Nachversuch, der zur genaueren Beobachtung dieses letzteren Ganges dient. Die von uns gewählten Zeiten sind: 1. 10 bis ı5 Minuten, 2. 5 (2ER) » und (ME Do Ein ganz gleichmäßiger Gang tritt gewöhnlich erst 6—8 Minuten nach der Zündung wieder ein. Um aber »Strahlungskorrektionen«, d. h. »Korrektionen für den Wärmeaustausch mit der Umgebung«, von vergleichbarer Größenord- nung für eine Reihe von Versuchen zu erhalten, empfiehlt es sich, regelmäßig dieselbe Zeitdauer für den »Hauptversuch« anzunehmen: wir haben daher immer die 6. Minute als Beginn des Nachversuchs gewählt und die zugehörige Temperatur aus dem nachfolgenden Gang rekonstruiert. Die sehr kleine Differenz zwischen dieser und der ab- gelesenen Temperatur geht in die »Strahlungskorrektion« ein. Wie schon oben erwähnt, beruht die Widerstandsmessung bei un- seren Versuchen auf einer Vergleichung des Thermometers T (s. Fig. 2) mittels eines Differential- galvanometers G@ mit einem festen Widerstand, dessen Wert dureh genau bestimmte Nebenschlüsse abgeändert wird: in unserem Fall liegt parallel zu der S-Ohm-Man- ganinbüchse — in Paraffin- öl — ein Stöpselrheostat (2) von 100 bis 130 Ohm, sowie der genannte Kompensationsapparat (N), dessen Gesamtwert 15000 Ohm beträgt. Von diesen beiden Nebenschlüssen wird der erstere (w) so gewählt, daß er für den jeweiligen Versuch unverändert bestehen bleiben kann, d.h., daß der Bereich des Kompensationsapparats für die gesamte Widerstandsänderung ausreicht. Fıscuer und F. Wreoe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 135 Für die spätere Rechnung ist es bequem, für ı nur drei oder vier verschiedene Werte, also etwa 100, 110, 120 oder 130 Ohm zu nehmen. Für die Schaltung hat sich die von Kontrauscn angegebene Me- thode des übergreifenden Nebenschlusses als die geeignetste erwiesen. Außer dem hierfür notwendigen Stromverzweiger V' war noch ein einfacher Kommutator in den Meßstromkreis eingeschaltet, der in der Skizze nicht angegeben ist. Zum Regulieren des Meßstromes, der von dem einzelligen Akku- mulator A geliefert wurde, diente ein Stöpselrheostat. Während für die Messung der Gänge 500 Ohm eingeschaltet waren, wurde zum gröberen Einstellen sowie zum Ablesen der Temperaturkurve des Haupt- versuchs der Widerstand um 5000 oder 10000 Ohm verstärkt: hier- durch werden die Ausschläge des Galvanometers und entsprechend die Empfindlichkeit der Messungen auf das nötige Maß reduziert. Eine Differenz zwischen der Widerstandsgleichheitslage des Gal- vanometers und der Nullpunktsstellung des stromlosen Instruments be- ruht auf der Ungleichheit der Wiekelungen und Leitungen, und wird beseitigt, indem man in den stärkeren Stromzweig einen Widerstand (x) einschaltet, der so abgeglichen wird, daß der Ausschlag beim Kom- mutieren Null wird. Der Verlauf eines Versuchs läßt sich nunmehr folgendermaßen darstellen : Nach Vorbereitung des Kalorimeters läßt man das Rührwerk etwa ı0 Minuten arbeiten. Darauf wird, zunächst mit dem schwachen Strom, ein ungefährer Ausgleich der Widerstände und der Galvanometerkreise vorgenommen. Nunmehr beginnt, unter Einschalten des stärkeren Meßstromes, die Ablesung des Vorversuchs: da es bei einigermaßen schneller Temperaturänderung auch mit den Kurbeln des Kompen- sationsapparates nicht möglich wäre, zu einem bestimmten Zeitpunkt den jeweiligen Widerstand zu fixieren, so lesen wir die Zeit ab, zu der die Differenz der Ausschläge des Galvanometers beim Umlegen des Stromverzweigers für einen vorher eingestellten Widerstand N den Wert Null erreicht. Den Widerstand N wählt man dann so, daß er in etwa ı bis 2 Minuten erreicht wird, so daß also alle ı bis 2 Mi- nuten wenigstens eine Ablesung stattfinden kann. Nach ıo bis ı5 Minuten schwächt man den Meßstrom ab und leitet — unter Ablesen der Zeit — die Verbrennung ein. Bei einiger ! Der Stromverzweiger V besteht aus den zehn in der Figur angedeuteten Queck- silbernäpfen, von denen acht paarweise fest miteinander verbunden sind, und einer Wippe, deren Umlegen die Verbindungen so abändert, daß die an der Figur durch punktierte Linien angegebenen Stromzweige symmetrisch auf die untere Hälfte entfallen. 14° 136 _Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. Übung kann man leicht die dem schnellen Anstieg der Temperatur entsprechenden Widerstände mittels der großen Kurbeln des Kom- pensationsapparates rechtzeitig einstellen, um die zugehörigen Zeiten durch Kommutieren fixieren zu können. Schon nach ı bis ı4 Mi- nuten werden die Ausschläge meist so klein, daß man wieder den stärkeren Meßstrom einschalten kann. Der Verlust, den man in dieser kurzen Zeit an Stromwärme aus dem Thermometer erleidet, ist unmeß- bar klein. Von nun an werden, wie im Vorversuch, durch Voreinstellen des Widerstandes — nunmehr meist Verkleinern! — und Ablesen der Zeiten unter Kommutieren noch etwa 20— 25 Minuten Messungen vor- genommen. Berechnung. Für die Berechnung der Temperaturen usw. aus den so gemessenen Widerständen können wir an dieser Stelle nur kurz die allgemeinen Methoden und die nötigsten Formeln angeben. Be- züglich der Einzelheiten und der theoretischen Begründung müssen wir auf die betreffenden Ausführungen der HH. JarsER und von STEIN- WEHR' verweisen. Aus der Formel (1) S.133 läßt sich für die Temperaturerhöhung U die Gleichung ableiten: „2, ee I 1 noos a ee # Wo—W, 28 I a" | wxw, In dieser Formel bezeichnen W, und W, die Widerstände zu Be- ginn und zu Ende des Hauptversuchs. Für den in der Klammer stehenden Ausdruck B, der nur die eine variable Größe « enthält, wurde die folgende Tabelle aufgestellt, die von Grad zu Grad inner- halb des für unsere Messungen wichtigen Temperaturintervalls die Werte von B und dessen Logarithmen enthält. Io 1.567086 | 36.9055 | 19 | 1.568332 37-011 13 | 7501 | 941 | 20 | 8470 023 14 | 7640 | 9525 | 21 | 8608 | 034 15 7780 | 964 | 22 | 8746 046 16 7918 976 | 23 | 8885 | 058 17 8056 988 | 24 9023 | 070 18 8194 | 9995 || 25 | gI6r | 082 ! Siehe die Anmerkung auf S. 132. Fischer und F. Wrepe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 137 Durch Interpolation erhält man aus dieser Tabelle 3 und lg B für die jeweilige Temperatur u. Zur Berechnung von U ist der reziproke Wert der Widerstände W, und W, erforderlich. Bezeiehnet man die Widerstände im Kom- pensationsapparat zu Beginn und zu Ende des Hauptversuchs mit N, bzw. N,, so erhalten wir: I I I W, — g TUE und I ER I ag I 2 I \ (3) W, 8 DIVE I I fr rn ” . . Die Werte N und N erhält man auf folgende Weise: die Rezi- proken der gemessenen Widerstände aus dem Kompensationsapparat I 2 im Vor- und Nachversuch werden als Abszissen mit den Zeitablesungen als Ordinaten graphisch dargestellt. Eine Gerade, die durch die so erhaltenen Punkte gelegt werden kann, ergibt dann sehr genau den reziproken Wert des Widerstandes N zu Beginn und zu Ende (des Hauptversuchs. Gleichzeitig bestimmt diese Gerade die Änderung des a de ” ” ” Yr N ” reziproken Widerstandes pro Minute, d.h. , und 5 Diese Werte ; R 2 Le N du, du, sind für die Berechnung der Temperaturgänge ar und dt und der »Strahlungskorrektion« nötig, denn es ist d nr \ du, Fu ———B. und ao I \ ei } (4) B 8 En dt Bar W; und die Korrektion für den Wärmeaustausch: tz u= a|(u —u,)dt (5) ı Hierin ist die Abkühlungskonstante des Kalorimeters: EIER © =) -U (6) und das Temperaturmittel der Umgebung: 138 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. dur = ditz u tu ra 1t acer (7 2 2a Es bleibt dann nur das Integral, das aus der Kurve zu berechnen ist, die durch den Temperaturgang während des Hauptversuchs be- schrieben wird. Auch diese Kurve wird graphisch dargestellt, und zwar aus den in Temperaturgrade umgerechneten Widerständen, die während des Hauptversuchs abgelesen waren. Diese Umrechnung läßt sich, da an dieser Stelle eine Genauigkeit von 0.005° vollkommen ausreichend ist, sehr vereinfachen. Zu dem Zweck wurde für die vier vorkommenden Hauptwiderstände: 8100, 8/110, 8/ı20 und 3 130 Ohm je eine Kurve konstruiert, die für einen bestimmten re- m direkt die zugehörige Temperatur abzulesen gestattete. Diese Konstruktion wurde in der Weise ausgeführt, daß für die vollen Temperaturgrade von 13° bis 24° nach der Formel (1) unter Einsetzen der genannten Hauptwiderstände die betreffenden rezi- ziproken Widerstand proken Nebenschlüsse _, errechnet und diese als Ordinaten mit den N Temperaturen als Abszissen aufgetragen wurden. Die zu je einem Hauptwiderstand gehörigen Punkte wurden dann durch eine Kurve, die übrigens sehr nahe eine Gerade ist, verbunden. Um nun die Temperaturen des Hauptversuchs zu erhalten, wurden die reziproken Werte der gemessenen Widerstände N gebildet und aus der betreffenden Kurve die zugehörige Temperatur abgelesen. Die so erreichte Genauigkeit war hinreichend, wenn der Maßstab für die Konstruktion der Kurven so gewählt wurde, daß auf ı Grad ıocm und auf das Intervall von _ = 0.001 bis _ = 0.002 etwa 20cm ent- N N fielen. Beispiel einer Versuchsberechnung. Im folgenden geben wir als Beispiel den vollständigen Versuch Nr. 4 für Benzoesäure aus der weiter unten folgenden Tabelle mit sämtlichen Daten und der Be- rechnung an: ı. Beobachtungsdaten: Kalorimeter + Wasser = 4450g (unkorr.) 15. Mai 1906. Tourenzahl des Rührers: 45 — 46 pro Minute Zimmertemperatur: 19.3° — 20.0° Manteltemperatur: 18.6° — 18.7° Temp. d. Ölbades d. Ohmbüchse: 18.0°— 18.1° Füllung der Bombe: 46 Atm. (korr.) 0.5 cemH,o somm Eisendraht Substanz: 0.70004 g Benzoesäure. Fischer und F. Wreoe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 139 ——n a — ee een I Widerstandsmessungen | | N N‘ 107 | Zeitablesung | 8 | 110 634-4 15763 o' 00" | 4-7 7555 145 | | 5.0 748 345 Vorversuch ........... } | SB 7405 | 6 10 | 5.6 1330 | 8 35 5- 128 1 oo | gezündet bei 10 00 - 6 | 650 | 15385 Io | LER: 790 | 12658 25 Hauptversuch ......... ) R | : | 970 10309 II 20 | | 967 341 ig — 66.5 347 14 30 66.0 352 15 45 65.5 | 3575 16 50 65.0 | 363 17 50 Nachversuch........... | 27 | 3 en 3.0 384 23 15 62.0 395 26 10 | 61.0 406 29 — er - | 960.5 10411 | 30 15 Titration der entstandenen Salpetersäure 0.0420 K.W.S. Verbrennungswärme des Eisendrahtes. . 0.0473 » 0.0893 K.W.S. E I > : 2. Berechnung: Die Werte N werden, mit den Zeitablesungen als Abszissen, in der Art der Figuren 3 und 4 aufgetragen, und zwar für 0 —ı0’ für den Vorversuch und für 15° — 30’ für den Nachversuch (s> ig. 3 u. 4). Fig. 3. Fig. 4. Durch die so erhaltenen Punkte wird nun je eine gerade Linie gezogen, die den Gang der reziproken Widerstandsänderung pro Mi- I I dr ee —— 7,3 9X 107" und , = + 3.90X 10”, von kleinen Ablesefehlern befreit, ergeben. Ebenso werden durch diese Geraden nute, d. i. 140 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. die Widerstände zu Anfang und zu Ende des Hauptversuchs, also zu den Zeiten 10’ und ı5', bestimmt. — AS! Wir erhalten so: 07 und —- = 10351.5X 1077 n: Für den Hauptversuch lesen wir aus der oben S. 138 besprochenen Kurve (8 110) die folgenden Temperaturen ab: [een i IE 7 Zeit In x Io Grad 10' 00 15728.2 17.444 | =U 10" 15385 Be 25" 12658 18.062 | ı1' 20" 10309 540 13' 00" 341 534 14'307 | 347 530 15' 00" 10351.5 18.529 | =. \ u tu Danach ist u, — u, = 1.085° und — — = 17.987°. Die Temperaturkurve für den Hauptversuch ist in Fig. 5 wieder- gegeben: u, ist die rechnungsmäßig (s. u.) ermittelte Temperatur der Fig. 5. I I F ee — erner ist W. Sr I I Je — und w. r7 also = a — 2 Umgebung und F, und F, die Teile der in der Zeit ı0' bis ı5' umschriebenen Fläche. Durch Aus- messen oder indem man das be- treffende Stück der Figur aus- schneidet und durch Wägung be- stimmt, erhält man F,+F, = 5.003 Grad x Minuten. Zur Berechnung von U nach der Formel (2) haben wir gB= 1.568192 für die Mitteltemperatur 17.987° aus der Tabelle S. 136 zu entnehmen. Su 1572821 X 10 = 013508378 u + 10351.5X10 7 = 0.13512606, 0.0005 3767. Dann ist, nach (2), der unkorrigierte Wert von U = 1.08519°. (Für u,—u, war oben, angenähert, gefunden worden 1.085°.) Fischer und F. Wrepe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 141 Diese gemessene Temperaturerhöhung U muß nun korrigiert werden wegen des Wärmeaustausches mit der Umgebung während des Hauptversuchs: d Nach (4) ist z = + 0.0006675 | du, n =—o0. 791. und —, 0.000791 Ferner berechnet sich, nach (6), @= 0.001343 und, nach (7), 00 17.087. 0.0462° = 17.941°. . Dann ist M, — U. = 0.497°. la Nach (5) war die Korrektion u’ = a ar oder, nach der [ ! Bezeichnung in Fig. 5: W=ax(F,—F,). Setzt man nun für (F,—F,) nach Fig. 5: (F,+ F,))—(F,+ F,), worin (F,+ F,) = 5.003 Grad x Min. bekannt (s. o. S. 140) und (F,+ F, = 5 Min.x (w—u,) oder = 2.485 Grad x Min., so erhält man: u = ax (5.003 — 2.485) = 0.001343X 2.518 = + 0.00338°. Der korrigierte Wert von U ist demnach 1.085 19°-+ 0.00338° —41.08857°. Der Wasserwert des Apparates (s. u.) ist 17.110 K.W.S. pro ı Grad Temperaturerhöhung. In unserem Fall entspricht also U korr. einer entwickelten Gesamtenergie von 17.110 K.W.S.x 1.08857 = 18.6254 K.W.S., von denen für Eisenoxyd und Salpetersäure abgehen: 0.0893 » . Es bleiben demnach für 0.70004 g Benzoesäure 18.5361 K.W.S. Hieraus berechnen sich für ı g Benzoesäure: 26.479 K.W.S.' Resultate. Im Nachfolgenden geben wir als Auszug aus einer längeren Reihe von Versuchen nur die Resultate, die bei der Ver- brennung des Rohrzuckers und der Benzoesäure erhalten wurden, und bemerken dazu folgendes: Der Rohrzucker war aus reinstem käuflichen Material durch ıomaliges Auflösen in wenig Wasser und Abscheidung mit Alkohol gereinigt. Die Proben ı und 2 waren bei 105° unter gewöhnlichem Druck, Nr. 3 und 4 bei gewöhnlicher Temperatur über Phosphorpent- oxyd im Vakuum, endlich 5 und 6 über Phosphorpentoxyd bei 100° im Vakuum getrocknet. Das feine Pulver wurde aus einem Wäge- röhrehen in den Verbrennungstiegel übergeführt. ! Diese » Verbrennungswärme« bezieht sich auf die Umwandlung von ı g Benzoe- säure von der Versuchstemperatur in gasförmige Kohlensäure und flüssiges Wasser bei konstantem Volum des reagierenden Systems. Sitzungsberichte 1908. 15 142 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. Die Benzoesäure war aus Harn dargestellt, mehrmals im Vakuum destilliert und dann noch über Phosphorpentoxyd wochenlang ge- trocknet. Sie wurde zu Pastillen geprelit und diese im Verbrennungs- tiegel abgewogen. Bei den bisherigen thermochemischen Untersuchungen ist, soweit es sich aus der uns zugänglichen Literatur ersehen läßt, keine Re- duktion der abgewogenen Substanzmenge auf den luftleeren Raum vorgenommen worden. Bei der Genauigkeit der Verbrennungswerte, die wir anstrebten, war aber diese Maßregel nicht zu umgehen. Die in der nachfolgenden Tabelle angegebenen Gewichte sind daher auf den luftleeren Raum bezogen, wobei als Dichte für Rohrzucker 1.53 und für Benzoesäure 1.34 angenommen wurde. Von weiteren Vorsichtsmaßregeln sei folgendes angeführt: Alle gebrauchten Gewichte sind von der Kais. Normaleichungskommission geprüft und ebenfalls auf den luftleeren Raum bezogen. Das Manometer, das bei der Füllung der Bombe mit Sauerstoff be- nutzt wurde, war auf der hiesigen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt geprüft. Besondere Aufmerksamkeit haben wir endlich der Beschaffen- heit des von uns benutzten Sauerstofis gewidmet: Er enthielt 4 Prozent Stickstoff (bzw. Argon), dagegen waren keine nachweisbaren Mengen von Kohlensäure, Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen vorhanden. Um die Abwesenheit der beiden letzten zu beweisen, wurden etwa 8 Liter des Sauerstoffs über glühendes Kupferoxyd und dann durch ein Rohr mit Phosphorpentoxyd und einen mit Barytwasser gefüllten Kali- apparat geleitet. Der » Wasserwert« unseres Kalorimeters ist bei den Bestimmungen folgendermaßen berechnet worden: Nach JAEGER und vo STEINWEHR entspricht das ganze Kalorimeter mit Ringrührer... 17.095 K.W.S. Dazu kommen: für 45 Atmosphären' Sauerstoffüllung 0.011 » » » für 0.5 eem Wasser ..... LER u. 30,002 0» Er für Verbrennungsprodukte aus etwa 12 03SUbStan ze er ren 0.002 » » » zusammen 17.110 K.W.S. Die Bombe enthält 275 cem, d. h. mit 45 Atmosphärenfüllung: 12.38 Liter Gas von gewöhnlichem Druck. Rechnet man das spezifische Gewicht des Sauerstoffs bei 18° zu 1.34. x IO-°, so entspricht die 3ombenfüllung 16.59 g Sauerstoff. Da die spezifische Wärme des Sauer- 0.218 stoffs bei konstantem Volum gleich — = 0.156 ist, so würden on 1.4 ! Ausschließlich ı Atmosphäre Luft, die auch bei der elektrischen Eichung vor- handen war. Fischer und F. Wreve: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 143 obige 16.59 g entsprechen: 2.6 cal. oder, auf elektrisches Maß um- gerechnet: 0.011 K.W.S. Die 0.5 cem Wasser sind, dem allgemeinen Gebrauch entsprechend, in die Bombe eingefüllt, um vor der Verbrennung den Sauerstoff mit Wasserdampf zu sättigen. Als letzte Zahl ist beim » Wasserwert« 0.002 K.W.S. eingesetzt als spezifische Wärme der Verbrennungsprodukte. In Wirklichkeit be- trägt der Wert für Rohrzucker 0.0024 K.W.S. Er ist folgendermaßen bereehnet: 19 Rohrzucker gibt 0.53g Wasser (flüssig), die bei ı° Temperaturerhöhung 0.0024 K.W.S. entsprechen. Aus dem Kohlen- stoff wird eine dem verbrauchten Sauerstoff an Volum gleiche Menge Kohlensäure, die ungefähr die gleiche spezifische Wärme hat. Stellt man dieselbe Rechnung für Benzoesäure an, so ergibt sich für ıg verbrannter Substanz als Wasserwert der Produkte 0.0017 K.W.S., weil hier nicht allein für den Kohlenstoff, sondern auch noch für + des Wasserstoffs Sauerstoff verbraucht wird. und weil außerdem die Menge des Wassers erheblich kleiner ist. Wir haben in beiden Fällen die abgerundete Zahl 0.002 K.W.S. eingesetzt, weil Differenzen in der 4. Dezimale innerhalb der Fehler- grenzen der Methode liegen. Für die Bestimmung der Salpetersäure diente eine Lösung von Natriumkarbonat, die im Liter 3.7066g Na,CO, enthält und von der ı cem einer Kalorie entspricht. Dabei ist nach BERTHELOT angenommen, daß die Bildungswärme von ıg HNO, (in Wasser gelöst) 2.27 eal. be- trägt. Dieselbe Lösung von Natriumkarbonat hat auch Sronnmann be- nutzt. Als Verbrennungswärme für Eisen (zu magnetischem Eisenoxyd) rechnet Stoumass (J. pr.Ch. 39, 508) 1601 cal. pro Gramm, während Ber- THELOT (Thermochem. Messungen S.84) 1650 cal. pro Gramm annimmt. Diese letztere Zahl ist auch im französischen Original S. 139 enthalten und eigens für die Berechnungen von Verbrennungswärmen angegeben. Je nachdem man den einen oder anderen Wert einsetzt, würde für unsere Korrektion in K.W.S. (s. Tab.) eine Differenz von 0.0013 ent- stehen. Wir haben die Berrnerorsche Zahl vorgezogen, um so mehr, als noch eine andre Wärmemenge zu berücksichtigen ist, die «dem Eisendraht bzw. den Zuleitungsdrähten innerhalb der Bombe zugeführt wird, bis er verbrennt und durchschmilzt. Da wir einen Strom von 5 Akkumulatoren benutzen, so erfolgt die Erwärmung sicherlich in einem kleinen Bruchteil einer Sekunde. Wir nehmen an. daß in dieser Zeit keine in Betracht kommende Wärme ! Journ. prakt. Chem. 39. 522. u 144 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. durch Leitung oder Strahlung in die Bombe gelangt. Um die andre Wärme- menge annähernd abzuschätzen, wollen wir die Annahme machen, daß eine Erhitzung des Drahtes auf 600° erfolgt. Da 5 em Draht, die wir stets verwenden, 6.85 mg wiegen und die spezifische Wärme des Eisens etwa o.1 beträgt, so würden zur Erhitzung 0.4 cal. oder 0.0017 K.W.S. nötig sein, was ungefähr der oben angegebenen Differenz zwischen den Ver- brennungswärmen für den Eisendraht entspricht, die sich nach dem alten Wert (1601 cal.) oder nach dem neuen BErrHeLorschen Wert (1650 cal.) berechnen. Wir machen übrigens darauf aufmerksam, daß es sich hier nur um eine Größe handelt, die bei unsern Bestimmungen mit Rohrzucker . I Y .. noch nicht ganz —— der Gesamtverbrennungswärme ausmacht. 10000 S zu 7 - . = | Korrektion | __ Korrektion für Angewandte || Merbren en EA Nr Ai = “= U | für K.W.S. | Eisendraht: 0.0473 Sa nungswärme | weichung x = | Wärme- | brutto MEEEENO Y: pro Gramm | 5 Grad | Grad | Austausch | K.w.S.: ? g (absol) | K.W.S. | Promille A. Rohrzucker. 0:00 | | —0.0 d> 16.904 0.88214 345 15.1524 | 661 0.9120 | 16.542 —2 2. 18.400 1.11442 306 19.120: 703 1.15I0 | Del ze 3- 18.506 0.949857 | 575 16.3284 682 0.9827 546 | +I 4. 18.549 0.89439 469 15.3833 | 682 0.9260 539 —4 5. 17.860 0.891565, 142 15.2789 669 0.9196 542 _2 6. 18.117 0.947792 370 16.2822 682 | 0.9796 552 +4 Mittel | 16.545 B. Benzoesäure. | | I. 15.874 | 1.4805, | 7Is 25.4549 841 0.9585 26.469 —3 2 15.966 | 1.56434 635 26.8752 870 I.01I25 A907 0 Er 3.1 16.147 1.465838 86: | 25.2285 841 0.9498 | 413 | — 4. 17.987 | 1.085Ig 338 | 18.6254 893 0.7000, | 479 o | . | Mittel | 26.478 Schließlich wollen wir noch die Resultate von drei weiteren Be- stimmungen von Benzoesäure anführen, bei denen wegen einer ge- ringen Veränderung im Wasserwert die Berechnung etwas anders wurde. Wir geben deshalb nur die Endzahlen für die Verbrennungs- wärme pro Gramm und die Abweichungen vom Mittel in Zehntausend- steln an: 26.468 —2 471) 6) A Mittel 26.472 | Als Mittel von allen sieben Versuchen ergibt sich der Wert: 26.475 K.W.S. pro ıg (absol.) Benzoesäure. Um den Vergleich mit andern Werten der Thermochemie zu erleichtern, geben wir auch noch die Werte für die Verbrennungs- Fıscner und F. Wrepe: Verbrennungswärme organischer Verbindungen. 145 wärme von 18 Benzoesäure, gewogen in Luft; sie beträgt: 26.497 K.W.S. Für Rohrzucker ist, wie oben angegeben, die Verbrennungs- wärme pro 1g (absol.): 16.545 K.W.S.; unterläßt man die Reduktion auf den luftleeren Raum, so erhöht sich dieser Wert auf 16.555 K.W.S. Zum Schluß vergleichen wir diese Werte mit den Zahlen, die wir früher bei Anwendung eines Quecksilberthermometers und mit der ersten ungenaueren Grundeichung der HH. Jarser und von StEINwEHR erhalten hatten. Das Mittel für Benzoesäure betrug 26.546 K.W.S. pro Gramm. Die Differenz mit obigem Wert beträgt also 24 Promille. Wir bemerken dazu, daß früher die Substanzmenge nicht auf den luftleeren Raum bezogen war, wodurch schon eine Differenz von annähernd 0.8 Promille entsteht. Jedenfalls ist die neue Zahl nach unsrer Schät- zung erheblich zuverlässiger. Bei Rohrzucker fanden wir früher als Mittel von allerdings nur drei Versuchen 16.658 K.W.S. pro Gramm, so daß gegen den neuen Wert eine Differenz von 0.113 K.W.S. ent- steht. Sie würde sich auf ungefähr 0.10 K.W.S. verringern, wenn die Substanzmengen bei den alten Bestimmungen auf den luftleeren Raum bezogen werden. Aber auch dann ist die Differenz noch so groß, daß wir bei den früheren Versuchen einen Fehler annehmen müssen, der die Fehler der Methode übersteigt. Selbstverständlich halten wir die neuen Bestimmungen für sehr viel zuverlässiger. Endlich geben wir noch eine Umrechnung der gefundenen Werte in Kalorien mit dem Faktor ı K.W.S. = 0.2390 Kal. Danach ergibt sich als Verbrennungswärme von ı g (absol.) Rohrzucker: 3.954 Kal. ı g (absol.) Benzoesäure: 6.328 Kal. oder, wenn die Reduktion auf den luftleeren Raum für die Wägung der Substanz nicht stattfindet: ı g Rohrzucker: 3.957 Kal. ı g Benzoesäure: 6.333 Kal. Wir betonen jedoch nochmals, daß diese letzten Zahlen mit der Unsicherheit belastet sind, die der Bestimmung des Verhältnisses K.W.S.: Kalorie auch heute noch anhaftet. Wir glauben bei dieser Gelegenheit auch unserem Bedauern Aus- druck geben zu müssen, daß von unserer früheren Arbeit »Über die Verbrennungswärme organischer Verbindungen«' in die Sammelwerke, z. B. die Tabellen von Lanporr-Börnstem, nicht die Originalwerte in elektrischem Maß, sondern an ihrer Stelle nur die daraus berechneten ! Diese Sitzungsber. 1904. XX. S. 687. Sitzungsberichte 1908. 16 146 Gesammtsitzung vom 30. Januar 1908. — Mittheilung vom 9. Januar. Kalorien übergegangen sind. Da nun der Faktor, den wir damals vor vier Jahren für das Verhältnis von K.W.S.: Kalorien für den besten angesehen haben, d.h. die Zahl 0.2394, als ungenau erkannt ist, so sind jene in den Lehrbüchern enthaltenen Werte, die auf unsere Bestimmungen zurückgeführt werden, mit einem verhältnismäßig hohen Fehler belastet. Wir müssen die Verantwortung für die dadurch entstandene Ver- wirrung ablehnen und bitten, bei etwaigem Gebrauch unserer Zahlen auf die Originalbestimmungen zurückgreifen zu wollen. Ausgegeben am 6. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. RESTE". VI. vI. athematischen Classe am 6. Februar. (S. 147) : Über die Analyse der Stickoxyde durch ihre Absorptionsspectra le der Eetabidlitie: a ee 3 ai 2“ E : x ei BERLIN 1 1908. KÖNI en AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. J TUN. 16 1008 EN hm, HSONIAN vr Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $l. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: » Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften «, Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel dasdruckfertige Manuscript zugleich einzuliefernist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberiehten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u.s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf geriehteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und | weiter in der Gesammit-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuntkndisen Secretar, oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder ıler Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. L (Fortsetzung auf S. 3 Aus 86, 7 Die an die Druckereiabzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen j Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenlen Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen Jie Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an Jas vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Drucktehlern und leichten Sehreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- givenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung dere un Mehr- kosten verpflichtet. ri 4 Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Aalen aufgenommenen wissenschaffliehen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. $9. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten - | erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigierenden Secretar an- | wünselit er auf seine Kosten noch | | gezeigt hat; Brtarte zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freie | exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Sceeretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertlieilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl‘ von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 ‚Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf i Kosten abziehen lassen. 8 17. ‘ 4 Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung da in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jene Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs des Umschlags.) J 147 SITZUNGSBERICHTE 1908. VI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Wargure las über eine von ihm mit Hrn. Dr. G. Lertnäuser ausgeführte Untersuchung: Die Analyse der Stickoxyde durch ihre Absorptionsspeetra im Ultraroth. Salpetersäureanhydrid, Stickstoffperoxyd (NO,) und Stickoxydul haben im Ultra- roth je einen intensiven Absorptionsstreifen, welcher zur qualitativen und quantitativen Analyse des betreffenden Gases dient. In atmosphärischer Luft bildet die stille Ent- ladung ausser Ozon Salpetersäureanhydrid und Stickoxydul, der Lichtbogen nur Stick- stoffperoxyd. 2. Hr. Branca legte eine Arbeit des Hrn. Prof. Dr. H. Porontz vor: Eine Classification der Kaustobiolithe. Die Classification der gasförmigen, flüssigen und festen, heutigen wie fossilen, brennbaren Gesteine leidet unter einer Überzahl von Namen und Bezeichnungen, die vielfach eine ganz schwankende, unsichere Bedeutung besitzen und von verschiedenen Autoren in ganz verschiedenem Sinne gebraucht werden. Gerade umgekehrt fordert die überaus grosse nationalökonomische Wichtigkeit der Kaustobiolithe eine möglichst scharfe Präeisirung ihrer Entstehungsweise und ihrer Herkunft. Eine solche wird hier als Ergebniss langjähriger Untersuchungen gegeben; sie führt zu einer Hauptgliederung in die Sapropel-Bildungen, Humus-Bildungen und Liptobiolithe. 3. Hr. Warvever legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. Dr. Oskar ScHuLTzE in Würzburg vor: Zur Histogenese des Nervensystems. Es werden bei den Wirbellosen zwei Formen der peripheren Nervenfasern als weit verbreitefes Vorkommniss unterschieden und mit den Nervenfasern der Wirbel- thiere verglichen. Weitere Beobachtungen über die multicelluläre Entstehung der peri- pheren Nervenfasern werden mitgetheilt. 4. Hr. Warpever überreichte ferner Sonderabdrucke zweier Mit- theilungen des Reisenden der Hunsor.pr-Stiftung Hrn. Prof. Dr. W. Vorz in Breslau: Die Battak-Länder in Zentral-Sumatra (Zeitschr. Ges. f. Erdk. 1907), und Über das geologische Alter des Pithecanthropus erectus Dus. (Globus 1907). Sitzungsberichte 1908. 17 148 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. Über die Analyse der Stickoxyde durch ihre Absorptionsspektra im Ultrarot. Von E. Warsure und G. LEITHÄUSER. Mitteilung aus der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt. SETe Di. Analyse der Stickoxyde durch chemische Methoden stößt zuweilen auf Schwierigkeiten. So haben sowohl Ozon wie NO, die Eigenschaft, Jod aus Jodkaliumlösung freizumachen. Auch ist eine chemische Methode zum Nachweis des N,O in schwacher Kon- zentration nicht bekannt. Die Aufnahme der Absorptionsspektra von N,O,, N,O, NO, und NO zwischen den Wellenlängen 2.7 und 7 u hat nun ergeben, daß nicht nur, wie früher gefunden, N,O,, sondern auch NO, und N,O in diesem Gebiet einen sehr intensiven Absorptionsstreifen besitzen, welcher zur qualitativen und quantitativen Analyse kleiner Mengen dieser Gase benutzt werden kann. $ 2. Die Aufnahme der Spektren geschah durch ein Spiegel- spektrometer mit einem Flußspatprisma, für dessen leihweise Über- lassung wir Hrn. Dr. HauswArLn zu größtem Dank verpflichtet sind; es wurde automatisch in der Minimalstellung gehalten. Als Strah- lungsquelle diente eine Nernstlampe, als empfangende Vorrichtung ein Vakuumbolometer (beschrieben Ann. d. Phys. (4) 24, S. 25, 1907) von o.2 mm Streifenbreite und 7 Ohm Widerstand in Verbindung mit einem Panzergalvanometer nach der Konstruktion der HH. pu Boıs und Rusens. Die Reduktion auf Wellenlängen erfolgte nach den neuesten Bestimmungen der Dispersion im Flußspat von Hrn. Pascnen'. Die Breite des Spaltbildes umfaßte einen Wellenlängenbereich von 0.02 bis 0.03 u. $ 3 Fig.ı gibt die graphische Darstellung der Absorptionsspek- tren, das des ÖOzons einbegriffen; die im Gase durchlaufene Weg- länge belief sich im allgemeinen auf ı8 em, nur beim NO, auf 30cm. Es betrug ungefähr der Partialdruck des N,O, 100 mm, des NO 4omm, des N,O Atmosphärendruck. Auch für die einzelne Substanz gibt Ann. d. Phys. 4, 299, Igo1. WAaRBUuRG u. G.Lerruäuser: Absorptionsspectra d. Stickoxyde im Ultraroth. 0) 686 Fig. 1. 149 150 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. die Darstellung kein richtiges Bild von der relativen Stärke der Ab- sorption an verschiedenen Stellen des Spektrums. Denn bei hinrei- chend großer Konzentration oder Schichtdicke werden sowohl die schwächer als auch die stärker absorbierbaren Wellenlängen fast voll- ständig ausgelöscht. Sobald ferner innerhalb der Breite des Spaltbildes die Absorption nicht konstant ist, hängt die Höhe eines Absorptions- maximums von der Spaltbreite ab und wird um so größer, je schmaler der Spalt gemacht wird. Absorptionskoeffizienten können in einem solchen Fall nicht bestimmt werden. In der folgenden Tabelle sind die Minimalablenkungen 6 und die Wellenlängen A der Absorptionsmaxima zusammengestellt. No & oral ons) 1932, 10083 2Su21 2°400 a N 2:78 2.83 2033 3.86 Ar 4-81 5.81 01924) 1°40' 1053, 2205. (2>173.)28202°01, N,O 2 2.79 3.54 3.86 4.02 (4.29) 4-45 a NO, |) 3438 6.11 0 3°33:5 N.0, | A 5.695 no)‘ 3°%4:5 3°14:5 A 5.24 5.40 ö 2°36 0, "IX 4.74 Für den vorliegenden Zweck interessieren besonders die intensiven, in der Tabelle fettgedruckten Absorptionsstreifen; sie sind in Fig. 2, 3, 4 für schwächere Konzentrationen dargestellt, bei welchen sie beinahe allein übrigbleiben und bei welchen die Lage der Maxima deutlich hervortritt. Fig. ı zeigt, daß O,, N,O und N,O, nebeneinander nachgewiesen werden können, ebenso N,O und NO.. Das als NO, bezeichnete Gas ist in Wahrheit ein Gemisch von NO, und N,O,, und es fragt sich, welchem dieser beiden Gase die ver- schiedenen beobachteten Streifen angehören. Die ausgezogene Kurve I, Fig. 4, gibt nun die Absorption für eine Weglänge von 30 cm und eine schwache Konzentration, bei welcher der Partialdruck des Gases bei der Dissoziation Null 0.58 mm betrüge und bei welcher nach der Disso- ziationstheorie der Dissoziationskoeffizient bei 20° sich auf 95 Prozent beläuft. Die Dissoziation zu NO, ist also fast vollständig, und die Kurve I zeigt, daß die Absorption bei 4°2' stark, bei 3°34' aber sehr schwach ist, wodurch bereits wahrscheinlich gemacht wird, daß der Streifen bei 3°34' dem N,O, angehört. Darauf kühlten wir das Gas- gemisch mittels eines um das Versuchsrohr gelegten Mantels auf +- 30° Warsure u. G.Lerrsäuser: Absorptionsspectra d. Stickoxyde im Ultraroth. 151 ab, wobei nach der Dissoziationstheorie der Dissoziationskoeffizient auf 47 Prozent zurückgeht. Wie die auf diese Temperatur bezügliche Kurve II zeigt, ist durch die Abkühlung die Ab- sorption bei 4°2' von 64 Prozent auf 44 Prozent IN herabgesetzt, bei 3°34' von 3 Prozent auf 35 Pro- ng. 2. zent erhöht; Erwärmung auf 20° brachte wieder genau die Kurve I hervor. Der Streifen bei 3°34' (5.7 u) gehört also dem N,O,, der Streifen bei 4°2' (6.11 u) dem NO, an; auch der schwache A Streifen bei 3.38 « rührt von NO, her. Sofern N,O, im sichtbaren Gebiet nicht absorbiert, ist demnach für dieses Gas der Streifen bei 5.7 u der einzige bis jetzt bekannte. 5 $ 4. Solange die Absorption nicht zu groß wird, ist die Methode auch zu quantitativer Be- stimmung zu brauchen. Dazu mußte für das zu 20 benutzende 30 cm lange Rohr die Absorption zusammen mit dem Partialdruck des Gases be- stimmt werden. Es handelte sich dabei vielfach um Partialdrucke zwischen 0.3 und ı mm, so 3° 3 7 daß der Inhalt des Versuchsrohres (179 eem) zur Analyse nicht hinreichte. Wir verfuhren bei N,O, und NO, so, daß wir den Luftstrom, weleher zur Auf- nahme dieser Gase bestimmt war, durch eine Gasuhr leiteten und, nachdem die Absorption der Strahlung konstant geworden war, ein gemessenes Luftvolumen von passender Größe durch ein mit Wasser Fig. 3. Fig. 4. No, N,O, 60 40 20 152 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. gefülltes Absorptionsgefäß treten ließen; hierbei wurde NO, vor Ein- tritt in das Wasser durch beigemischtes Ozon zu N,O, oxydiert, die Salpetersäure im Wasser durch Titrieren mit '/, normaler Kalilauge bestimmt. Stiekoxyd brachten wir in einem Wasser-, Stickoxydul in einem Quecksilbergasometer auf die gewünschte Konzentration. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt, m, ist die Anzahl von Molen des Gases im Kubik- zentimeter, p der Partialdruck bei 18°, A die Absorption in Prozenten. NO (= 5.24 a) O; (A=4.74 u) NO (A=4.45 4) m,-10® 239 483 Sa a2 235 0.63 12.507 art p 43.4189 16.8 25.38 142.8 0.114 0.455 0.656 A AUSH T e Frsze l57 11.4 29.4 36.4 NO; (A= 6.12 u) N.0, (A= 5.81 u) Mm. 10, 1432970105.430016.05 1.26. 1.44.) 2.04. 2.08.3.00 p Serie Oo) Mortal 0.23. 0.26! 0.37. 0.491 050 A a 3 ee no Demnach ist die Empfindlichkeit der spektralanalytischen Reaktion am größten für N,O,, für NO, und N,O auch sehr groß, klein für O, und NO. 36 Prozent Absorption wurden an der empfindlichen Stelle her- vorgebracht durch Partialdrucke von 0.24 mm an N,O,, 0.5ımm an NO,, 0.64 mm an N,O, 25 mm an O, auf einem Wege von 30 cm Länge. $ 5. Wir haben die dargelegten Methoden angewandt auf die Untersuchung der durch elektrische Entladungen in atmosphärischer Fig. 5. Warsurs u. G.Lerrnäuser: Absorptionsspectra d. Stickoxyde im Ultraroth. 153 Luft bewirkten Stickstoffoxydation. Dabei wurde das Gas aus den Entladungsapparaten in das Versuchsrohr geleitet. ı. Stickstoffoxydation bei der ÖOzonisierung in der Sırmexsschen Röhre. Fig. 5 zeigt das Absorptionsspektrum für zwei verschiedene ÖOzonkonzentrationen. Die drei beobachteten Streifen entsprechen N,0, O, und N,O,. Es bildet sich also, was bisher nicht bekannt war, neben Ozon außer N,O, auch N,O. In der folgenden Tabelle sind auf Grund der Ergebnisse des $ 4 für drei Ozonkonzentrationen in den drei ersten Kolumnen die Partialdrucke bzw. des O,, N,O,, N,O bei 18° verzeichnet, in der 4. und 5. Kolumne die Verhältnisse der Partialdrucke des N,O, bzw. des N,O zu dem des O,'. 0; N,0, N.O N I 19.7 0.39 0.50 0.020 0.025 E23 0.23 0.30 0.019 0.024 9-5 0.22 0:165% 0.072 0.023 Die drei Ozonkonzentrationen entsprechen 52, 33 und 25 g 0, im Kubikmeter. Die Wirkung der stillen Entladung auf trockne atmosphärische Luft unter normalen Verhältnissen ist also nunmehr dahin bestimmt, daß neben O, auch N,O,, N,O und das von HAurrreviLre und Umarpuis entdeckte neue Stickoxyd entsteht. 2. Stickstoffoxydation bei der ozonlosen Entladung. Dieselbe wurde, wie früher (Ann. d. Phys. 20, 747, 1906) beschrieben, durch den Strom der Elektrisiermaschine zwischen Platinelektroden her- gestellt. Es zeigte sich, daß neben NO, auch N,O entsteht; so er- gab sich in einem Versuch die Absorption bei 4°3' (NO,) zu 43 Pro- zent, bei 2°2ı' (N,O) zu 15 Prozent. Aus NO, das in O,freiem N, gelöst ist, bildet die stille Ent- ladung in der Sıruensschen Röhre N,O; diese Wirkung kann zu der Entstehung des N,O bei der ozonlosen Entladung beitragen. 3. Wirkung des Lichtbogens auf trockne atmosphärische Luft. Es wurde ein Hochspannungs-Wechselstromlichtbogen zwischen Platin- elektroden bei einer Potentialdifferenz von ungefähr 2000 Volt in einem Glasgefäß eingeleitet, welches sich bald mit den braunen Dämpfen des NO, füllte. In dem Absorptionsspektrum des Gases wurden nur die drei Absorptionsstreifen des NO, bzw. N,O, gefunden; andere Stickoxyde bilden sich also hier nicht. ! Der eine der beiden (Fig. 5) dargestellten Versuche eignet sich wegen zu starker Absorption nicht für diese Berechnung. 154 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. Eine Klassifikation der Kaustobiolithe. Von Prof. Dr. H. Poroniz. (Vorgelegt von Hrn. Branca.) b+ der entscheidenden Wichtigkeit, welche die Klassifikation der rezenten Kaustobiolithe' für diejenige der fossilen und deren Genesis besitzt, gebe ich im folgenden eine ganz kurze Übersicht der Ergeb- nisse meiner langjährigen hierauf bezüglichen Studien in möglichster An- lehnung an die bisher gebräuchliche Klassifikation und Terminologie. Die flüssigen oder festen, brennbaren, kohlenstoffhaltigen fossilen, subfossilen oder nach ihrem Absterben gebildeten rezenten Produkte der Lebewesen — kurz gesagt die Kaustobiolithe — zerfallen in drei große Kategorien, nämlich: I. in Sapropel- (Faulschlamm-) Bildungen, essın Humusbildungen, II. in Liptobiolithe (Harz-, Wachsharz- und verwandte Bildungen). I. Sapropelgesteine. Die Sapropelgesteine sind besonders Sapropelite, wobei »Pelit« nur auf die feine, tonartige Beschaffenheit hinweist. Ein Sapropelit kann ganz rein sein (ausschließlich aus organischen Resten hervor- gegangen), oder kann noch anorganische Bestandteile, ebenfalls von Pelitnatur enthalten. Wo die Sapropelgesteine viele psammitische Be- standteile haben, ist von Sapropsammiten zu sprechen, die weit seltener sind. Lagerstätten von Sapropelgesteinen sind vor allem stagnierende bis halbstagnierende Wässer. Sind sie mit Sapropel oder Sapropel enthaltenden Sedimenten vollständig erfüllt, so haben wir sehr ge- fährliche Sümpfe. ! Von kavsros, brennbar, im Gegensatze zu den Akaustobiolithen (wie z.B. Korallenriffkalk), die nicht brennen bzw. keine brennbaren Bestandteile mehr enthalten. H.Poronız: Eine Classification der Kaustobiolithe. 155 Sapropel entsteht aus den im Wasser lebenden tierischen und pflanzlichen Organismen, unter denen die Planktonten die hervor- ragendste Rolle spielen. Auch in bewegtem Wasser, vorausgesetzt, daß die sapropelbildenden Teile schnell etwa durch Tonsediment zur Einbettung gelangen, kann ein Sapropelit entstehen. Die abgestorbenen Organismen und die Exkremente der Tiere sammeln sich am Grunde der Gewässer an, wo sie oft mächtige Schichten bilden, die jedoch stets, wenn auch zuweilen nur untergeordnet, Driftbestandteile ent- halten; so findet sich so gut wie immer im Sapropel Blütenstaub von Windblütlern. Im Gegensatze zu den Humusbildungen, deren wesentliche Urmaterialien Kohlenhydrate sind, spielen in den Sapropelurmaterialien die Fette und wohl auch die Proteine eine besondere Rolle, und zwar in beiden Fällen in demselben Sinne. D. h. die genannten Stoffe üben einen wesentlichen Einfluß auf die entstehenden Kaustobiolithe aus, indem die sich zer- setzenden Kohlenhydrate anders charakterisierte Gesteine ergeben als Urmaterialien, die weniger Kohlenhydrate, dafür aber relativ viel Fett- substanzen enthalten, deren Zersetzung daher auch andere Produkte liefert. Wo — kurz gesagt — einerseits Kohlenhydrate, andererseits Fette stark vertreten waren, werden auch die resultierenden Kausto- biolithe dementsprechend voneinander abweichen. Humus und Sa- propel sind daher chemisch verschieden. Es soll nur dann von Sa- propel gesprochen werden, wenn der organogene Schlamm noch wirk- lich oxydierbare (brennbare) kohlenstoffhaltige Teile enthält; sind diese bereits ganz oder fast ganz oxydiert, so können zwar immer noch wesentlich organogene Bestandteile zurückbleiben, z. B. beim Diatomeenpelit die Schalen, aber dieser Rest ist kein Sapropel mehr, sondern tritt zu den Akaustobiolithen über. Saprokoll (Faulgallerte) ist älteres, fest-gallertig gewordenes Sapropel, es sei denn, daß sich in dem Gestein sehr zahlreiche Ske- letteile, z. B. Diatomeenpanzer, befinden, wodurch die gallertige Kon- sistenz naturgemäß sehr wesentlich herabgemindert werden kann. Von fossilen Sapropeliten gehören hierher die reinsten tertiären Dysodile und die reinsten paläozoischen usw. Oannelkohlen. Bogheadkohlen sind meist so »aschereich«, daß sie oft fossile Sapropeltone sind. Die fossilen, aus Sapropel hervorgegangenen Kohlen (Sapanthrakone) sind Mattkohlen. Sapropel- (Saprokoll-) Torfe bzw. Torfsapropele (-sa- prokolle) nennen wir solche Kaustobiolithe, die sowohl in auffälli- ger Weise Sapropel- als auch Torfbestandteile enthalten, und zwar kann man unterscheiden: ı. Streifentorfe, bei denen schwache Saprokoll- und Torflagen miteinander abwechseln. 2. Sumpftorfe, 156 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. deren Struktur, da die Sapropel- mit der Torfbildung gleichzeitig einhergeht, homogener als die von Streifentorfen ist. 3. Doppleritsa- propel bzw. -saprokoll, der ein Sapropel bzw. Saprokoll mit reich- lichem Humussäure- bzw. Schlämm- und Schwemmtorfzusatz ist. — Von fossilen Sapropeliten wären die Streifenkohlen fossile Streifen- torfe, gewisse »Pseudocannelkohlen« fossile Sumpftorfe bzw. fossile Doppleritsapropele. Diatomeensapropel bzw. -saprokoll nennen wir einen Sa- propelit, in welchem die Diatomeen gegenüber allen anderen Bestand- teilen ganz außerordentlich überwiegen, so daß sie die Hauptmasse ausmachen. — Diatomeenpelite umfassen sowohl die Diatomeen- sapropele bzw. -saprokolle als auch die aus bloßen Diatomeenschalen zusammengesetzten Gesteine, die brennbare organische Materialien nicht mehr enthalten. Sapropel- (bzw. Saprokoll-) Kalk oder Kalksapropel (bzw. -saprokoll) ist Sapropel mit vielem oder weniger organogenem Kalk und dem von Pflanzen niedergeschlagenen Kalk. — (Bei sehr geringem oder fehlendem Sapropelgehalt haben wir den Seekalk [wenn das Material am Grunde von Gewässern auftritt] oder Moorkalk bzw. Wiesenkalk [wenn verlandetes Wasser von Torf eingenommen wird, unter dem sich nunmehr das Material vorfindet]. Streng genommen gehören diese als Akaustobiolithe nicht hierher.) Häufig ist bei diesen Gesteinen ein mehr oder minder reichlicher Gehalt an Diatomeen, die bei ihrer Auffälligkeit unter dem Mikroskop zu einer Verwechslung mit Diatomeenpelit geführt hat. Hierher ge- hört z.B. die sogenannte »Berliner Infusorienerde« EHRENBERGS, bei der es sich um Diatomeen führenden Sapropelkalk (und Saprokollkalk) handelt. — Fossile Sapropelkalke usw. sind die bituminösen Kalke. Sapropel- bzw. Saprokollerden sind Sapropelite mit Ton-, oder Sand- oder Mergelzusatz. Im Schlammzustande sind sie oft so sapropelähnlich, daß sie sich nur unter dem Mikroskop und chemisch zu erkennen geben; lufttrocken hingegen sind sie andererseits oft wieder nicht von sapropellosen Tonen, Sanden oder Mergeln zu unter- scheiden. Wenn es sich um dunkel gefärbte Sapropelite handelt, ist oft die wesentliche, starke Aufhellung bemerkenswert, nament- lich wenn der Schlamm Einfach-Schwefeleisen (FeS) enthielt. (Reine Sapropelite dunkeln im Gegensatz hierzu oft nach). — ı. Sapropelton sieht meist aus wie Ton, da die Sapropelbestandteile oft nicht oder kaum färben; jedoch ist der Sapropelton von sehr weicher (halbflüssiger), schlammiger, gallertiger Konsistenz. Derzeitig werden sowohl der Sapropelton wie der kein Sapropel enthaltende Ton beide zusammen- geworfen und meist als Schlick bezeichnet. Beim Erhitzen unter H.Poronıe: Eine Classifieation der Kaustobiolithe. 157 Luftabschluß wird der Sapropelton aber durch den Destillationsrück- stand (Kohlenstoff) des Sapropels schwarz, wodurch das Gestein als Sapropelton leicht von bloßem Ton unterschieden werden kann. Wenn man ganz sicher gehen will, wird man eine mikroskopische Unter- suchung vorangehen lassen. Je nach dem geringeren oder höheren Tongehalt gewinnen die Sapropeltone die von dem lufttrockenen Sa- propel her bekannte hohe Festigkeit oder sie zerfließen in Wasser ge- tan wie Ton. — Von fossilen Sapropeliten gehören die bituminö- sen Schiefertone und Tonschiefer hierher (Posidonomyenschiefer usw.). — 2. Sapropelsand kann flüssig-gailertig sein, da der Sand — meist Feinsand — im Sapropel suspendiert ist. Lufttrocken — oder wenn er in der Natur den ,Schlammzustand verlassen hat (z. B. in Profilen) — sieht er aber wie Sand, gewöhnlich Feinsand, aus und ist hell, gewöhnlich hellgrau bis dunkelgrau. Besonders wenn es sich um Feinsand handelt, ist der Sapropelsand im lufttrockenen Zu- stande locker, porös, zuweilen so stark porös, daß man einen stark ausgelaugten Feinsand oder einen Diatomeenpelit vor sich zu haben glaubt. Beim Erhitzen unter Luftabschluß wird er aber wie der Sa- propelton durch den Destillationsrückstand schwarz. Eine vorherige mikroskopische Untersuchung ergibt natürlich figurierte Sapropelbe- standteile (z. B. u. a. auch Diatomeen, wodurch eine Verwechslung mit Diatomeenpelit erst recht möglich ist). Die lockere Beschaffen- heit des nieht mehr im Schlammzustande befindlichen Sapropelsandes bedingt die leichte vollständige Zersetzung der Sapropelbestandteile. Die Sapropelsande zeigen also nach dem Gesagten lufttrocken nichts von der bedeutenden Festigkeit des lufttrocknen Sapropels, sondern zerfallen sehr leicht. II. Humusgesteine. A. Lagerstätten. Bildung von Humus findet statt: a) auf den Böden, und zwar auf nassen und trocknen, b) untergeordnet in dem Boden durch sich zersetzende oder solche Pflanzenteile, die in frischem Zustande von Sedimenten eingebettet werden. Diese Bildungsstätten können zu Humuslagerstätten führen, und zwar sind die wichtigsten derselben die Moore. Es gibt aber auch Humusvorkommen, die nicht gleich- zeitig die Bildungsstätten sind, wo nämlich fertiger Humus einen Transport erlitten hat und zum Wiederabsatz gelangt ist. Moore sind Gelände mit Humusboden; der Humus ist entweder unter Wasser oder auf nassem oder vernäßtem Boden entstanden und muß in reichlicher Menge vorhanden sein. -— Wo die Bodenbeschaffen- 158 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. heit sumpfig ist, wird man von einem Moorsumpf sprechen, im Gegensatz zu einem Sapropelitsumpf. Wo die Humus- (Torf-) Ent- wicklung schwächer ist, das Gelände nur einen etwas moorigen Boden besitzt, sprechen wir von einem anmoorigen Gelände oder Boden. Die verschiedenen Moorarten charakterisieren sich durch Unterschiede in ihrem Vegetationsbestande. Die meisten unserer Moore sind na- mentlich durch die im Interesse ihrer Bewirtschaftung vorgenommenen mehr oder minder weitgehenden Entwässerungen nicht weiter Humus produzierende oder nur unwesentlich zunehmende, bei überwiegendem Verwesungsprozeß sogar an Humus abnehmende »Tote Moore«. Bei den »Lebenden Mooren« hingegen findet eine durch Wachs- tum erfolgende gleichmäßige Humusvermehrung statt. — Wir unter- scheiden 1. Flachmoore. Sie entwickeln sich, wo tellurisches (für die Pflanzen nährstoff- reiches) ruhiges Wasser vorhanden ist; das ist in erster Linie in den Niederungen der Fall, wo die Flachmoore Ausfüllungen mit ebenen oder nahezu ebenen Oberflächen bilden. Bei dem vorhandenen Nah- rungsreichtum entwickeln sich auf den Flachmooren große Pflanzen mit reichlicher Stoffproduktion. Je nach der Art der zur Verfügung stehenden anorganisch-mineralischen Nahrung kann man Eisenmoore und Kalkmoore unterscheiden. Die Flachmoore treten in verschiedenen Typen auf; sie können z. B. entwickelt sein als Flachmoorsümpfe, d. h. als Sümpfe, die in Flachmoorbildung begriffen sind. Die Flachmoorsümpfe können Übergänge von der Sapropelitsumpfform zur eigentlichen Moorform sein. Bei einer Verlandung eines Wassers oder Sumpfes durch Sumpf- und Moorpflanzen erzeugen diese auf der Oberfläche vom Rande des Wassers oder Sumpfes aus eine schwimmende Decke, die, indem sie von Jahr zu Jahr mächtiger wird, vertorft und schließlich begehbar werdend ein Schwing(flach)moor wird. Ferner seien erwähnt die Flachmoorwiesen. Die meisten derselben sind bei uns wie auch die meisten nicht moorbildenden Wiesen überhaupt Kunstwiesen im wahren Sinne, die durch das Mähen oder Abweiden als solche erhalten bleiben. Es gibt aber auch Naturwiesen, und zwar in den Überschwemmungsgebieten der großen Flüsse. Hochwasser vernichten alljährlich alle oberirdischen Teile; Ge- hölze werden durch Eisgang zerstört. So findet gewissermaßen eine natürliche Maht statt. — Wo Flachmoorbildung möglich ist, aber wegen klimatischer Einflüsse Baumwuchs fehlt, tritt ebenfalls natürliche Wiesenbildung auf; ebenso wie dort, wo ein Baumwuchs aus anderen H. Poronıe: Eine Classification der Kaustobiolithe. 159 Gründen hintangehalten wird, wie z.B. in absolut stagnierendem Wasser, das von unserem Hauptflachmoorbaum, der Erle (Alnus glutinosa), nicht vertragen wird. Eine besondere Wichtigkeit haben die Flachmoorwälder. Wo die Einflüsse, die zur Flachmoorwiesenbildung führen, nicht zur Geltung kommen, sehen wir Flachmoorwaldbildung eintreten. Die Bewaldung von Mooren findet bei uns vorwiegend durch Erlen statt: Erlenmoore. Es gibt auch Eichenmoore, bestanden mit (Quercus pedunculata, Fichtenmoore, bestanden mit Picea excelsa, Birken- moore, bestanden mit Betula pubescens usw. oder mit Mischbeständen. Die fossilen Kohlenlager, insbesondere die Steinkohlen- und Braunkohlenlager, sind allermeist fossile Waldflachmoore. 2. Zwischenmoore. Zwischenmoore tragen Pflanzengemeinschaften, die teils dem Flach- moor angehören, andernteils aber für das Zwischenmoorstadium cha- rakteristisch sind. Hierhin gehören Ledum palustre (in der östlichen Hälfte Norddeutschlands) und Andromeda calyculata (in Ostpreußen) sowie Mwyrica gale (wesentlich im westlichen Teil Norddeutschlands) und andere. Da bei der durch Torfbildung stattfindenden Boden- anhöhung in den Flachmooren aus diesen dadurch ein nahrungs- schwächeres Moor, ein Zwischenmoor werden kann, indem es sich durch die Bodenanhöhung allmählich den Einflüssen des Grundwasser- standes entzieht, so kommt als eigentümliches Merkmal für die Zwi- schenmoore hinzu, daß vermöge der größeren Trockenheit des Bodens gegenüber dem Boden der Flach- (und Hoch-) Moore sich auch gern eine Anzahl Waldpflanzen unserer nichtmoorigen Wälder einfinden. Dort, wo sich auf den Zwischenmooren Wasser ansammelt, sind Scheuchzeria palustris und Rhynchorpora alba so recht zu Hause. Von Carices sind die Parvocariceten für die Zwischenmoorbildungen cha- rakteristisch, während Magnocariceten dies für Flachmoorbildungen sind. Von Bäumen sind bei uns besonders die Kiefer (Pinus silvestris) und Betula pubescens vorhanden. 3. Hochmoore. Hochmoore entwickeln sich, wo atmosphärisches (für die Pflanzen nährstoffarmes) Wasser oder hinreichende Luftfeuchtigkeit vorhanden sind; das ist in erster Linie auf ausgelaugten (nährstoffarmen) Böden und auf den Höhen der Fall. Unter der Voraussetzung, daß ein Boden- wasser sehr nährstoffarm ist, tritt ebenfalls die Hochmoorpflanzen- gemeinschaft auf. Das Zentrum großer Hochmoortlächen liegt höher 160 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. (der Unterschied kann mehrere Meter betragen) als der Rand der Moore (daher der Name Hochmoor). Bei dem Nahrungsmangel entwickeln sich auf den Hochmooren kleine Pflanzen mit geringer Stoffproduktion, oder die unter anderen Bedingungen groß werdenden Pflanzen bleiben auf dem Hochmoor kleiner und wachsen wesentlich langsamer. Die Zwischenmoore pflegen relativ schnell in Hochmoor überzugehen. Unter den Pflanzen ist sehr wesentlich das Torfmoos: die Gattung Sphagnum (einige Sphagnum-Arten kommen auch auf Flachmooren vor, aber immer nur untergeordnet). Die Fähigkeit der Arten dieser Gattung, besonders viel Wasser (es kommt das atmosphärische Wasser in Betracht) zu speichern, bedingt eine starke Vernässung des entstehenden Hoch- moores; man könnte die außerhalb des Wassers, auf dem Trockenen lebenden Arten, die ein Wasserspeicherungsvermögen in hervorragen- dem Maße besitzen, deshalb fast als an der Luft lebende Wasser- pflanzen bezeichnen, da sie sich durch ihre besondere histologische Einrichtung, die ihnen zum Leben — um nicht auszutrocknen — so notwendige große Wasserquantität schaffen. Daher vernäßt denn auch ein vergleichsweise trockenes Zwischenmoor, das dem Hochmoor- stadium entgegengeht, wieder stärker. — Von den Zwischenmoor- pflanzen geht eine Anzahl auf das Hochmoor, wo aber viele derselben nicht in derselben üppigen Entwicklung auftreten, wodurch sie an- zeigen, daß geeignetere, d. h. die eigentlichen Wohnstätten für sie bei uns die Zwischenmoore oder ihnen entsprechende Böden sind. So ist es mit den schon genannten Arten Ledum palustre, Andromeda calyculata usw. Besonders wichtig sind bei uns die Sphagnetum-Moore, über- wiegend mit Sphagnum bestanden und außer Krüppelkiefern usw. wenige kleine andere Pflanzenarten dazwischen. Dieser Typus ist für regenreiche oder luftfeuchte Gebiete charakteristisch. Besonders durch Entwässerung gehen aus den Sphagnetum-Mooren Heidemoore her- vor, überwiegend mit Ericaceen, namentlich Calluna vulgaris, bestanden. Sie tendieren in ihrem Vegetationsbestande wieder zum Zwischenmoor. In Gebieten geringerer Luftfeuchtigkeit bzw. wo die Niederschlags- höhe geringer ist, neigen die Hochmoore ebenfalls zum Heidemoor- typus, jedenfalls treten dann die Sphagna zurück, und es drängt sich ein andres Moos, nämlich Polytrichum strietum, etwas stärker hervor. Danach kann man — wenigstens in Norddeutschland — Hochmoore vom Küstenhochmoortypus (Sphagnetum-Moore) und andere vom Binnenhochmoortypus unterscheiden, ohne daß freilich die ersteren nur an den Küstengebieten auftreten. Fossile Kohlenlager, die man als die fossilen Torflager von Hoch- moorbildungen ansehen könnte, haben sich bis jetzt nicht gefunden. H.Poronıe: Eine Classification der Kaustobiolithe. 161 Lagerstätten von Trockentorf-, Moder- und andern humosen Böden treten den genannten gegenüber an Bedeutung so zurück, daß sie hier übergangen werden mögen; sie ergeben sich übrigens aus dem Folgenden. B. Gesteine. Das Wort Humus wird nieht nur von Laien, sondern nicht selten auch von Gelehrten auf jede durch zersetzte Pflanzen- und Tierreste schwarz oder dunkel gefärbte Bodenart angewendet. Es sei daher ausdrücklich hervorgehoben, daß hier unter Humus ausschließlich die Residua der Organismen verstanden werden (d. h. also einschließ- lich ihrer Aschenbestandteile), sofern es sich um kohlenstoffhaltige brennbare Produkte handelt; und zwar ist zu betonen, daß es wesent- lich die Residua von Landpflanzenresten — demnach in erster Linie von Kohlenhydraten — sind, die den Humus bilden. Nur unter- geordnet können Tierreste beigemengt sein. Bei der Humusbildung findet eine ständige Anreicherung von Kohlenstoff in den Substanzen statt. Der Humus ist aus differenten Humusstoffen zusammengesetzt, deren chemische Charakterisierung jedoch noch immer aussteht. Ganz generell heißen die kolloidal im Wasser und in Alkalien löslichen (sich mit diesen wohl verbindenden) Humusstoffe Humussäuren. Gewässer, die dunkle, färbende Humus- säuren in Lösung enthalten, heißen Schwarzwässer. Dopplerit be- steht aus niedergeschlagenen, im bergfeuchten Zustande fest-gallertigen, dunklen Humussäuren. Die Streu (Streudecke), d.h. alle der Zersetzung verfallenden Pflanzenteile des Landes, kann — sofern sie nicht vollständig ver- west — Humusformen erzeugen, die sich in zwei große Gruppen scheiden: in a) Torf und b) Moder. a) Torf. Bei der Vertorfung kann erst Verwesung (d.h. vollständige Zersetzung) und Vermoderung (d.h. Zersetzung bei vermindertem Sauerstoffzutritt) statthaben; nach dem Luftabschluß des Materials findet »Fäulnis« (d.h. Zersetzung bei vollständigem Sauerstoffabschluß) statt, die bei der Entstehung des Torfs in erster Linie in Betracht kommt. Der Torf unterscheidet sich in: ı. Trockentorf, der auf dem Trocknen, und 2. Moortorf, der im Wasser entsteht. Trockentorf besteht aus zusammenhängenden, dicht gelagerten, schneidbaren humosen Massen mit hohem Gehalt an makroskopisch erkennbaren Pflanzenresten. 162 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. Den Moortorf muß man unterscheiden in ı. unreifen Torf oder Rohtorf, der erst im Anfangsstadium der Vertorfung begriffen ist, so daß die ihn zusammensetzenden Pflanzenteile noch frisch sind, 2. halbreifen Torf und 3. reifen oder Specktorf. Er ist ein sehr verbreitetes Übergangsglied zum Dopplerit. Die fossilen, aus reifem Moortorf hervorgegangenen Kohlen sind Glanzkohlen, sofern nicht, wie bei den jüngeren (insbesondere tertiä- ren) Kohlen, durch Harzgehalt eine matte Farbe bedingt wird. Je nach den Pflanzen oder Pflanzenteilen, die an der Zusammen- setzung des Torfes teilnehmen oder ihn wesentlich oder ganz zu- sammensetzen, werden die Namen der betreffenden Pflanzen benutzt, um die Torfarten zu kennzeichnen. Es ist aber dabei zu unterscheiden, ob es sich erstens nur um zwar charakteristische Bestandteile im Torf handelt, die, da sie sich figuriert besser erhalten haben, auffällig ge- blieben sind, die dabei aber nur beschränkter zu dem Torfmaterial beigetragen haben, oder ob zweitens die Bestandteile, die die Namen- gebung veranlassen, aus reinen oder reineren Vegetationsbeständen hervorgegangen sind. Mit Rücksicht darauf, daß die Vegetations- bestände nach den vorherrschenden Arten bezeichnet werden, z.B. als Phragmiteten (nach Phragmites communis), muß man dem Gesagten zu- folge aus solehen hervorgegangene Torfe- auch als Phragmitetum- usw. Torfe bezeichnen, zum Unterschiede von solchen Torfen, in denen zwar die auffälligen Phragmites-communis-Rhizome vorhanden sind, ohne daß aber die Torfe aus Phragmiteten hervorgegangen wären. Diese Torfe sind weiter nichts als Phragmites enthaltende Phragmites- Torfe, die in ihren wesentlichen Bestandteilen aber aus anderen Pflanzen hervorgegangen sind. Die meisten Torfe sind entstanden aus torfbildenden Pflanzen- gemeinschaften, die an Ort und Stelle lebten, wo jetzt der aus ihnen entstandene Torf lagert. Es gibt aber auch allochthone Torfe, nämlich 1. die Schwemmtorfe, entstanden aus gedrifteten, verschwemm- ten, noch unvertorften, abgestorbenen oder im Absterben begriffenen Pflanzenteilen. Hier haben wir den Häckseltorf (aus natürlichem Häcksel hervorgegangenen Torf, d.h. entstanden aus Pflanzenmaterialien, die beim Transport durch mechanische Angriffe zerkleinert wurden). Material, das als Strand- und Uferdrift auftritt und auf dem Lande, wo es hingeraten ist, zu einem Lager aufgehäuft wird, wird leicht Moder, wenn die Ablagerung nicht ausgiebig ist, so daß auch die unteren Partien vor Sauerstoff und weitgehender Auslaugung nicht geschützt sind. Ein spezieller Häckseltorf ist der Driftholztorf, dureh Zusammenhäufung von Holz, auch ganzen Stämmen, entstanden. — Der durch Flözdrift, d.h. unter Wasser, abgesetzte Schwemmtorf H. Poronır: Eine Classification der Kaustobiolithe. 163 erleidet im Wasser gern eine Separation; es gibt dann spezielle Schwemmtorfe, so den Laubtorf, durch Zusammenhäufung von Laubblättern entstanden. Laubtorf kann übrigens auch auf dem Trockenen entstehen, wo der Wind sehr viel Laub zusammentreibt (Laubwehen). Da sich beide Laubtorfarten unterscheiden können, namentlich durch Sapropelgehalt des ersteren, ist es zweckdienlich, beide zu unterscheiden in Wasserlaubtorf und Trockenlaubtorf. 2. Torfe an zweiter Lagerstätte, die in zwei Formen auf- treten, nämlich als Sehlämmtorf, der meist aufgearbeiteter (ausge- schlämmter) und meist unter Wasser wieder abgesetzter Moortorf ist, und Bröckeltorf, der durch die Anschwemmung von Torf’brocken und -fetzen, die, vom Wasser losgerissen, gelegentlich zu Lagern oder Nestern angehäuft werden und durch Sedimentbedeckung er- halten bleibt. — Von fossilen Kohlen gehört zu den fossilen Torfen an zweiter Lagerstätte z.B. die tertiäre »Rieselkohle«. Hier wären auch die Moorausbrüche und -rutschungen zu erwähnen, die große Torfmassen verlagern können. b) Moder. Moder ist in Verwesung und Vermoderung begriffenes Ma- terial. Die Durchlüftung und damit hinreichende Sauerstoffzufuhr wird besonders durch wühlende Bodentiere (in erster Linie bei uns durch Regenwürmer) besorgt. Moder ist also zerkleinerte, zu Humus werdende Streu, welche auf dem Mineralboden lose gelagert aufliegt und ziem- lich leieht weiter zersetzbar ist. — Ein Torf, der sich bei Luftzutritt weiter zersetzt, wird naturgemäß ebenfalls zu Moder. Über Schwemm- moder und Schlämmoder wurde früher berichtet (Sitzungsbericht vom 16. Januar). c) Humuserden!. Humuserden sind anorganische mineralische Erden mit Humus- gehalt oder Humus mit bemerkenswerteren anorganischen mineralischen Beimengungen. Im ersteren Falle spricht man von (schwach, stark) humosen Sanden, Tonen u. dgl., wobei es dahingestellt bleibt, wie die Mischung zustande gekommen ist. Der Zusatz des Wortes »-Erde« zu einem anderen Wort deutet also stets auf ein Mischprodukt von anorganisch-mineralischem Boden mit Humus. Die Humuserden sind zu scheiden in: I. Solehe mit vorherrschender Vermoderung (milde Humus- erden). ! Vgl. hierzu oben das Seitenstück Sapropel- bzw. Saprokollerden. Sitzungsberichte 1908. 15 164 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. Mullerden sind solche Erden, bei denen das organische Material größtenteils verwest ist; es bleibt im organischen Mineralboden nur verhältnismäßig wenig, und zwar gleichmäßig zersetzter Humus zurück, der den Boden so vollständig homogen durchdringt, daß der Humus dem Boden eine einheitliche dunkelgelbe, hellbraune bis schwarze Färbung verleiht. Die Mächtigkeit von Mullerden kann weit über 7 Meter erreichen. Die Humussubstanz der Mullerden heißt Mull; sie trägt den Charakter chemischer Ausfällungen. Die Mischung von Mull mit Mineralboden ist also Mullerde. Man wird demnach unter- scheiden stärker oder schwächer mullhaltige Mullerde. Reine Mull- böden (aus Mull allein bestehende Böden) sind nicht bekannt. Es ist daher sehr darauf zu achten, daß für einen aus Mullerde beste- henden Boden nicht Mullboden, sondern Mullerdeboden zu sagen ist. — Hierher gehören die Ackerböden in ihrem regelmäßig bear- beiteten humushaltigen oberen Teil, viele Waldböden mit bis etwa 5 Prozent (selten mehr) Mull und die Schwarzerdeböden. Modererde ist mit Mineralsubstanz gemischter Moder, unter- scheidet sich demnach von der Mullerde dadurch, daß der Moder noch zum wesentlichen Teil figuriert erhalten ist. 2. Solche mit vorherrschender Vertorfung, d. h. mit = bleiben- dem Humussäuregehalt (mehr oder minder saure Humuserden). Die Moorerden. Moorerde ist ein Gemisch von vertorften und ver- moderten Pflanzenresten mit anorganisch-mineralischen Bestandteilen. Die Bleieherden, Humusorterden. Wo eine Vertorfung ein- getreten ist, wird der Mineralboden unter dem Moortorf bzw. Trocken- torf durch Infiltration von Humussäuren mehr oder weniger stark entfärbt; infolge der Auflösung (Auslaugung) leichter löslicher anor- ganisch-mineralischer Bestandteile (Eisen- usw. Verbindungen), die tiefer geführt, sich dort wieder ausscheiden, bildet sich eine Orterde (bei noch erdiger Beschaffenheit). Bei uns speziell handelt es sich, da in derselben Zone auch die Humussäuren zum Niederschlag kommen, um Humusorterde bzw. — wenn die Erde vollständig zu »Stein« verkittet worden ist — um Humusortstein. Humusort heißt das Gestein im Gegensatz zum Eisenort: Eisenortstein bzw. Eisen- orterde. Zwischen Humusort und Eisenort sind alle Übergänge vor- handen. Man wird typische Mittelbildungen Humuseisenorterde bzw. -stein nennen. Die entfärbte Schicht ist die Bleicherde (spe- ziell z. B. Bleichsand). Sie ist oft durch Humussäuren und ein- geschwemmte Humussubstanz mehr oder weniger stark, unter Um- ständen bleigrau bis schwarz gefärbt, kann aber auch fast gänzlich der Humusbestandteile ermangeln (reine Bleicherde). Es ist darauf hinzuweisen, daß gewöhnlich die unmittelbar unter dem Torf lagernde H. Poronız: Eine Classification der Kaustobiolithe. 165 Bleicherde (das Sohlband) torfiger ist als die dann darunter folgende. Es scheidet sich also in den Profilen die Bleicherde oft merkbar in zwei Horizonte: eine stärker torfige (bzw. humose) obere und eine weniger torfige untere Bleicherde. II. Liptobiolithe'. Die Stoffe, aus denen die Gesteine bzw. Mineralien dieser Gruppe bestehen, sind sehr schwer verweslich, weshalb sie, bei hinreichender Produktion durch die Pflanzen, leicht nach der vollständigen Verwe- sung der übrigen Bestandteile zurückbleiben. Aus einer sehr stark harz- und wachsharzhaltigen Flora können daher die genannten Pro- dukte als Gestein zurückgelassen werden, wie das bei dem rezenten Denhardtit und dem (tertiären) reinen Pyropissit der Fall ist. Hierher gehören also die Harz- und verwandten Bildungen bzw. solche, die durch diese Stoffe wesentliche Eigenschaften gewinnen. Als Beispiele seien erwähnt Kopal, Fichtelit, Fimmenit (durch Ablagerung von Erlenpollen entstanden). Von Fossilien gehört hier- her z. B. der Bernstein und mit dem Fimmenit zu vergleichen der paläozoische Tasmanit (wesentlich aus Sporen zusammengesetzt). Natürlich gibt es hier viele Übergangsbildungen zu den vorausgehen- den Gruppen wie z.B. Harz- (Resinit-) Torfe und diesen entsprechend die Harzkohlen wie die mit Pyropissit gemengte Braunkohle u. dgl. ’ .. ı Von Asırw, zurücklassen. 166 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. Zur Histogenese des Nervensystems. Von Prof. Dr. Oskar SCHULTZE in Würzburg. (Vorgelegt von Hrn. Warpever.) m mehreren im Jahre 1905 erschienenen Abhandlungen habe ich unter Hinweis auf entsprechende Angaben von Barrour, KuprrEr, Done u.a. mitgeteilt, daß periphere Nerven von Vertebraten bis zu einem Stadium zurückverfolgt werden können, in welchem der spätere Nerv noch aus einer einzigen marklosen Faser besteht, die sich als eine Kette weniger bipolarer Zellen oder als ein kernhaltiger Plasma- faden darstellt — ganz entsprechend der Darstellung von ScHuwAnN und der von Köruıker aus dem Jahre 1846. Für den Ramus sup. nervi lateralis vagi konnte ich zeigen, daß die periphere Endzelle einer solchen Einzelfaser bei eben ausgeschlüpften Tritonlarven in der Epi- dermis liegt, aus welcher sie weiterhin in die Tiefe verlagert wird. Es endigt also hier vorübergehend eine sensible Leitungsbahn in einer Epidermiszelle, entsprechend dem vornehmlich durch v. Lexmosser und Rerzıs bei zahlreichen Wirbellosen bekannt gewordenen Dauerzu- stand epidermoidaler Perzeptionszellen und den nunmehr definitiv von Docıer, nachgewiesenen Nervenendzellen in der Epidermis des Am- phioxus. Meine Befunde widersprechen, wie ich hervorhob, der bis- her noch weitverbreiteten Hypothese des freien Auswachsens der Nervenfasern von zentralen Zellen aus und der sekundären Auflage- rung sogenannter Scheidenzellen. Sie nähern sich vielmehr der alten Hrnsenschen Auffassung. Die jungen Nervenfasern meiner Beobachtungen stimmen überein mit den bei der Regeneration eines durchscehnittenen Nerven in dem peripheren Stumpf unabhängig! von dem zentralen auftretenden Fasern, die als kernreiche, noch fibrillenfreie Protoplasmabänder oder »Bandfasern« bekannt sind. T#. Enerrmann hat im Vorjahre der Akademie mikroskopische Beobachtungen an normalen und verletzten ! In dieser Beziehung herrscht erfreuliche Übereinstimmung unter den zahl- reichen Bearbeitern der Nervenregenerationslehre. O.Scaurrze: Zur Histogenese des Nervensystems. 167 Nerven mitgeteilt, welche gleichfalls zugunsten der Lehre sprechen, daß jede periphere Faser nicht als ein Zellausläufer mit einem trophischen Zentrum, sondern als eine Kette genetisch selbständiger Zellen und Zentren zu betrachten ist. Die Frage. wie aus der die Nervenanlage darstellenden Einzel- faser der spätere, viele Fasern enthaltende Nerv wird, mußte ich auf Grund zahlreicher Beobachtungen dahin beantworten, daß unter fort- währender mitotischer Teilung der Kerne der ursprünglichen Einzel- faser sich sowohl das Längen- als das Diekenwachstum der sich neuro- fibrillär differenzierenden Bahn vollzieht. Die wiederholte Prüfung meiner Angaben hat mich in jeder Be- ziehung in meiner Auffassung bestärkt, so daß ich sie — unterstützt durch die folgenden Mitteilungen — vollkommen aufrechterhalte. Das Längenwachstum des Nerven geht unter mitotischer Teilung der die Zellketten bildenden Elemente und unter fortwährender Er- haltung der protoplasmatischen Kontinuität vor sich. Der Kernteilung folgt keine Zellteilung, wie es die Entwicklung einer Leitungsbahn gleichsam erfordert. Die Vermehrung der Fasern — das Diekenwachs- tum des Nerven (abgesehen von dem Diekenwachstum der Fasern) — findet unter Längsspaltung statt. Hierbei ist die mitotische Kern- teilung von Zellteilung gefolgt, wie es die isolierte Leitung erheischt. Das Wachstum des Nerven wird so im Sinne der Zellenlehre auf das allgemein gültige Prinzip mitotischer Teilung der konstituierenden morphologischen Elemente zurückgeführt. Diese Elemente nenne ich deshalb Nervenfaserzellen. Ihre Kerne — die Kerne der bisherigen sogenannten Scuwansschen Scheidenzellen — nenne ich Nervenfaser- kerne. Sie entsprechen genetisch den Muskelfaserkernen. Das Proto- plasma der Nervenfaserzellen wird, wie das der Nervenzellen, Muskel- zellen und Bindegewebszellen, entsprechend fibrillär differenziert. Die Elemente der ersten, rein plasmatischen, noch neurofibrillen- freien vorgebildeten Reizleitungsbahn nenne ich periphere Neuroblasten, weil es keinem Zweifel unterliegt, daß sie die Bildungszellen sind, welehe den Nerv aufbauen. Hern nennt dieselben Zellen »Leitzellen«, aber er nimmt an, daß sie mit der Bildung der Nerven insofern nichts zu tun haben, als sie nur die Bahn abgeben, in welcher von den Zentralzellen aus die Neurofibrillen »vorgetrieben« werden. Insofern als HeLn das freie Auswachsen der Achsenzylinder und deren Hinaus- irren in die Maschen des Bindegewebslabyrinths als irrtümlich er- kannte, hat er sich von der Ausläuferhypothese losgesagt. Aber er glaubt — immer noch unter dem Einfluß dieser durch das in seiner ursprünglichen Form heute als unrichtig erwiesene Warzersche Gesetz eingeschleppten und embryologisch ungenügend gestützten Hypothese 168 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. stehend —, daß nur die Zentralzellen neurofibrillenbildend sind. Eine motorische Vorderhornzelle soll z. B. die ganze, bis meterlange Achsen- fibrillenbahn ohne jede Mitbeteiligung der syneytialen Leitzellenbahn aus sich allein in diese Bahn heraustreiben. Bewiesen ist aber nur, was ich nie bezweifelt habe und was durch die schönen Neurofibrillen- methoden klar gezeigt wird, daß die neurofibrilläre Differenzierung in der Leitzellenbahn zentral beginnt und peripherwärts fortschreitet. Darum ist die bündige Erklärung Hrrvs, daß meine peripheren Neuro- blasten gar keine solchen sind, ganz ungerechtfertigt. Die anfangs fibrillenlosen Zellen sind so gut Neuroblasten, als die den Muskel bil- denden noch fibrillenlosen Zellen Myoblasten sind. Gewiß ist die Untersuchung der neurofibrillären Differenzierung innerhalb der pri- mären plasmatischen Leitungsbahn von großem Interesse. Aber der Neurofibrillenspezialismus -—— sit venia verbo — darf uns nicht zur Einseitigkeit veranlassen. Die wesentliche Aufgabe weiterer Unter- suchung ist die, das zeitliche und örtliche Sichtbarwerden der noch fibrillenfreien Leitungsbahn festzustellen. Hierbei ist die Anwendung der Goreıschen Methode, der Methylenblaumethode und der Neuro- fibrillenmethoden ebenso unzweckmäßig, wie bei der Absehnürung des Medullarrohres oder des Ramus lateralis vagi oder des diffusen Nerven- systems eines Cölenteraten vom Ektoderm. Als ein Hauptgrund gegen die multizelluläre Genese der Nerven- faser wird bekanntlich vielfach die zentrale Faser angeführt, bei welcher zu keiner Zeit »Scnwanssche Kerne« sich finden sollen. Abgesehen von älteren Angaben Ranvırrs sind aber neuere von Paranıno und Frasnıro über die plurizelluläre Genese der zentralen Faser, bei welcher zahlreiche Kerne zugrunde gehen sollen, zu beachten. Auch hier heißt es vor einem definitiven Urteil neue Tatsachen sammeln. Und auch die Wirbellosen mit ihren kernhaltigen Zentralfasern (s. unten) sind nicht zu vergessen. Die auf die Histogenese gegründete Auffassung der peripheren markhaltigen Nervenfaser der Vertebraten als eine Zellkette, in welcher nur an den Einschnürungen teilweise Zellgrenzen zur Ausbildung kommen, legte eine erneute Untersuchung der Nerven der Wirbellosen nahe. Das Literaturstudium ergibt ohne weiteres, daß hier ein über- sichtliches Verständnis sehr fehlt. Ich benutzte einen mehrfachen, zum Teil mit der gütigen Unterstützung der Akademie unternommenen Aufenthalt an der See zu entsprechenden Studien'. ! Den HH. Corı in Triest, Heıncke, HarırLaug und EurenBAaum auf Helgoland b} > sage ich auch an dieser Stelle herzlichsten Dank für Ihr liebenswürdiges Entgegen- kommen. O. Scauvtze: Zur Histogenese des Nervensysteims. 169 Unter den wenigen markhaltigen Nervenfasern der Wirbellosen gehören zu den auffallendsten zweifellos die von Rerzıus zuerst be- schriebenen Fasern der Garnelen. Ich konnte sie zwar nicht, wie der schwedische Forscher, bei Palaemon squilla, sondern bei Orangon vulgaris (Helgoland) untersuchen. Die frisch in Kochsalzlösung zerzupften Konnektive des Bauch- markes lehren ohne weiteres, daß es sich um markhaltige Nervenfasern von sehr verschiedenem Durchmesser (bis zu 90 a) handelt, an denen alle Erseheinungen der sogenannten Markgerinnung zu beobachten sind. Wie Rerzıus, so finde auch ich außer der Markscheide keine Hülle. Die oft variköse Beschaffenheit der feinen Fasern erinnert ganz an die Fasern des Zentralorgans der Vertebraten. Aber trotz des Feh- lens des Neurilemmas und der Einschnürungen sind die Fasern reich- lieh mit Kernen, die nach innen von der Markscheide liegen, ver- sehen. Das lehren schon die frischen Fasern, deutlicher aber Quer- sehnitte von Osmiumpräparaten mit geschwärzter Markscheide. Hier wird es vollends klar, daß die Kerne nicht zu einer Scmwannschen Scheide oder zu Hüllzellen gehören, denn die Scheide fehlt, die Kerne gehören zur Nervenfaser. Die Nervenfaser ist ein vielkerniges, von einem Mark- mantel umhülltes neurofibrilläres Syneytium. Jeder Gedanke an sekundär aufgelagerte Hüllzellen scheint hier vollends als eine willkürliche Konstruktion. Zudem handelt sich hier auch um zen- trale Fasern. Schon Rerzıus hat die Lage der Nervenfaserkerne in diesen Fasern beschrieben und darin »eine in der Tat ganz eigentüm- liche Erscheinung« gefunden. Übrigens ist das Bauchmark trotz des Nervenmarkes in fast allen Fasern ganz blaß, wie denn überhaupt die weiße Beschaffenheit auch im Vertebratenmark und den peripheren Nerven von Säugern und dem Menschen durchaus nicht mit dem Auf- treten des Nervenmarkes zeitlich zusammenfällt. Meine Untersuchungen der Nervenmarkbildung lehren z. B., daß das Rückenmark mensch- licher Föten vom fünften Monat sowie der N. medianus und andere Nerven trotz der grauen Beschaffenheit schon voll markhaltiger Fasern sind, und zwar finden wir solche im Rückenmark bereits in allen Hauptsträngen. Im Jahre 1863 hat Warpever bei den Nerven der Wirbellosen zwei Haupttypen unterschieden, nach welchen sich die von ihm zuerst Achsenfibrillen genannten Neurofibrillen der peripheren Nerven zu diesen vereinigen. Es ist das eine prinzipiell wichtige Unter- scheidung, die heute kaum mehr Beachtung findet. Bei dem ersten Typus, den Warpever sehr richtig als den unvollkommeneren be- zeichnet, sind in dem Nerven alle Fibrillen zu einem einzigen, kern- 170 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. reichen, von einer Hülle umgebenen Bündel vereinigt: der Nerv zer- fällt nieht in Einzelfasern. Der zweite Typus faßt alle diejenigen Nerven zusammen, in welchen Gruppen von Achsenfibrillen — Achsen- zylinder —, wie bei den Vertebraten, von einer Hülle umgeben werden: der Nerv besteht aus Nervenfasern. Beide Formen können, wie schon Warprver beschrieb, bei nahe verwandten Gruppen vor- kommen. Sehr auffallend finde ich den Unterschied im Bereich der Mollusken, wo sich bei Lamellibranchiern und Gasteropoden, soweit meine Beobachtungen und das Literaturstudium lehren, nur Nerven des ersten unvollkommeneren Typus, bei den Cephalopoden jedoch solche des zweiten Typus finden. Der erste Typus entspricht durch- aus dem frühen Stadium der Wirbeltiernerven, in welehem diese aus einem Bündel von Achsenfibrillen bestehen, ohne daß bereits aus Hülle und Achsenzylinder bestehende Nervenfasern ausgebildet sind. Von Gephalopoden untersuchte ich Eledone moschata und Sepiola Rondeletiü (Triest) sowie Loligo vulgaris (Helgoland). Zerzupft man den frischen, zum Ganglion stellatum verlaufenden Nerv oder die von dem Ganglion ausstrahlenden Nerven von Eledone in Kochsalzlösung unter dem Doppelmikroskop, so hat man durchaus den gleichen Eindruck wie bei dem Zerzupfen eines peripheren Wirbel- tiernerven, indem der Nerv sehr leicht in zahllose weiche und blasse, je- doch von schmalen glänzenden Konturen begrenzte Fasern zerfällt. Bei starker Vergrößerung erscheinen die Fasern deutlich doppeltkon- turiert, der Achsenzylinder in günstigen Fällen — bei weitem nicht in allen Fasern — und bei günstiger Beleuchtung außerordentlich fein fibrilliert. Einzelne spindelförmige Kerne sind frisch sichtbar, besser und mehr natürlich nach Essigsäurezusatz. Querschnitte ge- färbter Osmiumpräparate zeigen die dünne, glänzende, nicht durch Osmium geschwärzte Hülle in doppelter Konturierung, an deren Innen- fläche die Kerne liegen. Bei meiner Osmium-Hämateinfärbung, welche für den Nachweis der ersten Spuren des Nervenmarks bei Wirbel- tieren ausgezeichnete Resultate liefert, erscheint auch diese Hülle der Cephalopodennervenfasern dunkelschwarz, im Gegensatz zu den grauen Achsenfibrillen und der grauen Bindesubstanz (an Schnitten unter 5 a). Diese Reaktion sowie das optische Verhalten, welches diese Fasern als »dunkelrandig, doppeltkonturiert« erscheinen läßt, möchte uns ver- anlassen, die Fasern als markhaltig zu bezeichnen. Die Hülle einfach als Neurilemma aufzufassen, scheint mir unstatthaft, da wir ein der- artiges Neurilemma sonst nicht kennen. Ist es aber Mark, so würden kernführende markhaltige Fasern ohne Neurilemma vorliegen. Sie würden sich von den Garnelenfasern nur durch die viel dünnere Mark- hülle unterscheiden. Das Ausbleiben der Osmiumreaktion spricht nicht O.Scaurrze: Zur Histogenese des Nervensystems. 17 unbedingt gegen das Vorhandensein von Nervenmark. Denn wir wissen seit den klaren Ausführungen von Gap und Hrymans, daß nur das Myelin als einer von mehreren Bestandteilen des Nervenmarks die Schwärzung bedingt, daß aber das Myelin durchaus nicht in allen mark- haltigen Fasern vorhanden ist, vielmehr Nervenfasern mit myelinhaltiger neben solchen mit myelinfreier Markscheide zu unterscheiden sind'. Die Nervenfasern von Sepiola, die ich an Quer- und Längs- sehnitten der in die Flosse eintretenden Nerven untersuchte, verhalten sich, soviel ich bisher beurteilen kann, so wie die von Äledone. Das- selbe gilt von Loligo vulgaris. Die frischen Fasern zeigen, in See- wasser zerzupft, die glänzende doppeltkonturierte Scheide sowie platt- ovale Kerne. In manchen Fasern finden sich glänzende Tröpfehen von dem gleichen optischen Verhalten wie die Hülle, so daß man an die sogenannten Gerinnungsbilder (»Myelinformationen«) des Nerven- marks bei Vertebraten erinnert wird. Aber auch hier tritt durch Osmiumsäure weder Schwärzung der Hülle noch jener Tropfenbildungen ein. Querschnitte der zum Ganglion stellatum laufenden, mit Osmium- säure konservierten Nerven zeigen Kaliberunterschiede von Nerven- fasern, wie sie bei Wirbeltieren nie zur Beobachtung kommen. Die stärksten kommen den markhaltigen Riesenfasern im Bauchmark von Anneliden gleich. Zwischen ihnen, die etwa 120 u im Durchmesser haben, und den Fasern von nur ı u Stärke existieren alle Übergänge. Kleinere und mittelstarke Fasern zeigen, wenn der Kern überhaupt getroffen ist, immer nur einen solchen; die großen Fasern können in einem (uerschnittbild 3—4 Kerne enthalten. Die Kerne liegen nach innen von der doppeltkonturierten Hülle. In dünneren Fasern füllt der Kern im Querschnitt oft die halbe Faser aus. In dem Achsenzylinder liegen die sehr feinen Fibrillen dicht beieinander, nur hier und da unterbrochen durch mit Hämatein sehr dunkel gefärbte Granula (Neurosomen), wie der Vergleich von Längs- und Quersehnitten ergibt. Bei schlechter Konservierung ist hier, wie allgemein bei der Fixation von Nervenfasern, leicht zu beobachten, daß die sehr zarten Achsenfibrillen im Zentrum der Faser bis zu einem verhältnismäßig feinen Faden zusammenschrumpfen, ähnlich der Chromsäurewirkung auf die Vertebratennervenfaser, so daß dann der Eindruck einer einzigen dieken Fibrille entsteht. Wie die Nerven der Cephalopoden, so sind auch die der großen Crustaceen, von denen ich Cancer pagurus und Homarus untersuchte, aus röhrenförmigen Fasern mit relativ diekem, aus zahllosen Achsen- ! Die Weıcerrsche Färbung konnte ich bisher nieht anwenden. Ist sie aber eine ausschließliche Myelinreaktion ? 172 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. fibrillen zusammengesetztem Achsenzylinder und dünner, doppelt kon- struierter Hülle von starker Lichtbreehung aufgebaut. Als bequemes Objekt habe ich den in der Scherenextremität unschwer zu finden- den starken Nerven benutzt. Schon Enrengere und Remax haben bekanntlich das Vorhandensein markhaltiger Fasern bei Astacus be- hauptet. Es ist leicht zu bestätigen, daß die Fasern des Bauchmarks und des Scherennerven von Asiacus dem optischen Verhalten der Hülle nach zu urteilen den markhaltigen Fasern nahe stehen. Auch sind im frischen Zupfpräparat die Fasern oftmals ganz erfüllt von glänzenden tropfenartigen Bildungen, die an die »Myelinformationen « erinnern. Hier aber unterbleibt, wie auch bei Cancer und Homarus, die Osmiumreaktion, auch nach tagelanger Einwirkung der Säure. Am Querschnitt des Nerven erkennt man, daß er durch Bindegewebe in Bündel zerfällt. Der Diekenunterschied der Fasern ist auch hier viel auffallender als bei dem Vertebratennerv. Bei den feinsten Fasern bis unter ı u Durchmesser — die stärksten messen im Scherennerv von Fomarus ı1o a — lassen sich noch Hülle und Achsenzylinder an tadellosen Quersehnitten nachweisen. Die Neuro- tibrillen sind außerordentlich fein und nur bei guter Osmiumkonser- vierung so zu sehen, wie sie sich an günstigen Fasern auch im frischen Präparat zeigen. Wie bei Crangon und Palaemon liegen die Kerne nach innen von der stark lichtbrechenden Hülle. Ob diese aber in Übereinstimmung mit den Angaben Frırprinpers über die Hülle der Fasern von Squilla mantis, die zu untersuchen ich noch keine Gelegenheit hatte, als Mark zu betrachten ist, muß ich dahin- gestellt sein lassen. Die Osmium-Kaliumbichromat-Hämateinfärbung färbt zwar die Hülle tiefschwarz — schwärzer als die übrigen Ele- mente des Querschnitts, wie dünnste Schnitte lehren —, aber die Werserrsche Markscheidenfärbung hat mir keine positiven Resultate geliefert. Auch unter den Anneliden (Hirudo, Aulostomum, Pontobdella, Lumbricus) finden wir röhrenförmige Fasern des vollkommeneren Typus. Bei Zumbrieus hat bekanntlich Levoıe zuerst die markhaltigen Riesen- fasern des Bauchmarkes richtig erkannt. Ich schließe mich Frırn- LÄNDER, der diesen Fasern noch die markhaltigen Fasern von Masto- branchus anreihte, insofern an, als ich die Frage, ob die röhren- förmigen Fasern des Bauchmarkes von Lumbrieus allgemein als mit dünner markhaltiger oder markähnlicher Hülle versehen zu deuten sind, für unentschieden halte. Für die Beobachtung peripherer sensibler Verzweigungen fand ich in den Elytren von Lepidastenia, Polynoe, Hermione und Aphro- dite ein vortreffliches Objekt. Hier handelt es sich nieht mehr, wie ah %s O.Scaurrze: Zur Histogenese des Nervensystems. 173 in den Hauptstämmen — wie bei den Vertebraten —, um röhren- förmige Fasern, sondern um »marklose Fasern«. Sie führen reichliche Nervenfaserkerne, sind deutlich feinfibrilliert und entbehren der Hülle. Besonders nach dem freien Rande der Elytren hin bilden sie ein zartes Netz mit unregelmäßig polygonalen Maschen, das ganz an das sensible Zellennetz (syneytiale Netz) der Amphibienlarven und vieler Wirbel- losen erinnert und diesem homolog sein dürfte. Fasse ich alles zusammen, was mir meine bisherigen Unter- suchungen der Nerven der Wirbellosen ergeben haben: Bei Wirbel- losen kommen, ebenso wie bei den Vertebraten, zweierlei Nerven in weiter Verbreitung vor. Die eine Form ist die vollkommenere. Sie besteht aus röhrenförmigen Nervenfasern mit Inhalt (Achsenzylin- der) und stark lichtbrechender Hülle, die in manchen Fällen — wo sie sehr stark ist — zweifellos, in vielen — bei geringerer Dieke — fraglicherweise markhaltig ist. Die zweite Form der Nerven besteht aus einem oder mehreren Bündeln von Neurofibrillen mit ein- oder angelagerten Kernen — röhrenförmige Fasern, aus Achsenzylinder und Hülle bestehend, fehlen'. Sie lösen sich peripherwärts in einzelne Neurofibrillen auf. Diese Form stellt den primitiveren Typus, die Vorstufe der ersten Form, dar und tritt in der Ontogenese der Haupt- stämme der Vertebratennerven vorübergehend auf, bleibt aber auch bei den Wirbeltieren peripher und in gewissen Teilen des Sympathi- cus dauernd bestehen. Die gewöhnliche Angabe, welche die Nerven- fasern der Wirbellosen allgemein mit Sympathicusfasern und denen des N. olfactorius der Wirbeltiere zusammenfaßt und den markhalti- gen Fasern der letzteren gegenüberstellt, bedarf einer wesentlichen Berichtigung. Denn es stehen z. B. die Nervenfasern der Haupt- stämme bei Cephalopoden, Anneliden und Urustaceen den markhalti- gen Fasern der Vertebraten viel näher als den Riechnervenfasern der letzteren und den Milznervenfasern der Wiederkäuer. Eine erneute Untersuchung des Baues der peripheren Nerven des Amphioxus lanceolatus mußte mir unter den obwaltenden Umständen besonders erwünscht sein. Trotz der zahlreichen ausgezeichneten Dar- stellungen des Amphioxus-Nervensystems, von denen ich nur aus neue- rer Zeit diejenigen von Hrymans und van DER Stricnt, FUSARı, Rerzıus und Docırr anführe, vermissen wir bestimmte Angaben über den Bau der Nerven. Denn die Methylenblau-, die Gold- und die Gorsısche Methode können, so unschätzbar sie für das Studium der Verteilung der Nerven sind, die rein histologische Frage des Baues nicht be- ! Auf die in den letzten Jahrzehnten durchaus unklar gewordene Bezeichnung »Remaxsche Faser« kann ich hier nicht eingehen. 174 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. friedigend beantworten, ebensowenig wie die einfache Angabe es ver- mag, daß die Nerven aus »marklosen Fasern« bestehen. Etwas mehr befriedigt schon die Darstellung, daß die Arnphioxus-Nerven aus Fibrillen und eingelagerten Kernen bestehen. Zur ersten Orientierung über das periphere System gibt es keine bessere Methode als die, die lebenden Amphioxen in mit Methylen- blau gefärbtes Seewasser zu bringen (0.1—0.5 Prozent). Auffallend ist hierbei gegenüber dem sonstigen Verhalten, daß in den größeren Stämmen die Färbung mehr durch die Imprägnierung zahlloser Gra- nula in den Nerven als durch die der Neurofibrillen zustande kommt, wie dies schon Rerzıus beobachtete. Auch sonst tritt die vitale Gra- nulafärbung in den Zellen in ähnlicher Weise hervor, wie ich dies früher bei Amphibienlarven beschrieb — aber die Nervenfärbung herrscht vor. Die Frage von dem Bau der Nerven kann, wie allgemein, nur mit der Osmiumkonservierung befriedigend gelöst werden. Ich wandte sie sowohl bei der kleinen Nordseeform als bei Exemplaren aus dem Mittelmeer an und ließ ihr die Kaliumbichromateinwirkung be- hufs besserer Nachfärbung folgen. Die unter der äußersten Corium- schicht gelegenen Endbäumchen der dorsalen Nerven treten in tief- schwarzer Färbung im Flächenbild nach Hämateinfärbung sehr schön hervor, jedoch sind die einzelnen Neurofibrillen und die Kerne wenig deutlich, solange man nicht zu feinen Quer- und Längsschnitten greift. Am besten erwies sich mir Totalfärbung der mit Osmium und Ka- liumbichromat behandelten Tiere mit Karminfarbstoffen, an denen sich unter dem Doppelmikroskop die gewünschten Nervenpräparate durch Präparation gewinnen lassen zur Untersuchung in schwach licht- brechenden Medien. Quer- und Längsschnitte stärkerer Nerven er- hält man leicht von den beiden in der Längsrichtung des Tieres zum Rostrum laufenden ersten »Hirnnerven« und den starken ventra- len Ästen der Dorsalnerven, die mit einem Teil der anhaftenden Muskulatur durch Rasiermesserschnitt der Seite des Tieres entnommen werden. In den peripheren Nerven des Amphioxus fehlen die für viele Wirbellose typischen röhrenförmigen Fasern durchaus. Die Längs- ansichten sowie die Längs- und Querschnitte der stärksten Nerven- stämme zeigen einen einheitlich neurofibrillären Bau. Außen findet sich eine zarte, anscheinend strukturlose Hülle. Im Innern liegen zahlreiche Kerne, teils zentral, teils mehr peripher. Nur an sehr dunkel mit Hämatein tingierten Nerven sieht man am feinen Querschnitt zarte, dunkle Septa zwischen die graugefärbte Neuro- fibrillenmasse von der peripheren Hülle her einstrahlen. Die Kerne O.Scnuurze: Zur Histogenese des Nervensystems. 175 liegen teils in den Septen, teils in den durch die Septen mehr oder weniger vollkommen umscheideten Fibrillenbündeln. In den feineren Ästen fehlen Hülle und Septa, die Neurofibrillenbündel liegen nackt mit teils ein-, teils aufgelagerten Kernen. Die Nervennetze — am leichtesten nachweisbar ist das an der Innenfläche der Bauchmusku- latur gelegene — bestehen nur aus Neurofibrillen mit Kernen vor- nehmlich an den Knotenpunkten. Durch den Mangel röhrenförmiger Nervenfasern und den Aufbau der Nerven' aus kernreichen Neurofibrillenbündeln erweisen sich die Nerven des Amphioxwus als der unvollkommeneren, dem embryonalen Wirbeltiertypus nahestehenden Gruppe angehörig. Sie stehen also histologisch auf primitiverer Stufe, als die der Cephalopoden, Anne- liden und Crustaceen. Die von mir vertretene Auffassung des Aufbaues des gesamten Nervensystems aus Neuroblasten, die teils zu Nervenzellen (Ganglien- zellen), teils zum Zwecke der Reizleitung zu syneytial vereinigten Nervenfaserzellen werden, findet eine weitere wesentliche Stütze in den genetischen Beziehungen der beiden Zellformen, welche aus fol- genden Beobachtungen sich ergeben. 1. Die Entwicklung des durch seine oberflächliche Lage und seinen Verlauf besonders günstigen Nervus lateralis vagi der Amphi- bienlarven lehrt, daß der anfangs rein zellige und noch nicht neuro- fibrilläre Nerv als Zellstrang aus dem Ektoblast in loco hervorgeht, wobei die spindelförmigen Zellen des Hinterendes des während des Wachstums zunächst mit dem Ektoblast verbunden bleibenden Nerven ohne jede scharfe Grenze allmählich in die Ektoblastzellen übergehen. Das beweisen unzweideutig außer Durchschnitten Flächenbilder der ab- gelösten und entpigmentierten Epidermis aufeinanderfolgender Stadien. Der Nerv schnürt sich als ein Ast des Baumes genau so von dem Ektoblast ab wie der Stamm, das Medullarrohr. Wenn ein Experiment einen anderen Bildungsmodus ergibt, so kann dies niemals den nor- malen Befund in Zweifel ziehen. Vielmehr zeigt sich wieder, daß es unter Umständen verfehlt ist (Harrısox), aus experimentellen, unter abnormen Bedingungen gewonnenen Befunden weitgehende Schlüsse auf normales Geschehen zu ziehen. 2. Die an dem N. lateralis und an seinem Ramus superior ge- machte Beobachtung inniger Beziehungen der den Nerven aufbauenden Nervenfaserzellen zu dem Ektoblast legt den Gedanken nahe, daß wie die zentralen so auch die peripheren Neuroblasten bei den Vertebraten frühzeitig aus dem ektodermalen Verband ausscheiden, um im Meso- ! Im Zentralorgan finden sich röhrenförmige Fasern. 176 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 6. Februar 1908. derm zu proliferieren'. Dieser Gedanke findet eine gute Stütze in der Tatsache, daß das gesamte diffuse oder noch wenig zentralisierte Nervensystem eines Cölenteraten dem ektodermalen Verband entstammt, daß das Nervensystem der Echinodermen sowie ganze Nervenstämme bei manchen Würmern dauernd im Ektoblast verbleiben, und daß bei Astacus auch die peripheren Nerven, wie das Zentralnervensystem, aus dem Ektoblast hervorgehen. 3. Seit der Veröffentlichung meiner letzten Arbeiten auf diesem Gebiete habe ich mich andauernd mit der Nachprüfung der früheren Angaben und deren Erweiterung beschäftigt. Hiernach halte ich auch das Folgende in vollem Umfang aufrecht. Das Vorhandensein eines integumentalen kontinuierlichen Netzes multipolarer nervöser Zellen, in welches zahllose marklose und markhaltige Fasern eintreten, sowie die Umbildung dieses dem sensiblen Nervenzellennetz vieler Wirbel- losen homologen Netzes in ein Nervengeflecht markhaltiger Fasern auf dem Wege mitotischer Teilung in der von mir beschriebenen Weise, stehen für mich fest. Der Plexus nervosus profundus der Amphibien- haut entsteht in loco aus dem primitiven syneytialen Zellennetz. An Jedem Knotenpunkt des Geflechts lag ursprünglich eine multipolare Nervenzelle. Durch Mitose liefert sie zahlreiche Nervenfaserzellen. Beide Zellformen sind genetisch aufs innigste verwandt. 4. Dieselben innigen Beziehungen fand ich in Folgendem: Aus dem von mir in der Gaumenschleimhaut von Amphibienlarven be- schriebenen nervösen Zellennetz geht in gleicher Weise wie in der Haut der bekannte Plexus markhaltiger Fasern auf mitotischem Wege hervor. In den hinteren, dem Rachen angehörigen Teil dieses Plexus sind bekanntlich Ganglienzellen eingeschaltet. Diese sind nicht etwa »eingewandert«. Sie entstehen in loco. Innerhalb einzelner multi- polarer Zellen des Netzes tritt in der betreffenden Gegend eine Kern- vermehrung ein. Einzelne der mehrfachen Kerne gewinnen eine auf- fallende Größe und nehmen die für viele Ganglienzellen typische große Kugelform mit großem Nukleolus an. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, daß wir es hier mit den Kernen der späteren Ganglienzellen zu tun haben, die sich als solche erst später abschnüren. Aus dem ursprünglich gleichartigen Zellennetze gehen also sowohl Nervenfaser- zellen als Ganglienzellen hervor. Meine Opposition gegen die Neuronenlehre hat sich auf die Morphologie bezogen. In biologischer Hinsicht wirkt die Neuronen- lehre zweifellos fruchtbringend. Aber das Neuron bedarf vom morpho- logischen Standpunkte aus einer anderen Definition, denn es handelt ! Von dem entodermalen Nervensystem sehe ich jetzt ab. OÖ. Scaurrze: Zur Histogenese des Nervensystems. 177 sich bei Vertebraten und bei Wirbellosen, zum mindesten in peri- pheren Bahnen, nicht um einzellige, sondern um vielzellige, syneytiale Leitungswege. Nachtrag. Nach Absendung dieses Berichts fand ich in dem sympathischen Nervensystem der Katze, sowohl im Grenzstrang als in Eingeweide- nerven, eine neue Form markloser Nervenfasern von besonderer Be- deutung. Die Fasern bestehen, auf Längs- und Querschnitten unter- sucht, aus einer dünnen Mantelscehicht von Neurofibrillen. Innerhalb dieser liegen in der Achse der Faser in Abständen Kerne von kreis- rundem Querschnitt, welche das von den Neurofibrillen umgebene Zentrum fast ganz ausfüllen. Das Bild erinnert sofort an ein gewisses Stadium embryonaler Muskelfasern von Vertebraten, wo die ersten Myofibrillen zylindermantelartig die zentralen Kerne umhüllen. Dieser Befund bezieht sich auf dünnste Schnitte von Osmiumobjekten mit Neurofibrillen- und Kernfärbung. Hier haben wir »Nervenfaserkerne«, wie wir sie nicht klarer ver- langen können. Hier wird das Typische der Nervenfaser, die Neuro- fibrillen, nieht von »Hüllzellen« umgeben, sondern die Neuro- fibrillen bilden die Hülle um die vermeintlichen » Scheiden- zellen«. Wo aber bleiben diese, wenn sie selbst »umscheidet« sind? Ausgegeben am 13. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei IrS SITZUNGSBERICHTE 1908. Va. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 6. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. l. Hr. Ermav besprach eine Sammlung von Hymnen an das Diadem der Pharaonen aus einem Papyrus im Besitze des Hrn. W. GoLENISCHEFF zu St. Petersburg. (Abh.) Der Papyrus ist etwa im 16. Jahrhundert v.Chr. für den grossen Tempel des Gottes Sobk im Faijum geschrieben. Die Hymnen stammen aber in ihrem Kerne aus weit älterer Zeit, zwei sogar noch aus dem alten unterägyptischen Reiche. Mehrere haben die Form der Morgenlieder, mit denen man ursprünglich wohl den König erweckte, die man dann aber früh auch als Morgengruss an die Götter verwendete. *). Hr. Rorrtuz berichtete über eine Handschrift des Reinaert | auf der Fürstl. Salm-Reifferscheidt’schen Schlossbibliothek zu Dyck. Hr. Dr. Deserıng in Münster ist auf die wichtige Handschrift gestossen, als er für das Handschriftenarchiv der Deutschen Commission die kleineren Bibliotheken der "Rheinlande durchsuchte. Sie gehört noch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, füllt die Lücke hinter 2655, bestätigt nicht selten den Text des Reinaert II, verbessert den Text der Comburger Hds. an vielen Stellen. Besonders interessant ist, dass V. 6 hier lautet: Die arnout niet en hadde bescreven, was auf einen nl. Reinaertdichter Arnout, der vor Willam dichtete, hinzuweisen scheint. — Dr. DesErıng wird die Hds. dem- nächst publieiren. 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: Deutsche Texte des Mittelalters. Bd. XII. Der Grosse Alexander, hrsg. von G. Gurn. Berlin 1908; Cart Scnmr, Der erste Ölemensbrief in altkoptischer Übersetzung. Leipzig 1908 (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. XXXI 1); J. Hırscngers, Geschichte der Augenheilkunde. II 2. Leipzig 1908. Ausgegeben am 13. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, Sitzungsberichte 1908. 19 ee. 3 i « FeT j If GERIET PIE BR Bye ij fa £ BROT Kar, Je A - ATEL 4 in N et RN | H le Hr) Kj A \ h HrAlME U ur an}, 2 (> ‚Ad TR “in f 5 „1 IE Is d . ı > sa LUST WO Au Pi ren A Pi [27 Dig r A ’. T a, mu Yu an ;9) “sr ; W u 3 | vm. RX. ‚sm ZUNGSBERICHTE BR, DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN E DER WISSENSCHAFTEN. ne a er A, u - ih ] ung am 13. Februar. 5 181) ' n8 den re Classe am '20. Eane 8. Es cm: Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Körpern. (S. 210) x: Zur a] des Gagats. (S. 221) dm BERLIN 1908. ] —- AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Prenssischen Akademie «der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlieh Preussischen Akademie der Wissenschaftene. Aus $2. _ Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Niebt- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Sehritt der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druekbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schritt der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden (lasse statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werıle, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutlımasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. s4. Sollen einer Mittlieilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnalımen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, «ann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussiehtliche Höhe dieser Kosten ist -— wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Übersehreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung dureh das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlesung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Seeretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Sehriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nielıt Mitglieder der Akademie, sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungene, BE no Aus $ 6. Een | | Diean die Druckereiabzuliefernden Mahuscrinse mitzsei | wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes. | und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen | Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. || Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser I seine Mittlieilung als vollkommen druckreif ansieht. il Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die |] Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach |] Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern? | | | und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des. vedi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerchä und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr. kosten verpflichtet. ; ‚„ Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Beriehten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel - abdrucke hergestellt, ie alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden ebentallsSonleridrzai für den Buelihandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. 5 Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten” erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung olıne weiteres 50 Frei exemplare; er ist indess ber‘ echtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere E Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noclı weitere bi zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar a gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der eigen Akademie oder der be- treffenden Case — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei exemplare und dürfen nach reelitzeitiger Anzeige bei den redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. & Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen & hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zweck auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch" mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden ae — Nichtmitglieder erhalten 30 Fre i exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf il Kosten abziehen lassen. > Sur. Eine für die akademischen Schriften bi e stimmte wissenschaftliche Mittheilung so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an je; Gesammt-Akademie. ı Stelle anderweitig, sei es auch nur aus (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) By a ” 181 SITZUNGSBERICHTE 1908. vi. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 13. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwens. l. Hr. Prnck las über den Drakensberg und den Quath- lambabruch. (Ersch. später.) Die Mittheilung führt aus, dass Südafrica nicht längs eines grossen Quathlamba- bruches gegen den Indischen Ocean abfällt, und dass die Steilränder des Drakens- berges nichts anderes sind als Erosionsabfälle, die sich weder au eine bestimmte geo- logische Struetur noch an einen bestimmten geologischen Horizont, sondern lediglich an widerstandsfähige Gesteine knüpfen. Der Küstensaum von Natal wird weithin von einer Flexur begleitet, durch die vor der jüngeren Kreideperiode eine Rumpfiläche zum Indischen Ocean abgebogen worden ist. Diese Flexur scheint seither strecken- weise in anhaltender Fortbildung gewesen zu sein, und der Wechsel von Hebungs- und Senkungserscheinungen an der Küste von Natal lässt sich erklären unter der Annahme, dass der Knoten der Flexur seine Höhenlage in Bezug auf den Meeresspiegel ge- ändert hat. 2. Vorgeleet wurde das von dem correspondirenden Mitoliede fe} fo} Hrn. Levasszur eingesandte Werk: Questions ouvrieres et industrielles fo) 14 en France sous la troisieme republique. Paris 1907. Die Akademie hat das correspondirende Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe Hrn. Karr vox Vorr in München am 31. Januar durch den Tod verloren. Sitzungsberichte 1908. 20 152 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. g 8 Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chinesisch-Turkistan. Von Dı. E. Sızs in Berlin. Voreeleet von Hrn. Pıscuer am 30. Januar 1908 [s. oben S. 117). > fo) Hierzu Taf. 11. Be weiterer Durchforschung der Manuskripte aus der Sammlung vox LE CoQ ist mir noch ein grammatisches Bruchstück in die Hand gckommen, das derselben Grammatik angehört wie das in den Sitzungs- berichten 1907, S. 4661f. behandelte. Es ist besonders interessant, weil darin die grammatischen Sutren in Verbindung mit einem Kommentar erscheinen. Bei dem sehr geringen Umfang des Fragments — es be- steht nur aus einem einzigen Papierfetzen von etwa 7 em Höhe und 9 em Länge — schob ich indessen die Publikation einstweilen auf, da ich hoffte, daß Prof. Grünweners Heimkehr aus 'Turfan weiteres Material bringen würde. Diese Erwartung hat mich nicht getäuscht, denn in seiner reichen Sammlung von Handschriftenfunden befanden sich noch zwei Manuskripte grammatischen Inhalts, die wiederum der- selben Grammatik angehören, und von denen das eine ebenfalls die Sutren mit Kommentar gibt. Ich behandele der Reihenfolge des In- halts entsprechend zunächst das kommentarlose Bruchstück, dann das mit Kommentar versehene der Sammlung Grünweoen und schließlich (las neue Stück der Sammlung vox Le Con. l. Dieses Fragment, gez. TIIl, M 167, besteht aus einem noch ziem- lich festen gelben Papierfetzen von etwa I4 cm Länge und Breite, der he > nach Mitteilung des Hrn. Bartus — Prof. Grünwenen krankt leider noch immer an den Strapazen der letzten Turfan-Expedition — in Murtug im Schutt der 3. Anlage gefunden wurde. Der Sanskrit-Text ist in Sarada-Schrift mit schwarzer Tinte bzw. Tusche auf die Rück- seite eines chinesischen Blockdrucks geschrieben, dessen freie Partien E. Sıeg: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 183 wiederum mit uigurischen Schriftproben gefüllt sind. Nur die linke Blatt- hälfte (s. Taf. II, Abb. ı) ist erhalten: nach Ausweis des Inhalts fehlen der kürzesten der sechs Zeilen etwa 12, der längsten etwa 7 Aksaras. In gleicher Höhe mit der untersten, d.h. 6. Zeile, findet sich am Rande die Zahl 2, was dem Inhalt auch entsprechen dürfte, denn der Text beginnt mit der Regel = Kätantra ı. ı. ı2 und reicht bis zum Schluß des ersten Pada. Die einzelnen Sutren decken sich vollständig mit denen des Katantra, nur sind 21 u. 22 umgestellt, eine Anordnung, die durch das unter II behandelte Bruchstück bestätigt wird. Der chinesische Blockdruck auf der Rückseite, die Särada- Schrift und die Festigkeit des Papiers lassen darauf schließen, daß das Manuskript schwerlich älter als das 9. bis ı0. Jahrhundert sein dürfte: bestimmtere Grenzen sind aus der Schrift nieht zu gewinnen. Die steifen, dicken Striche, die den Buchstaben der Särada-Schrift ein grobes, klotziges Aussehen geben', treten auf diesem Manuskript be- sonders hervor: man beachte namentlich das Aksara na (2. 2 u. 6), das hier aus einem geraden Deckstrich mit drei kurzen Vertikal- strichen von gleicher Länge besteht; den Upadhmanıya 4 (Z. 3), der sich außer seiner Stellung über dem pa nur durch den Fußstrich vom na unterscheidet; das a (Z. 1, 2 u. 4), das mit dem Deckstrich ge- schlossen ist, usw. — Von Ligaturen sei besonders auf rtha (Z. 4) aufmerksam gemacht, sie entspricht genau dem Zeichen in Bünters Tafel 6, Kol. 8, 50, man vergleiche auch Paippalada” fol. 4* Z. 10 pärthivanam. Zu rna (2.5) s. z.B. Paipp. fol. 2°2.3 v.u. nyürno, zu ya (Z. 5) Paipp. fol. 7” letzte Zeile apasyan ja. — Der Anusvära wird in der üblichen Weise durch den Punkt bezeichnet, auch vor Labialen, der Virama ist hier ein einfacher, schräg oben an den Buchstaben gelehnter Strich (s. Z.4 u. 5). Visarga wird regelrecht geschrieben, doch wird er vor unverbundenem Zischlaut dem Zischlaut assimiliert, wie üsmäanas sasasahah (Z. 2) zeigt. Ob auch vor tonlosen Labialen und Gutturalen der Upadhmanıya bzw. Jihvamulıya gesetzt wurde, läßt sich nicht ausmachen, da sich auf dem Bruchstück kein Anhalt dafür bietet: Apa (Z. 3) ist durch die Regel (s. Kat. ı.ı. 18) geboten, zu bedauern ist, daß Jka, welches wir in Z.2 zu erwarten hätten, leider weggerissen ist. Als Interpunktionszeichen ist an den Schluß der einzelnen Sutren ein kleiner Schrägstrich in gleicher Höhe mit dem Fuß der Aksaras gesetzt, der beim Visarga diesen direkt zu stützen scheint (s. Z. 2 u. 3), während er dem Virama parallel läuft (s. Z. 4). Größere Pause am Schluß des Päda und beim Beginn der Unterschrift (s. Z.6) wird durch Doppelstrich markiert. ! Siehe Bünter, Ind. Paläographie 1896, S. 57- ®2 The Kashnirian Atharva Veda reprod. by M. Brooxriern and R. GARBE 1906. 20° 154 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. Ich gebe nunmehr die Umschrift des Textes in der Form, wie er in der Handschrift steht, und lasse zur Erklärung einfach die Regeln des Katantra folgen. TII, Mı67,R. Z. 1. ghosavanto nye anunäsika ha 2. usmanas sasasahah | ah iti hvamüliyah hpa ity upadhmantyah rayor arthopalabdhau padam analikrama vyanjanam asvaram param varnam nayet lo siddhih sandhiprakarane sa oNen =-pzS Kat. 1. 1. 12fl.: ghosavanto "nye 13 anunasika hanananamah ı4 antahsth@ yaralavah 15 Usmänah sasasahah 16 ah iti visarjanıyah 17 hka iti jihvamüliyah 13 hpa ity upadhmäniyah 19 am ity anusvarah 20 pürvaparayor arthopalabdhau padam 21 vyanjanam asvaram param varnam nayet 22 änatikramayan vislesayet 23 lokopacarad grahanasid- dhih. Mit dieser Regel schließt im Katantra der erste Pada, dessen Unterschrift bei Durga lautet: sandhau prathamah padah. Merkwürdig ist in unserem Text der Pausa-Strich hinter prakarane, soll damit die Kapitelunterschrift schon geschlossen sein und das folgende sa etwa schon die Regel ı. 2.1 samanah savarne usw. beginnen? Andernfalls wäre vielleicht an sanjnapadah zu denken. UK Das 2. Bruchstück, gez. TI, Sor@ugq, stammt aus Sör@ug bei Kurla und wurde dort in einem kleinen Gang (zwischen den Ruinen you. 61) gefunden. Es ist ein kleines Buch in indischer Pothı-Form mit einem Schnürloch auf der linken Seite. Das Material ist gelbbraunes bzw. durch die Zeit gebräuntes Papier, die Schrift ist Brahmı in dem- selben Duktus wie die Sitzungsber. 1907, S. 466ff. behandelten Blätter. Das Buch war noch durch das Schnürband zusammengehalten, aber es ist leider nur die Partie um das Schnürloch erhalten geblieben. Die Anfangs- und Schlußblätter fehlen ganz; von den vorhandenen ersten und letzten sind nur so winzige Stücke übrig geblieben, daß ihre richtige Zusammensetzung und Einordnung meist nicht mehr möglich war. Das Papier ist total zermürbt. und die Auflösung des Schnürbandes konnte nur mit der allergrößten Vorsicht ermöglicht werden, da die Blätter bei der Berührung zu zerfallen drohten. Trotz- dem ist es unter Assistenz von Dr. Sı:sLıns und mir den kunstfertigen Händen des Technikers des Museums für Völkerkunde, Hrn. Buch- bindermeister Scıurıs. gelungen, die einzelnen Blätter ohne ärgere Be- schädigungen unter Glas und Rahmen zu bringen. Selbstverständlich E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 185 sind die Blätter genau in der Reihenfolge gelassen worden, in der sie sich befanden, aber der Inhalt zeigt, daß zwischen fol. 10 u. ıı ein Blatt fehlt und daß die Blätter 28/29, 37/38, 48/49 je miteinander ver- tauscht sind. Wie sich bei der Auflösung ergab, sind die Reste von rund 60 Blättern vorhanden. Die Höhe des auf beiden Seiten 4 zeilig beschriebenen Blattes — die Ränder sind oben und unten meist er- halten — beträgt 7 cm, die Länge jetzt im Mittel ebenfalls 7 em (s. Taf. II, 2a u. b); die ursprüngliche Länge läßt sich nur ungefähr aus dem Inhalt erschließen, da wir eben nur noch die Partie um das Sehnürloch besitzen, auf der linken Seite dürften durehschnittlich etwa ı bis 2 Aksaras, auf der rechten 7—-9 Aksaras fehlen. Die erste deutlich erkennbare Regel ist ah iti visarjanzyah s. Kät. 1. 1. 16, die letzte ro re lopam svaras ca pürvo dirghah s. Kät. 1. 5. 17. Mit Kat. 1.5. ıS schließt aber dessen 1. Buch, welches den Sandhi behandelt, es ist also anzunehmen, daß unser Manuskript nur dieses eine Buch enthielt, daß also am Schlusse nur wenig fehlt. Die Schrift ist merkwürdig schwarz und klar, zweifellos eine Folge des die Blätter fest zusammenhaltenden Schnürbandes. Da nun der Inhalt — Sandhi-Regeln mit illustrierenden Beispielen im Kommentar — eine Fülle der seltensten Ligaturen bedingt, so liefert dieses Frag- ment eine besonders gute Ausbeute für die Brahmı-Schrift. Hier sei nur auf 5. wenigstens in Sanskrit-Texten noch nicht belegte Zeichen aufmerksam gemacht: bezüglich der Ligaturen verweise ich auf die demnächst erscheinenden Tabellen SırsLıngs. Anlautendes r' findet sich 21” ı an einer Stelle, die nieht klar ist, aber über den Wert des Zeichens kann wohl kein Zweifel sein, da es sich auch neben r in einer Schreibübung in Brahmı-Schrift auf einer chinesischen Handschrift des Saddharmapundarıka gez. TIL, Y4 u. 7 findet, worauf mich Dr. Srönser aufmerksam gemacht hat; es ist das kurze r mit dem unten angehängten Längshäkchen. Ein selbständiges Zeichen für anlautendes ai” findet sich mehrfach in unserem Manuskript, 2 mal hintereinander 14° 2 in der Regel ekäre ai aikare ca s. Kät. ı. 2.6: es sieht aus wie ein Aha ohne den un- teren Schrägstrich‘. Anlautendes / sollten wir kurz vorher in der Regel Iarne al s. Kät. ı. 2. 5 erwarten, leider ist aber gerade dieses Zeichen 13" 2 weggerissen, auch das betreffende Kommentarstück fehlt, dagegen findet 5 4 Die Zeichen für r, o und au sind bereits aus meiner r. Abhandlung bekannt. 186 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. sich m!" 16° 2 in der Regel am arnah s. Kat. 1. 2. ı1. Dieses Zeichen für 7 ist dasselbe Zeichen, das Leumann bereits in der frem- den Sprache” — Klasse I seiner Gruppierung“, F. W.K. Mürrer hat sie neuerdings’ in geistreicher Verwertung einer uigurischen Quelle für tocharisch erklärt als Zeichen für / erkannt hat. Noch 2 weitere Bekannte aus dieser Sprache finden sich in un- serem Fragment, nämlich ı. der Doppelpunkt, der hier über dem y zur Bezeichnung von @y 17° 2° erscheint, in der Regel ai @y s. Kat. 1.2.13 und 2. für den Jihvamulıya in hkha 43” 4°, jenes Zeichen, das man auch im Tocharischen als A-Laut erkannt hat‘. Leider ist diese Stelle — es handelt sich um ein Beispiel für kakhayor jihvama- Iyam na va s. Kät. 1.5.4 — die einzige, an der sich in unserem Manuskript der Jihvamulıya findet, denn die betreffenden Stellen zu hka iti jihramtlyah s. Kat. ı. 1. 17 auf 6* fehlen, und sonst wird immer der Visarga gesetzt‘. Der Visarga erscheint überhaupt in diesem Manuskript ständig wo wir ihn nach den Regeln des klassischen Sanskrit erwarten sollten, auch vor tonlosen Labialen und vor Sibilanten. Die Fälle, wo er weggelassen wird, sind außerordentlich selten und offenbar nur Schreibfehler; ich habe nur folgende Stellen notiert: ra sakarah 29 2 für rah sa°, nanana khahı 33” ı für Onah, bho gaccha 45" 4 für bhoh, ayni daha® 48” 2 für agnih. Dagegen findet er sich überflüssigerweise noch in [utti]sthah 20° 4 für °stha, kah stasaya 42" ı für kas t@° und Über eine von den unbekannten Literatursprachen Mittelasiens, Zapiski Imıp. Nauk, VII. Serie, T. 4, Nr. 8, St. Petersburg 1900, S. ro, Note 13. ® Siehe ZDMG. 61, 1907, S. 648—658. * Siehe Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1907, S. 958—960. se Akad. ? Siehe Levmann a. a. OÖ. und HoErstE, JASB. 70 P. ı, Extranr. ı, App. 1901 und Faksimile-Reprod. 1902. 5 Es möge mir gestattet sein, an dieser Stelle noch nachzutragen, was ich leider zu spät bemerkt habe, daß nämlich die von mir, Sitzungsber. 1907, S.470, besprochene Jihvämuliya-Bezeichnung bereits von Hoerrxte für das Bower-Manuskript nachgewiesen ist, s. JASB. 62, 1393, S. 25, Note 17; auch die in diesem Duktus übliche, von mir a.a. 0. S. 471 behandelte Viräma-Bezeichnung hat Iloerste bereits festgestellt, s. a. a. O. S. 39. 3%. Sıeg: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 187 kah ssete 45° 4 für kas sete. Bisweilen wird der Visarga irrtümlich statt des Pausa-Zeichens gesetzt, s. kalı altrah 46° 2 und [atra|A bho atra 47° 4- Der Upadhmanıya fehlt gänzlich: zu Apa ity upadhmanıyah s. Kät. ı. 1. ı8 auf 6” fehlt das betreffende Stück im Text wie im Kommentar, und im Kommentar zu paphayor upadhmaniyam na va s. Kät. 1. 5. 5 ist er einfach ausgelassen s. 44” ı hkah pacati » ka pacati. Die Auslassung von Zeichen ist übrigens mehrfach in diesem Manuskript zu konstatieren, und zwar handelt es sich dabei um ab- siehtlich ausgelassene, wie der dafür freigelassene Raum be- meist. Solche Lücken habe ich 1ı2*2, 32” ı, 37°4, 37’ıu4, 39° 3 u. 46” ı notiert. Im ersten Fall ı2° 2 handelt es sich um das Zeichen kl, 37"4u."ı um a, 39°3 um ca, 37”’4 um Aa, 32° 1 um nina, während 46”ı eine größere Lücke im Original des Ab- sehreibers vorgelegen zu haben scheint. Da es sich bei diesen 8 Fällen ı mal um das eigentlich nie vorkommende kl handelt, 6 mal um den Buchstaben 7, sei es selbständig, sei es als Anfang der Ligatur', und das 2 in dieser Verbindung sonst überhaupt nieht vorkommt’, so ist wohl anzunehmen, daß der Schreiber diese Zeichen eben nicht zu schreiben verstand und sie vielleicht erst nachträglich einfügen wollte. »Nach Pan. 8. 4. 46 ff. wird ein auf r oder 4 folgender Konsonant (doch nicht ein Sibilant, dem ein Vokal folgt) und ein auf einen ent- 3 Vokal folgender erster Konsonant einer Gruppe verdoppelt«; sprechend finden wir in unserem Manuskript Konsonantenverdoppelung nach r in sargga 7” 3, dirgghi 11° 3, dirggha 53" 4; arttho® 7° 4,” 1, Omohärttham 9° 4, °rtihan 30* 1, rayor mma® 45” 3: tiryyan 34° 1; °yor lo Bi Durcvarı“ Aa, ı8°4A, 30° 2, 35" 4, 36" 3, saruvad' 18%4 — da- neben aber auch varga® 29° 4, 31? 2u. 3, 39” 1, 41" 35 °yor ji? 43” 1; caturtho 41° 3; tıryan 34” 1, yor lo° 20” 1; pürca 17° 2, 53" 4, sarva 17" 2, während tisarjanıya, s. 5" 1, 45" 4, 46° 4,” 4, 48” 4, 5o’ı, und varna, s. 4°, ı0® 1, ı1° 2 usw., ständig ohne Verdoppelung geschrieben werden. — Für Verdoppelung nach A habe ich kein Beispiel ge- funden; dagegen findet sich 6° ı und 43" 4 Jiheamalıya. — Beispiele für Verdoppelung des ersten Konsonanten einer Gruppe nach Vokal sind: prakrttya 24° ı, attra ı5” 3, 16° 2 usw., lattra 8” 4; upaddluna” 6° 2, aa” 2, maddhye 46* 4; loppya ı5“4, "2, 21” 4, 22*ı und wahr- . . 2 a - b n nm? scheinlich auch 54% 4, tu ppra® 20° 4, vargappra® 29° 4, 39° 1, "üppra® OD ı Als Schluß der Ligatur findet es sich mehrfach in samjn@ usw. 2 39° 2 steht bhavag su? für bhavan su°, für vyanjana wird regelrecht ayemjana, für pancama pamcama geschrieben. ®? Siehe WackernaGer, Altindische Grammatik 1 $ 98a. 138 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. 48° 2: sarvva ssvaresu 18* 4, [anya]ssvare 46” 3, eva ssvare 47" 4, ca ssvare 47°1. °tra ssva® 52” ı — daneben finden wir aber auch atra o® 2, 21"4, 25°4 usw.; lopya 18” 1; svare pralyaye pra® 23* 4, svare pra® 49° 3, supra® 25” a, 31” 3: ständig ohne Verdoppelung erscheint pratyaya, s-i72°4 usw., und anusvara,sı ao za 6 Eine weitere Eigentümlichkeit des Manuskripts ist die häufige Assimilation von auslautendem 2 mit folgendem anlautenden n, s. var- nan ne 10” 1, varnan na° ı 1° 2, °ranna 29° 1, °turtthan na 30° ı, liyan na 43° 4: aber umgekehrt findet sich auch Anusvara für auslautendes n, s. "kramayam 11° 1, trliyam 27" 4 und wahrscheinlich auch bhavam 40° ı. Die Vermischung beider Erscheinungen zeigt sich am deut- lichsten in tasmimnneva go” a'. Schließlich sei noch bemerkt, daß in diesem Manuskript die Zeichen für Zu. n und eu. deutlich voneinander geschieden sind; dagegen besteht zwischen anlautendem x und r« bzw. zwischen @ und r% kein Unterschied. Ich erwähnte bereits, daß die erste deutlich erkennbare Regel dieses Fragments mit der Regel, die gleich Kat. ı.ı.ı6 ist, beginnt und mit der Regel, die Kät. 1.5.17 gleicht, schließt, daß unser Buch also höchst wahrscheinlich das ı. Buch der Grammatik, das Sandhi- prakarana, umfaßt hat. Die Kapitelschlüsse stimmen ebenfalls mit dem Katantra überein, s. 23° ı samaptah für Kap. 2, 25° 3 samapt° für 3 und 41° 3 caturtho für 4; ob auch eine Sehlußbemerkung für ı vor- gelegen hat, läßt sich nicht feststellen, da gerade an dieser Stelle ein Blatt zu fehlen scheint, s. die Bemerkungen zu fol.ıo u. ı1. Daß das Kapitel aber sicher wie im Katantra mit der Regel lokopacarad grahana- siddhih geschlossen hat, erweist das unter I behandelte Säradä-Fragment. Auch die einzelnen Regeln stimmen größtenteils wörtlich zu denen les Katantra, aber es liegen doch wieder einige Abweichungen vor, die erkennen lassen, daß wir hier eben doch nieht unser Kätantra vor uns haben, sondern einen älteren Text’. Im ı. Kapitel sind die Regeln 21 u. 22 umgestellt, s. oben S. ı83 unter I; im 2. Kapitel er- scheint die Regel 16 in ayadınam yavalopah padante na va und lope lu prakrtih geteilt, s. fol. 19 u. 20. Ob hinter ı. 2. 17 u. 18 noch eine Regel gestanden hat. die dem Katantra fehlt, läßt sich bei dem lücken- haften Manuskript nicht ausmachen, s. fol.2ı" u. 22 und die Bemer- kungen zur betreffenden Stelle. Im 4. Kapitel finden sich zwischen 7 u.8 zwei unserem Kätantra fehlende Regeln, die den Einschub von ' Siehe auch bhavamn 36° 3 u. 4, 37% 4, 38° 2 u. 3. ® Der Ansicht von Fıxor (Bulletin de l’Ecole Francaise d’Extreme-Orient T. 7, 1907, S.145), daß es ein Textus amplior des Kätantra sei, kann ich mich nicht an- schließen. E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 180 k und £ nach n und n vor Zischlauten und von Z nach f und vor s behandeln, s. fol. 34*—35" und vgl. Pan. 8. 3. 23—30. Im 5. Kapitel hat die Regel S (Kat. aghosavatos ca) wohl akaraghosavatos ca gelautet, s. 46° 3, eine Fassung. die trotz des ausführlicheren kara besser ist als die des Katantra, weil damit ein Irrtum ausgeschlossen ist. Zwischen 10 u. ıı findet sich wieder eine Regel, die dem Katantra fehlt, von Dursa aber künstlich hineininterpretiert wird, sie betrifft den Sandhi von bhago(h) und agholh), s. fol. 49 u. 48 und vel. Pän. 8. 3.17. Schließlich scheint die Regel Kat. ı. 5. 13 unserem Text ge- fehlt zu haben, doch ist das nicht ganz sicher, s. die Bemerkungen zu 48” 2 ff. Unser ganz besonderes Interesse verdient der Kommentar. Die Tatsache, daß hier schon in so früher Zeit die Sutren mit einem Kom- mentar verbunden sind, legt die Vermutung nahe, daß der Verfasser der Grammatik selbst den Kommentar dazu geschrieben hat, wie ja auch Caxpra selbst eine Vrtti zu seinem Vyakarana verfaßt hat'!. Da- gegen spricht nicht, daß 9° ıf. unter vaksyati hi »er wird nämlich lehren« eine Regel aufgeführt wird, die gleich Kat.2.3.1ı ist, denn auch sonst sprechen Autoren, die selbst einen Kommentar zu einem eigenen Werke verfaßt haben, von sich in der 3. Person, wie Vamana in der Kavyalamkaravrtti und Visvanatha im Sahityadarpana. Bei dem unmittelbar vorher, s. 8” 4, stehenden nas tatiraitatpratye, was doeh wohl nur als raksyamas tatraitat pratyetaryam ergänzt werden kann, ist leider das zugehörige Zitat weggerissen, so daß sich nicht kontrollieren läßt, ob der Kommentar an jener Stelle ein Sutra oder eine Stelle des Kommentars zitiert hat. Auch 9” 2 traivodah bleibt zweifelhaft, ob tatraicodaharati oder udaharamah oder udaharanam zu ergänzen ist. Alle weiteren Hinweise auf den Verfasser fehlen. Kann (lie Frage über den Verfasser also einstweilen nicht sicher entschieden werden, so erscheint mir doch so viel sicher, daß der Kommentar so gut wie die Grammatik aus Indien nach Zentralasien herübergekom- men ist, denn Dursa bzw. sein Vorgänger muß diesen Kommentar noch gekannt haben, sonst wäre meines Erachtens die große Über- einstimmung, die zwischen diesem Kommentar und dem Dursas zum Kätantra besteht, nieht zu erklären. Sie zeigt sich besonders bei den Beispielen so auffallend, daß man sie nicht einfach damit motivieren kann, daß es sich um die bekannten feststehenden Schulbeispiele handle; aber auch sonst finden sich mehrfach Redewendungen, die sich merkwürdig mit den Bemerkungen an den betreffenden Stellen bei Durca decken. ! Siehe Lıesıcn, Cändra-Vyäkarana S. VII. 190 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. Mittheilung vom 30. Januar. Der Kommentar ist im wesentlichen einfach und durchsichtig; im eigentlichen Sandhiprakarana, d.h. von Kap. 2 ab, wird er ganz schematisch und formelhaft. Zur Einleitung des Sutra werden dort regelrecht die in Betracht kommenden Beispiele ohne Sandhi vorauf- gestellt, dann folgt das Sutra, dann eine ganz einfache Paraphrase, die zumeist mit der Bemerkung vyam (doch wohl = vyakhyanam) > tad bhavati abgeschlossen wird, s. 13°1, (bı u. 4), 15° 1, 16” 1, (17® 3), 19° 4, (202, 21%4, 22%3)1 3302, 3503, (36 2),war 30 Bee a3” 2, 45° 3, 47° 1, (48° 3); nur zweimal findet sieh xyam tad bha°, näm- lich ı8°2 u. 39” 3 (an letzter Stelle aber durelı das Schnürloch ge- trennt), und einmal, 31° 4, steht ryam- allein. Dann folgen die Bei- spiele nochmals der Reihe nach, und zwar erst in Pausa-Form, dann in Sandhi. Gegenbeispiele fehlen merkwürdigerweise gänz- lich. Dann und wann wird eine in Betracht kommende Regel zitiert, nur selten finden sich eingehendere Erörterungen, die übrigens in- folge der Lückenhaftigkeit unseres Manuskriptes meist unverständlich bleiben. Ich gebe nunmehr den Text, und zwar der größeren Anschaulich- keit wegen möglichst genau in der Form des Originals: weggerissene oder nicht mehr erkennbare Zeichen werden durch einen Punkt, vom Schreiber absichtlich offengelassene Stellen (s. S. 187) durch ein Kreuz (t) markiert, die Pausa, dem Manuskript entsprechend, entweder durch ein Häkchen (») oder durch Doppelstrich ( ). Wo es für das Verständnis nötig schien, habe ich auch den Virama durch einen Schrägstrich unten am betreffenden Buchstaben kenntlich gemacht. TI, Söreug. 6° ı r jihvamaliya OL taNfe 2 yahı + ı’ ı jü-kha 3 io va 2" 4 r- ekäsamo nu (2) | 4 .jna pratyela 2” ı kak- 6" ı nayasamjnaya 3" ı danam ta 2 upaddhına 3”4 tram pa 3 ty anusv@ 4" ı vah khalı varn- 4 städ bindus tasya 2 ‚Maya ı 7" ı vyas tad yathıa » am 4” 2 JAjR- 2 prayo 3 nyanu (?) | 3 janam i 4 he yav etav ak- 4 rayor artthopala-au 5" ı ryanıya ily e 7’ ı rithopalabdhau pa 2 ah ii 2 lauyam 573 ty- tavya 3 sa rggajam nat 4 Imyasamjnaya 4 nama vrkso yni Gi gb 10" Io Il 12 I2 25 I 2 3 4 I 2 3 4 I 2 5 4 I 2 „mn Pr os [SE ES 8 IS DH rw 0 HR DH Porn P$Pwn 0 akhyataypam puna pacyate di > aupa ni» nir ud duh sam vy ac@ ty-vamddi » naipataj- utaho 0 tyevamı- mas tattraitat pratye ne vaksyati hi» sa steatu di | ana d asalm|moharttham api k-matam vislesanam traivodah- m adha tv@ tasmimneva stad vyamja d vyamjanam tad yath- ka m pür oyamjama nayel vyamjan- khal- tatparam varnan meta darutr pa carad gr- sya khalupacara natikramayam visle ram adha dirgghrbh- mänah khalı purvvah » t- paras ca lopam apa sva varnan na da ndäyra-, saddhau | dadhi id- madhüdakam_ pitr ka rah > + k- yogam sa e » avarnah khal- ekäram üpadya . n ta .i ka m_uva wvarne pratyaıye -opam_ vyam » tad bhava m tava a 14 14 16° 16° I Se 2 {0) SS E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. ra h khalu pa ar_bhavali para .lo vati » tava rsa .la vorne al ca rne pralya lopam äpadyate » valkarah tava e v-am ai aikare re pratyaye dyate paras ca lopam lavaisa »s@ ailik@ odanam au aukare kare pralyaye au ras ca lopam vyam + van danamı dadhr a rne na ca paro lopp- asavarne pratyaye loppya dadhy altra ro itra urarnah khahı pü m apadyate na ca pa madhı attra » ına rna Ah» rva pratyaye rakaram @ vyam » tad bhavati » pür lam Iva r[n]aıı padyate na ca paro I- ASAUA h klamah ne ana pw rcah sarva vati na vati » ne anam, nay- aikarah khalu pw ay bha n tad bhavati .anah - 0 av r-su pratyayesu vyam tad bha akah > pürvvah sarvvassvares- 191 19' 19 a 20” 22 22 Ho m» DS DH XD „- — 0 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. na ca paro lopyah kahı | te [72 sanam r tau mi » tau av, au av ay- na var ay- yor llopo yä +» vyam +» tad bhavali -@ layahuh > tasmai yadiva .» pala utli h +» tau ünau » ta MS ahuh » tasmai @ Ü maure a 5 v ay@ fu pprakrtih > a karayolr] lope kr d bhavati [77 sanam s[fhjah » pata uttis|th]a » pato altva > e hr ekara r- akaro vati » te atra » te tra rbudah » mara r rne na ca pa varna h » svara loppyo vyamjane nadistho loppy- o rore I- vati » na rurrutah » ma ru . m_na vyamjane svar- Jane pra n tad yath- nadhighata ._. samäptah > r- prak- pata scare pratyaye prakr iha »hamgho ä sva [7 gacch@-i 24 25 26° 6" 27, 28” BD m» DB HH PD HH DW DH PD DH PD m pp ww D mr Du DH PR 0 >} DS $ ww» Ü hara vadh-asa» ai dv-vacanam khalv- bhava imanı -@ m amt » bahuvaca Iyaye prakrtty@ bha » amt nupa dist@ nopadisträs te ke ca te plut@ [echa] » asvabh- » t- samapt- » sat, atra » sat, dati irstup_ atra mäh pa ti yan, cavi -ah svaresu pratya n äpadyanle » c- ; tad bhavati ». k_gada sa. tra +» sat, gad- tad attra » tat gada stub atra dati | vak, may- yam, sat maya stup_ mayam, trstu s tr tıya niah pamcame n apadyamle triiyam yam, vanmayam, m, sanmayam, t_ ma yamı, t-st-p_ mayam, tr surah vakchurah » -yama h > sat chy@ ta m_tac chve stup_Sruyati + st.p srüyali» va t hasati sati » tat h- st-p_ hasati > te 34 E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. - [7 Do vv +. on Hm now Dr Po DH Po DD HH po DD pn LH pw nn Hp stupmayam. väk, » sat syama m_Irstup_ sru - vargapprathamebhyah sa raparas cchakäran na va: ra sakarah svara ka raparah raka@ -yate vibhasaya = turtthan na ca » tebhya .pa ro hakärah pürvva vi bhäsayä + svaraghosavatsu trti k_hasati vag ghasati t hasatı sati » tat, hasa va sad ha va tad hasati »tr yadi va trstub ha ca ranam_ tat_ cha m tat_ jhasanam, nam, tat_ tha kanam, tat na vargesu » takarah ca lavargesu pratyaye -yate » vyam » aghose d bhavati » tat. lavana ra nam, tac carana ta c charanam. tal, nam, lat_ jhasanam, ta + tva » tat lasanam, nam. tat thadanam, lad da yanamı tat, dhau nam, tat_nalva » ta karah khalu pada . ka ram apadyati » vyam + nam, tac sarana sagan, attra » rajan. dhah svare dvih » hanana kha dha@ vatı tryan, atra » türya sugann atra »ra@ja S-t- » sugan_ sa-d- -au katäbhyam sasase h svare pralyaye dvi 36° [0 >} SI 30 39 HB oWN HD D J Bine D DH PB WB HH 2» w D m ww > 193 -aU khalu padantau katabhyam vyapadhiyaite » Bryan sete » tiryyanı- -U gant sande » b-y- -sA rasi sat saha srani » bharän. s- lakarena va » tanau tya ye takarena va yä + vyam » tad bhava » satt sahasräni > ya bhavan. sadhu » bhavat s- bhavan. cara no ntas cachayoh pürvvam nakärah kha yoh sakaram apadya ta d bhavati » bhava Ei » bhavamn, chat|tre na » bhavamn. tasaya thayoh sakäram, nak- yoh parayoh nusvarapurvranı, n_ tasayati » bhava=s-a dyate anusvarapı lavanena +» bhav- bha van + tva » bhavamn, va n_jayati su + karam, » nakarah karesu pratya dya te » oyam + lad bhavat- bhava + yati » bha na +» bhavams thakar- n_thakarena » na karah khalu pa yoh sakaram apadya-e tad bhavati » bhavan. t- n_thakarena va vam bha khalu padantah I- na +» bhava bhavag surah ca n Sit hu padantahı sakare pra van, lavane n_ surah 194 > 105) > > > r > DH on HP GOOD HP OVD HD HH PD DH PW&r—n + PP OOo—D m pP wXND - H,$oRnD m. © Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. -asaya » vargappratham- sva rayavarapara -yam tad bhavati » bha rah » yadi bhava- dhaukyati pa ras tu nakär- pa dantah dadhan- karam apadıyate- vyam ti » bhavan deyati > n dhaukyati > -a n natva » | ta- ram vyamjane » ma pratyaye amu m suramtam Su ta ın_ karati varge makarah khalu pada pamcamapadyate vibh@ ta ka m, karoti » tan- roti caturtho kah carati ch- v@ sam, visa re sakaram apadya ram varnam nayel, kas carati » kah chat-e yati » kah stäsaya karena » | ka » te the va sam, v@ the va pari sa kah tarati » ka karena » ka kah khanati » k- r jihvamüliyan na va khhayoh parayor Jihwva@-% sa ya vyam + lad bha roti » yadıva ti» kah khanati » ya kah pacati » phayor üpaddhm- yah khalu paph- d-anıyam apadyate vi kah pacati » ka paca kah phalati > na k- 46° o AN [o)) > SI > o > SI o Pod HB u Ro DH Pod Hm Pop rm Bo dd MH > ww 48° 48° > \o H"PPOnB HH PO DH PD Hp ww D h phalati k- » kah sande va pararupam, su pratyayesu bhasaya » vyam kah ssete » yadiva ka yadiva kah sande yadiva kah sa kärayor mma rjantyah a d-tparah » kah atrah ko raghosavatos- tosca maddhye visarjant rna + +» lad bhavati » ka h iha kah . ssvare yam va» rjantjah a va » vyam +» tad bha yadi va kay i tra » bhoh atra vam eva ssvare » Akar- h bhoparas ca ssvare pra lo pam apadyate y- tra » k@ atra » h bho atra » ya-i v- bh-bhyam bhag- a ghosavati ppra » tad bhavati » k- ti » bho gaccha » bho ga ghatasva » aghoh v-J- » ‚agni dahat- ro ram ghosava I- visaryant .h h atra » bhyam ca. bha niyah svare pra lopam äpadyate » bhago atra ». tra . agho at- hah gacchamti - aghohı E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 195 50" 4 k-tir anami 53” ı agn- rathe so” ı visarjanıya ya ni 5ı" ı sasapar- 54'4 ppyaha . 2 $ ca visarja San 1% mipa...C0: 3 padyate 2 -im 4 ti> sa gacchati 55" 4 nah svah prätah sı? ı var na visa-ja 55" 1 yasamjn- h pra 2 visa-ja Slot lı (475 3 ti» tad bha 56° d bha 4 h rathe Se a inase pro E93 agni 57" ram üpa 4 Yy- pra@ 55° pa upa S2’ı tra ssva 5 m 2 vati 59° ga 53’ 4 pürvo dirggha Sehr 0 Die Reste von ı—3 sind so dürftig, daß ich sie nicht einzu- ordnen vermag, auch bei 4 bin ich nicht sicher, 4° ı dürfte eventuell zur Paraphrase von 1. 1. 14 (antahstha@ yaralavah) gehören, so daß also yaralavah khalu varndh zu ergänzen wäre, dann müßte natürlich 4" 2 zur Einleitung von ı. 1.15 gerechnet werden. Ist das richtig, dann muß aber das Blatt umgedreht werden, und der Inhalt von 4” gehört zu 1.1.13 (amunäsika nanananamäh). Auf sicherem Boden stehen wir erst von fol. 5 ab. 5*ı gehört zur einleitenden Bemerkung des Kom- mentars zu 1.1.16, Z.2 gibt das Sütra: ah iti [visarjanıyalıl: 5" 3 dürfte den Schluß der Erklärung von ı.ı. 16 bilden, während 5" 4 und 6° ı zur Einleitung von ı. 1.17 gehören. 6° 2 ist der Schlut des Sutra erhalten: [Aka iti jihvamül]lıyah. Eine Paraphrase wird hier wie bei den beiden folgenden nicht mehr gegeben. da sie schon bei 1.1.16 erledigt ist. Das r vor jihvamalıya 6° ı dürfte als vajrakrtir zu ergänzen sein, s. Dunca zu Kät. ı. 1. 17, und entsprechend wird 6° 3, das zur Einleitung von ı.ı. 18 gehören muß, [gayakumbhäkr]tir var[nahı] gelautet haben, s. D. zu 1.1.18 und vel. 6" 4 [uparilstad bindus mit D. zu 1. ı. ı9 bindumätro varnah. — Auf 6° 2 hat wohl die Regel 1.1.18 gestanden: [hpa iti]' upadhmalniyal]. 6° 3—7"ı bilden die Einführung zu ı. 1.19, mit am beginnt die Regel selbst: am [ity anusvarah]. 7'2—3 dürften zur Einleitung von ı.1ı.20 gehören, aber die Reste sind so dürftig, daß sich Bestimmtes darüber nicht behaupten läßt. 7° 4 gibt das Sütra 1. 1. 20 [pürvapa]rayor arthopalabdhau | padam], ı Allerdings ohne Sandhi. 196 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. z’ıu.2 enthalten die Paraphrase, während 7"3—9'3 eine sachliche Erörterung zu dieser wichtigen Regel enthalten. Der Kommentar er- örtert offenbar die 4 Arten der Worte, der alten Klassifizierung ent- sprechend (s. Rk-Prat. ı2. 5, Vaj.-Prat. 5. 46, Nirukta ı. ı, Brh.-Dev. I. 39, Pat. Einl. z. Mbhas. I, 3, 17 K'.). Der Wortbegriff ist entweder namajyam (so ergänze ich, dem akhyatajyam usw. entsprechend) nominal Beispiele für naman sind erkso’gnih” — oder akhyalaja (s. 5° ı), ver- bal — von Beispielen ist nur paeyate erhalten. daß aber mehr Verba dagestanden haben, erweist 8° 3, wo zweifellos [öyeramaldi zu ergänzen ist — oder er stammt von einer Präposition, upasargaja® — Beispiele nir, ud, duh, sam, ci, ava, @ usw. s. 8? 4—”"ı — oder schließlich von einer Partikel, nipataya -—- von den Beispielen sind nur uta und aho erhalten, s. S’ı—-3. Zu $”’4 u. 9*ı s. oben 8. 189, die 9* 2 zitierte Regel ist Kat. 2. 3. ı [yusmadasmadoh padam padat sa]sthicatulrthr- deitiyasu vasnasav üyaldi. Die große Pausa 9° 3 zeigt den Schluß von ı.ı.20 an, mit na beginnt die Regel anatikramayan vislesayet — Kat. 1.1. 22 (! s. oben S. 183), das d 9" 4 bildet ihren Schluß. Zu asammohartham apü@ vgl. D. zu 1.1. 22 asammohärtho yam yogah. Die Erklärung reieht bis 10" 3, wie die Pausa-Striche erweisen: über den Inhalt läßt sich aber wegen der Lückenhaftigkeit des Textes Bestimmtes nicht sagen. 10° 3 u. 4 haben wir die Regel ı.ı. 21 eyanjana|m asvaram param rarnamı) nayet, das Folgende gibt die Paraphrase: aber der Kommentar ist ganz aus der Konstruktion gefallen, denn der Schluß kann doch kaum anders als netaryam ergänzt werden. Die folgende Zeile ver- stehe ieh nicht, 10” 3 enthält die Regel 1. ı. 23 [loko]pucarad gr[a- hanasiddhil]; 10” 4 beginnt deren Paraphrase [loka]sya khalapacaralt), nach dem Platz, der zur Verfügung stelit. kann dieselbe aber un- möglich schon auf 10” zu Ende geführt sein, sondern müßte noch auf das folgende Blatt hinüberreichen. Dort wären auch sachliche Ausführungen und Beispiele für die Regel zu erwarten sowie eine Angabe über den Kapitelschluß, da das ı. Kapitel mit dieser Regel schließt (s. oben S. 188). Das uns vorliegende folgende Blatt steht aber offenbar schon bei der Einleitung von 1.2.1; ı1*ı wird (die Regel [a]natikramayan vistelsayet| = Kat. ı. ı. 22 zitiert‘, und 1 1"3 bringt schon das Sutra 1.2. ı [samanah savrarne| dirghebh|arali paras ca lopan|], ! Vgl. Burserr, On tlie Aindra School of Sanskrit Grainmmarians 1875, S. 12. ® Mit Absicht scheint hier ein Fall gewählt zu sein, wo nach den Sandhi-Regeln Schwund des anlautenden Vokals eintreten muß, s. Dursas Ieira, yajante'tra. Der Text hat hier auffallenderweise aupa|sargajam) s. 8° 3 und entsprechend 8% 1 naipälaj| am]. ' Zu 11% 2 svaram adha vol. 9» 3. E. Sızs: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 197 wie die folgende Paraphrase beweist. Es scheint mir daher „anz zweifellos, daß zwischen ıo u. ıı ein Blatt verloren gegangen ist. Dieser Verlust — es kann sich eventuell auch um eine Verlegung der Blätter gehandelt haben -—— muß dann aber schon vor der Ver- einigung der Blätter durch das Schnürband liegen, da das Schnür- loch bei ı0 u. ı1 unversehrt ist. Mit ı1? ı [bharalifi] paras ca lopam apa|dyate| schließt die Paraphrase von 1.2. ı, in der folgenden Zeile dürfte die Regel ı. ı. 21 [vyanjanam asvaram param]| varnam nal yet] zitiert sein. dandagram (l. |danda agram] dandäagram) ı1° 3 wird auch bei Durca als Beispiel für a gegeben, desgl. dadhidam und madhitda- kam (s. 11” 4 u. 12° 1) für © und u, ob aber in unserem Text auch ein Beispiel für @ gestanden hat (bei D. sägata), bezweitle ich, da auch die Beispiele für 7 und @ (D. nadihate und vadhüdham) fehlen. Was in Wirklichkeit hinter dandägram gestanden haben mag, weiß ich nicht zu sagen, saddhau ı1° 4 verstehe ich nicht. Zu pär ı2*ı' ergänze ich nach D. rsabhah; das Beispiel für r (D. krkarah) dürfte wiederum fehlen, ich vermute, daß ı2" 2 so zu ergänzen ist [A/ ka- rah-[kl]klaran] (s. auch D. in den Hdss. B. C.E.); kl ist von dem Schreiber absichtlich weggelassen, s. oben S. 157. Wie 12" 3 zu er- gänzen ist, vermag ich nicht zu sagen. Das e 12" 4 bildet den Schluf von 1.2.2 [avarna ivarne]| e, das Folgende gibt die Paraphrase, das Beispiel 12” 2 ergänze ich nach D. ta|va] i[ha taveha]. Dahinter dürfte wahrscheinlich das Beispiel für die Z. 3 folgende Regel 1.2.3 ura- [rne 0], d.h. wohl [tava udalkam, bei D. tavohanam und gangodakam, gestanden haben, denn von jetzt ab werden ständig die in Betracht kommenden Beispiele ohne Sandhi als Einleitung voraufgestellt, und der Kommentar wird so schematisch (s. S. 190), daß ich mich fortan kürzer fassen kann. Mit [paras ca l|opam 13° ı schließt die Paraphrase, zu vyamrtad bhavalti] s. S. 190, die Lücke enthielt das Beispiel |[/ava udakam tavodaka]ın. 13" 2ff. Beispiel für ı. 2. 4 ist tava rsabhah, s. 13° 2 u.bı (bei D. lavarkärah), das Sutra rvarne ar hat in der Lücke zwischen 13° 2 u. 3 gestanden. 13” 2 [/Jvarne al= ı. 2. 5, Beispiel tavalkarah wie bei D. 14" ıff. Die Beispiele für ı. 2. 6 [ekare] ai aikäre [ca], s. 14" 2, sind tava esa und s@ aitikaya[ni?], s. 14” 1, bei D. tavais@ und saindri. 14° 2ff. Für 1. 2. 7 [okäre] au aukare [ca], s. 14” 3, gibt D. die Beispiele tavaudanam und saupagavt; das ı. hat in unserem Text auch gestanden, wie das 2. lautete, läßt sich nicht feststellen. ı Zu madküdakam pitr vgl. 10% 2, vielleicht ist dort diese Stelle zitiert. Sitzungsberichte 1908. 21 198 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. ı5° 3 Natürlich ist dadh al|tra] zu lesen (wie 16° 2 madhu altra), Z. 4 ist der Schluß von ı. 2.8 [iwarno yam asavalrne na ca paro lop[yah] erhalten. D.s Beispiele sind dadhy atra und nadıy esa. ı5° 3 Hinter den Pausa-Strichen muß madhu atra und vam uvarnah — 1.2.9 gestanden haben, D. madhv atra und vadhvasanam. 16° 3 Der Schluß von ı. 2. ıo [ram rvalrnah, das Beispiel wird pür arthah sein, D. pitrarthah und krarthah. 16°’ 2 Der Anfang von ı. 2. ı1ı /am lvalrnah], als Beispiel wird hier wunderbarerweise Alamah gegeben, s. 17° ı, das der Kommentator demnach von einer Wurzel kl + Suff. ama abzuleiten scheint, D. hat lanubandhah und lakrtih. 1ı7°ı Für eay = ı.2.ı2, das hinter ne ana|m]' zu ergänzen ist, gibt D. nayati neben .agnaye; für ai @y = ı. 2. 13, das 17” ı gestanden haben muß, nayakah neben r@y aindri, nai akah n@yakah dürften wir also wahrscheinlich hinter ı7” 3 [eyam] » tad bhavati zu ergänzen haben. Für o av = ı.2. 14, s. 17” 4, hat D. die Beispiele /avanam und patav otuh; hier scheint pavanah gestanden zu haben, denn vor anah 17°a ist noch ein Stückchen des voraufgehenden Aksara erhalten, das auf ein p schließen läßt. Genau das gleiche ist vor akah ı8° 3 der Fall. so daß wir für die unmittelbar dahinter zu ergänzende Regel au av — 1.2.15 p@vekah als Beispiel anzusetzen haben; D. gibt hier gavau und g@vah. Für ı. 2. 16° (die Regel Kat. ı. 2. 16 wird hier, wie wir oben sahen, in 2 Regeln geteilt) ayladımam yavalopah padante] na va, s. 19° 1—2, haben die Beispiele wie folgt gelautet: fe @huh, s. ı8?2 u. 19° 1, tasmai asanam, s. 18° 3 u. 19° ı, pato uttistha, s. 19" 3 u. 20° 4, und au imau, s. 19° 4: tau imi ı8” 4 (das i ist ganz verwischt) ist wahr- scheinlich nur verschrieben und deshalb vom Schreiber nochmals auf- geführt worden. D.s beide ersten Beispiele sind mit den obigen iden- tisch, statt pafo uttistha hat er pato iha, für au aber asau induh. Vor ayladımam) ı9° ı werden natürlich außer o av und au av noch e ay und ai @y, also die 4 in Betracht kommenden Regeln 1.2. 12—15, ge- standen haben. 20° ıff. erscheinen dieselben Beispiele für ı. 2. 16” [Zope] tu prakrtih, s. 20" 4, desgl. hinter imau 20*2 nochmals die Regeln 12—15, dazu kommt mit aya 20° 3 wahrscheinlich noch 16%. 21°ı. Beispiele für ı. 2. 17 e|dotparah padante lopam akarah], s. Z.1—2, sind fe atra (s. Z.4) und pato atra (Z. ı) wie bei D. Der Abschnitt 21”—22* (vgl. Taf. II, 2a) ist mir unverständlich, was sollen rdudah und mara r 2ı” ı und rurrutah » maru 22*4?— 21° 2 ! = nayanam. E. Sıeg: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 199 dürfte auf die Regel 1. 2.3 gehen, während 22*2 ro re I[opam svaras ca purvo dirghah] = 1.5.17 zu zitieren scheint. 22” ı enthält die Regel 1. 2. 18 na vyamjane svar[äh samdheyah), aber das Beispiel 22” 4 ist nicht klar. Ist etwa dadhighatam zu lesen? D.: devigrham, patuhastam, mältrmandalam usw. 23° ı. Schluß von Kap. 2. Es folgt ı. 3. ı [odanta ai u äü nipatah} svare prak[rty@]. Die Beispiele sind durchweg anders als bei D.. vor iha 23” ı wird doch wohl eine einsilbige Partikel auf o gestanden haben; hamgho ist bisher noch nicht belegt, dagegen zitiert BornrLisek Pet. W. hamho als Interjektion des Anrufes; das Beispiel dürfte hamgho ägacchami gelautet haben. Die Reihenfolge im folgenden scheint aber durchbrochen zu sein, denn hinter iha 23” 3 würde man vielleicht {oder v, aber nicht a erwarten. Der Anfang von 23” 4 ist nicht klar, zunächst ist nicht sicher zu erkennen, ob das erste Aksara ca oder va zu lesen ist, da der untere Teil fehlt, auch was unter dem dha gestanden hat, ist nicht mehr zu erkennen; sollte es avadhvasa für apadhvamsa sein? Ein Imperativ ist wohl am Platz, s. D. a apehi, i indram pasya, u uttistha. 24° ı beginnt die Paraphrase zu 1. 3. 2 dvivacanam amau. D.s Bei- spiele sind agn? etau, patis imau, sale ete, mäle ime. 24" 4. Der Schluß von 1.3.3 [dahuracanalın amt. D.s Beispiele sind amr ascah, amt edakah. 24° 3 anupadista[s ca] = ı. 3. 4, der Fehler upadisträs in der Para- phrase 24° 4 ist merkwürdig; daß die Regel die Plutas betrifft, lehrt auch Durca; 25° 2 dürfte zu den Beispielen gehören, das erste Aksara scheint ccha (ayaccha?) gewesen zu sein, D. gibt @gaccha bho devadattaz atra und fistha bho yajnadattaz iha. Mit dieser Regel schließt das dritte Kapitel. 25" 4ff. Kat. 1.4.1 lautet varyaprathamah padantah svaraghosavatsu irtoyan, hier wird sie nicht anders gelautet haben, s. 25" 2 u. 3, cari ist vielleicht cavivarjitah zu ergänzen und gehört schon zur Paraphrase, die mit apadyante 26° ı schließt. Dahinter dürfte der Kommentator auseinandersetzen, daß c hierbei nicht in Betracht kommt, da es eben am Wortende zu % werden muß, vor tad bhavati 26° 2 scheint k\ ge- standen zu haben. Für jeden Fall wird ein Beispiel gegeben, nämlich vak atra und vak gadati, sat atra und sat gadati, tat a. und tat g. und tristup' a. und tristıp g., während D. nur vag atra und sad gacchanti gibt. Das Aksara zwischen sa und ira 26*4 ist verwischt, es scheint ta dort gestanden zu haben, das der Schreiber also wohl hat in da verbessern wollen. ! Es wird hier und im folgenden ständig Zrstup geschrieben. 312 200 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. 26” 3 ff. Von den Beispielen für 1.4. 2 |pancame pancamam]s trtiyaln na va] s. 27°2 sind sicher zu ermitteln v@k-mayam, saf-mayam und tristup-mayam, für den Dental hat es vielleicht fat-mayam gelautet, s. 27”3, D. gibt vak-mati, sat mukhäni, tat nayanam und tristup minoti. Die Blätter 28 und 29 sind zweifellos vertauscht, denn [tri]stud- mayam 29°ı setzt das 27”4 begonnene Beispiel fort: trstup mayam tr[stum-mayam yadi va tr]stub-mayam, und mit vak beginnen die ein- leitenden Beispiele für 1.4. 3 vargaprathamebhyah sa|karah svarayava]- raparas chakäram na va, s. 29" 4—"ı, nämlich va@k-surah, sat Syamah, tat Scelam und tristup Srüyate, bei D. ebenso, nur tristup srutam. Die Para- phrase schließt 29” 4, 2S’ıff. stehen die Beispiele, 28” ı beginnt die Einleitung für ı. 4.4 telbhya eva hakarah pürvacalturtham na va s. 28S’a4 und 30*ı. Die Beispiele für diese Regel sind vak hasati, saf hasati und tristup hasati, bei D.: vak-hmah, sat halani, tat-hitam, und kakup-hasah. D. gibt hier merkwürdigerweise auch ein Beispiel für c, nämlich ac-halau = ac und hal, das aber in unserem Kommentar mit recht fehlt, da ac ja nur eine grammatische Fiktion ist. 31° 2 gehört schon zu den einleitenden Beispielen für 1.4. 5 [pararapam takaro lacatalvargesu s. 31” 2, es sind der Reihe nach tat lavanam s. 32" 1, tat caranam 31*2 u. 32*2, tat charanam (sie!) 31" 2 u. 32° 3, das Beispiel für 7 fehlt an beiden Stellen, es muß 31" 2—3 u. 32° 3—4 gestanden haben, tat jhasanam (sie!) 31" 3, 32" 4, tat Natva 32° 1'; tat füsanam (sie!) 32” 1, tat thadanam (sie!) 32” 2, tat dayanam 32” 3, lat dhaukanam 31° ı u. 32”3, tat natva 31” ı u. 32”4. — Dura hat entsprechend tat lunati, carati, chadayati, Jjayati, Jhasayati, nakarena; tikate, thakarena, dinam, dhaukate und nakarena. In der Lücke zwischen 32”4 u. 353"ı muß die Regel 1.4.6 cam se gestanden haben, das Beispiel ist Zat saranam s. 33° 3, bei D. haben wir tac slaksnah und tac Smasanam. 33" 4ff. taryan atra, sugan atra 33"4 u. 33’4 und rajan atra sind die Beispiele für 1.4.7 [Hanana hrasvopa]dhah svare dvih s. 331, be D. lauten sie krunn atra, sugann atra und pacann atra. 34'ıff. Die beiden nächsten Regeln fehlen unserem Katantra (s. oben S. ı88f.). Das erste Sutra, dessen Behandlung bis 34” 3 reicht, dürfte so gelautet haben: [nan]au katabhyam sasase[su vyavadhayete] S. 34°2, denn so wird doch wohl das vyapadhiyaite 34° 4 zu verbessern sein: »7 und 2 im Wortauslaut werden von folgendem Zischlaut durch k bzw. f getrennt«. Zur Sache vgl. P.8. 3. 28, Ca. 6.4.12, die Bei- spiele sind tryan(k) sete, sugan(t) sande und tiryan(k) sarasi. ! Siehe die Bemerkungen S. 187, diese Bildungen auf va (sie!) sind dem Kommentar eigentümlich, s. auch 37%4 und natva 32» 4. E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 201 Die folgende Regel hat dann wohl [fanau si | fakärena va gelautet, s. 35°1: »f und n im Wortauslaut werden von folgendem s beliebig durch { getrennt«, s. P. 8. 3. 29—30, Ca. 6. 4.13— 14, Beispiele sind satt) sahasr@ni und bhavanft) sadhu. Mit 35" 2 beginnen die Beispiele für 1. 4. 8 no’ntas cachayoh |sa- karam anusvara|pürvam s. 35” 3—4, es sind bhavan carati und bharan chaitrena, bei D. bhavams carati, chadayati, eyavate und chyati. 36" 4ff. Die Beispiele für 1.4. 9 [fa]thayoh sakäram, s. 36’ ı, sind bhavan tasayati (sie!), s. 36° 4 u. "4, und bhavan thakärena, s. 38° ı, (bei D. bhavams tkate und thakärena), denn die Blätter 37 u. 38 sind wieder vertauscht. [bha]van thakarena 38° 2 ist schon das zweite Ein- leitungsbeispiel für die unmittelbar dahinter zu ergänzende Regel 1.4.10 lathayoh sakaram. Das erste Beispiel wird bhavan tarati (s. 38” ı) gelautet haben, das läßt sich mit ziemlicher Sicherheit aus dem Beispiel zu 1.5.3 s. 43" erschließen, weil die zu 1.5.1ff. ge- gebenen Beispiele immer den zu 1.4. Sfl. gegebenen analog lauten. D. hat bhavams tarati und thudati. — Die Regel fr am 1.4.11 muß 38” 3 hinter dem sie einleitenden Reispiel bhavan lavanena (bei D. bhavamllınati und bharamllikhati) gestanden haben. Leider ist die Stelle, wo der Sandhi ausgeführt, d. h. wo bhavimnllaranena stehen müßte, 37° 2 weggerissen. — 37" 3 beginnen die Beispiele für die Regel 1.4.12 | jajhanasakarelsu [ra]karam, deren Schluß wir 37” ı finden; wie das Beispiel für 7% gelautet hat, läßt sich nicht mehr ermitteln, sonst sind es bhavan jayati 37°" 3 u. ”4, bhavan [naltea 37°4 und bhavan süurah 39° 2, für die a sind 37"4. ”ı u. 4 Lücken gelassen, 39° 2 steht fälschlich bhavag Surah für bhavan surah'. D.s Beispiele sind bhavan jayati, jhasayati, nakärena und s$ete. 39° 3ff. Das Beispiel für 1.4.13 $ [ncau” va], s. 39° 3, ist wieder bhavan sürah. D. gibt 3 Beispiele, die er außerdem nach den 3 Mög- lichkeiten variiert, nämlich blavan surah, kurvan surahı und prasan sayanam, Unser Kommentar kann nach dem zur Verfügung stehenden Platz, s. 39° 34, nur 2 Möglichkeiten berücksichtigen. 39” 1—2 wird 1.4.3 zitiert. Für 1.4.14 [dadhana]paras tu nakarlam], s. 40° 2, gibt der Kom- mentar die Beispiele bhavan deyati (sie!), Ss. 4o’ı, dhaukyati (sie!), s. 40*ı u. ?2, und natva, s. 40° 3, D. bhavan dinam, dhaukate und nakarena. 40” 4 [mo’nusvalram vyanjane 1.4. ı5, das Beispiel ist fam suram 40° 3 u. 41° 2, bei D. fram yasi, tvam ramase. ! Siehe oben S. 187. 2 So ist meines Erachtens statt des von Eserrıng in den Text des Kät. ge- setzten ncau zu lesen. 202 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. Das letzte Sutra des 4. Kapitels lautet varge |tadvargapancamam va] s. 41° 3, einziges Beispiel ist {am karoti s. 41" 3 u. b2, während D. für Gutturale, Palatale und Labiale je ein Dept gibt: tvan karosi, tan carasi und pumbhyam. 1.5. I lautet Kat. [visarjanzyas ce] che va sam, der Schluß ist noch 42" ı erhalten, die Beispiele sind kah carati, s. 41” 4 u. 424 und kah chattrena, s. 42°4 und vgl. 35° 2ff. zu 1.4. 8 sowie die Bemerkung S. 201 zu 1.4. IO'. 42°3 wird Regel ı.ı. 21 zitiert. 42” ı— 2. Für die folgende Regel ı.5. 2 fe the va sam bleibt zu wenig Platz übrig, da das einleitende Beispiel für ı. 5. 3 schon 42” 2 beginnt. Offenbar hat der Schreiber hier versehentlich einen Teil seines Originals übersprungen, indem er von den einleitenden 3eispielen gleich auf den Schluß herübergeraten ist; die Beispiele haben natürlich kah tasayati und kah thakärena gelautet, s. 36° 4 ff. zu 1.4.9. 42” 3 te the va sam —= 1.5.3, Beispiele sind kah tarati und kahı thakärena, s. die Bemerkungen zu I.4. 10, 38" 2 ff. Für 1.5.4 [kakhayo|r Jihvamüliyam na va, s. 43" 4, erscheinen die Beispiele Aah karoti und kah khanati wie bei D., zum Jihvamulıya s. oben S. 186, für die Parallelregel 1.5. 5. |pa]phayor upadhm|anıyam na va], s. 44" 2, kah pacati und kah phalati ebenfalls wie bei D., zum Upadhmanıya s. oben S. 157. Die Beispiele für ı. 5. 6 [se se se va] v@ pararupam, s. 45° ı, sind kah sete 45"4, kah sande 44” 4 u. 45” ı und wahrscheinlich kah sarasi, s. 45” 2 u. 34” ıff., bei D. steht als letztes sadhuh. [um alkarayor ma[dhye]) = ı. 5.7. Beispiel ist kah atra, s. 46° 2, bei D. ko’tra und ko’rthah; 46° ı wird sicherlich ı. 2. 17 edot- parah padänte lopam akärah zitiert. Die folgende Regel 1. 5.8 lautet im Kätantra aghosaratos ca, hier dürfte sie [aka]raghosavatos [ca] gelautet haben, s. 46° 3 und vgl. oben S. 189. Die Paraphrase ist nicht zu Ende geführt, der Fehler muß hier aber an dem Original des Abschreibers liegen, wie die offen ge- lassene Stelle hinter rna 46” ı beweist”. Das Beispiel läßt sich nieht mehr ermitteln, das erste Wort war ka[l], s. 46° ı, aber gacchati oder dhäcati wie bei D. wäre zu lang, da 46° 2 schon die einleitenden Beispiele für ı. 5.9 [aparo lopyo 'nyalscare yam va, s. 46° 3, bringt. Das erste von diesen hat kahı iha gelautet, Ss. 46° 2 u. 47" 2, das zweite ist nicht sicher. Das Zeichen hinter Akah 46” 2 ist nicht mehr deut- lich erkennbar, es sieht aus wie yu, das könnte aber an dieser ! Auch bei D. lauten die Beispiele von ı1.5.1ff. den zu 1.4. 8ff. gegebenen analog. 2 S. oben S. 187. E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 203 Stelle natürlich nur irrtümlich für « stehen: D. hat kah iha und kah upari. Die Beispiele für ı. 5.10 [abhobhyam ejvam eva sware, s. 47" 4, sind kah atra, s. 47° 3 u.” 3, und bloh atra 47° 3 u.”4. Der Visarga am Anfang von 47" 4 ist nur versehentlich statt des Pausa-Zeichens geschrieben. D.s Beispiele sind deva ahuh und bho atra. Die Blätter 48 und 49 sind wieder vertauscht, außerdem ist hier zwischen 10 und ıı eine Regel eingeschoben, die unserem Katantra fehlt, die aber von D. nach einigen in die Katantra-Regeln 1.5.11 u. 12 hineinzuinterpretieren ist: bho ity amantranaukaropalaksanam kecit. Es handelt sich um den Sandhi von bAayo(h) und ayho(h), und die be- treffende Regel dürfte [bhagoagholbhyam ca, s. 49° 2, gelautet haben. Zur Sache s. P. 8. 3. 17. Mit kah gacchanti 49” 3 beginnen dann die Beispiele für die 49’ 4 zu ergänzende Regel 1.5. ı1 ghosavati lopam, 48° ı— 3 gibt deren Paraphrase, das Folgende bis 48” 2 die Beispiele‘. Zur größeren Anschaulichkeit will ich jedoch den ganzen Text so hierhersetzen, wie er vielleicht gelautet haben wird. 49° ı [bhagolh atra +» [aghoh atra » bhayo 2 agholbhyam ca » bhalgoaghobhyam vi 3 sarjalnıyah svare praltyaye pare 4 lopam apadyate [yadi va yam +» bhagoh a ı tra] » bhago atra +» [yadi va bhagoy atra >» a 2 ghoh altra » agho at|ra » yadi va agyhoy a 3 tra » ]kah gacchamti|- bhoh gaccha » bha 4 goh vijaya] » aghoh [ghatasva » ghosavati lopam 48° ı albhobhyam bhagoa|ghobhyam ca visarja 2 niyah] ghosavati ppraltyaye lopam apadya 3 te vyam] » tad bhavati -» k|ah gacchamti ka ga 4 echam]ti » bho(h) gaccha » bho ga|ccha - bhagoh ghatasva 48” ı bhago] ghatasca » aghoh cijalya agyho vija 2 ya] » Die folgende Regel 1.5. 12 lautet Kat. [nzmipa]ro ram, es ist an- zunehmen, daß sie in unserem Text ebenso gelautet hat. s. 48” 3. doch läßt es sich nicht sicher behaupten, da die Reste von jetzt ab zu dürftig werden. Das erste Beispiel ist hier agnih dahati, was auch zu der mit ghosavati” beginnenden Paraphrase stimmt, während D. diese Regel anders faßt (würartham [s. Kat. 2. 3. 52] vacanam idam) und erst das folgende Sutra 1. 5. 13 ghosavatscaraparahı in dieser Weise erklärt, ! Bei D. deva gatah, bho yasi, bhago vraja, agho yaja. ?2 Anuvrtti von I. 5.11. 204 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. Januar. denn erst dort gibt er die Beispiele agnir gacchati, agnir atra; pahur vadati, patur atra. Es ist darum leicht möglich, daß die Regel Kat. 1.5. 13 unserem Text überhaupt gefehlt hat, denn das nächste Stück 50°4 gehört schon zu der Regel 1.5. 14 [rapra]krtir anami| paro'pi). Fol. 51, das ich noch aus 3 kleinen Fetzen zusammensetzen konnte, enthält in 51" ı die Regel ı. 5. 15 [e]lsasapar|o vyanjane lopyah], in 51’ ı die Regel ı. 5. 16 na visarjalniyalope punah sandhih], während auf 53° 4 die Regel 1.5. 17 [ro re lopam svaras ca] pürvo dirghalh] vorzuliegen scheint. m. Dieses Stück, gez. TIL, S 74, Nr. ı, stammt aus derselben Ge- gend wie das Sitzungsber. 1907, S. 466 ff. behandelte Fragment, näm- lich aus einem Sehutthaufen in der Schlucht von Sängim Agiz, so versicherten wenigstens die Leute jener Gegend, von denen Hr. voLeCoo es neben anderen Papierfetzen heterogensten Inhalts käuflich erworben hat. Das gelbbraune Papier ist stark zermürbt, und die Brahmı-Schrift ist sehr verblaßt. Auf jeder Seite stehen 6 Zeilen, und es scheint, als ob die ursprüngliche Höhe sich erhalten hat, dagegen fehlen die Ränder rechts und links (s. Taf. II, Abb. 3), und es läßt sich bei dem geringen Umfange des Fragmentes nicht sagen, wieviel an beiden Seiten fehlt. Wir werden sehen, daß die Regeln behandelt sind, welche Kät. 2. 6. 41—47 entsprechen, aber es ist nicht sicher auszumachen, ob sie alle genau so gelautet haben. Daß der Kommentar mit dem unter II behandelten identisch ist, halte ich für zweifellos, wenn- gleich er hier im Gegensatze zu der Breite und Klarheit, ich möchte fast sagen Harmlosigkeit im Sandhiprakarana, eine merkwürdige Kürze und Prägnanz zeigt. ı va » devaraja » devasakh- 2 » chatropanaham » vägviprusam » upasaradam + 2 -yaksadharmäh surabhigandhi » vadhüjani » gant 4. niy-der lopah » danubandhe pratyaye a 5 -o dv-dasa ter-i. ter api +» ter lopo 6 e.vimsa... I aDa-N- 2 ya » väsistha » ga.yah kapyah g@- gya. 3 n-nlasya kvacit tu lopo bhavati » sva 4 -dyam vartate » haslinam +» vemanya +» | u 5 -v- . padayitavyah svare pratyaye ye cah bha 6 eye kadrcas tu lupyate » ...tyaye pa E. Sıes: Neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chin.-Turkistan. 205 Auf der ersten Zeile beginnen die Beispiele zu Kat. 2.6.41 samasanlayatanam va rayadınam adantata, zu devaraja und devasakha', s. P. 5.4.91 und Ratnesvara bei DurcAa zu Kat. 2. 6. 41, Sutra I, es fehlt merkwürdigerweise das Beispiel für ahan; zu chatlropänaham und vägviprusam S. P. 5. 4. 106, R. 36, zu upasaradam P. 5.4. 107, R. 38. Sehr instruktiv für die Erklärung der Regel sind |[prat|yaksadharmä@', surabhigandhi und vadhijani, da sie Beispiele für ursprüngliche a-Stämme bilden, die als letztes Glied des Bahuvrihi-Kompositums nicht mehr adanta sind, zur Bildung s. P. 5.4. 124,135 u. 134. Bei gan? dürfte vielleicht an ganikapäda, s. die hasty@dayah zu P. 5.4. 138, zu denken sein. Kat. 2. 6. 42 lautet danubandhe "ntyasvaräder lopah, hier steht aber nur 'nty[alder lopah, s. Z. 4. Mit dänubandhe beginnt die Paraphrase, (dv[aldasa Z. 5 scheint das Beispiel zu sein, vgl. P. 5.2.45, D. hat hier catvaärımsah, s. P. 5. 2. 46. Es folgt die Regel ter [ry[msu]ter api = Kät. 2. 6. 43. Hinter e[ka]- vimsa 2.6 haben noch 2—3 Aksaras vor dem Schluß des Kommen- tars gestanden, vielleicht ist ekavimxam satam gemeint, s. P. 5. 2. 46 a. 3, D. gibt nur vimsah. avalrjna Z.ı d. R. gehört wohl zur Paraphrase von iwarnararnayor lopah svare pratyaye ye ca = Kat. 2. 6. 44, 2.2 gibt Beispiele dazu. Das Beispiel vor väsistha muß nach dem Schema, das der Kommentar im folgenden beobachtet, ein Beispiel für 7 gewesen sein, das ya dürfte also wohl als sauparneya zu ergänzen sein, Suff. eya von suparnt, Ss. P.4.1.120; vasistha, Suff. a von vasistha, s. P.4.1.114. Da wir ein Beispiel für @ zu erwarten haben, dürfte das nächste Wort galngelya (vgl. D.) zu ergänzen sein, Suff. eya von ganya, s. P. 4. 1. 120, Kat. 2.6.4 — käapya, Suff. ya von kapi, s. P. 4. 1. 107 — gälr]yya, Suff. ya Mon garga, Ss. P. 4: 1.105, Kat. 2..6. 2. Z.4 gehört zur Paraphrase von nas tu kvacit = Kat. 2. 6. 45, hastinam und vaimanya|h] sind Beispiele für den Niehtschwund, die bei D. fehlen, vgl. P. 6. 4. 144 und 164ff., zu hästinam P. 6. 4.166, zu vaimanyah 6. 4.168 und die Glosse in Bönrrisexs Panini, ı. Aufl. Das folgende vw bildet den Anfang der Regel Kat. 2. 6.406 uvarnas tv olvam Apadyalı (vgl. P. 6. 4.146), mit o|tvam @]padayitaryalı svare pratyaye ye ca» (sie!) Z. 5 schließt die Paraphrase, das folgende Beispiel war vielleicht bhargavah, bei D. haben wir aupagavah und babhravyah. 2.6 eye 'kadrväs tu lupyate ist = Kät. 2. 6. 47, das ist die Regel, mit der das Sitzungsber. 1907, S. 466 ff. behandelte Bruchstück beginnt, ! Visarga wird teils geschrieben, teils nicht, öfter auch an Stelle des Pausa- Zeichens gesetzt. 206 Gesammtsitzung vom 13. Februar 1908. — Mittheilung vom 30. ‚Januar. zu dem ich hier am Schlusse noch einiges nachtragen möchte. Die Lesart laksmana (s. S.483f, 61) haben, wie mir Geheimrat KırLınorn schrieb, auch Säkatäyana 1.3.73 und Hemacandra 2.4.75, während die von K. verglichenen Manuskripte Paninis und der Kasika sämt- lich /aksana haben. kumbht (s. S. 48ı, 36—43) findet sich im Ganaratnam. 1.46 als Pflanzenname, und kadra (s. S. 483, 60) fußt natürlich auf P. 4.1.72, was ich damals ganz übersehen hatte. Ich verdanke diese beiden Hinweise Prof. WACKERNAGEL. Ausgegeben am 27. Februar. ER S a 3 S 2 Ri NS RS 102] Tu Taf. II. tugq, fol. 22a Sor ’ TII M. 167 ’ DU örtug, fol. 22b So ’ TI 11.574, Nr. ı SITZUNGSBERICHTE 1908. IX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 20. Februar. Sitzung der philosophisch-historischen Ulasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. *, Hr. Koser las: Zur Charakteristik der Politik Lup»- wire. s XIV. Abschnitt aus einer demnächst in dem Sammelwerk »Die Kultur der Gegenwart« erscheinenden Übersicht »Staat und Gesellschaft zur Höhezeit des Absolutismuss. 2. Hr. von Krkure legte den 6. Bericht über die von den König- lichen Museen in Berlin, in den Jahren 1906 und 1907 unter der Leitung des Hrn. Wırcann, in Milet und Didyma fortgesetzten Aus- grabungen vor. (Abh.) Ausgegeben am 27. Februar. — 209 SITZUNGSBERICHTE 1908. X. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 20. Februar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Rugens las über das Reflexionsvermögen des Wassers. (Ersch. später.) Wasser und Alkohol zeigen im ultrarothen Speetrum selective Reflexion. Beide Flüssigkeiten besitzen eine Reihe von Streifen anomaler Reflexion, welche angenähert an denselben Stellen liegen, an welchen die stärkste Absorption vorhanden ist. Ein Einfluss der hohen Dielektrieitätsconstanten, welche beiden Flüssigkeiten eigenthümlich ist, macht sich innerhalb des durchmessenen Spectralbereichs nicht bemerkbar. 2. Hr. Martens legte eine Mittheilung aus dem Kgl. Material- Prüfungsamt vor: »Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Körpern« von Hrn. E. Rason. Die kritische Grenzspannung (Elastieitätsgrenze) in festen Körpern wird thermo- dynamisch als Fliessvorgang bei der Temperatur 7 und dem Druck p definirt. Es ist Tı Ne einfache thermisch-elektrische Beobachtungsmethode angegeben und an Versuchen bei derselben o. Zur Bestimmung der Fliessgrenze (pr) wird noch eine geprüft. 3. Hr. Branca legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. W. GornAan vor: »Zur Entstehung des Gagats.« Die Mittheilung berichtet über die Ergebnisse einer mit akademischen Mitteln im Jahre 1906 ausgeführten Untersuchung. Verf. hat den Gagat und sein Vorkommen an der classischen, jetzt freilich ganz verarmten Fundstätte des Lias von Whitby studirt. Es ergibt sich, dass Gagat in seinem chemischen Verhalten in der Mitte steht zwischen echten Sapropelbildungen und Humusbildungen. Bei seiner Entstehung sind also nicht nur Bituminirung, sondern auch Verkohlung thätig gewesen. Der Her- gang war offenbar der folgende: der Gagat wurde als ein stark erweichtes, zersetztes Holz in einen weichschlammigen Sapropelit eingebettet. So konnten die Sapropel- bestandtheile in das Holz eindringen, und es erfolgten nun Inkohlung und Bituminirung. 210 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Körpern. Von Ewaıp Rascn. (Mitteilung aus dem Königlichen Materialprüfungsamt zu Groß-Lichterfelde.) (Vorgelegt von Hrn. Martens.) 15 Be der Verwendung auf Festigkeit beanspruchter Materialien, sei es in Bauwerken, sei es in Konstruktionsteilen, ist für die Technik die Kenntnis gewisser Grenzspannungen erforderlich, mit deren Überschrei- tung die unelastischen, bleibenden Formänderungen (8) die Sicherheit gefährdende Werte annehmen. Physikalisch sind die Grenzbeanspruchungen, die gemeinhin als Elastizitäts-, Proportionalitäts- oder Streckgrenze bezeichnet werden, nicht eindeutig definiert. Zwar könnte man grundsätzlich die Festsetzung treffen, daß als Elastizitätsgrenze diejenige spezifische Höchstbelastung p, zu gelten habe, bei der die bleibenden Formänderungen (2) den Wert Null soeben überschreiten. Innerhalb dieser Grenze würde sodann der be- trachtete Körper durch beliebige Wechselkräfte ausschließlich rein elastische Formänderungen (e) erleiden und im Sinne der Thermo- dynamik vollkommen umkehrbare, geschlossene Kreisprozesse durch- laufen. Gegen diese Begriffsbestimmung wäre einzuwenden, daß die An- nahme eines vollkommen umkehrbaren Kreisprozesses in dem betrach- teten Falle keineswegs gesichert erscheint und weiter, daß der Punkt, bei dem 2 > o wird, sich mit der Verfeinerung des jeweils ange- wendeten Meßverfahrens verschiebt. Die nicht umkehrbaren Formänderungen (©) nehmen ferner bei einer großen Anzahl von Materialien mit steigenden Beanspruchungen (p) stetig und gesetzmäßig zu, und demgemäß treten auch die Gesamt- dehnungen (y) aus der Hooxzschen Geraden p = eE nur langsam und zögernd heraus. In allen diesen Fällen ist ohne Willkür eine bestimmte Aussage über die Lage der Elastizitätsgrenze nicht möglich. E. Rasen: Kritische Spannung in festen Körpern. 211 Um dieser Unsicherheit angesichts der einschneidenden technischen Bedeutung der Elastizitätsgrenze zu entgehen, schreiben wohl auch Ab- nahmebehörden vor, daß die Überschreitung einer bestimmten, will- AL L als Kennzeichen der »praktischen Elastizitätsgrenze«, der Streckgrenze, dienen solle. Die Messung der Formänderungen an den auf Zug oder Druck kürlich gewählten bleibenden Dehnung (d = = 0.002; L-Meßlänge) beanspruchten Probestäben erfolgt z. Z. in der technischen Physik zu- meist nach der von A. Marrens angegebenen Feinmeßmethode durch Spiegelapparate, die eine Dehnung von em in der Schätzungs- 100000 einheit zu messen gestatten und deren Handhabung bequem genannt werden muß. Immerhin setzt die Aufnahme der vollständigen p, &, &- Kurve einen versuchstechnisch geschulten Beobachter, die Festlegung der Elastizitäts- bzw. Proportionalitätsgrenze ein nicht geringes Maß persönlicher Erfahrung und persönlichen Vertrauens voraus und nimmt für einen Versuch eine Zeitdauer von ı bis 2 Stunden in Anspruch. Aufgabe war es, eine Methode zur Bestimmung der kritischen Grenzspannung p, anzugeben, die tunlichst der willkürlichen Deutung entzogen ist und in bezug auf Einfachheit und Schnelligkeit «des Meß- verfahrens den Bedürfnissen der technischen Praxis entsprechen könne. Diesen Ansprüchen ist die elektrische Bestimmung der den Deh- nungsvorgang begleitenden Temperaturänderungen gerecht geworden. > Die Thermodynamik macht in dem Crareyrox-Örausıusschen Satz eine allgemeingültige Aussage über den Gleichgewichtszustand zweier Aggregatszustände ©’ und £’, die bei der Temperatur 7 und dem Druck p miteinander in Berührung stehen können. Es gilt unabhängig von der Natur des betrachteten Körpers: dT I re (d’— €’) (T=dT = constans.) 2 (1) Dieser Satz werde auf feste Körper bezogen. Unter $’ sei das spezifische Volumen einer Masse verstanden, die unter der Spannung p und der Temperatur T Träger zähflüssiger Eigenschaften und Urheber der bleibenden Formänderungen des Ma- terials ist. Sie sei im letzteren gleichmäßig verteilt. In Berührung mit der 8-Masse stehe eine feste Phase mit dem spezifischen Volumen €. 212 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Dieser Massenanteil besitze die rein elastischen Eigenschaften eines festen Körpers. Die Größe r in Gleichung (1) ist eine Wärmetönung und stellt diejenige Wärme bzw. Arbeit dar, die erforderlich ist, um die Massen- einheit der Substanz durch Druckerhöhung bei der Temperatur 7 zum Fließen zu bringen. Sie kann daher in Anlehnung an den technischen Ausdruck der »Streckgrenze« als Streckwärme bezeichnet werden. Unterwirft man einen Versuchsstab einer stetig sich steigernden Zugbeanspruchung p, so kühlt er sich ab, solange e’ erheblich größer als 3° bleibt. Überwiegt anderseits beim jungfräulichen Material von vornherein die 8-Phase gegenüber der e-Phase, so ist = positiv und der Stab erwärmt sich. Der erstere Fall liegt beispielsweise beim Gußeisen vor, bei dem AT dp dann in Erscheinung, wenn es sich um weiche Materialien handelt, bei bis zum Eintritt des Bruches negativ bleibt, der letztere Fall tritt denen die bleibenden Formänderungen von Anbeginn die elastischen überwiegen. Man erkennt aus Gleichung (1) ohne weiteres, daß bei allen Ma- terialien der ersten Gattung im Verlauf des Zugversuchs ein kritischer Punkt auftreten muß, der dadurch ausgezeichnet ist, daß OW 7 BD >28 wird und E durch Null geht, um hierauf unter Vorzeichenwechsel rasch positive Werte anzunehmen. Es wird sich zeigen lassen, dal3 dieser wohldefinierte kritische Punkt p, sich mit der Erscheinung deckt, die man in der Technik als Streckgrenze anspricht. Zu beachten ist noch, daß bei adiabater, rein elastischer Form- änderung (© = 0) die Abkühlung gegeben ist durch dT ı ab, dp T 72 C) wobei < die thermische Ausdehnungszahl, v, das spezifische Volumen und c, die (in gleichem Maß wie r gemessene) spezifische Wärme des Ausgangsmaterials bedeutet. Hieraus und aus Gleichung (1) folgt aT Fu r(- aM ==) : dp r C E. Rascn: Kritische Spannung in festen Körpern. 213 3. Die Versuchsmethode. Bereits Eprunn (1865), Haca (1882), WacnsmurH u. A. haben die thermischen Erscheinungen innerhalb des Gebietes der elastischen Formänderungen untersucht. Neuerdings sind während der Bearbeitung des vorliegenden Gegenstandes von H. Horr (1907) auch die Wärmeerscheinungen im Gebiete der bleibenden, nicht umkehrbaren Formänderungen kalorimetrisch verfolgt worden. Die letztere Methode kommt für den vorliegenden Zweck nicht in Frage, da sie einesteils nicht ohne Umständlichkeit ist und da andererseits infolge der großen Wärmekapazität des den Versuchsstab umgebenden Kalori- meters die thermischen Anzeigen zeitlich hinter den Kraftwirkungen beträchtlich nachschleppen. Von Mißständen dieser Art hat sich die elektrische Temperatur- messung durch Bolometer oder Thermoelemente frei erwiesen. Zur Anwendung kamen zumeist Thermoelemente aus Silberkon- stantan, deren Thermokraft (e) zu e= [—1.259 + 0.3943 + 0.000279, ?]|- 10”* Volt ermittelt wurde. Die Warmlötstellen des Elements konnten in sehr verschiedener Weise an dem Versuchskörper angeordnet werden, ohne daß hierdurch die Meßsicherheit merklich beeinflußt wurde. So erwies es sich kei- neswegs als notwendig, die Lötstelle mit dem Probestab a (Fig. ı) durch metallische Lötung zu verbinden; vielmehr war es hinreichend, die Lötstellen mit Hilfe einer federnden Spange gegen die Stabober- fläche zu pressen. Erstere trug an dem einen Schenkel einen kleinen Hartholzriegel, der die auf einer Tuchunterlage gebetteten Lötstellen gegen die Stabunterlage anlegte. Es war vermutet worden, daß die thermoelektrische Anzeige zeitlich hinter dem Einsetzen des Streck- vorganges nachhinken könne, wenn letzterer nicht gerade an der Stab- stelle einsetzt, die von der Lötstelle berührt wird. Um dies zu vermeiden, wurde die Spange mit neun reihenartig angeordneten Löt- stellen belegt. Diese Vorsichtsmaßregel erwies sich jedoch als nicht erforderlich. So genügte es u.a. auch, eine Lötstelle durch einen übergeschobenen Gummiring gegen die Staboberfläche zu pressen. Will man, um Gleitbewegungen der Lötstellen auf der Staboberfläche zu vermeiden, die Thermodrähte metallisch mit der Probe verbinden, so kann man (Fig. ı) den einen Draht (Ag) an das eine zylindrische oder konische Stabende ı und den zweiten Thermodraht (Cn) an das Stabende 2 getrennt anlöten. In diesem Falle bildet das den Form- änderungen unterworfene, zwischen ı und 2 gelegene Probematerial selbst die Lötstelle. Sitzungsberichte 1908. 22 214 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Pig. 1. P Wesentlich ist es naturgemäß, den Stab und die Lötstellen wäh- rend des Versuches vor Luftströmungen zu schützen. Die langsamen Schwankungen der Zimmertemperatur störten den praktischen Ver- such, der nur kurze Zeit in Anspruch nimmt, in keinem Einzelfalle derart, daß eine Unsicherheit bezüglich der Lage der kritischen Span- nung auftauchen könnte. Die Kaltlötstellen befanden sich gemeinhin in Ölgefäßen 3,4 (Fig. ı). Die Thermokräfte wurden zum Teil mit einem Drehspulgalvano- meter von Harrmann & Braun, das mit objektiver Spiegelablesung ausgerüstet war, zum Teil mit einem kleinen Saitengalvanometer (b, Fig. ı), Bauart Emruoven-EveLmann, gemessen. Für die Wahl des letz- teren waren Versuche ausschlaggebend, die sich auf das Studium zeitlich rasch verlaufender Formänderungen (Schlagversuche) beziehen. Das schwingende System des Saitengalvanometers bestand aus einem dünnen Goldfaden (b) von 87 Ohm Widerstand und 0.0085 mm Durch- messer, der unter dem elektrodynamischen Einfluß des ihn durch- fließenden Thermostromes einerseits und eines senkrecht zur Mikro- meterskala gerichteten elektromagnetischen Kraftlinienfeldes anderseits parallel zur Skalenebene ausweicht. Die Empfindlichkeit des Instru- ments kann durch Entspannung des Fadens in sehr weiten Grenzen geregelt werden; der Ausschlag erfolgt in Anbetracht des geringen Trägheitsmoments des schwingenden Systems außerordentlich rasch. Die Anzeige des Instruments ist der elektromotorischen Kraft in den E. Rascn: Kritische Spannung in festen Körpern. 215 einzelnen Ablesebezirken nicht völlig proportional. Bei den später mit- zuteilenden Versuchen entspricht eine Schätzungseinheit $ der Able- sung den nachstehenden Temperaturen: — - Ablesung $ | 24 5o 1020 | 146 205 270 350 | Io= 0.00417 0.00400 0.00393 | 0.00343 0.00296 0.00260 | 0.00229 0° | | | | | | | | | | Für praktische Zwecke hat sich diese Empfindlichkeit als aus- reichend erwiesen. Für feinere Untersuchungen ist eine Bolometer- doppelbrücke vorgesehen. Die symmetrisch in einem innen geschwärz- ten Kasten angeordneten acht Einzelzweige der Doppelbrücke bestehen aus dünnen Platinfäden, die in kleinen evakuierten Glasbirnen ange- ordnet sind. Die Herstellung der Bolometerlampen erfolgte in dan- kenswerter Weise durch das Glühlampenwerk der Deutschen Gasglüh- licht-Aktiengesellschaft. Die Zugversuche wurden zumeist an Stäben von 3.14 gem Quer- schnitt, 22 em prismatischer bzw. zylindrischer Länge und üblicher Probenform ausgeführt. Zur Verwendung kam eine Prüfmaschine, Bauart Pontmever, mit 50000 kg Kraftleistung und hydraulischem Kraftantrieb. Die Kraftmessung erfolgt durch eine in Fig. ı schema- tisch angedeutete Neigungswage c, die mit einem MaArrensschen Kraft- anzeiger und Sehaulinienzeichner ausgerüstet ist, der die Formände- rungen des Probestabes als Funktion der Zugkräfte aufzeichnet. Dehnungsmessungen bis zur Streckgrenze wurden mit Hilfe Mar- rensscher Spiegelapparate ausgeführt. 4. Versuchsergebnisse. Bei weicherem Flußstahl setzt der Streck- vorgang gemeinhin rasch ein und macht sich auch durch Absinken der Pendelwage mehr oder minder deutlich kenntlich. In diesem ty- pisch ausgeprägten Falle wird die Streckgeschwindigkeit größer als die konstante Vorschubgeschwindigkeit des Kraftkolbens, so daß sich der Stab durch den Streckvorgang selbst entspannt. Tabelle ı veranschaulicht den Versuchsverlauf für einen Stahl- rundstab von 2.010 cm Durchmesser, dessen Streckgrenze sich durch die Umkehr der Galvanometeranzeige $ und gleichzeitiges Absinken der Kraftanzeige bei einer Zugkraft von 10710 kg (p,—= 3380 kg/gem) scharf zu erkennen gibt. Es bedeutet —$ eine Abkühlung, + eine Erwärmung des Stabes in den Ablesungseinheiten des Saitengalvano- meters. 22° 216 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Tabelle ı. Material: Stahl. Rundstab von 2.010 cm Durchmesser (Vers. 38). Ablesung | Zugkraft am Saiten- Br galvanometer = kg S o = 0 | Thermoelement: Silber-Konstantan. Mit Gummiring an Stabmitte 2000 —t48 angepreßt. 4000 — 90 | 6000 | —132 8000 | — 133 10000 1 — 230 10710 —255 Streckgrenze! Galvanometeranzeige kehrt um, Kraftanzeige sinkt 10650 | ne) bis auf 10650 kg ab. 11000 + 10 12000 +I15 13000 | +193 Wesentlich schwieriger als in dem vorigen Fall ist die Angabe einer Streckgrenze bei weichem Material, bei dem der Einfluß vor- aufgegangener mechanischer Bearbeitung durch Glühen beseitigt ist. Fig. 2 veranschaulicht Versuche, welche mit einem Messingrund- stab von 3.14 qem Querschnitt durchgeführt wurden. Der Stab war bei 550° 6 etwa ı5 Minuten lang geglüht und wurde einer stetig ansteigenden Belastung unterworfen. Wie der Verlauf der Kurve a dT zeigt, kühlt sich der Stab zuerst ab, Gr ist negativ. Mit steigender p Belastung wird die Abkühlung geringer, und schließlich wird bei Y dT 3610kg = 1150 kg/qem 23 = 0, der Stab hat die Streckgrenze erreicht. AT Bei weiterer Belastung nimmt ——- positive Werte an, welche sehr D dy schnell ansteigen; bei einer Belastung von 6000 kg wurde der Stab entlastet. Bemerkenswert ist, daß der Kraftmesser der Maschine keinerlei Anzeichen des Streckens wahrnehmen ließ, während das all (alvanometer den Punkt DE = 0 stets dadurch scharf anzeigt, daß ıp der im Magnetfeld bewegte Faden seine Bewegungsrichtung umkehrt. Derselbe Stab wurde hierauf einer erneuten Belastung unterworfen, dT es wiederholt sich derselbe Vorgang, wie Kurve b zeigt; a wird 0 bei einer Belastung von 6040 kg = 1920 kg/gem, d.h. der Stab zeigt die Streckgrenze bei der Höchstspannung, der er bei dem vor- E. Rascn: Kritische Spannung in festen Körpern. Fig. 2. da +450 Bi Sur: +400 +90 Belastung rn —— h 100 218 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. herigen Versuch unterworfen worden war. Das Strecken wird in diesem Fall auch von dem Kraftmesser deutlich angezeigt, indem die Wage etwas absinkt. Nachdem der Stab noch bis 7500 kg belastet und sodann entlastet wurde, wird derselbe Versuch mehrmals wieder- holt; die Kurven ce, d, e und f zeigen alle übereinstimmend dasselbe: dT zE —= 0 bei derjenigen Höchstbelastung, welcher der Stab bei dem vorhergehenden Versuch ausgesetzt worden war. Fig. 3 zeigt Versuche mit einem Normalrundstab aus Gußeisen. Ik dp steigender Belastung nähert sich die Kurve a der horizontalen Tan- Bei Belastung ergibt sich auch hier Abkühlung, negativ; mit dT gente, d.h. en dem Werto. Bei 3560 kg = ı130 kg/qem wird all- mählieh entlastet; der Stab erwärmt sich gegenüber der zuletzt er- dT . reichten Temperatur; den Verlauf von —— bei Entlastung zeigt Kurve b. dp Derselbe Stab wird nochmals belastet (s. Verlauf der Kurve ce). Im Moment des Bruches, bei 4000 kg = 1270 kg/gem, zeigt das Galvanometer eine plötzliche starke Umkehr des Fadens an, ent- sprechend einer Erwärmung des Stabs. Einen Versuch mit Flußeisen veranschaulicht Fig. 4, bei 1I000kg = 3500 kg/qem haben wir die Umkehr von Abkühlung zu Erwärmung, Fig. 4. Mi E. Rascn: Kritische Spannung in festen Körpern. 219 aT = . Eh ® > — o, der Kraftanzeiger zeigt ein Strecken durch Sinken der Wage pP erst später an. Bei weiterer Belastung nimmt die Erwärmung stark zu. Die Übereinstimmung dieser Versuchsresultate mit den durch Dehnungsmessungen gewonnenen zu zeigen, wird durch einen Zug- versuch mit einem Messingrundstab von 2 cm Durchmesser dargetan, bei dem neben den Temperaturmessungen Dehnungsmessungen mit Marrtensschen Spiegelapparaten ausgeführt sind. Tab. 2 gibt die beiderseits beobachteten Werte wieder, während in Fig. 5 einerseits $, andererseits die Dehnungen zu den zugehörigen Belastungen auf- Tabelle 2. Zugversuch mit einem Messingrundstab d= 2.0 cm. | Gesamt- Dehnungs- Galvanometer- ablesung Bemerkungen dehnung zuwachs 100000 [6) | [6) [6) [6) Zeit: ı1 ©6 1000 320 320 —1 2000 631 | 311 —25 3000 35 | 323 35 4000 1277 | 323 —40 5000 | 1617 340 —48 | 6000 1971 354 —) 7000 2336 365 | —56 8000 2717 381 —60 9000 | 3108 391 —63 10000 3527 | 419 —67 11000 | 3965 438 | —69 12000 | 4431 | 466 | —69 | 12810 4948 — | —69 Galvanometerablesung kehrt um! 12860 5400 —_ —50 12890 5700 — —44 | 12900 6620 — —40 | 12900 6810 — —32 | 12000 6490 — | —22 | Entlastet. 10000 5801 | — 2 | 9000 5450 351 | +13 | 8000 5098 | —352 | +23 7000 4712 | —386 +28 | 6000 4335 — 377 4317 0 | 5000 3953 —382 +30 Abflußventil wird weiter geöffnet. 4000 3566 — 387 | +38 | 3000 | 3151 | —415 +48 | 2000 | 2751 —400 +57 1000 2324 —427 | +54 o 1885 | —439 | +67 | Zeit: 11 32 [6) 1866 | 52 | 220 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Fig. 5 Dehnung cm.” 8000 4000 getragen sind. Fig. 5 erweist, daß beide Versuchsresultate scharf über- einstimmen. Die thermische Methode scheint auch geeignet zu sein, über die Spannungsverteilung im Innern fester Körper, die z.Z. jeder Beob- achtung unzugänglich ist, Aufschlüsse zu geben. Es sei vorbehalten, über diese Untersuchungen, die z.Z. beim Kgl. Materialprüfungsamt im Gange sind, a.O. zu berichten. W.Gornan: Zur Entstehung des Gagats. 221 Zur Entstehung des Gagats. Von Dr. W. GoTHAn. (Vorgelegt von Hrn. Branca.) er Unterstützung der Akademie verdanke ich die Möglichkeit einer Untersuchung der klassischen Lagerstätte des Gagats im Lias von Yorkshire, bei welcher sich mir die im folgenden dargelegte Ent- stehungsweise dieser interessanten, von den gewöhnlichen Steinkohlen so abweichenden Kohle ergab. Einleitend möchte ich zunächst kurz die in meiner früheren Publikation über die Entstehung von Gagat (Naturw. Wochenschr. 1906 Nr. 2 S. 17-—24) bis dahin gewonnenen Resultate rekapitulieren. Es wurde neuerdings erhärtet, daß Gagat' trotz aller Fremdartigkeit seines Aussehens aus Holz hervorgegangen ist, das bei und vor der Einschwemmung in die Schichten, in denen es jetzt vorkommt, einen eigentümlichen Erweichungs- und Zersetzungs- prozeß durchgemacht hat; später verlor es bei dem zunehmenden Wasserverlust des umgebenden Gesteinsmediums seine anfängliche Größe und Form, wobei es gleichzeitig — im Gegensatz zu seiner anfänglichen großen Weichheit, die selbst harte Fremdkörper mühe- los eine Strecke weit hineindringen ließ — die große Kompaktheit und relative Strukturlosigkeit erhielt, die. uns beim Gagat immer wieder — besonders im Hinblick auf seine Entstehung aus Holz — Schwierigkeiten verursacht. Die »Strukturverhältnisse«, soweit der Jet solche erkennen läßt, namentlich die von Sewarn beobachteten, aber nicht richtig erklärten Zickzacklinien, treten beim Zusammen- schrumpfen des Holzes von selbst auf, wie die Beobachtung der von mir untersuchten rezenten Parallelen ergab: es sind die Tracen der ı Es wird oft allerhand als Gagat bezeichnet, das nicht hierher gehört; besonders aus dem Gebiet der sogenannten »Pechkohle«, eines übrigens recht unbestimmten Terminus, wird manches für Gagat angesehen. Man muß sich indessen hüten, solche auch in einzelnen Bruchstücken vorkommenden »Pechkohlen« damit zu verwechseln, die von einem stark doppleritisierten, d.h. mehr oder minder homogen humifizierten Urimaterial (wie etwa der rezente Dopplerit) sich herleiten. (Vgl. die Definition von Gagat S. 226.) 222 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. Herbstholzschicht der Jahresringe, die beim Zusammensinken des Holzes infolge der Inhomogenität des Jahrringholzes Knickstruktur annimmt. Die Kompaktheit des Jets kann ohne Mitwirken von Ge- birgsdruck erworben werden und wird meist ohne diese erworben, da der Gebirgsdruck vielfach erst zur Geltung kommt, wenn das Ge- stein mehr oder weniger sein Wasser eingebüßt hat und damit die Jethölzer ihre Kompaktheit schon mehr oder weniger erreicht haben. Lagerungsverhältnisse des Jets an der Küste von Yorkshire. Wie bekannt, findet man den Jet in Yorkshire in denselben Schichten wie in Deutschland (Holzmaden in Württemberg); es sind dort gewisse Schichten der bei uns als Lias e bekannten Liasstufe, und zwar des als Posidonienschiefer bezeichneten Horizonts, der sich auch in Yorkshire durch sehr starken Bitumengehalt, auch von Pe- trolea, auszeichnet. Innerhalb des Posidonienschiefers ist es wieder ein wenig mächtiger Horizont, der eigentliche Jetrock, der den Gagat enthält'. Es ist dies ein Gestein, das infolge stärkeren Kalkgehalts diekplattig bankt und frisch gebrochen intensiv nach Rohpetroleum riecht. Die Fossilien in diesem Gestein (am häufigsten sind Ammo- nites (Harpoceras) serpentinus und außer Posidonomya Bronni Inoceramus dubius) sind meist (bis auf die Posidonomya) oder doch sehr häufig in Knollen eingehüllt, die außer Ton Kalk, Schwefelkies, auch Brauneisen in innigem Gemenge mit dem Ton enthalten. In solchen Knollen finden sich auch mit Vorliebe die Jetstücke. Zwar konnte ich an Ort und Stelle (bei Kettleness nördlich Whitby) nur schmälere Platten von Gagat beobachten, da dickere jetzt nur noch selten gefunden werden; doch ist dies für die Untersuchung gleichgültig. Diese Jet- platten zeigten sich nun sehr oft umgeben von einem grobkörnig krystallinischen, sehr bituminösen Kalk, oder dieser war ihnen ange- lagert. Auch sah man, daß einzelne Jetstückchen abgebröckelt waren und nun regellos in dem Kalk verteilt waren. Aber auch das Um- gekehrte kommt vor, insofern die Gagathölzer sehr oft kreuz und quer verlaufende Sprünge zeigen, die mit Kalkspat — dieser ist es mit Vorliebe — erfüllt sind. Alle diese Zerspellungsvorgänge an den Hölzern sind offenbar mit ihrer einstigen außerordentlichen Weich- ! Die Whitbyer Vorkommnisse in Yorkshire sind übrigens sozusagen erschöpft; um die alte Jetindustrie dort nicht eingehen zu lassen, wird massenhaft Jet aus Spa- nien eingeführt, der aus der Kreide zu stammen scheint (vgl. Ror#, Allgemeine und chemische Geologie Bd. Il, S. 653. Ich konnte nur noch 3 schöne Stücke von Jet aus Yorkshire dort erhalten. W. Gornan: Zur Entstehung des Gagats. DR! heit in Verbindung zu bringen, die unter Umständen beim Schrumpfen des Gesteins sogar zu Zerreißungen führte. Diese Zerreißungen wür- den noch weit bedeutender gewesen sein, wenn nicht die Schrumpfung der Hölzer in der Längsrichtung die geringste wäre. Schon die Abbildungen, die ich a.a.O. S. 21 von den verschrumpf- ten Hölzern aus Ton von Hermsdorf bei Berlin gegeben habe, legen den Gedanken nahe, daß die Schrumpfung der Gagathölzer eine meist weit stärkere ist als die des Hüllgesteins. Dies kann man auch an den fossilen Vorkommnissen in England nachweisen. Man wird hier allerdings im allgemeinen keine Hohlräume im Gestein an der Stelle, an welcher der Gagat liegt, erwarten dürfen; denn in der Natur werden die löslichen Bestandteile des Posidonien- schiefers alsbald diese Höhlungen erfüllen, und zwar wird es mit Vor- liebe das leichtest lösliche, hier in Betracht kommende Mineral sein, der Kalkspat. So sahen wir vorhin schon, daß bei den durch Quer- sprünge zerspellten Gagathölzern der Kalkspat in die Spalten einge- wandert war. Die oben erwähnten Kalkspatmassen (das Bitumen lasse ich hier noch außer Betracht), die sich so häufig an den Gagat- stücken in den Knollenkonkretionen finden, sind es gewesen, die die durch das starke Schrumpfen des Holzes entstehenden Hohlräume füllten. Im Whitbyer Museum befindet sich übrigens auch ein Stück Gagat mit einer unausgefüllten Höhlung, das aber als Ausnahme zu betrachten ist. In anderen Fällen ist es statt des Kalks Material von dem umgebenden Gestein oder der Konkretion, das die Lücke erfüllt, (vgl. die Abbildung von SewArn, Jurassie Flora 1904 part II S. 67, kopiert in Naturwiss. Wochenschrift 1906 Nr. 2, S. 22). Die Rolle der Bitumina bei der Gagatbildung. Eine sehr auffällige Erscheinung bei dem Vorkommen des Gagats — ich denke hier an die Württemberger und englischen Verhältnisse — ist der reichliche Bitumengehalt des Hüllgesteins. Der Umstand, daß in England und Württemberg in dieser Beziehung das gleiche Ver- hältnis herrscht, legt den Gedanken nahe, daß der Bitumengehalt des Nebengesteins eine sehr wesentliche Rolle beim Gagatisierungsprozeß spielt. Hierin wird man noch mehr bestärkt, wenn man das chemi- sche Verhalten des Gagats betrachtet. Die Mengen brennbarer Gase, die bei der trockenen Destillation aus Gagat entweichen, sind außer- ordentlich groß und erinnern an das Verhalten von Kannelkohle oder ähnlicher Saponthrakone, überhaupt an das Verhalten von fossilen Sapropelbildungen. Nach Srärz (Die Bituminierung, Berlin 1907, S. 66) stellt sich das Verhältnis von H zu Ö im Gagat, C= 100 gesetzt, auf 224 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. 7.29—8.84 Prozent. Bei rezenten und fossilen Sapropelbildungen er- hält man, für Ö= 100, ıI—1ı4 Prozent H (nach Srreume, Zeitschr. Deutsche Geol. Ges. Monatsber. 1907, S. 161), bei Humusgesteinen (die also den Humifizierungs- oder Inkohlungsprozeß durchgemacht haben und bei denen sich © auf Kosten von H je länger, je mehr anreichert) 4—5 Prozent H, wobei die känozoischen Materialien außer Acht gelassen sind, die ja für unseren Gagat nicht in Frage kommen. Der Gagat hält also in seinem chemischen Verhalten zwischen echten Sapropelbildungen und Humusbildungen die Mitte. Bei seiner Entstehung sind die beiden Prozesse der Bituminierung und Inkohlung tätig gewesen. Daß beim Gagat der Inkohlungsprozeß wirksam war, leuchtet unschwer ein, da er ursprünglich Holz war. Unter gewöhn- lichen Umständen wird ja Holz nur den Inkohlungsprozeß durch- machen; solche dichten, inkohlten Holzstücke kennen wir ja aus der Braunkohlenformation und dem Mesozoikum genug, die sich aber we- der in ihrem physikalischen noch chemischen Verhalten mit dem (ragat decken. Hier weisen aber die chemische Beschaffenheit und der Bitumengehalt des umgebenden Gesteins darauf hin, daß außer der Holzsubstanz noch Bitumina in dem Gagat enthalten und in das Holz eingedrungen sind. Dies letztere läßt sich nun in der Tat auf ganz andere Weise als durch die chemische Analyse und den Vergleieh mit Sapropel- und Humusbildungen sehr wahrscheinlich machen. Im Posidonien- schiefer spielten Konzentrationsvorgänge im Gestein eine hervorragende Rolle; die Knollen mit den eingeschlossenen Fossilien zeugen davon, daß viel von den mehr oder weniger leicht wasserlöslichen Mineral- bestandteilen des Posidonienschiefers an den heterogenen Bestandteilen im Hüllgestein niedergeschlagen wurde; besonders Kalkspat und Eisen- verbindungen spielen hier eine Rolle. Ob die Niederschlagszentra Fossilien oder Gagat oder andere Dinge waren, ist ja für diese Vor- gänge gleichgültig. Uns interessiert hier speziell, daß auch der Gagat zu solehen Konzentrationszentren gehörte. Man könnte daran denken, daß auch die Sapropelbestandteile oder später die schon fertigen Bi- tumina von den Konzentrationsvorgängen mitbetroffen und attrahiert worden sind. Tatsächlich läßt sich eine solche Konzentration von Bitumen um den Gagat herum aufzeigen. Schon S. 222 hatte ich den stark bituminösen Kalk erwähnt, der dem Gagat häufig unmittel- bar angelagert ist. An diesen schließt sich meist eine ebenfalls stark kalkhaltige, aber feiner krystallinische Partie in den Knollen an. Dann folgt, wenn nicht etwa noch eine durch viel Pyrit ausgezeichnete Zone kommt, die uns hier nicht interessiert, der eigentliche Jetrock W. Goruan: Zur Entstehung des Gagats. 225 als Hüllgestein. Wie die Analyse zeigt, enthält der Jetrock selbst 5.40 Prozent Bitumen! (SpÄtr, a.a.0. S.66). Hr. Dr. Winter, Chemiker und Lehrer an der Bochumer Bergschule, der die Freundlichkeit hatte, für mich einige Analysen auszuführen, wofür ihm auch an dieser Stelle gedankt sei, fand bei dem zuletzt genannten feinen krystalli- nischen Kalk 25 Prozent Bitumen, bei dem vorher genannten stark bituminösen Kalk am Gagat 46 Prozent, während der Gagat selbst etwa 90 Prozent organische Substanz enthält. Wenn wir den Gagat zunächst selbst außer acht lassen, der ja auch ohne hinzugekommenes Bitumen einen sehr hohen Gehalt an organischer Substanz aufweisen würde, so erhalten wir für die anderen genannten Materialien die Folge: ERIELTOCKS ae 20 ner 36 ren 5.4 Prozent organische Substanz, 2. weniger bituminöser, feiner krystallinischer Kalk....... 25 » » » 3. stark bituminöser Kalk am Jet 46 » » » Man sieht die Steigerung des Bitumens nach dem Jet hin sehr deutlich. Wir gehen kaum fehl in der Annahme, daß das Jetholz eine erhebliche Quantität Bitumen in sich aufgenommen hat; bei der Fossilisierung liefen dann Inkohlung und Bituminierung nebenein- ander her. Daß bei der Bildung des Gagats tatsächlich Konzentrationsvorgänge tätig gewesen sind, lehren ferner einmal Stücke, bei denen das Zentrum des Holzes echt versteint, die äußeren Partien gagatisiert sind, und zweitens der verschiedene Gehalt der Gagatstücke an mineralischen Be- standteilen. So z. B. enthält nach Sräre (a. a.0. S. 66) ein Gagatstück 85.97 Prozent organische Substanz, ein anderes 95.35 Prozent, also fast volle ıo Prozent mehr; man kann dies kaum auf Rechnung von etwas anderem als sekundär eingedrungener Mineralbestandteile setzen, die durch konkretionäre Attraktion oder Konzentration hinein- gekommen sind. Es fragt sich nun noch, ob das in den Gagat zugewanderte Bitumen als solches oder bereits vor der Bituminierung als Sapropel- masse hineingedrungen ist. Mir erscheint das letztere näherliegend, wiewohl bezüglich dieses Vorgangs manches unklar bleiben mag. Immerhin ist soviel klar, daß in das Holz, solange es noch nicht kol- labiert war, beträchtliche Mengen Sapropelmasse eindringen konnten, die in den zahlreichen Zellhohlräumen Platz hatte; später kollabierte ı Es sei hier gestattet, die ganze organische Substanz einmal als Bitumen anzu- führen; ein Fehler entsteht in unserem Falle dabei kaum, da es sich, wie gleich er- sichtlich, nur um Verhältniszahlen handelt. 226 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Februar 1908. dann Holz und Sapropelmasse. Vielleicht können wir uns diese Sapropelmengen als in kolloidaler Lösung befindlich gewesen vor- stellen. Wenn die Gesteine aber erst fertige Bitumina, Endprodukte des Bituminierungsprozesses, enthalten, sind sie schon so weit vom Wasser befreit, daß ein Holz, das den dem Gagatprozeß vorausgehenden Zer- setzungs- und Erweichungsprozeß durchgemacht hat, längst zu einer kompakten Masse zusammengeschrumpft wäre, in die überhaupt nichts mehr hineingeht, weder Bitumen, noch Sapropel, noch Mineralbestand- teile. Alle Konzentrationsvorgänge im Gestein können nur vor sich gehen, solange das Gestein eine solche Beschaffenheit hat, daß die Minerallösungen usw. ungestört im Gestein diffundieren können, müssen also vor der Umwandlung in ein eigentliches festes Gestein beendet sein, während die Bituminierung — bei Humusgesteinen die Inkoh- lung — auch nach der Gesteinswerdung weitergehen. Der Gagat- prozeß würde folglich damit beginnen, daß die noch nicht zusammen- gesunkenen Hölzer Sapropelmasse aufnehmen und mit dieser später verschrumpfen, worauf dann der Inkohlungsprozeß und Bituminierung einsetzen. Wir sehen also, daß der Bitumengehalt des Hüllgesteins eine wesentliche Rolle bei der Gagatisierung von Hölzern spielt. Gagat ist ein vor und vielleicht noch nach der Einbettung in weich- schlammigen Sapropelit zersetztes und stark erweichtes Holz, das als Holz — die Inkohlung und — vermöge der aufgenommenen Sapropelbestandteile — den Bituminierungs- prozeß durchgemacht hat, wobei immer eine sehr starke Schrumpfung nebenhergeht. Betrachtet man umgekehrt Holzstücke aus nicht bituminösen Gesteinen, denen man an ihrer Diehtigkeit ansieht, daß sie ebenfalls stark zersetzt und erweicht waren, so bemerkt man, daß diese nie- mals Gagat sind. Sie sind brüchiger, der Glanz ist anders, das che- mische Verhalten das von Humusgesteinen'. Es fehlt ihnen eben das, was dem Gagat seine Eigentümlichkeit verleiht, der Bitumen- gehalt; die Umsetzungen, die die Holzmasse solcher Stücke durch- gemacht hat, fallen in das Gebiet des reinen Inkohlungsprozesses. Es möge schließlich nicht unterlassen sein, zu erwähnen, daß wir nunmehr rücksichtlich der Entstehung des Gagats zu einer ähnlichen ! Hierher gehört jedenfalls auch der »soft jet« der Engländer, von dem Phıt.Lırs (Illustration of the geology of Yorkshire. Pt. I, zrd edition by R. Ernerinee 1875 S.185) sagt: » ‚Soft jet‘ of less firm texture, is obtained from the sandstones and shales of the oolitie series«, also aus Schichten, deren Gesteine nicht bituminös sind. Demnach wäre »soft jet« gar nicht als »Jet« zu betrachten. W. Gornan: Zur Entstehung des Gagats. 227, Annahme gekommen sind, wie Parkınson vor etwa hundert Jahren. In seinem bekannten Buch: Organie remains of a former world 1811, Bd.I, S.ı55 sagt er vom Jet: It may be considered as possessing the intermediate place between the purer bituminous matters and coals; wenn auch die weiteren Ausführungen dieses Autors große Unsicherheit und Unklarheiten zeigen, ist er doch in dem obigen Satz im Prinzip unserem jetzt erreichten Resultat ziemlich nahe gekommen. Ausgegeben am 27. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. | h san II 1 9188 ’ si 3 j u rn z ü n IR . un X ee (ISDN Anne Mr ee: ia IT k W 0, by 1 Lo PA a ee et v ul sr An ee re Au all yuio U I a XI Xu. X. _ DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN ADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. mtsitzung am 27. Eebruag) (S. 229) Der Drakensberg und der Quathlambabruch. (S. 230) ng der physikalisch-mathematischen Classe am 5. März. (S. 259) ı CA: Vorläufiger Bericht über die Ergebnisse der Trinil-Expedition der Akademischen Jubi- & jäums-Stiftung d er Stadt Berlin. (S. 261) = und E. LADENBURG: ‚Das ‚Beflaxionsvermögen! 2 ses (S. 274) us ‚der Vorgeschichte der ersten Theilung Poleie e. 286) ÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. des —— x IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus $. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberiehte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist, Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $ 3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt- Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der NMittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. i Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung besehliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist -— wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. ‚Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Seceretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie, sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberiehte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnalıme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. Diean die Druckereiabzuliefernden Manuseripten müs: wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, au reichende Anweisungen für die Anordnung des Satz und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendung: Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfa sse seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen d Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur ai vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckf und leiehten Schreibversehen fensossehen Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des re girenden Secretars vor der Einsendung an die Druck Od die Verfasser sind zur Tragzung der entstehenden kosten verpflichtet. n Pr VB aufgenommenen isses dhaielichen Shane Adressen oder Berichten werden für die V re wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfan; r Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sond er- = abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen ( jes treffenden Stücks der Baus le SUPERB j Verfasser sich esdkteklieh damit re 1 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten e erhält ein Verfasser, welsher Mitglied der Akademi ne zur-Zahl von 200 (im ganzen Kaks Sr abziehen. zu la; sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seer gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der treffenden laser — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem. redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare 2 ihre Kosten abziehen lassen. Be Von den Sonderabdrucken aus den Aubandtne - hält ein ne welcher see der Akademie it auf ee der Akademie weitere anne bis zur von noch 100 und waf! seine Kosten noch weite, sofern er diess ee ‚dem redigirenden Sec 'c gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch Ahdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf e: es der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der I treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Er exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige be redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare D- Ihre Kosten abziehen lassen. ö FE $ 17. stimmte na aa u in keinem Falle vor ihrer Au 929 SITZUNGSBERICHTE 1908. x1. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 27. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *]. Hr. Scamivr las über »Drei ungedruckte Dictathefte aus Wiırrann’s Züricher Hauslehrerzeit«, vornehmlich die Theorie und Geschichte der Poesie und im besondern Hinblick auf die Würdigung Shakespeares. 2. Hr. Pıscner legte eine Abhandlung des Hrn. Dr. Herrmann Beoxn in Berlin vor: Beiträge zur tibetischen Grammatik, Lexiko- graphie, Stilistik und Metrik. (Anh. z. d. Abh.) Die Abhandlung bildet den dritten Theil der im Anhang zu den Abhandlungen vom Jahre 1906 erschienenen Arbeit: Die tibetische Übersetzung von Kälidäsas Megha- düta. Der zweite Theil ist unter dem Titel: Ein Beitrag zur Textkritik von Kälidäsas Meghadüta als Inaugural-Dissertation Berlin 1907 veröffentlicht worden. Der vorliegende dritte Theil verarbeitet das im ersten Theile beigebrachte neue tibetische Material in sprachlicher und metrischer Hinsicht. 3. Hr. Prof. Leroxnarn Schurtze in Jena übersendet: »Zoologische und anthropologische Ergebnisse einer Forschungsreise im westlichen und zentralen Südafrika, ausgeführt in den Jahren 1903— 1905 mit Unterstützung der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin«. Erster Band: Systematik und Tiergeographie. Lief. r. Jena 1908. Die Akademie hat das ordentliche Mitglied ihrer philosophischen Classe Hrn. Anorr Kırcauorr am 27. Februar durch den Tod verloren. Sitzungsberichte 1908. [| DE} 230 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Der Drakensberg und der Quathlambabruch. Von ALBRECHT PENCcK. (Vorgetragen in der Sitzung am 13. Februar 1908 [s. oben S.181].) Das Burenhochland in Britisch-Südafrika setzt sich nach Osten mit einem gewaltigen Steilabfall gegenüber den tiefer gelegenen meernahen Gebieten von Zululand, Natal und Pondoland ab. Er ist so auffällig, daß er von den Eingeborenen einen eigenen Namen erhalten hat, dem wir vielfach auf unseren Karten begegnen, nämlich den des Quath- lambagebirges. Die Burenbevölkerung Südafrikas hat ihn Drakens- berg genannt. In dem großen Gemälde, welches Epvarn Surss' vom Antlitz der Erde entworfen hat, spielt jener Steilrand eine bedeutsame Rolle. Surss pflichtet Remmann” bei, wenn dieser das Quathlambagebirge auf einen großen Bruch zurückführt, und zeigt an der Hand von Grizszacns® trefflicher geologischer Schilderung von Natal, daß es hier von flach- gelagerten Karruschichten gebildet wird, welche gegen die See hin ausstreichen, aber an der Küste wiederkehren: »Hieraus geht hervor, daß die Karruablagerungen sich einst viel weiter gegen Ost ausdehnten, und daß die Schollen an der Meeresküste abgesunken sind an einem oder mehreren großen Brüchen. Aber die heutigen Abhänge der Quath- lamba sind nicht die Bruchfläche (Bd.ı S.508).« Die Umrisse der Ozeane schildernd (Bd.2 S.259), nennt Surss den Quathlambabruch abermals, um darzutun, daß der Indische Ozean ebenso wie der At- lantische den durch Abbrüche verursachten Küstentypus zeige. Ein drittes Mal endlich kommt er auf das Quathlambagebirge im Schluß- kapitel des zweiten Bandes zurück, in welchem er seine bekannten Ideen über den Zusammenbruch der Erdkruste und die Entstehung zweier großer Ozeane durch Einbruch entrollt: »Die pflanzenführenden, gewiß nicht im Meere gebildeten Gondwanaschichten blicken mit offe- nem Bruche, z.B. an den Quathlambabergen, gegen das Meer hinaus. ! EnuArn Suess, Das Antlitz der Erde. Bd. I, 1885. Bd. II, 1888. ® A. Renmann, Das Transvaalgebiet des südlichen Afrika in physikalisch-geo- graphischer Beziehung. Mitteil. k. k. geogr. Gesellsch. XXV]. Wien 1883, S. 257 (326). ® Cn.L. Griessaca, On the Geology of Natal. Quart. Journ. Geolog. Soc. London XXVI, 1871, S. 53. Penner: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 231 Niemals hat man auf der Höhe des weiten südafrikanischen Tafellandes Spuren des Meeres gefunden, und man begreift nicht, wie es sollte aus dem Meere emporgehoben sein.« So stützt Surss seine Annahme, daß der Indische Ozean eingebrochen sei, ganz wesentlich mit auf den Quathlambabruch und gelangt zu der Ansicht, daß die keilförmig sieh zuspitzenden Festlandenden in Vorderindien und Südafrika den Charakter von Horsten tragen. Die Ansicht von Surss hat viel Beifall gefunden, aber nur selten ist versucht worden, sie weiter zu stützen. Kürzlich ist solches durch PassarcE' in seiner »Landeskunde von Südafrika« geschehen. Er weist darauf hin, daß längs der Ostküste von Südafrika große vulkanische Eruptionen erfolgt seien, so namentlich in den Lebombobergen, im Zululande und in den Bergen des Basutolandes. Die Staffelbrüche, welche den Umriß des Landes bestimmten, sollten Hand in Hand mit vulkanischen Eruptionen gegangen sein, und letztere sollten mit den Randbrüchen indirekt in Verbindung stehen. Wie und wo aller- dings diese Randbrüche verlaufen, sagt PassareeE nicht; er beschränkt sich nur, zu erwähnen, daß sie häufig nachgewiesen worden sind. Auf diese letztere Frage erhält aber auch hinsichtlich des Dra- kensberges derjenige keine Antwort, welcher die neuere geologische Literatur über Südafrika einsieht. Diese Literatur hat im Laufe der letzten zehn Jahre einen bedeutenden Umfang und ansehnliche Tiefe erhalten. Das Vorkommen von Diamanten im Kaplande, von Gold in Transvaal hat der geologischen Erforschung des britischen Süd- afrika mächtige Impulse gegeben. Bereits 1895 wurde in Johannesburg eine sehr tätige geologische Gesellschaft begründet. Gleichzeitig wurde eine geologische Aufnahme des Kaplandes organisiert, welche, nun- mehr unter der Leitung von A.W. Roses stehend, bereits zehn äußerst wertvolle Jahresberichte erstattet hat. 1897 wurde eine geologische Aufnahme der südafrikanischen Republik von G. A. F. MoLENGRAAFF begonnen. Der Bericht über seine Arbeiten des Jahres 1898 ist das letzte Druckwerk, das aus der republikanischen Staatsdruckerei im Jahre ı900, also während des Krieges, hervorgegangen ist. 1899 endlich begann eine geologische Aufnahme von Natal unter der Lei- tung von W. Anperson, und ist diese auch bereits im Jahre 1905 zu einem hoffentlich nur vorübergehenden Abschlusse gelangt, so hat der Krieg, welcher um die Jahrhundertwende Südafrika erschütterte, die Arbeiten der geologischen Aufnahme des Kaplandes nicht einmal unterbrochen, und nur bedingt, daß dieselben von Westen her eine ı S. Passarge, Südafrika. Eine Landes-, Volks- und Wirtschaftskunde. Leipzig 1908, S. 66. 23° 232 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Zeitlang in die vom Kriege verschont gebliebenen östlichen Teilen der Kolonien verlegt wurden, so daß wir gerade über die Abfall- regionen des Drakensberges von seiten der Kapgeologen wichtige Aufschlüsse erhalten haben. Nach dem Kriege wurde die geologische Aufnahme von Transvaal neu organisiert und der Leitung von KynAston unterstellt. In streng systematischer Weise ist dieselbe an die Her- stellung einer geologischen Karte von ganz Transvaal in großem Maß- stabe gegangen und hat namentlich das Gebiet des nördlichen Drakens- berges näher untersucht, über dessen Abfall und Vorland wir erst kürzlich in dem Berichte der Aufnahme für 1906 treffliche Dar- stellungen erhalten haben. Wir sind daher heute in der Lage, den geologischen Bau des Drakensberges auf Grund der Literatur viel ein- gehender kennen zu lernen, als dies Surss bei Abfassung der einschlägi- gen Kapitel seines klassischen Werkes möglich gewesen ist, zumal da wir auch seit Erscheinen der einschlägigen Bände des Antlitzes der Erde eine Reihe zusammenfassender Darstellungen über Südafrika erhalten haben. Bereits 1833 hat A. Scuenck in grundlegender Weise die Entwicklung von Südafrika behandelt!. 1901 hat sodann G. A. F. Mo- LENGRAAFF die Ergebnisse seiner Forschungen zu einer ganz ausge- zeichneten Geologie von Transvaal zusammengefaßt’, von der 1904 eine mannigfach bereicherte englische Übersetzung erschienen ist’. 1905 hat A.W.Rosers eine kurze, aber ungemein inhaltreiche Geo- logie des Kaplandes veröffentlicht‘, und F. H. Harcn hat im Verein mit G. S. Cosrtorrume in übersichtlicher Weise die Geologie von ganz Südafrika behandelt’. Diesem Gegenstand hatte schon ein Jahr vor- her PassarceE® in seinem ebenso groß angelegten wie weitschauend durchgeführten Werke über die Kalahari mehrere Kapitel gewidmet. Mir persönlich wird eine Darstellung des Drakensberges ganz wesentlich dadurch erleichtert, daß ich selbst im September und Oktober 1905 Gelegenheit hatte, anläßlich des Besuches der British Association in Südafrika an zwei Stellen den Abfall des Drakens- berges zu sehen. Ich nahm an den Exkursionen, welche die HH. MOoLENGRAAFF und ANDERSoN in dem Distrikt von Vryheid und Harı nach Devils Kontor führten, teil. Nach Abschluß der Versammlung ! A.Scnenck, Die geologische Entwicklung Südafrikas. Prrerm. Mitt. 1888, S.225. 2 G. A. F. MoLensraArr, Geologie de la republique sud-africaine du Transvaal. Bull. Soc. geolog. de France (4) I, 1901, S. 13. ® G. A. F. MotenGrAAFF, Geology of the Transvaal. Translated by Ronaldson. Johannesburg 1904. * A. W.Rocers, An Introduction to the Geology of Cape Colony. London 1905. 5 F.H. Harca and G.S.CosrorPaine, The Geology of South Africa. London 1905. 6 S. Paıssarse, Die Kalahari. Versuch einer physisch-geographischen Darstellung der Sandfelder des südafiikanischen Beckens. Berlin 1904. Prncx: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 233 hatte ich dann ferner Gelegenheit, unter der Führung von Wiırrıam Anperson weitere Teile von Natal zu besuchen. An sich würden derartige kurze Exkursionen wohl kaum genügen, zu einem tieferen Verständnis des geologischen Baues eines so großen Gebietes zu ge- langen. Allein unter der ausgezeichneten Führung, die ich genoß, und unter der mannigfaltigen Aussprache mit meinen Reisegefährten lenkte sich der Blick immer aufs neue auf die weiteren Probleme, welche mit den besuchten Gebieten im Zusammenhang stehen, und manche sich aufdrängende Frage wurde bereitwilligst von den aus- gezeichneten Führern beantwortet, wobei auch damals noch unver- öffentlichte Beobachtungen zur Sprache kamen, so daß ich bald nach meiner Rückkehr bereits in einem Vortrage' auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte eine Reihe von Problemen streifen konnte, die nunmehr nach Publikation jener Beobachtungen ein- gehender erörtert werden können. Der Drakensberg ist kein einheitliches Gebilde. Der Name wird dem Abfall des Hochlandes gegen Osten gegeben, wie auch dieser Ab- fall beschaffen sei; er knüpft sich weder an eine bestimmte geo- logische Struktur noch an bestimmte Gesteine. Zwei Gebiete sondern sich scharf voneinander. Im Süden sind es ausschließlich Schichten der Karruformation, welche sich an seiner Zusammensetzung betei- ligen, und er bildet hier die scharf ausgesprochene Wasserscheide zwischen dem Oranje und seinem Zuflusse, dem Vaal, auf der einen und den zahlreichen, zum Indischen Ozean herabeilenden Flüssen von Ostgriqualand nebst Pondoland, von Natal und Swaziland auf der andern Seite. Im Norden besteht der Drakensberg aus den kam- brischen oder präkambrischen Schichten des Transvaalsystems, und hier bildet er keine Wasserscheide, sondern wird durchbrochen so- wohl von den Quellflüssen des Komatiflusses als auch von dem Oli- fantflusse. Nur den südlichen Drakensberg hat Surss bei seinen Dar- legungen über das Quathlambagebirge im Auge; wir wollen daher zunächst ihn betrachten. Die geologische Schilderung, welche Grisssacn 1871 von Natal gegeben hat, erweist sich auch heute noch, ebenso wie für die ganze Kolonie, für den südlichen Drakensberg zutreffend. Er stellt ihn als eine Aufeinanderfolge von Schichtstufen dar, gebildet von den wider- standsfähigen Gliedern, insbesondere Diabaseinschaltungen, in den mächtigen flach westwärts fallenden Karruschichten, welche einem Sockel älterer Gesteine auflagern. Einen Quathlambabruch verzeichnet ı A.Pencx, Südafrika und Sambesifälle. Verhandlungen d. Gesellsch. Deutscher Naturforscher u. Ärzte. LXXVIII. Stuttgart 1906, I, S.147. Hewrners Geographische Zeitschrift. XII, 1906, S. 601. 234 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. GRIESBACH nicht. Anpersons' Untersuchungen haben die Richtigkeit dieses Profils in großen Zügen bestätigt; ihm ist gelungen, die mäch- tige Folge von Karruschichten in eben dieselben Abteilungen zu zer- legen, welche im Kaplande unterschieden worden sind. Der westlich von Pietermaritzburg im Giants Castle, Cathkin Peak und im Mont- aux-Sources mehr als 3000 m erreichende Drakensberg wird — vgl. Profil II Durban-Parys S. 257 — aus den Stormbergschichten aufge- baut, welche die obersten, möglicherweise schon in den unteren Jura gehörigen Karrubildungen darstellen. Darüber breiten sich außer- ordentlich mächtige basische Ergußgesteine, die Mandelsteinlaven’?. Der 1000— 1500 m hohe Steilabfall, den Reumass auf eine Verwerfung zurückführte, wird aus diesen durchweg flach gelagerten Gesteinen gebildet. Weithin kann man auf Photographien schneebedeckte Schicht- bänder verfolgen, deren horizontaler Verlauf durch keinerlei Verwer- fung unterbrochen wird. Vor dem Steilabfall erstreckt sich ein breiter Gürtel von Vorbergen; er besteht aus den beiden unteren Abteilun- gen der Karruschichten, den mutmaßlich triasischen Beaufortschichten und den permischen Eecaschichten. Ihre genauere Abgrenzung ist bis- her noch nicht möglich gewesen, doch ist nach Anperson das Vor- handensein der ersteren durch Wirbeltierreste, das der letzteren durch die Glossopterisflora sicher gestellt. Merror” zweifelt aber, ob diese Flora als ausschließlich charakteristisch für die Eecastufe gelten darf. Sehr mächtige Intrusivlager von sogenanntem Dolerit kommen in beiden Schichtgliedern vor und drängen stellenweise, wie z. B. um Lady- smith und am Inhluzaniberge, die Sedimente stark zurück. Wo sie auftreten, gibt es stufenförmige Abfälle; alle Gipfel des Vorberggür- tels, die sich wiederholt bis rund 2000 m Höhe erheben, knüpfen sich an injizierte Doleritmassen. Die Basis der Karruschichten wird, wie fast allenthalben in Südafrika, von dem sogenannten Dwyka-Kon- glomerat gebildet, der verfestigten Grundmoräne der permokarbonen Vergletscherung. Der Name Konglomerat ist ein durchaus unpassen- der, denn die Ablagerung besteht nicht aus verkitteten Rollsteinen, und hat nicht die mindeste Ähnlichkeit mit dem deutschen Rotlie- genden oder der subalpinen Nagelfluh. Sie gleicht vielmehr durchaus einem festgewordenen Geschiebelehm oder Till. Ich habe daher das Gestein Tillit genannt. Der Dwyka-Tillit Natals tritt in sehr wechseln- ı W. Anperson, The Geology of the Drakensberg Mountains. III. Ann. Report Geolog. Survey of Natal and Zululand. 1907, S.153. 2 F. F. Cuurcairr, Notes on the Geology of the Drakensbergen, Natal. Trans- act. Philos. Soc. South Africa. X, 1899, S. 419. 3 E. T. Merror, The Position of the Transvaal Coal-Measures in the Karroo Sequence. Transact. Geolog. Soc. South Africa. IX, 1906, S. 97. Penck: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 235 der Mächtigkeit auf und planiert dadurch die gelegentlich, wie es scheint, recht ansehnlichen Unebenheiten seiner Unterlage, die unter ihm an verschiedenen Stellen deutliche, meist gegen Süden gerich- tete Gletscherschliffe zeigt. Insgesamt dürfte sich die Mächtigkeit der geschilderten Karru- schichten auf 2000—3000 m belaufen. Sie ruhen einem Sockel von paläozoischen Schichten auf, welcher, 1000 m Höhe nur selten über- schreitend, die Küstenvorstufe des Drakensberges bildet. Es han- delt sich hier um einen Sandstein ähnlich dem des Tafelberges bei der Kapstadt; er wird als Tafelbergsandstein bezeichnet und zum Silur gestellt. Diskordant unter ihnen heben sich archaische Gesteine und Granite hervor. Im großen und ganzen bildet der Tafelberg- sandstein mitsamt seiner alten Unterlage in der Küstenvorstufe eine flache Antiklinale. Im Westen fällt er unter die Karruschichten ein, im Osten biegt er zum Meere hinab, so daß die alten Gesteine nament- lich in der Mitte des Streifens zutage treten; hier aber spannt sich häufig über sie noch eine dünne Lage von Tafelbergsandstein hinweg. Dort nun, wo letzterer im Osten sich zum Indischen Ozean ab- biegt, stellen sich über ihm oder auch unmittelbar über dem liegenden Granit wieder Karruschichten ein, der Dwyka-Tillit mit den hangenden Eceaschiefern, und beide fallen ebenso wie ihre Unterlage meerwärts unter einem Winkel von meist mehr als 10° ein. Diese Vorkomm- nisse hat En. Surss im Auge, wenn er von Karruschollen spricht, die an einem oder mehr großen Brüchen an der Küste von Natal abgesunken seien. Auch Passarer findet, daß der Aufbau aus Staffel- brüchen hier deutlich ist (S. 110). Aber ein Bruch liegt hier nicht vor; es findet sich vielmehr eine ganz klar ausgesprochene Flexur. Dieser Flexur der unteren Karruschichten auf der Ostseite der Anti- klinale in der Küstenvorstufe entspricht auf der Westseite ein sanftes Abfallen derselben Schichten von ihr, was auf dem von GRIESBACH gegebenen Profile besser hervortritt als auf einem von ANDERSoN' mitgeteilten, in der Natur aber unverkennbar ist; denn der Dwyka- Tillit, der bei Camperdown (761 m) unter die Eccaschiefer eingesunken ist, liegt 20 km weiter westlich bei Pietermaritzburg (678 m) bereits unter der Talsohle; wir haben also ein Mindestgefälle von 4 Promille nach Westen. Die antiklinale Schichtstellung beherrscht also nicht bloß den wahrscheinlich silurischen Tafelbergsandstein Natals, sondern auch die hangenden unteren Karruschichten, sie ist daher jünger als die letzteren. Das Westfallen der Karruschichten läßt sich bis in den ! W. Anperson, Ideal Section from the Bluff to Pietermaritzburg. I. Rep. Geolog. Survey of Natal and Zululand. 1902, Taf. XIV. 236 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Drakensberg hinein verfolgen; welches Fallen die weiter westlich ge- legenen Karruschichten der Hochflächen der Orange-River-Kolonie haben, ist ebenso unbekannt wie deren Gliederung. Sicher ist nur eines, daß sich unweit des Vaalflusses der Dwyka-Tillit mit seiner Unterlage von älteren Gesteinen wiederum sanft hervorhebt. Das geschieht, wie sich aus der Karte von Harc#' entnehmen läßt, in etwa 1400m Höhe. Es muß also irgendwo in der Tiefe unter dem Drakensberg oder unter der benachbarten Hochfläche das westliche Fallen der Dwyka-Ablagerung aufhören und durch ein sanftes Ostfallen ersetzt werden. Hiernach dürfen wir das Drakensberggebiet ebenso als eine sehr flache Synklinale ansehen wie das Gebiet der Küsten- vorstufe als flache Antiklinale. Sicher haben sich die oberen Karruschichten des Drakensberges und seiner Vorstufen einst weiter ostwärts erstreckt als heute, denn sie brechen allenthalben an Erosionsrändern ab. Wie weit sie gereicht haben, wissen wir nicht; wenn sie sich aber je bis an die Gestade des heutigen Indischen Ozeans ausgedehnt haben sollten, so müßten sie von hier bereits vor der jüngeren Kreideperiode gänzlich abge- tragen worden sein, denn an der Küste hat ein auf dem Durbanbluff angesetztes Bohrloch in geringer Tiefe obere Kreideschichten ange- troffen, die in 239 m Tiefe unmittelbar auf Eecaschichten lagern’. Weiter südlich, an der Grenze von Natal und dem Kapland, liegen die Dinge ähnlich wie im besprochenen Profile (vgl. Profil IV Umtamvuna-Bloemfontein S. 257). Nur ist der Steilrand des Drakens- berges im Matatielegebiete nicht so hoch; er steigt im Ongeluks Nek nur auf etwa 2700m Höhe an. Um so kräftiger entfalten sich die Vor- stufen der Beaufort- und Ececaschichten dank dem Auftreten wahrer Stöcke von Dolerit; sie kommen an Höhe dem Drakensberge in der Umgebung von Kokstad ziemlich nah; stark verschmälert ist die Küstenvorstufe, die von Anperson” untersucht worden ist. Sie stellt sich als ein Plateau von Tafelbergsandstein mit einem Granitfuße dar; letzterer wird auf weite Strecken vom Ozeane bespült, an anderen aber biegen sich Tafelbergsandsteinschichten, stellenweise be- deckt mit Dwyka-Tillit, dem Eeccaschiefer aufsitzen, seewärts ab; so ist es in der Nähe der Umzimkulu-Mündung bei Port Shepstone. Westwärts aber lagert dem Tafelbergsandsteinplateau allenthalben Dwyka-Tillit auf. Es ist also nicht deutlich, ob die Küstenvorstufe ! Fr. Haren, A Geological Map of the Southern Transvaal. London 1903. 2 W. Anperson, On the Geology of the Bluff Bore. Durban, Natal. Transact. Geolog. Soc. South Africa. IX, 1907, S. ıı1. ® W. Anperson, The Geology of Alfred County, Natal. III. Rep. Geolog. Survey of Natal and Zululand. 1907, S. 105. Penek: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 237 hier ebenso antiklinalen Bau aufweist, wie weiter nordwärts, aber das Abbiegen der Tafelbergsandsteinschichten mitsamt dem Tillit und den Eecaschiefern ist an vielen Stellen zweifellos. Weiter gegen Süden wird die Küstenvorstufe schmaler und schmaler; Rocers und Scuwarz' haben geschildert, wie sie schließlich wenig südwestlich von Port Grosvenor am Waterfall Bluff durch eine ostwestlich strei- chende Verwerfung abgeschnitten wird; weiter gegen Südwesten hebt sich sodann an der Mündung des Umzimvubu bei Port St. Johns abermals ein Streifen Tafelbergsandstein hervor, welcher von zwei ostwestlich streichenden Verwerfungen begrenzt wird; dann ist unsere Küstenvorstufe endgültig verschwunden. Zwischen Grosvenor und St. Johns treten die unteren Vorbergschichten des Drakensberges, der Dwyka-Tillit mit hangenden Schichten unmittelbar an die See, zu der sie sich deutlich herabbiegen. Weiter südlich aber treffen wir im Gebiete von Kentani die beiden langgedehnten, ostwestlich strei- chenden, weithin zu Talzügen ausgewitterten Dioritgänge der Trans- kei Gap, die Rocers und Scuwarz” näher kennen gelehrt haben. Dieselben sind jünger als die mächtigen Lagergänge von Dolerit in der dortigen Gegend, und verknüpfen die ostwestlich streichenden Brüche, welche die Küstenvorstufe von Natal abschneiden, mit den ostwestlich streichenden Kapfalten, die bei Port Elizabeth ins Meer hinauslaufen. Über den mehr als 1000 m hohen Steilabfall des Drakensberges des Matatielegebietes hat uns E. H. L. Schwarz’ unterrichtet. Wir treffen hier dieselbe Schichtfolge wie westlich Pietermaritzburg. Mäch- tige basaltische Mandelsteinlaven krönen ihn hier wie da, darunter lagern die Bank des Höhlensandsteines und die roten Schichten, schließlich die Moltenosandsteine als unterstes Glied der Stormberg- schichten. Stellenweise setzt der Höhlensandstein aus, und es kom- men die Mandelsteinlaven unmittelbar auf die roten Schichten zu liegen; es fehlt also auch hier nicht das Anzeichen einer Diskordanz zwischen den obersten Partien der Stormbergschichten, deren auch ! A. W. Rocers and E. H.L. Schwarz, General Survey of the Rocks in the southern part of the Transkei aud Pondoland, including a description of the Cretaceous Rocks of Eastern Pondoland. (VI.) Annual Rep. Geol. Comm. Cape of Good Hope. 1901 (1902), S. 23. ® A. W. Rogers and E. H. L. Scuwarz, The Geological Survey of the Division of Kentani. Ebenda S.48. The Transkei Gap. Transact. South African Philos. Soc. XIV, 1903. ® E.H.L. Scawarz, Report on Part of the Matatiele Division, with an Account of the Petrography of the Voleanie Rocks. (VII.) Ann. Rep. geol. Commiss. Cape of Good Hope. 1902 (1903), S.ır. The Volcanoes of Griqualand East. Trans. South Afrie. Philos. Soc. XIV, 1903. 238 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. ÄNDERSON aus seinem weiter nördlich gelegenen Gebiete gedenkt. Sehr wichtig ist, daß die Mandelsteinlaven teilweise mit Eruptionsschloten in Verbindung stehen. Scmwarz zählt deren 19 auf, welche größten- teils mit Schlacken sowie von oben in sie hineingelangten Trümmern erfüllt sind. Diese 19 Schlote liegen auf einer ungefähr südwestlich (genauer S 60° W) streichenden Zone, welche gerade am Fuße des Steilabfalles vom Drakensberg entlang läuft. Bei dieser Situation darf nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, daß hier eine süd- westlich streichende Vulkanlinie vorliegt, zumal da einige Schlote in einer nordsüdlich streichenden Linie angeordnet sind, die sich mög- licherweise unter den hangenden Laven weit nach Basutoland hinein fortsetzt. In der Tat hat nu Torr' in den an das Basutoland süd- wärts angrenzenden hochgelegenen Teilen des Kaplandes eine ziem- lich unregelmäßige Verteilung der Vulkanschlote nachgewiesen. Aber im großen und ganzen ordnen sich doch alle bisher bekannten Schlote des Drakensberggebietes einschließlich derjenigen, die Dunx bereits vor Jahren bei Jamestown und Molteno im Kapland aufgefunden hat, in eine allerdings ziemlich breite N 60° E streichende Zone. Überdies treten neben den Schloten des Matatielegebietes zahlreiche südwestlich streichende Gänge von Mandelsteinlaven auf, welche die Mandelstein- lavadecken gelegentlich durchschneiden. Wir haben es daher hier wohl mit einer Hauptvulkanlinie zu tun. Dieselbe läuft der Küste annä- hernd parallel; genau genommen bildet sie mit ihr einen Winkel von 15°. Ausdrücklich wird von Scuwarz hervorgehoben, daß mit den Schloten keinerlei Verwerfungen verknüpft sind; sie sind einfache Durch- schlagröhren, ähnlich den Kimberlitschloten bei Kimberley, aber mit weniger basischem, ja vielfach saurem Material erfüllt. Über die Vorberge des Drakensbergs unseres Gebiets haben wir lediglich kurze Notizen von Anperson” erhalten. Dieselben reichen aber durchaus hin, daß von einem großen Quathlambabruche hier ebenso wenig die Rede sein kann wie weiter im Norden; nirgends werden z.B. die Gesteine, die den Abfall des Drakensbergs krönen, die Mandel- steinlaven und die leicht kenntlichen Höhlensandsteine, in tieferen Niveaus angetroffen; es gibt immer nur kleinere Störungen im Konnex mit Doleritintrusionen, doch bewirken diese kein Absinken größerer ! A.L. ou Torr, Geological Survey of Aliwal North, Herschels Barkley East and Part of Wodehouse. IX. Ann. Rep. Geolog. Comm. Cape of Good Hope 1904 (1905), S.71. The Forming of the Drakensberg. Transact. South African Philos. Soc. XV], I, 1905, S. 53. ®2 W. Anperson, Geological Traverse from Pietermaritzburg via Richmond to the Umzinto Distriet. II. Rep. Geolog. Survey of Natal and Zululand. 1904, S. 119. The Geology of ALrrep County. 11]. Rep. 1907, S. 105. Penecr: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 239 Partien; gelegentlich hebt W. Anperson den Mangel an Brüchen ausdrücklich hervor, und am Schlusse seines Berichts über den Ma- tatieledistrikt wendet sich Schwarz direkt gegen die Annahme, daß die Küstenumrisse durch Verwerfungen bedingt seien; er findet, daß sie besser durch die Annahme von Verbiegungen erklärt werden könn- ten. Am Abfalle der Drakensbergwände beobachtete Scuwarz, daß die Stormbergschichten regelmäßig bergwärts, also gegen Westen fallen. Dieses westliche Fallen muß irgendwo weiter westlich östlichen wei- chen, denn es hebt sich in der Gegend von Kimberley die Basis der Karruablagerungen mit dem Dwyka-Tillit wieder hervor. Wie weiter im Norden hat das Gebiet des Drakensbergs mitsamt dem Basutolande und der Orange-River-Kolonie flach muldenförmigen Bau, der aber im einzelnen noch ganz unbekannt ist. Unser Profil IV S. 257 erhebt nicht den Anspruch, ihn in Einzelheiten richtig wiederzugeben. Wie weiter im Norden werden sich auch in unserem Profile die oberen Karruschichten einst weiter nach Osten, in das Bereich der Vorberge, vielleicht sogar in das der Küstenvorstufe, erstreckt haben. Allein, wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, so müssen sie hier bereits vor der Kreideperiode, ebenso wie bei Durban, entfernt worden sein, denn auch hier finden sich an der Küste Schichten der oberen Kreide. Sie sind seit langem bekannt. GeriEssacH hat sie als Izin- hluzabalungaschichten beschrieben. Heute heißen sie vielfach Umtam- vunaschichten, nach dem Flusse, südlich dessen Mündung sie vor- kommen. Sie lehnen sich hier an ein Steilufer von Tafelbergsand- stein. Rosers und Scuwarz schließen hieraus und aus der gerad- linigen Erstreckung der Anlagerungsfläche, daß es sich um einen Bruch handelt; doch konnte sich Anperson' von der Existenz eines solchen nicht überzeugen. Nach ihm sind die weiter nordwärts an der Küste unweit der Mündung des Umpenyati auftretenden oberen Kreideschichten an das dortige Granitkliff regelmäßig angelagert. Südlich von dem eben betrachteten Gebiete hört der Drakens- berg auf. Der große nach Südosten gekehrte Steilabfall nimmt an absoluter und an relativer Höhe ab und biegt schließlich nach Westen hin um. Der Xalanga (2400 m) bezeichnet sein Westende, welches hier wie am Mont-aux-Sources genau mit dem der großen Mandel- steinlavadecke zusammenfällt. Durch die fleißigen Untersuchungen von nu Toır sind wir über dieses Gebiet besser unterrichtet als über irgend einen anderen Teil des Drakensberges. Der nach Südosten und Süden gekehrte Steil- ı W. Annerson, Cretaceous ‚Rocks of Natal and Zululand. III. Rep. Geolog. Survey of Natal. 1907, S. 47- 240 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. abfall hat dieselbe Schichtenfolge, die wir bereits im mittleren Natal kennen gelernt haben: Unter den Mandelsteinlaven der Höhlensand- stein, darunter die roten Mergel und tiefer bis in die Vorberge hinein- reichend die Moltenoschichten, denen hier zahlreiche Doloritlager inji- ziert sind. Dann stellen sich die Beaufortschichten ein, die bis ans Meer reichen, wo sie von Rosers und Schwarz im Kentanigebiete näher kennen gelehrt worden sind. Die Lagerung ist durchweg eine flache. Hier und da kommt, allerdings meist in Verbindung mit Do- leritinjektionen, die stellenweise ganz bedeutende Dicke erhalten, eine Verwerfung vor. Du Toır' erwähnt z.B. eine nordöstlich streichende Flexur gerade unter der Xalangaspitze, längs welcher die Schichten unter einem Winkel von 25° fallen. Aber er erwähnt ausdrücklich, daß diese Flexur nur 10 km Länge habe. Einen großen Quathlamba- bruch finden wir also auch hier nicht. Flach ist die Lagerung der obersten Karruschichten im Bereiche des vom Steilrande umrahm- ten Hochlandes. Du Torrs Profile und Ausführungen lassen deutlich erkennen, daß es hier an irgendwelchen größeren Störungen fehlt: er bemerkt lediglich flache Wellungen. Nach Norden zu gegen den ÖOranje brechen die oberen Karruschichten mit einem ähnlichen Steil- abfalle ab wie gegen Südosten und Süden. Der Steilabfall heißt eine Strecke lang Witteberge; er hängt mit dem des Drakensberges durch einen nach Westen gekehrten Steilabfall zusammen, an dessen Fuße der Waschbankfluß fließt. Dieser Steilabfall besteht lediglich aus den Mandelsteinlaven und dem Höhlensandstein, während sich der untere Teil des Drakensbergabfalles, bestehend aus den roten Schichten und den Moltenoschichten, im Steilrande der Stormberge weiter nach Westen hin fortsetzt. Nördlich von ihm heben sich bei Aliwal North am ÖOranje in 1630 m Höhe die obersten Beaufortschichten unter den Stormbergschiehten hervor, die wir am Südfuße des Drakensberges in 1220 m Höhe bei Cala verlassen haben. Nach pu Torrs Profilen ist zwischen beiden Orten die Schichtlagerung im eigentlichen Dra- kensberggebiete flach muldenförmig. Wir lenken unsern Blick nun nach Norden (Profil II St. Lucia Bai-Heidelberg S. 257). Das Aufhören der mächtigen Mandelsteinlava decke des Basutolandes in der Gegend des Mont-aux-Sources bezeichnet ein deutliches Herabschnellen in der Höhe des Drakensbergsteilabfalles. Rasch sinkt seine Oberkante unter 2000 m Höhe herab. Noch ist er, wie wir von AnpErson” erfahren, bis in die Gegend von Harrysmith, ! A.L. ou Torr, Geological Survey of Elliot and Xalanga, Tembuland. (VIH.) Ann. Rep. Geolog. Comm. Cape of Good Hope 1903 (1904), S. 169. ® W. Anperson, Introduction. I. Rep. Geolog. Survey of Natal and Zululand. 1902, S. 9. Pexex: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 241 wohin wir von Natal über den Van Reenens-Paß (1680 m) mit der Eisen- bahn gelangen, von den obersten Strombergschichten gekrönt. Aber weiter nördlich scheinen diese auszusetzen, und dort, wo die Eisenbahn von Durban nach Johannesburg bei Volksrust (1655 m) die Wasserscheide zum Vaalgebiete überschreitet, sah ich weder die weißen Höhlensand- steine noch die darunter lagernden charakteristischen roten Schichten. Der über 2000 m hohe Majubaberg nahe dem Übergange knüpft sich hier an eine der äußerst zahlreichen Doleritinjektionen, die wir so- wohl in den unteren Stormbergschichten als auch in den Beaufort- und Eecaschichten der Vorberge des Drakensbergabfalles kennen. Es senkt sich also auch hier im Norden die obere Kante des Drakens- bergsteilrandes in tiefere geologische Horizonte herab, ganz ebenso, wie wir es im Süden bei den Stormbergen gesehen haben. Zugleich nimmt in den Verzamelbergen bei Wakkerstroom die Höhe des Steil- randes ganz bedeutend ab. Von seinem Ostfuße ziehen sich Karru- ablagerungen ununterbrochen bis zur Küstenebene des Zululandes herab, welche sich als selbständiger Zug in der Oberflächengestaltung des Landes nördlich von 29° S. einstellt. Dies geschieht aber nur auf den Höhen. Die großen Täler des weißen Umfolozi und Pongola schneiden daneben fast in ihrer ganzen Erstreckung ältere Gesteine, Granite und Babertonschichten an. Wir begegnen Kuppen dieser älteren Gesteine selbst bei Vryheid (1097 m hoch), und westlich Lüne- burg reichen sie fast an den Fuß der Verzamelberge. Über diesem älteren Gestein beginnt die Serie der Karrubildungen, in der Regel mit dem Dwyka-Tillit, welcher gelegentlich in größerer Mächtigkeit auftritt, starke Unebenheiten seiner Unterlage ausgleichend. Darüber lagern zunächst kohlenfreie Schiefer und Sandstein, schließlich kommen kohlenführende Schichten, die bei Paulpietersburg in 1470—148o m, am Abfalle des Hlobaneberges bei Vryheid in 1200—1300 m Höhe, am Gotsheberge in etwa 1050om Höhe und schließlich im Somkele- (St. Lueia-) Kohlenfelde dieht an der Küstenebene in etwa 100— 200 m Höhe auftreten. Moreneraarr' war anfänglich geneigt, diese Kohlen in den Horizont der triassischen Stormbergschichten zu verweisen, doch hat er sie später in seiner trefflichen Geologie von Transvaal in einen tieferen Horizont, ungefähr in den der Beaufortschichten, versetzt; denn wir haben es hier, wie allgemein in Transvaal, mit Kohlen der Glossopterrisflora zu tun. Das allmähliche Absinken der Karruschichten gegen Osten hin wird gelegentlich durch Verwerfungen unterbrochen. »Scheinbar«, ı G.A.F. MotenGrAArFF, Skizze von der geologischen Beschaffenheit des Distrikts Vryheid. Geologische Aufnahme der südafrikanischen Republik. Jahresbericht für 1898. Pretoria 1900, S. 23. 242 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. schreibt MoLENGRAAFF, »sind diese Verwerfungen gelegentlich derart, daß jedesmal die näher nach dem Ozean gelegene Scholle mit Bezug auf die mehr landeinwärts befindliche herabgesunken ist.« Daneben kommen auch Verwerfungen der entgegengesetzten Art vor. Eine solche zeigte mir Hr. MorensraaArr am Umkusiflusse. Dort ist der Östflügel der Verwerfung längs eines Doleritganges um 50m gegen- über dem Westflügel gehoben. Ähnliches wiederholt sich weiter öst- lich: da heben sich längs einer Verwerfung an dem Westfuße des Kezaberges die Gesteine der Karruunterlage in das Niveau der Karru- schichten herauf, welche östlich davon sich rasch nach Osten senken. Unsere Verwerfung streicht aber nicht der Küste parallel, sondern beinahe in rechtem Winkel dazu, nämlich nordwestlich. Mannigfachen Unregelmäßigkeiten der Schichtlagerung begegnen wir endlich im Zululande. Nach den Untersuchungen von Anperson' haben wir es hier vor allem mit recht ansehnlichen Unebenheiten in der Unterlage der Karruschichten zu tun, welche beispielsweise in der Umgebung von Ulundi durch den Dwyka-Tillit keineswegs ausgeglichen werden. Andererseits haben wir es in diesem Gebiete aber auch zweifellos mit Verwerfungen zu tun. Auf Anpersons zweiter Karte des Zulu- landes hebt sich beispielsweise das Granit- und Tafelsandsteingebiet von Hlabisa längs einer nordsüdlich streichenden Verwerfung der Karruschichten hervor, und zwar ist auch hier der seewärs gelegene Flügel der Verwerfung der gehobene, der landwärts gelegene der gesenkte.e Doch kommt in seiner Beschreibung des Hlabisagebietes AnDERSoN auf diese Verwerfung nicht wieder zurück und führt die Unregelmäßigkeiten der Lagerung hier lediglich auf Unebenheiten des Untergrundes zurück. Endlich setzen sich am Umhlatuzi die Karruschichten durch eine Verwerfung gegen einen Granitrücken ab, der sie von der Küste trennt; also auch hier ist der meerwärts ge- legene Flügel der Verwerfung der gehobene und der landeinwärts gelegene der gesenkte. Unverkennbar ist schließlich, daß das Ost- wärtsfallen der Karruschichten mit der Annäherung an die Küsten- ebene des Zululandes sich verstärkt. Schließlich biegen sich die Karruschichten unter einem Winkel von etwa 15°, stellenweise von 25°, zur Tiefe. Sie werden hier bedeckt von Mandelsteinlaven, welche Anperson von vornherein geneigt war, mit den Mandelstein- laven des Basutolandes zu vergleichen. Auf diese Laven folgen hier ! 'W. Anperson, Report on the Reconnaissance Survey of Zululand. I. Rep. Geolog. Survey of Natal 1902, S. 37. Further Notes on the Reconnaissance Survey of Zululand. II. Rep. 1904, S. 37. Report on the Geology of the Melmoth Distriet Zululand. Ebenda S. 129. The Geology of the Hlabisa and Somkele Distriets Zulu- land. III. Rep. 1907, S. 131. Pener: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 243 weiter solche von rhyolitischen Gesteinen, welche die Lebombokette zusammensetzen. Es biegt gleich den Karruschichten ihre Kappe von Ergußgestein gegen Osten ab; entsprechend dieser Abbiegung werden am unteren Umfolozi und unteren Pongola die archaischen Gesteine durch Karruablagerungen ersetzt. In der Küstenebene des Zululandes herrschen, wie AnDERSoN ge- zeigt hat, horizontal gelagerte Schichten der oberen Kreide in ziem- lich ansehnlicher Verbreitung. Sie bilden dort, wo der Umfolozifluß aus dem Bereiche der Mandelsteindecken heraustritt, den Umkwelane- hügel, und nach Anpersons Ansicht lagern sie sich weiter südlich am Umhlatuzi auf die kohlenführenden Karruschichten. Weiter nörd- lich aber fand Anperson am Fuße der Lebombokette eine kretazeische Strandbildung, in der auffälligerweise jedoch Rhyolithgerölle fehlen. Überbliecken wir das eben betrachtete Profil, so sehen wir, daß auch zwischen den Verzamelbergen und dem Zululande ein großer Quathlambabruch fehlt, daß aber hier einzelne Verwerfungen auftreten. Dieselben tragen jedoch nicht den Charakter von Staffelbrüchen: Wenn wir seewärts wandern, kommen wir beim Überschreiten der Brüche nicht auf jüngere Schichten, sondern mit einigen charakteristischen Beispielen jeweils auf ältere Schichten, und es geschieht das Absinken der Schichten nicht infolge des Einsetzens der. Brüche, sondern in Gestalt einer allmählich gegen das Küstenland hin steiler werdenden Abbiegung. Flach muldenförmige Schichtlagerung, wie sie uns weiter im Süden im Bereiche des Drakensberges entgegentritt, ist hier nicht nachweisbar. Die Dwyka-Ablagerungen, die wir in der Ab- fallregion in etwa 1200 m Meereshöhe verlassen, treffen wir landein- wärts im Transvaalgebiete zwischen den Bergen südöstlich von Heidel- berg in größerer Erhebung von etwa 1400—1500 m wieder', und sie werden hier unmittelbar von Kohlenvorkommnissen überlagert. Die sanfte Abdachung des Drakensberges gegen Transvaal schneidet also ganz ebenso wie die gegen die Oranje-River-Kolonie die Karru- schichten quer durch und führt bei sanftem westlichen Fallen auf immer ältere Schichten herab. Ganz wesentlich anders als alle bisher betrachteten Profile ge- staltet sich ein Durchschnitt durch den nördlichen Drakensberg (Profil I S.257 Lourenco Marques-Kaalfontein). Die tiefen Täler der ihn durch- brechenden Flüsse gewähren uns klaren Einblick in seinen Aufbau, so z.B. das Tal des Krokodilflusses, in dem die Eisenbahn von Johannesburg nach Lourenco Marques zur Küstenebene herabsteigt. Hier passieren ! H. Lurrman Jonnson, Notes on the Geology of the Fortuna Valley, Heidel- berg. Transvaal. Transact. Geolog. Soc. S. Africa. VII, 3, 1904. 244 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. wir einen ganz ähnlichen Steilabfall wie am südlichen Drakensberg; aber jener wird nicht mehr von Karruschichten gebildet, sondern von älteren Gesteinen, die im Innern von Transvaal herrschen und danach »Transvaalformationen« heißen. Von der Höhe des Devils Kontor (1770 m) blicken wir, wie bereits MOLENGRAAFF in seiner Geologie von Transvaal so anschaulich geschildert, von den Quarziten des Black Reef, die um Johannesburg eine so große Rolle spielen, nach Osten hinab auf ein viel tieferes Granitgebiet, durchflossen vom Kaapflusse; unten sanfte und milde Formen, entsprechend dem tiefgründig verwitterten Gestein. In den sanft gewölbten Rücken zwischen den einzelnen Tälern haben sich häufig Regenschluchten, Dongas genannt, hineingefressen und haben gelegentlich aus dem verwitterten Granit höchst abenteuerliche Formen herausgeschnitten. Gegen Westen hebt sich Bergwelle auf Bergwelle empor; aber jede Welle entspricht nicht einer Hebung, sondern eine jede knüpft sich an ein widerstandsfähiges Glied der oberen Transvaal- formation der Pretoriaquarzite mit ihren Diabaseinlagerungen. Von ihnen sind wir getrennt durch eine Niederung von wechselnder Breite, in welcher die leicht verwitterbaren Dolomite des Transvaalgebietes ausstreichen. Ganz ebenso ist es nördlich vom Krokodilflusse, über welches Gebiet uns A. L. Harz näher unterrichtet hat. Hier wird die Mauchspitze (2660 m) und der benachbarte Andersonberg (2233 m) von den sanft nach Westen fallenden Quarzitbänken und Diabasdecken der Pretoriastufe gebildet. Vor ihnen liegt die Talung des Dolomites, und östlich davon hebt sich der Black Reef-Quarzit im Spitzkopf 2160 m hoch empor. Er bricht jäh über der tiefer gelegenen Granitlandschaft ab, einen ausgezeichneten, weithin nach Norden verfolgbaren äußersten Steilrand unsrer Zone von Steilrändern bildend. Nach den Unter- suchungen von Harz! zeigt der ganze Lydenburger Distrikt die eben geschilderte Anordnung: Wir haben es mit einer ganzen Serie ein- zelner Schichtstufen zu tun, zwischen welchen sich Schichttäler er- strecken. Zwar nicht am höchsten, aber allenthalben am schärfsten hebt sich die unterste Stufe des Black Reef-Quarzites hervor. Ganz ebenso ist es aber auch nördlich vom Olifantflusse, welches Gebiet MError” einer ersten Aufnahme unterworfen hat. Hier verfolgen wir den Steilrand des Black Reef bis zum Wolkberge (2100 m), wo er unter rechtem Winkel umbiegt und sich landeinwärts unter dem Namen Strydpoortberge noch eine Strecke weit fortsetzt. So ist der Wolk- ı A.L. Hırr, The Geology of the Central Portion of the Lydenburg District, between Lydenburg and Belvedere. Rep. Geolog. Survey 1906. Transvaal Mines De- partment, S. 73. 2 E.T. Meıror, The Geology of the Distriet about Haenertsburg, Leydsdorp, and the Murchison Range. Ebenda S. 21. Pexcr: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 245 — berg in ähnlicher Weise ein äußerster Endpunkt des langen Drakens- bergzuges, wie im Süden der Xalanga, nämlich eine Stelle, wo der Steilrand sich landeinwärts wendet. Die gesamte Breite der dem Transvaalgebiet angehörigen Schwärme von Schichtkämmen beläuft sich längs der Eisenbahn Pretoria-Lourenco Marques auf 50—60 km. Die höchste Erhebung liegt hier auf dem innersten Kamm, und dieser wird bei Belfast (1970 m) von flachge- lagerten Karruschichten bedeckt. Letztere beginnen mit den Dwyka- Tillit, auf denen kohlenführende Schichten folgen, die den Bergbau von Belfast bedingen. Die Karte von Hunrnker' läßt klar erkennen, wie sich die Karruschichten hier diskordant über die verschiedensten Glieder des Transvaalsystems breiten und im Osten in einigen Aus- läufern bis in das Gebiet des Krokodil- und Komatiflusses hinein- ragen, wo sie einzelne Höhen krönen. Gegen Westen begleiten uns die Karruschichten abwärts bei Middelburg vorüber bis zum Bronk- horstspruit (1430 m); doch bilden sie keine zusammenhängende Decke, sondern immer nur vereinzelte Vorkommnisse, zwischen denen sich die Ausläufer des großen Waterbergsandstein-Gebietes von Middelburg erheben, nämlich eines flach muldenförmig gelagerten Sandsteines, welcher gewöhnlich als Äquivalent des Tafelbergsandsteins angesehen wird. Mrıror” hat über dieses Gebiet eine Reihe wichtiger Mit- teilungen gemacht und gezeigt, wie sich schließlich westlich vom Bronkhorstspruit unter dem Tillit wieder die Pretoriaquarzite des Transvaalsystems hervorheben, denen auch der Waterbergsandstein diskordant aufgelagert ist. Wir bleiben also zwischen Belfast und Bronkhorstspruit immer an der Sohle des Karrusystems, und diese senkt sich auf der Strecke von ııokm um 540 m. Nur dort, wo im regenreichen Monsungebiete leicht verwitter- barer Granit unter dem Black Reef-Quarzite zutage tritt, hebt sich dieser als Stufe hoch über tiefer gelegenes Land hervor, wo aber in seinem Sockel anderweitige Gesteine, und zwar solche quarzitischer Natur, herrschen, bildet auch das alte Gebirge ansehnliche Erhebungen. So steigt im Gebiete südlich von Baberton aus dem Sockel des Trans- ı W.A.Humrorey, On Portions of the Lydenburg and Carolina Distriets in the Neighbourhood of Belfast and Machadodorp. Rep. Geolog. Survey. Transvaal Mines Department. 1906, S. or. 2 E. T. Merror, Outliers of the Karroosystem near the junetion of the Elands and Olifants Rivers in the Transvaal. Transact. Geolog. Soc. S. Africa. VII, 1904. On some Glaeiated Land Surfaces oceurring in the Distriet between Pretoria and Balmoral, with Notes on the Extent of a Distribution of the Glaeial Conglomerate in the same area. Ebenda. The Geology of the Middelburg Distriet. Ebenda X, 1907, S.44. The Geology of the Central Portion of the Middelburg District. Rep. Geolog. Survey. Transvaal Mines Department. 1906, S. 53. Sitzungsberiehte 1908. 24 246 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. vaalsystems der Zug der Makonjwaberge in der Devils Bridge bis zu einer Höhe von 2075 m (vgl. Jerers Karte von Transvaal) empor, also bis über die Höhe des Black Reef-Glintes. Nach Osten zu nimmt die Höhe dieses alten Grundgebirges ganz allmählich ab; ihr Gipfelniveau biegt sich seewärts herab, und schließlich setzen sich die älteren Gesteine längs einer ziemlich genau nordsüdlich streichenden Linie scharf gegen die Karruablagerungen ab. MorexsrAArr' mutmaßte hier einen großen Bruch zwischen beiden, den er als Lebombobruch bezeichnet. Die Untersuchungen von Kynasron’ haben jedoch ergeben, daß die älteren Gesteine hier ganz regelmäßig unter die Karruschichten einfallen und daß kein Bruch vorhanden ist. Die Karruschichten beginnen aber hier nicht. wie sonst, mit dem Dwyka-Tillit, sondern setzen gleich mit Sandstein ein, in denen sich alsbald die Kohlenlager von Komati Poort einstellen. Der ganze Komplex fällt 10° E. unter Mandelstein- laven ein, die ganz ähnlich denen des Basutolandes sind; diese Mandel- steinlaven senken sich unter die Rhyolithlavadecke der Lebombokette. Es ist also hier genau dieselbe Schichtfolge wie weiter südwärts am Umfolozi. Unmittelbar unter den Mandelsteinlaven finden sich ferner Sandsteine, ähnlich dem Höhlensandstein des Drakensberges und dar- unter rote Mergel, ebenso wie dort. Kysaston ist daher der Meinung, daß wir es hier auch mit den obersten Gliedern der Karruformation zu tun haben und daß dieselben Schiehten, die weiter südwärts das Hochland des Basutolandes aufbauen, hier am Fuße des Burenhoch- landes an der Grenze gegen die Küstenebene vorliegen. Die Karru- schichten und die Mandelsteinlavadecken erscheinen glatt abgeebnet. Die Rhyolithe hingegen bilden eine Kette von 600 bis 700 m Höhe, die dureh ihre jähe, mauerartige Aufragung den Eindruck eines breiten Ganges macht, aber in Wirklichkeit nichts anderes darstellt als den Denudationsrand eines schräg gelagerten Schichtkörpers. In der Tat wird die Kette ganz nach der Art eines am Rande einer Flexur herausgearbeiteten Schichtkammes von zahlreichen Durehbruchtälern gequert. Im Osten grenzt sie an das Küstenland mit seinen Kreide- schichten, welch letztere bei Lourenco Marques nach Kırıan“ bis ins Aptien herabreichen. Ein großer Quathlambabruch existiert also auch in unserem nördlichen Profile des Drakensberges nicht. Kysaston hat bereits ı G.A. F. Morensraarr, Transact. Geolog. Soc. South Afriea. IV, 1898, S. 119. Geology of the Transvaal S. 79. 2 H. Kynasron, The Komati Poort Coalfield. Mem. Geol. Survey Transvaal. No. 2. The Geology of the Neighbourliood of Komati Poort. Transaet. Geolog. Soc. South Afriea. IX, 1906, S. 19. ® W.Kırıan, Über Aptien in Südafrika. Zentralblatt f. Mineralogie usw. 1902, S. 465. Pexer: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 247 ausgesprochen, daß die Karruschichten von Komati Poort möglicher- weise längs einer großen Monoklinalfalte, also einer Flexur vom Hochlande, abgebogen seien. PassarcE hält dies in seinem Süd- afrika für eine den bisherigen Anschauungen widersprechende Auf- fassung. Er glaubt, Kynaston stütze sich lediglich auf die Tat- sache, daß die Verlängerung der Komati Poort-Schichten in der Richtung ihres Ansteigens landeinwärts bis auf das Transvaalhoch- land hinaufführe. Das Wesentliche an der Sache ist, daß der große östliche Randbruch von Südafrika an der einzigen Stelle, wo er bis- her durch Beobachtungen festgelegt zu sein schien, nach den Unter- suchungen von Kynasron als nicht vorhanden hingestellt werden muß. » Wollte man«, fährt PassarsE fort, »mit der Verlängerung des Ein- fallwinkels auch in anderen Schollenländern eine einfache Abbiegung beweisen, so würden nicht viele Horste mit nachgewiesenen Spalten auf der Erdoberfläche übrigbleiben, vorausgesetzt, daß die abge- sunkenen Schichten, wie das bei Komati der Fall ist, nur an einer Stelle aufgeschlossen sind.«e — Dem ersten Teil dieses Satzes ist durchaus beizupflichten: Nur zu häufig hat man bloß aus der ver- schiedenen Höhenlage von Schichten auf Brüche geschlossen, ohne in Erwägung zu ziehen, daß jene Erscheinung auch durch Abbiegen von Schichten erklärt werden kann. Dringend nötig erscheint uns eine Revision der zahlreichen bloß konstruierten, nicht auch durch Beobachtung sichergestellten Brüche der Erdkruste. Mit dem zweiten Teile seiner Äußerung aber hat PassarscEe unrecht: Wir treffen die abgebogenen Schichten nicht bloß bei Komati Poort, sondern können sie von hier aus am ÖOstfuße der Lebombokette ununterbrochen bis in das Zululand hinein verfolgen, und hier sehen wir, wie sie an- steigen und sich landeinwärts bis in das Hochland von Transvaal hinauf ununterbrochen erstrecken. Hier ist also die von Kynasron gemutmaßte Abbiegung ununterbrochen zu verfolgen, worauf letzterer bereits hingewiesen hat. Es erübrigt jetzt nur noch zu zeigen, in welcher Weise die bei Belfast aufgeschlossenen Karruschichten mit denen im nördlichen Natal abgebogenen zusammenhängen. Südlich Belfast greifen im Ge- biete von Carolina die Karruschichten weiter und weiter nach Osten über die einzelnen Glieder des Transvaalsystems hinweg, bis sie schließlich am rechten Ufer des Komatiflusses in der Gegend von Steynsdorp bis unmittelbar auf deren Grundgebirge zu liegen kom- men. Von hier an zieht sich ihr Ostsaum im Gebiete von Ermelo allenthalben gegen das Urgebirge angrenzend über Amsterdam, Piet Retief bis in die Gegend von Lüneburg am Pongola, an dessen Süd- ufer wir sie dann bis ins Zululand ununterbrochen verfolgen können. 24* 248 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Der geschilderte Ostrand des Karrusystems zwischen Komatifluß und Pongola aber fungiert nicht als Wasserscheide, wie bei Belfast, son- dern die Wasserscheide zwischen dem Vaalflusse und den Zuflüssen des Indischen Ozeans liegt hier auf der Höhe des Hochlandes von Transvaal, dessen Oberfläche sich also hier ebenso nach Osten ein Stück weit sanft abdacht, wie sonst nach Westen hin. Die alten Ge- steine des Swazilandes erscheinen sohin lediglich als der bloßgelegte Sockel der sich ostwärts abbiegenden Karruschichten; den nördlichen Drakensberg aber, dessen Gipfel die angrenzenden Karruschiehten an- sehnlieh überragen, können wir dementsprechend als bloßgelegten Kern einer außerordentlich flachen Aufwölbung der Karruschichten ansehen. So erweisen sich denn die beiden Teile des Drakensberges struk- turell als erheblich voneinander verschieden: dem Bauplan des süd- lichen liegt eine flache Einbiegung, dem Plan des nördlichen eine sanfte Aufwölbung der Karruschiehten zugrunde; dabei sind aber beide morphologisch nahe miteinander verwandt: beide sind Schicht- stufen, echte Glinte, sich knüpfend an die widerstandsfähigen Glieder der eingebogenen oder aufgewölbten Schichten. Diese beiden so ver- schieden konstruierten Gebiete aber befinden sich längs einer Zone, in welcher sich die Karruschiehten mit ihrem Sockel älterer Gesteine zum Meere hin abbiegen. Für die Altersbestimmung dieser großen Flexur ist von Bedeu- tung, daß von ihr auch die Laven des Zululandes ergriffen werden, von denen, wie schon erwähnt, die Mandelsteinlaven von Kynaston mit denen des Basutolandes parallelisiert werden. Hiernach würde unsere große Abbiegung erst nach den mächtigen Massenergüssen er- folgt sein, die in Südafrika am Schlusse der Karruzeit, also nach Be- ginn der Juraperiode, erfolgten. Allerdings stützt sich jene Paralleli- sierung zur Zeit lediglich auf die Wiederholung der gleichen Sehiehten- folge: rote Schichten, weißer Sandstein und Mandelsteinlaven im Zululande ebenso wie im Basutolande, und bedarf noch einer schär- feren Stütze durch den Nachweis der Stormbergflora in den unteren Partien dieses Komplexes. Aber wenn dieser Nachweis auch noch aussteht, so liegt doch andererseits auch kein Grund vor, in ähnlicher Weise wie Passarer, der mehr oder weniger deutlich einen Zusammen- hang zwischen Randbrüchen und vulkanischen Ergüssen mutmaßt, nunmehr einen solchen zwischen der Entstehung unserer Flexur und der vulkanischen Tätigkeit anzunehmen. Zu bezweifeln ist allerdings nicht, daß dureh die Injektion gewaltiger Doloritmassen in die unteren Abteilungen des Karrusystems vom Kaplande und Natal sowie auch vom östlichen Transvaal eine merkliche Anschwellung dieser Schichten Pener: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 249 verursacht gewesen sein muß, denn nach den Angaben von Rosers!' machen die Intrusionen stellenweise etwa ein Viertel der gesamten Schichtmächtigkeit aus, diese aber beläuft sich für Eeea- und Beau- fortschichten insgesamt auf 2600 m, so daß wir eine Hebung von 600— 700m bloß auf Konto von Intrusionen setzen könnten. Allein auch diese Intrusionen werden, wie uns das Bohrloch am Bluff bei Durban lehrt, von der Flexur abgebogen; denn das Bohrloch hat unter den oberen Kreideschichten auch Doleritintrusionen in den Eeca- schichten erschlossen. Für Beurteilung unserer Flexur ist weiter von Bedeutung, daß längs ihr die Kreideschichten mit den verschiedensten Gliedern des abgebogenen Komplexes in Berührung treten, und zwar kommen sie auf immer ältere zu liegen, je weiter nach Süden wir gehen. Im Zululande liegt am Fuße der Lebombokette ein kretazeischer Strand; bei Durban lagern die Kreideschichten auf Eccaschiefern der unteren Karru, um Umtamvuna am Fuße von Kliffen im Granit oder Tafel- bergsandstein. Wir entnehmen hieraus, daß unsere Flexur keine be- stimmte Schichtoberfläche, sondern eine alte Landoberfläche betrifft, welche die verschiedensten Schichten, die wir am Ostabfalle des süd- lichen Drakensberges kennen gelernt haben, durchschneidet. Es fehlt nun nieht an Anzeichen dafür, daß eine solche alte Landoberfläche noch heute vorhanden ist, und zwar tritt sie uns in Gestalt einer Rumpffläche entgegen. Die Eisenbahn von Pietermaritzburg nach Durban führt auf der Höhe zwischen Umgeni und Umlazi und ge- stattet weite Ausblicke. Man hat, sobald man die Höhe erreicht hat, den Eindruck, auf einer weiten Hochebene sich zu befinden. Diese Hochebene nun schneidet bei Thornville (916 m) die Eeca- schiefer, bei Camperdown (761m) den Dwyka-Tillit quer ab, führt dann weiterhin über den Tafelbergsandstein auf den Granit von In- changa (752 m) und bei Bothashill (739 m) wieder auf‘ den Tafelberg- sandstein zurück; auf diesem senkt sie sich rasch abwärts, über Pine- town (343 m) nach Malvern (170 m). Dort erreicht unsere Hochfläche wieder den Dwyka-Tillit und kommt schließlich bei Durban auf Eeca- schiefer. Die ganze flache Antiklinale der Küstenvorstufe wird durch diese Rumpffläche quer abgeschnitten, und letztere ist es, welche bei Durban untertaucht und den Kreideschichten des Bluff als Sockel dient. Wie weit sich diese Rumpffläche erstreckt, läßt sich heute nicht mit Bestimmtheit sagen. Nach der Geländedarstellung der von der geologischen Aufnahme von Natal herausgegebenen Spezialkarten ein- ! A. W. Rocers. The Geology of the Cape Colony. 1905. S. 273. 250 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. zelner Distrikte im Maßstabe ı: 94000 zu urteilen, reicht sie über die gesamte Küstenvorstufe vom Zululande aus bis an die Grenze des Kaplandes. In der Tat wird sie auch von ANDERSONn immer als ein Plateau bezeichnet, und zwar das des Tafelbergsandsteins, wenn auch Anperson daneben immer hervorhebt, wie sich an der Zusammen- setzung dieses Plateaus sowohl der ältere Granit als auch die älteren Karruschiehten beteiligen. Von Wichtigkeit wird sein, das Verhältnis unserer von jung aus- sehenden Tälern tief zerschnittenen Rumpffläche zu den Vorbergen des Drakensberges und zu diesem selbst kennen zu lernen. Es sind zwei Fälle denkbar: sie kann in bezug auf beide die Rolle einer jener Rumpf- flächen spielen, die wir nicht selten am Fuße von Gebirgen antreffen, z.B. am Nordfuße der Alpen in der Gegend von Murnau oder am Fuße der Karpathen südlich von Witkowitz, und die wir durch seit- liche Erosion der aus dem Gebirge kommenden Flüsse, also durch Zusammenwachsen benachbarter Talböden, entstanden denken können. Es ist aber auch möglich, daß sich unsere Rumpffläche hinwegwölbte über den ganzen Drakensberg und seinen Vorstufen, und daß dieser aus ihr herausgeschnitten wurde. Die Eisenbahnfahrt von Johannes- burg nach Pietermaritzburg führt quer über das ganze obere Tugela- gebiet hinweg; es geht vom oberen Buffalogebiet im Distrikte New- castle (1186 m) zum Sunday River bei Elandslaagte und Klip River bei Ladysmith (1001 m), es geht bei Colenso (962 m) über den Tugela, bei Esteourt (1168 m) über den Bushmansfluß, bei Weston (1389 m) über den Mooi River. Der Charakter aller dieser Täler, die teilweise bis zur Höhe des Rumpfes auf der Küstenvorlandstufe eingeschnitten sind, ist ein auffällig übereinstimmender: breite Furchen mit sanft ansteigenden Gehängen, häufig mäandrierend, wie namentlich bei Est- court. Breite, sanft fallende Talsohlen, die zu einem Rumpfe ver- wachsen könnten, fehlen; vielmehr zeigen sich überall dort, wo die Flüsse quer über Doleritlager fließen, Stromschnellen, manchmal aber auch stattliche Wasserfälle. Ich habe nichts bemerkt, was die An- nahme stützen könnte, der Rumpf auf der Küstenvorstufe Natals sei ein Piedmontrumpf des Drakensberges und seiner Vorberge. Dagegen ist die sanfte Westabdachung des Drakensberges abermals eine Rumpftläche. Die Hochflächen des Burenhochlandes entsprechen, wie wir gesehen haben, nicht einer bestimmten Schichtoberfläche. Sie senken sich im ÖOranjegebiete sanft von den oberen, im Transvaal- gebiete von den mittleren Karruschichten bis zu den unteren herab, und die einzigen Erhebungen, welche hier die sanfte Abdachung unter- brechen, knüpfen sich an widerstandsfähige Doleritlager oder -gänge; alle die zahlreichen Kranz- und Spitzberge tragen den Charakter von Pener: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 251 Monadnocks. Die Flüsse aber schneiden nicht in scharf ausgesproche- nen Tälern ein, sondern fließen inmitten breiter, sich sanft nach ihnen senkender Furchen. Diese Rumpffläche des Hochlandes bricht nun ebenso auf der Kante des südlichen Drakensberges ab, wie die der Küstenvorstufe in dessen Fußregion aufhört. Der naheliegende Ge- danke, daß beide Rumpfflächen einander entsprechen, wird wesentlich dadurch befestigt, daß zwischen dem nördlichen und dem südlichen Drakensberge, im Gebiete von Ermelo und Carolina, die Rumpftläche des Hochlandes sich auch nach Osten senkt, weswegen die Wasser- scheide zwischen Vaal und Zuflüssen des Indischen Ozeans auf ihr zu liegen kommt. Endlich habe ich im Gebiete von Vryheid, wo sich die Karruschichten zwischen Pongola und Weißem Umfolozi zum Küsten- saume herabbiegen, den Eindruck erhalten, als ob die Höhen einer Rumpflläche angehörten. Der gesamte Landschaftscharakter ist hier ebenso wie in Transvaal; die Erstreckung der ehemaligen Südafrika- nischen Republik gerade in dieses Gebiet hinein erscheint als eine Ausdehnung auf gleichem Boden. So liegen denn nach dem dermaligen Stande unserer allerdings noch recht lückenhaften Kenntnis die Dinge im Drakensberggebiete ganz ebenso wie im Kaplande. Auch hier bricht das Burenhochland längs eines Steilrandes jäh ab, den Rrumans anfänglich auch auf einen Bruch zurückführte, während wir heute dank der eingehenden Unter- suchungen der Kapgeologen wissen, daß eine Schichtstufe, ein typi- scher Glint vorliegt. Davor liegt die ebene und hügelige Große Karru; zwischen dieser und dem Meere erhebt sich aber der Schwarm der Kapfalten. Die Flüsse nun, welche am Glinte entspringen, fließen im Gouritzgebiete quer durch die Kapfalten hindurch. Anfänglich hat man geglaubt, letztere hätten sich quer über dieses Flußsystem hin- weg aufgewölbt und seien von dessen Gliedern währenddes durch- schnitten worden. Bei der näheren Erforschung des Kaplandes hat sich dann aber eine andere Vorstellung aufgedrängt: A. W. Rocers' hat gezeigt, daß das Gouritzflußgebiet ein konsequentes ist, zur Ent- wicklung gekommen auf einer kontinuierlichen Abdachung, die sich vom Hochlandrande zur Küste zog; E. Scuwarz’ hat diese Abdachung dann bestimmt als Peneplain im Sinne von W. M. Davıs bezeichnet und von ihrer Verbiegung gesprochen. So erscheint uns Südafrika zwischen Burenhochland und Kap sowie Natal als eine einzige groß- artige verbogene Rumpfiläche. A. W. Rocers, The Geological History of the Gouritz River System. Transact. South African Philos. Soc. XIV, 4, 1903. 2 E. Schwarz, The Rivers of Cape Colony. The Geographical Journal. London 1906, XXVII, S. 265. 252 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Diese Vorstellung habe ich bereits 1906 gelegentlich meines Vor- trags auf der Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte in großen Umrissen entwickelt, wobei ich mich allerdings, entsprechend dem Charakter meiner Ausführungen, auf Einzelheiten nicht einlassen konnte. Dies hat bei PassareE die durchaus irrige Vorstellung er- weckt, als ob es sich lediglich um Wiedergabe der Eindrücke einer kurzen Kongreßreise handle. Dank den erwähnten günstigen Um- ständen habe ich mich vielmehr bei meinem Vortrag in Stuttgart etwa in gleichem Umfange wie heute auf die Arbeiten südafrikanischer Geologen stützen können. Der südliche Drakensberg, nach seinem geologischen Bau eine flache Synklinale, erscheint nach den hier entwickelten Anschauungen als eine flache Aufwölbung, welche allerdings unbedeutender ist als die Syn- klinale und letztere nicht zu verwischen vermag. Daß er über seine Umgebung emporgehoben worden ist, wird auch von den Kapgeologen angenommen, die ihn näher erforscht haben; denn anders ist nicht zu verstehen, wieso er bei muldenförmiger Schichtlagerung seine Um- gebung so weit überragen kann. Allerdings ist seine Höhe zu einem guten Teile durch die mächtigen Massenergüsse des Basutolandes be- dingt, aber wenn wir uns auch letztere hinweggenommen denken, bleibt die Tatsache bestehen, daß die von Stormbergschichten ein- genommene Muldenmitte den Muldenrand überragt. Daß diese ge- hobene Synklinale wegen der ihr auflagernden Ergußgesteine zu einem hydrographischen Zentrum wurde, von dem aus der Oranje und Vaal, der Umzimvubu und Tugela ausstrahlen, erscheint begreiflich. Da- gegen überrascht es, daß der nördliche Drakensberg kein Wasserteiler ist, obwohl er, wie wir zu zeigen versuchten, einer sanften Auf- wölbung der Karruschichten entspricht. Er wird in seiner ganzen Breite vom Komati samt Krokodilfluß sowie vom Olifantfluß durch- brochen; an seinem Nordende treten ferner Flüsse, deren Quellen am Nordende des Strydpoortglint gelegen sind, in letzteres hinein und queren es, wie Merrror kürzlich geschildert, in engen Schluchten. Wir können diese verschiedenen Durchbrüche nicht in gleicher Weise er- klären. Bei Strydpoortglint handelt es sich um Durchbrüche aus der weitverbreiteten Familie der Glintdurchbrüche, die sich allgemein unter der Annahme verstehen lassen, daß zur Zeit der Anlage der Durch- bruchflüsse das Glint noch nicht herausgearbeitet war und eine Ab- dachung vom Gebiete des heutigen Glintflusses über die Höhen des Glintes hinweg sich erstreckte. Wir haben aus den Strydpoortdurch- brüchen lediglich zu schließen, daß sich einst im Bereiche des nörd- lichen Drakensberges eine Abdachung vom Gebiete der alten, seither stark abgetragenen Gesteine in das der Transvaalquarzite erstreckte, Penck: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 253 daß also eine Rumpfebene vorhanden war, die heute gänzlich zerstört ist. Der Olifant-, Krokodil- und Komatifluß haben keine Glintdurch- brüche. Sie sind, falls die in der Lagerung der Karruschichten an- gezeigte Aufwölbung des nördlichen Drakensberges dort am beträcht- lichsten war, wo die höchsten Erhebungen vorkommen, Antiklinal- durchbrüche, wie solche in der Regel dort gebildet werden, wo Auf- wölbungen quer über Flußläufen hinweg entstehen. Wir hätten sie danach als antezedente Durchbrüche zu bezeichnen. Allerdings könnte man sich auch vorstellen, daß die heutige Wasserscheide bei Belfast als eine Antiklinalscheide über einer Aufwölbung des Rumpfes sich entwickelt hatte, wie weiter südlich im Gebiete von Carolina und Ermelo. Dann müßte man die höheren Gipfel des Drakensbergs, die Mauch- und Andersonspitze sowie die Devils Bridge als Aufragungen aus dem alten Rumpfe auffassen, so wie sie uns in Transvaal häufig dort entgegentreten, wo die Gesteine des Transvaalsystems an die Oberfläche kommen. Zwischen ihnen könnte eine ununterbrochene Abdachung des Rumpfes bestanden haben, ähnlich derjenigen, welcher der Limpopo heute zwischen Magaliesberg und Palalaplateau folgt. So lassen denn gerade die hydrographischen Verhältnisse einiger- maßen offen, ob die Achse der Aufwölbung der Karruschichten im nördlichen Drakensberg mit jener Verbiegung der späteren Rumpf- fläche genau zusammenfällt. Möglicherweise kann man die hier offen- zulassende Frage durch Beobachtungen an den Höhen des nördlichen Drakensbergs zur Entscheidung bringen, obwohl hier dank der kräf- tigen Erosion der von den Monsunregen gespeisten Flüsse die vor- kretazeische Rumpffläche so gut wie gänzlich zerstört ist; für ihre Fest- legung haben wir zwischen Hochlandsaum und Lebombokette keinen festen Anhaltspunkt. Die breite Ebenheit aber der Mandelsteinlaven und Karruschichten vom Komatipoort, welche sich nach den Pro- filen von Kysaston zu urteilen bis in das Bereich der alten Ge- steine fortsetzt, ist jedenfalls jünger als die zerstörte kretazeische Rumpffläche zwischen dem Burenhochland und Küste; denn sie liegt tiefer als die Lebombokette, und ihre Abflüsse queren die letztere. Die Dinge scheinen hier ähnlich zu liegen wie im südlichen Kap- lande, wo Rocers und Scnwarz auch mehrere Rumpfebenen unter- scheiden; speziell die in Rede stehende von Komati Poort erinnert in vielen Stücken an die der großen Karru, deren Abflüsse ja auch das Bereich der Kapfalten queren. Die große präkretazeische Flexur, die sich sowohl im Sehicht- bau, als auch in der Oberflächengestaltung der Küstenvorstufe im Östen von Südafrika so deutlich ausspricht, fällt auf eine große Strecke mit der Küste von Natal zusammen. Jedoch ist dieses Zusammen- 254 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. fallen kein absolutes. Im Norden, wo sich das Küstenland des Zulu- landes erstreckt, erfolgt der Abfall zu den großen Meerestiefen ver- hältnismäßig sanft in einiger Entfernung von unserer Flexur; im Süden aber, im Bereiche des Pondolandes wird dieselbe von dem Küstenverlauf schräg durchschnitten, und zwischen der Mündung des Umtamvuna und der des großen Keiflusses senkt sich der Boden des Meeres angesichts der Küste ungemein jäh zu großen Tiefen herab. Wir können daher unsere Flexur nicht zu jenen großen Flexuren rechnen, die wiederholt am Abfall der Kontinente gemutmaßt worden sind, und müssen hervorkehren, daß sie mit jenem Abfalle einen spitzen Winkel einschließt. Nahe liegt allerdings der Gedanke, daß auch jener kontinentale Steilabfall den Charakter einer Flexur trägt, und daß er im wesentlichen dadurch zustande gekommen ist, daß sich an der einen Seite das Land aufwölbte und auf der anderen das Meer einsenkte. Daß die durch die schräge Stellung der Rumpf- fläche in der Küstenvorstufe angezeigte Aufwölbung des Landes noch fortdauert, lehren uns die Flüsse, welche jene Rumpffläche zerschnei- den. Ihre Täler sind durchschnittlich eng, so daß der Verkehr sie meidet und die benachbarten Höhen aufsucht: das Gefälle ist noch un- ausgeglichen, Stromschnellen und Wasserfälle kommen an den Flüssen Natals auch unweit der Küste vor. Wir haben es also hier mit jugend- lichen Talformen zu tun, welche im Bereiche eines Küstenlandes nur auf eine kürzlich erfolgte oder noch anhaltende Hebung schließen lassen. Wie es sich nun mit dem angrenzenden Meere verhält: ob sich sein Boden einbiegt, wie es der Annahme einer Flexur ent- sprechen würde, wissen wir nicht. Wir können lediglich aus der Tatsache, daß vor den Mündungen der Flüsse von Natal ein Auf- schüttungsschelf fehlt, schließen, daß hier Senkungen stattgefunden haben. Lenken wir nun unsere Blicke auf den Küstenverlauf selbst, so treffen wir hier bald Hebungs-, bald Senkungserscheinungen, und zwar in unmittelbarer Vergesellschaftung miteinander. Im all- gemeinen macht die Küste von Natal den Eindruck einer gesunkenen Küste: die Flüsse münden in untergetauchten Tälern, die allerdings in der Regel durch Sandbarren verschlossen sind und nur ganz aus- nahmsweise, nämlich bei Durban, den Wert von natürlichen Häfen erlangen. Wie tief die Senkung der Täler geht, lehren einige Daten von Anperson': er berichtet, daß ein Bohrloch im Mündungstale des Umzimkulu bei Port Shepstone bei 43 m Tiefe noch nicht den felsi- gen Talgrund erreicht hat, so daß wir hier auf eine in jüngster geo- ! W.Anperson. On the Geology of Bluff Bore. Durban, Natal. Transact. Geol. Soc. South Africa. IX. S.ııı. 1907. Penex: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. 255 logischer Vergangenheit erfolgte Senkung mindestens um diesen Be- trag schließen müssen. Neben solchen Senkungserscheinungen haben wir an der Küste Hebungserscheinungen, auf die bereits Gr&ssacn hingewiesen hat. Solche zeigt beispielsweise das Bluff von Durban an. Dieses Bluff ist ein sandiger Rücken, welcher sich parallel der Küste entlang zieht und mit dieser den Hafen von Natal einschließt. Letzterer erinnert an einen seewärts geöffneten Küstensee, das Bluff hingegen an einen alten, ziemlich hohen, nunmehr gänzlich bewachse- nen Dünenwall auf einer Nehrung. Seine stellenweise lose verkitteten Sande haben die unregelmäßige Schichtung und das Aussehen von Dünensanden. Unter ihnen heben sich stärker verkittete, schräg fallende Sande hervor, welche an der Spitze des Bluff den Cave Rock bilden. Über dem lockeren Sandstein des Cave Rock nun findet sich im Bluff selber, bedeckt von dessen Sanden, 5—6 m über dem heutigen Meeres- spiegel ein alter Strand mit Geröllen von Tafelbergsandstein und schwarzen Gesteinen (Tillit?). Dazwischen fand ich einzelne Schalen, die Dr. Sturanyv in Wien an Östrea cucullata Born. erinnerten, also an eine Art, die heute an der Küste von Natal lebend vorkommt. Möglicherweise entspricht dieser Strand dem von 20 Fuß Höhe an der Außenseite des Bluff, den Anperson' erwähnt, vorausgesetzt, daß dieser hier nicht eine in das Bluff hineingearbeitete Strandlinie im Auge hat, und wahrscheinlich entsprechen ihm die marinen Sande und Muscheln auf der Berea von Durban, von denen gleichfalls Anper- son berichtet. Kaum 50 km südlich, unfern von den ausgesprochenen Senkungserscheinungen in Port Shepstone nahmen Rogers und Schwarz im Pondolande drei Terrassen wahr, die eine in 60 m, die zweite in 240 m, die dritte in 360 m Höhe über dem Meere, die sie als Litoral- terrassen ansprechen, wie solche weiter im Süden an der Küste des Kaplandes in großer Ausdehnung vorkommen. Ein solches Neben- einander von Hebungs- und Senkungserscheinungen hat vielfach den Gedanken an eine besonders große Beweglichkeit in der Lage des Meeresspiegels geweckt, da man sich scheut, anzunehmen, daß das Land in kurzen Intervallen den Sinn seiner Bewegungen so häufig geändert habe. Es läßt sich jedoch leicht erkennen, daß ein der- artiger häufiger Wechsel im Sinne der Bewegung der Uferlinie auch mit der Bildung einer großen Küstenflexur in Beziehung stehen kann. An einer solchen Flexur unterscheiden wir einen gehobenen Flügel und einen gesenkten Flügel. Zwischen beiden liegt der Knoten der Flexur, der stabil ist, und um den sich alles andere wie um ein Scharnier dreht. Liegt nun (Fig. ıa) der Knoten K einer Küsten- ! W. Anperson, Preliminary Report on the Geology of the Neighbourhood of Durban. 1I. Rep. Geolog. Survey of Natal. 1904, S. 105 (115). 256 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. Fig. 1. Meeresspiegel u K = flexur genau im Meeresspiegel, so hebt sich das Land und senkt sich der Meeresboden, ohne daß Veränderungen der Küstenlinie eintreten; liegt er über dem Meeresspiegel (Fig. ıb), so senkt sich mit dem Boden des Meeres auch ein Stück des Küstensaumes, und wir erhalten neben einem sich hebenden Lande Senkungserscheinungen an der Küste, wie wir dies in so ausgesprochener Weise in Natal sehen. Liegt end- lich der Knoten der Flexur unter dem Meeresspiegel (Fig. ı c), so erhebt sich mit dem Lande auch ein Stück des Meeresbodens, und wir erhalten neben einem sich senkenden Meeresbeecken Hebungserscheinungen. Nun dürfte es in der Natur wohl kaum vorkommen, daß der Knoten einer großen Flexur seine Lage unveränderlich beibehält, sondern bei der Weiterbildung der Flexur dürften sich leicht Veränderungen in seiner Lage ereignen. Liegt der Knoten nun durchschnittlich in der Nähe des Meeresspiegels, so wird er daher bald über, bald unter demselben erscheinen, und es wird dieselbe Küste bald Senkungs-, bald Hebungserscheinungen aufweisen, obwohl sich das benachbarte Land konstant hebt und das benachbarte Meer konstant senkt. Wir können daher sagen, daß der unregelmäßige Wechsel von Hebungs- und Senkungserscheinungen an der Küste von Natal mit der An- nahme, daß sie eine Flexurküste sei, durchaus im Einklang steht. Dagegen harmoniert der häufige Wechsel in der Bewegung der Strand- linie an der Küste von Natal nieht mit der Vorstellung, daß sie eine Bruchküste sei, entstanden durch das Absinken von Schollen, denn an einer solchen Küste können wir ausschließlich und allein Senkungs- erscheinungen erwarten. Mit der Erkenntnis aber, daß wir neben den Bruch- und Faltungsküsten des Atlantischen und Pazifischen Typus von Epvarn Surss auch noch einen dritten Typus der Flexurküsten besitzen, bereichern wir nicht bloß die Zahl der prinzipiell wichtigen Küstentypen, sondern eröffnen auch neue Ausblicke auf die Entstehung der Ozeane und der Kontinente. Bemerkungen zu den Profilen durch den Drakensberg (S. 257). Die mitgeteilten Profile beruhen nicht auf direkter Beobachtung in der Natur, sondern sind entworfen nach der vorliegenden Literatur, und es konnte die Höhenlage der einzelnen Schichtglieder, nament- 257 Prncx: Der Drakensberg und der Quathlambabruch. Se nn ıseyag as; 19 aöptug sid Eee ne -Sıoqsuoywaıq uap y9anp oflFoLq emo LISJBpIEER e uaArT ua4yoLyos yımı) -D1agasre A au1l9]s95 LOL aade] qppoiyy -urags -Duagq opeag ILL pun uoyyoıyas pay -Jerasundg -paaquny opiaıy -41570q -oqwoga’T -JPPUCML -wIoJg pun woog -eyÄaq -ZuagjafeL -eutopıg AUOIJOA yore -uld dey jeeAsueu] j8ga1dssauaayy “005 “000, “005% “9008 a 14 vopa]e) “0057 —wo0 Yan eusiend,N aSuag Iınjew : agaıdssauaa zen) uegung “os «0008 g x > — 0054 re u Senn S : DR: wayalyıag 3 EA Yu] “0057 7 TWoooe ajsegsuein NERd UNYIE) sadunog xne’W “o 19921dssauasy BEN “005 SEN ch, “0001 a B + “0081 pıaykun = uowapueig BagjepIeH — uoooz WooyISsJayyE, “ SI JEM eanfew yapseey En —ı 183s1dsseyaay ogwoga] Iapuopey — u 000z DA un 258 Gesammtsitzung vom 27. Februar 1908. — Mittheilung vom 13. Februar. lich im Bereiche des südlichen Drakensberges, nieht genau angegeben werden. Entschieden zu hoch ist die Sohle der Mandelsteinlaven in Profil III gezeichnet; sie liegt, wie ich während der Drucklegung aus der Arbeit von Unurcrirı ersehe, nur wenig über 2000 m. Vor allem aber mußten die Höhen, um den Schichtbau klar erkennen zu lassen, sehr bedeutend, nämlich 2ofach überhöht werden. Dement- sprechend erscheinen die Mächtigkeiten der flach gelagerten Schichten im südlichen Drakensberg sehr viel ansehnlicher als die steiler ge- neigten Schichten, z. B. der von Komati Poort. Entsprechend der Überhöhung sind auch die Tangenten aller Fallwinkel 2ofach ver- größert, und es erscheint das Einfallen der sich zum Indischen Ozean abbiegenden Schichten sehr viel steiler, als es in Wirklichkeit ist. Ausgegeben am 12. März. 259 SITZUNGSBERICHTE 1908. Xı. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 5. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *|. Hr. Auwers berichtete über den weitern Fortgang seiner Be- arbeitung der älteren Brapreryr' schen Beobachtungen. Seit der vorjährigen Berichterstattung sind die Einzelresultate der Beobachtungen am Passageninstrument für die letzten ı2 Stunden der RA. zusammengestellt, die Mittelörter für 1745.0, mit Ausschluss der wenigen nach dem vorigen Bericht einst- weilen zurückzustellenden Tage, vollständig gebildet und alle stärker abweichenden Beobachtungen revidirt worden. Darauf wurden die Quadranten-Beobachtungen in Angriff genommen, und zwar zunächst die Durchgänge. Aus diesen sind für die ganze Reihe 1743 —1753 die genäherten — noch mit den Fehlern des Limbus behafteten — scheinbaren Rectascensionen, und die in demselben Sinne genäherten Rectascensionen für 1745.0 bis zum 29. August 1744 abgeleitet, und die Fehler des Limbus bis dahin durch vollständige Vergleichung der Beobachtungen mit dem Catalog für 1755 in erster Annäherung bestimmt. Diese Fehler haben sich als sehr beträchtlich erwiesen, lassen sich aber für den ganzen Bogen vom Zenith bis in die Nähe des Südhorizonts — we- nigstens für die bis jetzt behandelte Periode, die nahe die Hälfte aller am Quadranten beobachteten Durchgänge von Catalogsternen enthält — sicher genug bestimmen, so dass gute Ergebnisse für die Reetascensionen auch von den Quadranten-Beobachtungen erwartet werden dürfen. *2. Derselbe legte ein von Hrn. Dr. Rıstexrarr zusammenge- stelltes Verzeichniss grösserer Eigenbewegungen vor, die bei der Bearbeitung der »Geschichte des Fixsternhimmels« aufgefunden worden sind. Die Übertragung der gesammelten Sternörter auf Aeq. 1875 ist seit Mitte v.J. im Gange, zunächst für die Sterne nördlich vom Aequator, und für diese bis jetzt in den ersten drei Stunden der RA. ausgeführt. Die dabei neu zum Vorschein gekom- menen Eigenbewegungen sind vorläufig genähert bestimmt und werden zusammen mit den früher bei den Eintragungen gefundenen grösseren Werthen aus den späteren Stunden und für südliche Sterne in einer Liste von 174 Objeceten mitgetheilt, um neue Bestimmungen dieser Sterne zu veranlassen. Die, später fortzusetzende, Liste wird in den »Astronomischen Nachrichten« erscheinen. 3. Hr. Branca legte einen vorläufigen Bericht über die Er- gebnisse der Trinil-Expedition der Jubiläums-Stiftung der Stadt Berlin vor. Die von Frau Prof. Serenka geführte Expedition hat in einigen 40 grossen Kisten die reiche Ausbeute aus den Pithecanthropus-Schichten nach Berlin gebracht. Erst spä- 260 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März 1908. tere Untersuchung dieser fossilen Fauna kann genauen Aufschluss geben über ihre Beziehungen zur heutigen und zur jungtertiären Fauna. Besonders bemerkenswerth sind dabei ein Affen- (Anthropomorphen-?) und ein Menschenzahn, die beide fossil sind. Auch angebliche Spuren menschlicher Thätigkeit sind in diesen Schichten ge- funden, die jedoch — soweit sie bis jetzt untersucht sind — als beweisend nicht angesehen werden können. — Endlich ist das geologische Alter der Pithecanthropus- Schicht jetzt paläontologisch als ein diluviales festgestellt worden, indem in derselben Süsswasser-Mollusken gefunden wurden, die nach den Bestimmungen von Hrn. MArrın in Leiden sämmtlich noch heute lebenden Arten angehören. Branca: Über die Trinil-Expedition. 261 Vorläufiger Bericht über die Ergebnisse der Trinil- Expedition der Akademischen Jubiläums-Stiftung der Stadt Berlin. Von W. BrancA. Dr Erträgnisse der von der Stadt Berlin bei Gelegenheit der Zwei- hundertjahr-Feier dieser Akademie gemachten Jubiläums-Stiftung wur- den im Jahre 1906 an Frau Prof. SeLexkA vergeben, zum Zwecke von Ausgrabungen bei Trinil an der berühmten Fundstätte des Pithecan- thropus erectus. Die Vergebung der Stiftung an Frau SeLeskA findet ihre Erklärung in drei Punkten: einmal hatte Frau SELEnkA bewiesen, dass sie wohl imstande sei, ein Unternehmen wie dieses durchzuführen; denn sie hatte bereits sehr viel Schwereres geleistet, indem sie' allein nach Borneo ging, um dort an der Spitze einer Expedition ungefähr 4 Monate lang im Urwalde das Material zu beschaffen, welches Prof. SELENkA für seine Untersuchungen brauchte. Sodann verpflichtete sich die Genannte, zu der ihr von der Stiftung zur Verfügung zu stellenden Summe noch einen sehr namhaften Betrag aus eigenen Mitteln zuzuschiessen, wo- dureh natürlich die Gewinnung einer sehr viel grösseren Ausbeute er- möglicht wurde. Endlich aber erklärte sich Frau SrrenkA bereit, zur Sicherung der nothwendigen geologischen und paläontologischen Beob- achtungen einen Sachverständigen in den Dienst der Expedition zu verpflichten. Schon im Jahre zuvor machte Hr. Prof. Vorz während seiner Reise nach Sumatra auf Bitte von Frau SeLenka einen kurzen Aufenthalt auf Java, um noch vor Beginn der Ausgrabungen bei Trinil die Geo- logie dieses Gebietes zu studiren. Das Ergebniss seiner Untersuchung ging dahin, dass die knochenführenden Schichten, in denen der Pithec- anthropus gefunden worden war, aus vulcanischen Schlammtuffströmen” ! Nach der in Folge von Krankheit nothwendig gewordenen Rückreise ihres jetzt verstorbenen Mannes, des Zoologen SELENKA. ?2 Vgl. über Schlammtufiströme W. Branco, Schwabens Vulean-Embryonen. Jahres- hefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 1894 und 1895, Th. III, Allgemeines über Tuffe S. 688. Sitzungsberichte 1908. 25 262 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März 1908. beständen und höchstens alt-, vielleicht mitteldiluvialen Alters seien, so dass die, übrigens von vielen ja nicht getheilte Vorstellung, Pithee- anthropus sei ein directes zeitliches Bindeglied zwischen Mensch und Affe gewesen, vollends hinfällig werde'. Schon im selben Jahre, im Juni 1906, wurde mit der Anlage gross- artiger künstlicher Aufschlüsse an beiden Gehängen des Soloflusses begonnen. Diese wurden bis in den October des nächsten Jahres 1907 hinein fortgesetzt. Wegen der Bewältigung so grosser Erdarbeiten war es wünschenswerth erschienen, einen in solchen technischen Dingen bewanderten Mann zur Ausführung der tiefen Einschnitte zu gewinnen, der dann in der Person des holländischen Mineningenieurs OPPENOORTH das Technische der Grabungen von Anfang Februar 1907 an leitete. Als Geologe kam Mitte März 1907 Hr. Dr. Erserr im Dienste der Expedition nach Trinil. Mitte Juli gab derselbe seine Stellung bei der Expedition auf, machte jedoch im Dienste derselben noch eine etwa ıytägige Reise in das Pandang. An seine Stelle trat Mitte Juli Hr. Dr. Carruaus, welcher bis zur Beendigung der Ausgrabungen Mitte October dort verblieb. Da es Frau Sereska wünschenswerth erschien, dass schon jetzt eine kurze Mittheilung über das, was durch die Expedition erreicht wurde, veröffentlicht würde, so stellte sie mir zu diesem Zwecke den ihr von Hrn. Dr. Carruaus übergebenen Bericht und ebenso das von demselben entworfene Profil und die Situationsskizze zur Verfügung. Eine Veröffentlichung einer ausführlichen Arbeit des genannten Herrn ist erst für später geplant. Die folgenden Darlegungen haben also die Beobach- tungen und Aufzeichnungen des in Java weilenden Hrn. Dr. Carruaus zur Grundlage, zu der ich mir eigene Bemerkungen hinzuzufügen gestatten werde. Die Erlaubniss zur Vornahme der Ausgrabungen bei Trinil und der unverkürzten Ausfuhr der zu gewinnenden Fossilien ist von der Niederländisch-Indischen Regierung in dankenswerthester Weise ertheilt worden; und in wahrhaft fürstlicher Liberalität hat diese hohe Re- gierung der Expedition nicht nur einen grossen Theil der für die Ausgrabungen nöthigen Arbeiter kostenlos zur Verfügung gestellt und denselben militärische Vorgesetzte beigegeben, sondern auch freie Ver- frachtung aller für die Expedition nothwendigen Transporte auf der Insel und freie Fahrt für die Theilnehmer der Expedition bewilligt. Auch noch für dieses Jahr, 1908, hat die Niederländisch -Indische ! Neues Jahrbuch f. Mineral. etc. Festland 1907, S. 256. Globus, Braunschweig, Bd. 92, 12. Dec. 1907, S. 341. Branca: Über die Trinil-Expedition. 263 Regierung der Frau Srrenka eine Erlaubniss zur Vornahme weiterer Ausgrabungen bis zum ı. August gegeben, »soweit solche unter ihrer Leitung stattfinden würden«, so dass sich, nachdem die grossen Auf- schlüsse einmal hergestellt sind, die Möglichkeit weiterer Aufsamm- lungen mit verhältnissmässig geringen Kosten ergiebt. Der Norddeutsche Lloyd und die Deutsch-Australische Dampfer- gesellschaft haben durch Gewährung freier Fracht bez. bedeutender Frachtermässigung für die zahlreichen Kisten der Expedition gleichfalls diese wissenschaftliche Expedition in dankenswerther Weise gefördert. In paläontologischer wie geologischer Beziehung hat die Expe- dition sehr erfreuliche Ergebnisse gezeigt. Die Ausbeute an fossilen Knochen, welche die Expedition bei Trinil zusammengebracht hat, liegt in Gestalt des Inhalts von einigen 40, zum Theil riesigen Kisten vor uns, so dass sich nun über die mit Pithecanthropus vergesell- schaftet gewesene Fauna in breitester Weise ein Bild wird gewinnen lassen. Auch die Altersverhältnisse erfahren durch den Bericht des Hrn. Dr. Carrnaus vollkommene Klärung. E. Dusors hatte bekanntlich die Altersgrenze zwischen Jungtertiär und Altdiluvial gesteckt. Vorz war zu einem mitteldiluvialen Alter gelangt, indem er das Alter des Vulecanes Lawu, welcher das Material zum Aufbau der Pithecan- thropus-Schichten lieferte, als höchstens altdiluvial feststellte. Wenn man also bisher wesentlich aus geologischen Gründen, der Lagerung u. s. w., auf ein diluviales Alter der Pithecanthropus-Schichten hatte schliessen können, so ist jetzt durch die von der Expedition gesammelten Mollusken aus diesen Schichten das diluviale Alter paläon- tologisch begründet worden. Auf die fossile Säugerfauna konnte und kann man meiner Ansicht nach bisher eine sichere Altersbestimmung noch nicht begründen, da sie ja erst der genauen Untersuchung harrt. Die leise Hoffnung freilich, dass ein glücklicher Zufall noch weitere Reste des Pithecanthropus der Expedition in den Schoss werfen könnte, hat sich leider nicht erfüllt. Indessen sind doch dort Dinge gefunden, welche diesem zoologisch nahe stehen und hohes Interesse besitzen: Zwei gut erhaltene, zweifellos fossile Zähne, von denen der eine, wie es scheint, einer neuen Anthropomorphengattung, der andere aber einem Menschen angehört. Dieser letztere ist freilich nicht direct in den Knochenschichten gefunden, sondern am Ufer des Flusses. Indessen unterliegt seine Fossilität, meiner Ansicht nach, keinem Zweifel; und aus anderen, als den in Frage stehenden Schichten kann er wohl nicht herrühren. Der Bericht des Hrn. Dr. Carruaus giebt aber noch von weiterem Nahestehenden Kunde. Er berichtet über das Auffinden von Holz- kohle und von eigenthümlich gestalteten Knochenstücken, was ihm den 25° 264 Sitzung der physikalisch-mathematischen Ulasse vom 5. März 1908. Gedanken nahelegte, dass es sich hier um Spuren menschlicher Thätigkeit handeln könne. Das würde natürlich von ausserordentlicher Wichtigkeit sein, wenn es sich bestätigen sollte; denn wir würden dann in denselben Schichten mit Pithecanthropus zusammen bereits Spuren menschlicher Thätigkeit haben; und jener Fund eines Menschen- zahnes, dessen Lager sich leider durch direete Beobachtung nicht feststellen lässt, würde dadurch genauer fixirt werden. Ich möchte mich nun zunächst diesem letzteren Punkte zuwen- den, der natürlich nur mit der allergrössten Vorsicht zu prüfen sein wird. Ein sicheres Urteil vermag ich noch nicht abzugeben, da gerade die Kisten, welche den grösseren Theil dieser Stücke enthal- ten, noch unterwegs sind. Das aber, was ich bis jetzt von diesen Dingen sehen konnte, kann als beweisend nicht gelten. Vor Allem möchte ich betonen, dass den Stücken von Holzkohle keinerlei Gewicht beigelegt werden darf, da sie in vuleanischem Ge- biet und, noch mehr, direet in vuleanischen Tuffen gefunden worden sind; denn die fraglichen Schichten bestehen aus solchen. In vul- canischem Tuffe aber müssen vereinzelte Stücke verkohlten Holzes viel eher auf die Thätigkeit der heissen Asche als auf diejenige des Menschen zurückgeführt werden. Allerdings soll es sich hier bei Trinil um die bei javanischen Vulcanen noch heute nicht seltenen Schlammtuffe handeln, die als durchwässerter Brei zu Thale geflossen und abgelagert sind; und in einem wässerigen Schlammtuffstrome wird freilich keine Verkohlung eintreten können. Wohl aber könnte die Verkohlung von Hölzern geschehen sein an irgend einer anderen Stelle dieses Gebietes, an welcher der Breistrom nicht zu Thale ging; oder aber bei einem anderen Ausbruche, bei dem es überhaupt nicht zur Bildung von Schlammtuffströmen gekommen ist. Die auf solche Weise entstandenen Kohlestückehen konnten dann sehr wohl in einen Schlammtuffstrom später eingewickelt werden. Nur also, wenn man ausgedehnte, direete kohlige Feuerschichten auf der Oberfläche einer der Schichten des Trinilprofiles finden könnte, würde damit der Be- weis geführt sein, dass die Kohlen vom Menschen herrühren. Verdächtiger dagegen erscheinen mir zwei verkohlte Stücke, die ihrer Struetur nach nicht aus Holz, sondern aus Knochenmasse be- stehen dürften. Hier scheinen thierische Knochen vorzuliegen, die bis in das Innerste hinein in Kohle verwandelt sind. Es ist aber auch hier die Möglichkeit nicht durchaus von der Hand zu weisen, dass ein Thier unter so heisser vulcanischer Asche begraben wäre, dass es verkohlte. Gerade die glühenden Wolken des Mont Pele haben das ja bekanntlich an ungefähr 30000 Menschen und zahlreichen Thieren erwiesen. Indessen ist doch zu erwägen, dass einmal diese Wolken BrancA: Über die Trinil-Expedition. 265 des Mont Pele eine ungemein viel höhere Temperatur besassen, als sie den normal in die Luft aufgestossenen vulcanischen Aschen beim Niederfallen dann noch zukommt; und zweitens habe ich den Berichten über den Ausbruch des Mont Pele nur entnehmen können, dass bei den glühenden Pelewolken lediglich das Fleisch der Menschen bez. Thiere verkohlt, die Knochen aber nur ealeinirt worden seien. Eine so vollkommene Verkohlung von Knochen bis in’s Innerste hin- ein, wie das bei den in Rede stehenden zwei Stücken der Fall ist, könnte daher doch den Gedanken erwecken, dass hier Wirkungen eines vom Menschen erregten Feuers vorliegen; zumal es ja über- haupt höchst fraglich ist, ob bei Trinil überhaupt derartige glühende Wolken ausgestossen worden sind. Selbstverständlich aber bedürfte es sichererer Beweise, um das Dasein des Menschen hier aus dem Bereiche der Möglichkeit in den der Sicherheit zu rücken. Als verdächtig könnte "man ferner eine Anzahl distaler Gelenk- enden von Röhrenknochen ansehen wollen, welche von dem Schafte abgebrochen sind. Der Umstand, dass die Bruchfläche immer ziem- lich senkrecht zu der Längserstreckung des Knochens steht, kann so gedeutet werden, dass hier mit Absicht durch einen Schlag auf die Epiphyse letztere vom Röhrenknochen abgebrochen sei, um das Mark aus letzterem zu gewinnen; denn bei Bruchflächen, die durch Trans- port entstehen, werden, so könnte man geltend machen, oft auch mehr der Länge nach gerichtete Bruchflächen entstehen. Hr. Dr. CartHaus betont auch eine Schwärzung der Fpiphyse, die den Ein- druck erwecke, als ob mit Hülfe von Feuer ein Flüssigwerden des Markes bewirkt worden sei. Auch hier scheint mir indessen Vorsicht geboten; denn wenn man nach Abschlagen des distalen Gelenkendes das Mark aus dem Schafte auf solche Weise gewinnen wollte, so würde man doch diesen letzteren erwärmen müssen, nicht aber das erstere. Es würden also die Feuerspuren am Schafte haften müssen, während sie sich doch gerade am Gelenkende befinden. Will man also diese Schwärzung an den Knochen doch auf Feuer zurückführen, so bleibt nichts übrig, als anzunehmen, man habe das Mark durch Feuer flüssig machen wollen, bevor man die Epiphyse abschlug; und das hätte eigentlich keinen Zweck. Die anderen hier bis jetzt vorliegenden vermeintlichen Spuren menschlicher Thätigkeit müssen wohl gleichfalls zunächst mit grosser Vorsicht betrachtet werden: Einige Stücke von Proboseidier -Stoss- zähnen könnten ganz sicher mit ihren schneidenden Schärfen als Werk- zeug oder Waffe benutzt werden. Ob aber diese Stücke wirklich ab- sichtlich von dem Stosszahne abgesplittert worden sind, das lässt sich durch keinerlei Schlagmarken sicher erweisen. 266 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. März 1908. Von anderen Knochen, welche aufgeschlagen zu sein scheinen, lässt sich meines Erachtens ebenfalls nichts Sicheres sagen. Am auf- fälligsten erscheinen noch zwei Stücke; ein kleines pfriemförmiges und ein sichelförmig gebogenes, das an beiden Enden zugespitzt ist, darum, weil man sie als Waffe oder Werkzeug benutzen könnte. Ob man sie aber zu diesem Zwecke benutzt oder gar hergestellt hat, lässt sich mit Sicherheit hier nicht sagen. Selbst also, wenn an anderen Stellen Javas unzweifelhafte Spuren menschlicher Thätigkeit oder gar Reste des Menschen gefunden werden sollten, so wäre nach den mir bisher vorliegenden Stücken ein Gleiches für Trinil noch keineswegs erwiesen. Es müsste auch weiter die Gleich- altrigkeit, d.h. also das diluviale Alter, dieser an anderen Stellen Javas gemachten Funde dann mit diesen Trinilschichten nachgewiesen werden; denn sehr leicht könnte es ja sein, dass man in jüngeren Ablagerungen, als die Trinilschichten es sind, menschliche Spuren an anderen Orten Javas fände; und dann dürfte man selbst verständlich aus diesen nicht Rückschlüsse auf das in den älteren Trinilschichten Gefundene machen. Das Gesagte bezieht sich wie gesagt nur auf das mir zur Zeit vorliegende Material. Diesem gegenüber ist meiner Ansicht nach grosse Zurückhaltung geboten. Nun schreibt aber Hr. Dr. CarruAaus, dass auch noch 3 oder 4 Körbehen voll kleiner Knochensplitter gesammelt seien, an denen er deutlich die Zeichen menschlicher Bearbeitung festgestellt habe. Da diese Stücke noch nicht angekommen sind, so fehlt mir jedes Urtheil über dieselben. Das Weiteren berichtet Hr. Dr. Carruaus über die von ihm ge- machten geologischen Beobachtungen bei Trinil, und ich entnehme diesem längeren Berichte in verkürztem Auszuge das folgende Schichten- profil sowie die beiden unten wiedergegebenen Kartenskizzen nach ihrer verkleinerten Copie durch die Assistenten am Geologisch-Paläon- tologischen Institute, Hrn. Dr. Hrxsıe (Fig. ı) und Hrn. KronEckEr (Fig. 2). Die Nummern der hier aufgeführten Schichten entsprechen den Nummern, welche sie in dem Profile (Fig. 2) haben. Zur besseren Orientirung gebe ich in Fig. ı auch einen Theil der Situationskarte wieder, welche Hr. Dr. Carrnaus von diesem Gebiete eingesandt hat. Es lassen sich daraus der Verlauf des Solo-Flusses bei Trinil sowie die Lage der beiden künstlichen Aufschlüsse (Bruch I und II) erkennen. I. Marine Schichten. Die knochenführenden Schichten von Trinil werden nördlich von Trinil, bei Sonde, unterlagert von sehr jungen marinen Schichten, Branca: Über die Trinil-Expedition. 267 die wesentlich aus Mergeln und Kalken bestehen; und nördlich von Ngavi werden diese letzteren dann wiederum unterteuft von pliocänen und selbst miocänen Schichten, die vorherrschend aus Sanden und Gonglomeraten gebildet sind. 1. Die pliocänen Meeresschichten führen eine sehr reiche Fauna, die in einem Thonmergel liegt, welcher hauptsächlich aus vuleanischem Material besteht. Carruaus hat in diesen nicht weniger als 250 Species gesammelt, die meist den Lamellibranchiaten und Gastropo- den angehören, jedoch auch von einigen Echinodermen, Brachyuren, Fischen und einem Vogel herrühren. Der Umstand, dass beide Klappen der Muscheln fast stets mehr oder weniger geschlossen sind, weist nach CAarruaus darauf hin, dass alle diese Thiere bei einem vulcanischen Ausbruche plötzlich zu Grunde gegangen seien. Auch eine Korallenbank, welche diese Molluskenschichten überlagert, wurde festgestellt (s. Fig. 1). Ein kleines Kistehen mit einer Auswahl besonders bezeichnender Molluskenschalen wurde von Trinil aus nach Leyden an den genauen Kenner dieser Dinge, Hın. Prof. Marrıs, mit der Bitte um freund- liche Bestimmung derselben gesandt. Das Ergebniss dieser Unter- suchung wird mir von Frau SErenka mit der Bitte um Mittheilung an dieser Stelle übergeben. Hr. Marrıy schreibt zunächst, dass Fräulein IckE in seinem Institut die Bestimmungen vorgenommen habe und fährt dann fort: » Alle Arten, welche bestimmt werden konnten, habe ich bereits von Sonde beschrieben. « »Unter dem Materiale, welches Sie von Sonde sandten, befinden sich 6 Arten, welche überhaupt von keinem anderen Fundorte bekannt sind, während 9 von den 21 Species zu den häufigeren Ver- steinungen des von mir bearbeiteten Fundorts gehören. Unter den 2ı Arten befinden sich 57 Procent noch lebender Arten.« »Unter den ı5 Arten von Padas Malang gehören ı0 zu den häufigeren Vorkommnissen des von mir bearbeiteten Fundorts von Sonde; ı ist bisher nur von Sonde bekannt. Reichlich 53 Procent der Arten kommt noch lebend vor.« »Ein nennenswerther Altersunterschied zwischen den Schichten von Sonde, welche ich früher behandelt habe, und dem von Ihnen gesandten Material von Sonde und Padas Malang kann somit un- möglich bestehen. Alles ist als Pliocän zu betrachten, indem mehr als 50 Procent lebender Arten nachgewiesen sind. Doch ist dieser berechnete Procentsatz unzweifelhaft noch niedriger als der wirkliche, da die indische Fauna noch keineswegs voll- ständig bekannt ist.« 268 Sitzung der physikalisch-ınathematischen Classe vom 5. März 1908. Fig. 1. Djenggrik \ 2. Über diesen fossilreichen thonigen Schichten liegt eine Korallen- bank, deren Versteinerungen noch nicht näher bestimmt sind. Sie hat 1% —2 m Mächtigkeit, keilt sich jedoch auch aus. II. Süsswasser- bez. terrestrische Schichten. Diese pliocänen marinen Schichten von Sonde werden nun über- lagert von einer Schichtenfolge, die wohl wesentlich oder ganz aus vulcanischem Material besteht und zum Theil ein sandsteinartiges Branca: Über die Trinil-Expedition. 269 10. | I l | Fundstätte des Pithecanthropus erectus Ä----- 12) ) 1 | | 5 % 6 I | Bass Conglomeratschichten IN Thonschicht Bro. r 4*} S--=- == ER e—---- &3 { Eu a E IB ae “ —-—-—-—--- A - Po N Be... > - e- = P- o 8 on E 5 E-) I I II I In ÖIS, 77 ne Sy ei Pi . 1 des==22 & 3 5 o —— 5 a Im} \ N tn änderung zu lung I Nr. | steigerung vorgenommen we 1% nach: zwischen dem: | Niedrig um: N-Gefässe Jenaer ı | 2mal ı St. um 10°) 10 Tagen 4.— 9. Tag 0.010 mg I Gerätheglas SE 2 ae ao) Tan 32.06. » 0.025 Volum 416 cem 2 Ko re rs 8.—13. » 0.042 < | m pr > Cylindrische Gefässe 3 _ 3mal 2 St. um 22° 19 Tagen 7.— 13. Tag 0.018 my u Thüringer Glas 4 3» 2 nn » sol2I » IL.—14. » 0.020 Volum 237 cem GElaı Ion Ur doy | 18 32— 1.» 0.016 Durch Benutzung dieser in der letzten Golumne enthaltenen Cor- rectionen werden manche der früher häufig beobachteten Gewichts- abnahmen sich verkleinern oder in Resultate mit positivem Vorzeichen übergehen‘. ! Die vielen oft über o.1 mg betragenden Gewichtsabnahmen, welche A. Heyp- WEILLER (DRUDE’s Ann. d. Physik 5, S. 394. 1901) beobachtet hat, dürften vielleicht davon herrühren, dass, wie aus seinen Angaben ersichtlich, die Wägungen schon am nächsten Tage nach Ausführung der Reaction begonnen und meist nur drei Tage fort- gesetzt wurden. »68 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. Wiederholungen früherer Reactionsversuche. Silbersulfat und Ferrosulfat. Ag,SO,+ 2FeSO, = 2Ag-+Fe,(SO,),. | 8. Die abermalige Prüfung dieser Reaction war deshalb wünschens- | werth, weil mehrere der früheren Versuche Gewichtsverminderungen ergeben hatten, welche die bei anderen Umsetzungen aufgetretenen weit überstiegen. Zu dem neuen Doppelversuch dienten zwei N-Gefässe aus Jenaer Gerätheglas. Sie wurden in folgender Weise beschickt: Schenkel ı: 57.39 Ag,SO, +1859g Wasser = 142.8 y » 2: 110.0 FeSO,.7ag+133 no) Stöchiom. erforderlich: 102.8 » > — 5 RESIVe Somit hatte man: Vor der Reaction: 57.8 9 Ag,SO,+ 56.3 9 FeSO, Nach » » 40.0 Ag +74.ı Fe,(SO,),. Die Ausgleichung der beiden Apparate geschah durch folgende Zusatzkörper: Apparat A Gewicht Volum Gefülltes Gefäss ... 4.72.0179 416.113 com Blatındeahtrerre 5.004 0.261 478.221 9 416.374 ccm Apparat B Gewicht Volum Gefülltes Gefäss ... A727 23,0 405.836 ccm 3 Glashohlkörper .. 4.869 10.267 ı Glasstäbchen .... 0.625 0.250 473.217 9 416.353 cem Gewichtsdiff. A—B = etwa 4 mg Volumdiff. A—b = 0.021 cem Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 369 Erste Versuchshälfte. Reaction in Apparat A. Vor der Reaction Nach der Reaction A . ' Anzahl Tage Er i Gewichts- Wägungstag Gewichts- Wägungstag 5 Gewichts- a ZW : nach der 5% änderung des 1907 differenz A—B 1907 RU differenz A—B Reaction Apparates A 12. Juni 4.586 mg 22. Juni 2 4.564 mg —0.021 mg 13.» 4.584 23. » | 3 4.568 —0.017 Ir 4.577 25. 5 x 4.571 —0.014 Tor» 4.587 Den 7 4.575 —0.0I0 18. » 4.592 30. » 10 X 4.572 —0.013 Mittel: 4.585 mg 2. Juli 12 4.569 —0.016 Mittlerer Fehler: +0.002 6.» | 16 xx 4.578 —0.007 } ö 9.» | 19 xx 4.586 +-0.00I Reaction am 19. und 20. Juni | 2 NS En 23 xx 4.593 +-0.008 vorgenommen ; Er 18 28 xx 4.595 +0.010 24. » 34 xx 4.583 —0.002 30 40 xx 4.593 +0.008 Mittel: x 4.573 mg —0.012 ıng » xx 0.588 +-0.003 Mittlerer Fehler: -+0.002 Zweite Versuchshälfte. Reaction in Apparat B. Da diese zwei Monate später als die erste ausgeführt wurde, musste die anfängliche Differenz A—B von Neuem bestimmt werden. In Folge starker Temperaturschwankungen des Zimmers fielen die Wägungen weniger übereinstimmend aus als bei der ersten Ver- suchshälfte. Vor der Reaction Nach der Reaction : ER | Gewichts- Wägungstag es Wägungstag auzafl SORENEN änderung ° differenz 2 zu Tage nach differenz | 3 1997 A-B 201 der Reaction a8} des” Al pparates | B 3. October 4.616 mg 14. October 2 4.630 mg —0.032 ıng 5 » 4.588 IS. ” 3 4.622 —0.024 ’B ” 4.580 18. ” 6 x 4.607 —0.009 9. » 4.600 20. ” 8 x 4.614 —0.016 II 4.606 22. » Io x 4.613 —0.015 Mittel: 4.598 mg | 2 14 xx 4.594 +0.004 Mittlerer Fehler: +0.006 31. 2 19 xx 4.604 —0.006 4. November 23 xx 4.596 +0.002 Reaction am rı. und 12. October | jo, 29 xx 4.616 0.018 ausgeführt. 13. 32 xx 4.620 —0.022 Mittel: x 4.611 mg — 0.013 mg Mittlerer Fehler: 0.002 Mittel: xx 4.606 —0.008 Mittlerer Fehler: =+0.005 370 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. Die beiden Beobachtungsreihen unterscheiden sich von den in früheren Jahren ausgeführten dadurch, dass die Wägungen viel längere Zeit fortgesetzt wurden, und zwar mit Rücksicht auf das in den vorigen Kapiteln erörterte Verhalten der Glasgefässe. Wie besondere Versuche erwiesen, tritt zwar bei der Reaction zwischen Silbersulfat und Ferrosulfat nur eine geringe Temperaturerhöhung ein, welche kaum 2° beträgt, wenn die oben angegebenen Gewichtsmengen der Sub- stanzen portionenweise gemischt werden. Indessen zeigt sich in der ersten Tabelle unverkennbar ein allmähliches Steigen der Differenz A—B, und wenn man, wie früher gebräuchlich, die Wägungen nicht über eine Woche ausdehnt, würden die am 5., 7., 10. Tage auf- getretenen nahe übereinstimmenden Werthe (Mittel 4.573 ng) zu dem Ergebniss einer Gewichtsabnahme des Apparates A um 4.573—4.585 = —0.012 mg führen. Das Resultat gestaltet sich aber anders durch die späteren vom 16. Tage an erhaltenen Zahlen, aus welchen die Gewiehtsänderung von 4.588—4.585 = +0.003 mg folgt. Die zweite Versuehshälfte liefert ebenfalls bei den späteren Wägungen (19. bis 32. Tag) einen etwas kleineren Werth (—0.008 mg) als bei den zwi- schen dem 6. bis 10. Tage vorgenommenen (—0.013 mg). Somit sind die Resultate der Reaction in Apparat A: +0.003 mg » » » » B 5 —0.008 » also völlige Gewichtseonstanz. 9. Alte Versuche. Die früher in Abth. I’ und Abth. II” mit- getheilten Prüfungen der Reaction zwischen Silbersulfat und Ferrosulfat theilen sich in zwei Gruppen: a) Versuche. welche verhältnissmässig kleine Gewichtsänderungen lieferten. Zu denselben waren kleine N-Gefässe von etwa 400 cem Volum und die neue Rurrrecnt'sche Waage benutzt worden. Versuch Er ., ‚Abgeschiedenes | Reaction Gewichts- Ausführungszeit % 2 a = Nr. Silber \ in Gefäss änderung I Oct.-Nov. 1903 an2id) A | 0.035 mg® 2 März. 1905 24.2 4A —0.042 3 5 5 » B —0.029 (Bei Nr. 2 und 3 war die innere Glasfläche der Gefässe mit einer Paraffinschicht bekleidet.) ı Sitzungsber. 1893, S. 315— 319. Sitzungsber. 1906, S. 285. ? In der Sitzungsber. 1906, S. 235 gegebenen Tabelle steht bei Versuch Nr. 4 in Folge eines Druckfehlers 0.085 ng. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sielı umsetzender Körper. 371 Diese Zahlen übersteigen den maximalen Versuchsfehler von 0.030 mg nur wenig; sie dürften nach den im $ 5 gemachten Er- fahrungen sich noch um nahezu 0.01 mg erniedrigen, da die Wägungen, wie bei allen früheren Versuchen, nicht genügend lange ausgedehnt worden waren. Man hat dann als Resultate: ı. Versuch —0.025, 2. —0.032, 3. —0.019 MG. b) Versuche, deren Ergebniss eine grosse Gewichtsabnahme im Betrage von 0.068 bis 0.167 my war. Es sind folgende: Versuch it Abgeschiedenes Reaction Gewichts- Nr. Fr: Ssze Silber |, in Gefäss änderung I October 1890 40.09 A —0.167 mg 2 » n » B —0.13I 3 Jan.-Febr. 1892 60.0 | B —0.130 4 Jan.-Febr. 1905 24.2 A —0.103 5 5 » BP » B —0.068 Die aus dem Jahre 1890 stammenden Versuche Nr. ı und 2' ge- hören zu den ersten, welche bei der ganzen Untersuchung vorgenommen wurden, und es hatten zu denselben grosse N-Gefässe von etwa Soo cem äusserem Volum und die in Abh. 1” beschriebene alte Rurrreenr’sche sowie die Strückrarn'sche Waage gedient. Ebenso bei Nr. 3. Unter diesen Verhältnissen waren erstens die durch Wasserhaut und Volum- änderung der Gefässe entstehenden Fehler ohne Zweifel erheblich grösser als nach $ 7 bei den kleinen N-Röhren von 400 cem Volum, und zweitens ebenso die Wägungsfehler. Die Bestimmung des Gesammt- versuchsfehlers mit Hülfe indifferenter Substanzen ist früher versäumt worden, und gegenwärtig lässt sich dies nicht mehr nachholen, weil die mir jetzt allein zur Verfügung stehende neue Rurprecnt'sche Waage das Einsetzen der grossen N-Gefässe nicht erlaubt. Jedenfalls wird derselbe den für die kleinen Gefässe festgestellten Betrag von 0.03 mg übersteigen. — Das Gesagte gilt auch für die obigen Versuche Nr. 4 und 5, zu welchen Oförmige Apparate mit Vaeuummantel’ von 600 cem äusserem Volum gedient hatten. In Folge dieser Unsicherheiten, welche den erwähnten fünf Ver- suchen anhaften, dürfte es rathsam sein, dieselben im weiteren un- berücksichtigt zu lassen. Silbernitrat und Ferrosulfat. 6AgNO, + 6FeS0O,—=6Ag-+ 2Fe,(SO,), + Fe, (NO,).- 10. Über diese Reaction, welche sich an die vorhergehende an- schliesst, ist Folgendes zu bemerken. ı Sitzungsber. 1893, S. 315—319. ® Sitzungsber. 1893. S. 308, 309. 3 Abh. II., Sitzungsber. 1906, S. 274. 372 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. ös waren von mir ausgeführt worden: a) Drei alte Versuche mit grossen N-Röhren von etwa Soo cem äusserem Volum. Reaction | Gewichts- Versuch Ari m |Abgeschiedenes Ausführungszeit | S: E a N. sn Silber in Gefäss änderung I Oct.-Nov. 1899 63.59 A —0.199 ng 2 » „ » » B —0.137 5 Januar 1900 63.5 A —0.079 Da die Versuche unter gleichen Verhältnissen vorgenommen wurden, wie sie oben $ 9, Gruppe b vorkamen, so gelten die dort erhobenen Bedenken auch hier. Ich glaube daher diese Beobachtungen als nicht sicher weglassen zu müssen. b) Zwei neuere Versuche mit kleinen M-Gefässen von 400 ccm Volum: Neue Rurrreent'sche Waage. Versuch Ausfüh m Abgeschiedenes Reaction Gewichts- Ausführungszei “ ; 2 = Nr. 5 Silber in Gefäss änderung © I April-Mai 1902 16.5.9 4A +0.003 mg 2 > » » B —0.003 Bei diesen Versuchen war die Innenseite der Gefässe mit einer Schieht von Paraffin überzogen, ein Verfahren, welches, wie in Abh. II! erwähnt, deshalb einige Male angewandt wurde, weil sich im früheren Verlauf der Arbeit die Glaswandungen nicht selten als undicht er- wiesen hatten. Die mehrmals beobachtete abschwächende Wirkung dieser Paraffinschieht kann vielleicht davon herrühren, dass sie als schlechter Wärmeleiter die Übertragung der Reaectionswärme auf die Glaswandung vermindert. In dem vorliegenden Falle betrug übrigens die Temperatursteigerung des Gefässinhaltes bei langsamer Mischung der Substanzen nur 2°— 3°. Somit bedürfen die obigen Zahlen keiner Correction, und es kommt ihnen in Folge der besseren Versuchs- verhältnisse ohne Zweifel mehr Vertrauen zu, als den in Gruppe a erwähnten Beobachtungen. Als Resultat kann somit gänzliches Gleich- bleiben des Gewichts angenommen werden. Die Reaction zwischen Silbernitrat und Ferrosulfat ist neuerdings auch von A. Lo Surpo’ nach dem gleichen Verfahren wie dem von mir angewandten geprüft worden. Die Menge des abgeschiedenen Silbers war 40 9, und die mit zwei M-Gefässen erhaltenen Gewichts- änderungen betrugen: +0.006 und -+0.011 mg. ! Sitzungsber. 1906, S. 275- ® Nuovo Cimento. Serie V, Vol.ı2 (1906). Lasvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 313 Diese Zahlen liegen unterhalb des zu 0.02 mg bestimmten Ver- suchsfehlers und sprechen demnach ebenfalls für völlige Gewichts- constanz. Elektrolyse einer wässerigen Lösung von Cadmiumjodid mittels Wechselstrom und Gleichstrom. ll. In Abh. II' wurde bereits kurz auf diesen Gegenstand ein- gegangen. Wie dort angegeben, bestanden die angewandten elektro- lytischen Gefässe aus geschlossenen Glaseylindern, welche in concen- trischer Stellung zwei röhrenförmig gebogene Platinbleche (Höhe 9 cm, Durchmesser 3.5 und 2.5 em) enthielten, von denen Platindrähte durch die Glaswandung nach aussen führten. Die einander zugekehrten Ober- flächen der beiden Elektroden betrugen 99 und 71 gcm. Zwei gleiche Apparate wurden mit concentrirter Jodeadmiumlösung gefüllt, welche in IOO ccm 40 y Salz enthielt, und der noch eine kleine Menge Jod zugesetzt war. Nach dem Zusehmelzen der Öffnung und Ausgleichung des Gewichtes sowie äusseren Volums der beiden Gefässe mittels Zu- satzkörpern aus Glas und Platin hatte man: Apparat A Gewicht Volum bei 17.50° Getulltes metassı. .. 20.0. TOD DENG 236.630 cem Platindraht (Dichte 21.5)... 1.895 0.088 380.158 9 236.718 ccm Apparat B Gewicht Volum bei 17.50° Gebülltes"Gefäss 2... .....2. 378.086 g 233.578 ccm Hohlkörper aus Glas...... 1.760 ZU) Platmdrahter 22.2 2 200 se 0.309 0.014 380.155 9 236.702 ccm Somit A—B: etwa 3 mg 0.016 Zur Wägung wurden die Apparate in zwei gleich schwere (86.650 g) Stative aus polirtem Messing gestellt, wodurch die Schalen- belastung auf etwa 466.80 g stieg. Der Transport der Gefässe ge- sehah stets sammt ihren Stativen, und zwar mit Hülfe zweier an den letzteren angebrachten Hacken, welche mittels einer polirten Stahl- gabel sich anfassen liessen. Zu den Präeisionswägungen diente aus- schliesslich die neue Rurrrecnt sche Waage. Die Elektrolyse der Jodeadmiumlösung wurde auf drei Arten vorgenommen: a) mittels raschen Wechselstroms. Hierzu benutzte man, wie schon in Abh. II bemerkt, einen zweipoligen Gleichstrommotor, ı Sitzungsber. 1906, S. 290. 3 9 374 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. von dessen Überwickelung zwei Punkte mit Schleifringen verbunden waren, an denen der Wechselstrom abgenommen wurde. Die Zahl der Umdrehungen betrug etwa 1500 in der Minute (1 Umdrehung in 0.04 See.). Die Stromstärke wurde stets auf 3 Amp. redueirt. b) mittels langsamen Wechselstroms. Bei einem zuerst unter Anwendung des raschen Wechselstromes eingeführten Versuch (Nr. ı der nachfolgenden Tabelle) hatte sich keine Gewichtsänderung des be- handelten Apparates ergeben. Da die Ursache vielleicht darin liegen konnte, dass der Stromwechsel gegenüber der Zeitdauer der Reaction zu schnell erfolgte, wurde zur Anwendung eines in grösseren Inter- vallen ecommutirten Gleichstromes übergegangen. Der dazu hergestellte rotirende Commutator war ähnlich der von Lx Branc und Schick! ge- brauchten Vorrichtung. Er bestand aus einer Hartgummischeibe, deren Peripherie an zwei gegenüber liegenden Quadranten mit Metallstreifen belegt waren, von denen durch Schleifeontacte der Strom abgeleitet wurde, während die Zuführung desselben auf die beiden durch die Scheibe isolirten Seiten der Drehungsachse erfolgte. Als Motor hatte sich am besten ein kleines oberschlächtiges Wasserrad von 20 cm Durchmesser bewährt, welches man über Nacht gehen lassen konnte. Die Geschwindigkeit wurde so regulirt, dass der Commutator in 2 Se- eunden ı Umdrehung machte, wobei 2mal Stromschluss und 2mal Unterbrechung von je 4 Secunde Dauer stattfand. Die Zeit der elek- trolytischen Wirkung betrug demnach die Hälfte der Rotationsdauer des Commutators. Der von einer Accumulatorenbatterie gelieferte Strom wurde auf die Intensität von 3 Amp. redueirt, Spannung 4 bis 5 Volt. Bei dem langsamen Verlauf der Elektrolyse war stets auf der jeweiligen anodischen Platinplatte ein schwärzlicher Anflug von Jod sichtbar, welcher beim Gegenstromstoss wieder verschwand. Die Dauer der Stromwirkung schwankte, wie aus den nachfolgenden Ta- bellen ersichtlich, zwischen 5 und ı10 Stunden, jedoch wurde die Behandlung meist auf mehrere Tage vertheilt, um eine zu anhaltende Erwärmung des elektrolytischen Glasgefässes zu vermeiden. Wie be- sondere, am Schlusse der Versuche vorgenommene Prüfungen zeigten, bei welchen durch die geöffnete Spitze der Gefässe ein Thermometer in die Flüssigkeit eingesenkt wurde, fand bei 2stündiger Elektrolyse eine Temperatursteigerung von anfänglich 18° auf etwa 28° und nach 6—-8 Stunden auf höchstens 48° statt, somit Zunahme um etwa 30°. e) mittels Gleichstroms. Derselbe wurde von einer Accumu- latorenbatterie geliefert unter Abschwächung der Stromstärke auf ı bis ı4+ Amp. Spannung 4 Volt. ; ! Zeitschr. f. physikal. Chemie 46. 213 (1903). 375 Die angestellten Versuche, von welchen Nr. ı im Physikalisch- Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. Chemischen Institut der Universität, Nr. 2—9 in der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt ausgeführt worden waren, folgen nunmehr in ehronologischer Ordnung. Versuch Nr. ı (Januar 1906). 7 - DD Ver- Winsen ‚Tage nach| Gewichts- such Behandlung der Apparate 5 : 25 | der Be- differenz Nr. | handlung | A-B 8. Jammar | — | 3.138 mg 10.» —_ | 3.152 12. —_ | 3.151 Vor der Elektrolyse Deo — 3.138 14. — 3.146 3.145 mg | 0.003 Apparat A 22. Januar 5 3.142 mg am ı15., 16. und 17. Januar erst | 23- 6 3.153 30 St. (mit Nachtbetrieb), dann nach | 25: 8 3.139 I 14 stündiger Unterbrechung noch- 27. Io 3.141 mals 10 St. dem raschen Wech- | 9% 12 3.130 selstrom ausgesetzt. 3 Amp. 3.I141mg Dauer der Elektrolyse 40 St. + 0.004 Versuche Nr.2 und 3 (Juli, August 1906). Nach einander ausgeführt. I, RE 7 Ver- er Tage nach Gewiehte- such E der Be- | differenz Nr. . handlung | A—B 13. Juli A| 2.894 mg 14. » — 2.897 t 16. » | — 2.880 Vor der Elektrolyse er 2.889 2.890 mg +0.004 Apparat A 23. Juli 3 2.882 mg vom 17. bis 20. Juli täglich etwa au © 4 2.884 2 2St. dem langsamen Wechsel- 25- 5 2.863 strom ausgesetzt. 3 Amp. 4 Volt. 26. » 6 2.875 Gesammtdauer d. Behandlung 10 St. | 2.876 mg Dauer der Stromwirkung 5 St. | +0.005 Apparat A 3. Aug. | 2 2.858 mg nochmals vom 27. Juli bis 1. Aug. 4.2 | 3 2.847 | täglich etwa 8 St. dem lang- 6. 5 2.857 3 samen Wechselstrom ausge- 7- | 6 2.846 setzt. 3 Amp. 4 Volt. 8. | 7 2.842 | 2.850 mg Gesammtdauer d. Behandlung 40 St Dauer der Stromwirkung 20 St. Sitzungsberichte 1908. +.0.003 33 376 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. Versuche Nr. 4 bis 9 (October 1906 bis März 1907). Nach einander ausgeführt. Gewichts- Ä Tagenach Wägungstag der Be- | differenz | handlung | A—B 23. October ee | 2.902 mg DS — 2.903 26. ” — 2.899 Vor der Elektrolyse ZU = 2.894 30. — 2.902 al. — 2.898 | 2.900 mg | +0.001 14. Novbr. 2 2.800 mg 16. 4 2.842 Apparat A en 5 2.865 dem langsamen Wechselstrom | 19. 2 2.876 in der Zeit vom ı. bis ı2.November | 20. ” 8 | x 2.884 4 täglich einige Stunden ausgesetzt. | 21. | 9 x 2.889 3 Amp. 22. » 10 | x 2.904 Dauer der ganzen Behandlung 36 St. | 23- » I | x 2.892 Stromwirkung 18 St. 24. 12 | & 2.883 x 2.890 mg +0.004 | 7. Decbr. 3 2.922 mg Apparat B 83» 4 2.917 dem langsamen Wechselstrom | 10. » 6 x 2.897 in der Zeit vom 26. November bis | I. 7 x 2.908 5 4. December täglich einige Stunden | 13. » 9 x 2.885 ausgesetzt. 3 Amp. fo er x 2.910 Dauer der ganzen Behandlung 5oSt. | 29- I 98 x 2.880 Stromwirkung 25 St. | x 2.896 mg | =0.006 10. Januar | 2 | 2.938 mg Apparat B I. 3 2.923 nochmals dem langsamen Wech- | 14. 6 | x 2.399 selstrom in der Zeit vom 2. bis | 15. n 7 | x 2.910 6 | 8.Januar 1907 bei Tage sowie Nacht | 16. 8 x 2.903 einige Stunden ausgesetzt. 3 Amp. | 18. » 9 | x 2.891 Dauer der ganzen Behandlung 110St. | 19. » 10 x 2 897 Stromwirkung 55 St. | x 2.900 mg | +0.003 a | 22. Januar 2 2.945 mg 20m 4 2.940 Apparat B 26. 6 2.924 mit Gleichstrom von 1.2 Amp. | 28. 8 x 2.915 am 20. Januar ı St. lang behandelt. | 2 » 9 | x 2.906 2 Abgeschieden nach Rechnung: 30-1 in | 10 x 2.913 2.529 Cd 2. Februar, 13 | x 2.908 5.689 J Auen I | x 2.903 | x 2.909 mg | =#0.002 | Wi |Tage nach| Gewichts- such agungstäg | der Be- | " differenz Nr. 1997 | handlung A-B Apparat A 22. Februar 2.860 mg demlangsamen Wechselstrom ONE x ze 8 vom 4.bisı5. Februar, theilweise mit 5 ö x 2.875 Nachtbetrieb, ausgesetzt. Amp. ud: a ll ’ 8 3 P 2 5 Dauer derganzen Behandlung 220 St. ‚ = Przenn Stromwirkung ı1o St. 2.869 mg | =#0.003 Apparat A ıı. März | 4 | 2.851 mg mit Gleichstrom von ı Amp. am | 12. » 5 2.847 2. bis 7. März täglich ı bis 2 St. | 16. » 9 2.853 9 behandelt. Gesammtdauer 9 St. 18.» I 2.851 Abgeschieden nach Rechnung: II.» 12 2.848 18.86 g Cd 2.850 mg 42.629 J | +0.001 Aus diesen Beobachtungen ergeben sich folgende Gewichtsände- rungen: In der Tabelle enthält Col. III die Gesammtdauer der mit mehr- fachen Unterbrechungen vorgenommenen Elektrolyse. Die Zahlen der Col. IV geben an, dass die Wägungen zwischen dem n“” und n,'“" Tage nach Ausführung der Elektrolyse stattfanden. Die mittleren Wägungs- fehler der Differenzen A—B schwankten zwischen #0.001 und 0.006 mg. 2a] Ir Tann, Fans Ver- Behandlung Gesammt- | Wägungstage Gewichts- echte: such | dauer der | nach der differenz a Ge- änderung Nr. | fäss Elektrolyse | Elektrolyse I 182 an fan eheeer ver — u 3.145 mg | nn | | —0.004 mg I A | rascher Wechselstrom .. 40St. | 5—ı2 | 3.141 antanelich@r See a | — | 2.890 | | —0.014 2 A | langsamer Wechselstrom | 5» 3—6 | 2.876 | | —0.026 3 4A | langsamer Wechselstrom | 20 » 2—7 2.850 | | [kanfanplichwrg een: | — — 2.900 | | —0,010 4 A| langsamer Wechselstrom 18 » 8—12 2.890 | \ —0.006 5 B langsamer Wechselstrom 25 » 6—25 2.896 | 2 | 0.004 6 B | langsamer Wechselstrom 55» 6-10 2.900 I | ; 2 N —0.009 7 Ba l\Gleichstrom er. 1 8—15 2.909 | N —0.040 8 4A | langsamer Wechselstrom | 10» 7—12 2.869 N | —0.019 9 A | Gleichstrom .......... | 9» 4—12 2.850 378 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. Diese Beobachtungen sind sämmtlich in früherer Zeit ausgeführt worden als die in $ 5 und 6 beschriebenen, mit denselben Gefässen vorgenommenen Versuche über die Fehler, welche durch die Erwär- mung des Glases verursacht werden können. Wie aus der früher, $ 7 Abth. I, gegebenen Tabelle ersichtlich, ist die in Folge der Vo- lumvergrösserung des Gefässes entstehende Gewichtsabnahme erst nach ı8 bis 2ı Tagen verschwunden, und wenn die Wägungen zwi- schen etwa dem 3. bis ı2. Tage nach der Erhitzung vorgenommen werden, fällt die Gewichtsänderung um 0.016 bis 0.020 mg zu niedrig aus. Da diese Correetion sich nicht stark beeinflusst zeigte durch die angewandte Dauer und Höhe der Temperatursteigerung, so kann für dieselbe im Mittel 0.018 mg gesetzt werden. Aus der obigen Tabelle Col. IV zeigt sich nun, dass die Wägungen mit Ausnahme von Nr. 5 B alle in zu kurzer Zeit nach der Strombehand- lung vorgenommen wurden, indem sie durchschnittlich zwischen den 3. und etwa 12. Tag fallen. Die Zunahme der Temperatur der Flüssigkeit war in Folge der mehrfachen Unterbrechungen der Elektrolyse sehr schwankend, stieg aber, wie schon früher angegeben, auch bei langer Be- handlung nicht über 30°. Da somit nahezu die gleichen Verhältnisse vor- lagen, unter welchen die$ 7 erwähnte Correetion (0.016, 0.018, 0.020 mg). und zwar mit Anwendung des nämlichen Glasgefässes, bestimmt worden war, so ist es angezeigt, von derselben Gebrauch zu machen und die Versuchsresultate um den Mittelwerth 0.018 mg zu erhöhen. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse geordnet bezüg- lich der Stromart und ferner der Dauer der Stromwirkung (Col. II), nebst den daraus abgeleiteten Gewiehtsmengen Jod (Col. ID), auf welche sich der elektrolytische Vorgang erstreckt hat. Die Berechnung der letzteren Zahlen basirt darauf, dass ein Strom von ı Amp. Stärke in ı Stunde 4.025 g Ag=4.735 9 J abscheidet. Col. IV enthält die direct gefundenen Gewichtsänderungen und Col. V die mit der oben bemerkten Correction versehenen. | u Beeren V Ver- | N Gewichtsänderungen h Strämdauer In Reaction ä HE 2 suc Stromdauer getretenes Jod direct | mit Correetion Nr. beobachtet | +0.018 Wechselstrom. 3 Amp. 2 5 St. 71.09 —0.014 ug +0.004 mg 4 18 » 255.7 —0.010 | +-0.008 3 20 284.1 —0.026 | —0.008 5 25 355-1 —0.006 +0.012 1 40 568.2 —0.004 +0.014 6 55 731.3 — 0.004 | +0.014 8 11 1562.6 —0.040 —0.022 Lanvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 379 Br en N ER: In React! Gewiehtsänderungen \ n Reaction ı such Stromdauer getretenes Jod direet | mit Correetion Nr. | beobachtet +0.018 Gleichstrom 7 | ı St. 1.2 Amp. | 5.689 | —0.009 mg -+0.009 mg 9 9» 1 DL 42.62 —0.019 —0.001 Wie aus Col. IV hervorgeht, führten die direeten Versuchs- resultate sämmtlich zu negativen Zahlen, und es konnte daher wie früher bei anderen Reactionen die Vermuthung auftauchen, dass die Gewichtsabnahmen trotz ihres geringen Betrages als wirklich be- stehend anzusehen seien. Durch Anbringung der Correetion (Col. V) haben nun aber mehrere der Zahlen ein positives Vorzeichen erhalten, und es characterisiren sich dieselben jetzt als gewöhnliche Versuchs- schwankungen, wie sie eintreten würden, wenn die Reaction ganz ohne Gewiehtsänderung verläuft. Da ausserdem die Änderungen sich nicht proportional der Stromdauer bez. den in Reaction getretenen Jodmengen erweisen, so kann mit Bestimmtheit behauptet werden, dass bei der Elektrolyse von Cadmiumjodidlösung das Gewicht völlig constant bleibt. Correetionen älterer Reactionsversuche. I2. Die Abhandlungen I und II enthalten die Resultate einer Anzahl von weiteren Versuchen, deren Beobachtungselemente wegen ihres grossen Umfanges in den in Aussicht genommenen vollständigen Bericht über die ganze Untersuchung verwiesen werden müssen. Wie hier hervorzuheben ist, kam es bei den betreffenden Wägungen meist vor, dass dieselben zu bald nach Ausführung der Reaction vorge- nommen wurden, und in den Fällen, wo die letztere eine stärkere Erwärmung des Gefässes bewirkte, fallen die Resultate den in $ 7 aufgestellten Correetionen anheim, d.h. die Zahlen werden sich um einen gewissen Betrag erhöhen. Zur Feststellung dieser Grössen war es nöthig, die bei den verschiedenen Reactionen auftretenden Temperatursteigerungen annähernd zu bestimmen, und dies ist nach- träglich geschehen. Hierzu wurden dieselben Gewichtsmengen der be- treffenden Substanzen nebst Wasser, wie sie früher bei den Versuchen Verwendung fanden, in N-Röhren gebracht, deren obere Öffnungen behufs Einführung von Thermometern erweitert worden waren. Nach Bestimmung der Anfangstemperatur verfuhr man theils in der Weise, dass durch Horizontallegung des Gefässes ein langsames Mischen des Inhaltes beider Schenkel stattfand, theils indem man durch Schütteln die Reaction etwas beschleunigte. 380 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. Kupfersulfat und Eisen. Fe+CuSO, = Cu+FeSO,. 13. Die Reaction ist, wie in Abh. II' angegeben, zuerst von A. Heypweıtrer’ geprüft worden. Er erhielt keine bestimmte Ge- wichtsänderung (—0.026 und -+0.019 mg), wenn der angewandte Kupfervitriol möglichst neutral war; dagegen traten erhebliche Ab- nahmen (0.097 bis 0.217 mg) ein, im Falle die Lösung nur eine kleine Menge Alkali oder Schwefelsäure enthielt. — A. Lo Survo” hatte da- gegen bei Anwendung alkalihaltiger Lösung gar keine Gewichtsände- rung beobachtet’. Bei den folgenden von mir angestellten Versuchen waren 159 Eisen (bei Nr. ı und 2 Klaviersaitendraht, bei Nr. 3 und 4 Ferrum limatum) und 709 Kupfervitriol nebst 190 g Wasser in die N-Gefässe eingefüllt worden. Zu Versuch ı und 2 diente mehrfach umkrystalli- sirtes säurefreies Kupfersalz, bei Nr. 3 und 4 wurde dessen Lösung mit einigen Tropfen Natronlauge versetzt. Die Prüfung der während der Reaction auftretenden Temperatursteigerung der Flüssigkeit ergab, dass dieselbe bei Anwendung von Eisendraht 10° bis 12°, mit Eisen- pulver 15° bis 20°, höchstens 25° betrug. Nach der früher in $ 7 Abth. I gegebenen Tabelle dürfte im ersten Falle die Correetion von 0.010 mg, im zweiten von 0.025 mg den Verhältnissen am nächsten entsprechen. Die Versuche hatten ergeben: Gewichtsänderung \ Reaction Kupfer- Zeit vitriollösung der Ausführung corrigirt (I u. 2) +0.010 (3 u. 4) +0.025 ın direct gefunden Apparat neutral 1902. Oct.-Nov. A —0.004 mg +0.006 mg 2 5 „ B —0.022 | —0.012 3 alkalihaltig 1904. Febr.-März A —0.024 | -+0.001 A 3 I » B —0.028 | —0.003 ! Sitzungsber. 1906, S. 269. ® Drupe’s Ann. d. Phys. 5, 404—4I4 — 1901. Nuovo Cimento Ser. V, Vol.8 — 1904. * In seiner Mittheilung über die Reaction zwischen Silbersulfat und Ferrosulfat (Nuovo Cimento Ser. V, Vol. ız — 1906) macht Lo Survo ausführlich auf einen Irr- thum aufmerksam, welcher in meiner Abh. II (Sitzungsber. 1906, S. 287) vorkommt. Nachdem ich gefunden hatte, dass bei der Reduction von neutralem Kupfersulfat durch Eisen nur eine kleine Gewichtsänderung stattfindet, ist dort bemerkt, dass dieses Re- sultat in Übereinstimmung mit denjenigen von Heypweırrer und Lo Survo stehe. Die letztere Angabe beruht auf einem Versehen, indem Lo Surnpo nicht säurefreie, sondern alkalihaltige Kupfervitriollösung angewandt hatte. Er fand hierbei keine Ge- wichtsänderung, während HEypweILLER, wie oben bemerkt, in diesem Falle starke Abnahme betrachtet hatte. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 381 Die corrigirten Gewichtsänderungen, welche jetzt nicht mehr alle negativ, sondern zum Theil positiv sind und gänzlich in die Versuchsfehler fallen, sprechen somit für völlige Gewichtsconstanz bei dieser Reaetion. Goldchlorid und Eisenchlorid. AuCl,+ 3FeCL = Au-+ 3Fe(Ül.. 14. Die Temperaturerhöhung bei dieser Reaction betrug in Folge der angewandten starken Verdünnung (244 9 der Gesammtmischung enthielten 12.03 y Gold) kaum ı°, und der in Abh. II' erwähnte Versuch, welcher —0.009 mg ergeben hatte, bedarf daher keiner Correction. Jodsäure und Jodwasserstof: HJO,+5HJ = 6J + 3H,O. 15. Über diese Reaction liegen zunächst folgende alte Versuche vor: Abge- \ Reaction Zeit der 2 | ; Gewichts- Dr Ausführun en, | = änderun 5 Jod | Gefäss 5 I 1890. Jan.-März 64.99 | A —0.047 mg 2 » ” » » | B —0.1I4 Ai 1891. Febr.-März 80.0 | A —0.103 4 j n » » | » B —0.102 5 1891. Mai-Juni | 160.0 A —0.177 6 » ” » B —0.0I1 Gegen diese unter Benutzung grosser N-Gefässe von 800 cem Volum und mittels der Wesrenar'schen und alten Rurrrecat'schen Waage ausgeführten Versuche ergaben sich dieselben Bedenken, welche $ 9 bezüglich der unter den nämlichen Verhältnissen vorgenommenen Reaction zwischen Silbersulfat und Eisenvitriol ausgesprochen worden sind. Eine Correetion derselben ist, wie dort schon bemerkt, nicht möglich. Da die Unsicherheit der Zahlen auch deutlich aus den grossen Schwankungen derselben (0.011 bis 0.177 mg) hervorgeht, dürfte es wohl das Richtigste sein, auf dieselben ganz zu verzichten. Zuverlässiger sind ohne Zweifel die folgenden Versuche, welche sämmtlich mit kleinen N-Gefässen und der neuen Rurrrecat’schen Waage ausgeführt worden sind. Aber auch bei diesen liegt der früher so oft begangene Fehler der zu baldigen Ausführung der Wägungen nach Abschluss der Reaction vor. Ein Versuch über die ı Sitzungsber. 1906, S. 287. 382 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. auftretende Temperaturerhöhung, bei welchem der eine Schenkel des N-Gefässes mit ı8 g Jodsäure, 100 9 Wasser und 60 9 Schwefelsäure, der andere mit 87 y Jodkalium und 91 9 Wasser beladen worden war, ergab ein Steigen des Thermometers um etwa 15° bei sehr lang- samer und 21° bei rascherer Mischung. In den meisten Fällen wird die Erwärmung 18° bis 20° betragen haben, und es lässt sich deshalb nach $ 7 der Correetionswerth +0.025 mg anwenden. Die Resultate sind dann folgende: Abge- Reaction Gewichtsänderung Nr Ze | schiedene in | 3 | se s i | Ro führun \ eorrigirt BE Higed Getäss ||, Befunden Fer I 1901. October ASS A —0.120 mg | —0.095 mg 2 » » » B —0.098 —0.073 3 1904. Jan.-Febr. | 64.9 4A —0.004 | +0.021 4 1904. October ” A —0.019 | +0.006 5 » » » | B —0.033 —0.008 6 1905. December 54.0 | A —0.083 —0.058 7 » n 3 ! —0.053 —0.028 Die Versuche lassen sehr erhebliche Schwankungen erkennen; auch nach Anbringung der Üorreetion übersteigen die Beobachtungen Nr. ı, 2 und 6 den maximalen Versuchsfehler von 0.030 mg. Ich bin geneigt, die zwei ersten Versuche zu streichen, weil sie die ersten gewesen sind, bei welchen die damals soeben erhaltene neue Rurp- recht sche Waage in Anwendung kam und ich mit derselben noch wenig eingeübt war. Auch hatte zu jener Zeit das Waagenzimmer noch nicht genügende Einrichtungen zur Erhaltung constanter Tem- peratur. Von den Beobachtungen Nr. 3 bis 7 übersteigt dann nur noch Nr. 6 den maximalen Versuchsfehler, und da die Resultate jetzt theils positiv, theils negativ sind, darf wohl der Schluss gezogen werden, dass auch diese Reaction ohne Gewichtsänderung verläuft. Jod und Natriumsulfit. 16. Über diese Reaction liegen zunächst zwei neue Versuche‘ unter Anwendung von Hydrosulfit vor, bei welchen die beiden Körper in dem Verhältniss von 2J:NaHSO, angewandt wurden, und zwar in kleinen M-Gefässen. Die Resultate lassen sieh corrigiren auf Grund der Beobachtung, dass bei langsamem Mischen von 80 9 Jod + 200 Y Wasser mit 124 9 krystallisirtem Natriumsulfit + 156 9 Wasser eine Temperatursteigerung von 10° eintrat. Nach der TabelleI in $7 beträgt dann die Üorrection + 0.010 mg, und man hat: ! Sitzungsber. 1906, S. 289. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 383 Ver- IA 4 Gewichtsänderung in such Ausführungszeit en se Gefäss A 2 gefunden | corrigirt | I 1901. Oct.-Nov. 50.9 —0.021 my | —0.0II mg 2 1902. Fehr.-Mäız 8o I —0.034 —0.024 Ferner sind folgende Versuche aus früherer Zeit vorhanden, zu welchen grosse N-Gefässe und die alten Waagen gedient hatten. A\lola, 12 Gewichts- Reaction in Gefäss Angewandtes | Jod Ausführungszeit änderung gefunden 1890. Juli-Aug. 9049 | A -+0.105 mg 5 „ » B —0.031 3 1891. Aug. 1109 | A +0.002 4 n Dee. | » | B —0.127 Von diesen 4 Versuchen dürfen Nr. ı und 4 gestrichen werden, da sie unwahrscheinlich grosse Werthe gaben und sich übrigens auch aufheben. An Nr. 2 und 3, welche mit den beiden Beobachtungen der oberen Gruppe im Einklang stehen, wäre eine erhöhende Correc- tion anzubringen, deren Werth sich aber nach $ 9 nicht angeben lässt. Indessen würde dieselbe ohne Bedeutung sein, da ohnehin aus den gesammten Versuchen sich unzweifelhaft ergiebt, dass eine Gewichts- änderung nicht stattfindet. Bei den folgenden Reactionen: 17. Uranylnitrat und Kaliumhydroxyd (Abh. II’). 2U0,(NO,), +6KOH = K,U,0,+4KNO, + 3H,0. 18. Chloralhydrat und Kaliumhydroxyd (Abh. T’). C,H,C1,0, + KOH = CHGL, + KCHO, + H,O finden, wenn die bei den Versuchen angewandten Gewichtsmengen der betreffenden Körper gemischt werden, so geringe Temperaturzu- nahmen statt, dass die früher mitgetheilten Resultate ohne Correetion in die nachstehend $ 20 gegebene Zusammenstellung aller Beobach- tungen aufzunehmen sind. Lösungsvorgänge. 19. Da der Lösungsprocess der Salze in Wasser von Tempe- raturerniedrigung begleitet ist, so wird erstens eine Volumverminde- ! Sitzungsber. 1893, S. 324—327. ® Sitzungsber. 1906, S. 290. 3 Sitzungsber. 1893, S. 327. Sitzungsberichte 1908. 34 384 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908. rung des Glasgefässes eintreten und zweitens die Wasserhaut auf der Aussenfläche sich verstärken. Beides bewirkt eine Gewichtszunahme. Bei den vielen Versuchen', welche über die Lösung von Salzen angestellt wurden, zeigte sich, dass die anfängliche, oft bis zu 0.3 ng betragende Gewichtsvermehrung binnen ein oder zwei Tagen in Folge Rückganges der Wasserhaut verschwand. Die weiter fortgesetzten Wä- gungen liessen sodann in den Differenzen A— B keine bestimmte Än- derung mehr erkennen, und lagen meist dem ursprünglichen Werth sehr nahe. Die Temperaturerniedrigung während des Lösungspro- cesses fiel immer sehr gering aus, da der letztere langsam in der Weise vollzogen wurde, dass man das N-Gefäss horizontal legte und dann während 48 Stunden der Ruhe überliess. Bei besonderen Prü- fungen mit den angewandten Salzen liess sich nur ein Sinken des Thermometers um 2° bis 5° beobachten. Die Anbringung einer Correc- tion bezüglich der Volumänderung (Contraetion) der Gefässe fiel daher fort, und es konnten die in Abh. II” mitgetheilten Versuchsresultate, betreffend die Lösungen von Chlorammonium, Bromkalium, Uranyl- nitrat +6.aq und Chloralhydrat direct in die nachstehende Tabelle $ 20 aufgenommen werden; ebenso das Resultat des in Abh. II” be- schriebenen Versuchs der Ausfällung von Kupfervitriol aus seiner wässerigen Lösung durch Alkohol. Schlussergebnisse. 20. In der nachfolgenden Tabelle sind die sämmtlichen Beob- achtungen zusammengestellt. Col. IV enthält die direeten Versuchs- resultate, und Col. V die mit Correetionen versehenen, soweit solche nach den in den vorhergehenden Capiteln gegebenen Erörterungen sich anbringen liessen. | I 1 I | V V | Jahr der Gewichtsänderung Nr. Art der Reaction | Aus- | Verweis auf: di | | ireet . c | führung beobachtet mit Correetion I $ 9. Vers. A —0.035 mg | —0.025 ug 2 Silbersulfat 1905 3 » —0.042 —0.032 3 und | I» ” —0.029 —0.019 4 Ferrosulfat | 1907 $ 8. Vers. A 0.002 | +0.003 5 » ne — 0.010 —0.008 ı Sitzungsber. 1906, S. 293. 2 Sitzungsber. 1906, S. 293. Die in der dortigen Tabelle unter Nr. 5 gegebene Beobachtung (+ 0.078 mg) ist wegen ihrer grossen Abweichung von allen anderen Zahlen weggelassen worden. ® Sitzungsber. 1906, S. 294. ron rm IV V Jahr der Gewichtsänderung Nr. Art der Reaction | Aus- Verweis auf: direct | | führung | beobachtet mit Correetion 6 Silbernitrat 1902 | $ıo. Vers. b +0.003 mg +0.003 mg 7 und Ferrosulfat ” » ” —0.003 —0.003 1 | re ar ae Te 8 Goldehlorid und FeÜl; 1903 | $ 14. — —0.009 | —0.009 9 Eisen In 21902 $ 13. Vers. ı —0.004 mg | +0.006 mg 10 en » 13 2 —0.022 —0.012 I1 Kupfersulfat 1904 " an —0.024 | 0.001 12 » » n 4 —0.028 —0.003 13 Todsäure 1904 | $ı5. Vers. 3 —0.004 mg +0.021 mg 14 und ” | ” nun: —0.019 +0.006 15 Jodwasserstoff NE 14277 > 73233 m 16 TIOSE NIE» Ra? —0.053 —0.028 17 Tod 1890 ,$16. Vers. II 2 —0.031 mg —0.031 mg 18 end 1891 ” II 3 +0.002 +0.002 19 Natrunmenlät 1901 » ST —0.021 — 0.011 20 1902 » 102 —0.034 —0.024 21 Uranylnitrat | 1905 $ 17. Sitz.-B. +0.006 mg +0.006 mg 22 und Kaliumhydroxyd » 1906. 290 0.002 +-0.002 23 Chloralhydrat | 1991 $ 18. Sitz.-B. -+0.012 mg +0.012 mg 24 und Kaliumhydroxyd » 1893. 327 +0.007 +0.007 25 1906 $ ır. Vers. 2 —0.014 mg +0.004 mg 26 » » » 4 —0.010 -+0.008 27 » ” 203 —0.026 —0.008 >8 Elektrolyse » I = 5 —0.006 +0.012 29 won » » Sue —0.004 +0.014 30 Cadmiumjodid 1907 » 6 —0.004 +0.014 31 » » 8 —0.040 —0.022 32 n » » 7 —0.009 +0.009 33 ) > 9 —0.019 —0.001 Lösungsvorgänge 34 Chlorammonium. Wasser 1902 $ 19. Sitz.-B. —0.024 mg —0.024 my 35 » ” ” 1906. 293 —0.002 —0.002 36 ” » » » > 0.008 —+0.008 37 » „ » » » +0.005 +0.005 38 » » n » » +0.017 +0.017 39 » » 1903 ” n —0.008 —0.008 40 ” » » » » +0.019 +0.019 41 ” n ” » » —0.033 —0.033 42 Bromkalium. Wasser 1902 ” ” —0.038 —0.038 43 Uranylnitrat. Wasser 1905 » „ -+-0.009 0.009 44 » ” » » » —0.010 —0.010 45 » » » » » —0.004 —0.004 46 Chloralhydrat. Wasser 1891 1893. 329 —0.003 —0.003 47 Kupfersulfatlösung | 1902 1906. 294 —0.017 —0.017 48 und Alkohol | » ” » +0.016 +0.016 386 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März 1908 Aus dieser Tabelle lässt sich Folgendes ersehen: Betrachtet man zunächst die in Col. IV gegebene Liste der direeten Versuchsergebnisse, so fällt vor Allem das überwiegende Auftreten des — Zeichens in die Augen, und zwar sind von den 48 Zahlen 36 (75 Pro- cent) damit behaftet, während das —+ Zeichen nur ı2mal erscheint. Dieses Verhalten hatte ich schon in der 1906 erschienenen Abh. II! auf Grund des damals vorhandenen Beobachtungsmaterials hervorgehoben, und demnach »die Abnahme des (resammtgewichtes chemisch sich um- setzender Körper als die normale Erscheinung bezeichnet«. Bringt man aus den direeten Versuchsresultaten die Correetionen an, so wechselt in Folge der Kleinheit der Zahlen bei manchen das Vorzeichen, und es treten nun in Col. V wesentlich andere Verhältnisse zu Tage. Erstens zeigen jetzt von den 48 Versuchen 25 (53 Procent) Abnahme und 23 Zunahme des Gewichts. Betrachtet man zweitens die Zahlen hinsichtlich ihrer Grösse, so zeigt sich, dass fast alle unterhalb des für das ganze Arbeitsverfahren festgestellten maximalen Versuchs- fehlers von 0.030 mg (s.$ 2) bleiben, und dieser nur in wenigen Fällen (Nr. 2. 17. 41.42) um sehr geringe Beträge überschritten wird. Die ge- nannten zwei Erscheinungen sind nun genau diejenigen, welche auftreten, wenn man die Versuche mit nichtreactionsfähigen Substanzen ausführt, wie dies auch die in Abh. II’ beschriebenen Beobachtungen erwiesen haben. Das Schlussresultat der ganzen Arbeit kann demnach nur dahin lauten, dass bei allen vorgenommenen 15 chemischen Umsetzungen eine Änderung des Gesammtgewichtes der Kör- per sieh nicht hat feststellen lassen. Die beobachteten Abweichun- gen von der völligen Gewichtsgleichheit beruhen auf äusseren physikali- schen Ursachen und sind nicht durch die chemische Reaction veranlasst. Damit bin ich wieder zu dem gleichen Ergebniss gelangt, welches sich schon in meiner ersten Abhandlung” vom Jahre 1893 auf Grund der damaligen Versuche ausgesprochen findet, und zu dem auch die zwar nur wenige Reactionen umfassenden Beobachtungen‘ von Krrıcn- GAUER, SANFORD und Ray, Lo Surpo und BALFoOUR STEWART geführt hatten. Da keine Aussicht vorhanden sein dürfte, die Genauigkeit der Versuche noch weiter zu steigern, als es bis dahin möglich war, so kann jetzt wohl die Frage über die Änderung des Gesammtgewichtes chemisch sich umsetzender Körper, und hiermit überhaupt die Prüfung des Gesetzes der Erhaltung der Materie experimentell für erledigt erklärt werden. Sollten wirklich Abweichungen bestehen, so liegen ı Sitzungsber. 1906, S. 295. Sitzungsber. 1906, S. 283. ® Sitzungsber. 1893, S. 333. Siehe oben $ 1. * Sitzungsber. 1893, S. 308; Igo6, S. 268—272. w Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 387 dieselben jedenfalls unterhalb der hundertstel oder tausendstel Milli- gramme. Bei einer noch viel kleineren Grössenordnung (Milliontel ng) würden sie in den Kreis der Betrachtungen fallen, welche M. Pranck in seiner Abhandlung': »Zur Dynamik bewegter Systeme« angestellt hat. Sie entziehen sich dann aber der experimentellen Prüfung. Der von mir und den anderen Beobachtern erbrachte Nachweis der Gewichtsconstanz ist von Bedeutung für die Entscheidung der Frage, ob die Atomgewichte der chemischen Elemente völlig unver- änderliche Grössen sind oder nicht. In dieser Hinsicht dürfte nach der jetzigen Sachlage nicht mehr zu befürchten sein, dass bei der Bestimmung des Atomgewichtes eines Elements aus verschiedenen Ver- bindungen desselben stets etwas abweichende Zahlen auftreten werden, wie dies der Fall sein könnte, wenn die Reactionen von Gewichts- änderungen begleitet wären. Es liegt gegenwärtig wohl kein Grund mehr vor, an der völligen Constanz der Atomgewichte zu zweifeln. Wenn auch Untersuchungen der vorliegenden Art viel Mühe er- fordern und wenig lohnend erscheinen, so müssen sie doch als noth- wendig bezeichnet werden. Zur Unterstützung dieser Ansicht lassen sich die folgenden Worte anführen, welche Prof. Tu. W. Rıcuarps in der Er- öffnungsrede zu seinen während des Sommersemesters 1907 an der Ber- liner Universität gehaltenen Vorlesungen ausgesprochen hat’: » Die Frage, ob die angeblichen Constanten der physikalischen Chemie in Wirklichkeit Constanten sind, oder innerhalb kleiner Grenzen schwanken, ist von weit- gehendem Interesse und hervorragender Wichtigkeit für die wissen- schaftliche Chemie im besonderen sowie für die Naturphilosophie im all- gemeinen. Wenn die letztere der beiden Möglichkeiten wahr ist, dann müssen die Umstände, welche jede Änderung begleiten, mit der grössten Genauigkeit bestimmt werden, um den Endgrund ihres Auftretens auf- zufinden.« Ich hoffe, im Sinne dieser Forderung verfahren zu haben. Damit schliesse ich diese Arbeit, welche mich während 9 Jahren be- schäftigte und zu deren Ausführung ich von Seiten der Akademie sowie der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt eine sehr dankenswerthe Un- terstützung gefunden hatte. Da das Beobachtungsmaterial wegen seines grossen Umfanges in den bis jetzt veröffentlichten drei Abhandlungen nur sehr unvollständig aufgenommen werden konnte, so scheint mir noch eine zusammenfassende Darstellung der Arbeit wünschenswerth zu sein, welche ich für die Abhandlungen der Akademie einzureichen gedenke. ' Sitzungsber. 1907, S. 542. ?2 Siehe Chemikerzeitung, Jahrg. 31, Nr. 36, S. 460 (1907). Ausgegeben am 26. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, [371 Sitzungsberichte 1908. 3 ir ba Bi , In: = Yan Massen . are 2 il E ER uf joa 2) £ h y m‘ B ML . äh v0} iR a BliTee Rn et | } Pain ui 2 DEN ae a et y U Tr NER Bar u =7= Fa2sese 1908. XVI. XVoOI XIX. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesamnıitsitzung am 26. März. (S. 389) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 2. April. (S. 391) Branca: Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. (S. 392) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 2. April. (S. 397) A. von Le Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. (S. 398) MIT TAFEL Il. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. SG, 7 Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Drucksehriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften «. Aus $2. Jeie zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das «ruckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druekbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- mutlien, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. N Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Sehriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. Diean die Druckereiabzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nieht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, ie alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden eben/allsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, weleher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung olıne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noclı weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. \ Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht ‚er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seceretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. & 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Be — 389 SITZUNGSBERICHTE _ 1908. XV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 26. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Zmmer las über den Weinhandel Westgalliens nach Irland im ı. bis 7. Jahrhundert. (Ersch. später in den Abhand- lungen.) An Stelle der seit dem 8./g. Jahrhundert gewöhnlichen Verbindung Irlands mit West- und Mitteleuropa über Grossbritannien bestand in älterer Zeit eine directe Ver- bindung zur See nach den westgallischen Häfen an der Loire- und Garonnemündung, die lebhaftem Handelsverkehr diente; derselbe wird durch Zeugnisse für das 1. bis 7. Jahr- hundert n. Chr. belegt und der Niederschlag besprochen, den der westgallische Wein- handel in altirischer Sage und Sprache gefunden hat. 2. Hr. Warvever hat in der Sitzung der phys.-math. Classe am 19. d. eine Arbeit des Privatdocenten an der hiesigen Universität Hrn. Dr. med. L. Jacossonn vorgelegt: Über die Kerne des mensch- lichen Rückenmarks. Die Aufnahme in den Anhang zu den Ab- handlungen d. J. wurde genehmigt. Es wird eine genaue Darlegung der Zellen des menschlichen Rückenmarks, insbesondere nach ihrer topographischen Lagerung, gegeben. Ein Theil der Zellen lässt sich in bestimmt abgegrenzte Gruppen ordnen, ein anderer nicht. Bestimmte Gruppen bilden: a) die Nuclei motorii, b) die Nuclei sympathiei — diese sind be- sonders eingehend berücksichtigt worden —, c) die Nuclei magnocellulares cornu posterioris, d) der Nucleus sensibilis proprius; dieser entspricht den Zellen der Sub- stantia gelatinosa Rolandi. Die nicht in Gruppen zu ordnenden Nervenzellen gehören dem mittleren und kleineren Zelltypus an und liegen fast über die ganze graue Sub- stanz ausgestreut; sie ordnen sich nur unvollkommen in Zellzüge — Tractus cellu- larum; ihrer sind drei: Tractus cellularum medio-ventralis, Tr. cellularum medio-dorsalis und Tr. cellularum intercornualis lateralis; alle drei sind besonders im Lendenmarke entwickelt. 3. Vorgelegt wurde ein weiteres Heft der Ergebnisse der Plank- ton-Expedition der Hunsorpr-Stiftung: Die Tripyleen Radiolarien. Concharidae von Prof. Dr. A. Borerrr. Kiel und Leipzig 1907. 4. Die Akademie hat zu wissenschaftlichen Arbeiten bewilligt: durch ihre physikalisch-mathematische Classe Hrn. Privatdocenten Sitzungsberichte 1908. 36 390 Gesammtsitzung vom 26. März 1908. Dr. Arrıen Jonnsen in Königsberg zu mineralogischen und geologi- schen Untersuchungen auf der Insel Pantelleria 1500 Mark; durch ihre philosophisch-historische Olasse dem Professor an der Universität Tübingen Hrn. Dr. Hrısrıch GÜNTER zur Drucklegung eines Werkes »Die Habsburger-Liga 1625—1635« 1000 Mark; dem Directo- rialassistenten bei den Königlichen Museen hierselbst Hrn. Dr. GEORG Mörter zur Vollendung seiner Aufnahme der Inschriften von Hatnub 500 Mark; der Verlagshandlung Jon. Amer. BartH in Leipzig für vol. II sect. ı fasc. ı des Corpus inscriptionum etruscarum 650 Mark. Die Akademie hat das auswärtige Mitglied ihrer philosophisch- historischen Classe Hrn. EnvAarp ZELLER in Stuttgart und das corre- spondirende Mitglied derselben Classe Hrn. Franz KırLnorn in Göttingen am ı9. März durch den Tod verloren. Ausgegeben am 9. April. 391 SITZUNGSBERICHTE 1908. AV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 2. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Waroeyer las: »Die Magenstrasse.« (Ersch. später.) Unter dem Namen »Magenstrasse« versteht der Vortragende den Weg von der Cardia des Magens bis zum Pylorus entlang der kleinen Curvatur, welcher auch bei gefülltem Magen gangbar bleibt und durch eine besondere Anordnung der Schleimhaut- falten des Organs ausgezeichnet ist. 2. Hr. Branca überreicht einen »Nachtrag zur Embryonen- frage bei Ichthyosaurus«. Es werden Analoga aus dem Verhalten der Wale angeführt, welche zur weiteren Stütze der Auffassung dienen, dass nicht alle im Innern von Ichthyosauren liegenden Jungen Embryonen sind. 392 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. April 1908. Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. Von W. Branca. k meiner obengenannten Arbeit! habe ich den Nachweis zu führen gesucht, daß nicht ausnahmslos alle der im Innern von Iehthyosauren gefundenen Jungen Embryonen seien, sondern daß man den Gedanken ins Auge fassen müsse, daß neben den Embryonen auch gefressene Junge vorliegen könnten, und zwar nicht nur in dem einen speziellen Fall, in dem es sich nur um zwei Junge handelt, sondern namentlich auch da, wo eine besonders große Zahl von Jungen im Innern eines alten Tieres sich findet. Da diese Jungen aber zum Teil vorzüglich, der ganzen Länge nach erhalten in den alten Ichthyosauren liegen, so war notwendige Bedingung für eine solche Auffassung die Annahme, daß die alten Tiere die Jungen wenig oder gar nicht zerbissen, also mehr oder weniger ganz, verschlungen haben müßten, und daß unter Umständen ein altes Tier infolge seiner Gefräßigkeit, bei dem Verschlingen oder bald nach demselben, verendet gewesen sein könnte. Zur Stütze solcher Auffassung hatte ich einige analoge Beispiele für die Gefräßigkeit ge- wisser Meerestiere hinzugefügt. Der Freundlichkeit des Hrn. Kollegen Ager in Wien verdanke ich jetzt einige weitere Beispiele in dieser Beziehung, die ich darum hier wiedergeben möchte, weil sie sich auf Wale beziehen. Auch wenn man nicht so weit geht wie Steımann’, der die Ansicht vertritt, daß unter den Zahnwalen die Delphine die Nachkommen der Ichthyosauren seien, so wird man zugeben müssen, daß die Zahnwale gewisse Ähn- lichkeiten mit den Ichthyosauren, in Gestalt, Größe, vor allem in der Lebensweise, besitzen. Dadurch aber wird ein Schluß auf Ähnlichkeiten auch in den Lebensgewohnheiten zwar keineswegs sicher, aber er ge- winnt immerhin ein gewisses Maß von Wahrscheinlichkeit. Es ist das ähnlich wie bei Fledermäusen und Flugsauriern. Auch hier nimmt Stemmann offenbar an, daß erstere von letzteren ! Abhandlungen dieser Akademie von 1907. Berlin 1908. ®2 Einführung in die Paläontologie, 2. Aufl. 1907, S. 5ı2ff. Branca: Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. 393 abstammen'. Aber wenn man auch hier einmal von dieser Ab- stammungsfrage ganz absehen will, so wird man doch nicht ver- kennen, daß zwischen beiden Gruppen gewisse Ähnlichkeiten körper- licher Natur vorhanden sind bzw. waren, welche auch gewisse Ähn- lichkeiten in den Lebensgewohnheiten bedingen mußten. Ich meine damit natürlich nicht Lebensgewohnheiten, die, wie z. B. nächtliche Lebensweise, Winterschlaf usw., ganz unabhängig von den körper- lichen Hauptmerkmalen sind, sondern nur solche, die eben von letz- teren abhängig sind. Der Besitz einer Flughaut hier wie dort mußte z. B. notwendig die Beweglichkeit beim Gehen in gewissem Maße be- schränken und ihr einen bestimmten Charakter verleihen; ebenso wie der Besitz von Kegelzähnen bei Ichthyosauren und Delphiniden zu übereinstimmender Behandlung der Beute — Verschlingen derselben, ohne viel zu kauen — Veranlassung gegeben haben dürfte. Gerade darauf aber kommt es mir hier an. Stark zerbissene und dadurch zerstückelte, mit zerbrochenen Knochen heruntergeschluckte junge Ich- thyosauren würden natürlich jetzt im fossilen Zustande sich ohne weiteres von Embryonen unterscheiden lassen. Unverletzt hinabge- schlungene junge Ichthyosauren dagegen mußten jetzt ganz ebenso wie solche Embryonen erscheinen, die nach Zerplatzen der Eihäute gestreckte Lage angenommen hatten. Darin liegt die sehr große Schwierigkeit, bei Ichthyosauren gefressene Junge von Embryonen zu unterscheiden — vorausgesetzt, daß man nicht als notwendige Be- dingung für einen Embryo eine eingerollte Lage desselben fordern wollte. Aber es scheint nicht angängig, das zu tun, wenn man doch in der Tatsache der Verlagerung der Jungen nach vorwärts die hand- greiflichsten Beweise gewaltsamer Druckwirkungen vor Augen hat, welchen auch die Eihäute zum Opfer fallen konnten. In meiner Arbeit” hatte ich auf Grund eines kurzen Zeitungs- berichtes angeführt, daß ein toter Wal angetrieben worden sei, der offenbar an dem in seiner Kehle steckenden kleinen Seehunde erstickt ist: ein Beweis dafür, daß analog auch an die Möglichkeit gedacht werden dürfe, daß das in Rede stehende Exemplar eines Ichthyosaurus erstickt sein könne an dem Tintenfische und dem jungen Ichthyosau- rus’, welche ganz vorn in ihm liegen, also anscheinend in der Kehle des alten Tieres steckengeblieben sind und so dessen Tod herbeige- führt haben. In seiner »Stammesgeschichte der Meeressäugetiere« hat nun Age ein weiteres hier verwertbares, überaus drastisches Beispiel angeführt, EATanOSSTETA“ 2 S.32 Anhang. ® S.17 — 27 Taf. 2, Fig. 2. 394 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. April 1908. einmal von der ungeheuren Gefräßigkeit bei Walen, die auch vor nächstverwandten Formen nicht zurückschreekt, und zweitens von der Fähigkeit der Wale, auch relativ große Tiere unzerkaut, also als Ganzes, herunterzuschlucken'. Dieses Beispiel illustriert zugleich das Verhalten des oben zitierten, angetriebenen Walfisches. In der ersten Magenabteilung eines Schwertwales fand man nämlich nicht weniger als ı3 Exemplare von Phocaena und 15 Seehunde im unzerbissenen Zustande. Hier haben wir also im Magen eines großen Delphi- niden nicht weniger als 23 ganz, d.h. unzerbissen, herunter- geschluckte kleine Delphiniden und Seehunde‘. Man vergleiche das Bild, das dieser Schwertwal im fossilen Zustande geben würde, mit dem der in Rede stehen- den Ichthyosauren. Es ergäbe sich ein vollständiges Spiegelbild der letzteren; denn es ist zufällig, daß jener Wal auch Seehunde ver- schluckt hat; er hätte ebensogut ausschließlich junge Delphiniden gefressen haben können, die dann bei der Verwesung, ganz wie die Jungen bei Ichthyosauren, teils nach vorn, teils nach hinten geschoben worden wären. Er hätte vermutlich auch ohne Bedenken 23 junge Wale seiner eigenen Gattung und Art verschluckt, wodurch die Analogie mit den Ichthyosauren, welche nachweislich Junge ihrer eigenen Art im Innern haben, eine absolute sein würde. Fände man diesen Schwertwal fossil, so würde man dann die Jungen in seinem Innern ebenfalls als Embryonen deuten können, obgleich sie alle, aus- nahmslos, verschlungen wären. Dieses Beispiel eines Tieres von ähnlicher Gestalt, Größe und Lebensweise scheint mir eine große Stütze für die von mir vertretene Ansicht zu sein, daß auch die Ichthyosauren Junge ihrer Gattung un- zerbissen hinuntergeschluckt haben werden, so daß diese jetzt als ein Ganzes, also ununterscheidbar von einem Embryo im gestreckten Zu- stande, d.h. bei zerplatzten Eihäuten, im Innern des alten Tieres liegen. Ist dem aber so, dann dürfte vielleicht nicht nur jener eine neben dem Tintenfische liegende kleine Ichthyosaurus verschluckt worden sein’, sondern dann ist damit auch die weitergehende, von mir angedeutete Möglichkeit wahrscheinlicher geworden, daß auch von den anderen im Innern von Ichthyosauren gefundenen Jungen ein größerer oder ge- ringerer Teil verschluckt, also nicht Embryonen gewesen sein könne. ! In »Meereskunde«, Berlin 1907, I, Heft 4, S. 8. ?2 Da die Zahnwale wesentlich von Fischen leben, so hatte ich (a.a. O. S. 32) angenommen, daß der kleine Seehund mehr aus Zufall dem Wal beim Zuschnappen nach anderer Beute in den Rachen getrieben worden sei. Falls das jedoch ein Schwert- wal gewesen sein sollte — der Bericht äußert sich darüber nieht — so dürfte auch hier direkt die Gefräßigkeit des Wales zu seinem Tode geführt haben. ; ® S.ı7— 27, Tafel Fig. 2. Branca: Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. 2399 Auch ein Seitenstück zu dem von mir, nach E. Fraas’ Beschrei- bung, zitierten Hybodus, der offenbar an Überladung seines Magens mit einer Überzahl von Belemniten zugrunde gegangen ist, führt Hr. Aseı an; und zwar wiederum von Walen. Im Magen einer Phocaena fanden sich nach Scorr' nicht weniger als 230 Otolithen, darunter 240 von Gadus merlangus. FraAas schätzt die Zahl der Belemniten im Magen seines Hybodus zufällig auf nahe dieselbe große Zahl, 250. Vielleicht wird man übrigens, so scheint mir, annehmen können, daß der Hy- bodus diese 250 Belemniten nicht zu einer einzigen Mahlzeit verzehrt hat, sondern daß sich ihre ganz unverdaulichen Rostren, zu einem wirren Knäuel geballt, als Rückstand einer ganzen Anzahl von Mahl- zeiten im Magen angesammelt hatten; ähnlich wie das bei Menschen gehen kann, welche die krankhafte Neigung haben, Knöpfe und an- dere harte Dinge allmählich zu verschlucken, die sich dann im Magen ansammeln und schließlich verderblich werden können. Beide dem Verhalten von Walen entlehnten Beispiele geben auch zugleich eine Illustration für meine Vorstellung, die durch Iehthyo- sauren mit einer sehr großen Zahl von Jungen im Innern erweckt wurde: daß doch noch eher die Gefräßigkeit des Individuums eine für dasselbe schädliche Überfüllung des Magens herbeiführen werde, als die Natur eine verderbliche Überfüllung des Uterus mit Embryonen. Mit anderen Worten: da, wo wir eine sehr große Zahl von Jungen im Innern von Iehthyosauren finden, dürfe der Verdacht entstehen, daß hier neben Embryonen auch mehr oder weniger gefressene Junge mit vorliegen könnten. Solehe Beispiele ließen sich bei Durchsicht der Literatur gewiß vermehren. Dagegen läßt sich der von mir zitierte Teleosauride” als ein solches Beispiel nicht verwerten, indem, worauf mich Hr. Aseı aufmerksam machte, die ganz wie primitive Halbwirbel eines ver- schluckten, anderen Tieres aussehenden Gebilde die Tracheenringe des Teleosauriden selbst sind, die bei diesen Krokodilen ausnahmsweise verknöcherten und versteinerten. Vielleicht läßt sich auch noch auf die gestreckte Lage der meisten Jungen im Innern — soweit solche eben vollkommen genug erhalten sind — die Vorstellung stützen, daß es sich hier zum Teil um verschluckte Tiere handle. Wenn nämlich alle 40 Jungen im Innern von Ichthyosauren Embryonen wären, so möchte man doch erwarten, daß sie häufiger, nicht aber nur so selten, eine eingerollte Stellung zeigen müßten, wie sie den Embryonen in den Eihäuten zukommt. ! XXI. Annual Report of the Fishery Board for Seotland. Pt. III, 1903, S. 226. aA Ta. 0 Tall, Bie2r.39.220. 396 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. April 1908. Gewiß werden die Eihäute bei gewaltsamem Transport im Innern der Alten oft zerrissen, wodurch die Embryonen dann gestreckte Lage annehmen werden; aber man könnte geltend machen, daß das dann doch auffällig oft geschehen sei. Auf eins möchte ich noch hinweisen: E. Fraas gibt die Ab- bildung eines zweifelhaften Embryos, der noch in den Eihäuten ge- legen haben muß; denn nicht nur besitzt er die eingerollte Lage, sondern die Eihäute haben auch einen dunkeln Fleck im Posidonomyen- schiefer erzeugt. Dieser Embryo aber liegt außerhalb seiner Mutter. Er scheint also in den Eihäuten geboren zu sein; und da er ziemlich entfernt vom Becken liegt, so scheinen die Eihäute auch nicht einmal sofort nach der Geburt zerrissen zu sein. Ausgegeben am 9. April. 397 SITZUNGSBERICHTE IE XIX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. * Hr. Deessen las über ägyptische Funde altgriechischer Silbermünzen. Durch vier in den letzten ro Jahren gehobene Münzfunde, die, wie alle früheren, auch Barren und zerstückeltes Geld enthalten, wird endgültig bestätigt, dass hier keines- wegs Metallvorräthe von Goldschmieden vorliegen, sondern Werthobjecte, die zu Ver- kehrszwecken dienten, d.h. Geldschätze aus der Zeit, als Aegypten noch keine eigenen Münzen besass. Die neuerdings ausgesprochene Ansicht, dass viele dieser ägyptischen Fundmünzen Nachprägungen in Aegypten angesiedelter Griechen seien, ist entschieden zurückzuweisen. 398 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idigut-Schahri. Von A. von LE Cog. (Vorgelegt von Hrn. F.W.K. Mürzer am 19. März 1908 [s. oben S. 327].) Hierzu Taf. III. as: den manichäischen Schriften in soghdischer und türkischer Sprache, welche ich im Jahre 1905 in der Ruinengruppe K von Idiqut- Schahri entdeckte, befand sich auch das vorliegende türkische Manu- skriptfragment manichäisch-religiösen Inhalts. Zum ersten Male sehen wir hier ein derartiges Werk in uigurischer Schrift: alle früher be- kannten türkischen Manichaica sind in jener modifizierten Estrangelo- schrift geschrieben, welche auf Mäni zurückgeführt wird und über die in den Sitzungsberichten 1904 S. 348ff. zum ersten Male von dem Entdecker berichtet worden ist. Der Inhalt ist eine Schilderung von Kämpfen, welche ein »zruse buryan« genanntes Wesen gegen Dämonen und Zauberer besteht; der Schauplatz ist die heilige Stadt der Manichäer, das ehrwürdige Babylon. Man wird kaum fehlgehen, wenn man diesen »zrus@ buryxan« mit dem Apostel der Iranier Zarathustra identifiziert; sein Vorkommen in einer manichäischen Legende beweist, daß die Manichäer, wenig- stens in Turkistan, nicht nur, wie schon bekannt, einzelne Grund- gedanken der iranischen Lichtreligion, sondern auch die Gestalt des Propheten derselben in ihren Kultus herübergenommen haben. Obwohl das hauptsächliche Interesse des Bruchstücks in diesem literarischen Nachweise besteht, ist doch auch die äußere Beschaffen- heit des Fragments und besonders die Sprache, die es uns bewahrt hat, nicht ohne Wichtigkeit. Wie leicht ersichtlich, bildet das uns erhaltene halbe Blatt ein Bruchstück eines in europäischer Art hergestellten, gehefteten ER Ar ” ... ” ” A ” 1 . ‘ A. von Le Coo: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Scehahri. 399 ? 5 x > | Buches'. Der in farbiger Schrift am Kopfe des Blattes geschriebene Titel erstreckt sich über zwei, vielleicht sogar mehr aufeinander- folgende Seiten. Das Papier ist gut, glatt und von braungelblicher Farbe, die Schrift eine schöne deutliche uigurische Kursive, in glänzendschwarzer Tinte wahrscheinlich mit der Rohrfeder ausgeführt. Auf der Vorder- seite befinden sich in einer andern Hand die Worte »iki Üüc« = 2, 3 an den Rand geschrieben. Unser Fragment dürfte der Thang-Periode (rund 600—900) zu- zurechnen sein. Die Sprache ist altes Türkisch” und stimmt mit der in den andern manichäischen und in den buddhistischen Manuskripten überlieferten überein. Die Erzählung ist belebt und würde bei einem weniger frag- mentarischen Erhaltungszustand nur geringe Schwierigkeiten bieten; die Veröffentlichung erfolgt u. a, um den sprachlichen Stoff einem größern Kreise zugänglich zu machen. Sobald das Studium unsrer Texte ein reicheres Vokabular erschlossen haben wird, sollen weitere Publikationen türkischer Manichaica erfolgen. Im Anschlusse teile ich eine aus mehreren mit manichäischen Lettern geschriebenen Manuskripten ausgezogene Wörterliste mit, um damit einen Beitrag zur Kenntnis des Konsonantismus der alten tür- kischen Sprache zu liefern. Die manichäischen Buchstaben lassen nämlich irgendwelche Zweifel über den Lautwert eines jeden Kon- sonanten nicht bestehen. Die sich ergebenden Werte scheinen am besten mit den von V. Tnomsen gewonnenen Resultaten übereinzu- stimmen. Viele der aufgeführten Wörter sind wohlbekannt, die Bedeutungen der andern werden sich allmählich ergeben. Auf ihren Vokalismus kann hier noch nicht eingegangen werden, da über diesen erst das Studium der in indischen Alphabeten (Brahmı und Tibetisch) geschrie- benen und die Vokale klar wiedergebenden türkischen Manuskripte’ unanfechtbaren Aufschluß zu geben vermag. ! Im Gegensatz zur indischen Buchform (pothi) und dem chinesischen Buch (Rolle oder Faltbuch). ® Ein anderes Manuskript, welches zusammen mit dem vorliegenden gefunden wurde, besagt, daß es »auf türkisch« (Zürkcä) geschrieben sei; ebenso sagt der Schreiber in dem letzthin [hier 1907 S.958] veröffentlichten Kolophon eines buddhistischen Buches, daß er in die türkische Sprache (türk tilinca) übersetze. ®° Aus meinen im Jahre 1905 in den Ruinen von Sängim Agiz und Toyogq ge- machten Funden. 400 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. ® Kürtlä tatfi)yli)y nomi ®& ee ? (sein) süßes Gesetz. ı .. lar waysiklar kim angar kädilmis » ärti küclüg vristilärkä aidi bang die starken Apostel (Engel) ...? ....? 3 tip oo ol yüklärdä uluyi tä)zdi kör(ü)ndi o o sagend oo der große unter jenen Dämonen floh und erschien (?) o 0 + bavil balijda tastin bir närua (?) atl(i)y außen vor Babel der Stadt, ein näruä (närün, narun, narua) (?) genannter s iärti oo ol yäklärdä uluyi ol idä Baum (?) war 00 der große unter jenen Dämonen an jenem Baum (?) 6 yasdi vristilär tutup tartdı soidurdi ...(P) die Apostel ergriff (und) herbeischleppte (und) ließ schlachten, ı ol i yalprayagi yirdä tüsdi o o das Blatt jenes Baumes (?) zur Erde fiel. o 0 s ymä ol ödün bavil baligdagi budun Zu jener Zeit das in Babel der Stadt befindliche Volk 9... ialadi yayidti jamya tas alip ongownge ? wurde feindselig; für den Zauberer nehmend Steine 10 (zruse) buryanay atilar o o ol tas warfen sie den zrust buryan oo jener Stein .„... ularyaru yanti baslarin . nach ihrer Richtung kehrte zurück, ihre Köpfe 2 ....täklärli oo ymä zruse....... . zermalmte er (?) oo zrust buryan...... 23 KO eier a y(a)rlijadi o o siz lär...... D)sosone Sprach: SIhr Seren eng Zur Transkription sei noch erwähnt, daß % und g den palatalen, k und ö den gutturalen k-Laut wiedergeben. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. 111. Vorderseite. A. von LE Coa: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. Rückseite. Io II I2 13 Io ıI 12 - 3 A. von Le Coq: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. 401 ® Zruse buryan yäk lür ® Zrußt burxan die Dämonen .... Ol i ucinta olurdi köngülintä Auf dem Wipfel jenes Baumes (?) setzte er sich, in seinem Herzen indä saginti Öözümin godi iday|iln so überlegte er: mich selbst hinab will ich stürzen, zruse buryan töpösin üzä auf das Haupt des zrust buryan tüsäyliln zruse buryanay ölüräyin will ich fallen, den zruS® burxan will ich töten tip safinti oo ymä ol ödim so sagend überlegte er o o Zu jener Zeit bavil balijdagi gamlar 05 ya alti nahm (nahmen) die Zauberer in der Stadt Babel Pfeil (und) Bogen, yasin qurdi zruse buryanay ati odi seinen (ihren) Bogen spannte er (spannten sie), den zrust burxan schoß er (schossen sie) ; sein Pfeil yana sivyar öz ta]m|[ilringa tägdi zurück abgleitend (?) seine eigene Lebensader traf; yäük antaa ölti o o djamlar uluyi der Dämon starb auf diese Weise. oo Der große unter den Zauberern ärtüki yirdä turup bawill ..........- auf der Stelle, wo er gewesen war, stand auf, nach ortusingaru bardi antald .......-- dem Hoflager der Stadt Babel ging er; so 402 ns ann salın Xeaox% tgssena asileh us Ls6e nn tabens ee an Ale PETER TEN —aajalan ll uns sn urlzela «el! sarsenn 32. 3, nleen FAR CH 7,923 „_ assten Rena kenn wanna orenSen BAOT LIOHSEr BSASCTL 22723 sen nase anßsehein herr anlaern enben wrntgebenn era sel e6 NR „neenäßnn (a%2% „ton —asbern [1 en ann warhh 3 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April. 1908. — Mitth. v. 19. März. les aber „teyararı .. ser ehr eankee une sslelesun "se ad adada adineiy adinti aiyor ainmaz ai Kä)ngri aitiy aitur ayiy ayli)rlayuluk ayuluy ayu birtim ayukup agiyli al alirlar alkanmaddi alkincu alkinmazmu aldayu alöis aldatmis alngaddturur altun altay amrad amrayor anca-h ancyinda anculayu anday aniy 34- 35- aniyay ani ülcün anmak anta antay antad anvamiy (anvam) ara arimis ariorca ariysiz arüysiz arıtinti aritirca arslan artayu artukraö asiy atiryali atkanip ati)y avartalar avucka avutsuz az azag azitip azmis azni azuki äödgärmäz ädgü ädlär a 69. 70. 7 68. A. von Le Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. 403 ägsük [so zu eorrig.] äginti ägigün älgin äligintä äliti ämgänür ämgäg ämkäkin ämrilmis ämti äng "Üki är ärdz ärdämin ärdämlig ärglig ärmäk ärmäz ärtmis ärsär ärt ärtim(l)z ärür ärüs äsidinng äsitip äsrükin ätiglü ätin ätözintägi ävüngüzdä bakr 404 EC lan LEE #00, IK em 4 IE 136, 0 AB, 2. Ho. Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. wurden ER. PRN \ alles aa, Ion eliness —leselar aß A ® aelos — _ Wisen ablesen syataßusen lex erg SEITEN „_ Meslan Kart sale een SL una tete a a De un ern LS Sr TER Pr ee Arge len. Wuassiän, Ra ORT TIER 7% A. von Le Coq: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. 405 100. bla)yru 101. balı 2 102. bar Äärti 103. barda 104. bardi 105. baröilar 106. baryai 107. barku yoluy 108. barsar 109. baru ı10. basın ırı. basın ı1ı2. bastan ı13. bastilar 114. basul 115. bägi 116. b(ä)glär 117. blä)lgülüg 118. blä)lgürä 119. bilgä bilig 120. biligä bilig 121. biligsiz 122. bilinglädi 123. bilinglär 124. Dilmädin 125. biltürtüngüz 126. bir 127. birgüdig 128. birälim 129. birlä 130. birög 131. birtädi 132. birü Ba 088 Sitzungsberichte 1908. 134: I4I. bitigädi biz biznitäg bolalim bolyai bolmaki bolmalin bolmaz bolti boltuy boltumuz boltum boltunguzlar bolu bolunng, bulunng bolur bolup bolurbiz bolzun bosuyali bosunu bögü brtmalim bu bu budun (gara b.) buyanliy budun bulturtunguz bury,an buryul: bususluy butarlayu bügülänmäkin 168. 169. 197. 198. 199. 200. 201. il (el) dangimiz Wok igil ikircgü ilislig ikintin ilingiz Ütkäi inmäk lätingiz iStürmäz "iegärü "ieili "iwintä "ierä "idmis "uk Gut igdäyü igidürcä "iyad "iylayor Wika-h "ii ikinti "U, el "lei "dig "ıltä "indä "incip "inili "inmäg’in "iring "ir inär 37 406 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. enngesaene ealsabiukerıe enblerrıe Jette o.\ lee a sale trenswllere tretelie wsasscäänlire oaryaruäline xe gar aebsureä he yaridn lan Aonte remote aahrs teenninte yes EX) SEINE .. 1 NUSNO aeeLsıte N leusse sehrte zei 203. 204 208, 208. 20) 275. 224 225. 2. Jo nehne tabrıe AndlSure Segen Ss So; jene a ne wzunre eebixlan .s % n aryrände Zuana too IT) oo Qo&ee SL, las 23. 237 238, PIFR 256. 257 säntlee Na —erxala . ige RN unkran In SaeuL N user dan 2». 21. 272. 27% 278. 27. A. von Le Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. 407 202. "istig 236. yatujin 270. yolyaq 203. "itea 237. yatur 271. yögärü 204. yablak 238. yavlak 272. yuyuli-i-h 205. yakin 239. yazinesiz 273. yudjeiyai 206. yana 240. yazüi 274. yurung 207. yanundsiz 241. yazntmz 275. yuturum 208. yanturtunguz 242. yazuk 276. yutuzlud 209. yYla)rayai 243. yazukluy 277. yutzunguz 210. yarayl(i)y 244. yYüg 278. yuva 211. y(a)rayulud 245. (yäg 279. Yügürti 212. yaralödingiz 246. Iyük 280. yügürügli 213. yla)ratmis 247. Y(a)na 281. Yügürür 214. yarllti 248. yidior 282. yüküngäli 215. yarin 249. Y(i)dly 283. yükümü 216. yarl(i)jadi 250. Yig 284. yürizüm 217. y(a)rlijaduk 251. yigüdli 285. yünfi 218. yarl(i)gasar 252. YÜ)glölrmili 286. yirüp 219. yYla)rlijar 253 Ylavaci bury,an 287. yürüglärin 220. yla)rlıjamis 254. yıltız 288. yürüntäg 221. yla)rlijamagi 255. ymä 289. yüzlüg 222. yla)rKi)y 256. yimägil 290. kat (bis kat) 223. y(a)rl(i)kamaz 257. yincürü 291. kälipänin 224. y(a)rl(i)jamatin 258. yingak-iy 292. kälir 225. yla)rlikancuei 259. yintäm 293. kälmis 226. Yla)rug in 260. yintsigü 294. kälti 227. yYla)ruä Gizi 261. yli)parliy 295. klä)lzün 228. yarsiyor ärti 262. yir suvdä 296. klä)misip 229. yarsinciy 263. yiringärü 297. k(ä)nig ros(a)n 230. yaruk 264. yirteilälim 298. klä)mtü 231. yas 265. yirtip 299. kärinesiz 232. yasaddı 266. yilı 300. käztingiz 233. yasiyu 267. yıtill 301. kim 234. yasunyıl 268. yol 302. kimkä 235. yalı 269. yoldi 303. kin 37° 408 ANGST are o.5% a neea werasen ACHT aesliuon RES USER SIS\ AUSSER) ELTIILT GE xorebesa KIN SAUER weinen ers en ELLSERUNCENN Larasan STREIT LT sei anal N Hl. rl ee JH SZ Syrtaekrıı— _ Aste ehr, LEUTE Eee TE — LTR I — | BLZ N Ra rotes — BÄREN em ATYS — Aalen ur te— PLAYER ua LS \ 0 N — 2 NURMORN Sn SIIN 338. Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. useerlef a seinen Antanlalas 37% 375, 375, A. von Le Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Schahri. 304. kirtgünd 305. kirtü 306. kisi 307. kielä 308. kökläyür 309. köprügüg 310. körgäli 311. körkittingiz 312. körmis 313. körüp 314. körur 315. körzün 316. kötirür 317. köz 318. közälip 319. közätdi 320. közüngü 321. közünüpän 322. közünür 323. kicädükintä 324. küclüg 325. küfänelig 326. kim 327. kin Uä)ngri 328. köngül 329. kürg 330. kürtlä 331. küznäkingä 332. gädiliür 333. gälsär 334. gälip 335: gälircä 336. qälmäkin 337. gämisti 338. 339. 340. 341. 342. 343- 344: 345. 346. 347- 348. 349. 357- 370. lä)ndu qläynig ä)rgäk qädmisin glä)lz(ü)n qlä)ntü qim gintiürcä girip girti qisicä gisikä gqnyu (wohl [ändü) görünng göki götürür gözüntilär güc gün göngültä güni gümni gürtlä körti (?) körüp (?) güsändig güsüslüg kamiy kang kangim mani h [buryan kanta kapiyi kilinein kilineliy 371. kilmis hop kulkakin kululasar kuruy kurtyak kurtya kuti kutkartingiz kutkulupan kutrulku ku ttunguz jalyuluy jalti fa)lti ja)mayin j(a)mayda jamyay dapag ja)ra jat(i)y gatigliy jatilti jilinein jilsar jisada Givliy jiz jodi johın gop dorgineiy doröjmaz dorgun 409 410 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. N 4% sestaralerı #0. AUCH II N a AKA 90), seäfriereetant FU. arabrar Andante vos Tanenetaı 492 Audtaraßsarı AUT — SE, near 2 lebt Seat « sebar m. ar la u ——amban 4: Kesar nernäßeh 72 umbauen mi Mytsmnar unless 0 eambailen dena u Hu „een me anlkear los iS NaroKsaNn #49. sarienar Aleles 4/6. ne 450, DU SS ts 7. zen = Eos ma. —— en 482. asian Inu 418. an #5 Tenseanten LSOrSeer 420 anenleor 454 Senna Ark 2 eyialean u 5 __ Altan Vereheer 42: anlan +54, urn ubtoresars 423. „mersbeler 97 TEE war Hi 0 Maar 7 NER aQa (tar 15. LSEPAN 459, nr sex 426 olaar #60, EN nen MAN #27 elsarı 461, inlgeın Aajteaıı ne +28 uselaan 2. an ala +27 worelean #2 nlgeucn emnba non #0 Wontelan #4 Sun „nern Fo. alsun «sr Varrletem ee Kor 432. Jean snunlasen ana 433, ano ansseelienn — dar HE NE WON #8 arm nalalen 5 ETICTYN au werlnlaum wersberten 730. Naa +2 „arena N u Zu SV UN IN. «arQuena Wrntalan +3 Sn. 7. 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Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. ASROOn 58. Tab 2. inte ——— ar RT en ETKT LINE 77 eane 5. una sr araßee ven 5. aurhe S4£ earumae ‚nüsne m. RUE 6 aalsabiebine ne 5 Use 5% BER „weinloasne 5% nn aPRSTT END wsersenE 55 rem 7 een Jarmeıne 5%. ellereins 550, ralarısh uselmeane 377 weh Se 537, zaubrae«6 inerlane 5 une 52 lan neiseane > le 55 srreresb anerne se oleohbe sr orntleae seine 521. 555. en errkans 522 EP\I S5%, (elzasE Aereand 5. elie 55. saß enelemn® s2r inte 5 naeh selen 525 lese 559 alerı$ ninE 526 ve. meros6 50 wueE eiLnE 527. — tele EZ EOT ln re 8. na taselnE nl 5: arkeaları sartarebelnE 530. nl zelrosäat taaele 53, esse =: alter ylelossnne 532. —anile 5% totaler are 5 wel 5 roları waletıE $3%H a «slE 568, STUSA zueee 5 Jarammtenue 0, ara wre Na 7 nlansbesar OHBHEENERL\ DER usa N. nRsar IE SIE. an Qu 372. zehtar NIT Eee Y JE / u, >) elta wurlh Sr. Ant 52% SS —r6t 541. uestaatas EYER nase A. von Lr Cog: Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-Sehahri. 413 508. sürüp 509. SW 5ı0. Laie 511. Zalula(y)im 512 tamka 513. famu 514. tamudaki 515. lanmis 516. fanudjun 517. tapinalim 518. faplasar 519 taptukla 520. larlar 521. tartisliy 522. lasyaru 523. tasigip 524. tasilti 525. füzdi 526. tügdä 527. ägdi 528. füginng 529. lägimür 530. tügitükümüz 531. kägziniür 532. tükimligeä 533. täksürüp 534. Hä)ngridm 535. Hä)ngrikän 536. Hä)ngrim 537. Uä)rs 538. Hä)gi 539. Hä)gitlär 540. Hdim(i)e, 541. Higinig Sitzungsberichte 1908. 542. 549. tiyür tikär tlayu tilim(i)2 tiltay tin()y tip tirgüdsär tirgürügli tirnäg Kä)ngri tisär titru Httingiz tolp ton (ariy ton) tonluy toprajka lögälig törisi tpizlig irgin tuya luyar tuydi tuykal tuyum tuytunguz tuyumsuzun huyunup ltuyuzmaz tuli tul ton turaliy turkurti 576. hutar lutupanin tuturu tusbasinga hugturtunguz tuz tük timän tügäti tügülür tügätzün tügülti tünärig tüngtärü löpösin türlüg tüs tüzä, tuza tüzügü tüzi tüzim (tözön) war üdünti ukmabdin ukittingiz ulyurtur ulior umaz umuy unitmislar unta untun orddu uruy urupan 38 414 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 2. April 1908. — Mitth. v. 19. März. Mräsatar Em. 610. uruda IT Norton 51. 611. Uruyunguz nesemen un. 612. usinta EFA\E} 72) 613. uszunlar use Ice. U Y, Zur? 7 614. utunalim „Aroserean EIS. 615. uzanmak aren E18. 616. uzaaü welsabten ai €). 617. uzkurtunguz Faro ER. 618. uzum Nr 13. 619. ÜL TIL Ho 620, 620. ÜCHN EL 62, 621. ücline Alaysetları 622, 622. ügrüncülüg(ögrönc) auantiion 623, 623. üngräki (öngrä) Arehreart 64 624. ümlürip wensoßmesn <25 625. üstünki SLR 626. 626. üzä-h nEraunbraort 62). 627. Üctä büztä Ausgegeben am 9. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei 1908. XX. XXI. XXI SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesannitsitzung am 9. April. (S. 415) F.E. Scnurze: Die Lungen des africanischen Strausses. (S. 416) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 23. April. (S. 433) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 23. April. (S. 435) vax’r Horr: Untersuchungen über die Bildung der oceanischen Salzablagerungen. (Schluss.) LII. Der Verband für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalzlagerstätten. - (S. 436) h MIT TAFEL IV. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. bET=-TISTSLTSISTSITSITSISTSETSETSISTS TESTS TSJ TS IeTeJT=lerelerelerzjer=leralerelore[ereie Aa IN JUN 165 1908 Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $l. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, umd ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthıen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Sa. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen, Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Uber die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist -— wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- förderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. , Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. Dieandie Druckereiabzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correcturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. X Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Beriehten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. B Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noeh 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. = 8.17. j Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) DNEND FEN 415 SITZUNGSBERICHTE 1908. xXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 9. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. F. E. Scauzze las über die Lungen des africanischen Strausses. Durch stereoskopische Darstellung feiner Schnitte von Injeetionspräparaten wird der sichere Nachweis erbracht, dass die letzten Endigungen des luftführenden Kanal- systemes der Straussenlunge nicht wie bei den Säugethieren aus blindendigenden, ver- zweigten, mit Alveolen besetzten Gängen, sondern aus einem allseitig anastomosirenden System von Luftcapillaren besteht, dessen Lücken von einem entsprechenden System der Blutcapillaren ausgefüllt sind. 2. Hr. Enıwe Bovrrovx, correspondirendes Mitglied, übersendet sein Werk: Seience et Religion dans la philosophie contemporaine. Paris 1908; und Hr. A. Navırre in Genf ein bei der dortigen Universität als These eingereichtes Werk des inzwischen verstorbenen Pastors im Can- ton Neuchätel Paun Dumonr: Nicolas de Beguelin (1714— 1789). Frag- ment de l’histoire des idees philosophiques en Allemagne dans la seconde moitie du XVII sieele. Neuchätel 1907. 3. Die Akademie hat durch ihre philosophisch-historische Classe zu wissenschaftlichen Unternehmungen bewilligt: Hrn. Schar zur Herausgabe einer von dem verstorbenen Bibliothekar Dr. AnaLzerr SCHROETER im Manuscript hinterlassenen Geschichte der lateinischen Lyrik der Renaissance 750 Mark: Hrn. Oberlehrer Dr. Ernst GerLAND in Homburg v.d.H. als erste Rate zur Bearbeitung und Herausgabe eines Üorpus notitiarum episcopatuum ecelesiae orientalis graecae ı000 Mark: Hrn. Prof. Dr. Oskar Mann in Berlin zur Fortsetzung sei- ner Forschungen über Kurdistan und seine Bewohner 1800 Mark; Hrn. Prof. Dr. Sıeerrıep Supnaus in Kiel zu einem Aufenthalt in Neapel behufs Vergleichung der dortigen das Werk wepi bucews des Epikuros enthaltenden Papyri 900 Mark. Sitzungsberichte 1908. 39 416 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. Die Lungen des afrikanischen Straußes. Von Franz EILHARD SCHULZE. Hierzu Taf. IV. We bei allen Vögeln, nehmen auch beim afrikanischen Strauß die im wesentlichen gleich gebildeten Lungen die dorsale Region der beiden Thoraxhälften neben der Wirbelsäule ein und reichen vom ersten Thoraxrippenpaare bis zu den Nieren. Mit ihrer konvexen Dorsaltläche sind sie dem Brustkorb durch eine Schicht lockeren Bindegewebes in ganzer Ausdehnung angeheftet. Die schwach konkave Ventralfläche ist von einer gewöhnlich als Diaphragma pulmonale bezeichneten, aber auch wohl Pleura ge- nannten derben fibrösen Aponeurose glatt überzogen. Diese mit der Lunge selbst durch lockeres Bindegewebe verlötete Membran setzt sich aus drei Schichten zusammen, nämlich aus einer äußeren (dorsalen), der Pleura entsprechenden lockeren Bindegewebsschicht, ferner aus einer mittleren als Diaphragma anzusehenden direkten F ortsetzung der Mm. costipulmonales und drittens aus der mit dieser derben Faszie verwachsenen dorsalen Wand der drei anliegenden mittleren Luftsäcke. Von der medianen Region der Leibeshöhle, welche den Darm mit seinen Annexen enthält, sind die im lateralen Teil Jederseits hintereinander gelegenen und miteinander verwachsenen drei Luftsäcke geschieden durch eine derbe Membran, welche durch Verwachsung des Peritoneum parietale mit den betreffenden Luftsäcken entstanden ist und sich zwischen ventraler Beekenwand, Wirbelsäule, Herzbeutel, Sternum und muskulöser Bauchwand, den Leibesraum schräg durch- setzend, ausspannt. Von Hvxıry ist sie als Septum obliquum, von anderen Autoren als Diaphragma thoraco-abdominale benannt. Beim Strauß ist das Septum obliguum besonders kräftig ent- wickelt und zumal in seiner am Beekenrande entspringenden hinteren dorsalen Ursprungspartie durch Dieke und Festigkeit sowie durch eine deutliche, in lateriventraler Richtung ziehende Faserung ausge- zeichnet. Die histologische Untersuchung dieser derben parallelfase- rigen Platte ergibt fibrilläres Bindegewebe mit reichlichem Gehalt an F. E. Scaurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 417 starken elastischen Fasern, aber keine Muskelfasern, welche Sarrry hier annahm. Nach Entfernung des Darmes und des Herzens erhält man durch teilweises Abtragen der Luftsäcke bis auf ihre dorsalen Ursprungs- zonen eine gute Gesamtansicht des Diaphragma pulmonale und seiner Muskeln. Es lassen sich drei hintereinander! liegende Regionen unter- scheiden, welehe den drei mittleren Luftsäcken, dem Saccus elavi- eularis, praethoracalis und postthoracalis, entsprechen und durch deren beide Querscheidewände deutlich voneinander abgegrenzt sind. Un- mittelbar vor dem Vorderrande der Regio elavicularis liegt (nur etwa a cm von der Trachea entfernt und noch außerhalb des Saccus clavi- eularis) die etwa S mm weite Zugangsöffnung des in der seitlichen Halsgegend gelegenen Saccus cervicalis, das Ostium cervicale. Im lateralen Teil der Regio clavicularis bemerkt man jederseits die große, etwa 2 cm weite ovale Zugangsöffnung des Saceus elavi- eularis, das Ostium elaviculare, an dessen etwas verdickten Vorder- rand sich die 2 cm breite, stark abgeplattete kurze Sehne des von der lateralen Vorderecke des Sternum entspringenden M. sterni-pulmonalis inseriert. Die medikaudale Umrandung dieses Ostium wird dagegen von einer etwas überragenden, ziemlich scharfkantigen Lippe, die laterale durch einen tieferliegenden, niedrigen halbmondförmigen Wulst gebildet. Die vor der Trachea ziemlich weit nach vorn sich ausdehnende und die Trachea sogar teilweise umgreifende Mittelpartie des Saceus elavieularis ist jederseits von den seitlichen Regionen abgegrenzt durch eine dünne membranöse Scheidewand, welche nach hinten zu in die Herzbeutelwand übergeht. Am Lateralrande der Regio clavieularis, praethoracalis und post- thoracalis sieht man die fünf vom Ventralrande der 2.—5. Thorax- rippe entspringenden, etwas fächerartig divergierenden, ziemlich kräf- tigen Zwerchfellmuskeln — Mm. costi-pulmonales — mit ihren kurzen Sehnenfasern in das Diaphragma pulmonale ausstrahlen. In einem Falle fand sich linkerseits außerdem noch ein schmales Muskelbündel, welches vom Ende der ersten Thoraxrippe entsprang und als erster Zwerchfellmuskel am Vorderrande des Ostium elavieulare in das Dia- phragma überging. In der Nähe des queren Vorderrandes des Saceus praethoracalis befindet sich hinter dem Lungenhilus und speziell dicht hinter der Vena pulmonalis das Ostium praethoracale mediale, in dessen Grunde oft ein schräges, zwei tieferliegende Zugangsöffnun- gen trennendes Septum bemerkbar wird. Eine zweite, ebenfalls in ! Die Ausdrücke »vorns und »hinten« will ich hier im Sinne von »rostral« und »kaudal« gebrauchen. 398 418 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. den Saceus praethoracalis mündende, mehr lateral gelegene, erheblich kleinere Bronchialöffnung — das Ostium praethoracale laterale — hat eine mehr kreisrunde Form und einen etwas überragenden Vorderrand. Die Regio postthoracalis zeigt an ihrem Lateralrande die sehnige Insertion der drei hinteren Mm. costi-pulmonales. Während deren vorderster, welcher von der vierten Thoraxrippe entspringt, nur etwa 3 em breit ist und dicht am Vorderrande des Ostium postthoracale vorbeizieht, begrenzt der Vorderrand des über ıo cm breiten nächst- folgenden, welcher von der fünften Thoraxrippe entspringt, den Hin- terrand dieser Öffnung. Die vordere, etwas mehr quergerichtete, 2—3 em breite Portion dieses letzteren ansehnlichen Muskels schiebt sich mit ihrem medialen Ende etwas hinter seinen mehr oberflächlich gelegenen, schräg nach vorn ziehenden Hauptteil. Das zwischen den beiden eben genannten Zwerchfellmuskeln gelegene große Ostium post- thoracale hat eine schrägovale Gestalt und eine etwas überragende Mediallippe. Während die mediale Partie dieses Ostium den einfachen weiten Zugang des entsprechenden Bronchus zeigt, finden sich in der Bodenfläche des lateralen Teiles noch einige kleine kreisförmige Bron- chenöffnungen, und am lateralen Ende je eine etwas größere vordere und hintere querovale Öffnung. Der hinterste, etwa 3 em breite Zwerch- fellmuskel entspringt von der ersten Lendenrippe und zieht schräg nach vorn, um sich an dem hintersten Randteil des Diaphragma pul- monale zu inserieren. Neben dem Medialrande dieses hintersten Zwerchfellmuskels be- merkt man (ungefähr 10 cm von der Medianebene entfernt) die am Kaudalrande der Lunge noch außerhalb des Saceus postthoracalis ge- legene kleinfingerbreite Eingangsöffnung zum Saceus abdominalis — das Ostium abdominale. Löst man die Lungen samt dem ihre Ventralfläche deckenden Diaphragma pulmonale und den zugehörigen Museuli costi-pulmonales vorsichtig von der inneren Thoraxfläche ab und nimmt zugleich mit diesen ihren Annexen jede Lunge als Ganzes aus dem Brustkorbe heraus, so überzeugt man sich leicht, daß die Musculi eosti-pulmo- nales sieh nicht an die Lunge selbst, d.h. an das Parenchym oder die Bronchen ansetzen, sondern, wie schon oben erwähnt wurde, mit ihren divergierenden Sehnenfasern hauptsächlich in die derbe Faszie ausstrahlen, welche mit der Luftsackwand zusammen das Diaphragma pulmonale ausmacht, und welche mit der Lunge selbst fast in ganzer Ausdehnung durch lockeres Bindegewebe nicht fester verbunden ist als diese letztere an ihrer konvexen Außenfläche mit der Thoraxwand. Nur an dem zugeschärften Lateralrande, ferner an einer schmalen F. E. Scaurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 419 leistenartigen Längskante des Medialrandes der ganzen Lunge und endlich am Rande der verschiedenen Ostien, da wo die Bronchen- schleimhaut in die Wand des zugehörigen Luftsackes übergeht, ist die Verbindung zwischen Lunge und Diaphragma eine festere. Sowohl in der verdickten Randpartie jedes einzelnen Ostium als auch in dessen nächster Umgebung findet sich im Diaphragma eine dünne Ringfaserlage glatter Muskulatur, welche sich auswärts all- mählich verdünnt und in einzelne Stränge auflöst — offenbar eine Fortsetzung der zirkulären Bronchialmuskellage. Besonders entwickelt ist dieses flach ausgebreitete Lager glatter Muskelfasern am Ostium praethoracale mediale, wo es mit einigen spärlichen Faserzügen bis zum Ostium praethoracalelaterale vordringt und sich mit dessen Zir- kulärfasern vereinigt. Die Annahme liegt nahe, daß diese Sphinkteren der Ostien bei der Regulierung der Luftpassage zwischen den Bronchen und den zugehörigen Luftsäcken eine wichtige Rolle spielen. Der Gestalt nach kann man die einzelne Lunge als eine schwach nach der Fläche gebogene dreieckige Platte mit abgerundeten Ecken bezeichnen, welche lateral keilförmig zugeschärft ist. Ihr längster dorsiventral breit gerundeter Medialrand, welcher unmittelbar neben der Wirbelsäule liegt, zeigt außer einem geraden, schmalen ventralen Randsaum, welcher mit der Wirbelsäule und Aorta descendens durch straffes Bindegewebe verbunden ist, sechs dieke, zwischen die Thorax- rippen vordringende schräge Wülste, Tori pulmonis. Zwischen diesen Tori finden sich vier ziemlich tief in die Lungensubstanz ein- dringende Kerben und ein fünfter, hinterster, mehr flacher Eindruck, welche alle den betreffenden Rippen entsprechen. Der lateral etwas nach hinten abfallende Vorderrand schärft sich von seinem breit gewölbten Medialende bis zu der durch das Ostium claviculare markierten Lateralecke allmählich zu und setzt sich hier ohne scharfe Biegung in den etwas konvex vorgebauchten scharf- kantigen hinteren Laterikaudalrand fort, welcher wiederum, an seinem Medikaudalrande sich verdiekend, allmählich in den breiteren Medial- rand übergeht. Obwohl die Dimensionen der Straußenlunge zweifellos sowohl nach der Größe der einzelnen Tiere als auch nach dem Füllungs- und Kontraktionsgrade der Lunge selbst erheblichem Wechsel unter- liegen, dürfte doch die Mitteilung einiger bei einem großen männ- lichen Strauße genommenen Maße von Interesse sein. Die Länge der nahe dem Medialrande von ihrer vordersten bis hintersten Spitze ge- messenen Lunge betrug 30cm, die größte Breite, welche sich etwas vor der Mitte der Längsausdehnung befindet, 18cm und der stärkste, 420 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. etwa in der Mitte der ganzen Lunge gefundene Dickendurchmesser etwa 8cem. Die als Hilus zu bezeichnende Eintrittsstelle des freien Bron- chus und der ihn begleitenden großen Blutgefäße befindet sich in ungefähr gleicher Entfernung vom Lateral- und Medialrande, aber ziemlich weit vor der Mitte der ventralen Lungenfläche. Unmittel- bar hinter dem Eintritt des freien Bronchus liegt die Vena pulmo- nalis, dicht vor ihm die Arteria pulmonalis und medial von dieser letzteren, bei der rechten Lunge, die sich über den betreffenden Bron- chus dorsal hinüberbiegende Aorta. Der durch Knorpelhalbringe gestützte, an der medialen Seite häutige freie Bronchus erweitert sich gleich nach seinem Eintritt in die Lunge zu einem ampullenförmigen Raum, dem Vestibulum, von welchem in ventrimedialer Richtung vier größere, in einer geraden Längsreihe dicht hintereinanderfolgende Bronchen — die Ventral- broncehen, Bronchi ventrales — (die Entobronchien Huxrrys) ab- gehen. Nach hinten setzt sich das Vestibulum direkt in den großen, von Hvxıey als Mesobronchium' bezeichneten geraden Stamm- bronchus fort, welcher am Kaudalende der Lunge durch das Ostium abdominale in den Saccus abdominalis mündet. Ebenso wie die Wand des freien Bronchus wird auch die Wand des Vestibulum durch eine Reihe parallel hintereinanderfolgender kräf- tiger Knorpelhalbringe gestützt, während die übrige Wandpartie häutig ist. Drei von diesen Knorpelspangen sind in ihrem mittleren Teile zu dreieckigen, in medialer Richtung vorspringenden Platten umge- formt und dienen so zur Festigung der schmalen Septa, welche die schrägen länglichen Eingangsöffnungen der vier Ventralbronchen von- einander scheiden und mit ihrem zugeschärften, halbmondförmigen freien Rande schräg von vorn und medial nach hinten und lateral in das Lumen des Vestibulum hineinragen. ! Daß Huxrey nur diesen, vom Vestibulum in direkter gerader Richtung zum hinteren Lungenende führenden weiten Bronchus, nicht aber, wie Fischer in seiner Abhandlung »Über den Bronchialbaum der Vögel« (Zoologica 1905 S. ro) angibt, den ganzen, aus dem freien Bronchus, dem Vestibulum und dem »Mesobronchium« be- stehenden Trakt, als Mesobronchium bezeichnet hat, ergibt sich aus folgenden Sätzen Huxreys (Proceed. Zoolog. Soc., London 1882, S. 563): »Immediately after the bronchus has entered the lung, it enlarges somewhat, to form a dilatation which has been termed the vestibulum.« »A trunk, which continues the direction of the bronchus through the centre of the parenchyma of the lung backwards leaves the posterior end of the posterior ven- tral margin in the posterior ostium, by which it opens into the posterior air sac. This trunk may be termed the mesobronchium. « Und ferner: »Thus the mesobronchium and the first entobronchium are each connected with two air sacs.« F. E. Scaurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 421 Die Grenze zwischen Vestibulum und Mesobronchium wird durch einen im medialen Teil der Wand gelegenen einfachen kräftigen Knor- pelhalbring markiert. Im Mesobronchium fallen zunächst zwei sich gegenüberliegende Längsreihen von Öffnungen größerer Seitenbronchen auf, eine längere medidorsale und eine kürzere laterale Reihe. Bei beiden nimmt die Öffnungsweite von vorn nach hinten ab. Die Bronchen der ersten Reihe haben, da sie direkt zur Äußeren, d.h. der dorsalen Fläche der Lunge, emporsteigen, von Huxrey den Namen »Ektobronchien« erhalten, sind jedoch von Fiscuer neuerdings zweckmäßig in Dorsalbronchen — Bronchi dorsales — umgetauft worden. Ich werde diese letztere Bezeichnung beibehalten. Die bis- her noch nicht besonders benannte Reihe der gegenüberliegenden, dem Lateralrande der Lunge zuziehenden Bronchen bezeichne ich als »La- teralbronehen«, Bronchi laterales. Von den Dorsalbronchen fallen die sieben vorderen durch ihre Stärke auf. Die drei ersten haben querovale, die vier folgenden hin- teren kreisrunde Öffnungen, welche sämtlich an ihrem Vorderrande eine etwas zugeschärfte Kante aufweisen. Auf die sieben vorderen folgen in derselben Längsreihe noch einige bedeutend kleinere und weniger regelmäßig gestellte Bronchen. Der hinterste (kaudale) Ab- schnitt des sich stark verengenden und dann wieder erweiternden, also im hinteren Endteile sanduhrförmigen Mesobronchium zeigt über- haupt keine Bronchenöffnungen mehr und setzt sich in eine aus der Lunge frei hervorragende, häutige, kleinfingerbreite Röhre fort, welche in den Saccus abdominalis übergeht. Die Lateralwand des Mesobronchium zeigt auf der Grenze des vor- deren und mittleren Drittels die weite Öffnung des Bronchus posttho- racalis, deren Vorderrand sich in eine schräge nach hinten und innen vorragende, reichlich von glatten Muskelfasern durchzogene, aber nicht vom Knorpel gestützte Schleimhautfalte fortsetzt. Dieser auffallend weite und auf seinem geraden Wege zum großen Ostium postthoracale sich noch erheblich erweiternde Bronchus postthoracalis ist der erste in der Längsreihe der Lateralbronchen. Auf ihn folgen noch 6—7 minder große und nach hinten immer kleiner werdende Glieder dieser Reihe, welche ebenfalls sämtlich dem Lateralrande der hinteren Lungen- partie zustreben, ohne jedoch, wie der erste, in einen Luftsack zu münden. Sie ziehen auch nicht an der Lungenoberfläche hin wie die Ventral- und Dorsalbronchen, sondern verlaufen ganz im Innern des Lungenparenchyms selbst. Eine dritte, wenn auch nicht ganz so regelmäßig geordnete Längs- reihe von ausschließlich kleinen Bronchenöfinungen findet sich an der 422 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. Dorsalseite des Mesobronchium und mündet mit 7—9g rundliehen Löchern zwischen den Öffnungen der Dorsal- und Lateralbronchen in jenen Haupteingang ein. Der erste dieser intermediären (vielen Vögeln ganz fehlenden) Bronehen mündet lateral neben dem ersten Dorsalbronchus, der zweite in gleicher Höhe mit dem zweiten, und ebenso der dritte und vierte neben dem dritten und vierten Dorsal- bronchus. Von da an hört aber diese Gleichstellung auf, und wird überhaupt die Ordnung der immer kleiner werdenden Öffnungen der hinteren intermediären Bronchen eine weniger streng durchgeführte, insofern sie nicht mehr ganz in einer Reihe gerade hintereinander folgen, sondern mehr unregelmäßig zerstreut stehen. Eine etwas genauere Beschreibung verlangen die vier großen, vom Vestibulum in mediventraler Richtung abgehenden Ventralbronchen, deren erster, der Bronchus ventralis primus, sich zwischen die beiden vorderen Hauptäste der Vena pulmonalis durchdrängt und so- dann eine erhebliche, flache, glattwandige, handförmige Erweiterung erfährt. Von dieser Verbreiterung gehen mehrere große vordere und mediale Zweige ab, aus deren Dorsalwand wieder zahlreiche kleine Nebenäste in das Lungenparenchym eindringen, während die an der Lungenoberfläche gelegene Ventralwand nur aus einer glatten, reich- lich von Querbälkchen glatter Muskulatur durchzogenen Haut besteht. Der erste (vorderste) große Zweig des Ventralbronchus I biegt sich um den Lungenhilus vorn in kurzem Bogen laterad herum, zieht darauf bis zur lateralen Ecke der Lunge und mündet hier mit einer trichterförmigen Erweiterung durch das weite Ostium elavieulare in den Saccus clavieularis. Auf diesen ersten Hauptzweig des Bronchus ventralis I möchte ich die von Fıscner für den ganzen Bronchus ventralis I angewandte Bezeichnung » Bronchus clavicularis« beschränken. Eine weitere Fortsetzung des Bronchus claviceularis bis zum Ostium praethoracale laterale, wie Fıscner sie bei anderen Vögeln fand, bezw. eine direkte Verbindung mit dem Bronchus praethoracalis lateralis, kommt hier beim Strauß nicht vor, wenn sich auch einige seiner klei- neren Endäste den Ausläufern des ebenfalls oberflächlich verlaufenden Bronehus praethoracalis lateralis nähern. Von den übrigen größeren Zweigen des Bronchus ventralisI verdient noch einer deshalb besondere Beachtung, weil er (unweit der abgerundeten medialen Ecke des vorderen Lungenrandes) durch das Ostium cervicale in den Saccus cervicalis aus- mündet. Er ist von Fıscuer ganz passend als Bronchus cervicalis benannt. Die übrigen, meistens ebenfalls recht ansehnlichen Hauptäste des Bronchus ventralis I ziehen zum vorderen und medialen Lungen- rande, fast bis zur Mitte (von vorn nach hinten gerechnet) des letzteren. F. E. Scuurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 423 Der Bronchus ventralis seeundus, von Fıscner » Bronchus medialis« genannt, zieht hinter dem starken Mittelast der Vena pulmo- nalis vorbei als ein zunächst glattwandiges, später mit kleinen Dorsal- ästen reichlich besetztes Rohr in medikaudaler Riehtung zwischen dem Verzweigungsgebiet des Bronchus ventralis I und III, schräg nach hinten und etwas medial. Vor seinem Ende gibt er mehrere größere, ebenfalls oberflächlich gelegene mediale Seitenzweige ab, die bis zum medialen Lungenrande reichen. Von diesem Bronchus ventralis secun- dus entspringen aber auch gleich hinter seiner Eingangspforte zwei sich gerade gegenüberliegende starke Äste. Der eine derselben dringt in dorsaler Richtung zwischen den beiden Hauptzweigen der Arteria pulmonalis durch in das Lungenparenchym ein und zieht ziemlich parallel mit dem an der ventralen Lungenfläche gelegenen Bronchus elavieularis im Bogen um das Vestibulum herum. Er ist in ganzer Ausdehnung ringsum mit kleinen, quer abgehenden Ästchen und Lungenpfeifen, Parabronchien, besetzt und hat von Fıscner den Namen Bronchus elavicularis dorsalis erhalten. Der andere Ast geht als ein kurzes glattes Rohr in gerader Richtung zu dem von Hvxrev »subbronchial ostium« genannten vor- deren Teil des Ostium praethoracale mediale. Da er dem respira- torischen Lungenparenchym keine Luft zuführt, sondern nur in einen Luftsack (den Saccus praethoracalis) mündet, möchte ich ihn nicht als »Bronchus«, sondern einfach als »Ductus«, und zwar als Ductus pzaethoracalis, bezeichnen. Der durch seine bedeutende Breite und Länge ausgezeichnete Bronchus ventralis III schickt gleich nach seinem Ursprung ähnlich wie der Bronchus ventralis II ein kurzes glattes Rohr in ventraler Richtung zum Ostium praethoracale mediale. Die ventrale Ausgangs- öffnung dieses hinteren Duetus praethoracalis fließt mit der un- mittelbar davorliegenden des Ductus praethoracalis anterior zum Ostium praethoracale mediale zusammen. Während der vordere (Anfangs-) Teil dieses Bronchus ventralis III in einer Ausdehnung von etwa 3 cm glattwandig erscheint, zeigt die Dorsalwand seines langen und mehr als fingerbreiten Hauptrohres sowie seiner vorwiegend laterikaudal gerichteten, langgestreckten ober- flächlichen Endzweige zahlreiche Eingangsöffnungen kleiner Dorsaläste und Parabronchien. Der erheblich schwächere Bronchus ventralis IV biegt sich mit seinem glattwandigen Anfangsteil um den hinter ihm gelegenen starken Hinterast der Vena pulmonalis herum und verläuft dann, mit Dorsal- ästehen und Parabronchien reichlich besetzt, unter allmählicher Ver- engerung gerade nach hinten, ohne jedoch den Kaudalrand der Lunge 424 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. zu erreichen. Von seinem vorderen Drittel gehen zwei etwas stärkere Äste in lateraler Riehtung quer ab, welche, ebenfalls ganz oberflächlich gelegen, über das Mesobronchium hinwegziehen. Von dem schon oben, S. 419, erwähnten Ostium praethoracale laterale, welches laterikaudal neben dem Lungenhilus, dicht hinter der Scheidewand des Saceus elavicularis und praethoracalis liegt, geht der kurze oberflächlich gelegene Bronchus praethoracalis late- ralis schräg nach vorn und lateral ab, breitet sich, ähnlich den 4 Ventralbronchen, mit seinen Ästen flach an der ventralen Lungen- fläche aus und gelangt mit einigen dünnen Endzweigen bis in die Nähe der nach hinten gerichteten 'Terminaläste des vom Bronchus ventralis I stammenden Bronchus celavieularis. Er steht jedoch, wie schon oben, S. 422, erwähnt, mit keinem derselben in direkter offener Verbindung, so daß er hier beim Strauße wenigstens nicht die un- mittelbare terminale Fortsetzung des Bronchus clavieularis bildet, welche bei anderen Vögeln beschrieben wird. Der Bronchus postthoracalis, der größte Seitenast des Meso- bronchium und der erste in der Längsreihe der Bronchi laterales, zieht, sich triehterförmig erweiternd, in laterikaudaler Richtung ge- radeswegs zu dem am Lateralrande der ventralen Lungenfläche gele- genen Ostium postthoracale. Merkwürdigerweise gibt er in seinem medialen und mittleren Teile, obwohl ringsum von respiratorischem Lungenparenchym umgeben, keine Seitenäste ab. Erst in dem stark verbreiterten lateralen Endteil, welcher den offenen dorsilateralen Grund des Ostium postthoracale bildet, finden sich außer 2 größeren noch mehrere kleinere Einmündungsöffnungen von Seitenästen. Die beiden größeren Öffnungen: liegen an der Vorder- und der Hinter- seite dieht neben dem lateralen Lungenrande. Jede entspricht einem besonderen, einige Zentimeter langen Bronchus, welcher unmittelbar unter der Ventralfläche in gerader Richtung neben dem Lateralrande hinzieht. Die vom Mesobronchium ausgehenden 7 größeren Dorsalbronchen begeben sich zunächst in dorsaler Richtung direkt zur Lungenobertläche, biegen hier fast rechtwinklig mediad um und breiten sich dann mit ihren Verzweigungen und gelegentlichen Anastomosen in ähnlicher Weise an (ler Lungenoberfläche flach aus wie die Ventralbronehen an der ventralen Lungentläche. Der Bronchus dorsalis I versorgt mit zahlreichen Ästen ausschließlich die vordere Lungenpartie mit Einschluß des Torus I, während die dahinter gelegene Medialregion nebst Torus II und der vor- deren Hälfte des Torus III vom ebenfalls reichverästelten Bronchus dor- salis II, die hintere Hälfte des Torus III und der Torus IV dagegen von Bronchus (dorsalis III und seinen Verzweigungen durchlüftet wird. F. E. Scaurze: Die Lungen des afrieanischen Strausses. 425 Der Bronchus dorsalis IV verläuft als zunächst einfacher längerer Stamm in medikaudaler Richtung bis zum Torus V, wo er mit den Endzweigen des Bronchus dorsalis V zusammentrifit, welch letzterer mit zahlreichen Ästen außer dem Torus V auch dem Torus VI und VII Luft zuführt. Die hintere mediale und mittlere Randpartie der Lunge wird versorgt von dem schmalen Bronchus dorsalis VI und dem ganz schmächtigen Bronchus dorsalis VII, welche beide in rein kaudaler Riehtung verlaufen und auch einige Seitenäste zur lateralen Partie des hinteren Lungenendes schicken. Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß beim Strauß ebenso wie bei anderen Vögeln die meisten größeren Bronchen samt ihren vo- luminöseren Ästen an der Lungenoberfläche verlaufen und erst von hier aus viele kleinere quer abgehende Seitenzweige bzw. Parabronchien in die Tiefe senden. Denkt man sich die ganze Lunge durch einen mitten zwischen ihren beiden breiten Grenzflächen geführten Flach- schnitt in zwei ungefähr gleich große Hälften zerlegt, so wird die ventrale Hälfte zum bei weitem größten Teil versorgt von den aus dem Vestibulum entspringenden vier Ventralbronchen mit ihren Verzweigungen, während die dorsale Hälfte fast ganz von den Dorsal- ästen des Mesobronchium besonders den sieben großen Dorsal- bronchen mit Luft versehen wird. Eine Ausnahme macht nur die keilförmig zugeschärfte dünne laterale Lungenpartie, welche in ihrem vorderen Teil von dem in der Tiefe verlaufenden Aste des Bronchus ventralis II, dem Bronchus elavicularis dorsalis, und dem an der ven- tralen Fläche gelegenen selbständigen Bronchus praethoracalis lateralis, in ihrem hinteren Teil dagegen von den Lateribronchen, darunter dem Bronchus postthoracalis und dessen beiden Ästen, dem Bronchus marginalis anterior und posterior, beteiligt wird. Am medialen Lungenrande gehen die Endäste der ventralen und der dorsalen Bronchen vielfach ineinander über. In der fibrillär-bindegewebigen, von elastischen Fasern reichlich durehzogenen Grundlage der Wand aller Bronchen findet sich ein Maschenwerk von vorwiegend zirkulär verlaufenden Balken glatter Muskulatur, welche bei den kleineren (unter 4mm Durchmesser) Bron- chen die Schleimhaut als Leisten und Falten in das Röhrenlumen vordrängen, während die Innenfläche der größeren Bronchen nahezu gleichmäßig glatt erscheint, soweit sie nicht von den Eingangsöffnungen kleinerer Seitenäste durchbrochen ist. Nach der Angabe einiger Autoren, z.B. Ganow (in Brosns Klassen und Ordnungen des Tierreichs), sollen bei allen Vögeln die Eingangs- öffnungen auch der kleineren Bronchen und die Östien der Luft- säcke von Knorpelringen oder Knorpelbogen gestützt sein. Dies trifft 426 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. wenigstens beim Strauß, nicht zu, wo Knorpelstücke nur im Vesti- bulum am Eingang der großen Ventralbronchen in Form von Spangen und Bogen zu finden sind. Um so kräftiger zeigt sich hier überall die glatte Muskulatur entwickelt. Auch die für kleinere Vögel durchaus zutreffende Angabe der meisten Autoren, daß von den großen superfiziellen Bronchen un- mittelbar die Parabronchien, (Lungenpfeifen) rechtwinklig in das Lungenparenchym abgehen, kann ich für den Strauß (wie auch für andere größere Vögel) nicht bestätigen. Vielmehr sehe ich hier in der Regel von allen größeren Bronchenstämmen, mögen sie nun an der Lungenobertläche oder im Innern des Parenchyms verlaufen, nicht sogleich die Parabronchien (Lungenpfeifen) selbst, sondern zu- nächst die von mir als Parietalästehen bezeichneten, meist allerdings nur sehr kurzen Seitenzweige quer abgehen, welche sich gewöhnlich noch mit Seitenausläufern unmittelbar unter der derben Bronchen- wand ausbreiten. Erst von diesen letzten seitlichen und terminalen Ausläufern der baumartig verzweigten Bronchenästchen gehen die Parabronchien zur Bildung des respiratorischen Lungenparenchyms quer ab. An manchen Stellen, so besonders am medialen und kau- dalen Lungenrande und an der Dorsalseite des lateralen Lungenteiles, münden die Parabronchien in ein subpleurales, lakunöses, großblasiges Maschenwerk, welches von den anastomosierenden Terminalästen su- perfizieller Bronchen gebildet wird; oder es handelt sich um einfache blasige blinde Endauftreibungen von solchen Parabronchien, welche in parallelen Zügen aus der Tiefe aufsteigen und hier an der Ober- fläche ein Mosaik terminaler Blasen bilden. Die Parabronchien. Von den ausschließlich der Luftleitung dienenden, verhältnis- mäßig dünnwandigen Bronchen unterscheiden sich prinzipiell und wesentlich die Parabronchien (oder Lungenpfeifen). Es sind dies bekanntlich gestreckte, gerade oder schwach wellig gebogene, vielfach anastomosierende, nahezu überall gleich weite Kanäle, deren relativ sehr dieke Wand fast ganz aus respiratorischem Parenchym besteht. Ich ziehe den von Hvuxrrr herrührenden Namen »Parabronchien « als internationale Bezeichnung allen anderen für diese eigenartigen Gebil- de der Vogellunge bisher benutzten Benennungen, wie »Lungenpfeifen «, Canaux tertiaires (Övviıer), Bronchial tubes (Ramry), Canalieuli aöriferi (ich selbst im Jahre 1871), Bronchi fistularii (Fıscner) vor und möchte ihn zur allgemeinen Anwendung empfehlen. Dabei scheint es zweck- mäßig, nicht allein solche Luftgänge als Parabronchien zu bezeichnen, F. E. Scnurze: Die Lungen des afrieanischen Strausses. 427 deren zentrales Ganglumen ringsum von zugehörigem respiratorischen Parenchym umgeben ist, sondern auch solche, welche nur zum Teil eine zugehörige respiratorische Wand haben, zum anderen Teil aber seitlich von einer nichtrespiratorischen, der Bronchenwand glei- chenden, viel dünneren Haut begrenzt sind, wie dies besonders bei den an der Lungenoberfläche hinziehenden Kanälen häufig vorkommt. Jedoch dürfte es zweckmäßig sein, diese letzteren nur teilweise mit respiratorischer Seitenwand versehenen Röhren oder Halbröhren als »Hemiparabronchien« von den echten Parabronchien zu unter- scheiden. Die Parabronchien und Hemiparabronchien entspringen von den kleineren Bronchen oder Bronchenzweigen seitlich oder terminal als verhältnismäßig sehr diekwandige gerade oder leicht wellig gebogene Röhren von gleichmäßigem, etwa 2 cm betragendem Kaliber, welche in der Regel geschlängelt parallel verlaufen und häufig seitlich und terminal miteinander anastomosieren. Bei vielen Vögeln sind die einander benachbarten Parabronchien durch mehr oder minder vollständig entwickelte Bindegewebssepta geschieden, welche nach Fıscner nur den guten Fliegern fehlen sollen. Doch hat auch schon Hvxıry solche auf dem Querschnitt mehr oder minder regelmäßige sechsseitige Maschen bildenden Bindegewebs- scheidewände beim Kiwi (Apteryx) vermißt. Hier, beim Strauß, fehlen sie ebenfalls, so daß das respiratorische Parenchym der benachbarten Parabronchien ohne scharfe Grenze in direkter Verbindung steht, und nur die größeren Blutgefäße hier und da das Grenzgebiet markieren. Die Breite der Parabronchien beträgt beim Strauß durchschnittlich 2mm, variiert jedoch nicht unerheblich in den verschiedenen Regionen. Die Weite ihres auf dem Querschnitt ziemlich kreisförmigen Zentralkanals schwankt ebenfalls, kann jedoch durchschnittlich zu 0.7 mm angenom- men werden. Das Lumen dieses Zentralkanales ist nicht direkt und unmittelbar von dem respiratorischen Parenchym begrenzt, wird viel- mehr zunächst durch ein ziemlich weitmaschiges Balkennetz von star- ken, vorwiegend zirkulär gerichteten Strängen glatter Muskulatur um- rahmt. Von diesen Hauptbalken ziehen in radiärer Richtung Bindege- webslamellen zum respiratorischen Rindenparenchym, wodurch Nischen oder Aussackungen (Hvxrry nannte sie »Fossulae«) umrahmt werden, in deren Grunde sich wieder ein tangentiales Netzwerk von Bindege- websbalken ausbreitet. Dies ganze, von elastischen Fasern reichlich durchsetzte Balken- und Plattengerüst bildet die Seitenwand der kleinen radiären verästelten Zugangskanäle, welche die Luft vom zentralen Gang- lumen der Parabronchien zu deren respirierendem Rindenparenchym führen und von Fischer als »Bronchioli« benannt sind. Doch rech- 428 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. net Fıscner dazu auch die bei vielen (keineswegs bei allen) Vögeln in das respiratorische Parenchym selbst mehr oder minder tief eindrin- genden und bereits von einem engen respiratorischen Blutkapillarnetz umsponnenen, spitzwinklig verzweigten Kanäle, welche als direkte End- ausläufer jener nichtrespiratorischen Stämmchen erscheinen, aber überall seitlich und terminal, mit dem Netz der Luftkapillaren in offener Verbindung stehen. Ich schlage vor, diese respiratorischen Endäste der radiären Bronchioli da, wo sie vorkommen, als »Bronchioli respiratorii« von den noch ausschließlich der Luftleitung dienenden Stammteilen (als den Bronchioli veri) zu unterscheiden, wie das ja ähnlich auch bei der allerdings ganz anders gebauten Säugetierlunge geschieht. Bemerkenswert ist, daß nach Huxrevs Angabe‘ auch beim Kiwi (Apteryx) die von mir soeben als Bronchioli respiratorii bezeichneten letzten Endzweige der Bronchioli veri fehlen. Über den Bau des eigentümlich schwammigen, rein respiratorischen Parenchyms, welches den distalen Hauptteil, die Rinde, der Para- bronchien ausmacht, gehen die Ansichten der Forscher weit ausein- ander. Während einige Autoren als direkte Fortsetzung der Bronchioli ein allseitig anastomosierendes Netzwerk von gleichweiten feinsten Luft- gängen oder »Luftkapillaren« gleichen Kalibers annehmen, dessen Lücken von einem ähnlich gestalteten Blutkapillarnetz eingenommen wird, finden andere die letzten Luftwege mit zahlreichen kleinen blinden Aussackungen versehen, welche, ähnlich den Alveolen der Säugetier- lunge, von Blutkapillaren umsponnen werden. Für die erstere Ansicht ist zuerst mit Entschiedenheit Ramer eingetreten, welcher im Jahre 1849 folgende Darstellung” gegeben hat (a.a. 0. S. 51): »It has been observed that the atmospherie air which enters the birds’ lungs, is not received into regularly formed celles, but that it passes into minute interstices between the vessels, the average diameter of which is about !/g6oo Of an inch, and some are even smaller.«; und zuvor (S. 50): »The capillaries, instead of being connected together by a membrane, and placed several of them upon the same plane, and these planes of vessels so disposed to- ! Huxrer bemerkt (Proceed. Zool. Soc. Lond. 1882, S. 567): »In the Duck, as in most Carinate the fossule lead into branching passages (intercellular passages RAınEy) which radiate towards the periphery of the area of the parenchyma, which belongs to each parabronchium finally ending in the intercapillary passages. In Apteryx the fossul® are mere shallow pits which open at once into the intercapillary passages.« ® Raıey, On the minute anatomy of the lung of the bird, in Medico-chirurgical Transactions, London, Vol. XXXI. F. E. Scaurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 429 wards one another as to divide the interior of the lung into square or polyhedral spaces, form by their frequent anastomoses upon diffe- rent planes, and without any membrane connecting them excepted those capillaries which are situated nearest to the surface of the lobules', a kind of dense plexus, with no other separation between its vessels than the open areolae or meshes of the plexus which communicate freely through the whole ofa lobule.« Die gleiche Auffassung hat nebst manchen anderen Forschern, wie Wiırrıams, Bowmans, Max Baer, auch Huxrey in seiner Bearbeitung der Apteryxlunge vertreten. Doch erst Fıscner” hat im Jahre 1905 eine genaue und ausführliche, auf ein umfassendes Material gestützte und mit zahlreichen guten Abbildungen illustrierte Darstellung in gleichem Sinne gegeben. Nach ihm (a. a. O0. S.24) verlaufen die zwischen das respiratorische Blutkapillarnetz vordringenden Äste der Bronchioli »meist bis dieht an die Peripherie ihres Pfeifenbezirkes, indem sie, ziemlich langgestreckt, sich diehotomisch spitzwinklig ver- zweigen und in ein Kanalwerk übergehen. Sämtliche Kanäle sind von gleicher Weite und komanunizieren allseitig miteinander, indem sie ein netzartiges Gefüge bilden, welches die gesamten Lungenpfeifen mehr oder weniger miteinander vereinigt«; und ferner S. 26: » Auf meinen Schnitten, die von injizierten Lungenstückchen von Columba, Gallus, Buteo und Habropyges hergestellt wurden, kann man deut- lich sehen, wie die Bronchioli allmählich kleiner werdend in ein Luft- kanalwerk auslaufen. Netzartig verbundene Röhrchen treten teils in ihrer Ebene getroffen auf, teils werden die Schnittflächen nach oben, unten und seitlich absteigende Kanäle sichtbar, ohne daß indessen alveoläre Bildungen aufzufinden sind. « In betreff der Frage, ob diese feinsten anastomosierenden Luft- kanälehen noch mit einer besonderen eigenen Wand ausgerüstet sind, oder ob sie keine anderen Wandungen besitzen als die der zwischen ihnen befindlichen Blutkapillaren, schreibt Fıscner, a. a. 0. S. 26: »Sie (d.h. die früheren Forscher) scheinen mithin anzunehmen, daß die letzten Luftwege keine anderen Wandungen besitzen als die der Blut- kapillaren selbst. Dahingegen dürfte es zweifellos sein, daß die feinen Luftkapillaren doch mit, wenn auch äußerst zarten, epithelialen Wan- dungen ausgerüstet sind. « Die Ansicht von dem Vorhandensein kleiner blinder, alveolärer Aussackungen der verzweigten Bronchioli deutete zuerst Eserru im ı Lobule = Parabronchie. ®2 Fıscner, Bronchialbaum der Vögel (in Zoologica) S. 24—26. 430 Gesammtsitzung vom 9. April 1908. Jahre 1863 mit folgenden Worten an’: »Ich erkannte deutlich von den Pfeifen nach auswärts tretende, sich teilende Kanäle, deren feinste Ramifikationen in kleine geschlossene Anschwellungen mündeten. Es schienen sonach die Bronchialröhren mit kleinen Bläschen oder Träub- chen besetzt. « Einen bestimmteren Ausdruck hatte ich selbst im Jahre 1871 dieser Auffassung in Srrıiexers Handbuch der Lehre von den Geweben dureh eine viel reproduzierte Abbildung, welche nach Schnitten aus leider unvollständig injizierten Vogellunge entworfen ist, nebst fol- gender Darstellung gegeben: »In das die voluminöse Wandung der Pfeifen darstellende Parenchym führen von jeder wabenartigen Seiten- nische (des zentralen Luftganges der Pfeife) einige senkrecht und radiär zur Längsachse der Pfeifen gerichtete Gänge, welche anfangs einfach und gerade, sich bald baumartig, und zwar vorwiegend spitz- winklig diehotomisch verzweigen und schließlich in kleine seitliche und terminale längliche Blindsäcke auslaufen, welche bei starker Füllung durch Injektionsmasse noch mit zahlreichen buckelförmigen Vortrei- bungen besetzt erscheinen. « Von der Unrichtigkeit dieser meiner eigenen früheren Darstellung habe ich mich indessen später selbst an besser gelungenen Injektions- präparaten von verschiedenen Vögeln überzeugen können: und zwar bin ich schon längere Zeit vor dem Erscheinen der vortrefflichen Be- schreibung von Fısener gerade an der Lunge des Straußes hinsicht- lich des Luftkapillarnetzes zu Ergebnissen gekommen, welche, obwohl durch ein anderes Injektionsverfahren gewonnen, doch mit den von Fıscner erhaltenen im wesentlichen übereinstimmen. Von dem kurzen gedrungenen Stamm jedes Bronchiolus gehen beim Strauß einige Äste in radiärer Richtung ab. Diese strauchartig erscheinenden, im allgemeinen nur ganz kurzen Zweige lösen sich aber, sobald sie das vom respiratorischen Blutkapillarnetz durchsetzte sehwammige Parenchym der Parabronchienwand erreicht haben, so- fort in ein System nahezu gleichweiter, allseitig anastomosierender kapillarer Röhren von 6u bis 10% Durchmesser, der Luftkapillaren, auf, welche die rundlichen Lücken des respiratorischen Blutkapillar- netzes so vollständig ausfüllen, daß das eine System wie ein ne- gativer Abguß des anderen erscheint. Es fehlen also hier, ähnlich wie nach Huxrey beim Kiwi, die bei den meisten anderen Vögeln mehr oder minder weit in das re- spiratorische Parenchym radial vordringenden Zweige der Bronchiolen, die Bronchioli respiratorii, welehe zwar stets noch weiter sind als die ı Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. ı2, S. 433. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. IV. Luftkapillarnetz zwischen zwei Parabronchien; aus einer mit Karminleim vom « . ker Ss n. 250 Ostium praethoracale mediale aus injizierten Straußenlunge. Vergrößerung: 2. F.E. Scuurze: Die Lungen des afrikanischen Straußes. F. E. Scnurze: Die Lungen des africanischen Strausses. 431 eigentlichen Luftkapillaren, aber doch schon ebenso wie diese vom respiratorischen Blutkapillarnetz umsponnen werden. Obwohl meine Untersuchungen über die Frage nach der histo- logischen Beschaffenheit der Scheidewand zwischen den Luft- und Blutkapillaren noch nicht abgeschlossen sind, habe ich doch Grund, anzunehmen, daß die Wandungen beider ursprünglich selbständigen Kapillarsysteme zu einer Scheidewand verschmolzen sind, die sich aus den beiderseitigen Epithel- (bzw. Endothelzellen-) Lagen zusammen- setzt, wahrscheinlich aber auch zwischen diesen beiden Epithellagen noch eine sehr dünne hyaline Membran enthält. Ausgegeben am 30. April. Sitzungsberichte 1908. 40 435 SITZUNGSBERICHTE 1908. XX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 23. April. Sitzung der philosophisceh-historischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. “Hr. Burpacn las über »Schrift und Sprachbewusstsein im Althochdeutschen«. Die schriftliche Überlieferung des Althochdeutschen ruht auf der karolingischen Schriftreform und theilt mit dieser die grammatischen Tendenzen der christlich-litte- rarischen Renaissance Karr's des Grossen. Sie sucht mit den Mitteln der lateinischen ÖOrthographie auszukommen, giebt daher nur einen Compromiss zwischen den ge- sprochenen Lauten und einer fixirbaren Normalform. Darüber hinausgehende Ver- suche, Quantität und Satzphonetik (Enklise, Wortkürzung, Anlautsassimilation) zu be- zeichnen, dringen nicht dauernd durch. Die althochdeutsche Sprachwissenschaft muss in engerer Fühlung mit Ergebnissen und Metlıode der mittelalterlichen lateinischen Paläographie und Diplomatik und in gesteigerter Beachtung der urkundlichen Nieder- schriften unserer Sprachtexte die Bestimmung des graphischen oder lautlichen Werthes der mannigfach sich wandelnden Schreibungen einer Revision unterziehen. Ausgegeben am 30. April. 40) 435 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXL. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 23. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. vax'r Horr machte eine letzte Mittheilung aus seinen Unter- suchungen über die Bildung der oceanischen Salzablage- rungen: LII. Der Verband für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalzlagerstätten. Es wird über den Stand der Untersuchungen Bericht erstattet, welche unter Leitung des auf Initiative des Hrn. Rınse gegründeten Verbandes für Salzlagerfor- schung in Angriff genommen sind. Im Anschluss daran wird die Untersuchung des Hrn. Boeke über das Vorkommen von Brom und Jod in den natürlichen Salzbildun- gen vorgelegt. 436 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 23. April 1908. Untersuchungen über die Bildung der ozeanischen Salzablagerungen. (Schluß.) LI. DerVerband für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalzlagerstätten. Von J.H.van’r Horr. Mi der Bearbeitung der Borate von Kalium, Natrium, Caleium und Magnesium, welche die natürlichen Salzlager begleiten, ist die Auf- gabe, die ich mir bei Verfolgung derer Bildung stellte, erledigt. Die- selbe umfaßte allerdings nur einen Teil des ganzen Gebiets, und auch bei der erwähnten Einschränkung konnte die Lösung nur in großen Zügen gegeben werden. Dennoch ist damit eine zusammenfassende Darstellung möglich geworden, deren Abschluß sich als zweites und letztes Heft meines kleinen Werkes »Zur Bildung der ozeanischen Salz- ablagerungen« unter der Presse befindet. Inzwischen ist von anderer Seite und in umfassender Weise die Erforschung der deutschen Kalisalzlager in die Hand genommen, und da die so in Entstehung begriffenen Arbeiten manchen Anschluß an die meinigen bieten dürften, sei auch dieses Unternehmens zum Schluß dieser Veröffentlichungen Erwähnung getan. Die Initiative zur systematischen Durchforschung auf breiter Basis ging von Hrn. F. Rınse aus und wurde von Hrn. H. Precur und auch meinerseits nach Kräften unterstützt, so daß dem Projekt durch den Zweiten Deutschen Kalitag in Staßfurt (13. Mai 1906) eine vorläufige Gestaltung gegeben werden konnte in Form der nachher zu erwäh- nenden Leitsätze. Dieselben wurden einstimmig angenommen in der damaligen Versammlung, welche den Bezirksverein Sachsen-Anhalt und Hannover des Vereins Deutscher Chemiker sowie Teilnehmer aus der Kaliindustrie umfaßte. Diese Leitsätze waren folgende: 1. Die norddeutschen Salzablagerungen bilden eine Formation, welche bis jetzt einzig dasteht und welche durch den zur Gewinnung der Salze betriebenen intensiven Abbau teilweise als Dokument zu ver- schwinden droht. . Q cr 3 van'r Horr: Oceanische Salzablagerungen. LII. By) D Die Bildung derartiger Meeresausscheidungen hat in chemischer Beziehung eine weitgehende experimentelle Bearbeitung erfahren, erschöpfender wohl, als es bis jetzt für eine andere geologische Formation möglich war. Die Salzformationen sind in mineralogischer und geologischer Hin- sicht bis jetzt noch nicht hinreichend unter Zuhilfenahme der os neueren Hilfsmittel, wie sie z.B. die Herstellung und Untersuchung von Dünnschliffen an die Hand gibt, erforscht worden. 4. Die betreffende Salzablagerung ist auch chemisch bis jetzt nicht unter Hinzuziehung der neueren wissenschaftlichen Errungenschaf- ten, z. B. Trennung der einzelnen Mineralien, Radioaktivität u. del., systematisch bearbeitet. Die Carnegie Institution in Washington hat eine synthetisch-geo- oı . logische Untersuchung der plutonischen Gesteine in Angriff ge- nommen, welche in mancher Hinsicht mit der Verfolgung der neptunischen Bildungen (unter denen die Salzlager wohl die che- misch wichtigsten und leichtest zugänglichen sind) Hand in Hand gehen könnte. 6. Die vorstehend erwähnten Tatsachen lassen es wünschenswert er- scheinen, daß eine Zentralstelle geschaffen wird, in der vorläufig die wichtigeren Dokumente auf dem Gebiete der Salzablagerungen gesammelt, systematisch geordnet und mineralogisch, geologisch sowie chemisch untersucht werden. Mit diesen Arbeiten, welche etwa 5 Jahre beanspruchen dürften, könnte die Vorbereitung zur Aufstellung von Sammlungen aus den norddeutschen Salzlagern in einem kleinen Museum verbunden werden. Zugleich erscheint es zweckmäßig, die auf die Salzablagerungen usw. bezügliche Lite- ratur möglichst vollständig zu beschaffen und zusammenzustellen. Als inzwischen das Kalisyndikat, die Akademie der Wissenschaften und der Verein Deutscher Ingenieure materielle Unterstützung des ge- planten Projektes zugesagt hatten, wurden durch einen Ausschuß, mit Hın. Rınıe als Geschäftsführer, die Satzungen eines Verbandes für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalzlagerstätten aus- gearbeitet, welchem Verband alsbald über hundert Mitglieder sich an- schlossen. Ein Arbeitsprogramm' wurde, wesentlich von den HH. Rınse und PrecHt, entworfen, während ich meinerseits das in Druck befindliche zweite Heft der »Salzablagerungen« benutzen werde, um auf wünschenswerte Untersuchungen hinzuweisen. Die Durchführung dieses Programms ist der persönlichen Initiative, nach gemeinsamer Bera- ! Bericht über den Dritten Deutschen Kalitag, Zeitschr. für angewandte Chemie, 1907, IO4I. 458 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 23. April 1908. tung, überlassen mit Unterstützung des in obiger Weise gegründeten Salzfonds. Die folgenden Arbeiten sind in dieser Weise eingeleitet: Bırrz: Untersuchungen über das Vorkommen und die Verbreitung der Ammoniumsalze und der Borsäure in den Kalisalzlagerstätten. Ana- lyse silikatischer Einbettungen und der Salztone. Prüfung typischer Salzmineralien auf seltene Bestandteile. Borke: Physikalisch-chemische und mineralogische Studien über das Vorkommen von Brom und Jod in den Kalisalzlagerstätten. Die molekulare Konstitution des Üarnallits. GRAEFE: Untersuchung der Erdöle in den Kalisalzlagerstätten. JAENECKE: Untersuchungen von Kristallisationen aus den Schmel- zen der Salzgemische Chlornatrium, Chlorkalium, Chlormagnesium. Jonsson: Petrographische Studien über den Salzton und verwandte Gesteine. Nacken: Studien über die Kristallisation der Sulfate von Magne- sium, Natrium und Kalium aus der Schmelze. Pranprtr und Rısse: Untersuchungen über die Druckfestigkeit von Gips und Anhydrit. Preent: Studien in Salzbergwerken über den Zusammenhang zwischen Erdwärme und Radiumwärme. Przieyrra: Bestimmung des spezifischen Gewichtes von Kalisalzen und ihre Trennung mittels schwerer Flüssigkeiten. Reısısch: Petrographische Untersuchung der Sylvinite. Rınse: Petrographische Untersuchung eines Profils im Berlepsch- bergwerk. Schürze: Literatur über Kalisalze. SONMERFELDT: Kristallographische Studien über Natrium- und Ka- liumsalze. Stirre: Untersuchung der Salzhorste bei Hannover mit Rücksicht auf ihre geologische Stellung inmitten des umgebenden Gebirges und in bezug auf die Struktur des Salzkörpers. Tıersens: Löslichkeitsbestimmungen wichtiger Salze und Salz- gemische. VALENTINER: Studien über das Verhalten von Sylvin, Carnallit und Kainit gegen Wärmestrahlung. Wırke-Dörrurr: Vorkommen und Verbreitung von Rubidium und Lithium in den Kalisalzlagerstätten. JAEGER: Kristallisation der Chloride von Kalium und Magnesium sowie des Carnallits aus alkoholischer Lösung. Hocnsur: Analyse von Urlaugen. Cornv: Studien über die Farben der Kalisalze. Escnweiızer: Studien über die Gase in den Kalisalzlagern. van’r Horr: Oceanische Salzablagerungen. LIl. 439 Hauswaror-Benme: Sammlung photographischer Dokumente von Aufschlüssen in Kalisalzlagern. Von diesen Arbeiten ist diejenige des Hrn. Nacken erschienen. Die eine der von Hrn. Borke geplanten Arbeiten hat zu folgenden Ergebnissen geführt. Physikalisch-chemische und mineralogische Studien über das Vor- kommen von Brom und Jod in den Kalisalzablagerungen. Von Dr. H. E. Borke in Hannover. Im Anschluß an die Untersuchungen von van r Horr und seinen Schülern über die ozeanischen Salzablagerungen wurde durch zahl- reiche Kristallisationsversuche die Rolle des Broms und des Jods bei der Ausscheidung der Natrium-, Kalium- und Magnesiumhalogenide aus Lösungen studiert. Die Ergebnisse dieser Versuche wurden mit den natürlichen Vor- kommnissen verglichen. Bei der Feststellung des Kristallisationsschemas bezüglich der Lösungen und der Salze, bestehend aus Kalium, Magne- sium, Chlor, Brom und Wasser, bei 25° ergab sich, daß Magne- siumcehlorid- und Magnesiumbromidhexahydrat eine lückenlose Reihe von Mischkristallen bilden. Dasselbe ist der Fall beim Ka- liumehlorid und Kaliumbromid. Ebenso wie Magnesiumcehlorid und Kaliumehlorid ein Doppelsalz, und zwar nur ein einziges, den Carnallit, bilden, vereinigen sich Magnesiumbromid und Kaliumbromid zu dem chemisch mit Carnallit übereinstimmenden Doppelsalz MgBr,.KBr.6H,0. Andere Doppelsalze bestehen zwischen Magnesium- und Kaliumbromid bei 25° nicht. Der Bromearnallit unterscheidet sich in kristallographischer Hinsicht stark vom Carnallit, wenn sie auch beide dem rhombischen System angehören. Der Carnallit ist imstande, Brom in isomorpher Mischung auf- zunehmen, ebenso nimmt der Bromcarnallit Chlor in fester Lösung auf. Eine Lösung mit einem Molekularverhältnis von Brom zu Brom plus Chlor gleich 30.2 Prozent ist bei 25° mit den beiden Arten von Mischkristallen im Gleichgewicht. Die Analyse dieser Boden- körper ergab eine übereinstimmende chemische Zusammensetzung, während der kristallographische Unterschied keine Verwechselung der beiden Mischkristallarten zuläßt. Nach diesen Ergebnissen ist das ! Nachrichten der K. Ges. der Wiss. zu Göttingen. Math.-physik. Klasse 1907. Sitzungsberichte 1908. 41 440 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 23. April 1908. System Carnallit-Bromcarnallit als ein Beispiel einer isodi- morphen Reihe mit außerodentlich kleiner Mischungslücke anzusprechen. Den obengenannten Ergebnissen gemäß besteht das Raumdia- gramm der bei 25° gesättigten Salzlösungen, die aus Kalium, Magne- sium, Chlor, Brom und Wasser in beliebigen Verhältnissen zusammen- gesetzt sind, aus vier Flächen: ı. für die Sättigung an Kaliumchlorid- bromid-Mischkristallen, 2. an Doppelsalzmischkristallen von dem Car- nallittypus, 3. von dem Bromearnallittypus und 4. für die Sättigung an Magnesiumchlorid-bromidhexahydrat. Bei der Untersuchung der Kristalle, die sich aus gemischten Lösungen von Natriumehlorid und -bromid bei 25° bilden, wurde gefunden, daß Natriumehlorid nur eine geringe Fähigkeit hat zur Aufnahme von Brom in fester Lösung, auch wenn das Bromid in der Lösung im Vergleich zum Chlorid reichlich vorhanden ist. Bei einem Molekularverhältnis von Bromid zu Bromid plus Chlorid über 82.2 Prozent kristallisieren Dihydratmischkristalle von Natriumchlorid und -bromid aus, die mit dem schon bekannten Natriumbromiddihydrat isomorph sind. Weil in den Lagerstätten immer Steinsalz als Begleiter der Ka- lium- und Magnesiumsalze auftritt, wurde der Einfluß einer gleich- zeitigen Sättigung an Öhlornatrium auf die Bromaufnahme des Chlorkaliums und des Üarnallits studiert, und zwar bei kleinem Brom- gehalt der Lösung. Es zeigte sich, daß die Mitanwesenheit des Chlor- natriums keinen merklichen Einfluß ausübt. Umgekehrt vermehrt ein hoher Chlormagnesiumgehalt der Lösung die Aufnahme- fähigkeit des Chlornatriums für Brom auf ungefähr das andert- halbfache. Ebenso wurde beim Ghlorkalium eine gesteigerte Auf- nahmefähigkeit für Brom infolge eines hohen Gehalts an Magnesium- chlorid in der Lösung beobachtet. Dieses Verhalten ist von großem Interesse in Hinsicht auf das natürliche Vorkommen von Sylvinit und Hartsalz, welche aller Wahrscheinlichkeit nach aus chlormagnesium- reicher Lösung auskristallisiert sind. Zur Ermittlung eines Temperatureinflusses auf die oben be- schriebenen Mischkristallbildungen wurden bei kleinem Bromgehalt der Lösung ebenfalls Kristallisationen bei 45° ausgeführt. Ein merklicher Temperatureinfluß hat sich aber nicht gezeigt. Aus den obigen Kristallisationsversuchen konnte ein Schluß ge- macht werden auf den relativen Bromgehalt der einschlägigen Salze beim Kristallisieren aus einer Lösung mit einem bestimmten Verhältnis von Brom zu Chlor. Die so gefundenen Zahlen stimmten mit dem natürlichen Vorkommen gut überein. van'r Horr: ÖOceanische Salzablagerungen. LIl. 44] Zur näheren Prüfung der Verteilung des Broms in den Salz- lagerstätten wurde ein Profil der Staßfurter Ablagerung von der Anhydritregion bis zum grauen Salzton aufgenommen und jedes- mal über eine bestimmte Strecke der Brom-, Chlor- und Oarnallit- gehalt der Proben bestimmt. Es ergab sich, daß der Bromgehalt mit der Carnallitführung der Proben auf und ab geht, entsprechend der relativ großen Aufnahmefähigkeit des Carnallits für Brom. Der Brom- gehalt, bezogen auf 100 g Carnallit, war in der Kieseritregion größer als in der eigentlichen Carnallitregion, was wohl durch eine Zer- setzung des Bromids durch die Atmosphärilien in der infolge der Salzabscheidung untiefer werdenden Mutterlauge zu erklären ist. — Wie in Staßfurt wurde von mir auch in Salzdetfurth ein Profil der älteren Carnallitablagerung bearbeitet, desgleichen eins durch die jün- geren (deszendenten) Kalisalze der Salzdetfurther Lagerstätte. In bezug auf die horizontale Verteilung des Broms ergaben die Analysen einer Anzahl von Carnallitproben aus möglichst weit in dem deutschen Kalisalzbezirke verteilten Bergwerken einen nur wenig wechselnden Bromgehalt: in den zentralen Partien des Bezirks wurde dieser durchweg etwas größer gefunden als am Rande, was sich wohl wiederum durch eine Zersetzung des Bromids in den wahrscheinlich untieferen Randteilen des Salzmeeres erklären läßt. Auch der Sylvin der Lagerstätten wurde relativ stark brom- haltig befunden (etwa 0.25 Prozent Br), in Übereinstimmung mit den Kristallisationsergebnissen. Schließlich wurde die Frage studiert, ob Jod ebenso wie Brom das Chlor in den Natrium-, Kalium- und Magnesiumsalzen isomorph vertreten kann. Es ergab sich, daß dem Jod die Fähigkeit, in die ehemische Konstitution der Öhlorsalze unserer Lagerstätten einzutreten, abgeht. Das wahrscheinlich in dem eintrocknenden Zechsteinmeere vorhandene Jodid muß sich also in den Endlaugen an- gehäuft haben. Es wird dabei von der Atmosphäre zersetzt sein, wie in dieser Hinsicht angestellte Versuche wahrscheinlich machten. Das hier geschilderte Verhalten des Jods kann das Fehlen der Jodide in den Salzablagerungen erklären. Ist Jod in der Form von Jodat vorhanden gewesen, so muß es sich ebenfalls in den letzten Laugenresten angesammelt haben. Eine Zersetzung durch die Atmosphäre ist in diesem Falle aber nicht an- zunehmen. Auszegeben am 30. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesanmitsitzung am 30. April. (S. 443) Pıscnet: Ins Gras beissen. (S. 445) 1908. XXI. SITZUNGSBERICHTE BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $4l,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberielite« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 8 3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. ; Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines "Mannscripts ver muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitgliel es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben w RER so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Uberschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der ren und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder. der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) “ Kosten abziehen lassen. Aus $ 6. Dican die Druckereiabzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reiehende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Walıl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind ‘diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mitteilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste ne ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Kamen an (das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und‘ leichten Schreibverschen hinausgehen. Umfängliehe ‚ Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung redi- girenden Sceeretars vor der Einsendung an Be Druckerdi, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. ‘ FEAR Aus $ 8. f Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im '* Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenıen Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrncken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung olıne weiteres 50 Frei- &emplates er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Fermplae bis zur Zalıl von noeh 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Sceretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Case — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Sceretar weitere 200 Exemplare auf ‚ihre Rosen abziehen lassen. a Von den Sonderabdrucken aus den Arien er- hält cin Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- eremplare: er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, _ sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeißger Anzeige bei dem redigirenden. Secretar weitere a, Exemplare as ihre $ 17. \ Eine für die akademischen Schriften Her stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- von 443 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 30. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Pıscner las über die sprichwörtliche Redensart Ins Gras beissen. Die Redensart kann nicht getrennt werden von romanischen Redensarten, wie französisch mordre la poussiöre, italiänisch wmordere la terra, spanisch morder la terra. Dass im Deutschen Gras an die Stelle von Erde oder Staub getreten ist, erklärt sich aus einem alten, indogermanischen Brauch, der bei Indern, Italikern, Germanen und Slaven nachgewiesen wurde. Darauf gehen auch die Ausdrücke Strohmann und Stroh- witwe zurück. 2. Hr. Nernst legt eine Abhandlung von Hın. Dr. Eucken vor: »Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung: An- wendung auf die Nervenreizung«. (Ersch. später.) Verf. hat die Differentialgleichungen der Polarisation für obigen Fall integrirt und ist speeiell für das damit zusammenhängende Problem der elektrischen Nerven- reizung zu einer einfachen Beziehung gelangt, die sich dureh ein grosses Beobachtungs- material prüfen liess. 3. Hr. Dies überreichte das ersterschienene Heft des Corpus me- dieorum graecorum X ı,ı: Philumeni de venenatis animalibus eorum- que remediis ed. M. Werıvann. Leipzig u. Berlin 1908; Hr. VAantEn: M. Tulli Ciceronis Paradoxa Stoicorum etc. ed. OÖ. Prasgere. Fasc. |. Leipzig 1908; Hr. Russer die italiänische Übersetzung seines Lehr- buchs der Hygiene: Trattato d’Igiene, vol. I. II. Mailand 1906. 1908. 4. Die Akademie hat durch die physikalisch-mathematische Classe Hrn. Prof. Dr. Luporr Krest in Heidelberg zu einem Stoffwechsel- versuch bei Diabetes 1Soo Mark bewilligt, dagegen die im vorigen Jahre erfolgte Bewilligung von 2400 Mark zu Untersuchungen über die Veränderung der Wasserausscheidung durch Haut und Lunge bei Sitzungsberichte 1908. 42 444 Gesanmtsitzung vom 30. April 1908. Aufenthalt an hoch gelegenen Punkten zurückgezogen, da Hr. Krenı von der Ausführung dieser Untersuchungen hat Abstand nehmen müssen. Die Akademie hat das ordentliche Mitglied ihrer physikalisch- mathematischen Classe Hrn. Mösıus am 26. April, das auswärtige Mit- glied der philosophisch-historischen Classe Hrn. THuEoDoR von SIcKEL in Meran am 2ı. April und das correspondirende Mitglied der physika- lisch-mathematischen Classe Hrn. Franz vox Levoıe in Rothenburg 0.T. am 13. April durch den Tod verloren. PıscueL: Ins Gras beissen. 445 Ins Gras beißen. Von R. Pischerı. Am Anfange seines neusten Romans »Die Tanzmamsell« schildert Josepn Laurr den Tod des alten Postmeisters NaarıE IsGELAAT. Er er- zählt, daß der Dechant Dr. STEInBERGER zu dem Postmeister geht »mit den Heilssakramenten für christkatholische Menschen, die hier auf Erden nicht mehr mittun wollten« (S. 26), und daß bei dem Tone der Schelle, die der Meßjunge schwingt, die Leute aus den Häusern treten und verstört niederknien. Unter diesen Leuten befindet sich auch das Ehepaar Pırr Horruans, er, der Totengräber, sie, die Hebamme des Ortes. Es heißt dann wörtlich: »Und da knieten die beiden, wie die übrigen Menschen, sie, die sich freute, wenn sie so einem kleinen Wesen den Eingang ins Leben leichter machen konnte, und er, der sich einen Wacholder vergönnte, wenn einer den dunklen Salto mor- tale tat und ins Gras beißen mußte!.« Das ist die letzte Stelle, in der mir die Redensart Ins Gras beißen — sterben in der Literatur begegnet ist. Nach einer gütigen Mitteilung des Hrn. Professor Wvunperuicn, der den Buchstaben @ für das Grimm- sche Wörterbuch bearbeitet, findet sie sich zuerst im 13. Jahrhundert, hat aber dort nicht den Sinn von sterben, sondern wird von Schafen gebraucht, die weiden, bedeutet also soviel wie Gras fressen. In der Bedeutung sterben kommt sie zuerst vor bei Orrrz und bei Orrarms, also im 17. Jahrhundert”. Bei Orrarıus, Persianischer Rosenthal I, 19 heißt es: »Viel haben müssen in der Frembde Hungers halben ins Grasz beissen | dasz man nicht weisz | wer sie gewesen seynd: Ihrer viel sterben | umb denen keine Thränen vergossen werden. « Man könnte versucht sein, zwischen den Worten Hungers halben und ins Grasz beissen einen Zusammenhang herauszufinden und diese Stelle zur Erklärung der Redensart zu verwenden, etwa in dem Sinne, daß man annimmt, Ins Gras beißen sei ursprünglich von Menschen ge- braucht worden, die in größter Not wie die Tiere Gras essen und ! Joseprn Laurr, Die Tanzmamsell. Zwölftes Tausend. (Berlin 1908.) S. 25. ® Hr. Professor Wunperticn hat sein Material noch nicht durcharbeiten können. Seine Zusammenstellungen sind daher zunächst nur ein erster Versuch. 42* 446 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. erst allmählich von der Todesgefahr auf den Tod selbst ausgedehnt worden!. Die Stelle bei Orrarıus berechtigt indes zu einem solchen Schlusse nicht. Andere Stellen aber, die auf diese Erklärung hin- weisen, sind mir nicht bekannt. Man hat die Redensart Ins Gras beißen bisher auf dreifache Weise zu erklären versucht”. Einmal mit der sogenannten Notkommunion. Es war im Mittelalter üblich, daß Menschen, denen durch Mord oder im Kampfe ein schneller Tod drohte, Erdbrocken ergriffen und sie statt des Leibes Christi als letzte Wegzehrung zu sich nahmen. Es wird auch öfter erzählt, daß Laien Sterbenden, denen das heilige Abendmahl nicht mehr gereicht werden konnte, Erdbrocken in den Mund steckten, in der Überzeugung, daß die Wirkung dieselbe sein werde wie beim Grenusse des Sakraments. Statt der Erdbrocken werden auch Brotkrümehen und Grashalme erwähnt. Diese Erklärung ist jetzt wohl allgemein mit Recht aufgegeben worden. Grashalme werden bei der Notkommunion nur äußerst selten erwähnt, so daß es ganz unwahrscheinlich ist, daß sie Anlaß zu einer sprichwörtlichen Redensart gegeben haben sollten. Die zweite Erklärung geht auf Weıcann” zurück. Er meint, das Wort beißen sei nichts weiter als mittelhochdeutsch beizen, althoch- deutsch beizen — absteigen, dann auch soviel als unterliegen. Er führt aus dem Heldenbuche an 442, 28: da beist wolfdietereiche da nider in das gras und 361, 18: er beiste von dem rossen hin nyder auff das lant‘. Dieses beißen ist später Gebrauch für erbeizen der gebildeten mittel- hochdeutschen Literatur. So heißt es z. B. im Nibelungenlied 200, 3 ed. ZARNCKE: Dö si in het empfangen, er si hiez üf daz gras erbeizen mit den frouwen, swa3 ir dä mit ir was. ! Diese Möglichkeit läßt z. B. Seemann, Hannöversche Sitten und Gebräuche in ihrer Beziehung zur Pilanzenwelt (Leipzig 1862) S. 53 zu, nach WANDER, Deutsches Sprichwörter-Lexikon (Leipzig 1870) s. v. Gras. ® Rıcavrer, Deutsche Redensarten (Leipzig 1889), Nr. 22, S. 38; BorcharDT- Wusruans, Die sprichwörtlichen Redensarten inı deutschen Volksmunde, 5. Auflage (Leipzig 1895), Nr. 468, S. 183; Horrmann-Kraver, Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen CXVII, 142. Die dort erwähnte Arbeit von Forp war mir nicht zugänglich. Diese Hinweise verdanke ich Hrn. Rıcuarp M. MEveEr. ® Wörterbuch der deutschen Synonymen (Mainz 1852), I’ XX. * Die Zitate sind nach der Ausgabe von Kerrer (Stuttgart 1867), die Hr. Rorrne die Güte hatte für mich nachzuschlagen. Pıschen: Ius Gras beissen. 447 Aber weder erbeizen noch das in gleichem Sinne verwendete beißen wird in charakteristischer Weise mit Gras in Verbindung gebracht, ja, das Gras fehlt oft gerade da, wo wir es am ersten erwarten müßten, wenn die Redensart Ins Gras beißen auf dieses erbeizen zurückginge, nämlich, wo es sich um im Kampfe Verwundete oder Getötete han- delt, wie z. B. Nibelungenlied 32,7: In dem starken sturme erbeizte manec man nider von den rossen. Sprichwörtliche Redensarten pflegen nicht auf mißverstandene Worte zurückzugehen. Hier ist das um so unwahrscheinlicher, als beißen für erbeizen doch nur ausnahmsweise und gewiß nur dialektisch gebraucht wurde. Die dritte Erklärung ist hergenommen von der Tatsache, daß tödlich verwundete Krieger häufig im letzten Todeskampfe Sand, Erde oder Gras mit dem Munde erfassen. Dafür beruft man sich auf zahl- reiche Stellen in der Literatur von Honer an. So heißt es z. B. Ilias Il, 417 moneec A’ Am® AYTON ETAIPOI TIPHNEEC EN KONIHCIN ÖAAE AAIOIATO ralan, und XI, 748 AYo A’ AMmelc EKACTON SÜTEC ÖAAE Enon OYAAc Emb Yrid aoypl anmentec. Ähnlich sagt Vrreı, Aeneis XI, 418 procubuit moriens et humum semel ore momordit, X, 489 et terram hostilem moriens petit ore cruento, und Ovın, Metamorphoses IX, 61 arenas ore momordi. Dar- aus sind die romanischen Redensarten mordre la poussiere, mordere il suolo, mordere la terra, morder la tierra u. a. entstanden. Auch gegen diese Erklärung scheint zu sprechen, daß nur äußerst selten in dem erwähnten Falle vom Grase die Rede ist. Nun meint zwar Jacos Griun', daß Erde, Staub, Gras als Symbol genommen immer denselben Sinn haben, und unter anderen Beweisen führt er unser Ins Gras beißen an, verglichen mit dem französischen mordre la poussiere. Bloßer Austausch der Symbole dürfte aber kaum zur Erklärung einer sprichwörtlichen Redensart genügen. Erde und Staub sind leicht verständlich, Gras nicht in demselben Maße. Die deutsche Redensart von den romanischen zu trennen ist aber nicht möglich, und die für diese aufgestellte Erklärung durchaus wahrscheinlich. Es fragt sich also nur, ob es einen Weg gibt, auf dem man nachweisen kann, wie an Stelle der Erde und des Staubes das Gras getreten ist. Und diesen glaube ich in einem Brauche zu finden, der sich bei Indern, Italikern, Germanen und Slaven nachweisen läßt, also indo- germanisch sein wird, nämlich in der Sitte, in bestimmten Fällen Gras in den Mund oder in die Hand zu nehmen. Bereits Liesreent” hatte bei Besprechung dieser Sitte geäußert, man denke hierbei an die deutsche Redensart Ins Gras beißen, ob- ! Deutsche Rechtsaltertümer 1, 134. ® Heidelberger Jahrbücher der Literatur (Heidelberg 1870) 63, S. 748. 448 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. wohl diese etwas Verschiedenes, wenn auch Verwandtes bedeute. Später aber hat er jeden Zusammenhang abgewiesen‘. Mit dem Materiale, das Liesreenr vorlag, ließ sich auch der Beweis nicht gut führen. Die Inder, die auf kulturhistorischem Gebiet oft einigermaßen gut- machen, was sie auf rein historischem sündigen, bieten aber viel mehr Material, und es lohnt sich auf alle Fälle, dies zusammenzustellen, da es die Möglichkeit einer genaueren Erklärung der Redensart Ins Gras beißen immerhin nahelegt. Erzior? s. v. dant tinkä sagt: The taking a straw, or piece of grass, in the mouth, to deprecate anger, or to express complete sub- mission. The action is generally accompanied by standing on one leg, which puts the supplieant in a ludierous position. The custom shews the reverence of the Hindüs for the cow, the action implying, »I am your cow, and therefore entitled to your proteetion«. The custom is very old, and is alluded to in the inscription on the Lat of Firoz-Shah, at Dehli: »Tears are evident in the eyes of the en- emy’s consort; blades of grass are perceived between thy adversaries’ teeth« (As. Researches Vol. VI, p. ı80). The image also is not re- jeeted by the poets. Muhammad Aman Nisar says: » When the aftlieted lover shewed his sallow face, Käfür, through fear, seized the grass with his teeth«. Die Inschrift, die Errior zitiert. rührt von dem Cahamana Visa- ladeva-Vigraharäja her, dem Sohne des Avelladeva, von Sä- kambharı. Sie wurde zuerst vollständig von ÜOLEBROOKE 1801 heraus- gegeben’, zuletzt von Kırrnorn‘, der als ihr genaues Datum den 9. April 1164 festgestellt hat. Der Anfang lautet: ambho nama ripupriyanayanayoh pratyarthidamtäntare pratyaksani trnani vaibhavamilatkastham yasas tavakam | was Kırrnory übersetzt: »Tears forsooth are in the eyes of (tlıy) enemy’s consort; blades of grass are perceived between (thy) adver- sary's teeth;: thy fame fills the quarters with its glory.« KıELHoRN hat dazu die Anmerkung ÜoLEBrookes veröffentlicht, wie sie sich in verbesserter Gestalt in dem Exemplar der Asiatic Researches findet, das ÜoLEBROOKE gehörte und jetzt in der Universitätsbibliothek von ! Zur Volkskunde (Heilbronn 1879), S. 384- Supplement to the Glossary of Indian Terms (Agra 1845) — Memoirs on the History, Folk-lore, and Distribution of the Races of the North-Western Provinces of India. Edited, revised, and re-arranged by Joun Beanes. 2 voll. (London 1869) I, 240. — däanttinkd — ala InGEnI bedeutet »Gras [zwischen den] Zähnen«. ® Asiatic Researches VII, 179 fi. * Indian Antiquary XIX, 215 ff. (1890). Vgl. A List of the Inseriptions of Northern India (Caleutta 1899), Nr. 144. Pıscuer: Ins Gras beissen. 449 Göttingen ist: »This alludes to the Indian custom, by which biting a blade of grass is a token of submission, and of asking quarter.« ÜOLEBROOKE ist also, soweit ich feststellen kann, der Erste gewesen, der die indische Sitte erwähnte, und zwar spricht er von »biting a blade of grass«. Die Ansicht Erriors, die Sitte sei aus der Verehrung zu erklären, die die Inder für die Kuh haben, ist schon deshalb unrichtig, da sie, wie wir sehen werden, indogermanisch ist. Auch Liesreent weist sie als irrig ab. Die Sitte ist auch in Indien älter als die Verehrung der Kuh. Zwei weitere Belege hat Frerr aus Merutungas Prabandhaeinta- mani beigebracht‘. Merutunga hat seinen Prabandhaeintamani im Jahre 1306 verfaßt. Er erzählt dort S.S2 ff. die Geschichte des Dha- napala, der von seinem Bruder Sobhana zur Jaina-Religion bekehrt wird. Dhanapäla und Sobhana sind uns aus der Literatur gut be- kannt. Dhanapala ist der Verfasser eines Prakritwörterbuchs, der Paäiyalacchi, das er seiner eigenen Angabe nach im Jahre 972 n. Chr. verfaßt hat, eines Hymnus auf den Jina Rsabha in 50 Strophen in Jaina-Maharastrı und anderer Werke in Sanskrit, von denen uns nur Bruchstücke in Zitaten bekannt sind’. Sobhana ist der Verfasser der Caturvimsatijinastuti »Loblied auf die 24 Jina«°. Obwohl als Zeit des Dhanapala das 10. Jahrhundert ganz feststeht, versetzt ihn Meru- tunga doch in die Zeit des Königs Bhoja, also ins ı1. Jahrhundert. Merutunga erzählt unter anderm, dafß Bhoja einst eine Gazelle mit einem Pfeile durchbohrte und erwartete, daß Dhanapala diese Tat verherrlichen werde. Dhanapala aber machte dem Könige Vorwürfe, und als dieser darüber zornig wurde, sagte Dhanapala S.93 = 8.55 der Übersetzung von Tawser: vairino pi hi mucyante pranänte trnabhaksanät | Irnaharah sadaivaite hanyante pasavah katham ' »Selbst Feinde erhalten die Freiheit, wenn sie bei Lebensgefahr Gras essen. Warum wird das Vieh getötet, das immer Gras frißt?« Die zweite Stelle bei Merutunga steht auf S. 300 = S.ı89 der Übersetzung von Tawner: nätho nah Paramardy anena vadananyastena samraksitah | Prthvrrajanaradhipad iti trnam tatpattane pajyate ! Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland (JRAS.) 1906, S.173, Anm.1. ®2 Bünter, Päiyalacchi S. 5 ff.; Pıscuer, Grammatik der Präkrit-Sprachen $ 20. 35. ® Jacosı, ZDMG. 32, 509 ff.; Kävyamäla, Part VII, S.132 ff. * Bömrrisek, Ind. Sprüche ? 6294 liest sadaiva te. 450 Gesanımtsitzung vom 30. April 1908. »Weil unser Herrscher Paramardin durch Gras, das er in den Mund nahm, vor dem König Prthviraja gerettet wurde, wird in dessen (Paramardins) Stadt das Gras verehrt.« Die erste Strophe hat Bönrrınex aus dem Subhasitarnava in seine Indische Sprüche ° 6294 aufgenommen ohne Angabe des Verfassers. Die zweite wird von Särhgadhara in seiner Paddhati 1254 zitiert und dem Vinayakapandita zugeschrieben, über den wir nichts wissen'. Da nach inschriftlichem Zeugnis” Paramardin von Prthviraja im Jahre samvat 1239 — 1183 n. Chr. besiegt wurde, kann Dhanapala nicht Verfasser der Strophe sein, wie Merutunga angibt. irmam bhaks » Gras fressen« wird gewöhnlich von Tieren gebraucht, wie gleich hinter der ersten Strophe Prabandhaeintamani 93, 14 von einem Ziegenbocke: samtustas Inmabhaksanena satatam »ich bin damit zufrieden, immer Gras zu fressen«. Aber man braucht es auch von Menschen, wie Ramayana 2, 21, 26 ed. Parab = 2, 18, 29 ed. Gorresio, wo Kausalya zu Rama sagt: twadviyogan na me karyam jivitena sukhena ca tvaya saha mama sreyas trnanam api bhaksanam »In der Trennung von dir gibt es für mich kein Leben und Glück: lieber will ich mit dir Gras essen.« In Stellen, wie dieser, stehen sich Tod und Grasessen ganz nahe. Wie in der ersten Strophe aus dem Prabandhaecintamani wird es auch Brhannaradıyapurana 8, 35 von flüchtigen, in Furcht befindlichen Kriegern gebraucht: ke cid vikirnakesas ca valmtkopari samsthitäh trnanı) abhaksayan ke cin nagnas ca vivisur jalam »Einige stellten sich mit flatterndem Haare auf Termitenhügel, einige aßen Gras, einige stürzten sich nackt ins Wasser. « Auch in erheblich älteren Stellen als den bisher angeführten wird stets hervorgehoben, daß das Gras in den Mund genommen wird. So sagt Bana, der im 7. Jahrhundert schrieb, Harsacarita 132, Io (ed. Pırag and Vaze. Bombay 1892) von dem König Prabhakaravardhana: yah parakiyenapi kataravallabhena ranamukhe Irmeneva dhrienalajjata jivi- tena »der sich schämte, wenn im offenen Kampfe ein Feind am Leben blieb, geradeso wie über das Gras, das Feiglingen lieb ist, selbst ! Ob er identisch ist mit dem im Bhojaprabandha 14, 2 (ed. Bombay 1896) er- wähnten Vinäyaka, wie Aurreer'r meint (Catalogus Catalogorum ], 577), ist zweifelhaft. ® Kıeruorn, A List of the Inseriptions of Northern India No. 176. Pıscnen: Ins Gras beissen. 451 wenn es von einem Feinde im Munde gehalten wurde«'. Der Kom- mentator bemerkt dazu: irnam kätarair mukhe dhriyate »Gras wird von Feiglingen im Munde getragen«. Der König schämte sich, wenn er im Kampfe einen Feind am Leben ließ, und er schämte sich sogar, wenn er einen Feind sah, der Gras im Munde hielt, weil dieser sich dadurch als Feigling erwies, und der König gezwungen wurde, ihn zu schonen. Im Jaiminıya Asvamedhaparvan 32, 29. 30 heißt es von dem Heere des Laksmana: gacchat@ tena sainyena krtah Suskah samudragah saritah parvatas curnıbhüta vajikhurair drdhaih | 29 vipinani sthalämy @sams trnam Satrumukhe sthitam | 30 » Von dem marschierenden Heere wurden die zum Meere fließenden Ströme ausgetrocknet, von den starken Hufen der Pferde wurden die Berge in Staub verwandelt, die Wälder wurden zu Flächen, Gras be- fand sich im Munde der Feinde. « Mahabharata 12, 98, 49 wird als Kriegsregel aufgestellt: vrddhabalau na hantavyau na ca siri naiva prsthatah Irnapürnamukhas caiva tavasmiti ca yo vadet »Greise und Kinder darf man nicht töten, keine Frau, und nicht von hinten, keinen, der Gras im Munde hat, und keinen, der spricht: Ich ergebe mich dir.« Bis in die Zeit des Buddha, also ins 5. Jahrhundert v. Chr., wird die Sitte verlegt in einer Erzählung, die uns Buddhaghosa in seinem Kommentare zum Dhammapada S. 212 ff. mitteilt”. Prasenajit, der mächtige König von Kosala, hatte die Erfahrung gemacht, daß die buddhistischen Mönche ihm nicht trauten. Um ihr Vertrauen zu ge- winnen, beschloß er, sich mit Buddha zu verschwägern. Er schickte Boten zu den Säkyas, dem Geschlechte, aus dem Buddha stammte, und ließ um ein Säkyamädchen als Frau bitten. Die Säkyas gerieten dadurch in große Verlegenheit. Sie konnten dem Könige, der ihr Oberherr war, die Bitte nicht abschlagen, da er sie sonst vernichtet haben würde. Anderseits hielten sie ihn nicht für ebenbürtig, da ! Cowerr und Tuomas übersetzen S. 101: »even an enemy’s life, that coward’s darling, when kept like a straw in the mouth of battle, filled him with shame«. Es handelt sich aber um ein durchgeführtes Wortspiel yah paraktyena jwitena ranamukhe dhrtena alajjata und yah paraktyenapi mulkhe dhrtena trnena alajjata. Das Adjektiv kätaravallabhena gehört sowohl zu jwitena wie zu Zrnena. ® Vgl. dazu Jätaka IV, 1ı44ff.; Avadänakalpalatä 11; Harpy, A Manual of Budhism S. 283f.; Ruys Davıos, Buddhist India S. roff., und besonders Freer, JRAS. 1906, 167 ff. 452 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. sie auf ihr Geschlecht überaus stolz waren, das sie bis auf Iksvaku, einen alten König aus dem Sonnengeschlechte, zurückführten. Auf Rat des Mahanama, eines Onkels des Buddha, schickten sie dem Pra- senajit als echte Säkyatochter ein schönes Mädchen, die Väsabha- khattiya, die Mahanama mit einer Sklavin erzeugt hatte. Es gelang ihnen, den König zu täuschen. Prasenajit erhob die Tochter der Sklavin zu seiner Hauptgemahlin und erzeugte mit ihr den Vidudabha. Bei einem Besuche, den der sechzehnjährige Vidudabha den Säkyas in Kapilavastu machte, kam der Betrug an den Tag. Eine Sklavin wusch die Bank im Rathause', auf der Vidudabha gesessen hatte, mit Milch und Wasser ab, weil, wie sie schimpfend bemerkte, darauf der Sohn der Sklavin Vasabhakhattiya gesessen habe. Das hörte ein Soldat des Vidudabha, der dorthin kam, weil er seine Waffe vergessen hatte, und erzählte es weiter, so daß es bald das ganze Heer wußte. Vidudabha schwur, wie die Säkyas Jetzt die Bank, auf der er gesessen habe, mit Milch und Wasser abwaschen ließen, so werde er, sobald er König geworden sei, die Bank mit dem Blute ihres Halses abwaschen lassen. Als er nun auf den Thron gekommen war, zog er mit einem großen Heere gegen die Säkyas. Dreimal trat ihm Buddha entgegen und veranlaßte ihn, umzukehren. Beim vierten Male aber ließ Buddha ihn gewähren, weil er erkannte, daß die Folgen einer Sünde, die die Säkyas in einer früheren Geburt verübt hatten (sie hatten Gift in einen Fluß geworfen), nicht aufzu- halten seien. Es kam zur Schlacht, und Vidudabha gab den Befehl, alle zu töten, die sich Säkyas nannten, und nur die am Leben zu lassen, die in der Nähe seines Großvaters Mahanama ständen. Dann heißt es bei Buddhaghosa wörtlich weiter: Sakiya gahetabbagahanam apassant@ ekacce tinam dasitv@ ekacce nalam? gahetva atthamsu | tumhe Sakiya no ti pucchit@” te pana yasma te maranta pi musavädam na bhananti tasma@ tinam dasilv@ thil@ no sako tinam ti va- danti nalam’ gahetv@ thita no sako nalo ti vadanti | te ca® Mahanamassa® santike thit@ ca’ jiwitam labhimsu | tesu tinam dasitv@ thita Tinasakiya nama nalam gahelva tita Nalasakiya nama jata | avasese khirapayake pi darake avissajjetv@ ghätäpento lohitanadim pavattetva tesam galalohitena phalakam dhoväpesi | evam Säkiyavamso Vidudabhena ucchinno | Statt Satthagare ist Dhammapada 217, 25. 31 zu lesen santhagare. ® Ed. ndlam. Ed. pucchi. * Ed. nalam. 5 Ed. tesu. ° Ed. add. ca. " Ed. om. thita ca. Pıscuer: Ins Gras beissen. 453 »Da die Säkyas keinen Ausweg sahen, so bissen einige in Gras, andere ergriffen ein Schilfrohr. Und als sie gefragt wurden, ob sie Säkyas seien oder nicht — auch dem Tode nahe reden sie nicht die Unwahrheit —, so sagten die, die in Gras gebissen hatten: »Es ist nicht Gemüse (s@%o), (sondern) Gras«, und die, die ein Schilfrohr er- griffen hatten: »Es ist nicht Gemüse, (sondern) ein Schilfrohr.« Und diesen und denen in der Nähe des Mahanama wurde das Leben ge- schenkt. Die, die in Gras gebissen hatten, wurden »Gras-Säkyas«, und die, die ein Schilfrohr ergriffen hatten, wurden »Schilfrohr-Säkyas« genannt. Alle anderen, sogar die Kinder an der Mutterbrust, ließ (Vi- dudabha) ohne Ausnahme töten, und indem er einen Strom von Blut hervorbrachte, ließ er mit dem Blute ihres Halses die Bank abwaschen. So wurde das Geschlecht der Säkyas von Vidudabha vernichtet. « Sanskrit s@ka, Pali s@aka bedeutet »Gemüse«. Nach den Laut- gesetzen der neuindischen Sprachen, die sich in der Sprache der ältesten Inschriften vielfach wiederspiegeln, kann sich aber auch Sanskrit Sakya in Saka wandeln. Sanskrit Sakya erscheint im Päli als Sakiya, Sakya und Sakka, im Prakrit als Sakka. Statt kurzem Vokal mit folgender Doppelkonsonanz zeigen die Volkssprachen in der Regel langen Vokal mit einfachem Konsonanten. So wird Sanskrit bhakta (Speise, Nahrung) im Pali und Prakrit bhatta, aber in Maräthı, Gujaraätı, Bangalı, Oriya, Hindı dA@t. Sanskrit putra (Sohn) wird im Pali und Prakrit putta, aber in Biharı p@t; Sanskrit karna (Ohr) wird im Pali und Präkrit zu kanna, aber Biharı kan!. Das Gesetz wird gerade in den östlichen Sprachen, um die es sich hier handelt, streng durch- geführt. Wie nun Sanskrit und Pali vakya (Rede) im Prakrit zu vakka, in Maithilı aber zu bak wird’, so konnte im Dialekt der Säkyas genau entsprechend aus Sakya werden Saka. Wenn also die Säkyas auf die Frage, ob sie Säkyas seien, antworteten no s@ko tinam, so bedeutete das sowohl: »Ich bin kein Säkya, (beachte das) Gras (und schone mich!)« als »Das ist kein Gemüse (s@ko), (sondern) Gras«. Wir müssen an- nehmen, daß sowohl im Dialekte der Leute des Vidudabha als in dem der Säkyas, die beide dem östlichen Indien angehören, das Sanskrit- wort Sakya neben der durch die Piprävä-Inschrift belegten Form Säkiya auch die Form S@ka hatte. Es ist also nicht nötig, mit Frerr” vor- auszusetzen, daß der Sprecher war »mumbling his words, of course, ! HoerntE, A Comparative Grammar of the Gaudian Languages (London 1880) $ 145, 147. ® GrıErson, An Introduction to the Maithilı Language of North Bihar (Caleutta 1881, 1832) II, S. 217. ® JRAS. 1906, S. 173. Die Ausführungen von FLerr, a. a. 0. S. ı62f. sind sprachlich ganz unrichtig. i in Sakiya ist natürlich Teilvokal. Sakiyanam der Pipräva- Inschrift kann unmöglich = svakiyanam sein. 454 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. so that they sounded as if he said, though he would not really say: No Säakiyo«. Die Worte enthalten eine reservatio mentalis. Buddhaghosa, der in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. lebte, hat gute, alte Quellen benutzt. Es ist daher nicht unwichtig, festzustellen, daß er den Ausdruck finam dasitv@ = Sanskrit /rnam damstva gebraucht, was ganz wörtlich »ins Gras beißend« oder »in Gras beißend« ist. Die Erzählung von der Vernichtung der Säkyas ist ohne Zweifel historisch. Gerade der Umstand, daß Buddhaghosa nicht, wie andere Quellen, das ganze Geschlecht der Säkyas untergehen läßt, sondern nur einen Teil, spricht für die Treue der Überlieferung. Ebenso die bestimmte Angabe, daß ein Teil der Säkyas später Tina- sakiya »Gras-Säkya«, ein anderer Nalasakiya »Schilfrohr-Säkya« genannt wurde. Das war gewiß kein Ehrentitel, sondern eine Bezeichnung, die ihnen wegen ihres feigen Verhaltens beigelegt wurde. Die Ver- nichtung der Säkyas und die Zerstörung von Kapilavastu fand der Tradition nach drei Jahre vor Buddhas Tode statt, also um 483 v. Chr. Die Sitte, ins Gras zu beißen, um sich vor dem Tode zu retten, wird uns also durch die Erzählung für das 5. Jahrhundert v. Chr. bezeugt. Für die Neuzeit zitieren Cowerr und Tnuomas (Harsacarita S. 101, Anm.4) aus Acworth’s Maratha Ballads S.43: And 'twixt the teeth a straw is fit For curs who arm but to submit. Nach Moreswortn, A Dietionary, Maräthı and English, Second Edition (Bombay 1857), s. v. &jet ist ini er (A, AST) ruf » mit den Zähnen Gras halten« = to humble one's self; to acknowledge defeat or subjeetion; to profess submission, und nach s.v. Falls (Holeus Sorghum) ist Falls ai ruf — to seek refuge with, or acknowledge subjeetion unto: also to deelare poverty and destitution. Für das Hindustanı gibt SmarespeAr, A Dietionary, Hindustanı and English, Second Edition (London 1820), für das Hindı Barte, A Dic- tionary of the Hindee Language (Benares 1875) s. v. tink@ die Redens- art: link@ dänton meh len@ »Gras zwischen die Zähne nehmen« im Sinne von to make submission, confess inferiority, or ask for quarter. War kein Gras zur Hand, so steckte man statt des Grases die Finger in den Mund. So erzählt Kalhana, Rajataranginı 7, 36, von den beiden Begleitern des Tunga, daß es ihnen, als Tunga im Kö- nigspalaste ermordet wurde, schleunigst in den Leib kam', und daß ! Die Entleerung bei Angst wird von Menschen und Tieren oft erwähnt; z.B. Mahäabhärata 3, 119, I4; 146, 46. 49; 5, 83, 56; 6, 1, 18; 44, I2; 7,18, Io; 88, 24; 115, 28; 129, 18; 156, 68; 175, 38; 8, 61, 74; 9, 25, 325 10, 8, 91; Anguttaranikäya IV, 33; Samyuttanikäya XXIl, 78, 5; Jätaka II, 342, 25; Mahävastu II, 70,9. Nach Gellius, Noctes Atticae XIX, 4 hatte Aristoteles in den Problemata physica darüber gehandelt. PıscHheL: Ins Gras beissen. 455 sie, um geschont zu werden, viehisch die Finger in den Mund steekten und ihre Waffe fallen ließen: tabhyam äsuvirekibhyam tranartham seahgulir mukhe | ksipadbhyam pasuvat tatra Sastram trasavasa) Jahe Stem vergleicht in seiner Übersetzung I, 274, Anmerkung, ganz richtig die Finger mit dem Gras. Er meint, offenbar im Anschluß an Erriors oben S.448 erwähnte Erklärung, Menschen seien dadurch un- verletzlich geworden, daß sie sich symbolisch als Tiere bezeichneten. Das ist aber in dieser Allgemeinheit noch weniger richtig als Eruors Erklärung. Tiere werden doch viel unbedenklicher getötet als Menschen, und die erste auf S. 449 angeführte Strophe spricht direkt gegen Sreins Erklärung. In der Rajataranginı soll pasurat »wie das Vieh«, »viehisch « offenbar auf das sonst übliche Gras hinweisen. Es liegt also ein abge- kürzter Vergleich (Zuptopamä) vor. Die Begleiter Tungas steckten die Finger in den Mund, wie sonst in gleicher Lage nach Art des Viehes Gras in den Mund genommen wird. Ich komme darauf gleich noch zurück. Mit dieser Verwendung des Grases als Beruhigungsmittel steht scheinbar im Widerspruch, daß Gras und Wasser zur Herausforde- rung gebraucht wird. Auf diese Sitte haben Tawner' und Freer” auf- merksam gemacht. Prabandhaeintamani S.161 = S.97 Tawner wird erzählt, daß der Digambara Kumudacandra dem gelehrten Svetämbara Srideva, um ihn zur Disputation zu veranlassen, Gras und Wasser ins Zimmer werfen ließ (@sraye satrnam udakam praksepitavan), und S.274 — 172 Tawney tut dasselbe der Svetämbara Malla mit den Buddhisten (saugatamathesu trnodakapraksepa). Der Zusammenhang läßt keinen Zwei- fel daran, dal von einer Herausforderung die Rede ist. Das Gras spielt aber dabei dieselbe Rolle wie in der Sitte des Grasbeißens. Den Gegnern wird das Gras hingeworfen, damit sie es in den Mund nehmen und sich dadurch als besiegt erklären sollen. Ein Grashalm ist das Bild der Schwäche und Wertlosigkeit. Man gebraucht irnam kr oder trnekr oder trnavat kr oder trnam man, trnäya man u. dgl. »für Gras achten«, wenn man ausdrücken will, daß man etwas gering schätzt oder verachtet. Als Ravana der Sıta einen Heirats- antrag macht, da weist sie ihn ab: irnam antaratah krtv@ (Mahabharata an 20007, Ramayana 3,56, T ed., Parab’— 3, 62,.1..ed. Gorresio) = regarding him as something less than a straw (Protap Chandra Roy III, 829 mit Anmerkung) —= disprezzando come vil cosa Rävano (Gorresio VII, 5). Vgl. Horkıss, The Great Epic of India (New York 1902) S. 415 und BöHtuiser s. v. frna. In denselben Gedankenkreis gehört es, wenn ! Prabandhacintämani S. 97, Anm. 6. ®2 JRAS. 1906, S. 173, Anm. r. 456 Gesammtsitzung von 30. April 1908. König Hariscandra sich Gras auf den Kopf legt, als er sich als Sklave verkaufen will (Candakausika 50, 2 ed. Cale. samvat 1924). Er will damit andeuten, daß er sich in fremde Hände zu geben bereit ist!. LiegrecHt, der eine ähnliche Sitte auch für Deutschland bezeugt, verweist noch auf Caurgerr, Popular Tales of the Western Highlands I, 304: »he went to the fair and he took a straw in his mouth, to show that he was for taking service«. Tawsey (Prabandhacintamani S. 210, wo ZacuArIAE bereits auf LieBRECHT, Grium und das Canda- kausika verwiesen hat), erwähnt, daß es in alter Zeit in England Sitte war, daß Leute, die.sich als falsche Zeugen verdingen wollten, mit Strohhalmen im Munde dasaßen. Daraus erklärt sich, daß eine Person, die zu einem Unternehmen nur ihren Namen hergibt, also vorgeschoben wird, im Englischen a man of straw, bei uns »ein Strohmann« genannt wird. Im Sanskrit heißen die Menschen nachgebildeten Figuren, die man zum Verscheuchen des Wildes und der Vögel aufstellt, /rnapurusaka (Kadambarı ed. Peterson ° 224, 3), Prakrit tanapurisa (Hala 751) »Stroh- mann«. Im Slang der englischen Buchdrucker ist grass-hand — »der Stellvertreter des Setzers«. Und so wird auch das englische grass- widow, grass-widower, unser Strohwitiwe, Strohwitwer in diesen Zusammen- hang gehören. Im Slang Dietionary wird grass-widow erklärt mit: »an unmarried mother; a deserted mistress«. In Indien aber wird es mit einem Schatten von Bosheit auf Frauen angewendet, die von ihren Männern getrennt leben, besonders wenn sie sich im Gebirge erholen, während die Männer in der Ebene ihrem Amte nachgehen’. Das ist auch unser Gebrauch von Strohwitwe. Mit dem Bilde des Grases oder Strohes verbindet sich hier zugleich der Begriff des schnell Vorüber- gehenden, der Schutzbedürftigkeit und, was wir wenigstens jetzt oft hineinlegen, der Bereitwilligkeit, sich hinzugeben. Der Strohwitwer wird erst nach dem Muster der Strohwitwe geprägt sein. Das Wasser, das in den Erzählungen im Prabandhaeintamani noch zu dem Grase hinzugefügt wird, soll die Siegesgewißheit und Gering- schätzung gegenüber den Gegnern noch besonders betonen. In der Nasik-Inschrift 2, 4 (Epigraphia Indica 8, 60) wird von dem Könige Siri-Satakani Gotamıputa gesagt, daß seine furchtlose Hand feucht war durch das Wasser, das er verteilte, um Schutz zu gewähren (abhayo- dakadanakilinanibhayakarasa). Bei Geschenken, Schwüren, Flüchen goß ! Das Programm des Dordrechter Gymnasiums von J. S. WARREn: Alcestis en Savitri, Mythologie en Poesie. — De Stroohalm als Rechtssymbol (Dordrecht 1882; vgl. Friepericı, Bibliotheca Orientalis 7, 39, Nr. 629), das Frrrze in seiner Über- setzung des Candakausika S. 49, Anm.**) erwähnt, habe ich nicht benutzen können. ® Yure and Burnerr, Hobson-Jobson. Second Edition (London 1903) s. v. Grass-widow. Pıscner: Ins Gras beissen. 4517 man zur Bekräftigung Wasser über die Hände oder berührte Wasser'. Damit steht ferner in Verbindung der Glaube, daß die Dämonen nicht das Wasser überschreiten, weshalb man einen Scheidenden nur bis ans Wasser begleitete; ferner, daß ein mit Wasser gefüllter Krug als glückbedeutend galt, weshalb er dem von der Reise Heimkehren- den ins Haus gestellt wurde, und anderes, worauf ich hier nicht näher eingehen will”. Der Gebrauch des Grases läßt sich bis in die vedische Zeit hinein verfolgen. CowerLn und Tnomas haben (Harsacarita S. S, Anm. ı) bereits darauf hingewiesen, daß im Atharvaveda 6,43 das Darbha-Gras als Mittel gegen den Zorn (vimanyuka) verwendet wird. In den Liedern Atharvaveda 19, 23—30. 32.33 wird ein Amulett aus Darbha-Gras als Mittel angepriesen, lange zu leben, den Tod durch Alter zu finden MOE28.2° 30,7:732.17.3 532 3,7). die Beinde zu vernichten\(t9, 28,,14L.; 29, 1fl; 30,4; 32,5.6), den Träger bei allen Menschen beliebt zu machen (19, 32,8). Dem Darbha-Gras werden 100 Panzer und 1000 Kräfte zugeschrieben (19, 30, 2); es wird Panzer der Götter und des Indra und den Körper schützend genannt (19, 30, 3.4) Wer es bei sich trägt, dem scheren sie nicht die Haare ab, und ihn trifft kein Schlag auf die Brust (19, 32,2). Als das Darbha-Gras entstand, da brüllte Parjanya im Meere unter Blitzen (Atharvaveda 19, 30, 5), d.h. die ganze Natur war in Aufregung. Aber das Kusa-Gras kann alle Störungen der drei Welten beseitigen (Harsacarita 13, 3). Zwei Halme des Darbhagrases spielen beim Tieropfer eine Rolle. »Ein Tier opfern« wird im Sanskrit euphemistisch »ein Tier beru- higen« (pasum samaya-) oder »ein Tier begütigen« (pasum aprı) ge- nannt. Die alten Hymnen des Rgveda, die beim Tieropfer verwendet wurden, heißen Aprisükta »Lieder der Begütigung«. Wenn das Tier zum Opfer herbeigetrieben wird, ist die erste Handlung, daß der Adhvaryu, der Opferpriester, zwei Darbhahalme, die nieht von der Opferstreu genommen werden dürfen, und einen reichbelaubten Zweig der Ficus infectoria (plaksa) ergreift und mit den Halmen, eventuell auch dem Zweige, das Tier berührt. Nach Hersagung von Sprüchen werden Halme und Zweig sorgfältig beiseite gelegt. Dasselbe wiederholt sich unmittelbar vor der Tötung des Tieres. Der eine Halm wird dann mit der Spitze nach Osten oder Norden auf die Erde geworfen ' Dusoıs, Ma@urs, institutions et c@r&monies des peuples de l’Inde II, 203; Kern, Der Buddhismus und seine Geschichte in Indien ....., übersetzt von Jacor, I, 117, Anm.; Jorzy, Recht und Sitte S. ıız; Kıeruorn, Epigraphia Indica 6, 15, Anm. 4; 7, Ioof. Beispiele sind in der Literatur zahlreich. ® Vgl. z.B. Hurrzsch, ZDMG. 37, 558 zu Nr. 34; B-R.s. v. protha 7); Maiträyanı Samhitä IV, S. 5, 17; 43, 14; 63, 12: apo raksamsi na tarant. 458 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. mit dem Spruche »Schütze (es) vor der Berührung mit der Erde«. Der zweite Halm wird nach der Tötung des Tieres rechts vom Nabel an der Stelle des Netzes mit den Worten: »O Kraut, beschütze dieses (Tier)!« der Länge nach mit der Spitze nach Osten niedergelegt. Dann macht der Adhvaryu mit dem Spruche: »O Messer, verletze es nicht!« mit ungesalbter Schneide quer über den Grashalm weg in einem Zuge einen Schnitt in die Haut, so daß Blut herausfließt. Das abgeschnittene obere Stück des Halmes nimmt er in die linke Hand, das andere Stück taucht er mit der rechten Hand auf beiden Seiten in das Blut und wirft es nach Nordwesten oder Südwesten fort, in- dem er spricht: »Du bist der Anteil der Dämonen; in die tiefste Fin- sternis verbanne ich die Dämonen; den, der uns haßt, und den, den wir hassen, verbanne ich in die tiefste Finsternis!« Nach anderen tritt er mit dem linken Fuße darauf. Danach taucht er die Finger- spitzen in Wasser". Es ist also klar, daß bereits in vedischer Zeit das Gras. als ein Mittel der Besänftigung und Beruhigung galt. Wie es dazu geworden ist, läßt sich wohl noch erklären. Als Buddha den Brahmanen Uggatasarıra, der ein großes Tier- opfer darbringen wollte, bekehrt hatte, da gab der Brahmane das Opfer auf und sagte von den Tieren: »Ich lasse sie frei, ich schenke ihnen das Leben. Mögen sie das grüne Gras fressen und das kalte Wasser trinken, und möge sie ein kühler Wind anwehen« (muncami Jieitam demi haritani c’eva tinani khädantu sitani ca paniyani pivantu sito ca nesam vato upaväyata ti Anguttaranikaya VI, 44 = Vol. IV, p- 46 ed. Harpy). Und das ist eine alte Formel. Wenn einem Gaste zu Ehren oder bei anderer, feierlicher Gelegenheit eine Kuh ge- schlachtet werden sollte, der zu Ehrende aber darauf verzichtete, so sagte er: »Laß die Kuh frei! Sie fresse Gras und trinke Wasser« (attu irmäni pibatudakam) oder: »Om! Laßt sie frei! Sie trinke Wasser und fresse Gras!« oder: »Om! Laßt sie frei! Sie fresse Gras!« und ähnlich’. Bereits der Rgveda ı, 164, 40 kennt die Formel in einer mannigfach verwendeten” Strophe, die an eine Kuh gerichtet wird: süyavasad bhägavatz hi bhuayd atho vaydm bhagavantah syama | addhi trnam aghmye visvadänım piba Suddham udakdm äcarantı | »Gutes Futter fressend, mögest du glücklich sein! Auch wir mögen glücklich sein! Friß das Gras, o Kuh, immerdar, trinke das reine Wasser, herbeilaufend.« ! Scnwaz, Das altindische Tieropfer (Erlangen 1886) $ 45. 67. 68. 76. 2 Die Stellen, wo die Formel sich findet, verzeichnet BLoonrıeLp, A Vedie Con- cordance (Cambridge, Massachusetts 1906) s. v. uf srjata gam und om ut srjata. ® BLoowmFIELD a. a. 0, s. v. suyavasad bhagavatı hi bhuyah. PıscueL: Ins Gras beissen. 459 Die Formel war also ganz stehend bei Tieren, denen man das Leben schenkte. Von den Tieren ist sie auf die Menschen übertragen worden. In dieser Beschränkung hat Steiy recht, wenn er sagt, daß die Menschen symbolisch als Tiere bezeichnet wurden. Man beachte auch die oben besprochene Verbindung von Gras und Wasser, die einen weiteren Beweis für die Richtigkeit meiner Erklärung liefert. Dieselbe Rolle wie das Gras spielte auch das Schilfrohr. In der Erzählung bei Buddhaghosa (oben S. 453) nehmen einige Säkyas Gras in den Mund, andere ein Schilfrohr in die Hand. Wie das Gras, so ist auch das Schilfrohr ein Bild der Vergänglichkeit. Sehr oft wird in der indischen Literatur erwähnt, daß bestimmte Rohrarten ab- sterben, nachdem sie Blüten oder Frucht hervorgebracht haben‘. Eine öfter” in buddhistischen Schriften wiederkehrende Strophe lautet: phalam ve kadalim hanti phalam velum phalam nalam | sakkaro kapurisam hanti gabbho assatarim yatha »Frucht tötet den Pisang, Frucht den Bambus, Frucht das Schilf- rohr, Ehrenerweisung tötet [d. h. verdirbt] einen schlechten Menschen, wie die Leibesfrucht das Maultierweibchen. « Die in dieser Strophe nebeneinander genannten Rohrarten ven (Päli velu) = Bambusrohr und nada, nala (Pali nala, nala) = Amphi- donax Karka werden auch Mahabharata 3, 265, 9 zusammen genannt: yatha ca venuh kadalı nalo va phalanty abhavaya na bhiütaye tmanah | tathaiva mam taih pariraksyamanam adasyase karkataktva garbham | »Wie der Bambus, der Pisang oder das Schilfrohr Frucht tragen zu ihrem eigenen Verderben, nicht zu ihrem Heil, ebenso wirst du [Jayad- 'atha] mich, die ich [Draupadi] von diesen [den Pandavas] beschützt werde, an dich nehmen, wie das Krebsweibehen die Leibesfrucht.« Die Säkyas nahmen Schilfrohr in die Hand. Diese Sitte wird bereits im Suttanipata 440, einem der ältesten’ Texte des buddhisti- schen Kanons, erwähnt: esa munjam parihare dhir atthu idha* jwitam sangame me matam seyyo yan ce Jwe par@jito ! SyEnZLER, Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 4, 398 ff.; WEBER, Indische Streifen 1, 145, Anm. ı; Pıscner, Vedische Studien ı, 187; Mahäbhärata 12, 875 27; 03,,105,.8. 2 Cullavagga VII, 2, 5; Anguttaranikäya IV, 68; Samyuttanikäya VI, 2,2; XVII, 35; Dhammapada S. 332. : Die gegenteilige Ansicht, die ich Assaläyanasuttam (Chemnitz 1830) S.5 aus- gesprochen habe, beruhte auf der unvollständigen Übersetzung von Sır M. CoomAra SwäAuv., London 1874. Seit der Text vorliegt, habe ich sie natürlich aufgegeben, was ich hier noch ausdrücklich bemerken will. % v.]. mama. Sitzungsberichte 1908. 43 4650 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. Der Scholiast bei Faussorz, The Sutta-Nipata, Glossary S. 282 s. v. munja bemerkt: sang@m@vacar@ anivattino purisa altano anivattana- kabhavam napanattham sise va dhaje va @cudhe ca munjatinam bandhanti tam ayam pi pariharati ececa »Im Kampfe befindliche Leute, die nicht an den Rückzug denken. binden. um ihre Absicht, nicht umzukehren, deutlich zu machen, an den Kopf, oder die Fahne, oder die Waffe Munjagras. Das trägt auch dieser.« Diese Erklärung steht in vollem Widerspruch mit dem, was wir bis jetzt kennen gelernt haben. munja ist ein Schilfgras, Saccharum Munja Roxsuren, das bis 10 Fuß hoch wird. Man könnte allenfalls denken, daß es zur Herausforderung dienen sollte, wie Gras und Wasser in den Erzählungen im Prabandha- eintamani. Aber dazu stimmt der zweite Teil der Strophe nicht, der resigniert lautet: »Besser ist für mich der Tod im Kampfe, als daß ich besiegt lebe«, ebensowenig die ganze Erklärung des Scholiasten. Die europäischen Erklärer haben mit der Strophe nichts anfangen können. Faussorz' hat den ersten Vers in der Übersetzung ganz weg- gelassen. Wixpiscn” erklärt ihn für völlig korrupt, liest mit den bir- manischen MSS. muncam und übersetzt: »(Besser der lebenraubende Tod!), pfui über das Leben in dieser Welt.« Er setzt »das völlig sinnlose Versviertel esa munjam parihare« auf Rechnung der Abschreiber und der Schrift. Später aber” läßt er die Möglichkeit offen, daß es eine Lesart des ersten Pada mit der Verbalform parihare gab, weil die Überlieferung im Mahävastu II, 239 darauf hinweist. Das Sutta findet sich nämlich auch in den Schriften der nördlichen Buddhisten, oder, wie man wohl besser sagt, in den Mahayanarezensionen des buddhisti- schen Kanons: Lalitavistara S. 327 ff. ed. Rajendralala Mira — S. 261 ft. ed. Lermann, und Mahavastu I, 23Sff. Im Lalitavistara lautet die erste Hälfte bei Rajendralala Mitra: voram mrtyuh pranaharo dhig gramyam no ca jwitam | , bei Leruans: varam mrtyu pranaharo dhig gramyam nopajivitam | Im Mahavastu schreibt Sexarr: eso sajjo pränaharo dhig gramyam no ca jeeitam gibt aber S. 540 zu, daß dieser Versuch sehr unsicher sei. Die MSS. lesen: B eso samjam parihare dhigamya so caijtviddhi sujwwitam, C eso samjaparihare dhigamasya so jwati sujwitam. Für den ersten Teil ergibt sich aus dem Suttanipata mit Sicherheit als richtige Lesart: eso ! The Sacred Books of the East X, 2.7r. ® Mära und Buddha (Leipzig 1895) S. 7. Anm. 5; 12; 17f.; 19; 27. SENT a0 ISIZER: PıscneL: Ins Gras beissen. 461 munjyam parihare. Und für den zweiten ist nach Suttanipata dhur atthu idha jiitam ebenfalls mit ziemlicher Sicherheit die Lesart: dhig asya idha jteitam herzustellen. wobei asya — Sanskrit sy@t ist. Vgl. SExAarT zu Mahavastu I, S. 408 und über idha I, S. 385. Der Sinn wird sofort klar, wenn man parikare nicht mit dem Scholiasten, dem AnpersEN folgt', mit »tragen« übersetzt, sondern ihm die Bedeutung gibt, die es im Sanskrit gewöhnlich hat: »vermeiden«, »verschmähen«. Dann bedeutet die Strophe: »Ich verschmähe das Schilfrohr. Pfui, über das Leben in dieser Welt! Besser ist für mich der Tod im Kampfe, als daß ich besiegt lebe.« Mara hatte in Strophe 427 Buddha aufgefordert, sich am Leben zu erhalten, da ihm der Tod nahe sei (santike maranam tava 426): Jwato jieltam seyyo Jwam punnani kahisi »Für ein lebendes Wesen ist Leben das beste: lebend wirst du gute Werke tun!« Buddha, obwohl dem Tode nahe, lehnt das ab und gebraucht dabei das Bild des Kriegers, der sich in Lebensgefahr des Schilfrohrs zur Rettung bedient. Der Text ist also ganz richtig überliefert”. Er bietet das älteste Bei- spiel für die Sitte, die uns hier beschäftigt. Der Text des Lalitavistara sieht wie eine erklärende Umschrei- bung der ursprünglichen Fassung aus. gramyam wird seinen Ursprung einer Dittographie des g in dhig und einem unverstandenem asya — syat, wie im Mahäavastu, verdanken, worauf die Lesarten des Mahavastu deuten. Über den Wechsel von gr und 9 vgl. Sitzungsber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1903, S. 744. Man kann Rajendralala Mitras Text etwa übersetzen: »Besser ist der lebenraubende Tod als (no ca) das gemeine Leben.« Das Gras gilt auch in der Traumdeutung als günstiges Vorzeichen. Anguttaranikaya V, 196 erzählt Buddha, daß er als Bodhisattva vor der Erleuchtung fünf große Träume hatte. Der zweite war, daß ihm das Gras Tiriya (nach dem Scholiasten = Darbha) aus dem Nabel her- vorkam und bis zum Himmel wuchs. Das bedeutete, daß er als Buddha den edlen, achtgliedrigen Weg lehren werde, der Götter und Menschen vom Leiden befreien sollte. Wer im Traume viel Gras, Getreide, ein brennendes Haus sieht, erlangt Glück (frnam ca vipulam dhaänyam grham agnimayam tatha drstva@ scapne labhel laksmim Uttarakamikatantra fol. 65‘, Burnell Colleetion No. XCIV). Wer im Traume mit Gras bewachsenes Land sieht, erlangt Glück und Geld (S@dralabhiamim pasyati sukhadhana- sampad bhavet tasya, Svapnacintamani I. 136). ı A Pali Reader, Glossary, s. v. pariharati. 2 Mit Wınvisch liest NEumann muncam und übersetzt: »Du da, so laß’ es immer los: Mein Leben, das veracht’ ich gern«. (Die Reden Gotamo Buddho’s aus der Samm- lung der Bruchstücke Suttanipäto des Päli-Kanons übersetzt (Leipzig 1905) S. 145.) 462 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. Dieselbe Sitte wie die Inder kannten die Römer. Ein lateinisches Sprichwort Äherbam do »ich gebe Gras« war nach Servius zur Aeneis VIH, 125 soviel als cedo vietoriam. Das Sprichwort war bereits Plautus bekannt. Bei Paulus ex Festo 99 = Plautus frg. 63 ed. Leo heißt es: Herbam do cum ait Plautus, significat "vietum me fateor’; quod est antiquae et pastoralis vitae indieium. Nam qui in prato cursu aut viribus eontendebant, cum superati erant, ex eo solo, in quo certamen erat, decerptam herbam adversario tradebant. Statt herbam do sagte man später auch herbam porrigo‘. Plinius, Naturalis historia 22, 3 spricht von der corona graminea, die von dem Heere dem Feldherrn verliehen wird, der es in desperatione summa vor dem Untergange gerettet hat. Er fährt dann fort: dabatur haee viridi e gramine decerpto inde ubi obsessos servasset aliquis. Namque summum apud antiquos signum vietoriae erat herbam porrigere vietos, hoc est terra et altrice ipsa humo et humatione etiam cedere, quem morem etiam nune durare apud Germanos scio. Plinius 8, 5 über- trägt diese Sitte sogar auf einen Elefanten, von dem er sagt: vietus vocem fugit vietoris, terram ac verbenas porrigit. Plinius und Paulus bezeichnen die Sitte ausdrücklich als alt, und Nonius S. 317,4 sagt: herbam veteres palmam vel vicloriam diei volunt. Von der in ganz Latium und über dessen Grenzen hinaus in Mittelitalien in alter Zeit bestehenden Priesterschaft der Fetiales pflegten im völkerrechtlichen Verkehr zwei als Botschafter zu fun- gieren. Der eine dieser Fetiales hieß verbenarüus. Fr trug die auf der Burg geptlückten heiligen Kräuter (sagmina), die das Abzeichen ihrer Sendung waren und sie auch in fremdem Lande gegen jede Verletzung schützten. Festus S. 321 sagt: sagmina vocantur verbenar, id est herbae purae, quia ex loco sancto arcis carpebantur”. Das Gras ist also auch hier ein Zeichen der Unverletzlichkeit. Plinius bezeugt denselben Brauch noch für die Germanen seiner Zeit. Man hat längst erkannt, daß sich dies auf die chrenecruda des Salischen Gesetzes tit. 61 [58] bezieht, wo es heißt: »Si quis homi- nem oceiderit et in tota facultate non habuerit unde totam legem impleat, debet in casam suam intrare, et de quatuor angulis terrae pulverem in pugno colligere et postea in duropello stare et intus casam cuptare debet et sie de sinistra manu trans suas scapulas jactare super proximiorem parentem. Quod si jJamı pater aut mater aut frater ! Das ganze Material, bei dessen Durchsicht mich Hr. W. Scaurze freundschaft- lichst unterstützt hat, findet sich bei Orro, Die Sprichwörter und spriehwörtlichen Redensarten der Römer S. 161; W. K. im Archiv für Lateinische Lexikographie 6, 398; Corpus Glossariorum Latinorum 6, 517. ® Wıssowa, Religion und Kultus der Römer (München 1902), S. 476f. Pısener: Ins Gras beissen. 463 pro ipso solverunt, super sororem tune matris aut super ejus filios debet illam terram jactare.« Die Lex Salica emendata hat statt Zerrae pulverem auch an erster Stelle de üla terra. Im zweiten Paragraphen bedienen sich beide Rezensionen des technischen Ausdrucks: et ite- rum super illum chrenecruda ille, qui est pauperior, jactet. Auch die Rubriken geben: de chreneeruda‘. chrenecruda bedeutet, wie Jacoß Grm“ gezeigt hat, »reines Kraut«, »Reinekraut« — herba pura bei Festus S. 321 und Livius I, 24. Der Name zeigt, daß ursprünglich statt der Erde oder des Staubes bei der Zeremonie Kraut oder Gras verwendet wurde. Dadurch bezeichnete sich der Mörder offenbar, wie in Indien und Italien, als des Schutzes und der Hilfe bedürftig. Für die Slaven bezeugt die Sitte Thietmar von Merseburg 6, 25 (ed. Kurze S. 148). Er berichtet als Sitte der Lausitzer beim Friedens- schlusse: pacem abraso erine supremo et cum gramine datisque affirmant dextris. Wir pflegen zu sagen: »Er hat ins Gras beißen müssen«, ge- rade wie wir auch sagen: »Er hat daran glauben müssen.« Viel seltener betonen wir den Zwang nicht, wie z.B. Lrssıme in dem 87. Sinngedichte auf den Lupan: Des beißigen Lupans Befinden wollt ihr wissen? Der beißige Lupan hat jüngst ins Gras gebissen. Für Indien steht ganz fest, daß Ins Gras beißen nicht sterben be- deutete, sondern im Gegenteil ein Mittel war, um sich bei Lebens- gefahr vor dem Tode zu retten. Aber wer ins Gras biß, gab damit zu erkennen, daß er mit seinen Kräften zu Ende war und sich fremder Gewalt überließ. Das Gras war das Symbol der Schwäche und des Schutzheischens. Statt in das Gras zu beißen oder es in den Mund zu nehmen, nahm man es auch in die Hand, wie bei den Römern, Germanen, Slaven, und bei den Indern das Schilfrohr. Man könnte versucht sein anzunehmen, daß der Ausdruck von den Kriegern im Kampfe allmählich auf alle Menschen überhaupt ausgedehnt worden sei, die »mit dem Tode ringen«. Und da »gegen den Tod kein Kraut gewachsen ist«, so könnte auf diesem Wege der Bedeutungswechsel sich vollzogen haben. Unmöglich ist das nicht, aber nicht wahrschein- lich. Ins Gras beißen läßt sich, wie schon gesagt, nicht von französisch mordre la poussicre, italienisch mordere la terra, spanisch morder la tierra und ihren griechischen und lateinischen Vorbildern trennen. Wohl aber ! Jacog Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer I,+ 154 (Leipzig 1899). Aus der reichen Literatur über die chreneeruda sei hier nur auf die letzte Arbeit darüber ver- wiesen: JuLius GiERkE, Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte. Germa- nistische Abteilung 28, 290ff. (Weimar 1907). Sitzungsberichte 1908. 44 464 Gesammtsitzung vom 30. April 1908. scheint es mir möglich, daß die hier besprochene Sitte dazu beige- tragen hat, an Stelle des Staubes und der Erde das Gras zu setzen, um so eher, als auch sonst in den germanischen Sprachen selbst zu- weilen noch Erde und Gras wechseln. So sagt man im Englischen fo grass im Sinne von »aufs Land bringen«, z.B. to grass a fish. In der Sprache der Bergleute ist fo grass oder to bring to grass = »zu- tage fördern«, und im Slang der Boxer ist fo grass = »zu Boden schla- gen«, »niederstrecken«. Unserem Ins Gras beißen entspricht im Eng- lischen io go to grass, das sonst von Tieren im Sinne von » weiden«, »auf die Weide gehn« gebraucht wird, gerade wie unser Ins Gras beißen bei seinem ersten nachweislichen Vorkommen im 13. Jahrhun- dert. Neben to go to grass gebraucht der Engländer im Sinne von »sterben« auch to go to the ground, to bite Ihe ground und to bite the dust, also die romanischen Redensarten. Unsere Redensart: » In die Binsen gehen« gehört wohl nicht hierher. Ausgegeben am 7. Mai. o-o Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SpS252525252525250525205a5es2seseageageeesegegegegegegegegegegegeseT] 1908. XXIV. XXV. XXVI. SelsttsgelsteteTe testet] SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch-mathematischen Cliasse am 7. Mai. (S. 465) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 7. Mai. (S. 467) Gesamntsitzung am 14. Mai. (S. 469) Frosenius: Über Matrizen aus positiven Elementen. (S. 471) Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. (S. 477) Hernerr: Trigonometrische Höhenmessung und Refractionscoefficienten in der Nähe des Meeres- spiegels. (S. 492 Koser: Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. (S. 512) Adresse an Hrn. Anorr von Barver zum fünfzig,jährigen Doctorjubiläum am 4. Mai 1908. (S. 522) A, Bucken: Über den Verlauf der galvanischen Polarisation dureh Condensatorentladung; An- wendung auf die Nervenreizung. (S. 524) L-TISTL-TAISTI-TEISTISTTITELT] , BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. RR IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Bsesesespgesagesasesesesases a Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $1l. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsbericelite der Königlich Preussiselien Akademie der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $2. Jede zur Aufnahme in die » Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuscript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklieh zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- mutlen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. N Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Sceeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist -— wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Atkanalugeen 300 Mark, so ist ns durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Walıl der Sehriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manussripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibverschen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verlasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdruecken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf” es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Sceretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. } & 17. E Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf’ S.3 des Umschlags.) 2 e Be nn A TE ee en = 465 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers (i. V.). *Hr. Schwarz trug vor: Über specielle Tetraeder mit ratio- nalen Kantenlängen und rationalem Körperinhalt. Ausgegeben am 21. Mai. Sitzungsberichte 1908. 45 EG a Er | 467 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 7. Mai. Sitzung der philosophisch-historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLEnN. l. Hr. Rorrue sprach über die Betonung der einsilbigen Worte im älteren deutschen Versbau (erscheint später in den Abhandlungen). In geschichtlicher und methodologischer Betrachtung wird entwickelt, dass, je weiter wir zurückgehen, um so weniger der logische und ethische Gehalt der Einzel- stelle zu metrischem Ausdruck kommt; die Allitterationsdichtung declamirt typisch; der mittelalterliche Reimvers zeigt erheblichere Ansätze zu individueller Declamation wesent- lich erst beim mehrsilbigen Wort, wälrend das einsilbige Wort erhöhte Betonung meist typischen syntaktischen und rhytlimischen Voraussetzungen (Sinnespause, Auf- zählung, Neigung zu klingender Cadenz) verdankt. Noch der Versbau des 17. Jahr- hunderts ist in der deelamatorischen Erhöhung von Einsilblern sehr unsicher: sie be- ginnt erst mit Kropsrock und dem Sturm und Drang zur Regel zu werden. Die metrischen Thatsachen spiegeln auch hier ältere sprachliche Zustände wieder. 2. Hr. Branos legte seine »Geschichte der altenglischen Literatur «, Th. ı, Strassburg 1908, und zwei kleinere Schriften »über Shakespeares Book of merry Riddles« und »Zur Gotensage bei den Angelsachsen « vor. 3. Weiter wurde vorgelegt »Geschichte Russlands unter Kaiser Nikolaus I.« von Tu. Scnemans. Bd. U. Berlin 1908. n > L Ausgegeben am 21. Mai. 45* 469 SITZUNGSBERICHTE _ 1908. XXVI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 14. Mai. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHren. 1. Hr. Frosextus las: Über Matrizen aus positiven Ele- menten. Sind die Elemente einer Matrix alle positiv, so besitzt sie eine positive einfache Wurzel, die absolut grösser ist als jede andere Wurzel. Diese nimmt zu, wenn irgend ein Element der Matrix wächst. 2. Hr. Harnack las eine Abhandlung: Die angebliche Sy- node von Antiochia im Jahre 324/5. In der Abhandlung wird gezeigt, dass das von Hrn. Envarn Schwartz aus dem Cod. Paris. syr. 62 an’s Licht gezogene Schreiben einer antiochenischen Synode voll von Widersprüchen und Unmöglichkeiten ist. Es ist eine grobe Fälschung des 6. oder 7. Jahrhunderts. Eine antiochenische Synode hat im Jahre 324/5 überhaupt nicht statt- gefunden, geschweige dass sie, wie das Schreiben will, das Nieänum antieipirt hat. 3. Hr. Hrımerr legte vor eine Abhandlung über: Trigonome- trische Höhenmessung und Refracetionscoeffieienten in der Nähe des Meeresspiegels. Lichtstrahlen, welche den Meeresspiegel in geringer Höhe überstreichen, weichen von der Kreisform stark ab, weshalb die Formel für gegenseitige Zenithdistanzen ein Correctionsglied zu erhalten hat, das von der Änderung des Refractionscoeffieienten mit der Höhe abhängt. Es wird nun an der Hand von Beobachtungsmaterial unter- sucht, um welche Beträge es sich hierbei handelt. 4. Hr. Koser übergab den Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historiea. 5. Die Akademie hat dem auswärtigen Mitglied ihrer physika- lisch-mathematischen Classe Hrn. AnorLr von BAEvEr in München zum fünfzigjährigen Doectorjubiläum eine Adresse gewidmet, deren Wort- laut unten folgt. 6. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: von dem Unter- nehmen der Inseriptiones Graecae Vol. IX. Pars. II: Inseriptiones Thessaliae ed. Orro Kerx. Berolini 1908, A. Togrer, Vermischte 470 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Beiträge zur französischen Grammatik. Vierte Reihe. Leipzig 1908 und Tr. Momusen, Gesammelte Schriften. Bd. 5. Berlin 1908. 7. Die Akademie hat auf den Vorschlag der vorberathenden Com- mission der Borr-Stiftung aus den Erträgnissen der Stiftung Hrn. Prof. Dr. HorLser PEeDErsen in Kopenhagen zur Fortsetzung seiner Studien auf dem Gebiete der lebenden keltischen Sprachen 1350 Mark zu- erkannt. Die Akademie hat das auswärtige Mitglied der philosophisch- historischen Classe Hrn. Franz BuEcHerer in Bonn am 3. Mai durch den Tod verloren. Frosenıus: Über Matrizen aus positiven Elementen. 471 Über Matrizen aus positiven Elementen. Von G. FRroBENIUS. Sad die Elemente einer Matrix alle reell und positiv, so hat ihre charakteristische Determinante und deren Unterdeterminanten einige merkwürdige Eigenschaften, von denen Hr. Oskar Prrrox die wich- tigsten entdeckt und in zwei Abhandlungen Grundlagen für eine Theorie der Jacopıschen Kettenbruchalgorithmen und Zur Theorie der Matrices im 64. Bande der Mathematischen Annalen abgeleitet hat. Den Beweis hat er, wie er selbst hervorhebt, nur mit Anwendung von Grenzbetrach- tungen durchführen können. Es ist mir gelungen, diese zu vermeiden, die Beweise zu vereinfachen und die Sätze in einigen Punkten zu ver- vollständigen. un Ir. Sind die Elemente einer Matrix A alle reell und positiv, so hat ihre charakteristische Gleichung eine Wurzel r, die reell, positiv, einfach und ab- solut größer ist als jede andere Wurzel. Ist s>r, so sind die Elemente der zu SE-A adjungierten Matrix alle positiv. Die Elemente a,, der Matrix n” Grades A seien alle positiv (> 0). Die Determinante |s&-A| bezeichne ich mit 9(s) oder A(s), die dem Elemente se,-a, komplementäre Unterdeterminante (n- 1)" Grades mit A,,(s). Ich nehme an, die Behauptung sei für eine Matrix, deren Grad 0), falls sg ist. 472 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Nun ist A(s) = (s- Qua) B(s)— 2 a... 0x Ba(s) , x“. wo x und A die Werte 8, y, :-- v durchlaufen. Da B(g) = 0 und B,,(g)> ist, so ist A(g)<0. Folglich hat die Gleichung A(s) = 0 eine positive Wurzel, die >g ist. Ist r die größte Wurzel dieser Art, so ist r>g für jeden Wert von «. Ist also s>r, so ist s>g, und mithin A(s)>0. Sei — as Sean, Ce) = — A, el, +S8 y und C;,(s) die Unterdeterminante (n-3)"" Grades, die dem Elemente se„—-@, in C(s) komplementär ist. Ist p die größte positive Wurzel der Gleichung C(s) =, so ist pop, so ist C(s) und C,,(s) positiv. Nun ist A: — Aa, — 4, | A —a3 Ay Ss —a —aB a —-A,+s demnach (1 >) As (5) — daß C(s) SF > Ay [AEVe) Cu(s) E ur Daher ist A,,(s)>0, falls s>p ist, also um so mehr, falls s> r ist. Ist p(s) = A(s), so ist die Ableitung die Summe aller Hauptunterdeterminanten (n-1)“" Grades der Matrix sE-A. Daher ist p(r) > 0, und mithin ist ” eine einfache Wurzel der Gleichung #(r) =. Wenn die Gleichung 9(s) = 0 eine negative. Wurzel hat, so sei -g die kleinste; dann kann nicht y = r sein. Denn auch die Ele- mente der Matrix A? sind alle positiv. Ihre größte reelle positive charakteristische Wurzel wäre aber gleich r*—= 9°, sie wäre also keine einfache Wurzel. Es kann aber auch nicht g>r sein. Denn sonst wären auch die = = 1 Re 2 Art as Elemente der Matrix A+ „(g-r)E alle positiv, ihre größte positive - ’ 1 * * * ’ 2 Wurzel wärer = „a+n, ihre kleinste negative -q = — „(+ nei was nicht möglich ist. Demnach ist g 2k, wenn X kleiner ist als jedes der Hauptelemente a,,, a . a ALIEN nn® Frosgenıus: Über Matrizen aus positiven Elementen. 473 Sei a+bi eine Wurzel der Gleichung #(r) = 0, deren absoluter Betrag möglichst groß ist. Sollte es außer a+bi noch andere Wurzeln desselben absoluten Wertes geben, so wähle man a+bi so, daß a (mit Berücksichtigung des Zeichens) möglichst klein ist. Ist also a’+b'i eine von a+bi verschiedene Wurzel der Gleichung $(r) = 0, so it a +0” a. Dann kann man eine positive Größe g so wählen, daß, falls O0 (a’— k)?+b"” ist, oder @+b?—-a”?—b">2kla-a’). Denn ist ©4 1 — a” +b”, so ist a-a’ a”+b” ist, aber aa, so muß dann a +D-a”?—b': 2(a-a') k< sein. Man bestimme diese positive Größe für jede von a+bi verschie- dene Wurzel a’+bi, für die a gist. Dies ist klar, wenn ATA Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. q die größte der Zahlen g, g’, q”, --- ist. Denn ist dann s>g, so sind die Größen A,.(s); Az:(s), A,,(s), --- alle positiv, folglich auch ihre Summe gs). Wenn demnach s von g an wächst, so wächst auch $(s) beständig, kann also höchstens einmal verschwinden. Es ist mithin nur noch zu zeigen, daß e(s) nicht verschwindet, falls s zwischen irgend zwei jener Größen g und g’ liegt. Nun ist A(s) C(s) = Are(S) Az3(s)— Aas(s) Aza(s) Sei etwa g>g/, dann ist 9>qg’>p. Für die Determinante (n— 1)" Grades A,.(s) kann die Behauptung schon als bewiesen angesehen werden. Diese verschwindet also für keinen Wert zwischen qg und p und ist daher, weil q eine einfache Wurzel ist, in diesem Intervalle beständig negativ. As;(s) ist positiv, falls s>g’ ist. A,;(s) und A;.(s) sind positiv, falls s>p ist. Daher kann A(s) zwischen q und q nicht verschwinden. Itga>s>g', so kann A,.(s) nicht verschwinden, welg>s>p ist, und Azs(s) nicht, weil s>g’ ist. Ist g>g'>g", und liegt s zwischen g und g”, so verschwindet A;;(s) nur für s = g’, aber für keinen Wert zwischen q und g’ und keinen zwischen g’ und q”. In dem ganzen Intervall zwischen der größten und der kleinsten der Größen 9,9’, q”, --- verschwindet also A,.(s) nur für s=49, 4ss(s) nur für s=g’ usw. Ist etwa g die größte und g’ die kleinste dieser Größen, so ist AaalQ) = 0, Ass(g) Al) SO, Asslq) Mithin ist P(g>0 und g(q) a ing) er II IV > 0 0 3 3- Wenn die charakteristische Gleichung g(s) = 0 der Matrix A eine einfache Wurzel r hat, die absolut größer ist als jede andere Wurzel, so ist die Reihe iR: Are 4% (1.) WE-AS TH HH t st +1 konvergent, falls |s|>|r| ist. Denn sie ist die Entwicklung einer rationalen Funktion (d. h. von n* rationalen Funktionen) mit dem Nenner @(s), konvergiert also, falls s größer ist als jede Wurzel der Frosenivs: Über Matrizen aus positiven Elementen. 475 Gleichung p(s)—=0. Die adjungierte Matrix von P möge mit P be- zeichnet werden. Dann ist 1 = GE A men, pls) Ist p(s) = (s-r)Y(s), so erhält man durch Partialbruchzerlegung 1 — 1 2). sE-A)"= — rE-A)+ B, 2 PN wo B eine ganze Funktion von s ist. Ist B Bi 3.) Uls) _—_ shrl ? so konvergiert diese Reihe, falls s größer ist als jede Wurzel der Gleichung Y(s)=0, also für s=r. Daher ist B Ik E N im Ze =) (Ikea): Ps Nach (1.), (2.) und (3.) ist = EA) HB: und folglich lim ae (rE-A) r g/(r) oder wenn die Elemente der Matrix A* mit a“ bezeichnet werden, 08 Ass (r) (4-) lim pi =; o(r) und demnach, wenn A,s(r) von Null verschieden ist, AR 2 ee (5) lim a) — he Die Formel (5.) gilt auch, falls r eine mehrfache Wurzel der Glei- chung o(r) = 0 ist, die absolut größer ist als jede andere Wurzel. Nur muß dann p,; von Null verschieden sein,-falls die Matrix P = (p..) der Koeffizient des Anfangsgliedes in der Entwicklung von (sE- A)" nach steigenden Potenzen von s—-r ist. S 4. Wird von der Matrix A nur vorausgesetzt, daß ihre Elemente a,„20 sind, so lassen sich durch Benutzung der obigen Beweisme- thoden und durch Stetigkeitsbetrachtungen leicht die Modifikationen feststellen, unter denen die entwickelten Sätze gültig bleiben. Die größte Wurzel r der Gleichung #(s) = 0 ist reell und positiv (0). 476 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Sie kann eine mehrfache Wurzel sein, aber nur, wenn die Haupt- unterdeterminanten A,.(r) sämtlich verschwinden. Ist sie eine kfache Wurzel, so verschwinden alle Hauptunterdeterminanten (n-1)'”, (n-2)'*, + (n-k+1)*" Grades der Matrix rE-A. Den Wert 0 kann r nur dann haben, wenn die Größen a,., 0,34:« , Q.503,Q,. 5 423Q5,Q,5Q5.,°'' sämtlich verschwinden. Sind die Größen a,, beliebig, so liegen die reellen Teile der Wurzeln der Gleichung laa-se, | — () zwischen der größten und der kleinsten Wurzel der Gleichung (ao. + Q%) sa) =; KO) Er wo G@,, die zu a, konjugierte komplexe Größe ist. (Hırscn, Sur les racines d’une equation fondamentale, Acta math. Bd. 25.) Ist also a, positiv, so ist die größte Wurzel r der Gleichung @(s) = 0 kleiner als die größte Wurzel der Gleichung _ (1.) —9. (a. + 4 N) Sea ww [5 Betrachtet man die n* Elemente a,, als reelle positive Veränder- liche, so ist r eine eindeutige Funktion derselben. Differenziert man die Gleichung @(r) = 0 nach a,,, so erhält man Mithin ist die Ableitung positiv, und folglich wächst r, wenn eins der Elemente zunimmt. Mit Hilfe dieser Bemerkung kann man auf verschiedene Arten Grenzen finden, zwischen denen r liegt. Sind die Elemente a,, einer Matriv n“" Grades alle positiv, so liegt ihre größte charakteristische Wurzel zwischen der größten und der kleinsten der n Zahlen ad tat --- FE lken WrPReun): Man addiere in der Determinante A(r) = 0 zu den Elementen der 2" Spalte die der (n-1) anderen Spalten und entwickle dann die Determinante nach den Elementen jener Spalte. So erhält man (ra) Aa(r) + (ra) Aal) + + (ra) Alt) = 0. Da die Unterdeterminanten A,,(r) alle positiv sind, so können daher die Differenzen r—a,, r—-q,,... r-a, nicht alle dasselbe Zeichen haben, und folglich muß r zwischen der größten und der kleinsten der Größen @,, Ay, a, liegen. Sind speziell diese Größen alle einander gleich, so muß auch r ihnen gleich sein. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. 477 Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. Von AporLr HARrNACcK. Ds: der wichtigsten syrischen kirchenrechtlichen Kodizes, den wir besitzen, ist der Cod. Paris. syr. 62 (olim Sangerm. 38). Die reich- haltige Sammlung, die er enthält, ist im Jahre 687 oder bald nach diesem Jahre angelegt; die Handschrift (Estrangelo) wird ins 8. oder 9. Jahrhundert versetzt. Beschrieben wurde sie von Muxk (bei ÜvVREToN, Corpus Ignat., S. 342f.), von Lasarpe (in den »Reliquiae Juris«) und von ZoTEngere (Pariser Katalog). Lasarne gab die sogenannte » Apo- stolische Kirchenordnung« aus ihr heraus und die umfangreiche » Syri- sche Didaskalia«, die Grundschrift der sechs ersten BB. der »Apo- stol. Konstitutionen«. (Currron und Licurroor edierten die Ignatiana der Sammlung, und auch für die neuesten Herausgeber der Syrischen Didaskalia (Acnerıs und Fremmne sowie Fusk) ist unsere Handschrift die führende gewesen. Aufmerksam gemacht durch eine Notiz in Zorengeres Katalog ließ Hr. Epvarn Scuwartz die bisher nicht edierten Fol. 144"— 147" photo- graphieren und publizierte sie zusammen mit einer eigenen griechischen Übersetzung' in dem 6. Stück seiner Studien »Zur Geschichte des Athanasius« (Nachrichten der Kgl. Gesellsch. d. Wiss. z. Göttingen, phil.-hist. Klasse, 1905, H. 3 S. 271ff.). Er unterzog dabei das zu- sammenhängende Stück einer Untersuchung, die mit dem Ergebnis endigt, daß auf diesen Blättern das bisher unbekannte Synodalschreiben einer bisher unbekannten antiochenischen Synode vom Dezember 324 (oder etwas später) vorliege. Wenn dieses Ergebnis richtig ist, so bedeutet es einen totalen Umsturz unserer Vorstellungen von der Vorgeschichte des nieänischen Konzils; denn wir lernen hier, daß wenige Monate vor dem Nieänum eine große Synode von 59 Bischöfen in Antiochien getagt, sich zur ÖOrthodoxie bekannt und — den Arius als einen schon Gerichteten ! Nach dieser zitiere ich im folgenden. 478 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. behandelnd — den Eusebius von Cäsarea, Theodotus von Laodicea (Syr.) und Nareissus von Neronias einstimmig (vorläufig; ihnen wird eine Frist zur Umkehr gewährt) exkommuniziert hat. Was das be- sagen will, daß vor dem Nieänum eine große orientalische Synode nicht nur dem Bischof Alexander von Alexandrien bedingungslos zu- gestimmt, sondern auch das Haupt der origenistischen Mittelpartei, den größten Gelehrten des Orients, Eusebius, verdammt hat, braucht nicht ausgeführt zu werden. Als man in Nicäa zusammentrat, hatte also der Orient schon gesprochen, und zwar im orthodoxen Sinn, und Eusebius kam als ein Verurteilter zum Konzil! Aber sind diese Akten bzw. ist dieses Synodalschreiben echt. oder vielmehr — hat diese Synode überhaupt stattgefunden? Wer in Zukunft auch nur eine Zeile über das Nicänum schreiben will, muß allem zuvor hier im klaren sein. Hr. Schwartz selbst verrät keine Spur von einem Zweifel. In Deutschland hat sich meines Wissens noch niemand geäußert; aber Ducnesse (Histoire ancienne de l’eglise, T. II, 1907. S.137) hat in einem Satze, den er der Frage widmet, Stellung genommen: »Je ne saurais accepter comme authentique le coneile «’Antioche de 324 dont M. E. Schwartz publie une pretendue lettre synodale adressee a Alexandre de Byzance.« Gründe hat er nicht genannt — fast darf man sagen, mit Recht —; denn die folgenden Ausführungen werden zeigen, daß die Beobachtungen, welche gegen die Eehtheit sprechen, offenkundig sind; ja sie liegen so sehr an der Ober- fläche des Problems, daß man sich wundert, wie sie einem Kritiker entgehen konnten. Aber Inedita pflegen den Entdecker zu faszinieren. Immerhin müssen wir dem Herausgeber dankbar sein, daß er das Stück ans Licht gezogen hat. Dieses Lichts wird es sich freilich nicht lange erfreuen; denn es ist eine grobe Fälschung ohne jeden geschichtlichen Wert. Auch hat eine Synode zu Antiochien im Jahre 324 in Sachen des Arius überhaupt nicht getagt. So wird das Stück in das verdiente Dunkel zurückkehren. Die Gründe, welche über die Unechtheit des Stücks entscheiden, fasse ich im folgenden zusammen; voran schicke ich eine Beschreibung desselben. T. Angeschlossen an die bekannten antiochenischen Kanones (vom Jahre 341) findet sich in unserem Kodex ein Synodalschreiben und eine angehängte historische Notiz. Das Schreiben bezeichnet sich als Brief einer in Antiochien versammelten Synode an Alexander, Bischof von Neu-Rom. Neu-Rom existierte bekanntlich im Jahre 324 noch nicht; aber da die Überschrift später sein kann, ist darauf kein starkes Ge- Harnack: Die angebliche. Synode von Antiochia im Jalıre 324/5. 479 wicht zu legen: gemeint ist Bischof Alexander von Byzanz, dem späteren Konstantinopel'. Das Schreiben selbst hat die Adresse: T& Ariw Kai ÖMoYYxw Anen®o ÄTATIHTÖ Kal cYaneıtoypr@ AnezAnapw. Dieses »ömoryxw« findet sich auch in dem echten Schreiben des Alexander von Alexandrien an diesen Alexander von Byzanz (Theodoret, h. e. I, 3 Adresse). Sofort folgen ohne Gruß die Namen von 56 Bischöfen (ohne Angabe ihrer Sitze). Die ersten Namen lauten Eusebius, Eustathius, Amphion, die letzten Hesychius, Avidius und Terentius. Wie das Rundschreiben Alexanders von Alexandrien, mit welchem er die Verurteilung des Arius den auswärtigen Bischöfen anzeigt, beginnt auch unser Brief mit den Worten: "Enöc cwmAToc ÖNTOC TÄC KABONIKÄC EKKAH- ciac (nur KATA TIÄNTA Tömon ist hinzugefügt). Das ist seltsam! Er gibt sich als Brief eines einzelnen (1. Pers. Sing.) im Verein »mit den heiligen Brüdern«. Der Schreibende muß der Bischof sein, der in der Reihe der 56 an erster Stelle steht, d. h. ein Mann namens Eu- sebius. Er erzählt als Einleitung zur Wiedergabe dessen, was die Synode beschlossen hat, zunächst von sich selber; er sei nach Anti- ochien gekommen und habe die dortige Gemeinde durch die Irrlehre und den Aufruhr Einiger tief erschüttert gefunden; er habe daher den Sehaden nicht allein heilen “wollen, sondern eine Synode der benachbarten gleichgesinnten Bischöfe zusammenberufen aus Palästina, Arabien, Phönizien, Zölesyrien, Zilizien und einige aus Kappadozien. Der Zusatz: Yo mMoAn@N TÄP Kal AlKAION CYNOIKEiTAI H Trönıc ist etwas unverständlich. Er fährt fort, die Eingeladenen seien gekommen und gemeinsam habe man sich überzeugt, wie groß die eingerissene Un- ordnung in Antiochien und überall in jenen Gegenden sei, weil in der Zeit, da die Machthaber den Zusammentritt von Synoden ver- boten hätten, das Kirchengesetz und die kirchlichen Kanones in Verachtung gekommen seien; hauptsächlich käme es nun darauf an, das eigentliche Geheimnis des Glaubens, die rechte Lehre vom Heilande, dem Sohne Gottes, zum Ausdruck zu bringen; vorangegangen sei damit der teure Bruder Alexander von Alexandrien, indem er den Arius (und einige Presbyter um ihn) ihrer Lästerungen wegen ausge- schlossen habe; die heilige Synode habe das Hauptstück der Geheim- nisse zuerst geprüft, in der Überzeugung, daß sich die Ordnung der übrigen Dinge daran (leicht) anschließen werde; so hätten sie im Verein mit einigen beredten Laienbrüdern zuerst über den kirchlichen Glauben gehandelt, wie die heiligen Schriften und Apostel ihn lehren und die ! Die Unterschrift des Schreibens bezeichnet den Adressaten als Erickorioc TAc NEAc "POMHC, TOYTECTI A& KwncTantinoymöneoc. Das ist noch auffallender, aber mag als späterer Schreibervermerk auch auf sich beruhen. 480 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Väter ihn überliefert haben und sich dabei auf das von Alexander von Alexandrien gegen Arius Verhandelte bezogen, damit, wenn Arius Nachfolger fände, auch sie von der Exkommunikation betroffen würden. Es folgt nun die Glaubensdeklaration der Synode. Sie wird be- zeichnet als der Glaube, den die 318 Geistesmänner vorgelegt haben, OYC 0Y AIKAION NOMIZEIN KATÄ CAPKA ZHN H NOEIN, AnnÄ EN TINEYMATI TAIC TON BEOTINEYCTWN BIBAIWN ÄFIAIC TPA®AIC CYNHCKÄCBAI. Die Glaubensdeklaration umfaßt 37 Zeilen (genau ein Drittel des ganzen Briefs). Sie schließt sich inhaltlich aufs engste, zum Teil wört- lich, an die beiden großen Schreiben des Alexander von Alexandrien an, die wir besitzen (Sokrat., h. e. I, 6; Theodoret., h. e. I, 3) — so jedoch, daß alle dogmatischen Singularitäten und Anstöße, welche diese alten Schreiben noch bieten, getilgt sind. Der größte Nachdruck wird dabei auf die Prädikate »ATtrertoc Kal Anannoliwroc« gelegt. Auch bei Alexander finden sie sich; aber in unserem Schreiben sind sie so be- tont, daß schon im ersten Artikel Gott selbst als ÄTperttoc Kal ÄnAnnolw- roc bezeichnet wird (wozu doch im arianischen Streit keine Veranlassung vorlag). Ganz wie bei Alexander findet sich auch hier das Prädikat 4 eeotökoc für Maria, während, wie bei ihm, ömooycıoc fehlt. Die Deklaration schließt mit den paraphrasierten Anathematismen des Ni- CÄNUMS: ÄNABEMATIZONTEC EKEINOYC Ol AETOYCIN H NOMIZOYCIN H KHPYCCOYCIN TON YiOn TO? 6E0? KTICMA H TENHTÖN H TIOIHTÖN KAl OYK AAHOWC TENNHMA EINAI A öTI HN ÖTE oYK ÄN’ HMeic rAP ÖTI HN KAl ECTIN KAl OTI $WC ECTIN, TIICTEYOMEN TPOCETI A& KÄKEINOYC |ÄNABEMATIZOMEN| Oi TH AYTEZOYCIw BEnHCcEI AYTOY ÄTPETT- TON EINAI AYTÖN HFOYNTAI, WCTTIEP KAl Ol EK TOP MH ONTOC TIAPÄTONTEC THAN FENNHCIN, KA MH ®YCEI ÄTPETITON KATÄ TON TIATEPA' EIKWN TÄP WC EN TIÄCIN, OYTWC KAl MANICTA EN TWAE TOY TIATPÖC EKHPYXeH Ö CWTHP HMON. heißt es nun weiter — habe diese Die ganze heilige Synode Deklaration als die apostolische und heilsame Lehre angenommen; nur Theodotus von Laodicea, Nareissus von Neronias und Eusebius von Cäsarea hätten ihre abweichende Meinung hinter listigen und täuschenden Reden verborgen — EnAPröc, €E WN HPWTHEHCAN KAl HPW- THCAN,. HAETXEHCAN ÖMOAOEOYNTEC TOIC MET APpeioy KAl ENANTIA 'TOIC TIPOKEI- MEnoIc #PponoYnTec. Demgemäß habe die Synode beschlossen, ihres fal- schen Glaubens wegen ihnen als Unwürdigen die Kirchengemeinschaft zu versagen; sie schreibe das, damit auch Alexander die Gemeinschaft mit ihnen und die Korrespondenz aufhöbe; indessen habe die Synode ihnen Zeit zur Umkehr verstattet bis zur großen und heiligen Synode von Ancyra. »Beeile dich nun, allen gleichgesinnten Brü- dern diesen Beschluß zu schieken, damit sie betreffs der drei Bischöfe orientiert sind und wissen, was diese Abtrünnigen für Leute sind.« Mit den üblichen Grüßen schließt das Schreiben. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. 481 Es folgt nun noch eine historische Notiz, die also lautet: "EnecTeinan A& MEPI TÄC AYTÄc Yrıoe&cewc TA AYTÄ Al’ ETEPOY TPAM- MATOC KAl TIPÖC ToYc TÄc "ITaniac EMICKöTIOYc TOYCc YTIO TON TÄC MeErÄAHc "PwMmHCc ePÖNON Kai ETIOIHCANTO KAKEINOI TIPOC THN CYNOAON EFTPA®ON ÄTIO- KPICIN CYNTIBEMENHN TIACIN TOIC YTT AYTÄC WPICMENOIC EITE TIEP)I TIICTEWC EITE TIEPI EKKAHCIACTIKÜN KANÖNWN' EN H KAl AYTO| KATATÄEANTEC ETIEMYAN KE KA- NÖNAC TIPÖC TAYTHN THN ÄTIAN CYNOAON THN EN ÄNTIOXEIA CYNHFMENHN Kal Al” AaYTÄc mMPÖC MÄNTAC ToYc TÄc ANATOAÄC EMICKÖTIOYC' OYCTIEP KAl AYTOYC FPÄYW COI EN TAYTH TA BIBAW MET ÖnirA, INA KAl AYTOYC MÄBHC. ZHTHTEON AE mÖc KATÄ Apeiov Kal TÖN AYTO ÖMOAÖEWN ATWNIZÖMENOI OY MEMNHNTAI TOY ÖMOOYCIOY ÖNÖMATOC OYToI Oi ArIOI KAl TÄC ANHBEIAC YTTEPMAXOI ETT.CKOTIOI, KAITOI YCTEPON EFENONTO TÄC Arlac En Nıkala CYNOAOY Kal Oi TINEICTOI AYTON HCAN EN TOIC EKEICE CYNAXBEICIN. Die 25 römischen Kanones, die hier angekündigt sind, finden sich in der Handschrift nicht; dagegen stehen — und zwar erst fol. 171" -— 16 Kanones mit der seltsamen Überschrift: “Erı Annoı Ka- NÖNec &x ErrictonAc TAc map” Itaniac TIPöc ToYc TAc AnAToAÄc ErIcKönovYc TETPAMMENHC, OITTEP ETTEMBEHCAN YTTO TÜÖN EN ÄNTIOXEIA CYNHTMENWN ETTICKÖ- mon. Also sind die angeblich römischen Kanones vielmehr antioche- nische, die aus Rom wieder nach Antiochien zurückkamen. Solche sind ja auch in der »Historischen Notiz« bezeugt (s. oben). Die Ka- nones sind noch nicht gedruckt; nach der Mitteilung, die Hr. Schwartz gibt, sind sie unzweifelhaft orientalisch, und zwar decken sie sich mit den Kanones des Basilius (ep. 217 ad Amphiloch.). N. Was ist das für eine antiochenische Synode, «deren Synodal- schreiben hier vorliegen soll? Der Schreiber der »Historischen Notiz « meint, sie sei vor dem Nieänischen Konzil abgehalten, und macht auf das Fehlen des »ömooycıoc« bei sonst orthodoxen Bischöfen aufmerk- sam. Hr. Scnwartz folgt ihm unbedenklich. Allein, was der Schreiber meint, ist zunächst ganz gleichgültig; das Synodalschreiben selbst liegt uns ja vor; auf sein Selbstzeugnis allein kommt es an. Für die Ansetzung vor dem Nicänum spricht ı. das Fehlen des ömoovcioc, 2. die Erwähnung, daß die traurigen Zustände in Anti- ochien durch das Verbot der Weltleute (Weltherrscher), eine Synode abzuhalten, hervorgerufen seien. Das paßt auf die vornieänische Zeit (Lieinius), 3. die Erwägung, daß ein Synodalschreiben, welches an die vornieänischen Schreiben Alexanders von Alexandrien sich an- schließt!, diesen sehr bald gefolgt sein wird, 4. die Mitteilung, daß ! So eng, daß es das bedeutende Initium des einen derselben einfach wiederholt. Sitzungsberichte 1908. 46 482 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. den drei vorläufig abgesetzten Bischöfen eine Bekehrungsfrist bis zur »großen und heiligen Synode in Aneyra« gegeben worden sei. In- dessen, diese Mitteilung beweist zuviel und wird sofort zum Verräter der Unechtheit; denn a) eine Synode, die noch nicht abgehalten ist, kann nicht » die große und heilige« genannt werden, b) die Synode von Aneyra hat vor dem Ausbruch des arianischen Streites zwischen Ostern 314 und 315 stattgefunden‘. Hr. Scnwarrz hilft sich hier so, daß er annimmt, mit der Synode zu Ancyra sei nicht die bekannte, sondern die gemeint, welche in Nieäa zusammentrat; denn nach einer bei den Syrern erhaltenen Nachricht habe ursprünglich die Absicht bestanden, das Konzil in Aneyra abzuhalten; das Ausschreiben dorthin müsse schon ergangen sein, als unsere antiochenische Synode zusammentrat, und somit sei alles in Ordnung: unsere Synode sei deshalb so nahe wie möglich an das Nicänum heranzurücken. Ein wahres Nest von Unwahrscheinlichkeiten und Gewaltsamkeiten! Umwahrscheinlich ist, daß »die große und heilige Synode von Aneyra« eine andre sein soll als die durch ihre Kanones allgemein bekannte; unglaubwürdig ist die spät auftauchende Notiz, daß das große Konzil ursprünglich in Aneyra tagen sollte (das Aktenstück, in dem sie sich findet, ist gefälscht, s. u.); aber selbst wenn die Notiz richtig wäre, fehlt doch jede Angabe dar- über, daß das Konzil wirklich nach Aneyra ausgeschrieben worden ist; wäre das geschehen, so müßten wir es wissen; endlich — auch wenn es nach Ancyra ausgeschrieben worden ist, so hätte doch nicht die Synode, die erst zusammentreten sollte, die große und heilige Sy- node genannt werden können (s. 0.). Also steht es so: unser Sy- nodalschreiben will vornieänisch sein, enthält aber durch die Er- wähnung der bekannten Synode von Aneyra als noch zukünftig einen ganz groben historischen Verstoß”; denn hiernach müßte unser Schreiben vor das Jahr 315 fallen, in welchem doch von Arianismus noch keine Rede war. Aber ebenso deutlich wie («lie Einsicht, daß das Synodalschreiben vornieänisch sein will, ist die Beobachtung, daß es das Nicänum vor- aussetzt bzw. nachnieänisch sein und sich mit dem Erlasse einer der bekannten Synoden, die bald nach dem Nieänum in Antiochien ab- gehalten worden sind, identifizieren will; denn ı. es beruft sich klipp und klar auf das Glaubenssymbol der 318 Bischöfe, d. h. der Väter von Nicäa (Ectın 0Yn H TIIcTIc, Ä TIPOETEEH YTI ANAP@N TINEYMATIKÖN TIH.... . HAe) — die Tatsache, daß es den Sinn des Nieänums wesentlich in den Worten Alexanders von Alexandriens wiedergibt, kann daran nichts ändern, ! Siehe meine Chronologie 1], S. 160. ® An die Synode von Ancyra im Jahre 358 (semiarianisch) ist natürlich nicht zu denken. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. 483 2. es wiederholt mit leichter Paraphrasierung den polemischen Schluß des Nieänums wörtlich, 3. es läßt den Eustathius den Eusebius von Cäsarea exkommunizieren, parallel zu der antiochenischen Synode vom Jalıre 330, auf welcher umgekehrt Eusebius den Eustathius exkommuniziert hat, 4. es behauptet, auf der Synode seien Bischöfe aus Palästina, Arabien, Phönizien, Zölesyrien, Zilizien und einige aus Kappadozien zugegen gewesen; das kommt der Nachricht sehr nahe, auf einer der bald nach dem Nicänum in Antiochia gehaltenen Synoden seien Bischöfe aus Zölesyrien, Phönizien, Palästina, Arabien, Mesopotamien, Zilizien und Isaurien gewesen, 5. das Synodalschreiben enthält fast lauter Namen von Bischöfen, die auch in Nieäa zugegen gewesen sind; ver- gleicht man nämlich die Namen (s. die Zusammenstellung von Schwartz S. 285ff.), so finden sich von den 22 zölesyrischen Bischöfen, welche zu Nieäa unterschrieben haben, 20 (d.h. 20 identische Namen) auch auf dieser antiochenischen Synode usw., so daß unter den 59 Namen nur 7 vorkommen, die sich in den nicänischen Subskriptionen nicht finden; aber von diesen 7 kommen 2 auf der bekannten antiochenischen Synode vor (Mokimu und Alexander), und nur 5 sind nicht nachweisbar (Avidius, Irenäus, Irenikus, Rabbula und Terentius). Hr. Scuwartz sucht der evidenten Tatsache, daß das Nicänum vorausgesetzt, also eine nachnieänische antiochenische Synode gemeint sei, dadurch zu ent- gehen, dal er die Zahl »318« als späteren Zusatz streicht'; aber da- mit ist gar nichts gewonnen; denn es bleibt bestehen, daß diese Väter sich auf eine Glaubensdeklaration »geistlicher« Männer von höchstem Ansehen berufen und dabei den polemischen Schluß des Nicänums vortragen; also setzen sie eben das Nieänum voraus”. Da das Aktenstück somit offenkundig Züge trägt, nach denen es vor dem Jahre 315 entstanden ist, ferner solche, nach denen es nach 315 und kurz vor 325 erlassen sein muß, endlich solche, nach denen es notwendig nach dem Jahre 325 niedergeschrieben worden ist, so ist es das stümperhafte Machwerk eines späten Fälschers, der, selbst geschichtlich ganz unwissend, seinen Lesern alles bieten zu dürfen glaubte. Dieser Fälscher ist so unwissend, daß er nicht die geringste Unterscheidung besitzt in bezug auf das, was vor und was nach Nicäa geschehen ist, vielmehr dreist drauflos- fabuliert und das, was zwischen 314 und 330 passiert ist, bunt durch- einander wirft. ı Die Zalıl steht im Ms. am Ende der Zeile, aber, wie Hr. Scuwartrz bemerkt, deutlich am Rand und außerhalb des Schrifikörpers. Aber ist sie von anderer Hand? ® Wenn daher die Zahl interpoliert sein sollte, so ist sie eine sachlich richtige Interpolation. 484 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Die Verstöße sind so grotesk und so evident, daß man eben des- halb zögert, sie irgend jemandem — sei es auch in der dunklen Zeit des 6. und 7. Jahrhunderts — zuzumuten. Wir wollen darum ver- suchsweise die gröbsten Verstöße als spätere Zusätze streichen und annehmen, daß die Erwähnung der Synode von Ancyra und die Zahl 318 Interpolationen seien und daß die Glaubensdeklaration doch älter als das Nicänum sein könne, wenn sie auch in ihrem polemischen Schluß nahezu mit ihm identisch ist. Aber auch nach diesen Zu- geständnissen bleiben nicht nur einzelne schlimme Dinge nach — eine syrische Synode soll im Jahre 324 »eeortökoc« für Maria ge- braucht und sie soll ihr Antwortschreiben mit denselben Worten er- öffnet haben, mit denen die Zuschrift beginnt!” —, sondern auch die ganze Situation erscheint noch immer als eine unglaubliche bzw. un- mögliche. Man erwäge: ı. Alexander von Alexandrien hat sein Rundschreiben, betref- fend die Absetzung des Arius, erlassen; ein Konzil nach Nieäa ist bereits ausgeschrieben. Da wird wenige Monate vor seinem Zusam- mentritt in Antiochien eine große orthodoxe Synode von 59 Bischöfen gehalten (so viele Bischöfe sind vor dem Nicänum unseres Wissens in Syrien kaum jemals zusammengekommen) —- und von einer solchen Synode sollten Eusebius, Athanasius, Sokrates, Sozomenus, Theodoret schlechterdings nichts berichten? 2. Auf dieser Synode sollen fast nur solche Bischöfe gewesen sein, die gleich darauf auch in Nicäa waren; sie müssen sich also in corpore von Antiochia nach Nicäa begeben haben! Möglich ist das; wahrscheinlich ist es nicht. 3. Von diesen 59 Bischöfen sollen 56 nicht nur die Absetzung des Arius in Alexandrien von vornherein gebilligt, sondern auch eine so orthodoxe Haltung eingenommen haben, daß von einer Mittelpartei überhaupt keine Rede ist — und dies in Syrien, wo noch in den dreißiger und vierziger Jahren der Semiarianismus herrschte und man sich über den Irrglauben der Majorität daselbst so bitter beklagte! 4. Eben diese 56 Bischöfe sollen einstimmig wenige Monate vor dem Nieänum eine Glaubensformel angenommen haben, die bereits Anathematismen enthält, die sich mit den nizänischen decken — und darüber sollen Eusebius, Athanasius, Sokrates usw. stets geschwiegen, ! Wir nehmen somit versuchsweise an, die Synode, auf die sich die Glaubens- deklaration bezieht, sei die von Alexandria, auf welcher Arius zum ersten Mal ex- kommuniziert worden ist. = ? "ENÖC CWMATOC ÖNTOC TÄC KABOAIKÄC EKKAHCIAC — ein solcher Fall ist naclı meiner Kenntnis der kirchlichen Korrespondenz im Altertum unerhört. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. 485 und das Nicänum soll doch den Verlauf gehabt haben, den es nach urkundlichen Zeugnissen genommen hat! 5. Eben diese Bischöfe haben den berühmten Eusebius von Cä- sarea als Irrlehrer angeblich verurteilt — und dennoch soll er in Nieäa die Rolle gespielt haben, die er spielte, und niemand soll seine vorläufige Verurteilung als Ketzer erwähnt, und auch später noch sollen seine Feinde diese furchtbare Niederlage verschwiegen haben! Dazu: der kluge Eusebius soll so töricht gewesen sein, sieh — ohne es nötig zu haben auf eine Synode nach Antiochien zu begeben, wo er 56 Gegner und nur 2 Freunde vorfand! 6. Diese große antiochenische Synode endlich soll so zustande gekommen sein, daß ein obskurer Bischof aus Isaurien' — ihn hält näm- lich Hr. Schwartz für den Bischof Eusebius, der im Synodalschreiben an erster Stelle genannt ist” — nach Antiochia kam und, weil er dort schwere Unordnungen und eine Sedisvakanz fand, die Bischöfe von mehreren Provinzen zusammenrief. Sie sollen wirklich dem Rufe gefolgt sein, ihn, den Isaurier, zum Präses gemacht und unter seiner Leitung getagt haben! Diese Art, wie die Synode zusammengekommen sein und wie ein obskurer Mann hier das Wort geführt haben soll’, ist ebenso unglaublich, um nicht zu sagen, unmöglich, wie alles übrige. Also ist durch die Annahme von Interpolationen hier nicht zu helfen. Das ganze Stück ist vom Anfang bis zu Ende die Fälschung eines Ignoranten. Unter solchen Umständen hat es natürlich gar kein Interesse, das zu untersuchen, was in der »Historischen Notiz« noch hinzugefügt worden ist. Entweder ist der Fälscher selbst ihr Ver- fasser oder ein Späterer, der die Fälschung geglaubt hat. In beiden Fällen ist die »Notiz«, die von einer Korrespondenz der Synode mit den italienischen Bischöfen und von 25 Kanones fabelt, gleich wert- los. Die Korrespondenz und die Kanones sind übrigens dem nach- gebildet, was sich auf einer späteren antiochenischen Synode wirk- lich zugetragen hat und allgemein bekannt war. Unsere Kenntnis dessen, was sich in dem letzten Jahr vor dem Nieänum und in den folgenden zehn Jahren abgespielt hat, ist lücken- haft und in vieler Hinsicht unsicher; aber so schlecht ist sie doch nieht, daß wir außerstande wären, ein Aktenstück von solchen Merk- malen, wie sie dieses Synodalschreiben trägt, zu kritisieren und ge- bührend zurückzuweisen. ! Der dann auch in Nieäa anwesend gewesen sein soll. 2 2 Aber Isaurien ist in der Liste der Provinzen, aus denen Bischöfe zu der Synode nach Antiochia gekommen sind, überhaupt nielit genannt! 3 Man beachte, daß das Schreiben in der ı. Pers. Sing. abgelaßt ist. 486 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. IV. Eine Fälschung ist erst dann erklärt, wenn es gelungen ist, ihrem Anlaß und ihre Motive zu entziffern. Auch das ist hier in hohem Maße möglich. ı. Auszugehen ist davon, dal der Fälscher seiner Fälschung die beiden Schreiben Alexanders von Alexandrien zugrunde gelegt und sie hauptsächlich nach ihnen konstruiert hat. In dem Schreiben (Theodoret I, 3, S. 740 ed. NozsseLr) heißt es aber: Kal oYk ola önwc EN CyYPia xEIPOTONHGENTEC ETTICKOTOI TPEIC AIA TO? CYNAINEIiN TO Apeiw: kal AxınnA Em TO xelpon YTIekkalovci' TIEPI ON H KPicıc YTIANAKEICew TA Ymet&pa aokımacia |[d. h. dem Alexander von Byzanz, an den auch unser Brief gerichtet ist], und am Schlusse bittet Alexander von Alexan- drien die Bischöfe, keinen Arianer in die Kirchengemeinde aufzu- nehmen, vielmehr so zu handeln wie jene Bischöfe von Ägypten, Libyen, der Pentapolis, Syrien, Lyzien, Pamphylien, Asien, Kappa- dozien usw., welche schriftliche Erklärungen gegen den Arianismus bereits an ihn geschickt, bzw. seine Glaubensdeklaration unterzeichnet hätten (S. 747). Da liegt der Anlaß für die Fälschung offen vor uns. Sie ist als syrisches Schreiben, und zwar als ein Echo der Zuschrift Alexanders aus Antiochia gedacht, und vielleicht werden auch des- halb drei Bischöfe in ihr exkommuniziert. Welche Bischöfe Alexander gemeint hat, weiß man nicht und ist auch gleichgültig. Der Fälscher setzte Theodotus von Laodizea, Narzissus von Neronias und den be- rühmten Eusebius von Cäsarea ein. Theodotus war in der Tat ein Freund des Arius und Führer der Arianer, und Narzissus war ein Gesinnungsgenosse des Eusebius'. 2. Neben dem berühmten Eusebius von Cäsarea sind die beiden anderen Bischöfe fast obskure Leute. Also darf man sagen, daß sich die Fälschung gegen Eusebius richtet. Hierin liegt ihr Akumen, und er ist hauptsächlich gemeint, wenn es von den drei Bischöfen auf der Synode heißt: »TonYTPöTTWc AABEIN TIEIPHBENTEC KAl KA- TAKPYTITEIN TÄC TINÄNAC AYT@N TIIBANOAOTIAIC OYK AAHBECIN, OMWC ENANTIA EICÄFONTEC ESÄNHCAN" Kal TÄP ENAPFÜC ... HAETXBHCAN ÖMOAOEZOYNTEC TOIC mer’ Areioy.« Nicht nur in späterer Zeit war bekanntlich die Ortho- doxie des großen Kirchenhistorikers sehr umstritten. sondern sehon bei seinen Lebzeiten. Sokrates (I, 23) schreibt von ihm: Eyce&sioc TTameinov AITAWCCOY AÖZAN EKTHCATO, OTI TÄC AITIAC AETEIN EKKAINWN MH Eusebius hat ilın gegen Marcell verteidigt; s. Marcell bei Euseb. e. Marcell. 1, 4: EnTyx@n rAP Narkiccoy ToY NePwnIAAoc TIPOECTÜTOC ETICTOAÄ, HN TETPAPE TIPÖC ... Eycesion, wc "Ociov TOT EmICKöMOY EPWTHCANTOC AYTON, EI wener Eycesioc 6 TÄC TTANAICTINHC AYo OYCIAC EINAI BHCIN, OYTWC KAl AYTOC AETOI, ETNWN AYTON ATIO TÖN TPA- GENTWN TPEIC EINAI TIICTEYEIN OYCIAC ÄTIOKPINÖMENON. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jalıre 324/5. 487 CYNeYAokein Tolic En Nıkala cyn&eero. Ihn wollte der Fälscher daher treffen durch die Lügenlegende, er sei von einer großen antioche- nischen Synode abgesetzt worden, und so sein in der Kirche bestehen- des hohes Ansehen ruinieren. 3. Aber wer hat ihn abgesetzt? Nach dem Synodalschreiben, wie es uns vorliegt, ein Bischof, ebenfalls den Namen Eusebius führend, den Hr.Scnwartz ausV erlegenheit mit einem obskuren isaurischenBischof, der zu Nieäa anwesend gewesen ist und von dem man sonst schlechter- dings nichts weiß, identifiziert. Das kann natürlich nicht sein. So verfährt kein Fälscher; er braucht einen illustren Namen! Nun, nach dem Namen dieses obskuren Eusebius folgt in dem gefälschten Schreiben aber sofort ein sehr bekannter Name, nämlich der des Eustathius. Eustathius war nicht nur Bischof von Antiochien (schon zur Zeit des Nicänums) — eben den Bischof von Antiochien brauchen wir für eine antiochenische Synode —, sondern auch das Haupt der Ortho- doxie in Syrien, und er ist bekanntlich von Eusebius von Cä- sarea und seinen Freunden ein paar Jahre nach dem Nicänum auf einer Synode zu Antiochien abgesetzt worden (s. Sokrat. I, 24 cum parall.). Mit einem Schlage wird nun klar, wie der Anfang des Synodalschreibens zu lesen ist — nicht TO Ariw Kal dmoYYxw Anene® ATATIHTÖ Kal CYaneıToypr® AnezAnarw Eycesioc, EycrAsıoc, Amoiwn KTa., sondern TÖ Ariw ..... Anezinaro (TO) evcesei EyctAsioc, Ameiwn KTa. Eustathius ist als der Präses der Synode und als der Verfasser des Synodalschreibens anzusehen; nur auf ihn paßt die hohe Stellung, die der Leiter der Synode und der Schreiber des Synodalbriefs einnimmt ', und die ganze Fälschun® hat also klärlich den Zweck, der historischen Absetzung des orthodoxen Eustathius durch den heterodoxen Eusebius — diesem Skandalon der Kirchengeschichte! — dreist eine erlogene Absetzung des Eusebius durch Eustathius entgegenzusetzen’. 4. Ob noch eine dogmatische Nebenabsicht den Fälscher geleitet hat, darf man fragen. Es ist oben darauf hingewiesen worden, daß ı Wenn der Schreiber von sich sagt: &ae@n rÄP EIC THN TÖN ANTIOXEWN Kal IAWN THN EKKAHCIAN AIAN TAPAXBEICAN, so hat man sich zu erinnern, daß Eustathius erst kurz vor dem Nieänum zum Bischof von Antiochien gewählt worden ist, während er vor- hier Bischof von Beröa war. ?2 Hr.Scnwartz, an beide Absetzungen glaubend, nimmt (S. 281 Nr. r) an, Eusebius habe im Jahre 330 Rache genommen an Eustathius für die Absetzung, die dieser sechs Jahre zuvor über ihn verhängt hatte. Er hätte demnach selbst seinen eigenen Text ver- bessern und den EYc&sioc in einem eYcegel verschwinden lassen sollen. Freilich — in der Hauptsache wäre so doch nichts geändert; denn nicht Eusebius von Cäsarea hat im Jahre 330 Rache an Eustathius seiner Absetzung wegen genommen, sondern ein Fälscher des 6. oder 7. Jahrlıunderts hat sich an Eusebius gerächt, weil er den Eu- stathius abgesetzt hat. 488 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. der Fälscher für die Prädikate »ATpernrtoc Kai Anannolwtoc« ein beson- deres Interesse zeigt, welches über das Interesse, das ihnen die Vor- lage (der Brief Alexanders) zollt, weit hinausgeht. Hebt doch der Fälscher schon bei der ersten Person der Gottheit, also bei Gott selbst, hervor, daß ihm diese Prädikate zukommen. Das weist meines Er- achtens auf die monophysitischen Kämpfe, in denen bekanntlich auf das hitzigste über die Leidensunfähigkeit und Unveränderlichkeit der Gottheit gestritten wurde. Dennoch glaube ich nicht, daß der Fäl- scher zu bestimmten Zwecken die Unveränderlichkeit hervorgehoben hat; hätte er solche verfolgt, so hätte er sich noch deutlicher aus- gedrückt. Wohl aber hat er seine Zeit und ihre Interessen durch jene Hervorhebung verraten. Er schrieb in der Zeit der monophy- sitischen Kämpfe — ob im 6. oder im 7. Jahrhundert, das läßt sich nieht mehr ermitteln‘. Weder im Dezember 324 noch sonst vor dem Nicänum hat eine große antiochenische Synode, die das Nicänum antizipiert hat, statt- gefunden. Alles ist dreist erlogen, das Synodalschreiben und die Synode selbst — erlogen in einer Zeit, in der entsetzlich viel in Ost und West (auch in Rom) gefälscht worden ist, gefälscht zu dogma- tischen, gefälscht zu kirchenpolitischen, gefälscht zu erbaulichen Zwecken, gefälscht aus Lust am Fabulieren, gefälscht, um die frü- here Geschichte, wo sie unbequem und anstößig war, zu übermalen oder auszutilgen. Auch speziell für Antiochia ist viel gefälscht wor- den: ich erinnere an die Fälschungen in bezug auf die ersten Bischöfe, an die Fälschung einer apostolischen Synode in Antiochien® und an die Fälschung eines antiochenischen Symbols” gegen Paul von Samo- sata‘. Unsere Fälschung, die wie die anderen den Stuhl von Antio- chia erheben soll — er soll schon vor dem Nicänum für die Ortho- doxie eingetreten sein! — stellt eine Geschichtsfälschung gleichsam in teinkultur dar. Das Ansehen des größten Historikers der alten Kirche sollte zum Ruhme der Kirche von Antiochia vernichtet werden. Der Fälscher besaß nichts als Aktenstücke und Berichte, die wir auch noch besitzen, nämlich eine Kanonensammlung und was man bei So- krates und Genossen las; von Chronologie hatte er keine Ahnung. Seinen Zorn erregte die Absetzung des orthodoxen Eustathius durch Eusebius. Er durfte es seinem Publikum gegenüber wagen, die Ge- ! In dogmatieis war der Fälscher nicht ganz ungebildet. Das beweist die Be- obachtung, daß er in der Glaubensdeklaration, die sich so eng an die Alexanders von Alexandrien anschließt, alles Anstößige wiederzugeben vermieden hat, was er dort reichlich fand. ® Ich habe über sie in der »Missionsgeschichte« (1. Aufl.) S. 52 ff. eingehend gehandelt. ®° Hann, Bibliothek der Symbole (3. Aull.) $ 132. Harxack: Die augebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. 45) schichte hier einfach umzukehren, und sich dabei die gröbsten ge- schichtlichen Verstöße und Widersprüche erlauben; denn er empfand sie selbst nicht und konnte auf noch ungebildetere Leser rechnen. Wir wissen nicht, daß seine Fälschung einen Erfolg gehabt hat — andere fraudes Syrorum waren darin glücklicher —; nur in einer syrischen Handschrift versteckt ist sie auf uns gekommen, aber bis vor drei Jahren nicht ans Tageslicht getreten. Anhang. Das Schreiben Konstantins, durch welches er das angeb- lich nach Ancyra berufene Konzil nach Nicäa verlegt und die Bischöfe dorthin einlädt. Die Annahme von Hrn. Scuwartz, das große Konzil sei ursprüng- lich von Konstantin nach Aneyra berufen worden (s. oben), stützt sich ausschließlich auf ein ebenfalls nur syrisch erhaltenes Schreiben', das die Überschrift trägt: »Brief des Basileus Konstantin an die Synode der 318 Väter.« In der Retroversion von SCHWARTZ (a. a. O. S. 289), der es unbedenklich für echt hält, lautet es: TO MHAEN EME ExeiN Ö AN TIMIWTEPON H EN TOIC ÖweAnmoic MoY TÄC EYCEBEIAC, TIANT! AHANON EINAI NOMIZW. ETIEI AC THN TÖN ETIICKÖTTWN CYNOAON En ArKYPA TÄC | AnATIAC TENECBAI TIPÖTEPON CYNESWNHEH, NYN TIOANWN ENEKA KANON EINAI EAOzZEN INA En Nıkala TH TAc Bieyniac TIöneI CYNAXeH, AIÖTI TE oi &k TAc “ITanlac Kal TÖN nOIMÄN TÄC EYPWTIIHc MEPÜN EPXONTAI ETTCKOTIOI KAl AIA THN KAAHN TOY AEPOC KPÄCIN, ETI A& KAl IN Erw ÄFFYBEN EecATHc Ö KAl KOINWNÖC TON TENHCOMENWN. AlIA TOYTO TNWPIZW YMIN, AAEN®OI ATATIHTOI, TTÄNTAC YMAC EIC THN EIPHMENHN TIÖAIN, TOYTECTI A eic NIKAIAN, AIA CTTOYAÄc EOENEIN EME CYNAXOHÄNAI. EKACTOC OYN YMON ÖP@N Elc TO XPÄCIMON, WC TIPOEI- PHKA, CITEYAETW ÄNEY TINÖC MEAAHCEWC TAXEWC EnsEiN, INA BEÄTHC TÜN TE- NHCOMENWN AYTOC EITYSEN TENHTAI. Ö BEOC YMÄC AIAGYNÄZEI, ÄAENGO| ATATIHTOI. Zunächst — wie Hr. Scuwarrz aus diesen Worten bestimmt schließen konnte, das Nieänische Konzil sei von Konstantin zuerst nach Ancyra berufen worden, ist nicht ersichtlich. Diese Auslegung ist nur eine der beiden Möglichkeiten. Die Worte bedeuten viel wahr- scheinlicher, daß, nachdem schon früher in Ancyra eine Synode ge- halten worden sei, nunmehr eine solehe in Nicäa stattfinden solle. Wir haben also hier wahrscheinlich dieselbe Rückbeziehung auf die ! Siehe Prrra, Analecta Sacra IV, 224 f. (452). Über die Überlieferung s. dort und Scawarız, a. a. O. 1904, S. 358 not. 2. 490 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. bekannte Synode von Ancyra zu erkennen, die sich auch in dem ge- fälschten Synodalschreiben (s. oben) findet'. Eben diese Rückbeziehung wird aber bereits zum Verräter der Unechtheit auch dieses Schriftstücks; denn die Synode von Aneyra lag weit zurück und irgendeine Beziehung zwischen ihr und dem Nieänum gibt es nicht. Dagegen lag es in späterer Zeit nahe, solche Beziehungen zu konstruieren, weil in den Kanonessammlungen die Kanones von Aneyra und Nieäa zusammenstanden. Kusebius hat in der Vita Constant. III, 6 das Einladungsschrei- ben zum Nicänischen Konzil bekanntlich nieht mitgeteilt: er schreibt nur, der Kaiser habe eine ökumenische Synode zusammenberufen, CTTEYAEIN ÄTTANTAXÖBEN TOYC ETTICKÖTIOYC TPÄMMACI TIMHTIKOIC TIPOKANOYMENOC. Das Schreiben bzw. die Schreiben sind auch sonst in griechischer Sprache nirgends überliefert. Sollte sich das Schreiben im Syrischen erhalten haben? Das wäre möglich; aber ebenso möglich ist, daß man es nachträglich konstruiert hat, weil man es vermißte. Daß das uns vorliegende Aktenstück konstruiert und also unecht ist, ergibt sich ı. aus der versuchten, aber sachlich unmöglichen Beziehung auf die Synode von Ancyra, 2. aus der fehlenden Adresse — hält man die Überschrift »An die Synode der 318 Väter« für ursprünglich, so ist die Unechtheit schon entschieden, hält man sie für sekundär, so fehlt dem Briefe das Notwendigste, 3. die drei Gründe, die für die Beru- fung nach Nicäa angegeben werden (die Rücksicht auf die italieni- schen und die europäischen Bischöfe, die gesunde Lage der Stadt, die Möglichkeit für den Kaiser, »Zuschauer und Genosse« zu sein), mögen gerade noch passieren, aber daß die sachlichen Gründe für den Zusammentritt des großen Konzils in der Einladung gefehlt haben, ist unglaublich. Wir wissen, daß die Synode zusammengerufen wor- den ist, um die arianischen Streitigkeiten beizulegen und die Öster- differenz zu beseitigen. Das muß natürlich im Ausschreiben gesagt worden sein, 4. der Stil des Schreibens ist von dem uns wohlbe- kannten Stil der christlichen Kanzlei Konstantins ganz verschieden. Das Schreiben ist also eine zwar harmlose Fälschung, aber doch nichts anderes als eine Fälschung, bestimmt, den weißen Fleck in der Vita Constantini des Eusebius auszufüllen, wo er von dem Einladungs- schreiben des Kaisers spricht, ohne es mitzuteilen. Als diese Zeilen bereits geschrieben waren, erinnerte ich mich, daß Hr. Loors vor 24 Jahren in der Theologischen Literaturzeitung die Analecta Sacra Pırras gleich nach ihrem Erscheinen rezensiert ! Daher entsteht die Vermutung, die beiden Aktenstücke seien aus einer Schmiede; doch fehlt die Möglichkeit, dieser Vermutung weiter nachzugehen. Harnack: Die angebliche Synode von Antiochia im Jalıre 324/5. 49] hat. Ich schlug die Zeitschrift auf und fand (1884, S. 574) folgen- des zu unserm Schreiben vermerkt: »Den Kanones von Nicäa und der Liste der Synodalen sind unwichtige historische Notizen der Hand- schriften [bei Pırra] vorangeschickt. Ein in diesen Notizen enthal- tener Brief Konstantins, der die Bischöfe zur Synode nach Nieäa ladet, ist zweifellos ebenso unecht wie der von Mar, Vet. Seript. Nova Coll. X, S. 3ı edierte Brief, der mit dem hier veröffentlichten nur das gemeinsam hat, daß beide das, wie wir sehen, früh ver- mißte Edikt Konstantins neu zu schaffen versuchen.« Wir sind also ganz einer Meinung. Somit fällt die Annahme, das Nieänische Konzil sei zuerst nach Ancyra berufen worden, ebenso dahin wie «die anderen Aufstellungen, in denen Hr. Schwartz S. 239— 299 die Vorgeschichte des Nicänums neu zu gestalten versucht hat. 492 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Trigonometrische Höhenmessung und Refraktions- koeffizienten in der Nähe des Meeresspiegels. Von F. R. Hernerr. 18 Es ist bekannt, daß der Refraktionskoeffizient z hauptsächlich infolge seiner Abhängigkeit von der Temperaturänderung der Luft mit der Höhe starken zeitlichen Änderungen unterworfen ist. Bezeichnet r die Ände- rung der Lufttemperatur in Graden für ı m Erhebung, so ist ange- nähert in der Nähe des Meeresspiegels 2 0,227 5 0,307. (1) Für je 1000 m Erhebung nimmt x um nur 0.016 ab, falls r konstant bleibt‘. Diese Größe r aber hat an einem Punkte der untersten Luft- schieht von etwa 20 m Dicke nicht nur eine tägliche Periode von er- heblicher Amplitude und ist stark vom Witterungscharakter abhängig, sondern sie ändert sich im allgemeinen auch sehr rasch mit der Höhe.” Deshalb ist bei trigonometrischen Höhenmessungen in der Nähe des Meeresspiegels die Voraussetzung der Kreisform des Lichtstrahls nur ausnahmsweise gestattet; im allgemeinen führt diese Voraussetzung zu erheblichen Fehlern. Es ist der Zweck dieses Aufsatzes, das an einigen Beispielen nachzuweisen und einiges bezügliche Beobachtungsmaterial über z zu erörtern. Wir setzen in der Höhe A über einem Punkte ı z—=n, tx. (2) Dann ergibt sich mit gewöhnlich völlig ausreichender Genauigkeit für die Höhe 4,, eines Punktes 2 über ı bei einseitiger Messung: ! F.R. Herserr, Theorien II, S. 578. 2 Vgl. u.a. E.Hanmer, Refr. über großen Wassertlächen, Zeitschr. f. Vermessungs- wesen 1900, 9. 3Iıf. Herner: Trigonometrische Höhenmessung. 493 ı—k, SmSo Rn = Sm cot rar FTES ._2 (3) 2 p sın 2,. mit Zn i ht (Mrs sm 6062... (4) Hierin bezeichnet u. a. p den Krümmungsradius des Meeresniveaus für die Linie 1.2, s, deren Länge und s, die Entfernung in der mittlern Höhe beider Punkte. Diese Formeln habe ich früher entwickelt (a.a.O. S. 572, 573). Man schließt nun in bekannter Weise, daß 4+ky mit y=s:2 der Refraktionswinkel am Punkte ı ist. Entsprechend wird für +A,y am Punkte 2: [2 x k, =2-+ 6 (— a cot 2, ı) 9 (5) wobei nach (2) zu setzen ist: =, trh,.: (6) Beachtet man nun noch die bekannte Gleichung im Dreieck aus den beiden Punkten ı und 2 und dem Krümmungsmittelpunkte: k,+k a. 2.:ı = 180° + Bee: er y 2 sowie die Identität: rat 2aı DO IEHE 2 [97 so folgt aus (3) leicht die Formel für gegenseitige Messung: 2 — 2 2. M—h.s.s 2&,—2 h ‚= Sn tan 2.0 1.2 are ARMS see? 21 “r2 4 (7) 2 4 0 2 Hierin darf man k,—%, mit Vernachlässigung von x” umd anderen kleinen Gliedern gleichsetzen: k,—k—=4r'h,.; (5) wie man aus (4), (5) und (6) mit Benutzung von (3) und der entsprechen- den Gleichung für A,, = —/A,, findet. Damit folgt für gegenseitige Messungen: 2,2 8,8 lb: , hs aim —lı + JH — le): 2 120 Ss Hierfür reicht es aus zu schreiben: 494 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Das Hauptglied dieser Formel ist der übliche Ausdruck, welcher also bei Anwesenheit eines merklichen Betrags von x’ eine Korrektion zu erhalten hat. Die Formel (9) würde für die meisten praktischen Fälle genügen, wenn nur die Annahme (2) über die Veränderung von x mit der Höhe ausreichte. Dieses ist allerdings nur in beschränktem Maße der Fall. Ich habe daher noch Formeln für die Annahme x—=n,+xh+txh (10) aufgestellt', welche bei gegenseitigen Messungen zu dem Ausdruck führt: 2,2 Da Se ae san = ( + — 2, — — ",(1—%,) “) (11) Hierin beziehen sich x, und x, auf die mittlere Höhe beider Punkte. Für solche Fälle, wo Strahlen in Betracht kommen, die sich dem Meeresspiegel bis auf weniger als etwa 3m nähern, also insbesondere für Kimmstrahlen selbst, dürften auch die auf der Annahme (10) be- ruhenden Formeln noch ungenügend sein, denn innerhalb der etwa 3m starken Luftschieht, welche unmittelbar an den Meeresspiegel an- grenzt, ist x mit A so veränderlich, daß eine Tavyrorsche Entwicklung nicht mehr ausreicht. 9) ie Bei der Bestimmung der Höhe des astronomischen Pfeilers auf Wangeroog über dem Festlandspunkte Schillig von seiten des Kgl. Preuß. Geodätischen Instituts im Jahre 1888 wurde x’ unter Zuhilfe- nahme von Heliotropen gewonnen, die auf den Leuchttürmen in durch- schnittlich 15m Höhe über den Heliotropen neben den Winkelmeß- instrumenten aufgestellt waren. Es fanden sich folgende Zahlen für 100000 x’: 6— Sta 10— ı2"a 2 um ge pP Aug. I5 +466 Aug. 13 +621 Aug. I4 +737 Aug. 14 -+902 n 25 043 785 » 17 318 » 30 433 » 31 +3501 » 18 656 » 7718701393 » 31 394 Sept. I -+098 » 30 554 aus 364 Sept. ı 330 (12) ”» 7.430 31 599 Sept. ı 808 » Io 263 Mittel: +290 +643 +824 +464 Troa ıol7a 2tgp 6"ıp ' Bestimmung der Höhenlage der Insel Wangeroog usw. (Sitzungsber. 1907, S. 766 u. f.). Die Entwicklung setzt flache Strahlen voraus, bei denen man mit ge- niigender Genauigkeit überall cot x gleich dem Höhenwinkel « setzen kann. Hernerr: Trigonometrische Höhenmessung. 495 Jedem Termin entsprechen ı bis 5 Einzelbestimmungen (im Mittel 3) aus Beobachtungen auf beiden Stationen. Hier sind nur die Mittel angesetzt, da diese untereinander noch immer stärker ab- weichen, als die Einzelwerte einer Gruppe'. Nachstehende Tabelle zeigt die Abweichungen der einzelnen Termin- werte von dem Mittelwerte für das betreffende Zeitintervall: +176 +142 — 6 +438 338 — 22 +569 AR +211 + 13 — 87 — 201 +140 — 44 —460 — 31 —192 — 89 — 16 —134. Hieraus folgt als mittlere Abweichung eines Terminwertes: 1072 a h # == (oyn -° A de12-2-.0:802559: (122) Interpoliert man die umstehend gefundenen vier Stundenmittel- werte von x’ graphisch, so ergibt sich folgender Verlauf von #' von 7"oa bis 6!op: 7a 0.0029 ı" p 0.0078 8 38 2 81 9 47 3 82 a 10 57 4 76 (13) 11 66 5 63 12 73 6 48. Die mittlere Abweichung eines wirklichen Wertes vom Tafel- werte beträgt nach (12°) =E 0.0026. Man kann diese Größe ganz passend als »Streuung« der Reihe (13) bezeichnen, welchen Ausdruck H. Bruns in die Kollektivmaßlehre ein- geführt hat.’ Wie aus obiger Zusammenstellung ersichtlich ist, sind diese Werte von x aus Beobachtungen an mehreren Tagen von Mitte August bis Mitte September gewonnen. Die Visuren überstreichen fast in ihrer ganzen Länge von 12.8 km den Meeresspiegel in einem Raum von S bis etwa 30 m Höhe. Die Meereshöhe, welche den Tabellen werten zukommt, ist rund ı3 m, wie man erkennt, wenn man in die Ent- -wickelung noch x” aufnimmt (vgl. Sitzungsber. 1907 (23°), S- 779); wobei sich mes daß im Mittel obige Werte das Aggregat x, + 4.20 2” ! Vel. Sitzungsber. 1907, S. 775/779- ?2 H. Bruns, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kollektivmaßlehre. Leipzig und Berlin 1906. S. 119. Es wäre sehr nützlich, bei den Mittelwerten der Refraktions- koeffizienten die Streuung mit anzugeben. Erst dadurch wird das Beobachtungsergebnis vollständig charakterisiert. 496 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. vorstellen. Hierbei bezieht sich z#) auf den unteren Beobachtungs- punkt von 9 m Meereshöhe, das Aggregat also auf 9+4 = 13m. Der Vollständigkeit wegen mögen hier noch die Werte von z, selbst, die ähnlich wie die Werte (13) durch graphische Interpolation gewonnen wurden, angegeben werden: 7a 0.130 in P 0.037 8 107 2 038 9 087 RE 047 Io 070 4 064 (14) II 055 5 087 12 043 6 115. Diese Werte gehören zu 9 m Meereshöhe. Die Streuung beträgt =E/0.032% Leider war es nicht erlaubt, in der Nacht (statt der Turmheliotrope). Lichtsignale anzuwenden, so daß für die Wertreihen (13) und (14) die Nachtbeobachtungen fehlen. Eine Abhängigkeit der Werte #, und #° von der allgemeinen Witterungslage konnte ich aus den beobachteten Barometerständen, Windrichtungen und Windstärken nicht erkennen. Es muß aber her- vorgehoben werden, daß ausschließlich nach Heliotropenlicht beobachtet wurde, also »schlechtes« Wetter überhaupt ausgeschieden ist. In den unteren Luftschichten sind die Verhältnisse wegen der Nähe der physi- schen Erdoberfläche aber auch wohl weniger günstig für das Hervor- treten des Einflusses der Witterungslagen, als in den oberen‘. Der Einfluß der Windstärke allein tritt ebensowenig hervor; doch sei be- merkt, daß immer wenigstens etwas Wind herrschte. Die auf die Pfeileroberflächen zentrierten Mittelwerte der für Schillig-Wangeroog beobachteten Höhenwinkel sind: &, = —110!47 &,, = —266'04.° Dabei ist log s= 4.10652. Das gibt als Hauptglied für A,, den Wert 4.819 m. ! Vgl. hierzu die Abhandlung von J. Maurer, Beobachtungen über die irdische Strahlenbrechung bei typischen Formen der Luftdruckverteilung (Meteor. Zeitschr. 1905, S. 49 u.f.; s. auch weiterhin S. 262 u. f.). ® In der Abhandlung in den Sitzungsber. 1907 sind die auf S. 770 0. angege- benen Höhenwinkel irrig, indem die Zentrierungen mit verkehrten Zeichen angebracht sind. Indessen hat das (ort weiter keine Bedeutung, da diese Zahlen nur auf der oberen Hälfte von S. 770 benutzt sind und die Schlüsse, die daraus gezogen wurden, unverändert bleiben. Die richtigen Zahlen sind: r. Hälfte: —ı15'61 +187!06 —271.35 —37.55 2. Hälfte: —ı05.33 +192.89 —260.73 —29.66 en —n Tr 302.6 233.80 cn ae 298.22 ) 231.07 ) Hernerr: Trigonometrische Höhenmessung. 497 Durch Zuziehung der Turmbeobachtungen fand sich 2’ = 0.00570 (a.a. 0. S. 776), gültig für ı3 m Meereshöhe. Die mittlere Höhe der Beobachtungspunkte war 11.5 m, also wenig verschieden von jener. Mit dem angegebenen Werte von x’ folgt nun das Korrektionsglied zu 40.059 m, also wird der verbesserte Höhenunterschied gleich 4.8378 m. Durch Zuziehung der Beobachtungen nach den Turmhelio- tropen' sowie durch Einführung eines plausiblen Wertes für z” er- höht sich dies auf 4.899 m (a.a. 0. S. 778—731). 3. Von seiten der Trigonometrischen Abteilung der Kgl. Landes- aufnahme wurden nach gefälliger Mitteilung im Jahre 1890 am 13. Juli von ı"30” bis 2'30"p zwischen Schillig und Wangeroog-Kirchturm gegenseitige Zenitdistanzmessungen ausgeführt. Vom Kirehturm aus ergab sich dann die Höhe des astronomischen Pfeilers zu 13.0m gegen 13.5m aus den Beobachtungen von 1888. Nun war die Höhe der beiden Beobachtungspunkte 1890 abgerundet 8.5 und 31.8m, A,. also gleich 23.3m. Ferner war log s = 4.1763. Das Korrektionsglied der üblichen Formel für gegenseitige Messungen beträgt in diesem Falle nun in der Tat, dem Unterschied von 13.0 und 13.5 entsprechend, nahezu 0.5m. Denn nach der Tabelle (13) ist für 2" # = 0.0081 und damit die Korrektion: 2 -0.0081; d.i.+0.56 m. Entsprechend der Streuung der Tabellenwerte (13) im Betrage von =#0.0026 ist diese Korrektion mit einer mittleren Unsicherheit von =0.18m behaftet. Sie ist auch wohl etwas zu groß, da 0.0081 zu ı3m Meereshöhe gehört und die mittlere Höhe der Beobachtungs- punkte 20m beträgt; nimmt man z. B. #’ = —0.00025 an, so wird für 2om x = 0.0063. Die Formel (11) gibt nun als Korrektion +0.43m. 4. Das Kgl. Geodätische Institut ließ im Jahre 1831 zwischen Kugelbake bei Cuxhaven und dem Leuchtturm auf Neuwerk gleich- zeitige gegenseitige Zenitdistanzmessungen in der Zeit vom 22. Aug. bis zum 7. Sept. anstellen. Die Höhe der Beobachtungspunkte war 3.8 und 32.8m; log s = 4.1087. ! In den Sitzungsber. 1907 ist für den Turmheliotropen auf Wangeroog Tz S. 773 und 778 irrtümlich um 5 mm zu klein angegeben, was aber auf den endgültigen Höhenunterschied nur ı mın Einfluß hat, der nicht in Betracht kommt. Sitzungsberichte 1908. 47 498 Gesamintsitzung vom 14. Mai 1908. Der Höhenunterschied war in diesem Falle durch ein geometri- sches Nivellement von Hvso Leutz gegeben‘. Für die Pfeilerobertlächen beträgt er danach 23.892 m. Dagegen ergaben die Zenitdistanzmessun- gen nach der gewöhnlichen Theorie folgende Werte, deren jeder aus durchschnittlich 45 aufeinanderfolgenden gegenseitigen Einstellungen abgeleitet ist: hı.2 m Aug. 22 128 283.803 0.120 \ 5 > Mittel: „ 2.4 591 0.110 n 3 = 29.772 Aug. 23 10.6 930 0.132 3 1122 ö m= 0.12 ” » 12.9 801 0.131 h 2.8 738 0.12 Dat Aug. 27 104 28.630 0.100 0 28EEET037 268 0.063 h 0 Mittel: 12.8 489 0.091 e \ Ar. = 28.512 m 2.7 537 0.092 E > E m = 0.088 29 104 529 0.075 i : DT 12.5 654 0.107 Sept. ı 105 477 0.090 Sept. 6 I.I 28.603 0.267 Mittel: » 3.2 852 0.187 / hı.2 = 23.806 m Sept. 7 11.0 885 0.188 | km = 0.226 » "„ 12.9 885 0.263 ne %„ 1St hierin in gewöhnlicher Weise aus den beiden Endzenitdistanzen berechnet; angenähert kann man sich z, auch auf die mittlere Höhe der beiden Endpunkte bezogen denken, oder als Mittelwert, genommen nach der Höhe (wie weiterhin). Im Mittel der drei Gruppen folgt A,, = 23.697 m mit z%, = 0.146 um 12:6. Für diesen Zeitpunkt gibt Tabelle (13) x’ = 0.0076 bei der Höhe von ı3m. Zu ı8m wird ein etwas kleinerer Wert ge- hören, etwa 0.006 #0.003. Dies gibt die Verbesserung für Ah gleich +0.37#0.19 und somit A,, = 29.07#0.19m. Dies stimmt gerade noch innerhalb der mittleren Fehlergrenzen mit dem nivellierten Er- gebnis 28.89.” Auffallend sind die großen Unterschiede zwischen den drei Gruppen- ergebnissen, sowohl in A,, wie in %„. Die meteorologischen Angaben zeigen dagegen keine größeren Unterschiede. Rechnet man rückwärts aus den Abweichungen des trigonometrischen A-Wertes gegen den geo- metrischen Wert das x’ aus, so folgt 2, —0:00R9 0.0061 0.0014; ı Vgl. »Zenitdistanzen« S. (19) u. f. ®2 Ein Wechsel der Instrumente und Beobachter fand nicht statt; das trigonome- trische Ergebnis kann daher aus diesem Grunde recht wohl mehrere Zentimeter irrig sein. Hernerr: Trigonometrische Ilöhenmessung. 49% bei den beiden äußeren Werten ist also ein größerer Unterschied mit dem nach (13) geschätzten Werte. Vielleicht hängt es damit zu- sammen, daß die Strömungsverhältnisse für das Wattenmeer bei Schillig-— Wangeroog ganz anderer Art sind, als für die Nähe der Elbe bei Kuxhaven-Neuwerk. Es zeigt dies Vorkommnis, daß man solche Tabellenwerte eben doch nur zu einer rohen Schätzung des Einflusses von x’ verwenden kann. - .). Bei der trigonometrischen Höhenbestimmung Schillig-Wangeroog im Jahre 1888 wurde auch an 3 Tagen der Versuch gemacht, durch Beobachtungen an 6 gleichmäßig über 24 Stunden verteilten Terminen den Einfluß von x’ stark herabzudrücken, vielleicht gar zu eliminieren. Leider gestatteten die Verhältnisse es nicht, dabei 2’ auch noch nach der früher angegebenen Methode durch Beobachtung von Lichtsignalen auf den Leuehttürmen während der Nacht zu bestimmen (vgl. den 2. Abschnitt), weshalb diese Bestimmung überhaupt unterblieb. Für den Höhenunterschied der Pfeileroberflächen, der nach »Sitzber. 1907, S. 781« 4.899 m betragen soll, fand sich nach der gewöhnlichen Theorie nebst dem mittleren Refraktionskoeffizienten x,: hı.2 “m h } Aug. 20 11.22 4.841 0.098 Mittel: 2.8 p 4.838 0.104 A 5, hı2= 4.929 10.5 p 4.846 0.109 | | m = 0.122 21 2.7 a 5.192 0.176 Aug. 24 6.9 a 4.925 0.132 10.6 a 4-:464 0.132 2.6 p 4.680 0.355 \ Ar.2= 4.919 6.4 P 5.046 0.364 “m = 0.239 10.9 p 5.398 0.280 25 2.38 a 4:999 0.168 Sept. 18 6.64 4.598 0.216 n „ 10.6 a 4.207 0.120 27p 4.625 0.093 | Ar.2= 4.633 5.8 p 4.SII 0.195 “m = 0.184 10.5 p 4.394 ° 0.194 19 2.7 a 5.163 0.287 Am ersten Tage mußten 2 Termine ausfallen. Bei jedem Termin wurden im Durchschnitt 4 Messungen mit je 4 gegenseitigen Einstellun- gen erhalten, deren Ergebnisse aber so wenig voneinander abweichen, daß es genügte, hier nur die mittleren Werte anzusetzen. Betrachtet man die Ergebnisse für A,,, so erscheint der Wert 4.394° am 18. Sept. 10.5 p zweifelhaft, da er den gleichmäßigen Gang 47* 500 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. im Laufe des Tages stört. Allein der Verlauf der Zenitdistanzen (die hier nieht mitgeteilt sind) zeigt keine größeren Abweichungen, als sonst auch vorkommen, so daß es sich wohl nur um eine ungünstige Kombination lokaler Störungen handelt und nicht etwa um Versehen bei den Beobachtungen. Daß auch sonst ungewöhnliche Luftzustände vorgekommen sind, zeigen die Werte von x, am 24. August.' Das einfache Mittel der 3 Gruppenmittel gibt },, = 4.827 m mit %, = 0.182. Vereinigt man zunächst die gleichen Terminwerte, so er- geben sich die 6 Mittelzahlen für 4,.: 4.7102. 2.504 ARTITA A929, 9.858058 deren Gesamtmittel 4.3518 nahezu mit dem vorigen Mittelwert überein- stimmt. x%,„ ist hier 0.193. Keine Rücksicht ist hierbei darauf genommen, daß die 3. Gruppe beobachtet wurde, nachdem die Beobachter gewechselt hatten, zugleich mit ihren Instrumenten. Der Einfluß der Instrumentalfehler und per- sönlichen Fehler ist aber nur auf‘ wenige Zentimeter zu schätzen (vgl. die frühere Abh.). Der Unterschied des Gesamtergebnisses für A,, = 4.327 oder 4.518 gegen den früher abgeleiteten Wert 4.899 würde für einen kleinen positiven Wert von x’ sprechen im Betrage von 0.007. Indessen könnte man mit Rücksicht auf den Betrag von x, = 0.182 bzw. 0.193 eher einen negativen Wert erwarten. Aber der Wert von A,, aus den Tag- und Nachtbeobachtungen ist überhaupt wegen der Schwankungen im Luftzustande zu unsicher, um einen Schluß auf x’ zu gestatten, indem sein mittlerer Fehler auf mehr als &0.ı m zu schätzen ist. 6. Wertvolles Material zur Erkenntnis der in den tiefsten Luft- schichten über dem Meeresspiegel vorkommenden Werte x und x liefern die Kimmtiefenbeobachtungen des österreichisch-ungarischen Korvetten- kapitäns Karı Kosz (zum Teil gemeinsam mit Graf 'Tnux-Honessteis).” ! Nachtbeobachtungen zeigten sich auch bei den hier später besprochenen Beob- achtungen zu Verudella ungünstiger als Tagbeobachtungen. ?2 Expedition S. M. Schifl »Pola« in das Rote Meer. X. Kimmtiefen-Beobach- tungen (Bd. 69 der Denkschriften der matlı.-naturw. Kl. der k. Ak. d.W.). Wien 1899. Kimmtiefen-Beobachtungen zu Verudella (Denkschriften Bd. 70), Wien 1901. Nächtliche Kimmtiefen-Beobachtungen zu Verudella. Ausgefülhrt 1902/03 (Ver- öffentlichungen des Hydrographischen Amts der k. u. k. Reichskriegs-Marine in Pola, Abteilung Sternwarte). Pola 1904. Vgl. auch die kurzen Berichte von K. Kosz in den »Mitteilungen a. d. Gebiete d. Seewesens« I900 u. 1904. Hersern: Trigonometrische Höhenmessung. 501 Im Roten Meer wurden 1897/98 an 24 Tagen von Bord aus in 6.45 m Meereshöhe Kimmtiefen wiederholt im Laufe des Tages ge- ınessen; dann folgten 1398/99 Beobachtungen von 3 Pfeilern aus, am Küstenfort Verudella bei Pola am Adriatischen Meer, mit 10.15 m, 15.36 m und 41.30 m Meereshöhe, an 48 über ı Jahr verteilten Tagen (jeden Monat 4 Wochentage). Endlich wurde noch 1902/03 durch ı Jahr in je 4 Nächten um die Zeit des Vollmonds an ı bis 2 Stunden beobachtet, von 3 Pfeilern (mit 5.4 m, 10.2 m und 15.8 m Meereshöhe) aus, bei Verudella. Unter Voraussetzung sphärischer Schichtung der Luft kann man die aus verschiedenen Höhen zu derselben Zeit gemessenen Kimm- tiefen —e auf einen und denselben Lichtstrahl beziehen, weil die ver- schiedenen vom Meeresspiegel ausgehenden Strahlen alle kongruent sein müssen. Zwischen je 2 Punkten läßt sich dann aus den beiden e und den beiden Meereshöhen H der mittlere Refraktionskoeffizient ableiten. Nehmen wir im Anschluß an die Angaben in den »Sitzungsber. 1907« 8.771 die Strahlen so flach, daß cot z mit = vertauscht werden darf, so ist d’h de m A: (15) Da aber de/dy = de/dh.dh/dy — ce de/dh ist, so folgt de) = (1—)dh. (16) Für 2 Punkte ı und 2 wird Hz g-3= 2 |(i—aah, (17) 1: oder ne (18) 2 wobei N; 2. WAREN, — HR): (18*) H, z,, hat die Bedeutung eines für die Höhenstrecke H,— H, gebildeten mittleren Refraktionskoeffizienten (ist also nicht identisch mit dem längs des Strahles gebildeten). Aus (18) ergibt sich 2(H,—H)' e2 502 Gesammitsitzung vom 14. Mai 1908.- Fällt Punkt ı mit der Kimm zusammen, so ist —e, die im Punkte 2 beobachtete Kimmtiefe, und es folgt DE a —\/ = (1 5) - (20) 10) I Das entspricht der Kimmtiefenformel für die Kreisform des Lichtstrahls, welche Formel also allgemein gilt, falls z,, richtig nach (18*) de- finiert wird. e ist hierbei als Arkus zu verstehen. Wir betrachten einige besondere Fälle. 7 Am ı8. April 1899 wurde erhalten in Verudella um ı0"a von Punkt ı aus in ı1om Höhe: —s, = +210”:206 265” » are ern nn > 220 » Er ee) Doyle) 208 205, . Beginnt man mit —, = 0 für H, = 0, so ist nun für die 3 Ab- schnitte ©.T, 1.2, 2.3: 2 10.009 Ja © ji Om X, == 0.204 10 bis 16 m 2 — 0.094 16 bis 42 m. Durch graphische Interpolation, wobei also die Flächenräume der drei Rechtecke über den Abszissenstrecken 10, 6 und 26 mit den Höhen 0.669, 0.264 und 0.094 zu beachten waren, fand sich: Honm A 00 5 0.65 wir: Hierbei waren 10 0.36 = angenähert 15 0.20 SR Barometerstand 20 0.13 z und Lufttemperatur 25 0.10 ; x b= 753 mm 30 0.08 = 153 3 T = 289° 35 0.07 40 0.06 Die Temperaturänderung mit der Höhe, 7, ist hier gleich + 0°12 für ım bei 4=o0, sie sinkt rasch auf Null bei 7= 14m und sinkt dann weiter bis — 0°025 bei H=4om. Hätte sich bei der vorstehenden Berechnung für H=ox>ı ergeben, so wäre die Berechnung, insoweit sie x,, betrifft, unrichtig gewesen. Betrachtet man nämlich einen Lichtstrahl in der Umgebung der Stelle, wo er horizontal verläuft, so ist im Abstand s die Höhen- änderung 2 AT ER (21) 2p l Hernerr: Trigonometrische Höhenmessung. 503 d.h. für <<ı erfolgt vom Tangentialpunkt aus Hebung, für <> ı dagegen Senkung. Ein von oben kommender Strahl kann daher nur an einer Stelle horizontal werden, wo x noch ein wenig kleiner als ı ist. Bei Anwendung der Formel (18) auf die Berechnung von x,, ist es also nur solange erlaubt, H,=0 zu setzen, als sich weiterhin bei der Interpolation der x nicht für H=o x> ı herausstellt. Wäre dieser Fall oben eingetreten, so würde wegen Unkenntnis der zu e=0 gehörenden Höhe H die Berechnung von x,, unmöglich oder doch sehr unsicher geworden sein. An demselben Tage 2" 45" p wurde erhalten bei H,=ı1om: —:s, in Sek. = + 156” gibt %,, = 0.818 Hi= 16m: —e =+245 > A Hr = A2ım: —E — eye re 0.220: - Auch hier kommt man bei der Interpolation gerade noch mit x für H=o0 aus: H=om x = 1.00 5 0.82 10 0.65 15 0.50 Angenähert 20 0.37 b=753 mm 25 0.27 1—580% 30 0.20 85 0.13 40 0.07 Die Temperaturänderung r ist also + 0°ı2 bei H=0, sie sinkt auf 0° bei H=29m und beträgt —o°o2 bei H=4om. Im Mittel beider Fälle ist « von H=o bis ı1om gleich —0.05, von Io bis 2o m gleich —0.025, von 20 bis 30 m gleich —o.011ı und von 30 bis 40 m gleich — 0.008. Hier ist also z’ immer negativ. Aber die Luftverhältnisse waren am ı8. April 1899 zu Verudella auch un- gewöhnlich wegen Windstille. 09 Ganz außergewöhnlich waren die Erscheinungen zu Verudella am ı7. März 1599 nachmittags. Es fand sich um zo" p bei H,=ı1om: —:, inSek. = -+213” | gibt x,,= 0.660 Hi 16m: —e, = +240" 2%. — 10.847, Su 26, bei d-— 10m: —e, — 20,0 15 220.0691 H,=16m: —g, — — Be — TOT Hier ist also x’ zwischen H = 5 bis 13 m positiv, und zwar etwa . 1 Cr gleich + 0.02 um 3” p und + 0.10 um 5"25” p. D war etwa 753 mm, 504 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. T= 289°. Auch an diesem Nachmittage herrschte Windstille. Wes- halb aber die Verhältnisse so ganz anders wie am 18. April lagen, ist nicht ersichtlich, zumal der Unterschied A = Lufttemperatur — Wasser- temperatur ungefähr zu den betreffenden Zeiten derselbe war; am 17. März um 3"p war A=+ 2°4, um 5"25”"pA=-+-3°3, am ı8. April um ıota A—=-+3° etwa, um 2"45”"p A=-+.2° etwa. Ungewöhnlich groß ergeben sich aus den # die 7; es wird am 17. März um 3"p zwischen H=o bis ı1om r = -+.0%7, von IO bis 16 m ist r=+0°1ı0 im Durchschnitt. Um 5"25”p sind die entsprechenden Werte von r gleich +0°08 und + 0?2. Zu der letzteren Zeit erschien, wie die positiven Werte der e zeigen, die Kimm gehoben. Der Kimmstrahl hat also von der Kimm aus sich erst bis zu einer maximalen Höhe 4, gehoben, dann aber wieder gesenkt. Aus Formel (19) folgt, daß von H=oabbis H 3 im Mittel x,,—=ı sem muß, date, = © und e = ost Emma ans nach (21) #, > ı sein, damit AH vom Scheitel der Lichtkurve aus negativ ist. Nun ist %,, wie man aus «,, und x,, leicht findet, gleich 15.71:16 = 0.982, was auch direkt aus —e, folgt. Es wird aber x, ungefähr gleich 1.467 +0.10-3 = 1.77 sein. Nimmt man dem- gemäß x,, angenähert zu 1.5 an, so wird H,= 16.4 m, indem sehr nahe ist: 0.982-16 + 1.8-0.41 = 1-16.4. N Für die Mehrzahl der Beobachtungen im Roten Meer sowie zu Verudella fand sich die Kimmtiefe verhältnismäßig gut darstellbar als lineare Funktion des Unterschieds A = Lufttemperatur in etwa ı m Höhe über Wasser — Wasser- temperatur, also —e—=qaA+b, (22) worin a und 5 Konstanten sind, die von der Höhe H des Beobachtungs- ortes abhängen. Indessen kann @ nach Maßgabe der Beobachtungen als gleich groß für alle vier Standorte genommen werden, obwohl der eine weit ab von den drei andern lag: db ist proportional YA. Komtschürter' ! Folgerungen aus den Koszschen Rimmtiefenbeobachtungen zu Verudella (Ann. d. Hydrographie usw. Dez. 1903, 8. 533 u. f.). Hermerr: Trigonometrische Höhenmessung. 505 leitet in seiner Diskussion der Tagesbeobachtungen die allgemeine Formel ab —e=109.3VH— 22.2A, (23) die die vier Einzelformeln sehr gut darstellt, indem nach den Ab- weichungen derselben die m.F. beider Konstanten kaum #0!3 er- reichen. Die Übereinstimmung der beobachteten Kimmtiefen mit den Formeln (22) und (23) ist allerdings an die Bedingung gebunden, daß die Luft durch Wind von mindestens der Stärke 2 gut durchmischt ist. Am 18. April und 17. März war dies nicht der Fall, daher be- stehen hier große Abweichungen gegen Formel (23), welche (bei A gleich etwa + 3°) am ı8. April im Mittel fast 2’, am 17. März vor- mittags ebensoviel, nachmittags aber 8’ erreichen. Unter günstigen Windverhältnissen beträgt die Streuung gegen Formel (23) immerhin noch #6” bei den drei kleineren Standhöhen, dagegen #12” bei dem höchsten Standort von rund 42 m Höhe. Die beobachteten Werte A liegen etwa zwischen —5° und +5°; nur bei dem tiefsten Stand sind die Grenzen weit enger, nämlich —2°5 und +0°7. Auf diese Intervalle ist auch die Gültigkeit von (23) beschränkt. Eine tägliche Periode zeigt sich in den e bei den Beobachtungen im Roten Meer gar nicht, bei denen zu Verudella zeitweilig; sie kommt hier zur Geltung durch Andeutungen einer täglichen Periode der A, indem A vorwiegend vormittags ansteigend ist, was dem täglichen Gange der Lufttemperatur entspricht. Die Ursache der Ver- änderungen in A scheint allerdings auch zum Teil in Strömungen des Wassers zu suchen zu sein. da nach S. 371 der Abhandlung über die Beobachtungen zu Verudella A durch »Strom« oftmals im Laufe des Tages abnorm geändert wurde, so daß dann die Beobachtungs- ergebnisse der Formel gar nicht mehr entsprachen. Kosz findet, daß Luftdruck, Feuchtigkeit und Bewölkung keine merkliche Einwirkung zeigen. Indessen salı sich Kontscnürrer doch veranlaßt, aus theoretischen Erwägungen die Koeffizienten der 4 For- meln (22) vor ihrer Zusammenfassung zu (23) wenigstens auf gleiche Temperatur der Luft zu reduzieren, indem die Mitteltemperaturen bis zu 8° voneinander abwichen. Die bekannte Formel für x als Funk- tion der meteorologischen Elemente zeigt, daß unter sonst gleichen Umständen x proportional 7” ist. Das weiter anzuwendende Reduktions- verfahren folgt dann aus Formel (20) oder einer entsprechenden Formel (bei Kontscnürter). ı° in T ändert a und db um etwa —0o.7 Prozent. Die Beobachtungen in rund 16 m Höhe, welche einen Schluß auf den Einfluß von 7 direkt gestatten. bestätigen im wesentlichen (diese Reduktionsgröße. 506 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Die Konstanten in (23) gelten für 15°. Setzt man nun nach (23) bei einer bestimmten absoluten Luft- temperatur 7, die also etwa in ı m Höhe über Wasser stattfindet: —.e=mVH—na, (239 so hat man, wegen zede/ AH =ı — x aus (16), sofort «=1—4m[m—), (24) | VH \ wobei m und n als Arkus zu nehmen sind. Hiernach wird ‚ cemn A en (25) 4VH Mit den Zahlenwerten von »n und n geben diese Formeln: u Eu ; 0.091A es x = 0.104 + ———; X = — —o—. 25 VH var Der Umstand, daß nach (23) für = o nicht allgemein e= o wird, zeigt von vornherein, daß jene Formel und also auch die daraus abgeleiteten nicht bis 4 = o Geltung haben. Es kann jae=o auch für einen kleinen positiven Wert von H stattfinden; aber dies ist in (23) nur für positive A der Fall. Immerhin wird man, da die tiefste Beobachtungsstation 6.45 m Höhe hatte, 7 in (25°) bis zu etwa 5m abwärts nehmen können: Hr; mi hraloas2)r (26) Um zu erkennen, inwieweit man den Verlauf von % in der Nähe des Meeresspiegels aus den Beobachtungen auf den 4 Stationen unter normalen Luftzuständen erfahren kann, habe ich sowohl für A = +5° wie —5° nach der in Abschnitt 7 und S angewandten Methode mittels Formel (19) die Mittelwerte %,,.%,....%,, berechnet und dabei für H=o .e=o genommen, &..e, aber nach (23) angesetzt, welche Werte als ausgeglichene Beobachtungswerte anzusehen sind. Die graphische Interpolation ergab nun, daß bei A=-+5° bis zu H= 5m herab die Formelwerte (25*) zur Darstellung kommen und daß) sodann ungezwungen mit einer gewissen Sicherheit an z= ı bei H = 0 angeschlossen werden konnte: graphisch (25°) A=-+5° H=zom ai [e) 2ER 0.7 0.68 a ee Angenähert 5 2:52 b = 760 mm 10 0.39 T= 288°. 20 0.31 40 0.25 Iermere: Trigonometrische Höhenmessung. 507 Bei A = — 5° wird die graphische Interpolation unterhalb Y= 5m sehr unsicher. Es findet sich: graphisch (23*) A=-5° H=om 2<-—I —C9 2,5 »=—0.8 —0.47 e. = 54 er Angenähert 5 0. —0.3 — a b = 760 mm Io —o.1 Mn T=:288°. 20 —0.10 40 —0.04 Diese Werte von A sind Extreme. Zu Verudella ist der mittlere Betrag der 35 Tageswerte' A, die in den Gleichungen zur Bestimmung der Konstanten m und n auftreten, bis auf 0°o5 gleich Null; es be- steht aber eine Streuung von #2°, positive A und negative A sind dort so gut wie gleich häufig. Im Roten Meere ist das Mittel von 21 benutzten Tageswerten gleich —0°5, die Streuung hat annähernd den Betrag =#0°;5. Zusammenfassend kann man sagen, daß zu Verudella aus den Tagesbeobachtungen folgt: = 0.36 z = 0.104 mit einer Streuung = u ; el t (27) , 0.18 AUZ=RO) » » » Ion 2 ———— g VYH im Roten Meer: U. x 0.0 x = 0.104— ——- mit der Streuung z ; VH VH . 0.05 0.05 e7) ‚ . . 5) st » » » Se 3° VH Y‚H Diese Werte sind an die Grenzen H von 5 bis 42m gebunden, bei Windstärke > 2. Außerdem ist zu beachten, daß die frühen Morgenstunden und späten Abendstunden der Tageszeit kaum berück- sichtigt sind. Da die Formeln (22) aus Mittelwerten für die betreffenden Tage abgeleitet wurden, so entsteht noch die Frage, inwieweit sie im Laufe des Tages den Veränderungen in A entsprechen. Hierüber geben die graphischen Darstellungen aber befriedigende Auskunft, indem danach die Kurven der A und der —e gut parallel laufen, wobei zu bemerken ist, daß ı° in A und 2” in —e gleichen Ordinatenstrecken zukommen. ! Ein Tageswert ist hier als Mittelwert aus melıreren Stunden. in denen = beob- achtet wurde, zu verstehen. Er entspricht im ganzen etwa acht T’agesstunden, die siclı hauptsächlich um den Mittag gruppieren. 508 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Als wichtiges Ergebnis tritt nach (27) hervor, daß am Adriati- schen Meer zu Verudella am Tage x’ ebenso oft positiv wie negativ ist mit einer Streuung von #0.007 für H=om, #0.003 für H —= ı6m usw. Im Roten Meer dagegen ist (wie an der Nordseeküste) x durchschnittlich positiv, aber ziemlich klein und mit geringer Streuung, bei 7=gm nur + 0.002 # 0.002. Um mit den Beobachtungen für die Linie Schillig-Wangeroog zu vergleichen, habe ich für die 8 Beobachtungstage zu Verudella, welche auf dieselben Monate, nämlich August und September, fallen, A unter- sucht. Im Mittel zeigt sich diese Größe im Laufe des Tages wesent- lich konstant gleich —o°6. Hierzu gehört bi H=om x = 0.068 und bei =ı3m x = -+0.0012. Während x zu den Tabellenwerten (14) leidlich paßt, stimmt # mit Tabelle (13) nur dem Vorzeichen nach überein. Neuere Beobachtungen von Dr. Harky Mever', die bei mehreren Reisen vom Schiff aus in verschiedenen Meeren erhalten wurden, be- stätigen im ganzen die Formel (23) für Standhöhen von 6 bis 9 m. Der Koeffizient von A in (23) ist dabei, absolut genommen, um etwa 2 Einheiten kleiner, dagegen derjenige von YH um 3” größer. Die Streuung ist aber bei diesen Beobachtungen sehr groß, etwa #14", was seinen Grund in dem Auftreten konstanter Tagesfehler, auf die ‚der Verfasser hinweist, haben dürfte.” 10. Die nächtlichen Kimmtiefenbeobachtungen zu Verudella gaben we- niger übereinstimmende Ergebnisse als die Tagesbeobachtungen. Es konnte zwar noch eine Formel von der Gestalt (22) zur näherungs- weisen Interpolation dienen, aber mit mehr als 5-facher Streuung. Dazu kam (der störende Einfluß der Irradiation. Ich gehe daher auf die Beobachtungen nicht weiter ein; die Formel (23) dürfte auch für die Nachtbeobachtungen der Kimm einige Annäherung gewähren. Der Unterschied A = Lufttemperatur — Wassertemperatur zeigte sich zur Zeit der Nachtbeobachtungen in den Monaten November bis ! Ann. d. Ilydrographie usw. 1906, S.438 u. f. Zu erwähnen ist noch eine kurze Mitteilung von WırLıam Harr in den Montlily Notices of the R. S. 1906, S. 372. Er findet den Faktor von A für ı° F gleich nahezu 12", das gibt für 1° C angenähert übereinstimmend mit (23) den Betrag 22". Ganz abweichend ist aber nach Harz die Größe 5 in (22) beschaffen, indem sie gleichzeitix mit A das Vorzeichen wechseln soll. Indessen fehlen für d die näheren Angaben der Beobachtungsergebnisse. Jedenfalls widersprechen dem die Beobachtungen zu Veru- della ganz entschieden. Herverr: Trigonometrische Höhenmessın«. 509 Januar stark negativ von —6° bis —ı1°, in den übrigen Monaten mehr bei Null zwischen —5° und +3°. Bei den Beobachtungen in den Abendstunden fand sich A etwa 3° größer als in den Morgenstunden, was ohne weiteres erklärlich ist. Hiernach wird zu Verudella #° des Nachts in den Wintermonaten ‚Jedenfalls positiv, im Sommer und Herbst positiv oder negativ mit einer Streuung, die etwa A—= 2° entspricht, also so groß ist wie am Tage, entsprechend (27). I» Gelegentlich der nächtlichen Kimmtiefenbeobachtungen wurden auch die Höhenwinkel nach den Leuchtfeuern von Promontore und von Pericolosa gemessen: Promontore H = 3 Pericolosa m Ss 9708 Mm 12 400 a Diese Messungen konnten mit großer Schärfe erfolgen, indem der Fehler' nur #2” betrug. Im folgenden sind diejenigen Messungsergebnisse, welche bei we- nigstens Windstärke 2 erhalten wurden, gruppenweise zusammengestellt, insoweit korrespondierende Beobachtungen auf allen 3 Standorten mit H= 5.4, 10.2 und 15.85m vorliegen. Es sind gegeben die Unter- schiede de = &,.., —&,—.. (Die Nachreehnung der in der Abhandlung aufgeführten e,_., ergab die Höhen der Signale zu 35.4 und 7.6 m.) Die e,_. sind für 5.4m 10),2, vum 15.5 m bei Promontore +480” +378” 260” » Pericolosa — 165 —245 —338. Unterschiede &,..— —-. = %. Promontore 35.4 m Pericolosa 7.6 m Nacht A —_ Seren aut | 5.4 m 10.2 m | 15.8 m 5.4 m ı0.2m | 15.8m II — 11-3 — 13" +27" + 13" — _ — 1 |) CH | — ig SF 2er 91-89 | = © | —25 | +25 | Mittel | =10.2 | - 2 | +1ı er: | | I T 7 - 19 _ 2 + 2 — 3 — II | + 3" | 3 + 20" 43 — 17 | + 42 +31 +75 + 27 + 36 + 39 Mit -23 | +2 | +4 | +32| +15 | +23| +5 U ! Vermutlich ist, wie in anderen Fällen, in der Abhandlung der durchschnittliche Fehler gemeint. 510 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Promontore 35.4 m Pericolosa 7.6 m Nacht A = — = = 5.4 m 10.2m | 15.83m 5.4 m 1o.2m | 15.8 m | u 1 | | n 37 — 0% + 14" +16" + 53" | + 32' +339"| +71 38 — 03 | — Io +4 + Lo) | #327 + 32 + 38 42 o +19 5 + I2 E57 01 66033 +49 48 Owl 216 +19 — 40 | +18 | +47 + 10 28 + 0.2 | + 13 —31I + 4.1.25644 + 4 | +34 25 + 0.7 + 20 +10 —-—ı2 | +88 | +86 + 70 23 = || FO +27 + 52 || + 98 + 31 + 79 Mittel + 0-16 | + 8 +7 +11 | + 52 +39 | +50 II 3 |+13| +9| #u | + 7 | #37 | +56 | + 33 46bı +14 + 22 —ı2 +24 | +29 + 54 + 51 47 1.7 603 +33 => &|ı Sm +45 + 3I 44 u ||| +90 | +I16 | -+129 +148 +164 462 | + 2.8 se —32 ers | 58 + 33 Mittel | + 1.80| + 31 +19 | ||| Sr + 72 +62 IWV Diese Zusammenfassung zeigt, daß des Nachts die Luftschichtung eine sehr unregelmäßige gewesen sein muß, wie es schon die Kimm- beobachtungen erweisen: die de sind innerhalb der einzelnen Gruppen für denselben Stand und dasselbe Objekt auffallend schwankend. Auch die Gruppenmittel zeigen noch starke Unregelmäßigkeiten und ent- sprechen im allgemeinen gar nicht den Werten von x, die nach For- mel (25°) aus den A folgen. Wendet man Formel (3) außer auf den Fall der wirklichen Beob- achtung auf den Fall z=o, an, so folgt mit den zulässigen Ver- einfachungen der Refraktionswinkel im Stande S; nach dem Objekt P, gleich „ R DS; OD (28) 2D k;, ist hierbei ein gewisser mittlerer Refraktionskoeffizient längs des Lichtstrahls, bei nur steigenden oder fallenden Strahlen angenähert (2%;+x,)/3. Dies trifft für Promontore zu, sowie für den Strahl S,-Peri- colosa. Bei den beiden anderen Strahlen nach Pericolosa kommt zwischen Stand und Objekt eine stärkere Annäherung an den Meeres- spiegel vor. Es wird nach (25) in Zahlen: für Promontore k,, = 0:157 (2 » Pericolosa . k,, = 0: 2p0, (129 wobei der 2. Index 4 bezw. 5 die Objekte anzeigt. Die Tabelle ergibt nun: kı.z ka. ke3.4 kı.s k2.z ka.5 —0.14 +0.01 +0.10 R ; B I —+0.14 +0.09 +0.20 +0.08 +0.12 +0.28 II +0.05 +0.05 +0.07 +0.26 +0.20 +0.25 3001 +0.20 +0.12 +0.22 +0.29 +0.36 +0.31 IV Hernerr: Trigonometrische Höhenmessung. an Dagegen ist nach (25°): x] %z 43 v4 —0.69 —0.48 —0.36 —0.21 £ I —0.08 —0.03 —0.00 +0.03 —0.05 II +0.12 +0.11 +0.11 +0.11 +0.12 III +0.24 +0.21 +0.19 +0.16 +0.22 IV Bei den Reihen I und II ist zwischen den Werten & und den korrespon- dierenden x gar keine Ähnlichkeit; eine solche zeigt sich einigermaßen bei II und noch besser bei IV. Aber bei III ist der starke Unter- schied der & für Promontore mit denen für Pericolosa auffällig, ob- wohl wegen des kleinen Wertes von A hier sich x fast konstant be- rechnet. Inwieweit dabei die örtlichen Verhältnisse wirksam sind, kann ich leider nicht beurteilen. Das Ergebnis ist somit, daß sieh aus den beobachteten Unter- schieden A = Lufttemperatur — Wassertemperatur ein auch nur einiger- maßen sicherer Schluß auf z und auf x’ bei Nachtbeobachtungen nicht ziehen läßt. Daß es bei Tagesbeobachtungen besser sei, ist kaum zu hoffen. Denn wenn auch die Tagesbeobachtungen der Kimm zu Verudella im allgemeinen sich besser als die Nachtbeobachtungen einer einfachen Formel anschmiegten, so gab es doch auch viele Aus- nahmen, wo sehr starke Abweichungen auftraten. Es ist daher auch nicht zu erwarten, daß man durch neue Be- obachtungen an Strahlen in der Nähe des Meeresspiegels — selbst mit Vermeidung eigentlicher Kimmstrahlen — weiterkommen wird. Man muß sich mit der Erkenntnis begnügen, daß in der Nähe des Meeresspiegels bei nicht ganz kleinen Höhenunterschieden gleichzeitige gegenseitige Zenitdistanzmessungen nach Maßgabe von Formel (9) mehr oder weniger von dem Differentialquotienten #° des Refraktionsko- effizienten nach der Höhe beeinflußt werden, wobei über die mög- lichen Werte von z’ aus dem Vorstehenden einiges Material entnommen werden kann. 512 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. Von ReınHoLD Koser. De vierunddreißigste ordentliche Plenarversammlung der Zentral- direktion der Monumenta Germaniae historica vereinigte in den Tagen vom 9. bis ıı. April 1908 mit Ausnahme des durch eine Badekur verhinderten Hrn. Geh. Justizrats Brunner die sämtlichen Herren Mit- glieder: Prof. BressLau aus Straßburg, Geh. Regierungsrat Prof. Hor- DER-E6Ger und Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Koser von hier, Staats- archivar Archivrat Kruscn aus Osnabrück, Hofrat Prof. Luscum Ritter VON EBENGREUTH aus Graz, Prof. von ÖTTENTHAL und Prof. Reprick aus Wien, (Geheimrat Prof. von RırzLer aus München, Geheimrat Prof. ScnÄrEer und Geh. Hofrat Prof. von Smmsov von hier, Geh. Hofrat Prof. STEINMEYER aus Erlangen, Prof. Taxe von hier, Prof. WERMINGHorFF aus Königsberg i. Pr. und Prof. Zzumer von hier. An neuen Veröffentlichungen liegen vor: In der Abteilung Scriptores: Scriptorum Tomi XXXI pars altera (enthaltend die Schlußhälfte, Appendices und die Register zu der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam, herausgegeben von 0. HotLnper- Esser). In der Sammlung der Seriptores rerum Germanicarum: Annales Marbacenses qui dieuntur (Chronica Hohenburgensis eum continuatione et additamentis Neoburgensibus). Accedunt Annales Al- satiei breviores. Recognovit Hrrmansus BrocH. Vom Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts- kunde unter der Redaktion von OÖ. Honver - Esser: Bd. XXXI Heft 3 und Bd. XXXIN Heft ı und 2. Im Druck befinden sich vier Quart- und zwei Oktavbände. In der Serie der Scriptores rerum Merovingiacarum hat Hr. Staats- archivar Archivrat Kruscn in Osnabrück in Verbindung mit Hrn. Pri- vatdozenten Dr. Lrvısox in Bonn den Druck des fünften Bandes vom ı0. bis zum 31. Bogen gefördert. Für die Vorbereitung des weiteren Manuskriptes, in welchem u. a. die historisch sehr ausgiebigen Pas- Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. Sy sionen des Bischofs Leudegar von Autun durch Hrn. Kruscn fertigge- stellt sind, wurden Handschriften aus Berlin, Boulogne, Colmar, Dijon, St. Gallen, Paris und Wien herangezogen; Auskunft über eine Hand- schrift in Avita wird dem Kanonikus Hrn. Syıvamı Nesaw daselbst gedankt. Die Aufstellungen des Hrn. P. Vırrnager über das von ihm aufgefundene alte Salzburger Legendar und die älteste Passio Afrae sind von Hrn. Kruscn im Neuen Archiv XXXII nachgeprüft worden. Die wissenschaftliche Ausbeute einer im Herbst 1907 unter- nommenen Reise des Hrn. Dr. Levısov nach Italien ist den Scriptores rerum Merovingicarum durch einige wertvolle Kollationen, in erster Linie aber dem Liber pontificalis zugute gekommen. Auch bei diesem Anlaß hat der Hr. Präfekt der Biblioteea Apostolica Vaticana, P. Fraxz EHrtr, die Interessen der Monumenta Germaniae durch das unserm Mitarbeiter bewiesene Entgegenkommen in wirksamster Weise unter- stützt. Neben ihm gilt der Dank des Hrn. Dr. Levisox für die Be- günstigung seiner Forschungen in Rom dem Monsignore Mrrcarı von der Vaticana, den HH. Prof. @. Bvoxanno von der Angelica, J. GIoR6ı von der Casanatense, A. Perizzarı von der Vallicellana, sowie außer- halb Roms den HH. Direktor peLra Torre vom Museo Archeologico in Cividale, Commendatore Bracı von der Laurentiana in Florenz, Mon- signore O. Parentı und Canonieo Gumı in Lucca, Prof. F. Carra in Modena, Lesranxzı, Vater und Sohn, in Sandaniele, Don SpA6norLo in Verona. Die Arbeiten in Rom wurden auch durch die überaus große Gefälligkeit des Bollandisten Hrn. Arserr PoxceLer wesentlich geför- dert, der das Register zu seinem in Vorbereitung befindlichen Katalog der lateinischen hagiographischen Handschriften der Vaticana sowie die noch nicht veröffentlichten Teile des Katalogs der gleichen Hand- schriften der andern römischen Bibliotheken Hrn. Dr. Levısox vor Be- ginn der italienischen Reise zur Einsichtnahme nach Bonn schickte. Ebendort wurde die Vergleichung weiterer Handschriften aus Frank- reich, darunter einer aus St.-Omer, bewirkt; die außergewöhnlichen Erleichterungen, die dabei die Bibliotheque Nationale im Paris dank dem Entgegenkommen des Hrn. H. Onoxt eintreten ließ, verdient hier besondere Erwähnung. Einzelne Nachweisungen verdankt Hr. Levıson noch den HH. H. Les:our in Paris, F. Scuneiper in Rom, Oberbiblio- thekar F. van per Hazsnen in Gent und (in Bezug auf eine Handschrift in Auxerre) Hrn. cand. phil. J. Fassınper in Brühl. Dem in der Hauptserie der Abteilung Seriptores in diesem Augen- bliek zur Ausgabe gelangenden zweiten Halbbande des Tomus XXXI (mit dem Schluß der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam, fünf Appendices und den Registern) wird der Abteilungsleiter Hr. Geheim- ‘at HoLver-Esser die Vorrede und den Titel später nachfolgen lassen. Sitzungsberichte 1908. 48 514 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Nach völligem Abschluß des Bandes soll zunächst der Druck der noch ausstehenden zweiten Hälfte des XXX. Bandes beginnen. Inzwischen hat der ständige Mitarbeiter dieser Abteilung Hr. Dr SchmeipLer im Neuen Archiv XXXII, ı die im vorigen Bericht in Aussicht gestellte Vorstudie für seine Ausgabe des Tholomeus von Lucca veröffentlicht; eine zweite Studie wird demnächst folgen. Aus den vorangegangenen Jahresberichten erhellen die Gründe, welche die Leitung der Abteilung Seriptores fortgesetzt veranlassen, auf die Herstellung von Schulausgaben für die Serie der Scriptores rerum Germanicarum ihr besonderes Augenmerk zu richten. Im An- schluß an seine nunmehr erschienene Bearbeitung der Annales Mar- bacenses, mit einem Anhang kleinerer Elsässischer Annalen, hat Hr. Prof. Brocn in Rostock einen umfangreichen Bericht über seine einschlägigen Untersuchungen als erstes Heft der Regesten der Bischöfe von Straß- burg veröffentlicht. Eine neue Ausgabe der Annales Xantenses (790 bis 870) und Annales Vedastini (von St. Vaast zu Arras, 874— 900) hat unser Mitglied Hr. vos Sınsov übernommen, für letztere zum Ersatze für die Ausgabe von (Ü. Drnames (Les annales de Saint-Bertin et de Saint-Vaast, Paris 1871). die alsbald nach ihrem Erscheinen durch G. Moxop und G. Warrz als verfehlt erkannt worden war. Für den Helmold hat Hr. Dr. Schmeipter die Vorrede und zum größten Teil auch den Text im Manuskript eingeliefert. Auch die Bearbeitung der Chronik Ottos von Freising ist von Hın. Dr. Horweister im wesentlichen abge- schlossen worden; die Untersuchung der Randglossen aus dem 13. Jahr- hundert in der Jenaer Handschrift hat auffallende Berührungen mit den Annalen Rommalds von Salerno ergeben, die zu erklären noch eine einge- hende Untersuchung erfordern wird. Über eine aus Niederaltaich stam- mende, 1570 in Straßburg verbrannte Handschrift der Chronik haben sich wichtige Angaben in einem Exemplar der Editio princeps ge- funden, das sich heute als Eigentum des historischen Vereins für Mittelfranken auf der Regierungsbibliothek zu Ansbach befindet und von deren Vorsteher, Hrn. Prof. Prever, freundlichst hierhergesandt wurde. Durch Auskunftserteilung verpflichteten den Bearbeiter der Direktor des British Museum in London, Sir Epwarp MauxnE Tnronrson, die HH. Stiftsarchivare vox Reıy und vox Apuoxt, P. Antox Weis und P. Frıievricn FiıepLer, sowie Hr. Dr. G. Leipineer in München. Die Arbeiten für die Ausgabe der Chronik des Cosmas von Prag erlitten eine Unterbreehung durch die dienstlichen Aufgaben, die an den Landes- archivar Hrn. Dr. Berrmorz in Brünn mit der Überführung des mäh- rischen Landesarchives an eine neue Stätte und mit der Abfassung einer Geschichte des Archivs herantraten. Im Zusammenhang seiner Nachforschungen für die Annales Austriae wurde Hr. Prof. Dr. Unzixz Koser: Monumenta Grermaniae historiea. Jahresbericht. 515 in Graz auf eine der Geschichtsquellen von Kremsmünster geführt: ihre Unterstützung liehen ihm, zumal auch durch Zusendung von Handschriften, die Direktion der k. und k. Hofbibliothek in Wien, die hoehwürdigsten HH. Äbte Leaxper Czernyv von Kremsmünster und StepHan Rössrer von Zwettl, und die HH. Patres Bexevımr Hannert, Bepa Lenser und Bersnarn Pösınser. Der Druck des Liber certarum historiarum Johanns von Victring in der Ausgabe des Hrn. Dr. Frnor SCHNEIDER ist infolge unvorhergesehener Hemmnisse nur bis zum achten Bogen vorgeschritten. Von der durch den Abteilungsleiter besorgten Ausgabe der Cronica Alberti de Bezanis sind noch der Schlußbogen des Textes, Vorwort und Register abzusetzen. In der Serie der Deutschen Chroniken hat die für das Berichts- jahr in Aussicht genommene Drucklegung der Manuskripte des Hrn. Prof. SEEmÜLLer in Wien (Vorrede und Register zu der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften) und des Hrn. Dr. GEsmAarnr in Erlangen (Gedicht von der Kreuzfahrt des Thüringer Landgrafen Lun- wıc III.) noch ausgesetzt bleiben müssen. Hr. Dr. Herman Micner in Berlin hat für die Sammlung der Historischen Lieder in deutscher Sprache aus der Zeit bis 1500 das durch seinen von dieser Aufgabe zurückgetretenen Vorgänger, Hrn. Privatdozenten Dr. Hrıysrıcn MEver in Göttingen, gesammelte weitschichtige Material durchgearbeitet, das aus den für das Archiv der Deutschen Kommission der Berliner Aka- demie seit einigen Jahren gesammelten Handschriftenbeschreibungen wertvolle Bereicherungen erhält. Die Bearbeitung der historischen Gediehte Suchenwirts wird auf der Grundlage der von dem verstorbe- nen Dr. Krarocnwır hinterlassenen Kollektaneen, deren Ankauf durch die Zentraldirektion in dem Berichte von 1906 erwähnt wurde, Hr. Dr. Jonaxses Locnser übernehmen, wie Hr. Dr. Micner uns durch beider Lehrer, Hrn. Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Rorrue, empfohlen. Innerhalb der Abteilung Leyrs hat Hr. Geheimrat Brunxer die Neubearbeitung der Lex Anglorum et Werinorum mit Hrn. Dr. Freiherrn voN SCHWERIN, Privatdozenten an der Universität München, verabredet. Im Neuen Archiv läßt zur Zeit Hr. Prof. vos Schuwmp in Wien eine weitere »Kritische Studie über die Lex Daiuwariorum« drucken. Hr. Prof. Dr. Seexer hat die Untersuchung der Quellen von Buch 2 und 3 des Benedietus Levita dem Abschluß entgegengeführt und wird darüber im Neuen Archiv berichten; im Verfolg seiner im Herbst v. J. in Rom für den Benediktus angestellten Handschriftenforschungen hat er von mehreren hundert Blättern der beiden wichtigsten römischen Codices, des Vatiecanus 4982 und des Palatinus 583 photographische Repro- duktionen herstellen lassen. Die Ankündigung einer Untersuchung von Busseriv über die tironischen Noten in den Merowingerdiplomen as" 516 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. hat dem Bearbeiter der fränkischen Placita, Hın. Prof. Dr. Taneı, Ver- anlassung gegeben, die Drucklegung seiner Ausgabe noch zurückzu- stellen. Nachdem die inzwischen in der Bibliotheque de l’ecole des chartes erschienene Arbeit jetzt in ihren Ergebnissen von Hrn. Taxe geprüft worden ist, kann der Druck der Placita beginnen. Die dem Bearbeiter durch Hrn. Privatdozenten Dr. Raucn geleistete Unterstützung erstreckte sich vornehmlich auf eine gesonderte Behandlung der bay- rischen Gruppen; durch Hinweise auf ganz entlegene Drucke förderte die Arbeit Hr. Prof. Dr. Wırneru Sıcker in Straßburg. Unter Leitung des Hrn. Prof. Zruner wurden in derselben Ab- teilung die Arbeiten für die Lex Salica, die Concilia und die Consti- tutiones fortgesetzt, für die Tractatus de iure imperü saec. XIII et NIV selecti begonnen. Hr. Dr. Krammer hat die Untersuchung des gegen- seitigen Verhältnisses der einzelnen Handschriften der Lex Salica inner- halb der Handschriftengruppen durchgeführt und die Konstituierung des Textes der von ihm mit A bezeichneten Klasse (sonst II, in der statt der bisher immer zugrunde gelegten Handschrift von Montpellier H 136 die Pariser lat. 4627 sich als die beste erwiesen hat) soweit geför- dert, daß mit dem Druck im laufenden Jahre begonnen werden kann. Die bereits weit vorgeschrittene Drucklegung des zweiten Bandes der fränkischen Concilia hat infolge der Übersiedelung des Hın. Prof. Dr. Wernumenorr nach Königsberg eine Verzögerung erlitten, da der Heraus- geber den Index verborum noch nicht abschließen konnte. Hr. Dr. Scnwarm hat auf zwei Forschungsreisen das Material für die Consti- tutiones in süd- und westdeutschen sowie in zahlreichen italienischen Archiven ergänzt. Der Druck des zweiten Halbbandes von Tomus IV ist trotz der Unterbrechung durch dieseReisen schnell bis zum Bogen 161 vorgerückt; unter den bisher ungedruckten Stücken dieses Halbbandes verdient besonders hervorgehoben zu werden die von Hrn. Prof. Dr. Reprıcn vor einigen Jahren aufgefundene Abrechnung des Burggrafen von Rheinfelden über die Verwaltung der Burg in den Jahren 1304 bis 1306, die Hr. Dr. Franz Wırsern bearbeitet hat. Die Drucklegung der Akten Frieprıcnhs DES Schönen und Lunwics nes BavErN wird nach dem Stande der Arbeiten des Hrn. Dr. Scnwarn dem Abschluß des vierten Bandes unmittelbar folgen können. Für diese Regierungen werden die Bände V, VI und VII der Sammlung offen gelassen, wäh- rend der voraussichtlich noch im laufenden Jahre in Druck zu ge- bende, von dem Leiter der Abteilung bearbeitete Bd. VIII mit etwa drei weiteren Bänden für die Zeit Karıs IV. bestimmt ist. Als eine Vorarbeit für seine Ausgabe der Akten dieses Herrschers hat Hr. Zrumer sein Buch »Die goldene Bulle Kaiser Karrs IV.« (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reichs in Mittelalter Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. 517 und Neuzeit, Bd. I) veröffentlicht. Sein Mitarbeiter Hr. Dr. SaLomon besuchte im März d. J. die Staatsarchive zu Darmstadt (für die Kon- zeptensammlung des Runorr Losse), Coblenz, Düsseldorf und (zumal behufs Durchsicht der großen Kınpriseerschen Abschriftensammlung) Münster, sowie in Trier das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek, auf der das sogenannte Balduineum Kesselstadense ausgebeutet wurde. Weiter haben Hr. Dr. Sıronon und bis Ende Dezember 1907, d.h. bis zum Ablauf seines ihm von der Staatsarchivverwaltung erteilten Ur- laubs, auch Hr. Dr. Lünıcke zahlreiche von auswärtigen Archiven an das hiesige Geheime Staatsarchiv leihweise übersandte Stücke, dar- unter die beiden nichtillustrierten Codices Balduinei des Coblenzer Staatsarchivs und Urkunden aus dem Dortmunder Stadtarchiv, hier am Orte bearbeitet. Im Zusammenhange dieser Arbeiten entstanden die beiden im Band XXXII des Neuen Archivs veröffentlichten wertvollen Untersuchungen: R. Lünıcxe, Die Sammelprivilegien Karıs IV. für die Erzbischöfe von Trier; R.Saromon, Rechnungs- und Reisetagebuch vom Hofe Erzbischof Boruunps II. von Trier 1354—1357. Seine für die Vervollständigung des Materials für die Constitutiones so erfolgreichen Nachforschungen in Rom hat Hr. Dr. Kerry im Berichtsjahre eine Zeit lang noch fortgesetzt; andere Ergänzungen übermittelte er uns dem- nächst aus dem Towerarchiv zu London und aus Oxford. Aus der Zahl der politischen Traktate des 13. und 14. Jahr- hunderts wird als erster demnächst die Determinatio compendiosa de iurisdietione ünperü in den Fontes juris germaniei erscheinen, die nach der Annahme ihres Bearbeiters, des Hrn. Dr. Kranumer, nicht nach 1298 entstanden sein dürfte. Die Ausgabe des Marsilius von Padua hat Hr. Prof. Dr. Orro in Hadamar übernommen, nachdem er durch das Königlich Preußische Unterrichtsministerium auf die Bitte der Zentraldirektion zeitweilig von einem Teil seiner Schultätigkeit ent- lastet worden ist. Zur Bearbeitung der ‘durch den vorjährigen Be- schluß in das Programm der Fontes juris germanici aufgenommenen Sammlung der Hof- und Dienstrechte des ı1. bis ı3. Jahrhunderts ist auf Empfehlung des Hrn. Prof. Dr. Dorsen in Wien, der selber diese Edition nieht auf sich nehmen konnte, Hr. Dr. Fernıyann Birger in Heidelberg gewonnen worden. Als Vorarbeit für die Ausgabe der Urkunden Lupwiss DES FRONMEN und seiner Nachfolger veröffentlichte der Leiter der Abteilung Diplo- mala Karolinorum, Hr. Prof. Tassr, im ersten Heft des » Archivs für Urkundenforschung« die im Vorjahre angekündigte zusammenfassende Behandlung der tironischen Noten in den Karolingerurkunden. Auch die dort sich anschließende Untersuchung von Hrn. Prof. Bressrau über die Bedeutung des »ambasciare« bezeichnet in ihren Ergebnissen 518 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. eine wesentliche Förderung der der Urkundenkritik für diese Periode gestellten Aufgaben. Die vergleichende Kritik der Urkunden Lupwıcs DES Fronnen führte, von der Immunität für Halberstadt ausgehend, zu einer zusammenfassenden Bearbeitung der älteren Königsurkunden für die sächsischen Bistümer. Es ergab sich, daß die Halberstädter Fäl- schungen in den sechziger Jahren des ı0. Jahrhunderts entstanden sind, und zwar in Anlehnung an die Gründungsurkunden für Branden- burg und Havelberg. Für die Bearbeitung der Osnabrücker Gruppe ge- stattete der Hochwürdigste Herr Bischof Dr. Hugerr Voss mit größter Zuvorkommenheit die Einsichtnahme in die Diplome des bischöflichen Archivs. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Hrn. Archivassistenten Dr. Mürter unterzog Hr. Prof. Taner die Urkunden Lupwigs einer syste- matischen Schrift- und Diktatvergleichung, unter besonderer Heran- ziehung der Formulae imperiales, dieser für Kaiserurkunden einzigen Formelsammlung der Karolingerzeit. Von der jetzt hinter ihm lie- genden Editionsarbeit für den Nithard, bei der er in unserer einzigen Nithardhandschrift zu St.Medard bei Soissons jene Interpolation fest- gestellt hatte, gelangte Hr. Dr. MüLrer zu einer Prüfung der gesamten Literatur dieses Klosters bis ins 13. Jahrhundert hinein; bei Verglei- chung mit den älteren Urkunden des Klosters vermochte er ein In- einandergreifen von Urkunden- und Legendenfälschungen nachzuweisen und damit ein für die Diplome des 9. Jahrhunderts unmittelbar in Be- tracht kommendes kritisches Ergebnis zu gewinnen. Der Druck der Urkunden Kosraps Il. ist im vierten Bande der Diplomata regum et imperatorum Germaniee dank der Mühewaltung des Hrn. Prof. Bressrau in Straßburg und seiner Mitarbeiter, der HH. Dr. Hessen und Dr. Wise, mit dem 52. Bogen vollendet. Noch ab- zusetzen sind eine Anzahl von Nachträgen zu den im dritten Bande veröffentlichten Diplomen Hrısricns II., die Exkurse und die im Zettel- apparat fertiggestellten Register. Für einen Exkurs über die viel- besprochene Frage der Reinhardsbrunner Fälschungen, in der Hr. Dr. Wiser doch noch bestimmtere Ergebnisse als bisher vorlagen zu er- zielen hofft, hat die Herzogliche Archivverwaltung in Gotha durch Übersendung einer sehr großen Anzahl von Urkunden des 12. Jahr- hunderts die Arbeit erheblich erleichtert. Neben ihrer Betätigung für die Fertigstellung des vierten Bandes hat die Straßburger Abteilung die Vorbereitung des fünften Bandes so weit gefördert, daß der Druck in absehbarer Zeit beginnen kann: die Erledigung der bis zuletzt aus- gesetzten Goslarer Urkunden ermöglichte sich durch deren von dem Magistrat zu Goslar nunmehr genehmigte Übersendung nach Straßburg. Der Leiter der Wiener Abteilung der Diplomata, Hr. Prof. Dr. VON ÖTTENTHAL, widmete seine Arbeit unter Beihilfe des Hrn. Dr. Koser: Monumenta Germaniae historiea. Jahresbericht. 519 Sımaner vornehmlich denjenigen norddeutschen Urkundengruppen der staufischen Periode, deren Originale mit Loruar IIl. einsetzen; nur eine verhältnismäßig kleine Nachlese sollte für die Urkunden, die von der Versendung nach Wien ausgeschlossen blieben, an den einzelnen Auf- bewahrungsstätten noch bewirkt werden. Hr. Dr. Hırscn hat im An- schluß an die Durcharbeitung der süddeutschen Empfängergruppen zwei größere Abhandlungen (»Studien über die Privilegien süddeut- scher Klöster des ıı. und 12. Jahrhunderts« und »Die Urkunden- fälschungen des Klosters Prüfening«) in den Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung veröffentlicht und sich sodann den literarischen und photographischen Sammelarbeiten und sonstigen Vorbereitungen für die im März d. J. von ihm angetretene Forschungs- reise nach Italien zugewandt; hier werden die Archive und Biblio- theken von mehr als 30 Städten für die Erledigung von 45 verschie- denen Urkundengruppen zu besuchen sein. Durch diese Vorarbeiten hat der bibliographische Apparat, um dessen weitere Ausgestaltung auch Hr. Dr. Samanek unausgesetzt bemüht gewesen ist, eine ansehn- liche Vermehrung erfahren. Für die Zusendung von Originalen er- stattet Hr. Prof. vox OrrentHar seinen Dank dem Königlich Preußi- schen Staatsarchiv zu Magdeburg, dem Königlich Sächsischen Haupt- staatsarchiv zu Dresden, der Universitätsbibliothek zu Göttingen und den Magistraten der Städte Duisburg und Quedlinburg: mit freund- lichen Einzelbeiträgen unterstützten ihn die HH. Prof. Dr. BressrAu und Dr. SaLonon. Die Abteilung Epistolae konnte den für das vergangene Jahr an- gekündigten Druck der Briefe des Papstes Nmoraus I. noch nicht be- ginnen lassen, weil sich dem Bearbeiter, Hrn. Dr. Prrers, die Not- wendigkeit ergab, für gewisse Abschnitte neue Kollationen aus Rom und Paris zu beschaffen. Versuche des Hrn. Abteilungsleiters Prof. WeRruNGHorF, für die Bearbeitung kleinerer Briefgruppen geeignete Kräfte zu gewinnen, führten wenigstens in einem Falle zu einem Er- gebnis, indem Hr. Gymnasialdirektor Dr. W. Hrxze in Berlin für die Briefe Kaiser Lupwiıss II. sich zur Verfügung gestellt hat. In der Abteilung Antiquitates hat Hr. Prof. Dr. Strecker hierselbst die von ihm übernommenen Arbeiten für die Fortsetzung der Serie Poetae Latini begonnen. Da unter den nachgelassenen Papieren P. von WiInterrerps und L. Trauges Aufzeichnungen, die dem Fortsetzer als Anhaltspunkte dienen könnten, nicht vorhanden waren, so be- stand die Aufgabe zunächst darin, einen Überblick über den dem näch- sten Halbband der karolingischen Dichtungen zuzuweisenden Stoff auf- zustellen. Daran schloß sich die Bearbeitung zweier Handschriften mit Rhythmen, einer Brüsseler und einer Leidener. Für die Ausgabe 520 Gesammitsitzung vom 14. Mai 1908. der Sequenzen hat Hr. Bibliothekar Dr. Werner in Zürich nach Rück- kehr von seiner ertragreichen Pariser Reise die Herstellung der Texte, soweit es seine angestrengte Tätigkeit gestattete, fortgesetzt. Hr. Prof. Dr. Enwarn in Gotha hat das Manuskript seiner Ausgabe des Aldhelm von Sherborne zum großen Teil druckreif hergestellt, ge- denkt aber mit dem Druck erst nach Abschluß der ganzen Arbeit zu beginnen. Die Edition der Nekrologien des östlichen Teils der alten Diözese Passau, d. h. der Wiener Erzdiözese und der Diözese St. Pölten, hat an Stelle des Erzbischöflichen Bibliothekars Hrn. Dr. FASTLINGER, der von diesem Teil der Aufgabe aus Gesundheitsrücksich- ten zurücktreten mußte, Hr. Pfarrer Dr. Anpatsert Fuchs O.S.B. zu Brunnkirchen in Niederösterreich mit vollem Einsatz seiner Arbeitskraft in Angriff genommen. Bereits ist ein erheblicher Teil des Materials nicht nur zusammengebracht, sondern auch textkritisch durchgearbeitet worden. Inzwischen hat Hr. Dr. Fastuiseer für den bayerischen Teil der Passauer Diözese, für den er dankenswerterweise die begonnene Arbeit zu Ende zu führen sich bereit erklärt hat, das Engelszeller Nekrologium, ein bis in das 12. Jahrhundert zurückreichendes Garstener Totenbuch und das schon von Ergrn bearbeitete kalendarische Nekro- logium von Matsee erledigt und in den Stiftern St. Florian und Krems- münster einen reichen Schatz an nekrologischen Fragmenten gehoben; den Beginn des Druckes kündet er für das Ende dieses Jahres an. Wesentlich beschleunigt wurde der Fortgang seiner Arbeit durch die bereitwillige und verständnisvolle Unterstützung, die Hr. Dr. Fasr- LINGER bei den HH. Diözesenarchivar Prof. Dr. KoxrAp ScHiFFMANnN in Linz, Bibliothekar Dr. Jusrısus Wöurer im Stift Wilhering und Stifts- bibliothekaren Prof. Dr. Franz Asenstorrer in St. Florian und P. BenA Lenser in Kremsmünster gefunden hat. Wie den vorstehend bereits genannten wissenschaftlichen Anstalten und einzelnen Gelehrten weiß sich die Zentraldirektion für die Förderung ihrer Aufgaben auch im abgelaufenen Geschäftsjahre dem Königlich Preußischen Historischen Institut zu Rom und den Herren Beamten der Handschriftenabteilung und des Zeitschriftenzimmers der Berliner Königlichen Bibliothek zu lebhaftem Dank verpflichtet. Unser Mitglied Hr. Werumenorr hat, indem er zu Beginn des letzten Wintersemesters als ordentlicher Professor einem Rufe nach Königsberg folgte, die ständige Mitarbeiterschaft an den Monumenta Germaniae aufgeben müssen, wird aber die Leitung der in der Ab- teilung Zpistolae zur Zeit im Gange befindlichen Arbeiten bis auf weiteres beibehalten. Anläßlich dieser Veränderung hat mit dem neuen Etatsjahr das Reichsamt des Innern für die Förderung unserer Aufgaben die Mittel zur Remunerierung zweier ständiger Assistenten Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. 521 bereitgestellt. In die beiden neuen Stellungen treten ein der älteste unserer hiesigen Hilfsarbeiter, Hr. Dr. Marıo Krauner, dem wie bisher die für die Abteilung Leges übernommenen Arbeiten obliegen, und der Privatdozent an der Berliner Universität Hr. Dr. Erıcn ÜaAspar, der seine Tätigkeit für die Monumenta, und zwar für die Abteilung Epistolae, im Herbst d. J. beginnen wird. Dank der Fürsorge des Hrn. Staatssekretärs des Innern ist ferner die jährliche Dotation der Monumenta Germaniae durch das Reichshaushaltsgesetz von 1908 um den Betrag von 5000 Mark erhöht worden. 522 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. Adresse an Hrn. AnoLr von BAEYER zum fünfzig- jährigen Doktorjubiläum am 4. Mai 1908. Hochverehrter Herr Kollege! Brsin heutigen Ehrentage bringt die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften Ihnen aufrichtigen und warmen Glückwunsch dar. Fast ein Menschenalter hat die Akademie die Ehre, Sie zu ihren Mit- gliedern zu zählen, und sie freut sich auch daran erinnern zu dürfen, daß schon Ihr Herr Vater, obschon einem andern Beruf angehörig, ihr Ehrenmitglied gewesen ist. Als Sie vor 50 Jahren mit einer genial ausgeführten Untersuchung über die Arsenmethylverbindungen die Doktorwürde erwarben, war Ihnen die Experimentalchemie eine längst vertraute Freundin, denn ähnlich Ihrem großen Vorgänger Justus Lirsıe haben Sie schon dem kindlichen Spiele die Beschäftigung mit chemischen Versuchen vor- gezogen, und gerade 60 Jahre sind verflossen, seit Sie als ı2 jähriger Knabe allen Hindernissen zum Trotz der glückliche Entdecker einer unbekannten Kupferverbindung wurden. In diesem langen Zeitraum hat die Chemie auf allen Gebieten große Fortschritte gemacht. In Ihre Jugendzeit aber fällt vor allem die wunderbare Entfaltung der organischen Chemie, die mit dem Über- gange zur Strukturlehre eine feste theoretische Grundlage fand und seitdem in den Erfolgen der Synthese so große Triumphe feierte. An dieser Entwicklung haben Sie als anerkannter Meister allenthalben so regen Anteil genommen, daß auf dem weiten Gebiete der Kohlenstoff- verbindungen kaum ein Winkel von dem befruchtenden Einfluß Ihrer Arbeiten unberührt geblieben ist. In gewissem Gegensatze zu Ihrem kongenialen Lehrer KrkuLE haben Sie dabei die Prüfung und Ausbildung theoretischer Konzep- tionen nicht als das einzige oder wichtigste Ziel des Experimentes betrachtet, sondern auch die voraussetzungslose naive Erforschung der Vorgänge als gleichberechtigte Form des Naturerkennens gepflegt und Adresse an Hrn. von BAEyER zum fünfzigjährigen Doectorjubiläum. 523 Ss 8 J in liebevoller Anschmiegung an die Materie ihre Geheimnisse zu ent- schleiern gesucht. Der glücklichen Verbindung von scharfer Beob- achtungsgabe, schöpferischer Phantasie und kritischem Geiste sind die zahlreichen Entdeckungen entsprungen, die wir Ihnen verdanken und die überall, im Großen wie im Kleinen, die Originalität des Autors bekunden. Ihrem stets auf die Wirklichkeit gerichteten Blicke sind auch die engen Beziehungen Ihrer Wissenschaft zu den Aufgaben des prakti- schen Lebens nicht entgangen. Infolgedessen war Ihre Forschertätig- keit vielfach verknüpft mit dem gewaltigen Aufsehwunge, den die chemische Industrie, besonders in unserm Vaterlande, während der letzten 40 Jahre genommen hat. Noch höher aber ist der Einfluß einzuschätzen, den Sie nach dieser Richtung hin als akademischer Lehrer während 47 Jahren ausübten. In der richtigen Erkenntnis, daß die heutige Wissenschaft, zumal in ihrer technischen Anwendung, der Massenarbeit nicht entbehren kann, haben Sie das moderne Unter- richtslaboratorium organisiert und in München eine Schule der Chemie geschaffen, die an Ruhm mit dem alten Liesısschen Laboratorium zu Gießen in Wettbewerb treten kann. Mit aufriehtiger Freude sehen wir Sie in diesem großen Wir- kungskreise noch mit ungeschwächter Kraft am Ausbau der Wissen- schaft beteiligt und mit der Heranbildung jüngerer Forscher beschäftigt. Daß ein gütiges Geschick Ihnen die alte Schaffenslust noch lange erhalten möge, ist der innige Wunsch der zahlreichen gelehrten Körper- schaften, die Ihnen in dankbarer Anerkennung verbunden sind. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. 524 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. Über den Verlauf der galvanischen Polarisation durch Kondensatorentladung; Anwendung auf die Nervenreizung. Von Dr. ArnoLD Evucken. (Vorgelegt von Hrn. Nerssr am 30. April [s. oben S. 443].) Der zeitliche Verlauf der galvanischen Polarisation ist bisher für einen konstanten Stromstoß' und für Wechselstrom? berechnet worden. Das Verhalten der Polarisation, die entsteht, wenn man einen Kondensator dureh eine elektrolytische Zelle mit sogenannten unpolarisierbaren Elek- troden entlädt, ist noch nicht näher untersucht worden; auf eine An- regung des Hrn. Nernst hin soll daher der Versuch gemacht werden, diese Lücke auszufüllen und zugleich einen etwas allgemeineren Aus- druck für die Polarisation bei einem beliebigen Stromstoß zu gewinnen. Da die Polarisation einer sogenannten unpolarisierbaren Elektrode durch die Konzentrationsänderungen in ihrer unmittelbaren Nähe bedingt ist, sollen diese zum Gegenstand der folgenden Untersuchung gemacht werden. Die Rechnung ist als Fortsetzung der kürzlich der Akademie vor- gelegten Ausführungen des Hrn. Nernst’ zu betrachten; sie begründet sich daher auf die Differentialgleichung: dm ‘2 ‚O’m KT Ss mit den Nebenbedingungen: Kür — ound beliebige x gilt m =o ECO © » + » mo de v v 2 v=OoO » » a ME —J=——fft) 0x k h ! U.a. Nernst und Rıesenrerv, Ann. d. Physik (4) 8,600; Mırxer, Phil. Mag.., May 1906. ®” WarsurG, WıEDEn. Ann. 67, 495- Sitzungsber. 1908, S.3; die Bedeutung der Bezeichnungen ist dieselbe wie dort. A. Eucken: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. 525 Da es nur auf die Konzentrationsänderungen in unmittelbarer Nähe der Elektrode ankommt, ist es wegen der Einfachheit der Rechnung von Wert, die Variable x möglichst schon zu Beginn auszuschalten. Dieses gelingt durch Benutzung des Integrals': T x2 3 er pay BA Far, (2) m—=—- k2Ykr o° das Gleichung (1) und den Nebenbedingungen genügt. Durch Diffe- rentiation dieses Ausdrucks erhält man: t om M . = rn 20° ) as age ak t—A) — Fe — \) I, ° e foR akyYkr , [we ( 4klt—A), ale Der Grenzwert dieses Integrals für verschwindendes & ist aufzu- suchen. Eine andere Form des Integrals (2) lautet (man erhält sie ni aus (2) durch Substitution von Van =y): 2v } Dig 2] MU im DA IE: er?“ av Dieser Ausdruck gilt auch für den Wert 2» = 0 (Rırmann-HATTEn- v DORF, a.a.0. S. 154); er wird in diesem Falle = — PRAG: d.h. er zeigt, Ü daß das Integral der dritten Anfangsbedingung genügt. Offenbar steht nichts im Wege, für die obere Grenze (A = f) auch bei verschwinden- © 2Vk(t—?) also Yt—? höherer Ordnung unendlich klein im Vergleich zu x. Be- achtet man dieses, so läßt sich unter der Voraussetzung, daß sich / (A) nach steigenden Potenzen von A, oder besser —A entwickeln läßt, dem x allgemein die Größe y= — x anzunehmen; es wird unschwer zeigen, daß (2a) für die obere Grenze stets verschwindet. Das allgemeine Glied des zunächst nach Potenzen von t—?, sodann von f entwickelten Ausdrucks wird nämlich die Gestalt annehmen: ? ee 22° im It?) ?e - je: o durch partielle Integration wird hieraus: ! Rırmann-HArrEndorr, Partielle Differentialgleichungen, Braunschweig 1882, S. 133. 526 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. t ” f er]: E 22 N en 2 ep vo] — (R—1) en” 2e SE ° =. oder: h ne, ge Dr | Ie- NEE en] = ee 223 je” yet 2 (are 2Vt Da vorausgesetzt wurde, n sei nicht kleiner als 0, verschwindet der letzte Ausdruck stets für die obere Grenze, somit auch das ganze In- tegral (2a). Der Wert der oberen Grenze ist daher nicht weiter zu berücksichtigen; zum Zeichen dafür soll sein Symbol im Folgenden in Klammern gesetzt werden. Für die untere Grenze (A = 0) ist selbstverständlich für verschwin- en lend : — 0; somit gilt: dendes x VEN somit gi Im 5 om oc De )E—r) as dw de ll » x (3) Da nun fürt!=o c=c wird (für jedes beliebige x), so gilt. t "de = dt [6 + | a oder mit Hilfe von (1) Setzt man den Wert von (3) in diese Gleichung ein, so folgt: Cl, = — zy me in Be dr. (4) Trifft man über die Art der Funktion J= f(t) eine nähere Be- stimmung, so läßt sich diese Gleichung noch etwas anders darstellen. Es sei: J= J,f(bt), wo J, einen bestimmten, eventuell den Maximal- wert der Stromstärke und 5 einen mit ? verbundenen Parameter dar- stellt, so daß ? nur in der Form 5t vorkommt. Ein Beispiel bietet: ! Diese Gleichung und sämtliche folgenden gelten für x—=o, was der Einfach- heit halber nicht besonders bezeichnet werden möge. A. Everen: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. 527 t J= J,sinnt, J=e” we. Betrachtet man nun statt £: bt als Variable (statt A: 5A), setzt also dA =%', so erhält man: bt [de] —l— —— (bat | FR) ( 2X en ai joe indem man das erste Integral gleichfalls als eine Funktion von bt darstellt. Da die Größe bt die Dimension einer reinen Zahl hat, so = ao — auch das Doppelintegral dieselbe Bedeutung. Der Ausdruck — ve läßt sich nun mit der bei der Stromkurve verbrauchten Energie (£) in Beziehung bringen: t — | "Jdt . ° Nun ist die Spannung (V) in der Regel proportional J; bei Wechselströmen mit Phasenverschiebung ist die Beziehung etwas weniger einfach, was aber am Endresultat nichts ändert. Der Pro- portionalitätsfaktor ist gleich dem Widerstande (Impedanz), also: t E=W [ PdU=WI: | [flo] dt. Führt man wiederum bt als Variable ein, so folgt: EW — 5 Jineras. Bedeutet E die Gesamtenergie des Stromstoßes, so ist für die obere Grenze der der Beendigung des Stromstoßes entsprechende Wert von bt (Sinuswelle: 7) einzusetzen, so daß man den Ausdruck: 7 eo De erhält. Führt man diese Beziehung in ein, so ergibt sich: „ E.Const. 3 Der »V E-Gonst. fl bdt \(bE— X) "ar (6) 2YkrW Sieht man k und W als unveränderlich an, so ist ,— € in seinem Verlauf allein von bt abhängig. Dasselbe gilt von der Stromkurve J,f(bt. Somit entspricht einem bestimmten Punkte der Stromkurve 528 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. eine bestimmte Konzentrationsänderung (z. B. die maximale). Für eine derartige Konzentrationsänderung vereinfacht sich (6) wegen der Kon- stanz von bi zu: [.— eh: eonst. — A I (7) wobei A einen Proportionalitätsfaktor darstellt. Faßt man daher einen bestimmten Punkt der Stromkurve ins Auge, so ist die an dieser Stelle bewirkte Konzentrationsänderung allein von der Energie des Stromstoßes, dem Diffusionskoeffizienten und dem Widerstande ab- hängig (abgesehen von einem Proportionalitätsfaktor).. Es verdient aber hervorgehoben zu werden, daß diese Beziehung nur für ein und dasselbe J = ft) gilt, da eine Änderung von f(f) eine Änderung des Proportionalitätsfaktors A zur Folge hat. Läßt sich die Stromkurve nicht durch J,f(bt) darstellen, sondern hängt von zwei oder mehr voneinander unabhängigen, mit ? verbun- denen Parametern ab (Kondensatorentladung durch Selbstinduktion), so läßt sich die Konzentrationsänderung mit der Energie des Strom- stoßes nicht in eine einfache Beziehung bringen, und man ist genötigt, auf (4) oder, wenn eine Trennung gelingt, so daß J= J, | f(bt) + f(b'1)]. auf (5) zurückzugreifen. Zieht man zur experimentellen Prüfung nur eine Stromkurve von der Form J,f(bt) heran, so wird (7) ausreichen, da es auf den Pro- portionalitätsfaktor nicht ankommt. Wünscht man jedoch die Wirkung zweier verschiedener Stromkurven zu vergleichen, so ist dieser Faktor zu ermitteln, d.h. das Doppelintegral in (5) auszuwerten. Für eine selbstinduktionsfreie Kondensatorentladung: A ee da WE we We (V: Spannung, W: Widerstand, C: Kapazität, £: Zeit) ist die Rechnung im folgenden durchgeführt. Bezeichnet man den Exponenten 2 — mit z, so nimmt das Doppelintegral der Gleichung (5) die Form an: « 3 Je] e”(a—r) :dh—= dla). Das Maximum wird erreicht, wenn [e] 4 27 u nr o A. Eucken: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. 529 verschwindet. Führt man als Integrationsvariable De — Y-:); ee u—A ein, so erhält man für $(@): ö) —iya P(e)= — [er NOS NH fer var: —i ya [o] dureh partielle Integration geht dieser Ausdruck über in: £ (- nr | er a) | (8) [ Stellt man das Integral durch die bekannte Reihenentwicklung: € ee ren o dar, entwickelt e“ gleichfalls und zieht den -Ausdruck zusammen, so ergibt sich: P (a) = e* Ya ( > rn Sr STRuBE ) em oder: un ee - = (8b) od (&) == v2 > Le Diese Reihe ist für jeden Wert von z konvergent; sie erreicht ihr Maximum bei & = 0.855.., eine Zahl, die sich am einfachsten aus (Sa) berechnen läßt. Der maximale Wert des Ausdrucks (9) er- gibt sich danach zu —2-0.541... Setzt man dieses in (5) ein, so erhält man für die maximale Konzentrationsänderung bei der Kon- . ” I densatorenentladung (unter Berücksichtigung, daß db = __—_.): —6,= TER — 0.7650. yr B (10) Tr da die Energie eines geladenen Kondensators (E) gleich —_—- ist. 2 m (9) Sitzungsberichte 1908. 49 530 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. Dieses Maximum wird erreicht, wenn die Stromstärke auf J=J,e°"®, d.h. auf den 2.35sten Teil ihres ursprünglichen Wertes = 2 rd. f den 2.35st fü gesunken ist. Von der Gesamtenergie ist somit in «diesem Augen- var KB bliek nur noch - im Kondensator vorhanden, -0.819 ist DNS DEZ 2 bereits verbraucht worden. Zur Veranschaulichung des Einflusses, den die Form der Strom- kurve auf’ die zu den Konzentrationsverschiebungen gebrauchte Energie ausübt, ist ein Vergleich einer Konzentrationsänderung durch einen konstanten Stromstoß geeignet. Für diesen Fall erhält man! C— = Ve Vz=- v u (11) nk kW da E=WJt. Um durch eine Kondensatorentladung dieselbe Kon- zentrationsänderung hervorzurufen wie durch einen konstanten Strom, bedarf‘ es cet. par. eines 1.71 mal größeren Energieaufwandes, wie sich durch Vergleich von (10) mit (11) ergibt. Zieht man zum Vergleich nicht die Gesamtenergie des Kondensators in Betracht, sondern nur den Betrag, den er bis zur Erreichung der maximalen Konzentrations- änderung verliert, so erhält man für das Verhältnis der Energien (Kondensator : Gleichstrom): 1.40. Von Nersst ist die Hypothese aufgestellt worden, daß der Nerven- reiz durch einen galvanischen Strom auf Konzentrationsänderungen im Gewebe beruht. Daher sind die im vorhergehenden abgeleiteten Beziehungen ohne weiteres auf die bei der galvanischen Nervenreizung beobachteten Erscheinungen anzuwenden. Speziell bei der Kondensatorentladung ergab sich für die maximale Konzentrationsänderung Gl. (10); danach muß zur Erzeugung einer konstanten maximalen Konzentrationsänderung, d.h. zum Hervorrufen desselben Reizes (Schwellenreiz), VYC oder E konstant sein. In der Tat finden sich in der physiologischen Literatur hinreichend Beobach- tungen des Schwellenreizes, bei denen wenigstens innerhalb eines gewissen Gebietes VYCÜ eine bemerkenswerte Konstanz aufweist (Ta- belle 1—6). ! Nernsr, Sitzungsber. 1908, 5; übrigens läßt sieh diese Beziehung sehr leicht aus (5) ableiten. A. Evcren: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. Tabelle ı. Hooxwe«'. | C (10—8F.) | V beob. Vber. | VycC | 20 | 9.0 | 9.0 40.2 8 12.5 | 14-2 35 V= yo 5 16.0 | 18.0 36 2 30.0 | 285 42.5 1.5 36.0 33.0 44.0 I | | 44-0 40.2 44.0 Tabelle 2. Cysurskı und ZANIETOWSKI”. - — — C (10—3F.) | V beob. | V ber. vyc BE [ 0.316 9.4 | 0.125 0.103 0.384 =, 2 | 0.195 0.224 | 0.276 a I 0.272 | 0.316 | 0.272 05 | 0468 | 0447 | 0.331 l L 1 Tabelle 3. Zanmrowski”. gr gene - - | - C(10—8F.) | V beob. | V ber. vy6 8 | ıu010 10 3 35 120 To 5 45 | 49 ı01 2 77 | 78 109 I 110 | 110 | 110 Tabelle 4. Warrer”. C'(10—-®F.) | V beob. V ber. vyc 80 10 8.7 89 yo 791 14 20 20.9 75 YC 5 30 35.0 68 3-5 40 41.8 75 1.5 70 64.0 86 Prrösers Archiv f. d. ges. Physiologie 52, 87- PrLüsers Archiv 56, 45- Zınıerowskı, Die Kondensatormethode, Leipzig 1906. Prooe. of R. S. London 65, 207. 5 31 532 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. Tabelle 5. Hermann". vyc C(10—8F.) | V beob. | V ber. 20 | 53.5 | 48-4 | 239 Ne 10 ! 67-6 67-4 214 — yo 5 90.7 | 96.5 203 2 | 139.5 | 153.0 | 197 1 I ergo | a || 2:0 [6:92 # 154342 | 477-0] Tabelle 6. Larıcgur”. (Temperatur: 12°.) | C(10—®F.) | Vbeob. | V ber. | vyo 50 0.30 0.28 | 2.12 vr eh 10 | 0.55 0.59 1.74 16 5 | 0.75 0.88 | 1.68 2 |. 1.38 1.39 1.95 I 2.35 1.97 2.35 Wie aus den Tabellen ersichtlich, zeigt die Größe VYC bei raschen und langsamen Entladungen (kleine und große Kapazität) höhere Werte als bei Entladungen von mittlerer Dauer; die durchgesandte Energie durchläuft demnach offenbar ein, wenn auch wenig ausgeprägtes Minimum, eine Erscheinung, der eine Reihe von Autoren eine hohe Bedeutung beimißt. Nach der Nersstschen Hypothese ist anzunehmen, daß nur in der Nähe dieses wenig ausgeprägten Energieminimums der Nervenreiz unmittelbar von der durch den Stromstoß verursachten Konzentrationsänderung abhängt, daß aber bei langsamen und sehr 'aschen Entladungen Erscheinungen hinzutreten, die das Grundphä- nomen verdecken; diese sollen im folgenden besprochen werden. Die Erscheinung erstens, die sich bei langsamen Entladungen geltend macht, bezeichnet Nerssr als Akkomodation des Nervs. Ihre Haupteigenschaften, namentlich wie sie bei Versuchen mit Gleichstrom und Wechselstrom hervortreten, sind bereits von Nersst” beschrieben worden (z. B. Einfluß der Temperatur usw.). Es möge daher nur eine bei den Kondensatorentladungen hervor- tretende Eigentümlichkeit der Akkommodation erwähnt werden, die aus einigen Beobachtungen Larıcqurs hervorgeht‘. Dieser Forscher stellte ! Prröüsers Archiv 111, 537. ® C.r.d.]. Societe de Biologie 62, 37. ® PrrLüsers Archiv 122 (1908), S. 311. ‘ Journ. de Physiol. et de Pathol. gen. Nov. 1903, S. 1003. : 9° A. Evcxen: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. 533 fest, bis zu welchem Zeitpunkte die Kondensatorentladung physiolo- gisch wirkt. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Zunächst wurde für eine bestimmte Kapazität die zum Sehwellenreiz nötige Spannung gesucht. Dann wurde bei derselben Spannung und Kapazität nur ein Teil des Stromstoßes von genau bekannter Dauer durch den Nerv geleitet; unterhalb einer bestimmten Zeit reagierte der Nerv nicht mehr (Tab. 7, dritte Reihe), oberhalb dieser Grenze verhielt er sich genau so, als ob der gesamte Stromstoß gewirkt hätte. In der vierten Reihe ist nach der Beziehung t= 0.355 WU die Zeit berechnet, die zur Erreichung der maximalen Konzentrations- änderung theoretisch nötig ist. Der Widerstand betrug 70000 Ohm, Tabelle 7. | ur ho : . ee Er er ae) A .103 ae 2. ) Gleichstrom | (sek - 103) 2 t-ıo V Vyt 100 |0.106 1.81 | 60.0 | 0.586 | 0.168 1.85 0.1045 0.142 10 |0.123) 1.54 | 6.0 | 9211 | 0.158 1.58 0.109 | 0.136 5 0.140 1.35 3.0 | 0.168 | 0.150 2 0.185 0.93 1.20 | 0.142 | 0.136 0.93 0.130 | 0.125 I 0.255 0.63 0.60 0.138 | 0.138 | 0.63 , 0.170 | 09.135 Die Tabelle zeigt, daß der Nerv nicht auf die maximale Konzen- trationsänderung anspricht; dieselbe wird so spät erreicht, daß sich der Nerv akkommodiert. Die Größe der Konzentrationsänderung, auf die der Nerv tatsächlich reagiert, läßt sich nun aus Gleichung (9) unter Benutzung der in der dritten Reihe angegebenen Zeiten be- rechnen. Das Resultat (dieser Konzentrationsänderung proportionale Werte) ist in der sechsten Reihe angegeben. Zwar gelingt es auf dieseWeise nicht, die Akkommodation vollständig zu eliminieren; immer- hin wird wenigstens der Teil der Stromkurve ausgeschaltet, der den Nerv nach der Erregung, also physiologisch wirkungslos, durchläuft. So tritt denn auch hier das Grundgesetz (Konstanz der Erregungskonzen- tration) erheblich deutlicher zutage als in der fünften Reihe. Zum Vergleich ist in den letzten Reihen eine unter denselben Bedingungen gemachte Beobachtung mit Gleichstrom angeführt, aus der hervorgeht, daß die Akkommodation in beiden Fällen bei derselben Reizdauer be- ginnt (= etwa 1.5-10” sek). Während beim konstanten Strom der gesamte Stromstoß zur Erzeugung der Erregungskonzentration ver- wandt wird, geht, wie erwähnt, bei der Kondensatorentladung im Akkommodationsgebiet ein erheblicher Teil desselben unwirksam durch den Nerv. Daher wird in diesem Gebiet beim Kondensator eine sehr 34 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. viel höhere Energie verbraucht als beim Gleichstrom. Das Energie- ıninimum tritt folglich beim Kondensator schärfer hervor, und es hat den Anschein, als ob bei der Kondensatorentladung der Nerv gegen- über der Akkommodation empfindlicher sei als beim Gleichstrom. Bei Beantwortung der zweiten Frage, wie die Abweichungen vom Grundgesetze bei raschen Entladungen zu erklären sind, sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: dieselbe kann entweder auf einer physiologischen oder auf einer physikalischen Ursache beruhen. Einerseits ist es denkbar, daß der Nerv nur dann auf den Reiz bzw. die Konzentrationsänderung anspricht, wenn dieselbe eine gewisse Zeit hindurch besteht. Namentlich bei Versuchen mit Wechselströmen könnte sich möglicherweise ein derartiger Eintluß der Zeit bemerkbar machen', da die Konzentrationsänderungen in diesem Falle nur sehr kurze Zeit bestehen bleiben. Anders liegen die Verhältnisse bei ein- fachen Stromstößen, wie Kondensatorentladung und Gleichstrom. Hier wird das Maximum der Konzentrationsänderung in dem Augenblicke erreicht, wo der Stromstoß schon nahezu oder vollständig vorüber ist. Dann wird die Konzentrationsänderung sich wieder allmählich aus- gleichen, und dieser Ausgleich ist (anders als bei Wechselstrom) un- abhängig von dem ursprünglichen Stromstoß. Die Dauer des Aus- gleiches hängt in erster Linie von der Größe der (als elektrolytischer Trog betrachteten) Nervenzelle ab. Im allgemeinen wird anzunehmen sein, dal wenigstens bei einigermaßen kurzen Stromstößen die Er- zeugung der Konzentrationsänderung weit rascher vor sich geht als ihr Abklingen. In diesem Falle würde also die maximale Konzen- trationsänderung stets nahezu dieselbe Zeit bestehen und Gelegenheit haben, auf den Nerv zu wirken, gleichgültig, ob ihre Erzeugung mehr oder weniger rasch erfolgt ist. Wahrscheinlicher als die Zurückführung jener Abweichung auf eine derartige physiologische Ursache erscheint eine physikalische Er- klärung. Es handelt sich hierbei um die Frage: wird bei sehr kurzen Stromstößen bei konstant gehaltener Energie die Erregungskonzentration überhaupt erreicht, oder ist sie kleiner, als nach der Theorie zu er- warten ist? Wie erwähnt, hängt die Konzentrationsänderung in hohem Maße von der Form der Stromkurve ab. Nun liegt die Annalıme nahe, daß dieselbe bei kurzen Stromstößen deformiert wird. Bei raschen Kondensatorentladungen würde diese Deformation in erster Linie dem Eintluß der Selbstinduktion (möglicherweise auch der Kapazität”) des Stromkreises zuzuschreiben sein. Zur Berechnung des Vorgangs müßte ' Vgl. Nernsr, PrLüsers Archiv, a.a. 0. ® Vel. Zanıerowskı, a.a.0. S. 16, i 1 FOR A. Eucken: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. 535 man somit zu einer anderen Formel für die Stromkurve übergehen (z.B. Kondensatorentladung mit Selbstinduktion: Da ? mit zwei verschiedenen Parametern verbunden ist, verliert der Satz, daß die Energie der Stromstoßes zur Erzeugung der Erregungs- konzentration konstant sein muß, seine Gültigkeit, Daß eine der- artige Deformation bei gleichem Energieverbrauch eine geringere Kon- zentrationsänderung zur Folge haben würde, als eine nichtdeformierte Kurve, erscheint von vornherein einleuchtend. Denn je mehr die Stromkurve beim Durchgang der gleichen Elektrizitätsmenge (V und Ü als konstant vorausgesetzt) verlängert wird (Einfluß der Selbstinduktion), (desto geringer ist die durch sie bewirkte Konzentrationsänderung. Eine bestimmte Elektrizitätsmenge häuft nämlich eine bestimmte Menge des Elektrolyten an der Elektrode an; je länger aber diese Anhäufung dauert, desto mehr geht inzwischen durch Diffusion verloren. (Beispiel: y konstanter Stromstoß: e—(, = nn; OT: Daß allein die Selbstinduktion die Störungen bewirkt hat, mul als unwahrscheinlich bezeichnet werden, da man sonst dem Selbst- induktionskoeffizienten der Stromkreise der verschiedenen Beobachter unwahrscheinlich hohe Werte zuschreiben müßte!. Daß aber tatsäch- lich’sehr erhebliche Deformationen der Stromkurve einzutreten pflegen, beweisen einige Versuche wiederum Laricours®. Wie bei den Ver- suchen in Tabelle 7 wurde nur ein Teil des Kondensators entladen. Aus der Zeitdauer des Stromschlusses, dem Widerstand usw. war die durchgesandte Elektrizitätsmenge zu berechnen; mit Hilfe eines ballisti- schen Galvanometers wurde dieselbe direkt gemessen. Es ergab sich ! Nimmt man z.B. an, daß in Tabelle 5 bei den letzten eingeklammerten Werten die Stromkurve durch die Selbstinduktion bereits so weit deformiert gewesen sei, daß bei einer noch kleineren Kapazität eine oszillierende Entladung eingetreten wäre, daß Ww: I A SEISQ@! verschwinden würde, so also etwa für C=1-10-9F der Ausdruck V Ä s 2 1-Io 9.4.89 » 108 müßte T = W:, oder da W= 22100 2 betrug, S= —— = 9 gewesen sein. Es ist nicht anzunehmen, daß der Selbstinduktionskoeffizient einen der- artig hohen Wert besaß; selbst ein zehnmal kleinerer Wert muß als unwahrscheinlich bezeichnet werden. ® Journ. de Physiol. et de Pathol. gen., a.a. O. = 0.12 Hrenky 536 Gesammtsitzung vom 14. Mai 1908. — Mittheilung vom 30. April. eine regelmäßige Abweichung; bei raschen Entladungen war die tat- sächlich entladene (gemessene) Elektrizitätsmenge geringer als die nach der logarithmischen Formel berechnete. Er selbst schließt hieraus: »Ö’est-A-dire quil y a un retard A l’etablissement du courant (self et capacite du circuit). Je n’ai jamais pu rendre ce retard negligeable.« Sehr deutlich tritt diese Verzögerung auch bei einem anderen Ver- suche hervor, den LarıcguE in der bei Tabelle 7 angegebenen Weise mit einer etwas rascheren Entladung anstellte: es berechnet sich die Zeit des Eintritts der maximalen Konzentrationsänderung (Ü = 2-10”, W=13500) zu 0.23-10”°sek, während Larıcgur als erforderliche Zeitdauer {= 0.51-10”°’sek findet. Da nun offenbar die Versuche Larıcgurs zu den genauesten auf diesem Gebiete gehören, scheint die Annahme gerechtfertigt, daß auch bei anderen Beobachtern ähnliche Deformationen der Stromkurve eingetreten sind. Auch auf der Seite der kurzen Stromstöße zeigt sich bei der Kondensatorentladung eine stärkere Abweichung als beim konstanten Strom, wie ein Vergleich der Tabellen ı1—6 mit den von NERNsT angeführten Tabellen! lehrt. Faßt man nun die Deformation der Strom- kurve als Ursache des scheinbaren Versagens des Grundgesetzes auf, so ist dieses Verhalten ohne weiteres erklärlich. Eine Stromkurve ist nämlich gegen eine Deformation (durch Selbstinduktion usw.) um AI. so empfindlicher, je steiler sie ansteigt, je größer ER ist. Offenbar ist dieses bei der Kondensatorentladung in weit höherem Maße der Fall als beim konstanten Stromstoß. Obgleich somit die Möglichkeit einer rein physiologischen Ur- sache für das Zustandekommen der Abweichungen bei raschen Ent- ladungen nicht in Abrede gestellt werden kann, scheint es doch die Hauptaufgabe bei späteren Versuchen zu sein, die Form der Strom- kurve auch bei sehr raschen Entladungen sorgfältig zu beachten, ent- weder indem man ihre Gestalt nach irgendeiner bekannten Methode direkt feststellt, oder indem man sämtliche in Frage kommenden Größen (Selbstinduktion, Kapazität) genau ermittelt und in Rech- nung setzt. Zur weiteren experimentellen Prüfung der Nerxstschen Hypothese wäre es von Wichtigkeit, die physiologische Wirksamkeit der ver- schiedenartigen Stromstöße untereinander zu vergleichen. Auf S. 531 wurde angegeben, daß zur Erzeugung der gleichen Konzentrations- änderung die Energie einer Kondensatorentladung 1.71mal größer sein muß als die eines konstanten Stromstoßes. Statt 1.71 berechnet sich ! Sitzungsber., a.a. 0. A. Eucken: Galvanische Polarisation durch Condensatorentladung. a7 aus Tabelle 7 bei = 0.93- 10° sek der immerhin naheliegende Wert E Kondensator 2 3.43 — — = 1.49. Indessen reichen die bisherigen ex- E Gleichstrom 2.24 perimentellen Untersuchungen nicht aus, um für diesen Spezialfall ein endgültiges Urteil über die Übereinstimmung zwischen Theorie und Erfahrung zu gewinnen. Dieses wird von den Resultaten zukünftiger Beobachtungen abhängen. Ausgegeben am 21. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1908. 50 Fs2525252525252525252525205252525e5e5eesreseseseseesese5ese5esesese 1908. XxVIO. XXVv. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 21. Mai. (S. 539) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 21. Mai. (S. 541) Fıscuer: Synthese von Polypeptiden. (S. 542) J. Stark: Über die Spectra des Sauerstofls (Dorrrer-Effeet bei Kanalstrahlen). (S. 554) J. Stark und W. Sıevsıne: Über die spectrale Intensitätsvertheilung der Kanalstrahlen in Wasserstoff. (S. 578) F.E. Scnurze: Zur Anatomie der Cetaceenlunge (hierzu Taf. V). (S. 586) MIT TAFEL V. BERLIN 1908. VERLAG DER RÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. En) nl nl n] nl nl nl nl n] nl | n] nl | | h h h In In h h h H ee h In h h h In h h h h h h h IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften®. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nieht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in (die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Besehliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie, Aus $ 6. Dieandie Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Sehriften enthalten. Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Bei Einsendungen | Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umflängliche Correcturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlicben Mittheilungen, Reden, Fremde haben diese erste Comeetur an das Bun Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberiehte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabtlrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären, 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem, redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. ö Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Sceeretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) P| 4 939 SITZUNGSBERICHTE _ 1908. AÄXVH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 21. Mai. Sitzung der philosophisch-historischen Ülasse. Vorsitzender Secretar: Hr. VAuHten. l. Hr. Scnärer besprach den Zug König Lothar's gegen Böhmen im Jahre 1126. (Ersch. später.) Die Quellen gestatten, die Hergänge verständlicher zu erfassen, als es bis jetzt geschehen ist; auch lässt sich einigermaassen wahrscheinlich machen, wo der Schau- platz der Ereignisse zu suchen ist. 2. Hr. Pıscaer überreichte die achte Auflage seiner Bearbeitung von SrexzLer’s Elementarbuch der Sanskrit-Sprache. München 1908. Ausgegeben am 4. Juni. Sitzungsberichte 1908. 5l 541 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXVIM. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 2]. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. 1. Hr. Fısener las: Synthese von Polypeptiden. Durch Verbesserung der allgemeinen Methoden ist die Darstellung neuer Tyrosin- peptide und eines dem Glycylglyein entsprechenden Acetals ermöglicht worden. An- hangsweise wird unter der Bezeichnung »Mikropolarisation« ein Verfahren zur Bestim- mung des optischen Drehungsvermögens mit sehr kleinen Mengen beschrieben. 2. Hr. Pranox legte eine Abhandlung von Hrn. Prof. J. Stark in Greifswald vor: Über die Speetra des Sauerstoffs (Dorrrer- Effeet bei Kanalstrahlen). Es wird hauptsächlich die Lichtemission der Kanalstrahlen in Sauerstoff unter- sucht. Aus der Grösse des maximalen Dorrrer-Effectes wird gefolgert, dass die Träger der Funkenlinien hochwerthige positive Atomionen sind. Ferner wird der DorrrEer- Eifeet bei Kanalstrahlen an den Serienlinien des Sauerstoffs festgestellt; die bewegte Intensität der Serienlinien in den Kanalstrahlen ist sehr gering, verglichen mit der- jenigen der Funkenlinien. Auch wird zum ersten Male der Dorrrer-Effect bei Kanal- strahlen an zwei Aluminiumlinien (Duplet einer zweiten Nebenserie) beobachtet. Am Schlusse werden aus dem bis jetzt vorliegenden Beobachtungsmaterial über den Dorrrer- Effeet bei Kanalstrahlen einige allgemeine Folgerungen über die elektrische Dissocia- tion der chemischen Atome gezogen. 3. Hr. Pranck legte eine weitere Abhandlung von Hrn. Prof. J. Stark in Greifswald und Hrn. W. Steusine vor: Über die speec- tralelntensitätsvertheilung derKanalstrahlen inWasserstoff. Mit einem Speetrophotometer wird die Intensität der drei Wasserstofflinien A 652, 2.486 und 7.434 gemessen für den Fall, dass die Kanalstrahlen orthogonal zum Visions- radius laufen. Es ergiebt sich, dass die spectrale Intensitätsvertheilung der Kanalstrahlen eine Function ihrer Geschwindigkeit ist; das Verhältniss der Intensität einer Wellen- länge zu derjenigen einer grösseren Wellenlänge nimmt mit wachsender kinetischer Energie der Kanalstrahlen zu, und zwar um so rascher, je kleiner das Verhältniss der Wellenlängen ist. 4. Hr. Russer überreichte seine Werke: Das Problem der Lebens- dauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung. München und Berlin 1908 und: Volksernährungsfragen. Leipzig 1908. 542 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Synthese von Polypeptiden. Von Enır Fischer. Er den Aufbau komplizierter Polypeptide aus den einfachen Amino- säuren sind die bisher bekannten Methoden ausreichend, wie ich vor Jahresfrist durch die Gewinnung eines Oktadekapeptids gezeigt habe‘. Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn es sich darum handelt, Kom- binationen der Oxy-aminosäuren in der gleichen Art zu verarbeiten; insbesondere stört hier die Empfindlichkeit des Hydroxyls gegen Phosphorpentachlorid. Dieser Übelstand ist mir besonders fühlbar ge- worden bei dem Versuch, die verschiedenen isomeren Tri- und Te- trapeptide zu gewinnen, die das Tyrosin mit dem Glykokoll und dem Alanin bilden kann und deren Entstehung man bei der partiellen Hydrolyse des Seidenfibroins erwarten darf. Ich habe deshalb nach einem Mittel gesucht, den schädlichen Einfluß des im Tyrosin ent- haltenen Hydroxyls vorübergehend zu beseitigen, und gefunden, daß die Einführung der Carbomethoxylgruppe für diesen Zweck sehr ge- eignet ist, denn diese läßt sich jederzeit leicht wieder durch Verseifung entfernen. Die Brauchbarkeit des Verfahrens wurde zunächst für das Chlor- acetyl-l-tyrosin geprüft. Durch Schütteln seiner alkalischen Lösung mit Chlorkohlensäuremethylester entsteht in fast quantitativer Ausbeute das Chloracetyl-carbomethoxy-1-tyrosin: CICH,CO.NHCH(CH, C,H, OCOOCH,)COOH Dieses läßt sich durch Behandlung mit Acetylchlorid und Phos- phorpentachlorid verhältnismäßig leicht in das entsprechende Säure- chlorid verwandeln. Bringt man letzteres dann in ätherischer oder Chloroform-Lösung mit Glykokollester zusammen, so entsteht der Chlor- acetyl-carbomethoxy-tyrosyl- glyeinäthylester: CICH,CO.NHCH(CH, C;H,0COOCH,)CO. NHCH,COOC,H, Glücklicherweise findet bei diesem Ester schon durch Schütteln mit kaltem verdünntem Alkali totale Verseifung statt, wobei die Carbo- “ Berichte der Deutschen Chem. Gesellschaft 40, 1754 (1907). Fıscuer: Synthese von Polypeptiden. 543 methoxylgruppe als Methylalkohol und Kohlensäure abgespalten wird und in befriedigender Ausbeute das Chloracetyl-tyrosyl-glyein CICH,CO. NHCH(CH, C;H,OH)CO.NHCH,COOH resultiert. Daraus entsteht endlich durch Amidierung Glyeyl-tyrosyl-glyein: NH,CH,CO.NHCH(CH,C,H,OH)CO.NHCH, COOH Ich zweifle nicht daran, daß man mit dieser Methode zahlreiche bisher unzugängliche Polypeptide des Tyrosins bereiten kann, und hoffe, daß sie sich auch auf andere Oxyaminosäuren, z. B. Serin, über- tragen läßt. Leider erfolgt während der Synthese eine starke Racemisierung der Tyrosingruppe, denn der Chloracetyl-ecarbomethoxy-tyrosyl-glyein- ester und die daraus dargestellten weiteren Produkte erwiesen sich sämtlich als optisch inaktiv. Reduktionsprodukte der Polypeptide sind bisher nieht bekannt. Man könnte daran denken, solehe Körper, die an Stelle des endstän- digen Carboxyls die Aldehydgruppe enthalten, dureh Reduktion der Ester mit Natriumamalgam in ähnlicher Weise darzustellen, wie kürz- lich der Glykokollester gleichzeitig von mir' und von Ö. NEusere” in Aminoaldehyd oder Aminoacetal übergeführt wurde. Da aber diese Reduktion nur schlechte Ausbeuten liefert, so habe ich einen anderen Weg eingeschlagen, der viel leichter zum Ziele führt und der Bildung von Dipeptiden aus Halogenacyl-aminosäuren entspricht. Bringt man Aminoacetal mit Chloracetylchlorid in ätherischer Lösung zusammen, so findet sofort Umsetzung statt, und es entsteht neben salzsaurem Aminoacetal in reichlicher Menge ein syrupöses Pro- dukt, das zwar nicht analysiert wurde, das aber nach seiner Entste- hungsweise und seinem ganzen Verhalten sehr wahrscheinlich Chlor- acetyl-aminoacetal ist: CICH,CO.NHCH,CH (OC,H,), Bei der Behandlung mit Ammoniak tauscht es nämlich das Ha- logen gegen Amid aus und verwandelt sich in eine Base, die nach der Analyse der Salze die Zusammensetzung C;H,,O,N, hat und die ich für Glycyl-aminoacetal NH,CH,CO.NHCH,CH(OC,H,), halte. ! Bericht der Deutsch. Chem. Gesellsch. 41, 1019 (1908). ® Ebendas. 41. 956 (1908). 544 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Sie zeigt manche Ähnlichkeit mit dem Aminoacetal selbst. Ins- besondere wird sie von Säuren sehr leicht in ein Produkt verwan- delt, das die Frnuısesche Lösung stark reduziert und wahrscheinlich Glyeyl-aminoaldehyd oder, mit anderen Worten, der Aldehyd des Glyeyl-glyeins ist. Diese Synthese läßt sich ohne Zweifel in mannigfaltiger Weise variieren, und von den Produkten darf man mit Hinblick auf die Reaktionsfähigkeit der Aminoaldehyde einerseits und der Dipeptide andrerseits merkwürdige Umwandlungen erwarten. Chloracetyl-earbomethoxy-Il-tyrosin. C1CH,CO.NHCH(CH, C,H, OCOOCH,) COOH 3 g Chloracetyl-l-tyrosin werden in 100 cem n-Natronlauge (2 Mol.) gelöst, in einer Kältemischung gut gekühlt und 5 g (1.1 Mol.) chlorkohlensaures Methyl zugefügt. Das Öl verschwindet bei kräf- tigem Schütteln fast augenblicklich, und nach 5 —ıo Minuten ist auch der Geruch des Chlorids verschwunden. Beim Ansäuern mit 10 cem 5norm. Salzsäure fällt das Reaktionsprodukt als diekes Öl aus, das sofort mit dem doppelten Volumen Äther ausgeschüttelt wird. Die Ätherauszüge werden mit Natriumsulfat flüchtig getrocknet und auf dem Wasserbade stark eingeengt. Durch Zufügen von Petroläther wird das Produkt ölig abgeschieden, kristallisiert aber beim Reiben nach kurzer Zeit. Nach dem Absaugen, Waschen mit Petroläther und Troeknen im Exsikkator betrug die Ausbeute 14.3 g oder 94 Pro- zent der Theorie. Löst man das Produkt in 50 Theilen heißem Wasser, so fällt es beim Abkühlen erst als Öl, kristallisiert aber bei längerem Stehen in Eis als mikroskopische, äußerst dünne, langge- streckte und zugespitzte farblose Blättchen, die vielfach wie Nadeln aus- sehen. Sie wurden zur Analyse im Vakuumexsikkator über Schwefel- säure getrocknet. 0.1980 g Subst.: 0.3600 g CO,, 0.17478 » 0.0795 g AgÜl Berechnet für C,H,O,NCI (315.57): C 49.43 H 4.47 W113 Gefunden: C 49.59 H 4.56 Cl 11.25 0.0808 g H,O Beim raschen Erhitzen im Kapillarrohr schmilzt die Substanz bei 116° (korrigiert) zu einer klaren farblosen Flüssigkeit, nachdem schon einige Grade vorher Sinterung eingetreten ist. Sie löst sich leicht in Alkohol, Essigäther, Aceton, schwerer in Chloroform, Toluol, Äther, noch schwerer in kaltem Wasser, und ist fast unlöslich in Petroläther. Fıscner: Synthese von Polypeptiden. 545 Mit Mırrons Reagens gibt die wäßrige Lösung selbst in gelinder Wärme keine Rotfärbung; erst bei stärkerem und längerem Erhitzen tritt eine schwache Rosafärbung ein. Durch überschüssiges Alkali wird die Carbomethoxygruppe sehr leicht angegriffen. Löst man nämlich die Substanz in etwa 4 Mol. n-Alkali, so erfolgt beim Ansäuern stürmische Kohlensäureentwicklung. Zur Bestimmung des Drehungsvermögens diente eine Lösung in absolutem Alkohol: 0.3250 g Subst. Gesamtgewicht der Lösung 3.2561g. d= 0.8273. Drehung bei 20° und Natriumlicht im ı dem-Rohr + 4.02° (0.02). Mithin: ° [Jr = NSS -EORD)): Chloracetyl-ecarbomethoxy-tyrosylehlorid. 4 g der zuvor beschriebenen rohen Säure, die durch Fällen der ätherischen Lösung mit Petroläther erhalten ist, werden fein gepulvert, durch ein Haarsieb getrieben, dann mit 20 cem frisch destilliertem Acetylehlorid übergossen und in die durch Eis gekühlte Suspension 3 g (1.1 Mol.) schnell gepulvertes, frisches Phosphorpentachlorid ein- getragen. Beim Schütteln tritt im Laufe weniger Minuten klare Lösung ein. Das Acetylchlorid und Phosphoroxychlorid müssen unter stark vermindertem Druck schnell verdampft werden. Der schwach gelb gefärbte ölige Rückstand wird zweimal mit trocknem Petrol- äther gewaschen und dann mit etwa 25 eem trocknem Äther auf- genommen. Von einer geringen Menge ungelöster Substanz wird schnell filtriert und die klare gelbliche ätherische Lösung des Chlo- rids direkt zur Synthese verwendet. Manchmal scheidet sich das Chlorid beim Abdampfen des Acetylchlorids kristallisiert ab. In diesem Zustand ist es in Äther schwer löslich, und man tut dann besser, nach dem Waschen mit Petroläther in Chloroform zu lösen und diese Flüssigkeit in der später beschriebenen Weise für die Kupplung mit Glykokollester zu verwenden. Chloracetyl-carbomethoxy-tyrosyl-glyeinäthylester. CICH,CO.NHCH(CH,C,H,OCOOCH,)CO.NHCH,COOC,H, In eine durch Eis gekühlte Lösung von 5.2 g (4 Mol.) Glyko- kollester in etwa 75 eem trocknem Äther wird die ätherische Lösung des Chlorids allmählich unter starkem Schütteln eingetragen. Man muß darauf achten, daß die ätherische Lösung stets alkalisch bleibt 546 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. und deshalb, wenn nötig, noch mehr Glykokollester zufügen. Zusammen mit dem salzsauren Glykokollester fällt das Kupplungsprodukt als gelb- liche, klebrige Masse aus, die aber beim langen Reiben allmählich fest wird. Nach dem Absaugen, Waschen mit Äther und Trocknen entfernt man aus dem Gemisch das Glykokollesterhydrochlorat durch Verreiben mit ıo cem Wasser. Zur Reinigung wird das Rohprodukt in etwa der $Sfachen Menge heißem Alkohol gelöst und nach dem Filtrieren das 2— 3 fache Volumen heißes Wasser zugefügt. In der Regel kristallisiert der Ester dann sofort aus. Die Ausbeute ist ziemlich schwankend und betrug im besten Falle 50 Prozent der Theorie, berechnet auf das angewandte Chloracetyl- carbomethoxy-tyrosin. Ist das zu verwendende Säurechlorid kristallisiert, so benutzt man, wie oben erwähnt, zum Lösen nicht Äther, sondern ganz troeknes Chloroform, von dem auf 4 g ursprüngliches Chloracetyl-carbomethoxy- tyrosin etwa 20 cem zur Anwendung kommen. Diese Lösung trägt man allmählich in eine durch Kältemischung gekühlte Lösung von 6% Glykokollester in 75 cem Chloroform ein. Das Kupplungsprodukt bleibt hier gelöst, während Glykokollesterchlorhydrat auskristallisiert. Etwa 30 Minuten nach beendigter Eintragung wird die filtrierte Chloro- formlösung unter vermindertem Druck stark eingedampft, dann mit Petroläther gefällt und der klebrige Niederschlag nach Entfernen der Mutterlauge mit Wasser durchgerührt, wobei er durchgehends kristal- linisch erstarrt. Zur Reinigung wird ebenfalls aus verdünntem Alkohol umkristallisiert. Die Ausbeute war hier etwas besser; sie betrug an reinem Produkt bis 60 Prozent der Theorie. Zur Analyse wurde nochmals aus verdünntem Alkohol umkristal- lisiert und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 0.1956 g Subst.: 0.365 og CO,, 0.0944 g H,O 0.1261g » 0.0458 8 AgCl Berechnet für 0,,H,,0,N,Cl (400.63): C 50.92 H 5.28 Cl 8.85 Gefunden: © 50.89 H 5.40 Cl 8.98 Beim raschen Erhitzen im Kapillarrohr beginnt der Ester gegen 125° zu sintern und schmilzt bei 130° (korrigiert) zu einer klaren Flüssigkeit. Er ist in Essigäther, Chloroform, Aceton und warmem Alkohol leicht löslich, schwerer in Benzol, sehr schwer in Äther und Wasser, selbst in der Hitze, fast unlöslich in Petroläther. Er kristallisiert aus Alkohol oder Benzol in feinen verfilzten Nädelchen, aus heißem Wasser in schmalen, konzentrisch verwachsenen Spießen. Weder die alko- Fıscuer: Synthese von Polypeptiden. 547 holische noch die Chloroformlösung zeigte eine Drehung des polari- sierten Lichtes. In Soda ist er unlöslich, wird aber durch überschüssiges Alkali allmählich unter Verseifung und Kohlensäureabspaltung gelöst. Chloracetyl-tyrosyl-glyein. C1CH,CO.NHCH(CH,C,H,OH)CO.NHCH, COOH 3g des Esters werden möglichst fein gepulvert und mit 34 cem Normalnatronlauge (4% Mol.) auf der Maschine geschüttelt. Unter starker Gelbfärbung löst sich die Substanz in I1—ı$ Stunden. Wird jetzt die braungelbe Flüssigkeit mit 7 ccm 5fach normaler Salzsäure angesäuert, so findet lebhafte Gasentwicklung statt, und die Farbe wird etwas heller. Impft man mit einigen Kristallen, die von einer früheren Darstellung herrühren, so scheiden sich im Laufe einer Stunde beim Kühlen mit Eis und häufigem Reiben 1.6 g oder etwa 70 Prozent der Theorie leicht gelb gefärbte Kriställchen ab. Zur Gewinnung der ersten Kristalle ist es ratsam, die wäßrige Lösung unter stark ver- mindertem Druck völlig zu verdampfen, den Rückstand mit warmem Essigäther aufzunehmen, vom Kochsalz zu filtrieren und die Lösung abzudunsten. Der syrupöse Rückstand kristallisiert bei längerem Reiben zum größten Teil, und die nun schwer löslichen Kristalle werden mit wenig kaltem Essigäther digeriert, abgesaugt und mit kaltem Essig- äther gewaschen. Zur Reinigung wird die Säure aus der ıofachen Menge heißem Wasser unter Zusatz von Tierkohle umkristallisiert; sie fällt beim Ab- kühlen in kleinen vierseitigen, fast rechteckigen Platten, die zuweilen wie Prismen aussehen. Zur Analyse waren sie bei 100° getrocknet. 0.1855 g Subst.: 0.3368 g CO,, 0.0802 g H,O 0.1807 8 » 0.0815 g AgCl Berechnet für 0,,H,.0,N,Cl (314.58): C 49.59 H 4.80 Cl 11.27 Gefunden: C 49.52 H 4.84 (Cl ı1.15 Die Säure schmilzt beim raschen Erhitzen im Kapillarrohr bei 188 — 190° (korrigiert) unter Gasentwicklung und Rotfärbung. Sie ist in reinem Zustand so gut wie farblos; gewöhnlich aber haben die Kristalle einen Stich ins Gelbe. Von heißem Wasser ver- langt sie ungefähr ıo Teile zur Lösung und scheidet sich beim Ab- kühlen auf 0° zum allergrößten Teil aus. In Methylalkohol ist sie leicht löslich, in Äthylalkohol etwas schwerer, recht schwer in Essig- äther, Chloroform, Toluol, und fast unlöslich in Äther. Eine 3prozentige wäßrige Lösung zeigte keine wahrnehmbare Drehung. 548 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Glyceyl-tyrosyl-glyein. NH,CH,CO.NHCH(CH, C,H,OH)CO.NHCH,COOH ı g Chloracetyl-tyrosyl-glyein wird in 5 cem 25 procentigem wäß- rigen Ammoniak gelöst und bei 25° aufbewahrt. Nach 24 Tagen ist alles Halogen abgespalten. Die gelbe Lösung wird unter verminder- tem Druck völlig abgedampft und der Rückstand mit etwa 15 cem absol. Alkohol behandelt. Er bildet dann ein rötlichgelbes Pulver, das abgesaugt und mit Alkohol gewaschen wird. Die Ausbeute an diesem fast völlig halogenfreien Produkt beträgt 0.75 g oder So Pro- zent der Theorie. Es wird zur Reinigung in etwa S Teilen heißem Wasser gelöst und durch Zusatz des fünffachen Volumens absol. Al- kohols wieder abgeschieden. Es bildet dann mikroskopisch kleine wetzsteinähnliche Kryställchen, die zur Analyse bei 15 mm Druck über Phosphorpentoxyd bei 100° getrocknet wurden. oO 0.2028 0.1182 Berechnet für C,H, 0,N, (295.16) 052.85 E75.80.N77 29 Gefunden: © 52.81 H 6.00 N 14.10 Subst.: 0.3927 g CO,, 0.1083 g H,O » 11.9 ccm '/,n. NH, (KseLnanr) 2 08 Beim raschen Erhitzen im Kapillarrohr beginnt das Tripeptid sich bei 205° gelb zu färben und zersetzt sich gegen 22 ı° (korrigiert) unter Gasentwicklung und Braunfärbung. Löst man es in etwa der achtfachen Menge warmem Wasser und kühlt auf 0° ab, so scheidet es sich wieder in reichlicher Menge als weißes, sehr feines, mikrokrystallinisches Pulver ab. Die wäßrige Lösung wird durch eine gesättigte Ammonsulfatlösung nicht gefällt. Die nicht gar zu verdünnte, mit etwas Schwefelsäure versetzte wäß- rige Lösung gibt mit Phosphorwolframsäure einen amorphen Nieder- schlag, der sich in der Wärme ziemlich leicht löst. Die wäßrige Lösung zeigt sehr schön die Mirronsche Reaktion. Sie löst Kupfer- oxyd beim Kochen langsam und färbt sich dabei rein blau. Die al- kalische Lösung gibt auf Zusatz von wenig Kupfersulfat eine ins Violett spielende Blaufärbung. Die 24 prozentige wäßrige Lösung zeigte im 2-dem-Rohr keine wahrnehmbare Drehung. Glyeyl-aminoacetal. NH,CH,CO.NHCH,CH(0C,H,), Zu einer gut gekühlten Lösung von 16 g Aminoacetal (2 Mol.) in 5ocem trocknem Ather gibt man allmählich 6.8 g frisch destilliertes Fıscner: Synthese von Polypeptiden. 549 Chloraeetylehlorid (1 Mol.), das durch 40 cem Äther verdünnt ist. Das Chlorid verschwindet sofort, und bald beginnt die Abscheidung von salzsaurem Aminoacetal. Das von der weißen Kristallmasse abge- saugte ätherische Filtrat wird mit 10 cem gesättigter Kochsalzlösung durchgeschüttelt, der Äther abgehoben und über Natriumsulfat ge- trocknet. Nach dem Verdunsten des Äthers bleibt ein fast farbloses Öl zurück. Die Ausbeute ist nahezu quantitativ. Das Öl läßt sich bei 0.1 mm Druck ohne wesentliche Zersetzung destillieren, wenn man kleine Mengen anwendet und möglichst schnell erhitzt. Der Siede- punkt liegt nicht weit über 100°. Bei längerer Dauer des Erhitzens zersetzt sich das Öl. Es ist frisch destilliert farblos. Bei starker Ab- kühlung durch flüssige Luft oder ein Gemisch von Alkohol und flüssi- eer Luft wird es fest. Es löst sich ziemlich leicht in kaltem Wasser und wird durch starkes Alkali oder Kochsalz wieder abgeschieden. Analysiert wurde es nicht. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß es der Hauptmenge nach Chloracetylaminoacetal ist. Um daraus die Aminoverbindung zu gewinnen, wird es mit der 5fachen Menge wäßrigem Ammoniak von 25 Prozent im geschlossenen Rohr 2 Stunden auf 100° erhitzt. Das Öl, das in der kalten Flüssig- keit nur teilweise löslich ist, verschwindet dabei. Man verdampft nun unter geringem Druck zur Trockne. Der rötlichgelb gefärbte Rückstand erstarrt in der Kälte fast vollständig und enthält neben Chlorammonium viel salzsaures Glyceylaminoacetal, das sich direkt durch Auslaugen mit warmem Essigäther isolieren läßt. Ähnlieh verläuft die Amidierung bei Anwendung von trocknem, tlüssigem Ammoniak. Das Uhloracetylaminoacetal löst sich dann so- fort, und nach atägigem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur ist die Reaktion beendet. Beim Verdunsten des Ammoniaks bleibt ein Ge- misch eines dieken Sirups mit Kristallen zurück. Man löst in Wasser und erhält beim Verdampfen unter vermindertem Druck ein ähnliches Produkt wie bei Anwendung von wäßrigem Ammoniak. Zur Isolierung des Glyeylaminoacetals schüttelt man das Gemisch von Hydrochlorat und Chlorammonium mit konzentrierter Kalilauge, fügt noch festes Ätzkali zu und extrahiert die ölig abgeschiedene Base mehrmals mit Äther. Die ätherischen Auszüge werden mit festem Ätzkali getrocknet. Beim Verdunsten der filtrierten ätherischen Lö- sung bleibt das rohe Glyeylaminoacetal als gelbrotes Öl zurück, das schon bei gewöhnlicher Temperatur teilweise erstarrt und in einer Kältemischung vollständig fest wird. Durch starkes Trocknen der ätherischen Lösung mit Ätzkali, Klären mit Tierkohle und Verdampfen erhält man es in farblosen Kristallen, die sich aus warmem Ligroin leicht umkristallisieren lassen, bei ungefähr 45° schmelzen und an der 550 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Luft zerfließen. Sie wurden bisher nicht analysiert. Die Base ist in Wasser sehr leicht löslich, wird aber daraus durch starkes Alkali ölig gefällt. Sie reagiert stark alkalisch und reduziert die Fruumesche Lösung, wenn sie rein ist, auch in der Wärme gar nicht. Dagegen gibt sie mit Fenuinescher Lösung und starker Natronlauge einen fast farblosen, kristallinischen Niederschlag, der sich aus der warmen alkali- schen Flüssigkeit umkristallisieren läßt. In Wasser ist dieser Körper mit blauer Farbe leicht löslich, wird aber durch konzentriertes Alkali wieder gefällt. Es scheint eine eigentümliche Kupferverbindung zu sein, dessen Zusammensetzung noch festgestellt werden muß. Von den Salzen des Glyeylaminoacetals habe ich nur das Hydro- chlorat und das saure Oxalat näher untersucht. Das erste ist neben Chlorammonium und etwas freier Base in dem Rückstand, der beim Verdampfen der ursprünglichen ammoniakalischen Lösung der Roh- base zurückbleibt, enthalten. Beim Auslaugen mit warmem Essigäther geht es in Lösung und scheidet sich beim Abkühlen wieder in Kristallen ab. Es löst sich dann schwerer in Essigäther, läßt sich aber doch daraus umkristalli- sieren. Aus der freien Base gewinnt man dasselbe Salz, indem man die gekühlte ätherische Lösung sehr vorsichtig mit einer alkoholi- schen oder ätherischen Lösung von Chlorwasserstoff versetzt. Zur Rei- nigung kann man es auch in wenig Alkohol lösen und durch Äther fällen. Es bildet farblose, mikroskopische, schräg abgeschnittene Blätt- chen, die meist zu gezackten Konglomeraten verwachsen sind. Es schmilzt nicht ganz konstant unter Gasentwicklung gegen 119° (korri- giert) zu einer dunklen Flüssigkeit, nachdem schon einige Grade vorher Sinterung eingetreten ist. Es ist äußerst leicht löslich in Wasser, auch von Alkohol wird es leicht aufgenommen; erheblich schwerer löslich ist es in Essigäther und noch viel schwerer in Benzol und Chloroform. Das Umkristallisieren muß immer rasch und mit Vor- sicht geschehen, weil das Salz leicht zersetzlich ist. So erleidet es schon beim Erwärmen der wäßrigen Lösung ziemlich rasch eine par- tielle Verseifung der Acetalgruppe, und die Flüssigkeit reduziert dann in der Wärme die Fenuisesche Lösung, was das reine Hydrochlorat bzw. das daraus entstehende Glyeylaminoacetal nicht tut. Für die Analyse dienten zwei verschiedene Präparate, von denen das eine aus dem Rohprodukt durch direktes Umkristallisieren aus Essigäther und das andere aus der freien Base durch Neutralisation mit Salzsäure in ätherischer Lösung dargestellt und durch Umkristalli- sieren aus Alkohol und Äther gereinigt war. Getrocknet wurde im Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxyd. Fıscner: Synthese von Polypeptiden. Sl 0.1857 g Subst.: 0.2874 g CO,, 0.1420g H,O @1703.8..%x 19.2 ccm N (über 33proz. KÖH) (20°, 762 mm) 0.17348 » 7.5 cem !/ıon. AgNO, Berechnet für C,H, ,O,N,Cl (226.61): 67 42:36 7 8:45 N7127362.61 15:64 Gefunden: C 42.21 H 8.55 N 12.54 Cl 15.33 Schöner als das Hydrochlorat ist das saure Oxalat. Es fällt als farb- loser, voluminöser Niederschlag, wenn man die Base in alkoholischer Lösung mit der für das saure Salz ausreichenden Menge Oxalsäure zusammenbringt. Zur Reinigung wird es ungefähr in der 40 fachen Gewichtsmenge heißem Alkohol rasch gelöst: beim Abkühlen scheidet es sich sofort in feinen weißen Nädelchen aus, die für die Analyse im Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxyd getrocknet wurden. 0.1506 8, Subst. 0.2377. 8 CO}, 0:0973 8. H.0 O.1A27 8, 12.3 cem N (über 33 proz. KÖH) (20°, 761 mm) Berechnet für 0.H,O,N, (280.17): C 42.83 H 7.19 N 10.00 Gefunden: C 43.05 H 7.22 N 9.91 Das Salz hat ebenfalls keinen scharfen Schmelzpunkt; es beginnt gegen 140° dunkel zu werden und schmilzt gegen 150° unter Schäumen. Es löst sich sehr leicht in Wasser und reagiert stark sauer. Erheblich schwerer wird es von heißem Alkohol aufgenommen, noch schwerer von den übrigen organischen Solventien. Das Pikrat kristallisiert ebenfalls. Bringt man die rohe Base mit Pikrinsäure in Benzol zusammen, so fällt es gewöhnlich zunächst als Öl, das aber bald erstarrt, und das Salz läßt sich dann aus warmem Essigäther leicht in feinen gelben Nädelchen erhalten. Das Glyeylaminoacetal wird von Säuren ebenso leicht verändert wie das Aminoacetal. Es genügt, das neutrale Hydrochlorat oder das saure Oxalat in verdünnter, wäßriger Lösung einige Minuten auf 100° zu erwärmen, um schon eine deutliche Veränderung hervorzurufen ; die Flüssigkeit färbt sich dabei gelb und reduziert dann die Fruuıse- sche Lösung in der Wärme recht stark. Dieselbe Verwandlung wird bei gewöhnlicher Temperatur durch überschüssige Salzsäure hervor- gerufen. Als eine Lösung von 0.5 g salzsaurem Glyeylaminoacetal in 2 ccm 2Oprozentiger Salzsäure 2 Stunden bei Zimmertemperatur ge- standen hatte, war die Wirkung auf Fenuimesche Lösung sehr stark, und beim raschen Verdunsten der Flüssigkeit im Vakuumexsikkator über Natronkalk und Phosphorpentoxyd blieb eine amorphe, braun- 552 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. rote, in Wasser äußerst leicht, in absolutem Alkohol aber gar nicht lösliche Masse zurück, die ebenfalls die Frnuınesche Flüssigkeit in der Wärme sehr stark reduzierte. Diese Eigenschaft sowie die Ver- schiedenheit von dem salzsauren Aminoaldehyd, der in Alkohol lös- lich ist, deuten darauf hin, daß das Produkt Glyeyl-glyeinaldehyd enthält. Bei den vielen Hunderten von optischen Bestimmungen, die im hiesigen Institut bei den Aminosäuren und Polypeptiden ausgeführt werden mußten, lasse ich schon seit Jahren, wenn das Material knapp ist, Röhren von 5—ıocm Länge benutzen, die nur 1—2 cem Inhalt haben, so daß die ganze Operation mit 0.1 bis 0.2 g Substanz, von der man übrigens den größten Teil zurückgewinnt, durchgeführt werden kann. In neuerer Zeit habe ich die Gefäße so verkleinert, daß man mit dem zehnten Teil obiger Quantität auskommt. Das von der Firma Schnur & HarsscHn in Berlin gelieferte Polarisationsrohr von 5 em Länge hat einen inneren Durchmesser von ungefähr 1.5 mm und faßt nicht mehr als o.1ı cem. Als Pyknometer benutze ich die gewöhnliche Form, aber so verkleinert, daß das Gefäß ebenfalls nur o©.1 cem ent- j hält. Es ist in Fig. ı in natürlicher Größe abgebil- Fig.2. det. Fig. 2 stellt das Gefäß dar, in welchem die Sub- stanz und Flüssigkeitsmenge abgewogen und die Lö- sung durch Umschütteln oder durch Umrühren mit einem zu einer Öse umgebogenen Platindraht herge- stellt wird. Die Überführung der Flüssigkeit in das Pyknometer und das Polarisationsrohr, sowie umge- kehrt, geschieht mit einem engen Glasrohr, das zu einer Kapillaren ausgezogen ist. Letztere muß so lang sein, daß sie bis auf den Boden des Polarisa- tionsrohrs reicht. Die Wägungen müssen selbstverständlich mit einem empfindlichen Instrument ausgeführt werden. Ich benutze dafür eine Wage, welche bei einer Maximalbelastung von ıo g noch 0.05 mg Fig. 1. zuverlässig angibt. Die Ablesungen sind bei Anwendung von weißem Licht (z.B. Gasglühlicht) leicht auszuführen. Die Abweichungen der einzelnen Ablesungen vom Mittel betrugen bei den folgenden Versuchen nicht mehr als 0.03°. 0.02270 g Rohrzucker, gelöst in Wasser. Gesamtgewicht der Lösung 0.21855g. d=1.05. Drehung bei Gasglühlicht und 22° im ‘/-dem-Rohr 3.44°(#0.02) nach rechts. Mithin: [a = +63.1°(# 0.4) Fıscner: Synthese von Polypeptiden. 553 0.00945 g Rohrzucker, gelöst in Wasser. (Gesamtgewicht der Lösung 0.243008. d=1.01. Drehung bei Gasglühlicht und 24° im ‘/,-dem-Rohr 1.25°(#0.03) nach rechts. Mithin: [e]* = + 63.6°(# 1.5) Zum Vergleich wurde eine Bestimmung mit einer IOprozentigen Lösung im gewöhnlichen 2-dem-Rohr ausgeführt. 0.7003 g Subst., gelöst in Wasser. Gesamtgewicht der Lösung 7.06698g. d=1.040. Drehung bei Gasglühlicht und 22° im 2-dem- Rohr 13.21°(#0.02) nach rechts. Mithin: [ea] = + 64.1°(&0.1) Man sieht daraus, daß die Genauigkeit der Bestimmungen für orientierende Versuche völlig ausreicht. Ebenso gute Resultate wurden erhalten mit homogenem Licht, das durch Spektralzerlegung von Nerssr-Lieht hergestellt war. Durch private Mitteilung habe ich inzwischen erfahren, daß Hr. J. Dosav im Laboratorium des Hrn. F. Enten in Graz ebenfalls Ka- pillarröhren für polarimetrische Beobachtungen benutzt und eine Mit- teilung darüber am 5. März d. J. der Wiener Akad. d. Wiss. über- geben hat. Hr. Emicn war so gütig, mir vor einigen Tagen einen Sonderabdruck dieser Mitteilung, die noch nicht öffentlich erschienen ist, zur Verfügung zu stellen. Ich ersehe daraus, daß Hr. Doxau mit Erfolg Kapillarröhren aus schwarzem Glase von 0.4—0.5 mm ver- wendet und dann bei einer Länge von 5em auch das gewöhnliche Natriumlicht, das man mit einer Buxsen - Flamme herstellt, verwenden kann. Hr. Doxau hat sich begnügt, die Verwendbarkeit solcher Ka- pillaren für polarimetrische Zwecke gezeigt zu haben, ohne die Her- stellung von Lösungen und die Bestimmung des spezifischen Gewichtes in demselben kleinen Maßstabe durchzuführen. Das praktische Bedürfnis, das mir näher lag, hatte mich veran- laßt, das Verfahren, welches ich als »Mikropolarisation« bezeichnen möchte, in allen Einzelheiten durchzuarbeiten; es schien mir deshalb zweckmäßig, trotz der Publikation von Doxav, meine Erfahrungen hier mitzuteilen. Bei obigen Versuchen bin ich von den HH. Dr. Warrer Ax- HAUSEN und Dr. Anorr Soxs unterstützt worden. Der erste hat die Tyrosinderivate und die Mikropolarisation, der zweite das Glyeylamino- acetal bearbeitet. Ich sage beiden Herren für die wertvolle Hilfe besten Dank. 554 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Über die Spektra des Sauerstoffs (Doprrer-Effekt bei Kanalstrahlen). Von Prof. J. Stark in Greifswald. (Vorgelegt von Hrn. Praxck.) Inhalt: $ ı. Einleitung. — $ 2. Apparate und Methoden. — $ 3. Der Dorrrer-Effekt bei den Funkenlinien. — $4. Die Zugehörigkeit von X 4368 und A 3947 zu den Serien. — $5. Der Dorrrer-Effekt bei den Serienlinien % 4773, %*4368 und A 3947. — 86. Der Dorrrer-Effekt bei den Aluminiumlinien X 3944 und A 3962. — $7. Vergleichende Charakteristik der Spektra des Sauerstoffs. — $8. Übersicht über die bisherigen Beobachtungen des Dorrzer-Effektes bei Kanalstrahlen. $ı. Einleitung. — Die Lichtemission der Kanalstrahlen in Sauerstoff wurde bereits von K. Sırer' und von F. PAscnen” unter- sucht. K. Sıeen gab an, daß er bei mehreren Serienlinien des Sauer- stoffs den Dorrrerr-Effekt an den Kanalstrahlen beobachtete, während er über das Auftreten dieses Effektes bei den Funkenlinien des Sauer- stoffs niehts mitteilte. F. Pascnen dagegen fand, daß der DorrLer- Effekt bei Kanalstrahlen an den Funkenlinien dieses Gases leicht zu beobachten ist, und behauptete andererseits, daß der Dorrrrr-Effekt bei den Serienlinien nicht auftrete. Er führte dieses negative Resultat als Widerspruch gegen die von mir gezogene Verallgemeinerung an, daß die Serienlinien positive Atomionen zu Trägern haben und darum in den Kanalstrahlen den Dorrrrr-Effekt zeigen müssen. Bei aller Wertschätzung der wichtigen spektralanalytischen Untersuchungen des Hrn. Pascnex über die Kanalstrahlen wandte’ ich mich gegen die theo- retische Verwertung seines negativen Resultats über die Serienlinien und berief mich auf das positive Resultat des Hrn. Sırer; ich ver- mutete nämlich, daß Hr. Sırer mit größerer Intensität auf der photo- graphischen Platte arbeitete als Hr. Pascnen, insbesondere da ersterer über einen lichtstarken Prismenspektrographen verfügte. Daraufhin K. Sırsr, Wien. Ber. 116, 129, 1907. F. Pascaen, Ann. d. Phys. 23, 261, 1907. J. Stark, Ann. d. Phys. 23, 798, 1907. PS J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Effect). 555 focht Hr. Pascnex' die Resultate des Hın. Sırer an und kam beim Vergleich der beiderseitigen Angaben zu dem Schluß, daß Hr. Sırer möglicherweise fremde Linien mit Serienlinien verwechselt habe. Da auf diese Kritik Hr. Sıren schwieg, scheint er sie wohl als berechtigt anzuerkennen. Und obzwar es mir gelungen ist, wie vorweg bemerkt sei, bei drei Serienlinien des Sauerstoffs den Dorrrrr-Effekt zu beob- achten, so muß nunmehr auch ich der Kritik des Hrn. Pıscnen mich anschließen. Der Dorrrer-Effekt ist an den Serienlinien selbst unter sehr günstigen Umständen nur in geringer Intensität zu beobachten; ich halte es darum für ausgeschlossen, daß ihn Hr. Sırer. bei den un- günstigen Bedingungen erhielt, unter denen er arbeitete. In allen Punkten, in denen eine Differenz zwischen den beiden Autoren be- steht, kann ieh auf Grund eigener Beobachtungen Hrn. Pascnens An- gaben bestätigen. Die Farbe der Kanalstrahlen in Sauerstoff ist nicht weiß, wie Hr. Sıer behauptet, sondern sie ist, wie Hr. Pascurn an- gibt, bei höherem Druck fleischrot und erhält mit sinkendem Druck und steigendem Kathodenfall einen Stich ins Blaue. Hr. Sırsr scheint mehr Verunreinigungen als Sauerstoff in seiner Röhre gehabt zu haben; in diesem Falle erklärt sich seine Angabe, daß die Aluminiumkathode stark zerstäubte; ich habe nämlich mit nahezu reiner Sauerstoffüllung gearbeitet und selbst nach 30 Stunden intensiven Betriebs der Röhre nur eine geringe Zerstäubung der Elektroden beobachtet. Auch hatte ich mit den Kanalstrahlenröhren von der Form, die ich ihnen bereits früher gab, im Gegensatz zu Hrn. Sırer gar keine Schwierigkeit; keine der von mir benutzten Röhren wurde durch die Entladung zerstört, selbst nieht nach einem Betrieb von 60 Stunden und bei starker Er- wärmung durch die Kathoden- und Kanalstrahlen. Nach der vorstehenden Erledigung der Differenz zwischen Hrn. Pascuen und Hrn. Sırer kehre ich zu dem Ausgangspunkt der nach- stehenden Untersuchungen zurück. Das Resultat des Hrn. Pascnen, daß die Serienlinien des Sauerstoffs keinen Dorrrer-Effekt in den Kanal- strahlen zeigen, schien die erste Ausnahme von einer Regel zu sein, die sich bereits in mehreren Fällen bestätigt hatte. Eine sorgfältige Nachprüfung dieses Resultates erschien darum wünschenswert. Dazu kam für mich, daß in spektralanalytischer Hinsieht der Sauerstoff viel- leicht das interessanteste Element ist. Wie ©. Runee und F. Pascuen” gefunden haben, besitzt der Sauerstoff zwei Nebenserien von Paren und zwei Nebenserien von Triplets. Dazu haben sie mit Hilfe der Ryosersschen Formeln gezeigt, daß gewisse starke Linien wahrschein- ı F. PıscHen, Ann. d. Phys. 23, 997, 1907. 2 2 C. Runge und F. PAscnen, Wien. Ann. 61, 641, 1897. ou [597 Sitzungsberichte 1908. 556 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. lich die ersten Glieder einer Hauptserie von Triplets, andere die ersten Glieder einer Hauptserie von Duplets darstellen. Außer diesem reichen Serienspektrum besitzt Sauerstoff ein linienreiches Spektrum, das im kondensierten Funken in großer Intensität erscheint, während dann das Serienspektrum nur wenig intensiv ist. Außer diesen zwei Linien- spektren sind dem Sauerstoff zwei verschiedene Bandenspektra eigen; das eine, das »negative« Bandenspektrum, wird von der negativen Glimmsehicht emittiert und erstreckt sich von Blaugrün bis zu Rot; das andere, das »positive« Bandenspektrum, wird von der positiven Liehtsäule emittiert und liegt im äußersten Ultraviolett. $2. Apparate und Methoden. — Das negative Resultat des Hrn. Paıscnen an den Serienlinien des Sauerstoffes ließ mich von vorn- herein erwarten, daß der Dorrrer-Effekt bei diesen Linien, wenn er überhaupt vorhanden ist, nur eine geringe Intensität besitzt. Ein positiver Erfolg war nur von einer großen Intensität der Spektral- linien auf der photographischen Platte zu erhoffen, also von großer Reinheit der Gasfüllung, großer Stromstärke, langer Exposition und vor allem von großer Lichtstärke des verwendeten Spektrographen. “s stand mir ein Spektrograph zur Verfügung, der speziell für die Untersuchungen an Kanalstrahlen nach meinen Angaben und Vor- schlägen von Hrn. Löwe von der Firma Zeiß in hervorragend guter Aus- führung gebaut wurde. Auf einer großen massiven gußeisernen Platte sind bei diesem Apparat dieke eiserne Träger für das Kollimatorrohr, den Prismentisch und die Kamera fest montiert; diese stabile Aufstellung der Teile des Spektrographen macht ihn unempfindlich gegen schwache Erschütterungen und ermöglicht lange Expositionen olıne Beeinträchti- gung der Schärfe der Abbildung. Sein Kollimator- und Cameraobjektiv besitzen das Öffnungsverhältnis 1:6.5, einen Durchmesser von 50 mm, eine Brennweite von 305 mm; das Kollimatorobjektiv ist dreiteilig, dlas Kameraobjektiv ein Apochromatplanar. Der symmetrische Mikro- meterspalt hat eine Höhe von ı4 mm. Das Prisma ist ein Kompound- prisma aus Flintglas (n;= 1.68) und Kronglas (n;= 1.47); die Winkel sind für senkrechten Eintritt und nahezu senkrechten Austritt der Lichtstrahlen bemessen; seine Höhe beträgt 5omm. Ich verwendete den Spektrographen in zwei verschiedenen Einstellungen; die eine liefert das Gebiet von A 4050 bis A 6700 scharf, die andere das Ge- biet von A 3800 bis A 4070. Bei der gewälllten Einstellung beträgt die Dispersion 13 Ä bei A 6600, 4.4 Ä bei A 5000, 2.6 Ä bei A 4400, 1.12 Ä bei A 3900 auf o.ı mm der photographischen Platte. Die geringe Dispersion oberhalb A 4700 macht den Spektrographen zur Untersuchung von Dorrrer-Effekten, die kleiner sind als 2 Ä, ober- J. Srark: Spectra des Sauerstofls (Dorrrer-Effect). 557 halb dieser Wellenlänge ungeeignet. Dagegen liegt in seiner mäßigen Dispersion unterhalb A 4700 ein Vorteil für die Untersuchung des Dorrzer-Effektes bei Kanalstrahlen. Dieser stellt nämlich ein Stück kontinuierliches Spektrum dar; unter sonst gleichen Umständen ist darum seine Intensität auf der photographischen Platte umgekehrt proportional der Dispersion. Die Spaltweite betrug bei allen Aufnahmen 0.02 mm; bei einer wurde, ohne daß indes ein Vorteil erzielt worden wäre, die Spalt- weite auf 0.01 mm erniedrigt. Um zu verhüten, daß infolge einer Variation der Temperatur die abgebildeten Linien unscharf wurden, hielt ich während der ganzen Expositionsdauer (4—8 Stunden) die am Spektrographen abgelesene Temperatur bis auf 0.5° konstant, in- dem ich warme oder kalte Luft in den Arbeitsraum treten ließ. Zur Entwicklung der photographischen Platten benutzte ich Glyein von normaler Konzentration; sie dauerte eine halbe Stunde bei völliger Dunkelheit. Zu den Aufnahmen des ultravioletten Sauerstoffspektrums wurde ein kleiner Fueßscher Quarzspektrograph mit einem Cornu-Prisma ver- wendet. Er besitzt einfache Quarzobjektive von 150 mm Brennweite für Na-Licht; seine Metallkassette ist gewölbt und muß stark gegen die Achse des Kameraobjektivs geneigt werden. Als Stromquelle diente ein großes Induktorium; dieses wurde mit Wechselstrom von 8o— 100 Perioden in der Sekunde betrieben. Die Stromstärke in der Kanalstrahlenröhre wurde so groß gewählt, laß da, wo die Kathoden- und Kanalstrahlen auffielen, das Glas in- folge der starken Erwärmung bereits etwas zu erweichen begann. Die 47 mm weiten Röhren hatten die bereits früher von mir benutzte Form. Die Stirnflächen der beiden Elektroden aus Aluminium waren bis auf 6mm Abstand vom Rand mit zahlreichen 0.75 mm weiten Löchern versehen. Die Länge des Raumes hinter den Ka- thıoden, in dem die Kanalstrahlen verliefen, variierte zwischen 5 und gem. Zu den Beobachtungen über die Lichtemission des Sauerstofls im Ultraviolett dienten Röhren von der Form der gewöhnlichen Griss- nerschen Röhren; die eine war aus gewöhnlichem Glas, mit ihr wurde das Spektrum bis A 3020 erhalten, ihr kapillarer Teil hatte eine Weite von 2 mm, ihre Elektroden waren dieke eingeschmolzene Platindrähte; die andere Röhre war aus Quarzglas von Heraeus, ihr kapillarer Teil hatte ebenfalls eine Weite von 2 mm, die Elektroden waren 2 mm dicke in großem Abstand von den Elektrodengefäßen eingekittete Alu- miniumdrähte. Zur Füllung der Kanalstrahlenröhren diente käuflicher Sauerstoff aus einer Bombe. Seine Reinheit war zufällig eine große; er enthielt >9* 558 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. nur wenig Stickstoff, so daß von diesem selbst die stärksten Banden nur in geringer Intensität erschienen. Die Anwesenheit dieser Spur Stickstoff störte nicht, da keine Linie oder Bande des Stiekstoffs in die unmittelbare Nähe einer untersuchten Sauerstofflinie fiel. Bei der Untersuchung der Sauerstofflinie A3947 war mir das Auftreten der negativen Stickstoffbande bei A3914 deswegen erwünscht, weil mir die Schärfe ihrer Linien eine Garantie dafür bot, daß nicht infolge von Erschütterungen oder einer Variation der Temperatur die Linie 3947 unscharf wurde. Zur Füllung der Geissrer-Röhren, welche zur Untersuchung des ultravioletten Spektrums dienten, wurde Sauerstoff verwendet, der aus Kaliumchlorat (Zusatz Braunstein) dureh Erhitzen hergestellt war. Zur Evakuation der Röhren diente eine GArpDE-Pumpe mit Motor- antrieb; ihr Vorvakuum wurde mit einer kleinen Ölluftpumpe hergestellt. Die Pumpe wurde mit den Röhren bei niedrigem Druck nicht in Kom- munikation gelassen, und im allgemeinen floß ein schwacher Gasstrom in die Pumpe. Aus diesen Gründen konnte kein Quecksilberdampf in die Röhren gelangen. Die Röhren wurden vor dem Beginn der Expositionen sorgfältig gereinigt, indem sie längere Zeit bei intensiver Erwärmung durch den Strom mit Sauerstoff gespült wurden. Durch okulare spektralanalytische Beobachtung wurde der Fortschritt der Reinigung kontrolliert. Diese wurde so lange fortgesetzt, bis im Spektrum der Kanalstrahlen die rote und blaugrüne Wasserstofflinie vollständig verschwanden, bis das Ka- nalstrahlenbündel seine fleischrote bis bläulich rosarote Färbung, die negative Glimmschicht ihr schwaches, eigentümlich grüngelbes Licht bei niedrigem Druck dauernd beibehielten. Erst dann begannen die langfristigen Expositionen. Wie bereits Pascuen mitteilte, tritt im Sauerstoff die Erscheinung der Selbstevakuation, das Verschwinden des Gases bei Stromdurchgang, ganz besonders stark auf. Aus diesem Grunde mußte ich alle 3—5 Minuten frischen Sauerstoff ein- lassen, um zu verhüten, daß die Länge des Kathodendunkelraums die von mir zugelassene Länge überschritt; auf der Glaswand in der Nähe der Kathode hatte ich nämlich mit Tinte Marken angebracht, von denen die eine zur Festlegung einer oberen, die andere zur Festlegung einer unteren Grenze für die Länge des Kathodendunkelraums diente; bis die untere Grenze erreicht war, wurde frisches Gas eingelassen; bis die obere erreicht war, durfte die Selbstevakuation wirksam sein. Außer den vorstehenden Operationen wurde während der langfristigen Expositionen alle halben Stunden frischer Sauerstoff bis zu etwa ı mm Druck eingelassen und dann bei unterbrochenem Strom bis zu nied- rigem Druck abgepumpt,. so daß die Verunreinigungen, die sich J. Stark: Spectra des Sauerstofls (Dorerer-Eflect). 55) während des halbstündigen Betriebes angesammelt haben mochten, fortgespült wurden. Durch das eben beschriebene Verfahren wurde erreicht, daß auf den Spektrogrammen, welche ich an den Kanalstrahlenröhren aufnahm, keine Wasserstoff-, Quecksilber- oder Kohlenstofflinie erschien; neben den Sauerstofflinien sind in geringer Intensität lediglich die stärksten Stickstofflinien und die Kanten der stärksten Stickstoff’banden sicht- bar, ferner die Aluminiumlinien A 3962 und A 3944. Außer vier vorbereitenden Aufnahmen zur Orientierung gewann ich folgende brauchbare Aufnahmen von dem Spektrum der Kanal- strahlen für den Fall, daß diese im Visionsradius auf den Kollimator zuliefen. ı. Spektrogramm, Dunkelraum 0.6—1.6 em, 6 Stunden Exposition. 2 » » 1.6—4 ” 0) » » 3 z ’ Se ; } . ö ee N VRR 5 5 ; 5 Su > i 6 2 " SE Seen =) er ’ 8 . ; AST i Bei Spektrogramm ı und 2 war die Achse des Kollimators ein wenig gegen die Achse des Kanalstrahlenbündels geneigt, so daß ihre Verlängerung gerade den nicht durchlöcherten Rand der Kathode traf und darum kein Licht aus der negativen Glimmschicht in den Spalt gelangen konnte. Bei den übrigen Spektrogrammen waren die beiden Achsen nach Möglichkeit zur Koinzidenz gebracht. Das Ende der Röhre, auf‘ das die Kanalstrahlen fielen, befand sich unmittelbar vor dem Spalt; ein Kondensor wurde also nieht angewandt. Außer den obigen Spektrogrammen wurden noch folgende Spektrogramme von Sauerstoff gewonnen. 9. Spektrogramm von der negativen Glimmschicht, Dunkelraum 0.5—0.8 cm. ı0. Spektrogramm von der negativen Glimmschicht, Dunkelraum 0.5—0.8 cm. ıı. Spektrogramm von der negativen Glimmschicht, Dunkelraum 0.7—1.3 em. 12.—14. Spektrogramm von der positiven Säule, 30 mm Druck, Funke mit Kondensator. 15.— 16. Spektrogramm von der positiven Säule, 5 mm Druck, Funke mit Kondensator. 17.—19. Spektrogramm von der positiven Säule, 5 mm Druck, starker Strom ohne Funke. 560 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Die Spektrogramme ı und 9 wurden auf sensibilisierten Platten (Panchromatie) von Wratten & Wrainright, alle übrigen auf extra ra- piden Agfaplatten gewonnen. Die Exposition bei den Spektrogrammen 9, 10 und ı1 betrug 4—5 Stunden, bei den Spektrogrammen 12—19 nur 0.5—5 Minuten. Zu den Aufnahmen mit dem kleinen Quarzspektrographen wurden Agfaplanfilms verwendet und mit Edinol entwickelt. Nachdem die Exposition mit der positiven Säule in Sauerstoff gemacht war, wurde die Mitte des Spaltes abgedeckt, darauf seinem offenen unteren und oberen Teile 0.5 Minuten lang das Licht einer Quecksilberlampe aus Quarzglas zugesandt; auf diese Weise wurden in das obere und un- tere Drittel des Sauerstoffspektrums die Quecksilberlinien als Bezugs- linien geworfen. Ich hatte bei diesen Aufnahmen viel mit Schwie- rigkeiten zu kämpfen; dazu kam die Beeinträchtigung der Schärfe der Linien infolge der Wölbung der Films; ich gewann aus diesem Grunde nur 4 einigermaßen befriedigende Spektrogramme von dem ultravioletten Sauerstoffspektrum. Allerdings haben diese Aufnahmen mit der Untersuchung des Dorrrer-Effektes bei Kanalstrahlen direkt nichts zu tun. Nach Beendigung der Exposition an den einzelnen Kanalstrahlen- röhren, die alle den gleichen Durchmesser besaßen, wurde zu den einzelnen Röhren ein Funkenmikrometer parallel geschaltet: dessen Zinkkugeln und die Luft zwischen ihnen wurden mit Hilfe eines Po- loniumpräparates zur Beseitigung des Entladeverzuges bestrahlt: die Zinkpole wurden gleichzeitig langsam einander so weit genähert, bis bei der betreffenden Dunkelraumlänge der Funke zwischen ihnen über- zuspringen begann. Auf diese Weise wurden für eine Reihe von Dunkelraumlängen (Tabelle I) die zugehörigen Schlagweiten ermittelt, und mit Hilfe von Beobachtungen Pascnens' über die Funkenspannung bei kleiner Schlagweite wurden dann die zugehörigen Werte des Ka- thodenfalls durch Interpolation berechnet. Tabelle I. Dunkelraum | Schlagweite RKatliodenfall em mm Volt I | 0.45 2643 2 0.8 | 4020 $ | 6921 4 2.2 8919 5 3.0 | 11677 ' F. PascHen, Wien. Ann. 37, 79, 1889. J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Efleet). 561 $ 3. Der Dorrrer-Effekt bei den Funkenlinien. — Wie sehon erwähnt wurde, hat bereits Pascnex den Dorrrer-Effekt bei den sogenannten Funkenlinien des Sauerstoffs an den Kanalstrahlen beobachtet. Ich habe ihn ebenfalls an diesen Linien auf allen Spektro- grammen von den Kanalstrahlen beim Verlauf im Visionsradius er- halten. Die folgende Tabelle vereinigt diejenigen Funkenlinien, welche den Dorrrer-Effekt auf meinen Spektrogrammen zeigen. Tabelle I. Wellenlänge | Intensität Wellenlänge | | Intensität Diese Tabelle enthält sämtliche Linien, an denen Paschen den Dorrrer-Effekt beobachtete, und außerdem noch die Linien A3955 und A 3983. Über die Linie 13955 äußert Pascnex folgende Vermutung: »Die starke Linie 3954.85 des Runge-Pascnenschen Verzeichnisses der Linien des Sauerstoffspektrums, welche aber keiner der vermuteten oder gefundenen Serien angehört, ist im Kanalstrahlenlichte sehr schwach und gehört daher wohl nicht zum Serienspektrum.« Diese Vermutung Pascnens wird durch meine Beobachtungen als richtig erwiesen. Die Linie 3955 zeigt nämlich auf meinen Spektrogrammen den Dorrrer-Effekt in derselben Intensität, Art und Größe wie die Funkenlinien des Sauerstoffs; sie gehört darum zweifellos zu diesen Linien, nicht zu den Serien. Die Dorrrer-Effekte der Linien der Tabelle II zeigen alle die gleiche maximale Größe und das gleiche Aussehen, soweit die . va- riable Dispersion im prismatischen Spektrum einen Vergleich zuläßt; außerdem ist bei allen Linien das Verhältnis der bewegten zur ruhen- den Intensität angenähert das gleiche: für 8920 Volt Kathodenfall ist es ungefähr 1.5 bis 2. An denjenigen Linien der Tabelle III, welche die genauesten Messungen zuließen, habe ich den maximalen Dorrter- 562 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Effekt (A?,) gemessen und daraus die entsprechende maximale Ge- 2 'm A 5 a schwindigkeit ©„= 3-10'°—_- berechnet. Der mittlere Wert des Ka- thodenfalls V, welcher diese maximale Geschwindigkeit der Kanal- strahlen (im Mittel vo, = 3.2 -10’cm. sec”) erzeugte, betrug 8920 Volt. Tabelle II. Wellenlänge | AAm | Geschwindigkeit vm | | 3973-7 | 2.81 | 2.12. 107 em see— 4070.7 3.10 | 2.29 » 4119.8 | 3.38 2.46 4186.5 | 3.52 12:52 Macht man die Annahme, daß die Träger dieser Linien den Ka- thodenfall ganz und ohne Zusammenstoß durchliefen und auch hinter der Kathode keine kinetische Energie auf irgendeine Weise einbüßten, so berechnet sich ihr Verhältnis von elektrischer Ladung zur Masse ee 'm m R € gemäß der Gleichung — = -— 2 = er 2-V 2.V-?° Einheiten. Für ein einwertiges Sauerstoffatomion, d.h. ein Sauer- zu 574 magnetischen - : : u 3 € stoffatom, welches ein negatives Elektron verloren hat, besitzt — den u Wert 600. Man könnte nun geneigt sein, wie es Pascnen (seine (der € - - Werte für liegen zwischen 546 und 180) getan hat, zu folgern, [93 daß der Träger der Funkenlinien des Sauerstoffs ein einwertiges po- sitives Sauerstoffion sei. Indes halte ich diese Folgerung nicht für richtig. Jene Annahme über die Erhaltung der kinetischen Energie der Kanalstrahlen entspricht nämlich nicht den Tatsachen: indem die Kanalstrahlen das Gas durchlaufen und Licht ausstrahlen, verlieren sie notwendig kinetische Energie. Ich habe bereits für den Fall' des Wasserstoffs gezeigt, daß die wirkliche maximale kinetische Energie der Kanalstrahlen immer um 30—60 Prozent kleiner ist, als dem wirkenden Kathodenfall entspricht. Würden wir demnach annehmen, daß im vorliegenden Falle die wirkliche maximale kinetische Energie der Kanalstrahlen nur einem Drittel des Kathodenfalls entspricht, so erhielten wir für den Träger der Funkenlinien des Sauerstoffs den € Wert — — 1722, und daraus würde folgen, daß er ein zweiwertiges 7 oder dreiwertiges positives Sauerstoffion ist. Aber auch diese An- ı J. Stark, Ann. d. Phys. 21, 415, 1906. J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Effeet). 563 nahme wird vielleieht noch nieht den wirklichen Verhältnissen ge- recht. Es ist möglich, daß die wirkliche maximale kinetische Energie der Träger der Funkenlinien noch beträchtlich kleiner ist als ein Drittel des Kathodenfalls. Denn das Sauerstoffatom besitzt einerseits eine 16 mal größere Masse als das Wasserstoffatom: die Kanalstrahlen in Sauerstoff werden darum häufiger als in Wasserstoff mit neutralen Gasmolekülen zusammenstoßen ; andererseits besitzt Sauerstoff eine viel größere Anzahl von Linien, welche eine beträchtliche bewegte Intensität haben; nach den Darlegungen, die ich an anderer Stelle" gemacht habe, ist zu er- warten, daß die Kanalstrahlen, welche die Funkenlinien des Sauerstoffs emittieren, stärker dureh die Ausstrahlung verzögert werden als die Wasserstoffkanalstrahlen. Über die Träger der Funkenlinien des Sauer- stoffs läßt sich darum vorderhand nur das eine mit Sicherheit behaupten, daß sie positive Atomionen sind, die mehr als einwertig sind, also Sauerstoffatome, die mehr als ein negatives Elektron verloren haben. Vergleicht man die Funkenspektrogramme der positiven Säule (Spektrogramme 12— 16) mit den Spektrogrammen der Kanalstrahlen, so findet man folgendes: alle oben angeführten Funkenlinien, welche den Dorrr£r-Effekt intensiv zeigen, sind im Funkenspektrum intensiv und scharf. Außer ihnen kommen im Funkenspektrum noch zahlreiche andere Linien vor, die verbreitert und diffus sind. Diese diffusen Funkenlinien sind im Kanalstrahlenlichte wenig intensiv: über ihren Dorrrer-Effekt gestatten meine Spektrogramme keine sichere Aussage; wenn sie dem Sauerstoff angehören, wie es wahrscheinlich ist, ge- hören sie jedenfalls zu einer anderen Gruppe von Linien als die scharfen Funkenlinien. $4. Die Zugehörigkeit von A 4368 und A 3947 zu den Serien. — C. Runer und F. Pascnen haben mit Hilfe der bekannten Rypsgerseschen Formeln aus den Konstanten der zweiten Nebenserie von Triplets des Sauerstofis die ersten Glieder einer zu erwartenden Hauptserie von Triplets berechnet, sie fanden für die stärksten Kom- ponenten die Schwingungszahlen 12042 und 24379. In der Tat liegen nun bei den etwas größeren Schwingungszahlen 12863 und 25326 intensive Triplets von den Wellenlängen A 7770 und A 3947. Runse und Paschen vermuten darum, daß sie hiermit eine Hauptserie von Triplets aufgefunden haben; dieses Resultat darf als Tatsache an sich und als Bestätigung der von Rvpsers aufgestellten Relationen ein hervorragendes Interesse beanspruchen. Für die zwei folgenden Glie- der dieser Triplethauptserie berechneten Ruser und Pascnen die Wellenlängen 3334 und 3117. Sie bemerken dazu a.a. 0. S. 666: ı J. Srark, Physik. Zeitschr. 8, 913. 1907. 564 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. »Diese Linien haben wir nicht gefunden. Es kann aber sein, daß der Abfall der Intensität, der in allen Hauptserien stärker ist als in den Nebenserien, hier so groß wird, daß die fraglichen Linien für unsere Expositionen noch nicht merklich sind. Freilich hat 3947 noch so große Energie, daß wir weitere Linien auch bei den angewendeten Expositionen erwartet hätten.«e Nun haben Runee und Pascnex ihre Sauerstoffspektrogramme an einer Geıssrerröhre mit Längsdurchsicht aufgenommen, das Licht der emittierenden Kapillare mußte eine ziem- lich lange Strecke im verdünnten durch die Entladungen ozonisierten Sauerstoff zurücklegen, bis es durch das Quarzfenster austrat. Das in der Geissterröhre vorhandene Ozon konnte darum die ultravioletten Emissionslinien der Kapillare zum Teil absorbieren; denn nach E. La- DENnBURG und E. Lenwans' reicht bei großer Konzentration die voll- kommene Absorption des Ultraviolett durch Ozon bis A 3388. Aus diesem Grunde erschien es wünschenswert, einmal die ultraviolette Emission des Sauerstoffs für den Fall zu untersuchen, daß das emit- tierte Licht nur eine ganz kurze Strecke im ozonisierten Sauerstoff zurückzulegen hat. Dies war ein Grund, weshalb ich mit dem kleinen Quarzspektrographen die bereits erwähnten Aufnahmen an der posi- tiven Lichtsäule in Sauerstoff machte. Die Kapillare der GeıssrLerröhre stand hierbei parallel dem Spalt und dicht vor ihm. Der Druck in den Röhren variierte zwischen 5 und 50o mm, parallel zum Indukto- rium war eine Kapazität, vor die Röhre eine Funkenstrecke geschal- tet; Druck und Stärke der Entladung waren so gewählt, daß bei oku- larer Beobachtung die Tripletserien intensiv erschienen. Auf den er- haltenen besten Spektrogrammen sind neben den Sauerstofflinien die Serienlinien des Wasserstoffs, die sogenannten ultravioletten Wasser- dampfbanden, die Kohlenstofflinie 2479 und in geringer Intensität die Siliziumlinien A 2514, A 2516 und A 2519 sichtbar. In der nach- stehenden Tabelle IV sind alle Linien, außer den genannten, eingetragen, welche auf den Spektrogrammen unterhalb A 3750 sichtbar sind. Tabelle IV. | Wellenlänge Intensität | Wellenlänge Intensität 3112 I 3408 5 3270 I 3473 8 3287 3 3713 3 3310 2 3727 3 3365 1 3750 | & 3390 I | ' E. LavexgurG und E. Lenmann, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 7, 130, 1907. J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Effeet). 65 Wie man sieht, liegen in der Nähe der von Russe und PaAscuEn berechneten Wellenlängen A 3334 und A3117 etwas unterhalb derselben zwei Linien, nämlich A3310 und Azı12; dazu sei bemerkt, daß die Spektrogramme außerdem in großer Intensität die Linie 3947 zeigen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gewachsen, daß die Linien 47770 und A3947 in der Tat den Anfang einer Triplethauptserie darstellen, deren folgende Glieder bei A3310 und Azıı2 liegen. Die Entschei- dung hierüber kann freilich erst durch eine verbesserte Untersuchung ınit größerer Dispersion gebracht werden, welche zeigt, daß die Linien A3310 und Azıı2 in Wahrheit Triplets sind. Da es mir gelang, gerade an den von Rune und Paschen für Hauptserienlinien erklärten Linien A4368 und A3947 den Dorrrer- Effekt in den Kanalstrahlen nachzuweisen, so ist die Feststellung wichtig, daß diese Linien mit den Nebenserien verkoppelt sind. Diese Fest- stellung möchte ich weniger in der Auffindung weiterer Glieder der Hauptserien als vielmehr in folgenden Tatsachen sehen. Die Inten- sität der Linien ?4368 und A3947 verändert sich proportional der Intensität der Nebenserien, nicht proportional der Intensität der Funken- linien (vgl. $ 7). Die zwei Linien verbreitern sich ebenso wie die Linien der Nebenserien bei Steigerung des Gasdruckes; sie zeigen nicht einen so intensiven Dorrrer-Effekt wie die Funkenlinien, sondern einen so wenig intensiven wie das Triplet 24773 der ersten Nebenserie. $5. Der Dorrrer-Effekt bei den Serienlinien A4773, A4368 und A 3947. — Die intensivsten Triplets und Duplets der Nebenserien des Sauerstoffs liegen im Roten, Gelben und Grünen. Nun ist aber in diesem Gebiet die Dispersion des mir zur Verfügung stehenden Spektrographen für die Untersuchung eines Dorpter-Effektes von 3 Ä unzureichend. Es blieben mir darum lediglich das noch ziemlich inten- sive Triplet der ersten Nebenserie bei A4773, die von Rune und Pascnex als ein Glied einer Duplethauptserie angesprochene Linie A4368 und die Triplethauptserienlinie A 3947 zur Untersuchung auf den DorrLer- Effekt bei den Kanalstrahlen übrig. Diese 3 Linien, besonders 43683 und 3947, besitzen einerseits eine große Intensität und liegen anderseits in Gebieten ausreichender Dispersion des mir zur Verfügung stehenden Spektrographen. Die Komponenten dieser zusammengesetzten Linien erscheinen auf meinen Spektrogrammen nicht getrennt; aus diesem Grunde seien sie hier kurz als Linien bezeichnet. Die Linie A4773 erscheint auf 2 Spektrogrammen von der ne- gativen Glimmsehicht und auf dem ı. Spektrogramm-« von den Kanal- strahlen bei kleinem Kathodenfall auf ihren beiden Seiten scharf und in ihrer ganzen Breite gleichmäßig dunkel. Auf den Spektrogrammen 66 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. von den Kanalstrahlen bei großem Kathodenfall (Verlauf im Visions- radius) erscheint sie dagegen verbreitert und unscharf, und zwar ist ihr breehbarerer Rand unschärfer als ihr roter; ferner ist ihre’ brech- barere Hälfte intensiver als ihre andere. Nach einem sorgfältigen Ver- gleich aller in Betracht kommenden Spektrogramme unterliegt es für mich keinem Zweifel, daß diese Differenz im Aussehen der Linie, Un- schärfe des brechbareren Randes und größere Intensität in der brech- bareren Hälfte aus dem Auftreten eines Dorrrer-Effektes auf der brech- bareren Seite der Linie sich erklärt. Die Größe des Effektes ist in- folge der unzureichenden Dispersion in diesem Gebiete leider nicht meßbar. Auf der brechbareren Seite der Linie 4368 liegt in 0.15 mm Abstand von ihr eine wenig intensive Linie, wie es scheint, eine zu- sammengesetzte Linie. Auf den Spektrogrammen von der negativen Glimmschicht sowie auf dem ı. Spektrogramm von den Kanalstrahlen bei kleinem Kathodenfall ist der Zwischenraum zwischen dieser Linie und A4368 hell; auf den Spektrogrammen von den Kanalstrahlen bei großem Kathodenfall ist er dagegen ziemlich stark geschwärzt, so daß die beiden Linien zusammengewachsen sind, und zwar ist auf diesen Spektrogrammen der nach Rot liegende Rand von A4368 vollkommen scharf, der brechbarere Rand dagegen verschwimmt auf den intensi- veren Spektrogrammen in die sich anschließende Schwärzung bis zu jener Bandenlinie. Ein Vergleich der in Betracht kommenden Spektro- gramme macht es sicher, daß diese Schwärzung auf der brechbareren Seite der Linie 4368 ein Dorrrerr-Effekt ist. Da er mit der störenden er- wähnten Linie verwachsen ist, so ist eine Messung seiner Größe leider nicht möglich. Wenn ich den Nachweis des Dorrrer-Effektes bei der Linie 4368 als gesichert betrachte, so habe ich auch auf einen zweiten störenden Umstand Rücksicht genommen. Dicht neben der Linie ?14368.5 bei ?4367.5 liegt nämlich eine schwache Funkenlinie. Deren ruhende Intensität ist indes in den Kanalstrahlen so gering, daß es ausgeschlossen ist, daß der relativ viel intensivere Dorrrrr-Effekt von 44368 dieser Funkenlinie angehört. Am deutlichsten tritt der Dorrprer-Effekt bei der Linie A 3947 hervor. In einem Abstand von 0.24 mm folgt auf sie nach Ultraviolett zu die Aluminiumlinie A 3944 und dicht vor dieser, indes kaum sichtbar, die Funkenlinie A3945. Auf den Spektrogrammen von der negativen Glimmschicht ist der Zwischenraum zwischen den zwei Linien A 3947 und A 3944 vollkommen klar, ebenso der nach Rot zu auf die Linie 13947 folgende Raum. Auf den intensiven Spektrogrammen von den Kanalstrahlen (Verlauf im Visionsradius) ist der Zwischenraum durch eine allerdings wenig intensive, aber deutliche Schwärzung zugedeckt. J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Effect). 567 Es ist ausgeschlossen, daß diese Schwärzung durch eine seitliche Strahlung der Aluminiumlinie A3944 bewirkt ist; der nach Rot zu liegende Raum hinter der noch stärkeren Aluminiumlinie A 3962 ist nämlich vollkommen klar, und eine besonders intensive Kontrollauf- nahme mit dem kondensierten Aluminiumfunken lieferte die beiden Linien ?3944 und A3962 auf klarem Grunde ohne Überstrahlung. Leider läßt nun auch bei A 3947 die Gegenwart der Linie A 3944 eine genaue Messung des maximalen Dorrrrr-Effekts und somit eine Be- rechnung der Geschwindigkeit des Trägers der Linie nicht zu. Ich ver- suchte wohl, ein Spektrogramm ohne die Aluminiumlinien zu erhalten, indem ich die Aluminiumelektroden durch Messingelektroden ersetzte. Obwohl ich diesen Versuch an zwei Röhren machte, erzielte ich doch keinen Erfolg; die Zerstäubung des Messings in Sauerstoff ist nämlich sehr stark; sie hatte schon während der mühsamen Reinigung der Röhren statt und war noch stärker während der Exposition. Nachdem die Zerstäubung beträchtlich vorgeschritten war, sprang der starke Entladungsstrom auf den Belag der Glaswand über und brachte diese zum Springen. Mit der einen Röhre erzielte ich eine Ex- positionsdauer von ı Stunde, mit der anderen nur von 0.5 Stunden; nötig aber wäre eine Expositionsdauer von mindestens 4 Stunden gewesen. Gemäß dem Vorstehenden kann der Nachweis als gesichert gelten, daß auch die Serienlinien des Sauerstoffs in den Kanalstrahlen «den Dorrrer-Effekt zeigen; über dessen maximale Größe wissen wir indes nur so viel, daß sie diejenige des Effektes bei den Funkenlinien nicht überschreitet. Ein sehr großer Unterschied besteht hinsichtlich der Intensität des Dorrrer-Effektes zwischen den Funkenlinien und den Serienlinien (les Sauerstoffs. Während bei jenen für 8900 Volt Kathodenfall die bewegte Intensität zur ruhenden Intensität wie 1.5:1 sich verhält, ist dies Verhältnis bei den Serienlinien ungefähr ı:1ı5. Und der kleine Wert der bewegten Intensität (Dorrter-Effekt) der Serienlinien des Sauerstoffs ist wohl auch der Grund, warum Hr. Pascnen den Dorrrer-Effekt bei den Serienlinien nicht zu beobachten vermochte. Einen ungefähren Vergleich der Intensitäten der beiderseitigen Spektro- gramme ermöglichen folgende Angaben. Hr. Pascnen schreibt: »Die starke Linie 3954.83 des Runge-Pascnenschen Verzeichnisses ..... ist im Kanalstrahlenlicht sehr schwach.« Meine Spektrogramme zeigen diese Linie und ihren Dorrrer-Effekt in beträchtlicher Intensität; es ließen sich an diesem sogar Messungen ausführen, und ich möchte hierzu noch ausdrücklich bemerken, daß ich keines meiner Spektro- gramme mit Uran verstärkt habe. Ferner schreibt Hr. Pascnen 568 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. mit Bezug auf die Funkenlinien: »Die Dorrrer-Effekte dieser Linien waren wie die Linien selbst nur lichtschwach.« Auf meinen inten- siven Spektrogrammen zeigen dagegen die obenerwähnten Linien in ihrer größeren Mehrheit sowie ihre Dorrrrr-Effekte eine tiefe Schwär- zung und sind als sehr liehtstark zu bezeichnen. $6. Der Dorrrer-Effekt bei den Aluminiumlinien A 3944 und A3962. — Die Aluminiumlinien A 3944 und % 3962 stellen das erste Glied einer zweiten Nebenserie von Duplets dar. Zu den spektral- analytischen Untersuchungen an Kanalstrahlen verwandte ich zumeist Elektroden aus Aluminium; ich erhielt bei allen Gasen, die ich bis jetzt untersuchte, jene Aluminiumlinien von der negativen Glimm- schieht und von den Kanalstrahlen; indes zeigten sie in diesen bei allen meinen früheren Untersuchungen keinen Dorrrrr-Effekt, also keine bewegte, sondern nur eine ruhende Intensität. Das Auftreten von ruhender Intensität der Aluminiumlinien in den Kanalstrahlen bietet der Erklärung keine Schwierigkeit: infolge der immer vor- handenen, wenn auch geringen Zerstäubung des Aluminiums gelangen Aluminiumatome sowohl hinter wie vor die Kathode; hier werden sie von Kanalstrahlen oder Kathodenstrahlen getroffen und ionisiert; die so entstehenden Aluminiumionen emittieren dann infolge der Er- schütterung bei ihrer Entstehung ruhende Serienlinien. Nimmt man diese Erklärung an, dann bleibt aber unverständlich, warum die Aluminiumlinien in den Kanalstrahlen nicht auch den Dorrrer-Effekt zeigen sollen. Einige der an der Grenze des Kathodendunkelraumes entstehenden positiven Aluminiumionen müssen doch von der elek- trischen Kraft erfaßt und nach der Kathode zu getrieben werden, um dann durch deren Kanäle als Kanalstrahlen hinter ihr auszutreten; in diesen müssen sie dann infolge ihrer großen kinetischen Energie ihre Serienlinien emittieren und somit an ihnen den Dorrrrr-Effekt zeigen. Daß ich in meinen früheren Untersuchungen an den Aluminium- linien keinen Dorrrer-Effekt beobachtete, erklärte ich mir daraus, daß die Intensität des Effektes bei ihnen wohl zu gering auf meinen Spektrogrammen war, als dal3 der Dorrrerr-Effekt hätte sichtbar werden können. Bei den vorliegenden neuen Untersuchungen mit Hilfe des verwendeten liehtstarken Spektrographen erhielt ich nun in der Tat den Dorrrer-Effekt bei den zwei Aluminiumlinien A 3962 und A 3944. Dal} der verbreiterte Streifen auf der ultravioletten Seite der Linien nicht durch sekundäre Störungen vorgetäuscht wurde, kontrollierte ich durch den Vergleich der Kanalstrahlenspektrogramme mit den Spektrogrammen von der negativen Glimmschicht und mit einem intensiven Spektrogramm, das ich vom kondensierten Aluminium- J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorprer-Effect). 569 funken aufnahm. Die bewegte Intensität verhält sich zur ruhenden Intensität der beiden Linien ungefähr wie 1:10. Die Messung des maximalen Effektes lieferte bei der Linie A 3962 den Wert AA, = 2.49 A A £ und somit eine maximale Geschwindigkeit ©%,=« —_ "- = 1.89-107 em-»see”'. Macht man auch hier wieder die nicht genaue Annahme, daß die maximale kinetische Energie dem ganzen wirksamen Kathoden- fall entspricht, so berechnet sich für das Verhältnis von Ladung zur [3 Masse des Linienträgers der Wert — = 200 in magnetischem Maß. m € rn Für ein einwertiges Aluminiumion ist als Wert von — die Zahl 352 [22 zu erwarten. Ob der Träger der zweiten Dupletserie des Aluminiums ein ein-, zwei- oder dreiwertiges Atomion ist, möchte ich aus den im $ 3 dargelegten Gründen nicht entscheiden. Der Nachweis für den Fall von Aluminiumelektroden, daß die Serienlinien des Elektrodenmetalls in den Kanalstrahlen den Dorrt£r- Effekt zeigen, besitzt insofern einige Wichtigkeit, als mit ihm auf spektralanalytischem Wege auch der Beweis geführt ist, daß die Atomionen des Elektrodenmetalls an der Bildung von Kanalstrahlen sich beteiligen. $ 7. Vergleichende Charakteristik der Spektra des Sauer- stoffs. — Außer dem Serien- und dem Funkenspektrum besitzt Sauer- stoff noch zwei Bandenspektra. Das eine, das negative Bandenspektrum, ist zuerst von A.Würrxer' in der negativen Glimmschicht beobachtet und von A. Schuster” genauer beschrieben worden. Ich habe von ihm zwei Spektrogramme aufgenommen, eins an der negativen Glimmsehicht und eins an den Kanalstrahlen. Das negative Bandenspektrum ist nämlich auch in dem Kanalstrahlenlicht enthalten; bei seiner Auf- nahme an den Kanalstrahlen war der Spektrograph so gestellt, daß kein Lieht von der negativen Glimmschicht in den Spalt gelangen konnte. Auf meinen Spektrogrammen sind 6 negative Sauerstoffbanden sichtbar. In der Tab. V sind die ungefähren Wellenlängen ihrer Kanten sowie ihre Intensität in relativem Maße angegeben. Die Banden Nr. ı, 2, 4, 5, 6 scheinen regelmäßig in einer Gruppe angeordnet zu sein, die Bande Nr. 3 dürfte einer zweiten Gruppe angehören; zu dieser scheinen zwei weitere Banden zu gehören, von denen die eine bei A 623 vu beginnt, während der Anfang der ı A. WÜLLNER, Wien. Ann. 8, 263, 1879; 38, 633, 1889. 2 A. Schuster, Phil. Trans. 170, 37, 1889. 970 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Tabelle V. Nummer Wellenlänge zu Intensität 640 5 2 600 6 3 592 2 4 563 8 5 530 5 6 500 I anderen in das Ende der Bande 4 fällt. Sämtliche Banden zeigen denselben regelmäßigen Bau; sie laufen in der Richtung Rot-Ultraviolett; ihr Kopf besteht aus 5 scharfen breiten Linien, die wahrscheinlich zusammengesetzt sind, und einer sechsten intensiven Linie; hinter dieser fällt die Intensität der weiteren Bandenlinien rasch ab. Eine genaue Untersuchung der negativen Sauerstoffbanden mit einer größeren Dispersion, als sie mir zur Verfügung stand, dürfte interessante Resul- tate ergeben. Die positive Lichtsäule besitzt in Sauerstoff für Entladungen ohne Kondensator und Funken nur eine geringe Intensität. Sie zeigt außer den Serienlinien noch ein sehr wenig intensives kontinuierliches Spektrum. Dieses ist bereits von A. WÜLLNEr und A. Scuuster be- obachtet worden. Seine Intensität hat ein Maximum Grüngelb; sie kann durch Erhöhung der Stromstärke nur wenig gesteigert werden, abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten der Emissionsspektra der positiven Säule. Sein grüngelbes Licht ist auch in der negativen Glimmschicht und im Kathodendunkelraum bei niedrigen Drucken, ferner rings um die positive Säule außerhalb der Strombahn bei höheren Drucken wahrnehmbar. Aus diesen Gründen vermute ich, daß dieses kontinuierliche Emissionsspektrum des Sauerstofis gar nicht zu den eigentlichen mit der Ionisierung verknüpften Emissionsspektren ge- gehört; es mag entweder einer Verunreinigung des Sauerstoffs zuzu- schreiben sein, oder noch wahrscheinlicher ist, daß es das Emissions- spektrum des Ozons darstellt; ihm analog besteht nämlich dessen Ab- sorptionsspektrum aus kontinuierlichen breiten, verwaschenen Banden und hat seine größte Intensität im Grüngelb. Da gemäß dem Vor- stehenden die Zugehörigkeit des sogenannten kontinuierlichen Emissions- spektrums des Sauerstoffs fraglich erscheint, so sei es von der weiteren Diskussion ausgeschlossen. Da ich vermutete, daß das Linienspektrum der positiven Licht- säule bei Sauerstoff ebenso wie bei Stickstoff von der Emission eines »positiven« Bandenspektrums begleitet sei, so war für mich ein zweiter J. Stark: Spectra des Sauerstoffs (Dorrrer-Effect). 571 Grund gegeben, die Lichtemission der positiven Säule im Ultraviolett mit einem Quarzspektrographen zu untersuchen. Es ergab sich indes, daß im Ultraviolett bis A 2400 jedenfalls keine intensiven Sauerstoff- banden liegen. Nun aber hat bereits V. Scnumann' im äußersten Ultra- violett an der positiven Säule in Sauerstoff die Emission eines Banden- spektrums beobachtet. Er macht hierüber folgende Angaben: »Das Emissionsspektrum des Sauerstoffs besteht aus drei kontinuierlichen Maxima, von denen das brechbarste das intensivste ist. Es liegt un- gefähr bei A 185 vu. Die Beobachtung dieser Maxima ist mit beträcht- licher Schwierigkeit verbunden, wegen ihrer geringen photographischen Wirksamkeit und wegen des gleichzeitigen Erscheinens der Kohlen- oxydbanden. — Noch war es möglich, trotz zahlreicher Versuche, brech- barere Strahlen als diejenigen des Maximums bei ungefähr 185 un herauszuholen. Es ist wohl anzunehmen, daß die Sauerstoffschicht zwischen der Öffnung der Kapillare und dem Fenster der GrissLer- röhre den geringen Erfolg dieses Suchens durch ihren Mangel an Durch- lässigkeit mitverursachte.« Ob diese Absorption im nicht durch- strömten Sauerstoff das kontinuierliche Aussehen der von Schumann entdeckten positiven Sauerstoffbanden zur Folge hat, ob sie nach Rot zu abschattiert sind, ob im Ultrarot andere zu ihnen gehörige Banden liegen, oder ob ihnen das sichtbare kontinuierliche Emissionsspektrum des Sauerstoffs zuzuordnen ist, sind offene Fragen. Die nachstehende Tabelle VI enthält Angaben über die relativen Intensitäten der verschiedenen Spektra des Sauerstoffs, soweit meine Spektrogramme einen rohen Vergleich zulassen; ihnen ist die Angabe SCHUmanss über die positiven Banden beigefügt. In der letzten Kolumne Tabelle VI. Intensität Positive Positive | N | K = egative | analstrahlen r a4 ns Säule Säule : | REIN Vermutlicher Träger ee | ' Glimm- | niedriger |hoherTem- | ruhende | bewegte | schicht Temperatur | peratur || Spektrum | | | Intensität | Intensität | Serienlinien (Duplet- | | | | mäßig | mäßig sehr groß | sehr klein |'Positives Sauerstoffion A und Tripletserien) | mäßig | | Scharfe Funkenlinien sehr gering | groß sehr groß | groß groß | Mehrwertiges positives | | | | Sauerstoffion B Diffuse Funkenlinien | selır gering | groß mäßig | mäßig sehr klein | ? Positive Banden | mäßig ? ? | ? = System: Ion A-+ Elektron Negative Banden ‚nicht merkbar ? | sehr groß groß —_ System: Ion B-+ Elektron Il I ' V. Scaunann, Smithsonian Contributions Nr. 1413, p. 16. Sitzungsberichte 1908. 53 572 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. ist der Träger des einzelnen Spektrums bezeichnet, soweit die bisherige leider noch recht lückenhafte Erfahrung eine Vermutung zuläßt; die Bezeichnung »System: Ion + Elektron« soll entsprechend einer von mir geäußerten Hypothese zum Ausdruck bringen, daß das betreffende Bandenspektrum bei der Wiederanlagerung negativer Elektronen an positive Ionen emittiert werde. Die Erscheinung, daß die ruhende Intensität der Serienlinien in der negativen Glimmschieht mäßig, in den Kanalstrahlen sehr groß ist, während die bewegte Intensität hier sehr klein ist, dürfte sich in folgender Weise erklären. Dank ihrer großen kinetischen Energie erzeugen die Kathodenstrahlen in der negativen Glimmschicht über- wiegend hochwertige Sauerstoffionen, wenige ein- oder zweiwertige Ionen; darum ist die bei der Ionisierung zur Emission kommende ruhende Intensität der Serienlinien in der Glimmschicht klein, die- jenige der Funkenlinien groß. Da demnach am Ende des Dunkel- raums überwiegend hochwertige Ionen vorhanden sind, so beteiligen sich schon vor der Kathode nur wenige niederwertige Ionen (Träger der Serienlinien) an der Bildung der Kanalstrahlen; und ein Teil dieser niederwertigen Kanalstrahlen mag hinter der Kathode infolge von Zu- sammenstößen mit Gasmolekülen weitere negative Elektronen verlieren und somit in hochwertige Kanalstrahlen (Träger von Funkenlinien) übergehen. Unter diesen Umständen muß dann die bewegte Intensität der Serienlinien hinter der Kathode sehr klein, diejenige der Funken- linien relativ sehr groß sein. Daß andererseits die ruhende Intensität der Serienlinien hinter der Kathode groß ist, erklärt sich daraus, daß hier die langsamen sekundären Kathodenstrahlen sowie die Kanal- strahlen viele niederwertige Ionen aus neutralen Atomen durch ihren Stoß erzeugen und infolge dieser Ionisierung die Serienlinien zur Emission bringen. Um das Bild von dem spektralanalytischen Reichtum des Sauer- stoffs vollständig zu machen, sei hier noch in der Tab. VII eine Über- sicht über die Absorptionsspektra des Sauerstoffs gegeben, welche charakteristisch sind für seinen molekularen Zustand. Gemäß meinen Darlegungen' über den Ursprung der Bandenspektra sind die elektrischen Zentra dieser Spektra gesättigte bzw. gelockerte negative Valenzelek- tronen. Das von Scnunasn” beobachtete ultraviolette Absorptions- spektrum des Sauerstoffs dagegen ist vermutlich charakteristisch für das Sauerstoffatom, indem es wahrscheinlich mit dem ultravioletten “missionsspektrum der positiven Lichtsäule koinzidiert und der Wieder- ı J. Stark, Plıysik. Zeitschr. 9, 85, 1908. ® V. Scaumans, Smithsonian Contrib. Nr. 1413, p. IS. J. Stark: Spectra des Sauerstofls (Dorrrer-Eflect). ae: anlagerung eines von ihm abgetrennten Elektrons seinen Ursprung ver- dankt; die ultraviolette Absorption des Sauerstoffs ist nämlich, wie Pr. Lexarn' fand, von Ionisierung begleitet. Tabelle VI. Art des Spektrums Spektrale Lage Charakteristik Vermutlicher Träger Schumanssche Banden | Nähe von A 18541 | 14 nach längeren Wellen zu Sauerstoffatom ? abschattierteLinienbanden Terr. Sauerstoffbanden | Rot und Ultrarot 3 nach längeren Wellen zu | zweiatomiges Molekül abschattierte Banden Jansssensche Banden | Rot bis Ultraviolett | zahlreiche unscharfe kontin. | Ozon ? Banden Ozonbanden Ultrarot bis Ultra- | zahlreiche unscharfe kontin. | dreiatomiges Molekül violett Banden (Ozon) Banden von Lapexgurg | Rot bis Gelb mehrere kontin. Banden mehratomiges Molekül und Lenmann Zu der vorstehenden Tabelle seien noch folgende Literaturangaben gefügt. K. Ansströn” hat im Ultrarot 4 Absorptionsbänder des Ozons gefunden, nämlich bei A 4.8, A 5.8, A 6.7, A 9.1—10.0 u. Die Bande bei A 4.74 « haben auch E. WArgure und G. Lertnäuser” beobachtet. Über neue weder dem zwei- noch dem dreiatomigen Sauerstoff ange- hörige Banden des Sauerstoffes haben E. Lapengure und E. Lenmans' Beobachtungen mitgeteilt. $8. Übersicht über die bisherigen Beobachtungen des Dorrrer-Effektes bei Kanalstrahlen. — Die Tabelle VIII gibt eine Übersicht über die Beobachtungen, welche bis jetzt von verschiedenen Autoren über den Dorrrrr-Effekt bei den Kanalstrahlen angestellt worden sind. Die Elemente sind in ihr nach ihrer Zugehörigkeit zu den aufeinanderfolgenden Vertikalreihen des periodischen Systems geordnet. Allein die vorletzte Reihe, die Halogenreihe, ist in der Tabelle mit keinem Element vertreten; es ist nämlich noch für kein Element dieser Reihe die Liehtemission ihrer Kanalstrahlen untersucht worden; es ist wohl nicht zu zweifeln, daß auch die Funkenlinien dieser Elemente den Dorrrer-Effekt bei den Kanalstrahlen zeigen werden. ' Pır. Lenarn, Ann. d. Phys. 1, 486, 1900; 3, 298, 1900. K. Anesrrön, Arkiv f. Mat., Astron. och Fysik 1, 347, 1904. E. Wargers und G. LrirnÄuser, Berl. Ber. 1908, S. 148. 2 3 * E. Lavengurs und E. Lenmann, Verh. d. Phys. Ges. 7, 132, 1906. 574 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Tabelle VIL. Intensität Element Spektrallinien - Vermutlicher Träger Beobachter ruhende | bewegte Wasserstoff 1. Nebenserie v. klein groß einwertiges Atomion | J. Stark!, M. Wırn u. Duplets | B.StrAsser?, F. PascHEn® Lithium Hauptserie v. Duplets]| beob. | beob. einwertiges Atomion |E. GEHRckE u. O. Reıchex- HEIM® Natrium Hauptserie v. Duplets| beob. beob. einwertiges Atomion | E. GEHRckE u. O. REIcHEN- HEIM * Kalium Hauptserie v. Duplets| sehr groß | groß einwertiges Atomion J. Stark u. K. Sıeer > 1. u. 2. Nebenserie groß mäßig v. Triplets | ein- od. mehrwertige | J. Stark, W. Hermann u. Onerkaüber Liniengruppe A groß groß Atomionen S. Kınosuıra ® Liniengruppe B groß | sehr klein Aluminium 2. Nebenserie v. |sehrgroß| klein ein- od. mehrwertiges J. STARK Duplets | Atomion | Kohlenstoff Funkenlinien klein | groß mehrwertige Atomionen | S. Kınossıra ?, J. Stark u. H. Rıu® : Liniengruppe Cu.E | mäßig roß in- " i Stickstoff N E 5 pP o 8 2 ein- od. mehrwertige W. Hermasıx’ ! Liniengruppe F sehr groß| mäßig |\ Atomionen (| Haupt- u. Neben- groß |sehr klein] ein- od. mehrwertige J. Stark serien v. Duplets u. Atomionen Sauerstoff Triplets | scharfe Funkenlinien groß groß mehrwertige Atomionen | F. Pascuen!, J. Stark diffuse Funkenlinien | mäßig | unsicher ? J. STARK Helium einfache u. Duplet- groß klein ein- od. mehrwertige H. Rau!!, E. Dorx !? serien | Atomionen Argon Linien d. »blauen« beob. | beoh. Atomionen E. Dorn? Spektrums Fassen wir die Serienlinien, ferner die im Lichtbogen und Funken erscheinenden Linien, die bis jetzt noch nicht in Serien geordnet sind, unter der Bezeichnung »Linienspektra« zusammen, so können wir auf ı J. Stark, Phys. Zeitschr. 7, 255, 1906; Ann. d. Phys. 21, 438, 1906. ® M.Wırn u. B. Srrasser, Phys. Zeitschr. 7, 744, 1906. F. Pıscuen, Ann. d. Phys. 23, 251, 1907. E. GEHReRE u. O. Reıcarsarın, Phys. Zeitschr. 8, 724, 1907. ° J. Stark u. K. Sırer, Ann. d. Phys. 21, 457, 1906. ° J. Srark, W. Hervmann u. S. Kınosurra, Ann. d. Plıys. 21, 462, 1906. ” S. Kınosurra, Phys. Zeitschr. 7, 355, 1906. ® J. Srark, Phys. Zeitschr. 8, 397, 1907. ° W. Hermann, Phys. Zeitschr. 7, 567, 1906. 10 F. Pascuen, Ann. d. Phys. 23, 262, 1907. ıı H. Rau, Phys. Zeitschr. 8, 360, 399, 1907. ® E. Dorn, Phys. Zeitschr. 8, 589, 1907. >» J. Stark: Spectra des Sauerstoflfs (Dorrrrer-Effect). 575 Grund der vorstehenden Tabelle folgenden allgemeinen Satz! aus- sprechen, der bis jetzt allen Prüfungen standgehalten hat: die Träger der Linienspektra der chemischen Elemente sind ihre positiven Atom- ionen. Dazu tritt als weiteres spezielles Resultat der Satz: Wie die spektralanalytische Untersuchung zeigt, kann ein Atom desselben che- mischen Elementes positive Atomionen von verschiedener Wertigkeit bilden, also durch die elektrische Dissoziation eins oder mehrere ne- gative Elektronen verlieren. Gegen die experimentelle Begründung der zwei vorstehenden Sätze dürfte wenig einzuwenden sein. Dagegen scheint mir ein früher von mir aufgestellter Satz nicht genügend experimentell begründet zu sein, nämlich die Folgerung, daß Dupletserien von einwertigen, Triplet- serien von zweiwertigen positiven Atomionen emittiert werden. Ich kam zu dieser Folgerung durch einen Vergleich der Dorrrerr-Effekte bei den Serienlinien des Wasserstoffes und bei den Linien des Queck- silbers.. Seitdem ich indes mehr und mehr erkannt habe, daß die Bewegung von Kanalstrahlen verschiedener Art, welche von gleichem Kathodenfall erzeugt werden, durch Zusammenstöße und Ausstrahlung (vgl. $ 3) verschieden stark gedämpft werden kann, halte ich das Resultat jenes Vergleichs für zweifelhaft und bin der Ansicht, daß es durch die bisherigen Beobachtungen nicht ausgeschlossen ist, daß das- selbe positive Atomion sowohl Duplet- als Tripletserien emittieren kann. Noch ein wichtiges Resultat ist aus der obigen Tabelle zu ent- nehmen. Obwohl in der Chemie Helium und Argon keine Valenzen betätigen, vermögen sie doch unter dem Stoß der Kanal- und Ka- thodenstrahlen ebenso wie die übrigen Elemente negative Elektronen abzugeben und positive Atomionen in den Kanalstrahlen zu bilden. Hieraus dürfte zu folgern sein, daß die Zahl der Stufen der elektri- schen Dissoziation, welche wir mit der Energiekonzentration in den Kathoden- und Kanalstrahlen erzielen können, nicht zu beschränken ist auf die Zahl der Valenzen, welche in der Chemie den einzelnen Elementen für die Erklärung der Struktur der Moleküle zugeschrieben werden. Folgen wir einem Gedankengange”’, den ich über die ab- trennbaren neutralisierenden negativen Elektronen der chemischen Ele- mente entwickelt habe, so können wir diese Verhältnisse vielleicht in folgender Weise charakterisieren. In der Chemie betätigen sich beim Aufbau der Moleküle nur die an der Oberfläche der Atome lie- genden negativen Elektronen (Valenzelektronen); die Wirkung der J. Srark, Die Elektrizität in Gasen, Leipzig 1902, S. 447. J. Sıark, Phys. Zeitschr. 8, 883, 1907; 9, 85, 1908. Vgl. auch »Die Valenz- lehre auf atomistisch elektrischer Basis«, Jahrb. d. Rad. u. Elektronik, 5, 124, 1908. 2 576 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Kathoden- und Kanalstrahlen beschränkt sich dagegen nicht auf die an der Oberfläche der Atome liegenden negativen Elektronen, dank ihrer Energie, die gewaltig groß ist verglichen mit ihrer Masse, ver- mögen diese Strahlen auch aus dem Innern der Atome negative Elek- tronen herauszutreiben. Die Erfahrung der Spektralanalyse über die chemischen Atome reicht weiter als diejenige der Chemie; sie er- schließt uns nicht bloß Erscheinungen an der Oberfläche, sondern auch Vorgänge im Innern der chemischen Atome. Kombinieren wir endlich die Tatsache, daß die neutralen Atome vieler Elemente im zugänglichen Gebiet des Spektrums keine Linien besitzen, mit der ziemlich gesicherten Tatsache, daß sie im zugäng- lichen Spektrum dann gewisse Linien emittieren, wenn sie ein nega- tives Elektron verloren haben, und wieder ein davon verschiedenes Spektrum, wenn sie mehr negative Elektronen verloren haben, so liegt folgender Gedankengang nahe. Die Emissionszentra der Serien- oder auch Funkenlinien sind gemäß dem Zeruan-Effekt ebenfalls negative Elektronen, sie müssen auch schon im neutralen Atom vorhanden sein, nur scheinen die Frequenzen ihrer Schwingungen so groß zu sein, daß sie im unzugänglichen Ultraviolett liegen. Wenn aber ein nega- tives Elektron, das im neutralen Atom die Aufgabe hat, eine positive Ladung zu neutralisieren,. aus dem Atom fortgenommen wird, so wer- den die Frequenzen jener Elektronen kleiner, sie rücken in das zu- gängliche Spektrum, analog dem Vorgang, daß durch Zurückdrehung der Schrauben, welche die Saiten eines Musikinstrumentes spannen, die Töne des Instrumentes erniedrigt werden. Wenn diese Folgerung einigermaßen der Wirklichkeit entspricht, dann müssen sich uns so- fort folgende Fragen aufdrängen. Gibt es unter den zahlreichen Ele- menten nicht einige, deren Atome schon im neutralen Zustand im zu- gänglichen Spektrum solche Frequenzen besitzen, welche durch die Ionisierung in die Frequenzen der Funkenlinien übergehen? Sind viel- leicht die seltenen Erden solche Elemente? Ferner müssen wir an- nehmen, daß die Bindung der Valenzelektronen an die eigenen Atome dadurch mehr oder weniger geändert werden kann, daß mehrere Atome zu einem Molekül zusammentreten; ist dies der Fall, führt dann nicht auch schon diese Änderung der Bindung abtrennbarer ne- gativer Elektronen solche Frequenzen des Atoms in das zugängliche Spektrum, welche bei vollständiger Ionisierung des Atoms als Funken- oder Serienlinien erscheinen? Oder, mit anderen Worten, besitzen manche Verbindungen neben den Bandenspektren der Valenzelektronen nicht auch Spektra, welche nichtabtrennbaren Elektronen des Atom- innern eigen sind? Diese Fragen zu beantworten, ist nicht Sache menschlicher Spekulation und Phantasie, die gegenüber der Mannig- J. Srark: Spectra des Sauerstofis (Dorrrer-Eflect). 577 faltigkeit und Fremdartigkeit der inneren Welt des Atoms arm und unfähig ist, sondern es wird Sache einer ausdauernden experimen- tellen Forschung sein. Ein großer Teil der Resultate der vorstehenden Untersuchung ist der Güte und Lichtstärke des verwendeten Spektrographen zu verdanken. Die Mittel zu seinem Bau wurden mir von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin bewilligt. Meh- rere der übrigen verwendeten Apparate hat mir Hr. Dr. H. HauswaLor in Magdeburg zur Verfügung gestellt; hierfür möchte ich ihm auch an dieser Stelle danken. 578 Sitzung. der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Über die spektrale Intensitätsverteilung der Kanal- strahlen in Wasserstoft. Von Prof. J. Stark und W. SrtEUBING in Greifswald. (Vorgelegt von Hrn. Pranck.) Die Beobachtung des maximalen Dorrrrr-Effektes bei Kanalstrahlen hat ergeben, daß die Linien einer Serie alle denselben Träger, nämlich ein positives Atomion, besitzen. Nach Feststellung dieses Resultates suchte der eine von uns (Stark) eine erste Antwort auf die Frage zu gewinnen, ob die spektrale Intensitätsverteilung' eine Funktion der Geschwindig- keit der Kanalstrahlen sei. Auf Grund eines zwar nicht für diesen Zweck gewonnenen, aber ziemlich umfangreichen photographischen Be- obachtungsmateriales kam er nach drei verschiedenen Methoden zu dem als vorläufig zu betrachtenden Resultat, daß das Verhältnis der Intensität einer Linie zu derjenigen einer weniger brechbaren Linie derselben Serie mit wachsender Geschwindigkeit der Kanalstrahlen zunimmt. F. Pascnen” dagegen kam auf Grund einer andern, eben- falls photographischen Methode zu dem Resultat, daß die spektrale Intensitätsverteilung der Kanalstrahlen unabhängig von deren Ge- schwindigkeit sei. Demgegenüber hielt indes der eine’ von uns an seinem Resultat fest, ja, glaubte sogar Hrn. Pascnens eigene Beobach- tungen zu dessen Stütze heranziehen zu dürfen. Immerhin aber mußte diese Differenz den Wunsch verstärken, das Resultat der hinsichtlich der Intensität wenig zuverlässigen photographischen Methode durch eine andere Methode zu kontrollieren. Die von uns in der nachstehenden Untersuchung angewendete Methode gründet sich auf folgende Überlegung. Wie alle Beobachter gefunden haben, besteht der Dorrrer-Effekt bei Kanalstrahlen nicht in einer einzigen scharfen verschobenen Linie entsprechend einer einzigen J. Stark, Ann.d. Phys. 21, 435, 1906. ® F. Pascaen, Ann. d. Phys. 23, 247, 1907. J. Stark, Ann.d. Phys. 23, 798, 1907. J. Stark u. W. Sreusıng: Spectrale Intensitätsvertheil. der Kanalstrahlen. 579 Geschwindigkeit der Kanalstrahlen, sondern er stellt ein breites un- scharfes Band, ein schmales Stück eines kontinuierlichen Spektrums dar, entsprechend einer kontinuierlichen Folge von verschiedenen Ge- schwindigkeiten der Kanalstrahlen. Läßt man also diese im Visions- radius laufen, so erhält man eine spektrale Zerlegung der Intensitäten verschiedener Geschwindigkeiten, und man kann, wie es der eine von uns und Hr. Pascuen getan haben, die Intensitäten zweier Serienlinien für dieselbe einzelne Geschwindigkeit miteinander vergleichen. Läßt man dagegen die Kanalstrahlen orthogonal zum Visionsradius laufen, so ruhen die Kanalstrahlen der verschiedenen Geschwindigkeiten alle relativ zum Beobachter, man erhält keinen Dorrırr-Effekt, es superpo- nieren sich vielmehr die Intensitäten aller Geschwindigkeiten in einer einzigen scharfen Linie. Vergleicht man in diesem Falle die Inten- sitäten zweier Serienlinien, so bezieht sich nun der Vergleich nicht mehr auf eine einzelne Geschwindigkeit, sondern auf alle Geschwindig- keiten, welche entsprechend dem wirksamen Kathodenfall gleichzeitig im Kanalstrahlenbündel vorkommen. Indem man den Kathodenfall erhöht, kommen zu den vorhandenen Geschwindigkeiten neue größere Geschwindigkeiten hinzu; die Variation des Kathodenfalles bedeutet also eine Variation der Geschwindigkeitsverteilung im Kanalstrahlen- bündel. Wenn nun die spektrale Intensitätsverteilung der Kanal- strahlen unabhängig von ihrer Geschwindigkeit ist, so muß sie auch unabhängig vom Kathodenfall sein. Stellt sich dagegen heraus, daß das Intensitätsverhältnis zweier Serienlinien mit wachsendem Kathoden- fall zunimmt, so dürfen wir folgern, dal es noch rascher mit wachsen- der Geschwindigkeit zunehmen würde, wenn wir aus dem Vergleich die kleineren Geschwindigkeiten weglassen und die Intensitäten nur auf eine Geschwindigkeit beziehen würden, indem wir die Kanalstrahlen im Visionsradius laufen ließen. Wenn also auch der Vergleich der Intensitäten zweier Serienlinien für verschiedene Werte des Kathoden- falls nicht so exakt wie derjenige für verschiedene einzelne Geschwin- digkeiten ist, so kann er doch zu der Entscheidung der Frage dienen, ob die spektrale Intensitätsverteilung der Kanalstrahlen eine Funktion ihrer Geschwindigkeit ist. Der Grund dafür liegt nahe, daß man zum Zwecke der okularen Beobachtung die zweite weniger exakte Methode, die Beobachtung orthogonal zur Kanalstrahlenrichtung, wählen muß. Nur sie liefert nämlich für die spektrophotometrische Messung eine ausreichende In- tensität der Spektrallinien. Diese Methode der Superposition der Inten- sitäten sämtlicher Geschwindigkeiten hat allerdings noch den Nachteil, daß man gleichzeitig mit der »bewegten« Intensität einer Serienlinte auch noch ihre »ruhende« Intensität erhält. Indes fällt dieser Nachteil 580 Sitzuug der plıysikalisch-matheinatischen C.asse vom 21. Mai 1908. im Falle des Wasserstoffs' fort, da bei dessen Serienlinien die ruhende Intensität nur klein ist im Vergleich zur bewegten, und zwar um so kleiner, je niedriger der Gasdruck ist. Bei der Anwendung der eben im Prinzip beschriebenen Methode bedienten wir uns folgender Hilfsmittel. Das Photometer war ein Könıs-Marresssches Spektralphotometer”’; die Spaltweite wählten wir zur Steigerung der Intensität zu 0.2 mm, der ÖOkularspalt war un- gefähr 0.3 mm weit. Als Vergleichlieht diente eine Glühlampe für 65 Volt und 8 Kerzen; sie war in etwa 20 cm Abstand seitlich vor der rechten Spalthälfte aufgestellt; unmittelbar vor ihr war eine mat- tierte Glasscheibe angebracht. Um für die untersuchten drei ersten Serienlinien des Wasserstoffs (A 652, 486, 434) je eine nahezu gleich große Vergleichsintensität zu haben, war vor die Glühlampe ein regulier- barer Rheostat geschaltet, parallel zur Lampe ein Voltmeter; bei der Photometrierung der roten Linie A 652 betrug die Klemmspannung der Lampe 34.8 Volt, für die blaugrüne A 486 betrug sie 48.0 Volt, für die blaue A 434 war sie 48.9 Volt. Das Photometer war so aufge- stellt, daß die Achse des Kollimatorrohres normal zu dem Kanalstrahlen- bündel stand und die linke von diesem erhellte Spaltmitte unmittelbar hinter der Kathode lag; der Spalt war ohne Zwischenschaltung eines Kondensors so dicht als möglich an die Kanalstrahlenröhre gerückt. Die benutzte Röhre hatte eine lichte Weite von 4.7 em; der Ab- stand der einander zugekehrten Stirnflächen der Elektroden betrug 20.7 em, die Länge der Röhre hinter der Kathode war 7.3 em; diese waren aus Aluminium und hatten die schon früher (Ann. d. Phys. 21, 405, 1906) beschriebene Form; ihre Stirnfläche war innen bis auf 0.6 em Abstand vom Rand mit dicht aneinander liegenden 0.75 mm weiten Löchern versehen. Die Röhre war zuvor zu Untersuchungen über die Kanalstrahlen in Sauerstoff verwendet worden und war darum vorzüglich von Kohlenwasserstoffen gereinigt. Sie wurde mit trocknem, aus Zink und Schwefelsäure hergestelltem Wasserstoff gefüllt; zu ihrer Evakuation diente eine Garpr-Pumpe. Da vermieden wurde, daß die köhre bei sehr niedrigem Druck längere Zeit mit der Pumpe kom- munizierte, und da während des Betriebes fast beständig ein schwacher Gasstrom in die Pumpe floß, so war in der Röhre nicht einmal die grüngelbe Quecksilberlinie zu sehen; auch war keine Spur einer Stick- stoffbande sichtbar. Das Spektrum der Kanalstrahlen in Wasserstoff zeigte intensiv nur das Serienspektrum dieses Glases, daneben in ge- ringer Intensität bei höheren Drucken (0.5—ı em Länge des Kathoden- ! J. Srark, Ann. d. Phys. 21, 432, 1906. 2 ® F.F. Martens und F. Grüxsaun, Ann. d. Phys. 12, 984, 1903. J. Stark u. W. Sıeusing: Spectrale Intensitätsvertheil. der Kanalstrahlen. 5s1 dunkelraumes) das sogenannte zweite oder Bandenspektrum des Wasser- stoffs; bei niedrigeren Drucken war dessen Intensität übereinstimmend mit der früheren Erfahrung des einen von uns (Ann. d. Phys. 21, 432, 1906) äußerst gering. Als Stromquelle stand uns ein Induktorium mittlerer Größe zur Verfügung; dieses wurde mit Wechselstrom von 100 Perioden in der Sekunde betrieben. Der durch die Röhre gehende Strom wurde so stark gewählt, daß sich die Röhre in der Nähe der Elektrode so stark erwärmte, daß sie eben gerade noch für einen Moment mit der Hand berührt werden konnte. Zur Messung der Länge des Kathodendunkel- raumes diente eine Millimeterskala aus Papier, die an der Röhre be- festigt war. Nach Beendigung der Photometrierung wurden die zu den verschiedenen Dunkelraumlängen gehörigen Werte des Kathoden- falls mit Hilfe eines parallel zur Röhre geschalteten Funkenmikro- meters ermittelt, indem dessen Zinkpole, die vorn eine Krümmung von ı em Radius haben, einander so weit genähert wurden, daß zwi- sehen ihnen der Funke überspringen konnte; hierbei wurden sie und die Luft zwischen ihnen mit Hilfe eines Poloniumpräparates bestrahlt zum Zweck der Vermeidung des Entladeverzuges. In der nachstehenden Tabelle sind diese Beobachtungen mitgeteilt; die zu den beobachteten Schlagweiten gehörigen Spannungsdifferenzen (Kathodenfall) sind aus Beobachtungen von F. Pascnex' durch Interpolation ermittelt; für die Dunkelraumlänge 0.5 em wurde die Schlagweite nicht beobachtet; der in der Tabelle angegebene Wert wurde durch lineare Extrapolation gewonnen. Tabelle I. ee Tr = 2 = IF Fafpr > — Länge des | Schlagweite in mm 8 RN Kathodenfall Duonkelraumes ie £ 5 | = . | | in Volt in cm ı. Reihe | 2. Reihe | 3. Reihe Mittelwert 0.5 — — —_ | — 2323 I 0.5 0.6 Sr | er | 3065 2 | 0.8 1.0 1.0 | 0.93 | 4449 A I | a | | 6606 4 2a a er | 213 || 8319 5 2.6 2.7 | 22H 2 °2:67 | 9945 Die photometrischen Beobachtungen selbst wurden in folgender Weise ausgeführt. Der eine von uns besorgte ausschließlich die Ein- stellung und Ablesung des Photometers, der andere bediente die Pumpe und das Induktorium, las die Dunkelraumlänge ab und notierte die ı F.PascHen, Wien. Ann. 37, 79, 1889. 582 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. Beobachtungen. Zunächst wurde so viel Wasserstoff eingelassen, daß die Dunkelraumlänge kleiner als 0.5 em war, dann wurde bis zur Dunkelraumlänge 0.5 cm abgepumpt, dann die Leitung zur Pumpe durch einen Hahn abgesperrt, dann stellte der eine Beobachter in dem einen Quadranten ein und las laut ab, dann stellte er im zweiten Quadranten ein und las laut ab; darauf öffnete der andere Beobachter die Leitung zur Pumpe, ließ bis auf die Dunkelraumlänge ı cm ab- pumpen und sperrte dann wieder die Leitung durch Drehung des Hahnes ab; darauf folgten wieder die Ablesungen in den zwei Qua- dranten usw. Waren für die Dunkelraumlänge 5 cm die Beobach- tungen gemacht, so wurde zunächst noch weiter abgepumpt, dann wieder frisches Gas eingelassen, bis die Dunkelraumlänge 0.5 em unter- schritten war, und darauf wurde in der beschriebenen Weise eine neue Reihe von Beobachtungen für dieselbe Spektrallinie gemacht. In dieser Art gewannen wir eine Gruppe von Beobachtungen für 3 Ampere, zwei Gruppen für 4 Ampere primärer Stromstärke. Die drei Gruppen lieferten übereinstimmende Resultate. Im folgenden teilen wir ledig- lich die Zahlen der dritten Gruppe mit. Die in der nachstehenden Tabelle angegebenen Einstellungswinkel sind das Mittel aus den Ab- lesungen in den zwei Quadranten. In den drei letzten Spalten sind die Quadrate der Tangenten dieser Winkel angegeben; ihnen sind die Intensitäten der drei Linien proportional, der Proportionalitätsfaktor ist jedoch für die drei Linien verschieden, indes für dieselbe Linie für die verschiedenen Intensitäten bei den verschiedenen Werten des Kathodenfalls konstant. NabelleziE Katho- .denfall in Volt 4449 6606 8319 9945 Winkel für A 652 Winkel für A 486 Winkel für A 434 | Intensität | 77 r 2 1 3 T E | | 2 ; z A | | | I I. 2. | 3 AR T.j),], 62= 3% Zoll: | 6 32 4+| 5 2 |) | Reihe Reihe Reihe Reihe Mittel [Reihe Reihe Reihe|Reihe| Mittel reihe Reihe Reihe Reihe Reihe| Mittel |A 65211 48611 434 | | | | | | | | || 34-.5| 29.9 30.1| 33.8| 32.08] 40.5| — 38.8 38.3) 39.2 | 37-3| 36.9 40:5, 37-7| — | 38.2 10.394 0.664 0.6165 || 39-4| 42.6 46.5 39.2 41.9 | 47-9) 50.9 52.6 46.1 49.4 | 47.2| 50.8 49:5, 47:7 — [48.8 |0.805 1.361|1.310 | 50.7) 49.9| 50.0 51.6 50.3 [55.5 57.2 54-4| 57.3| 54-85] 55-3| 58.9] 60.6] 57.7| 56-1) 57.75 1.436, 2.014 2.510 56.4 46.6 48.7 50.3) 50.5 | 56.3 56.4, 57-9) 56.3| 55.28] 59.2] 61.3] 59.3) — | — | 59.9 |1.471 2.080 2.740 || 43.2| 44.6| 46.9 45:9] 45.15] 53.4| 46.6| 53.0 51.3| 50.861 54.0 57-5| 55-3) 50.9 54.9) 55.721.010 1.507 2.15: | | | || | 30.7 32.0 32.1| 27.5| 30.56 aan 36.4| 44.0| 40.9 40.5 | 49.5| 40.6 Se 49.6 43.4| 45-64 a 1.044 Il | | | | In der Figur ı sind die Intensitäten und die Werte des Kathoden- falls der Tabelle II eingetragen. Wie man sieht, nimmt für eine jede Linie die Intensität erst bis zu einem Maximum zu und dann wieder ab; ihre starke Variation wird in erster Linie durch die Variation der Kanal- J. Stark u. W. Steusing: Spectrale Intensitätsvertheil. der Kanalstralilen. 583 Fig. 1. Intensität der Serienlinien der Kanalstrahlen. "2000 2000 6000 8000 10000 Kathodenfall in Volt (maximale Energie der Kanalstrahlen). strahlenmenge bedingt, welche hinter die Kathode gelangt. Es ist möglich, daß diese Menge, von 0.5 em Dunkelraum ausgehend, selbst erst ein Maximum erreicht, um erst dann wieder dauernd abzunehmen. Es ist aber auch möglich, daß die Lichtemission der Kanalstrahlen bei konstanter Menge der Kanalstrahlen mit wachsendem Kathoden- fall zunimmt, während andererseits die Strahlenmenge von 0.5 em Dunkelraum an dauernd abnimmt. Da wir Wechselstrom verwenden mußten und somit hinter die Elektrode, hinter der wir die Licht- emission maßen, auch Kathodenstrahlen von der anderen Elektrode erhielten, so war uns eine Messung der Menge positiver Elektrizität, welche die Kanalstrahlen mit sich führten, leider nicht möglich. Für 554 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. Mai 1908. das angestrebte Ziel, für den Vergleich der Intensitäten der drei Spek- trallinien, ist eine derartige Messung allerdings nieht notwendig, da für die drei Linien bei gleichem Dunkelraum die Kanalstrahlenmengen gleich sind. In der Tabelle IH sind für die verschiedenen Werte des Kathoden- falls die Intensitätsverhältnisse der drei Linien zusammengestellt; die für die Verhältnisse angegebenen Zahlen sind zwar nicht die Verhält- nisse der absoluten Intensitäten, sondern sind noch mit gewissen Pro- portionalitätsfaktoren zu multiplizieren. Diese sind indes für je zwei Linien für die verschiedenen Werte des Kathodenfalls konstante Zahlen. Tabelle II. Intensitätsverhältnisse Kathodenfall [ — — mn nn nn in Volt 1434 | N 486 A434 \ 486 N 652 | A652 2323 0.933 1.686 1.570 3065 0.962 | 1.692 1.627 4449 1.246 | 1.402 1.749 6606 1.317 | 1.415 1.863 8319 1.430 | 1.492 2.130 9945 1.434 | 2.095 3.001 In Fig. 2 sind die vorstehenden Zahlen eingetragen. Von der Diskussion möchten wir die Werte für 0.5 und ı em Dunkelraumlänge als unsicher ausschließen, nicht der Unsicherheit der Messung wegen, sondern aus folgendem Grunde. Bis zu etwa ı cm Dunkelraumlänge besitzt, wie bereits erwähnt wurde, das Bandenspektrum des Wasser- stoffs eine merkbare Intensität neben dem Serienspektrum. Nun liegen zwar dicht bei A652 und A434 keine oder nur äußerst schwache Bandenlinien, dagegen liegen bei A4861 die ziemlich intensiven Banden- linien A 4872, 4869, 4866, 4856; diese mögen bei der relativ kleinen von uns verwendeten Dispersion und der großen Spaltweite von 0.2 mm eine zu große Intensität der Serienlinie 4861 bei 0.5 und ı em Dunkel- raumlänge vorgetäuscht haben. Bei Ausschaltung der zugehörigen In- tensitätsverhältnisse aus der Diskussion ergeben die Tabelle III und die Figur 2 das sichere Resultat, daß die spektrale Intensitätsverteilung in der Barnerschen Serie des Wasserstofis eine Funktion des Kathoden- falles ist, welcher die Kanalstrahlen erzeugt. Nach Tab. III und Fig. 2 nimmt mit wachsendem Kathodenfall und somit noch viel rascher mit wachsender Geschwindigkeit der Kanalstrahlen (vgl. 0. S. 579) das Verhältnis der Intensität einer J. Srark u. W. Sıeusing: Spectrale Intensitätsvertheil. der Kanalstrahlen. Fig. 2. = nien der Kanalstrahlen. Intensitätsverhältnis der Serieı 2000 4000 6000 3000 10000 Kathodenfall in Volt (maximale Energie der Kanalstrablen). Linie zu derjenigen einer weniger brechbaren Linie zu, und zwar ist die Zunahme um so größer, je kleiner das Verhältnis der Wellenlängen der Linien ist. Mit dieser Abhängigkeit der spektralen Intensitätsverteilung der Kanalstrahlen von ihrer Geschwindigkeit ist eine Tatsache festgestellt, welche für eine Theorie der Lichtemission der Kanalstrahlen von Be- deutung ist. Eine zweite wichtige Tatsache' ist das Auftreten eines Intensitätsminimums im Dorrrer-Effekt bei Kanalstrahlen, nämlich die Erscheinung, daß bewegte Atomionen (Kanalstrahlen) unterhalb eines bestimmten Minimums von kinetischer Energie infolge ihrer Bewegung eine Serienlinie nicht in merkbarer Intensität zu emittieren vermögen. ı Vgl. J. Stark, Physik. Zeitschr. 8, 913, 1907. 586 Sitzung der phys.-math. Classe v. 21. Mai 1908. — Mitth. v. 21. Febr. 1907. Zur Anatomie der Cetaceenlunge. Von Franz EILHARD SCHULZE. (Vorgetragen am 21. Februar 1907 [s. Jahrg. 1907 S. 203].) Hierzu Taf. V. 1. Die Lunge des Tümnlers, Phocaena phocaena (L.). We bei allen Cetaceen ist beim Tümmler jeder der beiden Lungen- flügel völlig ungeteilt, d. h. nieht durch Spalten in einzelne Lappen zerlegt. Auch fehlt hier jenes System von mehr oder minder der- ben Bindegewebssepten, welches bei den meisten Säugetieren das kompakte respiratorische Lungenparenchym wie ein Fachwerk durch- setzt und zur Bildung polyedrischer Teilstücke verschiedener Ordnung bis zu den »Lobuli« hinab führt. Die in die Bronchioli terminal oder seitlich einmündenden »Alveo- larbäumchen« sind verhältnismäßig kurz, was hauptsächlich durch die geringe Entwicklung der Alveolargänge bedingt ist, während die Saceuli sehr verschiedene Dimensionen haben. Gar nicht selten münden auch einzelne Sacculi nicht in einen Alveolargang, sondern direkt in einen Bronchiolus seitlich ein (Taf. V Fig. ı). Besondere »kugelige Hohlräume«, wie sie Mirzer unter der Be- zeichnung »Atrium« als einen konstanten und typischen Bestandteil eines jeden respiratorischen Gangsystems der Säugetierlunge annimmt, habe ich hier ebensowenig wie bei anderen Säugetieren unterscheiden können. Eine wichtige Eigentümlichkeit der Tümmlerlunge bildet die auf- fallendeWandstärke aller Lufträume des respiratorischen Parenchymes. Wie schon die Wandung der Bronchen durch Einlagerung besonders kräftiger Knorpelringe und -Spangen ausgezeichnet und stark verdickt ist, erscheinen auch die Wände der Bronchioli, der Alveolargänge, der Saceuli und selbst der Alveolen entschieden dicker als bei gleichgroßen Landtieren, was vorzüglich durch reichere Entwicklung sowohl der elastischen Fasernetze als auch des fibrillären Bindegewebes bedingt ist. Die elastischen Fasern treten besonders nach Behandlung der Schnitte mit Kresofuchsin überall sehr deutlich hervor. In den derben F. E. Scnuurze: Zur Anatomie der Cetaceenlunge. 587 Ringfaserbalken, welche zumal an den Teilungsstellen der Alveolar- gänge in deren Lumen vorspringen, finde ich elastische Fasern von 4—5 u Stärke, während sie an den Septalrändern der einzelnen Al- veolen oft noch eine Dicke von 2—3 u zeigen. Aber auch die Al- veolenwände sind stets durch ein reich entwickeltes Netz verhältnis- mäßig derber elastischer Fasern gestützt. Glatte Muskelfasern konnte ich an ihren stäbehenförmigen Kernen zwar noch in den verdickten Septalrändern der Alveolen, jedoch nicht mehr in der Alveolenwand selbst erkennen. Als besonders bemerkenswert ist hervorzuheben, daß sowohl in der Wand der Bronchioli als auch gar nicht selten noch im Gebiet der Alveolargänge einzelne Knorpelstückchen zu finden sind. Trotz der schon erwähnten Dicke der Alveolenwände gelingt es hier und da, kleine rundliche Lücken in den Alveolensepten nachzu- weisen. Ob aber solehe Löcher außer in den Scheidewänden benach- barter Alveolen ein und desselben Sacculus oder Alveolarbäumchens auch in den Grenzscheidewänden der Alveolen verschiedener Bron- chenbezirke vorkommen, konnte ich nicht entscheiden. Bei dem Fehlen der sonst so verbreiteten membranösen Scheidewände zwischen den einzelnen Lobuli und größeren Bronchenbezirken ließe sich aller- dings hier eine derartige Kommunikation für möglich halten. Jedenfalls ist es merkwürdig, daß gerade für die Delphine meh- rere Forscher die bestimmte Angabe gemacht haben, daß sich von einem beliebigen Bronchenast aus die ganze Lunge aufblasen lasse. Auch Orro Mürrer' konnte diese Tatsache beim Delphin bestätigen, falls er bei einer derartigen Prozedur zuvor den Hauptbronchus unter- bunden hatte. Ließ er diese Vorsichtsmaßregel außer acht, so blähte sich nur der Teil auf, in dessen Bronchenast er einblies, gleichgültig, an welcher Lunge und an welcher Stelle. Er schließt daraus, daß erst, wenn der Druck erheblich wird, die große Elastizität der Lunge überwunden und eine freie Verbindung durch die geweiteten Verbindungsöffnungen der Alveolen hergestellt werde. Bei einem dicht vor der Geburt stehenden, aber noch nicht zur Atmung gelangten Delphinfötus hatte er die Lunge vergeblich in dieser Weise mit einer Zelloidinlösung zu füllen versucht. O0. Mütter ist geneigt, die er- wähnten Verbindungsöffnungen zwischen den verschiedenen Lungen- regionen beim erwachsenen Delphin durch den Umstand zu erklären, daß hier in der Regel zahlreiche Nematoden in den Bronchenästen gefunden werden, durch welche solche seitlichen Kommunikationen der Bronchen oder deren Alveolarbäumchen veranlaßt würden. ! Jenaer Zeitschrift 1898, Bd. 32 S.ıro und ıır. Sitzungsberichte 1908. 54 588 Sitzung der phys.-math. Classe v. 21. Mai 1908. — Mitth. v. 21. Febr. 1907. Mir scheint dagegen die Annahme näher zu liegen, daß hier ebenso wie in den Septen benachbarter Alveolen ein und desselben Alveolarganges oder Sacculus auch in den Scheidewänden benachbarter Alveolen, welche verschiedenen Bronchenzweigen angehören, kleine Löcher vorkommen, da hier ja, wie oben erwähnt, keine die einzelnen Lobuli umschließenden und voneinander trennenden derben Bindege- webssepta existieren. Bei stärkerem Injektionsdrucke könnten solche Lücken wohl hinlänglich erweitert werden, um die an einer Stelle injizierte Luft oder andere Injektionsmasse in die Nachbarbezirke und von da weiter durchzulassen. Von großem Interesse ist ferner ein bei den von mir untersuch- ten Landsäugetieren noch nicht beobachtetes Verhalten des respira- torischen Kapillarnetzes der Alveolenwände der Tümmlerlunge. Während nämlich bei den bisher studierten Säugetieren das Kapillar- netz der Alveolensepten ebenso wie beim Menschen im wesentlichen einfach, d.h. nahezu in ein und derselben Fläche, ausgebreitet er- scheint und nur einzelne Kapillarschlingen mit ihrer Konvexität in die eine oder andere der aneinanderstoßenden Nachbaralveolen vor- springen, kommen hier nicht selten ein und derselben Alveolenscheide- wand zwei gesonderte, annähernd parallel liegende Kapillarnetze zu, deren jedes sich an der Innenfläche einer der beiden nebeneinander liegenden Alveolen flach ausbreitet. An Querschnitten der Alveolen- septen erkennt man dementsprechend häufig zwischen den beiden Kapillarnetzdurchschnitten deutlich eine mittlere, nur von ganz ver- einzelten Verbindungskapillaren quer oder schräg durchsetzte Binde- gewebsschicht (Taf. V Fig. 2). Offenbar hängt dieser auffällige Umstand zusammen mit der (im Verhältnis zu den Landsäugetieren) bedeutenden Dicke der Alveolen- scheidewände des Tümmlers. Dabei ist von Interesse, daß die Maschen- weite der an den Alveolensepten sich ausbreitenden Kapillarnetze hier nicht erheblich enger ist als an jenen Alveolenwandregionen, welche größeren Bronchen, Blutgefäßen oder der Pleura anliegen. Es ist eben anzunehmen, daß hier nicht wie bei den früher besprochenen Säugetieren die beiden zunächst selbständig angelegten respiratorischen Kapillarnetze benachbarter Alveolen in der Scheidewand sekundär zu einem einzigen verschmolzen, sondern getrennt geblieben sind. 2. Die Lunge der Bartenwale. Hr. Prof. Max Bravn hatte die Güte, für mich während seines Aufenthaltes an der Walstation Lopra bei Vaag auf der Faröerinsel Syderö im Sommer 1906 einige Lungenstücke von zwei Bartenwalen F. E. Scuurze: Zur Anatomie der Cetaceenlunge. 589 zu konservieren, nämlich von dem Knölwal, Megaptera boops (L.), und dem Seihwal, Balaenoptera borealis Lesson. Auf meinen Wunsch waren die von dem Lungenrande entnom- menen, etwa handgroßen Stücke gleich an Ort und Stelle von einzel- nen durehschnittenen Bronchen aus mit starkem Alkohol injiziert und in ebensolehem Alkohol aufbewahrt. Der Knölwal war etwa 24 Stunden vor der Verarbeitung, der Seihwal nur wenige Stunden vorher getötet. Obwohl bei beiden die Ausdehnung des respiratorischen Lungen- parenchyms nicht in soleher Vollkommenheit erreicht war, wie sie sich durch vorsiehtiges Auftreiben und Erhärten der ganzen Lungen, bzw. einzelner isolierter Lappen von der Trachen bzw. deren Hauptästen aus erzielen läßt, konnte ich doch an geeigneten Durehsehnitten eine einigermaßen befriedigende Vorstellung gewinnen von der Gestalt und Größe der respiratorischen Lufträume; und ich hoffe, daß meine hier folgenden aphoristischen Mitteilungen schon deshalb Interesse finden werden, weil bisher nur wenig genaue Angaben über die Bauverhält- nisse der Bartenwal-Lungen und speziell über deren respiratorisches Parenchym vorliegen. Zunächst mögen einige der wiehtigsten Tatsachen erwähnt werden, welche bisher über die Form und gröberen Bauverhältnisse der Barten- wal-Lungen bekannt geworden sind. Alle Autoren stimmen darin überein, daß an den Lungen der Bartenwale keine Lappenbildung vorkommt und daß, ähnlich wie bei den Delphinen, die ganzen Lungen verhältnismäßig flach und lang- gestreekt sind. Die auffallend dicke und derbe, äußerlich glatte Pleura läßt auf dem Durchschnitt eine festere äußere und eine etwas lockere, von Blut- und Lymphgefäßen reichlicher durchsetzte innere Sehicht unterscheiden. In allen Teilen des respiratorischen Parenchyms und speziell an dem Öffnungsrande der Alveolen ist das elastische Gewebe sehr kräftig entwickelt. Von den meisten Autoren wird angegeben, daß sich bei den Walen, ebenso wie beim Tümmler, von einem beliebigen Bronchen- aste aus die ganze Lunge aufblasen lasse. Dies hat sehon im Jahre 1787 Hoster in den Philosoph. Transaet. Vol. LXXVII S. 419 mit fol- genden Worten behauptet: »The pulmonary eells are smaller than in quadrupeds and they ecommunicate with each other, whieh those of the quadrupeds do not; for the blowing into the branche of the trachea not only the part of which it immediately goes, but the whole lungs are filled. « Obwohl hieraus auf eine Kommunikation der Lufträume, sei es der Bronchen, sei es der Alveolargänge, gesehlossen werden müßte, fehlt doch der anatomische Nachweis soleher Kommunikationen. 590 Sitzung der phys.-math. Classe v. 21. Mai 1908. — Mitth. v. 21. Febr. 1907. Bei meiner Untersuchung der mir von Hrn. Prof. Braux überlassenen Lungenstücke der obengenannten beiden Bartenwale fiel mir zunächst der Umstand auf, daß sich hier ebenso wie in der Delphinlunge nir- gends jene platten Bindegewebssepta erkennen lassen, welche bei den meisten übrigen Säugetieren, das Lungenparenchym durchsetzend, größere und kleinere Teilstücke und schließlich die einzelnen Lobuli abgrenzen. Die ganze Schnittfläche erscheint vielmehr (von den Durch- schnitten der Bronchen und der Blutgefäße abgesehen) nahezu gleich- mäßig porös, ähnlich wie bei einer lockeren Brotkrume. Die derbe Pleura zeigt an den in Spiritus gehärteten Stücken noch eine Dieke von 3—4 mm und läßt besonders in ihrer inneren, etwas lockeren Schicht zahlreiche Durchschnitte von Blut- und Lymph- gefäßen erkennen, während die äußere Schicht ein mehr gleichmäßiges, dichteres Gefüge aufweist. Bei Megaptera ist die Pleura übrigens er- heblich dieker (durchschnittlich 4 mm) als bei Balaenoptera (etwa 3 mm). Die äußere Pleuraoberfläche ist überall ganz glatt. An senkrecht zur Pleura gelegten Durchschnitten der Lungen- stücke von Megaptera boops gelang es mir besonders gut, einige der letzten Bronchiolen nebst ihren zugehörigen Alveolarbäumcehen so deut- lich zur Anschauung zu bringen, daß man schon mit freiem Auge, besser noch mit der stereoskopischen Doppellupe, die Verzweigung der letzten Luftwege bis an die Pleura sicher verfolgen und auch die zugehörigen Alveolen ohne weiteres erkennen konnte. Ein solcher »Anschnitt« ist auf Taf. V in Fig. 3 in sechs- facher Vergrößerung abgebildet. Man sieht hier im unteren Teil des Bildes einen durch seine gleichmäßig glatte Innenfläche ausge- zeichneten kleinen Bronchenast, welcher sich in drei kurze Bron- ehioli von nahezu gleicher Beschaffenheit teilt. Als eine direkte Fort- setzung jedes dieser drei Bronchioli erscheint je ein Alveolarbäum- chen, dessen Stamm außer einigen Seitenästen und direkt einmün- denden Saceuli auch hier und da schon mit einfachen Alveolen be- setzt ist, aber zwischen diesen Einmündungsöffnungen noch ziem- lich breite Septalränder zeigt. Wir haben es demnach zunächst noch mit einem als Bronchiolus respiratorius zu bezeichnenden Über- gangsstück zwischen reinen Luftleitungswegen und reinem respira- torischem Parenchym zu tun. Allmählich werden aber diese Septal- ränder zwischen den einmündenden Saceuli und Alveolen immer schmaler und scharfkantiger, bis schließlich ein einfacher oder ver- zweigter Alveolargang entsteht, welcher vollständig ringsum nur noch mit einmündenden Sacculi oder einfachen Alveolen besetzt ist und daher in allen seinen Teilen ausschließlich der Respiration dient, — ein Verhältnis, wie es ja den meisten bekannten Säugetieren zu- F. E. Scaurze: Zur Anatomie der Cetaceenlunge. So! kommt. Übrigens lassen sich die gleichen Bauverhältnisse des respi- ratorischen Parenchyms auch bei der Lunge von Dalaenoptera borealis nachweisen. Die Ausdehnung der Alveolarbäumehen (vom Ende des Bronchiolus verus bis zu der äußersten Verzweigungsgrenze gemessen) finde ich bei Megaptera boops 6—S mm, bei Balaenoptera borealis bis 9 mm. Bei beiden Tieren reichen die Stützknorpel nur bis an das Ende der Bron- chioli veri. Die Bronchioli respiratorii enthalten auch in den ver- diekten Rändern der in das Lumen vorspringenden Leisten keine Knorpel, sondern nur noch starke Ring- und Netzbalken elastischen Gewebes. Es ist daher verständlich, daß die Stützknorpel der Luft- wege hier stets 6—9 mm von der Pleura entfernt bleiben, während sie ja beim Tümmler bis auf + mm an die Pleura hinanrücken. Während das Lumen der (wahrscheinlich in starker Kontraktion befindlichen) letzten Bronchiolen nur etwa 4 mm beträgt, erscheinen die Bronchioli respiratorii erheblich weiter, nämlich 1—1$ mm im Durchmesser. Nahezu die gleiche Weite wie diese letzteren zeigen auch die Alveolargänge, während deren letzte Ausläufer, die Sacculi, einen etwas geringeren Querdurchmesser haben. Die Weite der Alveolen genau festzustellen ist bei den mir vor- liegenden Stücken wegen der sehr ungleichmäßigen und im ganzen geringen Ausdehnung der letzten Lufträume schwierig. Bei Megaptera boops habe ich ihre Breite nach zahlreichen Messungen zu durchschnitt- lich 300 u bestimmt. Bei Balaenoptera erscheint der Durchmesser je- doch etwas kleiner. Immerhin wird man nicht die Alveolen der Wale, wie Hunter, als »smaller than in quadrupeds« bezeichnen dürfen. Sie sind zweifellos erheblich größer als beim Delphin und auch beim Menschen. Besonders tief finde ich bei beiden untersuchten Walen die an die Pleura anstoßenden Alveolen; am flachsten sind sie, wie Ja auch bei anderen Säugetieren, an den Bronchioli respiratorii und da, wo sie mit ihrem Fundus größeren Gefäßen oder Bronchenzweigen anliegen. Ob Löcher in den Alveolenscheidewänden vorkommen, habe ich nicht entscheiden können. Der Angabe früherer Autoren, welche behaupteten, von jedem beliebigen Bronchenaste aus die ganze Wal- lunge aufgeblasen zu haben, steht die folgende Mitteilung gegenüber, welche mir Hr. Prof. M. Braun auf meine Anfrage zu machen die Güte hatte. Er schreibt: »Die Injektionen der Ihnen übersandten Stücke (mit Alkohol) von Wal-Lungen geschah in beiden Fällen von angeschnittenen Bronchen aus, die auf der Schnittfläche ein wenig hervorstanden. Von ihnen ließ sich immer nur ein bestimmter Be- zirk füllen; es fiel mir dies auf, da mir die gegenteiligen Angaben Sitzungsberichte 1908. PR) 592 Sitzung der phys.-math. Classe v. 21. Mai 1908. — Mitth. v. 21. Febr. 1907. bekannt waren. Da ich jedoch nur Randstücke benutzte, nahm ich an, daß hier am Rande solche Verbindungen zwischen benachbarten Bronchen fehlen. Ob sie anderswo vorkommen, habe ich freilich nicht festgestellt. « Erklärung der Tafel V. Figur I. Schnitt aus der Lunge von Phocaena phocaena (L.) mit einem Teil der Pleura; nach einer Photographie. Vergrößerung: 2, Figur 2. Schnitt durch eine von der Art. pulm. mit Berlinerblauleim men . 7 . 100 injizierte Tümmlerlunge. Vergrößerung: ——. Figur 3. Anschnitt eines Lungenstückes mit der Pleura von Megaptera boops Fasr. Vergrößerung: = Ausgegeben am 4. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sützungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. V. F.E. Scauzze: Zur Anatomie der Cetaceenlunge. ıl Paesps2esesasasasesesesegegasesesesesesesaseasesesesesesesesesesesese SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 4. Juni. (S. 593) Warpever: Die Magenstrasse. (S. 595) 1908. XIX. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. | | | | ETSSTEI-TEETEIS TESTS TEI- TSF TERSTEISTEIETEJ-TSISTSJSTSJSTEJSTSISTSISTSJSTSISTSISTSISTSISTSJSTSISTSJSTSESTSJSTEJSTSISTSESTSISTSISTSJSTSISTSISTSISTSISTzJ Tel eTzleTSbeTSeTzjeTz]eT=ITeTelerz Aus $l. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussiselien Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften®, Aus $2. Jede zur Aufnahme in die » Sitzungsberiehte« oder die « Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiteni in der gewöhnlichen Schrift der Sitrutieiterichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch . auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung besehliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu riehten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Bitzungäberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $ 5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. (Fortsetzung auf‘ S. 3 des Umschlags.) 1 r kb be fi e ıZ Er r ER ea Aus $ 6. i Diean.die Druckerei abzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sieh nicht bloss nm glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendu Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlege Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzuneh Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der 2% as: seine Mittheilung als vollkommen druckreif ans to A Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen ‚die Verfasser. Fremde haben diese erste Corzectur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Drucktel hle und leichten Schreibversehen hinanspehen" Umfäng iche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung edi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Drucken und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden 'M kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlun aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, ei: len, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang ın Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen de treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werd VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdru, cke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erkläi 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberie ei erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie | st, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 aa er ist indess berechtigt, zu gleichem zu ö auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis u gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten nocl Be hr. Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es ande der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder de; treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei en redigirenden Seeretar weitere 200 us auf Kosten abziehen lassen. EB . Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie is zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwec auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Z: von noch 100 und auf seine Kosten noch wei er zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretaı gezeigt hat; -wünscht er auf seine Kosten noch ı n Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es da der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der I treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei ei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. j a g 17% : a Er Eine für die akademischen Schrifte stimmte wissenschaftliche Mittheil in keinem Falle vor ihrer Ausga can jer Stelle anderweitig, sei es auch aur aus ug 593 SITZUNGSBERICHTE _ 1908. XXIX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 4. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Seeretar: Hr. VAHLen. l. Hr. Meyer las über die Bedeutung der Erschliessung des alten Orients für die geschichtliche Methode und für die Anfänge des Menschengeschlechts überhaupt. (Ersch. später.) 1. Die Bestätigung, welche die Ergebnisse der historischen Forschung und die Reconstruction ganzer Epochen, von denen keine oder nur unzureichende Kunde vor- lag, durch neuere Funde gewonnen haben, enthält zugleich einen experimentellen Beweis für die Berechtigung und Zuverlässigkeit der historischen Methode. 2. Die Entwicke- lung der Culturvölker und die Überreste, welche aus den älteren Entwickelungsstadien menschlichen Lebens vorliegen, beweisen übereinstimmend, dass rund um 5000 v. Chr. die physische und psychische Entwickelung des Menschen so weit fortgeschritten war, dass er die Balınen betreten konnte, die zu höherer Cultur führten. Ältere Ansätze zeigt die paläolithische Cultur des Magdalenien; was vorher liegt (die Eolithenzeit), gehört nicht mehr dem Menschen, sondern den Vorstufen menschlicher Entwickelung an. 2. Hr. Frogenıvs legt eine Abhandlung des Hrn. Dr. Schnur vor: Über die Darstellung der symmetrischen Gruppe durch li- neare homogene Substitutionen. (Ersch. später.) Jede Gruppe linearer homogener Substitutionen, die der symmetrischen Gruppe irgend eines Grades isomorph ist, lässt sich als Gruppe mit ganzzahligen Coefficienten darstellen. 3. Hr. Erman überreichte den Bericht des Hrn. Dr. G. Mörter in Berlin über seine Aufnahme der Felseninschriften von Hatnub. (Ersch. später.) 4. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: von dem Unter- nehmen der Acta Borussica: Das Preussische Münzwesen im 18. Jahr- hundert. Münzgeschichtlicher Teil. Bd. 2. Bearb. von G. ScHmoLLER und F. Freiherrn vos Scurörrer. Berlin 1908; die mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten Werke H. GracAau, Reformversuche und Sturz des Absolutismus in Frankreich (1774— 17835). München und Berlin 1908 und Lycophronis Alexandra rec. E. Scheer. Vol.II. Scholia continens. Berolini 1908; ferner J. Varten, Opuscula academica. Pars 2. Lipsiae 1908, Q. Horatii Flacei opera a M. Hauptio recognita. Ed. 5. Sitzungsberichte 1908. 96 594 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. ab J. Vahleno eurata. Lipsiae 1908 und H. Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte. 3. Aufl. Leipzig 1908. 5. Zu wissenschaftlichen Unternehmungen hat die Akademie bewil- ligt für die Zwecke der interakademischen Leızxız-Ausgabe 2500 Mark; weiter durch die physikalisch-mathematische Classe: Hrn. Exezer zur Fortführung des Werkes »Das Pflanzenreich« 2300 Mark; zum Ankauf der im Nachlass des verstorbenen Prof. Dr. O. Lassar be- findlichen Radiumpräparate 1400 Mark: der Interakademischen Öen- traleommission für Hirnforschung zur Bearbeitung einer internatio- nalen Nomenclatur des Centralnervensystems 1000 Mark; dem von dem 2. Deutschen Kalitage für die wissenschaftliche Erforschung der norddeutschen Kalisalzlager eingesetzten Comite 1000 Mark; dem In- stitut Marer in Boulogne s. S. gegen Einräumung eines von der Aka- demie zu vergebenden Arbeitsplatzes für die Dauer eines Jahres 1000 Fres.; Hrn. Prof. Dr. Jurıus Bauschinger in Berlin zur Berechnung einer achtstelligen Logarithmentafel 4000 Mark; Hrn. Prof. Dr. Erıcn von Dryearskı in München zur Vollendung des Chinawerkes von FERDINAND von Rıcutnuoren 1500 Mark; Hrn. Prof. Dr. Wıruern FOERSTER in Ber- lin zur abschliessenden Bearbeitung und Veröffentlichung einiger astro- nomischen Beobachtungsreihen 8oo Mark; Hın. Dr. WALTER GOTHAN in Berlin zu Untersuchungen über das Fünfkirchener Steinkohlenlager 8oo Mark; Hrn. Prof. Dr. O. Hecker in Potsdam zu Versuchen über Schweremessungen auf See ı500 Mark; Hrn. Dr. Orro KarıscHer in Berlin zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über das Hörorgan 500 Mark; Hrn. Dr. Lunwiıs Keırnack in Berlin zu einer zoologischen Erforschung der Gebirgsseen der Dauphine-Alpen 500 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. ALrrep Lonmann in Marburg zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Nebenniere 1000 Mark; Hrn. Prof. Dr. Wiri- BALD A. Nasen in Berlin zu einer akustisch-phonetischen Untersuchung ı000 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. Max Rortunmann in Berlin für Ver- suche zur Erforschung der Function ganzer Grosshirnhemisphären 500 Mark; Hın. Prof. Dr. AnorLr Scumwr in Potsdam zu Versuchen über magnetische Messungen auf hoher See 1500 Mark; Hrn. Privatdocenten Dr. Ferıx Tansuäuser in Berlin zur chemischen Untersuchung der bei Erforschung des Neuroder Gabbrozuges gefundenen Gesteine 600 Mark; durch die philosophisch-historische Classe: Hrn. Koser zur Fort- führung der Herausgabe der Politischen Correspondenz Friedrich’s des Grossen 6000 Mark; Hrn. von Wıramowitz-MoELLENDoRFF zur Fortfüh- rung der Inseriptiones Graecae 5000 Mark; der Deutschen Commission zur Fortführung ihrer Unternehmungen 3000 Mark; für die Bearbei- tung des Thesaurus linguae Latinae über den etatsmässigen Beitrag von 5000 Mark hinaus noch 1000 Mark. Warpever: Die Magenstrasse. 595 Die Magenstraße. Von W. WALDEYER. (Vorgetragen in der Sitzung am 2. April 1908 [s. oben S. 391].) er der Bezeichnung »Magenstraße« habe ich bereits seit einigen Jahren eine Einrichtung am menschlichen Magen verstanden, die durch eine besondere Anordnung der bekannten großen Schleimhautfalten des Organs längs der kleinen Kurvatur gekennzeichnet ist. Der Verlauf der Falten hier ist in der Regel ein solcher, daß er einen » Weg« oder eine »Straße« markiert, längs der flüssige oder dünnbreiige Materialien besonders leicht von der Cardia zum Pylorus gelangen können. In der jüngsten Zeit, in der durch eine ganze Reihe eingehender und gründlicher Studien die fast als abgeschlossen angesehene beschrei- bende Anatomie des menschlichen Magens wieder neu belebt wurde, ist man auf verschiedene Einrichtungen gestoßen, welche es wahrschein- lich machen, daß längs der kleinen Kurvatur eine Bahn bestehe, in der sich Ingesta auch bei gefülltem oder fast gefülltem Magen, namentlich wenn sie flüssig sind, in der Richtung von der Cardia zum Pylorus noch fortbewegen können. Dieser Einrichtungen sind mehrere, die alle auf dies Ziel hin gerichtet erscheinen. Die von mir hier zu beschrei- bende ist eine von ihnen; auf sie ist bisher noch kaum aufmerksam gemacht worden. Ich muß, ehe ich auf sie näher eingehe, auch der übrigen hierher zu rechnenden Befunde gedenken, um scharf zu son- dern. Vorab will ich aber einer physiologischen Tatsache Erwähnung tun, welche sehr wichtig und interessant erscheint und zugleich zeigt, daß eine anatomische Einrichtung derart, wie sie benannt wurde, eine Art »Magenstraße«, bestehen muß. In einem am 5. November 1907 zu Heidelberg gehaltenen Vortrage teilte O. Consueım mit', daß er bei Hunden mit vollem Magen Wasser oder Kochsalzlösung, welche neu aufgenommen wurden, rasch durch ! Connueım, O., Beobachtungen über Magenverdauung. Münchener Mediz. Wochenschrift Nr.52, 1907. Siehe auch das Referat in der Deutschen Mediz. Wochen- schrift, Vereinsbeilage vom 9. Januar 1908. Sitzungsberichte 1908. 57 596 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. den Pylorus habe ablaufen sehen (Beobachtungen durch eine Duodenal- fistel). Der betreffende Passus, den ich seines Interesses wegen wört- lich hersetzen möchte, lautet — S. 6 a.a. OÖ. —: »Sehr überrascht war ich, als ich Hunde auf vollen Magen Wasser oder Kochsalzlösung saufen ließ oder ihnen die Flüssigkeiten mit der Schlundsonde in den vollen Magen einflößte. Ich hatte erwartet, daß das Wasser sich mit dem Mageninhalt vermischen und so ziemlich lange im Magen verweilen würde. Statt dessen lief es völlig klar und fast ohne sich mit dem sauren Inhalt zu vermengen, in raschen Schüssen durch den Pylorus ab. Offenbar läuft es auf einem kurzen Wege längs der kleinen Kurvatur von der Cardia bis zum Antrum pylori. Unterdessen hat Kaurmann festgestellt, daß hier in der Tat eine Rinne anatomisch vorgebildet ist. « Des weiteren macht OÖ. Consuem auf die physiologische Bedeutung, welche die mitgeteilte Beobachtung hat, in Kürze aufmerksam. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß in der Diskussion zum Connneımschen Vortrage Prof. Ersst mitteilte, er habe bei Sektionen von Menschen, die nur eine kleine Menge einer ätzenden Flüssigkeit getrunken hatten, die Ätzungen im Magen auf die kleine Kurvatur beschränkt gefunden. Kaurmanss Arbeit‘, auf welche Counnem verweist, bespricht ein- gehend die Magenmuskulatur und zeigt, daß sich durch die Kontrak- tion der Fibrae obliquae eine Art Rinne am Magen bilde, welche längs der kleinen Kurvatur von der Cardia zum Pylorus führt. Indessen ist Kaurmann nicht der erste, welcher auf eine solche Rinnenbildung im Gebiete der kleinen Kurvatur aufmerksam macht. Den Anfang ihrer Beachtung müssen wir bereits bei Anpers Rerzıus”® suchen, worauf auch mit Recht außer Kaurmann ©. Hasse und F. STRECKER® in ihrer gründlichen Arbeit über den menschlichen Magen hinweisen. Die betreffende Stelle findet sich S. 136 der Arbeit GYLLENSKOELDS, welche auf Grund der Vorlesungen von Anpers Rerzıus nach dessen Tode herausgegeben wurde. Auch in den weiter unten zitierten Ar- beiten Luscnkas findet sich eine ähnliche Angabe. Aus Kaurmanns ein- gehender Arbeit gestatte ich mir wörtlich folgenden Passus mitzuteilen (S. 234): »Die längs der kleinen Kurvatur verlaufende tiefe und stark modellierte Rinne erweckt infolge ihres Verlaufes bis in die Pars py- ! Kaurmann, R., Anatomisch-experimentelle Studien über die Magenmuskulatur (Über die Rinnenbildung an der kleinen Kurvatur), Zeitschrift für Heilkunde, XXVIIl. Bd. (neue Folge, Bd. VIII), Jahrg. 1907, Heft7, S. 203. (Aus dem I. Anat. Inst. in Wien, Prof. ZuckERKANDL.) ? Siehe bei Gyrrenskoeuo, O., Über die Fibrae obliquae in dem Magen. Archiv f. Anatomie und Physiologie, herausgegeben von Jon. Mürter, 1862, S. 132. ® Hasse, C., und Cand. med. F. Strecker: Der menschliche Magen. Archiv f. Anatomie und Physiologie, Anatomische Abteilung, Jahrg. 1905, S. 33. Siehe auch Anatomischer Anzeiger 1904, Bd. XXV. (Vorläufige Mitteilung.) Warpever: Die Magenstrasse. 597 loriea den Eindruck, als ob ihrer Ausbildung eine wichtige Rolle bei der Leitung der Ingesta und der Einteilung derselben im Magen zu- fiele« usw. Später sagt noch Kaurmann: »Es erscheint ferner durchaus möglich, daß sich diese Rinne durch isolierte Kontraktion der Mm. obliqui zeitweise zu einem vollständig geschlossenen Kanale umge- staltet. « Bei der Wichtigkeit der Angaben von Hasse und STRECKER, die auch auf die vergleichend-anatomische Seite der betreffenden Ein- richtung Rücksicht nehmen, will ich gleichfalls zum Teil wörtlich zi- tieren. Ich muß voraufschieken, daß wir zwei bedeutsame faltenförmige Vorsprünge an der Innenwand des Magens zu unterscheiden haben: die Plieca cardiaca, W. Brause und die Plica pancreatico-an- gularis ©. Hasse. Die Plica cardiaca entspricht der Ineisura cardiaca (zwischen pars cardiaca und Fundus des Magens); die Pliea panereatieo- angularis beginnt, bedingt durch die von Hıs' so benannte Ineisura an- gularis, an der kleinen Kurvatur und entspricht dann weiterhin einer Hervorwölbung der hinteren Magenwand durch den Pankreaskörper. Sie ist schon bei Rünınser in dessen Topographisch-chirurgischer Ana- tomie an einigen Figuren ersichtlich, insbesondere jedoch bei Hıs a.a.O. in dessen instruktiver Abbildung Fig. ı7 klar dargestellt, wird aber erst von Hasse und STRECKER a. a. 0. S. 37 benannt und eingehender gewürdigt; sie teilt den Binnenraum des Magens in den des Haupt- magens”, Cavum sacei ventrieuli Hasse und STRECKEr (links) und in das Cavum partis pyloricae Hassz: und STRECKER (rechts). Füllt sich der Magen, so gerät er immer mehr in eine senkrechte Stellung, was sich insbesondere an der Stellung der beiden Kurvaturen ausprägt: zugleich bewegt er sich nach vorn abwärts und nach links seitwärts sowie auch nach rechts, welche letztgenannte Lageänderung eine Verkürzung der Pars pylorica zur Folge hat (s. hierzu Hasse und STRECKER 2.4.0. S. 47). Alles dieses bedingt nach denselben Autoren, S. 50/51, eine wich- tige Stellungsänderung der Plica pancreatico-angularis. Steht sie im leeren Magen nahezu horizontal, so nimmt sie mit zunehmender Füllung eine mehr senkrechte Richtung an von oben rechts nach unten links. Bei horizontaler Stellung bildet sie eine Barre für das Abfließen des Inhalts nach abwärts, sie begünstigt vielmehr dessen Bewegung gegen den Fundus hin; bei mehr senkrechter Stellung dieser barrenartigen Falte wird der Weg von der Speiseröhre zum unteren linken Teile des ! Hıs, W. (sen.), Studien an gehärteten Leichen über Form und Lagerung des menschlichen Magens. Archiv f. Anatomie und Plıysiologie, Anatom. Abt. 1903, S. 345 ff. ® Unter der Bezeichnung »Hauptmagen« versteht Hıs a. a. ©. den Fundus mit dem Corpus ventrieuli. 56* 598 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. Corpus ventriculi frei, und der eindringende Inhalt muß vom Fundus ab- gelenkt werden. Dies geschieht aber auch noch durch die Ausweitung des Fundus selbst, in den ja anfänglich die Ingesta eingeleitet wurden. Der sich weitende Fundus richtet sich nämlich zur linken Zwerchfell- kuppel auf'; dadurch muß die Ineisura cardiaca schärfer abgeknickt werden, und die ihr entsprechende Pliea ceardiaca muß stärker gegen das Gavum sacei ventrieuli vorspringen, und es muß auch hierdurch der direkte Eintritt von Ingestis von der Cardia zum Fundus verhin- dert werden. Darin sieht Hassre die Hauptbedeutung der Plica car- diaca, nicht darin, daß sie, wie W. Braune wollte, ein Ventil für das Antrum cardiacum darstelle. Nun — und das ist für das hier besprochene Thema der Haupt- punkt — entstehen aber mit der Füllung des Magens und durch die- selbe zwei einander parallel laufende Falten, die entlang der kleinen Kurvatur eine Rinne begrenzen. »Dieselben entstehen«, heißt es bei Hasse und STRECKER S. 52, »an der Hinterinnenwand des Magenkörpers unterhalb der Pliea cardiaca und oberhalb der Plica pancreatico-angu- laris im Bereiche der kleinen Magenkrümmung«, die eine Falte, Plica aortica H. u. Srr., links hinten, die andere, Plica hepatica H. u. Stk., rechts vorne. »Sie entstehen« — S. 52 a.a.O. — »dadurch, daß bei der Erweiterung des Magens nach innen und rechts die Wand sich zwischen die Aorta und den Spirenzerschen Lappen der Leber einbuchtet, und zwar unter Verdrängung des Bindegewebes des Magengekröses. Da- mit entsteht zwischen den beiden Falten eine schon von AnpErs RETzıus geahnte® Rinne (Suleus gastricus s. Sulceus salivalis), welche sich von der Cardia abwärts zur Plica panereatieo-angularis erstreckt und mit der Füllung des Magens an Tiefe gewinnt. Bei mäßig gefülltem Magen leitet auch sie den Speiseröhreninhalt nach abwärts in den Magenkörper. Bei stärkerer Füllung schließt sich die Rinne immer mehr, und zwar durch Annäherung der Ränder der immer höher werdenden Falten, und schließlich entsteht ein aus dem Antrum cardiacum nach abwärts füh- render Kanal, der Canalis salivalis, welcher an der Plica pancreatico- angularis immer offen dem Speichel den Zutritt zu dem Magen gestattet, sonst aber gegenüber dem Mageninhalt abgeschlossen ist.« Weiterhin vergleichen Hasse und STRECKEr den Sulcus gastricus des Menschen mit der Schlundrinne des Magens der Wiederkäuer, ein Vergleich, dem ich durchaus zustimmen möchte. ! Hassew und StrEcKER, a.a. O0. S. 51, machen insbesondere den Gegendruck der Eingeweide in der Umgebung des sich füllenden Magens für die Erhebung und Aus- dehnung des Fundus verantwortlich. ® Ich finde, daß sich Rerzıus-GyLLEenskoELp, wenigstens an der vorhin ange- führten Stelle, ganz bestimmt aussprechen. Waıpeyer: Die Magenstrasse. 599 Kurz nach Veröffentliehung der eben angezogenen gemeinsamen Arbeit mit seinem Lehrer Hassr behandelt Strecker! den Verschluß der Cardia und kommt dabei auch auf die Bildung des »Canalis sali- valis« zu sprechen. Außer A. Reızıus zitiert Strecker nach PorNs6Ens wertvollem Buche’, auf welches ich mit Strecker als Fundgrube für die Literatur verweisen will, das Werk von Küss und Duvar”, welche annehmen, daß durch die Kontraktion der Fibrae obliquae die Region der kleinen Kurvatur in einen von der Cardia zum Pförtner gehenden Kanal umgewandelt werden könne, durch welchen die Flüssigkeiten direkt in das Duodenum gelangen könnten. StrEcKER selbst (s. S. 285 a. a. O.) legt in seiner Arbeit, so scheint mir, auch mehr Gewicht auf die Fibrae obliquae für die Herstellung eines Suleus (s. Canalis) salivalis als auf die beiden Falten, die Plica aortica und hepatica, die sich durch die Einlagerung der Magenwand zwischen Leber und Aorta abdominalis herausheben; nur in der Zusammen- fassung am Schlusse kommt er mit den kurzen Worten: »Formände- rungen und Cardiaverschluß werden zu gleicher Zeit begünstigt durch die Einlagerung zwischen Leber und Aorta« auf diese Falten zurück. Kaurmanns und meiner Meinung nach ist gleichfalls das Hauptgewicht auf die Fibrae obliquae zu legen. Haben wir in der Bildung des Suleus gastrieus oder salivalis ein Moment gesehen, welches einen Weg offen hält, den die von der Speise- röhre eintretenden Ingesta, namentlich wenn sie flüssig sind und wenn sie bei schon einigermaßen gefülltem Magen noch hinzutreten, nehmen können, so läßt sich ein zweites Moment in der Stellung’ finden, die der normal gelagerte Magen des Menschen bei seiner Füllung einnimmt. Erinnere ich mich recht, so war Luscnka’ der erste, welcher auf die mehr senkrechte Stellung des Magenkörpers im großen und ganzen als normalen Befund hingewiesen hat. Seit wir die Gefrier- und For- ! STRECKER, Fr., Über den Verschluß der Cardia. Archiv für Anatomie und Physiologie, anatomische Abteilung. Jahrgang 1905, S. 273. 2 Poenscen, E.. Die motorischen Verrichtungen des menschlichen Magens und ihre Störungen. Straßburg (Els.) 1882. K. J. Trübner. ® Küss et Duvar, M., Cours de Physiologie, Paris 1879. * Man sollte, wenn es sich darum handelt, die Richtung der Hauptachse (der »Führungslinie«, s. w. u.) des Magens anzugeben, nicht von der »Lage« des Magens, sondern von der »Stellung« desselben sprechen. Es ist dies in den bisherigen Pu- blikationen nicht immer so gehalten worden. Freilich werden mit der Stellung auch die sonstigen Lageverhältnisse des Magens verändert, und die Stellung des Organs wird wieder durch dessen Nachbarorgane beeinflußt. Immerhin ist jedoch das Wort »Stellung« da zu empfehlen, wo es paßt. ° Luscaka, H., a) Die Anatomie des Menschen mit Rücksicht auf die Bedürf- nisse der praktischen Heilkunde. Bd.II, Abt.ı, »Der Bauch«, S.ı82. Tübingen 1863. — b) Die Lage des menschlichen Magens. Prager Vierteljahrsschrift für Heilkunde 1869, S. 114. — ce) Die Lage der Bauchorgane des Menschen. Fol. Karlsruhe 1873. 600 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. molpräparate zu verwerten gelernt haben und insbesondere seit die Radiographie uns die Lage beim Lebenden erkennen läßt, sind wir über die normale Stellung und Lage des Magens besser unterrichtet; doch sind die Autoren über alle Punkte noch nicht völlig einig, na- mentlich nicht über den Grad der Schrägstellung der Führungslinie' des Magens im leeren und gefüllten Zustande. Nach eigenen Befunden bei Erwachsenen, die ich während einer langjährigen Präpariersaal- praxis in großer Zahl erheben konnte, erachte ich für die gewöhn- liche normale diejenige Stellung, die der Führungslinie von der Gardia bis zur Ineisura angularis einen mehr oder weniger schrägen, von links oben nach rechts unten gewendeten Verlauf gibt, wobei gleichzeitig die kleine Kurvatur in leichtem Bogen um die Wirbelsäule herumge- schlungen ist. Die Rinne, welche bei leerem Magen schon durch den Übergang der vorderen in die hintere Magenwand an der genannten Kurvatur entstehen muß, bildet bei dieser Stellung eine natürliche Fortsetzung des Speiseröhrenlumens bis zur Pars pylorica hin. Der Grad der schrägen Stellung wechselt nach den einzelnen Individuen und nähert sich mit der Füllung des Magens mehr der senkrechten. Aus der neueren Literatur will ich zu diesem Punkte nur auf die Ar- beiten von Anvıson”, BIRMINGHAM”, CUNNINGHAM', Hasse und STRECKER’, Hıs sen.‘, Künmer’, Luscuka°, MEINERT”, Ponrick'" und STRECKER'' ver- weisen. ! Ich verstehe unter »Führungslinie« des Magens eine Linie, welche von der Mitte des Ostium cardiacum zur Mitte des Ostium pyloricum durch das Cavum ven- trieuli so gezogen wird, daß sie auf jedeın Magenquerschnitt dessen Mitte einnimmt. Die Linie hat also eine ähnliche Bedeutung wie die Führungslinie des Beckens. ® Appıson, CRr., On the topographical anatomy of the abdominal viscera in man, especially the gastrointestinal Canal. Journal of anatomy and physiology. Bd. 33 u. Bd. 35, London 1899 u. 1901. Siehe insbesondere S. 582 und Fig. 3a, Bd. 33. ® Bırvıngmam, A., Some points in the anatomy of the digestive system. Journal of anatomy and physiology. Bd. 35. 1901, S. 33. * CuNNINGHAM, D. J., The varying form of the Stomach in man and the an- thropoid Ape. Transact. Royal Soc. of Edinburgh. Bd. XLV, Teill (Nr. 2), Edin- burgh 1906, S.9. ° Hasse und STRECKER a. a. 0. ° Hıs sen. a.a. 0. ” Künner, Demonstration von Röntgenbildern, aufgenommen an Lebenden. Sitzung des Ärztlichen Vereins in Hamburg vom ı1. Dezember 1906. Deutsche medi- zinische Wochenschrift Nr. 16 vom 18. April 1907, Vereinsbeilage. 8 LuscHka, H., a.a. O. ° MEınerr, Über normale und pathologische Lage des menschlichen Magens und ihren Nachweis. Zentralblatt für innere Medizin 1896, Nr. ı2 u. 13 (17. Jahrgang). 1° Ponrick, E., Über Lage und Gestalt des Magens unter normalen und patho- logischen Verhältnissen. Berliner klinische Wochenschrift, 42. Jahrgang, 1905, Nr. 44a (Festnummer für A. Ewarp zum 60. Geburtstage). Il STRECKER, Fr., a. a. 0. Warpever: Die Magenstrasse. 601 Hasse und Strecker (a.a. 0.8.37) sagen, daß der Hauptmagen stets mehr in der vertikalen, der Pförtnerabsehnitt mehr in der hori- zontalen Ebene liege; aber es wird dabei ausdrücklich bemerkt, daß die senkrechte Stellung sich mehr beim gefüllten Magen zeige als beim leeren: »Der sielı füllende Magen gerät immer mehr in eine senkrechte Stellung« (a. a. O. S.46. 47). Hervorheben möchte ich besonders, als mit meinen vorhin angegebenen Befunden übereinstimmend, noch die Angabe StrEcKERS a.a. 0. S.295, wo es heißt: »Die kleine Kurvatur wendet sich nach links und hinten und setzt so gewissermaßen den vertikalen Verlauf der Speiseröhre fort. « Appıson, MEINERT, Poxrıick und Kümner stimmen im ganzen LuscukA bei, der die senkrechte Stellung des Hauptmagens am meisten akzen- tuiert hat, vgl. insbesondere Luscnkas Abbildung in der Prager Viertel- Jahrsschrift a.a.0. Mir scheint, daß Luscnka die Stellung zu steil nimmt, auch unterscheidet er nicht zwischen der Stellung des fast leeren — gänzlich leer ist der Magen ja nie, da er immerfort Mund- flüssigkeit und Schleim beherbergt — und der des gefüllten Magens. Appısons Abbildung zeigt eine weniger senkrechte Stellung. Künner gibt nach Röntgenbildern eine leicht schräge bis senk- rechte Stellung des Hauptmagens an; am Übergange des Pylorus in das Duodenum bestehe meist eine deutliche Abbiegung nach oben. Meımerr und Ponrıick nehmen für die Mehrzahl der Fälle auch die von Luscnka angegebene senkrechte Stellung als die normale an. Abweichend von diesen Angaben lauten die Darstellungen von Hıs, Öusninenam und zum Teil auch von Bırwıneuan. Hıs läft, wenigstens für den leeren Magen, eine im großen und ganzen horizontale Stel- lungsachse die normale sein. Die beiden großen Magenflächen sehen die eine nach oben, die andere nach unten, die Kurvaturen nach hin- ten (die kleine) und nach vorn (die große), die letztere liegt ein wenig höher als die kleine; die obere Magenfläche senkt sich leicht von der Cardia zum Pylorus hin. Gunsıscuam hat bereits mehrere Jahre zu- vor durch Rekonstruktion bei dem leeren Magen genau dieselbe Stel- lung und Lagerung gefunden. Für den vollen Magen gibt Hıs im wesentlichen dieselben Daten, wie sie vorhin von mir mitgeteilt wurden, d.h. also, er findet die Stellung desselben schräg, der senkrechten mehr oder weniger genähert. So spricht sich auch in der Hauptsache Birmin6Ham aus. CunsineHam, obwohl er zugibt, daß diese schräge Stellung des gefüllten Magens vorkomme und vielleicht gar die häufigere sei, be- tont doch in seiner wichtigen Publikation, daß sie nicht die einzige sei, die dem gefüllten Magen unter sonstigen normalen Verhältnissen zuerkannt werden müsse. In 6 unter 7 bei sorgfältiger Präparation 602 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. untersuchten Fällen habe der volle Magen dieselbe horizontale Stellung beibehalten gehabt wie der leere; es verlor indessen bei stärkerer Fül- lung die obere Fläche zum größeren Teile ihre nach rechts gesenkte Abdachung; nur soweit diese Fläche die Leber berührte, behielt sie die Abdachung bei. Mit ihrem größten Teile lagen beide großen Magen- tlächen horizontal, und die große Kurvatur war nach vorn gegen die vordere Bauchwand gewendet, die sie berührte. Berücksichtigt man die den Magen umgebenden Organe, die zu einem gewissen Grade, wie CunninsHAm des näheren darlegt, dem Magen seine Lage und Stel- lung aufzwingen, so ist leicht einzusehen, daß die Stellung auch in ihrer Norm eine gewisse Variationsbreite zeigen wird, worauf auch Posrıck hinauskommt. Die Durchsicht der Literatur führt uns, wie aus dem Mitgeteilten hervorgeht, zu dem merkwürdigen Ergebnisse, daß mehrere neuere Ar- beiten dem Magen wieder diejenige Stellung anweisen — die horizon- tale —, wie man sie ihm vor Luscnkas Publikationen gab, wenigstens ziemlich übereinstimmend dem leeren Magen. Wichtig ist für meine Betrachtung aber — und ich hebe dies besonders hervor —, daß mit Ausnahme CunsineHans alle Autoren den Magen mit steigender Fül- lung in eine schräge, mehr oder weniger der senkrechten sich nähernde Stellung einrücken lassen. GunsıneHuam selbst will ja seinen abwei- chenden Ergebnissen keine entscheidende Bedeutung beilegen, und wir müssen doch den Befunden, wie sie uns die Röntgenbilder an Lebenden sehen lassen, vor allem trauen. Ist dem nun so, so dürfen wir in dem schrägen Laufe der Achse und besonders in dem Umstande, daß die kleine Kurvatur das Öso- phaguslumen sozusagen aufnimmt und fortsetzt, eine weitere Einrich- tung erblicken, welche, namentlich bei einem in Füllung begriffenen Magen, den nachrückenden Ingestis, vor allen den flüssigen, den Weg vorzeichnet sowie ihr Vorrücken erleichtert, um so mehr, je steiler die Magenachse steht. Es liegt nun aber, meiner Meinung nach, noch eine dritte Ein- richtung vor, welche denselben Weg für die Ingesta begünstigt, und das ist die Anordnung der Schleimhautfalten des Magens im Gebiete der kleinen Kurvatur. Diese Anordnung ist nämlich bei gesunden Mägen normaler Form und Lage derart, daß die Falten an der kleinen Kurvatur in der Regel — Ausnahmen bestreite ich nicht — von der Cardia bis zum Pylorus zu 2—4 (auch wohl mehr) ein- ander parallel in der Richtung der Kurvatur, also im großen und ganzen in der Längsrichtung verlaufen und wenig oder gar keine Ver- bindungen untereinander zeigen. Ist diese Faltenlage gut konserviert, so stellt sich ein sehr auffallender Gegensatz heraus im Bilde des WAarDEYER: Die Magenstrasse. 603 kleinen Kurvaturgebietes zu dem Bilde der übrigen Mageninnenwand, d.h. also an der vorderen und hinteren Wand und an der großen Kurvatur. In den letztgenannten Gebieten liegen die großen bekannten Schleimhautfalten fast ganz regellos und sind durch mehr oder weniger zahlreiche Brücken zu einer Art Netzwerk gestaltet. Um diese Ver- schiedenheit der Faltenanordnung gut zu übersehen, empfehle ich seit | langem für die Präpariersaalpraxis, den Magen in der gestrichelten Linie der hier beigegebenen Textfigur zu eröffnen. Diese Linie ab läuft von der Vorderfläche des Ösophagus- stumpfes nahe der großen Kurvatur entlang zum Duodenum. Sie soll nicht in die große Kurvatur selbst verlegt werden, sondern in der Nähe derselben in der vorderen Magen- wand verlaufen. Man kann dann das oberhalb der Linie ab gelegene Stück A der Vorderwand wie einen Deckel aufklappen, ohne dabei zu sehr den Lauf der Falten zu verwischen. Ist die Anordnung der Falten klar ausgebildet, so gewinnt man unmittelbar den Eindruck, als sei durch sie eine »Straße« angezeigt, welche direkt von der Cardia zum Pylorus führt, und so bin ich dazu gekommen, diesen Faltenweg längs der kleinen Kurvatur als Magen- straße zu bezeichnen. Eine sehr getreue und das, was ich meine, klar zum Ausdruck bringende Abbildung hat jüngst Korsen in der neuen Bearbeitung des Rauberschen Lehrbuchs der Anatomie gegeben — Fig.ı08 S.S5 der Eingeweidelehre —, auf welche ich hiermit ver- weisen möchte. Übrigens verfehle ich nicht anzugeben, daß man öfters auch die Straße an der kleinen Kurvatur ganz faltenlos findet. Soweit ich mich in der Literatur umgesehen habe, ist auf diese Eigenart in der Anordnung der Magenfalten kaum mit Betonung einer etwaigen Bedeutung derselben hingewiesen worden. Einige Angaben, insbesondere aus den Hauptlehrbüchern und Einzelabhandlungen, dürf- ten genügen, um darüber zu orientieren. Huschke' erwähnt folgendes: »Im schlaffen Zustande hat ihre (d. h. der Magenschleimhaut) innere Oberfläche eine Menge unbeständiger und in Form, Größe und Lage sehr veränderlicher Runzeln (rugae), wie besonders an dem großen Bogen, dem Blindsacke, welche beim Aufblasen verschwinden. Die größeren regelmäßigeren unter ihnen befinden sich an der Cardia und ! Siehe S. Tu. von Sönnerring: Vom Baue des menschlichen Körpers, Bd.V: Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen. Umgearbeitet und beendigt von E. Huschke. Leipzig 1844. S. 58. Sitzungsberichte 1908. 58 604 Gesammitsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. dem Pylorus und haben dort eine strahlige, hier eine Richtung nach der Länge des Magens.« Bei Luscnxa'! heißt es: »Unterhalb dieser Linie (gemeint ist die Grenze zwischen Oesophagus- und Magenschleimhaut) ist die Schleim- haut während der Kontraktion der Muskulatur in viele abgerundete, in der mannigfachsten Weise gekrümmte Runzeln oder Falten gelegt. welche gleich den Windungen des Gehirns ohne scharfe Grenze in- einandertließen. « Hrstes? kurze Beschreibung lautet: »Die Schleimhaut des Magens ist bei kontrahierter Muskulatur in Falten gelegt, die zwar auch vor- zugsweise der Länge nach verlaufen, aber vielfach geschlängelt und durch Querfalten verbunden, ein Gitterwerk darstellen. « Ähnlich finden wir bei Grernsaur’: »Im leeren Zustande des Magens bildet sie (seil. die Schleimhaut) unregelmäßige netzförmig untereinander verbundene Falten. Die Falten strahlen von der Cardia aus und nehmen in der Pars pylorica wieder eine vorwiegende Längs- richtung an.« Am getreuesten spricht sich Merken‘ aus: »Die Schleimhaut ist mit Runzeln und Falten bedeckt, welche im allgemeinen zwar un- regelmäßig verlaufen, aber doch die Tendenz zeigen, sich zu Längs- zügen zu ordnen, welche am deutlichsten an Cardia, Pylorus und kleiner Kurvatur hervortreten.« In Quaıns’ Anatomy” heißt der betreffende Passus: » The internal surface of the Stomach, when that organ is in an empty or con- tracted state, is thrown into numerous convoluted ridges, rug&®, which are produced by the wrinkling of the mucous together with the areolar coat, and are entirely obliterated by distension of the Stomach. These folds are most evident along the greater curvature and have a general longitudinal direetion. « Nur kurz geht Roummı° auf die Sache ein: »Al cardia la muecosa stomacale offre delle pieghe longitudinali, che spariscono nella disten- sione poiche questo orificio e assai dilatabile. « ! Luscaka, H., Die Anatomie des Menschen. 2. Bd., I. Abt., »Der Bauch«. Tübingen 1863, S. 192. ® Heste, J., Splanchnologie, 2. Aufl.. 1873. S. 164. ° GEGENBAUR, (., Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. Aufl., Leipzig 1899, S. 57. * Merker, Fr., Handbuch der topographischen Anatomie, Bd. Il, 1899, S. 529. ° Quaıns’ Elements of Anatomy. Xth Edition, Vol. III, P. IV, Splanchnology by Prof. E. A. Scuärer and Prof. Jounson Syamınsron, London, New York and Bombay, 1896, S. 77/78- ° Ronrrı, G., Trattato di Anatomia dell’ Uomo. P.1]l. S.ı14. Milano, Casa editrice Dottor Fr. Vallardi. 1. Ediz. WaArpeEyEr: Die Magenstrasse. 605 Sehließlich sei noch das große französische Anatomiewerk, welches Porkıer’s Namen trägt'!, angeführt, worin Joxsesco schreibt: »Le sur- face (de la muqueuse) libre n’est pas lisse, mais au contraire tres inegale et pourvue de saillies ou plis plus ou moins elevees, qui s’entre- ceroisent et eireconserivent ainsi des sillons plus ou moins profonds. Les plis sont les uns longitudinaux diriges parallelement au grand axe de l’estomae du cardia au pylore, les autres transversaux, et, tous plus ou moins ondules. « Wir sehen, daß das Vorkommen von Längsfalten von den meisten Autoren betont ist; die Lage dieser Falten wird jedoch verschieden angegeben; nur Mrrker, wie ich schon hervorhob, bringt ihre Be- ziehungen zur kleinen Kurvatur bestimmt zum Ausdruck. Bei Hasse und STRECKER, a.a.0.S.37 und 40, finden wir her- vorgehoben, daß im fötalen Magen ein System von durch den ganzen Magen verlaufenden Längsfalten der Schleimhaut vorhanden ist und daß auch die Sehleimhautfalten der Mägen Erwachsener (von den be- sonders benannten Falten, die vorhin erwähnt wurden und die die ganze Magenwand einschließlich der Schleimhaut betreffen, ist hier abzusehen) trotz mancher Unregelmäßigkeiten stets auf ein longitudi- nales Faltensystem zurückzuführen sind. Hıs, a.a.0. S. 359, beschreibt »etwa ein Dutzend hohe, parallel zueinander und zur Magenachse stehende Schleimhautfalten in einem Sanduhrmagen in der eingeschnürten Gegend; vgl. hierzu die Abbil- dung Taf. XVII bei Hıs. Einen gleichen Fall beschreibt CunnineHuan a.a.O. und bildet ihn Fig. 39, Taf. IV ab; ferner beschreibt er an zwei Fällen, S.ı5 und 37, ein System von Längsfalten in der Pars pyloriea. Unkenntnis einzelner Literaturangaben vorbehalten, ist außer von Merker die nähere Beziehung von Längsfalten zur kleinen Kurvatur und zu einer Cardia-Pylorus-Straße nicht besonders hervorgehoben wor- den; niemand aber, so scheint es, hat eine Bedeutung an dieses Ver- halten geknüpft. Als ich an meinen Präparaten schon vor vier Jah- ren auf diese Disposition der Längsfalten aufmerksam wurde, habe ich allerdings sofort gedacht, daß diese Einrichtung nicht bedeutungs- los sein möge und daß sie mit dem Transport der Ingesta im Magen in Verbindung stehen könne. Aber erst durch die zitierte Arbeit von O. Conxneım wurde ich dazu angeregt, der Sache weiter nachzugehen, und so ist diese Studie, welehe in ihrer Hauptsache eine literarische ist, entstanden. Was ich an neuem Material beibringen konnte, ist ! P. Porrıer, Traite d’Anatomie humaine par A. Cmarpy, A. Nıcoras, A. PrE- nANT, P. Poırıer et T. Jossesco. T.1V, S. 225. Paris, L. Bataille et Cie. I. Edit. 606 Gesammtsitzung vom 4. Juni 1908. — Mittheilung vom 2. April. ja nur wenig, fügt sich aber, so meine ich, an die übrigen Einrich- tungen, welche der Fortbewegung der Speisen und namentlich der Flüssigkeiten, vor allem im gefüllten Magen, dienen, glatt an. Denn es ist klar, daß Flüssigkeiten viel leichter sich in einer bestimmten Richtung voranbewegen werden, wenn hier nur Falten dieser Rich- tung vorhanden sind, als wenn sie dabei noch auf eine größere An- zahl Querbarren stoßen. Nun ist es ja richtig, daß die Längsfalten vorzugsweise im leeren Magen vorhanden sind; aber sie bleiben doch bei der allmählichen Füllung des Magens noch eine Zeitlang bestehen und können so für diese Zeit wenigstens die Fortbewegung be- günstigen. Sind die Falten verstrichen, so liegt ja die Sache für den Transport noch günstiger. So finden wir denn drei Einrichtungen, welche im Magen die Vorbewegung der Ingesta längs der kleinen Kurvatur zum Teil selbst bis zur stärksten Füllung des Organs ermöglichen und erleichtern: die Magenrinnenbildung (Suleus gastrieus, Suleus salivalis), die Stellung des Magens, insbesondere der Lauf der kleinen Kurvatur, und die longitudinale Faltenbildung längs derselben, die Magenstraße. Ausgegeben am 18. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. w 1908. XXX. XXX SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 18. Juni. (S. 607) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 18. Juni. (S. 609) W. Scuurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. (S. 610) M. Werımann: Pseudodemocritea Vaticana. (S. 625) BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunelmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sin die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen n. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein Jarauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sceretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnalıme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungene«, so bedarf ılieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt-Akademie. Aus $ 6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunelimen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach _ Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen .aus,.hen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8, Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung olne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sunderabdrucken aus den Abhandinngen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- 2 exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Sceretar weitere 100 Exemplare Aue ‘ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche, Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es aueh nur aus zZUESS (Fortsetzung auf S.3 des Umschlags.) h 607 SITZUNGSBERICHTE 1908. XXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. *Hr. Oscar Herrwic sprach über die Entstehung überzähliger fo} fo) Extremitäten bei den Wirbelthieren. Er demonstrirte einen Fall von Verdoppelung der hinteren Extremitäten an dem Skelet einer ausgewachsenen Ente und schloss hieran eine Übersicht über verschieden- artige Experimente, durch welche es gelungen ist, eine abnorme Vermehrung von Or- ganen, besonders bei Wirbelthieren aus der Classe der Amphibien, künstlich hervor- zurufen. (Spaltung von Organanlagen, Transplantation von Örgananlagen einer Am- phibienlarve auf verschiedene Körpergegenden einer anderen Larve.) Ausgegeben am 25. ‚Juni. Sitzungsberichte 1908. 59 Er Er Ur YA Re 609 SITZUNGSBERICHTE 1908 XXXI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. Juni. Sitzung der philosophisch-historischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHten. 1. Hr. W. Scnurze sprach über die Wortbrechung in den gotischen Handschriften. Es werden die Regeln der Wortbrechung festgestellt und aus ihnen u. A. die richtige Silbentheilung für aiywaggeljo niyun abgeleitet. 2. Hr. Diers legte eine Mittheilung des Prof. Dr. M. Werımann in Potsdam vor: Pseudodemocritea Vaticana. Im Vatie. gr. 299 S. XV findet sich unter pharmakologischen Excerpten byzan- tinischer Zeit eine Reihe von Fragmenten unter dem Titel AHmokPiroy AsaHritoy. Sie beweisen, dass damals (die Pseudodemokritische Schrift ist spätestens im 9. Jahrhundert verfasst) der Name des Abderiten nicht bloss mit abergläubischer Sympathiemediein, sondern auch mit ernsthafter Arzneikunde in Verbindung gebracht wurde. 59* 610 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. Wortbrechung in den gotischen Handschriften. Von WILHELM SCHULZE. Aıs ich in Goettingen zum ersten Male Anlass zu einer Vorlesung über die Gotische Sprache hatte, fiel mir auf, dass die germanische Gram- matik eine zwar bescheidene, aber in all ihrer Bescheidenheit doch nicht ganz verächtliche Erkenntnisquelle der Tradition unausgebeutet zu lassen pflegt. Ich meine die von den Handschriften befolgte, vermuth- lich nach Zeit und Ort charakteristisch differenzirte Methode der Zeilen- und Wortbrechung, aus der man wenigstens unter günstigen Umstän- den einige Aufschlüsse über die beim Sprechen übliche Silbentheilung zu gewinnen hoffen darf. Selbst für Sprachquellen von so einzigar- tiger Bedeutung, wie es die kostbaren Überreste der ältesten germa- nischen Bibel sind, war in dieser Hinsicht übel vorgesorgt. Obwohl schon Massmasn wiederholt, in seinen Ausgaben der Skeireins [1834] 538s und der Gothischen Sprachdenkmäler [1857] x, auf die Sache hingewiesen hatte, gehen die modernen Ausgaben und grammatischen Darstellungen ihr einfach aus dem Wege. Mit Hilfe der Uprsrröuschen zeilengetreuen Abdrucke war dem Mangel für das Gotische ohne viel Mühe und Zeitaufwand abzuhelfen ; der Thatbestand, der sich auf we- nige einfache Regeln redueiren und im Ganzen mühelos begreifen liess, war bald festgestellt und warf, wie mir schien, neben der allgemeinen Einsicht in die Tendenzen der gotischen Silbentheilung noch ein paar brauchbare Einzelergebnisse ab. Inzwischen haben im Anschluß an Massmanss unzulängliche Mittheilungen EDierkicn [1903]' und JELLINER [1904]” die Frage gestreift, aber nicht gefördert, und Werpe hat in der neuesten [1ı1.] Bearbeitung des Stanu-Hrvseschen Ulfilas [1908] xırs, an seine Vorgänger anknüpfend, aber über sie hinausgehend, zwar die wichtigsten Regeln formulirt, doch ist ihre Fassung weder ganz ein- wandfrei noch ausreichend, weil sie einige bedeutsame Momente nicht berücksichtigt. Unter diesen Umständen halte ich es für angebracht, ' Die Bruchstücke der Skeireins [Texte und Untersuchungen zur altgermanischen Religionsgeschichte, Texte ıı] xvı. * Anzeiger für Deutsches Altertum 29, 284. W. Scaurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 611 das Resultat meiner damaligen Bemühungen nach einer neuerdings wiederhelten Controle hier vorzulegen. In allen gotischen Handschriften wird die Praxis der Zeilenbrechung durch feste Regeln beherrscht, die, wie sich hoffentlich herausstellen wird, auf dem Prineipe rationeller und eonsequenter Silbentheilung beruhen. Während im Codex Argenteus Le ı, 24 der Name Aöleisabaib ungetheilt die Zeile beginnt, ist er in demselben Kapitel 40. 41.57 jedesmal in anderer Weise, aber jedesmal der in den meisten Sprachen üblichen Silbentheilung gemäss durch den Zeilenschluss in zwei Stücke zerrissen: Auleisajbaib Adleijsabaip Aijleisabaip. Auch für Teijmaujpaijus und syma/ go/gein sind alle, für Taijru, saylem und Tairujsauylyma beinahe alle Mög- lichkeiten regelmässiger Wortbrechung und Silbentheilung thatsächlich zu belegen; für das zufällig fehlende J/ai- kann als Ersatz etwa dijabulau Skeir re 19 eintreten. Diese fremden Namen sind aber behandelt nach den Regeln, die ebensogut auch für alle einheimischen Worte Geltung haben. Beispiele begegnen auf jeder Seite in Hülle und Fülle. In andastaujin Mt 5, 25 Esaeijins lIoh 12, 38 Tesujis Neh 7, 41 trifft das Zeugniss der Wortbrechung mit dem der Orthographie zusammen, denn doppelpunktirtes ö ist das bekannte Zeichen des Silbenanlauts'. Einfache Consonanten zwischen Vocalen eröffnen regelmäßig die neue Zeile, weil sie als Silbenanlaut zum folgenden Vocal gehören; Con- sonantengruppen, deren graphische Darstellung durch ein einheitliches Alfabetzeichen geschieht, müssen sich notwendig der gleichen Regel fügen, da eine mechanische Zerreissung des Buchstabenbildes ausge- schlossen ist”. Für alle Buchstaben des ulfilanischen Alfabets, mit Ausnahme des fremden x°, bieten die Handschriften Belege: haybai bedun andhojfun da/ga weijha siyup sojkeib fiylu na/mo meijma daujpein baijraib wijsib hijta gijpa majwi bijze, dazu saiyhwan und ri/gis. Hunderten von Beispielen gesetzmässiger Wortbrechung stehen nur zwei Aus- nahmen gegenüber: in A sumjan ı. Cor 13, 9 (schon von Uerströn durch die Anmerkung 'sie divisum’ als Absonderlichkeit hervorgehoben) ' ! WRrepeE aaO xım. Über die griechischen Muster, die Ulfilas nachgeahmt hat, siehe Tmomrson Handbook of Greek and Latin Paleographıy ? 73, Rauurs Die Ber- liner Handschrift des sahidischen Psalters [Abhandlungen der Goettinger Gesellschaft der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, N. F.IV 4] 17. In Esaün Me ı, 2 steht das punktirte ö zweimal. ® So steht im Lateinischen viywi neben vicytor oder lapysus. Anders ist freilich das Verfahren der ahd. Monseer Fragmente, in denen vielfach innerhalb der Zeile die Wortsilben abgesetzt werden: laz anne moz un wuaz arum wwiz it wuiz ut neben Forlaz seno uz serom ( forlaaz-/senu 1, 9). ® Vgl. taitrarjkes Le 3, 19, arıkaggilaus 1. Thess 4, ı6B. * Sonst theilt auch A richtig su/mai 2. Cor 3, I, su/mans 2. Thess 3, 11, suymaizeh ı. Tim 5, 24. Der Satz, in dem die Unregelmäßigkeit begegnet, lautet so: suman 612 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. und in der auch sonst durch stärkere Unregelmässigkeiten charakteri- sierten Handschrift B aggiljlau 2. Cor ı1, 14‘. Der Codex Argenteus ist in diesem Punkte ohne Fehler. Besondere orthographische Verhält- nisse können dem merkwürdigen freij/jhals 2. Cor 3, 17 A zur Entschul- digung dienen: es ist ein Compromiss zwischen der historischen Or- thographie freihals und der jüngeren Aussprache “freijals. Consonantengruppen werden der Regel nach so vertheilt, dass das letzte Glied (aber auch nur dieses) der folgenden Zeile zugewiesen wird: weitjwodjand und weitwodyjands, waljdufni und walduf mi, sil/daleikjandans und sildaleik/jandans, fair/gunja und fairgun)ja, sandjjandan und sandjan/ dan, tand/jan und tundjnau, waurstjwa und waurk/ja, dauhjtar und swisjtar, waht/wom und wast/jom usw. B hat Phil 3, 138s in sechs unmittelbar aufeinanderfolgenden Zeilen grejtands galjgins wairjbib wamjba skanjdai frapjjand; ähnlich Arg Me 4, 17 — 19 wrak}ja gamarzjjanda baurjmuns haus/jandans lijbainais; B 2. Cor ı, 235 izjwara Kaujrinbon izjwarai ga- waurstjwans. Also gamarz/janda wie frab,jand, gawaurstjwans wie iz] warai und so in vielen anderen Fällen: hiudangar/di und biudangardıja, gawaurjki und gawaurkja, barnisjkai und barniskjja, frumis/ton und rumistjja, rinjnau und runnjjau”, waldufjni und waldufn/ja, rahjneib und rahn] jaima usw. Belegt ist die regelmäßige Brechung für folgende Gruppen: byb [rabjbaunei sabjbato] bjj byn dıd [Gadjdarene] dyj ddjj djw [nid/wa] u Sm my Fsıt Fstyy Ft Ft) Thaftıjandans] g7d [gahugjdai] ggyw [z. B. in triggjwos] 9/7 9117 [siglyjands] gm gnjj h/j hm hm hnıj hr [swaih/ro Me ı, 30 Lue 4, 38 huhjrau 15, 17] h/s [weih/sa Me 6, 56 Ioh ı ı, 30] Asjj hsjl [skohs/la Mt 8, 31 hleihsılam d.i. preihslam 2. Cor 12, 10 B] hsyw [taihs,wons Gal 2, 9 B] Ajt At) [anamahtıjada] htyw [wahtywom] kjk [smakjkabagm] kyj km Il Ib Ya dig Ijh Ihsn]j | fulhlsn/ja (sie) Mt 6,6 fulhsnja 6, 18] !yj U,j Yjk Ikyy [gaskalkıja] Im [usfiljmei] Im [gahailmid] Um Up [rljpan] Yyt Up Yw lız kunnum jah sumjan praufejam. Man könnte sich vorstellen, dass die Wiederholung von suman, wenn sie rlıetorisch wirksam sein soll, eine Art verweilenden Nachdrucks erzeugt, der die natürliche Vertheilung der Laute verändert, und zwar zu Gunsten einer Aussprache, wie sie für das neuhochdeutsche Summe gilt (mit Silbenfuge im Con- sonanten). Vgl. auch 2. Cor 7, 5B utana waihjons, innyana agisa. Dass solche Gegen- überstellung im Gotischen auf das Lautbild thatsächlich Einfluss hat, scheint die Stelle 1. Cor 7,7 sums swa, sumsuh swa [statt sumzuh] anzudeuten. MeırLer Memoires de la Soeiete de Linguistique 15, 95. ! Sonst aggijleis Me 1, 13. Lat. dom/minor(um) Dessav Inser. lat. sel. 831, 1. Ver- muthlich sind das halbverbesserte Schreibfehler: man hat nur versäumt, die Tilgung des ersten Consonanten vorzunehmen. WCrönerr Memoria Herculanensis 102 (vgl. die got. Dittographien Awaykwazuh Mt 5, 31, mahtede/deina 2. Cor 3, 7 B, gaainapaidai ı. Thess 2, 17 B). ® mimizei Skeir ımd 7: änbranyjada loh 15, 6. In beiden Fällen fehlt wahrschein- lich der Nasalstrich am Zeilenende. W.Scaurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 613 [faljzeinai] 12/7 [talzyjand] mm mjb mbj5 [anakwmbyjan und Ähnlich oft] m/f [ham/famma] mjj mmj/j mjl [simjle] mn [namjpma] mnjj [namnjjada] mjr [timjridedun Le 17, 28 timjreinai 1. Tim 1,4 B] mr/j [timrjja Me 6, 3] mt [andanumjtais ı. Tim ı, 15 B] mjb [gagumjpim] nn nd nd)j ndn [fundjnau] n/7 nnjj njs nsjl [unhunsjlagai] nsjt [ansjtai] n/t np npyj njw [manjwuba] nw/7 [manwjjana] g/g [prig/gip gag/gip usw.] 99,7 [fauragaggıja] g9/w [ussuggmwub Me 12, 10 ussiggjwaidau ı. Thess 5, 27 AB siggjwada 2. Cor 3, 15 B gaagjwein (sie) Skeir ıe 12'] 9/k (auch g9/k geschrieben)” gkj) (ggkıy)" 91a (alD' 991) Isaggjjand] pp [Fiipjpus] p17 pn Twepma] rır rıb rbjy [arbjja] rjd rdyzy rfjt [| Paurfjtai] rg rjh [ bwairjhei] rhjy rhjt rhtjj |gabairhtjjau] rjhw [fairjmeu oft] ryy rk rkıy rkm [gastaurkjmip] rim rn rn) rip rjs [gadaur)san] rsj7 [| baurs/jai] rstjw [waurstjwa oft] rstwjj [waurstwjja] rjt rtjj [aurtjjans] rjp rpjy rbn [gagawairppnan] r\z r2]J sjs s/g [Asıgadis Neh 7,17] s/J ss/J s/k skjj syn sqjJ |hmasqjjaim] sjr Usjraela] s/t stjj stin [fragistinam] sw [pasjxa] tjt 1/7 tn [disskritimoda] tyw [weitjwodjand] pp by by bin priy loroprijus oft] p/s [Bepj/saidan] pw [friapjwa öfter] wj7 wjl [Pawjlus Gal 5, 2B] 2/d z/g [az/go] zn [garazjnans] 2/jw [izjwis usw. oft]. Die Gruppen dw An hr kn sk sn st tw bw werden genau so wie die Masse der übrigen durch den Zeilenschluss auseinandergerissen, ob- wohl sie im Wortanlaut den Goten ganz geläufig und bequem waren; Zertheilungen wie my/knöc rAPre/crın, die im Griechischen üblich oder zulässig sind, fehlen in den gotischen Handschriften durchaus. Schwan- kungen und Regelwidrigkeiten sind im Ganzen so selten, dass sie in der Menge des Gesetzmässigen fast verschwinden und in der Haupt- sache der Nachlässigkeit oder Augenblickswillkür einzelner Schreiber zur Last gelegt werden dürfen. Aus Arg habe ich notirt hun/slastadis Le ı,ı1 [gegen unhunsjlagai 2. Tim 3,3 A] taih/swon Me 10, 40 [gegen taihsjwons Gal 2,9 B], aus A trig/gwa Col 4, 7 [gegen triggjwos 2. Cor 3, 6, in B triggjwos 2. Cor 3, 6. 14, in Arg usbliggjwands usbliggjwandans us- bluggjwun Me ı2, 3.15,15 Le 18, 33] garaihtjei Phil 3, 9 [an vier an- deren Stellen hat A garaihta- garaihtei eorreet abgetheilt'] gawaur/stwans Col 4,11 [riehtig waurstjwa usw. im A gmal]; erst in B und Skeir ! Dierricn Bruchstücke der Skeireins xvır?°. — Wortbrechungen wie siggywada scheinen mir dafür zu sprechen, dass auch die correspondirenden Aw und g Doppel- consonanten sind. Die angeblichen Beweise für das Gegentheil taugen nicht viel. ® driggykandans Le 10, 7. Vgl. driggandane Le 5, 39 (die Parallele Eph. 5, 18 ist durch Vprsrrön beseitigt) und Danykeip Le 14, 31. ® andhbaggkyjandins Skeir vır a3. * Belegt sind bdistug/gun Mt 7, 27 und iggjgis 9, 29 in Arg, gasigg/gai 2. Cor 2,7 in B (in A ebenso mit 999, doch ohne Wortbrechung). 5 Belege für regulär abgetheiltes h/t zähle ich e. 60. Man sieht, welchen Werth das ganz isolirte garaihtyei haben kann. 614 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. steigert sich die Zahl der Fehler einigermaßen, doch behalten sie auch hier den Charakter von Ausnahmen, die die Geltung der Regel keines- wegs aufheben. B: fra/pja 2. Cor 3, 14 | frapjjan regelrecht abgeteilt in B 4 mal, außerdem in Arg und A] waur/stwa waur|stwam waurstwja 2. Cor 11,15. ı. Tim 2, ı0. 2. Tim 2, 6 [richtig waurstjwa usw. 8 mal, waurstwjjans Phil 3, 2] baujrftais Phil 2, 25 ['sie’ verströn: gegen paurfjtai Eph 5,4, in A 1. Cor 7,26 paurftais] waujrkjandein Eph 3, 20 ['sie’ vprströu: richtig waurkjjan usw. 5 mal, dazu öfters in Arg A Skeir] gaprayfstyan 2. Cor ı,4 ['sie’ verström, unmittelbar vorher gaprafsjtida und ähnlich Phil2,ı. ı. Thess 5, ı1; prafstjjands Le 3, 18 gabrafstjjai Col 4,8A]. Skeir: twajddje ıı d3 [sonst, und zwar sehr häufig, iddjjedun usw., baurgswaddjjau 2. Cor 11,33 B] bwaijrheins var ce 10 [gegen pwairjhei pwairjhein Eph 4,31. 1. Tim 2,3 BJ] garehjsnais ıv d2 [aber wahsjjan ıv a3. 22] Fuljhsnya ıv d8 [gegenüber zweimaligem Julhsn/ja in Arg] waursjtwa vıb 15 [gegen waurstjwis v e7 waurstjwa vıbı] andbag/gkjands vuaıS [gegen andbaggkjjandins vıı a 3] Jah iwjos ı dı4 beim fjragipanam vum dı2. Die völlige Sinnlosigkeit der letzten Beispiele zeigt besonders deutlich, daß die Abweichungen oft nichts Anderes sind als Dokumente unbekümmerter Nachlässigkeit eines Schreibers, der die Regel zwar recht wohl kennt', aber sich nicht allzu ängstlich an sie bindet. Beachtenswert scheint mir indes doch zu sein, daß die Unregelmäßigkeiten ganz überwiegend erst bei drei- und mehrgliedrigen Consonantengruppen einsetzen; in der Be- handlung einfacher und zweifacher Consonanz herrscht eine viel größere Übereinstimmung der Schreiber, sodaß die Abweichungen sich hier auf ein bedeutungsloses Minimum beschränken. Vielleicht darf man aus diesem Gegensatze in der Tat schließen, daß bei den einfacheren Con- sonantenverbindungen das Ohr oder das Lautgefühl eine zuverlässige Gontrole ausübte, während es in den Fällen gehäufter Consonanz schwie- riger war, Schreibung und Eindruck durch eine überall anwendbare Wortbrechungsregel in dauerndem Einklang zu halten. — Die kümmer- lichen Bruchstücke des Alten Testaments sind natürlich viel zu dürftig, um ein sicheres Urteil über die etwaigen individuellen Besonderheiten des Schreibers zu gestatten. Doch fehlt es nicht ganz an Diskrepanzen: neben den weit überwiegenden regelmäßigen As/gadis Basjsaus Pr njdı sunjjus fauramapljjos swin]bida waurstjwa unjsis reik)jane Maisauljlamis sunjjeins finden wir wenigstens ein filu/snai Neh 5, 18, das nicht stimmen will zu filusna Skeir vır b 6. e 13 (drausmos dı5) usbeismai Col ı,ı1 A ! Man vergleiche noch die Masse der folgenden regelmässigen Brechungen anakumby,jan gawandıjandam bandjwibs gaagjwein gaswikunpb,jandona biudangardıjai biu- dangard)jos gatarhjjan bairhjtai bairhjtaba gawaurhjtedi waurkjjandins andwairpyje, sämmt- lich in Skeir. W.Scnurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 615 Phil ı, 20 B usbeisjneiga 1.Cor 13,4 A asjneis Ioh 10, 12 hlaiwasjnos IME2,70 52% Die bisher betrachteten Wortbrechungsfälle könnten durch ihre stereotype Einförmigkeit den Gedanken nahelegen, dass es sich um eine willkürlich ersonnene, ganz äusserlich und mechanisch der Sprache aufgezwungene Regelung der Schreibgewohnheit handelt. Ich glaube indes, man thäte damit dem Urheber dieser nachher traditionell ge- wordenen Praxis Unrecht. Denn er hat recht wohl zu differenziren verstanden, wie aus folgender Übersicht hervorgeht. Gajbriel Le ı, 26 Mamjbres 2. Tim 3, 8. B fajdreinais Le 2, 4 fajdreina 2. Cor ı2, 14 faj/dreinam 2. Tim ı, 3 A ‚framaljdrozei Le ı, 18 Alaiksan/drus ı. Tim ı, 20 A Anydraias Skeir vıra 6 sun/dro Me 4, 10 Le 9, 10 hugjgreib Ioh 6, 35 baijtrei Eph 4, 31 B Paijtrus (in verschiedenen Casus) Mt 26, 73 IMe73,382..0,524,10,,28.) 14,002 7,2. Le 5,8; 9, 20. loh r3, 16. 27 @pinar Mcrro, 24. loh’ 1A, 3. 16, 16. 19. 1..6or72, 21 A 'Skeir're 22 aihjtrondans Eph 6, 18 A winjtrau Me 13, 18 ganawis/trops ı. Cor 15,4A brojbruns Le 14, 12. 2.Cor 9, 3 A hleijpros Le 9, 33 Aleijbrai 2.Cor 5,4 AB hwajbroMe 6, 2 Ich 9, 29 Pajpro Ioh 14, 31 wijbra Meteor 35 Mc 4,14 Ecy1g, 30 wuljbr(a)is Gal 2, 6 AB Jainpro Mt 5, 26 hairbram 2.Cor 6, 12 B [kurz vorher gagawairpjnan 5, 20] maurjpreib Mt 5, 21. giyblin Le 4, 9 ['elarum atque sie divisum’ vprsrrön, also ganz wie gijba 4, 6] niu/klahs 1. Cor 13, ı1 A bis paraykletus Ioh 14, 16. 15, 26. 16,7 sti/kla Mt 10, 42 aikjklesj0 in verschiedenen Casus 2. Cor 7723-1012. 002.16, 19. 2.0028, 19 Gal 1, 2% Phil#3,,6. A,ı5B. nejblos Me ı0, 25 [doch nepjlos Le ı8, 25, s. Vprströns Anm.] Biaaaijhlaem Neh 7, 26 [?]. Nur wenn noch ein 7 hinzutritt, rücken r und / in die erste Zeile: sigljjands fauramapljjos haimopljja broprjjus. "= ist auf den ersten Blick klar, dass wir hier keine neue Gruppe von Ausnahmen vor uns haben, sondern vielmehr die Belege einer neuen Regel, durch die der Geltungsbereich der ersten Regel gesetz- mässig eingeschränkt wird. Muta cum Liquida, denen sich hier die entsprechenden 5-Verbindungen anschliessen (sicher wenigstens pr)', fordern auch in der gotischen Orthographie jene Ausnahmestellung, ! Nicht Ar. Für Al fehlen Belege. 616 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. die zu erkennen und anzuerkennen wir von der griechischen und lateinischen Prosodie her früh gewöhnt werden. Und diese Ausnahme- stellung beruht zugestandenermassen nicht auf irgend welcher Con- vention, sondern auf der besonderen Natur der Gruppen, die eine viel stärkere Tendenz, gemeinsam in den Silbenanlaut zu treten, an den Tag legen als andersartige Consonantenverbindungen'. Auch im Lateini- schen, dessen genuine Wortbrechungspraxis überhaupt mit der gotischen im Wesen naheverwandt ist”, theilt man a-gres-tem [Quintilian inst. 9, 4, 86], celejbrandas, Hajdriani, Alexanjdro, Perejgrino, majtri casjtrorum [Dessav le 610], Palaes-trice CILvı 23728. Für die Goten als Östgermanen, die Worte wie akra- in Übereinstimmung mit gr. &ypc- und lat. ägro- un- verändert festhalten, scheint die Silbentheilung a-kra- ebenso angemessen zu sein, wie umgekehrt für ihre westgermanischen Vettern, die vielmehr akkra- za sprechen pflegten, die Vertheilung der Gonsonanten auf beide Silben ak-ra®. Im Gegensatz dazu ergeben sich aus den durch daupjjands wop/jandam angezeigten Aussprachsverhältnissen im Gotischen dieselben Voraussetzungen der Silbenbildung, aus denen sich die westgermanische Consonantengemination vor J entwickelt hat. Wir brauchen uns also nicht zu verwundern, wenn auch auf gotischem Sprachgebiete sich wenigstens die Ansätze der gleichen lautgeschichtlichen Tendenz vor J deutlich genug melden: wippja im Arg Ioh 19, 2 [gegen wipja Me 05,07] Sunnia (in dem Briefe des Hieronymus an die Goten Sunnia und Fretela, falls auf die Schreibung Verlass ist) "alliä Westgotenkönig a. 415—419 Sidonius ce 2, 363 (cf Välämeris 225, Välila BÜCHELER carm. epigr. 916, I Vuillienant Neap. Urk. Runen- name winne di. winja mit dem e von Sumaifribas Suniefridus |v. GRIEN- BERGER PB 21, 200 ss]'. Das sind die, natürlich nachulfilanischen Parallelen zu an. leggia [*lag.jan] Iykkia [*luk-ja] und zu den sporadisch im Altnorwegischen auftretenden Fällen wie synnia brynnia’, die beweisen, ! Monsee Fragm. ga ni drit (ganz wie ga ni darrent) for drono hun grita gamar trotan tem ple tem ples, mit Zeilenbrechung an/dremo 30, 15 hunjygragan 21, 6. Doch auch gatau fte 40, 3 (richtig f t 10, 15. 15,278. 24,7). un zui flo 34, 2ı stimmt zu unzwijflo Isidor 7.8. ? Freilich darf man sich über die “Grundsätze der lat. Silbentheilung’ nicht von Serrmann Aussprache des Latein 137 belehren lassen wollen. Er kennt einfach die 'Thatsachen nicht. Ausser Harte Harvard Studies 7 [1896], 249 vgl. besonders MomusEr Gesammelte Schriften ı, 381, T. Livi Codex Veronensis,. Phil.-hist. Abhandlungen der Berliner Akademie 1868, 164, Branpr Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Phil.- hist. Cl. 108 [1885], 245, Hüsner Exempla seripturae Latinae epigraphicae ıxxvırs. Ich weiss nicht, ob inzwischen eine genauere Darstellung der inschriftlichen und handschrift- lichen Praxis erfolgt ist; gewiss wäre sie nützlich. ® Monsee Fragm. 20, 3 snot tro. * Treb)bia Dessav le 5823. Also schon ganz wie im Italienischen. 5 Noreen Altisländische Grammatik® 177 s. W.Scaurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 617 dass auch im Ostgermanischen hier dieselbe Lautvertheilung bestand wie bei den Westgermanen. Und auch die Consonantendehnung in an. nokkui rokkua (mit kkıw aus k-w) hilft uns in erwünschter Weise für das sprachgeschichtliche Verständniss der gotischen Wortbrechungs- methode in nidjwa friabjwa (triggjwa siggjwada wahtjwom waurstjwa). Soweit also das dürftige Material reicht, das uns für eine Controle der gotischen Schreiberpraxis zu Gebote steht, verstärkt es den Eindruck, dass diese Praxis den Gewohnheiten der lebenden Sprache im Ganzen geschickt genug angepasst ist. Vielleicht gewinnen wir hier einen neuen Zug für das geschichtliche Bild des Grammatikers Urrıras, den wir ja längst als verständnissvollen, feinhörigen Beobachter und Dar- steller seiner durch ihn mit einem Schlage litteraturfähig gemachten Muttersprache bewundern gelernt haben. Aber die Ostgoten Italiens, denen wir die Erhaltung der ulfi- lanischen Sprachreste verdanken, lebten in einem stamm- und sprach- fremden Milieu, dessen phonetische Gewohnheiten sich vielfach in ganz abweichender Richtung entwickelten. Wir wissen aus dem Zeugniss der romanischen Sprachen, dass sich im Vulgärlatein eine Umwandlung von tene-.brae [:.-] zu teneb-rae [.--]| vollzogen hat. Ist die Vermuthung zu kühn, dass diese Entwickelung oder ihr Ergebniss allmählich auch auf die mitten unter einer romanischen, dabei kulturell überlegenen Bevölkerung wohnenden Ostgoten Einfluss gewonnen habe? Thatsache ist, dass die beiden Handschriften, die sich der sonst gel- tenden Wortbrechungsregel gegenüber am freiesten verhalten, B und Skeir, überwiegende Neigung zeigen, auch Muta cum Liquida auf zwei Zeilen zu vertheilen. akıran Phil ı, 22 hlutirans 2. Cor 7,11 Paitjrau Gal 2,14 dauhtjrum 2. Cor 6, 18 brobjruns 2.Cor 9,5 iupapjro Skeir ua 22.25 papjro vıd 24 wipjrus ıb 3 agjlaitei Gal 5,19 ag/lom Eph 3,13. Dazu sikjle Neh 5, 15. Der Regel entsprechend hat B baijtrei und Aleijprai (dies in Über- einstimmung mit A) und Mamjbres wuljpris hairjbram aikjklesjo, Skeir nur Anjdraias afjıtra. Dass hier ein Bruch mit der traditionellen Praxis sich anbahnt, ist mit Händen zu greifen, sobald man die bis auf das einzige nep/los tadellose Haltung von Arg und A in Vergleich zieht. Und dieser Bruch weist zweifellos in dieselbe Richtung, in der sich die romanische Entwicklung nachweislich bewegt hat. Ich muss be- kennen, dass es mir schwer wird, diese Übereinstimmung für blos zufällig zu halten. 618 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. Meine bisherige Darstellung hat sich beschränkt auf die Verhält- nisse, die im einfachen Worte gelten. In der Zusammensetzung ändert sich das Bild total'. Da herrscht bis auf verschwindende Ausnahmen überall die der Etymologie entsprechende Wortbrechung. Ausser an einer einzigen schon von Urrsrrön hervorgehobenen Stelle Mt 9, 18, wo gas/walt dasteht, finde ich nur ibna/skaumyamma gajskafts gajskeirih ga/skeirjada gajsleibjaindau |2. Cor 7,9 AB] gajsleihibs ga/slepandane fra) slindaidau gajspillo faura/standandam ga,standand gaystob ga/stobub anay stodeins [3 mal] anajstodjands [2mal] ga,stauida gajswikunpidedeina ga) swikunpida gajswitan [2mal Arg, 2mal A] swa/swe [14 mal] un/bwahanaim [2 mal] gaypwastjaib anda,wleizn [ı. Cor 14, 25 A], ufarystigun [Me 4,7], afıskaidih afıskiubandans afıslahans afjslaupjandans innufjslupun afıslaupips afıstandand, atjstaig, and/spiwup andıstaldand andıstandand and)standandans”. Die besondere Behandlung der Composita wird am deutlichsten, wenn man etwa gayskafts ga,stauida mit den fremden Worten aipisjkaupus apausjtaulus, bei denen die dem Goten natürliche Silbentheilung durch keinerlei etymologische Rücksicht gehemmt wird’, oder andajwleizn mit Pawjlus vergleicht. Dass in eng zusammengehörigen Wortgruppen erst recht kein Herüberziehen des Consonanten nach vorwärts oder rück- wärts stattfindet, ist darnach nur selbstverständlich: nijshuld ist Le 6, 4 ni skuldjist Ich 18, 3ı Tit ı,ıı A (1. Cor ı5, 53 B) in/skip Me 4, 37 undjina Le 4,42 pairhjina Eph 2,18 Col 1,16 A Col 3,17 B sa) stikls 1.Cor 11,25A bansjuf weitoda Gal 4,5 A. Eine Rubrik für sich fordern idjreigondane 2. Cor 12, 21 A, das sich von ja/drein 12, 14. 2. Tim ı,3 derselben Handschrift charakteristisch abhebt, und und) redan Skeir vıb 19, das sich in der gleichen Weise von Anjdraias vıra 6 unterscheidet‘. Die Erklärung bietet sich jetzt von selbst dar; auch id/reigon wird als Compositum empfunden worden sein’. Dieselbe Regel etymologischer Wortbrechung gilt auch für alle Fälle mit einfachen Consonanten, ob es sich nun um engen Wortzusammen- schluß oder um wirkliche Composition handelt. Die Consonanten werden consequent als silbenschliessende Laute behandelt, was auch ! 2.Cor 5, 8— 18 findet man in A rasch hintereinander gaytrauam usjleiban ga/swultun ga,fripondin gayfriponais; unmittelbar in zwei Zeilen hintereinander in B swa/swe us/tiuhai 2. Cor 8, 6, swayswe uslaus/jaindau 2. Thess 3, ıs. ?2 Auch us/skawjaindau usjstaig usjstiurei us/standip usjstob us/stassais. — ubuhrwopida Le 18, 38 nihjwitub Me 8, 17. . ® apausjtaulus 8 mal Arg AB. aipisykaupus Tit 1.7 B (apausjtaulus 1,1). Daraus folgt beiläufig, dass ich berechtigt war, oben aikyklesjo paraykletus als Beweisstück so zu verwerthen, wie ich es gethan habe. Bei den fremden Wörtern fehlt eben das etymologische Bewusstsein oder hat wenigstens keine Kraft, die Aussprache zu beein- flussen. * Monsee Fragm. 39, 14 ant reitin: 30, 15 anjdremo. Monsee Fragın. it lones 29, 24. 30, 8. W.Scuurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 619 in der regelmässigen Anwendung des doppeltpunktirten ö zum Aus- drucke kommt. Es heisst also nicht nur afjimma afıim _ afjizwis, ufjAbiabara, inuhjattins .. willan Mt 10, 29, /ramjimma [Me ı,5 im Unterschiede von frajmis 1, 19], injina injimma Änjizwis, faurjina faurjins faurjizwis, afarjimma, ufarjall, usjizwis, aljimma atjizwis usw., mib imma mibizai mihjim mibjizwis, Pisjaiwis 2. Cor 4,4 A paimjairum Le 7, 24 paimjunmahteiyam ı.Cor 9,22 A, ibjis übjizwis, Jahjik jahjimma jahjin jahjizwis, ikjim usw. usw., sondern auch afjairzidai 1. Tim 1, 6 AB afjairzjaindau ı. Cor 15, 33 A unjaiwiskana 2. Tim 2,15 B ufarjist 2. Cor 3,9 B usjiddja Me 1, 28 suns/aiw Me 8, 10 atjiddja -Jedun Me 12,18. 14,66 Ich6,17. atjain(ei) 2.Cor 8,19B Skeir ıd 24 vub 23 (doch pajtainei Mt 8, 8. 2. Cor 8, 21 A!) mipjarbaidei 2. Tim 1,8 A mipjarbeididedun Phil 4, 3 A mip/jinsandida 2.Cor 12,18 B mipjurraisidai Eph 2, 6B mipjushramidans Mt 27, 44. Wörter fremden Ursprungs sind auch hier von der Regel aus- genommen: syjnagogais -gein Le 4, 20. 7, 5. 8, 41, Bajrabban Me 15,11 Ioh 18, 40. Der Composition gleichgeachtet wird die reduplieirte Verbalform: afskaijskaidun Le 9, 33 anasaijslepun ı. Thess 4, 14 B werden getheilt wie sonst afaijaik athaijhait attaijtok waipwoun;, sk sl! werden also als Anlaut empfunden oder doch orthographisch so behandelt. Einzelne Schwankungen wie hatjainei: bajtainei vermögen das im Ganzen feste System nicht zu erschüttern und seine Verlässlichkeit nicht zu diskreditiren; auch die norddeutsche Aussprache, die im Prin- cip an der etymologischen Silbentheilung festzuhalten pflegt, schwankt innerhalb gewisser Grenzen und nach dem wechselnden Tempo der Rede zwischen den entgegengesetzten Möglichkeiten lautmechanischer und etymologischer Wortgliederung, z. B. zwischen e/rinnern und erjin- nern‘, und lässt sogar in einer ganzen Reihe fester Verbindungen jede etymologische Rücksicht fallen, wie in Objacht übejrall voylienden ayllein (dies letzte Wort mag man mit got. ba/tainei vergleichen). Selbst falsche Wortanalysen, die der Sprechende halb unbewusst vollzieht, können auf seine Aussprache Einfluss gewinnen, wie denn JEspErsEn in Berlin "Alex’anderplatz gehört hat’. So haben wir kein Recht, den Schreiber zu schelten, der ufar/assus abtheilt, als ob es ein Compositum wäre, 2. Cor 1,12. 3,10. 7,15. 8,14 A’. Solange das etymologische Gefühl ! Sıevers Grundzüge der Phonetik° $ 552. Lurck Deutsche Lautlehre 69. Lehrbuch der Phonetik (Übersetzung von Davınsen) 77. Über inn/ana habe ich schon S. 611 Anm. 4 gesprochen. 2 3 620 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. latent bleibt, heisst es richtig ufa/rassus': so consequent in B 2. Cor 1,5 [ita divisum’]. 9, 8 [ta divis.’]. Phil 3, 8. 4, ı2 [’sie Cod. elariss.]. 1. Thess 2, 17 ['sie divis.” verströn]’. Es ist bemerkenswerth, dass der schwedische Herausgeber gerade die Wortbrechung ufa/rassus, nieht ufar) assus der Hervorhebung würdig gefunden hat; vermuthlich hielt er die letztere Schreibung für die etymologisch correctere. Es ist zu allen Zeiten eine Liebhaberei der zünftigen Grammatiker gewesen, die Wortbrechung möglichst mit den wirklichen oder ver- meintlichen Forderungen der Etymologie in Einklang zu bringen, selbst unter gröblicher Missachtung des Eindruckes, den das lebendige Wort beim Sprechen oder Hören hervorruft. Es liegt im Wesen dieser gram- matischen Pedanterie, dass sie mit einer verständnislosen Öonsequenz- macherei auftritt, die taub ist gegen alle feineren Differenzierungen, die das gesprochene Wort mannigfaltig variiren. Der Ordner der goti- schen Orthographie hat sich solcher Pedanterie nieht schuldig gemacht, denn er weiss zu unterscheiden, was trotz äusserlicher Ähnlichkeit im innersten Kerne verschieden geartet ist. Das zweite Glied eines Com- positums, der zweite Bestandtheil einer reduplieirten Bildung, einer eng zusammengehörigen Wortgruppe kommt unter normalen Verhältnissen meist auch in selbstständiger Verwendung, mit selbstständigem Anlaute vor (wenn auch nicht selten mit anderer Suffix- oder Vocalgestaltung), iddja neben atiddja, ain neben hatainei, skaidan neben skaiskaidun, ist neben skuld ist. Das Gefühl, dass in atiddja hatainei skaiskaidum skuld ist mit der zweiten Silbe ein neues selbstständiges oder halbselbstständiges Element anhebt, kann im Sprechenden lebendig sein und die phonetische Ge- staltung der Worte, die sicher von psychologischen Momenten stark abhängig ist, wirksam beeinflussen’. Enklitika dagegen vom Typus der got. Partikeln -w, -uh, -ei können entweder nie im selbstständigen Wortanlaute vorkommen, oder doch nur unter Umständen, die einer Verdunkelung des etymologischen Zusammenhangs Vorschub leisten, vermögen also gar nicht den gleichen psychischen Einfluss zu gewinnen, wie jene zweiten Elemente von afiddja und Genossen. Freilich kann das etymologische Bewusstsein auch bei Verbindungen wie ‚bar-uh skuld-u im Sprechenden geweckt werden, aber durch andere Einflüsse ı Vgl. noch Aiyri Ioh 11, 34. 2 Das Wort ist recht geeignet, die Regelmässigkeit der got. Wortbrechung und ihre Grenzen zu illustrieren. Phil 4, 12 B u.ö. ufarassu im Zeilenschluss, 2. Cor. 4, 7 A ujfarassus, wechselnd ufarassus und ufarjassus, 2.Cor 4,17 B u. ö. ufarasjsau, 2.Cor 4,15 B ufarass/jat. 3 Die nachträgliche Umgestaltung von saizlep in saislep beweist direct, dass man den Anlaut von slepan herzustellen das Bedürfnis hatte. — Monsee Fragm. 9, 28 uph- ar-uuohs. W.Scaurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 621 (durch das Nebeneinandervorkommen von par und paruh, von skuld und skuldu) und mit schwächerer Wirkung (weil eben v4 und « durch ihre Unablösbarkeit fast auf das Niveau der ganz unselbstständigen Suffixsilben herabgedrückt werden). Dieser Unterschied der beiden Kategorien kommt auch in der Praxis der gotischen Wortbreehung zu unverkennbarem Ausdrucke. Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei der Partikel -ei. ‚bajydei Me 6, 55 Le 10, ı Ioh 6, 62 ‚baijmei Me 15, 40 (‘sie’ verströn) ı. Tim 6, 5 B ‚bamjmei 5 mal in Arg, dazu in A Colı, 29 hames Kaecı Men, r2.1 Nie 7,0270 Iohaur 03% 074,24 mipbpajnei Le 5, 1; ef Pataimei Mt 5, 47 Skeir ıv dı4 ‚bajrei Mt 6, ı9. 2ı Ioh 7, 42 ‚bajtei oft (weit über 30 mal) ‚bijzei gen Ioh 10, 12. 13, 29 in Bijzei Me 4,5 Le 18,5 Skeir ıve7 vıa7 e22 [doch ub 7 in phisjeil] ‚Pizojzei Tit ı,ı3 A Eph 3,7 B [sie divisum’ verströn] pbanjzei ı. Tim ı, 20 B Skeirvb;5. Abweichend nur sunsjei Ioh ıı, 32 (vor der Radierung scheint suns/sei dagestanden zu haben), gerade so abgetheilt wie das componirte suns/aiw Me 8, 10. Wie die Relativpartikel e& wirkt auch das fragende u: sijaijd-u 2. Cor 13, 5 A skuljd-u sjai Me 10, 2. Also skuldjist, aber skul/d-u (dies wie skuljda skuljdedum Le 17, 10. 19, 11). In den Wortgebilden, die durch Antritt des Elementes -uh ent- stehen, wirkt unzweideutig auch die gleiche Tendenz, wird aber sehr viel stärker durch etymologische Rücksichten gehemmt, in bestimmten Fällen sogar regelmässig paralysirt, wie folgende zweigetheilte Über- sicht zeigen mag. sumaimjubban 2. Cor 2, 16B bamjmuh Skeir ub5 vd 24 nauhbamuh Ioh 7, 39 Skeir ma 4 nauhbanyuh Me 12, 6 suman] anbaramuhban va7 uhban Skeir vıe 18 iddjedunjuh Ich 6,17 wesunyuhban Le 1,6 wesunjubpan Ioh 12, 19 anıduh bana laist Skeir va 23 afarjuhban Le 1, 24 pishwajruhßei Me 9, ı8 pejruh Parjuh Ioh. 18, ı1. 25 I6h76,.67. 7,45 wasjuhban Mt 8,30 Ioh 11,2. 18,14 betyubban Eph 4, 9A gapjuh Me 14, ı3 622 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. hwarjijzuh Le 2, 3 sahwajzuh Me sumzjupban ı.Cor 11,21A [2 ex- 9,37 hwayhwazuh (sie) Mt 5, 31 palluit’ vprströn: ob sumsjubpan möglich ist?]: sums gredags, sumz/uppan drugkans ist (vgl. oben S.611 Anm.4) suman/zubpan Eph 4, ı 1 Al'sie di- vis.’ VPPSTRÖN] In den Verbalformen gapjuh wasjuh iddjedunyuh wesunjuh scheint die etymologische Worttheilung bereits ganz fest geworden zu sein. Am erfolgreichsten widerstreben ihr die Fälle mit ursprünglich aus- lautendem 2. Ganz begreiflich, weil was (mit festem ursprünglichem s) rascher und entschiedener Einfluss auf wasuh gewinnen konnte als Awas (mit s nach dem bekannten gotischen Auslautsgesetz) auf das etwas abweichend klingende /uazuh. Ähnlich suns/ei nach suns und sunsjaiv. Dass die gotische Silbentheilung in den zusammengesetzten Ge- bilden, mit ihrer Differenzirung von atjiddja und pajtei, undjredan und anjduh skuljdu, den Verhältnissen der lebendigen Rede abgelauseht worden ist, lässt sich glücklicherweise auf anderem Wege beweisen. Das gotische Auslautsgesetz lehrt uns, dass thatsächlich in af-aikan af-etjya uf-aiheis mib-anakumbjan us-agjan, af allanma _mih allaim, gadof ist gob ist hinter dem Endkonsonanten des ersten Elementes Silbenschluss mit der Wirkung des Wortschlusses eintritt (/ statt d, s statt 2, p statt d), während vor einer Enklitika diese Auslautsumwandlung regelmässig unterbleibt: abu ubuh uzu dizuhban‘. Es heisst usiddja, aber uzuhiddja. Also findet in dem letztgenannten Falle ein Herüberziehen des End- konsonanten statt, nicht aber im ersten, was zu der Wortbrechung in anjduh und usjiddja genau stimmt. Die vereinzelten regelwidrigen Schrei- bungen mid-iddjedun Le 7, ı1 und wuz-on Me 15, 37.39 übertragen die orthographische Freiheit des Wortschlusses auf den .Silbenschluss in der Compositionsfuge’”. Man vergleiche, was soeben MeırLer zu der ganzen Frage bemerkt hat in den Memoires de la Soeiete de Linguistique 15[1908], 955. Und wieder kommt den Goten, wie mir scheint, Sukkurs vom Norden: da sagt man vaudigr uendr (mit ü- aus un-). Wie konnten alle diese «d i si- d- (aus an in sin- un-) entstehen, wenn nicht n überall sehr energisch als wortschliessender Consonant empfunden wurde, auch vor Vocal? Des Ulfilas Bibel theilt unjaiwiskana, die Monseer Fragmente 39, 2 unjarsterbantiun (vgl. 33, 26). ! Belegsammlung bei SrrEITBERG IF. 18, 388. 2 quodjannis di. guotannis Dessav le 154, 19. Man sprach also wohl guot-annis. — Der Veronensis des Livius schwankt zwischen nejglegens und nec/legens. — Vgl. auch Monsee Fragm. 31, ı2 heit nis cun neben heidano, 39, 27 blucnissa neben blugisota, 22, 4 sec no ta. tc sind nur im Silbenauslaut an ihrem Platze. W.Scnurze: Wortbrechung in den gotischen Handschriften. 623 Die Erfahrungen, die man in den modernen Sprachen gemacht hat, scheinen darauf zu führen, dass eine wirksame Beeinflussung der Silbentheilung durch das etymologische Bewusstsein sich auf die Dauer wohl nur dort behaupten kann, wo der Gebrauch des festen Vocal- einsatzes auch in der Composition ein deutlicheres Auseinanderhalten der einzelnen Bestandtheile erleichtert. Das Fehlen des festen Ein- satzes führt ebensowohl in England wie bei den Süddeutschen auto- matisch zu der Neigung, die Consonanten in der Compositionsfuge herüberzuziehen und mit dem folgenden Vocal als Silbenanlaut zu ver- binden. Luk aaO 35.68; Scuarz Mundart von Imst 14. 26; Horr- HAUSEN Soester Mundart 3. Da dieses Herüberziehen der Gonsonanten von den Goten, ausser vor den festangewachsenen Enklitika, prineipiell gemieden wird, haben wir anscheinend Grund genug, auch ihrer Sprache die Gewohnheit des festen Vocaleinsatzes zuzuschreiben. Längst hat man die bekannte Regel der altgermanischen Allitteration, derzufolge die verschiedenen Vocale mit einander gebunden werden dürfen, zu der gleichen Schlussfolgerung für die ältesten germanischen Sprach- zustände benutzt. Dieser Schluss, dessen Bündigkeit man bestritten, gewinnt vielleicht durch unsere Feststellung der die gotische Silben- theilung regelnden Prineipien verstärkte Überzeugungskraft. Auch in der Composition wird der feste Einsatz im Allgemeinen zur Anwen- dung gelangt sein, nicht aber vor den unselbstständigen Enklitika. Ich glaube bewiesen zu haben, dass die in den gotischen Hand- schriften befolgte Praxis der Wortbrechung im Prineip rationell und in der Durchführung constant genug ist, um sie sprachgeschichtlich verwerthen zu dürfen. Krasse Absurditäten werden wir ihr ohne Not nicht aufbürden, also z. B. nicht glauben wollen, dass sie jemals die mechanische Zerreissung eines echten Diphthonges gestattet haben sollte. Wenn wir demnach zweimal den Anlaut von evarrenıon auf zwei verschiedene Zeilen vertheilt finden — aijwaggeljo 2. Cor 4, 3 B aijwaggeljons Skeir md 8 —, so betrachten wir das, zusammen mit E-VHEL-PIS-TO CIL ıx 394, als eine willkommene Bestätigung der herr- schenden Ansicht, dass damals die auch von den romanischen Völkern allgemein reeipirte junggriechische Ausspraehe ew!' statt ey gegolten habe. Das Gleiche ist für Da/weidis Me 12, 35 (gr. Arveia) zu con- statiren’. An sich kann man ja dem gotischen Buchstabenzeichen nicht ansehen, ob ein griech. v oder ein german. w gemeint ist. Die Ver- ! Monsee Fragın. 7, 3 nine uue tis cun. Sonst iu- uuih du- uuares (mit und ohne Punkt) niu- uud hriu uun frau uuit scau uuot. Sievers Tatian® xxvı Anm. Isidor 10, 20 eujuuih. ®2 Monsee Fragm. 14, 23 da uites. Sitzungsberichte 1908. 60 624 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. muthung, dass Ulfilas eben aus dieser junggriechischen Aussprache die Anregung geschöpft habe, seinem w die Form des griechischen v zu geben, erhält so in der gotischen Überlieferung selbst eine er- wünschte Stütze. Ausserordentlich häufig begegnen wir den Diph- thongen au und is in zertheilten Wörtern vor dem Zeilenschlusse, nur zweimal wird das « in die nächste Zeile mit herübergenommen, bezeichnenderweise in Kafarna/[um] Mt ı1, 23, das dem viersilbigen Kasarnaoym genau entspricht, und in dem Zahlworte nijun Le 15,4, das demnach im Gotischen so gut zweisilbig gewesen sein muss wie sijbun 10,17 ahytau 16, 7 taiıhun 14, 31. An. niu ags. nigon as. nigun zeigen, dass die Einsilbigkeit des hochdeutschen niun eine local be- schränkte Erscheinung ist, die mit Unrecht bis heute für die Auffassung auch der gotischen Form massgebend gewesen ist. Vor Jahren habe ich für den got. Nominativ stüur, der mit hors skeirs swers gaurs schlechter- dings nicht zusammengehen will, zweisilbige Aussprache gefordert und durch die Etymologie (ai. sthavira-) gerechtfertigt. Dann würde das mangelnde Nominativ-s in sti-ur zu anbar unsar stimmen, das un- gebrochene ur zu fidurdogs. Jetzt, wo mir der Nachweis eines zwei- silbigen ni-un, wie ich hoffe, gelungen ist, empfehle ich meinen alten Vorschlag von Neuem zu freundlicher Erwägung. Was inzwischen über die Frage geschrieben worden, scheint mir solche Erwägung keineswegs überflüssig zu machen. M. Werrmann: Pseudodemocritea Vaticana. 625 Pseudodemocritea Vaticana. Von Prof. M. WELLMANN in Potsdam. Vorgelegt von Hrn. Diers. oO o Der Codex Vaticanus gr. 299, eine Papierhandschrift medizinischen Inhalts des 15. Jahrhunderts in Großquart (29,4 x 21), enthält von fol. 219" bis fol. 518° eine nach 1547 (raemz) Kapiteln geordnete, mit einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis (minaz APictH TÄC TIAPOYCHC TIYK- tiaoc) versehene pharmakologische Kompilation aus byzantinischer Zeit mit zahlreichen Zitaten des Hippokrates, Aelius Promotus, Galen, Orei- basios, Alexander von Tralles, Paulus Aegineta, Konstantinos Porphyro- gennetos und anderen. Da sich unter dem Namen des Konstantinos die auf Anregung dieses byzantinischen Kaisers (9 12—959) verfaßte Sammel- schrift des Theophanes Nonnos birgt, so darf als frühester Termin der Entstehung dieser Kompilation das ı 1. Jahrhundert gelten. Von den in dieser Kompilation aufbewahrten Bruchstücken verdienen die unter dem Namen des Aumokpitoy Asanpitoy' gehenden deshalb besondere Beachtung, weil sie uns lehren, daß Demokritos der ausgehenden Zeit des Alter- tums nicht nur als das Prototyp der abergläubisch-sympathetischen Richtung der Medizin, sondern auch als Vertreter der rationellen Heil- kunde galt und daß die medizinischen Fälschungen auf seinen Namen sogar noch bis in die byzantinische Zeit hinabreichen; denn so viel folgt aus der Verwendung lateinischer Wörter (rerıcreröroynon frg. 4. 7, AQ@PON frg. 11) sowie aus dem die spätere Gräzität verratenden Wortschatz (zemATizeın frg. 3, EnzemATion frg. 2, YAPoP6cAToN frg. II, KOTIANIZEIN fr. 3), vor allem aber aus dem Vorkommen des Wortes Carakhniköc (frg. 9), daß die pseudodemokriteische Schrift, die unserem Kompilator vor- gelegen, dem Ende des ı. Jahrtausends n. Chr. angehört. Die Schrift selbst war pharmakologischen Inhalts, in der Weise des Aynamepön des Aelius Promotus oder der Sammelschrift des Theophanes Nonnos an- gelegt, d.h. es waren in ihr die Rezepte nach den einzelnen Körper- teilen geordnet, vermutlich a capite ad ealeem. Ausführlicher ist bei ! Vgl. Roape, Kleine Schriften I, 383; Dıers, Fragmente der Vorsokratiker? I, 442. 60* 626 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. Besprechung der Augenkrankheiten die Anatomie des Auges, wie es scheint, im engen Anschluß an Galen behandelt (frg. ı). Für die ge- nauere Datierung dieser Fälschung gibt das ıı. Bruchstück, das von der Entzündung des Zäpfchens handelt, einen Fingerzeig. Der Abschnitt beginnt wie bei Theophanes Nonnos (c. 122) mit der Erklärung der Termini (rarrapeon, CTAsYAH, Kionic, iMAc); das war das herkömmliche Verfahren (vgl. Gal. XI, 959ff., Aet. VIII, 43); doch springt bei der Vergleichung der verschiedenen Berichte die fast wörtliche Überein- stimmung des Pseudodemokriteischen Berichtes mit Theophanes Nonnos in die Augen. Das, was diese Übereinstimmung über die Möglichkeit des Zufalles erhebt, ist die Wiederkehr des lateinischen Wortes in der Erklärung von imAc. Bei Pseudodemokrit heißt es: imAc ae (se. nEretaı), OTAN AETITYNeh Kal TAKA WcTep imAc, ToYTectı aöpon. Bei Theophanes: ImAc A, OÖTAN nEenTYNeh &cmep hwPplon. Beachtet man, daß der Pseudo- demokriteische Bericht dem Theophanes gegenüber den Eindruck des Ursprünglichen macht, so ist die Annahme am wahrscheinlichsten, daß der byzantinische Kompilator in diesem Falle den Pseudodemokrit zur Ergänzung seiner Exzerpte aus Paulos von Ägina und Aötios, die ihm möglicherweise schon in einer Exzerptensammlung vorgelegen, heran- gezogen hat. Daß umgekehrt Pseudodemokrit von ihm unabhängig ist, beweist unter anderem das sich gleichfalls mit Theophanes be- rührende Kapitel über die Bindehautanschwellung (frg. 8, Theoph. Nonn. 47 aus Paul. Aeg. II, 22, 5). Ist meine Annahme richtig, so dürfte die Pseudodemokriteische Schrift spätestens im 9. Jahrhundert entstanden sein. 1. Kap. czs (fol. 309"): AHumokPitov MEPI Ö®eAnMON. TIEPI TÜN MEN EN TOIC ÖBBAnMOIC TIABON (AETEIN CTIOYAAZWN) ÄNATKAION HTOYMAI THN ANA- TOMHN AYTO@N TIPONABEIN, XPHCIMHN OYCAN EIC TIOANÄ TÜN AEXEHCOMENWN. APXOMAI AE ENTAYEA TOT ETKEHANOY TPEIC KOINIAC EXONTOC, EMTIPOCEIAN, ÖTTICEIAN KAl MECHN. ETITÄ NEYPWN CYZYFIAI TIPOEPXONTAI &E AYTON XWPIC TON MACTOEIAWN KANOYMENON ÄTIO®YCEWN AYTAI TÄP AI MACTOEIAEIC ATIO®YCEIC MEPOC OYcAI TOY x ÖTTICOIOY ETKEBANOY EITI TÄC PINAC KABHKOYCIN, ENSA TO HEMWAEC OYTW KANOY- 4 MENON ÖCTOFN YITÖKEITAI, EN ® H ÖCHPANTIKN AYNAMIC ECTi. TOYTWN FOPN TON x ETITÄ CYZYTIÖN H TIPWTH KAl AEYTEPA KAAOYMENH EIC TOYC OBBANMOYC »EPETAI, x H MEN TIP@TH ÖTITIKHN AYTO ®EPOYCA AYNAMIN, KAG” HN AIAKPINEI TÄ XPWMATA, I TÖN (o in @ corr. sec. m.) P 2 AETEIN CTIOYAAZ@N supplevi 6 Yrıooy- ceıc P 7 lemöaec P, cf. Gal. rrepi xP. mopion VIII 7 (472 H. Ill 652 K.) 9 Entä] ex Marini et Galeni sententia, ef. Gal. Anarom. erx. IX S.9 ed. Simon H TIPOTH KAl AEYTEPA KAN.] cf. Gal. AnaTom. Eerx. IX S.7. TIEPI NEYP. AnAT. 2 (II 832 sq. K.) 10 #E- POYcAN P 15 20 25 30 M. Werwmann: Pseudodemoeritea Vaticana. 627 KAl (HD AEYTEPA A& KINHCIN, Kae” HN ÄNW Kal KÄTW KAl TIPÖC TÄ TINATIA TIEPI- CTPEBEI TÖN ÖBBANMÖN. EZAIPETON A& Kal TIPÖC THN (TIPW@THN) CYZYTIAN Excel’ TON TÄP ÄNAWN NEYPWN NACTÖN ÖNTWN AYTH MÖNH KOY$H ECTI KAl KOIAÖTHTA exel, Al HC KOIMÖTHTOC TO TINEYMA TO ÖTITIKÖN BEPETAI EITI TOYC ÖBBAnMOYcC. KAl ÄnNO AL EEAIPETON Exei TÄ NEPPA TAYTA’ CYNATITÖMENA FÄP ÄNAHNOIC XIWADC NOMIZETAI” TO MEN TÄP ACEION MEPOC EIC TÖN ÄPICTEPON Ö®BAAMON BEPETAI, TO A& ÄPICTEPÖN EIC TÖN ACEIÖN. OYK ECTI A& ÄnHeec, Ann AÄTÄÖTHN)TAI Oi OYTw NOMIZONTEC" METÄ TÄP TO CYFKAMBBÄNAI TIANIN YTIOCTPEBEI, TO MEN ACEIÖN MEPOC EIC TON AECEZION ÖBBANMON, TO AE& APICTEPON MEPOC EIC TON APICTEPÖN. TOYTO A& TETONEN YTd TÄC eYcewc, (wc) ei TIoY TIÄcxeı Ö ÖBeAnMöc Ö Eic, ÖnoN TÖ TINE?MA AIA TÄC KOINWNIAC EIC TON ENA CYNAXeH'" OBEN Kal HMEIC OTAN BOY- AWMESA EITI TIOAY TO AIACTHMA ÖPÄN, MYOTMEN TON ÖBBAAMON TON ENA, INA OAON TO TINETMA TO ÖTITIKÖN EIC TON ENA ABPoIceh. TAYTA TOINYN TÄC TIPOTHC CYZYFIAC TÄ NEPPA $EPÖMENA EK TOT ErKesÄnoY Eic TON ÖBBAnMön Troı- (fol. 309") OPCI TON AM®IBAHCTPOEIAÄ XITÜNA’ OYTW AE AETOYCIN, OTI EOIKE AIKTYW Kal ÄM®IBAHCTPW ÄNIEYTIKD. ENAOBGEN AL TOYTOY TO? AMSIBAHCTPOEIAOFC XITÜNÖC eicı TPIA YrPA’ TO Yanbacc (Kal TO WOEIAEC) AETÖMENON, ETIEIAN EoIKke TÖ NEYKO TOY WOY, KAi MECON ECTI TO KPYCTAANWAEC, TO KYPION MÖPION, @TTEP KAl AIAKPINETAI TÄ XPWMATA’ KAl AIA TOFTO EN TO MECW ®YNÄTTETAI KA TIE- PIEXETAI TIANTAXÖGEN. ECTI AC AYTO BEWPÄCAI EM TON ÖBBANMÜN TON IXeYwN' EoIKE FÄP MAPTAPITH TAYTA ENAOBEN TOY ÄMGIBAHCTPOEIAOFC XITÖNOC. EEWEEN A& db Paroyeiahc XITON ECTI, Al’ 0% ECTI TÖ MERAN TO ®AINÖMENON EN T® ÖBeAnMW" EN AL TO MEcW Exei ÖTIÄN TINA, (Ö) OYTWC AETETAI KÖPION, Al’ Hc EZEPXETAI TO ÖTITIKON TINEYMA. EEWBEN AL TOYTWN ECTIN Ö KEPATOEIANC Al- AYTHC, ÖC WC KEPATI EOIKEN. EEWBEN AE& TOYTWN TIÄNTWN ECTIN Ö EIITTERYKWC' TOYTO AE ECTI TÖ $AINÖMENON AEYKÖN EN TOIC ÖBBANMOIC KYKAW TOT MENANOC' NETETAI AE MENAN TOTE. KA| ÄPKECETAI AYTH H AÄNATOMH CYNTOMOC PHEÄNAI TOY ÖBBAnMOY' ANEABWMEN TOYN EI TÄ TIÄCH. 2. Kap. czr (fol. 309°): AHmokritov ABanpitov TIePi ÖweAnMON ®NETMONÄC" »AETMONH ECTIN, OTAN EITTAER TO Epeveoc Kal ÖrKWeh TA BAE- 29 SIM. Aet. VII 8. 12, Theoph. Nonn. 46. ı H addidi AeYTepa A& scripsi: AeYTEPAN P TIEPICTPEGOMENH TÜÖN ÖBBANMÖN P: correxi 2 MPOTHN addidi 3 KoIAÖTHTA] cf. Gal. rrepi xP. moPp. VIII 6 (463 H. II 639 K.) 5 xıwaöc] cf. Gal. 1. xp. Mor. X ı2 (1II 8ı3 sq. K.) 7 einate P: corr. Diels. 8 cYrkasehnaı P 10 ücaaddidi ei moY mAcxeı scripsi: ei mIoyxeeı P, cf. Orib. III 304 12 MYoYMmen suspectum 13 mna P ad rem cf. Gal. m. xP. moP. VIII 6 (463 H. 111 639 K.) 15 ÄMSIBAHCTPON AH P: correxi OYTw AL Eoıken HTol NEFOYCI AIKTYO P fort. A Kal 16 ÄMoIBNÄHCTP® P ÄNIEYTIKÖ sceripsi: AvAIP@PIKÖ P, nisi mavis ANAIoPHTG, ef. Ruf. 154 17 Kal TO woelaec addidi, ef. Ps. Gal. öpoı 4ı (XIX 358) Ruf. 154 Errei ae P 18 KYPION MöPIon] cf. Gal. Tr. XP. mor. VIII 5 (460 H. Ill 635 K.) Örrep (sic) P 20 TIANTABÖBEN P 21 TAYTA] an ToYTo? 22 HAH CXICTÖn P: correxi 23 ö addidi 25 ön P 26 eic ToYc öeeanmoYc P 27 verba NETETAI - TÖTE non intellego Apkecetaı dubitanter seripsi: eYPicketaı P 29 ÄYAEIPI- TOyaR 15 25 30 628 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. x ®APA, WC MÖnIc (KAl) META TIONOY AÄNOIFECEAI. TINETAI AC EMI AIMATI ETTIP- PEYCANTI" AIO KÄNNION PNEBOTOMEIN Ek TÄC WMIAIAC KAl KPANIAKÄC NETOMENHC ®NEBÖC, KAl AECMEIN TOYC TIÖAAC KAl KATANTAEIN KAl TÄC XEIPAC, KAl EIXY- MATIZEIN TANAKTI (TIPOC) THN ÖAYNHN H KAl EYKPATW H ENZEMATIW XAMAIMHNOY. ECTI A OTE KAl KATATINÄTTOMEN TO AIÄ $OINIKWN KATATIAACMATI, H TO AIA KPö- KOY. AÄTIEPITTOY AC TENOMENOY TOY CWMATOC AOYEIN AEI BPEZANTA CTIÖFTW OINON Kal EITIBENTA TW OBBAnNMW Kal AECMEYCANTA KAl TPO®HN EYXYMON TIAP- EXEIN. 3. Kap. co (fol. 310”): AHmokrpitoy ABaHpitov TIEPI @nerMmonAc Ö®BANMON OTTOY, ÄKAKIAC, KÖMeWc MEee” YAATOC EE IcoY ÄNAAABUN XPÜ' H TYPON AITEION ZEMATICAC ETTIBEC TOIC BAEWAPOIC. TIPÖC ÖEYN TIÖNON ÖbBAAMOY' ®YANA TIHTÄNOY KOTIANICAC KAl ATIOCYPWCAC TON XYAON ENCTAZE TAIC PIC KATÄ TO MEPOC TO? OAYNWMENOY ÖbBAAMOY KAl BEPATIEYCEIC. TIPÖC ®NETMONHN" YOCKYAMOY ®YAnA XAWPÄ CYN YYanlo KAl KPOÖKON WO? CYN KPIEINW ANEYPW KAl YAATI EYHMENW KATÄTTAACCE. 4. Kapneone re AHmoKPIToY TIPöCc beYMmA' TIEPICTEPÖTTOYAON A m MAYPON KÖPON ®AEBOTÖMHCON YTIOKAÄTW TÄC TITEPYFOC AYTOYF Kal EYPHCEIC.... n jw7 KAl EMBANE EIC TON Ö®BANMÖN AYTH TH PA. 5. Kap. cos: AHmokpitoy mPöc PefMma ÖweAnMo?' KoXnioYc AABÜDN XEPCAIOYC AEIWCON METÄ AEYKO? TOY WOT, KAI TIOIEI EMTINACTPWAEC KAl KATA- XPICON EN PÄKEI Kal ETIIBEC KATA METWTIOY, KAl ETTÄN TO PEPMA TIAYCH, A EAYTOY EKTIITITEI. TIPÖC TIÖNON Ö®BAAMOY' AIBAPFYPON KAl CTIEPMA MHKWNOC CYN TYNAIKEl® TANAKTI neiwcac (fol. 311") Ezween TIEPIXPIE. 6. Kap. con (fol. 311"): AnHmokpitoy mepl TPIxIÄcewc Ö®eAn- MON. TPIXIACIC ECTIN, OTAN ÄNNAI TPIXEC EN TO BAESAPW ®YOYCI KAl NYTTOYCI TON Ö®BAAMON KAl AAKPYEIN TIOIOYCIN. EN TOYTW TIAPAAAMBÄNOMEN THN ÄTIO- TOMIAN KAl THN AÄNAPPAHN H THN KATAPPAGHN, EI EN TW KATW BAESAPW EICIN. TTPÖC XANÄZION' XANÄZION AETETAI, OTAN EN TOIC TO? BAEsAPOY ErrYc TO? TAPCOY, OToY Ai TPIxec (eici), YYAPAKIA TINA CTPOTTYAA TINETAI MAAAKA Kal tınaaapk (fol. 311"), EoıKÖTA XAnAZiw. TO AC TOIOPTON Kal EKTEMNOMEN A ÄTTOAINOYMEN. 24 SIM. Aet VII 68 (157 H.). Paul. Aeg. Ill 22, 2ı (379H.) 28 SIM. Aet. VII 83 (185 H.) ı öc seripsi: kal P «ai addidi 2 @MIAlAC] i. e. ex vena cephalica 3 fort. Kal TÄC xelPac post TI6AAC collocanda sunt 4 mpöc addidi coll. Aet. VIlız fort. ZEMATIO XAMAIMHA@ P: correxi SEO 6 Arıepitoy P 9 ÄYAHPI- toyY P 13 cf. Theoph. N. 46 (p. 200) 14 Yınnio P 17 Kopöon P lacu- nam significavi 18 AYTH (comp. ser.) P 22 post EAaYToY dist. P 25 ®YoyYcı — NYTTOYcI — TIOI0YcIn P 28 l[urt. EN TOIC BAEPAPOIC 29 eici addidi YIiaPAkIA P 20 25 M. Werrmann: Pseudodemoeritea Vaticana. 629 7. Kap. enz (fol. 312"): AHmoKPitoy TIPöc YTIOC#ÄrMATA ÖHEAAMON. TTIEPI YTIOC#ÄrMATOC HTOI AIMATIAOC. YTTÖCBATMA KANOFCIN HTOI AIMATIAA, OTAN (ER) TIAHFÄC TINOC ÖBeAnMöC PÄEIN YTIOMENH ®AEBIWN MIKPÖN KAl EKXYeh AiMA' TINETAI (AL) EPYEPÖN TO ANEYKÖN, OYX OnON AnnA MEPOC' EAN AC XPONICH, OYK EPYBPON AANÄA MERAN TINETAI. IWMEBA A& TOYTOYC COÄTTONTEC TIEPICTEPÖ- TIOYAON KAl TO AIMA GEPMÖN EFXYMATIZONTEC" TOYTO Kal Em TOT TPAYMATOC TMOIÖN MEFÄNWC EITITYFXÄNEIC. 8. Kap. cq (fol. 312”): AHMmokKPiToY TIEPl xHMWCEWC. AYO CH- MAINEI H XHMWCIC TIÄBH" EN MEN, OTAN EK ®NETMONÄC METÄAHC ÄMBÖTEPA TÄ BAESAPA KYPTWEH Kal EKTPATIÄ, KAl 0Y AYNATAI OÖNON CKETIEIN TON ÖBOAAMÖN. KAl TOFTO BEPATIEYOMEN ÜCTEP TO YTIÖCHATMA THN ®NETMONHN. AETETAI AE KAl XHMWCIC KYPIwc, OTAN TO AEYKON OAON TOY ÖBBAAMOT BNETMAINON YYHAO- TEPON TENHTAI TOT MEAANOC, OBEN YAINETAI BABYTEPON KAl KYKAÖTEPON TO ME- AAN. KAl TOFTO ONON ÄTIOAYCEIC ATIOKPOYCTIKOIC KOANOYPIOIC. KEXPHMEBA OYN TO KoAnoOYPION TO AIA TÄNAKTOC" ÄTIOKPOYETAI A& (Kal) TO Oeosinion TÖ Al oInoy, 6 "EpmönAoc, TO CTAYPIAION KAl TÄ TOIAYTA. 9. Kap. cas (fol. 312”): mer) nevenion AHMokKPITOY. AABÜN CTYTITHPIAN CAPAKHNIKHN KE A, ÄnAC TArTTPHNÖN x MIAN, BAANWN EN Haiw, KICCOF ®YANnA EK TÜN EEHTINWMEN@N EIC TIETPAN ETTÄNW TON XYAÖN CYN TÄHAKTI TYNAIKEIO CYFXPIE TPITON TÄC HMEPAC Kal BAYMÄceIC. Ä KÖTIPON TIEAAPTOY, ETYTITHPIAN CXICTHN EIC PAKOC KOCKINICAC TIPO TOY ANATEINAI TON HnIoN XPIE TOYC Ö®BAAMOYC. MH CKÖPOAON TPIYAC METÄ TÄNAKTOC TYNAIKÖC XPIE KAl 9AY- MACEIC. 10. Kap. 1z (fol. 314”): AHmokPitov mPpöc YıoTıa Kal TENIW- MATA. 6GAYlac xYn0o? lo A, nıBAnoy To r, KHPoY To A, THEAC TON KHPÖN PoAINW ÄNANAMBANE TÄ ZHPÄ Kal MIEAC XP TIETIEIPATAI TÄP. Ä BPYWNIAc PIZAN CYN MENITI ÄNAAAMBANE KHPWTHA. 11. Kap. vas (fol. 329°): AHmokPitoy TeP) BnermonÄc TAPFAPEBNOC. TAPTAPEWN ECTIN H AETOMENH TIAPA TOIC TAIWTAIC CTAPYAH. ECTI A OTE $nE- ı SIM. Aet. VII 22 (42 H.). Paul. Aeg. III 22, 6. 7 (374 H.). Theoph. N. 48 (206) 8 SIM. Paul. Aeg. III 22,5 (373 H.). Theoph. N. 47 (204); Orib. V 446 ı rıpöc] rrepi P YmosPArmatA P 3 €K addidi ex Aet. rmHurA P Yrmome- NoN P 4 A& addidi 5 FINETAI seripsi: AEreTAaı P fort. TOYTo 9 ER] EKÜN (sie) P 10 EKTParıh Paul. Aeg.: oY TParA P II ToYTon P 13 KY- Knölg P 14 T6TE noImön Amonfcei P: correxi KoYanoYPıon P 15 Kal addidi ad Theophilium cf. Alex. Tr. II 19. Aet. VII 45 (110) ad Hermolaum cf. Aet. VII 9 (GE) Alex rl 27 16 fort. CTATIKöÖN coll. Aet. VII 7 (16H.) 18 ad TArFPHNöN cf. Steph. Byz. s. FArrpa, Theoph. N. 62 (238) sAnnonP Hnio] 7 P 26 EH (litt. PA macula delet.)P sPpwmioy P: correxi coll. Gal. XII 817 27 ÄNANAMBANoY P 28 cf. cod. Laur. App. 2 f. 359 29 mg. post: ialöTaıc add. rAPrAPE@GN P 25 630 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Juni 1908. FMAINEI KAl NEKPOFTAI, KAl TÖTE TTAPANAMBÄNOMEN THN CTA®YAHN TOMA H KAIOMEN YYXPOKAYTÄPI. AEI AEC EIAENAI OTI TETPAXWC AETETAI TO MÖPION TOFTO' TAP- TAPEON, CTA®YAH, KIONIC KAI IMAC. TAPTAPEWN MEN TAP, OTAN KATÄ ®YCIN EXH. CTABYAH AC, OTAN (&nerMHNH AYTO? TO ÄKPON Kal ÖMOIWeh PAri CTABYAAC' KIONIC A& OTAN) OnwWc @NErMÄNH KAl TIAXYNEH WC KIWN" IMÄC A&, OTAN AE- TITYNeH Kal TAKH WCTTEP IMAC, TOYTECTI AWPON. AEI A& CXEAON AI EMI AYTON ÄNATAPTAPICMOIC XPÄCOAI Al’ YAPOPOCÄTOY Kal XYAOY TITICÄNHC KAl ÄTIOZEMATOC ®AKÄC KAl ®OINIKWN KAl BAÄTWN KAl TON TOIOYTWN. ı2. Kap. ega (fol. 366°): mPöc EmetTon cTomAxov AHMoKPITOY. A®PÖNITPON AEYKÖN BAAAE EiC YAWP XNIAPÖN, EwWc 0% AYeh, BPAXY TI EAAION ETTIBÄNN@N, KAI TIAPEXE TIINEIN’ A NITPON ÖMolwc EN YAATI XAlAP® XYAlcac KAl ÖnIrON EnAlon EMIITINEEAC TIÄPEXE TIINEIN KAl Ep&eize TIPÖC EMETON. ge" CTANTIKÖN EMEToY ABaHrpitovY' Hayocmon Kö- (fol. 367") vac Kai cHcAc Kal Mizac Enalw PoAainw Erixpie TÖ cTHeoc Kal TAÄc Pinac’ Ä #oInIKAC ÖHBAIKOYC, HAYÖCMOY KAQNAC TIENTE, YAATOC TIOTHPIA AYO METPÜÖN Eyei, EwWc TAOIWAEC TENHTAI, KAl TO HMICY TIÖTIZE. 13. Kap. vaq (fol. 391"): AHmokPiToY' ÄrPIOKAPAAMOY PIZA KAl TÖ CTIEPMA OYPON KINEI KAl KATAMHNIA TIPOTPETIEI META OINOMEAITOC EYHMENH KAl TIINOMENH" Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlunge aulgenommenen wwinsenachaftlieben Mittheilungen, Reden, Kllresen oder Berichten werden für die Verfasser, voı wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonde - abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des b = treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. VonGedächtnissreden werden ebenfallsSonder: abdrucke für den Buclihandel hergestellt, indess nur dann, wenn = Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären 89. f Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Kaas ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Za} von noch 100 und auf seine Kosten noclı weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, | sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- 1 gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mei ‘ Atdacke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- 5 treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 ‚Frei- x exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei | redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. 2 “| Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- j hält ein Verfasser, weleher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30° el exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke 3 auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu 4 der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- | treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- | % exemplare nd dürfen nach reehkzeiiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schritten he stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf * in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener h Stelle anderweitig, sei es Bush nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) ar BAR 631 SITZUNGSBERICHTE _ 1908. XXXIL DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 25. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEn. l. Hr. Pzanex trug über »Die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase« vor. (Erste Mittheilung.) Als »kanonische« Zustandsgleichung wird diejenige Relation bezeichnet, welche die Entropie als Function der Energie und des Volumens darstellt. Diese Gleichung, welche das gesammte thermodynamische Verhalten der Substanz charakterisirt, lässt sich auf Grund der Bowrzuann’schen Definition der Entropie durch die Wahrschein- lichkeit des Zustandes direct ableiten und ergiebt für ein Gas, dessen Atome als starre Kugeln vorausgesetzt werden, eine Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur, welche mit der bekannten van per Waars’schen Zustandsgleichung im Wesentlichen übereinstimmt. 2. Hr. Frogenivs legte eine Arbeit des Hrn. Prof. Dr. Lanpau vor: Zwei neue Herleitungen für die asymptotische Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grenze. (Ersch. später.) Der Verfasser giebt zwei neue Beweisanordnungen für den Satz, dass die Anzahl der Primzahlen bis & asymptotisch gleich dem Integrallogarithmus von .« ist. 3. Der Vorsitzende legte den von dem General-Seeretar Prof. Dr. Orro Pucasteim erstatteten Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlieh Deutschen Archäologischen Instituts vor. (Ersch. später.) 4. Hr. Kosrr überreichte den ersten Band des von ihm und Prof. Dr. Hans Drovsen auf Grund der für die Königlichen Archive er- worbenen Autographensammlungen bearbeiteten neuen Ausgabe des Briefwechsels Frreprıcn’s DES GROSSEN mit VorrAmreE (Publikationen aus den Preussischen Staatsarchiven Band 81). Derselbe legte im Namen der Centraldireetion der Monumenta Germaniae historieca vor: Serip- torum Tomi XXXII Pars II (enthaltend den Schluss der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam in der Bearbeitung von Oswarn HoLpEr- Esser nebst Appendices und Registern). Sitzungsberichte 1908. 61 632 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. 5. Hr. von Wıramowırz-MoELLEnDorRFF überreichte seine Schrift: Greek Historical Writing and Apollo. Oxford 1908. 6. Die Akademie hat durch die philosophisch-historische Classe zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechisch-römi- schen Epoche für das Wörterbuch der aegyptischen Sprache 1000 Mark bewilligt. Pranck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 633 Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. Von Max PLanck. Erste Mitteilung. Einleitung. Aıs »Zustandsgleichung« einer Substanz wird in der Thermodynamik gewöhnlich diejenige Relation bezeichnet, welche den Druck p, das Volumen V und die Temperatur 7 miteinander verknüpft. Indessen erschöpft diese Gleichung bekanntlich keineswegs das gesamte thermo- dynamische Verhalten der Substanz. Insbesondere kann man aus ihr weder die spezifischen Wärmen c, und «,, noch die freie Energie F, noch die Gesamtenergie #£, noch die Entropie S eindeutig berechnen, wenn auch allen diesen Größen durch die Zustandsgleichung gewisse Be- dingungen auferlegt werden. Nun ist aber schon im Jahre 1877 von F. Massırv, ebenso wie später von J. W. Gısss, H. von HrerLmnorzzZ u. a. darauf hingewiesen worden, daß sämtliche thermodynamische Eigenschaften einer Substanz, also auch die gewöhnliche Zustandsgleichung, sich aus einer einzigen charakteristischen Funktion der unabhängigen Variablen durch einfache Differentiationen in vollkommen eindeutiger Weise ableiten lassen. Daher wird es zur Gewinnung einer möglichst vollständigen Kenntnis der thermodynamischen Natur einer Substanz zweckmäßig sein, statt der gewöhnlichen Zustandsgleichung die charakteristische Funktion selber ins Auge zu fassen. Je nach der Wahl der unabhängigen Variablen ist aber diese Funktion eine andere: für Vund T als unabhängige Variable ist es die freie Energie #—= E-TS, für T und p ist es die Funktion #£- TS + pV, für V und E ist es die Entropie S. Man wird also noch eine Entscheidung darüber zu treffen haben, welcher von diesen verschiedenen charakteristischen Funktionen bzw. welchen unabhängigen Variablen der Vorzug zu geben ist. Diese Frage soll zunächst erörtert werden. 61* 634 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. Wenn es nicht auf die größere Bequemlichkeit in der praktischen Handhabung der Formeln, sondern auf ihre prinzipielle Bedeutung ankommt, so kann die Auswahl unter den unabhängigen Variablen nicht schwer sein. Denn vom prinzipiellen Standpunkt aus haben die- jenigen Größen den ersten Anspruch darauf, als unabhängige Variablen Verwendung zu finden, welche die allgemeinste Bedeutung besitzen. Aus diesem Grunde kommt sowohl der Druck p als auch die Temperatur T als unabhängige Variable erst an zweiter Stelle in Betracht. Beide Größen verlieren nämlich ihre Bedeutung, wenn man den allgemeinsten Zustand der die betrachtete Substanz bildenden Molekeln ins Auge faßt. Denn sowohl der Druck als auch die Temperatur sind nur zu definieren dureh Mittelwerte, und zwar der Druck durch den Mittel- wert der Bewegungsgrößen, die Temperatur durch den Mittelwert der kinetischen Energien der Molekeln, und solche Mittelwerte werden im allgemeinen gar nicht existieren. Daher bleiben von den obengenannten unabhängigen Variablen nur das Volumen V und die Energie E zurück, welche auch im allgemeinsten Falle, für jeden beliebig herausgegriffenen Teil der ganzen Molekelschar, bestimmte Werte besitzen, und dem entsprechend ist nach dem Obigen die Entropie S als charakteristische Funktion der Substanz zu wählen. Entsprechend der allgemeinen für Gleichgewichtszustände gelten- den thermodynamischen Beziehung: __ dE+ pdV ds 7 findet man dann durch Differentiation von 5 nach E die Temperatur T und durch Differentiation nach V das Verhältnis 5 als Funktion von E und V, und dadurch sind alle thermodynamischen Größen in be- stimmte Beziehungen zueinander gebracht. Ich will im folgenden zur Ab- kürzung diese ausgezeichnete Zustandsgleichung, welche S als Funktion von E und V darstellt, die »kanonische« Zustandsgleichung nennen. Abgesehen von ihrer im vorstehenden dargelegten prinzipiellen Bedeutung besitzt nun aber die kanonische Zustandsgleichung noch einen anderen, nieht nur prinzipiell wiehtigen, sondern auch eminent praktischen Vorzug vor den übrigen Formen der Zustandsgleichung: es existiert nämlich eine Methode, um diese Zustandsgleichung für eine gegebene Substanz wirklich abzuleiten, und zwar auf Grund der allgemeinen von L. Borrzmanw aufgestellten Definition der Entropie durch die Wahrscheinlichkeit. Diese Methode besitzt vor allem den Vorzug vor den sonst gebräuchlichen im Anschluß an die grund- legenden Untersuchungen von J. D. van DER Waars entwickelten Me- Pranck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 635 thoden zur Aufstellung der Zustandsgleichung, daß man nicht von thermodynamischen Gleichgewichtszuständen auszugehen und daher auch keinerlei Voraussetzungen über das Gesetz der Geschwindigkeits- verteilung und über die kinetische Bedeutung der Temperatur von vorn- herein einzuführen braucht. So plausibel es nämlich auch erscheinen mag, die Temperatur einfach als Maß der mittleren lebendigen Kraft der fortschreitenden Bewegung der Molekeln zu betrachten, so umständ- lich und schwierig ist es auch, die allgemeine Zulässigkeit dieser Definition wirklich streng zu beweisen. Denn dazu ist natürlich vor allem der Nachweis erforderlich, daß die mittlere lebendige Kraft der fortschreitenden Bewegung der Molekeln für zwei ganz beliebige Substanzen, die miteinander im thermischen Gleichgewicht stehen, die nämliche ist. Ein solcher Nachweis ist ganz entbehrlich und der Begriff der Temperatur überhaupt unwesentlich, wenn man es gar nicht mit Gleiehgewichtszuständen zu tun hat. Wohl aber lassen sich, wenn erst einmal der allgemeine Ausdruck der Entropie gefunden ist, aus dem Maximalwert dersclben alle Eigenschaften des Gleich- gewichtszustandes, also sowohl das Gesetz der Gesehwindigkeitsver- teilung als auch die kinetische Bedeutung der Temperatur, in ein- facher Weise deduzieren (vgl. unten $ 5). Die Brauchbarkeit der angedeuteten Methode für die Ableitung der Zustandsgleichung idealer einatomiger Gase habe ich bei einer früheren Gelegenheit gezeigt. In den folgenden Untersuchungen be- absichtige ich, dieselbe zunächst auf die Zustandsgleiehung beliebiger einatomiger Gase anzuwenden. Die Verallgemeinerungen, die zu diesem Zweck an den für ideale Gase giltigen Ausdrücken angebracht werden müssen, sind zweierlei Art. Erstens ist der Ausdruck der Energie E des Gases, welcher bei idealen Gasen nur die kinetische Energie ent- hält, zu erweitern durch die Aufnahme eines additiven Gliedes, welches die potentielle Energie der zwischen den Atomen wirksamen Kräfte ausdrückt. Diese Operation ist ohne jede Schwierigkeit auszuführen. Zweitens aber erfordert der Ausdruck der Wahrscheinlichkeit, aus welchem die Entropie S zu bilden ist, einige besondere Überlegungen. Bei idealen Gasen wird nämlich die Wahrscheinlichkeit eines durch ein beliebig vorgeschriebenes Gesetz der Raum- und Geschwindigkeits- verteilung gegebenen Zustandes einfach ausgedrückt durch die Anzahl der diesem Zustand entsprechenden »Komplexionen«, d.h. durch die Zahl sämtlicher verschiedenartigen individuellen Zuordnungen der einzelnen Molekeln zu den einzelnen Elementargebieten des Raumes und der Geschwindigkeit, welche bei dem vorgeschriebenen Raum- und Geschwindigkeitsverteilungsgesetz möglich sind. Dieser Satz schließt offenbar die Voraussetzung in sich, daß alle verschiedenen 636 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. Komplexionen gleichwahrscheinlich sind, daß also z.B. eine Kom- plexion, bei der sämtliche Atome in einem einzigen bestimmten Raum- element liegen, ebenso wahrscheinlich ist wie eine andere, bei der die einzelnen Atome in ganz bestimmter Weise auf verschiedene Raum- elemente verteilt sind. Solange die Atome keinerlei Wirkungen auf- einander ausüben. wird man diese Voraussetzung ebenso als richtig anerkennen müssen wie etwa den Satz, daß es ebenso wahrschein- lich ist, mit einem gewöhnlichen sechsseitigen Würfel bei 6 Würfen jedesmal 6 Augen zu werfen wie das erstemal 1, das zweitemal 2, das drittemal 3 usw., oder überhaupt irgendwelche ganz bestimmte Zahlen in ganz bestimmter Reihenfolge zu werfen. Sobald aber die Atome irgendwelche Wirkungen im Raum auf- einander ausüben, ist es, wie auch schon L. Borrzmann' gezeigt hat, für die Wahrscheinlichkeit der Zuordnung eines Atoms zu einem be- stimmten Raumgebiet nicht mehr gleichgültig, ob schon andere Atome in diesem Raumgebiet vorhanden sind oder nicht. Am einfachsten läßt sich dies einsehen, wenn man sich die Atome als starre undurch- dringliche Raumgebilde von endlichem, wenn auch sehr kleinem Volu- meninhalt denkt. Denn dann ist bei der Einordnung eines Atoms in ein Raumgebiet die Größe des für das Atom verfügbaren Raumes, also auch die Wahrscheinlichkeit, daß das Atom in das Raumgebiet zu liegen kommt, mitbedingt durch die Anwesenheit anderer Atome. Je mehr Atome in dem Gebiet schon vorhanden sind, um so beschränk- ter ist der für neue Atome verfügbare Raum, und wenn das Gebiet so von Atomen besetzt ist, daß zwischen ihnen keine anderen mehr Platz haben, so ist die Wahrscheinlichkeit des Hinzutretens eines neuen Atoms direkt gleich Null. Aber auch wenn man sich die Atome als ausdehnungslose Zentren von anziehenden oder abstoßenden Kräften vorstellt, deren Intensität mit abnehmender Entfernung schnell wächst, erkennt man leicht die Existenz eines Einflusses der gegenseitigen Wirkungen auf die Wahrscheinlichkeit einer Komplexion, nur daß hierbei dann auch die relative Geschwindigkeit je zweier Atome eine wesentliche Rolle spielt. Ist z. B. die Kraft zwischen zwei Atomen anziehend, so nehmen dieselben bei starker Annäherung notwendig eine große relative Geschwindigkeit an; es ist also sehr unwahrschein- lich, daß zwei Atome mit sehr kleiner relativer Geschwindigkeit sich in sehr großer Nähe befinden. Umgekehrt verhält es sich, wenn je zwei Atome sich abstoßen. In jedem Falle aber läßt sich die Wahr- scheinlichkeit einer bestimmten Komplexion aus den angenommenen Daten nach bekannten Methoden berechnen. ' L. Borrzuann, Gastheorie II, S. 171, 1898. Pranck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 637 Aus dem Gesagten ergibt sich, daß auch bei Berücksichtigung der Wechselwirkungen der Atome die Entropie eines Gases in irgend- einem gegebenen Zustand aus der Wahrscheinlichkeit des Zustandes abgeleitet werden kann; nur hat man dann außer der Anzahl der dem Zustand entsprechenden Komplexionen auch noch die Wahrscheinlich- keit der einzelnen Komplexionen zu berücksichtigen. Die Durchfüh- rung dieser Aufgabe für verschiedene Annahmen bezüglich der Wechsel- wirkungen der Atome bildet das Ziel der von mir begonnenen Unter- suchungen. In der vorliegenden Mitteilung habe ich den einfachsten Fall behandelt, daß die Atome als starre undurchdringliche Kugeln betrachtet werden dürfen, und zwar unter der vereinfachenden Voraus- setzung, daß die Summe der Volumina der Kugeln klein ist gegen das Gesamtvolumen des Gases. Das Resultat ist eine Form der kano- nischen Zustandsgleichung, welche für die Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur im wesentlichen zu der bekannten vAN DER Waarsschen Formel führt, wie auch leicht verständlich ist, da die VAN DER Waarssche Theorie gerade von der nämlichen physikalischen Voraussetzung gebrauch macht. Über die aus der Annahme von ausdehnungslosen Kraftzentren folgenden Resultate hoffe ich bei einer anderen Gelegenheit berichten zu können. $ 1. Entropie. Wir denken uns ein aus einer sehr großen Zahl N von gleich- artigen Atomen bestehendes Gas in irgendeinem gegebenen Zustand Z. Dazu gehört und ist hinreichend, daß die Raum- und die Geschwindig- keitsverteilung der Atome bekannt ist, d. h. daß die Anzahl der Atome gegeben ist, deren Raumkoordinaten bzw. in den Intervallen von vw bis © + de, y bis y + dy, z bis z-+ dz, und deren Geschwindigkeits- komponenten zugleich in den Intervallen von £ bis &+ d&, nbis n + dn, S bis <+ dd liegen. Setzen wir zur Abkürzung: da:-dy-da—r und d-y-d&=e, (1) so sei diese Anzahl: Jr (93,858) r-o. Dabei ist also die Funktion f als gegeben anzusehen. Dieselbe kann jede beliebige Form besitzen, wenn nur: 2,2,.fro=N. (2) 638 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. Es handelt sich nun um die Entropie $ des Gases in dem ge- gebenen Zustand Z. Allgemein jstee S = klogW + const wobei k — 1,346- 02 (3) und W die Wahrscheinlichkeit des Zustandes Z bedeutet. Dieselbe wird nach L. Borrzmann® gemessen durch die Anzahl N der Kom- plexionen oder der individuellen Zuordnungen, welche der gegebenen Raum- und Geschwindigkeitsverteilung f entsprechen: (4) Aber dieses einfache Maß für die Wahrscheinlichkeit ist nur dann direkt brauchbar, wenn sämtliche überhaupt möglichen Kom- plexionen, auch wenn sie ganz verschiedenen Zuständen angehören, von vornherein gleichwahrscheinlich sind, wenn also z. B. eine be- stimmte Komplexion, bei der alle Atome in einem einzigen bestimmten Raumelement r vereinigt sind, genau ebenso wahrscheinlich ist, wie eine andere Komplexion, bei der die einzelnen Atome über alle Raum- elemente in bestimmter individuell geordneter Weise verteilt sind. Diese Voraussetzung trifft nun aber nur für den Fall zu, daß die Atome sich gänzlich unabhängig voneinander verhalten, d. h. daß es bei der Verteilung der Atome auf die verschiedenen Raumgebiete r für die Wahrscheinlichkeit keinen Unterschied macht, ob ein Raum- gebiet, dem ein Atom zugeteilt wird, bereits andere Atome enthält oder nieht. Denn wenn die Atome mit Kräften aufeinander wirken, und zwar um so stärker, je näher sie aneinander rücken, so ist einleuchtend, daß für Raumgebiete, welche bereits viele Atome ent- halten, das Hinzutreten neuer Atome mit anderen Bedingungen ver- knüpft ist als für Raumgebiete, in welchen sich wenige oder gar keine Atome befinden. Näheres hierüber ist schon oben in der Ein- leitung ausgeführt worden. Um daher das richtige Maß für die Wahrscheinlichkeit W eines bestimmten Zustandes Z zu gewinnen, hat man nicht nur die Zahl N der dem Zustand entsprechenden Komplexionen, sondern auch die Wahrscheinliehkeit jeder einzelnen dieser Komplexionen zu berück- sichtigen. Nun ist zunächst klar, daß alle N Komplexionen, welche einem und demselben Zustand Z entsprechen, untereinander gleich wahrscheinlich sind; denn sie unterscheiden sich nur durch den Aus- 1 M. Pranck, Vorlesungen über Wärmestrahlung S. 162, Gl. (253). ® L. Borrzmann, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 76, ı1. Oktober 1877. M. Pranck, a.a.O. S. 143. Praxck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 639 tausch individueller Atome, während die Verteilungsfunktion f bei allen Komplexionen dieselbe bleibt. Also ist WER-w, (5) wobei w die Wahrscheinlichkeit irgendeiner der Verteilungsfunktion f angehörigen Komplexion bedeutet. Es bleibt sonach noch w zu be- stimmen. Da die Vorgänge in verschiedenen Raumgebieten r gänzlich un- abhängig voneinander sind, so stellt sich w als ein Produkt dar: lo (6) Hierbei ist die Multiplikation II, über alle Raumgebiete 7 zu er- strecken, und ı, bezeichnet die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ee ji —ıy (7) gegebene Atome mit der durch die Funktion f vorgeschriebenen Ge- schwindigkeitsverteilung im Raumgebiet r vereinigt sind. v ist eine große Zahl, und nach (2) ist: Say UN: (8) Für den speziellen Fall, daß alle Atome sich gänzlich unab- hängig voneinander verhalten, d.h. für ein ideales Gas, geht W in N über; dann erreicht also w, und ebenso w,, den Maximalwert 1. Daher kann man auch sagen: die Wahrscheinlichkeit w,, ein echter Bruch, ist das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit dafür, daß v Atome mit der durch die Funktion f vorgeschriebenen Gesehwindigkeitsver- teilung im Raume r vorhanden sind, zu derjenigen Wahrscheinlich- keit, welche in dem nämlichen Raume 7 für die nämliche Geschwin- digkeitsverteilung f bestehen würde, wenn die Atome sich unabhängig voneinander verhielten, d.h. keinerlei Wirkungen aufeinander aus- üben würden. Nach den vorstehenden Gleichungen (3) und (5) wird somit die Entropie des Zustandes Z: S — klog®t + klogw + const oder mit Einsetzung der Werte von N aus (4) und w aus (6) und Benutzung des Srtirrinsschen Satzes in seiner abgekürzten Form: 6) S—-k2,2,f-logf-r-o +k2,logw, + const. (9) 640 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. $ 2. Volumen und Energie. In dem gegebenen Zustand Z/ besitzt das Gas natürlich auch ein bestimmtes Volumen V und eine bestimmte Energie #, und zwar ist: V= 2,1. (10) Bezüglich der Energie # wollen wir der Einfachheit wegen an- nehmen, was zwar nicht selbstverständlich ist, aber durch die Analogie mit den grobmechanischen Vorgängen nahegelegt wird, daß # sich als Summe zweier Glieder darstellt: E=L+U, (11) von denen das eine, die kinetische Energie /, den Wert hat: L=-7" 32 (e ++ B).fro (12) (m Masse eines Atoms), während das andere, die potentielle Energie U, nur von der gegenseitigen Lagerung der Atome abhängt. Dann ist U, wie Hermnorrz schon im Jahre 1847 in seiner »Erhaltung der Kraft« nachgewiesen hat, das Potential von anziehenden und abstoßenden Zentralkräften, welche zwischen je 2 Atomen wirken. Wir bezeichnen die potentielle Energie oder das Potential zweier in der Entfernung r befindlicher Atome aufeinander mit $(r). Je nach- dem »(r) mit wachsendem r zunimmt oder abnimmt, ist die zwischen den Atomen wirkende Kraft anziehend oder abstoßend. Da die Vor- gänge in den verschiedenen Raumgebieten r unabhängig voneinander verlaufen, so folgt, dai in Entfernungen r, welche von der Größen- ordnung der linearen Dimensionen von 7 sind, und darüber hinaus $(r) sich mit r nicht mehr merklich ändert. Durch eventuelle Hinzufügung einer passenden additiven Konstanten können und wollen wir bewir- ken, daß (r) für r = co den Wert Null annimmt. Dann ist p(r) bei Anziehung negativ, bei Abstoßung positiv. Die potentielle Energie U des Gases ist von der Form: D 20 (13) wo U, die potentielle Energie des Raumgebietes r bezeichnet. Um diese zu berechnen, gehen wir zunächst aus von irgendeinem in r befindlichen beliebig herausgegriffenen Atom und summieren für dieses Atom die Potentiale p(r) aller in dem Gebiet r vorhandenen v (eigent- lich v—-1) Atome, wodurch wir erhalten: = o(r) (14) Pranek: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 641 Nach der Hypothese der molekularen Unordnung ist diese Summe für alle in r befindlichen v Atome bis auf unregelmäßige Abweichun- gen die nämliche, also wird die ganze potentielle Energie des Raum- vebietes r: = 2,pl). (15) Der Faktor ; muß beigefügt werden, damit jede Kombination je zweier Atome nur einmal vorkommt. Somit ist die gesamte Energie E (les Gases: B— — 2.2 lH ysHt Alfa a>v:2rolr). (16) $ 3. Die Atome als starre Kugeln. Zur Ableitung der kanonischen Zustandsgleichung bedarf es der vollständigen Bereehnung der Entropie S, und diese erfordert die Er- mittlung der Wahrscheinlichkeit ww, in Gleichung (9). Am einfachsten gestaltet sich diese Berechnung, wenn man die Annahme einführt, daß jedes Atom einen besonderen Raum für sich allein beansprucht, in welchen andere Atome unter keinen Umständen eindringen können, während außerhalb dieses Raumes die übrigen Atome alle möglichen Lagen mit gleicher Wahrscheinlichkeit einnehmen können. Diese aller- dings nur als eine erste Annäherung an die Wirklichkeit zu betrach- tende Annahme wollen wir in der folgenden Untersuchung festhalten und sie noch weiter dahin spezialisieren, daß die Eigenräume der Atome Kugeln sind, deren Dimensionen natürlich gegen die eines Raumgebietes r verschwinden. Dann ist ww, wie sich aus der in $ ı auseinandergesetzten Definition unmittelbar ergibt, einfach die Wahr- scheinlichkeit dafür, daß, wenn v gegebene gleichgroße Kugeln unab- hängig voneinander in ganz beliebiger Anordnung in einem Raume r verteilt werden, nirgends zwei Kugeln sich gegenseitig durchdringen. Die Geschwindigkeitsverteilung spielt hierbei gar keine Rolle. Die Bedingung, daß zwei gleiche Kugeln sich gegenseitig nicht durch- dringen, wird dadurch ausgedrückt, daß die Entfernung ihrer Mittel- punkte größer ist als ein Kugeldurchmesser d. Wenn also die erste Kugel irgendwo im Raume r liegt, so bleibt für den Mittelpunkt der 3 : e Ä dr Aa : zweiten Kugel nur mehr der Spielraum r — „, d’ übrig, welcher die \ s - Differenz des ganzen verfügbaren Raumes r und der » Deckungssphäre« & der ersten Kugel darstellt. Die fragliche Wahrscheinlichkeit ist mithin: 4m d® ee 3er T (17) 642 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. Wenn noch eine dritte Kugel im Raum r vorhanden ist, so bleibt für ihren Mittelpunkt nur mehr der Spielraum r-2& zur Verfügung, und die gesuchte Wahrscheinlichkeit für 3 Kugeln wird mithin: wannedaı (18) Bi Streng genommen ist dieser Wert nicht genau, sondern etwas zu klein. Denn der dem Mittelpunkt der dritten Kugel unzugängliche Raum ist nicht immer 2% oder die Summe der Deckungssphären der beiden ersten Kugeln, sondern unter Umständen etwas kleiner, weil in dem Falle, daß die Mittelpunkte der beiden ersten Kugeln um weniger als 2d voneinander entfernt liegen, ihre Deekungssphären teilweise zusammen- fallen. Nach einer unschwierigen Rechnung, die hier nicht näher aus- geführt werden soll, lautet der genaue Wert für 3 Kugeln vielmehr: 3877 :81lp2 Sue (19) Da indessen £ sehr klein ist gegen r, so wollen wir bei dem einfacher gebildeten Ausdruck (18) stehenbleiben. Derselbe liefert, auf den Fall von v Kugeln verallgemeinert, für die gesuchte Wahr- scheinlichkeit den Wert: (1-2).1-2)--2)---°28), (20) vorausgesetzt, daß das Produkt v& noch klein ist gegen 7, d.h. daß die Summe der Eigenvolumina aller Kugeln verschwindet gegen den gesamten ihnen dargebotenen Raum. Daraus folgt: 92 log w, — log (=) + log (1) ++ log (1-2). T T T Da nun — sehr klein ist, so können wir, indem wir — = dx setzen, T T diese Summe auch als Integral schreiben: ' Wegen der nächsten Annäherung vgl. Borızwann, Gastheorie II, S. 171, 1898. B : i ‘ Pranck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 643 Nun ist nach (7): l=e2,foe=-, (21) wo vu das mittlere Atomvolumen im Raum r bezeichnet; folglich: log. = 5 (1°) 108 (1-8) =» (22) Q {e] und durch Substitution in (9) die Entropie des Gases: i MR k (a 8 S—=-k2.2, Fılogfrn = 52 (1 log [1 —- —) + const. (23) 5 ) v Jetzt wollen wir noch die Energie (16) des Gases berechnen für den angenommenen Fall kugelförmiger Atome. Um die Summe >,#(r) für ein aus einem Raumgebiet r beliebig herausgegriffenes Atom zu bilden, teilen wir das ganze Raumgebiet r durch Polar- koordinaten r, $, », deren Anfangspunkt im Mittelpunkt des Atoms liegt, und deren Differentiale in unendlich kleine Unterabteilungen von der Größe: r?: sın > dr ds dw = dr. Da nach der am Anfang des $ 3 eingeführten Voraussetzung die Mittelpunkte der übrigen Atome alle möglichen Lagen außerhalb der Deckungssphäre des betrachteten Atoms mit gleicher Wahrscheinlich- keit einnehmen, so ist die Zahl der in einem Raumelement dr befind- : P - ERr . dr lichen Atome bis auf unregelmäßige Abweichungen nach (21): —, 2 v und wir erhalten: nf >, o(r) — = low) «dr IE : — Io 72. sın Sdrds dw = dr a pP. dr = p(r):r?- dr. d Damit das Integral endlich ist, muß offenbar #(r) für unendlich große 2 1 a e Ele Werte von r stärker als _, verschwinden. Mit Einführung des Wer- r3 tes von v aus (21) und der nur von der Natur des Gases abhängigen Konstante oo a = -2%7 [*0 T2..dr, d 644 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. welche nach den Bemerkungen in $ 2 über das Vorzeichen von &(r) | positiv oder negativ ist, je nachdem die Atome sich anziehen oder | abstoßen, lautet dann der Ausdruck (16) der Gesamtenergie: ER £ 3 7 BR er) an: (24) $4- Thermodynamischer Gleichgewichtszustand. Kanonische Zustandsgleichung. Unter allen Zuständen Z, welche das Gas annehmen kann, ist ein thermodynamischer Gleichgewichtszustand dadurch ausgezeichnet, daß er bei festgehaltenen Werten der Atomzahl N, des Volumens V und der Energie # dem Maximum der Entropie S entspricht. Mit Hilfe dieses Satzes kann also die Verteilungsfunktion f und somit auch die Entropie S für das thermodynamische Gleichgewicht als eindeutige Funktion von N, V und E ausgedrückt werden. Da in keiner der genannten Größen die Raumkoordinaten x,y.2z der Atome explizite vorkommen, so läßt sich schon ohne besondere Rechnung erkennen, daß für den Gleichgewichtszustand die Funktion / und somit auch £ und 5 von den Koordinaten nicht abhängen, oder daß die Raumverteilung der Atome eine gleichmäßige ist. Daher läßt sich in allen Gleichungen die Summation über die Raumgebiete r direkt ausführen und ergibt aus (1), (2) und (10): +co n=v.([[ra:an.«. (25) Ferner aus (21): u — r R (26) aus (23): ars v/ S—=-/V: Ir 108r ana") 1-%) 108 (1-4) + const. (27) und aus (24): +00 a Fe 3 N E=SV-|||e +7 +2. f-delnde-an. (28) Die Geschwindigkeitsverteilung im Gleichgewiehtszustand folgt dann daraus, daß: anna en | dednde logf+1)-f Pranck: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. 645 für alle Variationen öf, welche der Bedingung genügen: en =0 = [|| eumaY IE — 0 = dednde(@ + +) gf. und Daraus ergibt sich: fzr-em@rnr), (29) wobei A und u positive Konstante, die aus den beiden Gleichungen (25) und (28) in folgender Weise bestimmt sind: se N 3mN Z _....8mN zen ( =) Fe aN\ ' .(E+%, Endlich mit Benutzung dieser Werte die Entropie aus (27): S—=KkNlogV+ SEN log (#4 =) _ r (1-2) log (1- ) + const. (30) wobei die Konstante weder von V noch von # abhängt. Dieser Aus- druck von S bildet die kanonische Zustandsgleichung des Gases. Wir wollen hier noch, entsprechend dem mittleren Atomvolumen » in (26), die mittlere Atomenergie e und die mittlere Atomentropie s einführen: S E IN: und ern: (31) Dann lautet die kanonische Zustandsgleichung: 3 a kv ß ß s— klog v+rzk log (+%)-5 (1- :) log (1-2) + const. (32) Bezieht man die Zustandsgrößen nicht auf das wirkliche Atom, sondern auf das gr-Atom, so tritt überall an Stelle der in (3) defi- nierten Konstante k die Gaskonstante R = 8.31- 10". 8 5- Temperatur. Druck. Spezifische Wärme. JouLe-Tuonson- Effekt. Aus der allgemeinen thermodynamischen Beziehung: __ de + pdv % E 646 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. ergibt sich durch Differentiation des Ausdrucks (32) nach e: 3, ds 1 2 BE Ko (),- de oder: «= SkT-®. (33) er ® Ein Vergleich mit (28) zeigt, daß die 'Temperatur ein direktes Maß für die mittlere kinetische Energie eines Atoms darstellt, genau wie bei den idealen Gasen. Ferner ergibt sich durch Differentiation von s nach v: SA REDE RES k k ß (=), - TE RO Er log (1-5) Sr und mit Elimination von e aus (33) die Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur: = kT [6) a. Erg) log 1-2)-% (34) Diese Formel besitzt große Ähnlichkeit mit der bekannten Zu- standsgleichung von vAN DER WAALS: =: (35) Der einzige Unterschied bezieht sich auf die Volumenfunktion in dem Glied mit AT. Entwickelt man den Faktor von AT nach Potenzen von 8 bzw. b, so ergibt sich für ihn aus (34): 134 Ba ı1B ı[/B\: u (1-2) 2 -(1+33+4[2) +), anderseits aus (35): ee — +). v—b D) 2) D Für größere Werte von v» werden beide Formeln übereinstimmend, wenn b — =; d.h. gleich der halben Deckungssphäre eines Atoms oder 24 dem 4fachen Volum einer Atomkugel. Das ist aber genau die Be- deutung der Konstanten 5b in der Theorie von van DER WaaALs. Diese Übereinstimmung erklärt sich natürlich leicht aus derjenigen der Vor- aussetzungen in den beiden verglichenen Theorien. Für kleinere v gehen die Formeln auseinander; doch lege ich der meinigen durchaus keine größere Bedeutung bei, weil sie, ganz abgesehen davon, daß Praner: Über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Grase. 647 sie eine kompliziertere Form besitzt, eben auch nur unter der Vor- aussetzung abgeleitet ist, daß höhere Potenzen von vernachlässigt \ = - werden können (vgl. Gleichung (20) in S 3). Für die spezifische Wärme bei konstantem Volumen haben wir aus (33): x (Fr) nei ar), 2 also konstant, wie bei idealen Gasen. Der Joure-Tnonson-Effekt wird einfach geliefert dureh die Be- ziehung: e-+ pv — const., in weleher man e nach (33) durch 7 ausdrücken kann. Die übrigen Zustandsgrößen, wie die spezifische Wärme bei kon- stantem Druck, die freie Energie, die Eigenschaften des kritischen Zu- standes, ergeben sich dann unmittelbar aus den bekannten thermo- dynamischen Relationen. Sitzungsberichte 1908. 62 648 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. Die Bedeutung der Erschliessung des alten Orients für die geschichtliche Methode und für die Anfänge der menschlichen Geschichte überhaupt. Von EpuArD MEYER. (Vorgetragen am 4. Juni 1908 [s. oben S. 593].) I: Sm allgemein gilt es als ein charakteristischer und fundamentaler Unterschied der naturwissenschaftlichen und der historischen Forschungs- methode, dass jene ihre Ergebnisse ununterbrochen am Experiment contro- liren und dadurch als unumstösslich sicher erweisen könne, diese da- gegen nicht. Dieser Unterschied ist auch thatsächlich vorhanden; nur durch ihn ist es möglich, dass auf historischem Gebiet immer von Neuem die wunderlichsten Behauptungen aufgestellt werden und Berücksich- tigung finden können, auch wenn sie allen durch wissenschaftliche For- schung gewonnenen Ergebnissen in’s Gesicht schlagen — denn hier, wird behauptet, gebe es eben keine über das einem Jeden gleichmässig zu- gängliche Material hinausgehenden Lehrsätze und Methoden und keinerlei festbegründetes Wissen, das als gegebene Thatsache anerkannt werden müsse, sondern es gelte lediglich der gesunde Menschenverstand, der dem berufsmässigen Gelehrten durch seine Arbeitsmethode eher getrübt als geschärft worden sei. In der That lassen sich derartige Behaup- tungen und die durch sie gestützten umstürzenden Geschichtseonstruc- tionen, mit denen wir jahraus, jahrein überschwemmt werden, nicht in der Weise schlicht und mühelos erledigen wie etwa die gleichartigen Behauptungen auf mathematischem, physikalischem, chemischem Gebiet, die einem anerkannten mathematischen Lehrsatz oder einem einwand- freien physikalischen oder chemischen Experiment widersprechen; und so ist die Ansicht ganz allgemein verbreitet, dass die geschichtliche Wissenschaft im Grunde auf einem schwankenden Fundament ruhe und dass der Anspruch der Forscher, eine von einem geistreichen Dilettanten aufgestellte Ansicht als wissenschaftlich unmöglich ohne weiteres abzulehnen, eine durchaus unberechtigte Anmaassung enthalte. Meyer: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 649 In Wirklichkeit indessen ist die Kluft nicht so gross, wie sie scheint. Ich will nicht dabei verweilen, dass das Experiment doch nur einem Theil der Naturwissenschaften eine feste Grundlage giebt. So- bald zu den allgemeinen Eigenschaften der Naturerscheinungen die individuelle, durch einen bestimmten Raum und eine bestimmte Zeit gegebene Einzelgestaltung als ein wesentliches Moment hinzutritt, reicht das Experiment nicht mehr aus, sondern der historische Befund des Einzelfalls wird wesentlich; und damit treten die Zufälligkeiten in Wirksamkeit, welche alle historische Überlieferung beherrschen. Das gilt schon von den Beobachtungen, denen die Astronomie ihr Material verdankt, und ebenso von den sogenannten beschreibenden Naturwissen- schaften; in noch viel höherem Grade aber von denjenigen Wissen- schaften, welche die Erforschung der Entwickelung der Natur in früheren Zeiträumen zur Aufgabe haben, der Paläontologie, Geologie und den verwandten Gebieten. Hier tritt, ganz wie in der historischen For- schung, das Element der Zeit dominirend hervor; es gilt die Zustände einer vergangenen Zeit aus den von ihnen hinterlassenen Spuren zu erkennen und in ihrer Einzelgestaltung und ihrer Nachwirkung auf die Gegenwart zu reconstruiren; und damit tritt an Stelle des Experi- ments die Entdeckung und richtige Deutung der Fundthatsachen und die Bestätigung der zu ihrer Erklärung aufgestellten Hypothesen durch geschärfte Untersuchung des schon vorliegenden Materials und vor allem durch neue Funde, sei es, dass sie wissenschaftlich, methodisch gesucht werden, sei es, dass der Zufall sie bringt. Genau ebenso liegt es auf dem Gebiet der menschlichen Geschichte. Nur wird hier das Forschungsobjeet noch unendlich mannigfaltiger und complieirter, weil hier die Individualität des Einzelwesens eine ganz andere Bedeutung gewinnt. Je mehr die Cultur und das geistige Leben sich steigert, desto mannigfacher wird die individuelle Sondergestaltung, desto zahlreicher und eomplieirter daher auch die Faetoren, mit denen die Forschung zu rechnen hat. Hier ist ein Erschöpfen des Gegen- standes niemals erreichbar, mag das Quellenmaterial noch so reich- haltig fliessen; und ebenso ist eine Erfassung der Individualität und daher auch der Willensmotive, aus denen die Thatsachen des histori- schen Materials erwachsen sind, immer nur der Intuition, der nach- schaffenden Phantasie möglich, und darum nie streng wissenschaftlich erweisbar. Eben darauf beruht es, dass alle Reconstruetion der Ver- gangenheit doch immer nur Stückwerk ist, mag das Material über- reich oder äußerst dürftig sein. Eine erschöpfende Festlegung des historischen Einzelvorgangs in seiner ganzen unendlichen Mannigfaltig- keit ist durch Überlieferung und Documente niemals möglich, auch ganz abgesehen von der subjectiven Beimischung, die diese nothwendig 62* 650 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. enthalten; und daher kann unsere Erkenntniss des historischen Einzel- vorgangs mit diesem niemals völlig zusammen fallen, sondern auch im günstigsten Falle sich ihm nur etwa so annähern, wie die Asymptoten an die Hyperbel. Dieser Thatsache, dieser unübersteigbaren Schranken unserer Er- kenntniss sind wir uns denn auch voll bewusst; wir wissen, und in der Einzelforschung wird das auf Schritt und Tritt ausgesprochen, dass jede Vermehrung des Materials das Ergebniss modifieiren und zei- gen wird, dass der Hergang im Einzelnen doch noch anders — und zwar in der Regel noch complieirter, als man annahm — gewesen ist. Jede historische Reconstruetion muss gerade Linien ziehen, obwohl sie weiss, dass der wirkliche Hergang immer in Öurven verläuft und jedes Stück dieser Curven sich wieder aus kleineren Öurven zusam- mensetzt. Es wird ihr sehr willkommen sein, wenn es ihr ermög- licht wird, einmal ein Stück dieser kleineren und kleinsten Curven genauer kennen zu lernen; aber es ist kein Vorwurf gegen ihre Me- thode und berechtigt auch nicht zu einem Angriff auf ihren wissen- schaftlichen Werth, wenn sie in unzähligen anderen Fällen diese Curven nicht zu erkennen vermag, und auch nicht, wenn sie einmal versucht hat, einzelne dieser Öurven zu reconstruiren, und neu erschlos- senes Material zeigt, dass sie dabei in die Irre gegangen ist. Die fundamentale Frage ist vielmehr, ob es ihr gelungen ist, die Rich- tungslinie richtig zu zeichnen, um die sich die Curve dreht und mit der diese auch da, wo wir sie genauer kennen, für unser Auge immer mehr zusammenfällt, je weiter wir den Abstand nehmen. Und hier ist eine entscheidende Antwort möglich, die der Bestätigung durch das Experiment vergleichbar ist: sie wird durch neue geschichtliche Funde gegeben, welche uns über eine vorher nur unvollkommen be- kannte Geschichtsepoche authentische Aufschlüsse geben und so über die bisherigen Ergebnisse der Forschung und damit zugleich über die historische Methode ein durch unanfechtbare Thatsachen begründetes und daher unumstössliches Verdiet abgeben. Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich zugleich, dass für diese Fragen den Ergebnissen der Detailforschung eine entscheidende Bedeutung noch nicht zukommen kann. So überraschend hier häufig die vom Forscher gewonnenen Ergebnisse, ja nicht selten zunächst sehr kühn erscheinende Hypothesen und Intuitionen eine urkundliche Bestätigung gefunden haben, so stehen dem doch immer andere Fälle gegenüber, wo sich zeigt, dass wir in die Irre gegangen sind oder dass vielleicht das bisher vorliegende Material zur Erkenntniss des Einzel- vorgangs überhaupt nicht ausreichte. Aus diesen Gebieten entnom- mene Beispiele werden den Skeptiker nicht entwafinen; hier spielen Meyer: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 651 eben immer die aus der unendlichen Complicirtheit des Einzelvorgangs erwachsenden Bedingungen, die wir vorhin zu erfassen versuchten, eine entscheidende Rolle. Anders liegt es dagegen, wo es sich um die grossen Richtlinien handelt, um die Frage, ob eine ganze Epoche in ihrer Eigenart, ihrer Cultur und Entwickelung in den entscheidenden Momenten von der wissenschaftlichen Forschung aus dem bisherigen Material richtig erkannt ist; und am bedeutsamsten werden die Fälle sein, wo über eine solche Epoche ein im engeren Sinne geschichtliches Material, d.h. gleichzeitige Documente und zuverlässige Überlieferung, überhaupt nieht vorlag, sondern die ganze Epoche und ihre Entwickelung ledig- lich durch historische Rückschlüsse aus späteren Zuständen erschlossen und reconstruirt ist. Werden in solchen Fällen diese von der For- schung gewonnenen Ergebnisse durch neue Funde als richtig erwie- sen, so ist damit zugleich die Zuverlässigkeit der historischen Methode erwiesen und die Berechtigung des Anspruchs des historischen For- schers, Behauptungen, welche diese Methode ignoriren oder principiell negiren, einfach abzulehnen und für wissenschaftlich werthlos zu er- klären. Es giebt kein Gebiet der Geschichte, auf dem diese Bestätigung durch das Experiment in solchem Umfange vorliegt, wie auf dem des alten Orients, dank der Jahr für Jahr erweiterten Erschliessung immer neuer Gebiete durch systematische Ausgrabungen und auch durch überraschende Funde, welche der Zufall gebracht hat. Wo ich gegen- wärtig damit beschäftigt bin, nach 25 Jahren dieses Gebiet zum zweiten Mal in seinem ganzen Umfang systematisch durchzuarbeiten und dar- zustellen, haben sich mir die Betrachtungen, die ich hier dargelegt habe, immer von neuem aufgedrängt. Ich möchte sie daher in Kürze an einigen besonders augenfälligen Beispielen noch weiter erläutern — und bitte es zugleich durch diesen äusseren Anlass zu entschuldigen, dass ich hier mehrfach von meinen eigenen früheren Arbeiten und ihrem Verhältniss zu dem gegenwärtigen Stand der Forschung reden muss. Bis zum Jahre 1895 begann unsere Kenntniss der ägyptischen Geschichte mit König Snofru und dem Anfang der vierten Dynastie; ältere Denkmäler wollten sich trotz allen Suchens nirgends zeigen, und es schien, als seien die Vorstufen der hohen Cultur des Alten Reiches hoffnungslos verloren. Trotzdem haben wie andere Forscher so vor 20 Jahren sowohl A. Erman wie ich den Versuch gemacht, die Vorzeit Aegyptens zu reconstruiren. In den letzten ı4 Jahren ist uns nun eine Fülle authentischer Denkmäler aus dieser Zeit, nicht nur bis zu Menes hinauf, sondern weit über ihn hinaus, erschlossen 652 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. worden und gewährt uns einen lebendigen Einblick in diese Epochen. Im Einzelnen ist hier natürlich alles belebter und mannigfaltiger ge- worden, als es die Reconstruction je hätte gewinnen können: an Stelle der geraden Linien sind die Curven getreten. Auch hat sich gezeigt, dass wir gar manche Missgriffe begangen haben, nicht selten aus übertriebenem Skepticismus, indem wir für jung hielten, was sich jetzt als bereits uralt erweist. Aber in den Grundzügen hat sich die alte Reconstruetion durchaus bestätigt, in der Gestaltung der Ent- wickelung des Staats, der Religion, der materiellen Cultur, der Kunst, der Schrift. Das giebt das Zutrauen, dass auch da, wo eine Bestä- tigung bisher nicht gewonnen oder nach Lage der Dinge überhaupt nicht zu erwarten ist, die früher gewonnenen und die nach der gleichen Methode jetzt aus dem erweiterten Material abgeleiteten Er- gebnisse als wissenschaftlich begründet gelten können, so Vieles sich durch den Fortgang der Forschung auch immer von Neuem umgestalten und genauer ins Einzelne verfolgen lassen wird. Ich will nicht dabei verweilen, wie auch sonst in Aegypten sich in diesen 25 Jahren das früher gewonnene Bild überall mit einem ganz anderen Leben erfüllt hat, aber in den Grundzügen doch das- selbe geblieben ist. Ich wende mich vielmehr nach Babylonien und Assyrien. Hier liegen die Dinge wesentlich anders. Für das alte Baby- lonien war unser Material von einem Vierteljahrhundert noch so dürftig, dass von einer Geschichte des Landes eigentlich noch nicht die Rede sein und höchstens die ersten dürftigen Umrisse seiner äusseren Schick- sale gezogen werden konnten. Auch gegenwärtig sind, so sehr sich das Material gemehrt hat, noch immer gewaltige Lücken vorhanden; doch ist es jetzt möglich geworden, den Versuch einer wirklichen Geschichte zu wagen. Von Bestätigungen früherer Annahmen will ich nur er- wähnen, dass die vielumstrittene Hypothese einer sumerischen Epoche des Landes, die sich in den Monumenten so lange nicht finden wollte, gegenwärtig völlig erwiesen ist und die alten Sumerer in ihrer äusseren Gestalt wie in ihrer Sprache und Cultur jetzt völlig lebendig vor uns stehen. Dagegen zeigt sich, dass wir in anderer Richtung einen schweren Irrthum begangen hatten, indem wir die gesammte spätere Oultur Baby- loniens und Assyriens in diese älteste Zeit zurückdatirten. Es beruhte das vor Allem auf einer Unterschätzung der historischen Bedeutung und Selbständigkeit des Assyrerreichs und ebenso des Chaldäerreichs. Aller- dings wurzelt ihre Gultur im alten und ältesten Babylonien, ebenso wie etwa die der 26. Dynastie Aegyptens in der Cultur des Alten Reichs der 4. und 5. Dynastie wurzelt. Aber darum liegt zwischen beiden Epochen doch eine lange historische Entwicklung, die ihre Spuren überall hinterlassen hat. Es geht nicht an, alles Assyrische einfach Mever: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 653 für Altbabylonisch zu erklären; vielmehr zeigen die Assyrer auf allen Gebieten, in der Gestaltung des Staats, in der Kunst, in der reli- giösen und wissenschaftlichen Entwieklung, eine sehr ausgeprägte selb- ständige Eigenart: eine Schöpfung wie die grosse Bibliothek Assur- banipals ist rein assyrisch, nicht babylonisch. Von Assyrien geht eine sehr bedeutsame neue Einwirkung auf den Westen Asiens und die griechische Welt aus, die von der älteren babylonischen durchaus zu scheiden ist. Die gewaltigste Steigerung hat die völlig unhistorische Auffassung in den Phantastereien der » Astralmythologie« und der »baby- lonischen« oder »orientalischen Weltanschauung« erfahren, die gegen- wärtig in zahllosen populären Schriften als gesicherte wissenschaftliche Erkenntniss und Grundlage alles Verständnisses der Geschichtsentwick- lung verkündet wird. Sie versetzt in die Urzeit des vierten und wo- möglich des fünften und sechsten Jahrtausends, was in Wirklichkeit das Endergebniss eines langen Entwicklungsprocesses gewesen ist und sich nicht früher als im Verlauf des ersten Jahrtausends v. Chr. schritt- weise zu einem theologisch-wissenschaftlichen System ausgebildet hat. Damit wird alle geschichtliche Entwicklung absolut negirt. Aber auch wir anderen, die wir diese Irrgänge abgelehnt haben, sind doch gerade als Historiker von Vorwurf nicht frei. Indem wir das Ninive Sargons und Assurbanipals ohne Weiteres mit der anderthalb Jahrtau- sende älteren babylonischen Gultur identifieirten und für eine sklavische Copie derselben erklärten, haben wir die Grundbedingungen geschicht- licher Entwicklung ausser Acht gelassen und, von den antipathischen Seiten des Assyrerreichs abgestossen, geglaubt, ein gewaltiges Reich, das mehr als zwei Jahrhunderte lang neben aller Vernichtung, die es gebracht hat, doch grosse Culturschöpfungen aufzuweisen hat, ein- fach als eulturgeschichtlich nicht existirend behandeln zu dürfen. Erst Jetzt beginnen allmählich demgegenüber die geschichtlichen Thatsachen in ihrer Bedeutung erkannt zu werden und zu ihrem Rechte zu ge- langen. Um so bedeutsamer sind die Bestätigungen, welche die Ergebnisse der geschichtlichen Forschung auf dem Gebiete der israelitischen und der jüdischen Geschichte gefunden haben. Auch hier fehlte es vor 25 Jahren noch an jedem geschichtlichen Document, welches in die An- fänge der israelitischen Geschichte hinaufführte und für die in weitem Umfange durchgeführte Analyse der alttestamentlichen Überlieferung eine Gontrole ermöglichte. Zum ersten Male fiel ein Licht auf die- selbe, als ich im Jahre 1886 in der Liste der von Thutmosis III. be- suchten Orte Palästinas den Namen Ja’gob-el entdeckte, der mit dem des israelitischen Heros Jakob irgendwie in Verbindung stehen musste; damit war jenseits der Entstehung der alttestamentlichen Sagen wenig- 654 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. stens an einem Punkte fester Boden gewonnen. Dann kamen die Thontafeln von Tell el Amarna; und hier trat uns nicht nur eine In- vasion semitischer Nomadenstämme in Syrien und Palästina entgegen, ganz in derselben Art, wie B. Srape und ich die Invasion der Is- raeliten in Palästina reconstruirt hatten, sondern unter diesen Stämmen erschien auch der Name der Chabiri, d.i. der Hebräer. Die urkund- liche Bestätigung, dass damals, zu Anfang des 14. Jahrhunderts, die Israeliten wirklich, noch als ein Stamm von ganz beschränktem Um- fang, in Palästina eingedrungen sind, brachte dann 1896 eine ägyp- tische Inschrift, die uns den Stamm Israel — dessen Name hier zum ersten und bisher einzigen Male auftauchte — unter Merneptalh in Palästina ansässig zeigte. Zugleich zeigten sich auch hier die Grenzen der Möglichkeit einer Geschichtsreeonstruction, die Modificationen des Details, welche jeder neue Fund bringt: wir hatten die Invasion der Israeliten in’s zwölfte Jahrhundert, nach dem Ende der ägyptischen Herrschaft, angesetzt, jetzt ergiebt sich, dass sie in Wirklichkeit zwei Jahrhunderte früher erfolgt ist und die Israeliten während dieser bei- den Jahrhunderte in Palästina Unterthanen der Aegypter gewesen sind. Womöglich noch bedeutsamer sind die Ergebnisse des Papyrus- fundes von Elephantine, aus dem Hr. Sacnau im letzten Herbst zunächst einige der allerwichtigsten Documente vorgelegt hat. Vor zwölf Jahren habe ich die Geschichte der Entstehung des Judenthums in der Perserzeit und dabei speciell die officiellen Documente des Perserreichs behandelt, welehe uns im Buch Ezra überliefert sind; im Gegensatz zu der bei der kritischen Schule herrschenden Ansicht suchte ich nachzuweisen, dass diese Documente völlig authentisch seien und die Urkunden des Achämenidenreichs so ausgesehen hätten, wie die hier überlieferten, und weiter, dass die Überlieferung in den Büchern Ezra und Nehemia trotz aller Trübung und Überarbeitung im Einzelnen in ihrem wesentlichen Inhalt durchaus zuverlässig und vom höchsten geschichtlichen Werthe sei. Ich hatte diesen Unter- suchungen eine methodische Erörterung vorausgeschickt, um darzu- legen, dass es unzulässig sei, die für die sagenhafte Überlieferung ausgebildete kritische Behandlung auf die Beurtheilung gleichzeitiger historischer Überlieferung und Documente zu übertragen, sondern hier gerade das umgekehrte Verfahren angewendet werden müsse, wie dort — ein Grundsatz, der nur zu oft verkannt worden ist. Meine Untersuchungen haben vielfache Zustimmung, daneben aber von Seiten mancher Anhänger gerade derjenigen Richtung, die sich prineipiell als die kritische bezeichnet, erbitterten Widerspruch gefunden. Gegen- wärtig, wo die Papyri von Elephantine vorliegen, wird kein Mensch mehr an der Authentieität der im Buch Ezra enthaltenen Urkunden zwei- MEyeEr: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 655 feln; und zugleich haben sich die aus der Überlieferung gewonnenen Daten für die Geschichte der Entstehung des Judenthums durch diese Urkunden durchweg als vollständig richtig bestätigt. Damit ist zugleich der kritische Grundsatz, nach dem hier verfahren wurde, als der allein berechtigte erwiesen worden. Vor diesen unanfeehtbaren Ur- kunden sind die Ergebnisse, zu «denen die sogenannte kritische Schule gelangt war, zusammengebrochen; und wenn vollends ein wilder Di- lettantismus glaubte, die Überlieferung durch freie Schöpfungen der eigenen Phantasie ersetzen zu dürfen, weil die gesammte Überliefe- rung und die in ihr vorkommenden Persönlichkeiten durchweg von mythischen Elementen und tendenziösen Verzerrungen durchsetzt und daher geschichtlich so gut wie werthlos seien, so ist diese Behaup- tung jetzt durch den Augenschein endgültig widerlegt'. Aber die Tragweite der neuen Documente reicht noch viel weiter. Mit vollem Recht hat Nörperre, der bisher an dem vorexilischen Ur- sprung des Priestercodex festhielt, ausgesprochen, dass jetzt »jede Möglichkeit gefallen ist, den Abschluss des Pentateuchs in eine ältere Zeit zu legen als die Ezra’s«. »Ich möchte glauben, « fährt er fort, » dass dies das allerwichtigste Ergebniss der Sacnau’schen Papyri ist«. In ! Ich benutze diesen Anlass, um an einem Beispiel zu zeigen, wie zugleich dureh die neue Überlieferung auf Angaben, die bisher völlig dunkel waren und aus dem uns zur Verfügung stehenden Material nicht erklärt werden konnten, ein helles Licht fällt. Dass zur Zeit der 26. Dynastie zahlreiche Juden auf eigene Hand nach Aegypten ausgewandert sind und sich in den Städten des Delta und des Nilthals als Händler und Gewerbtreibende niedergelassen haben, ist sehr wohl denkbar. Aber unmöglich können auf diesen Wege die grossen jüdischen Colonien in Elephantine und Syene entstanden sein, den Grenzfestungen Aegyptens, mit einem grossen Jahwetempel auf der Insel, dessen Erbauung nur möglich war, wenn die Könige die Erlaubniss dazu gegeben hatten. Hier kann es sich vielmehr nur um vom Staat angesiedelte Militär- colonien handeln (ganz gleichgültig, ob man Smenv’s Deutung von 5375 Z. Assyr. XX 150 für riehtig hält oder nicht). Die Juden bildeten offenbar einen Hauptbestandtheil der Garnison von Elephantine, die ja, wie wir auch aus der Inschrift des Neyhör, ZI. 6, wissen, (H. ScnÄrer, Klio IV, 157), ganz wesentlich aus Asiaten (und Griechen) be- stand. Die jüdischen Könige haben also den Pharaonen entweder Werbungen ge- stattet oder wahrscheinlicher ihnen direet Truppen geliefert. Das wirft Licht und er- hält zugleich Bestätigung durch eine bisher ganz dunkle Stelle des Deuteronomiums. Hier wird im Königsgesetz (17, 15 ff.) begreiflicher Weise verlangt, dass der König kein Ausländer sein, dass er nicht viele Frauen haben, keine Schätze anhäufen, das Gesetzbuch genau befolgen soll. Dazwischen steht aber v. 16 die seltsame Angabe, »nur soll er nicht viele Rosse halten und das Volk nicht nach Aegypten zurückführen, um die Zahl seiner Rosse zu mehren, wo doch Jahwe euch gesagt hat: ihr sollt diesen Weg niemals wieder zurückgehen«. Wie kommt diese ganz detaillirte Vorschrift in diesen Zusammenhang? Offenbar muss ihr eine ganz bestimmte Thatsache, ein vom Volk schwer eınpfundener Übelstand zu Grunde liegen; und so hat SrruernaGer mit Recht vermuthet, dass ‚Juden als Sklaven gegen Rosse nach Aegypten verhandelt wurden. Jetzt ist die Sache völlig klar: die jüdischen Könige haben einen Soldatenhandel nach Aegypten betrieben und als Aequivalent vom Pharao Rosse bezogen (vgl. Reg. I 10, 23 ff.)- Auf diese Weise ist die jüdische Colonie in Elephantine entstanden. 656 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. diesem Falle war, anders als bei den Documenten des Ezrabuchs, die von der kritischen Schule angewandte Methöde durchaus berechtigt. Denn hier handelte es sich nicht um eine authentische, zeitgenössische Überlieferung, sondern um ein Buch, das unter dem Namen der Sagen- gestalt des Mose auftrat, thatsächlich also völlig zeitlos überliefert war'. Die Aufgabe war, dies Buch nach inneren Indieien historisch zu begreifen, Zeit, Art und Tendenz seiner Entstehung zu ermitteln: und diese Aufgabe hat die Kritik völlig riehtig gelöst. Als ein weiteres Beispiel nenne ich das Auftreten der Arier in Mesopotamien und Syrien im 15. und 14. Jahrhundert, von dessen urkundlichem Erweis ich der Akademie vor Kurzem Mittheilung machen konnte”; damit ist zugleich zum ersten Mal ein documentarischer Beleg gewonnen für die von der Wissenschaft reconstruirte arische Periode der Vorzeit der Inder und Iranier. Es läge nahe, hier noch weitere Beispiele aus der griechischen (eschichte anzufügen. Besonders würde sich die im Jahre 1591 auf- gefundene Schrift des Aristoteles über den Staat der Athener sehr gut zu einer derartigen methodischen Untersuchung geeignet haben. Das ist damals versäumt worden, und jetzt ist es dazu zu spät. Doch darf wohl ausgesprochen werden, dass dieser Fund, so viel Neues und Überraschendes er im Einzelnen gebracht hat — so hätte z. B. auf Grund der bis dahin vorliegenden Nachrichten Niemand auf die Ver- muthung kommen können, dass der erste Ostrakismos in Athen erst im dritten Jahre nach der Schlacht bei Marathon stattgefunden hat —, dennoch die von einer besonnenen Forschung gewonnenen Ergebnisse durchweg bestätigt und die von ihr angewandte Methode als zum Ziel führend erwiesen hat. N. Ehe die Denkmäler der ersten Dynastie und der sogenannten prähistorischen Zeit gefunden waren, trat uns die Cultur Aegyptens in den ältesten bekannten Monumenten voll ausgebildet. ja auf einem Höhepunkt entgegen. Die Vorstufen vermochten wir, wie schon er- wähnt, wohl zu reconstruiren, aber wir konnten sie nicht greifen, nicht in ihrer specifischen Eigenart erkennen, und noch weniger war es möglich, eine auch nur annähernde Schätzung des Zeitraums zu wagen, der für die Öulturentwickelung im Nilthal von ihren ersten ! Abgesehen von der völlig authentischen Angabe im Buch Ezra, dass es eben von Ezra selbst geschrieben sei. ® Sitzungsber. 1908, 14 ff.; vergl. jetzt meinen Aufsatz: Die ältesten datirten Zeugnisse der iranischen Sprache und der zoroastrischen Religion. Zeitschr. f. vergl. Sprachw. 42, 1908, ı fl. Meyer: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 657 Anfängen bis zur Höhe des Alten Reichs anzusetzen sei. Das ist jetzt anders geworden. Nicht nur liegt diese ganze Entwickelungsreihe in zahlreichen gleichzeitigen Denkmälern — für die ältere Zeit wenigstens in Gräbern mit ihren Beigaben, aber auch in mancherlei sonstigen Überresten der Ansiedelungen — anschaulich vor uns, sondern wir vermögen auch zu erkennen, dass sie zu Ende des fünften Jahrtausends bereits zu einer grösseren Höhe fortschreitet und dass der ägyptische Kalender schon im Jahre 4241 in einem Reich, dessen Mittelpunkt das Gebiet von Memphis und Heliopolis bildete, eingeführt worden ist. Mit den ältesten bekannten Grabfunden und ihrem Inventar von ge- brannten und angeschwelten Thongefässen und Werkzeugen aus Holz, Stein und Knochen, neben denen sehr früh sehon Gold und vereinzelt Kupfer auftaucht, werden wir in runder Schätzung, so gross auch im Einzelnen noch immer der Spielraum bleibt, weit ins fünfte Jahrtausend hinein und vielleicht bis etwa an das Jahr 5000 v. Chr. herankommen. In Babylonien reicht unsere Kunde bis jetzt noch nicht so weit hinauf. Die ältesten erhaltenen Monumente, aus der Zeit etwa um 2900—2800 v. Uhr., gehören eimer Epoche an, wo die Schrift in den Grundzügen bereits ausgebildet war und auch eine, wenn auch noch äusserst unbeholfene Kunst in Reliefs und Sculpturen aus Stein sich zu entwickeln beginnt, wo auch das Kupfer bereits bekannt ist. Natür- lich liegt dem eine ältere, jedenfalls weit ins vierte Jahrtausend reichende Entwickelung voran, in die uns neue Funde vielleicht noch einmal einen Einblick gewähren werden. Noch jünger ist meines Wissens der Anfang historischer Kunde in China; doch steht auch sie zeitlich hinter der babylonischen nicht wesentlich zurück. Indessen unsere Kunde beschränkt sich keineswegs auf diese drei Völker, die Schöpfer der ersten grossen Öulturen der Menschheit; sondern neben ihnen tauchen auch die anderen Völker der Alten Welt überall aus dem Dunkel hervor, theils durch Nachriehten, die wir diesen Oultur- völkern verdanken, theils durch eigene Denkmäler, die sie hinterlassen haben. So lernen wir die Semiten Syriens und Palästinas durch ägyp- tische Denkmäler seit den Zeiten der ersten Dynastie kennen, etwa von 3200 an, und können sie von da ab weiter verfolgen. Wir sehen, dass sie schon in dieser Zeit in ihrer körperlichen Erscheinung, Tracht und Bewaffnung den späteren Semiten gleichen; ja, wenn wir unser Augenmerk zum Vergleich auf die Anfänge menschlicher Cultur über- haupt richten, werden wir sagen müssen, dass der Unterschied zwischen dem Semiten der Zeit des Menes und dem heutigen Beduinen im Grunde nicht allzu gross ist, trotz aller Cultureinflüsse, die auf den letzteren ein- gewirkt haben. Das gleiche gilt z. B. von den Negerstämmen Nubiens. 658 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. Die ersten Ansätze zu einer höheren sesshaften Öultur in Syrien, die ältesten bis jetzt aufgedeckten Überreste menschlicher Ansiedlungen, Wohnungen und Festungsmauern auf dem Urboden in Megiddo, Gazer u.a. entstammen dem dritten Jahrtausend und haben sich dann unter starker Einwirkung sowohl Aegyptens wie Babyloniens weiter ent- wickelt. Höher hinauf kommen wir in Troja. Denn wenn die my- kenische Stadt der sechsten Schicht Schriemanss der Zeit um 1500 und später angehört, werden wir die Anlage der etwa 6 m tiefer liegenden »zweiten« Stadt, die bekanntlich recht langen Bestand gehabt hat, mit DörrreLnD rund ein Jahrtausend früher, vielleicht aber noch etwas höher, ansetzen dürfen’; und wieder 6 m tiefer liegt der Urboden mit den ältesten Ansiedlungen, deren Anfänge mithin über 3000 v. Chr. hin- aufragen werden. Etwa in dieselbe Zeit, in das Ende des vierten Jahrtausends, mögen die ältesten Funde von Cypern hinaufragen’, vor Allem aber die Anfänge der grossen, mehr als 6 m umfassenden »neo- lithisechen« Schieht von Knossos, deren Thonscherben mehrfach Be- rührungen mit den Gefässen der »prähistorischen« Zeit Aegyptens zeigen, also jedenfalls weit ins vierte Jahrtausend hineinreichen, wäh- rend die folgenden Schichten, in denen das Metall aufzutauchen be- ginnt (Early Minoan I— III bei Evans), im wesentlichen dem Alten Reich gleichzeitig sind’ und die Datirung der dann folgenden Kamaräscultur (Middle Minoan II) durch Funde aus der zwölften Dynastie (2000 — 1800) völlig gesichert ist. Zu diesen Daten stimmen bekanntlich die Zeitbestimmungen, welche die Forschung für die prähistorischen Funde in Europa gewonnen hat. Die älteren neolithischen Schichten, das Auftauchen des geschliffenen Steinbeils und der ersten Hausthiere werden etwa in's vierte Jahr- tausend gehören, die Muschelhaufen u. A., die schon den Hund als Genossen des Menschen und neben Stein und Knochen einfache Thon- ! Der Annahme, daß die »Zweite Stadt« in die Zeit von etwa 2600— 2000 gehört, entspricht ebensowohl die entwickelte Bronzetechnik, wie das bekannte ihr angehörige Bleiidol der uralten Göttin des Geschlechtslebens, das auf babylonische Vorbilder zurück- geht und von hier wohl unter Sargon von Akkad (um 2500) nach Cypern gekommen ist; von hier wird der Typus dann in einem vereinzelten Exemplar nach Troja ge- langt sein. 2 Von den Chetitern und ihrer Cultur rede ich hier absichtlich nicht, da wir hier gerade gegenwärtig noch weitere Aufschlüsse abwarten müssen. Überdies ist sicher einmal, dass die Cultur, die uns in Boghazkiöi entgegentritt, erst deın zweiten Jahr- tausend angehört, und zweitens, dass diese Cultur und ebenso die ehetitische Schrift neben einheimischen, spontan entwickelten Elementen zweifellos auch starke fremde Ein- wirkungen, namentlich von Aegypten aus, erfahren hat. ® Dass die Zuweisung der ägyptischen Gefässe aus harteın Stein, die der Thiniten- zeit (3200— 2800) angehören, zu Early Minoan I keineswegs so gesichert ist, wie Evans annimmt, sondern sie jünger sein können, hat Burrows, The discoveries in (rete, 2. Aufl., p. 44f., ausgeführt. Meyer: Geschichtliche Methode n. Anfänge der menschlichen Geschichte. 659 gefässe kennen, mögen vielleicht noch höher hinaufragen; aber über das 5. Jahrtausend werden wir auch hier keinesfalls hinaufgeführt'. Auf das gleiche Ergebniss führt endlich eine Erwägung der Daten, die wir für die Urgeschichte der Indogermanen besitzen. So problematisch hier noch immer so vieles bleibt, so ist es doch vollkommen sicher, dass die Indogermanen in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. in die Geschichte einzutreten beginnen. Ihre Einwanderung in Griechen- land müssen wir jedenfalls beträchtlich vor ı500 ansetzen; zu An- fang des ı2. Jahrhunderts kommen sie nach Kleinasien. Arische Ele- mente treffen wir im 15. Jahrhundert in Mesopotamien und Syrien, und wahrscheinlich sind sie schon ein paar Jahrhunderte früher nach Westiran gekommen; das bestätigt, worauf ebenso die Entwicklung der Inder hinführt, dass die arische Periode spätestens etwa um 2000 v.Chr. begonnen hat. Zwischen dieser und der Zeit, da die Indo- germanen ein einheitliches, wenn auch in mehrere Stämme zerfallen- des Volk waren, liegen nach den sprachlichen Indieien wahrschein- lich ein paar Jahrhunderte, aber schwerlich mehr; über rund 2500 wird man den Abschluss der von der Sprachwissenschaft reconstruirten indogermanischen Urzeit nicht hinaufrücken können. Wir kommen also in dieselbe Zeit, in der sich die Gultur in Troja, auf den Inseln des Aegäischen Meeres, auf Kreta zu immer selbständigerer Eigenart zu entwickeln beginnt, und in der ebenso bei den Semiten in Palästina die Ansätze zu einer höheren Entwicklung einsetzen’. Um diese Zeit besassen also auch die Indogermanen eine eigenartige Cultur, ein selb- ständiges religiöses Leben und vor Allem eine Sprache, welche an innerer Durchbildung und Vielgestaltigkeit alle andere menschliche Rede übertrifft. Die Ausbildung dieser Cultur hat jedenfalls eine lange Zeit erfordert; so wenig wir irgend welche Mittel zu einer genaueren Abschätzung besitzen, so zweifellos ist es doch, dass diese indogerma- nische Urzeit und die Ausbildung der Sprache und Cultur viele Jahr- hunderte in Anspruch genommen hat. Auch hier kommen wir also mit den Anfängen, mit der Entstehung eines eigenartigen, individuell von allen anderen geschiedenen Volksthums zum mindesten weit in's vierte Jahrtausend hinauf. In ihrer Gesammtheit zeigen die hier zusammengestellten That- sachen, dass bei denjenigen Völkern und Gebieten der Alten Welt, die überhaupt zu einer höheren Cultur fortgeschritten sind, diese Ent- wiekelung etwa im fünften Jahrtausend v. Chr., also vor 6—7000 ! Ein selbständiges, auf eigener Arbeit beruhendes Urtheil besitze ich auf diesem Gebiet nicht; aber die jetzt reeipirte Chronologie scheint durchaus wohl begründet. ?2 Ebenso wohl bei den Amoritern; auch die Gründung des semitischen Reichs von Akkad in Babylonien fällt in dieselbe Zeit. 660 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. Jahren, begonnen hat. Sie zeigt sich äusserlich darin, dass diese Völker Spuren ihres Daseins hinterlassen haben, die sich bis auf unsere Zeit erhalten haben, und zugleich innerlich darin, dass sie ein geistiges Leben entwickeln, «as ihnen eine von allen anderen unterschiedene Sonderart, eine Volksindividualität verleiht, und sie dadurch weiter zu historischem- Leben und historischer Wirkung befähigt. Im ein- zelnen ist diese Entwickelung hier etwas früher, dort etwas später erkennbar, verläuft bald rascher, bald langsamer, bis das Volk entwe- der in das sich bildende und immer mehr verbreiternde Bett des vollen geschichtlichen Lebens eintritt, oder aber ein Zustand erreicht worden ist, über den es nach seiner Veranlagung und den äusseren Bedin- gungen seines Daseins, solange diese sich nieht ändern, nicht mehr hinauskommen kann — so z.B. bei den Beduinen, oder auch bei den- jenigen indogermanischen Völkern, die Jahrtausende lang nicht wesent- lich weitergekommen sind, bis sie vom Strom des lebendigen histo- rischen Lebens erfasst wurden. Doch sobald wir die Einzelerschei- nungen zu einer Einheit zusammenfassen, treten diese zeitlichen Unter- schiede vollständig zurück, während die Gleichzeitigkeit der Entwicke- lung um so überraschender und gewaltiger sich aufdrängt. Eine Ausnahme bildet freilich die Entwiekelung Amerikas; hier werden die Zustände, die in der Alten Welt einer fernen Vorzeit an- gehören, auch von den fortgeschrittensten Völkern erst Jahrtausende später erreicht. Wie das zu erklären ist, weiss ich nicht, und ich gehe darauf um so weniger ein, da mir dafür alle genaueren Kennt- nisse fehlen. Die geschichtliche Thatsache, die wir für die öst- liehen Continente eonstatirt haben, wird dadurch in keiner Weise beeinflusst. Diese Thatsache fordert eine Erklärung; und diese Erklärung kann nur in einer einzigen Richtung gesucht werden. Die Erfahrung lehrt, dass es viele Völker giebt, die auf einem einmal erreichten Standpunkt dauernd stehen bleiben und sich die Jahrtausende hindurch äusserlich kaum, innerlich garnicht verändern, es sei denn, dass sie durch äussere Einwirkungen gewaltsam aus ihren Bahnen gerissen werden, wie etwa gegenwärtig die Neger. Das können wir begreifen; nicht begreifen aber können wir, dass ein Volk lange Zeiträume hin- durch stagnirend auf derselben Stufe stehen geblieben sei und dann plötzlich von innen heraus eine neue vorwärts führende Bahn einge- schlagen habe. Vielmehr sind wir gezwungen, eine Continuität der Entwiekelung anzunehmen, die Linien, die wir vom 5. und 4. Jahr- tausend an bis zur Gegenwart verfolgen können, auch nach oben in der gleichen Richtung zu verlängern, obwohl uns hier die urkund- lichen Zeugnisse fehlen. Meyer: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 661 Das ist allerdings ein Postulat; aber ein Postulat, dessen An- wendung nicht in unserem Belieben steht, sondern das ebenso mit Nothwendigkeit in der Natur unseres Denkens liegt, wie dass wir einen Vorgang, den wir beobachten, als Wirkung und Ursache erfassen oder mit anderen Worten ihn causal entweder als einen Willensaet oder aber als einen gesetzmässigen Vorgang denken müssen. Wollten wir das Postulat negiren, so würden wir damit nicht nur das wissen- schaftliche Denken, sondern das Denken überhaupt aufheben; oder vielmehr, wir würden sofort nach der Ursache suchen, welche diesen Stillstand und die dann plötzlich spontan eingetretene fortschreitende Entwickelung dennoch begreiflich machte, und damit lediglich das Postulat wieder als berechtigt anerkennen. Wir müssen also annehmen, dass um 5000 v. Chr. das genus homo eine Stufe seiner Entwickelung erreicht hatte, die allen den Menschengruppen oder Völkern, die ihrer Veranlagung nach (d.h. nach den geistigen Kräften, die in ihnen beschlossen waren) über- haupt über dies Stadium hinausgelangen konnten, den Eintritt in die- jenigen Bahnen ermöglichte, die zur Entstehung einer weiter fort- schreitenden Cultur, zur Ausbildung einer Sonderindividualität, und zum Eintritt in ein historisches Leben führte. Vorher aber liegt die unendlich lange Epoche, in der der Mensch, dasjenige Wesen, das wir vom Standpunkte der abgeschlossenen Entwickelung aus mit diesem Namen bezeichnen, noch nicht existirte, sondern erst wurde, sich aus anderen organischen Wesen herausbildete. Innerhalb dieser langen Entwickelungsreihe einen Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an wir den Gattungsbegriff in dem Sinne anwenden können, den wir jetzt damit verbinden, ist bekanntlich völlig unmöglich. Die nächsten Vorstufen der um 5000 erreichten Entwickelung wird man natürlich noch ganz unbedenklich als Menschen bezeichnen; je weiter wir hinaufsteigen, desto schwankender wird unsere Auffassung werden. Man kann be- stimmte besonders charakteristische Errungenschaften, etwa die Bändi- gung und Verwerthung des Feuers, als das entscheidende Moment be- trachten oder aber die Sprachschöpfung etwa von dem Momente an, wo sie zur Satzbildung fortgeschritten ist und damit für das Denken einen formulirten Ausdruck gewonnen hat: indessen keine dieser Errungen- schaften ist ein einmaliger Act, sondern vielmehr ein unendlich langer, in vielen Stadien verlaufender Entwickelungsprocess. Und nicht anders liegt es, wenn man physische Merkmale erwählt, den aufrechten Gang, die Ausbildung der Hand, den Verlust der Behaarung, die Entwickelung des Gehirns: in Wirklichkeit gehen ja alle diese Dinge zusammen und stehen in fortwährender Wechselwirkung, und sind andrerseits nur die äussere Erscheinungsform der gleichzeitigen geistigen Entwickelung, 662 Gesanmtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. wie denn Ausbildung «er Grosshirnrinde, Schöpfung der Sprache und Entwiekelung des formulirten Denkens absolut identische Vorgänge sind. Nun giebt es allerdings eine Erscheinung, welche diese continuir- liche Linie durchkreuzt: das ist die Cultur der jüngeren paläolithischen Zeit, die uns vor Allem in den Höhlenfunden Frankreichs entgegen- tritt, und die wir als Magdalenien bezeichnen. Hier handelt es sich zweifellos um eine Cultur, die den bereits ausgebildeten Menschen voraussetzt; die künstlerischen Erzeugnisse, welche diese Epoche hinter- lassen hat, haben — in .scharfem Gegensatz zu den inzwischen ge- machten technischen Fortschritten -— in der ganzen neolithischen Zeit nieht ihres Gleichen, erst die hochentwickelte Cultur des Alten Reichs in Aegypten, des Reichs von Akkad in Babylonien, der Blüthezeit Kretas hat ihnen ebenbürtige Schöpfungen zur Seite zu setzen. Nach den geologischen Autoritäten ist das Magdalenien, durch eine weite Kluft von dem neolithischen Zeitalter getrennt, in eine sehr frühe Zeit zu setzen; der Abstand von der Gegenwart wird auf 15— 20.000 Jahre und mehr geschätzt. Der Historiker hat kein Mittel, um hier nach- zuprüfen; ihm bleibt niehts übrig, als anzunehmen, was ihm von autoritativer Seite geboten wird, so sehr sein Empfinden sich dagegen sträuben mag. Aber auch wenn sich hier in Zukunft noch Verschie- bungen ergeben sollten, so kann doch kein Zweifel sein, dass die Cultur des Magdalenien von der der neolithischen Zeit vollkommen geschieden ist und diese nicht etwa an sie anknüpft. Die Verfertiger der Scehnitzereien aus Rennthierhorn und Mammuthzahn, der Zeich- nungen auf Stein, der Wandmalereien in den Höhlen des Magdalenien sind zweifellos bereits Menschen in unserem Sinne gewesen. Wir haben es also hier mit einem bedeutsamen Ansatz zu höherer Cultur bei einem weit über die anderen hinausgeschrittenen Zweige der mensch- lichen Wesen zu thun, der dann aber jäh abgebrochen ist, vielleicht durch eine äußere Katastrophe, und eine Fortsetzung nicht gefunden hat. Wie weit die übrigen, weit roheren Reste aus paläolithischer Zeit, die in weit höhere Epochen hinaufragen, schon als wirklich mensch- liche Producte bezeichnet werden dürfen, ist eine Frage, auf die sich eine entscheidende Antwort nicht geben lässt, da das was den Aus- schlag geben würde, Zeugnisse über das geistige Leben, wie sie in der Kunst des Magdalenien vorliegen, hier völlig fehlen‘. Dagegen bei den eolithischen Steinwerkzeugen’, welche die letzten Jahre in ! Nur die nächsten Vorstufen, denen die Grimaldigrotten mit Feuerstellen und beigesetzten Leichen angehören, sind zweifellos schon völlig menschlich. ® Dass die Eolithen wirklich Artefakte sind, scheint von den competenten Be- urtheilern gegenwärtig so allgemein anerkannt zu sein, daß wir sie unbedenklich als solche behandeln dürfen. Mever: Geschichtliche Methode u. Anfänge der menschlichen Geschichte. 663 so grosser Fülle gebracht haben und die in monotoner Gleichförmig- keit bis hoch in die Tertiärzeit hinaufragen, kann von Menschen nicht mehr die Rede sein, sondern nur von Vorstufen des Menschen. Es sind die an sich uninteressantesten, aber, abgesehen von ganz ver- einzelten Knochenfunden, allein erhaltenen Überreste der unendlich langen Übergangszeit, die von einem hochentwickelten Thier schritt- weise zum ausgebildeten Menschen geführt hat. Abgebrochene und abgeschlagene Steine zu verwerthen hat dies Wesen sehr früh gelernt; aber ein weiterer Fortschritt in der Entwickelung des Werkzeugs, eine Entwiekelung der Technik ist dann ungezählte Jahrtausende hindurch nicht eingetreten. Aber neben dem Stillstand auf diesem für seine Lebensbedürfnisse recht untergeordneten Gebiet geht ein um so stärkeres Vorwärtsschreiten, eine tiefgreifende Umwandlung zugleich auf in- telleetuellem und auf somatischem Gebiet einher: das Wesen, von dem die Eolithen der Miocänzeit stammen, wird physisch und psychisch durchaus verschieden gewesen sein von dem, welches die Eolithen der ersten Eiszeit benutzt hat; und von hier war noch wieder ein ge- waltiger Schritt bis zu dem Menschen des Magdalenien und weiter zu dem Menschen der neolithischen Zeit und der beginnenden Cultur im fünften Jahrtausend. Meine Ausführungen und Ergebnisse berühren sich aufs engste mit denen, welche vor Kurzem, von ganz entgegengesetzter Seite her, Hr. Prncx vorgelegt und in lichtvoller Weise begründet hat'. Ich habe daher seine Darlegungen mit der grössten Freude begrüsst. Was er von naturwissenschaftlichem Standpunkt aus fordert, verlangt mit derselben Entschiedenheit die historische Betrachtung. Nur auf diesem Wege können die Thatsachen begriffen werden, die uns sonst als ein unlösbares Problem gegenüberstehen. Nur auf diesem Wege vermag aber auch die historische Forschung die Grenzen zu erkennen, an denen ihr Machtbereich beginnt und an denen die geschichtliche Entwickelung des Menschen einsetzt, deren Erforschung ihre Aufgabe bildet. ı A. Penck, Das Alter des Menschengeschlechts, Zeitschr. für Ethnologie XL, 1908, S. 3goff. Sitzungsberichte 1908. 63 664 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. Über die Darstellung der symmetrischen Gruppe durch lineare homogene Substitutionen. Von Dr. Issaı Scnur, Privatdozent an der Universität zu Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Frogenıus am 4. Juni 1908 [s. oben S. 593].) ne genaue Übersicht über die irreduziblen Gruppen linearer homo- gener Substitutionen ®,, die der symmetrischen Gruppe n'” Grades ©, isomorph sind, hat zuerst Hr. Frogenus durch Bestimmung der Charak- tere von ©, gewonnen'. Die Charaktere von ©, habe ich später in meiner Dissertation’ noch auf einem anderen Wege erhalten; zugleich habe ich gezeigt, daß man die wirkliche Konstruktion der Gruppen ©, auf die Berechnung gewisser Determinantenrelationen zurückführen kann (D., $ 36). Eine weitere Methode zur Berechnung der Charaktere von ©, und der Gruppen 6, hat Hr. Frogenvs in seiner Arbeit Über die charakte- ristischen Einheiten der symmetrischen Gruppe” angegeben. In dieser Arbeit hat Hr. Frogenıus auch zuerst den Satz ausgesprochen, daß jede der Gruppen ©, bei passender Wahl der Variabeln als eine Gruppe mit rationalen Koeffizienten geschrieben werden kann'. In der vorliegenden Arbeit soll nun genauer gezeigt werden, daß sich jede der irreduziblen Gruppen 6, bei geeigneter Wahl der Variabeln auch als eine Gruppe mit ganzzahligen rationalen Koeffizienten dar- stellen läßt. Da nun jede Gruppe linearer Substitutionen, die der Gruppe ©, isomorph ist, als eine endliche Gruppe vollständig reduzibel ist, so ergibt sich zugleich der Satz: Jede Gruppe linearer homogener Substitutionen, die der symmetrischen Gruppe n'= Grades isomorph ist, läßt sich durch eine lineare Transforma- tion der Variabeln in eine Gruppe mit ganzzahligen rationalen Koeffizienten überführen. ı Sitzungsberichte 1900, S. 516. ® Über eine Klasse von Matrizen, die sich einer gegebenen Matrix zuordnen lassen, Berlin 1901. — Im folgenden mit D. zitiert. ° Sitzungsberichte 1903, S. 328. * Dieses Resultat ergibt sich auch ohne weiteres aus den Betrachtungen des $ 36 ıneiner Dissertation. I. Scuur: Über die Darstellung der symmetrischen Gruppe. 665 $ 1. Es mögen zunächst einige Bemerkungen über die Charaktere der symmetrischen Gruppe ©, vorausgeschickt werden. Man habe eine Gruppe © linearer homogener Substitutionen von nicht verschwindenden Determinanten, die der Gruppe ©, isomorph ist. Entspricht dann die Substitution A von © einer Permutation KR von ©,, die in z, Zykeln der Ordnung 1, ferner #, Zykeln der Ord- nung 2 zerfällt usw., so sei %(R) = %a,a,...,., die Spur der Substitu- tion A. Die Gesamtheit der Zahlen %(R) wird als der Charakter der Gruppe © bezeichnet. Bedeuten ferner 5, ,8,, °'', s, unabhängige Variable, so nenne ich die Funktion 393 Xaysags. 0m s,\“ S, \“ an. a Nana 2 n die Charakteristik der Gruppe ©; hierbei ist die Summation über alle nicht negativen ganzzahligen Lösungen der Gleichung rt 200 ern zu erstrecken. Durch die Charakteristik ® ist die Gruppe ©, wenn äqui- valente (ähnliche) Gruppen als nicht voneinander verschieden gelten, 5 ’ i ee En eindeutig bestimmt. Der Koeffizient f = %,,o,...,, von =) gibt die nOyeee, SIE Anzahl der Variabeln oder den Grad der Gruppe © an. Die Anzahl der nicht äquivalenten irreduziblen Gruppen ®, die der Gruppe ©, isomorph sind, ist gleich der Anzahl % der Zerlegungen (6) n—Khtat ee ASS. -P3, °'', 9, gehörende Gruppe des Moduls M. Bilden insbesondere die n! Substitutionen B eine mit ©, isomorphe Gruppe N, so folgt aus der Gleichung (6), daß die Gruppe des Moduls M keinen irreduziblen Bestandteil enthält, der nicht auch in der Gruppe N enthalten. ist. Es sei wieder M ein beliebiger symmetrischer Modul der Ord- nung m in n Variabeln, und es sei A ein Teilmodul der Ordnung a von M, der ebenfalls symmetrisch ist. Sieht man dann zwei Funktionen von M, deren Differenz in A enthalten ist, als nicht voneinander ver- schieden an, so erscheint M, mod. A betrachtet, gewissermaßen als ein symmetrischer Modul der Ordnung m-a = r. Der so entstehende Relativmodul P soll der zu A komplementäre Modul heißen. In M lassen sich ferner r Formen 1, ,7,, '''., bestimmen, so daß jede Form $ von M mod. A einer linearen Verbindung 4n,+%9%-+ + «n, kongruent wird. Die Funktionen 9,,7,, :::,, bilden dann, wie wir sagen wollen, eine Dasis des komplementären Moduls P. Geht N, durch die Permutation R der Variabeln in n; über, so wird = latı ten tt CM (mod. A); hierbei bedeuten die ce, gewisse Konstanten. Die den verschiedenen Permutationen von ©, entsprechenden Substitutionen (c,) bilden eine mit ©, isomorphe Gruppe N, die Gruppe des komplementären Moduls P. Diese Gruppe WR läßt sich bekanntlich auch folgendermaßen charakte- risieren: man bestimme eine Basis &,,&, -:,&, des Moduls A und be- 670 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. zeichne mit A die zu dieser Basis gehörende Gruppe von A; wählt man als Basis von M die m Formen &,:",&>M>'",%, so erhält die dieser Basis entsprechende Gruppe M von M die Gestalt (8) Hieraus folgt zugleich, daß jeder irreduzible Bestandteil von M entweder in A oder in R enthalten ist. $ 4. Man betrachte nun den speziellen symmetrischen Modul T in den n Variabeln &,,&%,:':,&%,, der durch die Funktion Er (Ce oe) erzeugt wird. Hierbei soll p irgendeine ganze Zahl bedeuten, die nicht größer ist als n; für p = | setze man P=mtmt- tm. Unter C\”,,...,, verstehe man für r>p die Summe aller Produkte von je p verschiedenen aus der Reihe der Variabeln x, ,&,,'-,a,, da- ı 0 = r gegen sei G,2,.. = O’füur’r =p Istedann Oı,da, ‚ap, Bı, Pa, var len irgendeine Anordnung der Indizes 1,2, ---,n, so gilt die Formel U SEC. : (mod. T). Es genügt offenbar die Formel (7-) %,%, w; %, = = 1)2 ser’, n (mod. T) zu beweisen. Diese Formel ist für p = 1 unmittelbar evident; sie sei für die Zahl p-1 bereits bewiesen. Ist dann T’ der durch die Funktion a ee) erzeugte symmetrische Modul in den n-1 Variabeln «,, ---, x,, so wird also (8.) = (-1) 087)... (mod.T). Ist aber $ in T’ enthalten, so kommt x,p in T vor. Daher folgt aus (8) 20, (-1)"2, 087), (mod.T). Ebenso ist für jedes « aus der Reihe 1,2, :--,p 2, = (-1)P"a, ER (mod. T') und folglich 9) para = 1 ka + ++)... (mod.T). I. Schnur: Über die Darstellung der symmetrischen Gruppe. 671 Ist nun n-p p-1l, so wähle man 9-1 Indizes y,,--,y,., aus der Reihe p+1,---,n und bezeichne die übrigbleibenden g = n-2p-+1 Indizes mit &,,-,d,. Dann ist jedenfalls EEE ERR ( u ul 05 Yan u) Br +2,) =0 (mod.T). n—p Re S ') Kombinationen y,,-, %-ı, so ergibt Summiert man über alle ( sich, wie man leicht sieht, (a +++ a +PON on — 0 (mod.T). In Verbindung mit (9) ergibt sich hieraus px, 2, = (-1)PpC),.... (mod.T). pHy +: Dividiert man durch p, so erhält man die zu beweisende Formel (7). 8 Um nun die zu der Zerlegung un n=htkt' + (AKı1 und bedeutet A” den Koeffizienten von x” in F®, so wird A, = a AV Far AL... 1, AN Ar, Hierbei ist zu beachten, daß A für 1, —=1 gleich 0 zu setzen ist, da dann FW — Ff:’-*) keine der Variabeln in der m“® Potenz ent- hält. Die mit Hilfe der n-2 Variabeln tl ion du gebildeten Funktionen F%ı-2,22,-°-%,) i FRı-1,a2- A, —1,%y 419 °%%,An) bezeichne man mit F® und F® und setze noch D9 — F®)_ A®, Für ?,—= 1 hat man hierbei F®, und also auch D®, gleich 0 zu setzen. Ebenso soll, entsprechend einer früher gemachten Festsetzung, F® — 0 sein, wenn für >2 die Indizes A,_, und A, einander gleich werden; in diesem Fall wird zugleich F® und also auch D® gleich 0. Für A, = A, ist aber F9 — AM — 0, dagegen F® — D® von Null verschieden. Nun wird auf Grund unserer Rekursionsformel PF=ÜFA+Lar FW +... +.,F"+FeN), 676 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. mithin auch (1:5.) D, = «" DO +2" "!D9 +...+2,D"+Det), Wir nehmen nun den Satz II, der für n—= 2 leicht zu verifizieren ist, für die Funktionen #® der n-1 Variabeln x,,:--,x, als bereits be- wiesen an. Tritt an Stelle der Zahl vu = ?,-?r,+1 bei F® die Zahl u,, so wird für A,>1 mM=ptrl,p—un-lh,gw = ww mu: ist aber A, = I, so benutzen wir nur die Gleichungen e=r-hu=p=e=pn—n Ist nun vA,, so dürfen wir schließen, daß D”), eine Summe von Potenz- produkten ist, von denen jedes den Faktor a7” 27°" --- «7 enthält: [2 daher enthält jedes Glied von D,,, den Faktor 2) "22" ---a7”. Es X 1a sei nun v>w+1; dann wird jeder der Ausdrücke DV, De... .DeE) entweder 0 oder eine Summe von Potenzprodukten, von denen jedes einen Faktor pri „mi... „m-i TB, vo, Bye enthält. Ferner wird a7" D® in jedem Fall eine Summe, in der jedes Glied einen Faktor AL | a m—1 & nich Vau-ı enthält. Hierbei bedeuten 8, ,%, :-:, 9, Indizes aus der Reihe 2, 3, -,v—-l. Die Formel (15) lehrt uns dann, daß der Ausdruck D, in der Tat die behauptete Eigenschaft besitzt. Der Beweis des Satzes I gestaltet sich nun folgendermaßen. Man verstehe unter T die Gesamtheit aller Funktionen des Moduls M, die mod.A ganzzahligen linearen Verbindungen der Glieder X, , A, -,A, I. Scaur: Über die Darstellung der symmetrischen Gruppe. 677 von F kongruent sind. Wir haben also zu zeigen, daß T alle Potenz- produkte X®@ enthält. Nun nehmen wir unseren Satz, der für n—=2 unmittelbar zu bestätigen ist, für weniger als » Variable als bereits bewiesen an. Sind dann UP, UD, U, «.. die Potenzprodukte der Variabeln (13), die die Basis des Moduls M, bilden, so ist jedes dieser Produkte mod. A, einer ganzzahligen linearen Verbindung der Glieder der Summe F, kongruent. Zeigen wir daher, daß in T alle Glieder der Summe «F, vorkommen, so können wir aus der Tatsache, daß A den Modul x!'A, enthält, unmittelbar schließen, daß T auch alle Potenzprodukte a" U0, 2" UN, a" U9,..-, d. h. alle durch x” teilbaren Potenzprodukte X enthält. Ist nun v Su, so enthält T gewiß alle Glieder der Summe «/F,, weil diese Glieder wegen III auch in der Summe F vorkommen. Also kommen in T auch alle Produkte X vor, die einen der Faktoren 4, °',% enthalten. Es sei für v>u schon gezeigt, daß T alle Produkte X enthält, die durch eine der Potenzen «", a7, -,x”, teilbar sind. Auf Grund des Satzes II können wir dann schließen, daß T auch alle Produkte X enthält, die einen Faktor der Form Ve er l,2,.--,v—1 bedeuten. Folglich kommen wegen II in T auch alle m—1 enthalten. wobei &,,4,,:'',«, Indizes aus der Reihe Glieder der Summe x”D, und mithin auch alle Glieder der Summe „m em „Mm BE ee a) vor. — Damit ist aber der Satz I bewiesen. Wir können den Satz aussprechen: IV. Um die der symmetrischen Gruppe n“" Grades isomorphe irredu- zible Substitutionsgruppe ©,,,.,...,,, zu konstruieren, bilde man den sym- metrischen Modul A und den Ausdruck F—= Fr’), der eine Summe von f Potenzprodukten X,.X,,::-,X, der Variabeln ©,,%,:':,, ist. Führt die Permutation R der Variabeln das Potenzprodukt X, in X, über, so lassen sich ganze Zahlen c,s in eindeutiger Weise berechnen, so day X, = Car Aı + Ca fa + "+ Car Ar (mod. A) wird. Die so entstandenen n! Substilutionen (c,.) bilden dann die Gruppe 16) As day "ern do Q Die Koeffizienten c,, sind als bekannt anzusehen, sobald es gelingt, die N-f von X,,X,, --- X, verschiedenen Potenzprodukte X® mod. A durch X, ,X,, --, A, darzustellen. Man hat also im ganzen nur (N-f)f Koeffizienten zu berechnen. 678 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. $ 7. Die Rechnung gestaltet sich besonders einfach für den Fall h=l,=l, 3 =l,y,—=n-ptl. Die zu betrachtenden Produkte X sind in diesem Fall die Produkte (m) ER N (1,2, nm pl) Die f = (",') Potenzprodukte X, ,X,, --, X, sind die Produkte m (18.) ©, Rn ne m| Dez | uw. SIZT 0 M Ani ara. 120) Die Regierungsdauer des Dhwtj-nht ist ganz unbekannt; sie kann nicht allzu kurz gewesen sein, da zwischen seinem Vorgänger und dem 13. Regierungsjahre seines Nachfolgers zwei Generationen einer Seiten- linie der Familie liegen. Man wird die Herrschaft dieses Dynasten- geschlechts also wohl auf mindestens 70 Jahre veranschlagen können. Graffito 13 berichtet von einer Expedition mit 600 Arbeitern zur Gewinnung von Steinen für den Thothtempel von Schmun. Die große Mehrzahl der Graffiti in unserm Steinbruch (Nr. 14— 32) ist nach Regierungsjahren eines andern Fürstengeschlechts datiert, das offenbar dem der nn>> folgte, vielleicht unmittelbar, von jenem durch eine Erbtochter abstammend. | R NAhrj, der erste Herrscher des neuen Geschlechts, nennt zwar Beeren seinen Vater und Großvater, die beide höhere priester- liche Ämter innehatten, jedoch nicht regiert haben', bezeichnet sich aber mit Vorliebe als DR, »geboren von der Amj«, von der er offenbar die Herrschaftsansprüche geerbt hat. Die Annahme, daß die jedenfalls älteren Fürsten DAS un- mittelbar vor Nhrj regiert haben, wird gestützt durch die Tatsache, daß die Mehrzahl von den Beamten des letzteren anscheinend unter ! Der Vater ist in NArjs 7. Regierungsjahre nach Gr. 23 noch am Leben. 684 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. NW der Regierung eines Bar geboren ist, nach dem sie nach alter ägyptischer Sitte den Namen tragen. Unter Beiseitelassung nebensächlicher Mitglieder — wir kennen die bei Bersche liegenden Gräber dieses Dynastenhauses — läßt sich folgender Stammbaum von Nhrjs Geschlecht aufstellen: Priester ul) A — SE Priester AST R — Fürstin I RB Fürst | Pine | Fürst N R Fürst ea Elan - II. = SINN: ee ra AT Bi _D (lebte nach Gr. 49 im oa \l (ne al Jahre 31 Sesostris’ ].) Fürst Nhrj I. war somit Urgroßvater eines Mannes, der im Sole der ı2. Dynastie lebte. Wir kennen nunmehr auf Grund der Texte von Hatnub sowie von Grabinschriften von Schöch Said und Bersche folgende Fürsten des » ae « (Schmun-Hermupolis): : ee Zeitgenosse König Nfr-f-res (Dynastie 5, 4; Bersche, unpubliziert). 2 dl 78. Zeitgenosse Phiops’ II. Nfr-k3-r“ (Gr. 8). 3. Dhwtj-nht, Sohn des TY (LD. I, 112/13). 4. Dhwtj-nht, Sohn des Dhwtj-nht, Zeitgenosse des Tell (Hat- nub, Hierogl. Nr. 9). 5. INS (Gr. 9). Mindestregierung 31 Jahre. 6. RS Zeitgenosse eines Königs @sDo (Hie- rogl. Nr. 10). 7: DAS Al. (Mindestregierung 20 Jahre, s. oben S.683; Gr.10). RS a: 9. DAsz II. (Mindestregierung 13 Jahre). 10. BR Pie Sohn der a Ri (Mindestregierung 8 Jahre). G. Mörrer: Inschriften von Hatnub. 685 ul K2; Bar I. Dessen Sohn I Ne lebt im 31. Jahre Sesostris’ 1. Nr. 5—ı2 führen das Attribut N und datieren nach eigenen Regierungsjahren. 2 9 schließt vermutlich direkt an 10, zwischen ı und 2 liegt ein größerer Zwischenraum, zwischen 2—6 sind Lücken möglich. Wir haben also mindestens ı2 Generationen oder etwa 300 Jahre zwischen dem Ende der 6. Dynastie (Phiops I.) und dem 51 Jahre der ı2. Dy- nastie (31. Jahr Sesostris’ 1.). Unter NArj I. ist, wie die vielen Inschriften aus seiner Regierungs- zeit zeigen, die Ausbeutung des Steinbruches am intensivsten gewe- sen und anscheinend die Macht des Gaufürsten auf ihrem Höhepunkt angelangt. Er datiert nicht nur, wie schon eine Reihe seiner Vor- gänger, nach eigenen Regierungsjahren und führt, wie sie, hinter seinem Namen das nur den Königen zukommende N (er allein auch if BES) sondern er wird auch als »Sohn des Thoth«, seines © Gaugottes, bezeichnet, genau wie der König ES »Sohn des Sonnen- gottes« heißt, und was nicht minder charakteristisch für seine un- abhängige Stellung ist, seine Untertanen schwören bei seinem Namen. In seiner Jugend hat er zusammen mit seinem Vater, dem IN Al > 3 er m R SI Sr == A » Vorsteher der Propheten und hohen num N Priester des Thoth Dhwtj-nht«, seinen Gau in Kriegsnot errettet RN, es = ai u ee N »vor dem bösen Schrecken des Ko. nigshauses« (Gr. 23. 24). Offenbar ist die ı 1. Dynastie — wir befinden uns etwa im 40. Jahre vor dem Emporkommen der 12. — nie oder doch erst kurz vor ihrem Erlöschen Herr der kleinen Gaufürsten geworden. In den Kämpfen, welche die letzten Herakleopoliten gegen die aufkommende Macht der thebanischen Dynasten zu führen hatten, be- saßen sie in dem noch südlicher als Schmun gelegenen Siut, nach Ausweis der Inschriften dortiger Nomarchen, eine feste Stellung. Daß Hermupolis nieht auf seiten der »Entefs« und Mentuhoteps stehen konnte, ist eine geographische Notwendigkeit, und so dürfen wir wohl in dem feindseligen } = u der Hatnubtexte die in Theben residie- renden Herrscher sehen. Seit dem vierten Regierungsjahre unsers NArj herrscht Frieden im Gau, und bis zum achten finden alljährlich Steinbruchexpeditionen 686 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. statt, denen wir nicht weniger als 14 Inschriften verdanken. Als Probe möchte ich hier die älteste derselben (Nr. 14) mitteilen, die auf die Beziehungen der frühern' Fürsten von Schmun zum Königshof wie auf Expeditionen, die sie nilab und nilauf bis an die Landesgrenze sandten, ein interessantes Lieht wirft (Abb. 2). Der Text lautet: Abb. 2. Ei TrerarSilllen! ed LT 4 ZiA" kusırgaizn a _ w nm = per BER SSTUrTTE a dr af < u x 2.5012 Re 2235 /. — I 0 aim sig ak >=: ’ m no Qo AK ia —ı Non hun #2 u 27, cz a SR nn Re rin. Au 1,2 2 © Rıulılg J % n_\,;3° > Fass . v2) 75] ES EN 7 UNON oNFA>S vi n es ) K 2 | HN HIAL, 2%% a; ah Daız /, / D s tn FA — RR } MN Zn WHERE Di N, 0 or m 4 ma Gr.14. Hieratische Inschrift des Ntrw-Atp aus dem vierten Jahre des Fürsten Nie; Sn FZHAMTR- FUN ART AFTER A-atr lizes ıııllla — ' Man bedenke, daß der Text die Selbstbiographie eines 73Jjährigen Mannes ist. sende 1 En ° a st Sea? ER ee - TEN PE IS Ye Mi Mn Se lee re D Me — bi ne n NN Dez YelprEa er. le il Re Zul 6) ZINN DELL ee A = ri hen [ann I nnn ig nn 688 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. en... Zn No 77 GG Ts EN Bale] N In Jahr 4 des Fürsten usw. vom Hasengau, NArj (Leben, Heil, Ge- sundheit), Sohnes des Dinotj-nht, Sohnes des A37. Es spricht (wörtlich: was sprieht) der Kapitän, Nirw-Atp: Ich bin ein trefflicher Schatzmeister, gelobt von seinem Herrn', ich führte die Weisungen aus in meiner Stadt, nicht war meinesgleichen. Ich wurde Kleiderbewahrer und wurde Speichervorsteher und wurde Bewässerungsinspektor. Ich wurde Herold. Ich wurde Kapitän, indem ich stromauf fuhr, erreichte ich Elephantine, indem ich stromab fuhr, erreichte ich das Delta, um die Weisungen meines Herrn auszuführen in Botschaften an das Königshaus, und kehrte zurück zufriedenen Herzens, nachdem ich getan hatte, wozu ich [bestellt] war. Die Anb-t des Königshauses war erfreut, da mein Herr so sehr beliebt war im Palaste. Ich bin ein trefflicher Herold ...... Ich bin hierher nach Hatnub ausgezogen als Mann von 73 Jahren Alles aber, was ich gesagt habe, daran ist keine Lüge. Ich schwöre bei NArj, geboren von der Armj [Leben, Heil, Ge- sundheit — ich spreche die Wahrheit]. Noch weniger als in diesem Texte ist in den spätern Inschriften Nhrjs von einer Unterwerfung unter die Königsgewalt zu spüren; die Erwähnung früherer Kämpfe gegen das Königshaus (s. oben) stammt aus dem 7. Jahre. Wie dann Nhrjs Nachkommen durch die Herrscher der ı2. Dynastie in die Rolle der reichen, sich der königlichen Huld und höfischer Ämter freuenden Landedelleute heruntergedrückt wurden, als die sie in ihren Gräbern bei Bersche erscheinen, erfahren wir aus ! Dem Fürsten des Hasengaues, in dessen Diensten Nirw-ktp die hier aufge- zählten Ämter bekleidet. ( | hf | G. Mörrer: Inschriften von Hatnub. 689 den Steinbruchinschriften nieht. Nhrjs Urenkel, der unter Sesostris I. a [= >>) Aus lebt und nach dessen Vorgänger den Namen | IN El vn führt, be- sucht den Alabasterbruch als Königlicher Kommissar und rühmt sich in seiner Inschrift, der jüngsten des Steinbruches (Nr. 49), seiner Unter- eat CO INN et SR alerteiner würfigkeit: Sa ni N Ns! Ich bin aber einer, der schweigt und den Rücken krümmt.« Die Texte des jüngeren Steinbruches. Aus der unmittelbaren Folgezeit, und zwar aus dem 20. Jahre von Sesostris’ I. Nachfolger Amenemhet II., stammt die älteste Inschrift in dem kleinen Steinbruch. Dieser ist nur kurze Zeit in Betrieb ge- Abb. 3. dar Die Zugangsstraße in den Steinbruch, wesen. Wie der ältere große Alabasterbruch, ist auch er aus einer natürlichen Höhle erweitert, auch bei ihm ist frühzeitig die Decke eingestürzt; da er aber abweichend von jenem in einer Niederung liegt, mußte er bei jedem Winterregen voll Wasser laufen, ist dann bald verschlammt und frühzeitig aufgegeben. Die jüngste Inschrift, nach dem paläographischen Charakter etwa aus der Hyksoszeit stammend — die Schriftformen sind etwa die des Papyrus Westcar —, rührt offenbar nicht von einer Steinbruchsexpedition, sondern von einem Jäger her, der hier auf der Streife nach Gazellen Unterkunft suchte. Er hat sich mit Pfeil und Bogen und mit seinen Hunden abgebildet; ihm zu Füßen liegt eine Gazelle. Was die Darstellung hervorragend interessant und die schlechte Erhaltung des dazugehörigen Textes be- sonders bedauerlich macht, ist der Umstand, daß wir es offenbar mit einem Nichtägypter zu tun haben; er ist gelbhäutig, mit kurzem schwar- zem Vollbart gemalt. 690 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 4. Juni. Technisches. Über das Abbauverfahren bei der Alabastergewinnung konnte ich nichts feststellen; möglich, daß ein technisch geübteres Auge hier noch einiges ermitteln könnte. Die Transporte gingen auf Schlitten vor sich, wie die bekannte, jetzt zerstörte Darstellung vom Transport einer alabasternen Kolossal- statue in Grab 2 von Bersche (Bersheh II, pl. XI) zeigt. Der Zugang Abb. 4. Vollständig erhaltene Steinhütte. Der Zugang ist durch zwei Steinreihen markiert. in den Steinbruch ist ziemlich stark geneigt. In der Mitte waren Unebenheiten durch Aufschüttungen ausgeglichen, zu beiden Seiten Treppen mit flachen Stufen für die Arbeiter, die den Schlitten zu ziehen hatten, in den Felsen gehauen. An diese Gleitfläche, die noch deutlich die Spuren der Förderschlitten zeigte, schließt sich dann eine breite, überaus geschickt angelegte Straße (Abb. 3), die in mächtigen Steinschüttungen zahlreiche kleinere Schluchten überbrückt und den alten Ingenieuren alle Ehre macht. Es steht zu hoffen, daß es mög- lich sein wird, von den geplanten deutschen Ausgrabungen bei Tell Amarna aus diese interessante älteste Straßenanlage genau aufzuneh- men, ebenso wie die zahlreichen, zum Teil noch wohlerhaltenen Ar- beiterhütten (s. Abb. 4), die den großen Steinbruch rings umgeben. Kekure von Sıravonırz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 691 Die Geburt der Helena aus dem Ei. Von R. KEKULE voN STRADONITZ. (Vorgetragen am 5. März 1908 [s. oben S. 285.) Hierzu Taf. VI, VIL, VII und IX. Vor bald 30 Jahren habe ich in der Festschrift, die die Universität Bonn dem Archäologischen Institut in Rom zu der 5oJjährigen Fest- feier seines Bestehens darbrachte, die literarische Überlieferung und die bildliehen Denkmäler, die sich auf den Mythos von der Geburt der Helena aus dem Ei beziehen, ausführlich behandelt. Den Anlaß gab mir eine in Fasano gefundene Vase, die ich in meinen eigenen Händen von dort bis Bonn gebracht hatte. Heute nach so langer Zeit komme ich auf das alte Thema zurück, weil ein vor ein paar Jahren für das hiesige Museum erworbenes merkwürdiges Gefäß mir den Anlaß gibt, zusammenzustellen, was seit 1579 von Denkmälern dazugekommen ist. Ich zähle sie zunächst wie folgt auf. Boston, Museum of fine arts, Baldwin Coolidge Photographie 1677. Rotfigurige Schale des Xenotimos, früher bei Branteghem. Burlington fine arts Club Catalogue of Greek Ceramie art exhibited 1833 No. 10 (Frönner). Antike Denkmäler I Tafel 59, S. 51 (Conze). S. Tafel VI und Abb. ı und 2. Ich setze Conzes Erläuterung her: »Die Branteghemsche Vase besiegelt die Richtigkeit der Deutung durch Inschriften, bietet zugleich einen neuen Anhalt, den mehrfach dargestellten Hergang der Sage sich deutlicher zu machen. Einerseits sind drei Figuren an einem Altare dargestellt. Auf dem Altare, auf welchem zum Brande bereit gelegte Hölzer angedeutet scheinen (vgl. die Bonner Vase), liegt das Ei, welches der Helena das Leben geben sollte. Daneben sitzt, der Zeichnung der charakteristischen Formen nach ganz deutlich, ein Adler, der Adler des Zeus, welcher auf der Vase Krkure Ü vom Himmel herabfliegt. Links am Altare steht, einen Kranz im weißen Haar, bekleidet mit ärmellosem langen Chiton und Himation, ein Zepter in der Linken, also als König charakterisiert, Tyndareos (TEYAAPE2E). Auf der andern Seite des Altars bewegt sich in noch lebhafterer Aufregung über den Vorgang, als auf den 692 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. Abb. 1. Vasen Krkure A, B, 6, A’, Leda (AEAA), bekleidet nur mit einem ärmellosen untergürteten Chiton mit Überfall. Hinter Tyndareos steht, mit einem Gestus der rechten Hand teilnehmend, seine Tochter Klytaimestra (KAYTAIMEzTPA). Sie trägt einen Ärmelchiton und Mantel, das Haar umbunden und hinten in einen Schopf gefaßt.« Die zweite Außenseite ist eine ausführende Fortsetzung der ersten. Ich lasse wiederum Üonzes Beschreibung folgen: »In der anderen Hälfte des Bildes steht inmitten eine andere Tochter des T'yndareos, wie Roßert mit Anführung von Apollodor III, ı0, 7, ı und einer Vase im Britischen Museum (584) nachgewiesen hat (Archäol. Anzeiger 1889 S. 143) Phylonoe (#vnonoe). Bekleidet mit einem über dem Über- falle gegürteten Chiton steht sie, mit dem linken Fuß auf einen Felsen auftretend, das Kinn in die linke Hand gestützt, und streckt die rechte Hand wie redend gegen eine ihr gegenüberstehende Genossin aus, die mit ähnlichem Gestus die linke Hand bewegt. Diese trägt über einem Ärmelchiton einen Mantel. In der Beischrift wird sie, wenn man einen Schreibfehler annehmen darf, Kleopatra genannt (KAEOTPA). Bleibt dieser Name ohne Erklärung, so fehlt die Beischrift ganz bei der dritten Figur, welche, für die Komposition gesondert, abgewandt hinter Phylonoe steht. Sie ist bekleidet wie Leda. In der Proportion ist sie dem Zeichner etwas kurz geraten. Den Platz einer Namensinschrift hat die Künstlerinschrift eingenommen: Zenörimoc ETTOIHCEN. « Auf dem Innenbild der Schale sitzt auf einem Lehnstuhl ein bärtiger Mann, mit Chlamys, Stiefeln, Petasos bekleidet; er hält zwei Speere in der Hand. Die Beischrift nennt ihn Peirithoos (NEPIEOge). Hier ist also kein mythischer Zusammenhang mit den Außenbildern festgehalten. KekuLE von Srravonırz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 693 Bologna, Museo Civico (Abb. 3). Brızıo in den Atti e memorie della R. deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, Serie II, vol. V, fasc. I e II zu Taf. VIII: Il vaso della forma di cra- tere detto a campana fu trovato prima del 1333 in un sepolero etrusco del predio Arnoaldi fuori porta Isaia. Nell’ anno 1833 in seguito ad offerta fattami dallo stesso Sig. Arnoaldi lo acquistai in- sieme a dodiei altri per il Museo, in cui adesso si trova. Die Rück- seite, die mit der Vasenform am Anfang des Aufsatzes von Brızıo angegeben ist, zeigt eine Herme zwischen einem Mann und einer Frau: una donna ammantata con cuffia in capo, la quale sacrifica ad un’ erma itifallica con barba e capelli bianchi a cui offre una patera che tiene nella destra. Dietro l’ erma vedesi un uomo ammantato che si allontana. 694 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. Das Hauptbild zeigt in der Mitte einen Altar, auf dem das Ei liegt. Dahinter geht eine Säule mit ionischem Kapitell in die Höhe, auf der ein Dreifuß steht. Von rechts her, vom Beschauer aus, ist eine Frau, also Leda, zum Altar herangetreten, die beide Hände er- hebt. Hinter ihr steht bärtig, das Haar mit einem Blätterkranz ge- schmückt, ein langbekleideter bärtiger Mann, also Tyndareos; die linke Hand hat er im Gewand, mit der Rechten hält er einen langen Zepter. Von links her ist ein Jüngling zu Pferd zu dem Altar herangeritten. Er wendet den Kopf nach dem Genossen, der, von seinem Pferd herab- gestiegen, es mit der rechten Hand am Zügel zu halten scheint. Die beiden Jünglinge sind die Dioskuren. Beiden, die sonst in der Kleidung verschieden sind, hängt der Petasos im Nacken, und jeder trägt zwei Lanzen. In der Zeichnung ist vom zweiten Pferd nur der Vorderteil angegeben. Vom ersten verschwindet der Rücken hinter dem zweiten Dioskuren. Gerade hier hat die Vase eine Lücke, doch ist der Zu- sammenhang klar. Nach der Abbildung bei Brızıo sieht es so aus, als ob der rechte Hinterhuf des vordersten Pferdes noch vorhanden sei. Wien, Antikensammlung. Rotfiguriger Glockenkrater. Taf. VI], ı. Nach der gefälligen Mitteilung von Hrn. RoBERT von SCHNEIDER, dem ich auch die Photographie verdanke, ist das in Athen erworbene Gefäß, 0,213 hoch, im Durchmesser innen gemessen 0,165, oben am Mün- dungsrand 0,235, aus mehreren Stücken zusammengesetzt. Auf der Rückseite drei Mantelfiguren. Das Viereck zur Rechten der Leda ist rot ausgespart; das links ist weiß mit Spuren von Gelb, ähnlich dem Ei auf dem Altar. In der Mitte des Hauptbildes sieht man einen, aus großen Steinen aufgeschichteten Altar mit einer Deckplatte. Auf diesem liegt, auf Zweige gebettet, das große Ei. Dicht am Altar steht, mit der rechten Hand zwei Lanzen aufstützend, die linke in die Hüfte gestemmt, in Chlamys und den Petasos im Nacken, ein Dioskur, hinter ihm, in derselben Kleidung, ebenfalls zwei Lanzen in der rechten Hand, sein Bruder. Auf der anderen Seite eilt eine Frau — Leda — mit er- staunt erhobenen Händen, den Kopf nach dem Ei zurückwendend, nach links hin vom Beschauer, wo ein bärtiger Mann — Tyndareos —, im Mantel auf einen Stab gestützt, sich die Szene ansieht, auch er- staunt, wie man aus der Bewegung des rechten Armes abnehmen kann. Die drei männlichen Gestalten haben Schmuckbinden mit Blättern im Haar. Auch das Haar der Leda ist mit einem Blätter- kranz geschmückt. Sie trägt Armbänder; am rechten Ohr ist der Ohr- schmuck erkennbar. Im Hintergrund sieht man zwei Votivtafeln an- gebracht. Nach der Form des Altars ist es ein ländliches Heiligtum im Freien, in dem der Vorgang zu denken ist. Kekure von Sıravontrz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 695 Bonn (Abb. 4). Scherben von zwei rotfigurigen Vasen, über die mir Hr. Lorscnucke freundliche Auskunft gegeben hat, die eine er- wähnt von G. Hocx, Griechische Weihegebräuche, Würzburg 1905, S.44 Anm.ıg. Hr. Lorscacke schreibt: »1904 erwarb das akademische Kunstmuseum einige hundert Seherben rotfiguriger Vasen, die offenbar nicht in einer Nekropole oder in einem Heiligtum aufgelesen waren, sondern von dem Abfall einer Töpferei stammten. Mehrere Brennproben (Archäol. Jahrbuch XIV. S. 166 Anm.) und zahlreiche beim Brand mißratene Stücke machen das sicher. Nachträglich wurde glaubhaft festgestellt, daß die Scherben — natürlich ist nur ein kleiner, zufälliger Bruchteil nach Bonn gekommen — bei einem Hausbau in Athen gefunden waren, und zwar in der Nähe des Piräusbahnhofs. Die Scherben sind leider, bevor sie nach Bonn kamen, durch ungeschicktes Rei- nigen und Leimen zum Teil geschädigt worden. Nachdem sie mein Sohn SıEsrrıep geordnet hat, ergibt sich, daß die meisten Fragmente von größeren und kleineren Krateren derselben Form herrühren, wie die von Ihnen veröffentlichte Ledavase. Doch ist die Ausführung geringer. Mit Sicherheit läßt sich nachweisen — und auch das spricht für Herkunft aus einer Töpferei —, daß dieselbe Kompo- sition leicht variiert in mehreren Exemplaren vorliegt, z. B. mehrmals Theseus und Minotauros; Hermes, den Argos tötend usw. Auch von dem Ledabild waren zwei Exemplare vorhanden. I. Zur Vorderseite desselben Kraters gehören sicher Nr. 12 16a —f. In der Mitte der bekränzte Altar, darüber im Grund der Dreifuß (e). Sitzungsberichte 1908. - 65 696 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. Links stehen die Dioskuren in Chlamys, Hut, hohen Schnürschuhen, jeder zwei Lanzen in der Hand (c Lanzenspitzen). Von links oben fliegt auf den Altar zu der Adler des Zeus. Leda ist von rechts an den Altar herangetreten und hebt staunend die Hände. Hinter ihr steht Tyndareos mit dem Zepter. Möglicherweise ist auf Fragment g der Kopf der Leda erhalten [der Kopf scheint dafür zu klein. R. Zaun]. Von der Rückseite desselben Kraters stammen sehr wahrscheinlich Scherben, die den bärtigen langgewandeten Dionysos zeigen, in der Linken den Thyrsus. Ihm steht mit hochaufgesetztem Fuß eine Mä- nade gegenüber, die ihm den Kantharos vollschenkt. Hinter Dio- nysos Reste eines flöteblasenden Silens. Eine Säule deutet das Hei- ligtum an. I. Von dem zweiten Exemplare der Auffindung des Eies ist nur eine Scherbe nach Bonn gekommen, auf der Kopf, linke Schulter und Kontur des Armes der Leda und Kopf und Oberkörper des Tyndareos erhalten sind. « Hr. LoxscukeE hatte die große Gefälligkeit, seine brieflichen Mit- teilungen mit Photographien zu begleiten und mir die Bruchstücke selbst zur Einsicht einzusenden. Danach ist die auf ein Viertel ver- kleinerte Zeichnung (Abb. 4) hergestellt und die vereinzelte Scherbe zur Ergänzung benutzt worden. Sie trifft mit dem andern Exemplar in den Gewandfalten der Leda Strich auf Strich überein, läßt sich aber nur in der Zeichnung einsetzen, nicht im Original, weil dazu bei I zuviel erhalten ist. Bari, im Museum. Rotfiguriger Glockenkrater mit Phlyakendar- stellung. In Bari gefunden. Mit auf dieses Gefäß bezieht sich die Fundangabe von M. MAver in den Römischen Mitteilungen XIX (1904) S. 210: »Im Innern der Stadt am Corso, gegenüber Via Sparano, fanden sich Gräber des IV. Jahrhunderts, z. B. mit Phlyakenvasen « (Taf. VII). Die Kenntnis und die Photographien der Vorderseite ver- danke ich der Güte der HH. Dr. M. Mayer und Dr. Zaun. Höhe 0,34. Bildhöhe 0,15. Tonobertläche rot gefärbt. Auf- gesetztes Weiß mit gelbem Firnis. Eine Spielbude ist aus Brettern im Freien aufgeschlagen; damit die Zuschauer nicht unten hineinsehen können, ist ein lose gespannter Stoff angenagelt. Auf der so improvisierten Bühne steht am Boden ein großer Korb. In diesem, zwischen Tüchern, aufgerichtet das gewaltige Ei, aus dem gerade aufrecht stehend Helena herauskommt. Sie hat langes Haar, das schon im voraus mit einem Lorbeerkranz geschmückt ist. Der linke Arm ist dicht am Körper, die rechte Hand streckt sie dem Phlyaken entgegen, der in den erhobenen Händen ein gewaltiges Doppelbeil schwingt. Offenbar hat er gerade Kerure von Srravonıtz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 697 das Ei zerschlagen und holt zum neuen Schlag aus, als das frisch geborene Geschöpfehen vor ihm ans Licht tritt. Zum Stillehalten, damit er das Kind nicht verletze, ruft ihn, die Hand eilig erhebend, sein Genosse auf. Daß die Szene in einem geschlossenen Raum ge- dacht ist, zeigt das kleine Fenster im Hintergrund und links die halb geöffnete Tür, durch die eine Frau neugierig hereinsieht. Der Phlyake geht mit dem Ei, das bei solcher Größe freilich auch eine dicke harte Schale haben muß, um, wie Prometheus oder Hephäst mit dem Schädel des Zeus. Die Frau in der Tür ist Leda, die das Kind aufziehen soll. Das ist der natürlichste Gedanke. Aber wer kann wissen, was für lustige Witze die italischen Spaßmacher in ihren Schnurren vorgebracht haben und wie und von wem das unheimliche Ei nach Sparta in den Königspalast und das Gemach der Leda ge- bracht worden ist. Es kann ja auch von Nemesis ausgesetzt oder gar vom Himmel gefallen sein, so daß es die Phlyaken finden und darauf losschlagen, wie die Silene auf den riesenhaften Frauenkopf, der aus der Erde hervortaucht. Das Bild der Rückseite finde ich nicht angegeben. Es muß also ohne Belang sein, wohl einige »Mantelfiguren«, wie sie in dieser Vasengattung oft vorkommen. Gerade da lassen sie sich leichter als sonst in einen gewissen Zusammenhang mit der Hauptdarstellung bringen als bei der Aufführung anwesend, und darauf führt auf dem Vasenbild mit Chiron und Xanthias' der dabeistehende Jüngling, der ganz gewiß kein Schauspieler, sondern ein möglichst dicht heran- getretener Zuschauer ist. Berlin Inv. 4533. Rotfigurige Hydria. Campanische Fabrik. Höhe 0,415. (Taf. IX.) Aus Unteritalien, ohne genaue Angabe des Fundorts. Aus vielen Stücken zusammengeklebt. Einige Absplitte- rungen. Die Mitte der Vorderseite nimmt ein auf einer großen Stufe auf- gestellter Altar ein. Auf diesem steht das Ei, aus dem die kleine Helena, mit dem Oberkörper schon herausragend, hervorkommt. Sie streekt die beiden Ärmehen vorwärts nach Leda, die in lebhafter Be- wegung auf die Stufe auftretend und vorgebeugt mit beiden Händen ! Heypesann, Archäolog. Jahrbuch I (1886) S. 287, x. Dörrrern und Reısch, Das griechische Theater S. 3zıf.x. Hier sieht man den nach der Seite hin unter die Bretterbüline gespannten Stoff, da hier die Zuschauer so wenig hineinsehen sollen als von vorn. Sehr deutlich ist der nach vorn abschließende angenagelte locker gespannte Stoff auf dem Vasenbild bei Reısca S. 223, xır. Die geöffnete Tür kommt mehrfach vor. So bei Heyornann D=v. Sauıs, De Doriensium ludorum in comoedia Attica vestigiis (Basel 1905) S.2ı — eine Vase, die der in Bari auf das engste verwandt scheint —, auf dem Krater des Assteas Berlin 3044, Hevvemann P, WinnEreıo, Bonner Studien S.168, Reısch S. 316f. vır und Heypemann d. 65* 698 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. das Kind am rechten Arm anfaßt, um ihm weiter herauszuhelfen. Leda gegenüber steht, etwas hinter den Altar zurücktretend, Tyndareos mit bekränztem Haupt, im Mantel, mit dem Zepter in der Rechten, und sieht aufmerksam auf den Vorgang herab. Hinter ihm, wie nach Leda, folgt je ein Dioskur, neben seinem Pferde stehend, das er am Zügel hält. Beide Dioskuren sind mit auf den Rücken herabhängender Chla- mys, mit hohen Stiefeln und Spitzhut bekleidet und halten jeder zwei Lanzen. Quer über die Brust hängen die weiß gemalten, perlenartigen Schmucekbänder, die auf Vasenbildern der gleichen Gattung so oft vor- kommen; auch Tyndareos ist mit einem solchen Schmuckband versehen. Der Dioskur hinter Leda hält die rechte Hand vor das Auge, als ob er in die Ferne sehen wolle. Über dem einen Henkel ist ein liegender Jugendlicher Jäger mit Lanze in der rechten Hand angebracht, über dem Henkel auf der andern Seite ein laufender Hund mit Perlhalsband. Der Jäger und sein Hund haben mit dem Hauptbild so wenig Zu- sammenhang wie die drei Frauenköpfe in dem Ornamentstreif an der Schulter des Gefäßes. Die beiden Pferde sind in der Farbe des Tons gelassen. Weiß, das mehrfach abgeblättert ist — so zum Teil am Ei —, ist das Ei, der Altar und die Stufe, ebenso sind die Mützen der Dios- kuren mit den Mützenbändern, am 'T'yndareos der Kranz: aufgehöht ist überall der perlartige Schmuck. Nicht ohne weiteres zu verstehen, aber zweifellos hier anzuführen ist die kleine rotfigurige Lekythos in Berlin 2430, auf die ich noch zurückkomme. Taf. VII, 2. Festschrift S.7 und 26. Die Beschreibung bei Furrwänster lautet: »Höhe 0,144. Nola. Aus Stücken; teilweise etwas übermalt. ... Oben und unten Eier- stab. — Eigeburt. Leda steht nach links (einfacher großfaltiger dori- scher Chiton mit Überschlag, Sphendone und Schmuck); sie steht in sinnender Betrachtung, die Rechte ans Kinn legend und den rechten Ellbogen auf die linke Hand stützend, vor einem Altare (eine Stufe, oben Voluten), auf welchem ein großes Ei sich erhebt, aus dem (aus einer ovalen Öffnung) ein kleines Knäbchen (mit Periammata um die Brust) herauskriecht und ihr die Arme wie bittend entgegenstreckt. « Fast alle Erklärer halten das Kind für männlich, nur CAvEDoNnNI für weiblich. Das Original ist gerade an der Stelle, die über das Ge- schlecht entscheiden muß, etwas verletzt. Aber nach vielfach wieder- holter Betrachtung halte auch ich es für zweifellos, daß ein Knäbchen gemeint ist. Das Kind sieht genau so aus wie die Knäbchen auf den vielen kleinen Kinderspielväschen. Unter den seit 1879 hinzugekommenen bildlichen Zeugnissen ist keines, das nicht irgendeinen neuen Zug hinzubrächte, aber sie sind an Wert ungleich, und einige bieten völlig Unerwartetes. KrkurE von Srranontrz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 699 Die Vase in Bologna führt die Dioskuren als Reiter vor, den einen auf dem Pferd, den anderen neben dem Pferd. Wie auf C, wird hinter dem Altar die Säule mit dem daraufgestellten Dreifuß sichtbar, und ebenso auf dem Bruchstück in Bonn. Auf dem zweiten Wiener Krater ist Leda in lebhafter Bewegung, wie davoneilend. Ebenso eilt sie auf der Schale des Xenotimos, und zwar hier doch unzweifel- haft deutlich ausgesprochen, davon. Hier zum erstenmal ist der Adler auffällig neben das Ei auf den Altar gesetzt, während er auf © und der Bonner Seherbe vom Himmel herabkommt. Hier zum erstenmal ist in der Hauptszene außer Leda noch eine Frau, Klytämestra, an- wesend, und auf dem Gegenbild der Vorgang durch die Nebenfiguren dreier Frauen weiter ausgemalt. während hier zum erstenmal die bei- den Dioskuren fehlen. Auf der Berliner Hydria kriecht. hier und auf dem Phlyakenbild zum erstenmal, Helena aus dem Fi heraus. Auf der Berliner Hydria von Leda empfangen. Die Dioskuren erscheinen mit ihren Pferden wie auf dem Krater in Bologna, diesmal beide neben ihren Pferden. Die vorgebeugte Haltung der Leda ist ganz ähnlich wie auf der Vase in Palermo D, auf der das Fi noch geschlossen ist. Auf dem Phlyaken- bild des Kraters in Bari endlich fehlt zum erstenmal der Altar. In einem großen Korb mit Kinderwäsche oder Frauenkleidern steht das große Ei, aus dem Helena herauskommt. Tyndareos und die Dios- kuren fehlen. Dabei sind nur die beiden Phlyaken, vor der Tür eine Frau, vermutlich Leda. Als ieh in der Bonner Festschrift die damals bekannten hierher- gehörigen Vasenbilder zusammenstellte und ihre Deutung gab, schien mir das Gemälde auf dem ein paar Jahre vorher für das akademische Kunstmuseum erworbenen Krater das reinste und beste Beispiel der uns erhaltenen bildlichen Darstellung des Mythos, die anderen Beispiele, in Figuren und Zubehör wechselnd, wie Varianten und Erweiterungen des in sich abgeschlossenen und genügend verständlichen Stoffes. Ich darf, zusammenfassend, das Wesentlichste aus meiner Erklärung wieder- holen: Auf einem mit einem Blätterkranze umschlungenen Altar liegt ein Ei. Es ist sorgfältig auf weiß gezeichnete Zweige aufgelegt, die nach rechts und links schräg in die Luft stehen. Von links tritt eine Frau heran. Sie neigt den Kopf vorwärts, den Blick auf‘ den uner- warteten Fund des Eies auf dem Altar gerichtet, und hebt erstaunt und betroffen beide Hände »AlcIı AA TIOTA ÄHAAN YAKINBINON TIETIYKAAMENON WION EYPHN. 700 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. Hinter Leda steht ihr Gemahl, König Tyndareos. Hoch oben über dem Altar ist ein Bukranion. Das Heiligtum, in dem wir uns befinden, ist das des Zeus. Rechts neben dem Altar ist auf einer Säule die Bildsäule des Gottes aufgestellt, nackt, bärtig, mit der linken Hand ein Zepter haltend, in der Rechten eine Schale. Rechts folgen die Zwillingssöhne der Leda, die Jünglinge Kastor und Polydeukes. Sie sehen, obwohl bescheiden zurückstehend, aufmerksam auf das Ei hin, aus dem ihnen die Pflegeschwester entspringen wird TOIc A& META TPITÄTHN ENENHN TPEGE BAYMA BPOTOICIN, THN TIOTE KanniKoMoc NEMECIC #IAÖTHTI MITEICA ZHN| BE@N BacıaaI TEKEN KPATEPÄC YTT ANÄTKHC. Es ist eine Handlung, ein Vorgang, eine bestimmt auszudenkende Szene innerhalb des vorwärtsschreitenden Ganges der Sage, wie sie der gestaltenden Kraft bildlicher Erzählung angemessenen Anlaß zum Ausformen und Festhalten bieten konnte. Von meiner Auslegung fühlte sich Bexnporr nicht völlig befriedigt. In einem kleinen Aufsatz, der in Worrcane Reıcnrrs Abhandlung über vorhellenische Götterkulte (Wien 1897) S. 485 —50 mitgeteilt ist, fordert er zu neuer Prüfung und schärferer Erklärung der ihm damals bekannten Vasenbilder auf. Ich versuche die Gesichtspunkte, die Benxporr dabei leiteten, herauszuheben: »Die Worte der Sappho, deren ursprünglicher Zusammenhang unbekannt ist, schließen den Fund des Eies im Freien, was das an sich Natürliche ist, keineswegs aus. In sämtlichen Bildern sieht man aber das Ei innerhalb eines durch Säulen, Weihgeschenke oder ein Kultbild geschilderten Heiligtums hingelegt auf den Altar, also einen der Entdeckung des Eies nachfolgenden späteren Moment der Erzählung beabsichtigt, den auch die Bildwerke selbst deutlich genug anzeigen. Immer umstehen den Altar Leda, Tyndareos und die Dioskuren; zuweilen ist Hermes gegenwärtig, oder er entfernt sich wieder, nachdem er das Ei überbracht, und unter eindrücklich vari- ierten Gebärden von Spannung oder Staunen fixieren die Versammelten das Ei mit ihren Blicken. Leda als Pflegemutter ist überall hervor- gehoben, und einmal betätigt sie sich mit beiden Händen so wunderlich an dem Ei, daß es nicht wohl mißverständlicher ausgedrückt sein könnte, wenn sie es als solches anfassen, aufheben und an sich nehmen sollte. Ihr scheinbar ungeschicktes Zugreifen muß einen gewichtigeren Zweck verfolgen ..... « Bei der Vase in Bologna hat Brızıo das Erstaunen der Leda und der übrigen Anwesenden dadurch erklärt, daß sie sehen, wie das Ei sich bewegt. So denkt sich auch Bexxporr den Zusammenhang, und er will dafür sogar die früher mißverstandene in den Vasenbildern selbst und deren Abbildungen unregelmäßige Form des Eies verwerten. KekuLE von Srravontiz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 701 »Leda — so fährt Bexnnorr fort — und die Ihrigen sind nicht als glückliche Finder überrascht, sondern, weil sie das im Ei plötz- lich sich entwiekelnde Leben erblicken und erkennen, wie ängstlich Wartende erregt, daher Leda wie eine Geburtshelferin schon sich an- schiekt, die Kommende zu empfangen.« Bexsporr vergleicht hier die Berliner Lekythos: »Das Bild zeigt eine weibliche Gestalt, nachdenk- lich stehend einem Altar zugewandt, auf dem man wieder ein großes Ei sieht, und das Ei schnellt wieder von ihm empor, weil ein in den Dotter eingezeichneter Götterknabe mit allen Kräften dem Lichte zustrebt. « BEnnporr führt endlich, andeutend und mehr fragend, aus, für eine Anschauung, in der der Altar als Sitz und Thron des unsicht- baren Gottes galt oder noch verständlich war, habe das auf den Altar des Zeus niedergelegte Ei der Nemesis als im Schoße des unsichtbaren Zeus geborgen gelten müssen. Er erinnert an die wunderbare Zeitigung des Dionysos und schließt mit den Worten: » Wie die Entstehung des Eros Protogonos oder des Dionysos aus dem Ei, worauf das Berliner Vasenbild nicht ohne Grund bezogen wurde, war gewiß auch diejenige der Helena Aphrodite aus dem himmelfarbenen Weltei orphisch, denn das Yakineinon wıon der Sappho, das bis in die neueste Zeit mit Kon- Jekturen bedacht wurde, ist unantastbar.« Wenn ich auf dem hier eingeschlagenen Wege meinem verstorbe- nen Freunde bei aller Bereitwilligkeit, die wir beide hatten uns gegen- seitig nachzugeben, nicht folgen kann, so fühle ich mich um so mehr gefördert durch den Anfang seiner Darlegung, obwohl ich auch hier mancherlei anders bestimmen und auffassen möchte. Denn jede bild- liehe Darstellung, wenn sie einen Mythos in wenigen Hauptfiguren in einen einzigen Vorgang glücklich und ausdrucksvoll zusammenfaßt, ist gleichsam eine Epiphanie, ein einmaliges den ganzen Inhalt erschöpfen- des Bild. Durch göttliche Fügung tritt Leda mit den Ihrigen zum Altar, wo sie das Ei findet. Das Wunder muß, soweit das Bild es überhaupt deutlich aussprechen kann und will, sich sofort vollziehen, und es kommt dabei wenig darauf an, wie Ledas Zusammenführung mit dem Ei motiviert war, was man sich verschieden ausdenken kann. Auch wenn nur das Ei und nicht die daraus sichtbar entspringende Helena den Mittelpunkt der Szene bildet, ist sie klar und verständ- lich. Die beiden Vasenbilder, die Bexsporrs Forderung erfüllen, hat er nicht mehr kennen lernen. Auf die Schale des Xenotimos, die, als Reıcners Buch erschien, längst bekannt war, ist er nicht eingegangen. Und doch läßt diese sich, jetzt wenigstens, für seine Auffassung ver- werten. Hier fallen jedem Beschauer am entschiedensten, in den Mittel- punkt der ganzen Szene gerückt, das Ei und der Adler nebeneinander 702 Gesammtsitzung vom 25. Juni 1908. — Mittheilung vom 5. März. auf dem Altar in die Augen. Offenbar will der Adler das Ei auf- picken und so der im Ei verborgenen Helena die Hilfe geben, ohne die sie nicht herauskann. Also ein unverkennbar deutlicher Hinweis auf das, was vorgeht, aber selır viel zurückhaltender und in naiver Andeutung feiner als die derbe Schilderung auf der neuen Berliner Vase, deren Leda die auf der Palermitaner in der Haltung entspricht. Auf der Schale des Xenotimos weicht Leda erstaunt zurück, ebenso auf der zweiten Vase im Wiener Museum. Daher werden wir auf den andern Vasenbildern in dem so gleichartig wiederkehrenden Gestus der Leda, die beide Hände erhebt, doch wohl auch nieclıts anderes als eine unwillkürliche Bewegung des Erstaunens zu suchen haben. Unter den bisher besprochenen Vasen sind die meisten attische Ware. Die älteste ist die Schale aus der Werkstatt des Töpfers Xenotimos. Sie gehört in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts und wird in den Jalıren 450—440 entstanden sein. Sie ist stilistisch und durch die selbständige, lebhafte und freie Auffassung besonders anziehend. Zu den wenigen Hauptfiguren gesellen sich wie in einer epischen Episode die Nebenfiguren, in denen der wunderbare Vorgang zierlich und breit ausklingt. Der Zeit nach folgt wohl zunächst der Krater in Bologna etwa um 440. Er macht mit dem ersten Wiener Krater, in meiner Aufzählung in der Festschrift A, mit dem Bonner Krater A' und den in Athen gefundenen Bruchstücken, die man wie A und A' zwischen 430 und 420 setzen darf, eine besondere, be- stimmt erkennbare, kleine Gruppe aus. Dieser sind zuzurechnen auch Ü, dessen Verbleib unbekannt ist, B, in Petersburg, und endlich der zweite Wiener Krater, bei dem die davoneilende Leda an die Leda auf der Schale des Xenotimos erinnert. Ü mag etwa 410, B etwas später, um 400, entstanden sein, um 400 auch der zweite Wiener Krater, der nicht sehr sorgfältig ausgeführt ist, aber der Gattung nach zu den etwas älteren attischen Gefäßen zu zählen ist. In dieser Gruppe hat die Petersburger Vase B die Form der sogenannten Pelike, die Form von © ist nicht bestimmt angegeben. »Als Gefäßform darf die eines Kraters, als Fabrikort vielleicht S. Agata de’ Goti voraus- gesetzt werden« sagt GERHARD, aber er hat wenigstens zeitweise die Gefäßform, die wir jetzt Glockenkrater zu nennen pflegen, als »Oxy- baphon« von dem Krater geschieden, der unserem Kelchkrater ent- spricht. Alle übrigen sind Glockenkratere. Es liegt also der schon mehrfach beobachtete Fall vor, daß ein und dieselbe Darstellung melır- fach auf derselben Vasenform wiederkehrt', und die Bonner Scherben ! Fr. v. Dunn, De pietura quadam eidem furmae vasculari eaden semper fere inducta in den Commentationes in honorem Franeiseci Buecheleri Hermanni Useneri editae a societate pliilologa Bonnensi, Boun 1873. KERULE von Srrapontrz: Die Geburt der Helena aus dem Ei. 703 lehren sehr anschaulich, wie in einer Werkstatt dieselbe Vorlage so- gar Strich für Strich wiederholt worden ist. In das frühe 4. Jahrhundert gehört die Phlyakenvase in Bari. Jünger ist die Berliner Hydria, die aus einer campanischen Werkstatt stammt; sie wird in die späteren Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts ge- hören. In der Haltung der Leda, die das Ei anfaßt, verwandt ist ihr die Vase in Palermo, D. Hryoprmann hatte sie etruskisierend genannt, ich geradezu etruskisch, ohne Zweifel wegen des Gegenbildes mit Charon. Welcher Lokalfabrik sie entstammen mag, sie wird keines- falls vor dem Ende des 5. Jahrhunderts entstanden sein, eher später. Ich kenne weder das Original noch eine ausreichende Abbildung. Bei diesem Vasenbild muß man wohl annehmen, daß es nicht aus selb- ständiger mythischer Auffassung und Gestaltung entstanden ist, son- dern ausschließlich aus der vergröbernden Weiterbildung der attischen Vorlagen. Dasselbe ist möglich bei der Berliner Hydria. Aber eine solche Erklärung reicht nicht aus für die Phlyakenvase, die nicht aus bildlicher Tradition, sondern nur aus dem aufgeführten Bühnen- spiel geschöpft sein kann. Sie ist übrigens, wie mir scheint, auch literargeschichtlich wichtig. Gar oft sind die ronai der Götter in den Komödien lustig travestiert worden. Hier trifft das Spiel, das die Phlyaken in Süditalien auf offenem Markt in ihrer Bretterbude auf- führten, wenigstens im Thema mit der Komödie des Kratinos zusammen. Ich muß hier nochmals auf die Berliner Lekythos zurückkommen, in der ich weder den Eros Protogonos noch irgendeine andere theo- gonische oder orphische Verkörperung sehen kann, sondern, wie das FurrwäÄnster nach seiner kurzen Beschreibung, ohne es auszusprechen, angenommen zu haben scheint, nur die mißverständliche Benutzung einer typischen Darstellung. Aber daraus folgt eine wichtige Tatsache. Die Lekythos ist um 450 bis 440 in Athen verfertigt worden. Damals also war in den Töpferwerkstätten eine bildliche Darstellung bekannt, die das Ei mit der kleinen Helena drinnen in ähnlicher Weise zeigte, wie wir es hier sehen, wie auseinandergeschnitten, um den wunder- baren Inhalt deutlich erkennen zu lassen. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1908. 66 A 2. Er 5 “ Er Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. KERULE von Stranonitz: Geburt der Helena aus dem Ei. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. VII. KEKULE von STRADONITZ: Geburt der Helena aus dem Ei. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1909. Taf. VII. E33 PEFRLN KEkuLE von Stranonitz: Geburt der Helena aus dem Ei. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1908. Taf. IX. K£kurE von Stranonitz: Geburt der Helena aus dem Ei. S BZ Par u a = h ’ ise De auch in weiterer Ausführung. in utscher Sprache veröffentlicht sein oder Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- dem redigirenden Secretar vor der Ausgabe in demischen Schriften zur Kenntniss kommen, so er die Mittheilung aus diesen zu entfernen. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissen- chaftlichen Mittheilung dieselbe anderweitig früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies nach den gel- re Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- g der Gesammt -Akademie. r Gedächtnissreden anderweitig zu veröffentlichen ist n' Verfassen unbeschränkt gestattet. f Aus $ 21. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken # Regel Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Ba. har Aus $ 22. een Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- en und über die zur ae geeigneten ge- x Die Di in den ‚Schriften der Akademie erscheinenden Mittheilungen ‚werden mit vorgesetztem Stern nee “ Wissenschaftliche Mittheilungen fremder Verfasser werden in dem Bericht über diejenige Sitzung aufgeführt, i in welcher deren Aufnahme in die akademischen Schriften endealtig beschlossen wird. Aus $ 27. Das Manuscript einer in einer akademischen Sitzung anı Donnerstag zur Aufnahme in die Sitzungsberichte zu- gelassenen Mittheilung, welche am nächsten Donnerstag gedruckt erscheinen soll, muss der Regel nach in der Sitzung selber, spätestens bis Freitag 10 Uhr Morgens dem redigirenden Seeretar oder der Reichsdruckerei druck- fertig zugestellt werden. Später eingereichte Manuseripte werden, mit dem Präsentationsvermerk des redigirenden Seeretars oder des Archivars versehen, für ein späteres Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn herein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgend welchen Gründen be- sondere Schwierigkeiten erwarten lässt, oder welche den in $$ 3 und 4 enthaltenen Bestimmungen nicht entsprechen, Die Reichsdruckerei versendet spätestens am Montag Abend die Correeturen an die hier wohnenden oder an- wesenden Verfasser, oder an die Mitglieder, welche die Mittheilung vorgelegt haben, mit der Angabe, dass sie dieselben am Dienstag Abend wieder abholen lassen werde; wünscht jedoch die mit der Correetur betraute Person Revision zu lesen, so muss sie die Correetur bereits Dienstag früh an die Druckerei zurückliefern. Wird die Correetur länger als bis Dienstag Abend von der damit be- trauten Person behalten, so hat diese es zu verantworten, wenn die Mittheilung in einem spätern Stück erscheint. Nach auswärts werden Correeturen nur auf Verlangen versandt; die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilung nach acht Tagen. Fremden Verfassern, deren Correcturen erst noch dem vorlegenden Mitgliede zur Revision unterbreitet werden müssen, kann das Er- scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden. Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten. oe a Bi Abhandlungen der Akademie. } sen aus dem Jahre 1905 . . . . . » RR ao, u ee, Daraus: Physikalische Abhandlungen . . DIENEN, % 19.50 = Philosophische und historische Abhandlungen” HR DER ee 77 Se 30.— B. F / handlungen aus dem Jahre 1906 . . . . . - De N ee OR ft 65.— f _ Daraus: Physikalische Abhandlungen . . . a RE OR I AR » Mathematische Abhandlungen. . . ng Ba ee | » Philosophische und historische Abhandlungen le) Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1905 und 1906. xıs: Über drei neue Handschriften des syrisch-römischen Rechtsbuchs . . . . . - A 2.50 Se; a E. Fraas: Das kryptovulcanische Becken von Steinheim . . ent 2.00 ers: Die Handschriften der antiken Ärzte. I. Theil. Hippokrates und Talea eg wtHEyY: Die Jugendgeschichte Hegels . . . ” 8— Krem: Studien über Meteoriten, vorgenommen auf Grund des Materials der Sammlung der Uni- versität Berlin . . . RE anco: Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Paläontologie er nd. krates und Galenos . rer: Sumerier und Semiten in Babylonien . . tumpr: Erscheinungen und psychische Functionen . mpr: Zur Eintheilung der Wissenschaften . . ® H ca und E. Fraas: Die Tertwıc und H. Porz: Zur Biologie der Mäusetumoren . SacHau: Drei aramäische Pa a upaden aus Blephantine ‚agerungsverhältnisse Bunter Breccie an der "Bahnlinie Donauwörth- BEESRphihuEn und ihre Bedeutung für das Riesprobem . » » 2... nn B— : Die Handschriften der antiken Ärzte. II. Theil. Die Bee griechischen Ärzte ausser er Hippo- R 7.— Dresser: Fünf Goldmedaillons a aus dem "Funde von " Abukir . SR a Eee een ea Tl 9 a » 1.50 H . 2 N) & 5 . „» 4 2.50 J. Sırszr: Untersuchungen über die Ätiologie der Pocken und der Maul- und Klauenseuche . J. Sırerr: Untersuchungen über die Ätiologie des Scharlachs . s J. Sıeser: Untersuchungen über die Ätiologie der Syphilis . J. Hırscnpere: Die arabischen Lehrbücher der Augenheilkunde 2 O. Kauıscuer: Das Grosshirn der Papageien in anatomischer und physiologischer Beziehung € M. Sımter: Die geographische Verbreitung von Mysis relicta, Pallasiella Erg as affinis in Deutschland als Erklärungsversuch ihrer Herkunft. B. Srurrert: Prolegomena zu einer Wıerranp-Ausgabe. IH. IV... L. Borcnarpr: Nilmesser und Nilstandsmarken . . A E. Lirruası und D. Krexexer: Vorbericht der Deutschen Aksumexpedition E L. Enınoer: Über das Gehirn von My.xine glutinosa N. Herz: Sterncatalog für die Zone von 6° bis 10° südlicher Declination. Erste Abtheilung H. Beexu: Die tibetische Übersetzung von Kälidäsas Meghadüta . K. Gonrsanovic-KrAmBERGER: Die geotektonischen Verhältnisse des Agramer Gebirges und die mit denselben im Zusammenhang stehenden Erscheinungen Be N. Herz: Sterncatalog für die Zone von 6° bis 10° südlicher Declination. Zweite "Abtheilung. O. Franke: Eine chinesische Tempelinschrift aus IdikutSahri bei Turfan (Turkistan) . . . Sitzungsberiehte der Akademie. Preisides Jahrgangs" - =... 2000, u en a En a ee Sa a Sonderabdrucke. Il. Halbjahr 1907. van’t Horr: Untersuchungen über die Bildung der oceanischen Salzablagerungen. LI . . . . H. Bückıse: über die Phonolithe der Rhön und ihre Beziehungen zu den basaltischen Gesteinen VaAnten: kritische Bemerkungen zur Verstechnik des Plautus . . ». ». . 2 2 2 2 200. F.N.Fınck: die samoanischen Personal- und Possessivpronomina . » » 2 2 22...» Tosrer: altital. adonare . . ® Hermert: Bestimmung der Höhenlage der Insel Wangeroog durch tigonometrische, Messungen im Jahre 1888 . . . . . ls ln Be a ee KorniosBERGER: der Green’sche Satz für erweiterte Potentiale - 2 2.22.20. Scuorrtky: über zwei Beweise des allgemeinen Pıcarn’schen Satzes F. TannHÄuser: Ergebnisse der petrographisch - Be Untersuchungen des Neureial Gabbro- zuges in der Grafschaft Glatz. . . ; K. Prrers: die Datirung des preussischen Privilegium- enerale de non "appellando llimitatum . von Wıramowırz- MoELLENDORFF: zum Menander von Kairo . ZIMMERMANN: über grosse Schwingungen im widerstehenden Mittel und ihre "Anwendung zur Be- stimmung des Luftwiderstandes ScHortky: über Beziehungen zwischen veränderlichen Grössen, die auf” gegebene Gebiete be- £ schränkt sind Mertens: über die ‚eyklischen Einheitsgleichungen von | Primzahlgrad i in dem Bereich der Qusdrat wurzel aus einer negativen Zahl . . J. Harrııann: eine Verbesserung des Fovcaurr’schen Messerschneiden -Verfahrens "zur Unter- suchung ‘von’ Fernrohrobjectiven 71. eu we nen Er Er ee BEE ee Harnäce; zwei Worte/desun "u kir.y 0 0 Augen. lem Lara Uhealele Ute EHRE SEN Fer Be Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1908. Nernst: zur Theorie der galvanischen Polarisation; Anwendung zur Berechnung der Reizwirkungen elektrischer Ströme . a NEE En Meyer: das erste Auftreten der Arier in der Geschichte . . J. RosEntHaAL: ZESIEBUDE a ter chemischer Verbindungen i im u schwankenden magnetischen Kraftfeld . - Bet SER De oe 2: MR N SW gr SU go 10 go d . 0 03 N 1. 0. en oe» soo „0o+ 1 1 N I Ay / NIAN INSTITUTION LIBR, ill | 01298 9 Il